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Full text of "Grundriss der Pflanzengeographie mit ausführlichen Untersuchungen über das Vaterland, den Anbau und den Nutzen der vorzüglichsten Culturpflanzen, welche den Wohlstand der völker Begründen"

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Estate of 
Dr. Herman Knoche 


California Academy of 


Sciences Library 


By action of the Board of Trustees of the 
Leland Stanford Junior University on June 
14, 1974, this book has been placed 
on deposit with the 
California Academy of Sciences Library. 


Digitized by the Internet Archive 
in 2012 with funding from 
California Academy of Sciences Library 


http://www.archive.org/details/grundrissderpfla00meye 


Grundrıss 


der 


Pflanzengeographie 


ausführlichen Untersuchungen 


uber 


das Vaterland, den Anbau und den Nutzen der 
vorzüglichsten Culturpflanzen , 


welche den Wohlstand der Völker begründen, 


von 


F.J.F. Meyen, . 


der Philosophie, der Medizin und der Chirurgie Doctor, und aufserordentl. 
Professor an der Königl. Friedrich Wilhelms - Universisät zu Berlin. 


Mutzeıiner'tafel 
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Berlin, 1836. 


Haude und Spenersche Buchhandlung. 


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(S. J. Joseephy.) 


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Dem 


Königlichen Preufsischen wirklichen Geheimen Staats - Minister 

und Minister der Geistlichen-, Unterrichts - und der Medizinal- 

Angelegenheiten, Ritter des schwarzen Adler - Ordens und des 
eisernen Kreuzes, etc. etc. etc. 


Herrn Freiherrn 


von Stein zum Altenstein 


Excellenz 


in tiefster Ehrfurcht gewidmet. 


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Inhalts - Anzeige. 


tung in die Pflanzengeographie ö 
Hauptsächlichste Litteratur für die Pflanzengeographie 


Erste Abtheilung. 


Ueber die climatischen Verhältnisse, welche 
das Vorkommen und die Verbreitung der 
Pflanzen bedingen 

Einflufs der Winde und der odomelenre es de re- 
gelmäfsige Vertheilung der Wärme und der dadurch 
bedingten Vegetation 

Ueber den täglichen Gang der Wäre 

Erklärung der grofsen Verschiedenheit zw is &hien Kisten! 
und Continental -Clima, und der daraus hervorgehen- 
den Verschiedenheit in der Vegetation 

Ueber die mittlere Wärme eines Ortes und a Bi 
flufs auf das Vorhandensein der Vegetation 

Bedeutung der Isothermen, der Isotheren und der Iscchiz 
menen für die Pflanzengeographie \ 

Parallelismus zwischen der Abnahme der Wärme an ur 
Veränderung der Vegetation von dem Aequator bis zu 
den Polargegenden, verglichen mit derjenigen, aus der 
Ebene in den Tropen, bis zu den Gipfeln der Gebirge 

Ueber die Höhe der Vegetationsgrenze in.den verschiede- 
nen Breiten derErde, welche im Allgemeinen mit der 
Höhe der ewigen Schneegrenze zusammenfällt . 

Die Wärme des Bodens wird ebenfalls als einflufsreich 
auf die Vegetation angesehen 3 

Ueber den Einflufs der Wärme, welche im Pebhlinge die 
Entwickelung der Blätter und Blüthen bedingt . : 

Einflufs der Feuchtigkeit der Luft und der Erde auf das 
Vorhandensein der Vegetation 

Ueber die Wirkung der Strömungen in der Luft und im 
Wasser auf die Verbreitung der Pflanzen durch Wan- 
derung 


Seite 


1 


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‘ 


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41 


45 


47 


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Zweite Abtheilung. 


Von den Verhältnissen, durch welche der Bo- 

den auf das Vorkommen und auf die Verbrei- 
tung der Pflanzen einwirkt 
Schwierige Erklärung der Ursachen, w Gute sit: Verhält 

| nisse des Bodens auf des Vorkommen der Pflanzen ein- 
wirken 

Betrachtung des Vor ne der Pflanzen in ihren ver- 
schiedenen Lokalverhältnissen . : 

4) Wasserpflanzen . $ . 

Meerespflanzen . ; ; 

Süfswasser -Pflanzen. 

Unter-Wasser- Pflanzen . 

Ober - Wasser - Pflanzen 

Seepflanzen 

Grabenpflanzen . 

Flufspflanzen 

Quellenpflanzen 

Salzpflanzen 

Amphibische und uberschwenmie Pflanzen } 

Strandpflanzen und Uferpflanzen . s ee 

Mangrove- Waldungen : 5 ; » 5 ; 

2) Landpflanzen. ; i ; 

- Einflufs des Bodens in a seiner geosno- 
stischen Zusammensetzung . ; « 

Sand- und Kiesel-Pflanzen 

Kalk-Pflanzen — Gips -Pflanzen — Tor Pflanzen 

Bruch-Pflanzen — Sumpf- Pflanzen 

Einflufs des Bodens in Hinsicht seines Ageressr 
Zustandes. 

Felsen-Pflanzen — Geschiebe-Pflanzen — Sand- Pflanzen 

Schutt-Pflanzen 


Einflufs des Bodens af 1% or den; 


Pflanzenin Hinsicht seiner Natur. e 
I. Vorkommen der Pflanzen auf anderen lebenden Pflanzen 
Wahre Parasiten 
Parasiten im Alldeiieisen 
Uneigentliche Parasiten 
Blatt-Pilze oder Exantheme der Pflanzen 
II. Vorkommen der Pflanzen auf todten organischen Stoffen 
IN. Vorkommen der Pflanzen auf Kunst-Produkten. 
Mauer - Pflanzen 
Dach -Pflanzen . 


Seite 


67 


70 
70 
1 


VII 


Bretter-Pflanzen, Schutt- und Geröll-Pflanzen 

Einflufs des Bodens in Hinsicht seines Cultur- 
Zustandes. 

I. Pflanzen auf angebauetem Boden ; 

Feld-Pflanzen — Bruch-Pflanzen — Garten - Pilänzen: 
Garten- Unkräuter — Stein-Pflanzen — Zaun-Pilanzen 

1. Pflanzen auf unangebauetem Boden 

Feld-Pflanzen — Wüsten -Pflanzen 

Wiesen - Pflanzen 

Waide -Pflanzen 

Heide - Pflanzen 

Berg -Pflanzen . 

Gesträuch-Pflanzen . 

Wald-Pflanzen . 


Ueber das gesellschaftliche Wachsen der Pflanzen 


Begriffs-Bestimmungenüber das Vorkommen und 
‘ die Verbreitung der Pflanzen ’ 

Das Vorkommen der Pflanzen 

Die Verbreitung der Pflanzen . 

Breiten-Zone der Pflanzen 

Höhen-Zone oder Regionen der Pflanzen ö 

Polar- und Aequatorial-Grenze des Vorkommens der Piaven 

Längen-Zone der Pflanzen 

Unterbrochenes und ae Areal der Pflanzen i 

Natürliches und künstliches Areal der Pflanzen 5 

Gröfse oder Ausdehnung des Nele: Bezirkes der 

Pflanzen 
Recapitulation über De de lan enreogeaplue 


Dritte Abtheilung. 


Ueber die Vertheilung der Gewächse auf der 
Oberfläche der Erde, mit besonderer Rück- 
sicht auf die Physiognomie der Natur . . 

Allgemeine Betrachtungen über die Vertheilung der Pflanzen 

1. Die Physiognomik der Vegetation , 

A, Specielle Betrachtung der Hauptformen der 
Gewächse in Hinsicht ihrer verschiedenen 
Physiognomie ‘ | 

1) Die Gräser und grasartigen Gew ächse 

2) Die Scitamineen . 

a) Bananen -Form , 

3) Die Pandanen-Form 


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4) Die Ananas.- artigen Gewächse . 
5) Die Agaven-Form 
6) Die Palmen 
b) Die Cycadeen . 
7) Die Farm } 
8) Die Mimosen-Form 
9) Die Nadelhölzer 
40) Die Proteen, Eriken und Epakriden, 
41) Die Myrten-Form 
42) Die Form der Done 
a) Laubhölzer mit zarten Blättern 


b) Laubhölzer mit pergamentartigen, glänzenden Blättern 165 
c) Weidenform 165 
d) Laubhölzer mit grolsen een Ba 166 
43) Die Cactus-Form ; MT 
44) Die fleischigen Gewächse , 4176 
45) Die Lilien- Gewächse ; 477 
16) Die Lianen oder Schliriepflänzen ‚ e ® ; 178 
17) Die Pothos -Gewächse 151 
48) Die Orchideen 182 
19) Die Moose . a 183 
20) Die.Mlechten ! +, ;", . 183 
B. Allgemeine Prise geh Einthei- 
lung der Erdoberfläche nach der Physiogno- . 
mie der Vegetation ‘. , a 
Allgemeine Bemerkungen zu diesem Abschnitte . 185 
a) Darstellung der Physiognomie der Vegeta- 
tion nach den verschiedenen Zonen . 189 
4) Schilderung der Vegetation in der Aequatorial-Zone 190 
2) Schilderung der Vegetation in der tropischen Zone s. 201 
3) Schilderung der Vegetation in der subtropischen Zone . 206 
4) Schilderung der Vegetation in dem wärmeren Theile der 
temperirten Zone . en 2 ARE 
5) Schilderung der Vegetation in dem kälteren Theile der 
temperirten Zone : > Ä : : 232 
6) Schilderung der Verelalion. in der subarktischen Zone 245 
7) Schilderung der Vegetation in der arktischen Zone 252 
8) Schilderung der Vegetation in der Polar-Zone | 
b) Darstellung der Physiognomie der Vegeta- 
‚tion nach den Regionen . 261 
4) Region der Palmen und Bananen . . 2.2.0.2. 268 
2) Region der Baum-Farrn und Feigen 47270 
3) Region der Myrten- und Lorbeer-artigen Gewächse . 273 


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163 
165 


4) egion der immergrünen Laubhölzer ' 3. 
5) Region der Eichen und der europäischen Laubhölzer . 
6) Region der Nadelhölzer , KEN LOHN Kuhn. 2 20200 Pe 
7) Region der Alpenrosen j { : } 3 i . 


Brhkesion.der Alpenkräuter „. ",. .. 0 Ve 44 £ 
U. Die Statistik der Gewächse ., i } - i 
Ueber die Anzahl der vorhandenen Pflanzenarten e 5 


Die Vegetation der Inseln scheint nicht ärmer an Pflanzen- 
arten zu sein, als verhältnissmäfsig gleich gebildete 
Ländermassen der Continente . R . ART a 

Die Vegetation wird, nicht nur an Artenzahl sondern auch 
an Individuenzahl, mit zunehmender Annäherung zum 


Aedquator immer reicher . > . , . \ s 
Die Natur bringt unter ähnlichen Verhältnissen stets ähnli- 
che oder vollkommen gleiche Geschöpfe hervor . L 
Die Natur erzeugt noch gegenwärtigsowohl niedere Gewächse 
als auch niedere Thiere ohne Saamen , ; } . 


Allgemeine Regeln über die Art, wie die statistischen Be- 
rechnungen der Floren einzelner Länder anzustellen sind 
Ueber das Verhältnifs der Cryptogamen zu den Phaneroga- 
men, sınd gegenwärtig noch keine Gesetze zu entwik- 
keln, da das Material dazu noch viel zu unvollkommen ist 
Statistische Verhältnisse der Farrnkräuter . : ’ & 
Zahlen - Verhältnisse der Monocotyledonen zu den Dicotyle- 
donen für verschiedene Zonen und für verschiedene Re- 


gionen : : - ; ; : : : s i 
Betrachtungen der statistischen Verhältnisse verschiedener 
Ben von Khanzen ©. u. nen 


Die statistischen Berechnungen der Floren eines Landes 
müssen einzeln, für die verschiedenen Regionen ange- 
legt werden, welche man in demselben unterscheiden kann 


An lea nn D. 


Die Geschichte der Culturpflanzen, enthaltend Untersuchun- 
gen über das Vaterland, die Verbreitung, den Anbau 
und den Nutzen der vorzüglichsten Cultur - Pflanzen, 
welche sowohl zur Nahrung, als zur Bequemlichkeit, 
zum- Luxus und zum Handel der Völker dienen und de- 
ren Wohlstand begründen, 

Die Cultur der Getreid&e-Arten . : ; : ; 


Der Weitzen , ., BE a EN \ i 
Der Spelz, Gerste, Roggen und Hafer , 5 A ; Ä 
Benleeis et nm N, RE Mr u 


Seite 
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Der Mays ’ ; unEoke . re . . 
Die Hirse- Arten 5 R A a 2 r fi > N 
Die Quinoa R : A . x P . . R 4 
Der Buchweitzen 

Die Cultur der vorzüglichsten Knollen-Wurzeln. 
Die Kartoffel . : A ; A > > y 
Die Arum- oder Arons- Wurzel . } - A . P 
Die Marioc - oder: Mandioca-Pflanze . A s A 2 
Die Batate oder Camote s s £ 4 ° / . 
Die Igename oder Yam’s- Wurzel 

Die Oca, die Tacca, die Knollen von Sagittaria und Dra- 

contium 


Die Cultur der hauptsächlichsten Baumfrüchte, 
welche zur allgemeinen Nahrung der Völker 
dienen; 

Der Brodbaum % £ : . . . - . 

Der Pisang oder die Banane, u. 

Der Oelbaum . R H 5 x R R A . 

Die Cocos-Palme ., n y n R & . . 

Die Dattel-Palme . : A e & s . 

Die Chilenische Palme . , R Ä 

Die Mauritius - Palme s 5 > 

Die Sagu- Palme s . 

Die Guineische Oel- Palme = 

Die Wein-Palme . . . . 

Die Wassernufs ” . . . - 

Die Kastanie . 

Efsbare Eicheln und "efsbare Pinienkörner 

Araucarien - Mandeln u. s, w. . X 5 Pi 

Brasilianische Kastanien , 

Die hauptsächlichsten Culturpflanzen, welche 


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mehr oder weniger zum Luxus benutzt wer- | 


den. 

Die Areca-Palme . & x 2 . R a s . 
Der Bet-' Pfeffer , R R 3 x Ä E H 
Catechv . R e R 2 % x s 4 3 
Gambir-. tract : s : : A s R E 

Die Opium -Cultur . , - Rene . ; . 
Der Tabak 5 ; j £ x R . : : Ä 
Die Coca . £ € ö : ; $ a 2 h r 
Der Weinstock R 2 s ö R : 2 : 7 
Die Maguey - Pflanze 3 

Das Zuckerrohr K ; E : A R F s x 


Der Kaffee- Baum 
Der Chinesische Thee 


Die Pfeffer - Pflanze , 


Ueber einige der hauptsächlichsten Pflanzen, 
deren Fasern und Wolle zur Bereitung von 
Zeugen und anderen, dem Menschen unent- 
behrlichen Materialien benutzt werden. 

Die Baumwollen - Pflanze i : { . ; : . 

Die verschiedenen Hanf- Pflanzen . . : 5 . . 


Die Cultur der Indigo - Pflanzen 


EEE NEE e Ten 


Die Natur. zeigt unter allen Zonen der Erde ihre ei- 
genthümlichen Schönheiten, möge es sein auf den para- 
diesischen Inseln der Südsee, in den reizenden Thälern 
wasserreicher Gebirge, in dem kühlen Schatten der nordi- 
schen Eiche, oder möge es sein auf den’ pittoresken Eis- 
bergen hoher Gebirge, wie im Inneren der lybischen Wüste. 
Zu ‘dem gewöhnlichen Menschen schweigt die Natur, ihm 
entgeht die reiche Quelle herrlicher Genüsse, welche uns 
ergötzt und aufzuheitern vermag, selbst wenn wir von 
den härtesten ‚Schlägen des Schieksal’s getroffen sind. 

"Aber fragen wir uns,'was’c$ denn eigentlich ist, wo- 
durch die Natur ‘zu’ uns’ spricht,‘ so werden wir’ finden, 
dafs es einmal’ die gesammte Gestalt’der Erdoberfläche ist, 
dafs es hauptsächlich aber die lebende Decke derselben ist, 
nämlich die Vegetation, welche so tiefe Eindrücke auf 
unser. 'Gemüth macht ; ihre‘ Fülle;®‘oder ihr Mangel be- 
stimmen uns.’ Wo die Vegetation‘fehlt, ’da ist die Natur 
todt, mag sie: imponiren durch riesenhafte Masse, ‘durch 
Grausen 'erregende  Einöden, oder durch das Toben ‘rau- 
schender Wasserfälle; nichts ist da, ‘was zum Gemüthe 
spricht, oder den Geist 'ergötzt. 

"Die ‘Vegetation ist es, welche den Naturcharacter 
einer ‚Gegend bestimmt und durch‘ sie werden die Ver- 
hältnisse bedingt, welche die Menschen in verschiedenartige 
Gesellschaften zusammenführen, so dafs dieselben bald ein 
Nomadenleben führen, bald mehr oder weniger die seg- 
nenden Einflüsse des Ackerbaues geniessen. Wo hingegen 
die vegetabilische Decke der Erdoberfläche fehlt, da, wo 
der Mensch mehr oder weniger ganz auf. thierische Nah- 


1 


4 


Aequator nähert, und nimmt ab, je weiter man sich davon 
entfernt. Lappland hat 500 Phanerogamen und 600 Cryp- 
togamen, wärend Dänemark, welches kleiner, aber südli- 
cher gelegen ist, schon 1034 Phanerogamen und 2000 
eryptogamische Gewächse aufzuweisen hat. Nach De Can- 
dolle hat Frankreich schon 3500 Phanerogamen und 2300 
Cryptogamen aufzuzählen, neuerlichst sind aber, blofs aus 
Ostindien, durch die Herbarien der Englisch -ostindischen 
Compagnie mehr als 6000 Phanerogamen bekannt geworden, 
obgleich es ganz wahrscheinlich ist, dafs noch mehr als 
die doppelte Anzahl von Pflanzen-Arten. diesem Lande 
zugehörig ist. Ganz Europa hat dagegen, obgleich es so 
bedeutend gröfser ist, als Ostindien, nur etwas über 7000 
Phanerogamen aufzuweisen. 3 

Es wäre höchst interessant und für die Pfanzen-Geo- 
graphie schon jetzt von der höchsten Wichtigkeit, die Ge- 
sammtzahl der Pflanzen- Arten zu kennen, welche die ganze 
Erde bevölkern. Schon seit vielen Jahren hat man Ver- 
muthungen und Berechnungen über diesen Gegenstand 
aufgestellt, welche aber, durch die Entdeckungen neuerer 
Reisenden, als ungenügend erwiesen worden sind. Zu der 
Zeit als Linnee starb, kannte, man 8000 Pflanzen- Arten, 
und: gegenwärtig möchten deren mehr als 66000 Arten 
beschrieben sein. Die Zahl der noch unbeschriebenen, in 
den Herbarien der versehiedenen Nationen sich gegenwär- 
tig befindenden Pflanzen, möchte sich ebenfalls noch auf 
viele Tausende belaufen, so dafs die Summe der, bis jetzt 
aufgefundenen Pflanzen vielleicht schon an 80000 Arten 
reicht. . Bedenken wir aber, welche unermefsliche Länder- 
massen, sowohl in Amerika, als in Asien, in Australien 
und auf den Südsee-Inseln noch gänzlich: undurchsucht 
sind; denken wir an das grofse Afrika, welches, ausge- 
nommen einige, gänzlich, unfruchtbare Sandwüsten,  viel- 
leicht eben so reich an mannigfaltigen Pflanzen - Arten. ist, 
wie dieses von Asien und Europa bekannt ist, so werden 
wir die Zahl der, schon bekannten Pflanzen wenigstens 
verdoppeln können, so dafs wir die Summe von. 160000 


5 


Arten erhalten. Aufserdem ist es bekannt, dafs viele neuere 
Reisende, welche längst durchsuchte Länder durchforscht 
haben, eine so grofse Masse von neuen Pflanzen mitge- 
bracht haben, dafs man darüber erstaunt und dadurch be- 
rechtigt wird, jene, schon vorhin erhaltene Summe von 
160000 Arten, noch wenigstens um den vierten Theil zu 
vergröfsern, und demnach wenigstens 200000 Pflanzen-Arten 
als eine Zahl anzunehmen, welche sich. vielleicht einiger- 
mafsen der Wahrheit näheren möchte. Wird erst das In- 
nere Afrika’s aufgeschlossen sein, und wird einst die Ge- 
birgsmasse Australien’s durchsucht sein, dann werden noch 
viele der wichtigsten Momente der Pflanzen-Geographie 
an Klarheit gewinnen. 

"Wandern wir nun durch diese an Vielfältigkeit so un- 
ermefsliche Menge von Pflanzen, so werden" wir alsbald 
finden, ‘dafs die Natur; unter ähnlichen elimatischen Ver- 
hältnissen immer ähnliche, ja oftmals eben dieselben For- 
. men erzeugt hat. Die Naturforscher Banks und Solander, 
so wie die beiden. Forster's und  Sparmann, welche die 
beiden Weltumsegelungen unter Cook begleiteten, waren 
nicht wenig erstaunt, als sie in der Gegend. des Cap 
Horn’s eine Vegetation fanden, welche‘ derjenigen unserer 
nordischen Zone ähnlich war. Durchziehen wir die Pflan- 
zendecke der Ebenen von dem;hohen Norden an, bis zur 
heifsesten Zone der Erde, so werden wir, mit veränderter 
Breite, eine stete Veränderung in der Physiognomie der 
Vegetation beobachten und: eben dieselbe Reihe von. Ver- 
änderungen, oft nur mehr oder weniger deutlich. zu er- 
kennen, werden wir wiederfinden, wenn wir in jenen hei- 
fsen Zonen, aus der Ebene des Meeres auf die Gipfel der 
höchsten Berge steigen, welche dort so oft über die Grenze 
des ewigen Schnee’s hinausragen. Hier wird man in einer 
kurzen Zeit alle die Climate durchwanderen, welche denen 
des heifsen Afrika’s, denen der schönen Länder unsers 
südlichen Eüropa’s und denen des eisigen Spitzbergens 
entsprechen; und in eben demselben Grade, wie sich auf 
diesen Bergen mit zunehmender Höhe die Veränderungen 


6 


des Clima’s darstellen, in eben demselben Mafse verändert 
sich ebenfalls die Vegetation. Von den prachtvollen Pal- 
men und der nahrhaften Banane ist, auf einer Höhe von 
7- und 8000 Fufs, nichts mehr zu finden, aber in der 
Nähe des ewigen Schnee’s jener Gebirge wird man Gräser, 
Cyperoiden, Cruciferen, Gentianen und andere Pflänzchen 
finden, welche den Formen unseres nördlichen Europa’s 
ganz ähnlich sind. 

Forschen wir nun genauer nach den Ursachen, welche 
solche eigenthümliche Vertheilungen der Pflanzen veran- 
lassen können, so werden wir finden, dafs es bald solche 
sind, welche unsern Beobachtungen wahrnehmbar erschei- 
nen, bald aber auch solche, welche von den geheimsten 
Gesetzen der Natur abhängen, deren Wirken wir wohl 
verfolgen können, aber keineswegs erklären werden. Wenn 
eine Pflanze heifser Gegenden auch in unserem Lande 
trefllich wächst, sobald derselben in Treibhäusern ein ähn- 
liches Clima, wie dasjenige in den heifsen Gegenden dar- 
geboten wird, so haben wir allerdings die nächste Ursache 
gefunden, warum diese Pflanze nur in den heifsen Gegen- 
den und nicht auch in der Nähe der Pole wachsen kann. 
Nehmen wir Sumpfpflanzen aus ihrem natürlichen Stand- 
orte und verpflanzen sie in unsere Gärten, so sehen wir, 
dafs sie daselbst nur dann gedeihen, wenn siein einen ähn- 
lichen Sumpfboden gepflanzt werden, als derjenige ist, 
in welchen sie von Natur aus angewiesen waren. Andere 
Pflanzen, welche von der Natur im tiefen Schatten zu 
wachsen angewiesen sind, leben auch in unseren Gärten 
in gröfster Ueppigkeit, sobald ihnen ähnliche Standorte 
zuertheilt werden. Unerklärlich bleiben uns aber die Ge- 
setze der Natur, nach welchen gewisse Pflanzen nur in 
heifsen Gegenden, andere nur im kühlen Schatten und 
noch andere nur im sumpfigten Boden wachsen können; 
sie bleiben uns eben so unerklärbar wie die Ursachen, 
nach welchen die verschiedenen Pflanzen-Gruppen in ver- 
schiedenen Gegenden der Erde vorherrschen, und oft nur 
auf kleine und sehr bestimmte Bezirke beschränkt sind. 


7 


Wir sehen z. B. die vielgestalteten Gactus-Pfanzen im 
wärmeren Theile der temperirten und in der tropischen 
Zone Amerika’s vorkommen, wir sehen aber auch, dafs 
diese Gewächse daselbst auf die hohen Gebirge steigen, 
und dort in einem Clima vegetiren, welches der Alpen- 
Region in unserem Lappland gleichkommt, obgleich hier 
kein einziges Individuum jener sonderbaren Pflanzenform 
vorkommt. 

Schon aus den wenigen, so eben angeführten Angaben 
kann man auf die vielfach verschiedenen Ursachen schlie- 
fsen, welche noch, aufser den climatischen Verhältnissen, 
auf das Vorkommen und auf die Verbreitung der Pflanze 
Einflufs ausüben, und es wird demnach die Lehre von 
der geographischen Verbreitung der Pflanzen in verschie- 
dene Theile zerfallen’ müssen, worin alle jene Verhältnisse, 
zur leichtern Auffassung, »ach einer gewissen Ordnung 
näher erörtert werden, wie es der folgende Inhalt des Bu- 
ches zeigen wird. 


Die hauptsächlichsten Schriften, welche über die Geo- 
graphie der Pflanzen erschienen sind, möchten folgende sein: 

Alexander de Humboldt, Essai sur la Geogra- 
phie des plantes, accompagne d’un tableau physique des 
regions equinoxiales. Paris 1805. A4to. 

Alexander von Humboldt und A. Bonpland, 
Ideen zu einer Geographie der Pflanzen, nebst einem Na- 
turgemälde der Tropen - Länder. Tübingen 1807. 4to. 
(Eine deutsche Bearbeitung des vorigen Werkes mit eini- 
gen Veränderungen.) 

A. v. Humboldt, Ansichten der Natur. Ater Band. 
Tübingen 1808. 12mo. 

Neue Ausgabe in 2 Bändchen. Tübingen 1826. 

G. Wahlenberg, Flora lapponica. Berolini 1812. 8vo. 

Dessen Tentamen de Vegetatione et Climate in Hel- 
vetia septentrionali. Turici 1813. 8vo. 

Dessen Flora Carpathorum principalium. Göttingae 


1814. 8vo. 


1 


8 


R. Brown, Generäl Remarks on the botany of Terra 
australis. London 1814. Appendix to Flinders Voyage 
to terra australis. — Deutsch erschienen in R. Brown’s 
vermischten Shriften. Herausgegeben von Nees von Esen- 
beck. iter Theil. Leipzig 1825. | | 

Alexander von Humboldt, De distributione geo- 
graphica plantarum. Lutetiae Parisiorum 4817. 8vo. Auch 
in fol. als Einleitung zu dem grofsen Prachtwerk: Nova 
genera et species plantarum erschienen. 

Fr. Schouw, Grundzüge einer allgemeinen Pflanzen- 
geographie. Dänisch und deutsch zu. Kopenhagen und 
Berlin 1823. | 

C. T. Beilschmid, Pflanzengeographie nach Alex- 
ander von Humboldt’s Werke über die geographische Ver- 
theilung der Gewächse, mit Anmerkungen, gröfseren Bei- 
lagen aus anderen pflanzengeographischen Schriften und 
einem Excurse über die bei pflanzengeographischen Floren- 
Vergleichungen nöthigen Riücksichten. Breslau 1831. 8vo. 

Die übrigen Werke von geringerem Umfange, so wie 
die einzelnen Abhandlungen, welche über verschiedene 
Gegenstände der Pflanzengeographie erschienen sind, wer- 
den im Verlaufe des Werks genannt werden. 


Erste Abtheilung. 


Ueber die climatischen Verhältnisse, welche das Vorkommen 
und die Verbreitung der Pflanzen bedingen. 


— 


Es ist sehr leicht nachztwiisen, dafs die climatischen 
Verhältnisse, vorzüglich Wärme und Feuchtigkeit der Luft 
die hauptsächlichsten Ursachen sind, welche den Stand- 
ort und die Verbreitung der Pflanzen bedingen; demnach 
ist es, für die Lehre von der geographischen Vertheilung 
der Pflanzen, von der höchsten Wichtigkeit, die Art und 
Weise genau zu kennen, wodurch sich dieser Einflufs der, 
oftmals höchst complieirten climatischen Verhältnisse of- 
fenbart. Um zu diesem Ziele zu gelangen ist es nöthig, 
dass wir uns zuerst, wenngleich auch in gröfster Kürze, 
mit den Erfahrungen beschäftigen, welche 'man bis jetzt 
über die Vertheilung der Wärme und der Feuchtigkeit 
der Atmosphäre über den gesammten Erdkreis gesammelt 
hat; diese Betrachtungen sollen keineswegs von rein me- 
teorologischem Interesse sein, sondern sie sollen beständig 
den Einflufs nachweisen, welchen die einzelnen meteoro- 
logischen Erscheinungen auf die Vegetation ausüben. 

‚Es ergiebt sich aus dem Stande der Sonne zur Erde, 
dafs alle Wärme-Vertheilung eine doppelte Periode zu 
durchlaufen hat, eine tägliche nämlich und eine jährliche. 
Zwar werden eine Menge von Ursachen auftreten, welche, 
sowohl durch Leitung, als durch Ausstrahlung und Aus- 
gleichung, die bestimmte Masse von Wärme modifieiren, 
welche dem Orte aus seinem Standpunkte zur Sonne zu- 
kommt, doch, wie die Erfahrung lehrt, so bleiben dennoch 
die Mittel dieser Wärme-Masseır constant. Wenn wir 
uns von den Tropen nach den Polen wenden, so wird. die 
Temperatur der Luft immer geringer werden, je mehr die 


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10 


Mittagshöhe der Sonne nach den Polen zu abnimmt, und 
eben so mufs es um so kälter werden, je mehr wir uns 
von der Oberfläche der Erde entfernen und in das ver- 
dünnte Luftmeer steigen; da die Lichtabsorption (wenn 
ich mich der Kürze wegen so ausdrücken darf) in der 
verdünnten Luft geringer ist, also auch die Erwärmung 
derselben unbedeutender wird. 

Will man den Gang der periodischen Erscheinungen 
der Wärme-Vertheilung kennen lernen, so wird man die- 
sen in tropischen Gegenden; leichter erkennen, als im ho- 
hen Norden, denn dort gehen alle Veränderungen der Na- 
tur mit gröfserer Regelmäfsigkeit vor sich. 

Betrachteten wir die Erscheinung der Erwärmung der 
Atmosphäre durch die Sonne im Allgemeinen, so mülste 
sich eine regelmäfsige Vertheilung der Wärme von dem 
Maximo in den Tropen, zu dem Minimum an den Polen 
u. Ss. w. ergeben, doch dieses ist in der Wirklichkeit nicht 
der Fall; zwei Umstände sind es hauptsächlich, welche 
diese Abweichung von dem Gesetze veranlassen, die Winde 
nämlich und die Hydrometeore. Nirgends kann man die- 
sen Einflufs der Winde deutlicher sehen, als in Gegenden, 
wo halbjährliche Winde oder Monzoone herrschen; wie 
an der südlichen Küste von China, gerade an der Grenze 
der Tropen. Zu Canton *) und Macao, wo in den Som- 
mermonaten die Temperatur der Luft, selbst bei Nacht, 
nur selten unter 22° Reaum. fällt; in einer Gegend, wo 
Palmen wachsen, wo die Cultur des Zuckerrohr’s, des 
Nelumbium speciosum, der Orangen und aller schönen 
Südfrüchte statt findet, wo die Bezäunung der Gärten und 
Felder unmittelbar am Ufer des Flusses, durch Pisange, 
Orangen, Granaten und Myrten-Hecken gebildet wird, in 
dieser Gegend fällt, mit eintretendem N.O. Monzoone, die 
Temperatur bis auf einen so niedrigen Grad, dafs man 


*) S. meine Bemerkungen über die climaüschen Verhältnisse des 
südlichen Chinas — Nova Acta Acad. Caes. L. C. V. XVII. P. I. 
p. 854. 


11 


Morgens, besonders nach hellen Nächten, wo die Wärme- 
ausstrahlung bedeutend gewesen ist, die Blätter der Pi- 
sange gebräunt und welk herabhängend sieht. Doch diese 
so niedere Temperatur, welche selbst die tropischen Ge- 
wächse tödtet, hält zum Glück nur wenige Stunden an; 
sobald die Sonne wieder erscheint, kehrt auch die Wärme 
bis zu 12 und 15° R. zurück, und oft, schon bis gegen 
Mittag stehen die erfrorenen Pisange in voller Pracht, 
denn die gesenkten Blätter haben. sich wieder gehoben 
und selbst das schöne Grün kehrt zum Theile wieder zu- 
rück. Da dieser anhaltende Nordost-Wind eine ganz be- 
sonders trockne Luft herbeiführt, so pflegt der Himmel zu 
dieser Zeit fast beständig wolkenlos zu sein, und nächt- 
lich, wenn bei uns zu gleicher Zeit die tiefste Finsternifs 
herrscht, wie im Monat November und December, dann 
glänzen zu Canton die Sterne mit dem ruhigsten Lichte 
und in diesen Monaten kennt man keine Niederschläge 
von wässerigten Dünsten. Das neue Psychrometer zeigt 
dann gewöhnlich eine Differenz von 6 und 7’ R., eine 
Erscheinung, welche man bei uns nicht kennt. Diese 
Trockenheit wirkt aber auch so heftig, dafs den Menschen, 
welche im Freien zu thun haben, die Haut auf allen un- 
bedeckten Theilen des Körpers aufspringt und das Blut 
hervordringt, ganz ähnlich wie auf den Hochebenen der 
Cordillere, wo man nur tief in Wolle verhüllt die Reise 
gegen den Wind fortsetzen darf. 

Aber die Vegetation, in jenen Gegenden von China, 
zeigt jenen Einflufs des herrschenden Windes noch deut- 
licher; einem Paradiese gleich, erscheint dort die üppigste 
Vegetation wärend der Sommermonate, oder, wie ich lie- 
ber sagen -möchte, wärend der Zeit der Regen. Welch 
eine unendliche Menge von kostbaren Blumen schmücken, 
in jener schönen Zeit, die Gebüsche und die niedere Ve- 
getation; welch eine Menge von kostbaren Gräsern, oft 
von den schönsten und seltsamsten Formen, schmücken 
dann die Fluren, und Millionen von Heuschrecken und 
Käfern und Baumläufern beleben diesen üppigen Teppich. 


| 


1 


12 "E j 


Wenn: aber der Nord-Ost-Monzoon weht, wenn die mitt- 
lere Temperatur der Monate Juni, Juli und August, wel- 
che stets über 22° R. ist, in dem Monate November auf 
15° R., im December auf 13° und im Februar selbst auf 
10° R. fällt, wenn dann alle Wolken am Himmel ver- 
schwunden sind und in mehreren Monaten kein Tropfen 
Regen zur Erde gefallen ist, dann ist dieses Paradies, ob- 
gleich noch in den Tropen gelegen, wie mit einem Zau- 
berschlage verschwunden. Die Felder sind kahl, die Rük- 
ken der Berge sind versengt, denn die vertrocknete Pflan- 
zenmasse ist verstäubt und nur der Boden ohne Spuren 
von früherer Ueppigkeit ist zurückgeblieben. 

Wohl sind die Contraste ganz ähnlich, welche bei 
uns im nördlichen Deutschland der lachende Sommer mit 
dem herben Winter darbietet, wenn Monate lang .der Bo- 
den bei uns gefroren ist, welcher im Sommer mit dem 
freundliehsten Grün bedeckt ist; aber das südliche China 
liegt noch innerhalb, oder doch wenigstens an .den Gren- 
zen des nördlichen Wendekreises, in einer Zone, welche 
bei uns nur ihrer Hitze wegen so allgemein bekannt ist. 

Aehnliche Fälle, wo der Wind eben so entschieden 
auf die Vegetation, theils unmittelbar theils mittelbar ein- 
wirkt, könnten noch in' Menge aufgeführt werden. 

Der Einflufs der Hydrometeore, oder der Feuchtig- 
keit der Luft im Allgemeinen, auf die Vegetation ist noch 
sröfser, als derjenige der Winde; ihr Fehlen oder ihr 
Vorhandensein sind die hauptsächlichsten Momente, welche 
das Vorhandensein einer Vegetation bedingen. ‘Fast die 
ganze Westküste von Südamerika zeichnet sich bekannt- 
lich durch eine, im Verhältnisse zur Breite sehr niedere 
Temperatur aus, so wie auch durch einen sehr hohen 
Grad von Trockenheit der Luft. Im nördlichen Chile, in 
der Küstengegend von Bolivien und im südlichen Peru 
giebt es grofse Landesstrecken, wo es niemals im Jahre 
regnet; unabsehbare Sandebenen giebt es daselbsi, so wie 
ununterbrochene Gebirgszüge, welche auch nicht eine Spur 
von lebenden Wesen aufzuweisen haben. Wenn sich aber 


4 13. 

der Himmel in jenen Gegenden mit Nebel bedeckt, welche 
unter dem Namen der Garuas bekannt sind, die an ver- 
schiedenen mehr nördlichen Gegenden von Peru fast ein 
ganzes halbes Jahr hindurch anhalten, und ihre Erklärung 
durch die Abkühlung in Folge der Kälte ‘des Wassers, 
welches die Humboldt’s-Strömung in jenem Meere von 
Süd-West nach Nord-Ost treibt, finden; dann, wenn die- 
ser feuchtere Zustand ‘der Luft in jenen Ländern eintritt, 
dann überziehen sich dort die kahlen und scheinbar vege- 
tationslosen Wände der Küsten-Gebirge mit anmuthigem 
Grün, und eine Menge der schönsten und seltensten Blu- 
men erheben sich aus diesem. Doch oftmals, wie z. B. in 
der Provinz Tarapaca, der südlichsten von Peru, ist schon 
in.Zeit von 2 Monaten wieder Alles verschwunden, denn 
hier halten sich jene Garuas nur kürzere Zeit hindurch. 

Schon im Vorhergehenden habe ich bemerkt, was noch 
in der Folge ganz bestimmt bewiesen werden wird, dafs 
die Wärme .der Luft, in Verbindung mit Feuchtigkeit, die 
hauptsächlichste Bedingung für das Vorkommen und die 
Verbreitung der Pflanzen ist; demnach müssen : wır 'unsere 
Untersuchungen mit der Betrachtung der Wärme -Verthei- 
lung und deren. Einflufs auf die Vegetation beginnen. Wol- 
len wir. die Höhe, oder den: periodischen Gang der Wärme 
für irgend einen Ort kennen lernen, so müssen wir mit 
den Beobachtungen! über den täglichen ‚Gang der Wärme 
beginnen, und diesen ‚erhalten wir. durch stündliche Beob- 
achtungen der Wärme. der Luft: vermittelst ‘des . Thermo- 
meters. Die stündlichen Beobachtungen‘ werden nun, je 
nach den verschiedenen Breiten und Höhen, mehr. oder 
weniger grofse Verschiedenheiten unter sich zeigen;  grö- 
fser werden dieselben in höheren Breiten, so. wie in grö- 
fseren Höhen sein, dagegen werden sie im Allgemeinen im- 
mer geringer, je mehr man sich dem Aequator nähert, 
wo oftmals, besonders an der Küste, oder auf offenem 
Meere, eine bewunderungswürdige Gleichmäfsigkeit in den 
Temperaturen des ganzen Tages herrscht: In der gro- 
{sen Zahl von. Temperatur-Beobachtungen, ‚welche: ich in 


14 


der Beschreibung meiner Reise um die Erde bekannt ge- 
macht habe, befinden sich für eine Menge von Tagen die 
stündlichen Beobachtungen, welche unter sich so häufig 
nicht mehr als um 1° R. differiven. 

Um aber zu allgemeineren Resultaten zu gelangen, 
wird es nöthig, dafs man für die ganze Summe der täg- 
lichen Beobachtungen einen allgemeinen Werth sucht, und 
diesen nennt man dann die Höhe der mittleren Tem- 
peratur des Tages. Die Methoden, solche mittlere 
Temperaturen der einzelnen Tage zu finden, sind verschie- 
den; die beste ist, wenn man das Mittel der Temperaturen 
aller 24 Stunden nimmt, indessen nur selten findet sich 
der Beobachter in’ dem Falle, solche vollständige Beob- 
achtungen veranstalten zu können.‘ Leichter kommt man 
zu der mittleren ‘täglichen Temperatur, wenn man die 
höchste und niedrigste Temperatur des Tages zusammen- 
trägt und dann die erhaltene Summe halbirt. Das auf 
diese Weise erhaltene Mittel pflegt mit dem Mittel von 
allen stündlichen Beobachiungen eines Tages ziemlich ge- 
nau übereinzustimmen. Z.B. die stündlichen Beobachtun- 
gen, welche ich am 26. October 1830 auf offener See im 
42ten und 13ten Grad nördlicher Breite angestellt habe, #) 
geben eine Gesammtwärme von 521,3° R., welche mit 24, 
der Zahl der Beobachtungen, dividirt, die mittlere Wärme 
des Tages zu 21,72° R. giebt. Die höchste Temperatur 
an jenem Tage war = 22,3° R. und die niedrigste —= 
21,1° R., demnach erhält man durch die Halbirung die- 
ser Summe ebenfalls 21,7° R. als Mittel, also ein Resul- 
tat, welches. äufserst genau mit dem, auf dem andern 
Wege erhaltenen, übereinstimmt. Weniger übereinstimmend 
sind die Resultate dieser beiden Methoden bei Beobach- 
tungen in hohen Breiten und im Innern der Continente. 
Auf offener See fand ich, selbst noch in der Nähe von 
Cap Horn, eine aufserordentliche Gleichmäfsigkeit in dem 
Gange der täglichen Wärme; am 25. December z. B. be- 


*) S. Meyen’s Reise um die Erde, Berlin 1834. Bad. I. p. 156. 


15 


obachtete ich 4,7° R. und 3,6° R. als Maximum und Mi- 
nimum der Temperatur des Tages, wonach das Mittel = 
4,15° R. war, wärend das Mittel aller 24 Beobachtungen 
des Tages 4° R. beträgi. *) 

Eine solche Gleichmäfsigkeit in dem stündlichen Gange 
der Temperatur eines Tages, ist für das Clima einer Ge- 
gend und für die, derselben entsprechenden Vegetation 
von der gröfsten Wichtigkeit, demnach ist es zweckmäfsig, 
die U-sachen zu erörtern, welche einen solchen regelmä- 
fsigen Gang, durch Verminderung der Extreme, hervorzu- 
rufen vermögen. Es ist eine allgemein anerkannte Erfah- 
rung, dafs das Cliwa an der Meeresküste nicht so kalt 
wie das eines Ortes mitten im Lande ist, wenn auch beide 
Orie in einer und derselben Breite liegen; hierauf gründet 
sich-der Unterschied zwischen dem sogenannten Land- und 
Küsten-Clima. Die Erscheinung ist im Kurzen folgende: 
Die Luft, in der Nähe des Meeres, wird wärend des Ta- 
ges niemals so hoch erwärmt, als wie an einem andern 
Orte gleicher Breite, aber entfernt von dem Meere. Aber 
in demselben Grade, wie die Luft an der Meeresküste 
wärend des Tages weniger erwärmt wird, eben so wenig 
wird sie Nachts bis auf denjenigen Grad abgekühlt, wel- 
cher ihm, im. Verhältnisse zur Breite, mitten im Lande 
zukommen würde; die Folge hievon ist keineswegs ein 
kälteres, sondern meistens ein wärmeres Clima, als es 


*”) Noch viel auffallender ist bekanntlich die Gleichmäfsigkeit in 
dem Gange der Temperatur des Tages, wenn man die VWVärme des 
Meerwassers beobachtet; am 4. Januar 1831 (S. Meyen’s Reise I. 
p- 178.) gaben die Beobachtungen des Meerwassers, bei der Um- 
schiffung des Cap Horn’s, nicht mehr als 0,2° R. Differenz. Diese 
so aufserordentliche Gleichmäfsigkeit der Temperatur ist jedoch nicht 
überall dieselbe, sie hat ihren Grund meistens in dem Fehlen des 
Sonnenscheins bei Tage. In Gegenden, wo der Himmel bei Tage 
klar ist, und wo die Sonnenstrahlen den ganzen Tag hindurch auf 
die Oberfläche des Wassers wirken, da wird die Differenz in den 
VWVärmegraden der verschiedenen Stunden eines Tages schon viel 
grölser, und sie erreicht nicht selten die Höhe eines Grades und 
darüber. 


16 ; 
dem nahegelegenen Orte mitten’ im Lande zukommt. -Die- 
ses Verschwinden. der Extreme in ‚der. täglichen. Erwär- 
mung und Abkühlung vermindert auch..die grofse Differenz 
zwischen den jährlichen Maximis und Minimis,. und. so 
entsteht an diesen Orten ein CGlima, welches vielen Pflan- 
zen wärmerer Zonen. sehr wohl. zuträglich ist. - Einige 
Beispiele ‘werden das Gesagte erläuteren.‘'. Es: ist bekannt, 
dafs die Myrte in: Irland ‚sehr ;wohl gedeiht, fast eben so 
gut wie in ‘Portugal; wärend sie. bei. uns, obgleich: wir 
mit, Irland in ‚einer. ‚Breite liegen, ‚bekanntlich im; Freien 
nicht 'aushält und überhaupt mit besonderer Aufmerksam- 
keit behandelt werden mufs. Eben so wächst in England 
der Lorbeer, wärend ‚daselbst nur ‚selten eine Traube zur 
Reife kommt, und. auch alles übrige Obst ‚sehr: mittelmä- 
fsig ist; dagegen gedeiht ‚bei uns der herrliche. Wein, die 
vortrefflichen: Aepfel und..Birnen, wärend der Lorbeer bei 
uns nur in Gewächshäusern gezogen werden kann. Diese 
Beispiele. reichen hin, um die, Wichtigkeit der verminderten 
Maxima-und Minima, in.dem täglichen Gange der Wärme, 
für die. Verbreitung .der Vegetation darzuthun; die Erklä- 
rung; der Erschemung ist folgende: er 

Ist (die «Luft, sehr . trocken und. wird ihre Durchsich- 
tigkeit nur ‚durch wenige Wasserbläschen, getrübt,, so kön- 
nen die,Licht- und Wärmestrahlen. mit: Leichtigkeit unge- 
hindert durch, und.so: wird, sowohl die. Erwärmung bei 
Tage, wie auch die Abkühlung des Nachts sehr bedeutend 
sein, ‘denn. ungehindert! können Nachts; die Wärmestrahlen, 
von». der ‚Oberfläche der. Erde gegen den: klaren Himmel 
ausstrahlen. * Geringer 'wird aber die Differenz 'zwischen 
den täglichen Extrenien der Wärme, je feuchter die Luft 
ist, indem erstlich die. ee Wasserbläschen 
den Durche gang der Lichtstrahlen mäfsigen oder, ‚zum : Theil 
verhindern, und indem zweitens, wie Beobachtungen.es.be- 
wiesen 'haben, der’ nächtliche Verlust der ‘Wärme . durch 
Wärme - Ausstrahlung "auf eine eigenthümliche "Weise er- 
setzt wird, Wenn ‚nämlich | durch die Erkaltung der At- 
mosphäre, in Folge der Ausstrahlung der W ärme ‚der 


17 


Erde, die Wasserdämpfe der früher erwärmteren Luft nıe- 
dergeschlagen werden, so tritt die lJatent gewordene Wärme 
des Wasserdampfes an die, durch Ausstrahlung so eben 
erkaltete Luft und erwärmt dieselbe wieder. 

Diese geringe Differenz zwischen den Extremen der 
täglichen Wärme, welche das Küsten-Clima und das so- 
genannte Insel-Clima charakterisiren, findet sich in der 
Atmosphäre auf offener See am allerdeutlichsten, oder 
vielmehr am stärksten ausgedrückt, weil hier die Luft 
sehr stark mit Wasserdämpfen angefüllt ist. 

Im Vorhergehenden zeigte ich, wie man die mittlere 
tägliche Temperatur, entweder aus dem Mittel sämmtlicher 
Beobachtungen, oder aus den Extremen der täglichen Wärme 
finden kann; ist aber der Beobachter nicht in der Lage, 
eine so grofse Anzahl von Beobachtungen anzustellen, 
oder liegen dergleichen Beobachtungen vor, welche nur 
einigemal des Tages angestellt worden sind, so wähle man 
diejenigen Zeiten zur Beobachtung, welche theils die 
Maxima und Minima der täglichen Wärme geben, theils 
sich diesen mehr oder weniger näheren. Im Allgemeinen 
beobachtet man, kurz vor Sonnenaufgang, die niedrigste 
‘ Temperatur und einige Stunden nach der gröfsten Höhe 
der Sonne die höchste Temperatur des Tages. 

Auch hat man gesucht die Zeiten des Tages zu be- 
stimmen, in welchen die Temperatur gleich der mittleren 
Temperatur des Tages ist, indessen alle Angaben der Art 
nähern sich nur einigermafsen der Wahrheit, denn es ist 
leicht einzusehen, dafs die verschiedene Länge des Tages 
eine grofse Verschiedenheit hierin zu Stande bringt. Auch 
müssen diese Zeiten für verschiedene Breiten, je nach der 
verschiedenen Länge der Tages-Dauer, sehr verschieden 
sein. In den nordischen Gegenden, wo in den Sommer- 
Tagen die Temperatur häufig eben so hoch, wie die der 
Luft in den Tropen ist, und sogar zuweilen noch höher 
steigt, da mufs dieser hohe Grad von Wärme durch die 
Länge des Tages erklärt werden, denn in den Tropen 
dauert der Tag nur etwas über 412 Stunden. Erst gegen 

2 


| 


15 


6 Uhr geht dort die Sonne auf, wärend sie bei uns in 
den Sommer- Tagen schon um 3 Uhr Morgens erscheint 
und erst gegen 8 Uhr untergeht, also 5 Stunden und noch 
darüber länger scheint, als ‘innerhalb der Wendekreise. 
Durch diese längere Dauer des Tages mufs denn auch 
die Zeit der Maxima und der Minima, demnach auch die 
Zeit für die annäherende mittlere Temperatur des Tages 
in verschiedenen Zonen etwas verschieden sein, und zwar 
werden sich im höchsten Norden und im höchsten Süden 
hierin die gröfsten Verschiedenheiten finden. So soll z. B. 
in Lappland zu derjenigen Jahreszeit, in welcher die Sonne 
nie über dem Horizonte sichtbar wird, gerade des Morgens 
die höchste Temperatur des Tages statt finden. *) 

Sind nun die mittleren Temperaturen für die einzel- 
nen Tage gefunden, so kann man zur Bestimmung der 
mittleren jährlichen Wärme übergehen, welche zugleich 
die mittlere Wärme des Ortes ist, wo die Beobachtungen 
angestellt sind. 

Sehr leicht wird die mittlere Temperatur des Jahres 
dadurch gefunden, dafs man das Mittel von allen täglichen 
Beobachtungen nimmt, oder auch die Summe der täglichen 
Mittel, dividirt durch die Zahl der Tage. In tropischen 
Gegenden würden Beobachtungen von einem Jahre hinrei- 
chend sein, um die mittlere Wärme eines Ortes kennen 
zu lernen, denn der Gang der täglichen und monatlichen 
Temperaturen ist daselbst von bewunderungswürdiger 
Gleichförmigkeit; in der temperirten Zone, hauptsächlich 
aber in der arktischen Zone, sind dagegen eine ganze Reihe 
von Jahres-Beobachtungen nöthig, um die wahre mittlere 
Wärme eines Ortes zu erhalten. In den Tropen weicht 
die mittlere Temperatur eines Jahres, von der eines an- 
dern Jahres, nie um einen ganzen Grad der Reaumurschen 
Scala ab, dagegen differiren in Stockholm noch zehn- 
Jährıge Mittel um einen ganzen Grad; nämlich die Mittel 


*) Ss. Wahlenberg Flora lapponıca p. XL. 


19 


von zehnjährigen Beobachtungen, verglichen mit einer an- 
dern Reihe von zehnjährigen Beobachtungen. 

In früheren Zeiten genügte man’ sich, wenn man die 
Temperatur eines Ortes in pflanzengeographischer Hinsicht 
kennen lernen wollte, mit der Kenntniss der Extreme der 
Wärme, d.h. mit dem höchsten Wärmegrade und mit dem 
höchsten Kältegrade, welcher an einem Orte beobachtet 
war. Es hat sich indessen gezeigt, dass diese Methode 
sehr unzweckmäfsig ist, denn die Extreme der Temperatur 
treten nur sehr selten ein und herrschen dann auch nur 
kurze Zeit, so dafs sie auf diejenigen Pflanzen, welche 
eine höhere oder-eine niedere Temperatur haben müssen, 
noch keinen tödtlichen Einflufs äufsern, welcher erfolgen 
müfste, wenn diese Temperaturen lange anhielten. Wä- 
rend die Pflanzen im Winterschlafe begriffen sind, können 
‚sie einen hohen Grad von Kälte ertragen; bekannt ist die 
enorme Kälte in einigen Gegenden Sibiriens, wo selbst 
das Quecksilber gefriert, deren Vegetation zur Sommer- 
zeit aber dennoch viel herrlicher, als diejenige am Nord- 
cap ist, wo solche Kälte, wie im Innern von Sibirien, nie- 
mals eintritt, ja gänzlich unbekannt ist. #) 


*) Hiebei kann ich zugleich die Resultate einiger Untersuchun- 
gen anführen, welche die Extreme der VVärme und der Kälte an- 
geben, die unsere Getreide - Arten, als Saamen nämlich, ertragen kön- 
nen. Bei einer Temperatur unter dem Gefrierpunkte keimt kein 
Saame mehr, und Versuche mit Getreide- Arten haben gezeigt, dafs 
diese sogar nicht unter 7° Cels. (5,6° R.) keimen (nach H. Gocp- 
pert's neuen Beobachtungen noch bei 3° R.). Andere Versuche, 
welche den Grad der Kälte erforschen sollten, welcher im Stande 
wäre die Keimkraft in den Getreide - Arten zu zerstören, haben fol- ı 
gendes Resultat geliefert, dafs nämlich selbst die hohe Kälte, bei 
welcher das Quecksilber gefriert, die Keimkraft der Saamen noch 
nicht ersticke. Es ist wohl wahrscheinlich, dafs eine lange anhal- 
tende Kälte der Art, dennoch den Saamen tödten möchte, doch die- 
ses durch Versuche zu bestimmen, ist nicht leicht, da man einen so 
hohen Grad von Kälte nicht so lange erhalten kann, Mit der 
Wirkung der WVärme verhält es sich ganz anders, denn bei einer 
Hitze von 50° Cels. keimen die Samen im WVasser nicht mehr. In 
VVasserdampf tödtet erst eine Hitze von 62° C. die Keimkraft der 


2*F 


20 


Die mittlere Wärme, welche aus dem Mittel sämmt- 
licher mittleren täglichen Beobachtungen gezogen ist, giebt 
nun zwar einen richtigen Begriff von der Menge der Wärme, 
welche ein Ort erhält, aber keineswegs giebt sie einen 
richtigen Maafsstab für die Vegetation, welche diesem 
Orte zukommt. Wenn sich die Pflanze im Winterschlafe 
befindet, dann hat die Temperatur der Umgebung nur ge- 
ringen Einflufs auf dieselbe, wenn sie aber im Frühlinge 
ihre Blätter entfaltet, wenn sie im Sommer die Blüthe 
treibt und im Herbste die Früchte ausbildet, so kommt 
Alles darauf an, dafs, gerade wärend dieser hauptsächli- 
chen Lebensperioden der Pflanzen, ihnen derjenige Grad 
von Temperatur zukommt, welcher denselben von der Na- 
tur angemessen ist. Zu Enontekis in Lappland ist die 
mittlere Temperatur gleich — 2,86° C., auf dem St. Gotthard 
aber, im Hospitium, ist sie gleich — 1,05° C. nach zehnjähri- 
gen Beobachtungen *); aber dennoch giebt es zu Enontekis 
Fichten- und Birken- Wälder, wärend man sich auf dem 
St. Gotthard weit über die Baumgrenze erhoben hat! 

So kann man eine Pflanze südlicherer Gegenden in 
mehr nördlicheren Gegenden ziehen, wo zwar harte Win- 
ter aber sehr schöne Sommer sind, wenn man die Pflanze 
gegen den Einflufs der Winterkälte zu schützen sucht, 
und sie erst spät im Frühlinge dem Einflusse der freien 
Atmosphäre aussetzt. Wir werden später, wenn wir die 
Verbreitung der Weinrebe näher kennen lernen werden, 
genau einsehen, wie z. B. der Weinstock, um einen sehr 
guten Wein zu geben, wenigstens ‚eine fünfmonatliche 
Wärme von 15° Cels. im Mittel haben mufs; haben der 
September und der October, zu welcher Zeit der Wein 


— 


Getreide- Arten, und in trockener Luft sınd sogar 75° Cels. nöthig, 

um das Keimungs- Vermögen dieser Saamen aufzuheben. Indessen 

auch hiebei äufsert die, mehr oder weniger lange Ausdauer einer 

hohen Temperatur ıhren auffallend verschiedenen Eindruck, denn 

eine VVärme, welche 3 Tage lang anhält, zerstört schon beı 35° C. 

die Keimkraft der Getreidearten. (S. Ann. dessc.nat. 1834. p. 257— 270.) 
*) $S. Kämtz Meteorol, II. p. 93. 


& 


\ ' 21 


gerade vollkommen reift, nicht ebenfalls diesen Grad der 
mittleren Wärme, so bleibt der Wein sauer, und solches 
Land ist zur Weincultur unpassend. 

Aus dem Allen’ geht sehr deutlich hervor, dafs zur 
Anwendung für pflanzengeographische Zwecke, hauptsäch- 
lich die mittleren Temperaturen der verschiedenen Jahres- 
zeiten und der einzelnen Monate nöthig sind, wohl aber 
sind auch nebenbei die Extreme der Hitze und Kälte zu 
beachten. Ueberhaupt wird sich die Ausführlichkeit die- 
ser Untersuchungen, über die Temperatur- Verhältnisse ei- 
nes jeden Ortes, ganz nach dem Zwecke richten, welcher 
damit erreicht werden soll. Sehr speciell müssen sie sein, 
wenn man nahe gelegene Orte in Hinsicht der Vegetations- 
Verschiedenheit mit einander vergleichen will, allgemeiner 
aber, wenn man die Vegetation grofser Hauptzonen der 
Erde betrachtet. 

Die Methode des Aufzeichnens der Temperatur - Cur- 
ven ist in dieser Hinsicht von grofsem Werthe; hat man 
die Curven verschiedener Oerter neben einander aufgetra- 
gen, ganz in der Art, wie es auf beiliegender Tafel ge- 
schehen ist, so wird man, schon bei dem ersten Blicke, die 
Aehnlichkeit und die Verschiedenheit der Climate dieser 
Oerter erkennen und auch sogleich eine Ansicht von der 
Vegetation dieser Gegenden auffassen. Auf der beiliegen- 
den Tafel sind z. B. zuerst die Temperatur- Curven für 
d tropische, fast unter gleicher Breite liegende Orte ein- 
getragen, nämlich für Canton, Macao, Calcutta, Havanna 
und Hawaii (Owhyhee). Diese 5 Orte liegen fast genau 
an der Grenze des nördlichen Wendekreises, daher eine 
Vergleichung des Temperatur - Ganges an diesen Orten 
in vieler Hinsicht sehr wichtig sein wird, ganz besonders 
aber, da das Clima, an einzelnen dieser Orte, durch viel- 
fach verschiedene Ursachen auffallend modifieirt wird. 
Man kann. auf jener Tafel sehen, wie die Curven für 
Canton, Calcutta, Macao und Havanna, wenigstens für die 
Sommerzeit, fast genau zusammentreffen, wärend die Tem- 
peratur von Hawaii, wo ein Insel-Clima herrscht, wärend 


22 


des Sommers um mehr als 2 Grade niedriger steht, da- 
für aber hält daselbst eine und dieselbe Temperatur, fast 
ununterbrochen 6 Monate lang an. Betrachtet man aber 
die Minima der Wärme von diesen 5 daselbst aufgezeich- 
neten Curven, so wird man an diesen die auffallendsten 


Verschiedenheiten wahrnehmen. Die Monate Januar, Fe- 


bruar und December stehen für Canton ganz aufserordent- 
lich niedrig, wärend Hawaii, ein Insel-Clima repräsenti- 
rend, welches eine so niedere Sommer-Temperatur zeigte, 
für diese Winter- Monate gerade eine sehr hohe mittlere 
Temperatur zeigt. Indessen diese grofse Abweichung der 
Temperatur-Curve Canton’s von denjenigen der übrigen Oer- 
ter wird sehr leicht erklärt. Canton liegt in einer Gegend, 
wo, wie ich schon früher bemerkt habe, die entschieden- 
sten halbjährlichen Winde herrschen, welche wir kennen; 
der halbjährliche Nord-Ost-Wind, welcher daselbst in den 
Wintermonaten herrscht, führt eine so kalte Luft herbei, 
dafs die Temperatur im Monate Februar sehr häufig auf 
4° R. und noch niedriger zu stehen kommt, ja dafs es 
daselbst zuweilen auf einige Stunden lang friert. Man 
bedenke, was das in einem Clima sagen will, wo Palmen 
und Pisange wachsen. 

Vergleichen wir aber die mittleren Temperaturen die- 
ser d genannten tropischen Orte, nämlich 


Caleutta mit 21° R. } 

Havanna — 20,35’ R. 

Hawaii — 192° R 

Canton — 17,56° und Macao mit 17, STOR. %), 


so werden wir sicherlich keinen richtigen Begriff von dem 
Clima von Canton und Macao erhalten, wo die Sommer- 
Monate Juni, Juli und August oft eine unerträgliche Hitze 
aufzuweisen haben, wärend die Temperatur dieser Zeit zu 
Hawaii sehr angenehm ist. 

So sehen wir auch hier, dafs es die mittleren Tem- 
peraturen der verschiedenen Jahreszeiten sind, welche uns 


*) $S. Meyen über das Glima ım südlichen China I. c. 


a a a 


23 


einen richtigen Begriff von dem Clima eines Ortes und 
dessen Vegetation geben können; auf beiliegender Tafel 
habe ich ebenfalls die mittleren Temperaturen der ver- 
schiedenen Jahreszeiten jener 5, oben genannten tropischen 
Orte verzeichnet, und hiebei wird man eine solche Ueber- 
einstimmung in den Maximis der Wärme- Vertheilung er- 
blicken, dafs es uns nicht mehr wundern darf, wie an al- 
len diesen 5 Orten, bei der so grofsen Differenz in ihren 
mittleren Temperaturen, dennoch eine Tropen-Vegetation 
herrscht. Wie wir schon früher gesehen haben, so sind 
die Felder im südlichen China, wärend der Wintermonate, 
ihres Schmuckes gänzlich beraubt, denn von der üppigen 
Vegetation, welche sie im Sommer bekleidet, ist meistens 
keine Spur mehr vorhanden. “Die zurückgebliebenen Wur- 
zeln, Zwiebeln und Saamen liegen in der Erde begraben 
und halten wärend dieser Zeit einen Winterschlaf, aus 
dem sie erst dann wieder erwachen, wenn im Monat März 
der Nord - Ost - Wind schwindet und mit eintretendem 
Süd-West-Monzoone auch die Regenzeit sich erneuert. 

Die Temperatur-Curven von Berlin, Söndmör, Enon- 
tekis und von der Melvilles-Insel, welche ebenfalls auf 
beiliegender Tafel verzeichnet sind, geben, gleich bei dem 
ersten Änblicke, ein Bild von den grofsen Differenzen zwi- 
schen den Maximis und Minimis der Wärme ihres Clima’s, 
welche besonders den Gegenden der arktischen Zone ei- 
gen sind. Betrachten wir die Curve von Berlin, ich 
habe mit Absicht den Temperatur-Gang dieses Ortes ge- 
wählt,: weil uns dieser sehr bekannt ist, so finden wir 
zwar eine Differenz von 20° Cels. zwischen den Maximis 
und Minimis, wir sehen aber, dafs diesem Orte wenig- 
stens ein dreimonatlicher Sommer von einer angenehmen 
Temperatur zukommt, nämlich von 16 —18S’ C. (12,8— 
14,4° R.) mittlerer Temperatur. Zu Enontekis in Lapp- 
land, 16° nördlicher gelegen, ist dieser Sommer nur noch 
2 Monate lang, und der Sommer auf der Melvilles - Insel 
dauert sogar nur noch einen Monat, wobei die mittlere 
Temperatur nicht 6° Cels. erreicht. 


24 


Dadurch werden die Temperatur-Curven von Berlin, 
von Enontekis und von der Melvilles-Insel immer spitzer, 
je weiter man nach Norden steigt. Selbst das Insel-Clima, 
welches der Melvilles-Insel einigermafsen angehört, kann 
hier nicht mehr gegen die furchtbare Kälte schützen, in- 
dem die Luft daselbst zu trocken ist, um die Ausstrahlung 
zu verhindern oder die dadurch entstehende Kälte zu 
mäfsigen. 

Die Temperatur-Curve von der Melvilles-Insel zeigt 
zwischen dem Maximum und dem Minimum der Wärme 
an 40° Cels. Differenz, und diejenige von Enontekis doch 
noch 33° Cels. 

Bei der Darstellung der mittleren, täglichen Wärme 
aus den Horar-Beobachtungen, habe ich die Bemerkung 
gemacht, dafs gewisse Stunden des Tages diejenige Wärme 
zeigen, welche dem Mittel des ganzen Tages am nächsten 
kommt, so dafs man, durch eine einzige Beobachtung, die 
mittlere Temperatur des ganzen Tages erfahren kann. 
Eben dasselbe findet bei dem Gange der jährlichen Wärme- 
Vertheilung statt, denn schon die Beobachtung eines ein- 
zelnen Tages zur Zeit des Herbstes, oder im Frühlinge, 
könnte hinreichen, um die mittlere Temperatur des gan- 
zen Jahres kennen zu lernen. Leider ist diese Methode, 
sowohl für die Beobachtung der täglichen, als wie für die 
der jährlichen Wärme - Vertheilung wenig anwendbar, denn 
man erkennt, für den speciellen Ort, den geeigneten Tag 
der Beobachtung erst dann, wenn die Temperatur des 
ganzen Jahres durch eine grofse Anzahl von Beobachtun- 
gen schon genau bestimmt ist; denn eine Menge von Ur- 
sachen sind vorhanden, welche jedesmal diese Zeitpunkte 
der richtigen Beobachtung, für den speciellen Ort, ab- 
änderen. 

Dieses war nöthig über den Gang der täglichen Wärme, 
so wie über die Bestimmung desselben bei der jährlichen 
Wärme -Vertheilung vorzutragen, und wir können jetzt 
zu der Anwendung der mittleren Temperaturen für pflan- 
zengeographische Zwecke übergehen. 


25 


Herr Alexander von Humboldt hat auch hierin dieser 
Wissenschaft den Gang vorgeschrieben; er verband die- 
jenigen Oerter der Erdoberfläche, welche eine gleiche 
Wärme besitzen, durch Linien und nannte diese Linien 
Isothermen*), also Linien von gleicher Wärme. 
Da nun die mittleren. Temperaturen verschiedener Orte 
sehr verschieden sind, so wird es auch sehr verschiedene 
Isothermen geben, welche aber immer mit der Höhe der 
mittleren Temperatur des Ortes bezeichnet werden. Wir 
werden daher eine Isotherme von 0° R. oder 0° Cels., bis 
zu einer von 26° Cels., und bis zu einer von — 16° Cels. 
haben. Die Beobachtungen haben gezeigt, dafs diese 1so- 
thermen mit den Breitenkreisen keineswegs parallel ver- 
laufen, sondern sich gegen diese neigen, besonders in hö- 
heren Breiten, weniger dagegen in der Nähe des Aequa- 
tors, wo sie mit den Parallelkreisen, gewöhnlich Breiten- 
kreise genannt, ziemlich zusammenfallen möchten. 

In der nördlichen Halbkugel der Erde sind alle Ost- 
küsten der Continente und der einzelnen Ländermassen 
kälter, als die Westküsten gleicher Breiten, Tausende von 
Beobachtungen haben dieses bestätigt, obgleich die Erklä- 
rung dieser Erscheinung noch nicht ergründet ist **), und 
demnach würden die Isothermen schon dadurch ein mehr- 
faches Sinken und Steigen zeigen. Z. B. Irland, England 
und Belgien sind Länder von gleichen Isothermen, doch 
an der Ostküste von Asien kommt diese Isotherme erst 
oberhalb Pecking, also in einer Breite von Neapel zum 


*) von loog und YEouos. 

*%) Herr Ad. v. Chamisso (Linnaea 1829 pag. 59.) erklärt die 
Erscheinung sehr natürlich, obgleich die Erklärung ebenfalls nicht 
auf den Grund geht und die VWVärme des Meeres erklärt. ‚Die 
Meere,“ sagt H. v. Chamisso, „sind die Ausgleicher der Temperatur. 
So wie die Ostwinde zwischen den VWVendekreisen beständig sind, 
so sind in höheren Breiten die Westwinde vorherrschend. Sie be- 
dingen den westlichen Küsten der Festlande, die sie über das wär- 
mere Meer anwehen, einen milderen Winter, und hinwiederum ei- 
nen strengeren den Ostküsten, die sie über das schneebedeckte käl- 
tere Land erreichen,“ u. s. w. 


26 


Vorscheine. Canada hat eine südlichere Breite als Paris, 
und dennoch zeigt es die Temperatur von Drontheim. Die- 
selben Bäume, welche in New-York, bei einer Breite von 
Neapel, wachsen, blühen erst mit denjenigen zu Upsala 
zu gleicher Zeit. 

Die Isothermen laufen indessen nicht in geraden Li- 
nien, sondern in Bogen. Von der Ostküste Amerika’s 
hebt sich die Isotherme auf ihrem Laufe gegen die West- 
küste von Europa; tiefer, nach dem Innern des Continen- 
tes hin, senkt sie sich wieder nach Süden und zwar so 
schnell, dafs z. B. Schottland mit Polen in einer Isotherme, 
und dafs England mit Ungarn ebenfalls in einer und dersel- 
ben Isotherme liegen. Dieses Sinken findet aber wohl 
nur in der Nähe der Küsten so schnell statt, und zwar 
wegen des schon früher nachgewiesenen grofsen Unter- 
schiedes, welcher zwischen Küsten- und Continental-Clima 
gleicher Breiten herrscht; weiter. im Innern der grofsen 
Continente möchte dieses wohl nicht statt finden, sondern 
wahrscheinlich werden dort die Isothermen als gerade Li- 
nien verlaufen, doch fehlen bis jetzt noch die Beobach- 
tungen, welche nöthig sind, um dieses zu beweisen. 

So wie in der alten Welt, so zeigen die Isothermen, 
auch im Inneren der neuen Welt, eine und dieselbe Bie- 
gung nach Süden. Gehen wir also im Innern der beiden 
grofsen Continente nach dem Pole hinauf, so nimmt die 
Temperatur daselbst um Vieles mehr ab, als auf den da- 
zwischen liegenden Meeren. Es ist bekannt, dafs man 
seit einer langen Reihe von Jahren das arktische Eismeer 
zu durchfahren versucht hat. Auf dem Wege durch die 
Bherings- Strafse, wo man sich stets in der Nähe der gro- 
fsen Continente befindet, ist man nur wenig über 70° 
N. Breite vorgedrungen; auf dem Wege, entlang der ame- 
rikanischen Küste, durch die Baffın's-Bay hindurch, ist 
man nur bis 77° N. Breite gekommen, auf dem Wege 
aber, im offenen Meere zwischen der alten und der neuen 
Welt, gerade in den Meridianen von Norwegen und. 
Schweden, da fährt man mit Leichtigkeit nach Spitzber- 


27 


gen, woselbst man schon über 81° N. Breite vorgedrun- 
gen ist. 

Wir werden daraus bald erkennen, dafs nicht etwa 
der Pol der kälteste Punkt der Erde ist, sondern dafs es 
zwei Kälte-Pole giebt, einen nämlich im Innern eines 
jeden Continents. 

Wir haben aber schon früher gesehen, dafs die mitt- 
leren Temperaturen des ganzen Jahres keineswegs die 
Vegetation so genau bedingen, wie die mittlere Tempera- 
tur der verschiedenen Jahreszeiten, und demnach ist es 
noch wichtiger, diejenigen Orte kennen zu lernen, welche, 
obgleich unter verschiedenen Breiten gelegen, dennoch 
eine und dieselben Winter- oder Sommer -Temperaturen 
aufzuweisen haben. Herr Alexander von Humboldt machte 
auch hierauf zuerst aufmerksam; er nannte diejenigen Li- 
nien, welche die Oerter auf der Oberfläche der Erde ver- 
binden, die eine gleiche mittlere Wintertemperatur besitzen, 
Isochimenen (von 6 xeıuov die Kälte), und diejenigen Li- 
nien, welche Orte von gleicher mittlerer Sommerwärme 
verbinden, Isotheren (von 70 J&oog die Hitze). 

Die Isochimenen biegen sich im Innern. des Landes be- 
deutend nach Süden; die Krümmung zeigt sich vorzüglich in 
der Nähe des Atlantischen Meeres, wo die Bogen, wenn sie bei 
der Küste auslaufen, eine starke Biegung nach Norden ma- 
chen. So z. B. geht die Isochimene von — 5° Cels. 
nördlich vom Nord-Cap (— 4°62 Cels.), läuft dann ziem- 
lich parallel mit der Kette der scandinavischen Gebirge 
nach Süden (Drontheim — 4°,78), geht hierauf südlich 
von Upsala (— 4°,02), nördlich von Abo (— 5,38°) in 
das Innere von Rufsland hinein;- hier scheint sie sich, 
ebenfalls schnell nach Süden zu biegen, da Petersburg 
eine Wintertemperatur von 9°,03 hat. Im Innern von 
Amerika scheint sich die Isochimene noch weiter nach 
Süden zu wenden, denn F. Sullivan, F. Howard und F. 
Snelling, sämmtlich im 45sten Grade liegend, zeigen fol- 
sende Wintertemperaturen: — 5,17, — 7,23 und — 8,99°, 
also immer tiefer, je weiter man in das Innere hineingeht. 


28 


Doch auch hier gehen die Isochimenen wieder schnell nach 
Norden, wenn wir uns, aus dem Innern des Continents, 
nach der Westküste von Nordamerika begeben; so ist die 
Wintertemperatur zu F. George in 46°18‘ Breite = 3,75 C., 
wärend in Washington, auf der Ostküste desselben Conti- 
nents, erst unter 38° 53° N. Breite, die mittlere Winter- 
Temperatur von 2,96° Cels. zu finden ist. Wärend man 
sich zu Quebeck im Winter über schneidende Kälte be- 
klagt, gehen die Indianer auf der Westküste unter glei- 
cher Breite beständig unbekleidet. 

Man hat die Wichtiskeit der Verschiedenheit des 
Clima’s auf der Ost- und auf der Westküste Nordamerika’s 
für die Verbreitung der Vegetation schon früh erkannt, 
wenigstens weit früher, als man diese Verschiedenheit durch 
thermometrische Messungen kannte. Herr Barton *) hat 
schon die Bemerkung gemacht, dass die nordamerikani- 
schen Pflanzen auf der Westküste stets höher hinauf ge- 
hen, als auf der Ostküste; z. B. Aesculus flava wächst 
östlich bis zu 36° N. Breite und westlich der Gebirgs- 
kette, bis zu 42° N. Breite. 

Juglans nigra östlich bis 41° und westlich bis 44°, 
Gleditschia triacanthos östlich bis 38°, westlich bis 41. 

Die östlichen Küstengegenden, welche die Hudsons- 
bay einschliefsen, sind öde und vegetationslos, dagegen 
zeigt sich auf der westlichen Küste eine ziemlich reiche 
Vegetation. 

Die Gleditschia triacanthos ist jetzt bei uns angepflanzt 
und wächst, weit über 52° N. Breite hinaus ganz kräftig. 
Z. B. im Parke von Oranienburg bei Berlin, befinden sich 
zwei riesenmäfsige Bäume der Art. Dieses führt uns dar- 
auf, dafs die Temperatur in Nordamerika, unter einer und 
derselben Breite mit Europa, viel bedeutender niedriger ist, 
worauf wir an einer andern Stelle wieder zurückkommen 
werden. 

Ganz entgegengesetzt dem Laufe der Isochimenen ist 
die Biegung der Isotheren; sie biegen sich in der Nähe 
der Küste sehr bedeutend nach Norden, je weiter wir 


29 


aber nach dem Inneren der Continente gehen, desto mehr 
näheren sich die Isotheren den Parallelkreisen. Die Iso- 
there von 18° C. berührt kaum das südliche England, er- 
reicht Holland in 51° N. Breite, geht etwas südlicher von 
Berlin, erreicht Moscau und scheint sich von hier gerade 
nach Osten zu ziehen. Der Sommer von Paris und der 
von Moscau ist sich beinahe gleich, obgleich der Winter 
zu Moscau ganz furchtbar ist. 


Alles was wir vorher über die Biegung der Isochime- 
nen nach Süden gesagt, gilt hier theilweise über die Bie- 
sung der Isotheren nach Norden, besonders in Beziehung 
auf den neuen Continent. Nämlich ein Küsten-Clima hat 
weniger Hitze aufzuweisen, als das Clima im Inneren der 
Continente, daher hier die Isothere weiter nach Norden 
hinaufsteigt. 


So wie die Continente und Inseln auf der Ost- und 
auf der Westküste ein verschiedenartiges Clima zeigen, so 
hat man dieses auch auf der südlichen Hemisphäre beob- 
achtet, doch verhält es sich hier gerade entgegengesetzt 
wie in der nördlichen Hemisphäre. Hier nämlich sind die 
Ostküsten kälter, als die Westküsten, dagegen sind in der 
südlichen Hemisphäre gerade die Westküsten kälter als 
die Ostküsten. Durch die eigenthümliche Configuration 
der Continente in dieser Hemisphäre, werden sich weit 
weniger Vergleichungspunkte darbieten, als wie in der 
nördlichen Hemisphäre; der gröfste Uebelstand ist aber 
wohl der, dafs hier nur sehr wenige Oerter genaue meteo- 
rologische Beobachtungen aufzuweisen haben. 


Südamerika, welches sich am tiefsten südlich herab- 
zieht, zeigt ganz entschieden dieses Verhältnifs einer wär- 
meren Ostküste zu der kälteren Westküste. Man hat die- 
ses, verhältnifsmäfsig sehr kalte Clima der Westküste von 
Südamerika häufig zu erklären gesucht und hat auch viele 
sehr richtige Ursachen aufgestellt, welche eine Verminde- 
rung der Wärme daselbst veranlassen können, loch die 
hauptsächlichste Ursache wird wohl eben dieselbe sein, 


30 


welche die Ostküste in der nördlichen Hemisphäre ver- 
hältnifsmäfsig kälter macht als die Westküste. 

Ganz ebenso wie sich die mittleren Temperaturen von 
dem Aequator nach den Polen zu vermindern, ebenso neh- 
men sie in den verschiedenen Regionen der Gebirge ab, 
je mehr man sich von der Ebene aus entfernt, so dafs 
man zuletzt an die Eisregionen gelangt, wo der ewige Schnee 
und Eis aller Vegetation im Wege steht. Am auffallend- 
sten und am regelmäfsigsten zeigt sich diese Temperatur- 
Abnahme, wenn man mittelst eines Luftballons in gerader 
Linie aufsteigt. Herr Gay-Lussac machte am 16. Septem- 
ber 1805 eine solche Luftfahrt zu Paris; er stieg bis zur 
Höhe von 21480 Fufs, wo die Temperatur der Luft bis 
auf 7,6° R. fiel, wärend sie auf der Oberfläche der Erde, 
gerade zu derselben Zeit, 22,2° war. Wenn man einen 
hohen Berg besteigt, wird man ebenfalls eine solche all- 
mäliche Abnahme der Temperatur bemerken, und mit ihr 
zugleich die auffallendsten Verschiedenheiten in Bezug auf 
die Vegetation. Man wird bemerken, wie am Fufse des 
Berges alle die Pflanzen der Ebene der Gegend vorkom- 
men, wie alsdann die eine oder die andere dieser Pflanzen 
schwindet, wie dann die Bäume bis zu einer gewissen Grenze 
hinaufsteigen, wo die strauchartige Vegetation vorherrscht, 
welche endlich, je höher man steigt, durch blofse krauiar- 
tige Gewächse und zuletzt vielleicht noch durch einige 
Flechten u. s. w. begrenzt wird. 

Der Reisende, welcher nördlich gelegene Gegenden 
besucht hat, wird, bei dem Besteigen hoher Berge in süd- 
lichen Gegenden, sehr bald in Regionen eintreffen, in deren 
Vegetation er die Pflanzendecke nordischer Gegenden wie- 
dererkennt. An der Grenze des ewigen Schnee’s jener 
Gebirge wird er nur wenige Pflanzen - Formen der ark- 
tischen Zonen vermissen, ja oft genau ein und dieselben 
Arten finden, welche in der Ebene dieser ganzen Breite, 
von jenen arktischen Regionen an, bis zu dem Gipfel der 
Gebirge nicht vorkommen. “Als ich vor einer Reihe von 
Jahren die Schweiz "bereiste, und in die hochgelegenen 


31 


Thalgegenden zwischen dem Züricher und Zuger See kam, 
da wurde ich nicht wenig überrascht und dabei auf das 
angenehmste erfreut, als ich eine herrliche Wiese erblickte, 
welche alle die schönsten Pflanzen Litthauens aufzuweisen 
hatte, die meinem Gedächtnisse, durch die ersten botani- 
schen Wanderungen, noch so lebhaft eingeprägt waren, und 
die ich, neben andern, seit einer langen Reihe von Jahren 
nicht wiedergesehen hatte. 

Die Freude ist unaussprechlich und nur ein Botaniker 
kann dielbe ganz empfinden, wenn man, aus nordischen 
Gegenden kommend, die hohen Gebirge südlicherer Gegen- 
den besteigt, und die eine bekannte Pflanze nach der an- 
dern wiederfindet; schon in den Gebirgen der Schweiz ist 
diese Freude grofs, aber um wie viel gröfser ist dieselbe, 
wenn man, weit entfernt von der Heimath, auf den Gebir- 
gen der südlichen Halbkugel umherwandert. Der Anblick 
einer kleinen Gentiana, unserer Gentiana uliginosa und der 
G. nivalis aufserordentlich ähnlich, auf einer Höhe von 14- 
bis 15000 Fufs, wie in der Cordillere des südlichen Peru, 
kann den Botaniker stundenlang fesseln, er sammelt immer 
mehr und mehr von diesen Pflänzchen, welche ihn, wenig- 
stens im Geiste, nach der Heimath tragen. 

Es findet demnach zwischen der Vegetations-Verthei- 
lung, von der Meeresoberfläche an, bis zur ewigen Schnee- 
grenze der Gebirge und zwischen derjenigen, von dem 
Aequator nach den Polen hin, ein gewisser Parallelismus 
statt, wenn auch diese allmäliche Veränderung gegen die 
Pole hin viel langsamer, als bei der steigenden Höhe der 
Gebirge stattfindet. Auch ist es nach den gegenwärtigen 
Erfahrungen nicht mehr schwer zu erkennen, dafs. dieser 
Parallelismus ganz genau mit jenem übereinstimmt, welcher 
sich, in Hinsicht der Wärme-Abnahme, zwischen den Ent- 
fernungen vom Aequator zum Pole und von der Ebene 
bis zur Schneegrenze zeigt. Hier wird man die Vortheile, 
welche die Geographie der Pflanzen auf den Ackerbau und 
überhaupt auf die Cultur des Landes ausüben könnte, zu- 
erst recht deutlich erkennen lernen. 


32 


Wir haben uns früher mit dem mittlern Gange der 
Temperatur-Vertheilung über die Oberfläche der Erde be- 
schäftigt und haben erfahren, dafs die Vegetation mit die- 
sem fast gleichen Schritt hält. Die Erfindung, wenn ich 
mich so ausdrücken darf, der Isothermen, der Isotheren und 
der Isochimenen, giebt uns die Mittel an die Hand, um 
jene meteorologischen Resultate auf die Vertheilung der 
Pflanzen mit Leichtigkeit anzuwenden. 

Wäre die Wärmeabnahme unter gleichen Breiten mit 
steigender Höhe ganz gleich, so müfsten verschiedene Orte 
einer Breite, welche in einer Höhe liegen, zu einer und der- 
selben Isotherme gehören, welche sich, je weiter nach 
Norden hinauf, immer mehr und mehr nach der Ebene 
senkt, so dafs sie zuletzt mit eben derselben Isotherme 
der Ebene zusammenfällt.e Wenden wir dieses auf die 
Vertheilung der Vegetation an, so werden wir finden, dafs 
eine Pflanze, welche hoch auf dem Gebirge, unter einer 
bestimmten Isotherme wächst, in der Ebene nur dann gut 
gedeihen kann, wenn sie daselbst eine Temperatur eben 
derselben, oder wenigstens einer nahe liegenden Isotherme 
antrifft. Alpenpflanzen hoher Regionen wollen in unseren 
Gärten, wenigstens ohne besondere Vorrichtungen nicht 
wohl wachsen, und wenn sie fortgehen, so erhalten sie 
ganz andere Formen, als ihnen auf dem Gebirge zukommen. 
Umgekehrt werden wir aber schon im voraus, ungefähr 
wenigstens, wissen können, ob eine Pflanze der Ebene auch 
auf hohen Gebirgen gedeihen wird, und bis zu welcher 
Höhe die Cultur solcher Pflanzen versucht werden kann, 
wenn wir die Temperatur-Verhältnisse dieser Gegenden 
kennen. Schon bei der Untersuchung der Wärme- Ver- 
theilung auf der Oberfläche der Erde, haben wir gesehen, 
dafs es weniger die Isothermen sind, wonach die Verbrei- 
tung der Vegetation zu bestimmen ist, als vielmehr die 
Isotheren, ganz besonders in Bezug auf alle einjährigen 
Pflanzen und hauptsächlich auf unsere Getreidearten, wel- 
che als einjährig gezogen werden. Die perennirenden Ge- 
wächse richten sich mehr nach den Isothermen und nach 


33 


den Extremen der Kälte, welche an einem Orte zur Win- 
terzeit herrschen. Der Getreidebau geht in den europäil- 
schen Nordländern unbegreiflich weit hinauf, bei 69°, ja 
selbst bei 70° N. Breite, wie bei Lyngen, Alten und in 
den Grenzgegenden von Norwegen, Schweden und Rufs- 
land, sogar in Gegenden, deren mittlere Temperatur weit 
unter dem Gefrierpunkte steht, findet sich Getreidebau. Be- 
trachten wir dagegen die üppige und reizende Natur, welche 
an den Ufern des grofsen See’s von Titicaca zu finden ist, in 
einer Höhe von 12700 Fufs, und sehen wir dabei, dafs nur 
Gerste und Hafer daselbst gedeihen, obgleich mir keine Kunde 
zugekommen ist, dafs der grofse See zur Winterzeit gefriert, 
so werden wir die Ursache solcher auffallenden Verschie- 
denheit weiter nachsuchen müssen; ich glaube dieselbe 
darin gefunden zu haben, dafs die Isothere dieser Gegen- 
den weit unter derjenigen steht, welche in jenen Gegenden 
des 69sten und 70sten Grades N. Breite liegt. Zu Enon- 
tekis ist die mittlere Wärme — 2,86°, aber der Ort liegt 
ın der Isothere von 12,80° Cels., wärend die Isochimene 
sich daselbst bis — 17° hinabsenkt. Die mittlere Tempe- 
ratur am Ufer des See’s von Titicaca ist dagegen sicher- 
lich über dem Gefrierpunkte, wärend die Sommerwärme 
geringer ist, als zu Enontekis, denn ich habe, gerade wä- 
rend der Sommerzeit auf jener Hochebene, welche gerade 
dem Winter in der Ebene des Meeres entspricht, nicht 
mehr als 15° R. zur Mittagszeit beobachtet, meistens aber 
nur 9 und 10 Grade R. *) 

Einige Beispiele werden auch hier am deutlich- 
sten sprechen; leider fehlen noch eine zu grofse Menge 
von Thermometer - Beobachtungen, welche die Temperatur- 
Abnahme für verschiedene Höhen verschiedener Breiten 
angeben. 

Die Beobachtungen der Temperatur auf dem St. Bern- 
hard zeigen sehr deutlich, dafs mit zunehmender Höhe die 
grofsen Differenzen zwischen den Temperaturen der hei- 


*) $. Meyen’s Reise, I. pag. 


34 


fsesten und der kältesten Jahreszeit schwinden, welche 
den nördlicheren Gegenden von eben derselben mittleren 
Wärme zukommen; dieses ist nicht nur hier, sondern auch 
auf andern Höhen beobachtet. Z. B. die Mönche im Ho- 
spizium des St. Bernhard beneiden die Lappländer um ihr 
schönes Clima, weil diese, bei gleicher mittlerer Tempera- 
tur mit der Höhe des St. Bernhard, dennoch einen hei- 
fseren Sommer haben. Ich habe schon früher darauf auf- 
merksam gemacht, wie auf dem Plateau des südlichen 
Peru, im Becken des See’s von Titicaca, weder Waizen 
noch Roggen gedeiht und daselbst nur Hafer und Gerste 
zur Reife kommt, obgleich auf dieser gewaltigen Höhe die 
Temperatur des Jahres nicht unter dem Eispunkte zu ste- 
hen kommt. 

Leider entbehren wir eine hinreichende Reihe von 
Thermometer-Beobachtungen aus jener Gegend, um mit 
diesem, in pflanzengeographischer Hinsicht so wichtigen 
Punkte der Erde Vergleichungen anstellen zu können, 
welche von besonderem Nutzen sein würden. Dafs diese 
Hochebene eine so hohe mittlere Temperatur besitzt, ge- 
hört einer anderen Ursache an, auf welche schon Herr 
Alexander von Humboldt durch sehr genaue Untersuchun- 
gen aufmerksam gemacht hat, indem er fand, dafs die Ab- 
nahme der Temperatur über Bergebenen viel langsamer 
fällt, als am Abhange steiler Berge, wobei natürlich die 
Licht- und Wärme-Strahlung von grofsen Flächen, als 
Ursache anzusehen ist. Auch hatte schon Saussure die 
schnellere Abnahme der Wärme auf steil ansteigenden 
Bergen bemerkt, was auf einer und derselben Ursache be- 
ruhet. 

Nachdem zwischen dem allmäligen Abnehmen der 
Wärme mit zunehmender Höhe ein gewisser Parallelismus 
gefunden war, mufste man auch daran denken, diese ent- 
sprechenden Verhältnisse durch Zahlen auszudrücken. Man 
suchte nun festzustellen, wie viel Höhenzunahme einem 
Grade der Wärme- Abnahme entsprechen möchte Die 
Beobachtungen des Herrn von Humboldt, so wie die Be- 


3) 


obachtungen des Herrn Gay-Lussac auf seiner Luftreise 
im Jahre 1805, haben uns über diesen Punkt entschieden 
belehrt. Eine Höhenzunahme von 90 bis 100 Toisen 
wird ziemlich genau einer Wärme- Abnahme von 1° Cels. 
entsprechen. Aus dem Mittel der Beobachtungen Saus- 
sure’s über die Schweiz (80 Toisen im Sommer und 94,4 
Toisen im Winter), und aus denjenigen von D’Aubuisson 
(7357018, fd. 'G.) ging. hervor, dafs daselbst zur Som- 
merzeit eine Höhe von 75—80 Toisen, und zur Winter- 
zeit eine Höhe von 94—110 Toisen einem Grade der 
Wärme-Abnahme entsprechen würden. 

Zum Beweise des Gesagten möge man die Tempera- 
tur-Curven vergleichen, welche ich auf der anliegenden 
Tafel aufgezeichnet habe. Genf und der St. Bernhard 
liegen in einer und derselben Breite, nur dafs der Beob- 
achtungsort auf dem St. Bernhard über 1000 Toisen hö- 
her als Genf gelegen ist. Die mittlere Temperatur auf 
dem’ St. Bernhard ist gleich — 1,0° Cels. und die zu Genf 
— 9,7° C., also beträgt die Temperatur- Abnahme daselbst 
für die 1000 Toisen Höhenunterschied über 10,7° Cels., 
daher hier mehr als 100 Toisen jeder Temperatur- Abnahme 
von einem Grade entsprechen. 

Bei der Betrachtung der Wärme-Abnahme mit zu- 
nehmender Höhe, werden wir nach den Regionen geführt, 
wo die Temperatur der Atmosphäre und des Bodens so 
niedrig ist, dafs daselbst, das ganze Jahr hindurch, Schnee 
und Eis liegen bleiben, welche aller höhern Vegetation 
ein Ende machen. Man bezeichnet diese Grenze mit dem 
Namen der ewigen Schneegrenze, indem man sie 
unterscheidet von derjenigen Grenze, bis zu welcher der 
Schnee wärend der ganzen Zeit der Wintermonate zu lie- 
gen kommt, welche man die untere Schneegrenze 
zu nennen pflegt. Die Region der ewigen Schneegrenze 
zeigt keineswegs eine mittlere Temperatur von 0°, wie 
man es wohl vermuthen sollte, sondern unter verschiede- 
nen Breiten werden wir in dieser Hinsicht recht sehr 
grofse Verschiedenheiten vorfinden, welche sich jedoch 


3* 


36 
Be 
‚später, bei einer gröfseren Anzahl von genauen und um- 
sichtlichen Beobachtungen leicht erklären lassen werden. 
Unter dem Aequator giebt man die Schneegrenze zu 
+ 1,5 C. mittler Temperatur an; in der gemäfsigten 


Zone erscheint sie erst bei — 3,7° C. und in der arkti- 
schen Zone sogar erst bei — 6° Cels. 


Da nun aber auf den Gebirgen verschiedener Breiten, 
je mehr sie dem Pole zu liegen, die niederen Tempera- 
turen, welche eine Schneegrenze bedingen, immer tiefer 
herabsteigen, so werden die Punkte dieser Schneegrenzen 
verschiedener Gebirge, von den Polar-Gegenden an, bis 
zum Aequator hin, durch Linien verbunden eine Curve 
bilden, deren Fläche den ganzen Erdkörper wie eine Kup- 
pel umgeben wird. Diese Kuppel senkt sich in den Po- 
largegenden bis zur Meeres-Oberfläche, wo eine ewige 
und undurchdringliche Eismasse allem Vordringen des Men- 
schen im Wege steht. Auf den Continenten der Polar- 
Zone giebt es allerdings in der Ebene des Meeres noch 
keine ewige Schneegrenze, unter dem günstigsten Falle 
könnte das Einschneiden der Schneegrenze erst unter 81° 
N. Breite, nämlich an den Nordenden von Spitzbergen 
statt finden. Unter dem Aequator erhebt sich diese Kup- 
pel am bedeutendsten über die Meeres- Oberfläche; man 
giebt die Höhe derselben gewöhnlich zu 14760 Fufs nach 
H. Alexander von Humboldt’s Beobachtungen an. Doch 
neuere Beobachtungen, sowohl im südlichen Peru, als auf 
dem Himalaya in Indien, zeigen, dafs die ewige Schnee- 
grenze für jene Gegenden noch etwas höher hinausgescho- 
ben werden mufs, ja überall da, wo grofse, ausgedehnte 
Ländermassen in diesen Höhen liegen, wenigstens bis zu 
16- und 17000 Fufs hinaus. Nach den Untersuchungen 
Hälström’s #) über die Curve der ewigen Schneegrenze, 
kam man zu der Ansicht, dafs die Kuppel derselben nicht 
vollkommen gleichmäfsig, sondern in der Gegend des Ae- 
quators leise eingebogen sei; doch die neueren Beobach- 


*) De termino atmosphaereae terrae nivalis. Aboae 1823. 


37 


53 
tungen, über die gröfsere Höhe der Schneegrenze in je- 
nen tropischen Gegenden, sind dieser Einbiegung der ewi- 
gen Schneekuppel in der Gegend des Aequator’s entgegen. 

Zwar ist die Wärme - Abnahme auf steilen Bergab- 
hängen schneller, als auf hohen Plateaus und auf den 
Höhen grofser zusammenhängender Gebirgsmassen, doch 
der Vulkan von Arequipa, auf der Hochebene von 11000 
Fufs, als ein isolirt stehender Kegel sich erhebend, geht 
mit seiner Kuppe über 18000 Fufs weit hinaus, und den- 
noch zeigt er nur auf einer Seite seiner höchsten Spitze 
ein klein wenig Schnee. Der bekannte Gebirgs-Pafs, 
zwischen Arequipa und der Provinz Chuquito, los Altos 
de Toledo genannt, 'geht weit über 15000 Fufs hinaus, 
und dennoch ist die Vegetation daselbst noch höchst in- 
teressant, ja eine einzelne Hütte, von Menschen bewohnt, 
steht noch in der Nähe dieser gewaltigen Höhe. Ja im 
Himalaya zeigt der Nutu-Pafs, selbst in einer Höhe von 
46840 Fufs, noch keinen ewigen Schnee. Der ganze 
westliche Theil des Himalaya, das ganze Kunawar enthal- 
tend, ist sehr hoch, von 12000 bis 18000 Fufs und nur 
wenig Schnee wird daselbst gesehen, selbst bis zu 16000 
Fufs geht daselbst die Vegetation hinauf. Der Juniperus 
communis wächst dort noch bei 14500 und die Birke bei 
14000 Fufs. 

Es folgt hier eine Reihe von Beobachtungen über die 
Höhe der Schneegrenze auf den Gebirgen verschiedener 
Breiten, wodurch sich die allmälige Abnahme derselben 
von dem Aequator bis zu den Polargegenden documentirt. 

Die Höhe der Schneegrenze erscheint: 

Auf dem Cotopaxı in 15735 Fuls Preufsisch *) nach Humboldt. 


4-5 Antısana in 15456 - “ 3 & 
- - Chimborazo in 15320  - £ e ® 


*) Ich habe die Angaben in Toisen und Meter auf Preufsische 
Fuls reducirt, und zwar nach der schönen Tabelle des Herrn Dove 
(Ueber Mafs und Messen. Berlin 1835.). Eine Toise ist = 1,949037 
‘ Meter und ein Meter ist = 3,186199 Preufs. Fuls, demnach ist 
eine Toise = 6,2 Preuls. Fufs. 


33 


Auf dem Chimborazo : in 15539 F. Pr. nach Hall. 


- - Pichincha in 15190 - - - Humboldt. 
Im südlichen Peru in 16851 - - - Pentland. 
In Mexico beı 19° N.Br. ın 14570 - - - Humboldt 
Auf dem Ararat ın 1344 - - -" Parrot. 
Auf dem Pic du Midi n 9337 - - 

- - Mont perdu ın 8078 - - - Parrot. 
Durchschnittl. f.d. Pyrenäen 8680 - - - Humboldt. 
Auf dem Gaucasus ın 10602 - - - Parrot u. Engelhardt. 
Auf den Apenninen in :92311 - - - - Schouw (in42u.432B.) 
Auf den Alpen in 8494 - - - - WVahlenherg. 

Ne - ın 8804 - - - verschiedenen neueren 

Autoren. 

In Norwegen bei 62° Br. in 5120 - - - Hisinger. 


I N" Bei B3t Br. in 5019. - 
Auf Island bei 63!° Br. in 2642 - - 
Zu Hammerfestb.70°Br. in 2585 - - - Büch. 
Am Nordcap in 227°- - - Bauch. 

Man hat in neuerer Zeit die ewige Schneegrenze von 
derjenigen der Glätscher genau zu trennen gesucht, und 
hat dafür die Grenzlinie derjenigen schneeartigen Substanz 
vorgeschlagen, welche in der Schweiz unter dem Namen 
Firn bekannt ist. Die Glätscher sind grofse Eismassen, 
welche, auf eine eigenthümliche Art, ganz und gar aus 
mehr oder weniger grofsen Eiskrystallen zusammengesetzt 
sind. Die Eiskrystalle der Glätscher sind nach allen Rich- 
tungen gelenkförmig mit einander vereinigt und der eine 
hilft den anderen gelenkförmig einkeilen. #) Diese Glät- 
schermassen senken sich oft zu einer sehr bedeutenden 
Tiefe hinab und sie dürfen mit den Grenzen des ewigen 
Schnee’s nicht zusammengestellt werden. Der untere Grin- 
delwaldglätscher **) senkt sich unter das Dorf Grindel- 
wald bis zu 533 Tois. Höhe, wärend der obere Grindel- 
waldglätscher doch nur bis 670 Toisen. hinabgeht. Der 
Unteraarglätscher ist an seinem Ausgange 921 Tois. hoch, 
wärend der Oberaarglätscher nur eine Tiefe von 1330 


*) S. Hugi’s naturhistorische Alpenreise. Berghaus Annalen 
II, 292. 
"NS. Hugi. Berghaus p. 290. 


39 


Tois. erreicht. In Hugi’s naturhistorischer Alpenreise, ei- 
nem sehr interessanten Buche, sind eine Menge Messun- 
gen von der Tiefe verschiedener Glätscher zn finden, und 
ich habe diese nur angeführt, um die grofse Verschieden- 
heit in der Höhe der Glätscher- Eismassen unter sich und 
zu der Grenze des ewigen Schnee’s anzudeuten. 

Es ist bekannt, dafs. auf der Insel Island, welche noch 
innerhalb der subarktischen Zone liegt, die Glätscher bis 
in das Meer hinabsteigen, wärend daselbst die Schnee- 
grenze noch in 423 Toisen Höhe liegt; indessen ‚noch 
auffallender ist dieses in der Magalhaen’s Strafse, in der 
Breite von 53 und 54° südlich, wo ebenfalls die Glät- 
scher bis in das Meer hinabsteigen, wärend sich die 
Schneegrenze daselbst ungefähr zwischen 3500 — 4000 Fufs 
erhält. *) | 

‘ Der Firn ist eine körnige, lockere Schneemasse, de- 
ren Erscheinen H. Hugi als die Grenze des ewigen Schnee’s 
anzusehen vorschlägt. Von weitem gesehen können die 
Firnmassen ganz das Ansehen der Glätscher zeigen, und 
auf einer Höhe von 1270 Toisen pflegen sich in der 
Schweiz die Glätscher schnell in Firn zu verwandeln. 
Wenn die Sonne auf diese Firnmasse scheint, lockert sie 
sich selbst bis auf mehrere Fufs Tiefe auf, so dafs der- 
selbe auf der Hand wie Hanfkörner auseinander fällt. 
Nachts wird die Masse durch die Kälte wieder fest. 

Es ist mir unbekannt, ob der Firn auch auf den Ge- 
birgen anderer Gegenden vorhanden ist; ich selbst habe, 
aufser auf den Schweizer- Alpen, die ewige Schneegrenze 
noch einigemal erstiegen und zwar auf der Cordillere von 
Südamerika. Hier fand ich die ewige Schneemasse hart 
und fest, oft so hart, dafs es schwer war, Stufen darin 
einzuhauen; doch von einer Auflockerung dieser Schnee- 
masse, wärend des Sonuenscheins, war auf der Cordillere 
von Chile und Peru nichts zu beobachten. 


*) $S. P. King’s Bemerkungen über das Feuerland und die Ma- 
galhaen’s Strafse. 


40 


Die Wärme des Sommers ist es wohl hauptsächlich, ı 
welche die verschiedene Höhe der Schneegrenze bedingt, 
sie wird daher in verschiedenen Jahren ähnliche Differen- 
zen zeigen, wie es die Wärme der Sommermonate ver- 
schiedener Jahre zeigt; doch werden diese um so geringer 
sein, je mehr wir uns dem Aequator nähern, wo die Dif-. 
ferenzen zwischen den Maximis und Minimis der mittleren 
monatlichen Wärme-Grade immer geringer werden. Hier 
sind wenige Messungen zur Bestimmung der Höhe der 
Schneegrenze nöthig, wärend in der temperirten Zone nur 
eine grofse Zahl dergleichen Beobachtungen ein sicheres 
Resultat geben können. 

Auch die Wärme des Bodens hat man als eine ÜUr- 
sache angesehen, welche auf das Vorkommen der Pflan- 
zen Einflufs ausüben könnte. Es ist wohl sicherlich der 
Fall, dafs die Oberfläche der Erde, worin die Pflanzen 
wurzeln, durch den Einflufs der Atmosphärilien ihre Wärme 
erhält, und demnach dieselbe ebenfalls von der Sonnen- 
Wärme abhängt. Ueber die Methoden die Wärme des 
Bodens mittelbar oder unmittelbar zu messen, mufs ich 
hier auf die physikalischen Schriften verweisen, worin die- 
ser Gegenstand ausführlich erörtert wird. *) 

So wie diejenigen Oerter auf der Oberfläche der Erde, 
welche gleiche mittlere Wärme zeigen, von Herrn Alexander 
von Humboldt durch Linien verbunden wurden, welche 
er Isothermen nannte, so hat Herr Kupffer auch die Punkte 
gleicher Bodentemperatur mit einander verbunden, und 
diese Linien Isogeothermen genannt, deren Verlauf ähn- 
lich dem der Isothermen ist. Ich kann hier diesen Ge- 
genstand um so kürzer berühren, indem, wie ich glaube, 
die Verschiedenheiten zwischen den Isothermen und den 
Isogeothermen zu gering sind, um auf die Vertheilung der 
Pflanzen einen bedeutenden Einflufs ausüben zu können. 

Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, dafs so- 


*) S. z. B. Kämtz Lehrbuch der Meteorologie, TI. p. 176 u. s. w. 
— Gebler’s Wörterbuch. N. A. II. u. s. w. 


41 


wohl die Entwickelung der Blätter, wie auch die Blüthen- 
entwickelung bei ein und denselben Arten von Pflanzen 
immer später und später erfolgt, je mehr man sich aus 
den wärmeren Gegenden entfernt und nach den kälteren 
hinbegiebt; und ganz eben dasselbe wird beobachtet, wenn 
man sich aus der Ebene auf die Höhe der Gebirge be- 
giebt. Pflanzen, welche in der Ebene längst verblüht sind, 
und daselbst schon Früchte tragen, werden so oft in ent- 
sprechenden Höhen der Gebirge noch in Blüthe gefunden. 
Dergleichen Völker, welche am Fufse der Gebirge woh- 
nen, geniefsen die Früchte ihres Landes eine geraumere 
Zeit hindurch, als die Völker der Ebene, denn wenn die 
Früchte von den Pflanzen der Ebene schon längst ver- 
schwunden sind, dann beginnen dieselben auf den Gebir 
gen von eben denselben Pflanzen zu reifen. Ja in vielen 
tropischen Gegenden, welche am Fufse der hohen Gebirge 
liegen, geniefst man auf diese Weise die meisten nützlich- 
sten Früchte das ganze Jahr hindurch, indem auf den grö- 
fseren Höhen dieselben immer später und später reifen, 
bis in der Ebene schon wieder die zweite Erndte sich 
nähert. Eben so verhält es sich auch umgekehrt; alle die 
verschienen Perioden des Pflanzenlebens rücken bei einer 
und derselben Art vor, je weiter sie in wärmeren Gegen- 
den auftritt. 

Herr de Saint-Hilaire #) beobachtete, bei dem Antritt 
seiner Reise, die Pfirsichbäume zu Brest noch am 1ten April 
ohne Blätter und ohne Blumen; am $ten April fand er sie 
zu Lissabon in voller Blüthe, am 25sten April hatten sie 
auf Madera schon Früchte angesetzt und am 29sten fand 
er auf Teneriffa reife Pfirsiche. 

Aehnliche Beispiele liefsen sich noch mehrere auffüh- 
ren, wie sie z. B. Schübler **) in einer besonderen Ab- 
handlung zusammengestellt hat. Das Maiblümchen (Con- 


”) Plantes remarquables du Bresil. 
**%) Untersuchungen über die Zeit der Blüthenentwickelung meh- 
rerer Pflanzen der Flora Deutschlands und benachbarten Länder. — 


Flora von 1830 pag. 353 — 368. 


42 


vallaria majalis) blühte im Jahre 1829 schon am 26sten 
April zu Parma, wärend es am 40ten Mai zu Tübingen, 
am 17ten Mai zu Berlin und erst am 10ten Juni zu Greifs- 
walde blühte. Durch Beobachtungen der Art, welche an 
einer Menge von Pflanzen, durch verschiedene Botaniker 
angestellt worden waren, wurde Schübler und vor ihm 
schon Bigelow *) darauf geführt, das Gesetz aufzufinden, 
nach welchem ein solches Vorrücken der Blüthezeit für 
verschiedene Breiten. stattfindet. Das Resultat der Schü- 
blerschen Untersuchungen geht dahin, dafs die Blüthenent- 
wickelung, bei dem Vorrücken des Standortes einer Pflanze, 
um einen Grad der Breite nach den Polen zu, um beinahe 
4 Tage verspätet wird, oder bei dem Annähern, nach dem 
Aequator hin, um dieselbe Zeit vorrückt. Man hat bei 
«dieser Untersuchung vorausgesetzt, was allerdings nur sel- 
ten der Fall ist, dafs sich an allen den Orten, wo beob- 
achtet wurde, der Sommer gleichmäfsig schnell entwickelt 
hat, indessen so häufig zeigen hierin verschiedene Länder 
die gröfsten Abweichungen, wenn man die Beobachtungen 
einer Reihe von Jahren mit einander vergleicht. Diese 
scheinbare Genauigkeit, welche bei diesen Beobachtungen 
nun der Calcül ergiebt, ıst indessen auch gar nicht nöthig, 
es genügt zu wissen, dafs die Blüthenentwickelung bei den 
Pflanzen zu den verschiedenen Breiten in einem gewissen, 
ziemlich bestimmten Verhältnisse steht. Es ist allgemein 
bekannt, wie, an verschiedenen Punkten einer und dersel- 
ben Gegend, die Entwickelung der Vegetation oftmals so 
äufserst ungleich ist, dafs ein und dieselben Pflanzen an 
den verschiedenen Punkten um 6 und 8 Tage verschieden 
blühen, ja diese Verschiedenheit ist häufig, bei dicht neben 
einander stehenden Pflanzen noch weit gröfser, demnach 
man bei solchen Vergleichungen keine zu grofse Genauig- 
keit zu erwarten hat. 

Dafs es vorzüglich die Wärme der Atmosphäre ist, 


*) On the comparative forwardness ofthe Spring ın different parts 
of the United States in 1817. Im kurzen Auszuge ın Sılliman Ame- 
rican Journal. TI. 


43 


welche dieses Vorrücken oder Verspäten der verschiede- 
nen Lebensperioden einer und derselben Pflanze veranlafst, 
kann man selbst künstlich mit Leichtigkeit beweisen. Führt 
man, selbst in den härtesten Wintermonaten, einzelne 
Zweige eines, im Freien stehenden Baumes in einen ge- 
heizten Raum, so werden diese Zweige sehr bald ausschla- 
gen und zur Blüthe gelangen, wärend der übrige Theil des 
Baumes, welcher im Freien steht, erst den Frühling dazu 
erwartet. Ebenso ist es bekannt, dafs die Bäume um so 
schneller ausschlagen, je wärmer die Luft im Frühlinge. ist. 
Nachdem Schübler gefunden hatte, dafs das Vorrücken 

der Blüthezeit, bei Annäherung um einen Grad der Breite 
nach dem Aequator zu, etwa um 4 Tage geschieht, suchte 
er zugleich durch Rechnung das Maafs der Wärme zu 
bestimmen, welche dieses Vorrücken bedingt. Da im mitt- 
leren Europa die Wärmeabnahme, für einen jeden Grad 
der Breite, gleich 0,516° R. beträgt, so ist es. diese Quan- 
tität Wärme, welche das Vorrücken oder das Zurückblei- 
ben des Blühens der Gewächse um 4 Tage bedingt, und, 
wird dieses Verhältnifs sogar auf einzelne Tage reducirt, 
so verzögert sich die Vegetation im Mittel-um einen Tag, 
wenn sich die mittlere Temperatur um 0,135° R. 4 bis 4°) 
vermindert, oder bei einer Verminderung von 1° R. um 
2 Tage. Diese Resultate scheinen nun allerdings sehr 
genau, indessen sie sind nur durch den Calcül erzeugt, 
und durch die Beobachtung läfst sich ein so wichtiger 
Einflufs von + und 4° R. Wärme keineswegs nachweisen. 
Uebrigens hatte schon Adanson *) eine Hypothese erdacht, 
wodurch, auf eine sehr sinnreiche Weise, die Verschieden- 
heit in dem Blühen der Pflanzen erklärt werden sollte. 
Er leitete nämlich die Verschiedenheiten von der Masse 
der Wärme ab, welche einer jeden Pflanze vorher zuge- 
kommen war, und hiezu rechnete er die Wärmegrade 
vom Anfange des Jahres an zusammen. So soll die Silber- 


? 


*) S. Decandolle Physiologie vegetale II. pag. 476, worin jene 
Hypothese Adanson’s genau auseinandergesetzt ist, 


44 


pappel blühen, wenn sie 168 Grade Wärme genossen hat, 
und der Weinstock kommt erst zur Blüthe, wenn er 1770 
Grade Wärme erhalten hat. So gründlich und so vor- 
theilhaft auch diese Methode der Untersuchung zu sein 
scheint, so ist sie dennoch nicht so genau, wenn man sie 
näher zergliedert, wie dieses von Herrn Decandolle in sei- 
ner Pflanzen-Physiologie höchst umständlich geschehen ist. 
Die Temperatur des vorangegangenen Herbstes hat eben- 
falls keinen geringen Einflufs auf die Zeit der Blüthe im 
kommenden Frühlinge, und daher es sehr willkührlich ist, 
das Zählen der Wärmegrade mit dem ersten Januar an zu 
beginnen. | 

Sowohl hier, bei der Entwickelung der Blüthen, als 
bei der Blattentwickelung der Pflanzen, sind es höchst 
complicirte Ursachen, welche die Erscheinung hervorrufen, 
aber keinesweges ist es die Wärme allein. Zuerst sind 
hiebei die inneren Ursachen zu beachten, welche das 
Blühen einer Pflanze bedingen, und dann hat man den 
Einflufs der Wärme und der Feuchtigkeit zu ermessen. 
Herr Decandolle *) hat eine Reihe sehr ausführlicher Un- 
tersuchungen 'angestellt, um die Ursachen zu erforschen, 
welche das. verschiedenartige Ausschlagen der Rofskasta- 
nien-Bäume bedingen; aus jenen Untersuchungen kann man 
aber den Schlufs ziehen, dafs es weder ein bestimmter 
Grad von Wärme, noch eine bestimmte Menge von Feuch- 
tigkeit ist, welche das Ausschlagen der Bäume genau be- 
dingt. Es ist, wie ich glaube, eine allgemein bekannte 
Thatsache, dafs im Frühlinge die Atmosphäre zuweilen 
einen hohen Grad von electrischer Spannung zeigt, haupt- 
sächlich nach Gewittern, welche mit Regen begleitet waren, 
und die Gewächse, in den zunächst darauf folgenden Stun- 
den, sich so schnell entwickeln, dafs man die allmälige 
Entfaltung der Blätter fast verfolgen kann; ein solcher 
Zustand der Atmosphäre, welcher auch auf jeden Menschen 
höchst erquickend zu wirken pflegt, ist, weder durch seine 


*) S. Physiologie veget. I. p. 432 cic. 


45 


\ 


Wärme, noch durch seine Feuchtigkeit ein so schnell wir- 
kendes Agens auf die Vegetation, sondern es mufs noch 
etwas Anderes, vielleicht die Electricität desselben sein. 
Der wichtige Einflufs, welchen die Feuchtigkeit der 
Luft auf die Vegetation ausübt, ist überall und zu jeder 
Jahreszeit wieder zu erkennen, denn nur da, wo Feuchtig- 
keit der Luft vorhanden ist, entwickelt sich die Vegetation, 
und nur da, wo Feuchtigkeit und Wärme im hohen Grade 
zusammenwirken, da zeigt die Vegetation einen solchen 
Grad von Ueppigkeit, wie man ihn in tropischen Gegenden 
beobachtet. In Gegenden, wo Regen gänzlich fehlt, wie 
in manchen Wüsten, da hat auch der Boden nur wenig 
Feuchtigkeit, und es fehlt überhaupt an Wasser, wefshalb 
denn auch die Vegetation daselbst unterdrückt ist, entwe- 
der nur auf eine gewisse Zeit, oder das ganze Jahr hin- 
durch. Ich habe schon früher derjenigen Gegenden an der 
chinesischen Küste gedacht, welche wärend des Winters, 
wo oftmals kein Tropfen Regen zu Boden fällt, nichts, 
auch nicht eine Spur von dem Glanze zeigen, welchen ihre 
tropische Vegetation wärend des Sommers dem Auge dar- 
bietet. Doch in engen Thälern gebirgigter Gegenden da- 
selbst, wo der Wasserreichthum nicht versiegt, da herrscht 
zu eben derselben Zeit, wenn dicht daneben Alles ver- 
brannt und verschwunden ist, noch eben dieselbe üppige 
Vegetation wie zur Zeit des Sommers. *) Valparaiso, der 
bekannte Hafen an der chilenischen Küste, hat seinen Na- 
men von der Schönheit der Natur daselbst erhalten; wenn 
man aber diesen Ort zu einer andern Zeit, als im Früh- 
linge oder im Winter besucht, so mufs man erstaunen über 
die todte Natur, und über die Kahlheit der Felsen und 
Gebirgsmassen, welche ringsumher diesen Hafen einschlie- 
{sen und sich allmälich, höchst imponirend erheben. 
Ueber die Erscheinungen der Hydrometeore ist die 
neuere Physik recht sehr im Reinen, wärend man früher, 


*) $S. Meyen Bemerkungen über das Clima im südlichen China. 


l. c. pag. 862. 


46 


noch zu de Lues Zeiten, die unsichtbaren Kräfte zur Hülfe 
nehmen mufste, selbst zur Erklärung des einfachsten Re- 
gens. Es ist durch Dalton nachgewiesen, dafs die Atmo- 
sphäre bei jedem Grade von Wärme ein gewisses Maximum 
von Wasserdämpfen aufzunehmen vermag, und dafs die 
Ausdünstung von Flüssigkeiten in derselben so lange fort- 
dauert, bis dieses Maximum der Sättigung mit Wasser- 
dampf eingetreten ist; und diese Verdunstung geschieht 
um so schneller, je trockener die Luft ist. Wird uun die, 
mit Wasserdämpfen bis zum Maximum gesättigte Atmo- 
sphäre erkältet, so fällt sogleich ein Theil des aufgelösten 
Wassers, welcher bei dieser niederen Temperatur der Luft 
über das Maximum der Capacität hinauseing, zu Boden 
und erscheint uns als Regen, als Nebel oder Wolken, als 
Schnee oder Hagel u. s. w. So kehren die Wasserdünste 
der Luft wieder zurück zu ihrer Ursprungs-Quelle, um 
wiederum zu verdampfen und den Geschöpfen der Erde 
den Aufenthalt in der Atmosphäre möglich und angenehm 
zu machen. 

Venn auch in unsern nordischen Gegenden die Atmo- 
sphäre sehr häufig das: Maximum von Wasserdampf auf- 
nimmt und dann durch Erkältung das Wasser wieder fal- 
len läfst, d. h. wenn es auch bei uns sehr häufig regnet, 
so ist doch die Menge des niedergefallenen Regenwassers 
so gering, dafs sie, in Betracht der grofsen Menge Wassers, 
welche in tropischen Gegenden niederfällt, kaum in Ver- 
gleich zu stellen ist. Zu Rom ist die mittlere jährliche 
Regenmasse gleich 33,1 pariser Zoll hoch, dagegen ist sie 
zu Macao schon 63 Zoll hoch, und es giebt Jahre, wie 
die von 1812 und von 1828, wo daselbst über 100 Zoll 
Regen niedergefallen ist, was an andern Orten, wie z. B. 
ausnahmsweise zu Grenada, sogar Regel ist. Obgleich zu 
Macao eine so grofse Menge Regen niederfällt, so dauert 
die Regenzeit daselbst nur wärend des Sommers, man kann 
sich demnach eine Vorstellung machen, in welcher Masse | 
dann der Regen in jenen Gegenden niederfällt. 

Auch die Strömungen in der Luft, d. h. die Winde, 


47 


so wie die Strömungen in den grofsen Meeren müssen wir 
hier betrachten, da sie so häufig als ursächliche Momente 
für die Wanderungen der Pflanzen angegeben werden. Wir 
betrachten zuerst die Winde; sie wehen bald regelmäfsig 
nach einer und derselben Richtung und über mehr oder we- 
niger weite Strecken, bald. wehen sie ohne alle Ordnung, 
bald hin, bald wieder zurück. Es sind eine Menge von 
Thatsachen aufgezeichnet, nach.welchen die Saamen ver- 
'schiedener Pflanzen, durch die Wirkung der Winde selbst 
auf weite Strecken fortgeführt sind, und wo auf diese Weise 
der Verbreitungs-Bezirk der Pflanze vergröfsert wurde. 
Die Saamen der Pflanzen aus gewissen Familien, als z.B. 
die der Compositae, sind mit Organen besetzt, welche den- 
selben zur Forttreibung durch den Wind besonders be- 
hülflich sind; dieses sind diejenigen federartigen Bildungen, 
welche unter dem Namen pappus oder Federchen u. Ss. w. 
bekannt sind. Es ist nicht zu bestreiten, dafs mit Hülfe 
solcher federartigen Organe gewisse Saamen, besonders 
durch heftige Sturmwinde auf sehr weite Strecken fortge- 
führt werden können, und dafs auf diese Weise besonders 
die Syngenesisten einen ausgedehnteren Verbreitungs-Bezirk 
aufweisen können, ganz vorzüglich aus solchen Gegenden, 
wo zur Herbstzeit, wenn die Saamen reif sind, regelmäfsige 
Winde herrschen, welche mehr nach südlicheren und öst- 
licheren oder westlicheren Gegenden wehen, wo die Tem- 
peratur dem Wachsthum dieser Pflanzen nicht entgegen ist. 
Wir könnten einige amerikanische Pflanzen aufführen, wel- 
che auf diese Weise, in sehr kurzer Zeit, fast über ganz 
Europa als Unkraut verbreitet sind, z. B. das Erigeron 
canadensis und die Oenothera biennis, selbst die Galinso- 
gea parviflora, welche gegenwärtig schon weit verbreitet, 
und zwar aus dem botanischen Garten zu Berlin ausgegan- 
gen ist. 

Ein wichtigeres Moment für die Verbreitung der Pflan- 
zen bieten die Strömungen des Wassers dar, sowohl der 
Ströme oder Flüsse auf dem festen Lande, welche, oft auf 
viele Hunderte von Meilen, die Saamen von gewissen Pflan- 


48 


zen entführen können, als auch die Strömungen in den 
grofsen Weltmeeren. Es sind mehrere sehr interessante 
Beobachtungen bekannt, wie echte Alpenpflanzen, durch 
Gebirgs-Ströme, aus der Höhe nach der Ebene geführt 
worden sind, woselbst sie jetzt ganz gut gedeihen. Herr 
Link hat darauf aufmerksam gemacht, wie die Circaea al- 
pina L. von der Höhe des Harzes herabgeführt ist und jetzt 
in der Ebene wächst, fast rund herum um den Harz. 
Ebenso hat Herr Link *) erkannt, dafs die Linaria alpina, 
das Rhododendron. ferrugineum, Alnus viridis u. s. w. von 
den hohen Gipfeln der Alpen herab in die Thäler kommen, 
wo sie den Strömen deutlich folgen. Die Ströme des Har- 
zes haben auf diese Weise auch die Arabis Halleri in die 
Ebenen von Hildesheim geführt, wo sich diese Pflanze noch 
immer nicht weit von dem Flusse entfernt. Herr v. Cha- 
misso fand auf seiner Reise, in den Küsten-Gegenden von 
Chile, verschiedene ausgezeichnete Alpen-Formen der Gat- 
tungen Calceolaria und Calandrinia, welche ich später in 
den gröfsten Höhen der chilenischen Cordillere, stets ganz 
in der Nähe der ewigen Schneegrenze gefunden habe, von 
wo sie wahrscheinlich durch Gebirgs-Ströme nach der 
Küste geführt worden waren. 

Wenn nun schon durch Ströme und Flüsse auf dem 
festen Lande die Verbreitung der Gewächse, oft auf weite 
Strecken hin, befördert wird, so kann dieses durch die 
Strömungen, welche in den grofsen Meeren herrschen, 
noch um Vieles erweitert werden, denn diese sind oftmals 
so ausgedehnt, dafs durch sie entfernte Welttheile in Ver- 
bindung gesetzt werden. Es ist hier nicht der Ort, die 
verschiedenen Strömungen in den Weltmeeren und deren 
Ursachen auseinanderzusetzen, aber, der hohen Wichtigkeit 
wegen, welche man beständig diesen Erscheinungen zu- 
schreibt, ist es nöthig, dafs ich hier, wenigstens in gröfster 
Kürze, ein kleines Bild davon entwerfe. 

Wir gehen von dem Resultate der Beobachtungen aus, 


*) Die Urwelt, I, pag. 263. 


49 


dafs alle Strömungen im Meere durch herrschende, oder 
durch wechselnde Winde veranlafst werden; im ersteren 
Falle, wo nämlich die Winde das ganze Jahr hindurch in 
einer und derselben Richtung wehen, da ist auch die Strö- 
mung das ganze Jahr hindurch eine und dieselbe, nämlich 
immer mit dem Winde gehend; in solchen Fällen aber, 
wo halbjährliche Winde abwechseln, da wechselt auch die 
Strömung, in der einen Hälfte des Jahres geht sie mit dem 
einen Winde, wärend sie in der andern Hälfte des Jahres 
mit dem entgegengesetzten Winde geht. *) 

Wenn wir hier die Strömungen des Weltmeeres als 
ursächliche Momente für die Verbreitung der Pflanzen be- 
trachten, so kann natürlich nur von den grofsen, herr- 
schenden Strömungen die Rede sein, welche entfernt gele- 
gene Länder und Inseln mit einander verbinden; dergleichen 
kleine Strömungen, wie sie überall, in Folge von starken 
Windstöfsen auftreten und nach kurzer Zeit wieder ver- 
schwinden, können wir hier ganz unbeachtet lassen. 

Da nun aber, wie ich es schon vorher gesagt habe, 
alle Strömungen unmittelbar von den Winden verursacht 
werden, so ist es nöthig, zuerst eine kurze Uebersicht der 
herrschenden Winde voranzuschicken. 

Diejenigen Winde, welche auf den Meeren das ganze 
Jahr hindurch aus einer und derselben Richtung wehen, sind 
unter dem Namen der Passatwinde bekannt. Auf der nörd- 
lichen Hemisphäre der Erde weht der Passatwind aus Nord- 
Ost und auf der südlichen Hemisphäre von Süd-Ost, gerade 


*) Die Bezeichnung der Strömungen im Meere und die der VVinde 
ist von einander verschieden; den Wind bezeichnet man nämlich mit 
dem Namen der Himmelsgegend, aus welcher derselbe weht, z. B. 
kommt er von Norden, so nennt man ihn Nordwind, kommt er von 
Östen, so nennt man ihn Ostwind. Anders verhält es sich mit der 
Benennung der Strömungen; diese bezeichnet man nämlich mit der- 
jenigen Himmelsgegend, wohin dieselbe gerichtet ist. Z. B. eine 
Strömung, welche von Nord-Ost kommt, wird eine süd - westliche 
Strömung genannt, und eine andere, welche das Wasser von WVesten 
kerführt, wird eine östliche Strömung genannt werden; demnach wird 


die Strömung stets entgegengesetzt der Richtung des Windes benannt. 


4 


50 


entgegengesetzt der Richtung, in welcher sich die Erde, 
bei ihrem Laufe um die Sonne, um ihre eigene Achse dreht. 
Da nun aber, durch die eigenthümliche Gestalt der Erde, 
auf der nördlichen Hemisphäre zwei, von einander getrennte 
Meere vorhanden sind und auf der südlichen Hemisphäre 
sogar drei getrennte Meere vorkommen, nämlich der 
Aethiopische Ocean, der Indische Ocean und der 
südliche stille Ocean, so kommen hier drei von einan- 
der getrennte Süd-Ost-Passate und in der nördlichen Hemi- 
sphäre zwei, von einander getrennte Nord-Ost-Passate vor. 

Auf der nördlichen Hemisphäre beginnen die Passate 
in 27 bis 30 Grad nördlicher Breite, doch auf der süd- 
lichen Hemisphäre scheinen sie viel tiefer hinabzugehen. 
In der Gegend des Aequators, wo die Passate der beiden 
entgegengesetzten Hemisphären zusammenstofsen, da bleibt 
eine Zone von 2 oder von 3 Graden Breite, welche die Zone 
der Windstillen heifst; hier weht weder der Nord-Ost- 
noch der Süd-Ost-Passat, aber Windstillen mit den hef- 
tigsten Gewitter-Regen wechseln beständig ab. 

In denjenigen Breiten, wo der Nord-Ost-Passat in 
der nördlichen und der Süd-Ost-Passat in der südlichen 
Hemisphäre seine Polargrenze zeigt, da weht ein ziemlich 
regelmäfsiger Wind aus Westen, ganz entgegengesetzt dem 
angrenzenden Passatwinde, und man pflegt ihn auch den 
rückkehrenden Passat, allgemeiner aber den West-Passat zu 
nennen. Diese West-Passate wehen in der nördlichen und 
in der südlichen Hemisphäre, meistens schon über den 
28sten Grad der Breite hinaus und erstrecken sich oft bis 
weit über 40° hin. 

So wie nun der Lauf dieser Winde ist, so ist auch 
im Allgemeinen die Richtung der Strömungen, welche durch 
dieselben veranlafst werden; doch werden sie, hier und 
dort, durch verschiedene Ursachen modifieirt. Am bekann- 
testen ist die sogenannte Rotations-Strömung in der nörd- 
lichen Hälfte des Atlantischen Oceans; hier werden die 
Gewässer zwischen Afrika, dem mittleren Amerika. und 
dem südlichen Theile von Europa in einem Kreise umher- 


51 


getragen. Nämlich dem Laufe des Nord-Ost-Passates fol- 
send, welcher näher dem Aequator immer mehr Ostwind 
wird, gehen die Gewässer nach der Nordost-Küste von 
Siidamerika, hier einen Damm findend, werden sie nach 
Norden abgelenkt, laufen durch den Golf von Mexico und 
kommen an der südöstlichen Küste von Nordamerika wie- 
der hinaus, von wo aus sie, unter dem bekannten Namen 
des Golf-Stromes, wieder nach Osten laufen, und endlich 
wieder nach jener Gegend zurückkehren, von wo sie aus- 
gegangen sind. Durch diese entschiedene Rotations -Strö- 
mung werden mehrere der auffallendsten Beobachtungen 
erklärt, wo nämlich Fässer, welche in England verladen 
"nd nach der Havanna bestimmt waren, durch Verun- 
glückung des Schiffes in der Nähe der canarischen Inseln 
in das freie Meer gelangten; hier wurden sie von der Aequa- 
torial-Strömung gefafst und kamen endlich wieder nach 
England zurück, wo man sie durch die Signaturen erkannte. 

Ebenso ist es eine bekannte Thatsache, dafs Stämme 
von südamerikanischen und westindischen Bäumen, z. B. 
der Gedrela odorata, nach den canarischen Inseln getrieben 
‚werden; auch ist Columbus offenbar durch dergleichen 
Erscheinungen zu seiner Ueberzeugung von einem grofsen 
Lande im Westen gekommen. Es ist klar, dafs eine Strö- 
mung der Art sicherlich auch für die Verbreitung der 
Pflanzen ein wichtiges Moment werden kann;- denn Saamen, 
welche wenig öligte und wenig amylumartige Substanzen 
enthalten, und eine feste Schale haben, können sich lange 
Zeit hindurch im Wasser erhalten, ohne ihre Keimkraft zu 
verlieren. 

Das Eriocaulon septangulare z. B. wächst aufser sei- 
nem Vaterlande, nämlich Nordamerica, nur auf der Insel 
Sky in der alten Welt, und Herr Link *) vermuthet defshalb, 
und gewifs auch mit allem Rechte, dafs die Saamen dieser 
Pflanze durch die Strömung dahin gekommen sind. 

Eine ähnliche Rotations-Strömung, doch lange nicht 
so entschieden, wie in der nördlichen Hemisphäre, findet 


*) Die Urwelt pag. 266. 
4* 


52 


sich auch in der südlichen Hälfte des Atlantischen Oceans; 
sie verbindet die Westküste von dem südlichen Afrika mit 
der Ostküste von Südamerika und im Süden, zwischen 
dem 30. und dem 45.° südlicher Breite, findet der Rück- 
flufs der Gewässer statt. Hienach ist die Möglichkeit ein- 
zusehen, dafs Pflanzen aus Afrika nach Amerika, und 
Pflanzen aus Amerika nach der alten Welt wandern kön- 
nen; doch schwerlich könnten durch diese Strömung der- 
gleichen Pflanzen nach Südamerika wandern, die in der 
nördlichen Hälfte der alten Welt ihr Vaterland haben. Ja 
man mufs sich auf die Strömungen überhaupt nicht zu viel 
verlassen; die Cocos-Palme ist gewöhnlich derjenige Baum, 
welchen man anführt, um zu zeigen, wie die Pflanzen- 
Wanderungen durch die Meere von Insel zu Insel gehen, 
und dennoch ist die Cocos-Palme aus dem südlichen Afrika 
niemals nach Brasilien gewandert, sondern man hat sie 
dahin verpflanzt. Auf den westindischen Inseln kommt 
sie in Menge vor, und dahin ist sie wahrscheinlich durch 
die Strömung gekommen. | 

In dem stillen Meere giebt es ebenfalld zwei Haupt- 
strömungen, nämlich die eine auf der nördlichen, die an- 
dere auf der südlichen Hemisphäre, folgend dem Nordost- 
Passat und dem Südost-Passat. Diese Strömungen ver- 
laufen indessen keineswegs von dem einen Festlande zum 
andern, wie die Strömungen im Atlantischen Ocean, son- 
dern schon im Meridiane der Marianen haben sie ihre 
westlichen Grenzen. Uebrigens möchte ich auch noch die 
Bemerkung machen, dafs die Strecke, welche diese Strö- 
mungen durchlaufen, so ungeheuer, und die Zeit, welche 
dazu erforderlich, um, allein durch die Wirkung der Strö- 
mung, diese Meere zu durchfahren, so grofs ist, dafs wohl 
schwerlich die tropischen Gewächse Amerika’s auf diesem 
Wege nach Asien wandern könnten. Ja neuerlichst ist 
dieses sogar von dem Mays, jenem bekannten amerikani- 
schen Getreide, behauptet worden, welches schon im 12ten 
Jahrhunderte nach der Küste von Japan angetrieben sein 
soll. Wohl wäre ich geneigt, diese, durch chinesische 


} | 53 


Schriften verbreitete Thatsache in Zweifel zu ziehen; denn 
ein Saame wie der Mays, mit einer so grofsen Menge 
feinen Amylum’s, kann sich nicht monatelang im Meeres- 
wasser erhalten, welches eine so hohe Temperatur hat, 
wie die Gewässer jener Aequatorial-Strömung. Ja dieses 
möchte auch wohl der Grund sein, dafs der Mays niemals 
durch den Golfstrom zu uns nach Europa gekommen ist, 
welcher Weg nur ein Drittel so lang ist, als jener von 
Amerika nach Asien. 

In denjenigen Gegenden des stillen Meeres, wo die 
Passatwinde und die davon abhängigen Aequatorial -Strö- 
mungen ihre westlichen Grenzen haben, da finden sich 
halbjährige Windsysteme, sogenannte Monzoone., In der 
nördlichen Hemisphäre jener Gegenden ist das Monzoon- 
System in der chinesischen See bekannt, wo der Nordost- 
Wind die 6 Monate hindurch, vom October bis zum März, 
und der warme Südwest-Wind die andern 6 Monate lang 
weht. Die Strömungen in jenen Gewässern richten sich 
alsdann ganz nach der anhaltenden Richtung des Windes; 
‚bei dem Südwest-Monzoone ist die Strömung Nordost 
und bei dem Nordost-Winde geht sie nach Südwest. Auf 
der südlichen Hemisphäre jener Gegenden, nämlich in 
Borneo, Java und der östlichen Küste von Neu-Holland, 
herrscht ein anderes Monzoon-System; daselbst herrscht 
der Wind 6 Monate lang von Nordwest und 6 Monate 
lang von Südost, alsdann gleichsam ‚mit dem Südost-Passat 
des grofsen indischen Meeres zusammenhängend. 

Soviel an diesem Orte über die herrschenden Strö- 
mungen in den Meeren; man wird hienach gleich von un- 
gefähr beurtheilen können, wo eine Verbreitung gewisser 
Pflanzen mit Hülfe der Meeres- Strömung hat stattfinden 
können, und wo solche zu den Unmösglichkeiten gehört. 
Man möge noch bedenken, dafs das Meereswasser der wär- 
meren Gegenden sehr hoch erwärmt ist, dafs solches also 
auf die Tödtung der Keimungskraft der Saamen noch viel 
schneller wirkt. 


Zweite Abtheilung. 


Von den Verhältnissen, durch welche der Boden auf das Vor- 
‚ kommen und auf die Verbreitung der Pflanzen einwirkt. 


Wir haben im Vorhergehenden darauf aufmerksam ge- 
macht, dafs sich die Verbreitung der Pflanzen über die 
Oberfläche der Erde, hauptsächlich nach der Vertheilung 
der Wärme und der Feuchtigkeit richtet, und gehen jetzt 
zu der Betrachtung der vielfältigen Lokalverhältnisse über, 
welche das Vorkommen und die Verbreitung der Pflanzen 
bald befördern ‚bald verhindern können, wenn auch Wärme 
und Feuchtigkeit im hinreichenden Maafse vorhanden sind. 
Diese Verhältnisse sind meistentheils solche, in welchen 
die Pflanze zt dem Boden ihres Standortes steht, und die 
Betrachtung dieser gehört mit zu den hauptsächlichsten 
Gegenständen der Pflanzengeographie. Wir haben im Vor- 
hergehenden zwar gesehen, dafs gewisse Pflanzen nur bei 
gewissen Graden von Wärme zu vegetiren vermögen, und 
haben demnach das Gesetz erkannt, wonach die Verbrei- 
tung der Pflanzen hauptsächlich statt findet, doch zur Er- 
klärung dieser Gesetze sind wir nicht gekommen. 

Es bleibt uns gänzlich ein Räthsel, wesfhalb der Wein- 
stock z. B., der eine mittlere jährliche Temperatur von 
10 bis 17° Cels. haben mufs, um einen guten Wein zu 
liefern, wefshalb diese Pflanze nicht auch in arktischen 
Gegenden wachsen kann; oder wefshalb die Cultur des 
Mays, nicht auch in unsern nordischen Gegenden gelin- 
gen will. Wenn man dagegen einwenden will, dafs diese 
Pflanzen einmal angewiesen sind, in einer wärmeren Ge- 
gend zu wachsen und daher in kälteren nicht ausdauern 
können, so ist es wohl leicht einzusehen, dafs dieses keine 
Erklärung ist; man macht hiemit nur auf das Gesetz auf- 


sp) 


merksam, nach welchem die Natur jene Pflanzen vertheilt 
hat. Ebenso geht es uns in der Lehre von den Lokali- 
täts- Verhältnissen der Pflanze; wir werden z. B. sehen, 
dafs gewisse Pflanzen nur auf salzhaltigem Boden, andere 
dagegen nur auf fliegendem Sande, andere nur auf Kalk- 
felsen vorkommen; indessen weit entfernt sind wir noch 
davon, um einzusehen, wefshalb diese Pflanzen nur auf 
einem solchen und nicht auf einem anderen Boden fortkont- 
men können. Die Cocos-Palme, welche in den Tropen 
meistens nur in Küstengegenden wächst, will bei aller Sorg- 
falt, mit welcher sie in unserm Gewächshäusern behandelt 
wird, nicht grofs werden. Die jungen Pflänzchen der Art 
werden in den Gewächshäusern einige Fufs hoch und gehen 
dann gewöhnlich ein, noch ehe die Nufs verfault ist und 
die Wurzeln des jungen Pflänzchens durch die Fasermasse 
gedrungen sind, welche die äufsere Hülle der Nufs bildet. 
Man hat in unsern Gewächshäusern den Versuch gemacht 
und diese Bäumchen mit Salzwasser begossen,. um dadurch 
den etwanigen Einflufs der Meeresnähe im natürlichen 
Standorte dieser Pflanzen nachzuahmen, indessen die jun- 
gen Cocos-Bäume sind dennoch ausgegangen. 

Wenn die Pflanzen-Physiologie auch noch weit ent- 
fernt ist, die nächsten Erscheinungen des Wachsens der 
Pflanze mit gehöriger Gewifsheit zu kennen, wenn auch 
selbst die wichtigsten Gegenstände in derselben, welche 
scheinbar so leicht zu entscheiden wären, noch nicht mit 
entschiedener Gewiisheit gelehrt werden können, so kön-. 
nen wir doch Folgendes, als entschieden über die Verhält- 
nisse vortragen, in welchen die Pflanze zu ihrem natürli- 
chen Standorte steht. | 

Die gröfste Zahl der Pflanzen wächst bekanntlich in 
der Erde; nur die parasitischen Pflanzen, eine Menge von 
Cryptogamen und einige Wasserpflanzen machen hievon 
Ausnahme. Fast jeder Boden, selbst der unfruchtbarste 
bis auf den quarzigen Sand, hat mehr oder weniger auf- 
lösliche Stoffe, welche, wenn dieselben fein genug sind, 
mit der Feuchtigkeit des Bodens in die Pflanzen eindrin- 


56 


gen und aufsteigen. Pflanzen, welche man in unauflöslı- 
chen Substanzen wachsen liefs und sie mit destillirtem 
Wasser begofs, sind niemals zur vollkommenen Ausbil- 
dung gelangt, wohl aber ist ein Kohlensäure - haltiges 
Wasser hinreichend, um die Pflanze vollkommen zu er- 
nähren. Es ist bekannt, dafs eine Menge von Pflanzen, 
und ganz besonders gerade die fleischigsten und saftreich- 
sten, in trockenen, oft ganz wasserlosen Gegenden wach- 
sen, wie zZ. B. die Aloe-Arten auf der südlichen Spitze 
von Afrika und die grofse Menge von Cactus in den trok- 
kenen Gegenden der Westküste von Südamerika; ja die 
Agaven und die 70—80 Fufs hohen Foureroyen, welche 
auf den Felsen der hohen Cordillere Mexico’s wachsen. 
Alle diese Pflanzen haben eine, im Verhältnifs zur Masse 
der Pflanze, sehr kleine Wurzel und daher schlofs man 
schon frühe, dafs diese Pflanzen ihre Nahrung hauptsäch- 
lich aus der Atmosphäre ziehen. Es läfst sich jedoch 
Vieles und zwar mit allem Rechte dagegen einwenden; denn 
in jenen Gegenden, so trocken sie auch im Allgemeinen 
sind, giebt es immer eine sogenannte nasse Jahreszeit, und 
in dieser findet das Wachsthum jener Pflanzen hauptsäch- 
lich statt, wärend sie zur trockenen Jahreszeit mehr in 
einem, dem Sommerschlafe der Thiere ähnlichen Zustande 
sich befinden. Ganz ähnlich verhalten sich bei uns die 
Flechten, Moose und Jungermannien, welche so häufig 
auf den Baumrinden und Felsen wachsen; nur im Winter 
oder im Herbste und im Frühjahr ist ihre Wachsthumspe- 
riode, wärend der Hitze des Sommers sind sie verdörrt 
und scheinbar todt. 

So einfach nun die Nahrung der Pflanzen ist, so zu- 
sammengesetzt sind dennoch ihre Bestandtheile, und es 
fragt sich, woher dieselben kommen. Eine unendliche 
Zahl von Beobachtungen und Untersuchungen hat man an- 
gestellt, um diesen Gegenstand in’s Reine zu bringen, ob 
nämlich die Pflanze, oder ob das organische Leben über- 
haupt im Stande ist, aus den einfachen Stoffen, welche sie ge- 
wöhnlich aufnimmt, als Wasser, Kohlensäure und atmosphäri- 


97 


sche Luft, alle jene fremdartigen Substanzen, welche man 
in den ausgebildeten Pflanzen vorfindet, selbst zu erzeu- 
gen. Eine Auseinandersetzung dieses Punktes gehört der 
Pflanzen-Physiologie an; hier nur die Resultate, welche 
dahin lauten, dafs die Pflanze allerdings viele von den 
fremdartigen Beimischungen der Erde aufnimmt, dafs sie 
aber auch andere Stoffe von Neuem zu erzeugen vermag. 

