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Estate of
Dr. Herman Knoche
California Academy of
Sciences Library
By action of the Board of Trustees of the
Leland Stanford Junior University on June
14, 1974, this book has been placed
on deposit with the
California Academy of Sciences Library.
Digitized by the Internet Archive
in 2012 with funding from
California Academy of Sciences Library
http://www.archive.org/details/grundrissderpfla00meye
Grundrıss
der
Pflanzengeographie
ausführlichen Untersuchungen
uber
das Vaterland, den Anbau und den Nutzen der
vorzüglichsten Culturpflanzen ,
welche den Wohlstand der Völker begründen,
von
F.J.F. Meyen, .
der Philosophie, der Medizin und der Chirurgie Doctor, und aufserordentl.
Professor an der Königl. Friedrich Wilhelms - Universisät zu Berlin.
Mutzeıiner'tafel
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Berlin, 1836.
Haude und Spenersche Buchhandlung.
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(S. J. Joseephy.)
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Dem
Königlichen Preufsischen wirklichen Geheimen Staats - Minister
und Minister der Geistlichen-, Unterrichts - und der Medizinal-
Angelegenheiten, Ritter des schwarzen Adler - Ordens und des
eisernen Kreuzes, etc. etc. etc.
Herrn Freiherrn
von Stein zum Altenstein
Excellenz
in tiefster Ehrfurcht gewidmet.
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Inhalts - Anzeige.
tung in die Pflanzengeographie ö
Hauptsächlichste Litteratur für die Pflanzengeographie
Erste Abtheilung.
Ueber die climatischen Verhältnisse, welche
das Vorkommen und die Verbreitung der
Pflanzen bedingen
Einflufs der Winde und der odomelenre es de re-
gelmäfsige Vertheilung der Wärme und der dadurch
bedingten Vegetation
Ueber den täglichen Gang der Wäre
Erklärung der grofsen Verschiedenheit zw is &hien Kisten!
und Continental -Clima, und der daraus hervorgehen-
den Verschiedenheit in der Vegetation
Ueber die mittlere Wärme eines Ortes und a Bi
flufs auf das Vorhandensein der Vegetation
Bedeutung der Isothermen, der Isotheren und der Iscchiz
menen für die Pflanzengeographie \
Parallelismus zwischen der Abnahme der Wärme an ur
Veränderung der Vegetation von dem Aequator bis zu
den Polargegenden, verglichen mit derjenigen, aus der
Ebene in den Tropen, bis zu den Gipfeln der Gebirge
Ueber die Höhe der Vegetationsgrenze in.den verschiede-
nen Breiten derErde, welche im Allgemeinen mit der
Höhe der ewigen Schneegrenze zusammenfällt .
Die Wärme des Bodens wird ebenfalls als einflufsreich
auf die Vegetation angesehen 3
Ueber den Einflufs der Wärme, welche im Pebhlinge die
Entwickelung der Blätter und Blüthen bedingt . :
Einflufs der Feuchtigkeit der Luft und der Erde auf das
Vorhandensein der Vegetation
Ueber die Wirkung der Strömungen in der Luft und im
Wasser auf die Verbreitung der Pflanzen durch Wan-
derung
Seite
1
-
‘
30
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40
41
45
47
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Zweite Abtheilung.
Von den Verhältnissen, durch welche der Bo-
den auf das Vorkommen und auf die Verbrei-
tung der Pflanzen einwirkt
Schwierige Erklärung der Ursachen, w Gute sit: Verhält
| nisse des Bodens auf des Vorkommen der Pflanzen ein-
wirken
Betrachtung des Vor ne der Pflanzen in ihren ver-
schiedenen Lokalverhältnissen . :
4) Wasserpflanzen . $ .
Meerespflanzen . ; ;
Süfswasser -Pflanzen.
Unter-Wasser- Pflanzen .
Ober - Wasser - Pflanzen
Seepflanzen
Grabenpflanzen .
Flufspflanzen
Quellenpflanzen
Salzpflanzen
Amphibische und uberschwenmie Pflanzen }
Strandpflanzen und Uferpflanzen . s ee
Mangrove- Waldungen : 5 ; » 5 ;
2) Landpflanzen. ; i ;
- Einflufs des Bodens in a seiner geosno-
stischen Zusammensetzung . ; «
Sand- und Kiesel-Pflanzen
Kalk-Pflanzen — Gips -Pflanzen — Tor Pflanzen
Bruch-Pflanzen — Sumpf- Pflanzen
Einflufs des Bodens in Hinsicht seines Ageressr
Zustandes.
Felsen-Pflanzen — Geschiebe-Pflanzen — Sand- Pflanzen
Schutt-Pflanzen
Einflufs des Bodens af 1% or den;
Pflanzenin Hinsicht seiner Natur. e
I. Vorkommen der Pflanzen auf anderen lebenden Pflanzen
Wahre Parasiten
Parasiten im Alldeiieisen
Uneigentliche Parasiten
Blatt-Pilze oder Exantheme der Pflanzen
II. Vorkommen der Pflanzen auf todten organischen Stoffen
IN. Vorkommen der Pflanzen auf Kunst-Produkten.
Mauer - Pflanzen
Dach -Pflanzen .
Seite
67
70
70
1
VII
Bretter-Pflanzen, Schutt- und Geröll-Pflanzen
Einflufs des Bodens in Hinsicht seines Cultur-
Zustandes.
I. Pflanzen auf angebauetem Boden ;
Feld-Pflanzen — Bruch-Pflanzen — Garten - Pilänzen:
Garten- Unkräuter — Stein-Pflanzen — Zaun-Pilanzen
1. Pflanzen auf unangebauetem Boden
Feld-Pflanzen — Wüsten -Pflanzen
Wiesen - Pflanzen
Waide -Pflanzen
Heide - Pflanzen
Berg -Pflanzen .
Gesträuch-Pflanzen .
Wald-Pflanzen .
Ueber das gesellschaftliche Wachsen der Pflanzen
Begriffs-Bestimmungenüber das Vorkommen und
‘ die Verbreitung der Pflanzen ’
Das Vorkommen der Pflanzen
Die Verbreitung der Pflanzen .
Breiten-Zone der Pflanzen
Höhen-Zone oder Regionen der Pflanzen ö
Polar- und Aequatorial-Grenze des Vorkommens der Piaven
Längen-Zone der Pflanzen
Unterbrochenes und ae Areal der Pflanzen i
Natürliches und künstliches Areal der Pflanzen 5
Gröfse oder Ausdehnung des Nele: Bezirkes der
Pflanzen
Recapitulation über De de lan enreogeaplue
Dritte Abtheilung.
Ueber die Vertheilung der Gewächse auf der
Oberfläche der Erde, mit besonderer Rück-
sicht auf die Physiognomie der Natur . .
Allgemeine Betrachtungen über die Vertheilung der Pflanzen
1. Die Physiognomik der Vegetation ,
A, Specielle Betrachtung der Hauptformen der
Gewächse in Hinsicht ihrer verschiedenen
Physiognomie ‘ |
1) Die Gräser und grasartigen Gew ächse
2) Die Scitamineen .
a) Bananen -Form ,
3) Die Pandanen-Form
VIH
4) Die Ananas.- artigen Gewächse .
5) Die Agaven-Form
6) Die Palmen
b) Die Cycadeen .
7) Die Farm }
8) Die Mimosen-Form
9) Die Nadelhölzer
40) Die Proteen, Eriken und Epakriden,
41) Die Myrten-Form
42) Die Form der Done
a) Laubhölzer mit zarten Blättern
b) Laubhölzer mit pergamentartigen, glänzenden Blättern 165
c) Weidenform 165
d) Laubhölzer mit grolsen een Ba 166
43) Die Cactus-Form ; MT
44) Die fleischigen Gewächse , 4176
45) Die Lilien- Gewächse ; 477
16) Die Lianen oder Schliriepflänzen ‚ e ® ; 178
17) Die Pothos -Gewächse 151
48) Die Orchideen 182
19) Die Moose . a 183
20) Die.Mlechten ! +, ;", . 183
B. Allgemeine Prise geh Einthei-
lung der Erdoberfläche nach der Physiogno- .
mie der Vegetation ‘. , a
Allgemeine Bemerkungen zu diesem Abschnitte . 185
a) Darstellung der Physiognomie der Vegeta-
tion nach den verschiedenen Zonen . 189
4) Schilderung der Vegetation in der Aequatorial-Zone 190
2) Schilderung der Vegetation in der tropischen Zone s. 201
3) Schilderung der Vegetation in der subtropischen Zone . 206
4) Schilderung der Vegetation in dem wärmeren Theile der
temperirten Zone . en 2 ARE
5) Schilderung der Vegetation in dem kälteren Theile der
temperirten Zone : > Ä : : 232
6) Schilderung der Verelalion. in der subarktischen Zone 245
7) Schilderung der Vegetation in der arktischen Zone 252
8) Schilderung der Vegetation in der Polar-Zone |
b) Darstellung der Physiognomie der Vegeta-
‚tion nach den Regionen . 261
4) Region der Palmen und Bananen . . 2.2.0.2. 268
2) Region der Baum-Farrn und Feigen 47270
3) Region der Myrten- und Lorbeer-artigen Gewächse . 273
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461
163
165
4) egion der immergrünen Laubhölzer ' 3.
5) Region der Eichen und der europäischen Laubhölzer .
6) Region der Nadelhölzer , KEN LOHN Kuhn. 2 20200 Pe
7) Region der Alpenrosen j { : } 3 i .
Brhkesion.der Alpenkräuter „. ",. .. 0 Ve 44 £
U. Die Statistik der Gewächse ., i } - i
Ueber die Anzahl der vorhandenen Pflanzenarten e 5
Die Vegetation der Inseln scheint nicht ärmer an Pflanzen-
arten zu sein, als verhältnissmäfsig gleich gebildete
Ländermassen der Continente . R . ART a
Die Vegetation wird, nicht nur an Artenzahl sondern auch
an Individuenzahl, mit zunehmender Annäherung zum
Aedquator immer reicher . > . , . \ s
Die Natur bringt unter ähnlichen Verhältnissen stets ähnli-
che oder vollkommen gleiche Geschöpfe hervor . L
Die Natur erzeugt noch gegenwärtigsowohl niedere Gewächse
als auch niedere Thiere ohne Saamen , ; } .
Allgemeine Regeln über die Art, wie die statistischen Be-
rechnungen der Floren einzelner Länder anzustellen sind
Ueber das Verhältnifs der Cryptogamen zu den Phaneroga-
men, sınd gegenwärtig noch keine Gesetze zu entwik-
keln, da das Material dazu noch viel zu unvollkommen ist
Statistische Verhältnisse der Farrnkräuter . : ’ &
Zahlen - Verhältnisse der Monocotyledonen zu den Dicotyle-
donen für verschiedene Zonen und für verschiedene Re-
gionen : : - ; ; : : : s i
Betrachtungen der statistischen Verhältnisse verschiedener
Ben von Khanzen ©. u. nen
Die statistischen Berechnungen der Floren eines Landes
müssen einzeln, für die verschiedenen Regionen ange-
legt werden, welche man in demselben unterscheiden kann
An lea nn D.
Die Geschichte der Culturpflanzen, enthaltend Untersuchun-
gen über das Vaterland, die Verbreitung, den Anbau
und den Nutzen der vorzüglichsten Cultur - Pflanzen,
welche sowohl zur Nahrung, als zur Bequemlichkeit,
zum- Luxus und zum Handel der Völker dienen und de-
ren Wohlstand begründen,
Die Cultur der Getreid&e-Arten . : ; : ;
Der Weitzen , ., BE a EN \ i
Der Spelz, Gerste, Roggen und Hafer , 5 A ; Ä
Benleeis et nm N, RE Mr u
Seite
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312
345
347
Der Mays ’ ; unEoke . re . .
Die Hirse- Arten 5 R A a 2 r fi > N
Die Quinoa R : A . x P . . R 4
Der Buchweitzen
Die Cultur der vorzüglichsten Knollen-Wurzeln.
Die Kartoffel . : A ; A > > y
Die Arum- oder Arons- Wurzel . } - A . P
Die Marioc - oder: Mandioca-Pflanze . A s A 2
Die Batate oder Camote s s £ 4 ° / .
Die Igename oder Yam’s- Wurzel
Die Oca, die Tacca, die Knollen von Sagittaria und Dra-
contium
Die Cultur der hauptsächlichsten Baumfrüchte,
welche zur allgemeinen Nahrung der Völker
dienen;
Der Brodbaum % £ : . . . - .
Der Pisang oder die Banane, u.
Der Oelbaum . R H 5 x R R A .
Die Cocos-Palme ., n y n R & . .
Die Dattel-Palme . : A e & s .
Die Chilenische Palme . , R Ä
Die Mauritius - Palme s 5 >
Die Sagu- Palme s .
Die Guineische Oel- Palme =
Die Wein-Palme . . . .
Die Wassernufs ” . . . -
Die Kastanie .
Efsbare Eicheln und "efsbare Pinienkörner
Araucarien - Mandeln u. s, w. . X 5 Pi
Brasilianische Kastanien ,
Die hauptsächlichsten Culturpflanzen, welche
o: 0 me ar 8
era rTet ae
.
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mehr oder weniger zum Luxus benutzt wer- |
den.
Die Areca-Palme . & x 2 . R a s .
Der Bet-' Pfeffer , R R 3 x Ä E H
Catechv . R e R 2 % x s 4 3
Gambir-. tract : s : : A s R E
Die Opium -Cultur . , - Rene . ; .
Der Tabak 5 ; j £ x R . : : Ä
Die Coca . £ € ö : ; $ a 2 h r
Der Weinstock R 2 s ö R : 2 : 7
Die Maguey - Pflanze 3
Das Zuckerrohr K ; E : A R F s x
Der Kaffee- Baum
Der Chinesische Thee
Die Pfeffer - Pflanze ,
Ueber einige der hauptsächlichsten Pflanzen,
deren Fasern und Wolle zur Bereitung von
Zeugen und anderen, dem Menschen unent-
behrlichen Materialien benutzt werden.
Die Baumwollen - Pflanze i : { . ; : .
Die verschiedenen Hanf- Pflanzen . . : 5 . .
Die Cultur der Indigo - Pflanzen
EEE NEE e Ten
Die Natur. zeigt unter allen Zonen der Erde ihre ei-
genthümlichen Schönheiten, möge es sein auf den para-
diesischen Inseln der Südsee, in den reizenden Thälern
wasserreicher Gebirge, in dem kühlen Schatten der nordi-
schen Eiche, oder möge es sein auf den’ pittoresken Eis-
bergen hoher Gebirge, wie im Inneren der lybischen Wüste.
Zu ‘dem gewöhnlichen Menschen schweigt die Natur, ihm
entgeht die reiche Quelle herrlicher Genüsse, welche uns
ergötzt und aufzuheitern vermag, selbst wenn wir von
den härtesten ‚Schlägen des Schieksal’s getroffen sind.
"Aber fragen wir uns,'was’c$ denn eigentlich ist, wo-
durch die Natur ‘zu’ uns’ spricht,‘ so werden wir’ finden,
dafs es einmal’ die gesammte Gestalt’der Erdoberfläche ist,
dafs es hauptsächlich aber die lebende Decke derselben ist,
nämlich die Vegetation, welche so tiefe Eindrücke auf
unser. 'Gemüth macht ; ihre‘ Fülle;®‘oder ihr Mangel be-
stimmen uns.’ Wo die Vegetation‘fehlt, ’da ist die Natur
todt, mag sie: imponiren durch riesenhafte Masse, ‘durch
Grausen 'erregende Einöden, oder durch das Toben ‘rau-
schender Wasserfälle; nichts ist da, ‘was zum Gemüthe
spricht, oder den Geist 'ergötzt.
"Die ‘Vegetation ist es, welche den Naturcharacter
einer ‚Gegend bestimmt und durch‘ sie werden die Ver-
hältnisse bedingt, welche die Menschen in verschiedenartige
Gesellschaften zusammenführen, so dafs dieselben bald ein
Nomadenleben führen, bald mehr oder weniger die seg-
nenden Einflüsse des Ackerbaues geniessen. Wo hingegen
die vegetabilische Decke der Erdoberfläche fehlt, da, wo
der Mensch mehr oder weniger ganz auf. thierische Nah-
1
4
Aequator nähert, und nimmt ab, je weiter man sich davon
entfernt. Lappland hat 500 Phanerogamen und 600 Cryp-
togamen, wärend Dänemark, welches kleiner, aber südli-
cher gelegen ist, schon 1034 Phanerogamen und 2000
eryptogamische Gewächse aufzuweisen hat. Nach De Can-
dolle hat Frankreich schon 3500 Phanerogamen und 2300
Cryptogamen aufzuzählen, neuerlichst sind aber, blofs aus
Ostindien, durch die Herbarien der Englisch -ostindischen
Compagnie mehr als 6000 Phanerogamen bekannt geworden,
obgleich es ganz wahrscheinlich ist, dafs noch mehr als
die doppelte Anzahl von Pflanzen-Arten. diesem Lande
zugehörig ist. Ganz Europa hat dagegen, obgleich es so
bedeutend gröfser ist, als Ostindien, nur etwas über 7000
Phanerogamen aufzuweisen. 3
Es wäre höchst interessant und für die Pfanzen-Geo-
graphie schon jetzt von der höchsten Wichtigkeit, die Ge-
sammtzahl der Pflanzen- Arten zu kennen, welche die ganze
Erde bevölkern. Schon seit vielen Jahren hat man Ver-
muthungen und Berechnungen über diesen Gegenstand
aufgestellt, welche aber, durch die Entdeckungen neuerer
Reisenden, als ungenügend erwiesen worden sind. Zu der
Zeit als Linnee starb, kannte, man 8000 Pflanzen- Arten,
und: gegenwärtig möchten deren mehr als 66000 Arten
beschrieben sein. Die Zahl der noch unbeschriebenen, in
den Herbarien der versehiedenen Nationen sich gegenwär-
tig befindenden Pflanzen, möchte sich ebenfalls noch auf
viele Tausende belaufen, so dafs die Summe der, bis jetzt
aufgefundenen Pflanzen vielleicht schon an 80000 Arten
reicht. . Bedenken wir aber, welche unermefsliche Länder-
massen, sowohl in Amerika, als in Asien, in Australien
und auf den Südsee-Inseln noch gänzlich: undurchsucht
sind; denken wir an das grofse Afrika, welches, ausge-
nommen einige, gänzlich, unfruchtbare Sandwüsten, viel-
leicht eben so reich an mannigfaltigen Pflanzen - Arten. ist,
wie dieses von Asien und Europa bekannt ist, so werden
wir die Zahl der, schon bekannten Pflanzen wenigstens
verdoppeln können, so dafs wir die Summe von. 160000
5
Arten erhalten. Aufserdem ist es bekannt, dafs viele neuere
Reisende, welche längst durchsuchte Länder durchforscht
haben, eine so grofse Masse von neuen Pflanzen mitge-
bracht haben, dafs man darüber erstaunt und dadurch be-
rechtigt wird, jene, schon vorhin erhaltene Summe von
160000 Arten, noch wenigstens um den vierten Theil zu
vergröfsern, und demnach wenigstens 200000 Pflanzen-Arten
als eine Zahl anzunehmen, welche sich. vielleicht einiger-
mafsen der Wahrheit näheren möchte. Wird erst das In-
nere Afrika’s aufgeschlossen sein, und wird einst die Ge-
birgsmasse Australien’s durchsucht sein, dann werden noch
viele der wichtigsten Momente der Pflanzen-Geographie
an Klarheit gewinnen.
"Wandern wir nun durch diese an Vielfältigkeit so un-
ermefsliche Menge von Pflanzen, so werden" wir alsbald
finden, ‘dafs die Natur; unter ähnlichen elimatischen Ver-
hältnissen immer ähnliche, ja oftmals eben dieselben For-
. men erzeugt hat. Die Naturforscher Banks und Solander,
so wie die beiden. Forster's und Sparmann, welche die
beiden Weltumsegelungen unter Cook begleiteten, waren
nicht wenig erstaunt, als sie in der Gegend. des Cap
Horn’s eine Vegetation fanden, welche‘ derjenigen unserer
nordischen Zone ähnlich war. Durchziehen wir die Pflan-
zendecke der Ebenen von dem;hohen Norden an, bis zur
heifsesten Zone der Erde, so werden wir, mit veränderter
Breite, eine stete Veränderung in der Physiognomie der
Vegetation beobachten und: eben dieselbe Reihe von. Ver-
änderungen, oft nur mehr oder weniger deutlich. zu er-
kennen, werden wir wiederfinden, wenn wir in jenen hei-
fsen Zonen, aus der Ebene des Meeres auf die Gipfel der
höchsten Berge steigen, welche dort so oft über die Grenze
des ewigen Schnee’s hinausragen. Hier wird man in einer
kurzen Zeit alle die Climate durchwanderen, welche denen
des heifsen Afrika’s, denen der schönen Länder unsers
südlichen Eüropa’s und denen des eisigen Spitzbergens
entsprechen; und in eben demselben Grade, wie sich auf
diesen Bergen mit zunehmender Höhe die Veränderungen
6
des Clima’s darstellen, in eben demselben Mafse verändert
sich ebenfalls die Vegetation. Von den prachtvollen Pal-
men und der nahrhaften Banane ist, auf einer Höhe von
7- und 8000 Fufs, nichts mehr zu finden, aber in der
Nähe des ewigen Schnee’s jener Gebirge wird man Gräser,
Cyperoiden, Cruciferen, Gentianen und andere Pflänzchen
finden, welche den Formen unseres nördlichen Europa’s
ganz ähnlich sind.
Forschen wir nun genauer nach den Ursachen, welche
solche eigenthümliche Vertheilungen der Pflanzen veran-
lassen können, so werden wir finden, dafs es bald solche
sind, welche unsern Beobachtungen wahrnehmbar erschei-
nen, bald aber auch solche, welche von den geheimsten
Gesetzen der Natur abhängen, deren Wirken wir wohl
verfolgen können, aber keineswegs erklären werden. Wenn
eine Pflanze heifser Gegenden auch in unserem Lande
trefllich wächst, sobald derselben in Treibhäusern ein ähn-
liches Clima, wie dasjenige in den heifsen Gegenden dar-
geboten wird, so haben wir allerdings die nächste Ursache
gefunden, warum diese Pflanze nur in den heifsen Gegen-
den und nicht auch in der Nähe der Pole wachsen kann.
Nehmen wir Sumpfpflanzen aus ihrem natürlichen Stand-
orte und verpflanzen sie in unsere Gärten, so sehen wir,
dafs sie daselbst nur dann gedeihen, wenn siein einen ähn-
lichen Sumpfboden gepflanzt werden, als derjenige ist,
in welchen sie von Natur aus angewiesen waren. Andere
Pflanzen, welche von der Natur im tiefen Schatten zu
wachsen angewiesen sind, leben auch in unseren Gärten
in gröfster Ueppigkeit, sobald ihnen ähnliche Standorte
zuertheilt werden. Unerklärlich bleiben uns aber die Ge-
setze der Natur, nach welchen gewisse Pflanzen nur in
heifsen Gegenden, andere nur im kühlen Schatten und
noch andere nur im sumpfigten Boden wachsen können;
sie bleiben uns eben so unerklärbar wie die Ursachen,
nach welchen die verschiedenen Pflanzen-Gruppen in ver-
schiedenen Gegenden der Erde vorherrschen, und oft nur
auf kleine und sehr bestimmte Bezirke beschränkt sind.
7
Wir sehen z. B. die vielgestalteten Gactus-Pfanzen im
wärmeren Theile der temperirten und in der tropischen
Zone Amerika’s vorkommen, wir sehen aber auch, dafs
diese Gewächse daselbst auf die hohen Gebirge steigen,
und dort in einem Clima vegetiren, welches der Alpen-
Region in unserem Lappland gleichkommt, obgleich hier
kein einziges Individuum jener sonderbaren Pflanzenform
vorkommt.
Schon aus den wenigen, so eben angeführten Angaben
kann man auf die vielfach verschiedenen Ursachen schlie-
fsen, welche noch, aufser den climatischen Verhältnissen,
auf das Vorkommen und auf die Verbreitung der Pflanze
Einflufs ausüben, und es wird demnach die Lehre von
der geographischen Verbreitung der Pflanzen in verschie-
dene Theile zerfallen’ müssen, worin alle jene Verhältnisse,
zur leichtern Auffassung, »ach einer gewissen Ordnung
näher erörtert werden, wie es der folgende Inhalt des Bu-
ches zeigen wird.
Die hauptsächlichsten Schriften, welche über die Geo-
graphie der Pflanzen erschienen sind, möchten folgende sein:
Alexander de Humboldt, Essai sur la Geogra-
phie des plantes, accompagne d’un tableau physique des
regions equinoxiales. Paris 1805. A4to.
Alexander von Humboldt und A. Bonpland,
Ideen zu einer Geographie der Pflanzen, nebst einem Na-
turgemälde der Tropen - Länder. Tübingen 1807. 4to.
(Eine deutsche Bearbeitung des vorigen Werkes mit eini-
gen Veränderungen.)
A. v. Humboldt, Ansichten der Natur. Ater Band.
Tübingen 1808. 12mo.
Neue Ausgabe in 2 Bändchen. Tübingen 1826.
G. Wahlenberg, Flora lapponica. Berolini 1812. 8vo.
Dessen Tentamen de Vegetatione et Climate in Hel-
vetia septentrionali. Turici 1813. 8vo.
Dessen Flora Carpathorum principalium. Göttingae
1814. 8vo.
1
8
R. Brown, Generäl Remarks on the botany of Terra
australis. London 1814. Appendix to Flinders Voyage
to terra australis. — Deutsch erschienen in R. Brown’s
vermischten Shriften. Herausgegeben von Nees von Esen-
beck. iter Theil. Leipzig 1825. | |
Alexander von Humboldt, De distributione geo-
graphica plantarum. Lutetiae Parisiorum 4817. 8vo. Auch
in fol. als Einleitung zu dem grofsen Prachtwerk: Nova
genera et species plantarum erschienen.
Fr. Schouw, Grundzüge einer allgemeinen Pflanzen-
geographie. Dänisch und deutsch zu. Kopenhagen und
Berlin 1823. |
C. T. Beilschmid, Pflanzengeographie nach Alex-
ander von Humboldt’s Werke über die geographische Ver-
theilung der Gewächse, mit Anmerkungen, gröfseren Bei-
lagen aus anderen pflanzengeographischen Schriften und
einem Excurse über die bei pflanzengeographischen Floren-
Vergleichungen nöthigen Riücksichten. Breslau 1831. 8vo.
Die übrigen Werke von geringerem Umfange, so wie
die einzelnen Abhandlungen, welche über verschiedene
Gegenstände der Pflanzengeographie erschienen sind, wer-
den im Verlaufe des Werks genannt werden.
Erste Abtheilung.
Ueber die climatischen Verhältnisse, welche das Vorkommen
und die Verbreitung der Pflanzen bedingen.
—
Es ist sehr leicht nachztwiisen, dafs die climatischen
Verhältnisse, vorzüglich Wärme und Feuchtigkeit der Luft
die hauptsächlichsten Ursachen sind, welche den Stand-
ort und die Verbreitung der Pflanzen bedingen; demnach
ist es, für die Lehre von der geographischen Vertheilung
der Pflanzen, von der höchsten Wichtigkeit, die Art und
Weise genau zu kennen, wodurch sich dieser Einflufs der,
oftmals höchst complieirten climatischen Verhältnisse of-
fenbart. Um zu diesem Ziele zu gelangen ist es nöthig,
dass wir uns zuerst, wenngleich auch in gröfster Kürze,
mit den Erfahrungen beschäftigen, welche 'man bis jetzt
über die Vertheilung der Wärme und der Feuchtigkeit
der Atmosphäre über den gesammten Erdkreis gesammelt
hat; diese Betrachtungen sollen keineswegs von rein me-
teorologischem Interesse sein, sondern sie sollen beständig
den Einflufs nachweisen, welchen die einzelnen meteoro-
logischen Erscheinungen auf die Vegetation ausüben.
‚Es ergiebt sich aus dem Stande der Sonne zur Erde,
dafs alle Wärme-Vertheilung eine doppelte Periode zu
durchlaufen hat, eine tägliche nämlich und eine jährliche.
Zwar werden eine Menge von Ursachen auftreten, welche,
sowohl durch Leitung, als durch Ausstrahlung und Aus-
gleichung, die bestimmte Masse von Wärme modifieiren,
welche dem Orte aus seinem Standpunkte zur Sonne zu-
kommt, doch, wie die Erfahrung lehrt, so bleiben dennoch
die Mittel dieser Wärme-Masseır constant. Wenn wir
uns von den Tropen nach den Polen wenden, so wird. die
Temperatur der Luft immer geringer werden, je mehr die
l
Ik
10
Mittagshöhe der Sonne nach den Polen zu abnimmt, und
eben so mufs es um so kälter werden, je mehr wir uns
von der Oberfläche der Erde entfernen und in das ver-
dünnte Luftmeer steigen; da die Lichtabsorption (wenn
ich mich der Kürze wegen so ausdrücken darf) in der
verdünnten Luft geringer ist, also auch die Erwärmung
derselben unbedeutender wird.
Will man den Gang der periodischen Erscheinungen
der Wärme-Vertheilung kennen lernen, so wird man die-
sen in tropischen Gegenden; leichter erkennen, als im ho-
hen Norden, denn dort gehen alle Veränderungen der Na-
tur mit gröfserer Regelmäfsigkeit vor sich.
Betrachteten wir die Erscheinung der Erwärmung der
Atmosphäre durch die Sonne im Allgemeinen, so mülste
sich eine regelmäfsige Vertheilung der Wärme von dem
Maximo in den Tropen, zu dem Minimum an den Polen
u. Ss. w. ergeben, doch dieses ist in der Wirklichkeit nicht
der Fall; zwei Umstände sind es hauptsächlich, welche
diese Abweichung von dem Gesetze veranlassen, die Winde
nämlich und die Hydrometeore. Nirgends kann man die-
sen Einflufs der Winde deutlicher sehen, als in Gegenden,
wo halbjährliche Winde oder Monzoone herrschen; wie
an der südlichen Küste von China, gerade an der Grenze
der Tropen. Zu Canton *) und Macao, wo in den Som-
mermonaten die Temperatur der Luft, selbst bei Nacht,
nur selten unter 22° Reaum. fällt; in einer Gegend, wo
Palmen wachsen, wo die Cultur des Zuckerrohr’s, des
Nelumbium speciosum, der Orangen und aller schönen
Südfrüchte statt findet, wo die Bezäunung der Gärten und
Felder unmittelbar am Ufer des Flusses, durch Pisange,
Orangen, Granaten und Myrten-Hecken gebildet wird, in
dieser Gegend fällt, mit eintretendem N.O. Monzoone, die
Temperatur bis auf einen so niedrigen Grad, dafs man
*) S. meine Bemerkungen über die climaüschen Verhältnisse des
südlichen Chinas — Nova Acta Acad. Caes. L. C. V. XVII. P. I.
p. 854.
11
Morgens, besonders nach hellen Nächten, wo die Wärme-
ausstrahlung bedeutend gewesen ist, die Blätter der Pi-
sange gebräunt und welk herabhängend sieht. Doch diese
so niedere Temperatur, welche selbst die tropischen Ge-
wächse tödtet, hält zum Glück nur wenige Stunden an;
sobald die Sonne wieder erscheint, kehrt auch die Wärme
bis zu 12 und 15° R. zurück, und oft, schon bis gegen
Mittag stehen die erfrorenen Pisange in voller Pracht,
denn die gesenkten Blätter haben. sich wieder gehoben
und selbst das schöne Grün kehrt zum Theile wieder zu-
rück. Da dieser anhaltende Nordost-Wind eine ganz be-
sonders trockne Luft herbeiführt, so pflegt der Himmel zu
dieser Zeit fast beständig wolkenlos zu sein, und nächt-
lich, wenn bei uns zu gleicher Zeit die tiefste Finsternifs
herrscht, wie im Monat November und December, dann
glänzen zu Canton die Sterne mit dem ruhigsten Lichte
und in diesen Monaten kennt man keine Niederschläge
von wässerigten Dünsten. Das neue Psychrometer zeigt
dann gewöhnlich eine Differenz von 6 und 7’ R., eine
Erscheinung, welche man bei uns nicht kennt. Diese
Trockenheit wirkt aber auch so heftig, dafs den Menschen,
welche im Freien zu thun haben, die Haut auf allen un-
bedeckten Theilen des Körpers aufspringt und das Blut
hervordringt, ganz ähnlich wie auf den Hochebenen der
Cordillere, wo man nur tief in Wolle verhüllt die Reise
gegen den Wind fortsetzen darf.
Aber die Vegetation, in jenen Gegenden von China,
zeigt jenen Einflufs des herrschenden Windes noch deut-
licher; einem Paradiese gleich, erscheint dort die üppigste
Vegetation wärend der Sommermonate, oder, wie ich lie-
ber sagen -möchte, wärend der Zeit der Regen. Welch
eine unendliche Menge von kostbaren Blumen schmücken,
in jener schönen Zeit, die Gebüsche und die niedere Ve-
getation; welch eine Menge von kostbaren Gräsern, oft
von den schönsten und seltsamsten Formen, schmücken
dann die Fluren, und Millionen von Heuschrecken und
Käfern und Baumläufern beleben diesen üppigen Teppich.
|
1
12 "E j
Wenn: aber der Nord-Ost-Monzoon weht, wenn die mitt-
lere Temperatur der Monate Juni, Juli und August, wel-
che stets über 22° R. ist, in dem Monate November auf
15° R., im December auf 13° und im Februar selbst auf
10° R. fällt, wenn dann alle Wolken am Himmel ver-
schwunden sind und in mehreren Monaten kein Tropfen
Regen zur Erde gefallen ist, dann ist dieses Paradies, ob-
gleich noch in den Tropen gelegen, wie mit einem Zau-
berschlage verschwunden. Die Felder sind kahl, die Rük-
ken der Berge sind versengt, denn die vertrocknete Pflan-
zenmasse ist verstäubt und nur der Boden ohne Spuren
von früherer Ueppigkeit ist zurückgeblieben.
Wohl sind die Contraste ganz ähnlich, welche bei
uns im nördlichen Deutschland der lachende Sommer mit
dem herben Winter darbietet, wenn Monate lang .der Bo-
den bei uns gefroren ist, welcher im Sommer mit dem
freundliehsten Grün bedeckt ist; aber das südliche China
liegt noch innerhalb, oder doch wenigstens an .den Gren-
zen des nördlichen Wendekreises, in einer Zone, welche
bei uns nur ihrer Hitze wegen so allgemein bekannt ist.
Aehnliche Fälle, wo der Wind eben so entschieden
auf die Vegetation, theils unmittelbar theils mittelbar ein-
wirkt, könnten noch in' Menge aufgeführt werden.
Der Einflufs der Hydrometeore, oder der Feuchtig-
keit der Luft im Allgemeinen, auf die Vegetation ist noch
sröfser, als derjenige der Winde; ihr Fehlen oder ihr
Vorhandensein sind die hauptsächlichsten Momente, welche
das Vorhandensein einer Vegetation bedingen. ‘Fast die
ganze Westküste von Südamerika zeichnet sich bekannt-
lich durch eine, im Verhältnisse zur Breite sehr niedere
Temperatur aus, so wie auch durch einen sehr hohen
Grad von Trockenheit der Luft. Im nördlichen Chile, in
der Küstengegend von Bolivien und im südlichen Peru
giebt es grofse Landesstrecken, wo es niemals im Jahre
regnet; unabsehbare Sandebenen giebt es daselbsi, so wie
ununterbrochene Gebirgszüge, welche auch nicht eine Spur
von lebenden Wesen aufzuweisen haben. Wenn sich aber
4 13.
der Himmel in jenen Gegenden mit Nebel bedeckt, welche
unter dem Namen der Garuas bekannt sind, die an ver-
schiedenen mehr nördlichen Gegenden von Peru fast ein
ganzes halbes Jahr hindurch anhalten, und ihre Erklärung
durch die Abkühlung in Folge der Kälte ‘des Wassers,
welches die Humboldt’s-Strömung in jenem Meere von
Süd-West nach Nord-Ost treibt, finden; dann, wenn die-
ser feuchtere Zustand ‘der Luft in jenen Ländern eintritt,
dann überziehen sich dort die kahlen und scheinbar vege-
tationslosen Wände der Küsten-Gebirge mit anmuthigem
Grün, und eine Menge der schönsten und seltensten Blu-
men erheben sich aus diesem. Doch oftmals, wie z. B. in
der Provinz Tarapaca, der südlichsten von Peru, ist schon
in.Zeit von 2 Monaten wieder Alles verschwunden, denn
hier halten sich jene Garuas nur kürzere Zeit hindurch.
Schon im Vorhergehenden habe ich bemerkt, was noch
in der Folge ganz bestimmt bewiesen werden wird, dafs
die Wärme .der Luft, in Verbindung mit Feuchtigkeit, die
hauptsächlichste Bedingung für das Vorkommen und die
Verbreitung der Pflanzen ist; demnach müssen : wır 'unsere
Untersuchungen mit der Betrachtung der Wärme -Verthei-
lung und deren. Einflufs auf die Vegetation beginnen. Wol-
len wir. die Höhe, oder den: periodischen Gang der Wärme
für irgend einen Ort kennen lernen, so müssen wir mit
den Beobachtungen! über den täglichen ‚Gang der Wärme
beginnen, und diesen ‚erhalten wir. durch stündliche Beob-
achtungen der Wärme. der Luft: vermittelst ‘des . Thermo-
meters. Die stündlichen Beobachtungen‘ werden nun, je
nach den verschiedenen Breiten und Höhen, mehr. oder
weniger grofse Verschiedenheiten unter sich zeigen; grö-
fser werden dieselben in höheren Breiten, so. wie in grö-
fseren Höhen sein, dagegen werden sie im Allgemeinen im-
mer geringer, je mehr man sich dem Aequator nähert,
wo oftmals, besonders an der Küste, oder auf offenem
Meere, eine bewunderungswürdige Gleichmäfsigkeit in den
Temperaturen des ganzen Tages herrscht: In der gro-
{sen Zahl von. Temperatur-Beobachtungen, ‚welche: ich in
14
der Beschreibung meiner Reise um die Erde bekannt ge-
macht habe, befinden sich für eine Menge von Tagen die
stündlichen Beobachtungen, welche unter sich so häufig
nicht mehr als um 1° R. differiven.
Um aber zu allgemeineren Resultaten zu gelangen,
wird es nöthig, dafs man für die ganze Summe der täg-
lichen Beobachtungen einen allgemeinen Werth sucht, und
diesen nennt man dann die Höhe der mittleren Tem-
peratur des Tages. Die Methoden, solche mittlere
Temperaturen der einzelnen Tage zu finden, sind verschie-
den; die beste ist, wenn man das Mittel der Temperaturen
aller 24 Stunden nimmt, indessen nur selten findet sich
der Beobachter in’ dem Falle, solche vollständige Beob-
achtungen veranstalten zu können.‘ Leichter kommt man
zu der mittleren ‘täglichen Temperatur, wenn man die
höchste und niedrigste Temperatur des Tages zusammen-
trägt und dann die erhaltene Summe halbirt. Das auf
diese Weise erhaltene Mittel pflegt mit dem Mittel von
allen stündlichen Beobachiungen eines Tages ziemlich ge-
nau übereinzustimmen. Z.B. die stündlichen Beobachtun-
gen, welche ich am 26. October 1830 auf offener See im
42ten und 13ten Grad nördlicher Breite angestellt habe, #)
geben eine Gesammtwärme von 521,3° R., welche mit 24,
der Zahl der Beobachtungen, dividirt, die mittlere Wärme
des Tages zu 21,72° R. giebt. Die höchste Temperatur
an jenem Tage war = 22,3° R. und die niedrigste —=
21,1° R., demnach erhält man durch die Halbirung die-
ser Summe ebenfalls 21,7° R. als Mittel, also ein Resul-
tat, welches. äufserst genau mit dem, auf dem andern
Wege erhaltenen, übereinstimmt. Weniger übereinstimmend
sind die Resultate dieser beiden Methoden bei Beobach-
tungen in hohen Breiten und im Innern der Continente.
Auf offener See fand ich, selbst noch in der Nähe von
Cap Horn, eine aufserordentliche Gleichmäfsigkeit in dem
Gange der täglichen Wärme; am 25. December z. B. be-
*) S. Meyen’s Reise um die Erde, Berlin 1834. Bad. I. p. 156.
15
obachtete ich 4,7° R. und 3,6° R. als Maximum und Mi-
nimum der Temperatur des Tages, wonach das Mittel =
4,15° R. war, wärend das Mittel aller 24 Beobachtungen
des Tages 4° R. beträgi. *)
Eine solche Gleichmäfsigkeit in dem stündlichen Gange
der Temperatur eines Tages, ist für das Clima einer Ge-
gend und für die, derselben entsprechenden Vegetation
von der gröfsten Wichtigkeit, demnach ist es zweckmäfsig,
die U-sachen zu erörtern, welche einen solchen regelmä-
fsigen Gang, durch Verminderung der Extreme, hervorzu-
rufen vermögen. Es ist eine allgemein anerkannte Erfah-
rung, dafs das Cliwa an der Meeresküste nicht so kalt
wie das eines Ortes mitten im Lande ist, wenn auch beide
Orie in einer und derselben Breite liegen; hierauf gründet
sich-der Unterschied zwischen dem sogenannten Land- und
Küsten-Clima. Die Erscheinung ist im Kurzen folgende:
Die Luft, in der Nähe des Meeres, wird wärend des Ta-
ges niemals so hoch erwärmt, als wie an einem andern
Orte gleicher Breite, aber entfernt von dem Meere. Aber
in demselben Grade, wie die Luft an der Meeresküste
wärend des Tages weniger erwärmt wird, eben so wenig
wird sie Nachts bis auf denjenigen Grad abgekühlt, wel-
cher ihm, im. Verhältnisse zur Breite, mitten im Lande
zukommen würde; die Folge hievon ist keineswegs ein
kälteres, sondern meistens ein wärmeres Clima, als es
*”) Noch viel auffallender ist bekanntlich die Gleichmäfsigkeit in
dem Gange der Temperatur des Tages, wenn man die VWVärme des
Meerwassers beobachtet; am 4. Januar 1831 (S. Meyen’s Reise I.
p- 178.) gaben die Beobachtungen des Meerwassers, bei der Um-
schiffung des Cap Horn’s, nicht mehr als 0,2° R. Differenz. Diese
so aufserordentliche Gleichmäfsigkeit der Temperatur ist jedoch nicht
überall dieselbe, sie hat ihren Grund meistens in dem Fehlen des
Sonnenscheins bei Tage. In Gegenden, wo der Himmel bei Tage
klar ist, und wo die Sonnenstrahlen den ganzen Tag hindurch auf
die Oberfläche des Wassers wirken, da wird die Differenz in den
VWVärmegraden der verschiedenen Stunden eines Tages schon viel
grölser, und sie erreicht nicht selten die Höhe eines Grades und
darüber.
16 ;
dem nahegelegenen Orte mitten’ im Lande zukommt. -Die-
ses Verschwinden. der Extreme in ‚der. täglichen. Erwär-
mung und Abkühlung vermindert auch..die grofse Differenz
zwischen den jährlichen Maximis und Minimis,. und. so
entsteht an diesen Orten ein CGlima, welches vielen Pflan-
zen wärmerer Zonen. sehr wohl. zuträglich ist. - Einige
Beispiele ‘werden das Gesagte erläuteren.‘'. Es: ist bekannt,
dafs die Myrte in: Irland ‚sehr ;wohl gedeiht, fast eben so
gut wie in ‘Portugal; wärend sie. bei. uns, obgleich: wir
mit, Irland in ‚einer. ‚Breite liegen, ‚bekanntlich im; Freien
nicht 'aushält und überhaupt mit besonderer Aufmerksam-
keit behandelt werden mufs. Eben so wächst in England
der Lorbeer, wärend ‚daselbst nur ‚selten eine Traube zur
Reife kommt, und. auch alles übrige Obst ‚sehr: mittelmä-
fsig ist; dagegen gedeiht ‚bei uns der herrliche. Wein, die
vortrefflichen: Aepfel und..Birnen, wärend der Lorbeer bei
uns nur in Gewächshäusern gezogen werden kann. Diese
Beispiele. reichen hin, um die, Wichtigkeit der verminderten
Maxima-und Minima, in.dem täglichen Gange der Wärme,
für die. Verbreitung .der Vegetation darzuthun; die Erklä-
rung; der Erschemung ist folgende: er
Ist (die «Luft, sehr . trocken und. wird ihre Durchsich-
tigkeit nur ‚durch wenige Wasserbläschen, getrübt,, so kön-
nen die,Licht- und Wärmestrahlen. mit: Leichtigkeit unge-
hindert durch, und.so: wird, sowohl die. Erwärmung bei
Tage, wie auch die Abkühlung des Nachts sehr bedeutend
sein, ‘denn. ungehindert! können Nachts; die Wärmestrahlen,
von». der ‚Oberfläche der. Erde gegen den: klaren Himmel
ausstrahlen. * Geringer 'wird aber die Differenz 'zwischen
den täglichen Extrenien der Wärme, je feuchter die Luft
ist, indem erstlich die. ee Wasserbläschen
den Durche gang der Lichtstrahlen mäfsigen oder, ‚zum : Theil
verhindern, und indem zweitens, wie Beobachtungen.es.be-
wiesen 'haben, der’ nächtliche Verlust der ‘Wärme . durch
Wärme - Ausstrahlung "auf eine eigenthümliche "Weise er-
setzt wird, Wenn ‚nämlich | durch die Erkaltung der At-
mosphäre, in Folge der Ausstrahlung der W ärme ‚der
17
Erde, die Wasserdämpfe der früher erwärmteren Luft nıe-
dergeschlagen werden, so tritt die lJatent gewordene Wärme
des Wasserdampfes an die, durch Ausstrahlung so eben
erkaltete Luft und erwärmt dieselbe wieder.
Diese geringe Differenz zwischen den Extremen der
täglichen Wärme, welche das Küsten-Clima und das so-
genannte Insel-Clima charakterisiren, findet sich in der
Atmosphäre auf offener See am allerdeutlichsten, oder
vielmehr am stärksten ausgedrückt, weil hier die Luft
sehr stark mit Wasserdämpfen angefüllt ist.
Im Vorhergehenden zeigte ich, wie man die mittlere
tägliche Temperatur, entweder aus dem Mittel sämmtlicher
Beobachtungen, oder aus den Extremen der täglichen Wärme
finden kann; ist aber der Beobachter nicht in der Lage,
eine so grofse Anzahl von Beobachtungen anzustellen,
oder liegen dergleichen Beobachtungen vor, welche nur
einigemal des Tages angestellt worden sind, so wähle man
diejenigen Zeiten zur Beobachtung, welche theils die
Maxima und Minima der täglichen Wärme geben, theils
sich diesen mehr oder weniger näheren. Im Allgemeinen
beobachtet man, kurz vor Sonnenaufgang, die niedrigste
‘ Temperatur und einige Stunden nach der gröfsten Höhe
der Sonne die höchste Temperatur des Tages.
Auch hat man gesucht die Zeiten des Tages zu be-
stimmen, in welchen die Temperatur gleich der mittleren
Temperatur des Tages ist, indessen alle Angaben der Art
nähern sich nur einigermafsen der Wahrheit, denn es ist
leicht einzusehen, dafs die verschiedene Länge des Tages
eine grofse Verschiedenheit hierin zu Stande bringt. Auch
müssen diese Zeiten für verschiedene Breiten, je nach der
verschiedenen Länge der Tages-Dauer, sehr verschieden
sein. In den nordischen Gegenden, wo in den Sommer-
Tagen die Temperatur häufig eben so hoch, wie die der
Luft in den Tropen ist, und sogar zuweilen noch höher
steigt, da mufs dieser hohe Grad von Wärme durch die
Länge des Tages erklärt werden, denn in den Tropen
dauert der Tag nur etwas über 412 Stunden. Erst gegen
2
|
15
6 Uhr geht dort die Sonne auf, wärend sie bei uns in
den Sommer- Tagen schon um 3 Uhr Morgens erscheint
und erst gegen 8 Uhr untergeht, also 5 Stunden und noch
darüber länger scheint, als ‘innerhalb der Wendekreise.
Durch diese längere Dauer des Tages mufs denn auch
die Zeit der Maxima und der Minima, demnach auch die
Zeit für die annäherende mittlere Temperatur des Tages
in verschiedenen Zonen etwas verschieden sein, und zwar
werden sich im höchsten Norden und im höchsten Süden
hierin die gröfsten Verschiedenheiten finden. So soll z. B.
in Lappland zu derjenigen Jahreszeit, in welcher die Sonne
nie über dem Horizonte sichtbar wird, gerade des Morgens
die höchste Temperatur des Tages statt finden. *)
Sind nun die mittleren Temperaturen für die einzel-
nen Tage gefunden, so kann man zur Bestimmung der
mittleren jährlichen Wärme übergehen, welche zugleich
die mittlere Wärme des Ortes ist, wo die Beobachtungen
angestellt sind.
Sehr leicht wird die mittlere Temperatur des Jahres
dadurch gefunden, dafs man das Mittel von allen täglichen
Beobachtungen nimmt, oder auch die Summe der täglichen
Mittel, dividirt durch die Zahl der Tage. In tropischen
Gegenden würden Beobachtungen von einem Jahre hinrei-
chend sein, um die mittlere Wärme eines Ortes kennen
zu lernen, denn der Gang der täglichen und monatlichen
Temperaturen ist daselbst von bewunderungswürdiger
Gleichförmigkeit; in der temperirten Zone, hauptsächlich
aber in der arktischen Zone, sind dagegen eine ganze Reihe
von Jahres-Beobachtungen nöthig, um die wahre mittlere
Wärme eines Ortes zu erhalten. In den Tropen weicht
die mittlere Temperatur eines Jahres, von der eines an-
dern Jahres, nie um einen ganzen Grad der Reaumurschen
Scala ab, dagegen differiren in Stockholm noch zehn-
Jährıge Mittel um einen ganzen Grad; nämlich die Mittel
*) Ss. Wahlenberg Flora lapponıca p. XL.
19
von zehnjährigen Beobachtungen, verglichen mit einer an-
dern Reihe von zehnjährigen Beobachtungen.
In früheren Zeiten genügte man’ sich, wenn man die
Temperatur eines Ortes in pflanzengeographischer Hinsicht
kennen lernen wollte, mit der Kenntniss der Extreme der
Wärme, d.h. mit dem höchsten Wärmegrade und mit dem
höchsten Kältegrade, welcher an einem Orte beobachtet
war. Es hat sich indessen gezeigt, dass diese Methode
sehr unzweckmäfsig ist, denn die Extreme der Temperatur
treten nur sehr selten ein und herrschen dann auch nur
kurze Zeit, so dafs sie auf diejenigen Pflanzen, welche
eine höhere oder-eine niedere Temperatur haben müssen,
noch keinen tödtlichen Einflufs äufsern, welcher erfolgen
müfste, wenn diese Temperaturen lange anhielten. Wä-
rend die Pflanzen im Winterschlafe begriffen sind, können
‚sie einen hohen Grad von Kälte ertragen; bekannt ist die
enorme Kälte in einigen Gegenden Sibiriens, wo selbst
das Quecksilber gefriert, deren Vegetation zur Sommer-
zeit aber dennoch viel herrlicher, als diejenige am Nord-
cap ist, wo solche Kälte, wie im Innern von Sibirien, nie-
mals eintritt, ja gänzlich unbekannt ist. #)
*) Hiebei kann ich zugleich die Resultate einiger Untersuchun-
gen anführen, welche die Extreme der VVärme und der Kälte an-
geben, die unsere Getreide - Arten, als Saamen nämlich, ertragen kön-
nen. Bei einer Temperatur unter dem Gefrierpunkte keimt kein
Saame mehr, und Versuche mit Getreide- Arten haben gezeigt, dafs
diese sogar nicht unter 7° Cels. (5,6° R.) keimen (nach H. Gocp-
pert's neuen Beobachtungen noch bei 3° R.). Andere Versuche,
welche den Grad der Kälte erforschen sollten, welcher im Stande
wäre die Keimkraft in den Getreide - Arten zu zerstören, haben fol- ı
gendes Resultat geliefert, dafs nämlich selbst die hohe Kälte, bei
welcher das Quecksilber gefriert, die Keimkraft der Saamen noch
nicht ersticke. Es ist wohl wahrscheinlich, dafs eine lange anhal-
tende Kälte der Art, dennoch den Saamen tödten möchte, doch die-
ses durch Versuche zu bestimmen, ist nicht leicht, da man einen so
hohen Grad von Kälte nicht so lange erhalten kann, Mit der
Wirkung der WVärme verhält es sich ganz anders, denn bei einer
Hitze von 50° Cels. keimen die Samen im WVasser nicht mehr. In
VVasserdampf tödtet erst eine Hitze von 62° C. die Keimkraft der
2*F
20
Die mittlere Wärme, welche aus dem Mittel sämmt-
licher mittleren täglichen Beobachtungen gezogen ist, giebt
nun zwar einen richtigen Begriff von der Menge der Wärme,
welche ein Ort erhält, aber keineswegs giebt sie einen
richtigen Maafsstab für die Vegetation, welche diesem
Orte zukommt. Wenn sich die Pflanze im Winterschlafe
befindet, dann hat die Temperatur der Umgebung nur ge-
ringen Einflufs auf dieselbe, wenn sie aber im Frühlinge
ihre Blätter entfaltet, wenn sie im Sommer die Blüthe
treibt und im Herbste die Früchte ausbildet, so kommt
Alles darauf an, dafs, gerade wärend dieser hauptsächli-
chen Lebensperioden der Pflanzen, ihnen derjenige Grad
von Temperatur zukommt, welcher denselben von der Na-
tur angemessen ist. Zu Enontekis in Lappland ist die
mittlere Temperatur gleich — 2,86° C., auf dem St. Gotthard
aber, im Hospitium, ist sie gleich — 1,05° C. nach zehnjähri-
gen Beobachtungen *); aber dennoch giebt es zu Enontekis
Fichten- und Birken- Wälder, wärend man sich auf dem
St. Gotthard weit über die Baumgrenze erhoben hat!
So kann man eine Pflanze südlicherer Gegenden in
mehr nördlicheren Gegenden ziehen, wo zwar harte Win-
ter aber sehr schöne Sommer sind, wenn man die Pflanze
gegen den Einflufs der Winterkälte zu schützen sucht,
und sie erst spät im Frühlinge dem Einflusse der freien
Atmosphäre aussetzt. Wir werden später, wenn wir die
Verbreitung der Weinrebe näher kennen lernen werden,
genau einsehen, wie z. B. der Weinstock, um einen sehr
guten Wein zu geben, wenigstens ‚eine fünfmonatliche
Wärme von 15° Cels. im Mittel haben mufs; haben der
September und der October, zu welcher Zeit der Wein
—
Getreide- Arten, und in trockener Luft sınd sogar 75° Cels. nöthig,
um das Keimungs- Vermögen dieser Saamen aufzuheben. Indessen
auch hiebei äufsert die, mehr oder weniger lange Ausdauer einer
hohen Temperatur ıhren auffallend verschiedenen Eindruck, denn
eine VVärme, welche 3 Tage lang anhält, zerstört schon beı 35° C.
die Keimkraft der Getreidearten. (S. Ann. dessc.nat. 1834. p. 257— 270.)
*) $S. Kämtz Meteorol, II. p. 93.
&
\ ' 21
gerade vollkommen reift, nicht ebenfalls diesen Grad der
mittleren Wärme, so bleibt der Wein sauer, und solches
Land ist zur Weincultur unpassend.
Aus dem Allen’ geht sehr deutlich hervor, dafs zur
Anwendung für pflanzengeographische Zwecke, hauptsäch-
lich die mittleren Temperaturen der verschiedenen Jahres-
zeiten und der einzelnen Monate nöthig sind, wohl aber
sind auch nebenbei die Extreme der Hitze und Kälte zu
beachten. Ueberhaupt wird sich die Ausführlichkeit die-
ser Untersuchungen, über die Temperatur- Verhältnisse ei-
nes jeden Ortes, ganz nach dem Zwecke richten, welcher
damit erreicht werden soll. Sehr speciell müssen sie sein,
wenn man nahe gelegene Orte in Hinsicht der Vegetations-
Verschiedenheit mit einander vergleichen will, allgemeiner
aber, wenn man die Vegetation grofser Hauptzonen der
Erde betrachtet.
Die Methode des Aufzeichnens der Temperatur - Cur-
ven ist in dieser Hinsicht von grofsem Werthe; hat man
die Curven verschiedener Oerter neben einander aufgetra-
gen, ganz in der Art, wie es auf beiliegender Tafel ge-
schehen ist, so wird man, schon bei dem ersten Blicke, die
Aehnlichkeit und die Verschiedenheit der Climate dieser
Oerter erkennen und auch sogleich eine Ansicht von der
Vegetation dieser Gegenden auffassen. Auf der beiliegen-
den Tafel sind z. B. zuerst die Temperatur- Curven für
d tropische, fast unter gleicher Breite liegende Orte ein-
getragen, nämlich für Canton, Macao, Calcutta, Havanna
und Hawaii (Owhyhee). Diese 5 Orte liegen fast genau
an der Grenze des nördlichen Wendekreises, daher eine
Vergleichung des Temperatur - Ganges an diesen Orten
in vieler Hinsicht sehr wichtig sein wird, ganz besonders
aber, da das Clima, an einzelnen dieser Orte, durch viel-
fach verschiedene Ursachen auffallend modifieirt wird.
Man kann. auf jener Tafel sehen, wie die Curven für
Canton, Calcutta, Macao und Havanna, wenigstens für die
Sommerzeit, fast genau zusammentreffen, wärend die Tem-
peratur von Hawaii, wo ein Insel-Clima herrscht, wärend
22
des Sommers um mehr als 2 Grade niedriger steht, da-
für aber hält daselbst eine und dieselbe Temperatur, fast
ununterbrochen 6 Monate lang an. Betrachtet man aber
die Minima der Wärme von diesen 5 daselbst aufgezeich-
neten Curven, so wird man an diesen die auffallendsten
Verschiedenheiten wahrnehmen. Die Monate Januar, Fe-
bruar und December stehen für Canton ganz aufserordent-
lich niedrig, wärend Hawaii, ein Insel-Clima repräsenti-
rend, welches eine so niedere Sommer-Temperatur zeigte,
für diese Winter- Monate gerade eine sehr hohe mittlere
Temperatur zeigt. Indessen diese grofse Abweichung der
Temperatur-Curve Canton’s von denjenigen der übrigen Oer-
ter wird sehr leicht erklärt. Canton liegt in einer Gegend,
wo, wie ich schon früher bemerkt habe, die entschieden-
sten halbjährlichen Winde herrschen, welche wir kennen;
der halbjährliche Nord-Ost-Wind, welcher daselbst in den
Wintermonaten herrscht, führt eine so kalte Luft herbei,
dafs die Temperatur im Monate Februar sehr häufig auf
4° R. und noch niedriger zu stehen kommt, ja dafs es
daselbst zuweilen auf einige Stunden lang friert. Man
bedenke, was das in einem Clima sagen will, wo Palmen
und Pisange wachsen.
Vergleichen wir aber die mittleren Temperaturen die-
ser d genannten tropischen Orte, nämlich
Caleutta mit 21° R. }
Havanna — 20,35’ R.
Hawaii — 192° R
Canton — 17,56° und Macao mit 17, STOR. %),
so werden wir sicherlich keinen richtigen Begriff von dem
Clima von Canton und Macao erhalten, wo die Sommer-
Monate Juni, Juli und August oft eine unerträgliche Hitze
aufzuweisen haben, wärend die Temperatur dieser Zeit zu
Hawaii sehr angenehm ist.
So sehen wir auch hier, dafs es die mittleren Tem-
peraturen der verschiedenen Jahreszeiten sind, welche uns
*) $S. Meyen über das Glima ım südlichen China I. c.
a a a
23
einen richtigen Begriff von dem Clima eines Ortes und
dessen Vegetation geben können; auf beiliegender Tafel
habe ich ebenfalls die mittleren Temperaturen der ver-
schiedenen Jahreszeiten jener 5, oben genannten tropischen
Orte verzeichnet, und hiebei wird man eine solche Ueber-
einstimmung in den Maximis der Wärme- Vertheilung er-
blicken, dafs es uns nicht mehr wundern darf, wie an al-
len diesen 5 Orten, bei der so grofsen Differenz in ihren
mittleren Temperaturen, dennoch eine Tropen-Vegetation
herrscht. Wie wir schon früher gesehen haben, so sind
die Felder im südlichen China, wärend der Wintermonate,
ihres Schmuckes gänzlich beraubt, denn von der üppigen
Vegetation, welche sie im Sommer bekleidet, ist meistens
keine Spur mehr vorhanden. “Die zurückgebliebenen Wur-
zeln, Zwiebeln und Saamen liegen in der Erde begraben
und halten wärend dieser Zeit einen Winterschlaf, aus
dem sie erst dann wieder erwachen, wenn im Monat März
der Nord - Ost - Wind schwindet und mit eintretendem
Süd-West-Monzoone auch die Regenzeit sich erneuert.
Die Temperatur-Curven von Berlin, Söndmör, Enon-
tekis und von der Melvilles-Insel, welche ebenfalls auf
beiliegender Tafel verzeichnet sind, geben, gleich bei dem
ersten Änblicke, ein Bild von den grofsen Differenzen zwi-
schen den Maximis und Minimis der Wärme ihres Clima’s,
welche besonders den Gegenden der arktischen Zone ei-
gen sind. Betrachten wir die Curve von Berlin, ich
habe mit Absicht den Temperatur-Gang dieses Ortes ge-
wählt,: weil uns dieser sehr bekannt ist, so finden wir
zwar eine Differenz von 20° Cels. zwischen den Maximis
und Minimis, wir sehen aber, dafs diesem Orte wenig-
stens ein dreimonatlicher Sommer von einer angenehmen
Temperatur zukommt, nämlich von 16 —18S’ C. (12,8—
14,4° R.) mittlerer Temperatur. Zu Enontekis in Lapp-
land, 16° nördlicher gelegen, ist dieser Sommer nur noch
2 Monate lang, und der Sommer auf der Melvilles - Insel
dauert sogar nur noch einen Monat, wobei die mittlere
Temperatur nicht 6° Cels. erreicht.
24
Dadurch werden die Temperatur-Curven von Berlin,
von Enontekis und von der Melvilles-Insel immer spitzer,
je weiter man nach Norden steigt. Selbst das Insel-Clima,
welches der Melvilles-Insel einigermafsen angehört, kann
hier nicht mehr gegen die furchtbare Kälte schützen, in-
dem die Luft daselbst zu trocken ist, um die Ausstrahlung
zu verhindern oder die dadurch entstehende Kälte zu
mäfsigen.
Die Temperatur-Curve von der Melvilles-Insel zeigt
zwischen dem Maximum und dem Minimum der Wärme
an 40° Cels. Differenz, und diejenige von Enontekis doch
noch 33° Cels.
Bei der Darstellung der mittleren, täglichen Wärme
aus den Horar-Beobachtungen, habe ich die Bemerkung
gemacht, dafs gewisse Stunden des Tages diejenige Wärme
zeigen, welche dem Mittel des ganzen Tages am nächsten
kommt, so dafs man, durch eine einzige Beobachtung, die
mittlere Temperatur des ganzen Tages erfahren kann.
Eben dasselbe findet bei dem Gange der jährlichen Wärme-
Vertheilung statt, denn schon die Beobachtung eines ein-
zelnen Tages zur Zeit des Herbstes, oder im Frühlinge,
könnte hinreichen, um die mittlere Temperatur des gan-
zen Jahres kennen zu lernen. Leider ist diese Methode,
sowohl für die Beobachtung der täglichen, als wie für die
der jährlichen Wärme - Vertheilung wenig anwendbar, denn
man erkennt, für den speciellen Ort, den geeigneten Tag
der Beobachtung erst dann, wenn die Temperatur des
ganzen Jahres durch eine grofse Anzahl von Beobachtun-
gen schon genau bestimmt ist; denn eine Menge von Ur-
sachen sind vorhanden, welche jedesmal diese Zeitpunkte
der richtigen Beobachtung, für den speciellen Ort, ab-
änderen.
Dieses war nöthig über den Gang der täglichen Wärme,
so wie über die Bestimmung desselben bei der jährlichen
Wärme -Vertheilung vorzutragen, und wir können jetzt
zu der Anwendung der mittleren Temperaturen für pflan-
zengeographische Zwecke übergehen.
25
Herr Alexander von Humboldt hat auch hierin dieser
Wissenschaft den Gang vorgeschrieben; er verband die-
jenigen Oerter der Erdoberfläche, welche eine gleiche
Wärme besitzen, durch Linien und nannte diese Linien
Isothermen*), also Linien von gleicher Wärme.
Da nun die mittleren. Temperaturen verschiedener Orte
sehr verschieden sind, so wird es auch sehr verschiedene
Isothermen geben, welche aber immer mit der Höhe der
mittleren Temperatur des Ortes bezeichnet werden. Wir
werden daher eine Isotherme von 0° R. oder 0° Cels., bis
zu einer von 26° Cels., und bis zu einer von — 16° Cels.
haben. Die Beobachtungen haben gezeigt, dafs diese 1so-
thermen mit den Breitenkreisen keineswegs parallel ver-
laufen, sondern sich gegen diese neigen, besonders in hö-
heren Breiten, weniger dagegen in der Nähe des Aequa-
tors, wo sie mit den Parallelkreisen, gewöhnlich Breiten-
kreise genannt, ziemlich zusammenfallen möchten.
In der nördlichen Halbkugel der Erde sind alle Ost-
küsten der Continente und der einzelnen Ländermassen
kälter, als die Westküsten gleicher Breiten, Tausende von
Beobachtungen haben dieses bestätigt, obgleich die Erklä-
rung dieser Erscheinung noch nicht ergründet ist **), und
demnach würden die Isothermen schon dadurch ein mehr-
faches Sinken und Steigen zeigen. Z. B. Irland, England
und Belgien sind Länder von gleichen Isothermen, doch
an der Ostküste von Asien kommt diese Isotherme erst
oberhalb Pecking, also in einer Breite von Neapel zum
*) von loog und YEouos.
*%) Herr Ad. v. Chamisso (Linnaea 1829 pag. 59.) erklärt die
Erscheinung sehr natürlich, obgleich die Erklärung ebenfalls nicht
auf den Grund geht und die VWVärme des Meeres erklärt. ‚Die
Meere,“ sagt H. v. Chamisso, „sind die Ausgleicher der Temperatur.
So wie die Ostwinde zwischen den VWVendekreisen beständig sind,
so sind in höheren Breiten die Westwinde vorherrschend. Sie be-
dingen den westlichen Küsten der Festlande, die sie über das wär-
mere Meer anwehen, einen milderen Winter, und hinwiederum ei-
nen strengeren den Ostküsten, die sie über das schneebedeckte käl-
tere Land erreichen,“ u. s. w.
26
Vorscheine. Canada hat eine südlichere Breite als Paris,
und dennoch zeigt es die Temperatur von Drontheim. Die-
selben Bäume, welche in New-York, bei einer Breite von
Neapel, wachsen, blühen erst mit denjenigen zu Upsala
zu gleicher Zeit.
Die Isothermen laufen indessen nicht in geraden Li-
nien, sondern in Bogen. Von der Ostküste Amerika’s
hebt sich die Isotherme auf ihrem Laufe gegen die West-
küste von Europa; tiefer, nach dem Innern des Continen-
tes hin, senkt sie sich wieder nach Süden und zwar so
schnell, dafs z. B. Schottland mit Polen in einer Isotherme,
und dafs England mit Ungarn ebenfalls in einer und dersel-
ben Isotherme liegen. Dieses Sinken findet aber wohl
nur in der Nähe der Küsten so schnell statt, und zwar
wegen des schon früher nachgewiesenen grofsen Unter-
schiedes, welcher zwischen Küsten- und Continental-Clima
gleicher Breiten herrscht; weiter. im Innern der grofsen
Continente möchte dieses wohl nicht statt finden, sondern
wahrscheinlich werden dort die Isothermen als gerade Li-
nien verlaufen, doch fehlen bis jetzt noch die Beobach-
tungen, welche nöthig sind, um dieses zu beweisen.
So wie in der alten Welt, so zeigen die Isothermen,
auch im Inneren der neuen Welt, eine und dieselbe Bie-
gung nach Süden. Gehen wir also im Innern der beiden
grofsen Continente nach dem Pole hinauf, so nimmt die
Temperatur daselbst um Vieles mehr ab, als auf den da-
zwischen liegenden Meeren. Es ist bekannt, dafs man
seit einer langen Reihe von Jahren das arktische Eismeer
zu durchfahren versucht hat. Auf dem Wege durch die
Bherings- Strafse, wo man sich stets in der Nähe der gro-
fsen Continente befindet, ist man nur wenig über 70°
N. Breite vorgedrungen; auf dem Wege, entlang der ame-
rikanischen Küste, durch die Baffın's-Bay hindurch, ist
man nur bis 77° N. Breite gekommen, auf dem Wege
aber, im offenen Meere zwischen der alten und der neuen
Welt, gerade in den Meridianen von Norwegen und.
Schweden, da fährt man mit Leichtigkeit nach Spitzber-
27
gen, woselbst man schon über 81° N. Breite vorgedrun-
gen ist.
Wir werden daraus bald erkennen, dafs nicht etwa
der Pol der kälteste Punkt der Erde ist, sondern dafs es
zwei Kälte-Pole giebt, einen nämlich im Innern eines
jeden Continents.
Wir haben aber schon früher gesehen, dafs die mitt-
leren Temperaturen des ganzen Jahres keineswegs die
Vegetation so genau bedingen, wie die mittlere Tempera-
tur der verschiedenen Jahreszeiten, und demnach ist es
noch wichtiger, diejenigen Orte kennen zu lernen, welche,
obgleich unter verschiedenen Breiten gelegen, dennoch
eine und dieselben Winter- oder Sommer -Temperaturen
aufzuweisen haben. Herr Alexander von Humboldt machte
auch hierauf zuerst aufmerksam; er nannte diejenigen Li-
nien, welche die Oerter auf der Oberfläche der Erde ver-
binden, die eine gleiche mittlere Wintertemperatur besitzen,
Isochimenen (von 6 xeıuov die Kälte), und diejenigen Li-
nien, welche Orte von gleicher mittlerer Sommerwärme
verbinden, Isotheren (von 70 J&oog die Hitze).
Die Isochimenen biegen sich im Innern. des Landes be-
deutend nach Süden; die Krümmung zeigt sich vorzüglich in
der Nähe des Atlantischen Meeres, wo die Bogen, wenn sie bei
der Küste auslaufen, eine starke Biegung nach Norden ma-
chen. So z. B. geht die Isochimene von — 5° Cels.
nördlich vom Nord-Cap (— 4°62 Cels.), läuft dann ziem-
lich parallel mit der Kette der scandinavischen Gebirge
nach Süden (Drontheim — 4°,78), geht hierauf südlich
von Upsala (— 4°,02), nördlich von Abo (— 5,38°) in
das Innere von Rufsland hinein;- hier scheint sie sich,
ebenfalls schnell nach Süden zu biegen, da Petersburg
eine Wintertemperatur von 9°,03 hat. Im Innern von
Amerika scheint sich die Isochimene noch weiter nach
Süden zu wenden, denn F. Sullivan, F. Howard und F.
Snelling, sämmtlich im 45sten Grade liegend, zeigen fol-
sende Wintertemperaturen: — 5,17, — 7,23 und — 8,99°,
also immer tiefer, je weiter man in das Innere hineingeht.
28
Doch auch hier gehen die Isochimenen wieder schnell nach
Norden, wenn wir uns, aus dem Innern des Continents,
nach der Westküste von Nordamerika begeben; so ist die
Wintertemperatur zu F. George in 46°18‘ Breite = 3,75 C.,
wärend in Washington, auf der Ostküste desselben Conti-
nents, erst unter 38° 53° N. Breite, die mittlere Winter-
Temperatur von 2,96° Cels. zu finden ist. Wärend man
sich zu Quebeck im Winter über schneidende Kälte be-
klagt, gehen die Indianer auf der Westküste unter glei-
cher Breite beständig unbekleidet.
Man hat die Wichtiskeit der Verschiedenheit des
Clima’s auf der Ost- und auf der Westküste Nordamerika’s
für die Verbreitung der Vegetation schon früh erkannt,
wenigstens weit früher, als man diese Verschiedenheit durch
thermometrische Messungen kannte. Herr Barton *) hat
schon die Bemerkung gemacht, dass die nordamerikani-
schen Pflanzen auf der Westküste stets höher hinauf ge-
hen, als auf der Ostküste; z. B. Aesculus flava wächst
östlich bis zu 36° N. Breite und westlich der Gebirgs-
kette, bis zu 42° N. Breite.
Juglans nigra östlich bis 41° und westlich bis 44°,
Gleditschia triacanthos östlich bis 38°, westlich bis 41.
Die östlichen Küstengegenden, welche die Hudsons-
bay einschliefsen, sind öde und vegetationslos, dagegen
zeigt sich auf der westlichen Küste eine ziemlich reiche
Vegetation.
Die Gleditschia triacanthos ist jetzt bei uns angepflanzt
und wächst, weit über 52° N. Breite hinaus ganz kräftig.
Z. B. im Parke von Oranienburg bei Berlin, befinden sich
zwei riesenmäfsige Bäume der Art. Dieses führt uns dar-
auf, dafs die Temperatur in Nordamerika, unter einer und
derselben Breite mit Europa, viel bedeutender niedriger ist,
worauf wir an einer andern Stelle wieder zurückkommen
werden.
Ganz entgegengesetzt dem Laufe der Isochimenen ist
die Biegung der Isotheren; sie biegen sich in der Nähe
der Küste sehr bedeutend nach Norden, je weiter wir
29
aber nach dem Inneren der Continente gehen, desto mehr
näheren sich die Isotheren den Parallelkreisen. Die Iso-
there von 18° C. berührt kaum das südliche England, er-
reicht Holland in 51° N. Breite, geht etwas südlicher von
Berlin, erreicht Moscau und scheint sich von hier gerade
nach Osten zu ziehen. Der Sommer von Paris und der
von Moscau ist sich beinahe gleich, obgleich der Winter
zu Moscau ganz furchtbar ist.
Alles was wir vorher über die Biegung der Isochime-
nen nach Süden gesagt, gilt hier theilweise über die Bie-
sung der Isotheren nach Norden, besonders in Beziehung
auf den neuen Continent. Nämlich ein Küsten-Clima hat
weniger Hitze aufzuweisen, als das Clima im Inneren der
Continente, daher hier die Isothere weiter nach Norden
hinaufsteigt.
So wie die Continente und Inseln auf der Ost- und
auf der Westküste ein verschiedenartiges Clima zeigen, so
hat man dieses auch auf der südlichen Hemisphäre beob-
achtet, doch verhält es sich hier gerade entgegengesetzt
wie in der nördlichen Hemisphäre. Hier nämlich sind die
Ostküsten kälter, als die Westküsten, dagegen sind in der
südlichen Hemisphäre gerade die Westküsten kälter als
die Ostküsten. Durch die eigenthümliche Configuration
der Continente in dieser Hemisphäre, werden sich weit
weniger Vergleichungspunkte darbieten, als wie in der
nördlichen Hemisphäre; der gröfste Uebelstand ist aber
wohl der, dafs hier nur sehr wenige Oerter genaue meteo-
rologische Beobachtungen aufzuweisen haben.
Südamerika, welches sich am tiefsten südlich herab-
zieht, zeigt ganz entschieden dieses Verhältnifs einer wär-
meren Ostküste zu der kälteren Westküste. Man hat die-
ses, verhältnifsmäfsig sehr kalte Clima der Westküste von
Südamerika häufig zu erklären gesucht und hat auch viele
sehr richtige Ursachen aufgestellt, welche eine Verminde-
rung der Wärme daselbst veranlassen können, loch die
hauptsächlichste Ursache wird wohl eben dieselbe sein,
30
welche die Ostküste in der nördlichen Hemisphäre ver-
hältnifsmäfsig kälter macht als die Westküste.
Ganz ebenso wie sich die mittleren Temperaturen von
dem Aequator nach den Polen zu vermindern, ebenso neh-
men sie in den verschiedenen Regionen der Gebirge ab,
je mehr man sich von der Ebene aus entfernt, so dafs
man zuletzt an die Eisregionen gelangt, wo der ewige Schnee
und Eis aller Vegetation im Wege steht. Am auffallend-
sten und am regelmäfsigsten zeigt sich diese Temperatur-
Abnahme, wenn man mittelst eines Luftballons in gerader
Linie aufsteigt. Herr Gay-Lussac machte am 16. Septem-
ber 1805 eine solche Luftfahrt zu Paris; er stieg bis zur
Höhe von 21480 Fufs, wo die Temperatur der Luft bis
auf 7,6° R. fiel, wärend sie auf der Oberfläche der Erde,
gerade zu derselben Zeit, 22,2° war. Wenn man einen
hohen Berg besteigt, wird man ebenfalls eine solche all-
mäliche Abnahme der Temperatur bemerken, und mit ihr
zugleich die auffallendsten Verschiedenheiten in Bezug auf
die Vegetation. Man wird bemerken, wie am Fufse des
Berges alle die Pflanzen der Ebene der Gegend vorkom-
men, wie alsdann die eine oder die andere dieser Pflanzen
schwindet, wie dann die Bäume bis zu einer gewissen Grenze
hinaufsteigen, wo die strauchartige Vegetation vorherrscht,
welche endlich, je höher man steigt, durch blofse krauiar-
tige Gewächse und zuletzt vielleicht noch durch einige
Flechten u. s. w. begrenzt wird.
Der Reisende, welcher nördlich gelegene Gegenden
besucht hat, wird, bei dem Besteigen hoher Berge in süd-
lichen Gegenden, sehr bald in Regionen eintreffen, in deren
Vegetation er die Pflanzendecke nordischer Gegenden wie-
dererkennt. An der Grenze des ewigen Schnee’s jener
Gebirge wird er nur wenige Pflanzen - Formen der ark-
tischen Zonen vermissen, ja oft genau ein und dieselben
Arten finden, welche in der Ebene dieser ganzen Breite,
von jenen arktischen Regionen an, bis zu dem Gipfel der
Gebirge nicht vorkommen. “Als ich vor einer Reihe von
Jahren die Schweiz "bereiste, und in die hochgelegenen
31
Thalgegenden zwischen dem Züricher und Zuger See kam,
da wurde ich nicht wenig überrascht und dabei auf das
angenehmste erfreut, als ich eine herrliche Wiese erblickte,
welche alle die schönsten Pflanzen Litthauens aufzuweisen
hatte, die meinem Gedächtnisse, durch die ersten botani-
schen Wanderungen, noch so lebhaft eingeprägt waren, und
die ich, neben andern, seit einer langen Reihe von Jahren
nicht wiedergesehen hatte.
Die Freude ist unaussprechlich und nur ein Botaniker
kann dielbe ganz empfinden, wenn man, aus nordischen
Gegenden kommend, die hohen Gebirge südlicherer Gegen-
den besteigt, und die eine bekannte Pflanze nach der an-
dern wiederfindet; schon in den Gebirgen der Schweiz ist
diese Freude grofs, aber um wie viel gröfser ist dieselbe,
wenn man, weit entfernt von der Heimath, auf den Gebir-
gen der südlichen Halbkugel umherwandert. Der Anblick
einer kleinen Gentiana, unserer Gentiana uliginosa und der
G. nivalis aufserordentlich ähnlich, auf einer Höhe von 14-
bis 15000 Fufs, wie in der Cordillere des südlichen Peru,
kann den Botaniker stundenlang fesseln, er sammelt immer
mehr und mehr von diesen Pflänzchen, welche ihn, wenig-
stens im Geiste, nach der Heimath tragen.
Es findet demnach zwischen der Vegetations-Verthei-
lung, von der Meeresoberfläche an, bis zur ewigen Schnee-
grenze der Gebirge und zwischen derjenigen, von dem
Aequator nach den Polen hin, ein gewisser Parallelismus
statt, wenn auch diese allmäliche Veränderung gegen die
Pole hin viel langsamer, als bei der steigenden Höhe der
Gebirge stattfindet. Auch ist es nach den gegenwärtigen
Erfahrungen nicht mehr schwer zu erkennen, dafs. dieser
Parallelismus ganz genau mit jenem übereinstimmt, welcher
sich, in Hinsicht der Wärme-Abnahme, zwischen den Ent-
fernungen vom Aequator zum Pole und von der Ebene
bis zur Schneegrenze zeigt. Hier wird man die Vortheile,
welche die Geographie der Pflanzen auf den Ackerbau und
überhaupt auf die Cultur des Landes ausüben könnte, zu-
erst recht deutlich erkennen lernen.
32
Wir haben uns früher mit dem mittlern Gange der
Temperatur-Vertheilung über die Oberfläche der Erde be-
schäftigt und haben erfahren, dafs die Vegetation mit die-
sem fast gleichen Schritt hält. Die Erfindung, wenn ich
mich so ausdrücken darf, der Isothermen, der Isotheren und
der Isochimenen, giebt uns die Mittel an die Hand, um
jene meteorologischen Resultate auf die Vertheilung der
Pflanzen mit Leichtigkeit anzuwenden.
Wäre die Wärmeabnahme unter gleichen Breiten mit
steigender Höhe ganz gleich, so müfsten verschiedene Orte
einer Breite, welche in einer Höhe liegen, zu einer und der-
selben Isotherme gehören, welche sich, je weiter nach
Norden hinauf, immer mehr und mehr nach der Ebene
senkt, so dafs sie zuletzt mit eben derselben Isotherme
der Ebene zusammenfällt.e Wenden wir dieses auf die
Vertheilung der Vegetation an, so werden wir finden, dafs
eine Pflanze, welche hoch auf dem Gebirge, unter einer
bestimmten Isotherme wächst, in der Ebene nur dann gut
gedeihen kann, wenn sie daselbst eine Temperatur eben
derselben, oder wenigstens einer nahe liegenden Isotherme
antrifft. Alpenpflanzen hoher Regionen wollen in unseren
Gärten, wenigstens ohne besondere Vorrichtungen nicht
wohl wachsen, und wenn sie fortgehen, so erhalten sie
ganz andere Formen, als ihnen auf dem Gebirge zukommen.
Umgekehrt werden wir aber schon im voraus, ungefähr
wenigstens, wissen können, ob eine Pflanze der Ebene auch
auf hohen Gebirgen gedeihen wird, und bis zu welcher
Höhe die Cultur solcher Pflanzen versucht werden kann,
wenn wir die Temperatur-Verhältnisse dieser Gegenden
kennen. Schon bei der Untersuchung der Wärme- Ver-
theilung auf der Oberfläche der Erde, haben wir gesehen,
dafs es weniger die Isothermen sind, wonach die Verbrei-
tung der Vegetation zu bestimmen ist, als vielmehr die
Isotheren, ganz besonders in Bezug auf alle einjährigen
Pflanzen und hauptsächlich auf unsere Getreidearten, wel-
che als einjährig gezogen werden. Die perennirenden Ge-
wächse richten sich mehr nach den Isothermen und nach
33
den Extremen der Kälte, welche an einem Orte zur Win-
terzeit herrschen. Der Getreidebau geht in den europäil-
schen Nordländern unbegreiflich weit hinauf, bei 69°, ja
selbst bei 70° N. Breite, wie bei Lyngen, Alten und in
den Grenzgegenden von Norwegen, Schweden und Rufs-
land, sogar in Gegenden, deren mittlere Temperatur weit
unter dem Gefrierpunkte steht, findet sich Getreidebau. Be-
trachten wir dagegen die üppige und reizende Natur, welche
an den Ufern des grofsen See’s von Titicaca zu finden ist, in
einer Höhe von 12700 Fufs, und sehen wir dabei, dafs nur
Gerste und Hafer daselbst gedeihen, obgleich mir keine Kunde
zugekommen ist, dafs der grofse See zur Winterzeit gefriert,
so werden wir die Ursache solcher auffallenden Verschie-
denheit weiter nachsuchen müssen; ich glaube dieselbe
darin gefunden zu haben, dafs die Isothere dieser Gegen-
den weit unter derjenigen steht, welche in jenen Gegenden
des 69sten und 70sten Grades N. Breite liegt. Zu Enon-
tekis ist die mittlere Wärme — 2,86°, aber der Ort liegt
ın der Isothere von 12,80° Cels., wärend die Isochimene
sich daselbst bis — 17° hinabsenkt. Die mittlere Tempe-
ratur am Ufer des See’s von Titicaca ist dagegen sicher-
lich über dem Gefrierpunkte, wärend die Sommerwärme
geringer ist, als zu Enontekis, denn ich habe, gerade wä-
rend der Sommerzeit auf jener Hochebene, welche gerade
dem Winter in der Ebene des Meeres entspricht, nicht
mehr als 15° R. zur Mittagszeit beobachtet, meistens aber
nur 9 und 10 Grade R. *)
Einige Beispiele werden auch hier am deutlich-
sten sprechen; leider fehlen noch eine zu grofse Menge
von Thermometer - Beobachtungen, welche die Temperatur-
Abnahme für verschiedene Höhen verschiedener Breiten
angeben.
Die Beobachtungen der Temperatur auf dem St. Bern-
hard zeigen sehr deutlich, dafs mit zunehmender Höhe die
grofsen Differenzen zwischen den Temperaturen der hei-
*) $. Meyen’s Reise, I. pag.
34
fsesten und der kältesten Jahreszeit schwinden, welche
den nördlicheren Gegenden von eben derselben mittleren
Wärme zukommen; dieses ist nicht nur hier, sondern auch
auf andern Höhen beobachtet. Z. B. die Mönche im Ho-
spizium des St. Bernhard beneiden die Lappländer um ihr
schönes Clima, weil diese, bei gleicher mittlerer Tempera-
tur mit der Höhe des St. Bernhard, dennoch einen hei-
fseren Sommer haben. Ich habe schon früher darauf auf-
merksam gemacht, wie auf dem Plateau des südlichen
Peru, im Becken des See’s von Titicaca, weder Waizen
noch Roggen gedeiht und daselbst nur Hafer und Gerste
zur Reife kommt, obgleich auf dieser gewaltigen Höhe die
Temperatur des Jahres nicht unter dem Eispunkte zu ste-
hen kommt.
Leider entbehren wir eine hinreichende Reihe von
Thermometer-Beobachtungen aus jener Gegend, um mit
diesem, in pflanzengeographischer Hinsicht so wichtigen
Punkte der Erde Vergleichungen anstellen zu können,
welche von besonderem Nutzen sein würden. Dafs diese
Hochebene eine so hohe mittlere Temperatur besitzt, ge-
hört einer anderen Ursache an, auf welche schon Herr
Alexander von Humboldt durch sehr genaue Untersuchun-
gen aufmerksam gemacht hat, indem er fand, dafs die Ab-
nahme der Temperatur über Bergebenen viel langsamer
fällt, als am Abhange steiler Berge, wobei natürlich die
Licht- und Wärme-Strahlung von grofsen Flächen, als
Ursache anzusehen ist. Auch hatte schon Saussure die
schnellere Abnahme der Wärme auf steil ansteigenden
Bergen bemerkt, was auf einer und derselben Ursache be-
ruhet.
Nachdem zwischen dem allmäligen Abnehmen der
Wärme mit zunehmender Höhe ein gewisser Parallelismus
gefunden war, mufste man auch daran denken, diese ent-
sprechenden Verhältnisse durch Zahlen auszudrücken. Man
suchte nun festzustellen, wie viel Höhenzunahme einem
Grade der Wärme- Abnahme entsprechen möchte Die
Beobachtungen des Herrn von Humboldt, so wie die Be-
3)
obachtungen des Herrn Gay-Lussac auf seiner Luftreise
im Jahre 1805, haben uns über diesen Punkt entschieden
belehrt. Eine Höhenzunahme von 90 bis 100 Toisen
wird ziemlich genau einer Wärme- Abnahme von 1° Cels.
entsprechen. Aus dem Mittel der Beobachtungen Saus-
sure’s über die Schweiz (80 Toisen im Sommer und 94,4
Toisen im Winter), und aus denjenigen von D’Aubuisson
(7357018, fd. 'G.) ging. hervor, dafs daselbst zur Som-
merzeit eine Höhe von 75—80 Toisen, und zur Winter-
zeit eine Höhe von 94—110 Toisen einem Grade der
Wärme-Abnahme entsprechen würden.
Zum Beweise des Gesagten möge man die Tempera-
tur-Curven vergleichen, welche ich auf der anliegenden
Tafel aufgezeichnet habe. Genf und der St. Bernhard
liegen in einer und derselben Breite, nur dafs der Beob-
achtungsort auf dem St. Bernhard über 1000 Toisen hö-
her als Genf gelegen ist. Die mittlere Temperatur auf
dem’ St. Bernhard ist gleich — 1,0° Cels. und die zu Genf
— 9,7° C., also beträgt die Temperatur- Abnahme daselbst
für die 1000 Toisen Höhenunterschied über 10,7° Cels.,
daher hier mehr als 100 Toisen jeder Temperatur- Abnahme
von einem Grade entsprechen.
Bei der Betrachtung der Wärme-Abnahme mit zu-
nehmender Höhe, werden wir nach den Regionen geführt,
wo die Temperatur der Atmosphäre und des Bodens so
niedrig ist, dafs daselbst, das ganze Jahr hindurch, Schnee
und Eis liegen bleiben, welche aller höhern Vegetation
ein Ende machen. Man bezeichnet diese Grenze mit dem
Namen der ewigen Schneegrenze, indem man sie
unterscheidet von derjenigen Grenze, bis zu welcher der
Schnee wärend der ganzen Zeit der Wintermonate zu lie-
gen kommt, welche man die untere Schneegrenze
zu nennen pflegt. Die Region der ewigen Schneegrenze
zeigt keineswegs eine mittlere Temperatur von 0°, wie
man es wohl vermuthen sollte, sondern unter verschiede-
nen Breiten werden wir in dieser Hinsicht recht sehr
grofse Verschiedenheiten vorfinden, welche sich jedoch
3*
36
Be
‚später, bei einer gröfseren Anzahl von genauen und um-
sichtlichen Beobachtungen leicht erklären lassen werden.
Unter dem Aequator giebt man die Schneegrenze zu
+ 1,5 C. mittler Temperatur an; in der gemäfsigten
Zone erscheint sie erst bei — 3,7° C. und in der arkti-
schen Zone sogar erst bei — 6° Cels.
Da nun aber auf den Gebirgen verschiedener Breiten,
je mehr sie dem Pole zu liegen, die niederen Tempera-
turen, welche eine Schneegrenze bedingen, immer tiefer
herabsteigen, so werden die Punkte dieser Schneegrenzen
verschiedener Gebirge, von den Polar-Gegenden an, bis
zum Aequator hin, durch Linien verbunden eine Curve
bilden, deren Fläche den ganzen Erdkörper wie eine Kup-
pel umgeben wird. Diese Kuppel senkt sich in den Po-
largegenden bis zur Meeres-Oberfläche, wo eine ewige
und undurchdringliche Eismasse allem Vordringen des Men-
schen im Wege steht. Auf den Continenten der Polar-
Zone giebt es allerdings in der Ebene des Meeres noch
keine ewige Schneegrenze, unter dem günstigsten Falle
könnte das Einschneiden der Schneegrenze erst unter 81°
N. Breite, nämlich an den Nordenden von Spitzbergen
statt finden. Unter dem Aequator erhebt sich diese Kup-
pel am bedeutendsten über die Meeres- Oberfläche; man
giebt die Höhe derselben gewöhnlich zu 14760 Fufs nach
H. Alexander von Humboldt’s Beobachtungen an. Doch
neuere Beobachtungen, sowohl im südlichen Peru, als auf
dem Himalaya in Indien, zeigen, dafs die ewige Schnee-
grenze für jene Gegenden noch etwas höher hinausgescho-
ben werden mufs, ja überall da, wo grofse, ausgedehnte
Ländermassen in diesen Höhen liegen, wenigstens bis zu
16- und 17000 Fufs hinaus. Nach den Untersuchungen
Hälström’s #) über die Curve der ewigen Schneegrenze,
kam man zu der Ansicht, dafs die Kuppel derselben nicht
vollkommen gleichmäfsig, sondern in der Gegend des Ae-
quators leise eingebogen sei; doch die neueren Beobach-
*) De termino atmosphaereae terrae nivalis. Aboae 1823.
37
53
tungen, über die gröfsere Höhe der Schneegrenze in je-
nen tropischen Gegenden, sind dieser Einbiegung der ewi-
gen Schneekuppel in der Gegend des Aequator’s entgegen.
Zwar ist die Wärme - Abnahme auf steilen Bergab-
hängen schneller, als auf hohen Plateaus und auf den
Höhen grofser zusammenhängender Gebirgsmassen, doch
der Vulkan von Arequipa, auf der Hochebene von 11000
Fufs, als ein isolirt stehender Kegel sich erhebend, geht
mit seiner Kuppe über 18000 Fufs weit hinaus, und den-
noch zeigt er nur auf einer Seite seiner höchsten Spitze
ein klein wenig Schnee. Der bekannte Gebirgs-Pafs,
zwischen Arequipa und der Provinz Chuquito, los Altos
de Toledo genannt, 'geht weit über 15000 Fufs hinaus,
und dennoch ist die Vegetation daselbst noch höchst in-
teressant, ja eine einzelne Hütte, von Menschen bewohnt,
steht noch in der Nähe dieser gewaltigen Höhe. Ja im
Himalaya zeigt der Nutu-Pafs, selbst in einer Höhe von
46840 Fufs, noch keinen ewigen Schnee. Der ganze
westliche Theil des Himalaya, das ganze Kunawar enthal-
tend, ist sehr hoch, von 12000 bis 18000 Fufs und nur
wenig Schnee wird daselbst gesehen, selbst bis zu 16000
Fufs geht daselbst die Vegetation hinauf. Der Juniperus
communis wächst dort noch bei 14500 und die Birke bei
14000 Fufs.
Es folgt hier eine Reihe von Beobachtungen über die
Höhe der Schneegrenze auf den Gebirgen verschiedener
Breiten, wodurch sich die allmälige Abnahme derselben
von dem Aequator bis zu den Polargegenden documentirt.
Die Höhe der Schneegrenze erscheint:
Auf dem Cotopaxı in 15735 Fuls Preufsisch *) nach Humboldt.
4-5 Antısana in 15456 - “ 3 &
- - Chimborazo in 15320 - £ e ®
*) Ich habe die Angaben in Toisen und Meter auf Preufsische
Fuls reducirt, und zwar nach der schönen Tabelle des Herrn Dove
(Ueber Mafs und Messen. Berlin 1835.). Eine Toise ist = 1,949037
‘ Meter und ein Meter ist = 3,186199 Preufs. Fuls, demnach ist
eine Toise = 6,2 Preuls. Fufs.
33
Auf dem Chimborazo : in 15539 F. Pr. nach Hall.
- - Pichincha in 15190 - - - Humboldt.
Im südlichen Peru in 16851 - - - Pentland.
In Mexico beı 19° N.Br. ın 14570 - - - Humboldt
Auf dem Ararat ın 1344 - - -" Parrot.
Auf dem Pic du Midi n 9337 - -
- - Mont perdu ın 8078 - - - Parrot.
Durchschnittl. f.d. Pyrenäen 8680 - - - Humboldt.
Auf dem Gaucasus ın 10602 - - - Parrot u. Engelhardt.
Auf den Apenninen in :92311 - - - - Schouw (in42u.432B.)
Auf den Alpen in 8494 - - - - WVahlenherg.
Ne - ın 8804 - - - verschiedenen neueren
Autoren.
In Norwegen bei 62° Br. in 5120 - - - Hisinger.
I N" Bei B3t Br. in 5019. -
Auf Island bei 63!° Br. in 2642 - -
Zu Hammerfestb.70°Br. in 2585 - - - Büch.
Am Nordcap in 227°- - - Bauch.
Man hat in neuerer Zeit die ewige Schneegrenze von
derjenigen der Glätscher genau zu trennen gesucht, und
hat dafür die Grenzlinie derjenigen schneeartigen Substanz
vorgeschlagen, welche in der Schweiz unter dem Namen
Firn bekannt ist. Die Glätscher sind grofse Eismassen,
welche, auf eine eigenthümliche Art, ganz und gar aus
mehr oder weniger grofsen Eiskrystallen zusammengesetzt
sind. Die Eiskrystalle der Glätscher sind nach allen Rich-
tungen gelenkförmig mit einander vereinigt und der eine
hilft den anderen gelenkförmig einkeilen. #) Diese Glät-
schermassen senken sich oft zu einer sehr bedeutenden
Tiefe hinab und sie dürfen mit den Grenzen des ewigen
Schnee’s nicht zusammengestellt werden. Der untere Grin-
delwaldglätscher **) senkt sich unter das Dorf Grindel-
wald bis zu 533 Tois. Höhe, wärend der obere Grindel-
waldglätscher doch nur bis 670 Toisen. hinabgeht. Der
Unteraarglätscher ist an seinem Ausgange 921 Tois. hoch,
wärend der Oberaarglätscher nur eine Tiefe von 1330
*) S. Hugi’s naturhistorische Alpenreise. Berghaus Annalen
II, 292.
"NS. Hugi. Berghaus p. 290.
39
Tois. erreicht. In Hugi’s naturhistorischer Alpenreise, ei-
nem sehr interessanten Buche, sind eine Menge Messun-
gen von der Tiefe verschiedener Glätscher zn finden, und
ich habe diese nur angeführt, um die grofse Verschieden-
heit in der Höhe der Glätscher- Eismassen unter sich und
zu der Grenze des ewigen Schnee’s anzudeuten.
Es ist bekannt, dafs. auf der Insel Island, welche noch
innerhalb der subarktischen Zone liegt, die Glätscher bis
in das Meer hinabsteigen, wärend daselbst die Schnee-
grenze noch in 423 Toisen Höhe liegt; indessen ‚noch
auffallender ist dieses in der Magalhaen’s Strafse, in der
Breite von 53 und 54° südlich, wo ebenfalls die Glät-
scher bis in das Meer hinabsteigen, wärend sich die
Schneegrenze daselbst ungefähr zwischen 3500 — 4000 Fufs
erhält. *) |
‘ Der Firn ist eine körnige, lockere Schneemasse, de-
ren Erscheinen H. Hugi als die Grenze des ewigen Schnee’s
anzusehen vorschlägt. Von weitem gesehen können die
Firnmassen ganz das Ansehen der Glätscher zeigen, und
auf einer Höhe von 1270 Toisen pflegen sich in der
Schweiz die Glätscher schnell in Firn zu verwandeln.
Wenn die Sonne auf diese Firnmasse scheint, lockert sie
sich selbst bis auf mehrere Fufs Tiefe auf, so dafs der-
selbe auf der Hand wie Hanfkörner auseinander fällt.
Nachts wird die Masse durch die Kälte wieder fest.
Es ist mir unbekannt, ob der Firn auch auf den Ge-
birgen anderer Gegenden vorhanden ist; ich selbst habe,
aufser auf den Schweizer- Alpen, die ewige Schneegrenze
noch einigemal erstiegen und zwar auf der Cordillere von
Südamerika. Hier fand ich die ewige Schneemasse hart
und fest, oft so hart, dafs es schwer war, Stufen darin
einzuhauen; doch von einer Auflockerung dieser Schnee-
masse, wärend des Sonuenscheins, war auf der Cordillere
von Chile und Peru nichts zu beobachten.
*) $S. P. King’s Bemerkungen über das Feuerland und die Ma-
galhaen’s Strafse.
40
Die Wärme des Sommers ist es wohl hauptsächlich, ı
welche die verschiedene Höhe der Schneegrenze bedingt,
sie wird daher in verschiedenen Jahren ähnliche Differen-
zen zeigen, wie es die Wärme der Sommermonate ver-
schiedener Jahre zeigt; doch werden diese um so geringer
sein, je mehr wir uns dem Aequator nähern, wo die Dif-.
ferenzen zwischen den Maximis und Minimis der mittleren
monatlichen Wärme-Grade immer geringer werden. Hier
sind wenige Messungen zur Bestimmung der Höhe der
Schneegrenze nöthig, wärend in der temperirten Zone nur
eine grofse Zahl dergleichen Beobachtungen ein sicheres
Resultat geben können.
Auch die Wärme des Bodens hat man als eine ÜUr-
sache angesehen, welche auf das Vorkommen der Pflan-
zen Einflufs ausüben könnte. Es ist wohl sicherlich der
Fall, dafs die Oberfläche der Erde, worin die Pflanzen
wurzeln, durch den Einflufs der Atmosphärilien ihre Wärme
erhält, und demnach dieselbe ebenfalls von der Sonnen-
Wärme abhängt. Ueber die Methoden die Wärme des
Bodens mittelbar oder unmittelbar zu messen, mufs ich
hier auf die physikalischen Schriften verweisen, worin die-
ser Gegenstand ausführlich erörtert wird. *)
So wie diejenigen Oerter auf der Oberfläche der Erde,
welche gleiche mittlere Wärme zeigen, von Herrn Alexander
von Humboldt durch Linien verbunden wurden, welche
er Isothermen nannte, so hat Herr Kupffer auch die Punkte
gleicher Bodentemperatur mit einander verbunden, und
diese Linien Isogeothermen genannt, deren Verlauf ähn-
lich dem der Isothermen ist. Ich kann hier diesen Ge-
genstand um so kürzer berühren, indem, wie ich glaube,
die Verschiedenheiten zwischen den Isothermen und den
Isogeothermen zu gering sind, um auf die Vertheilung der
Pflanzen einen bedeutenden Einflufs ausüben zu können.
Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, dafs so-
*) S. z. B. Kämtz Lehrbuch der Meteorologie, TI. p. 176 u. s. w.
— Gebler’s Wörterbuch. N. A. II. u. s. w.
41
wohl die Entwickelung der Blätter, wie auch die Blüthen-
entwickelung bei ein und denselben Arten von Pflanzen
immer später und später erfolgt, je mehr man sich aus
den wärmeren Gegenden entfernt und nach den kälteren
hinbegiebt; und ganz eben dasselbe wird beobachtet, wenn
man sich aus der Ebene auf die Höhe der Gebirge be-
giebt. Pflanzen, welche in der Ebene längst verblüht sind,
und daselbst schon Früchte tragen, werden so oft in ent-
sprechenden Höhen der Gebirge noch in Blüthe gefunden.
Dergleichen Völker, welche am Fufse der Gebirge woh-
nen, geniefsen die Früchte ihres Landes eine geraumere
Zeit hindurch, als die Völker der Ebene, denn wenn die
Früchte von den Pflanzen der Ebene schon längst ver-
schwunden sind, dann beginnen dieselben auf den Gebir
gen von eben denselben Pflanzen zu reifen. Ja in vielen
tropischen Gegenden, welche am Fufse der hohen Gebirge
liegen, geniefst man auf diese Weise die meisten nützlich-
sten Früchte das ganze Jahr hindurch, indem auf den grö-
fseren Höhen dieselben immer später und später reifen,
bis in der Ebene schon wieder die zweite Erndte sich
nähert. Eben so verhält es sich auch umgekehrt; alle die
verschienen Perioden des Pflanzenlebens rücken bei einer
und derselben Art vor, je weiter sie in wärmeren Gegen-
den auftritt.
Herr de Saint-Hilaire #) beobachtete, bei dem Antritt
seiner Reise, die Pfirsichbäume zu Brest noch am 1ten April
ohne Blätter und ohne Blumen; am $ten April fand er sie
zu Lissabon in voller Blüthe, am 25sten April hatten sie
auf Madera schon Früchte angesetzt und am 29sten fand
er auf Teneriffa reife Pfirsiche.
Aehnliche Beispiele liefsen sich noch mehrere auffüh-
ren, wie sie z. B. Schübler **) in einer besonderen Ab-
handlung zusammengestellt hat. Das Maiblümchen (Con-
”) Plantes remarquables du Bresil.
**%) Untersuchungen über die Zeit der Blüthenentwickelung meh-
rerer Pflanzen der Flora Deutschlands und benachbarten Länder. —
Flora von 1830 pag. 353 — 368.
42
vallaria majalis) blühte im Jahre 1829 schon am 26sten
April zu Parma, wärend es am 40ten Mai zu Tübingen,
am 17ten Mai zu Berlin und erst am 10ten Juni zu Greifs-
walde blühte. Durch Beobachtungen der Art, welche an
einer Menge von Pflanzen, durch verschiedene Botaniker
angestellt worden waren, wurde Schübler und vor ihm
schon Bigelow *) darauf geführt, das Gesetz aufzufinden,
nach welchem ein solches Vorrücken der Blüthezeit für
verschiedene Breiten. stattfindet. Das Resultat der Schü-
blerschen Untersuchungen geht dahin, dafs die Blüthenent-
wickelung, bei dem Vorrücken des Standortes einer Pflanze,
um einen Grad der Breite nach den Polen zu, um beinahe
4 Tage verspätet wird, oder bei dem Annähern, nach dem
Aequator hin, um dieselbe Zeit vorrückt. Man hat bei
«dieser Untersuchung vorausgesetzt, was allerdings nur sel-
ten der Fall ist, dafs sich an allen den Orten, wo beob-
achtet wurde, der Sommer gleichmäfsig schnell entwickelt
hat, indessen so häufig zeigen hierin verschiedene Länder
die gröfsten Abweichungen, wenn man die Beobachtungen
einer Reihe von Jahren mit einander vergleicht. Diese
scheinbare Genauigkeit, welche bei diesen Beobachtungen
nun der Calcül ergiebt, ıst indessen auch gar nicht nöthig,
es genügt zu wissen, dafs die Blüthenentwickelung bei den
Pflanzen zu den verschiedenen Breiten in einem gewissen,
ziemlich bestimmten Verhältnisse steht. Es ist allgemein
bekannt, wie, an verschiedenen Punkten einer und dersel-
ben Gegend, die Entwickelung der Vegetation oftmals so
äufserst ungleich ist, dafs ein und dieselben Pflanzen an
den verschiedenen Punkten um 6 und 8 Tage verschieden
blühen, ja diese Verschiedenheit ist häufig, bei dicht neben
einander stehenden Pflanzen noch weit gröfser, demnach
man bei solchen Vergleichungen keine zu grofse Genauig-
keit zu erwarten hat.
Dafs es vorzüglich die Wärme der Atmosphäre ist,
*) On the comparative forwardness ofthe Spring ın different parts
of the United States in 1817. Im kurzen Auszuge ın Sılliman Ame-
rican Journal. TI.
43
welche dieses Vorrücken oder Verspäten der verschiede-
nen Lebensperioden einer und derselben Pflanze veranlafst,
kann man selbst künstlich mit Leichtigkeit beweisen. Führt
man, selbst in den härtesten Wintermonaten, einzelne
Zweige eines, im Freien stehenden Baumes in einen ge-
heizten Raum, so werden diese Zweige sehr bald ausschla-
gen und zur Blüthe gelangen, wärend der übrige Theil des
Baumes, welcher im Freien steht, erst den Frühling dazu
erwartet. Ebenso ist es bekannt, dafs die Bäume um so
schneller ausschlagen, je wärmer die Luft im Frühlinge. ist.
Nachdem Schübler gefunden hatte, dafs das Vorrücken
der Blüthezeit, bei Annäherung um einen Grad der Breite
nach dem Aequator zu, etwa um 4 Tage geschieht, suchte
er zugleich durch Rechnung das Maafs der Wärme zu
bestimmen, welche dieses Vorrücken bedingt. Da im mitt-
leren Europa die Wärmeabnahme, für einen jeden Grad
der Breite, gleich 0,516° R. beträgt, so ist es. diese Quan-
tität Wärme, welche das Vorrücken oder das Zurückblei-
ben des Blühens der Gewächse um 4 Tage bedingt, und,
wird dieses Verhältnifs sogar auf einzelne Tage reducirt,
so verzögert sich die Vegetation im Mittel-um einen Tag,
wenn sich die mittlere Temperatur um 0,135° R. 4 bis 4°)
vermindert, oder bei einer Verminderung von 1° R. um
2 Tage. Diese Resultate scheinen nun allerdings sehr
genau, indessen sie sind nur durch den Calcül erzeugt,
und durch die Beobachtung läfst sich ein so wichtiger
Einflufs von + und 4° R. Wärme keineswegs nachweisen.
Uebrigens hatte schon Adanson *) eine Hypothese erdacht,
wodurch, auf eine sehr sinnreiche Weise, die Verschieden-
heit in dem Blühen der Pflanzen erklärt werden sollte.
Er leitete nämlich die Verschiedenheiten von der Masse
der Wärme ab, welche einer jeden Pflanze vorher zuge-
kommen war, und hiezu rechnete er die Wärmegrade
vom Anfange des Jahres an zusammen. So soll die Silber-
?
*) S. Decandolle Physiologie vegetale II. pag. 476, worin jene
Hypothese Adanson’s genau auseinandergesetzt ist,
44
pappel blühen, wenn sie 168 Grade Wärme genossen hat,
und der Weinstock kommt erst zur Blüthe, wenn er 1770
Grade Wärme erhalten hat. So gründlich und so vor-
theilhaft auch diese Methode der Untersuchung zu sein
scheint, so ist sie dennoch nicht so genau, wenn man sie
näher zergliedert, wie dieses von Herrn Decandolle in sei-
ner Pflanzen-Physiologie höchst umständlich geschehen ist.
Die Temperatur des vorangegangenen Herbstes hat eben-
falls keinen geringen Einflufs auf die Zeit der Blüthe im
kommenden Frühlinge, und daher es sehr willkührlich ist,
das Zählen der Wärmegrade mit dem ersten Januar an zu
beginnen. |
Sowohl hier, bei der Entwickelung der Blüthen, als
bei der Blattentwickelung der Pflanzen, sind es höchst
complicirte Ursachen, welche die Erscheinung hervorrufen,
aber keinesweges ist es die Wärme allein. Zuerst sind
hiebei die inneren Ursachen zu beachten, welche das
Blühen einer Pflanze bedingen, und dann hat man den
Einflufs der Wärme und der Feuchtigkeit zu ermessen.
Herr Decandolle *) hat eine Reihe sehr ausführlicher Un-
tersuchungen 'angestellt, um die Ursachen zu erforschen,
welche das. verschiedenartige Ausschlagen der Rofskasta-
nien-Bäume bedingen; aus jenen Untersuchungen kann man
aber den Schlufs ziehen, dafs es weder ein bestimmter
Grad von Wärme, noch eine bestimmte Menge von Feuch-
tigkeit ist, welche das Ausschlagen der Bäume genau be-
dingt. Es ist, wie ich glaube, eine allgemein bekannte
Thatsache, dafs im Frühlinge die Atmosphäre zuweilen
einen hohen Grad von electrischer Spannung zeigt, haupt-
sächlich nach Gewittern, welche mit Regen begleitet waren,
und die Gewächse, in den zunächst darauf folgenden Stun-
den, sich so schnell entwickeln, dafs man die allmälige
Entfaltung der Blätter fast verfolgen kann; ein solcher
Zustand der Atmosphäre, welcher auch auf jeden Menschen
höchst erquickend zu wirken pflegt, ist, weder durch seine
*) S. Physiologie veget. I. p. 432 cic.
45
\
Wärme, noch durch seine Feuchtigkeit ein so schnell wir-
kendes Agens auf die Vegetation, sondern es mufs noch
etwas Anderes, vielleicht die Electricität desselben sein.
Der wichtige Einflufs, welchen die Feuchtigkeit der
Luft auf die Vegetation ausübt, ist überall und zu jeder
Jahreszeit wieder zu erkennen, denn nur da, wo Feuchtig-
keit der Luft vorhanden ist, entwickelt sich die Vegetation,
und nur da, wo Feuchtigkeit und Wärme im hohen Grade
zusammenwirken, da zeigt die Vegetation einen solchen
Grad von Ueppigkeit, wie man ihn in tropischen Gegenden
beobachtet. In Gegenden, wo Regen gänzlich fehlt, wie
in manchen Wüsten, da hat auch der Boden nur wenig
Feuchtigkeit, und es fehlt überhaupt an Wasser, wefshalb
denn auch die Vegetation daselbst unterdrückt ist, entwe-
der nur auf eine gewisse Zeit, oder das ganze Jahr hin-
durch. Ich habe schon früher derjenigen Gegenden an der
chinesischen Küste gedacht, welche wärend des Winters,
wo oftmals kein Tropfen Regen zu Boden fällt, nichts,
auch nicht eine Spur von dem Glanze zeigen, welchen ihre
tropische Vegetation wärend des Sommers dem Auge dar-
bietet. Doch in engen Thälern gebirgigter Gegenden da-
selbst, wo der Wasserreichthum nicht versiegt, da herrscht
zu eben derselben Zeit, wenn dicht daneben Alles ver-
brannt und verschwunden ist, noch eben dieselbe üppige
Vegetation wie zur Zeit des Sommers. *) Valparaiso, der
bekannte Hafen an der chilenischen Küste, hat seinen Na-
men von der Schönheit der Natur daselbst erhalten; wenn
man aber diesen Ort zu einer andern Zeit, als im Früh-
linge oder im Winter besucht, so mufs man erstaunen über
die todte Natur, und über die Kahlheit der Felsen und
Gebirgsmassen, welche ringsumher diesen Hafen einschlie-
{sen und sich allmälich, höchst imponirend erheben.
Ueber die Erscheinungen der Hydrometeore ist die
neuere Physik recht sehr im Reinen, wärend man früher,
*) $S. Meyen Bemerkungen über das Clima im südlichen China.
l. c. pag. 862.
46
noch zu de Lues Zeiten, die unsichtbaren Kräfte zur Hülfe
nehmen mufste, selbst zur Erklärung des einfachsten Re-
gens. Es ist durch Dalton nachgewiesen, dafs die Atmo-
sphäre bei jedem Grade von Wärme ein gewisses Maximum
von Wasserdämpfen aufzunehmen vermag, und dafs die
Ausdünstung von Flüssigkeiten in derselben so lange fort-
dauert, bis dieses Maximum der Sättigung mit Wasser-
dampf eingetreten ist; und diese Verdunstung geschieht
um so schneller, je trockener die Luft ist. Wird uun die,
mit Wasserdämpfen bis zum Maximum gesättigte Atmo-
sphäre erkältet, so fällt sogleich ein Theil des aufgelösten
Wassers, welcher bei dieser niederen Temperatur der Luft
über das Maximum der Capacität hinauseing, zu Boden
und erscheint uns als Regen, als Nebel oder Wolken, als
Schnee oder Hagel u. s. w. So kehren die Wasserdünste
der Luft wieder zurück zu ihrer Ursprungs-Quelle, um
wiederum zu verdampfen und den Geschöpfen der Erde
den Aufenthalt in der Atmosphäre möglich und angenehm
zu machen.
Venn auch in unsern nordischen Gegenden die Atmo-
sphäre sehr häufig das: Maximum von Wasserdampf auf-
nimmt und dann durch Erkältung das Wasser wieder fal-
len läfst, d. h. wenn es auch bei uns sehr häufig regnet,
so ist doch die Menge des niedergefallenen Regenwassers
so gering, dafs sie, in Betracht der grofsen Menge Wassers,
welche in tropischen Gegenden niederfällt, kaum in Ver-
gleich zu stellen ist. Zu Rom ist die mittlere jährliche
Regenmasse gleich 33,1 pariser Zoll hoch, dagegen ist sie
zu Macao schon 63 Zoll hoch, und es giebt Jahre, wie
die von 1812 und von 1828, wo daselbst über 100 Zoll
Regen niedergefallen ist, was an andern Orten, wie z. B.
ausnahmsweise zu Grenada, sogar Regel ist. Obgleich zu
Macao eine so grofse Menge Regen niederfällt, so dauert
die Regenzeit daselbst nur wärend des Sommers, man kann
sich demnach eine Vorstellung machen, in welcher Masse |
dann der Regen in jenen Gegenden niederfällt.
Auch die Strömungen in der Luft, d. h. die Winde,
47
so wie die Strömungen in den grofsen Meeren müssen wir
hier betrachten, da sie so häufig als ursächliche Momente
für die Wanderungen der Pflanzen angegeben werden. Wir
betrachten zuerst die Winde; sie wehen bald regelmäfsig
nach einer und derselben Richtung und über mehr oder we-
niger weite Strecken, bald. wehen sie ohne alle Ordnung,
bald hin, bald wieder zurück. Es sind eine Menge von
Thatsachen aufgezeichnet, nach.welchen die Saamen ver-
'schiedener Pflanzen, durch die Wirkung der Winde selbst
auf weite Strecken fortgeführt sind, und wo auf diese Weise
der Verbreitungs-Bezirk der Pflanze vergröfsert wurde.
Die Saamen der Pflanzen aus gewissen Familien, als z.B.
die der Compositae, sind mit Organen besetzt, welche den-
selben zur Forttreibung durch den Wind besonders be-
hülflich sind; dieses sind diejenigen federartigen Bildungen,
welche unter dem Namen pappus oder Federchen u. Ss. w.
bekannt sind. Es ist nicht zu bestreiten, dafs mit Hülfe
solcher federartigen Organe gewisse Saamen, besonders
durch heftige Sturmwinde auf sehr weite Strecken fortge-
führt werden können, und dafs auf diese Weise besonders
die Syngenesisten einen ausgedehnteren Verbreitungs-Bezirk
aufweisen können, ganz vorzüglich aus solchen Gegenden,
wo zur Herbstzeit, wenn die Saamen reif sind, regelmäfsige
Winde herrschen, welche mehr nach südlicheren und öst-
licheren oder westlicheren Gegenden wehen, wo die Tem-
peratur dem Wachsthum dieser Pflanzen nicht entgegen ist.
Wir könnten einige amerikanische Pflanzen aufführen, wel-
che auf diese Weise, in sehr kurzer Zeit, fast über ganz
Europa als Unkraut verbreitet sind, z. B. das Erigeron
canadensis und die Oenothera biennis, selbst die Galinso-
gea parviflora, welche gegenwärtig schon weit verbreitet,
und zwar aus dem botanischen Garten zu Berlin ausgegan-
gen ist.
Ein wichtigeres Moment für die Verbreitung der Pflan-
zen bieten die Strömungen des Wassers dar, sowohl der
Ströme oder Flüsse auf dem festen Lande, welche, oft auf
viele Hunderte von Meilen, die Saamen von gewissen Pflan-
48
zen entführen können, als auch die Strömungen in den
grofsen Weltmeeren. Es sind mehrere sehr interessante
Beobachtungen bekannt, wie echte Alpenpflanzen, durch
Gebirgs-Ströme, aus der Höhe nach der Ebene geführt
worden sind, woselbst sie jetzt ganz gut gedeihen. Herr
Link hat darauf aufmerksam gemacht, wie die Circaea al-
pina L. von der Höhe des Harzes herabgeführt ist und jetzt
in der Ebene wächst, fast rund herum um den Harz.
Ebenso hat Herr Link *) erkannt, dafs die Linaria alpina,
das Rhododendron. ferrugineum, Alnus viridis u. s. w. von
den hohen Gipfeln der Alpen herab in die Thäler kommen,
wo sie den Strömen deutlich folgen. Die Ströme des Har-
zes haben auf diese Weise auch die Arabis Halleri in die
Ebenen von Hildesheim geführt, wo sich diese Pflanze noch
immer nicht weit von dem Flusse entfernt. Herr v. Cha-
misso fand auf seiner Reise, in den Küsten-Gegenden von
Chile, verschiedene ausgezeichnete Alpen-Formen der Gat-
tungen Calceolaria und Calandrinia, welche ich später in
den gröfsten Höhen der chilenischen Cordillere, stets ganz
in der Nähe der ewigen Schneegrenze gefunden habe, von
wo sie wahrscheinlich durch Gebirgs-Ströme nach der
Küste geführt worden waren.
Wenn nun schon durch Ströme und Flüsse auf dem
festen Lande die Verbreitung der Gewächse, oft auf weite
Strecken hin, befördert wird, so kann dieses durch die
Strömungen, welche in den grofsen Meeren herrschen,
noch um Vieles erweitert werden, denn diese sind oftmals
so ausgedehnt, dafs durch sie entfernte Welttheile in Ver-
bindung gesetzt werden. Es ist hier nicht der Ort, die
verschiedenen Strömungen in den Weltmeeren und deren
Ursachen auseinanderzusetzen, aber, der hohen Wichtigkeit
wegen, welche man beständig diesen Erscheinungen zu-
schreibt, ist es nöthig, dafs ich hier, wenigstens in gröfster
Kürze, ein kleines Bild davon entwerfe.
Wir gehen von dem Resultate der Beobachtungen aus,
*) Die Urwelt, I, pag. 263.
49
dafs alle Strömungen im Meere durch herrschende, oder
durch wechselnde Winde veranlafst werden; im ersteren
Falle, wo nämlich die Winde das ganze Jahr hindurch in
einer und derselben Richtung wehen, da ist auch die Strö-
mung das ganze Jahr hindurch eine und dieselbe, nämlich
immer mit dem Winde gehend; in solchen Fällen aber,
wo halbjährliche Winde abwechseln, da wechselt auch die
Strömung, in der einen Hälfte des Jahres geht sie mit dem
einen Winde, wärend sie in der andern Hälfte des Jahres
mit dem entgegengesetzten Winde geht. *)
Wenn wir hier die Strömungen des Weltmeeres als
ursächliche Momente für die Verbreitung der Pflanzen be-
trachten, so kann natürlich nur von den grofsen, herr-
schenden Strömungen die Rede sein, welche entfernt gele-
gene Länder und Inseln mit einander verbinden; dergleichen
kleine Strömungen, wie sie überall, in Folge von starken
Windstöfsen auftreten und nach kurzer Zeit wieder ver-
schwinden, können wir hier ganz unbeachtet lassen.
Da nun aber, wie ich es schon vorher gesagt habe,
alle Strömungen unmittelbar von den Winden verursacht
werden, so ist es nöthig, zuerst eine kurze Uebersicht der
herrschenden Winde voranzuschicken.
Diejenigen Winde, welche auf den Meeren das ganze
Jahr hindurch aus einer und derselben Richtung wehen, sind
unter dem Namen der Passatwinde bekannt. Auf der nörd-
lichen Hemisphäre der Erde weht der Passatwind aus Nord-
Ost und auf der südlichen Hemisphäre von Süd-Ost, gerade
*) Die Bezeichnung der Strömungen im Meere und die der VVinde
ist von einander verschieden; den Wind bezeichnet man nämlich mit
dem Namen der Himmelsgegend, aus welcher derselbe weht, z. B.
kommt er von Norden, so nennt man ihn Nordwind, kommt er von
Östen, so nennt man ihn Ostwind. Anders verhält es sich mit der
Benennung der Strömungen; diese bezeichnet man nämlich mit der-
jenigen Himmelsgegend, wohin dieselbe gerichtet ist. Z. B. eine
Strömung, welche von Nord-Ost kommt, wird eine süd - westliche
Strömung genannt, und eine andere, welche das Wasser von WVesten
kerführt, wird eine östliche Strömung genannt werden; demnach wird
die Strömung stets entgegengesetzt der Richtung des Windes benannt.
4
50
entgegengesetzt der Richtung, in welcher sich die Erde,
bei ihrem Laufe um die Sonne, um ihre eigene Achse dreht.
Da nun aber, durch die eigenthümliche Gestalt der Erde,
auf der nördlichen Hemisphäre zwei, von einander getrennte
Meere vorhanden sind und auf der südlichen Hemisphäre
sogar drei getrennte Meere vorkommen, nämlich der
Aethiopische Ocean, der Indische Ocean und der
südliche stille Ocean, so kommen hier drei von einan-
der getrennte Süd-Ost-Passate und in der nördlichen Hemi-
sphäre zwei, von einander getrennte Nord-Ost-Passate vor.
Auf der nördlichen Hemisphäre beginnen die Passate
in 27 bis 30 Grad nördlicher Breite, doch auf der süd-
lichen Hemisphäre scheinen sie viel tiefer hinabzugehen.
In der Gegend des Aequators, wo die Passate der beiden
entgegengesetzten Hemisphären zusammenstofsen, da bleibt
eine Zone von 2 oder von 3 Graden Breite, welche die Zone
der Windstillen heifst; hier weht weder der Nord-Ost-
noch der Süd-Ost-Passat, aber Windstillen mit den hef-
tigsten Gewitter-Regen wechseln beständig ab.
In denjenigen Breiten, wo der Nord-Ost-Passat in
der nördlichen und der Süd-Ost-Passat in der südlichen
Hemisphäre seine Polargrenze zeigt, da weht ein ziemlich
regelmäfsiger Wind aus Westen, ganz entgegengesetzt dem
angrenzenden Passatwinde, und man pflegt ihn auch den
rückkehrenden Passat, allgemeiner aber den West-Passat zu
nennen. Diese West-Passate wehen in der nördlichen und
in der südlichen Hemisphäre, meistens schon über den
28sten Grad der Breite hinaus und erstrecken sich oft bis
weit über 40° hin.