Man hat dadurch, dafs die Pflanzenmembran keine ge- 
färbten Flüssigkeiten durchläfst, beweisen wollen, dafs die 
Pflanzen nur reines Wasser aufzunehmen im Stande sind, 
indessen dieses ist sehr unrichtig. Eine wirkliche Lösung 
eines Stoffes, z. B. eines Salzes in Wasser, geht wirklich 
in die Pflanzensubstanz hinein, und daher denn auch die 
unbestreitbaren Thatsachen, dafs manche Pflanzen eine 
gröfsere Menge von einem Salze, oder einer anderen Sub- 
stanz enthalten, wenn sie auf einem Boden wachsen, wel- 
cher verhältnifsmäfsig mehr davon enthält, als ein anderer. 
Indessen auch bei diesen Thatsachen urtheile man nicht 
zu schnell. Man kann es den Pflanzen einmal nicht ab- 
sprechen, dafs sie ein Vermögen haben um gewisse Stoffe 
aus dem Boden aufzunehmen, auf welchem sie wachsen. 
Man sieht in den Gräben und in den. kleinen Gewässern 
unserer Gegenden sehr häufig Pflanzen von einer und der- 
selben Art, z. B. verschiedene Charen, dicht neben einan- 
der stehen. Die eine dieser Pflanzen steht in ihrer voll- 
kommenen Frische, wärend die andere auf ihrer ganzen 
Oberfläche, so wie auch auf der inneren Fläche der 
Schläuche, mit Kalk incrustirt ist. Wäre die Kalkabset- 
zung auf der äufsern Fläche dieser Pflanzen eine rein 
mechanische, so müfsten offenbar alle danebenstehenden 
Pflanzen in gleichem Mafse damit incrustirt sein, was aber 
nicht der Fall ist; und hätten die Pflanzen nicht, wenig- 
stens in einem gewissen Grade das Vermögen, die einzel- 
nen Stoffe aus dem Boden, worauf sie wachsen, aufzuneh- 
men und wiederum andere abzustofsen, so wäre es auch 
nicht zu erklären, wefshalb nicht alle Pflanzen in einem und 
demselben Wasser gleiche Mengen von- einer und derselben 


98 


fremden Substanz aufgenommen haben. Wenn demnach 
eine solche Thatsache als fest begründet anzusehen ist, 
so möchte es, wenigstens einigermafsen, erklärlich werden, 
warum gewisse Pflanzen stets auf einem bestimmten Bo- 
den zu finden sind, und meistens auch nur auf solchem 
gedeihen, wenn auch die einzelnen Stationen derselben 
oft ganz ungeheuer weit auseinander liegen. Einige Bei- 
spiele werden es erklären. Gewisse Pflanzen, welche wir 
später unter dem Namen der Salzpflanzen kennen lernen 
werden, wachsen nur auf Kochsalzhaltigem Boden, und 
da dieses Verhältnifs des Bodens sehr häufig ist, sogar in 
den entferntesten Gegenden der Erde in ganz gleichem 
Grade, so sind auch die Pflanzen, welche darauf wachsen, 
sehr allgemein verbreitet. Salsola Kali z. B. wächst fast 
an allen Küsten Europa’s, so wie an den Küsten der afri- 
kanischen und asiatischen Länder des Mittel- und Caspi- 
schen Meeres; die Soda von Alexandrien, welche beson- 
ders früher, einzig und allein alle Fabriken Europa’s ver- 
sorgte, setzt eine unendliche Menge dieser Pflanzen in 
jenem Lande voraus. Samolus Valerandi erstreckt sich 
noch viel weiter, als Salsola Kali, denn aufser in Europa 
wächst sie noch in Nordamerika, an der Spitze Afrika’s 
und in Neuholland. 

So kommen viele, sogenannte Strandpflanzen, wieder 
im Innern des Landes vor, wo der Boden auf eine ähnli- 
che Weise beschaffen ist, wie an der Meeresküste; als 
Beispiele führe ich Glaux maritima an, welche auch in der 
Nähe von Berlin, bei den Kalkbergen nämlich vorkommt. 
Die schöne Orchidee, der einzige Repräsentant tropischer 
Orchideen in unserer Zone, das Cypripedium Calceolus 
nämlich, wächst nur auf Kalkgebirgen im Harz; es fehlt 
hierauf in der ganzen Ebene des nördlichen Deutschlands, 
und erst auf den Kalkbergen von Rügen erscheint es wie- 
der. Dergleichen lautsprechende Thatsachen führen zu 
dem Schlusse, dafs auf eben dieselbe Weise, wie das 
Clima auf das Vorkommen gewisser Pflanzenformen in be- 
stimmten Gegenden einwirkt, dafs auf eben dieselbe Weise 


59 


auch. die Lokalität das Auftreten von gewissen Pflanzen- 
formen ‚bedingt, welche sich dann immer, bei gleichen Lo- 
kalitäts-Verhältnissen wiederholen, wenn nicht andere, sehr 
wichtige Hindernisse dem Vorkommen derselben entge- 
gen stehen. 

So wie wir im ersten Abschnitte dieser Schrift die 
Thatsachen aufgezählt haben, aus welchen sich die Gesetze 
erkennen lassen, nach welchen das Clima auf die Verthei- 
lung der Pflanzen seinen Einflufs ausübt, so müssen wir 
es jetzt in Bezug auf die Lokalitäts- Verhältnisse thun, 
welche als Ursachen des Vorkommens gewisser Pflanzen 
einwirken. | 

Der Natur der Sache nach müssen die Localitätsver- 
hältnisse, welche auf das Vorkommen der Pflanzen ein- 
wirken, unendlich vielfach sein; die einen werden mehr, 
die anderen weniger deutlich auf dasselbe ihren Einflufs 
zeigen. Wir wollen versuchen diese Lokalitäts- Verhält- 
nisse einzeln anzuführen, und dabei zugleich die haupt- 
sächlichsten Pflanzen nennen, deren Vorkommen durch 
dieselben bedingt wird. 

‚Je nachdem die Pflanzen im Wasser, in der Erde, 
in der Erde und im Wasser, oder in der Luft allein Wur- 
zeln treiben, werden ihre Ortsverhältnisse sehr verschie- 
den sein. 

Pflanzen, welche im Wasser wachsen, nennt man 
Wasserpflanzen (Plantae aquaticae, Hydrophyta ); sie 
bieten aber wiederum vielfache Verschiedenheiten dar, 
welche .in pflanzengeographischer Hinsicht sehr wichtig 
sind. Erstlich sind die Pflanzen des süfsen Wassers und 
diejenigen des gesalzenen Wassers gar sehr verschieden, 
und nur sehr wenige, gerade zu den unentwickeltsten 
Pflänzchen gehörende Arten, sind dem gesalzenen und 
dem süfsen Wasser gleichzeitig angehörend. Das voll- 
kommenste dieser Gewächse möchte vielleicht die: soge- 
nannte Conferva glomerata sein. Grofs aber ist die An- 
zahl der Diatomeen, welche im süfsen und auch im ge- 
salzenen Wasser vorkommt; es sind dieses jene kleinen 


60 


und unvollkommenen Gebilde, welche am besten einem 
Zwischen-Reiche, zwischen Pflanzen und Thieren zuzu- 
eigenen wären, aber keineswegs wahre Thiere sind. 
Meerespflanzen (plantae marinae); es sind solche, 
welche im Meerwasser vorkommen, also überall in den 
grofsen Weltmeeren. Die meisten dieser Pflanzen gehören 
der unermefslich grofsen Familie der Algen an, und von 
Phanerogamen kommen nur die Zosteren im Meereswasser 
vor. Die Fuei sind sämmtlich nur dem Meereswasser an- 
gehörig und bilden eine höchst eigenthümliche Gruppe 
unter den Algen, welche sich sowohl durch Form, als 
wie durch Struktur von den übrigen Algen unterscheidet. 
Im Caspischen Meere, obgleich heutigen Tages geschlos- 
sen von dem grofsen Meere, finden sich ebenfalls echte 
Fuci. Fast alle Meerespflanzen sitzen fest auf dem Bo- 
den des Meeres, hauptsächlich auf den felsigen und we- 
niger tiefen Ufern desselben; in sehr grofser Tiefe schei- 
nen die Fucus-Arten nicht vorzukommen, doch beläuft 
sich dieselbe gewifs auf einige hundert Fufs. Zwar hat 
man einige dergleichen Pflanzen gemessen und sie noch 
länger gefunden, ja selbst über 300 Fufs, z.B. den Fucus 
pyriferus am Cap Horn, dessen Blätter 7—S Fufs lang 
werden; indessen dergleichen Pflanzen, wie ich es bei den 
Laminarien auf der Westküste von Südamerika gesehen 
habe, wachsen nicht in gerader Richtung von dem Grunde 
aus nach der Oberfläche des Meeres, sondern sie legen 
sich mehr horizontal und können daher, bei der aufser- 
ordentlichsten Länge, in viel weniger tiefem Wasser wach- 
sen. Die Strafse des Magalhaen’s und die des la Maire 
ist mit diesem riesenhaften Fucus gefüllt, und dort, in dem 
kalten Wasser, scheint die wahre Zone für dieses Gewächs 
zu sein, indem es daselbst aufserordentlich gedeiht; doch 
scheint es, als würde bei demselben, durch die übermäfsige 
Entwickelung der Blattsubstanz, alle Bildung der Früchte 
unterdrückt. Es ist wenigstens sehr merkwürdig, dafs 
unter den vielen Reisenden, welche jene verrufene Gegend 
umschifft haben, noch Niemand die Pflanze daselbst mit 


61 


Fructificationen gefunden hat; dagegen hat man diese an 
kleinen Individuen gefunden, welche im Norden wachsen. 
Die Verbreitung dieser Pflanze geht in der neuen Welt 
durch alle Zonen, von dem hohen Norden bis zum äufser- 
sten Ende gegen Süden; Herr Alexander von Humboldt 
brachte sie zuerst aus den tropischen Gewässern, wo sie 
keine solche Länge erreicht wie am Cap Horn. Auch am 
Cap der guten Hoffnung kommt die Pflanze vor, doch auch 
hier nicht so grofs, wie dort am Cap Horn. 

Die Verbreitung der Algen-, und überhaupt der Mee- 
respflanzen, richtet sich weniger nach den Längen und 
Breiten der Erdoberfläche, als dieses bei Landpflanzen der 
Eall ist, was aber auch natürlich ist, denn das Wasser 
des Meeres ist fast überall ganz gleichmäfsig gesalzen *) 
und eben dieses Salzwasser ist es, was das Vorhandensein 
dieser Meerespflanzen bedingt, ebenso, wie es bei den 
Landpflanzen hauptsächlich die Wärme ist. 

An den Küsten des Weltmeeres, wo die grofsen Fuci 
wachsen, da bedecken diese den Meeresboden mit einer 
undurchdringlichen Pflanzendecke, welche Millionen von 
Thieren zum Aufenthalte dient. Fährt man bei ruhiger 
See über solche Gegenden hin, dann geniefst .man den 
herrlichen Anblick, welchen jene submarinen Wiesen und 
eigenthümlichen Wälder dem Auge darbieten, deren Man- 
nigfaltigkeit und Pracht durch hochstämmige Corallen, aus 
den Gattungen Isis, Gorgonia und Antipates, oder durch 
mannigfaches Farbenspiel der ausgedehnten Madreporen- 
Massen verschönert wird. Scharlachrothe See- Anemonen, 
goldrothe Actineen und mannigfach gefärbte Corallen blicken 
dazwischen hervor. Zur Zeit der Ebbe kommen diese 
Gewächse meistens dicht an die Oberfläche, oft werden 
sie auch ganz blofsgelegt und fangen an zu vertrocknen, 
bis dafs die Fluth das Wasser wieder zurückbringt und 
die welken Pflanzen wieder erfrischt. Wenn aber das Meer 
in Aufruhr geräth, wenn sich die hohen Wellen gegen die 


*) $. Meyen’s Reise ete. II, p. 412. 


62 


- 


Felsen der Küste mit furchtbarer Kraft brechen, dann 
werden jene Meerespflanzen von ihrem Boden gerissen und 
schwimmen auf der Oberfläche des Wassers umher, bis 
dafs sie an die Küste geworfen werden. In diesem Zu- 
stande, umhertreibend auf dem Meere, trifft sie gewöhnlich 
der Seefahrer; nur selten wird es ihm gestattet, diese Ge- 
schöpfe an ihrem Standorte aufzusuchen. Aber auch nur 
selten entfernen sich die abgerissenen Fuci auf grofse 
Strecken von dem Lande, und daher war, schon in frühe- 
ster Zeit, das Erscheinen dieser Pflanzen dem Seefahrer 
Jas sicherste Zeichen, welches ihm nahes Land verkündete. 
Wie sehr ward aber Columbus damals, auf seiner ersten 
Entdeckungsreise, durch diese Pflanzen getäuscht, als er 
nämlich diejenige Gegend des Atlantischen Oceans befuhr, 
welche jetzt unter dem Namen der Sargasso-See bekannt 
ist. Diese Sargasso-See ist aber auch eine sehr merkwür- 
dige Erscheinung, worüber schon so viel geforscht und 
geschrieben, ohne dafs ihre Entstehung ganz erklärt worden 
ist. Im Atlantischen Meere nämlich, gerade innerhalb der 
grofsen Rotations - Strömung, ist ein Raum von wenigstens 
40,000 Quadratmeilen Flächeninhalt, wo man, auf der. 
Oberfläche des Meeres, stets eine grofse Masse von schwim- 
menden Tangen erblickt, welche sämmtlich einer Art an- 
gehören, nämlich dem Fucus natans L., der identisch ist 
mit Fucus Sargasso Gmelin, und jetzt unter Sargassum 
vulgare bekannt ist. Es schwimmt dieser Fucus in jenem 
Meere in mehr oder weniger grofsen Haufen, bald mehr, 
bald weniger häufig. Zuweilen ist das Schiff, welches jenes 
Wasser durchschneidet, ganz umringt damit, und zuweilen 
erblickt man, in mehreren Stunden, auch nicht ein einziges 
Pflänzchen. Ich habe überall in der Sargosso-See (Mar 
de Zargasso der Portugiesen, Sargasso Spanisch) die Ver- 
theilung dieses schwimmenden Tanges ungleichmäfsig ge- 
funden, und glaube auch, dafs dieses, auf einem so beweg- 
lichen Elemente, nicht anders sein kann; solche dicke Mas- 
sen dieser Pflanzen, welche, wie Columbus es that, mit 
schwimmenden Wiesen zu vergleichen sind, habe ich kaum 


63 


sefunden, jedoch einzelne zusammenhängende Häufchen von 
einer Länge bis zu 5 und zu 10 Fufs, welche dann, ge- 
wöhnlich aus einer einzigen Pflanze bestanden. Die Sar- 
gasso-See erstreckt sich von 22° N. Breite bis zum 36sten 
Grade, und von dem 25sten Grade westlicher Länge (von 
London nämlich) bis zum 4dsten Grade. Aufserhalb dieser 
Grenzen, welche durch die Rotations-Strömung gebildet 
werden, sieht man: gewifs nur selten irgend ein Pflänz- 
chen dieser Art, und diese sind dann in einem sehr schad- 
haften Zustande, wie ich es wohl an einigen Stücken der- 
gleichen Pflanzen gesehen habe, welche zwischen den Azo- 
ren und der südwestlichen Spitze von England umher- 
schwammen. Man hat über diese enormen Anhäufungen 
des schwimmenden Tanges sehr verschiedene Erklärungen 
gegeben; einmal liefs man sie, durch den Golf-Strom aus 
dem Mexicanischen Meerbusen her, zusammentreiben, oder 
man liefs sie in der Sargasso-See selbst auf Untiefen 
wachsen, wo sıe von Fischen, Mollusken und den grofsen 
Spritzern losgerissen werden sollten; doch alle diese Mei- 
nungen sind jetzt unnöthig, ja es ist sonderbar, dafs man, 
so lange schon, nach dem Standorte, dieser Tangen umher- 
suchte, obgleich man wufste, dafs der Fucus natans aus 
der Sargasso-See niemals, weder mit Wurzel noch mit 
Früchten vorkomme. ®*) Ich habe Tausende und Tausende 
dieser Pflanzen aufgefischt und sie untersucht, doch keine 
Spur ven Wurzel, mit welcher sie festgesessen haben 
könnten, war an ihnen zu finden, und an kleinen Individuen 
konnte man sehr gut sehen, dafs sie sich, von einem freien 
Central-Punkte aus, welcher niemals festgesessen, nach 
allen Seiten hin vergröfsert hatten. Demnach haben wir 
den Standort dieser schwimmenden Tangen nirgends an- 
ders zu suchen, als gerade an dem Orte, wo wir sie finden, 
nämlich auf der Oberfläche des Meeres, und diese Pflanzen 
gehören demnach zu den wenigen, welche frei, nämlich im 
Wasser umherschwimmend wachsen. Eine grofse Menge 


*) S. Agardh Species Algarum Vol. IL. p. 7. 


64 


von Organen, welche im Innern hohl sind und Luft füh- 
ren, dienen dieser Pflanze als Erleichterungsmittel zum 
Schwimmen. Diese Thatsache des freien Wachsens der 
Tangen oder der Algen überhaupt in offener See, ist nicht 
mehr so ıisolirt dastehend, denn ich habe in dem tropi- 
schen Theile des Atlantischen Oceans, besonders um den 
Aequator herum, eine kleine, und äufserst niedliche, stern- 
förmig wachsende Oseillatoria entdeckt; das Pflänzchen ist 
ungefärbt und so klein, dafs man es, von dem Verdecke 
des Schiffes aus, nicht sehen: kann, daher es auch bis jetzt 
übersehen worden war. Mit der sogenannten Wurzel der 
Algen verhält es sich überhaupt ganz eigenthümlich; eine 
wahre Wurzel, wie bei den Phanerogamen, kommt diesen 
Pflanzen nicht zu, sondern die Wurzel ist nur eine Fort- 
setzung ihrer blattartigen Substanz. Sitzt die Alge fest, 
so schwillt das festsitzende Ende der Pflanze an. 

Die Pflanzen, welche nur im süfsen Wasser vorkom- 
men, heifsen Süfswasser-Pflanzen; auch sie zerfallen 
wiederum in Unterabtheilungen, nämlich in solche, welche 
in der Erde wurzeln, und in solche, welche frei im Wasser 
umherschwimmen. Zu den ersteren gehören die meisten, 
im Allgemeinen sogenannten Wasserpflanzen; man sehe die 
Nymphäen, welche mit ihren grofsen Blättern und den 
schönen, sich kaum über die Oberfläche des Wassers er- 
hebenden Blumen die stehenden Gewässer unseres Nordens. 
so angenehm verzieren, dazwischen alle die Potamogetonen, 
deren Blätter in horizontaler Lage auf der Oberfläche der 
Gewässer schwimmen, die feinzerspaltenen Utrieularien mit 
schönen, goldgelben Blumen, die sonderbare Form der 
Stratiotes, mit den niedlichen weifsen Blümchen, gleichsam 
fremdartig für unsern Norden, denn diese Pflanze ahmt 
die Form der Pandanen nach; alle diese Pflanzen wurzeln 
in der Erde, oft in sehr bedeutender Tiefe, und der übrige 
Theil derselben schwimmt im Wasser. 

Anders verhält es sich dagegen mit den Lemna-Arten, 
welche unter dem Volksnamen der Entengrütze bekannt 
sind und zur Sommerzeit, auf den stehenden Gewässern 


65 


unserer Gegenden, wohl niemals fehlen; sie schwimmen 
frei auf der Oberfläche des Wassers umher, wie eine grofse 
Menge von Conferven und Oscillatorien, welche bekannt- 
lich stehende Gewässer von geringerem Umfange ganz 
überziehen können. Bei der Bildung dieser schwimmen- 
den Conferven- und Oscillatorien-Massen ist es wohl, we- 
nigstens nach den bisherigen Beobachtungen, der Fall, dafs 
die ersten Pflänzchen, welche auf dem Wasser umhertrei- 
ben, auf irgend eine Weise von dem Boden oder von 
andern festen, umherschwimmenden Körpern losgetrennt 
worden sind; sobald aber erst einige dieser Gebilde umher- 
schwimmen, bekommen die kleinen Sporen einen Anhalts- 
Punkt, und nun geht die Bildung der grofsen Massen die- 
ser Gewächse schnell von Statten. Es ist aufserordentlich 
wenig nöthig, um die kleinen Sporen der Conferven auf 
der Oberfläche des Wassers zu erhalten, so dafs sie da- 
selbst keimen können; später schwimmen sie mit Leichtig- 
keit auf der Oberfläche und entwickeln alsdann daselbst 
grofse Massen. Bei den Oscillatorien geht diese Bildung 
oft schon in 24 bis 48 Stunden vor sich, so dafs ganze 
Teiche, welche man an dem einen Tage von Conferven 
reinigt, schon am darauf folgenden Tage, auf ihrer ganzen 
Oberfläche, damit bedeckt sind. 

Es ist auffallend, dafs in tropischen Gegenden die 
Conferven sehr selten sind, doch fehlen sie den stehenden 
Gewässern jener Erdtheile keineswegs, und in bedeutenden 
Höhen daselbst, wo das Clima unserem nordischen mehr 
ähnelt, da kommen sie eben so häufig vor, wie bei uns, 
z. B. im See von Titicaca, auf dem Plateau des südlichen 
Peru. Auf den Südsee-Inseln werden die stehenden Ge- 
wässer, besonders die verlassenen Tarro-Felder, mit Con- 
ferven, mit Charen und mit Potamogetonen gefüllt, ganz 
ähnlich wie bei uns. Die frei umherschwimmenden Lem- 
nen fehlen den tropischen Gegenden mehr oder weniger, 
wenn sie auch an einigen Orten gefunden sind; so z. B. 
ist Lemna minor auch in Amerika und in Neu-Holland 


gefunden, und Lemna trisulca ist ebenfalls, sowohl in Ame- 
h) 


66 


rika, als in Neu-Holland beobachtet. Die Lemna des Nor- 
dens wird durch die Gattung Pistia in den Tropen ersetzt; 
es ist unglaublich, in welcher Menge die Pistia Stratiotes 
die Seen der Tropen bedeckt. Wenn auf der grofsen La- 
guna de Bay, dem grofsen See im Inneren der Insel Lugon, 
Stürme geherrscht haben, dann sind diese Pflanzen nach 
den Küsten getrieben, und weit und breit bedecken sie da- 
selbst das Wasser mit einer dicken Pflanzendecke, wärend 
Haufen, mehrere Fufs hoch, von diesen Pflanzen auf den 
Küsten aufgeworfen sind und bei der Fäulnifs einen ent- 
setzlichen Gestank verbreiten. Die Laguna de Bay, welche 
einen Abflufs in den Rio Pasig hat, füllt mit diesen büschel- 
förmigen Pflanzen auch den schnellfliefsenden und reizend 
gelegenen Rio Pasig, welcher dieselben zuletzt hinaus in 
das offene Meer führt. Die Pistia Stratiotes keimt in dem 
Moorboden der Ufergegend, und, nachdem sie sich aus 
dem Schlamme erhoben hat, lebt sie, auf der Oberfläche 
des Wassers schwimmend. | 

Man kann die Süfswasserpflanzen in drei grofse Ab- 
theilungen bringen, je nachdem sie blofs im Wasser und 
in der Luft wachsen, oder, je nachdem sie in der Erde, 
im Wasser und in der Luft, oder auch, je nachdem sie 
blofs in der Erde und im Wasser wachsen und nie über 
die Oberfläche des Wassers kommen. Es ist für die Pflan- 
zen-Geopraphie von Wichtigkeit, dafs diese verschiedenen 
Verhältnisse der Wasserpflanzen mit bestimmten Namen 
belegt werden; und ich verstehe demnach unter Wasser- 
pflanzen im Allgemeinen (plantae aquaticae) solche, 
welche in der Erde wurzeln, sich durch das Wasser hin- 
durch erheben und über die Oberfläche desselben kommen, 
theils um daselbst ihre Blätter auszubreiten oder um ihre 
Blüthen und Früchte. in der Luft zu entwickeln. 

Unter- Wasser-Pflanzen (plantae submersae ) 
nenne ich solche, welche in der Erde wurzeln und nur 
im Wasser wachsen, sich aber niemals über die Oberfläche 
desselben erheben. Die Gattungen Chara, Najas, Cerato- 
phyllum u. a.m. gehören hiezu; besonders aber fast alle Algen. 


67 


Ober- Wasser-Pflanzen (plantae liberae s. pl. 
natantes) sind dagegen solche, welche frei auf der Ober- 
fläche des Wassers umherschwimmen und ihre Wurzeln 
nur im Wasser treiben. Die Gattungen Lemna und Pi- 
stia gehören hieher, und häufig sind es auch eine Menge 
von OÖscillatorien. Die Oscillatoria Flos Aquae, wel- 
che gewöhnlich als solch eine Ober-Wasserpflanze ange- 
sehen wird, ist nach meiner Beobachtung keineswegs eine 
eigene Pflanze, sondern nur die Sporenfäden der Nos- 
toc-Arten, welche sich aus der Gallerte der Pflanze ge- 
trennt haben, nachdem dieselbe sich durch Fäulnifs aufge- 
löst hat. 

Weit gröfser ist die Verschiedenheit der Wasserpflan- 
zen nnter sich durch anderweitige Lokalitäts - Verhältnisse, 
deren ursächliche Momente sich eben so wenig enträth- 
seln lassen, wie der Einflufs des Clima’s auf die Verbrei- 
tung gewisser Pflanzen. 

So wachsen viele Wasserpflanzen nur in Seen oder 
überhaupt in stehenden Gewässern, und heifsen hiernach 
Seepflanzen (plantae lacustres). Die Nymphaeen ge- 
hören hiezu, der Scirpus lacustris und Seirpus palustris 
und Arundo Phragmites; diese letzteren Pflanzen sind es 
gerade, welche in unseren Gegenden die stehenden Ge- 
wässer mit einem dichten Walde umgeben, und sie wie- 
derholen sich in den kälteren Regionen der tropischen 
Zone. So sind die Ufer-Gegenden des See’s von Titicaca 
mit einem dichten Walde einer schönen Binse *) einge- 
fafst, ganz ebenso, wie die grofsen Seen von Preufsen. 
In grofsem Elende lebte das Volk jener Gegend, wäre 
ihm von der Natur nicht diese Pflanze zuertheilt, denn je- 
nes Land liegt über die Baumgrenze hinaus und nur nie- 
dere Sträucher wachsen in der Nähe. Ein paar gerade 
Stöcke, eine Ruderstange um die Balsas oder Böte, von 
jenen Binsen geflochten, auf dem grofsen See jenes Lan- 
des in Bewegung zu setzen; oder eine Stange, als Mast 


*) Malacochaete Tatora. Nees et Meyen. 


ot 
* 


68 


auf denselben zu gebrauchen, woran die Segel, ebenfalls 
aus Binsen geflochten, befestigt werden können, gehören 
zu den Reichthümern der Armen jenes Landes, denn es 
fehlt alles Holz. 

Eben so gehören zu denjenigen Pflanzen, welche die ste- 
henden Gewässer bewohnen, die Stratiotes aloides, die 
niedlichen Utrieularien, deren es auch in den Tropen so 
äufserst schöne Formen giebt, mehrere Potamogetonen, die 
Charen, Trapa- Arten, mehrere Ranunculen, die Sagittarien, 
der Butomus umbellatus u. s. w. Alle diese Gattungen ha- 
ben in den verschiedenen Zonen der Erdoberfläche ihre 
Repräsentanten. Unsere Sagittaria wird in der heifsen 
Zone durch die schöne Gattung Pontederia ersetzt und die 
Nymphaeen durch den Lotos. 

Einige jener Seepflanzen haben auch den Namen 
Grabenpflanzen (plantae fossarum und plantae sta- 
gnariae) erhalten, weil sie fast in allen tiefen Gräben und 
anderen stehenden Gewässern von kleinem Umfange zu 
finden sind. Hiezu sind Stratiotes aloides, Hydrocharis 
Morsus Ranae, Butomus umbellatus, Phellandrium aquati- 
cum, Veronica Anagallis und noch viele andere gehörig. 
Indessen in der Natur sind keine solche bestimmte Gren- 
zen vorhanden, als wir hier aufstellen müssen; die Pflan- 
zen der grofsen Landseen, so wie die der kleineren ste- 
henden Gewässer, kommen nicht nur zuweilen in tiefen 
Gräben vor, sondern sogar auch in fliefsendem Wasser, 
besonders an den Ufern desselben, wenn sich Hindernisse 
irgend einer Art gebildet haben, welche dem schnellen 
Flusse des Wassers daselbst im Wege sind. So findet 
man in den Flüssen, besonders an solchen Stellen, wo 
grofse Holzflöfse aufgestellt sind, oder wo durch Gesträu- 
che der Lauf des Wassers vermindert wird, fast alle die 
schönen Pflanzen, welche wir vorhin unter den Seepflan- 
zen und den Grabenpflanzen kennen gelernt haben. Es 
giebt indessen auch wirkliche Flufspflanzen ( plantae 
fluviatiles und plantae rivulares), d. h. solche, welche fast 
nur in Flüssen oder Bächen vorkommen; als Beispiele 


69 


der Art ist Ranunculus fluviatilis, Conferva rivularis und 
a. m. anzuführen. 

In Hinsicht einiger anderer Lokalitätsverhältnisse kann 
man, bei den Wasserpflanzen, noch folgende Gruppen be- 
zeichnen: z. B. Quellenpflanzen (plantae fontinales 
s. fontanae). Es sind solche, welche in dem frischen und 
klaren Wasser der Quellen oder dicht um dieselben wach- 
sen; in unseren nordischen Gegenden kann man als wahre 
Quellen-Pflanzen folgende ansehen: Montia fontana, Vero- 
nica Beccabunga.. Von diesen wahren Quellenpflanzen 
mufs man diejenigen abziehen, welche zwar ebenfalls in 
der Nähe der Quellen wachsen, aber nur der Feuchtig- 
keit wegen, wenn nämlich die Erde rund herum sehr 
trocken ist. Nirgend erkennt man diesen Einflufs der 
Quellen auf die Vegetation besser, als gerade in den wü- 
sten Gegenden der Tropen; die kleinste Quelle bildet 
dort oftmals eine Oase, in der nicht nur die saftreichsten 
Cyperaceen und Gräser, sondern selbst Gesträuche und 
hie und da auch eine Palme sich erhebt. Zieht man im 
südlichen Peru von dem Plateau der Cordillere nach der 
Küste, so findet man nichts, als die wüstesten, unfrucht- 
barsten und trockensten Gegenden; aber die kleinste 
Quelle, welche hie und da, oft auf weit auseinander gele- 
genen Gegenden sich zeigt, ist die Ursache einer kleinen 
Ansiedelung; oft ernährt sie nur ein Feld mit Alfalfa 
(Medicago satiya), unserer Luzerne, ein kleines Maysield 
und einige Oliven-Bäume, und dennoch mufs, dieser Arm- 
seeligkeiten. wegen, die grofse Landstrafse über solchen 
Ort gelegt werden, damit den Lastthieren die nöthige Er- 
frischung ertheilt werden kann. Nichts gleicht der Oede 
und der Todtenstille in solchen Gegenden des südlichen 
Peru; auf 20 und 30 Meilen Entfernung erblickt man zu- 
weilen keinen Vogel, kein Insekt und keine Pflanze; aber 
die kleinste Quelle ruft aus diesem todten, allmälich in 
Staub zerfallenen Boden eine grüne Welt hervor, und sie 
wird zuweilen, wenn reiche Erzadern in der Nähe liegen, 
zugleich die Quelle grofser Reichthümer, welche ohne die- 


70 


ses Wasser nicht bearbeitet werden könnten. In feuch- 
ten tropischen Gegenden ist eine Quelle wenigstens der 
Sammelplatz einiger hoher oder üppiger Bäume; die Quel- 
len auf den Südsee-Inseln sah. ich öfters mit herrlichen 
Pandanen und Eugenien *) umkränzt, und auf den Phi- 
lippinen waren es schöne Palmen und Barringtonien, wel- 
che daneben standen. 

Quellen, welche Kochsalz enthalten, zeigen in ihrer 
Nähe eine Menge von Pflanzen, die auch an den Ufern 
der Meere wachsen, wo. der Boden ebenfalls mit Salz- 
wasser imprägnirt ist; man nennt solche Pflanzen im All- 
gemeinen Salzpflanzen (plantae salinae, Halophyta). 
Eine Menge von Salsola- Arten, Anabasis, Salicornien und 
Glaux maritima gehören zu dieser Gruppe; einige Charen 
pflegen in diesen Salzquellen ebenfalls nicht zu fehlen, 
und dieses findet unter allen Zonen und in allen Regio- 
nen statt. Sehr auffallend ist es, dafs mit diesen Salz- 
pflanzen nicht nur die Salzpflanzen der Meeresküsten 
übereinkommen, sondern dafs auch die Steppen-Flora 
meistens einige ganz ähnliche Pflanzen aufzuweisen hat, 
woraus man vielleicht auf einen früheren Zustand dieser 
Steppen schliefsen könnte. 

An jene Wasserpflanzen schliefsen sich diejenigen 
an, welche theils im Wasser, theils auf trockenem Boden 
wachsen; man hat sie hiernach amphibische Pflanzen 
(plantae amphibiae) genannt, und sie zeigen, wenigstens 
sehr häufig, verschiedengeformte Blätter, je nachdem sie 
im Wasser oder auf der Erde gewachsen sind. Beispiele 
hiezu geben: Nasturtium palustre und N, amphibium, Car- 
damine pratensis, Rumex Hydrolapathum u. s. w. Auch 
mehrere Mentha- Arten gehören hieher. Andere Pflanzen 
finden sich wiederum vorzüglich an solchen Orten, welche 
im Winter oder im Frühjahr überschwemmt sind, und man 
hat sie überschwemmte Pflanzen (plantae inundatae) 
genannt; Limosella aquatica, Peplis Portula, Juncus bufo- 


*) Pandanus odoratissimus und Jambosa malaccensis Dec. 


71 


nius, Chalta palustris u. a. m. gehören hiezu. Die plan- 
tae inundatae und die plantae amphibiae sind also sehr 
verschieden von einander; jene wachsen in einem Boden, 
welcher in einer gewissen Zeit im Jahre überschwemmt 
ist, diese aber bald im Wasser, bald auf dem Lande, wo- 
bei sie jedoch wenigstens verschiedengeformte Blätter zu 
zeigen pflegen. 

Pflanzen, welche an den Ufern der grofsen Gewässer 
vorkommen, nennt man Ufer-Pflanzen. Strand-Pflan- 
zen (plantae littorales set maritimae), wenn sie an den 
Ufern der Meere wachsen; Ufer-Pflanzen (plantae ri- 
pariae) im Allgemeinen dagegen, wenn sie an den Rän- 
dern der süfsen Gewässer, sowohl an den Seen als an 
Flüssen und Bächen vorkommen. Da die Ufer der Meere 
mit Kochsalz imprägnirt sind, so ist es der Fall, dafs sehr 
viele Strandpflanzen mit den Salzpflanzen, welche im In- 
nern der Länder, in der Nähe der Salzquellen wachsen, 
genau übereinstimmen. Beispiele hiezu geben Glaux ma- 
ritima, Salsola Kali, Samolus Valerandi, Eryngium mariti- 
mum, Chenopodium maritimum u. s. w. In den Tropen 
sind es Lythrum maritimum, mehrere Heliotropium- Arten, 
Vitex-Arten u. s. w. Schon früher habe ich darauf auf- 
merksam gemacht, dafs mit diesen Strand- und Salzpflan- 
zen auch die Steppenpflanzen übereinstimmen. Die so- 
genannten Steppen- oder Salzpflanzen sind jedoch nicht 
in allen Gegenden der Erde so gleichartig, wie man die- 
ses gewöhnlich anzunehmen pflegt. In den Wüsten Egyp- 
ten’s sind es: Dactylis repens, Cynodon dactylon, Zygo- 
phyllum album, Cressa cretica u. s. w. In Nordamerika 
sind es: Uniola maritima, Spartina glabra, Gerardia mari- 
tima, Aster subulatus u. a. m.; in Südamerika fanden wir 
unter ähnlichen Verhältnissen die gesellig wachsende Poa 
thalassica Humb, et Kunth., Salsola corticosa mihi, Salsola 
glomerata mihi u. s. w., und in den Salzsteppen Asiens sind 
es Salsola prostrata, Statice tartarica, Glycirrhiza hirsuta, 
G. laevis u. s. w. 

Sehr eigenthümlich ist die Vegetation an dem Mee- 


72 


resufer tropischer Gegenden; überall da nämlich, wo das 
Meer nicht durch Felsen oder Sandmassen eingefafst wird, 


sondern Dammerde-haltige Ufer hat, welche theils fest, 


theils moorig sind, und, durch die Fluth des Meeres, stark 
mit Feuchtigkeit imprägnirt werden. Auf solchem Boden 
finden sich in tropischen Gegenden ganz eigenthümliche 
Pflanzenformen, welche dichte, undurchdringliche, meilen- 
lange Wälder bilden, die beständig die Ufer des Meeres 
einfassen. Die gewöhnlichste dieser Meeres - Ufer - Pflan- 
zen, welche vorzüglich am Ausflusse grofser Ströme vor- 
kommt, ist die Mangle (Rhizophora Mangle L.) oder der 
Wurzelbaum; er hat das besonders Merkwürdige an sich, 
dafs seine Saamen nicht abfallen und in der Erde wur- 
zeln, sondern dieselben keimen schon aus der Frucht 
heraus und senken sich mit ihrem Wurzelende, bis sie den 
morastigen Boden erreichen, von dem aus sie von Neuem 
treiben, so dafs alsbald, aus einem einzigen Stamme, ein 
ganzer Wald entsteht, auf dem man, zur Zeit der Ebbe, 
umher wandern kann. Aufser den Rhizophoren sind es 
hauptsächlich die Avicennien, welche dergleichen Meerufer- 
Waldungen (Mangrove-Waldungen in Brasilien) bilden. 
In Brasilien ist es die Avicennia nitida und die Av. tomen- 
'tosa L., welche die Mangrove- Wälder bildet; an den tro- 
pischen Küsten Afrika’s sind es Rizophora und Avicennia 
tomentosa, und an den Meeresufern von Indien und Neu- 
Holland kommen die Gattungen Rhizophora, Avicennia, 
Aegiceras und Bruguiera vor, und, besonders an den 
Ufern der Flüsse, an ihrem Ausgange in das Meer, kom- 
men daselbst häufig die prachtvollen Barringtonien vor. 
Herr Alexander von Humboldt *) hat bei der Mün- 
dung des Rio Sina verschiedene Schwämme (als Boletus, 
Hydnum, Helvella und Thelephora - Arten) gesammelt, wel- 
che an den Rhizophoren-Bäumen hingen und daselbst ge- 


diehen, obgleich sie bei der Fluth vom Salzwasser bespült 
wurden. 


— 


*) Reise u. s. w. Theil 6. 2te Hälfte p. 57. 


73 


Die Pflanzen, welche in der Erde Wurzel treiben und 
in der Luft wachsen, nennt man Landpflanzen (plan- 
tae terrae adfıxae); sie zeigen, in Bezug auf die chemische 
Beschaffenheit des Bodens, grofse Verschiedenheiten, ob- 
gleich, wie schon früher davon die Rede war, die Pflan- 
zen sehr wenig von dem Inhalte des Bodens aufnehmen. 
Schon vorhin, bei Betrachtung der Wasserpflanzen haben 
wir derjenigen gedacht, welche in Salzquellen vorkommen, 
so wie der Strandpflanzen, welche mit jenen Salzpflanzen 
übereinstimmen. Auch diese Pflanzen sind Landpflan- 
zen und kommen auf einem Boden vor, der mit Koch- 
salz und andern Salzen geschwängert ist. | 

Sehr auffallend ist aber auch die geognostische Be- 
schaffenheit des Bodens, in Hinsicht ihres Einflusses auf das 
Vorkommen gewisser Pflanzen. Wenngleich es wahr ist, 
dafs die Grenzen hier nicht so regelmäfsig in der Natur 
‘- gezogen sind, wie wir sie aufstellen müssen, so wird man 
doch schwerlich ihren Einflufs verkennen können, wenn 
man die Erscheinung in ihrer Allgemeinheit auffafst. Die 
wichtigsten Gruppen, welche sich, in Hinsicht des Einflus- 
ses der geognostischen Beschaffenheit des Bodens auf den 
Standort der Pflanzen, zeigen, sind: 

1) Die Sandpflanzen, auch Kieselpflanzen 
(plantae arenariae, plantae silicaceae) genannt; sie sind 
in allen Gegenden der Erde von eigenthümlichem Cha- 
rakter; ihre gröfste Zahl möchte zu den Gräsern gehören. 
Auf unseren Sandebenen sind vorzüglich Carex arenaria, 
Arundo arenaria, Herniaria glabra, mehrere Tussilago- 
Arten, Poetentillen, Sedum acre und mehrere andere Pflan- 
zen zu finden; in fliegendem Sande, wo die Vegetation 
nur selten festhält, ist der Elymus arenarius an seinem 
passenden Orte und wird auch am zweckmäfsigsten dazu 
benutzt, den fliegenden Sand zu befestigen, ‘wenn auch 
keine andere Pflanze darin gedeihen will. Man unterschei- 
det noch plantae sabulosae, Pflanzen nämlich, welche 
im Flufssande wachsen; Elymus sabulosus, Tussilago- 
und Salix- Arten gehören zu diesen. 


74 


2) Die Kalkpflanzen (plantae calcareae) wachsen 
auf kalkigem Gestein; es giebt einige Pflanzen, wie z. B. 
die Familie der Orchideen, welche diesen Boden ganz be- 
sonders lieben, und einzelne Arten aus derselben kommen 
nur auf Kalkfelsen vor. Ein Beispiel hiezu giebt das Cy- 
pripedium Calceolus, welches ich schon früher aufgeführt 
habe. Teucrium montanum, Sesleria coerulea und andere 
Pflanzen mehr, zeugen von einem kalkhaltigen Boden. 
Kalkgebirge zeigen noch mehrere andere Eigenthümlichkei- 
ten in Hinsicht ihrer Vegetation; sie zeigen meistentheils 
nur wenig Wälder, überhaupt weniger eine baumartige, 
als eine stauden- und strauchartige Vegetation, daher ih- 
nen viele kleine Pflänzchen, welche im Schatten jener Ge- 
sträuche wachsen, zukommen. 

Der Gips unter den kalkigen Gebirgsarten scheint 
noch seine eigenthümlichen Formen aufzuweisen zu haben; 
es ist die Gattung Gypsophila, deren Arten auf gipshalti- 
gem Boden ganz gewöhnlich vorkommen. Man hat dem- 
nach auch sogenannte Gipspflanzen. 

Ein Torf-haltiger Boden zeigt ebenfalls seine eigen- 
thümliche Vegetation, und diese ist in nordischen Gegen- 
den, wo Torfmoore so häufig sind, für den Charakter der 
Landschaft äufserst wichtig. Die Pflanzen, welche auf die- 
sem Boden wachsen, zeichnen sich besonders durch ge- 
selliges Auftreten aus und zeigen übermäfsige Wurzelbil- 
dung. Beispiele hiezu geben die Sphagnum- Arten, welche 
nur selten noch andere Pflanzen zwischen sich aufkom- 
men lassen. Vaceinium oxycoccus, Andremeda polifolia, 
die Drosera- Arten, mehrere Juncus - Arten und Salices 
sind die gewöhnlichsten Torfpflanzen (plantae tur- 
fosae, plantae caespitosae). Bildet sich der Torf 
in ausgestochenen Gräben, wo sich Wasser angesammelt 
hat, so sind Charen und Conferven die ersten Gewächse, 
welche in unsern Gegenden zur Torfbildung den Stoff 
hergeben. Später zeigt sich Spongilla lacustris an den 
Wänden der Torfgräben; es erscheinen die Utrieularien, 
der Seirpus palustris, Myriophyllen, Equiseten, Nymphaeen 


75 


u. s. w., deren Substanz wieder verschwindet und die Tiefe 
des Grabens allmälich ausfüllt, indem sich die Seitenwände 
dabei zugleich immer mehr und mehr näheren. Ist der 
Graben erst zugewachsen und hat sich etwas fester Bo- 
den auf der Oberfläche gebildet, so‘ erscheinen Comarum 
palustre, Alisma Plantago, Vaceinium oxycoccus, Droserae, 
Eriophora u. s. w. und somit ist der Torfboden wieder von 
Neuem erzeugt. 

Ich habe hier die geognostische Beschaffenheit des 
Bodens in Hinsicht des Einflusses auf das Vorkommen 
der Pflanzen betrachtet, unterlasse aber auch nicht noch- 
mals die Bemerkung zu machen, dafs dergleichen Pflanzen, 
welche einem besonderen Boden besonders eigenthümlich 
sind, auch sehr häufig auf anderem Boden vorkommen; 
ja es giebt Botaniker, wie z. B. Herr Decandolle *), wel- 
cher versichert, dafs er in Frankreich beobachtet habe, 
wie eine jede Pflanze jenes Landes auf jedem Boden wach- 
sen könne, ein Resultat, welches wohl nicht anzuerkennen 
‘sein möchte. Ich glaube nicht, dafs Carex arenaria auf 
Torfboden und dafs Cineraria palustris auf fliegendem 
Sande wachsen können. Gewifs aber ist es, dafs die geo- 
gnostische Beschaffenheit des Bodens weniger, als dessen 
chemische Beschaffenheit auf das Vorkommen der Pflanzen 
einwirkt. 

Die chemische und geognostische Beschaffenheit des 
Bodens ist aber, auch noch in anderer Beziehung, auf die 
Verbreitung der Pflanzen wichtig. Es scheint nämlich, 
dafs Pflanzen, welche irgend einen besonders beschaffenen 
Boden vorzüglich lieben, dafs diese Pflanzen einen weit 
gröfseren Verbreitungsbezirk aufzuweisen haben, als an- 
dere Pflanzen, welche in gewöhnlicher Dammerde vegeti- 
ren; denn nur zu oft wiederholen sich jene örtlichen Ver- 
hältnisse, welche dann das Erscheinen der dazu gehörigen 
Pflanzen bedingen. ’ N 

Die Dammerde liefert denjenigen Boden, welcher für 


*) Dictionnaire des scienc. nat. Tom. XVIIL p. 377. 


76 


das Wachsthum der Pflanzen am allgemeinsten der geeig- 
neteste ist, und auf ihm zeigen sich auch häufig alle jene 
Pflanzen, welche wir bisher, für andere Bodenarten eigen- 
thümlich, angeführt haben. 

Nach dem Grade der Feuchtigkeit liefert auch die 
Dammerde einen Boden, welcher bald mehr, bald weniger 
für gewisse Pflanzen besonders vortheilhaft ist, so dafs 
diese auf ihm häufiger und üppiger stehen, als auf einem 
Boden von anderer Beschaffenheit. Es möchten sich hier- 
nach folgende Pflanzengruppen unterscheiden lassen: 

Bruch-Pflanzen (plantae uliginosae ); sie wach- 
sen auf sehr feuchtem Boden, welcher dabei so_ wenig 
fest ist, dafs er dem Tritte des Menschen nachgiebt und 
sich hierauf wieder erhebt. In nordischen Gegenden kom- 
men dergleichen Brüche sehr häufig vor, besonders auf 
den Wiesen, und man belegt dergleichen Gegenden mit 
dem Namen der Niederungen. In den höheren Regionen 
der Gebirge kommen dergleichen Brüche ebenfalls häufig 
vor, z. B. auf den Alpen, auf dem Harze, dem schlesischen 
Gebirge und selbst auf dem Plateau der Cordillere vom 
südlichen Peru, wo sie eben so ausgedehnt sind, als auf 
unseren nordischen Gebirgen. Die vorzüglichsten Bruch- 
Pflanzen möchten sein: Pinguicula alpina, Primula fari- 
nosa, Chalta palustris, u. s. w. Es ist natürlich, dafs die 
Bruch-Pflanzen und die Torf-Pflanzen sehr oft 
übereinstimmend sind, denn fast in allen Bruch- Gegenden 
kann man Torf bereiten. 

Die Brüche unterscheiden sich von den Sümpfen nur 
durch gröfsere Festigkeit und geringeren Wasser - Gehalt. 
Der Sumpfboden ist so weich, dafs man, bei dem Hinauf- 
treten einsinkt und derselbe erhebt sich dann nicht mehr, 
wie sich etwa der Bruchboden erhebt. Da die Sümpfe 
in ihrer Ausdehnung sehr hänfig mehr oder weniger gro- 
fse Wasser - Bassins enthalten, so kommen die Wasser- 
pflanzen häufig zwischen denjenigen Pflanzen vor, welche 
-den Sümpfen eigenthümlich sind, und Sumpf-Pflanzen 
(plantae paludosae s. plantae palustres ) genannt werden. 


77 


Es gehören hiezu Menyanthes trifolıata, Hottonia palustris, 
Cineraria palustris, Scheuchzeria palustris, Comarum pa- 
lustre, Bidens cernua u. s. w. Da die Sümpfe sehr häu- 
fig in heifsen Sommern austrockenen, so verschwinden viele 
von den Sumpfpflanzen schon früh im Sommer, und er- 
scheinen erst im folgenden Jahre wieder, wenn der Sumpf 
sich abermals mit Wasser füllt. Dergleichen Gegenden 
haben alsdann mit denjenigen die gröfste Aehnlichkeit, 
welche zu gewissen Jahreszeiten überschwemmt sind und 
denen die Ueberschwemmungs- Pflanzen eigenthümlich sind. 
Man hat Schlammpflanzen (plantae limosae ) von Sumpf- 
pflanzen unterscheiden wollen, doch möchten sie, mit den 
Ueberschwemmungspflanzen und den Bruchpflanzen zu den 
Sumpfpflanzen so ineinander übergehen, dafs dergleichen 
Eintheilung nicht in der Natur begründet zu sein scheint, 
sie auch zu nichts führen kann, sobald man die Abthei- 
lungen zu sehr häuft. 

Die Eigenschaften des Bodens sind, noch in verschie- 
dener anderer Hinsicht, auf das Vorkommen gewisser 
Pflanzen vom entschiedensten Einflusse, und wir wollen 
suchen dieselben in einer gewissen Reihefolge näher zu 
erörtern. Wir betrachten den Einflufs des Bodens auf 
das Vorkommen der Pflanzen: 

I. in Hinsicht des Aggregat- Zustandes. 

Man unterscheidet Felsen-Pflanzen (plantae ru- 
pestres seu rupicolae) *) von Geschiebe- Pflanzen (plan- 
tae saxatiles); erstere wachsen auf nackten Felsen, z. B. 
Sedum rupestre, eine grofse Anzahl von Cacten und an- 
dere Saftpflanzen in tropischen Gegenden, besonders aber 
' auch die vielen Flechten, Farrn und Moose. Geschiebe- 
Pflanzen wachsen auf Steinen, welche von den Gebirgs- 
massen getrennt sind; als Beispiel dafür wird Thlaspi 
saxatile aufgeführt; es ist mir nicht möglich gewesen, 
zwischen Felsenpflanzen und zwischen Geschiebepflanzen 
Unterschiede aufzufinden. 


*) S. Schouw’s Pflanzengeographie. Berlin 1823. p. 4158. 


78 


Sandpflanzen, welche an diesem Orte gleichfalls 
aufgeführt werden müssen, haben wir schon früher in Be- 
trachtung gezogen. Aufserdem sind noch die Schutt- 
Pflanzen (plantae glareosae) zu nennen, welche nach 
Herrn Schouw auf den aufgelösten Gebirgsmassen’ am vor- 
züglichsten gedeihen. Es dienen hiezu als Beispiele Saxi- 
fraga rivularis, Ranunculus alpestris und R. glacialis. Auf 
der Hochebene im südlichen Peru, in einer Höhe zwischen 
14-, 15- und 16000 Fufs, kommen grofse Strecken von 
mehr als einer Tagereise Länge vor, wo der ganze Bo- 
den aus einem weifsen verwitterten Trachyte besteht, wel- 
cher einem feinen Sande sehr ähnlich erscheint. In die- 
sem verwitterten Gesteine wachsen einige Sida-Arten, als 
Sida pedicularifolia mihi *), von ausgezeichnetester Schönheit 
und in der Lava- Asche der südamerikanischen Cordilleren- 
Vulkane, fand ich andere, eben so niedliche Sida- Arten, 
als Sida borussica mihi, mehrere Gräser, sonderbar gestal- 
tete Bacchariden, als Baccharis phylicaeformis nob., B. ge- 
nistelloides Hook, B. sagittalis Lessing, B. quadrangularis 
nob. und das Tulostoma Meyenii Klotzsch, einen . ganz 
ausgezeichneten Pilz. In anderen Gegenden fanden wir 
unter ähnlichen Verhältnissen, wie auf dem Kegel des Vul- 
kan’s von Maypu, ebenfalls sehr niedliche Pflanzen, z. B. Caly- 
cera ventosa nob. u. a.m.**) Aber höchst eigenthümlich sind 
die Formen dieser alpinischen Schutt-Pflanzen in Amerika, 
denn sie erscheinen immer in kleinen Häufchen, welche 
zuweilen äufserst niedlich auf der dunkeln Lava- Asche 
abstechen, wie z.B. das kleine, ganz dicht mit Haaren be- 
deckte Häufchen der Blätter von Sida borussica, woraus sich 
die Blüthen hervorschieben, welche, noch vor der Entfaltung, 
der Länge nach weifs und ganz dunkel violett gefärbt sind. 

I. In Hinsicht der Natur des Bodens. 

Wir unterscheiden hier abermals drei verschiedene 
Gruppen, je nachdem die Pflanzen auf anderen lebenden 


*) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 460. 
**) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 356. 


79 


Pflanzen, auf todten organischen Stoffen, und auf Kunst- 
produkten vorkommen. Wir haben bisher die todte Na- 
tur als den Boden der Pflanzen betrachtet , doch es giebt 
eine grofse Zahl von Gewächsen, welche auch auf orga- 
. nischen Gebilden festsitzen. Wir betrachten hier vor Al- 
len die. sogenannten parasitischen Pflanzen, welche, 
wie es schon der Name sagt, parasitisch auf anderen 
Pflanzen wurzeln. Unsere Mispel (Viscum album L.), die 
auf den hohen Bäumen unserer Gegenden wächst, ist all- 
gemein bekannt; sie ist ein Parasıt, ihre Saamen treiben 
Wurzeln, welche durch die Rindensubstanz der Bäume 
hindurchdringen und dann die Nahrung aus dem Holze der 
Bäume ziehen, uf welchen der Parasit wurzelt. In wär- 
meren Gegenden, ganz besonders in den Tropen und in 
der subtropischen Zone, wird die Mispel durch die Gat- 
tung Loranthus ersetzt, deren Arten-Zahl eben so grofs 
ist, als es die Pracht ihrer scharlachrothen Blüthen ist. 
Die parasitischen Gewächse zeigen jedoch in den Ver- 
hältnissen, worin sie zu ihrem Boden stehen, welcher 
gleichsam ihre Mutterpflanze ist, so grofse Verschieden- 
heiten, dafs es nöthig ist, dieselben in besondere Unter- 
abtheilungen zusammenzustellen, welche auch in pflanzen- 
geographischer Hinsicht wichtig sind. 

Wir unterscheiden: 

1) Wahre Parasiten (plantae parasiticae ve- 
rae). Es sind Pflanzen, welche auf den Wurzeln anderer 
Pflanzen aufsitzen und so innig mit der Substanz der 
Mutterpflanze verbunden sind, dafs diese selbst ein eigen- 
thümliches Organ aus ihrer Substanz bilden, welches den 
Parasiten als Unterlage dient. Die hieher gehörigen Pflan- 
zen wachsen immer nur auf bestimmten Arten anderer 
Pflanzen und zeichnen sich, durch verschiedene Merkmale, 
von den übrigen, nicht parasitischen Pflanzen sehr be- 
stimmt aus, z. B. durch Fehlen der Hautdrüsen u. s.w. Dem 
Saamen aller wahren Parasiten fehlt der Embryo, und 
durch genaue Untersuchung der Verbindungs-Art zwischen 
dem Parasiten und der Mutterpflanze geleitet, behaupte 


80 


ich auch, dafs diese Pflanzen keineswegs aus Saamen ent- 
standen sind, welche in die Substanz der Wurzel einer 
anderen Pflanze hineingewurzelt sind, sondern dafs sie 
als ein krankhaftes Produkt zu betrachten sind, welches 
aus dem Innern der Wurzel der Mutterpflanze hervor- 
wächst. Die Untersuchung dieses Gegenstandes habe ich 
bei der prachtvollen Gattung Brugmansia und bei einer 
Balanophor unternommen, welche Herr Blume von Java 
mitgebracht hat *). Alles, was von einigen Seiten her 
bis jetzt dagegen gesagt ist, mufs ich als ganz unpassend 
betrachten, und dabei bei meinem früheren Ausspruche 
bleiben. **) 

Die wahren Parasiten entbehren der grünen Farbe; 
sie sind meistens mehr oder weniger braun gefärbt, doch 
zuweilen auch von ausgezeichnet hellen Farben. Auch die 
Hautdrüsen fehlen diesen parasitischen Pflanzen. Ganz 
entschieden gehören hieher die Pflanzen der beiden, nur 
in den Tropen und den subtropischen Zonen vorkommen- 
den Familien, nämlich der Rhizantheen von Blume und 


*) S. Meyen Ueber das Herauswachsen parasitischer Gewächse. 
aus den WVurzeln anderer Pflanzen. Flora 1829. Nro. 4. 

**) Herr Link wollte das Unrichtige der obigen Behauptung da- 
mit widerlegen, dafs man den Uebergang der gefärbten Säfte durch 
die Spiralröhren, aus einem abgeschnittenen Aste ın das darauf sit- 
zende Viscum beobachten könnte; indessen Viscum gehört ganz und 
gar nicht zu eben derselben Gruppe von parasitischen Pflanzen, von 
welchen ich gesprochen habe, und bei Viscum läfst sich auch die 
Insertion sehr wohl erkennen und verfolgen. Herr De Candolle 
fertigt meine Ansicht, welche unwiderleglich auf den Bau der Brug- 
mansıa begründet ist, damit ab, dafs er dieselbe eine bizarre’ Idee 
nennt; hätte indessen dieser gelehrte Botaniker, bei seiner grofsen 
Einsicht, die Behauptung zu widerlegen gesucht, so würde der Wis- 
senschaft dadurch mehr Nutzen erwachsen seın. Mit den Oroban- 
chen mufs man diesen Gegenstand nicht zu widerlegen versuchen, 
indem ich selbst über diese einige Zweifel erhoben habe, am we- 
nigsten aber mit Vauchers Beobachtungen über diesen Gegenstand, 
indem diese alle die Genauigkeit entbehren, welche dabei nöthig ist. 
Die Rafflesia, die Brugmansia und die Balanophoren nehme man 
zur WViderlegung oder zur Bestätigung meiner Ansicht. 


81 


der Balanophoren von Richard. Es sind die merkwürdig- 
sten und seltensten Pflanzen, welche in diese Familien 
gehören; die Rafflesia aus Ostindien ist unter dem Na- 
men der Riesenblume bekannt und berühmt geworden. 
Sie gleicht einem riesenhaften Pilze von 3 bis 4 Fufs 
Durchmesser und ähnelt durch ihre Form der Blume ei- 
nes Phanerogamen, welche, eben aus der Erde kommend, 
unmittelbar auf der Wurzel einer fremden Pflanze befe- 
stigt ist. 

Wir besitzen in unsern nordischen Gegenden eben- 
falls 3 Gattungen von parasitischen Pflanzen, nämlich La- 
thraea, Orobanche und Monotropa, welche auf den Wur- 
zeln anderer Pflanzen festsitzen, z. B. Lathraea squamaria 
auf der Wurzel der Buche. Es scheint jedoch, nämlich 
einige Versuche wollen es darthuen, dafs einige dieser 
Pflanzen, z. B. die Orobanchen, auch aus Saamen gezogen 
werden können. Ich kann diesen Beobachtungen des 
Herrn Vaucher keinesweges meinen Beifall geben, und 
glaube bis zum heutigen Tage noch nicht daran. In In- 
dien sind die Gattungen Aeginetia und Phelypaea die Stell- 
vertreter unserer Orobanchen und Lathraeen. 

Nach Beobachtungen der letzteren Zeit sollen, auch 
bei verschiedenen anderen Pflanzen, auf der Rinde des 
‚Stengels oder des Stammes wahre Parasiten vorkommen, 
wie z. B. die Gattungen Apodanthes Poit. und Pilostyles 
Guill., indessen diese Gattungen erscheinen noch sehr 
zweifelhaft, und scheinen nur verkrüppelte, oft auch re- 
gularisirte Blüthen eben derselben Pflanze zu. sein, auf 
welcher sie gefunden werden. 

2) Parasiten (plantae parasiticae) oder Schma- 
rotzer-Gewächse. Sie wachsen auf der Rinde ande- 
rer Gewächse, meistens in der Krone der Bäume, indem 
ihre Saamen die Würzelchen in die Rindensubstanz hin- 
eintreiben und zwar so tief, dafs sie sich mit der Holz- 
substanz der Mutterpflanze innig verbinden und die Nah- 
rungsfiüssigkeiten aus derselben aufsaugen. Die vorhin 
schon erwähnten Gattungen, Viscum und Loranthus, ge- 

6 


82 


hören hieher, von letzteren sind jedoch sehr viele Arten 
nicht parasitisch, sondern wachsen in der Erde und bilden 
hohe Sträucher. Das Viscum in unseren Gegenden hat 
nur wenigen Einflufs auf die Physiognomie der Vegetation, 
höchstens bemerkt man es zur Winterzeit auf blattlosen 
‚Bäumen, besonders in fruchtbaren Gegenden, wo ‘diese 
Mispel mehr oder weniger grofse und dichte Haufen von 
grünen Blättern bildet, welche zur Winterzeit, bei der be- 
schneeten Ebene, innerhalb- der blattlosen Aeste ganz ei- 
genthümlich erscheinen. In den wärmeren Gegenden aber, 
wo der Loranthus wächst, da zeigt die Vegetation durch 
ihn, häufig den herrlichsten Farbenglanz, welchen die 
scharlachrothen Blumen dieser Parasiten zwischen dem 
dunkeln Grün der Blätter ihrer Mutterpflanzen erzeugen. 
In Chile überzieht ein blattloser Loranthus die Oberfläche 
eines grofsen candelaberförmigen Cactus wie mit einem 
scharlachrothen Teppiche, aus dem die _grofsen, 8 bis 9 
Zoll langen schneeweifsen Blüthen des Cactus hinausra- 
gen und einen herrlichen Anblick gewähren. 

3) Uneigentliche Parasiten (Epidendra seu 
Epiphyta). Hieher gehören solche Pflanzen, welche 
zwar auf der Oberfläche anderer Gewächse wachsen, aber 
ihre Wurzeln nicht in die Substanz der Bodenpflanze 
hineintreiben, also auch nicht die Nahrung aus derselben 
ziehen können. Sie sitzen meistens in den Ritzen und 
Vertiefungen der Rinde der Bäume, setzen sich aber spä- 
ter daselbst so fest, dafs sie nur mit bedeutender Kraft- 
anstrengung losgerissen werden können. Pflanzen der 
Art kommen in allen Gegenden der Erde. vor, sie sind 
nicht bestimmt auf gewisse Arten und Gättungen ange- 
wiesen, sondern wuchern überall da, wo sie irgend einen 
Anhaltspunkt finden. In unsern nordischen Gegenden ist es 
bekannt, welch eine grofse Menge von Flechten, von Moo- 
sen und Jungermannien auf der Oberfläche der Baäum- 
stämme festsitzen; sie haben diese fremden Pflanzen zum 
Boden, aber sind darin nicht unbedingt gefesselt, sondern 
können, unter ähnlichen Verhältnissen, auch an andern Or- 


83 


ten wachsen. Je glätter die Oberfläche der Rinde ist und 
je trockener der Boden ist, auf welchem die Bäume 
wachsen, um so geringer ist die Anzahl dieser Epiphyta, 
aber um so groiser ist sie, je feuchter der Boden und 
also auch die Luft ist, in welcher die Bäume wachsen. 
Wenn man durch die Kieferwaldungen unserer trockenen 
Sandgegenden wandert, so wird man zwar hie und da ei- 
nige Flechten und Moose an den Stämmen jener Bäume 
bemerken, aber keinen Begriff kann man sich hienach 
von der Masse von Pflanzen machen, welche schon auf 
den Bäumen der feuchten Wälder unserer nordischen Ge- 
birgsgegenden vorkommen. Die Usneen, welche auf den 
Bäumen unserer trockenen Gegenden kleine und wenig 
ausgebildete Exemplare darbieten, sind in den feuchten 
Wäldern des Harzes und des Riesengebirges mehr als 
fufslang und ähneln, durch ihre grüngraue Farbe, in man- 
cher Hinsicht den Tillandsien der Tropen. Auf der Insel 
St. Helena, wo das Clima ‘auf der westlichen Seite äufserst 
feucht ist, da kommt eine röthliche Varietät der Usnea bar- 
bata vor; sie überzieht die Bäume der Conyza arborea, | 
welche in der Nähe von Napoleon’ s Wohnung eine Allee 
bilden, in einen solchen Grade, dafs diese herabhängende 
Pflanzendecke vor Allem das Auge des Reisenden reitzt. 

Ganz anders verhält es sich, in Hinsicht des Vor- 
kommens der uneigentlichen Parasiten auf der Oberfläche 
anderer Gewächse, ın tropischen Gegenden; bei uns kom- 
men nur Cryptogamen, ja nicht einmal Farrn parasitisch 
- auf den Bäumen vor; dort aber, wo die Luft, bei einem 
hohen Grade von Wärme, eine ganz aufserordentliche 
Menge von Feuchtigkeit enthält, da. sind oftmals eine so 
grofse Menge von verschiedenartigen Gewächsen auf einem 
einzigen Baume zu finden, dafs sie, wollte man mit den- 
selben die Erde bepflanzen, einen grofsen Flächen -Raum 
einnehmen würden. ’ 

Hier wachsen Pothos- Gewächse auf den Aesten der 
höchsten Bäume, durch deren prachtvolle Blätter sich die 


grofse weifse Blume erhebt. Sonderbar gestaltete Orchi- 
6* 


84 


deen, Bromelien und Pitcarnien sitzen in den Winkeln 
der Aeste und erfüllen jeden Rifs in der Rinde des Bau- 
mes. Die niedlichsten Farrnkräuter, fast unseren Lyco- 
podien, fast unserem Epheu ähnlich, ranken sich auf der 
Oberfläche des Stammes hinauf, von dessen Aesten silber- 
graue Tillandsien herabhängen. Nicht zu gedenken der 
Unzahl von Schlingpflanzen, welche, einst in der Erde 
wurzelnd, auf die Bäume gestiegen sind und daselbst fort- 
wachsen, wenn keine Spur von ihrer Wurzel mehr vor- 
handen ist. Die inneren langen Stengel dieser Pflanzen 
ziehen sich bald von einem Baume zum anderen hin, bald 
hängen sie als straffe Taue, in mehr oder weniger schrä- 
ger Richtung, bis zur Erde herab, oft auf einer Länge 
von 30 und 40 Fufs kein einziges Blatt zeigend. Und 
diese aufgespannten Taue dienen den Affen und den gro- 
fsen wilden Katzen zum Hinaufklettern. In der neuen 
Welt sind es meistens Bauhinien, Paullinien, Bignonien, 
Banisterien und Passifloren, welche eine solche übermä- 
fsige Längenentwickelung ihres Stammes zeigen; in der 
alten Welt, besonders in Indien und den angrenzenden 
Inseln, sind es die Ratang’s- oder Calamus- Arten, welche 
die verschiedenen Arten von Rohr liefern, die durch den 
Handel zu uns kommen. Die Calami bilden eine eigen- 
thümliche Abtheilung unter den Palmen und verhalten 
sich, sonderbar genug, ganz so, wie die Schlingpflanzen 
der neuen Welt, sie ranken am Stamme hinauf, steigen 
bis zu dessen Spitze, laufen nach den nahestehenden Bäu- 
men und steigen an den Stämmen wieder zur Erde hinab, 
um von dort aus wieder in die Höhe zu laufen. Viele 
von diesen Pflanzen sind mit Borsten und selbst ‚mit star- 
ken Stacheln bedeckt; ihre Länge hat man zu messen ge- 
sucht und sie bereits zu 5- und 600 Fufs lang gefunden, 
indessen schwerlich wird man gerade die längsten gemes- 
sen haben; übrigens glaube ich wohl, dafs auch unter den 
anderen Schlingpflanzen, den Paullinien, Banisterien und 
anderen mehr, eben so lange Pflanzen vorkommen, als 
unter den Calamus - Arten. 


85 


Wenn der Reisende in jenen Wäldern der Tropen 


umherwandert, so sieht er, wie die Kronen der Bäume in 
bedeutender Höhe sich zusammen wölben, und, wie mit 
einer dichten Decke den Himmel verfinstern, dafs kein 
Sonnenstrahl den Boden des Waldes erreichen kann. Aber 
in dieser dichten Blätterdecke verlaufen die Schlingpflan- 
zen mit Blättern und Blüthen bedeckt, und Hunderte von 
diesen Pflanzen- Tauen laufen von Stamm zu Stamm nach 
allen Richtungen hin und drehen sich umeinander. Eine 
Menge von verschiedenen Blumen erblickt man wohl in 
den Kronen der Bäume, zu welchem Stamme sie aber 


gehören, das ist nur schwer zu entscheiden; man mufs 


erst die ganzen Bäume fällen, um jene Blumen zu errei- 
chen. Eine Menge von Früchten und von Blumen findet 
man oftmals auf der Erde liegen, doch zu bestimmen, 
welchen Pflanzen sie angehören, das ist nicht leicht. 
Kehren’ wir zu den Orchideen und Aroiden zurück, wel- 
che die gewöhnlichsten Schmarotzergewächse auf den Rin- 
den der Baumstämme sind, so finden wir, dafs diese Pflanzen, 
von einem sehr derben und saftigen Gewebe gebildet, ei- 
genthümliche Vorrichtungen besitzen, um die Feuchtigkeit 
der Luft mit gröfserer Leichtigkeit einziehen zu können. 
Ihrer Wurzeln sind nämlich mit einer weifsen Hülle von 
Zellengewebe umschlossen, dessen Zellen theils ganz aus 
Spiralfasern, diesen besonders hygroskopischen Elementar- 
Organen bestehen, theils auf ihrer innern Oberfläche mit 
diesen Spiralfasern besonders versehen sind. Ja die fei- 
nen Härchen vieler parasitischer Orchideen, womit sich 
dieselben den anderen Pflanzen anschliefsen, bestehen ganz 
aus einer spiralförmig gewundenen Lamelle, welche ent- 
weder eine breite Spiralfaser bedeutet, oder selbst wieder 
aus zusammengewachsenen, neben einander liegenden 
Spiralfasern besteht. | 
Indessen hiemit ist die parasitische Vegetation in den 


'Tropenwäldern noch lange nicht erschöpft; die Blätter 


der parasitischen Orchideen, der Aroideen und Farrn sind 
wiederum mit parasitischen Pflanzen bedeckt. Die tropi- 


86 


schen Jungermannien, oft die niedlichsten Formen, ähnlich 
unsern Dendriten, überziehen die Blätter jener Pflanzen 
und zwar in solcher Häufigkeit, dafs selten eine Pflanze 
der genannten Familien, besonders in feuchten Wäldern 


vorkommt, welche nicht mehrere jener kleinen mikrosko- 


pischen Jungermannien aufzuweisen hat. Auch an Flech- 
ten sind die Rinden jener tropischen Waldbäume reich, 
doch nur selten gehören diese den Laubflechten an, wel- 
che eben so wenig zahlreich, als Moose und Pilze in den 
. Tropen zu sein scheinen. 

4) Eine vierte Gruppe von Schmarotzer- Gewächsen 
bilden die sogenannten Blatt-Pilze, welche als Pro- 
dukte eines krankhaften Zustandes, besonders in neuerer 
Zeit die Exantheme der Pflanzen genannt werden. 
Die Blattpilze kommen in nordischen Gegenden in gröfs- 


ter Anzahl vor, so wie sie sich auch in den südlichen 


- Polarländern vorherrschend zeigen; sie gehören meistens 
bestimmten Arten von Gewächsen an, doch giebt es 
auch einige, welche auf sehr verschiedenen Pflanzen vor- 
kommen. | 

Iu Hinsicht der Physiognomie der Vegetation üben 
diese Blattpilze nur wenigen und höchst zufälligen Ein- 
flufs aus, dann z. B., wenn ganze Bäume mit farbigen 
Blattpilzen bedeckt sind, wie ich es in Chile am Rio Tin- 
guiririca gesehen habe, 

So wie die parasitischen Gewächse auf anderen le- 
benden Gewächsen vorkommen, so giebt es auch mehrere 
niedere Pflänzchen, welche auf abgestorbenen organischen 
Körpern, z. B. auf todten Pflanzen, todten Thieren, Thier- 
exerementen u. s. w. vorkommen. Wir. sehen es, schon 
in unseren kälteren Gegenden, dafs, sobald irgend ein 
Baumstamm abgestorben ist, sich dessen Oberfläche mit 
sehr verschiedenartigen Pilzen überzieht, und diese sind 
für gewisse Gegenden fast immer dieselben. 

Ueber das Auftreten gewisser Pilzformen auf bestimm- 
ten todten Thieren und einzelnen todten Thiertheilen ha- 
ben wir einige sehr bestimmte Beobachtungen, und sie 


A 87 

sind für die Lehre von der Generatio originaria von höch- 
ster Wichtigkeit. Es wird allgemein bekannt sein, dafs 
bei uns zur Herbstzeit, wenn die Fliegen zu sterben an- 
fangen, diese sehr häufig an den Fensterscheiben festsitzen 
und der hintere Theil ihres Leibes, mehr oder weniger 
ganz, mit kleinen, weifsen Pilzchen bedeckt ist. Es ist 
dieser Pilz eine Isaria, welche meistens diesen weissen 
fettartigen Ueberzug bildet, und der kleine Kreis von Staub, 
welcher auf der Fensterscheibe, rund um die Fliege sich 
zeigt, wird durch die ausgestäubten Sporen jener kleinen 
Pilze gebildet. Eine andere Isaria ist auf den todten 
Pferde-Hufen beobachtet worden, und verschiedene Muce- 
dines, welche sich auf alten thierischen Excrementen zei- 
gen, sind bekannt. 

Kommen Pflanzen auf lebenden Thieren vor, wie die- 
ses von mehreren Algen auf alten Fischen, z. B. auf al- 
ten Karpfen, auf Wallfischen und hauptsächlich auf Mu- 
scheln beobachtet worden ist, so ist dieser Boden für die 
Pflanze ganz zufällig. 

Wir haben so eben diejenigen Pflanzen betrachtet, 
welche zu ihrem Boden andere lebende Pflanzen haben, 
ebenso wie diejenigen, welche auf todten organischen Kör-. 
pern vorkommen, und gehen jetzt zu einer dritten Abthei- 
lung über, welche dergleichen Pflanzen enthält, die auf 
Kunst-Producten vorkommen. Ich folge hierin Herrn 
Schouw *), weleherMauer-Pflanzen, Ruinen-, Dach-, Bret- 
ter- und Schutt-Pflanzen unterscheidet. 

Mauer-Pflanzen (plantae murales seu plan- 
tae murorum) sind solche, welche an den Mauern der 
Gebäude vorkommen und an diesen, sobald sie alt wer- 
den, gewifs nur selten fehlen, hauptsächlich aber auf sehr 
alten, verfallenen Bauten der Art vorkommen, so dafs Rui- 
nen-Pflanzen (plantae ruinorum) von jenen eigentlich 
nicht verschieden sind. Ais hieher gehörig nenne ich: Le- 
canora muralis, Dieranum murale, Asplenium Ruta mura- 


*) L. c. pag: 160. 


88 


ria, Sedum acre, Sedum Telephium; auch Hedera Helix ge- 
hört zu den Ruinen-Pflanzen und noch viele andere, 
Recht sehr ist jedoch hiebei zu bemerken, dafs alle diese 
Pflanzen, welche wir so eben als Mauer- und Ruinen- 
Pflanzen kennen gelernt haben, dafs diese auch eben so 
gut auf ganz anderem Boden, sowohl auf der Erde, als 
auf Baumrinden und auf Felsenmassen vorkommen, und 
nur defshalb darf ihnen eine besondere Neigung zu die- 
sen künstlichen Standorten zugeschrieben werden, weil 
sie, in gewissen Gegenden, fast niemals daselbst fehlen. 

Mit den Dach-Pflanzen (plantae tectorum) ver- 
hält es sich ebenso; das Sempervivum tectorum liebt die- 
sen Standort ganz vorzüglich, doch kommt es eben so 
gut auf anderen, natürlichen Standorten vor. Auch die 
vielen Moose, welche in nordischen Gegenden auf den 
Dächern der Wohnungen wachsen, kommen eben so gut 
auf-der Erde, als auf Felsen und auf Baumrinden vor. 

Bretter- oder Piankwerks-Pflanzen (plantae 
parietinae) sind dergleichen, welche an den hölzernen 
Zäunen vorkommen, womit gewöhnlich unsere Gärten ein- 
gefasst‘ sind. Die Parmelia parietina und die Lecanora 
muralis sind die gewöhnlichsten Flechten, welche unter 
diesen Verhältnissen vorkommen, aber auch eben sowohl 
auf Steinmauern und auf Felsen wachsen. In nordischen 
Gegenden sind die Usneen häufiger auf dergleichen Holz- 
werken sitzend, als bei uns, und in Ostpreufsen pflegen 
selten an einer Scheunenthüre eine grofse Anzahl von Ra- 
malina fraxinea zu fehlen, welche Exemplare zeigen von 3, 
4 und 6 Zoll Länge. In den westlicher von uns gelege- 
nen Gegenden, finden sich sehr häufig jene Conferven 
auf den Zäunen, welche die Form der alten Trentepohlea- 
zeigen und schon so häufig aus einer Gattung in die an- 
dere gebracht worden sind. Es gehört diese Pflanze ganz 
entschieden zu eben derselben Species, welche das be- 
kannte wohlriechende Veilchen-Moos liefert, das auf den 
Felsen im Riesengebirge und auch an anderen Stellen 
vorkommt. 


89 


Schutt- oder Gemill-Pflanzen (plantae rudera- 


les seu ruderatae) sind solche, welche auf den Schutt- 


oder den Gemill-Haufen, in der Nähe der Wohnungen zu 
finden sind. Auch sie sind für verschiedene Gegenden 
verschieden. Bekannt sind als solche Pflanzen Chenopo- 
dium vulgare, Senecio viscosus, Borrago officinalis, Xan- 
thium strumarium, Hyoscyamus niger u. s. w. Es fallen 
diese Pflanzen mit denjenigen zusammen, welche vorzüg- 
lich gerne in der Nähe der Städte und Dörfer. wachsen, 
und unter den plantis urbanis begriffen werden; ge- 
wöhnlich ist auch hier ihr Standort auf dergleichen Plätzen, 
welche einst mit Schutt beworfen waren. 

Zu den besondern Eigenthümlichkeiten über das Vor- 
kommen gewisser Pflanzen auf bestimmten Standorten, 
gehört z. B. das Vorkommen von Racodium cellulare, 
‘einem äusserst niedlichen Pilzchen, welches auf den Wein- 
fässern erscheint; von der sogenannten Conferva fenestra- 
lis (Byssocladium fenestrale) auf Fensterscheiben und von 
“Conferva dendritica auf Papier. Das Racodium wächst 
allerdings auch auf ähnlichen Standorten, so wie die Con- 
.ferva fenestralis, welche man auf jeder Glasscheibe zie- 
hen kann, die anhaltend der feuchten Luft ausgesetzt wird. 

Sehr wichtige Unterschiede liefern die Pflanzen für 
geographische Zwecke, wenn man ihr Verhältnifs zu dem 
Boden und zu den geselligen Pflanzen betrachtet, in de- 
ren Nähe sie vorkommen. Der Boden kann nämlich im 
natürlichen Zustande sein, oder er ist cultivirt, oder auch 
der ceultivirte Boden liegt wieder unbenutzt. Für diese 
Fälle lassen sich eine Menge von Pflanzen aufführen, 
welche zu beweisen scheinen, dafs dieselben an solchen 
und nicht an anderen Standorten mit Wohlgefallen vege- 
tiren. Wir betrachten erstlich: 

I. Die Pflanzen auf angebautem Lande (pl. 
locorum ceultorum). 

Alle Pflanzen, welche künstlich auf geackertem Bo- 


- den gesäet oder gepflanzt werden, heissen Cultur- 


90 


Pflanzen (plantae cultae oder auch plantae sativae), 
obgleich sie, ebenfalls unter sich, noch grosse Verschie- 
denheiten aufzuweisen haben. Linne verstand unter ager 
ein angebauetes Feld und unter arva brachliegende Felder; 
ich folge hierin der Linneischen Bestimmung, wenn gleich 
diese Wörter bei einigen neueren Schriftstellern auch in 
anderer Bedeutung genommen sind. | 
Feld-Pflanzen (plantae agrestes seu sativae), sie 
sind solche, welche auf cultivirten und besäeten Feldern 
wachsen. Sie existiren in grofser Anzahl und sind für 
jede Zone der Erde verschieden. -Mehrere kommen nur 
mit gewissen Cultur-Pflanzen vor, z. B. Centaurca Cya- 
nus und Lolium temulentum fast nur auf Roggenfeldern, 
doch erstere auch im Hafer. Fast allgemein bezeichnet 
man die Feldpflanzen mit plantae arvenses und daher ge- 
hören alle diejenigen dazu, welche diesen Beinamen füh- 
ren, zZ. B. Spergula arvensis, Sinapis arvensis, Serratula 
arvensis, Convolvulus arvensis u. s. w. Die Suffrenia fili- 
formis ist den Reisfeldern der heifsen Gegenden eigen- 
thümlich, wie unsere Kornblume den Roggenfeldern, mit 
welchem GCulturzweige sie zugleich nach Ostindien hin- 
übergezogen ist. ] 
Brach-Pflanzen (plantae arvenses); es sind solche, 
welche auf brachliegenden Feldern wachsen. Sie sind ei- 
gentlich von denen der besäeten Felder wenig verschie- 
den, und kommen nur dann in gröfserer Menge zum Vor- 
schein, wenn das Fehlen der Saat ihr Wachsthum nicht 
unterdrückt. Sind die Getreide-Arten dicht gesäet, so 
können die Feldpflanzen. weniger aufkommen, und es ent- 


- wickeln sich nur einige, welche ebenfalls schlank durch 


die Halme des Getreides durchgehen, als das Lolium te- 
mulentum, die Centaurea Cyanus etc.; sobald aber der- 
selbe Acker unbestellt liegen bleibt, kommen alle die Un- 
krautpflanzen zu ihrer Entwickelung, welche im vergan- 
genen Jahre mit Gewalt unterdrückt waren, ja schon zwi- 
schen den Stoppeln wachsen sie empor. Als solche Pflan- 
zen nenne ich Rumex Acetosella, Carduus nutans, wel- 


91 


cher zugleich einen sehr guten Boden anzeigt, ferner 
Convolvulus arvensis,. Ändrosace semptentrionalis, Echium 
vulgare, Artemisia campestris u. Ss. w. 

Garten-Unkräuter (plantae horticulae); es sind 
solche Pflanzen, welche in den Pflanzungen der Gärten 
vorkommen und dem Wachsthum der Gultur- Pflanzen 
schädlich sind. Ich nenne als solche die Nessel (Urtica 
urens), die Alsine media, Lamium amplexicaule, Cheno- 
podium viride und Chenopodium vulgare u. s. w. Die. 
Cultur-Pflanzen .der Gärten nehnt man Garten-Pflan- 
zen (plantae’hortenses). 

Die Einfassungen der Felder und der Gärten pflegen 
ebenfalls ihre eigenthümlichen Pflanzen zu zeigen und eine 
üppigere Vegetation zu besitzen, als entfernter gelegene, 
unbebauete Weiden, was wohl dadurch zu erklären ist, 
dass sie durch den Dünger des Ackers ebenfalls gedüngt 
sind. Man nennt dergleichen Pflanzen, welche auf dem 
Raine der Felder vorkommen, Rain-Pflanzen (plantae 
limium), wärend diejenigen, welche an den Zäunen der 
Gärten wachsen, Zaun-Pflanzen (plantae sepicolae, ge- 
wöhnlich plantae sepeariae) heifsen. Als Rain-Pflanzen würde 
ich folgende nennen: Cichorium Intybus, Tanacetum vul- 
care, Artemisia-vulgaris, Galium verum u. m.A. Unter die 
Zaun-Pflanzen gehören: Urtica dioica, Lamium album, 
Borrago officinalis, Bryonia dioica, Xanthium strumarium, 
Datura Stramonium, sowohl bei uns, als auch in Indien, 
ihrem Vaterlande, u. s. w. 

I. Die Pflanzen auf uncultivirtem Boden. 

Im Allgemeinen werden die Pflanzen, welche auf un- 
kultivirtem Boden wachsen, von den Systematikern mit 
den Beinamen sylvestris, agrestis, campestris, u.s. w. 
bezeichnet, doch es ist in pflanzen-geographischer Hin- 
sicht sehr nöthig, hierin genauere Bestimmungen einzu- 
führen. Wir unterscheiden in dieser Hinsicht: 

Feld-Pflanzen (plantae campestres); dieses sind 
solche Pflanzen, welche ganz allgemein auf ebenem und 
offenem Felde wachsen, wie z. B. Drava verna, Veronica 


92 


triphyllos und Veronica hederaefolia, Echium vulgare 
u. Ss. w. Wie wir schon früher gesehen haben, so richtet 
sich in diesem Falle das Vorkommen gewisser Pflanzen 
ganz nach der chemischen und physischen Beschaffenheit 
des Bodens; daher wird ein trocknes Feld ganz andere 
Pflanzen besetzen, als ein nasses, aus Thonboden beste- 
hendes. Und ebenso haben wir schon früher gesehen, 
wie verschieden die Pflanzen sind, welche auf Sandboden 
oder auf Kalk-haltigem Boden vorkommen. Dergleichen 
Felder (campi), deren Boden so trocken und so unfrucht- 
bar ist, dafs nur wenige Pflanzen oder’ sogar gar keine 
auf dem Felde wachsen, werden Wüsten (deserta) ge- 
nannt, und die wenigen Pflanzen, welche auf ihnen zuwei- 
len vorkommen, heifsen plantae Jesertarum oder Wü- 
sten-Pflanzen, welche in jeder Wüste verschieden sind. 
Eine andere Gruppe von Feld-Pflanzen bilden die Wie- 
sen-Pflanzen (plantae pratenses). Die Wiesen sind 
eine Zierde der nordischen Gegenden, welche, in eben 
demselben Verhältnisse, in den Tropen nicht wieder er- 
scheinen. Wenn auch in ‘den tropischen Gegenden, die 
Savanen Südamerika’s z. B., wenigstens zur nassen Jah- 
reszeit, eine unabsehbare Fläche von grünen Gräsern bil- 
den, so fehlen diesen alle die schönen Blumen, welche 
unsere Wiesen zu gewissen Zeiten, über und über mit 
den schönsten Farben bedecken. Bald ist es die blaue 
Blume der Campanula glomerata, der C. patula, der Myo- 
sotis scorpioides und verschiedener Gentianen, bald ist es 
die weifse und bald die rothe Farbe der verschiedenen 
Kleearten (Trifolium pratense, T. fragiferum, T. repens), 
und bald sind es die gelben Blüthen der Ranuneculaceen, 
der Chalta palustris und der Lysimachien, welche die grüne 
Pflanzendecke unserer Wiesen verzieren. So etwas kommt 
innerhalb der heifsen Gegenden wohl nirgends, wenig- 
stens nie in so ausgedehntem Maafse vor; ja selbst die 
Grasfluren mit unserem schönen hellen Grün bedeckt, 
sind dort etwas selten, ja wohl nur kurze Zeit dauernd, 
wenn sie nicht an den Ufern der Flüsse und der Seen 


93 


unter Wasser stehen. Die Grasfluren in Südamerika, so- 
wohl die Savanen am Orinoko, als die Pampas in den 
südlicheren Gegenden und auf den Hochebenen der Cor- 
dillere haben eine ganz andere Beschaffenheit. Auf un- 
seren Wiesen sind die Gräser gleichmäfsig vertheilt, auf 
jenen, im tropischen Amerika aber, stehen sie immer in 
mehr oder weniger grofsen Haufen beisammen, ganz ab- 
gesehen davon, dafs dieselben zu ganz anderen Arten 
und Gattungen gehören, als die auf unseren Wiesen. Wir 
werden später Gelegenheit haben, noch mehr in die Ein- 
zelheiten dieser Erscheinungen einzugehn. 

Die Pflanzen, welche auf unseren Weiden wachsen, 
nennt man Weide-Pflanzen (plantae pascuae); sie sind 
im Allgemeinen nur wenig von den Wiesen-Pflanzen ver- 
schieden, da nur solche Wiesen, welche wegen einer ge- 
ringeren Bewässerung weniger Ertrag an Heu geben, zu 
Weide-Plätzen benutzt zu werden pflegen. Als Weide- 
Pflanzen sind zu nennen: Gentiana campestris, G. uligi- 
nosa, Bellis perennis, Pimpinella Saxifraga, Ranunculus re- 
pens, R. bulbosus, Galium-Arten und noch viele andere. 

Besonders auffallend ist die Vegetation der Heiden 
(Ericeta), woran das nördliche Europa und Asien so be- 
sonders reich ist; die Pflanzen, welche auf diesen Heiden 
vorkommen, nennt man Heide-Pflanzen (plantae eri- 
cetinae) und sie sind von eigenthümlicher Form. Das 
Heidekraut unserer Gegenden ist die bekannte Erica vul- 
garis, der Repräsentant der grofsen Familie der Ericeen, 
welche in südlichen Gegenden so aufserordentlich häufig 
ist, dafs sie im südlichen Afrika selbst den Charakter der 
Vegetation bestimmt. Unabsehbare Flächen überzieht das 
Heidekraut im Norden von Europa, oft keine andere 
Pflanze zwischen sich aufkommen lassend, oft aber auch 
weniger dicht, und dann erscheinen Gesträuche von Juni- 
perus communis, von Ledum palustre, von Andromeda 
polifolia, so wie einige kleine Pflanzen, z. B. Parnassia 
palustris, Sphagnum- und hauptsächlich Polytrichum-Arten. 

Berg-Pflanzen (plantae montanae), So wie es 


94 


der Name sagt, wachsen diese Pflanzen auf den Bergen; 
ihre Zahl ist sehr grofs und wir werden in der Folge, 
wenn von der Verbreitung der Pflanzen die Rede sein 
wird, die Berg-Pflanzen noch näher kennen lernen; hier 
nur einiges noch im Allgemeinen. Die Berg-Pflanzen 
zeichnen sich durch grofse Blumen und durch ein gesel- 
liges Wachsthum aus, was natürlich bei einigen mehr, bei 
anderen weniger deutlich wiederzuerkennen ist. Die Berg- 
Pflanzen gehen über in Alpen - Pflanzen, denn in niederen 
Breiten kommen ebendieselben Pflanzen auf den hohen 
Alpen vor, welche in hohen Breiten schon auf niedern 
Bergen, und später sogar. ganz in der Ebene wachsen. 
Daher stimmt die arktische Flor und die der Alpen aufser- 
ordentlich überein, wenn gleich auch für jede Zone die 
gröfsten Abweichungen im Einzelnen stattfinden, welche 
wir später näher kennen lernen werden. 
Gesträuch-Pflanzen (plantae fruticetorum «et du- 
metorum); auch diese sind wohl zu unterscheiden durch 
ihr gewöhnliches Vorkommen an solchen Orten, welche 
mit hohen Gesträuchen bewachsen sind. Es sind dies ge- 
rade ' solche Stellen, welche reich an Schatten und an 
Feuchtigkeit sind, wodurch um so leichter diese Vorliebe 
gewisser Pflanzen für dergleichen Standorte zu erklären 
ist. Als Beispiele von Gesträuch-Pflanzen sind anzufüh- 
ren: Origanum vulgare, Asarum europaeum, Corydalis 
bulbosa, Asclepias vincetoxicum u. s. w. Uebrigens kommt 
dergleichen niedriges Gesträuch, mit seinen eigenthümli- 
chen Pflanzen unter allen Zonen der Erde vor, und in 
verschiedenen Sprachen hat man auch eigenthümliche Na- 
men, um dasselbe von den Waldungen zu unterscheiden, 
welche ein höheres Holz haben. h 
Wald-Pflanzen (plantae sylvaticae et nemorosae) 
sınd solche, welche in Wäldern wachsen ‚oder wenigstens 
‚daselbst meistentheils angetroffen werden. Man hat die 
Wälder in dieser Hinsicht unterschieden, je nachdem sie 
aus verschiedenartigen Bäumen bestehen und einen ver- 
schiedenartigen Boden haben. Linne verstand unter syl- 


. 


95 


vae solche Wälder, welche einen trockenen, sandigen Bo- 
den haben, wie ihn unsere Kieferwälder zeigen, wärend 
unter nemora nur Laubwälder verstanden wurden. Herr 
Decandolle hat beide Ausdrücke als Synonyme gebraucht, 
was aber nicht anzuerkennen ist. 

Den Nadelholz- Wäldern gehören Linnaea  borealis, 
Pyrolae-Arten, Vaceinium Myrtillus, Ophrys ovata u. A. 
m. an, den Laubwäldern aber vorzüglich Atropa Bella- 
donna,; Geum rivale, Hepatica triloba, Trientalis europaea, 
Oxalis acetosella, etc. etc. 

Auch hat man für verschiedene Wälder, je nach dem 
hauptsächlichsten Bestandtheile derselben, verschiedenar- 
tige Bezeichnungen erfunden, als z. B. Pineta, Fageta, 
Querceta, Palmeta, .Oliveta, u. s. w., je nachdem dieselben 
aus Pinus-, Fagus-, Quer&us-Arten, aus Palmen oder aus 
Oliven bestehen. 


Ueber das gesellige Wachsthum der Pflanzen. 


Eine Erscheinung bei dem Auftreten’ der Pflanzen, 
welche die Verbreitung derselben auf eine eigenthümliche 
Art bedingt und auf die Physiognomie der Natur von sehr 
entschiedenem Einflusse ist, ist das gesellige Wachs- 
thum der Pflanzen. Betrachten wir, bei irgend einem 
Spatziergange im freien Felde, das Vorkommen der Pflan- 
zen, so werden wir sehr bald bemerken, dafs gewisse 
Pflanzen, von einer und derselben Art, bald in mehr oder 
weniger grofser Anzahl von Individuen auftreten, bald nur 
in einzelnen Exemplaren hie und da zerstreut stehen. 
Für die ersteren Pflanzen haben wir den Namen gesel- 
lige Pflanzen, wärend man die anderen mit unge- 
sellig oder zerstreuet stehend bezeichnet. Das Spha- 
gnum palustre und das Dieranum glaucum sind äufserst 
gesellige Pflanzen, sie überziehen oftmals die Moor-Ge- 
genden des Nordens mit einer so diehten und so. gleich- 
mäfsigen Decke, dafs selten nur ein anderes Pflänzchen 
durch dieselbe hindurchblickt, und die Ebene dadurch ein 


96 


höchst melancholisches Ansehen erhält. Ganz eben so 
überzieht die Cenomyce rangiferina (Lichen rangiferinus L.) 
die trockenen Gegenden unseres Nordens. Unter den 
Wasser-Pflanzen sind: Charen, Acorus Calamus, Scirpus 
lacustris, Arundo Phragmites u. A. m. zu nennen, welche 
in einem solchen Grade gesellig wachsen, dafs sie allein 
im Stande sind, unseren Gegenden einen eigenthümlichen 
Charakter zu geben. Man denke sich unsere Landseen, 
deren Ufer mit einem breiten Walde von Rohr (Arundo 
Phragmites L.) oder einem blattlosen von Binsen einge- 
fafst sind, in welchem Tausende von Vögeln sitzen, welche 
darin ihren Morgen- und Abend-Gesang halten und ihre 
Jungen erziehen; man denke sich die gesellige Weide da- 
neben, zwischen -welcher die prachtvollen Blumen unserer 
Epilobien *) hervorragen und die Nachtigall darin, welche 
die Bewohner der Ufer jenes See’s so angenehm erfreuet, 
und man wird dieses gesellige Wachsen der Pflanzen für 
den Charakter der Naturschönheit von gröfster Wichtig- 
keit halten. Wie ganz anders würde die Einfassung eines 
solchen See’s erscheinen, wären jene geselligen Pflanzen 
nicht vorhanden. 
Indessen so angenehm im vorhergehenden Falle das 
gesellige Wachsen der Pflanzen auf die Physiognomie der 
Natur einwirkte, eben so unangenehm, so niederschlagend 
wirkte es in anderen Fällen durch zu grofse Einförmig- 
keit, welche es der Natur durch eine zu grofse Masse 
von gleich geformten Individuen aufdringt. Wer kennt 
nicht unser Heidekraut, welches in dieser Hinsicht so 
schrecklich verschrieen ist? Grofse Landes-Flächen sind 
oftmals ganz und gar damit bedeckt; wir führen als Bei- 
spiel die Lüneburger Heide an, welche sich, nur im ver- 
kleinerten Maafsstabe, noch oftmals in der Ebene des nörd- 
lichen Theiles der temperirten Zone der alten Welt wie- 
derholt.. Das Heidekrant ist aber auch die geselligste 
Pflanze, und würden alle übrigen Pflanzen in gleichem Grade 


*) Epilobium palustre und E, angustifolium vorzüglich. 


97 


einen so grofsen Theil der Erde bedecken, so könnten 
auf derselben schwerlich mehr denn 5000 Arten Platz haben. 
Wir haben in nenester Zeit eine sehr interessante Arbeit 
über den geselligen Pflanzenwuchs von Herrn E. Meyer *) 
erhalten, worin derselbe die Verbreitung des Heidekrautes 
mit hesonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Dem Heidekraut 
zunächst möchten unsere Kiefer-Arten die geselligsten 
Pflanzen sein, und es ist wohl noch nicht so ganz ent- 
schieden, ob unsere Fichte (Pinus sylvestris) in früheren 
Zeiten, als die Cultur des Bodens der Verbreitung dieser 
Pflanze noch nicht entgegenstand, nicht wenigstens einen 
eben so grofsen Flächen -Inhalt eingenommen hat, als ge- 
senwärtig das Heidekraut; fast möchte ich glauben, dafs 
derselbe noch gröfser gewesen ist. Ich nenne noch ei- 
. nige der geselligsten Pflanzen unserer Zone, als: Polygo- 
num aviculare, welches so häufig grofse ausgedehnte Ra- 
sen bildet; die Poa annua, Vaceinium Myrtillus, Juncus 
bufonius, Myriophyllum spicatum, die Charen u. s. w., 
ganz abgesehen von den grofsen Wäldern unserer Gegen- 
den, worin die Buche, die Eiche, die Else (Alnus gluti- 
nosa), die Birke (Betula alba) u. v. A. oft meilenweit ge- 
sellig neben einander stehen. Herr v. Humboldt hat vor- 
züglich darauf aufmerksam gemacht, dafs das Phänomen 
des geselligen Pflanzen- Wuchses hauptsächlich der ge- 
mäfsigten Zone angehört **), und dafs die Tropenländer we- 
niger reich an geselligen Pflanzen sind. Ja schon in dem 
nördlichen und dem südlichen Theile der temperirten Zone 
sind hierin grofse Verschiedenheiten zu bemerken, und sehr 
treffend sagt Herr Meyer (]. c.), dafs Italien, obgleich 
ebenso reich an Grasarten, dennoch keine Wiesen wie 
Deutschland besitze, und dafs. Italien, obgleich es eine weit 
sröfsere Anzahl von Waldbäumen besitze wie. Deutsch- 
land, dennoch nicht so ausgedehnte Wälder habe, wie sie 


*) Naturwissenschaftliche Vorträge, gehalten ın der physikali- 
schen ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg. 1834. pag. 160— 194. 
**) S. dessen Ideen zu einer Geographie der Pflanzen. pag. 8. 


er 


‘ 


95 


hier zu finden sind. Doch man möge hiebei bedenken, 
dafs dieses Italien vor einigen Jahrtausenden etwas reicher 
an Waldungen gewesen sein mag, als jetzt. 

Indessen, wie schon vorhin bemerkt wurde, so hat 
‚auch die heifse Zone ihre gesellig wachsenden Pflanzen 
aufzuweisen, wenn auch nicht ganz in demselben Grade 
wie die temperirte Zone, 

Wir haben schon früher der Meeresufer - Waldungen 
gedacht, welche in der tropischen Zone die ausgedehnte- 
sten Strecken mit einer und derselben Art bedecken. Die 
Mangle oder der Wurzelbaum (Rhizophora Mangle L.) 
und die Avicennien sind die bekanntesten jener geselligen 
Pflanzen, welche in Brasilien die Mangrove- Waldungen 
bilden und durch ihren, zwar unterbrochenen Verbreitungs- 
Bezirk, einen Gürtel um die ganz heifse Zone des Erd- 
körpers bilden. Auf den Südsee-Inseln kommen dıe Farrn, 
mit mittelmäfsig hohem Stamme, fast immer gesellig vor, 
und auch die wenigen wahren Baum-Farrn mit hohem, 
schlanken Stamme, welche ich selbst zu beobachten Ge- 
legenheit hatte, kommen immer auf einem bestimmten, 
meistens nur sehr beschränkten Verbreitungs-Bezirke vor, 
und wachsen auf diesem gesellig, wenn sich nicht noch 
andere Pflanzen dazwischen eindrängen. Unter den Seci- 
tamineen giebt es mehrere, welche ausgedehnte Strecken 
fast ganz ausschliefslich bedecken. Auf Neu-Holland fand 
Herr R. Brown verschiedene Banksien, als Banksıa spe- 
ciosa gesellig wachsend, auch Protea argentea L. und P. 
mellifera wachsen auf dieselbe Weise. 

In demselben Grade gesellig wachsend, wie die Bäume 
unserer nordischen Wälder, sind die Bambusa-Arten der 
Tropen. Die Bambusa arundinacea bildet im östlichen 
Asien und auf den angrenzenden Inseln die undurchdring- 
lichsten Wälder, welche an Gröfse und Schönheit den 
unsrigen wenig nachstehen. Ebenso hat Herr v. Hum- 
holdt am Magdalenen-Strome fast ununterbrochene Wäl- 
der von Bambus-Schilf und pisangblättrigen Heliconien 
gesehen, und in den Savanen am Nieder-Orinoko wach- 


ER: 99 


sen Kyllingien und reitzbare Mimosen in gröfsten Massen 
gesellschaftlich neben einander. Wenden wir uns aber in 
tropischen Gegenden aus der Ebene auf die Höhen der 
Gebirge, so finden wir dort den geselligen Pflanzenwuchs 
ebenso häufig, wie in der temperirten und in der kalten 
Zone. Dort treten die Cinchonen-Wälder auf, wie bei 
uns die Wälder der efsbaren Kastanie; wie bei uns die 
Genisten und der Ulex, so treten dort die Escallonien 
und die Rhododendren auf. Auf der Cordillere in Süd- 
amerika wachsen eine grofse Anzahl von harzigen Bac- 
chariden ebenso gesellschaftlich, wie auf unsern niedern 
Gebirgen das Vaccinium Myrtillus, unsere Rhododendra, 
einige Weiden u. s. w. 

Wie die Thymus-Arten unsere Sandgegenden mit ih- 
ren schönrothen Blumen oft grofse Strecken, über und 
über, wie mit einem rothen Tuche bedecken, wärend der 
Boden rings umher ganz vegetationslos ist, ebenso über- 
ziehen die Calandrinien und einige Verbenaceen fast in 
Rasenform die unfruchtbaren Ebenen einiger hochgelege- 
nen Gegenden der Cordillere von Chile und Peru. 

Nachdem wir auf diese Weise die Verbreitung des 
Phänomens des geselligen Pflanzenwuchses kennen gelernt 
haben, wenden wir uns zur Erklärung dieser Frscheinung. 
Eine gegenseitige Neigung zum geselligen Leben, wie man 
sie bei den Thieren und den Menschen beobachtet, ist 
natürlich bei den Pflanzen nicht anzunehmen; die Pflanze 
ist dem Boden angeheftet ünd nur die Gleichmäfsigkeit, 
in Hinsicht dessen physischen und chemischen Eigenschaf- 
ten, vermag ein Auftreten gleicher Pflanzen-Arten im so- 
genannten geselligen Zustande zu bewirken. Betrachten 
wir einen natürlichen Kiefern-Wald, so werden wir, mit 
wenigen Ausnahmen, die Ausdehnung desselben nur durch 
Abänderung des Bodens ‘beschränkt sehen. Wie ganz ge- 
wöhnlich ist es zu sehen, dafs, wenn mitten durch einen 
solchen Kiefernwald ein kleiner Flufs oder ein stehendes 
Gewässer durchgeht, dafs an dem Rande dieses Gewäs- 


7x* 


% 


100 


sers, wo gewöhnlich ein besserer Boden ist, als derjenige 
des Kieferwaldes, stets einige Laubhölzer stehen; bald sind 
es Elsen, bald sind es Weiden oder andere grofse stau- 
denartige Gewächse. 

Untersuchen wir die Verbreitung des Heidekrauts, so 
werden wir finden, dafs es immer ein und derselbe Boden 
ist, wo jenes gesellige Kraut wächst; es ist das sogenannte 
sauere Land, welches jeder Cultur so unbesiegbare Hin- 
dernisse in den Weg stellt, aber gerade für dieses Heide- 
kraut der wahre Mutterboden ist. Da nur das nördliche 
Europa so reich an diesem Boden ist, welcher fast allen 
anderen Pflanzen unerträglich ist, so kommt gerade jenes 
Heidekraut in so grofsen und ausgedehnten Massen vor. 
Die verschiedene geognostische Beschaffenheit, welche die 
Oberfläche der Erde in der temperirten Zone der südli- 
chen Hemisphäre darbietet, verhindert die gröfsere Aehn- 
lichkeit in der Physiognomie der Vegetation jener Zone, 
doch treten auch dort die geselligen Pflanzen in Masse 
auf, und wären jene Continente, auf der südlichen Hemi- 
sphäre, in so hohen Breiten ausgedehnter, als sie es jetzt 
wirklich sind, so würden sie gewifs ganz gleiche Erschei- 
nungen darbieten. Schon in Chile habe ich mehrere sehr 
gesellig wachsende Pflanzen angetroffen, ich nenne die 
Acacia Caven, Lycium gracile, Bambusen- und mehrere 
Cactus- Arten; aber auf der östlichen Seite der Chileni- 
schen Cordillere, nämlich in den Pampas, da wiederholt 
sich die Erscheinung des geselligen Graswuchses, mehr 
oder weniger ähnlich wie auf unseren nordischen Wiesen. 
Leider ist uns das Innere von Südamerika, südlich von 
dem 40. Grade der Breite, fast ganz unbekannt, doch nach 
den Schilderungen der Besuche, welche einst die Natur- 
forscher auf Cook’s Weltumsegelungen mittheilten, er- 
scheint die Natur daselbst ganz ähnlich wie bei uns. Neu- 
Holland scheint im Innern eine Pflanze zu besitzen, wel- 
che auf ähnliche Weise, wie unser Heidekraut, grofse 
Landstrecken überzieht, nämlich das Polygonum jun- 


101 


ceum *) und Cupressus callitris, ja mehrere Proteaceen 
und Eucalypten wachsen, nach der Angabe einiger neueren 
Reisenden, eben so gesellig wie unsere Waldbäume. So 
möchte denn die Meinung, dafs die gesellig wachsenden 
Pflanzen der heifseren Gegenden nur den Salz- und Strand- 
Pflanzen angehören, 'den neueren Beobachtungen weichen 
müssen. Die grofsen und undurchdringlichen Bambusen- 
Wälder der Tropen haben einen ebenso guten, Humus-hal- 
tigen Boden wie unsere Buchen- und Eichen-Wälder. 
Aufserdem, dafs die äufseren Verhältnisse meisten- 
theils das gesellige Vorkommen der Pflanzen bedingen, 
zeigen diese’einen hohen Grad von Productionskraft, wo- 
durch ihr massiges Auftreten um so leichter zu erklären 
ist. In dieser Hinsicht möge man jedoch die geselligen 
Pflanzen in solche unterscheiden, welche durch eine grofse 
Anzahl von, neben einander stehenden Individuen sich aus- 
zeichnen, und in solche, welche durch Sprossen -Bildung, 
von einem einzigen Stamme ausgehend, oft eine grofse 
Fläche Bodens bedecken. Bei den Bäumen, den Gesträu- 
chen und den Stauden ist dieses, schon bei dem ersten 
Anblicke, leicht zu unterscheiden. In dem Thale von Co- 
piapo6, im nördlichen Chile, habe ich eine Lycium-Art be- 
obachtet, deren Gesträuch, von einer einzigen Wurzel 
ausgehend, ganze dicke Berge bildete, welche noch auf 
einer Höhe von 10 und von 15 Fufs gänzlich undurch- 
sichtig waren. Und solche Haufen von diesem Gesträuche 
stehen dort, in der sandigen Ebene, mehr oder weniger 
dicht neben einander, wodurch natürlich die Physiognomie 
der Natur ganz eigenthümlich erscheint. Woehl in keinem 
anderen Falle, als in der Alpen-Flor der Cordillere, .er- 
scheint diese Art des geselligen Wachsthums auffallender; 
mehrere Arten der Gattungen Azorella, Bolax, Verbena 
und Lycopodium, treten dort in einer höchst eigenthüm- 
lichen Form auf, welche in der alten Welt höchstens nur 


*) $. Sturt Two Exped. into the interior of Southern Austra- 


lıa etc. London 1833. 


102 


” 


bei den Cryptogamen etwas Aehnliches aufzuweisen hat. 
Diese eigenthümliche Alpen-Vegetation tritt erst ın der 
Nähe der ewigen Schneegrenze auf; es setzen sich zuerst 
dergleichen Pflänzchen an grofse Felsen, welche besonders 
hervorragen. Durch seitliche Verästelung, welche dicht 
an der Basis des Stengels beginnt, und in anderen Fällen 
durch Sprossen-Treiben aus dem Wurzelstocke dehnen 
sich diese Pflänzchen allmälig so- bedeutend aus, dafs sie 
oftmals Felsen-Flächen bedecken von 12 und von 20 Qua- 
dratfufs. Ja ganze grofse Felsen-Blöcke sind oftmals mit 
einem dichten und äufserst harten Rasen bedeckt, welcher 
immer nur von einem einzigen Pflänzchen entstanden ist. 
Dabei sind diese Rasen so dicht und so hart, dafs es 
schwer fällt, selbst mit den schärfsten Instrumenten ein- 
zudringen. Der Stamm einer solchen Pflanzen-Familie, 
die sicherlich ein Denkmal vieler Jahrhunderte ist, erreicht 
selten die Länge von einem Fufse, gewinnt aber zuweilen 
eine Dicke von 5 bis 6 Zoll und zeigt, gleich von seiner 
Basis angehend, eine unendlich vielfache Verästelung und 
Verzweigung. Durch die beständige Vergröfserung, welche 
der Stamm dieses Pflänzchens in der Dieke erlangt, nimmt 
er auch an Länge etwas zu und somit erhebt sich der 
Rasen, welchen die Pflanze bildet, allmälig und nimmt zu- 
letzt eine gewölbte Form an. Der vielen harzigen Stoffe 
wegen, welche diese kleinen Umbellaten enthalten, bren- 
nen sie sehr gut und das Feuer hält bei einer solchen 
frischen Pflanze sehr lange an. Reist man über jene wü- 
sten Gegenden der Cordillere, wo alle baumartige Vege- 
tation fehlt, so sieht man häufig diese angebrannten Pflan- 
zen-Haufen, oft nur bis zur Hälfte verbrannt, und man 
mufs sich selbst ihrer bedienen, um das nöthige Feuer 
zur Erwärmung zu erhalten. 

Ueberhaupt tritt nirgends das Phänomen des gesell- 
schaftlichen Pflanzenwuchses häufiger hervor, als gerade 
unter den Alpen-Pflanzen; und auf den Höhen der Cor- 
dillere, wo alle Natur-Erscheinungen grofsartiger auftre- 
ten, da auch dieses. Nur sehr wenige Pflanzen möchten, 


103 


in jenen Höhen der Cordillere, im nicht geselligen Wachs- 
thume angetroffen werden, wenigstens pflegen sie kleine 
staudenartige Häufchen zu bilden, die oft ganz isolirt in 
den ödesten Sand- oder Aschen-Gegenden dastehen. Die 
interessanten Arten aus der Familie der Boopideen, eine 
der merkwürdigsten, gleichsam zwischen Umbellaten und 
Syngenesisten stehend, bilden oftmals kleine Haufen, deren 
ich schon früher (pag. 78) gedacht habe. 

Ja mehrere Pereskien, welche bis in die Nähe der 
ewigen Schneegrenze steigen, bilden daselbst Haufen von 
1 bis 14 Fufs Höhe und einigen Fufs Umfang. Nichts 
als die gelbrothen, 2 bis 3 Zoll langen Stacheln sind auf 
der Oberfläche dieser einzelnen Pflanzen-Haufen zu sehen, 
unter denen sich die saftigen Blattstengel verbergen, wel- 
‘che sogar ihre Blüther nur so weit hinaufschicken, dafs 
sie von den Stacheln gleichsam gegen den kalten Wind 
geschützt werden. KErblickt man diese sonderbare Form 
von Cacten aus weiter F'erne, so glaubt man ein liegen- 
des Wild zu sehen. 

Die Wasser-Pflanzen zeigen im Allgemeinen den ge- 
sellschaftlichen Wuchs noch häufiger, als die Land-Pflan- 
zen, auch sind hier die äufseren Verhältnisse, welche den- 
selben bedingen, viel gleichmäfsiger, als bei den Land- 
Pflanzen. Auch wird hier der begimstigende äufsere Ein- 
flufs, durch das Zusammentreffen einer zahlreichen Keim- 
Erzeugung bei diesen Wasser-Pflanzen, auf die Hervor- 
bringung einer grofsen Anzahl von Individuen äufserst 
fruchtbar. Es ist überhaupt eine Bedingung, dafs, wenn 
auch die Pflanze noch so viele innere Anlage zum gesel- 
ligen Wuchse hat, die äufseren Verhältnisse dieselbe begün- 
stigen müssen. Wenn ein stehendes Wasser in unserer Ge- 
send mit der iinten-Grütze (Lemna-Arten) bedeckt ist, und 
die Masse der Conferven nimmt in demselben überhand, 
so wird das Wachsthum der Lemna unterdrückt, oder es 
hört auch ganz auf, sobald das Wasser eintrocknet. Wir 
haben schon früher des geselligen Wachsens der Torfmoose 
gedacht; ein ungeheuerer Saamen-Reichthum begünstigt es 


104 


bei dieser Pflanze, aber der Boden, auf welchem es 
mufs der feuchte Moorboden sein. Mit der Ausr 
der Wälder verschwindet dieser feuchte Moorboden 
somit verschwinden auch jene Moose. 

In welchem hohen Grade wachsen die Fuci, 
. wohner des Meeres, im geselligen Zustande! A 
Küste von Südamerika habe ich diese Pflanzen 
Grunde der Meeresküste, in waldartigen Zu 
fungen angetroffen, Weleins: belebt von Millionen ve 
deren Thieren, ‚gleichsam eine unterseei ische w lt 


chen der Put pyriferus und der Fucus ant ırctic 
hört; zu 2- und zu 300 Fufs Länge hat man | 
gemessen. Eines der sonderbarsten Phänome 
bildet das gesellschaftliche Wachsthum des F 
in der Sargasso - See, innerhalb der grofser 
Strömung im Atlantischen Ocean, wovon v 
Vorhergehenden, nämlich pag. 62, gesproche 


gen. Einige von ihnen wachsen in mehr ‚ode 
regelmäfsigen Kreisen, welche von Jahr zu Je 
werden und dadurch hervorgerufen werden, dafs TR ge- 
meinschaftlicher thallus, welcher beständig excentrisch sich 
ausbreitet, an seinem äufsersten Rande die neuen Pilze 
erzeugt. ; 
Somit hätten wir alle die Verhältnisse speciell be- 
trachtet, welche, sowohl durch das Clima, als wie durch | 
die Eigenthümlichkeiten des Bodens auf das Erscheinen 
der Pflanzen, für einen bestimmten Ort, ihren Einfus 
ausüben, und nun können wir mit gröfserem Nutzen zu 
allgemeinen Betrachtungen über das Vorkommen und die 
Verbreitung der Pflanzen übergehen. 
: 

i 


105 


°» Bestimmungen über das Vorkommen! 
und die Verbreitung der Pflanzen. 


; Vorkommen (statio) der Pflanzen be- 
; die Verhältnisse, in welchen diese zu ihrem je- 
Standorte stehen, oder man versteht darunter 
lität, in welcher eine Pfianze wächst, sei sie da- 
ın der Natur oder durch die Kıumst hingestellt. 
ı aber hier Unterschiede, so bezeichnet das Wort 
ind dasjenige Vorkommen einer Pflanze, wo die 
ieselbe hingestellt hat. 
Verbreitung der Pflanzen (extensio 
Im) bezeichnet dagegen den ganzen Umfang ih- 
immens, unbekümmert der Verhältnisse, in wel- 
die Arten, Gattungen und Familien unter sich ste- 
ı z: B. eine Pflanze in den meisten Ländern 


Brom; So sagt man von dieser Pflanze, 
r die ganze alte Welt verbreitet ist. Der 
-Bezirk oder das Areal einer Pflanze (area 
) fafst demnach alle Punkte ihres Vorkommens 


Re 50 wie alle Oerter auf der Oberfläche der Erde durch 
Längen- und Breiten"Kreise bezeichnet werden, so ge- 
schieht dieses auch mit dem Vorkommen und der Ver- 
breitung der Pflanze, in sofern diese eine horizontale 
Ausdehnung haben; ist die Verbreitung aber vertical ver- 
laufend, wie auf den Abhängen der Gebirge, so geschieht 
‚sie durch Angabe der Höhen. Es folgt hieraus schon, 
dafs die horizontale Ausdehnung des Vorkommens einer 
Pflanze, oder deren horizontale Verbreitung sich nach 
- Länge und Breite auf der Ebene der Erde richtet, wärend 
sich die verticale Verbreitung auf die Höhen bezieht, in 
welchen die Pflanzen auf den Gebirgen der Erdoberfläche 
‚vorkommen. 

Wir haben schon im Vorhergehenden oftmals darauf 
aufmerksam gemacht, und durch Beispiele bewiesen, dafs 


106 


sich die Verbreitung der Pflanzen hauptsächlich nach der 
Vertheilung der Wärme auf der Oberfläche der Erde richtet, 
und da ‚diese wiederum mit den Breiten-Kreisen in ge- 
wissen bestimmten Verhältnissen steht, so folgt daraus, 
dafs sich die Verbreitung der Pflanzen hauptsächlich nach 
den Breiten der Erdoberfläche richtet, und dafs die Aus- 
dehnung des Areals, den Längen-Graden nach, viel weni- 
ger in Betrachtung zu ziehen ist. 

Das Areal einer Pflanze, in Bezug auf seine Aus- 
dehnung nach Breiten-Kreisen, heifst auch die Breiten- 
Zone, oder Zone an und für sich, wärend man dasselbe, 
in Bezug auf die verticale Ausdehnung, mit dem Namen 
Region bezeichnet. Seltener wird der Begriff der Län- 
gen-Zone für die horizontale Verbreitung der Pflanzen 
nach den Längen in Anwendung gesetzt. 

Jede Breiten-Zone einer Pflanze hat eine Polar- 
Grenze, wo nämlich das Vorkommen derselben gegen 
die Pole hin aufhört, und eine Aequatorial- Grenze, 
wo die Verbreitung der Pflanze gegen den Aequator zu 
endet. Ausnahmen hievon machen dergleichen Pflanzen, 
deren Poiar-Grenze bis zu den äufsersten Breiten hinauf- 
geht, so wie diejenigen, deren Aequatorial- Grenze dadurch 
fehlt, dafs sie über den Aequator hinausgehen und in die 
entgegengesetzte Hemisphäre hineinreichen. Die ersteren 
Pflanzen bezeichnet man im Allgemeinen mit dem Namen: 
Polar-Pflanzen oder arktische Pflanzen und die 
letzteren versteht man im Allgemeinen unter tropischen 
Pflanzen. Indessen auch hierin ist man nicht so genau, 
denn eine arktische Pflanze kann 2. B. in der arktischen 
Zone vorkommen, ohne defshalb bis zu den höchsten Brei- 
ten hinaufzugehen. Als Beispiele hiezu dienen die vielen 
strauchartigen Gewächse, welche noch über ‚den arktischen 
Kreis hinausgehen, später aber gänzlich verschwinden und 
dennoch unter die arktischen Formen aufgenommen wer- 
den. Aehnliche Beispiele liefsen sich für sogenannte tro- 
pische Pflanzen anführen, welche nicht ganz bis zum Ae- 
quator hinaufgehen. | 


107 


- Die Längen-Zone einer Pflanze wird durch eine 
östliche und durch eine westliche Grenze bezeichnet. 

Die Regionen der Pflanzen, oder deren verticale 
Verbreitung werden durch eine obere und eine untere 
Grenze bezeichnet, welche durch Höhen- Angaben zu be- 
stimmen sind. 

Das Areal einer Pflanze, oder deren Verbreitungs- 
Bezirk ist entweder ununterbrochen oder unterbro- 
chen; wir werden diese Verhältnisse hauptsächlich erst 
‚später kennen lernen, wenn wir die Vertheilung der Pflan- 
zen über den Erdboden betrachten werden, wir haben 
aber, schon im Vorhergehenden, sowohl bei Betrachtung 
der Temperatur - Vertheilung, als auch bei Betrachtung des 
Einflusses, welchen die besonderen Lokalitäten auf das 
Vorkommen der Pflanzen ausüben, dergleichen Verhält- 
nisse kennen gelernt, welche ein ununterbrochenes und 
ein unterbrochenes Vorkommen einer Pflanze bedingen 
oder befördern. Wenn z. B. eine Pflanze einen gewissen 
Grad von Wärme erfordert, von dem ihr Vorkommen 
hauptsächlich abhängt, so kann dieselbe an allen denjeni- 
gen Orten der Erde vorkommen, wo dieser erforderliche 
Grad der mittleren Wärme vorhanden ist, und auf diese 
Weise wird die Pflanze ein sehr oft unterbrochenes Vor- 
kommen zeigen. Beispiele hiezu sind in Menge anzufüh- 
ren; die bekannten Pflanzen unserer Gegend: Prunella 
vulgaris, Origanum vulgare, Thymus Serpyllum kommen 
in den Gebirgen des nördlichen Himalaya, welche Cash- 
mere einschliefsen, schon in einer Höhe von 8200 Fufs 
vor *), ja die zweite Region im Himalaya, nämlich von 
5000 bis 9000 Fufs Höhe, welche Herr Royle beschreibt, 
hat eine ganz europäische Physiognomie, und Ranunculus 
arvensis, Thlaspi arvensis, Capsella Bursa Pastoris, die 
gemeine Hirtentasche, ja unser Epheu (Hedera Helix), Ga- 
lium Aparine, Leontodon Taraxacum, Acorus Calamus, 
Phleum alpium, Alopecurus geniculatus, Poa annua, Sa- 


) 8. Royle Illustrat. Lond. 1833. fasc. 1. 


108 


molus Valerandi und eine Menge anderer Pflanzen ıst da- 
selbst zu finden, welche meistens den höheren Breiten 
Europa’s angehören. Oder bleiben wir in Europa, so 
findet man die niedlichen Primulae, die herrlichen Ane- 
monen,, die reizenden Gentianen unserer Gegenden, oder 
die Dryas octopetala des hohen Nordens auf den Alpen 
der Schweiz, unter ganz ähnlichen Temperaturverhältnis- 
sen, wie diejenigen unseres Landes wieder. Die Saxifraga 
Hirculus wächst in unsern Gegenden, besonders in kalten 
moorreichen Waldungen unserer nördlichen Provinzen, 
sie kommt aber unter ähnlichen Verhältnissen ganz allge- 
mein auf den Schweizer- Alpen vor. Andere Beispiele 
können den Einflufs der Lokalitäts- Verhältnisse auf ein 
unterbrochenes und ein ununterbrochenes Vorkommen dar- 
thuen. Die Salsola Kali, in einem eigenthümlichen, nähe- 
ren Verhältnisse zum Meeres- Ufer stehend, hat ein aufser- 
ordentlich ausgedehntes und, wenigstens an den Küstengegen- 
den auch ein ununterbrochenes Areal u. s. w. 

Der Verbreitungs-Bezirk einer Pilanze kann natür- 
lich sein und auch künstlich; im letzteren Falle ist 
das Vorkommen der Pflanze, über ihre natürlichen Gren- 


zen hinaus, durch künstliches Verpflanzen erweitert. So 


ist die Verbreitung der meisten OCultur- Pflanzen, sowohl 
der Nahrungs-Pflanzen, als auch derjenigen, welche blots 
zum Vergnügen und zum Luxus der Menschen. gehalten 


werden, durch die Kunst erweitert, und dieses oftmals auf 


eine bewunderungswürdige Weise. Wie höchst traurig 
würde es mit dem Wohlstande der Völker stehen, wenn 
nicht die meisten Nahrungspflanzen einen solchen hohen 
Grad von Biegsamkeit hätten. Wir wollen hier nicht ein- 
mal der Cerealien gedenken, welche überall dahin gefolgt 
sind, wo sich die Völker der alten Welt hingewendet ha- 
ben, sondern wollen nur auf den Weinstock aufmerksam 
machen, dessen Verbreitungs-Bezirk sich auf eine bewun- 
derungswürdige Weise fast über die ganze Erde erweitert 
hat. Selbst auf der Insel Java soll der Weinstock aufser- 
ordentlich grofse Trauben zur Reife bringen, und in Neu- 


109 


Holland scheint er sein zweites Vaterland wiedergefunden 
zu haben.. Wir werden die Verbreitung des Weinstockes 
später ausführlicher kennen lernen. 

Meistentheils ist der Verbreitungs-Bezirk vieler Pflan- 
zen durch künstliche Verbreitung auf eine sehr oft unter- 
brochene Weise erweitert, und nur die allerwichtigsten 
Nahrungspflanzen können sich einer ununterbrochenen, 
künstlichen Verbreitungsweise rühmen, wie zZ. B. die Ce- 
realien und auch wohl die wichtigsten Futterkräuter. Ich 
will hier noch einige Beispiele anführen, welche von einer 
künstlichen Verbreitung, selbst der gewöhnlichsten Pflan- 
zen, am auffallendesten sind. Unsere gewöhnlichen Gar- 
tenpflanzen, als der Salvey, der Rosmarin und die Melisse, 
werden auch in Surinam *) gezogen. Unsere Radieschen 
möchten vielleicht nirgends wohlschmeckender sein, als 
eben bei Rio de Janeiro und in Ost-Indien. Unsere wohl- 
riechenden Nelken sind zu St. Jago de Chile eben so 
schön, ja vielleicht noch aromatischer, als bei uns. Auf 
den Feldern, in der Nähe von Canton, werden für den 
Bedarf der Europäer fast alle unsere Gemüse gezogen, 
wozu man freilich die Winterjahreszeit wählt und durch 
künstliche Dächer das Erfrieren derselben, durch die Wärme- 
Ausstrahlung der Erde zu verhindern sucht. Im Allge- 
meinen kann man annehmen, dafs die Pflanzen nordischer 
Gegenden viel weiter nach wärmeren Gegenden verpflanzt 
werden können, als dieses umgekehrt der Fall ist, denn 
die künstliche Verbreitung echter tropischer Pflanzen geht, 
nach kälteren Gegenden, nur sehr schwer und immer nur 
in geringer Ausdehnung vor sich. In den botanischen 
Gärten tropischer Länder, wo man die Pflanzen des ho- 
hen Nordens ziehen will, da werden diese mit einem leich- 
ten Dache gegen den Einflufs der Sonnenstrahlen geschützt 
und durch Verdünstung des Wassers wird der Boden ei- 
nigermafsen kühl erhalten. 

Ebenso haben wir die Gröfse des Verbreitungsbezir- 


*) Sack’s Reise nach Surinam. 1820. I. pag. 181. 


110 


kes der Pflanze zu beachten; wir finden hierin einige An- 
weisungen, ob mit Erfolg die Erweiterung desselben für 
diese oder jene Pflanze unternommen werden kann. Im 
Allgemeinen können Pflanzen mit einem sehr ausgedehnten 
natürlichen Verbreitungs -Bezirk, auch künstlich noch viel 
weiter geführt werden, wärend Pflanzen, von sehr einge- 
schränkter Ausdehnung, meistens nur schwer zu verpflan- 
zen sind. Es giebt Pflanzen, deren Verbreitung so aus- 
gedehnt ist, dafs sie fast in allen Theilen der Erde zu 


finden sind; wir peflgen einige dergleichen bei uns mit- 


dem Namen der Unkräuter zu belegen, und sie finden 
sich fast überall als solche wieder. Wir nennen hier eine 
Anzahl von Pflanzen, welche bei uns und in Neu-Holland 
vorkommen, als: Lemna minor, L. trisulca, Marsilia qua- 


drifolia, Convolvulus sepium, Festuca fluitans, Arundo. 


Phragmites, Panicum Crus Galli, Scirpus lacustris, Cla- 
dium Mariscus, Juncus effusus, Vallisneria spiralis, Sola- 
num nigrum L. u. Ss. w. 

Im Allgemeinen kann man die Regel aufstellen, dafs 
der Verbreitungs-Bezirk einer Pflanze um so gröfser ist, 
je niedriger der Grad ihrer Entwiekelung. Unter denje- 
nigen phanerogamen Pflanzen, welche Europa und Neu- 
Holland gemeinschaftlich angehören, sind die gröfste Zahl 
aus der Abtheilung der Monocotyledonen *). Von .den 
Cryptogamen, besonders den Flechten und Moosen, viel- 
leicht auch von den Algen, ist der weite Verbreitungs- 
Bezirk hinlänglich bekannt; ja viele von ihnen scheinen 
ununterbrochen von einem Ende der Erde zum andern 
zu gehen. Die Sticta crocata, welche in Europa, in Afrika, 
auf der Insel Bourbon und in Neu-Holland vorkommt, 
ist auch in Westindien, und in Südamerika gefunden. Ich 
selbst habe sie im mittleren Chile bei 3000 Fufs Höhe, 
in der Provinz von San Fernando, an den Felsen und 


*) Unter den Pflanzen, welche Herr R. Brown in. seiner be- 
rühmten Flora Australiens bekannt gemacht hat, befinden sich 167 
Pflanzen, welche Australien und Europa gemein haben, und diese beste- 


hen in: 422 Acotyledonen, 30 Monocotyledonen und 15 Dicotyledonen. 


111 


Wänden beobachtet. Parmelia perforata habe ich selbst 
in den verschiedensten Gegenden der Erde gefunden, 
selbst auf den entlegenen Sandwichs -Insein. So ist auch Le- 
canora subfusca eine von denjenigen Flechten, welche 
überall zu finden ist. 

Einige andere Pflanzen haben einen auffallend be- 
schränkten Verbreitungsbezirk , und daher führen so viele 
Pflanzen den Namen von Ländern, Städten und einzelnen 
Bergen, doch meistentheils beruht dieses auf unvollkom- 
. mener Kenntnifs der Umgegend, wo diese Pflanzen ebenfalls 
vorkommen, nur bis dahin noch nicht beobachtet worden 
waren. Welch ein beschränktes Vorkommen schrieb man 
früher der Linnaea borealis und der Braya alpina zu, in- 
dessen täglich werden mehr Orte aufgefunden, wo diese 
Pflanzen vorkommen. 

Man hat die Frage aufgestellt, ob sich nicht eine all- 
gemeine Regel für die Gröfse der natürlichen Verbrei- 
tungs-Sphäre, in Hinsicht ihrer Breiten-Zone, aufstellen 
liefse, und Herr Schouw hat hierüber zuerst Untersuchun- 
gen angestellt. 

Man kann diesen Gegenstand auf die Weise unter- 
suchen, dafs man die Pflanzen einer nördlicheren Flor mit 
denjenigen einer südlicheren Flor vergleicht und zusieht, 
wie viele Pflanzen diesen beiden Floren gemeinschaftlich 
sind. Wie wir aber schon vorher gesehen haben, so sind 
gewisse Pflanzen mit einem sehr ausgedehnten, aber unter- 
brochenen Verbreitungsbezirke, oft den entferntesten Ge- 
genden der Erde gemeinschaftlich, und so wird die Be- 
stimmung einer absoluten Breiten- Zone für gewisse Pflan- 
zen noch schwieriger. 

Will man aber dergleichen Bestimmungen festsetzen, 
so darf man hiezu nur solche Pflanzen wählen, welche 
einen ununterbrochenen Verbreitungs-Bezirk haben, deren 
es jedoch nur wenige giebt. 

Allgemeine Regeln lassen sich über den Umfang der 
Verbreitungs-Bezirke der Pflanzen schwerlich aufstellen, 
sondern die Sache verhält sich bei verschiedenen Pflanzen 


112 


gar zu verschieden. Herr Schouw *) glaubt gefunden zu 
haben, dafs in der temperirten Zone der nördlichen He- 
misphäre eine Breite von 10—15° die gewöhnlichste Breite 
des Areal’s einer Pflanze sei, und dafs dieses, unter 5 Gra- 
den und über 30 Graden, zu den seltenen Fällen gehöre. 

Die Ausdehnung der Zone einer Pflanze nach den 
Längen -Graden ist gewöhnlich viel gröfser, als nach den 
Breiten, indem die Veränderung der Wärme nach den 
Längen nur gering ist, und es giebt sogar viele Pflanzen, 
welche mit ihrer Verbreitungs-Zone einen vellkommenen 
Gürtel um die Erdkugel bilden; als solche nenne ich Cy- 
perus polystachys, Pistia Stratiotes u. a. m. Es fehlt je- 
doch auch nicht an Pflanzen, deren Areal nur eine sehr 
geringe Längen-Ausdehnung hat; grofse Gewässer und 
Gebirgszüge sind alsdann meistens die Ursache davon. In 
Südamerika, besonders in Chile, ist die grofse Menge von 
Calceolarien auf der Cordillere und der westlichen Seite 
derselben bekannt; sie fehlen aber auf der östlichen Seite 
der Cordillere, wenigstens erscheinen daselbst nur sehr 
wenige Arten. Herr Schouw führt die Lobelia Dortmanna 
an, welche in Norwegen, in Schweden, Jütland, Schottland, 
England und Holland vorkommt, aber im östlichen Theile 


von Europa und in Sibirien noch nicht gefunden ist. Die 


Ericen am Cap der guten Hoffnung haben eine sehr kleine 
Ausdehnung nach den Längengraden, woran, in diesem 
Falle, offenbar die grofsen Wassergrenzen Schuld haben. 
Auch die Verbreitung der Camellien und noch vieler an- 
derer Pflanzen geben hiezu Beispiele. 

So wie man den Umfang der horizontalen Ausdeh- 
nung des Verbreitungs-Bezirkes der Pflanzen zu bestim- 
men gesucht hat, so ist dieses auch mit der verticalen 
Verbreitung der Fall. H. De Candolle **) hat diese Hö- 
hen-Ausdehnung der Pflanzen Frankreichs zu bestimmen 
gesucht, welches eine höchst mühsame Arbeit gewesen 


m lc. paß. 485 
"9 Mem. sur la geographie .des plantes de France. — Mem. de 


la Soc. d’Arcueil 14. pag. 262 — 322. 


113 


ist; leider sind die Angaben für sehr viele Pflanzen jenes 
Landes nicht absolut als Regel aufzustellen, denn sie gehen 
in diesem Lande, wo sie ihre Polargrenze haben, lange nicht 
so hoch hinauf, als in etwas südlicher gelegenen Gegenden. 
Bei anderen ist es wiederum höchst auffallend, dafs sie in 
Frankreich viel weiter hinaufgehen, als in südlicheren Ländern. 
Herr Schouw *) hat jene Angaben über die verticale 
Ausdehnung der 1500 Pflanzen Frankreichs, welche Herr 
Decandolle mitgetheilt hat, nach gewissen Höhen zusam- 
mengestellt und folgendes Resultat erhalten, nachdem er 
- alle diejenigen Pflanzen bei dieser Berechnung ausgeschlos- 
sen hat, welche in Frankreich ihre Polargrenze erreichen. 
Eine Höhen- Ausdehnung von 3000 Meter haben die Ver-. 
breitungs-Bezirke von 11 Arten aufzuweisen. 


2500 — 3000 Meter zeigen 19 Arten. 


2000 — 2500 - a 

1500 — 2000  - - 200  - 

1000 —1500 . - - 391 - 
500—1000  - - 194 -- 
100— 500 - - 31 - 


Demnach zeigt es sich für Frankreich, oder für die 
Mitte der temperirten Zone, dafs 1000 — 2000 Meter 
die gewöhnlichste Höhen- Ausdehnung einer Pflanze ist. 

Nach den Beobachtungen des Herrn Alex. von Hum- 
boldt hat H. Schouw die verticale Ausdehnung von 293 
Pflanzen-Arten, für die tropische Zone zusammengestellt, 
und hiebei ergiebt sich, höchst auffallend, ein ganz anderes 
Resultat, als dasjenige für die temperirte Zone. Nämlich 
eine Höhen-Ausdehnung des Vorkommens einer Pflanze 
von 1000 Toisen, soll das Höchste für jene Gegenden 
sein, und eine Ausdehnung der Region, worin jede Pflanze 
wächst, von 200 — 600 Meter soll das Gewöhnliche sein; 
wärend sie in Frankreich zwischen 1000 und 2000 Toisen 
schwebt. _ Indessen diesen Berechnungen des H. Schouw 
_ darf nicht zu viel Werth beigelegt werden, denn jene 
Angaben des Herrn Alexander von Humboldt über die 
obere und untere Grenze des Vorkommens gewisser Pflan- 


. 


1. c. pag. 178, A | 8 


114 


zen sind gerade nicht für diesen Zweck gemacht. Ich 
habe im südlichen Peru .die Höhenausdehnung des Vor- 
konimens des eultivirten Mays Bis 2000 Toisen verfolgt, 
ja er wird daselbst, z. B. auf der berühmten Insel Titicaca 
im grofsen Alpensee gleichen Namens, noch auf einer 
Höhe von 12700 Fufs über dem Meere ceultivirt; ein Fall, 
welchen Europa mit keiner Pflanze aufweisen kann. Un- 
sere Luzerne wird in jenem Lande in den glühenden Kü- 
stengegenden ceultivirt und geht hinauf bis gegen 11000 
Fufs Höhe; auf dem Plateau von Chuquito, 12700 Fufs 
hoch, habe ich diese ‚äufserst wichtige Cultur-Pflanze für 
jene Länder nicht mehr gesehen. “Gerste und Hafer reifen 
noch daselbst, aber Roggen wird nur zum Grünfutter gebauet. 

Mit Recht hat schon H. Schouw darauf aufmerksam 
gemacht, dafs dergleichen Pflanzen, welche einen ausge- 
dehnten Verbreitungs-Bezirk haben, auch eine besonders 
ausgedehnte Höhen-Zone zeigen. Der Mays und die Me- 
dicago sativa, die ich früher als Beispiele von besonderer 
Höhen- Ausdehnung in ihrer Verbreitung aufführte, zeigen 
auch in ihrer horizontalen Verbreitung einen besonders 
grofsen Umfang. In Europa ist es die gesellige Erica 
vulgaris, welche eine bedeutende horizontale Verbreitung 
zeigt, und sie steigt auch, auf den Gebirgen im südlichen 
Europa, aus der Ebene bis über 9000 Fufs hoch. 

Man könnte die Verbreitung einer jeden Pflanze, so- 
wohl die natürliche als die künstliche, auf eine besondere 
Welt-Karte auftragen, indem man alle Punkte ihres Vor- 
kommens mit einer und derselben Farbe bedeckte, wodurch 
man, gleich auf einem Blicke, eine belehrende Uebersicht 
erhalten könnte. Dergleichen bildliche Darstellungen kön- 
nen eben sowohl über die Verbreitungen der einzelnen 
Gattungen, so wie über die Verbreitung der Familien aus- 
geführt werden, und Herr Schouw hat in dem Atlasse, zu 
seinem bekannten Werke über die Pflanzengeographie der- 
gleichen Tafeln geliefert. Die Verbreitung der Buche 
(Fagus sylvatica) hat Herr Schouw als ein Muster für 
die Darstellung der Verbreitung einer wildwachsenden 
Pflanze gegeben, wärend er den Weinstock als eine culti- 


115 


virte Pflanze aufgezeichnet hat. Bei dergleichen Darstel- 
lungen über die Verbreitung einzelner Gattungen und Fa- 
milien kann man auch durch schwächere und stärkere Tün- 
chung einer und derselben Farbe, die mehr oder weniger 
grofse Artenzahl einer Gattung oder Familie andeuten, wie 
dieses zZ. B. sehr gut durch Herrn von Martius bei der 
Tafel über die Verbreitung der Amarantaceen *) ausgeführt 
worden ist. 

Die Pflanzengeographie an und für sich, als eine Wis- 
senschaft, wäre allerdings schon dem Gelehrten und jedem 
Manne von Bildung von hohem Interesse, indessen. ihre 
Anwendung auf das praktische Leben giebt derselben noch 
einen weit höheren Werth. Sobald erst eine gehörige 
Menge von meteorologischen Beobachtungen an den ver- 
schiedensten Punkten der Erdoberfläche gemacht sein wer- 
den, so dafs die Kenntnifs der Isothermen, der Isotheren 
und der Isochimenen genau, in ihrem ganzen Laufe, be- 
kannt sein wird, werden wir, schon im Voraus, ganz ge- 
nau bestimmen können, ob irgend eine Pflanze, von ihrem 
natürlichen Standorte nach einem gewissen anderen ver- 
pflanzt werden kann, oder ob diese Mühe unbelohnt blei- 
ben wird; ein Gegenstand, welcher offenbar von grofser 
Wichtigkeit ist. Ganz besonders fehlt es noch an der 
Kenntnifs der mittleren Temperaturen in grofsen Höhen 
ausgedehnter Gebirge, um auch hier bestimmen zu kön- 
nen, welche Pflanzen jenen Gegenden aufgedrungen wer- 
den könnten. Von welcher Bedeutung dieses ist, läfst 
sich leicht einsehen, und ich wıll hier nur einen Fall an- 
führen. Das grofse Land auf der Ebene von Chuquito, 
rund um den Alpensee von Titicaca, ist reich bevölkert, 
und prachtvolle Städte in grofser Zahl, haben sich in je- 
ner gewaltigen Höhe gebildet. Aber Holz fehlt jenem 
Lande, wo ein ewiger Frühling herrscht, wo Fruchtbar- 
keit der Erde und grofser Reichthum an edelen Metallen 
die Menschen beglücken könnten. Noch fehlen zwar alle 
mittleren Temperaturen aus jenen Gegenden in 12700 


*) Nova Acta Acad. Caes. Leop. Carol. Nat. Cur. Vol. XI. P. I 
5 * 


116 


Fufs Höhe, aber nach den wenigen Beobachtungen, wel- 
che ich selbst dort angestellt habe, und aus einigen an- 
deren von Herrn Pentland und Rivero, möchte mit Be- 
stimmtheit hervorgehen, dafs sowohl die Tanne, als die 
Birke und Else in jenen Gegenden recht kräftig gedeihen 


würden. Welch ein Wohlstand müfste jenem Lande durch, 


die Einführung grofser Wälder erwachsen! in einer Ge- 
gend, wo bis jetzt jeder Stock, jede Stange und jedes 
Brett zu den Reichthümern eines Menschen gehört! wo 
sich der Schiffer auf einem elenden Kahne, aus Binsen 
geflochten, dem stürmischen See überlassen mufs! 

Der Wohlstand der Völker ist dem Ackerbau und 
der Cultur der nutzbaren Pflanzen überhaupt gefolgt; mit 
ihnen hat sich Bildung und Glückseeligkeit verbreitet. Will 
man aber Wissenschaften und himmlisches Glück dem ro- 
hen Menschen aufdringen, der von einem Tage zum an- 
dern lebt, und Mangel an nöthigster Nahrung hat, so geht 
man sicherlich einen falschen Weg. Mit dem Vorkommen 
und mit der Cultur gewisser Nutzpflanzen; sind Verhält- 
nisse, in der Lebensart des Menschen, so innig verknüpft, 
dafs diese in der Lehre über die Verbreitung der Pflan- 
zen mit verknüpft werden müssen, denn ganz anders wä- 
ren jene Menschen zu leben gezwungen, wenn nicht diese 
oder jene Nutzpflanze sie in ihrer Trägheit, oder Eigen- 
heit bestärken würde. 