So wie nun der Lauf dieser Winde ist, so ist auch
im Allgemeinen die Richtung der Strömungen, welche durch
dieselben veranlafst werden; doch werden sie, hier und
dort, durch verschiedene Ursachen modifieirt. Am bekann-
testen ist die sogenannte Rotations-Strömung in der nörd-
lichen Hälfte des Atlantischen Oceans; hier werden die
Gewässer zwischen Afrika, dem mittleren Amerika. und
dem südlichen Theile von Europa in einem Kreise umher-
51
getragen. Nämlich dem Laufe des Nord-Ost-Passates fol-
send, welcher näher dem Aequator immer mehr Ostwind
wird, gehen die Gewässer nach der Nordost-Küste von
Siidamerika, hier einen Damm findend, werden sie nach
Norden abgelenkt, laufen durch den Golf von Mexico und
kommen an der südöstlichen Küste von Nordamerika wie-
der hinaus, von wo aus sie, unter dem bekannten Namen
des Golf-Stromes, wieder nach Osten laufen, und endlich
wieder nach jener Gegend zurückkehren, von wo sie aus-
gegangen sind. Durch diese entschiedene Rotations -Strö-
mung werden mehrere der auffallendsten Beobachtungen
erklärt, wo nämlich Fässer, welche in England verladen
"nd nach der Havanna bestimmt waren, durch Verun-
glückung des Schiffes in der Nähe der canarischen Inseln
in das freie Meer gelangten; hier wurden sie von der Aequa-
torial-Strömung gefafst und kamen endlich wieder nach
England zurück, wo man sie durch die Signaturen erkannte.
Ebenso ist es eine bekannte Thatsache, dafs Stämme
von südamerikanischen und westindischen Bäumen, z. B.
der Gedrela odorata, nach den canarischen Inseln getrieben
‚werden; auch ist Columbus offenbar durch dergleichen
Erscheinungen zu seiner Ueberzeugung von einem grofsen
Lande im Westen gekommen. Es ist klar, dafs eine Strö-
mung der Art sicherlich auch für die Verbreitung der
Pflanzen ein wichtiges Moment werden kann;- denn Saamen,
welche wenig öligte und wenig amylumartige Substanzen
enthalten, und eine feste Schale haben, können sich lange
Zeit hindurch im Wasser erhalten, ohne ihre Keimkraft zu
verlieren.
Das Eriocaulon septangulare z. B. wächst aufser sei-
nem Vaterlande, nämlich Nordamerica, nur auf der Insel
Sky in der alten Welt, und Herr Link *) vermuthet defshalb,
und gewifs auch mit allem Rechte, dafs die Saamen dieser
Pflanze durch die Strömung dahin gekommen sind.
Eine ähnliche Rotations-Strömung, doch lange nicht
so entschieden, wie in der nördlichen Hemisphäre, findet
*) Die Urwelt pag. 266.
4*
52
sich auch in der südlichen Hälfte des Atlantischen Oceans;
sie verbindet die Westküste von dem südlichen Afrika mit
der Ostküste von Südamerika und im Süden, zwischen
dem 30. und dem 45.° südlicher Breite, findet der Rück-
flufs der Gewässer statt. Hienach ist die Möglichkeit ein-
zusehen, dafs Pflanzen aus Afrika nach Amerika, und
Pflanzen aus Amerika nach der alten Welt wandern kön-
nen; doch schwerlich könnten durch diese Strömung der-
gleichen Pflanzen nach Südamerika wandern, die in der
nördlichen Hälfte der alten Welt ihr Vaterland haben. Ja
man mufs sich auf die Strömungen überhaupt nicht zu viel
verlassen; die Cocos-Palme ist gewöhnlich derjenige Baum,
welchen man anführt, um zu zeigen, wie die Pflanzen-
Wanderungen durch die Meere von Insel zu Insel gehen,
und dennoch ist die Cocos-Palme aus dem südlichen Afrika
niemals nach Brasilien gewandert, sondern man hat sie
dahin verpflanzt. Auf den westindischen Inseln kommt
sie in Menge vor, und dahin ist sie wahrscheinlich durch
die Strömung gekommen. |
In dem stillen Meere giebt es ebenfalld zwei Haupt-
strömungen, nämlich die eine auf der nördlichen, die an-
dere auf der südlichen Hemisphäre, folgend dem Nordost-
Passat und dem Südost-Passat. Diese Strömungen ver-
laufen indessen keineswegs von dem einen Festlande zum
andern, wie die Strömungen im Atlantischen Ocean, son-
dern schon im Meridiane der Marianen haben sie ihre
westlichen Grenzen. Uebrigens möchte ich auch noch die
Bemerkung machen, dafs die Strecke, welche diese Strö-
mungen durchlaufen, so ungeheuer, und die Zeit, welche
dazu erforderlich, um, allein durch die Wirkung der Strö-
mung, diese Meere zu durchfahren, so grofs ist, dafs wohl
schwerlich die tropischen Gewächse Amerika’s auf diesem
Wege nach Asien wandern könnten. Ja neuerlichst ist
dieses sogar von dem Mays, jenem bekannten amerikani-
schen Getreide, behauptet worden, welches schon im 12ten
Jahrhunderte nach der Küste von Japan angetrieben sein
soll. Wohl wäre ich geneigt, diese, durch chinesische
} | 53
Schriften verbreitete Thatsache in Zweifel zu ziehen; denn
ein Saame wie der Mays, mit einer so grofsen Menge
feinen Amylum’s, kann sich nicht monatelang im Meeres-
wasser erhalten, welches eine so hohe Temperatur hat,
wie die Gewässer jener Aequatorial-Strömung. Ja dieses
möchte auch wohl der Grund sein, dafs der Mays niemals
durch den Golfstrom zu uns nach Europa gekommen ist,
welcher Weg nur ein Drittel so lang ist, als jener von
Amerika nach Asien.
In denjenigen Gegenden des stillen Meeres, wo die
Passatwinde und die davon abhängigen Aequatorial -Strö-
mungen ihre westlichen Grenzen haben, da finden sich
halbjährige Windsysteme, sogenannte Monzoone., In der
nördlichen Hemisphäre jener Gegenden ist das Monzoon-
System in der chinesischen See bekannt, wo der Nordost-
Wind die 6 Monate hindurch, vom October bis zum März,
und der warme Südwest-Wind die andern 6 Monate lang
weht. Die Strömungen in jenen Gewässern richten sich
alsdann ganz nach der anhaltenden Richtung des Windes;
‚bei dem Südwest-Monzoone ist die Strömung Nordost
und bei dem Nordost-Winde geht sie nach Südwest. Auf
der südlichen Hemisphäre jener Gegenden, nämlich in
Borneo, Java und der östlichen Küste von Neu-Holland,
herrscht ein anderes Monzoon-System; daselbst herrscht
der Wind 6 Monate lang von Nordwest und 6 Monate
lang von Südost, alsdann gleichsam ‚mit dem Südost-Passat
des grofsen indischen Meeres zusammenhängend.
Soviel an diesem Orte über die herrschenden Strö-
mungen in den Meeren; man wird hienach gleich von un-
gefähr beurtheilen können, wo eine Verbreitung gewisser
Pflanzen mit Hülfe der Meeres- Strömung hat stattfinden
können, und wo solche zu den Unmösglichkeiten gehört.
Man möge noch bedenken, dafs das Meereswasser der wär-
meren Gegenden sehr hoch erwärmt ist, dafs solches also
auf die Tödtung der Keimungskraft der Saamen noch viel
schneller wirkt.
Zweite Abtheilung.
Von den Verhältnissen, durch welche der Boden auf das Vor-
‚ kommen und auf die Verbreitung der Pflanzen einwirkt.
Wir haben im Vorhergehenden darauf aufmerksam ge-
macht, dafs sich die Verbreitung der Pflanzen über die
Oberfläche der Erde, hauptsächlich nach der Vertheilung
der Wärme und der Feuchtigkeit richtet, und gehen jetzt
zu der Betrachtung der vielfältigen Lokalverhältnisse über,
welche das Vorkommen und die Verbreitung der Pflanzen
bald befördern ‚bald verhindern können, wenn auch Wärme
und Feuchtigkeit im hinreichenden Maafse vorhanden sind.
Diese Verhältnisse sind meistentheils solche, in welchen
die Pflanze zt dem Boden ihres Standortes steht, und die
Betrachtung dieser gehört mit zu den hauptsächlichsten
Gegenständen der Pflanzengeographie. Wir haben im Vor-
hergehenden zwar gesehen, dafs gewisse Pflanzen nur bei
gewissen Graden von Wärme zu vegetiren vermögen, und
haben demnach das Gesetz erkannt, wonach die Verbrei-
tung der Pflanzen hauptsächlich statt findet, doch zur Er-
klärung dieser Gesetze sind wir nicht gekommen.
Es bleibt uns gänzlich ein Räthsel, wesfhalb der Wein-
stock z. B., der eine mittlere jährliche Temperatur von
10 bis 17° Cels. haben mufs, um einen guten Wein zu
liefern, wefshalb diese Pflanze nicht auch in arktischen
Gegenden wachsen kann; oder wefshalb die Cultur des
Mays, nicht auch in unsern nordischen Gegenden gelin-
gen will. Wenn man dagegen einwenden will, dafs diese
Pflanzen einmal angewiesen sind, in einer wärmeren Ge-
gend zu wachsen und daher in kälteren nicht ausdauern
können, so ist es wohl leicht einzusehen, dafs dieses keine
Erklärung ist; man macht hiemit nur auf das Gesetz auf-
sp)
merksam, nach welchem die Natur jene Pflanzen vertheilt
hat. Ebenso geht es uns in der Lehre von den Lokali-
täts- Verhältnissen der Pflanze; wir werden z. B. sehen,
dafs gewisse Pflanzen nur auf salzhaltigem Boden, andere
dagegen nur auf fliegendem Sande, andere nur auf Kalk-
felsen vorkommen; indessen weit entfernt sind wir noch
davon, um einzusehen, wefshalb diese Pflanzen nur auf
einem solchen und nicht auf einem anderen Boden fortkont-
men können. Die Cocos-Palme, welche in den Tropen
meistens nur in Küstengegenden wächst, will bei aller Sorg-
falt, mit welcher sie in unserm Gewächshäusern behandelt
wird, nicht grofs werden. Die jungen Pflänzchen der Art
werden in den Gewächshäusern einige Fufs hoch und gehen
dann gewöhnlich ein, noch ehe die Nufs verfault ist und
die Wurzeln des jungen Pflänzchens durch die Fasermasse
gedrungen sind, welche die äufsere Hülle der Nufs bildet.
Man hat in unsern Gewächshäusern den Versuch gemacht
und diese Bäumchen mit Salzwasser begossen,. um dadurch
den etwanigen Einflufs der Meeresnähe im natürlichen
Standorte dieser Pflanzen nachzuahmen, indessen die jun-
gen Cocos-Bäume sind dennoch ausgegangen.
Wenn die Pflanzen-Physiologie auch noch weit ent-
fernt ist, die nächsten Erscheinungen des Wachsens der
Pflanze mit gehöriger Gewifsheit zu kennen, wenn auch
selbst die wichtigsten Gegenstände in derselben, welche
scheinbar so leicht zu entscheiden wären, noch nicht mit
entschiedener Gewiisheit gelehrt werden können, so kön-.
nen wir doch Folgendes, als entschieden über die Verhält-
nisse vortragen, in welchen die Pflanze zu ihrem natürli-
chen Standorte steht. |
Die gröfste Zahl der Pflanzen wächst bekanntlich in
der Erde; nur die parasitischen Pflanzen, eine Menge von
Cryptogamen und einige Wasserpflanzen machen hievon
Ausnahme. Fast jeder Boden, selbst der unfruchtbarste
bis auf den quarzigen Sand, hat mehr oder weniger auf-
lösliche Stoffe, welche, wenn dieselben fein genug sind,
mit der Feuchtigkeit des Bodens in die Pflanzen eindrin-
56
gen und aufsteigen. Pflanzen, welche man in unauflöslı-
chen Substanzen wachsen liefs und sie mit destillirtem
Wasser begofs, sind niemals zur vollkommenen Ausbil-
dung gelangt, wohl aber ist ein Kohlensäure - haltiges
Wasser hinreichend, um die Pflanze vollkommen zu er-
nähren. Es ist bekannt, dafs eine Menge von Pflanzen,
und ganz besonders gerade die fleischigsten und saftreich-
sten, in trockenen, oft ganz wasserlosen Gegenden wach-
sen, wie zZ. B. die Aloe-Arten auf der südlichen Spitze
von Afrika und die grofse Menge von Cactus in den trok-
kenen Gegenden der Westküste von Südamerika; ja die
Agaven und die 70—80 Fufs hohen Foureroyen, welche
auf den Felsen der hohen Cordillere Mexico’s wachsen.
Alle diese Pflanzen haben eine, im Verhältnifs zur Masse
der Pflanze, sehr kleine Wurzel und daher schlofs man
schon frühe, dafs diese Pflanzen ihre Nahrung hauptsäch-
lich aus der Atmosphäre ziehen. Es läfst sich jedoch
Vieles und zwar mit allem Rechte dagegen einwenden; denn
in jenen Gegenden, so trocken sie auch im Allgemeinen
sind, giebt es immer eine sogenannte nasse Jahreszeit, und
in dieser findet das Wachsthum jener Pflanzen hauptsäch-
lich statt, wärend sie zur trockenen Jahreszeit mehr in
einem, dem Sommerschlafe der Thiere ähnlichen Zustande
sich befinden. Ganz ähnlich verhalten sich bei uns die
Flechten, Moose und Jungermannien, welche so häufig
auf den Baumrinden und Felsen wachsen; nur im Winter
oder im Herbste und im Frühjahr ist ihre Wachsthumspe-
riode, wärend der Hitze des Sommers sind sie verdörrt
und scheinbar todt.
So einfach nun die Nahrung der Pflanzen ist, so zu-
sammengesetzt sind dennoch ihre Bestandtheile, und es
fragt sich, woher dieselben kommen. Eine unendliche
Zahl von Beobachtungen und Untersuchungen hat man an-
gestellt, um diesen Gegenstand in’s Reine zu bringen, ob
nämlich die Pflanze, oder ob das organische Leben über-
haupt im Stande ist, aus den einfachen Stoffen, welche sie ge-
wöhnlich aufnimmt, als Wasser, Kohlensäure und atmosphäri-
97
sche Luft, alle jene fremdartigen Substanzen, welche man
in den ausgebildeten Pflanzen vorfindet, selbst zu erzeu-
gen. Eine Auseinandersetzung dieses Punktes gehört der
Pflanzen-Physiologie an; hier nur die Resultate, welche
dahin lauten, dafs die Pflanze allerdings viele von den
fremdartigen Beimischungen der Erde aufnimmt, dafs sie
aber auch andere Stoffe von Neuem zu erzeugen vermag.
Man hat dadurch, dafs die Pflanzenmembran keine ge-
färbten Flüssigkeiten durchläfst, beweisen wollen, dafs die
Pflanzen nur reines Wasser aufzunehmen im Stande sind,
indessen dieses ist sehr unrichtig. Eine wirkliche Lösung
eines Stoffes, z. B. eines Salzes in Wasser, geht wirklich
in die Pflanzensubstanz hinein, und daher denn auch die
unbestreitbaren Thatsachen, dafs manche Pflanzen eine
gröfsere Menge von einem Salze, oder einer anderen Sub-
stanz enthalten, wenn sie auf einem Boden wachsen, wel-
cher verhältnifsmäfsig mehr davon enthält, als ein anderer.
Indessen auch bei diesen Thatsachen urtheile man nicht
zu schnell. Man kann es den Pflanzen einmal nicht ab-
sprechen, dafs sie ein Vermögen haben um gewisse Stoffe
aus dem Boden aufzunehmen, auf welchem sie wachsen.
Man sieht in den Gräben und in den. kleinen Gewässern
unserer Gegenden sehr häufig Pflanzen von einer und der-
selben Art, z. B. verschiedene Charen, dicht neben einan-
der stehen. Die eine dieser Pflanzen steht in ihrer voll-
kommenen Frische, wärend die andere auf ihrer ganzen
Oberfläche, so wie auch auf der inneren Fläche der
Schläuche, mit Kalk incrustirt ist. Wäre die Kalkabset-
zung auf der äufsern Fläche dieser Pflanzen eine rein
mechanische, so müfsten offenbar alle danebenstehenden
Pflanzen in gleichem Mafse damit incrustirt sein, was aber
nicht der Fall ist; und hätten die Pflanzen nicht, wenig-
stens in einem gewissen Grade das Vermögen, die einzel-
nen Stoffe aus dem Boden, worauf sie wachsen, aufzuneh-
men und wiederum andere abzustofsen, so wäre es auch
nicht zu erklären, wefshalb nicht alle Pflanzen in einem und
demselben Wasser gleiche Mengen von- einer und derselben
98
fremden Substanz aufgenommen haben. Wenn demnach
eine solche Thatsache als fest begründet anzusehen ist,
so möchte es, wenigstens einigermafsen, erklärlich werden,
warum gewisse Pflanzen stets auf einem bestimmten Bo-
den zu finden sind, und meistens auch nur auf solchem
gedeihen, wenn auch die einzelnen Stationen derselben
oft ganz ungeheuer weit auseinander liegen. Einige Bei-
spiele werden es erklären. Gewisse Pflanzen, welche wir
später unter dem Namen der Salzpflanzen kennen lernen
werden, wachsen nur auf Kochsalzhaltigem Boden, und
da dieses Verhältnifs des Bodens sehr häufig ist, sogar in
den entferntesten Gegenden der Erde in ganz gleichem
Grade, so sind auch die Pflanzen, welche darauf wachsen,
sehr allgemein verbreitet. Salsola Kali z. B. wächst fast
an allen Küsten Europa’s, so wie an den Küsten der afri-
kanischen und asiatischen Länder des Mittel- und Caspi-
schen Meeres; die Soda von Alexandrien, welche beson-
ders früher, einzig und allein alle Fabriken Europa’s ver-
sorgte, setzt eine unendliche Menge dieser Pflanzen in
jenem Lande voraus. Samolus Valerandi erstreckt sich
noch viel weiter, als Salsola Kali, denn aufser in Europa
wächst sie noch in Nordamerika, an der Spitze Afrika’s
und in Neuholland.
So kommen viele, sogenannte Strandpflanzen, wieder
im Innern des Landes vor, wo der Boden auf eine ähnli-
che Weise beschaffen ist, wie an der Meeresküste; als
Beispiele führe ich Glaux maritima an, welche auch in der
Nähe von Berlin, bei den Kalkbergen nämlich vorkommt.
Die schöne Orchidee, der einzige Repräsentant tropischer
Orchideen in unserer Zone, das Cypripedium Calceolus
nämlich, wächst nur auf Kalkgebirgen im Harz; es fehlt
hierauf in der ganzen Ebene des nördlichen Deutschlands,
und erst auf den Kalkbergen von Rügen erscheint es wie-
der. Dergleichen lautsprechende Thatsachen führen zu
dem Schlusse, dafs auf eben dieselbe Weise, wie das
Clima auf das Vorkommen gewisser Pflanzenformen in be-
stimmten Gegenden einwirkt, dafs auf eben dieselbe Weise
59
auch. die Lokalität das Auftreten von gewissen Pflanzen-
formen ‚bedingt, welche sich dann immer, bei gleichen Lo-
kalitäts-Verhältnissen wiederholen, wenn nicht andere, sehr
wichtige Hindernisse dem Vorkommen derselben entge-
gen stehen.
So wie wir im ersten Abschnitte dieser Schrift die
Thatsachen aufgezählt haben, aus welchen sich die Gesetze
erkennen lassen, nach welchen das Clima auf die Verthei-
lung der Pflanzen seinen Einflufs ausübt, so müssen wir
es jetzt in Bezug auf die Lokalitäts- Verhältnisse thun,
welche als Ursachen des Vorkommens gewisser Pflanzen
einwirken. |
Der Natur der Sache nach müssen die Localitätsver-
hältnisse, welche auf das Vorkommen der Pflanzen ein-
wirken, unendlich vielfach sein; die einen werden mehr,
die anderen weniger deutlich auf dasselbe ihren Einflufs
zeigen. Wir wollen versuchen diese Lokalitäts- Verhält-
nisse einzeln anzuführen, und dabei zugleich die haupt-
sächlichsten Pflanzen nennen, deren Vorkommen durch
dieselben bedingt wird.
‚Je nachdem die Pflanzen im Wasser, in der Erde,
in der Erde und im Wasser, oder in der Luft allein Wur-
zeln treiben, werden ihre Ortsverhältnisse sehr verschie-
den sein.
Pflanzen, welche im Wasser wachsen, nennt man
Wasserpflanzen (Plantae aquaticae, Hydrophyta ); sie
bieten aber wiederum vielfache Verschiedenheiten dar,
welche .in pflanzengeographischer Hinsicht sehr wichtig
sind. Erstlich sind die Pflanzen des süfsen Wassers und
diejenigen des gesalzenen Wassers gar sehr verschieden,
und nur sehr wenige, gerade zu den unentwickeltsten
Pflänzchen gehörende Arten, sind dem gesalzenen und
dem süfsen Wasser gleichzeitig angehörend. Das voll-
kommenste dieser Gewächse möchte vielleicht die: soge-
nannte Conferva glomerata sein. Grofs aber ist die An-
zahl der Diatomeen, welche im süfsen und auch im ge-
salzenen Wasser vorkommt; es sind dieses jene kleinen
60
und unvollkommenen Gebilde, welche am besten einem
Zwischen-Reiche, zwischen Pflanzen und Thieren zuzu-
eigenen wären, aber keineswegs wahre Thiere sind.
Meerespflanzen (plantae marinae); es sind solche,
welche im Meerwasser vorkommen, also überall in den
grofsen Weltmeeren. Die meisten dieser Pflanzen gehören
der unermefslich grofsen Familie der Algen an, und von
Phanerogamen kommen nur die Zosteren im Meereswasser
vor. Die Fuei sind sämmtlich nur dem Meereswasser an-
gehörig und bilden eine höchst eigenthümliche Gruppe
unter den Algen, welche sich sowohl durch Form, als
wie durch Struktur von den übrigen Algen unterscheidet.
Im Caspischen Meere, obgleich heutigen Tages geschlos-
sen von dem grofsen Meere, finden sich ebenfalls echte
Fuci. Fast alle Meerespflanzen sitzen fest auf dem Bo-
den des Meeres, hauptsächlich auf den felsigen und we-
niger tiefen Ufern desselben; in sehr grofser Tiefe schei-
nen die Fucus-Arten nicht vorzukommen, doch beläuft
sich dieselbe gewifs auf einige hundert Fufs. Zwar hat
man einige dergleichen Pflanzen gemessen und sie noch
länger gefunden, ja selbst über 300 Fufs, z.B. den Fucus
pyriferus am Cap Horn, dessen Blätter 7—S Fufs lang
werden; indessen dergleichen Pflanzen, wie ich es bei den
Laminarien auf der Westküste von Südamerika gesehen
habe, wachsen nicht in gerader Richtung von dem Grunde
aus nach der Oberfläche des Meeres, sondern sie legen
sich mehr horizontal und können daher, bei der aufser-
ordentlichsten Länge, in viel weniger tiefem Wasser wach-
sen. Die Strafse des Magalhaen’s und die des la Maire
ist mit diesem riesenhaften Fucus gefüllt, und dort, in dem
kalten Wasser, scheint die wahre Zone für dieses Gewächs
zu sein, indem es daselbst aufserordentlich gedeiht; doch
scheint es, als würde bei demselben, durch die übermäfsige
Entwickelung der Blattsubstanz, alle Bildung der Früchte
unterdrückt. Es ist wenigstens sehr merkwürdig, dafs
unter den vielen Reisenden, welche jene verrufene Gegend
umschifft haben, noch Niemand die Pflanze daselbst mit
61
Fructificationen gefunden hat; dagegen hat man diese an
kleinen Individuen gefunden, welche im Norden wachsen.
Die Verbreitung dieser Pflanze geht in der neuen Welt
durch alle Zonen, von dem hohen Norden bis zum äufser-
sten Ende gegen Süden; Herr Alexander von Humboldt
brachte sie zuerst aus den tropischen Gewässern, wo sie
keine solche Länge erreicht wie am Cap Horn. Auch am
Cap der guten Hoffnung kommt die Pflanze vor, doch auch
hier nicht so grofs, wie dort am Cap Horn.
Die Verbreitung der Algen-, und überhaupt der Mee-
respflanzen, richtet sich weniger nach den Längen und
Breiten der Erdoberfläche, als dieses bei Landpflanzen der
Eall ist, was aber auch natürlich ist, denn das Wasser
des Meeres ist fast überall ganz gleichmäfsig gesalzen *)
und eben dieses Salzwasser ist es, was das Vorhandensein
dieser Meerespflanzen bedingt, ebenso, wie es bei den
Landpflanzen hauptsächlich die Wärme ist.
An den Küsten des Weltmeeres, wo die grofsen Fuci
wachsen, da bedecken diese den Meeresboden mit einer
undurchdringlichen Pflanzendecke, welche Millionen von
Thieren zum Aufenthalte dient. Fährt man bei ruhiger
See über solche Gegenden hin, dann geniefst .man den
herrlichen Anblick, welchen jene submarinen Wiesen und
eigenthümlichen Wälder dem Auge darbieten, deren Man-
nigfaltigkeit und Pracht durch hochstämmige Corallen, aus
den Gattungen Isis, Gorgonia und Antipates, oder durch
mannigfaches Farbenspiel der ausgedehnten Madreporen-
Massen verschönert wird. Scharlachrothe See- Anemonen,
goldrothe Actineen und mannigfach gefärbte Corallen blicken
dazwischen hervor. Zur Zeit der Ebbe kommen diese
Gewächse meistens dicht an die Oberfläche, oft werden
sie auch ganz blofsgelegt und fangen an zu vertrocknen,
bis dafs die Fluth das Wasser wieder zurückbringt und
die welken Pflanzen wieder erfrischt. Wenn aber das Meer
in Aufruhr geräth, wenn sich die hohen Wellen gegen die
*) $. Meyen’s Reise ete. II, p. 412.
62
-
Felsen der Küste mit furchtbarer Kraft brechen, dann
werden jene Meerespflanzen von ihrem Boden gerissen und
schwimmen auf der Oberfläche des Wassers umher, bis
dafs sie an die Küste geworfen werden. In diesem Zu-
stande, umhertreibend auf dem Meere, trifft sie gewöhnlich
der Seefahrer; nur selten wird es ihm gestattet, diese Ge-
schöpfe an ihrem Standorte aufzusuchen. Aber auch nur
selten entfernen sich die abgerissenen Fuci auf grofse
Strecken von dem Lande, und daher war, schon in frühe-
ster Zeit, das Erscheinen dieser Pflanzen dem Seefahrer
Jas sicherste Zeichen, welches ihm nahes Land verkündete.
Wie sehr ward aber Columbus damals, auf seiner ersten
Entdeckungsreise, durch diese Pflanzen getäuscht, als er
nämlich diejenige Gegend des Atlantischen Oceans befuhr,
welche jetzt unter dem Namen der Sargasso-See bekannt
ist. Diese Sargasso-See ist aber auch eine sehr merkwür-
dige Erscheinung, worüber schon so viel geforscht und
geschrieben, ohne dafs ihre Entstehung ganz erklärt worden
ist. Im Atlantischen Meere nämlich, gerade innerhalb der
grofsen Rotations - Strömung, ist ein Raum von wenigstens
40,000 Quadratmeilen Flächeninhalt, wo man, auf der.
Oberfläche des Meeres, stets eine grofse Masse von schwim-
menden Tangen erblickt, welche sämmtlich einer Art an-
gehören, nämlich dem Fucus natans L., der identisch ist
mit Fucus Sargasso Gmelin, und jetzt unter Sargassum
vulgare bekannt ist. Es schwimmt dieser Fucus in jenem
Meere in mehr oder weniger grofsen Haufen, bald mehr,
bald weniger häufig. Zuweilen ist das Schiff, welches jenes
Wasser durchschneidet, ganz umringt damit, und zuweilen
erblickt man, in mehreren Stunden, auch nicht ein einziges
Pflänzchen. Ich habe überall in der Sargosso-See (Mar
de Zargasso der Portugiesen, Sargasso Spanisch) die Ver-
theilung dieses schwimmenden Tanges ungleichmäfsig ge-
funden, und glaube auch, dafs dieses, auf einem so beweg-
lichen Elemente, nicht anders sein kann; solche dicke Mas-
sen dieser Pflanzen, welche, wie Columbus es that, mit
schwimmenden Wiesen zu vergleichen sind, habe ich kaum
63
sefunden, jedoch einzelne zusammenhängende Häufchen von
einer Länge bis zu 5 und zu 10 Fufs, welche dann, ge-
wöhnlich aus einer einzigen Pflanze bestanden. Die Sar-
gasso-See erstreckt sich von 22° N. Breite bis zum 36sten
Grade, und von dem 25sten Grade westlicher Länge (von
London nämlich) bis zum 4dsten Grade. Aufserhalb dieser
Grenzen, welche durch die Rotations-Strömung gebildet
werden, sieht man: gewifs nur selten irgend ein Pflänz-
chen dieser Art, und diese sind dann in einem sehr schad-
haften Zustande, wie ich es wohl an einigen Stücken der-
gleichen Pflanzen gesehen habe, welche zwischen den Azo-
ren und der südwestlichen Spitze von England umher-
schwammen. Man hat über diese enormen Anhäufungen
des schwimmenden Tanges sehr verschiedene Erklärungen
gegeben; einmal liefs man sie, durch den Golf-Strom aus
dem Mexicanischen Meerbusen her, zusammentreiben, oder
man liefs sie in der Sargasso-See selbst auf Untiefen
wachsen, wo sıe von Fischen, Mollusken und den grofsen
Spritzern losgerissen werden sollten; doch alle diese Mei-
nungen sind jetzt unnöthig, ja es ist sonderbar, dafs man,
so lange schon, nach dem Standorte, dieser Tangen umher-
suchte, obgleich man wufste, dafs der Fucus natans aus
der Sargasso-See niemals, weder mit Wurzel noch mit
Früchten vorkomme. ®*) Ich habe Tausende und Tausende
dieser Pflanzen aufgefischt und sie untersucht, doch keine
Spur ven Wurzel, mit welcher sie festgesessen haben
könnten, war an ihnen zu finden, und an kleinen Individuen
konnte man sehr gut sehen, dafs sie sich, von einem freien
Central-Punkte aus, welcher niemals festgesessen, nach
allen Seiten hin vergröfsert hatten. Demnach haben wir
den Standort dieser schwimmenden Tangen nirgends an-
ders zu suchen, als gerade an dem Orte, wo wir sie finden,
nämlich auf der Oberfläche des Meeres, und diese Pflanzen
gehören demnach zu den wenigen, welche frei, nämlich im
Wasser umherschwimmend wachsen. Eine grofse Menge
*) S. Agardh Species Algarum Vol. IL. p. 7.
64
von Organen, welche im Innern hohl sind und Luft füh-
ren, dienen dieser Pflanze als Erleichterungsmittel zum
Schwimmen. Diese Thatsache des freien Wachsens der
Tangen oder der Algen überhaupt in offener See, ist nicht
mehr so ıisolirt dastehend, denn ich habe in dem tropi-
schen Theile des Atlantischen Oceans, besonders um den
Aequator herum, eine kleine, und äufserst niedliche, stern-
förmig wachsende Oseillatoria entdeckt; das Pflänzchen ist
ungefärbt und so klein, dafs man es, von dem Verdecke
des Schiffes aus, nicht sehen: kann, daher es auch bis jetzt
übersehen worden war. Mit der sogenannten Wurzel der
Algen verhält es sich überhaupt ganz eigenthümlich; eine
wahre Wurzel, wie bei den Phanerogamen, kommt diesen
Pflanzen nicht zu, sondern die Wurzel ist nur eine Fort-
setzung ihrer blattartigen Substanz. Sitzt die Alge fest,
so schwillt das festsitzende Ende der Pflanze an.
Die Pflanzen, welche nur im süfsen Wasser vorkom-
men, heifsen Süfswasser-Pflanzen; auch sie zerfallen
wiederum in Unterabtheilungen, nämlich in solche, welche
in der Erde wurzeln, und in solche, welche frei im Wasser
umherschwimmen. Zu den ersteren gehören die meisten,
im Allgemeinen sogenannten Wasserpflanzen; man sehe die
Nymphäen, welche mit ihren grofsen Blättern und den
schönen, sich kaum über die Oberfläche des Wassers er-
hebenden Blumen die stehenden Gewässer unseres Nordens.
so angenehm verzieren, dazwischen alle die Potamogetonen,
deren Blätter in horizontaler Lage auf der Oberfläche der
Gewässer schwimmen, die feinzerspaltenen Utrieularien mit
schönen, goldgelben Blumen, die sonderbare Form der
Stratiotes, mit den niedlichen weifsen Blümchen, gleichsam
fremdartig für unsern Norden, denn diese Pflanze ahmt
die Form der Pandanen nach; alle diese Pflanzen wurzeln
in der Erde, oft in sehr bedeutender Tiefe, und der übrige
Theil derselben schwimmt im Wasser.
Anders verhält es sich dagegen mit den Lemna-Arten,
welche unter dem Volksnamen der Entengrütze bekannt
sind und zur Sommerzeit, auf den stehenden Gewässern
65
unserer Gegenden, wohl niemals fehlen; sie schwimmen
frei auf der Oberfläche des Wassers umher, wie eine grofse
Menge von Conferven und Oscillatorien, welche bekannt-
lich stehende Gewässer von geringerem Umfange ganz
überziehen können. Bei der Bildung dieser schwimmen-
den Conferven- und Oscillatorien-Massen ist es wohl, we-
nigstens nach den bisherigen Beobachtungen, der Fall, dafs
die ersten Pflänzchen, welche auf dem Wasser umhertrei-
ben, auf irgend eine Weise von dem Boden oder von
andern festen, umherschwimmenden Körpern losgetrennt
worden sind; sobald aber erst einige dieser Gebilde umher-
schwimmen, bekommen die kleinen Sporen einen Anhalts-
Punkt, und nun geht die Bildung der grofsen Massen die-
ser Gewächse schnell von Statten. Es ist aufserordentlich
wenig nöthig, um die kleinen Sporen der Conferven auf
der Oberfläche des Wassers zu erhalten, so dafs sie da-
selbst keimen können; später schwimmen sie mit Leichtig-
keit auf der Oberfläche und entwickeln alsdann daselbst
grofse Massen. Bei den Oscillatorien geht diese Bildung
oft schon in 24 bis 48 Stunden vor sich, so dafs ganze
Teiche, welche man an dem einen Tage von Conferven
reinigt, schon am darauf folgenden Tage, auf ihrer ganzen
Oberfläche, damit bedeckt sind.
Es ist auffallend, dafs in tropischen Gegenden die
Conferven sehr selten sind, doch fehlen sie den stehenden
Gewässern jener Erdtheile keineswegs, und in bedeutenden
Höhen daselbst, wo das Clima unserem nordischen mehr
ähnelt, da kommen sie eben so häufig vor, wie bei uns,
z. B. im See von Titicaca, auf dem Plateau des südlichen
Peru. Auf den Südsee-Inseln werden die stehenden Ge-
wässer, besonders die verlassenen Tarro-Felder, mit Con-
ferven, mit Charen und mit Potamogetonen gefüllt, ganz
ähnlich wie bei uns. Die frei umherschwimmenden Lem-
nen fehlen den tropischen Gegenden mehr oder weniger,
wenn sie auch an einigen Orten gefunden sind; so z. B.
ist Lemna minor auch in Amerika und in Neu-Holland
gefunden, und Lemna trisulca ist ebenfalls, sowohl in Ame-
h)
66
rika, als in Neu-Holland beobachtet. Die Lemna des Nor-
dens wird durch die Gattung Pistia in den Tropen ersetzt;
es ist unglaublich, in welcher Menge die Pistia Stratiotes
die Seen der Tropen bedeckt. Wenn auf der grofsen La-
guna de Bay, dem grofsen See im Inneren der Insel Lugon,
Stürme geherrscht haben, dann sind diese Pflanzen nach
den Küsten getrieben, und weit und breit bedecken sie da-
selbst das Wasser mit einer dicken Pflanzendecke, wärend
Haufen, mehrere Fufs hoch, von diesen Pflanzen auf den
Küsten aufgeworfen sind und bei der Fäulnifs einen ent-
setzlichen Gestank verbreiten. Die Laguna de Bay, welche
einen Abflufs in den Rio Pasig hat, füllt mit diesen büschel-
förmigen Pflanzen auch den schnellfliefsenden und reizend
gelegenen Rio Pasig, welcher dieselben zuletzt hinaus in
das offene Meer führt. Die Pistia Stratiotes keimt in dem
Moorboden der Ufergegend, und, nachdem sie sich aus
dem Schlamme erhoben hat, lebt sie, auf der Oberfläche
des Wassers schwimmend. |
Man kann die Süfswasserpflanzen in drei grofse Ab-
theilungen bringen, je nachdem sie blofs im Wasser und
in der Luft wachsen, oder, je nachdem sie in der Erde,
im Wasser und in der Luft, oder auch, je nachdem sie
blofs in der Erde und im Wasser wachsen und nie über
die Oberfläche des Wassers kommen. Es ist für die Pflan-
zen-Geopraphie von Wichtigkeit, dafs diese verschiedenen
Verhältnisse der Wasserpflanzen mit bestimmten Namen
belegt werden; und ich verstehe demnach unter Wasser-
pflanzen im Allgemeinen (plantae aquaticae) solche,
welche in der Erde wurzeln, sich durch das Wasser hin-
durch erheben und über die Oberfläche desselben kommen,
theils um daselbst ihre Blätter auszubreiten oder um ihre
Blüthen und Früchte. in der Luft zu entwickeln.
Unter- Wasser-Pflanzen (plantae submersae )
nenne ich solche, welche in der Erde wurzeln und nur
im Wasser wachsen, sich aber niemals über die Oberfläche
desselben erheben. Die Gattungen Chara, Najas, Cerato-
phyllum u. a.m. gehören hiezu; besonders aber fast alle Algen.
67
Ober- Wasser-Pflanzen (plantae liberae s. pl.
natantes) sind dagegen solche, welche frei auf der Ober-
fläche des Wassers umherschwimmen und ihre Wurzeln
nur im Wasser treiben. Die Gattungen Lemna und Pi-
stia gehören hieher, und häufig sind es auch eine Menge
von OÖscillatorien. Die Oscillatoria Flos Aquae, wel-
che gewöhnlich als solch eine Ober-Wasserpflanze ange-
sehen wird, ist nach meiner Beobachtung keineswegs eine
eigene Pflanze, sondern nur die Sporenfäden der Nos-
toc-Arten, welche sich aus der Gallerte der Pflanze ge-
trennt haben, nachdem dieselbe sich durch Fäulnifs aufge-
löst hat.
Weit gröfser ist die Verschiedenheit der Wasserpflan-
zen nnter sich durch anderweitige Lokalitäts - Verhältnisse,
deren ursächliche Momente sich eben so wenig enträth-
seln lassen, wie der Einflufs des Clima’s auf die Verbrei-
tung gewisser Pflanzen.
So wachsen viele Wasserpflanzen nur in Seen oder
überhaupt in stehenden Gewässern, und heifsen hiernach
Seepflanzen (plantae lacustres). Die Nymphaeen ge-
hören hiezu, der Scirpus lacustris und Seirpus palustris
und Arundo Phragmites; diese letzteren Pflanzen sind es
gerade, welche in unseren Gegenden die stehenden Ge-
wässer mit einem dichten Walde umgeben, und sie wie-
derholen sich in den kälteren Regionen der tropischen
Zone. So sind die Ufer-Gegenden des See’s von Titicaca
mit einem dichten Walde einer schönen Binse *) einge-
fafst, ganz ebenso, wie die grofsen Seen von Preufsen.
In grofsem Elende lebte das Volk jener Gegend, wäre
ihm von der Natur nicht diese Pflanze zuertheilt, denn je-
nes Land liegt über die Baumgrenze hinaus und nur nie-
dere Sträucher wachsen in der Nähe. Ein paar gerade
Stöcke, eine Ruderstange um die Balsas oder Böte, von
jenen Binsen geflochten, auf dem grofsen See jenes Lan-
des in Bewegung zu setzen; oder eine Stange, als Mast
*) Malacochaete Tatora. Nees et Meyen.
ot
*
68
auf denselben zu gebrauchen, woran die Segel, ebenfalls
aus Binsen geflochten, befestigt werden können, gehören
zu den Reichthümern der Armen jenes Landes, denn es
fehlt alles Holz.
Eben so gehören zu denjenigen Pflanzen, welche die ste-
henden Gewässer bewohnen, die Stratiotes aloides, die
niedlichen Utrieularien, deren es auch in den Tropen so
äufserst schöne Formen giebt, mehrere Potamogetonen, die
Charen, Trapa- Arten, mehrere Ranunculen, die Sagittarien,
der Butomus umbellatus u. s. w. Alle diese Gattungen ha-
ben in den verschiedenen Zonen der Erdoberfläche ihre
Repräsentanten. Unsere Sagittaria wird in der heifsen
Zone durch die schöne Gattung Pontederia ersetzt und die
Nymphaeen durch den Lotos.
Einige jener Seepflanzen haben auch den Namen
Grabenpflanzen (plantae fossarum und plantae sta-
gnariae) erhalten, weil sie fast in allen tiefen Gräben und
anderen stehenden Gewässern von kleinem Umfange zu
finden sind. Hiezu sind Stratiotes aloides, Hydrocharis
Morsus Ranae, Butomus umbellatus, Phellandrium aquati-
cum, Veronica Anagallis und noch viele andere gehörig.
Indessen in der Natur sind keine solche bestimmte Gren-
zen vorhanden, als wir hier aufstellen müssen; die Pflan-
zen der grofsen Landseen, so wie die der kleineren ste-
henden Gewässer, kommen nicht nur zuweilen in tiefen
Gräben vor, sondern sogar auch in fliefsendem Wasser,
besonders an den Ufern desselben, wenn sich Hindernisse
irgend einer Art gebildet haben, welche dem schnellen
Flusse des Wassers daselbst im Wege sind. So findet
man in den Flüssen, besonders an solchen Stellen, wo
grofse Holzflöfse aufgestellt sind, oder wo durch Gesträu-
che der Lauf des Wassers vermindert wird, fast alle die
schönen Pflanzen, welche wir vorhin unter den Seepflan-
zen und den Grabenpflanzen kennen gelernt haben. Es
giebt indessen auch wirkliche Flufspflanzen ( plantae
fluviatiles und plantae rivulares), d. h. solche, welche fast
nur in Flüssen oder Bächen vorkommen; als Beispiele
69
der Art ist Ranunculus fluviatilis, Conferva rivularis und
a. m. anzuführen.
In Hinsicht einiger anderer Lokalitätsverhältnisse kann
man, bei den Wasserpflanzen, noch folgende Gruppen be-
zeichnen: z. B. Quellenpflanzen (plantae fontinales
s. fontanae). Es sind solche, welche in dem frischen und
klaren Wasser der Quellen oder dicht um dieselben wach-
sen; in unseren nordischen Gegenden kann man als wahre
Quellen-Pflanzen folgende ansehen: Montia fontana, Vero-
nica Beccabunga.. Von diesen wahren Quellenpflanzen
mufs man diejenigen abziehen, welche zwar ebenfalls in
der Nähe der Quellen wachsen, aber nur der Feuchtig-
keit wegen, wenn nämlich die Erde rund herum sehr
trocken ist. Nirgend erkennt man diesen Einflufs der
Quellen auf die Vegetation besser, als gerade in den wü-
sten Gegenden der Tropen; die kleinste Quelle bildet
dort oftmals eine Oase, in der nicht nur die saftreichsten
Cyperaceen und Gräser, sondern selbst Gesträuche und
hie und da auch eine Palme sich erhebt. Zieht man im
südlichen Peru von dem Plateau der Cordillere nach der
Küste, so findet man nichts, als die wüstesten, unfrucht-
barsten und trockensten Gegenden; aber die kleinste
Quelle, welche hie und da, oft auf weit auseinander gele-
genen Gegenden sich zeigt, ist die Ursache einer kleinen
Ansiedelung; oft ernährt sie nur ein Feld mit Alfalfa
(Medicago satiya), unserer Luzerne, ein kleines Maysield
und einige Oliven-Bäume, und dennoch mufs, dieser Arm-
seeligkeiten. wegen, die grofse Landstrafse über solchen
Ort gelegt werden, damit den Lastthieren die nöthige Er-
frischung ertheilt werden kann. Nichts gleicht der Oede
und der Todtenstille in solchen Gegenden des südlichen
Peru; auf 20 und 30 Meilen Entfernung erblickt man zu-
weilen keinen Vogel, kein Insekt und keine Pflanze; aber
die kleinste Quelle ruft aus diesem todten, allmälich in
Staub zerfallenen Boden eine grüne Welt hervor, und sie
wird zuweilen, wenn reiche Erzadern in der Nähe liegen,
zugleich die Quelle grofser Reichthümer, welche ohne die-
70
ses Wasser nicht bearbeitet werden könnten. In feuch-
ten tropischen Gegenden ist eine Quelle wenigstens der
Sammelplatz einiger hoher oder üppiger Bäume; die Quel-
len auf den Südsee-Inseln sah. ich öfters mit herrlichen
Pandanen und Eugenien *) umkränzt, und auf den Phi-
lippinen waren es schöne Palmen und Barringtonien, wel-
che daneben standen.
Quellen, welche Kochsalz enthalten, zeigen in ihrer
Nähe eine Menge von Pflanzen, die auch an den Ufern
der Meere wachsen, wo. der Boden ebenfalls mit Salz-
wasser imprägnirt ist; man nennt solche Pflanzen im All-
gemeinen Salzpflanzen (plantae salinae, Halophyta).
Eine Menge von Salsola- Arten, Anabasis, Salicornien und
Glaux maritima gehören zu dieser Gruppe; einige Charen
pflegen in diesen Salzquellen ebenfalls nicht zu fehlen,
und dieses findet unter allen Zonen und in allen Regio-
nen statt. Sehr auffallend ist es, dafs mit diesen Salz-
pflanzen nicht nur die Salzpflanzen der Meeresküsten
übereinkommen, sondern dafs auch die Steppen-Flora
meistens einige ganz ähnliche Pflanzen aufzuweisen hat,
woraus man vielleicht auf einen früheren Zustand dieser
Steppen schliefsen könnte.
An jene Wasserpflanzen schliefsen sich diejenigen
an, welche theils im Wasser, theils auf trockenem Boden
wachsen; man hat sie hiernach amphibische Pflanzen
(plantae amphibiae) genannt, und sie zeigen, wenigstens
sehr häufig, verschiedengeformte Blätter, je nachdem sie
im Wasser oder auf der Erde gewachsen sind. Beispiele
hiezu geben: Nasturtium palustre und N, amphibium, Car-
damine pratensis, Rumex Hydrolapathum u. s. w. Auch
mehrere Mentha- Arten gehören hieher. Andere Pflanzen
finden sich wiederum vorzüglich an solchen Orten, welche
im Winter oder im Frühjahr überschwemmt sind, und man
hat sie überschwemmte Pflanzen (plantae inundatae)
genannt; Limosella aquatica, Peplis Portula, Juncus bufo-
*) Pandanus odoratissimus und Jambosa malaccensis Dec.
71
nius, Chalta palustris u. a. m. gehören hiezu. Die plan-
tae inundatae und die plantae amphibiae sind also sehr
verschieden von einander; jene wachsen in einem Boden,
welcher in einer gewissen Zeit im Jahre überschwemmt
ist, diese aber bald im Wasser, bald auf dem Lande, wo-
bei sie jedoch wenigstens verschiedengeformte Blätter zu
zeigen pflegen.
Pflanzen, welche an den Ufern der grofsen Gewässer
vorkommen, nennt man Ufer-Pflanzen. Strand-Pflan-
zen (plantae littorales set maritimae), wenn sie an den
Ufern der Meere wachsen; Ufer-Pflanzen (plantae ri-
pariae) im Allgemeinen dagegen, wenn sie an den Rän-
dern der süfsen Gewässer, sowohl an den Seen als an
Flüssen und Bächen vorkommen. Da die Ufer der Meere
mit Kochsalz imprägnirt sind, so ist es der Fall, dafs sehr
viele Strandpflanzen mit den Salzpflanzen, welche im In-
nern der Länder, in der Nähe der Salzquellen wachsen,
genau übereinstimmen. Beispiele hiezu geben Glaux ma-
ritima, Salsola Kali, Samolus Valerandi, Eryngium mariti-
mum, Chenopodium maritimum u. s. w. In den Tropen
sind es Lythrum maritimum, mehrere Heliotropium- Arten,
Vitex-Arten u. s. w. Schon früher habe ich darauf auf-
merksam gemacht, dafs mit diesen Strand- und Salzpflan-
zen auch die Steppenpflanzen übereinstimmen. Die so-
genannten Steppen- oder Salzpflanzen sind jedoch nicht
in allen Gegenden der Erde so gleichartig, wie man die-
ses gewöhnlich anzunehmen pflegt. In den Wüsten Egyp-
ten’s sind es: Dactylis repens, Cynodon dactylon, Zygo-
phyllum album, Cressa cretica u. s. w. In Nordamerika
sind es: Uniola maritima, Spartina glabra, Gerardia mari-
tima, Aster subulatus u. a. m.; in Südamerika fanden wir
unter ähnlichen Verhältnissen die gesellig wachsende Poa
thalassica Humb, et Kunth., Salsola corticosa mihi, Salsola
glomerata mihi u. s. w., und in den Salzsteppen Asiens sind
es Salsola prostrata, Statice tartarica, Glycirrhiza hirsuta,
G. laevis u. s. w.
Sehr eigenthümlich ist die Vegetation an dem Mee-
72
resufer tropischer Gegenden; überall da nämlich, wo das
Meer nicht durch Felsen oder Sandmassen eingefafst wird,
sondern Dammerde-haltige Ufer hat, welche theils fest,
theils moorig sind, und, durch die Fluth des Meeres, stark
mit Feuchtigkeit imprägnirt werden. Auf solchem Boden
finden sich in tropischen Gegenden ganz eigenthümliche
Pflanzenformen, welche dichte, undurchdringliche, meilen-
lange Wälder bilden, die beständig die Ufer des Meeres
einfassen. Die gewöhnlichste dieser Meeres - Ufer - Pflan-
zen, welche vorzüglich am Ausflusse grofser Ströme vor-
kommt, ist die Mangle (Rhizophora Mangle L.) oder der
Wurzelbaum; er hat das besonders Merkwürdige an sich,
dafs seine Saamen nicht abfallen und in der Erde wur-
zeln, sondern dieselben keimen schon aus der Frucht
heraus und senken sich mit ihrem Wurzelende, bis sie den
morastigen Boden erreichen, von dem aus sie von Neuem
treiben, so dafs alsbald, aus einem einzigen Stamme, ein
ganzer Wald entsteht, auf dem man, zur Zeit der Ebbe,
umher wandern kann. Aufser den Rhizophoren sind es
hauptsächlich die Avicennien, welche dergleichen Meerufer-
Waldungen (Mangrove-Waldungen in Brasilien) bilden.
In Brasilien ist es die Avicennia nitida und die Av. tomen-
'tosa L., welche die Mangrove- Wälder bildet; an den tro-
pischen Küsten Afrika’s sind es Rizophora und Avicennia
tomentosa, und an den Meeresufern von Indien und Neu-
Holland kommen die Gattungen Rhizophora, Avicennia,
Aegiceras und Bruguiera vor, und, besonders an den
Ufern der Flüsse, an ihrem Ausgange in das Meer, kom-
men daselbst häufig die prachtvollen Barringtonien vor.
Herr Alexander von Humboldt *) hat bei der Mün-
dung des Rio Sina verschiedene Schwämme (als Boletus,
Hydnum, Helvella und Thelephora - Arten) gesammelt, wel-
che an den Rhizophoren-Bäumen hingen und daselbst ge-
diehen, obgleich sie bei der Fluth vom Salzwasser bespült
wurden.
—
*) Reise u. s. w. Theil 6. 2te Hälfte p. 57.
73
Die Pflanzen, welche in der Erde Wurzel treiben und
in der Luft wachsen, nennt man Landpflanzen (plan-
tae terrae adfıxae); sie zeigen, in Bezug auf die chemische
Beschaffenheit des Bodens, grofse Verschiedenheiten, ob-
gleich, wie schon früher davon die Rede war, die Pflan-
zen sehr wenig von dem Inhalte des Bodens aufnehmen.
Schon vorhin, bei Betrachtung der Wasserpflanzen haben
wir derjenigen gedacht, welche in Salzquellen vorkommen,
so wie der Strandpflanzen, welche mit jenen Salzpflanzen
übereinstimmen. Auch diese Pflanzen sind Landpflan-
zen und kommen auf einem Boden vor, der mit Koch-
salz und andern Salzen geschwängert ist. |
Sehr auffallend ist aber auch die geognostische Be-
schaffenheit des Bodens, in Hinsicht ihres Einflusses auf das
Vorkommen gewisser Pflanzen. Wenngleich es wahr ist,
dafs die Grenzen hier nicht so regelmäfsig in der Natur
‘- gezogen sind, wie wir sie aufstellen müssen, so wird man
doch schwerlich ihren Einflufs verkennen können, wenn
man die Erscheinung in ihrer Allgemeinheit auffafst. Die
wichtigsten Gruppen, welche sich, in Hinsicht des Einflus-
ses der geognostischen Beschaffenheit des Bodens auf den
Standort der Pflanzen, zeigen, sind:
1) Die Sandpflanzen, auch Kieselpflanzen
(plantae arenariae, plantae silicaceae) genannt; sie sind
in allen Gegenden der Erde von eigenthümlichem Cha-
rakter; ihre gröfste Zahl möchte zu den Gräsern gehören.
Auf unseren Sandebenen sind vorzüglich Carex arenaria,
Arundo arenaria, Herniaria glabra, mehrere Tussilago-
Arten, Poetentillen, Sedum acre und mehrere andere Pflan-
zen zu finden; in fliegendem Sande, wo die Vegetation
nur selten festhält, ist der Elymus arenarius an seinem
passenden Orte und wird auch am zweckmäfsigsten dazu
benutzt, den fliegenden Sand zu befestigen, ‘wenn auch
keine andere Pflanze darin gedeihen will. Man unterschei-
det noch plantae sabulosae, Pflanzen nämlich, welche
im Flufssande wachsen; Elymus sabulosus, Tussilago-
und Salix- Arten gehören zu diesen.
74
2) Die Kalkpflanzen (plantae calcareae) wachsen
auf kalkigem Gestein; es giebt einige Pflanzen, wie z. B.
die Familie der Orchideen, welche diesen Boden ganz be-
sonders lieben, und einzelne Arten aus derselben kommen
nur auf Kalkfelsen vor. Ein Beispiel hiezu giebt das Cy-
pripedium Calceolus, welches ich schon früher aufgeführt
habe. Teucrium montanum, Sesleria coerulea und andere
Pflanzen mehr, zeugen von einem kalkhaltigen Boden.
Kalkgebirge zeigen noch mehrere andere Eigenthümlichkei-
ten in Hinsicht ihrer Vegetation; sie zeigen meistentheils
nur wenig Wälder, überhaupt weniger eine baumartige,
als eine stauden- und strauchartige Vegetation, daher ih-
nen viele kleine Pflänzchen, welche im Schatten jener Ge-
sträuche wachsen, zukommen.
Der Gips unter den kalkigen Gebirgsarten scheint
noch seine eigenthümlichen Formen aufzuweisen zu haben;
es ist die Gattung Gypsophila, deren Arten auf gipshalti-
gem Boden ganz gewöhnlich vorkommen. Man hat dem-
nach auch sogenannte Gipspflanzen.
Ein Torf-haltiger Boden zeigt ebenfalls seine eigen-
thümliche Vegetation, und diese ist in nordischen Gegen-
den, wo Torfmoore so häufig sind, für den Charakter der
Landschaft äufserst wichtig. Die Pflanzen, welche auf die-
sem Boden wachsen, zeichnen sich besonders durch ge-
selliges Auftreten aus und zeigen übermäfsige Wurzelbil-
dung. Beispiele hiezu geben die Sphagnum- Arten, welche
nur selten noch andere Pflanzen zwischen sich aufkom-
men lassen. Vaceinium oxycoccus, Andremeda polifolia,
die Drosera- Arten, mehrere Juncus - Arten und Salices
sind die gewöhnlichsten Torfpflanzen (plantae tur-
fosae, plantae caespitosae). Bildet sich der Torf
in ausgestochenen Gräben, wo sich Wasser angesammelt
hat, so sind Charen und Conferven die ersten Gewächse,
welche in unsern Gegenden zur Torfbildung den Stoff
hergeben. Später zeigt sich Spongilla lacustris an den
Wänden der Torfgräben; es erscheinen die Utrieularien,
der Seirpus palustris, Myriophyllen, Equiseten, Nymphaeen
75
u. s. w., deren Substanz wieder verschwindet und die Tiefe
des Grabens allmälich ausfüllt, indem sich die Seitenwände
dabei zugleich immer mehr und mehr näheren. Ist der
Graben erst zugewachsen und hat sich etwas fester Bo-
den auf der Oberfläche gebildet, so‘ erscheinen Comarum
palustre, Alisma Plantago, Vaceinium oxycoccus, Droserae,
Eriophora u. s. w. und somit ist der Torfboden wieder von
Neuem erzeugt.
Ich habe hier die geognostische Beschaffenheit des
Bodens in Hinsicht des Einflusses auf das Vorkommen
der Pflanzen betrachtet, unterlasse aber auch nicht noch-
mals die Bemerkung zu machen, dafs dergleichen Pflanzen,
welche einem besonderen Boden besonders eigenthümlich
sind, auch sehr häufig auf anderem Boden vorkommen;
ja es giebt Botaniker, wie z. B. Herr Decandolle *), wel-
cher versichert, dafs er in Frankreich beobachtet habe,
wie eine jede Pflanze jenes Landes auf jedem Boden wach-
sen könne, ein Resultat, welches wohl nicht anzuerkennen
‘sein möchte. Ich glaube nicht, dafs Carex arenaria auf
Torfboden und dafs Cineraria palustris auf fliegendem
Sande wachsen können. Gewifs aber ist es, dafs die geo-
gnostische Beschaffenheit des Bodens weniger, als dessen
chemische Beschaffenheit auf das Vorkommen der Pflanzen
einwirkt.
Die chemische und geognostische Beschaffenheit des
Bodens ist aber, auch noch in anderer Beziehung, auf die
Verbreitung der Pflanzen wichtig. Es scheint nämlich,
dafs Pflanzen, welche irgend einen besonders beschaffenen
Boden vorzüglich lieben, dafs diese Pflanzen einen weit
gröfseren Verbreitungsbezirk aufzuweisen haben, als an-
dere Pflanzen, welche in gewöhnlicher Dammerde vegeti-
ren; denn nur zu oft wiederholen sich jene örtlichen Ver-
hältnisse, welche dann das Erscheinen der dazu gehörigen
Pflanzen bedingen. ’ N
Die Dammerde liefert denjenigen Boden, welcher für
*) Dictionnaire des scienc. nat. Tom. XVIIL p. 377.
76
das Wachsthum der Pflanzen am allgemeinsten der geeig-
neteste ist, und auf ihm zeigen sich auch häufig alle jene
Pflanzen, welche wir bisher, für andere Bodenarten eigen-
thümlich, angeführt haben.
Nach dem Grade der Feuchtigkeit liefert auch die
Dammerde einen Boden, welcher bald mehr, bald weniger
für gewisse Pflanzen besonders vortheilhaft ist, so dafs
diese auf ihm häufiger und üppiger stehen, als auf einem
Boden von anderer Beschaffenheit. Es möchten sich hier-
nach folgende Pflanzengruppen unterscheiden lassen:
Bruch-Pflanzen (plantae uliginosae ); sie wach-
sen auf sehr feuchtem Boden, welcher dabei so_ wenig
fest ist, dafs er dem Tritte des Menschen nachgiebt und
sich hierauf wieder erhebt. In nordischen Gegenden kom-
men dergleichen Brüche sehr häufig vor, besonders auf
den Wiesen, und man belegt dergleichen Gegenden mit
dem Namen der Niederungen. In den höheren Regionen
der Gebirge kommen dergleichen Brüche ebenfalls häufig
vor, z. B. auf den Alpen, auf dem Harze, dem schlesischen
Gebirge und selbst auf dem Plateau der Cordillere vom
südlichen Peru, wo sie eben so ausgedehnt sind, als auf
unseren nordischen Gebirgen. Die vorzüglichsten Bruch-
Pflanzen möchten sein: Pinguicula alpina, Primula fari-
nosa, Chalta palustris, u. s. w. Es ist natürlich, dafs die
Bruch-Pflanzen und die Torf-Pflanzen sehr oft
übereinstimmend sind, denn fast in allen Bruch- Gegenden
kann man Torf bereiten.
Die Brüche unterscheiden sich von den Sümpfen nur
durch gröfsere Festigkeit und geringeren Wasser - Gehalt.
Der Sumpfboden ist so weich, dafs man, bei dem Hinauf-
treten einsinkt und derselbe erhebt sich dann nicht mehr,
wie sich etwa der Bruchboden erhebt. Da die Sümpfe
in ihrer Ausdehnung sehr hänfig mehr oder weniger gro-
fse Wasser - Bassins enthalten, so kommen die Wasser-
pflanzen häufig zwischen denjenigen Pflanzen vor, welche
-den Sümpfen eigenthümlich sind, und Sumpf-Pflanzen
(plantae paludosae s. plantae palustres ) genannt werden.
77
Es gehören hiezu Menyanthes trifolıata, Hottonia palustris,
Cineraria palustris, Scheuchzeria palustris, Comarum pa-
lustre, Bidens cernua u. s. w. Da die Sümpfe sehr häu-
fig in heifsen Sommern austrockenen, so verschwinden viele
von den Sumpfpflanzen schon früh im Sommer, und er-
scheinen erst im folgenden Jahre wieder, wenn der Sumpf
sich abermals mit Wasser füllt. Dergleichen Gegenden
haben alsdann mit denjenigen die gröfste Aehnlichkeit,
welche zu gewissen Jahreszeiten überschwemmt sind und
denen die Ueberschwemmungs- Pflanzen eigenthümlich sind.
Man hat Schlammpflanzen (plantae limosae ) von Sumpf-
pflanzen unterscheiden wollen, doch möchten sie, mit den
Ueberschwemmungspflanzen und den Bruchpflanzen zu den
Sumpfpflanzen so ineinander übergehen, dafs dergleichen
Eintheilung nicht in der Natur begründet zu sein scheint,
sie auch zu nichts führen kann, sobald man die Abthei-
lungen zu sehr häuft.
Die Eigenschaften des Bodens sind, noch in verschie-
dener anderer Hinsicht, auf das Vorkommen gewisser
Pflanzen vom entschiedensten Einflusse, und wir wollen
suchen dieselben in einer gewissen Reihefolge näher zu
erörtern. Wir betrachten den Einflufs des Bodens auf
das Vorkommen der Pflanzen:
I. in Hinsicht des Aggregat- Zustandes.
Man unterscheidet Felsen-Pflanzen (plantae ru-
pestres seu rupicolae) *) von Geschiebe- Pflanzen (plan-
tae saxatiles); erstere wachsen auf nackten Felsen, z. B.
Sedum rupestre, eine grofse Anzahl von Cacten und an-
dere Saftpflanzen in tropischen Gegenden, besonders aber
' auch die vielen Flechten, Farrn und Moose. Geschiebe-
Pflanzen wachsen auf Steinen, welche von den Gebirgs-
massen getrennt sind; als Beispiel dafür wird Thlaspi
saxatile aufgeführt; es ist mir nicht möglich gewesen,
zwischen Felsenpflanzen und zwischen Geschiebepflanzen
Unterschiede aufzufinden.
*) S. Schouw’s Pflanzengeographie. Berlin 1823. p. 4158.
78
Sandpflanzen, welche an diesem Orte gleichfalls
aufgeführt werden müssen, haben wir schon früher in Be-
trachtung gezogen. Aufserdem sind noch die Schutt-
Pflanzen (plantae glareosae) zu nennen, welche nach
Herrn Schouw auf den aufgelösten Gebirgsmassen’ am vor-
züglichsten gedeihen. Es dienen hiezu als Beispiele Saxi-
fraga rivularis, Ranunculus alpestris und R. glacialis. Auf
der Hochebene im südlichen Peru, in einer Höhe zwischen
14-, 15- und 16000 Fufs, kommen grofse Strecken von
mehr als einer Tagereise Länge vor, wo der ganze Bo-
den aus einem weifsen verwitterten Trachyte besteht, wel-
cher einem feinen Sande sehr ähnlich erscheint. In die-
sem verwitterten Gesteine wachsen einige Sida-Arten, als
Sida pedicularifolia mihi *), von ausgezeichnetester Schönheit
und in der Lava- Asche der südamerikanischen Cordilleren-
Vulkane, fand ich andere, eben so niedliche Sida- Arten,
als Sida borussica mihi, mehrere Gräser, sonderbar gestal-
tete Bacchariden, als Baccharis phylicaeformis nob., B. ge-
nistelloides Hook, B. sagittalis Lessing, B. quadrangularis
nob. und das Tulostoma Meyenii Klotzsch, einen . ganz
ausgezeichneten Pilz. In anderen Gegenden fanden wir
unter ähnlichen Verhältnissen, wie auf dem Kegel des Vul-
kan’s von Maypu, ebenfalls sehr niedliche Pflanzen, z. B. Caly-
cera ventosa nob. u. a.m.**) Aber höchst eigenthümlich sind
die Formen dieser alpinischen Schutt-Pflanzen in Amerika,
denn sie erscheinen immer in kleinen Häufchen, welche
zuweilen äufserst niedlich auf der dunkeln Lava- Asche
abstechen, wie z.B. das kleine, ganz dicht mit Haaren be-
deckte Häufchen der Blätter von Sida borussica, woraus sich
die Blüthen hervorschieben, welche, noch vor der Entfaltung,
der Länge nach weifs und ganz dunkel violett gefärbt sind.
I. In Hinsicht der Natur des Bodens.
Wir unterscheiden hier abermals drei verschiedene
Gruppen, je nachdem die Pflanzen auf anderen lebenden
*) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 460.
**) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 356.
79
Pflanzen, auf todten organischen Stoffen, und auf Kunst-
produkten vorkommen. Wir haben bisher die todte Na-
tur als den Boden der Pflanzen betrachtet , doch es giebt
eine grofse Zahl von Gewächsen, welche auch auf orga-
. nischen Gebilden festsitzen. Wir betrachten hier vor Al-
len die. sogenannten parasitischen Pflanzen, welche,
wie es schon der Name sagt, parasitisch auf anderen
Pflanzen wurzeln. Unsere Mispel (Viscum album L.), die
auf den hohen Bäumen unserer Gegenden wächst, ist all-
gemein bekannt; sie ist ein Parasıt, ihre Saamen treiben
Wurzeln, welche durch die Rindensubstanz der Bäume
hindurchdringen und dann die Nahrung aus dem Holze der
Bäume ziehen, uf welchen der Parasit wurzelt. In wär-
meren Gegenden, ganz besonders in den Tropen und in
der subtropischen Zone, wird die Mispel durch die Gat-
tung Loranthus ersetzt, deren Arten-Zahl eben so grofs
ist, als es die Pracht ihrer scharlachrothen Blüthen ist.
Die parasitischen Gewächse zeigen jedoch in den Ver-
hältnissen, worin sie zu ihrem Boden stehen, welcher
gleichsam ihre Mutterpflanze ist, so grofse Verschieden-
heiten, dafs es nöthig ist, dieselben in besondere Unter-
abtheilungen zusammenzustellen, welche auch in pflanzen-
geographischer Hinsicht wichtig sind.
Wir unterscheiden:
1) Wahre Parasiten (plantae parasiticae ve-
rae). Es sind Pflanzen, welche auf den Wurzeln anderer
Pflanzen aufsitzen und so innig mit der Substanz der
Mutterpflanze verbunden sind, dafs diese selbst ein eigen-
thümliches Organ aus ihrer Substanz bilden, welches den
Parasiten als Unterlage dient. Die hieher gehörigen Pflan-
zen wachsen immer nur auf bestimmten Arten anderer
Pflanzen und zeichnen sich, durch verschiedene Merkmale,
von den übrigen, nicht parasitischen Pflanzen sehr be-
stimmt aus, z. B. durch Fehlen der Hautdrüsen u. s.w. Dem
Saamen aller wahren Parasiten fehlt der Embryo, und
durch genaue Untersuchung der Verbindungs-Art zwischen
dem Parasiten und der Mutterpflanze geleitet, behaupte
80
ich auch, dafs diese Pflanzen keineswegs aus Saamen ent-
standen sind, welche in die Substanz der Wurzel einer
anderen Pflanze hineingewurzelt sind, sondern dafs sie
als ein krankhaftes Produkt zu betrachten sind, welches
aus dem Innern der Wurzel der Mutterpflanze hervor-
wächst. Die Untersuchung dieses Gegenstandes habe ich
bei der prachtvollen Gattung Brugmansia und bei einer
Balanophor unternommen, welche Herr Blume von Java
mitgebracht hat *). Alles, was von einigen Seiten her
bis jetzt dagegen gesagt ist, mufs ich als ganz unpassend
betrachten, und dabei bei meinem früheren Ausspruche
bleiben. **)
Die wahren Parasiten entbehren der grünen Farbe;
sie sind meistens mehr oder weniger braun gefärbt, doch
zuweilen auch von ausgezeichnet hellen Farben. Auch die
Hautdrüsen fehlen diesen parasitischen Pflanzen. Ganz
entschieden gehören hieher die Pflanzen der beiden, nur
in den Tropen und den subtropischen Zonen vorkommen-
den Familien, nämlich der Rhizantheen von Blume und
*) S. Meyen Ueber das Herauswachsen parasitischer Gewächse.
aus den WVurzeln anderer Pflanzen. Flora 1829. Nro. 4.
**) Herr Link wollte das Unrichtige der obigen Behauptung da-
mit widerlegen, dafs man den Uebergang der gefärbten Säfte durch
die Spiralröhren, aus einem abgeschnittenen Aste ın das darauf sit-
zende Viscum beobachten könnte; indessen Viscum gehört ganz und
gar nicht zu eben derselben Gruppe von parasitischen Pflanzen, von
welchen ich gesprochen habe, und bei Viscum läfst sich auch die
Insertion sehr wohl erkennen und verfolgen. Herr De Candolle
fertigt meine Ansicht, welche unwiderleglich auf den Bau der Brug-
mansıa begründet ist, damit ab, dafs er dieselbe eine bizarre’ Idee
nennt; hätte indessen dieser gelehrte Botaniker, bei seiner grofsen
Einsicht, die Behauptung zu widerlegen gesucht, so würde der Wis-
senschaft dadurch mehr Nutzen erwachsen seın. Mit den Oroban-
chen mufs man diesen Gegenstand nicht zu widerlegen versuchen,
indem ich selbst über diese einige Zweifel erhoben habe, am we-
nigsten aber mit Vauchers Beobachtungen über diesen Gegenstand,
indem diese alle die Genauigkeit entbehren, welche dabei nöthig ist.
Die Rafflesia, die Brugmansia und die Balanophoren nehme man
zur WViderlegung oder zur Bestätigung meiner Ansicht.
81
der Balanophoren von Richard. Es sind die merkwürdig-
sten und seltensten Pflanzen, welche in diese Familien
gehören; die Rafflesia aus Ostindien ist unter dem Na-
men der Riesenblume bekannt und berühmt geworden.
Sie gleicht einem riesenhaften Pilze von 3 bis 4 Fufs
Durchmesser und ähnelt durch ihre Form der Blume ei-
nes Phanerogamen, welche, eben aus der Erde kommend,
unmittelbar auf der Wurzel einer fremden Pflanze befe-
stigt ist.
Wir besitzen in unsern nordischen Gegenden eben-
falls 3 Gattungen von parasitischen Pflanzen, nämlich La-
thraea, Orobanche und Monotropa, welche auf den Wur-
zeln anderer Pflanzen festsitzen, z. B. Lathraea squamaria
auf der Wurzel der Buche. Es scheint jedoch, nämlich
einige Versuche wollen es darthuen, dafs einige dieser
Pflanzen, z. B. die Orobanchen, auch aus Saamen gezogen
werden können. Ich kann diesen Beobachtungen des
Herrn Vaucher keinesweges meinen Beifall geben, und
glaube bis zum heutigen Tage noch nicht daran. In In-
dien sind die Gattungen Aeginetia und Phelypaea die Stell-
vertreter unserer Orobanchen und Lathraeen.
Nach Beobachtungen der letzteren Zeit sollen, auch
bei verschiedenen anderen Pflanzen, auf der Rinde des
‚Stengels oder des Stammes wahre Parasiten vorkommen,
wie z. B. die Gattungen Apodanthes Poit. und Pilostyles
Guill., indessen diese Gattungen erscheinen noch sehr
zweifelhaft, und scheinen nur verkrüppelte, oft auch re-
gularisirte Blüthen eben derselben Pflanze zu. sein, auf
welcher sie gefunden werden.
2) Parasiten (plantae parasiticae) oder Schma-
rotzer-Gewächse. Sie wachsen auf der Rinde ande-
rer Gewächse, meistens in der Krone der Bäume, indem
ihre Saamen die Würzelchen in die Rindensubstanz hin-
eintreiben und zwar so tief, dafs sie sich mit der Holz-
substanz der Mutterpflanze innig verbinden und die Nah-
rungsfiüssigkeiten aus derselben aufsaugen. Die vorhin
schon erwähnten Gattungen, Viscum und Loranthus, ge-
6
82
hören hieher, von letzteren sind jedoch sehr viele Arten
nicht parasitisch, sondern wachsen in der Erde und bilden
hohe Sträucher. Das Viscum in unseren Gegenden hat
nur wenigen Einflufs auf die Physiognomie der Vegetation,
höchstens bemerkt man es zur Winterzeit auf blattlosen
‚Bäumen, besonders in fruchtbaren Gegenden, wo ‘diese
Mispel mehr oder weniger grofse und dichte Haufen von
grünen Blättern bildet, welche zur Winterzeit, bei der be-
schneeten Ebene, innerhalb- der blattlosen Aeste ganz ei-
genthümlich erscheinen. In den wärmeren Gegenden aber,
wo der Loranthus wächst, da zeigt die Vegetation durch
ihn, häufig den herrlichsten Farbenglanz, welchen die
scharlachrothen Blumen dieser Parasiten zwischen dem
dunkeln Grün der Blätter ihrer Mutterpflanzen erzeugen.
In Chile überzieht ein blattloser Loranthus die Oberfläche
eines grofsen candelaberförmigen Cactus wie mit einem
scharlachrothen Teppiche, aus dem die _grofsen, 8 bis 9
Zoll langen schneeweifsen Blüthen des Cactus hinausra-
gen und einen herrlichen Anblick gewähren.
3) Uneigentliche Parasiten (Epidendra seu
Epiphyta). Hieher gehören solche Pflanzen, welche
zwar auf der Oberfläche anderer Gewächse wachsen, aber
ihre Wurzeln nicht in die Substanz der Bodenpflanze
hineintreiben, also auch nicht die Nahrung aus derselben
ziehen können. Sie sitzen meistens in den Ritzen und
Vertiefungen der Rinde der Bäume, setzen sich aber spä-
ter daselbst so fest, dafs sie nur mit bedeutender Kraft-
anstrengung losgerissen werden können. Pflanzen der
Art kommen in allen Gegenden der Erde. vor, sie sind
nicht bestimmt auf gewisse Arten und Gättungen ange-
wiesen, sondern wuchern überall da, wo sie irgend einen
Anhaltspunkt finden. In unsern nordischen Gegenden ist es
bekannt, welch eine grofse Menge von Flechten, von Moo-
sen und Jungermannien auf der Oberfläche der Baäum-
stämme festsitzen; sie haben diese fremden Pflanzen zum
Boden, aber sind darin nicht unbedingt gefesselt, sondern
können, unter ähnlichen Verhältnissen, auch an andern Or-
83
ten wachsen. Je glätter die Oberfläche der Rinde ist und
je trockener der Boden ist, auf welchem die Bäume
wachsen, um so geringer ist die Anzahl dieser Epiphyta,
aber um so groiser ist sie, je feuchter der Boden und
also auch die Luft ist, in welcher die Bäume wachsen.
Wenn man durch die Kieferwaldungen unserer trockenen
Sandgegenden wandert, so wird man zwar hie und da ei-
nige Flechten und Moose an den Stämmen jener Bäume
bemerken, aber keinen Begriff kann man sich hienach
von der Masse von Pflanzen machen, welche schon auf
den Bäumen der feuchten Wälder unserer nordischen Ge-
birgsgegenden vorkommen. Die Usneen, welche auf den
Bäumen unserer trockenen Gegenden kleine und wenig
ausgebildete Exemplare darbieten, sind in den feuchten
Wäldern des Harzes und des Riesengebirges mehr als
fufslang und ähneln, durch ihre grüngraue Farbe, in man-
cher Hinsicht den Tillandsien der Tropen. Auf der Insel
St. Helena, wo das Clima ‘auf der westlichen Seite äufserst
feucht ist, da kommt eine röthliche Varietät der Usnea bar-
bata vor; sie überzieht die Bäume der Conyza arborea, |
welche in der Nähe von Napoleon’ s Wohnung eine Allee
bilden, in einen solchen Grade, dafs diese herabhängende
Pflanzendecke vor Allem das Auge des Reisenden reitzt.
Ganz anders verhält es sich, in Hinsicht des Vor-
kommens der uneigentlichen Parasiten auf der Oberfläche
anderer Gewächse, ın tropischen Gegenden; bei uns kom-
men nur Cryptogamen, ja nicht einmal Farrn parasitisch
- auf den Bäumen vor; dort aber, wo die Luft, bei einem
hohen Grade von Wärme, eine ganz aufserordentliche
Menge von Feuchtigkeit enthält, da. sind oftmals eine so
grofse Menge von verschiedenartigen Gewächsen auf einem
einzigen Baume zu finden, dafs sie, wollte man mit den-
selben die Erde bepflanzen, einen grofsen Flächen -Raum
einnehmen würden. ’
Hier wachsen Pothos- Gewächse auf den Aesten der
höchsten Bäume, durch deren prachtvolle Blätter sich die
grofse weifse Blume erhebt. Sonderbar gestaltete Orchi-
6*
84
deen, Bromelien und Pitcarnien sitzen in den Winkeln
der Aeste und erfüllen jeden Rifs in der Rinde des Bau-
mes. Die niedlichsten Farrnkräuter, fast unseren Lyco-
podien, fast unserem Epheu ähnlich, ranken sich auf der
Oberfläche des Stammes hinauf, von dessen Aesten silber-
graue Tillandsien herabhängen. Nicht zu gedenken der
Unzahl von Schlingpflanzen, welche, einst in der Erde
wurzelnd, auf die Bäume gestiegen sind und daselbst fort-
wachsen, wenn keine Spur von ihrer Wurzel mehr vor-
handen ist. Die inneren langen Stengel dieser Pflanzen
ziehen sich bald von einem Baume zum anderen hin, bald
hängen sie als straffe Taue, in mehr oder weniger schrä-
ger Richtung, bis zur Erde herab, oft auf einer Länge
von 30 und 40 Fufs kein einziges Blatt zeigend. Und
diese aufgespannten Taue dienen den Affen und den gro-
fsen wilden Katzen zum Hinaufklettern. In der neuen
Welt sind es meistens Bauhinien, Paullinien, Bignonien,
Banisterien und Passifloren, welche eine solche übermä-
fsige Längenentwickelung ihres Stammes zeigen; in der
alten Welt, besonders in Indien und den angrenzenden
Inseln, sind es die Ratang’s- oder Calamus- Arten, welche
die verschiedenen Arten von Rohr liefern, die durch den
Handel zu uns kommen. Die Calami bilden eine eigen-
thümliche Abtheilung unter den Palmen und verhalten
sich, sonderbar genug, ganz so, wie die Schlingpflanzen
der neuen Welt, sie ranken am Stamme hinauf, steigen
bis zu dessen Spitze, laufen nach den nahestehenden Bäu-
men und steigen an den Stämmen wieder zur Erde hinab,
um von dort aus wieder in die Höhe zu laufen. Viele
von diesen Pflanzen sind mit Borsten und selbst ‚mit star-
ken Stacheln bedeckt; ihre Länge hat man zu messen ge-
sucht und sie bereits zu 5- und 600 Fufs lang gefunden,
indessen schwerlich wird man gerade die längsten gemes-
sen haben; übrigens glaube ich wohl, dafs auch unter den
anderen Schlingpflanzen, den Paullinien, Banisterien und
anderen mehr, eben so lange Pflanzen vorkommen, als
unter den Calamus - Arten.
85
Wenn der Reisende in jenen Wäldern der Tropen
umherwandert, so sieht er, wie die Kronen der Bäume in
bedeutender Höhe sich zusammen wölben, und, wie mit
einer dichten Decke den Himmel verfinstern, dafs kein
Sonnenstrahl den Boden des Waldes erreichen kann. Aber
in dieser dichten Blätterdecke verlaufen die Schlingpflan-
zen mit Blättern und Blüthen bedeckt, und Hunderte von
diesen Pflanzen- Tauen laufen von Stamm zu Stamm nach
allen Richtungen hin und drehen sich umeinander. Eine
Menge von verschiedenen Blumen erblickt man wohl in
den Kronen der Bäume, zu welchem Stamme sie aber
gehören, das ist nur schwer zu entscheiden; man mufs
erst die ganzen Bäume fällen, um jene Blumen zu errei-
chen. Eine Menge von Früchten und von Blumen findet
man oftmals auf der Erde liegen, doch zu bestimmen,
welchen Pflanzen sie angehören, das ist nicht leicht.
Kehren’ wir zu den Orchideen und Aroiden zurück, wel-
che die gewöhnlichsten Schmarotzergewächse auf den Rin-
den der Baumstämme sind, so finden wir, dafs diese Pflanzen,
von einem sehr derben und saftigen Gewebe gebildet, ei-
genthümliche Vorrichtungen besitzen, um die Feuchtigkeit
der Luft mit gröfserer Leichtigkeit einziehen zu können.
Ihrer Wurzeln sind nämlich mit einer weifsen Hülle von
Zellengewebe umschlossen, dessen Zellen theils ganz aus
Spiralfasern, diesen besonders hygroskopischen Elementar-
Organen bestehen, theils auf ihrer innern Oberfläche mit
diesen Spiralfasern besonders versehen sind. Ja die fei-
nen Härchen vieler parasitischer Orchideen, womit sich
dieselben den anderen Pflanzen anschliefsen, bestehen ganz
aus einer spiralförmig gewundenen Lamelle, welche ent-
weder eine breite Spiralfaser bedeutet, oder selbst wieder
aus zusammengewachsenen, neben einander liegenden
Spiralfasern besteht. |
Indessen hiemit ist die parasitische Vegetation in den
'Tropenwäldern noch lange nicht erschöpft; die Blätter
der parasitischen Orchideen, der Aroideen und Farrn sind
wiederum mit parasitischen Pflanzen bedeckt. Die tropi-
86
schen Jungermannien, oft die niedlichsten Formen, ähnlich
unsern Dendriten, überziehen die Blätter jener Pflanzen
und zwar in solcher Häufigkeit, dafs selten eine Pflanze
der genannten Familien, besonders in feuchten Wäldern
vorkommt, welche nicht mehrere jener kleinen mikrosko-
pischen Jungermannien aufzuweisen hat. Auch an Flech-
ten sind die Rinden jener tropischen Waldbäume reich,
doch nur selten gehören diese den Laubflechten an, wel-
che eben so wenig zahlreich, als Moose und Pilze in den
. Tropen zu sein scheinen.
4) Eine vierte Gruppe von Schmarotzer- Gewächsen
bilden die sogenannten Blatt-Pilze, welche als Pro-
dukte eines krankhaften Zustandes, besonders in neuerer
Zeit die Exantheme der Pflanzen genannt werden.
Die Blattpilze kommen in nordischen Gegenden in gröfs-
ter Anzahl vor, so wie sie sich auch in den südlichen
- Polarländern vorherrschend zeigen; sie gehören meistens
bestimmten Arten von Gewächsen an, doch giebt es
auch einige, welche auf sehr verschiedenen Pflanzen vor-
kommen. |
Iu Hinsicht der Physiognomie der Vegetation üben
diese Blattpilze nur wenigen und höchst zufälligen Ein-
flufs aus, dann z. B., wenn ganze Bäume mit farbigen
Blattpilzen bedeckt sind, wie ich es in Chile am Rio Tin-
guiririca gesehen habe,
So wie die parasitischen Gewächse auf anderen le-
benden Gewächsen vorkommen, so giebt es auch mehrere
niedere Pflänzchen, welche auf abgestorbenen organischen
Körpern, z. B. auf todten Pflanzen, todten Thieren, Thier-
exerementen u. s. w. vorkommen. Wir. sehen es, schon
in unseren kälteren Gegenden, dafs, sobald irgend ein
Baumstamm abgestorben ist, sich dessen Oberfläche mit
sehr verschiedenartigen Pilzen überzieht, und diese sind
für gewisse Gegenden fast immer dieselben.
Ueber das Auftreten gewisser Pilzformen auf bestimm-
ten todten Thieren und einzelnen todten Thiertheilen ha-
ben wir einige sehr bestimmte Beobachtungen, und sie
A 87
sind für die Lehre von der Generatio originaria von höch-
ster Wichtigkeit. Es wird allgemein bekannt sein, dafs
bei uns zur Herbstzeit, wenn die Fliegen zu sterben an-
fangen, diese sehr häufig an den Fensterscheiben festsitzen
und der hintere Theil ihres Leibes, mehr oder weniger
ganz, mit kleinen, weifsen Pilzchen bedeckt ist. Es ist
dieser Pilz eine Isaria, welche meistens diesen weissen
fettartigen Ueberzug bildet, und der kleine Kreis von Staub,
welcher auf der Fensterscheibe, rund um die Fliege sich
zeigt, wird durch die ausgestäubten Sporen jener kleinen
Pilze gebildet. Eine andere Isaria ist auf den todten
Pferde-Hufen beobachtet worden, und verschiedene Muce-
dines, welche sich auf alten thierischen Excrementen zei-
gen, sind bekannt.
Kommen Pflanzen auf lebenden Thieren vor, wie die-
ses von mehreren Algen auf alten Fischen, z. B. auf al-
ten Karpfen, auf Wallfischen und hauptsächlich auf Mu-
scheln beobachtet worden ist, so ist dieser Boden für die
Pflanze ganz zufällig.
Wir haben so eben diejenigen Pflanzen betrachtet,
welche zu ihrem Boden andere lebende Pflanzen haben,
ebenso wie diejenigen, welche auf todten organischen Kör-.
pern vorkommen, und gehen jetzt zu einer dritten Abthei-
lung über, welche dergleichen Pflanzen enthält, die auf
Kunst-Producten vorkommen. Ich folge hierin Herrn
Schouw *), weleherMauer-Pflanzen, Ruinen-, Dach-, Bret-
ter- und Schutt-Pflanzen unterscheidet.
Mauer-Pflanzen (plantae murales seu plan-
tae murorum) sind solche, welche an den Mauern der
Gebäude vorkommen und an diesen, sobald sie alt wer-
den, gewifs nur selten fehlen, hauptsächlich aber auf sehr
alten, verfallenen Bauten der Art vorkommen, so dafs Rui-
nen-Pflanzen (plantae ruinorum) von jenen eigentlich
nicht verschieden sind. Ais hieher gehörig nenne ich: Le-
canora muralis, Dieranum murale, Asplenium Ruta mura-
*) L. c. pag: 160.
88
ria, Sedum acre, Sedum Telephium; auch Hedera Helix ge-
hört zu den Ruinen-Pflanzen und noch viele andere,
Recht sehr ist jedoch hiebei zu bemerken, dafs alle diese
Pflanzen, welche wir so eben als Mauer- und Ruinen-
Pflanzen kennen gelernt haben, dafs diese auch eben so
gut auf ganz anderem Boden, sowohl auf der Erde, als
auf Baumrinden und auf Felsenmassen vorkommen, und
nur defshalb darf ihnen eine besondere Neigung zu die-
sen künstlichen Standorten zugeschrieben werden, weil
sie, in gewissen Gegenden, fast niemals daselbst fehlen.
Mit den Dach-Pflanzen (plantae tectorum) ver-
hält es sich ebenso; das Sempervivum tectorum liebt die-
sen Standort ganz vorzüglich, doch kommt es eben so
gut auf anderen, natürlichen Standorten vor. Auch die
vielen Moose, welche in nordischen Gegenden auf den
Dächern der Wohnungen wachsen, kommen eben so gut
auf-der Erde, als auf Felsen und auf Baumrinden vor.
Bretter- oder Piankwerks-Pflanzen (plantae
parietinae) sind dergleichen, welche an den hölzernen
Zäunen vorkommen, womit gewöhnlich unsere Gärten ein-
gefasst‘ sind. Die Parmelia parietina und die Lecanora
muralis sind die gewöhnlichsten Flechten, welche unter
diesen Verhältnissen vorkommen, aber auch eben sowohl
auf Steinmauern und auf Felsen wachsen. In nordischen
Gegenden sind die Usneen häufiger auf dergleichen Holz-
werken sitzend, als bei uns, und in Ostpreufsen pflegen
selten an einer Scheunenthüre eine grofse Anzahl von Ra-
malina fraxinea zu fehlen, welche Exemplare zeigen von 3,
4 und 6 Zoll Länge. In den westlicher von uns gelege-
nen Gegenden, finden sich sehr häufig jene Conferven
auf den Zäunen, welche die Form der alten Trentepohlea-
zeigen und schon so häufig aus einer Gattung in die an-
dere gebracht worden sind. Es gehört diese Pflanze ganz
entschieden zu eben derselben Species, welche das be-
kannte wohlriechende Veilchen-Moos liefert, das auf den
Felsen im Riesengebirge und auch an anderen Stellen
vorkommt.
89
Schutt- oder Gemill-Pflanzen (plantae rudera-
les seu ruderatae) sind solche, welche auf den Schutt-
oder den Gemill-Haufen, in der Nähe der Wohnungen zu
finden sind. Auch sie sind für verschiedene Gegenden
verschieden. Bekannt sind als solche Pflanzen Chenopo-
dium vulgare, Senecio viscosus, Borrago officinalis, Xan-
thium strumarium, Hyoscyamus niger u. s. w. Es fallen
diese Pflanzen mit denjenigen zusammen, welche vorzüg-
lich gerne in der Nähe der Städte und Dörfer. wachsen,
und unter den plantis urbanis begriffen werden; ge-
wöhnlich ist auch hier ihr Standort auf dergleichen Plätzen,
welche einst mit Schutt beworfen waren.
Zu den besondern Eigenthümlichkeiten über das Vor-
kommen gewisser Pflanzen auf bestimmten Standorten,
gehört z. B. das Vorkommen von Racodium cellulare,
‘einem äusserst niedlichen Pilzchen, welches auf den Wein-
fässern erscheint; von der sogenannten Conferva fenestra-
lis (Byssocladium fenestrale) auf Fensterscheiben und von
“Conferva dendritica auf Papier. Das Racodium wächst
allerdings auch auf ähnlichen Standorten, so wie die Con-
.ferva fenestralis, welche man auf jeder Glasscheibe zie-
hen kann, die anhaltend der feuchten Luft ausgesetzt wird.
Sehr wichtige Unterschiede liefern die Pflanzen für
geographische Zwecke, wenn man ihr Verhältnifs zu dem
Boden und zu den geselligen Pflanzen betrachtet, in de-
ren Nähe sie vorkommen. Der Boden kann nämlich im
natürlichen Zustande sein, oder er ist cultivirt, oder auch
der ceultivirte Boden liegt wieder unbenutzt. Für diese
Fälle lassen sich eine Menge von Pflanzen aufführen,
welche zu beweisen scheinen, dafs dieselben an solchen
und nicht an anderen Standorten mit Wohlgefallen vege-
tiren. Wir betrachten erstlich:
I. Die Pflanzen auf angebautem Lande (pl.
locorum ceultorum).
Alle Pflanzen, welche künstlich auf geackertem Bo-
- den gesäet oder gepflanzt werden, heissen Cultur-
90
Pflanzen (plantae cultae oder auch plantae sativae),
obgleich sie, ebenfalls unter sich, noch grosse Verschie-
denheiten aufzuweisen haben. Linne verstand unter ager
ein angebauetes Feld und unter arva brachliegende Felder;
ich folge hierin der Linneischen Bestimmung, wenn gleich
diese Wörter bei einigen neueren Schriftstellern auch in
anderer Bedeutung genommen sind. |
Feld-Pflanzen (plantae agrestes seu sativae), sie
sind solche, welche auf cultivirten und besäeten Feldern
wachsen. Sie existiren in grofser Anzahl und sind für
jede Zone der Erde verschieden. -Mehrere kommen nur
mit gewissen Cultur-Pflanzen vor, z. B. Centaurca Cya-
nus und Lolium temulentum fast nur auf Roggenfeldern,
doch erstere auch im Hafer. Fast allgemein bezeichnet
man die Feldpflanzen mit plantae arvenses und daher ge-
hören alle diejenigen dazu, welche diesen Beinamen füh-
ren, zZ. B. Spergula arvensis, Sinapis arvensis, Serratula
arvensis, Convolvulus arvensis u. s. w. Die Suffrenia fili-
formis ist den Reisfeldern der heifsen Gegenden eigen-
thümlich, wie unsere Kornblume den Roggenfeldern, mit
welchem GCulturzweige sie zugleich nach Ostindien hin-
übergezogen ist. ]
Brach-Pflanzen (plantae arvenses); es sind solche,
welche auf brachliegenden Feldern wachsen. Sie sind ei-
gentlich von denen der besäeten Felder wenig verschie-
den, und kommen nur dann in gröfserer Menge zum Vor-
schein, wenn das Fehlen der Saat ihr Wachsthum nicht
unterdrückt. Sind die Getreide-Arten dicht gesäet, so
können die Feldpflanzen. weniger aufkommen, und es ent-
- wickeln sich nur einige, welche ebenfalls schlank durch
die Halme des Getreides durchgehen, als das Lolium te-
mulentum, die Centaurea Cyanus etc.; sobald aber der-
selbe Acker unbestellt liegen bleibt, kommen alle die Un-
krautpflanzen zu ihrer Entwickelung, welche im vergan-
genen Jahre mit Gewalt unterdrückt waren, ja schon zwi-
schen den Stoppeln wachsen sie empor. Als solche Pflan-
zen nenne ich Rumex Acetosella, Carduus nutans, wel-
91
cher zugleich einen sehr guten Boden anzeigt, ferner
Convolvulus arvensis,. Ändrosace semptentrionalis, Echium
vulgare, Artemisia campestris u. Ss. w.
Garten-Unkräuter (plantae horticulae); es sind
solche Pflanzen, welche in den Pflanzungen der Gärten
vorkommen und dem Wachsthum der Gultur- Pflanzen
schädlich sind. Ich nenne als solche die Nessel (Urtica
urens), die Alsine media, Lamium amplexicaule, Cheno-
podium viride und Chenopodium vulgare u. s. w. Die.
Cultur-Pflanzen .der Gärten nehnt man Garten-Pflan-
zen (plantae’hortenses).
Die Einfassungen der Felder und der Gärten pflegen
ebenfalls ihre eigenthümlichen Pflanzen zu zeigen und eine
üppigere Vegetation zu besitzen, als entfernter gelegene,
unbebauete Weiden, was wohl dadurch zu erklären ist,
dass sie durch den Dünger des Ackers ebenfalls gedüngt
sind. Man nennt dergleichen Pflanzen, welche auf dem
Raine der Felder vorkommen, Rain-Pflanzen (plantae
limium), wärend diejenigen, welche an den Zäunen der
Gärten wachsen, Zaun-Pflanzen (plantae sepicolae, ge-
wöhnlich plantae sepeariae) heifsen. Als Rain-Pflanzen würde
ich folgende nennen: Cichorium Intybus, Tanacetum vul-
care, Artemisia-vulgaris, Galium verum u. m.A. Unter die
Zaun-Pflanzen gehören: Urtica dioica, Lamium album,
Borrago officinalis, Bryonia dioica, Xanthium strumarium,
Datura Stramonium, sowohl bei uns, als auch in Indien,
ihrem Vaterlande, u. s. w.
I. Die Pflanzen auf uncultivirtem Boden.
Im Allgemeinen werden die Pflanzen, welche auf un-
kultivirtem Boden wachsen, von den Systematikern mit
den Beinamen sylvestris, agrestis, campestris, u.s. w.
bezeichnet, doch es ist in pflanzen-geographischer Hin-
sicht sehr nöthig, hierin genauere Bestimmungen einzu-
führen. Wir unterscheiden in dieser Hinsicht:
Feld-Pflanzen (plantae campestres); dieses sind
solche Pflanzen, welche ganz allgemein auf ebenem und
offenem Felde wachsen, wie z. B. Drava verna, Veronica
92
triphyllos und Veronica hederaefolia, Echium vulgare
u. Ss. w. Wie wir schon früher gesehen haben, so richtet
sich in diesem Falle das Vorkommen gewisser Pflanzen
ganz nach der chemischen und physischen Beschaffenheit
des Bodens; daher wird ein trocknes Feld ganz andere
Pflanzen besetzen, als ein nasses, aus Thonboden beste-
hendes. Und ebenso haben wir schon früher gesehen,
wie verschieden die Pflanzen sind, welche auf Sandboden
oder auf Kalk-haltigem Boden vorkommen. Dergleichen
Felder (campi), deren Boden so trocken und so unfrucht-
bar ist, dafs nur wenige Pflanzen oder’ sogar gar keine
auf dem Felde wachsen, werden Wüsten (deserta) ge-
nannt, und die wenigen Pflanzen, welche auf ihnen zuwei-
len vorkommen, heifsen plantae Jesertarum oder Wü-
sten-Pflanzen, welche in jeder Wüste verschieden sind.
Eine andere Gruppe von Feld-Pflanzen bilden die Wie-
sen-Pflanzen (plantae pratenses). Die Wiesen sind
eine Zierde der nordischen Gegenden, welche, in eben
demselben Verhältnisse, in den Tropen nicht wieder er-
scheinen. Wenn auch in ‘den tropischen Gegenden, die
Savanen Südamerika’s z. B., wenigstens zur nassen Jah-
reszeit, eine unabsehbare Fläche von grünen Gräsern bil-
den, so fehlen diesen alle die schönen Blumen, welche
unsere Wiesen zu gewissen Zeiten, über und über mit
den schönsten Farben bedecken. Bald ist es die blaue
Blume der Campanula glomerata, der C. patula, der Myo-
sotis scorpioides und verschiedener Gentianen, bald ist es
die weifse und bald die rothe Farbe der verschiedenen
Kleearten (Trifolium pratense, T. fragiferum, T. repens),
und bald sind es die gelben Blüthen der Ranuneculaceen,
der Chalta palustris und der Lysimachien, welche die grüne
Pflanzendecke unserer Wiesen verzieren. So etwas kommt
innerhalb der heifsen Gegenden wohl nirgends, wenig-
stens nie in so ausgedehntem Maafse vor; ja selbst die
Grasfluren mit unserem schönen hellen Grün bedeckt,
sind dort etwas selten, ja wohl nur kurze Zeit dauernd,
wenn sie nicht an den Ufern der Flüsse und der Seen
93
unter Wasser stehen. Die Grasfluren in Südamerika, so-
wohl die Savanen am Orinoko, als die Pampas in den
südlicheren Gegenden und auf den Hochebenen der Cor-
dillere haben eine ganz andere Beschaffenheit. Auf un-
seren Wiesen sind die Gräser gleichmäfsig vertheilt, auf
jenen, im tropischen Amerika aber, stehen sie immer in
mehr oder weniger grofsen Haufen beisammen, ganz ab-
gesehen davon, dafs dieselben zu ganz anderen Arten
und Gattungen gehören, als die auf unseren Wiesen. Wir
werden später Gelegenheit haben, noch mehr in die Ein-
zelheiten dieser Erscheinungen einzugehn.
Die Pflanzen, welche auf unseren Weiden wachsen,
nennt man Weide-Pflanzen (plantae pascuae); sie sind
im Allgemeinen nur wenig von den Wiesen-Pflanzen ver-
schieden, da nur solche Wiesen, welche wegen einer ge-
ringeren Bewässerung weniger Ertrag an Heu geben, zu
Weide-Plätzen benutzt zu werden pflegen. Als Weide-
Pflanzen sind zu nennen: Gentiana campestris, G. uligi-
nosa, Bellis perennis, Pimpinella Saxifraga, Ranunculus re-
pens, R. bulbosus, Galium-Arten und noch viele andere.
Besonders auffallend ist die Vegetation der Heiden
(Ericeta), woran das nördliche Europa und Asien so be-
sonders reich ist; die Pflanzen, welche auf diesen Heiden
vorkommen, nennt man Heide-Pflanzen (plantae eri-
cetinae) und sie sind von eigenthümlicher Form. Das
Heidekraut unserer Gegenden ist die bekannte Erica vul-
garis, der Repräsentant der grofsen Familie der Ericeen,
welche in südlichen Gegenden so aufserordentlich häufig
ist, dafs sie im südlichen Afrika selbst den Charakter der
Vegetation bestimmt. Unabsehbare Flächen überzieht das
Heidekraut im Norden von Europa, oft keine andere
Pflanze zwischen sich aufkommen lassend, oft aber auch
weniger dicht, und dann erscheinen Gesträuche von Juni-
perus communis, von Ledum palustre, von Andromeda
polifolia, so wie einige kleine Pflanzen, z. B. Parnassia
palustris, Sphagnum- und hauptsächlich Polytrichum-Arten.
Berg-Pflanzen (plantae montanae), So wie es
94
der Name sagt, wachsen diese Pflanzen auf den Bergen;
ihre Zahl ist sehr grofs und wir werden in der Folge,
wenn von der Verbreitung der Pflanzen die Rede sein
wird, die Berg-Pflanzen noch näher kennen lernen; hier
nur einiges noch im Allgemeinen. Die Berg-Pflanzen
zeichnen sich durch grofse Blumen und durch ein gesel-
liges Wachsthum aus, was natürlich bei einigen mehr, bei
anderen weniger deutlich wiederzuerkennen ist. Die Berg-
Pflanzen gehen über in Alpen - Pflanzen, denn in niederen
Breiten kommen ebendieselben Pflanzen auf den hohen
Alpen vor, welche in hohen Breiten schon auf niedern
Bergen, und später sogar. ganz in der Ebene wachsen.
Daher stimmt die arktische Flor und die der Alpen aufser-
ordentlich überein, wenn gleich auch für jede Zone die
gröfsten Abweichungen im Einzelnen stattfinden, welche
wir später näher kennen lernen werden.
Gesträuch-Pflanzen (plantae fruticetorum «et du-
metorum); auch diese sind wohl zu unterscheiden durch
ihr gewöhnliches Vorkommen an solchen Orten, welche
mit hohen Gesträuchen bewachsen sind. Es sind dies ge-
rade ' solche Stellen, welche reich an Schatten und an
Feuchtigkeit sind, wodurch um so leichter diese Vorliebe
gewisser Pflanzen für dergleichen Standorte zu erklären
ist. Als Beispiele von Gesträuch-Pflanzen sind anzufüh-
ren: Origanum vulgare, Asarum europaeum, Corydalis
bulbosa, Asclepias vincetoxicum u. s. w. Uebrigens kommt
dergleichen niedriges Gesträuch, mit seinen eigenthümli-
chen Pflanzen unter allen Zonen der Erde vor, und in
verschiedenen Sprachen hat man auch eigenthümliche Na-
men, um dasselbe von den Waldungen zu unterscheiden,
welche ein höheres Holz haben. h
Wald-Pflanzen (plantae sylvaticae et nemorosae)
sınd solche, welche in Wäldern wachsen ‚oder wenigstens
‚daselbst meistentheils angetroffen werden. Man hat die
Wälder in dieser Hinsicht unterschieden, je nachdem sie
aus verschiedenartigen Bäumen bestehen und einen ver-
schiedenartigen Boden haben. Linne verstand unter syl-
.
95
vae solche Wälder, welche einen trockenen, sandigen Bo-
den haben, wie ihn unsere Kieferwälder zeigen, wärend
unter nemora nur Laubwälder verstanden wurden. Herr
Decandolle hat beide Ausdrücke als Synonyme gebraucht,
was aber nicht anzuerkennen ist.
Den Nadelholz- Wäldern gehören Linnaea borealis,
Pyrolae-Arten, Vaceinium Myrtillus, Ophrys ovata u. A.
m. an, den Laubwäldern aber vorzüglich Atropa Bella-
donna,; Geum rivale, Hepatica triloba, Trientalis europaea,
Oxalis acetosella, etc. etc.
Auch hat man für verschiedene Wälder, je nach dem
hauptsächlichsten Bestandtheile derselben, verschiedenar-
tige Bezeichnungen erfunden, als z. B. Pineta, Fageta,
Querceta, Palmeta, .Oliveta, u. s. w., je nachdem dieselben
aus Pinus-, Fagus-, Quer&us-Arten, aus Palmen oder aus
Oliven bestehen.
Ueber das gesellige Wachsthum der Pflanzen.
Eine Erscheinung bei dem Auftreten’ der Pflanzen,
welche die Verbreitung derselben auf eine eigenthümliche
Art bedingt und auf die Physiognomie der Natur von sehr
entschiedenem Einflusse ist, ist das gesellige Wachs-
thum der Pflanzen. Betrachten wir, bei irgend einem
Spatziergange im freien Felde, das Vorkommen der Pflan-
zen, so werden wir sehr bald bemerken, dafs gewisse
Pflanzen, von einer und derselben Art, bald in mehr oder
weniger grofser Anzahl von Individuen auftreten, bald nur
in einzelnen Exemplaren hie und da zerstreut stehen.
Für die ersteren Pflanzen haben wir den Namen gesel-
lige Pflanzen, wärend man die anderen mit unge-
sellig oder zerstreuet stehend bezeichnet. Das Spha-
gnum palustre und das Dieranum glaucum sind äufserst
gesellige Pflanzen, sie überziehen oftmals die Moor-Ge-
genden des Nordens mit einer so diehten und so. gleich-
mäfsigen Decke, dafs selten nur ein anderes Pflänzchen
durch dieselbe hindurchblickt, und die Ebene dadurch ein
96
höchst melancholisches Ansehen erhält. Ganz eben so
überzieht die Cenomyce rangiferina (Lichen rangiferinus L.)
die trockenen Gegenden unseres Nordens. Unter den
Wasser-Pflanzen sind: Charen, Acorus Calamus, Scirpus
lacustris, Arundo Phragmites u. A. m. zu nennen, welche
in einem solchen Grade gesellig wachsen, dafs sie allein
im Stande sind, unseren Gegenden einen eigenthümlichen
Charakter zu geben. Man denke sich unsere Landseen,
deren Ufer mit einem breiten Walde von Rohr (Arundo
Phragmites L.) oder einem blattlosen von Binsen einge-
fafst sind, in welchem Tausende von Vögeln sitzen, welche
darin ihren Morgen- und Abend-Gesang halten und ihre
Jungen erziehen; man denke sich die gesellige Weide da-
neben, zwischen -welcher die prachtvollen Blumen unserer
Epilobien *) hervorragen und die Nachtigall darin, welche
die Bewohner der Ufer jenes See’s so angenehm erfreuet,
und man wird dieses gesellige Wachsen der Pflanzen für
den Charakter der Naturschönheit von gröfster Wichtig-
keit halten. Wie ganz anders würde die Einfassung eines
solchen See’s erscheinen, wären jene geselligen Pflanzen
nicht vorhanden.
Indessen so angenehm im vorhergehenden Falle das
gesellige Wachsen der Pflanzen auf die Physiognomie der
Natur einwirkte, eben so unangenehm, so niederschlagend
wirkte es in anderen Fällen durch zu grofse Einförmig-
keit, welche es der Natur durch eine zu grofse Masse
von gleich geformten Individuen aufdringt. Wer kennt
nicht unser Heidekraut, welches in dieser Hinsicht so
schrecklich verschrieen ist? Grofse Landes-Flächen sind
oftmals ganz und gar damit bedeckt; wir führen als Bei-
spiel die Lüneburger Heide an, welche sich, nur im ver-
kleinerten Maafsstabe, noch oftmals in der Ebene des nörd-
lichen Theiles der temperirten Zone der alten Welt wie-
derholt.. Das Heidekrant ist aber auch die geselligste
Pflanze, und würden alle übrigen Pflanzen in gleichem Grade
*) Epilobium palustre und E, angustifolium vorzüglich.
97
einen so grofsen Theil der Erde bedecken, so könnten
auf derselben schwerlich mehr denn 5000 Arten Platz haben.
Wir haben in nenester Zeit eine sehr interessante Arbeit
über den geselligen Pflanzenwuchs von Herrn E. Meyer *)
erhalten, worin derselbe die Verbreitung des Heidekrautes
mit hesonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Dem Heidekraut
zunächst möchten unsere Kiefer-Arten die geselligsten
Pflanzen sein, und es ist wohl noch nicht so ganz ent-
schieden, ob unsere Fichte (Pinus sylvestris) in früheren
Zeiten, als die Cultur des Bodens der Verbreitung dieser
Pflanze noch nicht entgegenstand, nicht wenigstens einen
eben so grofsen Flächen -Inhalt eingenommen hat, als ge-
senwärtig das Heidekraut; fast möchte ich glauben, dafs
derselbe noch gröfser gewesen ist. Ich nenne noch ei-
. nige der geselligsten Pflanzen unserer Zone, als: Polygo-
num aviculare, welches so häufig grofse ausgedehnte Ra-
sen bildet; die Poa annua, Vaceinium Myrtillus, Juncus
bufonius, Myriophyllum spicatum, die Charen u. s. w.,
ganz abgesehen von den grofsen Wäldern unserer Gegen-
den, worin die Buche, die Eiche, die Else (Alnus gluti-
nosa), die Birke (Betula alba) u. v. A. oft meilenweit ge-
sellig neben einander stehen. Herr v. Humboldt hat vor-
züglich darauf aufmerksam gemacht, dafs das Phänomen
des geselligen Pflanzen- Wuchses hauptsächlich der ge-
mäfsigten Zone angehört **), und dafs die Tropenländer we-
niger reich an geselligen Pflanzen sind. Ja schon in dem
nördlichen und dem südlichen Theile der temperirten Zone
sind hierin grofse Verschiedenheiten zu bemerken, und sehr
treffend sagt Herr Meyer (]. c.), dafs Italien, obgleich
ebenso reich an Grasarten, dennoch keine Wiesen wie
Deutschland besitze, und dafs. Italien, obgleich es eine weit
sröfsere Anzahl von Waldbäumen besitze wie. Deutsch-
land, dennoch nicht so ausgedehnte Wälder habe, wie sie
*) Naturwissenschaftliche Vorträge, gehalten ın der physikali-
schen ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg. 1834. pag. 160— 194.
**) S. dessen Ideen zu einer Geographie der Pflanzen. pag. 8.
er
‘
95
hier zu finden sind. Doch man möge hiebei bedenken,
dafs dieses Italien vor einigen Jahrtausenden etwas reicher
an Waldungen gewesen sein mag, als jetzt.
Indessen, wie schon vorhin bemerkt wurde, so hat
‚auch die heifse Zone ihre gesellig wachsenden Pflanzen
aufzuweisen, wenn auch nicht ganz in demselben Grade
wie die temperirte Zone,
Wir haben schon früher der Meeresufer - Waldungen
gedacht, welche in der tropischen Zone die ausgedehnte-
sten Strecken mit einer und derselben Art bedecken. Die
Mangle oder der Wurzelbaum (Rhizophora Mangle L.)
und die Avicennien sind die bekanntesten jener geselligen
Pflanzen, welche in Brasilien die Mangrove- Waldungen
bilden und durch ihren, zwar unterbrochenen Verbreitungs-
Bezirk, einen Gürtel um die ganz heifse Zone des Erd-
körpers bilden. Auf den Südsee-Inseln kommen dıe Farrn,
mit mittelmäfsig hohem Stamme, fast immer gesellig vor,
und auch die wenigen wahren Baum-Farrn mit hohem,
schlanken Stamme, welche ich selbst zu beobachten Ge-
legenheit hatte, kommen immer auf einem bestimmten,
meistens nur sehr beschränkten Verbreitungs-Bezirke vor,
und wachsen auf diesem gesellig, wenn sich nicht noch
andere Pflanzen dazwischen eindrängen. Unter den Seci-
tamineen giebt es mehrere, welche ausgedehnte Strecken
fast ganz ausschliefslich bedecken. Auf Neu-Holland fand
Herr R. Brown verschiedene Banksien, als Banksıa spe-
ciosa gesellig wachsend, auch Protea argentea L. und P.
mellifera wachsen auf dieselbe Weise.
In demselben Grade gesellig wachsend, wie die Bäume
unserer nordischen Wälder, sind die Bambusa-Arten der
Tropen. Die Bambusa arundinacea bildet im östlichen
Asien und auf den angrenzenden Inseln die undurchdring-
lichsten Wälder, welche an Gröfse und Schönheit den
unsrigen wenig nachstehen. Ebenso hat Herr v. Hum-
holdt am Magdalenen-Strome fast ununterbrochene Wäl-
der von Bambus-Schilf und pisangblättrigen Heliconien
gesehen, und in den Savanen am Nieder-Orinoko wach-
ER: 99
sen Kyllingien und reitzbare Mimosen in gröfsten Massen
gesellschaftlich neben einander. Wenden wir uns aber in
tropischen Gegenden aus der Ebene auf die Höhen der
Gebirge, so finden wir dort den geselligen Pflanzenwuchs
ebenso häufig, wie in der temperirten und in der kalten
Zone. Dort treten die Cinchonen-Wälder auf, wie bei
uns die Wälder der efsbaren Kastanie; wie bei uns die
Genisten und der Ulex, so treten dort die Escallonien
und die Rhododendren auf. Auf der Cordillere in Süd-
amerika wachsen eine grofse Anzahl von harzigen Bac-
chariden ebenso gesellschaftlich, wie auf unsern niedern
Gebirgen das Vaccinium Myrtillus, unsere Rhododendra,
einige Weiden u. s. w.
Wie die Thymus-Arten unsere Sandgegenden mit ih-
ren schönrothen Blumen oft grofse Strecken, über und
über, wie mit einem rothen Tuche bedecken, wärend der
Boden rings umher ganz vegetationslos ist, ebenso über-
ziehen die Calandrinien und einige Verbenaceen fast in
Rasenform die unfruchtbaren Ebenen einiger hochgelege-
nen Gegenden der Cordillere von Chile und Peru.
Nachdem wir auf diese Weise die Verbreitung des
Phänomens des geselligen Pflanzenwuchses kennen gelernt
haben, wenden wir uns zur Erklärung dieser Frscheinung.
Eine gegenseitige Neigung zum geselligen Leben, wie man
sie bei den Thieren und den Menschen beobachtet, ist
natürlich bei den Pflanzen nicht anzunehmen; die Pflanze
ist dem Boden angeheftet ünd nur die Gleichmäfsigkeit,
in Hinsicht dessen physischen und chemischen Eigenschaf-
ten, vermag ein Auftreten gleicher Pflanzen-Arten im so-
genannten geselligen Zustande zu bewirken. Betrachten
wir einen natürlichen Kiefern-Wald, so werden wir, mit
wenigen Ausnahmen, die Ausdehnung desselben nur durch
Abänderung des Bodens ‘beschränkt sehen. Wie ganz ge-
wöhnlich ist es zu sehen, dafs, wenn mitten durch einen
solchen Kiefernwald ein kleiner Flufs oder ein stehendes
Gewässer durchgeht, dafs an dem Rande dieses Gewäs-
7x*
%
100
sers, wo gewöhnlich ein besserer Boden ist, als derjenige
des Kieferwaldes, stets einige Laubhölzer stehen; bald sind
es Elsen, bald sind es Weiden oder andere grofse stau-
denartige Gewächse.
Untersuchen wir die Verbreitung des Heidekrauts, so
werden wir finden, dafs es immer ein und derselbe Boden
ist, wo jenes gesellige Kraut wächst; es ist das sogenannte
sauere Land, welches jeder Cultur so unbesiegbare Hin-
dernisse in den Weg stellt, aber gerade für dieses Heide-
kraut der wahre Mutterboden ist. Da nur das nördliche
Europa so reich an diesem Boden ist, welcher fast allen
anderen Pflanzen unerträglich ist, so kommt gerade jenes
Heidekraut in so grofsen und ausgedehnten Massen vor.
Die verschiedene geognostische Beschaffenheit, welche die
Oberfläche der Erde in der temperirten Zone der südli-
chen Hemisphäre darbietet, verhindert die gröfsere Aehn-
lichkeit in der Physiognomie der Vegetation jener Zone,
doch treten auch dort die geselligen Pflanzen in Masse
auf, und wären jene Continente, auf der südlichen Hemi-
sphäre, in so hohen Breiten ausgedehnter, als sie es jetzt
wirklich sind, so würden sie gewifs ganz gleiche Erschei-
nungen darbieten. Schon in Chile habe ich mehrere sehr
gesellig wachsende Pflanzen angetroffen, ich nenne die
Acacia Caven, Lycium gracile, Bambusen- und mehrere
Cactus- Arten; aber auf der östlichen Seite der Chileni-
schen Cordillere, nämlich in den Pampas, da wiederholt
sich die Erscheinung des geselligen Graswuchses, mehr
oder weniger ähnlich wie auf unseren nordischen Wiesen.
Leider ist uns das Innere von Südamerika, südlich von
dem 40. Grade der Breite, fast ganz unbekannt, doch nach
den Schilderungen der Besuche, welche einst die Natur-
forscher auf Cook’s Weltumsegelungen mittheilten, er-
scheint die Natur daselbst ganz ähnlich wie bei uns. Neu-
Holland scheint im Innern eine Pflanze zu besitzen, wel-
che auf ähnliche Weise, wie unser Heidekraut, grofse
Landstrecken überzieht, nämlich das Polygonum jun-
101
ceum *) und Cupressus callitris, ja mehrere Proteaceen
und Eucalypten wachsen, nach der Angabe einiger neueren
Reisenden, eben so gesellig wie unsere Waldbäume. So
möchte denn die Meinung, dafs die gesellig wachsenden
Pflanzen der heifseren Gegenden nur den Salz- und Strand-
Pflanzen angehören, 'den neueren Beobachtungen weichen
müssen. Die grofsen und undurchdringlichen Bambusen-
Wälder der Tropen haben einen ebenso guten, Humus-hal-
tigen Boden wie unsere Buchen- und Eichen-Wälder.
Aufserdem, dafs die äufseren Verhältnisse meisten-
theils das gesellige Vorkommen der Pflanzen bedingen,
zeigen diese’einen hohen Grad von Productionskraft, wo-
durch ihr massiges Auftreten um so leichter zu erklären
ist. In dieser Hinsicht möge man jedoch die geselligen
Pflanzen in solche unterscheiden, welche durch eine grofse
Anzahl von, neben einander stehenden Individuen sich aus-
zeichnen, und in solche, welche durch Sprossen -Bildung,
von einem einzigen Stamme ausgehend, oft eine grofse
Fläche Bodens bedecken. Bei den Bäumen, den Gesträu-
chen und den Stauden ist dieses, schon bei dem ersten
Anblicke, leicht zu unterscheiden. In dem Thale von Co-
piapo6, im nördlichen Chile, habe ich eine Lycium-Art be-
obachtet, deren Gesträuch, von einer einzigen Wurzel
ausgehend, ganze dicke Berge bildete, welche noch auf
einer Höhe von 10 und von 15 Fufs gänzlich undurch-
sichtig waren. Und solche Haufen von diesem Gesträuche
stehen dort, in der sandigen Ebene, mehr oder weniger
dicht neben einander, wodurch natürlich die Physiognomie
der Natur ganz eigenthümlich erscheint. Woehl in keinem
anderen Falle, als in der Alpen-Flor der Cordillere, .er-
scheint diese Art des geselligen Wachsthums auffallender;
mehrere Arten der Gattungen Azorella, Bolax, Verbena
und Lycopodium, treten dort in einer höchst eigenthüm-
lichen Form auf, welche in der alten Welt höchstens nur
*) $. Sturt Two Exped. into the interior of Southern Austra-
lıa etc. London 1833.
102
”
bei den Cryptogamen etwas Aehnliches aufzuweisen hat.
Diese eigenthümliche Alpen-Vegetation tritt erst ın der
Nähe der ewigen Schneegrenze auf; es setzen sich zuerst
dergleichen Pflänzchen an grofse Felsen, welche besonders
hervorragen. Durch seitliche Verästelung, welche dicht
an der Basis des Stengels beginnt, und in anderen Fällen
durch Sprossen-Treiben aus dem Wurzelstocke dehnen
sich diese Pflänzchen allmälig so- bedeutend aus, dafs sie
oftmals Felsen-Flächen bedecken von 12 und von 20 Qua-
dratfufs. Ja ganze grofse Felsen-Blöcke sind oftmals mit
einem dichten und äufserst harten Rasen bedeckt, welcher
immer nur von einem einzigen Pflänzchen entstanden ist.
Dabei sind diese Rasen so dicht und so hart, dafs es
schwer fällt, selbst mit den schärfsten Instrumenten ein-
zudringen. Der Stamm einer solchen Pflanzen-Familie,
die sicherlich ein Denkmal vieler Jahrhunderte ist, erreicht
selten die Länge von einem Fufse, gewinnt aber zuweilen
eine Dicke von 5 bis 6 Zoll und zeigt, gleich von seiner
Basis angehend, eine unendlich vielfache Verästelung und
Verzweigung. Durch die beständige Vergröfserung, welche
der Stamm dieses Pflänzchens in der Dieke erlangt, nimmt
er auch an Länge etwas zu und somit erhebt sich der
Rasen, welchen die Pflanze bildet, allmälig und nimmt zu-
letzt eine gewölbte Form an. Der vielen harzigen Stoffe
wegen, welche diese kleinen Umbellaten enthalten, bren-
nen sie sehr gut und das Feuer hält bei einer solchen
frischen Pflanze sehr lange an. Reist man über jene wü-
sten Gegenden der Cordillere, wo alle baumartige Vege-
tation fehlt, so sieht man häufig diese angebrannten Pflan-
zen-Haufen, oft nur bis zur Hälfte verbrannt, und man
mufs sich selbst ihrer bedienen, um das nöthige Feuer
zur Erwärmung zu erhalten.
Ueberhaupt tritt nirgends das Phänomen des gesell-
schaftlichen Pflanzenwuchses häufiger hervor, als gerade
unter den Alpen-Pflanzen; und auf den Höhen der Cor-
dillere, wo alle Natur-Erscheinungen grofsartiger auftre-
ten, da auch dieses. Nur sehr wenige Pflanzen möchten,
103
in jenen Höhen der Cordillere, im nicht geselligen Wachs-
thume angetroffen werden, wenigstens pflegen sie kleine
staudenartige Häufchen zu bilden, die oft ganz isolirt in
den ödesten Sand- oder Aschen-Gegenden dastehen. Die
interessanten Arten aus der Familie der Boopideen, eine
der merkwürdigsten, gleichsam zwischen Umbellaten und
Syngenesisten stehend, bilden oftmals kleine Haufen, deren
ich schon früher (pag. 78) gedacht habe.
Ja mehrere Pereskien, welche bis in die Nähe der
ewigen Schneegrenze steigen, bilden daselbst Haufen von
1 bis 14 Fufs Höhe und einigen Fufs Umfang. Nichts
als die gelbrothen, 2 bis 3 Zoll langen Stacheln sind auf
der Oberfläche dieser einzelnen Pflanzen-Haufen zu sehen,
unter denen sich die saftigen Blattstengel verbergen, wel-
‘che sogar ihre Blüther nur so weit hinaufschicken, dafs
sie von den Stacheln gleichsam gegen den kalten Wind
geschützt werden. KErblickt man diese sonderbare Form
von Cacten aus weiter F'erne, so glaubt man ein liegen-
des Wild zu sehen.
Die Wasser-Pflanzen zeigen im Allgemeinen den ge-
sellschaftlichen Wuchs noch häufiger, als die Land-Pflan-
zen, auch sind hier die äufseren Verhältnisse, welche den-
selben bedingen, viel gleichmäfsiger, als bei den Land-
Pflanzen. Auch wird hier der begimstigende äufsere Ein-
flufs, durch das Zusammentreffen einer zahlreichen Keim-
Erzeugung bei diesen Wasser-Pflanzen, auf die Hervor-
bringung einer grofsen Anzahl von Individuen äufserst
fruchtbar. Es ist überhaupt eine Bedingung, dafs, wenn
auch die Pflanze noch so viele innere Anlage zum gesel-
ligen Wuchse hat, die äufseren Verhältnisse dieselbe begün-
stigen müssen. Wenn ein stehendes Wasser in unserer Ge-
send mit der iinten-Grütze (Lemna-Arten) bedeckt ist, und
die Masse der Conferven nimmt in demselben überhand,
so wird das Wachsthum der Lemna unterdrückt, oder es
hört auch ganz auf, sobald das Wasser eintrocknet. Wir
haben schon früher des geselligen Wachsens der Torfmoose
gedacht; ein ungeheuerer Saamen-Reichthum begünstigt es
104
bei dieser Pflanze, aber der Boden, auf welchem es
mufs der feuchte Moorboden sein. Mit der Ausr
der Wälder verschwindet dieser feuchte Moorboden
somit verschwinden auch jene Moose.
In welchem hohen Grade wachsen die Fuci,
. wohner des Meeres, im geselligen Zustande! A
Küste von Südamerika habe ich diese Pflanzen
Grunde der Meeresküste, in waldartigen Zu
fungen angetroffen, Weleins: belebt von Millionen ve
deren Thieren, ‚gleichsam eine unterseei ische w lt
chen der Put pyriferus und der Fucus ant ırctic
hört; zu 2- und zu 300 Fufs Länge hat man |
gemessen. Eines der sonderbarsten Phänome
bildet das gesellschaftliche Wachsthum des F
in der Sargasso - See, innerhalb der grofser
Strömung im Atlantischen Ocean, wovon v
Vorhergehenden, nämlich pag. 62, gesproche
gen. Einige von ihnen wachsen in mehr ‚ode
regelmäfsigen Kreisen, welche von Jahr zu Je
werden und dadurch hervorgerufen werden, dafs TR ge-
meinschaftlicher thallus, welcher beständig excentrisch sich
ausbreitet, an seinem äufsersten Rande die neuen Pilze
erzeugt. ;
Somit hätten wir alle die Verhältnisse speciell be-
trachtet, welche, sowohl durch das Clima, als wie durch |
die Eigenthümlichkeiten des Bodens auf das Erscheinen
der Pflanzen, für einen bestimmten Ort, ihren Einfus
ausüben, und nun können wir mit gröfserem Nutzen zu
allgemeinen Betrachtungen über das Vorkommen und die
Verbreitung der Pflanzen übergehen.
:
i
105
°» Bestimmungen über das Vorkommen!
und die Verbreitung der Pflanzen.
; Vorkommen (statio) der Pflanzen be-
; die Verhältnisse, in welchen diese zu ihrem je-
Standorte stehen, oder man versteht darunter
lität, in welcher eine Pfianze wächst, sei sie da-
ın der Natur oder durch die Kıumst hingestellt.
ı aber hier Unterschiede, so bezeichnet das Wort
ind dasjenige Vorkommen einer Pflanze, wo die
ieselbe hingestellt hat.
Verbreitung der Pflanzen (extensio
Im) bezeichnet dagegen den ganzen Umfang ih-
immens, unbekümmert der Verhältnisse, in wel-
die Arten, Gattungen und Familien unter sich ste-
ı z: B. eine Pflanze in den meisten Ländern
Brom; So sagt man von dieser Pflanze,
r die ganze alte Welt verbreitet ist. Der
-Bezirk oder das Areal einer Pflanze (area
) fafst demnach alle Punkte ihres Vorkommens
Re 50 wie alle Oerter auf der Oberfläche der Erde durch
Längen- und Breiten"Kreise bezeichnet werden, so ge-
schieht dieses auch mit dem Vorkommen und der Ver-
breitung der Pflanze, in sofern diese eine horizontale
Ausdehnung haben; ist die Verbreitung aber vertical ver-
laufend, wie auf den Abhängen der Gebirge, so geschieht
‚sie durch Angabe der Höhen. Es folgt hieraus schon,
dafs die horizontale Ausdehnung des Vorkommens einer
Pflanze, oder deren horizontale Verbreitung sich nach
- Länge und Breite auf der Ebene der Erde richtet, wärend
sich die verticale Verbreitung auf die Höhen bezieht, in
welchen die Pflanzen auf den Gebirgen der Erdoberfläche
‚vorkommen.
Wir haben schon im Vorhergehenden oftmals darauf
aufmerksam gemacht, und durch Beispiele bewiesen, dafs
106
sich die Verbreitung der Pflanzen hauptsächlich nach der
Vertheilung der Wärme auf der Oberfläche der Erde richtet,
und da ‚diese wiederum mit den Breiten-Kreisen in ge-
wissen bestimmten Verhältnissen steht, so folgt daraus,
dafs sich die Verbreitung der Pflanzen hauptsächlich nach
den Breiten der Erdoberfläche richtet, und dafs die Aus-
dehnung des Areals, den Längen-Graden nach, viel weni-
ger in Betrachtung zu ziehen ist.
Das Areal einer Pflanze, in Bezug auf seine Aus-
dehnung nach Breiten-Kreisen, heifst auch die Breiten-
Zone, oder Zone an und für sich, wärend man dasselbe,
in Bezug auf die verticale Ausdehnung, mit dem Namen
Region bezeichnet. Seltener wird der Begriff der Län-
gen-Zone für die horizontale Verbreitung der Pflanzen
nach den Längen in Anwendung gesetzt.
Jede Breiten-Zone einer Pflanze hat eine Polar-
Grenze, wo nämlich das Vorkommen derselben gegen
die Pole hin aufhört, und eine Aequatorial- Grenze,
wo die Verbreitung der Pflanze gegen den Aequator zu
endet. Ausnahmen hievon machen dergleichen Pflanzen,
deren Poiar-Grenze bis zu den äufsersten Breiten hinauf-
geht, so wie diejenigen, deren Aequatorial- Grenze dadurch
fehlt, dafs sie über den Aequator hinausgehen und in die
entgegengesetzte Hemisphäre hineinreichen. Die ersteren
Pflanzen bezeichnet man im Allgemeinen mit dem Namen:
Polar-Pflanzen oder arktische Pflanzen und die
letzteren versteht man im Allgemeinen unter tropischen
Pflanzen. Indessen auch hierin ist man nicht so genau,
denn eine arktische Pflanze kann 2. B. in der arktischen
Zone vorkommen, ohne defshalb bis zu den höchsten Brei-
ten hinaufzugehen. Als Beispiele hiezu dienen die vielen
strauchartigen Gewächse, welche noch über ‚den arktischen
Kreis hinausgehen, später aber gänzlich verschwinden und
dennoch unter die arktischen Formen aufgenommen wer-
den. Aehnliche Beispiele liefsen sich für sogenannte tro-
pische Pflanzen anführen, welche nicht ganz bis zum Ae-
quator hinaufgehen. |
107
- Die Längen-Zone einer Pflanze wird durch eine
östliche und durch eine westliche Grenze bezeichnet.
Die Regionen der Pflanzen, oder deren verticale
Verbreitung werden durch eine obere und eine untere
Grenze bezeichnet, welche durch Höhen- Angaben zu be-
stimmen sind.
Das Areal einer Pflanze, oder deren Verbreitungs-
Bezirk ist entweder ununterbrochen oder unterbro-
chen; wir werden diese Verhältnisse hauptsächlich erst
‚später kennen lernen, wenn wir die Vertheilung der Pflan-
zen über den Erdboden betrachten werden, wir haben
aber, schon im Vorhergehenden, sowohl bei Betrachtung
der Temperatur - Vertheilung, als auch bei Betrachtung des
Einflusses, welchen die besonderen Lokalitäten auf das
Vorkommen der Pflanzen ausüben, dergleichen Verhält-
nisse kennen gelernt, welche ein ununterbrochenes und
ein unterbrochenes Vorkommen einer Pflanze bedingen
oder befördern. Wenn z. B. eine Pflanze einen gewissen
Grad von Wärme erfordert, von dem ihr Vorkommen
hauptsächlich abhängt, so kann dieselbe an allen denjeni-
gen Orten der Erde vorkommen, wo dieser erforderliche
Grad der mittleren Wärme vorhanden ist, und auf diese
Weise wird die Pflanze ein sehr oft unterbrochenes Vor-
kommen zeigen. Beispiele hiezu sind in Menge anzufüh-
ren; die bekannten Pflanzen unserer Gegend: Prunella
vulgaris, Origanum vulgare, Thymus Serpyllum kommen
in den Gebirgen des nördlichen Himalaya, welche Cash-
mere einschliefsen, schon in einer Höhe von 8200 Fufs
vor *), ja die zweite Region im Himalaya, nämlich von
5000 bis 9000 Fufs Höhe, welche Herr Royle beschreibt,
hat eine ganz europäische Physiognomie, und Ranunculus
arvensis, Thlaspi arvensis, Capsella Bursa Pastoris, die
gemeine Hirtentasche, ja unser Epheu (Hedera Helix), Ga-
lium Aparine, Leontodon Taraxacum, Acorus Calamus,
Phleum alpium, Alopecurus geniculatus, Poa annua, Sa-
) 8. Royle Illustrat. Lond. 1833. fasc. 1.
108
molus Valerandi und eine Menge anderer Pflanzen ıst da-
selbst zu finden, welche meistens den höheren Breiten
Europa’s angehören. Oder bleiben wir in Europa, so
findet man die niedlichen Primulae, die herrlichen Ane-
monen,, die reizenden Gentianen unserer Gegenden, oder
die Dryas octopetala des hohen Nordens auf den Alpen
der Schweiz, unter ganz ähnlichen Temperaturverhältnis-
sen, wie diejenigen unseres Landes wieder. Die Saxifraga
Hirculus wächst in unsern Gegenden, besonders in kalten
moorreichen Waldungen unserer nördlichen Provinzen,
sie kommt aber unter ähnlichen Verhältnissen ganz allge-
mein auf den Schweizer- Alpen vor. Andere Beispiele
können den Einflufs der Lokalitäts- Verhältnisse auf ein
unterbrochenes und ein ununterbrochenes Vorkommen dar-
thuen. Die Salsola Kali, in einem eigenthümlichen, nähe-
ren Verhältnisse zum Meeres- Ufer stehend, hat ein aufser-
ordentlich ausgedehntes und, wenigstens an den Küstengegen-
den auch ein ununterbrochenes Areal u. s. w.
Der Verbreitungs-Bezirk einer Pilanze kann natür-
lich sein und auch künstlich; im letzteren Falle ist
das Vorkommen der Pflanze, über ihre natürlichen Gren-
zen hinaus, durch künstliches Verpflanzen erweitert. So
ist die Verbreitung der meisten OCultur- Pflanzen, sowohl
der Nahrungs-Pflanzen, als auch derjenigen, welche blots
zum Vergnügen und zum Luxus der Menschen. gehalten
werden, durch die Kunst erweitert, und dieses oftmals auf
eine bewunderungswürdige Weise. Wie höchst traurig
würde es mit dem Wohlstande der Völker stehen, wenn
nicht die meisten Nahrungspflanzen einen solchen hohen
Grad von Biegsamkeit hätten. Wir wollen hier nicht ein-
mal der Cerealien gedenken, welche überall dahin gefolgt
sind, wo sich die Völker der alten Welt hingewendet ha-
ben, sondern wollen nur auf den Weinstock aufmerksam
machen, dessen Verbreitungs-Bezirk sich auf eine bewun-
derungswürdige Weise fast über die ganze Erde erweitert
hat. Selbst auf der Insel Java soll der Weinstock aufser-
ordentlich grofse Trauben zur Reife bringen, und in Neu-
109
Holland scheint er sein zweites Vaterland wiedergefunden
zu haben.. Wir werden die Verbreitung des Weinstockes
später ausführlicher kennen lernen.
Meistentheils ist der Verbreitungs-Bezirk vieler Pflan-
zen durch künstliche Verbreitung auf eine sehr oft unter-
brochene Weise erweitert, und nur die allerwichtigsten
Nahrungspflanzen können sich einer ununterbrochenen,
künstlichen Verbreitungsweise rühmen, wie zZ. B. die Ce-
realien und auch wohl die wichtigsten Futterkräuter. Ich
will hier noch einige Beispiele anführen, welche von einer
künstlichen Verbreitung, selbst der gewöhnlichsten Pflan-
zen, am auffallendesten sind. Unsere gewöhnlichen Gar-
tenpflanzen, als der Salvey, der Rosmarin und die Melisse,
werden auch in Surinam *) gezogen. Unsere Radieschen
möchten vielleicht nirgends wohlschmeckender sein, als
eben bei Rio de Janeiro und in Ost-Indien. Unsere wohl-
riechenden Nelken sind zu St. Jago de Chile eben so
schön, ja vielleicht noch aromatischer, als bei uns. Auf
den Feldern, in der Nähe von Canton, werden für den
Bedarf der Europäer fast alle unsere Gemüse gezogen,
wozu man freilich die Winterjahreszeit wählt und durch
künstliche Dächer das Erfrieren derselben, durch die Wärme-
Ausstrahlung der Erde zu verhindern sucht. Im Allge-
meinen kann man annehmen, dafs die Pflanzen nordischer
Gegenden viel weiter nach wärmeren Gegenden verpflanzt
werden können, als dieses umgekehrt der Fall ist, denn
die künstliche Verbreitung echter tropischer Pflanzen geht,
nach kälteren Gegenden, nur sehr schwer und immer nur
in geringer Ausdehnung vor sich. In den botanischen
Gärten tropischer Länder, wo man die Pflanzen des ho-
hen Nordens ziehen will, da werden diese mit einem leich-
ten Dache gegen den Einflufs der Sonnenstrahlen geschützt
und durch Verdünstung des Wassers wird der Boden ei-
nigermafsen kühl erhalten.
Ebenso haben wir die Gröfse des Verbreitungsbezir-
*) Sack’s Reise nach Surinam. 1820. I. pag. 181.
110
kes der Pflanze zu beachten; wir finden hierin einige An-
weisungen, ob mit Erfolg die Erweiterung desselben für
diese oder jene Pflanze unternommen werden kann. Im
Allgemeinen können Pflanzen mit einem sehr ausgedehnten
natürlichen Verbreitungs -Bezirk, auch künstlich noch viel
weiter geführt werden, wärend Pflanzen, von sehr einge-
schränkter Ausdehnung, meistens nur schwer zu verpflan-
zen sind. Es giebt Pflanzen, deren Verbreitung so aus-
gedehnt ist, dafs sie fast in allen Theilen der Erde zu
finden sind; wir peflgen einige dergleichen bei uns mit-
dem Namen der Unkräuter zu belegen, und sie finden
sich fast überall als solche wieder. Wir nennen hier eine
Anzahl von Pflanzen, welche bei uns und in Neu-Holland
vorkommen, als: Lemna minor, L. trisulca, Marsilia qua-
drifolia, Convolvulus sepium, Festuca fluitans, Arundo.
Phragmites, Panicum Crus Galli, Scirpus lacustris, Cla-
dium Mariscus, Juncus effusus, Vallisneria spiralis, Sola-
num nigrum L. u. Ss. w.
Im Allgemeinen kann man die Regel aufstellen, dafs
der Verbreitungs-Bezirk einer Pflanze um so gröfser ist,
je niedriger der Grad ihrer Entwiekelung. Unter denje-
nigen phanerogamen Pflanzen, welche Europa und Neu-
Holland gemeinschaftlich angehören, sind die gröfste Zahl
aus der Abtheilung der Monocotyledonen *). Von .den
Cryptogamen, besonders den Flechten und Moosen, viel-
leicht auch von den Algen, ist der weite Verbreitungs-
Bezirk hinlänglich bekannt; ja viele von ihnen scheinen
ununterbrochen von einem Ende der Erde zum andern
zu gehen. Die Sticta crocata, welche in Europa, in Afrika,
auf der Insel Bourbon und in Neu-Holland vorkommt,
ist auch in Westindien, und in Südamerika gefunden. Ich
selbst habe sie im mittleren Chile bei 3000 Fufs Höhe,
in der Provinz von San Fernando, an den Felsen und
*) Unter den Pflanzen, welche Herr R. Brown in. seiner be-
rühmten Flora Australiens bekannt gemacht hat, befinden sich 167
Pflanzen, welche Australien und Europa gemein haben, und diese beste-
hen in: 422 Acotyledonen, 30 Monocotyledonen und 15 Dicotyledonen.
111
Wänden beobachtet. Parmelia perforata habe ich selbst
in den verschiedensten Gegenden der Erde gefunden,
selbst auf den entlegenen Sandwichs -Insein. So ist auch Le-
canora subfusca eine von denjenigen Flechten, welche
überall zu finden ist.
Einige andere Pflanzen haben einen auffallend be-
schränkten Verbreitungsbezirk , und daher führen so viele
Pflanzen den Namen von Ländern, Städten und einzelnen
Bergen, doch meistentheils beruht dieses auf unvollkom-
. mener Kenntnifs der Umgegend, wo diese Pflanzen ebenfalls
vorkommen, nur bis dahin noch nicht beobachtet worden
waren. Welch ein beschränktes Vorkommen schrieb man
früher der Linnaea borealis und der Braya alpina zu, in-
dessen täglich werden mehr Orte aufgefunden, wo diese
Pflanzen vorkommen.
Man hat die Frage aufgestellt, ob sich nicht eine all-
gemeine Regel für die Gröfse der natürlichen Verbrei-
tungs-Sphäre, in Hinsicht ihrer Breiten-Zone, aufstellen
liefse, und Herr Schouw hat hierüber zuerst Untersuchun-
gen angestellt.
Man kann diesen Gegenstand auf die Weise unter-
suchen, dafs man die Pflanzen einer nördlicheren Flor mit
denjenigen einer südlicheren Flor vergleicht und zusieht,
wie viele Pflanzen diesen beiden Floren gemeinschaftlich
sind. Wie wir aber schon vorher gesehen haben, so sind
gewisse Pflanzen mit einem sehr ausgedehnten, aber unter-
brochenen Verbreitungsbezirke, oft den entferntesten Ge-
genden der Erde gemeinschaftlich, und so wird die Be-
stimmung einer absoluten Breiten- Zone für gewisse Pflan-
zen noch schwieriger.
Will man aber dergleichen Bestimmungen festsetzen,
so darf man hiezu nur solche Pflanzen wählen, welche
einen ununterbrochenen Verbreitungs-Bezirk haben, deren
es jedoch nur wenige giebt.
Allgemeine Regeln lassen sich über den Umfang der
Verbreitungs-Bezirke der Pflanzen schwerlich aufstellen,
sondern die Sache verhält sich bei verschiedenen Pflanzen
112
gar zu verschieden. Herr Schouw *) glaubt gefunden zu
haben, dafs in der temperirten Zone der nördlichen He-
misphäre eine Breite von 10—15° die gewöhnlichste Breite
des Areal’s einer Pflanze sei, und dafs dieses, unter 5 Gra-
den und über 30 Graden, zu den seltenen Fällen gehöre.
Die Ausdehnung der Zone einer Pflanze nach den
Längen -Graden ist gewöhnlich viel gröfser, als nach den
Breiten, indem die Veränderung der Wärme nach den
Längen nur gering ist, und es giebt sogar viele Pflanzen,
welche mit ihrer Verbreitungs-Zone einen vellkommenen
Gürtel um die Erdkugel bilden; als solche nenne ich Cy-
perus polystachys, Pistia Stratiotes u. a. m. Es fehlt je-
doch auch nicht an Pflanzen, deren Areal nur eine sehr
geringe Längen-Ausdehnung hat; grofse Gewässer und
Gebirgszüge sind alsdann meistens die Ursache davon. In
Südamerika, besonders in Chile, ist die grofse Menge von
Calceolarien auf der Cordillere und der westlichen Seite
derselben bekannt; sie fehlen aber auf der östlichen Seite
der Cordillere, wenigstens erscheinen daselbst nur sehr
wenige Arten. Herr Schouw führt die Lobelia Dortmanna
an, welche in Norwegen, in Schweden, Jütland, Schottland,
England und Holland vorkommt, aber im östlichen Theile
von Europa und in Sibirien noch nicht gefunden ist. Die
Ericen am Cap der guten Hoffnung haben eine sehr kleine
Ausdehnung nach den Längengraden, woran, in diesem
Falle, offenbar die grofsen Wassergrenzen Schuld haben.
Auch die Verbreitung der Camellien und noch vieler an-
derer Pflanzen geben hiezu Beispiele.
So wie man den Umfang der horizontalen Ausdeh-
nung des Verbreitungs-Bezirkes der Pflanzen zu bestim-
men gesucht hat, so ist dieses auch mit der verticalen
Verbreitung der Fall. H. De Candolle **) hat diese Hö-
hen-Ausdehnung der Pflanzen Frankreichs zu bestimmen
gesucht, welches eine höchst mühsame Arbeit gewesen
m lc. paß. 485
"9 Mem. sur la geographie .des plantes de France. — Mem. de
la Soc. d’Arcueil 14. pag. 262 — 322.
113
ist; leider sind die Angaben für sehr viele Pflanzen jenes
Landes nicht absolut als Regel aufzustellen, denn sie gehen
in diesem Lande, wo sie ihre Polargrenze haben, lange nicht
so hoch hinauf, als in etwas südlicher gelegenen Gegenden.
Bei anderen ist es wiederum höchst auffallend, dafs sie in
Frankreich viel weiter hinaufgehen, als in südlicheren Ländern.
Herr Schouw *) hat jene Angaben über die verticale
Ausdehnung der 1500 Pflanzen Frankreichs, welche Herr
Decandolle mitgetheilt hat, nach gewissen Höhen zusam-
mengestellt und folgendes Resultat erhalten, nachdem er
- alle diejenigen Pflanzen bei dieser Berechnung ausgeschlos-
sen hat, welche in Frankreich ihre Polargrenze erreichen.
Eine Höhen- Ausdehnung von 3000 Meter haben die Ver-.
breitungs-Bezirke von 11 Arten aufzuweisen.
2500 — 3000 Meter zeigen 19 Arten.
2000 — 2500 - a
1500 — 2000 - - 200 -
1000 —1500 . - - 391 -
500—1000 - - 194 --
100— 500 - - 31 -
Demnach zeigt es sich für Frankreich, oder für die
Mitte der temperirten Zone, dafs 1000 — 2000 Meter
die gewöhnlichste Höhen- Ausdehnung einer Pflanze ist.
Nach den Beobachtungen des Herrn Alex. von Hum-
boldt hat H. Schouw die verticale Ausdehnung von 293
Pflanzen-Arten, für die tropische Zone zusammengestellt,
und hiebei ergiebt sich, höchst auffallend, ein ganz anderes
Resultat, als dasjenige für die temperirte Zone. Nämlich
eine Höhen-Ausdehnung des Vorkommens einer Pflanze
von 1000 Toisen, soll das Höchste für jene Gegenden
sein, und eine Ausdehnung der Region, worin jede Pflanze
wächst, von 200 — 600 Meter soll das Gewöhnliche sein;
wärend sie in Frankreich zwischen 1000 und 2000 Toisen
schwebt. _ Indessen diesen Berechnungen des H. Schouw
_ darf nicht zu viel Werth beigelegt werden, denn jene
Angaben des Herrn Alexander von Humboldt über die
obere und untere Grenze des Vorkommens gewisser Pflan-
.
1. c. pag. 178, A | 8
114
zen sind gerade nicht für diesen Zweck gemacht. Ich
habe im südlichen Peru .die Höhenausdehnung des Vor-
konimens des eultivirten Mays Bis 2000 Toisen verfolgt,
ja er wird daselbst, z. B. auf der berühmten Insel Titicaca
im grofsen Alpensee gleichen Namens, noch auf einer
Höhe von 12700 Fufs über dem Meere ceultivirt; ein Fall,
welchen Europa mit keiner Pflanze aufweisen kann. Un-
sere Luzerne wird in jenem Lande in den glühenden Kü-
stengegenden ceultivirt und geht hinauf bis gegen 11000
Fufs Höhe; auf dem Plateau von Chuquito, 12700 Fufs
hoch, habe ich diese ‚äufserst wichtige Cultur-Pflanze für
jene Länder nicht mehr gesehen. “Gerste und Hafer reifen
noch daselbst, aber Roggen wird nur zum Grünfutter gebauet.
Mit Recht hat schon H. Schouw darauf aufmerksam
gemacht, dafs dergleichen Pflanzen, welche einen ausge-
dehnten Verbreitungs-Bezirk haben, auch eine besonders
ausgedehnte Höhen-Zone zeigen. Der Mays und die Me-
dicago sativa, die ich früher als Beispiele von besonderer
Höhen- Ausdehnung in ihrer Verbreitung aufführte, zeigen
auch in ihrer horizontalen Verbreitung einen besonders
grofsen Umfang. In Europa ist es die gesellige Erica
vulgaris, welche eine bedeutende horizontale Verbreitung
zeigt, und sie steigt auch, auf den Gebirgen im südlichen
Europa, aus der Ebene bis über 9000 Fufs hoch.
Man könnte die Verbreitung einer jeden Pflanze, so-
wohl die natürliche als die künstliche, auf eine besondere
Welt-Karte auftragen, indem man alle Punkte ihres Vor-
kommens mit einer und derselben Farbe bedeckte, wodurch
man, gleich auf einem Blicke, eine belehrende Uebersicht
erhalten könnte. Dergleichen bildliche Darstellungen kön-
nen eben sowohl über die Verbreitungen der einzelnen
Gattungen, so wie über die Verbreitung der Familien aus-
geführt werden, und Herr Schouw hat in dem Atlasse, zu
seinem bekannten Werke über die Pflanzengeographie der-
gleichen Tafeln geliefert. Die Verbreitung der Buche
(Fagus sylvatica) hat Herr Schouw als ein Muster für
die Darstellung der Verbreitung einer wildwachsenden
Pflanze gegeben, wärend er den Weinstock als eine culti-
115
virte Pflanze aufgezeichnet hat. Bei dergleichen Darstel-
lungen über die Verbreitung einzelner Gattungen und Fa-
milien kann man auch durch schwächere und stärkere Tün-
chung einer und derselben Farbe, die mehr oder weniger
grofse Artenzahl einer Gattung oder Familie andeuten, wie
dieses zZ. B. sehr gut durch Herrn von Martius bei der
Tafel über die Verbreitung der Amarantaceen *) ausgeführt
worden ist.
Die Pflanzengeographie an und für sich, als eine Wis-
senschaft, wäre allerdings schon dem Gelehrten und jedem
Manne von Bildung von hohem Interesse, indessen. ihre
Anwendung auf das praktische Leben giebt derselben noch
einen weit höheren Werth. Sobald erst eine gehörige
Menge von meteorologischen Beobachtungen an den ver-
schiedensten Punkten der Erdoberfläche gemacht sein wer-
den, so dafs die Kenntnifs der Isothermen, der Isotheren
und der Isochimenen genau, in ihrem ganzen Laufe, be-
kannt sein wird, werden wir, schon im Voraus, ganz ge-
nau bestimmen können, ob irgend eine Pflanze, von ihrem
natürlichen Standorte nach einem gewissen anderen ver-
pflanzt werden kann, oder ob diese Mühe unbelohnt blei-
ben wird; ein Gegenstand, welcher offenbar von grofser
Wichtigkeit ist. Ganz besonders fehlt es noch an der
Kenntnifs der mittleren Temperaturen in grofsen Höhen
ausgedehnter Gebirge, um auch hier bestimmen zu kön-
nen, welche Pflanzen jenen Gegenden aufgedrungen wer-
den könnten. Von welcher Bedeutung dieses ist, läfst
sich leicht einsehen, und ich wıll hier nur einen Fall an-
führen. Das grofse Land auf der Ebene von Chuquito,
rund um den Alpensee von Titicaca, ist reich bevölkert,
und prachtvolle Städte in grofser Zahl, haben sich in je-
ner gewaltigen Höhe gebildet. Aber Holz fehlt jenem
Lande, wo ein ewiger Frühling herrscht, wo Fruchtbar-
keit der Erde und grofser Reichthum an edelen Metallen
die Menschen beglücken könnten. Noch fehlen zwar alle
mittleren Temperaturen aus jenen Gegenden in 12700
*) Nova Acta Acad. Caes. Leop. Carol. Nat. Cur. Vol. XI. P. I
5 *
116
Fufs Höhe, aber nach den wenigen Beobachtungen, wel-
che ich selbst dort angestellt habe, und aus einigen an-
deren von Herrn Pentland und Rivero, möchte mit Be-
stimmtheit hervorgehen, dafs sowohl die Tanne, als die
Birke und Else in jenen Gegenden recht kräftig gedeihen
würden. Welch ein Wohlstand müfste jenem Lande durch,
die Einführung grofser Wälder erwachsen! in einer Ge-
gend, wo bis jetzt jeder Stock, jede Stange und jedes
Brett zu den Reichthümern eines Menschen gehört! wo
sich der Schiffer auf einem elenden Kahne, aus Binsen
geflochten, dem stürmischen See überlassen mufs!
Der Wohlstand der Völker ist dem Ackerbau und
der Cultur der nutzbaren Pflanzen überhaupt gefolgt; mit
ihnen hat sich Bildung und Glückseeligkeit verbreitet. Will
man aber Wissenschaften und himmlisches Glück dem ro-
hen Menschen aufdringen, der von einem Tage zum an-
dern lebt, und Mangel an nöthigster Nahrung hat, so geht
man sicherlich einen falschen Weg. Mit dem Vorkommen
und mit der Cultur gewisser Nutzpflanzen; sind Verhält-
nisse, in der Lebensart des Menschen, so innig verknüpft,
dafs diese in der Lehre über die Verbreitung der Pflan-
zen mit verknüpft werden müssen, denn ganz anders wä-
ren jene Menschen zu leben gezwungen, wenn nicht diese
oder jene Nutzpflanze sie in ihrer Trägheit, oder Eigen-
heit bestärken würde.
Bei solchen speciellen Untersuchungen werden wir
allmählig immer mehr und mehr den Einflufs kennen ler-
nen, welchen die verschiedenartige Verbreitung und Ver-
theilung der Gewächse über den Erdkreis auf die Cultur
des Menschen ausübt; doch müssen wir hierin sehr vor-
sichtig zu Werke gehen, um uns nicht von dem Scheine
trügen zu lassen, und so zu ganz falschen Resultaten zu
gelangen. Wie hört man überall den tropischen Ländern
das Lob spenden! Wie glücklich, heifst es, -ist jenes
Land, wie reich jene Natur, wo die kostbarsten Früchte,
ohne Zuthun der Menschenhände, sich entwickeln! Doch
so verhält es sich in der Wirklichkeit nicht.
nn
Te
117
Dritte Abtheilung.
Ueber die Vertheilung der Gewächse auf der Oberfläche der Erde,
mit besonderer Rücksicht auf die Physiognomie der Natur.
Wir haben bisher die äufseren Ursachen betrachtet,
welche das Vorkommen und die Verbreitung einer Pflan-
zen-Art bedingen, ganz abgesehen davon, wefshalb eine
gewisse Pflanze nur auf dem, ihr einmal angewiesenen
Verbreitungs-Bezirke vorkommt und nicht auch auf einem
anderen.
Es ist eine bekannte, von allen Reisenden wieder-
holte Beobachtung, dafs die Vegetation, wie überhaupt das
ganze organische Leben, von den Polen aus, zum Aequa-
tor hin, im beständigen Zunehmen ihrer Entwickelung
sich befindet, und dafs die Formen immer ausgebildeter
und immer schöner und üppiger werden, je mehr man
sich von den kalten Regionen entfernt. Eine genauere
Betrachtung dieses Gegenstandes wird in dieser Abthei-
lung des Buches erfolgen. Auch hier ist es Herr Alexander
von Humboldt, welcher uns den Gang dieser \Vissenschaft
vorgeschrieben hat; seine berühmte Schrift: Ideen zu
einer Physiognomik der Gewächse, zeigte diese
höchst interessante Seite, von welcher die Botanik aufge-
fafst werden kann, und wie sie in dieser Weise auf die
Veredelung der Künste und auf den Geschmack der Völ-
ker, für die Empfänglichkeit gegen die Natur-Schönheiten
einwirken kann.. /
Die Lehre von der Vertheilung der Pflanzen über die.
Oberfläche der Erde kann in zwei, ganz für sich beste-
hende Doctrinen zerfallen; die eine hievon, welche die
Physiognomik der Gewächse heifst, betrachtet die
Pfanzendecke nach der Vertheilung der Formen, welche
118
die Pflanzen-Gruppen zeigen; sie bildet sich ein eigenes
natürliches System, in welchem Aehnlichkeit in den Form-
Verhältnissen das Eintheilungs-Prineip ist. Die Physio-
gnomik der Gewächse untersucht das Vorherrschen dieser
oder jener Pflanzen-Form nach der absoluten Masse ihrer
Individuen oder nach dem Eindrucke, welchen sie, bei der
Bildung des Natur-Charakters, auf das Gemüth des Men-
schen macht; die andere Doctrin hingegen, die Statistik
der Pflanzen, kümmert sich nicht um das absolute
Vorherrschen dieser oder jener Pflanzen-Gruppe, oder
dieses oder jenes Typus, sondern sie betrachtet die relati-
ven Verbältnisse, begründet auf wirkliche Zahlen, in wel-
chen diese oder jene Pflanzen-Gruppen durch ihre Arten-
Zahl entweder zur allgemeinen Zahl der ganzen bekann-
ten Pflanzen-Masse, oder zur Zahl der Arten anderer
Pflanzen - Gruppen stehen. Eine Pflanzen- Gruppe kann
z. B. durch ihre Individuen- Zahl den Charakter der Na-
tur bestimmen, ohne defshalb durch ihre Arten-Zahl für
eben dieselbe Gegend vorherrschend zu sein. Wir besit-
zen eine Abhandlung des Herrn Alexander von Humboldt:
Ueber die Gesetze, welche man in der Verthei-
lung der Pflanzen-Formen beobachtet *), welche
hierüber besonders handelt; der berühmte Verfasser sagt
darin: In einer „nördlichen Gegend, wo die Compositae
und die Farrnkräuter zur Summe aller Phanerogamen im
Verhältnisse von 1:13 und 1:15 stehen (d. h. wo man
dieses Verhältnifs findet, wenn man die Gesammtzahl al-
ler Phanerogamen durch die Anzahl der Arten dieser bei-
den Familien dividirt ), kann eine einzige Farrnkraut- Art
zehnmal mehr Erdreich bedecken, als alle Arten der Com-
positae zusammengenommen. In diesem Falle herrschen
dıe Farrn durch die Masse ihrer Individuen über die Com-
positae, keineswegs aber durch ihre Artenzahl.
Schon die Physiognomik der Gewächse lehrt uns, dafs
die Natur bei der Erzeugung der Pflanzen, dieselben nach
*) Diet. des scienc. nat. Tom. XVII. pag. 422 —436. 1820.
119
gewissen, uns gänzlich unbekannten Gesetzen über die
Oberfläche der Erde vertheilt hat. Wir haben bis jetzt ei-
nige äufsere Ursachen erkannt, welche die Vertheilung von
entwickelteren und edleren Pflanzen - Formen nach den
heifsen Zonen setzt, aber wir kennen keine Ursachen,
wefshalb unter gleichen climatischen Verhältnissen nicht
immer gleiche Pflanzen- Arten erzeugt sind. Die sonder-
bare Gruppe. der Cactuspflanze ist eigentlich nur der hei-
{sen und der subtropischen Zone der neuen Welt eigen-
thümlich, nur zwei Arten aus derselben sind bisher in
Östindien und in China gefunden, und zwar im Innern
des Landes, sogar auf bedeutenden Höhen. Inmdessen die
Form der Cactus-Pflanzen, dieser eigenthümliche Typus,
hat sich auch auf der alten Welt dargestellt; wir haben
Euphorbien, sowohl am westlichen, wie am östlichen Ende
der alten Welt, welche man ohne Kenntnifs der Fructifi-
cations-Organe sicherlich für Cacten halten würde, so
Z. B. die Euphorbia nereifolia im südlichen China, an
welcher die Ipomoea Quamoclit hinaufrankt und dieselbe
ähnlich mit ihren scharlachrothen Blumen verziert, wie es
der Loranthus aphyllus an Chilenischen Cereen zeigt. Die
Euphorbia canariensis und Euphorbia balsamifera sind es
am westlichen Ende der alten Welt, welche daselbst die
Cacten-Form der neuen Welt darstellen. Eben so uner-
klärlich ist es, wefshalb nur die alte Welt die eigentlichen
Eriven besitzt, wärend die alte Erica coerulea Willd.,
wenn sie gleich keine wahre Erica ist, dennoch die Stelle
derselben in der neuen Welt vertritt.
Indessen die Statistik der Gewächse lehrt auf die ent-
schiedenste Art, dafs die Natur unter allen Zonen die
Verschiedenheit der Formen im Gewächsreiche, nach be-
stimmten, unabänderlichen Gesetzen vertheilt hat. Diese
Gesetze werden sich immer genauer darstellen lassen, je
vollkommner die ganze Summe der Pflanzen-Arten für
gewisse Gegenden bekannt ist; vergleichen wir kleine Di-
strikte mit einander, so stimmen die Verhältnisse, unter
welchen die verschiedenen Gruppen zu einander stehen,
120
nicht immer genau überein, wohl aber erkennt man schon
die Uebereinstimmung in den Gesetzen, wenn man. grö-
fsere Flächen mit einander vergleicht, und so kann man-
mit Recht behaupten, dafs dieFormen der verschie-
denen Pflanzen in gegenseitiger Abhängigkeit
von einander 'stehen.
Allerdings sind gewisse Pflanzen-Gruppen nur für
bestimmte, oft sehr beschränkte Gegenden der Erde an-
gewiesen, aber die gröfste Zahl der Pflanzen-Familien
ist über den ganzen Erdkreis verbreitet, und überall, wo
eine fruchtbare Erde der Luft und dem Lichte ausgesetzt
"ist, da zeigen sich die einzelnen Repräsentanten jener
Gruppen.
Nur die Schneegrenze, weniger die Kälte, begrenzt
auf unserer Erde die Vegetation gegen Norden und in
grofsen Höhen; doch wo der Boden nur aus Substanzen
besteht, welche für die Ernährung der Pflanzen gänzlich
untauglich sind, da hört alle Vegetation auf, selbst wenn
er unter dem Aequator und im Niveau des Meeres gele-
gen ist. Bei den gröfsten Höhen in der Cordillere des
südlichen Peru, überall wo die Schneedecke fehlte, und
wo ein Humus-haltiger Boden war, da habe ich Vegeta-
tion gefunden; doch der nackte harte Felsen, wenn er von
starkem Winde beweht wird, welcher das Ansetzen von
organischen Substanzen verhindert, zeigt keine Vegetation,
selbst wenn er noch in Höhen liegt, die reich daran sind.
Auf dem Kegel des Feuerberges von Arequipa und eben
so auf dem des Feuerberges von Maipu bin ich weit über
die Grenze aller Pflanzen gestiegen, obgleich keine Schnee-
decke diese Region andeutete; aber der Kegel des Feuer-
berges von Arequipa erhebt sich weit über 18000 Fufs
und mehr, als 2500 Fufs von seiner Spitze wird von
schwarzer Lava- Asche gebildet, aus welcher hie und da
einige regelmäfsige Säulen von grauen und röthlichen
Trachyten hervorbrechen. In dieser Asche, etwa von
15000 Fufs an, ist keine Vegetation zu finden, bis dahin
aber wächst ein sonderbarer Pilz, gleichsam eine Art von
121
Lycoperdon mit langer Wurzel, die tief in der Asche
steckt, ferner kleine Malvaceen, äufserst niedliche Formen
- von der Gattung Sida und fremdartig gestaltete Baccha-
riden begrenzen bis dahin die phanerogame Vegetation.
Im Allgemeinen bemerkt man bei der Vertheilung der
Gewächse, dafs sowohl die Arten der Gattungen, so wie
die Gattungen der Familien entweder von einem Punkte
ausgehen und sich um diesen gleichsam in concentrischen
Kreisen anreihen, oder sich strahlenförmig nach verschie-
denen Richtungen hin verbreiten, oder, was noch gewöhn-
licher ist, sich in mehr oder weniger breiten, bandförmi-
gen Gürteln vertheilen, welche bald den Meridianen, bald
den Parallel-Kreisen parallel verlaufen. Bei allen diesen
Arten der Vertheilung, sowohl der kleineren als der grö-
fseren Gruppen der Pflanzen, tritt der gesellschaftliche
Wuchs der Pflanzen und das isolirte Wachsen derselben,
als ein sehr wichtiges Moment auf, welches, hauptsächlich
auf den Charakter der Vegetation von dem gröfsten Ein-
flusse ist. Aufserdem ist es hiebei wichtig, zu wissen, ob
gewisse Pflanzen - Gruppen nur neben einander gestellt
sind, oder ob ihre Verbreitungs-Bezirke in einander ein-
greifen; in diesem Falle stehen nämlich die Gewächse ver-
schiedener Pflanzen-Gruppen bunt durch einander. Z.B.
die Coniferen und die Casuarinen sind in der alten Welt
sehr bestimmt geschiedene Familien, deren Verbreitungs-
Bezirke kaum an einander grenzen, doch auf Neu-Holland
greifen sie in einander über, denn Casuarinen, Araucarien
und Cypressen wachsen daselbst durch einander.
Sowohl die Gattungen wie auch die Familien, diese
sind die gröfseren Gruppen :nämlich, erreichen an irgend
einem Orte der Erde ihr Maximum, d. h. sie haben an
jenem Orte die gröfste Arten-Zahl aufzuweisen, wärend
an einem anderen Orte ihr Minimum befindlich ist, d. i.
wo ihre Arten-Zahl sehr ‘gering ist. Man drückt diese
Bedeutungen auch dadurch aus, dafs man .sagt: Diese
Gattung oder diese Familie herrscht an diesem
Orte vor, oder sie fehlt daselbst.
122
Je nachdem nun eine Pflanzen- Gruppe in irgend ei-
nem Lande ihr Maximum erreicht, und auch durch ihre
Masse auf die Physiognomie des Landes einwirkt, je nach-
dem pflegt sie wohl mit besonderen Namen, welche mei-
stens von der Benennung der Länder und Zonen herge-
nommen: sind, belegt zu werden. So besitzen wir tropi-
sche Pflanzen- Formen, welche entweder in der tropischen
Zone ganz allein vorkommen, oder daselbst wenigstens
ihr Maximum erreichen. Die Palmen, Musaceen, Pipera-
ceen, Scitamineen u. 5. w. gehören fast ausschliefslich der
heifsen Zone an, doch gehen einzelne Repräsentanten der-
selben, selbst bis zu hohen Breiten, in die temperirten
Zonen über. Die Familie der Palmen zeigt z. B. hierin
mehrere Ausnahmen; Chamaerops humilis wird noch, wie
bekannt ist, unter 49° N. Breite gefunden, und auch Cocos
nucifera wächst noch sehr südlich. Auch die Chilenische
Cocos-Palme, wie man sie früher nannte, geht an der
Westküste von Südmerika bis Concepeion, also bis über
36° südlicher Breite hinab; sie ist die einzige Palme, wel-
che auf der ganzen Westküste von Südamerika, von dem
sudlichsten Peru an, vorkommt, wärend die Ostküste die-
ses Continents so aufserordentlich reich an Palmen ist.
Wenn eine Pflanzenfamilie in irgend einer Zone, sei
es durch Masse, sei es durch Artenzahl, vorherrscht, und
in einer andern. Zone nur einzelne Formen aus dieser
Familie auftreten,: so sagt man, dafs jene Familie hieselbst
durch diese wenigen Arten repräsentirt werde; oder man
nennt diese Arten die Repräsentanten jener Familie. Die
Ericen der .alten Welt haben im südlichen Afrika ihr
Maximum; durch Masse herrschen zwar einzelne Formen
dieser Familie, hauptsächlich die Erica vulgaris, auch im
nördlichen Europa vor, doch die schönen baumartigen
Formen, welche am Cap der guten Hofinung zu Hause
sind, werden: erst im’ südlichen Europa durch die Erica
arborea repräsentirt; diese ist in den Wäldern von Por-
tugal und Spanien zu Hause «und kommt auch auf den
Canarischen Inseln in eben so grofsen Massen vor. Noch
er
123
viel auffallender ist folgendes Beispiel. Die Acacien haben
ihr Maximum in Neu-Holland, welchem Lande sie fast
ganz angehören; die Acacia heterophylla aber, ganz. eigen-
thümlich durch die verschiedenen Blattformen, welche auf
einem und demselben Baume vorkommen, repräsentirt diese
grofse Familie der südlichen Hemisphäre noch auf den
Sandwichs-Inseln. Das gewöhnliche Blatt dieses Baumes
ist nämlich ein blattartig ausgedehnter Blattstiel und hat
srofse Aehnlichkeit mit der Blattform der Eucalypten, je-
ner höchst interessanten Pflanzen - Familie Neuhollands,
welche mit den Acacien ein gemeinschaftliches Vaterland
hat. So ist es, als wenn die Acacia heterophylla nicht
nur die Acacien in der nördlichen Hemisphäre repräsentirte,
sondern durch die Form ihrer Blätter auch mit den En-
calypten einige Verwandtschaft andeutete.
Die grofse Familie der Laurineen, welche in der tro-
pischen Zone ihr Maximum hat, wird im südllichsten Eu-
ropa durch den Laurus nobilis, unsern gewöhnlichen Lor-
ber, repräsentirt.
Die suceulenten Mesembrianthema des südlichen Afri-
ka’s werden schon im südlichen Europa, und auf den Ca-
narischen Inseln durch einige Arten dieser Gattung re-
präsentirt, ihre Form und ihren Habitus erkennt man aber
schon an den vielen Semperviven der Canarischen Inseln,
und den vielen Sedum - Arten des südlichsten Europa’s.
Herr Link, dem wir eine so genaue Kenntnifs der Lusita-
nischen Flora verdanken, erkennt auch in der Drosera
Jusitanica, der Ixia Bulbocodium und in dem Triglochin
bulbosum Repräsentanten der südafrikanischen Flora in
Europa *). Bleiben wir in unserem nördlichen Europa,
so finden wir, hier im Norden, die schönen Cistus-Ge-
wächse von Spanien und Portugal in unserem Helianthemum
annuum repräsentirt. Die Nadelhölzer, welche in der ark-
tischen und in der temperirten Zone der nördlichen He-
misphäre ihr Maximum erreichen und häufig auch durch
*) $. Link, Die Urwelt und das Alterthum. 1834. p- 259.
124
ihre Massen Alles überwiegen, diese werden immer selte-
ner gegen Süden, und auf der südlichen Hemisphäre wer-
den sie nur durch die Gattungen Araucaria, durch Ephedra,
Cupressus, Dammara u. s. w. repräsentirt.
Betrachtet man die lebende Pflanzendecke, wie sie
über den Erdkreis ausgebreitet ist, nach der Physiognomie,
oder, ich möchte lieber sagen, nach dem verschiedenen
Eindrucke, welchen dieselbe hie und da auf uns zu ver-
ursachen vermag, so wird man alsbald gewisse Hauptgruppen
von Pflanzen herausheben, welche sich auf eine, bald mehr
bald weniger deutliche Weise von der umgebenden Pflanzen-
masse unterscheiden. Bald werden diese, durch eigenthüm-
liche Physiognomie sich auszeichnenden Pflanzengruppen
auch in den künstlichen Charakteren übereinstimmen und
gewisse Gattungen und natürliche Familien bilden, bald
wird es die gesammte Masse der Vegetation einer be-
stimmten Gegend sein, welche die eigenthümliche Physio-
gnomie durch besondere Zusammenstellung oder Aneinan-
derreihung der verschiedenen Pflanzenformen erhalten hat.
Wollte man nun die gesammte Vegetation nach jenen ei-
genthümlichen Physiognomieen, welche dieselbe darbietet,
eintheilen, so müfste, wie wir es so eben gesehen haben,
diese Eintheilung eine doppelte sein, einmal nämlich eine
geographische und einmal eine rein botanische. Wird das
geographische Prinzip dieser Eintheilung der Vegetation
nach ihrer Physiognomie zum Grunde gelegt, so theilt
man die Vegetation nach den Ländern und gröfseren Erd-
massen, worauf dieselbe vorgefunden wird, und nennt sol-
che Abtheilungen: Floren, welche durch den Namen der
Länder bezeichnet werden. Andere Schriftsteller über
diesen Gegenstand haben dergleichen Abtheilungen Re-
gionen *) und pflanzengeographische Reiche ge-
nannt **). Herr De Candolle und Herr Schouw haben
auf diese Weise. zuerst eine pflanzengeographische Einthei-
*) $S. De Gandolle Dict. des scienc. nat. T. XVIIL p. 411.
*) S. Schouw Grundzüge u. s. w. pi 505.
125
lung der ganzen Erdoberfläche aufgestellt und ich werde
in der Folge zeigen, wie weit ich derselben folgen zu
müssen glaubte.
I. Die Physiognomik der Vegetation.
Die Wirkung der organischen Kraft zeigt sich immer
reger und immer mächtiger, je mehr man sich aus den
nordischen Gegenden entfernt und sich dem Aequator nä-
hert; dort herrscht Einförmigkeit, so oft mit Armuth ge-
paart, hier aber die gröfste Mannigfaltigkeit, verbunden mit
Fülle und Ueppigkeit. Immer mehr und mehr zeigen sich
die Formen der Gewächse entwickelter; sie erscheinen
gleichsam vollkommener, je mehr sie sich den heifsesten
Gegenden der Erde näheren, so dafs man dieses unbedingt °
dem schaffenden Einflusse der gröfseren Wärme und des
Lichtes zuschreiben mufs.
Indessen wenn auch den tropischen Gegenden die
gröfste Zahl von Pflanzen mit herrlichen, hoch entwickel-
ten Blüthen zukommt; wenn auch die Mannisfaltigkeit
der schönsten Formen daselbst noch so grofs ist, dafs der
gefühlvolle Mensch auf das wundersamste davon ergriffen
wird, so möge man es nicht verkennen, dafs auch allen
anderen Gegenden ihre eigenthümlichen Schönheiten zu-
kommen. Es ist nicht immer die Masse der Vegetation,
es ist nicht immer die grofse Ueppigkeit derselben, welche
den reizenden Eindruck auf den Menschen macht, son-
dern es ist hauptsächlich die Vertheilung der verschiede-
nen Pflanzen-Formen durch einander; das gehörige Ver-
hältnifs zwischen der Pflanzenmasse und der Form der
Oberfläche der Erde.
Zergliedern wir auf diese Weise den Total-Eindruck,
welchen die Anschauung der Vegetation auf uns hervor-
ruft, so ist es nicht zu verkennen, dafs gewisse Formen
der Pflanzenwelt es sind, welche an irgend einem Orte,
126
mehr oder weniger, vorherrschen und dadurch am meisten
die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dergleichen Pflan-
zenformen, welche den Charakter einer Gegend bestim-
men, sınd entweder dieser ganz allein eigen, oder sie
kommen auch noch in anderen Gegenden vor, entweder
ebenfalls vorherrschend und den Charakter der Vegetation
bestimmend, oder nur diese Vegetations-Form daselbst
repräsentirend. Die Schönheit dieser Pflanzenform, ihre
sonderbare Gestalt, ihre imponirende Gröfse, ihre herrli-.
che Färbung und was dergleichen Eigenthümlichkeiten noch
mehr sind, sie geben der Physiognomie der Gegend den
Charakter.
So unendlich vielfach die Zahl der verschiedenen
Pflänzenarten ist, so lassen sieh aus denselben eine gerin-
gere Anzahl von Hauptformen hervorheben, welche nicht
etwa durch künstliche Charaktere zu Gattungen und zu
gröfseren Gruppen zusammengestellt sind, sondern nur
durch ihren Total-Eindruck, welchen sie auf den Men-
schen machen, zusammengehören.
Diese Hauptformen der Gewächse näher kennen zu
lernen, ist für eine pflanzengeographische Eintheilung der
Erdoberfläche von der höchsten Wichtigkeit, denn gerade
sie bestimmen hauptsächlich die Physiognomie der Natur
verschiedener Gegenden. Herr Alexander von Humboldt
hat zuerst eine solche Eintheilung der Gewächse nach ih-
ren hauptsächlichsten Formen aufgestellt, und diese. wird
den ferneren Untersuchungen über diesen Gegenstand im-
mer zum Grunde gelegt werden müssen. Ist man erst
etwas. vertrauter mit den verschiedenen charakteristischen
Pflanzenformen bekannt, so wird es leicht sein, sogleich
das Eigenthümliche einer jeden Flora zu erkennen, und
die Physiognomie der Natur in jedem Lande zu charakte-
risiren.
So führen wir hier die einzelnen Hauptformen der
Pflanzen auf, theils gestützt auf eigene Anschauung in der
neuen und in der alten Welt, theils nach einem genauen
Studium der besten Reisebeschreibungen. Es ist. voraus-
127
zusehen, dafs sich diese Zahl der Hauptformen immer
mehr und mehr vergröfsern wird, je ausführlicher die Flo-
ren fremder und noch wenig bekannter Länder durch rei-
sende Botaniker erforscht werden, welche sich mit beson-
derem Eifer dieser Wissenschaft widmen möchten.
A. Specielle Betrachtung der Physiognomie der
einzelnen Hauptformen der Pflanzen.
4) Die Gräser oder grasartigen Gewächse.
Wir beginnen mit den Gräsern, deren Auftreten in
grofsen Massen unter der Form der Wiesen und Triften,
uns Allen so bekannt ist. Das herrliche Grün einer un-
absehbaren Grasdecke macht einen lieblichen, zu angeneh-
mer Fröhlichkeit uns stimmenden Eindruck; es ist ein
charakteristischer Zug für die Physiognomie der Natur in
nordischen Gegenden. Es ist eigenthümlich wie die Men-
schen gerade die Gräser hervorgehoben haben, um durch
ikren Anbau eine sichere Quelle der Ernährung zu haben,
obgleich die meisten von ihnen nur einen sehr kleinen
Saamen haben, und daher die Erziehung grofser Massen
äufserst mühsam ist; indessen ich werde diesen Gegen-
stand im der letzten Abtheilung, wo über die Cultur der
nahrhaften Gräser die Rede ist, ausführlicher erörtern.
Mit der Cultur der Cerealien mufste sich der Mensch
an feste Wohnsitze gewöhnen, und so wurden sie ein
der wichtigsten Hebel für die Cultur des Menschenge-
‚schlechts; später haben sie den. Wohlstand der Völker
herbeigeführt. Ueberall, wohin gegenwärtig die Völker
ziehen, dahin führen sie die Cerealien mit sich, wenn nicht
das rauheste Clima dem Anbaue derselben entgegensteht.
Aber wie grofs der Einflufs dieses Culturzweiges auf die
Physiognomie der Natur ist, das möge man in Ländern
betrachten, welche seit Jahrtausenden der Sitz der eulti-
virten Völker sind, wie Italien, Griechenland, der Orient,
China u. s. w. Das südliche Europa ist im Verhältnifs
zum nördlichen Europa baumlos zu nennen, doch sicher-
128
lich ist es in früheren Zeiten eben so reich an Wäldern
gewesen, wie noch gegenwärtig Deutschland und Rufs-
land, obgleich auch hier die Cultur des Bodens schon gro-
fse Fortschritte gemacht hat. Welch einen herrlichen
Anblick gewähren uns dıe reifenden Saaten, wenn sie,
unabsehbare Felder bedeckend, von dem leisesten Winde.
bewegt werden; wie das hohe Meer, vom Sturme bewegt,
zeigen solche Graswälder ihren Wellenschlag, welcher
durch eigenthümliche Strahlenbrechung mit einer bestän--
digen Nüaneirung der Färbung verbunden ist. Die Reis-
felder in den wärmeren Gegenden bieten einen ähnlichen
Anblick dar; so häufig zeigen sie allein in jenen tropi-
schen Gegenden das herrliche Grün, woran der Bewohner
des Nordens von Jugend auf gewöhnt ist.
Indessen diese niedrigen Gräser, welche Wiesen und
Triften bilden, sind nur den kälteren Regionen und den
kälteren Hälften der temperirten Regionen eigen; in der
subtropischen Zone und innerhalb der Wendekreise wer-
den sie durch grofse, oft baumartige Formen ersetzt;
schon im südlichen Europa beginnt ein riesenhaftes Gras,
Arundo Donax nämlich, welches hauptsächlich im nördli-
chen Afrika zu Hause ist, nun aber auch nach der neuen
Welt hinübergeführt worden ist, wo es in den spanischen
Colonien fast überall gut gedeiht.
Die Pflanzen, welche im Allgemeinen mit dem Na-
men der Gräser belegt werden, gehören zwei grofsen Fa-
milien an, wovon die eine die wirklichen Gräser und die
andere die sogenannten Halbgräser oder Cyperoideen ein-
schliefst. Sowohl die Gräser wie die Cyperoideen haben
gewisse Formen, welche in verschiedenen Zonen der Erde
besonders vorherrschend sind. In den heifsen Gegenden
sind es die Bambusaceen, die Saccharineen, Oryzeen,
Olyreen, Chlorideen und Paniceen, welche daselbst vor
allen andern Grasformen vorherrschen, ja mitunter auch
dieser Zone allein eigen sind; die Hördeaceen, Bromeen
und Agrostideen sind dagegen extratropische Formen.
Eben dieselbe Vertheilung stimmt auch bei der Verbrei-.
129
tung der Gräser mit steigender Höhe. — Bei den Cype-
raceen ist die Vertheilung der einzelnen Formen noch
deutlicher; die Gattung Cyperus hat ihr Maximum in den
Tropen, und sie nimmt aufserhalb der Wendekreise ab.
Die Gattung Carex hat dagegen ihr Maximum in der
Nähe des Polarkreises und nimmt gegen Norden und ge-
gen Süden hin ab. Die Gattungen Scirpus und Schoenus
greifen über das Areal jener beiden Gattungen und treten
nicht so bestimmt auf.
Wenngleich die Form der nordischen und der tro-
pischen Gräser so wesentlich verschieden erscheint, so ist
doch auch bei diesen die Erscheinung des gesellschaftli-
chen Wachsthumes ganz allgemein, ja in einem ähnlichen
Maafse, wie wir es an unseren nordischen Gräsern beob-
achten. Die herrlichen Bambusen, welche Bäume von 30
und 50 Fufs Höhe bilden und in den Tropen und den
subtropischen Zonen beider Continente vorkommen, bil-
den häufig die unabsehbarsten Wälder und sind so dicht
neben einander gestellt, dafs dergleichen Massen undurch-
dringlich sind. Die Form der Bambusen ist aufserordent-
lich lieblich, ihre schlanken Stämme mit winkelförmig ge-
stellten Aesten und den leichten Grasblättern, sind etwas
ganz sonderbares; der Nordländer erinnert sich bei ihrem
Anblicke der vaterländischen Weiden. Auch benutzt man
die Bambuse in tropischen Gegenden zur künstlichen Ver-
zierung der Landschaft, ganz auf ähnliche Weise, wie man
es bei uns mit der Trauerweide zu thun pflegt, und ein
schöner Rasen, wenn auch hauptsächlich durch Cyperoideen
gebildet, an seinem Umfange mit Bambusen umkränzt, wie
ich ihn in Indien gesehen habe, gehört zu den reizendsten
Naturschönheiten.
Die Verbreitung der Bambusen, dieser baumartigen
Gräser, hat mehrere Eigenthümlichkeiten aufzuweisen;
eigentlich nur den Tropen angehörig, ist es auffallend, dafs
mehrere, Arten aus dieser Familie auf der Westküste von
Südamerika tief hinabgehen, denn man findet sie in Chile
noch unterhalb des 36sten Grades, und auf Neu-Seeland
ei
130
wohl noch tiefer. Auch auf den Südsee-Inseln finden sich
Bambusen, ich habe sie auf Oahu, einer der Sandwichs-
Inseln beobachtet, doch ist es noch unbekannt, zu welcher
Gattung diese Art gehört.
Eine andere Gruppe von riesigen Gräsern der wär-
meren Zonen ist die kleine Familie der Saccharinen; sie
gehören zu den anmuthigsten Formen, oft bilden sie lange
undurchdringliche Haufen von schilfartigen Blättern, aus
denen sich die langen und schlanken Schafte mit den gro-
fsen Büscheln von Blüthen erheben, deren silberweifse
Farbe schon aus weiter Ferne auffällt. Gleich hochgeho-
benen Fahnen werden diese silberweifsen Knospen von
dem Winde bewegt, welche zu 20 und zu 30 Stück ge-
wöhnlich aus einem einzelnen Haufen dieser Pflanzen kom-
men. Im nördlichen Chile, in der Provinz Copiapo, dicht
an den Ufern des kleinen Baches, weicher dieses Land
durchfliefst, habe ich einige der schönsten Gräser dieser
Pflanzen- Gruppe aufgefunden; es waren das Gynerium
Neesii n. sp. und das Gynerium speciosum n. sp., sie
wuchsen daselbst neben hohen Phragmites- Arten, wärend
sich das riesenmäfsige Equisetum bogotense, oft 10 und
18 Fufs hoch und mit Tausenden von Aestchen bedeckt,
zwischen durch empor hob. Auch Herr v. Martius rühmt
die Schönheit dieser Grasformen, welche in unabsehbaren
Reihen an den Ufern der Brasilianischen Gewässer vor-
kommen soll; die Indier daselbst machen ihre Pfeile aus
den Blumenschaften dieser Gräser, welche oft auf 6,7, 8,
und selbst auf 10 Fufs Höhe fast blattlos sind. Das Zuk-
kerrohr tınd unser Arundo Phragmitis, welches die Ufer
der nordischen Teiche und Seen einfafst, zeigt mit jenen
Gynerien grofse Aehnlichkeit, nur an Schlankheit und
Schönheit der Formen stehen sie ihnen weit nach.
Auch die Cyperoideen zeigen einige sehr ausgezeich-
nete Pflanzenformen, welche auf den Charakter der Land-
schaft grofsen Einflufs haben;, in den niederen Fluren Ost-
indiens sind sie es meistens, welche an den Ufern der
131
Ströme den grünen Rasen bilden, doch einige Gattungen
dieser Gruppe zeigen hohe, schlanke Formen, wozu haupt-
sächlich die Papyrus-Staude gehört, so wie die Arten der
Gattung Cladium u. Ss. w.
Eine andere Gruppe von grasartigen Gewächsen bil-
den die Eriocaulon-Arten, meistens den heifsen Gegenden
eigen, und die Eriophora, welche jene in den temperirten
und kalten Zonen vertreten. Die Individuen dieser Gruppe
tragen mehr oder. weniger weifs gefärbte Köpfchen auf
schlanken Stielen, welche oftmals, höchst interessant con-
trastirend, aus dem umgebenden dunkeln Grün hervortre-
ten. In tropischen Gegenden beider Indien sind die Erio-
caulen sehr gewöhnlich; im südlichen China sind sie über-
all an dem Rande der stehenden Gewässer zu finden, wo
sie sich oftmals zu 2, 3 und selbst 4 Fufs Höhe erheben und
bei dem leisesten Luftzuge mit den Köpfchen zusammen-
stofsen; die niedlichen Blümehen der Utricularia bicolor
und anderer Arten dieser interessanten Gattung stehen
daneben. Aber wer kennt nicht den Eindruck, welchen
in unsern nordischen Gegenden die weifsen, wolligen Köpfe
der Eriophora machen, wenn sie zur Reife gekommen, oft
die ausgedehntesten Strecken von moorigem Sumpfboden
auf das angenehmste verzieren; zwischen den Haufen der
gemeinen Juncus-Arten und zwischen niedrigen Weiden
erheben sie sich daselbst, und der Wind richtet sie gleich
Windfahnen, bis sie ihre Laufbahn vollendet haben und
zerstäubt werden.
Noch eine sehr ausgedehnte Gruppe unter den Grä-
sern bilden die Restiaceen, welche auf den südlichsten
Theil von Afrika beschränkt sind und ganz eigenthümlich
zu den monotonen Formen der übrigen charakteristischen
Gewächse jenes Continentes passen.
Schliefslich mache ich noch auf die Binsenform auf-
merksam, welche hauptsächlich durch die zahlreiche Gat-
tung Seirpus dargestellt wird,” die neuerlichst in so viele
verschiedene Gattungen getheilt worden ist. Viele Jun-
eoideen reihen. sich, der Form nach, ganz dicht an die
9*
132
Binsen, und führen dadurch diese Form von eigentlichen Was-
serpflanzen auch auf das trockene Land. Die Binsenpflan-
zen gehören zu den Uferpflanzen, deren wir schon früher
pag. 71 gedacht haben; ihre schlanken blattlosen Stiele,
womit sie, gleich einem Walde, die Ufer der stehenden
Gewässer einfassen, imponiren durch ihre zahllose Masse,
geben aber der Landschaft etwas höchst Einförmiges.
2) Die Scitamineen-Form.
In der Form der Scitamineen im weiteren Sinne ist
die der Gräser nicht zu verkennen; es herrscht eine grosse
Aehnlichkeit zwischen beiden, nur das Blatt der Scitami-
neen ist meistens breiter und fleischiger geworden, und
die Blume zeigt eine Farbenpracht, welche den Gräsern
gänzlich abgeht. So wie die Gräser dem gröfsten Theile
der gesammten Menschenzahl die tägliche Nahrung darbie-
ten, so sind es’ einige Arten der Scitamineen-Form, näm-
lich die Bananen, welche den weniger ceultivirten Men-
schen der tropischen Zone die gewöhnlichste Nahrung
darreichen. Wärend der Mensch mit der, immer zuneh-
menden Cultur der Cerealien die Landschaft einförmiger
macht, wird. dieselbe, durch die Anpflanzungen der Ba-
nanen in tropischen Gegenden, wenn auch unbewufst, von
dem rohen Indier verschönert. Wo der Naturmensch in-
nerhalb der Wendekreise seine Hütte aus Bambusrohr
oder Palmblättern zusammensetzt, da pflanzt er auch ei-
nige Stöcklinge von Bananen, und mit dieser Quelle von
Nahrung schmückt er vorzüglich seine einfache Wohn-
stätte.
Man könnte die Scitamineen-Form der Gewächse in
zwei Unterabtheilungen bringen, die eine möchte die Sci-
tamineen im engeren Sinne umfassen, wozu die Canneen
gehören, und die andere die Musaceen, welche gleichsam
baumartige Scitamineen sind, wenn wir nur dem Total-
Eindrucke folgen, welchen diese Gewächse in der Phy-
siognomie einer Gegend auf uns machen. Zu diesen Mu-
saceen gehören erstlich die Bananen, die herrlichen Ura-
133
nien und die prachtvollen Heliconien und Strelitzien.
Keine andere Pflanzenform entwickelt eine solche Pracht
und Mamnigfaltigkeit in der Farbe der Blüthen, als gerade
die Seitamineen, selbst die Lilien- Gewächse und die Or-
chideen möchten von ihnen übertroffen werden. Das
Blatt der Bananen und der Uranien erlangt eine so
aufserordentliche Gröfse, dafs das Parenchym derselben
nach vollkommener Ausbildung nicht mehr zusammenhält,
es springt in mehr oder weniger regelmäfsigen Abständen
auseinander, daher auch, bei jedem grofsen Pisangbaume,
immer einige Blätter vorkommen, welche mehr oder we-
niger herabhängen und der Breite nach gespalten sind.
Welch einen herrlichen Anblick gewährt die goldrothe
Blume einer Strelitzia, in der Mitte ihrer dunkel blau-
grünen Blätter! In den dichten Wäldern der Tropen fin-
det sie sich auf feuchtem Boden, oft in der Nähe kleiner
Gewässer, und wird durch hohe und schlanke Farrn be-
schattet, welche ihr grofses und feingetheiltes Blatt be-
ständig in zitternder Bewegung erhalten; oder hohe Stämme
stehen daneben, deren Rinde mit einem Heer von ausge-
zeichneten Schlingpflanzen bedeckt ist, aus welchen die
srofsen glänzenden Blumen der Aroideen hindurchblicken.
Die Urania, der Form nach eine Musa mit seitlich ge-
stellten Blättern, gehört zu den üppigsten und ausgezeich-
netesten Pflanzen. Die Urania speciosa hat man von Ma-
dagascar nach Java übergeführt und selbst in China habe
ich dieselbe angepflanzt gesehen; die Holländer nen-
nen diesen schilfartigen Baum den Wasserbaum, da eine
ganz enorme Masse von reinem, wasserartigen Nahrungs-
safte aus dem Stamme oder den Blattstielen desselben
fliefst, wenn er angeschnitten worden ist. Ich habe eine
Pflanze der Art blühend gesehen, welche täglich vielleicht
ein ganzes Quart dünnflüssigen Honig’s aus einer einzigen
Blumenscheide absonderte und Hundert-Tausenden von In-
sekten durch diesen ihren Tod bereitete. Ein Riese un-
ter diesen Gewächsen ist die prachtvolle Urania ama-
134
zonica, mit welcher uns H. Martius *) bekannt gemacht hat.
Auf einem Stamme von 30 Fufs Höhe entwickelt sie, in
der Mitte ihrer gewaltig grofsen Blätter, eine riesenmäfsige
Aehre von kahnförmigen Scheiden ; schon wenige ihrer
Blätter -reichen hin, um eine ganze Hütte zu decken.
Die Bananen-Form der Gewächse ist fast ausschliess-
lich auf die tropische Zone beschränkt, nur wenige Ge-
wächse derselben gehen über die Grenze derselben hinaus,
jedoch wird die Cultur der Pisange bis weit in die sub-
tropische Zone hinein betrieben. Die Gewächse mit Ba-
nanen-Form pflegen unter den Wendekreisen selten über
1400 Fufs hinauszugehen, doch so wie auch die Palmen
höchst auffallende Ausnahmen von diesem Gesetze auf-
zuweisen haben, finden wir sie auch bei diesen Pflanzen.
Herr v. Humboldt beobachtete nämlich in einer Höhe von
6600 Fufs über dem Meere eine Pisang-Form, welche
42 Fufs hoch war und ein so dichtes Gebüsch bildete,
dafs man die gröfste Mühe hatte, um, mit der Axt in der
Hand, einen Weg hindurch zu bahnen **). Wahrschein-
lich gehört diese Pflanze zur ‚Gattung Maranta oder zur
Gattung Heliconia. |
Die Scitamineen, welche die Bananen-Form gleich-
sam im Kleinen darstellen, sind ebenfalls auf die heifse
Z,one angewiesen; ihr herrliches Laubwerk, von dem hell-
sten Grün gefärbt, macht, wegen der geringeren Höhe der
Pflanzen, weniger Eindruck bei der allgemeinen Physio-
gnomie einer Gegend. Viele von diesen Gewächsen ste-
hen gesellig neben einander; auf den Sandwichs-Inseln,
wie auf den Philippinen habe ich grofse Strecken ganz
mit diesen Scitamineen bedeckt gefunden. Einige Alpi-
nien, Amomum-Arten und Cannen erheben sich schon zu
bedeutender Höhe, und ihr breites und glänzendes Laub,
*) Reise nach Brasilien III. p. xx.
*") S. A. v. Humboldt Naturgemälde p. 61 und dessen Reise etc.
I..p. 428.
135
verziert durch wundersam schöne Blumen, tragen zum
Schmucke der tropischen Fluren nicht wenig bei.
3) Die Pandanen - Form.
An die Bananen-Form oder an die Seitamineen im
Allgemeinen, möchten sich die Pandanen und Dracaenen
anschliefsen; ihr Einflufs auf den Character der tropi-
schen Vegetation ist ganz entschieden; sie zeigen lange,
mehr oder weniger gerade, linien-lanzettförmige Blätter
von einem glänzenden Grün, welche in regelmäfsigen Spi-
rallinien gestellt, den Gipfel mehr oder weniger hoher
und gerader, oder sich windender Stämme dick belauben.
Gewöhnlich sind die Pandanen-förmigen Gewächse
mit unverästelten Stämmen versehen; erst mit vorschrei-
tendem Alter verästelen sie sich an den Gipfeln. Aufser
den Dracaenen gehört die zahlreiche Gattung Pandanus
und Freycinetia hieher. Die wirklichen Pandanen gehö-
ren der alten Welt an und herrschen daselbst innerhalb
der Wendekreise; die Gattung Freyeinetia geht tiefer
hinab, denn sie kommt selbst auf der Norfolk-Insel zum
Vorschein. Die Pandanen der neuen Welt, nämlich die
Gattung Phytelephas Ruiz et Pav., sind stengellos und
haben gefiederte Blätter *), aber auch das Phormium te-
nax von Neu-Zeeland und dessen Umgegend, wäre als eine
stengellose Pandanen-Form zu betrachten.
Einige Dracaenen gleichen in der Form den Scita-
mineen; Dracaena terminalis bald mit grünem, bald mit
rothgefärbtem Laube, ist eine ausgezeichnet schöne Pflan-
zenform, welche auf den Inseln der Südsee sehr häufig
vorkommt. “Auf den Sandwichs-Inseln pflanzt man dieses
Gewächs rund um die Hütten und bildet mit demselben
lebende Zäune von eigenthümlicher Schönheit, welche. die
Höhe von 5 Fufs nicht zu übersteigen pflegen. Die knol-
lige Wurzel der Dracaena terminalis ist reich an Amylum
und Zucker, daher sie zur Bereitung geistiger Getränke
*) $S. Kunth Handbuch der Botanik. Berlin 1831 p. 240.
136
mit grofsem Vortheile angewendet wird; man schneidet
alsdann die Wurzel von den ausgezogenen Stämmen ab
und steckt diese später wieder in die Erde, wo sie als-
bald ihre Wurzeln von Neuem treiben.
Der kolossale Drachenbaum (Dracaena Draco), wel-
cher in dem Städtchen Orotava auf Teneriffa steht, ge-
hört zu dieser Pflanzen-Form; seine Höhe von 70 Fufs
und sein Umfang von 45 Pariser Fufs *) machen ihn
zu einem Riesen unter den Pflanzen, dessen Alter we-
nigstens über die Erbauung der Pyramiden hinausgehen
mufs. Der Stamm dieses Baumes ist hohl, so dafs
man gegenwärtig in demselben durch eine Treppe bis
zu der Höhe hinaufgehen kann, wo er sich in Aeste zu
theilen beginnt. Am 21. Juli 1818 hat ein heftiger Or-
kan einen grofsen Ast von diesem Colosse abgebrochen,
wodurch ein freier Raum an dieser Stelle entstanden ist,
auf welchem mehrere Personen stehen können. In den
früheren Zeiträumen ist der ächte Drachenbaum gleich ei-
nem Bananen-Gewächse astlos; erst im höheren Alter
entwickelt er Aeste und dann erhält er, dem Habitus nach,
gröfsere Aehnlichkeit mit den wahren Pandanen.
Die Pandanen, nämlich die Arten der zahlreichen Gat-
tung Pandanus, sind überall in tropischen Gegenden der al-
ten Welt zu Hause, wo die Erde oder die Atmosphäre
eine hinreichende Menge von Feuchtigkeit besitzt. Auf
der Halbinsel Macao, im südlichen China, habe ich die
üppigsten Pandanen selbst im fliegenden Sande beobach-
tet, doch nicht sehr entfernt von dem Meere, wo also die
Luft bedeutend feucht war. Auf den Philippinen, auf Java,
Sumatra und auf den Halbinseln Indiens herrscht überall,
von der Küstengegend an bis in die Regionen der baum-
artigen Farrn, die Pandanen-Form vor. Oftmals bilden
die Pandanen gerade aufsteigende Stämme von bedeuten-
*) Siehe Alex. v. Humboldt’s Ansichten der Natur. 1808. p: 236.
und Observations sur le Dracaena Draco L. par Sabin Berthelot,
ın den Novis Actis Acad. C. L. C. nat: curiosorum. Tom. XI, Pars
II. p. 773. mit schönen Abbildungen von diesem Baume.
137
der Dicke, deren Blättermasse eine Krone von der Form
einer Kugel darstellt; andere Arten, mit weniger dicken
Stämmen, leben in mehr oder weniger grofsen Massen
gesellschaftlich nebeneinander, und ihre blattlosen Stämme,
nur an dem Gipfel belaubt, winden sich nach verschiede-
nen Richtungen. Aber die sonderbarsten und nur der
heifsen Zone eigenthümlichen Formen zeigen die Panda-
‚nen, wenn ihre Stämme mit Luftwurzeln bedeckt sind, die
gleich dicken, straffigezogenen Tauen, nach allen Richtun-
gen hin in die Erde steigen und den Hauptstamm festhal-
ten. Auf den Gebirgen der Philippinen, und zwar in der
Region der baumartigen Farrn, da habe ich die sonder-
barsten Bildungen der Art kennen gelernt; aus einer Höhe
von 12 und 15 Fufs stiegen die Luftwurzeln dieser Pan-
danen-Stämme hinab und, indem sie mehrere Fufs entfernt
von dem Stamme in die Erde hineingehen, führt der Weg
oft zwischen ihnen hindurch, wenn nicht ihre zu grofse
Anzahl dem Vorschreiten hinderlich ist.
Aber nicht nur in der Physionomie der Natur spie-
len die Pandanen eine so grofse Rolle, sondern auch im
Haushalte der Menschen; die Blätter aller Pandanen wer-
den zur Bereitung von groben Matten benutzt und in den
Wohnungen der Indianer findet man sie häufig in Anwen-
dung gesetzt. Auf den Südsee-Inseln ist der Pandanus
odoratissimus der gewöhnlichste, welcher vielfach benutzt
wird; seine Blüthen sind von dem ausgezeichnetsten Ge-
ruche, so dafs dieser Baum in Arabien und Aegypten *)
seiner Blumen wegen cultivirt wird. Die Indianerinnen
auf den Südsee-Inseln bestreuen sich mit dem Blumen-
staube dieser Pflanze die Haare **). Die Frucht dieses
schönen Pandanus erreicht die Gröfse eines Kinderkopfes
und ist aus vielen Steinfrüchten zusammengesetzt; sie äh-
nelt der Ananas, mit der sie auch die herrliche Goldfarbe
*) $. Bove Relation abrege d’un voyage botanique en Egypte
dans les trois Arabies, en Palestine et en Syrie etc.
*) S. Forster De plantis esculentis insularum Oceani australıs.
Berolini 1786. pag. 41.
138
gemein hat, aber der innere Theil der einzelnen Frucht-
schuppen (Steinfrüchte), ist von der schönsten gelben
Farbe. Die Indianerinnen der Südsee-Inseln fädelen die
einzelnen Schuppen der Frucht zu langen Kränzen, wo-
mit sie den Hals, den Kopf und die einzelnen Arme ver-
zieren, auch lange Kränze davon über die Schultern ge-
worfen tragen. In Fällen der Noth, wenn grofser Mangel
an Früchten herrscht, wird auch die Frucht des Pandanus
odoratissimus als Nahrungsmittel gebraucht, doch ihre fa-
serige und holzige Struktur möchte nur sehr. wenigen
Nahrungsstoff geben. Man saugt nur den inneren Theil
der einzelnen Fruchtschuppen aus.
4) Die Form der Ananasgewächse.
Die Ananas-artigen Gewächse schliefsen sich unmittel-
bar an die Pandanen an; die Form ihrer Blätter ist fast
dieselbe, nur werden sie von einem mehr graublauen
Grüne getüncht. An Blüthenpracht übertreffen sie die
meisten der tropischen Pflanzen-Formen; grofse Aehren
oder Rispen entwickeln sie aus dem Centrum ihrer Blät-
termasse, deren einzelne Blüthen die mannigfaltigsten Far-
ben zeigen. Eine grofse Anzahl dieser Pflanzen ist sten-
gellos und nur sehr wenige zeigen einen Stamm, ähnlich
den Pandanen-Gewächsen.
Die Ananas (Bromelia Ananas L.), welche in un-
sern Gewächshäusern gezogen wird, ist ein Repräsentant
dieser Pflanzenform, welche aber innerhalb der Wende-
kreise, wo ihr Vaterland ist, eine Höhe von 4 und 5
Fufs erreicht. Ich glaube sicherlich, dafs die Ananas
in der neuen und in der alten Welt zu Hause ist, denn
schon Pigafetta, auf der ersten Weltumsegelung unter
Magalhaen, beschreibt die Ananas als eine der kostbarsten
Früchte der moluccischen Inseln, jedoch ist es wahrschein-
lich, dafs diese Früchte verschiedenen Arten angehören.
Die Ananas, sagt Barchwitz *), indem er von.Lethy und
*) Ost-Indische Reiscbeschteibung. Erfurt 1751. p. 239.
139
den anderen Süd-Western-Insein spricht, wächst gerne an
Flüssen und feuchten Oertern und ist 13 Ellen hoch.
Auf Banda läfst man die zerschnittene Ananas-Frucht eine
Viertelstunde in Brunnenwasser liegen, ehe man sie mit
Wein ifst. In der Aequatorial-Zone und in den tropischen
Zonen Amerika’s wird die Ananas in grofser Menge an-
getroffen, und in Surinam, in Brasilien, wie auch in In-
dien, wird sie zur Einfassung der Felder benutzt, indem
sie sehr dichte, gegen Thiere schützende Hecken bilden,
da ihre Blätter scharf gerandet und gezähnt sind. Auf
Singapore wird die Ananas im Grofsen gebauet, um ihre
Blattfasern zur Bereitung feiner Zeuge zu benutzen. Die
meisten Ananas-förmigen Gewächse erscheinen, ihrem
Totaleindrucke nach, gleich stengellosen Pandanen; sie
gehören aber hauptsächlich zu denjenigen Pflanzen, welche
die grofse Ueppigkeit, ja das Uebermaafs hervorrufen hel-
fen, wodurch sich eine echt tropische Vegetation auszeich-
net. Die Bromelien, die Tillandsien, Pitcairnien, Guzman-
nien und andere Gattungen, leben in gröfster Anzahl, als
parasitische Gewächse auf der Rinde und den Aesten an-
derer Bäume. In Peru habe ich einzelnstehende Bäume
und Sträucher gesehen, welche fast ganz mit Tillandsien
bedeckt waren, aus deren bleigrauem Laube die pracht-
vollsten Blüthen-Aehren sich erhoben und auf deren Blät-
ter wiederum niedliche goldgelbe Ramalinen wuchsen. Die
Tillandsia usneoides L. von einer bleichen, silbergrauen
Farbe überzieht die tropischen Bäume Amerika’s wie mit
einem Flore, ähnlich den langen Usneen in den Kiefer-
waldungen feuchter nordischer Gebirge; doch jene Tilland-
sia erreicht eine aufserordentliche Länge, und hängt in
Massen herab, welche oft die einzelnen Theile der Bäume
ganz verschleiern und, von dem leisesten Winde bewegt,
hin- und herwallen, wie riesenhafte Silberlocken. Andere
Pflanzen dieser Form imponiren durch ihre riesigen Mas-
sen, denn die Bromelia Pinguin, wie H. v. Martius *) be-
*) Reise nach Brasilien. III. pag. XVII.
140
richtet, breitet ihre mächtigen Blätterbüschel auf zwölf
Fufs im Durchmesser aus und, obgleich sie selbst eine
Schmarotzerpflanze ist, wird sie ebenfalls mit Moosen und
anderen kleinen Schmarotzergewächsen überzogen. Ob-
gleich diese Ananas-artigen Gewächse den heifsen Zonen
eigenthümlich angehören, so giebt es doch einige Formen
von Tillandsien, welche sich auf tropischen Gebirgen zei-
sen, daselbst in der alpinen Region zu Hause sind und
selbst bis in die Region des ewigen Schnee’s hineinragen.
Diese kleinen Tillandsien, welche auf den grofsen Höhen
der Cordillere vorkommen, bilden daselbst die ausgebrei-
tetsten Rasen, welche durch die bleigraue Farbe ihres Lau-
bes den einförmigsten Anblick gewähren. Ja auf den Hö-
hen von Mexico ist eine Usneen-artige Tillandsia, hoch
in der temperirten Region, zu Hause; sie bedeckt die Co-
niferen, besonders den Juniperus jener Gegenden, so wie
die interessanten Yucca-Bäume, als Yucca filamentosa,
welche durch jene Schmarotzerpflanzen mehr weifs, als
grün erscheinen *).
Durch die eigenthümliche Form der Blätter dieser
Pflanzen, welche wie Schuppen den Stengel umschliessen,
werden in der Tiefe ihrer Blättermassen kleine Behälter
gebildet, welche sich mit Thau und Regenwasser füllen
und dieses noch lange frisch erhalten, wenn schon rings
umher, durch den Eintritt der trockenen Jahreszeit, aller
Regen und alle Feuchtigkeit verschwunden ist. Der Rei-
sende mufs sich öfters mit diesem Wasser behelfen, wel-
ches meistens schon von einer Unzahl von Insekten und
von Laubfröschen in Besitz genommen ist.
5) Die Agaven-Form.
Die Agaven-förmigen Gewächse zeigen unter den
Monocotyledonen, neben den Palmen die schönsten For-
men, und viele von ihnen sind auch von riesenhafter
*) Schiede Botanische Berichte über Mexico. Linnaea. Bd. 1829.
pag. 2295— 230.
14
Gröfse, sowohl die stammlosen, als auch diejenigen, welche
mit mehr oder weniger hohen: Stämmen versehen sind.
Das Laub der Agaven-förmigen Gewächse besteht in
erofsen Büscheln, deren Blätter äufserst fest und starr,
oft aber dick und fleischig sind; diese. linien -lanzettför-
migen Blätter, oftmals von einer enormen Ausdehnung
und Masse, stehen dicht übereinander und breiten sich
nach allen Richtungen aus. Um so interessanter erscheint
diese Pflanzenform, wenn jenes Büschel starrer Blätter
auf hohe und schlanke Stämme gesetzt ist, wie dieses bei
der Gattung Yucca, der Gattung Fourcroya, Vellozia und
Barbaeinia der Fall ist; alles Pflanzenformen der. neuen
Welt. Die Gattung Fourcroya Vent. zeichnet sich ganz
vorzüglich durch riesenhafte Massen aus, welche in äufserst
interessanter Form auftreten; die Fourcroyen, wie ihre
nächsten Verwandten, die Agaven, gehören dem mexikani-
schen Reiche und den nördlichsten Gegenden Südameri-
ka’s an, diejenigen Formen, welche man auf Madagascar
und im südlichen China davon gefunden haben will, wer-
den wahrscheinlich einer anderen Gattung angehören. Die
Agaven und Fourcroyen erreichen oft ein sehr hohes Al-
ter, bis sie zur Blüthen-Entwickelung kommen, und mit
dieser Lebensperiode, worin sie sich, der übermäfsigen
Masse von Blüthen wegen, welche sie entwickeln, gleich-
sam überreitzen, ist ihre Laufbahn zu Ende; sie sterben
alsdann ab. Im Jahre 1793 blühte im Pflanzen - Garten
zu Paris die prachtvolle Fourcroya gigantea, nachdem sie
seit dem Anfange des Jahrhunderts daselbst gezogen wor-
den war. Indessen ein Riese aus dieser Gattung, sowohl
durch seine Gröfse, wie durch sein hohes Alter, ist neu-
lich in der Fourcroya longaeva Karw. et Zuccar. *) be-
kannt geworden, denn diese Pflanze, welche Karwinski
auf den Gebirgen der mexikanischen Provinz Oaxaca, in
*) Ueber einige Pflanzen aus den Gattungen Agave und Four-
eroya von Zuccarini. Acta Acad. C. L. C. Tom. XVI. pars II. pag.
569 mit einer vortrefflichen Abbildung der Fgureroya longaeva auf
Tab. XLVINM.
142
einer Höhe von 9—10000 Fufs gefunden hat, zeigte ei-
nen schlanken Stamm von 40—50 Fufs Höhe und 12—18
Zoll Dicke, wo dann erst das grofse Büschel von 5—6
Fufs langen Blättern begann, aus dessen Centrum sich
eine Rispe von 30—40 Fufs Höhe erhob, welche über
und über mit unzählbaren weifsen Blumen bedeckt war,
Demnach erreichen die Fourcroyen, diese gestämmten
Agaven, deren Stämme so schlank wie diejenigen der Pal-
men sind, eine absolute Höhe von 80-90 Fufs; welch
einen Anblick mufs solch ein schilfartiges Gewächs dar-
bieten! Ein Alter vielleicht von 3—400 Jahren ist dazu
nöthig, um solch eine monocotyledonische Pflanzenform
zu entwickeln. An diese Pflanzenform schliefsen sich un-
mittelbar die mexikanischen Yuccen an, welche auch mit
jenen unter ganz ähnlichen Lokalverhältnissen vorkommen.
Herr Schiede *) erzählt von diesen schattenlosen Wäl-
dern der mexikanischen Gebirge, welche in der Region
der Coniferen daselbst vorkommen, und aus Bäumen .be-
stehen, deren Höhe über 30 Fufs hinausgeht; die sonder-
baren Usneen-förmigen Tillandsien von silbergrauer Farbe
hängen von ihnen in grofsen Massen herab und: geben
dem Baume ein winterliches Kleid, wärend die naheste-
henden Arten dieser Gattung, in den wärmeren Regionen
dieser Landschaft, eine Lebendigkeit und durch ihre schö-
nen Blüthen eine Pracht entwickeln, welche nur von we-
nigen andern Pflanzenformen übertroffen wird. So wie
die riesenmäfsige Rispe der Fourcroya durch ihre Masse
imponirt, denn die Fourcroya longaeva mag vielleicht mehr
als 20000 Blüthen in ihrer Rispe entwickeln, so macht
die Blüthe der Yucca einen angenehmen Eindruck durch
ihre Schönheit, denn man denke sich eine Menge von Tul-
pen-ähnlichen Blumen von den ausgezeichnetsten Farben,
auf hohen Stämmen vereinigt. Einige der Yuccen, so wie
die Vellozien und Barbacenien sind mit wenig verästelten
Stämmen versehen, und zeigen alsdann eine grofse Aehn-
*) L_ c. Linnaea von 1829. pag. 223,
143
lichkeit mit den Pandanen-förmigen Gewächsen, so dafs
andere Botaniker die Dracaenen sogar: zur Agaven-Form
gezogen haben *). Gewifs ist es, dafs die Pandanen-Form
einerseits durch die Dracaenen, so wie die Agaven -Form
durch die Yuccen in einander übergehen. Auch die Aga-
ven Mexiko’s, welche gleichsam stammlose Fourcroyen
sind, imponiren durch ihre eigenthümliche Form, wie durch
ihre Massen; obgleich ihre Blätter grofs und fleischig sind,
wachsen sie dennoch in Gegenden, deren Boden fast was-
serlos ist, denn oftmals besteht er ganz aus Felsen, nur
hie und da etwas Dammerde zeigend. Die üppigen Blu-
men-Rispen, welche diese Gewächse, oft zu 16 und 20
Fufs Höhe, mit Tausenden von Blüthen geschmückt ent-
wickeln, tragen nicht wenig dazu bei, die öden Gegenden
zu beleben, in welchen die Agaven meistens wachsen.
Bekanntlich sind einige Arten dieser Gattung ganz vor-
zügliche Nutzpflanzen, und sie werden von den Mexika-
nern in einem sehr ausgedehnten Maafsstabe cultivirt.
In der alten Welt gedeihen diese Pflanzen bei entspre-
chenden Climaten sehr wohl, und auch hier giebt es Ge-
genden, wo die Agaven in solcher Menge angepflanzt sind,
dafs sie auf den Character der Vegetation einen wesent-
lichen Einflufs ausüben. Auf den Canarischen Inseln und
auf St. Helena benutzt man die Agaven zur Bepflanzung
der Wege, und wenn diese Pflanzen daselbst zur Blüthe
kommen, gewähren sie, schon aus der weitesten Ferne,
den reizendsten Eindruck.
Den Agaven der neuen Welt entsprechen die Aloe-
(Gewächse in der alten Welt; viele von ihnen gleichen,
dem Habitus nach, auf das genaueste den Agaven -förmi-
gen Gewächsen, sowohl denen mit Stämmen, als auch den-
jenigen ohne Stämme. Fast alle Aloe-Arten sind im süd-
lichsten Afrika zu Hause, wo sie die subtropische Zone
einnehmen; nur einige wenige Formen repräsentiren diese
Gattung in der subtropischen Zone der nördlichen Hemi-
*) S. v. Martius Reise nach Brasilien. III. pag. XVl.
144
sphäre, wie z. B. Aloe vulgaris De Cand. in Griechenland,
in Arabien und weiter östlich nach Indien hin, selbst auf
den Mascarenischen Inseln kommt noch eine Art dieser
Gattung, nämlich Aloe macra Haw. vor, doch in der neuen
Welt fehlt diese Pflanzengruppe gänzlich; einige Arten
sind gegenwärtig daselbst eingeführt und werden ange-
bauet.. Auch die Aloe-Gewächse zeigen mitunter ganz
riesenhafte Individuen; die Aloe dichotoma, welche auch
in unseren Gewächshäusern eine bedeutende Gröfse er-
reicht, soll am Cap der guten Hoffnung zuweilen einen
Umfang von,;3 bis 400 Fufs erreichen, und dennoch ist der
Boden im Allgemeiner nirgends trockener, als gerade in
diesen Gegenden, wo die Aloe-Gewächse vorkommen.
Durch einige Lachenalien schliefsen sich die Aloe-Ge-
wächse an das Phormium von Neu-Seeland und durch
dieses an die Pandanen-förmigen Gewächse.
6) Die Palmen.
Als die edelste aller Pflanzenformen betrachtet man
die Palmen; so vielfach verschieden sie auch sind, so be-
steht ihr Charakter dennoch. in einem hohen nnd schlan-
ken Stamme, auf dessen Gipfel ein mächtiges Büschel von
riesenmäfsigen Blättern emporsteigt. Die Palmen errei-
chen mitunter die aufserordentlichste Höhe, so dafs sie
hoch über die Gipfel der höchsten tropischen Wälder hin-
aussteigen. Palmen von 70, 80 und 100 Fufs sind gar
nicht selten, doch die Wachspalme aus der Cordillere von
Quindiv., welche Herr Alexander v. Humboldt und Bon-
pland beobachtet haben, erreicht eine Höhe von 160—180
Fufs und noch dazu, was aufserordentlich auffallend ist
in einer Höhe von 9000 Fufs, wärend die Palmen inner-
halb der Wendekreise nur selten über 3000 Fufs hinaus-
gehen. Wie auffallend contrastiren dagegen die stammlo-
sen Palmen, welche den Gattungen Chamaerops und Nipa
angehören, nur selten erreichen diese in freier Natur eine
Höhe von 5—6 Fufs, dagegen wird Chamaerops humilis
in Gärten zu einem hohen Baume gezogen mit schlankem
D
145
Stamme. Ganz abweichend von diesen hochstämmigen
Palmen sind die rohrartigen mit dünnem, gewundenen
Stamme, wozu die Gattung Calamus gehört; sie sind die
stacheligten Schlingpflanzen in den Wäldern der heifse-
sten Region Ostindiens. Oft eine Länge von 4-, 5- und
600 Fuis erreichend, steigen diese schlanken und meistens
sich windenden Stengel auf die Gipfel der höchsten Bäume,
von wo aus sie wieder herabsteigen oder nahestehende
Bäume umschliefsen, und diese auf das festeste mit ein-
ander verbinden. Doch das schöne gefiederte Blatt dieser
Rohrpalme, welches mit dem schlingenden Stengel auf der
Rinde dicker Baumstämme hinaufsteigt, dient nicht wenig
zur Belebung und Verzierung jener Urwälder.
Nicht nur die Form der Blätter, welche bald lang und
einfach ist, bald gefiedert und bald fächerförmig ist, nicht nur
das dunkele glänzende Grün, oder der silberweifse Anflug,
welchen die Blätter vieler Palmen zeigen, sondern die
Richtung und die Gröfse dieser Blätter, im Verhältnisse
zu der Höhe des ganzen Stammes sind es, welche den
Palmen ein so verschiedenartiges Ansehen geben. Welche
Majestät mufs die Jagua-Palme zeigen,. welche die Granitfel-
sen in den Katarakten von Atures und Maypure umkränzt?
Ihre schlanken und glatten Stämme erheben sich, wie Herr
Alexander von Humboldt erzählt, bis 60 und 70 Fufs
Höhe, so dafs sie über das Dickigt des Laubwaldes, wie
Säulengänge hinausragen. Ihre Blätter, meistens nur 7 bis
S Stück, gehen fast senkrecht, 14 bis 16 Fufs hoch auf-
wärts, und bilden ein luftiges, leicht sich bewegendes Ra-
pital zu jenen Säulen. Welche Ueppigkeit und welche
Pracht zeigen dagegen die Fächer- und Schirm-Palmen,
deren ausgedehnte Wedel, mehr oder weniger horizontal
laufend, die ganze Umgegend beschatten,- wenn sie, hoch
genug, durch den Stamm emporgehoben sind. Die Mani-
caria saccifera Gaertn., die einzige brasilianische Palme
mit ungetheilten Blättern, bringt dieselben von 20 Fufs
Länge und 6 Fufs Breite hervor. Diese Blätter werden
ihrer Gröfse und Festigkeit wegen ganz vorzüglich zum
10
146
Dachdecken benutzt *). Weniger schön, ja man möchte
sagen: keine Spur von der Ueppigkeit einer ausgewach-
senen Fächerpalme zeigend, erhebt sich die niedere Cha-
maerops nur bis zu einer geringen Höhe, und fällt mehr
durch ihre auffallende Form in die Augen, als durch ihre
Schönheit.
Andere Palmen, welche die Wedel ihrer hohen Kro-
nen herabhängen lassen, ‘gewären wiederum einen anderen
Eindruck, ganz verschieden von demjenigen, welchen die
schlanken, mit himmelanstrebenden Wedeln besetzten Pal-
men-Stämme hervorzurufen vermögen. Auf der Westküste
von Südamerika, besonders in Chile, hat man, mitten in
den Klostergehöften einen hohen Palmbaum stehen; in
Chile ist es die ehemalige Cocos chilensis, gegenwärtig
durch den unglücklichen Bertero Molinaea mierococos ge-
vannt, sie bildet glatte, hohe und dicke Stämme, welche
durch ihre Masse imponiren, doch die herabhängenden
Wedel ihrer Laubkronen und das bleiche Ansehen dieser
Blätter, wie die Bleifarbe ihres Stammes macht einen
höchst melancholischen Eindruck, entsprechend dem des
ganzen Klosterlebens. ;
Nicht wenig verschieden ist der Antheil, welchen die
Palmen, bei der Darstellung der Physiognomie der Natur
nehmen, je nachdem sie einzeln aus der Mitte anderer
Gewächse hervorragen, oder in mehr oder weniger grofsen
Massen gesellschaftlich neben einander wachsen; es sind
mehr die zwergartigen Palmen, welche in grofsen Massen
neben einander wachsen, und da,scheint dieses gesell-
schaftliche Wachsthum auf die Gleichmäfsigkeit des er-
forderlichen Bodens zu beruhen. In den sumpfigen Ge-
genden der Philippinen, der anderen naheliegenden grofsen
Inseln, so wie der Moluccen, findet man weit ausgedehnte
Flächen, welche ganz mit der Nipa-Palme (Nipa frutes-
cens L.) bedeckt sind, die ihre Stämme im Moore ver-
steckt hält. Auch der Chamaerops Palmetto, in der Nähe
”) v. Martius Reise III. 989.
f
EEE SEE ESSENER
147
von New-Orleans, bedeckt in unabsehbaren Schaaren die
ausgedehnten Sümpfe, welche in der Nähe dieser Stadt
liegen; auch Chamaerops humilis, der Repräsentant der
Palmen in Europa, liebt die sumpfigsten Gegenden und
kommt auf diesen, sowohl in Italien, wie in Sicilien und
in Spanien vor, stets in grofser Gesellschaft, doch durch
ihre geringe Höhe wenig auf den Charakter der Gegend
einwirkend. Es giebt aber auch hochstämmige Palmen,
welche gesellschaftlich wachsen und Wälder bilden, deren
bezauberndes Bild schon so oft die Phantasie des Dich-
ters erregt hat. Die Dattelpalme, welche uns zunächst
vorkommt und ganzen Nationen die Hauptnahrung dar-
bringt, bietet einen gesellschaftlichen Pflanzenwuchs dar,
in dessen Schatten sich die Menschen ansiedeln. Auch die
weltberühmte Cocos-Palme (Cocos nucifera L.), welche
die Küsten Indiens, wie auch die Ufer der Südsee-Inseln
belebt, erscheint nicht selten in mehr oder weniger grofsen
Gesellschaften. In gröfseren Massen neben einander wächst
die Fächer-Palme am Ausflusse des Orinoco, die berühmte
Mauritia flexuosa L. nämlich, ein Baum, welcher den
wilden Guaraunen ihre Unabhängigkeit sichert. An den
neben einander stehenden Stämmen dieser Palmwälder er-
richten jene Völker ihre Hütten auf festgebundenen Mat-
ten, und, wenn der Boden überschwemmt ist, dann leben
sie, gleich den Affen, hoch auf den Bäumen und fahren
in kleinen Kähnen von Ort zu Ort. Eine Naturscene der
Art findet sich in v. Sack’s Reisebeschreibung nach Suri-
nam. dargestellt.
So viel man von dem Lobe der Palmenwälder gehört
hat, so häufig die Dichter das Reizende solcher Natur-
scenen besungen haben, und so gewifs es auch ist, dafs
die edele Form der Palmen alle übrigen Bäume übertrifft,
und die Palmenhaine, durch ihre stolzen, himmelanstre-
benden Stämme auf eigenthümliche Art imponiren, so sucht
man dennoch vergebens in diesen Palmenwäldern nach
der lachenden Schönheit, welche ein hellbelaubter Laub-
wald in unseren nordischen Regionen darbietet. Der kühle
10 *
148
Schatten unserer Buchenhaine und das Heer der fröhlichen
Sänger wird dorten vergebens gesucht. Doch die Palme
ist die edelste Pflanzenform, sie gehört fast ausschliefslich
den heifseren Gegenden an, wohin man einst die Wiege
des Menschengeschlechts setzte, und ihr Lob schliefst das
der ganzen wärmeren Zone mit ein, denn wo die Palmen
wachsen, dahin versetzt man das glückliche Clima, wo die
Natur selbst, ohne Zuthun des Menschen, eine Fülle von
herrlichen Nahrungsmitteln erzeugt, wo die Rinde der
Bäume die hinreichende Kleidung giebt, und jeder Ort,
unter dem Schutze eines leichten Blätterdaches, dem Men-
schen die angenehmste Wohnung darbietet. Dahin, wo die
süfse Frucht der Dattel reift, wo die Cocos-Palme maje-
'stätisch sich erhebt, setzt man den Sitz des glücklichen
Naturmenschen. Der fantasiereiche Dichter preist das
Land, wo der Mensch noch in solchem Naturzustande lebt.
Die Form der Palmen nimmt im Allgemeinen an Schön-
heit zu, je mehr man sich dem Aequator nähert; gerade-
stämmig und unverästelt ist ihre Normalform, doch die
schöne Palme von Theben, die Cucifera thebaica *), nimmt
einen verästelten Stamm an.
Eine kleme Unterabtheilung in der Palmen-Form bil-
den die Cycadeen, einschliefsend die Gattung Cycas
und Zamia. Die Arten der Gattung Cycas gehören der
Form nach gänzlich zu den Palmen, obgleich die Struktur
ihrer Früchte die Gattung näher den Coniferen stellt; sie
sind nur der alten Welt, hauptsächlich den östlichsten
Gegenden derselben eigen. Die Zamien dagegen weichen
bedeutender von der Form der Palmen ab, und die afri-
kanischen und neuholländischen Arten dieser Gattung bie-
ten oftmals die sonderbarsten Gestalten dar. In den-trocke-
nen und vegetationslosen Ebenen des südlichen Afrika’s,
da wo der Straufs seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, da
*) Eine schöne Abbildung dieser Pflanze findet sich in dem
grofsen französischen Werke über Aegypten.
149 -
stehen die Zamien mit ihren bizarren Formen *); es sind
unförmlich dicke Stämme, nur wenig hoch und auf ihren
Gipfeln mit einem Schopfe weit aus einander stehender
Wedel besetzt. Es liegt, wie ich sagen möchte, etwas
höchst ungeschicktes und unproportionirtes in der Gestalt
dieser palmartigen Gewächse, welches ganz zu der Einför-
migkeit einer südafrikanischen Landschaft palfst.
7) Die Farrn-Form.
So aufserordentlich verschieden die Form der Farrn-
kräuter ist, so sind die hohen und stämmigen Arten und
Gattungen dieser Pflanzen den Palmen so nahe stehend,
ihrer Form nach wenigstens, dafs es zuweilen möglich
wird, die Stämme -dieser beiden Pflanzenformen mit ein-
ander zu verwechseln; dafs dieses auch oftmals schon
statt gefunden hat, beweisen die Angaben von den vielen
versteinerten Palmen in unsern nordischen Gegenden, wel-
che, wie neuere Untersuchungen nachgewiesen haben, fast
durchgängig den Farrn und Cycadeen angehören.
Die Farrnbäume vereinigen in sich den edlen Wuchs
der Palmen mit der Zartheit der niederen Farrn, und er-
langen dadurch eine Schönheit, wie die Natur wohl nichts
Aehnliches wieder aufzuweisen hat.
Von den Farrn sind es hauptsächlich die hohen mehr
baumartigen, welche auf die Physiognomie der Vegetation
einen besondern Einflufs ausüben, und diese sind es auch,
welche den Palmen am meisten ähneln.
Man kann die ganze Gruppe der Farrn ihrer Form
nach in drei verschiedene Abtheilungen bringen, nämlich
in krautartige, in strauchartige und in baumartige Farrn.
Die Zahl der krautartigen Farrn ist hauptsächlich den
temperirten und kalten Zonen eigen; hier sind nur äu-
fserst wenige Arten, welche einen kleinen Stamm bilden
**) Siehe hiezu die bildlichen Darstellungen über das Vorkom-
men dieser Pflanzen, in der allgemeinen Gartenzeitung von 1834
Nro. 41. Tab. I. und Tab, IV.
150 ,
und eine Höhe in ihren Wedeln erreichen, welche sie den
strauchartigen Pflanzen ähnlich macht. Struthiopteris ger-
manica ist ein solches Farrnkraut unserer Zone, welches
die strauchartigen Farrn der subtropischen und tropischen
Zone in unseren kälteren Gegenden repräsentirt. Viel-
leicht findet man unsere Benennung: strauchartige Farrn,
anstöfsig, da alle diejenigen, welche dazu gehören, eigent-
lich Bäumchen mit kleinen Stämmen sind, ganz so, wie
die sogenannten stammlosen Palmen; indessen wir wäh-
len nur defshalb einen solchen Namen für diese Gruppe
von Farın, um sie dadurch entsprechend von den hohen,
baumartigen Farrn zu unterscheiden, und um dadurch die
physiographische Schilderung einer Gegend specieller aus-
führen zu können. Auch unter den krautartigen Farrn
giebt es einige, welche eine aufserordentliche Höhe errei-
chen, wie die Pteris aquilina, welche in unseren Climaten
so häufig grofse Flächen bedeckt; doch ihre Wedel stehen
einzeln, nie in solchen Büscheln vereinigt, wie ber den
strauchartigen Farrn, wo die Wedel aus dem Gipfel eines
kleinen Stämmchens hervortreten.
Die Zahl der krautartigen Farrn ist auch in den hei-
fseren Gegenden nicht minder grofs, doch der Einflufs,
den sie auf den Charakter der Vegetation daselbst aus-
üben, ist von ganz anderer Art, denn, so wie in kälteren
Zonen die krautartigen Farrn, in der Erde wachsend, so
zahlreich sind, so sind es in den heifsen Gegenden die
strauchartigen, wärend hier die krautartigen Farrn mehr
als Schmarotzer- Gewächse, nämlich auf den Stämmen und
Aesten anderer Gewächse, vorkommen, wo sie, oft durch
ihre höchst interessante Form, oft durch die Art ihrer
Befestigung, und oft durch ihre Färbung der grofsartigen
Vegetation einen eigenthümlichen Charakter von Schön-
heit und Ueppigkeit geben. Der heifsen Zone, innerhalb
der Wendekreise nämlich, sind die baumartigen Farrn ei-
genthümlich; sie erheben sich mit schlanken Stämmen: von
20 bis 28 Fufs Höhe, auf deren Gipfel grofse, oft 8 und
9 Fufs lange, dreifach gefiederte und getheilte Wedel ent-
r
.
151
springen, welche, bei ihrer aufserordentlichen Zartheit,
durch den leisesten Wind in beständiges Erzittern gesetzt
werden. &
Diese schlanken, oft ganz glatten, und durch die zu-
rückgebliebenen Blattnarben niedlich gezeichneten Stämme
erreichen eine Höhe von mehr als 20 Fufs, und sind zu-
weilen nicht dicker als 3 Zoll. Auf einigen der ostin-
dischen Inseln treten die baumartigen Farrn in solchen
Massen auf, dafs ihre Stämme wie die schlanken Fichten-
und Tannen-Stämme in unseren Schonungen dicht neben
einander stehen. Zuweilen erreichen die Stämme dieser
Farrn eine bedeutendere Dicke, oft selbst bis zu 8 Zoll
im Durchmesser, doch in diesen Fällen sind sie meistens
mit einer dicken Schicht von mehr oder weniger dicken
Luftwurzeln umkleidet. WUeberall in den Tropen, wo die
baumartigen Farrn vorkommen, von der Ebene an bis zu
3- und zu 4000 Fufs Höhe, da ist der Boden und die
Atmosphäre reich an Wasser, ja sie scheinen vorzüglich
_ feuchte Gegenden zu lieben, wo sie neben Musaceen und
Scitamineen am besten gedeihen. Auch die strauchartigen
Farrn leben in einer feuchten Atmosphäre, daher sie auf
den Inseln der Südsee in gröfster Anzahl auftreten; doch,
wie es mir scheint, herrschen sie mehr gegen die Wende-
kreise zu, als in der Aequatorial-Zone, daher sie auch
auf den Gebirgen der Tropen weniger am Fufse, als in
einer Höhe zwischen 2- und 3000 Fufs erscheinen.
8) Die Mimosen-Form.
Von den baumartigen Farrn gehen wir zu den Mi-
mosen-Formen über, Gewächse, deren Laub eben so fein
wie dasjenige der Farrn zertheilt ist, und oft noch nied-
licher erscheint. Die Mimosen und Sophoren mit ihren
fein gefiederten Blättern gehören ebenfalls fast ausschliefs-
lich der heifsen Zone an, wenigstens erreichen sie daselbst
überwiegend ihr Maximum. Sie treten als Sträucher und
als Bäume auf, welche ihre Aeste ausbreiten wie die Tan-
nen, und hauptsächlich wie die Araucarien Chile’'s. Tau-
152
sende von kleinen Blättchen reihen sich mit gröfster Re-
gelmäfsigkeit an einander und bilden das gefiederte Blatt
der Mimosen; begabt mit einer Sensibilität eigener Art,
ziehen sie sich nach der geringsten Berührung aus ihrer
Richtung und legen sich ‚gegenseitig zusammen, wärend
die Erscheinungen des periodischen Schlafens und Wa-
chens bei keiner andern Pflanzen- Gruppe so deutlich auf-
treten, als eben bei dieser. Es giebt Gegenden in den
heifsen und feuchten Zonen, welche ausschliefslich ganz
mit Mimosen bedeckt sind; ihr fein gefiedertes Laub bie-
tet dann ein luftiges Ansehen dar, dessen Eindruck be-
wunderungswürdig ist. Die Erschütterungen des Bodens,
selbst der Hufschlag des durcheilenden Pferdes ist hinrei-
chend, um solche Pflanzenmasse in Bewegung zu setzen *).
So wie die Entwickelung der Vegetation, von den
Polen an, nach dem Aequator zu, immer vollkommener
und vollkonmener wird, so zeigen dieses auch, für den
speciellen Fall, die Leguminosen und aus diesen vorzüg-
lich die Mimosen-Form. Die wahren Mimosen, welche
in der alten und in der neuen Welt vorkommen, gehen
nicht über die Wendekreise hinaus, eine grofse Gruppe
der Ingen, die stachellosen nämlich, sind nur in Amerika
zu Hause. Die Acacien dagegen, die Prosopis- Arten, die
Gleditschien u. s. w., gehen weiter nach den Polen hinauf;
sie erscheinen schon in den tropischen Zonen in Masse,
doch auch die subtropische Zone, ja selbst die wärmere
temperirte Zone hat sie in Menge aufzuweisen. Die Aca-
cien herrschen vorzüglich in der südlichen Hemisphäre,
sowohl in der alten, wie in der neuen Welt; Neuholland
ist bekanntlich das Land der Acacien, wo diese Pflanzen-
form mit ganz eigenthümlichen Blättern auftritt und da-
durch der Physiognomie der Vegetation einen ganz eigen-
thümlichen, man pflest zu sagen, neuholländischen Cha-
rakter auflegt. Einige Acacien von so auffallender Form,
wie die von Neuholland, gehen über Neu-Guinea nach
*) Vergl. v, Martius Reise III. p. XXX VII.
. 153
den Südsee-Inseln, und selbst auf den Sandwichs-Inseln
erscheint eine Acacie, die Acacia heterophylla, welche
ganz eigentlich die neuholländischen Acacien in der nörd-
lichen Hemisphäre repräsentirt. In Südamerika, besonders
auf der Westküste geht die Acacia Caven, so wıe verschie-
dene Prosopis- Arten bis über Concepeion südlich hinaus;
diese Gewächse der Mimosen-Form bilden in der Hoch-
ebene des mittleren Chile’s, selbst über 3000 Fufs hinaus,
zuweilen ganze Wälder, welche leider, durch die unauf-
hörliche Verfolgung der Menschen, allmälich ausgerottet
werden müssen, denn die Chilener lieben diesen stacheligten
Strauch zur Errichtung von trockenen Zäunen, rund um
ihre Gärten und Felder. In der Höhe der Cordillere von
San Fernando, zwischen 2- und 3000 Fufs, wächst
die Acacia Caven ganz besonders kräftig, denn sie bildet
daselbst ansehnliche Bäume, wärend sie in den niederen
ilöhen mehr. strauchartig auftritt. In der nördlichen He-
misphäre sind es die Gleditschien und Robinien, welche, die
Mimosen-Form repräsentirend, so hoch hinaufreichen; ja
die Gleditschien Nordamerika’s und die meisten Robinien,
welche nach Europa verpflanzt sind, gehen hier bis zur
subarktischen Zone hinauf, und äufsern gegenwärtig da-
selbst auf die Verschönerungen der Garten- Anlagen ihren
mächtigen Einflufs. Die Gleditschien, welche sich zu rie-
sigen Gröfsen entwickeln, zeigen uns eine Nachbildung
der Caesalpinien der heifsen Zone.
Die Papilionaceae, oder Leguminosae mit schmetter-
lingsförmigen Blüthen, bilden eine Pflanzengruppe, welche
zwar durch die Struktur ihrer Blüthen und Früchte den
Mimosen-Formen zur Seite steht, sich aber von diesen
durch den Totaleindruck, welchen ihre Formen darbieten,
gänzlich unterscheiden. Die Papilionaceen sind reich an
Zahl und dehnen sich über den ganzen Erdkreis, bis weit
über die arktische Zone hin aus, wärend die Mimosen-
Form schon in dem kälteren Theile der temperirten Zone
ihre Polargrenze erreicht. Viele der Papilionaceen haben
statt der gefiederten Blätter der vorigen Pflanzen-Form
154
nur gedreite, doch durch den Glanz ihrer Blüthen, welche
alle Farben umschliefsen möchten, stehen sie den Mimo-
sen wenig nach; indessen die Pflanzen dieser Gruppe sind
so 'selten von bedeutender Gröfse oder von auffallender
eigenthümlicher Form, dafs sie nur dann einen Einflufs
auf den Charakter der Vegetation ausüben, wenn sie in
grofsen Massen gesellig neben einander vorkommen. Eine
Wiese in unseren Zonen, reich an Klee-Pflanzen, an Me-
lilotus und Medicago - Arten, bietet zur Zeit, wenn sie ihre
schmuckreichen Blüthen entwickelt hat, einen aufserordent-
lich angenehmen Anblick dar, wie er in tropischen Gegen-
den wohl schwerlich zu finden sein möchte. In den gro-
fsen Steppen der temperirten Zonen der nördlichen He-
misphäre treten die Astragalen in Masse auf und nehmen
auch hier, wenngleich auf ganz andere Weise, an der Be-
stimmung des Charakters der Vegetation Antheil. Hier
geben sie der Gegend den Charakter der Unfreundlichkeit
und der Oede, wärend die blühenden Kleefelder die höch-
ste Fröhlichkeit verbreiten. Auch in den heifseren und
selbst in den Aequatorial-Gegenden treten die Papiliona-
ceen zuweilen in grofser Masse auf und üben alsdann,
hauptsächlich durch die Farbenpracht ihrer Blüthen, auf
den Charakter der Vegetation grofsen Einflufs.
Die Gattungen Hedysarum, Indigofera, Crotalaria
und Dolichos, vertreten die Gattungen Trifolium, Medicago,
Astragalus, Aspalathus und Lupinus der kälteren Zonen
in den Tropen, und einige andere Gattungen von grofser
Arten-Zahl sind dieser oder jener Gegend ausschliefslich
eigenthümlich. Die Psoralien herrschen in der subtropi-
schen Zone der südlichen Hemisphäre, wärend die Robi-
nien in Nordamerika und Asien zu Hause sind.
9) Die Nadelhölzer.
So wie wir die Mimosen-Form, wegen der feinen
Zertheilung der Blätter, an die Farrn anreihten, so rei-
hen sich an diese, wegen der Schlankheit der Stämme,
auch die Coniferen. Das dunkele Grün, das Ernsthafte,
u
155
ja das Melancholische der Fichten- und Tannen -Wälder
unserer kalten Zonen ist gewifs Jedem aufgefallen, der
die hellgrün belaubten, lachenden Wälder unserer Eichen
und Buchen damit verglichen hat. Es giebt unter allen
Vegetations- Formen kaum noch andere, welche so grofse
Contraste darbieten, wie neben einander stehende Nadel-
hölzer und Laubhölzer. Die grofse Familie der Coniferen
ist zwar über den ganzen Erdkreis verbreitet, doch die
eigentliche Form der Nadelhölzer, nämlich die Gattungen
Pinus, Abies, Larix und Taxus, gehören ausschliefslich der
nördlichen Hemisphäre an, woesie durch die temperirten
Zonen, durch die subarktische Zone und selbst bis in
die arktische Zone hinein, rund um die Erde einen brei-
ten Gürtel bilden, und, je höher nach Norden hinauf, im-
mer mehr und mehr den Charakter der Vegetation, ja die
ganze Physiognomie der Natur bestimmen. Unsere nor-
dischen Nadelhölzer erreichen unter günstigen Verhältnis-
sen eine riesenmäfsige Höhe, so dafs sie zu den höchsten
Bäumen gezählt werden müssen, welche die Erde bedek-
ken. Die ausdauernde, immergrüne Belaubung dieser Bäume
giebt denselben für die subarktische und arktische Zone,
wo die Winter so lang sind und die Erde anhaltend mit
einer dieken Schneedecke bekleidet ist, einen besonderen
Grad von Wichtigkeit, denn hier dienen sie zur Belebung
der furchtbaren Einöde, welche die starre Kälte über die
ganzen arktischen Gegenden ausbreitet.
Die Nadelhölzer ziehen sich neben der Birke am wei-
testen nach Norden hinauf, denn in Europa sind sie noch
unter 70° Breite und in Sibirien unter 68° zu finden,
wenn auch nicht mehr so schlank ausgebildet wie unter
niederen Breiten. Ebenso steigen diese Gewächse auf die
äufsersten Höhen der Gebirge, und bilden meistens die
obere ‚Baumgrenze, was fast für alle Gebirge der nördli-
chen Hemisphäre gilt. Es ist auffallend, dafs die Nadel-
hölzer, und zwar die allerähnlichsten Formen, einen so
weit ausgedehnten Verbreitungs- Bezirk aufzuweisen haben,
denn Pinus chinensis Lamb,, unserem Pinus sylvestris so
156
aufserordentlich ähnlich, bildet auf Macao, dicht am Ufer
des Meeres, eben so ausgebreitete Wälder, wie Pinus syl-
vestris bei uns, nur die Menschen sind denselben zerstö-
rend entgegen getreten, und es werden sehr bald Zeiten
kommen, in welchen von diesen chinesischen Fichtenwäl-
dern keine Spur übrig geblieben sein möchte. Auf den
Inseln, welche im Ausflusse des Tigerflusses zwischen Ma-
ao und Canton liegen, sind die Rücken der niederen
Berge, selbst bis zur Küste hinab, mehr oder weniger
dicht mit der chinesischen Fichte bedeckt, je nachdem die
Menschen diese Wälder zerstört haben, sonst möchten
sie schwerlich von unseren Fichten-Waldungen zu unter-
scheiden sein. Wie in unseren Nadelholz- Waldungen die
Pyrolae und die Vaceinien wachsen, so findet man dort
niedere Crotalarien, unsern Genisten ähnelnd, und rauhe
Osbeckien, auch fehlt es nicht an Orchideen, welche die
Orchideen unserer Wälder ersetzen. Im Allgemeinen tre-
ten jedoch die Nadelhölzer der wärmeren Gegenden nicht
in solchen grofsen, dichten Massen auf, wie bei uns, wo
sie aufser der Birke und einigen wenigen anderen Pflan-
zen nur selten etwas Unterholz zeigen, sondern sie ste-
hen weitläuftiger und Farrn und Rhododendra wachsen
zwischen ihnen. Wie denn überhaupt dergleichen einför-
mige Wälder, welche aus. einer einzigen Art von Bäumen
gebildet werden, wie bei uns die Eichen-, Buchen -, Bir-
ken-, Tannen-, Kastanien- und andere Wälder mehr,
sich in tropischen Gegenden nicht mehr zeigen, sondern
Mannigfaltigkeit herrscht hier bei aller Ueppigkeit.
Am auffallendsten ist es, dafs alle wahren Nadelhöl-
zer, nämlich die Gattungen Pinus, Abies, Larix und Taxus,
der südlichen Halbkugel fremd sind, denn bis jetzt sind
noch keine Arten dieser Gattungen jenseits des Aequators
gefunden. Pinüs Dammara, welche mib dem hohen und
majestätischen Podocarpus auf den Gebirgen Java’s in ei-
ner Höhe von 3000 Fufs erscheint, ist noch immer so
unvollkommen bekannt, dafs es sich annehmen läfst, sie
gehöre zu einer ganz andern Gattung. Im Allgemeinen
a
197
werden die ächten Nadelhölzer der nördlichen Hemisphäre
durch die Gattungen Araucaria, Podocarpus, Cupressus
und durch die Casuarinen vertreten, wenn wir diese nicht
als eine eigene Pflanzenform, zusammengehörig mit Ephe-
dra, aufstellen. Die Araucarien Südamerika’s gehören zu
den ausgezeichnetesten Pflanzenformen, besonders die Arau-
caria imbricata mit ihren grofsen, horizontal ausgebreiteten
Aesten. Die chilenische Araucaria wächst auf der Cor-
dillere des südlichen Chile’s, in der Breite von Concep-
cion sind die nördlichsten Wälder dieser Pflanze zu fin-
den; sie geht vielleicht sehr tief nach Süden hinab, doch
‘ist die Grenze unbekannt. An den Ufern der Magalhaen’s-
Strafse fehlt sie, dagegen findet man daselbst, nach Capi-
tain King’s Nachrichten, einen Cupressus-artigen Baum.
Schon Molina giebt uns eine vortreflliche Schilderung
von der Physiognomie dieses herrlichen Baumes, und Herrn
Poeppig’s Mittheilungen haben das noch Fehlende ergänzt.
Der Stamm des Baumes, der etwa 8 Fufs im Umfange er-
reichen soll, wird 70—100 Fufs hoch und ist glatt, in-
dem er, wie bei uns die Nadelhölzer es thun, die alten
Zweige und Blätter abwirft. Die Krone, welche etwa ein
Viertel der ganzen Höhe einnimmt, gleicht einer vollkom-
menen viereckigen Pyramide. Zu acht und zwölf stehen
die unteren Aeste kreisförmig um den Stamm, zu 4 und
6 in den höheren Winkeln, welche 4 bis 6 Fufs darüber
stehen. Die Aeste breiten sich horizontal aus und sind
ganz mit Blättern bedeckt, welche 3 Zoll lang, 1 Zoll
breit, herzförmig und hart wie Holz sind. Jeder Haupt-
zweig bildet wieder in gewissen Zwischenräumen Neben-
zweige, welche ebenfalls im rechten Winkel abgehen und
dadurch die pyramidenförmige Krone um so dichter ma-
chen. Die kugelrunden Früchte der Araucaria erreichen
die Gröfse eines Menschenkopfes und sıtzen an den En-
den der Zweige; jede Frucht enthält 2- bis 300 Saamen,
welche doppelt so grofs wie die Mandeln sind, und eine
wohlschmeckende und sehr beliebte Nahrung den Bewoh-
nern jenes Landes geben. 20 bis 30 Früchte findet man
158
nicht selten auf einem Baume, welche bei ihrer Reife, zu
Ende März, zerfallen und dann die Saamen ausstreuen.
Nach den Erkundigungen, welche Herr Poeppig *)
eingezogen hat, sollen die Araucarien- Wälder nur auf
der Westseite der Cordillere des südlichen Chile’s vorkom-
men, und zwar bis Valdivia hinab, nur in sehr bedeuten-
der Höhe, so dafs sie sich nicht über 2000 Fufs von der
Schneegrenze entfernen, bis zu welcher sie sich zuweilen
erheben sollen (!).