Bei solchen speciellen Untersuchungen werden wir 
allmählig immer mehr und mehr den Einflufs kennen ler- 
nen, welchen die verschiedenartige Verbreitung und Ver- 
theilung der Gewächse über den Erdkreis auf die Cultur 
des Menschen ausübt; doch müssen wir hierin sehr vor- 
sichtig zu Werke gehen, um uns nicht von dem Scheine 
trügen zu lassen, und so zu ganz falschen Resultaten zu 
gelangen. Wie hört man überall den tropischen Ländern 
das Lob spenden! Wie glücklich, heifst es, -ist jenes 
Land, wie reich jene Natur, wo die kostbarsten Früchte, 
ohne Zuthun der Menschenhände, sich entwickeln! Doch 
so verhält es sich in der Wirklichkeit nicht. 


nn 
Te 


117 


Dritte Abtheilung. 


Ueber die Vertheilung der Gewächse auf der Oberfläche der Erde, 
mit besonderer Rücksicht auf die Physiognomie der Natur. 


Wir haben bisher die äufseren Ursachen betrachtet, 
welche das Vorkommen und die Verbreitung einer Pflan- 
zen-Art bedingen, ganz abgesehen davon, wefshalb eine 
gewisse Pflanze nur auf dem, ihr einmal angewiesenen 
Verbreitungs-Bezirke vorkommt und nicht auch auf einem 
anderen. 

Es ist eine bekannte, von allen Reisenden wieder- 
holte Beobachtung, dafs die Vegetation, wie überhaupt das 
ganze organische Leben, von den Polen aus, zum Aequa- 
tor hin, im beständigen Zunehmen ihrer Entwickelung 
sich befindet, und dafs die Formen immer ausgebildeter 
und immer schöner und üppiger werden, je mehr man 
sich von den kalten Regionen entfernt. Eine genauere 
Betrachtung dieses Gegenstandes wird in dieser Abthei- 
lung des Buches erfolgen. Auch hier ist es Herr Alexander 
von Humboldt, welcher uns den Gang dieser \Vissenschaft 
vorgeschrieben hat; seine berühmte Schrift: Ideen zu 
einer Physiognomik der Gewächse, zeigte diese 
höchst interessante Seite, von welcher die Botanik aufge- 
fafst werden kann, und wie sie in dieser Weise auf die 
Veredelung der Künste und auf den Geschmack der Völ- 
ker, für die Empfänglichkeit gegen die Natur-Schönheiten 
einwirken kann.. / 

Die Lehre von der Vertheilung der Pflanzen über die. 
Oberfläche der Erde kann in zwei, ganz für sich beste- 
hende Doctrinen zerfallen; die eine hievon, welche die 
Physiognomik der Gewächse heifst, betrachtet die 
Pfanzendecke nach der Vertheilung der Formen, welche 


118 


die Pflanzen-Gruppen zeigen; sie bildet sich ein eigenes 
natürliches System, in welchem Aehnlichkeit in den Form- 
Verhältnissen das Eintheilungs-Prineip ist. Die Physio- 
gnomik der Gewächse untersucht das Vorherrschen dieser 
oder jener Pflanzen-Form nach der absoluten Masse ihrer 
Individuen oder nach dem Eindrucke, welchen sie, bei der 
Bildung des Natur-Charakters, auf das Gemüth des Men- 
schen macht; die andere Doctrin hingegen, die Statistik 
der Pflanzen, kümmert sich nicht um das absolute 
Vorherrschen dieser oder jener Pflanzen-Gruppe, oder 
dieses oder jenes Typus, sondern sie betrachtet die relati- 
ven Verbältnisse, begründet auf wirkliche Zahlen, in wel- 
chen diese oder jene Pflanzen-Gruppen durch ihre Arten- 
Zahl entweder zur allgemeinen Zahl der ganzen bekann- 
ten Pflanzen-Masse, oder zur Zahl der Arten anderer 
Pflanzen - Gruppen stehen. Eine Pflanzen- Gruppe kann 
z. B. durch ihre Individuen- Zahl den Charakter der Na- 
tur bestimmen, ohne defshalb durch ihre Arten-Zahl für 
eben dieselbe Gegend vorherrschend zu sein. Wir besit- 
zen eine Abhandlung des Herrn Alexander von Humboldt: 
Ueber die Gesetze, welche man in der Verthei- 
lung der Pflanzen-Formen beobachtet *), welche 
hierüber besonders handelt; der berühmte Verfasser sagt 
darin: In einer „nördlichen Gegend, wo die Compositae 
und die Farrnkräuter zur Summe aller Phanerogamen im 
Verhältnisse von 1:13 und 1:15 stehen (d. h. wo man 
dieses Verhältnifs findet, wenn man die Gesammtzahl al- 
ler Phanerogamen durch die Anzahl der Arten dieser bei- 
den Familien dividirt ), kann eine einzige Farrnkraut- Art 
zehnmal mehr Erdreich bedecken, als alle Arten der Com- 
positae zusammengenommen. In diesem Falle herrschen 
dıe Farrn durch die Masse ihrer Individuen über die Com- 
positae, keineswegs aber durch ihre Artenzahl. 

Schon die Physiognomik der Gewächse lehrt uns, dafs 
die Natur bei der Erzeugung der Pflanzen, dieselben nach 


*) Diet. des scienc. nat. Tom. XVII. pag. 422 —436. 1820. 


119 


gewissen, uns gänzlich unbekannten Gesetzen über die 
Oberfläche der Erde vertheilt hat. Wir haben bis jetzt ei- 
nige äufsere Ursachen erkannt, welche die Vertheilung von 
entwickelteren und edleren Pflanzen - Formen nach den 
heifsen Zonen setzt, aber wir kennen keine Ursachen, 
wefshalb unter gleichen climatischen Verhältnissen nicht 
immer gleiche Pflanzen- Arten erzeugt sind. Die sonder- 
bare Gruppe. der Cactuspflanze ist eigentlich nur der hei- 
{sen und der subtropischen Zone der neuen Welt eigen- 
thümlich, nur zwei Arten aus derselben sind bisher in 
Östindien und in China gefunden, und zwar im Innern 
des Landes, sogar auf bedeutenden Höhen. Inmdessen die 
Form der Cactus-Pflanzen, dieser eigenthümliche Typus, 
hat sich auch auf der alten Welt dargestellt; wir haben 
Euphorbien, sowohl am westlichen, wie am östlichen Ende 
der alten Welt, welche man ohne Kenntnifs der Fructifi- 
cations-Organe sicherlich für Cacten halten würde, so 
Z. B. die Euphorbia nereifolia im südlichen China, an 
welcher die Ipomoea Quamoclit hinaufrankt und dieselbe 
ähnlich mit ihren scharlachrothen Blumen verziert, wie es 
der Loranthus aphyllus an Chilenischen Cereen zeigt. Die 
Euphorbia canariensis und Euphorbia balsamifera sind es 
am westlichen Ende der alten Welt, welche daselbst die 
Cacten-Form der neuen Welt darstellen. Eben so uner- 
klärlich ist es, wefshalb nur die alte Welt die eigentlichen 
Eriven besitzt, wärend die alte Erica coerulea Willd., 
wenn sie gleich keine wahre Erica ist, dennoch die Stelle 
derselben in der neuen Welt vertritt. 

Indessen die Statistik der Gewächse lehrt auf die ent- 
schiedenste Art, dafs die Natur unter allen Zonen die 
Verschiedenheit der Formen im Gewächsreiche, nach be- 
stimmten, unabänderlichen Gesetzen vertheilt hat. Diese 
Gesetze werden sich immer genauer darstellen lassen, je 
vollkommner die ganze Summe der Pflanzen-Arten für 
gewisse Gegenden bekannt ist; vergleichen wir kleine Di- 
strikte mit einander, so stimmen die Verhältnisse, unter 
welchen die verschiedenen Gruppen zu einander stehen, 


120 


nicht immer genau überein, wohl aber erkennt man schon 
die Uebereinstimmung in den Gesetzen, wenn man. grö- 
fsere Flächen mit einander vergleicht, und so kann man- 
mit Recht behaupten, dafs dieFormen der verschie- 
denen Pflanzen in gegenseitiger Abhängigkeit 
von einander 'stehen. 

Allerdings sind gewisse Pflanzen-Gruppen nur für 
bestimmte, oft sehr beschränkte Gegenden der Erde an- 
gewiesen, aber die gröfste Zahl der Pflanzen-Familien 
ist über den ganzen Erdkreis verbreitet, und überall, wo 
eine fruchtbare Erde der Luft und dem Lichte ausgesetzt 
"ist, da zeigen sich die einzelnen Repräsentanten jener 
Gruppen. 

Nur die Schneegrenze, weniger die Kälte, begrenzt 
auf unserer Erde die Vegetation gegen Norden und in 
grofsen Höhen; doch wo der Boden nur aus Substanzen 
besteht, welche für die Ernährung der Pflanzen gänzlich 
untauglich sind, da hört alle Vegetation auf, selbst wenn 
er unter dem Aequator und im Niveau des Meeres gele- 
gen ist. Bei den gröfsten Höhen in der Cordillere des 
südlichen Peru, überall wo die Schneedecke fehlte, und 
wo ein Humus-haltiger Boden war, da habe ich Vegeta- 
tion gefunden; doch der nackte harte Felsen, wenn er von 
starkem Winde beweht wird, welcher das Ansetzen von 
organischen Substanzen verhindert, zeigt keine Vegetation, 
selbst wenn er noch in Höhen liegt, die reich daran sind. 
Auf dem Kegel des Feuerberges von Arequipa und eben 
so auf dem des Feuerberges von Maipu bin ich weit über 
die Grenze aller Pflanzen gestiegen, obgleich keine Schnee- 
decke diese Region andeutete; aber der Kegel des Feuer- 
berges von Arequipa erhebt sich weit über 18000 Fufs 
und mehr, als 2500 Fufs von seiner Spitze wird von 
schwarzer Lava- Asche gebildet, aus welcher hie und da 
einige regelmäfsige Säulen von grauen und röthlichen 
Trachyten hervorbrechen. In dieser Asche, etwa von 
15000 Fufs an, ist keine Vegetation zu finden, bis dahin 
aber wächst ein sonderbarer Pilz, gleichsam eine Art von 


121 


Lycoperdon mit langer Wurzel, die tief in der Asche 
steckt, ferner kleine Malvaceen, äufserst niedliche Formen 
- von der Gattung Sida und fremdartig gestaltete Baccha- 
riden begrenzen bis dahin die phanerogame Vegetation. 

Im Allgemeinen bemerkt man bei der Vertheilung der 
Gewächse, dafs sowohl die Arten der Gattungen, so wie 
die Gattungen der Familien entweder von einem Punkte 
ausgehen und sich um diesen gleichsam in concentrischen 
Kreisen anreihen, oder sich strahlenförmig nach verschie- 
denen Richtungen hin verbreiten, oder, was noch gewöhn- 
licher ist, sich in mehr oder weniger breiten, bandförmi- 
gen Gürteln vertheilen, welche bald den Meridianen, bald 
den Parallel-Kreisen parallel verlaufen. Bei allen diesen 
Arten der Vertheilung, sowohl der kleineren als der grö- 
fseren Gruppen der Pflanzen, tritt der gesellschaftliche 
Wuchs der Pflanzen und das isolirte Wachsen derselben, 
als ein sehr wichtiges Moment auf, welches, hauptsächlich 
auf den Charakter der Vegetation von dem gröfsten Ein- 
flusse ist. Aufserdem ist es hiebei wichtig, zu wissen, ob 
gewisse Pflanzen - Gruppen nur neben einander gestellt 
sind, oder ob ihre Verbreitungs-Bezirke in einander ein- 
greifen; in diesem Falle stehen nämlich die Gewächse ver- 
schiedener Pflanzen-Gruppen bunt durch einander. Z.B. 
die Coniferen und die Casuarinen sind in der alten Welt 
sehr bestimmt geschiedene Familien, deren Verbreitungs- 
Bezirke kaum an einander grenzen, doch auf Neu-Holland 
greifen sie in einander über, denn Casuarinen, Araucarien 
und Cypressen wachsen daselbst durch einander. 

Sowohl die Gattungen wie auch die Familien, diese 
sind die gröfseren Gruppen :nämlich, erreichen an irgend 
einem Orte der Erde ihr Maximum, d. h. sie haben an 
jenem Orte die gröfste Arten-Zahl aufzuweisen, wärend 
an einem anderen Orte ihr Minimum befindlich ist, d. i. 
wo ihre Arten-Zahl sehr ‘gering ist. Man drückt diese 
Bedeutungen auch dadurch aus, dafs man .sagt: Diese 
Gattung oder diese Familie herrscht an diesem 
Orte vor, oder sie fehlt daselbst. 


122 


Je nachdem nun eine Pflanzen- Gruppe in irgend ei- 
nem Lande ihr Maximum erreicht, und auch durch ihre 
Masse auf die Physiognomie des Landes einwirkt, je nach- 
dem pflegt sie wohl mit besonderen Namen, welche mei- 


stens von der Benennung der Länder und Zonen herge- 


nommen: sind, belegt zu werden. So besitzen wir tropi- 
sche Pflanzen- Formen, welche entweder in der tropischen 
Zone ganz allein vorkommen, oder daselbst wenigstens 
ihr Maximum erreichen. Die Palmen, Musaceen, Pipera- 
ceen, Scitamineen u. 5. w. gehören fast ausschliefslich der 
heifsen Zone an, doch gehen einzelne Repräsentanten der- 
selben, selbst bis zu hohen Breiten, in die temperirten 
Zonen über. Die Familie der Palmen zeigt z. B. hierin 
mehrere Ausnahmen; Chamaerops humilis wird noch, wie 
bekannt ist, unter 49° N. Breite gefunden, und auch Cocos 
nucifera wächst noch sehr südlich. Auch die Chilenische 
Cocos-Palme, wie man sie früher nannte, geht an der 
Westküste von Südmerika bis Concepeion, also bis über 
36° südlicher Breite hinab; sie ist die einzige Palme, wel- 
che auf der ganzen Westküste von Südamerika, von dem 
sudlichsten Peru an, vorkommt, wärend die Ostküste die- 
ses Continents so aufserordentlich reich an Palmen ist. 


Wenn eine Pflanzenfamilie in irgend einer Zone, sei 


es durch Masse, sei es durch Artenzahl, vorherrscht, und 
in einer andern. Zone nur einzelne Formen aus dieser 
Familie auftreten,: so sagt man, dafs jene Familie hieselbst 
durch diese wenigen Arten repräsentirt werde; oder man 
nennt diese Arten die Repräsentanten jener Familie. Die 
Ericen der .alten Welt haben im südlichen Afrika ihr 
Maximum; durch Masse herrschen zwar einzelne Formen 
dieser Familie, hauptsächlich die Erica vulgaris, auch im 
nördlichen Europa vor, doch die schönen baumartigen 
Formen, welche am Cap der guten Hofinung zu Hause 
sind, werden: erst im’ südlichen Europa durch die Erica 
arborea repräsentirt; diese ist in den Wäldern von Por- 
tugal und Spanien zu Hause «und kommt auch auf den 
Canarischen Inseln in eben so grofsen Massen vor. Noch 


er 


123 


viel auffallender ist folgendes Beispiel. Die Acacien haben 
ihr Maximum in Neu-Holland, welchem Lande sie fast 
ganz angehören; die Acacia heterophylla aber, ganz. eigen- 
thümlich durch die verschiedenen Blattformen, welche auf 
einem und demselben Baume vorkommen, repräsentirt diese 
grofse Familie der südlichen Hemisphäre noch auf den 
Sandwichs-Inseln. Das gewöhnliche Blatt dieses Baumes 
ist nämlich ein blattartig ausgedehnter Blattstiel und hat 
srofse Aehnlichkeit mit der Blattform der Eucalypten, je- 
ner höchst interessanten Pflanzen - Familie Neuhollands, 
welche mit den Acacien ein gemeinschaftliches Vaterland 
hat. So ist es, als wenn die Acacia heterophylla nicht 
nur die Acacien in der nördlichen Hemisphäre repräsentirte, 
sondern durch die Form ihrer Blätter auch mit den En- 
calypten einige Verwandtschaft andeutete. 

Die grofse Familie der Laurineen, welche in der tro- 
pischen Zone ihr Maximum hat, wird im südllichsten Eu- 
ropa durch den Laurus nobilis, unsern gewöhnlichen Lor- 
ber, repräsentirt. 

Die suceulenten Mesembrianthema des südlichen Afri- 
ka’s werden schon im südlichen Europa, und auf den Ca- 
narischen Inseln durch einige Arten dieser Gattung re- 
präsentirt, ihre Form und ihren Habitus erkennt man aber 
schon an den vielen Semperviven der Canarischen Inseln, 
und den vielen Sedum - Arten des südlichsten Europa’s. 
Herr Link, dem wir eine so genaue Kenntnifs der Lusita- 
nischen Flora verdanken, erkennt auch in der Drosera 
Jusitanica, der Ixia Bulbocodium und in dem Triglochin 
bulbosum Repräsentanten der südafrikanischen Flora in 
Europa *). Bleiben wir in unserem nördlichen Europa, 
so finden wir, hier im Norden, die schönen Cistus-Ge- 
wächse von Spanien und Portugal in unserem Helianthemum 
annuum repräsentirt. Die Nadelhölzer, welche in der ark- 
tischen und in der temperirten Zone der nördlichen He- 
misphäre ihr Maximum erreichen und häufig auch durch 


*) $. Link, Die Urwelt und das Alterthum. 1834. p- 259. 


124 


ihre Massen Alles überwiegen, diese werden immer selte- 
ner gegen Süden, und auf der südlichen Hemisphäre wer- 
den sie nur durch die Gattungen Araucaria, durch Ephedra, 
Cupressus, Dammara u. s. w. repräsentirt. 

Betrachtet man die lebende Pflanzendecke, wie sie 
über den Erdkreis ausgebreitet ist, nach der Physiognomie, 
oder, ich möchte lieber sagen, nach dem verschiedenen 
Eindrucke, welchen dieselbe hie und da auf uns zu ver- 
ursachen vermag, so wird man alsbald gewisse Hauptgruppen 
von Pflanzen herausheben, welche sich auf eine, bald mehr 
bald weniger deutliche Weise von der umgebenden Pflanzen- 
masse unterscheiden. Bald werden diese, durch eigenthüm- 
liche Physiognomie sich auszeichnenden Pflanzengruppen 
auch in den künstlichen Charakteren übereinstimmen und 
gewisse Gattungen und natürliche Familien bilden, bald 
wird es die gesammte Masse der Vegetation einer be- 
stimmten Gegend sein, welche die eigenthümliche Physio- 
gnomie durch besondere Zusammenstellung oder Aneinan- 
derreihung der verschiedenen Pflanzenformen erhalten hat. 
Wollte man nun die gesammte Vegetation nach jenen ei- 
genthümlichen Physiognomieen, welche dieselbe darbietet, 
eintheilen, so müfste, wie wir es so eben gesehen haben, 
diese Eintheilung eine doppelte sein, einmal nämlich eine 
geographische und einmal eine rein botanische. Wird das 
geographische Prinzip dieser Eintheilung der Vegetation 
nach ihrer Physiognomie zum Grunde gelegt, so theilt 
man die Vegetation nach den Ländern und gröfseren Erd- 
massen, worauf dieselbe vorgefunden wird, und nennt sol- 
che Abtheilungen: Floren, welche durch den Namen der 
Länder bezeichnet werden. Andere Schriftsteller über 
diesen Gegenstand haben dergleichen Abtheilungen Re- 
gionen *) und pflanzengeographische Reiche ge- 
nannt **). Herr De Candolle und Herr Schouw haben 
auf diese Weise. zuerst eine pflanzengeographische Einthei- 


*) $S. De Gandolle Dict. des scienc. nat. T. XVIIL p. 411. 
*) S. Schouw Grundzüge u. s. w. pi 505. 


125 


lung der ganzen Erdoberfläche aufgestellt und ich werde 
in der Folge zeigen, wie weit ich derselben folgen zu 
müssen glaubte. 


I. Die Physiognomik der Vegetation. 


Die Wirkung der organischen Kraft zeigt sich immer 
reger und immer mächtiger, je mehr man sich aus den 
nordischen Gegenden entfernt und sich dem Aequator nä- 
hert; dort herrscht Einförmigkeit, so oft mit Armuth ge- 
paart, hier aber die gröfste Mannigfaltigkeit, verbunden mit 
Fülle und Ueppigkeit. Immer mehr und mehr zeigen sich 
die Formen der Gewächse entwickelter; sie erscheinen 
gleichsam vollkommener, je mehr sie sich den heifsesten 
Gegenden der Erde näheren, so dafs man dieses unbedingt ° 
dem schaffenden Einflusse der gröfseren Wärme und des 
Lichtes zuschreiben mufs. 

Indessen wenn auch den tropischen Gegenden die 
gröfste Zahl von Pflanzen mit herrlichen, hoch entwickel- 
ten Blüthen zukommt; wenn auch die Mannisfaltigkeit 
der schönsten Formen daselbst noch so grofs ist, dafs der 
gefühlvolle Mensch auf das wundersamste davon ergriffen 
wird, so möge man es nicht verkennen, dafs auch allen 
anderen Gegenden ihre eigenthümlichen Schönheiten zu- 
kommen. Es ist nicht immer die Masse der Vegetation, 
es ist nicht immer die grofse Ueppigkeit derselben, welche 
den reizenden Eindruck auf den Menschen macht, son- 
dern es ist hauptsächlich die Vertheilung der verschiede- 
nen Pflanzen-Formen durch einander; das gehörige Ver- 
hältnifs zwischen der Pflanzenmasse und der Form der 
Oberfläche der Erde. 

Zergliedern wir auf diese Weise den Total-Eindruck, 
welchen die Anschauung der Vegetation auf uns hervor- 
ruft, so ist es nicht zu verkennen, dafs gewisse Formen 
der Pflanzenwelt es sind, welche an irgend einem Orte, 


126 


mehr oder weniger, vorherrschen und dadurch am meisten 
die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dergleichen Pflan- 
zenformen, welche den Charakter einer Gegend bestim- 
men, sınd entweder dieser ganz allein eigen, oder sie 
kommen auch noch in anderen Gegenden vor, entweder 
ebenfalls vorherrschend und den Charakter der Vegetation 
bestimmend, oder nur diese Vegetations-Form daselbst 
repräsentirend. Die Schönheit dieser Pflanzenform, ihre 


sonderbare Gestalt, ihre imponirende Gröfse, ihre herrli-. 


che Färbung und was dergleichen Eigenthümlichkeiten noch 
mehr sind, sie geben der Physiognomie der Gegend den 
Charakter. 

So unendlich vielfach die Zahl der verschiedenen 
Pflänzenarten ist, so lassen sieh aus denselben eine gerin- 
gere Anzahl von Hauptformen hervorheben, welche nicht 
etwa durch künstliche Charaktere zu Gattungen und zu 
gröfseren Gruppen zusammengestellt sind, sondern nur 
durch ihren Total-Eindruck, welchen sie auf den Men- 
schen machen, zusammengehören. 

Diese Hauptformen der Gewächse näher kennen zu 
lernen, ist für eine pflanzengeographische Eintheilung der 
Erdoberfläche von der höchsten Wichtigkeit, denn gerade 
sie bestimmen hauptsächlich die Physiognomie der Natur 
verschiedener Gegenden. Herr Alexander von Humboldt 
hat zuerst eine solche Eintheilung der Gewächse nach ih- 
ren hauptsächlichsten Formen aufgestellt, und diese. wird 
den ferneren Untersuchungen über diesen Gegenstand im- 
mer zum Grunde gelegt werden müssen. Ist man erst 
etwas. vertrauter mit den verschiedenen charakteristischen 
Pflanzenformen bekannt, so wird es leicht sein, sogleich 
das Eigenthümliche einer jeden Flora zu erkennen, und 


die Physiognomie der Natur in jedem Lande zu charakte- 


risiren. 

So führen wir hier die einzelnen Hauptformen der 
Pflanzen auf, theils gestützt auf eigene Anschauung in der 
neuen und in der alten Welt, theils nach einem genauen 
Studium der besten Reisebeschreibungen. Es ist. voraus- 


127 


zusehen, dafs sich diese Zahl der Hauptformen immer 
mehr und mehr vergröfsern wird, je ausführlicher die Flo- 
ren fremder und noch wenig bekannter Länder durch rei- 
sende Botaniker erforscht werden, welche sich mit beson- 
derem Eifer dieser Wissenschaft widmen möchten. 


A. Specielle Betrachtung der Physiognomie der 
einzelnen Hauptformen der Pflanzen. 


4) Die Gräser oder grasartigen Gewächse. 


Wir beginnen mit den Gräsern, deren Auftreten in 
grofsen Massen unter der Form der Wiesen und Triften, 
uns Allen so bekannt ist. Das herrliche Grün einer un- 
absehbaren Grasdecke macht einen lieblichen, zu angeneh- 
mer Fröhlichkeit uns stimmenden Eindruck; es ist ein 
charakteristischer Zug für die Physiognomie der Natur in 
nordischen Gegenden. Es ist eigenthümlich wie die Men- 
schen gerade die Gräser hervorgehoben haben, um durch 
ikren Anbau eine sichere Quelle der Ernährung zu haben, 
obgleich die meisten von ihnen nur einen sehr kleinen 
Saamen haben, und daher die Erziehung grofser Massen 
äufserst mühsam ist; indessen ich werde diesen Gegen- 
stand im der letzten Abtheilung, wo über die Cultur der 
nahrhaften Gräser die Rede ist, ausführlicher erörtern. 

Mit der Cultur der Cerealien mufste sich der Mensch 
an feste Wohnsitze gewöhnen, und so wurden sie ein 
der wichtigsten Hebel für die Cultur des Menschenge- 
‚schlechts; später haben sie den. Wohlstand der Völker 
herbeigeführt. Ueberall, wohin gegenwärtig die Völker 
ziehen, dahin führen sie die Cerealien mit sich, wenn nicht 
das rauheste Clima dem Anbaue derselben entgegensteht. 
Aber wie grofs der Einflufs dieses Culturzweiges auf die 
Physiognomie der Natur ist, das möge man in Ländern 
betrachten, welche seit Jahrtausenden der Sitz der eulti- 
 virten Völker sind, wie Italien, Griechenland, der Orient, 
China u. s. w. Das südliche Europa ist im Verhältnifs 
zum nördlichen Europa baumlos zu nennen, doch sicher- 


128 


lich ist es in früheren Zeiten eben so reich an Wäldern 
gewesen, wie noch gegenwärtig Deutschland und Rufs- 
land, obgleich auch hier die Cultur des Bodens schon gro- 
fse Fortschritte gemacht hat. Welch einen herrlichen 
Anblick gewähren uns dıe reifenden Saaten, wenn sie, 
unabsehbare Felder bedeckend, von dem leisesten Winde. 
bewegt werden; wie das hohe Meer, vom Sturme bewegt, 
zeigen solche Graswälder ihren Wellenschlag, welcher 
durch eigenthümliche Strahlenbrechung mit einer bestän-- 
digen Nüaneirung der Färbung verbunden ist. Die Reis- 
felder in den wärmeren Gegenden bieten einen ähnlichen 
Anblick dar; so häufig zeigen sie allein in jenen tropi- 
schen Gegenden das herrliche Grün, woran der Bewohner 
des Nordens von Jugend auf gewöhnt ist. 

Indessen diese niedrigen Gräser, welche Wiesen und 
Triften bilden, sind nur den kälteren Regionen und den 
kälteren Hälften der temperirten Regionen eigen; in der 
subtropischen Zone und innerhalb der Wendekreise wer- 
den sie durch grofse, oft baumartige Formen ersetzt; 
schon im südlichen Europa beginnt ein riesenhaftes Gras, 
Arundo Donax nämlich, welches hauptsächlich im nördli- 
chen Afrika zu Hause ist, nun aber auch nach der neuen 
Welt hinübergeführt worden ist, wo es in den spanischen 
Colonien fast überall gut gedeiht. 

Die Pflanzen, welche im Allgemeinen mit dem Na- 
men der Gräser belegt werden, gehören zwei grofsen Fa- 
milien an, wovon die eine die wirklichen Gräser und die 
andere die sogenannten Halbgräser oder Cyperoideen ein- 
schliefst. Sowohl die Gräser wie die Cyperoideen haben 
gewisse Formen, welche in verschiedenen Zonen der Erde 
besonders vorherrschend sind. In den heifsen Gegenden 
sind es die Bambusaceen, die Saccharineen, Oryzeen, 
Olyreen, Chlorideen und Paniceen, welche daselbst vor 
allen andern Grasformen vorherrschen, ja mitunter auch 
dieser Zone allein eigen sind; die Hördeaceen, Bromeen 
und Agrostideen sind dagegen extratropische Formen. 
Eben dieselbe Vertheilung stimmt auch bei der Verbrei-. 


129 


tung der Gräser mit steigender Höhe. — Bei den Cype- 
raceen ist die Vertheilung der einzelnen Formen noch 
deutlicher; die Gattung Cyperus hat ihr Maximum in den 
Tropen, und sie nimmt aufserhalb der Wendekreise ab. 
Die Gattung Carex hat dagegen ihr Maximum in der 
Nähe des Polarkreises und nimmt gegen Norden und ge- 
gen Süden hin ab. Die Gattungen Scirpus und Schoenus 
greifen über das Areal jener beiden Gattungen und treten 
nicht so bestimmt auf. 

Wenngleich die Form der nordischen und der tro- 
pischen Gräser so wesentlich verschieden erscheint, so ist 
doch auch bei diesen die Erscheinung des gesellschaftli- 
chen Wachsthumes ganz allgemein, ja in einem ähnlichen 
Maafse, wie wir es an unseren nordischen Gräsern beob- 
achten. Die herrlichen Bambusen, welche Bäume von 30 
und 50 Fufs Höhe bilden und in den Tropen und den 
subtropischen Zonen beider Continente vorkommen, bil- 
den häufig die unabsehbarsten Wälder und sind so dicht 
neben einander gestellt, dafs dergleichen Massen undurch- 
dringlich sind. Die Form der Bambusen ist aufserordent- 
lich lieblich, ihre schlanken Stämme mit winkelförmig ge- 
stellten Aesten und den leichten Grasblättern, sind etwas 
ganz sonderbares; der Nordländer erinnert sich bei ihrem 
Anblicke der vaterländischen Weiden. Auch benutzt man 
die Bambuse in tropischen Gegenden zur künstlichen Ver- 
zierung der Landschaft, ganz auf ähnliche Weise, wie man 
es bei uns mit der Trauerweide zu thun pflegt, und ein 
schöner Rasen, wenn auch hauptsächlich durch Cyperoideen 
gebildet, an seinem Umfange mit Bambusen umkränzt, wie 
ich ihn in Indien gesehen habe, gehört zu den reizendsten 
Naturschönheiten. 

Die Verbreitung der Bambusen, dieser baumartigen 
Gräser, hat mehrere Eigenthümlichkeiten aufzuweisen; 
eigentlich nur den Tropen angehörig, ist es auffallend, dafs 
mehrere, Arten aus dieser Familie auf der Westküste von 
Südamerika tief hinabgehen, denn man findet sie in Chile 
noch unterhalb des 36sten Grades, und auf Neu-Seeland 

ei 


130 


wohl noch tiefer. Auch auf den Südsee-Inseln finden sich 
Bambusen, ich habe sie auf Oahu, einer der Sandwichs- 
Inseln beobachtet, doch ist es noch unbekannt, zu welcher 
Gattung diese Art gehört. 

Eine andere Gruppe von riesigen Gräsern der wär- 
meren Zonen ist die kleine Familie der Saccharinen; sie 
gehören zu den anmuthigsten Formen, oft bilden sie lange 
undurchdringliche Haufen von schilfartigen Blättern, aus 
denen sich die langen und schlanken Schafte mit den gro- 
fsen Büscheln von Blüthen erheben, deren silberweifse 
Farbe schon aus weiter Ferne auffällt. Gleich hochgeho- 
benen Fahnen werden diese silberweifsen Knospen von 
dem Winde bewegt, welche zu 20 und zu 30 Stück ge- 
wöhnlich aus einem einzelnen Haufen dieser Pflanzen kom- 
men. Im nördlichen Chile, in der Provinz Copiapo, dicht 
an den Ufern des kleinen Baches, weicher dieses Land 
durchfliefst, habe ich einige der schönsten Gräser dieser 
Pflanzen- Gruppe aufgefunden; es waren das Gynerium 
Neesii n. sp. und das Gynerium speciosum n. sp., sie 
wuchsen daselbst neben hohen Phragmites- Arten, wärend 
sich das riesenmäfsige Equisetum bogotense, oft 10 und 
18 Fufs hoch und mit Tausenden von Aestchen bedeckt, 
zwischen durch empor hob. Auch Herr v. Martius rühmt 
die Schönheit dieser Grasformen, welche in unabsehbaren 
Reihen an den Ufern der Brasilianischen Gewässer vor- 
kommen soll; die Indier daselbst machen ihre Pfeile aus 
den Blumenschaften dieser Gräser, welche oft auf 6,7, 8, 
und selbst auf 10 Fufs Höhe fast blattlos sind. Das Zuk- 
kerrohr tınd unser Arundo Phragmitis, welches die Ufer 
der nordischen Teiche und Seen einfafst, zeigt mit jenen 
Gynerien grofse Aehnlichkeit, nur an Schlankheit und 
Schönheit der Formen stehen sie ihnen weit nach. 

Auch die Cyperoideen zeigen einige sehr ausgezeich- 
nete Pflanzenformen, welche auf den Charakter der Land- 
schaft grofsen Einflufs haben;, in den niederen Fluren Ost- 
indiens sind sie es meistens, welche an den Ufern der 


131 


Ströme den grünen Rasen bilden, doch einige Gattungen 
dieser Gruppe zeigen hohe, schlanke Formen, wozu haupt- 
sächlich die Papyrus-Staude gehört, so wie die Arten der 
Gattung Cladium u. Ss. w. 

Eine andere Gruppe von grasartigen Gewächsen bil- 
den die Eriocaulon-Arten, meistens den heifsen Gegenden 
eigen, und die Eriophora, welche jene in den temperirten 
und kalten Zonen vertreten. Die Individuen dieser Gruppe 
tragen mehr oder. weniger weifs gefärbte Köpfchen auf 
schlanken Stielen, welche oftmals, höchst interessant con- 
trastirend, aus dem umgebenden dunkeln Grün hervortre- 
ten. In tropischen Gegenden beider Indien sind die Erio- 
caulen sehr gewöhnlich; im südlichen China sind sie über- 
all an dem Rande der stehenden Gewässer zu finden, wo 
sie sich oftmals zu 2, 3 und selbst 4 Fufs Höhe erheben und 
bei dem leisesten Luftzuge mit den Köpfchen zusammen- 
stofsen; die niedlichen Blümehen der Utricularia bicolor 
und anderer Arten dieser interessanten Gattung stehen 
daneben. Aber wer kennt nicht den Eindruck, welchen 
in unsern nordischen Gegenden die weifsen, wolligen Köpfe 
der Eriophora machen, wenn sie zur Reife gekommen, oft 
die ausgedehntesten Strecken von moorigem Sumpfboden 
auf das angenehmste verzieren; zwischen den Haufen der 
gemeinen Juncus-Arten und zwischen niedrigen Weiden 
erheben sie sich daselbst, und der Wind richtet sie gleich 
Windfahnen, bis sie ihre Laufbahn vollendet haben und 
zerstäubt werden. 

Noch eine sehr ausgedehnte Gruppe unter den Grä- 
sern bilden die Restiaceen, welche auf den südlichsten 
Theil von Afrika beschränkt sind und ganz eigenthümlich 
zu den monotonen Formen der übrigen charakteristischen 
Gewächse jenes Continentes passen. 

Schliefslich mache ich noch auf die Binsenform auf- 
merksam, welche hauptsächlich durch die zahlreiche Gat- 
tung Seirpus dargestellt wird,” die neuerlichst in so viele 
verschiedene Gattungen getheilt worden ist. Viele Jun- 
eoideen reihen. sich, der Form nach, ganz dicht an die 


9* 


132 


Binsen, und führen dadurch diese Form von eigentlichen Was- 
serpflanzen auch auf das trockene Land. Die Binsenpflan- 
zen gehören zu den Uferpflanzen, deren wir schon früher 
pag. 71 gedacht haben; ihre schlanken blattlosen Stiele, 
womit sie, gleich einem Walde, die Ufer der stehenden 
Gewässer einfassen, imponiren durch ihre zahllose Masse, 
geben aber der Landschaft etwas höchst Einförmiges. 


2) Die Scitamineen-Form. 


In der Form der Scitamineen im weiteren Sinne ist 
die der Gräser nicht zu verkennen; es herrscht eine grosse 
Aehnlichkeit zwischen beiden, nur das Blatt der Scitami- 
neen ist meistens breiter und fleischiger geworden, und 
die Blume zeigt eine Farbenpracht, welche den Gräsern 
gänzlich abgeht. So wie die Gräser dem gröfsten Theile 
der gesammten Menschenzahl die tägliche Nahrung darbie- 
ten, so sind es’ einige Arten der Scitamineen-Form, näm- 
lich die Bananen, welche den weniger ceultivirten Men- 
schen der tropischen Zone die gewöhnlichste Nahrung 
darreichen. Wärend der Mensch mit der, immer zuneh- 
menden Cultur der Cerealien die Landschaft einförmiger 
macht, wird. dieselbe, durch die Anpflanzungen der Ba- 
nanen in tropischen Gegenden, wenn auch unbewufst, von 
dem rohen Indier verschönert. Wo der Naturmensch in- 
nerhalb der Wendekreise seine Hütte aus Bambusrohr 
oder Palmblättern zusammensetzt, da pflanzt er auch ei- 
nige Stöcklinge von Bananen, und mit dieser Quelle von 
Nahrung schmückt er vorzüglich seine einfache Wohn- 
stätte. 

Man könnte die Scitamineen-Form der Gewächse in 
zwei Unterabtheilungen bringen, die eine möchte die Sci- 
tamineen im engeren Sinne umfassen, wozu die Canneen 
gehören, und die andere die Musaceen, welche gleichsam 
baumartige Scitamineen sind, wenn wir nur dem Total- 
Eindrucke folgen, welchen diese Gewächse in der Phy- 
siognomie einer Gegend auf uns machen. Zu diesen Mu- 
saceen gehören erstlich die Bananen, die herrlichen Ura- 


133 


nien und die prachtvollen Heliconien und Strelitzien. 
Keine andere Pflanzenform entwickelt eine solche Pracht 
und Mamnigfaltigkeit in der Farbe der Blüthen, als gerade 
die Seitamineen, selbst die Lilien- Gewächse und die Or- 
chideen möchten von ihnen übertroffen werden. Das 
Blatt der Bananen und der Uranien erlangt eine so 
aufserordentliche Gröfse, dafs das Parenchym derselben 
nach vollkommener Ausbildung nicht mehr zusammenhält, 
es springt in mehr oder weniger regelmäfsigen Abständen 
auseinander, daher auch, bei jedem grofsen Pisangbaume, 
immer einige Blätter vorkommen, welche mehr oder we- 
niger herabhängen und der Breite nach gespalten sind. 
Welch einen herrlichen Anblick gewährt die goldrothe 
Blume einer Strelitzia, in der Mitte ihrer dunkel blau- 
grünen Blätter! In den dichten Wäldern der Tropen fin- 
det sie sich auf feuchtem Boden, oft in der Nähe kleiner 
Gewässer, und wird durch hohe und schlanke Farrn be- 
schattet, welche ihr grofses und feingetheiltes Blatt be- 
ständig in zitternder Bewegung erhalten; oder hohe Stämme 
stehen daneben, deren Rinde mit einem Heer von ausge- 
zeichneten Schlingpflanzen bedeckt ist, aus welchen die 
srofsen glänzenden Blumen der Aroideen hindurchblicken. 
Die Urania, der Form nach eine Musa mit seitlich ge- 
stellten Blättern, gehört zu den üppigsten und ausgezeich- 
netesten Pflanzen. Die Urania speciosa hat man von Ma- 
dagascar nach Java übergeführt und selbst in China habe 
ich dieselbe angepflanzt gesehen; die Holländer nen- 
nen diesen schilfartigen Baum den Wasserbaum, da eine 
ganz enorme Masse von reinem, wasserartigen Nahrungs- 
safte aus dem Stamme oder den Blattstielen desselben 
fliefst, wenn er angeschnitten worden ist. Ich habe eine 
Pflanze der Art blühend gesehen, welche täglich vielleicht 
ein ganzes Quart dünnflüssigen Honig’s aus einer einzigen 
Blumenscheide absonderte und Hundert-Tausenden von In- 
sekten durch diesen ihren Tod bereitete. Ein Riese un- 
ter diesen Gewächsen ist die prachtvolle Urania ama- 


134 


zonica, mit welcher uns H. Martius *) bekannt gemacht hat. 
Auf einem Stamme von 30 Fufs Höhe entwickelt sie, in 
der Mitte ihrer gewaltig grofsen Blätter, eine riesenmäfsige 
Aehre von kahnförmigen Scheiden ; schon wenige ihrer 
Blätter -reichen hin, um eine ganze Hütte zu decken. 

Die Bananen-Form der Gewächse ist fast ausschliess- 
lich auf die tropische Zone beschränkt, nur wenige Ge- 
wächse derselben gehen über die Grenze derselben hinaus, 
jedoch wird die Cultur der Pisange bis weit in die sub- 
tropische Zone hinein betrieben. Die Gewächse mit Ba- 
nanen-Form pflegen unter den Wendekreisen selten über 
1400 Fufs hinauszugehen, doch so wie auch die Palmen 
höchst auffallende Ausnahmen von diesem Gesetze auf- 
zuweisen haben, finden wir sie auch bei diesen Pflanzen. 
Herr v. Humboldt beobachtete nämlich in einer Höhe von 
6600 Fufs über dem Meere eine Pisang-Form, welche 
42 Fufs hoch war und ein so dichtes Gebüsch bildete, 
dafs man die gröfste Mühe hatte, um, mit der Axt in der 
Hand, einen Weg hindurch zu bahnen **). Wahrschein- 
lich gehört diese Pflanze zur ‚Gattung Maranta oder zur 
Gattung Heliconia. | 

Die Scitamineen, welche die Bananen-Form gleich- 
sam im Kleinen darstellen, sind ebenfalls auf die heifse 
Z,one angewiesen; ihr herrliches Laubwerk, von dem hell- 
sten Grün gefärbt, macht, wegen der geringeren Höhe der 
Pflanzen, weniger Eindruck bei der allgemeinen  Physio- 
gnomie einer Gegend. Viele von diesen Gewächsen ste- 
hen gesellig neben einander; auf den Sandwichs-Inseln, 
wie auf den Philippinen habe ich grofse Strecken ganz 
mit diesen Scitamineen bedeckt gefunden. Einige Alpi- 
nien, Amomum-Arten und Cannen erheben sich schon zu 
bedeutender Höhe, und ihr breites und glänzendes Laub, 


*) Reise nach Brasilien III. p. xx. 
*") S. A. v. Humboldt Naturgemälde p. 61 und dessen Reise etc. 
I..p. 428. 


135 


verziert durch wundersam schöne Blumen, tragen zum 
Schmucke der tropischen Fluren nicht wenig bei. 


3) Die Pandanen - Form. 


An die Bananen-Form oder an die Seitamineen im 
Allgemeinen, möchten sich die Pandanen und Dracaenen 
anschliefsen; ihr Einflufs auf den Character der tropi- 
schen Vegetation ist ganz entschieden; sie zeigen lange, 
mehr oder weniger gerade, linien-lanzettförmige Blätter 
von einem glänzenden Grün, welche in regelmäfsigen Spi- 
rallinien gestellt, den Gipfel mehr oder weniger hoher 
und gerader, oder sich windender Stämme dick belauben. 

Gewöhnlich sind die Pandanen-förmigen Gewächse 
mit unverästelten Stämmen versehen; erst mit vorschrei- 
tendem Alter verästelen sie sich an den Gipfeln. Aufser 
den Dracaenen gehört die zahlreiche Gattung Pandanus 
und Freycinetia hieher. Die wirklichen Pandanen gehö- 
ren der alten Welt an und herrschen daselbst innerhalb 
der Wendekreise; die Gattung Freyeinetia geht tiefer 
hinab, denn sie kommt selbst auf der Norfolk-Insel zum 
Vorschein. Die Pandanen der neuen Welt, nämlich die 
Gattung Phytelephas Ruiz et Pav., sind stengellos und 
haben gefiederte Blätter *), aber auch das Phormium te- 
nax von Neu-Zeeland und dessen Umgegend, wäre als eine 
stengellose Pandanen-Form zu betrachten. 

Einige Dracaenen gleichen in der Form den Scita- 
mineen; Dracaena terminalis bald mit grünem, bald mit 
rothgefärbtem Laube, ist eine ausgezeichnet schöne Pflan- 
zenform, welche auf den Inseln der Südsee sehr häufig 
vorkommt. “Auf den Sandwichs-Inseln pflanzt man dieses 
Gewächs rund um die Hütten und bildet mit demselben 
lebende Zäune von eigenthümlicher Schönheit, welche. die 
Höhe von 5 Fufs nicht zu übersteigen pflegen. Die knol- 
lige Wurzel der Dracaena terminalis ist reich an Amylum 
und Zucker, daher sie zur Bereitung geistiger Getränke 


*) $S. Kunth Handbuch der Botanik. Berlin 1831 p. 240. 


136 


mit grofsem Vortheile angewendet wird; man schneidet 
alsdann die Wurzel von den ausgezogenen Stämmen ab 
und steckt diese später wieder in die Erde, wo sie als- 
bald ihre Wurzeln von Neuem treiben. 

Der kolossale Drachenbaum (Dracaena Draco), wel- 
cher in dem Städtchen Orotava auf Teneriffa steht, ge- 
hört zu dieser Pflanzen-Form; seine Höhe von 70 Fufs 
und sein Umfang von 45 Pariser Fufs *) machen ihn 
zu einem Riesen unter den Pflanzen, dessen Alter we- 
nigstens über die Erbauung der Pyramiden hinausgehen 
mufs. Der Stamm dieses Baumes ist hohl, so dafs 
man gegenwärtig in demselben durch eine Treppe bis 
zu der Höhe hinaufgehen kann, wo er sich in Aeste zu 
theilen beginnt. Am 21. Juli 1818 hat ein heftiger Or- 
kan einen grofsen Ast von diesem Colosse abgebrochen, 
wodurch ein freier Raum an dieser Stelle entstanden ist, 
auf welchem mehrere Personen stehen können. In den 
früheren Zeiträumen ist der ächte Drachenbaum gleich ei- 
nem Bananen-Gewächse astlos; erst im höheren Alter 
entwickelt er Aeste und dann erhält er, dem Habitus nach, 
gröfsere Aehnlichkeit mit den wahren Pandanen. 

Die Pandanen, nämlich die Arten der zahlreichen Gat- 
tung Pandanus, sind überall in tropischen Gegenden der al- 
ten Welt zu Hause, wo die Erde oder die Atmosphäre 
eine hinreichende Menge von Feuchtigkeit besitzt. Auf 
der Halbinsel Macao, im südlichen China, habe ich die 
üppigsten Pandanen selbst im fliegenden Sande beobach- 
tet, doch nicht sehr entfernt von dem Meere, wo also die 
Luft bedeutend feucht war. Auf den Philippinen, auf Java, 
Sumatra und auf den Halbinseln Indiens herrscht überall, 
von der Küstengegend an bis in die Regionen der baum- 
artigen Farrn, die Pandanen-Form vor. Oftmals bilden 
die Pandanen gerade aufsteigende Stämme von bedeuten- 


*) Siehe Alex. v. Humboldt’s Ansichten der Natur. 1808. p: 236. 
und Observations sur le Dracaena Draco L. par Sabin Berthelot, 
ın den Novis Actis Acad. C. L. C. nat: curiosorum. Tom. XI, Pars 
II. p. 773. mit schönen Abbildungen von diesem Baume. 


137 


der Dicke, deren Blättermasse eine Krone von der Form 
einer Kugel darstellt; andere Arten, mit weniger dicken 
Stämmen, leben in mehr oder weniger grofsen Massen 
gesellschaftlich nebeneinander, und ihre blattlosen Stämme, 
nur an dem Gipfel belaubt, winden sich nach verschiede- 
nen Richtungen. Aber die sonderbarsten und nur der 
heifsen Zone eigenthümlichen Formen zeigen die Panda- 
‚nen, wenn ihre Stämme mit Luftwurzeln bedeckt sind, die 
gleich dicken, straffigezogenen Tauen, nach allen Richtun- 
gen hin in die Erde steigen und den Hauptstamm festhal- 
ten. Auf den Gebirgen der Philippinen, und zwar in der 
Region der baumartigen Farrn, da habe ich die sonder- 
barsten Bildungen der Art kennen gelernt; aus einer Höhe 
von 12 und 15 Fufs stiegen die Luftwurzeln dieser Pan- 
danen-Stämme hinab und, indem sie mehrere Fufs entfernt 
von dem Stamme in die Erde hineingehen, führt der Weg 
oft zwischen ihnen hindurch, wenn nicht ihre zu grofse 
Anzahl dem Vorschreiten hinderlich ist. 

Aber nicht nur in der Physionomie der Natur spie- 
len die Pandanen eine so grofse Rolle, sondern auch im 
Haushalte der Menschen; die Blätter aller Pandanen wer- 
den zur Bereitung von groben Matten benutzt und in den 
Wohnungen der Indianer findet man sie häufig in Anwen- 
dung gesetzt. Auf den Südsee-Inseln ist der Pandanus 
odoratissimus der gewöhnlichste, welcher vielfach benutzt 
wird; seine Blüthen sind von dem ausgezeichnetsten Ge- 
ruche, so dafs dieser Baum in Arabien und Aegypten *) 
seiner Blumen wegen cultivirt wird. Die Indianerinnen 
auf den Südsee-Inseln bestreuen sich mit dem Blumen- 
staube dieser Pflanze die Haare **). Die Frucht dieses 
schönen Pandanus erreicht die Gröfse eines Kinderkopfes 
und ist aus vielen Steinfrüchten zusammengesetzt; sie äh- 
nelt der Ananas, mit der sie auch die herrliche Goldfarbe 


*) $. Bove Relation abrege d’un voyage botanique en Egypte 
dans les trois Arabies, en Palestine et en Syrie etc. 


*) S. Forster De plantis esculentis insularum Oceani australıs. 


Berolini 1786. pag. 41. 


138 


gemein hat, aber der innere Theil der einzelnen Frucht- 
schuppen (Steinfrüchte), ist von der schönsten gelben 
Farbe. Die Indianerinnen der Südsee-Inseln fädelen die 
einzelnen Schuppen der Frucht zu langen Kränzen, wo- 
mit sie den Hals, den Kopf und die einzelnen Arme ver- 
zieren, auch lange Kränze davon über die Schultern ge- 
worfen tragen. In Fällen der Noth, wenn grofser Mangel 
an Früchten herrscht, wird auch die Frucht des Pandanus 
odoratissimus als Nahrungsmittel gebraucht, doch ihre fa- 
serige und holzige Struktur möchte nur sehr. wenigen 
Nahrungsstoff geben. Man saugt nur den inneren Theil 
der einzelnen Fruchtschuppen aus. 


4) Die Form der Ananasgewächse. 


Die Ananas-artigen Gewächse schliefsen sich unmittel- 
bar an die Pandanen an; die Form ihrer Blätter ist fast 
dieselbe, nur werden sie von einem mehr graublauen 
Grüne getüncht. An Blüthenpracht übertreffen sie die 
meisten der tropischen Pflanzen-Formen; grofse Aehren 
oder Rispen entwickeln sie aus dem Centrum ihrer Blät- 
termasse, deren einzelne Blüthen die mannigfaltigsten Far- 
ben zeigen. Eine grofse Anzahl dieser Pflanzen ist sten- 
gellos und nur sehr wenige zeigen einen Stamm, ähnlich 
den Pandanen-Gewächsen. 

Die Ananas (Bromelia Ananas L.), welche in un- 
sern Gewächshäusern gezogen wird, ist ein Repräsentant 
dieser Pflanzenform, welche aber innerhalb der Wende- 
kreise, wo ihr Vaterland ist, eine Höhe von 4 und 5 
Fufs erreicht. Ich glaube sicherlich, dafs die Ananas 
in der neuen und in der alten Welt zu Hause ist, denn 
schon Pigafetta, auf der ersten Weltumsegelung unter 
Magalhaen, beschreibt die Ananas als eine der kostbarsten 
Früchte der moluccischen Inseln, jedoch ist es wahrschein- 
lich, dafs diese Früchte verschiedenen Arten angehören. 
Die Ananas, sagt Barchwitz *), indem er von.Lethy und 


*) Ost-Indische Reiscbeschteibung. Erfurt 1751. p. 239. 


139 


den anderen Süd-Western-Insein spricht, wächst gerne an 
Flüssen und feuchten Oertern und ist 13 Ellen hoch. 
Auf Banda läfst man die zerschnittene Ananas-Frucht eine 
Viertelstunde in Brunnenwasser liegen, ehe man sie mit 
Wein ifst. In der Aequatorial-Zone und in den tropischen 
Zonen Amerika’s wird die Ananas in grofser Menge an- 
getroffen, und in Surinam, in Brasilien, wie auch in In- 
dien, wird sie zur Einfassung der Felder benutzt, indem 
sie sehr dichte, gegen Thiere schützende Hecken bilden, 
da ihre Blätter scharf gerandet und gezähnt sind. Auf 
Singapore wird die Ananas im Grofsen gebauet, um ihre 
Blattfasern zur Bereitung feiner Zeuge zu benutzen. Die 
meisten Ananas-förmigen Gewächse erscheinen, ihrem 
Totaleindrucke nach, gleich stengellosen Pandanen; sie 
gehören aber hauptsächlich zu denjenigen Pflanzen, welche 
die grofse Ueppigkeit, ja das Uebermaafs hervorrufen hel- 
fen, wodurch sich eine echt tropische Vegetation auszeich- 
net. Die Bromelien, die Tillandsien, Pitcairnien, Guzman- 
nien und andere Gattungen, leben in gröfster Anzahl, als 
parasitische Gewächse auf der Rinde und den Aesten an- 
derer Bäume. In Peru habe ich einzelnstehende Bäume 
und Sträucher gesehen, welche fast ganz mit Tillandsien 
bedeckt waren, aus deren bleigrauem Laube die pracht- 
vollsten Blüthen-Aehren sich erhoben und auf deren Blät- 
ter wiederum niedliche goldgelbe Ramalinen wuchsen. Die 
Tillandsia usneoides L. von einer bleichen, silbergrauen 
Farbe überzieht die tropischen Bäume Amerika’s wie mit 
einem Flore, ähnlich den langen Usneen in den Kiefer- 
waldungen feuchter nordischer Gebirge; doch jene Tilland- 
sia erreicht eine aufserordentliche Länge, und hängt in 
Massen herab, welche oft die einzelnen Theile der Bäume 
ganz verschleiern und, von dem leisesten Winde bewegt, 
hin- und herwallen, wie riesenhafte Silberlocken. Andere 
Pflanzen dieser Form imponiren durch ihre riesigen Mas- 
sen, denn die Bromelia Pinguin, wie H. v. Martius *) be- 


*) Reise nach Brasilien. III. pag. XVII. 


140 


richtet, breitet ihre mächtigen Blätterbüschel auf zwölf 
Fufs im Durchmesser aus und, obgleich sie selbst eine 
Schmarotzerpflanze ist, wird sie ebenfalls mit Moosen und 
anderen kleinen Schmarotzergewächsen überzogen. Ob- 
gleich diese Ananas-artigen Gewächse den heifsen Zonen 
eigenthümlich angehören, so giebt es doch einige Formen 
von Tillandsien, welche sich auf tropischen Gebirgen zei- 
sen, daselbst in der alpinen Region zu Hause sind und 
selbst bis in die Region des ewigen Schnee’s hineinragen. 
Diese kleinen Tillandsien, welche auf den grofsen Höhen 
der Cordillere vorkommen, bilden daselbst die ausgebrei- 
tetsten Rasen, welche durch die bleigraue Farbe ihres Lau- 
bes den einförmigsten Anblick gewähren. Ja auf den Hö- 
hen von Mexico ist eine Usneen-artige Tillandsia, hoch 
in der temperirten Region, zu Hause; sie bedeckt die Co- 
niferen, besonders den Juniperus jener Gegenden, so wie 
die interessanten Yucca-Bäume, als Yucca filamentosa, 
welche durch jene Schmarotzerpflanzen mehr weifs, als 
grün erscheinen *). 

Durch die eigenthümliche Form der Blätter dieser 
Pflanzen, welche wie Schuppen den Stengel umschliessen, 
werden in der Tiefe ihrer Blättermassen kleine Behälter 
gebildet, welche sich mit Thau und Regenwasser füllen 
und dieses noch lange frisch erhalten, wenn schon rings 
umher, durch den Eintritt der trockenen Jahreszeit, aller 
Regen und alle Feuchtigkeit verschwunden ist. Der Rei- 
sende mufs sich öfters mit diesem Wasser behelfen, wel- 
ches meistens schon von einer Unzahl von Insekten und 
von Laubfröschen in Besitz genommen ist. 


5) Die Agaven-Form. 


Die Agaven-förmigen Gewächse zeigen unter den 
Monocotyledonen, neben den Palmen die schönsten For- 
men, und viele von ihnen sind auch von riesenhafter 


*) Schiede Botanische Berichte über Mexico. Linnaea. Bd. 1829. 
pag. 2295— 230. 


14 


Gröfse, sowohl die stammlosen, als auch diejenigen, welche 
mit mehr oder weniger hohen: Stämmen versehen sind. 
Das Laub der Agaven-förmigen Gewächse besteht in 
erofsen Büscheln, deren Blätter äufserst fest und starr, 
oft aber dick und fleischig sind; diese. linien -lanzettför- 
migen Blätter, oftmals von einer enormen Ausdehnung 
und Masse, stehen dicht übereinander und breiten sich 
nach allen Richtungen aus. Um so interessanter erscheint 
diese Pflanzenform, wenn jenes Büschel starrer Blätter 
auf hohe und schlanke Stämme gesetzt ist, wie dieses bei 
der Gattung Yucca, der Gattung Fourcroya, Vellozia und 
Barbaeinia der Fall ist; alles Pflanzenformen der. neuen 
Welt. Die Gattung Fourcroya Vent. zeichnet sich ganz 
vorzüglich durch riesenhafte Massen aus, welche in äufserst 
interessanter Form auftreten; die Fourcroyen, wie ihre 
nächsten Verwandten, die Agaven, gehören dem mexikani- 
schen Reiche und den nördlichsten Gegenden Südameri- 
ka’s an, diejenigen Formen, welche man auf Madagascar 
und im südlichen China davon gefunden haben will, wer- 
den wahrscheinlich einer anderen Gattung angehören. Die 
Agaven und Fourcroyen erreichen oft ein sehr hohes Al- 
ter, bis sie zur Blüthen-Entwickelung kommen, und mit 
dieser Lebensperiode, worin sie sich, der übermäfsigen 
Masse von Blüthen wegen, welche sie entwickeln, gleich- 
sam überreitzen, ist ihre Laufbahn zu Ende; sie sterben 
alsdann ab. Im Jahre 1793 blühte im Pflanzen - Garten 
zu Paris die prachtvolle Fourcroya gigantea, nachdem sie 
seit dem Anfange des Jahrhunderts daselbst gezogen wor- 
den war. Indessen ein Riese aus dieser Gattung, sowohl 
durch seine Gröfse, wie durch sein hohes Alter, ist neu- 
lich in der Fourcroya longaeva Karw. et Zuccar. *) be- 
kannt geworden, denn diese Pflanze, welche Karwinski 
auf den Gebirgen der mexikanischen Provinz Oaxaca, in 


*) Ueber einige Pflanzen aus den Gattungen Agave und Four- 
eroya von Zuccarini. Acta Acad. C. L. C. Tom. XVI. pars II. pag. 
569 mit einer vortrefflichen Abbildung der Fgureroya longaeva auf 


Tab. XLVINM. 


142 


einer Höhe von 9—10000 Fufs gefunden hat, zeigte ei- 
nen schlanken Stamm von 40—50 Fufs Höhe und 12—18 
Zoll Dicke, wo dann erst das grofse Büschel von 5—6 
Fufs langen Blättern begann, aus dessen Centrum sich 
eine Rispe von 30—40 Fufs Höhe erhob, welche über 
und über mit unzählbaren weifsen Blumen bedeckt war, 
Demnach erreichen die Fourcroyen, diese gestämmten 
Agaven, deren Stämme so schlank wie diejenigen der Pal- 
men sind, eine absolute Höhe von 80-90 Fufs; welch 
einen Anblick mufs solch ein schilfartiges Gewächs dar- 
bieten! Ein Alter vielleicht von 3—400 Jahren ist dazu 
nöthig, um solch eine monocotyledonische Pflanzenform 
zu entwickeln. An diese Pflanzenform schliefsen sich un- 
mittelbar die mexikanischen Yuccen an, welche auch mit 
jenen unter ganz ähnlichen Lokalverhältnissen vorkommen. 
Herr Schiede *) erzählt von diesen schattenlosen Wäl- 
dern der mexikanischen Gebirge, welche in der Region 
der Coniferen daselbst vorkommen, und aus Bäumen .be- 
stehen, deren Höhe über 30 Fufs hinausgeht; die sonder- 
baren Usneen-förmigen Tillandsien von silbergrauer Farbe 
hängen von ihnen in grofsen Massen herab und: geben 
dem Baume ein winterliches Kleid, wärend die naheste- 
henden Arten dieser Gattung, in den wärmeren Regionen 
dieser Landschaft, eine Lebendigkeit und durch ihre schö- 
nen Blüthen eine Pracht entwickeln, welche nur von we- 
nigen andern Pflanzenformen übertroffen wird. So wie 
die riesenmäfsige Rispe der Fourcroya durch ihre Masse 
imponirt, denn die Fourcroya longaeva mag vielleicht mehr 
als 20000 Blüthen in ihrer Rispe entwickeln, so macht 
die Blüthe der Yucca einen angenehmen Eindruck durch 
ihre Schönheit, denn man denke sich eine Menge von Tul- 
pen-ähnlichen Blumen von den ausgezeichnetsten Farben, 
auf hohen Stämmen vereinigt. Einige der Yuccen, so wie 
die Vellozien und Barbacenien sind mit wenig verästelten 
Stämmen versehen, und zeigen alsdann eine grofse Aehn- 


*) L_ c. Linnaea von 1829. pag. 223, 


143 


lichkeit mit den Pandanen-förmigen Gewächsen, so dafs 
andere Botaniker die Dracaenen sogar: zur Agaven-Form 
gezogen haben *). Gewifs ist es, dafs die Pandanen-Form 
einerseits durch die Dracaenen, so wie die Agaven -Form 
durch die Yuccen in einander übergehen. Auch die Aga- 
ven Mexiko’s, welche gleichsam stammlose Fourcroyen 
sind, imponiren durch ihre eigenthümliche Form, wie durch 
ihre Massen; obgleich ihre Blätter grofs und fleischig sind, 
wachsen sie dennoch in Gegenden, deren Boden fast was- 
serlos ist, denn oftmals besteht er ganz aus Felsen, nur 
hie und da etwas Dammerde zeigend. Die üppigen Blu- 
men-Rispen, welche diese Gewächse, oft zu 16 und 20 
Fufs Höhe, mit Tausenden von Blüthen geschmückt ent- 
wickeln, tragen nicht wenig dazu bei, die öden Gegenden 
zu beleben, in welchen die Agaven meistens wachsen. 
Bekanntlich sind einige Arten dieser Gattung ganz vor- 
zügliche Nutzpflanzen, und sie werden von den Mexika- 
nern in einem sehr ausgedehnten Maafsstabe cultivirt. 
In der alten Welt gedeihen diese Pflanzen bei entspre- 
chenden Climaten sehr wohl, und auch hier giebt es Ge- 
genden, wo die Agaven in solcher Menge angepflanzt sind, 
dafs sie auf den Character der Vegetation einen wesent- 
lichen Einflufs ausüben. Auf den Canarischen Inseln und 
auf St. Helena benutzt man die Agaven zur Bepflanzung 
der Wege, und wenn diese Pflanzen daselbst zur Blüthe 
kommen, gewähren sie, schon aus der weitesten Ferne, 
den reizendsten Eindruck. 

Den Agaven der neuen Welt entsprechen die Aloe- 
(Gewächse in der alten Welt; viele von ihnen gleichen, 
dem Habitus nach, auf das genaueste den Agaven -förmi- 
gen Gewächsen, sowohl denen mit Stämmen, als auch den- 
jenigen ohne Stämme. Fast alle Aloe-Arten sind im süd- 
lichsten Afrika zu Hause, wo sie die subtropische Zone 
einnehmen; nur einige wenige Formen repräsentiren diese 
Gattung in der subtropischen Zone der nördlichen Hemi- 


*) S. v. Martius Reise nach Brasilien. III. pag. XVl. 


144 


sphäre, wie z. B. Aloe vulgaris De Cand. in Griechenland, 
in Arabien und weiter östlich nach Indien hin, selbst auf 
den Mascarenischen Inseln kommt noch eine Art dieser 
Gattung, nämlich Aloe macra Haw. vor, doch in der neuen 
Welt fehlt diese Pflanzengruppe gänzlich; einige Arten 
sind gegenwärtig daselbst eingeführt und werden ange- 
bauet.. Auch die Aloe-Gewächse zeigen mitunter ganz 
riesenhafte Individuen; die Aloe dichotoma, welche auch 
in unseren Gewächshäusern eine bedeutende Gröfse er- 
reicht, soll am Cap der guten Hoffnung zuweilen einen 
Umfang von,;3 bis 400 Fufs erreichen, und dennoch ist der 
Boden im Allgemeiner nirgends trockener, als gerade in 
diesen Gegenden, wo die Aloe-Gewächse vorkommen. 

Durch einige Lachenalien schliefsen sich die Aloe-Ge- 
wächse an das Phormium von Neu-Seeland und durch 
dieses an die Pandanen-förmigen Gewächse. 


6) Die Palmen. 


Als die edelste aller Pflanzenformen betrachtet man 
die Palmen; so vielfach verschieden sie auch sind, so be- 
steht ihr Charakter dennoch. in einem hohen nnd schlan- 
ken Stamme, auf dessen Gipfel ein mächtiges Büschel von 
riesenmäfsigen Blättern emporsteigt. Die Palmen errei- 
chen mitunter die aufserordentlichste Höhe, so dafs sie 
hoch über die Gipfel der höchsten tropischen Wälder hin- 
aussteigen. Palmen von 70, 80 und 100 Fufs sind gar 
nicht selten, doch die Wachspalme aus der Cordillere von 
Quindiv., welche Herr Alexander v. Humboldt und Bon- 
pland beobachtet haben, erreicht eine Höhe von 160—180 
Fufs und noch dazu, was aufserordentlich auffallend ist 
in einer Höhe von 9000 Fufs, wärend die Palmen inner- 
halb der Wendekreise nur selten über 3000 Fufs hinaus- 
gehen. Wie auffallend contrastiren dagegen die stammlo- 
sen Palmen, welche den Gattungen Chamaerops und Nipa 
angehören, nur selten erreichen diese in freier Natur eine 
Höhe von 5—6 Fufs, dagegen wird Chamaerops humilis 
in Gärten zu einem hohen Baume gezogen mit schlankem 


D 


145 


Stamme. Ganz abweichend von diesen hochstämmigen 
Palmen sind die rohrartigen mit dünnem, gewundenen 
Stamme, wozu die Gattung Calamus gehört; sie sind die 
stacheligten Schlingpflanzen in den Wäldern der heifse- 
sten Region Ostindiens. Oft eine Länge von 4-, 5- und 
600 Fuis erreichend, steigen diese schlanken und meistens 
sich windenden Stengel auf die Gipfel der höchsten Bäume, 
von wo aus sie wieder herabsteigen oder nahestehende 
Bäume umschliefsen, und diese auf das festeste mit ein- 
ander verbinden. Doch das schöne gefiederte Blatt dieser 
Rohrpalme, welches mit dem schlingenden Stengel auf der 
Rinde dicker Baumstämme hinaufsteigt, dient nicht wenig 
zur Belebung und Verzierung jener Urwälder. 

Nicht nur die Form der Blätter, welche bald lang und 
einfach ist, bald gefiedert und bald fächerförmig ist, nicht nur 
das dunkele glänzende Grün, oder der silberweifse Anflug, 
welchen die Blätter vieler Palmen zeigen, sondern die 
Richtung und die Gröfse dieser Blätter, im Verhältnisse 
zu der Höhe des ganzen Stammes sind es, welche den 
Palmen ein so verschiedenartiges Ansehen geben. Welche 
Majestät mufs die Jagua-Palme zeigen,. welche die Granitfel- 
sen in den Katarakten von Atures und Maypure umkränzt? 
Ihre schlanken und glatten Stämme erheben sich, wie Herr 
Alexander von Humboldt erzählt, bis 60 und 70 Fufs 
Höhe, so dafs sie über das Dickigt des Laubwaldes, wie 
Säulengänge hinausragen. Ihre Blätter, meistens nur 7 bis 
S Stück, gehen fast senkrecht, 14 bis 16 Fufs hoch auf- 
wärts, und bilden ein luftiges, leicht sich bewegendes Ra- 
pital zu jenen Säulen. Welche Ueppigkeit und welche 
Pracht zeigen dagegen die Fächer- und Schirm-Palmen, 
deren ausgedehnte Wedel, mehr oder weniger horizontal 
laufend, die ganze Umgegend beschatten,- wenn sie, hoch 
genug, durch den Stamm emporgehoben sind. Die Mani- 
caria saccifera Gaertn., die einzige brasilianische Palme 
mit ungetheilten Blättern, bringt dieselben von 20 Fufs 
Länge und 6 Fufs Breite hervor. Diese Blätter werden 
ihrer Gröfse und Festigkeit wegen ganz vorzüglich zum 


10 


146 


Dachdecken benutzt *). Weniger schön, ja man möchte 
sagen: keine Spur von der Ueppigkeit einer ausgewach- 
senen Fächerpalme zeigend, erhebt sich die niedere Cha- 
maerops nur bis zu einer geringen Höhe, und fällt mehr 
durch ihre auffallende Form in die Augen, als durch ihre 
Schönheit. 

Andere Palmen, welche die Wedel ihrer hohen Kro- 
nen herabhängen lassen, ‘gewären wiederum einen anderen 
Eindruck, ganz verschieden von demjenigen, welchen die 
schlanken, mit himmelanstrebenden Wedeln besetzten Pal- 
men-Stämme hervorzurufen vermögen. Auf der Westküste 
von Südamerika, besonders in Chile, hat man, mitten in 
den Klostergehöften einen hohen Palmbaum stehen; in 
Chile ist es die ehemalige Cocos chilensis, gegenwärtig 
durch den unglücklichen Bertero Molinaea mierococos ge- 
vannt, sie bildet glatte, hohe und dicke Stämme, welche 
durch ihre Masse imponiren, doch die herabhängenden 
Wedel ihrer Laubkronen und das bleiche Ansehen dieser 
Blätter, wie die Bleifarbe ihres Stammes macht einen 
höchst melancholischen Eindruck, entsprechend dem des 
ganzen Klosterlebens. ; 

Nicht wenig verschieden ist der Antheil, welchen die 
Palmen, bei der Darstellung der Physiognomie der Natur 
nehmen, je nachdem sie einzeln aus der Mitte anderer 
Gewächse hervorragen, oder in mehr oder weniger grofsen 
Massen gesellschaftlich neben einander wachsen; es sind 


mehr die zwergartigen Palmen, welche in grofsen Massen 


neben einander wachsen, und da,scheint dieses gesell- 
schaftliche Wachsthum auf die Gleichmäfsigkeit des er- 
forderlichen Bodens zu beruhen. In den sumpfigen Ge- 
genden der Philippinen, der anderen naheliegenden grofsen 
Inseln, so wie der Moluccen, findet man weit ausgedehnte 
Flächen, welche ganz mit der Nipa-Palme (Nipa frutes- 
cens L.) bedeckt sind, die ihre Stämme im Moore ver- 
steckt hält. Auch der Chamaerops Palmetto, in der Nähe 


”) v. Martius Reise III. 989. 


f 
EEE SEE ESSENER 


147 


von New-Orleans, bedeckt in unabsehbaren Schaaren die 
ausgedehnten Sümpfe, welche in der Nähe dieser Stadt 
liegen; auch Chamaerops humilis, der Repräsentant der 
Palmen in Europa, liebt die sumpfigsten Gegenden und 
kommt auf diesen, sowohl in Italien, wie in Sicilien und 
in Spanien vor, stets in grofser Gesellschaft, doch durch 
ihre geringe Höhe wenig auf den Charakter der Gegend 
einwirkend. Es giebt aber auch hochstämmige Palmen, 
welche gesellschaftlich wachsen und Wälder bilden, deren 
bezauberndes Bild schon so oft die Phantasie des Dich- 
ters erregt hat. Die Dattelpalme, welche uns zunächst 
vorkommt und ganzen Nationen die Hauptnahrung dar- 
bringt, bietet einen gesellschaftlichen Pflanzenwuchs dar, 
in dessen Schatten sich die Menschen ansiedeln. Auch die 
weltberühmte Cocos-Palme (Cocos nucifera L.), welche 
die Küsten Indiens, wie auch die Ufer der Südsee-Inseln 
belebt, erscheint nicht selten in mehr oder weniger grofsen 
Gesellschaften. In gröfseren Massen neben einander wächst 
die Fächer-Palme am Ausflusse des Orinoco, die berühmte 
Mauritia flexuosa L. nämlich, ein Baum, welcher den 
wilden Guaraunen ihre Unabhängigkeit sichert. An den 
neben einander stehenden Stämmen dieser Palmwälder er- 
richten jene Völker ihre Hütten auf festgebundenen Mat- 
ten, und, wenn der Boden überschwemmt ist, dann leben 
sie, gleich den Affen, hoch auf den Bäumen und fahren 
in kleinen Kähnen von Ort zu Ort. Eine Naturscene der 
Art findet sich in v. Sack’s Reisebeschreibung nach Suri- 
nam. dargestellt. 

So viel man von dem Lobe der Palmenwälder gehört 
hat, so häufig die Dichter das Reizende solcher Natur- 
scenen besungen haben, und so gewifs es auch ist, dafs 
die edele Form der Palmen alle übrigen Bäume übertrifft, 
und die Palmenhaine, durch ihre stolzen, himmelanstre- 
benden Stämme auf eigenthümliche Art imponiren, so sucht 
man dennoch vergebens in diesen Palmenwäldern nach 
der lachenden Schönheit, welche ein hellbelaubter Laub- 


wald in unseren nordischen Regionen darbietet. Der kühle 
10 * 


148 


Schatten unserer Buchenhaine und das Heer der fröhlichen 
Sänger wird dorten vergebens gesucht. Doch die Palme 
ist die edelste Pflanzenform, sie gehört fast ausschliefslich 
den heifseren Gegenden an, wohin man einst die Wiege 


des Menschengeschlechts setzte, und ihr Lob schliefst das 


der ganzen wärmeren Zone mit ein, denn wo die Palmen 
wachsen, dahin versetzt man das glückliche Clima, wo die 
Natur selbst, ohne Zuthun des Menschen, eine Fülle von 
herrlichen Nahrungsmitteln erzeugt, wo die Rinde der 
Bäume die hinreichende Kleidung giebt, und jeder Ort, 
unter dem Schutze eines leichten Blätterdaches, dem Men- 
schen die angenehmste Wohnung darbietet. Dahin, wo die 
süfse Frucht der Dattel reift, wo die Cocos-Palme maje- 
'stätisch sich erhebt, setzt man den Sitz des glücklichen 
Naturmenschen. Der fantasiereiche Dichter preist das 
Land, wo der Mensch noch in solchem Naturzustande lebt. 

Die Form der Palmen nimmt im Allgemeinen an Schön- 
heit zu, je mehr man sich dem Aequator nähert; gerade- 
stämmig und unverästelt ist ihre Normalform, doch die 
schöne Palme von Theben, die Cucifera thebaica *), nimmt 
einen verästelten Stamm an. 

Eine kleme Unterabtheilung in der Palmen-Form bil- 
den die Cycadeen, einschliefsend die Gattung Cycas 
und Zamia. Die Arten der Gattung Cycas gehören der 
Form nach gänzlich zu den Palmen, obgleich die Struktur 
ihrer Früchte die Gattung näher den Coniferen stellt; sie 
sind nur der alten Welt, hauptsächlich den östlichsten 
Gegenden derselben eigen. Die Zamien dagegen weichen 
bedeutender von der Form der Palmen ab, und die afri- 
kanischen und neuholländischen Arten dieser Gattung bie- 
ten oftmals die sonderbarsten Gestalten dar. In den-trocke- 
nen und vegetationslosen Ebenen des südlichen Afrika’s, 
da wo der Straufs seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, da 


*) Eine schöne Abbildung dieser Pflanze findet sich in dem 
grofsen französischen Werke über Aegypten. 


149 - 


stehen die Zamien mit ihren bizarren Formen *); es sind 
unförmlich dicke Stämme, nur wenig hoch und auf ihren 
Gipfeln mit einem Schopfe weit aus einander stehender 
Wedel besetzt. Es liegt, wie ich sagen möchte, etwas 
höchst ungeschicktes und unproportionirtes in der Gestalt 
dieser palmartigen Gewächse, welches ganz zu der Einför- 
migkeit einer südafrikanischen Landschaft palfst. 


7) Die Farrn-Form. 


So aufserordentlich verschieden die Form der Farrn- 
kräuter ist, so sind die hohen und stämmigen Arten und 
Gattungen dieser Pflanzen den Palmen so nahe stehend, 
ihrer Form nach wenigstens, dafs es zuweilen möglich 
wird, die Stämme -dieser beiden Pflanzenformen mit ein- 
ander zu verwechseln; dafs dieses auch oftmals schon 
statt gefunden hat, beweisen die Angaben von den vielen 
versteinerten Palmen in unsern nordischen Gegenden, wel- 
che, wie neuere Untersuchungen nachgewiesen haben, fast 
durchgängig den Farrn und Cycadeen angehören. 

Die Farrnbäume vereinigen in sich den edlen Wuchs 
der Palmen mit der Zartheit der niederen Farrn, und er- 
langen dadurch eine Schönheit, wie die Natur wohl nichts 
Aehnliches wieder aufzuweisen hat. 

Von den Farrn sind es hauptsächlich die hohen mehr 
baumartigen, welche auf die Physiognomie der Vegetation 
einen besondern Einflufs ausüben, und diese sind es auch, 
welche den Palmen am meisten ähneln. 

Man kann die ganze Gruppe der Farrn ihrer Form 
nach in drei verschiedene Abtheilungen bringen, nämlich 
in krautartige, in strauchartige und in baumartige Farrn. 
Die Zahl der krautartigen Farrn ist hauptsächlich den 
temperirten und kalten Zonen eigen; hier sind nur äu- 
fserst wenige Arten, welche einen kleinen Stamm bilden 


**) Siehe hiezu die bildlichen Darstellungen über das Vorkom- 
men dieser Pflanzen, in der allgemeinen Gartenzeitung von 1834 


Nro. 41. Tab. I. und Tab, IV. 


150 , 


und eine Höhe in ihren Wedeln erreichen, welche sie den 
strauchartigen Pflanzen ähnlich macht. Struthiopteris ger- 
manica ist ein solches Farrnkraut unserer Zone, welches 
die strauchartigen Farrn der subtropischen und tropischen 
Zone in unseren kälteren Gegenden repräsentirt. Viel- 
leicht findet man unsere Benennung: strauchartige Farrn, 
anstöfsig, da alle diejenigen, welche dazu gehören, eigent- 
lich Bäumchen mit kleinen Stämmen sind, ganz so, wie 
die sogenannten stammlosen Palmen; indessen wir wäh- 
len nur defshalb einen solchen Namen für diese Gruppe 
von Farın, um sie dadurch entsprechend von den hohen, 
baumartigen Farrn zu unterscheiden, und um dadurch die 
physiographische Schilderung einer Gegend specieller aus- 
führen zu können. Auch unter den krautartigen Farrn 
giebt es einige, welche eine aufserordentliche Höhe errei- 
chen, wie die Pteris aquilina, welche in unseren Climaten 
so häufig grofse Flächen bedeckt; doch ihre Wedel stehen 
einzeln, nie in solchen Büscheln vereinigt, wie ber den 
strauchartigen Farrn, wo die Wedel aus dem Gipfel eines 
kleinen Stämmchens hervortreten. 

Die Zahl der krautartigen Farrn ist auch in den hei- 
fseren Gegenden nicht minder grofs, doch der Einflufs, 
den sie auf den Charakter der Vegetation daselbst aus- 
üben, ist von ganz anderer Art, denn, so wie in kälteren 
Zonen die krautartigen Farrn, in der Erde wachsend, so 
zahlreich sind, so sind es in den heifsen Gegenden die 
strauchartigen, wärend hier die krautartigen Farrn mehr 
als Schmarotzer- Gewächse, nämlich auf den Stämmen und 
Aesten anderer Gewächse, vorkommen, wo sie, oft durch 
ihre höchst interessante Form, oft durch die Art ihrer 
Befestigung, und oft durch ihre Färbung der grofsartigen 
Vegetation einen eigenthümlichen Charakter von Schön- 
heit und Ueppigkeit geben. Der heifsen Zone, innerhalb 
der Wendekreise nämlich, sind die baumartigen Farrn ei- 
genthümlich; sie erheben sich mit schlanken Stämmen: von 
20 bis 28 Fufs Höhe, auf deren Gipfel grofse, oft 8 und 
9 Fufs lange, dreifach gefiederte und getheilte Wedel ent- 


r 


. 


151 


springen, welche, bei ihrer aufserordentlichen Zartheit, 
durch den leisesten Wind in beständiges Erzittern gesetzt 
werden. & 

Diese schlanken, oft ganz glatten, und durch die zu- 
rückgebliebenen Blattnarben niedlich gezeichneten Stämme 
erreichen eine Höhe von mehr als 20 Fufs, und sind zu- 
weilen nicht dicker als 3 Zoll. Auf einigen der ostin- 
dischen Inseln treten die baumartigen Farrn in solchen 
Massen auf, dafs ihre Stämme wie die schlanken Fichten- 
und Tannen-Stämme in unseren Schonungen dicht neben 
einander stehen. Zuweilen erreichen die Stämme dieser 
Farrn eine bedeutendere Dicke, oft selbst bis zu 8 Zoll 
im Durchmesser, doch in diesen Fällen sind sie meistens 
mit einer dicken Schicht von mehr oder weniger dicken 
Luftwurzeln umkleidet. WUeberall in den Tropen, wo die 
baumartigen Farrn vorkommen, von der Ebene an bis zu 
3- und zu 4000 Fufs Höhe, da ist der Boden und die 
Atmosphäre reich an Wasser, ja sie scheinen vorzüglich 
_ feuchte Gegenden zu lieben, wo sie neben Musaceen und 
Scitamineen am besten gedeihen. Auch die strauchartigen 
Farrn leben in einer feuchten Atmosphäre, daher sie auf 
den Inseln der Südsee in gröfster Anzahl auftreten; doch, 
wie es mir scheint, herrschen sie mehr gegen die Wende- 
kreise zu, als in der Aequatorial-Zone, daher sie auch 
auf den Gebirgen der Tropen weniger am Fufse, als in 
einer Höhe zwischen 2- und 3000 Fufs erscheinen. 


8) Die Mimosen-Form. 


Von den baumartigen Farrn gehen wir zu den Mi- 
mosen-Formen über, Gewächse, deren Laub eben so fein 
wie dasjenige der Farrn zertheilt ist, und oft noch nied- 
licher erscheint. Die Mimosen und Sophoren mit ihren 
fein gefiederten Blättern gehören ebenfalls fast ausschliefs- 
lich der heifsen Zone an, wenigstens erreichen sie daselbst 
überwiegend ihr Maximum. Sie treten als Sträucher und 
als Bäume auf, welche ihre Aeste ausbreiten wie die Tan- 
nen, und hauptsächlich wie die Araucarien Chile’'s. Tau- 


152 


sende von kleinen Blättchen reihen sich mit gröfster Re- 
gelmäfsigkeit an einander und bilden das gefiederte Blatt 
der Mimosen; begabt mit einer Sensibilität eigener Art, 
ziehen sie sich nach der geringsten Berührung aus ihrer 
Richtung und legen sich ‚gegenseitig zusammen, wärend 
die Erscheinungen des periodischen Schlafens und Wa- 
chens bei keiner andern Pflanzen- Gruppe so deutlich auf- 
treten, als eben bei dieser. Es giebt Gegenden in den 
heifsen und feuchten Zonen, welche ausschliefslich ganz 
mit Mimosen bedeckt sind; ihr fein gefiedertes Laub bie- 
tet dann ein luftiges Ansehen dar, dessen Eindruck be- 
wunderungswürdig ist. Die Erschütterungen des Bodens, 
selbst der Hufschlag des durcheilenden Pferdes ist hinrei- 
chend, um solche Pflanzenmasse in Bewegung zu setzen *). 

So wie die Entwickelung der Vegetation, von den 
Polen an, nach dem Aequator zu, immer vollkommener 
und vollkonmener wird, so zeigen dieses auch, für den 
speciellen Fall, die Leguminosen und aus diesen vorzüg- 
lich die Mimosen-Form. Die wahren Mimosen, welche 
in der alten und in der neuen Welt vorkommen, gehen 
nicht über die Wendekreise hinaus, eine grofse Gruppe 
der Ingen, die stachellosen nämlich, sind nur in Amerika 
zu Hause. Die Acacien dagegen, die Prosopis- Arten, die 
Gleditschien u. s. w., gehen weiter nach den Polen hinauf; 
sie erscheinen schon in den tropischen Zonen in Masse, 
doch auch die subtropische Zone, ja selbst die wärmere 
temperirte Zone hat sie in Menge aufzuweisen. Die Aca- 
cien herrschen vorzüglich in der südlichen Hemisphäre, 
sowohl in der alten, wie in der neuen Welt; Neuholland 


ist bekanntlich das Land der Acacien, wo diese Pflanzen- 


form mit ganz eigenthümlichen Blättern auftritt und da- 
durch der Physiognomie der Vegetation einen ganz eigen- 
thümlichen, man pflest zu sagen, neuholländischen Cha- 
rakter auflegt. Einige Acacien von so auffallender Form, 
wie die von Neuholland, gehen über Neu-Guinea nach 


*) Vergl. v, Martius Reise III. p. XXX VII. 


. 153 


den Südsee-Inseln, und selbst auf den Sandwichs-Inseln 
erscheint eine Acacie, die Acacia heterophylla, welche 
ganz eigentlich die neuholländischen Acacien in der nörd- 
lichen Hemisphäre repräsentirt. In Südamerika, besonders 
auf der Westküste geht die Acacia Caven, so wıe verschie- 
dene Prosopis- Arten bis über Concepeion südlich hinaus; 
diese Gewächse der Mimosen-Form bilden in der Hoch- 
ebene des mittleren Chile’s, selbst über 3000 Fufs hinaus, 
zuweilen ganze Wälder, welche leider, durch die unauf- 
hörliche Verfolgung der Menschen, allmälich ausgerottet 
werden müssen, denn die Chilener lieben diesen stacheligten 
Strauch zur Errichtung von trockenen Zäunen, rund um 
ihre Gärten und Felder. In der Höhe der Cordillere von 
San Fernando, zwischen 2- und 3000 Fufs, wächst 
die Acacia Caven ganz besonders kräftig, denn sie bildet 
daselbst ansehnliche Bäume, wärend sie in den niederen 
ilöhen mehr. strauchartig auftritt. In der nördlichen He- 
misphäre sind es die Gleditschien und Robinien, welche, die 
Mimosen-Form repräsentirend, so hoch hinaufreichen; ja 
die Gleditschien Nordamerika’s und die meisten Robinien, 
welche nach Europa verpflanzt sind, gehen hier bis zur 
subarktischen Zone hinauf, und äufsern gegenwärtig da- 
selbst auf die Verschönerungen der Garten- Anlagen ihren 
mächtigen Einflufs. Die Gleditschien, welche sich zu rie- 
sigen Gröfsen entwickeln, zeigen uns eine Nachbildung 
der Caesalpinien der heifsen Zone. 

Die Papilionaceae, oder Leguminosae mit schmetter- 
lingsförmigen Blüthen, bilden eine Pflanzengruppe, welche 
zwar durch die Struktur ihrer Blüthen und Früchte den 
Mimosen-Formen zur Seite steht, sich aber von diesen 
durch den Totaleindruck, welchen ihre Formen darbieten, 
gänzlich unterscheiden. Die Papilionaceen sind reich an 
Zahl und dehnen sich über den ganzen Erdkreis, bis weit 
über die arktische Zone hin aus, wärend die Mimosen- 
Form schon in dem kälteren Theile der temperirten Zone 
ihre Polargrenze erreicht. Viele der Papilionaceen haben 
statt der gefiederten Blätter der vorigen Pflanzen-Form 


154 


nur gedreite, doch durch den Glanz ihrer Blüthen, welche 
alle Farben umschliefsen möchten, stehen sie den Mimo- 
sen wenig nach; indessen die Pflanzen dieser Gruppe sind 
so 'selten von bedeutender Gröfse oder von auffallender 
eigenthümlicher Form, dafs sie nur dann einen Einflufs 
auf den Charakter der Vegetation ausüben, wenn sie in 
grofsen Massen gesellig neben einander vorkommen. Eine 
Wiese in unseren Zonen, reich an Klee-Pflanzen, an Me- 
lilotus und Medicago - Arten, bietet zur Zeit, wenn sie ihre 
schmuckreichen Blüthen entwickelt hat, einen aufserordent- 
lich angenehmen Anblick dar, wie er in tropischen Gegen- 
den wohl schwerlich zu finden sein möchte. In den gro- 
fsen Steppen der temperirten Zonen der nördlichen He- 
misphäre treten die Astragalen in Masse auf und nehmen 
auch hier, wenngleich auf ganz andere Weise, an der Be- 
stimmung des Charakters der Vegetation Antheil. Hier 
geben sie der Gegend den Charakter der Unfreundlichkeit 
und der Oede, wärend die blühenden Kleefelder die höch- 
ste Fröhlichkeit verbreiten. Auch in den heifseren und 
selbst in den Aequatorial-Gegenden treten die Papiliona- 
ceen zuweilen in grofser Masse auf und üben alsdann, 
hauptsächlich durch die Farbenpracht ihrer Blüthen, auf 
den Charakter der Vegetation grofsen Einflufs. 

Die Gattungen Hedysarum, Indigofera, Crotalaria 
und Dolichos, vertreten die Gattungen Trifolium, Medicago, 
Astragalus, Aspalathus und Lupinus der kälteren Zonen 
in den Tropen, und einige andere Gattungen von grofser 
Arten-Zahl sind dieser oder jener Gegend ausschliefslich 
eigenthümlich. Die Psoralien herrschen in der subtropi- 
schen Zone der südlichen Hemisphäre, wärend die Robi- 
nien in Nordamerika und Asien zu Hause sind. 


9) Die Nadelhölzer. 


So wie wir die Mimosen-Form, wegen der feinen 
Zertheilung der Blätter, an die Farrn anreihten, so rei- 
hen sich an diese, wegen der Schlankheit der Stämme, 
auch die Coniferen. Das dunkele Grün, das Ernsthafte, 


u 


155 


ja das Melancholische der Fichten- und Tannen -Wälder 
unserer kalten Zonen ist gewifs Jedem aufgefallen, der 
die hellgrün belaubten, lachenden Wälder unserer Eichen 
und Buchen damit verglichen hat. Es giebt unter allen 
Vegetations- Formen kaum noch andere, welche so grofse 
Contraste darbieten, wie neben einander stehende Nadel- 
hölzer und Laubhölzer. Die grofse Familie der Coniferen 
ist zwar über den ganzen Erdkreis verbreitet, doch die 
eigentliche Form der Nadelhölzer, nämlich die Gattungen 
Pinus, Abies, Larix und Taxus, gehören ausschliefslich der 
nördlichen Hemisphäre an, woesie durch die temperirten 
Zonen, durch die subarktische Zone und selbst bis in 
die arktische Zone hinein, rund um die Erde einen brei- 
ten Gürtel bilden, und, je höher nach Norden hinauf, im- 
mer mehr und mehr den Charakter der Vegetation, ja die 
ganze Physiognomie der Natur bestimmen. Unsere nor- 
dischen Nadelhölzer erreichen unter günstigen Verhältnis- 
sen eine riesenmäfsige Höhe, so dafs sie zu den höchsten 
Bäumen gezählt werden müssen, welche die Erde bedek- 
ken. Die ausdauernde, immergrüne Belaubung dieser Bäume 
giebt denselben für die subarktische und arktische Zone, 
wo die Winter so lang sind und die Erde anhaltend mit 
einer dieken Schneedecke bekleidet ist, einen besonderen 
Grad von Wichtigkeit, denn hier dienen sie zur Belebung 
der furchtbaren Einöde, welche die starre Kälte über die 
ganzen arktischen Gegenden ausbreitet. 

Die Nadelhölzer ziehen sich neben der Birke am wei- 
testen nach Norden hinauf, denn in Europa sind sie noch 
unter 70° Breite und in Sibirien unter 68° zu finden, 
wenn auch nicht mehr so schlank ausgebildet wie unter 
niederen Breiten. Ebenso steigen diese Gewächse auf die 
äufsersten Höhen der Gebirge, und bilden meistens die 
obere ‚Baumgrenze, was fast für alle Gebirge der nördli- 
chen Hemisphäre gilt. Es ist auffallend, dafs die Nadel- 
hölzer, und zwar die allerähnlichsten Formen, einen so 
weit ausgedehnten Verbreitungs- Bezirk aufzuweisen haben, 
denn Pinus chinensis Lamb,, unserem Pinus sylvestris so 


156 


aufserordentlich ähnlich, bildet auf Macao, dicht am Ufer 
des Meeres, eben so ausgebreitete Wälder, wie Pinus syl- 
vestris bei uns, nur die Menschen sind denselben zerstö- 
rend entgegen getreten, und es werden sehr bald Zeiten 
kommen, in welchen von diesen chinesischen Fichtenwäl- 
dern keine Spur übrig geblieben sein möchte. Auf den 
Inseln, welche im Ausflusse des Tigerflusses zwischen Ma- 
ao und Canton liegen, sind die Rücken der niederen 
Berge, selbst bis zur Küste hinab, mehr oder weniger 
dicht mit der chinesischen Fichte bedeckt, je nachdem die 
Menschen diese Wälder zerstört haben, sonst möchten 
sie schwerlich von unseren Fichten-Waldungen zu unter- 


scheiden sein. Wie in unseren Nadelholz- Waldungen die 


Pyrolae und die Vaceinien wachsen, so findet man dort 
niedere Crotalarien, unsern Genisten ähnelnd, und rauhe 
Osbeckien, auch fehlt es nicht an Orchideen, welche die 
Orchideen unserer Wälder ersetzen. Im Allgemeinen tre- 
ten jedoch die Nadelhölzer der wärmeren Gegenden nicht 
in solchen grofsen, dichten Massen auf, wie bei uns, wo 
sie aufser der Birke und einigen wenigen anderen Pflan- 
zen nur selten etwas Unterholz zeigen, sondern sie ste- 
hen weitläuftiger und Farrn und Rhododendra wachsen 
zwischen ihnen. Wie denn überhaupt dergleichen einför- 
mige Wälder, welche aus. einer einzigen Art von Bäumen 
gebildet werden, wie bei uns die Eichen-, Buchen -, Bir- 
ken-, Tannen-, Kastanien- und andere Wälder mehr, 
sich in tropischen Gegenden nicht mehr zeigen, sondern 
Mannigfaltigkeit herrscht hier bei aller Ueppigkeit. 

Am auffallendsten ist es, dafs alle wahren Nadelhöl- 
zer, nämlich die Gattungen Pinus, Abies, Larix und Taxus, 
der südlichen Halbkugel fremd sind, denn bis jetzt sind 
noch keine Arten dieser Gattungen jenseits des Aequators 
gefunden. Pinüs Dammara, welche mib dem hohen und 
majestätischen Podocarpus auf den Gebirgen Java’s in ei- 
ner Höhe von 3000 Fufs erscheint, ist noch immer so 
unvollkommen bekannt, dafs es sich annehmen läfst, sie 
gehöre zu einer ganz andern Gattung. Im Allgemeinen 


a 


197 


werden die ächten Nadelhölzer der nördlichen Hemisphäre 
durch die Gattungen Araucaria, Podocarpus, Cupressus 
und durch die Casuarinen vertreten, wenn wir diese nicht 
als eine eigene Pflanzenform, zusammengehörig mit Ephe- 
dra, aufstellen. Die Araucarien Südamerika’s gehören zu 
den ausgezeichnetesten Pflanzenformen, besonders die Arau- 
caria imbricata mit ihren grofsen, horizontal ausgebreiteten 
Aesten. Die chilenische Araucaria wächst auf der Cor- 
dillere des südlichen Chile’s, in der Breite von Concep- 
cion sind die nördlichsten Wälder dieser Pflanze zu fin- 
den; sie geht vielleicht sehr tief nach Süden hinab, doch 
‘ist die Grenze unbekannt. An den Ufern der Magalhaen’s- 
Strafse fehlt sie, dagegen findet man daselbst, nach Capi- 
tain King’s Nachrichten, einen Cupressus-artigen Baum. 
Schon Molina giebt uns eine vortreflliche Schilderung 
von der Physiognomie dieses herrlichen Baumes, und Herrn 
Poeppig’s Mittheilungen haben das noch Fehlende ergänzt. 
Der Stamm des Baumes, der etwa 8 Fufs im Umfange er- 
reichen soll, wird 70—100 Fufs hoch und ist glatt, in- 
dem er, wie bei uns die Nadelhölzer es thun, die alten 
Zweige und Blätter abwirft. Die Krone, welche etwa ein 
Viertel der ganzen Höhe einnimmt, gleicht einer vollkom- 
menen viereckigen Pyramide. Zu acht und zwölf stehen 
die unteren Aeste kreisförmig um den Stamm, zu 4 und 
6 in den höheren Winkeln, welche 4 bis 6 Fufs darüber 
stehen. Die Aeste breiten sich horizontal aus und sind 
ganz mit Blättern bedeckt, welche 3 Zoll lang, 1 Zoll 
breit, herzförmig und hart wie Holz sind. Jeder Haupt- 
zweig bildet wieder in gewissen Zwischenräumen Neben- 
zweige, welche ebenfalls im rechten Winkel abgehen und 
dadurch die pyramidenförmige Krone um so dichter ma- 
chen. Die kugelrunden Früchte der Araucaria erreichen 
die Gröfse eines Menschenkopfes und sıtzen an den En- 
den der Zweige; jede Frucht enthält 2- bis 300 Saamen, 
welche doppelt so grofs wie die Mandeln sind, und eine 
wohlschmeckende und sehr beliebte Nahrung den Bewoh- 
nern jenes Landes geben. 20 bis 30 Früchte findet man 


158 


nicht selten auf einem Baume, welche bei ihrer Reife, zu 

Ende März, zerfallen und dann die Saamen ausstreuen. 
Nach den Erkundigungen, welche Herr Poeppig *) 

eingezogen hat, sollen die Araucarien- Wälder nur auf 


der Westseite der Cordillere des südlichen Chile’s vorkom- 


men, und zwar bis Valdivia hinab, nur in sehr bedeuten- 
der Höhe, so dafs sie sich nicht über 2000 Fufs von der 
Schneegrenze entfernen, bis zu welcher sie sich zuweilen 
erheben sollen (!). 

In Neu-Holland bildet Cupressus callitris ausgedehnte 
Wälder, welche mit Encalypten, Acacien und Casuarinen 
wechseln, besonders in Gegenden, wo die Ebenen der 
Flufs-Ufer mit dem gesellig wachsenden Polygonum jun- 
ceum bedeckt sind. Die herrliche Araucaria excelsa, als 
ein himmelanstrebender Baum, ward auf der Norfolk-Insel 
entdeckt, und sie kommt noch auf Van-Diemens-Land, 
also sogar südlicher als 40° vor. 

In weit gröfserer Anzahl treten dagegen auf Neu- 
Holland die Casuarinen auf, welche daselbst ihr Maxi- 
mum erreichen; dem Bau ihrer Früchte nach stehen sie 
den Coniferen so nahe, doch in Hinsicht ihrer Form und 
des Eindruckes, welchen sie auf den Charakter der Vege- 
tation ausüben, sind sie von den Coniferen sehr verschie- 
den. Im Innern von Neu-Holland wachsen die Casuari- 
nen zerstreut zwischen den Bäumen der Acacien- und 
Eucalyptus- Wälder, bilden demnach keineswegs solche 
Wälder wie bei uns die Pinien. 

Die sonderbare Casuarinen -Form, welche in Hinter- 
Indien, auf mehreren Indischen Inseln, auf Neu-Guinea 
und auf einem grofsen Theile der Südsee -Inseln vorkommt, 
wo sie zur Bezeichnung der Trauerstätte dient, wird in 
dem nördlichen Theile der alten Welt, so wie auch auf 
den Gebirgen Amerika’s durch die Gattung Ephedra ver- 
treten. Die kleinern, mehr strauchartigen Ephedren der 
nördlichen Hemisphäre lassen die Casuarinen-Form we- 


*) Reise in Chile u, s. w. I. p. 403. 


159 


niger deutlich erkennen, so wie auch die verkrüppelte 
Ephedra americana, welche auf den Höhen der Cordillere 
von Südamerika vorkommt; in der Cordillere Chile’s aber, 
in den Höhen zwischen 2- und 4000 Fufs, da wächst die 
Ephedra chilensis, ein hoher und ziemlich schlanker Baum, 
dessen Krone wie jene der  Casuarina equisitifolia herab- 
hängt. Nicht wenig überraschend ist die Ephedra neben 
den sonderbaren Säulen der Cactus und den glänzenden 
Blättern der chilenischen Laubwälder. Die Mutisien ran- 
ken an diesen Stämmen der Ephedra hinauf, und ihre 
scharlachrothen Blumen bedecken öfters die Krone dersel- 
ben wie mit einem Teppiche, als wären sie die Blüthen 
des Baumes selbst. 


10) Die Proteen-Form, die Epacriden- und die Ericen - Form. 


Wir haben hier drei grofse Familien neben einander 
gestellt, welche im Allgemeinen, der Form ihrer Indivi- 
duen nach, grofse Aehnlichkeit mit einander zeigen, aber 
‚zusammengenommen die Coniferen der nördlichen Hemi- 
sphäre in der südlichen Hemisphäre vertreten. So wie die 
Coniferen ihr Maximum in der nördlichen Hemisphäre 
hatten, so haben es die Gattungen der Proteen, der Eri- 
cen und der Epacriden in der südlichen Hemisphäre und 
nur einzelne Repräsentanten kommen zu uns herüber, ge- 
hen aber auch gleichfalls bis in die arktische Zone, wie 
die Ericen auf Kamschatka in Lappland und die alte Erica 
coerulea auf Grönland und in Nordamerika beweisen. Die 
Verbreitungs-Bezirke der Pflanzen, welche zu den ge- 
nannten Formen gehören, sind in der südlichen Hemisphäre 
sehr genau beschränkt. Schon Herr R. Brown *), dem wir 
die genaue Kenntnifs der Proteaceen verdanken, sagt, dafs 
keine der Australischen Arten dieser Familie in irgend 
einem anderen Theile der Erde entdeckt worden sei, ja 
sogar keine einzige Art dieser Familie auf der östlichen 


*) General Rem. Flinders Voyage to terre australis, London 


1814. II. p. 568. 


160 


und westlichen Seite von Neu-Holland zu gleicher Zeit 
vorkomme. 

Die Epacriden sind ebenfalls, bis auf einige wenige 
Arten, nur der südlichen Hemisphäre eigen, und hier ha- 
ben sie Neu-Holland zu ihrem eigenthümlichen Vaterlande, 
ganz so, wie die Ericen das Cap der’ guten Hoffnung, 
welche gleichsam nur Repräsentanten in der nördlichen 
-Hemisphäre haben. 

Die Ericen- Bäume im südlichsten Europa, so wie in 
der subtropischen Zone, wo sie auf Teneriffa in gröfster 
Ueppigkeit vorkommen, zeigen, ihrem Total- Eindrucke 
nach, grofse Aehnlichkeit mit gewissen Formen der Coni- 
feren, doch wird ihr kleines und nadelförmiges Laub durch 
die Masse von niedlichen Blumen, welche so oft die gröfste 
Farbenpracht zeigen, auf das angenehmste verziert. Schon 
Herr Alexander von Humboldt verband mit den Heide- 
kräutern oder den Ericen die ähnlich geformten Gattungen 
Passerina, Phylica, Diosma, Gnidia u. s. w., und dadurch 
wird die Ericen-Form etwas weiter verbreitet. 

Bei der Gattung Protea ist das Laub meistentheils 
noch so fein, wie bei einigen Coniferen, doch bei den 
vielen anderen Gattungen der zahlreichen Familie der 
Proteaceen, werden die Blätter mehr oder weniger breiter, 
sie sind dann starr, glänzend auf der Oberfläche, und wie 
bei den Banksien und Dryandren u. s. w. auf der untern 
Fläche mit einem wolligen Ueberzuge bedeckt. 

Auf diese Weise verschwindet in jenen Gattungen 
die ursprüngliche Ericen-Form gänzlich, und es näheren 
sich diese Bäume, ihrer Physiognomie nach, den Laubhöl- 
zern mit steifen und glänzenden Blättern. Die Wälder 
der Banksien und Dryandren in Neu-Holland sind nicht 
mehr schattenlos, wie die der Ericen am Cap der guten 
Hoffnung, ja zuweilen ist ihr Laub breit und dicht zusam- 
mengedrängt, und prachtvolle Blumen -Kolben erheben sich 
auf der Oberfläche der Blätter-Krone, welche denen der 
Myrten-Form ähnlich sind. | 


161 


11) Die Myrten-Form. 


Die Myrten-artigen Gewächse grenzen unmittelbar 
an die Proteen-Form; nicht nur die äufsere Form der 
Blüthen-Kolben der Banksien stimmt mit derjenigen der 
Melaleucen und Metrosideren überein, sondern auch der 
ganze Habitus der Belaubung, wenigstens zwischen einigen 
Gattungen dieser Familien, so wie auch ihr gemeinschaft- 
liches Auftreten. Die Melaleucen, welche mit ihrer der 
Coniferen - Krone ähnlichen Belaubung, eine der haupt- 
sächlichsten Pflanzen - Formen von Neu - Holland bilden, 
tragen hauptsächlich zur Darstellung des Neuholländischen 
Vegetations- Charakters bei, auch sind sie diesem Lande 
fast ausschliefslich eigen, denn nur Melaleuca Leucaden- 
dron und Melaleuca Cajaputi greifen in das Gebiet der 
Ericen-Form über und kommen auf der Südspitze von 
Afrika zum Vorsehein. Wer kennt nicht die Pracht, wel- 
che die Melaleucen, Metrosideren, Beaufortien und Calo- 
thamnen unserer Blumenflor verliehen haben? Aber man 
stelle nur diese hohen Bäume, beladen mit scharlachrothen 
Blüthenkolben, neben glänzende Banksien, neben Hackeen, 
Mimosen-Formen und Casuarinen, um die Herrlichkeit ei- 
ner solchen Vegetation aufzufassen, wo jeder Baum einer 
eigenthümlichen, charakteristischen Pflanzenform angehört, 
welche zwar weniger lieblich sind, als die unserer hell- 
_ grünen Laubhölzer, aber um so prachtvoller auftreten. 

Die schönen Formen der Gattungen Leptospermum 
und Bäckia gehören ebenfalls fast ausschliefslich der Flora 
von Neu-Holland an, die ersteren gleichen ganz auffallend 
unseren Myrten, die Bäckien dagegen, wie z. B. Bäckia 
frutescens, welche auf der Südküste von China in grofser 
Menge vorkommt, zeigt ganz eine Ericen - Form. Die 
zahlreiche Gattung Myrtus, mit ihrem kleinblättrigen glän- 
zenden Laube, mit ihren runden Kronen und dem niedli- 
chen weifsen Blümchen ist in der neuen Welt vorherr- 
schend, doch hat sie überall in der alten Welt ihre Re- 
präsentanten. 


11 


162 . 


Unser Myrtus communis hat im südlichen Europa 
sein Vaterland, und nur künstlich verpflanzt wächst er 
noch an einigen günstigen Orten der kälteren temperirten 
Zone. Wahrscheinlich gehen die Myrten in Südamerika 
bis zu eben derselben Breite südlich hinunter, denn noch 
im mittleren Chile gedeihen die Myrten in üppigster Pracht. 
In der Provinz San Fernando daselbst, bis 35° Breite 
hinab, selbst noch auf Höhen zwischen 1800 und 2000 
Fufs, habe ich Myrten - Stämme °*) beobachtet, welche 
durchgängig einen Umfang von 5, 6 bis 9 Fufs erreichten, 
eine, weit um sich greifende, prachtvolle Krone bilde- 
ten, und mit Hundert- Tausenden von weifsen Blümchen 
bedeckt waren. 

Eine andere Gruppe der Myrten-artigen Gewächse, 
welche von besonders schöner und auffallender Form ist, 
wird durch die zahlreiche Gattung Eucalyptus repräsen- 
tirt, welche auf einem grofsen Theile von Neu-Holland 
ein solches Uebergewicht hat, dafs sie den Charakter der 
Vegetation jenes Landes hauptsächlich bestimmt. Die Eu- 
calypten, welche ausschliefslich Neu - Holland und  Van- 
Diemens-Land angehören, sind mehr oder weniger grofse 
Bäume, ja zuweilen von dem ungeheuersten Umfange; denn 
Eucalyptus globulus Labill. und eine andere, dem Südende 
von Van- Diemens - Land eigenthümliche Art erreichen 
nicht selten eine Höhe von 150 Fufs, wärend der Stamm, 
nahe am Boden, 25 bis 40 Fufs im Umfange zeigt **). 
Die Belaubung der Eucalypten ist ganz eigenthümlich und 
zu der eigenen säbelartigen Form ihrer Blätter, deren 
Ränder gegen den Stamm gerichtet sind, kommt noch eine 
besondere blaugrüne Färbung dieses Laubes, welche der 
Physiognomie dieses Baumes etwas höchst: Ernsthaftes 
giebt. Wie aufserordentlich zahlreich die Arten dieser 
schönen Gattung sind, das möge man, wie H. R. Brown #**) 


*) Myrtus Luma M. u. a. Arten. 
**) S. R. Brown in Flinders Voyage, II. p. 547. 
FMl cp. 547. 


| ‚ 


163 


erzählt, daraus entnehmen, dafs allein um Fort Jackson herum, 
mehr als 50 Arten bekannt geworden sind, welche gröfs- 
tentheils von den rohen Einwohnern unterschieden und 
mit eigenen Namen belegt werden, denn diese Leute wis- 
sen die Arten dieser Gattung nach der Verschiedenheit 
der Farben, der Textur und der Ablösung der Rinde, so 
wie an der Form der Verzweigung und aus der allgemei- 
nen Gestaltung des Baumes weit sicherer zu unterschei- 
den, als es die Botaniker bisher vermogt haben, 

Ja die Eucalypten sind in Neu-Holland.so zahlreich, 
dafs sie fast $ der Wälder dieses Continents ausmachen, 
und dennoch werden sie in keinem andern Lande ange- 
troßen, als nur noch in dem angrenzenden Van - Die- 
mens-Land. 

Ks giebt zwar noch eine Menge von anderen Myr- 
ten-artigen Gewächsen, welche, wenigstens durch die 
Struktur ihrer Blumen und Früchte, mit jenen natürlich 
verwandt sind, deren Form jedoch von jener wahren Myr- 
ten-Form gänzlich abweicht, und sich durch die Gröfse 
des Laubes, so wie durch die Vertheilung der Aeste, 
mehr den gewöhnlichen Formen der Waldbäume unserer 
Zonen anreihen. Die Guajaven (Psidium-Arten), welche 
in beiden Continenten jedes -niedere Gehölz schmücken, 
die Barringtonien, welche an den Quellen und Küsten der 
Indischen Süfswasser -Seen stehen und mit den herabhän- 
genden traubenförmigen Blüthenbüscheln den Rand des 
dicht belaubten Gehölzes höchst angenehm verzieren, so 
wie die Jambosen und Eugenien, welche sich ganz ähn- 
lich verhalten, gehören alle hieher. 


12) Die Form der Laubhölzer. 


Unmittelbar an jene Myrten-Form schliefst sich die 
gewöhnliche Form der Laubhölzer, welche sich, mehr oder 
weniger ähnlich, fast über die ganze Oberfläche der Erde 
durch alle Zonen und Regionen erstreckt, so weit die 
baumartige Vegetation vorkommt. Wohl sind die Con- 
traste zwischen einzelnen Baumarten dieser Form, welche 


11.7 


j 


164 


ich hier zusammenfasse, ganz aufserordentlich grofs, doch, 
wenn wir die Natur im Grofsen betrachten, dann fliefsen 
diese mehr oder weniger zusammen. Ein Weidenbaum 
mit der lichten, schattenarmen Krone, neben einer Buche 
mit ihren zusammengedrängten Aesten und der dichten 
Belaubung, und ein Lorbeer-Baum daneben, zeigen nicht 
wenig Verschiedenheiten, doch, wo diese Formen als Mas- 
sen in grofsen Wäldern auftreten, .da wird man weniger 
auf die Umrisse des Laubes, oder auf die Form der Stämme 
geben, sondern den Totaleindruck auflassen, welchen die 
vereinten Massen mit ihrer schattigen Krone darbieten. 
Unsere heutige Gartenkunst, die, auf einen kleinen und 
beschränkten Raum, alle jene entschiedenen Contraste nach- 
zubilden sich bemüht, welche die Natur im Grofsen dar- 
stellt, kann durch richtige Wahl der neben einander zu 
stellenden Laubhölzer die überraschendesten Effekte her- 
vorrufen. Welch einen höchst interessanten Anblick ge- 
währt die Trauerweide, wenn sie, auf dem Abhange eines 
Hügels, dicht am Rande eines kleinen Gewässers gestellt 
ist! Wie lieblich eontrastirt das blendende Weifs der 
Stämme von Hänge-Birken neben niederem Gehölze mit 
dunkelem ausgebreiteten Laube, und die zarte Zitterpappel 
neben der ehrwürdigen Eiche mit ihrem hellgrünen Laube 
zur Sommerzeit! Ganz eben so ist es in der Natur im 


Grofsen; tritt man aus einem dichten Laubwalde, aus ei-- 


nem Buchen- oder Eichen-Walde z. B., und sieht man 
am Rande desselben einige Birken, deren lang hängende 
Aestchen schon von dem leisesten Winde bewegt werden, 
oder jene Pappel, deren Blätter auf den zartesten Blatt- 
stielchen fast beständig in Bewegung sind, so erkennt man 
die Macht des Eindruckes, welche diese contrastirenden 
Pflanzenformen hervorrufen, erst recht deutlich. 

So grofs und so mannigfach diese Verschiedenheiten 
sind, welche die Laubhölzer aufzuweisen haben, so kann 
man doch wenigstens folgende Hauptformen unterscheiden, 
welche nicht nur von dem Landschafts-Maler, sondern 
hauptsächlich von dem Garten-Künstler zu beachten sind, 


m m mm mm mm 


165 


welcher die auffallendsten Schönheiten der Natur in seinem 
Garten nachahmen will: 

Die Laubhölzer mit breiten und zarten 
Blättern gehören hauptsächlich unseren kälteren Zonen 


an, ja sie sind in der kälteren Hälfte der temperirten 


Zone vorherrschend, so wie die Nadelhölzer in der kalten 
Zone vorherrschen. Man unterscheidet bei diesen Laub- 
hölzern solche mit lichten, weniger schattenreichen Kro- 
nen, wozu Birken, Elsen, Pappeln u. s. w. gehören, ferner 
solche mit unregelmäfsigen Kronen, deren Aeste weit aus- 
einander, nach allen Richtungen hin stehen, wie z. B. bei 
der Eiche, der Linde, Ulme u. s. w., und endlich solche, 
deren Kronen fast kugelrund erscheinen und durch dicht 
zusammmenstehende Aeste und starke Belaubung äufserst 
schattenreich sind. Die Buche, die Rofskastanie u. s. w. 
gehören hiezu. 

Die Laubhölzer mit dicken, lederartigen 
und glänzenden Blättern (die sempervirenten oftmals 


genannt) gehören dagegen der wärmeren Zone an, und 


ebenso auch der kälteren der südlichen Hemisphäre, wä- 
rend in der kälteren der nördlichen Hemisphäre nur ein- 
zelne Repräsentanten dieser schönen Laubhölzer auftreten, 
wie 2. B. Hex Aquifolium. Es sind die Kastanien-Wälder, 
die Lorbeeren- und Oliven-Wälder, welche schon im süd- 
lichen Europa diese Pflanzenform aufweisen, so dafs die 
Physiognomie der südeuropäischen Vegetation so charak- 
teristisch verschieden von derjenigen des nördlichen Eu- 
ropa’s ist *). 

Die Weidenform mit den schlanken Aesten und 
dem lichten, schmalen und spitzen Laube ist eine der 
aufiallendsten unter den Laubhölzern; sie ist über einen 
grofsen Theil der nördlichen Hemisphäre verbreitet, er- 
reicht aber ihr Maximum in dem kälteren Theile der tem- 


*) S. einige speciellere Angaben über die Verschiedenheit der 
Vegetation in der nördlichen und südlichen Hälfte von Europa in 
einer Abhandlung von Willdenow, im Magazin der Gesellschaft na- 
turlorschender Freunde zu Berlin. Berlin 1811. pag. 99. 


166 


perirten und in der subaretischen Zone, hat aber auch 
in der südlichen Hemisphäre ihre Repräsentanten. Der 
Einflufs, welchen die Weiden in unseren nordischen: Zo- 
nen auf den Charakter der Vegetation zeigen, ist nicht zu 
verkennen; sie Jieben die feuchteren Gegenden, besonders 
die Einfassungen der Flüsse und Teiche, einige Arten 
nehmen aber auch mit dem schlechtesten Boden vorlieb. 
An den Ufern unserer Flüsse bilden sie ähnliche Einfas- 
sungen, wie die Mangrove-Wälder auf den Ufern der tro- 
pischen Meere. Viele Weiden überziehen gesellig, in Form 
niederer Sträucher und in gröfster Masse die feuchteren 
Gegenden unserer Zone; sie zeigen oftmals ein angeneh- 
mes silbergiänzendes Laub, indem ihre untere Blattfläche 
mit feinen Härchen bedeckt ist. Die Weiden zeichnen 
sich auch dadurch aus, dafs sie schon früh, wenn die 


übrige Vegetation noch weit zurück ist, ihre Blüthen ent- 


wickeln und später erst die Blätter treiben. Viele von 
diesen Weiden haben so grofse Blüthen, wie wir sie an 
unseren Waldbäumen nicht gewohnt sind zu sehen, und sie 
machen daher auch, wenn sie in grofsen Massen auftre- 
ten, einen höchst befremdenden, aber angenehmen Eindruck, 
besonders da die Zeit ihrer Blüthe in eine Periode fällt, 
wo unsere Fluren und Felder noch arm an Blüthen sind. 
Auch zur Sommerzeit, wenn die weiblichen Kätzchen zur 
Reife gelangt und mit einer weifsen Wolle bekleidet sind, 
zeigen die Weiden eine eigenthümliche Physiognomie. 

Die schönste aller Weidenformen ist die der Trauer- 
weide (Salix babylonica), welche bei uns, wie die Casua- 
‚rinen, mit hängenden Aesten auf den Polynesischen Inseln 
zum Zeichen der Ruhestätte unserer Vorgänger dient und 
durch ihre Physiognomie viel deutlicher spricht, als irgend 
eine Denktafel. 

Die Laubhölzer mit grofsen und beson- 
ders schön geformten Blättern gehören alle der 
heifsen Zone an, so wie die Laubhölzer mit zarten Blät- 
tern unserer temperirten Zone eigen sind. . Die auffallend- 
sten Bäume dieser Form haben mehr oder weniger stark 


167 


behaarte Blätter, oft von ganz enormer Gröfse, wie die 
Ceeropia peltata in den Wäldern Brasiliens, oder beson- 
ders niedlich ausgeschlitztes Laub, wie die Broussonetien 
und der Artocarpus ineisa, und durch ihre Behaarung, 
welche wenigstens in den meisten Fällen vorhanden ist, 
oft mit Silberfarbe glänzend, bilden sie wunderliche Con- 
traste mit dem dunkelgrünen, meistens gefiederten Laube 
der danebenstehenden Vegetation. Die Familie der Urti- 
ceen, der Euphorbiaceen und der Malvaceen zeigen haupt- 
sächlich diese Pflanzenform. _ Das schöne Blatt des Brod- 
baumes *), das silbergraue Laub der Broussonetien und 
Boemehrien wie der Crotonen ist oftmals von ausgezeich- 
net schöner Form und, in grofsen Massen neben einander 
auftretend, gewähren sie einen eigenthümlich überraschen- 
den Anblick. Oftmals treten grofse und prachtvolle Blü- 
then zu dieser Blattform hinzu und vermehren alsdann 
den Reiz der Schönheit dieser Pflanzen. Dieses letztere 
findet hauptsächlich bei den Malvaceen statt, wo die Gat- 
tungen Sterculia, Lavatera, Hibiseus und Ochroma_ diese 
Laubhölzer repräsentiren, welche Herr Alexander von Hum- 
boldt **) unter der Malvenform speciell zusammengefafst 
hat. Der Anblick eines Hibiscus chinensis in Indien, über 
und über mit seinen herrlichen scharlachrothen Blüthen 
bedeckt, oder der schöne schattenreiche Baum des Hibis- 
eus tiliaceus auf den Südsee-Inseln, reich geschmückt mit 
den grofsen prachtvollen Blumen, giebt erst einen voll- 
ständigen Begriff von der Schönheit, welche diese Pflanzen- 
form aufzuweisen hat. 


13) Die Cactus-Form. 


Keine andere Pflanzengruppe zeigt so auffallende For- 
men, als die der Cactus; diese Gewächse, so mannigfach 
ihre Form unter sich ist, imponiren mehr durch das Selt- 
same in ihrer Gestalt, als durch liebliche Schönheit, wel- 


8 
> Artocarpus incisa 1: 


**) Ansıchten der Natur. II. pag. 31. 


165 


che den meisten anderen Haupt-Pflanzen-Formen eigen ist. 
Doch die Natur hat die Unvollkommenheit, in der Aushil- 
dung der Form dieser Gewächse, durch die üppigste Pracht 
‘ihrer Blüthen-Decke abzuhelfen gesucht, denn oft scheint 
es, als ob das ganze Streben dieser Pflanzen nur dahin 
gerichtet ist, um die gröfstmöglichste Masse von pracht- 
voll colorirten Blumen zu erzeugen, womit sie so oft auf 
der ganzen Oberfläche bedeckt sind. Aber welch eine 
aufserordentliche Wirkung auf die Physiognomie der Ve- 
getation, das Contrastirende der Cactus-Formen mit den 
nebenanstehenden Pflanzen anderer Gruppen hervorruft, 
das ist nicht nur in der Natur, sondern heutigen Tages 
überall in unserer Garten-Cultur zu sehen. Einen der 
schönsten Schmucke würden unsere Gärten entbehren, 
wenn ihnen die Cactuspflanzen fehlten, und diese Familie 
ist es vor allen amerikanischen, welche, seit der Entdek- 
kung jenes neuen Continents, sich am allgemeinsten ver- 
breitet hat. | 
Die Cactus-Pflanzen sind bis auf zwei, bis jetzt im | 
östlichen Asien aufgefundene Arten, ausschliefslich der 
neuen Welt angehörig, wo sie sich von 40° nördlicher 
Breite bis 40° südlicher Breite erstrecken, und aus der 
Ebene der Meeresktste bis in die Nähe der ewigen Schnee- 
grenze hinauf steigen; das Maximum dieser Pflanzen ge- 
hört der heifsen Zone an, doch steigen gewisse Formen 
derselben mehr in die temperirteren Zonen, und in heifsen 
Gegenden gehen diese auf die Höhen der Gebirge, wo sie 
ein kühleres Clima finden. ’ 
Diese auffallende Pflanzenform, welche die Familie 
der Cacten bildet, ist gewifs sehr reich an Arten, wenn- 
gleich bis jetzt kaum mehr als 190 derselben beschrieben 
sein möchten; auf das Doppelte dieser Anzahl kann man 
künftig, wenn die Gebirge Amerika’s noch genauer er- 
forscht sein werden, mit aller Gewifsheit rechnen, aber es 
wird lange dauern, bis alle diese Pflanzenformen bekannt 
sein werden, da sie so schwer, oft ganz unmöglich zu 
transportiren sind, und der Reisende dieselben auch nur 


\ 


169 


selten in Blüthe antrifft. Die neueren Botaniker haben 
diese Familie in mehrere Gattungen getheilt, welche sich 
oftmals weniger durch den Bau ihrer Blüthen charakteri- 
siren, als vielmehr durch die auffallendsten Verschieden- 
heiten ihrer Form, so dafs man schon die Gattung be- 
stimmen kann, ehe man die Blüthen gesehen hat. Die 
hauptsächlichsten Formen bilden: 

4) Die Cereen; es sind lange säulenförmige Stämme, 
welche bald 3, 4, 5, 6, 7- und vieleckig, ja oft sogar mehr 
oder weniger rund sind. Diese Cereen sind entweder 
ganz gerade aufsteigend, oder sie sind. kriechend, dabei 
bald verästelt, bald unverästelt; die gerade aufsteigenden 
Cereen erscheinen in der Natur wie Säulen, welche in 
mehr oder weniger grofsen Gruppen vereinigt sind. Die 
Cereen der Ost- und Westküste von Südamerika, die For- 
men, welche dem Cereus peruvianus so ähnlich sind, dafs 
man sie nur schwer unterscheiden kann, wachsen oft zu 
Höhen von 15, 20 und selbst 25 Fufs, wie dieses in Chile, 
in den niederen Höhen der Cordillere von San Fernando, 
selbst bis über 3500 Fufs hinaus, zu sehen ist. Hier 
stehen diese hohen siebenseitigen Cactus in grofsen Hau- 
fen neben einander, welche 10—20 Säulen aus einer und 
derselben Wurzel entwickeln. Einige dieser Säulen sind 
abgestorben, ihre Heischige Umkleidung ist verschwunden, 
und nun steht ein gleichmäfsiger Holzeylinder von wei- 
fser Farbe mitten zwischen den grünen starkkantigen Säu- 
len, welche oftmals ihre 7—8 Zoll langen Blüthen in so 
grofser Menge entwickeln, dafs ein grofser Theil der Kan- 
ten jener Säulen damit bedeckt ist. In einiger Entfernung, 
im Allgemeinen in Entfernungen von 5 und 6 Schritten 
stehen ähnliche Haufen von lebenden Säulen, und nur we- 
nige Pflanzen scheinen sich -diesen gestachelten Fremdlin- 
gen zu nähern. Es giebt in Chile und in Peru grofse 
Ebenen, welche auf unabsehbaren Strecken fast einzig und 
allein mit solchen gruppenförmig wachsenden Cereen be- 
deckt sind und dadurch ein ganz fremdartiges, überra- 
schendes, aber wenig erfreuendes Ansehen erlangen. In 


170 


der Llanura de Rancagua, südlich dem Rio Cachapual in 
Chile, wachsen nur hin und wieder einige Caven-Sträu- 
cher (Acacia Caven }lol.) zwischen diesen Cereen, deren 
Oberfläche so oft mit den scharlachrothen Blüthen des 
Loranthus aphyllus bedeckt ist, aus welchen dann die lan- 
gen weifsen Blüthen der Cereen - Stämme hervorhängen. 
In den Bivouacs auf unserer Reise, im Innern von Chile, 
haben wir oftmals in der Nähe dieser Cereen unser La- 
ger aufgeschlagen, und die trockenen Holzeylinder der 
Pflanzen gaben dann das beste Brennmaterial zur Erhal- 
tung des Feuers. Das Holz dieser Pflanzen erreicht eine 
Dicke von 1—14# Zoll, und der Umfang des ganzen Oy- 
linders (des Holzringes nämlich) beträgt wohl 12—15 
Zoll und darüber; überall in den holzlosen Gegenden der 
Westküste von Südamerika, da wird dieses Holz der Cac- 
tus auf das vielfachste benutzt. © Da es sehr leicht ist, 
wird. es auf die Höhen der Cordillere geführt und auf den 
Plateaus, welche weit über alle Baum- Vegetation hinaus 
liegen, sind Thüren und Schwellen aus diesem Cactus- 
Holze, ohne weitere künstliche Bearbeitung, zusammenge- 
schlagen. | 

. Die säulenförmigen Cactus gehen hoch auf die Cor- 
-dillere hinauf, ich habe sie noch weit über 7- und 8000 
Fufs auf der Cordillere des südlichen Peru, dicht an der 
Aequatorial-Grenze, gefunden, und hier sogar die schön- 
sten Formen, welche mir vorgekommen sind #). In der 
Cordillere von Tacna und von Arequipa fand ich einen 
wahrhaft candelaberförmigen Cactus, welcher die Rücken 
der einzelnen Berge auf eine seltsame Art bekleidete, 
denn sonst war fast keine Spur von Vegetation daselbst 
zu finden, nur hin und wieder erhob sich eine jener son- 
derbaren Cereen, deren Stamsı sich, auf der Höhe von 8 
Fufs und darüber, in eine Menge von Aesten (8—12 an 
der Zahl) zertheilte, welehe rund sind und nach verschie- 
denen Richtungen, bald nach oben, bald nach unten, ja 


*%) S. Meyen’s Reise um die Erde, I. p. 447. 


171 


bald schlangenförmig gewunden nach andern Seiten hin 
auswachsen. Die Ausdehnung der senkrechten Verbrei- 
tung dieses Cereus scheint sehr eingeschränkt zu sein, denn 
auf beiden Stationen, wo ich denselben antraf, verschwand 
er sehr bald und dann, über 7000 Fufs hinaus, trat der 
Cereus senilis hervor, welcher mit seinem lang herabhän- 
genden silberweifsen Haare nirgend passender von der 
Natur gestellt werden konnte, als gerade in diese grofs- 
artigen Einöden. Es erscheint dieser sonderbare Cactus 
noch um so auffallender, da er überall, wo ich ihn auf 
der Westküste gesehen habe, immer nur ganz isolirt da- 
stehend, in einzelnen Stämmen vorkommt, und nie in sol- 
chen Haufen, wie” so viele andere unverästelte Cereen. 
Die ganze Familie der Cactus liebt überhaupt weniger die 
feuchten, vegetationsreichen Gegenden, als vielmehr die 
ödesten, sandigen oder mit steinigem Boden, wo oft die 
aufserordentlichste Trockenheit herrscht; schon Herr von 
Martius ®) hat hierauf aufmerksam gemacht und bemerkt 
ausdrücklich, dafs in den schattenreichen Urwäldern, Bra- 
‚siliens die Cactus-Gewächse fehlen, bis auf einige Arten ‘ 
von Rhipsalis und Epiphyllum, welche parasitisch auf den 
Aesten der Bäume erscheinen, dagegen haften sie an dem 
kahlen Gestein der Provinz Pernambuco. ‚In diesen -trok- 
kenen Gegenden,“ sagt der geistreiche Reisende, ‚über 
welche ein reiner und tiefblauer Aether ausgespannt ist, 
erheben sich die unförmlichen Stämme, vielmal die Höhe 
eines Menschen überragend; regellos starren die blattlosen 
Massen empor, und ihr bläuliches Grün contrastirt eben 
so mit dem warmen Colorit der Landschaft, als die stei- 
fen Umrisse selbst gegen die schmiegsamen milden For- 
men der übrigen Tropen - Vegetation abstechen.“ 

Das weit ausgedehnte, meistentheils mit einem schr 
feuchten Clima versehene Brasilien, erzeugt eine unend- 
liche Masse von Cactus- Gewächsen, über deren Verthei- 
lung Herr von Martius ®) eine sehr interessante Abhand- 

*) Reise nach Brasilien, II. p. XXVI. 

“) Nova Acta Acad. Caes. Leop. Tom. XVI. p- 344 us. w. 


172 


lung bekannt gemacht hat.  Stattliche Cereen - Stämme, 
von 30 — 40 Fufs Höhe, sind in Brasilien nicht selten, 
sie erscheinen daselbst bald bis zur gröfsten Höhe ver- 
ästelt, bald in Form vielarmiger Candelaber, oder in dichte 
spalierähnliche Reihen zusammengedrängt und haben zu- 
weilen, an ihrer Basis, eine Dicke von 13 Fufs Durch- 
messer. s 

So ganz entgegengesetzt der langen und schlanken 
Form der candelaberartigen Cacten erscheinen die der ku- 
gelförmigen Gattungen: Melocactus, Echinocactus 
und Mammillaria. Es sind mehr oder weniger grofse 
kugelförmige Gewächse, über und über mit regelmäfsig 
gestellten Warzen und sternförmig gestellten Stacheln be- 
setzt, oft von ganz enormer Gröfse und unmittelbar auf 
der unfruchtbaren Erde, oder in den Klüften der nackten 
Felsenmassen sitzend. In den ödesten Gegenden, wo alle 
übrige Vegetation fehlt, da scheinen diese sonderbaren 
Gewächse am besten zu gedeihen; eben so in anderen 
heifsen Gegenden, wo zur trockenen Jahreszeit fast alle 
Vegetation schwindet, da sind sie es, welche eben so frisch 
grünen, wie bei dem. gröfsten Wasserreichthum. Da sie 
in ihrem markigen Gewebe eine grofse Menge von Flüs- 
sigkeit enthalten, so werden sie von den durstenden Thie- 
ren, welche jene wasserlosen Wüsten Südamerika’s durch- 
laufen, aufgesucht und ausgesaugt, nachdem diese die sta- 
chelige Decke mit dem Hufe entfernt haben, wobei sie 
sich oftmals so stark verletzen, dafs sie nicht mehr laufen 
können und zuletzt ihren Tod finden. Die Reisenden 
pflegen in Zeiten der Noth jene saftigen Gewächse, wel- 
che man die Quellen der Wüste genannt hat, mit dem 
Messer zu öffnen und den Genufs ihres Saftes den Thie- 
ren gefahrlos zu machen. 

Diese kugelförmigen Cactus sind etwas weniger weit 
verbreitet, als die säulenförmigen, indessen es scheint, 
dafs die tropische Zone der nördlichen Hemisphäre das 
Maximum dieser Gewächse aufzuweisen hat; doch sind 
sie auch in der südlichen Hemisphäre gar nicht- selten 


173 


und selbst im glücklichen Chile, innerhalb der subtropi- 
schen Zone kommen die Melocacten von aufserordentli- 
cher Gröfse vor. Die Angaben über die gröfsten Höhen, 
in welchen die Melocacten noch vorkommen, möchten bis 
jetzt fehlen, doch scheint es mir, dafs dieselben nicht so 
besonders hoch gehen, sondern dort hauptsächlich durch 
ÖOpuntien vertreten werden; die Pereskien sind es beson- 
ders, welche so aufserordentlich hoch hinauf, fast bis an 
die Schneegrenze gehen. Noch an den Ufern des See’s 
von Titieaca sieht man hochstämmige Pereskien mit pracht- 
vollen, braunrothen Blüthen, und in noch bedeutenderen 
Höhen treten niedere Formen auf, welche mit um so län- 
geren Stacheln bewaffnet sind. Auf dem Plateau des süd- 
lichen Peru, nahe der Vegetationsgrenze, findet man mehr 
oder weniger grofse Haufen von 1 bis 13 Fufs Höhe, 
welche mit gelbrother Farbe geschmückt sind, und von 
Ferne her oft ganz täuschend dem ruhenden Wilde äh- 
neln. Doch bei näherer Untersuchung verhält es sich 
ganz anders; jene Häufchen werden durch niedere Cacten 
gebildet, deren Blätter dieht an einander gedrängt sind, 
und gelbrothe Stacheln von 2—3 Zoll Länge zeigen, wel- 
che die ganze Oberfläche des Haufens bedecken und den- 
selben jene gelbrothe Farbe ertheilen. Aus der Tiefe je- 
ner Stacheln ragen die Blüthen hervor, gehen jedoch nicht 
über ihre Oberfläche hinaus. In jenen öden Gegenden, 
wo nur ähnliche Haufen von Azorellen, Bolax, Fragosen, 
zwergartige Verbenen und Lycopodien die Erde und die 
Felsen überziehen *), da tragen jene sonderbaren Ge- 
wächse Vieles zur Darstellung des Charakters der Gegen- 
den bei. Auch in Chile, selbst auf den kahlsten Felsen 
der hohen Anden, kommen Opuntien in rasenförmigen 
Ausbreitungen vor. 

Eben so charakteristisch sind die grofsen unförnli- 
chen und mannigfach verästelten Tunas; sowohl der Cac- 
tus Fieus-Indica L. wie die Opuntia Tuna mit ihren lan- 


*) S. Meyen’s Reise, I. p. 453. 


174 


gen Stacheln, sind die bekanntesten Formen dieser Gruppe 
der Cactus-Gewächse, sie sind zu uns nach Europa her- 
übergewandert, wo sie im Süden gegenwärtig eingebürgert 
sind. So wie in Amerika, so auch in Europa gebraucht 
man sie zu Umzäunungen. der Aecker, und schwerlich 
möchte es ein anderes Mittel geben, welches diesem Zwecke 
besser entspräche, denn selbst zu militairischen Vertheidi- 
gungen, als Spanische Reiter nämlich, sind sie mit gröfs- 
tem Vortheile anzuwenden. Aufserdem ist die Anpflan- 
zung dieser Gewächse besonders dadurch für wüste und 
trockene Gegenden von gröfster Wichtigkeit, dafs sie mit 
jedem Boden, selbst mit dem trockensten, vorlieb nehmen, 
und dann nicht nur eine Masse von efsbaren Früchten 
liefern, sondern auch bedeutende Quantitäten Brennholz. 
Aufserdem werden diese Tunas - Hecken zur Zucht: der 
amerikanischen Cochenille benutzt und defshalb, besonders 
in einigen Provinzen des heutigen Mexico’s in sehr aus- 
gedehntem Mafsstabe angelegt, denn der Cochenille- Han- 
del von dort her, war bisher von sehr grofsem Umfange. 

So wie wir bisher, in der Darstellung der Physiogno- 
mie der. Vegetation, stets nur die Form der Pflanzen im 
Auge gehabt haben, ohne auf ihre natürliche Verwandt- 
schaft weiter Rücksicht zu nehmen, so müssen wir auch 
hier, bei der Betrachtung der Cactus - Form, diejenigen 
Gewächse hinzuziehen, welche diese Form aufzuweisen 
haben, ohne mit den Cactus-Gewächsen in näherer Ver- 
wandtschaft zu stehen. Ich meine hiemit die Familie der 
Euphorbiaceen, welche in der alten und neuen Welt so 
aufserordentlich zahlreich ist. Die Gattung Euphorbia be- 
sitzt eine ganze Gruppe von Arten, welche theils ganz 
blattlos sind, theils aber auf den Spitzen einige Blätter 
entwickeln und dabei die Form der Cacten so aufseror- 
dentlich treffend nachahmen, dafs man sie, ohne die Blü- 
then zu kennen, zuweilen mit einander verwechseln könnte. 
Es ist hiebei noch das besonders Auffallende zu :bemer- 
ken, dafs nämlich diese Cactus-förmigen Euphorbien ge- 
rade allein der alten Welt angehören, wärend die Cacten, 


175 


% 


deren Form jene nachahmen, der neuen Welt eigen sınd; 
man mufs dieses offenbar als eine Repräsentation ansehen, 
„wenngleich auch die repräsentirende Form mit der reprä- 
sentirten nicht zu einer und derselben natürlichen Familie 
gehören. Es ist dieses Auftreten gleicher sonderbarer 
Formen in zwei von einander sehr verschiedenen Familien . 
noch um so auffallender, da man bei jenen blattlosen Eu- 
phorbien alle jene Formen ganz bestimmt wiederfindet, 
welche wir vorhin, als den verschiedensten Gattungen der 
Cactus-Gewächse eigen betrachtet haben. Die Euphorbia 
meloformis repräsentirt in der alten Welt die Melocacten 
der neuen Welt; Euphorbia mammillaris die Echinocacten; 
die Euphorbia biglandulosa repräsentirt die Gattung Rhip- 
salis, Euphorbia trigona die dreikantigen Cereen, ja Eu- 
phorbia Clava wäre ‘den cylindrischen Cereen am ähnlich- 
sten, und diejenigen Bäume, welche die Euphorbia lactea 
und Euphorbia neriifolia Indiens bilden, möchten den hoch- 
stämmigen Pereskien am ähnlichsten sein. Ja man könnte 
diese aufserordentlichen Aehnlichkeiten zwischen den For- 
men dieser beiden Familien noch viel weiter ausführen, 
doch für unseren Zweck möchte es hinreichend sein. Die 
Euphorbia meloformis sitzt auf einem eylindrischen Stamme, 
gleich einem Melocastus, der auf einen Cereus ge- 
pflanzt ist. 

Es ist ebenfalls sehr aufiallend, dafs einige Cactus- 
Formen noch in einer dritten Familie anzutreffen sind, 
nämlich bei den Asclepiadeen und auch sogar bei den 
Syngenesisten. Die zahlreichen Stapelien. des südlichen 
Afrika sind nicht ohne Einflufs auf die Physiognomie der 
Natur; ihre kantigen Stengel ähneln im Kleinen den can- 
delaberförmigen Säulen der Cereen, und grofse, pracht- 
volle Blumen verzieren diese kleinen blattlosen Stämm- 
chen, ganz ähnlich wie die grofsen Blumen, welche die 
Pracht der Caetus - Gewächse bedingen. Die Gattungen 
Sarcostemma und Ceropegia, ebenfalls den Asclepiadeen 
angehörig, haben einzelne Arten, welche höchst auffallend 
die Form der Rhipsalis- Arten zeigen, und unter den Syn- 


176 


genesisten sind einige Bacchariden, welche dem Phyllantus 
und anderen Cactus- Arten ähneln. 


14) Die fleischigen Gewächse. 


Eine andere Pflanzenform, welche sich an die Cactus- 
Form anschliefst, ist die der fleischigen Gewächse, 
welche uns die Familie der Ficoideen und der Semper- 
viven aufweist; sie umfafst nur Sträucher und Kräuter, 
und zeigt nur da einigen Einflufs auf den Charakter der 
Vegetation, wo sie in grofser Masse auftritt, als wie im 
südlichsten Afrika. Die Gattungen Mesembryanthemum, 
Sesuvium, Crassula, Sempervivum, Sedum, Cotyledon, Bryo- 
phyllum ete. sind die bekanntesten, deren grofse Anzahl 
von Arten so oft in Erstaunen setzt. Es ist auch hier 
bei diesen Gewächsen ganz so, wie bei der Cactus-Form, 
dafs die dahin ‚gehörigen Pflanzen weniger durch ihre 
Schönheit in der Form, als wie durch die mannigfaltigste 
Sonderbarkeit in derselben Eindruck machen. Die schöne 
Blume der Mesembryanthema mit ihrer grofsen Anzahl 
strahlenartiger Blättchen, welche gerade bei dem heifsesten 
Sonnenscheine am geöffnetsten stehen, nähert sich der 
Cactus-Blume, und in der grofsen Anzahl, wie sie gewöhn- 
lich erscheint, mag sie die trockenen Gegenden des südli- 
chen Afrika’s ganz angenehm schmücken. Offenbar ist 
diese Pflanzenform mit ihrer gröfsten Anzahl der alten 
Welt angehörig, um, gleichsam in Verbindung mit der 
Gattung Aloe, die. Cacten der meuen Welt zu ersetzen; 
am Cap der guten Hoffnung, wie überhaupt in der sub- 
tropischen Zone von Afrika ist diese Pflanzenform sogar 
vorherrschend, besonders durch die Gattungen Mesem- 
bryanthemum, Cotyledon, Crassula u. s. w., welche in der 
nördlichen Hemisphäre nur einzelne Repräsentanten ha- 
ben; dagegen sind wir an Sedum - und Sempervivum -Ar- 
ten {weniger arm; die Canarischen Inseln zählen nach 
Herrn von Buch an 14 Sempervivum- Arten und die In- 
sel Sicilien, wo die Semperviven ganz zu fehlen scheinen, 
zeigt, nach Herrn Philippi’s Beobachtung, schon 14 Sedum- 


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177 


Arten. Auch einige Mesembryanthema treten schon im 
südlichsten Europa auf, und mit der baumartigen Erica 
jener Gegend repräsentiren sie die Capische Flora in die- 
sen Ländern. | 


15) Die Lilien -Gewächse. 