In Neu-Holland bildet Cupressus callitris ausgedehnte
Wälder, welche mit Encalypten, Acacien und Casuarinen
wechseln, besonders in Gegenden, wo die Ebenen der
Flufs-Ufer mit dem gesellig wachsenden Polygonum jun-
ceum bedeckt sind. Die herrliche Araucaria excelsa, als
ein himmelanstrebender Baum, ward auf der Norfolk-Insel
entdeckt, und sie kommt noch auf Van-Diemens-Land,
also sogar südlicher als 40° vor.
In weit gröfserer Anzahl treten dagegen auf Neu-
Holland die Casuarinen auf, welche daselbst ihr Maxi-
mum erreichen; dem Bau ihrer Früchte nach stehen sie
den Coniferen so nahe, doch in Hinsicht ihrer Form und
des Eindruckes, welchen sie auf den Charakter der Vege-
tation ausüben, sind sie von den Coniferen sehr verschie-
den. Im Innern von Neu-Holland wachsen die Casuari-
nen zerstreut zwischen den Bäumen der Acacien- und
Eucalyptus- Wälder, bilden demnach keineswegs solche
Wälder wie bei uns die Pinien.
Die sonderbare Casuarinen -Form, welche in Hinter-
Indien, auf mehreren Indischen Inseln, auf Neu-Guinea
und auf einem grofsen Theile der Südsee -Inseln vorkommt,
wo sie zur Bezeichnung der Trauerstätte dient, wird in
dem nördlichen Theile der alten Welt, so wie auch auf
den Gebirgen Amerika’s durch die Gattung Ephedra ver-
treten. Die kleinern, mehr strauchartigen Ephedren der
nördlichen Hemisphäre lassen die Casuarinen-Form we-
*) Reise in Chile u, s. w. I. p. 403.
159
niger deutlich erkennen, so wie auch die verkrüppelte
Ephedra americana, welche auf den Höhen der Cordillere
von Südamerika vorkommt; in der Cordillere Chile’s aber,
in den Höhen zwischen 2- und 4000 Fufs, da wächst die
Ephedra chilensis, ein hoher und ziemlich schlanker Baum,
dessen Krone wie jene der Casuarina equisitifolia herab-
hängt. Nicht wenig überraschend ist die Ephedra neben
den sonderbaren Säulen der Cactus und den glänzenden
Blättern der chilenischen Laubwälder. Die Mutisien ran-
ken an diesen Stämmen der Ephedra hinauf, und ihre
scharlachrothen Blumen bedecken öfters die Krone dersel-
ben wie mit einem Teppiche, als wären sie die Blüthen
des Baumes selbst.
10) Die Proteen-Form, die Epacriden- und die Ericen - Form.
Wir haben hier drei grofse Familien neben einander
gestellt, welche im Allgemeinen, der Form ihrer Indivi-
duen nach, grofse Aehnlichkeit mit einander zeigen, aber
‚zusammengenommen die Coniferen der nördlichen Hemi-
sphäre in der südlichen Hemisphäre vertreten. So wie die
Coniferen ihr Maximum in der nördlichen Hemisphäre
hatten, so haben es die Gattungen der Proteen, der Eri-
cen und der Epacriden in der südlichen Hemisphäre und
nur einzelne Repräsentanten kommen zu uns herüber, ge-
hen aber auch gleichfalls bis in die arktische Zone, wie
die Ericen auf Kamschatka in Lappland und die alte Erica
coerulea auf Grönland und in Nordamerika beweisen. Die
Verbreitungs-Bezirke der Pflanzen, welche zu den ge-
nannten Formen gehören, sind in der südlichen Hemisphäre
sehr genau beschränkt. Schon Herr R. Brown *), dem wir
die genaue Kenntnifs der Proteaceen verdanken, sagt, dafs
keine der Australischen Arten dieser Familie in irgend
einem anderen Theile der Erde entdeckt worden sei, ja
sogar keine einzige Art dieser Familie auf der östlichen
*) General Rem. Flinders Voyage to terre australis, London
1814. II. p. 568.
160
und westlichen Seite von Neu-Holland zu gleicher Zeit
vorkomme.
Die Epacriden sind ebenfalls, bis auf einige wenige
Arten, nur der südlichen Hemisphäre eigen, und hier ha-
ben sie Neu-Holland zu ihrem eigenthümlichen Vaterlande,
ganz so, wie die Ericen das Cap der’ guten Hoffnung,
welche gleichsam nur Repräsentanten in der nördlichen
-Hemisphäre haben.
Die Ericen- Bäume im südlichsten Europa, so wie in
der subtropischen Zone, wo sie auf Teneriffa in gröfster
Ueppigkeit vorkommen, zeigen, ihrem Total- Eindrucke
nach, grofse Aehnlichkeit mit gewissen Formen der Coni-
feren, doch wird ihr kleines und nadelförmiges Laub durch
die Masse von niedlichen Blumen, welche so oft die gröfste
Farbenpracht zeigen, auf das angenehmste verziert. Schon
Herr Alexander von Humboldt verband mit den Heide-
kräutern oder den Ericen die ähnlich geformten Gattungen
Passerina, Phylica, Diosma, Gnidia u. s. w., und dadurch
wird die Ericen-Form etwas weiter verbreitet.
Bei der Gattung Protea ist das Laub meistentheils
noch so fein, wie bei einigen Coniferen, doch bei den
vielen anderen Gattungen der zahlreichen Familie der
Proteaceen, werden die Blätter mehr oder weniger breiter,
sie sind dann starr, glänzend auf der Oberfläche, und wie
bei den Banksien und Dryandren u. s. w. auf der untern
Fläche mit einem wolligen Ueberzuge bedeckt.
Auf diese Weise verschwindet in jenen Gattungen
die ursprüngliche Ericen-Form gänzlich, und es näheren
sich diese Bäume, ihrer Physiognomie nach, den Laubhöl-
zern mit steifen und glänzenden Blättern. Die Wälder
der Banksien und Dryandren in Neu-Holland sind nicht
mehr schattenlos, wie die der Ericen am Cap der guten
Hoffnung, ja zuweilen ist ihr Laub breit und dicht zusam-
mengedrängt, und prachtvolle Blumen -Kolben erheben sich
auf der Oberfläche der Blätter-Krone, welche denen der
Myrten-Form ähnlich sind. |
161
11) Die Myrten-Form.
Die Myrten-artigen Gewächse grenzen unmittelbar
an die Proteen-Form; nicht nur die äufsere Form der
Blüthen-Kolben der Banksien stimmt mit derjenigen der
Melaleucen und Metrosideren überein, sondern auch der
ganze Habitus der Belaubung, wenigstens zwischen einigen
Gattungen dieser Familien, so wie auch ihr gemeinschaft-
liches Auftreten. Die Melaleucen, welche mit ihrer der
Coniferen - Krone ähnlichen Belaubung, eine der haupt-
sächlichsten Pflanzen - Formen von Neu - Holland bilden,
tragen hauptsächlich zur Darstellung des Neuholländischen
Vegetations- Charakters bei, auch sind sie diesem Lande
fast ausschliefslich eigen, denn nur Melaleuca Leucaden-
dron und Melaleuca Cajaputi greifen in das Gebiet der
Ericen-Form über und kommen auf der Südspitze von
Afrika zum Vorsehein. Wer kennt nicht die Pracht, wel-
che die Melaleucen, Metrosideren, Beaufortien und Calo-
thamnen unserer Blumenflor verliehen haben? Aber man
stelle nur diese hohen Bäume, beladen mit scharlachrothen
Blüthenkolben, neben glänzende Banksien, neben Hackeen,
Mimosen-Formen und Casuarinen, um die Herrlichkeit ei-
ner solchen Vegetation aufzufassen, wo jeder Baum einer
eigenthümlichen, charakteristischen Pflanzenform angehört,
welche zwar weniger lieblich sind, als die unserer hell-
_ grünen Laubhölzer, aber um so prachtvoller auftreten.
Die schönen Formen der Gattungen Leptospermum
und Bäckia gehören ebenfalls fast ausschliefslich der Flora
von Neu-Holland an, die ersteren gleichen ganz auffallend
unseren Myrten, die Bäckien dagegen, wie z. B. Bäckia
frutescens, welche auf der Südküste von China in grofser
Menge vorkommt, zeigt ganz eine Ericen - Form. Die
zahlreiche Gattung Myrtus, mit ihrem kleinblättrigen glän-
zenden Laube, mit ihren runden Kronen und dem niedli-
chen weifsen Blümchen ist in der neuen Welt vorherr-
schend, doch hat sie überall in der alten Welt ihre Re-
präsentanten.
11
162 .
Unser Myrtus communis hat im südlichen Europa
sein Vaterland, und nur künstlich verpflanzt wächst er
noch an einigen günstigen Orten der kälteren temperirten
Zone. Wahrscheinlich gehen die Myrten in Südamerika
bis zu eben derselben Breite südlich hinunter, denn noch
im mittleren Chile gedeihen die Myrten in üppigster Pracht.
In der Provinz San Fernando daselbst, bis 35° Breite
hinab, selbst noch auf Höhen zwischen 1800 und 2000
Fufs, habe ich Myrten - Stämme °*) beobachtet, welche
durchgängig einen Umfang von 5, 6 bis 9 Fufs erreichten,
eine, weit um sich greifende, prachtvolle Krone bilde-
ten, und mit Hundert- Tausenden von weifsen Blümchen
bedeckt waren.
Eine andere Gruppe der Myrten-artigen Gewächse,
welche von besonders schöner und auffallender Form ist,
wird durch die zahlreiche Gattung Eucalyptus repräsen-
tirt, welche auf einem grofsen Theile von Neu-Holland
ein solches Uebergewicht hat, dafs sie den Charakter der
Vegetation jenes Landes hauptsächlich bestimmt. Die Eu-
calypten, welche ausschliefslich Neu - Holland und Van-
Diemens-Land angehören, sind mehr oder weniger grofse
Bäume, ja zuweilen von dem ungeheuersten Umfange; denn
Eucalyptus globulus Labill. und eine andere, dem Südende
von Van- Diemens - Land eigenthümliche Art erreichen
nicht selten eine Höhe von 150 Fufs, wärend der Stamm,
nahe am Boden, 25 bis 40 Fufs im Umfange zeigt **).
Die Belaubung der Eucalypten ist ganz eigenthümlich und
zu der eigenen säbelartigen Form ihrer Blätter, deren
Ränder gegen den Stamm gerichtet sind, kommt noch eine
besondere blaugrüne Färbung dieses Laubes, welche der
Physiognomie dieses Baumes etwas höchst: Ernsthaftes
giebt. Wie aufserordentlich zahlreich die Arten dieser
schönen Gattung sind, das möge man, wie H. R. Brown #**)
*) Myrtus Luma M. u. a. Arten.
**) S. R. Brown in Flinders Voyage, II. p. 547.
FMl cp. 547.
| ‚
163
erzählt, daraus entnehmen, dafs allein um Fort Jackson herum,
mehr als 50 Arten bekannt geworden sind, welche gröfs-
tentheils von den rohen Einwohnern unterschieden und
mit eigenen Namen belegt werden, denn diese Leute wis-
sen die Arten dieser Gattung nach der Verschiedenheit
der Farben, der Textur und der Ablösung der Rinde, so
wie an der Form der Verzweigung und aus der allgemei-
nen Gestaltung des Baumes weit sicherer zu unterschei-
den, als es die Botaniker bisher vermogt haben,
Ja die Eucalypten sind in Neu-Holland.so zahlreich,
dafs sie fast $ der Wälder dieses Continents ausmachen,
und dennoch werden sie in keinem andern Lande ange-
troßen, als nur noch in dem angrenzenden Van - Die-
mens-Land.
Ks giebt zwar noch eine Menge von anderen Myr-
ten-artigen Gewächsen, welche, wenigstens durch die
Struktur ihrer Blumen und Früchte, mit jenen natürlich
verwandt sind, deren Form jedoch von jener wahren Myr-
ten-Form gänzlich abweicht, und sich durch die Gröfse
des Laubes, so wie durch die Vertheilung der Aeste,
mehr den gewöhnlichen Formen der Waldbäume unserer
Zonen anreihen. Die Guajaven (Psidium-Arten), welche
in beiden Continenten jedes -niedere Gehölz schmücken,
die Barringtonien, welche an den Quellen und Küsten der
Indischen Süfswasser -Seen stehen und mit den herabhän-
genden traubenförmigen Blüthenbüscheln den Rand des
dicht belaubten Gehölzes höchst angenehm verzieren, so
wie die Jambosen und Eugenien, welche sich ganz ähn-
lich verhalten, gehören alle hieher.
12) Die Form der Laubhölzer.
Unmittelbar an jene Myrten-Form schliefst sich die
gewöhnliche Form der Laubhölzer, welche sich, mehr oder
weniger ähnlich, fast über die ganze Oberfläche der Erde
durch alle Zonen und Regionen erstreckt, so weit die
baumartige Vegetation vorkommt. Wohl sind die Con-
traste zwischen einzelnen Baumarten dieser Form, welche
11.7
j
164
ich hier zusammenfasse, ganz aufserordentlich grofs, doch,
wenn wir die Natur im Grofsen betrachten, dann fliefsen
diese mehr oder weniger zusammen. Ein Weidenbaum
mit der lichten, schattenarmen Krone, neben einer Buche
mit ihren zusammengedrängten Aesten und der dichten
Belaubung, und ein Lorbeer-Baum daneben, zeigen nicht
wenig Verschiedenheiten, doch, wo diese Formen als Mas-
sen in grofsen Wäldern auftreten, .da wird man weniger
auf die Umrisse des Laubes, oder auf die Form der Stämme
geben, sondern den Totaleindruck auflassen, welchen die
vereinten Massen mit ihrer schattigen Krone darbieten.
Unsere heutige Gartenkunst, die, auf einen kleinen und
beschränkten Raum, alle jene entschiedenen Contraste nach-
zubilden sich bemüht, welche die Natur im Grofsen dar-
stellt, kann durch richtige Wahl der neben einander zu
stellenden Laubhölzer die überraschendesten Effekte her-
vorrufen. Welch einen höchst interessanten Anblick ge-
währt die Trauerweide, wenn sie, auf dem Abhange eines
Hügels, dicht am Rande eines kleinen Gewässers gestellt
ist! Wie lieblich eontrastirt das blendende Weifs der
Stämme von Hänge-Birken neben niederem Gehölze mit
dunkelem ausgebreiteten Laube, und die zarte Zitterpappel
neben der ehrwürdigen Eiche mit ihrem hellgrünen Laube
zur Sommerzeit! Ganz eben so ist es in der Natur im
Grofsen; tritt man aus einem dichten Laubwalde, aus ei--
nem Buchen- oder Eichen-Walde z. B., und sieht man
am Rande desselben einige Birken, deren lang hängende
Aestchen schon von dem leisesten Winde bewegt werden,
oder jene Pappel, deren Blätter auf den zartesten Blatt-
stielchen fast beständig in Bewegung sind, so erkennt man
die Macht des Eindruckes, welche diese contrastirenden
Pflanzenformen hervorrufen, erst recht deutlich.
So grofs und so mannigfach diese Verschiedenheiten
sind, welche die Laubhölzer aufzuweisen haben, so kann
man doch wenigstens folgende Hauptformen unterscheiden,
welche nicht nur von dem Landschafts-Maler, sondern
hauptsächlich von dem Garten-Künstler zu beachten sind,
m m mm mm mm
165
welcher die auffallendsten Schönheiten der Natur in seinem
Garten nachahmen will:
Die Laubhölzer mit breiten und zarten
Blättern gehören hauptsächlich unseren kälteren Zonen
an, ja sie sind in der kälteren Hälfte der temperirten
Zone vorherrschend, so wie die Nadelhölzer in der kalten
Zone vorherrschen. Man unterscheidet bei diesen Laub-
hölzern solche mit lichten, weniger schattenreichen Kro-
nen, wozu Birken, Elsen, Pappeln u. s. w. gehören, ferner
solche mit unregelmäfsigen Kronen, deren Aeste weit aus-
einander, nach allen Richtungen hin stehen, wie z. B. bei
der Eiche, der Linde, Ulme u. s. w., und endlich solche,
deren Kronen fast kugelrund erscheinen und durch dicht
zusammmenstehende Aeste und starke Belaubung äufserst
schattenreich sind. Die Buche, die Rofskastanie u. s. w.
gehören hiezu.
Die Laubhölzer mit dicken, lederartigen
und glänzenden Blättern (die sempervirenten oftmals
genannt) gehören dagegen der wärmeren Zone an, und
ebenso auch der kälteren der südlichen Hemisphäre, wä-
rend in der kälteren der nördlichen Hemisphäre nur ein-
zelne Repräsentanten dieser schönen Laubhölzer auftreten,
wie 2. B. Hex Aquifolium. Es sind die Kastanien-Wälder,
die Lorbeeren- und Oliven-Wälder, welche schon im süd-
lichen Europa diese Pflanzenform aufweisen, so dafs die
Physiognomie der südeuropäischen Vegetation so charak-
teristisch verschieden von derjenigen des nördlichen Eu-
ropa’s ist *).
Die Weidenform mit den schlanken Aesten und
dem lichten, schmalen und spitzen Laube ist eine der
aufiallendsten unter den Laubhölzern; sie ist über einen
grofsen Theil der nördlichen Hemisphäre verbreitet, er-
reicht aber ihr Maximum in dem kälteren Theile der tem-
*) S. einige speciellere Angaben über die Verschiedenheit der
Vegetation in der nördlichen und südlichen Hälfte von Europa in
einer Abhandlung von Willdenow, im Magazin der Gesellschaft na-
turlorschender Freunde zu Berlin. Berlin 1811. pag. 99.
166
perirten und in der subaretischen Zone, hat aber auch
in der südlichen Hemisphäre ihre Repräsentanten. Der
Einflufs, welchen die Weiden in unseren nordischen: Zo-
nen auf den Charakter der Vegetation zeigen, ist nicht zu
verkennen; sie Jieben die feuchteren Gegenden, besonders
die Einfassungen der Flüsse und Teiche, einige Arten
nehmen aber auch mit dem schlechtesten Boden vorlieb.
An den Ufern unserer Flüsse bilden sie ähnliche Einfas-
sungen, wie die Mangrove-Wälder auf den Ufern der tro-
pischen Meere. Viele Weiden überziehen gesellig, in Form
niederer Sträucher und in gröfster Masse die feuchteren
Gegenden unserer Zone; sie zeigen oftmals ein angeneh-
mes silbergiänzendes Laub, indem ihre untere Blattfläche
mit feinen Härchen bedeckt ist. Die Weiden zeichnen
sich auch dadurch aus, dafs sie schon früh, wenn die
übrige Vegetation noch weit zurück ist, ihre Blüthen ent-
wickeln und später erst die Blätter treiben. Viele von
diesen Weiden haben so grofse Blüthen, wie wir sie an
unseren Waldbäumen nicht gewohnt sind zu sehen, und sie
machen daher auch, wenn sie in grofsen Massen auftre-
ten, einen höchst befremdenden, aber angenehmen Eindruck,
besonders da die Zeit ihrer Blüthe in eine Periode fällt,
wo unsere Fluren und Felder noch arm an Blüthen sind.
Auch zur Sommerzeit, wenn die weiblichen Kätzchen zur
Reife gelangt und mit einer weifsen Wolle bekleidet sind,
zeigen die Weiden eine eigenthümliche Physiognomie.
Die schönste aller Weidenformen ist die der Trauer-
weide (Salix babylonica), welche bei uns, wie die Casua-
‚rinen, mit hängenden Aesten auf den Polynesischen Inseln
zum Zeichen der Ruhestätte unserer Vorgänger dient und
durch ihre Physiognomie viel deutlicher spricht, als irgend
eine Denktafel.
Die Laubhölzer mit grofsen und beson-
ders schön geformten Blättern gehören alle der
heifsen Zone an, so wie die Laubhölzer mit zarten Blät-
tern unserer temperirten Zone eigen sind. . Die auffallend-
sten Bäume dieser Form haben mehr oder weniger stark
167
behaarte Blätter, oft von ganz enormer Gröfse, wie die
Ceeropia peltata in den Wäldern Brasiliens, oder beson-
ders niedlich ausgeschlitztes Laub, wie die Broussonetien
und der Artocarpus ineisa, und durch ihre Behaarung,
welche wenigstens in den meisten Fällen vorhanden ist,
oft mit Silberfarbe glänzend, bilden sie wunderliche Con-
traste mit dem dunkelgrünen, meistens gefiederten Laube
der danebenstehenden Vegetation. Die Familie der Urti-
ceen, der Euphorbiaceen und der Malvaceen zeigen haupt-
sächlich diese Pflanzenform. _ Das schöne Blatt des Brod-
baumes *), das silbergraue Laub der Broussonetien und
Boemehrien wie der Crotonen ist oftmals von ausgezeich-
net schöner Form und, in grofsen Massen neben einander
auftretend, gewähren sie einen eigenthümlich überraschen-
den Anblick. Oftmals treten grofse und prachtvolle Blü-
then zu dieser Blattform hinzu und vermehren alsdann
den Reiz der Schönheit dieser Pflanzen. Dieses letztere
findet hauptsächlich bei den Malvaceen statt, wo die Gat-
tungen Sterculia, Lavatera, Hibiseus und Ochroma_ diese
Laubhölzer repräsentiren, welche Herr Alexander von Hum-
boldt **) unter der Malvenform speciell zusammengefafst
hat. Der Anblick eines Hibiscus chinensis in Indien, über
und über mit seinen herrlichen scharlachrothen Blüthen
bedeckt, oder der schöne schattenreiche Baum des Hibis-
eus tiliaceus auf den Südsee-Inseln, reich geschmückt mit
den grofsen prachtvollen Blumen, giebt erst einen voll-
ständigen Begriff von der Schönheit, welche diese Pflanzen-
form aufzuweisen hat.
13) Die Cactus-Form.
Keine andere Pflanzengruppe zeigt so auffallende For-
men, als die der Cactus; diese Gewächse, so mannigfach
ihre Form unter sich ist, imponiren mehr durch das Selt-
same in ihrer Gestalt, als durch liebliche Schönheit, wel-
8
> Artocarpus incisa 1:
**) Ansıchten der Natur. II. pag. 31.
165
che den meisten anderen Haupt-Pflanzen-Formen eigen ist.
Doch die Natur hat die Unvollkommenheit, in der Aushil-
dung der Form dieser Gewächse, durch die üppigste Pracht
‘ihrer Blüthen-Decke abzuhelfen gesucht, denn oft scheint
es, als ob das ganze Streben dieser Pflanzen nur dahin
gerichtet ist, um die gröfstmöglichste Masse von pracht-
voll colorirten Blumen zu erzeugen, womit sie so oft auf
der ganzen Oberfläche bedeckt sind. Aber welch eine
aufserordentliche Wirkung auf die Physiognomie der Ve-
getation, das Contrastirende der Cactus-Formen mit den
nebenanstehenden Pflanzen anderer Gruppen hervorruft,
das ist nicht nur in der Natur, sondern heutigen Tages
überall in unserer Garten-Cultur zu sehen. Einen der
schönsten Schmucke würden unsere Gärten entbehren,
wenn ihnen die Cactuspflanzen fehlten, und diese Familie
ist es vor allen amerikanischen, welche, seit der Entdek-
kung jenes neuen Continents, sich am allgemeinsten ver-
breitet hat. |
Die Cactus-Pflanzen sind bis auf zwei, bis jetzt im |
östlichen Asien aufgefundene Arten, ausschliefslich der
neuen Welt angehörig, wo sie sich von 40° nördlicher
Breite bis 40° südlicher Breite erstrecken, und aus der
Ebene der Meeresktste bis in die Nähe der ewigen Schnee-
grenze hinauf steigen; das Maximum dieser Pflanzen ge-
hört der heifsen Zone an, doch steigen gewisse Formen
derselben mehr in die temperirteren Zonen, und in heifsen
Gegenden gehen diese auf die Höhen der Gebirge, wo sie
ein kühleres Clima finden. ’
Diese auffallende Pflanzenform, welche die Familie
der Cacten bildet, ist gewifs sehr reich an Arten, wenn-
gleich bis jetzt kaum mehr als 190 derselben beschrieben
sein möchten; auf das Doppelte dieser Anzahl kann man
künftig, wenn die Gebirge Amerika’s noch genauer er-
forscht sein werden, mit aller Gewifsheit rechnen, aber es
wird lange dauern, bis alle diese Pflanzenformen bekannt
sein werden, da sie so schwer, oft ganz unmöglich zu
transportiren sind, und der Reisende dieselben auch nur
\
169
selten in Blüthe antrifft. Die neueren Botaniker haben
diese Familie in mehrere Gattungen getheilt, welche sich
oftmals weniger durch den Bau ihrer Blüthen charakteri-
siren, als vielmehr durch die auffallendsten Verschieden-
heiten ihrer Form, so dafs man schon die Gattung be-
stimmen kann, ehe man die Blüthen gesehen hat. Die
hauptsächlichsten Formen bilden:
4) Die Cereen; es sind lange säulenförmige Stämme,
welche bald 3, 4, 5, 6, 7- und vieleckig, ja oft sogar mehr
oder weniger rund sind. Diese Cereen sind entweder
ganz gerade aufsteigend, oder sie sind. kriechend, dabei
bald verästelt, bald unverästelt; die gerade aufsteigenden
Cereen erscheinen in der Natur wie Säulen, welche in
mehr oder weniger grofsen Gruppen vereinigt sind. Die
Cereen der Ost- und Westküste von Südamerika, die For-
men, welche dem Cereus peruvianus so ähnlich sind, dafs
man sie nur schwer unterscheiden kann, wachsen oft zu
Höhen von 15, 20 und selbst 25 Fufs, wie dieses in Chile,
in den niederen Höhen der Cordillere von San Fernando,
selbst bis über 3500 Fufs hinaus, zu sehen ist. Hier
stehen diese hohen siebenseitigen Cactus in grofsen Hau-
fen neben einander, welche 10—20 Säulen aus einer und
derselben Wurzel entwickeln. Einige dieser Säulen sind
abgestorben, ihre Heischige Umkleidung ist verschwunden,
und nun steht ein gleichmäfsiger Holzeylinder von wei-
fser Farbe mitten zwischen den grünen starkkantigen Säu-
len, welche oftmals ihre 7—8 Zoll langen Blüthen in so
grofser Menge entwickeln, dafs ein grofser Theil der Kan-
ten jener Säulen damit bedeckt ist. In einiger Entfernung,
im Allgemeinen in Entfernungen von 5 und 6 Schritten
stehen ähnliche Haufen von lebenden Säulen, und nur we-
nige Pflanzen scheinen sich -diesen gestachelten Fremdlin-
gen zu nähern. Es giebt in Chile und in Peru grofse
Ebenen, welche auf unabsehbaren Strecken fast einzig und
allein mit solchen gruppenförmig wachsenden Cereen be-
deckt sind und dadurch ein ganz fremdartiges, überra-
schendes, aber wenig erfreuendes Ansehen erlangen. In
170
der Llanura de Rancagua, südlich dem Rio Cachapual in
Chile, wachsen nur hin und wieder einige Caven-Sträu-
cher (Acacia Caven }lol.) zwischen diesen Cereen, deren
Oberfläche so oft mit den scharlachrothen Blüthen des
Loranthus aphyllus bedeckt ist, aus welchen dann die lan-
gen weifsen Blüthen der Cereen - Stämme hervorhängen.
In den Bivouacs auf unserer Reise, im Innern von Chile,
haben wir oftmals in der Nähe dieser Cereen unser La-
ger aufgeschlagen, und die trockenen Holzeylinder der
Pflanzen gaben dann das beste Brennmaterial zur Erhal-
tung des Feuers. Das Holz dieser Pflanzen erreicht eine
Dicke von 1—14# Zoll, und der Umfang des ganzen Oy-
linders (des Holzringes nämlich) beträgt wohl 12—15
Zoll und darüber; überall in den holzlosen Gegenden der
Westküste von Südamerika, da wird dieses Holz der Cac-
tus auf das vielfachste benutzt. © Da es sehr leicht ist,
wird. es auf die Höhen der Cordillere geführt und auf den
Plateaus, welche weit über alle Baum- Vegetation hinaus
liegen, sind Thüren und Schwellen aus diesem Cactus-
Holze, ohne weitere künstliche Bearbeitung, zusammenge-
schlagen. |
. Die säulenförmigen Cactus gehen hoch auf die Cor-
-dillere hinauf, ich habe sie noch weit über 7- und 8000
Fufs auf der Cordillere des südlichen Peru, dicht an der
Aequatorial-Grenze, gefunden, und hier sogar die schön-
sten Formen, welche mir vorgekommen sind #). In der
Cordillere von Tacna und von Arequipa fand ich einen
wahrhaft candelaberförmigen Cactus, welcher die Rücken
der einzelnen Berge auf eine seltsame Art bekleidete,
denn sonst war fast keine Spur von Vegetation daselbst
zu finden, nur hin und wieder erhob sich eine jener son-
derbaren Cereen, deren Stamsı sich, auf der Höhe von 8
Fufs und darüber, in eine Menge von Aesten (8—12 an
der Zahl) zertheilte, welehe rund sind und nach verschie-
denen Richtungen, bald nach oben, bald nach unten, ja
*%) S. Meyen’s Reise um die Erde, I. p. 447.
171
bald schlangenförmig gewunden nach andern Seiten hin
auswachsen. Die Ausdehnung der senkrechten Verbrei-
tung dieses Cereus scheint sehr eingeschränkt zu sein, denn
auf beiden Stationen, wo ich denselben antraf, verschwand
er sehr bald und dann, über 7000 Fufs hinaus, trat der
Cereus senilis hervor, welcher mit seinem lang herabhän-
genden silberweifsen Haare nirgend passender von der
Natur gestellt werden konnte, als gerade in diese grofs-
artigen Einöden. Es erscheint dieser sonderbare Cactus
noch um so auffallender, da er überall, wo ich ihn auf
der Westküste gesehen habe, immer nur ganz isolirt da-
stehend, in einzelnen Stämmen vorkommt, und nie in sol-
chen Haufen, wie” so viele andere unverästelte Cereen.
Die ganze Familie der Cactus liebt überhaupt weniger die
feuchten, vegetationsreichen Gegenden, als vielmehr die
ödesten, sandigen oder mit steinigem Boden, wo oft die
aufserordentlichste Trockenheit herrscht; schon Herr von
Martius ®) hat hierauf aufmerksam gemacht und bemerkt
ausdrücklich, dafs in den schattenreichen Urwäldern, Bra-
‚siliens die Cactus-Gewächse fehlen, bis auf einige Arten ‘
von Rhipsalis und Epiphyllum, welche parasitisch auf den
Aesten der Bäume erscheinen, dagegen haften sie an dem
kahlen Gestein der Provinz Pernambuco. ‚In diesen -trok-
kenen Gegenden,“ sagt der geistreiche Reisende, ‚über
welche ein reiner und tiefblauer Aether ausgespannt ist,
erheben sich die unförmlichen Stämme, vielmal die Höhe
eines Menschen überragend; regellos starren die blattlosen
Massen empor, und ihr bläuliches Grün contrastirt eben
so mit dem warmen Colorit der Landschaft, als die stei-
fen Umrisse selbst gegen die schmiegsamen milden For-
men der übrigen Tropen - Vegetation abstechen.“
Das weit ausgedehnte, meistentheils mit einem schr
feuchten Clima versehene Brasilien, erzeugt eine unend-
liche Masse von Cactus- Gewächsen, über deren Verthei-
lung Herr von Martius ®) eine sehr interessante Abhand-
*) Reise nach Brasilien, II. p. XXVI.
“) Nova Acta Acad. Caes. Leop. Tom. XVI. p- 344 us. w.
172
lung bekannt gemacht hat. Stattliche Cereen - Stämme,
von 30 — 40 Fufs Höhe, sind in Brasilien nicht selten,
sie erscheinen daselbst bald bis zur gröfsten Höhe ver-
ästelt, bald in Form vielarmiger Candelaber, oder in dichte
spalierähnliche Reihen zusammengedrängt und haben zu-
weilen, an ihrer Basis, eine Dicke von 13 Fufs Durch-
messer. s
So ganz entgegengesetzt der langen und schlanken
Form der candelaberartigen Cacten erscheinen die der ku-
gelförmigen Gattungen: Melocactus, Echinocactus
und Mammillaria. Es sind mehr oder weniger grofse
kugelförmige Gewächse, über und über mit regelmäfsig
gestellten Warzen und sternförmig gestellten Stacheln be-
setzt, oft von ganz enormer Gröfse und unmittelbar auf
der unfruchtbaren Erde, oder in den Klüften der nackten
Felsenmassen sitzend. In den ödesten Gegenden, wo alle
übrige Vegetation fehlt, da scheinen diese sonderbaren
Gewächse am besten zu gedeihen; eben so in anderen
heifsen Gegenden, wo zur trockenen Jahreszeit fast alle
Vegetation schwindet, da sind sie es, welche eben so frisch
grünen, wie bei dem. gröfsten Wasserreichthum. Da sie
in ihrem markigen Gewebe eine grofse Menge von Flüs-
sigkeit enthalten, so werden sie von den durstenden Thie-
ren, welche jene wasserlosen Wüsten Südamerika’s durch-
laufen, aufgesucht und ausgesaugt, nachdem diese die sta-
chelige Decke mit dem Hufe entfernt haben, wobei sie
sich oftmals so stark verletzen, dafs sie nicht mehr laufen
können und zuletzt ihren Tod finden. Die Reisenden
pflegen in Zeiten der Noth jene saftigen Gewächse, wel-
che man die Quellen der Wüste genannt hat, mit dem
Messer zu öffnen und den Genufs ihres Saftes den Thie-
ren gefahrlos zu machen.
Diese kugelförmigen Cactus sind etwas weniger weit
verbreitet, als die säulenförmigen, indessen es scheint,
dafs die tropische Zone der nördlichen Hemisphäre das
Maximum dieser Gewächse aufzuweisen hat; doch sind
sie auch in der südlichen Hemisphäre gar nicht- selten
173
und selbst im glücklichen Chile, innerhalb der subtropi-
schen Zone kommen die Melocacten von aufserordentli-
cher Gröfse vor. Die Angaben über die gröfsten Höhen,
in welchen die Melocacten noch vorkommen, möchten bis
jetzt fehlen, doch scheint es mir, dafs dieselben nicht so
besonders hoch gehen, sondern dort hauptsächlich durch
ÖOpuntien vertreten werden; die Pereskien sind es beson-
ders, welche so aufserordentlich hoch hinauf, fast bis an
die Schneegrenze gehen. Noch an den Ufern des See’s
von Titieaca sieht man hochstämmige Pereskien mit pracht-
vollen, braunrothen Blüthen, und in noch bedeutenderen
Höhen treten niedere Formen auf, welche mit um so län-
geren Stacheln bewaffnet sind. Auf dem Plateau des süd-
lichen Peru, nahe der Vegetationsgrenze, findet man mehr
oder weniger grofse Haufen von 1 bis 13 Fufs Höhe,
welche mit gelbrother Farbe geschmückt sind, und von
Ferne her oft ganz täuschend dem ruhenden Wilde äh-
neln. Doch bei näherer Untersuchung verhält es sich
ganz anders; jene Häufchen werden durch niedere Cacten
gebildet, deren Blätter dieht an einander gedrängt sind,
und gelbrothe Stacheln von 2—3 Zoll Länge zeigen, wel-
che die ganze Oberfläche des Haufens bedecken und den-
selben jene gelbrothe Farbe ertheilen. Aus der Tiefe je-
ner Stacheln ragen die Blüthen hervor, gehen jedoch nicht
über ihre Oberfläche hinaus. In jenen öden Gegenden,
wo nur ähnliche Haufen von Azorellen, Bolax, Fragosen,
zwergartige Verbenen und Lycopodien die Erde und die
Felsen überziehen *), da tragen jene sonderbaren Ge-
wächse Vieles zur Darstellung des Charakters der Gegen-
den bei. Auch in Chile, selbst auf den kahlsten Felsen
der hohen Anden, kommen Opuntien in rasenförmigen
Ausbreitungen vor.
Eben so charakteristisch sind die grofsen unförnli-
chen und mannigfach verästelten Tunas; sowohl der Cac-
tus Fieus-Indica L. wie die Opuntia Tuna mit ihren lan-
*) S. Meyen’s Reise, I. p. 453.
174
gen Stacheln, sind die bekanntesten Formen dieser Gruppe
der Cactus-Gewächse, sie sind zu uns nach Europa her-
übergewandert, wo sie im Süden gegenwärtig eingebürgert
sind. So wie in Amerika, so auch in Europa gebraucht
man sie zu Umzäunungen. der Aecker, und schwerlich
möchte es ein anderes Mittel geben, welches diesem Zwecke
besser entspräche, denn selbst zu militairischen Vertheidi-
gungen, als Spanische Reiter nämlich, sind sie mit gröfs-
tem Vortheile anzuwenden. Aufserdem ist die Anpflan-
zung dieser Gewächse besonders dadurch für wüste und
trockene Gegenden von gröfster Wichtigkeit, dafs sie mit
jedem Boden, selbst mit dem trockensten, vorlieb nehmen,
und dann nicht nur eine Masse von efsbaren Früchten
liefern, sondern auch bedeutende Quantitäten Brennholz.
Aufserdem werden diese Tunas - Hecken zur Zucht: der
amerikanischen Cochenille benutzt und defshalb, besonders
in einigen Provinzen des heutigen Mexico’s in sehr aus-
gedehntem Mafsstabe angelegt, denn der Cochenille- Han-
del von dort her, war bisher von sehr grofsem Umfange.
So wie wir bisher, in der Darstellung der Physiogno-
mie der. Vegetation, stets nur die Form der Pflanzen im
Auge gehabt haben, ohne auf ihre natürliche Verwandt-
schaft weiter Rücksicht zu nehmen, so müssen wir auch
hier, bei der Betrachtung der Cactus - Form, diejenigen
Gewächse hinzuziehen, welche diese Form aufzuweisen
haben, ohne mit den Cactus-Gewächsen in näherer Ver-
wandtschaft zu stehen. Ich meine hiemit die Familie der
Euphorbiaceen, welche in der alten und neuen Welt so
aufserordentlich zahlreich ist. Die Gattung Euphorbia be-
sitzt eine ganze Gruppe von Arten, welche theils ganz
blattlos sind, theils aber auf den Spitzen einige Blätter
entwickeln und dabei die Form der Cacten so aufseror-
dentlich treffend nachahmen, dafs man sie, ohne die Blü-
then zu kennen, zuweilen mit einander verwechseln könnte.
Es ist hiebei noch das besonders Auffallende zu :bemer-
ken, dafs nämlich diese Cactus-förmigen Euphorbien ge-
rade allein der alten Welt angehören, wärend die Cacten,
175
%
deren Form jene nachahmen, der neuen Welt eigen sınd;
man mufs dieses offenbar als eine Repräsentation ansehen,
„wenngleich auch die repräsentirende Form mit der reprä-
sentirten nicht zu einer und derselben natürlichen Familie
gehören. Es ist dieses Auftreten gleicher sonderbarer
Formen in zwei von einander sehr verschiedenen Familien .
noch um so auffallender, da man bei jenen blattlosen Eu-
phorbien alle jene Formen ganz bestimmt wiederfindet,
welche wir vorhin, als den verschiedensten Gattungen der
Cactus-Gewächse eigen betrachtet haben. Die Euphorbia
meloformis repräsentirt in der alten Welt die Melocacten
der neuen Welt; Euphorbia mammillaris die Echinocacten;
die Euphorbia biglandulosa repräsentirt die Gattung Rhip-
salis, Euphorbia trigona die dreikantigen Cereen, ja Eu-
phorbia Clava wäre ‘den cylindrischen Cereen am ähnlich-
sten, und diejenigen Bäume, welche die Euphorbia lactea
und Euphorbia neriifolia Indiens bilden, möchten den hoch-
stämmigen Pereskien am ähnlichsten sein. Ja man könnte
diese aufserordentlichen Aehnlichkeiten zwischen den For-
men dieser beiden Familien noch viel weiter ausführen,
doch für unseren Zweck möchte es hinreichend sein. Die
Euphorbia meloformis sitzt auf einem eylindrischen Stamme,
gleich einem Melocastus, der auf einen Cereus ge-
pflanzt ist.
Es ist ebenfalls sehr aufiallend, dafs einige Cactus-
Formen noch in einer dritten Familie anzutreffen sind,
nämlich bei den Asclepiadeen und auch sogar bei den
Syngenesisten. Die zahlreichen Stapelien. des südlichen
Afrika sind nicht ohne Einflufs auf die Physiognomie der
Natur; ihre kantigen Stengel ähneln im Kleinen den can-
delaberförmigen Säulen der Cereen, und grofse, pracht-
volle Blumen verzieren diese kleinen blattlosen Stämm-
chen, ganz ähnlich wie die grofsen Blumen, welche die
Pracht der Caetus - Gewächse bedingen. Die Gattungen
Sarcostemma und Ceropegia, ebenfalls den Asclepiadeen
angehörig, haben einzelne Arten, welche höchst auffallend
die Form der Rhipsalis- Arten zeigen, und unter den Syn-
176
genesisten sind einige Bacchariden, welche dem Phyllantus
und anderen Cactus- Arten ähneln.
14) Die fleischigen Gewächse.
Eine andere Pflanzenform, welche sich an die Cactus-
Form anschliefst, ist die der fleischigen Gewächse,
welche uns die Familie der Ficoideen und der Semper-
viven aufweist; sie umfafst nur Sträucher und Kräuter,
und zeigt nur da einigen Einflufs auf den Charakter der
Vegetation, wo sie in grofser Masse auftritt, als wie im
südlichsten Afrika. Die Gattungen Mesembryanthemum,
Sesuvium, Crassula, Sempervivum, Sedum, Cotyledon, Bryo-
phyllum ete. sind die bekanntesten, deren grofse Anzahl
von Arten so oft in Erstaunen setzt. Es ist auch hier
bei diesen Gewächsen ganz so, wie bei der Cactus-Form,
dafs die dahin ‚gehörigen Pflanzen weniger durch ihre
Schönheit in der Form, als wie durch die mannigfaltigste
Sonderbarkeit in derselben Eindruck machen. Die schöne
Blume der Mesembryanthema mit ihrer grofsen Anzahl
strahlenartiger Blättchen, welche gerade bei dem heifsesten
Sonnenscheine am geöffnetsten stehen, nähert sich der
Cactus-Blume, und in der grofsen Anzahl, wie sie gewöhn-
lich erscheint, mag sie die trockenen Gegenden des südli-
chen Afrika’s ganz angenehm schmücken. Offenbar ist
diese Pflanzenform mit ihrer gröfsten Anzahl der alten
Welt angehörig, um, gleichsam in Verbindung mit der
Gattung Aloe, die. Cacten der meuen Welt zu ersetzen;
am Cap der guten Hoffnung, wie überhaupt in der sub-
tropischen Zone von Afrika ist diese Pflanzenform sogar
vorherrschend, besonders durch die Gattungen Mesem-
bryanthemum, Cotyledon, Crassula u. s. w., welche in der
nördlichen Hemisphäre nur einzelne Repräsentanten ha-
ben; dagegen sind wir an Sedum - und Sempervivum -Ar-
ten {weniger arm; die Canarischen Inseln zählen nach
Herrn von Buch an 14 Sempervivum- Arten und die In-
sel Sicilien, wo die Semperviven ganz zu fehlen scheinen,
zeigt, nach Herrn Philippi’s Beobachtung, schon 14 Sedum-
u er re
Eee ee ei Pr A
177
Arten. Auch einige Mesembryanthema treten schon im
südlichsten Europa auf, und mit der baumartigen Erica
jener Gegend repräsentiren sie die Capische Flora in die-
sen Ländern. |
15) Die Lilien -Gewächse.
Wir haben schon früher einmal, bei Betrachtung der
Agaven-Form, der baumartigen Lilien gedacht, welche die
prachtvolle Gattung Yucca aufzuweisen hat; wir. haben
damals die Yuccen, ihrer Physiognomie nach, neben die
Fourcroyen gestellt, obgleich sie, der Construction ihrer
Blüthen nach, den Lilien angehören, deren Form wir hier
aufzählen. Dagegen sind mit den Liliaceen noch die Ama-
ryllideen und Irideen zu vereinigen, deren Blumen nicht-
nur eine. ganz ähnliche regelmäfsig 6theilige Construction
haben, sondern auch in der Form und Stellung ihrer
Blätter, dem Habitus nach die gröfste Aehnlichkeit zeigen,
Da auch unseren Lilien-förmigen Gewächsen die Baum-
Form fehlt, und dieselben nur. als Kräuter auftreten, so
äufsern sie nur dann ihren Einflufs auf den Charakter der
Vegetation, wenn sie entweder in grofsen Massen gesellig
neben einander vorkommen und in grofsen Massen ihre
prachtvollen Blüthen erheben, oder wenn sie einzelne rie-
senniäfsige Blüthen entwickeln, welche durch den Con-
trast mit der umgebenden Vegetation, oder durch aufser-
ordentliche Schönheit ihrer Prachtblüthen hervorstechen.
Die grofsen Pancratien- und Orinum - Arten imponiren
schon durch ihre aufserordentliche Gröfse, auf- den Kü-
sten Indiens treten sie mit 3 Fufs langen: Blättern auf,
und ihre Prachtblumen, bei der sanftesten Färbung und
der entzückendsten Form, verbreiten über die ganze Ge-
gend den angenehmsten Wohlgeruch.
Die vorzüglichsten Gattungen, welche die Lilien-Form
in besonderer Schönheit zeigen, sind: Lilium, Tulipa, Fri-
tillarıa, Hemerocallis, Crinum, Pancratium, Alstroemeria,
Amaryllis, Nareissus, Iris, Tigrina, Ixia, Gladiolus u. s. w.;
sie sind über den ganzen Erdkreis verbreitet, von dem
12
178
hohen Norden bis zum Süden und aus der Ebene des
Meeres bis in die Nähe der ewigen Schneegrenze, dem-
nach durch alle Zonen und alle Regionen. Aber beson-
ders reich an Lilienformen sind gewisse Gegenden in der
nördlichen und in der südlichen Hemisphäre, welche nie-
dere Plateaus bilden und aus Thonerde bestehen; sie sind
zu gewissen Jahreszeiten reich an Wasser und dann wer-
den sie in den ausgedehntesten Flächen mit prachtvollen
Lilien bedeckt, welche dem Boden oftmals das Ansehen
des buntesten Teppichs zu geben pflegen; doch in eini-
gen Wochen ist diese Pracht wieder verschwunden, auch
die Blätter vergehen in kurzer Zeit und, wenn die heifse
Jahreszeit daselbst eintritt, verschwindet auch jede Spur
der früheren herrlichen Pflanzendecke. Aber die Tiefe
des Bodens ist mit den Keimen der nächsten Vegetations-
Epoche angefüllt, welche darin ihren Sommerschlaf halten
und durch den ersten Regen wieder zum thätigen Leben
geweckt werden. Es ist aufserordentlich, bis zu welcher
Härte der Boden solcher Gegenden durch die Wirkung
der Sonnenstrahlen ausgedörrt wird, und dennoch bleiben
die Zwiebeln in demselben unbeschadet; Herr Lichtenstein *)
sah den Tarraoboden fast bis zur Härte des gebrannten
Ziegels zusammengetrocknet, aber die darin liegenden
Zwiebeln waren von der Natur durch eine Menge von
Häuten gegen die zerstörende Wirkung des Bodens ge-
schützt, und ganz ähnlich habe ich es auf den Plateau’s
und auf den Abhängen der Chilenischen Cordillere, in nie-
deren Höhen beobachtet. Im südlichen Afrika sind es die
Ixien und Amaryllen, welche daselbst vorherrschen, im
südlichen Amerika dagegen vorzüglich Alstroemerien, deren
grofse Anzahl von Arten die mannigfachste Farbenpraächt
zeigt; und in Asien sind ganze Ebenen mit Tulpen bedeckt.
16) Die Lianen oder Schlingpflanzen.
Die Schlingpflanzen können an und für sich. allein
keine Grundform darstellen, welche den Charakter der
*) Reise ım südlichen Afrıka u. s. w. Berlin 1811. 1813. T. p. 197.
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179
Vegetation bestimmt, da sie nur in Gesellschaft anderer
Pflanzen, meistens sehr hoher Bäume, auftreten und von
diesen abhängig sind; doch ihr Einflufs auf die Physiogno-
mie der Grundvegetation ist so bedeutend, dafs diese, durch
Lianen verziert, einen ganz neuen und höchst belebten
Charakter annimmt. Die Lianen sind es hauptsächlich,
welche der tropischen Vegetation jene aufserordentliche
Fülle, ja jenen mannigfaltigen Reichthum der gepriesenen
Urwälder der Aequatorial-Zone darstellen helfen. Unseren
nordischen Gegenden sind diese Lianen fast fremd, nur
der Hopfen, unsere Lonicera Xylosteum und die Bryonien
geben uns ein kleines Bild von der Ueppigkeit der Lia-
nen-Flor der tropischen Gegenden, und unser Convolvu-
lus sepium, oft mit gröfster Ueppigkeit die höchsten Ge-
sträuche überziehend, zeigt durch sein schönes Blatt und
durch die Gröfse der Blumen ein Bild, welches den tro-
pischen Ipomoeen gleicht, wie diese oft die Kronen der
hohen Bäume überziehen. In dem wärmeren Theile der
temperirten Zone unserer nördlichen Halbkugel, ist die
Weinrebe zu Hause; hier macht sie die Königinn der Wäl-
der, indem sie in dicken Stämmen, von 3 bis 6 Zoll, nach
den Gipfeln der höchsten Bäume steigt, diese ganz um-
schlingt und mit einander verbindet. Doch wie ganz an-
ders sind die biegsamen, sich rankenden Lianen der Tro-
pen und der wärmeren Gegenden überhaupt, welche durch
die Gattungen Passiflora, Bignonia, Banisteria, Paullinia,
Aristolochia, Cissus, Aralia, Vitex u. s. w. dargestellt wer-
den; „am Orinoco,“ sagt Herr Alexander von Humboldt *),
„haben die blattlosen Zweige der Bauhinien oft 40 Fufs
Länge. Sie fallen theils senkrecht aus dem Gipfel hoher
Swietenien herab, theils sind sie schräg wie Masttaue
ausgespannt, und die Tigerkatze hat eine bewunderungs-
würdige Geschicklichkeit, daran auf- und abzuklettern.“
So wie die Bauhinien der neuen Welt eigenthümlich
sind, so hat die alte Welt die sonderbare Palmenform in
*) Ansichten der Natur, II. p. 38.
12 *
180
der Gattung Calamus, welche die Stelle der hauptsächlich-
sten Lianen der neuen Welt vertritt. Aufserordentlich
grofs möchte die Artenzahl dieser Rohrpalmen sein, wel-
che in den Urwäldern Hinter-Indiens und auf allen In-
seln des Indischen Archipelagus in so grofsen Massen auf-
treten. Viele hundert Fufs lang, steigen sie auf die Gi-
pfel der höchsten Bäume, oft.äufserst dünn und glatt, oft
dicker und mit glänzenden Stacheln besetzt; vergebens
sucht man nach den Enden dieser rankenden Stämme,
denn sie steigen von einem Baume zum anderen, oder
sie kehren ohne Stütze zurück, um von der Erde aus von
Neuem ihren aufsteigenden Gang zu wiederholen. Ja diese
langen Ranken verflechten sich gegenseitig, oft ganz re-
gelmäfsig, dafs sie wie Ankertaue erscheinen, mit welchen
die nebenstehenden Stämme verbunden sind, und umsonst
versucht sich die Kraft des heftigsten Orkans an solchen
festverbundenen Pflanzenmassen; ja selbst einzelne Stämme
können verfaulen, sie werden durch das Netzgeflecht der
Schlingpflanzen lange noch aufrecht erhalten, bis dafs sie
zerfallen und nun die ganze Masse der Schlingpflanzen,
auch ohne die ursprüngliche Stütze ihre Lage behält. Oft
hängen bindfadenähnliche Gewächse von 30, 40 und 50
Fufs Länge von den Aesten der hohen Gipfel herab und
werden, ihrer Festigkeit wegen, selbst zum Binden benutzt.
Haben diese Fäden den Grund noch nicht erreicht, so
schwanken sie bei dem leisesten Luftzuge hin und her.
Andere dickere. herabhängende Gewächse fassen in der
Erde wieder Wurzel und sind dann so straff, als. wenn
sie mit Flaschenzügen angezogen wären. Herr v. Martius,
der mehrere Jahre lang in den Urwäldern Brasiliens ge-
lebt und die Physiognomie der Vegetation stets so cha-
rakteristisch aufgefafst hat, giebt eine höchst interessante
Darstellung über die Schlingpflanzen Brasiliens *), welche
er durch vortrefflliche Abbildungen in dem Atlasse zu je-
ner Reise versinnlicht hat. „Anfänglich,” erzählt Herr
| *) S. dessen Reise nach Brasilien, III. p. XXX.
181
\
v. Martius, „wachsen sie als schwache Gesträucher loth-
recht auf; sobald sie aber an einem anderen Baume eine
Stütze erreicht haben, verlassen sie den ursprünglichen
Weg der Ernährung und werden Parasiten, die sich, un-
mittelbar über die Oberfläche der anderen Stämme aus-
giefsend und nach ihr sich modelnd, fortan vorzugsweise
von diesem, und endlich fast gar nicht mehr durch die
eigene Wurzel ernähren.” Diese besondere Gruppe der
Lianen, welche in allen Urwäldern der heifsen Zone auf-
treten, werden wir später, bei der Betrachtung der tro-
pischen Vegetation noch- näher kennen lernen,
47) Die Pothos- Gewächse.
Die Pothos-Gewächse oder Aroideen mit ihren hell-
grünen und grofsartig ausgebildeten Blättern, welche sich
tütenförmig zusammengerollt emporschieben, und den präch-
tigen, grofsen und glänzend weifsen Blumen, die so ge-
heimnifsyoll aus dem umschliefsenden Grün hervortreten,
kommen zum gröfsten Theil parasitisch, auf den Rinden
der Bäume, in tropischen Wäldern vor, an und für sich
ebenfalls nur dann auf den Charakter der Vegetation ein-
wirkend, wenn sie in grofsen Massen, gesellig neben ein-
ander auftreten; gewöhnlich aber wirken sie nur durch
gröfsere Ueppigkeit und Formverschiedenheit, welche sie
den Bäumen verleihen, auf denen sie ihren Boden er-
halten. Die -Pothos-Gewächse sind ächt tropische For-
men, doch werden sie in den wärmeren Gegenden der
temperirten Zonen häufig repräsentirt durch die Arum-
Arten, und siegehen durch die schöne Calla palustris selbst
bis zu der subarktischen Zone hinauf. - Diese Sumpfpflanze,
die Calla palustris, zeigt im verkleinerten Maafsstabe, ganz
genau das Bild der Calla aethiopica, welche: durch ihr
häufiges Vorkommen in unseren Gärten und auf unseren
Fenstern, allgemein bekannt ist, indessen die riesenmäfsigen
Pothos und Dracontium-Gewächse der tropischen Wälder
Amerika’s, werden dadurch sehr gering repräsentirt. Die
letzteren Gewächse haben stets sehr grofse, bald pfeilför-
182
mige, bald fingerförmig gelappte, bald gefiederte Blätter.
Die Blätter einiger Pothos- Gewächse dehnen sich, wie
schon Herr Alexander v. Humboldt beobachtet hat, so
enorm aus, dafs sie mitten in ihrem Diachym mehr oder
weniger grofse Löcher erhalten, welche das Blatt durch-
fenstert machen; das Dracontium pertusum giebt hiezu ein
Beispiel.
Herr v. Martius *) theilt schon die Aroideen, in phy-
siognomischer Hinsicht, in drei Gruppen ein, welche wir
hier aufführen. Es wachsen diese Pflanzen entweder in
der Erde und treiben knollige mehr oder weniger grofse
Wurzeln, welche häufig die wichtigsten Nahrungsmittel
der Völker ausmachen; sie erreichen keine besondere Höhe.
Eine andere Gruppe dieser Pflanzenform klettert mehr
oder weniger gewunden an den Stämmen der Bäume hin-
auf, grofse Massen von Luftwurzeln nach allen Richtun-
gen ausschickend, um durch diese die Feuchtigkeit der
atmosphärischen Luft in gröfserem Maafse aufzusaugen,
wozu die \urzeln mit eigenthümlichen hygroskopischen
Organen besetzt sind. Eine dritte Gruppe wird in Bra-
silien durch das Calladium arborescens Vent. repräsentirt;
es steht von blendend weifser Farbe, in die Quere gerin-
gelt, mit grofsen pfeilförmigen Blättern gekrönt, gleich
Pallisaden in dichten Reihen am Ufer der Gewässer **).
48) Die Orchideen -Form.
Die Familie der Orchideen, welche sıch sowohl durch
mannigfachste Form- Verschiedenheit ihrer Blüthen, wie
durch deren üppigste Farbenpracht vor den meisten an-
deren Familien auszeichnet, erreicht in den heifsen Gegen-
den der Erde, wo auch Feuchtigkeit in gleichem Grade
herrscht, ihr Maximum. Dort leben die meisten Orchi-
deen auf der Rinde der Bäume, oft daran hinaufkletternd
und sich mit grofsen weifsen Luftwurzeln anklammernd;
”) Reise II. p. XIX.
”) S. v. Martius Reise, II. p. XIX. und Tab. I. VIII. 2*.
- 183
wie dieses bei so vielen Epidendren der Fall ist, oder sie
sitzen in den kleinsten Ritzen und Astwinkeln fest, wo
sich irgend ein wenig Dammerde angesammelt hat. Die
Gattungen Oncidium, Stelis, Cymbidium, Vanilla, Dendro-
bium, Aerides, Epidendrum u. s. w. sind es hauptsächlich,
welche, in Verbindung mit den Pothos- Gewächsen und
den Lianen, die Urwälder der Tropen mit so bewunde-
rungswürdig üppiger Vegetation verzieren, inden sie die
elattesten Stämme und die, durch Sonnenhitze und Alter
gleichsam verkohlten Oberflächen der, riesigen Bäume je-
ner Wälder beleben. Die Orchideen unserer kälteren
Zonen wachsen in der Erde und zeigen nur die grofse
Mannigfaltigkeit in der Form der Blüthen, welche dieser
Familie zukommt; das Cypripedium Calceolus unserer Zone
ist die einzige Orchidee, welche bei uns auch von der
tropischen Ueppigkeit dieser Pflanzenfamilie zeugt. „Diese
Blüthen,” sagt Herr v. Humboldt, „gleichen bald geflügel-
„ten Insekten, bald den Vögeln, welche der Duft der Ho-
„niggefäfse anlockt. Das Leben eines Malers wäre nicht
„hinlänglich, um alle die prachtvollen Orchideen abzubil-
„den, welche die tief ausgefurchten Gebirgsthäler der pe_
„ruanischen Andeskette zieren.” Und gewifs eben solch
ein Reichthum an dieser Pflanze kommt den feuchten Wäl-
dern Indiens zu, wärend sie auf den Südsee-Inseln fast
sänzlich fehlen.
Auf die thierartige Form unserer schönen Ophrys.
Arten hat man schon seit langer Zeit aufmerksam gemacht,
aber die tropischen Orchideen zeigen viel grofsartigere
Formen in ihren Blüthen; ja selbst mit gefiederten Blät-
tern und schmetterlingsförmigen Blüthen treten sie auf.
19) Die Moos-Form und 20) die Flechten-Form.
So unansehnlich die kleinen Pflänzchen sind, welche
unter dem Namen der Moose umfafst werden, so sind sie
in gewissen Gegenden nicht weniger wichtig für die Phy-
siognomie der Vegetation, wie die Orchideen und Aroi-
deen für die tropischen Gegenden. So wie in den tropi-
184
schen Wäldern die Bäume und Felsen mit üppigen Or-
chideen und grofsblättrigen Aroideen bedeckt sind, so tre-
ten in unserem Norden die Moose und Flechten auf,
welche uns gleichsam ein kleines Bild von jenem üppigen
Reichthum der tropischen Vegetation vor Augen stellen
können. Besuchen wir, die feuchten, schattenreichen Wäl-
der unserer Gegenden, so finden wir oft die ganzen
Stämme mit diesen Cryptogamen bedeckt; die Moose bil-
den gleichsam dichte Rasen, auf welchen öfters wiederum
andere Pfianzen Wurzel fassen, Die sehönfarbigen Flech-
ten, welche sowohl die Rinde der Bäume, ‚so wie die
Oberfläche der Felsen unserer Felder und Gebirge be-
decken, besonders die herabhängenden Usneen, machen
zuweilen einen sehr angenehmen Eindruck, doch einför-
mig ist derselbe im höchsten Grade, wenn Flechten oder
Moose in grofsen Massen, gesellig neben einander vor-
kommend, grofse Strecken des Landes beziehen. Die Ce-
nomyce rangiferina, die Ceteraria islandica, Ceteraria spa-
dicea und mehrere andere Flechten treten im Norden auf
diese Weise auf, oft keine andere Pflanze zwischen sich
aufkommen lassend. In der arktischen Zone von Nord-
amerika sind es Gyrophoren, welche sowohl den Thieren,
als auch zum Nothfalle den Menschen zur kümmerlichen
Nahrung dienen. Auch die Moose treten zuweilen auf
der Erde in grofsen Rasen auf, wie das bekannte Torf-
Moos, die Sphagnum- Arten, das Dieranum glaucum etec.,
und wenn’sie das Strohdach der ländlichen Wohnung über-
ziehen, geben sie derselben ein ehrwürdiges Ansehen. Die
feuchtesten Gegenden der Tropen sind gleichfalls reich
an Moosen und Flechten, vorzüglich sind es aber die nied-
lichen Jungermannien, welche dort in so grofser Anzahl
auftreten. Ja dort sitzen sie sogar auf den Blättern und
Stämmen anderer Schmarotzergewächse und ertheilen die-
sen, durch ihre bewunderungswürdig niedliche Form, ei-
nen besonderen Charakter von Schönheit.
185
B. Allgemeine pflanzengeographische Einthei-
ung der Erdoberfläche nach der Phy-
siognomie der Vegetation.
Nachdem wir nun die Haupt-Pflanzenformen kennen
gelernt haben, welche sich, hauptsächlich durch den To-
taleindruck, als mehr oder weniger abgeschlossene Grup-
‘pen darstellen, können wir zu der geographischen Ein-
theilung der Pflanzendecke übergehen. Da nun aber das
Vorkommen der Pflanzen, mit der Vertheilung der Wärme
über den Erdkörper, in innigster Verbindung steht, und
diese, von dem Aequator nach den Pölen za mit jener,
aus der Ebene des Meeres bis zur Schneegrenze in ei-
nem gewissen Parallelismus verläuft, so wird auch die
Eintheilung der Pflanzendecke, -einmal nach den Zonen
der Erdoberfläche, und zweitens nach den verschiedenen,
übereinanderliegenden Regionen stattfinden müssen, wobei
sich dann jener Parallelismus in der Wärme- Vertheilung,
auch für die Vegetation auf das deutlichste zwischen den
entsprechenden Zonen und Regionen nachweisen wird.
Es sind bereits von anderen Schriftstellern mehrere
‚geographische Eintheilungen der Pflanzendecke der Erd-
oberfläche aufgestellt worden, welchen jedoch ganz andere
Prineipien zum Grunde gelegt sind. Willdenow *), R.
Treviranus **), De Candolle ***) und Schouw +) haben
dergleichen Eintheilungen aufgestellt. Willdenow ging von
der Hypothese aus, dafs jedes Urgebirge seine eigenthüm-
lichen Pflanzen habe, und dafs es demnach so viele Haupt-
*) Allgemeine Bemerkungen über den Unterschied der Vege-
tatıon auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre in den, aufser
den Tropen gelegenen Ländern. Magazin der naturforschenden
Freunde, Berlin 1811. St. 2. p. 98. und in mehreren früheren Schrif-
ten, als in Usteri’s neuen Annalen, St. 16. 1797. etc.
**) Biologie etc. II. p. 85.
**") Geographie botanique. Dictionnaire des sciences naturelles
2:48: p. 411: i ’
7) Grundzüge einer allgemeinen Pflanzengeograpkie. 1823. pag.
504.
186
floren oder geographische Pflanzenreiche gebe, als es Ur-
gebirge gebe. Von den Gebirgen sollten jene Pflanzen
herabgestiegen sein in die Ebene, und so die Erde bevöl-
kert haben. Die Unhaltbarkeit solcher Ansichten ist heu-
tigen Tages, nach genauerer Kenntnifs über das Vorkom-
men der Pflanzen, so wie bei den richtigeren geologischen
Ansichten unserer Zeit allgemein bekannt.
Die Herren De Candolle und Schouw theilten dage-
gen die Pflanzendecke in verschiedene geographische Reiche,
indem sie das Vorherrschen dieser oder jener charakteri-
stischen Pflanzenform oder Pflanzenfamilie, als Eintheilungs-
Prineip zum Grunde legten und dann diese verschiedenen
Floren entweder nach dem Namen der Ländermassen be-
nannten, oder nach den vorherrschenden Pflanzenformen,
welche jene Gegend charakterisiren. Ja um so viel wie
möglich jeder Willkührlichkeit zu entgehen, gab Herr
Schouw die Erfordernisse zur Aufstellung eines solchen
pflanzengeographischen Reiches genaueran. Es müssen näm-
lich nach diesen wenigstens die Hälfte der bekannten Arten
dem Erdtheile angehören, welcher zu einem pflanzengeo-
graphischen Reiche erhoben werden soll; es müssen fer-
ner, wenigstens 4 der Gattungen, entweder völlig eigen-
thümlich sein, oder in diesem Lande doch wenigstens so
vorherrschen, dafs sie in anderen Ländern nur als Re-
präsentanten zu betrachten sind, ja dafs endlich diesem
Erdtheile sogar einzelne Familien eigenthümlich sind, oder
daselbst wenigstens ihr entschiedenes Maximum erreichen.
Die pflanzengeographischen Reiche theilt Herr Schouw
wiederum in Provinzen *), je nach den geringeren Vege-
tationsverschiedenheiten; 4 eigenthümlicher Arten und ei-
nige eigenthümliche Gattungen, reichen zur Bildung einer
solchen Provinz hin. $
Die ganze geographische Eintheilung der Pflanzen-
decke nach Herrn Schouw ist folgende:
*)'L. c. p. 507.
Fre
157
Reich der Saxifragen und der Moose (Al-
pinisch-arktische Flora).
a) Provinz der Riedgräser (Arktische Flora);
b) Provinz der Primulaceen und Phyteumen (Süd-
europäische Alpenflora.
Reich der Umbellaten und der Uruciaten.
a) Provinz der Cichoraceen ( Nordeuropäische
Flora);
b) Provinz der Astragalen, Halophyten und Cy-
narocephalen (Nordasiatische Flora).
Reich der Labiaten und Caryophyllaceen
(Mittelländische Flora).
a) Provinz der Cisten (Spanien und Portugal);
b) Provinz der Scabiosen und Salvien (Südliches
Frankreich, Italien, Sicilien);
c) Provinz der strauchartigen Labiaten (Levanti-
sche Flora, Griechenland etc.);
d) Nordafrikanische Provinz;
e) Provinz der Semperviven.
Der östliche temperirte Theil des alten
Continentes (vielleicht das Reich der Rhamnus-
Arten und Caprifolien).
Reich der Asterarten und Solidaginen.
Reich der Magnolien.
Reich der Cactus-, Piper-Arten und der
Melastomen.
a) Provinz der Farrnkräuter und der Orchideen;
b) Provinz der Palmen.
Reich der Cinchonen.
Reich der Escallonien, Vaccinien und Win-
teren.
Chilisches Reich.
Reich der baumartigen Syngenesisten.
Antarktisches Reich.
Neuzeeländisches Reich.
Reich der Epacriden und Eucalypten.
Reich der Mesembryanthema u. Stapelien.
188
16. Westafrikanisches Reich.
17. Ostafrikanisches Reich.
18. Reich der Scitamineen *).
Betrachten wir diese geographische Eintheilung der
Pflanzen, so werden wir finden, dafs die Hälfte der Ab-
theilungen auf dergleichen Pflanzen - Gattungen gegründet
ist, welche durch ihre eigenthümliche Form, als charakte-
ristisch für eine gewisse Gegend auftreten und dadurch
den Charakter der Vegetation, ja meistens auch die Phy-
siognomie der Natur daselbst bestimmen. Demnach fallen
diese Abtheilungen mit jenen zusammen, welche ich im
vorhergehenden Abschnitte, in physiognomischer Hinsicht,
unter den Pflanzenformen aufgestellt habe. Eine statisti-
sche Eintheilung der Pflanzendecke, wenn ich mich so
ausdrücken darf, ist eine ganz andere, als eine physiogno-
mische, wo die Form und der Totaleindruck, welchen die
Gestalt der Pflanzen hervorruft, Alles bestimmen. Die er-
stere Eintheilung wird erst dann auf einen gewissen Grad
von Genauigkeit Anspruch machen können, wenn die
*”) Anmerk. Herr Schouw (Momente zu einer Vorlesung über
die pflanzengeographischen Reiche. Linnaea VII. pag.625.) hat in einer
späteren Arbeit, von dem Jahre 1833, die Zahl dieser pflanzengeogra-
phischen Reiche um 7 vermehrt, indem er noch folgende hinzuge-
fügt hat: 1) Emodisches Reich (Wallich’s Reich), das Hochland von
Indien, 4— 10000° hoch einschliefsend. Nachdem wir gegenwärtig
eine so schöne Arbeit über das Hochland Indiens erhalten haben,
wissen wir bestimmt, dafs die Vegetation daselbst zur Aufstellung
eines eigenen Reiches keineswegs berechtigt, und eben dasselbe gilt
für ein zweites, nämlich für das Hochjavanische Reich. 3) Polyne-
sisches Reich (Reinwardt's Reich). 4) Oceanisches Reich (Chamis-
so’s Reich). 5) Reich der Balsam-Bäume (Forskal’s Reich). . 6) Das
WVüsten-Reich (Delile’s Reich). 7) Tropisch afrikanisches Reich (Adan-
son’s Reich). 8) Reich des mexikanischen Hochlandes} 9) West-
indisches Reich (Swartz’s Reich). Ich möchte mir hiezu die Be-
merkung erlauben, dals H. $. diese Reiche keineswegs ganz nach
denselben Grundsätzen aufgestellt, welche er früher hiezu angegeben
hat, und däfs man, wollte man in dieser Art fortfahren, wohl noch
einige 20 andere Reiche mit gleichem Rechte aufstellen könnte.
189
gröfste Anzahl der Pflanzen für alle Länder bekannt sein
wird, wärend die Physiognomie der Gewächse schon frü-
her zum Ziele gelangt, wenn auch noch grofse Ländermas-
sen wenig oder gar nicht in botanischer Hinsicht erforscht
sind; hier kann man die aufgestellten Gruppen, unbescha-
det den früheren, vervielfältigen und sie, durch die neuen
Entdeckungen bereichern und berichtigen.
Der Totaleindruck, welchen die Vegetation einer Ge-
gend auf uns macht, hängt überhaupt keineswegs von der
Zahl der Arten und Gattungen der Pflanzen ab, sondern
von der Masse, Form und der richtigen Vertheilung dieser.
Um demnach die einzelnen Gegenden der Erde genauer
charakterisiren zu können, habe ich zuerst die hauptsäch-
lichsten Pflanzenformen speciell betrachtet, sofern sie,
‘ durch ihre Massen, auf den Charakter der Vegetation Ein-
flufs ausüben können, und nachdem diese Physiognomik
der Gewächse vorangeschickt ist, gehen wir zu der geo-
graphischen Eintheilung der Pflanzendecke über, wobei
das gegenseitige Auftreten der verschiedenen Pflanzenfor-
men in verschiedenen Zonen und R£gionen, unseren Be-
trachtungen stets zur Grundlage dienen soll.
a) Eintheilung der Pflanzendecke nach den Zo-
heniihrer horizontalen; Verbreitung.
Die allgemeine astronomische Eintheilung “der Erd-
oberfläche in drei Zonen, nämlich in die heifse, die tem-
perirte und in die kalte Zone ist zu pflanzengeogra-
phischen Zwecken noch nicht hinreichend, indem diese
einzelnen Zonen noch zu ausgedehnt sind und defshalb
oftmals vielfach verschiedene Vegetation einschliefsen, wel-
che durch kleinere Zonen genauer bezeichnet 'werden
könnte. Ich habe daher jede Hemisphäre in acht klei-
nere Zonen eingetheilt, indem ich die allgemeine Einthei-
lung in drei Zonen auch diesen zum Grunde gelegt habe;
wir werden in. der Folge sehen, wie diese Zonen durch
ihre eigenthümliche Vegetation zu charakterisiren sind, und
wie sich diese, auf den verschiedenen Höhen der Gebirge
190
wiederfinden, ganz entsprechend dem Parallelismus, wel-
chen die Abnahme der Wärme, von dem Aequator bis zu
den Polen hin, mit demjenigen von der Ebene bis zu den
Spitzen der Gebirge zeigt.
Wir beginnen mit der Schilderung der heifsen Zone
und bemerken nur noch, dafs alle Eintheilungen der Art
mit grofsen Schwierigkeiten verbunden sind, indem die
einzelnen Pflanzenformen in ihrem Vorkommen niemals
so bestimmt begrenzt sind, wie wir hier die Grenzen un-
serer Zonen angeben müssen, sondern an den Grenzen
ihres Bezirkes in einander verlaufen.
4) Die Aequatorial-Zone.
Die Aequatorial-Zone umschliefst auf beiden Seiten
des Aequators eine Zone von 15 Breiten-Graden und hat
eine mittlere jährliche Wärme von 26 bis 28° Cels., eine
_ Wärme, welche, in Verbindung mit einem eben so hohen
Grade von Feuchtigkeit der Atmosphäre, eine aufseror-
dentliche Ueppigkeit der Vegetation hervorruft, die, über-
dies verziert durch die gröfste Mannigfaltigkeit in Formen
und prächtigen Farben, auf jeden gefühlvollen Menschen
den erhabensten Eindruck zurückläfst.
Hier sind die Gewächse saftiger, frischer erscheint ihr
Laub und mächtig stark sind ihre Stämme; überall in je-
ner heifsen Zone, wo nicht Lokalverhältnisse durch Ab-
änderung der Wärme und Feuchtigkeit, diesen mächtigen
Hebeln, der unbezwingbaren Vegetation .entgegentreten,
da entwickeln sich jene unbeschreiblich grofsen Pflanzen-
massen, deren Schilderung von geistreichen Naturforschern
und ausgezeichneten Künstlern versucht worden ist.
Grofsartig in jeder Hinsicht ist die Vegetation in den
Urwäldern der Aequatorialzone; Stämme von riesiger Dicke
erheben sich über 80 und 100 Fufs, ihre Kronen sind so
dicht mit einander verwebt, dafs kein Sonnenstrahl den
modernden Boden dieser Wälder berührt, der meistens
so dicht mit niederen Pflanzen bedeckt ist, dafs man kei-
nen Schritt thun kann, ohne vorher den Weg, mit dem
191
Eisen in der Hand, gebahnt zu haben. Drückend heifs
und feucht ist die Luft in diesen Wäldern, wo dumpfe
Dünste im beständigen Aufsteigen sind, und nicht selten
die Luft wie mit sichtbaren Wasserdämpfen erfüllen. Das
schneidende Pfeifen der grofsen Cicaden, hoch in den Kro-
nen der Bäume, und das lautschallende Krächzen der
scheufslichen Vampyre, der fliegenden Hunde und der
Blutsauger, begleitet oftmals Tagelang den Wanderer in
den Wäldern Indiens.
So wie die Formen der Palmen, der Musaceen, der
baumartigen Gräser, der Pandanen, Scitamineen, der Or-
chideen, Mimosen und der Lianen in der Aequatorial-
Zone überhaupt vorherrschend den Charakter der Vegeta-
tion bestimmen, so sind es in den Urwäldern gerade die
Wollbäume (Bombaceae), mit ihren riesigen Stämmen, oft
bedeckt mit Warzen und Stacheln eigenthümlicher Art,
so in der alten wie in der neuen Welt einen bedeuten-
den Antheil habend an der Darstellung dieser Wälder.
Ferner die zahlreichen Feigenbäume, ebenfalls zu Stäm-
men von enormer Dicke anschwellend; die Swietenien, Caes-
alpinien, Malpighiaceen, Anonen, Anacardien, Bertholle-
tien und Lecythideen für die neue Welt und die Sapin-
den, Caryoten, Artocarpen, Sterculien, Ebenaceen, Melia-
ceen, Laurinen u. v. Andere für die alte Welt. Die un-
geheuere Breiten- Ausdehnung einiger tropischen Baum-
stämme ist bekanntlich Erstaunen erregend. Der Baobab
oder Affenbrodbaum (Adansonia digitata L.) ist bekannt-
lich eines der dickesten Gewächse, er ist am Senegal, auf
den Cap-Verdischen Inseln, und selbst in Aegypten und
Nubien zu Hause; man hat den Umfang einiger Stämme
zu 77 Eufs und darüber gemessen, und seine Höhlung im
Inneren ist so bedeutend, dafs zuweilen mehrere Neger-
Familien darin ihren Aufenthalt finden. Ganz ähnliche
und unförmige Gestalten erzeugen die Stämme der Bom-
baceae, sowohl in der alten wie in der neuen Welt; durch
ihre überwiegende Markentwickelung dehnen sie sich über-
mäfsig in die Dicke und verlassen die gewöhnliche Cy-
192
lindergestalt, statt welcher sie ungeheuere Tonnen, von
30 und 40 Fufs Höhe, bei verhältnifsmäfsigem Umfange,
darstellen *). Nicht weniger in Erstaunen setzen die un-
geheueren Höhen und Holzmassen, weiche zuweilen die
Mimosen-förmigen Gewächse, Swietenien, Hymeneen, Caes-
alpinien u. A. m. aufzuweisen haben. Doch mit dieser
Massen-Erzeugung ist die tropische Vegetation noch nicht
erschöpft, auch die gröfste Mannisfaltigkeit und die höch-
ste Schönheit in den Formen der Gewächse, so wie die
äufserste Pracht in den Farben der Blumen und Annehm-
lichkeit ihres Wohlgeruches, werden durch die glühenden
Strahlen der Sonne und durch die drückende Feuchtigkeit
der Atmosphäre hervorgerufen. Wie in den Wäldern un-
seres Nordens die Rinde der Bäume mit schlichten Moo-
sen und Flechten besetzt ist, so zeigen die Stämme der
tropischen Wälder das gröfste Uebermaafs in den üppig-
sten und schönsten Pflanzenformen; die herrlichsten Or-
chideen sitzen in den Ritzen und Spalten der Rinde, an
der sich windende Pothos-Gewächse hinaufklimmen, deren
glänzend weifse Blumen aus dem schönen hellgrünen
Laube hervorragen. Die niedlichsten Formen von Farrn
schlängeln sich an den Stämmen hinauf, ‘wie bei uns der
Epheu, sowohl unserer wohlbekannten Gattung Polypodium
angehörig, als hauptsächlich den tropischen Gattungen
Hymenophyllum, Trichomanes u. A. m.; oder sie sitzen,
in mehr oder weniger grofsen Büscheln, oft ganze Hau-
fen bildend, welche auf den Aesten sitzen, und auf eine
eigenthümliche Art gegen die Belaubung der Bäume con-
trastiren. In den Wäldern der Philippinen ist es eine
grofse prachtvoll gestaltete Polypodiacee, welche dem Po-
lypodium quereifolium ähnelt, und mit. den. dicken hell-
braun beschuppten Wurzeln ganze grofse Flächen einzel-
ner Aeste bezieht; es fällt diese prachtvolle Pflanze, de-
ren einzelne gefiederte Wedel 2 und 3 Fufs lang werden,
um so mehr in die Augen, weil ihre Wurzelblätter, ja
*) $. v. Martius Reise, Ill. pag. XXIX.
193
selbst alle unfruchtbare Wedel mehr oder weniger hell-
gelb gefärbt erscheinen, was zwischen den braunroth ge-
färbten Wurzelmassen und der dunkelgrünen Umgebung
so ganz eigenthümlich contrastirt. \Yo noch an den Rin-
den dieser Bäume ein Plätzchen leer ist, da sitzen Flech-
ten, Moose und Jungermannien, ja diese Letzteren, nicht
zufrieden mit jener Einschränkung, überziehen in den
niedlichsten Formen, deren Schönheit oft erst das Mi-
kroskop zu entdecken vermag, selbst die Blätter der an-
dern Schmarotzer-Pfianzen. Die Blätter der Orchideen,
in den Urwäldern der Inseln des Indischen Archipel, sind
gewifs nur selten ohne diese Jungermannien zu finden,
ja selbst die Flechten und Farrn werden von ihnen über-
zogen.
Doch nicht nur die Stämme dieser Bäume dienen ei-
ner so üppigen Vegetation zur Grundlage, sondern hoch
in den Kronen sitzen die scharlachrothen Loranthus - Blü-
then, die glänzenden Tillandsien, Pitearnien und ein gan-
zes Heer von Schlingpflanzen, welche anfangs, in der Erde
wurzelnd, an dem Stamme und den Aesten hinaufklimm-
ten, später aber ihren Mutterboden verliefsen und alsdann
parasitisch fortleben. Herr von Martius *) hat, bei sei-
nem langen Aufenthalt in den Urwäldern Brasiliens, die
Lebensweise dieser sonderbaren Gewächse mit aufseror-
dentlichem Scharfsinne verfolgt, und seine Schilderung
wird jenes Naturgemälde am deutlichsten darstellen: Es
wohnt nämlich jenen Stämmen der Parasiten der sonder-
bare Trieb inne, überall da, wo sie durch Berührung ge-
reizt werden, sich der Rinde zu entledigen, und sich über
den fremdartigen Körper nach und nach gleichmäfsig, wie
Flüssiges auszudehnen. So verfliefsen allmählig sogar die
einzelnen Aeste der Parasiten mit einander. Ist in die-
sem Processe die Kraft der ursprünglichen Wurzel ge-
schwächt worden, so setzt sich der Stamm dadurch in’s
Gleichgewicht, dafs er Luftwurzeln von oben herab zur
*) Reise u. s. w. Il. p. XXXII.
13
194
Erde sendet, und so gewinnt dieses zähe, lebenskräftige
Geschlecht, zum Verderben der Nachbarn, immer neue
Ausdehnung und Stärke. Wir finden diese Lebensweise
bei Pflanzen aus den verschiedensten Familien, vorzüglich
ausgebildet aber bei vielen Guttiferen. Es sind in den
Wäldern Brasiliens die Clusien, Havettien, Arrudaeen und
die verwandten Gestalten der Ruyschia, Norantea und Marc-
gravia, welche sich, durch Zusammenfliefsen ihrer Aeste
und Stämme, selbst mit dem Holze der Unterlage auf das
Innigste verbinden. An den Ufern des Rio Guama sah
Herr von Martius ganze Reihen der Macaubapalme (Acro-
comia sclerocarpa M.) mit der Clusia alba überzogen, so
dafs der Parasit ein, ringsum geschlossenes Rohr um den
30 Fufs hohen Stamm gebildet hatte, das an kurzen Ae-
sten Laub und Blumen trug, und aus dessen Ende die
erhabene Palmkrone hervorragte. Ich habe ganz ähnliche
Umgürtungen von abgeflachten, netzartig aussehenden Fei-
gen-Stämmen in den Urwäldern der Insel Lucon, selbst
die dickesten Stämme anderer Bäume wie mit einem um-
gossenen Gitterwerke umzogen gesehen, deren Entstehung
mir anfangs ganz unbegreiflich schien. Ich habe, schon an.
verschiedenen anderen Stellen dieses Buches (pag. 179) nä-
her gezeigt, wie diese Schlingpflanzen die nebeneinander
stehenden Stämme und Kronen, gleich sich durchkreuzen-
den Tauen mit einander verbinden, so, dafs selbst die Wir-
kung der heftigsten Stürme nicht im Stande ist, die ver-
einigten Massen von einander zu trennen. In den Wäl-
dern der neuen Welt sind es hauptsächlich die Bauhinien,
Paullinien und Banisterien, wärend in den Wäldern der
alten Welt die Passifloren, Aristolochien, aber hauptsäch-
lich die Ratang’s (Calamus- Arten), diese lebenden Seile
bilden, welche oft, auf 20 und 30 Fufs Länge, weder Blät-
ter noch Blüthen treiben. Zwar sind grofse Blüthen, von
ausgezeichneter Farbenpracht, den Lianen oder Schling-
pflanzen charakteristisch, doch hoch in den Gipfeln der
Bäume schweben diese biegsamen Stämme, und meistens
verrathen erst die herabgefallenen Blüthen oder ein be-
’
f 195
sonderer Wohlgeruch die Anwesenheit dieser seltenen
Schönheiten *), zu denen oftmals vergebens der reisende
Botaniker hinaufschauet. Bäume mufs man fällen, um zu
den Blumen ihrer Schmarotzer-Gewächse zu gelangen,
denn die Stämme sind theils zu dick, theils mit rauhen
Warzen oder Stacheln geschirmt, theils mit gestachelten
Schlingpflanzen bezogen, und verweigern jedem Verwege-
nen den Weg, wärend-die Lianen, deren strafigespannte
Seile zum Klettern so vortheilhaft wären, durch ihre
beifsenden Säfte und die bösen Ausdünstungen, selbst bei
den Bewohnern der Wälder gefürchtet werden. Bekanntlich
sind die Blüthen der Aristolochien ihrer aufserordentli-
chen Gröfse wegen berühmt; an den schattigen Ufern des
Magdalenenflusses in Südamerika fand Herr v. Humboldt
die Aristolochia cordifolia, deren Blume, von 4 Fufs Um-
fang, von den indischen Knaben im Spiele als Mützen be-
nutzt wurden, und die Aristolochia gigantea des Herrn
v. Martius hat fast fufslange Blumen.
Aber auch mit diesen, in die Luft gehobenen Gärten
von gröfster Mannigfaltigkeit und üppigster Pracht ist die
Kraft der tropischen Vegetation noch nicht gebrochen,
denn selbst aus den Wurzeln treten mannigfaltige Ge-
wächse, oft von riesiger Gröfse und sonderbarer Form
hervor, gleichsam ihren dunkeln Ursprung verkündend.
Die Rafflesien und Brugmansien im indischen Archipel er-
scheinen nicht anders, als grofse, gleichsam blühende Hut-
pilze; ja die Rafflesia oder Riesenblume erreicht eine
Gröfse von 3 Fufs Durchmesser. Die tropischen Wälder
*”) Als eine Eigenthümlichkeit der Bäume und überhaupt der
Gewächse tropischer WVälder ist noch zu bemerken, dafs nach den
Beobachtungen verschiedener Reisender, als VVydler, Auguste de
Saint-Hilaıre und Pohl, die Bäume in den tropischen WVäldern nur
selten blühen, und dafs sie sich häufig durch heranwachsende VVur-
zelbrut fortpflanzen. Das unaufhörliche Wachsthum der Bäume,
ihr Blätter- und Zweige-Treiben, bringt nur selten Blumen hervor.
Eine Qualea Gestasiana bleibt 5 Jahre unfruchtbar, wenn sie einmal
Blüthen getragen hat, ect.
13°
196
Amerika’s, der Südsee-Inseln, und selbst nach einigen Nach-
richten in Afrika, sind reich an Balanophoren der mannig-
faltigsten Formen und Farbenpracht.
So majestätisch schön der Anblick eines Urwaldes
ist, so furchtbar grofsartig ist derselbe im Kampfe mit den
wilden Elementen. Der Aufenthalt in einem Urwalde bei
heftigem Orkane wird als furchtbarer geschildert, wie der
Kampf mit den tobenden Wogen im offenen Meere; doch
schon minder heftige Stürme erregen grofsartige Natur-
scenen. Wenn der heftige Sturm die Kronen jener riesi-
gen Stämme der Urwälder erfafst und Aeste und Stämme
gegen einander schüttelt, dann wird die Luft mit furcht-
barem Rauschen, Toben, Knarren und Krachen erfüllt;
selbst die mächtigen Lianen werden zersprengt und die
modern Aeste und Stämme stürzen zu Boden. In grofsen
Massen werden die Parasiten aus den Gipfeln niederge-
worfen und die Bäume entledigen sich ihrer grofsen
Früchte, welche, meistens mit harten Schalen umhüllt,
mit heftigem Krachen zu Boden fallen. Der Regen, an-
fangs durch die dichte Blätterdecke aufgehalten, stürzt
nun in desto gröfseren Massen herab, und vergröfsert das.
Schauerliche des Augenblicks; fast alle Bewohner dieser
Wälder geben ihre Unruhe durch klägliches Geheul und
Geschrei zu erkennen, die Affen, die grofsen Fledermäuse,
das ganze Heer der Vögel ruft laut durch einander und
das Gequak der Laubfrösche und anderer dieser Familie,
oft paukenförmig ertönend, giebt die grofse Noth des Au-
genblickes zu erkennen. Nur die Insekten schweigen,
welche lange vorher jenen Aufruhr verkündet haben, und
sitzen versteckt auf der untern Fläche der Blätter, bis Al-
les vorüber ist und die Sonne wieder freundlich die Gipfel
bescheint.
Diefs sind die Urwälder der Aequatorial-Zone mit
ihren Wundern; an ihrem Rande, an den Ufern der Seen
und der Ströme ist diese Vegetation weniger mächtig, aber
um so schöner. Gleichsam niedere Waldungen fassen
diese Gewässer und freien Plätze ein, über deren Laub-
197
decke sich die- stolzen Palmen erheben, zuweilen, wie die
Piriguao an der Mündung des Guaiviare und Atabapo, so-
gar mit den schönsten Früchten verziert. Es erhebt sich
diese Palme mit schilfartig zartem, an den Rändern ge-
kräuseltem Laube, mit einem 60 Fufs hohen Stamme und
trägt pfirsichartige Früchte, deren 70—80 in ungeheuern
Trauben niederhängen und den Menschen eine nahrhafte
Speise darbieten. An den Ufern der Flüsse, auf der Insel
Lucon, wurden die steilen Abhänge dieser Vegetations-
Massen mit prächtigen Schlingpflanzen verziert; reizend
schöne Farrnkräuter, ein grofsblättriges Lygodium nämlich,
hing in 40 und 50 Fufs langen Ranken aus den Gipfeln
der Bäume herab, und von den Blüthensiengeln der Bi-
gnonia grandiflora hingen 2 und 3 Fufs lange Schoten.
Am Rande solcher lichten Waldung pflegt der Indier
seine leichte Hütte zu errichten; einige hellgrüne Pisange,
und die schlanke Palme, hinausragend aus dem dunkeln
Laube der anstehenden Fruchtbäume, verkünden schon
aus weiter Ferue die Wohnung des Menschen, deren Er-
richtung durch die Nähe der baumartigen Gräser in Indien
wenigstens so sehr erleichtert wird. |
Die herrliche Pflanzenform, welche wir unter dem
Namen der baumartigen Gräser geschildert haben, welche
durch die Gattung Bambusa am allgemeinsten repräsentirt
wird, tritt in der Aequatorial-Zone in geselligem Zustande
auf, und bildet hier eben so ausgedehnte Waldungen wie
die Coniferen in nördlicheren Zonen. Auch die Nipa-
Palme im Indischen Archipel überzieht in gesellschaftlichen
Massen die meilenlangen Küsten-Gegenden jener Inseln,
häufig grenzend an die ausgedehnten Mangrove- Waldungen,
wo der Wurzelbaum, die Avicennien, Bruguieren, Dodo-
neen, Tournefortien u. s. w. in grofser Anzahl gesellschaft-
lich neben einander vorkommen. Die höchsten Bäume
dieser Mangrove-Waldungen gehen gewöhnlich nicht über
40 bis 50 Fufs hinaus, sie behalten das ganze Jahr hin-
durch grüne Blätter, wie es den Bäumen der feuchten
tropischen Gegenden allgemein zukommt.
198
So wie ich hier die Vegetation der Aequatorial-Zone
zu schildern versucht habe, würde sich dieselbe auf allen
Punkten ihres Gürtels zeigen, wenn nicht dort, so wie in
unseren Zonen störende Einflüsse dem regelmäfsigen Gange
der Naturkraft entgegenwirkten. Vergebens sucht man in
den Savanen am Orinoco, oder in der Küsten-Pampe des
südlichen Peru, oder in den Wüsten Afrika’s nach jener -
üppigen Vegetation, welche ich im Vorhergehenden als
der Aequatorial-Zone eigen geschildert habe. Der Grad
der Hitze, welchen diese Theile der Erde aus ihrem Stand-
punkte zur Sonne erhalten, ist unter allen Längen der-
selbe, aber die Verschiedenheit ihres Reichthums an Was-
ser ist so grofs, dafs dadurch die auffallendsten Abwei-
chungen hervorgerufen werden.
Ich habe früher die Ursachen, worauf die Verschie-
denheit des Küsten- und des Continental-Clima’s beruht,
genau aus einander gesetzt, und ich kann defshalb darauf
nochmals verweisen; ehen dieselben Theorieen erklären
die grofse Hitze in jenen tropischen, wasserlosen Gegen-
den bei Tage und die grofse Kälte durch Ausstrahlung
wärend des Nachts. Wo die gehörige Feuchtigkeit der
Atmosphäre und dem Boden jener Gegenden fehlt, da tritt
zwischen den verschiedenen Jahreszeiten ein grofser Wech-
sel der Verhältnisse ein. Gerade zur Sommerzeit, wenn
bei uns die Vegetation im höchsten Flore ist, dann er-
stirbt sie in den trockenen Gegenden der Tropen; die
Bäume verlieren ihre Blätter und die Kräuter verschwin-
den spurlos, aus blofsem Mangel an Feuchtigkeit, so wie
bei uns gerade zur Winterzeit, aber aus Mangel an Wärme
die Vegetation erstarrt, bis die erste Frühlingswärme die-
selbe wieder in das Leben ruft. Ausführlich sind die lich-
ten Wälder Brasilien’s (Catingas) von berühmten Rei-
senden geschildert, welche das sonderbare Phänomen des
Blattfalls für die Tropen aufweisen, und dann, gerade wä-
rend der heifsesten Zeit, ihres ganzen Schmuckes beraubt,
dastehen; doch diese Erscheinung ist allgemein, ja überall
in der heifsen Zone, wo ähnliche Verhältnisse auftreten.
199
In den wasserlosen Gegenden auf der Westküste von
Peru habe ich nicht nur die, daselbst eingeborenen Bäume
wärend der heifsen Jahreszeit blattlos gesehen, sondern
auch unsere europäischen Fruchtbäume, welche dorthin
eingeführt sind. Wir sahen unsere Feige neben dem
Schinus, beide blattlos, wie vertrocknet dastehen, nur die
Früchte an dem Schinus, und dicke Knospen an den Spit-
zen der Feigenbäume verkündeten das schlummernde Le-
ben dieser Gewächse, welche mit der todten, vollkommen
vegetationslosen Gegend auffallend harmonirten. Ich glaube
diese blattlosen Waldungen der Tropen nicht besser schil-
dern zu können, als durch Aufführung einer Stelle aus
Herrn von Martius Reisebericht *): „Alles um uns her,“
erzählt dieser berühmte Reisende, „trug ein eigenthümli-
ches, uns fremdes Gepräge, und erfüllte das Gemüth mit
Bangen. Der dichte Wald erschien uns wie ein weites
Grab, denn die dürre Jahreszeit hatte allen Schmuck der
Blätter und Blüthen von ihm abgestreift; nur selten rank-
ten sich dort dornige Smilax- Arten oder schnurartige Ge-
winde von Cissus, mit einzelnen Blättern besetzt, in die
Höhe, oder es ragten hier stattliche Blumenrispen von
Bromelien zwischen den Zweigen hervor; um so sichtba-
rer erschienen die Stämme in ihrem ganzen ungeheuren
Umfange, ihre Aeste, wie Riesenarme, in den dunkelblauen
Aether streckend. Dornige Acacien, vielverzweigte Andi-
ren und Copaiferen und milchweifse Feigenbäume erschıie-
nen hier besonders häufig; was uns aber am meisten auf-
fiel, waren die gigantischen Stämme von Chorisien (Cho-
risia ventricosa), welche oben und unten verengt, in der
Mitte wie ungeheuere Tonnen angeschwollen, und auf der
korkartigen Rinde mit gewaltigen glänzend braunen Sta-
cheln besetzt waren. Hier hingen mächtige Büschel para-
sitischer Misteln an den Aesten herab, von der sorgsamen
Mutter Natur meistens in der Art vertheilt, dafs die weıb-
lichen Stauden tiefer stehen, als die männlichen u. s. w.
5) Reise in Brasilien, II. p. 499.
200
Dort hatten Myriaden von Ameisen ihre Wohnungen voll
dädalischer Windungen an den Stämmen aufgehangen, wel-
che im Umfange von mehreren Fufsen durch ihre schwarze
Farbe seltsam contrastirten mit dem Hellgrau der entblät-
terten Aeste. Der herbstlich erstarrte Wald ertönte vom
Geschrei mannigfaltigen Gefieders, vorzüglich krächzender
Araras und Periquitos. Scheue Gürtelthiere und Amei-
senfresser begegneten uns zwischen in hohe Wälle aufge-
worfenen Cupims geschäftiger Ameisen, und träge Faul-
thiere hingen dumpf hinbrütend an den weifsen Aesten
der Ambauba (Cecropia peltata), die sich hie und da, zwi-
schen den übrigen Bäumen erhob. Heerden von Brüll-
affen liefsen sich aus der Ferne vernehmen. Das hohe,
dürre Gras war von’ wimmelnden Ballen kleiner Carabatos
bedeckt, die sich, wenn wir sie zufällig berührten, mit
Blitzesschnelle über uns verbreiteten und ein bösartiges
Jucken erregten.“
Noch auffallendere Erscheinungen bieten die Wüsten
der heifsen Zone dar, deren Physiognomie durch Herrn
Alexander von Humboldt #) mit so grofser Umsicht cha-
rakterisirt worden ist. Es sind diese, mehr oder weniger
gleichmäfsigen Ebenen ebenfalls als Lokalerscheinungen zu
betrachten, deren Entstehung mit den grofsen geognosti-
schen Revolutionen zusammen zu hängen scheint, welche
zuletzt die Gestalt unserer jetzigen Erdoberfläche bestimmt
haben.
Einige von diesen tropischen Wüsten sind, aus flie-
gendem Sande bestehend, ganz wasserleer, und weder Re-
gen noch Vegetation ist in ıhnen zu beopachten; hiezu
gehören grofse Striche der Sandwüste Afrika’s. Andere
dieser Ebenen sind mit einer dünnen Decke von Erde
bekleidet und, dem Einflusse periodischer Regen ausgesetzt,
zeigen sie in verschiedenen Jahreszeiten ganz verschiedene
Gestalt; wärend der trockenen Jahreszeit sind sie z. B.
in den Aequatorial-Zonen Amerika’s verödet, wie die li-
*) Ueber die Steppen und Wüsten. Ansichten der Natur.
201
bysche Wüste, aber wärend der nassen Jahreszeit sind
sie mit üppig anschiefsendem Grase und niederen Mimo-
sen bekleidet.
2) Die tropische Zone.
Die tropische Zone erstreckt sich, auf jeder Seite des
Aequators, von dem 4dten Grade der Breite bis zu den
Wendekreisen und zeigt eine mittlere Wärme von 23° Cels.
bis 26° Cels. Die vielen Ausnahmen, welche diese Zone
in Hinsicht der mittleren Wärme, wie sie so eben age-
geben ist, aufzuweisen hat, haben wir, wenigstens theil-
weise, schon in der ersten Abtheilung unseres Buches auf-
geführt (s. p. 22.). In Gegenden, wo die Monzoone herr-
schen, ist eine Sommerwärme von 27 und 28° Cels., ja
bis 30° Cels. gewöhnlich, wärend zur Winterzeit die Tem-
peratur daselbst sogar bis unter den Gefrierpunkt zu sin-
ken pflegt. Die mittlere jährliche Wärme von Canton be-
trägt 17,5° R.*) oder 21,87° Cels., dagegen ist die mitt-
lere Sommerwärme daselbst 22,2° R. (27,7° C.) und die
mittlere Winterwärme gleich 12,1° R. (15,1° Cels.). © Ich
habe mich schon früher, in der ersten Abtheilung (p.10 u.22)
etwas ausführlicher über die. Verschiedenheiten in dem
Gange der Temperaturen für einige der hauptsächlichsten
Punkte, welche nahe dem Wendekreise des Krebses liegen,
ausgesprochen und kann jetzt dahin verweisen.
Allerdings eben so, wie wir gesehen haben, dafs die
Isothermen-Linien auf ihrem Verlaufe einer beständigen
Wellenlinie folgen, und hie und da bald steigen und bald sin-
ken, so werden wir auch in dieser tropischen Zone ein-
zelne Gegenden nachweisen können, in welchen noch alle
die Verhältnisse auftreten, die wir im Vorhergehenden für
die Aequatorial-Gegend aufgezählt haben. Als Beispiele
hiezu möchte ich die Gegend von Rio de Janeiro und von
Caleutta aufführen, . wo man gewifs einen sehr geringen
*) $. Meyen, Bemerkungen über das Clima des südlichen China,
Nova Acta Ac. GC. LT. Vol, XIL P. I. 903.
202
Unterschied zwischen dem Clima und der Vegetation der
Aequatorial-Zonen auffinden möchte.
Aufser den Palmen, den Musaceen, Scitamineen, Me-
liaceen, Anonaceen und Sapindaceen, aufser den Pflanzen
mit Orchideen- und Pothos-Form, so wie den Lianen und
noch Anderen, welche der Aequatorial-Zone besonders
eigen sind, so dafs sie daselbst den Charakter der Vege-
tation bestimmen, treten gegen die Grenzen der heifsen
Zone die Farrn, die Convolvulaceen, die Melastomen und
die Piperaceen als noch mehr vorherrschend auf. Hier
sind es die baumartigen Farrn, welche die Zone charakte-
risiren, wie die Palmen in Verbindung mit der Scitamineen-
Form, der Umgegend des Aequators besonders eigen wa-
ren. Will man die auffallendsten Contraste zwischen der
imposant grofsartigen Vegetation der Aequatorial - Zone
und der üppigen der tropischen Zone auflassen, so wäre
eine Vergleichung der Pflanzendecke der Sandwichs -In-
seln und der der Philippinen ganz allein hinreichend. In
den Wäldern der Sandwichs -Inseln fehlt es nicht an mas-
siger Vegetation; auch hier bildet eine Acacia (A. hete-
rophylla) und die prachtvolle Aleurites triloba Stämme
von ungeheuerem Umfange, und keinen Fufs kann man
zur Erde setzen, ohne vorher, mit dem Messer in der
Hand, Bahn gemacht zu haben. Eine unendliche Masse
von baumartigen Farrn, von Pandanen und Seitamineen
ist hier durch die zahlreichen Individuen und Arten von
Ipomoeen so dicht mit einander verflochten, dafs man zu-
erst alle die Schlingpflanzen zerstören mufs, um sich ei-
nen Weg zu bahnen. In diesen Wäldern herrscht über-
haupt ein so grofser Reichthum an Unterholz, wärend in
den Wäldern der Aequatorial-Zone mehr die parasitische
Flora, sowohl der Orchideen, als der Pothos-Gewächse,
wie aber hauptsächlich der Lianen, welche auf der Krone
der Bäume sitzen, vorherrschend ist. In den dichteren
Wäldern der Sandwichs-Inseln kommen die Pandanen und
Ananas-artigen Gewächse in gröfseren Massen vor; sie
steigen an den Stämmen der Bäume hinauf und umschlin-
203
gen diese mit Hunderten von Aesten, so dafs ihr Laub-
werk undurchdringlich wird, und der Reisende seinen Weg
auf dieser vegetabilischen Decke verfolgen mufs; ja un-
bemerkt wandert man zuletzt in einer Höhe von 8 und
40 Fufs über der Oberfläche der Erde, und erst an den
Abgründen dieser Berge von Pflanzen kann man ihre
ungeheueren Massen übersehen. Dicke Baumstänme, die
ringsum mit bunten Flechten *) verziert waren, zeigten
mit den prachtvollen Farrn, welche auf ihnen gruppirt
sind, den schönsten Anblick, welchen sich reisende Bo-
taniker nur wünschen können. Ungeheuere Asplenien,
nämlich die gröfste Varietät des Asplenium Nidus, dessen
Blätter 2 bis 3 Fufs lang und verhältnifsmäfsig breit sind,
daneben kleine Pteris- Arten mit linien - lanzettförmigen
Blättern, Piperaceen in gröfster Menge, niedliche Junger-
mannien, Laubmoose u. s. w., und alle diese Formen auf
einem und demselben Baume; welch ein Anblick! Die
sonderbar gestaltete Charpentiera obovata Gaud. hängt
nachlässig ihre Blüthenbüschel über die baumartigen Lo-
beliaceen herab, und die grofse Menge von Urticeen, de-
ren grofsblättriges Laub mehr oder weniger auffallend
weifs behaart ist, giebt hier den Charakter der hochstäm-
migen Vegetation, wärend der Boden ganz und -gar mit
4, 5 und 6 Fufs hohen Farrn-Stämmen bedeckt ist. Der
schöne grofse Baum von Metrosideros polymorpha und
derjenige der Jambosa malaccensis, neben denen so häufig
die niedlichen Dracaenen und. hohe wilde Pisange aufschie-
fsen, dienen nicht wenig zur Verschönerung der Wälder
dieser Sandwichs-Inseln.. Die herrlichen scharlachro-
then Blüthenmassen jener Bäume, so häufig von ganz klei-
nen Nectarinien besucht, stechen nicht wenig von den
weifslich behaarten Blättern der umgebenden Urticeen ab.
Auffallend ist bei der üppigen Vegetation der Sand-
wichs-Inseln der gänzliche Mangel an Orchideen und auch
*) Parmelia perforata var. melanoleuca und var. ulophylla, Us-
nea australis Fr., Sticta lurida n. sp. etc.
204
Umbellaten gehörten zu den gröfsten Seltenheiten; auch
möchte ich hier gelegentlich noch eine besondere Eigen-
thümlichkeit in Hinsicht der Fauna dieser Gegenden be-
merken. Es ist nämlich bekannt, dafs in den feuchten
Wäldern der Aequatorial-Zone, sowohl in der alten, wie
in der neuen Welt, ein ganz aufserordentlicher Reichthum
an Insekten herrscht; selten wird man hier die Blätter
eines Astes umdrehen, ohne darauf einige Käfer u. s. w.
zu finden. Auf den Sandwichs-Inseln dagegen fehlen diese
Thierehen fast gänzlich und, sonderbar genug, sie werden
daselbst durch niedliche Landschnecken gleichsam ersetzt,
denn deren Anzahl ist hier so grofs, dafs nur 'selten’ ein
Pflänzchen oder der Ast eines Baumes nicht mehrere der-
selben aufzuweisen hätte. *)
Leider liegt ein grofser Theil von den Ländermassen
dieser Zone unter solchen Verhältnissen, dafs ihnen, we-
gen Mangel an hinreichender Feuchtigkeit und wegen eines
zu schlechten Bodens, fast alle die Schönheiten einer tro-
pischen Vegetation abgehen; so fanden wir dieses auf der
Westküste von Südamerika, wo, gerade in den Breiten
dieser Zone, die armseligste Vegetation herrscht, welche
man sich vorstellen kann. Nur einige wenige Palmen,
einige Acacien und einige tropische Früchte sind die Spu-
ren, welche daselbst die Lage des Landes verrathen. Das
südlichste China, der nördlichste "Theil der Philippinen,
Cochinchina u. s. w. reichen ebenfalls in die nördliche tro-
pische Zone hinein und zeigen gleichfalls einige Abwei-
chungen von der Vegetation der Aequatorial-Zone, doch
auch hier ist oftmals das Charakteristische durch den Ein-
flufs der halbjährlichen Winde unterdrückt; ja in China
und Cochinchina hat auch die uralte Cultur der Menschen
und die grofse Bevölkerung so stark auf die Vegetation
eingewirkt, dafs man nur noch wenig Uharakteristisches
derselben aufzufinden vermag. Zu den Eigenthümlichkeiten
der Vegetation dieser Gegenden gehört ‚las gesellschaft-
*) $S. Meyen’s Reise, Il. pag..142 u. s: w.
205
”
liche Auftreten der chinesischen Fichte, welche Wälder bil-
det ganz so wie die unserer gemeinen Fichte, Um so auffal-
lender ist der Contrast dieser Fichtenwälder gegen die
lichten Waldungen der baumartigen Gräser, welche daselbst
die Bambusa arundinacea in so ausgedehnten Flächen bil-
det, und die Landschaft höchst ‘angenehm verzieret. Die
Wälder der baumartigen Gräser setzen sich, in der alten
Welt, gegen den Aequator hin, fast ununterbrochen fort,
nur tritt in der Aequatorial-Zone statt der Fichtenform
die Casuarinenform auf, welche sich auch südlich durch die
Aequatorial-Zone nach der Grenze der Tropen hinzieht.
Neben diesen Fichten und Gasuarinen der tropischen Zone
Indiens fehlt es auch nicht an Cypressen , und selbst auf
Neu-Caledonien treten diese neben den Casuarinen auf.
Die grofse Insel Neu-Caledonien, ebenfalls der südlichen
tropischen Zone angehörig, kann sich eben so wenig jener
üppigen, tropischen Vegetation rühmen, welche ‚alle Rei-
sende im südlichen Brasilien und in Indien gefunden haben,
sondern das Land ist im Gegentheil kahl, ja entwaldet zu
nennen, doch an einzelnen Stellen, wahrscheinlich wo ,grö-
fserer Reichthum an Wasser ist, da treten viele der schö-
nen tropischen Pflanzenformen auf, deren wir im vorher-
gehenden Abschnitte gedacht haben. *)
‚ Die Ufer der Gewässer sind auch ‘hier mit Mangrove-
Waldungen bedeckt, und merkwürdige Feigenbäume schlie-
fsen sich diesen an, deren schöne Belaubung so dick ist,
dafs selbst die brennenden Strahlen der Mittagssonne nicht
durchdringen können und daher den Bewohnern jener Ge-
genden einen angenehmen Schatten verursachen, der durch
lieblichen Gesang einer Menge von Vögel noch verschö-
nert wird. Diese ‚Feigenbäume, erzählt Forster, haben
eine höchst sonderbare Form, indem ihre Stämme, auf
einer Höhe von 15 bis 20 Fufs über der Erde, auf einer
Menge von langen Wurzeln ruhen, die schnurgerade in
schräger Richtung nach dem Boden herabgehen und dabei
”) $. Cook’s zweite Reise, II. p. 309 u. s. w.
206
so rund sind, als wären sie gedrechselt, und so elastisch
wie gespannte Bogensehnen. Die Cocosnufs, die Yams-
wurzel, die Arumwurzel, der Pisang und das Zuekerrohr
sind die gewöhnlichen Nahrungsmittel, welche durch die
Cultur gezogen werden, doch bei der geringen Fruchtbar-
keit jenes Bodens, müssen sich die Menschen zuweilen mit
den gerösteten Baumrinden begnügen, zu welchem Zwecke
z. B. die Rinde von Hibiscus tiliaceus benutzt wird. Die
prachtvolle Melaleuca Leucodendrum aus der Gruppe der
Proteenform kommt hier in grofser Menge vor, so dafs
die Rinde dieses Baumes zur inneren Bekleidung der Wände
der Indianerhütten gebraucht wird. Noch eine prachtvolle
Myrtenform, eine Eugenia nämlich, wächst auf Neu-Cale-
donien und wird selbst in Alleen gepflanzt, neben denen
des Pisangs, zwischen welchen die Yams-, Arum- und
Zuckerrohr-Felder gelegen sind.
Die westindischen Inseln scheinen sehr reich an Farrn
und Orchideen zu sein, dafs man sie als eine eigene Pro-
vinz der amerikanischen Flora dargestellt hat. *)
Leider müssen wir bedauern, dafs bis jetzt nur wenige
einzelne Punkte dieser Zone der alten Welt auf solche
Weise beschrieben sind, dafs man daraus die Physiogno-
mie der Vegetation erkennen könnte.
3) Die subtropische Zone,
Die subtropische Zone erstreckt sich, auf beiden He-
misphären, von den Grenzen der heifsen Zone, also von
den Wendekreisen an, bis zu 34° der Breite. Sie umfafst
eine Ländermasse, deren Bewohner sich des glücklichsten
Clima’s zu erfreuen haben; die mittlere Temperatur dieser
Zone ist 17 bis 21° Cels., doch kommt ihr eine Sommer-
wärme von 23 bis 28° Cels. zu, wodurch es möglich wird,
dafs eine Menge von tropischen Früchten und viele ein-
jährige Pflanzen daselbst gedeihen, welche eigentlich der
Aequatorial-Zone angehörig sind. Dabei sind auch die
*) S. Schouw I. c. p. 516.
207
Winter so milde, dafs die Menschen der festen Gebäude
als Schutzmittel gegen die Rauhheit des Clima’s noch we-
nig bedürfen.
Wir werden sogleich sehen, dafs die subtropische Zone
der nördlichen Hemisphäre weit weniger bekannt ist, als
die der südlichen Hemisphäre, und dafs die eigentbümliche
Configuration der Ländermassen dieser südlichen Halbku-
gel besonders vortheilhaft ist, um vergleichende 'Unter-
suchungen in Hinsicht der Flora dieser subtropischen Zone
anzustellen.
Für die subtropische Zone der nördlichen Hemisphäre
haben wir zuerst eine genauere Kenntnifs der Vegetation
auf den Canarischen Inseln, durch Herrn Leop. v. Buch *)
erhalten. In diesem ausgezeichneten Werke findet sich
nicht nur eine, gewifs sehr vollständige Flora der Canari-
schen Inseln, sondern man findet daselbst die einheimischen
und eingeführten Pflanzen sehr genau bezeichnet, ihr Auf-
treten in verschiedenen Regionen und ihre Gemeinschaft
mit den Floren der zunächst gelegenen Continente genau
angegeben, so wie auch treffliche allgemein pflanzengeo-
graphische Schilderungen darin enthalten sind.
Auch hier, in der subtropischen Zone, zeigt die Ve-
getation, durch alle Jahreszeiten hindurch, ein immergrünes
Kleid, ähnlich den Wäldern in den feuchten Gegenden der
heifsen Zone. Der grofsen Sonnenhitze wegen treten
hier, in der Ebene, sowohl Palmen als Bananen auf, ja in
Aegypten wird die Banane noch in den Gärten bis zum
34sten Grade der Breite gezogen, wärend die Cucifera
thebaica, jene merkwürdige Doom-Palme mit verästeltem
Stamme, nur bis zum 30sten Grade hinaufgeht. #*) Die
Dattelpalme ist dem ganzen westlichen Theile der subtro-
pischen Zone der alten Welt angehörig, auf den Canari-
*) Physicalische Beschreibung der Canarischen Inseln. Berlin
1825. 4to.
N) S. N. Bove Relation abregee d’un Voyage botanique en Egypte
dans les trois Arabies, en Palestine et en Syrie. — Ann. d. sciens.
nat. 1834. Tom. 1.
208
schen Inseln beginnend; doch in Indien, z. B. zwischen
Delhi und Saharumpore *), treten als Stellvertreter Phoenix
sylvestris und Phoenix humilis auf. In Nord- Amerika
aber, bei Neu-Orleans z. B., erscheint die Chamaerops
Palmetto in sumpfigen Ebenen auf ausgedehnten Flächen
gesellig wachsend und zuweilen eine Höhe von 6 Klaftern
erreichend.
Als höchst eigenthümlich treten in dieser subtropischen
Zone, worin die Canarischen Inseln liegen, eine Menge
von Saftpflanzen auf, welche den Gattungen Sempervivum,
Aizoon, Cotyledon, Urassula, Mesembryanthemum, Por-
tulaca u. Ss. w. angehören, ja die Gattung Sempervivum hat
hier baumartige Species aufzuweisen, welche einen ganz
fremdartigen Charakter zeigen, wie das Sempervivum ar-
boreum auf der Insel Madera. Am eigenthümlichsten sind
aber die baumartigen Euphörbien, welche hier mit ihren
prismatischen saftreichen Stämmen die Cacten der neuen
Welt nachahmen. Die Euphorbia balsamifera, deren Milch
so unschädlich ünd süfs ist, dafs sie von den Bewohnern
zu Gallerte verdickt wird, um sie gelegentlich zu geniefsen,
ist ein sehr merkwürdiger Baum, welchen Herr v. Buch **)
sehr ausführlich beschrieben hat. „Der Stamm erhebt sich
zuerst, wenn auch 'sehr gekrümmt, ohne Aeste; dann aber
vertheilen sich eine grofse Menge Zweige umher, die sich
wieder in unzählbare kleinere zerspalten. Nirgends sind
Blätter zu sehen, aufser am äufsersten Ende der Zweige,
wo sie umherstehen. Sie sind kurz, lanzetiförmig und
schmal, grau und an den Spitzen mit einem kleinen Stachel
besetzt. Die Blätter, welche unmittelbar die Blume tra-
gen, sind etwas breiter, eiförmig, blasser, etwas fleischig,
und fallen nach der Blüthe ab u. s. w.“ Indessen noch
mehr, sagt Herr v. Buch, gehört der Cordon (die Euphor-
bia canariensis, deren Lebenssaft scharf wie derjenige der
*) Royle Illustrations of the Botany and other Branches of the
natural History of the Himalayan Mountains and of the Flora of
Cashmere. London 1833. Fasc. 1.
ep. 145.
Ye 209
‘übrigen Euphorbien ist) zu den abenteuerlichsten Formen
der Natur. Seine dunkelgrünen Zweige erheben sich, völ-
lig blattlos, alle zugleich aus einer gemeinschaftlichen
Wurzel, biegen sich im Halbzirkel über den Boden hin,
und steigen dann, in verschiedener Entfernung vom An-
fange, senkrecht hinauf, so dafs sie dem Baume das An-
sehen eines ungeheuren Kronleuchters, mit einer Menge
aufgesteckter und angezündeter Lichter geben. Die einzel-
nen Aeste haben wohl einen halben Fufs im Umfange und
sind Prismen von 4, oder gewöhnlicher, von 5 Seiten.
Ihre Kanten sind, der ganzen Länge nach, mit zwei kurzen
Stacheln besetzt. Am Ende dieser dicken, eckigen, flei-
schigen Aeste brechen die scharlachrothen Blüthen hervor,
die -in der Ferne einer glühenden Kohle ähnlich sind.
Höher hinauf zertheilen sich ältere Aeste, und bilden wie-
der abgesonderte kleinere Kronleuchter auf den gröfseren.
Oder der Baum steht an dem Abhange eines Felsens, an
welchem die Aeste in den wunderbarsten Curven herab-
fallen und sich senkrecht wieder erheben. Oder er wächst
auf einer ebenen Fläche, und die Aeste, von Alter und
Schwere ganz zu Boden gedrückt, erheben sich erst in
einer grofsen Entfernung vom Mittelpunkt wieder, wodurch
der sonderbare Anblick eines kleinen Waldes von leben-
digen Öseitigen Prismen entsteht. Es ist hier nichts, was
uns eine sonst gewöhnliche Form eines Busches oder eines
Baumes zurückrufen könnte, selbst die Blumen auf der
Spitze nicht, denn auch noch in der Nähe möchte man sie
für Knöpfe halten, mit welchen diese abenteuerlichen
Aeste besetzt sind.“ Bei allen diesen Eigenthümlichkeiten,
welche die Flora der Canarischen Inseln aufzuweisen hat,
kann man in ihr einige Aehnlichkeit mit der Vegetation
des südlichsten Afrika’s, welches in eben derselben Zone
der südlichen Hemisphäre liegt, nicht verkennen; die Menge
von saftigen Pflanzen, welche daselbst auftreten, sind schon
etwas mehr als blofse Repräsentanten der Flora jener
ähnlichen Zone. "Auffallend aber möchte es sein, dafs die
Flora der Canarischen Inseln so äufserst wenige tropische
14
210
>
Pflanzen-Formen aufzuweisen hat, und es wäre defshalb
um so wichtiger, die Flora des anliegenden festen Afrika’s
zu kennen; ob sich hier nämlich eben dieselben Verhält-
nisse zeigen. Aufser der Palmen- und Bananen-Form
sind nur noch die Dracaenen, die Gattungen Pancratium,
Saeccharum, Rottboellia und wenige andere zu nennen, welche
in der heifsen Zone ihr Maximum erreichen und auch nur
selten über dieselben hinausgehen. Von der grofsen Gat-
tung der Feigen, erscheint nur Ficus Carica und auch diese
ist daselbst eingeführt. In der subtropischen Zone Aegyp-
tens dagegen erscheint schon der Ficus Sycomorus, ein
Baum mit äufserst kräftiger Vegetation, dessen Stamm die
Dicke von 9—12 Fufs im Durchmesser erreicht und 50
bis 60 Fufs hoch wird. Durch seine starke Verästelung
und durch das schöne stets ausdauernde au: giebt dieser
Baum einen angenehmen Schatten.
Ebenso wie die Flora der Canarischen Inseln und die
von Madeira nur wenige Formen der tropischen Vegeta-
tion aufzuweisen haben, ebenso verhält es sich mit der
Vegetation der westlichen Theile des Himalaya - Gebirges;
2. B. in der Umgegend von Delhi (im 28sten Grade der
Breite und S00 Fufs hoch gelegen). Auch hier herrscht
im Sommer eine tropische Hitze, welche fast alle Früchte
der Aequatorial-Zone zur Reife bringt, wärend die Tem-
peratur daselbst zur Winterzeit so niedrig ist, dafs sie
öfter alte Bäume jener bekannten edeln tropischen Früchte
tödtet. \WVärend der Sommerzeit, hier zur Zeit der Regen,
bauet man in der Gegend von Delhi den Reis, Indigo,
Baumwolle, Mays, Holcus Sorghum, einige Arten von Pani-
cum, Paspalum, Eleusine; Phaseolus und Dolichos - Arten
unter den Hülsenfrüchten, kürbisartige Gewächse, das Se-
samum, Solanum-Arten mit efsbaren Früchten, Ingwer,
Turmerie, Crotalaria juncea und Hibiscus cannabinus zur
Bereitung von Kleidern. Wie ganz anders erscheinen da-
gegen die bewohnteren Gegenden jenes Landes zur Win-
terzeit, wenn die Gräser der nördlicheren Gegenden gebauet
werden, als Weitzen, Gerste, Hafer, Hirse, Bohnen,
211
Wicken, Senf, Coriander, Carroten, Taback, Flachs, Saf-
flor u. s. w. *)
Indessen nicht nur die Vegetation des ceultivirten Bo-
dens, sondern, wie es schon vorauszusehen war, auch die
Vegetation in ihrem wilden Zustande zeigt, in den ver-
schiedenen Jahreszeiten, diesen verschiedenen Charakter;
im Sommer nämlich ähnelt sie der Vegetation wärmerer
Zonen. Im Winter hingegen treten lauter alte, bekannte
Gattungen aus unserem kälteren Theile der temperirten
Zone auf. Dann findet man hier die Gattungen Potentilla,
Campanula, Arenaria, Spergula, Lithospermum, Tradescan-
tia und Poa; ja folgende Pflanzen, als: Malva rotundifolia,
Veronica hederifolia, Fumaria Vaillantii, Anagallis caerulea,
Sonchus oleraceus, Antirrhinum Orontium, Silene conoidea,
Saponaria vaccaria, Avena fatua, Lolium temulentum, Ver-
bena officinalis u. s. w., sind mit den, bei uns. vorkom-
menden identisch, jedoch sind sicherlich mehrere von ihnen
mit der Einführung unserer Getreidearten dorthin ein-
geschleppt.
Auch die Wasserpflanzen dieser Gegend und die,
welche in der Nähe der Gewässer stehen, haben meisten-
theils einen nördlicheren Charakter, denn man findet da-
selbst unsere Gattungen: Herpestes (monniera), Gratiola
(G. juncea), Marsilea (M. quadrifolia), Sagittaria, Butomus,
Polygonum, Rumex, Trapa (T. bispinosa), Nymphaea, Utri-
cularia, Potamogeton, Lemna und Vallisneria, ja sogar
Ranuneulus sceleratus und Ranunculus aquatilis. Die tro-
pischen Gattungen unter diesen Wasserpflanzen jener Ge-
gend sind dagegen Hydrolea zeylanica, Sphenoclea zeyla-
nica, Limnophila gratioloides, Coix, Leersia, Pontederia,
Nelumbium speciosum, Euryale ferox und Damasonium
indicum.
Die vorzüglichsten Pflanzen, welche in der Sommer-
zeit mit einem südlicheren Charakter die Umgegend von
Delhi schmücken, sind: Dalbergia Sisso, Acacia Serissa,
7) S, Royle I. c. p: 10.
14 *
212
A. arabica und A. Farnesiana, Cedrela Toona und verschie-
dene Arten der Gattungen Melia, Ficus, Morus, Trophis,
Bauhinia, Cordia, Gmelina, die schon früher aus der Baum-
Vegetation genannten zwei Arten von Phoenix u. s. w. *)
Bei allen den genannten Pflanzen erkennt man die
Entfernung von dem Aequator; von dem Uebermaafse der
tropischen Formen ist hier keine Spur mehr zu finden,
aber ein so schönes Land, dessen Clima die Vortheile der
heifseren und der temperirten Zone erlaubt, wird in dem
Besitze einer thätigen Nation sehr bald der Sammelplatz
aller hauptsächlichsten Cultur -Pflanzen der verschiedenen
Zonen werden, und schon jetzt herrscht daselbst eine
solche Mannigfaltigkeit von schönen Früchten aller heifsen
und temperirten Länder, dafs schwerlich ein anderes Land
sich dessen rühmen kann.