Wir haben schon früher einmal, bei Betrachtung der 
Agaven-Form, der baumartigen Lilien gedacht, welche die 
prachtvolle Gattung Yucca aufzuweisen hat; wir. haben 
damals die Yuccen, ihrer Physiognomie nach, neben die 
Fourcroyen gestellt, obgleich sie, der Construction ihrer 
Blüthen nach, den Lilien angehören, deren Form wir hier 
aufzählen. Dagegen sind mit den Liliaceen noch die Ama- 
ryllideen und Irideen zu vereinigen, deren Blumen nicht- 
nur eine. ganz ähnliche regelmäfsig 6theilige Construction 
haben, sondern auch in der Form und Stellung ihrer 
Blätter, dem Habitus nach die gröfste Aehnlichkeit zeigen, 
Da auch unseren Lilien-förmigen Gewächsen die Baum- 
Form fehlt, und dieselben nur. als Kräuter auftreten, so 
äufsern sie nur dann ihren Einflufs auf den Charakter der 
Vegetation, wenn sie entweder in grofsen Massen gesellig 
neben einander vorkommen und in grofsen Massen ihre 
prachtvollen Blüthen erheben, oder wenn sie einzelne rie- 
senniäfsige Blüthen entwickeln, welche durch den Con- 
trast mit der umgebenden Vegetation, oder durch aufser- 
ordentliche Schönheit ihrer Prachtblüthen hervorstechen. 
Die grofsen Pancratien- und Orinum - Arten imponiren 


schon durch ihre aufserordentliche Gröfse, auf- den Kü- 


sten Indiens treten sie mit 3 Fufs langen: Blättern auf, 
und ihre Prachtblumen, bei der sanftesten Färbung und 
der entzückendsten Form, verbreiten über die ganze Ge- 
gend den angenehmsten Wohlgeruch. 

Die vorzüglichsten Gattungen, welche die Lilien-Form 
in besonderer Schönheit zeigen, sind: Lilium, Tulipa, Fri- 
tillarıa, Hemerocallis, Crinum, Pancratium, Alstroemeria, 
Amaryllis, Nareissus, Iris, Tigrina, Ixia, Gladiolus u. s. w.; 
sie sind über den ganzen Erdkreis verbreitet, von dem 


12 


178 


hohen Norden bis zum Süden und aus der Ebene des 
Meeres bis in die Nähe der ewigen Schneegrenze, dem- 
nach durch alle Zonen und alle Regionen. Aber beson- 
ders reich an Lilienformen sind gewisse Gegenden in der 
nördlichen und in der südlichen Hemisphäre, welche nie- 
dere Plateaus bilden und aus Thonerde bestehen; sie sind 
zu gewissen Jahreszeiten reich an Wasser und dann wer- 
den sie in den ausgedehntesten Flächen mit prachtvollen 
Lilien bedeckt, welche dem Boden oftmals das Ansehen 
des buntesten Teppichs zu geben pflegen; doch in eini- 
gen Wochen ist diese Pracht wieder verschwunden, auch 
die Blätter vergehen in kurzer Zeit und, wenn die heifse 
Jahreszeit daselbst eintritt, verschwindet auch jede Spur 
der früheren herrlichen Pflanzendecke. Aber die Tiefe 
des Bodens ist mit den Keimen der nächsten Vegetations- 
Epoche angefüllt, welche darin ihren Sommerschlaf halten 
und durch den ersten Regen wieder zum thätigen Leben 
geweckt werden. Es ist aufserordentlich, bis zu welcher 
Härte der Boden solcher Gegenden durch die Wirkung 
der Sonnenstrahlen ausgedörrt wird, und dennoch bleiben 
die Zwiebeln in demselben unbeschadet; Herr Lichtenstein *) 
sah den Tarraoboden fast bis zur Härte des gebrannten 
Ziegels zusammengetrocknet, aber die darin liegenden 
Zwiebeln waren von der Natur durch eine Menge von 
Häuten gegen die zerstörende Wirkung des Bodens ge- 
schützt, und ganz ähnlich habe ich es auf den Plateau’s 
und auf den Abhängen der Chilenischen Cordillere, in nie- 
deren Höhen beobachtet. Im südlichen Afrika sind es die 
Ixien und Amaryllen, welche daselbst vorherrschen, im 
südlichen Amerika dagegen vorzüglich Alstroemerien, deren 
grofse Anzahl von Arten die mannigfachste Farbenpraächt 
zeigt; und in Asien sind ganze Ebenen mit Tulpen bedeckt. 


16) Die Lianen oder Schlingpflanzen. 


Die Schlingpflanzen können an und für sich. allein 
keine Grundform darstellen, welche den Charakter der 


*) Reise ım südlichen Afrıka u. s. w. Berlin 1811. 1813. T. p. 197. 


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179 


Vegetation bestimmt, da sie nur in Gesellschaft anderer 
Pflanzen, meistens sehr hoher Bäume, auftreten und von 
diesen abhängig sind; doch ihr Einflufs auf die Physiogno- 
mie der Grundvegetation ist so bedeutend, dafs diese, durch 
Lianen verziert, einen ganz neuen und höchst belebten 
Charakter annimmt. Die Lianen sind es hauptsächlich, 
welche der tropischen Vegetation jene aufserordentliche 
Fülle, ja jenen mannigfaltigen Reichthum der gepriesenen 
Urwälder der Aequatorial-Zone darstellen helfen. Unseren 
nordischen Gegenden sind diese Lianen fast fremd, nur 
der Hopfen, unsere Lonicera Xylosteum und die Bryonien 
geben uns ein kleines Bild von der Ueppigkeit der Lia- 
nen-Flor der tropischen Gegenden, und unser Convolvu- 
lus sepium, oft mit gröfster Ueppigkeit die höchsten Ge- 
sträuche überziehend, zeigt durch sein schönes Blatt und 
durch die Gröfse der Blumen ein Bild, welches den tro- 
pischen Ipomoeen gleicht, wie diese oft die Kronen der 
hohen Bäume überziehen. In dem wärmeren Theile der 
temperirten Zone unserer nördlichen Halbkugel, ist die 
Weinrebe zu Hause; hier macht sie die Königinn der Wäl- 
der, indem sie in dicken Stämmen, von 3 bis 6 Zoll, nach 
den Gipfeln der höchsten Bäume steigt, diese ganz um- 
schlingt und mit einander verbindet. Doch wie ganz an- 
ders sind die biegsamen, sich rankenden Lianen der Tro- 
pen und der wärmeren Gegenden überhaupt, welche durch 
die Gattungen Passiflora, Bignonia, Banisteria, Paullinia, 
Aristolochia, Cissus, Aralia, Vitex u. s. w. dargestellt wer- 
den; „am Orinoco,“ sagt Herr Alexander von Humboldt *), 
„haben die blattlosen Zweige der Bauhinien oft 40 Fufs 
Länge. Sie fallen theils senkrecht aus dem Gipfel hoher 
Swietenien herab, theils sind sie schräg wie Masttaue 
ausgespannt, und die Tigerkatze hat eine bewunderungs- 
würdige Geschicklichkeit, daran auf- und abzuklettern.“ 
So wie die Bauhinien der neuen Welt eigenthümlich 
sind, so hat die alte Welt die sonderbare Palmenform in 


*) Ansichten der Natur, II. p. 38. 
12 * 


180 


der Gattung Calamus, welche die Stelle der hauptsächlich- 
sten Lianen der neuen Welt vertritt. Aufserordentlich 
grofs möchte die Artenzahl dieser Rohrpalmen sein, wel- 
che in den Urwäldern Hinter-Indiens und auf allen In- 
seln des Indischen Archipelagus in so grofsen Massen auf- 
treten. Viele hundert Fufs lang, steigen sie auf die Gi- 
pfel der höchsten Bäume, oft.äufserst dünn und glatt, oft 
dicker und mit glänzenden Stacheln besetzt; vergebens 
sucht man nach den Enden dieser rankenden Stämme, 
denn sie steigen von einem Baume zum anderen, oder 
sie kehren ohne Stütze zurück, um von der Erde aus von 
Neuem ihren aufsteigenden Gang zu wiederholen. Ja diese 
langen Ranken verflechten sich gegenseitig, oft ganz re- 
gelmäfsig, dafs sie wie Ankertaue erscheinen, mit welchen 
die nebenstehenden Stämme verbunden sind, und umsonst 
versucht sich die Kraft des heftigsten Orkans an solchen 
festverbundenen Pflanzenmassen; ja selbst einzelne Stämme 
können verfaulen, sie werden durch das Netzgeflecht der 
Schlingpflanzen lange noch aufrecht erhalten, bis dafs sie 
zerfallen und nun die ganze Masse der Schlingpflanzen, 
auch ohne die ursprüngliche Stütze ihre Lage behält. Oft 
hängen bindfadenähnliche Gewächse von 30, 40 und 50 
Fufs Länge von den Aesten der hohen Gipfel herab und 
werden, ihrer Festigkeit wegen, selbst zum Binden benutzt. 
Haben diese Fäden den Grund noch nicht erreicht, so 
schwanken sie bei dem leisesten Luftzuge hin und her. 
Andere dickere. herabhängende Gewächse fassen in der 
Erde wieder Wurzel und sind dann so straff, als. wenn 
sie mit Flaschenzügen angezogen wären. Herr v. Martius, 
der mehrere Jahre lang in den Urwäldern Brasiliens ge- 
lebt und die Physiognomie der Vegetation stets so cha- 
rakteristisch aufgefafst hat, giebt eine höchst interessante 
Darstellung über die Schlingpflanzen Brasiliens *), welche 
er durch vortrefflliche Abbildungen in dem Atlasse zu je- 
ner Reise versinnlicht hat. „Anfänglich,” erzählt Herr 


| *) S. dessen Reise nach Brasilien, III. p. XXX. 


181 


\ 


v. Martius, „wachsen sie als schwache Gesträucher loth- 
recht auf; sobald sie aber an einem anderen Baume eine 
Stütze erreicht haben, verlassen sie den ursprünglichen 
Weg der Ernährung und werden Parasiten, die sich, un- 
mittelbar über die Oberfläche der anderen Stämme aus- 
giefsend und nach ihr sich modelnd, fortan vorzugsweise 
von diesem, und endlich fast gar nicht mehr durch die 
eigene Wurzel ernähren.” Diese besondere Gruppe der 
Lianen, welche in allen Urwäldern der heifsen Zone auf- 
treten, werden wir später, bei der Betrachtung der tro- 
pischen Vegetation noch- näher kennen lernen, 


47) Die Pothos- Gewächse. 


Die Pothos-Gewächse oder Aroideen mit ihren hell- 
grünen und grofsartig ausgebildeten Blättern, welche sich 
tütenförmig zusammengerollt emporschieben, und den präch- 
tigen, grofsen und glänzend weifsen Blumen, die so ge- 
heimnifsyoll aus dem umschliefsenden Grün hervortreten, 
kommen zum gröfsten Theil parasitisch, auf den Rinden 
der Bäume, in tropischen Wäldern vor, an und für sich 
ebenfalls nur dann auf den Charakter der Vegetation ein- 
wirkend, wenn sie in grofsen Massen, gesellig neben ein- 
ander auftreten; gewöhnlich aber wirken sie nur durch 
gröfsere Ueppigkeit und Formverschiedenheit, welche sie 
den Bäumen verleihen, auf denen sie ihren Boden er- 
halten. Die -Pothos-Gewächse sind ächt tropische For- 
men, doch werden sie in den wärmeren Gegenden der 
temperirten Zonen häufig repräsentirt durch die Arum- 
Arten, und siegehen durch die schöne Calla palustris selbst 
bis zu der subarktischen Zone hinauf. - Diese Sumpfpflanze, 
die Calla palustris, zeigt im verkleinerten Maafsstabe, ganz 
genau das Bild der Calla aethiopica, welche: durch ihr 
häufiges Vorkommen in unseren Gärten und auf unseren 
Fenstern, allgemein bekannt ist, indessen die riesenmäfsigen 
Pothos und Dracontium-Gewächse der tropischen Wälder 
Amerika’s, werden dadurch sehr gering repräsentirt. Die 
letzteren Gewächse haben stets sehr grofse, bald pfeilför- 


182 


mige, bald fingerförmig gelappte, bald gefiederte Blätter. 
Die Blätter einiger Pothos- Gewächse dehnen sich, wie 
schon Herr Alexander v. Humboldt beobachtet hat, so 
enorm aus, dafs sie mitten in ihrem Diachym mehr oder 
weniger grofse Löcher erhalten, welche das Blatt durch- 
fenstert machen; das Dracontium pertusum giebt hiezu ein 
Beispiel. 

Herr v. Martius *) theilt schon die Aroideen, in phy- 
siognomischer Hinsicht, in drei Gruppen ein, welche wir 
hier aufführen. Es wachsen diese Pflanzen entweder in 
der Erde und treiben knollige mehr oder weniger grofse 
Wurzeln, welche häufig die wichtigsten Nahrungsmittel 
der Völker ausmachen; sie erreichen keine besondere Höhe. 
Eine andere Gruppe dieser Pflanzenform klettert mehr 
oder weniger gewunden an den Stämmen der Bäume hin- 
auf, grofse Massen von Luftwurzeln nach allen Richtun- 
gen ausschickend, um durch diese die Feuchtigkeit der 
atmosphärischen Luft in gröfserem Maafse aufzusaugen, 
wozu die \urzeln mit eigenthümlichen hygroskopischen 
Organen besetzt sind. Eine dritte Gruppe wird in Bra- 
silien durch das Calladium arborescens Vent. repräsentirt; 
es steht von blendend weifser Farbe, in die Quere gerin- 
gelt, mit grofsen pfeilförmigen Blättern gekrönt, gleich 
Pallisaden in dichten Reihen am Ufer der Gewässer **). 


48) Die Orchideen -Form. 


Die Familie der Orchideen, welche sıch sowohl durch 
mannigfachste Form- Verschiedenheit ihrer Blüthen, wie 
durch deren üppigste Farbenpracht vor den meisten an- 
deren Familien auszeichnet, erreicht in den heifsen Gegen- 
den der Erde, wo auch Feuchtigkeit in gleichem Grade 
herrscht, ihr Maximum. Dort leben die meisten Orchi- 
deen auf der Rinde der Bäume, oft daran hinaufkletternd 
und sich mit grofsen weifsen Luftwurzeln anklammernd; 


”) Reise II. p. XIX. 
”) S. v. Martius Reise, II. p. XIX. und Tab. I. VIII. 2*. 


- 183 


wie dieses bei so vielen Epidendren der Fall ist, oder sie 
sitzen in den kleinsten Ritzen und Astwinkeln fest, wo 
sich irgend ein wenig Dammerde angesammelt hat. Die 
Gattungen Oncidium, Stelis, Cymbidium, Vanilla, Dendro- 
bium, Aerides, Epidendrum u. s. w. sind es hauptsächlich, 
welche, in Verbindung mit den Pothos- Gewächsen und 
den Lianen, die Urwälder der Tropen mit so bewunde- 
rungswürdig üppiger Vegetation verzieren, inden sie die 
elattesten Stämme und die, durch Sonnenhitze und Alter 
gleichsam verkohlten Oberflächen der, riesigen Bäume je- 
ner Wälder beleben. Die Orchideen unserer kälteren 
Zonen wachsen in der Erde und zeigen nur die grofse 
Mannigfaltigkeit in der Form der Blüthen, welche dieser 
Familie zukommt; das Cypripedium Calceolus unserer Zone 
ist die einzige Orchidee, welche bei uns auch von der 
tropischen Ueppigkeit dieser Pflanzenfamilie zeugt. „Diese 
Blüthen,” sagt Herr v. Humboldt, „gleichen bald geflügel- 
„ten Insekten, bald den Vögeln, welche der Duft der Ho- 
„niggefäfse anlockt. Das Leben eines Malers wäre nicht 
„hinlänglich, um alle die prachtvollen Orchideen abzubil- 
„den, welche die tief ausgefurchten Gebirgsthäler der pe_ 
„ruanischen Andeskette zieren.” Und gewifs eben solch 
ein Reichthum an dieser Pflanze kommt den feuchten Wäl- 
dern Indiens zu, wärend sie auf den Südsee-Inseln fast 
sänzlich fehlen. 

Auf die thierartige Form unserer schönen Ophrys. 
Arten hat man schon seit langer Zeit aufmerksam gemacht, 
aber die tropischen Orchideen zeigen viel grofsartigere 
Formen in ihren Blüthen; ja selbst mit gefiederten Blät- 
tern und schmetterlingsförmigen Blüthen treten sie auf. 


19) Die Moos-Form und 20) die Flechten-Form. 


So unansehnlich die kleinen Pflänzchen sind, welche 
unter dem Namen der Moose umfafst werden, so sind sie 
in gewissen Gegenden nicht weniger wichtig für die Phy- 
siognomie der Vegetation, wie die Orchideen und Aroi- 
deen für die tropischen Gegenden. So wie in den tropi- 


184 


schen Wäldern die Bäume und Felsen mit üppigen Or- 
chideen und grofsblättrigen Aroideen bedeckt sind, so tre- 
ten in unserem Norden die Moose und Flechten auf, 
welche uns gleichsam ein kleines Bild von jenem üppigen 
Reichthum der tropischen Vegetation vor Augen stellen 
können. Besuchen wir, die feuchten, schattenreichen Wäl- 
der unserer Gegenden, so finden wir oft die ganzen 
Stämme mit diesen Cryptogamen bedeckt; die Moose bil- 
den gleichsam dichte Rasen, auf welchen öfters wiederum 
andere Pfianzen Wurzel fassen, Die sehönfarbigen Flech- 
ten, welche sowohl die Rinde der Bäume, ‚so wie die 
Oberfläche der Felsen unserer Felder und Gebirge be- 
decken, besonders die herabhängenden Usneen, machen 
zuweilen einen sehr angenehmen Eindruck, doch einför- 
mig ist derselbe im höchsten Grade, wenn Flechten oder 
Moose in grofsen Massen, gesellig neben einander vor- 
kommend, grofse Strecken des Landes beziehen. Die Ce- 
nomyce rangiferina, die Ceteraria islandica, Ceteraria spa- 
dicea und mehrere andere Flechten treten im Norden auf 
diese Weise auf, oft keine andere Pflanze zwischen sich 
aufkommen lassend. In der arktischen Zone von Nord- 
amerika sind es Gyrophoren, welche sowohl den Thieren, 
als auch zum Nothfalle den Menschen zur kümmerlichen 
Nahrung dienen. Auch die Moose treten zuweilen auf 
der Erde in grofsen Rasen auf, wie das bekannte Torf- 
Moos, die Sphagnum- Arten, das Dieranum glaucum etec., 
und wenn’sie das Strohdach der ländlichen Wohnung über- 
ziehen, geben sie derselben ein ehrwürdiges Ansehen. Die 
feuchtesten Gegenden der Tropen sind gleichfalls reich 
an Moosen und Flechten, vorzüglich sind es aber die nied- 
lichen Jungermannien, welche dort in so grofser Anzahl 
auftreten. Ja dort sitzen sie sogar auf den Blättern und 
Stämmen anderer Schmarotzergewächse und ertheilen die- 
sen, durch ihre bewunderungswürdig niedliche Form, ei- 
nen besonderen Charakter von Schönheit. 


185 


B. Allgemeine pflanzengeographische Einthei- 
ung der Erdoberfläche nach der Phy- 
siognomie der Vegetation. 


Nachdem wir nun die Haupt-Pflanzenformen kennen 
gelernt haben, welche sich, hauptsächlich durch den To- 
taleindruck, als mehr oder weniger abgeschlossene Grup- 
‘pen darstellen, können wir zu der geographischen Ein- 
theilung der Pflanzendecke übergehen. Da nun aber das 
Vorkommen der Pflanzen, mit der Vertheilung der Wärme 
über den Erdkörper, in innigster Verbindung steht, und 
diese, von dem Aequator nach den Pölen za mit jener, 
aus der Ebene des Meeres bis zur Schneegrenze in ei- 
nem gewissen Parallelismus verläuft, so wird auch die 
Eintheilung der Pflanzendecke, -einmal nach den Zonen 
der Erdoberfläche, und zweitens nach den verschiedenen, 
übereinanderliegenden Regionen stattfinden müssen, wobei 
sich dann jener Parallelismus in der Wärme- Vertheilung, 
auch für die Vegetation auf das deutlichste zwischen den 
entsprechenden Zonen und Regionen nachweisen wird. 

Es sind bereits von anderen Schriftstellern mehrere 
‚geographische Eintheilungen der Pflanzendecke der Erd- 
oberfläche aufgestellt worden, welchen jedoch ganz andere 
Prineipien zum Grunde gelegt sind. Willdenow *), R. 
Treviranus **), De Candolle ***) und Schouw +) haben 
dergleichen Eintheilungen aufgestellt. Willdenow ging von 
der Hypothese aus, dafs jedes Urgebirge seine eigenthüm- 
lichen Pflanzen habe, und dafs es demnach so viele Haupt- 


*) Allgemeine Bemerkungen über den Unterschied der Vege- 
tatıon auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre in den, aufser 
den Tropen gelegenen Ländern. Magazin der naturforschenden 
Freunde, Berlin 1811. St. 2. p. 98. und in mehreren früheren Schrif- 
ten, als in Usteri’s neuen Annalen, St. 16. 1797. etc. 

**) Biologie etc. II. p. 85. 

**") Geographie botanique. Dictionnaire des sciences naturelles 
2:48: p. 411: i ’ 

7) Grundzüge einer allgemeinen Pflanzengeograpkie. 1823. pag. 


504. 


186 


floren oder geographische Pflanzenreiche gebe, als es Ur- 
gebirge gebe. Von den Gebirgen sollten jene Pflanzen 
herabgestiegen sein in die Ebene, und so die Erde bevöl- 
kert haben. Die Unhaltbarkeit solcher Ansichten ist heu- 
tigen Tages, nach genauerer Kenntnifs über das Vorkom- 
men der Pflanzen, so wie bei den richtigeren geologischen 
Ansichten unserer Zeit allgemein bekannt. 

Die Herren De Candolle und Schouw theilten dage- 
gen die Pflanzendecke in verschiedene geographische Reiche, 
indem sie das Vorherrschen dieser oder jener charakteri- 
stischen Pflanzenform oder Pflanzenfamilie, als Eintheilungs- 
Prineip zum Grunde legten und dann diese verschiedenen 
Floren entweder nach dem Namen der Ländermassen be- 
nannten, oder nach den vorherrschenden Pflanzenformen, 
welche jene Gegend charakterisiren. Ja um so viel wie 
möglich jeder Willkührlichkeit zu entgehen, gab Herr 
Schouw die Erfordernisse zur Aufstellung eines solchen 
pflanzengeographischen Reiches genaueran. Es müssen näm- 
lich nach diesen wenigstens die Hälfte der bekannten Arten 
dem Erdtheile angehören, welcher zu einem pflanzengeo- 
graphischen Reiche erhoben werden soll; es müssen fer- 
ner, wenigstens 4 der Gattungen, entweder völlig eigen- 
thümlich sein, oder in diesem Lande doch wenigstens so 
vorherrschen, dafs sie in anderen Ländern nur als Re- 
präsentanten zu betrachten sind, ja dafs endlich diesem 
Erdtheile sogar einzelne Familien eigenthümlich sind, oder 
daselbst wenigstens ihr entschiedenes Maximum erreichen. 

Die pflanzengeographischen Reiche theilt Herr Schouw 
wiederum in Provinzen *), je nach den geringeren Vege- 
tationsverschiedenheiten; 4 eigenthümlicher Arten und ei- 
nige eigenthümliche Gattungen, reichen zur Bildung einer 
solchen Provinz hin. $ 

Die ganze geographische Eintheilung der Pflanzen- 
decke nach Herrn Schouw ist folgende: 


*)'L. c. p. 507. 


Fre 


157 


Reich der Saxifragen und der Moose (Al- 
pinisch-arktische Flora). 
a) Provinz der Riedgräser (Arktische Flora); 
b) Provinz der Primulaceen und Phyteumen (Süd- 
europäische Alpenflora. 
Reich der Umbellaten und der Uruciaten. 
a) Provinz der Cichoraceen ( Nordeuropäische 
Flora); 
b) Provinz der Astragalen, Halophyten und Cy- 
narocephalen (Nordasiatische Flora). 
Reich der Labiaten und Caryophyllaceen 
(Mittelländische Flora). 
a) Provinz der Cisten (Spanien und Portugal); 
b) Provinz der Scabiosen und Salvien (Südliches 
Frankreich, Italien, Sicilien); 
c) Provinz der strauchartigen Labiaten (Levanti- 
sche Flora, Griechenland etc.); 
d) Nordafrikanische Provinz; 
e) Provinz der Semperviven. 
Der östliche temperirte Theil des alten 
Continentes (vielleicht das Reich der Rhamnus- 
Arten und Caprifolien). 
Reich der Asterarten und Solidaginen. 
Reich der Magnolien. 


Reich der Cactus-, Piper-Arten und der 


Melastomen. 
a) Provinz der Farrnkräuter und der Orchideen; 
b) Provinz der Palmen. 
Reich der Cinchonen. 
Reich der Escallonien, Vaccinien und Win- 
teren. 
Chilisches Reich. 
Reich der baumartigen Syngenesisten. 
Antarktisches Reich. 
Neuzeeländisches Reich. 
Reich der Epacriden und Eucalypten. 
Reich der Mesembryanthema u. Stapelien. 


188 


16. Westafrikanisches Reich. 
17. Ostafrikanisches Reich. 
18. Reich der Scitamineen *). 

Betrachten wir diese geographische Eintheilung der 
Pflanzen, so werden wir finden, dafs die Hälfte der Ab- 
theilungen auf dergleichen Pflanzen - Gattungen gegründet 
ist, welche durch ihre eigenthümliche Form, als charakte- 
ristisch für eine gewisse Gegend auftreten und dadurch 
den Charakter der Vegetation, ja meistens auch die Phy- 
siognomie der Natur daselbst bestimmen. Demnach fallen 
diese Abtheilungen mit jenen zusammen, welche ich im 
vorhergehenden Abschnitte, in physiognomischer Hinsicht, 
unter den Pflanzenformen aufgestellt habe. Eine statisti- 
sche Eintheilung der Pflanzendecke, wenn ich mich so 
ausdrücken darf, ist eine ganz andere, als eine physiogno- 
mische, wo die Form und der Totaleindruck, welchen die 
Gestalt der Pflanzen hervorruft, Alles bestimmen. Die er- 
stere Eintheilung wird erst dann auf einen gewissen Grad 
von Genauigkeit Anspruch machen können, wenn die 


*”) Anmerk. Herr Schouw (Momente zu einer Vorlesung über 
die pflanzengeographischen Reiche. Linnaea VII. pag.625.) hat in einer 
späteren Arbeit, von dem Jahre 1833, die Zahl dieser pflanzengeogra- 
phischen Reiche um 7 vermehrt, indem er noch folgende hinzuge- 
fügt hat: 1) Emodisches Reich (Wallich’s Reich), das Hochland von 
Indien, 4— 10000° hoch einschliefsend. Nachdem wir gegenwärtig 
eine so schöne Arbeit über das Hochland Indiens erhalten haben, 
wissen wir bestimmt, dafs die Vegetation daselbst zur Aufstellung 
eines eigenen Reiches keineswegs berechtigt, und eben dasselbe gilt 
für ein zweites, nämlich für das Hochjavanische Reich. 3) Polyne- 
sisches Reich (Reinwardt's Reich). 4) Oceanisches Reich (Chamis- 
so’s Reich). 5) Reich der Balsam-Bäume (Forskal’s Reich). . 6) Das 
WVüsten-Reich (Delile’s Reich). 7) Tropisch afrikanisches Reich (Adan- 
son’s Reich). 8) Reich des mexikanischen Hochlandes} 9) West- 
indisches Reich (Swartz’s Reich). Ich möchte mir hiezu die Be- 
merkung erlauben, dals H. $. diese Reiche keineswegs ganz nach 
denselben Grundsätzen aufgestellt, welche er früher hiezu angegeben 
hat, und däfs man, wollte man in dieser Art fortfahren, wohl noch 
einige 20 andere Reiche mit gleichem Rechte aufstellen könnte. 


189 


gröfste Anzahl der Pflanzen für alle Länder bekannt sein 
wird, wärend die Physiognomie der Gewächse schon frü- 
her zum Ziele gelangt, wenn auch noch grofse Ländermas- 
sen wenig oder gar nicht in botanischer Hinsicht erforscht 
sind; hier kann man die aufgestellten Gruppen, unbescha- 
det den früheren, vervielfältigen und sie, durch die neuen 
Entdeckungen bereichern und berichtigen. 

Der Totaleindruck, welchen die Vegetation einer Ge- 
gend auf uns macht, hängt überhaupt keineswegs von der 
Zahl der Arten und Gattungen der Pflanzen ab, sondern 
von der Masse, Form und der richtigen Vertheilung dieser. 
Um demnach die einzelnen Gegenden der Erde genauer 
charakterisiren zu können, habe ich zuerst die hauptsäch- 
lichsten Pflanzenformen speciell betrachtet, sofern sie, 
‘ durch ihre Massen, auf den Charakter der Vegetation Ein- 
flufs ausüben können, und nachdem diese Physiognomik 
der Gewächse vorangeschickt ist, gehen wir zu der geo- 
graphischen Eintheilung der Pflanzendecke über, wobei 
das gegenseitige Auftreten der verschiedenen Pflanzenfor- 
men in verschiedenen Zonen und R£gionen, unseren Be- 
trachtungen stets zur Grundlage dienen soll. 


a) Eintheilung der Pflanzendecke nach den Zo- 
heniihrer horizontalen; Verbreitung. 


Die allgemeine astronomische Eintheilung “der Erd- 
oberfläche in drei Zonen, nämlich in die heifse, die tem- 
perirte und in die kalte Zone ist zu pflanzengeogra- 
phischen Zwecken noch nicht hinreichend, indem diese 
einzelnen Zonen noch zu ausgedehnt sind und defshalb 
oftmals vielfach verschiedene Vegetation einschliefsen, wel- 
che durch kleinere Zonen genauer bezeichnet 'werden 
könnte. Ich habe daher jede Hemisphäre in acht klei- 
nere Zonen eingetheilt, indem ich die allgemeine Einthei- 
lung in drei Zonen auch diesen zum Grunde gelegt habe; 
wir werden in. der Folge sehen, wie diese Zonen durch 
ihre eigenthümliche Vegetation zu charakterisiren sind, und 
wie sich diese, auf den verschiedenen Höhen der Gebirge 


190 


wiederfinden, ganz entsprechend dem Parallelismus, wel- 
chen die Abnahme der Wärme, von dem Aequator bis zu 
den Polen hin, mit demjenigen von der Ebene bis zu den 
Spitzen der Gebirge zeigt. 

Wir beginnen mit der Schilderung der heifsen Zone 
und bemerken nur noch, dafs alle Eintheilungen der Art 
mit grofsen Schwierigkeiten verbunden sind, indem die 
einzelnen Pflanzenformen in ihrem Vorkommen niemals 
so bestimmt begrenzt sind, wie wir hier die Grenzen un- 
serer Zonen angeben müssen, sondern an den Grenzen 
ihres Bezirkes in einander verlaufen. 


4) Die Aequatorial-Zone. 


Die Aequatorial-Zone umschliefst auf beiden Seiten 

des Aequators eine Zone von 15 Breiten-Graden und hat 

eine mittlere jährliche Wärme von 26 bis 28° Cels., eine 

_ Wärme, welche, in Verbindung mit einem eben so hohen 

Grade von Feuchtigkeit der Atmosphäre, eine aufseror- 

dentliche Ueppigkeit der Vegetation hervorruft, die, über- 

dies verziert durch die gröfste Mannigfaltigkeit in Formen 

und prächtigen Farben, auf jeden gefühlvollen Menschen 
den erhabensten Eindruck zurückläfst. 

Hier sind die Gewächse saftiger, frischer erscheint ihr 
Laub und mächtig stark sind ihre Stämme; überall in je- 
ner heifsen Zone, wo nicht Lokalverhältnisse durch Ab- 
änderung der Wärme und Feuchtigkeit, diesen mächtigen 
Hebeln, der unbezwingbaren Vegetation .entgegentreten, 
da entwickeln sich jene unbeschreiblich grofsen Pflanzen- 
massen, deren Schilderung von geistreichen Naturforschern 
und ausgezeichneten Künstlern versucht worden ist. 

Grofsartig in jeder Hinsicht ist die Vegetation in den 
Urwäldern der Aequatorialzone; Stämme von riesiger Dicke 
erheben sich über 80 und 100 Fufs, ihre Kronen sind so 
dicht mit einander verwebt, dafs kein Sonnenstrahl den 
modernden Boden dieser Wälder berührt, der meistens 
so dicht mit niederen Pflanzen bedeckt ist, dafs man kei- 
nen Schritt thun kann, ohne vorher den Weg, mit dem 


191 


Eisen in der Hand, gebahnt zu haben. Drückend heifs 
und feucht ist die Luft in diesen Wäldern, wo dumpfe 
Dünste im beständigen Aufsteigen sind, und nicht selten 
die Luft wie mit sichtbaren Wasserdämpfen erfüllen. Das 
schneidende Pfeifen der grofsen Cicaden, hoch in den Kro- 
nen der Bäume, und das lautschallende Krächzen der 
scheufslichen Vampyre, der fliegenden Hunde und der 
Blutsauger, begleitet oftmals Tagelang den Wanderer in 
den Wäldern Indiens. 

So wie die Formen der Palmen, der Musaceen, der 
baumartigen Gräser, der Pandanen, Scitamineen, der Or- 
chideen, Mimosen und der Lianen in der Aequatorial- 
Zone überhaupt vorherrschend den Charakter der Vegeta- 
tion bestimmen, so sind es in den Urwäldern gerade die 
Wollbäume (Bombaceae), mit ihren riesigen Stämmen, oft 
bedeckt mit Warzen und Stacheln eigenthümlicher Art, 
so in der alten wie in der neuen Welt einen bedeuten- 
den Antheil habend an der Darstellung dieser Wälder. 
Ferner die zahlreichen Feigenbäume, ebenfalls zu Stäm- 
men von enormer Dicke anschwellend; die Swietenien, Caes- 
alpinien, Malpighiaceen, Anonen, Anacardien, Bertholle- 
tien und Lecythideen für die neue Welt und die Sapin- 
den, Caryoten, Artocarpen, Sterculien, Ebenaceen, Melia- 
ceen, Laurinen u. v. Andere für die alte Welt. Die un- 
geheuere Breiten- Ausdehnung einiger tropischen Baum- 
stämme ist bekanntlich Erstaunen erregend. Der Baobab 
oder Affenbrodbaum (Adansonia digitata L.) ist bekannt- 
lich eines der dickesten Gewächse, er ist am Senegal, auf 
den Cap-Verdischen Inseln, und selbst in Aegypten und 
Nubien zu Hause; man hat den Umfang einiger Stämme 
zu 77 Eufs und darüber gemessen, und seine Höhlung im 
Inneren ist so bedeutend, dafs zuweilen mehrere Neger- 
Familien darin ihren Aufenthalt finden. Ganz ähnliche 
und unförmige Gestalten erzeugen die Stämme der Bom- 
baceae, sowohl in der alten wie in der neuen Welt; durch 
ihre überwiegende Markentwickelung dehnen sie sich über- 
mäfsig in die Dicke und verlassen die gewöhnliche Cy- 


192 


lindergestalt, statt welcher sie ungeheuere Tonnen, von 
30 und 40 Fufs Höhe, bei verhältnifsmäfsigem Umfange, 
darstellen *). Nicht weniger in Erstaunen setzen die un- 
geheueren Höhen und Holzmassen, weiche zuweilen die 
Mimosen-förmigen Gewächse, Swietenien, Hymeneen, Caes- 
alpinien u. A. m. aufzuweisen haben. Doch mit dieser 
Massen-Erzeugung ist die tropische Vegetation noch nicht 
erschöpft, auch die gröfste Mannisfaltigkeit und die höch- 
ste Schönheit in den Formen der Gewächse, so wie die 
äufserste Pracht in den Farben der Blumen und Annehm- 
lichkeit ihres Wohlgeruches, werden durch die glühenden 
Strahlen der Sonne und durch die drückende Feuchtigkeit 
der Atmosphäre hervorgerufen. Wie in den Wäldern un- 
seres Nordens die Rinde der Bäume mit schlichten Moo- 
sen und Flechten besetzt ist, so zeigen die Stämme der 
tropischen Wälder das gröfste Uebermaafs in den üppig- 
sten und schönsten Pflanzenformen; die herrlichsten Or- 
chideen sitzen in den Ritzen und Spalten der Rinde, an 
der sich windende Pothos-Gewächse hinaufklimmen, deren 
glänzend weifse Blumen aus dem schönen hellgrünen 
Laube hervorragen. Die niedlichsten Formen von Farrn 
schlängeln sich an den Stämmen hinauf, ‘wie bei uns der 
Epheu, sowohl unserer wohlbekannten Gattung Polypodium 
angehörig, als hauptsächlich den tropischen Gattungen 
Hymenophyllum, Trichomanes u. A. m.; oder sie sitzen, 
in mehr oder weniger grofsen Büscheln, oft ganze Hau- 
fen bildend, welche auf den Aesten sitzen, und auf eine 
eigenthümliche Art gegen die Belaubung der Bäume con- 
trastiren. In den Wäldern der Philippinen ist es eine 
grofse prachtvoll gestaltete Polypodiacee, welche dem Po- 
lypodium quereifolium ähnelt, und mit. den. dicken hell- 
braun beschuppten Wurzeln ganze grofse Flächen einzel- 
ner Aeste bezieht; es fällt diese prachtvolle Pflanze, de- 
ren einzelne gefiederte Wedel 2 und 3 Fufs lang werden, 
um so mehr in die Augen, weil ihre Wurzelblätter, ja 


*) $. v. Martius Reise, Ill. pag. XXIX. 


193 


selbst alle unfruchtbare Wedel mehr oder weniger hell- 
gelb gefärbt erscheinen, was zwischen den braunroth ge- 
färbten Wurzelmassen und der dunkelgrünen Umgebung 
so ganz eigenthümlich contrastirt. \Yo noch an den Rin- 
den dieser Bäume ein Plätzchen leer ist, da sitzen Flech- 
ten, Moose und Jungermannien, ja diese Letzteren, nicht 
zufrieden mit jener Einschränkung, überziehen in den 
niedlichsten Formen, deren Schönheit oft erst das Mi- 
kroskop zu entdecken vermag, selbst die Blätter der an- 
dern Schmarotzer-Pfianzen. Die Blätter der Orchideen, 
in den Urwäldern der Inseln des Indischen Archipel, sind 
gewifs nur selten ohne diese Jungermannien zu finden, 
ja selbst die Flechten und Farrn werden von ihnen über- 
zogen. 

Doch nicht nur die Stämme dieser Bäume dienen ei- 
ner so üppigen Vegetation zur Grundlage, sondern hoch 
in den Kronen sitzen die scharlachrothen Loranthus - Blü- 
then, die glänzenden Tillandsien, Pitearnien und ein gan- 
zes Heer von Schlingpflanzen, welche anfangs, in der Erde 
wurzelnd, an dem Stamme und den Aesten hinaufklimm- 
ten, später aber ihren Mutterboden verliefsen und alsdann 
parasitisch fortleben. Herr von Martius *) hat, bei sei- 
nem langen Aufenthalt in den Urwäldern Brasiliens, die 
Lebensweise dieser sonderbaren Gewächse mit aufseror- 
dentlichem Scharfsinne verfolgt, und seine Schilderung 
wird jenes Naturgemälde am deutlichsten darstellen: Es 
wohnt nämlich jenen Stämmen der Parasiten der sonder- 
bare Trieb inne, überall da, wo sie durch Berührung ge- 
reizt werden, sich der Rinde zu entledigen, und sich über 
den fremdartigen Körper nach und nach gleichmäfsig, wie 
Flüssiges auszudehnen. So verfliefsen allmählig sogar die 
einzelnen Aeste der Parasiten mit einander. Ist in die- 
sem Processe die Kraft der ursprünglichen Wurzel ge- 
schwächt worden, so setzt sich der Stamm dadurch in’s 
Gleichgewicht, dafs er Luftwurzeln von oben herab zur 

*) Reise u. s. w. Il. p. XXXII. 

13 


194 


Erde sendet, und so gewinnt dieses zähe, lebenskräftige 
Geschlecht, zum Verderben der Nachbarn, immer neue 
Ausdehnung und Stärke. Wir finden diese Lebensweise 
bei Pflanzen aus den verschiedensten Familien, vorzüglich 
ausgebildet aber bei vielen Guttiferen. Es sind in den 
Wäldern Brasiliens die Clusien, Havettien, Arrudaeen und 
die verwandten Gestalten der Ruyschia, Norantea und Marc- 
gravia, welche sich, durch Zusammenfliefsen ihrer Aeste 
und Stämme, selbst mit dem Holze der Unterlage auf das 
Innigste verbinden. An den Ufern des Rio Guama sah 
Herr von Martius ganze Reihen der Macaubapalme (Acro- 
comia sclerocarpa M.) mit der Clusia alba überzogen, so 
dafs der Parasit ein, ringsum geschlossenes Rohr um den 
30 Fufs hohen Stamm gebildet hatte, das an kurzen Ae- 
sten Laub und Blumen trug, und aus dessen Ende die 
erhabene Palmkrone hervorragte. Ich habe ganz ähnliche 
Umgürtungen von abgeflachten, netzartig aussehenden Fei- 
gen-Stämmen in den Urwäldern der Insel Lucon, selbst 
die dickesten Stämme anderer Bäume wie mit einem um- 
gossenen Gitterwerke umzogen gesehen, deren Entstehung 
mir anfangs ganz unbegreiflich schien. Ich habe, schon an. 
verschiedenen anderen Stellen dieses Buches (pag. 179) nä- 
her gezeigt, wie diese Schlingpflanzen die nebeneinander 
stehenden Stämme und Kronen, gleich sich durchkreuzen- 
den Tauen mit einander verbinden, so, dafs selbst die Wir- 
kung der heftigsten Stürme nicht im Stande ist, die ver- 
einigten Massen von einander zu trennen. In den Wäl- 
dern der neuen Welt sind es hauptsächlich die Bauhinien, 
Paullinien und Banisterien, wärend in den Wäldern der 
alten Welt die Passifloren, Aristolochien, aber hauptsäch- 
lich die Ratang’s (Calamus- Arten), diese lebenden Seile 
bilden, welche oft, auf 20 und 30 Fufs Länge, weder Blät- 
ter noch Blüthen treiben. Zwar sind grofse Blüthen, von 
ausgezeichneter Farbenpracht, den Lianen oder Schling- 
pflanzen charakteristisch, doch hoch in den Gipfeln der 
Bäume schweben diese biegsamen Stämme, und meistens 
verrathen erst die herabgefallenen Blüthen oder ein be- 


’ 


f 195 


sonderer Wohlgeruch die Anwesenheit dieser seltenen 
Schönheiten *), zu denen oftmals vergebens der reisende 
Botaniker hinaufschauet. Bäume mufs man fällen, um zu 
den Blumen ihrer Schmarotzer-Gewächse zu gelangen, 
denn die Stämme sind theils zu dick, theils mit rauhen 
Warzen oder Stacheln geschirmt, theils mit gestachelten 
Schlingpflanzen bezogen, und verweigern jedem Verwege- 
nen den Weg, wärend-die Lianen, deren strafigespannte 
Seile zum Klettern so vortheilhaft wären, durch ihre 
beifsenden Säfte und die bösen Ausdünstungen, selbst bei 
den Bewohnern der Wälder gefürchtet werden. Bekanntlich 
sind die Blüthen der Aristolochien ihrer aufserordentli- 
chen Gröfse wegen berühmt; an den schattigen Ufern des 
Magdalenenflusses in Südamerika fand Herr v. Humboldt 
die Aristolochia cordifolia, deren Blume, von 4 Fufs Um- 
fang, von den indischen Knaben im Spiele als Mützen be- 
nutzt wurden, und die Aristolochia gigantea des Herrn 
v. Martius hat fast fufslange Blumen. 

Aber auch mit diesen, in die Luft gehobenen Gärten 
von gröfster Mannigfaltigkeit und üppigster Pracht ist die 
Kraft der tropischen Vegetation noch nicht gebrochen, 
denn selbst aus den Wurzeln treten mannigfaltige Ge- 
wächse, oft von riesiger Gröfse und sonderbarer Form 
hervor, gleichsam ihren dunkeln Ursprung verkündend. 
Die Rafflesien und Brugmansien im indischen Archipel er- 
scheinen nicht anders, als grofse, gleichsam blühende Hut- 
pilze; ja die Rafflesia oder Riesenblume erreicht eine 
Gröfse von 3 Fufs Durchmesser. Die tropischen Wälder 


*”) Als eine Eigenthümlichkeit der Bäume und überhaupt der 
Gewächse tropischer WVälder ist noch zu bemerken, dafs nach den 
Beobachtungen verschiedener Reisender, als VVydler, Auguste de 
Saint-Hilaıre und Pohl, die Bäume in den tropischen WVäldern nur 
selten blühen, und dafs sie sich häufig durch heranwachsende VVur- 
zelbrut fortpflanzen. Das unaufhörliche Wachsthum der Bäume, 
ihr Blätter- und Zweige-Treiben, bringt nur selten Blumen hervor. 
Eine Qualea Gestasiana bleibt 5 Jahre unfruchtbar, wenn sie einmal 
Blüthen getragen hat, ect. 


13° 


196 


Amerika’s, der Südsee-Inseln, und selbst nach einigen Nach- 
richten in Afrika, sind reich an Balanophoren der mannig- 
faltigsten Formen und Farbenpracht. 

So majestätisch schön der Anblick eines Urwaldes 
ist, so furchtbar grofsartig ist derselbe im Kampfe mit den 
wilden Elementen. Der Aufenthalt in einem Urwalde bei 
heftigem Orkane wird als furchtbarer geschildert, wie der 
Kampf mit den tobenden Wogen im offenen Meere; doch 
schon minder heftige Stürme erregen grofsartige Natur- 
scenen. Wenn der heftige Sturm die Kronen jener riesi- 
gen Stämme der Urwälder erfafst und Aeste und Stämme 
gegen einander schüttelt, dann wird die Luft mit furcht- 
barem Rauschen, Toben, Knarren und Krachen erfüllt; 
selbst die mächtigen Lianen werden zersprengt und die 
modern Aeste und Stämme stürzen zu Boden. In grofsen 
Massen werden die Parasiten aus den Gipfeln niederge- 
worfen und die Bäume entledigen sich ihrer grofsen 
Früchte, welche, meistens mit harten Schalen umhüllt, 
mit heftigem Krachen zu Boden fallen. Der Regen, an- 
fangs durch die dichte Blätterdecke aufgehalten, stürzt 


nun in desto gröfseren Massen herab, und vergröfsert das. 
Schauerliche des Augenblicks; fast alle Bewohner dieser 


Wälder geben ihre Unruhe durch klägliches Geheul und 
Geschrei zu erkennen, die Affen, die grofsen Fledermäuse, 
das ganze Heer der Vögel ruft laut durch einander und 
das Gequak der Laubfrösche und anderer dieser Familie, 
oft paukenförmig ertönend, giebt die grofse Noth des Au- 
genblickes zu erkennen. Nur die Insekten schweigen, 
welche lange vorher jenen Aufruhr verkündet haben, und 
sitzen versteckt auf der untern Fläche der Blätter, bis Al- 
les vorüber ist und die Sonne wieder freundlich die Gipfel 
bescheint. 

Diefs sind die Urwälder der Aequatorial-Zone mit 
ihren Wundern; an ihrem Rande, an den Ufern der Seen 
und der Ströme ist diese Vegetation weniger mächtig, aber 
um so schöner. Gleichsam niedere Waldungen fassen 
diese Gewässer und freien Plätze ein, über deren Laub- 


197 


decke sich die- stolzen Palmen erheben, zuweilen, wie die 
Piriguao an der Mündung des Guaiviare und Atabapo, so- 
gar mit den schönsten Früchten verziert. Es erhebt sich 
diese Palme mit schilfartig zartem, an den Rändern ge- 
kräuseltem Laube, mit einem 60 Fufs hohen Stamme und 
trägt pfirsichartige Früchte, deren 70—80 in ungeheuern 
Trauben niederhängen und den Menschen eine nahrhafte 
Speise darbieten. An den Ufern der Flüsse, auf der Insel 
Lucon, wurden die steilen Abhänge dieser Vegetations- 
Massen mit prächtigen Schlingpflanzen verziert; reizend 
schöne Farrnkräuter, ein grofsblättriges Lygodium nämlich, 
hing in 40 und 50 Fufs langen Ranken aus den Gipfeln 
der Bäume herab, und von den Blüthensiengeln der Bi- 
gnonia grandiflora hingen 2 und 3 Fufs lange Schoten. 

Am Rande solcher lichten Waldung pflegt der Indier 
seine leichte Hütte zu errichten; einige hellgrüne Pisange, 
und die schlanke Palme, hinausragend aus dem dunkeln 
Laube der anstehenden Fruchtbäume, verkünden schon 
aus weiter Ferue die Wohnung des Menschen, deren Er- 
richtung durch die Nähe der baumartigen Gräser in Indien 
wenigstens so sehr erleichtert wird. | 

Die herrliche Pflanzenform, welche wir unter dem 
Namen der baumartigen Gräser geschildert haben, welche 
durch die Gattung Bambusa am allgemeinsten repräsentirt 
wird, tritt in der Aequatorial-Zone in geselligem Zustande 
auf, und bildet hier eben so ausgedehnte Waldungen wie 
die Coniferen in nördlicheren Zonen. Auch die Nipa- 
Palme im Indischen Archipel überzieht in gesellschaftlichen 
Massen die meilenlangen Küsten-Gegenden jener Inseln, 
häufig grenzend an die ausgedehnten Mangrove- Waldungen, 
wo der Wurzelbaum, die Avicennien, Bruguieren, Dodo- 
neen, Tournefortien u. s. w. in grofser Anzahl gesellschaft- 
lich neben einander vorkommen. Die höchsten Bäume 
dieser Mangrove-Waldungen gehen gewöhnlich nicht über 
40 bis 50 Fufs hinaus, sie behalten das ganze Jahr hin- 
durch grüne Blätter, wie es den Bäumen der feuchten 
tropischen Gegenden allgemein zukommt. 


198 


So wie ich hier die Vegetation der Aequatorial-Zone 
zu schildern versucht habe, würde sich dieselbe auf allen 
Punkten ihres Gürtels zeigen, wenn nicht dort, so wie in 
unseren Zonen störende Einflüsse dem regelmäfsigen Gange 
der Naturkraft entgegenwirkten. Vergebens sucht man in 
den Savanen am Orinoco, oder in der Küsten-Pampe des 
südlichen Peru, oder in den Wüsten Afrika’s nach jener - 
üppigen Vegetation, welche ich im Vorhergehenden als 
der Aequatorial-Zone eigen geschildert habe. Der Grad 
der Hitze, welchen diese Theile der Erde aus ihrem Stand- 
punkte zur Sonne erhalten, ist unter allen Längen der- 
selbe, aber die Verschiedenheit ihres Reichthums an Was- 
ser ist so grofs, dafs dadurch die auffallendsten Abwei- 
chungen hervorgerufen werden. 

Ich habe früher die Ursachen, worauf die Verschie- 
denheit des Küsten- und des Continental-Clima’s beruht, 
genau aus einander gesetzt, und ich kann defshalb darauf 
nochmals verweisen; ehen dieselben Theorieen erklären 
die grofse Hitze in jenen tropischen, wasserlosen Gegen- 
den bei Tage und die grofse Kälte durch Ausstrahlung 
wärend des Nachts. Wo die gehörige Feuchtigkeit der 
Atmosphäre und dem Boden jener Gegenden fehlt, da tritt 
zwischen den verschiedenen Jahreszeiten ein grofser Wech- 
sel der Verhältnisse ein. Gerade zur Sommerzeit, wenn 
bei uns die Vegetation im höchsten Flore ist, dann er- 
stirbt sie in den trockenen Gegenden der Tropen; die 
Bäume verlieren ihre Blätter und die Kräuter verschwin- 
den spurlos, aus blofsem Mangel an Feuchtigkeit, so wie 
bei uns gerade zur Winterzeit, aber aus Mangel an Wärme 
die Vegetation erstarrt, bis die erste Frühlingswärme die- 
selbe wieder in das Leben ruft. Ausführlich sind die lich- 
ten Wälder Brasilien’s (Catingas) von berühmten Rei- 
senden geschildert, welche das sonderbare Phänomen des 
Blattfalls für die Tropen aufweisen, und dann, gerade wä- 
rend der heifsesten Zeit, ihres ganzen Schmuckes beraubt, 
dastehen; doch diese Erscheinung ist allgemein, ja überall 
in der heifsen Zone, wo ähnliche Verhältnisse auftreten. 


199 


In den wasserlosen Gegenden auf der Westküste von 
Peru habe ich nicht nur die, daselbst eingeborenen Bäume 
wärend der heifsen Jahreszeit blattlos gesehen, sondern 
auch unsere europäischen Fruchtbäume, welche dorthin 
eingeführt sind. Wir sahen unsere Feige neben dem 
Schinus, beide blattlos, wie vertrocknet dastehen, nur die 
Früchte an dem Schinus, und dicke Knospen an den Spit- 
zen der Feigenbäume verkündeten das schlummernde Le- 
ben dieser Gewächse, welche mit der todten, vollkommen 
vegetationslosen Gegend auffallend harmonirten. Ich glaube 
diese blattlosen Waldungen der Tropen nicht besser schil- 
dern zu können, als durch Aufführung einer Stelle aus 
Herrn von Martius Reisebericht *): „Alles um uns her,“ 
erzählt dieser berühmte Reisende, „trug ein eigenthümli- 
ches, uns fremdes Gepräge, und erfüllte das Gemüth mit 
Bangen. Der dichte Wald erschien uns wie ein weites 
Grab, denn die dürre Jahreszeit hatte allen Schmuck der 
Blätter und Blüthen von ihm abgestreift; nur selten rank- 
ten sich dort dornige Smilax- Arten oder schnurartige Ge- 
winde von Cissus, mit einzelnen Blättern besetzt, in die 
Höhe, oder es ragten hier stattliche Blumenrispen von 
Bromelien zwischen den Zweigen hervor; um so sichtba- 
rer erschienen die Stämme in ihrem ganzen ungeheuren 
Umfange, ihre Aeste, wie Riesenarme, in den dunkelblauen 
Aether streckend. Dornige Acacien, vielverzweigte Andi- 
ren und Copaiferen und milchweifse Feigenbäume erschıie- 
nen hier besonders häufig; was uns aber am meisten auf- 
fiel, waren die gigantischen Stämme von Chorisien (Cho- 
risia ventricosa), welche oben und unten verengt, in der 
Mitte wie ungeheuere Tonnen angeschwollen, und auf der 
korkartigen Rinde mit gewaltigen glänzend braunen Sta- 
cheln besetzt waren. Hier hingen mächtige Büschel para- 
sitischer Misteln an den Aesten herab, von der sorgsamen 
Mutter Natur meistens in der Art vertheilt, dafs die weıb- 
lichen Stauden tiefer stehen, als die männlichen u. s. w. 


5) Reise in Brasilien, II. p. 499. 


200 


Dort hatten Myriaden von Ameisen ihre Wohnungen voll 
dädalischer Windungen an den Stämmen aufgehangen, wel- 
che im Umfange von mehreren Fufsen durch ihre schwarze 
Farbe seltsam contrastirten mit dem Hellgrau der entblät- 
terten Aeste. Der herbstlich erstarrte Wald ertönte vom 
Geschrei mannigfaltigen Gefieders, vorzüglich krächzender 
Araras und Periquitos. Scheue Gürtelthiere und Amei- 
senfresser begegneten uns zwischen in hohe Wälle aufge- 
worfenen Cupims geschäftiger Ameisen, und träge Faul- 
thiere hingen dumpf hinbrütend an den weifsen Aesten 
der Ambauba (Cecropia peltata), die sich hie und da, zwi- 
schen den übrigen Bäumen erhob. Heerden von Brüll- 
affen liefsen sich aus der Ferne vernehmen. Das hohe, 
dürre Gras war von’ wimmelnden Ballen kleiner Carabatos 
bedeckt, die sich, wenn wir sie zufällig berührten, mit 
Blitzesschnelle über uns verbreiteten und ein bösartiges 
Jucken erregten.“ 

Noch auffallendere Erscheinungen bieten die Wüsten 
der heifsen Zone dar, deren Physiognomie durch Herrn 
Alexander von Humboldt #) mit so grofser Umsicht cha- 
rakterisirt worden ist. Es sind diese, mehr oder weniger 
gleichmäfsigen Ebenen ebenfalls als Lokalerscheinungen zu 
betrachten, deren Entstehung mit den grofsen geognosti- 
schen Revolutionen zusammen zu hängen scheint, welche 
zuletzt die Gestalt unserer jetzigen Erdoberfläche bestimmt 
haben. 

Einige von diesen tropischen Wüsten sind, aus flie- 
gendem Sande bestehend, ganz wasserleer, und weder Re- 
gen noch Vegetation ist in ıhnen zu beopachten; hiezu 
gehören grofse Striche der Sandwüste Afrika’s. Andere 
dieser Ebenen sind mit einer dünnen Decke von Erde 
bekleidet und, dem Einflusse periodischer Regen ausgesetzt, 
zeigen sie in verschiedenen Jahreszeiten ganz verschiedene 
Gestalt; wärend der trockenen Jahreszeit sind sie z. B. 
in den Aequatorial-Zonen Amerika’s verödet, wie die li- 


*) Ueber die Steppen und Wüsten. Ansichten der Natur. 


201 
bysche Wüste, aber wärend der nassen Jahreszeit sind 
sie mit üppig anschiefsendem Grase und niederen Mimo- 
sen bekleidet. 


2) Die tropische Zone. 


Die tropische Zone erstreckt sich, auf jeder Seite des 
Aequators, von dem 4dten Grade der Breite bis zu den 
Wendekreisen und zeigt eine mittlere Wärme von 23° Cels. 
bis 26° Cels. Die vielen Ausnahmen, welche diese Zone 
in Hinsicht der mittleren Wärme, wie sie so eben age- 
geben ist, aufzuweisen hat, haben wir, wenigstens theil- 
weise, schon in der ersten Abtheilung unseres Buches auf- 
geführt (s. p. 22.). In Gegenden, wo die Monzoone herr- 
schen, ist eine Sommerwärme von 27 und 28° Cels., ja 
bis 30° Cels. gewöhnlich, wärend zur Winterzeit die Tem- 
peratur daselbst sogar bis unter den Gefrierpunkt zu sin- 
ken pflegt. Die mittlere jährliche Wärme von Canton be- 
trägt 17,5° R.*) oder 21,87° Cels., dagegen ist die mitt- 
lere Sommerwärme daselbst 22,2° R. (27,7° C.) und die 
mittlere Winterwärme gleich 12,1° R. (15,1° Cels.). © Ich 
habe mich schon früher, in der ersten Abtheilung (p.10 u.22) 
etwas ausführlicher über die. Verschiedenheiten in dem 
Gange der Temperaturen für einige der hauptsächlichsten 
Punkte, welche nahe dem Wendekreise des Krebses liegen, 
ausgesprochen und kann jetzt dahin verweisen. 

Allerdings eben so, wie wir gesehen haben, dafs die 
Isothermen-Linien auf ihrem Verlaufe einer beständigen 
Wellenlinie folgen, und hie und da bald steigen und bald sin- 
ken, so werden wir auch in dieser tropischen Zone ein- 
zelne Gegenden nachweisen können, in welchen noch alle 
die Verhältnisse auftreten, die wir im Vorhergehenden für 
die Aequatorial-Gegend aufgezählt haben. Als Beispiele 
hiezu möchte ich die Gegend von Rio de Janeiro und von 
Caleutta aufführen, . wo man gewifs einen sehr geringen 


*) $. Meyen, Bemerkungen über das Clima des südlichen China, 


Nova Acta Ac. GC. LT. Vol, XIL P. I. 903. 


202 


Unterschied zwischen dem Clima und der Vegetation der 
Aequatorial-Zonen auffinden möchte. 

Aufser den Palmen, den Musaceen, Scitamineen, Me- 
liaceen, Anonaceen und Sapindaceen, aufser den Pflanzen 
mit Orchideen- und Pothos-Form, so wie den Lianen und 
noch Anderen, welche der Aequatorial-Zone besonders 
eigen sind, so dafs sie daselbst den Charakter der Vege- 
tation bestimmen, treten gegen die Grenzen der heifsen 
Zone die Farrn, die Convolvulaceen, die Melastomen und 
die Piperaceen als noch mehr vorherrschend auf. Hier 
sind es die baumartigen Farrn, welche die Zone charakte- 
risiren, wie die Palmen in Verbindung mit der Scitamineen- 
Form, der Umgegend des Aequators besonders eigen wa- 
ren. Will man die auffallendsten Contraste zwischen der 
imposant grofsartigen Vegetation der Aequatorial - Zone 
und der üppigen der tropischen Zone auflassen, so wäre 
eine Vergleichung der Pflanzendecke der Sandwichs -In- 
seln und der der Philippinen ganz allein hinreichend. In 
den Wäldern der Sandwichs -Inseln fehlt es nicht an mas- 
siger Vegetation; auch hier bildet eine Acacia (A. hete- 
rophylla) und die prachtvolle Aleurites triloba Stämme 
von ungeheuerem Umfange, und keinen Fufs kann man 
zur Erde setzen, ohne vorher, mit dem Messer in der 
Hand, Bahn gemacht zu haben. Eine unendliche Masse 
von baumartigen Farrn, von Pandanen und Seitamineen 
ist hier durch die zahlreichen Individuen und Arten von 
Ipomoeen so dicht mit einander verflochten, dafs man zu- 
erst alle die Schlingpflanzen zerstören mufs, um sich ei- 
nen Weg zu bahnen. In diesen Wäldern herrscht über- 
haupt ein so grofser Reichthum an Unterholz, wärend in 
den Wäldern der Aequatorial-Zone mehr die parasitische 
Flora, sowohl der Orchideen, als der Pothos-Gewächse, 
wie aber hauptsächlich der Lianen, welche auf der Krone 
der Bäume sitzen, vorherrschend ist. In den dichteren 
Wäldern der Sandwichs-Inseln kommen die Pandanen und 
Ananas-artigen Gewächse in gröfseren Massen vor; sie 
steigen an den Stämmen der Bäume hinauf und umschlin- 


203 


gen diese mit Hunderten von Aesten, so dafs ihr Laub- 
werk undurchdringlich wird, und der Reisende seinen Weg 
auf dieser vegetabilischen Decke verfolgen mufs; ja un- 
bemerkt wandert man zuletzt in einer Höhe von 8 und 
40 Fufs über der Oberfläche der Erde, und erst an den 
Abgründen dieser Berge von Pflanzen kann man ihre 
ungeheueren Massen übersehen. Dicke Baumstänme, die 
ringsum mit bunten Flechten *) verziert waren, zeigten 
mit den prachtvollen Farrn, welche auf ihnen gruppirt 
sind, den schönsten Anblick, welchen sich reisende Bo- 
taniker nur wünschen können. Ungeheuere Asplenien, 
nämlich die gröfste Varietät des Asplenium Nidus, dessen 
Blätter 2 bis 3 Fufs lang und verhältnifsmäfsig breit sind, 
daneben kleine Pteris- Arten mit linien - lanzettförmigen 
Blättern, Piperaceen in gröfster Menge, niedliche Junger- 
mannien, Laubmoose u. s. w., und alle diese Formen auf 
einem und demselben Baume; welch ein Anblick! Die 
sonderbar gestaltete Charpentiera obovata Gaud. hängt 
nachlässig ihre Blüthenbüschel über die baumartigen Lo- 
beliaceen herab, und die grofse Menge von Urticeen, de- 
ren grofsblättriges Laub mehr oder weniger auffallend 
weifs behaart ist, giebt hier den Charakter der hochstäm- 
migen Vegetation, wärend der Boden ganz und -gar mit 
4, 5 und 6 Fufs hohen Farrn-Stämmen bedeckt ist. Der 
schöne grofse Baum von Metrosideros polymorpha und 
derjenige der Jambosa malaccensis, neben denen so häufig 
die niedlichen Dracaenen und. hohe wilde Pisange aufschie- 
fsen, dienen nicht wenig zur Verschönerung der Wälder 
dieser Sandwichs-Inseln.. Die herrlichen scharlachro- 
then Blüthenmassen jener Bäume, so häufig von ganz klei- 
nen Nectarinien besucht, stechen nicht wenig von den 
weifslich behaarten Blättern der umgebenden Urticeen ab. 

Auffallend ist bei der üppigen Vegetation der Sand- 
wichs-Inseln der gänzliche Mangel an Orchideen und auch 


*) Parmelia perforata var. melanoleuca und var. ulophylla, Us- 
nea australis Fr., Sticta lurida n. sp. etc. 


204 


Umbellaten gehörten zu den gröfsten Seltenheiten; auch 
möchte ich hier gelegentlich noch eine besondere Eigen- 
thümlichkeit in Hinsicht der Fauna dieser Gegenden be- 
merken. Es ist nämlich bekannt, dafs in den feuchten 
Wäldern der Aequatorial-Zone, sowohl in der alten, wie 
in der neuen Welt, ein ganz aufserordentlicher Reichthum 
an Insekten herrscht; selten wird man hier die Blätter 
eines Astes umdrehen, ohne darauf einige Käfer u. s. w. 
zu finden. Auf den Sandwichs-Inseln dagegen fehlen diese 
Thierehen fast gänzlich und, sonderbar genug, sie werden 
daselbst durch niedliche Landschnecken gleichsam ersetzt, 
denn deren Anzahl ist hier so grofs, dafs nur 'selten’ ein 
Pflänzchen oder der Ast eines Baumes nicht mehrere der- 
selben aufzuweisen hätte. *) 

Leider liegt ein grofser Theil von den Ländermassen 
dieser Zone unter solchen Verhältnissen, dafs ihnen, we- 
gen Mangel an hinreichender Feuchtigkeit und wegen eines 
zu schlechten Bodens, fast alle die Schönheiten einer tro- 
pischen Vegetation abgehen; so fanden wir dieses auf der 
Westküste von Südamerika, wo, gerade in den Breiten 
dieser Zone, die armseligste Vegetation herrscht, welche 
man sich vorstellen kann. Nur einige wenige Palmen, 
einige Acacien und einige tropische Früchte sind die Spu- 
ren, welche daselbst die Lage des Landes verrathen. Das 
südlichste China, der nördlichste "Theil der Philippinen, 
Cochinchina u. s. w. reichen ebenfalls in die nördliche tro- 
pische Zone hinein und zeigen gleichfalls einige Abwei- 
chungen von der Vegetation der Aequatorial-Zone, doch 
auch hier ist oftmals das Charakteristische durch den Ein- 
flufs der halbjährlichen Winde unterdrückt; ja in China 
und Cochinchina hat auch die uralte Cultur der Menschen 
und die grofse Bevölkerung so stark auf die Vegetation 
eingewirkt, dafs man nur noch wenig Uharakteristisches 
derselben aufzufinden vermag. Zu den Eigenthümlichkeiten 
der Vegetation dieser Gegenden gehört ‚las gesellschaft- 


*) $S. Meyen’s Reise, Il. pag..142 u. s: w. 


205 


” 


liche Auftreten der chinesischen Fichte, welche Wälder bil- 
det ganz so wie die unserer gemeinen Fichte, Um so auffal- 
lender ist der Contrast dieser Fichtenwälder gegen die 
lichten Waldungen der baumartigen Gräser, welche daselbst 
die Bambusa arundinacea in so ausgedehnten Flächen bil- 
det, und die Landschaft höchst ‘angenehm verzieret. Die 
Wälder der baumartigen Gräser setzen sich, in der alten 
Welt, gegen den Aequator hin, fast ununterbrochen fort, 
nur tritt in der Aequatorial-Zone statt der Fichtenform 
die Casuarinenform auf, welche sich auch südlich durch die 
Aequatorial-Zone nach der Grenze der Tropen hinzieht. 
Neben diesen Fichten und Gasuarinen der tropischen Zone 
Indiens fehlt es auch nicht an Cypressen , und selbst auf 
Neu-Caledonien treten diese neben den Casuarinen auf. 
Die grofse Insel Neu-Caledonien, ebenfalls der südlichen 
tropischen Zone angehörig, kann sich eben so wenig jener 
üppigen, tropischen Vegetation rühmen, welche ‚alle Rei- 
sende im südlichen Brasilien und in Indien gefunden haben, 
sondern das Land ist im Gegentheil kahl, ja entwaldet zu 
nennen, doch an einzelnen Stellen, wahrscheinlich wo ,grö- 
fserer Reichthum an Wasser ist, da treten viele der schö- 
nen tropischen Pflanzenformen auf, deren wir im vorher- 
gehenden Abschnitte gedacht haben. *) 

‚ Die Ufer der Gewässer sind auch ‘hier mit Mangrove- 
Waldungen bedeckt, und merkwürdige Feigenbäume schlie- 
fsen sich diesen an, deren schöne Belaubung so dick ist, 
dafs selbst die brennenden Strahlen der Mittagssonne nicht 
durchdringen können und daher den Bewohnern jener Ge- 
genden einen angenehmen Schatten verursachen, der durch 
lieblichen Gesang einer Menge von Vögel noch verschö- 
nert wird. Diese ‚Feigenbäume, erzählt Forster, haben 
eine höchst sonderbare Form, indem ihre Stämme, auf 
einer Höhe von 15 bis 20 Fufs über der Erde, auf einer 
Menge von langen Wurzeln ruhen, die schnurgerade in 
schräger Richtung nach dem Boden herabgehen und dabei 


”) $. Cook’s zweite Reise, II. p. 309 u. s. w. 


206 


so rund sind, als wären sie gedrechselt, und so elastisch 
wie gespannte Bogensehnen. Die Cocosnufs, die Yams- 
wurzel, die Arumwurzel, der Pisang und das Zuekerrohr 
sind die gewöhnlichen Nahrungsmittel, welche durch die 
Cultur gezogen werden, doch bei der geringen Fruchtbar- 
keit jenes Bodens, müssen sich die Menschen zuweilen mit 
den gerösteten Baumrinden begnügen, zu welchem Zwecke 
z. B. die Rinde von Hibiscus tiliaceus benutzt wird. Die 
prachtvolle Melaleuca Leucodendrum aus der Gruppe der 
Proteenform kommt hier in grofser Menge vor, so dafs 
die Rinde dieses Baumes zur inneren Bekleidung der Wände 
der Indianerhütten gebraucht wird. Noch eine prachtvolle 
Myrtenform, eine Eugenia nämlich, wächst auf Neu-Cale- 
donien und wird selbst in Alleen gepflanzt, neben denen 
des Pisangs, zwischen welchen die Yams-, Arum- und 
Zuckerrohr-Felder gelegen sind. 

Die westindischen Inseln scheinen sehr reich an Farrn 
und Orchideen zu sein, dafs man sie als eine eigene Pro- 
vinz der amerikanischen Flora dargestellt hat. *) 

Leider müssen wir bedauern, dafs bis jetzt nur wenige 
einzelne Punkte dieser Zone der alten Welt auf solche 
Weise beschrieben sind, dafs man daraus die Physiogno- 
mie der Vegetation erkennen könnte. 


3) Die subtropische Zone, 


Die subtropische Zone erstreckt sich, auf beiden He- 
misphären, von den Grenzen der heifsen Zone, also von 
den Wendekreisen an, bis zu 34° der Breite. Sie umfafst 
eine Ländermasse, deren Bewohner sich des glücklichsten 
Clima’s zu erfreuen haben; die mittlere Temperatur dieser 
Zone ist 17 bis 21° Cels., doch kommt ihr eine Sommer- 
wärme von 23 bis 28° Cels. zu, wodurch es möglich wird, 
dafs eine Menge von tropischen Früchten und viele ein- 
jährige Pflanzen daselbst gedeihen, welche eigentlich der 
Aequatorial-Zone angehörig sind. Dabei sind auch die 


*) S. Schouw I. c. p. 516. 


207 


Winter so milde, dafs die Menschen der festen Gebäude 
als Schutzmittel gegen die Rauhheit des Clima’s noch we- 
nig bedürfen. 

Wir werden sogleich sehen, dafs die subtropische Zone 
der nördlichen Hemisphäre weit weniger bekannt ist, als 
die der südlichen Hemisphäre, und dafs die eigentbümliche 
Configuration der Ländermassen dieser südlichen Halbku- 
gel besonders vortheilhaft ist, um vergleichende 'Unter- 
suchungen in Hinsicht der Flora dieser subtropischen Zone 
anzustellen. 

Für die subtropische Zone der nördlichen Hemisphäre 
haben wir zuerst eine genauere Kenntnifs der Vegetation 
auf den Canarischen Inseln, durch Herrn Leop. v. Buch *) 
erhalten. In diesem ausgezeichneten Werke findet sich 
nicht nur eine, gewifs sehr vollständige Flora der Canari- 
schen Inseln, sondern man findet daselbst die einheimischen 
und eingeführten Pflanzen sehr genau bezeichnet, ihr Auf- 
treten in verschiedenen Regionen und ihre Gemeinschaft 
mit den Floren der zunächst gelegenen Continente genau 
angegeben, so wie auch treffliche allgemein pflanzengeo- 
graphische Schilderungen darin enthalten sind. 

Auch hier, in der subtropischen Zone, zeigt die Ve- 
getation, durch alle Jahreszeiten hindurch, ein immergrünes 
Kleid, ähnlich den Wäldern in den feuchten Gegenden der 
heifsen Zone. Der grofsen Sonnenhitze wegen treten 
hier, in der Ebene, sowohl Palmen als Bananen auf, ja in 
Aegypten wird die Banane noch in den Gärten bis zum 
34sten Grade der Breite gezogen, wärend die Cucifera 
thebaica, jene merkwürdige Doom-Palme mit verästeltem 
Stamme, nur bis zum 30sten Grade hinaufgeht. #*) Die 
Dattelpalme ist dem ganzen westlichen Theile der subtro- 
pischen Zone der alten Welt angehörig, auf den Canari- 


*) Physicalische Beschreibung der Canarischen Inseln. Berlin 
1825. 4to. 

N) S. N. Bove Relation abregee d’un Voyage botanique en Egypte 
dans les trois Arabies, en Palestine et en Syrie. — Ann. d. sciens. 


nat. 1834. Tom. 1. 


208 


schen Inseln beginnend; doch in Indien, z. B. zwischen 
Delhi und Saharumpore *), treten als Stellvertreter Phoenix 
sylvestris und Phoenix humilis auf. In Nord- Amerika 
aber, bei Neu-Orleans z. B., erscheint die Chamaerops 
Palmetto in sumpfigen Ebenen auf ausgedehnten Flächen 
gesellig wachsend und zuweilen eine Höhe von 6 Klaftern 
erreichend. 

Als höchst eigenthümlich treten in dieser subtropischen 
Zone, worin die Canarischen Inseln liegen, eine Menge 
von Saftpflanzen auf, welche den Gattungen Sempervivum, 
Aizoon, Cotyledon, Urassula, Mesembryanthemum, Por- 
tulaca u. Ss. w. angehören, ja die Gattung Sempervivum hat 
hier baumartige Species aufzuweisen, welche einen ganz 
fremdartigen Charakter zeigen, wie das Sempervivum ar- 
boreum auf der Insel Madera. Am eigenthümlichsten sind 
aber die baumartigen Euphörbien, welche hier mit ihren 
prismatischen saftreichen Stämmen die Cacten der neuen 
Welt nachahmen. Die Euphorbia balsamifera, deren Milch 
so unschädlich ünd süfs ist, dafs sie von den Bewohnern 
zu Gallerte verdickt wird, um sie gelegentlich zu geniefsen, 
ist ein sehr merkwürdiger Baum, welchen Herr v. Buch **) 
sehr ausführlich beschrieben hat. „Der Stamm erhebt sich 
zuerst, wenn auch 'sehr gekrümmt, ohne Aeste; dann aber 
vertheilen sich eine grofse Menge Zweige umher, die sich 
wieder in unzählbare kleinere zerspalten. Nirgends sind 
Blätter zu sehen, aufser am äufsersten Ende der Zweige, 
wo sie umherstehen. Sie sind kurz, lanzetiförmig und 
schmal, grau und an den Spitzen mit einem kleinen Stachel 
besetzt. Die Blätter, welche unmittelbar die Blume tra- 
gen, sind etwas breiter, eiförmig, blasser, etwas fleischig, 
und fallen nach der Blüthe ab u. s. w.“ Indessen noch 
mehr, sagt Herr v. Buch, gehört der Cordon (die Euphor- 
bia canariensis, deren Lebenssaft scharf wie derjenige der 


*) Royle Illustrations of the Botany and other Branches of the 
natural History of the Himalayan Mountains and of the Flora of 
Cashmere. London 1833. Fasc. 1. 

ep. 145. 


Ye 209 


‘übrigen Euphorbien ist) zu den abenteuerlichsten Formen 
der Natur. Seine dunkelgrünen Zweige erheben sich, völ- 
lig blattlos, alle zugleich aus einer gemeinschaftlichen 
Wurzel, biegen sich im Halbzirkel über den Boden hin, 
und steigen dann, in verschiedener Entfernung vom An- 
fange, senkrecht hinauf, so dafs sie dem Baume das An- 
sehen eines ungeheuren Kronleuchters, mit einer Menge 
aufgesteckter und angezündeter Lichter geben. Die einzel- 
nen Aeste haben wohl einen halben Fufs im Umfange und 
sind Prismen von 4, oder gewöhnlicher, von 5 Seiten. 
Ihre Kanten sind, der ganzen Länge nach, mit zwei kurzen 
Stacheln besetzt. Am Ende dieser dicken, eckigen, flei- 
schigen Aeste brechen die scharlachrothen Blüthen hervor, 
die -in der Ferne einer glühenden Kohle ähnlich sind. 
Höher hinauf zertheilen sich ältere Aeste, und bilden wie- 
der abgesonderte kleinere Kronleuchter auf den gröfseren. 
Oder der Baum steht an dem Abhange eines Felsens, an 
welchem die Aeste in den wunderbarsten Curven herab- 
fallen und sich senkrecht wieder erheben. Oder er wächst 
auf einer ebenen Fläche, und die Aeste, von Alter und 
Schwere ganz zu Boden gedrückt, erheben sich erst in 
einer grofsen Entfernung vom Mittelpunkt wieder, wodurch 
der sonderbare Anblick eines kleinen Waldes von leben- 
digen Öseitigen Prismen entsteht. Es ist hier nichts, was 
uns eine sonst gewöhnliche Form eines Busches oder eines 
Baumes zurückrufen könnte, selbst die Blumen auf der 
Spitze nicht, denn auch noch in der Nähe möchte man sie 
für Knöpfe halten, mit welchen diese abenteuerlichen 
Aeste besetzt sind.“ Bei allen diesen Eigenthümlichkeiten, 
welche die Flora der Canarischen Inseln aufzuweisen hat, 
kann man in ihr einige Aehnlichkeit mit der Vegetation 
des südlichsten Afrika’s, welches in eben derselben Zone 
der südlichen Hemisphäre liegt, nicht verkennen; die Menge 
von saftigen Pflanzen, welche daselbst auftreten, sind schon 
etwas mehr als blofse Repräsentanten der Flora jener 
ähnlichen Zone. "Auffallend aber möchte es sein, dafs die 
Flora der Canarischen Inseln so äufserst wenige tropische 


14 


210 


> 


Pflanzen-Formen aufzuweisen hat, und es wäre defshalb 
um so wichtiger, die Flora des anliegenden festen Afrika’s 
zu kennen; ob sich hier nämlich eben dieselben Verhält- 
nisse zeigen. Aufser der Palmen- und Bananen-Form 
sind nur noch die Dracaenen, die Gattungen Pancratium, 
Saeccharum, Rottboellia und wenige andere zu nennen, welche 
in der heifsen Zone ihr Maximum erreichen und auch nur 
selten über dieselben hinausgehen. Von der grofsen Gat- 
tung der Feigen, erscheint nur Ficus Carica und auch diese 
ist daselbst eingeführt. In der subtropischen Zone Aegyp- 
tens dagegen erscheint schon der Ficus Sycomorus, ein 
Baum mit äufserst kräftiger Vegetation, dessen Stamm die 
Dicke von 9—12 Fufs im Durchmesser erreicht und 50 
bis 60 Fufs hoch wird. Durch seine starke Verästelung 
und durch das schöne stets ausdauernde au: giebt dieser 
Baum einen angenehmen Schatten. 

Ebenso wie die Flora der Canarischen Inseln und die 
von Madeira nur wenige Formen der tropischen Vegeta- 
tion aufzuweisen haben, ebenso verhält es sich mit der 
Vegetation der westlichen Theile des Himalaya - Gebirges; 
2. B. in der Umgegend von Delhi (im 28sten Grade der 
Breite und S00 Fufs hoch gelegen). Auch hier herrscht 
im Sommer eine tropische Hitze, welche fast alle Früchte 
der Aequatorial-Zone zur Reife bringt, wärend die Tem- 
peratur daselbst zur Winterzeit so niedrig ist, dafs sie 
öfter alte Bäume jener bekannten edeln tropischen Früchte 
tödtet. \WVärend der Sommerzeit, hier zur Zeit der Regen, 
bauet man in der Gegend von Delhi den Reis, Indigo, 
Baumwolle, Mays, Holcus Sorghum, einige Arten von Pani- 
cum, Paspalum, Eleusine; Phaseolus und Dolichos - Arten 
unter den Hülsenfrüchten, kürbisartige Gewächse, das Se- 
samum, Solanum-Arten mit efsbaren Früchten, Ingwer, 
Turmerie, Crotalaria juncea und Hibiscus cannabinus zur 
Bereitung von Kleidern. Wie ganz anders erscheinen da- 
gegen die bewohnteren Gegenden jenes Landes zur Win- 
terzeit, wenn die Gräser der nördlicheren Gegenden gebauet 
werden, als Weitzen, Gerste, Hafer, Hirse, Bohnen, 


211 


Wicken, Senf, Coriander, Carroten, Taback, Flachs, Saf- 
flor u. s. w. *) 

Indessen nicht nur die Vegetation des ceultivirten Bo- 
dens, sondern, wie es schon vorauszusehen war, auch die 
Vegetation in ihrem wilden Zustande zeigt, in den ver- 
schiedenen Jahreszeiten, diesen verschiedenen Charakter; 
im Sommer nämlich ähnelt sie der Vegetation wärmerer 
Zonen. Im Winter hingegen treten lauter alte, bekannte 
Gattungen aus unserem kälteren Theile der temperirten 
Zone auf. Dann findet man hier die Gattungen Potentilla, 
Campanula, Arenaria, Spergula, Lithospermum, Tradescan- 
tia und Poa; ja folgende Pflanzen, als: Malva rotundifolia, 
Veronica hederifolia, Fumaria Vaillantii, Anagallis caerulea, 
Sonchus oleraceus, Antirrhinum Orontium, Silene conoidea, 
Saponaria vaccaria, Avena fatua, Lolium temulentum, Ver- 
bena officinalis u. s. w., sind mit den, bei uns. vorkom- 
menden identisch, jedoch sind sicherlich mehrere von ihnen 
mit der Einführung unserer Getreidearten dorthin ein- 
geschleppt. 

Auch die Wasserpflanzen dieser Gegend und die, 
welche in der Nähe der Gewässer stehen, haben meisten- 
theils einen nördlicheren Charakter, denn man findet da- 
selbst unsere Gattungen: Herpestes (monniera), Gratiola 
(G. juncea), Marsilea (M. quadrifolia), Sagittaria, Butomus, 
Polygonum, Rumex, Trapa (T. bispinosa), Nymphaea, Utri- 
cularia, Potamogeton, Lemna und Vallisneria, ja sogar 
Ranuneulus sceleratus und Ranunculus aquatilis. Die tro- 
pischen Gattungen unter diesen Wasserpflanzen jener Ge- 
gend sind dagegen Hydrolea zeylanica, Sphenoclea zeyla- 
nica, Limnophila gratioloides, Coix, Leersia, Pontederia, 
Nelumbium speciosum, Euryale ferox und Damasonium 
indicum. 

Die vorzüglichsten Pflanzen, welche in der Sommer- 
zeit mit einem südlicheren Charakter die Umgegend von 
Delhi schmücken, sind: Dalbergia Sisso, Acacia Serissa, 


7) S, Royle I. c. p: 10. 
14 * 


212 


A. arabica und A. Farnesiana, Cedrela Toona und verschie- 
dene Arten der Gattungen Melia, Ficus, Morus, Trophis, 
Bauhinia, Cordia, Gmelina, die schon früher aus der Baum- 
Vegetation genannten zwei Arten von Phoenix u. s. w. *) 

Bei allen den genannten Pflanzen erkennt man die 
Entfernung von dem Aequator; von dem Uebermaafse der 
tropischen Formen ist hier keine Spur mehr zu finden, 
aber ein so schönes Land, dessen Clima die Vortheile der 
heifseren und der temperirten Zone erlaubt, wird in dem 
Besitze einer thätigen Nation sehr bald der Sammelplatz 
aller hauptsächlichsten Cultur -Pflanzen der verschiedenen 
Zonen werden, und schon jetzt herrscht daselbst eine 
solche Mannigfaltigkeit von schönen Früchten aller heifsen 
und temperirten Länder, dafs schwerlich ein anderes Land 
sich dessen rühmen kann. 

Erst auf den östlichsten Abhängen des Himalaya - Ge- 
birges, in den subtropischen Gegenden von China und in 
dem südlichsten Japan treten einige wichtige Pflanzen-For- 
men hinzu, wodurch die Vegetation einen anderen Cha- 
rakter annimmt. Die baumartigen Gräser gehen hier, in- 
der Nähe des Meeres, weit nach Norden hinauf, ja auch 
die Scitamineen, die Musaceen, Cycadeen und die Palmen 
gehen hier in weit gröfserer Anzahl nördlicher hinauf, als 
dieses in den westlichen Gegenden des alten Continentes 
der Fall ist; vorzüglich aber sind es die Gattungen Camel- 
lia, Thea, Aucuba, welche mit den schönen grofsen, dun- 
kelgrünen und glänzenden Blättern in so grofser Anzahl 
auftreten, dafs sie zu den charakteristischen Formen der 
Vegetation von China und Japan:gehören, was auch um 
so mehr der Fall ist, da mehrere dieser Gesträuche zu 


*) Unter den Gesträuchen und Kräutern nenne ich noch fol- 
gende Gattungen und Arten: Zizyphus, Capparis, Carissa, Vitex Ne- 
gundo, Buddleia Neemda, Guilandina Bonduc, Cassia, Hedysarum, 
Justicia, Barleria, Cucurbitaceae, Euphorbiaceae, Sida, Cissampelos, 
Vallaris pergulana, Plumbago zeylanica, Cardiospersum Halicacabum, 
Boerhavia, Aneclema, Aloe, Gloriosa superba, Costus Nepalensis 


u. s. w. Siehe ‚Royle I. c. p. 8. 


213 


den gröfsten Culturzweigen des Ackerbaues jener Länder 
gehören. Die Camellia Sasanqua Thunb, ist der Oliven- 
baum der chinesischen Völker, die hohen Ufer des Tiger- 
flusses sah ich damit bepflanzt, wie bei uns die Weinberge 
am Rhein. Den Thee haben wir schon früher genannt; 
die Olea fragrans wird wegen des Wohlgeruchs ihrer 
Blüthchen gezogen, u. s. w. Dem Habitus nach gehören 
diese Gesträuche zur Myrten-Form, welche bekanntlich in 
der subtropischen Zone der südlichen Hemisphäre, unter 
eben demselben Meridiane so vorherrschend ist. 

Von der subtropischen Zone des nördlichen Amerika’s 
ist uns, was den Charakter der Vegetation anbetrıfit, nur 
 weniges bekannt, doch scheint derselbe von dem in der 
alten Welt sehr verschieden zu sein. Bekannt sind die 
prachtvollen immergrünenden Bäume und Sträucher, welche 
mit grofsen, glänzenden und tief dunkelgrün gefärbten 
Blättern auftreten und zuweilen bewunderungswürdig grofse 
und wohlriechende Blüthen aufzuweisen haben. Die herr- 
lichen Magnolien (M. grandiflora, M. glauca) sind jetzt 
weltberühmt, Calycanthus floridus, Kalmia hirsuta, K. cu- 
neata, Halesia tetraptera, H. diptera, Laurus Catesbeyana, 
L. carolinensis, Diospyrus virginica, Olea americana, lex 
vomitoria, Pinus- und Quercus-Arten bilden hier, zwischen 
30 und 36 Grad der Breite, die charakteristische Vegeta- 
tion. Unabsehbar sind die Cypressen- Wälder (Cupressus 
disticha) am Unter-Missisipi, deren Bäume mit dem tro- 
pischen Schmarotzer-Gewächse (Tillandsia usneoides) be- 
deckt sind, welches schon in Mexico unter ähnlichen Ver- 
hältnissen, nur in: gröfseren Höhen erscheint. Seltener 
sind die Laubhölzer in diesen Gegenden und die Fächer- 
palme tritt mehr oder weniger mächtig auf, oft, wo ein 
sumpfiger Boden ihre Verbreitung befördert, in sehr aus- 
sedehnten Gesellschaften, Salix nigra, Populus deltoides, 
Diospyrus virginica fassen die Ufer des Missisipi ein, wenn 
man denselben oberhalb New-Orleans beschifft, und die 
immergrünenden Gesträuche, als Laurus Sassafras L., My- 
rica carolinensis W., so wie die undurchdringlichen Wälder 


214 


der hohen baumartigen Gräser, aus Miegia macrosperma P. 
und Ludolphia missisippensis W. bestehend, welche, den 
Bambusen verwandt, eine Höhe von 36—42 Fufs errei- 
chen; aber schon im 34sten Grade der Breite niedriger 
auftreten. In den sumpfigen Gegenden neben den Missi- 
sipi-Ufern erscheinen Rubus-Arten in Menge, und als 
Schlingpflanzen zeigen sich Vitis riparia und Ampelopsis 
bipinnata. Diese ausführlichen Angaben verdanken wir, 
fast ganz allein, dem gelehrten Reiseberichte, den Herzog 
Paul Wilhelm von Württemberg *) dem Publikum mitge- 


theilt hat. An der Mündung des Ohio in den Missisipi 


werden die Ufer mit prachtvollen Pyramiden - Pappeln 
(Populus deltoides) und mit Salix nigra bedeckt, und ne- 
ben den Ufern des Unter-Missisipi finden sich neben den 
schon vorher genannten prachtvollen Cypressen - Wäldern 
und den schönen Magnolien noch Juglans Pacan, J. rubra, 
Laurus borbonia, Acer Negundo und jene undurchdring- 
lichen Gebüsche der Miegia macrosperma, welche von 
30° 40° bis 32° 2° nördlicher Breite in Höhen von 36 
bis 40 auftritt *®). 

Wir haben im Vorhergehenden gesehen, dafs die 


Flora der nördlichen subtropischen Zone gleichsam eine 


doppelte Physiognomie aufzuweisen hat, je nachdem die 
Vegetation des Sommers, oder die des Winters in höch- 
ster Entwickelung steht. Bei dieser Gelegenheit haben 
wir die grofse Menge von nordischen Pflanzen kennen 
gelernt, welche in der subtropischen Zone zur Winterzeit 
gleichsam vorherrschen; etwas Aehnliches finden wir auch 
in der subtropischen Zone der südlichen Hemisphäre, 
denn die grofse Menge von europäischen Pflanzen, welche 
Herr R. Brown ***) für Australien und Europa gemein- 


*) Erste Reise nach dem nördlichen Amerika in den Jahren 
1822 bis 1824. Stuttgart und Tübingen 1835. pag. 82 — 117. 
”*) S. die Mittheilung in Alexander von Humboldt’s Naturge- 
mälde p, 87. 
*"") Allgemeine geographische und systematische Bemerkungen 
über die Flora Australiens, — In R. Brown vermischten Schriften, 
I. p. 131 etc. 


——.————— 


215 


schaftlich angiebt, möchte ich nur durch das Winter-Clima 
jenes Landes erklären, welches dem unseres Sommers im 
nördlichen Deutschland ähnlich ist. Durch die eigenthüm- 
liche Gestalt der Erde auf der südlichen Hemisphäre ge- 
hören bekanntlich der gröfste Theil von Australien, die 
südliche Spitze von Afrika und eine schmale Zone von 
Südamerika zu der subtropischen Zone, und es ist sehr 
bemerkenswerth, dafs erstlich die Floren dieser einzelnen 
Ländermassen nicht nur mit den entsprechenden Floren 
der nördlichen Hemisphäre wenig Aehnlichkeit zeigen, 
sondern sogar unter sich ganz und gar verschieden sind, 
Ja gegenseitig Contraste darbieten, welche in der ganzen 
nördlichen Hemisphäre unbekannt sind. Wir haben schon 
früher (pag. 159) bei der Schilderung der Myrten-, Pro- 
teen-, Epacriden- und Ericen-Form darauf aufmerksam 
gemacht, dafs diese Pflanzen- Formen in der Flora von 
Neu-Holland die Hauptrollen spielen, und verweisen defs- 
halb auf jene Stellen. Die Wälder Neu-Hollands bestehen 
aus blattlosen Mimosen-Formen, aus Casuarinen, Euca- 
lypten, Banksien und Callitris- Arten, Melaleucen, Olax- 
und Xanthorrhoea - Arten, wie aus Exocarpen, alles Bäume 
von so verschiedenartiger Form und von ausgezeichneter 
Schönheit, dafs der Anblick jener Landschaften gewifs sehr 
verschieden von den unsrigen ist. Die Ufer der Meeres- 
buchten jenes Landes werden von Eucalyptus resinifera 
und E. amygdalina, von Angophora, Leptospermum und 
Metrosideros- Arten, so wie noch von einigen anderen Bäu- 
men von riesiger Gröfse und Breiten - Ausdehnung gebildet. 
Zamia spiralis, Mimosa Sophora, M. saligna, M. nigricans, 
Haemodorum teretifolium, Drosera pedata, Marsdenia sua- 
veolens, Stackhousia monogyna, Samolus littoralis, Hibber- 
tıa volubilis, H. diffusa, Juncus vaginatus, Lycopodium 
uliginosum u. v. A. wachsen in der Nähe und im Schatten 
jener Stämme *). Weiter nach dem Innern jenes Conti- 


*) S. Gaudichaud, Freycinet Voyage autour du Monde. Part. 
botanique. Paris 4826. p. 115 ete. 


216 


nentes werden die Eucalypten, die Casuarinen, Mimosen 
und Banksien immer gröfser, die Melaleucen treten in 
grofser Arten-Zahl auf, und Loranthus und Viscum zei- 
gen sich auf den Bäumen, an deren Aesten und Stämmen 
die schönen Billardiera, Chorysema und Kennadya-Arten 
hinauf klettern. An den niedrigen feuchten Orten wach- 
sen Dianella, Caesia, Anthropodium minus, fimbriatum et 
paniculatum, Stylidium graminifolium, lineare u. v. A.; an 
solchen dagegen, welche öfters überschwemmt sind, er- 
scheinen Lobelia fluviatilis, L. inundata und L. purpurascens, 
Dichondra repens, Epilobium, Lepidosperma gladiata und 
L. lateralis. An den Ufern der Flüsse, wie der übrigen 
Gewässer kommen fast lauter europäische Pflanzen -Gat- 
tungen vor, wie zZ. B. Alisma, Triglochin, Actinocarpus, 
Najas, Lemna, Cyperus, Scirpus, Schoenus, Carex, Myrio- 
phyllum, Mentha u. s. w. Auch die Azollen treten hier 
neben der Lemna auf. Auf den ausgedehnten Ebenen von 
Bathurst und Macquarie hat Herr Gaudichaud *) eine 
grofse Menge von Pflanzen gefunden, welche daselbst mit 
den Flören von Frankreich übereinstimmten und dem 
Lande das Ansehen jener kalten temperirten Zone Euro- 
pa’s mittheilten. Bei Sydney hat man unsere schönen 
Garten-Früchte; Aprikosen, Aepfel, Birnen, Wasser-Me- 
lonen u. s. w. gedeihen daselbst ganz vorzüglich. - Der 
Weinstock, welcher daselbst in sehr grofsen Massen an- 
gebauet wird, gedeihet ganz vortrefilich, und der dortige 
Wein kommt schon seit einigen Jahren auf den Markt 
von London, wenngleich seine Güte noch nicht besonders 
sein soll. Im Innern von Neu-Holland findet sich das 
Polygonum junceum, als gesellig wachsende Pflanze, über 
srofse Länderstrecken ausgedehnt, und auch das Känguru- 
Gras (Anthistiria australis) soll in grofsen Massen daselbst 
vorkommen und neben Mesembryanthemum aequilaterale 
die in Neu-Holland vielleicht am weitesten verbreitete 
Pflanze sein **), 
yulne.p. 449. 


"%) $S. R. Brown, Journal of the royal geographical Society of 


London. 48330 — 1831. 8. pag. 19. 


217 


Wie so ganz verschieden von Neu-Holland’s Flora 
ist der Charakter der Vegetation auf der südlichen Spitze 
von Afrika. In der Umgegend der Cap-Colonie bis zu 
den Karroofeldern herrschen die vier Gattungen Protea, 
Erica, Diosma und Restio so entschieden, dafs sie den 
sanzen Charakter der Vegetation darstellen, und dieser 
wird um so auffallender, weil jene Pflanzenformen, die 
wir schon früher pag. 159 näher betrachtet haben, so sehr 
- eigenthümlich sind. Aufserdem herrschen hier die Synge- 
nesisten durch grofse Artenzahl, nämlich die Gattungen: 
Gnaphalium, Elichrysum, Eriocephalus, Calendula, Othonna, 
Aretotis, Corymbium, Senecio u. S. w., so wie die schö- 
nen Gattungen Virgilia, Aspalathus, Polygala, Lobelia, In- 
digofera, Agathosma, Philica und die prachtvollen Gladio- 
lus- Morea-, und Ixia-Arten. In Herrn Lichtenstein’s 
Reisebeschreibung über das südliche Afrika *) findet man 
die genauen Schilderungen des Charakters der Vegetation 
jener Gegenden. Neben der Form der Ericen, heifst es 
daselbst **), und den Proteen sind dem südlichen Afrika 
die Geschlechter Gnaphalium und Elichrysum gröfsten- 
theils ausschliefslich eigen. Daneben Galenia africana, 
Halleria lucida und Halleria elliptica. Die Gebirge von 
/wellerdam, wo die Ericen schon aufhören, enthalten 
Blaeriae und die Gattungen Struthiola, Passerina, Phylica, 
Podaliria (P. buxifolia, myrtillifolia, vulgata), Polygala 
(P. oppositifolia), Aspalathus, Liparia, Rafnia und Cleoma. 

Folgende sind die Gewächse, welche nach Herrn Lich- 
tenstein’s Beschreibung die Wälder in jener subtropischen 
Zone Afrika’s bilden. Grofse Ausdehnung an Masse ein- 
zelner Individuen fehlt hier, dagegen herrscht eine aufser- 
ordentlich grofse Verschiedenheit in der Arten-Zahl. Auch 
von der Höhe der Waldbäume Neu -Holland’s ist hier 
nichts zu finden. Die Bäume bestehen in: Diosma- Arten, 
Barosma serrulifolia, Cluytia pulchella, tomentosa und 


— 


*) Berlin 1811. 2 Bände 8. 
>) 11.202 


218 


gnidioides, Agathosma serpyllaceum, linifolium, Antheri- 
cum, Bulbine, Adenandra uniflora, villosa, Diosma pectina- 
tum, obtusatum, Myrsine africana, - Cliffortia juniperina, 
Laurophyllus capensis, Ekebergia capensis, Podocarpus 
elongatus. Als niederes Gebüsch in diesen Wäldern er- 
scheinen, Royenen, Bryonien, Cluytien, Cynanchum obtu- 
sifolium, welches hier die Aeste der Bäume umschlingt; 
ferner Galium glabrum, unserem Galium Aparine ähnlich, 
Plectranthus fruticosus, Hebenstreitia dentata, Ornitogalum 
parviflorum, Crassula sylvatica u. Ss. w. 

Inden Gebirgsströmen des südlichen Afrika’s beobach- 
tete Herr Lichtenstein den Acorus Palmita in so unge- 
heuerer Menge auftretend, dafs er den Strom des Was- 
sers zuweilen aufhält; also auch hier eine sehr gesellig 
wachsende Pflanze. Im Allgemeinen kann man sagen, 
dafs die Flora des südlichsten Afrika’s, bei der bewunde- 
rungswürdigen Mannigfaltigkeit, stets sehr beschränkte 
Bezirke für die einzelnen Arten und Gattungen hat. Nach 
Burchells #) Angabe verschwinden die 4 charakteristischen 
Familien der Cap-Flora, nämlich Erica, Diosma, Protea 
und Restio, schon in der Breite der Karroo-Pässe, dem- 
nach haben diese so äufserst artenreiche Gattungen nur 
einen sehr kleinen Verbreitungs -Bezirk. 

Auffallend ist es, dafs dem südlichen Afrika wahr- 
scheinlich alle Palmen fehlen, nur Herr Schouw **) giebt 
die Phoenix reclinata, als der Cap-Colonie zugehörig an. 
Auch für Neu-Holland giebt Herr R. Brown nur eine 
Palmen-Art an, welche aufserhalb der Wendekreise vor- 
kommt und daselbst sogar bis 34° Breite hinabsteigt. Auf 
Neu-Seeland ist bekanntlich noch unter 38° Breite eine 
Areca-Art gefunden worden. Als Stellvertreter der Palmen 
im südlichsten Afrika sind die Cycadeen anzusehen, welche 
früher unter der Gattung Zamia aufgeführt wurden, jetzt 
aber, als verschieden von den Zamien Südamerika’s, die 


*) $. dessen Reise p. 146. 
*%) Grundzüge einer Pflanzengeographie p. 312. 


219 


Gattung Encephalartos *) bilden. Diese dicken, unförm- 
lichen, markreichen Stämme, welche diese Zamien Afrika’s 
bilden, haben eine höchst eigenthümliche Physiognomie, 
und indem sie die wüsten, an Vegetation sehr armen, Ta- 
felländer des südlichen Afrika’s beleben, wo Straufse und 
Gazellen ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben, üben sie 
den gröfsten Eindruck auf den Charakter der dortigen 
Vegetation aus. Ich verweise auf die Ansichten dieser 
sonderbaren Gewächse, welche Herr Lehmann zu der ge- 
nannten Abhandlung mitgetheilt hat. 

Die Zamien von Neu -Holland scheinen mit denen 
des südlichen Afrika’s zu einer nnd derselben Gattung zu 
gehören und vielleicht finden sich später auch einzelne 
Arten, welche diesen beiden Ländern gemeinschaftlich an- 
gehören. Ueberhaupt, so höchst eigenthümlich und von 
einander verschieden die Physiognomie der Vegetation in 
diesen beiden Ländern ist, so fehlt es doch auch nicht 
an Formen, welche beiden gemeinschaftlich angehören, 
und noch mehr kommen ihnen Gattungen zu, welche sich 
gegenseitig gleichsam vertreten. Die Restiaceen und Pro- 
teaceen gehören ihnen gemeinschaftlich an. Herr Burchell 
fand sogar den Metrosideros angustifolia in der Cap-Co- 
lonie am Rodezard- Passe. | 

So ganz verschieden von der Flora des südlichsten 
Afrika’s und von derjenigen Neu-Holland’s ist die Flora der 
subtropischen Zone Südamerika’s, und ihre Aehnlichkeit, 
welche sie nach einigen Autoren aufzuweisen hat, besteht 
nur in dem Auftreten einiger wenigen Arten und Gattun- 
gen, welche diesen drei Ländermassen gemeinschaftlich 
angehören; im Uebrigen ähnelt die Physiognomie der Ve- 
getation dieser Länder weit mehr der Flora des südlichen 
Europa’s, mit Ausschlufs derjenigen Gattungen und Familien, 
welche bekanntlich diesen amerikanischen Ländern ganz 
ausschliefslich eigen sind. Nach Herrn Schouw’s Berech- 


— 2 


*) Lehmann, Ueber die Cycadeen des südlichen Afrika. Allg. 
Gartenzeitung. Berlin 1834, N. 11. 


220 


nung *) kommen von 109 Gattungen, welche Buenos- 
Ayres angehören, 70 derselben in Europa vor, und 85 
davon kommen in der nördlichen temperirten Zone vor. 
Obgleich die Nachrichten über die Vegetation des ausge- 
dehnten Chile’s noch vor einem Jahrzehn sehr unvollkom- 
men waren, so hat dennoch Herr Schouw schon damals, 
sowohl dem chilenischen Reiche, als dem Gebiete von 
Buenos-Ayres und der Einfassung des Rio de la Plata 
eigenthümliche, pflanzengeographische Reiche zuertheilt. 
Glaubend, dafs dieses Land auf der westlichen und auf der 
östlichen Seite der langen Cordillere ganz verschieden- 
artige Vegetation besitze, hat Herr Schouw der subtropi- 
schen Zone Südamerika’s diese zwei Reiche zuertheilt, 
und das Land östlich der Cordillere als das der baumar- 
tigen Syngenesisten bezeichnet. Gegenwärtig, nachdem 
wir schon viel genauere Einsicht in die Floren dieser bei- 
den Ländermassen besitzen, liefse sich die Trennung die- 
ser beiden Reiche nicht mehr durchführen. In Südamerika 
ist bekanntlich die östliche Küste mit einem wärmeren 
Clima als die westliche begabt, und dieses hat allerdings 
zur Folge, dafs die Vegetation auf beiden Seiten, mit ein- 
ander verglichen, bei entsprechenden Breiten, mehr üppig 
und tropischer auf der Ostküste, als in Chile ist. Das 
ganze Land östlich der Cordillere ist niedrig, ja selbst bei 
Mendoza erreicht es noch nicht die Höhe von 2500 Fufs **), 
daher mufs man die Physiognomie der Vegetation dieses 
Landes auch nur mit derjenigen der niedrigsten Region 
von Chile vergleichen; hiebei wird man aber finden, dafs 
diese sehr übereinstimmend sind. Diese hohen holzigen 
Sträucher der Syngenesisten, welche in dem Gebiete von 
Buenos -Ayres so zahlreich sind, sind es auch in Chile; 
die wenigen Calceolarien, welche in der untersten Region 
der chilenischen Vegetation vorkommen, sind wohl die 
charakteristischen Formen, welche dem östlichen Reiche 


*) 1. c. p. 430. 
”) $. Meyen’s Reise um die Erde 1. p. 330. 


221 


fehlen; die gröfste Anzahl dieser schönen Gattung gehört 
aber höheren Regionen an, welche östlich der Cordillere 
nicht mehr vorkommen. 

Die Myrten bilden die charakteristische Form der 
Baumvegetation in dem subtropischen Chile, doch merk- 
würdig genug herrscht hier ‘in Chile eine baum- und 
strauchartige Vegetation, welche ganz allgemein sehr feste, 
dicke, lederartige und glänzende Blätter aufzuweisen hat. 
Die grofse Menge der strauchartigen Syngenesisten, wel- 
che, ‚oft mit den herrlichsten Blüthen geschmückt, die 
Flora von Chile charakterisiren, zeigt allgemein derglei- 
chen steife, glänzende Blätter, wodurch sich dieselben von 
den strauchärtigen Syngenesisten des südlichen Afrika’s 
auffallend unterscheiden. Aufserdem sind jene fast ganz 
allgemein reich an harzigen, oft sogar wohlriechenden Säf- 
ten, was denen des Cap’s ebenfalls abgeht. Am Cap der 
guten Hoffnung sind es vorzüglich die Gattungen: Gna- 
phalium, Xeranthemum, Arctotis, Othonna, Osteosperinum, 
Calendula u. s. w.; in der subtropischen Zone Amerika’s 
dagegen sind es die Gattungen Baccharis, Eupatorium, 
Proustia und die merkwürdigen sich meistens rankenden 
Mutisien. Ganz in der Nähe der Küstengegenden über- 
zieht die Mutisia ilicifolia Cav. hohe Sträucher und Bäume, 
und wetteifert in der Blüthenpracht mit den danebenste- 
henden Syngenesisten, als mit den herrlichen Blüthenbü- 
scheln der Proustia pungens und Proustia pyrifolia. Ue- 
berall wachsen dazwischen die Myrten und Fuchsien, wel- 
che fast das ganze Jahr hindurch mit herrlichen Blüthen 
bedeckt sind, und von dem Boden erheben sich die schö- 
nen Calceolarien, Oxalideen und die prachtvolle pyra- 
midale Lobelia Tupa. Die strauch- und  baumartigen 
Psoralea- und Cestrum- Arten treten in grofser Menge 
auf, und sind mit grofsen Massen von Cuscuten überzo- 
gen, welche sich hier, wie die ganze Vegetation überhaupt, 
viel grofsartiger zeigen. Andere Sträucher dagegen, vor- 
züglich die dürre Acacia Caven, werden durch die ran- 
kenden Loasen und durch den Eceremocarpus scaber auf 


222 


das prachtvollste geschmückt, denn die goldrothen‘ Blu- 
men des Letzteren, schon an und für sich so ausgezeich- 
net schön, contrastiren ganz aufserordentlich gegen _die 
hellgelben Loasen. Die Gattungen Salpiglossis und Ma- 
lesherbia, besonders eigenthümlich. dem chilenischen Rei- 
che, stehen daneben. Vor Allen aber ist die Cactus-Form 
zu nennen, welche hier in der ganzen subtropischen Zone 
erscheint, von der Küsten - Gegend an, bis hinein in die 
zweite Region. Es ist hauptsächlich die Cereen-Form, 
welche noch tiefer nach Süden hinabsteigt, wärend die 
der Melocacten wahrscheinlich nicht über 32° südlicher 
Breite hinausgeht. Schon früher habe ich auf das Ei- 
genthümliche aufmerksam gemacht, welches die Cereen 
Chile’s, oft mit dem blattlosen scharlachrothen Loranthus 
aphyllus bedeckt, in der Physiognomie der chilenischen 
Vegetation darstellen. Auch das Charakteristische der 
prächtigen, hohen und baumartigen Gräser dieser Zone 
habe ich schon früher, bei der Schilderung dieser Pflan- 
zenform (pag. 129), ausführlich erörtert, und kann darauf 
hin verweisen. Die chilenische Flora der subtropischen 
Zone würde sich sicherlich noch viel üppiger zeigen, wenn 
nicht die Ebene, oder die unterste Pflanzen-Region so 
arm an Wasser wäre, und nicht noch so viele andere 
Hindernisse der grofsartigen Ausbreitung der dortigen Ve- 
getation im Wege ständen. Ueberdies ist die niedere Ge- 
gend dieses Landes äufserst beschränkt, und dann mei- 
stens mit Sand und anderem wasserlosen und unfrucht- 
baren Boden bedeckt, doch, wenigstens vom 31sten Grade 
an, erheben sich mehrere Längen-Plateaus, welche terras- 
senförmig über einander liegen, und hier ist schon gröfse- 
rer Reichthum an Wasser und an Vegetation; das zweite 
dieser Plateaus, die Llanura de Mapocho, oder das Thal 
von Santiago, erreicht erst die Höhe von 1600 Fufs über 
die Fläche des Meeres, daher die daselbst vorkommende 
Vegetation noch der untersten Region angehört. Hier er- 
scheint die Acacia Caven und die Prosopis Siliquastrum 
in waldartigen Ausdehnungen, und die harzigen Sträucher, 


223 


den Syngenesisten und den Labiaten fast ausschliefslich an- 
gehörend, bedecken in dicken Massen die unabsehbare 
Ebene, deren Boden zur nassen Jahreszeit mit Tausenden 
und Tausenden prachtvoller Liliengewächse geschmückt ist. 
Wenn aber endlich die Feuchtigkeit von der Erde ver- 
schwunden ist, wenn wärend des Sommers monatelang 
die Hitze der Sonnenstrahlen auf diesen Boden gewirkt 
hat, dann ist alle Pracht desselben verschwunden; keine 
Spur von jener herrlichen Lilien-Flor ist dann zu sehen, 
und selbst die Sträucher stehen wie abgestorben da, ihre 
Blätter liegen am Fufse des Stammes und bilden daselbst 
kleine Haufen, nur in den Blattknospen erkennt man noch 
das Leben dieser Gewächse, welches in den- Sommer- 
schlaf verfallen ist. 


4) Die wärmere temperirte Zone. 


Die wärmere temperirte Zone, nach der Eintheilung, 
welche ich hier durchzuführen suche, umschliefst die Län- 
der des wärmeren Theiles der temperirten Zone, nach 
Abzug der subtropischen Zone, welche man wegen der 
üppigeren mehr tropischen Vegetation trennen mufs. Diese 
wärmere temperirte Zone umfafst den Landstrich von 34 
bis 45° Breite; in Europa die südeuropäische Flora ein- 
schliefsend, bis zu den Pyrenäen, den Gebirgen des südli- 
chen Frankreichs und den Gebirgen des nördlichen Grie- 
chenlands. Klein-Asien, der Boden zwischen dem schwar- 
zen und dem Caspischen Meere, das nördliche China und 
Japan liegen in dieser Zone, deren mittlere Temperatur 
im Durchschnitte zwischen 12 und 17° Cels. ist. - Aller- 
dings giebt es in südlichern Gegenden dieser Zone ver- 
schiedene Oerter, wo noch immer ein subtropisches Clima 
herrscht, wie denn überhaupt der Lauf der Isothermen, be- 
sonders in dieser Zone, unregelmäfsig zu werden beginnt, 
Palermo mit 17,5° Cels. mittlerer Temperatur *) und Ca- 


*) S. Philippi’s Mittheilungen, Ueber die Vegetation am Actna. — 
Linnaea 1832. pag. 733. 


224 


tanıa sogar mit 20° Cels. mittlerer Temperatur, geniefsen 
die Vortheile eines Seeklima’s und haben, gerade durch 
die angenehme Temperatur zur Winterzeit, eine so hohe 
mittlere Temperatur, dafs sie dadurch auch ganz die Vor- 
tkeile der subtropischen Zone geniefsen. So wie Catania 
gegen Norden durch den Aetna geschützt ist, und dadurch 
ein weit wärmeres Clima als Palermo geniefst, so verhält 
es sich auch mit der Insel Majorka, welche im Norden 
durch eine Gebirgskette beschützt ist, wodurch daselbst 
die Cultur der Oranjen und der Baumwolle möglich wird. 
In der Ebene Majorka’s vegetiren der Johannisbrod= und 
der Oelbaum in üppigster Pracht; letzterer steigt bis zu 
14500 Fufs- hinauf. Hierauf bildet Pinus halepensis die 
Masse der Waldung bis zu 2100 Fufs, und die Eiche reicht 
sogar bis zu 2400 Fufs hinauf. Clematis cirrhosa und 
Hypericum balearicum bilden auf einer Höhe, über 3000 
Fufs hinaus, das Gesträuch. Die Zwergpalme bedeckt die 
Küsten und niederen Gebirge; unter ihren breiten Blättern 
birgt sie die Gattungen Cyclamen, Polygala, Ononis, An- 
thyllis*#). In den reichen Ebenen von Palma und Mana- 
cor werden Getreide und Hülsenfrüchte, Mandeln und Fei- ° 
gen gebauet; die Dattelpalme ragt über die Dächer hin- 
aus, wärend Cactus Opuntia die Gärten umzingelt. Die 
Weinreben bedecken die Abhänge der Gebirge, und selbst 
die Cheremoya (Anona cherimolia) wird daselbst culti- 
virt. Auf Minorka dagegen verschwindet. der Oel- und 
Johannisbrodbaum fast gänzlich, da die Schutzwehr gegen 
Norden fehlt. | 

Im Allgemeinen, sagt Herr Cambessedes, herrscht an” 
den Küsten des Mittelmeeres eine grofse Uebereinstimmung 
‘der Vegetation, gleichwie des Klima’s und des Bodens. 
Fast allenthalben erscheint derselbe Jurakalk, bald in nack- 
ten Hügelreihen, bald mit wilden ‘Oelbäumen, Aleppo- 


*) S. J. Cambessedes Enumerat. plant. quas in insulis beleari- 
bus collegit, earumque circa mare mediterraneum distributio geogra- 


phiea. — Mem, dn Museum Vol. XIV. p. 173— 339. 1827. 


225 


Fichten, Eichen, Pistacien, Myrten und zahlreichen Cisti- 
neen bepflanzt. Nur an der südlichen Küste, also in der 
subtropischen Zone, erscheint die Dattelpalme, wärend die 
Zwergpalme nördlich in Spanien und Neapel verbreitet 
ist. Pinus halepensis bewohnt die sandigen Steppen und 
Gestade des Meeres, mit Eichen und Oliven abwechselnd, 
denen sich an felstgen Küsten Myrten, Pistacien und an- 
dere immergrüne Bäume zugesellen. Die ganze Flora 
dieser wärmeren temperirten Zone hat überhaupt eine an- 
dere Physiognomie als diejenige des nördlichen Europa’s. 
Eine grofse Menge von Bäumen und Sträuchern tritt im 
südlichen Europa mit steifen, glänzenden Blättern auf, 
welche das ganze Jahr hindurch grün bleiben; viele Kräu- 
ter und Sträucher sind mit zahlreichen Stacheln und Dor- 
nen besetzt. Die-Flora des südlichen Europa hat über 
300 holzartige Gewächse aufzuweisen, welche gröfstentheils 
ihre Blätter den Winter hindurch behalten *). 

Zwar haben die Bäume ebenfalls kleine unansehnli- 
che Blüthen wie bei uns, aber die Sträucher treten mit 
srofsen, prachtvollen Blumen auf, und wohlriechende Oele 
und Harze erzeugen sich in ihren Organen. Noch im 
Süden von Spanien vegetiren mehrere der schönen tropi- 
schen Gewächse mit gröfster Ueppigkeit. Erythrina co- 
rallodendron, Schinus Molle, Phytolacca dioica und die 
Banane sind häufig am Guadalquivir. Alle Oranjen wach- 
sen hier wie in ihrer Heimath **). Zuckerrohr, Kaffee, In- 
digo und andere berühmte Colonial-Waaren können hier 
eultivirt werden, doch wie es scheint, so sind die Bewoh- 


”) S. Willdenow Allg. Bemerkungen über den Unterschied der 
Vegetation auf der nördlichen und südlichen Halbkugel, 1. c. p. 201, 
und Mirbel’s Untersuchungen über die irdische Verbreitung der 
phanerogamischen Gewächse in der alten WVelt vom Aequator bis 
zum. Nordpol. Mem. du Museum T. 14. p.'350—477. Uebersetzt ın 
den Literaturblättern der Botanik. Nürnb. 1828. p. 1 etc. 

**) Anm. Die Apfelsine kommt nach Herrn Link’s Beobach- 
tungen nicht über 40 Grad nördlicher Breite hinaus; die Citrone 
kann mehr Kälte vertragen als die Pommeranze, diese aber noch 
weniger als die Apfelsine. 


15 


226 


ner jenes Landes zu faul dazu. Der prachtvolle Ladan- 
strauch (Cistus ladaniferus L.) findet sich nur im südli- 
chen Spanien und Portugal, wo er die ausgedehnten Wal- 
dungen bildet, und kommt weder in Italien noch in Grie- 
chenland vor. 

Bekanntlich hat Herr Schouw *) die Flora des süd- 
lichsten Europa’s mit der subtropischen des nördlichen 
Afrika’s, mit dem Reiche der Labiaten und Caryo- 
phyllaceen bezeichnet, weil diese ganze Ländermasse 
vorzüglich durch die grofse Menge der Labiaten und Ca- 
ryophyllaceen charakterisirt werden soll. Herr Mirbel 
giebt dagegen an, dafs die Compositae und Leguminosen 
den gröfsten Theil der Flora des Mittelmeeres ausmachen, 
nämlich ein Viertel der Arten, und dann sollen die. Cru- 
ciferen, die Gramineen, Labiaten, Caryophyllen und Um- 
bellaten folgen. 

Schon diese beiden so verschiedenen Angaben zweier 
so ausgezeichneter Gelehrter möchte es beweisen, dafs in 
dieser ganzen Uebergangs- Flora keineswegs einzelne Fa- 
milien vorhanden sind, welche so bedeutend vorherrschen, 
dafs man die Flora des Landes danach benennen könnte, 
Ich möchte überhaupt glauben, dafs nur die charakteristi- 
schen Formen der vorherrschenden Familien es sind, wel- 
che die Physignomie der Natur am besten bestimmen. Aus 
den Caryophyllen und den kleinen Labiaten, mögen sie in 
noch so grofsen Massen auftreten, wird man sich schwer- 
lich das Bild darstellen können, welches eine südeuropäi- 
sche Landschaft darbietet. Die Wiesen unseres Nordens 
werden hier seltener; immer grünende Laubhölzer mit 
glänzenden Blättern treten in Menge auf, Sträucher mit 
herrlichen Blumen, wie die Cisteen, und eine grofse An- 
zahl von Lilien-artigen Gewächsen erscheinen daneben. 
Die grofse Familie der Ericen, die Laurinen und Myrten, 
treten hier mit ihren schönen Repräsentanten zuerst auf, 
nämlich Erica arborea, Laurus nobilis und Myrtus com- 


*) Grundzüge p. 512. 


227 


munis; schöne Eichen (Quercus Cerris z. B.) Iex, Suber, 
Castanea, Prunus Laurocerasus, Punica Granatum, Vibur- 
num Tinus, Arbutus Unedo, Arbutus Andrachne (geht 
westlich nur bis Griechenland), Ruscus aculeatus, Phylli- 
reen, Rosmarinus, Nerium, Ephedra distachya und noch 
viele andere Sträucher und Bäume erscheinen hier mit ih- 
rem glänzenden und immergrünen Laube. 

Diese wärmere temperirte Zone ist das Vaterland 
des Weinstockes; Herr Parrot *) fand denselben in den 
Wäldern von Mingreli und Imereti gleichsam als die Kö- 
niginn der Waldbäume. Der Rebstock erreicht dort die 
Dicke von 3 bis 6 Zoll im Durchmesser und steigt bis 
in die Spitzen der höchsten Bäume, diese ganz umschlin- 
gend und sie mit einander verbindend. Bei Gelegenheit 
der Betrachtung der Cultur des Weinstockes werde ich 
diesen Gegenstand viel ausführlicher betrachten, und kann 
defshalb darauf verweisen. 

Wir haben allerdings die Aequatorial - Grenze der 
wärmeren temperirten Zone bei 34° Breite festgestellt, 
indessen bemerke ich für den westlichen 'Theil der alten 
Welt noch ganz besonders, dafs die Flora des nördlich- 
sten Afrika noch ganz dieselbe Physiognomie wie die des 
südlichsten Europa hat; erst mit dem Atlas tritt eine sol- 
che Veränderung daselbst ein, dafs der Charakter der Ve- 
getation ein anderer wird. 

Nur Weniges können wir über den Charakter der 
Vegetation dieser Zone in den östlichen Ländern der al- 
ten Welt sagen; ein grofser Theil dieser Ländermassen 
erhebt sich weit über die unterste Pflanzen-Region der 
Gebirge, und ein noch gröfserer Theil derselben möchte 
durch die Jahrtausende, seitdem daselbst Cultur der Men- 
schen geherrscht hat, gänzlich verändert worden sein. Die 
Feigen, Oranjen, Granaten und alle unsere Getreide- Ar- 
ten gedeihen daselbst in gröfster Fülle. Besonders auf- 
fallend möchte die Flora von Japan erscheinen, welche in 


”) Reise zum Ararat p- 247. 
15 * 


228 


dem südlichen Theile, der zur subtropischen Zone gehört, 
die ausgezeichnetesten tropischen Gewächse hervorbringt, 
wärend die nördlichere Flora dieses Landes eine aufser- 
ordentlich grofse Menge von Gewächsen enthält, die un- 
. serer nördlichen temperirten Zone angehören, wozu Thun- 
berg’s bekannte Flora japonica die Beweise liefert. 

Zu den Nahrungspflanzen Japan’s gehören hauptsäch- 
lich: Triticum sativum und hybernum, Avena sativa, Eleu- 
sine coracana, Panicum verticillatum, Holcus Sorghum, 
Trapa natans, Beta vulgaris, Daucus Carota, Oryza sativa, 
Convolvulus- und Dioscoreen - Arten, Polygonum Fago- 
pyrum, Castanea vesca, Punica Granatum, unsere euro- 
päischen Obstarten, Nymphaea Nelumbo, Arum esculen- 
tum, Cycas revoluta, Sesamum orientale, Oranjen, Melo- 
den -u.:8.:w.,*) 

Wie sich die Vegetation dieser Zone in Nordamerika 
darstellt, können wir aus Mangel an Nachrichten nicht 
mittheilen; nach der Betrachtung der über diese Länder 
erschienenen Pflanzenverzeichnisse hat Herr Schouw hie- 
selbst, nach dem Vorherrschen der Familie der Aster- und 
Solidago- Arten, das Reich dieser genannten Gewächse be- 
gründet. Als Charaktere dieses Reiches giebt Herr Schouw 
noch viele Eichen und Fichten, Mangel an Cruciaten und 
Umbellaten, Cichoraceen und Cynarocephalen, so wie Man- 
gel an Heiden und Ueberflufs an Vaccinien an. In dem 
südlichsten Theile der Nordamerikanischen Freistaaten, 
welche der subtropischen Zone angehören, hat Herr Schouw 


das Reich der Magnolien aufgestellt, hier offenbar nur ° 


durch die auffallende Physiognomie der schönen breitblätt- 
rigen Bäume mit grofsen prächtigen Blüthen geleitet, wä- 
rend er in anderen Fällen jene pflanzengeographischen Rei- 
che auf die, durch Anzahl vorherrschenden Pflanzen- Arten 
gründete. Doch sowohl einige Magnolien, wie der Tul- 
penbaum und auch eine Menge von herrlichen Gewächsen 
der Mimosen-Form ragen in die wärmere temperirte Zone 


*) $. Thunberg, Flora japonica p. XXXIY. cte. 


229 


jenes Erdtheiles hinein, es sind Formen, welche dem süd- 
lichen Europa ziemlich ganz fremd sind. 

Auch hier hat uns die so eben erschienene Reisebe- 
schreibung des Herzogs Paul Wilhelm von Württemberg 
eine fühlbare Lücke ausgefüllt. Ueber die subtropische 
Zone hinaus werden ebenfalls in Nordamerika, ganz so 
wie in der entsprechenden Zone der alten Welt, die dor- 
nigen Gesträuche häufig; Smilax China, S. hastata und 
S. Walteri Pr. vertreten hier den Smilax mauritanica, und 
die riesenhaften Rohre, welche wir im Vorhergehenden 
.(p. 214) angeführt haben, reichen bis in die wärmere 
temperirte Zone, entsprechend dem Arundo im südlichen 
Europa. Die Gleditschia erscheint am Ohio mit ranken- 
den Bignonien ganz überzogen, und auch hier sind die 
immergrünenden Wälder, welche so bestimmt den Charak- 
ter der Vegetation des südlichen Europa’s bestimmen. Die 
Kastanien erscheinen, und grofse Wälder von Eichen, Nufs- 
bäumen, Buchen und Eschen, und der Plantanus occiden- 
talis mit blafsgrünem Laube, herrlich von den danebenste- 
henden dunkeln Gewächsen abstechend, tritt mit unge- 
heuerem Umfange auf. 

In den Wäldern von Missuri, oberhalb St. Louis, kom- 
men dornige Rosen vor, welche bis in die Wipfel der ho- 
hen Bäume steigen und dort mit zahllosen hellrothen Blü- 
then prangen *). 

Die wärmere temperirte Zone der südlichen Hemi- 
sphäre umschliefst Neu-Seeland, Van-Diemens-Land, das 
südliche Chile und das südliche Buenos-Ayres bis nach 
Patagonien hin. 

Die Vegetation von Neu-Seeland war noch in ihrer 
jungfräulichen Schönheit, als dieses Land auf Cook’s Welt- 
umsegelungen besucht wurde; sie zeigte sich hier in einer 
Ueppigkeit, wie dieselben in,den entsprechenden Ländern 
der nördlichen Hemisphäre, welche schon seit Jahrtausen- 


*) Paul Wilhelm, Herzog von Würtiemberg: Erste Reise nach 
dem nördl. Amerika. p. 120 — 204. 


230 


den im Culturzustande stehen, nicht zu finden ist. Die 
hohen und starken Bäume in den Wäldern von Neu -See- 
land sind mit Schlingpflanzen, von unten an bis hoch in 
die Krone hinein überzogen, und wollte man die Stämme 
ihrer Blumen wegen fällen, so blieben sie zwischen den 
Kronen der anderen Bäume hängen, wenn auch ihre Wur- 
zel-Enden abgehauen wären. Ueberall herrscht auf Neu- 
Seeland die üppigste Vegetation, Schlingpflanzen und 
strauchartige Farrn, welche überhaupt ein feuchtes Olima 
lieben, in gröfster Menge; ja eine Menge der ausgezeich- 
netesten Formen echt tropischer Pflanzen -Familien dienen 
allein zum Beweise, dafs Neu-Seeland ein Clima geniefst, 
welches mit demjenigen des südlichen Europa überein- 
stimmend ist. Die beiden Forster haben auf Neu-Seeland 
eine Menge von Wurzeln und Sämereien ausgelegt, wel- 
che daselbst im Winter ausdauerten und von denen sie 
sagen *), dafs dieselben bei uns, in der kälteren temperir- 
ten Zone, nicht ausgedauert hätten. Ja man fand auf 
Neu- Seeland, noch weit unter 41° südlicher Breite, eine 
Kohl-Palme (Areca oleracea) **). 

Der prachtvolle Baum, die Dracaena australis mit 
breiten Blättern, die so ähnlich einer Palme ist, vertritt 
hier die Pandanen-Form, und das Phormium tenax, der 
Neu-Seeländische Flachs, die Ananas -Form. Auch an 
Repräsentanten der Mimosen -Form (Sophora mierophylla), 
an Myrtaceen und Proteaceen und an anderen Pflanzen- 
formen fehlt es hier nicht, welche einige Aehnlichkeit 
zwischen der Flora von Neu-Seeland mit derjenigen von 
Neu-Holland und mit dem südlichen Afrika, wie mit dem 
südlichen Amerika hervorrufen, wie dieses die Gattungen 
Protea, Restio, Epacris, Melaleuca, Oxalis, Passerina, Gna- 
phalium, Mesembryanthemum, Tetragonia, Wintera, Wein- 
mannia u. s. w. beweisen. Ein Reichthum an Bäumen 
mit dunkelem immergrünenden Laube scheint in der Flora 


r) S. Cook’s zweite WVeltumsegelung. Bd. 1. p. 372. 
"NS. Forster |l. c. IV. p: 354. 


231 


Neu-Seeland’s zu herrschen, aber auch die Laubhölzer 
mit zarten grünen Blättern treten hier auf, wie in unsern 
Buchen- und Eichen- Wäldern, denn häufig schildern die 
beiden Forster den angenehmen Contrast, welchen diese 
beiden neben einander stehenden Formen der Laubhölzer 
gewähren. 

Allgemein bekannt ist es seit jener Forsterschen Reise, 
dafs mehrere Farrnkräuter von baumartigem Wuchse den 
Bewohnern von Neu-Seeland zur Nahrung dienen, und 
zwar, wie es von Buch zu Buch geht, sollen es die Wur- 
zeln dieser Pflanze seyn, deren Mark gegessen wird. Die- 
ses ist aber keineswegs der Fall, sondern es ist das saft- 
reiche Amylum-haltige Mark, welches sich ähnlich dem 
Marke der Cycadeen verhält, und einen Sago-artigen Stoff 
liefert, welcher als Brod im gerösteten Zustande gegessen 
wird. Ja Forster *) erzählt es selbst sehr ausführlich, 
indem er sagt, dafs das Efsbare jener Pflanzen in einer 
weichen pulpösen Masse bestehe, welche im Innern des 
Holzes ist und das Herz des Stammes bilde. Ich selbst 
habe auf den Sandwichs-Inseln sehr häufig gesehen, dafs 
die Kanacas das Mark der strauchartigen Farrn gegessen 
haben, und es ist auch sehr nahrhaft und dabei mei- 
stens süfslich. 

Besonders bemerkenswerth ist es, dafs in der Flora 
von Neu-Seeland ein hoher Baum von prachtvoller Pan- 
danen-Form, mit breiten glänzenden -Blättern erscheint, 
nämlich Dracaena australis. 

Die Flora von Van-Diemens-Land ist noch, so weit 
dieselbe bekannt ist, mit derjenigen der subtropischen 
Zone Neu-Hollands sehr ähnlich, doch scheint es, als wenn 
hier die Myrten-Form, vorzüglich aber dıe Eucalypten 
vorherrschend werden, und die Acacien mehr verschwinden. 

Die Flora des südlicheren Chile’s ist ganz und gar 
verschieden von derjenigen von Neu-Holland und von 
Van-Diemens-Land, welche zum Theil mit in diese wär- 


)A.scHEip: 384. 


232 


mere temperirte Zone hineinragen, indessen, in physiogno- 
mischer Hinsicht, besitzen wir nur geringe Bruchstücke, 
um uns ein Bild von der Vegetation des südlicheren Chile’s 
zu machen. Auf Neu-Seeland geht die Areca oleracea 
selbst bis über 41° Breite hinaus, doch die chilenische 
Palme kommt, selbst bei 36° Breite nicht mehr wildwach- 
send vor, aber baumartige Gräser, ‚den Bambusen der 
Aequatorial-Zone verwandt, treten auch hier noch, in gro- 
fsen Massen, gesellschaftlich wachsend auf, wie es auch 
von Neu-Seeland berichtet wird. In der Umgegend von 
Talcahuano herrschen die immergrünen Wälder, wie in der 
entsprechenden Zone des südlichen Europa’s; nur zwei 
bis drei Bäume entlauben sich daselbst zur Winterzeit. *) 
Die Lapageria mit ihren grofsen immergrünenden und glän- 
zenden dunkeln Blättern und den lilienähnlichen hochrothen 
Blumen, bildet daselbst eine prachtvolle Schlingpflanze. 
Fuchsien, Arbuten, Weinmannien, Coriarien und Myrten 
bilden das Gesträuch und niedere Waldungen, an welche 
sich die hohen Stämme der Nutzhölzer anschliefsen, die 
hauptsächlich zu den Gattungen Fagus, Persea, Laurelia 
u. s. w. gehören, und schon in der Breite von Concepcion 
nicht selten mit Moosen bedeckt sind. Ueberhaupt ent- 
wickelt sich in dieser, mehr wasserreichen Zone Chile’s 
eine aufserordentlich üppige Vegetation, so dafs die Wäl- 
der dieses Landes die ganze Westküste Südamerika’s mit 
Holz und Kohlen versehen können. 


5) Die kältere temperirte Zone. 


Der kältere Theil der temperirten Zone umfafst einen 
Gürtel, welcher von 45° Breite beginnt und bei 58° endet. 
In Europa beginnt diese Zone an der nördlichen Grenze 
der wärmeren temperirten Zone, nämlich auf der nördli- 
chen Seite der Gebirgsketten des südlicheren Europa’s; in 
Asien umfafst sie den Kaukasus, einen grofsen Theil des 


*) S. Pöppig, Reise in Chile, Peru u.s. w. Leipzig 1835. I. pag. 
317 u. s. w. - 


233 


Ural, den Altai, Daurien und verläuft bis zur Küste des 
stillen Meeres, wo eine viel niedere Wärme herrscht, als 
in den entsprechenden Breiten auf der östlichen Seite die- 
ses Continents, daher denn auch die Vegetation auf dieser 
Ostküste, im Verhältnisse zur Westküste, weit mehr einen 
nördlicheren Charakter zeigt, so dafs die Flora von Kam- 
schatka, welches zum gröfsten Theile noch in dieser Zone 
liegt, schon den Charakter der subarktischen Zone zeigt. 

Die mittlere Temperatur dieser Zone steht zwischen 
6 bis 12° Cels. England, das nördliche Frankreich und 
Deutschland werden uns, da wir hier am besten bekannt 
sind, die Vegetation dieser Zone der nördlichen Hemisphäre 
charakterisiren. 

Nach den in dieser Zone, im Vergleiche zu anderen 
Zonen, verhältnifsmäfsig vorherrschenden Umbelliferen und 
Cruciaten, hat Herr Schouw diesen Ländergürtel der alten 
Welt als das Reich der Umbellaten und Cruciaten ®) be- 
zeichnet, indem er dabei alle Länder bis zur Polargrenze 
einschliefst. Was ich schon bei der vorhergehenden Zone 
(pag. 226) bemerkt habe, gilt auch hier; meine Eintheilung 
der Pflanzendecke beruht auf den Totaleindruck, welchen 
die Physiognomie der verschiedenen Zonen auf uns zu 
machen im Stande ist; hiezu tragen aber die kleinen kraut- 
 artigen Gewächse nur Weniges bei, sondern die Formen 
der Bäume und Sträucher, so wie die gehörige Vertheilung 
dieser verschiedenen Pflanzen-Gruppen. Die Laubhölzer 
‘sind es, welche, in Verbindung mit den Nadelhölzern, die 
charakteristischen Wälder dieser Zone bilden, ja die Polar- 
‚grenze dieser Zone möchte auch, im westlichen Theile von 
Europa, durchschnittlich die Polargrenze der Buche (Fagus 
sylvatica) sein, so wie auch der Anbau des Weitzens von 
Bedeutung nur selten über den 58sten Grad nördlicher 
Breite hinausgeht. 

Wollen wir das Charakteristische der Vegetation der 
kälteren temperirten Zone auffassen, so müssen wir uns 


98. Gründzüge u. s. w. pag. 50. 


234 


die, dahin gehörigen Länder vor Allem in ihren Zustand 
vor mehreren Jahrhunderten zurückdenken, in jene Zeit 
nämlich, wo die menschliche Gesellschaft noch weniger 
zerstörend auf ihren natürlichen Zustand eingewirkt hatte, 
denn unser südliches Deutschland z. B. hatte damals, als 
die Römer in dasselbe eindrangen, ein ganz anderes Ansehen. 
Wer von uns das nördliche und das Südliche Europa 
vergleichend betrachtet hat, dem wird die Verschiedenheit 
der Vegetation, jenseits der Alpen und Pyrenäen von der- 
jenigen im nördlichen Frankreich und Deutschland schon 
bei dem ersten Blicke aufgefallen sein; diese Verschieden- 
heit begründet sich aber auf die Verschiedenheit der Baum- 
vegetation und auf die Vertheilung dieser Baummassen zu 
der Vegetation der Felder und Wiesen. Wenn auch, wie 
Herr Schouw nachgewiesen hat, im nördlichen Europa die 
Umbellaten und die Cruciaten verhältnifsmäfsig vorherr- 
schend sind, und im südlichen Europa die Labiaten, die 
Caryophylleen oder auch, nach Herrn Mirbel, die Syngene- 
sisten das verhältnifsmäfsige Maximum an Arten zeigen, 
so werden diese Pflanzen doch keineswegs das Charakte- 
ristische darstellen können, wodurch wir eben die italieni- 
sche Landschaft von der unsrigen zu unterscheiden im 
Stande sind. Ja Herr Schouw hat dieses ebenfalls aner- 
kannt und die Bezeichung des Reiches der Umbellaten und 
Cruciferen von demjenigen der Labiaten und Caryophylleen 
des südlichen Europa’s, für nicht so bestimmt geschieden 
erklärt, als dieses von seinen andern pflanzengeographi- 
schen Reichen der Fall ist. Mehr als die Hälfte der Arten 
dieser Zone Europa’s erscheint auch im südlichen Europa, 
und es sind nur äufserst wenige Gattungen jener vorherr- 
schenden Familien, welche dem südlichen Europa eigen- 
thümlich sind. Einige Familien sind zahlreicher im nörd- 
lichen, einige im südlichen Europa, jedoch sind alle Unter- 
schiede, welche sich hierauf gründen, nur sehr gering. 
Das häufige Auftreten unserer herrlichen Wiesen, die. 
grofsen Heiden, bedeckt mit Erica vulgaris, neben der sich 
der Wachholder (Juniperus communis L.), das Ledum pa- 


235 


lustre, Andromeda polifolia und hie und da einige kleine 
Weiden erheben, und die grofsen Wälder von Laubhölzern, 
mit zarten, hellgrünen Blättern, neben den Massen der 
gesellig stehenden Kiefer, das ıst das Hauptsächlichste in 
der Pflanzenvertheilung unserer Zone im Grofsen. Die 
Wälder unserer Laubhölzer verlieren im Winter ihre grüne 
Decke, nur die Mistel (Viscum album L.) grünt alsdann 
hie und da in den schattenlosen Kronen; Erde und Bäume 
bedecken sich zu dieser Zeit mit Schnee und nur das dun- 
kele Grün der Nadelhölzer zeigt alsdann, dafs die Vege- 
tation noch nicht erstorben ist. Aber im Frühlinge, bei 
dem Wiedererwachen unserer nordischen Vegetation, ent- 
wickelt die Natur einen Reiz, welcher selbst der heifsen 
Zone abgeht; diese hellgrüne, frische Belaubung unserer 
schönen Laubhölzer, wie sie im Monate Mai erscheint, 
möchte in keiner andern Zone wiederzufinden sein. Unsere 
Wälder sind arm gegen die üppige Vegetation der heifsen 
Gegenden; statt glänzender Tillandsien, wie sie in der 
Aequatorial-Zone erscheinen, werden die Rinden nnserer 
Waldbäume mit Usneen, Ramalinen und anderen Laub- 
flechten und Moosen bezogen. Statt der Lianen der Tro- 
pen schlingt sich in unseren Laubwäldern die Lonicera 
Periclymenum auf die Kronen der niederen Bäume hinauf, 
und nur der Epheu (Hedera Helix) bekleidet die Stämme, 
wo unter tropischem Himmel die duftenden Orchideen, die 
glänzenden Aroideen und die zahlreichen Farrnkräuter in 
grofsen Massen befestigt sind. Der Hopfen (Humulus Lu- 
pulus) ist noch die bedeutendste Schlingpflanze unserer 
kälteren temperirten Zone. 

Unter den Gesträuchen hat diese Zone einen grofsen 
Reichthum aufzuweisen, und die hauptsächlichsten dersel- 
ben sind mit grofsen und schönen Blüthen versehen. Unsere 
zahlreichen Rosen, unsere Rubus-Arten, unser Schneeball 
(Viburnum Opulus) gehören zu den ausgezeichneten Pflan- 
zen nördlicher Gegenden. 

Gehen wir weiter östlich nach Asien hinein und ver- 
gleichen die Vegetation dieser Gegenden mit der unserigen, 


236 


so finden wir aufserordentlich wenig Verschiedenheit zwi- 
schen beiden, abgesehen nämlich von dem Einflusse, wel- 
chen das rauhere Clima des Ostens auf die Vegetation der 
Gegend ausüben mufs, wodurch natürlich eine, etwas nörd- 
lichere V egetation nach südlicheren Breiten hinabgedrückt 
wird. Unsere deutsche Vegetation geht fast unverändert 
bis zur Wolga, bis hier finden sich Trapa natans, Chara 
vulgaris, Salvia pratensis, Thesium linophyllum und Li- 
mosella aquatica (an den schlammigen Ufern der Flüsse), 
aber jenseits dieses Stromes verschwinden diese Pflanzen 
und Cucubalus tataricus tritt dagegen in den Wäldern auf. *) 
Die Steppen Asiens, welche sich gleich jenseits der Wolga, 
schon bei 50° östlicher Länge zeigen, sind Lokalerschei- 
nungen und bieten eine ganz eigenthümliche Vegetation 
dar; die Gattungen Anabasis, Halocnemon und Brachylepis 
sind nach Herrn Lessing’s Beobachtungen **) den salzhal- 
tigen Steppen eigen. Pallas nennt für solchen Boden fol- 
sende Pflanzen: Salsola prostrata, Statice tartarica, Gly- 
cirrhiza hirsuta, G. laevis und G. echinata, Lathyrus tube- 
vosus, Medicago sativa, Vicia sylvatica, Lotus corniculatus, 
Serratula arvensis und Inula britannica. Auf dem trocke- 
nen Erdreiche wächst Anabasis aphylla, und auch Artemi- 
sia Absinthium, Tamarix gallica, Cynanchum acutum, Se- 
necio linifolius u. s. w. erscheinen. Der Charakter der 
Vegetation auf den sandigen Steppen dieser Gegend wird 
nach Lessing durch Gräser mit steifen, zusammengerollten 
Blättern, durch Atriplieinae und Chenopodien dargestellt. 
Die östliche Grenze unserer Eiche giebt Lessing bei 
55° Breite zu 75° östlich an; Pallas fand sie, in Gesell- 
schaft von Corylus Avellana noch bei 80° östlicher Länge 
in 59° Breite in Gärten gezogen. Gentiana Pneumonanthe, 
G. Amarella und G. cruciata wuchsen daselbst. ***) Ein 
unendlich reicher Schatz von Beobachtungen, um die Ve- 


*) S. Pallas Reise. Band I. pag. 15 u. 168. 
*") Linnaca 1834. Heft II. 
RIESE LICHTE Ip: 273. 


237 


getation dieser Gegenden mit der unserigen zu vergleichen, 
findet sich in Pallas Reiseberichten, worauf ich ausdrück- 
lich verweisen mufs. Das ganze Kamschatka gehört seiner 
Lage nach der kälteren temperirten Zone an, aber des 
rauhen Clima’s wegen, worauf wir bei der Darstellung der 
Isothermen aufmerksam gemacht haben, ist die Flora dieses 
Landes die der subarktischen Zone, welches wir später 
nachweisen werden. Im Petro- Pauls Hafen, im 52sten 
Grade der Breite, erhebt sich zwar nur noch die Birke zu 
der Höhe der Bäume, aber nach Langsdorfs Berichten *) 
ist die Vegetation an andern Stellen gar nicht so arm. 