Erst auf den östlichsten Abhängen des Himalaya - Ge-
birges, in den subtropischen Gegenden von China und in
dem südlichsten Japan treten einige wichtige Pflanzen-For-
men hinzu, wodurch die Vegetation einen anderen Cha-
rakter annimmt. Die baumartigen Gräser gehen hier, in-
der Nähe des Meeres, weit nach Norden hinauf, ja auch
die Scitamineen, die Musaceen, Cycadeen und die Palmen
gehen hier in weit gröfserer Anzahl nördlicher hinauf, als
dieses in den westlichen Gegenden des alten Continentes
der Fall ist; vorzüglich aber sind es die Gattungen Camel-
lia, Thea, Aucuba, welche mit den schönen grofsen, dun-
kelgrünen und glänzenden Blättern in so grofser Anzahl
auftreten, dafs sie zu den charakteristischen Formen der
Vegetation von China und Japan:gehören, was auch um
so mehr der Fall ist, da mehrere dieser Gesträuche zu
*) Unter den Gesträuchen und Kräutern nenne ich noch fol-
gende Gattungen und Arten: Zizyphus, Capparis, Carissa, Vitex Ne-
gundo, Buddleia Neemda, Guilandina Bonduc, Cassia, Hedysarum,
Justicia, Barleria, Cucurbitaceae, Euphorbiaceae, Sida, Cissampelos,
Vallaris pergulana, Plumbago zeylanica, Cardiospersum Halicacabum,
Boerhavia, Aneclema, Aloe, Gloriosa superba, Costus Nepalensis
u. s. w. Siehe ‚Royle I. c. p. 8.
213
den gröfsten Culturzweigen des Ackerbaues jener Länder
gehören. Die Camellia Sasanqua Thunb, ist der Oliven-
baum der chinesischen Völker, die hohen Ufer des Tiger-
flusses sah ich damit bepflanzt, wie bei uns die Weinberge
am Rhein. Den Thee haben wir schon früher genannt;
die Olea fragrans wird wegen des Wohlgeruchs ihrer
Blüthchen gezogen, u. s. w. Dem Habitus nach gehören
diese Gesträuche zur Myrten-Form, welche bekanntlich in
der subtropischen Zone der südlichen Hemisphäre, unter
eben demselben Meridiane so vorherrschend ist.
Von der subtropischen Zone des nördlichen Amerika’s
ist uns, was den Charakter der Vegetation anbetrıfit, nur
weniges bekannt, doch scheint derselbe von dem in der
alten Welt sehr verschieden zu sein. Bekannt sind die
prachtvollen immergrünenden Bäume und Sträucher, welche
mit grofsen, glänzenden und tief dunkelgrün gefärbten
Blättern auftreten und zuweilen bewunderungswürdig grofse
und wohlriechende Blüthen aufzuweisen haben. Die herr-
lichen Magnolien (M. grandiflora, M. glauca) sind jetzt
weltberühmt, Calycanthus floridus, Kalmia hirsuta, K. cu-
neata, Halesia tetraptera, H. diptera, Laurus Catesbeyana,
L. carolinensis, Diospyrus virginica, Olea americana, lex
vomitoria, Pinus- und Quercus-Arten bilden hier, zwischen
30 und 36 Grad der Breite, die charakteristische Vegeta-
tion. Unabsehbar sind die Cypressen- Wälder (Cupressus
disticha) am Unter-Missisipi, deren Bäume mit dem tro-
pischen Schmarotzer-Gewächse (Tillandsia usneoides) be-
deckt sind, welches schon in Mexico unter ähnlichen Ver-
hältnissen, nur in: gröfseren Höhen erscheint. Seltener
sind die Laubhölzer in diesen Gegenden und die Fächer-
palme tritt mehr oder weniger mächtig auf, oft, wo ein
sumpfiger Boden ihre Verbreitung befördert, in sehr aus-
sedehnten Gesellschaften, Salix nigra, Populus deltoides,
Diospyrus virginica fassen die Ufer des Missisipi ein, wenn
man denselben oberhalb New-Orleans beschifft, und die
immergrünenden Gesträuche, als Laurus Sassafras L., My-
rica carolinensis W., so wie die undurchdringlichen Wälder
214
der hohen baumartigen Gräser, aus Miegia macrosperma P.
und Ludolphia missisippensis W. bestehend, welche, den
Bambusen verwandt, eine Höhe von 36—42 Fufs errei-
chen; aber schon im 34sten Grade der Breite niedriger
auftreten. In den sumpfigen Gegenden neben den Missi-
sipi-Ufern erscheinen Rubus-Arten in Menge, und als
Schlingpflanzen zeigen sich Vitis riparia und Ampelopsis
bipinnata. Diese ausführlichen Angaben verdanken wir,
fast ganz allein, dem gelehrten Reiseberichte, den Herzog
Paul Wilhelm von Württemberg *) dem Publikum mitge-
theilt hat. An der Mündung des Ohio in den Missisipi
werden die Ufer mit prachtvollen Pyramiden - Pappeln
(Populus deltoides) und mit Salix nigra bedeckt, und ne-
ben den Ufern des Unter-Missisipi finden sich neben den
schon vorher genannten prachtvollen Cypressen - Wäldern
und den schönen Magnolien noch Juglans Pacan, J. rubra,
Laurus borbonia, Acer Negundo und jene undurchdring-
lichen Gebüsche der Miegia macrosperma, welche von
30° 40° bis 32° 2° nördlicher Breite in Höhen von 36
bis 40 auftritt *®).
Wir haben im Vorhergehenden gesehen, dafs die
Flora der nördlichen subtropischen Zone gleichsam eine
doppelte Physiognomie aufzuweisen hat, je nachdem die
Vegetation des Sommers, oder die des Winters in höch-
ster Entwickelung steht. Bei dieser Gelegenheit haben
wir die grofse Menge von nordischen Pflanzen kennen
gelernt, welche in der subtropischen Zone zur Winterzeit
gleichsam vorherrschen; etwas Aehnliches finden wir auch
in der subtropischen Zone der südlichen Hemisphäre,
denn die grofse Menge von europäischen Pflanzen, welche
Herr R. Brown ***) für Australien und Europa gemein-
*) Erste Reise nach dem nördlichen Amerika in den Jahren
1822 bis 1824. Stuttgart und Tübingen 1835. pag. 82 — 117.
”*) S. die Mittheilung in Alexander von Humboldt’s Naturge-
mälde p, 87.
*"") Allgemeine geographische und systematische Bemerkungen
über die Flora Australiens, — In R. Brown vermischten Schriften,
I. p. 131 etc.
——.—————
215
schaftlich angiebt, möchte ich nur durch das Winter-Clima
jenes Landes erklären, welches dem unseres Sommers im
nördlichen Deutschland ähnlich ist. Durch die eigenthüm-
liche Gestalt der Erde auf der südlichen Hemisphäre ge-
hören bekanntlich der gröfste Theil von Australien, die
südliche Spitze von Afrika und eine schmale Zone von
Südamerika zu der subtropischen Zone, und es ist sehr
bemerkenswerth, dafs erstlich die Floren dieser einzelnen
Ländermassen nicht nur mit den entsprechenden Floren
der nördlichen Hemisphäre wenig Aehnlichkeit zeigen,
sondern sogar unter sich ganz und gar verschieden sind,
Ja gegenseitig Contraste darbieten, welche in der ganzen
nördlichen Hemisphäre unbekannt sind. Wir haben schon
früher (pag. 159) bei der Schilderung der Myrten-, Pro-
teen-, Epacriden- und Ericen-Form darauf aufmerksam
gemacht, dafs diese Pflanzen- Formen in der Flora von
Neu-Holland die Hauptrollen spielen, und verweisen defs-
halb auf jene Stellen. Die Wälder Neu-Hollands bestehen
aus blattlosen Mimosen-Formen, aus Casuarinen, Euca-
lypten, Banksien und Callitris- Arten, Melaleucen, Olax-
und Xanthorrhoea - Arten, wie aus Exocarpen, alles Bäume
von so verschiedenartiger Form und von ausgezeichneter
Schönheit, dafs der Anblick jener Landschaften gewifs sehr
verschieden von den unsrigen ist. Die Ufer der Meeres-
buchten jenes Landes werden von Eucalyptus resinifera
und E. amygdalina, von Angophora, Leptospermum und
Metrosideros- Arten, so wie noch von einigen anderen Bäu-
men von riesiger Gröfse und Breiten - Ausdehnung gebildet.
Zamia spiralis, Mimosa Sophora, M. saligna, M. nigricans,
Haemodorum teretifolium, Drosera pedata, Marsdenia sua-
veolens, Stackhousia monogyna, Samolus littoralis, Hibber-
tıa volubilis, H. diffusa, Juncus vaginatus, Lycopodium
uliginosum u. v. A. wachsen in der Nähe und im Schatten
jener Stämme *). Weiter nach dem Innern jenes Conti-
*) S. Gaudichaud, Freycinet Voyage autour du Monde. Part.
botanique. Paris 4826. p. 115 ete.
216
nentes werden die Eucalypten, die Casuarinen, Mimosen
und Banksien immer gröfser, die Melaleucen treten in
grofser Arten-Zahl auf, und Loranthus und Viscum zei-
gen sich auf den Bäumen, an deren Aesten und Stämmen
die schönen Billardiera, Chorysema und Kennadya-Arten
hinauf klettern. An den niedrigen feuchten Orten wach-
sen Dianella, Caesia, Anthropodium minus, fimbriatum et
paniculatum, Stylidium graminifolium, lineare u. v. A.; an
solchen dagegen, welche öfters überschwemmt sind, er-
scheinen Lobelia fluviatilis, L. inundata und L. purpurascens,
Dichondra repens, Epilobium, Lepidosperma gladiata und
L. lateralis. An den Ufern der Flüsse, wie der übrigen
Gewässer kommen fast lauter europäische Pflanzen -Gat-
tungen vor, wie zZ. B. Alisma, Triglochin, Actinocarpus,
Najas, Lemna, Cyperus, Scirpus, Schoenus, Carex, Myrio-
phyllum, Mentha u. s. w. Auch die Azollen treten hier
neben der Lemna auf. Auf den ausgedehnten Ebenen von
Bathurst und Macquarie hat Herr Gaudichaud *) eine
grofse Menge von Pflanzen gefunden, welche daselbst mit
den Flören von Frankreich übereinstimmten und dem
Lande das Ansehen jener kalten temperirten Zone Euro-
pa’s mittheilten. Bei Sydney hat man unsere schönen
Garten-Früchte; Aprikosen, Aepfel, Birnen, Wasser-Me-
lonen u. s. w. gedeihen daselbst ganz vorzüglich. - Der
Weinstock, welcher daselbst in sehr grofsen Massen an-
gebauet wird, gedeihet ganz vortrefilich, und der dortige
Wein kommt schon seit einigen Jahren auf den Markt
von London, wenngleich seine Güte noch nicht besonders
sein soll. Im Innern von Neu-Holland findet sich das
Polygonum junceum, als gesellig wachsende Pflanze, über
srofse Länderstrecken ausgedehnt, und auch das Känguru-
Gras (Anthistiria australis) soll in grofsen Massen daselbst
vorkommen und neben Mesembryanthemum aequilaterale
die in Neu-Holland vielleicht am weitesten verbreitete
Pflanze sein **),
yulne.p. 449.
"%) $S. R. Brown, Journal of the royal geographical Society of
London. 48330 — 1831. 8. pag. 19.
217
Wie so ganz verschieden von Neu-Holland’s Flora
ist der Charakter der Vegetation auf der südlichen Spitze
von Afrika. In der Umgegend der Cap-Colonie bis zu
den Karroofeldern herrschen die vier Gattungen Protea,
Erica, Diosma und Restio so entschieden, dafs sie den
sanzen Charakter der Vegetation darstellen, und dieser
wird um so auffallender, weil jene Pflanzenformen, die
wir schon früher pag. 159 näher betrachtet haben, so sehr
- eigenthümlich sind. Aufserdem herrschen hier die Synge-
nesisten durch grofse Artenzahl, nämlich die Gattungen:
Gnaphalium, Elichrysum, Eriocephalus, Calendula, Othonna,
Aretotis, Corymbium, Senecio u. S. w., so wie die schö-
nen Gattungen Virgilia, Aspalathus, Polygala, Lobelia, In-
digofera, Agathosma, Philica und die prachtvollen Gladio-
lus- Morea-, und Ixia-Arten. In Herrn Lichtenstein’s
Reisebeschreibung über das südliche Afrika *) findet man
die genauen Schilderungen des Charakters der Vegetation
jener Gegenden. Neben der Form der Ericen, heifst es
daselbst **), und den Proteen sind dem südlichen Afrika
die Geschlechter Gnaphalium und Elichrysum gröfsten-
theils ausschliefslich eigen. Daneben Galenia africana,
Halleria lucida und Halleria elliptica. Die Gebirge von
/wellerdam, wo die Ericen schon aufhören, enthalten
Blaeriae und die Gattungen Struthiola, Passerina, Phylica,
Podaliria (P. buxifolia, myrtillifolia, vulgata), Polygala
(P. oppositifolia), Aspalathus, Liparia, Rafnia und Cleoma.
Folgende sind die Gewächse, welche nach Herrn Lich-
tenstein’s Beschreibung die Wälder in jener subtropischen
Zone Afrika’s bilden. Grofse Ausdehnung an Masse ein-
zelner Individuen fehlt hier, dagegen herrscht eine aufser-
ordentlich grofse Verschiedenheit in der Arten-Zahl. Auch
von der Höhe der Waldbäume Neu -Holland’s ist hier
nichts zu finden. Die Bäume bestehen in: Diosma- Arten,
Barosma serrulifolia, Cluytia pulchella, tomentosa und
—
*) Berlin 1811. 2 Bände 8.
>) 11.202
218
gnidioides, Agathosma serpyllaceum, linifolium, Antheri-
cum, Bulbine, Adenandra uniflora, villosa, Diosma pectina-
tum, obtusatum, Myrsine africana, - Cliffortia juniperina,
Laurophyllus capensis, Ekebergia capensis, Podocarpus
elongatus. Als niederes Gebüsch in diesen Wäldern er-
scheinen, Royenen, Bryonien, Cluytien, Cynanchum obtu-
sifolium, welches hier die Aeste der Bäume umschlingt;
ferner Galium glabrum, unserem Galium Aparine ähnlich,
Plectranthus fruticosus, Hebenstreitia dentata, Ornitogalum
parviflorum, Crassula sylvatica u. Ss. w.
Inden Gebirgsströmen des südlichen Afrika’s beobach-
tete Herr Lichtenstein den Acorus Palmita in so unge-
heuerer Menge auftretend, dafs er den Strom des Was-
sers zuweilen aufhält; also auch hier eine sehr gesellig
wachsende Pflanze. Im Allgemeinen kann man sagen,
dafs die Flora des südlichsten Afrika’s, bei der bewunde-
rungswürdigen Mannigfaltigkeit, stets sehr beschränkte
Bezirke für die einzelnen Arten und Gattungen hat. Nach
Burchells #) Angabe verschwinden die 4 charakteristischen
Familien der Cap-Flora, nämlich Erica, Diosma, Protea
und Restio, schon in der Breite der Karroo-Pässe, dem-
nach haben diese so äufserst artenreiche Gattungen nur
einen sehr kleinen Verbreitungs -Bezirk.
Auffallend ist es, dafs dem südlichen Afrika wahr-
scheinlich alle Palmen fehlen, nur Herr Schouw **) giebt
die Phoenix reclinata, als der Cap-Colonie zugehörig an.
Auch für Neu-Holland giebt Herr R. Brown nur eine
Palmen-Art an, welche aufserhalb der Wendekreise vor-
kommt und daselbst sogar bis 34° Breite hinabsteigt. Auf
Neu-Seeland ist bekanntlich noch unter 38° Breite eine
Areca-Art gefunden worden. Als Stellvertreter der Palmen
im südlichsten Afrika sind die Cycadeen anzusehen, welche
früher unter der Gattung Zamia aufgeführt wurden, jetzt
aber, als verschieden von den Zamien Südamerika’s, die
*) $. dessen Reise p. 146.
*%) Grundzüge einer Pflanzengeographie p. 312.
219
Gattung Encephalartos *) bilden. Diese dicken, unförm-
lichen, markreichen Stämme, welche diese Zamien Afrika’s
bilden, haben eine höchst eigenthümliche Physiognomie,
und indem sie die wüsten, an Vegetation sehr armen, Ta-
felländer des südlichen Afrika’s beleben, wo Straufse und
Gazellen ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben, üben sie
den gröfsten Eindruck auf den Charakter der dortigen
Vegetation aus. Ich verweise auf die Ansichten dieser
sonderbaren Gewächse, welche Herr Lehmann zu der ge-
nannten Abhandlung mitgetheilt hat.
Die Zamien von Neu -Holland scheinen mit denen
des südlichen Afrika’s zu einer nnd derselben Gattung zu
gehören und vielleicht finden sich später auch einzelne
Arten, welche diesen beiden Ländern gemeinschaftlich an-
gehören. Ueberhaupt, so höchst eigenthümlich und von
einander verschieden die Physiognomie der Vegetation in
diesen beiden Ländern ist, so fehlt es doch auch nicht
an Formen, welche beiden gemeinschaftlich angehören,
und noch mehr kommen ihnen Gattungen zu, welche sich
gegenseitig gleichsam vertreten. Die Restiaceen und Pro-
teaceen gehören ihnen gemeinschaftlich an. Herr Burchell
fand sogar den Metrosideros angustifolia in der Cap-Co-
lonie am Rodezard- Passe. |
So ganz verschieden von der Flora des südlichsten
Afrika’s und von derjenigen Neu-Holland’s ist die Flora der
subtropischen Zone Südamerika’s, und ihre Aehnlichkeit,
welche sie nach einigen Autoren aufzuweisen hat, besteht
nur in dem Auftreten einiger wenigen Arten und Gattun-
gen, welche diesen drei Ländermassen gemeinschaftlich
angehören; im Uebrigen ähnelt die Physiognomie der Ve-
getation dieser Länder weit mehr der Flora des südlichen
Europa’s, mit Ausschlufs derjenigen Gattungen und Familien,
welche bekanntlich diesen amerikanischen Ländern ganz
ausschliefslich eigen sind. Nach Herrn Schouw’s Berech-
— 2
*) Lehmann, Ueber die Cycadeen des südlichen Afrika. Allg.
Gartenzeitung. Berlin 1834, N. 11.
220
nung *) kommen von 109 Gattungen, welche Buenos-
Ayres angehören, 70 derselben in Europa vor, und 85
davon kommen in der nördlichen temperirten Zone vor.
Obgleich die Nachrichten über die Vegetation des ausge-
dehnten Chile’s noch vor einem Jahrzehn sehr unvollkom-
men waren, so hat dennoch Herr Schouw schon damals,
sowohl dem chilenischen Reiche, als dem Gebiete von
Buenos-Ayres und der Einfassung des Rio de la Plata
eigenthümliche, pflanzengeographische Reiche zuertheilt.
Glaubend, dafs dieses Land auf der westlichen und auf der
östlichen Seite der langen Cordillere ganz verschieden-
artige Vegetation besitze, hat Herr Schouw der subtropi-
schen Zone Südamerika’s diese zwei Reiche zuertheilt,
und das Land östlich der Cordillere als das der baumar-
tigen Syngenesisten bezeichnet. Gegenwärtig, nachdem
wir schon viel genauere Einsicht in die Floren dieser bei-
den Ländermassen besitzen, liefse sich die Trennung die-
ser beiden Reiche nicht mehr durchführen. In Südamerika
ist bekanntlich die östliche Küste mit einem wärmeren
Clima als die westliche begabt, und dieses hat allerdings
zur Folge, dafs die Vegetation auf beiden Seiten, mit ein-
ander verglichen, bei entsprechenden Breiten, mehr üppig
und tropischer auf der Ostküste, als in Chile ist. Das
ganze Land östlich der Cordillere ist niedrig, ja selbst bei
Mendoza erreicht es noch nicht die Höhe von 2500 Fufs **),
daher mufs man die Physiognomie der Vegetation dieses
Landes auch nur mit derjenigen der niedrigsten Region
von Chile vergleichen; hiebei wird man aber finden, dafs
diese sehr übereinstimmend sind. Diese hohen holzigen
Sträucher der Syngenesisten, welche in dem Gebiete von
Buenos -Ayres so zahlreich sind, sind es auch in Chile;
die wenigen Calceolarien, welche in der untersten Region
der chilenischen Vegetation vorkommen, sind wohl die
charakteristischen Formen, welche dem östlichen Reiche
*) 1. c. p. 430.
”) $. Meyen’s Reise um die Erde 1. p. 330.
221
fehlen; die gröfste Anzahl dieser schönen Gattung gehört
aber höheren Regionen an, welche östlich der Cordillere
nicht mehr vorkommen.
Die Myrten bilden die charakteristische Form der
Baumvegetation in dem subtropischen Chile, doch merk-
würdig genug herrscht hier ‘in Chile eine baum- und
strauchartige Vegetation, welche ganz allgemein sehr feste,
dicke, lederartige und glänzende Blätter aufzuweisen hat.
Die grofse Menge der strauchartigen Syngenesisten, wel-
che, ‚oft mit den herrlichsten Blüthen geschmückt, die
Flora von Chile charakterisiren, zeigt allgemein derglei-
chen steife, glänzende Blätter, wodurch sich dieselben von
den strauchärtigen Syngenesisten des südlichen Afrika’s
auffallend unterscheiden. Aufserdem sind jene fast ganz
allgemein reich an harzigen, oft sogar wohlriechenden Säf-
ten, was denen des Cap’s ebenfalls abgeht. Am Cap der
guten Hoffnung sind es vorzüglich die Gattungen: Gna-
phalium, Xeranthemum, Arctotis, Othonna, Osteosperinum,
Calendula u. s. w.; in der subtropischen Zone Amerika’s
dagegen sind es die Gattungen Baccharis, Eupatorium,
Proustia und die merkwürdigen sich meistens rankenden
Mutisien. Ganz in der Nähe der Küstengegenden über-
zieht die Mutisia ilicifolia Cav. hohe Sträucher und Bäume,
und wetteifert in der Blüthenpracht mit den danebenste-
henden Syngenesisten, als mit den herrlichen Blüthenbü-
scheln der Proustia pungens und Proustia pyrifolia. Ue-
berall wachsen dazwischen die Myrten und Fuchsien, wel-
che fast das ganze Jahr hindurch mit herrlichen Blüthen
bedeckt sind, und von dem Boden erheben sich die schö-
nen Calceolarien, Oxalideen und die prachtvolle pyra-
midale Lobelia Tupa. Die strauch- und baumartigen
Psoralea- und Cestrum- Arten treten in grofser Menge
auf, und sind mit grofsen Massen von Cuscuten überzo-
gen, welche sich hier, wie die ganze Vegetation überhaupt,
viel grofsartiger zeigen. Andere Sträucher dagegen, vor-
züglich die dürre Acacia Caven, werden durch die ran-
kenden Loasen und durch den Eceremocarpus scaber auf
222
das prachtvollste geschmückt, denn die goldrothen‘ Blu-
men des Letzteren, schon an und für sich so ausgezeich-
net schön, contrastiren ganz aufserordentlich gegen _die
hellgelben Loasen. Die Gattungen Salpiglossis und Ma-
lesherbia, besonders eigenthümlich. dem chilenischen Rei-
che, stehen daneben. Vor Allen aber ist die Cactus-Form
zu nennen, welche hier in der ganzen subtropischen Zone
erscheint, von der Küsten - Gegend an, bis hinein in die
zweite Region. Es ist hauptsächlich die Cereen-Form,
welche noch tiefer nach Süden hinabsteigt, wärend die
der Melocacten wahrscheinlich nicht über 32° südlicher
Breite hinausgeht. Schon früher habe ich auf das Ei-
genthümliche aufmerksam gemacht, welches die Cereen
Chile’s, oft mit dem blattlosen scharlachrothen Loranthus
aphyllus bedeckt, in der Physiognomie der chilenischen
Vegetation darstellen. Auch das Charakteristische der
prächtigen, hohen und baumartigen Gräser dieser Zone
habe ich schon früher, bei der Schilderung dieser Pflan-
zenform (pag. 129), ausführlich erörtert, und kann darauf
hin verweisen. Die chilenische Flora der subtropischen
Zone würde sich sicherlich noch viel üppiger zeigen, wenn
nicht die Ebene, oder die unterste Pflanzen-Region so
arm an Wasser wäre, und nicht noch so viele andere
Hindernisse der grofsartigen Ausbreitung der dortigen Ve-
getation im Wege ständen. Ueberdies ist die niedere Ge-
gend dieses Landes äufserst beschränkt, und dann mei-
stens mit Sand und anderem wasserlosen und unfrucht-
baren Boden bedeckt, doch, wenigstens vom 31sten Grade
an, erheben sich mehrere Längen-Plateaus, welche terras-
senförmig über einander liegen, und hier ist schon gröfse-
rer Reichthum an Wasser und an Vegetation; das zweite
dieser Plateaus, die Llanura de Mapocho, oder das Thal
von Santiago, erreicht erst die Höhe von 1600 Fufs über
die Fläche des Meeres, daher die daselbst vorkommende
Vegetation noch der untersten Region angehört. Hier er-
scheint die Acacia Caven und die Prosopis Siliquastrum
in waldartigen Ausdehnungen, und die harzigen Sträucher,
223
den Syngenesisten und den Labiaten fast ausschliefslich an-
gehörend, bedecken in dicken Massen die unabsehbare
Ebene, deren Boden zur nassen Jahreszeit mit Tausenden
und Tausenden prachtvoller Liliengewächse geschmückt ist.
Wenn aber endlich die Feuchtigkeit von der Erde ver-
schwunden ist, wenn wärend des Sommers monatelang
die Hitze der Sonnenstrahlen auf diesen Boden gewirkt
hat, dann ist alle Pracht desselben verschwunden; keine
Spur von jener herrlichen Lilien-Flor ist dann zu sehen,
und selbst die Sträucher stehen wie abgestorben da, ihre
Blätter liegen am Fufse des Stammes und bilden daselbst
kleine Haufen, nur in den Blattknospen erkennt man noch
das Leben dieser Gewächse, welches in den- Sommer-
schlaf verfallen ist.
4) Die wärmere temperirte Zone.
Die wärmere temperirte Zone, nach der Eintheilung,
welche ich hier durchzuführen suche, umschliefst die Län-
der des wärmeren Theiles der temperirten Zone, nach
Abzug der subtropischen Zone, welche man wegen der
üppigeren mehr tropischen Vegetation trennen mufs. Diese
wärmere temperirte Zone umfafst den Landstrich von 34
bis 45° Breite; in Europa die südeuropäische Flora ein-
schliefsend, bis zu den Pyrenäen, den Gebirgen des südli-
chen Frankreichs und den Gebirgen des nördlichen Grie-
chenlands. Klein-Asien, der Boden zwischen dem schwar-
zen und dem Caspischen Meere, das nördliche China und
Japan liegen in dieser Zone, deren mittlere Temperatur
im Durchschnitte zwischen 12 und 17° Cels. ist. - Aller-
dings giebt es in südlichern Gegenden dieser Zone ver-
schiedene Oerter, wo noch immer ein subtropisches Clima
herrscht, wie denn überhaupt der Lauf der Isothermen, be-
sonders in dieser Zone, unregelmäfsig zu werden beginnt,
Palermo mit 17,5° Cels. mittlerer Temperatur *) und Ca-
*) S. Philippi’s Mittheilungen, Ueber die Vegetation am Actna. —
Linnaea 1832. pag. 733.
224
tanıa sogar mit 20° Cels. mittlerer Temperatur, geniefsen
die Vortheile eines Seeklima’s und haben, gerade durch
die angenehme Temperatur zur Winterzeit, eine so hohe
mittlere Temperatur, dafs sie dadurch auch ganz die Vor-
tkeile der subtropischen Zone geniefsen. So wie Catania
gegen Norden durch den Aetna geschützt ist, und dadurch
ein weit wärmeres Clima als Palermo geniefst, so verhält
es sich auch mit der Insel Majorka, welche im Norden
durch eine Gebirgskette beschützt ist, wodurch daselbst
die Cultur der Oranjen und der Baumwolle möglich wird.
In der Ebene Majorka’s vegetiren der Johannisbrod= und
der Oelbaum in üppigster Pracht; letzterer steigt bis zu
14500 Fufs- hinauf. Hierauf bildet Pinus halepensis die
Masse der Waldung bis zu 2100 Fufs, und die Eiche reicht
sogar bis zu 2400 Fufs hinauf. Clematis cirrhosa und
Hypericum balearicum bilden auf einer Höhe, über 3000
Fufs hinaus, das Gesträuch. Die Zwergpalme bedeckt die
Küsten und niederen Gebirge; unter ihren breiten Blättern
birgt sie die Gattungen Cyclamen, Polygala, Ononis, An-
thyllis*#). In den reichen Ebenen von Palma und Mana-
cor werden Getreide und Hülsenfrüchte, Mandeln und Fei- °
gen gebauet; die Dattelpalme ragt über die Dächer hin-
aus, wärend Cactus Opuntia die Gärten umzingelt. Die
Weinreben bedecken die Abhänge der Gebirge, und selbst
die Cheremoya (Anona cherimolia) wird daselbst culti-
virt. Auf Minorka dagegen verschwindet. der Oel- und
Johannisbrodbaum fast gänzlich, da die Schutzwehr gegen
Norden fehlt. |
Im Allgemeinen, sagt Herr Cambessedes, herrscht an”
den Küsten des Mittelmeeres eine grofse Uebereinstimmung
‘der Vegetation, gleichwie des Klima’s und des Bodens.
Fast allenthalben erscheint derselbe Jurakalk, bald in nack-
ten Hügelreihen, bald mit wilden ‘Oelbäumen, Aleppo-
*) S. J. Cambessedes Enumerat. plant. quas in insulis beleari-
bus collegit, earumque circa mare mediterraneum distributio geogra-
phiea. — Mem, dn Museum Vol. XIV. p. 173— 339. 1827.
225
Fichten, Eichen, Pistacien, Myrten und zahlreichen Cisti-
neen bepflanzt. Nur an der südlichen Küste, also in der
subtropischen Zone, erscheint die Dattelpalme, wärend die
Zwergpalme nördlich in Spanien und Neapel verbreitet
ist. Pinus halepensis bewohnt die sandigen Steppen und
Gestade des Meeres, mit Eichen und Oliven abwechselnd,
denen sich an felstgen Küsten Myrten, Pistacien und an-
dere immergrüne Bäume zugesellen. Die ganze Flora
dieser wärmeren temperirten Zone hat überhaupt eine an-
dere Physiognomie als diejenige des nördlichen Europa’s.
Eine grofse Menge von Bäumen und Sträuchern tritt im
südlichen Europa mit steifen, glänzenden Blättern auf,
welche das ganze Jahr hindurch grün bleiben; viele Kräu-
ter und Sträucher sind mit zahlreichen Stacheln und Dor-
nen besetzt. Die-Flora des südlichen Europa hat über
300 holzartige Gewächse aufzuweisen, welche gröfstentheils
ihre Blätter den Winter hindurch behalten *).
Zwar haben die Bäume ebenfalls kleine unansehnli-
che Blüthen wie bei uns, aber die Sträucher treten mit
srofsen, prachtvollen Blumen auf, und wohlriechende Oele
und Harze erzeugen sich in ihren Organen. Noch im
Süden von Spanien vegetiren mehrere der schönen tropi-
schen Gewächse mit gröfster Ueppigkeit. Erythrina co-
rallodendron, Schinus Molle, Phytolacca dioica und die
Banane sind häufig am Guadalquivir. Alle Oranjen wach-
sen hier wie in ihrer Heimath **). Zuckerrohr, Kaffee, In-
digo und andere berühmte Colonial-Waaren können hier
eultivirt werden, doch wie es scheint, so sind die Bewoh-
”) S. Willdenow Allg. Bemerkungen über den Unterschied der
Vegetation auf der nördlichen und südlichen Halbkugel, 1. c. p. 201,
und Mirbel’s Untersuchungen über die irdische Verbreitung der
phanerogamischen Gewächse in der alten WVelt vom Aequator bis
zum. Nordpol. Mem. du Museum T. 14. p.'350—477. Uebersetzt ın
den Literaturblättern der Botanik. Nürnb. 1828. p. 1 etc.
**) Anm. Die Apfelsine kommt nach Herrn Link’s Beobach-
tungen nicht über 40 Grad nördlicher Breite hinaus; die Citrone
kann mehr Kälte vertragen als die Pommeranze, diese aber noch
weniger als die Apfelsine.
15
226
ner jenes Landes zu faul dazu. Der prachtvolle Ladan-
strauch (Cistus ladaniferus L.) findet sich nur im südli-
chen Spanien und Portugal, wo er die ausgedehnten Wal-
dungen bildet, und kommt weder in Italien noch in Grie-
chenland vor.
Bekanntlich hat Herr Schouw *) die Flora des süd-
lichsten Europa’s mit der subtropischen des nördlichen
Afrika’s, mit dem Reiche der Labiaten und Caryo-
phyllaceen bezeichnet, weil diese ganze Ländermasse
vorzüglich durch die grofse Menge der Labiaten und Ca-
ryophyllaceen charakterisirt werden soll. Herr Mirbel
giebt dagegen an, dafs die Compositae und Leguminosen
den gröfsten Theil der Flora des Mittelmeeres ausmachen,
nämlich ein Viertel der Arten, und dann sollen die. Cru-
ciferen, die Gramineen, Labiaten, Caryophyllen und Um-
bellaten folgen.
Schon diese beiden so verschiedenen Angaben zweier
so ausgezeichneter Gelehrter möchte es beweisen, dafs in
dieser ganzen Uebergangs- Flora keineswegs einzelne Fa-
milien vorhanden sind, welche so bedeutend vorherrschen,
dafs man die Flora des Landes danach benennen könnte,
Ich möchte überhaupt glauben, dafs nur die charakteristi-
schen Formen der vorherrschenden Familien es sind, wel-
che die Physignomie der Natur am besten bestimmen. Aus
den Caryophyllen und den kleinen Labiaten, mögen sie in
noch so grofsen Massen auftreten, wird man sich schwer-
lich das Bild darstellen können, welches eine südeuropäi-
sche Landschaft darbietet. Die Wiesen unseres Nordens
werden hier seltener; immer grünende Laubhölzer mit
glänzenden Blättern treten in Menge auf, Sträucher mit
herrlichen Blumen, wie die Cisteen, und eine grofse An-
zahl von Lilien-artigen Gewächsen erscheinen daneben.
Die grofse Familie der Ericen, die Laurinen und Myrten,
treten hier mit ihren schönen Repräsentanten zuerst auf,
nämlich Erica arborea, Laurus nobilis und Myrtus com-
*) Grundzüge p. 512.
227
munis; schöne Eichen (Quercus Cerris z. B.) Iex, Suber,
Castanea, Prunus Laurocerasus, Punica Granatum, Vibur-
num Tinus, Arbutus Unedo, Arbutus Andrachne (geht
westlich nur bis Griechenland), Ruscus aculeatus, Phylli-
reen, Rosmarinus, Nerium, Ephedra distachya und noch
viele andere Sträucher und Bäume erscheinen hier mit ih-
rem glänzenden und immergrünen Laube.
Diese wärmere temperirte Zone ist das Vaterland
des Weinstockes; Herr Parrot *) fand denselben in den
Wäldern von Mingreli und Imereti gleichsam als die Kö-
niginn der Waldbäume. Der Rebstock erreicht dort die
Dicke von 3 bis 6 Zoll im Durchmesser und steigt bis
in die Spitzen der höchsten Bäume, diese ganz umschlin-
gend und sie mit einander verbindend. Bei Gelegenheit
der Betrachtung der Cultur des Weinstockes werde ich
diesen Gegenstand viel ausführlicher betrachten, und kann
defshalb darauf verweisen.
Wir haben allerdings die Aequatorial - Grenze der
wärmeren temperirten Zone bei 34° Breite festgestellt,
indessen bemerke ich für den westlichen 'Theil der alten
Welt noch ganz besonders, dafs die Flora des nördlich-
sten Afrika noch ganz dieselbe Physiognomie wie die des
südlichsten Europa hat; erst mit dem Atlas tritt eine sol-
che Veränderung daselbst ein, dafs der Charakter der Ve-
getation ein anderer wird.
Nur Weniges können wir über den Charakter der
Vegetation dieser Zone in den östlichen Ländern der al-
ten Welt sagen; ein grofser Theil dieser Ländermassen
erhebt sich weit über die unterste Pflanzen-Region der
Gebirge, und ein noch gröfserer Theil derselben möchte
durch die Jahrtausende, seitdem daselbst Cultur der Men-
schen geherrscht hat, gänzlich verändert worden sein. Die
Feigen, Oranjen, Granaten und alle unsere Getreide- Ar-
ten gedeihen daselbst in gröfster Fülle. Besonders auf-
fallend möchte die Flora von Japan erscheinen, welche in
”) Reise zum Ararat p- 247.
15 *
228
dem südlichen Theile, der zur subtropischen Zone gehört,
die ausgezeichnetesten tropischen Gewächse hervorbringt,
wärend die nördlichere Flora dieses Landes eine aufser-
ordentlich grofse Menge von Gewächsen enthält, die un-
. serer nördlichen temperirten Zone angehören, wozu Thun-
berg’s bekannte Flora japonica die Beweise liefert.
Zu den Nahrungspflanzen Japan’s gehören hauptsäch-
lich: Triticum sativum und hybernum, Avena sativa, Eleu-
sine coracana, Panicum verticillatum, Holcus Sorghum,
Trapa natans, Beta vulgaris, Daucus Carota, Oryza sativa,
Convolvulus- und Dioscoreen - Arten, Polygonum Fago-
pyrum, Castanea vesca, Punica Granatum, unsere euro-
päischen Obstarten, Nymphaea Nelumbo, Arum esculen-
tum, Cycas revoluta, Sesamum orientale, Oranjen, Melo-
den -u.:8.:w.,*)
Wie sich die Vegetation dieser Zone in Nordamerika
darstellt, können wir aus Mangel an Nachrichten nicht
mittheilen; nach der Betrachtung der über diese Länder
erschienenen Pflanzenverzeichnisse hat Herr Schouw hie-
selbst, nach dem Vorherrschen der Familie der Aster- und
Solidago- Arten, das Reich dieser genannten Gewächse be-
gründet. Als Charaktere dieses Reiches giebt Herr Schouw
noch viele Eichen und Fichten, Mangel an Cruciaten und
Umbellaten, Cichoraceen und Cynarocephalen, so wie Man-
gel an Heiden und Ueberflufs an Vaccinien an. In dem
südlichsten Theile der Nordamerikanischen Freistaaten,
welche der subtropischen Zone angehören, hat Herr Schouw
das Reich der Magnolien aufgestellt, hier offenbar nur °
durch die auffallende Physiognomie der schönen breitblätt-
rigen Bäume mit grofsen prächtigen Blüthen geleitet, wä-
rend er in anderen Fällen jene pflanzengeographischen Rei-
che auf die, durch Anzahl vorherrschenden Pflanzen- Arten
gründete. Doch sowohl einige Magnolien, wie der Tul-
penbaum und auch eine Menge von herrlichen Gewächsen
der Mimosen-Form ragen in die wärmere temperirte Zone
*) $. Thunberg, Flora japonica p. XXXIY. cte.
229
jenes Erdtheiles hinein, es sind Formen, welche dem süd-
lichen Europa ziemlich ganz fremd sind.
Auch hier hat uns die so eben erschienene Reisebe-
schreibung des Herzogs Paul Wilhelm von Württemberg
eine fühlbare Lücke ausgefüllt. Ueber die subtropische
Zone hinaus werden ebenfalls in Nordamerika, ganz so
wie in der entsprechenden Zone der alten Welt, die dor-
nigen Gesträuche häufig; Smilax China, S. hastata und
S. Walteri Pr. vertreten hier den Smilax mauritanica, und
die riesenhaften Rohre, welche wir im Vorhergehenden
.(p. 214) angeführt haben, reichen bis in die wärmere
temperirte Zone, entsprechend dem Arundo im südlichen
Europa. Die Gleditschia erscheint am Ohio mit ranken-
den Bignonien ganz überzogen, und auch hier sind die
immergrünenden Wälder, welche so bestimmt den Charak-
ter der Vegetation des südlichen Europa’s bestimmen. Die
Kastanien erscheinen, und grofse Wälder von Eichen, Nufs-
bäumen, Buchen und Eschen, und der Plantanus occiden-
talis mit blafsgrünem Laube, herrlich von den danebenste-
henden dunkeln Gewächsen abstechend, tritt mit unge-
heuerem Umfange auf.
In den Wäldern von Missuri, oberhalb St. Louis, kom-
men dornige Rosen vor, welche bis in die Wipfel der ho-
hen Bäume steigen und dort mit zahllosen hellrothen Blü-
then prangen *).
Die wärmere temperirte Zone der südlichen Hemi-
sphäre umschliefst Neu-Seeland, Van-Diemens-Land, das
südliche Chile und das südliche Buenos-Ayres bis nach
Patagonien hin.
Die Vegetation von Neu-Seeland war noch in ihrer
jungfräulichen Schönheit, als dieses Land auf Cook’s Welt-
umsegelungen besucht wurde; sie zeigte sich hier in einer
Ueppigkeit, wie dieselben in,den entsprechenden Ländern
der nördlichen Hemisphäre, welche schon seit Jahrtausen-
*) Paul Wilhelm, Herzog von Würtiemberg: Erste Reise nach
dem nördl. Amerika. p. 120 — 204.
230
den im Culturzustande stehen, nicht zu finden ist. Die
hohen und starken Bäume in den Wäldern von Neu -See-
land sind mit Schlingpflanzen, von unten an bis hoch in
die Krone hinein überzogen, und wollte man die Stämme
ihrer Blumen wegen fällen, so blieben sie zwischen den
Kronen der anderen Bäume hängen, wenn auch ihre Wur-
zel-Enden abgehauen wären. Ueberall herrscht auf Neu-
Seeland die üppigste Vegetation, Schlingpflanzen und
strauchartige Farrn, welche überhaupt ein feuchtes Olima
lieben, in gröfster Menge; ja eine Menge der ausgezeich-
netesten Formen echt tropischer Pflanzen -Familien dienen
allein zum Beweise, dafs Neu-Seeland ein Clima geniefst,
welches mit demjenigen des südlichen Europa überein-
stimmend ist. Die beiden Forster haben auf Neu-Seeland
eine Menge von Wurzeln und Sämereien ausgelegt, wel-
che daselbst im Winter ausdauerten und von denen sie
sagen *), dafs dieselben bei uns, in der kälteren temperir-
ten Zone, nicht ausgedauert hätten. Ja man fand auf
Neu- Seeland, noch weit unter 41° südlicher Breite, eine
Kohl-Palme (Areca oleracea) **).
Der prachtvolle Baum, die Dracaena australis mit
breiten Blättern, die so ähnlich einer Palme ist, vertritt
hier die Pandanen-Form, und das Phormium tenax, der
Neu-Seeländische Flachs, die Ananas -Form. Auch an
Repräsentanten der Mimosen -Form (Sophora mierophylla),
an Myrtaceen und Proteaceen und an anderen Pflanzen-
formen fehlt es hier nicht, welche einige Aehnlichkeit
zwischen der Flora von Neu-Seeland mit derjenigen von
Neu-Holland und mit dem südlichen Afrika, wie mit dem
südlichen Amerika hervorrufen, wie dieses die Gattungen
Protea, Restio, Epacris, Melaleuca, Oxalis, Passerina, Gna-
phalium, Mesembryanthemum, Tetragonia, Wintera, Wein-
mannia u. s. w. beweisen. Ein Reichthum an Bäumen
mit dunkelem immergrünenden Laube scheint in der Flora
r) S. Cook’s zweite WVeltumsegelung. Bd. 1. p. 372.
"NS. Forster |l. c. IV. p: 354.
231
Neu-Seeland’s zu herrschen, aber auch die Laubhölzer
mit zarten grünen Blättern treten hier auf, wie in unsern
Buchen- und Eichen- Wäldern, denn häufig schildern die
beiden Forster den angenehmen Contrast, welchen diese
beiden neben einander stehenden Formen der Laubhölzer
gewähren.
Allgemein bekannt ist es seit jener Forsterschen Reise,
dafs mehrere Farrnkräuter von baumartigem Wuchse den
Bewohnern von Neu-Seeland zur Nahrung dienen, und
zwar, wie es von Buch zu Buch geht, sollen es die Wur-
zeln dieser Pflanze seyn, deren Mark gegessen wird. Die-
ses ist aber keineswegs der Fall, sondern es ist das saft-
reiche Amylum-haltige Mark, welches sich ähnlich dem
Marke der Cycadeen verhält, und einen Sago-artigen Stoff
liefert, welcher als Brod im gerösteten Zustande gegessen
wird. Ja Forster *) erzählt es selbst sehr ausführlich,
indem er sagt, dafs das Efsbare jener Pflanzen in einer
weichen pulpösen Masse bestehe, welche im Innern des
Holzes ist und das Herz des Stammes bilde. Ich selbst
habe auf den Sandwichs-Inseln sehr häufig gesehen, dafs
die Kanacas das Mark der strauchartigen Farrn gegessen
haben, und es ist auch sehr nahrhaft und dabei mei-
stens süfslich.
Besonders bemerkenswerth ist es, dafs in der Flora
von Neu-Seeland ein hoher Baum von prachtvoller Pan-
danen-Form, mit breiten glänzenden -Blättern erscheint,
nämlich Dracaena australis.
Die Flora von Van-Diemens-Land ist noch, so weit
dieselbe bekannt ist, mit derjenigen der subtropischen
Zone Neu-Hollands sehr ähnlich, doch scheint es, als wenn
hier die Myrten-Form, vorzüglich aber dıe Eucalypten
vorherrschend werden, und die Acacien mehr verschwinden.
Die Flora des südlicheren Chile’s ist ganz und gar
verschieden von derjenigen von Neu-Holland und von
Van-Diemens-Land, welche zum Theil mit in diese wär-
)A.scHEip: 384.
232
mere temperirte Zone hineinragen, indessen, in physiogno-
mischer Hinsicht, besitzen wir nur geringe Bruchstücke,
um uns ein Bild von der Vegetation des südlicheren Chile’s
zu machen. Auf Neu-Seeland geht die Areca oleracea
selbst bis über 41° Breite hinaus, doch die chilenische
Palme kommt, selbst bei 36° Breite nicht mehr wildwach-
send vor, aber baumartige Gräser, ‚den Bambusen der
Aequatorial-Zone verwandt, treten auch hier noch, in gro-
fsen Massen, gesellschaftlich wachsend auf, wie es auch
von Neu-Seeland berichtet wird. In der Umgegend von
Talcahuano herrschen die immergrünen Wälder, wie in der
entsprechenden Zone des südlichen Europa’s; nur zwei
bis drei Bäume entlauben sich daselbst zur Winterzeit. *)
Die Lapageria mit ihren grofsen immergrünenden und glän-
zenden dunkeln Blättern und den lilienähnlichen hochrothen
Blumen, bildet daselbst eine prachtvolle Schlingpflanze.
Fuchsien, Arbuten, Weinmannien, Coriarien und Myrten
bilden das Gesträuch und niedere Waldungen, an welche
sich die hohen Stämme der Nutzhölzer anschliefsen, die
hauptsächlich zu den Gattungen Fagus, Persea, Laurelia
u. s. w. gehören, und schon in der Breite von Concepcion
nicht selten mit Moosen bedeckt sind. Ueberhaupt ent-
wickelt sich in dieser, mehr wasserreichen Zone Chile’s
eine aufserordentlich üppige Vegetation, so dafs die Wäl-
der dieses Landes die ganze Westküste Südamerika’s mit
Holz und Kohlen versehen können.
5) Die kältere temperirte Zone.
Der kältere Theil der temperirten Zone umfafst einen
Gürtel, welcher von 45° Breite beginnt und bei 58° endet.
In Europa beginnt diese Zone an der nördlichen Grenze
der wärmeren temperirten Zone, nämlich auf der nördli-
chen Seite der Gebirgsketten des südlicheren Europa’s; in
Asien umfafst sie den Kaukasus, einen grofsen Theil des
*) S. Pöppig, Reise in Chile, Peru u.s. w. Leipzig 1835. I. pag.
317 u. s. w. -
233
Ural, den Altai, Daurien und verläuft bis zur Küste des
stillen Meeres, wo eine viel niedere Wärme herrscht, als
in den entsprechenden Breiten auf der östlichen Seite die-
ses Continents, daher denn auch die Vegetation auf dieser
Ostküste, im Verhältnisse zur Westküste, weit mehr einen
nördlicheren Charakter zeigt, so dafs die Flora von Kam-
schatka, welches zum gröfsten Theile noch in dieser Zone
liegt, schon den Charakter der subarktischen Zone zeigt.
Die mittlere Temperatur dieser Zone steht zwischen
6 bis 12° Cels. England, das nördliche Frankreich und
Deutschland werden uns, da wir hier am besten bekannt
sind, die Vegetation dieser Zone der nördlichen Hemisphäre
charakterisiren.
Nach den in dieser Zone, im Vergleiche zu anderen
Zonen, verhältnifsmäfsig vorherrschenden Umbelliferen und
Cruciaten, hat Herr Schouw diesen Ländergürtel der alten
Welt als das Reich der Umbellaten und Cruciaten ®) be-
zeichnet, indem er dabei alle Länder bis zur Polargrenze
einschliefst. Was ich schon bei der vorhergehenden Zone
(pag. 226) bemerkt habe, gilt auch hier; meine Eintheilung
der Pflanzendecke beruht auf den Totaleindruck, welchen
die Physiognomie der verschiedenen Zonen auf uns zu
machen im Stande ist; hiezu tragen aber die kleinen kraut-
artigen Gewächse nur Weniges bei, sondern die Formen
der Bäume und Sträucher, so wie die gehörige Vertheilung
dieser verschiedenen Pflanzen-Gruppen. Die Laubhölzer
‘sind es, welche, in Verbindung mit den Nadelhölzern, die
charakteristischen Wälder dieser Zone bilden, ja die Polar-
‚grenze dieser Zone möchte auch, im westlichen Theile von
Europa, durchschnittlich die Polargrenze der Buche (Fagus
sylvatica) sein, so wie auch der Anbau des Weitzens von
Bedeutung nur selten über den 58sten Grad nördlicher
Breite hinausgeht.
Wollen wir das Charakteristische der Vegetation der
kälteren temperirten Zone auffassen, so müssen wir uns
98. Gründzüge u. s. w. pag. 50.
234
die, dahin gehörigen Länder vor Allem in ihren Zustand
vor mehreren Jahrhunderten zurückdenken, in jene Zeit
nämlich, wo die menschliche Gesellschaft noch weniger
zerstörend auf ihren natürlichen Zustand eingewirkt hatte,
denn unser südliches Deutschland z. B. hatte damals, als
die Römer in dasselbe eindrangen, ein ganz anderes Ansehen.
Wer von uns das nördliche und das Südliche Europa
vergleichend betrachtet hat, dem wird die Verschiedenheit
der Vegetation, jenseits der Alpen und Pyrenäen von der-
jenigen im nördlichen Frankreich und Deutschland schon
bei dem ersten Blicke aufgefallen sein; diese Verschieden-
heit begründet sich aber auf die Verschiedenheit der Baum-
vegetation und auf die Vertheilung dieser Baummassen zu
der Vegetation der Felder und Wiesen. Wenn auch, wie
Herr Schouw nachgewiesen hat, im nördlichen Europa die
Umbellaten und die Cruciaten verhältnifsmäfsig vorherr-
schend sind, und im südlichen Europa die Labiaten, die
Caryophylleen oder auch, nach Herrn Mirbel, die Syngene-
sisten das verhältnifsmäfsige Maximum an Arten zeigen,
so werden diese Pflanzen doch keineswegs das Charakte-
ristische darstellen können, wodurch wir eben die italieni-
sche Landschaft von der unsrigen zu unterscheiden im
Stande sind. Ja Herr Schouw hat dieses ebenfalls aner-
kannt und die Bezeichung des Reiches der Umbellaten und
Cruciferen von demjenigen der Labiaten und Caryophylleen
des südlichen Europa’s, für nicht so bestimmt geschieden
erklärt, als dieses von seinen andern pflanzengeographi-
schen Reichen der Fall ist. Mehr als die Hälfte der Arten
dieser Zone Europa’s erscheint auch im südlichen Europa,
und es sind nur äufserst wenige Gattungen jener vorherr-
schenden Familien, welche dem südlichen Europa eigen-
thümlich sind. Einige Familien sind zahlreicher im nörd-
lichen, einige im südlichen Europa, jedoch sind alle Unter-
schiede, welche sich hierauf gründen, nur sehr gering.
Das häufige Auftreten unserer herrlichen Wiesen, die.
grofsen Heiden, bedeckt mit Erica vulgaris, neben der sich
der Wachholder (Juniperus communis L.), das Ledum pa-
235
lustre, Andromeda polifolia und hie und da einige kleine
Weiden erheben, und die grofsen Wälder von Laubhölzern,
mit zarten, hellgrünen Blättern, neben den Massen der
gesellig stehenden Kiefer, das ıst das Hauptsächlichste in
der Pflanzenvertheilung unserer Zone im Grofsen. Die
Wälder unserer Laubhölzer verlieren im Winter ihre grüne
Decke, nur die Mistel (Viscum album L.) grünt alsdann
hie und da in den schattenlosen Kronen; Erde und Bäume
bedecken sich zu dieser Zeit mit Schnee und nur das dun-
kele Grün der Nadelhölzer zeigt alsdann, dafs die Vege-
tation noch nicht erstorben ist. Aber im Frühlinge, bei
dem Wiedererwachen unserer nordischen Vegetation, ent-
wickelt die Natur einen Reiz, welcher selbst der heifsen
Zone abgeht; diese hellgrüne, frische Belaubung unserer
schönen Laubhölzer, wie sie im Monate Mai erscheint,
möchte in keiner andern Zone wiederzufinden sein. Unsere
Wälder sind arm gegen die üppige Vegetation der heifsen
Gegenden; statt glänzender Tillandsien, wie sie in der
Aequatorial-Zone erscheinen, werden die Rinden nnserer
Waldbäume mit Usneen, Ramalinen und anderen Laub-
flechten und Moosen bezogen. Statt der Lianen der Tro-
pen schlingt sich in unseren Laubwäldern die Lonicera
Periclymenum auf die Kronen der niederen Bäume hinauf,
und nur der Epheu (Hedera Helix) bekleidet die Stämme,
wo unter tropischem Himmel die duftenden Orchideen, die
glänzenden Aroideen und die zahlreichen Farrnkräuter in
grofsen Massen befestigt sind. Der Hopfen (Humulus Lu-
pulus) ist noch die bedeutendste Schlingpflanze unserer
kälteren temperirten Zone.
Unter den Gesträuchen hat diese Zone einen grofsen
Reichthum aufzuweisen, und die hauptsächlichsten dersel-
ben sind mit grofsen und schönen Blüthen versehen. Unsere
zahlreichen Rosen, unsere Rubus-Arten, unser Schneeball
(Viburnum Opulus) gehören zu den ausgezeichneten Pflan-
zen nördlicher Gegenden.
Gehen wir weiter östlich nach Asien hinein und ver-
gleichen die Vegetation dieser Gegenden mit der unserigen,
236
so finden wir aufserordentlich wenig Verschiedenheit zwi-
schen beiden, abgesehen nämlich von dem Einflusse, wel-
chen das rauhere Clima des Ostens auf die Vegetation der
Gegend ausüben mufs, wodurch natürlich eine, etwas nörd-
lichere V egetation nach südlicheren Breiten hinabgedrückt
wird. Unsere deutsche Vegetation geht fast unverändert
bis zur Wolga, bis hier finden sich Trapa natans, Chara
vulgaris, Salvia pratensis, Thesium linophyllum und Li-
mosella aquatica (an den schlammigen Ufern der Flüsse),
aber jenseits dieses Stromes verschwinden diese Pflanzen
und Cucubalus tataricus tritt dagegen in den Wäldern auf. *)
Die Steppen Asiens, welche sich gleich jenseits der Wolga,
schon bei 50° östlicher Länge zeigen, sind Lokalerschei-
nungen und bieten eine ganz eigenthümliche Vegetation
dar; die Gattungen Anabasis, Halocnemon und Brachylepis
sind nach Herrn Lessing’s Beobachtungen **) den salzhal-
tigen Steppen eigen. Pallas nennt für solchen Boden fol-
sende Pflanzen: Salsola prostrata, Statice tartarica, Gly-
cirrhiza hirsuta, G. laevis und G. echinata, Lathyrus tube-
vosus, Medicago sativa, Vicia sylvatica, Lotus corniculatus,
Serratula arvensis und Inula britannica. Auf dem trocke-
nen Erdreiche wächst Anabasis aphylla, und auch Artemi-
sia Absinthium, Tamarix gallica, Cynanchum acutum, Se-
necio linifolius u. s. w. erscheinen. Der Charakter der
Vegetation auf den sandigen Steppen dieser Gegend wird
nach Lessing durch Gräser mit steifen, zusammengerollten
Blättern, durch Atriplieinae und Chenopodien dargestellt.
Die östliche Grenze unserer Eiche giebt Lessing bei
55° Breite zu 75° östlich an; Pallas fand sie, in Gesell-
schaft von Corylus Avellana noch bei 80° östlicher Länge
in 59° Breite in Gärten gezogen. Gentiana Pneumonanthe,
G. Amarella und G. cruciata wuchsen daselbst. ***) Ein
unendlich reicher Schatz von Beobachtungen, um die Ve-
*) S. Pallas Reise. Band I. pag. 15 u. 168.
*") Linnaca 1834. Heft II.
RIESE LICHTE Ip: 273.
237
getation dieser Gegenden mit der unserigen zu vergleichen,
findet sich in Pallas Reiseberichten, worauf ich ausdrück-
lich verweisen mufs. Das ganze Kamschatka gehört seiner
Lage nach der kälteren temperirten Zone an, aber des
rauhen Clima’s wegen, worauf wir bei der Darstellung der
Isothermen aufmerksam gemacht haben, ist die Flora dieses
Landes die der subarktischen Zone, welches wir später
nachweisen werden. Im Petro- Pauls Hafen, im 52sten
Grade der Breite, erhebt sich zwar nur noch die Birke zu
der Höhe der Bäume, aber nach Langsdorfs Berichten *)
ist die Vegetation an andern Stellen gar nicht so arm.
- Gehen wir aber noch weiter nach Osten, so gelangen
wir nach Sitka, auf der Westküste Amerika’s, unter 57 Grad
nördlicher Breite, und hier finden wir wiederum eine Ve-
getation, welche derjenigen des westlichen Europa’s unter
gleichen Breiten-Graden entspricht. Einen höchst inter-
essanten Bericht über die Vegetation dieser Gegend ver-
danken wir dem, für unsere Wissenschaft zu früh verstor-
benen Mertens. **) An den Küsten jenes Theils des nörd-
lichen stillen Meeres wachsen: Arenaria peploides, Glaux
maritima, einige Carices, Junceus- Arten. Landeinwärts er-
scheinen Veronica serpyllifolia und Veronica Anagallis da-
neben. Potentilla anserina, P. ruthenica und ein schönes
Sisyrinchium sind hier zu Hause. Die Gattungen Plantago,
Triglochin, Dodecatheon, Pedicularis, Elymus,. Bartsia,
Campanula, Angelica, Heracleum, Fritillaria u. s. w. zeigen
hier ganz ähnliche Arten wie bei uns in Europa, aber
Pisum maritimum, Cochlearia danica, Ranunculus acris,
Galium boreale, Geum intermedium, Turritis hirsuta und
T. glabra sind hier, wie in unserem Vaterlande zu Hause.
Die Wälder von Sitka werden aus kolossalen Stämmen von
Tannen (Abies- Arten) gebildet, und Alnus-Arten, Sorbus
und Crataegus erscheinen daneben, wärend Rubus odoratus
*) S. dessen Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. Bd. II.
| pag. 224.
**) S. dessen botanisch- wissenschaftliche Berichte vom October
1827. — Linnaca 1829. p. 43— 73.
#
238
mit weifsen Blumen das Untergehölz bildet. Cornus sue-
eica, Rubus spectabilis, Ribes-Arten, eine hohe Azalea, eine
Calla, Linnaea borealis, Lathraea Stelleri, Cymbidium, Tri-
entalis, eine Salix und das charakteristische Panax horri-
dum sind hier vorzüglich zu nennen. Diese letztere Pflanze
bildet hier eine ausgezeichnete Schlingpflanze, welche den
Wald so sehr verdickt, dafs es schwer ist durchzudringen.
Aber ebenso, wie die Vegetation von Kamschatka,
als auf der Ostküste des Continents gelegen, gegen die-
jenige der Westküste, unter gleichen Breiten, weit zurück-
steht, ebenso steht «die Vegetation von Labrador, auf der
Ostküste von Nordamerika, sehr weit gegen diejenige von
Sitka unter einer und derselben Breite nach.
In der südlichen Hemisphäre haben wir bekanntlich
nur sehr weniges Land, welches in diese kältere tem-
perirte Zone hineinreicht, doch wir sind glücklich, dafs
einige dieser Punkte ziemlich genau durchsucht sind. Zu-
erst betrachten wir die Falklands-Inseln, welche allerdings,
als baumlose Inseln im offenen Meere, höchst abweichende
Erscheinungen von der, dieser Zone eigenthümlichen Ve-
getation darbieten. Doch alle diese Abweichungen sind zu
erklären, theils durch die Eigenthümlichkeiten des dortigen
Küsten-Clima’s, theils durch Unfruchtbarkeit des Bodens
dieser Inseln, welcher vielleicht vor einem Jahrtausend
noch viel bedeutender war. Die Falklands-Inseln liegen
im 52sten und d3sten Grade südlicher Breite, bekanntlich
in sehr geringer Entfernung von der Ostküste Südamerika’s.
Das Clima der Falklands-Inseln ist im Allgemeinen milde;
auf der östlichen Insel (Ost-Falkland) *) fällt die Tem-
peratur im kältesten Winter nie unter — 2,67° R. und
steigt im heifsesten Sommer nie über 19,11° R. Im Durch-
schnitt bewegt sie sich zwischen — 0,89° und 8° R. im
Winter, und zwischen 8° bis 19° R. im Sommer. Hiernach
*) Beschreibung der Ost-Falklands- Insel von Vernet, - Berghaus.
Cabinets-Bibliothek. Berlin 1834. I. p. 158.
239
haben diese Inseln einen viel mildern Winter als wir, in
der nördlichen Hemisphäre; sie kennen jedoch auch nichts
von der angenehmen Hitze, welche unsern Sommermonaten
zukommt, demnach wird die ganze Vegetation, so wie
auch der ganze Cultur-Zustand dieser Inseln ein anderer
sein, wie derjenige, welcher unserem nördlichen Continente
zukommt. Zwar ist das Wetter auf Ost-Falkland unbe-
ständig, allein Regen, Schnee und Hagelfall sind durch-
gängig von kurzer Dauer; der Schnee verschwindet in
wenigen Stunden, aufser auf den Gipfeln der Berge, und
Eis wird selten über 1 Zoll dick gefunden. Im Sommer
wehen daselbst Nordwest-Winde, im Winter dagegen Süd-
west- Winde.
Heutigen Tages eignet sich der Boden auf den Falk-
lands-Inseln sehr gut zum Ackerbau, denn er besteht durch-
gängig aus einer, sechs bis acht Zoll mächtigen Schicht
schwarzer Dammerde. Weitzen und Flachs gedeihen in
gleicher, wenn nicht in besserer Güte, als die Saat, welche
von Buenos-Ayres dahingebracht wurde, und Kartoffeln,
Kohl, Rüben geben vortreffliche Früchte. Bäume wachsen
auf den Falklands-Inseln nicht wild, und mit den Anpflan-
zungen, welche ganz gewifs daselbst gelingen werden, ist
es noch nicht weit gekommen, indem die Obstbäume, wel-
che man von Buenos-Ayres kommen liefs, unterwegs ein-
gegangen waren. |
So wie in unserem Vaterlande, so treten auch hier,
auf den Falklands-Inseln grofse, ausgedehnte Wiesen und
Torfmoore auf, welche der Natur einen Charakter geben,
der ganz demjenigen unserer Gegenden ähnlich ist; nur
die Wälder des Continents fehlen hier, sonst würde die
Aehnlichkeit noch gröfser sein. Wir besitzen eine höchst
schätzenswerthe Beschreibung der Vegetation dieser Inseln
von Herrn Gaudichaud *), welche wir den Entdeckungs-
reisen der Franzosen zu verdanken haben. Mit der gröfs-
ten Einsicht hat dieser ausgezeichnete Reisende die Pflanzen
*) Freycinet Voyage autour du Monde. Part. botan. p. 123 — 143.
240
der Falklands-Inseln zur Benutzung für pflanzengeogra-
phische Zwecke zusammengestellt, so dafs wir ein treues
Bild von der Physiognomie jener fernen Eilande erhalten.
Die Wiesen daselbst werden durch Agrostis magellanica L.,
Agrostis caespitosa, Aira flexuosa gebildet und Avena re-
dolens, A. phleoides, Festuca magellanica, F. erecta, Arundo-,
Carex-, Scirpus- und Juncus-Arten bilden die übrige Masse
der grasförmigen Gewächse daselbst. Die feuchten und
mehr moorartigen Stellen bringen eine Menge von Pflan-
zen hervor, welche ebenfalls den unserigen unter ähnlichen
Verhältnissen ganz ähnlich sind, z. B. Marchantia poly-
morpha, Sphagnum acutifolium, Lysimachia repens, Caltha
appendiculata, Sagina procumbens und S. crassifolia, Cal-
litriche verna, Misandra magellanica und in den zalhreichen
stehenden Gewässern erscheinen: Limosella tenuifolia,
Azolla magellanica, Caltha sagittata, Montia linearifolia,
Myriophyllum elatinoides und M. ternatum u. s. w. Auf
den Abhängen der feuchten Berge erscheint die schöne
Lomaria setigera in gröfster Masse und der sonderbare
Bolax glebaria, welcher dicke, feste grüne Büsche bildet,
oft von 3 Fufs Höhe und 8 bis 10 Fufs Dicke; wie es
scheint, so tritt diese Pflanze unter ganz ähnlicher Form
auf, wie die kleinen, gesellig wachsenden Umbellaten auf
den Höhen der Cordillere von Chile und Peru, wovon wir
schon an verschiedenen Stellen des Buches gesprochen
haben (s. z.B. pag. 102). Die Felsen auf den Höhen der
Berge jener Inseln sind ‚ebenso, wie bei uns, mit einer
grofsen Menge von Flechten besetzt, wovon die meisten
mit den unserigen identisch sind. Wie schon vorhin gesagt
wurde, fehlt es auf den Falklands-Inseln gänzlich an Wäl-
dern, nur Gesträuche, von 4 bis 5 Fufs Höhe, bilden da-
selbst waldartige Ausbreitungen, und auch diese gehören
zu Gattungen, welche unserer nördlichen Zone hauptsäch-
lich. angehören, nämlich zu Rubus, Arbutus, Andromeda
und Empetrum, deren Beeren hier, wie bei uns, meisten-
theils zu den schmackhaftesten Früchten gehören. Herr Ver-
241
net *) erzählt von einer Theepflanze auf Ost- Falkland,
welche dicht an der Erde wächst und Beeren von der
Gröfse einer Erbse trägt, die weifs mit einem rosenrothen
Anstriche gefärbt sind und äufserst gut scelimecken. Das
Holz zur: Feuerung holt man sich mit Leichtigkeit aus der
Magalhaens- Strafse, doch giebt es auf den Falklands-Inseln
Torf, der an vielen Stellen in Ueberflufs, ja sogar trocken
gefunden wird, 'so wie aufserdem einige der Gesträuche
selbst Stämme von der Dicke eines Mannesarm’s erhalten
und zur Feuerung dienen. Drei dieser Gesträuche nennt
Herr .Vernet, setzt jedoch hinzu, dafs sie daselbst keine
Früchte tragen! \
"Aus dem Gesagten wird man die grofse Aehnlichkeit
der: Vegetation der Falklands-Inseln mit derjenigen unse-
rer nördlichen temperirten Zone sehr. leicht erkennen, und
das Fehlen der Baum-Vegetation nur als eine Lokaler-
scheinung ansehen. Welch eine Menge von Pflanzen die-
ser entfernten Inseln sind mit denen unseres Vaterlandes
vollkommen übereinstimmend! Die übrigen Pflanzen ge-
hören :theils dem südlichen ‘ Gontinente von Amerika an,
theils sind sie den alpinischen Pflanzen Chile’s auf das
genaueste verwandt. Die Nassauvien, die Perdicien und die
sonderbaren Mulineen gehören ganz der Alpenregion der
Chilenischen Cordillere an. | |
Herr Dumont d’Urville **) hat in seiner Flora der
Falklands-Inseln 214 Arten in 139 Gattungen aufgeführt,
wovon 94 zu den Cryptogamen und 120 zu den Phanero-
gamen gehören. | |
Interessant möchte es sein, neben dieser Schilderung
der Vegetation der Falklands -Inseln, diejenige des gegen-
überliegenden Continentes kennen zu lernen, welche jedoch
leider nur in einzelnen Bruchstücken bekannt geworden
ist. - Der Mesier-Kanal ist’ der nördlichste Punkt (in 48 bis
Dlie.-p: 459:
*") Flore des Malouines, — Mem. de la Societ@ Linndenne de
Paris. Paris 1826,
16
242
49° südlicher Breite liegend), welchen Herr King *) in
Hinsicht seiner Vegetation etwas näher beschreibt. Auf
beiden Seiten ist die Küste dieser Strafse bergig, aber nicht
sehr hoch, und an vielen Stellen zeigt sich sehr niedriges
und durchgängig dick bewaldetes Land. Die Bäume, heifst-
es in jenem Bericht, sind hier mehr von derselben Art,
wie man sie auf der ganzen Strecke zwischen Cap Tres
Montes und der Magalhaens-Strafse findet, nämlich die
gewöhnlichsten sind: Fagus antaretica, Fagus betuloides,
Winterana aromatica und ein Baum, welcher ganz das An-
sehen einer Oypresse hat. Obgleich die Bäume dieser
Gegend an dem Wurzelende eine sehr bedeutende Dicke
haben, sollen sie doch nicht sehr hoch werden; doch sollen
die Wälder daselbst so dicht sein, dafs kein Sonnenstrahl
hindurchdringen kann. Ueberall auf der Westküste dieser
Gegend ist der Boden der Wälder mit feuchten Moosen
bedeckt.
Die Magalhaens-Strafse zeigt in ihrem ganzen Ver-
laufe, von Osten nach Westen, sowohl in Hinsicht der
Gestalt ihres Bodens, als in Hinsicht der Vegetation sehr
grofse Verschiedenheit. Das Westende, sagt Capit. King, **)
und das Centrum sind von primitivem Charakter, rauh und
sehr gebirgig, wärend der östliche Theil vor neuerer Bil-
dung und niedrig ist. Um die Mitte der Strafse ist das
Gestein Thonschiefer; die Berge werden höher, steiler und
rauher in ihren Umrissen. Ihre mittlere Höhe beträgt 3000
Fufs, einige steigen über 4000 und selbst über 6000 Fufs
hinaus. Die Grenze des ewigen Schnee’s scheint daselbst
3500 bis 4000 Fufs hoch zu sein. Eben so verschieden
ist der Charakter der Vegetation wie die Gestaltung des
Landes, und zwar nicht so sehr wegen der Mannigfaltigkeit
an Pflanzen, als vielmehr ihrer Gestalt. Im westlichsten
Theile der Magalhaens -Strafse ist die Vegetation ganz ver-
*) Einige Bemerkungen über die Geographie des Südens von
Amerika, nämlich des Feuerlandes und der Magalhaens- Strafse. —
In Berghaus Cabinets- Bibliothek, I. Bd. 1834. pag. 134 übersetzt.
*) 1. c. pag. 146.
243
krüppelt, in der Mitte ist dieselbe in gröfster Ueppigkeit
und auf der Ostseite ist gänzlicher Mangel an Baumvege-
tation. Die Bäume auf dem granitischen Boden des west-
lichen Theiles der Strafse sind niedrig und höchstens 9 bis
40 Zoll diek; wegen Mangel an Dammerde ist die Vege-
tation daselbst sehr armseelig.. Ganz anders verhält sich
die üppige Vegetation in der Mitte der Strafse; hier wächst
Fagus betuloides in gröfster Menge, ja Bäume von 3 Fufs
Durchmesser sind sehr häufig und selbst von 4 Fufs nicht
selten, und ein Baum ist daselbst, welcher, noch 17 Fufs '
über der Wurzel, eine Dicke von 7 Fufs hat; er theilt
sich dann in drei Zweige, wovon jeder 3 Fufs dick ist.
Ich betrachte diese immergrüne Buche als den Stellver-
treter unserer Buche in jener südlichen temperirten Zone,
doch so grofsartige Stämme der Art trifft man an unserer
Buche vielleicht niemals. Aufser der genannten Buche,
giebt es nur wenige andere Bäume in der Strafse, welche
als Nutzholz gebraucht werden könnten. Nur zwei andere
Buchen-Arten und die Winterana aromatica sind in dieser
Hinsicht zu nennun. Die letztere Baumart, *). welche eben-
falls immer grün ist, findet sich, mit der ersten vermischt,
in allen Gegenden der Strafse, so dafs Land und Berge von
der Höhe von 2000 Fufs über dem Meere, bis zum Rande
der Hochwasser-Marke mit einem beständigen Grün be-
kleidet sind, was ein höchst merkwürdiges Schauspiel dar-
bietet, besonders da, wo die Glätscher bis zum Meere
herabsteigen. In dieser Gegend beobachtete Capitain King
die Fuchsien- und Veronica - Arten (?), deren Stämme 6—7
Zoll im Durchmesser hatten, und dennoch ist das Land
daselbst, den ganzen Winter hindurch, mit einer mächtigen
Schneelage bedeckt, nämlich vom April bis zum August. **)
*) King 1. c. pag. 149.
*%) Zu Port Famine in der Magalhaens-Stralse, unter 53° 38
südlicher Breite, beobachtete man wärend der WVintermonate die
mittlere Temperatur von 34,5° Fahr. (44° Cels.), das Maximum war
49,5° Fahr., und das Minimum 12,6° Fahr. Die mittlere Tempera-
16. *
244 i
Unsere Kenntnifs der Vegetation von Feuerland und
Staatenland ist noch immer nicht viel weiter, als zur
Zeit der Cookschen Weltumsegelungen. Seit der be-
kannten botanischen Excursion, welche Banks und So-
lander auf der ersten jener denkwürdigen Reisen, an der
Kiste von Feuerland machten, wo mitten im Sommer meh-
rere Menschen durch die Rauhheit des Clima’s 'unterla-
gen, *) ist diese südliche Gegend von Amerika auf das
Aeufserste verschrien, obgleich es auch hier an Waldungen
nicht fehlt, und, wie es scheint, die Vegetation überhaupt
einen Charakter hat, welcher demjenigen der Vegetation
unserer nordischen Gegenden gleicht. Auch hier ist der
Fufs der Berge mit Waldung bedeckt; Sumpfmoore wer-
den von Birken-Gesträuchen bekleidet und die fruchtbaren
Ebenen sind mit herrlichem Rasen geschmückt. Hier sam-
melten Sparrmann und die beiden Forster: Pinguicula al-
pica, Ranunculus lapponicus, Galium Aparine, Statice
Armeria, Dactylis caespitosa, D. glomerata, eine Sangui-
sorba, Fagus antarctica, Winterana aromatica u. s. w. In
Gegenden, welche stark dem Winde ausgesetzt waren, er-
reichten diese letzteren Bäume niemals eine bedeutende
Höhe. Im Inneren dieser Inselmassen ist das Clima keines-
wegs so furchtbar, als wie es Banks und Solander haben
schildern lassen, denn bei jenem Berichte hat man ver-
gessen, dafs sich die Reisenden auf einem hohen Berge,
der Glocke nämlich, bei der Bay des guten Erfolgs be-
fanden, und zwar weit über die Waldregion hinaus.
Die übrigen Inselmassen der südlichen Hemisphäre,
welche dieser Zone angehören, als Süd-Georgien, Kergue-
lensland u. s. w. sind einzeln liegende, höchst unfruchtbare
Inseln, und ihre Vegetation würde uns keinen richtigen Be-
griff von derjenigen machen, welche dieser Zone angehört.
tur des Herbstes war dagegen (nämlich Februar, März und April)
47,2° Fahr. (8,4° Gels.), nämlich 68° Maximum und 28° Minimum.
) 8. Cook’s Reise um die Welt. Berlin 1774. I. p. 45 u. s. w.
245
6) Die subarktische Zone.
"Die subarktische Zone ist weniger ausgedehnt, als die
vorhergehenden und möchte, vielleicht im Innern von Asien,
nicht so bestimmt zu unterscheiden sein, wie dieses wohl
in. Europa der Fall ist. Es erstreckt sich diese Zone von
58° der Breite, bis zu den Polarkreisen hin, nämlich bis
66° 32°. Die mittlere Wärme, welche der Kine im Durch-
schnitt zukommt, beträgt zwischen 4 und 6° Cels., doch,
so wie die Isothermen dieser Gegenden höchst unregelmäfsig
verlaufen, so wird auch dieser Wärmegrad nach den ver-
schiedenen Lokalitäten sehr variiren.
In der nördlichen Hemisphäre ist die subarktische Zone
die Zone der Kiefern und Weiden, und beginnt eigentlich
mit der Polargrenze der Buche. In der südlichen Hemi-
sphäre ragen nur einige unfruchtbare Inselmassen in diese
Zone hinein, wie z/B. Neu-Schottland, welches durch, bis
jetzt noch wenig ergründete Ursachen, ein so rauhes Clima
hat, wie unser Spitzbergen, das in die Polarzone hineinliegt.
In der vorhergehenden Zone bildeten die Fichten,
(Pinus sylvestris) und die prächtigen Laubhölzer, als Eichen
und Buchen die ausgedehntesten Wälder und herrschten
durch ihre Massen vor; in der subarktischen Zone dagegen
finden sich diese Bäume nur noch an der südlichen Grenze,
kaum über 60° Breite hinaus, und auch hier zeigen sie
wenig mehr von der Pracht und Ueppigkeit, welche ihnen
in Deutschlands und Englands dichten Waldungen zukom-
men. Selbst die Fichte (Pinus sylvestris) verschwindet
gänzlich, und auf der westlichen Küste von Norwegen, wo
das entschiedene Küstenclima von Schottland herrscht, da
‚erscheint sie noch, doch im Innern des Landes tritt statt
ihrer die prächtige Tanne auf. Espen, Birken, Ebereschen,
und Wachholdersträucher bilden dann die Baumvegetation
neben den hochstämmigen und dunkelgrün belaubten Tan-
nen. Die Esche (Fraxinus excelsior), die Linde und die
Rüster (Ulmus campestris) gedeihen noch bei Christiania *)
*) $. Lessing, Reise durch Norwegen nach den Loffoden durch
Lappland und Schweden. Berlin 1831.
246
bei einer mittleren Temperatur von 4,96° R. Ja in den
Gärten von Christiania erhält man noch Aepfel, Kirschen,
selbst Birnen und Aprikosen, und sogar der Wein *) hat
mehrere Jahre hinter einander in freier Luft reife Früchte
getragen. Indessen dieses ist keineswegs als Norm für die
Vegetation unter 60° nördlicher Breite anzusehen, sondern
es ist sogar die auffallendste Abweichung, welche sich nur
durch die Eigenthümlichkeit des Clima’s auf der Westküste
des Continents erklären läfst. Weiter östlich, sowohl in
der alten wie in der neuen Welt, wird wohl kein zweiter
Punkt aufzufinden sein, welcher noch solche ausgezeichnete -
Vegetation aufzuweisen hat. Wir besitzen eine ausgezeich-
nete Arbeit über die Vegetations - Verschiedenheit auf der
östlichen und westlichen Seite von Norwegen, wodurch der
Einflufs des Küsten-Clima’s so äufserst augenscheinlich
gemacht wird, und diese Arbeit ist vom dem früh verstor-
benen Botaniker Christian Smith #*), doch ist dieselbe lei-
der nur durch den Auszug bekannt geworden, welchen
Herr L. v. Buch ***) darüber mitgetheilt hat. Es heifst
darin: Dem strengen Winter auf der Ostseite folgt nach
wenigen Wochen ein Sommer mit stets fortdauernden hel-
len und heitern Tagen. Die Sonne eines fast nie aufhö-
renden Tages ruft eine Menge von Blättern und Blumen
hervor, die man in so nördlichen Breiten kaum noch er-
wartet. Jenseits der Berge dagegen verhindert das stets
offene Meer die Strenge des Winters, und die steten Winde,
aus Westen und Süden über das Meer hin, erwärmen die
Küsten. Aber sie bedecken sie auch mit dieken Nebeln
und Wolken, welche den wohlthätigen Einflufs der Sonne
aufhalten und dadurch der Wärme des Sommers wenige
Dauer und wenige Wirkung erlauben.
”) Die Grenzen der wichtigsten Obstsorten auf der scandinavi-
schen Halbinsel sind nach H. Schouw’s Angabe: für Aepfel und
Pflaumen 634° Breite, für Kirschen 63° und für Birnen 62°.
**) Topographisk - statistiske Samlinger, udgivne af Selskabet for
Norges 2den Deels 2det Bind. Christiania 1817.
**) Physikalische Beschreibung der Canarischen Inseln. pag. 38.
.
247
Obgleich die Birke selbst dem strengen sibirischen
Winter widersteht, so erfordert sie doch zu ihrer Wachs-
thums-Periode einen warmen Sommer, und ihre Grenze
rückt defshalb in Norwegen immer mehr nach der Ebene
und nach Süden hinab, jemehr sich die Wärme des Som-
mers vermindert. Mit den Fichtenwäldern auf der West-
küste von Norwegen erscheinen nach Smith die schöne
Digitalis purpurea, Hieracium aurantiacum, Bunium bulbo-
castanım, Sedum anglicum, Chrysosplenium oppositifolium,
Hypericum pulchrum, Erica cinerea, Rosa spinosissima
u. s. w., Pflanzen, welche man, wie Smith bemerkt, ver-
gebens da suchen würde, wo die Birken bis zu 3000 Fufs
Föhe hinaufsteigen!
Am zweckmäfsigsten wird es sein, wenn wir hier die
Betrachtung der Vegetation der Färöer-Inseln unmittelbar
anschliefsen, wozu uns die neue Arbeit des Herrn Tre-
velyan*) sehr interessanten Stoff liefert. Auf den Färöer-
Inseln gedeiht nur etwas Gerste und auch diese wird nicht
immer reif; von Unterfrüchten aber wächst sowohl die
Rübe, als die Kartoffel sehr gut. **) Die Baumvegetation
kommt auf den Färöern zu keiner Entwickelung, aber an
Weiden und Amentaceen fehlt es nicht. Auf den Bergen
der Insel beginnt die Region der Alpenkräuter schon in
der Höhe von 1500 Fufs; viele der Berge sind mit langen,
dicht wachsenden Moosen bedeckt.
Ganz ähnlich den Färöern verhält sich die Vegetation
_ von Island; auch hier gänzlicher Mangel an Bäumen, denn
die Birke und die Eberesche erreichen eine sehr geringe
Höhe, obgleich die mittlere Temperatur daselbst keines-
wegs so niedrig ist, als in östlicheren Gegenden des alten
—
*) On the Vegetation and Temperature of the Faroe Islands. —
The Edinb. New Phil. Journ. October 1834 — Januar 1835. pag.
454 — 164.
*"%) Die mittlere Temperatur auf den Faröern betrug nach vier-
jährigen Beobachtungen noch 54,6° Fahr. Im Jahre 1821 nur 51,6°
Fahr. Die am höchsten beobachtete Temperatur war 72,5° F. und
die niedrigste war 18,5° F.
248
Continents gleicher Breiten, wo selbst der gröfste Ueber-
flufs an Wäldern von Tannen, Birken und Pappeln ist.
Herr Schouw *) bemerkt schon, dafs die Vegetation
von Island mit derjenigen von Norwegen sehr genau über-
einstimmt, wo, gegen das Meer hin, ebenfalls die Baum-
vegetation verschwindet und zwar nicht. etwa der niede-
ren Temperatur, sondern vielmehr der sehr feuchten See-
luft wegen. In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts
zeigten die Bäume in den Birken-Wäldern Island’s ge-
wöhnlich eine Höhe von 35—4 Ellen und 3—4 Zoll
Dicke, die höchsten waren 6— 10 Ellen **). Gegenwär-
tig fehlen alle Waldungen auf Island, nur noch Anhäu-
fungen von Birken-Gesträuch bilden die Gehölze dieses
armseeligen Landes; indessen es sind eine ganze Menge
von Thatsachen vorhanden, ‘welche das frühere Vorhanden-
sein hoher Birkenwälder ‘auf Island nachweisen; in dem
genannten Werke. von Olafsens finden sich‘ diese Thatsa-
chen sehr ausführlich aufgezählt und es ist noch dabei
zu bemerken, dafs der Boden, wo diese Birkenwaldungen
gestanden haben, gegenwärtig ganz in Moor- und Sumpf-
land umgewandelt ist. Die jungen Birkenbäume, welche
gegenwärtig auf der Insel Island wachsen, bleiben mehr
‚strauchartig, und ‘erreichen nicht die Gröfse, welche sie
in früheren Zeiten daselbst erlangt haben, so dafs man
glauben möchte, dafs sich auf jener Insel, seit der Ausrot-
tung der grofsen Wälder, das Clima bedeutend verändert
habe. Aufserdem ist es noch höchst bemerkenswerth und
die Lehre bestätigend, dafs sich die Verbreitung der Pflan-
zen genau nach dem Clima richtet, wenn wir bedenken,
dafs Island, obgleich es, seiner subtropischen Lage nach,
der subtropischen Zone angehört, von der ganzen Baum-
vegetation fast nichts als die Birke und die Eberesche be-
*) Europa p. 48.
"N S. Olafsens und Pavelsens Reise durch Island. Kopenhagen
und Leipzig 1774. 4to p. 89, 126 etc., wo überhaupt sehr schätzens-
werthe Beiträge zur Kenntnils der Vegetation von Island enthal-
ten sind.
' 249
sitzt.: Es.hat demnach diese ganze Insel die echte Küsten-
flora von Norwegen; aufser dem Juniperus ist: von Zapfen-
bäumen auf Island nichts zu finden, wohl aber eine grofse
Menge von Pflanzen, welche mit der Flora unserer nörd-
lichen temperirten Zone übereinstimmen. Die grünen Wie-
sen Island’s sind den unsrigen fast ganz gleich; Agrostis
arundinacea, Aira caespitosa, A. flexuosa, Poa pratensis,
P. trivialis, P. compressa, P. annua etc. wachsen auf Is-
‚land wie bei uns, und Trifolium arvense, T. pratense und
T. repens blühen dort so lieblich wie bei uns. Die Heiden
sind auf Island ebenfalls mit Erica vulgaris bedeckt und
Juniperus communis erhebt sich dazwischen. Die stehen-
den Gewässer zeigen Chara vulgaris, Ch. hispida und Calli-
triche - Arten unserer Gegenden, und an ihren Rändern
wachsen Hippuris vulgaris, Veronica Anagallis, Arundo
Phragmites, Comarum palustre, Limosella aquatica u. s. w.
Die Felder auf Island sind wie bei uns mit Serratula ar-
vensis, Thlaspi bursa pastoris und T. campestre, Draba
verna, Prunella officinalis, Thymus Serpyllum, Lychnis Flos
Cuculi, Spergula arvensis u. s. w. bedeckt, und die köst-
liche Beere des Vaccinium Myrtillus, uliginosum, oxycoc-
cus und Arbutus Uva ursi geben auf Island wie bei ‚uns
ein angenehmes Nahrungsmittel.
Getreidebau findet auf Island nur in sehr geringem
Grade statt, ja oftmals lange Reihen von Jahren hindurch
ganz und gar nicht, denn wegen des höchst unbeständigen
Wetters gegen Ende des Sommers wird das Getreide’ sel-
ten reif; jedoch ist in früheren Zeiten, etwa vor 100 Jah-
ren, der Anbau des Roggens an sehr verschiedenen Stel-
len betrieben worden. Dagegen wird gegenwärtig die Cul-
tur der hauptsächlichsten Küchen-Gewächse, als der ver-
schiedensten Kohlarten, sogar des Blumenkohls, der Kar-
toffeln, verschiedener Rübenarten, des Kümmels u. s: w.
mit sehr gutem Erfolge betrieben. Zu den eigenthümlich-
sten Nahrungspflanzen, welche den Bewohnern von Island oft
die alleinige vegetabilische Nahrung darbieten,, besonders
in früheren Zeiten vor der Einführung der Kartoffeln,
250
gehören: Fucus saccharinus L., F. esculentus L., F. pal-
matus Gm. und wohl noch einige andere Pflanzen dieser
Familie. Es werden diese Seegewächse theils frisch, theils
im getrockneten Zustande zum Essen gebraucht, und die-
nen selbst als Gegenstände des Binnenhandels; sicherlich
liefern sie recht nahrhafte und gutschmeckende Speisen.
Es ist ja auch bekannt, wie an verschiedenen andern Kü-
sten des grofsen Weltmeeres verschiedene andere dieser
Seegewächse theils zur gewöhnlichen Nahrung, theils zum
Luxus benutzt werden, wie z. B. der Fucus antarcticus
Cham. an der südlichsten Spitze von Amerika, verschie-
dene grofse Laminarien und Fuecus pyriferus an der Kü-
ste von Chile, der Fucus cartilagineus in Indien, China,
Japan und dem ganzen Archipelagus jenes Meeres u. s. w.
Aufser.. diesen Algen sind noch folgende Gewächse
zu nennen, welche auf Island als Nahrungspflanzen ange-
troffen werden, nämlich das Isländische Moos *), Pisum
maritimum L. und Arundo arenaria. Das Isländische Moos
kommt in vielen Küstengegenden dieser Insel in sehr gro-
{sen Massen vor, und wird auf einem und demselben
Felde alle drei Jahre eingesammelt. Die Bitterkeit, wel-
che dieser Pflanze eigen ist, wird zuerst durch Einwei-
chen in Wasser ausgezogen, und dann wird das Kraut,
meistentheils mit Milch zubereitet gegessen, selbst eine
Art von Brod soll daraus gebacken werden. Die Zeit
der Einsammlung des Isländischen Mooses ist auf jener
Insel gleichsam eine fröhliche Zeit der Erndte. — Die
Erbsen von Pisum maritimum sollen zuweilen sehr wohl-
schmeckend werden, und die kleinen Saamen von Arundo
arenaria werden an einigen Orten zur Bereitung eines
feinen Mehles benutzt.
Gehen wir wieder nach dem Continente zurück, und
wenden wir uns mehr östlich nach den entfernteren Ge-
genden Sibiriens, welche dieser subarktischen Zone ange-
hören, so finden wir fast überall dieselben Pflanzen wie-
*) Lichen islandicus L.
251
der, wie sie in den westlichsten Gegenden der subarkti-
schen Zone, nämlich in Norwegen und Schweden, auf
Island und den andern angrenzenden Inseln vorkommen,
nur die Baumvegetation ist eine andere; die ungeheueren
Wälder von Coniferen treten hinzu, bis auch diese auf
der Ostküste von Kamschatka wieder verschwinden und
den Birken wieder Platz machen.
Herr Langsdorf *) nennt alle die Pflanzen, welche er,
auf seiner Reise durch Sibirien, auf dem Wege zwischen
Ochotsk nach Jakutck antraf, die ich hier ebenfalls an-
gebe, um sie mit den Floren von Norwegen, von Schwe
den und Island in Vergleichung zu stellen.
Die Wälder jener Gegenden Sibiriens wurden gebil-
det durch: Pinus Cembra, P. Larix, P. Abies, Platanus
orientalis, Populus alba, P. balsamica, Betula Alnus, B.
nana und B. fruticosa, und Rhododendrum tauricum, R.
Chrysanthum, Stachis palustris, St. sylvatica, Scutellaria
galericulata, Schwertia perennis, Sanguisorba officinalis,
Tanacetum vulgare, Trientalis europaea, Valeriana offici-
nalis, Vaceinium Vitis Idaea, V. uliginosum, Anemone nar-
eissiflora, A. sylvestris, Atragene alpina, Andromeda poli-
folia, Antirrhinum Linaria, Arbutus Uva ursi, Euphrasia
officinalis, Potentilla anserina, die schönen Pyrolae unserer
Wälder, Galium boreale, Sedum palustre, Lysimachia thyr-
siflora ete. sprechen ganz deutlich für die Gleichheit der
Vegetation dieser östlichen Gegenden mit derjenigen der
westlichen Theile von Europa.
Schliefslich vergleichen wir noch die Flora von Kam-
schatka mit demjenigen, was wir bisher über die Vegeta-
tion der subarktischen Zone gesagt haben. Die Flora des
südlichsten Theiles von Kamschatka gehört noch der vor-
hergehenden Zone an, im Allgemeinen ist dieselbe aber
ganz von subarktischem Charakter. Dafs auf Kamschatka
der Getreidebau fehlt, ist eine Abweichung von dem im
Westen des Continents beobachteten Gesetze, läfst sich
) lc... p. S16.
252
jedoch eben sowohl erklären, als wie das Fehlen des Ge-
treidebaues auf Island u. s. w. Folgende Pflanzen Kam-
schatka’s nenne ich hier aus dem Verzeichnisse, welches
Herr Langsdorf *) in seinem Reiseberichte mitgetheilt hat:
Rubus Chamaemorus, Vaceinium Vitis idaea, V. uliginosum,
Berberis vulgaris, Ribes rubrum, Empetrum nigrum, Lo-
nicera caerulea, Prunus Padus, Sorbus aucuparia, Rubus
arcticus, Arbutus Uva ursi, und Betula alba, B. nana, Pi--
nus Larix, P. Abies, P. Cembra, Populus alba, Platanus
orientalis, Betula Alnus, Salix arenaria, S. pentandra, Juni-
perus communis, Crataegus oxyacantha, Rosa canina, R.
spinosissima, Lonicera caerulea etc. bildeten die Waldun-
gen und Gesträuche.
Ä
7) Die arktische Zone.
Die arktische Zone umfafst einen noch kleineren Erd-
gürtel, als die subarktische Zone, welche wir so eben ab-
gehandelt haben, sie erstreckt sich, von dem nördlichen
Polarkreise (66° 32° Breite) an, bis zu den nördlichsten
Punkten, mit welchen die scandinavischen Länder im nörd-
lichen Ocean grenzen, also bis in den 72sten Grad der
Breite, wo die Grenze der Baumvegetation und zugleich
aller Cultur des Bodens erscheint. Wir haben im Vor-
hergehenden gesehen, dafs der Lauf der Isothermen und
der Isotheren immer unregelmäfsiger wird, je mehr man
sich von dem Aequator entfernt, daher denn auch die Ve-
getation dem unregelmäfsigen Gange der Wärme- Verthei-
lung folgend, je mehr. wir gegen die Pole hin kommen,
immer. mehr. und mehr ‚Abweichungen aufzuweisen hat.
Indem westlichsten Lande des alten Continents geht die
Cultur der Getreide - Arten bis über den 70sten Grad der
Breite hinaus, bis zu einer Gegend, welche im östlichsten
Sibirien, wenn uns die Nachrichten nicht täuschen , im
ewigen. Eise stecken müfste. Diese Ungleichheit in der
Vertheilung der Wärme und demnach auch der Vegeta-
9) L.c U. p.;224,.
253
tion möge ums jedoch nicht abschrecken ein allgemeineres
Bild für die ganze Zone zu entwerfen, wenn ‚auch hie
und da die Grenze der Baumvegetation in hiedernn Brei-
ten erscheint.
Die mittlere Temperatur für die arktische Bone möchte
etwas über 2° Cels. als Maximum haben, in den kälteren
Theilen dieser Zone jedoch sicherlich viel tiefer, ja oft
weit unter. dem Gefrierpunkte stehen. ‚Auf der südlichen
Hemisphäre sind bis jetzt nur einige kleine Inseln, im
68sten Grade der Breite bekannt, welche bis in diese Re-
gion hineinreichen, von der Vegetation dieser Inseln wis-
sen wir jedoch noch nichts.
Wir besitzen über die Vegetation einzelner erden
der arktischen Zone die meisterhaftesten Arbeiten, .als
solche ist vorzüglich diejenige von Wahlenberg *) zu be-
trachten, worin die Pflanzengeographie eines speciellen
Landes zuerst mit aufserordentlichem Intolge bearbeitet
worden ist. |
Die vorherrschendste aller Biläuzenfoyskn dieser Zone
ist die Birke, und nach dieser einige Nadelhölzer, als die
Fichte (Pinus: sylvestris) und die Kiefer (Abies excelsa),
welche hier noch ausgedehnte Waldungen bilden.: Nach
Schouw’s **) Angaben erreicht die-Birke fast das: Nord-
cap, die Kiefer geht bis Alten (69 — 70° Breite) und
die schöne Tanne bis 69 und selbst bis über 70° auf der
östlichen Seite von Norwegen und Schweden. Die Espe
und die Eberesche sind noch ‘die einzigen ‘baumartigen
Gewächse, welche sich neben den drei genannten bis über
die Polar-Zirkel hinaus erstrecken. Der Wachholder, der
Rubus Chamaemorus, Cornus suecica und eine Menge von
Weiden-Arten bilden. hier die Gesträucher und die Gat-
tungen Diapenzia, Azalea und Andromeda treten besonders
charakteristisch für Lappland neben jenen auf. Die trok-
kenen und unfruchtbaren Felder sind mit unglaublichen
*) Flora lapponica, Berlin 1812.
*") Europa p. 8.
254
Massen von Flechten bedeckt, worunter das bekannte
Rennthier-Moos, die Cenomize rangiferina, die ausgedehn-
testen Rasen bildet, über welche der Weg, besonders zur
Sommerzeit, wenn durch anhaltenden Sonnenschein diese
Pflanzen ausgetrocknet sind, sehr beschwerlich führt. Schon
in der vorhergehenden Zone sahen wir das Auftreten von
Flechten in so grofsen Massen, wie die Ceteraria islan-
diea auf Island; wır haben aber auch zugleich erkannt,
dafs die Vegetation dieser Insel, durch das eigenthümliche
Küsten-Clima derselben, oft so sehr herabgedrückt ist,
dafs sie ganz den Charakter der arktischen Zone annimmt.
In den Ländermassen Nordamerika’s, welche dieser Zone
angehören, ist das Auftreten grofser Flechtenmassen in
den Ebenen ganz gewöhnlich, und hier sind es hauptsäch-
lich die Gyrophoren, welche sich bis zu den Ufern der
Polar-See erstrecken, und im Nothfalle als Nahrungsmit-
tel benutzt werden können. |
Der grüne Rasen unserer Zone fehlt der arktischen
Zone noch nicht gänzlich, die Aira caespitosa und die
Aira flexuosa *) helfen denselben darstellen; ja das Mi-
lium effusum überzieht in gröfster Ueppigkeit die Abhänge
der Küsten-Berge auf den Loffoden, aber der schöne
Moos-Rasen, welcher so häufig die Laubwälder unserer
Gegenden verziert, ist hier nicht mehr zu finden, obgleich
an Moosen und Jungermannien daselbst gerade kein Man-
gel herrscht. Die Polytricha sind es vorzüglich, welche
in üppigster Schönheit im nördlichsten Norwegen und
Schweden vorherrschen. |
Die Cultur der Nahrungspflanzen erstreckt sich auf
der scandinavischen Halbinsel über die ganze arktische
Zone, wenngleich dieselbe auch nur auf sehr wenige Ge-
genstände beschränkt ist. Von den Getreide- Arten wird
nur Gerste und Roggen angebauet, und zwar geht erstere,
nach Herrn Schouw’s **) Angabe, bis 70° nördlicher Breite
*%) Wahlenberg 1. c, p. LIX.
*) Europa p.-9.
255
hinauf, wärend der Roggen auf der Westseite bis 64°
Breite und auf der Ostseite bis 65 und 66° hinaufgeht.
Zu Enontekis, im 60sten Grade der Breite, und in 1350
Fufs über dem Meeresspiegel, hat man noch etwas Ge-
treidebau, wenngleich dasselbe höchstens nur alle drei
Jahre zur Reife Kommt.
Zu Hammerfest im 71sten Grade hat man Versuche
mit dem Anbaue von Gewächsen gemacht, und nach die-
sen gedeihen Kohl, Rüben, gelbe Wurzeln, Kartoffeln,
Spinat und Salat noch recht gut in dieser so bedeutenden
Breite.
An verschiedenen Stellen dieser arktischen Zone hat
man die Beobachtung gemacht, dafs eine sogenannte Al-
pen-Vegetation bis tief in der Ebene des Meeres erscheint,
und dieses ist auch sehr leicht erklärbar, ohne dafs man
diese Alpenflor von den Bergen herableitet. Wie wir es
in der Folge sehen werden, so entspricht erst die baum-
lose Vegetation der Polarzone, der Vegetation auf den
Gipfeln der Alpen, an den Küsten der arktischen Zone
hingegen, besonders wo ein sehr unbeständiges Wetter
durch häufig herrschende nördliche Winde vorhanden ist,
da wird die Temperatur des Sommers so bedeutend nie-
dergedrückt, dafs dieselbe schon hier der Sommer - Tem-
peratur in der Polar-Zone entspricht und dafs defshalb
schon in dieser Zone eine grofse Menge von Alpenpflan-
zen bis zur Ebene des Meeres hinabsteigen, wo sie neben
den Strand-Pflanzen vorkommen. So beobachtete Herr
Lessing *) auf der Westküste Norwegens, in der Nähe
von Kunnen, auf den Wiesen: Silene acaulis, Saxifraga
oppositifolia, Potentilla aurea, Thaliectrum alpinum, Erige-
ron alpinus, Gentiana nivalis, Alchemilla alpina, Arbutus
alpina, Empetrum nigrum, Astragalus alpinus, und daneben
am sandigen Meeres-Ufer die Arenaria peploides, Lotus
siliquosus, Silene maritima, Cochlearia danica u. s. w.
Die östlichsten Gegenden des alten Continents, wel-
"rl. ep: 44
256
che noch in die arktische Zone hineinragen, sind uns lei-
der gänzlich unbekannt, sie werden jedoch, wenn sie einst
erforscht sein werden; sicherlich sehr bedeutende Abwei-
chungen: von der so eben geschilderten Vegetation dieser
Zone darbieten.
Aus der arktischen Zone Nord- Amerika’s kennen wir
gegenwärtig schon eine sehr grofse Menge von Pflanzen,
und die neue Flora dieser Länder, welche Herr Hooker
herausgiebt, berechtigt zu den gröfsten Erwartungen; doch
bis jetzt fehlt es noch sehr an Schilderungen, welche uns
ein Bild über die Physiognomie der Vegetation jener Län-
der entwerfen können. /
Vergleichen wir ‚aber. die Flora dieser arktischen
Zone bis zur Küste des Eismeeres, welche wir durch
Herrn Richardson *) erhalten haben, so finden wir. nicht
nur die aufserordentlichste Uebereinstimmung in den Pflan-
zen dieser beiden Länder, sondern wir. finden sogar nur
ein Paar Pflanzen, welche in Amerika und nicht auch im
nördlichsten Norwegen und Schweden vorkommen, wenn
wir nämlich aus jener. Flora nur. die mit A und mit B
bezeichneten Pflanzen ausheben. Zum Beweise nenne ich
hier die vorzüglichsten Pflanzen, welche: diese), arktische
Zone charakterisiren. |
Das Rhododendrum lapponicum tritt hier in die Ebene
und seine Begleiter sind die kleinen strauchartigen Pflan-
zen: Andromeda tetragona, A. polifolia, A. calieulata, Vac-
cinium- Vitis idaea, Oxycoceus palustris, Azalea procum-
bens. Ganz vorzüglich ist aber zu bemerken, dafs sowohl
Birken (Betula glandulosa) und Ellern-Sträucher (Alaus
glutinosa) hier erscheinen, eben so wie in. der arktischen
Zone Europa’s. Die vorzüglichsten Polar-Pflanzen oder
Alpen-Pflanzen, welche durch’ die Eigenthümlichkeit des
Küsten-Clima’s in. die arktische Zone bis zur Meeresküste
”) S. dessen Flora der Polarländer in R. Brown’s vermischten
Schriften, Band I. p. 405 u. s. w., welche als Anhang zu Franklin’s
Narrative of a Journey to the shores of the Polar- Sea, London
1823. 4to. erschienen ist.
257
gehen, sind: Saxifraga Aizoides, S. oppositifolia, cernua,
groenlandica, Polygonum yiviparum, Arnica montana, Dryas
integrifolia, Holeus alpinus, Pedicularis lapponica, P. su-
detica und P. hirsuta. Aufser diesen genannten Pflanzen
wurden noch beobachtet: Plantago lanceolata, Cerastium
viscosum, Oxyria reniformis, Triglochin maritimum, To-
fielda borealis, Epilobium palustre, latifolium, angustifo-
lium u. Ss. w.
Besonders bemerkenswerth ist wohl noch die grofse
Menge von Flechten, welche oftmals ausgedehnte Strecken
Landes dieser Gegend bedecken; vorzüglich herrschend
an allen felsigen Stellen sind daselbst die Gyrophoren,
als G. proboseidea, G. hyperborea, G. pensylvanica und
G. Mühlenbergü, welche in Fällen der Noth als Nahrungs-
mittel benutzt werden können.
8) Die Polar- Zone.
Zu der Polar-Zone gehören alle Ländermassen, wel-
che über den 72sten Grad der Breite hinaus liegen. Alle
Bäume und Sträucher fehlen diesen kalten Gegenden, wo
auch alle Cultur von Nahrungspflanzen ein Ende hat, denn
die mittlere Temperatur steht daselbst wenigstens tief
unter dem Gefrierpunkte, und meistens herrscht in diesen
Gegenden nur ein Sommer von 4 bis 6 Wochen. Gegen-
wärtig ist die. mittlere Temperatur dieser Zone nur von
einem einzigen Punkte, nämlich von der Melvilie’s-Insel be-
kannt, woselbst 10monatliche Beobachtungen angestellt
worden sind. Wir haben die Temperatur-Curve von die-
sem Orte auf beiliegender Tabelle zum ersten Abschnitte
mitgetheilt; die mittlere Temperatur daselbst ist gleich
— 16,9° Cels., die des Sommers ist gleich 3,1° und die
des Winters erreicht die ungeheuere Kälte von — 33,3
CGels. Nur im Monat Juli steigt die Wärme zu 5,9° Cels.
hinan, und schon im darauf folgenden August fällt sie
wiederum auf 1,2° C,; bei solcher niederen Temperatur
kann die Vegetation natürlich nicht von grofser Bedeutung
sein, und sie besteht auch daselbst nach allen bisherigen
17
255
Beobachtungen in blofsen Alpenkräutern, d. h. in solchen
kleinen Pflanzen, welche auf den Gebirgen die höchsten
Gipfel bis unmittelbar zur ewigen S hneegrenze hin ver-
zieren.
Ja selbst die Halbsträucher fehlen hier, und nur ei-
nige wenige Arten dieser Gruppe treten als krautartige
Gewächse innerhalb der Polar - Zone auf. Wenngleich
nur einige wenige Punkte dieser Polar-Zone von Reisen-
den besucht und in botanischer Hinsicht bekannt geworden
sind, so besitzen wir dennoch ganz ausgezeichnete Arbei-
ten über die Floren dieser wenigen Gegenden, welche von
Herrn R. Brown *) und Herrn Hooker **) herausgege-
ben sind.
Aus der Ansicht der genannten Floren geht hervor,
dafs die Vegetation dieser: Polar-Zone äufserst arm ist,
im Versältnifs zur Vegetation wärmerer Zonen, indessen
sowohl an Artenzahl wie an Gattungen, ja vielleicht sogar
an Individuen-Zahl, möchte diese Flora der entsprechen-
den Vegetation auf den höchsten Gipfeln der Gebirge
nicht nachstehen. Wassermangel wärend der kurzen Som-
merzeit und felsiger unfruchtbarer Boden, stehen selbst
noch in diesen so traurigen Gegenden der Entwickelung
einer gröfseren Sommer- Vegetation entgegen.
Vergleichen wir aber die Verzeichnisse der Floren von
Spitzbergen, von Grönland, von der Baffınsbay und der
Melville's-Insel, so müssen wir über die genaue Ueber-
einstimmung der Vegetation an diesen verschiedenen Or-
*) S. Dessen Verzeichnils von Pflanzen, welche an den Küsten
der Baffıns-Bay u. s. w. gesammelt worden sind. — Dessen Flora .
der Melville’s-Insel. — Dessen Verzeichnifs der in Spitzbergen ge-
fundenen Pflanzen, und dessen Nachträge zu Richardson’s Polar-
Flora. Alle diese Arbeiten sind, in das Deutsche übertragen, im
ersten Bande von R. Brown’s vermischten Schriften, herausgegeben
von N. v. Esenbeck, zu finden. |
**) Verzeichnifs von Pflanzen von der östlichen Küste Grön-
lands — als Appendix zu Scoresby’s Journal of a Voy. to the nor-
thern WVahlefishery; etc.
259
ten erstaunen. Auf der Melville’s-Insel sind zwar mehrere,
dieser Gegend bis jetzt allein eigene Pflanzen aufgefunden,
doch man: bedenke auch dabei, dafs an keinem anderen
Orte dieser Zone so lange und so genau die Vegetation
durchsucht worden ist als hier, und dafs defshalb zu er-
warten ist, es werden später noch mehrere, von den der
Melville’s-Insel eigenen Pflanzen, auch an anderen Stellen
dieser Zone aufgefunden werden.
Als Charakter der Vegetation dieser Polar-Zone kann
man nur die‘ grofse Armuth derselben aufzählen; ganze
Gegenden dieser Zone sind, wegen unfruchtbaren Bodens,
ganz vegetationsleer, und an andern zeigen sich die klei-
nen, meistentheils sehr niedlichen Pfiänzchen dieser Zone
in mehr oder weniger grofsen, rasenartigen Ausbreitungen,
oder wenigstens. nur in gesellschaftlichem Zustande. Die
hauptsächlichsten Gattungen, welche die Vegetation dieser
Zone charakterisiren, oder deren Specigs, wenn auch nur
‚einige, fast nie fehlen, sind: Saxifraga, Dryas, Papaver,
Andromeda, Juncus, ‘Cochlearia,: Cardamine, Pedicularis,
Eriophorum, Ranunculus, Pyrola, Silena, Potentilla, Salix
u.s.w. Diese Gattungen ‘und sogär viele der Arten"aus
diesen Gattungen hat die Flora :dieser Polar-Zone mit
der Vegetation in der Region der Alpenkräuter gemein,
wenn auch die Entfernungen der Gebirge von dieser :Po-
lar-Zone noch so grofs sind. Als der Polar-Zone eigen-
thümlich sind folgende Gattungen zu betrachten: Parrya,
Eutrema, Platypetalum, Phippsia, Colpodium, Dupontia,
Pleuropogon u. Ss. w. Mehrere Arten dieser Gattungen
steigen auch wohl in die arktische Zone hinab, aber auf
den Gebirgen südlicherer Gegenden sind 'sie noch nicht
gefunden. '
Das relative Verhältnifs der Arten, Gattungen, und
der Familien dieser Polar-Flora unter einander ist, aller
Wahrscheinlichkeit nach, ein ganz anderes, als in der. ark-
tischen Zone, doch bis jetzt sind die Materialien zur Be-
stimmung. dieses Gegenstandes noch yiel zu gering. Alle
hohe baumartige und strauchartige -Vegetation, welche der
8.7
260
Natur eine Physiognomie yon Bedeutung zu geben im
Stande ist, fehlt der Polar-Zone, so wie auch alle Cultur
der Nahrungspflanzen daselbt unmöglich ist; um aber eine
Anschauung von der Vegetation dieser Länder nach den
gegenwärtig vorhandenen Mitteln zu geben, bleibt nichts
übrig, als die hauptsächlichsten der Pflanzen aus einzelnen
Gegenden dieser Zone aufzuführen. Nach den Pflanzen-
Verzeichnissen in den Werken von Phipps *) und W. Sco-
resby **) sind auf Spitzbergen folgende Phanerogamen
beobachtet worden, als: Phippsia algida, Juncus campestris,
Tillaea aquatica, Cochlearia danica und ©. groenlandica,
Cardamine bellidifolia, Draba alpina, Dryas octopetala L.,
Salix polaris und S. herbacea L., Pedicularis hirsuta, Pa-
paver nudicaule L., Cerastium alpinum, Andromeda tetra-
gona, Saxifraga oppositifolia, S. cernua, S. nivalis, S. rivu-
laris und S. caespitosa. Die Zahl der Cryptögamen ist
hiezu verhältnifsmäfsig, bis auf die 19 Arten von Flechten,
welche durch ihre Arten-Zahl, und wahrscheinlich auch
durch ihre Masse in der Flora von Spitzbergen vorherr-
schen werden. Auf der Melville’s-Insel treten zu den ge-
nannten Pflanzen noch eine Menge von Ranunculaceen,
Compositae und Gramineen hinzu, von denen die meisten
Arten auch in der arktischen Zone und zwär als alpine
Formen daselbst auftreten. Eriophorum capitatum, E. an-
gustifolium, Alopecurus alpinus, Phippsia algida sind auf
der Melville’s-Insel und in der arktischen und subarkti-
schen Zone zu finden. |
Zu wünschen wäre es, dafs die Vegetation desjenigen
Theiles von Sibirien und von Nova Zemlia bekannt würde,
welcher über die arktische Zone hinaus und in die Polar-
Zone hineinragt. Die Vegetation dieser Gegend, welche
meistens mit dem festen Lande in Zusammenhang steht,
oder sogar Fortsetzung desselben ist, würde zur Verglei-
chung mit der Insel-Flora von Spitzbergen, Melville’s-In-
- sel u. s. w. von besonderem Interesse sein.
”) A Voyage towards the Northpole. Lond. 1774. 4. p.200—204.
.**) An Account of the Arctic Regions, etc, Edinb. 1820. 8. p. 75.76.
261
b) Eintheilung der Pflanzendecke nach den Re-
gionen ihrer aufsteigenden Verbreitung.
Eben so wie im vorhergehenden Abschnitte die hori-
zontale Verbreitung der Pflanzenmasse nach verschiedenen
Zonen dargestellt wurde, werden wir jetzt die senkrechte,
oder aufsteigende Verbreitung nach den verschiedenen Re-
gionen der Gebirge auseinandersetzen.
Steigt man aus der Ebene auf die Höhe der Gebirge,
so kann man mit Leichtigkeit in den verschiedenen Re-
gionen derselben ähnliche Pflanzenformen wiederfinden,
als diejenigen, welche den verschiedenen Zonen, von der
Breite des Gebirges an, bis zu den Polen hin, eigenthüm-
lich sind. Ein Gebirge der subarktischen Zone z. B,,
welches bis über die ewige Schneegrenze hinaus liegt,
kann natürlich nur die Vegetation derjenigen Zonen zei-
gen, welche sich, von der subtropischen Zone an, bis zu
den Polargegenden hin, aneinander reihen; so wie das
nördliche Norwegen und Schweden, wie die Loffoden, die
über den Polar-Kreis hinaus liegen, nur zwei verschiedene
Regionen aufzuweisen haben.
Herr Alexander von Humboldt theilte schon, in sei-
nen späteren Schriften über die Pflanzengeographie, die
Oberfläche der tropischen Gebirge in drei Regionen ein,
nämlich in die heifse, die temperirte und in die kalte
Region, ganz entsprechend der allgemeinen Eintheilung
der Erdoberfläche, und deutete hiebei zugleich auf die
hauptsächlichsten Unterregionen an, welche dieser oder je-
ner Region zukommen. In diesen Unterregionen finden
sich nun fast alle diejenigen Abtheilungen angedeutet, wel-
che ich hier, entsprechend den 8 Zonen der Erdoberfläche,
einzeln durchgehen will, und ich bin überzeugt, dafs sich
diese Eintheilung in Regionen für die Gebirge aller Zo-
nen anwenden läfst. Auch glaube ich wohl, dafs es sehr
nöthig ist, bei pflanzengeographischen Beschreibungen ver-
schiedener Gebirge und Gegenden, von einem und demselben
Prineipe auszugehen, daher auf dem einen Gebirge nicht
262
mehr Regionen zu unterscheiden sind, als auf einem an-
deren in gleicher Breite. Befolgt man diese Methode,
und beginnt die Betrachtung der Gebirgs-Vegetation von
den Höhen der Gebirge aus, nämlich von der ewigen
Schneegrenze an, so wird man stets die Vergleichung der
Vegetation mit derjenigen auf anderen Gebirgen verschie-
dener Höhen genau verfolgen können.
Wären alle Gebirge bis zur ewigen Schneegrenze
hinaufreichend, so würde es gewifs sehr vortheilhaft sein,
wenn man die Höhen und das Areal der emzelnen Re-
gionen stets von Oben nach Unten, nämlich nach den ver-
schiedenen Entfernungen von der ewigen. Schneegrenze
angeben wollte; wenn‘ man also den umgekehrten Gang
hiebei einschlagen wollte, statt dessen, den. man bis Je
befolgt hat.
Vergleicht man die Höhe der Schneegrenze in den
acht vorhin aufgestellten Zonen unter einander, so wird
man zu dem Resitltate gelangen, dafs die Schneegrenze in
jeder Zone, von der Polar-Zone ausgehend, um 1800 bis
4900 Fufs höher 'hinaufrückt, so dafs sie in der Aequa-
torial-Zone erst in einer Höhe von 15- bis 16000 Fufs
zu finden ‘ist. Eine solche ‚Erhöhung der Vegetations-
Grenze, von-4900 Fufs für jede Zone, entspräche dem- |
nach genau einer der acht Regionen, welche ich für die '
Gebirgs - Vegetation der Aequatorial - Gegend aufstellen
möchte, und ausgehend von dem Aequator, wird demnach |
den Gebirgen jeder Zone, je weiter dieselbe dem Polen
zu gelegen ist, immer eine jener Regionen nach der an-
. deren abgehen müssen. Ich glaube, dafs die folgende bild- |
liche Darstellung diesen Gegenstand am deutlichsten er- |
klären wird. *)
—
*) Die hieher gehörige Tabelle ist, ihres gröfseren Raumes we-
gen, auf pag. 264 und 265 gesetzt, und der Text von pag. 263 läuft
hinter der Tabelle fort. |
263
Diese im Vorhergehenden festgestellte Eintheilung der
Gebirgs-Floren nach Regionen, welche den Zonen in der
horizontalen Verbreitung der Pflanzen entsprechen, möchte
vielleicht nicht allgemeinen Beifall finden, und es wird
daher nöthig sein, dafs ich hier die hauptsächlichsten Ein-
würfe bekämpfe, welche man wahrscheinlich dagegen er-
heben wird.
Es ist wahr, dafs eine so genaue, regelmäfsige Ver-
theilung der Vegetation in verschiedene Regionen, wie
sie in der beiliegenden Tabelle angegeben ist, nicht’ statt-
findet, sondern dafs eine und dieselbe Vegetation, auf ver-
schiedenen Gebirgen einer und derselben Breite, oft auf
mehrere 100 Fufs verschieden gestellt ist, ja.dafs selbst
die Höhe der ewigen Schneegrenze, auf Gebirgen einer und
derselben Zone, nicht nur zuweilen um einige Hundert Fufs,
‚sondern sogar um einige Tausend Fufs verschieden hoch
ist. Bekanntlich ist die Schneegrenze in Amerika, auf der
Cordillere unter dem Aequator, zu 15,736 Par. Fufs nach
Herrn Alexander von Humboldt’s Beobachtungen bestimmt
worden, indessen auf der Cordillere des südlichen Peru,
unter 15— 18° südlicher Breite, ist die ewige Schneegrenze
sehr häufig weit über 17,000 Fufs hinaussteigend; ja der
Vulkan von Arequipa erreicht die Höhe von 18,373 Fufs,
und nur auf einer Seite seines Gipfels habe ich etwas
Schnee beobachtet. Herr Hall*) beobachtete die unterste
‚Schneegrenze auf dem Cotopaxi bei 15,646 Fufs, auf dem
Antisana bei 15,838 Fufs und auf dem Chimborazo bei
16,000 Fufs Höhe, und dicht daneben beobachtete er auf
der Cayambe ein grofses Schneefeld in der Höhe von
14,217 Fufs. So grofs sind die Verschiedenheiten für neben
einander gelegene Punkte! Ja der Pafs, welcher von Are-
quipa nach La Paz führt, los Altos de Toledo genannt,
liegt in der Höhe von 15,600 Fufs, und dennoch findet
man auf demselben eine Vegetation von Alpen-Pflanzen
*) Excursions etc, Hooker’s Journal of Botany. London 1831.
I. pag. 343.
'sne 9uagg op
Name der
Zonen.
——
Areal der
Zonen.
264
1
- a : Wärmere
Aequatorial- | Tropische [Subtropische ? ir
r r emperirte
Zone. Zone. Zone. I
Zone.
Te ee Tr Eee wäh
|
j 0 — 15° Br.|v.15—23° Br. !v.23—34° Br.|v.34—45° Br.)
ee
Tr
Mittlere
Wärme.
ig |
30° Cels, [23—26° €. |18— 21° €. |12—16° C,
ee ee) —
15200’ 13300. 11400/ --9500/
R.eigilon'.“dieir a |
41400° 9500/ 7600/
er Region der Alpeh-Rosen|
9500’ 76007 5700/
nn | teen [mm mn 12
Regioln der Nadelhölzer
nn | mn mn | oo ——
— | |
0/
76007 57007 3800’
Region delr europäilschen Laulbhölzer.
5700/ 3800’ 41900/
Region der |immergrünen| Laubhölzer.
3500! 1900/
Region der |Myrten u. d.| Lorbeeren.
1900’
Region der Farrnbäume
und der | Feigen.
Region der
Palmen und
Bananen.
|
|
|
Vergleichende Darstellung der verschiedenen
|
265
|
pe mit den entsprechenden Regionen.
Kältere Subarktische| Arktische
emperirte oe ERER Polar - Zone.
Zone.
.45—58° Br. |v.58—66° Br. |v.66— 72° Br.|v. 72—82° Br.
—2° C. und
6—12° C. | 4—6° C. |O bis —2°C. darunter.
Ausdehnung der von
der Schneegrenze aus.
Mittlere jährliche Wärme der
Regionen
7600 5700/ 3800/ 1900/
57007 3800’ 1900/ b. 1 1900/ — 4°C.
3800 19007 | 3800° 79°C;
1900’ | OR 5700’ 449;€
7600| 14° C. |
9500’ 411° ©,
11400'|20— 21°C.
13300/| 23,5° C.
15200/|27— 30°C.
266
und niederen Gesträuchen, welche erst der Vegetation der
arktischen Zone entspricht. Ganz ähnliche Ungleichheiten
lassen sich 'auf den verschiedenen Höhen des Himalaya
nachweisen, wo die Schneegrenze, obgleich das Gebirge in
der subtropischen Zone liegt, der eigenthümlichen Form
der Bergmassen wegen, zu eben derselben Höhe ansteigt,
als in vielen Gegenden der Cordillere unter dem Aequator.
Dieses sind offenbar die gröfsten und die wichtigsten Ab-
weichungen in der verschiedenen Höhe der obersten Ve-
getations-Grenze, und für solche besondere Ausnahmen
passen die genauen Begrenzungen der verschiedenen Regio-
nen, welche wir in der Tabelle angegeben haben, keines-
wegs. Indessen alle diese Ausnahmen von der Regel sind,
nach dem heutigen Zustande der Meteorologie, ganz genü-
gend zu erklären, und man wird demnach noch immer am
richtigsten verfahren, wenn man die ganze Eintheilung der
Gebirgs-Flora in verschiedene Regionen nach einem all-
gemein durchgreifenden Prineipe feststellt, und überall auf
die Abweichungen von dieser Regel aufmerksam’ macht.
Mögen sich scheinbar noch so grofse Schwierigkeiten die-
sem Verfahren in den Weg stellen, sie sind sicherlich nur
scheinbar, und werden sich, bei jeder speciellen Untersu-
chung eines Gebirges, auf die festgestellte Regel zurück-
führen lassen. |
Es läfst sich übrigens sehr leicht nachweisen, dafs
alle Eintheilung der Pflanzendecke in verschiedene Zonen,
eben so wenig genau bestimmt ist, da der Lauf der Iso-
:thermen schon an und für sich so höchst unregelmäfsig
ist, und immer mehr an Unregelmäfsigkeit zunimmt, je
mehr man sich den Polargegenden nähert. Aber durch den
abermalig verschiedenen Lauf der Isotheren, welche die
Verbreitung der jährigen Pflanzen hauptsächlich bestimmen,
wird die Bestimmung der Grenzen für die einzelnen Vege-
tations- Zonen äufserst schwierig, und überall finden sich
Ausnahmen und Abweichungen von den aufgestellten Re-
geln; aber dennoch wird Niemand eine solche Eintheilung
der Vegetation nach den verschiedenen Zonen ..der Erde
267
für überflüssig halten, sondern sie ist durchaus nöthig, um
hinlängliche: Anhaltspunkte zur Mittheilung zu haben. Da
nun aber, wie es schon so oft nachgewiesen ist, die ganze
Veränderung des Clima’s auf: der Oberfläche der Gebirge,
von der Ebene an, bis zur ewigen Schneegrenze hin, ganz
entsprechend ist den Veränderungen des Ulima’s von dem
Aequator bis zu den Polar-Gegenden, und da gerade nach
dem Zustande des Clima’s der ganze Zustand der Vege-
tation sich richtet, so kann wohl keine Eintheilung der
Gebirgs-Floren in verschiedene Regionen richtiger sein,
als diejenige, welche für. die entsprechende Zone auch .ent-
sprechende Regionen festzustellen sucht. Es wird gewifs
nieht selten vorkommen, dafs auf irgend einem Gebirge
diese oder jene Region so äufserst schwach ausgedrückt
ist, dafs man dieselbe fast gar ‚nicht wieder erkennt, aber
eben dasselhe findet auch bei der Betrachtung der Vegeta-
tion nach ihrer horizontalen Ausdehnung statt, wozu im
vorhergehenden Abschnitte Beispiele genug aufgeführt wor- -
den sind. | rt
Es wäre 'wohl zu wünschen, dafs man die Pflanzen-
Geographie etwas allgemeiner behandeln möchte, ‘als dieses
wohl in neueren Werken der Fall ist. Es ist gewifs, be-
sonders bei der speciellen Untersuchung einer Gebirgs-
Flora, von hohem Interesse, sowohl die obere, als die 'un-
tere Grenze des Vorkommens irgend eines Baumes ‚oder
irgend einer Pflanze genau zu kennen; für die allgemeine
Wissenschaft aber möchte eine solche Bestimmung, bis zu
einer Genauigkeit von ein Paar Fufs Höhe, von weniger
grofsem Nutzen sein, da sich diese Grenzen, selbst für die
verschiedenen Seiten eines und desselben Berges, so äufserst
verschieden zeigen. Ich möchte glauben, dafs die hohe
Genauigkeit, welche man gegenwärtig mit dergleichen An-
gaben erreichen will, nur scheinbar ist, und dafs 'sie nur
von örtlichem Interesse ist. Es ist gegenwärtig “längst
erwiesen, dafs die Vegetation, in: den verschiedenen Regio-
nen ‘der Gebirge, den entsprechenden Zonen der horizon-
talen Verbreitung entspricht; und bei serenwärtigen Unter-
268
suchungen dieses Gegenstandes kommt es nur darauf an,
die scheinbaren Abweichungen und Ausnahmen von jener
Regel kennen und erklären zu lernen, so wie hauptsächlich
auf die Verschiedenheiten aufmerksam zu machen, durch
welche sich die Physiognomie der Vegetation in: den ent-
sprechenden Regionen und Zonen verschiedener Gebirge
darstellt. Y
So wie wir nun im vorhergehenden Abschnitte die
Physiognomie der Vegetation für die verschiedenen Zonen
der Erdoberfläche, von dem Aequator an, bis zu den Polen
hin, darzustellen gesucht haben, ebenso wollen wir, bei
der Schilderung der Vegetation der Regionen, von der
Ebene der Aequatorial-Zone anfangen und zu den Regio-
nen der ewigen Schneegrenze hinaufsteigen.
4) Die Region der Palmen und Bananen.
Die Region der Palmen und der Bananen beginnt in
der Ebene der Meeresküste und steigt hinauf bis zu einer
Höhe von 1900 Fufs, wo die Temperatur und der Feuch-
tigkeits- Zustand der Luft von derjenigen der Ebene nur
wenig verschieden ist; demnach fällt die Vegetation dieser
Region mit der der Aequatorial-Zone zusammen, und ich
kann hier auf die Darstellung derselben im Vorhergehen-
den von pag. 190—201 verweisen. Eine kurze Recapitu-
lation aus den Angaben in jener Darstellung möchte jedoch
erwünscht sein, um besonders den Uebergang der Vegeta-
tion dieser Region ın die zunächst folgende etwas deut-
licher vor Augen zu stellen.
Wir haben gesehen, wie die Vegetation an den Küsten
des Meeres und an den Ufern der, in das Meer mündenden
Flüsse, für die ganze heifse Zone durch Mangrove-Waldungen
dargestellt wird *), wie die unfruchtbare Küste mit Sesuyium
Portulacastrum, mit Heliotropien, mit Convolvulus - Arten,
*) Diese Mangrove-WVälder sollen oft bis tief landeinwärts ge-
hen und durch grolse Prachtbäume oder, wie an den Küsten Brasi-
liens, durch Sagus taedigera Mart. verschönert werden. _
— un
EEE
269
mit Lythrum maritimum und Roccellen bedeckt ist, wärend
die nahe angrenzenden fruchtbareren Ländermassen von
Pandanen, Tournefortien, Dodoneen, Sonneratien und Bar-
ringtonien geschmückt sind, über deren dickbelaubte Kro-
nen die schlanken Stämme einzelner Palmen hinausragen.
Hier reihen sich gesellig vorkommende Sumpf-Palmen an,
oder unabsehbare Wälder der lichten baumartigen Gräser,
und es erscheinen die Urwälder, wo der Boden nicht im
Stande ist alle die Massen zu fassen, sondern eine Pflanze
auf der anderen wächst, und schlängelnde Gewächse die
Zweige und Kronen der Bäume zu einem dichten Flecht-
werke mit einander verbinden, so dafs oft kein Sonnen-
strahl diese Massen durchdringen kann. Hier treten dann
die riesigen Massen-Entwickelungen einzelner Arten und
Individuen auf, deren wir schonan verschiedenen Stellen die-
ser Schrift gedacht haben; hier findet man einzelne Feigen-
bäume, deren unzählbare Abkömmlinge einen ganzen Wald
bilden, welcher noch im innigen Verbande mit seinem Mut-
terstamme steht. So sah Herr Reinwardt *) auf der Insel
Semao einen grofsen Wald, dessen Bäume alle aus einem
einzelnen Stamme eines Ficus benjamina hervorgegangen
waren. Diese Feigenwälder haben ganz die Pysiognomie
der Mangrove- Waldungen; sie schicken von ihren Aesten
Luftwurzeln zur Erde, welche wieder Wurzel fassen und
neue Stämme treiben, wärend die Rhizophora auf der Mut-
ter selbst keimt und ihre Wurzeln zur Erde schickt, aus
der wiederum neue Stämme hervorgehen.
In dieser Region, von der Küste des Meeres an, so-
bald der gute, Humus-reiche Boden erscheint, bis weit
über 1000 und 1600 Fufs-Höhe hinaus, sind die Formen
der Palmen, der Musen, Heliconien, Uranien, Alpinien wie
der Seitamineen überhaupt charakteristisch für die Vegeta-
tion; hier beginnt die Cereen-Form in der neuen Welt
und deren Stellvertreter, die Cactus-artigen Euphorbien
*) Ueber den Charakter der Vegetation auf den Inseln des indi-
sehen Archipels. Berlin 1828. pag. 9.
270
in der alten Welt. Die freundliche Mimosen -Form zeigt
hier die lieblichsten Sträucher und die riesigsten Stämme,
und die Laubhölzer sind mit grofsen, oft zierlich gestalte-
ten Blättern. geschmückt. - Doch je höher hinauf, desto
seltener werden die Palmen, desto kleiner treten die Ba-
nanen auf, desto mehr verschwinden die Scitamineen, aber
um so häufiger treten die Orchideen und Pothos-Gewächse
auf und Peperomien sitzen an den Rinden der Bäume und
zeigen endlich, dafs wir in die folgende Region eingetre-
ten sind.’ | |
2) Region der baumartigen Farrn und: der Feigen.
Die zweite Region auf den Gebirgen der‘ Aequatorial-
Zone ist die der baumartigen Farrn, welche daselbst eben
so charakteristisch auftreten, wie die Palmen und Bananen
in der unteren Region. Von 1900 Fufs Höhe beginnend,
erstreckt sich diese Region bis über 3600 und 3800 Fufs
hinauf, eine mittlere Wärme von 22 bis 23,5° Gels. auf-
weısend. Die höchst interessanten Formen.der baumartigen
Farrn treten nur in. einem 'sehr feuchten Clima auf; im
unfruchtbaren Boden, ja bei einer grofsen Trockenheit der
Luft, da fehlen sie gänzlich. Herr v. Humboldt *) rühmt
sehon‘ die aufserordentliche Schönheit des Clima’s dieser
Pflanzen-Regionen, wo Reichthum an Wasser herrscht, und
eine üppige Vegetation die Abhänge' der Berge: bedeckt.
Daher hat man auch mit allem Rechte: das paradisische
Clima und die freundliche Vegetation ‚jener: Inseln im offe-
nen Meere so häufig gerühmt, welche gegen die Grenzen
der heifsen Zone zu gelegen sind, da, wo die "unterste
Region dieser Ländermassen der tropischen Zonen mit: der
zweiten :Region der Aequatorial-Zone fast ganz parallel
verläuft. In der Ebene der Küste zeigen die Sandwichs-
Inseln, die Cap-Verdischen-Inseln und die Lädronen, so
wie Neu-Caledonien, wie Isle de France und Isle de Bour-
bon und die südlichsten der Freundschafts-Inseln auf der
*) De distributione geogr. plant. pag. 97.
271
südlichen Hemisphäre, besonders zur Sommerzeit, ‘eben
dasselbe Clima, welches unter dem Aequator stattfindet,
daher auch hier, in der Ebene der Küste, eben dieselbe
Vegetation wie in der Aequatorial-Gegend, nur etwas
weniger üppig, da meistens Mangel an Dammerde und an
Wasser herrscht. Aber schnell verschwinden auf diesen
Inseln der tropischen Zone die Palmen und Bananen, wenn
man sich über die Meeresfläche erhebt, und schon bei 3-
und 500 Fufs Höhe gelangt man in die Region, wo die
strauch- und baumartigen Farrn vorherrschend sind.
Ich habe früher schon (pag. 149), die Schönheit dieser
interessanten Pflanzenform zu schildern gesucht; in ihrem
Schatten sah ich prachtvolle Strelitzien blühen, und die
sonderbare Marantha erhebt, auf der Insel Lucon, ihren
glänzenden Rohrschaft neben den schlanken Stämmen der
Cyatheen, welche auf Java schlanke hohe Stämme. bilden,
wie die-Masten in unseren Fichtenwäldern. Die pracht-
volle Alsophila excelsa und die Didymochlaena beobachtete
Herr v. Martius in Brasilien zu 25 Fufs Höhe und 6—8
Zoll dieken Stämmen. Indessen diese baumartigen Farrn
sind nur die charakteristische Form dieser Pflanzen-Region,
nur selten, und dann nur auf kleine Ausbreitungen herr-
schen sie durch ihre Masse vor. In der neuen Welt sind
es die heilbringenden Cinchonen, welche auf der Cordillere
des nördlichsten Theiles von. Südamerika in Gesellschaft
der baumartigen Farrn auftreten; indessen diese Bäume,
welche die heilsame Fieberrinde liefern, haben ein ziemlich
ausgedehntes Areal, einige Species derselben steigen: bei-
nahe bis 9000 Fufs hoch, *) wärend sich die Farrn sehr
genau zwischen 1200 und 3 — 4000 Fufs halten. Ja die
Höhe dieser Station der Farrn ist neuerdings noch durch
Herrn v. Martius für Brasilien ganz übereinstimmend an-
gegeben, denn bis auf einige wenige Arten, fand dieser Rei-
sende die Baumfarrn, nach den Grenzen der Tropen zu,
fast immer zwischen 1200 und 3000 Fufs Höhe auftretend.
*) Siehe A. v. Humboldt Naturgemälde der Tropenländer p. 62.
272
Auf den nahe gelegenen Bergen bei Rio de Janeiro, sah
ich die ersten schlanken Baumfarrn genau zwischen 1000
und 4100 Fufs Höhe auftreten, und auf dem Gebirge der
Insel Manila erschienen diese ‚schlanken Stämme in der
Höhe von 1200 Fufs, dagegen die strauchartigen Arten
schon lange vorher, ja schon in 3- und 400 Fufs Höhe
vorkamen. Auf den Südsee-Inseln der tropischen Zone
sind es die prachtvollen Laubhölzer aus den Familien der
Urticeen, welche mit grofsen, halbbehaarten Blättern auf-
treten und den Bewohnern jener Gegenden die Stoffe zu
ihren Kleidungen geben, als die Gattungen Broussonetia,
Artocarpus, Böhmeria, Neraudia u. s. w. In Indien aber,
wie auf den Inseln des indischen Archipels, treten die zahl-
reichen Arten der Gattung Ficus auf, hier gleichsam die,
vorhin genannten Gattungen eben derselben Familie ver-
tretend. Die meisten Arten dieser Gattung gehören den
niedriger gelegenen Wäldern an, ihren gemeinschaftlichen
Charakter, sagt Herr Reinwardt, bilden: das Geschlossene
und Dunkele, die Dichtigkeit und Höhe der Waldung, die
feuchte dumpfige Luft, die diese einschliefst, die ungeheuere
Dicke, unregelmäfsige Gestalt und weite Verzweigung, dann
der offenbar ungemein schnelle Wuchs und die weiche, oft
schwammige Holzsubstanz der Stämme, die grofse Ver-
schiedenheit der Parasiten und windenden Pflanzen, die sich
aus jenen Stämmen nähren, der hohe, lockere, feuchte
Moderboden, die Menge der Quadrumanen, welche schreiend
über die hohen Zweige springen und das zahlreiche bunte
Chor der Vögel, die das Dickicht beleben. Nur wenige
Feigen- Arten, namentlich die verschieden- und gelbblät-
trigen niedrigeren, erheben sich mit immer verkleinerter
Gestalt zu einer gröfseren Höhe der Berge.*) Das Unter-
gehölz dieser Feigenwälder wird durch Sträucher, Stauden
und Kräuter aus den Gattungen: Grevia, Elaeocarpus,
Phyllanthus, Ruellia, Justitia, Dimocarpus, Solanum u.S. w.
gebildet, und einige Gewächse mit Dracaenen-Form, als
*) S. Reinwardt 1. c. pag. 10. R|
273
Dracaena terminalis und ähnliche, wie eine grofse Menge
‘ von Aroideen und Orchideen, Cissus- Arten und Pfeffer-
Gewächse, so wie wilde Bananen - Arten dienen den Reitz
der Schönheit dieser Waldungen zu erhöhen. In der neuen
Welt gehört die überaus zahlreiche Gattung der Melasto-
men gerade dieser Region der Baumfarrn an, ihr pracht-
volles, glänzendes Laub, und die grofsen violetten und blauen
Blumen geben diesen hohen Bäumen ein überaus schönes
Ansehen; ihrer gröfsten Artenzahl nach herrschen sie in
Amerika, aber auch in Indien, im südlichen China und auf
den Inseln des indischen Archipels, treten sie auf nicht nur
als Sträucher, sondern auch als hochstämmige Bäume.
Herr Alexander v. Humboldt nennt noch für die Cordillere
Südamerika’s, als dieser Zone eigenthümlich angehörig, die
strauchartige Bocconia, vielfarbige Alstroemerien und baum-
artige Passifloren, welche so hoch und dick wie unsere
Eichen sind. Aufserdem gehören der Region der Farrn
auch mehrere schlanke und rohrartige Palmen an, als
Kunthia montana, Oreodoxa montana, Chamaedorea graci-
lis, Martinezia caryotaefolia, welche jedoch weniger charak-
teristische Formen zeigen, als dieses den übrigen Palmen
eigen ist, deren Vorkommen wir schon früher auseinander-
gesetzt haben.
Merkwürdig für die peruanische Cordillere ist, dafs
schon in dieser Region mehrere Calceolarien auftreten, wel-
che den liöheren Regionen in den südlicheren Zonen des
südamerikanischen Continents zugehörig sind.
3) Die Region der Myrten- und Lorbeer-artigen Gewächse.
Die dritte Region in den Gebirgen der heifsen Zone
entspricht der subtropischen Zone, wo Myrten, Magnolien,
Camellien, überhaupt Laubhölzer mit glänzenden Blättern
vorherrschen, so wie auch die Proteen, die Eucalypten,
Acacien und Ericen ihr Maximum daselbst zeigen. Unter
dem Aequator beginnt diese Region, welche ich die
der Myrten - artigen Gewächse und der Laurinen nennen
möchte, in einer Höhe von 3300 — 3900 Fufs, und erstreckt
18
274
sich bis über 5700 Fufs hinaus, wo die Lorbeeren beson-
ders vorherrschen. In dem nördlicheren Chile, als der
subtropischen Zone angehörig, woselbst die Vegetation ganz
entsprechend ist dieser Region der Myrten - artigen Ge-
wächse, da treten die Myrten in grofsen Massen auf, und
nehmen die ganze untere Vegetations-Region in Besitz,
woselbst sie bis 1900, ja bis 2000 Fufs Höhe in üppigster
Pracht erscheinen. |
Auf den Gebirgen der Tropen, sowohl in der alten
wie in der neuen Welt, herrschen in dieser Region die
Melastomen und die Gattung Liquidambar, Styrax, Euge-
nia, die prachtvollen Eichen mit glänzenden Blättern, Ingen
und oftmals noch eine Menge von hochstämmigen Farrn,
oder selbst schon Coniferen. Herr Reinwardt *) macht
auf die Schönheit in der Form der Rasamala-Waldungen
Java’s aufmerksam, welche offenbar dieser Region anzuge-
hören scheinen; die Bäume dieser Wälder werden wahr-
‚scheinlich von einer Liquidambar- Art gebildet, welche auch
wirklich Storax liefert. Sein schöner, fester, sehr hoher,
schnurgerader, weifslicher, weniger als bei den Feigen be-
wachsener Stamm, sagt Herr Reinwardt, und eine mehr
regelmäfsige, dichte Krone hellen Laubes bezeichnen die
höhere Waldgegend, die von diesem so schönen Baume den
Charakter erhält. Dichtes Baum-dorniges Gebüsch von
vielen Calamus- Arten, dann eine grofse Verschiedenheit
von Rubiaceen, deren vorzügliche Kraft, ganz eigenthüm-
liche Säfte auszuarbeiten, sich oft schon von weitem durch
starke Ausdünstungen äufsert, füllen häufig den untern
Zwischenraum des aromatischen Gehölzes.
Ueber 3000 Fufs hinaus erscheinen auf dem Gebirge
der Insel Java die Coniferen; der schöne Podocarpus, ma-
jestätisch sich über alle nebenstehende, schon in kleine-
rer Gestalt erscheinenden Waldbäume, erhebend, wächst
neben der ähnlichen Pinus Dammara, auf deren Stämmen
der Nepenthes mit seinen sonderbaren Bechern umher-
Dchpar. #1:
275
klettert, und zu deren Fufse prachtvoll blühende Rhodo-
dendren, hohe strauchartige Farrn, Eugenien, Myrten, Gar-
denien, Magnolien und Eichen erscheinen, wobei die Orchi-
deen beständig in grofsen Massen auftreten.
Wir besitzen eine Schilderung dieser Region der Myr-
ten-artigen Gewächse für die Cordillere von Mexico, welche
Herr Schiede *) durch Beschreibung seiner Excursionen
um Jalapa gegeben hat. Es liegt diese Stadt in einer Höhe
von 4200 Fufs, demnach in der Region der Myrten- und
Lorbeer-artigen Gewächse, und dennoch, wie man es in
der Beschreibung findet, steigen nicht nur bis in diese Ge-
gend eine Menge der üppigsten Farrn, sondern es herrscht
daselbst eine solche Mannigfaltigkeit und Pracht in der
Vegetation, dafs man darin die Pflanzenwelt der Aequato-
rial- Zone wiederzusehen glaubt, wenn nicht einzelne Bäume
erschienen, welche dieser Zone gänzlich fremdartig sind. Die
Wälder um Jalapa bestehen aus Liquidambar-Arten, Eichen,
Ingen, Clethren und zartgefiederten Mimosen, in deren
Schatten baumartige Farrnkräuter mit ihren breiten Kronen
sich erheben, welche 3—4 Klafter hohe Stämme haben,
die mit zarten moosartigen Trichomanen bedeckt sind;
zwischen ihnen Gruppen zierlicher Zwergpalmen mit ge-
fiederten Blättern und schwarzen Fruchttrauben, die an
korallenrothen Stielen sitzen. Melastomen, Rhexien, Myr-
taceen und Laurinen, von denen rankende Sapindaceen und
windende Banisterien mit purpurrothen und orangefarbigen
\Blumen herabhängen, wärend der Boden mit dem frischen
Grün der Moose und Lycopodien, wie der Anemien be-
deckt wird. Die Cultur der Bananen steigt bis hoch in
diese Region hinein, so wie sie auch, beinahe durch die
ganze entsprechende subtropische Zone mit bestem Erfolge
betrieben wird, ja in Europa sogar noch im südlichen Spa-
nien zu finden ist.
Die peruanische Cordillere innerhalb der tropischen
Zone habe ich selbst in zwei verschiedenen Breiten erstie-
*) Linnaea von 1829. pag. 218.
Nele
276
gen, doch fand ich daselbst überall in den Höhen dieser
Region eine solche Vegetationslosigkeit, dafs man nicht
einmal den tropischen Charakter wiedererkennen konnte.
Hohe candelaberförmige Cacten, der Schinus Molle, eine
Menge von Mimosen, von Bignoniaceen, Loranthen und
hauptsächlich Solaneen und einige schöne Gräser und Cy-
peroideen waren es, welche in wasserreichen Gegenden
auftraten; wärend dieht daneben alle Spur von Vegetation
fehlte. *) ul
4) Die Region der immergrünen Laubhölzer.
Die vierte Region in den Gebirgen der heifsen Zone |
ist die der immergrünenden Laubhölzer; sie beginnt unge- |
fähr in. der Höhe von 5700 Fufs und geht bis über 7600 |
Fufs Höhe hinaus. Das angenehmste Clima, eine mittlere |
Temperatur von 16—17° Cels. und gröfserer Reichthum |
7) Ich mache hier gelegentlich die Bemerkung, dafs die Darstel- |
lung der Gebirgs- Vegetation nach den verschiedenen Regionen, an |
diesem Orte keineswegs so ausführlich zu erwarten ist, wıe dieses
wohl in einer speciellen Untersuchung irgend eines Gebirges geliefert |
werden kann. Hier kann der Charakter der Vegetation, für die ver-
schiedenen Regionen, nur durch einzelne Hauptzüge angedeutet wer-
den, um dadurch auf die Uebereinstimmung mit derselben m den ent-
sprechenden Zonen aufmerksam zu machen, wo wir den Gegenstand
stets ausführlicher behandelt haben. Die gröfste Schwierigkeit zeigt.
. sich jedoch in dem Mangel an Material, welches zu dieser Arbeit
P- ee
benutzt werden konnte; spätere Reisende werden hoffentlich immer
mehr und mehr auf die Physiognomie der Vegetation Rücksicht neh-
men, und dann wird einst eine genauere Schilderung dieser verschie-
denen Regionen für die ganze Erde möglich werden. Auch ist es
nicht zu verkennen, dafs bei dieser Art der Darstellung der Gebirgs-
floren, indem man die entsprechenden Regionen verschiedener Zonen
stets neben einander zu stellen sucht, die Einsicht in die Verände-
rungen, welche die Vegetation eines Gebirges mit steigender Höhe
aufzuweisen hat, theilweise verloren geht, und dafs diese nur durch
eine specielle Schilderung eines einzelnen Gebirges erlangt werden.
‚kann. In dieser lejzteren Hinsicht kann ich nur auf die schönen
und ausgezeichneten Arbeiten aufmerksam machen, welche die Vege-
tation einzelner Gebirge speciell behandslt haben, und in unserem
WVerke schon so oft benutzt worden sind. |
|
|
|
277
an Wasser pflegen diese Region von immergrünenden Bäu-
men zu verherrlichen, welche der wärmeren temperirten
Zone, also der Vegetation des südlichsten Europa’s ent-
spricht. Im südlichen Europa, wie im nördlichen Afrika
bilden, wie wir es früher, pag. 225, ausführlich nachgewie-
sen haben, die sempervirenten Gewächse den Charakter der
Vegetation, und hier erscheint unser Lorbeer, gleichsam
diese zahlreiche Familie der heifsen Zone repräsentirend.
Auf den Gebirgen der Insel Java steigen die Lorbeer-
Wälder bis zu 7000 Fufs Höhe, und über diese hinaus
bemerkt man erst, dafs die Bäume nicht mehr ihre gewöhn-
liche Gröfse und Pracht zeigen. Eine grofse Menge von
Lorbeeren erscheint auf den tropischen Gebirgen schon in
der Region der Farrnbäume, ja einige sind selbst in der
Ebene zu finden. So wie in der vorhergehenden Region
eine ganze Menge von Laubhölzern mit festen und glän-
zenden Blättern, als Melastomen und Eichen auftraten, so
fehlt es auch hier keineswegs an diesen Gewächsen. In
der Cordillere des nördlichen Südamerika’s erscheinen die
Eichen *) meist in einer Höhe von beinahe 5000 Fufs; auf
den Gebirgen der Philippinen aber, habe ich die grofsen Eichen
mit glänzenden, schönen und ausgezackten Blättern schon
.in einer Höhe von 14 — 1500 Fufs beobachtet. Auf den
Gebirgen Mexico’s, an der Grenze der heifsen Zone, also
in der tropischen Zone, nach unserer Eintheilung, da er-
scheinen sie ebenfalls noch innerhalb der zweiten Region,
welche aber .der subtropischen Zone entspricht. Diese
Eichen allein, sagt Herr Alexander v. Humboldt, bieten
dem Bewohner der Tropen bisweilen ein schwaches Bild
vom Erwachen der Natur im wiederkehrenden Frühlinge
dar; denn sie verlieren durch Dürre alle Blätter auf ein-
mal, und das junge frische Grün der neuen Schöfslinge
contrastirt dann in der eintretenden Regenzeit sehr ange-
nehm mit den vielfarbigen Blüthen des Epidendrums, dessen
Wurzeln die schwarzen rissigen Eichenäste dicht umschlin-
7) $S. A. v. Humboldt Naturgemälde u. s. w. pag. 71.
278
gen. Der berühmte Cheiranthostemon in Mexico, dieser
riesige Baum von Toluca, welcher mit dem Baobab, dem
berühmten Drachenbaume und den grofsen Wollbäumen zu
den Riesen in der Pflanzenwelt gehört, ist ebenfalls der
Region der Lorbeeren, mehr jedoch der folgenden Region
angehörig, in welcher dıe Eichen noch in gröfserer Anzahl
vorherrschen.
Auf den Canarischen Inseln, in der subtropischen Zone
nämlich, ist schon die zweite Region, nämlich von 2000
bis über 4000 Fufs hinaus, die Region der sempervirenten
Bäume, welche Herr Leopold v. Buch *) mit der Region
der dichtbelaubten Wälder bezeichnet. Die Lorbeeren,
nämlich Laurus nobilis, L. foetens, L. indica und L. Bar-
busano, bilden hier dichte Waldungen, so wie die Ardisien,
Visnea Mocanera, Ilex Perado, Arbutus callicarpa, Olea
excelsa und Myrica Faya; in ihrem Schatten wachsen Ra-
nuneulus Teneriffae, Geranium anemonifolium, Convolvulus
canariensis, Digitalis, Dracocephalum und Sideritis - Arten.
Wir besitzen eine schöne Darstellung über die Ver-
theilung der Pflanzen auf dem Pie von Teneriffa, welche
uns Herr Alex. v. Humboldt, **) die Beobachtungen der
Herren v. Buch und Chr. Smith benutzend, überliefert hat.
Auf diesem Bilde findet sich die untere Grenze der schö-
nen Erica arborea, und E. scoparia schon unterhalb 3000
Fufs angegeben, und es entspräche auch diese Höhe dem
Vorkommen dieser Pflanzen in der wärmeren temperirten
Zone Europa’s, wo dieselben bekanntlich in den niederen
Gebirgs- Gegenden am üppigsten auftreten. Eine genaue
Ansicht jenes Tableau’s des Herrn Alexander v. Humboldt,
über die Vegetations- Verbreitung auf dem Pie von Tene-
'riffa, ist in jeder Hinsicht recht sehr zu empfehlen; keine
andere Darstellung ist im Stande ein so anschauliches Bild |
von den Veränderungen zu geben, welche die Vegetation
eines Gebirges mit steigender Höhe eingeht.
hc. pag. 129.
*") Voyage de Humboldt et Bonpland. Prem. Part. Atlas geogr.
et phys. du Nouveau Continent. Tab. 2.
279
Ebenso wie auf den Canarischen Inseln, zeigt sich im
nördlichen Chile, welches der subtropischen Zone der süd-
lichen Hemisphäre angehört, schon in der zweiten Region,
nämlich über die Höhe von 1900 Fufs hinaus, die Region
der immergrünenden Bäume, worin die Lorbeer-artigen
Gewächse eine Hauptrolle spielen. In einzelnen Gegenden,
wie z. B. auf der Cuesta de Zapata, kommen die Laurinen
schon in 15 — 1600 Fufs Höhe vor, wie z. B. Laurus Peumo
und Laurus aromatica, daneben Drimys chilensis und Smeg-
dadermos Quillay; aber an den Ufern des Rio Tinguiririca,
in der Provinz San Fernando, bei 34° 30° südlicher Breite
und in mehr als 2000 Fufs Höhe, sah ich zum ersten Male
die herrliche Vegetation der immergrünenden Wälder die-
ser Zone. Einzelne Myrten von 30—40 Fufs Höhe und
3—4 Fufs diekem Stamme, ragten noch in diese Region
hinein, wo die Laurelia serrata 10, 12—13 ein Fufs dicke
Stämme aus einer und derselben Wurzel trieb und der
Espino (Acacia Caven), der in der Ebene nur als Strauch
erschien, hier als hoher und schöner Baum vorkommt.
Hier wechselten hohe Escallonien mit dieken Säulen von
Cereen und stacheligte Colletien, über und über mit rothen
und mit weifsen Blüthen bedeckt, wechselten mit hohen
Stämmen der Ephedra americana Humb.; Mutisien mit‘
scharlachrothen Blumen überziehen die Kronen dieser son-
derbaren Pflanzenformen und Cissus-Arten bilden zwischen
den Stämmen der Smegmarien, Peumen (Peumus fragrans)
u. Ss. w. Lianen-förmige Verschlingungen, und eine Menge
von Pflanzen mit schönen grofsen Blumen, als den Gat-
tungen Schizanthus, Alstroemeria, Loranthus, Lobelia u. s. w.
angehörig, wachsen am Rande dieser schönen Wälder,
welche schon mit unseren Buchen-Wäldern einige Aechn-
lichkeit zeigen. Die Rinden dieser Bäume sind, ähnlich
wie bei uns, mit niedlichen Flechten überzogen, von wel-
chen viele mit den unsrigen übereinstimmen.
280
5) Die Region der Laubhölzer.
Diese Region der Laubhölzer ist eigentlich sehr schwer
zu: charakterisiren; auf vielen tropischen Gebirgen möchte
sie auch nur wenig ausgebildet erscheinen, wenigstens fin-
den sich bei den Autoren nur selten Nachrichten, welche
sich hierauf beziehen. : In der Aeqnatorial-Zone erstreckt
sich diese Region von 7600 — 9500 Höhe, wo eine jähr-
liche mittlere Temperatur von 14° Cels. herrscht. In Ge-
birgs- Gegenden der heifsen Zone, wo der Abfall der Berg-
massen sehr steil ist, da herrscht. schon in dieser Höhe
ein kühles Clima, und die üppige Baumvegetation will nicht
mehr über 8574 Fufs Höhe hinaus. *#) In anderen Gebir-
gen aber, welche sich in grofsen Höhen Plateau -artig aus-
dehnen, da gehen die hohen Bäume bis weit über diese
und die nächstfolgende Region hinaus, selbst bis in die
Region der Alpenrosen.
Die Region der Laubhölzer entspricht der kälteren
temperirten Zone, wo die nordische Eiche und die pracht-
volle Buche den Schmuck der Laubwälder bildet. Auf der
Cordillere unter dem Aequator scheint diese Region gänz-
lich zu fehlen, indessen gehen die Eichen daselbst noch
weit über 9000 Fufs hinaus, so dafs doch an verschiedenen
Stellen dieselben vorherrschend auftreten möchten. In
denjenigen Gegenden des südlichen Peru, von dem 16ten
bis zum 19ten Grade der Breite, welche ich selbst besucht
habe, ist in dieser Hinsicht nichts zu finden; die Trocken-
heit und die höchste Unfruchtbarkeit des Bodens daselbst,
so wie gänzlicher Mangel an Regen, hat eine völlige Vege-
tationslosigkeit hervorgerufen; Bäume gehören in diesen
Gegenden zu den Seltenheiten und kommen dann immer
nur einzeln vor, ja bei vielen ist man nicht einmal gewifs,
ob dieselben von der Natur oder durch nn
gepflanzt worden sind.
An der nördlichen Grenze der heifsen Zone, in der
”) A. v. Humboldt Naturgemälde. pag. 73.
281
Cordillere von Mexico, scheinen in den entsprechenden
Höhen unsere Laubhölzer der kälteren temperirten Zone
in grofsen Massen aufzutreten; schon 1000 Fufs hoch über
Jalapa, also über 5000 Fufs hinaus, sind nicht nur die
mexikanischen Eichen vorherrschend, sondern es gesellen
sich noch ElHern hinzu, und das Unterholz dieser. Wälder
‚bilden Ternstroemien, Melastomen und Crotonen. Ja auf
der Serro colorado über dem Dörfchen San Andres, wel-
ches 5000 Fufs hoch liegt, fand Herr Schiede *) einen
Wald von Hainbuchen, Erlen, Eichen und Clethren, worin
die Melastomen und Rhexien sich bis zur Spitze des Ge-
birges hinzogen. Hyperica, Vaccinien, eine Fuchsia, ein
Aseyron, Eryngium, Botrychium, Carex Castilleja u. v. A.
wuchsen im Schatten dieser Wälder. In der Cordillere des
nördlichen Chile’s, welche der subtropischen Zone angehört,
habe ich oberhalb der Region der Lorbeeren, wo auch der
chilenische Cereus verschwunden war, und wo der Espino
nur noch als niederer Strauch auftrat, eine schmale Region
gefunden, welche mit Laubhölzern, ähnlich unseren Buchen,
bedeckt war, doch der schnell ansteigenden Cordillere
wegen, hörte sie alsbald auf, und ein Wald von Gesträuchen
trat auf, welche sowohl hier in Chile, wıe auch in der
peruanischen Cordillere unter dem Aequator, den Charakter
der Vegetation in dieser Region darstellen. Herr Alex.
v. Humboldt **) nennt diese Region, in der peruanischen
Cordillere, die Region der Barnadesia oder der
Duranta Ellisii und Duranta Mutisii, denn diese
drei Pflanzen und die Berberis, sollen die Vegetation der
hohen und rauhen Gebirgsebenen von Pasto und Quito
charakterisiren. Es steigen diese Pflanzen. jedoch noch
weit über die angegebene Grenze der Region der Laub-
hölzer und sie zeigen schon ein eigenthümliches alpines
Ansehen. Zu den prachtvollen Barnadesien gesellen sich
Castillejen (C. integrifolia und €. fissifolia),' Columellen,
das silberblättrige Embothryum emarginatum, Clusien und
*) 1. e. pag. 220. **) Naturgemälde pag. 73.
282
Calceolarien, letztere sollen nicht über 1° 40’ nördlicher
Breite hinausgehen. Jener peruanischen Barnadesia ent-
spricht in der chilenischen Cordillere eine andere Art (Bar-
nadesia flavescens nob.), welche mit kleinen, pergament-
artigen Blättern und grofsen gelben, glänzenden Blumen
auftritt, und gesellschaftlich wachsend auf dem Abhange
des Monte Sillo *) grofse Strecken bedeckt; die bekannte
Macraea rosea, einen niedlichen Strauch bildend, wetteifert
mit jener Barnadesia in der Anzahl und Pracht der Blu-
men und die Wendtia gracilis nob., einen Strauch von eben
derselben Höhe bildend, belebt die Gegend mit noch grö-
fserer Mannigfaltigkeit.
So wie in der kälteren temperirten Zone, neben den
Laubwäldern von Eichen und Buchen, die Familie der
Coniferen in grofsen Massen auftritt, so sehen wir, auf
dem Abhange des Vulkans von Teneriffa, eine ganze Re-
g!on, mit Coniferen bedeckt, auftreten, welche jener Zone
entspricht und noch weit bis in die nächstfolgende Region,
nämlich bis über 6000 Fufs hinausgeht. Der Pinus cana-
riensis bildet hier dichte Wälder; alle übrigen grofsblättri-
gen Bäume bleiben daselbst unterhalb der Grenze dieser
Fichten zurück, nur die Erica arborea erhebt sich nach
Herrn Leopold v. Buch bis zu den gröfsten Höhen. So-
wohl in der Cordillere der heifsen Gegenden Amerika’s,
so wie in den Gebirgen des Himalaya finden sich Conife-
ren, welche die Coniferen der kälteren temperirten Zone
in dieser Region der europäischen Laubhölzer repräsentiren;
in Chile und in Peru ist es die Ephedra, und im nördlichen
Theile von Südamerika treten daselbst einige Cypressen-
Arten auf. Indessen dieses Fehlen der Coniferen auf der
Cordillere Südamerika’s ist mit dem allgemeinen Fehlen
dieser Pflanzen-Familie, in der südlichen Hemisphäre, in
Verbindung zu setzen; sowohl die Gebirge Ost-Indiens,
als wie auch die Gebirge Mexico’s und ‘die des Orients
sind reich mit Tannen und Fichten bedeckt. Die grofsen
”) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 307.
283
Nadelholzwälder, welche auf dem Plateau von Mexico auf-
treten, gehören aber den höher gelegenen Regionen an.
6) Die Region der Nadelhölzer.
Schon in dem früheren Abschnitte, wo wir die Vege-
tation der verschiedenen Zonen geschildert haben, wurde
darauf aufmerksam gemacht, dafs schon die Scheidung der
Vegetation der kälteren, temperirten Zone von derjenigen
der wärmeren, besonders für das Charakteristische der
krautartigen Vegetation sehr schwierig sei, indessen noch
schwieriger war die Trennung der subarktischen Zone von
der kälteren temperirten, und es würde an verschiedenen
Stellen darauf aufmerksam gemacht, wie die charakteristi-
schen Züge der Pflanzenwelt dieser beiden Zonen theils
verschwinden, theils in einander übergehen. Noch schwie-
riger ist diese Scheidung der Vegetation in den höheren
Regionen der Gebirge, wenn man dieselbe nach einem und
demselben Prineipe betreibt, indessen künftige Beobachtun-
gen werden sicherlich dasjenige vollständiger ausführen,
was wir hier nur mit einigen Grundzügen haben andeuten
können.
Es erstreckt sich diese Region der Nadelhölzer, auf
den Gebirgen der Aequatorial-Zone, von 9500 — 11500 Fufs
Höhe, und sie hat eine mittlere Temperatur von 11° Cels.
aufzuweisen, indessen auf ausgedehnten Plateau’s, wie das-
jenige von Mexico, welches an der Grenze der tropischen
Zone liegt, wo demnach diese Region schon in einer nie-
deren Höhe von 1900 Fufs auftritt, also zwischen 7600
bis 9500 Fufs Höhe, da steigt die mittlere Temperatur zu-
weilen viel höher, und demnach werden dadurch Verände-
rungen und Eigenthümlichkeiten in der Vegetation hervor-
gerufen, welche mit den Verhältnissen in der entsprechen-
den Zone ganz und gar nicht übereinstimmen.
In der peruanischen Cordillere fehlen die Coniferen,
es treten indessen an ihrer Statt die Escallonien vorherr-
schend auf. Es beginnt daselbst, nach Herrn A. v. Hum-
boldt's Beobachtungen, die Region der Escallonien in 8900
284
Fufs Höhe und erstreckt sich bis 10,400 Fufs, zugleich
durch das Auftreten der Wintera grenadensis charakterisirt.
„Einige Stämme der orangenfarbenen Fieberrinde (Cinchona
„lanceifolia), einige Rhexien und Melastomen mit dunkel-
„violetten, fast purpurfarbigen Blüthen, verlieren sich in
„diese Einöden. Alstonia, deren Blätter einen süfslich
„schmeckenden, aber sehr heilsamen, stärkenden Thee ge-
„ben, Escallonia tubar und einige Andromeda-Arten be-
„schatten hier niedere Lobelien, Basellen und die stets
„blühende Swertia quadricornis.“
Aeusserst charakteristisch erscheint die Vegetation die-
ser Region auf dem Plateau von Mexico, deren sehr aus-
führliche Schilderung wir in dem, schon so häufig genann-
ten Berichte des Herrn Schiede #) erhalten haben. Auf
jenen Hochebenen, in einer Höhe von 17,400 Fufs, fand
Herr Schiede jene Wälder von Nadelhölzer aus Pinus
occidentalis und einer Cypressen-Art bestehend, welche
den gröfsten Theil der Flächen und Bergabhänge bedeckten.
Höchst auffallend aber treten daneben jene schattenlosen
Wälder von baumartigen Liliengewächsen auf, der Yuccen
nämlich, die sich mit einfachem, in der Krone nur wenig
getheiltem Stamme und schilfartigen, starren Blättern bis
zu 30 Fufs Höhe und darüber erheben. Schon früher,
pag. 140, habe ich darauf ausführlich aufmerksam gemacht,
dafs diese Yuccen und Wachholder jener Region mit den
fadenförmigen, weifsgrauen Tillandsien bedeckt sind, ganz
ähnlich, wie bei uns zuweilen in feuchten Wäldern die
Usneen auftreten. Wo in jener Region diese hohen Bäume
fehlen, da bedecken Kräuter und Halbsträucher den dürren
Boden. Die Schaar der Astragalen, Daleen, gelbblühenden
Synantheren, ein kleiner‘ Croton mit silberfarbigen Blät-
tern, und Cisten überziehen hier grofse Strecken; über
diese erheben sich blaue Lupinen und weifsblättrige Buddle-
jen, Solanen, Tunas und andere Cactus-Formen, als Me-
locacten und Mammillarien, so wie auch die Agaven nicht
*) Linnaca von 1829. p. 224 u. s. w.
285
fehlen. Etwas höher hinauf erscheinen Eichenwälder und
Arbutus-Arten treten auf.
Ganz vortrefflich schildert Herr Schiede *) die Ve-
getation in der Nähe der oberen Grenze dieser Region,
nämlich in 8000 Fufs Höhe, am Fufse des Vulkan’s von
Orizaba, indem er zugleich die Naturschönheiten dieser
Gegenden mit den ähnlich erscheinenden Wäldern Tyrols
vergleicht. Die abendländische Fichte nimmt auch hier
noch grofse Strecken ein, und zwischen ihren Stämmen
erscheinen Eichen und Ellern zerstreut und einzeln; aber,
sagt Herr Schiede, es fehlen die rauschenden Wässer, die
den Boden erfrischen, und also auch die üppig aufspriefsen-
den Kräuter, das Eigenthum unserer Alpen. Purpurrothe
Stevien treten dort zwischen den getrennt stehenden Hau-.
fen hoher Gräser auf, und Eryngien, Arenarien, und Hy-
poxides beleben die Einförmigkeit, zu denen sich ‚endlich
Veilchen und Ranunkeln zugesellen. Endlich treten noch-
mals Wälder von Eichen, Ellern und Coniferen auf, de-
ren Unterholz durch strauchartige Cinerarien, Ribes und
Rhododendron - Arten gebildet wird; hier erscheinen Vac-
einien, Castillejen und höher hinauf noch Pediecularis-
Arten. So erstreckt sich diese Region der Nadelhölzer
in der Cordillere Mexico’s, bis über 10000 Fufs hinaus,
und verschmilzt mit der Region der Alpen-Rosen, welche
daselbst zu einer geringen selbstständigen Entwickelung
kommt.
Für die subtropische Zone in’ der nördlichen Hemi-
sphäre, bleibt uns eigentlich nur die Betrachtung dieser
Region auf dem Vulkan von Teneriffa, denn die bisherigen
Angaben, über die Vegetation im Himalaya, möchten noch
nicht hinreichend sein. Da der Vulkan von Teneriffa mit
zunehmender Höhe auch an Steilheit zunimmt, so mufs
auch die Wärme auf demselben mit zunehmender Höhe
um so schneller sinken, und demnach findet auch auf dem
oberen Theile desselben ein Herabsinken der verschiede-
lc. p. 226.
286
nen Regionen der Vegetation statt. ‘Schon im Vorherge-
henden haben wir gesehen, dafs die Region der canari-
schen Fichte auf dem Vulkan in der Region der Laub-
hölzer erschien, und diese Nadelholz- Waldungen, welche
nur bis zu 5900 Fufs Höhe gehen, reichen demnach nur
wenig in diese Region, welche der subtropischen Zone
entsprechen soll. Indessen eine andere Pflanzenform er-
scheint in dieser Höhe und geht selbst bis zu 8000 Fufs
hinauf, welche theils einen Theil der Region der Nadel-
hölzer erfüllt, theils die Stelle der Alpenrosen vertritt;
es ist diefs das Spartium nubigenum (Retama blanca), ne-
ben dem Spartium microphyllum, Juniperus Oxycedrus
u. Ss. w. wachsen.
Obgleich Sieilien und vorzüglich der Aetna eigentlich
der wärmeren temperirten Zone angehört, so ist doch da-
selbst, durch ‚die eigenthümliche Lage dieses schönen Lan-
des, ein so warmes Clima, dafs die Vegetation des Aetna’s
mit derjenigen des Vulkans von Tenerifla fast ganz pa-
rallel verläuft. Nach Herrn Philippi *) gehen die Fichten-
Wälder (Pinus Laricio) und die der Betula alba auf dem
Rücken des Aetna’s bis zu 6200 Fufs Höhe, der Junipe-
rus hemisphaerica geht dagegen noch bis 7100 Fufs Höhe,
also bis in die Region der Alpen-Rosen. Genista aetnen-
sis, besonders charakteristisch für diese Region, Juniperus
hemisphaerica, Astragalus siculus und Berberis aetnensis
Presl, treten hier besonders häufig auf, werden jedoch vor-
herrschend in der nächstfolgenden Region **).
In der wärmeren temperirten Zone müfste die Region
der Nadelhölzer, nach unserer gegebenen Eintheilung, in
der Höhe von 3800 bis 5700 Fufs erscheinen, und hiemit
sind auch die Beobachtungen der Herrn Ramonds und De-
*) Linnaea VII. p. 745 etc.
*") Die Vegetation des Aetna’s hat keine Aehnlichkeit mit der
Vegetation der Alpen und der der Canarischen Inseln. — Die alpi-
nen Pflanzen des Aetna’s hat man bis auf Genista aetnensis sämmt-
lich in Sicilien und den zunächst liegenden Ländern gefunden.
287
candolle *) genau übereinstimmend. Die Region der Na-
delhölzer beginnt daselbst in 4000 Fufs Höhe, und steigt
daselbst bis zu 5544 Fufs (Pinus uncinata nämlich) hinan,
dann beginnt daselbst die Region der Sträucher, welche
unserer Region der Alpen-Rosen entspricht, und zuletzt,
von 7800 Fufs Höhe erscheint die Region der Alpen-
. kräuter.
In den Apenninen entspricht die Region der Nadel-
hölzer unseren Höhenangaben für diese Region ganz genau;
wir benutzen hiezu die Darstellung der Vegetation dieses
Gebirges von Herrn Schouw **), wo wir dessen Ste und 4te
Region zusammenfassen und, bei 3800 Fufs Höhe, die un-
tere Grenze der Nadelhölzer feststellen möchten. In der
Region von 3000—5000 Fufs Höhe, ist die Buche auf
den Apenninen vorherrschend, und Pinus Picea, P. syl-
vestris und Taxus baccata kommen daselbst selten vor, je-
doch in der Höhe von 5000 Fufs soll die Buche daselbst
nicht mehr aufrecht stehen. Bis zu 6000 Fufs Höhe kommt
die Buche nur als kriechender Strauch vor, so wie dieses
auch mit Pinus sylvestris der Fall ist. Dieses gleichmä-
fsige Auftreten der Nadelhölzer mit der Buche ist für
dieses Gebirge ganz eigenthümlich und verdiente wohl
eine ausführliche Erforschung.
Für die Alpen der Schweiz, als ein Gebirge der käl-
teren temperirten Zone, wollen die Beobachtungen, über
die Höhen dieser obern Regionen der Vegetation, mit un-
seren vorausgesetzten Angaben nicht stimmen, sondern
die Höhen verhalten sich beinahe noch ganz so, wie auf
dem Gebirge der wärmeren temperirten Zone, wie auf den
Pyrenäen nämlich, was sich allerdings durch die geringe
Breiten-Differenz und hauptsächlich durch die gröfsere
Masse hoch erhobenen Landes in der Schweiz erklären
läfst. Die Region der Coniferen in der Schweiz hat eine
Ausdehnung von 4000 bis 5500 Fufs, was fast ganz genau
*) S. A. v. Humboldt, De distribut. geograph. plant, p. 122 etc,
rj’]l'e: p.'475.
288
dieser Region in der wärmeren temperirten Zone entspricht.
Auf dem schlesischen Riesengebirge und auf dem Harze,
welche innerhalb der kälteren temperirten Zone liegen,
geht die Grenze der Coniferen, fast ganz genau überein-
stimmend mit unsern theoretischen Angaben, nämlich bis
zu 3800 Fufs Höhe. ;
Werfen wir nun noch schliefslich einen Blick auf die
Vegetation der subarktischen Zone, welcher die Region
der Coniferen auf den Gebirgen wärmerer Gegenden ent-
spricht, so finden wir, dafs die Coniferen daselbst, näm-
lich ''Pinus sylvestris, nur bis zur Höhe von 1200 Fufs
hinaufsteigen, also in der Region der Ebene bleiben, und
daselbst nicht mehr in die zweite Region steigen, welche
die Vegetation: der arktischen Zone besitzt.
Die Region der Nadelhölzer fällt mit derjenigen zu-
sammen, welche von Wahlenberg, Schopy u. A, m. die
subalpihe Region genannt ist.
7) Die Region der Alpen-Rosen.
Die Region der Alpen-Rosen ist dieselbe, welche von
anderen Schriftstellern, für die Gebirge Europa’s, mit dem
Namen der unteren Alpenregion belegt worden ist;
sie entspricht der Vegetation in der arktischen Zone, näm-
lich von dem Polarkreise an, bis über 72° der Breite hin-
aus. Die hohe Baumvegetation fehlt dieser hohen Region;
auf den meisten Gebirgen der nördlichen Hemisphäre,
sind es nur niedere strauchartige Arten von Birken und
Fichten, welehe noch daselbst auftreten, und neben den
niedrigen ‘Weiden-Arten erscheint in dieser Region die
höchst charakteristische Alpen-Rose, die Gattung Rhodo-
dendrum nämlich. Eine mittlere Temperatur von 5 bis
°.Cels. möchte dieser Region vielleicht ziemlich allge-
mein zukommen. ‘Auf den Gebirgen der Aequatorial-Ge-
gend müfste die Region der Befarien, welche die Al-
penrosen der alten, Welt daselbst vertreten, von 11400
13300 Fufs Höhe hinaufgehen, und es lassen sich auch
in der That eine Menge von Beobachtungen aufführen,
2859
welche diese Region auf verschiedenen Gebirgen der hei-
fsen Zone ganz entwickelt nachweisen, wenngleich auch
das Auftreten der Befarien nur äufserst selten ist. Unter
dem Aequator bedecken die Alpenrosen der Anden (vor-
züglich Befaria aestuans, B. coarctata, und B. grandiflora)
die Berge bis zu den höchsten Paramos, bis über 10000
Fufs Höhe hinaus *), indessen, so wie auch die Alpenrose
der Schweiz und besonders das Rhododendrum ferrugi-
neum in Tyrol zu höchst auffallend niederen Standorten
herabkommt, so findet man auch die Befaria, wie z. B.
auf der Silla de Caracas, nach Herrn A. von Humboldt’s
Beobachtungen, in 6000 Fufs Höhe, und schon in Florida,
unter 30° Breite gedeiht eine Befaria auf niederen Hügeln,
so wie das Rhododendrum lapponicum in der arktischen
Zone schon zur Ebene gelangt. Ich möchte glauben, dafs
die Befarie mehr in der Region der Escallonien und der
Winteren auftritt, und, nur ihrer Form wegen die Alpen-
Rose der Cordillere darstellt. Die Befaria ledifolia auf
der Silla de Caracas wird nicht über 3 bis 4 Fufs hoch;
ihr Stamm zertheilt sich vom Boden an in zahlreiche,
brüchige, fast quirlförmige Aeste, ihre Blätter sind läng-
lich eiförmig, auf der Unterfläche graugrün und gegen den
Rand eingerollt. Die ganze Pflanze ist mit langen kleb-
rigen Haaren bedeckt, und hat einen sehr angenehmen
harzigen Geruch. Die Bienen besuchen ihre schönen pur-
purfarbigen Blumen, welche, wie bei allen Alpenpflanzen,
ungemein zahlreich sind, und, wenn die Blume völlig ge-
öffnet ist, fast einen Zoll im Durchmesser haben. **)
Diese untere Alpenregion ist es, in welcher das herr-
liche Thal von Chuquito, rund um den Alpensee von Ti-
ticaca, in einer Höhe von 12700 Fufs gelegen ist, über
dessen Vegetation ich, in dem Berichte über meine Reise
dahin, sehr ausführliche Nachrichten mitgetheilt habe, Bei
meiner schnellen Reise durch diese reiche Hochebene und
*) $. A. v. Humboldt, Reise etc. II. p. 425.
"N S. ebendaselbst.
49
290
bei meinem kurzen Aufenthalte daselbst habe ich keine
Befarien gefunden, ja nicht einmal Escallonien, doch
zweifle ich nicht, dafs diese interessanten Cordilleren-
Pflanzen daselbst vorkommen. Auf diesem berühmten
Plateau von Chuquito, fehlt, wie ich es schon oftmals in
diesem Werke gesagt habe, alle Baumvegetation, obgleich
in Sträuchern und Kräutern daselbst eine grofse Ueppig-
keit herrscht. Der Ackerbau der Eingebornen beschränkte
sich früher blofs auf die Quinoa und auf die Kartoffel,
gegenwärtig wird daselbst aber auch Roggen, Gerste und
Hafer gebauet, doch wird nur der Hafer reif, die Gerste
schon seltener und der Roggen wird nur zu Grünfutter
benutzt. Ausführlichere Nachrichten sind hierüber in mei-
ner Reisebeschreibung Bd. I. p. 403 u. s. w. zu finden.
An den Ufern des See’s findet man oftmals die ausgezeich-
netste Vegetation; prachtvolle Cassien, hohe Celsien, Gna-
phalien, Calceolarien und Loasen mit aufserordentlich gro-
{sen Blumen und stachligen Blättern treten hier in sehr
grofser Menge auf. Discarien treten hier als hohe Sträu-
cher auf, und schöne Cactus, sowohl Cereen als Peres-
kien standen an den Abhängen der Hügel und waren über
und über mit Blüthen bedeckt. Ein schöner Rasen von
zahlreichen neuen Gräsern, überzog die Hügel dieser Al
pengegend und. dichter Wald von Binsen fafste die Ufer
des grofsen See’s ein. |
Auf den europäischen Gebirgen, welche schon so
häufig Gegenstand specieller pflanzengeogravhischer Un-
tersuchung gewesen sind, ist das Auftreten der Alpenrosen,
dicht unter der Region der Alpenkräuter, ganz allgemein,
und ich bemerke nur noch, dafs in ihrer Gesellschaft, als
charakteristisch, die Vaccinien, Andromeda, Ledum palustre
und dergleichen kleine Sträucher mit harten und glänzen-
den Blättern erscheinen.
Auf dem Aetna wird die Alpenrose, nach Herrn Phi-
lippis Beobachtung, gleichsam durch Astragalus siculus
ersetzt, welcher in der entsprechenden Region zwischen
3200 — 7500, besonders in der letztern Höhe die vorherr-
291
schendste Pflanze ist. Es bildet diese Pflanze dichte halb-
kugelichte Rasen, von 5 Fufs im Durchmesser und 21 Fufs
Höhe, etwas Aehnliches, wie das Auftreten mancher Kräu-
ter in der Alpenregion der Cordillere.
8) Die Region der Alpen -Kräuter.
Die Region der Alpen-Kräuter beginnt auf den Hö-
hen der verschiedenen Gebirge mit der oberen Grenze
der Gesträuche und erstreckt sich bis zum ewigen Schnee,
welcher die Grenze aller Vegetation ist. Es entspricht
diese Region der Vegetation der Polar-Zone, welche sich
von der nördlichen Grenze aller Vegetation, bis zur Grenze
der Gesträuche und der baumartigen Vegetation erstreckt,
die wir ungefähr im 72sten Grade der nördlichen Breite
festgesetzt haben. Die mittlere jährliche Temperatur der
Polar-Zone liegt tief unter dem Gefrierpunkte des Was-
sers, die der Region der Alpenkräuter ist dagegen weit
höher, ja sogar 3 bis 4° C. über dem Gefrierpunkte, und
dennoch, wie wir es schon früher (pag. 20) durch Bei-
spiele nachgewiesen haben, ist die Vegetation im den käl-
teren Gegenden oftmals weit üppiger, als in den Höhen
der Gebirge, wo die Temperatur des Jahres höher steht.
Es ist dieses am deutlichsten durch den Anbau der Ge-
treide-Arten nachzuweisen, welcher weit höher nach den
Polen zu hinaufgeht, als nach den entsprechenden Regio-
nen der Gebirge, und zwar ist diese ganze Erscheinung
ı durch die, verhältnifsmäfsig niedere Temperatur der Som-
merzeit auf den Höhen der Gebirge zu erklären, worüber
gleich im Anfange dieses Buches ausführlicher gesprochen
worden ist. Auf solchen Gebirgen hingegen, welche grofse,
ausgedehnte Plateau’s in ihren Höhen bilden, da zeigt sich
auch die mittlere Sommerwärme höher, als sie gewöhnlich
am Abhange der Berge in gleicher Höhe statt findet.
Man bezeichnet die Gewächse, welche in der höchsten
Region der Gebirge, bis zur ewigen Schneegrenze hin, vor-
kommen, im Allgemeinen mit dem Namen der Alpenkräu-
AN
292
ter und macht auf verschiedene Eigenthümlichkeiten auf-
inerksam, wodurch sich dieselben von den übrigen Ge-
wächsen der Ebene unterscheiden. Der allgemeinste Cha-
rakter, welcher den Alpen -Pflanzen zukommt, möchte ihr
gesellschaftliches Wachsen sein, welches sich auf eine be-
sondere Zähigkeit des Lebens der Pflanze, auf besondere
Entwickelung der Wurzel und auf eine gewisse Neigung
zur Knospenbildung begründet. Fast alle Alpenpflanzen
sind ausdauernde Gewächse; die Zahl der einjährigen ist
unter ihnen ganz aufserordentlich gering, und dann sind
es solche, welche eine sehr grofse Menge von Saamen
erzeugen. Die Wurzel dieser ausdauernden Gewächse,
welche den starken, oft 9 bis 10 Monate langen Winter
ausdauern mufs, ist gewöhnlich sehr holzig, oder, wie die
der Zwiebeln, in einer Menge von Häuten eingewickelt,
daher richten sich denn auch diese Gewächse mehr nach
der mittleren jahrlichen Temperatur, wärend die einjähri-
gen Pflanzen sich nach der mittleren Sommerwärme be-
stimmen.
Ganz allgemein rühmt man bei den Alpen-Pflanzen
die verhältnifsmäfsig grofsen Blüthen, welche meistentheils
mit sehr lebhaften und prächtigen Farben geschmückt sind,
und dieser Ruhm bestätigt sich auf allen Gebirgen der ver-
schiedensten Zonen. Auf unseren europäischen Gebirgen
sind die herrlichen grofsblumigen Gentianen bekannt, die
prachtvolle Aretia alpina, Dryas octopetala, mit den gro-
fsen glänzend weifsen Blüthen, die schönen Anemonen,
Primulen und die grofse Zahl von Syngenesisten mit gro-
fsen gelben Blumen, als Arnica montana, Apargia alpina
u. s. w. Auf den Gipfeln der Cordillere Südamerika’s
findet sich diese Eigenthümlichkeit der Alpen - Pflanzen
vielleicht noch deutlicher ausgedrückt; hier wachsen ver-
schiedene Arten der Gattungen Mimulus, Calceolaria, Ca-
landrinia, Lupinus, und vorzüglich mehrere Sida-Arten |
mit den ausgezeichnet schönsten und gröfsten Blüthen.
Eine bestimmte Farbe kann man als vorherrschend bei
den Blumen der Alpen-Pflanzen nicht annehmen; man
293
w
hat wohl geglaubt, dafs weifse Blüthen unter diesen Ge-
wächsen häufiger vorkommen, als anders gefärbte, aber
dafs dieses nicht der Fall ist, hat schon Herr Schouw *)
für die Gebirge Europa’s nachgewiesen, und ich kann noch
dazusetzen, dafs mir in den grofsen Höhen der Cordillere
Südamerika’s, gerade die weifsen Blumen, als grofse Sel-
tenheiten vorgekommen sind, ja an verschiedenen Punk-
ten, wo ich, auf jenem Gebirge, bis in die Nähe der Schnee-
grenze gekommen bin, habe ich gar keine weifse Blumen
zu sehen bekommen. Die blaue, die gelbe und die vio-
lette Farbe war unter den Alpen-Blumen der Cordillere
von Peru und Chile gerade die vorherrschendste,
Die Alpen-Pflauzen werden gewöhnlich als solche
bezeichnet, welche theils reich an aromatischen, theils an
bitteren, theils an harzigen Stoffen sind, und dieses be-
stätigt sich in allen Zonen der Erde. Es fragt sich nun,
ob dieser Gehalt an kräftig wirkenden Stoffen Folge des
‚ Standortes dieser Pflanzen ist, oder ob er der Pflanze an
und für sich zugehört. Sehr bekannt ist es, dafs derglei-
chen Alpen - Pflanzen, welche als Arzneimittel benutzt
werden, dafs diese weit kräftiger wirken, wenn sie auf
ihrem natürlichen Standorte gesammelt sind, als wenn sie
künstlich in den Gärten der Ebene gezogen wurden; und
dieses spricht unwiderruflich dafür, dafs der Standort, in
den Höhen der Gebirge, bedeutenden Einflufs auf die Er-
zeugung dieser wirksamen Stoffe ausübet. Es ist jedoch
auch nicht zu verkennen, dafs unter den Alpenpflanzen
gerade solche Familien und Gattungen die häufigsten sind,
welchen dergleichen wirksame Stoffe ganz allgemein eigen
sind, selbst auch dann, wenn sie in der Ebene wachsen.
‘Ich glaube, es ist keine Art unter den Alpen -Pflanzen be-
kannt, welche einen bitteren, einen aromatischen oder ei-
nen harzigen Stoff besitzt, wenn nicht ähnliche Stoffe auch
in ihren geschlechtsverwandten Arten der Ebene vorhan-
den sind; aber gewifs ist die Thatsache richtig, dafs der-
*) Grundzüge etc. p. 461.
294
gleichen Stoffe, in den alpinen Arten jener Gattungen und
Familien, verhältnifsmäfsig viel stärker entwickelt werden,
als bei denjenigen, welche der Ebene angehören. Die
Familien der Compositae und der Umbellaten, so wie die
Gattung Gentiana liefern die gewöhnlichsten Alpenpflanzen,
welche sich durch gröfseren Gehalt an wirksamen Arznei-
Stoffen auszeichnen; in der Nähe der Schneegrenze der
Cordillere Südamerika’s ist gewöhnlich die gröfste Masse
von Pflanzen mit einem, mehr oder weniger wohlriechen-
den, bitterlich schmeckenden Harze angefüllt, welches sich
häufig, wie bei der niedlichen Laretia acaulis Hook. (Se-
linum acaule Cav.) in grofsen Massen absondert, und auf
der Oberfläche der Pflanze umherliegt. Die aufserordent-
lich grofse Anzahl von kleinen syngenesistischen Gesträu-
chen, welche auf der Cordillere Südamerika’s bis in die
Region der Alpen-Pflanzen hineinreichen, sind ganz au-
fserordentlich reich an harzigen aromatischen Stoffen, und
ihre Belaubung besteht in kleinen, harten, glänzenden und
glatten Blättern, welche nur sehr selten irgend einige Be-
haarung zeigen. Die Blätter dieser Syngenesisten, so wie
ihr ganzer Stengel, sind meistens mit abgesonderten harzi-
gen Stoffen überzogen, was bei den geschlechtsverwandten
Arten der Ebene keineswegs in dem Maafse vorkommt.
Man hat auch, aufser der vorherrschenden Entwicke-
lung der Wurzel und der Blume bei den Alpen-Pflanzen
ein Verkümmern der Blätter, als allgemein vorkommende
Eigenschaft angegeben; die Blätter sollen zusammenschrum-
pfen und mehr oder weniger buchtig auf ihrer Oberfläche
werden, theils soll ihr Grün verschwinden und ein unbe-
stimmtes Gelb an dessen Stelle treten, wobei sie zugleich
membranartig würden *). Auch glaubt Herr Parrot, dafs
der eigenthümliche Charakter der Alpen - Vegetation darin
bestehe, dafs die Pflanzen in ihrem ganzen Wuchse das
Bestreben zeigen, sich nicht hoch über den Boden zu er-
heben, und demnach einen kurzen und starken, oder einen
s
*) S. Parrot’s Reise nach dem Ararat.. Berlin 1834. 2 Thle.
A
295
gekrümmten und niederliegenden Stengel zu bilden, an wel-
chem Aeste, Blätter und Blüthen auffallend gedrängt bei
einander stehen.
Gewifs findet Vieles von dem, was hier gesagt wurde,
seine volle Bestätigung; die Alpen-Pflanzen haben etwas
aufserordentlich Charakteristisches, so dafs man sie, selbst
in grofsen Sammlungen getrockneter Pflanzen, sogleich
herausfindet; doch alle diese charakteristischen Zeichen
kommen auch denjenigen Pflanzen zu, welche in der Ebene
hoher entsprechender Breiten, als in der Polar-Zone und
in der arktischen Zone wachsen; demnach ist es wohl nicht
die verdünnte Luft, welche das Charakteristische der Al-
pen- Vegetation hervorruft, sondern es ist die Wirkung
der niederen Temperatur, welche alle schnelle Entwicke-
lung der Blattknospe verhindert, daher die Pflanze stark
und gedrängt werden mufs, wodurch aber auch ein, um
so gröfseres Auftreten der Blüthen bedingt wird. Wenn
in der arktischen Zone die Pflanzen der Polar-Zone, durch
die Eigenthümlichkeit des Küsten-Olima’s, bis zum Ufer
des Meeres hinabgezogen werden, so verlieren diese alle
Eigenthümlichkeiten, welche ihnen sonst, als alpinen Pflan-
zen, zukommen, besonders schwinden die verhältnifsmäfsig
srofsen Blüthen *). Ich glaube nicht, dafs man, aus den
Beobachtungen auf Gebirgen einer und derselben Breite,
auf die gesammte Alpen - Vegetation schliefsen darf; auf
unseren nördlichen Gebirgen der alten Welt zeichnet sich
eine grofse Menge von Alpen-Pflanzen durch verschrumpfte
und stark behaarte Blätter aus, welche weniger schön
grün gefärbt sind; es fehlen jedoch unter den Alpen-Pflan-
zen eben derselben Breite keineswegs solche, welche dicke,
fleischige und unbehaarte Blätter aufzuweisen haben. Ge-
rade Pflanzen dieser letzteren Art korsmen auf der chile-
nischen Cordillere, selbst ın den höchsten Regionen, in der
gröfsten Anzahl vor. Die Arten-reiche Gattung Calan-
drinia, die Alströmerien und Oxalis- Arten, so wie die
*) S. auch Lessing, 1. c. p. 291 eic.
296
Boopideen zeigen diese, mehr saftigen, haarlosen Blätter,
dagegen fehlt es auch hier nicht an solchen Pflanzen, wel-
che sich durch behaarte, auf eigenthümliche Weise zusam-
mengeschrumpfte Blätter auszeichnen, als z, B. eine Menge
von Sida-Arten, Calceolarien, Loasen und selbst mehrere
Syngenesisten, worunter auch die Nassauvien. Die Blät-
ter bei diesen Sida- und Calceolarien-Arten erscheinen
ähnlich denen unserer Gattung Pedisularis, doch zeigen
jene Gattungen auch verschiedene Arten, welche, in der
Ebene vorkommend, ebenfalls dergleichen Pedicularis- ar-
tige Blätter aufzuweisen haben, eben so, wie auch die
Gattung Pedieularis selbst verschiedene Arten hat, welche
den Ebenen unserer Zone angehören, und dennoch eben
‚so krause, wenn auch weniger behaarte Blätter zeigen.
Die gröfste Anzahl der niederen Gesträuche, welche,
auf den gröfsten Höhen der Cordillere, gleichsam die Stelle
unserer krautartigen, arktischen Weiden vertreten, und
zum gröfsten Theile den Syngenesisten angehören, haben
sehr feste, lederartige und meistentheils glatte Blätter, de-
ren Form meistentheils so eigenthümlich ist, dafs man,
ohne Kenntnifs der Blüthen, schwerlich in ihnen die Blät-
ter von syngenesistischen Gesträuchen erblicken wird.
Die Bacchariden, deren Arten-Zahl so unendlich grofs
ist, zeichnen sich hiebeiı am meisten aus; ich nenne hier
nur einige der auffallendsten Arten dieser Gattung, wel-
che in den höchsten Regionen der’ Cordillere von Peru
vorkommen, deren sonderbare Form man meistentheils
schon aus dem Beinamen errathen kann, als: Baccharis
genistelloides Hook., B. phylicaeformis nob., B. quadran-
gularis nob., B. sagittalis Less. u. s. w.
Obgleich die Zahl der Alpenkräuter auf den verschie-
denen Gebirgen der ganzen Erde aufserordentlich grofs
ist, so herrscht doch unter denselben, wenigstens für die
Gebirge einer und derselben Hemisphäre, eine aufseror-
dentliche Uebereinstimmung, wenngleich es allerdings der
Fall ist, dafs jedem der grofsen Gebirgszüge auch seine
eigenthümlichen Alpen-Pianzen zukommen.
297
Da nun, wie wir es im Vorhergehenden gesehen ha-
ben, die Alpen-Pflanzen mit der Vegetation der Polar-
Zone sehr genau übereinstimmen, so ist diese Achnlich-
lichkeit in dem.Charakter der Vegetation, von der Polar-
Gegend an, bis zum Aequator hin zu verfolgen, wenn
wir nämlich, auf den Gebirgen der verschiedenen Zonen,
die entsprechenden höheren Regionen mit einander ın Ver-
gleich stellen. Unter welcher Zone die Zahl der Alpen-
Pflanzen am gröfsten sein möchte, ist wohl schwer zu
entscheiden, da hierauf die Verschiedenheit des Bodens
so grofsen Einflufs hat. Auf den Gebirgen, welche in
den Regionen der Alpen-Kräuter ausgedehnte Plateau’s
bilden, da ist auch, wenn der Boden nicht zu unfrucht-
bar ist, die Zahl der Alpen-Pflanzen sehr grofs, und aus
eben demselben Grunde glaube ich behaupten zu können,
dafs gerade der Polar-Zone die gröfste Masse von Alpen-
Pflanzen, sowohl in Hinsicht der Individuen, wie der Ar-
ten- und Gattungen-Zahl zukommt. Zwar haben die Al-
pen-Pflanzen nur wenige Gattungen aufzuweisen, welche
nicht auch in der Ebene vorkommen, es giebt aber eine
Anzahl von Gattungen, welche theils vorzüglich alpine
Arten zeigen, theils ganz allein den Regionen der Alpen-
Gewächse angehören. Der nördlichen Hemisphäre der al-
ten Welt und auch den Gebirgen von Java (aufserdem
sind uns für die südliche Hemisphäre keine Gebirgs -Flo-
ren bekannt), sind folgende Gattungen, als die hauptsäch-
lichsten Alpen-Kräuter liefernd, eigenthümlich, als: Dryas,
Saxifraga, Viola, Phyteuma, Arabis, Epilobium, Draba,
Arenaria, Pedicularis, Primula, Androsace, Ramondia, Sol-
danella, Phaca, Gentiana, Salix, Carex, Astragalus, einige
Gattungen Gräser und Compositae.
Einzelne Arten aus diesen genannten Gattungen
sind es vorzüglich, welche die Vegetation, in der Region
der Alpenkräuter, auf den Gebirgen Europa’s und Asien’s,
bis dicht an die ewige Schneegrenze hin darstellen. Ein-
zelne derselben, wie die Gattung Primula, Campanula und
Phyteuma, sind mehr der Alpen-Region niederer Breiten
298
eigen, andere hingegen, als Carex, Salix, Arbutus u. s. w.,
kommen dagegen mehr in den Alpen-Regionen der höheren
Breiten und zuletzt in der Polar-Zone vor.
Die neue Welt, welche in Hinsicht ihrer Vegetation
so grofse Verschiedenheiten von derjenigen der alten Welt
aufzuweisen hat, zeigt auch in Hinsicht der Alpenkräuter
bedeutende Verschiedenheiten. Wenngleich auch viele
Formen in der Nähe der Schneegrenze der Cordillere
auftreten, welche auf den Gebirgen der alten Welt ganz
ähnliche Pflanzen aufzuweisen haben, so ist doch in Ame-
rika die Zahl der, den dortigen Gebirgen eigenthümlichen
Alpen-Pflanzen viel gröfser. Die Alpen-Pflanzen, welche
in den höchsten Regionen des Himalaya - Gebirges vor-
kommen, gehören den Gattungen Ranunculus, Aconitum,
Geranium, Potentilla,. Epilobium, Carduus, Senecio, Inula,
Cineraria, Myosotis, Primula, Pedicularis, Salvia, Lamium,
Origanum und Polygonum an *), und bilden eine Vegeta-
tion, welche den entsprechenden Regionen und Zonen der
nördlicheren Gegenden auf das entschiedenste gleichartig
ist. Auf der Insel Java sind zwar keine Gebirge, welche
bis zur Schneegrenze aufsteigen, doch die Vegetation der
höchsten Regionen dieser Insel gehört den Gattungen Va-
leriana, Ranunculus, Bellis, Hypericum, Gnaphalium, Swer-
tia, Gentiana, Viola, Potentilla, Centaurea, Spiraea, Carex,
Sphagnum u. s. w. an #®*), doch ist hier nach Herrn Rein-
wardt's Ausspruch zu bemerken, dafs von allen diesen
phanerogamen Pflanzen, auf dem Gebirgen Java’s, keine
einzige Art vorkommt, welche mit denen in nördlichen
Gegenden ganz genau übereinstimmt, nur das Torfmoos
jener Gebirge, soll mit dem des nördlichen Europa’s über-
eiustimmen.
Es ist ein grofser, fühlbarer Mangel in unserer Wissen-
schaft, dafs bis jetzt noch keine Gebirge in der südlichen
Hemisphäre der alten Welt, welche bis über die ewige
*) $. Royle, Illustr. I. c p. 32.
**) S. Reinwardt 1. c. p- 13.
299
Schneegrenze hinausgehen, in botanischer Hinsicht bekannt
sind; wir würden dabei erkennen, ob die Alpen -Pflanzen
dieser Gebirge eben so grofse Verschiedenheiten aufzuwei-
sen haben, wie dieses in der Vegetation der Ebene dieser
Ländermassen der Fall ist, oder ob sie mit den Alpen-
Pflanzen des südlichen Amerika’s übereinstimmen würden.
Vergleicht man die Berichte der verschiedenen Reisen-
den, welche die Schneegrenze der Cordillere überstiegen
haben, so wird man auch unter den, von ihnen beobachte-
ten Pflanzen dieser Region der Alpen-Kräuter, eine grofse
Menge finden, welche den Alpen-Kräutern unserer euro-
päischen Gebirge sehr ähnlich sind. Als solche nenne ich
Draba alyssoides, D. aretioides, Cerastium densum, Gentiana,
Andromeda, Valeriana und Lupinus-Arten, welche Herr
Hall #) auf dem Gipfel des Pichincha fand, in eben dem-
selben Jahre, in welchem ich selbst, an vier verschiedenen
Punkten, die Schneegrenze der südamerikanischen Cordil-
lere erstiegen habe. Auch ich beobachtete, sowohl in Chile
als im südlichen Peru, in der Region der Alpen -Kräuter
eine Menge von Alpen-Pflanzen, welche den unseren sehr
ähnlich waren, als Epilobium, Lupinus, Ribes, Viola, Genista,
Luzula, Hordeum, Phleum, Plantago-Arten u. s. w.;**) aber
auch an Gattungen, welche dem amerikanischen Gebirge
eigenthümlich sind, fehlte es nicht. Es besitzt die Region
der Alpenkräuter der Cordillere in der grofsen Menge von
kleinen, niedlichen Umbelliferen, welche zu den Mulineen
DC. gehören, einen aufserordentlichen Schatz. Je mehr
nach dem Süden hinab, um so mehr häufen sich die Gat-
tungen und Arten dieser Pflanzen-Gruppe, welche zuletzt,
wie schon in den Breiten von 52° (s. im Vorhergehenden
pag. 241), in die Ebene treten, wo sie, besonders durch
die Eigenthümlichkeit des Küsten-Clima’s veranlafst, ein
Clima finden, welches dem der hohen Gebirgs-Gipfel im
*) Excursions in the Neighbourhood of Quito etc. Hooker’s
Journal of Botany. London 1834. I. p. 338.
y% . . D . « .
) Siehe hiezu verschiedene Stellen meiner Reise um die Erde.
I. pag. 315, 348, 349, 451 u. s. w.
300
nördlichen Chile und in Peru entspricht. Die Mulineen
Amerika’s werden durch die Primulaceen in Europa ver-
treten; die Gattung Androsace und besonders die Aretien
bieten auf den Gebirgen Europa’s häufig einen ganz ähn-
lichen Anblick, wie die Gattungen Fragosa, Bolax, Azorella,
Laretia u. s. w. in Amerika. Ueber das höchst eigenthüm-
liche gesellschaftliche Wachsthum dieser Pflanzen, habe ich
schon früher, pag. 102, ausführlich gehandelt und verweise
defshalb auf jene Stelle. Den sonderbaren Boopideen (Ca-
lycereen Brown), schliefsen sich die Mulineen an; auch
sie sind der höchsten Region der Cordillere eigenthümlich
angehörig.
Aufserdem nenne ich die Gattungen Calandrinia, Espe-
letia, Oxalis, Acaena, Nierembergia, Alstroemeria, Culeitium,
Chuquiraga und Sida, welche den gröfsten Antheil an der
Bildung der Vegetation dieser hohen Region der Cordillere
haben. Am Fufse des Feuerberges von Maipu *) wurde
ich auf das höchste überrascht, als ich die prachtvolle und
höchst eigenthümliche Vegetation dieser Gegend erblickte.
Mehrere Oxalis- Arten, gesellig wachsend, und die rosen-
rothen Blumen der Calandrinia umbellata R. et P., C. den-
ticulata Hook. und C. biflora.n. sp. überzogen ganze Flä-
chen der Gegend, wie mit einem rothen Teppiche, wärend
sich die herrliche Wiese, aus Phleum Haenkii, dem Ph.
alpinum entsprechend, aus Vilfa asperifolia n. sp., Deyen-
zia velutina n. sp., Hordeum comosum u. s. w. gebildet, bis
zur Schneedecke hinzog und nur hie und da durch grofse
Felder, mit Tausenden von grofsen, gelben und violetten
Blumen des Mimulus und der Calceolarien unterbrochen
wurde, neben denen kleine und verkrüppelte Sträucher von
Adesmien mit gelbrothen Blumen, so wie kleine strauch-
artige Syngenesisten auftraten.
Auch an Flechten ist die Region der Alpenkräuter
nicht arm, und diese entsprechen, selbst in den verschie-
densten Zonen der Erde, den Flechten der Polar-Zone
*) Meyen’s Reise I, pag. 349.
301
noch mehr, als es unter den phanerogamen Pflanzen der
Fall ist; nur die Gyrophoren sind bis jetzt in den Höhen
der tropischen Gebirge noch nicht gefunden, an ihrer Stelle
aber erscheinen, auf dem Gebirge des südlichen Peru, grofse
Parmelien, welche durch ihre Form, ihr schildförmiges
Festsitzen und durch die Farbe ganz den Habitus der
Gyrophoren zeigen. Die Lecidea geographica ist auf den
gröfsten Höhen der verschiedensten Gebirge gefunden wor-
den, dort gewöhnlich die Vegetation schliefsend, wenn ein-
zelne Felsen aus der Erde hervorragen. Herr v. Hrımboldt
beobachtete diese niedliche Flechte auf dem Gipfel des
Chimborazo, und Herr Schiede *) fand sie auf dem Volcan
de Orizaba, wärend auch von mir dieselben an verschie-
denen, sehr hoch gelegenen Gegenden des südlichen Peru
beobachtet worden ist. Die Pflanzen, welche auf dem
Gipfel des Volcan de Orizaba die Vegetation schlossen,
gehörten nach Herrn Schiede’s Beobachtung zu den Gat-
tungen Lupinus, Eryngium, Myosotis, Sisymbrium, Draba,
Trisetum, Avena, und vor allen war der herrliche Cnicus
nivalis zu bemerken.
II. Die Statistik der Gewächse.
Gleich im Anfange dıeses Buches (pag. 4) habe ich
darauf aufmerksam gemacht, und es durch Beispiele be-
wiesen, dafs die Anzahl der Pflanzen- Arten immer mehr
und mehr zunimmt, je mehr man sich von den Polen ent-
fernt und sich dem Aequator nähert; nur eine Wasserlosigkeit
oder gänzlich unfruchtbarer Boden stellen sich unüberwind-
lich diesem Naturgesetze entgegen. Die wüsten Länder-
massen unter dem Aequator sind eben so arm an Pflanzen,
als sie es in unseren nordischen Gegenden sind; wo aber
die gröfsere Wärme der, dem Aequator näher gelegenen
*) Linnaea 1829. pag. 223.
302
Ländermassen mit entsprechender Feuchtigkeit verbunden
ist, da wird selbst der unfruchtbare Boden besiegt, eine
Menge von Pflanzenformen erscheinen hier, welche gerade
auf diesem unfruchtbaren Boden zu wuchern scheinen. Wir
haben aber auch im Vorhergehenden gesehen, dafs mit der
allmälichen Zunahme der Artenzahl, von der Polar-Zone
an, bis zum Aequator hin, auch eine allmähliche Verede-
lung der Pflanzenformen auftritt; ich habe eine bildliche
Schilderung von der Physiognomie der Vegetation von dem
Aequator an, bis zu den Polar-Zonen hin gegeben, und
in dieser liegen die Beweise zu der letzteren Behauptung.
Die edeleren Pflanzenformen erscheinen in den heifsen Ge-
genden und fehlen den kalten Zonen gänzlich, wie z. B.
Palmen und Scitamineen, oder sie herrschen in heifsen
Gegenden in grofser Masse, wärend sie nur in geringer
Anzahl in .der Nähe der Pole vorkommen, wie z. B. die
Leguminosen. Durch dieses geringere Auftreten der ent-
wickelteren Pflanzenformen in kälteren Gegenden, kommen
die weniger entwickelten daselbst in scheinbar gröfserer
Anzahl vor; ihre Anzahl nimmt nämlich, zu der Zahl der
entwickelteren Pflanzen, verhältnifsmäfsig immer mehr und
mehr zu, obgleich ihre absolute Artenzahl ebensowohl ab-
nimmt, wie die der ganzen Pflanzenmasse, jemehr man sich
von dem Aequator entfernt. Jedes Pflanzen- Verzeichnifs
irgend eines Landes, oder eines beschränkten Bezirkes,
welches auf einen Grad von Genauigkeit und Vollständig-
keit Ansprüche machen kann, wird zum Beweise des Ge-
sagten dienen können, und die Methode diese Verzeichnisse
zu benutzen, gründet sich auf die einfachste Berechnung,
indem man die Artenzahl der kleineren, so wie der grö-
fseren Gruppen dieser Pflanzen aufsucht, und die dadurch
erhaltenen Zahlen unter sich, oder zur Gesammtzahl aller
Arten einer Gegend in Verhältnifs stellt.
Dafs die Gesamimtzahl der Pflanzen noch lange nicht
genau genug bekannt ist, habe ich schon im Anfange (p. 6)
gezeigt; zum Wenigsten liefse sich die Zahl derselben,
wenn wir aus dem Resultate der neueren Reisen schliefsen
303
dürfen, auf mehr als 200,000 festsetzen. Bis jetzt sind
jedoch die verschiedenen Gegenden einer und derselben
Zone, so ungleichmäfsig in Hinsicht ihrer Artenzahl von
Pflanzen bekannt, dafs man schwerlich mit einiger Genauig-
keit die Summe der Pflanzen angeben könnte, welche einer
jeden grofsen Zone angehört. Man war lange Zeit hin-
durch der Meinung, dafs die neue Welt verhältnifsmäfsig
eine gröfsere Anzahl von Pflanzen-Arten aufzuweisen habe,
als die alte Welt, und diese Meinung war auch auf That-
sachen gestützt; indessen aus den enormen Sammlungen
von Pflanzen, welche in neuerer Zeit aus einigen heifsen
Gegenden der alten Welt zu uns gekommen sind, und aus
der überaus grofsen Mannigfaltigkeit in der üppigen Vege-
tation Indien’s und der angrenzenden grofsen Inselmassen,
wovon ich mich selbst überzeugt habe, schliefsen zu dür-
fen, kann ich keineswegs mehr jenen Angaben beistimmen.
Es versteht sich natürlich von selbst, dafs man zu Ver-
gleichungen der Art auch Ländermassen von gleichem Um-
fange, von gleicher Höhe und gleichen Gebirgsmassen, so
wie hauptsächlich einer und derselben Zone, und einer und
derselben Fruchtbarkeit wählen mufs, welche auf einem
gleichen Grade von Wärme, von Feuchtigkeit und von hu-
mushaltigem Boden beruhet.
Eben so wenig läfst sich, nach dem gegenwärtigen
Zustande der Beobachtungen, eine verhältnifsmäfsige Zahl
für die Pflanzen der nördlichen und der südlichen Hemi-
sphäre angeben; hier, in der letzten Hälfte der alten
Welt, wo die Areale der einzelnen Arten oft so aufser-
ordentlich beschränkt sind, liefse sich, im Vergleiche
mit gleichen Flächenmassen der nördlichen Hemisphäre,
eine gröfsere Zahl von Arten nachweisen, doch die gröfsere
Unfruchtbarkeit in vielen dieser Länder, möchte die Gesammt-
zahl der Pflanzen- Arten für diese Zone wieder ausgleichen.
Alle Berechnungen, welche man, mit dem gegenwärtigen
Material, in dieser Hinsicht anstellen möchte, könnten keine
der Wahrheit sich annähernde Resultaten liefern.
Eine andere Meinung, dafs nämlich die Inseln ärmer
304
an Pflanzen sind, als die Continente, verdient eine genaue
Beleuchtung. Herr L. v. Buch *) hat nämlich jene Mei-
nung zuerst ausgesprochen, welche-von vielen Schrifstellern
wiederholt und neuerlichst vom Hrn. de Candolle jun. **)
sogar mit neuen Beobachtungen bestätigt worden ist, ob-
gleich Herr Schouw ***), wenigstens wie ich glaube, diese
Meinung schon lange mit unbestreitbaren Thatsachen be-
kämpft hat. Herr L. v. Buch hat in seiner späteren Aus-
gabe der genannten Flora +) jene Meinung etwas genauer
bestimmt, wahrscheinlich wegen der Einwendungen gegen
dieselbe, welche Herr Schouw gemacht hat, und ich führe
defshalb die ganze Stelle an: „In der geringen Anzahl von
Pflanzen-Arten erscheint die Natur der Inseln ausgedrückt,
deren Pflanzenmenge sich um so mehr vermindert, je wei-
ter sie sich von den Continenten entfernen, vorausgesetzt,
dafs sie sich nicht selbst zu einem kleinen Continente aus-
dehnen.“ |
Die Canarische Flora zeigt nach Herrn L. v. Buch’s
Angaben nicht mehr als 377 Pflanzen- Arten, und nach der
Meinung dieses geistreichen Naturforschers, würde den
Azoren, wenn uns deren Flora bekannt wäre, nicht der
vierte Theil von dieser Anzahl zukommen. Diese Vermu-
thung könnte allerdings richtig sein, indessen da die Azoren
als höchst unfruchtbare Inseln bekannt sind, so könnte
man ihre Flora nur mit eben so unfruchtbaren Gegenden
der Continente vergleichen. Will man den Grad der Frucht-
barkeit des Bodens, oder den Feuchtigkeits-Zustand der
Luft bei dergleichen Berechnungen unberücksichtigt lassen,
so hat, meiner Meinung nach, das Resultat dieser Unter-
”) Allgemeine Uebersicht der Flora der Canarischen Inseln.
Berlin 1819. pag. 21.
**) Fragment d’un discours sur la g&ographie botanique prononce
& Geneve, lu le 16 Juin 1834 dans une cer&monie academique. — Bi-
bliotheque universelle. Mai, 1834.
N) Grundzüge pag. 493.
7) Enthalten in der physikalischen Beschreibung der Canarischen |
Inseln. Berlin, 1825. pag. 130.
305
suchung wenigen Werth. Die Sandsteppen und die be-
rühmten Wüsten im Innern der Continente sind eben so
arm an Pflanzen, als die unfruchtbaren, am entferntesten
gelegenen Inseln. Die Entfernung der Sandwichs-Inseln
von dem amerikanischen Continente ist dreimal so grofs,
als die Entfernung der Azoren von der europäischen Küste,
und dennoch sind die Samdwichs-Inseln ganz aufserordent-
lich reich an Pflanzen. Die unterste Region dieser Insel,
welche sich nur wenig über den höchsten Wasserstand des
Meeres erhebt, ist, ihres korallenhaltigen Bodens u. s. w.
wegen, sehr unfruchtbar und defshalb auch arm an Pflanzen,
sobald man aber diese Ebene verläfst, schon in 100 und
200 Fufs Höhe, beginnt die äufserst üppige Vegetation.
Die Zahl der bereits beschriebenen Pflanzen dieser Inseln
ist allerdings noch nicht so aufserordentlich grofs, aber die
Zahl der bereits auf jenen Inseln gesammelten, und sich
hauptsächlich in den Herbarien der Engländer befindenden
Pflanzen, kann schon darauf Anspruch machen. Ich glaube
aber nicht, dafs man die Gruppen der Sandwichs-Inseln
als einen kleinen Continent ansehen kann, dieses würde
gleichsam nur eine Ausflucht sein. Herr De Candolle jun.
führt auch die Flora von Neu-Seeland, als beweisend für
jenen aufgestellten Satz des Herrn L. v. Buch an, glaubend
nämlich, dafs- Neu-Seeland nicht mehr als 800 Pflanzen-
Arten besitze, obgleich es mit Italien fast einen und den-
selben Flächenraum einnimmt. Diese Meinung aber, dafs
Neu-Seeland so arm an Pflanzen ist, finde ich durch nichts
bestätigt, ja ich habe mir, schon durch die wenigen, aber
genauen Angaben aus Cook’s Reisen, ein ganz anderes Bild
von der Flora dieser grofsen Inseln entworfen. *) Wie
sehr man, in allen diesen Fällen, auf einen gleichen Grad
der Fruchtbarkeit des Bodens, bei Länder- oder Inselmas-
sen gleicher Gröfse und einer und derselben Breite sehen
mufs, möchte eine Vergleichung der Vegetation von St.
Helena, oder von der Ascensions -Insel mit der Vegetation
*) Siehe hiezu im Vorhergehenden pag. 230 u. s. w.
20
306
anderer Inseln, welche in gleichen Entfernungen von dem
naheliegenden Continente stehen, wie z. B. die Norfolk-
Insel u. A. m. sehr deutlich zeigen. Die Insel St. Helena,
obgleich von bedeutender Gröfse, ist gröfstentheils gänz-
lich unfruchtbar, indem der Boden an diesen Stellen aus
einem sehr festen Basalte besteht, welcher der Verwitterung
sehr gut widersteht; nur an denjenigen Stellen dieser Insel
findet sich eine mehr oder weniger lebhafte Vegetation, wo
etwas Erde und Wasser vorhanden ist, was man gegen-
wärtig, auf künstlichem Wege, schon in ausgebreitetem
Maafsstabe erlangt hat.
Demnach stelle ich die Vegetation der Inseln, wenn
man von Lokalverhältnissen zu abstrahiren weifs, gleich-
falls unter jenes Gesetz der Natur, nach welchem die Zahl
der Pflanzen-Arten mit steigender Wärme und entsprechen-
der Feuchtigkeit in beständigem Zunehmen ist. Eine an-
dere Frage ist es wiederum, ob die Vegetation auch an
Individuen-Zahl immer reicher wird, jemehr man sich von
den Polen entfernt und sich dem Aequator nähert, wie dieses
für die Artenzahl sicherlich nachzuweisen ist. Herr Schouw
hat diese Frage schon berührt, *) spricht sich darüber aber
in ganz entgegengesetztem Sinne aus, als ich dieselbe be-
antwortet sehen möchte; er glaubt nämlich, dafs die Indi-
viduenzahl der Pflanzen, mit der Annäherung gegen den
Aequator, nicht im Zunehmen ist, was ich dagegen, nach
meiner eigenen Anschauung der üppigen Vegetation der
heifsen Gegenden, allerdings behaupten möchte. Herr
Schouw führt als Gründe für seine Meinung an, dafs in
der heifsen Zone die Individuen schon gewöhnlich gröfser
wären, als in unseren kälteren Zonen, demnach schon auf
einem Raume von einer und derselben Gröfse nicht so
viele Individuen vorkommen könnten. Indessen diesen
Grund kann man am wenigsten gelten lassen, denn die
Dichtigkeit der tropischen Wälder, so wie die ungeheuere
Masse von parasitischen Pflanzen, welche auf jedem Baume
*") Grundzüge pag. 39.
307
von Bedeutung vorkommt, heben sicherlich die Verminde-
rung der Individuenzahl, durch deren übermäfsige Gröfse-
Entwickelung auf. Man spricht so allgemein und so
bestimmt, ‚dafs die eryptogamischen Gewächse mit abneh-
mender Breite auch an Artenzahl abnehmen, und gerade
in den kälteren Ländern vorherrschend sein möchten; in-
dessen dieser Meinung kann ich keineswegs beistimmen,
und Herr Gaudichaud, welcher so verschiedenartige Ge-
genden der heifsen und der temperirten Zone in botani-
scher Hinsicht durchsucht hat, hat sich neuerlichst eben-
falls gegen jene Annahme ausgesprochen.
Bei allen diesen Vergleichungen müssen natürlich
gleiche äufsere Verhältnisse beachtet werden, und die Ve-
getation einer trockenen Gegend der heifsen Zone mufs
nicht, etwa in Bezug auf Vergleichung der Cryptogamen-
Zahl, mit einer feuchten Gegend unserer temperirten Zone
neben einander gestellt werden. Die Cryptogamen erschei-
nen in feuchteren Gegenden in gröfserer Masse, als in
troekenern, und man untersuche dergleichen feuchte Gegen-
den der heifsen Zone in Hinsicht ihrer Cryptogamen-Zahl,
so wird man über die ungeheuere Menge derselben oftmals
in Erstaunen gerathen. Welche ungeheuere Menge von
Flechten ist bis jetzt schon aus Brasilien her bekannt
geworden! In den feuchten Wäldern der Tropen werden
aber auch diese Flechten, noch mit grofser Individuenzahl
von Jungermannien überzogen. Aber nur aufserordentlich
wenige Punkte in der heifsen Zone sind, in Bezug auf
Cryptogamen, genau untersucht worden, und von einer
Genauigkeit bei Untersuchung dieses‘ Gegenstandes, wie
wir dieselbe jetzt bei uns gewohnt sind, ist noch niemals
in jenen Gegenden die Rede gewesen.
Nehmen wir nun als erwiesen an, was im Vorherge-
henden näher angedeutet wurde, dafs mit zunehmender
Wärme auf der Oberfläche der Erde nicht nur die Arten-
zahl und Individuenzahl der Pflanzen, sondern auch die
Veredelung der Pflanzen-Formen immer mehr und mehr
hervortritt, so wird man schon hierin ein Gesetz erkennen
20 *
308
müssen, nach welchem die schaffende Natur die ganze
Pflanzenmasse über die Oberfläche der Erde vertheilt hat.
Schon diese so einfachen Resultate möchten sich aller
Vorstellung von der Verbreitung. der organischen Wesen
durch Wanderungen entgegensetzen; indessen noch eine
Menge anderer Thatsachen sind vorhanden, welche durch
Wanderung der Pflanzen unmöglich zu erklären sind. Das
Phleum alpinum, das Botrychium Lunaria und noch meh-
rere andere Pflanzen, welche den bei uns wachsenden ganz
ähnlich sind, wachsen ebensowohl auf den Inseln des Feuer-
landes, obgleich sie in den dazwischen liegenden Zonen
und Regionen gänzlich fehlen. Wie sollen die Saamen
dieser Pflanzen von uns bis zu jenem entferntesten Orte
Amerika’s gewandert sein? Auf den Inseln des Feuerlan-
des herrscht indessen ein ganz ähnliches Clima, wie das-
jenige, welches wir bei uns und in der subarktischen Zone
kennen gelernt haben; warum, was uns so nahe liegt,
erkennen wir nicht, dafs die Natur in diesen von einander
so entfernt liegenden Gegenden ähnliche, und sogar ganz
gleiche Gebilde hervorgerufen hat, weil die Verhältnisse
dieser Länder sich nicht nur sehr ähnlich, sondern sogar
oftmals ganz gleich zeigen. Aber in der Verbreitung der
organischen Wesen, über die Erde, ist wohl nichts leichter
zu erkennen, als das allgemeine Gesetz, dafs die Natur,
unter ähnlichen Verhältnissen stets ähnliche,
oder vollkommen gleiche ENDE hervorge-
rufenxhat.
Wir haben im Vorhergehenden ausführlich kennen ge-
lernt, wie in entsprechenden Zonen und in entsprechenden
Regionen, möge es in den entlegensten Gegenden der Erde
sein, die Vegetation nicht nur ihrer Physiognomie nach die
gröfste Achnlichkeit zeigt, sondern so häufig eine Menge
ganz ähnlicher und sogar gleicher Formen, unter ähnlichen
climatischen Verhältnissen erblickt, und es hat uns dieses
zu der unbestreitbaren Thatsache geführt, dafs sich sehr viele
Pflanzen nicht allein von einem einzigen Orte ihres Vor-
kommens verbreitet haben können, sondern dafs sie an
u
s 309
verschiedenen Stellen der Erde entstanden sein müssen.
Nehmen: wir die Pflanzen aus der Region der Alpenkräu-
.ter, welche so oft auf den Gipfeln der Gebirge entfernte-
ster Zonen ein und dieselben sind, so werden wir mit
gröfster Bestimmtheit über dieses Phänomen zur. Gewifs-
heit kommen. Diese Regionen der Alpenkräuter auf den
verschiedenen Gebirgen, sind wie Inseln im grofsen Luft-
meere zu betrachten; Hunderte, ja oftmals Tausende von
Meilen auseinander liegend, zeigen sie dennoch viele Pflan-
zen, welche unter sich ganz gleich sind, und die meisten
Pflanzen, auf diesen verschiedenen Inseln im Luftmeere,
sind sich wenigstens aufserordentlich ähnlich. Wie sollen
diese Pflanzen von dem Gipfel des einen Gebirges zu dem
Gipfel des anderen Gebirges gekommen sein, wo gerade
ein ähnliches Clima herrscht, wärend diese Pflanzen in der
Ebene, welche zwischen diesen Gebirgen liegt, so wie auf
den niederen Höhen derselben, durchaus gänzlich fehlen?
Ja wir wissen, dafs sehr viele von diesen Alpen-Pflanzen,
ohne besondere Vorrichtungen, nur selten in der wärme-
ren Ebene wachsen wollen. Solche Vorstellungen von der
Wanderung der Pflanzen müssen demnach heutigen Tages,
bei der enormen Menge von Thatsachen, welche uns jetzt
über das Vorkommen der Gewächse vorliegen, ganz und
gar aufgegeben werden. Die Hypothesen früherer Zeiten,
welche in dieser Hinsicht von den gröfsten Naturforschern
ihrer Zeit ersonnen wurden, lassen sich durch die geringe
Zahl von Beobachtungen entschuldigen, welche man da-
mals über diesen Zweig des Wissens gesammelt hatte.
Die Frage, ob die Natur von jeder Pflanzen- Art nur
ein Individuum, oder deren mehrere in jedem Bezirke ihres
Vorkommens geschaffen hat, läfst sich nur durch wenige
Vermuthungen über die Zweckmäfsigkeit, welche man überall
in dem schaffenden Principe der Erde erblickt, beantwor-
ten; Thatsachen sind hier nicht zur Hülfe zu nehmen, und
alle die Gründe, welche man hier, gegen die Erschaffung
eines einzelnen Individuums jeder Art, aufführen kann, sind
fast dieselben, welche man, gegen die Entstehung des gan-
310 »
zen Menschen-Geschlecht's aus einem einzigen Menschen-
Paare, hat vorbringen können. Wie überall in der thieri-
Schen Schöpfung, so ist auch hier die Frage über den
Ursprung und über die Zahl der Autochthonen sehr schwer
zu führen und gar nicht zu beantworten.
Die genauen Beobachtungen, welche besonders in dem
gegenwärtigen Jahrhundert gemacht worden sind, haben es
unumstöfslich dargethan, dafs die Natur noch gegen-
wärtig sowohl unvolikommene Thiere, als niedere Gewächse
ohne Eier und Saamen zu schaffen im Stande ist; nur
organischer Stoff und Wasser und Luft, die absolut nöthi-
gen Bedingungen aller lebendigen Bildung, sind nöthig,
um sofort, bei hinlänglicher Wärme, die organische Bildung
hervorzurufen. Sind diese niederen Bildungen, sowohl unter
den Thieren als im Pflanzenreich erst entstanden, so pflan-
zen sie sich, wie Beobachtungen es hinlänglich gezeigt
haben, durch Eier oder durch Saamen weiter fort, bis sie
endlich wieder verschwinden, wenn ihnen die äufseren
Verhältnisse entzogen werden, durch welche sie in das
Dasein gerufen wurden. Bis zu welcher Ordnung von
Thieren und Pflanzen hinauf diese Erzeugung ohne Keime
von ihres Gleichen geschehen kann, das ist heutigen Tages
noch sehr schwer zu beantworten; bei den Eingeweide-
Würmern ist es, schon seit langer Zeit, aufser allen ge-
gründeten Zweifel gestellt, dafs sich dieselben ohne Eier
erzeugen können, und diese Erzeugung ist von einem krank-
haften Zustande des Körpers begleitet, deren Produkte diese
Gebilde sind. Die äufserst genauen und zahlreichen Be-
obachtungen der neuesten Zeit, über das Vorkommen der
Entozoen in den verschlossensten Theilen der Augen, so-
wohl bei Menschen als bei Thieren, sind ebenfalls zu
bestimmt, als dafs sie sich durch noch so sinnreich erfun-
dene Hypothesen bekämpfen liefsen.
Es ist hier nicht der Ort, um die Lehre von der ge-
neratio originaria wiederum zu vertheidigen, ja ich möchte
der Meinung sein, dafs dieselbe, durch die neuesten Unter-
suchungen der Infusorien, in keiner Hinsicht hat bestritten
31
werden können; denn dafs sich diese niederen Geschöpfe,
wenn sie einmal entstanden sind, auch durch Keime fort-
pflanzen können, das hat man bisher fast immer angenommen.
Das Herumfliegen von kleinen Pilzsporen in der Luft wurde
immer von den Gegnern der generatio originaria, als Ein-
wendung aufgestellt, wenn man von der Erzeugung der
kleinen Pilze in abgesperrten Räumen sprach; abgesehen
davon, dafs diese Annahme ganz und gar ohne Beobachtung
dastand, denn Niemand hat diese Pilzsporen in der Luft
umherfliegen gesehen, obgleich sie dazu grofs genug sind,
kann man heutigen Tages solche Einwürfe ganz und gar
zurückweisen, denn Herr. Dutrochet *) hat die höchst be-
achtenswerthe Entdeckung gemacht, dafs man durch chemi-
sche Substanzen die Bildung der Fadenpilze hervorrufen,
sie beschleunigen und sie unterdrücken kann. Mit Leich-
tiskeit kann Jedermann in seiner Stube dergleichen Ver-
suche anstellen, welche ihn von der Erzeugung niederer
Organismen ohne Keime überzeugen werden. Man nehme
frisches Roggenbrod, befeuchte grofse Stücke desselben
und lege ein solches Stück Brod in ein grofses Glas, wel-
ches durch eine Glasscheibe, oder durch eine Glocke genau
verschlossen wird. In Zeit von drei bis vier Tagen wird
sich die erste Schimmelbildung auf jenem Brode zeigen,
und es werden fast immer ein und dieselben Schimmel-
formen sein, welche sich auf dem Brode zeigen, man mag
das Gefäfs offen stehen lassen, oder es verschliefsen, oder
es in diese oder jene Stube stellen, wo durch Reinlichkeit
keine Schimmel vorhanden sind. Die verschiedenen Farben
und die verschiedene Dichtigkeit, mit welchen diese klei-
nen Schimmel auftreten, haben sie schon oft zu verschie-
denen Arten gemacht, von deren Nichtigkeit man sich
durch genaue mikroskopische Beobachtung sehr bald wird
überzeugen können. Wird nun jenes Brod durch wieder-
holtes Anfeuchten gehörig nafs erhalten, so dauert die
*) Observations sur l’origine des moisissures. — Annal. des scienc.
nat, 1834. Tom. I. pag. 30 — 38.
312
Schimmelbildung mehrere Monate hindurch ununterbrochen
fort, dann aber hört die Bildung plötzlich auf, die gebil-
deten Schimmelmassen zerfallen und es kommt die noch
übrig gebliebene Substanz von dem verschimmelten Brode
wieder zum Vorschein; diese Substanz kann man nun der
Stubenluft so lange aussetzen, als man nur will, um etwa
‚die darin herumfliegenden Schimmelsporen aufzufangen,
und, was gewifs sehr zu beachten ist, man wird jetzt sehen,
dafs sich darauf keine neue Schimmel bilden. Ich möchte
in dieser Erscheinung eine Bestätigung meiner Ansicht,
über die Bildung dieser niederen Geschöpfe finden, und
darin zugleich einen Beweis gegen das Umherfliegen der
Schimmelsporen in freier Luft sehen.
Die Bildung der kleinen Isarien, auf dem Leibe der
abgestorbenen Fliegen zur Herbstzeit, worauf ich schon
pag. 87 aufmerksam gemacht habe, ist hier ebenfalls in
das Gedächtnifs zurückzurufen.
So wie nun die Natur in der gegenwärtigen Zeit nur
niedere Gebilde ohne Keime ihres Gleichen zu erzeugen
vermag, so hat sie einst, als sich die jetzige Erde mit
Pflanzen belebte, auf eine ähnliche Art die höheren Pflan-
zen und Thiere erschaffen, deren Fortpflanzung wir gegen-
wärtig nur durch Keime oder Eier vor sich gehen sehen.
Hiebei ist aber noch ein anderer sehr wichtiger Umstand
zu erörtern; die Frage nämlich, ob die gegenwärtig beste-
henden sehr zahlreichen Arten von Pflanzen, gleich von
Anbeginn der gegenwärtigen Vegetations-Epoche vorhan-
den gewesen sind, oder ob sich die Zahl derselben allmä-
lich ‚vermehrt hat, indem vielleicht einige Individuen, durch
den Einflufs des verschiedenen Clima’s und die Eigen-
thümlichkeiten des Bodens, so verändert worden sind, dafs
sie gegenwärtig, als constant gewordene Varietäten, uns
als bestimmte Arten erscheinen müssen. Es wäre gewifs
Vieles sehr leicht zu erklären, wenn diese letztere Meinung
durch. gegründete Beobachtungen unterstüzt werden könnte,
auch wären gewifs viele Naturforscher sehr geneigt, diese
Annahme_ festzustellen, da der grofse Einflufs, welchen
313
verschiedenartiges Clima und verschiedene Lokal- Verhält-
nisse auf die Form der Pflanzen ausüben, ganz allgemein
bekannt ist, und gerade dadurch eine grofse Menge von
Formen entstanden sind, welche man als. Arten festzustel-
len sucht, obgleich ihre Charaktere offenbar durch den
Einflufs verschiedenartiger äufserer Verhältnisse entstanden
sind. Aber eben in der Erkennung der Charaktere, wel-
che die natürliche Art bestimmen, liegt gerade die grofse
Schwierigkeit, welche allerdings nicht zu verkennen ist.
„Die Art,“ sagt Herr Link, *) „ist das Beständige in der
Natur, das Gesetz in der Verschiedenheit und der Zweck
der Naturforschung ist das Beständige, das Gesetz zu
suchen, wodurch die Mannigfaltigkeit in der Natur be-
stimmt wird.“
"Wenngleich es wahr ist, dafs sehr oft, giebt man sich
dem genauen Studium irgend einer Pflanzengruppe hin,
die Anzahl der Arten dieser Gruppe stark vermindert
wird, indem man erkennt, dafs diese oder jene Species,
auf irgend einem Wege, durch äufsere Verhältnisse ver-
anlafst, zur Veränderung ihrer Form gekommen ist, so
möge man hieraus nichts weiter erkennen wollen, als dafs
jene Arten auf unbeständige Charaktere gegründet waren,
und was unbeständig ist, das kann die Art nicht charak-
terisiren.
O! wollte man diese goldene Regel festhalten, ‘so
würde sich die Zahl der niederen Cryptogamen- Arten si-
cherlich auf ein Drittel der gegenwärtigen Summe redu-
ciren lassen.
Man gehe indessen in den Vermuthungen über die
zu grofse Arten-Zahl der phanerogamen Gewächse nicht
zu weit; die Erfahrung hat bis jetzt eine specifische Ver-
änderung der .bestimmten, natürlichen Arten noch nicht
nachgewiesen, und ehe dieses nicht erfolgt ist, möge man
dieselbe auch nicht anerkennen, denn sonst hört alle sy-
stematische Naturforschung auf. Ich bin indessen der
+) Die Urwelt etc, 2te Aufl. I. p. 280.
314
Meinung, dafs über gewisse, äufserst artenreiche Gattungen
sehr schätzenswerthe Beobachtungen vorhanden sind, wel-
che ganz bestimmt nachweisen, dafs fast alle die soge-
nannten Arten dieser Gattung nichts weiter, als sehr
leichte Varietäten sind, welche sich bald nach dieser, bald
nach jener Seite hin verändern, so dafs zwischen jenen
zahlreichen Arten nur sehr wenige unveränderliche For-
men vorkommen, welche eben die natürlichen Arten sind.
Die Herren Botaniker, welche diese Gattungen monogra-
phisch bearbeitet haben, sind indessen über jene Beobach-
tungen ganz mit Stillschweigen fortgegangen, und die sy-
stematischen Werke nehmen jetzt jene Hunderte von neuen
Arten auf, welche aus einigen wenigen Formen hervor-
gegangen sein sollen.— Wohin soll dieses führen?
Wir wissen Alle, wie aufserordentlich nahe die Men-
schen der verschiedenen Racen stehen, und wie sie durch
gegenseitige Verbindung mit einander verschmelzen, wir
wissen aber auch, dafs, so lange Beobachtungen gemacht
worden sind, die Menschen immer dieselben geblieben
sind, sie mögen ein Clima zu ihrem Aufenthalte gewählt
haben, welches sie wollten.
Hier sind wir zur Aufstellung verschiedener Sub-
Arten des Menschen berechtigt, keinesweges aber zur An-
nahme, dafs die eine Menschen-Rate aus der anderen her-
vorgegangen ist, nämlich die vollkommenere, die schönere
aus der unvollkommeneren, der minder schönen. Wenn-
gleich das allgemeine Gesetz zu herrschen scheint, dafs die
Natur zuerst die unvollkommeneren und dann die voll-
kommeneren Formen geschaffen hat, so sind doch keines-
wegs diese letzteren aus den ersteren hervorgegangen.
indessen, dafs die Zahl der phanerogamen Pflanzen-
Arten im Allgemeinen nicht zu sehr vergröfsert ist, das
möchte man vielleicht aus dem Gesetze erfahren, welches
die arithmetische Botanik nachgewiesen hat; denn ginge
diese Veränderung der Individuen in constante Varietäten
fort, so würden sicherlich sehr bald alle bestimmten Ver-
hältnisse aufgehoben sein, nach welchen die verschiedenen
315
Pflanzen - Gruppen geschaffen sind. Die statistische Un-
tersuchung über die absolute und relative Anzahl der
Pflanzen-Arten hat nämlich auf ein bestimmtes Gesetz
geführt, wonach die verschiedenen Pflanzen-Gruppen, Fa-
milien nämlich, Gattungen und Arten, für bestimmte Zo-
nen geschaffen sind. Familien von weniger entwickelten
Pflanzen nehmen in den kälteren Zonen verhältnifsmäfsig,
zur absoluten Zahl der Pflanzen- Arten, an Arten-Zahl
zu, wärend die entwickeltsten Familien, gegen den Ae-
quator hin, verhältnifsmäfsig an Arten-Zahl reicher wer-
den. Ja die Resultate dieser neuen Wissenschaft sind so
aufserordentlich, dafs man schon gegenwärtig, wenn man
erst das Gesetz kennt, wonach die verschiedenen Familien
für eine bestimmte Zone wertheilt sind, aus der genauen
Zahl der Arten einer Familie jener Zone, auf die gesammte
Zahl aller Phanerogamen eben derselben Zone schliefsen
kann, welche daselbst wachsen, ja sogar die Menge der,
daselbst vorkommenden Arten anderer Familien läfst sich
hiernach andeuten.
Dieser so erfolgreiche Zweig von der Lehre der
Vertheilung der Gewächse ist, durch unendlich mühsame
Untersuchungen der verschiedensten Floren, zu solchen
auffallenden Resultaten gelangt; doch diese Wissenschaft
ist noch weit entfernt, um den gehörigen Grad von Be-
stimmtheit erreicht zu haben, indem bis jetzt nur wenige
Ländermassen so genau, in Hinsicht ihrer Pflanzen - Zahl,
bekannt sind, als es zu diesen Untersuchungen durchaus
nöthig ist.
In diesem Buche ist nicht der Ort, in specielle Un-
tersuchungen über diesen Gegenstand einzugehen, sondern
es wird dem Zwecke desselben entsprechen, wenn ich
auf die Art und Weise aufmerksam mache, welche bei
dergleichen statistischen Untersuchungen zu beachten ist,
und schliefslich werde ich dann die relativen Verhältnisse
der wichtigsten Pflanzen-Gruppen, in statistischer Hinsicht
aufführen, so weit dieselben gegenwärtig, als ziemlich be-
stimmt festzustellen sind.
316
Die wichtigsten Arbeiten über die Statistik der Ge-
wächse sind in den Abhandlungen von Herrn Alexander
v. Humboldt #) und Herrn Beilschmied **) enthalten, die
übrigen zahlreichen Schriften der gelehrtesten Botaniker,
welche Untersuchungen über die statistischen Verhältnisse
der Pflanzen enthalten, sind meistens schon im Vorherge-
henden genannt werden.
Wenn man die Flora irgend einer Gegend, oder ei-
ner ganzen Zone, in statistischer Hinsicht untersucht, so
vergleicht man einmal die absolute Zahl der Arten ver-
schiedener Familien unter sich, oder man vergleicht diese
Zahlen mit der Gesammtzahl aller Pflanzen derselben Ge-
gend, oder auch, man betrachtet die Massen, welche die
Arten irgend einer Familie eben derselben Gegend bilden.
Deutschland besitzt nach Röhling’s Flora an 2600
Phanerogamen; in dieser Summe findet man 328 Gluma-
ceae, 163 Leguminosen u. Ss. w. Diese Zahlen kann man
in doppelter Hinsicht mit einander vergleichen; einmal
nämlich das Verhältnifs der Glumaceae zu den Legumi-
nosen, wonach man erfährt, dafs die Arten-Zahl der Glu-
maceae in Deutschland noch einmal so grofs ist, als die
der Leguminosen. Ferner kann man nach diesen Zah- -
len das Verhältnifs der Glumaceae und der Leguminosen
zur Gesammtzahl der Pflanzen- Arten Deutschland’s erfah-
ren, wenn man mit ihrer Anzahl in die gesammte Masse
der Pflanzen Deutschlands dividirt. Hiernach ergiebt es
sich, dafs die Glumaceae in Deutschland den 7,9 Theil
der gesammten Arten-Zahl bilden, wärend die Legumino.
sen nur den 16ten Theil der Flora ausmachen.
Die Untersuchungen über die Vertheilung der Gat-
tungen auf der Erde, sind weniger ergiebig an richtigen
Resultaten, denn einmal hängt die Zahl der Gattungen
*) Sur les lois que l’on observe dans la distribution des formes
vegetales. — Dict. des scienc. nat. T. XVIH. p. 422 — 437.
+) Excurs über einige bei pflanzengeographischen Vergleichen
zu beachtende Punkte, etc. — Enthalten in dessen Pflanzengeographie
nach Alexander v. Humboldt’s WVerken, etc. Breslau 1834. p. 126.
)
317
nur zu sehr von der Willkür des Beobachters ab, und
zweitens nehmen die Gattungen, im Verhältnifs zu der
Arten - Zahl, von dem Aequator zu den Polen hin, nicht
gleichmäfsig ab, denn es finden sich, in den kältesten Zo-
nen, weit mehr Gattungen, als einer gleichen Arten-Zahl
unter dem Aequator zukommen möchte.
Die statistischen Resultate, welche man aus solchen
Flören zieht, die genau genug bekannt sind, mufs man
allen unsicheren, und im Allgemeinen unvollständigen Pflan-
zen-Verzeichnissen anderer Gegenden vorziehen; die Flo-
ren von Lappland, Schweden, Deutschland, England, Frank-
reich und der Schweiz, so wie die Floren einiger Inseln,
‘ können auf einen hohen Grad von Vollständigkeit, we-
nigstens in Hinsicht der Phanerogamen, Anspruch machen,
und die Resultate, für das gegenseitige Verhältnifs der
einzelnen Familien, welche aus diesen Floren gezogen
sind, werden für diese Zonen die gesetzmäfsige Verthei-
Jung angeben, wie sie durch die Berechnung der Herrn
A. v. Humboldt, Mirbel, Beilschmied u. A. m. gegenwärtig
festgestellt sind.
Die wichtigsten Regeln, welche man bei diesen Be-
rechnungen zu beobachten hat, möchten im Kurzen fol-
gende sein; worauf hauptsächlich H. Beilschmied in der
genannten Abhandlung aufmerksam gemacht hat.
Man achte erstlich sehr genau darauf, dafs die zur
Zählung zu benutzenden Arten der Floren verschiedener
Gegenden, nach gleichen Grundsätzen aufgestellt sind, da-
mit nicht etwa hier und da die Zahl der Arten, durch
monographische Arbeiten einzelner Gattungen so übermä-
fsig vergröfsert werde, so dafs dadurch offenbar die richtigen
gegenseitigen Verhältnifs - Zahlen (welche man auch. die
Coefficienten nennt) verloren gehen. Dergleichen Unter-
arten und Varietäten, welche in der einen Flora mehr
enthalten sind, als in der anderen, mufs man vorher zu
den gehörigen Arten wieder zurückführen.
Ganz eben dasselbe ist bei der Berechnung der Fa-
milien zu beobachten, denn die verschiedenen Autoren ha-
318
ben diese oder jene Gattung oftmals zu sehr verschiede-
nen Familien gebracht, wodurch natürlich bei den Berech-
nungen sehr bedeutende Fehler entstehen können, wenn
man dieses nicht vorher regulirt hat.
Vor Allem ist zu bemerken, dafs die Pflanzen eines
Landes oder irgend eines Bezirkes, welches man zur Ver-
gleichung mit anderen Floren bemutzen will, auch einer
unl derselben Höhen-Region angehören; denn wollte man
z. B. die Pflanzen eines Landes, welches Gebirge von 9-
und: 6000. Fufs Höhe hat, sämmtlich gleichmäfsig behan-
deln, so würde man sicherlich sehr unrichtige Resultate
erhalten; ja es wäre eben so gut, als wenn man die Flo-
ren verschiedener, oft sehr entfernter Zonen mit einander
vermischte, und auch hiemit würden die erhaltenen Ver-
hältnisse nieht ganz genau übereinstimmen, denn die Quo-
tienten der einzelnen Familien ändern sich mit steigender
Höhe und mit zunehmender Breite in ungleichen Verhält-
nissen, wie wir es später sehen werden.
Zu dergleichen Berechnungen ist es auch erforderlich,
dafs man die Floren von Ländermassen gleichen Umfanges
wähle, indem die Resultate der Berechnungen von klei-
nen und von gröfseren Distrikten keineswegs ganz genau
übereinstimmen, indem die Verbreitungs- Bezirke der ver-
schiedenen Pflanzen so sehr verschieden grofs sind.
Am übereinstimmendsten werden die Resultate bei
der Vergleichung zweier Floren sein, wenn beide in einer -
und derselben ‚Zone. liegen und zwar in Gegenden, wo
die Physiognomie der Vegetation durch eine und dieselbe
Pflanzenform bedingt wird. Es ist natürlich, wollte man
z.B. die Pflanzen gleicher Ländermassen der subtropischen
Zone, in der nördlichen und in der südlichen Hemisphäre
mit einander vergleichen, dafs dann die Verhältnifs-Zahlen
der einzelnen Familien gar oft von einander differiren
werden, denn viele Familien, welche in der nördlichen
Hemisphäre dieser Zone zahlreich vorhanden sınd, zeigen
in der südlichen Hemisphäre nur einzelne Repräsentanten,
und so umgekehrt mit den Pflanzen- Familien der südli-
319
chen Hemisphäre. Wollte man z. B. die relativen Ver-
hältnisse der einzelnen Familien Neuhollands mit denjeni-
gen der subtropischen Zone Nord-Amerika’s vergleichen,
so würde man die auffallendsten Verschiedenheiten dabei
wahrnehmen, weil in diesen beiden, so entfernt liegenden
Ländern, ganz verschiedene Pflanzen-Gruppen die Haupt-
rolle spielen.
Endlieh hat man bei den statistischen Vergleichungen
der Floren zweier Länder noch auf eine gewisse Gleich-
mäfsigkeit des Bodens zu achten, denn davon hängt gar
zu viel ab. Die Pflanzen eines grofsen Stück Landes mit
sauerem Boden, wie z. B. der Lüneburger Heide, vergli-
chen mit einem daneben liegenden Lande mit Sandboden,
werden sehr auflallende Verschiedenheiten in den Resul-
taten zeigen. |
Die natürlichste Eintheilung sämmtlicher Gewächse
in gröfsere Gruppen ist noch immer die in Monocotyle-
donen, in Dicotyledonen und in Acotyledonen, und wir
wollen demnach zuerst die relativen Verhältnisse festzu-
stellen suchen, worin diese Gruppen für gewisse Zonen
gegen einander auftreten.
In Bezug auf die Acotyledonen, welche die Crypto-
gamen umfassen, ist zuerst zu bemerken, dafs diese bis
jetzt noch von dergleichen statistischen Berechnungen aus-
geschlossen werden müssen, denn ihre Anzahl ist gegen-
wärtig nur für sehr wenige Orte einigermafsen genau be-
kannt, und bei der Bestimmung der Arten in einzelne Ab-
theilungen dieser Gruppe, z. B. bei den Algen, den Flech-
ten und in einzelnen Familien der Pilze, sind die Ansich-
ten der Botaniker so sehr verschieden, dafs die Angaben
der Artenzahl dieser Gewächse, für eine und dieselbe Ge-
gend oft, bei den verschiedenen Autoren, um das Dop-
| pelfe und das Dreifache differiren möchten. Die Zahl der
| Pilze, der Moose und der Algen ist überall in kälteren
Gegenden, wo einigermafsen Feuchtigkeit vorhanden ist,
sehr grofs, indessen nur wenige Floren einzelner Städte
320
haben eine solche Anzahl bis jetzt aufgeführt, dafs man
damit die eryptogamische Flora für einigermafsen erschöpft
halten könnte, denn oft finden sich auch daselbst noch neue
Arten, wenn man nur speciell darnach sucht.