- Gehen wir aber noch weiter nach Osten, so gelangen 
wir nach Sitka, auf der Westküste Amerika’s, unter 57 Grad 
nördlicher Breite, und hier finden wir wiederum eine Ve- 
 getation, welche derjenigen des westlichen Europa’s unter 
gleichen Breiten-Graden entspricht. Einen höchst inter- 
essanten Bericht über die Vegetation dieser Gegend ver- 
danken wir dem, für unsere Wissenschaft zu früh verstor- 
benen Mertens. **) An den Küsten jenes Theils des nörd- 
lichen stillen Meeres wachsen: Arenaria peploides, Glaux 
maritima, einige Carices, Junceus- Arten. Landeinwärts er- 
scheinen Veronica serpyllifolia und Veronica Anagallis da- 
neben. Potentilla anserina, P. ruthenica und ein schönes 
Sisyrinchium sind hier zu Hause. Die Gattungen Plantago, 
Triglochin, Dodecatheon, Pedicularis, Elymus,. Bartsia, 
Campanula, Angelica, Heracleum, Fritillaria u. s. w. zeigen 
hier ganz ähnliche Arten wie bei uns in Europa, aber 
Pisum maritimum, Cochlearia danica, Ranunculus acris, 
Galium boreale, Geum intermedium, Turritis hirsuta und 
T. glabra sind hier, wie in unserem Vaterlande zu Hause. 
Die Wälder von Sitka werden aus kolossalen Stämmen von 
Tannen (Abies- Arten) gebildet, und Alnus-Arten, Sorbus 
und Crataegus erscheinen daneben, wärend Rubus odoratus 


*) S. dessen Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. Bd. II. 
| pag. 224. 
**) S. dessen botanisch- wissenschaftliche Berichte vom October 


1827. — Linnaca 1829. p. 43— 73. 


# 


238 


mit weifsen Blumen das Untergehölz bildet. Cornus sue- 
eica, Rubus spectabilis, Ribes-Arten, eine hohe Azalea, eine 
Calla, Linnaea borealis, Lathraea Stelleri, Cymbidium, Tri- 
entalis, eine Salix und das charakteristische Panax horri- 
dum sind hier vorzüglich zu nennen. Diese letztere Pflanze 
bildet hier eine ausgezeichnete Schlingpflanze, welche den 
Wald so sehr verdickt, dafs es schwer ist durchzudringen. 

Aber ebenso, wie die Vegetation von Kamschatka, 
als auf der Ostküste des Continents gelegen, gegen die- 
jenige der Westküste, unter gleichen Breiten, weit zurück- 
steht, ebenso steht «die Vegetation von Labrador, auf der 
Ostküste von Nordamerika, sehr weit gegen diejenige von 
Sitka unter einer und derselben Breite nach. 

In der südlichen Hemisphäre haben wir bekanntlich 
nur sehr weniges Land, welches in diese kältere tem- 
perirte Zone hineinreicht, doch wir sind glücklich, dafs 
einige dieser Punkte ziemlich genau durchsucht sind. Zu- 
erst betrachten wir die Falklands-Inseln, welche allerdings, 
als baumlose Inseln im offenen Meere, höchst abweichende 
Erscheinungen von der, dieser Zone eigenthümlichen Ve- 
getation darbieten. Doch alle diese Abweichungen sind zu 
erklären, theils durch die Eigenthümlichkeiten des dortigen 
Küsten-Clima’s, theils durch Unfruchtbarkeit des Bodens 
dieser Inseln, welcher vielleicht vor einem Jahrtausend 
noch viel bedeutender war. Die Falklands-Inseln liegen 
im 52sten und d3sten Grade südlicher Breite, bekanntlich 
in sehr geringer Entfernung von der Ostküste Südamerika’s. 
Das Clima der Falklands-Inseln ist im Allgemeinen milde; 
auf der östlichen Insel (Ost-Falkland) *) fällt die Tem- 
peratur im kältesten Winter nie unter — 2,67° R. und 
steigt im heifsesten Sommer nie über 19,11° R. Im Durch- 
schnitt bewegt sie sich zwischen — 0,89° und 8° R. im 
Winter, und zwischen 8° bis 19° R. im Sommer. Hiernach 


*) Beschreibung der Ost-Falklands- Insel von Vernet, - Berghaus. 
Cabinets-Bibliothek. Berlin 1834. I. p. 158. 


239 


haben diese Inseln einen viel mildern Winter als wir, in 
der nördlichen Hemisphäre; sie kennen jedoch auch nichts 
von der angenehmen Hitze, welche unsern Sommermonaten 
zukommt, demnach wird die ganze Vegetation, so wie 
auch der ganze Cultur-Zustand dieser Inseln ein anderer 
sein, wie derjenige, welcher unserem nördlichen Continente 
zukommt. Zwar ist das Wetter auf Ost-Falkland unbe- 
ständig, allein Regen, Schnee und Hagelfall sind durch- 
gängig von kurzer Dauer; der Schnee verschwindet in 
wenigen Stunden, aufser auf den Gipfeln der Berge, und 
Eis wird selten über 1 Zoll dick gefunden. Im Sommer 
wehen daselbst Nordwest-Winde, im Winter dagegen Süd- 
west- Winde. 

Heutigen Tages eignet sich der Boden auf den Falk- 
lands-Inseln sehr gut zum Ackerbau, denn er besteht durch- 
gängig aus einer, sechs bis acht Zoll mächtigen Schicht 
schwarzer Dammerde. Weitzen und Flachs gedeihen in 
gleicher, wenn nicht in besserer Güte, als die Saat, welche 
von Buenos-Ayres dahingebracht wurde, und Kartoffeln, 
Kohl, Rüben geben vortreffliche Früchte. Bäume wachsen 
auf den Falklands-Inseln nicht wild, und mit den Anpflan- 
zungen, welche ganz gewifs daselbst gelingen werden, ist 
es noch nicht weit gekommen, indem die Obstbäume, wel- 
che man von Buenos-Ayres kommen liefs, unterwegs ein- 
gegangen waren. | 

So wie in unserem Vaterlande, so treten auch hier, 
auf den Falklands-Inseln grofse, ausgedehnte Wiesen und 
Torfmoore auf, welche der Natur einen Charakter geben, 
der ganz demjenigen unserer Gegenden ähnlich ist; nur 
die Wälder des Continents fehlen hier, sonst würde die 
Aehnlichkeit noch gröfser sein. Wir besitzen eine höchst 
schätzenswerthe Beschreibung der Vegetation dieser Inseln 
von Herrn Gaudichaud *), welche wir den Entdeckungs- 
reisen der Franzosen zu verdanken haben. Mit der gröfs- 
ten Einsicht hat dieser ausgezeichnete Reisende die Pflanzen 


*) Freycinet Voyage autour du Monde. Part. botan. p. 123 — 143. 


240 


der Falklands-Inseln zur Benutzung für pflanzengeogra- 
phische Zwecke zusammengestellt, so dafs wir ein treues 
Bild von der Physiognomie jener fernen Eilande erhalten. 
Die Wiesen daselbst werden durch Agrostis magellanica L., 
Agrostis caespitosa, Aira flexuosa gebildet und Avena re- 
dolens, A. phleoides, Festuca magellanica, F. erecta, Arundo-, 
Carex-, Scirpus- und Juncus-Arten bilden die übrige Masse 
der grasförmigen Gewächse daselbst. Die feuchten und 
mehr moorartigen Stellen bringen eine Menge von Pflan- 
zen hervor, welche ebenfalls den unserigen unter ähnlichen 
Verhältnissen ganz ähnlich sind, z. B. Marchantia poly- 
morpha, Sphagnum acutifolium, Lysimachia repens, Caltha 
appendiculata, Sagina procumbens und S. crassifolia, Cal- 
litriche verna, Misandra magellanica und in den zalhreichen 
stehenden Gewässern erscheinen: Limosella tenuifolia, 
Azolla magellanica, Caltha sagittata, Montia linearifolia, 
Myriophyllum elatinoides und M. ternatum u. s. w. Auf 
den Abhängen der feuchten Berge erscheint die schöne 
Lomaria setigera in gröfster Masse und der sonderbare 
Bolax glebaria, welcher dicke, feste grüne Büsche bildet, 
oft von 3 Fufs Höhe und 8 bis 10 Fufs Dicke; wie es 
scheint, so tritt diese Pflanze unter ganz ähnlicher Form 
auf, wie die kleinen, gesellig wachsenden Umbellaten auf 
den Höhen der Cordillere von Chile und Peru, wovon wir 
schon an verschiedenen Stellen des Buches gesprochen 
haben (s. z.B. pag. 102). Die Felsen auf den Höhen der 
Berge jener Inseln sind ‚ebenso, wie bei uns, mit einer 
grofsen Menge von Flechten besetzt, wovon die meisten 
mit den unserigen identisch sind. Wie schon vorhin gesagt 
wurde, fehlt es auf den Falklands-Inseln gänzlich an Wäl- 
dern, nur Gesträuche, von 4 bis 5 Fufs Höhe, bilden da- 
selbst waldartige Ausbreitungen, und auch diese gehören 
zu Gattungen, welche unserer nördlichen Zone hauptsäch- 
lich. angehören, nämlich zu Rubus, Arbutus, Andromeda 
und Empetrum, deren Beeren hier, wie bei uns, meisten- 
theils zu den schmackhaftesten Früchten gehören. Herr Ver- 


241 


net *) erzählt von einer Theepflanze auf Ost- Falkland, 
welche dicht an der Erde wächst und Beeren von der 
Gröfse einer Erbse trägt, die weifs mit einem rosenrothen 
Anstriche gefärbt sind und äufserst gut scelimecken. Das 
Holz zur: Feuerung holt man sich mit Leichtigkeit aus der 
Magalhaens- Strafse, doch giebt es auf den Falklands-Inseln 
Torf, der an vielen Stellen in Ueberflufs, ja sogar trocken 
gefunden wird, 'so wie aufserdem einige der Gesträuche 
selbst Stämme von der Dicke eines Mannesarm’s erhalten 
und zur Feuerung dienen. Drei dieser Gesträuche nennt 
Herr .Vernet, setzt jedoch hinzu, dafs sie daselbst keine 
Früchte tragen! \ 

"Aus dem Gesagten wird man die grofse Aehnlichkeit 
der: Vegetation der Falklands-Inseln mit derjenigen unse- 
rer nördlichen temperirten Zone sehr. leicht erkennen, und 
das Fehlen der Baum-Vegetation nur als eine Lokaler- 
scheinung ansehen. Welch eine Menge von Pflanzen die- 
ser entfernten Inseln sind mit denen unseres Vaterlandes 
vollkommen übereinstimmend! Die übrigen Pflanzen ge- 
hören :theils dem südlichen ‘ Gontinente von Amerika an, 
theils sind sie den alpinischen Pflanzen Chile’s auf das 
genaueste verwandt. Die Nassauvien, die Perdicien und die 
sonderbaren Mulineen gehören ganz der Alpenregion der 
Chilenischen Cordillere an. | | 

Herr Dumont d’Urville **) hat in seiner Flora der 
Falklands-Inseln 214 Arten in 139 Gattungen aufgeführt, 
wovon 94 zu den Cryptogamen und 120 zu den Phanero- 
gamen gehören. | | 

Interessant möchte es sein, neben dieser Schilderung 
der Vegetation der Falklands -Inseln, diejenige des gegen- 
überliegenden Continentes kennen zu lernen, welche jedoch 
leider nur in einzelnen Bruchstücken bekannt geworden 
ist. - Der Mesier-Kanal ist’ der nördlichste Punkt (in 48 bis 


Dlie.-p: 459: 
*") Flore des Malouines, — Mem. de la Societ@ Linndenne de 


Paris. Paris 1826, 
16 


242 


49° südlicher Breite liegend), welchen Herr King *) in 
Hinsicht seiner Vegetation etwas näher beschreibt. Auf 
beiden Seiten ist die Küste dieser Strafse bergig, aber nicht 
sehr hoch, und an vielen Stellen zeigt sich sehr niedriges 
und durchgängig dick bewaldetes Land. Die Bäume, heifst- 
es in jenem Bericht, sind hier mehr von derselben Art, 
wie man sie auf der ganzen Strecke zwischen Cap Tres 
Montes und der Magalhaens-Strafse findet, nämlich die 
gewöhnlichsten sind: Fagus antaretica, Fagus betuloides, 
Winterana aromatica und ein Baum, welcher ganz das An- 
sehen einer Oypresse hat. Obgleich die Bäume dieser 
Gegend an dem Wurzelende eine sehr bedeutende Dicke 
haben, sollen sie doch nicht sehr hoch werden; doch sollen 
die Wälder daselbst so dicht sein, dafs kein Sonnenstrahl 
hindurchdringen kann. Ueberall auf der Westküste dieser 
Gegend ist der Boden der Wälder mit feuchten Moosen 
bedeckt. 

Die Magalhaens-Strafse zeigt in ihrem ganzen Ver- 
laufe, von Osten nach Westen, sowohl in Hinsicht der 
Gestalt ihres Bodens, als in Hinsicht der Vegetation sehr 
grofse Verschiedenheit. Das Westende, sagt Capit. King, **) 
und das Centrum sind von primitivem Charakter, rauh und 
sehr gebirgig, wärend der östliche Theil vor neuerer Bil- 
dung und niedrig ist. Um die Mitte der Strafse ist das 
Gestein Thonschiefer; die Berge werden höher, steiler und 
rauher in ihren Umrissen. Ihre mittlere Höhe beträgt 3000 
Fufs, einige steigen über 4000 und selbst über 6000 Fufs 
hinaus. Die Grenze des ewigen Schnee’s scheint daselbst 
3500 bis 4000 Fufs hoch zu sein. Eben so verschieden 
ist der Charakter der Vegetation wie die Gestaltung des 
Landes, und zwar nicht so sehr wegen der Mannigfaltigkeit 
an Pflanzen, als vielmehr ihrer Gestalt. Im westlichsten 
Theile der Magalhaens -Strafse ist die Vegetation ganz ver- 


*) Einige Bemerkungen über die Geographie des Südens von 
Amerika, nämlich des Feuerlandes und der Magalhaens- Strafse. — 
In Berghaus Cabinets- Bibliothek, I. Bd. 1834. pag. 134 übersetzt. 

*) 1. c. pag. 146. 


243 


krüppelt, in der Mitte ist dieselbe in gröfster Ueppigkeit 
und auf der Ostseite ist gänzlicher Mangel an Baumvege- 
tation. Die Bäume auf dem granitischen Boden des west- 
lichen Theiles der Strafse sind niedrig und höchstens 9 bis 
40 Zoll diek; wegen Mangel an Dammerde ist die Vege- 
tation daselbst sehr armseelig.. Ganz anders verhält sich 
die üppige Vegetation in der Mitte der Strafse; hier wächst 
Fagus betuloides in gröfster Menge, ja Bäume von 3 Fufs 
Durchmesser sind sehr häufig und selbst von 4 Fufs nicht 
selten, und ein Baum ist daselbst, welcher, noch 17 Fufs ' 
über der Wurzel, eine Dicke von 7 Fufs hat; er theilt 
sich dann in drei Zweige, wovon jeder 3 Fufs dick ist. 
Ich betrachte diese immergrüne Buche als den Stellver- 
treter unserer Buche in jener südlichen temperirten Zone, 
doch so grofsartige Stämme der Art trifft man an unserer 
Buche vielleicht niemals. Aufser der genannten Buche, 
giebt es nur wenige andere Bäume in der Strafse, welche 
als Nutzholz gebraucht werden könnten. Nur zwei andere 
Buchen-Arten und die Winterana aromatica sind in dieser 
Hinsicht zu nennun. Die letztere Baumart, *). welche eben- 
falls immer grün ist, findet sich, mit der ersten vermischt, 
in allen Gegenden der Strafse, so dafs Land und Berge von 
der Höhe von 2000 Fufs über dem Meere, bis zum Rande 
der Hochwasser-Marke mit einem beständigen Grün be- 
kleidet sind, was ein höchst merkwürdiges Schauspiel dar- 
bietet, besonders da, wo die Glätscher bis zum Meere 
herabsteigen. In dieser Gegend beobachtete Capitain King 
die Fuchsien- und Veronica - Arten (?), deren Stämme 6—7 
Zoll im Durchmesser hatten, und dennoch ist das Land 
daselbst, den ganzen Winter hindurch, mit einer mächtigen 
Schneelage bedeckt, nämlich vom April bis zum August. **) 


*) King 1. c. pag. 149. 

*%) Zu Port Famine in der Magalhaens-Stralse, unter 53° 38 
südlicher Breite, beobachtete man wärend der WVintermonate die 
mittlere Temperatur von 34,5° Fahr. (44° Cels.), das Maximum war 
49,5° Fahr., und das Minimum 12,6° Fahr. Die mittlere Tempera- 

16. * 


244 i 


Unsere Kenntnifs der Vegetation von Feuerland und 
Staatenland ist noch immer nicht viel weiter, als zur 
Zeit der Cookschen Weltumsegelungen. Seit der be- 
kannten botanischen Excursion, welche Banks und So- 
lander auf der ersten jener denkwürdigen Reisen, an der 
Kiste von Feuerland machten, wo mitten im Sommer meh- 
rere Menschen durch die Rauhheit des Clima’s 'unterla- 
gen, *) ist diese südliche Gegend von Amerika auf das 
Aeufserste verschrien, obgleich es auch hier an Waldungen 
nicht fehlt, und, wie es scheint, die Vegetation überhaupt 
einen Charakter hat, welcher demjenigen der Vegetation 
unserer nordischen Gegenden gleicht. Auch hier ist der 
Fufs der Berge mit Waldung bedeckt; Sumpfmoore wer- 
den von Birken-Gesträuchen bekleidet und die fruchtbaren 
Ebenen sind mit herrlichem Rasen geschmückt. Hier sam- 
melten Sparrmann und die beiden Forster: Pinguicula al- 
pica, Ranunculus lapponicus, Galium Aparine, Statice 
Armeria, Dactylis caespitosa, D. glomerata, eine Sangui- 
sorba, Fagus antarctica, Winterana aromatica u. s. w. In 
Gegenden, welche stark dem Winde ausgesetzt waren, er- 
reichten diese letzteren Bäume niemals eine bedeutende 
Höhe. Im Inneren dieser Inselmassen ist das Clima keines- 
wegs so furchtbar, als wie es Banks und Solander haben 
schildern lassen, denn bei jenem Berichte hat man ver- 
gessen, dafs sich die Reisenden auf einem hohen Berge, 
der Glocke nämlich, bei der Bay des guten Erfolgs be- 
fanden, und zwar weit über die Waldregion hinaus. 

Die übrigen Inselmassen der südlichen Hemisphäre, 
welche dieser Zone angehören, als Süd-Georgien, Kergue- 
lensland u. s. w. sind einzeln liegende, höchst unfruchtbare 
Inseln, und ihre Vegetation würde uns keinen richtigen Be- 
griff von derjenigen machen, welche dieser Zone angehört. 


tur des Herbstes war dagegen (nämlich Februar, März und April) 
47,2° Fahr. (8,4° Gels.), nämlich 68° Maximum und 28° Minimum. 
) 8. Cook’s Reise um die Welt. Berlin 1774. I. p. 45 u. s. w. 


245 
6) Die subarktische Zone. 

"Die subarktische Zone ist weniger ausgedehnt, als die 
vorhergehenden und möchte, vielleicht im Innern von Asien, 
nicht so bestimmt zu unterscheiden sein, wie dieses wohl 
in. Europa der Fall ist. Es erstreckt sich diese Zone von 
58° der Breite, bis zu den Polarkreisen hin, nämlich bis 
66° 32°. Die mittlere Wärme, welche der Kine im Durch- 
schnitt zukommt, beträgt zwischen 4 und 6° Cels., doch, 
so wie die Isothermen dieser Gegenden höchst unregelmäfsig 
verlaufen, so wird auch dieser Wärmegrad nach den ver- 
schiedenen Lokalitäten sehr variiren. 

In der nördlichen Hemisphäre ist die subarktische Zone 
die Zone der Kiefern und Weiden, und beginnt eigentlich 
mit der Polargrenze der Buche. In der südlichen Hemi- 
sphäre ragen nur einige unfruchtbare Inselmassen in diese 
Zone hinein, wie z/B. Neu-Schottland, welches durch, bis 
jetzt noch wenig ergründete Ursachen, ein so rauhes Clima 
hat, wie unser Spitzbergen, das in die Polarzone hineinliegt. 

In der vorhergehenden Zone bildeten die Fichten, 
(Pinus sylvestris) und die prächtigen Laubhölzer, als Eichen 
und Buchen die ausgedehntesten Wälder und herrschten 
durch ihre Massen vor; in der subarktischen Zone dagegen 
finden sich diese Bäume nur noch an der südlichen Grenze, 
kaum über 60° Breite hinaus, und auch hier zeigen sie 
wenig mehr von der Pracht und Ueppigkeit, welche ihnen 
in Deutschlands und Englands dichten Waldungen zukom- 
men. Selbst die Fichte (Pinus sylvestris) verschwindet 
gänzlich, und auf der westlichen Küste von Norwegen, wo 
das entschiedene Küstenclima von Schottland herrscht, da 
‚erscheint sie noch, doch im Innern des Landes tritt statt 
ihrer die prächtige Tanne auf. Espen, Birken, Ebereschen, 
und Wachholdersträucher bilden dann die Baumvegetation 
neben den hochstämmigen und dunkelgrün belaubten Tan- 
nen. Die Esche (Fraxinus excelsior), die Linde und die 
Rüster (Ulmus campestris) gedeihen noch bei Christiania *) 


*) $. Lessing, Reise durch Norwegen nach den Loffoden durch 


Lappland und Schweden. Berlin 1831. 


246 


bei einer mittleren Temperatur von 4,96° R. Ja in den 
Gärten von Christiania erhält man noch Aepfel, Kirschen, 
selbst Birnen und Aprikosen, und sogar der Wein *) hat 
mehrere Jahre hinter einander in freier Luft reife Früchte 
getragen. Indessen dieses ist keineswegs als Norm für die 
Vegetation unter 60° nördlicher Breite anzusehen, sondern 
es ist sogar die auffallendste Abweichung, welche sich nur 
durch die Eigenthümlichkeit des Clima’s auf der Westküste 
des Continents erklären läfst. Weiter östlich, sowohl in 
der alten wie in der neuen Welt, wird wohl kein zweiter 


Punkt aufzufinden sein, welcher noch solche ausgezeichnete - 


Vegetation aufzuweisen hat. Wir besitzen eine ausgezeich- 
nete Arbeit über die Vegetations - Verschiedenheit auf der 
östlichen und westlichen Seite von Norwegen, wodurch der 
Einflufs des Küsten-Clima’s so äufserst augenscheinlich 
gemacht wird, und diese Arbeit ist vom dem früh verstor- 
benen Botaniker Christian Smith #*), doch ist dieselbe lei- 
der nur durch den Auszug bekannt geworden, welchen 
Herr L. v. Buch ***) darüber mitgetheilt hat. Es heifst 
darin: Dem strengen Winter auf der Ostseite folgt nach 
wenigen Wochen ein Sommer mit stets fortdauernden hel- 
len und heitern Tagen. Die Sonne eines fast nie aufhö- 
renden Tages ruft eine Menge von Blättern und Blumen 
hervor, die man in so nördlichen Breiten kaum noch er- 
wartet. Jenseits der Berge dagegen verhindert das stets 
offene Meer die Strenge des Winters, und die steten Winde, 
aus Westen und Süden über das Meer hin, erwärmen die 
Küsten. Aber sie bedecken sie auch mit dieken Nebeln 
und Wolken, welche den wohlthätigen Einflufs der Sonne 
aufhalten und dadurch der Wärme des Sommers wenige 
Dauer und wenige Wirkung erlauben. 


”) Die Grenzen der wichtigsten Obstsorten auf der scandinavi- 
schen Halbinsel sind nach H. Schouw’s Angabe: für Aepfel und 
Pflaumen 634° Breite, für Kirschen 63° und für Birnen 62°. 

**) Topographisk - statistiske Samlinger, udgivne af Selskabet for 
Norges 2den Deels 2det Bind. Christiania 1817. 

**) Physikalische Beschreibung der Canarischen Inseln. pag. 38. 


. 


247 


Obgleich die Birke selbst dem strengen sibirischen 
Winter widersteht, so erfordert sie doch zu ihrer Wachs- 
thums-Periode einen warmen Sommer, und ihre Grenze 
rückt defshalb in Norwegen immer mehr nach der Ebene 
und nach Süden hinab, jemehr sich die Wärme des Som- 
mers vermindert. Mit den Fichtenwäldern auf der West- 
küste von Norwegen erscheinen nach Smith die schöne 
Digitalis purpurea, Hieracium aurantiacum, Bunium bulbo- 
castanım, Sedum anglicum, Chrysosplenium oppositifolium, 
Hypericum pulchrum, Erica cinerea, Rosa spinosissima 
u. s. w., Pflanzen, welche man, wie Smith bemerkt, ver- 
gebens da suchen würde, wo die Birken bis zu 3000 Fufs 
Föhe hinaufsteigen! 

Am zweckmäfsigsten wird es sein, wenn wir hier die 
Betrachtung der Vegetation der Färöer-Inseln unmittelbar 
anschliefsen, wozu uns die neue Arbeit des Herrn Tre- 
velyan*) sehr interessanten Stoff liefert. Auf den Färöer- 
Inseln gedeiht nur etwas Gerste und auch diese wird nicht 
immer reif; von Unterfrüchten aber wächst sowohl die 
Rübe, als die Kartoffel sehr gut. **) Die Baumvegetation 
kommt auf den Färöern zu keiner Entwickelung, aber an 
Weiden und Amentaceen fehlt es nicht. Auf den Bergen 
der Insel beginnt die Region der Alpenkräuter schon in 
der Höhe von 1500 Fufs; viele der Berge sind mit langen, 
dicht wachsenden Moosen bedeckt. 

Ganz ähnlich den Färöern verhält sich die Vegetation 
_ von Island; auch hier gänzlicher Mangel an Bäumen, denn 

die Birke und die Eberesche erreichen eine sehr geringe 
Höhe, obgleich die mittlere Temperatur daselbst keines- 
wegs so niedrig ist, als in östlicheren Gegenden des alten 


— 


*) On the Vegetation and Temperature of the Faroe Islands. — 
The Edinb. New Phil. Journ. October 1834 — Januar 1835. pag. 
454 — 164. 

*"%) Die mittlere Temperatur auf den Faröern betrug nach vier- 
jährigen Beobachtungen noch 54,6° Fahr. Im Jahre 1821 nur 51,6° 
Fahr. Die am höchsten beobachtete Temperatur war 72,5° F. und 
die niedrigste war 18,5° F. 


248 


Continents gleicher Breiten, wo selbst der gröfste Ueber- 
flufs an Wäldern von Tannen, Birken und Pappeln ist. 

Herr Schouw *) bemerkt schon, dafs die Vegetation 
von Island mit derjenigen von Norwegen sehr genau über- 
einstimmt, wo, gegen das Meer hin, ebenfalls die Baum- 
vegetation verschwindet und zwar nicht. etwa der niede- 
ren Temperatur, sondern vielmehr der sehr feuchten See- 
luft wegen. In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts 
zeigten die Bäume in den Birken-Wäldern Island’s ge- 
wöhnlich eine Höhe von 35—4 Ellen und 3—4 Zoll 
Dicke, die höchsten waren 6— 10 Ellen **). Gegenwär- 
tig fehlen alle Waldungen auf Island, nur noch Anhäu- 
fungen von Birken-Gesträuch bilden die Gehölze dieses 
armseeligen Landes; indessen es sind eine ganze Menge 
von Thatsachen vorhanden, ‘welche das frühere Vorhanden- 
sein hoher Birkenwälder ‘auf Island nachweisen; in dem 
genannten Werke. von Olafsens finden sich‘ diese Thatsa- 
chen sehr ausführlich aufgezählt und es ist noch dabei 
zu bemerken, dafs der Boden, wo diese Birkenwaldungen 
gestanden haben, gegenwärtig ganz in Moor- und Sumpf- 
land umgewandelt ist. Die jungen Birkenbäume, welche 
gegenwärtig auf der Insel Island wachsen, bleiben mehr 
‚strauchartig, und ‘erreichen nicht die Gröfse, welche sie 
in früheren Zeiten daselbst erlangt haben, so dafs man 
glauben möchte, dafs sich auf jener Insel, seit der Ausrot- 
tung der grofsen Wälder, das Clima bedeutend verändert 
habe. Aufserdem ist es noch höchst bemerkenswerth und 
die Lehre bestätigend, dafs sich die Verbreitung der Pflan- 
zen genau nach dem Clima richtet, wenn wir bedenken, 
dafs Island, obgleich es, seiner subtropischen Lage nach, 
der subtropischen Zone angehört, von der ganzen Baum- 
vegetation fast nichts als die Birke und die Eberesche be- 


*) Europa p. 48. 
"N S. Olafsens und Pavelsens Reise durch Island. Kopenhagen 
und Leipzig 1774. 4to p. 89, 126 etc., wo überhaupt sehr schätzens- 


werthe Beiträge zur Kenntnils der Vegetation von Island enthal- 
ten sind. 


' 249 


sitzt.: Es.hat demnach diese ganze Insel die echte Küsten- 
flora von Norwegen; aufser dem Juniperus ist: von Zapfen- 
bäumen auf Island nichts zu finden, wohl aber eine grofse 
Menge von Pflanzen, welche mit der Flora unserer nörd- 
lichen temperirten Zone übereinstimmen. Die grünen Wie- 
sen Island’s sind den unsrigen fast ganz gleich; Agrostis 
arundinacea, Aira caespitosa, A. flexuosa, Poa pratensis, 
P. trivialis, P. compressa, P. annua etc. wachsen auf Is- 
‚land wie bei uns, und Trifolium arvense, T. pratense und 
T. repens blühen dort so lieblich wie bei uns. Die Heiden 
sind auf Island ebenfalls mit Erica vulgaris bedeckt und 
Juniperus communis erhebt sich dazwischen. Die stehen- 
den Gewässer zeigen Chara vulgaris, Ch. hispida und Calli- 
triche - Arten unserer Gegenden, und an ihren Rändern 
wachsen Hippuris vulgaris, Veronica Anagallis, Arundo 
Phragmites, Comarum palustre, Limosella aquatica u. s. w. 
Die Felder auf Island sind wie bei uns mit Serratula ar- 
vensis, Thlaspi bursa pastoris und T. campestre, Draba 
verna, Prunella officinalis, Thymus Serpyllum, Lychnis Flos 
Cuculi, Spergula arvensis u. s. w. bedeckt, und die köst- 
liche Beere des Vaccinium Myrtillus, uliginosum, oxycoc- 
cus und Arbutus Uva ursi geben auf Island wie bei ‚uns 
ein angenehmes Nahrungsmittel. 

Getreidebau findet auf Island nur in sehr geringem 
Grade statt, ja oftmals lange Reihen von Jahren hindurch 
ganz und gar nicht, denn wegen des höchst unbeständigen 
Wetters gegen Ende des Sommers wird das Getreide’ sel- 
ten reif; jedoch ist in früheren Zeiten, etwa vor 100 Jah- 
ren, der Anbau des Roggens an sehr verschiedenen Stel- 
len betrieben worden. Dagegen wird gegenwärtig die Cul- 
tur der hauptsächlichsten Küchen-Gewächse, als der ver- 
schiedensten Kohlarten, sogar des Blumenkohls, der Kar- 
toffeln, verschiedener Rübenarten, des Kümmels u. s: w. 
mit sehr gutem Erfolge betrieben. Zu den eigenthümlich- 
sten Nahrungspflanzen, welche den Bewohnern von Island oft 
die alleinige vegetabilische Nahrung darbieten,, besonders 
in früheren Zeiten vor der Einführung der Kartoffeln, 


250 


gehören: Fucus saccharinus L., F. esculentus L., F. pal- 
matus Gm. und wohl noch einige andere Pflanzen dieser 
Familie. Es werden diese Seegewächse theils frisch, theils 
im getrockneten Zustande zum Essen gebraucht, und die- 
nen selbst als Gegenstände des Binnenhandels; sicherlich 
liefern sie recht nahrhafte und gutschmeckende Speisen. 
Es ist ja auch bekannt, wie an verschiedenen andern Kü- 
sten des grofsen Weltmeeres verschiedene andere dieser 
Seegewächse theils zur gewöhnlichen Nahrung, theils zum 
Luxus benutzt werden, wie z. B. der Fucus antarcticus 
Cham. an der südlichsten Spitze von Amerika, verschie- 
dene grofse Laminarien und Fuecus pyriferus an der Kü- 
ste von Chile, der Fucus cartilagineus in Indien, China, 
Japan und dem ganzen Archipelagus jenes Meeres u. s. w. 

Aufser.. diesen Algen sind noch folgende Gewächse 
zu nennen, welche auf Island als Nahrungspflanzen ange- 
troffen werden, nämlich das Isländische Moos *), Pisum 
maritimum L. und Arundo arenaria. Das Isländische Moos 
kommt in vielen Küstengegenden dieser Insel in sehr gro- 
{sen Massen vor, und wird auf einem und demselben 
Felde alle drei Jahre eingesammelt. Die Bitterkeit, wel- 
che dieser Pflanze eigen ist, wird zuerst durch Einwei- 
chen in Wasser ausgezogen, und dann wird das Kraut, 
meistentheils mit Milch zubereitet gegessen, selbst eine 
Art von Brod soll daraus gebacken werden. Die Zeit 
der Einsammlung des Isländischen Mooses ist auf jener 
Insel gleichsam eine fröhliche Zeit der Erndte. — Die 
Erbsen von Pisum maritimum sollen zuweilen sehr wohl- 
schmeckend werden, und die kleinen Saamen von Arundo 
arenaria werden an einigen Orten zur Bereitung eines 
feinen Mehles benutzt. 


Gehen wir wieder nach dem Continente zurück, und 


wenden wir uns mehr östlich nach den entfernteren Ge- 
genden Sibiriens, welche dieser subarktischen Zone ange- 
hören, so finden wir fast überall dieselben Pflanzen wie- 


*) Lichen islandicus L. 


251 


der, wie sie in den westlichsten Gegenden der subarkti- 
schen Zone, nämlich in Norwegen und Schweden, auf 
Island und den andern angrenzenden Inseln vorkommen, 
nur die Baumvegetation ist eine andere; die ungeheueren 
Wälder von Coniferen treten hinzu, bis auch diese auf 
der Ostküste von Kamschatka wieder verschwinden und 
den Birken wieder Platz machen. 

Herr Langsdorf *) nennt alle die Pflanzen, welche er, 
auf seiner Reise durch Sibirien, auf dem Wege zwischen 
Ochotsk nach Jakutck antraf, die ich hier ebenfalls an- 
gebe, um sie mit den Floren von Norwegen, von Schwe 
den und Island in Vergleichung zu stellen. 

Die Wälder jener Gegenden Sibiriens wurden gebil- 
det durch: Pinus Cembra, P. Larix, P. Abies, Platanus 
orientalis, Populus alba, P. balsamica, Betula Alnus, B. 
nana und B. fruticosa, und Rhododendrum tauricum, R. 
Chrysanthum, Stachis palustris, St. sylvatica, Scutellaria 
galericulata, Schwertia perennis, Sanguisorba officinalis, 
Tanacetum vulgare, Trientalis europaea, Valeriana offici- 
nalis, Vaceinium Vitis Idaea, V. uliginosum, Anemone nar- 
eissiflora, A. sylvestris, Atragene alpina, Andromeda poli- 
folia, Antirrhinum Linaria, Arbutus Uva ursi, Euphrasia 
officinalis, Potentilla anserina, die schönen Pyrolae unserer 
Wälder, Galium boreale, Sedum palustre, Lysimachia thyr- 
siflora ete. sprechen ganz deutlich für die Gleichheit der 
Vegetation dieser östlichen Gegenden mit derjenigen der 
westlichen Theile von Europa. 

Schliefslich vergleichen wir noch die Flora von Kam- 
schatka mit demjenigen, was wir bisher über die Vegeta- 
tion der subarktischen Zone gesagt haben. Die Flora des 
südlichsten Theiles von Kamschatka gehört noch der vor- 
hergehenden Zone an, im Allgemeinen ist dieselbe aber 
ganz von subarktischem Charakter. Dafs auf Kamschatka 
der Getreidebau fehlt, ist eine Abweichung von dem im 
Westen des Continents beobachteten Gesetze, läfst sich 


) lc... p. S16. 


252 


jedoch eben sowohl erklären, als wie das Fehlen des Ge- 


treidebaues auf Island u. s. w. Folgende Pflanzen Kam- 
schatka’s nenne ich hier aus dem Verzeichnisse, welches 
Herr Langsdorf *) in seinem Reiseberichte mitgetheilt hat: 
Rubus Chamaemorus, Vaceinium Vitis idaea, V. uliginosum, 
Berberis vulgaris, Ribes rubrum, Empetrum nigrum, Lo- 
nicera caerulea, Prunus Padus, Sorbus aucuparia, Rubus 
arcticus, Arbutus Uva ursi, und Betula alba, B. nana, Pi-- 
nus Larix, P. Abies, P. Cembra, Populus alba, Platanus 
orientalis, Betula Alnus, Salix arenaria, S. pentandra, Juni- 
perus communis, Crataegus oxyacantha, Rosa canina, R. 
spinosissima, Lonicera caerulea etc. bildeten die Waldun- 
gen und Gesträuche. 
Ä 
7) Die arktische Zone. 

Die arktische Zone umfafst einen noch kleineren Erd- 
gürtel, als die subarktische Zone, welche wir so eben ab- 
gehandelt haben, sie erstreckt sich, von dem nördlichen 
Polarkreise (66° 32° Breite) an, bis zu den nördlichsten 
Punkten, mit welchen die scandinavischen Länder im nörd- 
lichen Ocean grenzen, also bis in den 72sten Grad der 
Breite, wo die Grenze der Baumvegetation und zugleich 
aller Cultur des Bodens erscheint. Wir haben im Vor- 
hergehenden gesehen, dafs der Lauf der Isothermen und 
der Isotheren immer unregelmäfsiger wird, je mehr man 
sich von dem Aequator entfernt, daher denn auch die Ve- 
getation dem unregelmäfsigen Gange der Wärme- Verthei- 
lung folgend, je mehr. wir gegen die Pole hin kommen, 
immer. mehr. und mehr ‚Abweichungen aufzuweisen hat. 
Indem westlichsten Lande des alten Continents geht die 
Cultur der Getreide - Arten bis über den 70sten Grad der 
Breite hinaus, bis zu einer Gegend, welche im östlichsten 
Sibirien, wenn uns die Nachrichten nicht täuschen , im 
ewigen. Eise stecken müfste. Diese Ungleichheit in der 
Vertheilung der Wärme und demnach auch der Vegeta- 


9) L.c U. p.;224,. 


253 


tion möge ums jedoch nicht abschrecken ein allgemeineres 
Bild für die ganze Zone zu entwerfen, wenn ‚auch hie 
und da die Grenze der Baumvegetation in hiedernn Brei- 
ten erscheint. 

Die mittlere Temperatur für die arktische Bone möchte 
etwas über 2° Cels. als Maximum haben, in den kälteren 
Theilen dieser Zone jedoch sicherlich viel tiefer, ja oft 
weit unter. dem Gefrierpunkte stehen. ‚Auf der südlichen 
Hemisphäre sind bis jetzt nur einige kleine Inseln, im 
68sten Grade der Breite bekannt, welche bis in diese Re- 
gion hineinreichen, von der Vegetation dieser Inseln wis- 
sen wir jedoch noch nichts. 

Wir besitzen über die Vegetation einzelner erden 
der arktischen Zone die meisterhaftesten Arbeiten, .als 
solche ist vorzüglich diejenige von Wahlenberg *) zu be- 
trachten, worin die Pflanzengeographie eines speciellen 
Landes zuerst mit aufserordentlichem Intolge bearbeitet 
worden ist. | 

Die vorherrschendste aller Biläuzenfoyskn dieser Zone 
ist die Birke, und nach dieser einige Nadelhölzer, als die 
Fichte (Pinus: sylvestris) und die Kiefer (Abies excelsa), 
welche hier noch ausgedehnte Waldungen bilden.: Nach 
Schouw’s **) Angaben erreicht die-Birke fast das: Nord- 
cap, die Kiefer geht bis Alten (69 — 70° Breite) und 
die schöne Tanne bis 69 und selbst bis über 70° auf der 
östlichen Seite von Norwegen und Schweden. Die Espe 
und die Eberesche sind noch ‘die einzigen ‘baumartigen 
Gewächse, welche sich neben den drei genannten bis über 
die Polar-Zirkel hinaus erstrecken. Der Wachholder, der 
Rubus Chamaemorus, Cornus suecica und eine Menge von 
Weiden-Arten bilden. hier die Gesträucher und die Gat- 
tungen Diapenzia, Azalea und Andromeda treten besonders 
charakteristisch für Lappland neben jenen auf. Die trok- 
kenen und unfruchtbaren Felder sind mit unglaublichen 


*) Flora lapponica, Berlin 1812. 
*") Europa p. 8. 


254 


Massen von Flechten bedeckt, worunter das bekannte 
Rennthier-Moos, die Cenomize rangiferina, die ausgedehn- 
testen Rasen bildet, über welche der Weg, besonders zur 
Sommerzeit, wenn durch anhaltenden Sonnenschein diese 
Pflanzen ausgetrocknet sind, sehr beschwerlich führt. Schon 
in der vorhergehenden Zone sahen wir das Auftreten von 


Flechten in so grofsen Massen, wie die Ceteraria islan- 


diea auf Island; wır haben aber auch zugleich erkannt, 
dafs die Vegetation dieser Insel, durch das eigenthümliche 
Küsten-Clima derselben, oft so sehr herabgedrückt ist, 
dafs sie ganz den Charakter der arktischen Zone annimmt. 
In den Ländermassen Nordamerika’s, welche dieser Zone 
angehören, ist das Auftreten grofser Flechtenmassen in 
den Ebenen ganz gewöhnlich, und hier sind es hauptsäch- 
lich die Gyrophoren, welche sich bis zu den Ufern der 
Polar-See erstrecken, und im Nothfalle als Nahrungsmit- 
tel benutzt werden können. | 

Der grüne Rasen unserer Zone fehlt der arktischen 
Zone noch nicht gänzlich, die Aira caespitosa und die 
Aira flexuosa *) helfen denselben darstellen; ja das Mi- 
lium effusum überzieht in gröfster Ueppigkeit die Abhänge 
der Küsten-Berge auf den Loffoden, aber der schöne 
Moos-Rasen, welcher so häufig die Laubwälder unserer 
Gegenden verziert, ist hier nicht mehr zu finden, obgleich 
an Moosen und Jungermannien daselbst gerade kein Man- 
gel herrscht. Die Polytricha sind es vorzüglich, welche 
in üppigster Schönheit im nördlichsten Norwegen und 
Schweden vorherrschen. | 

Die Cultur der Nahrungspflanzen erstreckt sich auf 
der scandinavischen Halbinsel über die ganze arktische 
Zone, wenngleich dieselbe auch nur auf sehr wenige Ge- 
genstände beschränkt ist. Von den Getreide- Arten wird 
nur Gerste und Roggen angebauet, und zwar geht erstere, 
nach Herrn Schouw’s **) Angabe, bis 70° nördlicher Breite 


*%) Wahlenberg 1. c, p. LIX. 
*) Europa p.-9. 


255 


hinauf, wärend der Roggen auf der Westseite bis 64° 
Breite und auf der Ostseite bis 65 und 66° hinaufgeht. 
Zu Enontekis, im 60sten Grade der Breite, und in 1350 
Fufs über dem Meeresspiegel, hat man noch etwas Ge- 
treidebau, wenngleich dasselbe höchstens nur alle drei 
Jahre zur Reife Kommt. 

Zu Hammerfest im 71sten Grade hat man Versuche 
mit dem Anbaue von Gewächsen gemacht, und nach die- 
sen gedeihen Kohl, Rüben, gelbe Wurzeln, Kartoffeln, 
Spinat und Salat noch recht gut in dieser so bedeutenden 
Breite. 

An verschiedenen Stellen dieser arktischen Zone hat 
man die Beobachtung gemacht, dafs eine sogenannte Al- 
pen-Vegetation bis tief in der Ebene des Meeres erscheint, 
und dieses ist auch sehr leicht erklärbar, ohne dafs man 
diese Alpenflor von den Bergen herableitet. Wie wir es 
in der Folge sehen werden, so entspricht erst die baum- 
lose Vegetation der Polarzone, der Vegetation auf den 
Gipfeln der Alpen, an den Küsten der arktischen Zone 
hingegen, besonders wo ein sehr unbeständiges Wetter 
durch häufig herrschende nördliche Winde vorhanden ist, 
da wird die Temperatur des Sommers so bedeutend nie- 
dergedrückt, dafs dieselbe schon hier der Sommer - Tem- 
peratur in der Polar-Zone entspricht und dafs defshalb 
schon in dieser Zone eine grofse Menge von Alpenpflan- 
zen bis zur Ebene des Meeres hinabsteigen, wo sie neben 
den Strand-Pflanzen vorkommen. So beobachtete Herr 
Lessing *) auf der Westküste Norwegens, in der Nähe 
von Kunnen, auf den Wiesen: Silene acaulis, Saxifraga 
oppositifolia, Potentilla aurea, Thaliectrum alpinum, Erige- 
ron alpinus, Gentiana nivalis, Alchemilla alpina, Arbutus 
alpina, Empetrum nigrum, Astragalus alpinus, und daneben 
am sandigen Meeres-Ufer die Arenaria peploides, Lotus 
siliquosus, Silene maritima, Cochlearia danica u. s. w. 

Die östlichsten Gegenden des alten Continents, wel- 


"rl. ep: 44 


256 


che noch in die arktische Zone hineinragen, sind uns lei- 
der gänzlich unbekannt, sie werden jedoch, wenn sie einst 
erforscht sein werden; sicherlich sehr bedeutende Abwei- 
chungen: von der so eben geschilderten Vegetation dieser 
Zone darbieten. 

Aus der arktischen Zone Nord- Amerika’s kennen wir 
gegenwärtig schon eine sehr grofse Menge von Pflanzen, 
und die neue Flora dieser Länder, welche Herr Hooker 
herausgiebt, berechtigt zu den gröfsten Erwartungen; doch 
bis jetzt fehlt es noch sehr an Schilderungen, welche uns 
ein Bild über die Physiognomie der Vegetation jener Län- 
der entwerfen können. / 

Vergleichen wir ‚aber. die Flora dieser arktischen 
Zone bis zur Küste des Eismeeres, welche wir durch 
Herrn Richardson *) erhalten haben, so finden wir. nicht 
nur die aufserordentlichste Uebereinstimmung in den Pflan- 
zen dieser beiden Länder, sondern wir. finden sogar nur 
ein Paar Pflanzen, welche in Amerika und nicht auch im 
nördlichsten Norwegen und Schweden vorkommen, wenn 
wir nämlich aus jener. Flora nur. die mit A und mit B 
bezeichneten Pflanzen ausheben. Zum Beweise nenne ich 
hier die vorzüglichsten Pflanzen, welche: diese), arktische 
Zone charakterisiren. | 

Das Rhododendrum lapponicum tritt hier in die Ebene 
und seine Begleiter sind die kleinen strauchartigen Pflan- 
zen: Andromeda tetragona, A. polifolia, A. calieulata, Vac- 
cinium- Vitis idaea, Oxycoceus palustris, Azalea procum- 
bens. Ganz vorzüglich ist aber zu bemerken, dafs sowohl 
Birken (Betula glandulosa) und Ellern-Sträucher (Alaus 
glutinosa) hier erscheinen, eben so wie in. der arktischen 
Zone Europa’s. Die vorzüglichsten Polar-Pflanzen oder 
Alpen-Pflanzen, welche durch’ die Eigenthümlichkeit des 
Küsten-Clima’s in. die arktische Zone bis zur Meeresküste 


”) S. dessen Flora der Polarländer in R. Brown’s vermischten 
Schriften, Band I. p. 405 u. s. w., welche als Anhang zu Franklin’s 
Narrative of a Journey to the shores of the Polar- Sea, London 
1823. 4to. erschienen ist. 


257 


gehen, sind: Saxifraga Aizoides, S. oppositifolia, cernua, 
groenlandica, Polygonum yiviparum, Arnica montana, Dryas 
integrifolia, Holeus alpinus, Pedicularis lapponica, P. su- 
detica und P. hirsuta. Aufser diesen genannten Pflanzen 
wurden noch beobachtet: Plantago lanceolata, Cerastium 
viscosum, Oxyria reniformis, Triglochin maritimum, To- 
fielda borealis, Epilobium palustre, latifolium, angustifo- 
lium u. Ss. w. 

Besonders bemerkenswerth ist wohl noch die grofse 
Menge von Flechten, welche oftmals ausgedehnte Strecken 
Landes dieser Gegend bedecken; vorzüglich herrschend 
an allen felsigen Stellen sind daselbst die Gyrophoren, 
als G. proboseidea, G. hyperborea, G. pensylvanica und 
G. Mühlenbergü, welche in Fällen der Noth als Nahrungs- 
mittel benutzt werden können. 


8) Die Polar- Zone. 


Zu der Polar-Zone gehören alle Ländermassen, wel- 
che über den 72sten Grad der Breite hinaus liegen. Alle 
Bäume und Sträucher fehlen diesen kalten Gegenden, wo 
auch alle Cultur von Nahrungspflanzen ein Ende hat, denn 
die mittlere Temperatur steht daselbst wenigstens tief 
unter dem Gefrierpunkte, und meistens herrscht in diesen 
Gegenden nur ein Sommer von 4 bis 6 Wochen. Gegen- 
wärtig ist die. mittlere Temperatur dieser Zone nur von 
einem einzigen Punkte, nämlich von der Melvilie’s-Insel be- 
kannt, woselbst 10monatliche Beobachtungen angestellt 
worden sind. Wir haben die Temperatur-Curve von die- 
sem Orte auf beiliegender Tabelle zum ersten Abschnitte 
mitgetheilt; die mittlere Temperatur daselbst ist gleich 
— 16,9° Cels., die des Sommers ist gleich 3,1° und die 
des Winters erreicht die ungeheuere Kälte von — 33,3 
CGels. Nur im Monat Juli steigt die Wärme zu 5,9° Cels. 
hinan, und schon im darauf folgenden August fällt sie 
wiederum auf 1,2° C,; bei solcher niederen Temperatur 
kann die Vegetation natürlich nicht von grofser Bedeutung 
sein, und sie besteht auch daselbst nach allen bisherigen 


17 


255 


Beobachtungen in blofsen Alpenkräutern, d. h. in solchen 
kleinen Pflanzen, welche auf den Gebirgen die höchsten 
Gipfel bis unmittelbar zur ewigen S hneegrenze hin ver- 
zieren. 

Ja selbst die Halbsträucher fehlen hier, und nur ei- 
nige wenige Arten dieser Gruppe treten als krautartige 
Gewächse innerhalb der Polar - Zone auf. Wenngleich 
nur einige wenige Punkte dieser Polar-Zone von Reisen- 
den besucht und in botanischer Hinsicht bekannt geworden 
sind, so besitzen wir dennoch ganz ausgezeichnete Arbei- 
ten über die Floren dieser wenigen Gegenden, welche von 
Herrn R. Brown *) und Herrn Hooker **) herausgege- 
ben sind. 

Aus der Ansicht der genannten Floren geht hervor, 
dafs die Vegetation dieser: Polar-Zone äufserst arm ist, 
im Versältnifs zur Vegetation wärmerer Zonen, indessen 
sowohl an Artenzahl wie an Gattungen, ja vielleicht sogar 
an Individuen-Zahl, möchte diese Flora der entsprechen- 
den Vegetation auf den höchsten Gipfeln der Gebirge 
nicht nachstehen. Wassermangel wärend der kurzen Som- 
merzeit und felsiger unfruchtbarer Boden, stehen selbst 
noch in diesen so traurigen Gegenden der Entwickelung 
einer gröfseren Sommer- Vegetation entgegen. 

Vergleichen wir aber die Verzeichnisse der Floren von 
Spitzbergen, von Grönland, von der Baffınsbay und der 
Melville's-Insel, so müssen wir über die genaue Ueber- 
einstimmung der Vegetation an diesen verschiedenen Or- 


*) S. Dessen Verzeichnils von Pflanzen, welche an den Küsten 


der Baffıns-Bay u. s. w. gesammelt worden sind. — Dessen Flora . 


der Melville’s-Insel. — Dessen Verzeichnifs der in Spitzbergen ge- 
fundenen Pflanzen, und dessen Nachträge zu Richardson’s Polar- 
Flora. Alle diese Arbeiten sind, in das Deutsche übertragen, im 
ersten Bande von R. Brown’s vermischten Schriften, herausgegeben 
von N. v. Esenbeck, zu finden. | 

**) Verzeichnifs von Pflanzen von der östlichen Küste Grön- 


lands — als Appendix zu Scoresby’s Journal of a Voy. to the nor- 
thern WVahlefishery; etc. 


259 


ten erstaunen. Auf der Melville’s-Insel sind zwar mehrere, 
dieser Gegend bis jetzt allein eigene Pflanzen aufgefunden, 
doch man: bedenke auch dabei, dafs an keinem anderen 
Orte dieser Zone so lange und so genau die Vegetation 
durchsucht worden ist als hier, und dafs defshalb zu er- 
warten ist, es werden später noch mehrere, von den der 
Melville’s-Insel eigenen Pflanzen, auch an anderen Stellen 
dieser Zone aufgefunden werden. 

Als Charakter der Vegetation dieser Polar-Zone kann 
man nur die‘ grofse Armuth derselben aufzählen; ganze 
Gegenden dieser Zone sind, wegen unfruchtbaren Bodens, 
ganz vegetationsleer, und an andern zeigen sich die klei- 
nen, meistentheils sehr niedlichen Pfiänzchen dieser Zone 
in mehr oder weniger grofsen, rasenartigen Ausbreitungen, 
oder wenigstens. nur in gesellschaftlichem Zustande. Die 
hauptsächlichsten Gattungen, welche die Vegetation dieser 
Zone charakterisiren, oder deren Specigs, wenn auch nur 
‚einige, fast nie fehlen, sind: Saxifraga, Dryas, Papaver, 
Andromeda, Juncus, ‘Cochlearia,: Cardamine, Pedicularis, 
Eriophorum, Ranunculus, Pyrola, Silena, Potentilla, Salix 
u.s.w. Diese Gattungen ‘und sogär viele der Arten"aus 
diesen Gattungen hat die Flora :dieser Polar-Zone mit 
der Vegetation in der Region der Alpenkräuter gemein, 
wenn auch die Entfernungen der Gebirge von dieser :Po- 
lar-Zone noch so grofs sind. Als der Polar-Zone eigen- 
thümlich sind folgende Gattungen zu betrachten: Parrya, 
Eutrema, Platypetalum, Phippsia, Colpodium, Dupontia, 
Pleuropogon u. Ss. w. Mehrere Arten dieser Gattungen 
steigen auch wohl in die arktische Zone hinab, aber auf 
den Gebirgen südlicherer Gegenden sind 'sie noch nicht 
gefunden. ' 

Das relative Verhältnifs der Arten, Gattungen, und 
der Familien dieser Polar-Flora unter einander ist, aller 
Wahrscheinlichkeit nach, ein ganz anderes, als in der. ark- 
tischen Zone, doch bis jetzt sind die Materialien zur Be- 
stimmung. dieses Gegenstandes noch yiel zu gering. Alle 
hohe baumartige und strauchartige -Vegetation, welche der 

8.7 


260 


Natur eine Physiognomie yon Bedeutung zu geben im 
Stande ist, fehlt der Polar-Zone, so wie auch alle Cultur 
der Nahrungspflanzen daselbt unmöglich ist; um aber eine 
Anschauung von der Vegetation dieser Länder nach den 
gegenwärtig vorhandenen Mitteln zu geben, bleibt nichts 
übrig, als die hauptsächlichsten der Pflanzen aus einzelnen 
Gegenden dieser Zone aufzuführen. Nach den Pflanzen- 
Verzeichnissen in den Werken von Phipps *) und W. Sco- 
resby **) sind auf Spitzbergen folgende Phanerogamen 
beobachtet worden, als: Phippsia algida, Juncus campestris, 
Tillaea aquatica, Cochlearia danica und ©. groenlandica, 
Cardamine bellidifolia, Draba alpina, Dryas octopetala L., 
Salix polaris und S. herbacea L., Pedicularis hirsuta, Pa- 
paver nudicaule L., Cerastium alpinum, Andromeda tetra- 
gona, Saxifraga oppositifolia, S. cernua, S. nivalis, S. rivu- 
laris und S. caespitosa. Die Zahl der Cryptögamen ist 
hiezu verhältnifsmäfsig, bis auf die 19 Arten von Flechten, 
welche durch ihre Arten-Zahl, und wahrscheinlich auch 
durch ihre Masse in der Flora von Spitzbergen vorherr- 
schen werden. Auf der Melville’s-Insel treten zu den ge- 
nannten Pflanzen noch eine Menge von Ranunculaceen, 
Compositae und Gramineen hinzu, von denen die meisten 
Arten auch in der arktischen Zone und zwär als alpine 
Formen daselbst auftreten. Eriophorum capitatum, E. an- 


gustifolium, Alopecurus alpinus, Phippsia algida sind auf 


der Melville’s-Insel und in der arktischen und subarkti- 
schen Zone zu finden. | 
Zu wünschen wäre es, dafs die Vegetation desjenigen 


Theiles von Sibirien und von Nova Zemlia bekannt würde, 


welcher über die arktische Zone hinaus und in die Polar- 
Zone hineinragt. Die Vegetation dieser Gegend, welche 


meistens mit dem festen Lande in Zusammenhang steht, 


oder sogar Fortsetzung desselben ist, würde zur Verglei- 
chung mit der Insel-Flora von Spitzbergen, Melville’s-In- 


- sel u. s. w. von besonderem Interesse sein. 
”) A Voyage towards the Northpole. Lond. 1774. 4. p.200—204. 


.**) An Account of the Arctic Regions, etc, Edinb. 1820. 8. p. 75.76. 


261 


b) Eintheilung der Pflanzendecke nach den Re- 
gionen ihrer aufsteigenden Verbreitung. 


Eben so wie im vorhergehenden Abschnitte die hori- 
zontale Verbreitung der Pflanzenmasse nach verschiedenen 
Zonen dargestellt wurde, werden wir jetzt die senkrechte, 
oder aufsteigende Verbreitung nach den verschiedenen Re- 
gionen der Gebirge auseinandersetzen. 

Steigt man aus der Ebene auf die Höhe der Gebirge, 
so kann man mit Leichtigkeit in den verschiedenen Re- 
gionen derselben ähnliche Pflanzenformen wiederfinden, 
als diejenigen, welche den verschiedenen Zonen, von der 
Breite des Gebirges an, bis zu den Polen hin, eigenthüm- 
lich sind. Ein Gebirge der subarktischen Zone z. B,, 
welches bis über die ewige Schneegrenze hinaus liegt, 
kann natürlich nur die Vegetation derjenigen Zonen zei- 
gen, welche sich, von der subtropischen Zone an, bis zu 
den Polargegenden hin, aneinander reihen; so wie das 
nördliche Norwegen und Schweden, wie die Loffoden, die 
über den Polar-Kreis hinaus liegen, nur zwei verschiedene 
Regionen aufzuweisen haben. 

Herr Alexander von Humboldt theilte schon, in sei- 
nen späteren Schriften über die Pflanzengeographie, die 
Oberfläche der tropischen Gebirge in drei Regionen ein, 
nämlich in die heifse, die temperirte und in die kalte 
Region, ganz entsprechend der allgemeinen Eintheilung 
der Erdoberfläche, und deutete hiebei zugleich auf die 
hauptsächlichsten Unterregionen an, welche dieser oder je- 
ner Region zukommen. In diesen Unterregionen finden 
sich nun fast alle diejenigen Abtheilungen angedeutet, wel- 
che ich hier, entsprechend den 8 Zonen der Erdoberfläche, 
einzeln durchgehen will, und ich bin überzeugt, dafs sich 
diese Eintheilung in Regionen für die Gebirge aller Zo- 
nen anwenden läfst. Auch glaube ich wohl, dafs es sehr 
nöthig ist, bei pflanzengeographischen Beschreibungen ver- 
schiedener Gebirge und Gegenden, von einem und demselben 
Prineipe auszugehen, daher auf dem einen Gebirge nicht 


262 


mehr Regionen zu unterscheiden sind, als auf einem an- 
deren in gleicher Breite. Befolgt man diese Methode, 
und beginnt die Betrachtung der Gebirgs-Vegetation von 
den Höhen der Gebirge aus, nämlich von der ewigen 
Schneegrenze an, so wird man stets die Vergleichung der 
Vegetation mit derjenigen auf anderen Gebirgen verschie- 
dener Höhen genau verfolgen können. 

Wären alle Gebirge bis zur ewigen Schneegrenze 
hinaufreichend, so würde es gewifs sehr vortheilhaft sein, 
wenn man die Höhen und das Areal der emzelnen Re- 
gionen stets von Oben nach Unten, nämlich nach den ver- 
schiedenen Entfernungen von der ewigen. Schneegrenze 
angeben wollte; wenn‘ man also den umgekehrten Gang 
hiebei einschlagen wollte, statt dessen, den. man bis Je 
befolgt hat. 

Vergleicht man die Höhe der Schneegrenze in den 
acht vorhin aufgestellten Zonen unter einander, so wird 
man zu dem Resitltate gelangen, dafs die Schneegrenze in 
jeder Zone, von der Polar-Zone ausgehend, um 1800 bis 
4900 Fufs höher 'hinaufrückt, so dafs sie in der Aequa- 
torial-Zone erst in einer Höhe von 15- bis 16000 Fufs 
zu finden ‘ist. Eine solche ‚Erhöhung der Vegetations- 
Grenze, von-4900 Fufs für jede Zone, entspräche dem- | 
nach genau einer der acht Regionen, welche ich für die ' 
Gebirgs - Vegetation der Aequatorial - Gegend aufstellen 
möchte, und ausgehend von dem Aequator, wird demnach | 
den Gebirgen jeder Zone, je weiter dieselbe dem Polen 
zu gelegen ist, immer eine jener Regionen nach der an- 
. deren abgehen müssen. Ich glaube, dafs die folgende bild- | 
liche Darstellung diesen Gegenstand am deutlichsten er- | 
klären wird. *) 


— 


*) Die hieher gehörige Tabelle ist, ihres gröfseren Raumes we- 
gen, auf pag. 264 und 265 gesetzt, und der Text von pag. 263 läuft 
hinter der Tabelle fort. | 


263 


Diese im Vorhergehenden festgestellte Eintheilung der 
Gebirgs-Floren nach Regionen, welche den Zonen in der 
horizontalen Verbreitung der Pflanzen entsprechen, möchte 
vielleicht nicht allgemeinen Beifall finden, und es wird 
daher nöthig sein, dafs ich hier die hauptsächlichsten Ein- 
würfe bekämpfe, welche man wahrscheinlich dagegen er- 
heben wird. 

Es ist wahr, dafs eine so genaue, regelmäfsige Ver- 
theilung der Vegetation in verschiedene Regionen, wie 
sie in der beiliegenden Tabelle angegeben ist, nicht’ statt- 
findet, sondern dafs eine und dieselbe Vegetation, auf ver- 
schiedenen Gebirgen einer und derselben Breite, oft auf 
mehrere 100 Fufs verschieden gestellt ist, ja.dafs selbst 
die Höhe der ewigen Schneegrenze, auf Gebirgen einer und 
derselben Zone, nicht nur zuweilen um einige Hundert Fufs, 
‚sondern sogar um einige Tausend Fufs verschieden hoch 
ist. Bekanntlich ist die Schneegrenze in Amerika, auf der 
Cordillere unter dem Aequator, zu 15,736 Par. Fufs nach 
Herrn Alexander von Humboldt’s Beobachtungen bestimmt 
worden, indessen auf der Cordillere des südlichen Peru, 
unter 15— 18° südlicher Breite, ist die ewige Schneegrenze 
sehr häufig weit über 17,000 Fufs hinaussteigend; ja der 
Vulkan von Arequipa erreicht die Höhe von 18,373 Fufs, 
und nur auf einer Seite seines Gipfels habe ich etwas 
Schnee beobachtet. Herr Hall*) beobachtete die unterste 
‚Schneegrenze auf dem Cotopaxi bei 15,646 Fufs, auf dem 
Antisana bei 15,838 Fufs und auf dem Chimborazo bei 
16,000 Fufs Höhe, und dicht daneben beobachtete er auf 
der Cayambe ein grofses Schneefeld in der Höhe von 
14,217 Fufs. So grofs sind die Verschiedenheiten für neben 
einander gelegene Punkte! Ja der Pafs, welcher von Are- 
quipa nach La Paz führt, los Altos de Toledo genannt, 
liegt in der Höhe von 15,600 Fufs, und dennoch findet 
man auf demselben eine Vegetation von Alpen-Pflanzen 


*) Excursions etc, Hooker’s Journal of Botany. London 1831. 


I. pag. 343. 


'sne 9uagg op 


Name der 
Zonen. 


—— 


Areal der 
Zonen. 


264 


1 


- a : Wärmere 
Aequatorial- | Tropische [Subtropische ? ir 
r r emperirte 
Zone. Zone. Zone. I 
Zone. 


Te ee Tr Eee wäh 


| 


j 0 — 15° Br.|v.15—23° Br. !v.23—34° Br.|v.34—45° Br.) 


ee 
Tr 


Mittlere 
Wärme. 


ig | 
30° Cels, [23—26° €. |18— 21° €. |12—16° C, 


ee ee) — 


15200’ 13300. 11400/ --9500/ 

R.eigilon'.“dieir a | 
41400° 9500/ 7600/ 

er Region der Alpeh-Rosen| 
9500’ 76007 5700/ 


nn | teen [mm mn 12 


Regioln der Nadelhölzer 


nn | mn mn | oo —— 


— | | 


0/ 


76007 57007 3800’ 


Region delr europäilschen Laulbhölzer. 


5700/ 3800’ 41900/ 


Region der |immergrünen| Laubhölzer. 


3500! 1900/ 


Region der |Myrten u. d.| Lorbeeren. 


1900’ 


Region der Farrnbäume 
und der | Feigen. 


Region der 
Palmen und 
Bananen. 


| 
| 
| 


Vergleichende Darstellung der verschiedenen 


| 
265 
| 


pe mit den entsprechenden Regionen. 


Kältere Subarktische| Arktische 
emperirte oe ERER Polar - Zone. 
Zone. 


.45—58° Br. |v.58—66° Br. |v.66— 72° Br.|v. 72—82° Br. 


—2° C. und 


6—12° C. | 4—6° C. |O bis —2°C. darunter. 


Ausdehnung der von 
der Schneegrenze aus. 
Mittlere jährliche Wärme der 
Regionen 


7600 5700/ 3800/ 1900/ 


57007 3800’ 1900/ b. 1 1900/ — 4°C. 


3800 19007 | 3800° 79°C; 
1900’ | OR 5700’ 449;€ 


7600| 14° C. | 


9500’ 411° ©, 


11400'|20— 21°C. 


13300/| 23,5° C. 


15200/|27— 30°C. 


266 


und niederen Gesträuchen, welche erst der Vegetation der 
arktischen Zone entspricht. Ganz ähnliche Ungleichheiten 
lassen sich 'auf den verschiedenen Höhen des Himalaya 
nachweisen, wo die Schneegrenze, obgleich das Gebirge in 
der subtropischen Zone liegt, der eigenthümlichen Form 
der Bergmassen wegen, zu eben derselben Höhe ansteigt, 
als in vielen Gegenden der Cordillere unter dem Aequator. 
Dieses sind offenbar die gröfsten und die wichtigsten Ab- 
weichungen in der verschiedenen Höhe der obersten Ve- 
getations-Grenze, und für solche besondere Ausnahmen 
passen die genauen Begrenzungen der verschiedenen Regio- 
nen, welche wir in der Tabelle angegeben haben, keines- 
wegs. Indessen alle diese Ausnahmen von der Regel sind, 
nach dem heutigen Zustande der Meteorologie, ganz genü- 
gend zu erklären, und man wird demnach noch immer am 
richtigsten verfahren, wenn man die ganze Eintheilung der 
Gebirgs-Flora in verschiedene Regionen nach einem all- 
gemein durchgreifenden Prineipe feststellt, und überall auf 
die Abweichungen von dieser Regel aufmerksam’ macht. 
Mögen sich scheinbar noch so grofse Schwierigkeiten die- 
sem Verfahren in den Weg stellen, sie sind sicherlich nur 
scheinbar, und werden sich, bei jeder speciellen Untersu- 
chung eines Gebirges, auf die festgestellte Regel zurück- 
führen lassen. | 

Es läfst sich übrigens sehr leicht nachweisen, dafs 
alle Eintheilung der Pflanzendecke in verschiedene Zonen, 
eben so wenig genau bestimmt ist, da der Lauf der Iso- 
:thermen schon an und für sich so höchst unregelmäfsig 
ist, und immer mehr an Unregelmäfsigkeit zunimmt, je 
mehr man sich den Polargegenden nähert. Aber durch den 
abermalig verschiedenen Lauf der Isotheren, welche die 
Verbreitung der jährigen Pflanzen hauptsächlich bestimmen, 
wird die Bestimmung der Grenzen für die einzelnen Vege- 
tations- Zonen äufserst schwierig, und überall finden sich 
Ausnahmen und Abweichungen von den aufgestellten Re- 
geln; aber dennoch wird Niemand eine solche Eintheilung 
der Vegetation nach den verschiedenen Zonen ..der Erde 


267 


für überflüssig halten, sondern sie ist durchaus nöthig, um 
hinlängliche: Anhaltspunkte zur Mittheilung zu haben. Da 
nun aber, wie es schon so oft nachgewiesen ist, die ganze 
Veränderung des Clima’s auf: der Oberfläche der Gebirge, 
von der Ebene an, bis zur ewigen Schneegrenze hin, ganz 
entsprechend ist den Veränderungen des Ulima’s von dem 
Aequator bis zu den Polar-Gegenden, und da gerade nach 
dem Zustande des Clima’s der ganze Zustand der Vege- 
tation sich richtet, so kann wohl keine Eintheilung der 
Gebirgs-Floren in verschiedene Regionen richtiger sein, 
als diejenige, welche für. die entsprechende Zone auch .ent- 
sprechende Regionen festzustellen sucht. Es wird gewifs 
nieht selten vorkommen, dafs auf irgend einem Gebirge 
diese oder jene Region so äufserst schwach ausgedrückt 
ist, dafs man dieselbe fast gar ‚nicht wieder erkennt, aber 
eben dasselhe findet auch bei der Betrachtung der Vegeta- 
tion nach ihrer horizontalen Ausdehnung statt, wozu im 
vorhergehenden Abschnitte Beispiele genug aufgeführt wor- - 
den sind. | rt 

Es wäre 'wohl zu wünschen, dafs man die Pflanzen- 
Geographie etwas allgemeiner behandeln möchte, ‘als dieses 
wohl in neueren Werken der Fall ist. Es ist gewifs, be- 
sonders bei der speciellen Untersuchung einer  Gebirgs- 
Flora, von hohem Interesse, sowohl die obere, als die 'un- 
tere Grenze des Vorkommens irgend eines Baumes ‚oder 
irgend einer Pflanze genau zu kennen; für die allgemeine 
Wissenschaft aber möchte eine solche Bestimmung, bis zu 
einer Genauigkeit von ein Paar Fufs Höhe, von weniger 
grofsem Nutzen sein, da sich diese Grenzen, selbst für die 
verschiedenen Seiten eines und desselben Berges, so äufserst 
verschieden zeigen. Ich möchte glauben, dafs die hohe 
Genauigkeit, welche man gegenwärtig mit dergleichen An- 
gaben erreichen will, nur scheinbar ist, und dafs 'sie nur 
von örtlichem Interesse ist. Es ist gegenwärtig “längst 
erwiesen, dafs die Vegetation, in: den verschiedenen Regio- 
nen ‘der Gebirge, den entsprechenden Zonen der horizon- 
talen Verbreitung entspricht; und bei serenwärtigen Unter- 


268 


suchungen dieses Gegenstandes kommt es nur darauf an, 
die scheinbaren Abweichungen und Ausnahmen von jener 
Regel kennen und erklären zu lernen, so wie hauptsächlich 
auf die Verschiedenheiten aufmerksam zu machen, durch 
welche sich die Physiognomie der Vegetation in: den ent- 
sprechenden Regionen und Zonen verschiedener Gebirge 
darstellt. Y 

So wie wir nun im vorhergehenden Abschnitte die 
Physiognomie der Vegetation für die verschiedenen Zonen 
der Erdoberfläche, von dem Aequator an, bis zu den Polen 
hin, darzustellen gesucht haben, ebenso wollen wir, bei 
der Schilderung der Vegetation der Regionen, von der 
Ebene der Aequatorial-Zone anfangen und zu den Regio- 
nen der ewigen Schneegrenze hinaufsteigen. 


4) Die Region der Palmen und Bananen. 


Die Region der Palmen und der Bananen beginnt in 
der Ebene der Meeresküste und steigt hinauf bis zu einer 
Höhe von 1900 Fufs, wo die Temperatur und der Feuch- 
tigkeits- Zustand der Luft von derjenigen der Ebene nur 
wenig verschieden ist; demnach fällt die Vegetation dieser 
Region mit der der Aequatorial-Zone zusammen, und ich 
kann hier auf die Darstellung derselben im Vorhergehen- 
den von pag. 190—201 verweisen. Eine kurze Recapitu- 
lation aus den Angaben in jener Darstellung möchte jedoch 
erwünscht sein, um besonders den Uebergang der Vegeta- 
tion dieser Region ın die zunächst folgende etwas deut- 
licher vor Augen zu stellen. 

Wir haben gesehen, wie die Vegetation an den Küsten 
des Meeres und an den Ufern der, in das Meer mündenden 
Flüsse, für die ganze heifse Zone durch Mangrove-Waldungen 
dargestellt wird *), wie die unfruchtbare Küste mit Sesuyium 
Portulacastrum, mit Heliotropien, mit Convolvulus - Arten, 


*) Diese Mangrove-WVälder sollen oft bis tief landeinwärts ge- 
hen und durch grolse Prachtbäume oder, wie an den Küsten Brasi- 
liens, durch Sagus taedigera Mart. verschönert werden. _ 


— un 


EEE 


269 


mit Lythrum maritimum und Roccellen bedeckt ist, wärend 
die nahe angrenzenden fruchtbareren Ländermassen von 
Pandanen, Tournefortien, Dodoneen, Sonneratien und Bar- 
ringtonien geschmückt sind, über deren dickbelaubte Kro- 
nen die schlanken Stämme einzelner Palmen hinausragen. 
Hier reihen sich gesellig vorkommende Sumpf-Palmen an, 
oder unabsehbare Wälder der lichten baumartigen Gräser, 
und es erscheinen die Urwälder, wo der Boden nicht im 
Stande ist alle die Massen zu fassen, sondern eine Pflanze 
auf der anderen wächst, und schlängelnde Gewächse die 
Zweige und Kronen der Bäume zu einem dichten Flecht- 
werke mit einander verbinden, so dafs oft kein Sonnen- 
strahl diese Massen durchdringen kann. Hier treten dann 
die riesigen Massen-Entwickelungen einzelner Arten und 
Individuen auf, deren wir schonan verschiedenen Stellen die- 
ser Schrift gedacht haben; hier findet man einzelne Feigen- 
bäume, deren unzählbare Abkömmlinge einen ganzen Wald 
bilden, welcher noch im innigen Verbande mit seinem Mut- 
terstamme steht. So sah Herr Reinwardt *) auf der Insel 
Semao einen grofsen Wald, dessen Bäume alle aus einem 
einzelnen Stamme eines Ficus benjamina hervorgegangen 
waren. Diese Feigenwälder haben ganz die Pysiognomie 
der Mangrove- Waldungen; sie schicken von ihren Aesten 
Luftwurzeln zur Erde, welche wieder Wurzel fassen und 
neue Stämme treiben, wärend die Rhizophora auf der Mut- 
ter selbst keimt und ihre Wurzeln zur Erde schickt, aus 
der wiederum neue Stämme hervorgehen. 

In dieser Region, von der Küste des Meeres an, so- 
bald der gute, Humus-reiche Boden erscheint, bis weit 
über 1000 und 1600 Fufs-Höhe hinaus, sind die Formen 
der Palmen, der Musen, Heliconien, Uranien, Alpinien wie 
der Seitamineen überhaupt charakteristisch für die Vegeta- 
tion; hier beginnt die Cereen-Form in der neuen Welt 
und deren Stellvertreter, die Cactus-artigen Euphorbien 


*) Ueber den Charakter der Vegetation auf den Inseln des indi- 
sehen Archipels. Berlin 1828. pag. 9. 


270 


in der alten Welt. Die freundliche Mimosen -Form zeigt 
hier die lieblichsten Sträucher und die riesigsten Stämme, 
und die Laubhölzer sind mit grofsen, oft zierlich gestalte- 
ten Blättern. geschmückt. - Doch je höher hinauf, desto 
seltener werden die Palmen, desto kleiner treten die Ba- 
nanen auf, desto mehr verschwinden die Scitamineen, aber 
um so häufiger treten die Orchideen und Pothos-Gewächse 
auf und Peperomien sitzen an den Rinden der Bäume und 
zeigen endlich, dafs wir in die folgende Region eingetre- 
ten sind.’ | | 


2) Region der baumartigen Farrn und: der Feigen. 


Die zweite Region auf den Gebirgen der‘ Aequatorial- 
Zone ist die der baumartigen Farrn, welche daselbst eben 
so charakteristisch auftreten, wie die Palmen und Bananen 
in der unteren Region. Von 1900 Fufs Höhe beginnend, 
erstreckt sich diese Region bis über 3600 und 3800 Fufs 
hinauf, eine mittlere Wärme von 22 bis 23,5° Gels. auf- 
weısend. Die höchst interessanten Formen.der baumartigen 
Farrn treten nur in. einem 'sehr feuchten Clima auf; im 
unfruchtbaren Boden, ja bei einer grofsen Trockenheit der 
Luft, da fehlen sie gänzlich. Herr v. Humboldt *) rühmt 
sehon‘ die aufserordentliche Schönheit des Clima’s dieser 
Pflanzen-Regionen, wo Reichthum an Wasser herrscht, und 
eine üppige Vegetation die Abhänge' der Berge: bedeckt. 
Daher hat man auch mit allem Rechte: das paradisische 
Clima und die freundliche Vegetation ‚jener: Inseln im offe- 
nen Meere so häufig gerühmt, welche gegen die Grenzen 
der  heifsen Zone zu gelegen sind, da, wo die "unterste 
Region dieser Ländermassen der tropischen Zonen mit: der 
zweiten :Region der Aequatorial-Zone fast ganz parallel 
verläuft. In der Ebene der Küste zeigen die Sandwichs- 
Inseln, die Cap-Verdischen-Inseln und die Lädronen, so 


wie Neu-Caledonien, wie Isle de France und Isle de Bour- 
bon und die südlichsten der Freundschafts-Inseln auf der 


*) De distributione geogr. plant. pag. 97. 


271 


südlichen Hemisphäre, besonders zur Sommerzeit, ‘eben 
dasselbe Clima, welches unter dem Aequator stattfindet, 
daher auch hier, in der Ebene der Küste, eben dieselbe 
Vegetation wie in der Aequatorial-Gegend, nur etwas 
weniger üppig, da meistens Mangel an Dammerde und an 
Wasser herrscht. Aber schnell verschwinden auf diesen 
Inseln der tropischen Zone die Palmen und Bananen, wenn 
man sich über die Meeresfläche erhebt, und schon bei 3- 
und 500 Fufs Höhe gelangt man in die Region, wo die 
strauch- und baumartigen Farrn vorherrschend sind. 

Ich habe früher schon (pag. 149), die Schönheit dieser 
interessanten Pflanzenform zu schildern gesucht; in ihrem 
Schatten sah ich prachtvolle Strelitzien blühen, und die 
sonderbare Marantha erhebt, auf der Insel Lucon, ihren 
glänzenden Rohrschaft neben den schlanken Stämmen der 
Cyatheen, welche auf Java schlanke hohe Stämme. bilden, 
wie die-Masten in unseren Fichtenwäldern. Die pracht- 
volle Alsophila excelsa und die Didymochlaena beobachtete 
Herr v. Martius in Brasilien zu 25 Fufs Höhe und 6—8 
Zoll dieken Stämmen. Indessen diese baumartigen Farrn 
sind nur die charakteristische Form dieser Pflanzen-Region, 
nur selten, und dann nur auf kleine Ausbreitungen herr- 
schen sie durch ihre Masse vor. In der neuen Welt sind 
es die heilbringenden Cinchonen, welche auf der Cordillere 
des nördlichsten Theiles von. Südamerika in Gesellschaft 
der baumartigen Farrn auftreten; indessen diese Bäume, 
welche die heilsame Fieberrinde liefern, haben ein ziemlich 
ausgedehntes Areal, einige Species derselben steigen: bei- 
nahe bis 9000 Fufs hoch, *) wärend sich die Farrn sehr 
genau zwischen 1200 und 3 — 4000 Fufs halten. Ja die 
Höhe dieser Station der Farrn ist neuerdings noch durch 
Herrn v. Martius für Brasilien ganz übereinstimmend an- 
gegeben, denn bis auf einige wenige Arten, fand dieser Rei- 
sende die Baumfarrn, nach den Grenzen der Tropen zu, 
fast immer zwischen 1200 und 3000 Fufs Höhe auftretend. 


*) Siehe A. v. Humboldt Naturgemälde der Tropenländer p. 62. 


272 


Auf den nahe gelegenen Bergen bei Rio de Janeiro, sah 
ich die ersten schlanken Baumfarrn genau zwischen 1000 
und 4100 Fufs Höhe auftreten, und auf dem Gebirge der 
Insel Manila erschienen diese ‚schlanken Stämme in der 
Höhe von 1200 Fufs, dagegen die strauchartigen Arten 
schon lange vorher, ja schon in 3- und 400 Fufs Höhe 
vorkamen. Auf den Südsee-Inseln der tropischen Zone 
sind es die prachtvollen Laubhölzer aus den Familien der 
Urticeen, welche mit grofsen, halbbehaarten Blättern auf- 
treten und den Bewohnern jener Gegenden die Stoffe zu 
ihren Kleidungen geben, als die Gattungen Broussonetia, 
Artocarpus, Böhmeria, Neraudia u. s. w. In Indien aber, 
wie auf den Inseln des indischen Archipels, treten die zahl- 
reichen Arten der Gattung Ficus auf, hier gleichsam die, 
vorhin genannten Gattungen eben derselben Familie ver- 
tretend. Die meisten Arten dieser Gattung gehören den 
niedriger gelegenen Wäldern an, ihren gemeinschaftlichen 
Charakter, sagt Herr Reinwardt, bilden: das Geschlossene 
und Dunkele, die Dichtigkeit und Höhe der Waldung, die 
feuchte dumpfige Luft, die diese einschliefst, die ungeheuere 
Dicke, unregelmäfsige Gestalt und weite Verzweigung, dann 
der offenbar ungemein schnelle Wuchs und die weiche, oft 
schwammige Holzsubstanz der Stämme, die grofse Ver- 
schiedenheit der Parasiten und windenden Pflanzen, die sich 
aus jenen Stämmen nähren, der hohe, lockere, feuchte 
Moderboden, die Menge der Quadrumanen, welche schreiend 
über die hohen Zweige springen und das zahlreiche bunte 
Chor der Vögel, die das Dickicht beleben. Nur wenige 
Feigen- Arten, namentlich die verschieden- und gelbblät- 
trigen niedrigeren, erheben sich mit immer verkleinerter 
Gestalt zu einer gröfseren Höhe der Berge.*) Das Unter- 
gehölz dieser Feigenwälder wird durch Sträucher, Stauden 
und Kräuter aus den Gattungen: Grevia, Elaeocarpus, 
Phyllanthus, Ruellia, Justitia, Dimocarpus, Solanum u.S. w. 
gebildet, und einige Gewächse mit Dracaenen-Form, als 


*) S. Reinwardt 1. c. pag. 10. R| 


273 


Dracaena terminalis und ähnliche, wie eine grofse Menge 

‘ von Aroideen und Orchideen, Cissus- Arten und Pfeffer- 
Gewächse, so wie wilde Bananen - Arten dienen den Reitz 
der Schönheit dieser Waldungen zu erhöhen. In der neuen 
Welt gehört die überaus zahlreiche Gattung der Melasto- 
men gerade dieser Region der Baumfarrn an, ihr pracht- 
volles, glänzendes Laub, und die grofsen violetten und blauen 
Blumen geben diesen hohen Bäumen ein überaus schönes 
Ansehen; ihrer gröfsten Artenzahl nach herrschen sie in 
Amerika, aber auch in Indien, im südlichen China und auf 
den Inseln des indischen Archipels, treten sie auf nicht nur 
als Sträucher, sondern auch als hochstämmige Bäume. 
Herr Alexander v. Humboldt nennt noch für die Cordillere 
Südamerika’s, als dieser Zone eigenthümlich angehörig, die 
strauchartige Bocconia, vielfarbige Alstroemerien und baum- 
artige Passifloren, welche so hoch und dick wie unsere 
Eichen sind. Aufserdem gehören der Region der Farrn 
auch mehrere schlanke und rohrartige Palmen an, als 
Kunthia montana, Oreodoxa montana, Chamaedorea graci- 
lis, Martinezia caryotaefolia, welche jedoch weniger charak- 
teristische Formen zeigen, als dieses den übrigen Palmen 
eigen ist, deren Vorkommen wir schon früher auseinander- 
gesetzt haben. 

Merkwürdig für die peruanische Cordillere ist, dafs 
schon in dieser Region mehrere Calceolarien auftreten, wel- 
che den liöheren Regionen in den südlicheren Zonen des 
südamerikanischen Continents zugehörig sind. 


3) Die Region der Myrten- und Lorbeer-artigen Gewächse. 


Die dritte Region in den Gebirgen der heifsen Zone 
entspricht der subtropischen Zone, wo Myrten, Magnolien, 
Camellien, überhaupt Laubhölzer mit glänzenden Blättern 
vorherrschen, so wie auch die Proteen, die Eucalypten, 
Acacien und Ericen ihr Maximum daselbst zeigen. Unter 
dem Aequator beginnt diese Region, welche ich die 
der Myrten - artigen Gewächse und der Laurinen nennen 
möchte, in einer Höhe von 3300 — 3900 Fufs, und erstreckt 

18 


274 


sich bis über 5700 Fufs hinaus, wo die Lorbeeren beson- 
ders vorherrschen. In dem nördlicheren Chile, als der 
subtropischen Zone angehörig, woselbst die Vegetation ganz 
entsprechend ist dieser Region der Myrten - artigen Ge- 
wächse, da treten die Myrten in grofsen Massen auf, und 
nehmen die ganze untere Vegetations-Region in Besitz, 
woselbst sie bis 1900, ja bis 2000 Fufs Höhe in üppigster 
Pracht erscheinen. | 

Auf den Gebirgen der Tropen, sowohl in der alten 
wie in der neuen Welt, herrschen in dieser Region die 
Melastomen und die Gattung Liquidambar, Styrax, Euge- 
nia, die prachtvollen Eichen mit glänzenden Blättern, Ingen 
und oftmals noch eine Menge von hochstämmigen Farrn, 
oder selbst schon Coniferen. Herr Reinwardt *) macht 
auf die Schönheit in der Form der Rasamala-Waldungen 
Java’s aufmerksam, welche offenbar dieser Region anzuge- 
hören scheinen; die Bäume dieser Wälder werden wahr- 
‚scheinlich von einer Liquidambar- Art gebildet, welche auch 
wirklich Storax liefert. Sein schöner, fester, sehr hoher, 
 schnurgerader, weifslicher, weniger als bei den Feigen be- 
wachsener Stamm, sagt Herr Reinwardt, und eine mehr 
regelmäfsige, dichte Krone hellen Laubes bezeichnen die 
höhere Waldgegend, die von diesem so schönen Baume den 
Charakter erhält. Dichtes Baum-dorniges Gebüsch von 
vielen Calamus- Arten, dann eine grofse Verschiedenheit 
von Rubiaceen, deren vorzügliche Kraft, ganz eigenthüm- 
liche Säfte auszuarbeiten, sich oft schon von weitem durch 
starke Ausdünstungen äufsert, füllen häufig den untern 
Zwischenraum des aromatischen Gehölzes. 

Ueber 3000 Fufs hinaus erscheinen auf dem Gebirge 
der Insel Java die Coniferen; der schöne Podocarpus, ma- 
jestätisch sich über alle nebenstehende, schon in kleine- 
rer Gestalt erscheinenden Waldbäume, erhebend, wächst 
neben der ähnlichen Pinus Dammara, auf deren Stämmen 
der Nepenthes mit seinen sonderbaren Bechern umher- 


Dchpar. #1: 


275 


klettert, und zu deren Fufse prachtvoll blühende Rhodo- 
dendren, hohe strauchartige Farrn, Eugenien, Myrten, Gar- 
denien, Magnolien und Eichen erscheinen, wobei die Orchi- 
deen beständig in grofsen Massen auftreten. 

Wir besitzen eine Schilderung dieser Region der Myr- 
ten-artigen Gewächse für die Cordillere von Mexico, welche 
Herr Schiede *) durch Beschreibung seiner Excursionen 
um Jalapa gegeben hat. Es liegt diese Stadt in einer Höhe 
von 4200 Fufs, demnach in der Region der Myrten- und 
Lorbeer-artigen Gewächse, und dennoch, wie man es in 
der Beschreibung findet, steigen nicht nur bis in diese Ge- 
gend eine Menge der üppigsten Farrn, sondern es herrscht 
daselbst eine solche Mannigfaltigkeit und Pracht in der 
Vegetation, dafs man darin die Pflanzenwelt der Aequato- 
rial- Zone wiederzusehen glaubt, wenn nicht einzelne Bäume 
erschienen, welche dieser Zone gänzlich fremdartig sind. Die 
Wälder um Jalapa bestehen aus Liquidambar-Arten, Eichen, 
Ingen, Clethren und zartgefiederten Mimosen, in deren 
Schatten baumartige Farrnkräuter mit ihren breiten Kronen 
sich erheben, welche 3—4 Klafter hohe Stämme haben, 
die mit zarten moosartigen Trichomanen bedeckt sind; 
zwischen ihnen Gruppen zierlicher Zwergpalmen mit ge- 
fiederten Blättern und schwarzen Fruchttrauben, die an 
korallenrothen Stielen sitzen. Melastomen, Rhexien, Myr- 
taceen und Laurinen, von denen rankende Sapindaceen und 
windende Banisterien mit purpurrothen und orangefarbigen 
\Blumen herabhängen, wärend der Boden mit dem frischen 
Grün der Moose und Lycopodien, wie der Anemien be- 
deckt wird. Die Cultur der Bananen steigt bis hoch in 
diese Region hinein, so wie sie auch, beinahe durch die 
ganze entsprechende subtropische Zone mit bestem Erfolge 
betrieben wird, ja in Europa sogar noch im südlichen Spa- 
nien zu finden ist. 

Die peruanische Cordillere innerhalb der tropischen 
Zone habe ich selbst in zwei verschiedenen Breiten erstie- 


*) Linnaea von 1829. pag. 218. 
Nele 


276 


gen, doch fand ich daselbst überall in den Höhen dieser 
Region eine solche Vegetationslosigkeit, dafs man nicht 
einmal den tropischen Charakter wiedererkennen konnte. 
Hohe candelaberförmige Cacten, der Schinus Molle, eine 
Menge von Mimosen, von Bignoniaceen, Loranthen und 
hauptsächlich Solaneen und einige schöne Gräser und Cy- 
peroideen waren es, welche in wasserreichen Gegenden 
auftraten; wärend dieht daneben alle Spur von Vegetation 
fehlte. *) ul 


4) Die Region der immergrünen Laubhölzer. 


Die vierte Region in den Gebirgen der heifsen Zone | 
ist die der immergrünenden Laubhölzer; sie beginnt unge- | 
fähr in. der Höhe von 5700 Fufs und geht bis über 7600 | 
Fufs Höhe hinaus. Das angenehmste Clima, eine mittlere | 
Temperatur von 16—17° Cels. und gröfserer Reichthum | 


7) Ich mache hier gelegentlich die Bemerkung, dafs die Darstel- | 
lung der Gebirgs- Vegetation nach den verschiedenen Regionen, an | 
diesem Orte keineswegs so ausführlich zu erwarten ist, wıe dieses 
wohl in einer speciellen Untersuchung irgend eines Gebirges geliefert | 
werden kann. Hier kann der Charakter der Vegetation, für die ver- 


schiedenen Regionen, nur durch einzelne Hauptzüge angedeutet wer- 
den, um dadurch auf die Uebereinstimmung mit derselben m den ent- 
sprechenden Zonen aufmerksam zu machen, wo wir den Gegenstand 
stets ausführlicher behandelt haben. Die gröfste Schwierigkeit zeigt. 
. sich jedoch in dem Mangel an Material, welches zu dieser Arbeit 


P- ee 


benutzt werden konnte; spätere Reisende werden hoffentlich immer 


mehr und mehr auf die Physiognomie der Vegetation Rücksicht neh- 
men, und dann wird einst eine genauere Schilderung dieser verschie- 


denen Regionen für die ganze Erde möglich werden. Auch ist es 
nicht zu verkennen, dafs bei dieser Art der Darstellung der Gebirgs- 
floren, indem man die entsprechenden Regionen verschiedener Zonen 
stets neben einander zu stellen sucht, die Einsicht in die Verände- 


rungen, welche die Vegetation eines Gebirges mit steigender Höhe 


aufzuweisen hat, theilweise verloren geht, und dafs diese nur durch 


eine specielle Schilderung eines einzelnen Gebirges erlangt werden. 
‚kann. In dieser lejzteren Hinsicht kann ich nur auf die schönen 
und ausgezeichneten Arbeiten aufmerksam machen, welche die Vege- 
tation einzelner Gebirge speciell behandslt haben, und in unserem 
WVerke schon so oft benutzt worden sind. | 


| 
| 
| 


277 


an Wasser pflegen diese Region von immergrünenden Bäu- 
men zu verherrlichen, welche der wärmeren temperirten 
Zone, also der Vegetation des südlichsten Europa’s ent- 
spricht. Im südlichen Europa, wie im nördlichen Afrika 
bilden, wie wir es früher, pag. 225, ausführlich nachgewie- 
sen haben, die sempervirenten Gewächse den Charakter der 
Vegetation, und hier erscheint unser Lorbeer, gleichsam 
diese zahlreiche Familie der heifsen Zone repräsentirend. 

Auf den Gebirgen der Insel Java steigen die Lorbeer- 
Wälder bis zu 7000 Fufs Höhe, und über diese hinaus 
bemerkt man erst, dafs die Bäume nicht mehr ihre gewöhn- 
liche Gröfse und Pracht zeigen. Eine grofse Menge von 
Lorbeeren erscheint auf den tropischen Gebirgen schon in 
der Region der Farrnbäume, ja einige sind selbst in der 
Ebene zu finden. So wie in der vorhergehenden Region 
eine ganze Menge von Laubhölzern mit festen und glän- 
zenden Blättern, als Melastomen und Eichen auftraten, so 
fehlt es auch hier keineswegs an diesen Gewächsen. In 
der Cordillere des nördlichen Südamerika’s erscheinen die 
Eichen *) meist in einer Höhe von beinahe 5000 Fufs; auf 
den Gebirgen der Philippinen aber, habe ich die grofsen Eichen 
mit glänzenden, schönen und ausgezackten Blättern schon 
.in einer Höhe von 14 — 1500 Fufs beobachtet. Auf den 
Gebirgen Mexico’s, an der Grenze der heifsen Zone, also 
in der tropischen Zone, nach unserer Eintheilung, da er- 
scheinen sie ebenfalls noch innerhalb der zweiten Region, 
welche aber .der subtropischen Zone entspricht. Diese 
Eichen allein, sagt Herr Alexander v. Humboldt, bieten 
dem Bewohner der Tropen bisweilen ein schwaches Bild 
vom Erwachen der Natur im wiederkehrenden Frühlinge 
dar; denn sie verlieren durch Dürre alle Blätter auf ein- 
mal, und das junge frische Grün der neuen Schöfslinge 
contrastirt dann in der eintretenden Regenzeit sehr ange- 
nehm mit den vielfarbigen Blüthen des Epidendrums, dessen 
Wurzeln die schwarzen rissigen Eichenäste dicht umschlin- 


7) $S. A. v. Humboldt Naturgemälde u. s. w. pag. 71. 


278 


gen. Der berühmte Cheiranthostemon in Mexico, dieser 
riesige Baum von Toluca, welcher mit dem Baobab, dem 
berühmten Drachenbaume und den grofsen Wollbäumen zu 
den Riesen in der Pflanzenwelt gehört, ist ebenfalls der 
Region der Lorbeeren, mehr jedoch der folgenden Region 
angehörig, in welcher dıe Eichen noch in gröfserer Anzahl 
vorherrschen. 

Auf den Canarischen Inseln, in der subtropischen Zone 
nämlich, ist schon die zweite Region, nämlich von 2000 
bis über 4000 Fufs hinaus, die Region der sempervirenten 
Bäume, welche Herr Leopold v. Buch *) mit der Region 
der dichtbelaubten Wälder bezeichnet. Die Lorbeeren, 
nämlich Laurus nobilis, L. foetens, L. indica und L. Bar- 
busano, bilden hier dichte Waldungen, so wie die Ardisien, 
Visnea Mocanera, Ilex Perado, Arbutus callicarpa, Olea 
excelsa und Myrica Faya; in ihrem Schatten wachsen Ra- 
nuneulus Teneriffae, Geranium anemonifolium, Convolvulus 
canariensis, Digitalis, Dracocephalum und Sideritis - Arten. 

Wir besitzen eine schöne Darstellung über die Ver- 
theilung der Pflanzen auf dem Pie von Teneriffa, welche 
uns Herr Alex. v. Humboldt, **) die Beobachtungen der 
Herren v. Buch und Chr. Smith benutzend, überliefert hat. 
Auf diesem Bilde findet sich die untere Grenze der schö- 
nen Erica arborea, und E. scoparia schon unterhalb 3000 
Fufs angegeben, und es entspräche auch diese Höhe dem 
Vorkommen dieser Pflanzen in der wärmeren temperirten 
Zone Europa’s, wo dieselben bekanntlich in den niederen 
Gebirgs- Gegenden am üppigsten auftreten. Eine genaue 
Ansicht jenes Tableau’s des Herrn Alexander v. Humboldt, 
über die Vegetations- Verbreitung auf dem Pie von Tene- 
'riffa, ist in jeder Hinsicht recht sehr zu empfehlen; keine 
andere Darstellung ist im Stande ein so anschauliches Bild | 
von den Veränderungen zu geben, welche die Vegetation 
eines Gebirges mit steigender Höhe eingeht. 


hc. pag. 129. 
*") Voyage de Humboldt et Bonpland. Prem. Part. Atlas geogr. 
et phys. du Nouveau Continent. Tab. 2. 


279 


Ebenso wie auf den Canarischen Inseln, zeigt sich im 
nördlichen Chile, welches der subtropischen Zone der süd- 
lichen Hemisphäre angehört, schon in der zweiten Region, 
nämlich über die Höhe von 1900 Fufs hinaus, die Region 
der immergrünenden Bäume, worin die Lorbeer-artigen 
Gewächse eine Hauptrolle spielen. In einzelnen Gegenden, 
wie z. B. auf der Cuesta de Zapata, kommen die Laurinen 
schon in 15 — 1600 Fufs Höhe vor, wie z. B. Laurus Peumo 
und Laurus aromatica, daneben Drimys chilensis und Smeg- 
dadermos Quillay; aber an den Ufern des Rio Tinguiririca, 
in der Provinz San Fernando, bei 34° 30° südlicher Breite 
und in mehr als 2000 Fufs Höhe, sah ich zum ersten Male 
die herrliche Vegetation der immergrünenden Wälder die- 
ser Zone. Einzelne Myrten von 30—40 Fufs Höhe und 
3—4 Fufs diekem Stamme, ragten noch in diese Region 
hinein, wo die Laurelia serrata 10, 12—13 ein Fufs dicke 
Stämme aus einer und derselben Wurzel trieb und der 
Espino (Acacia Caven), der in der Ebene nur als Strauch 
erschien, hier als hoher und schöner Baum vorkommt. 
Hier wechselten hohe Escallonien mit dieken Säulen von 
Cereen und stacheligte Colletien, über und über mit rothen 
und mit weifsen Blüthen bedeckt, wechselten mit hohen 
Stämmen der Ephedra americana Humb.; Mutisien mit‘ 
scharlachrothen Blumen überziehen die Kronen dieser son- 
derbaren Pflanzenformen und Cissus-Arten bilden zwischen 
den Stämmen der Smegmarien, Peumen (Peumus fragrans) 
u. Ss. w. Lianen-förmige Verschlingungen, und eine Menge 
von Pflanzen mit schönen grofsen Blumen, als den Gat- 
tungen Schizanthus, Alstroemeria, Loranthus, Lobelia u. s. w. 
angehörig, wachsen am Rande dieser schönen Wälder, 
welche schon mit unseren Buchen-Wäldern einige Aechn- 
lichkeit zeigen. Die Rinden dieser Bäume sind, ähnlich 
wie bei uns, mit niedlichen Flechten überzogen, von wel- 
chen viele mit den unsrigen übereinstimmen. 


280 


5) Die Region der Laubhölzer. 


Diese Region der Laubhölzer ist eigentlich sehr schwer 
zu: charakterisiren; auf vielen tropischen Gebirgen möchte 
sie auch nur wenig ausgebildet erscheinen, wenigstens fin- 
den sich bei den Autoren nur selten Nachrichten, welche 
sich hierauf beziehen. : In der Aeqnatorial-Zone erstreckt 
sich diese Region von 7600 — 9500 Höhe, wo eine jähr- 
liche mittlere Temperatur von 14° Cels. herrscht. In Ge- 
birgs- Gegenden der heifsen Zone, wo der Abfall der Berg- 
massen sehr steil ist, da herrscht. schon in dieser Höhe 
ein kühles Clima, und die üppige Baumvegetation will nicht 
mehr über 8574 Fufs Höhe hinaus. *#) In anderen Gebir- 
gen aber, welche sich in grofsen Höhen Plateau -artig aus- 
dehnen, da gehen die hohen Bäume bis weit über diese 
und die nächstfolgende Region hinaus, selbst bis in die 
Region der Alpenrosen. 

Die Region der Laubhölzer entspricht der kälteren 
temperirten Zone, wo die nordische Eiche und die pracht- 
volle Buche den Schmuck der Laubwälder bildet. Auf der 
Cordillere unter dem Aequator scheint diese Region gänz- 
lich zu fehlen, indessen gehen die Eichen daselbst noch 
weit über 9000 Fufs hinaus, so dafs doch an verschiedenen 
Stellen dieselben vorherrschend auftreten möchten. In 
denjenigen Gegenden des südlichen Peru, von dem 16ten 
bis zum 19ten Grade der Breite, welche ich selbst besucht 
habe, ist in dieser Hinsicht nichts zu finden; die Trocken- 
heit und die höchste Unfruchtbarkeit des Bodens daselbst, 
so wie gänzlicher Mangel an Regen, hat eine völlige Vege- 
tationslosigkeit hervorgerufen; Bäume gehören in diesen 
Gegenden zu den Seltenheiten und kommen dann immer 
nur einzeln vor, ja bei vielen ist man nicht einmal gewifs, 
ob dieselben von der Natur oder durch nn 
gepflanzt worden sind. 

An der nördlichen Grenze der heifsen Zone, in der 


”) A. v. Humboldt Naturgemälde. pag. 73. 


281 


Cordillere von Mexico, scheinen in den entsprechenden 
Höhen unsere Laubhölzer der kälteren temperirten Zone 
in grofsen Massen aufzutreten; schon 1000 Fufs hoch über 
Jalapa, also über 5000 Fufs hinaus, sind nicht nur die 
mexikanischen Eichen vorherrschend, sondern es gesellen 
sich noch ElHern hinzu, und das Unterholz dieser. Wälder 
‚bilden Ternstroemien, Melastomen und Crotonen. Ja auf 
der Serro colorado über dem Dörfchen San Andres, wel- 
ches 5000 Fufs hoch liegt, fand Herr Schiede *) einen 
Wald von Hainbuchen, Erlen, Eichen und Clethren, worin 
die Melastomen und Rhexien sich bis zur Spitze des Ge- 
birges hinzogen. Hyperica, Vaccinien, eine Fuchsia, ein 
Aseyron, Eryngium, Botrychium, Carex Castilleja u. v. A. 
wuchsen im Schatten dieser Wälder. In der Cordillere des 
nördlichen Chile’s, welche der subtropischen Zone angehört, 
habe ich oberhalb der Region der Lorbeeren, wo auch der 
chilenische Cereus verschwunden war, und wo der Espino 
nur noch als niederer Strauch auftrat, eine schmale Region 
gefunden, welche mit Laubhölzern, ähnlich unseren Buchen, 
bedeckt war, doch der schnell ansteigenden Cordillere 
wegen, hörte sie alsbald auf, und ein Wald von Gesträuchen 
trat auf, welche sowohl hier in Chile, wıe auch in der 
peruanischen Cordillere unter dem Aequator, den Charakter 
der Vegetation in dieser Region darstellen. Herr Alex. 
v. Humboldt **) nennt diese Region, in der peruanischen 
Cordillere, die Region der Barnadesia oder der 
Duranta Ellisii und Duranta Mutisii, denn diese 
drei Pflanzen und die Berberis, sollen die Vegetation der 
hohen und rauhen Gebirgsebenen von Pasto und Quito 
charakterisiren. Es steigen diese Pflanzen. jedoch noch 
weit über die angegebene Grenze der Region der Laub- 
hölzer und sie zeigen schon ein eigenthümliches alpines 
Ansehen. Zu den prachtvollen Barnadesien gesellen sich 
Castillejen (C. integrifolia und €. fissifolia),' Columellen, 
das silberblättrige Embothryum emarginatum, Clusien und 


*) 1. e. pag. 220. **) Naturgemälde pag. 73. 


282 


Calceolarien, letztere sollen nicht über 1° 40’ nördlicher 
Breite hinausgehen. Jener peruanischen Barnadesia ent- 
spricht in der chilenischen Cordillere eine andere Art (Bar- 
nadesia flavescens nob.), welche mit kleinen, pergament- 
artigen Blättern und grofsen gelben, glänzenden Blumen 


auftritt, und gesellschaftlich wachsend auf dem Abhange 


des Monte Sillo *) grofse Strecken bedeckt; die bekannte 
Macraea rosea, einen niedlichen Strauch bildend, wetteifert 
mit jener Barnadesia in der Anzahl und Pracht der Blu- 
men und die Wendtia gracilis nob., einen Strauch von eben 
derselben Höhe bildend, belebt die Gegend mit noch grö- 
fserer Mannigfaltigkeit. 

So wie in der kälteren temperirten Zone, neben den 
Laubwäldern von Eichen und Buchen, die Familie der 
Coniferen in grofsen Massen auftritt, so sehen wir, auf 
dem Abhange des Vulkans von Teneriffa, eine ganze Re- 
g!on, mit Coniferen bedeckt, auftreten, welche jener Zone 
entspricht und noch weit bis in die nächstfolgende Region, 
nämlich bis über 6000 Fufs hinausgeht. Der Pinus cana- 
riensis bildet hier dichte Wälder; alle übrigen grofsblättri- 
gen Bäume bleiben daselbst unterhalb der Grenze dieser 
Fichten zurück, nur die Erica arborea erhebt sich nach 
Herrn Leopold v. Buch bis zu den gröfsten Höhen. So- 
wohl in der Cordillere der heifsen Gegenden Amerika’s, 
so wie in den Gebirgen des Himalaya finden sich Conife- 


ren, welche die Coniferen der kälteren temperirten Zone 


in dieser Region der europäischen Laubhölzer repräsentiren; 
in Chile und in Peru ist es die Ephedra, und im nördlichen 


Theile von Südamerika treten daselbst einige Cypressen- 


Arten auf. Indessen dieses Fehlen der Coniferen auf der 
Cordillere Südamerika’s ist mit dem allgemeinen Fehlen 
dieser Pflanzen-Familie, in der südlichen Hemisphäre, in 
Verbindung zu setzen; sowohl die Gebirge Ost-Indiens, 
als wie auch die Gebirge Mexico’s und ‘die des Orients 


sind reich mit Tannen und Fichten bedeckt. Die grofsen 


”) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 307. 


283 


Nadelholzwälder, welche auf dem Plateau von Mexico auf- 
treten, gehören aber den höher gelegenen Regionen an. 


6) Die Region der Nadelhölzer. 


Schon in dem früheren Abschnitte, wo wir die Vege- 
tation der verschiedenen Zonen geschildert haben, wurde 
darauf aufmerksam gemacht, dafs schon die Scheidung der 
Vegetation der kälteren, temperirten Zone von derjenigen 
der wärmeren, besonders für das Charakteristische der 
krautartigen Vegetation sehr schwierig sei, indessen noch 
schwieriger war die Trennung der subarktischen Zone von 
der kälteren temperirten, und es würde an verschiedenen 
Stellen darauf aufmerksam gemacht, wie die charakteristi- 
schen Züge der Pflanzenwelt dieser beiden Zonen theils 
verschwinden, theils in einander übergehen. Noch schwie- 
riger ist diese Scheidung der Vegetation in den höheren 
Regionen der Gebirge, wenn man dieselbe nach einem und 
demselben Prineipe betreibt, indessen künftige Beobachtun- 
gen werden sicherlich dasjenige vollständiger ausführen, 
was wir hier nur mit einigen Grundzügen haben andeuten 
können. 

Es erstreckt sich diese Region der Nadelhölzer, auf 
den Gebirgen der Aequatorial-Zone, von 9500 — 11500 Fufs 
Höhe, und sie hat eine mittlere Temperatur von 11° Cels. 
aufzuweisen, indessen auf ausgedehnten Plateau’s, wie das- 
jenige von Mexico, welches an der Grenze der tropischen 
Zone liegt, wo demnach diese Region schon in einer nie- 
deren Höhe von 1900 Fufs auftritt, also zwischen 7600 
bis 9500 Fufs Höhe, da steigt die mittlere Temperatur zu- 
weilen viel höher, und demnach werden dadurch Verände- 
rungen und Eigenthümlichkeiten in der Vegetation hervor- 
gerufen, welche mit den Verhältnissen in der entsprechen- 
den Zone ganz und gar nicht übereinstimmen. 

In der peruanischen Cordillere fehlen die Coniferen, 
es treten indessen an ihrer Statt die Escallonien vorherr- 
schend auf. Es beginnt daselbst, nach Herrn A. v. Hum- 
boldt's Beobachtungen, die Region der Escallonien in 8900 


284 


Fufs Höhe und erstreckt sich bis 10,400 Fufs, zugleich 
durch das Auftreten der Wintera grenadensis charakterisirt. 
„Einige Stämme der orangenfarbenen Fieberrinde (Cinchona 
„lanceifolia), einige Rhexien und Melastomen mit dunkel- 
„violetten, fast purpurfarbigen Blüthen, verlieren sich in 
„diese Einöden. Alstonia, deren Blätter einen süfslich 
„schmeckenden, aber sehr heilsamen, stärkenden Thee ge- 
„ben, Escallonia tubar und einige Andromeda-Arten be- 
„schatten hier niedere Lobelien, Basellen und die stets 
„blühende Swertia quadricornis.“ 

Aeusserst charakteristisch erscheint die Vegetation die- 
ser Region auf dem Plateau von Mexico, deren sehr aus- 
führliche Schilderung wir in dem, schon so häufig genann- 
ten Berichte des Herrn Schiede #) erhalten haben. Auf 
jenen Hochebenen, in einer Höhe von 17,400 Fufs, fand 
Herr Schiede jene Wälder von Nadelhölzer aus Pinus 
occidentalis und einer Cypressen-Art bestehend, welche 
den gröfsten Theil der Flächen und Bergabhänge bedeckten. 
Höchst auffallend aber treten daneben jene schattenlosen 
Wälder von baumartigen Liliengewächsen auf, der Yuccen 
nämlich, die sich mit einfachem, in der Krone nur wenig 
getheiltem Stamme und schilfartigen, starren Blättern bis 
zu 30 Fufs Höhe und darüber erheben. Schon früher, 
pag. 140, habe ich darauf ausführlich aufmerksam gemacht, 
dafs diese Yuccen und Wachholder jener Region mit den 
fadenförmigen, weifsgrauen Tillandsien bedeckt sind, ganz 
ähnlich, wie bei uns zuweilen in feuchten Wäldern die 
Usneen auftreten. Wo in jener Region diese hohen Bäume 
fehlen, da bedecken Kräuter und Halbsträucher den dürren 
Boden. Die Schaar der Astragalen, Daleen, gelbblühenden 
Synantheren, ein kleiner‘ Croton mit silberfarbigen Blät- 
tern, und Cisten überziehen hier grofse Strecken; über 
diese erheben sich blaue Lupinen und weifsblättrige Buddle- 
jen, Solanen, Tunas und andere Cactus-Formen, als Me- 
locacten und Mammillarien, so wie auch die Agaven nicht 


*) Linnaca von 1829. p. 224 u. s. w. 


285 


fehlen. Etwas höher hinauf erscheinen Eichenwälder und 
Arbutus-Arten treten auf. 

Ganz vortrefflich schildert Herr Schiede *) die Ve- 
getation in der Nähe der oberen Grenze dieser Region, 
nämlich in 8000 Fufs Höhe, am Fufse des Vulkan’s von 
Orizaba, indem er zugleich die Naturschönheiten dieser 
Gegenden mit den ähnlich erscheinenden Wäldern Tyrols 
vergleicht. Die abendländische Fichte nimmt auch hier 
noch grofse Strecken ein, und zwischen ihren Stämmen 
erscheinen Eichen und Ellern zerstreut und einzeln; aber, 
sagt Herr Schiede, es fehlen die rauschenden Wässer, die 
den Boden erfrischen, und also auch die üppig aufspriefsen- 
den Kräuter, das Eigenthum unserer Alpen. Purpurrothe 
Stevien treten dort zwischen den getrennt stehenden Hau-. 
fen hoher Gräser auf, und Eryngien, Arenarien, und Hy- 
poxides beleben die Einförmigkeit, zu denen sich ‚endlich 
Veilchen und Ranunkeln zugesellen. Endlich treten noch- 
mals Wälder von Eichen, Ellern und Coniferen auf, de- 
ren Unterholz durch strauchartige Cinerarien, Ribes und 
Rhododendron - Arten gebildet wird; hier erscheinen Vac- 
einien, Castillejen und höher hinauf noch Pediecularis- 
Arten. So erstreckt sich diese Region der Nadelhölzer 
in der Cordillere Mexico’s, bis über 10000 Fufs hinaus, 
und verschmilzt mit der Region der Alpen-Rosen, welche 
daselbst zu einer geringen selbstständigen Entwickelung 
kommt. 

Für die subtropische Zone in’ der nördlichen Hemi- 
sphäre, bleibt uns eigentlich nur die Betrachtung dieser 
Region auf dem Vulkan von Teneriffa, denn die bisherigen 
Angaben, über die Vegetation im Himalaya, möchten noch 
nicht hinreichend sein. Da der Vulkan von Teneriffa mit 
zunehmender Höhe auch an Steilheit zunimmt, so mufs 
auch die Wärme auf demselben mit zunehmender Höhe 
um so schneller sinken, und demnach findet auch auf dem 
oberen Theile desselben ein Herabsinken der verschiede- 


lc. p. 226. 


286 


nen Regionen der Vegetation statt. ‘Schon im Vorherge- 
henden haben wir gesehen, dafs die Region der canari- 
schen Fichte auf dem Vulkan in der Region der Laub- 
hölzer erschien, und diese Nadelholz- Waldungen, welche 
nur bis zu 5900 Fufs Höhe gehen, reichen demnach nur 
wenig in diese Region, welche der subtropischen Zone 
entsprechen soll. Indessen eine andere Pflanzenform er- 
scheint in dieser Höhe und geht selbst bis zu 8000 Fufs 
hinauf, welche theils einen Theil der Region der Nadel- 
hölzer erfüllt, theils die Stelle der Alpenrosen vertritt; 
es ist diefs das Spartium nubigenum (Retama blanca), ne- 
ben dem Spartium microphyllum, Juniperus Oxycedrus 
u. Ss. w. wachsen. 

Obgleich Sieilien und vorzüglich der Aetna eigentlich 
der wärmeren temperirten Zone angehört, so ist doch da- 
selbst, durch ‚die eigenthümliche Lage dieses schönen Lan- 
des, ein so warmes Clima, dafs die Vegetation des Aetna’s 
mit derjenigen des Vulkans von Tenerifla fast ganz pa- 
rallel verläuft. Nach Herrn Philippi *) gehen die Fichten- 
Wälder (Pinus Laricio) und die der Betula alba auf dem 
Rücken des Aetna’s bis zu 6200 Fufs Höhe, der Junipe- 
rus hemisphaerica geht dagegen noch bis 7100 Fufs Höhe, 
also bis in die Region der Alpen-Rosen. Genista aetnen- 
sis, besonders charakteristisch für diese Region, Juniperus 
hemisphaerica, Astragalus siculus und Berberis aetnensis 
Presl, treten hier besonders häufig auf, werden jedoch vor- 
herrschend in der nächstfolgenden Region **). 

In der wärmeren temperirten Zone müfste die Region 
der Nadelhölzer, nach unserer gegebenen Eintheilung, in 
der Höhe von 3800 bis 5700 Fufs erscheinen, und hiemit 
sind auch die Beobachtungen der Herrn Ramonds und De- 


*) Linnaea VII. p. 745 etc. 

*") Die Vegetation des Aetna’s hat keine Aehnlichkeit mit der 
Vegetation der Alpen und der der Canarischen Inseln. — Die alpi- 
nen Pflanzen des Aetna’s hat man bis auf Genista aetnensis sämmt- 
lich in Sicilien und den zunächst liegenden Ländern gefunden. 


287 


candolle *) genau übereinstimmend. Die Region der Na- 
delhölzer beginnt daselbst in 4000 Fufs Höhe, und steigt 
daselbst bis zu 5544 Fufs (Pinus uncinata nämlich) hinan, 
dann beginnt daselbst die Region der Sträucher, welche 
unserer Region der Alpen-Rosen entspricht, und zuletzt, 
von 7800 Fufs Höhe erscheint die Region der Alpen- 
. kräuter. 

In den Apenninen entspricht die Region der Nadel- 
hölzer unseren Höhenangaben für diese Region ganz genau; 
wir benutzen hiezu die Darstellung der Vegetation dieses 
Gebirges von Herrn Schouw **), wo wir dessen Ste und 4te 
Region zusammenfassen und, bei 3800 Fufs Höhe, die un- 
tere Grenze der Nadelhölzer feststellen möchten. In der 
Region von 3000—5000 Fufs Höhe, ist die Buche auf 
den Apenninen vorherrschend, und Pinus Picea, P. syl- 
vestris und Taxus baccata kommen daselbst selten vor, je- 
doch in der Höhe von 5000 Fufs soll die Buche daselbst 
nicht mehr aufrecht stehen. Bis zu 6000 Fufs Höhe kommt 
die Buche nur als kriechender Strauch vor, so wie dieses 
auch mit Pinus sylvestris der Fall ist. Dieses gleichmä- 
fsige Auftreten der Nadelhölzer mit der Buche ist für 
dieses Gebirge ganz eigenthümlich und verdiente wohl 
eine ausführliche Erforschung. 

Für die Alpen der Schweiz, als ein Gebirge der käl- 
teren temperirten Zone, wollen die Beobachtungen, über 
die Höhen dieser obern Regionen der Vegetation, mit un- 
seren vorausgesetzten Angaben nicht stimmen, sondern 
die Höhen verhalten sich beinahe noch ganz so, wie auf 
dem Gebirge der wärmeren temperirten Zone, wie auf den 
Pyrenäen nämlich, was sich allerdings durch die geringe 
Breiten-Differenz und hauptsächlich durch die gröfsere 
Masse hoch erhobenen Landes in der Schweiz erklären 
läfst. Die Region der Coniferen in der Schweiz hat eine 
Ausdehnung von 4000 bis 5500 Fufs, was fast ganz genau 


*) S. A. v. Humboldt, De distribut. geograph. plant, p. 122 etc, 
rj’]l'e: p.'475. 


288 


dieser Region in der wärmeren temperirten Zone entspricht. 
Auf dem schlesischen Riesengebirge und auf dem Harze, 
welche innerhalb der kälteren temperirten Zone liegen, 
geht die Grenze der Coniferen, fast ganz genau überein- 
stimmend mit unsern theoretischen Angaben, nämlich bis 
zu 3800 Fufs Höhe. ; 

Werfen wir nun noch schliefslich einen Blick auf die 
Vegetation der subarktischen Zone, welcher die Region 
der Coniferen auf den Gebirgen wärmerer Gegenden ent- 
spricht, so finden wir, dafs die Coniferen daselbst, näm- 
lich ''Pinus sylvestris, nur bis zur Höhe von 1200 Fufs 
hinaufsteigen, also in der Region der Ebene bleiben, und 
daselbst nicht mehr in die zweite Region steigen, welche 
die Vegetation: der arktischen Zone besitzt. 

Die Region der Nadelhölzer fällt mit derjenigen zu- 
sammen, welche von Wahlenberg, Schopy u. A, m. die 
subalpihe Region genannt ist. 


7) Die Region der Alpen-Rosen. 


Die Region der Alpen-Rosen ist dieselbe, welche von 
anderen Schriftstellern, für die Gebirge Europa’s, mit dem 
Namen der unteren Alpenregion belegt worden ist; 
sie entspricht der Vegetation in der arktischen Zone, näm- 
lich von dem Polarkreise an, bis über 72° der Breite hin- 
aus. Die hohe Baumvegetation fehlt dieser hohen Region; 
auf den meisten Gebirgen der nördlichen Hemisphäre, 
sind es nur niedere strauchartige Arten von Birken und 
Fichten, welehe noch daselbst auftreten, und neben den 
niedrigen ‘Weiden-Arten erscheint in dieser Region die 
höchst charakteristische Alpen-Rose, die Gattung Rhodo- 
dendrum nämlich. Eine mittlere Temperatur von 5 bis 

°.Cels. möchte dieser Region vielleicht ziemlich allge- 
mein zukommen. ‘Auf den Gebirgen der Aequatorial-Ge- 
gend müfste die Region der Befarien, welche die Al- 
penrosen der alten, Welt daselbst vertreten, von 11400 
13300 Fufs Höhe hinaufgehen, und es lassen sich auch 
in der That eine Menge von Beobachtungen aufführen, 


2859 


welche diese Region auf verschiedenen Gebirgen der hei- 
fsen Zone ganz entwickelt nachweisen, wenngleich auch 
das Auftreten der Befarien nur äufserst selten ist. Unter 
dem Aequator bedecken die Alpenrosen der Anden (vor- 
züglich Befaria aestuans, B. coarctata, und B. grandiflora) 
die Berge bis zu den höchsten Paramos, bis über 10000 
Fufs Höhe hinaus *), indessen, so wie auch die Alpenrose 
der Schweiz und besonders das Rhododendrum ferrugi- 
neum in Tyrol zu höchst auffallend niederen Standorten 
herabkommt, so findet man auch die Befaria, wie z. B. 
auf der Silla de Caracas, nach Herrn A. von Humboldt’s 
Beobachtungen, in 6000 Fufs Höhe, und schon in Florida, 
unter 30° Breite gedeiht eine Befaria auf niederen Hügeln, 
so wie das Rhododendrum lapponicum in der arktischen 
Zone schon zur Ebene gelangt. Ich möchte glauben, dafs 
die Befarie mehr in der Region der Escallonien und der 
Winteren auftritt, und, nur ihrer Form wegen die Alpen- 
Rose der Cordillere darstellt. Die Befaria ledifolia auf 
der Silla de Caracas wird nicht über 3 bis 4 Fufs hoch; 
ihr Stamm zertheilt sich vom Boden an in zahlreiche, 
brüchige, fast quirlförmige Aeste, ihre Blätter sind läng- 
lich eiförmig, auf der Unterfläche graugrün und gegen den 
Rand eingerollt. Die ganze Pflanze ist mit langen kleb- 
rigen Haaren bedeckt, und hat einen sehr angenehmen 
harzigen Geruch. Die Bienen besuchen ihre schönen pur- 
purfarbigen Blumen, welche, wie bei allen Alpenpflanzen, 
ungemein zahlreich sind, und, wenn die Blume völlig ge- 
öffnet ist, fast einen Zoll im Durchmesser haben. **) 
Diese untere Alpenregion ist es, in welcher das herr- 
liche Thal von Chuquito, rund um den Alpensee von Ti- 
ticaca, in einer Höhe von 12700 Fufs gelegen ist, über 
dessen Vegetation ich, in dem Berichte über meine Reise 
dahin, sehr ausführliche Nachrichten mitgetheilt habe, Bei 
meiner schnellen Reise durch diese reiche Hochebene und 


*) $. A. v. Humboldt, Reise etc. II. p. 425. 
"N S. ebendaselbst. 


49 


290 


bei meinem kurzen Aufenthalte daselbst habe ich keine 
Befarien gefunden, ja nicht einmal Escallonien, doch 
zweifle ich nicht, dafs diese interessanten Cordilleren- 
Pflanzen daselbst vorkommen. Auf diesem berühmten 
Plateau von Chuquito, fehlt, wie ich es schon oftmals in 
diesem Werke gesagt habe, alle Baumvegetation, obgleich 
in Sträuchern und Kräutern daselbst eine grofse Ueppig- 
keit herrscht. Der Ackerbau der Eingebornen beschränkte 
sich früher blofs auf die Quinoa und auf die Kartoffel, 
gegenwärtig wird daselbst aber auch Roggen, Gerste und 
Hafer gebauet, doch wird nur der Hafer reif, die Gerste 
schon seltener und der Roggen wird nur zu Grünfutter 
benutzt. Ausführlichere Nachrichten sind hierüber in mei- 
ner Reisebeschreibung Bd. I. p. 403 u. s. w. zu finden. 
An den Ufern des See’s findet man oftmals die ausgezeich- 
netste Vegetation; prachtvolle Cassien, hohe Celsien, Gna- 
phalien, Calceolarien und Loasen mit aufserordentlich gro- 
{sen Blumen und stachligen Blättern treten hier in sehr 
grofser Menge auf. Discarien treten hier als hohe Sträu- 
cher auf, und schöne Cactus, sowohl Cereen als Peres- 
kien standen an den Abhängen der Hügel und waren über 
und über mit Blüthen bedeckt. Ein schöner Rasen von 
zahlreichen neuen Gräsern, überzog die Hügel dieser Al 
pengegend und. dichter Wald von Binsen fafste die Ufer 
des grofsen See’s ein. | 

Auf den europäischen Gebirgen, welche schon so 
häufig Gegenstand specieller pflanzengeogravhischer Un- 
tersuchung gewesen sind, ist das Auftreten der Alpenrosen, 
dicht unter der Region der Alpenkräuter, ganz allgemein, 
und ich bemerke nur noch, dafs in ihrer Gesellschaft, als 
charakteristisch, die Vaccinien, Andromeda, Ledum palustre 
und dergleichen kleine Sträucher mit harten und glänzen- 
den Blättern erscheinen. 

Auf dem Aetna wird die Alpenrose, nach Herrn Phi- 
lippis Beobachtung, gleichsam durch Astragalus siculus 


ersetzt, welcher in der entsprechenden Region zwischen 


3200 — 7500, besonders in der letztern Höhe die vorherr- 


291 


schendste Pflanze ist. Es bildet diese Pflanze dichte halb- 
kugelichte Rasen, von 5 Fufs im Durchmesser und 21 Fufs 
Höhe, etwas Aehnliches, wie das Auftreten mancher Kräu- 
ter in der Alpenregion der Cordillere. 


8) Die Region der Alpen -Kräuter. 


Die Region der Alpen-Kräuter beginnt auf den Hö- 
hen der verschiedenen Gebirge mit der oberen Grenze 
der Gesträuche und erstreckt sich bis zum ewigen Schnee, 
welcher die Grenze aller Vegetation ist. Es entspricht 
diese Region der Vegetation der Polar-Zone, welche sich 
von der nördlichen Grenze aller Vegetation, bis zur Grenze 
der Gesträuche und der baumartigen Vegetation erstreckt, 
die wir ungefähr im 72sten Grade der nördlichen Breite 
festgesetzt haben. Die mittlere jährliche Temperatur der 
Polar-Zone liegt tief unter dem Gefrierpunkte des Was- 
sers, die der Region der Alpenkräuter ist dagegen weit 
höher, ja sogar 3 bis 4° C. über dem Gefrierpunkte, und 
dennoch, wie wir es schon früher (pag. 20) durch Bei- 
spiele nachgewiesen haben, ist die Vegetation im den käl- 
teren Gegenden oftmals weit üppiger, als in den Höhen 
der Gebirge, wo die Temperatur des Jahres höher steht. 
Es ist dieses am deutlichsten durch den Anbau der Ge- 
treide-Arten nachzuweisen, welcher weit höher nach den 
Polen zu hinaufgeht, als nach den entsprechenden Regio- 
nen der Gebirge, und zwar ist diese ganze Erscheinung 
ı durch die, verhältnifsmäfsig niedere Temperatur der Som- 
merzeit auf den Höhen der Gebirge zu erklären, worüber 
gleich im Anfange dieses Buches ausführlicher gesprochen 
worden ist. Auf solchen Gebirgen hingegen, welche grofse, 
ausgedehnte Plateau’s in ihren Höhen bilden, da zeigt sich 
auch die mittlere Sommerwärme höher, als sie gewöhnlich 
am Abhange der Berge in gleicher Höhe statt findet. 

Man bezeichnet die Gewächse, welche in der höchsten 
Region der Gebirge, bis zur ewigen Schneegrenze hin, vor- 
kommen, im Allgemeinen mit dem Namen der Alpenkräu- 

AN 


292 


ter und macht auf verschiedene Eigenthümlichkeiten auf- 
inerksam, wodurch sich dieselben von den übrigen Ge- 
wächsen der Ebene unterscheiden. Der allgemeinste Cha- 
rakter, welcher den Alpen -Pflanzen zukommt, möchte ihr 
gesellschaftliches Wachsen sein, welches sich auf eine be- 
sondere Zähigkeit des Lebens der Pflanze, auf besondere 
Entwickelung der Wurzel und auf eine gewisse Neigung 
zur Knospenbildung begründet. Fast alle Alpenpflanzen 
sind ausdauernde Gewächse; die Zahl der einjährigen ist 
unter ihnen ganz aufserordentlich gering, und dann sind 
es solche, welche eine sehr grofse Menge von Saamen 
erzeugen. Die Wurzel dieser ausdauernden Gewächse, 
welche den starken, oft 9 bis 10 Monate langen Winter 
ausdauern mufs, ist gewöhnlich sehr holzig, oder, wie die 
der Zwiebeln, in einer Menge von Häuten eingewickelt, 
daher richten sich denn auch diese Gewächse mehr nach 
der mittleren jahrlichen Temperatur, wärend die einjähri- 
gen Pflanzen sich nach der mittleren Sommerwärme be- 
stimmen. 

Ganz allgemein rühmt man bei den Alpen-Pflanzen 
die verhältnifsmäfsig grofsen Blüthen, welche meistentheils 
mit sehr lebhaften und prächtigen Farben geschmückt sind, 
und dieser Ruhm bestätigt sich auf allen Gebirgen der ver- 
schiedensten Zonen. Auf unseren europäischen Gebirgen 
sind die herrlichen grofsblumigen Gentianen bekannt, die 
prachtvolle Aretia alpina, Dryas octopetala, mit den gro- 
fsen glänzend weifsen Blüthen, die schönen Anemonen, 
Primulen und die grofse Zahl von Syngenesisten mit gro- 
fsen gelben Blumen, als Arnica montana, Apargia alpina 
u. s. w. Auf den Gipfeln der Cordillere Südamerika’s 
findet sich diese Eigenthümlichkeit der Alpen - Pflanzen 
vielleicht noch deutlicher ausgedrückt; hier wachsen ver- 
schiedene Arten der Gattungen Mimulus, Calceolaria, Ca- 
landrinia, Lupinus, und vorzüglich mehrere Sida-Arten | 
mit den ausgezeichnet schönsten und gröfsten Blüthen. 
Eine bestimmte Farbe kann man als vorherrschend bei 
den Blumen der Alpen-Pflanzen nicht annehmen; man 


293 


w 


hat wohl geglaubt, dafs weifse Blüthen unter diesen Ge- 
wächsen häufiger vorkommen, als anders gefärbte, aber 
dafs dieses nicht der Fall ist, hat schon Herr Schouw *) 
für die Gebirge Europa’s nachgewiesen, und ich kann noch 
dazusetzen, dafs mir in den grofsen Höhen der Cordillere 
Südamerika’s, gerade die weifsen Blumen, als grofse Sel- 
tenheiten vorgekommen sind, ja an verschiedenen Punk- 
ten, wo ich, auf jenem Gebirge, bis in die Nähe der Schnee- 
grenze gekommen bin, habe ich gar keine weifse Blumen 
zu sehen bekommen. Die blaue, die gelbe und die vio- 
lette Farbe war unter den Alpen-Blumen der Cordillere 
von Peru und Chile gerade die vorherrschendste, 

Die Alpen-Pflauzen werden gewöhnlich als solche 
bezeichnet, welche theils reich an aromatischen, theils an 
bitteren, theils an harzigen Stoffen sind, und dieses be- 
stätigt sich in allen Zonen der Erde. Es fragt sich nun, 
ob dieser Gehalt an kräftig wirkenden Stoffen Folge des 
‚ Standortes dieser Pflanzen ist, oder ob er der Pflanze an 
und für sich zugehört. Sehr bekannt ist es, dafs derglei- 
chen Alpen - Pflanzen, welche als Arzneimittel benutzt 
werden, dafs diese weit kräftiger wirken, wenn sie auf 
ihrem natürlichen Standorte gesammelt sind, als wenn sie 
künstlich in den Gärten der Ebene gezogen wurden; und 
dieses spricht unwiderruflich dafür, dafs der Standort, in 
den Höhen der Gebirge, bedeutenden Einflufs auf die Er- 
zeugung dieser wirksamen Stoffe ausübet. Es ist jedoch 
auch nicht zu verkennen, dafs unter den Alpenpflanzen 
gerade solche Familien und Gattungen die häufigsten sind, 
welchen dergleichen wirksame Stoffe ganz allgemein eigen 
sind, selbst auch dann, wenn sie in der Ebene wachsen. 
‘Ich glaube, es ist keine Art unter den Alpen -Pflanzen be- 
kannt, welche einen bitteren, einen aromatischen oder ei- 
nen harzigen Stoff besitzt, wenn nicht ähnliche Stoffe auch 
in ihren geschlechtsverwandten Arten der Ebene vorhan- 
den sind; aber gewifs ist die Thatsache richtig, dafs der- 


*) Grundzüge etc. p. 461. 


294 


gleichen Stoffe, in den alpinen Arten jener Gattungen und 
Familien, verhältnifsmäfsig viel stärker entwickelt werden, 
als bei denjenigen, welche der Ebene angehören. Die 
Familien der Compositae und der Umbellaten, so wie die 
Gattung Gentiana liefern die gewöhnlichsten Alpenpflanzen, 
welche sich durch gröfseren Gehalt an wirksamen Arznei- 
Stoffen auszeichnen; in der Nähe der Schneegrenze der 
Cordillere Südamerika’s ist gewöhnlich die gröfste Masse 
von Pflanzen mit einem, mehr oder weniger wohlriechen- 
den, bitterlich schmeckenden Harze angefüllt, welches sich 
häufig, wie bei der niedlichen Laretia acaulis Hook. (Se- 
linum acaule Cav.) in grofsen Massen absondert, und auf 
der Oberfläche der Pflanze umherliegt. Die aufserordent- 
lich grofse Anzahl von kleinen syngenesistischen Gesträu- 
chen, welche auf der Cordillere Südamerika’s bis in die 
Region der Alpen-Pflanzen hineinreichen, sind ganz au- 
fserordentlich reich an harzigen aromatischen Stoffen, und 
ihre Belaubung besteht in kleinen, harten, glänzenden und 
glatten Blättern, welche nur sehr selten irgend einige Be- 
haarung zeigen. Die Blätter dieser Syngenesisten, so wie 
ihr ganzer Stengel, sind meistens mit abgesonderten harzi- 
gen Stoffen überzogen, was bei den geschlechtsverwandten 
Arten der Ebene keineswegs in dem Maafse vorkommt. 
Man hat auch, aufser der vorherrschenden Entwicke- 
lung der Wurzel und der Blume bei den Alpen-Pflanzen 
ein Verkümmern der Blätter, als allgemein vorkommende 
Eigenschaft angegeben; die Blätter sollen zusammenschrum- 
pfen und mehr oder weniger buchtig auf ihrer Oberfläche 
werden, theils soll ihr Grün verschwinden und ein unbe- 
stimmtes Gelb an dessen Stelle treten, wobei sie zugleich 
membranartig würden *). Auch glaubt Herr Parrot, dafs 
der eigenthümliche Charakter der Alpen - Vegetation darin 
bestehe, dafs die Pflanzen in ihrem ganzen Wuchse das 
Bestreben zeigen, sich nicht hoch über den Boden zu er- 
heben, und demnach einen kurzen und starken, oder einen 


s 


*) S. Parrot’s Reise nach dem Ararat.. Berlin 1834. 2 Thle. 


A 


295 


gekrümmten und niederliegenden Stengel zu bilden, an wel- 
chem Aeste, Blätter und Blüthen auffallend gedrängt bei 
einander stehen. 

Gewifs findet Vieles von dem, was hier gesagt wurde, 
seine volle Bestätigung; die Alpen-Pflanzen haben etwas 
aufserordentlich Charakteristisches, so dafs man sie, selbst 
in grofsen Sammlungen getrockneter Pflanzen, sogleich 
herausfindet; doch alle diese charakteristischen Zeichen 
kommen auch denjenigen Pflanzen zu, welche in der Ebene 
hoher entsprechender Breiten, als in der Polar-Zone und 
in der arktischen Zone wachsen; demnach ist es wohl nicht 
die verdünnte Luft, welche das Charakteristische der Al- 
pen- Vegetation hervorruft, sondern es ist die Wirkung 
der niederen Temperatur, welche alle schnelle Entwicke- 
lung der Blattknospe verhindert, daher die Pflanze stark 
und gedrängt werden mufs, wodurch aber auch ein, um 
so gröfseres Auftreten der Blüthen bedingt wird. Wenn 
in der arktischen Zone die Pflanzen der Polar-Zone, durch 
die Eigenthümlichkeit des Küsten-Olima’s, bis zum Ufer 
des Meeres hinabgezogen werden, so verlieren diese alle 
Eigenthümlichkeiten, welche ihnen sonst, als alpinen Pflan- 
zen, zukommen, besonders schwinden die verhältnifsmäfsig 
srofsen Blüthen *). Ich glaube nicht, dafs man, aus den 
Beobachtungen auf Gebirgen einer und derselben Breite, 
auf die gesammte Alpen - Vegetation schliefsen darf; auf 
unseren nördlichen Gebirgen der alten Welt zeichnet sich 
eine grofse Menge von Alpen-Pflanzen durch verschrumpfte 
und stark behaarte Blätter aus, welche weniger schön 
grün gefärbt sind; es fehlen jedoch unter den Alpen-Pflan- 
zen eben derselben Breite keineswegs solche, welche dicke, 
fleischige und unbehaarte Blätter aufzuweisen haben. Ge- 
rade Pflanzen dieser letzteren Art korsmen auf der chile- 
nischen Cordillere, selbst ın den höchsten Regionen, in der 
gröfsten Anzahl vor. Die Arten-reiche Gattung Calan- 
drinia, die Alströmerien und Oxalis- Arten, so wie die 


*) S. auch Lessing, 1. c. p. 291 eic. 


296 


Boopideen zeigen diese, mehr saftigen, haarlosen Blätter, 
dagegen fehlt es auch hier nicht an solchen Pflanzen, wel- 
che sich durch behaarte, auf eigenthümliche Weise zusam- 
mengeschrumpfte Blätter auszeichnen, als z, B. eine Menge 
von Sida-Arten, Calceolarien, Loasen und selbst mehrere 
Syngenesisten, worunter auch die Nassauvien. Die Blät- 
ter bei diesen Sida- und Calceolarien-Arten erscheinen 
ähnlich denen unserer Gattung Pedisularis, doch zeigen 
jene Gattungen auch verschiedene Arten, welche, in der 
Ebene vorkommend, ebenfalls dergleichen Pedicularis- ar- 
tige Blätter aufzuweisen haben, eben so, wie auch die 
Gattung Pedieularis selbst verschiedene Arten hat, welche 
den Ebenen unserer Zone angehören, und dennoch eben 
‚so krause, wenn auch weniger behaarte Blätter zeigen. 

Die gröfste Anzahl der niederen Gesträuche, welche, 
auf den gröfsten Höhen der Cordillere, gleichsam die Stelle 
unserer krautartigen, arktischen Weiden vertreten, und 
zum gröfsten Theile den Syngenesisten angehören, haben 
sehr feste, lederartige und meistentheils glatte Blätter, de- 
ren Form meistentheils so eigenthümlich ist, dafs man, 
ohne Kenntnifs der Blüthen, schwerlich in ihnen die Blät- 
ter von syngenesistischen Gesträuchen erblicken wird. 
Die Bacchariden, deren Arten-Zahl so unendlich grofs 
ist, zeichnen sich hiebeiı am meisten aus; ich nenne hier 
nur einige der auffallendsten Arten dieser Gattung, wel- 
che in den höchsten Regionen der’ Cordillere von Peru 
vorkommen, deren sonderbare Form man meistentheils 
schon aus dem Beinamen errathen kann, als: Baccharis 
genistelloides Hook., B. phylicaeformis nob., B. quadran- 
gularis nob., B. sagittalis Less. u. s. w. 

Obgleich die Zahl der Alpenkräuter auf den verschie- 
denen Gebirgen der ganzen Erde aufserordentlich grofs 
ist, so herrscht doch unter denselben, wenigstens für die 
Gebirge einer und derselben Hemisphäre, eine aufseror- 
dentliche Uebereinstimmung, wenngleich es allerdings der 
Fall ist, dafs jedem der grofsen Gebirgszüge auch seine 
eigenthümlichen Alpen-Pianzen zukommen. 


297 


Da nun, wie wir es im Vorhergehenden gesehen ha- 
ben, die Alpen-Pflanzen mit der Vegetation der Polar- 
Zone sehr genau übereinstimmen, so ist diese Achnlich- 
lichkeit in dem.Charakter der Vegetation, von der Polar- 
Gegend an, bis zum Aequator hin zu verfolgen, wenn 
wir nämlich, auf den Gebirgen der verschiedenen Zonen, 
die entsprechenden höheren Regionen mit einander ın Ver- 
gleich stellen. Unter welcher Zone die Zahl der Alpen- 
Pflanzen am gröfsten sein möchte, ist wohl schwer zu 
entscheiden, da hierauf die Verschiedenheit des Bodens 
so grofsen Einflufs hat. Auf den Gebirgen, welche in 
den Regionen der Alpen-Kräuter ausgedehnte Plateau’s 
bilden, da ist auch, wenn der Boden nicht zu unfrucht- 
bar ist, die Zahl der Alpen-Pflanzen sehr grofs, und aus 
eben demselben Grunde glaube ich behaupten zu können, 
dafs gerade der Polar-Zone die gröfste Masse von Alpen- 
Pflanzen, sowohl in Hinsicht der Individuen, wie der Ar- 
ten- und Gattungen-Zahl zukommt. Zwar haben die Al- 
pen-Pflanzen nur wenige Gattungen aufzuweisen, welche 
nicht auch in der Ebene vorkommen, es giebt aber eine 
Anzahl von Gattungen, welche theils vorzüglich alpine 
Arten zeigen, theils ganz allein den Regionen der Alpen- 
Gewächse angehören. Der nördlichen Hemisphäre der al- 
ten Welt und auch den Gebirgen von Java (aufserdem 
sind uns für die südliche Hemisphäre keine Gebirgs -Flo- 
ren bekannt), sind folgende Gattungen, als die hauptsäch- 
lichsten Alpen-Kräuter liefernd, eigenthümlich, als: Dryas, 
Saxifraga, Viola, Phyteuma, Arabis, Epilobium, Draba, 
Arenaria, Pedicularis, Primula, Androsace, Ramondia, Sol- 
danella, Phaca, Gentiana, Salix, Carex, Astragalus, einige 
Gattungen Gräser und Compositae. 