In nördlichen Gegenden ist es jetzt schon als be-
stimmt anzusehen, dafs die einzelnen kleinen Bezirke, wie
die Floren einzelner Städte, mehr Cryptogamen als Pha-
nerogamen aufzuweisen haben; weniger ist dieses für die
Floren grofser Länder der Fall, weil die Verbreitungs-
Bezirke der Cryptogamen oftmals so sehr ausgedehnt sind.
Ganz bestimmt kann man jedoch annehmen, dafs die To-'
tal-Summe der Cryptogamen lange nicht so grofs ist, als
die der Phanerogamen; es möchte aber noch eine sehr
geraume Zeit vergehen, bis man nur einigermafsen die
Cryptogamen der fremden Welttheile kennen wird. Alle
Resultate, welche man gegenwärtig durch Vergleichung
der gesammten Arten-Zahl der Acotyledonen mit derje-
nigen der Monocotyledonen und der Dicotyledonen erhält,
sind sicherlich so unsicher, dafs sie, kaum als der Wahr-
heit sich näherend zu betrachten sind.
Eine einzige Abtheilung der Acotyledonen, nämlich
die Farrn-Kräuter, welche durch ihre Schönheit beson-
ders in die Augen fallen, sind auch in den fremden Welt-
theilen in gleichem Grade vollständig gesammelt, wie die
Monocotyledonen und Dicotyledonen, so dafs man diese,
schon mit einiger Sicherheit, zu statistischen Untersuchun-
gen benutzen kann.
Wenngleich jene entfernten Gegenden der heifsen und
der temperirten Zone noch keine Ansprüche auf irgend
einen Grad von Vollkommenheit in Hinsicht der Kennt-
‚nifs ihrer Floren machen können, so kann man doch als
wahrscheinlich annehmen, dafs unter den, noch unbekann-
ten Pflanzen dieser Gegenden, fast ganz dieselben relati-
ven Verhältnisse vorkommen, wie sie unter den schon be-
kannten auftreten, demnach kann man aus dem Vorhande-
nen schon auf das Ganze schliefsen.
. Die Farrn-Kräuter lieben einen feuchten Boden und
321
wuchern mit besonderer Ueppigkeit im Schatten der Wäl-
der, wo sie dann auch sehr zahlreich auftreten.
Demnach möchte es schwer sein, das richtige Ver-
hältnifs der Farrn zu den Monocotyledonen und den Dicoty-
ledonen für ganze Zonen anzugeben, da ihr Auftreten wie
das der Acotyledonen überhaupt, zu sehr von dem Was-
serreichthume des Bodens abhängt, und da in den verschie-
denen Zonen so häufig ganze Strecken entwaldet und
wasserarm auftreten. In den feuchten Wäldern Südame-
rika’s ist bekanntlich die Zahl der Farrn - Kräuter sehr
grofs gefunden worden, indessen man kann nicht annehmen,
dafs Amerika, wenn man nämlich gleiche Bezirke und
gleiche climatische Verhältnisse bei der Verglei-
chung betrachtet, reicher an Farrn ist, als die alte Welt.
Die Anzahl dieser Gewächse auf Java, in den feuchten
Wäldern der Philippinen und Ostindiens ist aufserordent-
lich grofs und der Menge in Amerika nicht nachstehend.
Die Herren Alexander v. Humboldt und R. Brown ge-
ben das Verhältnifs der Farrn, zu der Gesammtzahl der
Phanerogamen, für die heifse Zone gleich 1:20, und schwer-
lich möchte dieses Verhältnifs bedeutend geändert werden,
wenn wir auch eine gröfsere Menge von Pflanzen - Ver-
zeichnissen aus jenen Gegenden zur Berechnung besitzen
werden. Am Congo ist das Verhältnifs ungefähr wie 1:27,
so wie es auch unter den Pflanzen von Neu - Holland
gleich 1:26 ist. Die Ursachen, welche das zahlreiche
Auftreten der Farrn in den Tropen bedingen, nämlich
Wärme, Feuchtigkeit und Schatten, diese sind auf den In-
seln, innerhalb der Wendekreise, oft in einem noch hö-
heren Grade anzutreffen, und daher auch hier das Maxi-
mum der Farrn zu finden ist. Auf Jamaica ist das Ver-
hältnifs der Farrn zu den Phanerogamen gleich 1:10, auf
Isle de France und Bourbon gleich 1:8; auf Otaheiti nach
Herrn Banks gleich 1:4, und auf St. Helena sogar gleich 1:2.
Uebrigens hat man allgemein die Bemerkung gemacht,
dafs die Farrn auf den Inseln, im Verhältnisse zu dem
entsprechenden Lande, sehr zahlreich auftreten. Auf den
21
322
Falkland’s-Inseln ist ihr Verhältnifs mit Einschlufs der
Lycopodien gleich 1:15, auf Neu-Seeland nach R. Brown
gleich 1:6, auf der Norfolk-Insel, nach Herrn Endlicher’s
Prodromus von 1833, gleich 1:3, und auf Tristan da Cunha
nach R. Brown’s Angabe sogar wie 2:3.
„Das Tropen-Verhältnifs der Farrn,“ sagt Herr R.
Brown *), „auf niederen und offenen Landstrichen weicht
sehr von den hier gegebenen Beispielen ab, und es ist
nicht unwahrscheinlich, dafs, so wie das Maximum dieser
Familie unter die Tropen fällt, so auch das Minimum
derselben entweder innerhalb oder nur wenige Grade jen-
seits der Tropen gefunden werden dürfte.“ Allerdings
sind einige Thatsachen vorhanden, welche ein sehr schnel-
les Abnehmen der Farrn-Zahl, von der heifsen Zone an,
gegen den wärmeren Theil der temperirten Zone hin nach-
weisen; indessen alle diese Beobachtungen liefsen sich sı-
cherlich durch die grofse Trockenheit des Bodens erklären.
Spätere Kenntnifs der Floren jener Gegenden, welche nur
in sehr kleinen Theilen bekannt geworden sind, werden
jene Vermuthung wahrscheinlich nicht bestätigen.
Für die temperirte Zone giebt Herr v. Humboldt das
Verhältnifs der Farrn zu den Phanerogamen gleich 1:70
an, indem man ein Mittel aus den Floren des kälteren
und des wärmeren Theiles dieser Zone, so wie der sub-
tropischen Zone gezogen hat.
Der kältere Theil der temperirten Zone ist gerade
derjenige Theil der Erde, wo, wenigstens im Westen des
alten Continents, nur noch wenig neue Phanerogamen zu
entdecken sein möchten, daher können wir uns auf die
Resultate dieser Gegenden etwas sicherer stützen. In
Frankreich verhalten sich die Farrn zu den Phaneroga-
men gleich 1:55; in Deutschland nach Röhling’s Flora
gleich 1:45 (nach Herrn Wiest mit Einschlufs der Schweiz
[4
*) Systematische und geographische Bemerkungen über die Pflan-
zen ın der Nachbarschaft des Congo-Stromes. In R. Brown’s Ver-
mischten Schriften, Bd. I, p. 386.
323
und Istrien gleich 1:46); in Nordamerika nach Michaux
gleich 1:34; in England gleich 1:35; in Schottland gleich
41:31; auf den Färöern gleich 1:12,4 und auf Island
gleich 1:18.
In der südlicheren Hälfte der temperirten Zone sind
diese Verhältnisse allerdings höchst auffallend kleiner, was
aber wohl durch Lokalität, durch Trockenheit und durch
Schattenlosigkeit zu erklären sein möchte. So zeigen die
Farrn um Neapel nur -; zu den gesammten Gefäfs-Pflan-
zen, in Griechenland -4;, in Portugal —1-, im griechi-
schen Archipel z3z und in Aegypten sogar nur „47. Ich
möchte nicht glauben, dafs diese Verhältnisse die richti-
gen für die Breiten jener Länder sind, wo, schon seit ei-
nem Jahrtausend, die Cultur des Bodens betrieben wird.
Auch haben wir neuerlichst aus den östlichsten Ländern
des alten Continents dieser Breite Nachrichten und eine
aufserordentliche Menge von Pflanzen erhalten, worunter
auch sehr viele Farrn - Kräuter; auch sehen wir, dafs
sich, auf den Canarischen Inseln, die Farrn mit „,; zu
der Masse der Gefäfs-Pflanzen darstellen. Indessen sol-
ches schwache Auftreten der Farrn-Kräuter, wie im Vor-
hergehenden gezeigt wurde, findet sich auch in vielen Ge-
genden der heifsen Zone; Herr R. Brown führt schon an,
| dafs die Inseln im Meerbusen von Carpentaria mehr als
| 200 phanerogamische Gewächse, und nicht mehr als 3
Farrn aufzuweisen haben. Fast in eben demselben Ver-
hältnisse habe auch ich die Farrn im südlichen Peru ge-
funden; in den Ebenen fehlen sie daselbst fast gänzlich,
doch auch auf den Gebirgen dieses Landes habe ich sie,
nur in einem so geringen Verhältnisse zu den Phanero-
gamen gefunden.
Hiernach glaube ich schliefsen zu können, dafs sich
das Verhältnifs der Farrn zu den Phanerogamen, gerade
in der Mitte der temperirten Zone am kleinsten darstellt,
und dafs es, sowohl nach dem Aequator als nach den
Polen zu, immer gröfser wird, wobei das höchst eigen-
thümliche zu bemerken ist, dafs diese Pflanzen mit ihrem
21.*
324
absoluten Maximum in der heifsen, und mit dem absolu-
ten Minimum gerade in der kalten Zone auftreten. Am |
Nordkap sind nur 4 Farrn zefunden, doch sie bilden da-
p g y
* .. [2 u |
selbst ein Verhältnifs zu der Total-Summe der Phanero-
gamen wie 1:7, und auf Grönland wie 1:10. In dem
nördlichsten Theile der arktischen Zone, nämlich in der
von mir genannten Polar-Zone, sind bis jetzt keine Farrn-
Kräuter gefunden, wie dieses die Pflanzen - Verzeichnisse |
von der Melville’s-Insel und von Spitzbergen nachweisen.
In der Baffıns-Bay ist bis jetzt nur Lycopodium Selago
gefunden.
|
|
|
Ganz anders verhält es sich dagegen mit den Mono-
cotyledonen und den Dicotyledonen; das Gesetz, nach dem
ihre Arten- Zahl in verschiedenen Zonen, von dem Ae-
quator bis zu den Polar-Gegenden hin, auftritt, ist schon
gegenwärtig mit ziemlicher Gewifsheit bestimmt, sobald
man nämlich grofse Ländermassen dabei in Berechnung setzt.
Auf kleinen Distrikten verhält es sich ganz anders,
selbst mitten in einem solchen grofsen Lande, wo sich
das Hauptgesetz bestätigt findet; die Monocotyledonen
nämlich, sind in ihrem Vorkommen mehr bestimmten Lo-
kal- Verhältnissen unterworfen, als die Diceotyledonen, ihr
gröfseres und stärkeres Auftreten ist jedesmal mit gröfse-
rer Feuchtigkeit des Bodens verbunden, so wie sich ihre
Arten-Zahl immer mehr und mehr vermindert, je trocke-
ner der Boden und die Luft ist, worin sie auftreten.
Diese Lokal- Verhältnisse sind, bei der Betrachtung der
relativen Zahl der Monocotyledonen verschiedener Länder,
recht sehr zu beachten, denn durch sie allein lassen sich
die grofsen Abweichungen erklären, welche bald hier bald
dort bemerkt werden. i
Die Monocotyledonen nehmen, im Verhältnisse zu
den Dieotyledonen, in kälteren Gegenden an Artenzahl zu;
man könnte sagen, weil sie, als mehr unvollkommenere
Pflanzen, mehr entfernt von der heifsen Gegend auftreten,
indessen die Erscheinung erklärt sich auch durch die Ab-
nahme der vollkommeneren Pflanzen nach den Polen hin,
325
wodurch sich der Quotient der Monocotyledonen immer
mehr und mehr vergröfsert, je mehr man sich von dem
Aequator entfernt.
Aus vielen mühsamen Berechnungen stellte Herr
| Alexander von Humboldt das Gesetz auf, dafs sich die
Zahl der Monocotyledonen, zu derjenigen der Dicotyledo-
nen in der heifsen Zone, gleich 1:6 verhalte, wärend die
Verhältnisse in der temperirten Zone gleich 1:4, und in
der kalten Zone gleich 1:3 sind. Alle Beobachtungen,
welche seit jener Zeit gemacht sind, bestätigen diese An-
gaben ziemlich ganz genau, und vervollständigen dieselben
durch Hinzufügung von Zwischen-Zahlen. Herr v. Mar-
tius *) hat z. B. die Pflanzen Ostindiens, welche durch
Herrn Wallich nach Europa gebracht und vertheilt wur-
den, in statistischer Hinsicht berechnen lassen; das Ver-
hältnifs der Monocotyledonen zu den Dicotyledonen fin-
det sich, in dieser grofsen Sammlung von 7643 Pflanzen-
Arten, beinahe wie 1:64. Im nördlichen Neu - Holland
ist das Verhältnifs der Monocotyledonen zu den Dicoty-
ledonen nach Herrn R. Brown gleich 1:33, und in der
subtropischen Zone dieses Landes, wie um Port Jackson
gleich 1:3. Für die arktische Zone wird das Verhältnifs
der Monocotyledonen zu den Dicotyledonen durch neuere
Arbeiten noch genauer angegeben; aui der Melville’s-Insel
ist es gleich 1:24, auf den Färöern-Inseln nach Herrn
Trevelyan’s Flora **) gleich 1:21, auf den Falklands -In-
seln nach d’Urville’s Flore des Malouines gleich 1:2, und
auf Lappland, wie .auf Island ist dieses Verhältnifs sogar
noch etwas gröfser, d. h. die Monocotyledonen sind noch
zahlreicher zu den Dicotyledonen als im Verhältnisse zu 1:2.
Hiernach ist die gesetzmäfsige Zunahme der Monoco-
tyledonen, im Verhältnisse zu den Dicotyledonen, mit zu-
nehmender Breite ganz bestimmt nachgewiesen, und wir
”) Flora v. 1834. p-id:
**) The Edinb, New Phil. Journ. Octob, 1834 — Jan. 1839.
pag. 154 — 164.
326
gehen jetzt zu der Veränderung der Verhältnisse dieser
Pflanzengruppe über, welche sich mit zunehmender Höhe
nachweisen lassen. Eine sehr schätzenswerthe Arbeit des
Herrn Osw. Heer *) hat uns über diesen Gegenstand für
die Gebirge der Schweiz den erwünschten Aufschlufs ge-
geben. Die Monocotyledonen verhalten sich in der Schweiz
zu den Dicotyledonen, nach Ringier’s Berechnungen, un-
gefähr gleich 1:4,9, doch sie vermindern sich, nach den
Bergspitzen zu, sehr stark, wenigstens treten sie daselbst
gleich 1:53 auf, ja auf gröfseren Höhen noch in ganz
anderen Verhältnissen, nämlich wie 1:6, 1:7 und selbst
wie 1:9 auf Kalkboden. |
Beobachtungen auf den Glarner - Alpen gaben fol-
gende Resultate: Es verhielten sich die Monocotyledonen
zu den Dicotyledonen, auf einer Höhe vor 5- bis 6000
Fufs, gleich 1:5, bei 6- bis 7000 Fufs gleich 1:54 und
bei 7- bis 8000 Fufs gleich 1:55. Auf dem Gebirgs-
kamme von dem St. Gotthard bis an den Bernina, sind
die Verhältnisse fast in eben demselben Grade abnehmend;
Herr Heer fand dasselbe, nämlich in 5- bis 6000. Höhe,
gleich 1:412, in 6- bis 7000 Fufs gleich 1:53 und in 7-
bis 8000 Fufs gleich 1:52, doch hier zeigen die Pflan-
zen-Verzeichnisse einzelner Punkte die gröfsten Abwei-
chungen, welche aber sehr leicht durch den verschiede-
nen Reichthum an Wasser zu erklären sind. Die sum-
pfigen Gegenden zeigen ein Verhältnifs der Monocotyle-
donen zu den Dieotyledonen gleich 1:3, und die trocke-
nen daneben zeigen ein Verhältnifs wie 1:6. Auf der
trockenen Seite der Andula - Kette fand Herr Heer ein
Verhältnifs wie 1:7, und auf ‘der östlichen Seite vom
Bernhardin sogar wie 1:9.
Herr v. Ramond **) fand auf dem Gipfel des Pic de
*) Das Verhältnifs der Monocotyledonen zu den Dicotyledonen
in den Alpen der östlichen Schweiz, verglichen mit denjenigen ın
anderen Zonen und Regionen. $. Mittheilungen aus dem Gebiete
der theoretischen Erdkunde. Heft 4. Zürich 1834. p. 9.
*") Mem. du Museum, Vol. XIII. p. 217.
-
327
Midi de Baynes nur 10 Monocotyledonen und 61 Dicoty-
ledorien, demnach stehen sie hier im Verhältnisse wie 1:6.
Vergleichen wir nun diese Vegetation, in der Region der
alpinen Kräuter, mit der ihr entsprechenden Vegetation
in der Polar-Zone, als z. B. mit der Vegetation der
Melville's-Insel, so finden wir die auffallendste Verschie-
denheit in dem Verhältnisse zwischen den Monocotyledo-
nen und den Dicotyledonen dieser beiden Gegenden, in-
dem sich auf der Melville's-Insel das Verhältnifs dieser
Gruppen gleich 1:25 stellt. Offenbar ist die Feuchtigkeit
des Bodens auf dieser Insel die Ursache, dafs die Zahl
der Monocotyledonen, so wie die Zahl der Cryptogamen
daselbst viel gröfser ist, als in der entsprechenden Region
auf dem Pie de Midi.
Besonders auffallend erscheint bei diesen Resultaten,
dafs das gewöhnliche Verhältnifs der. Monocotyledonen
zu den Dicotyledonen, in den Höhen der Schweizer-Ge-
birge, nämlich 1:6, ganz eben dasselbe ist, wie es für die
tropischen Gegenden festgestellt wurde, dafs jedoch, in den
sumpfigen Gegenden jener Gebirge, das Verhältnifs gleich
1:3 wird; es fragt sich nun, ob es sich in jenen tropi-
schen Gegenden ganz eben so verhält, dafs nämlich, wo
der Boden sehr feucht ist, auch die Zahl der Monocoty-
ledonen, im Verhältnisse zu den Dicotyledonen, so sehr
zunimmt, dafs auch hier ein Verhältnifs wie 1:3 heraus-
kommt. Diese Frage glaube ich bejahend beantworten zu
können, obgleich es hiezu noch an besonderen numerischen
Momenten fehlt. Wichtig möchte eine Untersuchung der
Ursachen werden, wodurch das Verhältnifs der Monoco-
' tvledonen zu den Dicotyledonen, innerhalb der Wende-
kreise mit jenen, in den geringeren Höhen der Schweizer-
Gebirge übereinstimmt; ich glaube, dafs die grofsen Ver-
breitungs-Bezirke der Monocotyledonen im Allgemeinen,
hiebei sehr zu beachten sein möchten, indem man bis jetzt,
bei der Erforschung der Thatsachen für die heifse Zone,
immer sehr grofse Ländermassen hat in Berechnung stel-
328
len müssen, wo natürlich, durch ihr auszedehntes Areal,
die relative Arten-Zahl der Monocotyledonen, im Verhält-
nisse zu den Monocotyledonen eines kleinen Distriktes,
sich vermindern mufs.
Wenn wir erst .in den Besitz einer Flora irgend ei-
nes Ortes der heifsen Zone kommen werden, dann wird
sich hierüber wahrscheinlich Aufschlufs finden. ‘
Bei jenen Untersuchungen hat Herr Heer ebenfalls
nachgewiesen, dafs die Vegetation auf den verschiedenen
Seiten eines Berges, bei gleichen Boden- Verhältnissen
nämlich, keinesweges verschieden ist, wie man es so oft
angeführt findet. '
Nachdem nun die Gesetze angedeutet sind, nach wel-
chen die Monocotyledonen zu den Dicotyledonen in den
verschiedenen Zonen der Erde auftreten, gehen wir zu
einigen der hauptsächlichsten Familien der Dicotyledonen
über, um auch deren Verhältnisse zu anderen Familien
und gegen die absolute Zahl der'ganzen Pflanzen -Masse
zu zeigen. Br
Herr Alexander von Humboldt *) hat in der genann-
ten Abhandlung die Gesetze entwickelt, nach welchen
die hauptsächlichsten Familien in den verschiedenen Haupt-
Zonen auftreten; und ich kann hier auf die Resultate je-
ner berühmten Arbeit verweisen, um so mehr, da seit je-
ner Zeit nur wenige Floren einzelner Ländermassen er-
schienen sind, welche grofse Aenderungen in der Angabe
des Herrn A. von Humboldt herbeiführen könnten, son-
dern es werden dieselben im Gegentheil immer mehr und
mehr bestätigt.
Eine schlagende Uebereinstimmung, und die Erklärung
aller Abweichungen von dem allgemeinen Gesetze, kann .
natürlich erst dann gefunden werden, wenn die Floren
aller Zonen genau bekannt sein werden.
Gegenwärtig sind eine Menge von. grofsen systema-
tischen Werken in Arbeit, nach deren Vollendung eine
*) Dict. des scienc. nat. T. XVII. p. 433 etc,
329
grofse Masse von Material zu neuen statistischen Berech-
nungen zu erwarten steht, welche dann wohl so manche
Lücken ausfüllen werden, welche gegenwärtig sehr fühl-
bar sind. Y
Es folgen hier die Angaben des Herrn Alexander von
Humboldt über das relative Verhältnifs der hauptsächlich-
sten Pflanzen-Familien für die verschiedenen Haupt-Zonen:
Die Junceen, Cyperaceen und Gramineen nehmen, im
Verhältnifs zur Artenzahl der gesammten Phanerogamen,
mit steigender Breite immer mehr zu, denn sie verhalten
sich, wie folgt;
Kalte Zone.
Heifse Zone. us Zone.
dmeeıe 3.0, &. 1:400 1:90 It 4:29
Cyperaceae .... |1:22 (1:50 1:20
in Amerika)
BR 1:10
Gramineae ..... | 1:14 1:12
Demnach verhalten sich die Glumaceae, nämlich die die
drei genannten Familien zusammen, zu den gesammten Pha-
nerogamen in der heifsen Zone gleich 1:11, in der tem-
perirten gleich 1:8 und in der kalten Zone gleich 1:4.
Die folgenden vier Familien, nämlich die Rubiaceen,
. die Leguminosen, Euphorbiaceen und Malvaceen, verhalten
sich gerade entgegengesetzt den vorigen, denn ihre relative
Artenzahl vermindert sich, jemehr man sich von dem
Aequator entfernt. Ihre Verhältnisse sind folgende:
Heifse Zone. Kalte Zone.
Temp. Zone.
Rublaeeser nes. 11:14 (1:25| 1:60 1:80
in Amerika)
Leguminosae. ... 1:10 1:18 1:35
Euphorbiaceae... 1:32 1:80, 1:500
Malvaceae. :... . 1:39 1:200 _ |fehlen gänzl.
330
Die Familien der Cruciferae, Umbelliferae und der
Composita@ verhalten sich in ihrer Vertheilung wiederum
anders, denn ihre Quotienten sind in der temperirten Zone
am stärksten, und nehmen gegen den Aequator und gegen
die Pole hın ab. Ihre Verhältnisse sind folgende:
Heifse Done lherapı Zone.| Kalte Zone.
|
Cruciferae ....» 1:800 1:18 (1:60 1:24
Amerika)
Umbelliferae ... . 1:500 1:40 1:60
Compositae .... [1:18 (1:12| 1:3°(1:6 17413
in Amerika); Amerika)
Entgegengesetzt der Vertheilungsart dieser Familien
haben wir im Vorhergehenden die der Farrn kennen ge-
lernt, welche gerade in der temperirten Zone am schwäch-
sten auftreten und gegen den Aequator, wie gegen die Pole
hin relativ zunehmen.
Nach dem Frscheinen jener Berechnungen des Herrn
Alexander v. Humboldt, hat auch Herr Schouw einige der
genannten Familien, in Hinsicht ihrer geographischen Ver-
theilung speciell behandelt, wobei hie und da einige Ab-
weichungen von den vorigen Angaben zum Vorschein
gekommen sind. Die Gräser *) bilden z. B., nach Schouw’s
Berechnung, -; bis 7; der gesammten Phanerogamen-Masse
in der heifsen Zone, wärend sie nach obigen Angaben
nur „1; daselbst ausmachen. Diese Verschiedenheit möchte
wohl dadurch zu erklären sein, dafs Herr Schouw mehr
die Special-Floren beachtet hat, worin die Quotien-
ten der Monocotyledonen-Familien meistens gröfser er-
scheinen, als wenn man grofse Ländermassen in Berechnung
stellt, weil die Verbreitungs-Bezirke dieser Pflanzen mei-
stens gröfser sind, sie demnach sowohl in dem kleinen
Lande, wie auch in dem grofsen Lande gleich zählen,
*”) S. Schouw, Gründzüge pag. 288.
x
nn ——
331
wärend in letzterem noch eine Menge anderer Phaneroga-
men dazukommen.
Für den wärmeren Theil der temperirten Zone findet
Schouw ebenfalls 7; bis „4;, und für den kälteren Theil
dieser Zone würde sich dann -, ergeben. In der arkti-
schen Zone nehmen die Gräser dagegen 4 ein, denn auf
Kamschatka, auf Island, auf Grönland und auf den Loffo-
L 1
den, bilden die Gräser 4, $ oder niedrigstens 4; auf der
Melville's-Insel verhalten sie sich sogar wie 1:4,7. Die
Florula der Loffoden, welche Herr Lessing *) mitgetheilt
hat, giebt nur ein Verhältnifs wie 1:8, indessen wahr-
scheinlich ist dieses in der Natur viel höher, indem eine
Menge von Monocotyledonen in diesem Verzeichnisse zu
wenig zu sein scheinen. Die Florula hat 162 Phaneroga-
men (ohne Farrn), und 127 Dicotyledonen; demnach ver-
halten sich daselbst die Monocotyledonen zu den Dicoty-
ledonen gleich 1:3,6, ein Verhältnifs, welches dieser Zone
ganz fremd ist. Bestätigte sich aber dennoch diese auf-
fallende Abweichung für die Loffoden, so wäre es inter-
essant, die Ursachen davon nachzuweisen.
Herr Schouw glaubt annehmen zu müssen, dafs die
relativen Verhältnisse der Gräser zu den Phanerogamen
mit steigender Höhe abnehmen; verschiedene Berechnungen
scheinen mir jedoch die Annahme zu bestätigen, dafs die
relativen Verhältnisse der Gräser, ebensowohl mit steigen-
der Höhe, wie mit zunehmender Breite zunehmen. Ich
habe die gesammte Masse von Gebirgs-Pflanzen der Flora
Frankreichs, welche Herr De Candolle **) mit genauen
Höhen-Verhältnissen angegeben hat, für verschiedene Re-
gionen berechnet und habe gefunden, dafs sich die Gräser,
in der Region von 700 bis 1400 Meter, gleich 1:28,3 ver-
halten; von 1400 —2100 Meter gleich 1: 23,8; bei 2100
bis 2500 Meter gleich 1:26 und bei 2800 — 3500 Meter
gleich 1:15. Das richtige Verhältnifs für die Ebene konnte
*) Reise durch Norwegen nach den Loffo“en. Berlin 1831.
*") Mem. de la Soc. d’Arcueil, III. pag. 262.
332
nicht angegeben werden, indem diese Pflanzen nicht beson-
ders verzeichnet sind. Für die Flora des gesammten
Frankreichs verhalten sich die Gräser zu den Phaneroga-
men gleich 1:14. Die grofse Sammlung von Gebirgs-
Pflanzen, welche Herr v. Humboldt aus Amerika gebracht
hat, scheinen ebenfalls eine Zunahme der Gräser mit stei-
gender Höhe zu beweisen, und ich habe dasselbe auf den
südlicheren Theilen der Cordillere beobachten können, wenn
der Boden’ nur einige Feuchtigkeit besafs.
Die Cyperaceen sind eben so ausgedehnt über die
Erde wie die Gräser; wır haben schon früher gesehen,
dafs die Gattungen Cyperus und Carex, die hauptsächlich-
sten dieser Familie, in ihrer geographischen Verbreitung
entgegengesetzt auftreten. Die Cyperus-Arten treten mit
ihrem Maximum in der heifsen Zone auf, und die Carices
in der Nähe des Polarkreises am gröfsten, denn in Lapp-
land, auf Island, Grönland und Kamschatka bilden sie immer
2 bis 7,5 der gesammten Flora, darüber hinaus, wie auf
der Melville’s-Insel, wird es schon wieder kleiner, denn
sie bilden daselbst nur -z. - Aufserordentlich regelmäfsig
ist die Abnahme der Cyperaceen von der subpolaren Zone
an, nach den Wendekreisen hin. In Dänemark bilden sie
75, in England „4, in Deutschland 55, in Frankreich 55,
in Griechenland z'- u. s. w.
Weniger genau ist das Verhältnifs der Cyperaceen,
nach den gegenwärtigen Mitteln, für die heifse Zone an-
zugeben, indessen es scheint, dafs sich daselbst ihre Zahl
wieder vergröfsere, was auch mit der Thatsache überein-
stimmen möchte, dafs die Cyperus- Arten in der heifsen
Zone mit ihrem Maximum auftreten. 4; bis „4 möchte wohl
das Verhältnifs der Cyperaceen für die heifse Zone sein.
Die Zunahme der.Cyperaceen mit steigender Höhe ist
gewifs nicht allgemein; ihr Erscheinen ist nur zu oft mit
einem feuchten, sumpfigen Boden verbunden, welcher auf
srofsen Höhen den meisten Gebirgen zukommt.
Herr Schouw hat noch verschiedene andere Familien,
als die Compositae, Leguminosae, Cruciferae, Cacteae, Pro-
333
teaceae und diePalmen in Hinsicht ihrer geographischen Ver-
theilung speciell behandelt, worauf ich verweisen mufs, da,
nach den neueren systematischen Arbeiten auffallend ver-
schiedene Resultate zum Vorschein gekommen sind. Ueber-
haupt glaube ich, dafs diese statistischen Angaben, wie ich
sie hier in aller Kürze geordnei habe, ein Bild von dem
Zustande dieses Theiles der Pflanzen - Geographie geben
werden. Speciellere Ausführungen, welche mit beständiger
Wiederholung der, schon so oft benutzten Thatsachen ver-
bunden sind, sind aufser dem Zwecke dieses Grundrisses
der Pflanzen- Geographie, sollen aber in meinen Vorlesun-
gen über diese Wissenschaft besonders beachtet werden.
In dem vorletzten Abschnitte habe ich ausführlich jenen.
Parallelismus nachgewiesen, welchen die Vegetation, in
Hinsicht ihrer Physiognomie, zwischen den, durch Aehnlich-
keit und Gleichheit des Clima’s sich entsprechenden Zonen
und Regionen darstellt; es wäre hiernach zu erwarten,
dafs die statistischen Resultate gleichfalls in den, sich ent-
sprechenden Zonen und Regionen übereinstimmten, hier-
über jedoch sind noch keine Untersuchungen angestellt,
welche auf den, hiezu erforderlichen Grad von Genauig-
keit Anspruch machen könnten. Pflanzen aus dergleichen
Familien, welche zu sehr von der Eigenthümlichkeit des
Bodens abhängen, werden allerdings bei diesen Verglei-
chungen der Vegetation gewisser Zonen, mit den ihnen
entsprechenden Regionen, grofse Verschiedenheiten aufzu-
weisen haken, in anderen Fällen wird dieses jedoch nicht
der Fall sein. "Das relative Verhältnifs der Monocotyle-
donen nimmt z. B. mit steigender Breite zu, in den, diesen
Breiten entsprechenden Höhen, nimmt es aber stark ab,
weil die Feuchtigkeit der Luft und des Bodens hier viel
geringer ist.
Zu den statistischen Untersuchungen dieser Art, wo
nämlich jede Region besonders berechnet wird, sind leider
die Floren der einzelnen Länder noch nicht geeignet, denn
es ist hiezu unumgänglich nöthig, dafs bei jeder Pflanze
sowohl der niedrigste, als der höchste Standort angemerkt
334
wird. Die mühesamen Angaben, welche Herr De Candolle *)
über die Höhenausbreitung der Gebirgs-Pflanzen Frank-
reichs mitgetheilt hat, sind die einzigen, welche gegenwär-
tig hiezu zu benutzen sein möchten, aber auch hier fehlen
die Angaben für die Pflanzen der Ebene, die, wollte man
sie selbst aus den Floren über Frankreich ergänzen, ge-
wifs sehr unrichtig zum Vorschein kommen würden.
In der folgenden Tabelle habe ich die Gebirgs-Pflanzen
Frankreichs nach den verschiedenen Regionen zusammen-
gestellt, und die Gröfse ihrer Familien durch Verhältnifs-
zahlen ausgedrückt. Da jene Pflanzen gröfstentheils bis
zum 45dsten Grade der Breite, also noch innerhalb des
wärmeren Theiles der temperirten Zone gesammelt sind,
so habe ich für die Flora Frankreichs fünf Regionen an-
nehmen müssen, wovon die unterste mit der wärmeren
temperirten Zone zusammenfällt, demnach die zweite der
kälteren temperirten Zone, die dritte der subarktischen, die
vierte der arktischen und die fünfte der Polar-Zone ent-
spricht. Die Höhen, bis zu welchen jene Pflanzen Frank-
reichs gefunden sind, gehen bis 3500 Meter hinauf, dem-
nach entspricht, für diese Flora, eine Höhe von 700 Meter
jeder Region. Zwar haben wir im Vorhergehenden nur
1900 bis 2000 Fufs für die Höhenausdehnung einer jeden
Region angenommen, doch hier möchte das wärmere Clima,
welches der Westküste des Continents zukommt, die Ver-
schiedenheit erklären. Bis gegenwärtig hat man bei allen
statistischen Berechnungen der Pflanzen, die Trennung der
Floren in verschiedene Regionen, und deren besondere
Berechnungen unterlassen, und zwar weil fast überall die
umständlichen Angaben über die Ausdehnung des vertika-
len Verbreitungs -Bezirkes der Pflanzen fehlen. Es ist aber
leicht einzusehen, dafs die Resultate, welche man auf jene
Weise erhalten hat, nicht ganz genau sein können, denn
nur in sehr seltenen Fällen stimmen die Verhältnisse für
die einzelnen Familien in der Ebene und auf den Höhen
*) Me&m. de la Soc. d’Arcueil. Tom. II. \
339
überein, sondern meistens sind grofse Verschiedenheiten
darin zu finden; daher ist es offenbar, dafs man zu keinen
ganz constanten Verhältnissen über die Gröfsen der ein-
zelnen Familien kommen wird, so lange man die Pflanzen
der Gebirgs-Floren mit denen der Ebene gleicher Breite
zusammen berechnet. Es mögen daher die dringendsten
Aufforderungen an diejenigen Botaniker ergehen, welche
bis jetzt Gebirgs-Floren bearbeitet haben, oder dieselben
bearbeiten werden, dafs sie für jede Pflanze ihrer Flora
den ganzen Umfang der vertikalen Verbreitung angeben.
Es ist mir sehr wohl bekannt, dafs noch einige an-
dere Werke vorhanden sind, worin die Höhenausdehnungen
der verschiedenen Pflanzen ganz genau angegeben sind;
indessen es scheinen mir diese Werke, für die grofse Län-
dermasse, welche sie umfassen, noch viel zu unvollständig,
um sichere Resultate zu liefern. Noch um das Doppelte
und Dreifache möchte sich die Zahl der Pflanzen vermeh-
ren, wenn jene Länder erst genau durchsucht sein werden.
Die Resultate der Berechnungen, welche in der fol-
genden Tabelle niedergelegt sind, können nur als unvoll-
kommen angesehen werden, da das dazu benutzte Material
ebenfalls nur unvollkommen ist; doch bin ich überzeugt,
dafs sich die Gleichheit der Quotienten für die einzelnen
Familien mit denjenigen, in den entsprechenden Zonen,
noch deutlicher zeigen wird, wenn jenes Material vervoll-
ständigt werden sollte. Es versteht sich übrigens von
selbst, dafs hiebei jede Pflanze, deren Verbreitung durch
verschiedene Regionen geht, in jeder einzelnen Region wie-
der aufgezählt ist, wodurch man die absolute Zahl der
Pflanzen einer jeden Region erhält.
336
Angaben der Verhältnifs-Zahlen für einige der vorzüglichsten Pflanzen-
Familien Frankreichs, geordnet nach den verschiedenen Regionen
des Landes.
Von der |! Von 700 | Yon 1400 | Von 2100 |Von 2800 Fir
Regionen: Ebene bis| bis 1400 | bis 2100 | bis 2800 | bis 3500 Fran
700 Met. | Meter. Meter. Meter. Meter. $
Re A N 2 re ee ee... a
be ER - er ent
Dis) mern rt. rch chen | Fair
Toten: emperir- | perirten | Zone. Zone. Zone. Höhe,
ten Zone.| Zone.
een 653 | 60 |. 269 79 | 3540
Hiezu verhalten
sich: <
Monocotyledonen Si 1 Ba a a aa ER 1:6,7 1:6,1 1:4
Gramineae..... ® ” 1:28,3 1:23,8 1:26 1:15 1:14
Cyperaceae .... 35 4:19 1:20,3 1:23,89) YAezl 1:26
Junceae ..... :.. er 1:65 1:44,9 | 1:26 1: 106
Glumaceae...... en a li 1:8,6
Liliaceae...... & | 1:343 | 1:36 | 1:67 Ifehl. ganzj 1:9088
Orchideae....... 353. | 1:544 | 1:65 1:89,6 | desgl. | 1:69,4
Coniferae ..... =. | 1:33 |-1:9288 | 1:269 | 1:79 | 4:208
Amentaceae..... er 1:81,6 1:59 1:53,8 1:79 1:104
Primulaceae.... = = 1:65 1:40,6 1:24,4 1:9,8 1:86,3
Labiatae‘... . ... 2. | 4:326 | 1:34 1:134 | 41:79 | 1:262
Rhinanthaceae .. S 1:29,7 1:23,6 1:20,6 1:26,3 1:26,2
Gentianeae...... = 1:43,7 1:38 1:38 1: 26,3 41:118
Erieinae ...... E |. 1:50 1:54 1:38 1:39,5 | 1:136
Campanulaceae.. S 1:34,3 1:29,5 41:269 |fehl:gänzl| 1:9
Compositae .... 1 1:7,5 1:6 1:103 | 1:112 | 1:8
Rubiaceae ..... > 1:54 1:61 1:89,6 1:26,3 1:72,2
Umbelliferae . . « @ | 4:204 | 1:26 | 1:67 | 4:79 | 1:268
Saxifragae..... Ss | 1:326 | 41:209 |) 1:14,6 | 4:79 | 4:9
BRosaceae.. .... B 1:47:2 41:18 1:15 1:19,7 1:29,5
Leguminosae . .. > | 1:459 | 1:209 | 1:20,7 | 41:395 | 1:102
Caryophyllaceae . E& 1:21,7 | 1:16,6 | 1:128 | 1:12 0 1
Cruciferae . .... ® 1:498 | 1:19,6 | 1:20,6 | 1:43 1:18,2
Ranunculaceae .. 1:2383 | 1:23,6 | 1:20,6 | 1:39,5 1:292
337
Man wird aus der vorhergehenden Tabelle ersehen,
wie aufserordentlich verschieden die Quotienten der ein-
zelnen Familien, für die verschiedenen Regionen und, im
Verhältnisse zu denjenigen sind, welche aus den Pflan-
‚zen-Arten des ganzen Landes gezogen; demnach wird
man um so mehr einsehen, wie nöthig es ist, die Berech-
nungen für einzelne Regionen zu machen. Wollte man z. B.
ein Land mit hohen Gebirgen, mit einem anderen Lande
gleicher Breite, in Hinsicht ihrer Pflanzenzahl vergleichen,
so könnten die, Verhältnifszahlen der einzelnen Familien kei-
neswegs übereinstimmend sein, und wenn sie es wären,
so würden zufällige Verhältnisse hiebei die Ausgleichung
veranlafst haben.
In der Tabelle möchten vielleicht die Pflanzen der
Region der Alpenkräuter am vollständigsten sein, und ver-
gleichen wir diese mit den Pflanzen der Melville’s-Insel
und mit denjenigen, welche Herr v. Ramond in der ent-
sprechenden Region des Pic de Midi de Bagnes *) gesam-
melt hat, so finden wir in diesen numerischen Angaben
viele. Uebereinstimmungen, aber auch an Abweichungen
fehlt es nicht, welche spätere Beobachtungen ausgleichen
oder erklären möchten.
. 1 Gipfel des Hoc.
Region der Alpenkräuter Pic de Midi Melville’s
Frankreichs. de Bagnes. Insel.
Gramineae ..... == 1:15 1:10,11 1:4,7
Cyperaceae ..... —= 1:26 1:25,3 1; 16,7
Compositae..... 1:12 1:5,4 1:13,4
Frifraea..n 0... — 1:79 1:17.27 1:6,7
Hosacese ....... 5.1947 1:17,47 1:16,7
Leguminosae .... = 1:39,53 4:47,7 1:32,53
Ranunculaceae ... = 1:395 fehlen. 1:13,4
Carvopiylleaer... = 1:11,2 1:11,9 1:13,4
Cruciferae, .. .., — 41:13 1:11,9 1:4,9
Campanulaceae... = — 1:71 1:6,7
*) Mem. du Mus. Vol. Xill. pag 217.
338
Möge man aus den hierin vorwaltenden Abweichungen
den Schlufs ziehen, dafs auf die Resultate aus einzelnen
Gegenden, mögen sie noch so genau sein, kein zu grofses
Gewicht gelegt werden darf; nur das Mittel aus der mög-
lichst gröfsten Menge von Beobachtungen kann als Gesetz
anerkannt werden, welches sich der Wirklichkeit am mei-
sten näheren möchte.
339
Anhang
m
Die Geschichte der Cultur -Pflanzen,
enthaltend:
Untersuchungen über das Vaterland, die Verbreitung, den
Anbau und den Nutzen der vorzüglichsten Cultur - Phanzen,
welche sowohl zur Nahrung, als zur Bequemlichkeit, zum
Luxus und zum Handel der Völker dienen und deren Wohl-
| stand begründen.
Die Cultur der Getreide - Arten.
Wir fangen diese Betrachtungen mit der Cultur der
Getreide- Arten an, welche bei uns, im engeren Sinne, un-
ter Ackerbau verstanden wird. Der Ackerbau geht aller
Ausbildung des Menschen voran, mit ihm ist Ruhe und
Frieden und häusliches Glück verbunden, wovon der No-
made nichts kennt. Mit der Einführung des Ackerbaues
mufsten die Völker feste Wohnsitze ergreifen, und, sobald
dieses geschehen, und ihre Existenz auf eine sichere Weise
begründet war, konnte Verbesserung der Sitten und ander-
weitige Gultur allmälich einziehen.
Ein Volk, welches Ackerbau treibt, ist nicht in jeder
Zeit zu blutigem Kriege geneigt; es kämpft nur für die
Erhaltung seines Mutterbodens, worauf seine Nahrungs-
Kammer begründet ist.
Die hauptsächlichsten Getreide - Arten ( Cerealien )
sind der Weitzen, der Spelz, der Roggen, die Gerste und
der Hafer für Europa und das angrenzende Asien; der
22 *
340
Reis und mehrere Hirse- Arten *) für den ganzen Süden
und Osten von Asien, der Mays für die neue Welt und
das Sorghum vulgare, oder die Mohren-Hirse, Eleusine
coracana und Poa abessinica für Afrika.
Wir wissen nicht, unter welcher dieser Getreide - Ar-
ten sich die erste Cultur des Menschen entwickelt hat,
wahrscheinlich aber ist es, dafs die Völker im östlichen
Asien, welche den Reis anbauten, zuerst zu festen Wohn-
sitzen sich entschlossen haben, und, wie wir später sehen
werden, scheint der Reis auch in jenem Lande wild zu
wachsen.
Die gesittete Bildung im Abendlande ist von der Cul-
tur des Weitzens begleitet worden, doch ist es nicht aus-
zumachen, wo derselbe zuerst gebauet wurde; ohne Zwei-
fel kam der Ackerbau aus Aegypten nach Griechenland **),
und zog sich, von hier aus, seg&nend über ganz Euroz:.
Man hört beständig die Frage, wo wohl die Cerealien,
welche wir jetzt cultiviren, in ihrem wilden Zustande ge-
funden werden, und zwar glaubend, dafs von dort aus
die Cultur habe ausgehen müssen. Indessen Beobachtun-
gen der neuesten Zeit möchten dieser Annahme sehr wi-
dersprechen; Herr von Martius hat, wie wir es später
noch ausführlicher sehen werden, den Reis im Inneren von
Südamerika wild gefunden, ja er hat beobachtet, dafs die
Bewohner jener Gegenden denselben sogar einerndten,
und dennoch haben sich jene Völker niemals auf die künst-
liche Cultur dieses herrlichen Gewächses eingelassen, son-
dern leben noch heutigen Tages in ihrem wilden Zustande.
Es ist oftmals von sehr verschiedenen Zufälligkeiten "be-
dingt, dafs die Völker, in diesem, oder in jenem Lande,
bald die eine, bald die andere Nahrungs-Pflanze bauen,
”) Panicum miliaceum, P. italicum, P. frumentaceum and Eleu-
sine coracana.
*) S. die gelehrien Untersuchungen über diesen Gegenstand in
Hersn Link’s Urwelt und das Alterthum. Berlin 1834. 2te Auflage.
pag: 400.
341
wenn sie daselbst auch andere, ja sogar viel vortheilhaf-
tere Pflanzen cultiviren könnten.
Das Vaterland unserer Cerealien wird gewöhnlich
als unbekannt angegeben, indessen wohl mit Unrecht setzt
man, in dieser Hinsicht, zu weniges Vertrauen auf die
Beobachtungen sehr achtenswerther Reisenden. Der Spelz,
die Gerste und der Weitzen sind theils in Persien um
Hamadan, theils in Mesopotamien, an den Ufern des Eu-
phrat’s wild gefunden; die Reisenden Michaux *) und Olıi-
vier **) haben uns diese Beobachtungen hinterlassen. Wä-
ren uns jene Länder, welche mit die Wiege für die abend-
ländische Cultur warsn, nicht so aufserordentlich unbe-
kannt, so würden wir sicherlich noch genauere Nachrich-
ten, über das Vorkommen unserer Getreide - Arten aus
jenen Gegenden besitzen, von wo aus sie auch, wenigstens
aller Wahrscheinlichkeit nach, zu uns gekommen sein möch-
ien. Herr Link ***) meint, dafs die Cerealien in jenen
Ländern von so alter Cultur, verwildert sein könnten, doch
dagegen kann man mit ganz gleichem Rechte einwenden,
dafs es sich mit diesem Verwildern sehr zweifelhaft ver-
hält, denn, wenigstens in unseren Gegenden, verwil-
dern diese Cultur-Pflanzen keineswegs, und in den Tro-
pen habe ich, eben so wenig von einem Verwildern des
Reises oder des Mays’s etwas gesehen oder gehört. Bei
uns ist es hinreichend bekannt, dafs dergleichen Cultur-
Pflanzen, wenn sie sich durch zufällige Aussaat über die
Ackerstellen hinaus verpflanzen, meistens nur ein Jahr
hindurch daselbst vorkommen, und dann wieder gänzlich
verschwinden. Demnach möchte ich nicht mehr dem Aus-
spruche derjenigen beitreten, welche da meinen, dafs un-
sere Cerealien gegenwärtig kein Vaterland mehr besitzen;
von einigen ist dasselbe allerdings noch unbekannt,
”) Enceyclop. method. Art. Botanique, T. I. p. 211.
**) Voyage dans l’empire Ottoman, l’Egypte et la Perse. Paris
1807. Ato. Vol. III. pag. 460.
9) Die Urwelt etc. I. p. 493.
342
Der Weitzen (Triticum sativum L.). |
Der Weitzen ist diejenige unserer Getreide-Arten,
welche die meiste Wärme erfordert; an der Grenze der
subtropischen Zone scheint sie am besten zu gedeihen,
indem sie daselbst eine aufserordentlich reiche Erndte lie-
fert. Der Anbau des Weitzens ist gegenwärtig aufseror-.
dentlich weit verbreitet; er wird auf allen Erdtheilen be-
trieben. In Europa steigt der Weitzen bis über 62° nörd-
licher Breite hinaus, ja Herr Schouw *) giebt die Polar-
grenze der Weitzen-Cultur für die scandinavische Halbin-
sel sogar, nämlich auf der Westseite, in 64° Breite an;
bemerkt aber auch, dafs die Weitzen-Cultur von einiger
Bedeutung, erst unter 60° nördlicher Breite beginnt. Nach
den meteorologischen Beobachtungen aus jenen Gegenden
müssen wir schliefsen, dafs zur Weitzen-Cultur wenigstens
eine mittlere Wärme von 4° Cels. erforderlich ist, wobei
aber, wenigstens drei bis vier Monate lang, die mittlere
Sommerwärme über 13° Cels. steigen mufs. Hiernach hat
man sich zu richten, wenn man den Weitzen auf hohen
Gebirgs-Ebenen ziehen will. Die tropische Hitze erträgt
der Weitzen nicht gut, er kommt in jenen Gegenden erst
auf solchen Höhen fort, welche mit unserer subtropi-
schen und unseren teinperirten Zonen in Hinsicht des
Clima’s übereinstimmen.
Auffallend sind die niederen Höhen, in welchen. Herr
v. Humboldt **) den Weitzen in Amerika antraf, nämlich
bei Victoria, in der Nähe von Caracas, schon bei 1600
Fufs, und auf der Insel Cuba, gerade an der Grenze der
Tropen, nämlich bei Las Quatro Villas in viel geringerer
Höhe, ja auf Isle de France wird der Weitzen sogar fast
dicht über dem Meere gebauet. Ganz ähnliche Fälle wer-
den auf der Insel Lucon beobachtet, wo aber durch die
Eigenthümlichkeit der, daselbst herrschenden Monzoone
*) Europa. Koppenhagen 1833. p. 9.
”%) De distributione geogr. plantarum, pag. 161.
343
die mittlere Wärme sehr herabgedrückt wird. Aufserdem
ist es mehreren tropischen Gegenden eigenthümlich, dafs
man den Weitzen und die übrigen nördlichen Cerealien,
gerade zur Winterzeit säet, und oft gerade an eben dem-
selben Orte, wo in den nassen Sommer- Monaten die tro-
pischen Früchte gezogen worden sind. Ich ‚selbst habe
dieses zum Theil in der Nähe von Canton gesehen, und
Herr Royle*) erzählt es von Indien, wo zur Winterzeit
die Vegetation überhaupt oft ein europäisches Ansehen er-
hält, und viele Arten echt europäischer Pflanzen - Gattun-
gen zum Vorscheine kommen.
In der Mitte der temperirten Zone von Europa, in
Frankreich nämlich, wird der Weitzen nur bis zur Höhe
von 5400 Fufs gezogen. In Mexico beginnt die Weitzen-
Cultur erst in 2500 bis 3000 Fufs Höhe, ja in der Rich-
tung von Veracruz nach Acapulco findet man, nach Herrn
von Humboldt’s Beobachtung, erst in 3600 Fufs Höhe die
Weitzenfelder, und sie steigen daselbst bis über 9000 Fufs
hinaus. Auf dem Plateau des südlichen Peru sind die
Weitzenfelder auf einer Höhe von 8000 Fufs, von aufser-
ordentlicher Ergiebigkeit, selbst bei Cangallo, am Fufse
des Vulkans von Arequipa, in einer Höhe von beinahe
10000 Fufs, gedeiht der Weitzen noch ganz aufserordent-
lich. ‘Am See von Titicaca, in einer Höhe von 12700
Fufs, wo eigentlich ein beständiges Frühlings-Clima herrscht,
aber die hinreichende Wärme der Sommermonate fehlt,
da reift der Weitzen und der Roggen nicht mehr. Ich
beobachtete an den Ufern jenes See’s, gerade zur Som-
merzeit, des Morgens um 6 Uhr, nicht mehr als 6°'R.
Wärme, und Mittags steigt sie, bei etwas bezogenem Him-
mel, nur auf 12° R. Hierin liegt es aber, dafs der Weit-
zen auf jenem so milden Plateau nicht mehr reift, wo der
Winter äufserst gelinde ist.
Wir wissen noch nicht genau, bis zu welcher Höhe
die Cultur des Weitzens unter den Tropen hinaufsteigt,
*) Illustrat. of the Indian Botan. etc. Fasc. I. pag. 40 etc.
344
doch wahrscheinlich geht sie, auf dem Plateau von Tacora
noch weiter hinauf, als in den Gebirgen des Himalaya, wo
keine so grofse und ununterbrochene Flächen vorkommen.
Sehr ergiebig ist die Weitzen-Cultur in Chile und in
den vereinigten Staaten des Rio de la Plata, so dafs die
Ausfuhr des Chilenischen Weitzens von aufserordentlicher
Bedeutung ist. Nicht nur nach Peru werden ungeheuere
Massen von diesem Artikel ausgeführt, sondern selbst um
Cap Horn herum, nach Rio de Janeiro, und der Chileni-
sche Weitzen ist von vorzüglicher Qualität. Man bauet
den Weitzen in Chile überall, wo hinreichend Wasser vor-
handen ist, von dem Ufer des Meeres bis zu einer Höhe
von 5200 Fufs. Aber dennoch, man sollte es nicht glau-
ben, wird noch heutigen Tages. das nordamerikanische
Mehl auf dem Markte von Välparaiso verkauft, und die
Bäcker des Landes müssen es kaufen, da es wohlfeiler zu
stehen kommt, als das im Lande bereitete Mehl, und zwar
aus dem Grunde, weil noch keine Wege im Innern des
Landes sind, und weil, aus Mangel an arbeitenden Händen,
der Tageslohn noch viel zu hoch ist.
Die Art der Weitzen-Cultur und die Anwendung des
Weitzens setze ich hier, als bekannt voraus, ich theile aber
noch einige Beobachtungen über den verschiedenen Grad
der Fruchtbarkeit dieses Getreides in verschiedenen Ge-
genden mit, um hiemit zugleich zu zeigen, um wie Vieles
ein Boden, in einem besseren Clima, ergiebiger ist, als bei
uns, wenn nur der Bewohner desselben arbeiten will. In
unseren kalten Gegenden treibt jede Weitzenpflanze mei-
stens nur einen Halm, und auf diesem nur eine Aehre,
daher ist der Ertrag der Aussaat auch nur 5- bis 6fältig*)
im Durchschnitt. In Ungarn, Croatien und Slavonien ist
der Ertrag der Weitzen-Erndte im Durchschnitt 8- bis
10fältig; in den vereinigten Staaten am Rio de la Plata
ist die Erndte 12fältig, im nördlichen Mexico 17fältig und
in den Aequatorial- Gegenden von Mexico sogar 24-, ja
*) $. hiezu Herın A. v. Humboldt’s Nea- Spanien, IH. p. 60.
345
in fruchtbaren Jahren sogar 35fältig.. Herr v. Humboldt *)
erzählt einen Fall von ganz aufserordentlicher Fruchtbar-
keit, welchen man in Mexico beobachtet hat, wo nämlich
eine Weitzen - Pflanze 40, 60 bis 70 Stengel getrieben
hat, von welchen die Aehren beinahe durchgängig gleich
gefüllt waren und 100—120 Körner trugen!
Indessen um wie viel gröfser ist der Erfolg der Mays-
Cultur? Auf dem Plateau von Mexico, wo man die Weit-
zen-Erndte im Durchschnitte 18- bis 20fach rechnet, da
bringt der Mays das 200fache Korn, worauf wir später
sogleich zurückkommen werden.
Neben dem Weitzen wird in südlichen Gegenden häu-
fig der Spelz **) gebauet; er war den Griechen und Rö-
mern bekannt, ja bei letzteren ist er nach Plinius ***) das
älteste Getreide und hiefs far, ador, auch adoreum +).
Die übrigen Getreidearten, welche wir bauen, als die
Gerste, der Roggen und der Hafer, sind nur in den
kälteren Gegenden von Bedeutung; sie widerstehen mehr
der Kälte, als unser Weitzen und sind daher im höheren
Norden die einzigen Cerealien, welche angebauet werden
können. Die Roggen-Cultur herrscht in der subarktischen
Zone, die Gerste und der Hafer dagegen in der arktischen
und in dem gröfsten Theile der subarktischen Zone der
östlichen Länder des Continents. Auf der skandinavischen
Halbinsel steigt die Gerste bis zu 70° N. Breite; der
Roggen bis 65 und 67, und der Hafer bis 65 und 624°
Breite, wärend der Weitzenbau im Kleinen nur bis 62 —
64° geht, und im Grofsen nur unterhalb 60° Breite an-
getroffen wird.
In eben demseiben Grade steigt der Anbau dieser
Getreide-Arten viel weiter auf die Gebirge hinauf, als es
mit dem Weitzen der Fall ist. Im südlichen Lappland
z. B., in 67° N. Breite, wo noch keine Spur von Weitzen-
*) 1üre: JM.-p.)52%,
+") Triticum Spelta et var.
”%) Hıst. nat. Lib. XVII. cap. 8.
7) $. Link, die Urwelt u. s. w. p. 406.
346
Cultur ist, da steigt die Gerste schon bis zu 800 Fufs
über die Meeresfläche #). Die Grenze aller Getreide- Cul-
tur ist in den Alpen von Tyrol bei 3800 Fufs; in den
Tyroler Gebirgen bei 4500 Fufs, auf dem Monte Rosa bei
5880 Fufs. In Frankreich steigt die Roggen-Cultur nach
Herrn De Candolle selbst bis 6600 Fufs, und in südlichen
Gegenden steigt sie bis zu den bedeutendsten Höhen, wo
die höchste Wärme des Tages selten über 14° Cels. steigt.
In der Hochebene von Peru steigt die Gerste und der
Roggen gewifs nur selten über 10000 Fufs hinaus, wenn
sie nämlich reife Früchte tragen soll; den Hafer habe ich
am See von Titicaca, in der Höhe von 12700 Fufs reifen
sehen, doch Roggen, Weitzen, so wie meistens auch die
Gerste, werden nur zu Grünfutter gebraucht, letztere kommt
wohl noch hie und da, selbst auf dieser Höhe zur Reife.
Zum Gebrauche als Grünfutter, wird die Gerste in Peru
’ A
selbst auf einer Höhe von 13800 Fufs gebauet, wie z. B.
nach Herrn Rivero’s Beobachtung auf der Alto de Jacai-
bamba **). Dagegen fand Herr Gerard im. westlichen
Theile des Himalaya, woselkst Kunawar gelegen ist, moch
bei 13000 Fufs die Gerste, den Buchweitzen und Rüben
angepflanzt, doch ist nicht dazu gesetzt, ob die Gerste 'da-
selbst zur Reife kommt. ‘In Chile wird gegenwärtig, üı
der Breite zwischen Quillota und Valparaiso, die Gerste
bis zu 5200 Fufs Höhe gebauet.
Das Vaterland dieser letzteren Getreide - Arten, des
Roggens und des Hafers nämlich, ist uns nicht bekannt ***),
Wahrscheinlich gehört die Gerste auch dem nördlichen
Afrika an, da schon Diodor in Aegypten das Vaterland
derselben setzte, und daselbst schon früh der Gerstenwein
bereitet worden ist.
Bei den Hebräern, den Griechen und Römerd war
*) S. Schouw’s Europa, p. 10.
N) S. Memorial de ciencias nat. Lima 1828. I. pag. 102.
=) Man sehe hierüber Herrn Link’s gelehrte Untersuchungen
über diesen Gegenstand in dessen Urwelt u.s. w. Bd. 1. Pag. w7.
2te Ausgabe.
347
die Gerste im Gebrauche. Der Roggen, dessen Vaterland
eben so unbekannt ist, wie dasjenige des Hafers, scheint
nach Herrn Link’s neuen Untersuchungen #) den Alten
ebenfalls bekannt gewesen zu sein, doch von dem Hafer
ist in den ältesten Quellen keine Spur zu finden. Man
gab den Pferden, zur Zeit des trojanischen Krieges, die
Gerste statt Hafer; erst spätere Nachrichten, wie z. B.
Galen, sprechen von der Benutzung des Hafers. Bekannt-
lich wird auch jetzt der Hafer meistens als Viehfutter ge-
braucht, doch die alten Deutschen afsen Haferbrei, und in
Irland, Schottland, in Norwegen und in Schweden wird
häufig noch gegenwärtig Haferbrod gegessen.
Der Reis (Oryza sativa L.).
Der Reis ist wahrscheinlich dasjenige Getreide, wel-
ches der gröfsten Menschenzahl zur Nahrung dient. Es
war bisher eine allgemein anerkannte Thatsache, dafs der
Reis nur der alten Welt angehöre, und wenn es nun auch
wahr ist, was nicht mehr zu bestreiten ist, dafs der Reis
(Oryza sativa L.) auch im Innern von Südamerika, als
am Rio negro und in Para wild wächst, wo er von Herrn
von Martius **) aufgefunden und von Herrn Nees von
Esenbeck ***) als solcher erkannt ist, so ist diese Pflanze
in Amerika, vor der Einwanderung der Europäer, doch
niemals Gegenstand des Ackerbaues gewesen. Herr von
Martius erzählt, wie am Rio Iraria, einem Arme des Rio
Madeira, der wilde Reis so dicht stand, als wenn er künst-
lich angesäet worden wäre, und dafs die wilden Indianer
auch reichliche Erndten von diesem wilden Reise machen,
indem sie kleine Kähne zwischen die reifen Halme führen,
und den Saamen in diese hineinschlagen +).
*) 1. c. p. 408.
**) Reise nach Brasilien, III. p. 1309.
***) Flora brasil. Vol. 2. pars 1. pag. 318. 560.
7) Herr v. Martius ist indessen gegenwärtig der Meinung, dals
dieser wilde amerikanische Reis dennoch wohl eine andere, von dem
asiatischen Reise verschiedene Species sei.
348
Es ist eine auffallende Erscheinung, und kann nur
durch den Stumpfsinn der Indianer erklärt werden, dafs
diese ausgezeichnete Nahrungspflanze an einem Orte, wo
sie in so grofser Masse wild wächst, nicht schon seit
langer Zeit Gegenstand des Ackerbaues geworden ist, ja
dafs sie, bis zu der neuesten Zeit, unserer Kenntnifs ver-
borgen geblieben ist. Bei dieser Gelegenheit möchte ich
erinnern, dafs der sogenannte wilde Reis, von welchem
sich die Eingebornen von Canada wärend der Winterzeit
ernähren, einer ganz anderen Pflanze, nämlich der Zizania
aquatica angehört. |
Im östlichen und im südlichen Asien ist die Reiscul-
tur zu Hause, und dort bildet der Reis das allgemeinste
Nahrungsmittel, aber auch im nördlichen Afrika, in Aegyp-
ten, in Nubien, Persien, Arabien, im Oriente oder in Klein-
Asien, in Griechenland, Italien und in den südlichen Thei-
len von Portugal, Spanien und Frankreich ist der Reis
ein gewöhnliches Nahrungsniittel. Der Anbau. des Reises ist
mit den Europäern nach Amerika hinübergegangen, und er
wird daselbst, in der tropischen und subtropischen Zone,
Ja noch viel weiter hinauf, sehr häufig eultivirt. Im süd-
lichen Nordamerika hat die Cultur des Reises so überhand
genommen, dafs er daselbst schon längst das allgemeine
Nahrungsmittel ist. Auch auf den Westindischen Inseln,
in Venezuela und in Brasilien, wird dieses Getreide mit
grofser Vorliebe gezogen und mit Recht möchte es daselbst
den Mays verdrängen; ja die Negersklaven in Amerika
ziehen den Reis der Manioca vor. Wie aufserordentlich
grofs die Production des Reises schon gegenwärtig in Bra-
silien ist, davon wird man sich durch die interressanten
Nachrichten in Herrn v. Martius Reisebericht überzeugen.
Die Provinz Maranhäo allein produeirt jährlich 560000
bis 600000 Alqueires *), und eine eigene Dampfmaschine
hat man daselbst aufgestellt, um den Reis zu entschlauben.
*) 4 Alqueires bilden eine Fanega und 100 Fonegas sind gleich
400,696 Berliner Scheffel.
349
In Indien und in China, wo der Reis die Hauptnah-
rung bildet, da ist Hungersnoth und Tod die unmittelbare
Folge, wenn die Reis-Erndte mifsräth, und wir sehen es,
dafs dieses nicht so selten ist. Nicht nur zu wenig und
zu viel Regen, sondern auch der Insektenfrafs erzeugen
dort eine gänzliche Mifserndte und Hungersneih, wo man
sich so ganz der Cultur einer einzigen Art von N2...2ngS-
mitteln überläfst. Die aufserordentliche Bevölkerung von
China, bei aller Sorgfalt, mit welcher der Acker»: ın
jenem Lande betrieben wird, findet im eigenen Lande zicht
“ mehr die hinreichende Nahrung, und daher verschling: die-
ses Land noch alle die Ueberflüsse der "rzeugnisse, welche
den fruchtbaren Inseln des indischen Archipels übrigbleiben.
Wenn aber die Reiserndte in China schlecht ausfällt, dann
möchten schwerlich die gröfsten Flotten so vielen Reis
nach jenem Lande bringen können, als zur Vermeidung
der Hungersnoth erforderlich wäre.
In den tropischen Gegenden, wo die Reiscultur zu
Hause ist, da findet man eine grofse Anzahl von Varietä-
ten dieser Pflanze, wovon die eine mehr für diesen, die
andere mehr für jenen Boden passend sein soll; vor Allem
sind aber zwei Hauptvarietäten zu nennen, von welchen
die eine auf niederen Bergen, und die andere in sumpfigen,
überhaupt sehr feuchten Gegenden gezogen wird, die erstere
Varietät ist unter dem Namen Bergreis bekannt geworden,
von welcher viele Botaniker noch immer bezweifeln, dafs
er in einem trockenen und durch künstliche Bewässerung
nicht bewässerten Boden wachsen könne. Indessen man
zweifelt daran gewifs mit Unrecht, denn schon Marsden *)
erzählt den Bau des Bergreises auf Sumatra, welcher da-
selbst Ladang heifst, so ausführlich und umständlich, dafs
man davon ganz überzeugt sein kann. Auch auf Java und
"in Brasilien, wie es scheint in sehr feuchten Ländern, wird
dieser Bergreis mit grofsem Vortheile gebauet. Ich mache
hier gelegentlich auf die Cultur der trockenen Tarro (des
*) The Hisi. of Sumatra. London 4811. pag. 67 etc.
350
Caladium esculentum) aufmerksam, welche sowohl auf
den Societäts-Inseln, als auf den Sandwichs-Inseln im
feuchten Boden, selbst auf bedeutender Höhe gezogen
wird, obgleich die andere Spielart dieser Pflanze immer
unter Wasser steht.
Der Anbau des gewöhnlichen oder Sumpfreises (Sa-
wuhr im Malayischen), geschieht im Allgemeinen auf fol-
gende Art: entweder man säet ihn in den 'gereinigten
Schlamm natürlicher Sümpfe, oder, was am gewöhnlichsten
ist, man säet ihn in eigens dazu eingerichtete Bassins,
welche 2 bis 3 Fufs tief in der Erde ausgegraben sind
und unter Wasser gesetzt werden können. Im südlichen
China bedecken diese Reisfelder den ganzen flachen Boden
und steigen bis hoch auf die Berge hinauf; sie werden hier
entweder durch Wasser versehen, welches von dem Berge
herabkommt, oder das Wasser wird aus dem darunter lie-
genden Felde in ein höher liegendes gepumpt, und auf
diese Weise bringt man, in jenem Lande der Wunder, die
Wassermasse bis auf mehr denn Tausend Fufs Höhe.
Die Reis-Bassins werden Pihring im Malayischen ge-
nannt; in-denselben wird zuerst der Reis in kleinen Haufen
sehr: dieht gesäet. Wenn die jungen Reispflanzen 2 oder
3 Zoll hoch sind, so werden ihre Gipfel abgebrochen, da-
mit sich aus jeder Pflanze mehrere Seitenschöfslinge bilden.
In verschiedenen Gegenden von China soll man die Pflan-
zen sogar mehrmals verpfianzen, um eine reichere Erndte
zu erzwingen. Auf Sumatra verpflanzt man die jungen
Reispflanzen, nachdem schon lange vorher die mittleren
Schöfslinge abgebrochen sind, erst am 40sten Tage nach
dem Säen. Nachdem dieses geschehen ist, besteht die
Geschicklichkeit des Pflanzers in der genauen Abmessung
des :Wassers, welches er in die Sawuhrs oder Reis-
Bassins: hineinläfst, denn lange darf dasselbe Wasser nicht
darauf stehen; wenn aber der Reis zu blühen anfängt, dann
mufs alles Wasser entfernt werden. Drei bis vier Monate
nach dem Verpflanzen fängt man an, den Reis zu erndten,
indem man entweder die Aehren ganz kurz abschneidet
351
und die Halme in der Erde verfaulen läfst, oder indem man
die Halme mit abschneidet und ihn in kleine Garben bindet.
Der Bergreis oder Ladang wird auf hohem Boden ge-
säet und gedeiht am kräftigsten auf solchem Boden, der
so eben durch Ausroden und Abbrennen der Waldgegen-
den erhalten ist. Dieser Weg wird auch überall da, wo
viel Wald und wenig Bevölkerung ist, als auf Sumatra,
Java, Lucon und Brasilien, in Anwendung gesetzt. Da aber
die Waldungen der tropischen Gegenden in ihrem frischen
Zustande unmöglich brennen, so pflegt man, zu Anfang
der trocknen Jahreszeit, an einem solchen Orte, den man
später besäen will, alle Aeste und Spitzen der Bäume ab-
zuhauen und sie so lange liegen zu lassen, bis sie trocken
geworden sind; alsdann steckt man das Ganze in Brand.
Monate lang soll oftmals dieses Feuer unterhalten werden,
bis dafs Alles bis zur Erde niedergebrannt ist, und durch
die zurückgebliebene Asche der Boden eine Düngung er-
halten hat, wie man ihm an anderen Orten nicht so leicht
geben kann. Wenn nun wärend dieser Zeit des Abbren-
nens nasses Wetter eintritt, so brennt das Feuer nicht,
und die ganze Arbeit mufs zur nächsten trockenen Jahres-
zeit aufgeschoben werden. Wenn aber die nasse Jahres-
zeit wieder beginnt, was in der nördlichen Halbkugel im
April und Mai, in der südlichen dagegen im September
und October stattfindet, dann säet man den Bergreis.
Hiezu werden mit einem zugespitzten Instrumente, beim
Gehen, in regelmäfsigen Entfernungen Löcher gemacht und
eine andere. Person wirft in jedes dieser Löcher einige
Saamen hinein,. ohne weiter die Löcher zuzumachen,
was man der Natur überläfst. Die Erndtezeit des Berg-
reises erfolgt etwa fünf Monate nach der Zeit der Saat.
Die Erndte des Bergreises geschieht eben so, wie die des
Sumpfreises, doch in Brasilien, wie Herr v. Martius erzählt,
tritt man die Halme zur Erde nieder, damit sie wieder
ausschlagen und, nach 1 bis 2 Monaten, noch eine Nach-
erndte liefern. Das Trennen des Reises von der Aehre
geschieht in verschiedenen Gegenden eben so verschieden,
352
wie dieses mit dem Ausdreschen des Weitzens geschieht.
Auf Sumatra treten die Malayen die Aehren mit ihren
Füfsen, indem sie sich mit den Händen an einer Bambus-
stange festhalten.
Der Reis in seiner Schale heifst im Malayischen Päd-
dih (Paddee im Engl.), Palay im Tagallischen, und das
Trennen der Körner von der Schale ist eine sehr harte
Arbeit. In Gegenden, wo mehr Cultur herrscht, da hat
man hiezu Maschinen in Anwendung gesetzt; doch der
arme Indianer hat täglich diese Arbeit vor sich, wenn er
seinen Reis essen will. Wenn bei den Bewohnern der
Philippinischen Inseln am Tage vorher, oder des Nachts,
der Palay nicht gestampft ist, so hat man am folgenden
Tage nichts zu essen. Indessen man hat hiebei nicht blofs
die Trägheit jener Leute zu bewundern, sondern in diesem
Falle sind sie sogar zu entschuldigen, denn der Palay hält
sich, der harten Schale wegen, viel besser, als der ausge-
stampfte Reis.
Das Stampfen des Palay oder des Päddih geschieht
in grofsen Mörsern mit schweren Keulen von hartem Holze,
und gewöhnlich gehört dieses Geschäft dem weiblichen
Theile der Familie eines Hauses an, welche damit den
dritten Theil der Nacht beschäftigt ist. Der gereinigte
Reis giebt dem Maafse nach ungefähr die Hälfte des Palay’s;
das Entfernen der Schalen geschieht durch. Werfen sehr
leicht, weil die Reiskörner sehr schwer sind.
Der Ertrag der Reiserndte ist nach der Feuchtigkeit
der verschiedenen Gegenden sehr verschieden. Bergreis
giebt gewöhnlich in neu bestelltem Boden, nämlich durch
Abbrennen dichter Waldungen, 60- bis 80fachen Ertrag,
doch in gedüngten Gegenden, wo man alljährig den Reis
bauet, da mufs man mit einer 40fachen Erndte zufrieden
sein. Der Sumpfreis giebt dagegen 100- bis 120fältigen
Ertrag, indessen habe ich auch sehr fruchtbare Gegenden,
z.B. an der Laguna de Bay, auf der Insel Lugon gesehen,
wo der Sumpfreis nur 70fältig trägt. Aber auch auf den
Philippinen giebt es Gegenden, wo der Sumpfreis durch
353
mehrfaches Verpflanzen, selbst einen 400fachen Ertrag
liefert. Der Bergreis, obgleich .er weniger Ertrag giebt,
ist besser und wird auch mehr geschätzt, weil er sich län-
ger hält als der Sumpfreis.
In denjenigen Ländern, wo die Reiscultur zu Hause
ist, und wo der Reis das allgemeinste Nahrungsmittel ist,
da ist auch die Benutzung dieses Getreides zu Speisen
unendlich vielfach; im reinen Wasser abgekocht, ist es das
gewöhnliche Brod für die Bewohner des östlichen Asiens.
Aus Reismehl verfertigt man eine grofse Anzahl von Spei-
sen, und die Bereitung der starken, geistigen Getränke
aus dem Reise ist ebenfalls als bekannt vorauszusetzen.
Der Wein der Chinesen, der sogenannte Samdschu, wird
aus Reis gebrannt, und gleicht einem starken Arac; ob-
gleich dieses Getränk so äufserst erhitzend ist, so wird
es doch, auf der Tafel der Chinesen, stets kochend heifs
getrunken. *)
Sind die Reiserndten gut gerathen, so ist der Reis
sehr wohlfeil; man bezahlt denselben, auf Manila z. B. mit
S Real. im Durchsehnitte für die Cavan, welche 137 Span.
Pfunde hält; demnach erhält man für einen Silbergroschen
unseres Geldes mehr als 3 Pfund gereinigten Reis. In-
dessen es giebt Zeiten und gewisse Gegenden, wo er nur
halb so theuer ist, und dagegen wiederum Zeiten, inwel-
chen er dreimal so theuer ist!
Der Mays (Zea Mays L.).
Der Mays hat in der neuen Welt allein sein Vater-
land; er war dort, vor Ankunft der Europäer, **) das
hauptsächlichste Getreide und ist es auch noch in den tro-
pischen Gegenden dieses Continents. In dem heifsesten
und feuchtesten Tropenclima gedeiht der Mays am besten,
es giebt daselbst Gegenden, wo er das 800fache Korn ein-
*) S. Meyen’s Reise. II. pag. 392.
N) S. die ältesten spanischen Schriftsteller über Amerika, welche
hierüber ganz genau berichtet haben.
23
354
bringt; in weniger fruchtbaren Ländern bringt er das 3-
und 400fache Korn, und einhundertfältiger Gewinn dieses
Getreides in tropischen Gegenden wird als eine schlechte
Erndte angesehen. Weniger ergiebig ist die Mayscultur
in der temperirten Zone; so liefert sie in Californien,
zwischen 33 und 38° Breite, im Durchschnitte nicht mehr
als das 70fache Korn. In noch kälteren Gegenden wird
die Erndte noch weniger ergiebig, und hier werden unsere
Getreide allmälich den Mays verdrängen, wie dieses z. BD.
in Chile der Fall ist, wo der Mays gleichsam nur noch als
Gemüse, und der Weitzen zum Brode gebraucht wird. Wir
kennen nicht ganz genau die Polargrenzen der Mayscultur
in der neuen Welt, doch so viel ist gewifs, dafs dieselben
in den vierzigen der Breitengrade liegen; selbst auf der
südlichen Hemisphäre, wo, besonders in Chile, durch viel-
fache Ursachen, ein im Verhältnifs zur Breite viel niedri-
geres Clima herrscht, da steigt die Mayscultur noch zum
40sten Grade südlicher Breite hinab. Auf der Westküste
von Europa wird der Mays noch in 453° N. Breite eul-
tivirt, am Rhein sogar noch bis zum 49sten Grade und
selbst in unseren Gegenden, bis über 52° hinaus, werden
in den Gärten noch sehr grofse und reiche Mayserndten
gemacht; doch findet man bei uns weniger Geschmack für
dieses schöne Getreide, und somit unterläfst man hier die
Cultur desselben. Nur zur Verschönerung der Gärten
benutzt man bei uns den Mays, und den herrlichen Ertrag
gebraucht man alsdann zum Viehfutter. In dem fruchtba-
ren Rheinthale, welches unter dem Namen der Bergstrafse
bekannt ist, findet man für Deutschland die ausgebreitetste
Mayscultur; jene Gegend ist aber auch die wärmste von
ganz Deutschland. | |
Schnell hat sich die Cultur des Mays über den alten
Continent verbreitet und ist nach Indien, China und Japan
auf einem Wege gekommen, welcher keine Tradition hin-
terlassen hat. Die Malayen auf Sumatra und die Oceanier
auf den Philippinen bauen den Mays, doch ist er bei ihnen
keineswegs gewöhnliches Nahrungsmittel, welches der Reis
339
daselbst darbietet. Nach Japan soll der Mays schon vor
1200 Jahren gekommen sein; Herr von Siebold hat eine
Schrift gesehen, worin die Angabe enthalten sein soll, dafs
der Mays in jener Zeit durch das Meer an die Küsten von
Japan getrieben sei, und dafs man ihn seitdem in Japan
baue. Sollte wirklich bei der Benutzung jener japanischen
Schrift keine Verwechselung der Begriffe stattgefunden
haben, was jedoch Herr Klaproth, der genaueste Kenner
jener morgenländischen Sprache, in der That behauptete,
nachden: er selbst jene Schrift in einer Copie gelesen, so
liefsen sich dennoch die allerwichtigsten Einwendungen
gegen jene Angabe machen, so dafs gar kein Grund, daran
‚glauben zu müssen, übrigbleiben würde.
Die Strömungen im stillen Meere gehen von der ame-
rikanischen Küste ununterbrochen bis in die Gegend der
Marianen; ein gut segelndes Schiff gebraucht zu dieser
Strecke 2 Monate: wie ist es demnach möglich, dafs der
Mays, dessen Körner durch Feuchtigkeit, wie alle übrigen
Cerealien, so leicht Schaden nehmen, eine so lange Zeit
hindurch, bei einem so hohen Grade von Wärme, im Salz-
wasser liegen bleiben kann, ohne zu verderben. Es wäre
- übrigens sehr sonderbar, wenn es wahr wäre, dafs der
Mays durch Strömungen, von Amerika aus, nach Japan
geführt wäre, ohne vorher nach den Südsee-Inseln, den
Sandwichs- und den Societäts-Inseln besonders, zu kom-
men und daselbst einheimisch zu werden. Ich kann mich
demnach von dem Vorhandensein des Mays’s in Japan, seit
so langer Zeit, nicht überzeugen, sondern glaube bestimmt
annehmen zu können, dafs derselbe durch die Portugiesen
nach Japan geführt ist.
Aufserdem wird heutigen Tages der Mays in allen
Ländern der tropischen und der temperirten. Zone gebauet,
wo die Cultur der Europäer hingelangt ist; er ist indessen
nicht im Stande die Cultur anderer, schon früher ange-
baueten Cerealien zu verdrängen.
Obgleich der Mays eine Pflanze ist, welche in dem
heifsesten Clima am besten gedeiht, so steigt sie doch bis
23 *
396
zu einer unglaublichen Höhe auf die G ebirge x von Amerika.
Nach Herrn Alex. v. Humboldt sind, auf dem Plateau von
Mexico, noch in einer Höhe von 8680 Fufs die ausgedehn-
testen Maysfelder zu finden, und in Peru, auf dem Wege
von Lima nach Pasco, steigt die Mayscultur bis zu 3824
Meter, also fast bis auf 12000 Fufs Höhe, ja auf einem
künstlichen Wege hat man, schon zu der Inca’s Zeiten, die
Cultur des Mays, auf der Insel Titicaca, im grofsen See
gleichen Namens erzwungen. Auf jener Insel, in einer
Höhe von 12800 engl. Fufs, war der bekannte grofse Son-
nentempel; in ihm brachten die Inca's dem Sonnengotte
von eben demselben Mays zum Opfer, welcher auf der
Insel gewachsen war, und der übrige ward durch die, dem
Sonnendienste geweiheten Jungfrauen den übrigen Klöstern
und Tempeln des Reichs überbracht, von wo aus er unter
das Volk kam. Das Volk glaubte, dafs, wenn es nur ein
Korn von diesem Mays erhielte, es ihm, für die ganze
Lebenszeit, niemals an Brod Fahlen würde
So wie unsere Getreidearten, so zeigt auch der Mays
mehrere Varietäten, welche sich bald durch die Gröfse
der Körner, bald durch die Schnelligkeit im Reifen aus-
zeichnen; doch von allen Getreide- Arten, welche die ver-
schiedenen Völker pflanzen, ist aufser dem Reise keine
so ungleich in ihrem Ertrage, als gerade der Mays. Herr
v. Humboldt sagt: *) „Auf demselben Boden wechselt er,
nach den Veränderungen der Feuchtigkeit und der mittle-
ren Temperatur des Jahres, von 40 bis 200 und 300 Kör-
ner auf ein Korn Aussaat. Ist die Erndte gut, so gewinnt
der Colonist durch diesen Culturzweig viel ansehnlicher,
als durch den Weitzen, und man könnte sagen, dafs der
Bau des Mays’s die Nachtheile und die Vortheile des Wein-
baues hat.“
Die Art des Verbrauches des Mays ist bei den ver-
schiedenen Völkern Amerika’s vielfach verschieden; schon
die Peruaner und die Mexicaner bereiteten verschiedene
DNB c.Dpar. 37.
357
Arten vonBrod aus dem Mays. Die Peruaner hatten eine
Art, welche sie zum Opfern gebrauchten und Canen nann-
ten, eine andere, welche sie als gewöhnliches Brod be-
nutzten, Canta mit Namen, und dann noch eine dritte
Sorte, welche sie bei ihren Feierlichkeiten gebrauchten.
Noch heutigen Tages macht man in den verschiedenen
Ländern von Amerika, wo die Mayscultur betrieben wird,
eine sehr grofse Anzahl von verschiedenartigen Speisen aus
dem Mays; sehr häufig ifst man ihn, ganz einfach mit Salz
abgekocht, indem man den ganzen Kolben auf den Tisch
bringt, und er schmeckt alsdann ähnlich unseren Graupen.
Es ist hier nicht der Ort die Speisen zu beschreiben,
welche aus den Nahrungspflanzen bereitet werden; wie
allgemein aber der Gebrauch des Mays’s in den tropischen
Ländern Amerika’s ist, das möchte daraus hervorgehen,
dafs zu Anfange dieses Jahrhunderts, allein in Mexico,
eine Masse von 800 Millionen Kilogrammen, also über
1600,000,000 Pfunde, bei einer Gesammt-Bevölkerung von
vielleicht nicht mehr als 5000000 Menschen verbraucht
wurde. Aber der Verbrauch dieses Getreides ist defshalb
so grofs, weil in Gegenden, welche arm an Gras sind,
selbst die Maulthiere damit gefüttert werden müssen; da-.
her tritt aber auch die höchste Noth in diesem Lande ein,
wenn einmal die Mayserndte nicht gerathen ist.
Aufserdem wird der Mays zur Bereitung von ver-
schiedenen gegohrenen Getränken benutzt, welche in Peru,
‘schon zu der Inca’s Zeiten, unter dem Namen Chicha
bekannt waren. Die Chieha, welche als gewöhnliches Ge-
tränk benutzt wird, gleicht unserem Weifsbier, oder noch
mehr dem faden Getränke, welches auf einigen Punkten
von Deutschland unter dem Namen Broihan bekannt ist.
Andere Chicha- Arten schmecken wie Cider, und durch
hohes Alter werden sie sehr geistreich; ich habe etwas
Cider der Art, welcher in einem alten Grabe gefunden
war, und wenigstens 300 Jahre alt sein mufste, geschmeckt
und ihn dem Alkohol ähnlich gefunden. Auf dem Abhange
der Cordillere ist überall Ueberflufs an Chicha de Mays,
395
wärend auf den Plateau’s andere Getränke beliebt sind;
in Mexico z. B. der Pulque, und in Peru eine Chicha de
_Quinoa u. Ss. w.
Der Stengel des Mays ist äufserst zuckerreich, und
derselbe wird nicht nur in einigen Gegenden zur Berei-
tung eines honigartigen Saftes benutzt, sondern die Sten-
gel werden auch, ähnlich wie bei dem Zuckerrohre, zer-
quetscht und ein wohlschmeckender Brandwein wird dar-
aus bereitet, welcher in Mexico Pulque de Mahio oder
Pulque de Tlaolli heifst.
Gegenwärtig werden in unseren Gärten mehrere Va-
rietäten des Mays gezogen, welche sich durch aufserordent-
liche Höhe und vorzügliche Schönheit der Blätter aus-
zeichnen, so dafs dadurch unsere Zierpflanzen einen köst-
lichen Zuwachs erhalten haben. In Südamerika sind der
Abarten des Mays’s unendlich vielfache, und in heifsen und
fruchtbaren Gegenden, wie an einzelnen Punkten des nörd-
lichen Chile's, sind Mays-Pflanzen von 10 und 15 Fufs
Höhe gar nicht selten.
Anmerk. Ueber den Mays ist aufserordentlich viel geschrieben, und
in sehr verschiedenen Staaten hat man versucht, dieses schöne Getreide
allgemein anzubauen und es als gewöhnliches Nahrungsmittel ein-
zuführen. Eines der gröfsten Werke über diesen Gegenstand ist die
Schrift von Parmentier (Le Mais ou Ble de Turque, ä Paris 1812.
8. 1 Vol.), woselbst auch dıe alten spanischen Schriftsteller, welche
über den Mays geschrieben haben, ausführlich citirt worden sind
(s. daselbst p. 14— 19). Auch ist zu nennen: F. de Neufchateau
Supplement au Me&moire de M. Parmentier sur le Mais. Paris 1817.
Aufser diesen schon genannten Cerealien gedenke ich
hier noch der Hirse-Arten, welche in den südlichen
und östlichen Gegenden der alten Welt allgemein im Ge-
brauche sind, selbst noch in dem subtropischen Theile von
China und Japan.
Die Mohren-Hirse oder das Neger-Korn *)
wird in allen. heifsen Gegenden von Afrika, im südlich-
sten Europa, vorzüglich in Portugal, im ganzen Morgen-
*) Sorghum vulgare WVilld.
lande und in Ostindien gebauet. Es ist eine Pflanze der
heifsen Gegenden, doch sind ihre Grenzen noch nicht be-
stimmt; in Ostindien, wo dieses Getreide sehr viel gebauet
wird, und oft die allgemeine Nahrung ist, besonders da,
wo der Reis nicht mehr eultivirt wird, da steigt das Ne-
ger-Korn bis auf bedeutende Höhen hinauf.
Das Vaterland dieser Pflanze ist unbekannt, doch
scheint sie, wie es der Name sagt, aus Afrika gekommen
zu sein, und dort ist sie auch von eben derselben Wich-
tigkeit, wie bei uns der Weitzen. .
Die vielen Hirse- Arten mit kleinem Korne, welche
sowohl bei uns, wie in ganz Europa, in Ostindien, China
und Japan, und auf den Inseln des Indischen Archipels
eultivirt werden, als Panicum miliaceum, P. germanicum,
P. frumentaceum, P. miliare und P. italicum, sind zwar
äufserst wohlschmeckend, werden jedoch nur in einigen
Gegenden Indiens als allgemeine Nahrungsmittel benutzt.
Nachdem wir hier die vorzüglichsten Cerealien und
deren Verbreitungs-Bezirke kennen gelernt haben, möchte
es nicht am unrechten Orte sein, wenn wir die Frage
aufstellten, auf welchem Wege wohl die Menschen dazu
gekommen sind, um dergleichen Gräser, oft mit so klei-
nen Samen-Körnern, im Grofsen anzubauen, um sich da-
durch den sichersten Schutz gegen Hungersnoth zu berei-
ten. Würden diese nahrhaften Gräser in ihrem wilden
Zustande einzeln und zerstreut gewachsen sein, so wäre
dies allerdings schwer zu begreifen, indessen die Sache
verhielt sich wohl anders.
Wir haben weiter oben, als wir von dem Vaterlande
des Reises sprachen, die wilden Reisfelder kennen gelernt,
welche Herr von Martius am Rio Madeira gefunden hat,
in welchen die Bewohner jener Gegenden fast eben so
erndten, wie andere Leute 'n ihren künstlichen Feldern.
Wir wollen ein ähnliches Beispiel aus unserem Vaterlande
nehmen. Es wächst nämlich bei uns die Glyceria fluitans *)
*) Festuca fluıtans L.
360
an den Rändern der stehenden Gewässer, so wie auf
sehr feuchten Wiesen, wild; bei uns um Berlin, wo diese
Pflanze einzeln wächst, erkennt Niemand in ihr den wohl-
sehmeckenden Saamen, welchen sie in ihrer Rispe trägt;
weiter östlich aber, in Ost-Preufsen, in Masuren und ın
den Weichsel-Niederungen, da wächst sie oft in so gro-
{sen Massen, dafs man ihre Saamen mit grofsem Vortheil
einerndtet, ohne die Pflanze vorher gesäet zu haben. Die-
ses Gras giebt bekanntlich die feine Schwaden- Grütze,
aus welcher noch mehrere andere feine Grützen gemacht
werden. Wo also Gräser mit einem nahrhaften Saamen
in-grofsen Massen wild wuchsen, da mufste es dem Men-
schen sehr bald einfallen, dergleichen natürliche Saatfelder
nachzuahmen, und sie nach denjenigen Plätzen hin zu
verpflanzen, welche ihm am bequemsten schienen, theils
um sich daselbst gegen die Witterung, theils um sich ge-
gen Feinde zu schützen. Somit waren feste Wohnsitze
und Ackerbau erfunden.
Alle Völkerschaften, welche einen Grad von Bildung
erlangt haben, haben stets den Ackerbau hochgeschätzt,
und ihn als die Grundlage allen Wohlstandes angesehen,
daher sie auch den Erfinder oder den Ueberbringer des-
selben für heilig hielten und in ihm eine Gottheit erkann-
ten. In dem grofsen chinesischen Reiche ist noch jähr-
lich ein Festtag, an welchem der Kaiser von China in
seınem Garten, am nördlichen Thore von Peking, den
Acker-Pflug mit eigener Hand führt, wärend in allen Pro-
vinzen seines Reiches die hohen Beamten, an des Kaisers
Stelle dieselbe Ceremonie ausüben, um damit zu zeigen,
in welchem Grade der Ackerbau hochgeschätzt werden soll.
Betrachten wir noch schliefslich die Cerealien in Hin-
sicht ihres Ertrages, um zu sehen, welche von ihnen, bei
der wenigsten Aufopferung, die gröfste Erndte geben, so
ergiebt sich aus den vorigen Mittheilungen, dafs der Mays
obenan steht, dafs dann der Reis und darauf erst die übri-
gen Getreide- Arten kommen.
N — —
361
Die Quinoa (Chenopodium Quinoa W.).
An die Cultur der Getreide- Arten schliefst sich die
einiger anderer Pflanzen, welche ich hier als Anhang auf-
führe, indem dieselben ganz in der Art angebauet werden,
wie es bei den wirklichen Getreide- Arten der Fall ist.
- Die Quinoa ist zwar eine Getreide-Pflanze von ziem-
lich beschränktem Vorkommen, indessen für diejenigen
Gegenden, wo dieselbe angebauet wird, ist sie neben den
Kartoffeln das gröfste Geschenk, welches die Natur den
Menschen gemacht hat. Ueberall auf den Hochebenen des
südlichen Peru, über die Höhen hinaus, wo der Roggen
und die (erste noch reifen, da wird das Chenopodium
Quinoa W. der Gegenstand des Ackerbaues im Grofsen,
und auf dem Plateau von Chuquito, gegen 13000 Fufs
hoch, findet man die unabsehharsten Felder, welche ganz
mit dieser Pflanze bedeckt sind, der Landschaft aber kei-
neswegs den schönen Anblick gewähren, welchen bei uns
die grünenden Saaten darbieten. Auf gutem Boden er-
hält die Pflanze eine Höhe von 3 bis 4 Fufs und trägt
eine aufserordentlich grofse Menge von Saamen, welche
leider, lange Zeit hindurch, einer unendlichen Schaar von
sperlingsarigen Vögeln zur Nahrung dienen, indem die
Pflanze das Uebele hat, dafs die Saamen nicht alle ganz
zur gleichen Zeit zur Reife kommen.
Die Blätter der Quinoa werden sehr gewöhnlich ge-
gessen als Kohl, und geben eine Nahrung, welche derje-
nigen unseres Chenopodium viride sehr ähnlich ist, das
bekanntlich von den ärmeren Menschen unseres Vaterlan-
des als Spinat gegessen wird, und so, wie auch diese
Pflanze sehr häufig eine Abart mit ganz rothgefärbten
Blättern zeigt, ebenso findet man es auch an der Quinoa
nicht selten.
Die Quinoa wird auch heutigen Tages im südlichen
Chile angebauet, aber sicherlich ist sie früher, vor der
Bekanntschaft mit unseren Gräsern, ein viel allgemeineres
Nahrungsmittel gewesen, und zwar nicht nur in Chile,
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sondern auch in Peru, wo die Quinoa überall, wo das
Clima die Cultur unserer feinen Cerealien erlaubt, durch
diese verdrängt wird. Diejenige Abart dieser Pflanze,
welche, nach Molina, von den Indiern Chile’s mit dem Na-
men Dahue belegt wird und aschgraue Blätter und weifse
Saamenkörner trägt, ist die gewöhnliche, welche um den
See von Titicaca gebauet wird.
Die kleinen mehligen und sehr öhlreichen Saamenkör-
ner der Quıinoa bieten ein sehr wohlschmeckendes und
nahrhaftes Lebensmittel dar, und es bildet dieses auch,
bei jenen armen Bewohnern der Hochebene des südlichen
Peru, neben der Kartoffel die gewöhnliche Nahrung.
Die Zubereitung dieser Speise ist sehr verschieden,
bald werden die Saamen zwischen Steinen zerquetscht, und
als Suppe oder Brei gekocht, bald wird das Mehl gerö-
stet und bildet dann die Chocolate der Hochebene, bald
wird es zur Bereitung der berühmten Chicha de Quinoa
benutzt u. Ss. w.
Auf den Hochebenen des Himalaya, im südlichen Asien,
wird eine ähnliche Pflanze als die Quinoa, nämlich der
Amaranthus fariniferus, in eben derselben Art angebauet,
und der Nutzen, so wie die Art der Benutzung dieser
Saamen wird wohl bei den beiden Pflanzen sehr ähnlich sein.
Buchweitzen (Polygonum Fagopyrum et spec. var.).
Der Buchweitzen ist eine Frucht, welche in sehr vie-
len Gegenden des nördlichen Europa’s mit grofsem Vor-
theile angebauet wird, da derselbe fast mit dem schlech-
testen Boden verlieb nimmt. Wir haben den Buchweitzen
aus dem Inneren von Asien erhalten, und er ist, nach Beck-
mann’s Untersuchungen über diesen Gegenstand, nicht vor
dem Anfange des 16ten Jahrhunderts bei uns in Europa
bekannt gewesen. Das Vaterland der Pflanze ist zwar
nicht ganz genau bekannt, indessen scheint es in den
nordwestlichen Gegenden des Chinesischen Reiches zu su-
chen zu sein. Auch bei uns kennt man, schon seit lan-
gen Zeiten, eine andere Art von Buchweitzen, nämlich das
TE EEE EEE
363
Polygonum tataricum, welches vorzugsweise mit Sandbo-
den zufrieden ist, und im südlichen Sibirien, jenseits des
Baikal - Sees und am Janisei wild wächst. Auch dort,
wo diese Pflanze wild vorkommt, werden ihre Saamen ein-
geerndtet, so wie man es bei uns mit dem Saamen der
Glyceria fluitans, und die Amerikaner mit dem wilden
Reise machen.
Im hohen Gebirgslande des südlichen Asiens, da
scheint diese Gruppe der Gattung Polygonum, welche den
Buchweitzen liefert, eigentlich zu Hause zu sein, denn dort
werden, in den mehr oder weniger hochgelegenen Plateau’s,
gar sehr verschiedene Arten von Polygonum gebauet, und
diese bilden häufig die gewöhnlichste Nahrung der Bewoh-
ner jener Gegenden. |
Die Cultur der vorzüglichsten Knollen - WVurzeln.
Die Kartoffel (Solanum tuberosum L.).
Nachdem wir die Cerealien der alten und der neuen
Welt kennen gelernt haben, schliefsen wir an diese die
Betrachtung der Kartoffeln, womit die alte Welt von Ame-
rika aus beschenkt ist. Es ist wahr, dafs sich Wohlstand
und Cultur auf der alten Welt entwickelt haben, auch
ohne die Bekanntschaft mit der _Kartoffel, doch die
allgemeine Verbreitung dieser Nutzpflanze unter unsere
Völker, hat eine vollkommene Umwälzung in unserem.
Ackerbau-Systeme hervorgerufen, und hat das kräftigste
Mittel an d’e Hand gegeben, um allgemeiner Hungersnoth,
woran früher so häufig die Bewohner Europa’s litten, in
deren Folge die schrecklichsten Seuchen einzogen, entge-
gen zu wirken. Der Noth des armen Menschen ist durch
die Kartoffel-Cultur so ziemlich abgeholfen, denn derglei-
chen Fälle sind seit jener Zeit, in welcher die Kartoffel
bei uns gebauet wird, noch nicht vorgekommen, dafs un-
sere Getreide- Arten und auch die Kartoffel zu gleicher
364
Zeit misrathen sind. Gewöhnlich pflegt der Ertrag der
Kartoffeln um so ergiebiger zu sein, wenn die Erndte des
Getreides fehl schlägt; aber schon jetzt sehen wir, dafs
die höchste Noth bei dem Landmanne und dem armen
Menschen eintritt, wenn die Kartoffel misrathen ist, ein
Fall, der zwar selten kommt, sich aber doch z. B. im
Sommer von 1834 an vielen trockenen Gegenden einge-
stellt hat. Auf eine so entschiedene Weise hat schon jetzt
die Einführung der Kartoffel-Cultur in unsere Verhältnisse
eingegriffen, und dieses mufs, bei dem beständigen Zuneh-
men der Bevölkerung, mit der auch die Anzahl der Ar-
men wächst, immer mehr und mehr zunehmen. In Irland,
dem unglücklichen Irland, da ist die Kartoffel und Hafer-
Brod die gewöhnliche Nahrung, und würde jene einmal
misrathen, so müsten Hundert Tausende des Hungertodes
sterben. Aber wie vielfach greift auch bei uns die Kar-
toffel, als Nahrungspflanze ein; aufserdem, dafs wir sie
fast täglich essen, dafs selbst in vielen Provinzen das Rog-
genbrod mit Kartoffeln vermischt wird, giebt die Berei-
tung des Stärkemehls, des Sago’s, des Brandwein’s, des
Weines und sogar des Zuckers eine Quelle des Unterhal-
tes für Millionen. Ja Fleisch, Milch, Butter und Käse,
alles dieses kann heutigen Tages nur durch den Kartofiel-
Bau so wohlfeil erhalten werden. |
Die künstliche Verbreitung der Kartoffel giebt reichen
Stoff zu belehrenden Betrachtungen, welche, speciell zu
verfolgen, hier allerdings nicht der Ort ist. Es ist sehr
‚auffallend zu sehen, wie eine Pflanze, welche in den kal-
ten Regionen der Cordillere von Südamerika zu Hause
ist, wie diese Pflanze, auf eine unbegreiflich schnelle Weise,
in so kurzer Zeit für ganze Welttheile die allgemeinste
Nahrung geworden ist, In ganz Europa, von Hammerfest
in Lappland an, unter 71° nördlicher Breite, auf Island
und den Färöern, wird die Kartoffel angebauet, und auf
den niedern Plateau’s von Indien, in China, Japan, auf den
Südsee-Inseln und in Neu-Holland, wie auf Neu-Seeland
ist die Kartoffel-Cultur eingeführt. In Sachsen wird die
365
Kartoffel erst seit 1717 im Grofsen gebauet; in Schott-
land seit 1728 und in Preufsen seit 1738 *).
Aufserdem ist es bekannt, mit welchem Widerwillen
die Landleute damals, selbst bei uns, die Cultur der Kar-
toffel betrieben; ja Friedrich der Grofse mufste die
Pommern mit Gewalt zur Annahme dieser grofsen Wohl-
that zwingen.
Ueber die Ausdehnung des Vaterlandes der Kartoffel
ist man leider noch nicht im Reinen; gewifs ist es, dafs
diese Pflanze, vor der Entdeckung von Amerika, in den
kälteren Regionen der Cordillere von Südamerika cultivirt
wurde, dafs sie aber den Mexicanern unbekannt war, ist
eben so gewifs. Noch heutigen Tages bildet die Kartoffel,
Papa in der alten peruanischen Sprache, die Hauptnah-
rung auf der Hochebene von Peru; und an den Ufern des
See’s von Titicaca werden diese Erdfrüchte noch gegen-
wärtig, ganz so wie zur Zeit der Inca’s, mit der gröfsten
Sorgfalt gepflanzt, wie dieses selbst in unserem Lande
noch nicht stattfindet. Auch in Chile wurde die Kartoffel
gebauet und sie hiefs daselbst Pogni, wodurch sie von
Maglıia, der wilden Kartoffel, welche nur kleine und bit-
tere Knollen hervorbringt, unterschieden wurde. Wäre
die Kartoffel von Chile nach Peru gewandert, so hätte sie
wahrscheinlich ihren chilenischen Namen behalten; indes-
sen diese Vermuthung ist nicht mehr nöthig, denn die
Kartoffel wächst sowohl in Chile, als in Peru wild, ich
selbst habe sie, auf der Cordillere dieser beiden Länder,
auf zwei verschiedenen Stellen gefunden, und Ruiz und
Pavon geben die Berge von Chancay an, wo die Kartoffel
im wilden Zustande zu finden ist.
Wie ich schon vorher bemerkt habe, so ist es ganz
gewifs, dafs die Mexicaner vor Ankunft der Europäer die
*) Siehe Beckmanns Grundzüge der deutschen Landwirthschaft,
1806 — J. Banks An attempt to ascertain the time of the introduction
of potatos, 18098 — Lambert, Descript. of the gen. Pinus etc., Sec.
Ed. II. App. pag. 11, wo noch Montevideo, Lima und andere Oerter
als Vaterland der Kartoffel nachgewiesen sind.
366
Kartoffel nicht cultivirt haben, und wie man glaubt, so
ist dieselbe auch in den Gebirgen von Mexico nicht zu
Hause. Zwar hat Herr Schiede *) auf dem Feuerberge
von -Orizaba eine Kartoffel, im wilden Zustande gefunden,
welche zu uns geschickt wurde und hieselbst angepflanzt
ist; indessen von allen Seiten entstehen Zweifel, ob diese
Kartoffel wirklich das Solanum tuberosum ist, es scheint
vielmehr gewifs zu sein, dafs es eine andere Species ist.
Obgleich nun der Verbreitungs-Bezirk der Kartoffel,
vor der Wanderung der Europäer, nach Amerika, durch
das Fehlen dieser Pflanze in Mexico unterbrochen wurde,
so sind doch verschiedene Quellen vorhanden, welche den
Anbau, oder vielmehr das Vorhandensein dieser Pflanze in
einigen Gegenden von Nordamerika zu beweisen scheinen,
und allem Anscheine nach, haben wir Europäer die Kar-
toffel gerade aus Nordamerika erhalten.
Die Colonisten, welche im Jahre 1584 nach Virgi-
nien gekommen sind, haben die Kartoffel daselbst gefun-
den **), und Schiffe, welche im Jahre 1586 aus der Bay
von Albemarle zurückkehrten, haben die ersten Kartoffeln
nach Irland gebracht ***); demnach möchte die Geschichte,
dafs Franz Drace die Kartoffeln nach Europa gebracht hat,
so ziemlich erdichtet sein. In der Beschreibung jener
merkwürdigen Reise des englischen Korsaren, steht wenig-
stens davon kein Wort, und als Drace, bei seiner Rück-
kehr nach England, wo er bekanntlich in die Temse mit
seidenen Segeln, aus dem Raube der spanischen Gallone
von Manila, einfuhr, von der Königinn Elisabeth auf sei-
nem Schiffe mit einem Besuche beehrt wurde, da kamen
alle die Speisen und alle Früchte auf die Tafel, welche
jener Weltumsegeler mitgebracht hatte. Bei der Beschrei-
bung von jenem Gastmahle werden die Speisen alle ge-
nannt, aber von der Kartoffel ist dabei nicht die Rede.
So ist der Name des Mannes verloren gegangen, welcher
*) Linnaea von 1829, p. 227.
”) $S. A. v. Humboldt’s Neu -Spanien, Ill. p. 75.
”) S. Beckmann, Grundzüge u. s. w. p. 289.
367
die gröfste Wohlthat nach Europa gebracht hat. Wäre
es aber Elend, wäre es Krieg mit blutigen Schlachten ge-
wesen, so würden alle historischen Werke jener Zeit da-
von erfüllt sein. Man wundere sich nicht, dafs die Kar-
toffel, nicht eben so schnell wie der Mays und die süfse
Kartoffel durch die Spanier nach Europa gebracht worden
ist, denn diese Pflanze ward auf der Westküste von Süd-
amerika gebauet, und die Reisen um Cap Horn dauerten
damals noch zu lange, und waren auch zu selten, um auf
diesem Wege die Kartoffel nach Europa zu senden.
Die Art der Benutzung der Kartoffel setze ich als
bekannt voraus; in ihrem Vaterlande, bei den Gebirgsbe-
wohnern von Südamerika, finden sich hierin noch einige
Eigenthümlichkeiten.
Unter den vielfachen Abarten, welche auch dort, in
Amerika, gezogen werden, ist eine kleine, sehr süfse Kar-
toffel, hauptsächlich zum Rösten auf Kohlen im Gebrauche.
In den Städten Puno und Chuguito, an den Ufern des
See’s von Titicaca, erhält man zu jeder Tageszeit diese
gerösteten Kartoffeln vom frischen Kohlenfeuer, ebenso,
wie im südlichen Europa die gerösteten Castanien.
Eine sehr gute Methode des Aufbewahrens der Kar-
tofiel für spätere Zeiten besteht in jenen Gegenden, indem
man daselbst die Kartoffeln in Scheiben schneidet, und
diese zu einer bedeutenden Härte trocknet. Auf Reisen
sind diese Scheiben sehr vortheilhaft.
Die Arum- oder Aron’s - Wurzeln.
Die Wurzeln verschiedener Arum-Arten werden in
den heifsesten Gegenden der Tropen mit aufserordentli-
‘cher Sorgfalt eultivirt, und sie sind in diesen Gegenden
die hauptsächlichsten Nahrungsmittel, oft noch mehr, als
es die Kartoffel, oder auch das Brod bei uns ist. Man
bauet die Arum-Wurzel in den verschiedensten Gegenden
der beiden Continente; das Arum macrorrhizon und das
Caladium esculentum fanden wir auf den Sandwichs - In-
-seln, und beide Arten werden auch auf den Fıeundschafts-
363
Inseln eultivirt. Das Arum macrorrhizon ist vorzüglich
in Ostindien und China zu Hause, woselbst auch das
Arum Colocasia, welches aus Afrika dorthin gebracht sein
soll, gebauet wird. Arum macrorrhizon und das Caladium
acre Brown werden auch in den tropischen Gegenden von
Neu-Holland gebauet, dagegen. ist Caladium esculentum
auch auf den Indischen Inseln, in Westindien und an ver-
schiedenen Punkten des Festlandes von Amerika zu finden.
Wenige andere Cultur-Pflanzen brauchen einen so
hohen Grad von Wärme, als eben diese Arum-Arten mit
grofsen, mehligen Wurzelknollen. Europa besitzt hievon
keine Art. Zwar liegen die Sandwichs-Inseln, wo diese
Pflanzen besonders gut gedeihen, an der Grenze der Tro-
pen und erfreuen sich überhaupt eines sehr angenehmen
Clima’s, ohne dabei die grofse Hitze anderer tropischen
Gegenden zu besitzen; doch, wie wir früher gesehen ha-
ben, so beträgt die mittlere Wärme von Hawaii 19,12° R.,
und mehr als 5 Monate lang im Jahre, steht daselbst die
mittlere Temperatur über 20° Reaum.
Alle die Wurzeln der Arum-Arten haben ein schar-
fes, etwas giftiges Princip, welches jedoch der Substanz
so locker anhängt, dafs es schon bei dem Trockenen, oder
durch Kochen und Backen sich verliert, und dann ist die
Wurzel gänzlich unschädlich.
Die Cultur der Arum- Arten findet in derselben Zone
statt, wo Pisange, Zuckerrohr und Cocos - Palmen gezogen
werden, doch gehen die Pisange und das Zuckerrohr viel
weiter über die Tropen hinaus.
Keine andere Cultur-Pflanze möchte der Landschaft
einen so angenehmen Ton geben, als eben die Arum-
Felder, welche umkränzt sind von Pisang und von Zucker-
rohr, deren verschiedenartiges Grün so angenehm gegen
einander contrastirt.
Auf den Sandwichs-Inseln heifsen die Arum- Arten
Tarro, und die Felder, welche damit bepflanzt sind, wer-
den Tarro-Felder genannt. Diese Felder sind gewöhnlich
viereckige Stücke Land, etwa 45 bis 50 Fuis im Geviert;
369
sie sind 2 bis 3 Fufs tief ausgegraben und so gelegen,
dafs irgend ein fliefsendes Wasser in dieselben hineinge-
leitet werden kann. Gewöhnlich sind diese Bassins terras-
senförmig über einander angelegt, so dafs das Wasser aus
dem höher gelegenen in ein tieferes geführt werden kann,
und die Ränder derselben, welche zugleich das Eigenthum
der verschiedenen Besitzer von einander trennen, werden
gewöhnlich als Fufsstege benutzt, wenigstens ist dies in
reich bebauten Gegenden der Fall.
Die Bassins der Tarrofelder sind so tief, dafs die
Blätter der Pflanzen nur wenig über die Oberfläche der-
selben hinausragen; die Pflanzen sind etwas weitläufiger
gepflanzt, als bei uns die Kartoffeln, etwa so, wie die
Kohlköpfe auf unseren Feldern. Ebenso wie bei uns der-
‚gleichen Cultur-Pflanzen, welche auf starke Wurzelaus-
bildyng besonders gezogen werden, nicht für gewöhnlich
Früchte tragen, so sieht man auch unter den Tarropflan-
zen nur äufserst selten, dafs einige in Blüthe stehen, und
diese stehen dann verwildert in der Nähe der alten Tar-
rofelder, tief im Wasser, wie unser Acorus Calamus.
Die Knolle dieser Tarropflanze erhält die Gröfse ei-
nes kleinen Kinderkopfes, und gekocht, oder gebacken in
heifser Erde, hat sie grofse Aehnlichkeit mit der süfsen
Kartoffel, doch möchte sie noch feiner sein im Geschmacke
und vielleicht auch noch nahrhafter. Eine Varietät des
Arum macrorrhizon bauet man auch auf trockenem Lande,
und sogar in Höhen über 800 und 1000 Fufs hinaus,
Auch diese Pflanze, deren Knolle nie so grofs und wohl-
schmeckend wird, als die nasse Tarro, mufs aufserordent-
lich feucht gehalten werden; zu diesem Zwecke pflegt
man jede einzelne Pflanze mit einer kleinen Vertiefung
zu umgeben, damit man um so mehr Feuchtigkeit um ihre
Wurzel anhäufen kann.
Auf Oahu hörte die Cultur der Pisange mit derjeni-
gen der Tarro auf gleicher Höhe auf, über 800 Fufs hin-
aus findet man weder nasse Tarro noch Pisange.
Die Zubereitung der Tarro ist, wie schon vorher be-
24
merkt wurde, sehr vielfach; am gewöhnlichsten ifst man
sie, nachdem sie abgekocht oder gebacken ist, wie Brod
mit oder ohne Salz. Auch schneidet man die Knollen in
Scheiben und bratet diese mit Fett. Am gewöhnlichsten
ist es aber, dafs man die Tarro abkocht und sie dann zu
einem dicken Breie zerquetscht. Zu diesem Breie, aus der
nassen Tarro bereitet, giefst man noch mehr Wasser und
läfst dann die Masse in Gährung übergehen, was gewöhn-
lich schon innerhalb 24 Stunden erfolgt. Dieser gegoh-
rene halbdicke Brei wird Po& ‚genannt und er ist die
Lieblingsspeise der Sandwich’s-Insulaner, von dem sie oft
ganz unglaubliche Massen verschlucken. Da der Gebrauch
der Löffel in allen den Gegenden, wo Tarro eultivirt wird,
noch unbekannt ist, so wird dieser Brei mit den Fingern
gegessen, was sehr abschreckend aussieht.
Aufser der Knolle werden auch die jungen Blätter
der Tarro-Pflanzen benutzt, und zwar als Kohl, doch da
sie eine Menge Fett erfordern, sind sie nicht so allge-
mein im Gebrauche. Gewöhnlich ist es, dafs bei Gele-
genheit, wenn ein Schwein in der Erde gebraten wird,
der Bauch desselben ganz mit diesen Blättern angefüllt
wird, welche dann auch als ein recht gutes Gemüse zu
betrachten sind.
Die Tarro und einige Bananen, eine Cocos-Nufs,
oder eine geröstete Brodfrucht, dies sind die gewöhnlichen
Nahrungsmittel der Bewohner der Südsee - Inseln; das
Fleisch der Schweine und der Hunde kommt überall da,
wo durch Missionaire die christliche Religion ohne vor-
herige Begründung des Wohlstandes und der Bildung des
Volkes eingeführt ist, nur noch den Reicheren zu. Die
süfse Kartoffel, die Yam’s und dergleichen Knollen mehr,
sind auf den Südsee-Inseln weniger als gewöhnliches Nah-
rungsmittel im Gebrauche, als die Tarro.
Die Manioc- oder Mandiocca - Pflanze.
Die Wurzel der Manioca-Pflanze ist eins der wich-
tigsten Nahrungsmittel in den tropischen Gegenden von
Amerika, und es scheint sehr gewifs zu sein, dafs diese
Pflanze der neuen und nicht der alten Welt angehöre, we-
nigstens sind die, übrigens sehr gangbaren Meinungen, dafs
die Manioc-Pflanze, von Guinea aus, nach Amerika ge-
bracht ist, ganz und gar ohne Beweise. Die Manioca-
Pflanze wächst in eben derselben Zone,-wo die Bananen
reifen, doch steigen diese noch weiter auf die Gebirge
hinauf, als die Manioca. Nach Herrn von Humboldt steigt
die Manioca, in den Gebirgen von Mexico, nicht über 6+
bis 800 Metres, wärend die Banane ‚noch viel weiter hin-
aufreicht.
Es werden von den Bewohnern Amerika’s zwei Ar-
ten der Manioc - Pflanze cultivirt, die eine nennen die
Spanier die Juca dulce *) und. die andere Juca amarga.
Die Botaniker verbanden früher diese beiden Pflanzen un-
ter Jatropha Manihot, und hielten sie für Varietäten, doch
Pohl, der lange in Brasilien umhergereist ist, glaubt, dafs
sie systematisch verschiedene Arten sind, und nennt die
bittere Manioc-Pflanze Manihot utilissima, die süfse da-
gegen Manihot Aipi. Die Wurzel der letzteren Pflanze
ist durchaus unschädlich, wärend. diejenige der anderen
Art ein schnell wirkendes Gift ist, wenn der giftige Saft
derselben nicht vorher auf das sorgfältigste von dem Mehle
derselben abgesondert ist, was indessen schon durch blo-
fses Ausdrücken der zerriebenen Wurzel bewirkt wird.
Aus dem Mehle der Manioc - Wurzel bereitet man
Brod, welches Cazavı und Cassave (Pan de tierra caliente
der Spanier) genannt wird, und äufserst nahrhaft und wohl-
schmeckend ist. Man ist geneigt dem Zucker und einem
klebrigen Stoffe diese Nahrhaftigkeit zuzuschreiben, letz-
terer soll einige Aehnlichkeit mit dem Caoutchoue haben,
der überhaupt allen Pflauzen aus der Familie der Tithyma-
loiden gemein ist. Die Cassave-Brode haben gewöhnlich
die Form eines Diskus, welche Turtas heifsen; sie haben
48 — 20 Zoll im Durchmesser und 3 Millimeter Dicke.
*) Juca ıst der Name dieser Pflanze in der Sprache von Haiti.
S%
24 *
372
Ein Pfund von diesem Brode ist einem eingeborenen
Amerikaner zur täglichen Nahrung hinreichend. Sehr
häufig wird auch das feine Stärkemehl der Manioc- Wurzel
als Mehl benutzt, und dieses, welches selbst in Europa
unter dem Namen Tapioca-Mehl bekannt ist, bildet in
verschiedenen Ländern sehr bedeutende Zweige des Han-
dels. Es kommt auch sogenannter Manihot-Sago zu uns
in den Handel, welcher eben aus diesem Stärkemehl berei-
tet ist. Das Mehl von geriebenem, gedörrtem und geräu-
chertem Manioc ist unzerstörbar, was in tropischen Ge-
genden von gröfster Wichtigkeit ist, und daher ist es
besonders gut auf Reisen zu gebrauchen.
Der Anbau der Manioca - Pflanzen erfordert schon
mehr Fleifs und Geduld, als derjenige der Pisange. Die
Manioca gedeiht am besten in trockenem und erhabenem
Grunde, *) in feuchten Niederungen wird die Wurzel aufser-
ordentlich grofs und neigt zur Fäulnifs, wenn man nicht
den gehörigen Zeitpunkt der Erndte wahrnimmt.
Die Pflanze wird durch Stecklinge cultivirt, doch rei-
fen die Wurzeln derselben, nach den verschiedenen Abarten
und Wärmegraden in sehr verschiedenen Zeitperioden. Es
giebt eine Abart in Brasilien, welche schon in 6 bis 8.
Monaten grofse Wurzeln liefert; in Mexico scheinen neun
Monate bis zur Erndte die gewöhnliche Zeit zu sein, doch
giebt es auch solche Abarten, deren Wurzeln erst in 15
und in 18 Monaten ausgegraben werden können.
Aufser dem Mehle der Manioca- Wurzel gebraucht
man auch den ausgeprefsten Saft der Juca amarga, welcher
gerade jenen giftigen Stoff enthält, der sich aber im Feuer,
durch langes Sieden zersetzt. Der eingedickte Saft ist
von brauner Farbe und bildet eine Art von Souy, welcher
mit einer eingediekten Fleischbrühe Aehnlichkeit hat.
Nicht genug kann man die herrliche Manioca- Pflanze
rühmen; die Indianer, welchen das Glück zu Theil gewor-
den ist, diese Pflanzen anzubauen, haben darin einen Ersatz
*) S. Spix und Martius Reise. TI. pag. 875.
| 373
für den Reis und die anderen Cerealien der alten Welt.
Freilich ist der Nutzen, welchen die Cultur dieser Pflanze
gewährt, nicht so schnell erfolgend, als bei anderen Cultur-
Pflanzen, und defshalb ist schon einige Cultur bei einem
Volke erforderlich, wenn es sich zum Anbau einer solchen
Pflanze entschliefsen soll, welche erst nach 8—18 Mona-
ten efsbare Wurzeln trägt.
Die Batate oder Camote (Convolvulus Batatas L. und Ipomoca
tuberosa L.).
Die Batate wird in den spanischen Colonien, fast ganz
allgemein, Camotes genannt, und zwar von dem azteki-
schen Worte Cacamotic; *) es ist eine Pflanze der neuen
Welt und, wie es sehr wahrscheinlich ist, auch der Süd-
see-Inseln. Auf den Sandwichs-Inseln, schon lange vor
der Ankunft der Spanier und Engländer, war die Cultur
der Camote allgemein ausgedehnt. Es verlangt diese Pflanze
eine sehr grofse Wärme, und sie wird in allen Gegen-
den der Tropen eultivirt; da sie aber nur einjährig ist,
so kann sie auch noch aufserhalb der Wendekreise, näm-
lich überall da gebauet werden, wo die Wärme des Som-
mers gleich jener unter den Tropen ist. Ja selbst auf
Neu-Seeland fand man die süfse Kartoffel eultivirt.
Die Camote trägt Wurzeln, welche mit denen der
Kartoffel sehr ähnlich sind, aber einen süfseren Geschmack
haben, so dafs sie auch im Allgemeinen süfse Kartof-
fel genannt wird. Am besten gedeiht die Camote in einem
heifsen aber trockenen Clima; hier erreichen die Knollen
eine Gröfse von 2, 3 und von 4 Fäusten, sind mehlig
und von dem angenehmsten Geschmacke, so dafs sie den
Kartoffeln weit vorzuziehen sind; besonders in heifser Asche
gebacken, schmecken sie am besten. In dem Thale von
Arequipa, in einer Höhe von beinahe S000 Fufs, da habe
ich die schönsten Camoten gefunden, welche der Kartoffel
wert vorzuziehen waren. Wie aber ganz anders ist die
*) S. Alexander v. Humboldt, Ueber Neuspanien. 11. pag. 91.
374
Batate in einem heifsen und feuchten Clima, wie z. B. in
Ostindien und ım südlichen China, wo gerade im Sommer
die Regenzeit ist. Hier ist die Camote eine Wurzelknolle,
welche im gekochten Zustande weichlich, kleisterartig und
von unangenehm süfsem Geschmacke ist; schon auf den
Südsee-Inseln ist sie von gröfserer Güte. Man bauet
überall zwei Varietäten der Camote, eine nämlich mit gel-
ber und eine mit weifser Knolle.
Der Anbau der Camote geschieht ganz wie der der
Kartoffel, die Knolle ist jedoch als Nahrungsmittel der
Völker nirgends von der grofsen Wichtigkeit, wie bei uns die
Kartoffel und die Oerealien, und wie im tropischen Amerika
die Manioca und der Mays es sind. Selbst im südlichen
Europa ist die Batate noch zu ziehen.
Ich habe schon oben angegeben, dafs man unter Batate
die Wurzelknollen von zwei verschiedenen Pflanzen ver-
steht, nämlich von der Ipomoea tuberosa L., welche auf den
westindischen Inseln eultivirt wird, und von Convolvulus Ba-
tatas L.; die Verbreitungs -Sphäre jeder dieser Pflanzen ist
noch nicht so bekannt, wie es wohl zu wünschen wäre.
Die Igname oder Yams- Wurzel (Dioscorea alata L.).
Eine andere sehr nahrhafte Wurzelknolle, welche oft
eine ungeheuere Gröfse erreicht, ist im Allgemeinsten un-
ter dem Namen Yams bekannt; die Benennungen Igname
(an der Küste von Paria) und Axes sind amerikanisch,
letztere in der haitischen Sprache, wie Herr A. v. Hum-
boldt berichtet. Die Yams-Pflanze wird nicht nur in der
ganzen tropischen Zone, sowohl in der alten Welt, wie
in der neuen. und auf den Inseln der Südsee ceultivirt ge-
funden, sondern sogar noch weit tiefer gegen Süden hinab,
denn Cook *) fand die Yamswurzel auch auf Neu-Seeland.
Gegen Norden hin ist ein so hohes Vorkommen dieser
Pflanze, wie ich glaube, nicht bekannt. Auf Java, Manila,
Sumatra, in China und überall in jenen heifsen Gegenden,
*) Erste Reise. Berlin 1774. 1. pag. 33.