Einzelne Arten aus diesen genannten Gattungen 
sind es vorzüglich, welche die Vegetation, in der Region 
der Alpenkräuter, auf den Gebirgen Europa’s und Asien’s, 
bis dicht an die ewige Schneegrenze hin darstellen. Ein- 
zelne derselben, wie die Gattung Primula, Campanula und 
Phyteuma, sind mehr der Alpen-Region niederer Breiten 


298 


eigen, andere hingegen, als Carex, Salix, Arbutus u. s. w., 
kommen dagegen mehr in den Alpen-Regionen der höheren 
Breiten und zuletzt in der Polar-Zone vor. 

Die neue Welt, welche in Hinsicht ihrer Vegetation 


so grofse Verschiedenheiten von derjenigen der alten Welt 


aufzuweisen hat, zeigt auch in Hinsicht der Alpenkräuter 
bedeutende Verschiedenheiten. Wenngleich auch viele 
Formen in der Nähe der Schneegrenze der Cordillere 
auftreten, welche auf den Gebirgen der alten Welt ganz 
ähnliche Pflanzen aufzuweisen haben, so ist doch in Ame- 
rika die Zahl der, den dortigen Gebirgen eigenthümlichen 
Alpen-Pflanzen viel gröfser. Die Alpen-Pflanzen, welche 
in den höchsten Regionen des Himalaya - Gebirges vor- 
kommen, gehören den Gattungen Ranunculus, Aconitum, 
Geranium, Potentilla,. Epilobium, Carduus, Senecio, Inula, 
Cineraria, Myosotis, Primula, Pedicularis, Salvia, Lamium, 
Origanum und Polygonum an *), und bilden eine Vegeta- 
tion, welche den entsprechenden Regionen und Zonen der 
nördlicheren Gegenden auf das entschiedenste gleichartig 
ist. Auf der Insel Java sind zwar keine Gebirge, welche 
bis zur Schneegrenze aufsteigen, doch die Vegetation der 
höchsten Regionen dieser Insel gehört den Gattungen Va- 
leriana, Ranunculus, Bellis, Hypericum, Gnaphalium, Swer- 
tia, Gentiana, Viola, Potentilla, Centaurea, Spiraea, Carex, 
Sphagnum u. s. w. an #®*), doch ist hier nach Herrn Rein- 
wardt's Ausspruch zu bemerken, dafs von allen diesen 
phanerogamen Pflanzen, auf dem Gebirgen Java’s, keine 
einzige Art vorkommt, welche mit denen in nördlichen 
Gegenden ganz genau übereinstimmt, nur das Torfmoos 
jener Gebirge, soll mit dem des nördlichen Europa’s über- 
eiustimmen. 

Es ist ein grofser, fühlbarer Mangel in unserer Wissen- 
schaft, dafs bis jetzt noch keine Gebirge in der südlichen 
Hemisphäre der alten Welt, welche bis über die ewige 


*) $. Royle, Illustr. I. c p. 32. 
**) S. Reinwardt 1. c. p- 13. 


299 


Schneegrenze hinausgehen, in botanischer Hinsicht bekannt 
sind; wir würden dabei erkennen, ob die Alpen -Pflanzen 
dieser Gebirge eben so grofse Verschiedenheiten aufzuwei- 
sen haben, wie dieses in der Vegetation der Ebene dieser 
Ländermassen der Fall ist, oder ob sie mit den Alpen- 
Pflanzen des südlichen Amerika’s übereinstimmen würden. 

Vergleicht man die Berichte der verschiedenen Reisen- 
den, welche die Schneegrenze der Cordillere überstiegen 
haben, so wird man auch unter den, von ihnen beobachte- 
ten Pflanzen dieser Region der Alpen-Kräuter, eine grofse 
Menge finden, welche den Alpen-Kräutern unserer euro- 
päischen Gebirge sehr ähnlich sind. Als solche nenne ich 
Draba alyssoides, D. aretioides, Cerastium densum, Gentiana, 
Andromeda, Valeriana und Lupinus-Arten, welche Herr 
Hall #) auf dem Gipfel des Pichincha fand, in eben dem- 
selben Jahre, in welchem ich selbst, an vier verschiedenen 
Punkten, die Schneegrenze der südamerikanischen Cordil- 
lere erstiegen habe. Auch ich beobachtete, sowohl in Chile 
als im südlichen Peru, in der Region der Alpen -Kräuter 
eine Menge von Alpen-Pflanzen, welche den unseren sehr 
ähnlich waren, als Epilobium, Lupinus, Ribes, Viola, Genista, 
Luzula, Hordeum, Phleum, Plantago-Arten u. s. w.;**) aber 
auch an Gattungen, welche dem amerikanischen Gebirge 
eigenthümlich sind, fehlte es nicht. Es besitzt die Region 
der Alpenkräuter der Cordillere in der grofsen Menge von 
kleinen, niedlichen Umbelliferen, welche zu den Mulineen 
DC. gehören, einen aufserordentlichen Schatz. Je mehr 
nach dem Süden hinab, um so mehr häufen sich die Gat- 
tungen und Arten dieser Pflanzen-Gruppe, welche zuletzt, 
wie schon in den Breiten von 52° (s. im Vorhergehenden 
pag. 241), in die Ebene treten, wo sie, besonders durch 
die Eigenthümlichkeit des Küsten-Clima’s veranlafst, ein 
Clima finden, welches dem der hohen Gebirgs-Gipfel im 


*) Excursions in the Neighbourhood of Quito etc. Hooker’s 
Journal of Botany. London 1834. I. p. 338. 


y% . . D . « . 
) Siehe hiezu verschiedene Stellen meiner Reise um die Erde. 


I. pag. 315, 348, 349, 451 u. s. w. 


300 


nördlichen Chile und in Peru entspricht. Die Mulineen 
Amerika’s werden durch die Primulaceen in Europa ver- 
treten; die Gattung Androsace und besonders die Aretien 
bieten auf den Gebirgen Europa’s häufig einen ganz ähn- 
lichen Anblick, wie die Gattungen Fragosa, Bolax, Azorella, 
Laretia u. s. w. in Amerika. Ueber das höchst eigenthüm- 
liche gesellschaftliche Wachsthum dieser Pflanzen, habe ich 
schon früher, pag. 102, ausführlich gehandelt und verweise 
defshalb auf jene Stelle. Den sonderbaren Boopideen (Ca- 
lycereen Brown), schliefsen sich die Mulineen an; auch 
sie sind der höchsten Region der Cordillere eigenthümlich 
angehörig. 

Aufserdem nenne ich die Gattungen Calandrinia, Espe- 
letia, Oxalis, Acaena, Nierembergia, Alstroemeria, Culeitium, 
Chuquiraga und Sida, welche den gröfsten Antheil an der 
Bildung der Vegetation dieser hohen Region der Cordillere 
haben. Am Fufse des Feuerberges von Maipu *) wurde 
ich auf das höchste überrascht, als ich die prachtvolle und 
höchst eigenthümliche Vegetation dieser Gegend erblickte. 
Mehrere Oxalis- Arten, gesellig wachsend, und die rosen- 
rothen Blumen der Calandrinia umbellata R. et P., C. den- 
ticulata Hook. und C. biflora.n. sp. überzogen ganze Flä- 
chen der Gegend, wie mit einem rothen Teppiche, wärend 
sich die herrliche Wiese, aus Phleum Haenkii, dem Ph. 
alpinum entsprechend, aus Vilfa asperifolia n. sp., Deyen- 
zia velutina n. sp., Hordeum comosum u. s. w. gebildet, bis 
zur Schneedecke hinzog und nur hie und da durch grofse 
Felder, mit Tausenden von grofsen, gelben und violetten 
Blumen des Mimulus und der Calceolarien unterbrochen 
wurde, neben denen kleine und verkrüppelte Sträucher von 
Adesmien mit gelbrothen Blumen, so wie kleine strauch- 
artige Syngenesisten auftraten. 

Auch an Flechten ist die Region der Alpenkräuter 
nicht arm, und diese entsprechen, selbst in den verschie- 
densten Zonen der Erde, den Flechten der Polar-Zone 


*) Meyen’s Reise I, pag. 349. 


301 


noch mehr, als es unter den phanerogamen Pflanzen der 
Fall ist; nur die Gyrophoren sind bis jetzt in den Höhen 
der tropischen Gebirge noch nicht gefunden, an ihrer Stelle 
aber erscheinen, auf dem Gebirge des südlichen Peru, grofse 
Parmelien, welche durch ihre Form, ihr schildförmiges 
Festsitzen und durch die Farbe ganz den Habitus der 
Gyrophoren zeigen. Die Lecidea geographica ist auf den 
gröfsten Höhen der verschiedensten Gebirge gefunden wor- 
den, dort gewöhnlich die Vegetation schliefsend, wenn ein- 
zelne Felsen aus der Erde hervorragen. Herr v. Hrımboldt 
beobachtete diese niedliche Flechte auf dem Gipfel des 
Chimborazo, und Herr Schiede *) fand sie auf dem Volcan 
de Orizaba, wärend auch von mir dieselben an verschie- 
denen, sehr hoch gelegenen Gegenden des südlichen Peru 
beobachtet worden ist. Die Pflanzen, welche auf dem 
Gipfel des Volcan de Orizaba die Vegetation schlossen, 
gehörten nach Herrn Schiede’s Beobachtung zu den Gat- 
tungen Lupinus, Eryngium, Myosotis, Sisymbrium, Draba, 
Trisetum, Avena, und vor allen war der herrliche Cnicus 
nivalis zu bemerken. 


II. Die Statistik der Gewächse. 


Gleich im Anfange dıeses Buches (pag. 4) habe ich 
darauf aufmerksam gemacht, und es durch Beispiele be- 
wiesen, dafs die Anzahl der Pflanzen- Arten immer mehr 
und mehr zunimmt, je mehr man sich von den Polen ent- 
fernt und sich dem Aequator nähert; nur eine Wasserlosigkeit 
oder gänzlich unfruchtbarer Boden stellen sich unüberwind- 
lich diesem Naturgesetze entgegen. Die wüsten Länder- 
massen unter dem Aequator sind eben so arm an Pflanzen, 
als sie es in unseren nordischen Gegenden sind; wo aber 
die gröfsere Wärme der, dem Aequator näher gelegenen 


*) Linnaea 1829. pag. 223. 


302 


Ländermassen mit entsprechender Feuchtigkeit verbunden 
ist, da wird selbst der unfruchtbare Boden besiegt, eine 
Menge von Pflanzenformen erscheinen hier, welche gerade 
auf diesem unfruchtbaren Boden zu wuchern scheinen. Wir 
haben aber auch im Vorhergehenden gesehen, dafs mit der 
allmälichen Zunahme der Artenzahl, von der Polar-Zone 
an, bis zum Aequator hin, auch eine allmähliche Verede- 
lung der Pflanzenformen auftritt; ich habe eine bildliche 
Schilderung von der Physiognomie der Vegetation von dem 
Aequator an, bis zu den Polar-Zonen hin gegeben, und 
in dieser liegen die Beweise zu der letzteren Behauptung. 
Die edeleren Pflanzenformen erscheinen in den heifsen Ge- 
genden und fehlen den kalten Zonen gänzlich, wie z. B. 
Palmen und Scitamineen, oder sie herrschen in heifsen 
Gegenden in grofser Masse, wärend sie nur in geringer 
Anzahl in .der Nähe der Pole vorkommen, wie z. B. die 
Leguminosen. Durch dieses geringere Auftreten der ent- 
wickelteren Pflanzenformen in kälteren Gegenden, kommen 
die weniger entwickelten daselbst in scheinbar gröfserer 
Anzahl vor; ihre Anzahl nimmt nämlich, zu der Zahl der 
entwickelteren Pflanzen, verhältnifsmäfsig immer mehr und 
mehr zu, obgleich ihre absolute Artenzahl ebensowohl ab- 
nimmt, wie die der ganzen Pflanzenmasse, jemehr man sich 
von dem Aequator entfernt. Jedes Pflanzen- Verzeichnifs 
irgend eines Landes, oder eines beschränkten Bezirkes, 
welches auf einen Grad von Genauigkeit und Vollständig- 
keit Ansprüche machen kann, wird zum Beweise des Ge- 
sagten dienen können, und die Methode diese Verzeichnisse 
zu benutzen, gründet sich auf die einfachste Berechnung, 
indem man die Artenzahl der kleineren, so wie der grö- 
fseren Gruppen dieser Pflanzen aufsucht, und die dadurch 
erhaltenen Zahlen unter sich, oder zur Gesammtzahl aller 
Arten einer Gegend in Verhältnifs stellt. 


Dafs die Gesamimtzahl der Pflanzen noch lange nicht 


genau genug bekannt ist, habe ich schon im Anfange (p. 6) 
gezeigt; zum Wenigsten liefse sich die Zahl derselben, 
wenn wir aus dem Resultate der neueren Reisen schliefsen 


303 


dürfen, auf mehr als 200,000 festsetzen. Bis jetzt sind 
jedoch die verschiedenen Gegenden einer und derselben 
Zone, so ungleichmäfsig in Hinsicht ihrer Artenzahl von 
Pflanzen bekannt, dafs man schwerlich mit einiger Genauig- 
keit die Summe der Pflanzen angeben könnte, welche einer 
jeden grofsen Zone angehört. Man war lange Zeit hin- 
durch der Meinung, dafs die neue Welt verhältnifsmäfsig 
eine gröfsere Anzahl von Pflanzen-Arten aufzuweisen habe, 
als die alte Welt, und diese Meinung war auch auf That- 
sachen gestützt; indessen aus den enormen Sammlungen 
von Pflanzen, welche in neuerer Zeit aus einigen heifsen 
Gegenden der alten Welt zu uns gekommen sind, und aus 
der überaus grofsen Mannigfaltigkeit in der üppigen Vege- 
tation Indien’s und der angrenzenden grofsen Inselmassen, 
wovon ich mich selbst überzeugt habe, schliefsen zu dür- 
fen, kann ich keineswegs mehr jenen Angaben beistimmen. 
Es versteht sich natürlich von selbst, dafs man zu Ver- 
gleichungen der Art auch Ländermassen von gleichem Um- 
fange, von gleicher Höhe und gleichen Gebirgsmassen, so 
wie hauptsächlich einer und derselben Zone, und einer und 
derselben Fruchtbarkeit wählen mufs, welche auf einem 
gleichen Grade von Wärme, von Feuchtigkeit und von hu- 
mushaltigem Boden beruhet. 

Eben so wenig läfst sich, nach dem gegenwärtigen 
Zustande der Beobachtungen, eine verhältnifsmäfsige Zahl 
für die Pflanzen der nördlichen und der südlichen Hemi- 
sphäre angeben; hier, in der letzten Hälfte der alten 
Welt, wo die Areale der einzelnen Arten oft so aufser- 
ordentlich beschränkt sind, liefse sich, im Vergleiche 
mit gleichen Flächenmassen der nördlichen Hemisphäre, 
eine gröfsere Zahl von Arten nachweisen, doch die gröfsere 
Unfruchtbarkeit in vielen dieser Länder, möchte die Gesammt- 
zahl der Pflanzen- Arten für diese Zone wieder ausgleichen. 
Alle Berechnungen, welche man, mit dem gegenwärtigen 
Material, in dieser Hinsicht anstellen möchte, könnten keine 
der Wahrheit sich annähernde Resultaten liefern. 

Eine andere Meinung, dafs nämlich die Inseln ärmer 


304 


an Pflanzen sind, als die Continente, verdient eine genaue 
Beleuchtung. Herr L. v. Buch *) hat nämlich jene Mei- 
nung zuerst ausgesprochen, welche-von vielen Schrifstellern 
wiederholt und neuerlichst vom Hrn. de Candolle jun. **) 
sogar mit neuen Beobachtungen bestätigt worden ist, ob- 
gleich Herr Schouw ***), wenigstens wie ich glaube, diese 
Meinung schon lange mit unbestreitbaren Thatsachen be- 
kämpft hat. Herr L. v. Buch hat in seiner späteren Aus- 
gabe der genannten Flora +) jene Meinung etwas genauer 
bestimmt, wahrscheinlich wegen der Einwendungen gegen 
dieselbe, welche Herr Schouw gemacht hat, und ich führe 
defshalb die ganze Stelle an: „In der geringen Anzahl von 
Pflanzen-Arten erscheint die Natur der Inseln ausgedrückt, 
deren Pflanzenmenge sich um so mehr vermindert, je wei- 
ter sie sich von den Continenten entfernen, vorausgesetzt, 
dafs sie sich nicht selbst zu einem kleinen Continente aus- 
dehnen.“ | 

Die Canarische Flora zeigt nach Herrn L. v. Buch’s 
Angaben nicht mehr als 377 Pflanzen- Arten, und nach der 
Meinung dieses geistreichen Naturforschers, würde den 
Azoren, wenn uns deren Flora bekannt wäre, nicht der 
vierte Theil von dieser Anzahl zukommen. Diese Vermu- 
thung könnte allerdings richtig sein, indessen da die Azoren 
als höchst unfruchtbare Inseln bekannt sind, so könnte 
man ihre Flora nur mit eben so unfruchtbaren Gegenden 
der Continente vergleichen. Will man den Grad der Frucht- 
barkeit des Bodens, oder den Feuchtigkeits-Zustand der 
Luft bei dergleichen Berechnungen unberücksichtigt lassen, 
so hat, meiner Meinung nach, das Resultat dieser Unter- 


”) Allgemeine Uebersicht der Flora der Canarischen Inseln. 
Berlin 1819. pag. 21. 
**) Fragment d’un discours sur la g&ographie botanique prononce 
& Geneve, lu le 16 Juin 1834 dans une cer&monie academique. — Bi- 
bliotheque universelle. Mai, 1834. 
N) Grundzüge pag. 493. 
7) Enthalten in der physikalischen Beschreibung der Canarischen | 
Inseln. Berlin, 1825. pag. 130. 


305 


suchung wenigen Werth. Die Sandsteppen und die be- 
rühmten Wüsten im Innern der Continente sind eben so 
arm an Pflanzen, als die unfruchtbaren, am entferntesten 
gelegenen Inseln. Die Entfernung der Sandwichs-Inseln 
von dem amerikanischen Continente ist dreimal so grofs, 
als die Entfernung der Azoren von der europäischen Küste, 
und dennoch sind die Samdwichs-Inseln ganz aufserordent- 
lich reich an Pflanzen. Die unterste Region dieser Insel, 
welche sich nur wenig über den höchsten Wasserstand des 
Meeres erhebt, ist, ihres korallenhaltigen Bodens u. s. w. 
wegen, sehr unfruchtbar und defshalb auch arm an Pflanzen, 
sobald man aber diese Ebene verläfst, schon in 100 und 
200 Fufs Höhe, beginnt die äufserst üppige Vegetation. 
Die Zahl der bereits beschriebenen Pflanzen dieser Inseln 
ist allerdings noch nicht so aufserordentlich grofs, aber die 
Zahl der bereits auf jenen Inseln gesammelten, und sich 
hauptsächlich in den Herbarien der Engländer befindenden 
Pflanzen, kann schon darauf Anspruch machen. Ich glaube 
aber nicht, dafs man die Gruppen der Sandwichs-Inseln 
als einen kleinen Continent ansehen kann, dieses würde 
gleichsam nur eine Ausflucht sein. Herr De Candolle jun. 
führt auch die Flora von Neu-Seeland, als beweisend für 
jenen aufgestellten Satz des Herrn L. v. Buch an, glaubend 
nämlich, dafs- Neu-Seeland nicht mehr als 800 Pflanzen- 
Arten besitze, obgleich es mit Italien fast einen und den- 
selben Flächenraum einnimmt. Diese Meinung aber, dafs 
Neu-Seeland so arm an Pflanzen ist, finde ich durch nichts 
bestätigt, ja ich habe mir, schon durch die wenigen, aber 
genauen Angaben aus Cook’s Reisen, ein ganz anderes Bild 
von der Flora dieser grofsen Inseln entworfen. *) Wie 
sehr man, in allen diesen Fällen, auf einen gleichen Grad 
der Fruchtbarkeit des Bodens, bei Länder- oder Inselmas- 
sen gleicher Gröfse und einer und derselben Breite sehen 
mufs, möchte eine Vergleichung der Vegetation von St. 
Helena, oder von der Ascensions -Insel mit der Vegetation 


*) Siehe hiezu im Vorhergehenden pag. 230 u. s. w. 
20 


306 


anderer Inseln, welche in gleichen Entfernungen von dem 
naheliegenden Continente stehen, wie z. B. die Norfolk- 
Insel u. A. m. sehr deutlich zeigen. Die Insel St. Helena, 
obgleich von bedeutender Gröfse, ist gröfstentheils gänz- 
lich unfruchtbar, indem der Boden an diesen Stellen aus 
einem sehr festen Basalte besteht, welcher der Verwitterung 
sehr gut widersteht; nur an denjenigen Stellen dieser Insel 
findet sich eine mehr oder weniger lebhafte Vegetation, wo 
etwas Erde und Wasser vorhanden ist, was man gegen- 
wärtig, auf künstlichem Wege, schon in ausgebreitetem 
Maafsstabe erlangt hat. 

Demnach stelle ich die Vegetation der Inseln, wenn 
man von Lokalverhältnissen zu abstrahiren weifs, gleich- 
falls unter jenes Gesetz der Natur, nach welchem die Zahl 
der Pflanzen-Arten mit steigender Wärme und entsprechen- 
der Feuchtigkeit in beständigem Zunehmen ist. Eine an- 
dere Frage ist es wiederum, ob die Vegetation auch an 
Individuen-Zahl immer reicher wird, jemehr man sich von 
den Polen entfernt und sich dem Aequator nähert, wie dieses 
für die Artenzahl sicherlich nachzuweisen ist. Herr Schouw 
hat diese Frage schon berührt, *) spricht sich darüber aber 
in ganz entgegengesetztem Sinne aus, als ich dieselbe be- 
antwortet sehen möchte; er glaubt nämlich, dafs die Indi- 
viduenzahl der Pflanzen, mit der Annäherung gegen den 
Aequator, nicht im Zunehmen ist, was ich dagegen, nach 
meiner eigenen Anschauung der üppigen Vegetation der 
heifsen Gegenden, allerdings behaupten möchte. Herr 
Schouw führt als Gründe für seine Meinung an, dafs in 
der heifsen Zone die Individuen schon gewöhnlich gröfser 
wären, als in unseren kälteren Zonen, demnach schon auf 
einem Raume von einer und derselben Gröfse nicht so 
viele Individuen vorkommen könnten. Indessen diesen 
Grund kann man am wenigsten gelten lassen, denn die 
Dichtigkeit der tropischen Wälder, so wie die ungeheuere 
Masse von parasitischen Pflanzen, welche auf jedem Baume 


*") Grundzüge pag. 39. 


307 


von Bedeutung vorkommt, heben sicherlich die Verminde- 
rung der Individuenzahl, durch deren übermäfsige Gröfse- 
Entwickelung auf. Man spricht so allgemein und so 
bestimmt, ‚dafs die eryptogamischen Gewächse mit abneh- 
mender Breite auch an Artenzahl abnehmen, und gerade 
in den kälteren Ländern vorherrschend sein möchten; in- 
dessen dieser Meinung kann ich keineswegs beistimmen, 
und Herr Gaudichaud, welcher so verschiedenartige Ge- 
genden der heifsen und der temperirten Zone in botani- 
scher Hinsicht durchsucht hat, hat sich neuerlichst eben- 
falls gegen jene Annahme ausgesprochen. 

Bei allen diesen Vergleichungen müssen natürlich 
gleiche äufsere Verhältnisse beachtet werden, und die Ve- 
getation einer trockenen Gegend der heifsen Zone mufs 
nicht, etwa in Bezug auf Vergleichung der Cryptogamen- 
Zahl, mit einer feuchten Gegend unserer temperirten Zone 
neben einander gestellt werden. Die Cryptogamen erschei- 
nen in feuchteren Gegenden in gröfserer Masse, als in 
troekenern, und man untersuche dergleichen feuchte Gegen- 
den der heifsen Zone in Hinsicht ihrer Cryptogamen-Zahl, 
so wird man über die ungeheuere Menge derselben oftmals 
in Erstaunen gerathen. Welche ungeheuere Menge von 
Flechten ist bis jetzt schon aus Brasilien her bekannt 
geworden! In den feuchten Wäldern der Tropen werden 
aber auch diese Flechten, noch mit grofser Individuenzahl 
von Jungermannien überzogen. Aber nur aufserordentlich 
wenige Punkte in der heifsen Zone sind, in Bezug auf 
Cryptogamen, genau untersucht worden, und von einer 
Genauigkeit bei Untersuchung dieses‘ Gegenstandes, wie 
wir dieselbe jetzt bei uns gewohnt sind, ist noch niemals 
in jenen Gegenden die Rede gewesen. 

Nehmen wir nun als erwiesen an, was im Vorherge- 
henden näher angedeutet wurde, dafs mit zunehmender 
Wärme auf der Oberfläche der Erde nicht nur die Arten- 
zahl und Individuenzahl der Pflanzen, sondern auch die 
Veredelung der Pflanzen-Formen immer mehr und mehr 


hervortritt, so wird man schon hierin ein Gesetz erkennen 
20 * 


308 


müssen, nach welchem die schaffende Natur die ganze 
Pflanzenmasse über die Oberfläche der Erde vertheilt hat. 
Schon diese so einfachen Resultate möchten sich aller 
Vorstellung von der Verbreitung. der organischen Wesen 
durch Wanderungen entgegensetzen; indessen noch eine 
Menge anderer Thatsachen sind vorhanden, welche durch 
Wanderung der Pflanzen unmöglich zu erklären sind. Das 
Phleum alpinum, das Botrychium Lunaria und noch meh- 
rere andere Pflanzen, welche den bei uns wachsenden ganz 
ähnlich sind, wachsen ebensowohl auf den Inseln des Feuer- 
landes, obgleich sie in den dazwischen liegenden Zonen 
und Regionen gänzlich fehlen. Wie sollen die Saamen 
dieser Pflanzen von uns bis zu jenem entferntesten Orte 
Amerika’s gewandert sein? Auf den Inseln des Feuerlan- 
des herrscht indessen ein ganz ähnliches Clima, wie das- 
jenige, welches wir bei uns und in der subarktischen Zone 
kennen gelernt haben; warum, was uns so nahe liegt, 
erkennen wir nicht, dafs die Natur in diesen von einander 
so entfernt liegenden Gegenden ähnliche, und sogar ganz 
gleiche Gebilde hervorgerufen hat, weil die Verhältnisse 
dieser Länder sich nicht nur sehr ähnlich, sondern sogar 
oftmals ganz gleich zeigen. Aber in der Verbreitung der 
organischen Wesen, über die Erde, ist wohl nichts leichter 
zu erkennen, als das allgemeine Gesetz, dafs die Natur, 
unter ähnlichen Verhältnissen stets ähnliche, 
oder vollkommen gleiche ENDE hervorge- 
rufenxhat. 

Wir haben im Vorhergehenden ausführlich kennen ge- 
lernt, wie in entsprechenden Zonen und in entsprechenden 
Regionen, möge es in den entlegensten Gegenden der Erde 
sein, die Vegetation nicht nur ihrer Physiognomie nach die 
gröfste Achnlichkeit zeigt, sondern so häufig eine Menge 
ganz ähnlicher und sogar gleicher Formen, unter ähnlichen 
climatischen Verhältnissen erblickt, und es hat uns dieses 
zu der unbestreitbaren Thatsache geführt, dafs sich sehr viele 
Pflanzen nicht allein von einem einzigen Orte ihres Vor- 
kommens verbreitet haben können, sondern dafs sie an 


u 


s 309 


verschiedenen Stellen der Erde entstanden sein müssen. 
Nehmen: wir die Pflanzen aus der Region der Alpenkräu- 


.ter, welche so oft auf den Gipfeln der Gebirge entfernte- 


ster Zonen ein und dieselben sind, so werden wir mit 
gröfster Bestimmtheit über dieses Phänomen zur. Gewifs- 
heit kommen. Diese Regionen der Alpenkräuter auf den 
verschiedenen Gebirgen, sind wie Inseln im grofsen Luft- 
meere zu betrachten; Hunderte, ja oftmals Tausende von 
Meilen auseinander liegend, zeigen sie dennoch viele Pflan- 
zen, welche unter sich ganz gleich sind, und die meisten 
Pflanzen, auf diesen verschiedenen Inseln im Luftmeere, 
sind sich wenigstens aufserordentlich ähnlich. Wie sollen 
diese Pflanzen von dem Gipfel des einen Gebirges zu dem 
Gipfel des anderen Gebirges gekommen sein, wo gerade 
ein ähnliches Clima herrscht, wärend diese Pflanzen in der 
Ebene, welche zwischen diesen Gebirgen liegt, so wie auf 
den niederen Höhen derselben, durchaus gänzlich fehlen? 
Ja wir wissen, dafs sehr viele von diesen Alpen-Pflanzen, 
ohne besondere Vorrichtungen, nur selten in der wärme- 
ren Ebene wachsen wollen. Solche Vorstellungen von der 
Wanderung der Pflanzen müssen demnach heutigen Tages, 
bei der enormen Menge von Thatsachen, welche uns jetzt 
über das Vorkommen der Gewächse vorliegen, ganz und 
gar aufgegeben werden. Die Hypothesen früherer Zeiten, 
welche in dieser Hinsicht von den gröfsten Naturforschern 
ihrer Zeit ersonnen wurden, lassen sich durch die geringe 
Zahl von Beobachtungen entschuldigen, welche man da- 
mals über diesen Zweig des Wissens gesammelt hatte. 
Die Frage, ob die Natur von jeder Pflanzen- Art nur 
ein Individuum, oder deren mehrere in jedem Bezirke ihres 
Vorkommens geschaffen hat, läfst sich nur durch wenige 
Vermuthungen über die Zweckmäfsigkeit, welche man überall 
in dem schaffenden Principe der Erde erblickt, beantwor- 
ten; Thatsachen sind hier nicht zur Hülfe zu nehmen, und 
alle die Gründe, welche man hier, gegen die Erschaffung 
eines einzelnen Individuums jeder Art, aufführen kann, sind 
fast dieselben, welche man, gegen die Entstehung des gan- 


310 » 


zen Menschen-Geschlecht's aus einem einzigen Menschen- 
Paare, hat vorbringen können. Wie überall in der thieri- 
Schen Schöpfung, so ist auch hier die Frage über den 
Ursprung und über die Zahl der Autochthonen sehr schwer 
zu führen und gar nicht zu beantworten. 

Die genauen Beobachtungen, welche besonders in dem 
gegenwärtigen Jahrhundert gemacht worden sind, haben es 
unumstöfslich dargethan, dafs die Natur noch gegen- 
wärtig sowohl unvolikommene Thiere, als niedere Gewächse 
ohne Eier und Saamen zu schaffen im Stande ist; nur 
organischer Stoff und Wasser und Luft, die absolut nöthi- 
gen Bedingungen aller lebendigen Bildung, sind nöthig, 
um sofort, bei hinlänglicher Wärme, die organische Bildung 
hervorzurufen. Sind diese niederen Bildungen, sowohl unter 
den Thieren als im Pflanzenreich erst entstanden, so pflan- 
zen sie sich, wie Beobachtungen es hinlänglich gezeigt 
haben, durch Eier oder durch Saamen weiter fort, bis sie 
endlich wieder verschwinden, wenn ihnen die äufseren 
Verhältnisse entzogen werden, durch welche sie in das 
Dasein gerufen wurden. Bis zu welcher Ordnung von 
Thieren und Pflanzen hinauf diese Erzeugung ohne Keime 
von ihres Gleichen geschehen kann, das ist heutigen Tages 
noch sehr schwer zu beantworten; bei den Eingeweide- 
Würmern ist es, schon seit langer Zeit, aufser allen ge- 
gründeten Zweifel gestellt, dafs sich dieselben ohne Eier 
erzeugen können, und diese Erzeugung ist von einem krank- 
haften Zustande des Körpers begleitet, deren Produkte diese 
Gebilde sind. Die äufserst genauen und zahlreichen Be- 
obachtungen der neuesten Zeit, über das Vorkommen der 
Entozoen in den verschlossensten Theilen der Augen, so- 
wohl bei Menschen als bei Thieren, sind ebenfalls zu 
bestimmt, als dafs sie sich durch noch so sinnreich erfun- 
dene Hypothesen bekämpfen liefsen. 

Es ist hier nicht der Ort, um die Lehre von der ge- 
neratio originaria wiederum zu vertheidigen, ja ich möchte 
der Meinung sein, dafs dieselbe, durch die neuesten Unter- 
suchungen der Infusorien, in keiner Hinsicht hat bestritten 


31 


werden können; denn dafs sich diese niederen Geschöpfe, 
wenn sie einmal entstanden sind, auch durch Keime fort- 
pflanzen können, das hat man bisher fast immer angenommen. 
Das Herumfliegen von kleinen Pilzsporen in der Luft wurde 
immer von den Gegnern der generatio originaria, als Ein- 
wendung aufgestellt, wenn man von der Erzeugung der 
kleinen Pilze in abgesperrten Räumen sprach; abgesehen 
davon, dafs diese Annahme ganz und gar ohne Beobachtung 
dastand, denn Niemand hat diese Pilzsporen in der Luft 
umherfliegen gesehen, obgleich sie dazu grofs genug sind, 
kann man heutigen Tages solche Einwürfe ganz und gar 
zurückweisen, denn Herr. Dutrochet *) hat die höchst be- 
achtenswerthe Entdeckung gemacht, dafs man durch chemi- 
sche Substanzen die Bildung der Fadenpilze hervorrufen, 
sie beschleunigen und sie unterdrücken kann. Mit Leich- 
tiskeit kann Jedermann in seiner Stube dergleichen Ver- 
suche anstellen, welche ihn von der Erzeugung niederer 
Organismen ohne Keime überzeugen werden. Man nehme 
frisches Roggenbrod, befeuchte grofse Stücke desselben 
und lege ein solches Stück Brod in ein grofses Glas, wel- 
ches durch eine Glasscheibe, oder durch eine Glocke genau 
verschlossen wird. In Zeit von drei bis vier Tagen wird 
sich die erste Schimmelbildung auf jenem Brode zeigen, 
und es werden fast immer ein und dieselben Schimmel- 
formen sein, welche sich auf dem Brode zeigen, man mag 
das Gefäfs offen stehen lassen, oder es verschliefsen, oder 
es in diese oder jene Stube stellen, wo durch Reinlichkeit 
keine Schimmel vorhanden sind. Die verschiedenen Farben 
und die verschiedene Dichtigkeit, mit welchen diese klei- 
nen Schimmel auftreten, haben sie schon oft zu verschie- 
denen Arten gemacht, von deren Nichtigkeit man sich 
durch genaue mikroskopische Beobachtung sehr bald wird 
überzeugen können. Wird nun jenes Brod durch wieder- 
holtes Anfeuchten gehörig nafs erhalten, so dauert die 


*) Observations sur l’origine des moisissures. — Annal. des scienc. 


nat, 1834. Tom. I. pag. 30 — 38. 


312 


Schimmelbildung mehrere Monate hindurch ununterbrochen 
fort, dann aber hört die Bildung plötzlich auf, die gebil- 
deten Schimmelmassen zerfallen und es kommt die noch 
übrig gebliebene Substanz von dem verschimmelten Brode 
wieder zum Vorschein; diese Substanz kann man nun der 
Stubenluft so lange aussetzen, als man nur will, um etwa 
‚die darin herumfliegenden Schimmelsporen aufzufangen, 
und, was gewifs sehr zu beachten ist, man wird jetzt sehen, 
dafs sich darauf keine neue Schimmel bilden. Ich möchte 
in dieser Erscheinung eine Bestätigung meiner Ansicht, 
über die Bildung dieser niederen Geschöpfe finden, und 
darin zugleich einen Beweis gegen das Umherfliegen der 
Schimmelsporen in freier Luft sehen. 

Die Bildung der kleinen Isarien, auf dem Leibe der 
abgestorbenen Fliegen zur Herbstzeit, worauf ich schon 
pag. 87 aufmerksam gemacht habe, ist hier ebenfalls in 
das Gedächtnifs zurückzurufen. 

So wie nun die Natur in der gegenwärtigen Zeit nur 
niedere Gebilde ohne Keime ihres Gleichen zu erzeugen 
vermag, so hat sie einst, als sich die jetzige Erde mit 
Pflanzen belebte, auf eine ähnliche Art die höheren Pflan- 
zen und Thiere erschaffen, deren Fortpflanzung wir gegen- 
wärtig nur durch Keime oder Eier vor sich gehen sehen. 
Hiebei ist aber noch ein anderer sehr wichtiger Umstand 
zu erörtern; die Frage nämlich, ob die gegenwärtig beste- 
henden sehr zahlreichen Arten von Pflanzen, gleich von 
Anbeginn der gegenwärtigen Vegetations-Epoche vorhan- 
den gewesen sind, oder ob sich die Zahl derselben allmä- 
lich ‚vermehrt hat, indem vielleicht einige Individuen, durch 
den Einflufs des verschiedenen Clima’s und die Eigen- 
thümlichkeiten des Bodens, so verändert worden sind, dafs 
sie gegenwärtig, als constant gewordene Varietäten, uns 
als bestimmte Arten erscheinen müssen. Es wäre gewifs 
Vieles sehr leicht zu erklären, wenn diese letztere Meinung 
durch. gegründete Beobachtungen unterstüzt werden könnte, 
auch wären gewifs viele Naturforscher sehr geneigt, diese 
Annahme_ festzustellen, da der grofse Einflufs, welchen 


313 


verschiedenartiges Clima und verschiedene Lokal- Verhält- 
nisse auf die Form der Pflanzen ausüben, ganz allgemein 
bekannt ist, und gerade dadurch eine grofse Menge von 
Formen entstanden sind, welche man als. Arten festzustel- 
len sucht, obgleich ihre Charaktere offenbar durch den 
Einflufs verschiedenartiger äufserer Verhältnisse entstanden 
sind. Aber eben in der Erkennung der Charaktere, wel- 
che die natürliche Art bestimmen, liegt gerade die grofse 
Schwierigkeit, welche allerdings nicht zu verkennen ist. 
„Die Art,“ sagt Herr Link, *) „ist das Beständige in der 
Natur, das Gesetz in der Verschiedenheit und der Zweck 
der Naturforschung ist das Beständige, das Gesetz zu 
suchen, wodurch die Mannigfaltigkeit in der Natur be- 
stimmt wird.“ 

"Wenngleich es wahr ist, dafs sehr oft, giebt man sich 
dem genauen Studium irgend einer Pflanzengruppe hin, 
die Anzahl der Arten dieser Gruppe stark vermindert 
wird, indem man erkennt, dafs diese oder jene Species, 
auf irgend einem Wege, durch äufsere Verhältnisse ver- 
anlafst, zur Veränderung ihrer Form gekommen ist, so 
möge man hieraus nichts weiter erkennen wollen, als dafs 
jene Arten auf unbeständige Charaktere gegründet waren, 
und was unbeständig ist, das kann die Art nicht charak- 
terisiren. 

O! wollte man diese goldene Regel festhalten, ‘so 
würde sich die Zahl der niederen Cryptogamen- Arten si- 
cherlich auf ein Drittel der gegenwärtigen Summe redu- 
ciren lassen. 

Man gehe indessen in den Vermuthungen über die 
zu grofse Arten-Zahl der phanerogamen Gewächse nicht 
zu weit; die Erfahrung hat bis jetzt eine specifische Ver- 
änderung der .bestimmten, natürlichen Arten noch nicht 
nachgewiesen, und ehe dieses nicht erfolgt ist, möge man 
dieselbe auch nicht anerkennen, denn sonst hört alle sy- 
stematische Naturforschung auf. Ich bin indessen der 


+) Die Urwelt etc, 2te Aufl. I. p. 280. 


314 


Meinung, dafs über gewisse, äufserst artenreiche Gattungen 
sehr schätzenswerthe Beobachtungen vorhanden sind, wel- 
che ganz bestimmt nachweisen, dafs fast alle die soge- 
nannten Arten dieser Gattung nichts weiter, als sehr 
leichte Varietäten sind, welche sich bald nach dieser, bald 
nach jener Seite hin verändern, so dafs zwischen jenen 
zahlreichen Arten nur sehr wenige unveränderliche For- 
men vorkommen, welche eben die natürlichen Arten sind. 
Die Herren Botaniker, welche diese Gattungen monogra- 
phisch bearbeitet haben, sind indessen über jene Beobach- 
tungen ganz mit Stillschweigen fortgegangen, und die sy- 
stematischen Werke nehmen jetzt jene Hunderte von neuen 
Arten auf, welche aus einigen wenigen Formen hervor- 
gegangen sein sollen.— Wohin soll dieses führen? 

Wir wissen Alle, wie aufserordentlich nahe die Men- 
schen der verschiedenen Racen stehen, und wie sie durch 
gegenseitige Verbindung mit einander verschmelzen, wir 
wissen aber auch, dafs, so lange Beobachtungen gemacht 
worden sind, die Menschen immer dieselben geblieben 
sind, sie mögen ein Clima zu ihrem Aufenthalte gewählt 
haben, welches sie wollten. 

Hier sind wir zur Aufstellung verschiedener Sub- 
Arten des Menschen berechtigt, keinesweges aber zur An- 
nahme, dafs die eine Menschen-Rate aus der anderen her- 
vorgegangen ist, nämlich die vollkommenere, die schönere 
aus der unvollkommeneren, der minder schönen. Wenn- 
gleich das allgemeine Gesetz zu herrschen scheint, dafs die 
Natur zuerst die unvollkommeneren und dann die voll- 
kommeneren Formen geschaffen hat, so sind doch keines- 
wegs diese letzteren aus den ersteren hervorgegangen. 

indessen, dafs die Zahl der phanerogamen Pflanzen- 
Arten im Allgemeinen nicht zu sehr vergröfsert ist, das 
möchte man vielleicht aus dem Gesetze erfahren, welches 
die arithmetische Botanik nachgewiesen hat; denn ginge 
diese Veränderung der Individuen in constante Varietäten 
fort, so würden sicherlich sehr bald alle bestimmten Ver- 
hältnisse aufgehoben sein, nach welchen die verschiedenen 


315 


Pflanzen - Gruppen geschaffen sind. Die statistische Un- 
tersuchung über die absolute und relative Anzahl der 
Pflanzen-Arten hat nämlich auf ein bestimmtes Gesetz 
geführt, wonach die verschiedenen Pflanzen-Gruppen, Fa- 
milien nämlich, Gattungen und Arten, für bestimmte Zo- 
nen geschaffen sind. Familien von weniger entwickelten 
Pflanzen nehmen in den kälteren Zonen verhältnifsmäfsig, 
zur absoluten Zahl der Pflanzen- Arten, an Arten-Zahl 
zu, wärend die entwickeltsten Familien, gegen den Ae- 
quator hin, verhältnifsmäfsig an Arten-Zahl reicher wer- 
den. Ja die Resultate dieser neuen Wissenschaft sind so 
aufserordentlich, dafs man schon gegenwärtig, wenn man 
erst das Gesetz kennt, wonach die verschiedenen Familien 
für eine bestimmte Zone wertheilt sind, aus der genauen 
Zahl der Arten einer Familie jener Zone, auf die gesammte 
Zahl aller Phanerogamen eben derselben Zone schliefsen 
kann, welche daselbst wachsen, ja sogar die Menge der, 
daselbst vorkommenden Arten anderer Familien läfst sich 
hiernach andeuten. 

Dieser so erfolgreiche Zweig von der Lehre der 
Vertheilung der Gewächse ist, durch unendlich mühsame 
Untersuchungen der verschiedensten Floren, zu solchen 
auffallenden Resultaten gelangt; doch diese Wissenschaft 
ist noch weit entfernt, um den gehörigen Grad von Be- 
stimmtheit erreicht zu haben, indem bis jetzt nur wenige 
Ländermassen so genau, in Hinsicht ihrer Pflanzen - Zahl, 
bekannt sind, als es zu diesen Untersuchungen durchaus 
nöthig ist. 

In diesem Buche ist nicht der Ort, in specielle Un- 
tersuchungen über diesen Gegenstand einzugehen, sondern 
es wird dem Zwecke desselben entsprechen, wenn ich 
auf die Art und Weise aufmerksam mache, welche bei 
dergleichen statistischen Untersuchungen zu beachten ist, 
und schliefslich werde ich dann die relativen Verhältnisse 
der wichtigsten Pflanzen-Gruppen, in statistischer Hinsicht 
aufführen, so weit dieselben gegenwärtig, als ziemlich be- 
stimmt festzustellen sind. 


316 


Die wichtigsten Arbeiten über die Statistik der Ge- 
wächse sind in den Abhandlungen von Herrn Alexander 
v. Humboldt #) und Herrn Beilschmied **) enthalten, die 
übrigen zahlreichen Schriften der gelehrtesten Botaniker, 
welche Untersuchungen über die statistischen Verhältnisse 
der Pflanzen enthalten, sind meistens schon im Vorherge- 
henden genannt werden. 

Wenn man die Flora irgend einer Gegend, oder ei- 
ner ganzen Zone, in statistischer Hinsicht untersucht, so 
vergleicht man einmal die absolute Zahl der Arten ver- 
schiedener Familien unter sich, oder man vergleicht diese 
Zahlen mit der Gesammtzahl aller Pflanzen derselben Ge- 
gend, oder auch, man betrachtet die Massen, welche die 
Arten irgend einer Familie eben derselben Gegend bilden. 

Deutschland besitzt nach Röhling’s Flora an 2600 
Phanerogamen; in dieser Summe findet man 328 Gluma- 
ceae, 163 Leguminosen u. Ss. w. Diese Zahlen kann man 
in doppelter Hinsicht mit einander vergleichen; einmal 
nämlich das Verhältnifs der Glumaceae zu den Legumi- 
nosen, wonach man erfährt, dafs die Arten-Zahl der Glu- 
maceae in Deutschland noch einmal so grofs ist, als die 


der Leguminosen. Ferner kann man nach diesen Zah- - 


len das Verhältnifs der Glumaceae und der Leguminosen 
zur Gesammtzahl der Pflanzen- Arten Deutschland’s erfah- 
ren, wenn man mit ihrer Anzahl in die gesammte Masse 
der Pflanzen Deutschlands dividirt. Hiernach ergiebt es 
sich, dafs die Glumaceae in Deutschland den 7,9 Theil 
der gesammten Arten-Zahl bilden, wärend die Legumino. 
sen nur den 16ten Theil der Flora ausmachen. 

Die Untersuchungen über die Vertheilung der Gat- 
tungen auf der Erde, sind weniger ergiebig an richtigen 
Resultaten, denn einmal hängt die Zahl der Gattungen 


*) Sur les lois que l’on observe dans la distribution des formes 
vegetales. — Dict. des scienc. nat. T. XVIH. p. 422 — 437. 

+) Excurs über einige bei pflanzengeographischen Vergleichen 
zu beachtende Punkte, etc. — Enthalten in dessen Pflanzengeographie 


nach Alexander v. Humboldt’s WVerken, etc. Breslau 1834. p. 126. 


) 


317 


nur zu sehr von der Willkür des Beobachters ab, und 
zweitens nehmen die Gattungen, im Verhältnifs zu der 
Arten - Zahl, von dem Aequator zu den Polen hin, nicht 
gleichmäfsig ab, denn es finden sich, in den kältesten Zo- 
nen, weit mehr Gattungen, als einer gleichen Arten-Zahl 
unter dem Aequator zukommen möchte. 

Die statistischen Resultate, welche man aus solchen 
Flören zieht, die genau genug bekannt sind, mufs man 
allen unsicheren, und im Allgemeinen unvollständigen Pflan- 
zen-Verzeichnissen anderer Gegenden vorziehen; die Flo- 
ren von Lappland, Schweden, Deutschland, England, Frank- 
reich und der Schweiz, so wie die Floren einiger Inseln, 
‘ können auf einen hohen Grad von Vollständigkeit, we- 
nigstens in Hinsicht der Phanerogamen, Anspruch machen, 
und die Resultate, für das gegenseitige Verhältnifs der 
einzelnen Familien, welche aus diesen Floren gezogen 
sind, werden für diese Zonen die gesetzmäfsige Verthei- 
Jung angeben, wie sie durch die Berechnung der Herrn 
A. v. Humboldt, Mirbel, Beilschmied u. A. m. gegenwärtig 
festgestellt sind. 

Die wichtigsten Regeln, welche man bei diesen Be- 
rechnungen zu beobachten hat, möchten im Kurzen fol- 
gende sein; worauf hauptsächlich H. Beilschmied in der 
genannten Abhandlung aufmerksam gemacht hat. 

Man achte erstlich sehr genau darauf, dafs die zur 
Zählung zu benutzenden Arten der Floren verschiedener 
Gegenden, nach gleichen Grundsätzen aufgestellt sind, da- 
mit nicht etwa hier und da die Zahl der Arten, durch 
monographische Arbeiten einzelner Gattungen so übermä- 
fsig vergröfsert werde, so dafs dadurch offenbar die richtigen 
gegenseitigen Verhältnifs - Zahlen (welche man auch. die 
Coefficienten nennt) verloren gehen. Dergleichen Unter- 
arten und Varietäten, welche in der einen Flora mehr 
enthalten sind, als in der anderen, mufs man vorher zu 
den gehörigen Arten wieder zurückführen. 

Ganz eben dasselbe ist bei der Berechnung der Fa- 
milien zu beobachten, denn die verschiedenen Autoren ha- 


318 


ben diese oder jene Gattung oftmals zu sehr verschiede- 
nen Familien gebracht, wodurch natürlich bei den Berech- 
nungen sehr bedeutende Fehler entstehen können, wenn 
man dieses nicht vorher regulirt hat. 

Vor Allem ist zu bemerken, dafs die Pflanzen eines 
Landes oder irgend eines Bezirkes, welches man zur Ver- 
gleichung mit anderen Floren bemutzen will, auch einer 
unl derselben Höhen-Region angehören; denn wollte man 
z. B. die Pflanzen eines Landes, welches Gebirge von 9- 
und: 6000. Fufs Höhe hat, sämmtlich gleichmäfsig behan- 
deln, so würde man sicherlich sehr unrichtige Resultate 
erhalten; ja es wäre eben so gut, als wenn man die Flo- 
ren verschiedener, oft sehr entfernter Zonen mit einander 
vermischte, und auch hiemit würden die erhaltenen Ver- 
hältnisse nieht ganz genau übereinstimmen, denn die Quo- 
tienten der einzelnen Familien ändern sich mit steigender 
Höhe und mit zunehmender Breite in ungleichen Verhält- 
nissen, wie wir es später sehen werden. 

Zu dergleichen Berechnungen ist es auch erforderlich, 
dafs man die Floren von Ländermassen gleichen Umfanges 
wähle, indem die Resultate der Berechnungen von klei- 
nen und von gröfseren Distrikten keineswegs ganz genau 
übereinstimmen, indem die Verbreitungs- Bezirke der ver- 
schiedenen Pflanzen so sehr verschieden grofs sind. 

Am übereinstimmendsten werden die Resultate bei 
der Vergleichung zweier Floren sein, wenn beide in einer - 
und derselben ‚Zone. liegen und zwar in Gegenden, wo 
die Physiognomie der Vegetation durch eine und dieselbe 
Pflanzenform bedingt wird. Es ist natürlich, wollte man 
z.B. die Pflanzen gleicher Ländermassen der subtropischen 
Zone, in der nördlichen und in der südlichen Hemisphäre 
mit einander vergleichen, dafs dann die Verhältnifs-Zahlen 
der einzelnen Familien gar oft von einander differiren 
werden, denn viele Familien, welche in der nördlichen 
Hemisphäre dieser Zone zahlreich vorhanden sınd, zeigen 
in der südlichen Hemisphäre nur einzelne Repräsentanten, 
und so umgekehrt mit den Pflanzen- Familien der südli- 


319 


chen Hemisphäre. Wollte man z. B. die relativen Ver- 
hältnisse der einzelnen Familien Neuhollands mit denjeni- 
gen der subtropischen Zone Nord-Amerika’s vergleichen, 
so würde man die auffallendsten Verschiedenheiten dabei 
wahrnehmen, weil in diesen beiden, so entfernt liegenden 
Ländern, ganz verschiedene Pflanzen-Gruppen die Haupt- 
rolle spielen. 

Endlieh hat man bei den statistischen Vergleichungen 
der Floren zweier Länder noch auf eine gewisse Gleich- 
mäfsigkeit des Bodens zu achten, denn davon hängt gar 
zu viel ab. Die Pflanzen eines grofsen Stück Landes mit 
sauerem Boden, wie z. B. der Lüneburger Heide, vergli- 
chen mit einem daneben liegenden Lande mit Sandboden, 
werden sehr auflallende Verschiedenheiten in den Resul- 
taten zeigen. | 


Die natürlichste Eintheilung sämmtlicher Gewächse 
in gröfsere Gruppen ist noch immer die in Monocotyle- 
donen, in Dicotyledonen und in Acotyledonen, und wir 
wollen demnach zuerst die relativen Verhältnisse festzu- 
stellen suchen, worin diese Gruppen für gewisse Zonen 
gegen einander auftreten. 

In Bezug auf die Acotyledonen, welche die Crypto- 
gamen umfassen, ist zuerst zu bemerken, dafs diese bis 
jetzt noch von dergleichen statistischen Berechnungen aus- 
geschlossen werden müssen, denn ihre Anzahl ist gegen- 
wärtig nur für sehr wenige Orte einigermafsen genau be- 
kannt, und bei der Bestimmung der Arten in einzelne Ab- 
theilungen dieser Gruppe, z. B. bei den Algen, den Flech- 
ten und in einzelnen Familien der Pilze, sind die Ansich- 
ten der Botaniker so sehr verschieden, dafs die Angaben 
der Artenzahl dieser Gewächse, für eine und dieselbe Ge- 
gend oft, bei den verschiedenen Autoren, um das Dop- 
| pelfe und das Dreifache differiren möchten. Die Zahl der 
| Pilze, der Moose und der Algen ist überall in kälteren 
Gegenden, wo einigermafsen Feuchtigkeit vorhanden ist, 
sehr grofs, indessen nur wenige Floren einzelner Städte 


320 


haben eine solche Anzahl bis jetzt aufgeführt, dafs man 
damit die eryptogamische Flora für einigermafsen erschöpft 
halten könnte, denn oft finden sich auch daselbst noch neue 
Arten, wenn man nur speciell darnach sucht. 

In nördlichen Gegenden ist es jetzt schon als be- 
stimmt anzusehen, dafs die einzelnen kleinen Bezirke, wie 
die Floren einzelner Städte, mehr Cryptogamen als Pha- 
nerogamen aufzuweisen haben; weniger ist dieses für die 
Floren grofser Länder der Fall, weil die Verbreitungs- 
Bezirke der Cryptogamen oftmals so sehr ausgedehnt sind. 
Ganz bestimmt kann man jedoch annehmen, dafs die To-' 
tal-Summe der Cryptogamen lange nicht so grofs ist, als 
die der Phanerogamen; es möchte aber noch eine sehr 
geraume Zeit vergehen, bis man nur einigermafsen die 
Cryptogamen der fremden Welttheile kennen wird. Alle 
Resultate, welche man gegenwärtig durch Vergleichung 
der gesammten Arten-Zahl der Acotyledonen mit derje- 
nigen der Monocotyledonen und der Dicotyledonen erhält, 
sind sicherlich so unsicher, dafs sie, kaum als der Wahr- 
heit sich näherend zu betrachten sind. 

Eine einzige Abtheilung der Acotyledonen, nämlich 
die Farrn-Kräuter, welche durch ihre Schönheit beson- 
ders in die Augen fallen, sind auch in den fremden Welt- 
theilen in gleichem Grade vollständig gesammelt, wie die 
Monocotyledonen und Dicotyledonen, so dafs man diese, 
schon mit einiger Sicherheit, zu statistischen Untersuchun- 
gen benutzen kann. 

Wenngleich jene entfernten Gegenden der heifsen und 
der temperirten Zone noch keine Ansprüche auf irgend 
einen Grad von Vollkommenheit in Hinsicht der Kennt- 
‚nifs ihrer Floren machen können, so kann man doch als 
wahrscheinlich annehmen, dafs unter den, noch unbekann- 
ten Pflanzen dieser Gegenden, fast ganz dieselben relati- 
ven Verhältnisse vorkommen, wie sie unter den schon be- 
kannten auftreten, demnach kann man aus dem Vorhande- 
nen schon auf das Ganze schliefsen. 

. Die Farrn-Kräuter lieben einen feuchten Boden und 


321 


wuchern mit besonderer Ueppigkeit im Schatten der Wäl- 
der, wo sie dann auch sehr zahlreich auftreten. 

Demnach möchte es schwer sein, das richtige Ver- 
hältnifs der Farrn zu den Monocotyledonen und den Dicoty- 
ledonen für ganze Zonen anzugeben, da ihr Auftreten wie 
das der Acotyledonen überhaupt, zu sehr von dem Was- 
serreichthume des Bodens abhängt, und da in den verschie- 
denen Zonen so häufig ganze Strecken entwaldet und 
wasserarm auftreten. In den feuchten Wäldern Südame- 
rika’s ist bekanntlich die Zahl der Farrn - Kräuter sehr 
grofs gefunden worden, indessen man kann nicht annehmen, 
dafs Amerika, wenn man nämlich gleiche Bezirke und 
gleiche climatische Verhältnisse bei der Verglei- 
chung betrachtet, reicher an Farrn ist, als die alte Welt. 
Die Anzahl dieser Gewächse auf Java, in den feuchten 
Wäldern der Philippinen und Ostindiens ist aufserordent- 
lich grofs und der Menge in Amerika nicht nachstehend. 

Die Herren Alexander v. Humboldt und R. Brown ge- 
ben das Verhältnifs der Farrn, zu der Gesammtzahl der 
Phanerogamen, für die heifse Zone gleich 1:20, und schwer- 
lich möchte dieses Verhältnifs bedeutend geändert werden, 
wenn wir auch eine gröfsere Menge von Pflanzen - Ver- 
zeichnissen aus jenen Gegenden zur Berechnung besitzen 
werden. Am Congo ist das Verhältnifs ungefähr wie 1:27, 
so wie es auch unter den Pflanzen von Neu - Holland 
gleich 1:26 ist. Die Ursachen, welche das zahlreiche 
Auftreten der Farrn in den Tropen bedingen, nämlich 
Wärme, Feuchtigkeit und Schatten, diese sind auf den In- 
seln, innerhalb der Wendekreise, oft in einem noch hö- 
heren Grade anzutreffen, und daher auch hier das Maxi- 
mum der Farrn zu finden ist. Auf Jamaica ist das Ver- 
hältnifs der Farrn zu den Phanerogamen gleich 1:10, auf 
Isle de France und Bourbon gleich 1:8; auf Otaheiti nach 
Herrn Banks gleich 1:4, und auf St. Helena sogar gleich 1:2. 

Uebrigens hat man allgemein die Bemerkung gemacht, 
dafs die Farrn auf den Inseln, im Verhältnisse zu dem 
entsprechenden Lande, sehr zahlreich auftreten. Auf den 

21 


322 


Falkland’s-Inseln ist ihr Verhältnifs mit Einschlufs der 
Lycopodien gleich 1:15, auf Neu-Seeland nach R. Brown 
gleich 1:6, auf der Norfolk-Insel, nach Herrn Endlicher’s 
Prodromus von 1833, gleich 1:3, und auf Tristan da Cunha 
nach R. Brown’s Angabe sogar wie 2:3. 

„Das Tropen-Verhältnifs der Farrn,“ sagt Herr R. 
Brown *), „auf niederen und offenen Landstrichen weicht 
sehr von den hier gegebenen Beispielen ab, und es ist 
nicht unwahrscheinlich, dafs, so wie das Maximum dieser 
Familie unter die Tropen fällt, so auch das Minimum 
derselben entweder innerhalb oder nur wenige Grade jen- 
seits der Tropen gefunden werden dürfte.“ Allerdings 
sind einige Thatsachen vorhanden, welche ein sehr schnel- 
les Abnehmen der Farrn-Zahl, von der heifsen Zone an, 
gegen den wärmeren Theil der temperirten Zone hin nach- 
weisen; indessen alle diese Beobachtungen liefsen sich sı- 
cherlich durch die grofse Trockenheit des Bodens erklären. 
Spätere Kenntnifs der Floren jener Gegenden, welche nur 
in sehr kleinen Theilen bekannt geworden sind, werden 
jene Vermuthung wahrscheinlich nicht bestätigen. 

Für die temperirte Zone giebt Herr v. Humboldt das 
Verhältnifs der Farrn zu den Phanerogamen gleich 1:70 
an, indem man ein Mittel aus den Floren des kälteren 
und des wärmeren Theiles dieser Zone, so wie der sub- 
tropischen Zone gezogen hat. 

Der kältere Theil der temperirten Zone ist gerade 
derjenige Theil der Erde, wo, wenigstens im Westen des 
alten Continents, nur noch wenig neue Phanerogamen zu 
entdecken sein möchten, daher können wir uns auf die 
Resultate dieser Gegenden etwas sicherer stützen. In 
Frankreich verhalten sich die Farrn zu den Phaneroga- 
men gleich 1:55; in Deutschland nach Röhling’s Flora 
gleich 1:45 (nach Herrn Wiest mit Einschlufs der Schweiz 


[4 


*) Systematische und geographische Bemerkungen über die Pflan- 
zen ın der Nachbarschaft des Congo-Stromes. In R. Brown’s Ver- 


mischten Schriften, Bd. I, p. 386. 


323 


und Istrien gleich 1:46); in Nordamerika nach Michaux 
gleich 1:34; in England gleich 1:35; in Schottland gleich 
41:31; auf den Färöern gleich 1:12,4 und auf Island 
gleich 1:18. 

In der südlicheren Hälfte der temperirten Zone sind 
diese Verhältnisse allerdings höchst auffallend kleiner, was 
aber wohl durch Lokalität, durch Trockenheit und durch 
Schattenlosigkeit zu erklären sein möchte. So zeigen die 
Farrn um Neapel nur -; zu den gesammten Gefäfs-Pflan- 
zen, in Griechenland -4;, in Portugal —1-, im griechi- 
schen Archipel z3z und in Aegypten sogar nur „47. Ich 
möchte nicht glauben, dafs diese Verhältnisse die richti- 
gen für die Breiten jener Länder sind, wo, schon seit ei- 
nem Jahrtausend, die Cultur des Bodens betrieben wird. 
Auch haben wir neuerlichst aus den östlichsten Ländern 
des alten Continents dieser Breite Nachrichten und eine 
aufserordentliche Menge von Pflanzen erhalten, worunter 
auch sehr viele Farrn - Kräuter; auch sehen wir, dafs 
sich, auf den Canarischen Inseln, die Farrn mit „,; zu 
der Masse der Gefäfs-Pflanzen darstellen. Indessen sol- 
ches schwache Auftreten der Farrn-Kräuter, wie im Vor- 
hergehenden gezeigt wurde, findet sich auch in vielen Ge- 
genden der heifsen Zone; Herr R. Brown führt schon an, 
| dafs die Inseln im Meerbusen von Carpentaria mehr als 
| 200 phanerogamische Gewächse, und nicht mehr als 3 
Farrn aufzuweisen haben. Fast in eben demselben Ver- 
hältnisse habe auch ich die Farrn im südlichen Peru ge- 
funden; in den Ebenen fehlen sie daselbst fast gänzlich, 
doch auch auf den Gebirgen dieses Landes habe ich sie, 
nur in einem so geringen Verhältnisse zu den Phanero- 
gamen gefunden. 

Hiernach glaube ich schliefsen zu können, dafs sich 
das Verhältnifs der Farrn zu den Phanerogamen, gerade 
in der Mitte der temperirten Zone am kleinsten darstellt, 
und dafs es, sowohl nach dem Aequator als nach den 
Polen zu, immer gröfser wird, wobei das höchst eigen- 
thümliche zu bemerken ist, dafs diese Pflanzen mit ihrem 

21.* 


324 


absoluten Maximum in der heifsen, und mit dem absolu- 


ten Minimum gerade in der kalten Zone auftreten. Am | 


Nordkap sind nur 4 Farrn zefunden, doch sie bilden da- 
p g y 


* .. [2 u | 
selbst ein Verhältnifs zu der Total-Summe der Phanero- 


gamen wie 1:7, und auf Grönland wie 1:10. In dem 
nördlichsten Theile der arktischen Zone, nämlich in der 
von mir genannten Polar-Zone, sind bis jetzt keine Farrn- 


Kräuter gefunden, wie dieses die Pflanzen - Verzeichnisse | 
von der Melville’s-Insel und von Spitzbergen nachweisen. 


In der Baffıns-Bay ist bis jetzt nur Lycopodium Selago 
gefunden. 


| 
| 
| 


Ganz anders verhält es sich dagegen mit den Mono- 
cotyledonen und den Dicotyledonen; das Gesetz, nach dem 


ihre Arten- Zahl in verschiedenen Zonen, von dem Ae- 
quator bis zu den Polar-Gegenden hin, auftritt, ist schon 
gegenwärtig mit ziemlicher Gewifsheit bestimmt, sobald 
man nämlich grofse Ländermassen dabei in Berechnung setzt. 

Auf kleinen Distrikten verhält es sich ganz anders, 
selbst mitten in einem solchen grofsen Lande, wo sich 
das Hauptgesetz bestätigt findet; die Monocotyledonen 
nämlich, sind in ihrem Vorkommen mehr bestimmten Lo- 
kal- Verhältnissen unterworfen, als die Diceotyledonen, ihr 
gröfseres und stärkeres Auftreten ist jedesmal mit gröfse- 
rer Feuchtigkeit des Bodens verbunden, so wie sich ihre 
Arten-Zahl immer mehr und mehr vermindert, je trocke- 
ner der Boden und die Luft ist, worin sie auftreten. 
Diese Lokal- Verhältnisse sind, bei der Betrachtung der 
relativen Zahl der Monocotyledonen verschiedener Länder, 
recht sehr zu beachten, denn durch sie allein lassen sich 
die grofsen Abweichungen erklären, welche bald hier bald 
dort bemerkt werden. i 

Die Monocotyledonen nehmen, im Verhältnisse zu 
den Dieotyledonen, in kälteren Gegenden an Artenzahl zu; 
man könnte sagen, weil sie, als mehr unvollkommenere 
Pflanzen, mehr entfernt von der heifsen Gegend auftreten, 
indessen die Erscheinung erklärt sich auch durch die Ab- 
nahme der vollkommeneren Pflanzen nach den Polen hin, 


325 


wodurch sich der Quotient der Monocotyledonen immer 
mehr und mehr vergröfsert, je mehr man sich von dem 
Aequator entfernt. 

Aus vielen mühsamen Berechnungen stellte Herr 


| Alexander von Humboldt das Gesetz auf, dafs sich die 


Zahl der Monocotyledonen, zu derjenigen der Dicotyledo- 
nen in der heifsen Zone, gleich 1:6 verhalte, wärend die 
Verhältnisse in der temperirten Zone gleich 1:4, und in 
der kalten Zone gleich 1:3 sind. Alle Beobachtungen, 
welche seit jener Zeit gemacht sind, bestätigen diese An- 
gaben ziemlich ganz genau, und vervollständigen dieselben 
durch Hinzufügung von Zwischen-Zahlen. Herr v. Mar- 
tius *) hat z. B. die Pflanzen Ostindiens, welche durch 
Herrn Wallich nach Europa gebracht und vertheilt wur- 
den, in statistischer Hinsicht berechnen lassen; das Ver- 
hältnifs der Monocotyledonen zu den Dicotyledonen fin- 
det sich, in dieser grofsen Sammlung von 7643 Pflanzen- 
Arten, beinahe wie 1:64. Im nördlichen Neu - Holland 
ist das Verhältnifs der Monocotyledonen zu den Dicoty- 
ledonen nach Herrn R. Brown gleich 1:33, und in der 
subtropischen Zone dieses Landes, wie um Port Jackson 
gleich 1:3. Für die arktische Zone wird das Verhältnifs 
der Monocotyledonen zu den Dicotyledonen durch neuere 
Arbeiten noch genauer angegeben; aui der Melville’s-Insel 
ist es gleich 1:24, auf den Färöern-Inseln nach Herrn 
Trevelyan’s Flora **) gleich 1:21, auf den Falklands -In- 
seln nach d’Urville’s Flore des Malouines gleich 1:2, und 
auf Lappland, wie .auf Island ist dieses Verhältnifs sogar 
noch etwas gröfser, d. h. die Monocotyledonen sind noch 
zahlreicher zu den Dicotyledonen als im Verhältnisse zu 1:2. 

Hiernach ist die gesetzmäfsige Zunahme der Monoco- 
tyledonen, im Verhältnisse zu den Dicotyledonen, mit zu- 
nehmender Breite ganz bestimmt nachgewiesen, und wir 


”) Flora v. 1834. p-id: 
**) The Edinb, New Phil. Journ. Octob, 1834 — Jan. 1839. 
pag. 154 — 164. 


326 


gehen jetzt zu der Veränderung der Verhältnisse dieser 
Pflanzengruppe über, welche sich mit zunehmender Höhe 
nachweisen lassen. Eine sehr schätzenswerthe Arbeit des 
Herrn Osw. Heer *) hat uns über diesen Gegenstand für 
die Gebirge der Schweiz den erwünschten Aufschlufs ge- 
geben. Die Monocotyledonen verhalten sich in der Schweiz 
zu den Dicotyledonen, nach Ringier’s Berechnungen, un- 
gefähr gleich 1:4,9, doch sie vermindern sich, nach den 
Bergspitzen zu, sehr stark, wenigstens treten sie daselbst 
gleich 1:53 auf, ja auf gröfseren Höhen noch in ganz 
anderen Verhältnissen, nämlich wie 1:6, 1:7 und selbst 
wie 1:9 auf Kalkboden. | 

Beobachtungen auf den Glarner - Alpen gaben fol- 
gende Resultate: Es verhielten sich die Monocotyledonen 
zu den Dicotyledonen, auf einer Höhe vor 5- bis 6000 
Fufs, gleich 1:5, bei 6- bis 7000 Fufs gleich 1:54 und 
bei 7- bis 8000 Fufs gleich 1:55. Auf dem Gebirgs- 
kamme von dem St. Gotthard bis an den Bernina, sind 
die Verhältnisse fast in eben demselben Grade abnehmend; 
Herr Heer fand dasselbe, nämlich in 5- bis 6000. Höhe, 
gleich 1:412, in 6- bis 7000 Fufs gleich 1:53 und in 7- 
bis 8000 Fufs gleich 1:52, doch hier zeigen die Pflan- 
zen-Verzeichnisse einzelner Punkte die gröfsten Abwei- 
chungen, welche aber sehr leicht durch den verschiede- 
nen Reichthum an Wasser zu erklären sind. Die sum- 
pfigen Gegenden zeigen ein Verhältnifs der Monocotyle- 
donen zu den Dieotyledonen gleich 1:3, und die trocke- 
nen daneben zeigen ein Verhältnifs wie 1:6. Auf der 
trockenen Seite der Andula - Kette fand Herr Heer ein 
Verhältnifs wie 1:7, und auf ‘der östlichen Seite vom 
Bernhardin sogar wie 1:9. 

Herr v. Ramond **) fand auf dem Gipfel des Pic de 


*) Das Verhältnifs der Monocotyledonen zu den Dicotyledonen 
in den Alpen der östlichen Schweiz, verglichen mit denjenigen ın 
anderen Zonen und Regionen. $. Mittheilungen aus dem Gebiete 
der theoretischen Erdkunde. Heft 4. Zürich 1834. p. 9. 

*") Mem. du Museum, Vol. XIII. p. 217. 


- 


327 


Midi de Baynes nur 10 Monocotyledonen und 61 Dicoty- 
ledorien, demnach stehen sie hier im Verhältnisse wie 1:6. 
Vergleichen wir nun diese Vegetation, in der Region der 
alpinen Kräuter, mit der ihr entsprechenden Vegetation 
in der Polar-Zone, als z. B. mit der Vegetation der 
Melville's-Insel, so finden wir die auffallendste Verschie- 
denheit in dem Verhältnisse zwischen den Monocotyledo- 
nen und den Dicotyledonen dieser beiden Gegenden, in- 
dem sich auf der Melville's-Insel das Verhältnifs dieser 
Gruppen gleich 1:25 stellt. Offenbar ist die Feuchtigkeit 
des Bodens auf dieser Insel die Ursache, dafs die Zahl 
der Monocotyledonen, so wie die Zahl der Cryptogamen 
daselbst viel gröfser ist, als in der entsprechenden Region 
auf dem Pie de Midi. 

Besonders auffallend erscheint bei diesen Resultaten, 
dafs das gewöhnliche Verhältnifs der. Monocotyledonen 
zu den Dicotyledonen, in den Höhen der Schweizer-Ge- 
birge, nämlich 1:6, ganz eben dasselbe ist, wie es für die 
tropischen Gegenden festgestellt wurde, dafs jedoch, in den 
sumpfigen Gegenden jener Gebirge, das Verhältnifs gleich 
1:3 wird; es fragt sich nun, ob es sich in jenen tropi- 
schen Gegenden ganz eben so verhält, dafs nämlich, wo 
der Boden sehr feucht ist, auch die Zahl der Monocoty- 
ledonen, im Verhältnisse zu den Dicotyledonen, so sehr 
zunimmt, dafs auch hier ein Verhältnifs wie 1:3 heraus- 
kommt. Diese Frage glaube ich bejahend beantworten zu 
können, obgleich es hiezu noch an besonderen numerischen 
Momenten fehlt. Wichtig möchte eine Untersuchung der 
Ursachen werden, wodurch das Verhältnifs der Monoco- 


' tvledonen zu den Dicotyledonen, innerhalb der Wende- 


kreise mit jenen, in den geringeren Höhen der Schweizer- 
Gebirge übereinstimmt; ich glaube, dafs die grofsen Ver- 
breitungs-Bezirke der Monocotyledonen im Allgemeinen, 
hiebei sehr zu beachten sein möchten, indem man bis jetzt, 
bei der Erforschung der Thatsachen für die heifse Zone, 
immer sehr grofse Ländermassen hat in Berechnung stel- 


328 


len müssen, wo natürlich, durch ihr auszedehntes Areal, 
die relative Arten-Zahl der Monocotyledonen, im Verhält- 
nisse zu den Monocotyledonen eines kleinen Distriktes, 
sich vermindern mufs. 

Wenn wir erst .in den Besitz einer Flora irgend ei- 
nes Ortes der heifsen Zone kommen werden, dann wird 
sich hierüber wahrscheinlich Aufschlufs finden. ‘ 

Bei jenen Untersuchungen hat Herr Heer ebenfalls 
nachgewiesen, dafs die Vegetation auf den verschiedenen 
Seiten eines Berges, bei gleichen Boden- Verhältnissen 
nämlich, keinesweges verschieden ist, wie man es so oft 
angeführt findet. ' 

Nachdem nun die Gesetze angedeutet sind, nach wel- 
chen die Monocotyledonen zu den Dicotyledonen in den 
verschiedenen Zonen der Erde auftreten, gehen wir zu 
einigen der hauptsächlichsten Familien der Dicotyledonen 
über, um auch deren Verhältnisse zu anderen Familien 
und gegen die absolute Zahl der'ganzen Pflanzen -Masse 
zu zeigen. Br 

Herr Alexander von Humboldt *) hat in der genann- 
ten Abhandlung die Gesetze entwickelt, nach welchen 
die hauptsächlichsten Familien in den verschiedenen Haupt- 
Zonen auftreten; und ich kann hier auf die Resultate je- 
ner berühmten Arbeit verweisen, um so mehr, da seit je- 
ner Zeit nur wenige Floren einzelner Ländermassen er- 
schienen sind, welche grofse Aenderungen in der Angabe 
des Herrn A. von Humboldt herbeiführen könnten, son- 
dern es werden dieselben im Gegentheil immer mehr und 
mehr bestätigt. 

Eine schlagende Uebereinstimmung, und die Erklärung 
aller Abweichungen von dem allgemeinen Gesetze, kann . 
natürlich erst dann gefunden werden, wenn die Floren 
aller Zonen genau bekannt sein werden. 

Gegenwärtig sind eine Menge von. grofsen systema- 
tischen Werken in Arbeit, nach deren Vollendung eine 


*) Dict. des scienc. nat. T. XVII. p. 433 etc, 


329 


grofse Masse von Material zu neuen statistischen Berech- 
nungen zu erwarten steht, welche dann wohl so manche 
Lücken ausfüllen werden, welche gegenwärtig sehr fühl- 
bar sind. Y 
Es folgen hier die Angaben des Herrn Alexander von 
Humboldt über das relative Verhältnifs der hauptsächlich- 
sten Pflanzen-Familien für die verschiedenen Haupt-Zonen: 
Die Junceen, Cyperaceen und Gramineen nehmen, im 
Verhältnifs zur Artenzahl der gesammten Phanerogamen, 
mit steigender Breite immer mehr zu, denn sie verhalten 
sich, wie folgt; 
Kalte Zone. 


Heifse Zone. us Zone. 


dmeeıe 3.0, &. 1:400 1:90 It 4:29 
Cyperaceae .... |1:22 (1:50 1:20 
in Amerika) 
BR 1:10 


Gramineae ..... | 1:14 1:12 


Demnach verhalten sich die Glumaceae, nämlich die die 
drei genannten Familien zusammen, zu den gesammten Pha- 
nerogamen in der heifsen Zone gleich 1:11, in der tem- 
perirten gleich 1:8 und in der kalten Zone gleich 1:4. 

Die folgenden vier Familien, nämlich die Rubiaceen, 
. die Leguminosen, Euphorbiaceen und Malvaceen, verhalten 
sich gerade entgegengesetzt den vorigen, denn ihre relative 
Artenzahl vermindert sich, jemehr man sich von dem 
Aequator entfernt. Ihre Verhältnisse sind folgende: 


Heifse Zone. Kalte Zone. 


Temp. Zone. 


Rublaeeser nes. 11:14 (1:25| 1:60 1:80 

in Amerika) 
Leguminosae. ... 1:10 1:18 1:35 
Euphorbiaceae... 1:32 1:80, 1:500 
Malvaceae. :... . 1:39 1:200 _ |fehlen gänzl. 


330 


Die Familien der Cruciferae, Umbelliferae und der 
Composita@ verhalten sich in ihrer Vertheilung wiederum 
anders, denn ihre Quotienten sind in der temperirten Zone 
am stärksten, und nehmen gegen den Aequator und gegen 
die Pole hın ab. Ihre Verhältnisse sind folgende: 


Heifse Done lherapı Zone.| Kalte Zone. 


| 


Cruciferae ....» 1:800 1:18 (1:60 1:24 
Amerika) 


Umbelliferae ... . 1:500 1:40 1:60 
Compositae .... [1:18 (1:12| 1:3°(1:6 17413 


in Amerika); Amerika) 


Entgegengesetzt der Vertheilungsart dieser Familien 
haben wir im Vorhergehenden die der Farrn kennen ge- 
lernt, welche gerade in der temperirten Zone am schwäch- 
sten auftreten und gegen den Aequator, wie gegen die Pole 
hin relativ zunehmen. 

Nach dem Frscheinen jener Berechnungen des Herrn 
Alexander v. Humboldt, hat auch Herr Schouw einige der 
genannten Familien, in Hinsicht ihrer geographischen Ver- 
theilung speciell behandelt, wobei hie und da einige Ab- 
weichungen von den vorigen Angaben zum Vorschein 
gekommen sind. Die Gräser *) bilden z. B., nach Schouw’s 
Berechnung, -; bis 7; der gesammten Phanerogamen-Masse 
in der heifsen Zone, wärend sie nach obigen Angaben 
nur „1; daselbst ausmachen. Diese Verschiedenheit möchte 
wohl dadurch zu erklären sein, dafs Herr Schouw mehr 
die Special-Floren beachtet hat, worin die Quotien- 
ten der Monocotyledonen-Familien meistens gröfser er- 
scheinen, als wenn man grofse Ländermassen in Berechnung 
stellt, weil die Verbreitungs-Bezirke dieser Pflanzen mei- 
stens gröfser sind, sie demnach sowohl in dem kleinen 
Lande, wie auch in dem grofsen Lande gleich zählen, 


*”) S. Schouw, Gründzüge pag. 288. 


x 


nn —— 


331 


wärend in letzterem noch eine Menge anderer Phaneroga- 
men dazukommen. 
Für den wärmeren Theil der temperirten Zone findet 


Schouw ebenfalls 7; bis „4;, und für den kälteren Theil 


dieser Zone würde sich dann -, ergeben. In der arkti- 

schen Zone nehmen die Gräser dagegen 4 ein, denn auf 

Kamschatka, auf Island, auf Grönland und auf den Loffo- 
L 1 


den, bilden die Gräser 4, $ oder niedrigstens 4; auf der 
Melville's-Insel verhalten sie sich sogar wie 1:4,7. Die 
Florula der Loffoden, welche Herr Lessing *) mitgetheilt 
hat, giebt nur ein Verhältnifs wie 1:8, indessen wahr- 
scheinlich ist dieses in der Natur viel höher, indem eine 
Menge von Monocotyledonen in diesem Verzeichnisse zu 
wenig zu sein scheinen. Die Florula hat 162 Phaneroga- 
men (ohne Farrn), und 127 Dicotyledonen; demnach ver- 
halten sich daselbst die Monocotyledonen zu den Dicoty- 
ledonen gleich 1:3,6, ein Verhältnifs, welches dieser Zone 
ganz fremd ist. Bestätigte sich aber dennoch diese auf- 
fallende Abweichung für die Loffoden, so wäre es inter- 
essant, die Ursachen davon nachzuweisen. 

Herr Schouw glaubt annehmen zu müssen, dafs die 
relativen Verhältnisse der Gräser zu den Phanerogamen 
mit steigender Höhe abnehmen; verschiedene Berechnungen 
scheinen mir jedoch die Annahme zu bestätigen, dafs die 
relativen Verhältnisse der Gräser, ebensowohl mit steigen- 
der Höhe, wie mit zunehmender Breite zunehmen. Ich 
habe die gesammte Masse von Gebirgs-Pflanzen der Flora 
Frankreichs, welche Herr De Candolle **) mit genauen 
Höhen-Verhältnissen angegeben hat, für verschiedene Re- 
gionen berechnet und habe gefunden, dafs sich die Gräser, 
in der Region von 700 bis 1400 Meter, gleich 1:28,3 ver- 
halten; von 1400 —2100 Meter gleich 1: 23,8; bei 2100 
bis 2500 Meter gleich 1:26 und bei 2800 — 3500 Meter 
gleich 1:15. Das richtige Verhältnifs für die Ebene konnte 


*) Reise durch Norwegen nach den Loffo“en. Berlin 1831. 
*") Mem. de la Soc. d’Arcueil, III. pag. 262. 


332 


nicht angegeben werden, indem diese Pflanzen nicht beson- 
ders verzeichnet sind. Für die Flora des gesammten 
Frankreichs verhalten sich die Gräser zu den Phaneroga- 
men gleich 1:14. Die grofse Sammlung von Gebirgs- 
Pflanzen, welche Herr v. Humboldt aus Amerika gebracht 
hat, scheinen ebenfalls eine Zunahme der Gräser mit stei- 
gender Höhe zu beweisen, und ich habe dasselbe auf den 
südlicheren Theilen der Cordillere beobachten können, wenn 
der Boden’ nur einige Feuchtigkeit besafs. 

Die Cyperaceen sind eben so ausgedehnt über die 
Erde wie die Gräser; wır haben schon früher gesehen, 
dafs die Gattungen Cyperus und Carex, die hauptsächlich- 
sten dieser Familie, in ihrer geographischen Verbreitung 
entgegengesetzt auftreten. Die Cyperus-Arten treten mit 
ihrem Maximum in der heifsen Zone auf, und die Carices 
in der Nähe des Polarkreises am gröfsten, denn in Lapp- 
land, auf Island, Grönland und Kamschatka bilden sie immer 
2 bis 7,5 der gesammten Flora, darüber hinaus, wie auf 
der Melville’s-Insel, wird es schon wieder kleiner, denn 
sie bilden daselbst nur -z. - Aufserordentlich regelmäfsig 
ist die Abnahme der Cyperaceen von der subpolaren Zone 
an, nach den Wendekreisen hin. In Dänemark bilden sie 
75, in England „4, in Deutschland 55, in Frankreich 55, 
in Griechenland z'- u. s. w. 

Weniger genau ist das Verhältnifs der Cyperaceen, 
nach den gegenwärtigen Mitteln, für die heifse Zone an- 
zugeben, indessen es scheint, dafs sich daselbst ihre Zahl 
wieder vergröfsere, was auch mit der Thatsache überein- 
stimmen möchte, dafs die Cyperus- Arten in der heifsen 
Zone mit ihrem Maximum auftreten. 4; bis „4 möchte wohl 
das Verhältnifs der Cyperaceen für die heifse Zone sein. 

Die Zunahme der.Cyperaceen mit steigender Höhe ist 
gewifs nicht allgemein; ihr Erscheinen ist nur zu oft mit 
einem feuchten, sumpfigen Boden verbunden, welcher auf 
srofsen Höhen den meisten Gebirgen zukommt. 

Herr Schouw hat noch verschiedene andere Familien, 
als die Compositae, Leguminosae, Cruciferae, Cacteae, Pro- 


333 


teaceae und diePalmen in Hinsicht ihrer geographischen Ver- 
theilung speciell behandelt, worauf ich verweisen mufs, da, 
nach den neueren systematischen Arbeiten auffallend ver- 
schiedene Resultate zum Vorschein gekommen sind. Ueber- 
haupt glaube ich, dafs diese statistischen Angaben, wie ich 
sie hier in aller Kürze geordnei habe, ein Bild von dem 
Zustande dieses Theiles der Pflanzen - Geographie geben 
werden. Speciellere Ausführungen, welche mit beständiger 
Wiederholung der, schon so oft benutzten Thatsachen ver- 
bunden sind, sind aufser dem Zwecke dieses Grundrisses 
der Pflanzen- Geographie, sollen aber in meinen Vorlesun- 
gen über diese Wissenschaft besonders beachtet werden. 

In dem vorletzten Abschnitte habe ich ausführlich jenen. 
Parallelismus nachgewiesen, welchen die Vegetation, in 
Hinsicht ihrer Physiognomie, zwischen den, durch Aehnlich- 
keit und Gleichheit des Clima’s sich entsprechenden Zonen 
und Regionen darstellt; es wäre hiernach zu erwarten, 
dafs die statistischen Resultate gleichfalls in den, sich ent- 
sprechenden Zonen und Regionen übereinstimmten, hier- 
über jedoch sind noch keine Untersuchungen angestellt, 
welche auf den, hiezu erforderlichen Grad von Genauig- 
keit Anspruch machen könnten. Pflanzen aus dergleichen 
Familien, welche zu sehr von der Eigenthümlichkeit des 
Bodens abhängen, werden allerdings bei diesen Verglei- 
chungen der Vegetation gewisser Zonen, mit den ihnen 
entsprechenden Regionen, grofse Verschiedenheiten aufzu- 
weisen haken, in anderen Fällen wird dieses jedoch nicht 
der Fall sein. "Das relative Verhältnifs der Monocotyle- 
donen nimmt z. B. mit steigender Breite zu, in den, diesen 
Breiten entsprechenden Höhen, nimmt es aber stark ab, 
weil die Feuchtigkeit der Luft und des Bodens hier viel 
geringer ist. 

Zu den statistischen Untersuchungen dieser Art, wo 
nämlich jede Region besonders berechnet wird, sind leider 
die Floren der einzelnen Länder noch nicht geeignet, denn 
es ist hiezu unumgänglich nöthig, dafs bei jeder Pflanze 
sowohl der niedrigste, als der höchste Standort angemerkt 


334 


wird. Die mühesamen Angaben, welche Herr De Candolle *) 
über die Höhenausbreitung der Gebirgs-Pflanzen Frank- 
reichs mitgetheilt hat, sind die einzigen, welche gegenwär- 
tig hiezu zu benutzen sein möchten, aber auch hier fehlen 
die Angaben für die Pflanzen der Ebene, die, wollte man 
sie selbst aus den Floren über Frankreich ergänzen, ge- 
wifs sehr unrichtig zum Vorschein kommen würden. 

In der folgenden Tabelle habe ich die Gebirgs-Pflanzen 
Frankreichs nach den verschiedenen Regionen zusammen- 
gestellt, und die Gröfse ihrer Familien durch Verhältnifs- 
zahlen ausgedrückt. Da jene Pflanzen gröfstentheils bis 
zum 45dsten Grade der Breite, also noch innerhalb des 
wärmeren Theiles der temperirten Zone gesammelt sind, 
so habe ich für die Flora Frankreichs fünf Regionen an- 
nehmen müssen, wovon die unterste mit der wärmeren 
temperirten Zone zusammenfällt, demnach die zweite der 
kälteren temperirten Zone, die dritte der subarktischen, die 
vierte der arktischen und die fünfte der Polar-Zone ent- 
spricht. Die Höhen, bis zu welchen jene Pflanzen Frank- 
 reichs gefunden sind, gehen bis 3500 Meter hinauf, dem- 
nach entspricht, für diese Flora, eine Höhe von 700 Meter 
jeder Region. Zwar haben wir im Vorhergehenden nur 
1900 bis 2000 Fufs für die Höhenausdehnung einer jeden 
Region angenommen, doch hier möchte das wärmere Clima, 
welches der Westküste des Continents zukommt, die Ver- 
schiedenheit erklären. Bis gegenwärtig hat man bei allen 
statistischen Berechnungen der Pflanzen, die Trennung der 
Floren in verschiedene Regionen, und deren besondere 
Berechnungen unterlassen, und zwar weil fast überall die 
umständlichen Angaben über die Ausdehnung des vertika- 
len Verbreitungs -Bezirkes der Pflanzen fehlen. Es ist aber 
leicht einzusehen, dafs die Resultate, welche man auf jene 
Weise erhalten hat, nicht ganz genau sein können, denn 
nur in sehr seltenen Fällen stimmen die Verhältnisse für 
die einzelnen Familien in der Ebene und auf den Höhen 


*) Me&m. de la Soc. d’Arcueil. Tom. II. \ 


339 
überein, sondern meistens sind grofse Verschiedenheiten 
darin zu finden; daher ist es offenbar, dafs man zu keinen 
ganz constanten Verhältnissen über die Gröfsen der ein- 
zelnen Familien kommen wird, so lange man die Pflanzen 
der Gebirgs-Floren mit denen der Ebene gleicher Breite 
zusammen berechnet. Es mögen daher die dringendsten 
Aufforderungen an diejenigen Botaniker ergehen, welche 
bis jetzt Gebirgs-Floren bearbeitet haben, oder dieselben 
bearbeiten werden, dafs sie für jede Pflanze ihrer Flora 
den ganzen Umfang der vertikalen Verbreitung angeben. 

Es ist mir sehr wohl bekannt, dafs noch einige an- 
dere Werke vorhanden sind, worin die Höhenausdehnungen 
der verschiedenen Pflanzen ganz genau angegeben sind; 
indessen es scheinen mir diese Werke, für die grofse Län- 
dermasse, welche sie umfassen, noch viel zu unvollständig, 
um sichere Resultate zu liefern. Noch um das Doppelte 
und Dreifache möchte sich die Zahl der Pflanzen vermeh- 
ren, wenn jene Länder erst genau durchsucht sein werden. 

Die Resultate der Berechnungen, welche in der fol- 
genden Tabelle niedergelegt sind, können nur als unvoll- 
kommen angesehen werden, da das dazu benutzte Material 
ebenfalls nur unvollkommen ist; doch bin ich überzeugt, 
dafs sich die Gleichheit der Quotienten für die einzelnen 
Familien mit denjenigen, in den entsprechenden Zonen, 
noch deutlicher zeigen wird, wenn jenes Material vervoll- 
ständigt werden sollte. Es versteht sich übrigens von 
selbst, dafs hiebei jede Pflanze, deren Verbreitung durch 
verschiedene Regionen geht, in jeder einzelnen Region wie- 
der aufgezählt ist, wodurch man die absolute Zahl der 
Pflanzen einer jeden Region erhält. 


336 


Angaben der Verhältnifs-Zahlen für einige der vorzüglichsten Pflanzen- 
Familien Frankreichs, geordnet nach den verschiedenen Regionen 
des Landes. 


Von der |! Von 700 | Yon 1400 | Von 2100 |Von 2800 Fir 
Regionen: Ebene bis| bis 1400 | bis 2100 | bis 2800 | bis 3500 Fran 
700 Met. | Meter. Meter. Meter. Meter. $ 


Re A N 2 re ee ee... a 
be ER - er ent 
Dis) mern rt. rch chen | Fair 
Toten: emperir- | perirten | Zone. Zone. Zone. Höhe, 
ten Zone.| Zone. 
een 653 | 60 |. 269 79 | 3540 
Hiezu verhalten 
sich: < 
Monocotyledonen Si 1 Ba a a aa ER 1:6,7 1:6,1 1:4 
Gramineae..... ® ” 1:28,3 1:23,8 1:26 1:15 1:14 
Cyperaceae .... 35 4:19 1:20,3 1:23,89) YAezl 1:26 
Junceae ..... :.. er 1:65 1:44,9 | 1:26 1: 106 
Glumaceae...... en a li 1:8,6 
Liliaceae...... & | 1:343 | 1:36 | 1:67  Ifehl. ganzj 1:9088 
Orchideae....... 353. | 1:544 | 1:65 1:89,6 | desgl. | 1:69,4 
Coniferae ..... =. | 1:33 |-1:9288 | 1:269 | 1:79 | 4:208 
Amentaceae..... er 1:81,6 1:59 1:53,8 1:79 1:104 
Primulaceae.... = = 1:65 1:40,6 1:24,4 1:9,8 1:86,3 
Labiatae‘... . ... 2. | 4:326 | 1:34 1:134 | 41:79 | 1:262 
Rhinanthaceae .. S 1:29,7 1:23,6 1:20,6 1:26,3 1:26,2 
Gentianeae...... = 1:43,7 1:38 1:38 1: 26,3 41:118 
Erieinae ...... E |. 1:50 1:54 1:38 1:39,5 | 1:136 
Campanulaceae.. S 1:34,3 1:29,5 41:269 |fehl:gänzl| 1:9 
Compositae .... 1 1:7,5 1:6 1:103 | 1:112 | 1:8 
Rubiaceae ..... > 1:54 1:61 1:89,6 1:26,3 1:72,2 
Umbelliferae . . « @ | 4:204 | 1:26 | 1:67 | 4:79 | 1:268 
Saxifragae..... Ss | 1:326 | 41:209 |) 1:14,6 | 4:79 | 4:9 
BRosaceae.. .... B 1:47:2 41:18 1:15 1:19,7 1:29,5 
Leguminosae . .. > | 1:459 | 1:209 | 1:20,7 | 41:395 | 1:102 
Caryophyllaceae . E& 1:21,7 | 1:16,6 | 1:128 | 1:12 0 1 
Cruciferae . .... ® 1:498 | 1:19,6 | 1:20,6 | 1:43 1:18,2 
Ranunculaceae .. 1:2383 | 1:23,6 | 1:20,6 | 1:39,5 1:292 


337 


Man wird aus der vorhergehenden Tabelle ersehen, 
wie aufserordentlich verschieden die Quotienten der ein- 
zelnen Familien, für die verschiedenen Regionen und, im 
Verhältnisse zu denjenigen sind, welche aus den Pflan- 
‚zen-Arten des ganzen Landes gezogen; demnach wird 
man um so mehr einsehen, wie nöthig es ist, die Berech- 
nungen für einzelne Regionen zu machen. Wollte man z. B. 
ein Land mit hohen Gebirgen, mit einem anderen Lande 
gleicher Breite, in Hinsicht ihrer Pflanzenzahl vergleichen, 
so könnten die, Verhältnifszahlen der einzelnen Familien kei- 
neswegs übereinstimmend sein, und wenn sie es wären, 
so würden zufällige Verhältnisse hiebei die Ausgleichung 
veranlafst haben. 

In der Tabelle möchten vielleicht die Pflanzen der 
Region der Alpenkräuter am vollständigsten sein, und ver- 
gleichen wir diese mit den Pflanzen der Melville’s-Insel 
und mit denjenigen, welche Herr v. Ramond in der ent- 
sprechenden Region des Pic de Midi de Bagnes *) gesam- 
melt hat, so finden wir in diesen numerischen Angaben 
viele. Uebereinstimmungen, aber auch an Abweichungen 
fehlt es nicht, welche spätere Beobachtungen ausgleichen 
oder erklären möchten. 


. 1 Gipfel des Hoc. 
Region der Alpenkräuter Pic de Midi Melville’s 


Frankreichs. de Bagnes. Insel. 
Gramineae ..... == 1:15 1:10,11 1:4,7 
Cyperaceae ..... —= 1:26 1:25,3 1; 16,7 
Compositae..... 1:12 1:5,4 1:13,4 
Frifraea..n 0... — 1:79 1:17.27 1:6,7 
Hosacese ....... 5.1947 1:17,47 1:16,7 
Leguminosae .... = 1:39,53 4:47,7 1:32,53 
Ranunculaceae ... = 1:395 fehlen. 1:13,4 
Carvopiylleaer... = 1:11,2 1:11,9 1:13,4 
Cruciferae, .. .., — 41:13 1:11,9 1:4,9 
Campanulaceae... = — 1:71 1:6,7 


*) Mem. du Mus. Vol. Xill. pag 217. 


338 


Möge man aus den hierin vorwaltenden Abweichungen 
den Schlufs ziehen, dafs auf die Resultate aus einzelnen 
Gegenden, mögen sie noch so genau sein, kein zu grofses 
Gewicht gelegt werden darf; nur das Mittel aus der mög- 
lichst gröfsten Menge von Beobachtungen kann als Gesetz 
anerkannt werden, welches sich der Wirklichkeit am mei- 
sten näheren möchte. 


339 


Anhang 


m 


Die Geschichte der Cultur -Pflanzen, 


enthaltend: 


Untersuchungen über das Vaterland, die Verbreitung, den 
Anbau und den Nutzen der vorzüglichsten Cultur - Phanzen, 
welche sowohl zur Nahrung, als zur Bequemlichkeit, zum 
Luxus und zum Handel der Völker dienen und deren Wohl- 
| stand begründen. 


Die Cultur der Getreide - Arten. 


Wir fangen diese Betrachtungen mit der Cultur der 
Getreide- Arten an, welche bei uns, im engeren Sinne, un- 
ter Ackerbau verstanden wird. Der Ackerbau geht aller 
Ausbildung des Menschen voran, mit ihm ist Ruhe und 
Frieden und häusliches Glück verbunden, wovon der No- 
made nichts kennt. Mit der Einführung des Ackerbaues 
mufsten die Völker feste Wohnsitze ergreifen, und, sobald 
dieses geschehen, und ihre Existenz auf eine sichere Weise 
begründet war, konnte Verbesserung der Sitten und ander- 
weitige Gultur allmälich einziehen. 

Ein Volk, welches Ackerbau treibt, ist nicht in jeder 
Zeit zu blutigem Kriege geneigt; es kämpft nur für die 
Erhaltung seines Mutterbodens, worauf seine Nahrungs- 
Kammer begründet ist. 

Die hauptsächlichsten Getreide - Arten ( Cerealien ) 
sind der Weitzen, der Spelz, der Roggen, die Gerste und 
der Hafer für Europa und das angrenzende Asien; der 

22 * 


340 


Reis und mehrere Hirse- Arten *) für den ganzen Süden 
und Osten von Asien, der Mays für die neue Welt und 
das Sorghum vulgare, oder die Mohren-Hirse, Eleusine 
coracana und Poa abessinica für Afrika. 

Wir wissen nicht, unter welcher dieser Getreide - Ar- 
ten sich die erste Cultur des Menschen entwickelt hat, 
wahrscheinlich aber ist es, dafs die Völker im östlichen 
Asien, welche den Reis anbauten, zuerst zu festen Wohn- 
sitzen sich entschlossen haben, und, wie wir später sehen 
werden, scheint der Reis auch in jenem Lande wild zu 
wachsen. 

Die gesittete Bildung im Abendlande ist von der Cul- 
tur des Weitzens begleitet worden, doch ist es nicht aus- 
zumachen, wo derselbe zuerst gebauet wurde; ohne Zwei- 
fel kam der Ackerbau aus Aegypten nach Griechenland **), 
und zog sich, von hier aus, seg&nend über ganz Euroz:. 
Man hört beständig die Frage, wo wohl die Cerealien, 
welche wir jetzt cultiviren, in ihrem wilden Zustande ge- 
funden werden, und zwar glaubend, dafs von dort aus 
die Cultur habe ausgehen müssen. Indessen Beobachtun- 
gen der neuesten Zeit möchten dieser Annahme sehr wi- 
dersprechen; Herr von Martius hat, wie wir es später 
noch ausführlicher sehen werden, den Reis im Inneren von 
Südamerika wild gefunden, ja er hat beobachtet, dafs die 
Bewohner jener Gegenden denselben sogar einerndten, 
und dennoch haben sich jene Völker niemals auf die künst- 
liche Cultur dieses herrlichen Gewächses eingelassen, son- 
dern leben noch heutigen Tages in ihrem wilden Zustande. 
Es ist oftmals von sehr verschiedenen Zufälligkeiten "be- 
dingt, dafs die Völker, in diesem, oder in jenem Lande, 
bald die eine, bald die andere Nahrungs-Pflanze bauen, 


”) Panicum miliaceum, P. italicum, P. frumentaceum and Eleu- 
sine coracana. 

*) S. die gelehrien Untersuchungen über diesen Gegenstand in 
Hersn Link’s Urwelt und das Alterthum. Berlin 1834. 2te Auflage. 
pag: 400. 


341 


wenn sie daselbst auch andere, ja sogar viel vortheilhaf- 
tere Pflanzen cultiviren könnten. 

Das Vaterland unserer Cerealien wird gewöhnlich 
als unbekannt angegeben, indessen wohl mit Unrecht setzt 
man, in dieser Hinsicht, zu weniges Vertrauen auf die 
Beobachtungen sehr achtenswerther Reisenden. Der Spelz, 
die Gerste und der Weitzen sind theils in Persien um 
Hamadan, theils in Mesopotamien, an den Ufern des Eu- 
phrat’s wild gefunden; die Reisenden Michaux *) und Olıi- 
vier **) haben uns diese Beobachtungen hinterlassen. Wä- 
ren uns jene Länder, welche mit die Wiege für die abend- 
ländische Cultur warsn, nicht so aufserordentlich unbe- 
kannt, so würden wir sicherlich noch genauere Nachrich- 
ten, über das Vorkommen unserer Getreide - Arten aus 
jenen Gegenden besitzen, von wo aus sie auch, wenigstens 
aller Wahrscheinlichkeit nach, zu uns gekommen sein möch- 
ien. Herr Link ***) meint, dafs die Cerealien in jenen 
Ländern von so alter Cultur, verwildert sein könnten, doch 
dagegen kann man mit ganz gleichem Rechte einwenden, 
dafs es sich mit diesem Verwildern sehr zweifelhaft ver- 
hält, denn, wenigstens in unseren Gegenden, verwil- 
dern diese Cultur-Pflanzen keineswegs, und in den Tro- 
pen habe ich, eben so wenig von einem Verwildern des 
Reises oder des Mays’s etwas gesehen oder gehört. Bei 
uns ist es hinreichend bekannt, dafs dergleichen Cultur- 
Pflanzen, wenn sie sich durch zufällige Aussaat über die 
Ackerstellen hinaus verpflanzen, meistens nur ein Jahr 
hindurch daselbst vorkommen, und dann wieder gänzlich 
verschwinden. Demnach möchte ich nicht mehr dem Aus- 
spruche derjenigen beitreten, welche da meinen, dafs un- 
sere Cerealien gegenwärtig kein Vaterland mehr besitzen; 
von einigen ist dasselbe allerdings noch unbekannt, 


”) Enceyclop. method. Art. Botanique, T. I. p. 211. 
**) Voyage dans l’empire Ottoman, l’Egypte et la Perse. Paris 
1807. Ato. Vol. III. pag. 460. 
9) Die Urwelt etc. I. p. 493. 


342 


Der Weitzen (Triticum sativum L.). | 


Der Weitzen ist diejenige unserer Getreide-Arten, 
welche die meiste Wärme erfordert; an der Grenze der 
subtropischen Zone scheint sie am besten zu gedeihen, 
indem sie daselbst eine aufserordentlich reiche Erndte lie- 
fert. Der Anbau des Weitzens ist gegenwärtig aufseror-. 
dentlich weit verbreitet; er wird auf allen Erdtheilen be- 
trieben. In Europa steigt der Weitzen bis über 62° nörd- 
licher Breite hinaus, ja Herr Schouw *) giebt die Polar- 
grenze der Weitzen-Cultur für die scandinavische Halbin- 
sel sogar, nämlich auf der Westseite, in 64° Breite an; 
bemerkt aber auch, dafs die Weitzen-Cultur von einiger 
Bedeutung, erst unter 60° nördlicher Breite beginnt. Nach 
den meteorologischen Beobachtungen aus jenen Gegenden 
müssen wir schliefsen, dafs zur Weitzen-Cultur wenigstens 
eine mittlere Wärme von 4° Cels. erforderlich ist, wobei 
aber, wenigstens drei bis vier Monate lang, die mittlere 
Sommerwärme über 13° Cels. steigen mufs. Hiernach hat 
man sich zu richten, wenn man den Weitzen auf hohen 
Gebirgs-Ebenen ziehen will. Die tropische Hitze erträgt 
der Weitzen nicht gut, er kommt in jenen Gegenden erst 
auf solchen Höhen fort, welche mit unserer subtropi- 
schen und unseren teinperirten Zonen in Hinsicht des 
Clima’s übereinstimmen. 

Auffallend sind die niederen Höhen, in welchen. Herr 
v. Humboldt **) den Weitzen in Amerika antraf, nämlich 
bei Victoria, in der Nähe von Caracas, schon bei 1600 
Fufs, und auf der Insel Cuba, gerade an der Grenze der 
Tropen, nämlich bei Las Quatro Villas in viel geringerer 
Höhe, ja auf Isle de France wird der Weitzen sogar fast 
dicht über dem Meere gebauet. Ganz ähnliche Fälle wer- 
den auf der Insel Lucon beobachtet, wo aber durch die 
Eigenthümlichkeit der, daselbst herrschenden Monzoone 


*) Europa. Koppenhagen 1833. p. 9. 
”%) De distributione geogr. plantarum, pag. 161. 


343 


die mittlere Wärme sehr herabgedrückt wird. Aufserdem 
ist es mehreren tropischen Gegenden eigenthümlich, dafs 
man den Weitzen und die übrigen nördlichen Cerealien, 
gerade zur Winterzeit säet, und oft gerade an eben dem- 
selben Orte, wo in den nassen Sommer- Monaten die tro- 
pischen Früchte gezogen worden sind. Ich ‚selbst habe 
dieses zum Theil in der Nähe von Canton gesehen, und 
Herr Royle*) erzählt es von Indien, wo zur Winterzeit 
die Vegetation überhaupt oft ein europäisches Ansehen er- 
hält, und viele Arten echt europäischer Pflanzen - Gattun- 
gen zum Vorscheine kommen. 

In der Mitte der temperirten Zone von Europa, in 
Frankreich nämlich, wird der Weitzen nur bis zur Höhe 
von 5400 Fufs gezogen. In Mexico beginnt die Weitzen- 
Cultur erst in 2500 bis 3000 Fufs Höhe, ja in der Rich- 
tung von Veracruz nach Acapulco findet man, nach Herrn 
von Humboldt’s Beobachtung, erst in 3600 Fufs Höhe die 
Weitzenfelder, und sie steigen daselbst bis über 9000 Fufs 
hinaus. Auf dem Plateau des südlichen Peru sind die 
Weitzenfelder auf einer Höhe von 8000 Fufs, von aufser- 
ordentlicher Ergiebigkeit, selbst bei Cangallo, am Fufse 
des Vulkans von Arequipa, in einer Höhe von beinahe 
10000 Fufs, gedeiht der Weitzen noch ganz aufserordent- 
lich. ‘Am See von Titicaca, in einer Höhe von 12700 
Fufs, wo eigentlich ein beständiges Frühlings-Clima herrscht, 
aber die hinreichende Wärme der Sommermonate fehlt, 
da reift der Weitzen und der Roggen nicht mehr. Ich 
beobachtete an den Ufern jenes See’s, gerade zur Som- 
merzeit, des Morgens um 6 Uhr, nicht mehr als 6°'R. 
Wärme, und Mittags steigt sie, bei etwas bezogenem Him- 
mel, nur auf 12° R. Hierin liegt es aber, dafs der Weit- 
zen auf jenem so milden Plateau nicht mehr reift, wo der 
Winter äufserst gelinde ist. 

Wir wissen noch nicht genau, bis zu welcher Höhe 
die Cultur des Weitzens unter den Tropen hinaufsteigt, 


*) Illustrat. of the Indian Botan. etc. Fasc. I. pag. 40 etc. 


344 


doch wahrscheinlich geht sie, auf dem Plateau von Tacora 
noch weiter hinauf, als in den Gebirgen des Himalaya, wo 
keine so grofse und ununterbrochene Flächen vorkommen. 

Sehr ergiebig ist die Weitzen-Cultur in Chile und in 
den vereinigten Staaten des Rio de la Plata, so dafs die 
Ausfuhr des Chilenischen Weitzens von aufserordentlicher 
Bedeutung ist. Nicht nur nach Peru werden ungeheuere 
Massen von diesem Artikel ausgeführt, sondern selbst um 
Cap Horn herum, nach Rio de Janeiro, und der Chileni- 
sche Weitzen ist von vorzüglicher Qualität. Man bauet 


den Weitzen in Chile überall, wo hinreichend Wasser vor- 


handen ist, von dem Ufer des Meeres bis zu einer Höhe 
von 5200 Fufs. Aber dennoch, man sollte es nicht glau- 
ben, wird noch heutigen Tages. das nordamerikanische 
Mehl auf dem Markte von Välparaiso verkauft, und die 
Bäcker des Landes müssen es kaufen, da es wohlfeiler zu 
stehen kommt, als das im Lande bereitete Mehl, und zwar 
aus dem Grunde, weil noch keine Wege im Innern des 
Landes sind, und weil, aus Mangel an arbeitenden Händen, 
der Tageslohn noch viel zu hoch ist. 

Die Art der Weitzen-Cultur und die Anwendung des 
Weitzens setze ich hier, als bekannt voraus, ich theile aber 
noch einige Beobachtungen über den verschiedenen Grad 
der Fruchtbarkeit dieses Getreides in verschiedenen Ge- 
genden mit, um hiemit zugleich zu zeigen, um wie Vieles 
ein Boden, in einem besseren Clima, ergiebiger ist, als bei 
uns, wenn nur der Bewohner desselben arbeiten will. In 
unseren kalten Gegenden treibt jede Weitzenpflanze mei- 
stens nur einen Halm, und auf diesem nur eine Aehre, 
daher ist der Ertrag der Aussaat auch nur 5- bis 6fältig*) 
im Durchschnitt. In Ungarn, Croatien und Slavonien ist 
der Ertrag der Weitzen-Erndte im Durchschnitt 8- bis 
10fältig; in den vereinigten Staaten am Rio de la Plata 
ist die Erndte 12fältig, im nördlichen Mexico 17fältig und 
in den Aequatorial- Gegenden von Mexico sogar 24-, ja 


*) $. hiezu Herın A. v. Humboldt’s Nea- Spanien, IH. p. 60. 


345 


in fruchtbaren Jahren sogar 35fältig.. Herr v. Humboldt *) 
erzählt einen Fall von ganz aufserordentlicher Fruchtbar- 
keit, welchen man in Mexico beobachtet hat, wo nämlich 
eine Weitzen - Pflanze 40, 60 bis 70 Stengel getrieben 
hat, von welchen die Aehren beinahe durchgängig gleich 
gefüllt waren und 100—120 Körner trugen! 

Indessen um wie viel gröfser ist der Erfolg der Mays- 
Cultur? Auf dem Plateau von Mexico, wo man die Weit- 
zen-Erndte im Durchschnitte 18- bis 20fach rechnet, da 
bringt der Mays das 200fache Korn, worauf wir später 
sogleich zurückkommen werden. 

Neben dem Weitzen wird in südlichen Gegenden häu- 
fig der Spelz **) gebauet; er war den Griechen und Rö- 
mern bekannt, ja bei letzteren ist er nach Plinius ***) das 
älteste Getreide und hiefs far, ador, auch adoreum +). 

Die übrigen Getreidearten, welche wir bauen, als die 
Gerste, der Roggen und der Hafer, sind nur in den 
kälteren Gegenden von Bedeutung; sie widerstehen mehr 
der Kälte, als unser Weitzen und sind daher im höheren 
Norden die einzigen Cerealien, welche angebauet werden 
können. Die Roggen-Cultur herrscht in der subarktischen 
Zone, die Gerste und der Hafer dagegen in der arktischen 
und in dem gröfsten Theile der subarktischen Zone der 
östlichen Länder des Continents. Auf der skandinavischen 
Halbinsel steigt die Gerste bis zu 70° N. Breite; der 
Roggen bis 65 und 67, und der Hafer bis 65 und 624° 
Breite, wärend der Weitzenbau im Kleinen nur bis 62 — 
64° geht, und im Grofsen nur unterhalb 60° Breite an- 
getroffen wird. 

In eben demseiben Grade steigt der Anbau dieser 
Getreide-Arten viel weiter auf die Gebirge hinauf, als es 
mit dem Weitzen der Fall ist. Im südlichen Lappland 
z. B., in 67° N. Breite, wo noch keine Spur von Weitzen- 


*) 1üre: JM.-p.)52%, 
+") Triticum Spelta et var. 
”%) Hıst. nat. Lib. XVII. cap. 8. 
7) $. Link, die Urwelt u. s. w. p. 406. 


346 


Cultur ist, da steigt die Gerste schon bis zu 800 Fufs 
über die Meeresfläche #). Die Grenze aller Getreide- Cul- 
tur ist in den Alpen von Tyrol bei 3800 Fufs; in den 
Tyroler Gebirgen bei 4500 Fufs, auf dem Monte Rosa bei 
5880 Fufs. In Frankreich steigt die Roggen-Cultur nach 
Herrn De Candolle selbst bis 6600 Fufs, und in südlichen 
Gegenden steigt sie bis zu den bedeutendsten Höhen, wo 
die höchste Wärme des Tages selten über 14° Cels. steigt. 
In der Hochebene von Peru steigt die Gerste und der 
Roggen gewifs nur selten über 10000 Fufs hinaus, wenn 
sie nämlich reife Früchte tragen soll; den Hafer habe ich 
am See von Titicaca, in der Höhe von 12700 Fufs reifen 
sehen, doch Roggen, Weitzen, so wie meistens auch die 
Gerste, werden nur zu Grünfutter gebraucht, letztere kommt 
wohl noch hie und da, selbst auf dieser Höhe zur Reife. 


Zum Gebrauche als Grünfutter, wird die Gerste in Peru 
’ A 


selbst auf einer Höhe von 13800 Fufs gebauet, wie z. B. 
nach Herrn Rivero’s Beobachtung auf der Alto de Jacai- 
bamba **). Dagegen fand Herr Gerard im. westlichen 
Theile des Himalaya, woselkst Kunawar gelegen ist, moch 
bei 13000 Fufs die Gerste, den Buchweitzen und Rüben 
angepflanzt, doch ist nicht dazu gesetzt, ob die Gerste 'da- 
selbst zur Reife kommt. ‘In Chile wird gegenwärtig, üı 
der Breite zwischen Quillota und Valparaiso, die Gerste 
bis zu 5200 Fufs Höhe gebauet. 

Das Vaterland dieser letzteren Getreide - Arten, des 
Roggens und des Hafers nämlich, ist uns nicht bekannt ***), 
Wahrscheinlich gehört die Gerste auch dem nördlichen 
Afrika an, da schon Diodor in Aegypten das Vaterland 
derselben setzte, und daselbst schon früh der Gerstenwein 
bereitet worden ist. 

Bei den Hebräern, den Griechen und Römerd war 


*) S. Schouw’s Europa, p. 10. 
N) S. Memorial de ciencias nat. Lima 1828. I. pag. 102. 
=) Man sehe hierüber Herrn Link’s gelehrte Untersuchungen 
über diesen Gegenstand in dessen Urwelt u.s. w. Bd. 1. Pag. w7. 
2te Ausgabe. 


347 


die Gerste im Gebrauche. Der Roggen, dessen Vaterland 
eben so unbekannt ist, wie dasjenige des Hafers, scheint 
nach Herrn Link’s neuen Untersuchungen #) den Alten 
ebenfalls bekannt gewesen zu sein, doch von dem Hafer 
ist in den ältesten Quellen keine Spur zu finden. Man 
gab den Pferden, zur Zeit des trojanischen Krieges, die 
Gerste statt Hafer; erst spätere Nachrichten, wie z. B. 
Galen, sprechen von der Benutzung des Hafers. Bekannt- 
lich wird auch jetzt der Hafer meistens als Viehfutter ge- 
braucht, doch die alten Deutschen afsen Haferbrei, und in 
Irland, Schottland, in Norwegen und in Schweden wird 
häufig noch gegenwärtig Haferbrod gegessen. 


Der Reis (Oryza sativa L.). 


Der Reis ist wahrscheinlich dasjenige Getreide, wel- 
ches der gröfsten Menschenzahl zur Nahrung dient. Es 
war bisher eine allgemein anerkannte Thatsache, dafs der 
Reis nur der alten Welt angehöre, und wenn es nun auch 
wahr ist, was nicht mehr zu bestreiten ist, dafs der Reis 
(Oryza sativa L.) auch im Innern von Südamerika, als 
am Rio negro und in Para wild wächst, wo er von Herrn 
von Martius **) aufgefunden und von Herrn Nees von 
Esenbeck ***) als solcher erkannt ist, so ist diese Pflanze 
in Amerika, vor der Einwanderung der Europäer, doch 
niemals Gegenstand des Ackerbaues gewesen. Herr von 
Martius erzählt, wie am Rio Iraria, einem Arme des Rio 
Madeira, der wilde Reis so dicht stand, als wenn er künst- 
lich angesäet worden wäre, und dafs die wilden Indianer 
auch reichliche Erndten von diesem wilden Reise machen, 
indem sie kleine Kähne zwischen die reifen Halme führen, 
und den Saamen in diese hineinschlagen +). 


*) 1. c. p. 408. 
**) Reise nach Brasilien, III. p. 1309. 
***) Flora brasil. Vol. 2. pars 1. pag. 318. 560. 
7) Herr v. Martius ist indessen gegenwärtig der Meinung, dals 
dieser wilde amerikanische Reis dennoch wohl eine andere, von dem 
asiatischen Reise verschiedene Species sei. 


348 


Es ist eine auffallende Erscheinung, und kann nur 
durch den Stumpfsinn der Indianer erklärt werden, dafs 
diese ausgezeichnete Nahrungspflanze an einem Orte, wo 
sie in so grofser Masse wild wächst, nicht schon seit 
langer Zeit Gegenstand des Ackerbaues geworden ist, ja 
dafs sie, bis zu der neuesten Zeit, unserer Kenntnifs ver- 
borgen geblieben ist. Bei dieser Gelegenheit möchte ich 
erinnern, dafs der sogenannte wilde Reis, von welchem 
sich die Eingebornen von Canada wärend der Winterzeit 


ernähren, einer ganz anderen Pflanze, nämlich der Zizania 


aquatica angehört. | 

Im östlichen und im südlichen Asien ist die Reiscul- 
tur zu Hause, und dort bildet der Reis das allgemeinste 
Nahrungsmittel, aber auch im nördlichen Afrika, in Aegyp- 
ten, in Nubien, Persien, Arabien, im Oriente oder in Klein- 
Asien, in Griechenland, Italien und in den südlichen Thei- 
len von Portugal, Spanien und Frankreich ist der Reis 
ein gewöhnliches Nahrungsniittel. Der Anbau. des Reises ist 
mit den Europäern nach Amerika hinübergegangen, und er 
wird daselbst, in der tropischen und subtropischen Zone, 
Ja noch viel weiter hinauf, sehr häufig eultivirt. Im süd- 
lichen Nordamerika hat die Cultur des Reises so überhand 
genommen, dafs er daselbst schon längst das allgemeine 
Nahrungsmittel ist. Auch auf den Westindischen Inseln, 
in Venezuela und in Brasilien, wird dieses Getreide mit 
grofser Vorliebe gezogen und mit Recht möchte es daselbst 
den Mays verdrängen; ja die Negersklaven in Amerika 
ziehen den Reis der Manioca vor. Wie aufserordentlich 
grofs die Production des Reises schon gegenwärtig in Bra- 
silien ist, davon wird man sich durch die interressanten 
Nachrichten in Herrn v. Martius Reisebericht überzeugen. 

Die Provinz Maranhäo allein produeirt jährlich 560000 
bis 600000 Alqueires *), und eine eigene Dampfmaschine 
hat man daselbst aufgestellt, um den Reis zu entschlauben. 


*) 4 Alqueires bilden eine Fanega und 100 Fonegas sind gleich 
400,696 Berliner Scheffel. 


349 


In Indien und in China, wo der Reis die Hauptnah- 
rung bildet, da ist Hungersnoth und Tod die unmittelbare 
Folge, wenn die Reis-Erndte mifsräth, und wir sehen es, 
dafs dieses nicht so selten ist. Nicht nur zu wenig und 
zu viel Regen, sondern auch der Insektenfrafs erzeugen 
dort eine gänzliche Mifserndte und Hungersneih, wo man 
sich so ganz der Cultur einer einzigen Art von N2...2ngS- 
mitteln überläfst. Die aufserordentliche Bevölkerung von 


China, bei aller Sorgfalt, mit welcher der Acker»: ın 


jenem Lande betrieben wird, findet im eigenen Lande zicht 


“ mehr die hinreichende Nahrung, und daher verschling: die- 


ses Land noch alle die Ueberflüsse der "rzeugnisse, welche 
den fruchtbaren Inseln des indischen Archipels übrigbleiben. 
Wenn aber die Reiserndte in China schlecht ausfällt, dann 
möchten schwerlich die gröfsten Flotten so vielen Reis 
nach jenem Lande bringen können, als zur Vermeidung 
der Hungersnoth erforderlich wäre. 

In den tropischen Gegenden, wo die Reiscultur zu 
Hause ist, da findet man eine grofse Anzahl von Varietä- 
ten dieser Pflanze, wovon die eine mehr für diesen, die 
andere mehr für jenen Boden passend sein soll; vor Allem 
sind aber zwei Hauptvarietäten zu nennen, von welchen 
die eine auf niederen Bergen, und die andere in sumpfigen, 
überhaupt sehr feuchten Gegenden gezogen wird, die erstere 
Varietät ist unter dem Namen Bergreis bekannt geworden, 
von welcher viele Botaniker noch immer bezweifeln, dafs 
er in einem trockenen und durch künstliche Bewässerung 
nicht bewässerten Boden wachsen könne. Indessen man 
zweifelt daran gewifs mit Unrecht, denn schon Marsden *) 
erzählt den Bau des Bergreises auf Sumatra, welcher da- 
selbst Ladang heifst, so ausführlich und umständlich, dafs 
man davon ganz überzeugt sein kann. Auch auf Java und 


"in Brasilien, wie es scheint in sehr feuchten Ländern, wird 


dieser Bergreis mit grofsem Vortheile gebauet. Ich mache 
hier gelegentlich auf die Cultur der trockenen Tarro (des 


*) The Hisi. of Sumatra. London 4811. pag. 67 etc. 


350 


Caladium esculentum) aufmerksam, welche sowohl auf 
den Societäts-Inseln, als auf den Sandwichs-Inseln im 
feuchten Boden, selbst auf bedeutender Höhe gezogen 
wird, obgleich die andere Spielart dieser Pflanze immer 
unter Wasser steht. 

Der Anbau des gewöhnlichen oder Sumpfreises (Sa- 
wuhr im Malayischen), geschieht im Allgemeinen auf fol- 
gende Art: entweder man säet ihn in den 'gereinigten 
Schlamm natürlicher Sümpfe, oder, was am gewöhnlichsten 
ist, man säet ihn in eigens dazu eingerichtete Bassins, 
welche 2 bis 3 Fufs tief in der Erde ausgegraben sind 
und unter Wasser gesetzt werden können. Im südlichen 
China bedecken diese Reisfelder den ganzen flachen Boden 
und steigen bis hoch auf die Berge hinauf; sie werden hier 
entweder durch Wasser versehen, welches von dem Berge 
herabkommt, oder das Wasser wird aus dem darunter lie- 
genden Felde in ein höher liegendes gepumpt, und auf 
diese Weise bringt man, in jenem Lande der Wunder, die 
Wassermasse bis auf mehr denn Tausend Fufs Höhe. 

Die Reis-Bassins werden Pihring im Malayischen ge- 
nannt; in-denselben wird zuerst der Reis in kleinen Haufen 
sehr: dieht gesäet. Wenn die jungen Reispflanzen 2 oder 
3 Zoll hoch sind, so werden ihre Gipfel abgebrochen, da- 
mit sich aus jeder Pflanze mehrere Seitenschöfslinge bilden. 
In verschiedenen Gegenden von China soll man die Pflan- 
zen sogar mehrmals verpfianzen, um eine reichere Erndte 
zu erzwingen. Auf Sumatra verpflanzt man die jungen 
Reispflanzen, nachdem schon lange vorher die mittleren 
Schöfslinge abgebrochen sind, erst am 40sten Tage nach 
dem Säen. Nachdem dieses geschehen ist, besteht die 
Geschicklichkeit des Pflanzers in der genauen Abmessung 
des :Wassers, welches er in die Sawuhrs oder Reis- 
Bassins: hineinläfst, denn lange darf dasselbe Wasser nicht 
darauf stehen; wenn aber der Reis zu blühen anfängt, dann 
mufs alles Wasser entfernt werden. Drei bis vier Monate 
nach dem Verpflanzen fängt man an, den Reis zu erndten, 
indem man entweder die Aehren ganz kurz abschneidet 


351 


und die Halme in der Erde verfaulen läfst, oder indem man 
die Halme mit abschneidet und ihn in kleine Garben bindet. 

Der Bergreis oder Ladang wird auf hohem Boden ge- 
säet und gedeiht am kräftigsten auf solchem Boden, der 
so eben durch Ausroden und Abbrennen der Waldgegen- 
den erhalten ist. Dieser Weg wird auch überall da, wo 
viel Wald und wenig Bevölkerung ist, als auf Sumatra, 
Java, Lucon und Brasilien, in Anwendung gesetzt. Da aber 
die Waldungen der tropischen Gegenden in ihrem frischen 
Zustande unmöglich brennen, so pflegt man, zu Anfang 
der trocknen Jahreszeit, an einem solchen Orte, den man 
später besäen will, alle Aeste und Spitzen der Bäume ab- 
zuhauen und sie so lange liegen zu lassen, bis sie trocken 
geworden sind; alsdann steckt man das Ganze in Brand. 
Monate lang soll oftmals dieses Feuer unterhalten werden, 
bis dafs Alles bis zur Erde niedergebrannt ist, und durch 
die zurückgebliebene Asche der Boden eine Düngung er- 
halten hat, wie man ihm an anderen Orten nicht so leicht 
geben kann. Wenn nun wärend dieser Zeit des Abbren- 
nens nasses Wetter eintritt, so brennt das Feuer nicht, 
und die ganze Arbeit mufs zur nächsten trockenen Jahres- 
zeit aufgeschoben werden. Wenn aber die nasse Jahres- 
zeit wieder beginnt, was in der nördlichen Halbkugel im 
April und Mai, in der südlichen dagegen im September 
und October stattfindet, dann säet man den Bergreis. 
Hiezu werden mit einem zugespitzten Instrumente, beim 
Gehen, in regelmäfsigen Entfernungen Löcher gemacht und 
eine andere. Person wirft in jedes dieser Löcher einige 
Saamen hinein,. ohne weiter die Löcher zuzumachen, 
was man der Natur überläfst. Die Erndtezeit des Berg- 
reises erfolgt etwa fünf Monate nach der Zeit der Saat. 
Die Erndte des Bergreises geschieht eben so, wie die des 
Sumpfreises, doch in Brasilien, wie Herr v. Martius erzählt, 
tritt man die Halme zur Erde nieder, damit sie wieder 
ausschlagen und, nach 1 bis 2 Monaten, noch eine Nach- 
erndte liefern. Das Trennen des Reises von der Aehre 
geschieht in verschiedenen Gegenden eben so verschieden, 


352 


wie dieses mit dem Ausdreschen des Weitzens geschieht. 
Auf Sumatra treten die Malayen die Aehren mit ihren 
Füfsen, indem sie sich mit den Händen an einer Bambus- 
stange festhalten. 

Der Reis in seiner Schale heifst im Malayischen Päd- 
dih (Paddee im Engl.), Palay im Tagallischen, und das 
Trennen der Körner von der Schale ist eine sehr harte 
Arbeit. In Gegenden, wo mehr Cultur herrscht, da hat 
man hiezu Maschinen in Anwendung gesetzt; doch der 
arme Indianer hat täglich diese Arbeit vor sich, wenn er 
seinen Reis essen will. Wenn bei den Bewohnern der 
Philippinischen Inseln am Tage vorher, oder des Nachts, 
der Palay nicht gestampft ist, so hat man am folgenden 
Tage nichts zu essen. Indessen man hat hiebei nicht blofs 
die Trägheit jener Leute zu bewundern, sondern in diesem 
Falle sind sie sogar zu entschuldigen, denn der Palay hält 
sich, der harten Schale wegen, viel besser, als der ausge- 
stampfte Reis. 

Das Stampfen des Palay oder des Päddih geschieht 
in grofsen Mörsern mit schweren Keulen von hartem Holze, 
und gewöhnlich gehört dieses Geschäft dem weiblichen 
Theile der Familie eines Hauses an, welche damit den 
dritten Theil der Nacht beschäftigt ist. Der gereinigte 
Reis giebt dem Maafse nach ungefähr die Hälfte des Palay’s; 
das Entfernen der Schalen geschieht durch. Werfen sehr 
leicht, weil die Reiskörner sehr schwer sind. 

Der Ertrag der Reiserndte ist nach der Feuchtigkeit 
der verschiedenen Gegenden sehr verschieden. Bergreis 
giebt gewöhnlich in neu bestelltem Boden, nämlich durch 
Abbrennen dichter Waldungen, 60- bis 80fachen Ertrag, 
doch in gedüngten Gegenden, wo man alljährig den Reis 
bauet, da mufs man mit einer 40fachen Erndte zufrieden 
sein. Der Sumpfreis giebt dagegen 100- bis 120fältigen 
Ertrag, indessen habe ich auch sehr fruchtbare Gegenden, 
z.B. an der Laguna de Bay, auf der Insel Lugon gesehen, 
wo der Sumpfreis nur 70fältig trägt. Aber auch auf den 
Philippinen giebt es Gegenden, wo der Sumpfreis durch 


353 


mehrfaches Verpflanzen, selbst einen 400fachen Ertrag 
liefert. Der Bergreis, obgleich .er weniger Ertrag giebt, 
ist besser und wird auch mehr geschätzt, weil er sich län- 
ger hält als der Sumpfreis. 

In denjenigen Ländern, wo die Reiscultur zu Hause 
ist, und wo der Reis das allgemeinste Nahrungsmittel ist, 
da ist auch die Benutzung dieses Getreides zu Speisen 
unendlich vielfach; im reinen Wasser abgekocht, ist es das 
gewöhnliche Brod für die Bewohner des östlichen Asiens. 
Aus Reismehl verfertigt man eine grofse Anzahl von Spei- 
sen, und die Bereitung der starken, geistigen Getränke 
aus dem Reise ist ebenfalls als bekannt vorauszusetzen. 
Der Wein der Chinesen, der sogenannte Samdschu, wird 
aus Reis gebrannt, und gleicht einem starken Arac; ob- 
gleich dieses Getränk so äufserst erhitzend ist, so wird 
es doch, auf der Tafel der Chinesen, stets kochend heifs 
getrunken. *) 

Sind die Reiserndten gut gerathen, so ist der Reis 
sehr wohlfeil; man bezahlt denselben, auf Manila z. B. mit 
S Real. im Durchsehnitte für die Cavan, welche 137 Span. 
Pfunde hält; demnach erhält man für einen Silbergroschen 
unseres Geldes mehr als 3 Pfund gereinigten Reis. In- 
dessen es giebt Zeiten und gewisse Gegenden, wo er nur 
halb so theuer ist, und dagegen wiederum Zeiten, inwel- 
chen er dreimal so theuer ist! 


Der Mays (Zea Mays L.). 


Der Mays hat in der neuen Welt allein sein Vater- 
land; er war dort, vor Ankunft der Europäer, **) das 
hauptsächlichste Getreide und ist es auch noch in den tro- 
pischen Gegenden dieses Continents. In dem heifsesten 
und feuchtesten Tropenclima gedeiht der Mays am besten, 
es giebt daselbst Gegenden, wo er das 800fache Korn ein- 


*) S. Meyen’s Reise. II. pag. 392. 
N) S. die ältesten spanischen Schriftsteller über Amerika, welche 
hierüber ganz genau berichtet haben. 


23 


354 


bringt; in weniger fruchtbaren Ländern bringt er das 3- 
und 400fache Korn, und einhundertfältiger Gewinn dieses 
Getreides in tropischen Gegenden wird als eine schlechte 
Erndte angesehen. Weniger ergiebig ist die Mayscultur 
in der temperirten Zone; so liefert sie in Californien, 
zwischen 33 und 38° Breite, im Durchschnitte nicht mehr 
als das 70fache Korn. In noch kälteren Gegenden wird 
die Erndte noch weniger ergiebig, und hier werden unsere 
Getreide allmälich den Mays verdrängen, wie dieses z. BD. 
in Chile der Fall ist, wo der Mays gleichsam nur noch als 
Gemüse, und der Weitzen zum Brode gebraucht wird. Wir 
kennen nicht ganz genau die Polargrenzen der Mayscultur 
in der neuen Welt, doch so viel ist gewifs, dafs dieselben 
in den vierzigen der Breitengrade liegen; selbst auf der 
südlichen Hemisphäre, wo, besonders in Chile, durch viel- 
fache Ursachen, ein im Verhältnifs zur Breite viel niedri- 
geres Clima herrscht, da steigt die Mayscultur noch zum 
40sten Grade südlicher Breite hinab. Auf der Westküste 
von Europa wird der Mays noch in 453° N. Breite eul- 
tivirt, am Rhein sogar noch bis zum 49sten Grade und 
selbst in unseren Gegenden, bis über 52° hinaus, werden 
in den Gärten noch sehr grofse und reiche Mayserndten 
gemacht; doch findet man bei uns weniger Geschmack für 
dieses schöne Getreide, und somit unterläfst man hier die 
Cultur desselben. Nur zur Verschönerung der Gärten 
benutzt man bei uns den Mays, und den herrlichen Ertrag 
gebraucht man alsdann zum Viehfutter. In dem fruchtba- 
ren Rheinthale, welches unter dem Namen der Bergstrafse 
bekannt ist, findet man für Deutschland die ausgebreitetste 
Mayscultur; jene Gegend ist aber auch die wärmste von 
ganz Deutschland. | | 

Schnell hat sich die Cultur des Mays über den alten 
Continent verbreitet und ist nach Indien, China und Japan 
auf einem Wege gekommen, welcher keine Tradition hin- 
terlassen hat. Die Malayen auf Sumatra und die Oceanier 
auf den Philippinen bauen den Mays, doch ist er bei ihnen 
keineswegs gewöhnliches Nahrungsmittel, welches der Reis 


339 


daselbst darbietet. Nach Japan soll der Mays schon vor 
1200 Jahren gekommen sein; Herr von Siebold hat eine 
Schrift gesehen, worin die Angabe enthalten sein soll, dafs 
der Mays in jener Zeit durch das Meer an die Küsten von 
Japan getrieben sei, und dafs man ihn seitdem in Japan 
baue. Sollte wirklich bei der Benutzung jener japanischen 
Schrift keine Verwechselung der Begriffe stattgefunden 
haben, was jedoch Herr Klaproth, der genaueste Kenner 
jener morgenländischen Sprache, in der That behauptete, 
nachden: er selbst jene Schrift in einer Copie gelesen, so 
liefsen sich dennoch die allerwichtigsten Einwendungen 
gegen jene Angabe machen, so dafs gar kein Grund, daran 
‚glauben zu müssen, übrigbleiben würde. 

Die Strömungen im stillen Meere gehen von der ame- 
rikanischen Küste ununterbrochen bis in die Gegend der 
Marianen; ein gut segelndes Schiff gebraucht zu dieser 
Strecke 2 Monate: wie ist es demnach möglich, dafs der 
Mays, dessen Körner durch Feuchtigkeit, wie alle übrigen 
Cerealien, so leicht Schaden nehmen, eine so lange Zeit 
hindurch, bei einem so hohen Grade von Wärme, im Salz- 
wasser liegen bleiben kann, ohne zu verderben. Es wäre 
- übrigens sehr sonderbar, wenn es wahr wäre, dafs der 
Mays durch Strömungen, von Amerika aus, nach Japan 
geführt wäre, ohne vorher nach den Südsee-Inseln, den 
Sandwichs- und den Societäts-Inseln besonders, zu kom- 
men und daselbst einheimisch zu werden. Ich kann mich 
demnach von dem Vorhandensein des Mays’s in Japan, seit 
so langer Zeit, nicht überzeugen, sondern glaube bestimmt 
annehmen zu können, dafs derselbe durch die Portugiesen 
nach Japan geführt ist. 

Aufserdem wird heutigen Tages der Mays in allen 
Ländern der tropischen und der temperirten. Zone gebauet, 
wo die Cultur der Europäer hingelangt ist; er ist indessen 
nicht im Stande die Cultur anderer, schon früher ange- 
baueten Cerealien zu verdrängen. 

Obgleich der Mays eine Pflanze ist, welche in dem 
heifsesten Clima am besten gedeiht, so steigt sie doch bis 


23 * 


396 


zu einer unglaublichen Höhe auf die G ebirge x von Amerika. 
Nach Herrn Alex. v. Humboldt sind, auf dem Plateau von 
Mexico, noch in einer Höhe von 8680 Fufs die ausgedehn- 
testen Maysfelder zu finden, und in Peru, auf dem Wege 
von Lima nach Pasco, steigt die Mayscultur bis zu 3824 
Meter, also fast bis auf 12000 Fufs Höhe, ja auf einem 
künstlichen Wege hat man, schon zu der Inca’s Zeiten, die 
Cultur des Mays, auf der Insel Titicaca, im grofsen See 
gleichen Namens erzwungen. Auf jener Insel, in einer 
Höhe von 12800 engl. Fufs, war der bekannte grofse Son- 
nentempel; in ihm brachten die Inca's dem Sonnengotte 
von eben demselben Mays zum Opfer, welcher auf der 
Insel gewachsen war, und der übrige ward durch die, dem 
Sonnendienste geweiheten Jungfrauen den übrigen Klöstern 
und Tempeln des Reichs überbracht, von wo aus er unter 
das Volk kam. Das Volk glaubte, dafs, wenn es nur ein 
Korn von diesem Mays erhielte, es ihm, für die ganze 
Lebenszeit, niemals an Brod Fahlen würde 

So wie unsere Getreidearten, so zeigt auch der Mays 
mehrere Varietäten, welche sich bald durch die Gröfse 
der Körner, bald durch die Schnelligkeit im Reifen aus- 
zeichnen; doch von allen Getreide- Arten, welche die ver- 
schiedenen Völker pflanzen, ist aufser dem Reise keine 
so ungleich in ihrem Ertrage, als gerade der Mays. Herr 
v. Humboldt sagt: *) „Auf demselben Boden wechselt er, 
nach den Veränderungen der Feuchtigkeit und der mittle- 
ren Temperatur des Jahres, von 40 bis 200 und 300 Kör- 
ner auf ein Korn Aussaat. Ist die Erndte gut, so gewinnt 
der Colonist durch diesen Culturzweig viel ansehnlicher, 
als durch den Weitzen, und man könnte sagen, dafs der 
Bau des Mays’s die Nachtheile und die Vortheile des Wein- 
baues hat.“ 

Die Art des Verbrauches des Mays ist bei den ver- 
schiedenen Völkern Amerika’s vielfach verschieden; schon 
die Peruaner und die Mexicaner bereiteten verschiedene 


DNB c.Dpar. 37. 


357 


Arten vonBrod aus dem Mays. Die Peruaner hatten eine 
Art, welche sie zum Opfern gebrauchten und Canen nann- 
ten, eine andere, welche sie als gewöhnliches Brod be- 
nutzten, Canta mit Namen, und dann noch eine dritte 
Sorte, welche sie bei ihren Feierlichkeiten gebrauchten. 
Noch heutigen Tages macht man in den verschiedenen 
Ländern von Amerika, wo die Mayscultur betrieben wird, 
eine sehr grofse Anzahl von verschiedenartigen Speisen aus 
dem Mays; sehr häufig ifst man ihn, ganz einfach mit Salz 
abgekocht, indem man den ganzen Kolben auf den Tisch 
bringt, und er schmeckt alsdann ähnlich unseren Graupen. 
Es ist hier nicht der Ort die Speisen zu beschreiben, 
welche aus den Nahrungspflanzen bereitet werden; wie 
allgemein aber der Gebrauch des Mays’s in den tropischen 
Ländern Amerika’s ist, das möchte daraus hervorgehen, 
dafs zu Anfange dieses Jahrhunderts, allein in Mexico, 
eine Masse von 800 Millionen Kilogrammen, also über 
1600,000,000 Pfunde, bei einer Gesammt-Bevölkerung von 
vielleicht nicht mehr als 5000000 Menschen verbraucht 
wurde. Aber der Verbrauch dieses Getreides ist defshalb 
so grofs, weil in Gegenden, welche arm an Gras sind, 
selbst die Maulthiere damit gefüttert werden müssen; da-. 
her tritt aber auch die höchste Noth in diesem Lande ein, 
wenn einmal die Mayserndte nicht gerathen ist. 
Aufserdem wird der Mays zur Bereitung von ver- 
schiedenen gegohrenen Getränken benutzt, welche in Peru, 
‘schon zu der Inca’s Zeiten, unter dem Namen Chicha 
bekannt waren. Die Chieha, welche als gewöhnliches Ge- 
tränk benutzt wird, gleicht unserem Weifsbier, oder noch 
mehr dem faden Getränke, welches auf einigen Punkten 
von Deutschland unter dem Namen Broihan bekannt ist. 
Andere Chicha- Arten schmecken wie Cider, und durch 
hohes Alter werden sie sehr geistreich; ich habe etwas 
Cider der Art, welcher in einem alten Grabe gefunden 
war, und wenigstens 300 Jahre alt sein mufste, geschmeckt 
und ihn dem Alkohol ähnlich gefunden. Auf dem Abhange 
der Cordillere ist überall Ueberflufs an Chicha de Mays, 


395 


wärend auf den Plateau’s andere Getränke beliebt sind; 
in Mexico z. B. der Pulque, und in Peru eine Chicha de 
_Quinoa u. Ss. w. 

Der Stengel des Mays ist äufserst zuckerreich, und 
derselbe wird nicht nur in einigen Gegenden zur Berei- 
tung eines honigartigen Saftes benutzt, sondern die Sten- 
gel werden auch, ähnlich wie bei dem Zuckerrohre, zer- 
quetscht und ein wohlschmeckender Brandwein wird dar- 
aus bereitet, welcher in Mexico Pulque de Mahio oder 
Pulque de Tlaolli heifst. 

Gegenwärtig werden in unseren Gärten mehrere Va- 
rietäten des Mays gezogen, welche sich durch aufserordent- 
liche Höhe und vorzügliche Schönheit der Blätter aus- 
zeichnen, so dafs dadurch unsere Zierpflanzen einen köst- 
lichen Zuwachs erhalten haben. In Südamerika sind der 
Abarten des Mays’s unendlich vielfache, und in heifsen und 
fruchtbaren Gegenden, wie an einzelnen Punkten des nörd- 
lichen Chile's, sind Mays-Pflanzen von 10 und 15 Fufs 
Höhe gar nicht selten. 


Anmerk. Ueber den Mays ist aufserordentlich viel geschrieben, und 
in sehr verschiedenen Staaten hat man versucht, dieses schöne Getreide 


allgemein anzubauen und es als gewöhnliches Nahrungsmittel ein- 


zuführen. Eines der gröfsten Werke über diesen Gegenstand ist die 


Schrift von Parmentier (Le Mais ou Ble de Turque, ä Paris 1812. 
8. 1 Vol.), woselbst auch dıe alten spanischen Schriftsteller, welche 
über den Mays geschrieben haben, ausführlich citirt worden sind 
(s. daselbst p. 14— 19). Auch ist zu nennen: F. de Neufchateau 
Supplement au Me&moire de M. Parmentier sur le Mais. Paris 1817. 


Aufser diesen schon genannten Cerealien gedenke ich 
hier noch der Hirse-Arten, welche in den südlichen 
und östlichen Gegenden der alten Welt allgemein im Ge- 
brauche sind, selbst noch in dem subtropischen Theile von 
China und Japan. 

Die Mohren-Hirse oder das Neger-Korn *) 
wird in allen. heifsen Gegenden von Afrika, im südlich- 
sten Europa, vorzüglich in Portugal, im ganzen Morgen- 


*) Sorghum vulgare WVilld. 


lande und in Ostindien gebauet. Es ist eine Pflanze der 
heifsen Gegenden, doch sind ihre Grenzen noch nicht be- 
stimmt; in Ostindien, wo dieses Getreide sehr viel gebauet 
wird, und oft die allgemeine Nahrung ist, besonders da, 
wo der Reis nicht mehr eultivirt wird, da steigt das Ne- 
ger-Korn bis auf bedeutende Höhen hinauf. 

Das Vaterland dieser Pflanze ist unbekannt, doch 
scheint sie, wie es der Name sagt, aus Afrika gekommen 
zu sein, und dort ist sie auch von eben derselben Wich- 
tigkeit, wie bei uns der Weitzen. . 

Die vielen Hirse- Arten mit kleinem Korne, welche 
sowohl bei uns, wie in ganz Europa, in Ostindien, China 
und Japan, und auf den Inseln des Indischen Archipels 
eultivirt werden, als Panicum miliaceum, P. germanicum, 
P. frumentaceum, P. miliare und P. italicum, sind zwar 
äufserst wohlschmeckend, werden jedoch nur in einigen 
Gegenden Indiens als allgemeine Nahrungsmittel benutzt. 

Nachdem wir hier die vorzüglichsten Cerealien und 
deren Verbreitungs-Bezirke kennen gelernt haben, möchte 
es nicht am unrechten Orte sein, wenn wir die Frage 
aufstellten, auf welchem Wege wohl die Menschen dazu 
gekommen sind, um dergleichen Gräser, oft mit so klei- 
nen Samen-Körnern, im Grofsen anzubauen, um sich da- 
durch den sichersten Schutz gegen Hungersnoth zu berei- 
ten. Würden diese nahrhaften Gräser in ihrem wilden 
Zustande einzeln und zerstreut gewachsen sein, so wäre 
dies allerdings schwer zu begreifen, indessen die Sache 
verhielt sich wohl anders. 

Wir haben weiter oben, als wir von dem Vaterlande 
des Reises sprachen, die wilden Reisfelder kennen gelernt, 
welche Herr von Martius am Rio Madeira gefunden hat, 
in welchen die Bewohner jener Gegenden fast eben so 
erndten, wie andere Leute 'n ihren künstlichen Feldern. 
Wir wollen ein ähnliches Beispiel aus unserem Vaterlande 
nehmen. Es wächst nämlich bei uns die Glyceria fluitans *) 


*) Festuca fluıtans L. 


360 


an den Rändern der stehenden Gewässer, so wie auf 
sehr feuchten Wiesen, wild; bei uns um Berlin, wo diese 
Pflanze einzeln wächst, erkennt Niemand in ihr den wohl- 
sehmeckenden Saamen, welchen sie in ihrer Rispe trägt; 
weiter östlich aber, in Ost-Preufsen, in Masuren und ın 
den Weichsel-Niederungen, da wächst sie oft in so gro- 
{sen Massen, dafs man ihre Saamen mit grofsem Vortheil 
einerndtet, ohne die Pflanze vorher gesäet zu haben. Die- 
ses Gras giebt bekanntlich die feine Schwaden- Grütze, 
aus welcher noch mehrere andere feine Grützen gemacht 
werden. Wo also Gräser mit einem nahrhaften Saamen 
in-grofsen Massen wild wuchsen, da mufste es dem Men- 
schen sehr bald einfallen, dergleichen natürliche Saatfelder 
nachzuahmen, und sie nach denjenigen Plätzen hin zu 
verpflanzen, welche ihm am bequemsten schienen, theils 
um sich daselbst gegen die Witterung, theils um sich ge- 
gen Feinde zu schützen. Somit waren feste Wohnsitze 
und Ackerbau erfunden. 

Alle Völkerschaften, welche einen Grad von Bildung 
erlangt haben, haben stets den Ackerbau hochgeschätzt, 
und ihn als die Grundlage allen Wohlstandes angesehen, 
daher sie auch den Erfinder oder den Ueberbringer des- 
selben für heilig hielten und in ihm eine Gottheit erkann- 
ten. In dem grofsen chinesischen Reiche ist noch jähr- 
lich ein Festtag, an welchem der Kaiser von China in 
seınem Garten, am nördlichen Thore von Peking, den 
Acker-Pflug mit eigener Hand führt, wärend in allen Pro- 
vinzen seines Reiches die hohen Beamten, an des Kaisers 
Stelle dieselbe Ceremonie ausüben, um damit zu zeigen, 
in welchem Grade der Ackerbau hochgeschätzt werden soll. 

Betrachten wir noch schliefslich die Cerealien in Hin- 
sicht ihres Ertrages, um zu sehen, welche von ihnen, bei 
der wenigsten Aufopferung, die gröfste Erndte geben, so 
ergiebt sich aus den vorigen Mittheilungen, dafs der Mays 
obenan steht, dafs dann der Reis und darauf erst die übri- 
gen Getreide- Arten kommen. 


N — — 


361 


Die Quinoa (Chenopodium Quinoa W.). 


An die Cultur der Getreide- Arten schliefst sich die 

einiger anderer Pflanzen, welche ich hier als Anhang auf- 
führe, indem dieselben ganz in der Art angebauet werden, 
wie es bei den wirklichen Getreide- Arten der Fall ist. 
- Die Quinoa ist zwar eine Getreide-Pflanze von ziem- 
lich beschränktem Vorkommen, indessen für diejenigen 
Gegenden, wo dieselbe angebauet wird, ist sie neben den 
Kartoffeln das gröfste Geschenk, welches die Natur den 
Menschen gemacht hat. Ueberall auf den Hochebenen des 
südlichen Peru, über die Höhen hinaus, wo der Roggen 
und die (erste noch reifen, da wird das Chenopodium 
Quinoa W. der Gegenstand des Ackerbaues im Grofsen, 
und auf dem Plateau von Chuquito, gegen 13000 Fufs 
hoch, findet man die unabsehharsten Felder, welche ganz 
mit dieser Pflanze bedeckt sind, der Landschaft aber kei- 
neswegs den schönen Anblick gewähren, welchen bei uns 
die grünenden Saaten darbieten. Auf gutem Boden er- 
hält die Pflanze eine Höhe von 3 bis 4 Fufs und trägt 
eine aufserordentlich grofse Menge von Saamen, welche 
leider, lange Zeit hindurch, einer unendlichen Schaar von 
sperlingsarigen Vögeln zur Nahrung dienen, indem die 
Pflanze das Uebele hat, dafs die Saamen nicht alle ganz 
zur gleichen Zeit zur Reife kommen. 

Die Blätter der Quinoa werden sehr gewöhnlich ge- 
gessen als Kohl, und geben eine Nahrung, welche derje- 
nigen unseres Chenopodium viride sehr ähnlich ist, das 
bekanntlich von den ärmeren Menschen unseres Vaterlan- 
des als Spinat gegessen wird, und so, wie auch diese 
Pflanze sehr häufig eine Abart mit ganz rothgefärbten 
Blättern zeigt, ebenso findet man es auch an der Quinoa 
nicht selten. 

Die Quinoa wird auch heutigen Tages im südlichen 
Chile angebauet, aber sicherlich ist sie früher, vor der 
Bekanntschaft mit unseren Gräsern, ein viel allgemeineres 
Nahrungsmittel gewesen, und zwar nicht nur in Chile, 


362 


sondern auch in Peru, wo die Quinoa überall, wo das 
Clima die Cultur unserer feinen Cerealien erlaubt, durch 
diese verdrängt wird. Diejenige Abart dieser Pflanze, 
welche, nach Molina, von den Indiern Chile’s mit dem Na- 
men Dahue belegt wird und aschgraue Blätter und weifse 
Saamenkörner trägt, ist die gewöhnliche, welche um den 
See von Titicaca gebauet wird. 

Die kleinen mehligen und sehr öhlreichen Saamenkör- 
ner der Quıinoa bieten ein sehr wohlschmeckendes und 
nahrhaftes Lebensmittel dar, und es bildet dieses auch, 
bei jenen armen Bewohnern der Hochebene des südlichen 
Peru, neben der Kartoffel die gewöhnliche Nahrung. 

Die Zubereitung dieser Speise ist sehr verschieden, 
bald werden die Saamen zwischen Steinen zerquetscht, und 
als Suppe oder Brei gekocht, bald wird das Mehl gerö- 
stet und bildet dann die Chocolate der Hochebene, bald 
wird es zur Bereitung der berühmten Chicha de Quinoa 
benutzt u. Ss. w. 

Auf den Hochebenen des Himalaya, im südlichen Asien, 
wird eine ähnliche Pflanze als die Quinoa, nämlich der 
Amaranthus fariniferus, in eben derselben Art angebauet, 
und der Nutzen, so wie die Art der Benutzung dieser 
Saamen wird wohl bei den beiden Pflanzen sehr ähnlich sein. 


Buchweitzen (Polygonum Fagopyrum et spec. var.). 


Der Buchweitzen ist eine Frucht, welche in sehr vie- 
len Gegenden des nördlichen Europa’s mit grofsem Vor- 
theile angebauet wird, da derselbe fast mit dem schlech- 
testen Boden verlieb nimmt. Wir haben den Buchweitzen 
aus dem Inneren von Asien erhalten, und er ist, nach Beck- 
mann’s Untersuchungen über diesen Gegenstand, nicht vor 
dem Anfange des 16ten Jahrhunderts bei uns in Europa 


bekannt gewesen. Das Vaterland der Pflanze ist zwar 


nicht ganz genau bekannt, indessen scheint es in den 
nordwestlichen Gegenden des Chinesischen Reiches zu su- 
chen zu sein. Auch bei uns kennt man, schon seit lan- 
gen Zeiten, eine andere Art von Buchweitzen, nämlich das 


TE EEE EEE 


363 


Polygonum tataricum, welches vorzugsweise mit Sandbo- 
den zufrieden ist, und im südlichen Sibirien, jenseits des 
Baikal - Sees und am Janisei wild wächst. Auch dort, 
wo diese Pflanze wild vorkommt, werden ihre Saamen ein- 
geerndtet, so wie man es bei uns mit dem Saamen der 
Glyceria fluitans, und die Amerikaner mit dem wilden 
Reise machen. 

Im hohen Gebirgslande des südlichen Asiens, da 
scheint diese Gruppe der Gattung Polygonum, welche den 
Buchweitzen liefert, eigentlich zu Hause zu sein, denn dort 
werden, in den mehr oder weniger hochgelegenen Plateau’s, 
gar sehr verschiedene Arten von Polygonum gebauet, und 
diese bilden häufig die gewöhnlichste Nahrung der Bewoh- 
ner jener Gegenden. | 


Die Cultur der vorzüglichsten Knollen - WVurzeln. 


Die Kartoffel (Solanum tuberosum L.). 


Nachdem wir die Cerealien der alten und der neuen 
Welt kennen gelernt haben, schliefsen wir an diese die 
Betrachtung der Kartoffeln, womit die alte Welt von Ame- 
rika aus beschenkt ist. Es ist wahr, dafs sich Wohlstand 
und Cultur auf der alten Welt entwickelt haben, auch 
ohne die Bekanntschaft mit der _Kartoffel, doch die 
allgemeine Verbreitung dieser Nutzpflanze unter unsere 
Völker, hat eine vollkommene Umwälzung in unserem. 
Ackerbau-Systeme hervorgerufen, und hat das kräftigste 
Mittel an d’e Hand gegeben, um allgemeiner Hungersnoth, 
woran früher so häufig die Bewohner Europa’s litten, in 
deren Folge die schrecklichsten Seuchen einzogen, entge- 
gen zu wirken. Der Noth des armen Menschen ist durch 
die Kartoffel-Cultur so ziemlich abgeholfen, denn derglei- 
chen Fälle sind seit jener Zeit, in welcher die Kartoffel 
bei uns gebauet wird, noch nicht vorgekommen, dafs un- 
sere Getreide- Arten und auch die Kartoffel zu gleicher 


364 


Zeit misrathen sind. Gewöhnlich pflegt der Ertrag der 
Kartoffeln um so ergiebiger zu sein, wenn die Erndte des 
Getreides fehl schlägt; aber schon jetzt sehen wir, dafs 
die höchste Noth bei dem Landmanne und dem armen 
Menschen eintritt, wenn die Kartoffel misrathen ist, ein 
Fall, der zwar selten kommt, sich aber doch z. B. im 
Sommer von 1834 an vielen trockenen Gegenden einge- 
stellt hat. Auf eine so entschiedene Weise hat schon jetzt 
die Einführung der Kartoffel-Cultur in unsere Verhältnisse 
eingegriffen, und dieses mufs, bei dem beständigen Zuneh- 
men der Bevölkerung, mit der auch die Anzahl der Ar- 
men wächst, immer mehr und mehr zunehmen. In Irland, 
dem unglücklichen Irland, da ist die Kartoffel und Hafer- 
Brod die gewöhnliche Nahrung, und würde jene einmal 
misrathen, so müsten Hundert Tausende des Hungertodes 
sterben. Aber wie vielfach greift auch bei uns die Kar- 
toffel, als Nahrungspflanze ein; aufserdem, dafs wir sie 
fast täglich essen, dafs selbst in vielen Provinzen das Rog- 
genbrod mit Kartoffeln vermischt wird, giebt die Berei- 
tung des Stärkemehls, des Sago’s, des Brandwein’s, des 
Weines und sogar des Zuckers eine Quelle des Unterhal- 
tes für Millionen. Ja Fleisch, Milch, Butter und Käse, 
alles dieses kann heutigen Tages nur durch den Kartofiel- 
Bau so wohlfeil erhalten werden. | 

Die künstliche Verbreitung der Kartoffel giebt reichen 
Stoff zu belehrenden Betrachtungen, welche, speciell zu 
verfolgen, hier allerdings nicht der Ort ist. Es ist sehr 
‚auffallend zu sehen, wie eine Pflanze, welche in den kal- 
ten Regionen der Cordillere von Südamerika zu Hause 
ist, wie diese Pflanze, auf eine unbegreiflich schnelle Weise, 
in so kurzer Zeit für ganze Welttheile die allgemeinste 
Nahrung geworden ist, In ganz Europa, von Hammerfest 
in Lappland an, unter 71° nördlicher Breite, auf Island 
und den Färöern, wird die Kartoffel angebauet, und auf 
den niedern Plateau’s von Indien, in China, Japan, auf den 
Südsee-Inseln und in Neu-Holland, wie auf Neu-Seeland 
ist die Kartoffel-Cultur eingeführt. In Sachsen wird die 


365 


Kartoffel erst seit 1717 im Grofsen gebauet; in Schott- 
land seit 1728 und in Preufsen seit 1738 *). 

Aufserdem ist es bekannt, mit welchem Widerwillen 
die Landleute damals, selbst bei uns, die Cultur der Kar- 
toffel betrieben; ja Friedrich der Grofse mufste die 
Pommern mit Gewalt zur Annahme dieser grofsen Wohl- 
that zwingen. 

Ueber die Ausdehnung des Vaterlandes der Kartoffel 
ist man leider noch nicht im Reinen; gewifs ist es, dafs 
diese Pflanze, vor der Entdeckung von Amerika, in den 
kälteren Regionen der Cordillere von Südamerika cultivirt 
wurde, dafs sie aber den Mexicanern unbekannt war, ist 
eben so gewifs. Noch heutigen Tages bildet die Kartoffel, 
Papa in der alten peruanischen Sprache, die Hauptnah- 
rung auf der Hochebene von Peru; und an den Ufern des 
See’s von Titicaca werden diese Erdfrüchte noch gegen- 
wärtig, ganz so wie zur Zeit der Inca’s, mit der gröfsten 
Sorgfalt gepflanzt, wie dieses selbst in unserem Lande 
noch nicht stattfindet. Auch in Chile wurde die Kartoffel 
gebauet und sie hiefs daselbst Pogni, wodurch sie von 
Maglıia, der wilden Kartoffel, welche nur kleine und bit- 
tere Knollen hervorbringt, unterschieden wurde. Wäre 
die Kartoffel von Chile nach Peru gewandert, so hätte sie 
wahrscheinlich ihren chilenischen Namen behalten; indes- 
sen diese Vermuthung ist nicht mehr nöthig, denn die 
Kartoffel wächst sowohl in Chile, als in Peru wild, ich 
selbst habe sie, auf der Cordillere dieser beiden Länder, 
auf zwei verschiedenen Stellen gefunden, und Ruiz und 
Pavon geben die Berge von Chancay an, wo die Kartoffel 
im wilden Zustande zu finden ist. 

Wie ich schon vorher bemerkt habe, so ist es ganz 
gewifs, dafs die Mexicaner vor Ankunft der Europäer die 


*) Siehe Beckmanns Grundzüge der deutschen Landwirthschaft, 
1806 — J. Banks An attempt to ascertain the time of the introduction 
of potatos, 18098 — Lambert, Descript. of the gen. Pinus etc., Sec. 
Ed. II. App. pag. 11, wo noch Montevideo, Lima und andere Oerter 
als Vaterland der Kartoffel nachgewiesen sind. 


366 


Kartoffel nicht cultivirt haben, und wie man glaubt, so 
ist dieselbe auch in den Gebirgen von Mexico nicht zu 
Hause. Zwar hat Herr Schiede *) auf dem Feuerberge 
von -Orizaba eine Kartoffel, im wilden Zustande gefunden, 
welche zu uns geschickt wurde und hieselbst angepflanzt 
ist; indessen von allen Seiten entstehen Zweifel, ob diese 
Kartoffel wirklich das Solanum tuberosum ist, es scheint 
vielmehr gewifs zu sein, dafs es eine andere Species ist. 

Obgleich nun der Verbreitungs-Bezirk der Kartoffel, 
vor der Wanderung der Europäer, nach Amerika, durch 
das Fehlen dieser Pflanze in Mexico unterbrochen wurde, 
so sind doch verschiedene Quellen vorhanden, welche den 
Anbau, oder vielmehr das Vorhandensein dieser Pflanze in 
einigen Gegenden von Nordamerika zu beweisen scheinen, 
und allem Anscheine nach, haben wir Europäer die Kar- 
toffel gerade aus Nordamerika erhalten. 

Die Colonisten, welche im Jahre 1584 nach Virgi- 
nien gekommen sind, haben die Kartoffel daselbst gefun- 
den **), und Schiffe, welche im Jahre 1586 aus der Bay 
von Albemarle zurückkehrten, haben die ersten Kartoffeln 
nach Irland gebracht ***); demnach möchte die Geschichte, 
dafs Franz Drace die Kartoffeln nach Europa gebracht hat, 
so ziemlich erdichtet sein. In der Beschreibung jener 
merkwürdigen Reise des englischen Korsaren, steht wenig- 
stens davon kein Wort, und als Drace, bei seiner Rück- 
kehr nach England, wo er bekanntlich in die Temse mit 
seidenen Segeln, aus dem Raube der spanischen Gallone 
von Manila, einfuhr, von der Königinn Elisabeth auf sei- 
nem Schiffe mit einem Besuche beehrt wurde, da kamen 
alle die Speisen und alle Früchte auf die Tafel, welche 
jener Weltumsegeler mitgebracht hatte. Bei der Beschrei- 
bung von jenem Gastmahle werden die Speisen alle ge- 
nannt, aber von der Kartoffel ist dabei nicht die Rede. 
So ist der Name des Mannes verloren gegangen, welcher 


*) Linnaea von 1829, p. 227. 


”) $S. A. v. Humboldt’s Neu -Spanien, Ill. p. 75. 
”) S. Beckmann, Grundzüge u. s. w. p. 289. 


367 


die gröfste Wohlthat nach Europa gebracht hat. Wäre 
es aber Elend, wäre es Krieg mit blutigen Schlachten ge- 
wesen, so würden alle historischen Werke jener Zeit da- 
von erfüllt sein. Man wundere sich nicht, dafs die Kar- 
toffel, nicht eben so schnell wie der Mays und die süfse 
Kartoffel durch die Spanier nach Europa gebracht worden 
ist, denn diese Pflanze ward auf der Westküste von Süd- 
amerika gebauet, und die Reisen um Cap Horn dauerten 
damals noch zu lange, und waren auch zu selten, um auf 
diesem Wege die Kartoffel nach Europa zu senden. 

Die Art der Benutzung der Kartoffel setze ich als 
bekannt voraus; in ihrem Vaterlande, bei den Gebirgsbe- 
wohnern von Südamerika, finden sich hierin noch einige 
Eigenthümlichkeiten. 

Unter den vielfachen Abarten, welche auch dort, in 
Amerika, gezogen werden, ist eine kleine, sehr süfse Kar- 
toffel, hauptsächlich zum Rösten auf Kohlen im Gebrauche. 
In den Städten Puno und Chuguito, an den Ufern des 
See’s von Titicaca, erhält man zu jeder Tageszeit diese 
gerösteten Kartoffeln vom frischen Kohlenfeuer, ebenso, 
wie im südlichen Europa die gerösteten Castanien. 

Eine sehr gute Methode des Aufbewahrens der Kar- 
tofiel für spätere Zeiten besteht in jenen Gegenden, indem 
man daselbst die Kartoffeln in Scheiben schneidet, und 
diese zu einer bedeutenden Härte trocknet. Auf Reisen 
sind diese Scheiben sehr vortheilhaft. 


Die Arum- oder Aron’s - Wurzeln. 


Die Wurzeln verschiedener Arum-Arten werden in 
den heifsesten Gegenden der Tropen mit aufserordentli- 


‘cher Sorgfalt eultivirt, und sie sind in diesen Gegenden 


die hauptsächlichsten Nahrungsmittel, oft noch mehr, als 
es die Kartoffel, oder auch das Brod bei uns ist. Man 
bauet die Arum-Wurzel in den verschiedensten Gegenden 
der beiden Continente; das Arum macrorrhizon und das 
Caladium esculentum fanden wir auf den Sandwichs - In- 


-seln, und beide Arten werden auch auf den Fıeundschafts- 


363 


Inseln eultivirt. Das Arum macrorrhizon ist vorzüglich 
in Ostindien und China zu Hause, woselbst auch das 
Arum Colocasia, welches aus Afrika dorthin gebracht sein 
soll, gebauet wird. Arum macrorrhizon und das Caladium 
acre Brown werden auch in den tropischen Gegenden von 
Neu-Holland gebauet, dagegen. ist Caladium esculentum 
auch auf den Indischen Inseln, in Westindien und an ver- 
schiedenen Punkten des Festlandes von Amerika zu finden. 

Wenige andere Cultur-Pflanzen brauchen einen so 
hohen Grad von Wärme, als eben diese Arum-Arten mit 
grofsen, mehligen Wurzelknollen. Europa besitzt hievon 
keine Art. Zwar liegen die Sandwichs-Inseln, wo diese 
Pflanzen besonders gut gedeihen, an der Grenze der Tro- 
pen und erfreuen sich überhaupt eines sehr angenehmen 
Clima’s, ohne dabei die grofse Hitze anderer tropischen 
Gegenden zu besitzen; doch, wie wir früher gesehen ha- 
ben, so beträgt die mittlere Wärme von Hawaii 19,12° R., 
und mehr als 5 Monate lang im Jahre, steht daselbst die 
mittlere Temperatur über 20° Reaum. 

Alle die Wurzeln der Arum-Arten haben ein schar- 
fes, etwas giftiges Princip, welches jedoch der Substanz 
so locker anhängt, dafs es schon bei dem Trockenen, oder 
durch Kochen und Backen sich verliert, und dann ist die 
Wurzel gänzlich unschädlich. 

Die Cultur der Arum- Arten findet in derselben Zone 
statt, wo Pisange, Zuckerrohr und Cocos - Palmen gezogen 
werden, doch gehen die Pisange und das Zuckerrohr viel 
weiter über die Tropen hinaus. 

Keine andere Cultur-Pflanze möchte der Landschaft 
einen so angenehmen Ton geben, als eben die Arum- 
Felder, welche umkränzt sind von Pisang und von Zucker- 
rohr, deren verschiedenartiges Grün so angenehm gegen 
einander contrastirt. 

Auf den Sandwichs-Inseln heifsen die Arum- Arten 
Tarro, und die Felder, welche damit bepflanzt sind, wer- 
den Tarro-Felder genannt. Diese Felder sind gewöhnlich 
viereckige Stücke Land, etwa 45 bis 50 Fuis im Geviert; 


369 


sie sind 2 bis 3 Fufs tief ausgegraben und so gelegen, 
dafs irgend ein fliefsendes Wasser in dieselben hineinge- 
leitet werden kann. Gewöhnlich sind diese Bassins terras- 
senförmig über einander angelegt, so dafs das Wasser aus 
dem höher gelegenen in ein tieferes geführt werden kann, 
und die Ränder derselben, welche zugleich das Eigenthum 
der verschiedenen Besitzer von einander trennen, werden 
gewöhnlich als Fufsstege benutzt, wenigstens ist dies in 
reich bebauten Gegenden der Fall. 

Die Bassins der Tarrofelder sind so tief, dafs die 
Blätter der Pflanzen nur wenig über die Oberfläche der- 
selben hinausragen; die Pflanzen sind etwas weitläufiger 
gepflanzt, als bei uns die Kartoffeln, etwa so, wie die 
Kohlköpfe auf unseren Feldern. Ebenso wie bei uns der- 


‚gleichen Cultur-Pflanzen, welche auf starke Wurzelaus- 


bildyng besonders gezogen werden, nicht für gewöhnlich 
Früchte tragen, so sieht man auch unter den Tarropflan- 
zen nur äufserst selten, dafs einige in Blüthe stehen, und 
diese stehen dann verwildert in der Nähe der alten Tar- 
rofelder, tief im Wasser, wie unser Acorus Calamus. 

Die Knolle dieser Tarropflanze erhält die Gröfse ei- 
nes kleinen Kinderkopfes, und gekocht, oder gebacken in 
heifser Erde, hat sie grofse Aehnlichkeit mit der süfsen 
Kartoffel, doch möchte sie noch feiner sein im Geschmacke 
und vielleicht auch noch nahrhafter. Eine Varietät des 
Arum macrorrhizon bauet man auch auf trockenem Lande, 
und sogar in Höhen über 800 und 1000 Fufs hinaus, 
Auch diese Pflanze, deren Knolle nie so grofs und wohl- 
schmeckend wird, als die nasse Tarro, mufs aufserordent- 
lich feucht gehalten werden; zu diesem Zwecke pflegt 
man jede einzelne Pflanze mit einer kleinen Vertiefung 
zu umgeben, damit man um so mehr Feuchtigkeit um ihre 
Wurzel anhäufen kann. 

Auf Oahu hörte die Cultur der Pisange mit derjeni- 
gen der Tarro auf gleicher Höhe auf, über 800 Fufs hin- 
aus findet man weder nasse Tarro noch Pisange. 

Die Zubereitung der Tarro ist, wie schon vorher be- 


24 


merkt wurde, sehr vielfach; am gewöhnlichsten ifst man 
sie, nachdem sie abgekocht oder gebacken ist, wie Brod 
mit oder ohne Salz. Auch schneidet man die Knollen in 
Scheiben und bratet diese mit Fett. Am gewöhnlichsten 
ist es aber, dafs man die Tarro abkocht und sie dann zu 
einem dicken Breie zerquetscht. Zu diesem Breie, aus der 
nassen Tarro bereitet, giefst man noch mehr Wasser und 
läfst dann die Masse in Gährung übergehen, was gewöhn- 
lich schon innerhalb 24 Stunden erfolgt. Dieser gegoh- 
rene halbdicke Brei wird Po& ‚genannt und er ist die 
Lieblingsspeise der Sandwich’s-Insulaner, von dem sie oft 
ganz unglaubliche Massen verschlucken. Da der Gebrauch 
der Löffel in allen den Gegenden, wo Tarro eultivirt wird, 
noch unbekannt ist, so wird dieser Brei mit den Fingern 
gegessen, was sehr abschreckend aussieht. 

Aufser der Knolle werden auch die jungen Blätter 
der Tarro-Pflanzen benutzt, und zwar als Kohl, doch da 
sie eine Menge Fett erfordern, sind sie nicht so allge- 
mein im Gebrauche. Gewöhnlich ist es, dafs bei Gele- 
genheit, wenn ein Schwein in der Erde gebraten wird, 
der Bauch desselben ganz mit diesen Blättern angefüllt 
wird, welche dann auch als ein recht gutes Gemüse zu 
betrachten sind. 

Die Tarro und einige Bananen, eine Cocos-Nufs, 
oder eine geröstete Brodfrucht, dies sind die gewöhnlichen 
Nahrungsmittel der Bewohner der Südsee - Inseln; das 
Fleisch der Schweine und der Hunde kommt überall da, 
wo durch Missionaire die christliche Religion ohne vor- 
herige Begründung des Wohlstandes und der Bildung des 
Volkes eingeführt ist, nur noch den Reicheren zu. Die 
süfse Kartoffel, die Yam’s und dergleichen Knollen mehr, 
sind auf den Südsee-Inseln weniger als gewöhnliches Nah- 
rungsmittel im Gebrauche, als die Tarro. 


Die Manioc- oder Mandiocca - Pflanze. 


Die Wurzel der Manioca-Pflanze ist eins der wich- 
tigsten Nahrungsmittel in den tropischen Gegenden von 


Amerika, und es scheint sehr gewifs zu sein, dafs diese 
Pflanze der neuen und nicht der alten Welt angehöre, we- 
nigstens sind die, übrigens sehr gangbaren Meinungen, dafs 
die Manioc-Pflanze, von Guinea aus, nach Amerika ge- 
bracht ist, ganz und gar ohne Beweise. Die Manioca- 
Pflanze wächst in eben derselben Zone,-wo die Bananen 
reifen, doch steigen diese noch weiter auf die Gebirge 
hinauf, als die Manioca. Nach Herrn von Humboldt steigt 
die Manioca, in den Gebirgen von Mexico, nicht über 6+ 
bis 800 Metres, wärend die Banane ‚noch viel weiter hin- 
aufreicht. 

Es werden von den Bewohnern Amerika’s zwei Ar- 
ten der Manioc - Pflanze cultivirt, die eine nennen die 
Spanier die Juca dulce *) und. die andere Juca amarga. 
Die Botaniker verbanden früher diese beiden Pflanzen un- 
ter Jatropha Manihot, und hielten sie für Varietäten, doch 
Pohl, der lange in Brasilien umhergereist ist, glaubt, dafs 
sie systematisch verschiedene Arten sind, und nennt die 
bittere Manioc-Pflanze Manihot utilissima, die süfse da- 
gegen Manihot Aipi. Die Wurzel der letzteren Pflanze 
ist durchaus unschädlich, wärend. diejenige der anderen 
Art ein schnell wirkendes Gift ist, wenn der giftige Saft 
derselben nicht vorher auf das sorgfältigste von dem Mehle 
derselben abgesondert ist, was indessen schon durch blo- 

fses Ausdrücken der zerriebenen Wurzel bewirkt wird. 

Aus dem Mehle der Manioc - Wurzel bereitet man 
Brod, welches Cazavı und Cassave (Pan de tierra caliente 
der Spanier) genannt wird, und äufserst nahrhaft und wohl- 
schmeckend ist. Man ist geneigt dem Zucker und einem 
klebrigen Stoffe diese Nahrhaftigkeit zuzuschreiben, letz- 
terer soll einige Aehnlichkeit mit dem Caoutchoue haben, 
der überhaupt allen Pflauzen aus der Familie der Tithyma- 
loiden gemein ist. Die Cassave-Brode haben gewöhnlich 
die Form eines Diskus, welche Turtas heifsen; sie haben 
48 — 20 Zoll im Durchmesser und 3 Millimeter Dicke. 

*) Juca ıst der Name dieser Pflanze in der Sprache von Haiti. 


S% 
24 * 


372 


Ein Pfund von diesem Brode ist einem eingeborenen 
Amerikaner zur täglichen Nahrung hinreichend. Sehr 
häufig wird auch das feine Stärkemehl der Manioc- Wurzel 
als Mehl benutzt, und dieses, welches selbst in Europa 
unter dem Namen Tapioca-Mehl bekannt ist, bildet in 
verschiedenen Ländern sehr bedeutende Zweige des Han- 
dels. Es kommt auch sogenannter Manihot-Sago zu uns 
in den Handel, welcher eben aus diesem Stärkemehl berei- 
tet ist. Das Mehl von geriebenem, gedörrtem und geräu- 
chertem Manioc ist unzerstörbar, was in tropischen Ge- 
genden von gröfster Wichtigkeit ist, und daher ist es 
besonders gut auf Reisen zu gebrauchen. 

Der Anbau der Manioca - Pflanzen erfordert schon 
mehr Fleifs und Geduld, als derjenige der Pisange. Die 
Manioca gedeiht am besten in trockenem und erhabenem 
Grunde, *) in feuchten Niederungen wird die Wurzel aufser- 
ordentlich grofs und neigt zur Fäulnifs, wenn man nicht 
den gehörigen Zeitpunkt der Erndte wahrnimmt. 

Die Pflanze wird durch Stecklinge cultivirt, doch rei- 
fen die Wurzeln derselben, nach den verschiedenen Abarten 
und Wärmegraden in sehr verschiedenen Zeitperioden. Es 
giebt eine Abart in Brasilien, welche schon in 6 bis 8. 
Monaten grofse Wurzeln liefert; in Mexico scheinen neun 
Monate bis zur Erndte die gewöhnliche Zeit zu sein, doch 
giebt es auch solche Abarten, deren Wurzeln erst in 15 
und in 18 Monaten ausgegraben werden können. 

Aufser dem Mehle der Manioca- Wurzel gebraucht 
man auch den ausgeprefsten Saft der Juca amarga, welcher 
gerade jenen giftigen Stoff enthält, der sich aber im Feuer, 
durch langes Sieden zersetzt. Der eingedickte Saft ist 
von brauner Farbe und bildet eine Art von Souy, welcher 
mit einer eingediekten Fleischbrühe Aehnlichkeit hat. 

Nicht genug kann man die herrliche Manioca- Pflanze 
rühmen; die Indianer, welchen das Glück zu Theil gewor- 
den ist, diese Pflanzen anzubauen, haben darin einen Ersatz 


*) S. Spix und Martius Reise. TI. pag. 875. 


| 373 


für den Reis und die anderen Cerealien der alten Welt. 
Freilich ist der Nutzen, welchen die Cultur dieser Pflanze 
gewährt, nicht so schnell erfolgend, als bei anderen Cultur- 
Pflanzen, und defshalb ist schon einige Cultur bei einem 
Volke erforderlich, wenn es sich zum Anbau einer solchen 
Pflanze entschliefsen soll, welche erst nach 8—18 Mona- 
ten efsbare Wurzeln trägt. 


Die Batate oder Camote (Convolvulus Batatas L. und Ipomoca 
tuberosa L.). 


Die Batate wird in den spanischen Colonien, fast ganz 
allgemein, Camotes genannt, und zwar von dem azteki- 
schen Worte Cacamotic; *) es ist eine Pflanze der neuen 
Welt und, wie es sehr wahrscheinlich ist, auch der Süd- 
see-Inseln. Auf den Sandwichs-Inseln, schon lange vor 
der Ankunft der Spanier und Engländer, war die Cultur 
der Camote allgemein ausgedehnt. Es verlangt diese Pflanze 
eine sehr grofse Wärme, und sie wird in allen Gegen- 
den der Tropen eultivirt; da sie aber nur einjährig ist, 
so kann sie auch noch aufserhalb der Wendekreise, näm- 
lich überall da gebauet werden, wo die Wärme des Som- 
mers gleich jener unter den Tropen ist. Ja selbst auf 


Neu-Seeland fand man die süfse Kartoffel eultivirt. 


Die Camote trägt Wurzeln, welche mit denen der 
Kartoffel sehr ähnlich sind, aber einen süfseren Geschmack 
haben, so dafs sie auch im Allgemeinen süfse Kartof- 
fel genannt wird. Am besten gedeiht die Camote in einem 
heifsen aber trockenen Clima; hier erreichen die Knollen 
eine Gröfse von 2, 3 und von 4 Fäusten, sind mehlig 
und von dem angenehmsten Geschmacke, so dafs sie den 
Kartoffeln weit vorzuziehen sind; besonders in heifser Asche 
gebacken, schmecken sie am besten. In dem Thale von 
Arequipa, in einer Höhe von beinahe S000 Fufs, da habe 
ich die schönsten Camoten gefunden, welche der Kartoffel 
wert vorzuziehen waren. Wie aber ganz anders ist die 


*) S. Alexander v. Humboldt, Ueber Neuspanien. 11. pag. 91. 


374 


Batate in einem heifsen und feuchten Clima, wie z. B. in 
Ostindien und ım südlichen China, wo gerade im Sommer 
die Regenzeit ist. Hier ist die Camote eine Wurzelknolle, 
welche im gekochten Zustande weichlich, kleisterartig und 
von unangenehm süfsem Geschmacke ist; schon auf den 
Südsee-Inseln ist sie von gröfserer Güte. Man bauet 
überall zwei Varietäten der Camote, eine nämlich mit gel- 
ber und eine mit weifser Knolle. 

Der Anbau der Camote geschieht ganz wie der der 
Kartoffel, die Knolle ist jedoch als Nahrungsmittel der 
Völker nirgends von der grofsen Wichtigkeit, wie bei uns die 
Kartoffel und die Oerealien, und wie im tropischen Amerika 
die Manioca und der Mays es sind. Selbst im südlichen 
Europa ist die Batate noch zu ziehen. 

Ich habe schon oben angegeben, dafs man unter Batate 
die Wurzelknollen von zwei verschiedenen Pflanzen ver- 
steht, nämlich von der Ipomoea tuberosa L., welche auf den 
westindischen Inseln eultivirt wird, und von Convolvulus Ba- 
tatas L.; die Verbreitungs -Sphäre jeder dieser Pflanzen ist 
noch nicht so bekannt, wie es wohl zu wünschen wäre. 


Die Igname oder Yams- Wurzel (Dioscorea alata L.). 


Eine andere sehr nahrhafte Wurzelknolle, welche oft 
eine ungeheuere Gröfse erreicht, ist im Allgemeinsten un- 
ter dem Namen Yams bekannt; die Benennungen Igname 
(an der Küste von Paria) und Axes sind amerikanisch, 
letztere in der haitischen Sprache, wie Herr A. v. Hum- 
boldt berichtet. Die Yams-Pflanze wird nicht nur in der 
ganzen tropischen Zone, sowohl in der alten Welt, wie 
in der neuen. und auf den Inseln der Südsee ceultivirt ge- 
funden, sondern sogar noch weit tiefer gegen Süden hinab, 
denn Cook *) fand die Yamswurzel auch auf Neu-Seeland. 
Gegen Norden hin ist ein so hohes Vorkommen dieser 
Pflanze, wie ich glaube, nicht bekannt. Auf Java, Manila, 
Sumatra, in China und überall in jenen heifsen Gegenden, 


*) Erste Reise. Berlin 1774. 1. pag. 33. 


; 379 


wird diese nahrhafte Wurzel cultivirt; sie erreicht in einem 
heifsen und feuchten Clima oft eine Gröfse von 30 — 40 
Pfund, doch steht sie, in Hinsicht des Wohlgeschmackes, 
der Batate weit nach. In Cochinchina wurden von Fin- 
layson *) Yamswurzeln beobachtet, welche 9% Fufs im 
Umfange hatten und 474 Pfunde wogen. Da in diesem 
Falle die Wurzel sehr faserig war, so machte man aus 
dem Amylum derselben eine Art von Sago. 

Es bleiben uns noch einige andere knollenartige Wur- 
zeln zu nennen übrig, welche von den Menschen in ver: 
schiedenen Gegenden der Erde als Nahrungsmittel benutzt 
werden. Die Oca (Oxalis tuberosa Mol.) wird in der Cor- 
dillere von Mexico, Peru und Chile gebauet; in der Breite 
von 11 —12° südlich, steigt ihre Cultur bis über 8000 Fufs 
hinaus, und auch in Mexico soll sie mit der Kartoffel und 
der Quinoa in den kältesten Regionen gezogen werden. 

In China wird eine Sagittaria sagittata gezogen, deren 
Wurzelknolle mehr als die Gröfse einer Faust erhält und 
viel gegessen wird. Das Nelumbium speciosum wird in China, 
Japan, in einem grofsen Theile des tropischen Asiens, ja 
selbst im östlichen Theile von Afrika gebauet. In China ist 
diese Wurzel ganz gewöhnlich auf dem Markte zu finden. In 
Ober-Peru wird die Aracacha (Conium maculatum H. B. K.) 
bis zu einer Höhe von einigen Tausend Fufs gebauet. 

Auf den Societäts-Inseln, auf den Molucecen, so wie 
auf vielen anderen indischen Inseln, werden die Knollen 
der Wurzel von Tacca pinnatifida gegessen; sie sind sehr 
scharf und bitter, werden aber durch die Cultur etwas 
milder und durch die Zubereitung unschädlich gemacht. 
Die geriebene Wurzelknolle wird nämlich, ähnlich wie bei 
der Manıhot-Wurzel ausgeprefst, so dafs nur die Farina 
zurückbleibt, aus welcher man ein Brod bereitet, ganz in 
der Art, wie das Sagobrod auf den Moluccen, welches es 
an Wohlgeschmack noch übertreffen soll. 

Auch die scharfe Knolle von Dracontium polyphyllum 


*) The Mission to Siam and Hue etc. London 1826. pag. 272. 


376 


wird auf den Societäts- Inseln gegessen, besonders wenn 
Mangel an Brodfrucht herrscht. Bei den Eingebornen von 
König Georgs-Sund vertritt die Zwiebel von Haemodorum 
spicatum die Stelle des Brodes; geröstet wird sie mehlig, 
bleibt aber immer etwas beifsend, 


Die Cultur der hauptsächlichsten Baumfrüchte, 
welche zur allgemeinen Nahrung der Völker dienen. 


Der Brodbaum (Artocarpus incisa F.). 


Der Brodbaum ist eine der ausgezeichnetsten Nah- 
rungspflanzen für die Völker der heifsen Zone, welche 
ganz allein hinreichend ist, um eine angenehme und höchst 
nahrhafte Speise zu liefern, von welcher der Mensch an- 
haltend leben kann. Das Vaterland dieses nützlichen Bau- 
mes ist sehr ausgebreitet, doch allein der heifsen Zone 
der Erde angehörig; auf den Inseln des indischen Archipels 
und auf allen Inselgruppen der Südsee, welche innerhalb 
der Wendekreise liegen, ist der Brodbaum zu finden, aber 
nirgends wird derselbe im wilden Zustande beobachtet, 
sondern die ganze Art ist in. den eultivirten Zustand über- 
gegangen, #) und zwar wahrscheinlich dadurch, dafs sich 
der Mensch überall da ansiedelte, wo er einen Brodfrucht- 
baum fand. Unter seinem schattenreichen Laube ist noch 
jetzt der Lieblingsort der leichten Indianerhütten. 

Schön ist die ganze Form des Brodbaumes und keines 
unserer Laubhölzer kann sich mit ihm messen. Er erreicht 
eine Höhe von 40 Fufs uud seine grofse und dichte Krone 


ist mit dem schönsten grünen Laube geschmückt. Die 


Blätter sind gegen 14 Fufs lang und 140—11 Zoll breit, 
dabei fingerförmig ausgelappt. 
Die Frucht des Brodbaumes ist es, welche die ange- 


”) Die beiden Forster glaubten, dafs der cultivirte Brodbaum 
den Artocarpus integrifolia oder Jacca, welcher in Ostindien wächst, 
zur Mutterpflanze habe; indessen es läfst sich so Vieles dagegen ein- 
wenden, dafs diese Meinung ganz unwahrscheinlich wird. 


377 


nehme Nahrung liefert; sie ist fast ganz rund und erreicht 
häufig eine sehr bedeutende Gröfse; sie ist markig, mit 
einer etwas härteren Rinde umgeben und enthält meistens 
Saamen, welche etwas gröfser sind, als die Saamen der 
Rofskastanien. Die sechseckigen Felder auf der Oberfläche 
der Brodfrucht deuten die einzelnen Früchte an, aus wel- 
chen die ganze Masse zusammengesetzt ist. 

Der Brodbaum trägt reichliche Früchte, welche 8 bis 
9 Monate lang ununterbrochen den Baum bedecken und 
nach einander zur Reife kommen; nur 3 Monate lang ist 
der Baum ohne Früchte und dann leben die Indianer von 
der eingemachten Frucht. Die Brodfrucht wird vor ihrer 
vollkommenen Reife abgenommen, die Rinde ist dann noch 
grün, das Mark aber schneeweifs und von lockerem, meh- 
hgem Gewebe. Die Frucht wird dann geschält, in Blätter 
gewickelt und auf heifsen Steinen gebacken, denn roh kann 
sie nicht gegessen werden. Die geröstete oder gebackene 
Brodfrucht schmeckt wie Weitzenbrod, etwas süfslich zu- 
weilen. Auf den Freundschafts-Inseln und den Marquesas 
ist sie am vorzüglichsten. Wenn die Brodfrucht ganz zur 
Reife gekommen ist, wird ihr Mark breiartig und von gel- 
ber Farbe und kann dann roh gegessen werden; doch ist 
sie alsdann von widrigem Geschmacke. G. Forster, dem 
wir eine kleine Monographie des Brodbaumes verdanken, 
beschreibt die verschiedenen Zubereitungen der Brodfrucht, 
wodurch dieselbe efsbar gemacht wird. Man legt z. B. 
die Früchte, ehe sie ganz zur Reife gekommen sind, nach 
Entfernung ihrer Rinde in eine gepflasterte Grube und 
bedeckt sie mit Haufen von Blättern und Steinen, bis sie 
in eine sauere Gährung übergegangen sind. Der Teig, 
sagt Forster, *) schmeckt dann ganz wie das schwarze 
westphälische Brod, wenn dieses nicht ganz ausgebacken 
ist. Aus diesem Vorratlie in der Grube nimmt man nun 
täglich so viel, als man bedarf, macht daraus faustgrofse 
Klumpen, wickelt sie in Blätter und backt sie zwischen 


*) 1. ec. pag. 20. Vom Brodbaum. 1787. 


378 


erhitzten Steinen. Wochenlang erhalten sich diese Brod- 
massen und sind, selbst auf Reisen, sehr gute Nahrungs- 
mittel. Auch wärend der 3—4 Monate, wenn der Brod- 
baum keine Früchte trägt, lebt der Indianer von diesen 
Vorräthen. 

Diese köstliche Nahrungspflanze bringt so reichliche 
Früchte, dafs 3 Bäume hinreichend sind, um einen Menschen 
8 Monate lang ganz hinreichend zu ernähren. Ja der grofse 
Entdecker Cook spricht diesem Baum mit wenigen Worten 
das gröfste Lob, indem er sagt: „Hat Jemand in seinem 
Leben nur 40 Brodbäume gepflanzt, so hat er seine Pflicht 
gegen sein eigenes und gegen sein nachfolgendes Geschlecht 
eben so vollständig und reichlich erfüllt, als ein Einwohner 
unseres rauhen Himmelsstriches, der sein Leben hindurch 
wärend der Kälte des Winters gepflügt, in der Sommer- 
hitze geerndtet und nicht nur seine jetzige Haushaltung 
mit Brod versorgt, sondern auch seinen Kindern noch 
etwas an baarem Gelde kümmerlich erspart hat.“ 

Die Fortpflanzung des Brodbaumes geschieht theils 
durch junge Schöfslinge, welche man sus der Wurzel er- 
hält und zwar dadurch, dafs man diese von Erde entblöfst 
und an der Oberfläche einkerbt, worauf aus diesen Ein- 
schnitten eine Menge von jungen Trieben vorwachsen, 
welche man mit einem Theile der daran sitzenden Wurzel 
abschneidet und in die Erde steckt. 

Auf vielen Inseln des indischen Archipelagus werden 
die kastanienartigen Saamen der Brodfrucht als eine der 
“ hauptsächlichsten Nahrungen angesehen, welche man durch 
Röstung geniefsbar macht; in den meisten Fällen sind aber 
die Saamen in der ceultivirten Frucht ganz spurlos ver- 
schwunden. Durch die Cultur sind auch bei diesen Bäu- 
men eine Menge von Varietäten*) entstanden, welche sich 
hauptsächlich durch die Form der Frucht und durch das 
Fehlen oder durch die Anwesenheit der Saamen  aus- 
zeichnen. 


”) S. Forster, de plantis esculentis. Berolini 1786. 


379 


Aufser den Früchten benutzt man noch den Stamm 
des Brodbaumes; sein Holz ist weich und leicht und wird 
zu kleinen Kähnen und verschiedenen Hausgeräthschaften 
verarbeitet. Aus dem Baste des jungen Baumes bereitet 
man Zeuge, welche denen aus dem Papier-Maulbeerbaume 
ganz ähnlich sind. Es werden hiezu auch die Jungen 
Schöfslinge in dichten Massen gepflanzt, damit sie ganz 
gerade aufsteigen und um so längere Gewebe liefern können. 


Der Pisang oder die Banane (Musae spec. var.), Platano im 
Spanischen. 


Eine der gewöhnlichsten und der nahrhaftesten Früchte 
der Tropen ist der Pisang oder die Banane. Der Ge- 
‚schmack der gewöhnlichsten Arten dieser Frucht pflegt 
bei dem Fremden nicht so beliebt zu sein, wie man es 
sich nach den Beschreibungen der Reisenden denken sollte. 
Auch hiezu ist erst einige Gewohnheit nöthig, und alsdann 
findet man die Pisangfrucht aufserordentlich süfs und wohl- 
schmeckend. Die Spielarten dieser Frucht sind in den 
verschiedenen Ländern gewifs zahllos; auf den Philippinen 
allein bauet man deren an 70, welche auch sämmtlich mit 
eigenen Namen belegt sind. Es sind aber auch wirklich 
mehrere bestimmte Arten der Gattung Musa, welche diese 
vortrefllichen Früchte liefern, wovon wenigstens schon 6 
bis S systematisch bestimmt sind, und die verschiedenen 
Arten verlangen auch ein verschiedenartiges Olima. 

Nach Herrn Alex. v. Humboldt’s Angabe, *) welcher 
auch über die Cultur des Pisangs, in seinem bekannten 
Werke über Mexico, die besten und vollständigsten Nach- 
richten mitgetheilt hat, wächst der Camburi (Musa sapien- 
tum L.) in der Ebene der Tropen, bei 19 bis 21° Cels. 
Luftwärme, und steigt sogar bis über 30 und 35° der Breite 
hinaus; auf dem Gebirge geht die Cultur desselben noch 
bis zu 900 Toisen Höhe, wärend die Platano Harton oder 
Arton (Musa paradisiaca Lin.), selbst unter dem Aequator, 


*) De distributione geogr. plant. pag. 156. 


380 


nur bis zu 500 Toisen hinaufsteist und 23 bis 28° mitt- 
lere Wärme verlangt. Die Frucht von Musa regia Rumph. 
wird in den spanischen Colonien mit dem Namen Domi- 
nico belegt u. s. w. Die gewöhnliche Banane, mit allen 
ihren Varietäten, welche in den tropischen Gegenden Asiens 
und Afrika’s, selbst auf der Westseite dieses letztern Con- 
tinents gezogen wird, scheint nach vielfachen Untersuchun- 
gen ebenfalls der Musa sapientum anzugehören. 

Es hat nicht an Schriftstellern gefehlt, welche die 
Pisangfrucht mit jenen Aepfeln für übereinstimmend hiel- 
ten, welche einst im Garten zu Eden so grofses Unheil 
angestiftet haben, daher ihnen auch lange Zeit hindurch 
der Name Paradiesäpfel beigelegt wurde. 

Wo der Pisang sein ursprüngliches Vaterland hat, ob 
in der alten, oder in der neuen Welt allein, oder ob er 
in beiden Erdtheilen ursprünglich zu Hause war, das sind 
Fragen, welche sich gegenwärtig zwar nicht mit absoluter 
Gewifsheit, aber mit grofser Wahrscheinlichkeit beantwor- 
ten lassen. Dafs der Pisang in der tropischen Zone der 
alten Welt ursprünglich zu Hause ist, das ist ganz gewifs 
ausgemacht; in den Wäldern Ceylons wächst der Pisang 
im wilden Zustande, *) und auf den Südsee-Inseln fand 
man ihn überall, wo man hinkam, und er kommt daselbst 
auch noch heutigen Tages im wilden Zustande vor. Die 
Wälder auf den Sandwichs-Inseln, welche einige Tausend 
Fufs hoch gelegen sind, zeigen einen wilden Pisang in 
Menge, der dem fruchttragenden, cultivirten daselbst durch- 
aus ähnlich ist, d. h. bis auf die Früchte. Fast eben so 
gewifs ist es, dafs Amerika, schon vor der Einwanderung 
der Weifsen, den Pisang besessen habe, wenigstens herrscht 
in verschiedenen Ländern daselbst die Sage, dafs die Va- 
rietäten Arton und Dominico schon lange vor Ankunft der 
Spanier gebauet wurden, und Herr Alexander v. Humboldt 
fand bei allen Indianern, in den entferntesten Gegenden 


*) $S. Sawers in Mem. of the VVernerean Society. Edinburgh. 
Vol. IV. pag. 403. 


381 


des Orinoco, den Anbau des Pisangs und der Manioca, in 
Gegenden, welche sicherlich noch ohne Communication mit 
den Europäern standen. Aber noch gewisser wird es 
durch den Bericht des Garcilasso de la Vega *), welcher 
ganz klar und deutlich die Nahrungsmittel nennt, welche, 
zu der Inca’s Zeiten, gewöhnlich im Gebrauche waren, 
und wobei denn auch der Pisang-Frucht für. die heifsen 
und gemäfsigten Zonen von Peru gedacht wird. 

In allen den spanischen Colonien der alten und der 
neuen Welt, werden die Pisang-Pflanzungen unter dem 
Namen Platanar (Banarin) verstanden. Die Bearbeitung 
dieser Plantagen ist, zum Glücke für die Indianer, sehr 
leicht, denn ist die Frucht gereift, so hat man nur den 
alten Stamm abzuhauen, damit sich die neuen Wurzel- 
sprossen um so freier entwickeln können; eine der Spros- 
sen hatgewöhnlich schon 3 der Höhe der alten Mutterpflanze, 
und in Zeit von 3 Monaten trägt sie selbst schon wieder 
Früchte. 

Werden die Schöfslinge gepflanzt, so kann man erst 
im 10ten oder im 41ften Monate auf Früchte rechnen. 
Im Durchschnitte giebt ein Pisangstamm gegen 30 bis 40 
Pfund Früchte, es ist jedoch nicht selten, dafs sie bis 60 
und 80 Pfunde Früchte geben, und, da der Indianer dar- 
auf rechnen darf, dafs seine Pisang-Erndte viermal im 
Jahre statt findet, so giebt eine einzige Pisang-Pflanze, in 
Zeit von einem Jahre, zum wenigsten über 100 Pfunde 
Früchte. Demnach giebt es schwerlich eine andere Nah- 
rungspflanze, welche, auf einem so kleinen Raume, eine 
so grofse Menge von Früchtrn hervorbringt. 

Die Frucht der Musa-Arten ist weich, mehr oder 
weniger gezuckert und von angenehmen Geruch und Ge- 
schmack. Gewöhnlich fehlen derselben alle Saamen, ja es 
giebt sogar wilde Arten, in deren Früchten man noch keine 
Saamen gefunden hat; nur in Indien, Cochinchina, auf 
Java und auf Lucon **) giebt es eine constante Varietät 


r Coment. reales de los Incas, I. pag. 282. 
*Y) Meyen’s Reise etc, II. pag. 414. 


382 


(der Platano de Pepita), welche eine aufserordentliche 
Menge von grofsen Saamenkörnern enthält und defshalb 
denn auch weniger zum Essen geschätzt wird *). 

Finlayson **) hat über das Vorkommen der eultivir- 
ten Musa mit vollkommenen Saamen am ausführlichsten 
gesprochen; er fand auf der Insel Ubi, an der: Küste Hin- 
ter-Indiens, eine wildwachsende Musa, deren Früchte mit 
Saamen gefüllt waren, und hielt dieselbe mit Musa sa- 
pientum für identisch. Die Frucht hatte, im Verhältnifs 
zur eultivirten Bananen -Frucht nur sehr weniges efsba- 
res Mark. Der Platano de Pepita, welchen ich auf Lucon 
gefunden habe, der eine beständige Varietät ist, welche man 
durch Stecklinge fortpflanzt, hat zwar eine sehr grofse 
Menge Saamen, indessen die fleischige Substanz dieser 
Früchte ist recht wohlschmeckend. - 

Die Zubereitung der Bananen ist unendlich vielfach; 
äm gewöhnlichsten ifst man die reife Frucht roh, nach- 
dem ihre dicke Fruchthülle abgezogen ist, was sich ganz 
leicht bewerkstelligen läfst. Auch geröstet innerhalb der 
Fruchthüllen, wird sie häufig gegessen, aber sehr angenehm 
schmeckt sie mit Butter gebraten. Man kann nicht läug- 
nen, dafs die Banane, obgleich man sehr viel davon es- 
sen kann, zu den sehr nahrhaften Früchten gehört. 

Die schönen Pisang-Pflanzen, welche den ländlichen 


- Wohnungen in tropischen Gegenden eine eigenthümliche 


Zierde geben, sind noch in mehrfacher Hinsicht den Be- 
wohnern jener Gegenden nützlich. Das Blatt der Pisang- 
Pflanze dient den Indianern als Tischtuch und als Teller; 
bei jedem Essen geht er vorher einige Schritte und bricht 
die nöthigen Blätter ab. Wenn der Indianer ein Thier, in 
erhitzten Gruben, in der Erde bratet, dann hat er es vor- 
her in Pisang-Blätter eingehüllt. Gegen den Sonnenschein 
und zum Abwehren der lästigen Insekten gebraucht der 
Indianer ebenfalls das schöne Pisangblatt. 


*) Man vergleiche hierzu Forster de plantis esculentis pag. 31, 
welcher diese Varıetät Musa granulosa nennt. 


*%) Journal of the Voyage to Siam. Lond,. 1826. p. 86. 


383 


Einen weit gröfseren Nutzen gewähren die Pisang- 
Pflanzen durch die Festigkeit ihrer Fasern, welche zur 
Bereitung von Hanf, Flachs und noch feineren Fäden be- 
nutzt werden. Schon ist der Hanf von Manila, die Avaca 
der Tagalen, ein wichtiger Gewerbszweig für die Bewoh- 
ner der Philippinen, denn bereits sind schon ganze Schiffs- 
ladungen desselben zu uns nach Europa gekommen, und 
das Tauwerk von Manila, womit sich dort jedes Schiff 
versieht, ist von ausgezeichneter Güte. 


Anmerk. Da der Stamm der Pisang-Pflanze weicher ist, als 
der Stengel der Hanf- Pflanze, so geschieht die Bereitung dieses Han- 
fes viel schneller und leichter, als die des europäischen Hanfs. Die 
Fasern, welche in den äufsersten Schichten des Stammes liegen, sınd 
gröber, und werden zur Bereitung von Tauwerk angewendet; die 
der inneren Schichten sind dagegen viel feiner, und man verfertigt 
aus ihnen sehr verschiedenartige Zeuge, welche, den Bewohnern der 
Philippinen z. B. zur Kleidung dienen. Die Bewohner der Sand- 
wichs - Inseln verfertigen ihre vortrefflichen Angelschnüre aus diesen 
Fasern. Die feinsten Avacä-Fäden verwebt man auf Lucon mit 
Seide und erhält hierdurch ein äufserst geschätztes Zeug, welches 
der Pina ähnlich ist und auch an Kostbarkeit dem letzteren gleich- 
kommt. Die Pisang- Stämme erhalten eine Höhe von 7 und 8 Fufs, 
und die Fasern, welche ununterbrochen durch dieselben verlaufen, 
und, nach der bekannten Zubereitung durch Fäulnifs, die Avacä lie- 
fern, zeigen dann eben dieselbe Länge, wodurch der beste europäi- 
sche Hanf übertroffen wird. Die Avacä ist aber auch, bei gleicher 
Masse viel stärker als unser europäischer Hanf. 


So ist die Pisang-Cultur eine_der wichtigsten für 
alle Völker der Tropen, und eben weil diese Pflanzen, 
welche ihnen ein Hauptnahrungsmittel geben, so zu sagen 
von selbst wachsen, ohne dafs sich der Indier dabei zu 
quälen braucht, so hat man wohl geglaubt, dafs eben diese 
ergiebige Frucht es ist, welche die Trägheit der Indianer 
erlaubt oder wohl sogar befördert. Ich glaube nicht, dafs 
diese Ansicht richtig ist; ein Mensch, dessen Ideenkreis 
beschränkt ist, hat auch keine Arbeit zur Zerstreuung 
nöthig, man unterrichte aber diesen armen Indier, und er 
wird gewifs eine eben so grofse Thätigkeit zeigen, wie 
man sie an den Weifsen zu sehen gewohnt ist. — 


384 


Anmerk. WVärend des Druckes dieses Buches erschien der 
4te Band von Herrn Ritters Erdkunde, worin der berühmte Herr 
Verfasser mehrere indische Gulturpflanzen in Hinsicht ihrer geogra- 
phischen Verbreitung, so wie in Hinsicht des Einflusses, welchen 
die Cultur derselben auf den Menschen ausübt, mit der ihm eige- 
nen Gelehrsamkeit zum Gegenstande besonderer Untersuchungen 
gemacht hat, worauf ich hier verweisen mufs. Man findet in dem 
angeführten Werke über folgende Cultur-Pflanzen, welche ich m 
dieser Schrift ebenfalls abgehandelt habe, sehr ausführliche Mitthei- 
lungen: Nämlich über die Banane, die Pfeffer-Pflanze, den Dattel- 
baum, die Cocos-Palme, die Areca-Palme und die WVeinpalme, wo- 
bei der grofse Geograph eine Menge der interessantesten Beobach- 
tungen an das Tageslicht gebracht hat, welche in der, so sehr zer- 
streuten Literatur über Indien, dem Publikum nicht leicht bekannt 
geworden wären. 


Der Oelbaum (Olea europaea L.). 


Der Oelbaum gehört zu den nützlichsten Gewächsen 
welche die menschliche Gesellschaft aufzuweisen hat, des- 
senungeachtet ist die Cultur desselben eigentlich sehr be- 
schränkt; erst seit der Entdeckung von Amerika breitet 
sich dieselbe weiter aus. Das südliche Europa, zwischen 
44 bis 36° N. Breite, ist der eigentliche Sitz der Cultur 
des europäischen Oelbaums; er erfordert eine mittlere 
Wärme von 14,5° bis 19° Gels. richtet sich aber haupt- 
sächlich nach der Strenge des Winters. In Ländern, 
wo die mittlere Temperatur des Winters unter 5,5° Cels. 
ist, da gedeiht der Oelbaum nicht ohne Schutz, welchen 
man den grofsen Plantagen auch nicht angedeihen lassen 
kann. In Europa wird der Oelbaum bis 443° N. Breite 
eultivirt, weiter hinauf findet man nur einzelne Anpflan- 
zungen und gerade nur in gut geschützten Gegenden. 
Schon auf den Halbinseln des südlichen Europa’s gedeiht 
der Olivenbaum in den Küstengegenden, wo der Winter 
um so milder ist, ganz aufserordentlich, weniger dagegen 
auf den Hochebenen jener Länder, wenngleich dieselben 
von keiner grofsen Erheblichkeit sind. Eben die milderen 
Winter des Küstenclima’s machen es, dafs der Oelbaum 
noch auf der Krim cultivirt wird, wo aber die Früchte 


385 


schon ein schlechtes Oel geben sollen. So wird auch 
in den untern Theilen des Rhonethales und auf der süd- 
lichen Seite der Cevennen der Oelbaum angetroffen. Bei 
einem geringen Schutze kann der Olivenbaum weit höher 
nach Norden hinaufgehen, wie dies ein Bäumchen zeigt, 
welches im botanischen Garten zu Bonn im Freien gezo- 
gen wird. 

Die geringe Ausdehnung der Zone der Oliven -Cultur 
gegen Osten nnd Süden mag auch wohl darin ihren Grund 
haben, dafs in diesen Gegenden meistens andere Pflanzen 
vorhanden 'sind, deren Saamen ein ähnliches, ja auch eben 
so gutes Oel, als das der Oliven geben, 2. B. die Oel- 
bringende Camellia (C. oleifera) in China und Japan, Ca- 
mellia drupifera in Cochin-China und Thea oleosa in China, 
sowie die grofse Anzahl von Palmbäumen und Ricinus-Ar- 
ten, deren Saamen ebenfalls auf Oel gezogen werden. 
Das Ricinus- oder Castor-Oel bereitet man durch anhal- 
tendes Auskochen und Auspressen der Rieinus-Saamen; 
der Gebrauch desselben ist wohl allgemeiner, als man es 
vielleicht bei uns glauben möchte. In Indien, in China, 
in Amerika, in Afrika und selbst in den Colonien Austra- 
liens wird das Castor-Oel zum Essen benutzt. 

In Ostindien wird das Oel aus den Saamen von Se- 
samum orientale und von Raphanus (Brassica) orientalis 
eben so gewöhnlich, wie das Oliven-Oel im südlichen 
Europa zur Nahrung benutzt, ja es kann daselbst als eins 
der hauptsächlichsten Nahrungsmittel angesehen werden. 

Der Oelbaum vermag eine bedeutend höhere mitt- 
lere Jahreswärme zu ertragen, als diese, welche ihm im 
südlichen Europa zukommt, und er scheint dabei meistens 
noch viel üppiger zu wachsen, als in unserem kälteren 
Clima von Europa. Auf den Canarischen Inseln sind die 
Oliven Bäume heutigen Tages zwar selten, doch sie wu- 
chern daselbst, wie die Weiden unseres Clima’s #). Zwar 
wächst der Oelbaum auf diesen schönen Inseln erst in 


”) $. L.v. Buch, Beschreibung der Canarischen Inseln, p. 122 etc. 


25 


386 


der Region der europäischen Cultur-Gewächse, von 1200 
bis 2500 Fufs Höhe, bei einer mittleren Temperatur von 
47,5° Cels.; doch daran ist wohl nur die Willkühr der 
Menschen Schuld. 

Die Olive fehlte der neuen Welt, wo sie jetzt, an 
verschiedenen Orten wenigstens, im üppigsten Wuchse 
steht: Es ist der andalusische Oelbaum, welchen Cortes 
nach Mexico eingeführt hat. Schon zu Anfange dieses 
Jahrhunderts war auf dem Plateau von Mexico, 1168 Toi- 
sen hoch, eine der herrlichsten Oelbaum -Plantagen *), doch 
hier ist auch das Clima meistens so angenehm wie zu Nea- 
pel; schon im Januar und: im Februar, beträgt die mitt- 
lere Tageswärme daselbst zwischen 13 und 14° Cels. Ge- 
genwärtig wird die Olive schon an vielen Orten von Mexico 
gezogen **), und man schmeichelt sich, sehr bald den 
ganzen Bedarf dieses Culturzweiges im Lande selbst zu 
gewinnen. TB 

Schon im: vorigen Jahrhundert ward der. Oelbaum 
selbst in Neu-Californien, in der Nähe von San Diego 
gepflanzt. Ganz aufserordentlich gut gedeiht der Oel- 
baum auf der Westküste von Peru, wo er, in der Breite 
von 15 und 17° südlich, selbst in der Höhe der: Küste 
vorkommt, und eine Höhe und Breite erreicht, wie bei uns 
die Apfelbäume. Die Oliven der Küstengegend von Arica, 
von Tacna, von Islay und Cumana gehören zu den aus- 
gezeichnetesten Früchten, und der Consum derselben: ist 
daselbst. aufserordentlich grofs. Gebraten werden sie auf 
den Strafsen von Arica und Islay alltäglich umhergetragen, 
und in Kästchen, von Palmblättern oder Schilf geflochten, 
werden sie nach der Hochebene verführt, wo sie, z. B. 
auf dem Markte von Arequipa, täglich in gröfster Masse 
verkauft werden. Der Oelbaum der alten: Welt ist über- 
haupt für die heifsen und trockenen Gegenden der West- 
küste von Südamerika eine aufserordentliche Bereicherung, 


— 


*”) S. A. v. Humboldt, 1. c. I. p. 56. und III. p. 93. 
**) S. Becher, Mexico. Berlin 1831. p. 142. 


_ 


387 


denn es ist unglaublich, in welchem sterilen Boden dieser 
Baum, an der. peruanischen Küste zu finden ist; in der 
Nähe einer kleinen Quelle daselbst, wächst ein ganzer 
Wald von Oliven, dicht neben einer Anpflanzung von 
Aloe-Stauden und Wasser-Melonen. Obgleich die Olive, 
erst ‚seit einigen Jahrhunderten höchstens, nach Peru ge- 
bracht ist, so habe ich daselbst doch schon sehr dicke Bäume 
gesehen, welche, bei dem langsamen Wachsen dieser Bäume, 
auf ein sehr hohes Alter schliefsen liefsen. Als Beispiele 
von dem hohen Alter der Oelbäume und der enormen 
Dicke, welche ihre Stämme erreichen, mufs man die Oel- 
bäume aufführen, welche auf dem Oelberge bei Jerusalem 
stehen und ganz wahrscheinlich noch dieselben sind, wel- 
che einst zu Christus Zeiten daselbst standen. Jener 
Oelbäume sind 8 an der Zahl, sie haben wenigstens 6 
 Metres im -Umfange *), und eine Höhe von 9 bis 10 Me- 
tres. In ganz Chile gedeiht die Olive, besonders in Co- 
quimbo, doch auch bei St. Jago, in 33° S. Breite, obgleich 
fast 2000 Fuls erhaben über dem Meere. 


‚Die EN Palme (Cocos nucifera Bi 


ie. Palme ist von jeher die Königinn der Wälder ge- 
wesen; nicht nur die Schönheit ihrer Form, sondern der 
aufserordentliche Nutzen, welchen dieselbe darbietet, ha- 
ben sie dazu. gemacht. Es giebt nur wenige, vielleicht 
gar keine_Palmen, welche nicht auf irgend ‘eine Weise 
von den Menschen benutzt werden können; ich kann sie 
hier nicht alle aufführen, wohl aber diejenigen, welche hie 
und da, als Hauptnahrungsmittel der Völker zu betrach- 
ten.sind, oder durch andere nützliche Eigenschaften einen 
bedeutenden Einflufs auf den Wohlstand der Menschen äu- 
fsern. : Keine andere Pflanzenfamilie zeigt eine solche un- 
geheuere Kraft in der Erzeugung ihrer Früchte; die Al- 
fonsia in Südamerika **), bei einer Höhe von 6 Fufs, hat 


© 9)8. Bove, Relation d’un voyage botan. en Esypte etc. — Ann. 
des sciences nat. 1834. T. I. 
**) $. A. v. Humboldt’s Reise ete, Buch XI. p. 52. 
25 * 


388 


bis 200000 Blüthen in einer einzigen Blumenscheide, und 
auf Einmal oft über 600000 an der Zahl, welche aller- 
dings nicht sämmtlich zur Reife kommen. 

Vor Allen ist die Cocos-Palme zu nennen, sie 
hat ihr wahres Vaterland in der alten Welt und auf den 
Südsee-Inseln; nach Amerika möchte sie vielleicht doch 
nur übergewandert sein *), sie wird daselbst auf den west- 
indischen Inseln und in Brasilien in grofser Menge ge- 
zogen. 
Die Cocos-Palme gehört zu den Küsten-Bewohnern, 
und es sind nur wenige Fälle bekannt, wo man die Co- 
cos-Palme weit im Innern des Landes beobachtet hat, je- 
doch gelingt es allerdings, durch die pflegende Hand des 
Menschen, auch diesen Baum von seinem natürlichen 
Standorte zu entfernen, und unter anderen Lokal- Ver- 
hältnissen zu ceultiviren. Herr Alexander von Humboldt 
hat bekanntlich die Cocos-Palme in den Steppen von Ve- 
nezuela gefunden, und ganz neuerlichst hat auch der Her- 
zog Paul Wilhelm von Württemberg diese Palme auf der 
Insel Cuba, entfernt von dem Meeres-Ufer, in besonderer 
Ueppigkeit beobachtet; auch in Indien findet man, wei- 
ter landeinwärts, die Cultur der Cocos - Palme, jedoch 
gelingt Sie nicht immer **). 

Nur wenige der Südsee-Inseln möchten ohne Cocos- 
Palmen zu finden sein, auf der Oster-Insel, der östlich- 
sten derselben, ist die Cocos-Palme allerdings nicht ge- 
funden worden. Auf den Inseln der Chinesischen See, 
der Malayischen See, der Javanischen See, so wie in den 
heifsen Gegenden des ganzen Indischen Ocean’s sind alle 
Inseln, mehr oder weniger stark, mit dieser kostbaren 
Palme beschenkt, aber nirgends mehr, als auf der zahlrei- 
chen Inselgruppe, welche die Lakediven und die Maledi- 
ven umfassen, möchte die Cocospaime für die Ernährung 


*") Anmerk. Zu einer Ueberwanderung der Cocos aus der 
alten, Welt nach Amerika, sind die Strömungen in beiden grolsen 
Meeren sehr geschickt gelegen. 


*%) $. Hamilton, Descript. of Hind. II. p. 210. 


389 


der Bewohner von gröfserer Bedeutung sein. Die feuch- 
ten Ufergegenden Indiens und besonders der reichen In- 
sel Ceylon haben zwar die gröfste Masse von Cocos- 
Bäumen aufzuweisen, deren Anzahl daselbst viele Millio- 
nen übersteigt, hier aber wird dieser Culturzweig- nicht 
mehr zur Ernährung der Bewohner des Landes betrieben, 
sondern die Produkte desselben sind Gegenstand des ein- 
träglichsten Handels. Ueberall in der Südsee und im den 
indischen Gewässern, wo die Cocos-Palme vorkommt, da 
begrüfst sie, in mehr oder weniger grofsen Massen, schon 
in weiter Ferne die nahenden Reisenden, und in ihrem, 
zwar kärglichen Schatten, sieht man die ersten zerstreut 
stehenden Hütten der Indier; in Ostindien aber, wo eigen- 
thümliche Verhältnisse die ausgedehnte Cultur der Co- 
cos-Palme bedingt haben, ‘da liegen ganze Dörfer und 
grofse Städte im Schatten ausgedehnter Cocos - Waldungen, 
und die ganze Küste von Malabar ist mit unzähligen Co- 
cos - Palmen beschattet. Ja im südlichen. Ceylon kennt 
man einen Wald von Cocos-Palmen, der, dem Ufer des 
Meeres entlang, 26 Engl. Meilen weit verläuft, mehrere Stun- 
den breit ist*), und an 11 Millionen erwachsene Cocos- 
Palmen enthält. Noch zur Zeit, als die Holländer Herren 
von Ceylon waren, wurden jährlich aus diesem Walde 
6000 Fässer Arrak, 3000000 Pfunde Tauwerk aus den 
Cocosfasern, und eine ungeheuere Menge von Oel gewon- 
nen. Auch hier, wie auf den Lakediven und Malediven, 

ist die Cocos-Palme die Quelle der allgemeinen Nahrung 
. jener Bewohner. 

Von der Nutzbarkeit der Cocos - Palme haben die 
Reisebeschreibungen vielfach gelehrt, und selbst eigene 
Schriften sind darüber erschienen. So wie alle anderen 
Obstbäume durch sorgfältige Cultur veredelt werden, so 
ist es auch mit der Cocos-Palme und mit noch vielen an- 
deren Palmen der Fall. Die Cocos-Palme wächst schnell, 


”) S. Transactions of the Royal Asıat. Societ. of Gr. Brit., Vol. 
I. p. 546. 


390 


und oft giebt sie, schon im 6ten Jahre, einige 30 Früchte 
Eine erwachsene Cocos-Palme. hat nicht selten 2- bis 300 
Nüsse, und sie wird bis 100 Jahre alt. Die frische, reife 
Frucht ist bekanntlich mit einer wasserhellen, etwas süfs- 
lichen Flüssigkeit angefüllt, welche unter dem Namen der 
Cocos - Milch sehr bekannt ist. Die Cocos-Milch wird 
‚als ein kühlendes, äufserst wohlschmeckendes Getränk: ge- 
lobt und oft von Reisenden mit Begeisterung gerühmt. 
Ich theile dieses Lob nicht; die Cocos-Milch ist ein ziem- 
lich fades Getränk von einem eigenthümlichen, weichlichen 
Geschmacke. Mit dem Alter bildet sich der Kern’ im’der 
Nufs, indem die Flüssigkeit verschwindet, und in diesem 
Zustande, mehr oder weniger ohne Cocos-Milch,  kom- 
men die Nüsse durch den Handel zu uns. Der Kern der 
Cocos-Nufs besteht aus einer härtlichen weifsen Masse; 
welche im Geschmacke einige Aehnlichkeit mit den süfsen 
Mandeln hat, doch viel weniger wohlschmeckend ist, ja 
sogar im rohen Zustande, wegen der grofsen Festigkeit 
des Kern’s, ein nur wenig zu empfehlendes Nahrungsmittel 
- darbietet. | 

In allen eultivirten Ländern . innerhalb der Wende- 
kreise, wo die Cocos-Nufs wächst, da wird auch die Cul- 
tur des Zuckers betrieben, und so wird es jenen Völkern 
sehr leicht, die gezuckerten Früchte dieser Palme zu ge- 
niefsen, was man deselbst so allgemein im Gebrauche fin- 
det. Der Kern der Cocos-Nufs in Zucker gekocht, bil- 
det das wohlschmeckendste Dulce, welches ich in den spa- 
nischen Colonieen der tropischen Gegenden gefunden habe, 
und dasselbe wird sehr allgemein gegessen. 

Kocht man .den Kern der Cocos-Nufs anhaltend: in 
Wasser und prefst alsdann denselben, so erhält man’ das 
bekannte schöne Cocos-Nufs-Oel, welches früher unter 
dem Namen Oleum Calappi *), oder Oleum Palmae in 
den Handel kam. In einigen Gegenden läfst man vorher 


| *) Kulapa ist die Benennung der Cocos- Palme in der Sprache 
der Malayen. 


391 


die Kerne der Cocos-Nüsse faulen, siedet dann die Mi- 
schung und erhält dadurch das dicke Oel. Es ist bekannt, 
welch eine grofse Menge von Cocos-Nufs-Oel schon ge- 
genwärtig in unseren Fabriken consumirt wird, zur Gas- 
‚bereitung für Gaserleuchtungs- Anstalten soll es ganz be- 
sonders vorzüglich sein; im ganz frischen Zustande wird 
es selbst gegessen und von vielen rohen Völkern auch 
zum Bestreichen der Haut gegen zu starke Ausdünstung, 
u. 5. w. bemitzt. Aus der Cocos-Milch erhält man durch 
Kochen ebenfalls ein Oel, welches besonders wohlschmek- 
kend ist, nnd als Butter gebraucht wird. 

Aus der Cocos-Milch erhält man aber auch, nachdem 
sie in Gährung übergegangen ist, durch Destillation einen 
sehr starken und feinen Brandwein, eine Art von Arrak, 
welche oft sehr geschätzt wird und nur selten in den 
Handel kommt. 

Die Benutzung der harten Cocos-Nufs-Schale ist in 
unserem Lande sehr bekannt; die aufserordentliche Härte 
bei der schönen Politur, welche diese: Substanz annimmt, 
macht dieselbe geschickt. zu vielfachen Verzierungen, als 
z.B. zu Stockknöpfen und zu Pfeifen-Spitzen, und selbst 
prachtvolle Gefäfse, verziert mit Silber und Gold, findet man 
in Indien und in China gar nicht selten daraus bereitet. Bei 
den Indianern jener tropischen Länder, wo die Cocos-Palme 
angepflanzt wird, da wird die Schale zu Trinkgeschirren 
gebraucht; die Fasern aber, welche das bekannte dicke 
Pericarpium der Frucht bilden, werden zur Bereitung von 
Schiffstauen, Stricken, Decken, Bürsten, Panzern und der- 
gleichen Geräthen mehr benutzt, welche auch bei uns 
durch den Handel bekannt geworden sind. 

Zur Bereitung der Cocos-Nufs-Fufsdecken, gebraucht 
man ‘dagegen meistens nur die Blattscheiden. Die Blät- 
ter der Cocos-Palme werden weniger zur Bereitung von 
Geflechten gebraucht, wohl aber zum Dachdecken; dagegen 
liefern die Blätter mehrerer anderer Palmen, wie z. B. 
im Innern von Brasilien, nach Herrn von Martius Bericht, 
eine Substanz, welche den Indiern die Stelle des Flach- 


392 


ses vertritt. G. Bennett *) hat einen Anhang zu seiner 
Reisebeschreibung gegeben, welcher über die Cocos -Palme 
handelt, worin hauptsächlich die Flechtwerke und die Be- 
nutzung dieser Palme zur Bereitung des Arraks auf Cey- 
lon, erörtert werden. 

Die faserige Hülle der Cocos-Nufs giebt auch ein 
sehr gutes Brennmaterial, welches gleich Kohlen hitzt, 
und auf der Insel Lucon zum Brennen des Töpfergeschir- 
res gebraucht wird **). 

Der Stamm der Cocos-Palme hat nur eine dünne 
Schicht von Holz, so dafs dasselbe zu Bauwerken nicht gut 
verarbeitet werden kann; wohl aber sind die ganzen Palm- 
stämme, als Pfähle gebraucht, recht sehr dauerhaft, und sie 
bilden auch die Pfosten bei den gröfseren Bauten der In- 
dianer. Das Mark der Cocos-Palme wird als ein vor- 
treflliches Düngungsmittel gelobt; zu anderen Zwecken 
ist es unbrauchbar. 

Einen grofsen Ruf hat der Palmkohl der Cocos-Palme 
erhalten, und auch wohl mit Recht. Der Palmkohl wird 
aus den jungen Trieben bereitet, welche die, noch nicht 
zur Entwickelung gekommenen jungen Blätter enthalten, 
und noch von ganz markiger Substanz sind; zu diesem 
Zwecke wird das Herz der Palme abgeschnitten, welches 
oft von aufserordentlicher Gröfse ist, ja über 20 Pfunde 
schwer. 

Aufserdem ist der Palmwein bekannt, welcher durch 
Gährung, aus dem rohen Safte der Cocos-Palme erhalten 
wird. Hiezu schneidet man einen ziemlich entwickelten 
Spadix an und erweitert täglich die Wunde. Die grofse 
Menge von rohem Safte, welcher aus dieser Wunde läuft, 
wird in Gefäfsen von Bambusröhren aufgefangen und dann 
durch Gährung zu Wein gemacht. Nach einem Alter von 
‚acht Tagen wird derselbe jedoch essigsauer, so dafs man 


”) Wanderings in New South- Wales, Batavia, Pedir Coast, 
Singapore and China. Lond. 1834. TI. App. p. 295 — 342, 
"MS. Meyen’s Reise, II. p. 246. ‘ 


393 


ihn defshalb schon vorher zur Bereitung des Arrak’s ver- 
braucht. | 

Um den Saft der Cocos-Palme einzusammeln, legen 
die Indianer Stangen von Baum zu Baum, und so können 
sie denn mit Leichtigkeit mehrmals des Tages in ihren 
Pflanzungen umhergehen und den Palmsaft aus den Bam- 
bus-Gefäfsen ausgiefsen, welche sie, zum Auffangen des 
auslaufenden Saftes, an einem jeden dieser Bäume befestigt 
haben. Schon am folgenden Morgen ist der ausgelaufene 
Saft zu Palmwein verändert, aber schon am folgenden 
Abende ist er säuerlich, wenn er nicht in Gefäfsen recht 
gut verstopft war. 

Vermischt man den rohen Palmsaft mit Kalk, so. er- 
hält man den Palm-Zucker, welcher viel gebraucht wird, 
und schon im- hohen Alterthume, in Europa, jedoch nur 
selten, im Gebrauche war. 

Es ist zwar den Bewohnern der Cocos-reichen Län- 
der sehr wohl bekannt, dafs der Palmwein der Cocos- 
Palme wohlschmeckender als derjenige der Wein-Palme 
und anderer Palmen ist, indessen man hat auch die Er- 
fahrung gemacht, dafs der Ertrag an Früchten aufseror- 
dentlich vermindert wird, wenn man der Palme den Nah- 
rungssaft entzieht. Benutzt man aber die Cocos-Palme 
auf Palmwein, so erhält man ihn, von einem kräftigen Baume, 
das ganze Jahr hindurch, doch, wird dieses Abziehen des 
Saftes mehrere Jahre hindurch fortgesetzt, so stirbt auch 
der kräftigste Stamm. Gewöhnlich benutzt man die Cocos- 
Palme eine Zeit lang zur Gewinnung des Weines, und 
dann läfst man sie wieder Früchte tragen, welche sie das 
ganze Jahr hindurch zur Reife bringt, daher fast zu jeder 
Zeit Blüthen, unreife und reife Cocos-Nüsse auf einer 
solchen Palme zu finden sind. | 

Ich habe hier die Arten der Benutzung der verschie- 
denen Theile der Cocos-Palme aufgeführt, und man wird 
sich daraus überzeugen, dafs dieselbe eine aufserordentlich 
nützliche Cultur- Pflanze ist; man möge ‚jedoch nicht der 
Meinung sein, dafs die Cocos-Palme die alleinigen Nah- 


394 


rungsmittel für jene Völker liefert, welche dieselbe an- 
pflanzen. Ueberall wo die Cocos-Palme wächst, da sind 
noch andere wichtigere Nahrungspflanzen vorhanden, als 
der Reis und der Pisang in Indien, die Arum- Wurzeln, 
der Pisang, die Batate und die Yams auf den  Südsee- 
Inseln, und der Mays, die Manioca u. s. w. in Amerika. 


Gerade auf den Sandwichs-Inseln, wo man die Cocos- - 


Palme Baum des Lebens genannt hat, ist sie-von sehr un- 
tergeordnetem Werthe, denn die Inseln haben Reichthum 
an anderen und viel besseren Früchten. Rumpf und 
v. Martius erzählen in ihren Werken noch von allen den 
aufserordentlichen Heilkräften, welche man dem Oele der 
Cocos-Nüsse zuertheilt. 

Nach Herrn Alexander von Humboldt ist die nördli- 
che Grenze der Cocos-Palme unter 28° Breite zu finden, 
und sie steigt aus der Ebene selbst bis zu einer Höhe von 
700 Toisen. 

Auf ähnliche Art, wie die Cocos-Palme in vielfacher 


Hinsicht benutzt wird, geschieht dieses auch bei vielen an- | 


deren Palmen, doch wird bei der einen mehr dieser, bei 
der anderen mehr jener der verschiedenen Theile der 
Pflanze benutzt, wovon man im Folgenden die auffallend- 
sten Beispiele angegeben finden wird. 


Die Dattel-Palme (Phoenix dactylifera I). 


Das nördliche Afrika, Aegypten, Nubien, Syrien und 
das glückliche Arabien möchten das Vaterland der Dattel- 
Palme sein; sie geht nicht weiter östlich, als bis zum 
Ausflusse des Indus, doch findet man sie auch in Indien, 
jedoch künstlich verpflanzt. - Die Dattel-Palmen, welche 
um Batavia wachsen, sind dahin aus Persien. verpflanzt: 


Die Dattel-Palme verlangt einen sandigen und was- 


serreichen Boden, und so findet sie sich nur an solchen 
Stellen der grofsen Wüste Afrika’s, wo Quellen vorhanden 
sind. Hier giebt sie nicht nur den Reisenden Nahrung, 
sondern auch durch ihre Blätter den Lastthieren ein ge- 
höriges Futter. 


‚So. zieht sich‘ die Dattel-Palme durch ganz Afrika, 
bis zum Atlantischen Ocean hindurch, und ist selbst auf 
den Canarischen Inseln zu Hause, doch fehlt sie süalich 
vom Senegal und ebenso in der südlichen Halbkugel. Oest- 
lich, in: der Oase von Darfur, unter 13 bis 15° N. Breite, 
kommt die Dattel-Palme nicht mehr vor, überhaupt 'er- 
streckt sich die: Zone derselben, wo sie närhlich gut ge- 
deiht, von 19 bis 35° N. Breite. Allerdings kommt die 
Dattel-Palme auch nach Europa hinüber und wird daselbst 
noch in 44° ‚Breite, in Italien nämlich, bei einer mittleren 
Temperatur von 13 bis 14° Cels., an Mauern. gezogen. 
Osbeck fand die Dattel-Palme bei einem Kloster in der 
Nähe von Cadix so hoch, wie die Gebäüde desselben. 
Nach Herrn Link *) blüht die Dattel- Palme: wohl im süd- 
lichen Europa, als in. Sicilien, Morea und dem'südlichen 
Spanien, sie trägt auch wohl Früchte, doch werden diese 
noch: nicht süfs; nur auf der Ebene von Elche im’ südli- 
chen Spanien, wird die Dattel- Palme ihrer süfsen Früchte. 
wegen: gebauet. ‘In allen übrigen, nördlicheren: Gegenden 
pflegt man sie der Blätter wegen. In Sicilien. wächst: die 
Dattel- Palme noch in 1700 Fufs Höhe, nämlich bei Adernod 
und Trecastagne am Aetna **), doch wahrscheinlich trägt 
sie daselbst keine Früchte. Auch nach Amerika ist die 
Dattel-Palme übergeführt, und sie soll daselbst, auf den 
westindischen Inseln, sehr gut gedeihen, auch sogar auf 
der Westküste von Südamerika, selbst bis Copiapo, im 
27° südlicher Breite gezogen: werden, doch habe ich selbst 
in jenem Lande diese Pflanze nicht gesehen, auch möchte 
ich beinahe bezweifeln, dafs die Dattel-Palme im nördlichen 
Chile, wo die Wärme durch eigenthümliche Verhältnisse 
so äufserst niedrig ist, gute Früchte tragen kann. 

Die Dattel-Palme giebt ein Beispiel von ganz aufser- 
ordentlicher Fruchtbarkeit, und ihre Früchte bieten in den 


*) Die Urwelt IL. p. 347. 
**) S. Philippi, Ueber die Vegetation am Actna. Linnaca Bd. 
VII p. 731. 


396 


unfruchtbarsten Gegenden von Arabien und Aegypten die 
hauptsächlichste‘ Nahrung der Völker dar. Es ist eine 
diöeische Pflanze, und wo der männliche Baum fehlt, da 
müssen die Bewohner jener Gegenden den Blüthenstaub 
zur Befruchtung der weiblichen Blumen herbeiholen, sonst 
fallen diese ab. So war den Bewohnern jener Wüsten 
Arabiens und Afrika’s die Verschiedenheit in den Geschlech- 
tern der Pflanzen schon lange bekannt. Ja die Araber 
heben den Blüthenstaub von einem Jahre zum andern auf; 
für den Fall nämlich, dafs die männlichen Blüthen im 
nächsten Jahre mifsrathen möchten. Schon Theophrast hat 
diese künstliche Befruchtungsart der Dattel-Palme gekannt. 
Durch die Cultur ist auch die Frucht der Dattel-Palme 
sehr verändert worden, und man hat jetzt mehrere sehr 
ausgezeichnete Varietäten davon, ja Herr Bove *) sah im 
glücklichen Arabien sogar eine weifse Varietät. 

Auch von der Dattelpalme benutzt man den rohen 
Saft zur Bereitung des Palmweines, so wie die jungen Blät- 
ter oder das Herz der Pflanze zum Kohl, und auch die 


Blätter und das Mark finden dieselbe Benutzung, wie bei‘ 


der Cocos- Palme. 


Die Chilenische Palme (Molinaea micrococos Bert.). 


Die Chilenische Palme ist nicht, wie Molina vermu- 
thete, eine Cocos- Art, sondern sie bildet eine eigene Gat- 
tung, welche Berteno em Geschichtschreiber und Natur- 
forscher Molina zu Ehren, mit dem Namen Molinaea mi- 
crococos **) belegt hat. Diese Palme, welche früher in 
ungeheueren Wäldern in Chile vorgekommen sein soll, 
jetzt aber nur noch sehr selten ist, ist die südlichste in 
Amerika, wo sie bis über 35° südlicher Breite hinabgestie- 
gen ist und daselbst eine so nıedere Temperatur findet, 
dafs der Schnee im Winter oftmals mehrere Stunden lang 
liegen bleibt. Auf der Insel Juan Fernandez ist die Mo- 


*") Ann. des science. nat. 1834. 1. 
**) El Mercurio chileno. Santiago, 1828. 


397 


linaea ebenfalls zu Hause, und noch im 37sten Grade der 
Breite wird sie angepflanzt. 

Auch diese Palme ist aufserordentlich fruchtbar und 
jeder Spadix trägt über 1000 Nüsse. Der Kern dieser 
Nüsse wird zur Bereitung des Dulce sehr gesucht und 
ist selbst Gegenstand der Ausfuhr nach Peru. Auch ein 
sehr wohlschmeckendes Oel bereitet man aus dem Kerne. 
S Die Blätter, .die jungen Schöfslinge, die Scheiden, 
u. s. w. werden auch von dieser Palme auf eben dieselbe 
Weise benutzt, wie bei der Cocos-Palme. 


Die Mauritius-Palme (Mauritia flexuosa L.). 


Die Fächerpalme am Ausflusse des Orinoco ist eben- 
falls eine ausgezeichnete Nahrungs - Pflanze, wie Herr 
Alexander. v. Humboldt *) berichtet, so ernährt sie allein 
die unbezwungene Nation der Guaraunen. Zur Regenzeit, 
wenn das Delta des Orinoco  überschwemmt ist, dann le- 
ben die Guaraunen nach Art der Affen auf den Bäumen 
jener Palme, indem sie Hängematten, aus dem Blattstiele 
der Mauritia gewebt, von Stamm zu Stamm aufgespannt 
haben. Nachdem sie diesen hängenden Boden mit Thee 
bedeckt haben, können sie auf demselben Feuer anmachen. 

Die Mauritia ist eine gesellig lebende Palme, welche 
in sumpfigen Gegenden und am Ufer stehender Gewässer, 
wie in der Nähe der Ströme vorkommt. Das ganze nörd- 
liche Südamerika, östlich der Cordillere, scheint mit der 
prachtvollen Mauritia beschenkt zu sein; von der Mün- 
dung des Orinoco’s bis zum Amazonen - Strome, durch 
die ganze Gujana, durch Surinam und durch das nördli- 
che Brasilien hindurch, so wie in den verschiedensten Or- 
ten, entlang dem Amazonen-Strome, bis zu dessen Zu- 
flusse auf dem östlichen Abfalle der Cordilleren- Kette, fin- 
det sich diese Palme in mehr ‘oder weniger grofsen Wäl- 
dern vereinigt. Die ‚grauen und glatten Stämme der Mau- 
ritia sollen im nördlichen Brasilien so gesellig auftreten, 


*) Ansichten der Natur, TI, p. 26. 


398 
dafs sie, wie Herr: v. Martius sagt, 'bei einer Höhe von 
100 Fußs, gleich Pallisaden einer N aneinander 
gestellt sind. 

Die Blätter der Mauritia sind fächerförmig und ihre 
Fasern geben ‘das Material zu  mannigfaltigen 'Geflechten, 
als zu Matten und Tauen, womit die Guarauner ihre über- 
irdischen Wohnungen an den Gipfeln der: Palmen oder 
an abgehauenen Baumstämmen errichten. . Auch haben die 
Otomaken, am Delta. des Orinoco’s, ’die Kenntnifs: von der 
Bereitung eines Fliegennetzes , welches ebenfalls ‚aus den 
Fasern der Mauritia-Blätter geflochten wird. Die Früchte 
der Mauritia, welche roth gefärbt sind, und’ geschuppt, 
wie die Tannenzapfen aussehen, Köngekih in üngeheuern 
Trauben ‘von’ dem Gipfel der Palme herab, und haben den 
Geschmack von recht reifen Aepfeln *). 

Aus dem Safte der Mauritius- Palme machen die Gua- 
raunen durch Gährung ihren süfsen und berauschenden 
Palmwein, und das Mark des Stammes liefert, ehe die 
männliche Palme ihre Blüthenscheiden austreibt, ein sagu- 
artiges Mehl, welches, ähnlich wie die Manioca, .in grofsen 
dünnen ‘Scheiben zu Brod gedörrt wird: und eine .allge- 
meine ‘Nahrung darbietet, so dafs man: diese Palme auch 
de Sagu -Palme Südamerika’s one | 


Die Sagu- Palme. 


Tbie Sagu, welche .aus verschiedenen op Län: 
dern’ zu uns kommt, wird gewifs aus sehr verschiedenen 
Palmen bereitet, vom denen uns noch mehrer® unbekannt 
sein möchten. "Die ‘gewöhnlichsten Palmen. welche den 
Sagu' geben, sind Sagus Rumphii, Cycas cireinalis, C. re- 
voluta, Corypha umbraeulifera, Caryota urens und Phoenix 
farinifera. Das Vaterland der Cycas circinalis ist sehr 
ausgebreitet; sie kommt von Japan an bis Siam vor, und 
wächst auf allen den indischen Inseln, als auf Java, Su- 


*) S. Alexander von Humboldt, Reise etc. V. p. 8. Buch IX. 
Cap. XXV. 


399 


‘ matra, Borneo, Macassar, Ceram, wo man grofse Wälder 


von dieser Palme antreffen soll, welche die morastigen 
Gegenden bedecken. 

Es ist bekannt, dafs der Sagu aus dem Marke der 
Palmstämme bereitet wird, indessen die Zeit, in welcher 
das Mark dazu am meisten geschickt ist, ist nicht immer 
gleich, sondern man mufs diejenige Zeitperiode abwarten, 


‚wenn die Palme ihre Spadices entwickelt hat, diese aber 


noch nicht geöffnet sind. Benutzt man den Baum in einem 
späteren Zustande, so erhält man entweder gar keine Sagu 
oder nur eine sehr schlechte holzige Sorte. Nachdem man 
zur Bereitung der Sagu die Palmstämme abgehauen hat, 
nımmt man das Mark aus denselben heraus und zerreibt 
es im Wasser zu ganz kleinen Stückchen, welche man 
durch ein Sieb laufen läfst. 

Im Lande selbst, wo die Sagu bereitet wird, da macht 
man aus derselben ein wohlschmeckendes Brod *), welches 
in viereckig ausgehöhlten Steinen gebacken wird, nachdem 
dieselben gehörig erhitzt worden sind. Im frischen Zustande 
ist das Sagubrod weich, später wird es aber ‚steinhart, 
indem das Amylum der Sagu durch die Einwirkung der 
Hitze zu einer durchsichtigen, äufserst spröden Masse 
gelatinirt. Fast auf jeder Insel Indien’s wird Sagu berei- 
tet, wovon mancher sehr schlecht, anderer ‚aber äufserst 
fein ist und sich durch die weifseste Farbe auszeichnet. 

Dieses reicht hin um zu zeigen, von welcher grofsen 
Nützlichkeit die Palmen sind, deren Mark ein sehr zartes 
und 'nahrhaftes Brod liefert; es sind jedoch Gewächse, 
welche nur selten über die Wendekreise hinausgehen. Sie 
wachsen wild in: den Wäldern jener Länder, und der In- 
dianer, welcher zu faul ist, andere Cultur-Gewächse zu 


*) Das Wort Sagu bedeutet in der Sprache der Papuas so viel 
als Brod, und da das Brod in jenen Besitzungen aus Palmmark: ge- 
macht wird, so ist der Name des künstlichen Produktes auf das Mark 
der Palme übergegangen, woraus es bereitet wird. Beı Pigafetta 
findet sich dieses Wort zum ersten Male gebraucht; er sah die Berei- 
tung des Sagubrodes auf den 'Moluccen. 


400 


bauen, kann sich von ihnen mit Leichtigkeit die hinreichende 
Nahrung verschaffen. 

In Ostindien ist die Bereitung des Sagumehls Gegen- 
stand eines sehr ausgedehnten Zweiges des Ackerbaues 
geworden, der zugleich sehr einträglich ist. Der indische 
Sagubaum, Sagus Rumphii oder Metroxylon Sagus Roxb,., 
liefert eine so grofse Quantität von Nahrungsstoff, dafs er 
darin alle übrigen Culturpflanzen weit übertrifft. Ein ein- 
zelner Stamm dieser Palme giebt im 45ten Jahre bisweilen 
schon 600 Pfund Sagu, und eine englische Acre Landes 
(40 Ruthen lang und 4 breit) kann 435 Sagu-Palmen er- 
nähren, welche demnach jährlich an 8000 Pfunde Sagu 
geben. *) 


Die Guineische Oel-Palme (Elais guineensis L.) 


Die grofse Menge von Palmöl, welche gegenwärtig 
in unseren Fabriken verbraucht wird, soll hauptsächlich 
von der Elais guineensis Linn. abstammen, wärend das 
bekannte Cocosnufs-Oel aus den Nüssen von Cocos nu- 
cifera und das aus Amerika zu uns kommende Oel haupt- 
sächlich von Cocos butyracea bereitet wird. Die Elais 
guineensis hat ihr Oel in der fleischigen Hülle, welche 
den Saamen dieser Palme überzieht, und man erhält das 
Oel durch blofses Auspressen dieser Saamenhüllen, wärend 
das bei der Cocosnufs durch Auskochen, oder durch vor- 
hergehende Fäulnifs und durch Auskochen der Nüsse ge- 
wonnen wird. 

Dieses Palmöl ist sowohl weifs als gelblich, und hat 
eine Consistenz wie Butter, einen lieblichen Veilchengeruch, 
und auf der. Zunge einen zarten und angenehmen Ge- 
schmack. Seitdem, besonders in neueren Zeiten, der Ver- 
brauch dieses Palmöl’s in unseren Fabriken so grofs ist, 
ist dasselbe ein bedeutender Handelsgegenstand geworden, 
und dient nun den Bewohnern der Tropen zur Vermeh- 
rung ihres Wohlstandes. 


*) $. Crawford Hist. of the Ind. Archip. I. pag. 387 und 393. 


401 


Die Wein -Palme. 


So wie wir im Vorhergehenden gesehen haben, dafs 
sich einige Palmen durch besondere Nutzbarkeit ihrer ein- 
zelnen Theile auszeichnen, indem die eine ganz vorzüglich 
nützliche Früchte, die andere ein nahrhaftes Mark, andere 
vorzügliches Oel geben u: s. w., so giebt es noch mehrere 
andere Palmen der tropischen Zone, welche meistens ganz al- 
lein nur auf Palmwein gezogen werden. Ich nenne hier die 
Phoenix (Elate) sylvestris, an der Küste von Malabar und 
auf den niederen Plateau’s von Indien, die Nipa-Palme 
auf den Philippinen und Java, Cocus butyracea (Wein- 
palme) in Südamerika, und vorzüglich den Borassus flabel- 


Jiformis, obgleich noch viele andere Palmbäume Wein 


geben, welcher aber nicht in so grofsen Massen fliefst und 
nicht so gut ist. Die Gewinnung des Palmwein’s aus der 
genannten Pflanze ist ganz gleich derjenigen, aus dem Safte 
der Cocospalme, welcher besonders geschätzt wird. Indem 
man den. Blüthenkolben, ehe er ganz ausgebildet ist, ent- 
weder blofs an’ der Spitze einschneidet und diesen Schnitt 
täglich erneuert, oder indem man den ganzen Schöfsling 
abschneidet und die Wunde täglich erweitert. Mehrere 
dieser Weinpalmen geben auch aus ihrem Safte eine grofse 
Menge Zucker, und dieser wird dann meistens zu Arrack 
verbrannt. 

Die Bereitung des Palmweins aus der Wein- oder 


‚Königspalme (Cocos butyracea) Südamerika’s ist eine an- 


dere, worüber uns Herr Alex. v. Humboldt *) umständliche 
Nachrichten mitgetheilt hat. Nämlich nachdem der Stamm 
dieser Palme, der nur wenig gegen die Höhe abnimmt, 
umgeworfen ist, wird unterhalb des Blätter- und Blüthen- 
gipfels, in dem holzigen Theile desselben, eine Aushöhlung 
von 18 Zoll Länge, 8 Zoll Breite und 6 Zoll Tiefe ge- 
macht, worin: sich nach 3 Tagen ein weifslichgelber, sehr 
klarer Saft versammelt, welcher einen süfslichen, weinar- 


*) Reise ın die Aequinoctial- Gegenden. VI. 2. 1832. pag. 59. 


26 


402 


tigen Geschmack hat. Wärend 18 bis 20 Tage sammelt 
man täglich von diesem Palmweine, der gleichsam schon 
im Stamme, gleich nach der Fällung ‘desselben, in Gährung 
übergeht, und es ist eine auffallende Erscheinung, dafs sich 
diese Masse Nahrungssaft, noch lange nach dem Fällen des 
Baumes zusammenzieht. Ein Baum giebt gewöhnlich 18 
Flaschen Saft, und der Ausflufs soll reicher sein, wenn 
man die Blattstengel, welche am Baume sitzen, verbrennt. 

In Östindien ist die Cultur der Fächerpalme, Palmyra 
oder Brab der Engländer (Borassus flabelliformis), von 
aufserordentlicher Bedeutung, denn die Massen von Paim- 
wein, welche daselbst econsumiret werden, sind aufseror- 
dentlich grofs. Leider wächst diese prachtvolle Palme nur 
sehr langsam und, erst nach 30 bis 40 Jahren ihres Alters, 
giebt sie den beliebten Palmwein. Der Palmwein von 
Phoenix sylvestris ist nicht so beliebt, und wird in Indien 
mehr von den armen Menschen ‘genossen, wärend die 
Reichen den Wein der Palmyra trinken. 

Es möchte hinreichen, um gezeigt zu haben, dafs die 
Familie der Palmen eine grofse Menge von Arten aufzu- 
weisen hat, welche den Menschen eine Masse der besten 
Nahrungsmittel gewähren; möge man aber nicht die, so 
allgemein verbreitete Meinung theilen, dafs diese Nahrungs- 
mittel eben so reich und so leicht, zu erwerben sind, als 
das Clima glücklich ist, in welchem jene Palmen wachsen. 
Gewifs ist die Cultur der Palmen der regelmäfsigen und 
so ziemlich gewissen Erndte unserer Cerealien nachstehend. 
Nur ein so leicht zu befriedigender Magen, nur so genüg- 
same Menschen, wie die Indianer, können sich für längere 
Zeit von den Nahrungsmitteln der Palmen ernähren, und 
wenn es auch allerdings wahr ist, dafs der wilde Indianer, 
welcher in den Wäldern der Berge umherschweift, haupt- 
sächlich von wildwachsenden Palmen sich ernährt, so möge 
man dabei nicht vergessen, dafs demselben auch manche 
Tage vorübergehen, an welchen er nichts zu essen hat. 

Es würde die mir vorgesteckten Grenzen dieses Hand- 
buches weit überschreiten, wollte ich hier alle die haupt- 


403 


sächlichsten Früchte und deren geographische Verbreitung 
‚aufzählen, welche.in den verschiedensten Gegenden der 
Erde, mehr oder weniger, nicht nur als Luxus, sondern als 
wahres Nahrungsmittel benutzt werden. Aufser den vor- 
- her. aufgeführten Nahrungsmitteln pflegen selten, selbst in 
solchen Gegenden, wo die schönsten der wohlschmeckend- 
sten tropischen Früchte in gröfster Menge vorkommen, 
diese als gewöhnliches Nahrungsmittel benutzt zu werden, 
sondern sie dienen auch hier mehr zum Luxus, oder zur 
Verfeinerung des Geschmacks der gewöhnlichen Genüsse. 
Ja fast überall bei den Völkern, wo die wohlschmeckenden 
Früchte der: Tropen 'angebauet werden, dä findet man 
schon einen, mehr oder weniger hohen Grad von Cultur; 
der rohe Indier kümmert sich um diese nicht, wenn sie 
ihm nicht die gewöhnlichste Nahrung. darbieten. Die herr- 
liche ‚Orangenfrucht, die kostbare Mango, die Ananas, die 
Anonen und so viele andere dieser edelen Früchte, findet 
man nur selten bei den uncultivirten Völkern, daher ich 
dieselben hier übergehe, und nur auf den Nutzen einiger 
anderen ‘Früchte aufmerksam mache, welche für gewisse 
Zeiten mehr oder weniger die alleinige Nahrung der ein- 
zelnen Völker ausmachen, oder, auf irgend eine Weise, 
mit der Lebensart derselben in unmittelbarer Abhängigkeit 
stehen, und durch ihre eigenthümliche chemische Zusam- 
mensetzung für längere Zeit aufbewahrt werden können. 
Unter diesen, hier besonders aufzuführenden Früchten sind 
manche, welche nur durch gewisse Lokalverhältnisse zu 
einer besonderen Wichtigkeit für die Völker werden, wä- 
rend sie, an anderen Orten vorkommend, wo gröfserer 
Reichthum an besseren Früchten ist, als höchst unbedeu- 
tend erscheinen, ja oft ganz übersehen werden. 
Ich nenne hier folgende: 


Die Wassernufs (Trapae spec. var.). 


Die Wassernufs unserer europäischen Gewässer hat 
bekanntlich sehr grofse Saamen, welche reich an Amylum. 
und fettem Oele sind, und obgleich sie in unseren Seen 


26 * 


404 


in sehr grofsen Massen auftreten, werden sie dennoch nur 
wenig benutzt. Dagegen werden in Indien und in China, 
wo durch die aufserordentliche Bevölkerung selbst der 
fruchtbarste Boden noch immer nicht genug Nahrungsmit- 
tel hervorbringt, auch die Früchte der verschiedenen Was- 
sernufs- Arten gegessen, welche in den Seen jener Länder 
in enormer Menge vorkommen. In Indien ist es die Trapa 
bispinosa Roxb., und in China die Trapa bicornis Linn., 
welche die mehl- und ölreichen Saamen liefern, ohne 
dabei besonderen Wohlgeschmack zu zeigen. Ueberall auf 
den Märkten des südlichen China’s, sowohl in den grofsen 
Städten als Canton und Macao, sowie an allen den kleinen 
Oertern, wo ich hingekommen bin, da findet man die Frucht 
der genannten Wassernufs, als ein Nahrungsmittel der 
Armen, zum Verkaufe ausgestellt. Ganz aufserordentlich 
mufs die Erndte ‚dieser Frucht auf den Höhen des Hima- 
laya sein, wo, z. B. auf dem Plateau von Caschmir, wie 
Moorceroft #) und vor ihm schon G. Forster **) erzählen, 
eine solche Menge von diesen Früchten, als ein gewöhnliches 
Nahrungsmittel verbraucht werden, dafs dieselben dem Staate, 
welcher sich das Monopol dieses Handels angeeignet hat, 
eine reine Einnahme von 12000 Pfund Sterling einbringen. 
In enormer Menge kommt diese Pflanze in den Seen und 
Teichen des Hochlandes von Casehmir vor, und eine grofse 
Anzahl von Menschen sind, den gröfsten Theil des Jahres 
hindurch, damit beschäftigt, diese Nüsse aus der Tiefe der 
Gewässer zu fischen. 


Das ewig grünende Land von Caschmir besitzt noch 
mehrere andere Gewächse, welche daselbst die gewöhn- 
lichen Nahrungsmittel geben, wärend ähnliche Früchte bei 
uns und in anderen Ländern, wo solche Ueberfüllung mit 
Menschen noch nicht stattfindet, und Reichthum an anderen 


*) Notices of the natur. product. and agricult, of Cashmere — 
Journ. of the Roy. Geogr. Soc.:of London. Vol. II. pag. 253 etc. 
*) Voyage du Beng. a Pet. Paris 1802. Tom. I. pag. 318. 


. 


405 


Früchten herrscht, nur nebenbei, und meistens nur von 
den Reicheren zur Abwechselung gegessen werden. Die 
Früchte des Wallnufsbaumes geben hiezu Beispiele, denn 
ihr Anbau scheint im Thale von Caschmir sehr grofsartig 
betrieben zu werden, so dafs man nach Moorcroft vier 
verschiedene Arten daselbst vorfindet, welche vielleicht nur 
durch Veredelung entstandene Varietäten sind. Bekannt- 
lich hat die Wallnufs ein sehr  wohlschmeckendes Oel, 
verhältnifsmäfsig eben so viel, als die Olive, und grofse 
Massen jener Früchte werden daher auch in .Caschmir, 
zur Bereitung des Oeles angewendet, und dieses Oel wird 
von dortaus sogar nach Tübet ausgeführt; jedoch wird das 
Sesamöl: dem Wallnufsöl noch vorgezogen. Da auch das 
Helz des Wallnufsbaumes von Caschmir sehr geschätzt 
wird, so ist die..Cultur dieses Baumes auf jenem Plateau 
sehr ausgedehnt, und der Ertrag dieses Gewerbzweiges 
mufs auch sehr bedeutend sein, da die Regierung sich zum 
wenigsten mit den Eigeneren darin theilt. 

Auch in den Wäldern Europa’s, welche eigentlich arm 
an efsbaren Früchten sind, kommen mehrere Bäume vor, 
deren Früchte in früheren Zeiten, als der Ackerbau erst 
im Entstehen war, den rohen Völkern die gewöhnliche 
Nahrung dargeboten haben und, mehr oder weniger, noch 
gegenwärtig den Bewohnern einzelner Gegenden von der 
höchsten Wichtigkeit sind, als z. B.: 


Die Kastanie (Castanea vesca Gaertn.). 


Die Kastanie, die wohlschmeckende Frucht von Casta- 
nea vesca Gaertn., wächst im ganzen südlichen Europa 
und findet in dem wärmeren Theile der temperirten Zone 
ihre wahre Heimath. In Asien findet sich diese Kastanie 
im westlichen Grusien und auf den höheren Gebirgen des 
Kaukasus, wo sie von Bieberstein aufgefunden ist, und 
wahrscheinlich ist unsere europäische Kastanie auch im 
nördlichen China zu Hause, obgleich die Früchte, welche 
von dort aus durch den Handel nach Canton kamen, etwas 
verschieden von den gewöhnlichen gestaltet waren. Herr 


406 


‚Link *%), der genaueste Kenner der süd-europäischen Flora, 
hat die Verbreitung der Kastanie für das südliche Europa 
sehr genau angegeben. Nach Herrn Link’s Untersuchungen 
findet sich der Kastanienbaum im nördlichen Griechenland, 
im mittleren steigt er auf die Berge, und im südlichen findet 
er sich nur in sehr bedeutenden Höhen. #**) . Ebenso in 
Italien; er macht die Wälder auf den Bergen von Piemont, 
und gehört zu den Hauptnahrungsmitteln für den grofsen 
Haufen in den Thälern der Waldenser und der anliegenden 
Gegenden, er hebt sich immer höher, und bildet endlich 
‘einen sehr bekannten Wald am Aetna. In der wärmeren 
Schweiz und im südlichen Tyrol ist er ebenfalls em ge- 
wöhnlicher Waldbaum, welcher den Reisenden aus dem 
Norden, auf dem südlichen Abhange des Simplon, etwa 
14— 1500 Fufs unterhalb der gröfsten Höhe jener berühm- 
ten Strafse, auf das freundlichste begrüfst. Vorzüglich soll 
die Kastanie in den Cevennen und in Limonsin zur Nahrung 
dienen. Die hohen Berge in Spanien und Portugal fand Herr 
Link oftmals ganz mit Kastanienbäumen bedeckt, oder sie 
bilden daselbst einen Gürtel unterhalb der kälteren Spitze, 
wie auf der Serra de Marao. Aber dieses Areal der Ka- 
stanie ist durch die Kunst noch sehr erweitert, sowohl 
nach Norden als nach Süden. In Deutschland sind die 
Wälder der ächten Kastanie gar nicht so selten; am Rhein 
gehen sie noch weit hinauf, und sie gedeihen, wenn auch 
nicht in so grofsen Massen, noch im Harz und selbst um 
Berlin und Potsdam recht sehr gut, so dafs man gröfsere 
Anpflanzungen dieses’ so schönen und so nützlichen Bau- 
mes, besonders an gegen Norden geschützten Orten, wohl 
versuchen sollte; sie würden vielleicht mehr Ertrag geben, 
als der schlechte Wein unserer Gegenden. 

Schliefslich mache ich über diesen Gegenstand “. 


Herrn Link’s gelehrte antiquarische Untersuchungen auf- 


*) Die Urwelt u.s.w. 2te Auflage. 1834. I. pag. 355. 
*") Das südliche Griechenland hat aber auch ein Clima, welches 
dem der subtropischen Zone. angehört. 


a —————— 


407 


merksam, welche derselbe in seinem Werke über die Ur- 
welt, Bd. I. pag. 356 u. s. w., mitgetheilt hat, worin nach- 
gewiesen wird, dafs schon die ältesten griechischen Natur- 
forscher diese kostbare Frucht gehörig gewürdigt haben 
und sie unter dem Namen der Eichel Jupiters (dıög Pa- 
Acwvog) beschreiben. 

Wir besitzen noch mehrere andere Bäume und Sträu- 
cher in unseren europäischen Waldungen, welche ähnliche 
nahrhafte und wohlschmeckende Früchte hervorbringen, 
welche jedoch von weniger Wichtigkeit als die Kastanien 
in dem Haushalte der Menschen sind. Bekannt ist es, dafs 
im südlichen Europa Eichen mit efsbaren Früchten auf- 
treten; es ist dieses Quercus Aegilops L., ein hoher und 
schöner Baum Griechenland’s mit immergrünenden Blät- 
tern. Die Früchte dieses Baumes sollen indessen nicht 
besonders angenehm schmecken, und daher auch die Grie- 
chen, wie Herr Link bemerkt, dieselben den Schweinen 
überlassen, wenn sie andere Nahrung besitzen. Auch in 
Albanien bildet diese Eiche grofse Wälder. Eine zweite 
Eiche mit efsbaren Früchten ist Quercus Ballote Desf., 
welche vom nördlichen Afrika aus zuerst bei uns bekannt 
wurde; indessen Herr Link hat gefunden, dafs dieser Baum 
im südlichen Portugal und dem angrenzenden Spanien grofse 
Wälder bildet, und dafs die Früchte desselhen in diesen 
Ländern häufig gegessen werden, ja vor den Thoren von 
Madrid werden sie mit den Kastanien. verkauft. 

Aufser den genannten efsbaren Früchten unserer Wälder 
sind noch die Haselnufs (Corylus Avellana) und die Pinien- 
körner (Pinus Pinea L. und P. Cembra L.) zu nennen. Die 
efsbare Fichte ist im südlichen Europa zu Hause; schon 
in Ober-Italien findet man die Früchte dieses Baumes auf 
den Märkten zum Verkaufe ausliegen, die Zürbelfichte da- 
gegen ist schon in der Schweiz, in Tyrol und in Sibirien 
zu Hause, und ihre Früchte werden dort, wo gerade nicht 
grofser Reichthum an anderen Nahrungsmitteln stattfindet, 
sehr gewöhnlich zum Essen angewendet. Auch in Ostindiens 
Hochländern werden viele Pinien mit efsbaren Früchten ge- 


408 


funden. Die Haselnufs ist dagegen eine viel nahrhaftere und. 


wohlschmeckendere Frucht, welche bekanntlich verhältnifs- 
mäfsig reicher an Oel ist, als die Wallnufs und der Olivenkern. 
Im nördlichen Europa, selbst bis weit über den arktischen 
Kreis hinaus, spielt die Haselnufs eine wichtige Rolle im 
Haushalte der armen Landbewohner, und wahrscheinlich 
würde man grofse Anpflanzungen dieses herrlichen Strau- 
ches mit grofsem Erfolge betreiben können, wenn nicht, 
der grofsen Masse Oel wegen, die Kerne dieser Nüsse so 
leicht ranzig würden. 

In Südamerika spielt die Araucaria, auf ds Cordillere 
des südlichen Chile, eine sehr wichtige Rolle in dem Haus- 
halte der rohen Indier. Dieser prachtvollste aller Coni- 
feren-Bäume, den ich schon früher, pag. 157, geschildert 
habe, bringt eine sehr grofse Menge wohlschmeckender 
Saamen zur Reife, welche doppelt so grofs sind. als Man- 
deln’ und den rohen Bewohnern der südchilenischen Cor- 
dillere ‚eine. sehr beliebte Speise liefern. Die nördlichsten 
aller: Araucarien- Wälder kommen erst in der Breite von 
Concepeion vor, also in Gegenden, wo die Niederlassungen 
der Weifsen auf chilenischem Boden schon ganz unbedeu- 
tend sind. Die Araukaner sind es aber, welche die Früchte 
jenes herrlichen Baumes geniefsen und, so wie bei anderen 
rohen Völkern, wird auch bei diesen, die Zeit der Erndte 
dieser Nüsse eine Zeit des allgemeinen Jubels. Auch herrscht 
daselbst ein solcher Reichthum an diesen Früchten, dafs 
viele jener barbarischen Indier, ohne irgend einen Zweig 
des Ackerbaues zu betreiben, diese Nüsse als die alleinige 
vegetabilische Nahrung benutzen, | 

Der Catappa-Baum (Terminalia Catappa) ist ein tro- 
pischer Baum von der Form einer Linde, ebenfalls mit 
wohlschmeckenden, efsbaren Kernfrüchten versehen, der 
auf vielen Inseln des indischen Archipels, besonders auf 
den Molukken vorkommt und zur Nahrung benutzt wird. 
Die Frucht hat Aehnlichkeit mit einer Wallnufs, ist aber 
platt; anfangs ist sie roth gefärbt, wird aber im reifeu 
Zustande schwarz und enthält 4 bis 2 mandelartige Kerne. 


409 


Wahrscheinlich würde die Catappafrucht eine weit wichti- 
sere Rolle im Haushalte der Indianer jener Inseln spielen, 
wenn daselbst nicht Ueberflufs an so verschiedenen ande- 
ren, weit ergiebigeren Nahrungspflanzen wäre. Von grö- 
fserer Wichtigkeit erscheinen die Juvias in den Wäldern 
des aequatorialen Südamerika’s. 

" x 


— 


Brasilianische Kastanien oder Juvias (Früchte der Bertholletia 
excelsa Humb. et Bonp!l.). 


Die Juvias, welche zu uns, von Brasilien aus, unter 
dem Namen der brasilianischen Kastanien, der brasilianischen 
Nüsse u.s. w. kommen, gehören einem der prachtvollsten 
Waldbäume an, welcher im Inneren von Südamerika vor- 
kommt und der Familie der Myrtengewächse angehört. 
Herr Alexander v. Humboldt, vor dessen ergebnifsreicher 

Reise naclı Amerika jener Baum mit den wohlschmecken- 
den und überaus nützlichen Früchten fast ganz unbekannt 
bei uns war, hat jene Gegenden bereist, wo derselbe vor- 
kommt, und in seinem Reisebericht auch über diesen Ge- 
genstand eben so ausführliche, als höchst interessante Mit- 
theilungen gemacht. *) ; 

Der Juvia-Baum hat einen Stamm von 2 bis 3 Fufs 
Durchmesser und eine Höhe von 100 bis 120 Fufs. Die 
langen Aeste der Bertholletia, sagt Herr Alexander von 
Humboldt, öffnen sich weit; sie sind unten beinahe nackt, 
gegen die Spitzen hingegen mit dichten Blattbüscheln be- 
setzt. Diese Vertheilung der halb lederartigen, auf der 
Unterseite etwas ‚silberfarbenen und über 2 Fufs langen 
Blätter wiegt die Zweige gegen die Erde hinab, wie es bei 
den Zweigen der Palmbäume der Fall ist. Im 45ten Jahre 
blüht dieser prachtvolle Baum, meistens Ende März und 
im Anfange des April, worauf die Früchte schon gegen 
Ende Mai reif sind. Die grofsen Früchte dieses Baumes 
sind 42 bis 13 Zoll im Durchmesser und kugelförmig ge- 


”) S. dessen Reise in die Aequinoctial - Gegenden. IV. pag. 466 


u.s. w. Buch VIII. Cap. XXIV. 


410 


staltet; sie haben eine sehr harte holzige Fruchthülle von 
einem halben Zoll Dicke und enthalten 15 bis 22 solcher 
einzelnen Nüsse, wie sie zu uns in den Handel kommen. 
Da die Nüsse bei ihrer Reife schon innerhalb der grofsen 
Hülle ganz frei liegen, so machen die Früchte, wenn sie 
von dem Baume herabfallen, ein aufserordentliches Getöse. 

Der Geschmack dieser bekanntlich sehr grofsen man- 
delartigen Saamen ist, so lange sie frisch sind, sehr ange- 
nehm, doch werden sie, des vielen Oeles wegen, welches 
in denselben enthalten ist, sehr bald ranzig; indessen oft- 
mals schmecken sie noch bei uns, nachdem sie eine so 
weite Reise gemacht haben, recht a gut.» 

Die Bertholletia excelsa, welche diese aufserordentlich 
nahrhafte Frucht liefert, scheint im Inneren des tropischen 
Südamerika’s ein ziemlich ausgedehntes Vorkommen zu 
besitzen, indessen entfernt sie sich wohl nicht weit zu 
beiden Seiten des Aequators; sie ist in den Wäldern am 
Ausflusse des Amazonenstromes, wie in den Cerros de 
Guayanna in 3° Breite beobachtet. Die Herren 'v. Hum- 
boldt und Bonpiand fanden diesen prachtvollen Baum zu- 
erst an der Mündung des Cassiquiare, und grofse Wälder 
desselben sind in dem ewigen Waldmeere zu finden, wel- 
ches die Ufer des Rio Negro, sowie des ganzen Zwischen- 
Strom-System’s umfliest, das den Amazonenstrom mit dem 
Orinoco verbindet. Oberhalb von Gehette und Chiguire 
sollen nach den Mittheilungen, welche Herrn Alexander von 
Humboldt gemacht wurden, der Juvia- und der Kakaobaum 
ganz aufserordentlich gemein sein. 

Wenn die Zeit der Reife der Juvianüsse eintritt, dann 
ziehen die Indier des Ober-Orinoco nach jenen Wäldern, 
wo diese Bäume in grofsen Gesellschaften auftreten, und 
sammeln dort die köstliche Frucht in gröfsten Massen ein, 
um sie zu Hause, als gewöhnliches Nahrungsmittel zu be- 
nutzen. Die Heimkehr von diesen Erndten wird dann durch 
Feste gefeiert, wobei die rohesten Ausschweifungen statt- 
finden, wie es Herr Alexander v. Humboldt *) so aufser- 
ordkntch aebhate beschrieben hat. z 


NY l. e. pag. 463. 


411 


Die Anpflanzungen dieses Baumes, der eine so äufserst 
angenehme und nahrhafte Speise liefert, nach anderen, echt 
tropischen Gegenden, kann nicht genug denjenigen Regie- 
rungen anempfohlen werden, welche ausgedehnte tropische 
Colonieen inne haben. Der Kern der Cocosnufs ist gegen 
die schöne Mandel der Bertholletia excelsa nur eine sehr - 
rohe Frucht. 


Die hauptsächlichsten Culturpflanzen, welche mehr 
oder weniger zum Luxus benutzt werden. 


Die Areca-Palme. 


Einen ganz ähnlichen Genüfs, wie ihn die Peruaner 
durch das Kauen der Coca erlangen, verschaffen sich die 
Bewohner Ostindiens und der angrenzenden Südsee-Inseln 
durch das Kauen der Arecanufs, welche unter der Benen-. 
nung Betelnufs so allgemein bekannt ist. Die Palme, 
welche die Betelnüsse giebt, ist die Areca Catechu Linn.; 
sie gehört zu den schönsten Formen, welche wir in Indien 
gesehen haben, und ist eine Pflanze der heifsesten Gegen- 
den zwischen den Wendekreisen, liebt aber zugleich ein 
feuchtes Clima. Ueberall in den Küstengegenden Ostindiens 
und der angrenzenden Südsee-Inseln, der Phtlippinen, der 
Carolinen, Marianen und der Societäts-Inseln, wo der 
Genufs des Betels mehr oder weniger im Gebrauche ist, 
da findet man dieAreeapalme in der Nähe der Wohnungen 
gepflanzt, wo sie, in Gesellschaft der Bananen-Gewächse, 
einen herrlichen Anblick gewährt. In der Stadt Manila 
findet man die Betelpalme, in regelmäfsigen Reihen ge- 
pflanzt, vor den Häusern, und Pisange, Anona squamosa, 
Averrhoa Bilimbi und andere tropische Bäume stehen 
dazwischen. Pigafetta fand auf den Philippinen den Ge- 
brauch, Betel zu kauen, schon eben so allgemein, wie er 
noch gegenwärtig daselbst ist. 

Bei dem enormen Consum des Betels in jenen indi- 
schen Gegenden, und selbst in China, bildet die Betelnutfs 


412 


einen Handelszweig von grofsem Umfange; besonders grofs 
ist die Einfuhr der Betelnufs nach China, wohin sie haupt- 
sächlich aus Hinter-Indien und von Sumatra gebracht wird. 
Diesen Handel mit Betelnüssen und Pfeffer zwischen Suma- 
tra und China betreiben grofse bewaffnete Schiffe unserer 
nordischen Nationen, worunter die Nordamerikaner nicht 
fehlen. Die Betelnüsse werden gegen Pulver ‚und Wäffen 
eingehandelt, und, wenngleich dieser Handel mit grofsen 
Gefahren verbunden ist, denn die Malayen suchen jedes 
Schiff zu überfallen, so ist er auch, auf dem Markte zu 
Canton, wieder eben so ergiebig. Einzelne Schiffe führen 
zuweilen bis 10000 Pikel (zu 1334 Pf. engl.) von Sumatra, 
und jährlich liefert diese Insel wenigstens 40- bis 60000 
Pikel, welche vom Mai bis zum August abzuführen sind. 
Die Insel Sumatra mit den anliegenden Ländern liefern 
wohl 80- bis 90000 Pikel jährlich zur Ausfuhr, welche 
meistens nach China gehen. Die frischen Arecanüsse wer- 
den in den Schiffen ohne weitere Verpackung verladen, 
und sie erzeugen durch das Zusammengehäuftsein wärend 
der Fahrt einen hohen Grad von Hitze. 

Die Arecapalme, wahrscheinlich nur auf den Sunda- 
Inseln und den angrenzenden Philippinen wild wachsend, 
ist nicht nur auf Sumatra, sondern vorzüglich in Indien 
ein Gegenstand des ausgebreitetesten Ackerbaues. Die Insel 
Ceylon, vorzüglich aber das ganze Malabar, und ‚noch wei- 
ter hinauf, enthält ganz aufserordentlich grofse Anpflan- 
zungen dieser schönen Palme, und der Ertrag daselbst ist 
von hoher Bedeutung, da der Verbrauch der Arecanüsse 
in ganz Indien ebenfalls unglaublich grofs ist, indem Jeder- 
mann daselbst den Betel kauet. | 

Die Arecanufs wird bei der Zubereitung des Betel-Hap- 
pens in schmale, längliche Stückchen zerschlagen und in Betel- 
Pfefferblätter, welche auf der einen Fläche mit rohem und 
angefeuchtetem Kalke bestrichen werden, eingewickelt. Auf 
der Insel Lucon findet man in jeder Wohnung, in irgend 
einer Ecke, ein Kästchen oder einen Teller stehen, in 
welchem die zubereiteten Betel-Happen (Buyo’s) für den 


413 


Verbrauch des Tages aufbewahrt werden, und jedem Ein- 
tretenden bietet man eine Buyo an, ganz eben so, wie bei 
uns eine Prise Tabak oder eine Pfeife. Die Leute auf 
Reisen und diejenigen, welche im Freien arbeiten müssen, 
tragen kleine Dosen oder Taschen bei sich, worin die 
Buyo’s für den Tag über, ganz so, wie die Cocahäppchen 
in Peru, aufbewahrt werden. Die Zubereitung der Betel- 
Happen gehöret den weiblichen Mitgliedern jedes Hauses 
an, und den Vormittag über sieht man sie fast immer auf 
der Erde liegen und Buyos machen. Das Kästchen, wel- 
ches hiezu gebraucht wird, enthält einige Arecanüsse, einige 
Blätter des Betelpfeffers, ein starkes Messer zum Zer- 
schlagen der Betelnüsse und ein kleines Tellerchen mit 
angefeuchtetem Kalke, der mit einem hölzernen Spatel auf 
die Blätter gestrichen wird. -Der Luxus in dem Genusse 
‚des Betels ist sehr grofs; in jenen Ländern, z. B. auf den 
Philippinen, mufs Jedermann Betel kauen. Wer es nur ha- 
ben kann, nimmt stündlich eine neue Buyo in den Mund, 
woran er wenigstens eine halbe Stunde zu kauen und zu 
saugen hat. | | 

Wie herrlich der Genufs des Betels ist, können wir, 
die wir daran nicht gewöhnt sind, nicht beurtheilen; jene 
Völkerschaften sprechen mit Begeisterung davon, und so, 
wie man. in Hoch-Peru den Arbeitsmann zugleich mit Coca 
besoldet, ebenso geschieht dieses auf den Philippinen mit 
Betelhäppchen. Eine schädliche Wirkung möchte der Betel- 
genufs auf die Gesundheit der Menschen wohl nicht aus- 
üben, und man sieht auch hier, was die Macht der Ge- 
wohnheit ‚ausmacht. Indessen das Betel-Kauen ist eine 
der ekelhaftesten Sitten, welche bei einem Volke gefunden 
werden kann; kaum vergehen, bei einem anhaltenden Ge- 
brauche desselben, einige Jahre, so werden die Zähne roth, 
ja selbst das Zahnfleisch wird ganz dunkelbraun gefärbt, 
und eine. beständige Salivation findet statt, wobei selbst 
der Speichel zuletzt ganz braunroth gefärbt ist. Ja die 
tagalischen Mädchen sehen es als einen Beweis von der 
Aufrichtigkeit der Gesinnungen und der Heftigkeit der Leı- 


414 


denschaften ihrer Geliebten an, wenn diese den Buyo aus 
ihrem Munde nehmen. | 

Da die Betelnufs stets mit den Blättern des Betel- 
Pfeffers *) gegessen wird, so ist die Cultur dieser Pflanze 
für den Landmann, in der Nähe grofser Städte, ebenfalls 
von Bedeutung, denn täglich werden daselbst unglaubliche 
Massen dieser frischen Betel - Pfeffer - Blätter auf dem 
Markte verkauft. Man sieht diese schönen, grofsen und 
herzförmigen Blätter in Haufen von 3 bis 4 Fufs Höhe 
aufgeschichtet, in grofsen Körben umhertragen; doch Je- 
dermann, der nur ein Stückchen Ackerland besitzt, pflegt 
sich den Bedarf an diesen Blättern selbst zu ziehen. Die 
Pflanzungen des Betel-Pfeffers sind in der Art angelegt, 
wie bei uns die Bohnenfelder, doch stehen die einzelnen 
Pflanzen weiter auseinander, und das herrliche Blatt der- 
selben giebt dem ganzen Felde: ein schönes helles Grün, 
wie es nur wenigen Pflanzen eigen ist. 

Der Betel - Pfeffer erfordert sehr guten Boden und 
dabei niederen Grund und viel Wasser; man umzieht diese 
Pflanzungen mit einem Graben und einem Walle, auf wel- 
chem Hecken von verschiedenen Pflanzen gemacht werden, 
als z. B. in Indien von Euphorbia Tirucalliı, Arundo tibia- 
lis Roxb. und: vielen Anderen mehr. Hat der Boden der 
Betel - Pfeffer - Pflanzungen nicht Wasser genug, so mufs 
er 6 Monate lang gewässert werden; man theilt denselben 
in regelmäfsige Beete und umgiebt diese mit eingefafsten 
Bewässerungs - Kanälen, aber zwischen dem Walle und 
dem. Ackerlande läfst man einen freien Raum von 20 Fufs 
Breite. In der Mitte jedes Beetes macht man die Löcher 
zu den Stecklingen, welche stets 14 Fufs weit von einan- 
der gepflanzt werden. In jedes Loch steckt man 2 Steck- 
linge von 3 Fufs Länge, doch so, dafs man sie mit ihrer 
Mitte in der Erde befestigt und demnach die Enden von 
jeder Seite hinausragen und später ausschlagen; in den 
48 ersten Monaten läfst man diese Schöfslinge an Stan- 


*) Piper Betle L. 


415 


gen hinaufsteigen, sie verlangen wärend dieser Zeit viel 
Wasser, oft täglich zweimal. Zwischen diesen eingesetz- 
ten Stecklingen pflanzt man junge Bäume von Aeschino- 
mene grandiflora, oder von Guilandina Moringa, oder von 
Erythrina indica ete., welche sehr schnell wachsen und 
später den Betel-Pflanzen zum Hinaufranken dienen, denn 
schon nach 18 Monaten nimmt man diese Pflanze von ih- 
ren früheren Stangen ab, legt die Basis ihrer Stengel etwa 
3 Fufs lang in die Erde und führt die Stengel so, dafs 
sie an den gepflanzten Bäumen hinaufsteigen können. Im 
zweiten Jahr legt man die Stengel wieder 3 Fufs lang in 
Erde und wiederholt dieses alle Jahr. Im vierten Jahre 
kann man die Blätter pflücken, und dann dauert diese 
Erndte 6 bis 7 Jahre lang, worauf die Pflanzen absterben 
und durch neue ersetzt werden müssen. 

Ein ähnlicher Gebrauch, wie der Genufs des Betel- 
Happens, besteht in dem Kauen des Terra japonica oder 
“des Suceus Catechu, auch Caschu genannt, welcher in Ost- 
indien ebenfalls sehr allgemein ist. Gröfstentheils wird 
diese Catechu aus den Nüssen der Areca Catechu durch 
mehrmaliges Auskochen und mehrmaliges Abdampfen bis 
zum vollkommenen Trockensein bereitet. In vielen Ge- 
genden Indiens aber, besonders mehr nördlich, am Fufse 
des Himalaya, da wird die Catechu aus dem Holze der 
Mimosa Catechu Roxb. bereitet, welche daselbst wild wächst. 
Auch in Ava findet sich dieser Baum. | 

‘ Zur Bereitung der Catechu werden die Bäume ge- 
‚fällt, das äufsere weifse Holz wird entfernt und das In- 
.nere in kleine Stücke geschnitten und dreimal ausge- 
kocht. Die Extraete werden dann zusammengegossen, ein- 
gedickt, und zuletzt in kleinen Stücken auf Baumblätter 
gelegt und in der Sonne getrocknet, wo sie bis sieben 
Tage lang liegen bleiben müssen. Diese Catechu, Caschu 
in Indien genannt, hat grofse Achnlichkeit mit dem Gam- 
bir-Extract, worüber im Folgenden. 


416 


Das Gambir - Extract. 


Ein ganz ähnlicher Luxus - Artikel, wie der Betel, 
wird gegenwärtig, in einigen Gegenden von Indien, von 
Jahr zu Jahr mit gröfserer Vorliebe aufgenommen; ich 
meine hiemit das Gambir - Extract. 

Die Pflanzen, welche das Gambir-Extract geben, sind 
Nauclea Gambir und N. aculeata Linn., es sind Sträucher 
von 5—7 Fufs Höhe, deren Blätter durch Auskochung 
das beliebte Mittel geben, welches, besonders auf den Hol- 
ländischen Colonieen in Indien, aber auch bei den Ma- 
layen von Sumatra, als Unterhaltungsmittel gekauet wird; 
man legt dem Stoffe eine so heilsame Wirkung bei, dafs 
man ihn vorgeblich als Verdauungsmittel geniefst, doch 
es verhält sich mit dieser Sache wohl so, wie mit unseren 
Gebräuchen der Art. Der wahre Tabackraucher weifs 
dem Gebrauche des Taback’s die wohlthätigste Wirkung 
auf seine Gesundheit beizuschreiben. 

Die Gambir - Pflanze wird gegenwärtig hauptsächlich 
in den Holländischen . Colonieen Indiens gebauet, als auf 
Java, besonders auf der reizend schönen Insel Bintang *), 
auf Sumatra **), auf Malacca, hauptsächlich auf Singa- 
poore und wahrscheinlich noch auf vielen andern Inseln 
jener Gegenden. Die Holländische Regierung hat die 
fremde Einfuhr des Gambir - Extracts gänzlich untersagt, 
und hiemit diesen neuen Industriezweig in ihren eigenen 
Besitzungen gehoben. Auf der Holländischen Insel Bin- 
tang, wo die Station Rhio ist, sind schon im Jahre 1832 
an 6000 Gambir-Plantagen gewesen, von denen die gro- 
fsen 80— 100000 Bäumchen enthielten, die kleinen doch 
wenigstens 3— 4000; man denke, welchen Einftufs dieser 
Zweig der Cultur auf die Physiognomie der Vegetation 
jener Insel haben mufs. Auf den verschiedenen Stellen, 
wo die Gambir-Pflanze cultivirt wird, scheint eine etwas 


*) $8. Bennetts WVandering. London 1834. II. p. 183 etc. 
**) S, Anderson Miss. to the East Coast of Sumatra. Lond. 1826, 


417 


verschiedene Methode in der Einsammelung der Blätter 
jener Pflanze stattzufinden. Mehr als 10 Monate lang 
sind die Gambir-Pflanzen mit Blättern bedeckt, auf Ma- 
lacca werden dieselben viermal im Jahre abgepflückt, auf 
Bintang aber, wo das beste Gambir - Extract zubereitet 
wird, da werden die Blätter der Pflanze jährlich nur zwei- 
mal eingesammelt. Haben die Blätter nicht ihre vollkom- 
mene Ausbildung erreicht, so wird das Extract schlecht, 
und was das übelste dabei ist, auch die Plantagen werden 
dadurch frühzeitig ruimirt. Wenn der Gambir - Strauch 
3 Jahr alt ist, fängt man an die Blätter desselben zu be- 
nutzen, und wenn man alle 6 Monate die Blattlese hält, 
so können dieselben Sträucher 25 bis 30 Jahre lang aus- 
halten. 


Nachdem die Blätter theils unmittelbar von dem 
Strauche abgepflückt sind, theils von den abgeschnittenen 
Schöfslingen abgestreift worden, werden sie in grofsen ei- 
sernen Kesseln 5 bis 6 Stunden lang stark gekocht, als- 
dann von der Flüssigkeit getrennt, und entweder nochmals 
ausgekocht oder fortgeworfen. Die zurückgebliebene Flüs- 
sigkeit wird zu einem dicken Extracte inspissirt, welches 
in längliche Mulden ausgegossen wird. Nachdem die 
Masse hierin etwas erhärtet ist, wird sie in Stücke ge- 
schnitten und an der Sonne getrocknet, und so kommt 
dieses Extract in Form von harten, trockenen Stücken 
von schwarzbrauner Farbe, im Inneren gelblichbraun, in 
den Handel, auch hat man es schon nach England geschickt, 
um es als Aetzmittel in der Färberei zu versuchen. 


Der. Geschmack dieser Art von Catechu ist anfangs 
süfslich, bei einem angenehmen aromatischen Wohlgeruche, 
später wird derselbe etwas zusammenziehend und bitterlich. 


Man: soll dieses Gambir-Extract zu Rhio auf Bin- 
tang durch mehrmaliges Auflösen und Reinigen sogar ent- 
färben, so dafs es weifslich aussehen soll. In den Handel 
kommt dieses weifse Gambir - Extract nicht. Die Pro- 
duction des Gambir-Extracts betrug auf der Insel Benang: 

27 


418 
Im Jahr 1829 gegen 31000 Pikel. 


3-80 - Eh 
BTL AT 
ir ABTR ER 
2.4833.) = 70000 > zuidaal Did, 


und der Preis dieser Waare war damals 8 Rupp. für den 
Pikel, wofür sie die Regierung selbst kauft, um sie spä- 
ter viel theuerer zu verkaufen. Demnach betrug die Aus- 
fuhr von Benang für Gambir-Extraet, schon im Jahre 
1833, 360000 Ruppien, und von Jahr zu Jahr nimmt die- 
ser neue Culturzweig an Umfang zu. Ja zu Singapoore 
werden, von den Chinesen ebenfalls schon. 20000 Pikel 
jährlich zubereitet, wo schon 150 Gambir-Plantagen im 
Jahre 1833 angelegt waren. 

Auch diese Waare, wie jede andere wird nach ihrer 
vorzüglichen Güte mehr oder weniger geschätzt; man sagt 
im Allgemeinen, dafs das Gambir - Extract von Benang 
und von der Bengalischen’Küste am besten sei; je körni- 
ger es ist,- um desto schlechter ist’ ‘es, woran auch ein 
schlechtes Abdampfen sehr oft Schuld ist. 


Die Opium - Cultur. 


Der Gebrauch des Opiums ist in den Morgenländern 
eben so allgemein, wie bei uns der Genufs der spirituösen 
Getränke, indessen die Art des Verbrauches ist bei ver- 
schiedenen Völkern verschieden; bekanntlich essen die 
Türken das Opium, die Chinesen und Malayen rauchen 
es und schlucken den Dampf nieder. So wie auch alle 
andere Luxus-Artikel mit bewunderungswürdiger Schnel- 
ligkeit Beifall finden, und sich über ganze Völker verbrei- 
ten, so verhält es sich auch mit der Verbreitung des 
Opium - Genusses. Die östlichsten Völker Asiens sind, 
seit nicht langer Zeit, von dieser Leidenschaft für den Ge- 
nufs des Opiums angesteckt, und nun verbreitet sich dieser 
neue Luxus mit. der reifsendsten Schnelligkeit, welcher 
kein Gesetz, keine Strafe, überhaupt gar kein Mittel in 
den Weg gestellt werden kann. | 


419 


Ja wir werden in der Folge sehen, bis zu welchen 
unglaublichen Massen der Verbrauch des Opium’s in China, 
in einem Lande nämlich, wo der Genufs des Opiums auf 
das strengste verboten ist, gestiegen ist. 

_ Es ist hier nicht die Rede von dem Anbau des wenigen 
Opium’s, welches aus dem Morgenlande zu uns, unter 
dem Namen des türkischen Opiums, zum medizini- 
schen Gebrauche kommt, sondern von der Cultur jener 
grofsen Massen in Indien, wofür so viele Millionen ge-- 
löst werden. Bekanntlich ist das türkische Opium stärker, 
als das indische, und wird defshalb zum medizinischen 
Gebrauche dem letzteren vorgezogen. Die Bewohner des 
östlichen Asien’s aber, welche das Opium rauchen, ziehen 
das indische dem türkischen vor, so ‘dafs letzteres fast 
nur den halben Werth hat. Ich habe freilich nicht Gele- 
genheit gehabt, um die Wirkung des indischen und des 
türkischen Opiums mit einander in medizinischer Hinsicht 
vergleichen zu können, doch mir scheint es, als wenn das 
indische Opium weniger reizend auf das Blutsystem wirke, 
und dadurch dem türkischen Opium so häufig vorgezogen 
zu werden verdiente. Obgleich. das indische Opium sehr 
theuer ist, so zeigen -die Bewohner Ostindiens dennoch 
keine besondere Vorliebe für diesen Cultur - Zweig, . da 
‚derselbe so aufserordentlich mühsam ist. Die Kaufleute 
ziehen daher umher und schiefsen den Landleuten grofse 
Summen vor, um sie dadurch nur zur Cultur dieses Zwei- 
ges des Ackerbaues zu bewegen, wofür dann der Land- 
mann das Pfund: des gewonnenen Opiums für 15 Schilling 
Engl., also etwa für 5 Rthlr. Preufs. an die Vorschiefser 
der Capitalien verkauft *). 

Die Cultur der Opium-Pflanze **) wird nicht nur 
auf die Bereitung des Opiums betrieben, sondern auch 
zur Gewinnung des Saamens, welcher bekanntlich das 


*) $. Buchanan A. Journey from Madras through Mysore, Ca- 
nana and Malabar. Lond. 1807. T. I. pag. 295 etc. 


**%) Papaver somniferum L. 


21° 


420 


sehr brauchbare Mohn - Oel liefert, und wahrscheinlich hat 
man, schon in frühester Zeit, diese Pflanze hauptsächlich 
des Saamens wegen gezogen. Doch die Opium -Pflanze 
erfordert den besten Boden und dabei beständig so viele 
Aufmerksamkeit, dafs der reine Ertrag dieses Culturzwei- 
ges nicht einmal so ergiebig, als der des Zuckerrohrs ünd 
des Tabaks ist *). h 

Der Boden, worauf die Opium-Pflanze eultivirt wer- 
den soll, wird anfänglichst auf ähnliche Weise bearbeitet, 
wie zur Reiscultur, und wird dann in grofse Quadrate 
eingetheilt, ganz ähnlich den Reisfeldern, die durch kleine 
Kanäle bewässert werden können. Im September und 
October wird der Boden zubereitet und im November 
wird der Saame gesäet, worauf der Boden alle 4 Tage 
bewässert werden mufs. In 6 bis 7 Tagen sind die jun- 
nen Pflänzchen 2 Zoll lang, und dann werden die über- 
flüssigen Pflänzehen ausgezogen, so dafs die zurückblei- 
benden immer 4 Zoll weit auseinander stehen. Nach 20 
Tagen, wenn die Pflanzen schon 6 Zoll hoch geworden 
sind, mufs das Unkraut entfernt werden und der Boden 
mufs etwas Dünger erhalten. In Zeit von 24 Monaten 
ist die Pflanze zur Bereitung des Opiums reif und in vol- 
len drei Monaten werden auch die Saamen reif. Wärend 
der Zeit der Opium - Bereitung werden, 2 bis 3 Wochen 
lang, eine grofse Anzahl von Menschen in den Opiumfel- 
dern beschäftigt, indem dieselben bei Tage in die äufsere 
Seite der Fruchtkapseln entweder durch Dornen, oder 
durch feine spitze Nadeln **) mehrere Incisionen machen, so 
dafs der weifse Lebenssaft, welcher in den Gefäfsen, dicht 
unter der Oberhaut der Kapsel dieser Pflanze, in so gro- 


*) Tennant Indian Recreations consisting chiefly of strictures on 
the Domestic and rural economy of the Mahommedans and Hindoos. 
Edinburgh 1803. 

*) Anmerk. In Persien werden die Einschnitte mit einem 
fünfschneidigen Instrumente gemacht (S. Kaempheri Amoenit. exot. 
Fasc. III. Lemgoviae 1712. p. 643.). Die erste Lese giebt die la- 
eryma opü, welche mehr gelblich ist. 


421 


{sen Massen vorhanden ist, herausfliefsen kann. Am fol- 
senden Morgen kommt man wieder und kratzt den er- 
härteten Saft, welcher eine gelblichbraune Farbe ange- 
nommen hat, mit einer Muschel von der Wunde, und er- 
hält auf diese Weise das Opium. Diese Incisionen der 
Saamen-Kapsel wiederholt man einigemal, gewöhnlich drei- 
mal, und erhält immer von Neuem den gewünschten Saft, 
welcher alsbald an der Luft erhärtet. 


Dieser gewonnene rohe Saft wird nun unter Aufsicht 
des Kaufmanns, welcher ihn gekauft hat, noch einiger Be- 
handlung unterworfen, damit er nicht verderben kann. 
Man trocknet ihn nämlich zuerst in der Sonne, damit das 
Wasser aus demselben verdunstet, ersetzt dieses aber 
durch Mohnöl, damit das Zusammentrockenen des Harzes 
verhindert wird *). Hierauf wird das Opium in kleine 
platte Kuchen geformt, von 4 Zoll Durchmesser etwa, und 
in Mohnblätter eingehüllt; zuletzt, wenn es gehörig trok- 
ken ist, wird es in Kisten gepackt und mit der Spreu 
des Mohnsaamens festgelegt. Auf diese Weise kommt es 
auf den Markt von China; jede Kiste fafst 1334 Pfund 
Engl. oder 100 Cätti, welche nach der Masse des Vor- 
raths, So wie nach den Aussichten der Speculation sehr 
verschieden im Preise stehn. Auch sind. die verschiede- 
nen Sorten nach den Nationen, wo sie cultivirt worden 
sind, sehr verschieden im Preise; z.B. im December 1831 
waren die Preise folgende **): 


Patna - Opium für die Kiste 935 —945 Span. Piaster. 


Benares- -- Rn - 940 - - 
Malwa- _- u -  6595—660 - - 
Damaun- - u 2.0655 = f 
Türkisches - an - : 555— 560. . -- £ 


Demnach kostete das feinste Opium über 1400 Thlr. 
Preufs. für 127,6 Berliner Pfunde, oder 133% Engl. Der 


”) S. Tennant 1. c. p. 300. 
**%) $. Meyen’s Reise II. p. 299. 


422 


Landmann aber erhält dafür nach dem Contracte nur 660 
bis 670 Thle. Preufs. 

Der reine Ertrag bei der Opium-Cultur ist demnach 
auch für den Pflanzer von geringer Bedeutung, und soll 
sich nur auf 20 bis 30 Ruppies für den Acre Landes (40 
Ruthen lang und 4 Ruthen breit) belaufen, welcher nur 
30 bis höchstens 60 Pfunde Opium liefert. Jedoch der 
Ertrag dieses Cultur-Zweiges ist, je nach dem Zustande 
der Witterung, der Insektenmasse u. s. w., im höchsten 
Grade unsicher; oft bringt er in einem Jahre sehr wenig, 
im folgenden Jahre dagegen sehr viel. 

Der Gewinn an Mohnöl soll für den Acre Landes 
nur 2 oder 3 Ruppies betragen. 

Schliefslich noch Einiges über den grofsen Umfang 
dieses merkwürdigen Handels mit Opium. Blofs auf dem 
Markte von Canton werden, seit dem Jahre 1828, für mehr 
als 18 bis 19 Millionen Thaler von diesem Artikel nach 
China eingeführt; es ist indessen bekannt, dafs auch auf 
der ganzen Küste von China, bis nach Korea hinauf, ein 
sehr bedeutender Schmuggelhandel mit diesem Artikel statt 
findet, so dafs sich die Summe Geldes, welche: jährlich 
für Opium aus dem chinesischen Reiche herausgezogen 
wird, noch um mehrere Millionen Thaler gröfser stellen 
möchte, nicht mitgerechnet dasjenige Opium, welches durch 
chinesische und siamesische Schiffe aus Indien unmittelbar 
nach jenen nördlichen Gegenden von China’ geführt wird. 
Ueber Canton allein sind vom Jahre 1818 bis 1831 über - 
44 Millionen Pfunde Opium nach China geführt, welche 
die Summe von 115672339 Piaster gekostet haben. 

Die Masse: von Opium, welche ebenfalls von den Ma- 
layen des indischen Archipelagus, iu Cochinchina und Siam, 
so wie in Indien selbst und in Persien gebraucht wird, 
ist so aufserordentlich bedeutend, dafs, könnte man dar- 
über genaue Nachweisungen erhalten, gewifs eine ganz 
unglaubliche Summe von diesem, der menschlichen Ge- 
sundheit so schädlichen Artikel erhalten würde. Ja Herr 


423 


Burness *) hat beobachtet, dafs man es in gewissen Ge- 
genden selbst den Pferden zu fressen giebt, um sie zu 
gröfseren Kraftanstrengungen aufzuregen. Ein Cutchee- 
Reiter, erzählt Herr Burness, theilte seinen Opium -Vorrath 
mit seinem Pferde ganz ehrlich, und darauf machte dieses 
noch eine unglaubliche Strecke, obgleich es vorher schon 
ganz ermüdet war. 


Der Tabak (Nicotianae spec. var.). 


Die Eingebornen von Haiti rauchten den amerikani- 
schen Tabak, als die Spanier die Insel entdeckten, und 
gegen Ende des 16ten und im Anfange des 17ten Jahr- 
hunderts ging diese Sitte auf die Völker Europa’s über. 
Man ist sogar lange der Meinung gewesen, dafs der Ge- 
brauch des Tabaks, so wie dessen Cultur nur allein den 
amerikanischen Völkern eigenthümlich war, was aber heu- 
tigen Tages, durch die nähere Bekanntschaft mit China 
und mit Indien, als unrichtig nachzuweisen ist. Der Ver- 
brauch des Tabaks im chinesischen Reiche ist von au- 
fserordentlichem Umfange, und die Sitte scheint uralt zu 
sein, denn auf sehr alten Bildwerken habe ich eben die- 
selben Tabakspfeifen bemerkt, welche noch jetzt daselbst 
im Gebrauche sind. Uebrigens kennen wir jetzt die Pflanze, 
welche den chinesischen Tabak liefert, ja sie soll sogar 
in Ostindien wild wachsen. Gewifs ist es, dafs diese ost- 
asiatische Tabakspflanze ganz verschieden ist, von den 
amerikanischen Tabaks - Arten. 

Die Gattung Nicotiana gehört im Allgemeinen der‘ 
wärmeren Zone an, doch haken einige Arten derselben 
einen sehr ausgedehnten Verbreitungs-Bezirk, und eine 
grofse Zähigkeit gegen die Einwirkungen des Clima’s, denn 
man kann sie unter dem Aequator und in der gemäfsig- 
sten Zone, selbst bis weit über 55° N. Breite hinaus, 
ziehen, wo die mittlere Sommerwärme gleich 15,87° C. ist. 

Es ist bekannt, welche ungeheueren Massen von die- 


*) Narrative of a Visit to the Court of Sinda, p. 230. 


424 


sem edelen Kraute, selbst in unserem Vaterlande eultivirt 
werden; der Masse nach liefert er hier so viel als in den 
Tropen, ganz anders aber ist die Qualität desselben. Die 
südliche Polargrenze für die Cultur des Tabaks ist nicht 
genau bekannt, wohl aber wird sie bis hoch in die vier- 
zige der Breitengrade gehen, denn in Südamerika wird 


noch bei Concepcion Tabak gebauet und auf Neu-Seeland 


gedeiht er zum eigenen Bedarfe ebenfalls. 

Die Havanna ist ihrer Tabaksproduction wegen sehr 
berühmt, und diese Insel allein hat noch zur Zeit des 
früheren spanischen Handelssystems eine Summe von 350000 
Arrobas a 25 Pfund; also eine Masse von 895 Millionen 
Pfund geliefert, wovon an 128000 Arrobas nach Spanien 
geführt wurden *). Der Tabak von Caraccas und über- 
haupt aus dem jetzigen Venezuela, hat ebenfalls eine au- 
fserordentliche Berühmtheit erlangt, und wird besonders 
gegenwärtig schon sehr stark ausgeführt. Heutigen Tages 
wird die Tabaks-Cultur auch auf den Philippinen, mit 
allem Ernste betrieben, und der Ertrag derselben möchte 
wohl wenig demjenigen von der Havanna weit nachste- 
hen. Die Cigarren von Manila sind in ganz Indien von 
dem vorzüglichsten Rufe, und bei uns, wo sie nur sehr 
selten auf den Markt kommen, werden sie ebenfalls aufser- 
ordentlich geschätzt. Man erkennt sie leicht daran, dafs 
sie auf beiden Enden abgeschnitten sind, und stets im 
Bündeln von 32 Stück in den Handel kommen. Auch hier 
auf den Philippinen, so wie auf der Insel Cuba, ist die 
Tabaks-Cultur monopolisirt, und überall im Lande sieht 
man die Beamten umherwandern, oft in sehr grofser Zahl], 
um auf die unerlaubte Cultur dieses Krautes zu achten. 
Die Cigarrenfabrik zu Manila beschäftigt gegenwärtig 1500 
Männer und über 3000 Frauen, lauter Eingeborne von 
Lucon. Diese Arbeiterinnen sitzen in langen Reihen un- 
ter den Schuppen, wickeln den gehackten Tabak in aus- 
gesuchte, befeuchtete und dreiseitig zugeschnittene Blätter, 


*) S. v. Humboldt, Ueber Neu- Spanien, IIL p:-4177. 


— 


7 u 


425 


und befestigen diese zuletzt an den beiden Seiten mit 
Gummi. Manila hat allerdings im Jahre 1829 nur 4,591 
Arrobas Cigarren ausgeführt *), aber der Consum dersel- 


‘ben im Lande selbst, mufs ganz aufserordentlich sein, denn 


dort raucht Jedermann. 

Es ist unnöthig, darauf noch aufmerksam zu machen, 
mit welcher Lust alle Völker die Sitte des Tabaks- Ge- 
nusses aufgenommen haben; . selbst die rohesten Horden 
sind mit Tabak zu befreunden, und es giebt wohl nur 
wenige Völker, welche, in Ermangelung des Tabaks, nicht 
irgend ein anderes Mittel der Art zur Unterhaltung auf- 
zuweisen haben. | 


Die Coca der Peruaner. 


Die Blätter der Cocapflanze #*) sind den Peruanern 
eben dasselbe, was den Türken das Opium, was den Be- 
wohnern Ostindiens der Betel und was anderen Nationen 
der Tabak ist. Das Vaterland der Cocapflanze ist wahr- 
scheinlich auf dem östlichen Abfalle der Cordilleren-Kette 
von Peru, jedoch ist sie bis jetzt noch nicht im wilden 
Zustande gefunden worden. 

Eine bis zwei Tagereisen von La Paz, in derselben 
Gegend, wo die ersten Cinchona - Wälder auftreten, da 
wird auch die Coca-Pflanze im südlichen Peru cultivirt, 
und La Paz, die Hauptstadt von Bolivien, treibt den Haupt- 
handel damit. 

Herr Poeppig ***), der sich, bei seinem Aufenthalte 
am Huallaga, auf der östlichen Seite der peruanischen 


‚Cordillere, mehrere Monate hindurch in Gegenden aufhielt, 


wo die Coca gebauet wird, hat sehr ausführliche Nach- 
richten über diesen Zweig des peruanischen Landbaues 
mitgetheilt. So wie es bei uns sehr schwer fällt einen Säu- 
fer, oder einen echten Tabakraucher von seinem Lieblings- 


*) Meyen’s Reise, II. p. 376. 
*%) Erythroxylum Coca Linn. 
***%) Reise in Chile, Peru u. s. w. II. p. 210 etc. 


426 


reize abzubringen, eben so hält es schwer, einen Coquero 
von dem Genusse der Coca abzugewöhnen. Wir erfahren 
zugleich durch jenen Reisebericht, dafs der Gebrauch der 
Coca auf der östlichen Seite der Cordilleren-Kette des 
nördlichen Peru’s eben so allgemein ist, als auf der Hoch- 
ebene im südlichen Peru, und zwar sollen die Folgen von 
dem Genusse dieser Blätter, in den wärmeren und feuch- 
ten Gegenden sehr übel sein. In den kalten und hochge- 
legenen Gegenden des Plateaus von Chuquito, wo der Ge- 
brauch der Coca gewifs sehr allgemein ist, und zwar nicht 
nur bei den Indiern, sondern auch bei den gemischten 
Ragen, so wie auch bei den Weifsen, da ist nicht viel 
von allen den schrecklichen Krankheiten zu bemerken, 
welche in Folge des Genusses der Coca entstehen sollen. 
In den Dörfern und Städten, rund um das Becken von Chu- 
quito, sieht man Indier, Neger, Weifse und Menschen von 
gemischtem Blute im höchsten Alter umhergehen und, nach 
wie vor, die Coca gebrauchend. Eine aufserordentliche 
Corpulenz zeigen die Frauen jener Gegenden, welche, als 
Gemischte, unter dem Namen .der Zambitas bekannt sind, 
und eben so gewöhnlich Coca kauen, wie man in Indien 
den Betel gebraucht, ohne die schrecklichen Folgen so of- 
fenbar nachzuweisen. Durch die Zumischung des gebrann- 
ten Kalkes, welche im nördlichen Peru viel allgemeiner, 
als im südlichen ist, werden zwar die Zähne ekelerregend 


‘gefärbt, doch sie leiden dabei keinen Nachtheil, wie man’ 


dieses auf den Inseln Indiens, wo der Betel, mit Kalk 
vermischt, zu dem gewöhnlichen Lebensgenusse gehört, sehr 
leicht sehen kann. Sicherlich ist es der Fall, dafs der 
starke Genufs der Coca durch das flüchtige Prineip, wel- 
ches eine .dem Opium ähnliche Wirkung erzeugt, die Ver- 
dauungs-Organe schwächt und das Nervensystem allmä- 
lich überreizt, und dadurch eine Menge von mehr oder 
weniger gefährlichen Krankheiten dem Körper erwachsen, 
welche aber wohl noch lange nicht so gefährlich sein 
möchten, als. diejenigen in Folge des Opium - Genusses. 
Ein Sterben an Abzehrung in Folge des Coca-Genusses, 


427 


wie es neuerlichst behauptet worden ist, scheint mir etwas 
sehr Unerklärliches zu sein. 

Herr v. Martius *) hat uns über die Art des Anbaues 
dieser Pflanze einige Nachrichten mitgetheilt; er fand der- 
gleichen Plantagen von dem Erythrxoylum Coca am Ama- 
zonenstrome bei Ego, und vermuthet, dafs die Pflanze da- 
selbst eingeführt worden sei, weil man ebendaselbst auch 
den Tabak besitze, und diesen viel häufiger gebrauche als 
die Coca. Herr v. Martius sah daselbst drei Fufs hohe 
Sträucher, welche reihenweise, drei Fufs weit von einander, 
gepflanzt waren. Die Blätter wurden im Ofen getrocknet, 
darauf im Mörser gepulvert, mit der Asche der Blätter 
von Cecropia palmata vermischt und in Grasschichten bis 
auf weiteren Gebrauch aufbewahrt. In Peru ist indessen 
der Gebrauch der Coca ganz anders; man kauet daselbst 
die Blätter ganz ebenso, wie es bei uns mit den Tabaks- 
blättern geschieht. Die Peruaner tragen die Coca eben- 
falls in kleinen Taschen bei sich, welche aus Wollenzeugen 
oder aus Häuten junger Säugethiere gemacht sind. Die 
Cocablätter sind von der Form junger Kirschblätter und 
haben einen angenehm bitterlichen, zusammenziehenden 
Geschmack und einen feinen, ätherischen Geruch. Der 
peruanische Indianer kauet diese Blätter, so oft er es thun 
kann, ja beinahe den ganzen Tag hindurch; ihre Wirkung 
ist im Allgemeinen aufregend, später aber, wie es mir 
schien, auch etwas betäubend, ähnlich der Betäubung in 
Folge des Opium-Genusses. Diese Aufregung giebt dem 
arbeitenden Indianer, der äufserst schwermüthig gestimmt 
ist, eine fröhliche Stimmung und schützt vor Ermüdung; 
auf beschwerlichen Reisen erleichtert die Coca auf mehrere 
Tage den Hunger und erwärmt gegen Kälte; kurz der Coca 
legt man in jenem Lande alle die Wirkung bei, welche 
man bei uns an dem Tabake rühmt. 

Die Indianer kauen die Cocablätter entweder für sich 
allein, oder in Verbindung von Thon oder Kalk, welchen 


*) Reise uach Brasilien, pag. 1169. 


428 


sie -vorher mit den Blättern verbinden, und aus dieser 
Masse kleine Kugeln machen, welche sie dann allmälich 
verbrauchen. Jedes Kügelchen behalten sie so lange im 
Munde, als sie einen herben und starken Geschmack darin 
empfinden; wenn dieser Geschmack aufhört, werfen sie es 
weg und nehmen ein anderes. 

Auffallend ist es, dafs der Gebrauch der Coca, obgleich 
dieselbe in ihrem Areal so aufserordentlich geschätzt wird, 
dennoch einen sehr beschränkten Verbreitungs-Bezirk hat. 

Die Cultur der Cocapflanze, welche einem Schwarz- 
dornstrauche am ähnlichsten erscheinen soll, wird am Rio 
Huallaga, wo sich Herr Pöppig längere Zeit hindurch auf- 
hielt, in den wärmeren und feuchten Abhängen, nach un- 
gefährer Schätzung bei 2- bis 5000 Fufs Höhe, wo noch 
keine Nachtfröste herrschen, welche den Pflanzen sehr 
schädlich sind, betrieben. Die Coca, welche in ganz hei- 
fsen Gegenden gezogen wird, soll an Kraft geringer sein. 
Der Anbau der Cocapflanzen geschieht auf einem, zu Ende 
der nassen Jahreszeit durch Abbrennen urbar gemachten 
Boden durch Aussäen der Beeren. Hiezu gräbt man nach 
einer gewissen Regel Löcher in die Erde, welche etwa 
9 Zoll im Geviert und 18 Zoll Tiefe haben, und in jedes 
dieser Löcher wird eine Handvoll Saamenkörner geworfen, 
welche man unbedeckt liegen läfst. Gegen 100 Pflänzchen 
wachsen aus jeder dieser Gruben hervor, und man läfst 
dieselben darin 15 bis 18 Monate stehen, bis man sie ver- 
pflanzt, wobei man die jungen Sträucher nach regelmäfsig 
verlaufenden Reihen stellt. Ableitung des Wassers, Ent- 
fernung des Unkrautes und Aufackerung des Erdreiches 
sind die Arbeiten, unter welchen die Pflege jener jungen 
Pflanzungen erfolgt, wo man im ersten Jahre wohl noch 
Mays dazwischen pflanzt. In Zeit von 3 bis 5 Jahren, je 
nachdem der Boden ist, erfolgt die erste Erndte, und diese 
wird alle 13 bis 14 Monate wiederholt, auf grofsen Pflan- 
zungen soll jedoch die Erndte das ganze Jahr hindurch 
fortgesetzt werden. Man hält die Blätter der Cocapflanzen 
für reif und geeignet zum Trockenen, wenn. sie steif ge- 


429 


worden sind, wobei Gröfse und Farbe nichts entscheidet. 
Das Einsammeln der Cocablätter geschieht durch Abstrei- 
fen, und zum Trocknen derselben bedient man sich der 
Sonnenhitze, weil, wahrscheinlich in Folge von Vorurthei- 
len, die künstliche Wärme die Kraft der Blätter vermin- 
dern soll. Behufs des Trocknens der Blätter durch die 
Sonnenhitze befindet sich an jedem Wohnhause der Cocals 
(d. h. der Hacienden, wo Coca eultivirt wird) eine Art 
von Tenne, worauf die Arbeit vorgenommen wird. Die 
getrockneten Blätter werden auf dem östlichen Abfalle des 
nördlichen Peru in grofse wollene Säcke verpackt, und jeder 
Ballen (Tercio genannt) wiegt frisch .an 80 Pfunde, welche 
durch längeres Liegen sehr bedeutend verlieren. In Hoch- 
Peru, wo die Zucht der Llamas so aufserordentlich grofs- 
artig ist, da wird die Coca, wie die Chinarinde und fast 
alle anderen Produkte des Landes, in Llamahäuten verpackt 
und diese Ballen mit Coca (Cestos genannt), welche von 
La Paz aus, das ganze südliche Peru versehen, sind von 
Llamahäuten verfertigt und wiegen 20 bis 30 span. Pfunde. *) 
Auf dem östlichen Abfalle von Hoch-Peru, denn im eigent- 
lichen Hoch-Peru wird keine Coca gebauet, dem jetzigen 
Bolivien, werden nach einer Schrift, welche über diesen 
Gegenstand zu La Paz erschienen ist und von Hrn. Pöppig 
benutzt wurde, jährlich gegen 40000 jener Cestos, welche ' 
durchschnittlich eine Arrobe halten sollen, auf den Markt 
gebracht, und da diese zu La Paz zwischen 6 bis 7 Piaster 
gelten, so ist der Werth dieses Culturzweiges für Bolivien 
gegen 2400000 bis 2800000 Piaster. Zugleich erfahren 
wir aus jener Schrift, dafs in den Provinzen von Arequipa, 
Moquegua und Arica, also in den niederen Gegenden auf 
dem westl. Abfalle der Cordillere von Süd-Peru, etwa 40000 
Arroben Coca gewonnen werden; jedoch sind die Gegenden, 
wo die Coca daselbst gebauet werden soll, nicht angegeben, 
und ich kenne hierüber auch durchaus gar keine Quelle. 
Bei meiner Reise durch diese so äufserst trockenen Pro- 


*) $. Meyen’s Reise. IL, pag. 16. 


430 


vinzen von Arica und Arequipa, habe ich nirgends eine 
Kunde erhalten, dafs daselbst Coca gebauet werde, welche 
bekanntlich ein feuchteres Clima verlangt; auch habe ich 
auf den Märkten von Arica, Arequipa, Tacna und Islay nur 
Coca von La Paz, in Ballen von Llamafellen, zu schen 
bekommen, dicke Zambitas safsen mit Wagschale und Ge- 
wicht davor und verkauften diese getrockneten Blätter. 
Der Verbrauch der Coca für das ganze Peru scheint die 
Summe von 4500000 preufs. Thalern weit zu übersteigen, 
wozu nach Herrn Pöppig’s Angaben Huanuco für 90000 
Piaster, Jauga für 40000 Piaster und Truxilla für 20000 
Piaster liefern. Sicherlich wird in den fruchtbaren Pro- 
vinzen von Cuzco ebenfalls eine grofse Quantität von Coca 
producirt, über deren Menge jedoch noch keine Schätzun- 
gen vorhanden sind. 


Der Weinstock (Vitis vinifera L.). 


Die Verbreitung des Weinstocks über die Oberfläche 
der Erde, ist für das Menschengeschlecht von besonderer 
Wichtigkeit; der Geuufs des Weines und des Bieres, als 
gewöhnliches Getränk, bringt bei den Völkern sehr ver- 
schiedene Wirkung hervor, so dafs der Einflufs der Wein- 
cultur auf die Völker nicht zu verkennen ist. Ehe wir 
die Verbreitung des Weinstockes und die Weincultur an- 
geben, wird es nöthig sein, Einiges über das Vaterland des 
Weinstockes (Vitis vinifera L.) mitzutheilen. Leider ist 
ganz ebenso, wie bei mehreren Getreidearten und bei den 
meisten übrigen Culturpflanzen, das Vaterland des Wein- 
stockes keineswegs im ganzen Umfange bekannt. Wir 
kennen bereits mehrere Oerter, wo die Weinrebe wild 
wächst, z. B. im Neapolitanischen, wo eine kleine und süfse 
Beere vorkommt, welche sehr guten Wein giebt, und in 
Portugal, wo eine kleine, sehr sauere Beere wächst, welche 
man gar nicht achtet.*) Der nordafrikanische Weinstock 


*) Link’s Urwelt und das Alterthum u. s. w. 2te Auflage. Ber- 
lin 1834. I. pag. 432. 


431 


giebt sogleich, und ohne viele Cultur die schönsten Trau- 
ben, daher er wohl in die südiichen Länder von Europa 
eingeführt sein mag. Auch in Frankreich und Deutschland 
kommt die Rebe in den Wäldern wild vor, z. B. in den 
srofsen Rheinwaldungen zwischen Strafsburg und Speier, 
fo wie auch an der Donau, doch, wenigstens so viel mir 
bekannt ist, sind die Beeren dieser Pflanzen unbrauchbar. 
Bei allen diesen vielfachen Fundörtern des Weinstockes 
im wilden Zustande fragt es sich doch recht sehr, ob der- 
selbe nicht an diesen Orten verwildert ist, und für Deutsch- 
land und Frankreich könnte man dieses wohl mit Gewifs- 
heit behaupten, weniger vielleicht für die südlicher vor- 
kommende Weinrebe, deren Trauben, wie. z.B. im Neapo- 
litanischen, sehr gut sind und einen wohlschmeckenden 

Wein geben. Mit gröfserer Gewifsheit setzt man das Va- 


 terland des Weinstockes nach dem Oriente, nach der alten 


Cyrenaica und überhaupt nach den Gegenden zwischen dem 
schwarzen und dem caspischen Meere. *) In den Wäldern 
von Mingreli und Imereti bildet die Weinrebe die Königinn 
der Bäume; **) sie erreicht dort die Dicke von 3 bis 6 
Zoll im Durchmesser und steigt bis in die Spitzen der 
höchsten Bäume, indem sie diese ganz umschlingt und mit- 
einander verbindet. Eine wahre Rebencultur findet in 
jenen Gegenden gar nicht statt, und dennoch ist der Ueber- 
flufs an guten Trauben so grofs, dafs selbst der arme 
Landmann nicht alle Trauben erndtet, welche sich in sei- 
nem Bereiche finden, sondern sie dem Winter überläfst 
und öfters noch kurz vor Ostern die Trauben des vorigen 
Jahres von den Bäumen abschlägt. Wohl möchte man 
glauben, dafs eine Pflanze dort zu Hause ist, wo sie, ohne 
Hinzuthun der pflegenden Hand des Menschen, die schön- 
sten und schmackhaftesten Früchte liefert. Bekanntlich ist 
aber auch das Verwildern einer Culturpflanze eine höchst 
seltene Erscheinung, und wo sie vorkommt, da schwindet 


*) $. Bieberstein, Flora Tauro - Caucasica, I. pag. 174. 
“) S. Parrot's Reise nach dem Ararat, I. pag. 247, 


432 


wenigstens die veredelte Frucht. Sehr wahrscheinlich geht 
das Vaterland des Weinstsckes noch weit über das. cas- 
sche Meer hinaus, nach Indien und wohl selbst nach dem 
nördlicheren China, denn in mehreren Gegenden daselbst, 
z. B. in Gaschmere, in Dekan, wird der Weinstock eulti- 
virt, obgleich der Genufs des Weines daselbst, wie auch 
in China unbekannt ist. Ja es steht noch in Frage, ob 
die Weinrebe, welche gegenwärtig, fast über den ganzen 
Erdkreis cultivirt wird, von einer und derselben Art ab- 
stamme; ein ausgezeichneter Botaniker, der viel in den 
Weinländern umhergereist ist, Herr Link nämlich, scheint 
der Meinung zu sein, dafs unsere Rebe aus mehreren wil- 
den Arten zusammengeflossen sei, worauf ihn hauptsächlich 
die Form und die Behaarung der Blätter geführt haben. 

Die Zahl der Varietäten des Weinstockes ist ganz 
aufserordentlich grofs, man möchte ihrer wohl schon gegen 
200 zählen; das merkwürdigste hiebei ist aber, dafs eine 
und dieselbe Sorte Wein an zwei, oft sehr dicht neben- 
einander liegenden Orten, ganz verschiedene Weinsorten 
giebt. Hinreichend bekannt ist die Verschiedenheit zwischen 
dem Johannisberger und dem Rüdesheimer Wein; ja selbst 
auf einem und demselben Berge sind die Weine verschieden, 
je nachdem die eine Rebe oben und die andere unten am 
Fufse gewachsen ist. Wie aufserordentlich verschieden ist 
der Leistenwein bei Würzburg von dem Würzburger und 
dem Steinweine, welcher dicht daneben wächst. Der wahre 
Leistenwein hat einen Alkoholgehalt wie der Madeira, ob- 
gleich man unseren nordischen Weinen stets die Säure 
und geringe Stärke vorzuwerfen pflegt. Diese Verschie- 
denheiten sind uns allerdings unerklärlich, und nichts ist 
gewisser, als dafs sie allein durch die Lokalität hervorge- 
bracht werden, doch das-wie wissen wir nicht. Ein Wein- 
stock, welcher auf Stinkstein wächst, erhält von diesem 
den eigenthümlichen Geruch des Gesteins, und dieses möchte 
zur Beachtung sehr wichtig sein. 

Die Früchte der Rebe werden nicht nur zu Wein 
und zu Brandwein verarbeitet, sondern dienen häufig als 


ze 


433 


eine angenehme und, des grofsen Zuckergehaltes wegen, 
auch als eine sehr nahrhafte Speise. Bei den Mahomeda- 
nern, besonders bei den Türken, wird aus den Trauben 
eine Art von. Mus (Traubenmus) zubereitet, welcher als 
angenehmes Nahrungsmittel dient. Der häufige Genufs der 
rohen Trauben ist wohl überall, wo der Weinstock ceulti- 
virt wird, doch in vielen Gegenden werden die Trauben 
getrocknet und zu Rosinen gemacht, blofs um dieses an- 
sgenehme Nahrungsmittel länger aufbewahren zu können. 
Dieses findet man besonders im nördlichen Chile, in der 
Provinz Coquimbo, :woselbst eine sehr grofse Menge von 
Rosinen .bereitet werden. *) In manchen Ländern, wie z.B. 
in Persien, **) auf Creta, in Mingrelien u. s. w., sucht man 
die Trauben, den gröfsten Theil des Jahres hindurch, auf 
den Bäumen frisch zu erhalten, was vielleicht durch eine sehr 
trockene Atmosphäre zur Winterzeit. in jenen. Gegenden 
möglich wird. Zu Catanea, am Fufse des Aetna, wo der 
schöne Wein wächst, welcher die Laerymae Christi. giebt, 
. da findet man, auf einem und demselben Stocke, Blüthen 
und reife. Früchte stets zu gleicher Zeit, eine schein, 
welche schon Plinius bekannt war, 

Die Verbreitung der Weincultur richtet sich ei we- 
niger nach der mittleren Temperatur eines Ortes, als nach 
der gröfseren Sommerwärme, vorzüglich ist es aber die 
Länge des Sommers, welche auf das Reifen der Frucht so 
grofsen Einflufs zeigt. Zu Moscau wird der Wein nur in 
Gewächshäusern reif, obgleich die Sommerwärme daselbst 
so: hoch wie zu Paris, und überhaupt an der Loire ist. 
Aber nur. der Juni und der Juli zeigen zu Moscau die 
hohe Temperatur; im August sinkt dieselbe schon auf 14° 
Gels. und im September, wenn der Wein reifen soll, 
die mittlere Temperatur daselbst nur noch 9,9° Cels., und 
heftige Nachtfröste zerstören alsdann die Erndte. 

Bei einer mittleren Temperatur von 15° und 16° Gels. 


s 


*%) S. Meyen’s Reise um die Erde, I. pag. 420 etc. 
*) $. Chardin Voyage en Perse, Tom. I. pag. 53. 


28 


434 


gedeiht der Weinstock ganz vorzüglich, wie z. B. im 'süd- 
liehen Italien und in Sieilien. Weniger süfs und:Alkohol- 
haltiger wird der Wein bei einer niederen Temperatur, 
wie bei 9° — 8,7° Gels. mittlerer jährlicher Wärme, wo- 
bei jedoch eine Sommertemperatur von 19 bis 20° ©. sein 
mufs, sonst kommt er gar nicht zur vollständigen Reife, 
wovon London ein Beispiel giebt. Die mittlere Tempera- 
tur zu London ist —= 9,12 Cels., fast gleich mit der von 
Genf, doch ist der Juli und August zu Genf =17°; doch 
der September und October ist in Genf noch so warm, 
dafs der Wein reifen kann, wärend dieses in London nicht 
der Fall ist. Was die Maxima der Wärme anbetrifft, unter 
welcher die Rebe zu gedeihen vermag, so glaube ich be- 
haupten zu können, dafs dieses selbst unter jeder tropi- 
schen Wärme der Fall sein kann, wenn dieselbe nur nicht 
mit einem zu hohen Grade von Feuchtigkeit verbunden ist. 
Schon bei uns darf der Wein nicht zu feucht stehen, son- 
dern er liebt gerade trockene Gegenden, als an den Abhängen 
der Berge. Auf der Westküste von Südamerika, wo, we- 
nigstens bis Guyaquil hinauf, ein sehr trockenes Clima 
herrscht, da wird der Weinstock, oft selbst dicht an der 
Küste, bis zu 6° S. Breite eultivirt. #) Der Wein von 
Pisco (im 14ten Grade südl. Breite) ist ganz vorzüglich; 
eine Sorte wird daselbst gebauet, welche bei einem gewissen 
Alter selbst dem Cyperweine ähnelt; doch im Allgemeinen 
wird die Traube von Pisco zur Bereitung des berühmten 
Brandweins dieses Namens verbraucht, ein Gewerbszweig, 
dessen Produkt sich jährlich auf einen Werth von einer 
halben Million Piaster belaufen mag. Dieser Brandwein, 
welcher in Peru und in Chile so aufserordentlich beliebt 
ist, wird in 'grofsen irdenen Gefäfsen verführt,‘ welche 
2, 3.bis 4 Fufs hoch, fast ganz eylindrisch und unten zu- 
gespitzt sind. Zu zwei und zwei werden diese Krüge auf 
dem Rücken der Maulthiere transportirt, indem in einer 
besonderen, von Ruthen geflochtenen Vorrichtung, zu jeder 


”) S. Pöppig’s Reise nach Chile’ und Peru, u.s. w. Bd:I. p. 330 


435 


Seite des Lastthieres ein Krug befindlich ist;  Heerden 
von Hunderten von Maulthieren sieht man, auf diese Weise 
beladen, von einem Orte zum anderen ziehen. 
" Auch zu Moquegua und zu Tacna, zwischen 16 und 
18 Grad südlicher Breite, ist der Weinbau nicht unbedeu- 
tend, aber im nördlichen Chile, in den Provinzen Copiapo, 
Huasco und Coquimbo *) wird aufserordentlich viel Wein 
gebauet, und die Rosinen dieser Reben dienen den Mine- 
ro’s zur Nahrung. Die Weinberge von Quillota versehen den 
Markt von Valparaiso mit. Trauben, und die Masse von 
Wein, welche in der Gegend gekeltert wird, mufs, nach 
Poeppig’s Bericht, ebenfalls nicht unbedeutend sein. Bei 
Concepcion ist die Weincultur von Bedeutung, es wird 
der beste Wein von ganz Chile daselbst gewonnen und 
im Lande viel verschickt. Tiefer, südlicher. hinab geht die 
Weincultur bis Valdivia, also bis zum 40sten Grade südli- 
cher Breite.. | 
Auf der anderen Seite von Südamerika wird der 
Wein in Buenos Ayres angebauet und wahrscheinlich auch 
an verschiedenen Orten von Brasilien, worüber jedoch die 
Angaben nicht zahlreich sind. Weiter, nördlicher hinauf 
ward der Weinstock, schon zur Zeit der Reise des Herrn 
Alex.’v. Humboldt, zu Cumana gepflanzt, und brachte 
treffliche Trauben; wohl wird derselbe seit. jener Zeit, nach- 
dem sich dort so grofse Veränderungen zugetragen haben, noch 
an mehreren anderen Orten angepflanzt sein. Aufserdem 
wird der Weinstock in Südamerika, besonders aber in 
Mexico und in Guatemala, in mehr oder weniger bedeu- 
tenden Höhen ceultivirt. WVortrefllich gedeiht die Rebe im 
Thale von: San Jago im Chile (bei 33° S. B.), ebenso 
schön: sind die Trauben, welche im Thale von Arequipa 
in «einer Höhe ‘von 7797 Engl. Fufs gewonnen werden. 
Vielleicht ist das ganze Hochland von Mexico zur Weincultur 
geschickt, und derselbe geht auch in.den Provincias internas 
 bis:nach dem Passo del Norte hinauf (32° 9’/N.B.). Dieses ist 


9) S. Meyen’s Reise u. s. w. 1. pag. 420 etc. 
25 * 


436 


nach den Angaben des Herrn Alexander v. Humboldt, seit 
jener Zeit aber, seitdem eine so grofse Anzahl von Frem- 
den sich in jenem Lande niedergelassen haben, seitdem 
wird auch die Weincultur daselbst sehr ausgebreitet wor- 
den sein. ‘In Nordamerika wird der Weinstock auf bei- 
den Seiten angebauet, doch möchten uns wohl die Data 
dazu fehlen, um angeben zu können, bis zu welchen Brei- 
ten hinauf dieser Culturzweig sich erstreckt. Nach frühe- 
ren Nachrichten geht er am Ohioflusse bis 37° N. Breite 
hinauf, doch auf der Nord-West-Küste wird er selbst: 
bei St. Francesco, in 38° N. Breite gefunden.  Sicher- 
lich sind dieses noch nicht die Grenzpunkte. Nach der 
allgemeinen climatologischen Uebersicht, welche wir im 
Vorhergehenden gegeben haben, steigen die Isothermen 
auf der Westküste dieses Continents ebenfalls höher, als 
an der Ostküste hinauf; daher wird auch später die 
Weincultur höher hinauf auf der Westküste, als auf der 
Ostküste stattfinden. 

In der alten Welt, von wo aus der Weinstock nach 
der neuen Welt gewandert ist, ist der Culturbezirk be- 
deutend ausgedehnter, schreibt sich aber auch schon aus 
dem grauen Alterthume her und ist, wenigstens nach dem 
nördlichen Europa hin, angeblich des Religion’s - Cultus 
wegen verbreitet. Im Innern von Europa steigt die Wein- 
ceultur am höchsten nach Norden hinauf; auf der westli- 
chen Seite, wo sich die Isothere senkt, welche hauptsäch- 
lich, wie wir früher gesehen, den Weinbau bedingt, da 
geht sie bis 47, 48 und selbst bis 49° N. Breite hin- 
auf, nämlich auf den westlichen Ufern der Seine bis 
Noyon und Laon. Am Rhein geht die Weineultur bis 
über Coeln, ja selbst bis über Düsseldorf hinaus. In Eng- 
land, bei 52° Breite, reift der Wein nur in’ so warmen 
Sommermonaten, 'wie die von 1834. Weiter ‘östlich im 
Innern des Continents, wo sich die Isothere nach Norden 
biegt, da steigt auch mit ihr die Weincultur weiter hinauf, 
so dafs sie bei Berlin, im 53sten Grade liegt. Unser Wein 
ist freilich sauer, Berlin liegt aber auch in der Isotherme 


1488 


von 7,9° Cels., und in der Isochimene von — 1,1° Cels. 
Indessen auch hier ist noch nicht die Polar-Grenze des 
Weinstock’s. Im i4ten Jahrhundert ward der Weinstock 
durch die deutschen Ritter nach Preufsen gebracht, und 
ist, lange Zeit hindurch, daselbst gebauet worden. Danzig, 
unter 54° 21’ N. Breite gelegen, hat, offenbar durch die 
Nähe der Ostsee und der grofsen Wassermassen der 
Weichsel, eine sehr hohe Temperatur; es liegt in der Iso- 
therme von 7° 79° Gels., wärend die Sommerwärme 16,56 
und die Wintertemperatur gleich — 0,73° Cels. ist. Hier- 
aus folgt, dafs das Clima zu Danzig im Allgemeinen besser 
istals zu Berlin, nur wird die Sommerwärme daselbst druch 
den Einflufs des Küstenclima’s etwas deprimirt. In dieser 
Gegend kann’ demnach der Weinstock eben so wohl, wie 
bei Berlin und Potsdam gedeihen, und bei Elbing, "Thorn 
und andern Orten ist auch früher sehr viel gebauet wor- 
den. Ja man hat die Weincultur bis weit über Königs- 
berg (54° 42°) hinausgeführt, denn selbst bei Tilsit, wo die 
Winterkälte schon sehr streng ist, hat man Weingärten, 
selb$t einen Weinberg, welcher an den Ufern der Memel 
auf einem hohen Hügel gelegen ist. Ja in den Gärten 
der Reichen zu Memel, habe ich selten den Weinstock 
vermifst, selbst auf einem Landgute, eine Meile von der 
russischen Grenze, auf der Strafse bei Polangen, habe ich 
eine grofse Menge Wein gesehen. 

Aus diesen hohen Breiten sind allerdings die mittle- 
ren Temperaturen noch unbekannt, doch zu Königsberg 
(54° 42°) ist die mittlere Temperatur gleich 6,49% Cels. 
bei einer Wintertemperatur von — 3,26° Cels. und einer 
Sommertemperatur von 15,87° Cels., also ein Clima, wel- 
ches nicht mehr trinkbaren Wein erzeugen kann. 

Indessen, wie die Geschichte lehrt, so sind die Wein- 
berge früher bis in diese Gegenden hinaufgegangen, doch 
wahrscheinlich auch schon wieder, . seit 300 Jahren ver- 
lassen. Man hat nun die Frage aufgestellt, wefshalb die 
“Weineultur in jenen Gegenden wieder eingegangen ist, 
und es hat nicht an Gelehrten gefehlt, welche auch hierin 


438 


eine Abnahme der Wärme der Luft seit jener Zeit haben 
demonstriren wollen; doch uns scheint die Sache sehr 
leicht erklärlich. Man weifs allgemein, wie schlecht und 
sauer der Wein unserer hiesigen Gegend, z. B. der Pots- 
damer Landwein, ja selbst der edele Grüneberger schmeckt; 
nur die Nähe so volkreicher Städte wie Berlin und Bres- 
lau kann diesem Weine Absatz geben, wo man ihn zur 
Verfälschung der übrigen Weine verbraucht. | 

Bei dem härteren Clima in Ostpreufsen, kommt die 
Traube noch weniger zur vollkommenen Ausbildung und 
der daraus gekelterte Wein ist ganz aufserordentlich sauer. 
Zu Tilsit bleibt die Beere stets klein und zusammenge- 
schrumpft. Es ist leicht begreiflich, dafs die Menschen, 
nachdem durch die erleichterte Communication, sowohl 
zu Lande wie zu Wasser, die süfseren. Weine nach jenen 
Gegenden gelangten, von dem Genusse des sauern Saftes 
abstanden, und so verschwand auch, mit dem Verschwin- 
den des deutschen Ritterordens in Ostpreufsen, die Cultur 
des, von ihnen dahin mitgebrachten Weinstockes. Dabei 
möchte auch nicht zu übersehen sein, dafs, was in Ost- 
preufsen wenigstens sehr häufig der Fall sein mufste, 
frühe Nachtfröste im Herbste die ganze Erndte zerstörten, 
und daher die Landleute jener Gegenden um so eher ge- 
neigt wurden, diesen unsicheren Culturzweig einem siche- 
ren, nämlich dem der Getreide nachzusetzen. Uebrigens. 
mufste auch der Preis jenes Weines, da alle Ausfuhr 
mangelte, sehr gering sein. | o 

Weiter östlicher, nach Asien hin, wird die Weincul- 
tur bis über die Breite des nördlichen Endes des Caspi- 
schen Meeres fortgesetzt, denn selbst um Astrachan sind 
Weinberge. Zwischen dem schwarzen und dem Caspischen 
Meere ist die Weincultur sehr ausgebreitet, und auch jen- 
seit des Caspischen Meeres wird der Weinstock angetrof- 
fen. In Sibirien soll diese Pflanze gänzlich fehlen: (?), 
doch ist das nicht in China der Fall, wie man es bisher 
ganz allgemein geglaubt hat. 

Der Missionair Gützlaff spricht von dem Weinstocke 


439 


welchen er im nördlichen China. gesehen hat, und .ich 
selbst habe in Canton herrliche Weintrauben gegessen, 
“welche im. nördlichen China gezogen waren. 

In den südlichen Provinzen von China habe ich kei- 
nen Weinbau gesehen, doch offenbar ist er daselbst durch 
die Theecultur verdrängt. Schon Loureiro *) sagt, dafs 
der Weinstock in China vorhanden sei und dafs er auch 
in Cochinchina, wenn auch nur selten, cultivirt werde. 
Demnach geht er auch hier weit nach Süden hinab. Auch 
auf Sumatra, also gerade unter der Linie, soll der Wein 
vortrefllich gedeihen, doch wird er von den Eingeborenen 
nicht. eultivirt **).: Selbst zu Pondichery sollen die Fran- 
zosen den Weinstock mit grofsem Erfolge angebauet ha- 
ben, obgleich daselbst eine so aufserordentliche Hitze 
herrscht ***). In der Ebene von Ostindien, auf den Phi- 
lippinen und den Sunda-Inseln ist die Cultur des Wein- 
stockes nicht allgemein; das feuchte Clima daselbst steht 
seinem Gedeihen entgegen. Doch wächst der Weinstock 
auch auf Java, wo die Beeren so grofs und schön sein 
sollen, dafs sie der besten Sorte aus Portugal gleichen +). 
Es heifst darin: Ueberall findet man auf Java den Wein- 
stock, aber vorzüglich zu Batavia. Selbst auf der Insel 
Moa, einer der Banda-Inseln, wächst der Weinstock sehr 
Sut, wenn er daselbst augepflanzt wird. Auch auf der 
Insel Lethy hat mau den Weinstock gezogen; er trägt in 
diesen Gegenden jährlich zweimal Früchte ++). Dagegen 
wird ‚die Weincultur auf der Hochebene Indiens sehr ausge- 
breitet gefunden, z.B. in Dekan und in der Ebene von Casch- 
mere +++), welche zwischen 5400 und 5500 Fufs hoch 


*) Flora Cochinchin. I. p. 155. 
*#) S. Marsden Hist. of Sumatra. 3. Ed. p. 103. 
***) Man sehe Ainslie Mat. Med. of Hind. I. p. 156, citirt von 
Royle. 
+) S. Beschreibung von Batavia, etc. A. d. Holländischen von 
I. I. Ebert. Leipzig 1786. 4. p. 112. 
+7) S. Barchwitz, Ostindische Reisebeschreibung. Eıfurt 1751 
pag. 239. Zweite Auflage. 
tr) Royle’s Illustrat. London, Fasc. I. 1833. 


440 


liest, und woselbst die Rebe auf die Gipfel der Pappel- 
bäume steigt. 

In dem hochgelegenen Kunawar, zwischen 31 und 
32° Breite, sind in einer Höhe von 9- bis 10000 Fufs 
prachtvolle Weinberge zu finden, wo im September der 
Wein gekeltert und auch zu Rosinen verbraucht wird. 
Auch zu Bokhara findet Weinbau statt. 

In Persien, an den Ufern des Euphrats, in Syrien, 
Unter-Egypten, Abessynien und der ganzen Berberei ist 
die Cultur des Weinstockes zu finden, wenn daselbst auch 
das Keltern der Trauben nicht im Gebrauche ist. Auf 
der westlichen Seite von Afrika ist die Weincultur auf 
den Canarischen Inseln und auf den Azoren sehr berühmt, 
doch wird der Weinstock auch auf den Capverdischen In- 
seln und selbst auf St. Thomas, an den Küsten von Gui- 
nea, also fast in der heifsesten Zone gefunden. Herr 
Schouw *) vermuthet zwar, dafs hier die Gebirge es wä- 
ren, welche diesen Culturzweig begünstigen, doch ist diese 
Vermuthung wohl nicht ganz gegründet. Auch auf St. 
Helena gedeiht der Weinstock und am Cap der guten 
Hoffnung werden bekanntlich die edelsten Sorten von 
Wein gezogen. 

Auch nach den englischen Colonien, im südlichen 
Theile von Neuholland, ist der Weinstock mitgezogen, und 
nach den Sandwichs-Inseln, wo er herrlich gedeiht, ist 
er von Amerika hinübergewandert. 

So hätten wir nachgewiesen, wie die Weincultur von 
ihrer unübersteigbaren Polargrenze, in 49 bis 55° N. Br. 
durch alle Zonen nach dem Aequator zu, sich verbreitet 
hat. In der südlichen Hemisphäre, offenbar nur durch die 
eigenthümliche Figuration der Landmasse, und des daselbst 
vorherrschenden Küsten-Clima’s wegen, ist ihre Polar- 
grenze schon in 40° südlicher Breite zu finden. 

Die früheren Ansichten, nach welchen sich die Ae- 
quatorialgrenze der Weincultur höchstens bis über die 


*) Geographie der Pflanzen p. 209. 


441 


Wendekreise hinaus erstrecken sollte, sind sehr willkür- 
lich gewesen und haben nur durch mangelhafte Nachrich- 
tem der Reisenden aufgestellt werden können. Nur ein 
sehr heifses und feuchtes Clima ist der Verbreitung des 
Weinstockes entgegen. 


Die Maguey-Pflanze (Agave- Arten). 


Wahrscheinlich wird es nur wenige Völkerschaften 
auf der Erde geben, welche nicht im Stande wären, sei es 
auf irgend welche Art, berauschende Getränke zu bereiten. 
Beispiele in gröfster Anzahl könnten hier angeführt wer- 
den. Hier sei jetzt die Rede von der Magueypflanze, 
welche den Weinstock der aztekischen Völker bildet und 
einen Gewerbszweig von aufserordentlicher Bedeutung dar- 
bietet. 

Die Magueypflanze ist leider noch nicht so genan 
systematisch bestimmt, als sie es verdiente; es sollen nach 
Herriı Alexander von Humboldt, dem wir die Nachrichten 
über diesen aztekischen Weinbau fast ganz allein verdan- 
ken *), mehrere Varietäten der Agave americana zu der 
Bereitung des aztekischen Weines, des Pulque. (Octli der 
Azteken) der Spanier, benutzt werden, aber keineswegs ist 
es die Agave cubensis Jacq. (Ag. odorata Pers. und Ag. 
mexicana Lam. Synon.), wie dieses von verschiedenen 
Schriftstellern angegeben ist. 

Die Maguey-Pflanzungen finden sich auf dem Plateau 
von Mexico, welches über 7000 Fufs hoch ist, hauptsäch- 
lich in den Intendantschaften von Puebla und Mexico; dort 
kommen grofse Landstriche vor, welche nur mit Maguey- 
Pflanzungen bedeckt sind und der mexicanischen Land- 


schaft einen höchst sonderbaren Charakter geben müssen. 


Herr Deppe, unser Landsmann, hat uns eine Ansicht einer 
solchen Maguey-Pflanzung, wenn auch nur von geringer 
Ausdehnung, aus der Umgegend von Mexico (8. Leguas 
nord-östlich ), mitgetheilt; man vergleiche den Charakter 


*) S. dess. Neu- Spanien etc., Bd. III. p. 95 etc. 


442 


solch ' einer Landschaft mit der wogenden Fläche einer 
grünen Saatflur unseres Vaterlandes. 

Die schönsten Maguey-Pflanzungen sind die von To- 
luca und in der Ebene von Cholula, wo sie in geraden 
Reihen neben einander gepflanzt sind. Hier kommt die 
Maguey-Pflanze schon in Zeit von 8 Jahren zur Blüthen- 
entwickelung, und in dieser Periode wird der Saft der 
Pflanze “gesammelt, welcher später durch Gährung den 
Pulque giebt. Der Landmann erkennt den. Beginn‘, der 
Entwickelung des Blüthenschaftes daran, dafs sich ‚plötz- 
lich die. Wurzelblätter erheben, welche früher mehr hori- 
zontal auf der Erde lagen; alle Tage durchläuft der Land- 
mann die Maguey-Pflanzungen, um ja nicht den Zeitpunkt 
zu übersehen, wenn die Pflanze die Entwickelung des Blü- 
thenschaftes beginnt. Hat man aber an einer Pflanze den 
Zeitpunkt erkannt, so schneidet man die Büschel von Cen- 
tralblättern ab, erweitert die Wunde etwas und bedeckt 
sie mit den aufgerichteten. Seitenblättern, welche man zu- 
sammenknüpft. In diese Wunde ergiefst sich nun - der 
Saft, welcher zur Bildung des gewaltigen Blumenschaftes 
dienen sollte; zwei bis drei Monate lang hält diese starke 
Saftabsonderung an, und täglich wird derselbe‘ dreimal 
ausgeschöpft. Gewöhnlich giebt die Pflanze täglich 200 
Cubik-Zoll Saft, also gegen 3 N Quart, wovon 
= des Morgens, 2 um Mittag und $ Abends um 6 Uhr 
abgeschöpft werden. Ja eine sehr Kräftige Pflanze soll 
bis 375 Cubik-Zoll Saft geben, also mehr als 7 Gallons 
und zwar. 4 bis 5 Monate lang, ununterbrochen fort. Sehr 
bemerkenswerth ist es dabei, dafs diese Pflanzen auf dem 
dürrsten Boden wachsen, welcher oft kaum mit Humus 
bedeckt ist. | 

So wie bei dem Weine, so ist auch der Ertrag der 
Maguey-Pflanze sehr ungleich, gewöhnlich hat die Masse 
Pulque, welche der Landmann an einem Tage gewinnt, 
einen Werth. von 10 bis 12 Sous, und 150  Bouteillen 


rechnet man auf eine Maguey. Ungeheuere Gapitalien - 


stecken in den Maguey-Pflanzungen von Mexico, doch 


nn nn 


443 


mufs man Geduld und Muth haben, um sich dergleichen 
Pflanzungen anzulegen, denn erst nach 15 Jahren werden 
sie im Allgemeinen gewinnreich, Die Maguey - Pflanze, 
welche nach der Darreichung ihres Saftes erschöpft ist, 
stirbt ab, aber Hunderte von Schöfslingen treiben alsdann 
aus der Wurzel. 

„Der Honig oder Agaven- Saft,“ sagt Herr von Hum- 
boldt *), „ist angenehm säuerlich. Wegen des Zuckers 
und Schleims, den er enthält, kommt er leicht in. Gäh- 
rung, und um diese zu beschleunigen, giefst man noch 
ein wenig alten, saueren Pulque hinzu. So geht die Ope- 
ration in 3 bis 4 Tagen vorüber. Das Getränk gleicht 
alsdann dem Cider und hat einen äufserst unangenehmen 
Geruch, wie. von faulem Fleische.“ Indessen wenn ein- 
mal der Widerwille gegen diesen Geruch des Pulque über- 
wunden ist, dann ziehen ihn die Fremden allen übrigen 
Getränken vor, indem er sehr stärkend und nahrhaft sein 
soll. Der Pulgque zu Hocotitlan, nördlich von Toluca, 
fast so hoch gelegen: als der Nevado de Toluca, soll ganz 
besonders vorzüglich sein. 

Man wird die hohe Wichtigkeit der Maguey- Ehllar 
für den Staatshaushalt erst dann erkennen, wenn man er- 
fährt, dafs die Einfuhrgebühren für den Pulque im J. 1793, 
allein für die Städte Mexico, Puebla und Toluca 817,739 
Piaster betrugen, eine Summe, welche gleich 3,809,000 
Franken ist. 

Aus dem Safte der Maguey - Pflanze wird auch ein 
starker Brandwein, Mexical oder Arguadiente de Maguey 
bereitet; doch ist dieses eine andere Species, nämlich 
Agave Potatorum Zuce. **), welche dazu gebraucht wird. 

Aufserdem dafs die Maguey - Pflanze den mexicani- 
schen Wein.liefert, geben ihre Blätter den festesten Hanf, 
welchen man kennt, und sogar eine Masse, welche die 
Stelle des Papiers, aus dem Papierschilf der Alten, ver- 


y Bre2p, 08 
**) Nova Acta Acad, C..L. C. Tom. XVL P. II. p. 675. 


444 


treten kann und auch von den alten Mexicanern zur Auf- 
zeichnung der hieroglyphischen Figuren benutzt wurde. 
Zur Bereitung dieses Papieres läfst man die Blätter der 
Agave-Pflanze faulen, bis dafs- alles Zellengewebe ver- 
schwunden ist, und klebt die verschiedenen Schichten von 
Fasern auf einander, ganz auf ähnliche Art, wie man die 
Zeuge aus der Rinde der Broussonetia auf den Südsee- 
Inseln verfertigt. 


Die Höhe, in welcher die Magueypflanze vorkommt, 
beträgt zwischen 1168 und 1379 Toisen und noch weit 
höher hinauf. Das Plateau von Neu-Spanien hat ein 
Clima, wie unter Rom’s mildem Himmel, nämlich 17° 
Cels. mittlere Temperatur; ja im Januar und Februar be- 
trägt die mittlere Tageswärme zu Mexico 13 bis 14° C., 
wärend sich im Sommer die Temperatur nicht über 24° 
CGels. erhebt. Alle Gebirgsebenen daselbst, welche höher 
sind, als das Plateau von Mexico, haben ein rauhes und 
unangenehmes Clima, selbst die Ebene von Toluca, wo 
die schönsten Maguey-Pflanzungen sind, hat eine Tempe- 
ratur, welche fast nie über 6 bis 8° Cels. steigt. 


Offenbar ist diese plötzliche Abnahme der Tempera- 
tur nur dadurch zu erklären, dafs die Temperatur auf 
dem Plateau von Mexico, durch die Rückstrahlung der 
Sonnenstrahlen einer so ausgedehnten Ebene, ein weit hö- 
heres Clima besitzt, als demselben eigentlich, im Verhält- 
nisse zur Höhe zukäme. Demnach gedeiht die Maguey- 
Pflanze eigentlich nur in einem. Clima, welches dem des 
südlichsten Europa gleich kommt, wo denn auch die ver- 
schiedenen Arten von Agaven, in Gesellschaft der stache- 
lichen Cacten wild oder vielmehr einheimisch geworden 
sind. Auf St. Helena hat man die Agave lurida zur Ein- 


fassung einiger Wege benutzt, und sie nimmt sich daselbst, _ 


wärend sie in Blüthe steht, sehr stattlich aus. 


Der Natur der Sache nach steht zu erwarten, dafs 
die Verbreitung der Maguey-Pflanze, besonders in Bezug 
auf die Weincultur, wenig Liebhaber zeigen wird, ja selbst 


* u 
# x 


445 


in Mexico wird dieselbe, je mehr unser Weinstock da- 
selbst einzieht, an Umfang abnehmen. 


Das Zuckerrohr. 


Das Zuckerrohr ist eine Pflanze der alten Welt, wel- 
ehe in China und auf den Südsee -Inseln schon vor 
aller historischen Zeit angebauet worden ist. Die Spanier 
der canarischen Inseln führten das Zuckerrohr nach Ame- 

rika, und im Jahre 1520 bauete Piedro de Atienza das er- 
ste Zuckerrohr auf St. Domingo, von wo aus es nach 
Cuba und nach dem Festlande von Amerika überging. 
Die Mexicaner gebrauchten, vor der Bekanntschaft mit 
dem Zuckerrohre, den Honig aus den Stengeln. der Mays- 
Pflanze. 

Der Anbau des Zuckerrohrs erfordert eben denselben 
Grad von Wärme, wie derjenige der Baumwolle, nämlich 
24 bis 25° Cels. mittlerer Wärme, wo er am besten ge- 
räth, doch findet man noch grofse Anpflanzungen dieses 
Gewächses in weit kälteren Gegenden, wo die Tempera- 
tur nur 19 bis 20° Cels. beträgt. Demnach erstreckt sich 
das Land, welches der Zuckercultur fähig ist, weit über 
dıe tropischen Gegenden hinaus, und selbst noch auf ei- 
nigen Punkten des südlichen Europa wird der Anbau die- 
ses Gewächses mit grofsem Vortheile betrieben, z. B. in 
Sieilien, früher auch in Spanien häufiger als jetzt. Da 
die Abnahme der Wärme mit steigender Höhe, wie wir 
früher gesehen haben, so erfolgt, dafs 1° Cels. Wärme 
einer Höhe von 100 Toisen entspricht, so würde die mitt- 
lere Temperatur von 20° Cels., welche der Anbau des 
Zuckerrohrs erfordert, schon auf einer Höhe von 3000 
Fufs zu finden sein; indessen auf ausgedehnten Hochebenen 
wird die Hitze, durch Zurückprallen der Sonnenstrahlen so 
bedeutend vermehrt, dafs die Zuckercultur auf den Gebirgen 
von Mexico und von Columbien, bis zu einer Höhe von: 
4000, 5000 und selbst über 6000 Fufs steigt. Ja die 
Hochebene der Stadt Mexico, deren Clima der Isotherme 
von 13°,7 entsprechen sollte, hat eine mittlere Wärme 


446 


von 17°, und schon: von Cortez selbst, wurden auf diesem 
Thale, von 6600 Fufs Höhe, Zucker-Plantagen angelegt. 
Auch auf den Hochebenen des Himalaya, z. B. auf dem 
Plateau von Nepal, in 4500 Fufs Höhe *), wird Zucker 
und Baumwolle gebauet. 

Der Bau des Zuckerrohrs geschieht durch Stecklinge, 
welche: man aus dem Schafte der ausgewachsenen Pflanze, 
von’2 bis zu.3 Fufs Länge verfertist und entweder ho- 
rizontal oder auch senkrecht, ja zuweilen auch convergi- 
rend zu zwei und zwei neben einander steckt. Schon 
nach.14 Tagen treiben die .Absetzer: aus den Knoten aus, 
und in ‚Zeit von.einem Jahre. ist der Schaft so weit aus- 
gewachsen, ‚dafs er geschnitten: werden kann.‘ Auf frisch 
urbar gemachtem Lande, welches nicht anhaltenden’ Ueber- 
schwemmungen ausgesetzt ist, und gut gepflanzt, giebt das 
Zuckerrohr 20 bis 30 Erndten, indem sich: alljährlich aus 
dem..vorhandenen Wurzelstocke neue Triebe entwickeln; 
Ja Herr. von Humboldt **) sah auf:Cuba eine Zuckerplan- 
tage, welche bereits seit 45 Jahren bestand. 
"i. Die. verschiedenen Länder der alten Welt, wo das 
Zuckerroehr zu Haüse ist, haben sehr verschiedene 'Varie- 
täten; desselben aufzuweisen, wovon die eine" mehr oder 
weniger ;grofse Vortheile vor der andern gewährt, so dafs 
man sie defshalb nach den  entferntesten Ländern hin ver- 
pftanzt. :» Bekannt ist es, dafs man ‘das Zuckerrohr von 
Otaheiti nach den 'westindischen Inseln verpflanzt hat, wo 
man mit:dem reicheren Ertrage desselben aufserordentlich 
zufrieden ist; es gewährt in gleicher Zeit und: bei’ dem 
nämlichen: Länderumfange + Saft mehr, und'giebt dabei 
zugleich eine gröfsere und festere Holzmasse, welche zum 
Brennen ‚benutzt wird. Das Zuckerrohr der Südsee-In- 
seln. ist aber auch: von einer vorzüglichen Güte und Stärke, 
auf. den  Sandwichs-Inseln, wie schon Cook ***) bemerkt, 
erreicht 'es. eine Dicke von 414 Zoll im Umfange. 


*) S. Royle, Ilustr. London, 1833. 
**) Reise ın die Aequatorial- Gegenden, Bd. VI. p. 163. 
") Dessen dritte Reise um die Welt, Berlin 1788, :p. 294. D. 


447 


Indessen es scheint, dafs das ostindische Zuckerrohr 
weit ergiebiger, als das von den Südsee-Inseln ist, denn 
in’ Bengalen ist der Ertrag *) des Zuckerrohrs- doppelt 
so grofs, als in der Havanna, wobei der Tagelohn des In- 
diers beinahe dreimal so gering ist, als die Unkosten der 
Erhaltung eines Sclaven. Auf den Philippinen ist man, 
aus dem geringeren Ertrage des Rohrs von Otaheiti, ganz 
gegen dessen Anbau auf Zucker- eo en ver- 
braucht dieses zum Essen. | 

Die Zubereitung des Rohzuckers möchte ich als: be- 
kannt voraussetzen; sie besteht im Allgemeinen darin, 
dafs man ‘die ausgewachsenen Stengel der Pflanze, 'nach- 
dem die Blätter derselben entfernt sind, durch Maschine- 
rien zerquetscht,; die Masse auskocht, die erhaltene Flüs- 
sigkeit reinigt, einkocht und zum Krystallisiren bringt. 
Es ist-wohl sehr gewifs, dafs wir die Art’den Zucker ein- 
zukochen 'und ihn zu reinigen, aus Indien und China! er-. 
halten haben; denn dort, in dem Lande, wo fremde Ge- 
bräuche 'nur im gröfsten Nothfalle eingeführt werden, ist 
eben dasselbe Verfahren schon seit uralten Zeiten im Ge- 
brauche, und man ist darin auch sogar viel weiter in China 
gekommen als bei uns. sm | 

Obgleich der Zucker. bei üns nur ein schwer zu ent- 
behrender: Luxus-Artikel ist, .so ist er in tropischen Ge- 
senden ‚meistens auch ein allgemeines Nahrungsmittel, 
theils nämlich als wirklicher Rohzucker, theils aber auch, 
und dieses ist allgemeiner. im Gebrauch ‚ im unzubereite- 
ten Zustande, nämlich ‘die gereiften Schafte ‘der Pflanze, 
welche gekauet und ausgesogen, auch wohl durch Kochen 
zuerst: weich gemacht werden. Es‘ist unglaublich, welche 
ehorme Massen von rohem Zuckerrohre auf diese Weise 
consumirt werden; grofse!'Schiffsladungen komnien hievon 
‚täglich auf den Markt von Manila, und in Rio'de Janeiro, 
_ auf den Sandwichs-Inseln und an anderen Orten, sieht 


| *) Siehe Alexander n Humboldt, Ueber Neu-Mexice, II. 
p- 116, TAN F 


448 
man jedes Kind ‘mit einem Stücke Zuckerrohr in der 
Hand umhergehen. | 

Der Erwerb der Völker durch die Cultur des Zuckers 
ist ganz enorm, ebenso ist die Masse der geistigen Ge- 
tränke, welche aus dem Zuckerrohr, theils aus der Me- 
lasse, theils unmittelbar aus dem zerquetschten Rohre ge- 
zogen werden, ganz unglaublich, und dennoch wird die 
Melasse, wenigstens in den spanischen Colonien , meistens 
noch fortgeworfen, weil alte Privilegien die Bereitung der 
gebrannten Wasser verhindern sollen. 

Es ist hier nicht der Ort, den ‚Ertrag: der ver- 
schiedenen Colonial- Artikel mit demjenigen unserer Ge- 
treide zu vergleichen, aber, obgleich es wahr ist, dafs die 
Cultur des Zuckerrohrs auf gleichem Raume und in eben 
derselben Zeit bedeutend gröfser ist, als_ derjenige der 
Getreide, so ist dabei recht sehr zu bemerken, dafs zur 
Cultur des Zuckerrohrs im Grofsen ,: ganz besonders gro- 
fse Capitalien nöthig sind, diese alsdann aber nicht mehr 
Zinsen einbringen, als bei uns der Ertrag des Getreide- 
baues. Möge man sich daher unter Plantagen-Besitzern 
in den Tropen nicht immer reiche Leute denken und sie 
beneiden, wie es von unserem Landmanne gewöhnlich ge- 
schieht.: Ganz abgesehen davon, dafs Insektenfrafs, durch 
Heuschrecken-Züge nämlich, wenigstens in Ostindien, den 
Ertrag dieser Plantagen oftmals ganz vernichtet, wärend 
Mifswachs in unseren Gegenden doch sehr selten ist. So- 
bald die Zuckerpflanze ihrer Ausbildung nahe ist, wird 
der Heuschreckenfrafs, d. h. wenn er nicht zu arg ist, 
nicht’ mehr gefürchtet, denn alsdann schadet der Verlust 
der Blätter nicht mehr, wohl aber werden die jüngeren 
Pflanzen dadurch recht sehr beschädigt und bleiben in ih- 
rer Ausbildung zurück. Sind die Plantagen nicht zu grofs, 
so sucht der Hacendado, mit Hülfe ‘seiner vielen Leute, 
das Festsetzen des Zuges zu verhindern. 

Die Cultur des Kaffee’s (Coffea arabica Lin.). 

Der Kaffee-Baum gedeiht in den heifsesten Gegenden 

der Tropen; sein künstlicher Verbreitungsbezirk ist jedoch 


449 


so grofs, dafs er weit über die Tropen, selbst bis über 
den 36sten Grad nördlicher Breite hinaus geht, wo er nur 
noch eine mittlere Wärme von 19% bis 20° Cels. findet. 
Demnach -ist der Verbreitungs-Bezirk des Kaffeebaumes 
mit demjenigen der Baumwollpflanze ziemlich genau überein- 
stimmend. Wie es scheint, so liebt der Kaffeebaum einen 
feuchten und beschatteten Boden, daher er auch zwischen 
den Wendekreisen, am besten in einiger Höhe, z. B. zwi- 
schen 1200 bis 3000 Fufs, selten aber noch über 6000 
Fufs Höhe gedeiht. 

Die alte Welt ist das Vaterland des Kalos eines 
Culturzweiges, welcher schon gegenwärtig einen den wich- 
tigsten Handelsartikel der neuen Welt ausmacht; ja ich 
selbst habe in Brasilien, unweit der Stadt Rio de Janeiro, 
in den Wäldern des CGorcovado’s, auf einer Höhe von 
1000 Fufs, mehrere kleine Kaffee-Bäume verwildert ge- 
funden. : Gegenwärtig wird die Cultur des Kaffee’s in sehr 
bedeutender Menge auf den ostindischen Inseln, als auf 
Java und selbst auf Lucon betrieben, und auf den Süd- 
see-Inseln gedeiht der Kaffee ganz vorzüglich, doch wird 
die Ausdehnung desselben nach Osten hin, durch die all- 
gemeine Cultur des Thee’s unterdrückt. Nach Java, wo 
gegenwärtig der Kaffeebaum sein zweites Vaterland ge- 
funden hat, wurde derselbe im Anfange des vorigen 
Jahrhunderts von Persien aus verpflanzt. 

Der Anbau des Kaffee’s wird auf folgende Weise be-. 
trieben *): Man säet die frischen Bohnen, vorzüglich im 
Schatten anderer Kaffeebäume, und hebt dann die Pflänz- 
chen mit der Erde aus, sobald sie eine Höhe von 12 Zoll 
erreicht haben. Die jungen Pflänzchen werden in Quin- 
cunx gepflanzt, und zwar so, dafs die Stämmchen 4 bis 6 
Fufs weit auseinander stehen. Durch Abschneiden der 
geilsten Schöfslinge läfst man die Kaffeebäume in den 
Plantagen nicht höher, als 12 Fufs werden, damit die 
Früchte leichter zu pflücken sind, welche schon im 20sten 


*) S. v. Martius, Reise in Brasilien, I. p. 146. 
29 


450 


oder auch erst im 32sten Mönate nach der Verpflanzung 
reif werden. Nach 4 bis 5 Jahren wird die Lese schon 
schr gut, und dann wird für jede 1000 Bäumchen'ein Die- 
ner gestellt: Der Kaffeebaum giebt jährlich drei Lesen, 
welche dann fast das ganze Jahr beschäftigen. Bei Rio 
de Janeiro beginnt die erste Lese im April, und man 
nimmt alsdann nur die ganz reifen und rothen Beeren ab, 
deren: Saame sich ohne Mühe vom Fleische trennen Jäfst; 


sonst werden die ganzen Saamen getrocknet und mit Hülfe 


einer Maschine zerschlaubt. 


Der Chinesische Thee. 


Der Gebrauch des Thee’s ist bei einem grofsen Theile 
der Bevölkerung der Erde so allgemein, und die. Cultur 
der Theepflanze ist für das grofse chinesische Reich von 
solcher Bedeutung, dafs eine ausführlichere Auseinander- 
setzung der Cultur, ‘des: Verbrauchs und des Nutzens die- 
ser Pflanzen hieselbst am rechten Orte sein wird. 

Die Pflanze, welche ‘die gewöhnlichen Theearten lie- 
fert, die zu. uns in den Handel kommen, ist‘ die Thea 
chinensis; es ist eine einzige Art, welche eine Menge von 
Abarten aufzuzählen hat, die tlieils mehr theils weniger 
constant sind, so dafs sehr verschiedene‘ Botaniker nicht 
nur zwei, sondern sogar drei bestimmte Arten aus jener 
Pflanze gemacht haben, nämlich Thea viridis, ‘Th. Bohea 
und Th. strieta. Ich werde später auf die ‚Gründe zu- 
rückkommen, welche mich zur Annahme einer einzigen 
Thee-Art, welche den chinesischen Thee liefert, bestimmen. 

Das Vaterland des Theestrauchs ıst China, man: findet 
ihn daselbst bis zu 40° nördlicher Breite, .so wie in den 
gebirgigen Gegenden des südlichen Theil’s des Landes, beson- 
ders auf den Bergen, welche China von dem Birmanischen 
Reiche trennen. Dafs die Cuitur des chinesischen Thee’s 
auch in Awa, dem Reiche der Birmanen, so: wie an:der 
östlichsten Grenze von Tübet betrieben wird, das: hat 
schon Herr Ritter *) nach genauen Quellen nachgewiesen. 


ER *) Ueber die Verbreitung der Theecultur — Geogr. v. Asien. II. 


451 


Ganz neuerlichst hat man’ aber auch in Assam, und zwar 
in dem‘»Gebiete, welches den Engländern gehört, wo die 
Gebirge nicht über 6- bis 8000 Fufs hoch sind, die Thee- 
pflanze wild gefunden *), und man macht sich defshalb 
um. so gröfsere Hoffnung, dafs die Cultur des Thee’s im 
Grofsen hier um. so besser glücken werde, so dafs der 
Handel mit. dieser Waare nächstens den: Chinesen ganz 
entrissen werden könnte. Auch in Cochin-China und in 
Tonquin wird ‘eine grofse Quantität ordinairen Thee’s ge- 
bauet, doch. ist .man hier. bei. diesem: Culturzweige sehr 
nachlässig. Ob. hier die. Pflanze wild ist, oder ob sie da- 
hin .eingeführt worden, das wissen wir noch nicht; bei- 
nahe wäre ‚Letzteres zu vermuthen, indem die Theepflanze 
in. der subtropischen Zone am. besten gedeiht, also auch 
bier, :so wie in den. dieser Zone entsprechenden Höhen 
der Gebirge. zu Hause: sein wird. 

‚Der Gebrauch ‚der getrockneten Blätter des Thee- 
ds zu dem bekannten warmen Aufgusse, welcher bei 
uns unter dem Namen _des Thee’s bekannt ist, erstreckt 
sich bis in die ältesten Zeiten der chinesischen Geschichte 
hinauf, und gegenwärtig ist derselbe im ganzen Reiche so 
allgemein, dafs daselbst der Consum der Theeblätter wohl 
schwerlich noch steigen kann, d. h. wenn die Menschen- 
zahl sich nicht vergröfsert. | | 

Ueber den Ursprung und über .das Vaterland des 
Thee’s ist schon sehr viel geschrieben worden, und stets 
sind alte chinesische Schriften als Autoritäten dafür aufge- 
führt. Neuerlichst hat Herr von Siebold die Meinung zu 
verbreiten gesucht **), dafs der Thee' auch nach China 
eingeführt sei, und zwar von Kaorai aus, was aber Herr 
Klaproth ***) als irrig nachgewiesen hat. Herr Klaproth 
hat vielmehr gezeigt, dafs die ältesten Nachrichten über 


”)S. WVallich Discovery of the genuine tea plant ın Upper 
Assam; ım Journ. of the Asiätic Soc. Jan. 1835. 
#98. Nippon, Heft II. 
*+*) Haude- und 'Spenersche Zeitung. Berlin 1834. 1iten Dee. 
n 29 * 


452 


den Gebrauch des Thee’s sich bis zu den Jahren 265 bis 
419 hinauf erstrecken. In der chinesischen Schrift, wel- 
che den Titel führt: Schi schue, findet man, dafs in der 
Hälfte des 4ten Jahrhunderts ein Minister der öffentlichen 
Bauten, Wang-mung mit Namen, die Theepflanze gebraucht 
habe, welche im Chinesischen den Namen Ming führt. Im 
Jahre 600 ist die Pflanze durch einen Priester einem Kai- 
ser von China, welcher an heftigen Kopfschmerzen litt, 
empfohlen worden, und da die Krankheit durch den Ge- 
brauch der Theepflanze sehr bald geheilt wurde, so erhielt 
der Gebrauch derselben überall sehr schnelle Aufnahme. 
Tschha ist Synonym für die Pflanze Ming und unter je- 
nem Namen ist die getrocknete Pflanze zuerst durch die 
Portugiesen und Spanier weiter verbreitet worden, auch 
ist das Wort Tschha in allen nördlicheren Provinzen von 
China zu Hause. Herr Klaproth hält das Wort Thea für 
das malayische Teh, welches von dem chinesischen Worte 
Thee abstamme. 


Schon im $ten Jahrhundert mufis die Theecultur in 
China sehr bedeutend gewesen sein, denn schon 783 ward, 
bei einer Geldverlegenheit der Regierung, der Thee mit 
10 Procent besteuert, und seit jener Zeit hat die Regie- 
rung von dieser nützlichen Pflanze immer eine sehr be- 
deutende Einnahme gehabt. Heutigen Tages geschieht die 
Zollerhebung auf den Thee noch anf folgende Weise: Es 
darf nämlich Niemand von den Landleuten ohne vorher- 
- gehende Erlaubnifs Thee verkaufen; diese Erlaubnifsscheine 
erhält man aber in den Zoll-Bureau’s der verschiedenen 
Provinzen, und zwar wird für jede beliebige Summe, wel- 
che man verkaufen will, ein doppelter Schein ausgestellt, 
den einen erhält der Käufer und den anderen behält der 
Verkäufer, um sich stets legitimiren zu können. 


Seit 810 ist der Thee in Japan bekannt, und seit 828 
wird er in Korea gebauet. Die Cultur des Theestrauchs 
ist auch in Bengalen versucht worden und man verspricht 
sich hievon sehr grofsen Erfolg, ja neuerlichst ist diese 


453 


Frage von Herrn Royle *) sehr ausführlich erörtert wor_ 
den, doch, wie es scheint, mit grofser Vorliebe für Indien. 
Ich werde in der Folge zu zeigen suchen, dafs, wenngleich 
die Theepflanze in allen kühleren Gegenden der tropi- 
schen,: und in der ganzen subtropischen, ja sogar weiter 
hinauf in die temperirte Zone hinein, bis über den 40sten 
Grad der Breite hinaus gebauet werden kann, dafs noch 
andere: Erfordernisse vorhanden sind, welche einen vor- 
theilhaften Theebau bedingen. Die Hauptsache ist der ge- 
ringe Tageslohn, welcher zwar in Bengalen wie in’ China 
. sehr. gering ist, dafs derselbe aber in Indien 4 und 3 so 
grofs ist als in China, wie dieses Herr Reeves in Royle’s 
angeführtem Werke gesagt hat, das möchte wohl zu be- 
zweifeln sein; wäre es aber richtig, so würde Bengalen 
alsbald einen wohlfeileren Thee als China liefern können. 
Bei Canton, wo Herr Reeves wohnte, möchte wohl der Tages- 
lohn $S Pence betragen, aber im Innern von China beträgt er 
nur 4 dieser Summe. Aufserdem hat man den Thee nach 
Ceylon und nach Java verpflanzt, wo man auch jährlich 
einige Tausend Kisten zieht. Ja der Thee von Java ist 
neuerdings schon auf den Markt von Amsterdam gekom- 
men. und hat daselbst grofses Aufsehen gemacht, denn 
man ‘hat schon über 1400000 Pfunde gewonnen, so dafs 
die Holländer, vielleicht schon nach 20 Jahren, allen Be- 
darf an Thee, aus Java ziehen werden. In Sumatra wur- 
den, nach Marsden’s Angabe, schon im vergangenen Jahr- 
hundert einige Theesträucher cultivirt. - Aufserdem hat 
man den Thee noch nach dem Cap der guten Hoffnung 
verpflanzt, nach St. Helena .und nach Rio de Janeiro, wo 
noch gegenwärtig im botanischen Garten daselbst grofse 
Anpflanzungen sind, die sich aber in einem. kümmerlichen 
Zustande befinden **). 

Die Anpflanzungen des Thee’s geschehen ‘durch Aus- 


*) Ilustrations of the Botany of the Himalaya Mountains. Fasc. 
IV. London, 1834. 
**) Siehe hiezu Meyen’s Reise um die Erde, Bd. I. p. 102. 


454 


saat der Saamen, welche bald mehr, bald weniger regel- 
mäfsie gepflanzt werden. Schon im ersten Jahre nimmt 
man der Pflanze ‘die mittelsten Triebe, damit sie nicht 
schlank in die Höhe steigen kann, sondern mehr ästie, 
und mit einer gröfseren Masse von Blättern bedeckt wird. 
Schon im 4ten und im 5ten Jahre beeinnt die Lese der 
Blätter. Ich habe dergleichen Thee - Plantagen besueht 
und fand sie in hügelreichen Gegenden, ‘wie das im gan- 
zen Lande der Fall sein soll. Die meisten der Theesträu- 
cher in jenen Anpflanzungen "hatten nur 21 bis’ 3 Fufs 
Höhe und standen über 3 Füfs weit auseinander; nür"ein- 
zelne Stämmchen rasten weit über die andern hinaus und 
erreichten die Höhe von 5 Fufs. Tech fand Frauen neben 
diesen Sträuchern sitzen und die Blätter auf &anz gewöhn- 
liche Weise mit den Händen abpflücken. Nüäch den ver- 
schiedenen Angihen über die Zeit der Theelese, ‘scheint 
diese für verschiedene "Gegenden ‘des elihestschen und 
japanischen Reiches sehr verschieden zu sein, ‘doch 'en- 
den die Hauptlesen schon im Mai und im Juni, denn 
schon im September und October kommen frische Thee- 
ladungen aus dem Innern des Landes nach Canton. | 

Die Düngung dieser Pflanzungen geschieht allerdings 
sehr verschieden für verschiedene Gegenden, doch‘ ist in 
China die Düngung mit ‘einer Auflösung von Menschen- 
koth mit kalkhaltigem Thone vermischt, die gewöhnlichste. 
Ueberall neben dem bekaueten Acker sieht man auf- den 
chinesischen Feldern grofse eingemauerte ‚Gruben oder 
Fässer, welche in die Erde versenkt und mit jeder Dün- 
ger - Sauce angefüllt sind. In Japan bedient man sich 
nach Herrn von Siebold’s Angabe noch anderer, sehr star- 
ker Dingungsmittel für den Thee, nämlich des ausgeprefs- 
ten Saftes des japanischen Senfes und getrocknete Sardel- 
len, auch der zurückgebliebenen Oelkuchen von der Bras- 
sica orientalis und von andern Pflanzen. 

Die frisch gepflückten Blätter des Theestrauches zei- 
gen nichts von dem Geruche und dem Geschmacke, wel- 
chen die getrockneten Blätter später aufweisen, auch ha- 


... 456 


ben sie weder einen scharfen), noch. einen - ätherischen, 
noch einen bitteren Geschmack. Die Eigenthümlichkeiten, 
welche. sie. später, als, zubereiteter: Thee ‚zeigen und wo- 
durch ‚sie ‚gerade, so beliebt geworden sind, nämlich der 
Wohlgeschmack und der angenehme Geruch „sind erst 
Produkt. der starken Röstung, wobei jene Blätter getrock- 
net werden. , Man. möge sich. hierüber um so. weniger 
wundern, da es sich mit dem Kaffee ganz ähnlich verhält; 
Jedermann. weifs, dafs der ungebramnte Kaffee ‚noch. .nichts 
von ‚dem ‚angenehmen Aroma, und: dem "ätherischen Dufte 
enthält, welcher, demselben nach dem Brennen eigen ist. 
Diese Röstung der Theeblätter geschieht auf grofßsen, ei- 
sernen Platten, ‚welche. äufserst, stark erhitzt werden, und 
in grofsen flachen veisernen Pfannen; welche. etwas schräg 
eingemauert.. sind. . Die Theeblätter ‚werden zuerst. in 
diesen Pfannen. durch stetes . 'Umrühren. bei. gelinder 
Wärme zum Welken ‚gebracht, -wobei sie daun durch anhal- 
tende Hitze allmälich zusammentroekenen. Hierauf. wer- 
den. die erhitzten ‚Blätter. auf Matten ausgeschüttet ‚und 
mit den flachen Händen gerieben, ‚nach’dem:-Erkalten aber 
wieder von Neuem in die Pfannen gethan und abermals 
geröstet, bis der Thee ‚ganz getrocknet ist, was durch. vier- 
bis. sechsmalige Wiederholung dieser Operation erfolgt. 
Bei. diesem Trockenen: der ‘Blätter verlieren dieselben 2 
ihres ganzen Gewichtes, so dafs also 3 Pfund. frische 
Theeblätter ‚nur 4::Pfund getrockneten Thee geben. 

Die verschiedene :-Farbe, Form und:Behaarung der ge- 
trockneten 'Theeblättehen brachte. zuerst die Botaniker auf 
den Gedanken, »dafs: der grüne und der schwarze Thee 
von verschiedenen Arten: bereitet würde, indessen "dieses 
ist wohl nicht der Fall, sondern es: können beide‘ Arten 
von Thee aus den. Blättern: einer und derselben. Pflanze 
gemacht werden, »wieidieses schon  Abeliauf.,der Reise des 
Lord‘ Amhorst erfahren hat. ‘Der ieinmal:zubereitete Thee 
kann aber, wie auch Herr Reeves angiebt, nicht mehr gut 
umgewandelt werden, ‚wenigstens kann, der schwarze Thee 
nicht mehr in grünen "Thee umgewandelt werden, doch 


456 


kann der grüne Thee wenigstens unvollkommen in schwar- 
zen verwandelt werden. | 

Es ist eine eigene Erscheinung, dafs der Streit, ob 
der Thee von einer und derselben Art der Gattung Thea, 
oder ob er von zwei verschiedenen Arten dieser Gattung 
bereitet wird, unter den Botanikern noch immer nicht be- 
stimmt entschieden ist. In Japan, wo eben sowohl schwar- 
zer als grüner Thee gemacht wird, da gehören die Thee- 
sträucher, nach den Beobachtungen von Kaempfer, Thun- 
berg, und Siebold zu einer und derselben Art, wovon sich 
auch nach den, durch Herrn von Siebold mitgebrachten 
Exemplaren, Herr F. Nees v. Esenbeck überzeugt hat; 
demnach ist schon die von Herrn Reeves, ehemaligem 
Theeschmecker bei der Engl. Ostind. Compagnie zu Can- 
ton, so Scharf ausgesprochene Meinung, dafs der schwarze 
Thee und der grüne Thee von zwei ganz verschiedenen 
Pflanzen abstamme, als unrichtig erwiesen. 

Anmerk. Ich glaube nicht, dafs man den Mittheilungen des 
Herrn Reeves, wenn sich derselbe auch noch so lange zu Canton 
und Macao aufgehalten hat, mehr Gewicht beilegen kann, als den 
Botanikern von Profession, welche wohl besser wissen werden, was 
ıman als Arten und was man als Varietäten aufzuführen hat. Uebri- 
gens ist Herr Reeves niemals in den Provinzen Chinas gewesen, wo 
die Cultur des Thees allgemein betrieben wird, ja er scheint nicht 
einmal die Thee-Plantagen in der Nähe von Canton besucht zu 


haben *). 

Herr Reeves wundert sich, wie Jemand, der in China 
gewesen ist, der nur die verschiedenen Aufgüsse von grü- 
nem und von schwarzem Thee gesehen hat, diese beiden 
Theearten für Blätter einer und derselben Pflanze halten 
kann **), und diese Aeufserung, welche man für sehr 
hochtrabend halten mufs, scheint grofsen Beifall zu fin- 
den. Hätte Herr Reeves aber gewufst, wie die verschie- 
denen Theesorten zubereitet werden, so würde er sich 
nicht mehr gewundert haben. Hr. R. verweist uns auf die 


*%) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 375 etc. 
*) Loudon’s Gard. Mag. IX. p. 713. 


457 


Abbildungen ‘der beiden Theearten, welche in Loddige’s 
Bot. Cab. Tab. 226 und 227 vorhanden sind, und macht 
die Bemerkung, dafs hier diese beiden Species, welche 
den schwarzen und den grünen Thee geben, sehr wohl 
charakterisirt sind. Dafs dieses nun aber gerade nicht 
so aufserordentlich klar ist, wie Hr. R. glaubt, möchte die 
vorurtheilsfreie Vergleichung durch die meisten der Botaniker 
bestätigen. Selbst bei unseren Culturpflanzen der Art, wel- 
che, im Verhältnisse zur Theepflanze, nur kleine Verbrei- 
tungsbezirke haben, sind die Unterschiede bei verschiede- 
nen Varietäten wohl noch gröfser nachzuweisen als hier. 
Herr Hooker *) hat zwar ebenfalls die Existenz zweier 
Theearten angenommen, doch gründen sich seine Charak- 
tere mehr auf Theepflanzen, welche in England gezo- 
gen sind. 

Nimmt man eine Menge Blätter der verschiedensten 
 Theesorten, welche zu uns in den Handel kommen, weicht 
dieselben in heifsem Wasser auf und legt sie neben ein- 
ander, so wird man sich gewifs sehr bald überzeugen, 
dafs es keine Charaktere giebt, welche die verschiedenen 
schwarzen Theesorten von den verschiedenen grünen Thee- 
sorten unterscheiden; vorausgesetzt, dafs man eine grofse 
Menge von Blättern beobachtet. Eine solche Arbeit, wel- 
che sehr beachtenswerth ist, hat neulich Herr Accum, ge- 
genwärtig zu Berlin, ausgeführt, und sie dem Vereine zur 
Beförderung des Gewerbfleifses in Preufsen vorgelegt, wo- 
durch sich der Uebergang der Theeblätter aller verschie- 
denen Sorten in einander nachweisen läfst. 

So möchte denn:die Richtigkeit des Urtheil’s von Herrn 
Reeves über diesen Gegenstand wenigstens etwas in Zwei- 
fel gezogen sein, ich glaube jedoch, dafs es sogar wider- 
legt sein möchte. 

Der grüne Thee wird zubereitet, wie ich es so eben 
angegeben habe, der schwarze Thee dagegen wird auf so- 
genanntem nassen Wege bereitet. Hiebei werden die fti- 


*) Bot. Mag. Tab. 3148. 


458 


\ 


schen Blätter auf grofse Siebe gelegt und diese über ko- 
chendes Wasser gestellt, damit die Blätter zuerst:von.den 
heifsen Dämpfen durchzogen und also stark infundirt wer- 
den. Hierauf werden auch diese Blätter, wie‘ vorhin an- 
gegeben wurde, in eisernen Kasten getrocknet. Durch 
diese Infusion mit heifsen Wasserdämpfen wird dem. fri- 
schen Thee das Adstringirende, nämlich Gallussäure und Ger- 
bestoffientzogen, auch werden die Blätter dadurch geschickt 
‚gemacht, dafs sie später weniger von den sehr reitzenden 
flüchtigen Bestandtheilen enthalten, welche dem grünen 
Thee in grofser Masse eigen sind. So enthält denn auch, 
nach den bekannten Untersuchungen der Chemiker, der 
schwarze Thee weniger 'Gallussäure und Gerbestofl, als 
der grüne Thee, ja dieser allein enthält die: Theine, "ein 
Alkaloid, welches dem schwarzen Thee doch wahrschein- 
lich ‘nur durch die Infusion mit den:heifsen Wasserdäm- 
pfen 'entzogen sein kann. x od 

Wenn es nun auch entschieden wahr ist, ‘dafs alle 
unsere Tiheesorten‘'von einer und: derselben ‘Species der 
Gattung Thea bereitet werden, so glaube man nicht, dafs 
alle die 'Theesorten in emer und derselben Gegend und 
vorn einer und derselben Staude gemacht werden ' können. 
In der einen Gegend bauet man: vorzüglich schwarzen, in. 
der anderen’ Gegend vorzüglich grünen Thee, hier krätı- 
selt man den: Thee nur wenig, dort'sehr stark, so.'dafs 
er ganz kugelförmig wird, doch ist dieses keineswegs 'ein 
Zeichen von sehr feinem Thee. Ich glaube nicht, ‚dafs 
man sich darüber zu wundern'!hat, denn ganz ‘ähnlich ver- 
fährt man mit ‘anderen Culturpflanzen‘ bei : uns, welche 
eleichfalls Hunderte ‘von verschiedenen Abarten aufzuwei- 
sen haben. Ich ‘erinnere hier an :die Bereitung unserer 
Weine; es ist fast überall eine und dieselbe Species, und 
wie ‚verschieden schmeekt ‘und riecht der Wein.‘ So be- 
schränkt der Ort'ist, an welchem‘ dieser oder jener Wein 
mit ‘einem "eigenthümlichen 'Geruche vorkommt; eben so 
beschränkt sind die Theeplantagen, deren Pflanzenblätter 
von einem besonders ausgezeichneten Geruche sind, und 


459 


es ist durchaus nicht der Fall, dafs 'man diesen Wohlge- 
ruch besonderer Theesorten durch ändere wohlriechende 
"Substanzen erzeugt. ‘Indessen bemerk@ ich hier, dafs ich 
selbst grofse Massen der Blüthenknöspen von Olea fra- 
grans gesehen habe, welche in China wirklich in den Han- 
del kommen ind von besonderen Liebhabern zur Verbes- 
serung des Geschmack’s von grünem Thee gebraucht wer- 
den, doch mischt sich Jedermann diese Substanz nach Be- 
lieben zu. ' 

Schlechtere Sorten von Thee, welche meistens nicht 
mehr zu uns in den Handel Konknien) sondern zum eige- 
nen Verbrauche im Lande bleiben, wördEn dadurch berei- 

dafs man von gewöhnlichen 'Gewächsen die ganzen 
Bei und Sprossen abnimmt und die Blätter theils mit 
den Stengeln trocknet, theils ’von "diesen 'nur "mit der 
Hand abstreift. 'Eine solche Sorte ist es, welche zur Be- 
reitüng des Backstein- oder Ziegel-"Thee’s "benutzt wird. 
Dieser Ziegelthee kommt in’ harten Broden, ähnlich sehr 
dünnen Backsteinen, in den Handel, ‘wird aber’ 'hauptsäch- 
lich im nördlichen China und im Innern 'von Asien, z.B. 
bei den Nomaden in der Wüste Gobi verbraucht; er "bei 
steht aus schlechten und unreinen Blättern, ‘mit Stengeln 
. vermischt, welche durch eine schleimige Substanz 'zusam- 
mengceklebt, in Form von Broden geprefst und im Ofen 
getrocknet werden. 

Bei der Benutzung dieses Ziegelthee’s ‘werden ein- 
zelne Stücke abgebrochen, und nachdem sie vorher gepul- 
"vert sind, mit Wasser oder mit Milch, Mehl und Fett ge- 
kocht #). Die chinesischen Soldaten an jenen nordischen 
Grenzen erhalten’ diesen 'Ziegelthee gleichsam als Soöld, 
und was sie davon nicht selbst gebrauchen, wird‘ nach 
Kiachta hin verhandelt. Ja überall in der Mongolei und 
in Daurien soll dieser Thee als Handelsmünze im Ge- 
brauche sein‘ "#),  Grofse Karaväanen von’ Kameelen zie- 


*) S. Timkowsky’s Reise nach China, p. 46. 1. 
END hierüber ausführlich in €, Ritter’s historisch geographi- 


460 


hen beladen mit diesem Thee durch die Wüste Gobi. In 
früheren Zeiten war es ganz gewöhnlich, dafs der Thee 
sowohl in China, wie auch in Japan aus den gepulverten 
Blättern gekocht wurde. | 

Die älteste bis jetzt bekannte Schrift, in welcher 
von einem Europäer ‘über den Thee geschrieben ist, soll 
die Historia indica von Maffei sein, welche 1589 zu 
Leyden erschien; doch soll der erste Thee erst 1610 
durch holländische Kaufleute nach Europa gebracht wor- 
den sein. Schon im Jahre 1660 wurde der Verkauf 
des Theegetränk’s durch eine Parlamentsacte mit einer 
Steuer belegt. Auch haben schon im Jahre 1638 Gesandte 
von Moskow den Thee, als Geschenke an den Czar mit- 
gebracht. | 

Nachdem wir nun. die Anpflanzung, die Bereitung 
und Verbreitung der Theepflanze kennen gelernt haben, 
gehen wir zur Betrachtung der ungeheuren Masse über, 
welche von dieser Nutzpflanze jährlich producirt und con- 
sumirt wird. Wir wissen, dafs gegenwärtig in England 
eine so grofse Summe Thee verbraucht wird, dafs auf je- 
den Bewohner mehr als 13 Pfund jährlich zu rechnen 
ist; sicherlich ist aber der Verbrauch des Thee’s in China 
noch gröfser, denn, wer es haben kann, der trinkt den 
ganzen Tag über Thee. Indessen. rechnen wir auch nur 
die Masse von 14 Pfund für jeden Kopf, so käme bei ei- 
ner Bevölkerung des chinesischen Reiches von, wenigstens 
200 Millionen Menschen, die ungeheuere Summe von 
300 Millionen Pfunden zum Vorschein. Beachten wir. in- 
dessen auch den Gebrauch des Thee’s in Japan, in Cochin- 
China, und den angrenzenden Staaten, so möchte vielleicht 
eine Summe von 450 Millionen dieses getrockneten Krau- 
tes für den ganzen -Osten von Asien sicherlich nicht zu 
hoch sein. Man bedenke nun die Masse von frischen 
Blättern und die Zahl der. Hände, welche zur Bereitung 


sche Forschung über die Verbreitung der Theecultur, in dessen Geo- 
graphie von Asıen IH. 


461 


dieser Unmasse von Thee nöthig sind! Von welcher hohen 
Bedeutung ist demnach der Ackerbau in China und Japan, 
blofs für diesen einzigen Zweig betrachtet. 

Die Menge von Thee, welche China jährlich nach dem 
Auslande verhandelt, kennen wir allerdings noch nicht mit 
gehöriger Genauigkeit, wohl aber die Massen, welche nach 
Europa und den europäischen Colonieen eingeführt werden. 
Ich habe nach genauen Quellen die ganze Menge von Thee, 
welche durch Europäer aus dem Hafen von Canton aus- 
geführt wird, zu 45,000000 Pfd. für die Jahre bis 1830 
‘berechnet; *) hiezu kommt noch der Thee, welcher auf 
dem Karavanenwege nach Rufsland geführt wird, welcher 
im Jahre 1830 nicht mehr als 5,405990 preufs. Pfunde 
betragen haben soll. | 

Die grofse Menge von Thee, womit China auf dem 
Landwege die indischen Reiche versieht, ist leider nicht 
bekarnt, auch fehlen alle Thatsachen, um dieselbe auch 
nur annäherend zu schätzen; doch mufs, nach verschiedenen 
Nachrichten zu urtheilen, der Verbrauch des Thee’s da- 
selbst sehr grofs sein. In ganz Tübet und in Nepal ist 
der Thee das gewöhnliche Getränk, mit welchem man die 
Nahrungsmittel verzehret. Abstrahiren wir aber ganz von 
der Menge Thee, welche auf diesem Landwege nach Indien 
‘geführt wird, so kommen dennoch schon 50000000 Pfunde, 
von den getrockneten Blättern jener Pflanze, ganz allein 
nach Europa und dessen Colonieen, wofür dem chinesi- 
schen Lande eine Summe Geldes von ungefähr 18,000000 
preufs. Thalern zufliefst, denn im Durchschnitte werden 
die Thee-Sorten zu Canton mit 4 Piaster für das Pfund 
bezahlt. Wir haben indessen schon gesehen, auf wel- 
chem höchst sonderbaren Wege diese ganze Masse von 
Geld dem chinesischen Reiche wieder entzogen wird, doch 
fliefst dieses Geld leider in andere Hände, so dafs Europa 
durch den Gebrauch des Thee’s dennoch immer einen be- 
deutenden Geldverlust erleidet. 


*”) S. meine Reise um die Erde, Bd. II. pag. 38% u. s. w. 


462 
Noch. will. ich anführen, dafs vom jenen 50,000000 Pf. 


Thee, welche auf dem Seewege von Canton und. auf dem 
Landwege über Kiachta versendet werden, nicht mehr als 
gegen 200000 Pfunde im 'preufsischen. Staate verbraucht 
werden, . wärend ‚England allein über 26- bis 27,000000 
Pfunde *) verbraucht; demnaeh consumirt England, im Ver- 
hältnısse zu Preufsen, bei Beachtung einer verbältnifsmäfsig 
gleichen Bevölkerung, fast 100mal mehr als Preufsen. 

Schon jetzt ist die. Thee-Cultur für: den, ‚östlichen 
Theil von Asien von einer aufserordentliehen ‚Bedeutung, 
und ‚dennoch sind kaum'.100 Jahre: vergangen, dafs der 
Gebrauch des. Thee’s in Europa etwas allgemeiner gewor- 
den ist; indessen täglich nmmmt' der Geschmack der Men- 
schen für den Genufs des Thee’s zu,‘ und so .‘läfst sich 
voraussehen,: dafs dieser Zweig. des Ackerbaues für gewisse 
tropische :Länder, : schon .nach: einem halben . Jahrhunderte, 
eine. neue Quelle des Mohlatandes von. Bedeutung, ‚wer- 
nen wird, 

„Die, Hauptsache bei der Einführung der- Ti Gultur 
nich einem. :anderen Lande ist ‚die Beachtung .der Preise 
des Tagelohns,. welche daselbst herrschen... Die. Bereitung 
des Thee’s erfordert viel Arbeit, und da der. Preis. des 
Thee’s schon an und für sich sehr gering ist, so kann 
auch die Arbeit bei der Bereitung des Thee’s' nur sehr 
gering bezahlt werden, daher kann in einem Lande, wo 
wenig: Menschen sind und der: Tagelohn hoch steht, nie- 
mals mit Vortheil Thee gebauet werden; so steht es denn 
auch mit der: Thee-Cultur. in Brasilien, wo die Selaven 
so, ungeheuer. theuer sind. Da der Durchschnitts- Preis 
des Thee’s zu Canton für das Pfund: ungefähr‘ 82 Silber- 
groschen :beträgt, so möchte der Landmann das Pfund die- 
ser Waare wahrscheinlich schen zu 8 bis 6 Silbergroschen 


:) di Val des Jahres i834, nachdem das Privilegium der 
englisch - ostindischen Compagnie auf den chinesischen Handel auf- 
gehoben, und auch die hohe Zollabgabe auf den Thee ermäfsigt ist, 
sollen, nach Zeitungs- Nachrichten, schon gegen 36,000000 Pfunde 
Thee verbraucht werden. (?) 


463 


verkaufen, denn der Kaufmann, welcher den Thee an den 
Ausländer verhandelt, mufs dabei wenigstens 30 Procent 
Verdienst haben, nachdem: die Abgaben davon schon ab- 
gerechnet sind, denn der chinesische Kaufmann zu Canton 
leiht Geld zu 20 —26 Procent, mit dem er nach den Thee- 
Plantagen in das Innere "des Landes geht und daselbst schon 
die Erndte auf dem Stocke mit  baarem Gelde erkauft, 
ebenso, wie es bei uns die Weinhändler mit den Trauben 
machen. 


Die Pfeffer - Pflanze. 


Der Anbau des Pfeffers, als des gewöhnlichsten Ge- 
würzes, welches in allen Gegenden, auf der ganzen Ober- 
fläche .der Erde, überall wo nur einige Cultur hingelangt 
ist, gebraucht wird, ist ebenfalls von hohem:Interesse. Die 
Pfefferpflanze (Piper nigrum L.) ist eine vieljährige, aus- 
dauernde: Rankenpflanze, welche nur allein in tropischen 
Gegenden cultivirt werden kann. Ostindien ist das Vater- 
land des Pfeffers, und zwar fast Malabar allein, wo Bucha- 
nan die Pfefferpflanze in den Wäldern wild fand. Auf 
Sumatra und den’ übrigen Sunda - Inseln, wo der Pfeffer 
gegenwärtig ebenfalls eultivirt wird, hat man die Pflanze 
noch nicht wild gefunden, und sicherlich ist sie dahin von 
Westen her eingeführt worden, von wo aus ‘man dieselbe 
nach allen Ländern, innerhalb der Wendekreise, zu führen 
versucht hat, wo der ‚Speculations - Geist der Menschen 
pecuniären Vortheil zu erlangen erspäht hat. Auch ist der 
Pfeffer von Malabar viel kräftiger als der von Sumatra, 
und wird defshalb auch höher geschätzt, so dafs man auch 
daraus auf das ursprüngliche Vaterland. dieser Pflanze 
schliefsen kann. Zwar ist in verschiedenen Büchern der 
CGultur der Pfefferpflanze gedacht, aber eine ausführliche 
Beschreibung haben wir von derselben ‘durch Marsden *) 
erhalten, ‘welcher lange Jahre hindurch, als: Beamter der 


*) The History of Sumätra etc. third edition. London, 1811. 
pag. 130 — 148. ı 


464 


ostindischen Compagnie, diesen für den Handel so wichti- 
gen Culturzweig beobachtet hat. 

Zu den Pfeffer-Pflanzungen wählt man einen mäfsig 
hohen und mit Bäumen bewachsenen Boden, auch kann 
man solche Pflanzungen benutzen, wo einmal Bergreis ge- 
zogen ist. Auf die gewöhnliche Art, nämlich durch Ab- 
hauen, Trockenen und durch Verbrennen, reinigt man den 
Boden von dem darauf befindlichen Holze und theilt ihn 
alsdann in regelmäfsige Vierecke von 6 Fufs Seitenlänge 
ab. In jeder Pfeffer-Plantage pflegt man dergleichen vier- 
eckige Felder an Tausend zu zählen und auf jedes dieser 
Felder kommt ein Pfefferstock zu stehen, an welchem sich 
die Pfefferpflanze hinaufwindet. 

Die Pfefferstangen werden nun zuerst gesteckt, doch 
sind diese, je nach den Gebräuchen in verschiedenen Län- 
dern, sehr verschieden. Bald gebraucht man hiezu lebende 
schlanke Bäumchen, bald nur gewöhnliche Stangen, doch 
giebt man den lebenden Bäumen meistens den Vorzug, um 
dadurch zugleich für die Pfefferpflanze einigen Schatten 
zu erhalten. Auf Sumatra, wo sehr viel Pfeffer gebauet 
wird, gebraucht man zu den Stangen die abgeschnittenen 
Zweige der Erythrina Corallodendron, welche man einige 
Monate früher, als den Pfeffer pflanzt, damit sie gehörige 
Wurzel treiben, so dafs sie die ‚Pfefferpflanze tragen. kön- 
nen, wenn sich dieselbe daran hinaufschlingt. Die obigen 
Aeste der Erythrina Corallodendron eignen sich zu diesen 
Stützen hauptsächlich defshalb, weil dieselbe schnell wächst 
und mit kleinen Dornen besetzt ist, wodurch die Pfeffer- 
pflanze um so fester ansitzt. Sobald die Erythrina zu 
treiben beginnt, bricht man alle seitlichen Zweige ab und 
läfst nur den mittelsten und geradesten in die Höhe schie- 
fsen, bis er etwa 15 Fufs erreicht hat, worauf er alsdann 
auf der Spitze abgeschnitten wird, um das Höherwachsen 
zu verhindern. In anderen Gegenden hat man auch. diese 
Stützen von Morinda eitrifolia und von Erythrina indica 
benutzt. Da die Pfefferpflanze mehrere Jahre dauert, so 
sind diese wurzelnden Stützen besonders vortheilhaft, denn 


465 


' die gewöhnlichen Stangen verfaulen in jenem nassen Clima 
schon in kurzer Zeit, und durch Einsetzen anderer Stan- 
gen wird die Pfefferpflanze beschädigt. Die Zweige und 
Blätter dieser wurzelnden Stangen werden sorgfältig von 
dem Stamme gereinigt und die Spitze wird in Form eines 
Fächers beschnitten, damit sie der Pfefferpflanze den ge- 
hörigen Schatten geben kann. Die Pfeffer - Pflanzungen 
erforderen viele Sorgfalt, sie müssen stets von dem Un- 
kraute gereinigt werden, welches in jenem heifsen und 
feuchten Clima sehr bald die Oberhand gewinnen würde, 
so dafs der Pfeffer ersticken müfste. Indessen wärend der 
heifsen Sommer -Monate, wenn die Luft sehr trocken ist, 
läfst man ein langes Gras in den Pfeffer - Pflanzungen 
wachsen, welches gröfsere Feuchtigkeit des Bodens herbei- 
führen soll. 

Man pflanzt den Pfeffer durch Stecklinge, welche man 
von den Ausläufern einer alten Pfefferpflanze nimmt, wozu 
ein einzelnes Internodium hinreichend ist. Meistentheils wer- 
den zwei Pfefferpflanzen an einer Stange gezogen, in Zeit 
von drei Jahren erreichen sie eine Höhe von 8 bis 12 Fufs 
und fangen an ihre Früchte zu tragen. Um diese Zeit, 
und zwar wenn der Pfeffer reif geworden ist, schneidet 
man die ganze Pfefferpflanze bis auf 3 Fufs Länge ab, 
trennt sie sorgfältig von ihrem Stocke und legt sie hori- 
zontal, in Form eines Zirkels, an die Erde, so dafs die 
Spitze wieder zur Wurzel kommt. Nun treibt die Pflanze 
von Neuem und trägt jährlich eine grofse Menge Früchte, 
wärend sie, ohne dieses vorhergegangene Einlegen, sich 
meistens in Blättertragen erschöpft. Man pflegt es auch 
so zu machen, dafs man den mittelsten Schöfsling der 
Pflanze an der Stütze stehen läfst und nur die seitlichen 
Schöfslinge einschlägt. Werden die neuen Pfeffer - Pflan- 
zungen aus diesen langen Schöfslingen angelegt, so tragen 
sie schon im nächsten Jahre. Gewöhnlich treibt die Pflanze 
aus diesen eingeschlagenen Schöfslingen zu stark, und dann 
werden die meisten abgeschnitten und nur eine oder zwei 
läfst man in die Höhe steigen. Wenn nun die Pfeffer- 

30 


466 


pflanze zu tragen anfängt, so nimmt sie bis zum siebenten 
oder achten Jahre an Tragbarkeit zu, worin sie alsdann 
einige Jahre über stehen bleibt, bis sie allmälich zum Tra- 
gen zu alt wird. 

Die Pfeffer-Pflanzungen sind zwar bei den Bewohnern 
der heifsen Gegenden, der vielen Arbeit wegen, welche 
sie erfordern, in Verruf, indessen sollen 1000 Pfefferpflan- 
zen sehr wohl von zwei Leuten versehen werden können, 
welche dabei auch noch für ihren Reis sorgen können. 

So wie bei den meisten Culturpflanzen, so hat man 
auch bei den Pfefferpflanzen eine Menge von verschiedenen 
Varietäten, von denen die eine in dieser, die andere in 
einer anderen Beziehung geschätzt wird. Die Zeit, in 
welcher die Pfefferpflanze blüht und Beeren trägt, ist zwar 
sehr veränderlich, indessen sie liefert jährlich zwei Ernd- 
ten, zuweilen trägt sie Blüthen und Früchte das ganze 
Jahr hindurch, aber in einigen Gegenden trägt sie jährlich 
nur einmal. Auf Java trägt die Pfefferpflanze oft so stark, 
dafs man die Blätter der Pflanze, der vielen Früchte wegen, 
nicht sehen kann. Auf Sumatra pflegt der Ertrag von 1000 
tragbaren Stöcken gleich 400 bıs 450 Pfunden zu sein. 

Die Beeren des Pfeffers brauchen 4 bis 5 Monate zu 
ihrer Reife; sie sind anfänglich grün, werden aber, sobald 
sie reif sind, schön roth und fallen alsdann ab, wenn sie 
nicht zur rechten Zeit abgenommen werden. Sobald einige 
Beeren reif werden, pflegt man die ganze Traube abzuneh- 
men und sie dann auf Matten oder auf den blofsen Boden 
auszubreiten, wo sie trocken werden und eine schwarze 
Farbe mit runzeliger Oberfläche annehmen. Je reifer die 
Beeren bei dem Abnehmen waren, je weniger runzelig 
werden sie durch das Trockenen. 

Der weifse Pfeffer wird aus dem schwarzen gemacht 
und zwar dadurch, dafs man diesem durch Fäulnifs den 
schwarzen Ueberzug abnimmt. Zu diesem Zwecke wird 
der schwarze Pfeffer in Gruben oder auch in stehendes 
Wasser gelegt, woselbst, nach 14tägiger Einwirkung, die 
Hülse reifst und worauf die weifsen Körner, welche darin 


467 


enthalten waren, an der Sonne getrocknet werden, nach- 
dem man durch Reiben mit den Händen die Hüllen ganz 
entfernt hat. Man behauptet zwar, dafs der weifse Pfeffer 
durch dieses Einweichen seine beste Kraft verloren hat, 
doch ist er auch, mit seiner geringeren Schärfe, vielen 
Menschen angenehmer. | 

Eine schlechtere Sorte von weifsem Pfeffer erhält man 
aus den Beeren, welche als überreif abgefallen sind, wobei 
nämlich die schwarze Hülle abplatzte, und es scheint dar- 
nach hervorzugehen, dafs die Schärfe des Pfeffers mit dem 
Reifen sich verliert. 

Man findet auch Angaben, dafs in Indien ein Pfeffer 
wachse, welcher weifse Beeren trage, doch dieses möchte 
wohl noch der Bestätigung bedürfen. 

In dem neu erschienenen vierten Bande der Erdbe- 
schreibung von Herrn Ritter, hat der gelehrte Herr Ver- 
fasser eine Schätzung der gesammten Pfeffer -Production 
nach Berechnungen von H. Crawfurd mitgetheilt, woraus 
ich hier eine kurze Uebersicht darstelle. Die Gesammt- 
Production des Pfeffers beträgt gegenwärtig an 50,000000 _ 
Pfunde, wovon nur 4 nach Europa kommt, die gröfste 
Masse wird von den Chinesen verbraucht. Vertheilt man 
die gesammte Pfeffermasse auf 1000 Millionen Menschen, 
so kommt auf jeden Kopf der tägliche Verbrauch von 1,05 
Gran. Da der Verbrauch des Pfeffers, als des allgemein- 
sten Gewürzes, von Jahr zu Jahr zunimmt, und sich all- 
mälich über die rohesten Völker ausdehnt, so ist voraus- 
zusehen, dafs sich die Production des Pfeffers noch weit 
mehr ausdehnen wird. 


Ueber einige der hauptsächlichsten Pflanzen, deren 
Fasern und Wolle zur Bereitung von Zeugen und 
anderen, dem Menschen unentbehrlichen Mate- 
rıalien benutzt werden. 


Bekanntlich könnte der vorliegende Gegenstand das 
Material zu einem umfangreichen Buche geben, wollte man 


468 


denselben auch nur mit einiger Ausführlichkeit behandeln. 
Es ist bekannt, wie äufserst vielfach die Bereitung der 
Zeuge ist, welche den Südsee-Insulaneren zur gewöhnlichen 
Kleidung dienen. Ich kann hier die Zubereitung dieser 
Zeuge, aus der Rinde verschiedener Bäume, übergehen, 
indem dieselbe schon so oft, in den verschiedensten Schrif- 
ten, mitgetheilt worden ist; wer hierüber nähere Auskunft 
zu haben wünscht, dem sind die Berichte der klassischen 
Reisen von Cook zu empfehlen. Hier beschränke ich mich 
auf das Anführen derjenigen Pflanzen, welche hie und da 
zur Bereitung der Kleidungsstücke von den Bewohnern 
verschiedener Länder gebraucht werden. 

Die bekannteste aller dieser Pflanzen ist bei uns. der 
Flachs (Linum usitatissimum) und der Hanf (Cannabis sa- 
tiva), deren so äufserst vielfältige Benutzung" allgemein 
bekannt ist. Der Flachs hat in der alten Welt sein Vater- 
land, aber in Nordamerika befindet sich eine andere Art, 
welche ebenfalls zu denselben Zwecken benutzt werden 
könnte. Gegen Osten und gegen Süden wird die Cultur 
des Flachses überall durelr den Anbau der Baumwolle ver- 
drängt, welche eine viel reichhaltigere Erndte giebt. Auf 
den kalten Hochebenen Indiens, wo keine Baumwolle ge- 
deihet, da wird noch Flachs cultivirt, doch meistens nur 
auf die Oel-Gewinnung. Ob unser Flachs auch in China 
eultivirt wird, ist eigentlich wohl noch unbekannt; das 
Fabrikat, welches zu uns als chinesische Leinewand kommt, 
ist wenigstens einer anderen, uns noch unbekannten Pflanze 
angehörig. 


Die Baumwoll- Pflanze, 


Die Baumwollpflanze ist eine der nützlichsten für, das 
Menschengeschlecht, welche auf.der Erde eultivirt wird; 
es ist sehr wahrscheinlich, dafs eine gröfsere Menge von 
Menschen ‚durch Baumwollenzeuge gekleidet werden, als 
durch irgend einen anderen Stof. 

Nicht nur in den tropischen Gegenden aller Länder 
-der alten und der neuen Welt wird die Baumwolle ange- 


469 


bauet, sondern sie geht auch weit über die Tropen hinaus, 
selbst bis in Gegenden, deren mittlere jährliche Tempera- 
tur zwischen 13 und 14° R. steht, was gerade noch den 
südlichsten Gegenden von Europa zukommt. In einzelnen 
Fällen, wie z.B. in der Krimm, wo noch andere Ursachen 
vorhanden sind, welche die Winterkälte mäfsigen, geht die 
Cultur der Baumwollenstaude in Europa bis zum 45° N. 
Breite; in Asien selbst bis Astrakan. Im südlichen Spa- 
nien, im südlichen Italien, auf Sicilien und in Griechen- 
land, wie überhaupt rund um das mittelländische Meer, in 
Syrien, Aegypten und in Kleinasien wird die Baumwolle 
eultivirt, welche dem Gossypium herbaceum angehört; es 
ist die gewöhnliche Pflanze mit weifser Wolle, in Sicilien 
und Griechenland wird aber auch eine Staude mit gelber 
Wolle eultiyirt, wahrscheinlich das Gossypium religiosum; 
doch ist hier, in diesen heifsen Gegenden, wo der Oelbaum 
und die Oranje so herrlich gedeihen, die Cultur dieser 
Pflanze noch in sehr geringem Umfange. Bedeutender da- 
gegen wird dieser Culturzweig in Kleinasien, in Aegypten, 
in den angrenzenden Ländern des alten Asiens, in China 
und in Japan, wo sie sich, fast beständig bis zur Breite 
von 40 und 41° nördlich hinauf erstreckt. Nach den Mit- 
theilungen, welche wir über die Verbreitung der Baum- 
wollen-Cultur bei Royle *) finden, soll Gossypium vitifo- 
lium um Cairo, in Westindien und um Rio de Janeiro ceul- 
tivirt werden, wo aber auch G. herbaceum und G. barba- 
badense zu finden ist. Auf Portorico wird Gossypium 
racemosum und auf den französichen Besitzungen West- 
indiens meistens G. hirsutum eultivirt. 

Die Zahl der Arten dieser Gattung, welche sämmtlich 
die Baumwolle, bald von weifser, bald von gelber Farbe 
liefern, ist wohl recht sehr erofs und noch lange nicht 
mit gehöriger Genauigkeit bestimmt. Zwar ist die Cultur 
der Baumwolle weiter verbreitet, als irgend eine andere 
Nutzpflanze, doch möchten die einzelnen Arten der Gattung 


*) Tllastr., Fasc. IM. 


Gossypium, welche hie und da gebauet werden, eine weni- 
ger ausgedehnte Fläche einnehmen; indessen um Unter- 
suchungen der Art anzustellen, sind der Thatsachen noch 
viel zu wenige. Das Gossypium herbaceum ist dasjenige, 
welches in Europa am weitesten nach Norden steigt; in 
Nordamerika wird die Baumwollen-Cultur bis zum 40sten 
Grade betrieben. In Südamerika geht die Cultur dieser 
Gewächse, nach Aug. de St. Hilaire, auf der Ostküste bis 
zum 30sten Grade, und auf der Westküste dieses Conti- 
nents habe ich, noch in 30 und 33° südlicher Breite, einige 
Baumwollsträucher gesehen, wahre Anpflanzungen finden 
indessen dort nicht statt; wohl aber nördlicher, als z. B. 
in der Provinz von Copiapo. Am Cap der guten Hoffnung, 
so wie in Neuholland, in den englischen Colonieen daselbst, 
kommt die Baumwolle bis jetzt am südlichsten vor. 

Ueber den Anbau der Baumwollenpflanze giebt Herr v. 
Martius *) für Brasilien sehr ausführliche Nachrichten. Hat 
man dort den Boden geordnet, was gewöhnlich durch Aus- 
roden und Abbrennen der Bäume und Sträucher geschieht, 
so werden die Saamen im Monate Januar gelegt; man 
steckt deren 5 bis 6, ja bis 12 in ein Loch von 3 bis 4 
‘ Zoll Tiefe und in 5 bis 6 Fufs Entfernung. Mit unglaub- 
licher Schnelligkeit wächst nun die Baumwollstaude heran 
und wird 12, 15 bis 20 Jahre alt, aber blüht und fructi- 
fieirt jährlich zweimal; im 9ten oder 10ten Monate nach 
der Aussaat beginnt die erste Lese. Die Haupterndte fällt 
in der Provinz Pernambuco in die Monate Juli und August, 
und die erste Erndte einer Baumwollstaude ist die beste; 
die stärksten Bäume geben dann 24 Pfund reine Wolle, 
die schwächsten dagegen nur 10 Loth reine Wolle. 

Ist der Saame einmal ausgelegt, so pflegen sich die 
Landleute nicht früher ‘um die Pflanzung zu kümmern, bis 
die Zeit der Erndte herbeikommt; doch diese Nachlässig- 
keit soll öfters stark bestraft werden, indem die Masse 
des Unkrauts zwischen den Pflanzen so grofs werden soll, 


*) S. dessen Reise nach Brasilien, II. pag. 815. 


471 


dafs dieselben sich nicht entwickeln können. Herr von 
Martius *) nennt diese Unkräuter, es sind: Ipomoea Qua- 
moclit L., I. hederacea R. Er., Momordica macropetala Mart. 
u. s. w. Der fleifsige Landmann rodet die Unkräuter jähr- 
lich zweimal aus. Man sucht zugleich die einzelnen Stämme 
. dieser Pflanzungen in einer Höhe von 5 bis 6 Fufs zu 
erhalten, indem man die geraden Aeste abbricht. 

Das Einsammeln der Baumwollkapseln ist in grofsen 
Plantagen eine schwere Arbeit, und eine grofse Anzahl von 
Negern sind dazu nöthig, denn ein Sclave vermag, den Tag 
über, nur ein bis zwei Arroba’s voll einzusammeln. Noch 
schlimmer ist aber die Arbeit des Trennens der Wolle von 
ihren Körnern, was gegenwärtig eben so, wie das Stampfen 
der grofsen Wollsäcke durch Maschinerieen geschieht. 

In China und Japan ist die Baumwollen-Cultur im 
höchsten Flor, es wird indessen noch lange nicht der 
nöthige Bedarf erzeugt, so dafs grofse Massen in diesem 
“Artikel aus Ostindien nach China eingeführt werden, un- 
geachtet der grofsen Menge von gewebtem Zeuge Im 
Jahre 1828 **) ward allein für 1,322361 Piaster rohe 
Baumwolle nach China eingeführt. 

Das Gossypium, welches die bekannte echte gelbe 
Nanking- Wolle liefert, hielt man früher für eine Abart 
von Gossypium religiosum, welcher Pflanze man ebenfalls 
- China und Siam zum Vaterlande anweist. Eine speciellere 
Untersuchung zeigte mir jedoch, dafs die echte Nanking- 
Wolle einer besonderen Art angehöre, welche ich Gossy- 
pium Nanking ***) genannt hahe. Sehr interessant ist es 
zu erfahren, das dasjenige Gossypium, welches Forster von 
den Südsee-Inseln mitgebracht hat, nicht dem Gossypium 
religiosum angehöre, sondern mit der echten Nanking- 
Pflanze identisch sei. +) : 


") 1. c. pag. 816. 
.*%) Meyen’s Reise, II. pag. 397. 
**%) S. Meyen’s Reise, II. pag. 397 und Verhandlungen des Vereins 
zur Beförderung des Gartenbaues in Preufsen. Berlin 1836. XI. 2. Hft. 
+) S. Royle Illustr., Fasc. III. 
31 


472 


« 


Ueber die Cultur der Baumwolle in Indien findet man 
in H. Royle’s angeführter. Schrift sehr ausführliche Erör- 
terungen. In den nördlichen Provinzen Indiens säet man 


die Baumwolle in der Mitte des März und April, und ım ° 


October und November, wenn die Regen aufgehört haben, 
erndtet man. Anfangs Februar treibt die Pflanze neue 
Blätter und Blüthen und wärend des Märzes und Aprils 
erndtet man die Wolle zum zweiten Male. Auch im cen- 
tralen Indien, nämlich bis 4000 Fufs hoch, erndtet man 
einmal nach dem Regen und einmal im Februar und März. 
In Georgien und in der Guyana ist die Erndte im September. 

Es ist eine bekannte Klage, dafs die indische Wolle 
kurz ist und daher weniger brauchbar, als andere Sorten, 
doch auf H. Roxburgh’s Anrathen hat man gegenwärtig die 
Baumwollpflanze von Bourbon nach Indien verpflanzt, und 
die Wolle dieser Art soll allen Forderungen entsprechen. 
England verbraucht jährlich 300 Millionen Pfunde Baum- 
wolle, wozu Indien nur Z, dieser Summe liefert. 


Die Hanf- Pflanzen. 


Der Anbau des Hanfs im nördlichen Europa, in Asien 
und in Nordamerika ist von der aufserordentlichsten Be- 
deutung, ja unglaublich sind die Massen dieses Stoffes, 
welche, blofs in den russischen Besitzungen gewonnen wer- 
den; die Pflanze ist diesen Ländern noch von weit gröfse- 
rer Wichtigkeit, indem ihre Saamen ein gutes Oel geben, 
welches daselbst allgemein gegessen wird. Zwar wird noch 
in den neuesten Zeiten das künstliche Areal der Hanf- 
Pflanze immer mehr und mehr vergröfsert, indessen die 
Bereitung eines stärkeren Hanfs aus verschiedenen ande- 
ren Pflanzen, welche ich sogleich anführen werde, möchte 
doch zuletzt unserer Hanfcultur störend in den Weg treten. 

Ich habe schon im Vorhergehenden (pag. 383), als 
von der Cultur der Banane die Rede war, des Hanfs von 
Manila, der sogenannten Avaca ausführlich gedacht, und 
die Zubereitung desselben aus der Musa textilis angegeben, 
worauf ich verweise. Auch aus den Stämmen der andern 


1 


413 


Bananen- Arten vermag man sehr feste Fasern zu gewin- 
nen, welche hauptsächlich zu Stricken und Angelschnüren 
tauglich sind. 


Der Neu-Seeländische Hanf. 


Auf Cook’s erster Weltumsegelung wurde der Flachs 
oder Hanf von Neu-Seeland bekannt; er wird aus den 
Fasern der Blätter von Phormium tenax, einer grofsen 
und prachtvollen Schilfpflanze bereitet. Die Bewohner 
von Neu-Seeland verfertigen aus den Blättern dieser 
Pflanze nicht nur alle ihre Kleidungsstücke, sondern auch 
alle Arten von Schnüren und Stricken, ja sogar äufserst 
feine Fäden, denen der Seide ähnlich, sind aus dieser 
Pflanze zu bereiten. 

Schon Cook *) erkannte die hohe Wichtigkeit, wel- 
che daraus für England erwachsen müfste, wenn dieser 
neuseeländische Flachs nach England verpflanzt und da- 
selbst angebauet würde, wozu ihm das Clima sehr gün- 
stig zu sein schien. Bekanntlich hat man sich lange Zeit 
hindurch mit der Einführung des neuseeländischen Flach- 
ses sowohl in England, als auch bei uns, auf dem Conti- 
nente beschäftigt, doch fehlten leider alle meteorologischen 
Beobachtungen in dem Vaterlande jener Pflanze, von wel- 
chen man hätte müssen ausgehen. Auch jetzt sind mir 
Beobachtungen der Art von Neu-Seeland nicht bekannt, 
wohl aber haben wir die mittleren Temperaturen von 
zwei Orten auf Van-Diemen’s-Land, einer Insel, welche 
mit Neu-Seeland in einer Breite und unter ähnlichen 


Verhältnissen liegt, so dafs wir die Temperaturen von 


Van-Diemens-Land für die gleichen Breiten von Neu- 
Seeland substituiren können. 

Von Van-Diemen’s-Land sind die Temperaturen zu 
Macquarie Harbour und zu Hobart Town **) bekannt; der 
erstere Ort giebt eine jährliche mittlere Temperatur von 


— nn. 


”) Reise um die WVelt. Berlin 1774. II. pag. 34. 
**) Edinb. Journ. of Science, 1825. p. 75. 


474 


13° Cels. und ist auf der westlichen Seite der Insel ge- 
legen, der letztere dagegen eine mittlere Temperatur von 
11,3° Cels. und ist auf der östlichen Seite gelegen. Die- 
ser grofse Unterschied beruht hauptsächlich auf djerhö- 
here,Winterwärme, welche zu Maequarie Harbour herrscht, 
indem die Temperaturen der Sommermonate sich beinahe 
ganz gleich verhälten. Die Ursachen, welche diese gro- 
{se Differenz veranlassen, kennen wir zwar nicht, doch 
beruhen sie wahrscheinlich auf herrschende Winde. Um 
zu zeigen, wie genau das Clima von Van-Diemens -Land 
mit demjenigen in einigen Gegenden von England überein- 
kommt, so dafs es keinem Zweifel unterliegen kann, dafs 
der Flachs von Neu-Seeland auch in England, besonders 
auf dessen westlicher Seite, und vorzüglich in Irland ge- 
deihen würde, habe ich die Temperaturen von Macquarie 
Harbour und von Hobart Town mit denen von London 
(da mir gute Beobachtungen aus Irland unbekannt sind ) 
zusammengestellt, und sie auf der beiliegenden Tafel ver- 
zeichnet. Aus dieser graphischen Darstellung der mitt- 
leren Temperaturen wird man zugleich ersehen, dafs der 


neuseeländische Flachs keineswegs in unserem Clima zu 


eultiviren ist, wo die Winterkälte viel za stark ist; in- 
dessen wird diese Pflanze schon gegenwärtig im südlichen 
Frankreich und in Dalmatien eultivirt. 

Dagegen ist das Phormium tenax nach Neu-Holland 
übergeführt, und um Sydney herum giebt es grofse An- 
pflanzungen davon, welche schon gegenwärtig so viel pro- 
duciren, dafs der Hanf nach England ausgeführt wird *). 
In der Colonie selbst werden ganz vorzügliche Whäler- 
Leinen, zum Harpuniren der Wallfische, gemacht, und al- 


ler Wahrscheinlichkeit nach wird der .neuseeländische : 


Hanf auch ganz vorzügliche Taue geben, wenn nur das 
Vorurtheil dagegen einmal geschwunden ist. Die Blätter 
der Hanfpflanze von Neuseeland erreichen eine Länge von 


*) S. Bennett’s VWVanderings in New Soutlı Wales. London 1834. 
I. p. 72 etc. 


475 . 


6 und 7 Fufs, geben demnach sogar längere Fäden, als 
unser europäischer Hanf. 

Eine andere Art von Hanf bereitet man aus den Fa- 
sern der Agave-Blätter, welche man, wie wir vorhin 
(pag. 443) gesehen haben, von eben denselben Maguey- 
Pflanzen nimmt, die zur Gewinnung des Pulque’s benutzt 
wurden, und nach dieser Operation jedesmal absterben. 
Die Faser der Agaven wird als die festeste von Allen an- 
gesehen, und kommt schon seit langer Zeit in den Han- 
del. In Ostindien wird Agave vivipara zu den Einfassun- 
gen der Gärten und Ländereien gepflanzt, und aus ihren 
Blättern macht man den Hanf, welcher zur Bereitung von 
Stricken aufserst schicklich ist. 

Die Bereitung der grofsen Schiffstaue, welche zur 
Befestigung der Anker dienen, aus den Fasern der Co- 
cosnufs-Schaale, haben wir ebenfalls schon vorher ange- 
geben. Es ist dieser Fabrikzweig von sehr bedeutendem 
Umfange für diejenigen Gegenden Ostindiens, wo die gro- 
fsen Cocospalmen -Plantagen zu finden sind. Auch hier 
werden die Fasern aus der harten Fruchthülle durch Fäul- 
nifs und durch starkes Klopfen von einander geschieden, 
und später zusammengeflochten. | 

Schliefslich nenne ich noch diejenigen Pflanzen, welche 
in verschiedenen Gegenden die Stoffe zur Bereitung der 
Kleidungsstücke hergeben. Der Papier - Maulbeerbaum 
Broussonetia papyrifera) ist der bekannteste von Allen; er 
ist hauptsächlich auf den Südsee-Inseln wie auch in China 
zu Hause, und aus den Fasern seiner Rinde bereitet man 
die Zeuge. Auf den Sandwichs-Inseln habe ich Böhmeria 
albida Hook. und Neraudia melastomaefolia Gaud. zu die- 
sen Zwecken benutzen sehen; von ersterer Pflanze findet 
man daselbst grofse Plantagen. Ebenso wird die innere 
Rinde des Brodfruchtbaums, die Rinde von Aletris nervosa 
und Celtis orientalis zu solchen Zeugen benutzt. Im öst- 
lichen Asien sind es hauptsächlich die Corchorus- Arten, 
welche, ebenso wie die Hanfpflanze, zu Fasern verarbeitet 
werden, aber viel feinere Geflechte liefern. Corchorus 


476 


olitorius wird in Bengalen cultivirt, C. capsularis haupt- 
sächlich in China und auch in Indien, C. japonicus dagegen 
in Japan. Aufserdem sind verschiedene Arten der Gattun- 
gen Sida, Hibiscus und Malva, welche in Indien und auf 
den Südsee-Inseln zur Bereitung von Zeugen verwendet 
werden. 


Cultur der Indigo - Pflanzen. 


Obgleich wohl alle Arten der Gattung Indigofera den 
Indigo liefern, so wird dennoch hauptsächlich die Indigo- 
fera tinctoria zu diesem Culturzweige benutzt. In ganz 
Ostindien, wo man die bei weitem gröfste Masse dieses 
Handels-Productes gewinnt, wird nur die genannte Indigo- 
fera tinctoria gezogen, welche verhältnifsmäfsig mehr Far- 
bestoff liefern soll, als die anderen Arten. Auf den Phi- 
lippinen wird gegenwärtig eine andere, vielleicht noch 
unbestimmte Indigofera mit grofsem Erfolge angebauet, und 
in Amerika werden neben der Indigofera tinctoria ver- 
schiedene Varietäten von Indigofera Anil gezogen. 

‚Den Gebrauch des Indigo’s haben wir aus Indien ken- 
nen gelernt; Plinius und Strabo sprechen schon von dem 
schönen, blauen Farbestoffe, welchen das Indicum liefert, 
woraus das Wort Indigo entstanden ist. Indessen viele 
andere Völker der alten Welt kennen die blaufärbende 
Eigenschaft der Indigofera - Arten, ohne jemals mit Indien 
in Berührung gewesen zu sein. Vor der Entdeckung der 
Schifffahrt um das Cap der guten Hoffnung ging der ganze 
Indigo-Handel nach Europa über Aleppo. *) Später, nach 
der Entdeckung Amerika’s, ward dieser Culturzweig eben- 
falls dahin verbreitet, und gegenwärtig wird derselbe an 
aufserordentlich vielen Punkten der ganzen heifsen und 
'subarktischen Zone betrieben. Der beste Indigo wird auf 
der Westküste von Mexico, aus. der Indigofera argentea 
bereitet. Zur Verfälschung des guten Indigo’s bereitet man 


*) J. Phipps, A Series of Treatises, on the Principal Products of 
Bengal. Nro. 4. Indigo. Calcutta 1832. 


477 


den Farbestofft aus Nerium tinctorium, Isatis tinctoria, 
Galega tinetoria, Spilanthus tinctoria, Amorpha fruticosa 
“ und noch mehreren anderen Pflanzen. 

- Die Indigopflanze erfordert einen sehr guten und leich- 
ten Boden, der Ertrag des Farbestoffes ist wenigstens um 
so gröfser, je mehr diesen Anforderungen, selbst durch 
künstliche Bereitung, entsprochen wird. In Ostindien und 
überhaupt in den indischen Ländern der alten Welt, säet 
man die Pflanze vom März bis zum Mai, und die Erndte 
erfolgt dann von Juli bis zum September; es treten diese 
Perioden für verschiedene Ländereien bald früher bald spä- 
ter ein, doch richtet man sich so ein, dafs die Erndte noch 
vor Eintritt der Regenzeit erfolgen kann, daher man in 
vielen Gegenden schon im November und December die 
Saatzeit beginnt. 

Zur Bereitung des Indigo’s wird die ganze ausgewach- 
sene Pflanze benutzt, und man sondert den Farbestoff die- 
ser Pflanze aus seiner Umgebung durch eine gelinde Gäh- 
rung. Zu diesem Zwecke wird die Indigopflanze zur Zeit 
der Blüthe gemäht und in grofse Gefäfse mit Wasser ge- 
than, wo sie in Gährung übergeht; hiedurch wird, nach 
mehrmaliger starker Umrührung, aller Farbestoff von dem 
Wasser aufgenommen, welches dann in andere Gefäfse 
abgegossen wird, wo sich der Farbestoff als ein Präcipitat 
zu Boden setzt. Der Indigo ist keinesweges ein Product 
der Gährung, sondern er existirt schon vollkommen gebil- 
det in der Pflanze, verbunden mit schleimigen, harzigen 
und verschiedenen holzigen Theilen, deren Trennung die 
wahre Kunst des Indigo-Fabrikanten ist; er ist Anfang’s 
gelb und wird erst durch Berührung mit der Luft blau. 
Später dampft man die Feuchtigkeit von dem Sedimente 
durch Kochen ab, was man so lange fortsetzt, bis die 
Masse nicht mehr schäumt. Die auf diese Weise erhaltene 
Masse bringt man in hölzerne Formen und prefst sie in 
solche Stücke zusammen, wie sie in den Handel kommen, 
worauf man diese Stücke noch vollkommen austrockenen 
läfst und sie zuletzt verpacket. 


478 - 


Man kann sich ungefähr eine Vorstellung von dem 
enormen Umfange dieses so wichtigen Culturzweiges machen, 
wenn man erfährt, dafs sich die Einfuhr des Indigo’s, ganz 
allein aus englischen Colonieen, nach England über mehr 
als 6% Million Pfunde beläuft, wovon über 2,000000 Pfund 
in England selbst verbraucht werden, wärend die übrigen 
4,000000 nach dem Continente gehen. Die Durchschnitts- 
Preise dieses Indigo’s sind, je nach der Güte der Waare, 
von 1 bis 34 Thlr. für das Pfund. 

Ueberdies ist die Ausfuhr des Indigo’s aus den frühe- 
ren ‚spanischen Besitzungen Amerika’s, so wie aus den 
südlichen Provinzen von Nordamerika und aus den Be- 
sitzungen der Holländer, Spanier und Portugiesen in Indien 
äufserst bedeutend. Von Manila allein wurden, in den letz- 
teren Jahren, durchschnittlich über eine Million Pfunde 
ausgeführt, *), so dafs, hätte man die Data für sämmtliche 
Production dieses Artikels gesammelt, wahrscheinlich mehr 
als 9—10 Millionen Pfunde hievon jährlich in den Welt- 
handel kommen. 

Von der Bereitung des Farbestoffes aus der Indigo- 
Pflanze bei den Negern am Senegal, giebt uns Adanson 
eine sehr interessante Beschreibung. Die Neger pflücken 
nämlich die Blätter der Pflanze und stofsen dieselben in 
Mörsern zu Brei, welchen sie darauf in Klumpen zusam- 
mendrücken und sodann trockenen lassen. Beim Gebrauche 
zum Färben, lassen sie dann von dieser Paste etwas in 
einer Lauge zergehen, welche aus der Asche von Sesuvium 


Portulacastrum L. bereitet ist, und worauf die Lösung so- _ E 


gleich ihre blaue Farbe annimmt. 


”) $. Meyen’s Reise, Theil I. pag. 276. 


Gedruckt bei den Gebr. Unger. 


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