; 379
wird diese nahrhafte Wurzel cultivirt; sie erreicht in einem
heifsen und feuchten Clima oft eine Gröfse von 30 — 40
Pfund, doch steht sie, in Hinsicht des Wohlgeschmackes,
der Batate weit nach. In Cochinchina wurden von Fin-
layson *) Yamswurzeln beobachtet, welche 9% Fufs im
Umfange hatten und 474 Pfunde wogen. Da in diesem
Falle die Wurzel sehr faserig war, so machte man aus
dem Amylum derselben eine Art von Sago.
Es bleiben uns noch einige andere knollenartige Wur-
zeln zu nennen übrig, welche von den Menschen in ver:
schiedenen Gegenden der Erde als Nahrungsmittel benutzt
werden. Die Oca (Oxalis tuberosa Mol.) wird in der Cor-
dillere von Mexico, Peru und Chile gebauet; in der Breite
von 11 —12° südlich, steigt ihre Cultur bis über 8000 Fufs
hinaus, und auch in Mexico soll sie mit der Kartoffel und
der Quinoa in den kältesten Regionen gezogen werden.
In China wird eine Sagittaria sagittata gezogen, deren
Wurzelknolle mehr als die Gröfse einer Faust erhält und
viel gegessen wird. Das Nelumbium speciosum wird in China,
Japan, in einem grofsen Theile des tropischen Asiens, ja
selbst im östlichen Theile von Afrika gebauet. In China ist
diese Wurzel ganz gewöhnlich auf dem Markte zu finden. In
Ober-Peru wird die Aracacha (Conium maculatum H. B. K.)
bis zu einer Höhe von einigen Tausend Fufs gebauet.
Auf den Societäts-Inseln, auf den Molucecen, so wie
auf vielen anderen indischen Inseln, werden die Knollen
der Wurzel von Tacca pinnatifida gegessen; sie sind sehr
scharf und bitter, werden aber durch die Cultur etwas
milder und durch die Zubereitung unschädlich gemacht.
Die geriebene Wurzelknolle wird nämlich, ähnlich wie bei
der Manıhot-Wurzel ausgeprefst, so dafs nur die Farina
zurückbleibt, aus welcher man ein Brod bereitet, ganz in
der Art, wie das Sagobrod auf den Moluccen, welches es
an Wohlgeschmack noch übertreffen soll.
Auch die scharfe Knolle von Dracontium polyphyllum
*) The Mission to Siam and Hue etc. London 1826. pag. 272.
376
wird auf den Societäts- Inseln gegessen, besonders wenn
Mangel an Brodfrucht herrscht. Bei den Eingebornen von
König Georgs-Sund vertritt die Zwiebel von Haemodorum
spicatum die Stelle des Brodes; geröstet wird sie mehlig,
bleibt aber immer etwas beifsend,
Die Cultur der hauptsächlichsten Baumfrüchte,
welche zur allgemeinen Nahrung der Völker dienen.
Der Brodbaum (Artocarpus incisa F.).
Der Brodbaum ist eine der ausgezeichnetsten Nah-
rungspflanzen für die Völker der heifsen Zone, welche
ganz allein hinreichend ist, um eine angenehme und höchst
nahrhafte Speise zu liefern, von welcher der Mensch an-
haltend leben kann. Das Vaterland dieses nützlichen Bau-
mes ist sehr ausgebreitet, doch allein der heifsen Zone
der Erde angehörig; auf den Inseln des indischen Archipels
und auf allen Inselgruppen der Südsee, welche innerhalb
der Wendekreise liegen, ist der Brodbaum zu finden, aber
nirgends wird derselbe im wilden Zustande beobachtet,
sondern die ganze Art ist in. den eultivirten Zustand über-
gegangen, #) und zwar wahrscheinlich dadurch, dafs sich
der Mensch überall da ansiedelte, wo er einen Brodfrucht-
baum fand. Unter seinem schattenreichen Laube ist noch
jetzt der Lieblingsort der leichten Indianerhütten.
Schön ist die ganze Form des Brodbaumes und keines
unserer Laubhölzer kann sich mit ihm messen. Er erreicht
eine Höhe von 40 Fufs uud seine grofse und dichte Krone
ist mit dem schönsten grünen Laube geschmückt. Die
Blätter sind gegen 14 Fufs lang und 140—11 Zoll breit,
dabei fingerförmig ausgelappt.
Die Frucht des Brodbaumes ist es, welche die ange-
”) Die beiden Forster glaubten, dafs der cultivirte Brodbaum
den Artocarpus integrifolia oder Jacca, welcher in Ostindien wächst,
zur Mutterpflanze habe; indessen es läfst sich so Vieles dagegen ein-
wenden, dafs diese Meinung ganz unwahrscheinlich wird.
377
nehme Nahrung liefert; sie ist fast ganz rund und erreicht
häufig eine sehr bedeutende Gröfse; sie ist markig, mit
einer etwas härteren Rinde umgeben und enthält meistens
Saamen, welche etwas gröfser sind, als die Saamen der
Rofskastanien. Die sechseckigen Felder auf der Oberfläche
der Brodfrucht deuten die einzelnen Früchte an, aus wel-
chen die ganze Masse zusammengesetzt ist.
Der Brodbaum trägt reichliche Früchte, welche 8 bis
9 Monate lang ununterbrochen den Baum bedecken und
nach einander zur Reife kommen; nur 3 Monate lang ist
der Baum ohne Früchte und dann leben die Indianer von
der eingemachten Frucht. Die Brodfrucht wird vor ihrer
vollkommenen Reife abgenommen, die Rinde ist dann noch
grün, das Mark aber schneeweifs und von lockerem, meh-
hgem Gewebe. Die Frucht wird dann geschält, in Blätter
gewickelt und auf heifsen Steinen gebacken, denn roh kann
sie nicht gegessen werden. Die geröstete oder gebackene
Brodfrucht schmeckt wie Weitzenbrod, etwas süfslich zu-
weilen. Auf den Freundschafts-Inseln und den Marquesas
ist sie am vorzüglichsten. Wenn die Brodfrucht ganz zur
Reife gekommen ist, wird ihr Mark breiartig und von gel-
ber Farbe und kann dann roh gegessen werden; doch ist
sie alsdann von widrigem Geschmacke. G. Forster, dem
wir eine kleine Monographie des Brodbaumes verdanken,
beschreibt die verschiedenen Zubereitungen der Brodfrucht,
wodurch dieselbe efsbar gemacht wird. Man legt z. B.
die Früchte, ehe sie ganz zur Reife gekommen sind, nach
Entfernung ihrer Rinde in eine gepflasterte Grube und
bedeckt sie mit Haufen von Blättern und Steinen, bis sie
in eine sauere Gährung übergegangen sind. Der Teig,
sagt Forster, *) schmeckt dann ganz wie das schwarze
westphälische Brod, wenn dieses nicht ganz ausgebacken
ist. Aus diesem Vorratlie in der Grube nimmt man nun
täglich so viel, als man bedarf, macht daraus faustgrofse
Klumpen, wickelt sie in Blätter und backt sie zwischen
*) 1. ec. pag. 20. Vom Brodbaum. 1787.
378
erhitzten Steinen. Wochenlang erhalten sich diese Brod-
massen und sind, selbst auf Reisen, sehr gute Nahrungs-
mittel. Auch wärend der 3—4 Monate, wenn der Brod-
baum keine Früchte trägt, lebt der Indianer von diesen
Vorräthen.
Diese köstliche Nahrungspflanze bringt so reichliche
Früchte, dafs 3 Bäume hinreichend sind, um einen Menschen
8 Monate lang ganz hinreichend zu ernähren. Ja der grofse
Entdecker Cook spricht diesem Baum mit wenigen Worten
das gröfste Lob, indem er sagt: „Hat Jemand in seinem
Leben nur 40 Brodbäume gepflanzt, so hat er seine Pflicht
gegen sein eigenes und gegen sein nachfolgendes Geschlecht
eben so vollständig und reichlich erfüllt, als ein Einwohner
unseres rauhen Himmelsstriches, der sein Leben hindurch
wärend der Kälte des Winters gepflügt, in der Sommer-
hitze geerndtet und nicht nur seine jetzige Haushaltung
mit Brod versorgt, sondern auch seinen Kindern noch
etwas an baarem Gelde kümmerlich erspart hat.“
Die Fortpflanzung des Brodbaumes geschieht theils
durch junge Schöfslinge, welche man sus der Wurzel er-
hält und zwar dadurch, dafs man diese von Erde entblöfst
und an der Oberfläche einkerbt, worauf aus diesen Ein-
schnitten eine Menge von jungen Trieben vorwachsen,
welche man mit einem Theile der daran sitzenden Wurzel
abschneidet und in die Erde steckt.
Auf vielen Inseln des indischen Archipelagus werden
die kastanienartigen Saamen der Brodfrucht als eine der
“ hauptsächlichsten Nahrungen angesehen, welche man durch
Röstung geniefsbar macht; in den meisten Fällen sind aber
die Saamen in der ceultivirten Frucht ganz spurlos ver-
schwunden. Durch die Cultur sind auch bei diesen Bäu-
men eine Menge von Varietäten*) entstanden, welche sich
hauptsächlich durch die Form der Frucht und durch das
Fehlen oder durch die Anwesenheit der Saamen aus-
zeichnen.
”) S. Forster, de plantis esculentis. Berolini 1786.
379
Aufser den Früchten benutzt man noch den Stamm
des Brodbaumes; sein Holz ist weich und leicht und wird
zu kleinen Kähnen und verschiedenen Hausgeräthschaften
verarbeitet. Aus dem Baste des jungen Baumes bereitet
man Zeuge, welche denen aus dem Papier-Maulbeerbaume
ganz ähnlich sind. Es werden hiezu auch die Jungen
Schöfslinge in dichten Massen gepflanzt, damit sie ganz
gerade aufsteigen und um so längere Gewebe liefern können.
Der Pisang oder die Banane (Musae spec. var.), Platano im
Spanischen.
Eine der gewöhnlichsten und der nahrhaftesten Früchte
der Tropen ist der Pisang oder die Banane. Der Ge-
‚schmack der gewöhnlichsten Arten dieser Frucht pflegt
bei dem Fremden nicht so beliebt zu sein, wie man es
sich nach den Beschreibungen der Reisenden denken sollte.
Auch hiezu ist erst einige Gewohnheit nöthig, und alsdann
findet man die Pisangfrucht aufserordentlich süfs und wohl-
schmeckend. Die Spielarten dieser Frucht sind in den
verschiedenen Ländern gewifs zahllos; auf den Philippinen
allein bauet man deren an 70, welche auch sämmtlich mit
eigenen Namen belegt sind. Es sind aber auch wirklich
mehrere bestimmte Arten der Gattung Musa, welche diese
vortrefllichen Früchte liefern, wovon wenigstens schon 6
bis S systematisch bestimmt sind, und die verschiedenen
Arten verlangen auch ein verschiedenartiges Olima.
Nach Herrn Alex. v. Humboldt’s Angabe, *) welcher
auch über die Cultur des Pisangs, in seinem bekannten
Werke über Mexico, die besten und vollständigsten Nach-
richten mitgetheilt hat, wächst der Camburi (Musa sapien-
tum L.) in der Ebene der Tropen, bei 19 bis 21° Cels.
Luftwärme, und steigt sogar bis über 30 und 35° der Breite
hinaus; auf dem Gebirge geht die Cultur desselben noch
bis zu 900 Toisen Höhe, wärend die Platano Harton oder
Arton (Musa paradisiaca Lin.), selbst unter dem Aequator,
*) De distributione geogr. plant. pag. 156.
380
nur bis zu 500 Toisen hinaufsteist und 23 bis 28° mitt-
lere Wärme verlangt. Die Frucht von Musa regia Rumph.
wird in den spanischen Colonien mit dem Namen Domi-
nico belegt u. s. w. Die gewöhnliche Banane, mit allen
ihren Varietäten, welche in den tropischen Gegenden Asiens
und Afrika’s, selbst auf der Westseite dieses letztern Con-
tinents gezogen wird, scheint nach vielfachen Untersuchun-
gen ebenfalls der Musa sapientum anzugehören.
Es hat nicht an Schriftstellern gefehlt, welche die
Pisangfrucht mit jenen Aepfeln für übereinstimmend hiel-
ten, welche einst im Garten zu Eden so grofses Unheil
angestiftet haben, daher ihnen auch lange Zeit hindurch
der Name Paradiesäpfel beigelegt wurde.
Wo der Pisang sein ursprüngliches Vaterland hat, ob
in der alten, oder in der neuen Welt allein, oder ob er
in beiden Erdtheilen ursprünglich zu Hause war, das sind
Fragen, welche sich gegenwärtig zwar nicht mit absoluter
Gewifsheit, aber mit grofser Wahrscheinlichkeit beantwor-
ten lassen. Dafs der Pisang in der tropischen Zone der
alten Welt ursprünglich zu Hause ist, das ist ganz gewifs
ausgemacht; in den Wäldern Ceylons wächst der Pisang
im wilden Zustande, *) und auf den Südsee-Inseln fand
man ihn überall, wo man hinkam, und er kommt daselbst
auch noch heutigen Tages im wilden Zustande vor. Die
Wälder auf den Sandwichs-Inseln, welche einige Tausend
Fufs hoch gelegen sind, zeigen einen wilden Pisang in
Menge, der dem fruchttragenden, cultivirten daselbst durch-
aus ähnlich ist, d. h. bis auf die Früchte. Fast eben so
gewifs ist es, dafs Amerika, schon vor der Einwanderung
der Weifsen, den Pisang besessen habe, wenigstens herrscht
in verschiedenen Ländern daselbst die Sage, dafs die Va-
rietäten Arton und Dominico schon lange vor Ankunft der
Spanier gebauet wurden, und Herr Alexander v. Humboldt
fand bei allen Indianern, in den entferntesten Gegenden
*) $S. Sawers in Mem. of the VVernerean Society. Edinburgh.
Vol. IV. pag. 403.
381
des Orinoco, den Anbau des Pisangs und der Manioca, in
Gegenden, welche sicherlich noch ohne Communication mit
den Europäern standen. Aber noch gewisser wird es
durch den Bericht des Garcilasso de la Vega *), welcher
ganz klar und deutlich die Nahrungsmittel nennt, welche,
zu der Inca’s Zeiten, gewöhnlich im Gebrauche waren,
und wobei denn auch der Pisang-Frucht für. die heifsen
und gemäfsigten Zonen von Peru gedacht wird.
In allen den spanischen Colonien der alten und der
neuen Welt, werden die Pisang-Pflanzungen unter dem
Namen Platanar (Banarin) verstanden. Die Bearbeitung
dieser Plantagen ist, zum Glücke für die Indianer, sehr
leicht, denn ist die Frucht gereift, so hat man nur den
alten Stamm abzuhauen, damit sich die neuen Wurzel-
sprossen um so freier entwickeln können; eine der Spros-
sen hatgewöhnlich schon 3 der Höhe der alten Mutterpflanze,
und in Zeit von 3 Monaten trägt sie selbst schon wieder
Früchte.
Werden die Schöfslinge gepflanzt, so kann man erst
im 10ten oder im 41ften Monate auf Früchte rechnen.
Im Durchschnitte giebt ein Pisangstamm gegen 30 bis 40
Pfund Früchte, es ist jedoch nicht selten, dafs sie bis 60
und 80 Pfunde Früchte geben, und, da der Indianer dar-
auf rechnen darf, dafs seine Pisang-Erndte viermal im
Jahre statt findet, so giebt eine einzige Pisang-Pflanze, in
Zeit von einem Jahre, zum wenigsten über 100 Pfunde
Früchte. Demnach giebt es schwerlich eine andere Nah-
rungspflanze, welche, auf einem so kleinen Raume, eine
so grofse Menge von Früchtrn hervorbringt.
Die Frucht der Musa-Arten ist weich, mehr oder
weniger gezuckert und von angenehmen Geruch und Ge-
schmack. Gewöhnlich fehlen derselben alle Saamen, ja es
giebt sogar wilde Arten, in deren Früchten man noch keine
Saamen gefunden hat; nur in Indien, Cochinchina, auf
Java und auf Lucon **) giebt es eine constante Varietät
r Coment. reales de los Incas, I. pag. 282.
*Y) Meyen’s Reise etc, II. pag. 414.
382
(der Platano de Pepita), welche eine aufserordentliche
Menge von grofsen Saamenkörnern enthält und defshalb
denn auch weniger zum Essen geschätzt wird *).
Finlayson **) hat über das Vorkommen der eultivir-
ten Musa mit vollkommenen Saamen am ausführlichsten
gesprochen; er fand auf der Insel Ubi, an der: Küste Hin-
ter-Indiens, eine wildwachsende Musa, deren Früchte mit
Saamen gefüllt waren, und hielt dieselbe mit Musa sa-
pientum für identisch. Die Frucht hatte, im Verhältnifs
zur eultivirten Bananen -Frucht nur sehr weniges efsba-
res Mark. Der Platano de Pepita, welchen ich auf Lucon
gefunden habe, der eine beständige Varietät ist, welche man
durch Stecklinge fortpflanzt, hat zwar eine sehr grofse
Menge Saamen, indessen die fleischige Substanz dieser
Früchte ist recht wohlschmeckend. -
Die Zubereitung der Bananen ist unendlich vielfach;
äm gewöhnlichsten ifst man die reife Frucht roh, nach-
dem ihre dicke Fruchthülle abgezogen ist, was sich ganz
leicht bewerkstelligen läfst. Auch geröstet innerhalb der
Fruchthüllen, wird sie häufig gegessen, aber sehr angenehm
schmeckt sie mit Butter gebraten. Man kann nicht läug-
nen, dafs die Banane, obgleich man sehr viel davon es-
sen kann, zu den sehr nahrhaften Früchten gehört.
Die schönen Pisang-Pflanzen, welche den ländlichen
- Wohnungen in tropischen Gegenden eine eigenthümliche
Zierde geben, sind noch in mehrfacher Hinsicht den Be-
wohnern jener Gegenden nützlich. Das Blatt der Pisang-
Pflanze dient den Indianern als Tischtuch und als Teller;
bei jedem Essen geht er vorher einige Schritte und bricht
die nöthigen Blätter ab. Wenn der Indianer ein Thier, in
erhitzten Gruben, in der Erde bratet, dann hat er es vor-
her in Pisang-Blätter eingehüllt. Gegen den Sonnenschein
und zum Abwehren der lästigen Insekten gebraucht der
Indianer ebenfalls das schöne Pisangblatt.
*) Man vergleiche hierzu Forster de plantis esculentis pag. 31,
welcher diese Varıetät Musa granulosa nennt.
*%) Journal of the Voyage to Siam. Lond,. 1826. p. 86.
383
Einen weit gröfseren Nutzen gewähren die Pisang-
Pflanzen durch die Festigkeit ihrer Fasern, welche zur
Bereitung von Hanf, Flachs und noch feineren Fäden be-
nutzt werden. Schon ist der Hanf von Manila, die Avaca
der Tagalen, ein wichtiger Gewerbszweig für die Bewoh-
ner der Philippinen, denn bereits sind schon ganze Schiffs-
ladungen desselben zu uns nach Europa gekommen, und
das Tauwerk von Manila, womit sich dort jedes Schiff
versieht, ist von ausgezeichneter Güte.
Anmerk. Da der Stamm der Pisang-Pflanze weicher ist, als
der Stengel der Hanf- Pflanze, so geschieht die Bereitung dieses Han-
fes viel schneller und leichter, als die des europäischen Hanfs. Die
Fasern, welche in den äufsersten Schichten des Stammes liegen, sınd
gröber, und werden zur Bereitung von Tauwerk angewendet; die
der inneren Schichten sind dagegen viel feiner, und man verfertigt
aus ihnen sehr verschiedenartige Zeuge, welche, den Bewohnern der
Philippinen z. B. zur Kleidung dienen. Die Bewohner der Sand-
wichs - Inseln verfertigen ihre vortrefflichen Angelschnüre aus diesen
Fasern. Die feinsten Avacä-Fäden verwebt man auf Lucon mit
Seide und erhält hierdurch ein äufserst geschätztes Zeug, welches
der Pina ähnlich ist und auch an Kostbarkeit dem letzteren gleich-
kommt. Die Pisang- Stämme erhalten eine Höhe von 7 und 8 Fufs,
und die Fasern, welche ununterbrochen durch dieselben verlaufen,
und, nach der bekannten Zubereitung durch Fäulnifs, die Avacä lie-
fern, zeigen dann eben dieselbe Länge, wodurch der beste europäi-
sche Hanf übertroffen wird. Die Avacä ist aber auch, bei gleicher
Masse viel stärker als unser europäischer Hanf.
So ist die Pisang-Cultur eine_der wichtigsten für
alle Völker der Tropen, und eben weil diese Pflanzen,
welche ihnen ein Hauptnahrungsmittel geben, so zu sagen
von selbst wachsen, ohne dafs sich der Indier dabei zu
quälen braucht, so hat man wohl geglaubt, dafs eben diese
ergiebige Frucht es ist, welche die Trägheit der Indianer
erlaubt oder wohl sogar befördert. Ich glaube nicht, dafs
diese Ansicht richtig ist; ein Mensch, dessen Ideenkreis
beschränkt ist, hat auch keine Arbeit zur Zerstreuung
nöthig, man unterrichte aber diesen armen Indier, und er
wird gewifs eine eben so grofse Thätigkeit zeigen, wie
man sie an den Weifsen zu sehen gewohnt ist. —
384
Anmerk. WVärend des Druckes dieses Buches erschien der
4te Band von Herrn Ritters Erdkunde, worin der berühmte Herr
Verfasser mehrere indische Gulturpflanzen in Hinsicht ihrer geogra-
phischen Verbreitung, so wie in Hinsicht des Einflusses, welchen
die Cultur derselben auf den Menschen ausübt, mit der ihm eige-
nen Gelehrsamkeit zum Gegenstande besonderer Untersuchungen
gemacht hat, worauf ich hier verweisen mufs. Man findet in dem
angeführten Werke über folgende Cultur-Pflanzen, welche ich m
dieser Schrift ebenfalls abgehandelt habe, sehr ausführliche Mitthei-
lungen: Nämlich über die Banane, die Pfeffer-Pflanze, den Dattel-
baum, die Cocos-Palme, die Areca-Palme und die WVeinpalme, wo-
bei der grofse Geograph eine Menge der interessantesten Beobach-
tungen an das Tageslicht gebracht hat, welche in der, so sehr zer-
streuten Literatur über Indien, dem Publikum nicht leicht bekannt
geworden wären.
Der Oelbaum (Olea europaea L.).
Der Oelbaum gehört zu den nützlichsten Gewächsen
welche die menschliche Gesellschaft aufzuweisen hat, des-
senungeachtet ist die Cultur desselben eigentlich sehr be-
schränkt; erst seit der Entdeckung von Amerika breitet
sich dieselbe weiter aus. Das südliche Europa, zwischen
44 bis 36° N. Breite, ist der eigentliche Sitz der Cultur
des europäischen Oelbaums; er erfordert eine mittlere
Wärme von 14,5° bis 19° Gels. richtet sich aber haupt-
sächlich nach der Strenge des Winters. In Ländern,
wo die mittlere Temperatur des Winters unter 5,5° Cels.
ist, da gedeiht der Oelbaum nicht ohne Schutz, welchen
man den grofsen Plantagen auch nicht angedeihen lassen
kann. In Europa wird der Oelbaum bis 443° N. Breite
eultivirt, weiter hinauf findet man nur einzelne Anpflan-
zungen und gerade nur in gut geschützten Gegenden.
Schon auf den Halbinseln des südlichen Europa’s gedeiht
der Olivenbaum in den Küstengegenden, wo der Winter
um so milder ist, ganz aufserordentlich, weniger dagegen
auf den Hochebenen jener Länder, wenngleich dieselben
von keiner grofsen Erheblichkeit sind. Eben die milderen
Winter des Küstenclima’s machen es, dafs der Oelbaum
noch auf der Krim cultivirt wird, wo aber die Früchte
385
schon ein schlechtes Oel geben sollen. So wird auch
in den untern Theilen des Rhonethales und auf der süd-
lichen Seite der Cevennen der Oelbaum angetroffen. Bei
einem geringen Schutze kann der Olivenbaum weit höher
nach Norden hinaufgehen, wie dies ein Bäumchen zeigt,
welches im botanischen Garten zu Bonn im Freien gezo-
gen wird.
Die geringe Ausdehnung der Zone der Oliven -Cultur
gegen Osten nnd Süden mag auch wohl darin ihren Grund
haben, dafs in diesen Gegenden meistens andere Pflanzen
vorhanden 'sind, deren Saamen ein ähnliches, ja auch eben
so gutes Oel, als das der Oliven geben, 2. B. die Oel-
bringende Camellia (C. oleifera) in China und Japan, Ca-
mellia drupifera in Cochin-China und Thea oleosa in China,
sowie die grofse Anzahl von Palmbäumen und Ricinus-Ar-
ten, deren Saamen ebenfalls auf Oel gezogen werden.
Das Ricinus- oder Castor-Oel bereitet man durch anhal-
tendes Auskochen und Auspressen der Rieinus-Saamen;
der Gebrauch desselben ist wohl allgemeiner, als man es
vielleicht bei uns glauben möchte. In Indien, in China,
in Amerika, in Afrika und selbst in den Colonien Austra-
liens wird das Castor-Oel zum Essen benutzt.
In Ostindien wird das Oel aus den Saamen von Se-
samum orientale und von Raphanus (Brassica) orientalis
eben so gewöhnlich, wie das Oliven-Oel im südlichen
Europa zur Nahrung benutzt, ja es kann daselbst als eins
der hauptsächlichsten Nahrungsmittel angesehen werden.
Der Oelbaum vermag eine bedeutend höhere mitt-
lere Jahreswärme zu ertragen, als diese, welche ihm im
südlichen Europa zukommt, und er scheint dabei meistens
noch viel üppiger zu wachsen, als in unserem kälteren
Clima von Europa. Auf den Canarischen Inseln sind die
Oliven Bäume heutigen Tages zwar selten, doch sie wu-
chern daselbst, wie die Weiden unseres Clima’s #). Zwar
wächst der Oelbaum auf diesen schönen Inseln erst in
”) $. L.v. Buch, Beschreibung der Canarischen Inseln, p. 122 etc.
25
386
der Region der europäischen Cultur-Gewächse, von 1200
bis 2500 Fufs Höhe, bei einer mittleren Temperatur von
47,5° Cels.; doch daran ist wohl nur die Willkühr der
Menschen Schuld.
Die Olive fehlte der neuen Welt, wo sie jetzt, an
verschiedenen Orten wenigstens, im üppigsten Wuchse
steht: Es ist der andalusische Oelbaum, welchen Cortes
nach Mexico eingeführt hat. Schon zu Anfange dieses
Jahrhunderts war auf dem Plateau von Mexico, 1168 Toi-
sen hoch, eine der herrlichsten Oelbaum -Plantagen *), doch
hier ist auch das Clima meistens so angenehm wie zu Nea-
pel; schon im Januar und: im Februar, beträgt die mitt-
lere Tageswärme daselbst zwischen 13 und 14° Cels. Ge-
genwärtig wird die Olive schon an vielen Orten von Mexico
gezogen **), und man schmeichelt sich, sehr bald den
ganzen Bedarf dieses Culturzweiges im Lande selbst zu
gewinnen. TB
Schon im: vorigen Jahrhundert ward der. Oelbaum
selbst in Neu-Californien, in der Nähe von San Diego
gepflanzt. Ganz aufserordentlich gut gedeiht der Oel-
baum auf der Westküste von Peru, wo er, in der Breite
von 15 und 17° südlich, selbst in der Höhe der: Küste
vorkommt, und eine Höhe und Breite erreicht, wie bei uns
die Apfelbäume. Die Oliven der Küstengegend von Arica,
von Tacna, von Islay und Cumana gehören zu den aus-
gezeichnetesten Früchten, und der Consum derselben: ist
daselbst. aufserordentlich grofs. Gebraten werden sie auf
den Strafsen von Arica und Islay alltäglich umhergetragen,
und in Kästchen, von Palmblättern oder Schilf geflochten,
werden sie nach der Hochebene verführt, wo sie, z. B.
auf dem Markte von Arequipa, täglich in gröfster Masse
verkauft werden. Der Oelbaum der alten: Welt ist über-
haupt für die heifsen und trockenen Gegenden der West-
küste von Südamerika eine aufserordentliche Bereicherung,
—
*”) S. A. v. Humboldt, 1. c. I. p. 56. und III. p. 93.
**) S. Becher, Mexico. Berlin 1831. p. 142.
_
387
denn es ist unglaublich, in welchem sterilen Boden dieser
Baum, an der. peruanischen Küste zu finden ist; in der
Nähe einer kleinen Quelle daselbst, wächst ein ganzer
Wald von Oliven, dicht neben einer Anpflanzung von
Aloe-Stauden und Wasser-Melonen. Obgleich die Olive,
erst ‚seit einigen Jahrhunderten höchstens, nach Peru ge-
bracht ist, so habe ich daselbst doch schon sehr dicke Bäume
gesehen, welche, bei dem langsamen Wachsen dieser Bäume,
auf ein sehr hohes Alter schliefsen liefsen. Als Beispiele
von dem hohen Alter der Oelbäume und der enormen
Dicke, welche ihre Stämme erreichen, mufs man die Oel-
bäume aufführen, welche auf dem Oelberge bei Jerusalem
stehen und ganz wahrscheinlich noch dieselben sind, wel-
che einst zu Christus Zeiten daselbst standen. Jener
Oelbäume sind 8 an der Zahl, sie haben wenigstens 6
Metres im -Umfange *), und eine Höhe von 9 bis 10 Me-
tres. In ganz Chile gedeiht die Olive, besonders in Co-
quimbo, doch auch bei St. Jago, in 33° S. Breite, obgleich
fast 2000 Fuls erhaben über dem Meere.
‚Die EN Palme (Cocos nucifera Bi
ie. Palme ist von jeher die Königinn der Wälder ge-
wesen; nicht nur die Schönheit ihrer Form, sondern der
aufserordentliche Nutzen, welchen dieselbe darbietet, ha-
ben sie dazu. gemacht. Es giebt nur wenige, vielleicht
gar keine_Palmen, welche nicht auf irgend ‘eine Weise
von den Menschen benutzt werden können; ich kann sie
hier nicht alle aufführen, wohl aber diejenigen, welche hie
und da, als Hauptnahrungsmittel der Völker zu betrach-
ten.sind, oder durch andere nützliche Eigenschaften einen
bedeutenden Einflufs auf den Wohlstand der Menschen äu-
fsern. : Keine andere Pflanzenfamilie zeigt eine solche un-
geheuere Kraft in der Erzeugung ihrer Früchte; die Al-
fonsia in Südamerika **), bei einer Höhe von 6 Fufs, hat
© 9)8. Bove, Relation d’un voyage botan. en Esypte etc. — Ann.
des sciences nat. 1834. T. I.
**) $. A. v. Humboldt’s Reise ete, Buch XI. p. 52.
25 *
388
bis 200000 Blüthen in einer einzigen Blumenscheide, und
auf Einmal oft über 600000 an der Zahl, welche aller-
dings nicht sämmtlich zur Reife kommen.
Vor Allen ist die Cocos-Palme zu nennen, sie
hat ihr wahres Vaterland in der alten Welt und auf den
Südsee-Inseln; nach Amerika möchte sie vielleicht doch
nur übergewandert sein *), sie wird daselbst auf den west-
indischen Inseln und in Brasilien in grofser Menge ge-
zogen.
Die Cocos-Palme gehört zu den Küsten-Bewohnern,
und es sind nur wenige Fälle bekannt, wo man die Co-
cos-Palme weit im Innern des Landes beobachtet hat, je-
doch gelingt es allerdings, durch die pflegende Hand des
Menschen, auch diesen Baum von seinem natürlichen
Standorte zu entfernen, und unter anderen Lokal- Ver-
hältnissen zu ceultiviren. Herr Alexander von Humboldt
hat bekanntlich die Cocos-Palme in den Steppen von Ve-
nezuela gefunden, und ganz neuerlichst hat auch der Her-
zog Paul Wilhelm von Württemberg diese Palme auf der
Insel Cuba, entfernt von dem Meeres-Ufer, in besonderer
Ueppigkeit beobachtet; auch in Indien findet man, wei-
ter landeinwärts, die Cultur der Cocos - Palme, jedoch
gelingt Sie nicht immer **).
Nur wenige der Südsee-Inseln möchten ohne Cocos-
Palmen zu finden sein, auf der Oster-Insel, der östlich-
sten derselben, ist die Cocos-Palme allerdings nicht ge-
funden worden. Auf den Inseln der Chinesischen See,
der Malayischen See, der Javanischen See, so wie in den
heifsen Gegenden des ganzen Indischen Ocean’s sind alle
Inseln, mehr oder weniger stark, mit dieser kostbaren
Palme beschenkt, aber nirgends mehr, als auf der zahlrei-
chen Inselgruppe, welche die Lakediven und die Maledi-
ven umfassen, möchte die Cocospaime für die Ernährung
*") Anmerk. Zu einer Ueberwanderung der Cocos aus der
alten, Welt nach Amerika, sind die Strömungen in beiden grolsen
Meeren sehr geschickt gelegen.
*%) $. Hamilton, Descript. of Hind. II. p. 210.
389
der Bewohner von gröfserer Bedeutung sein. Die feuch-
ten Ufergegenden Indiens und besonders der reichen In-
sel Ceylon haben zwar die gröfste Masse von Cocos-
Bäumen aufzuweisen, deren Anzahl daselbst viele Millio-
nen übersteigt, hier aber wird dieser Culturzweig- nicht
mehr zur Ernährung der Bewohner des Landes betrieben,
sondern die Produkte desselben sind Gegenstand des ein-
träglichsten Handels. Ueberall in der Südsee und im den
indischen Gewässern, wo die Cocos-Palme vorkommt, da
begrüfst sie, in mehr oder weniger grofsen Massen, schon
in weiter Ferne die nahenden Reisenden, und in ihrem,
zwar kärglichen Schatten, sieht man die ersten zerstreut
stehenden Hütten der Indier; in Ostindien aber, wo eigen-
thümliche Verhältnisse die ausgedehnte Cultur der Co-
cos-Palme bedingt haben, ‘da liegen ganze Dörfer und
grofse Städte im Schatten ausgedehnter Cocos - Waldungen,
und die ganze Küste von Malabar ist mit unzähligen Co-
cos - Palmen beschattet. Ja im südlichen. Ceylon kennt
man einen Wald von Cocos-Palmen, der, dem Ufer des
Meeres entlang, 26 Engl. Meilen weit verläuft, mehrere Stun-
den breit ist*), und an 11 Millionen erwachsene Cocos-
Palmen enthält. Noch zur Zeit, als die Holländer Herren
von Ceylon waren, wurden jährlich aus diesem Walde
6000 Fässer Arrak, 3000000 Pfunde Tauwerk aus den
Cocosfasern, und eine ungeheuere Menge von Oel gewon-
nen. Auch hier, wie auf den Lakediven und Malediven,
ist die Cocos-Palme die Quelle der allgemeinen Nahrung
. jener Bewohner.
Von der Nutzbarkeit der Cocos - Palme haben die
Reisebeschreibungen vielfach gelehrt, und selbst eigene
Schriften sind darüber erschienen. So wie alle anderen
Obstbäume durch sorgfältige Cultur veredelt werden, so
ist es auch mit der Cocos-Palme und mit noch vielen an-
deren Palmen der Fall. Die Cocos-Palme wächst schnell,
”) S. Transactions of the Royal Asıat. Societ. of Gr. Brit., Vol.
I. p. 546.
390
und oft giebt sie, schon im 6ten Jahre, einige 30 Früchte
Eine erwachsene Cocos-Palme. hat nicht selten 2- bis 300
Nüsse, und sie wird bis 100 Jahre alt. Die frische, reife
Frucht ist bekanntlich mit einer wasserhellen, etwas süfs-
lichen Flüssigkeit angefüllt, welche unter dem Namen der
Cocos - Milch sehr bekannt ist. Die Cocos-Milch wird
‚als ein kühlendes, äufserst wohlschmeckendes Getränk: ge-
lobt und oft von Reisenden mit Begeisterung gerühmt.
Ich theile dieses Lob nicht; die Cocos-Milch ist ein ziem-
lich fades Getränk von einem eigenthümlichen, weichlichen
Geschmacke. Mit dem Alter bildet sich der Kern’ im’der
Nufs, indem die Flüssigkeit verschwindet, und in diesem
Zustande, mehr oder weniger ohne Cocos-Milch, kom-
men die Nüsse durch den Handel zu uns. Der Kern der
Cocos-Nufs besteht aus einer härtlichen weifsen Masse;
welche im Geschmacke einige Aehnlichkeit mit den süfsen
Mandeln hat, doch viel weniger wohlschmeckend ist, ja
sogar im rohen Zustande, wegen der grofsen Festigkeit
des Kern’s, ein nur wenig zu empfehlendes Nahrungsmittel
- darbietet. |
In allen eultivirten Ländern . innerhalb der Wende-
kreise, wo die Cocos-Nufs wächst, da wird auch die Cul-
tur des Zuckers betrieben, und so wird es jenen Völkern
sehr leicht, die gezuckerten Früchte dieser Palme zu ge-
niefsen, was man deselbst so allgemein im Gebrauche fin-
det. Der Kern der Cocos-Nufs in Zucker gekocht, bil-
det das wohlschmeckendste Dulce, welches ich in den spa-
nischen Colonieen der tropischen Gegenden gefunden habe,
und dasselbe wird sehr allgemein gegessen.
Kocht man .den Kern der Cocos-Nufs anhaltend: in
Wasser und prefst alsdann denselben, so erhält man’ das
bekannte schöne Cocos-Nufs-Oel, welches früher unter
dem Namen Oleum Calappi *), oder Oleum Palmae in
den Handel kam. In einigen Gegenden läfst man vorher
| *) Kulapa ist die Benennung der Cocos- Palme in der Sprache
der Malayen.
391
die Kerne der Cocos-Nüsse faulen, siedet dann die Mi-
schung und erhält dadurch das dicke Oel. Es ist bekannt,
welch eine grofse Menge von Cocos-Nufs-Oel schon ge-
genwärtig in unseren Fabriken consumirt wird, zur Gas-
‚bereitung für Gaserleuchtungs- Anstalten soll es ganz be-
sonders vorzüglich sein; im ganz frischen Zustande wird
es selbst gegessen und von vielen rohen Völkern auch
zum Bestreichen der Haut gegen zu starke Ausdünstung,
u. 5. w. bemitzt. Aus der Cocos-Milch erhält man durch
Kochen ebenfalls ein Oel, welches besonders wohlschmek-
kend ist, nnd als Butter gebraucht wird.
Aus der Cocos-Milch erhält man aber auch, nachdem
sie in Gährung übergegangen ist, durch Destillation einen
sehr starken und feinen Brandwein, eine Art von Arrak,
welche oft sehr geschätzt wird und nur selten in den
Handel kommt.
Die Benutzung der harten Cocos-Nufs-Schale ist in
unserem Lande sehr bekannt; die aufserordentliche Härte
bei der schönen Politur, welche diese: Substanz annimmt,
macht dieselbe geschickt. zu vielfachen Verzierungen, als
z.B. zu Stockknöpfen und zu Pfeifen-Spitzen, und selbst
prachtvolle Gefäfse, verziert mit Silber und Gold, findet man
in Indien und in China gar nicht selten daraus bereitet. Bei
den Indianern jener tropischen Länder, wo die Cocos-Palme
angepflanzt wird, da wird die Schale zu Trinkgeschirren
gebraucht; die Fasern aber, welche das bekannte dicke
Pericarpium der Frucht bilden, werden zur Bereitung von
Schiffstauen, Stricken, Decken, Bürsten, Panzern und der-
gleichen Geräthen mehr benutzt, welche auch bei uns
durch den Handel bekannt geworden sind.
Zur Bereitung der Cocos-Nufs-Fufsdecken, gebraucht
man ‘dagegen meistens nur die Blattscheiden. Die Blät-
ter der Cocos-Palme werden weniger zur Bereitung von
Geflechten gebraucht, wohl aber zum Dachdecken; dagegen
liefern die Blätter mehrerer anderer Palmen, wie z. B.
im Innern von Brasilien, nach Herrn von Martius Bericht,
eine Substanz, welche den Indiern die Stelle des Flach-
392
ses vertritt. G. Bennett *) hat einen Anhang zu seiner
Reisebeschreibung gegeben, welcher über die Cocos -Palme
handelt, worin hauptsächlich die Flechtwerke und die Be-
nutzung dieser Palme zur Bereitung des Arraks auf Cey-
lon, erörtert werden.
Die faserige Hülle der Cocos-Nufs giebt auch ein
sehr gutes Brennmaterial, welches gleich Kohlen hitzt,
und auf der Insel Lucon zum Brennen des Töpfergeschir-
res gebraucht wird **).
Der Stamm der Cocos-Palme hat nur eine dünne
Schicht von Holz, so dafs dasselbe zu Bauwerken nicht gut
verarbeitet werden kann; wohl aber sind die ganzen Palm-
stämme, als Pfähle gebraucht, recht sehr dauerhaft, und sie
bilden auch die Pfosten bei den gröfseren Bauten der In-
dianer. Das Mark der Cocos-Palme wird als ein vor-
treflliches Düngungsmittel gelobt; zu anderen Zwecken
ist es unbrauchbar.
Einen grofsen Ruf hat der Palmkohl der Cocos-Palme
erhalten, und auch wohl mit Recht. Der Palmkohl wird
aus den jungen Trieben bereitet, welche die, noch nicht
zur Entwickelung gekommenen jungen Blätter enthalten,
und noch von ganz markiger Substanz sind; zu diesem
Zwecke wird das Herz der Palme abgeschnitten, welches
oft von aufserordentlicher Gröfse ist, ja über 20 Pfunde
schwer.
Aufserdem ist der Palmwein bekannt, welcher durch
Gährung, aus dem rohen Safte der Cocos-Palme erhalten
wird. Hiezu schneidet man einen ziemlich entwickelten
Spadix an und erweitert täglich die Wunde. Die grofse
Menge von rohem Safte, welcher aus dieser Wunde läuft,
wird in Gefäfsen von Bambusröhren aufgefangen und dann
durch Gährung zu Wein gemacht. Nach einem Alter von
‚acht Tagen wird derselbe jedoch essigsauer, so dafs man
”) Wanderings in New South- Wales, Batavia, Pedir Coast,
Singapore and China. Lond. 1834. TI. App. p. 295 — 342,
"MS. Meyen’s Reise, II. p. 246. ‘
393
ihn defshalb schon vorher zur Bereitung des Arrak’s ver-
braucht. |
Um den Saft der Cocos-Palme einzusammeln, legen
die Indianer Stangen von Baum zu Baum, und so können
sie denn mit Leichtigkeit mehrmals des Tages in ihren
Pflanzungen umhergehen und den Palmsaft aus den Bam-
bus-Gefäfsen ausgiefsen, welche sie, zum Auffangen des
auslaufenden Saftes, an einem jeden dieser Bäume befestigt
haben. Schon am folgenden Morgen ist der ausgelaufene
Saft zu Palmwein verändert, aber schon am folgenden
Abende ist er säuerlich, wenn er nicht in Gefäfsen recht
gut verstopft war.
Vermischt man den rohen Palmsaft mit Kalk, so. er-
hält man den Palm-Zucker, welcher viel gebraucht wird,
und schon im- hohen Alterthume, in Europa, jedoch nur
selten, im Gebrauche war.
Es ist zwar den Bewohnern der Cocos-reichen Län-
der sehr wohl bekannt, dafs der Palmwein der Cocos-
Palme wohlschmeckender als derjenige der Wein-Palme
und anderer Palmen ist, indessen man hat auch die Er-
fahrung gemacht, dafs der Ertrag an Früchten aufseror-
dentlich vermindert wird, wenn man der Palme den Nah-
rungssaft entzieht. Benutzt man aber die Cocos-Palme
auf Palmwein, so erhält man ihn, von einem kräftigen Baume,
das ganze Jahr hindurch, doch, wird dieses Abziehen des
Saftes mehrere Jahre hindurch fortgesetzt, so stirbt auch
der kräftigste Stamm. Gewöhnlich benutzt man die Cocos-
Palme eine Zeit lang zur Gewinnung des Weines, und
dann läfst man sie wieder Früchte tragen, welche sie das
ganze Jahr hindurch zur Reife bringt, daher fast zu jeder
Zeit Blüthen, unreife und reife Cocos-Nüsse auf einer
solchen Palme zu finden sind. |
Ich habe hier die Arten der Benutzung der verschie-
denen Theile der Cocos-Palme aufgeführt, und man wird
sich daraus überzeugen, dafs dieselbe eine aufserordentlich
nützliche Cultur- Pflanze ist; man möge ‚jedoch nicht der
Meinung sein, dafs die Cocos-Palme die alleinigen Nah-
394
rungsmittel für jene Völker liefert, welche dieselbe an-
pflanzen. Ueberall wo die Cocos-Palme wächst, da sind
noch andere wichtigere Nahrungspflanzen vorhanden, als
der Reis und der Pisang in Indien, die Arum- Wurzeln,
der Pisang, die Batate und die Yams auf den Südsee-
Inseln, und der Mays, die Manioca u. s. w. in Amerika.
Gerade auf den Sandwichs-Inseln, wo man die Cocos- -
Palme Baum des Lebens genannt hat, ist sie-von sehr un-
tergeordnetem Werthe, denn die Inseln haben Reichthum
an anderen und viel besseren Früchten. Rumpf und
v. Martius erzählen in ihren Werken noch von allen den
aufserordentlichen Heilkräften, welche man dem Oele der
Cocos-Nüsse zuertheilt.
Nach Herrn Alexander von Humboldt ist die nördli-
che Grenze der Cocos-Palme unter 28° Breite zu finden,
und sie steigt aus der Ebene selbst bis zu einer Höhe von
700 Toisen.
Auf ähnliche Art, wie die Cocos-Palme in vielfacher
Hinsicht benutzt wird, geschieht dieses auch bei vielen an- |
deren Palmen, doch wird bei der einen mehr dieser, bei
der anderen mehr jener der verschiedenen Theile der
Pflanze benutzt, wovon man im Folgenden die auffallend-
sten Beispiele angegeben finden wird.
Die Dattel-Palme (Phoenix dactylifera I).
Das nördliche Afrika, Aegypten, Nubien, Syrien und
das glückliche Arabien möchten das Vaterland der Dattel-
Palme sein; sie geht nicht weiter östlich, als bis zum
Ausflusse des Indus, doch findet man sie auch in Indien,
jedoch künstlich verpflanzt. - Die Dattel-Palmen, welche
um Batavia wachsen, sind dahin aus Persien. verpflanzt:
Die Dattel-Palme verlangt einen sandigen und was-
serreichen Boden, und so findet sie sich nur an solchen
Stellen der grofsen Wüste Afrika’s, wo Quellen vorhanden
sind. Hier giebt sie nicht nur den Reisenden Nahrung,
sondern auch durch ihre Blätter den Lastthieren ein ge-
höriges Futter.
‚So. zieht sich‘ die Dattel-Palme durch ganz Afrika,
bis zum Atlantischen Ocean hindurch, und ist selbst auf
den Canarischen Inseln zu Hause, doch fehlt sie süalich
vom Senegal und ebenso in der südlichen Halbkugel. Oest-
lich, in: der Oase von Darfur, unter 13 bis 15° N. Breite,
kommt die Dattel-Palme nicht mehr vor, überhaupt 'er-
streckt sich die: Zone derselben, wo sie närhlich gut ge-
deiht, von 19 bis 35° N. Breite. Allerdings kommt die
Dattel-Palme auch nach Europa hinüber und wird daselbst
noch in 44° ‚Breite, in Italien nämlich, bei einer mittleren
Temperatur von 13 bis 14° Cels., an Mauern. gezogen.
Osbeck fand die Dattel-Palme bei einem Kloster in der
Nähe von Cadix so hoch, wie die Gebäüde desselben.
Nach Herrn Link *) blüht die Dattel- Palme: wohl im süd-
lichen Europa, als in. Sicilien, Morea und dem'südlichen
Spanien, sie trägt auch wohl Früchte, doch werden diese
noch: nicht süfs; nur auf der Ebene von Elche im’ südli-
chen Spanien, wird die Dattel- Palme ihrer süfsen Früchte.
wegen: gebauet. ‘In allen übrigen, nördlicheren: Gegenden
pflegt man sie der Blätter wegen. In Sicilien. wächst: die
Dattel- Palme noch in 1700 Fufs Höhe, nämlich bei Adernod
und Trecastagne am Aetna **), doch wahrscheinlich trägt
sie daselbst keine Früchte. Auch nach Amerika ist die
Dattel-Palme übergeführt, und sie soll daselbst, auf den
westindischen Inseln, sehr gut gedeihen, auch sogar auf
der Westküste von Südamerika, selbst bis Copiapo, im
27° südlicher Breite gezogen: werden, doch habe ich selbst
in jenem Lande diese Pflanze nicht gesehen, auch möchte
ich beinahe bezweifeln, dafs die Dattel-Palme im nördlichen
Chile, wo die Wärme durch eigenthümliche Verhältnisse
so äufserst niedrig ist, gute Früchte tragen kann.
Die Dattel-Palme giebt ein Beispiel von ganz aufser-
ordentlicher Fruchtbarkeit, und ihre Früchte bieten in den
*) Die Urwelt IL. p. 347.
**) S. Philippi, Ueber die Vegetation am Actna. Linnaca Bd.
VII p. 731.
396
unfruchtbarsten Gegenden von Arabien und Aegypten die
hauptsächlichste‘ Nahrung der Völker dar. Es ist eine
diöeische Pflanze, und wo der männliche Baum fehlt, da
müssen die Bewohner jener Gegenden den Blüthenstaub
zur Befruchtung der weiblichen Blumen herbeiholen, sonst
fallen diese ab. So war den Bewohnern jener Wüsten
Arabiens und Afrika’s die Verschiedenheit in den Geschlech-
tern der Pflanzen schon lange bekannt. Ja die Araber
heben den Blüthenstaub von einem Jahre zum andern auf;
für den Fall nämlich, dafs die männlichen Blüthen im
nächsten Jahre mifsrathen möchten. Schon Theophrast hat
diese künstliche Befruchtungsart der Dattel-Palme gekannt.
Durch die Cultur ist auch die Frucht der Dattel-Palme
sehr verändert worden, und man hat jetzt mehrere sehr
ausgezeichnete Varietäten davon, ja Herr Bove *) sah im
glücklichen Arabien sogar eine weifse Varietät.
Auch von der Dattelpalme benutzt man den rohen
Saft zur Bereitung des Palmweines, so wie die jungen Blät-
ter oder das Herz der Pflanze zum Kohl, und auch die
Blätter und das Mark finden dieselbe Benutzung, wie bei‘
der Cocos- Palme.
Die Chilenische Palme (Molinaea micrococos Bert.).
Die Chilenische Palme ist nicht, wie Molina vermu-
thete, eine Cocos- Art, sondern sie bildet eine eigene Gat-
tung, welche Berteno em Geschichtschreiber und Natur-
forscher Molina zu Ehren, mit dem Namen Molinaea mi-
crococos **) belegt hat. Diese Palme, welche früher in
ungeheueren Wäldern in Chile vorgekommen sein soll,
jetzt aber nur noch sehr selten ist, ist die südlichste in
Amerika, wo sie bis über 35° südlicher Breite hinabgestie-
gen ist und daselbst eine so nıedere Temperatur findet,
dafs der Schnee im Winter oftmals mehrere Stunden lang
liegen bleibt. Auf der Insel Juan Fernandez ist die Mo-
*") Ann. des science. nat. 1834. 1.
**) El Mercurio chileno. Santiago, 1828.
397
linaea ebenfalls zu Hause, und noch im 37sten Grade der
Breite wird sie angepflanzt.
Auch diese Palme ist aufserordentlich fruchtbar und
jeder Spadix trägt über 1000 Nüsse. Der Kern dieser
Nüsse wird zur Bereitung des Dulce sehr gesucht und
ist selbst Gegenstand der Ausfuhr nach Peru. Auch ein
sehr wohlschmeckendes Oel bereitet man aus dem Kerne.
S Die Blätter, .die jungen Schöfslinge, die Scheiden,
u. s. w. werden auch von dieser Palme auf eben dieselbe
Weise benutzt, wie bei der Cocos-Palme.
Die Mauritius-Palme (Mauritia flexuosa L.).
Die Fächerpalme am Ausflusse des Orinoco ist eben-
falls eine ausgezeichnete Nahrungs - Pflanze, wie Herr
Alexander. v. Humboldt *) berichtet, so ernährt sie allein
die unbezwungene Nation der Guaraunen. Zur Regenzeit,
wenn das Delta des Orinoco überschwemmt ist, dann le-
ben die Guaraunen nach Art der Affen auf den Bäumen
jener Palme, indem sie Hängematten, aus dem Blattstiele
der Mauritia gewebt, von Stamm zu Stamm aufgespannt
haben. Nachdem sie diesen hängenden Boden mit Thee
bedeckt haben, können sie auf demselben Feuer anmachen.
Die Mauritia ist eine gesellig lebende Palme, welche
in sumpfigen Gegenden und am Ufer stehender Gewässer,
wie in der Nähe der Ströme vorkommt. Das ganze nörd-
liche Südamerika, östlich der Cordillere, scheint mit der
prachtvollen Mauritia beschenkt zu sein; von der Mün-
dung des Orinoco’s bis zum Amazonen - Strome, durch
die ganze Gujana, durch Surinam und durch das nördli-
che Brasilien hindurch, so wie in den verschiedensten Or-
ten, entlang dem Amazonen-Strome, bis zu dessen Zu-
flusse auf dem östlichen Abfalle der Cordilleren- Kette, fin-
det sich diese Palme in mehr ‘oder weniger grofsen Wäl-
dern vereinigt. Die ‚grauen und glatten Stämme der Mau-
ritia sollen im nördlichen Brasilien so gesellig auftreten,
*) Ansichten der Natur, TI, p. 26.
398
dafs sie, wie Herr: v. Martius sagt, 'bei einer Höhe von
100 Fußs, gleich Pallisaden einer N aneinander
gestellt sind.
Die Blätter der Mauritia sind fächerförmig und ihre
Fasern geben ‘das Material zu mannigfaltigen 'Geflechten,
als zu Matten und Tauen, womit die Guarauner ihre über-
irdischen Wohnungen an den Gipfeln der: Palmen oder
an abgehauenen Baumstämmen errichten. . Auch haben die
Otomaken, am Delta. des Orinoco’s, ’die Kenntnifs: von der
Bereitung eines Fliegennetzes , welches ebenfalls ‚aus den
Fasern der Mauritia-Blätter geflochten wird. Die Früchte
der Mauritia, welche roth gefärbt sind, und’ geschuppt,
wie die Tannenzapfen aussehen, Köngekih in üngeheuern
Trauben ‘von’ dem Gipfel der Palme herab, und haben den
Geschmack von recht reifen Aepfeln *).
Aus dem Safte der Mauritius- Palme machen die Gua-
raunen durch Gährung ihren süfsen und berauschenden
Palmwein, und das Mark des Stammes liefert, ehe die
männliche Palme ihre Blüthenscheiden austreibt, ein sagu-
artiges Mehl, welches, ähnlich wie die Manioca, .in grofsen
dünnen ‘Scheiben zu Brod gedörrt wird: und eine .allge-
meine ‘Nahrung darbietet, so dafs man: diese Palme auch
de Sagu -Palme Südamerika’s one |
Die Sagu- Palme.
Tbie Sagu, welche .aus verschiedenen op Län:
dern’ zu uns kommt, wird gewifs aus sehr verschiedenen
Palmen bereitet, vom denen uns noch mehrer® unbekannt
sein möchten. "Die ‘gewöhnlichsten Palmen. welche den
Sagu' geben, sind Sagus Rumphii, Cycas cireinalis, C. re-
voluta, Corypha umbraeulifera, Caryota urens und Phoenix
farinifera. Das Vaterland der Cycas circinalis ist sehr
ausgebreitet; sie kommt von Japan an bis Siam vor, und
wächst auf allen den indischen Inseln, als auf Java, Su-
*) S. Alexander von Humboldt, Reise etc. V. p. 8. Buch IX.
Cap. XXV.
399
‘ matra, Borneo, Macassar, Ceram, wo man grofse Wälder
von dieser Palme antreffen soll, welche die morastigen
Gegenden bedecken.
Es ist bekannt, dafs der Sagu aus dem Marke der
Palmstämme bereitet wird, indessen die Zeit, in welcher
das Mark dazu am meisten geschickt ist, ist nicht immer
gleich, sondern man mufs diejenige Zeitperiode abwarten,
‚wenn die Palme ihre Spadices entwickelt hat, diese aber
noch nicht geöffnet sind. Benutzt man den Baum in einem
späteren Zustande, so erhält man entweder gar keine Sagu
oder nur eine sehr schlechte holzige Sorte. Nachdem man
zur Bereitung der Sagu die Palmstämme abgehauen hat,
nımmt man das Mark aus denselben heraus und zerreibt
es im Wasser zu ganz kleinen Stückchen, welche man
durch ein Sieb laufen läfst.
Im Lande selbst, wo die Sagu bereitet wird, da macht
man aus derselben ein wohlschmeckendes Brod *), welches
in viereckig ausgehöhlten Steinen gebacken wird, nachdem
dieselben gehörig erhitzt worden sind. Im frischen Zustande
ist das Sagubrod weich, später wird es aber ‚steinhart,
indem das Amylum der Sagu durch die Einwirkung der
Hitze zu einer durchsichtigen, äufserst spröden Masse
gelatinirt. Fast auf jeder Insel Indien’s wird Sagu berei-
tet, wovon mancher sehr schlecht, anderer ‚aber äufserst
fein ist und sich durch die weifseste Farbe auszeichnet.
Dieses reicht hin um zu zeigen, von welcher grofsen
Nützlichkeit die Palmen sind, deren Mark ein sehr zartes
und 'nahrhaftes Brod liefert; es sind jedoch Gewächse,
welche nur selten über die Wendekreise hinausgehen. Sie
wachsen wild in: den Wäldern jener Länder, und der In-
dianer, welcher zu faul ist, andere Cultur-Gewächse zu
*) Das Wort Sagu bedeutet in der Sprache der Papuas so viel
als Brod, und da das Brod in jenen Besitzungen aus Palmmark: ge-
macht wird, so ist der Name des künstlichen Produktes auf das Mark
der Palme übergegangen, woraus es bereitet wird. Beı Pigafetta
findet sich dieses Wort zum ersten Male gebraucht; er sah die Berei-
tung des Sagubrodes auf den 'Moluccen.
400
bauen, kann sich von ihnen mit Leichtigkeit die hinreichende
Nahrung verschaffen.
In Ostindien ist die Bereitung des Sagumehls Gegen-
stand eines sehr ausgedehnten Zweiges des Ackerbaues
geworden, der zugleich sehr einträglich ist. Der indische
Sagubaum, Sagus Rumphii oder Metroxylon Sagus Roxb,.,
liefert eine so grofse Quantität von Nahrungsstoff, dafs er
darin alle übrigen Culturpflanzen weit übertrifft. Ein ein-
zelner Stamm dieser Palme giebt im 45ten Jahre bisweilen
schon 600 Pfund Sagu, und eine englische Acre Landes
(40 Ruthen lang und 4 breit) kann 435 Sagu-Palmen er-
nähren, welche demnach jährlich an 8000 Pfunde Sagu
geben. *)
Die Guineische Oel-Palme (Elais guineensis L.)
Die grofse Menge von Palmöl, welche gegenwärtig
in unseren Fabriken verbraucht wird, soll hauptsächlich
von der Elais guineensis Linn. abstammen, wärend das
bekannte Cocosnufs-Oel aus den Nüssen von Cocos nu-
cifera und das aus Amerika zu uns kommende Oel haupt-
sächlich von Cocos butyracea bereitet wird. Die Elais
guineensis hat ihr Oel in der fleischigen Hülle, welche
den Saamen dieser Palme überzieht, und man erhält das
Oel durch blofses Auspressen dieser Saamenhüllen, wärend
das bei der Cocosnufs durch Auskochen, oder durch vor-
hergehende Fäulnifs und durch Auskochen der Nüsse ge-
wonnen wird.
Dieses Palmöl ist sowohl weifs als gelblich, und hat
eine Consistenz wie Butter, einen lieblichen Veilchengeruch,
und auf der. Zunge einen zarten und angenehmen Ge-
schmack. Seitdem, besonders in neueren Zeiten, der Ver-
brauch dieses Palmöl’s in unseren Fabriken so grofs ist,
ist dasselbe ein bedeutender Handelsgegenstand geworden,
und dient nun den Bewohnern der Tropen zur Vermeh-
rung ihres Wohlstandes.
*) $. Crawford Hist. of the Ind. Archip. I. pag. 387 und 393.
401
Die Wein -Palme.
So wie wir im Vorhergehenden gesehen haben, dafs
sich einige Palmen durch besondere Nutzbarkeit ihrer ein-
zelnen Theile auszeichnen, indem die eine ganz vorzüglich
nützliche Früchte, die andere ein nahrhaftes Mark, andere
vorzügliches Oel geben u: s. w., so giebt es noch mehrere
andere Palmen der tropischen Zone, welche meistens ganz al-
lein nur auf Palmwein gezogen werden. Ich nenne hier die
Phoenix (Elate) sylvestris, an der Küste von Malabar und
auf den niederen Plateau’s von Indien, die Nipa-Palme
auf den Philippinen und Java, Cocus butyracea (Wein-
palme) in Südamerika, und vorzüglich den Borassus flabel-
Jiformis, obgleich noch viele andere Palmbäume Wein
geben, welcher aber nicht in so grofsen Massen fliefst und
nicht so gut ist. Die Gewinnung des Palmwein’s aus der
genannten Pflanze ist ganz gleich derjenigen, aus dem Safte
der Cocospalme, welcher besonders geschätzt wird. Indem
man den. Blüthenkolben, ehe er ganz ausgebildet ist, ent-
weder blofs an’ der Spitze einschneidet und diesen Schnitt
täglich erneuert, oder indem man den ganzen Schöfsling
abschneidet und die Wunde täglich erweitert. Mehrere
dieser Weinpalmen geben auch aus ihrem Safte eine grofse
Menge Zucker, und dieser wird dann meistens zu Arrack
verbrannt.
Die Bereitung des Palmweins aus der Wein- oder
‚Königspalme (Cocos butyracea) Südamerika’s ist eine an-
dere, worüber uns Herr Alex. v. Humboldt *) umständliche
Nachrichten mitgetheilt hat. Nämlich nachdem der Stamm
dieser Palme, der nur wenig gegen die Höhe abnimmt,
umgeworfen ist, wird unterhalb des Blätter- und Blüthen-
gipfels, in dem holzigen Theile desselben, eine Aushöhlung
von 18 Zoll Länge, 8 Zoll Breite und 6 Zoll Tiefe ge-
macht, worin: sich nach 3 Tagen ein weifslichgelber, sehr
klarer Saft versammelt, welcher einen süfslichen, weinar-
*) Reise ın die Aequinoctial- Gegenden. VI. 2. 1832. pag. 59.
26
402
tigen Geschmack hat. Wärend 18 bis 20 Tage sammelt
man täglich von diesem Palmweine, der gleichsam schon
im Stamme, gleich nach der Fällung ‘desselben, in Gährung
übergeht, und es ist eine auffallende Erscheinung, dafs sich
diese Masse Nahrungssaft, noch lange nach dem Fällen des
Baumes zusammenzieht. Ein Baum giebt gewöhnlich 18
Flaschen Saft, und der Ausflufs soll reicher sein, wenn
man die Blattstengel, welche am Baume sitzen, verbrennt.
In Östindien ist die Cultur der Fächerpalme, Palmyra
oder Brab der Engländer (Borassus flabelliformis), von
aufserordentlicher Bedeutung, denn die Massen von Paim-
wein, welche daselbst econsumiret werden, sind aufseror-
dentlich grofs. Leider wächst diese prachtvolle Palme nur
sehr langsam und, erst nach 30 bis 40 Jahren ihres Alters,
giebt sie den beliebten Palmwein. Der Palmwein von
Phoenix sylvestris ist nicht so beliebt, und wird in Indien
mehr von den armen Menschen ‘genossen, wärend die
Reichen den Wein der Palmyra trinken.
Es möchte hinreichen, um gezeigt zu haben, dafs die
Familie der Palmen eine grofse Menge von Arten aufzu-
weisen hat, welche den Menschen eine Masse der besten
Nahrungsmittel gewähren; möge man aber nicht die, so
allgemein verbreitete Meinung theilen, dafs diese Nahrungs-
mittel eben so reich und so leicht, zu erwerben sind, als
das Clima glücklich ist, in welchem jene Palmen wachsen.
Gewifs ist die Cultur der Palmen der regelmäfsigen und
so ziemlich gewissen Erndte unserer Cerealien nachstehend.
Nur ein so leicht zu befriedigender Magen, nur so genüg-
same Menschen, wie die Indianer, können sich für längere
Zeit von den Nahrungsmitteln der Palmen ernähren, und
wenn es auch allerdings wahr ist, dafs der wilde Indianer,
welcher in den Wäldern der Berge umherschweift, haupt-
sächlich von wildwachsenden Palmen sich ernährt, so möge
man dabei nicht vergessen, dafs demselben auch manche
Tage vorübergehen, an welchen er nichts zu essen hat.
Es würde die mir vorgesteckten Grenzen dieses Hand-
buches weit überschreiten, wollte ich hier alle die haupt-
403
sächlichsten Früchte und deren geographische Verbreitung
‚aufzählen, welche.in den verschiedensten Gegenden der
Erde, mehr oder weniger, nicht nur als Luxus, sondern als
wahres Nahrungsmittel benutzt werden. Aufser den vor-
- her. aufgeführten Nahrungsmitteln pflegen selten, selbst in
solchen Gegenden, wo die schönsten der wohlschmeckend-
sten tropischen Früchte in gröfster Menge vorkommen,
diese als gewöhnliches Nahrungsmittel benutzt zu werden,
sondern sie dienen auch hier mehr zum Luxus, oder zur
Verfeinerung des Geschmacks der gewöhnlichen Genüsse.
Ja fast überall bei den Völkern, wo die wohlschmeckenden
Früchte der: Tropen 'angebauet werden, dä findet man
schon einen, mehr oder weniger hohen Grad von Cultur;
der rohe Indier kümmert sich um diese nicht, wenn sie
ihm nicht die gewöhnlichste Nahrung. darbieten. Die herr-
liche ‚Orangenfrucht, die kostbare Mango, die Ananas, die
Anonen und so viele andere dieser edelen Früchte, findet
man nur selten bei den uncultivirten Völkern, daher ich
dieselben hier übergehe, und nur auf den Nutzen einiger
anderen ‘Früchte aufmerksam mache, welche für gewisse
Zeiten mehr oder weniger die alleinige Nahrung der ein-
zelnen Völker ausmachen, oder, auf irgend eine Weise,
mit der Lebensart derselben in unmittelbarer Abhängigkeit
stehen, und durch ihre eigenthümliche chemische Zusam-
mensetzung für längere Zeit aufbewahrt werden können.
Unter diesen, hier besonders aufzuführenden Früchten sind
manche, welche nur durch gewisse Lokalverhältnisse zu
einer besonderen Wichtigkeit für die Völker werden, wä-
rend sie, an anderen Orten vorkommend, wo gröfserer
Reichthum an besseren Früchten ist, als höchst unbedeu-
tend erscheinen, ja oft ganz übersehen werden.
Ich nenne hier folgende:
Die Wassernufs (Trapae spec. var.).
Die Wassernufs unserer europäischen Gewässer hat
bekanntlich sehr grofse Saamen, welche reich an Amylum.
und fettem Oele sind, und obgleich sie in unseren Seen
26 *
404
in sehr grofsen Massen auftreten, werden sie dennoch nur
wenig benutzt. Dagegen werden in Indien und in China,
wo durch die aufserordentliche Bevölkerung selbst der
fruchtbarste Boden noch immer nicht genug Nahrungsmit-
tel hervorbringt, auch die Früchte der verschiedenen Was-
sernufs- Arten gegessen, welche in den Seen jener Länder
in enormer Menge vorkommen. In Indien ist es die Trapa
bispinosa Roxb., und in China die Trapa bicornis Linn.,
welche die mehl- und ölreichen Saamen liefern, ohne
dabei besonderen Wohlgeschmack zu zeigen. Ueberall auf
den Märkten des südlichen China’s, sowohl in den grofsen
Städten als Canton und Macao, sowie an allen den kleinen
Oertern, wo ich hingekommen bin, da findet man die Frucht
der genannten Wassernufs, als ein Nahrungsmittel der
Armen, zum Verkaufe ausgestellt. Ganz aufserordentlich
mufs die Erndte ‚dieser Frucht auf den Höhen des Hima-
laya sein, wo, z. B. auf dem Plateau von Caschmir, wie
Moorceroft #) und vor ihm schon G. Forster **) erzählen,
eine solche Menge von diesen Früchten, als ein gewöhnliches
Nahrungsmittel verbraucht werden, dafs dieselben dem Staate,
welcher sich das Monopol dieses Handels angeeignet hat,
eine reine Einnahme von 12000 Pfund Sterling einbringen.
In enormer Menge kommt diese Pflanze in den Seen und
Teichen des Hochlandes von Casehmir vor, und eine grofse
Anzahl von Menschen sind, den gröfsten Theil des Jahres
hindurch, damit beschäftigt, diese Nüsse aus der Tiefe der
Gewässer zu fischen.
Das ewig grünende Land von Caschmir besitzt noch
mehrere andere Gewächse, welche daselbst die gewöhn-
lichen Nahrungsmittel geben, wärend ähnliche Früchte bei
uns und in anderen Ländern, wo solche Ueberfüllung mit
Menschen noch nicht stattfindet, und Reichthum an anderen
*) Notices of the natur. product. and agricult, of Cashmere —
Journ. of the Roy. Geogr. Soc.:of London. Vol. II. pag. 253 etc.
*) Voyage du Beng. a Pet. Paris 1802. Tom. I. pag. 318.
.
405
Früchten herrscht, nur nebenbei, und meistens nur von
den Reicheren zur Abwechselung gegessen werden. Die
Früchte des Wallnufsbaumes geben hiezu Beispiele, denn
ihr Anbau scheint im Thale von Caschmir sehr grofsartig
betrieben zu werden, so dafs man nach Moorcroft vier
verschiedene Arten daselbst vorfindet, welche vielleicht nur
durch Veredelung entstandene Varietäten sind. Bekannt-
lich hat die Wallnufs ein sehr wohlschmeckendes Oel,
verhältnifsmäfsig eben so viel, als die Olive, und grofse
Massen jener Früchte werden daher auch in .Caschmir,
zur Bereitung des Oeles angewendet, und dieses Oel wird
von dortaus sogar nach Tübet ausgeführt; jedoch wird das
Sesamöl: dem Wallnufsöl noch vorgezogen. Da auch das
Helz des Wallnufsbaumes von Caschmir sehr geschätzt
wird, so ist die..Cultur dieses Baumes auf jenem Plateau
sehr ausgedehnt, und der Ertrag dieses Gewerbzweiges
mufs auch sehr bedeutend sein, da die Regierung sich zum
wenigsten mit den Eigeneren darin theilt.
Auch in den Wäldern Europa’s, welche eigentlich arm
an efsbaren Früchten sind, kommen mehrere Bäume vor,
deren Früchte in früheren Zeiten, als der Ackerbau erst
im Entstehen war, den rohen Völkern die gewöhnliche
Nahrung dargeboten haben und, mehr oder weniger, noch
gegenwärtig den Bewohnern einzelner Gegenden von der
höchsten Wichtigkeit sind, als z. B.:
Die Kastanie (Castanea vesca Gaertn.).
Die Kastanie, die wohlschmeckende Frucht von Casta-
nea vesca Gaertn., wächst im ganzen südlichen Europa
und findet in dem wärmeren Theile der temperirten Zone
ihre wahre Heimath. In Asien findet sich diese Kastanie
im westlichen Grusien und auf den höheren Gebirgen des
Kaukasus, wo sie von Bieberstein aufgefunden ist, und
wahrscheinlich ist unsere europäische Kastanie auch im
nördlichen China zu Hause, obgleich die Früchte, welche
von dort aus durch den Handel nach Canton kamen, etwas
verschieden von den gewöhnlichen gestaltet waren. Herr
406
‚Link *%), der genaueste Kenner der süd-europäischen Flora,
hat die Verbreitung der Kastanie für das südliche Europa
sehr genau angegeben. Nach Herrn Link’s Untersuchungen
findet sich der Kastanienbaum im nördlichen Griechenland,
im mittleren steigt er auf die Berge, und im südlichen findet
er sich nur in sehr bedeutenden Höhen. #**) . Ebenso in
Italien; er macht die Wälder auf den Bergen von Piemont,
und gehört zu den Hauptnahrungsmitteln für den grofsen
Haufen in den Thälern der Waldenser und der anliegenden
Gegenden, er hebt sich immer höher, und bildet endlich
‘einen sehr bekannten Wald am Aetna. In der wärmeren
Schweiz und im südlichen Tyrol ist er ebenfalls em ge-
wöhnlicher Waldbaum, welcher den Reisenden aus dem
Norden, auf dem südlichen Abhange des Simplon, etwa
14— 1500 Fufs unterhalb der gröfsten Höhe jener berühm-
ten Strafse, auf das freundlichste begrüfst. Vorzüglich soll
die Kastanie in den Cevennen und in Limonsin zur Nahrung
dienen. Die hohen Berge in Spanien und Portugal fand Herr
Link oftmals ganz mit Kastanienbäumen bedeckt, oder sie
bilden daselbst einen Gürtel unterhalb der kälteren Spitze,
wie auf der Serra de Marao. Aber dieses Areal der Ka-
stanie ist durch die Kunst noch sehr erweitert, sowohl
nach Norden als nach Süden. In Deutschland sind die
Wälder der ächten Kastanie gar nicht so selten; am Rhein
gehen sie noch weit hinauf, und sie gedeihen, wenn auch
nicht in so grofsen Massen, noch im Harz und selbst um
Berlin und Potsdam recht sehr gut, so dafs man gröfsere
Anpflanzungen dieses’ so schönen und so nützlichen Bau-
mes, besonders an gegen Norden geschützten Orten, wohl
versuchen sollte; sie würden vielleicht mehr Ertrag geben,
als der schlechte Wein unserer Gegenden.
Schliefslich mache ich über diesen Gegenstand “.
Herrn Link’s gelehrte antiquarische Untersuchungen auf-
*) Die Urwelt u.s.w. 2te Auflage. 1834. I. pag. 355.
*") Das südliche Griechenland hat aber auch ein Clima, welches
dem der subtropischen Zone. angehört.
a ——————
407
merksam, welche derselbe in seinem Werke über die Ur-
welt, Bd. I. pag. 356 u. s. w., mitgetheilt hat, worin nach-
gewiesen wird, dafs schon die ältesten griechischen Natur-
forscher diese kostbare Frucht gehörig gewürdigt haben
und sie unter dem Namen der Eichel Jupiters (dıög Pa-
Acwvog) beschreiben.
Wir besitzen noch mehrere andere Bäume und Sträu-
cher in unseren europäischen Waldungen, welche ähnliche
nahrhafte und wohlschmeckende Früchte hervorbringen,
welche jedoch von weniger Wichtigkeit als die Kastanien
in dem Haushalte der Menschen sind. Bekannt ist es, dafs
im südlichen Europa Eichen mit efsbaren Früchten auf-
treten; es ist dieses Quercus Aegilops L., ein hoher und
schöner Baum Griechenland’s mit immergrünenden Blät-
tern. Die Früchte dieses Baumes sollen indessen nicht
besonders angenehm schmecken, und daher auch die Grie-
chen, wie Herr Link bemerkt, dieselben den Schweinen
überlassen, wenn sie andere Nahrung besitzen. Auch in
Albanien bildet diese Eiche grofse Wälder. Eine zweite
Eiche mit efsbaren Früchten ist Quercus Ballote Desf.,
welche vom nördlichen Afrika aus zuerst bei uns bekannt
wurde; indessen Herr Link hat gefunden, dafs dieser Baum
im südlichen Portugal und dem angrenzenden Spanien grofse
Wälder bildet, und dafs die Früchte desselhen in diesen
Ländern häufig gegessen werden, ja vor den Thoren von
Madrid werden sie mit den Kastanien. verkauft.
Aufser den genannten efsbaren Früchten unserer Wälder
sind noch die Haselnufs (Corylus Avellana) und die Pinien-
körner (Pinus Pinea L. und P. Cembra L.) zu nennen. Die
efsbare Fichte ist im südlichen Europa zu Hause; schon
in Ober-Italien findet man die Früchte dieses Baumes auf
den Märkten zum Verkaufe ausliegen, die Zürbelfichte da-
gegen ist schon in der Schweiz, in Tyrol und in Sibirien
zu Hause, und ihre Früchte werden dort, wo gerade nicht
grofser Reichthum an anderen Nahrungsmitteln stattfindet,
sehr gewöhnlich zum Essen angewendet. Auch in Ostindiens
Hochländern werden viele Pinien mit efsbaren Früchten ge-
408
funden. Die Haselnufs ist dagegen eine viel nahrhaftere und.
wohlschmeckendere Frucht, welche bekanntlich verhältnifs-
mäfsig reicher an Oel ist, als die Wallnufs und der Olivenkern.
Im nördlichen Europa, selbst bis weit über den arktischen
Kreis hinaus, spielt die Haselnufs eine wichtige Rolle im
Haushalte der armen Landbewohner, und wahrscheinlich
würde man grofse Anpflanzungen dieses herrlichen Strau-
ches mit grofsem Erfolge betreiben können, wenn nicht,
der grofsen Masse Oel wegen, die Kerne dieser Nüsse so
leicht ranzig würden.
In Südamerika spielt die Araucaria, auf ds Cordillere
des südlichen Chile, eine sehr wichtige Rolle in dem Haus-
halte der rohen Indier. Dieser prachtvollste aller Coni-
feren-Bäume, den ich schon früher, pag. 157, geschildert
habe, bringt eine sehr grofse Menge wohlschmeckender
Saamen zur Reife, welche doppelt so grofs sind. als Man-
deln’ und den rohen Bewohnern der südchilenischen Cor-
dillere ‚eine. sehr beliebte Speise liefern. Die nördlichsten
aller: Araucarien- Wälder kommen erst in der Breite von
Concepeion vor, also in Gegenden, wo die Niederlassungen
der Weifsen auf chilenischem Boden schon ganz unbedeu-
tend sind. Die Araukaner sind es aber, welche die Früchte
jenes herrlichen Baumes geniefsen und, so wie bei anderen
rohen Völkern, wird auch bei diesen, die Zeit der Erndte
dieser Nüsse eine Zeit des allgemeinen Jubels. Auch herrscht
daselbst ein solcher Reichthum an diesen Früchten, dafs
viele jener barbarischen Indier, ohne irgend einen Zweig
des Ackerbaues zu betreiben, diese Nüsse als die alleinige
vegetabilische Nahrung benutzen, |
Der Catappa-Baum (Terminalia Catappa) ist ein tro-
pischer Baum von der Form einer Linde, ebenfalls mit
wohlschmeckenden, efsbaren Kernfrüchten versehen, der
auf vielen Inseln des indischen Archipels, besonders auf
den Molukken vorkommt und zur Nahrung benutzt wird.
Die Frucht hat Aehnlichkeit mit einer Wallnufs, ist aber
platt; anfangs ist sie roth gefärbt, wird aber im reifeu
Zustande schwarz und enthält 4 bis 2 mandelartige Kerne.
409
Wahrscheinlich würde die Catappafrucht eine weit wichti-
sere Rolle im Haushalte der Indianer jener Inseln spielen,
wenn daselbst nicht Ueberflufs an so verschiedenen ande-
ren, weit ergiebigeren Nahrungspflanzen wäre. Von grö-
fserer Wichtigkeit erscheinen die Juvias in den Wäldern
des aequatorialen Südamerika’s.
" x
—
Brasilianische Kastanien oder Juvias (Früchte der Bertholletia
excelsa Humb. et Bonp!l.).
Die Juvias, welche zu uns, von Brasilien aus, unter
dem Namen der brasilianischen Kastanien, der brasilianischen
Nüsse u.s. w. kommen, gehören einem der prachtvollsten
Waldbäume an, welcher im Inneren von Südamerika vor-
kommt und der Familie der Myrtengewächse angehört.
Herr Alexander v. Humboldt, vor dessen ergebnifsreicher
Reise naclı Amerika jener Baum mit den wohlschmecken-
den und überaus nützlichen Früchten fast ganz unbekannt
bei uns war, hat jene Gegenden bereist, wo derselbe vor-
kommt, und in seinem Reisebericht auch über diesen Ge-
genstand eben so ausführliche, als höchst interessante Mit-
theilungen gemacht. *) ;
Der Juvia-Baum hat einen Stamm von 2 bis 3 Fufs
Durchmesser und eine Höhe von 100 bis 120 Fufs. Die
langen Aeste der Bertholletia, sagt Herr Alexander von
Humboldt, öffnen sich weit; sie sind unten beinahe nackt,
gegen die Spitzen hingegen mit dichten Blattbüscheln be-
setzt. Diese Vertheilung der halb lederartigen, auf der
Unterseite etwas ‚silberfarbenen und über 2 Fufs langen
Blätter wiegt die Zweige gegen die Erde hinab, wie es bei
den Zweigen der Palmbäume der Fall ist. Im 45ten Jahre
blüht dieser prachtvolle Baum, meistens Ende März und
im Anfange des April, worauf die Früchte schon gegen
Ende Mai reif sind. Die grofsen Früchte dieses Baumes
sind 42 bis 13 Zoll im Durchmesser und kugelförmig ge-
”) S. dessen Reise in die Aequinoctial - Gegenden. IV. pag. 466
u.s. w. Buch VIII. Cap. XXIV.
410
staltet; sie haben eine sehr harte holzige Fruchthülle von
einem halben Zoll Dicke und enthalten 15 bis 22 solcher
einzelnen Nüsse, wie sie zu uns in den Handel kommen.
Da die Nüsse bei ihrer Reife schon innerhalb der grofsen
Hülle ganz frei liegen, so machen die Früchte, wenn sie
von dem Baume herabfallen, ein aufserordentliches Getöse.
Der Geschmack dieser bekanntlich sehr grofsen man-
delartigen Saamen ist, so lange sie frisch sind, sehr ange-
nehm, doch werden sie, des vielen Oeles wegen, welches
in denselben enthalten ist, sehr bald ranzig; indessen oft-
mals schmecken sie noch bei uns, nachdem sie eine so
weite Reise gemacht haben, recht a gut.»
Die Bertholletia excelsa, welche diese aufserordentlich
nahrhafte Frucht liefert, scheint im Inneren des tropischen
Südamerika’s ein ziemlich ausgedehntes Vorkommen zu
besitzen, indessen entfernt sie sich wohl nicht weit zu
beiden Seiten des Aequators; sie ist in den Wäldern am
Ausflusse des Amazonenstromes, wie in den Cerros de
Guayanna in 3° Breite beobachtet. Die Herren 'v. Hum-
boldt und Bonpiand fanden diesen prachtvollen Baum zu-
erst an der Mündung des Cassiquiare, und grofse Wälder
desselben sind in dem ewigen Waldmeere zu finden, wel-
ches die Ufer des Rio Negro, sowie des ganzen Zwischen-
Strom-System’s umfliest, das den Amazonenstrom mit dem
Orinoco verbindet. Oberhalb von Gehette und Chiguire
sollen nach den Mittheilungen, welche Herrn Alexander von
Humboldt gemacht wurden, der Juvia- und der Kakaobaum
ganz aufserordentlich gemein sein.
Wenn die Zeit der Reife der Juvianüsse eintritt, dann
ziehen die Indier des Ober-Orinoco nach jenen Wäldern,
wo diese Bäume in grofsen Gesellschaften auftreten, und
sammeln dort die köstliche Frucht in gröfsten Massen ein,
um sie zu Hause, als gewöhnliches Nahrungsmittel zu be-
nutzen. Die Heimkehr von diesen Erndten wird dann durch
Feste gefeiert, wobei die rohesten Ausschweifungen statt-
finden, wie es Herr Alexander v. Humboldt *) so aufser-
ordkntch aebhate beschrieben hat. z
NY l. e. pag. 463.
411
Die Anpflanzungen dieses Baumes, der eine so äufserst
angenehme und nahrhafte Speise liefert, nach anderen, echt
tropischen Gegenden, kann nicht genug denjenigen Regie-
rungen anempfohlen werden, welche ausgedehnte tropische
Colonieen inne haben. Der Kern der Cocosnufs ist gegen
die schöne Mandel der Bertholletia excelsa nur eine sehr -
rohe Frucht.
Die hauptsächlichsten Culturpflanzen, welche mehr
oder weniger zum Luxus benutzt werden.
Die Areca-Palme.
Einen ganz ähnlichen Genüfs, wie ihn die Peruaner
durch das Kauen der Coca erlangen, verschaffen sich die
Bewohner Ostindiens und der angrenzenden Südsee-Inseln
durch das Kauen der Arecanufs, welche unter der Benen-.
nung Betelnufs so allgemein bekannt ist. Die Palme,
welche die Betelnüsse giebt, ist die Areca Catechu Linn.;
sie gehört zu den schönsten Formen, welche wir in Indien
gesehen haben, und ist eine Pflanze der heifsesten Gegen-
den zwischen den Wendekreisen, liebt aber zugleich ein
feuchtes Clima. Ueberall in den Küstengegenden Ostindiens
und der angrenzenden Südsee-Inseln, der Phtlippinen, der
Carolinen, Marianen und der Societäts-Inseln, wo der
Genufs des Betels mehr oder weniger im Gebrauche ist,
da findet man dieAreeapalme in der Nähe der Wohnungen
gepflanzt, wo sie, in Gesellschaft der Bananen-Gewächse,
einen herrlichen Anblick gewährt. In der Stadt Manila
findet man die Betelpalme, in regelmäfsigen Reihen ge-
pflanzt, vor den Häusern, und Pisange, Anona squamosa,
Averrhoa Bilimbi und andere tropische Bäume stehen
dazwischen. Pigafetta fand auf den Philippinen den Ge-
brauch, Betel zu kauen, schon eben so allgemein, wie er
noch gegenwärtig daselbst ist.
Bei dem enormen Consum des Betels in jenen indi-
schen Gegenden, und selbst in China, bildet die Betelnutfs
412
einen Handelszweig von grofsem Umfange; besonders grofs
ist die Einfuhr der Betelnufs nach China, wohin sie haupt-
sächlich aus Hinter-Indien und von Sumatra gebracht wird.
Diesen Handel mit Betelnüssen und Pfeffer zwischen Suma-
tra und China betreiben grofse bewaffnete Schiffe unserer
nordischen Nationen, worunter die Nordamerikaner nicht
fehlen. Die Betelnüsse werden gegen Pulver ‚und Wäffen
eingehandelt, und, wenngleich dieser Handel mit grofsen
Gefahren verbunden ist, denn die Malayen suchen jedes
Schiff zu überfallen, so ist er auch, auf dem Markte zu
Canton, wieder eben so ergiebig. Einzelne Schiffe führen
zuweilen bis 10000 Pikel (zu 1334 Pf. engl.) von Sumatra,
und jährlich liefert diese Insel wenigstens 40- bis 60000
Pikel, welche vom Mai bis zum August abzuführen sind.
Die Insel Sumatra mit den anliegenden Ländern liefern
wohl 80- bis 90000 Pikel jährlich zur Ausfuhr, welche
meistens nach China gehen. Die frischen Arecanüsse wer-
den in den Schiffen ohne weitere Verpackung verladen,
und sie erzeugen durch das Zusammengehäuftsein wärend
der Fahrt einen hohen Grad von Hitze.
Die Arecapalme, wahrscheinlich nur auf den Sunda-
Inseln und den angrenzenden Philippinen wild wachsend,
ist nicht nur auf Sumatra, sondern vorzüglich in Indien
ein Gegenstand des ausgebreitetesten Ackerbaues. Die Insel
Ceylon, vorzüglich aber das ganze Malabar, und ‚noch wei-
ter hinauf, enthält ganz aufserordentlich grofse Anpflan-
zungen dieser schönen Palme, und der Ertrag daselbst ist
von hoher Bedeutung, da der Verbrauch der Arecanüsse
in ganz Indien ebenfalls unglaublich grofs ist, indem Jeder-
mann daselbst den Betel kauet. |
Die Arecanufs wird bei der Zubereitung des Betel-Hap-
pens in schmale, längliche Stückchen zerschlagen und in Betel-
Pfefferblätter, welche auf der einen Fläche mit rohem und
angefeuchtetem Kalke bestrichen werden, eingewickelt. Auf
der Insel Lucon findet man in jeder Wohnung, in irgend
einer Ecke, ein Kästchen oder einen Teller stehen, in
welchem die zubereiteten Betel-Happen (Buyo’s) für den
413
Verbrauch des Tages aufbewahrt werden, und jedem Ein-
tretenden bietet man eine Buyo an, ganz eben so, wie bei
uns eine Prise Tabak oder eine Pfeife. Die Leute auf
Reisen und diejenigen, welche im Freien arbeiten müssen,
tragen kleine Dosen oder Taschen bei sich, worin die
Buyo’s für den Tag über, ganz so, wie die Cocahäppchen
in Peru, aufbewahrt werden. Die Zubereitung der Betel-
Happen gehöret den weiblichen Mitgliedern jedes Hauses
an, und den Vormittag über sieht man sie fast immer auf
der Erde liegen und Buyos machen. Das Kästchen, wel-
ches hiezu gebraucht wird, enthält einige Arecanüsse, einige
Blätter des Betelpfeffers, ein starkes Messer zum Zer-
schlagen der Betelnüsse und ein kleines Tellerchen mit
angefeuchtetem Kalke, der mit einem hölzernen Spatel auf
die Blätter gestrichen wird. -Der Luxus in dem Genusse
‚des Betels ist sehr grofs; in jenen Ländern, z. B. auf den
Philippinen, mufs Jedermann Betel kauen. Wer es nur ha-
ben kann, nimmt stündlich eine neue Buyo in den Mund,
woran er wenigstens eine halbe Stunde zu kauen und zu
saugen hat. | |
Wie herrlich der Genufs des Betels ist, können wir,
die wir daran nicht gewöhnt sind, nicht beurtheilen; jene
Völkerschaften sprechen mit Begeisterung davon, und so,
wie man. in Hoch-Peru den Arbeitsmann zugleich mit Coca
besoldet, ebenso geschieht dieses auf den Philippinen mit
Betelhäppchen. Eine schädliche Wirkung möchte der Betel-
genufs auf die Gesundheit der Menschen wohl nicht aus-
üben, und man sieht auch hier, was die Macht der Ge-
wohnheit ‚ausmacht. Indessen das Betel-Kauen ist eine
der ekelhaftesten Sitten, welche bei einem Volke gefunden
werden kann; kaum vergehen, bei einem anhaltenden Ge-
brauche desselben, einige Jahre, so werden die Zähne roth,
ja selbst das Zahnfleisch wird ganz dunkelbraun gefärbt,
und eine. beständige Salivation findet statt, wobei selbst
der Speichel zuletzt ganz braunroth gefärbt ist. Ja die
tagalischen Mädchen sehen es als einen Beweis von der
Aufrichtigkeit der Gesinnungen und der Heftigkeit der Leı-
414
denschaften ihrer Geliebten an, wenn diese den Buyo aus
ihrem Munde nehmen. |
Da die Betelnufs stets mit den Blättern des Betel-
Pfeffers *) gegessen wird, so ist die Cultur dieser Pflanze
für den Landmann, in der Nähe grofser Städte, ebenfalls
von Bedeutung, denn täglich werden daselbst unglaubliche
Massen dieser frischen Betel - Pfeffer - Blätter auf dem
Markte verkauft. Man sieht diese schönen, grofsen und
herzförmigen Blätter in Haufen von 3 bis 4 Fufs Höhe
aufgeschichtet, in grofsen Körben umhertragen; doch Je-
dermann, der nur ein Stückchen Ackerland besitzt, pflegt
sich den Bedarf an diesen Blättern selbst zu ziehen. Die
Pflanzungen des Betel-Pfeffers sind in der Art angelegt,
wie bei uns die Bohnenfelder, doch stehen die einzelnen
Pflanzen weiter auseinander, und das herrliche Blatt der-
selben giebt dem ganzen Felde: ein schönes helles Grün,
wie es nur wenigen Pflanzen eigen ist.
Der Betel - Pfeffer erfordert sehr guten Boden und
dabei niederen Grund und viel Wasser; man umzieht diese
Pflanzungen mit einem Graben und einem Walle, auf wel-
chem Hecken von verschiedenen Pflanzen gemacht werden,
als z. B. in Indien von Euphorbia Tirucalliı, Arundo tibia-
lis Roxb. und: vielen Anderen mehr. Hat der Boden der
Betel - Pfeffer - Pflanzungen nicht Wasser genug, so mufs
er 6 Monate lang gewässert werden; man theilt denselben
in regelmäfsige Beete und umgiebt diese mit eingefafsten
Bewässerungs - Kanälen, aber zwischen dem Walle und
dem. Ackerlande läfst man einen freien Raum von 20 Fufs
Breite. In der Mitte jedes Beetes macht man die Löcher
zu den Stecklingen, welche stets 14 Fufs weit von einan-
der gepflanzt werden. In jedes Loch steckt man 2 Steck-
linge von 3 Fufs Länge, doch so, dafs man sie mit ihrer
Mitte in der Erde befestigt und demnach die Enden von
jeder Seite hinausragen und später ausschlagen; in den
48 ersten Monaten läfst man diese Schöfslinge an Stan-
*) Piper Betle L.
415
gen hinaufsteigen, sie verlangen wärend dieser Zeit viel
Wasser, oft täglich zweimal. Zwischen diesen eingesetz-
ten Stecklingen pflanzt man junge Bäume von Aeschino-
mene grandiflora, oder von Guilandina Moringa, oder von
Erythrina indica ete., welche sehr schnell wachsen und
später den Betel-Pflanzen zum Hinaufranken dienen, denn
schon nach 18 Monaten nimmt man diese Pflanze von ih-
ren früheren Stangen ab, legt die Basis ihrer Stengel etwa
3 Fufs lang in die Erde und führt die Stengel so, dafs
sie an den gepflanzten Bäumen hinaufsteigen können. Im
zweiten Jahr legt man die Stengel wieder 3 Fufs lang in
Erde und wiederholt dieses alle Jahr. Im vierten Jahre
kann man die Blätter pflücken, und dann dauert diese
Erndte 6 bis 7 Jahre lang, worauf die Pflanzen absterben
und durch neue ersetzt werden müssen.
Ein ähnlicher Gebrauch, wie der Genufs des Betel-
Happens, besteht in dem Kauen des Terra japonica oder
“des Suceus Catechu, auch Caschu genannt, welcher in Ost-
indien ebenfalls sehr allgemein ist. Gröfstentheils wird
diese Catechu aus den Nüssen der Areca Catechu durch
mehrmaliges Auskochen und mehrmaliges Abdampfen bis
zum vollkommenen Trockensein bereitet. In vielen Ge-
genden Indiens aber, besonders mehr nördlich, am Fufse
des Himalaya, da wird die Catechu aus dem Holze der
Mimosa Catechu Roxb. bereitet, welche daselbst wild wächst.
Auch in Ava findet sich dieser Baum. |
‘ Zur Bereitung der Catechu werden die Bäume ge-
‚fällt, das äufsere weifse Holz wird entfernt und das In-
.nere in kleine Stücke geschnitten und dreimal ausge-
kocht. Die Extraete werden dann zusammengegossen, ein-
gedickt, und zuletzt in kleinen Stücken auf Baumblätter
gelegt und in der Sonne getrocknet, wo sie bis sieben
Tage lang liegen bleiben müssen. Diese Catechu, Caschu
in Indien genannt, hat grofse Achnlichkeit mit dem Gam-
bir-Extract, worüber im Folgenden.
416
Das Gambir - Extract.
Ein ganz ähnlicher Luxus - Artikel, wie der Betel,
wird gegenwärtig, in einigen Gegenden von Indien, von
Jahr zu Jahr mit gröfserer Vorliebe aufgenommen; ich
meine hiemit das Gambir - Extract.
Die Pflanzen, welche das Gambir-Extract geben, sind
Nauclea Gambir und N. aculeata Linn., es sind Sträucher
von 5—7 Fufs Höhe, deren Blätter durch Auskochung
das beliebte Mittel geben, welches, besonders auf den Hol-
ländischen Colonieen in Indien, aber auch bei den Ma-
layen von Sumatra, als Unterhaltungsmittel gekauet wird;
man legt dem Stoffe eine so heilsame Wirkung bei, dafs
man ihn vorgeblich als Verdauungsmittel geniefst, doch
es verhält sich mit dieser Sache wohl so, wie mit unseren
Gebräuchen der Art. Der wahre Tabackraucher weifs
dem Gebrauche des Taback’s die wohlthätigste Wirkung
auf seine Gesundheit beizuschreiben.
Die Gambir - Pflanze wird gegenwärtig hauptsächlich
in den Holländischen . Colonieen Indiens gebauet, als auf
Java, besonders auf der reizend schönen Insel Bintang *),
auf Sumatra **), auf Malacca, hauptsächlich auf Singa-
poore und wahrscheinlich noch auf vielen andern Inseln
jener Gegenden. Die Holländische Regierung hat die
fremde Einfuhr des Gambir - Extracts gänzlich untersagt,
und hiemit diesen neuen Industriezweig in ihren eigenen
Besitzungen gehoben. Auf der Holländischen Insel Bin-
tang, wo die Station Rhio ist, sind schon im Jahre 1832
an 6000 Gambir-Plantagen gewesen, von denen die gro-
fsen 80— 100000 Bäumchen enthielten, die kleinen doch
wenigstens 3— 4000; man denke, welchen Einftufs dieser
Zweig der Cultur auf die Physiognomie der Vegetation
jener Insel haben mufs. Auf den verschiedenen Stellen,
wo die Gambir-Pflanze cultivirt wird, scheint eine etwas
*) $8. Bennetts WVandering. London 1834. II. p. 183 etc.
**) S, Anderson Miss. to the East Coast of Sumatra. Lond. 1826,
417
verschiedene Methode in der Einsammelung der Blätter
jener Pflanze stattzufinden. Mehr als 10 Monate lang
sind die Gambir-Pflanzen mit Blättern bedeckt, auf Ma-
lacca werden dieselben viermal im Jahre abgepflückt, auf
Bintang aber, wo das beste Gambir - Extract zubereitet
wird, da werden die Blätter der Pflanze jährlich nur zwei-
mal eingesammelt. Haben die Blätter nicht ihre vollkom-
mene Ausbildung erreicht, so wird das Extract schlecht,
und was das übelste dabei ist, auch die Plantagen werden
dadurch frühzeitig ruimirt. Wenn der Gambir - Strauch
3 Jahr alt ist, fängt man an die Blätter desselben zu be-
nutzen, und wenn man alle 6 Monate die Blattlese hält,
so können dieselben Sträucher 25 bis 30 Jahre lang aus-
halten.
Nachdem die Blätter theils unmittelbar von dem
Strauche abgepflückt sind, theils von den abgeschnittenen
Schöfslingen abgestreift worden, werden sie in grofsen ei-
sernen Kesseln 5 bis 6 Stunden lang stark gekocht, als-
dann von der Flüssigkeit getrennt, und entweder nochmals
ausgekocht oder fortgeworfen. Die zurückgebliebene Flüs-
sigkeit wird zu einem dicken Extracte inspissirt, welches
in längliche Mulden ausgegossen wird. Nachdem die
Masse hierin etwas erhärtet ist, wird sie in Stücke ge-
schnitten und an der Sonne getrocknet, und so kommt
dieses Extract in Form von harten, trockenen Stücken
von schwarzbrauner Farbe, im Inneren gelblichbraun, in
den Handel, auch hat man es schon nach England geschickt,
um es als Aetzmittel in der Färberei zu versuchen.
Der. Geschmack dieser Art von Catechu ist anfangs
süfslich, bei einem angenehmen aromatischen Wohlgeruche,
später wird derselbe etwas zusammenziehend und bitterlich.
Man: soll dieses Gambir-Extract zu Rhio auf Bin-
tang durch mehrmaliges Auflösen und Reinigen sogar ent-
färben, so dafs es weifslich aussehen soll. In den Handel
kommt dieses weifse Gambir - Extract nicht. Die Pro-
duction des Gambir-Extracts betrug auf der Insel Benang:
27
418
Im Jahr 1829 gegen 31000 Pikel.
3-80 - Eh
BTL AT
ir ABTR ER
2.4833.) = 70000 > zuidaal Did,
und der Preis dieser Waare war damals 8 Rupp. für den
Pikel, wofür sie die Regierung selbst kauft, um sie spä-
ter viel theuerer zu verkaufen. Demnach betrug die Aus-
fuhr von Benang für Gambir-Extraet, schon im Jahre
1833, 360000 Ruppien, und von Jahr zu Jahr nimmt die-
ser neue Culturzweig an Umfang zu. Ja zu Singapoore
werden, von den Chinesen ebenfalls schon. 20000 Pikel
jährlich zubereitet, wo schon 150 Gambir-Plantagen im
Jahre 1833 angelegt waren.
Auch diese Waare, wie jede andere wird nach ihrer
vorzüglichen Güte mehr oder weniger geschätzt; man sagt
im Allgemeinen, dafs das Gambir - Extract von Benang
und von der Bengalischen’Küste am besten sei; je körni-
ger es ist,- um desto schlechter ist’ ‘es, woran auch ein
schlechtes Abdampfen sehr oft Schuld ist.
Die Opium - Cultur.
Der Gebrauch des Opiums ist in den Morgenländern
eben so allgemein, wie bei uns der Genufs der spirituösen
Getränke, indessen die Art des Verbrauches ist bei ver-
schiedenen Völkern verschieden; bekanntlich essen die
Türken das Opium, die Chinesen und Malayen rauchen
es und schlucken den Dampf nieder. So wie auch alle
andere Luxus-Artikel mit bewunderungswürdiger Schnel-
ligkeit Beifall finden, und sich über ganze Völker verbrei-
ten, so verhält es sich auch mit der Verbreitung des
Opium - Genusses. Die östlichsten Völker Asiens sind,
seit nicht langer Zeit, von dieser Leidenschaft für den Ge-
nufs des Opiums angesteckt, und nun verbreitet sich dieser
neue Luxus mit. der reifsendsten Schnelligkeit, welcher
kein Gesetz, keine Strafe, überhaupt gar kein Mittel in
den Weg gestellt werden kann. |
419
Ja wir werden in der Folge sehen, bis zu welchen
unglaublichen Massen der Verbrauch des Opium’s in China,
in einem Lande nämlich, wo der Genufs des Opiums auf
das strengste verboten ist, gestiegen ist.
_ Es ist hier nicht die Rede von dem Anbau des wenigen
Opium’s, welches aus dem Morgenlande zu uns, unter
dem Namen des türkischen Opiums, zum medizini-
schen Gebrauche kommt, sondern von der Cultur jener
grofsen Massen in Indien, wofür so viele Millionen ge--
löst werden. Bekanntlich ist das türkische Opium stärker,
als das indische, und wird defshalb zum medizinischen
Gebrauche dem letzteren vorgezogen. Die Bewohner des
östlichen Asien’s aber, welche das Opium rauchen, ziehen
das indische dem türkischen vor, so ‘dafs letzteres fast
nur den halben Werth hat. Ich habe freilich nicht Gele-
genheit gehabt, um die Wirkung des indischen und des
türkischen Opiums mit einander in medizinischer Hinsicht
vergleichen zu können, doch mir scheint es, als wenn das
indische Opium weniger reizend auf das Blutsystem wirke,
und dadurch dem türkischen Opium so häufig vorgezogen
zu werden verdiente. Obgleich. das indische Opium sehr
theuer ist, so zeigen -die Bewohner Ostindiens dennoch
keine besondere Vorliebe für diesen Cultur - Zweig, . da
‚derselbe so aufserordentlich mühsam ist. Die Kaufleute
ziehen daher umher und schiefsen den Landleuten grofse
Summen vor, um sie dadurch nur zur Cultur dieses Zwei-
ges des Ackerbaues zu bewegen, wofür dann der Land-
mann das Pfund: des gewonnenen Opiums für 15 Schilling
Engl., also etwa für 5 Rthlr. Preufs. an die Vorschiefser
der Capitalien verkauft *).
Die Cultur der Opium-Pflanze **) wird nicht nur
auf die Bereitung des Opiums betrieben, sondern auch
zur Gewinnung des Saamens, welcher bekanntlich das
*) $. Buchanan A. Journey from Madras through Mysore, Ca-
nana and Malabar. Lond. 1807. T. I. pag. 295 etc.
**%) Papaver somniferum L.
21°
420
sehr brauchbare Mohn - Oel liefert, und wahrscheinlich hat
man, schon in frühester Zeit, diese Pflanze hauptsächlich
des Saamens wegen gezogen. Doch die Opium -Pflanze
erfordert den besten Boden und dabei beständig so viele
Aufmerksamkeit, dafs der reine Ertrag dieses Culturzwei-
ges nicht einmal so ergiebig, als der des Zuckerrohrs ünd
des Tabaks ist *). h
Der Boden, worauf die Opium-Pflanze eultivirt wer-
den soll, wird anfänglichst auf ähnliche Weise bearbeitet,
wie zur Reiscultur, und wird dann in grofse Quadrate
eingetheilt, ganz ähnlich den Reisfeldern, die durch kleine
Kanäle bewässert werden können. Im September und
October wird der Boden zubereitet und im November
wird der Saame gesäet, worauf der Boden alle 4 Tage
bewässert werden mufs. In 6 bis 7 Tagen sind die jun-
nen Pflänzchen 2 Zoll lang, und dann werden die über-
flüssigen Pflänzehen ausgezogen, so dafs die zurückblei-
benden immer 4 Zoll weit auseinander stehen. Nach 20
Tagen, wenn die Pflanzen schon 6 Zoll hoch geworden
sind, mufs das Unkraut entfernt werden und der Boden
mufs etwas Dünger erhalten. In Zeit von 24 Monaten
ist die Pflanze zur Bereitung des Opiums reif und in vol-
len drei Monaten werden auch die Saamen reif. Wärend
der Zeit der Opium - Bereitung werden, 2 bis 3 Wochen
lang, eine grofse Anzahl von Menschen in den Opiumfel-
dern beschäftigt, indem dieselben bei Tage in die äufsere
Seite der Fruchtkapseln entweder durch Dornen, oder
durch feine spitze Nadeln **) mehrere Incisionen machen, so
dafs der weifse Lebenssaft, welcher in den Gefäfsen, dicht
unter der Oberhaut der Kapsel dieser Pflanze, in so gro-
*) Tennant Indian Recreations consisting chiefly of strictures on
the Domestic and rural economy of the Mahommedans and Hindoos.
Edinburgh 1803.
*) Anmerk. In Persien werden die Einschnitte mit einem
fünfschneidigen Instrumente gemacht (S. Kaempheri Amoenit. exot.
Fasc. III. Lemgoviae 1712. p. 643.). Die erste Lese giebt die la-
eryma opü, welche mehr gelblich ist.
421
{sen Massen vorhanden ist, herausfliefsen kann. Am fol-
senden Morgen kommt man wieder und kratzt den er-
härteten Saft, welcher eine gelblichbraune Farbe ange-
nommen hat, mit einer Muschel von der Wunde, und er-
hält auf diese Weise das Opium. Diese Incisionen der
Saamen-Kapsel wiederholt man einigemal, gewöhnlich drei-
mal, und erhält immer von Neuem den gewünschten Saft,
welcher alsbald an der Luft erhärtet.
Dieser gewonnene rohe Saft wird nun unter Aufsicht
des Kaufmanns, welcher ihn gekauft hat, noch einiger Be-
handlung unterworfen, damit er nicht verderben kann.
Man trocknet ihn nämlich zuerst in der Sonne, damit das
Wasser aus demselben verdunstet, ersetzt dieses aber
durch Mohnöl, damit das Zusammentrockenen des Harzes
verhindert wird *). Hierauf wird das Opium in kleine
platte Kuchen geformt, von 4 Zoll Durchmesser etwa, und
in Mohnblätter eingehüllt; zuletzt, wenn es gehörig trok-
ken ist, wird es in Kisten gepackt und mit der Spreu
des Mohnsaamens festgelegt. Auf diese Weise kommt es
auf den Markt von China; jede Kiste fafst 1334 Pfund
Engl. oder 100 Cätti, welche nach der Masse des Vor-
raths, So wie nach den Aussichten der Speculation sehr
verschieden im Preise stehn. Auch sind. die verschiede-
nen Sorten nach den Nationen, wo sie cultivirt worden
sind, sehr verschieden im Preise; z.B. im December 1831
waren die Preise folgende **):
Patna - Opium für die Kiste 935 —945 Span. Piaster.
Benares- -- Rn - 940 - -
Malwa- _- u - 6595—660 - -
Damaun- - u 2.0655 = f
Türkisches - an - : 555— 560. . -- £
Demnach kostete das feinste Opium über 1400 Thlr.
Preufs. für 127,6 Berliner Pfunde, oder 133% Engl. Der
”) S. Tennant 1. c. p. 300.
**%) $. Meyen’s Reise II. p. 299.
422
Landmann aber erhält dafür nach dem Contracte nur 660
bis 670 Thle. Preufs.
Der reine Ertrag bei der Opium-Cultur ist demnach
auch für den Pflanzer von geringer Bedeutung, und soll
sich nur auf 20 bis 30 Ruppies für den Acre Landes (40
Ruthen lang und 4 Ruthen breit) belaufen, welcher nur
30 bis höchstens 60 Pfunde Opium liefert. Jedoch der
Ertrag dieses Cultur-Zweiges ist, je nach dem Zustande
der Witterung, der Insektenmasse u. s. w., im höchsten
Grade unsicher; oft bringt er in einem Jahre sehr wenig,
im folgenden Jahre dagegen sehr viel.
Der Gewinn an Mohnöl soll für den Acre Landes
nur 2 oder 3 Ruppies betragen.
Schliefslich noch Einiges über den grofsen Umfang
dieses merkwürdigen Handels mit Opium. Blofs auf dem
Markte von Canton werden, seit dem Jahre 1828, für mehr
als 18 bis 19 Millionen Thaler von diesem Artikel nach
China eingeführt; es ist indessen bekannt, dafs auch auf
der ganzen Küste von China, bis nach Korea hinauf, ein
sehr bedeutender Schmuggelhandel mit diesem Artikel statt
findet, so dafs sich die Summe Geldes, welche: jährlich
für Opium aus dem chinesischen Reiche herausgezogen
wird, noch um mehrere Millionen Thaler gröfser stellen
möchte, nicht mitgerechnet dasjenige Opium, welches durch
chinesische und siamesische Schiffe aus Indien unmittelbar
nach jenen nördlichen Gegenden von China’ geführt wird.
Ueber Canton allein sind vom Jahre 1818 bis 1831 über -
44 Millionen Pfunde Opium nach China geführt, welche
die Summe von 115672339 Piaster gekostet haben.
Die Masse: von Opium, welche ebenfalls von den Ma-
layen des indischen Archipelagus, iu Cochinchina und Siam,
so wie in Indien selbst und in Persien gebraucht wird,
ist so aufserordentlich bedeutend, dafs, könnte man dar-
über genaue Nachweisungen erhalten, gewifs eine ganz
unglaubliche Summe von diesem, der menschlichen Ge-
sundheit so schädlichen Artikel erhalten würde. Ja Herr
423
Burness *) hat beobachtet, dafs man es in gewissen Ge-
genden selbst den Pferden zu fressen giebt, um sie zu
gröfseren Kraftanstrengungen aufzuregen. Ein Cutchee-
Reiter, erzählt Herr Burness, theilte seinen Opium -Vorrath
mit seinem Pferde ganz ehrlich, und darauf machte dieses
noch eine unglaubliche Strecke, obgleich es vorher schon
ganz ermüdet war.
Der Tabak (Nicotianae spec. var.).
Die Eingebornen von Haiti rauchten den amerikani-
schen Tabak, als die Spanier die Insel entdeckten, und
gegen Ende des 16ten und im Anfange des 17ten Jahr-
hunderts ging diese Sitte auf die Völker Europa’s über.
Man ist sogar lange der Meinung gewesen, dafs der Ge-
brauch des Tabaks, so wie dessen Cultur nur allein den
amerikanischen Völkern eigenthümlich war, was aber heu-
tigen Tages, durch die nähere Bekanntschaft mit China
und mit Indien, als unrichtig nachzuweisen ist. Der Ver-
brauch des Tabaks im chinesischen Reiche ist von au-
fserordentlichem Umfange, und die Sitte scheint uralt zu
sein, denn auf sehr alten Bildwerken habe ich eben die-
selben Tabakspfeifen bemerkt, welche noch jetzt daselbst
im Gebrauche sind. Uebrigens kennen wir jetzt die Pflanze,
welche den chinesischen Tabak liefert, ja sie soll sogar
in Ostindien wild wachsen. Gewifs ist es, dafs diese ost-
asiatische Tabakspflanze ganz verschieden ist, von den
amerikanischen Tabaks - Arten.
Die Gattung Nicotiana gehört im Allgemeinen der‘
wärmeren Zone an, doch haken einige Arten derselben
einen sehr ausgedehnten Verbreitungs-Bezirk, und eine
grofse Zähigkeit gegen die Einwirkungen des Clima’s, denn
man kann sie unter dem Aequator und in der gemäfsig-
sten Zone, selbst bis weit über 55° N. Breite hinaus,
ziehen, wo die mittlere Sommerwärme gleich 15,87° C. ist.
Es ist bekannt, welche ungeheueren Massen von die-
*) Narrative of a Visit to the Court of Sinda, p. 230.
424
sem edelen Kraute, selbst in unserem Vaterlande eultivirt
werden; der Masse nach liefert er hier so viel als in den
Tropen, ganz anders aber ist die Qualität desselben. Die
südliche Polargrenze für die Cultur des Tabaks ist nicht
genau bekannt, wohl aber wird sie bis hoch in die vier-
zige der Breitengrade gehen, denn in Südamerika wird
noch bei Concepcion Tabak gebauet und auf Neu-Seeland
gedeiht er zum eigenen Bedarfe ebenfalls.
Die Havanna ist ihrer Tabaksproduction wegen sehr
berühmt, und diese Insel allein hat noch zur Zeit des
früheren spanischen Handelssystems eine Summe von 350000
Arrobas a 25 Pfund; also eine Masse von 895 Millionen
Pfund geliefert, wovon an 128000 Arrobas nach Spanien
geführt wurden *). Der Tabak von Caraccas und über-
haupt aus dem jetzigen Venezuela, hat ebenfalls eine au-
fserordentliche Berühmtheit erlangt, und wird besonders
gegenwärtig schon sehr stark ausgeführt. Heutigen Tages
wird die Tabaks-Cultur auch auf den Philippinen, mit
allem Ernste betrieben, und der Ertrag derselben möchte
wohl wenig demjenigen von der Havanna weit nachste-
hen. Die Cigarren von Manila sind in ganz Indien von
dem vorzüglichsten Rufe, und bei uns, wo sie nur sehr
selten auf den Markt kommen, werden sie ebenfalls aufser-
ordentlich geschätzt. Man erkennt sie leicht daran, dafs
sie auf beiden Enden abgeschnitten sind, und stets im
Bündeln von 32 Stück in den Handel kommen. Auch hier
auf den Philippinen, so wie auf der Insel Cuba, ist die
Tabaks-Cultur monopolisirt, und überall im Lande sieht
man die Beamten umherwandern, oft in sehr grofser Zahl],
um auf die unerlaubte Cultur dieses Krautes zu achten.
Die Cigarrenfabrik zu Manila beschäftigt gegenwärtig 1500
Männer und über 3000 Frauen, lauter Eingeborne von
Lucon. Diese Arbeiterinnen sitzen in langen Reihen un-
ter den Schuppen, wickeln den gehackten Tabak in aus-
gesuchte, befeuchtete und dreiseitig zugeschnittene Blätter,
*) S. v. Humboldt, Ueber Neu- Spanien, IIL p:-4177.
—
7 u
425
und befestigen diese zuletzt an den beiden Seiten mit
Gummi. Manila hat allerdings im Jahre 1829 nur 4,591
Arrobas Cigarren ausgeführt *), aber der Consum dersel-
‘ben im Lande selbst, mufs ganz aufserordentlich sein, denn
dort raucht Jedermann.
Es ist unnöthig, darauf noch aufmerksam zu machen,
mit welcher Lust alle Völker die Sitte des Tabaks- Ge-
nusses aufgenommen haben; . selbst die rohesten Horden
sind mit Tabak zu befreunden, und es giebt wohl nur
wenige Völker, welche, in Ermangelung des Tabaks, nicht
irgend ein anderes Mittel der Art zur Unterhaltung auf-
zuweisen haben. |
Die Coca der Peruaner.
Die Blätter der Cocapflanze #*) sind den Peruanern
eben dasselbe, was den Türken das Opium, was den Be-
wohnern Ostindiens der Betel und was anderen Nationen
der Tabak ist. Das Vaterland der Cocapflanze ist wahr-
scheinlich auf dem östlichen Abfalle der Cordilleren-Kette
von Peru, jedoch ist sie bis jetzt noch nicht im wilden
Zustande gefunden worden.
Eine bis zwei Tagereisen von La Paz, in derselben
Gegend, wo die ersten Cinchona - Wälder auftreten, da
wird auch die Coca-Pflanze im südlichen Peru cultivirt,
und La Paz, die Hauptstadt von Bolivien, treibt den Haupt-
handel damit.
Herr Poeppig ***), der sich, bei seinem Aufenthalte
am Huallaga, auf der östlichen Seite der peruanischen
‚Cordillere, mehrere Monate hindurch in Gegenden aufhielt,
wo die Coca gebauet wird, hat sehr ausführliche Nach-
richten über diesen Zweig des peruanischen Landbaues
mitgetheilt. So wie es bei uns sehr schwer fällt einen Säu-
fer, oder einen echten Tabakraucher von seinem Lieblings-
*) Meyen’s Reise, II. p. 376.
*%) Erythroxylum Coca Linn.
***%) Reise in Chile, Peru u. s. w. II. p. 210 etc.
426
reize abzubringen, eben so hält es schwer, einen Coquero
von dem Genusse der Coca abzugewöhnen. Wir erfahren
zugleich durch jenen Reisebericht, dafs der Gebrauch der
Coca auf der östlichen Seite der Cordilleren-Kette des
nördlichen Peru’s eben so allgemein ist, als auf der Hoch-
ebene im südlichen Peru, und zwar sollen die Folgen von
dem Genusse dieser Blätter, in den wärmeren und feuch-
ten Gegenden sehr übel sein. In den kalten und hochge-
legenen Gegenden des Plateaus von Chuquito, wo der Ge-
brauch der Coca gewifs sehr allgemein ist, und zwar nicht
nur bei den Indiern, sondern auch bei den gemischten
Ragen, so wie auch bei den Weifsen, da ist nicht viel
von allen den schrecklichen Krankheiten zu bemerken,
welche in Folge des Genusses der Coca entstehen sollen.
In den Dörfern und Städten, rund um das Becken von Chu-
quito, sieht man Indier, Neger, Weifse und Menschen von
gemischtem Blute im höchsten Alter umhergehen und, nach
wie vor, die Coca gebrauchend. Eine aufserordentliche
Corpulenz zeigen die Frauen jener Gegenden, welche, als
Gemischte, unter dem Namen .der Zambitas bekannt sind,
und eben so gewöhnlich Coca kauen, wie man in Indien
den Betel gebraucht, ohne die schrecklichen Folgen so of-
fenbar nachzuweisen. Durch die Zumischung des gebrann-
ten Kalkes, welche im nördlichen Peru viel allgemeiner,
als im südlichen ist, werden zwar die Zähne ekelerregend
‘gefärbt, doch sie leiden dabei keinen Nachtheil, wie man’
dieses auf den Inseln Indiens, wo der Betel, mit Kalk
vermischt, zu dem gewöhnlichen Lebensgenusse gehört, sehr
leicht sehen kann. Sicherlich ist es der Fall, dafs der
starke Genufs der Coca durch das flüchtige Prineip, wel-
ches eine .dem Opium ähnliche Wirkung erzeugt, die Ver-
dauungs-Organe schwächt und das Nervensystem allmä-
lich überreizt, und dadurch eine Menge von mehr oder
weniger gefährlichen Krankheiten dem Körper erwachsen,
welche aber wohl noch lange nicht so gefährlich sein
möchten, als. diejenigen in Folge des Opium - Genusses.
Ein Sterben an Abzehrung in Folge des Coca-Genusses,
427
wie es neuerlichst behauptet worden ist, scheint mir etwas
sehr Unerklärliches zu sein.
Herr v. Martius *) hat uns über die Art des Anbaues
dieser Pflanze einige Nachrichten mitgetheilt; er fand der-
gleichen Plantagen von dem Erythrxoylum Coca am Ama-
zonenstrome bei Ego, und vermuthet, dafs die Pflanze da-
selbst eingeführt worden sei, weil man ebendaselbst auch
den Tabak besitze, und diesen viel häufiger gebrauche als
die Coca. Herr v. Martius sah daselbst drei Fufs hohe
Sträucher, welche reihenweise, drei Fufs weit von einander,
gepflanzt waren. Die Blätter wurden im Ofen getrocknet,
darauf im Mörser gepulvert, mit der Asche der Blätter
von Cecropia palmata vermischt und in Grasschichten bis
auf weiteren Gebrauch aufbewahrt. In Peru ist indessen
der Gebrauch der Coca ganz anders; man kauet daselbst
die Blätter ganz ebenso, wie es bei uns mit den Tabaks-
blättern geschieht. Die Peruaner tragen die Coca eben-
falls in kleinen Taschen bei sich, welche aus Wollenzeugen
oder aus Häuten junger Säugethiere gemacht sind. Die
Cocablätter sind von der Form junger Kirschblätter und
haben einen angenehm bitterlichen, zusammenziehenden
Geschmack und einen feinen, ätherischen Geruch. Der
peruanische Indianer kauet diese Blätter, so oft er es thun
kann, ja beinahe den ganzen Tag hindurch; ihre Wirkung
ist im Allgemeinen aufregend, später aber, wie es mir
schien, auch etwas betäubend, ähnlich der Betäubung in
Folge des Opium-Genusses. Diese Aufregung giebt dem
arbeitenden Indianer, der äufserst schwermüthig gestimmt
ist, eine fröhliche Stimmung und schützt vor Ermüdung;
auf beschwerlichen Reisen erleichtert die Coca auf mehrere
Tage den Hunger und erwärmt gegen Kälte; kurz der Coca
legt man in jenem Lande alle die Wirkung bei, welche
man bei uns an dem Tabake rühmt.
Die Indianer kauen die Cocablätter entweder für sich
allein, oder in Verbindung von Thon oder Kalk, welchen
*) Reise uach Brasilien, pag. 1169.
428
sie -vorher mit den Blättern verbinden, und aus dieser
Masse kleine Kugeln machen, welche sie dann allmälich
verbrauchen. Jedes Kügelchen behalten sie so lange im
Munde, als sie einen herben und starken Geschmack darin
empfinden; wenn dieser Geschmack aufhört, werfen sie es
weg und nehmen ein anderes.
Auffallend ist es, dafs der Gebrauch der Coca, obgleich
dieselbe in ihrem Areal so aufserordentlich geschätzt wird,
dennoch einen sehr beschränkten Verbreitungs-Bezirk hat.
Die Cultur der Cocapflanze, welche einem Schwarz-
dornstrauche am ähnlichsten erscheinen soll, wird am Rio
Huallaga, wo sich Herr Pöppig längere Zeit hindurch auf-
hielt, in den wärmeren und feuchten Abhängen, nach un-
gefährer Schätzung bei 2- bis 5000 Fufs Höhe, wo noch
keine Nachtfröste herrschen, welche den Pflanzen sehr
schädlich sind, betrieben. Die Coca, welche in ganz hei-
fsen Gegenden gezogen wird, soll an Kraft geringer sein.
Der Anbau der Cocapflanzen geschieht auf einem, zu Ende
der nassen Jahreszeit durch Abbrennen urbar gemachten
Boden durch Aussäen der Beeren. Hiezu gräbt man nach
einer gewissen Regel Löcher in die Erde, welche etwa
9 Zoll im Geviert und 18 Zoll Tiefe haben, und in jedes
dieser Löcher wird eine Handvoll Saamenkörner geworfen,
welche man unbedeckt liegen läfst. Gegen 100 Pflänzchen
wachsen aus jeder dieser Gruben hervor, und man läfst
dieselben darin 15 bis 18 Monate stehen, bis man sie ver-
pflanzt, wobei man die jungen Sträucher nach regelmäfsig
verlaufenden Reihen stellt. Ableitung des Wassers, Ent-
fernung des Unkrautes und Aufackerung des Erdreiches
sind die Arbeiten, unter welchen die Pflege jener jungen
Pflanzungen erfolgt, wo man im ersten Jahre wohl noch
Mays dazwischen pflanzt. In Zeit von 3 bis 5 Jahren, je
nachdem der Boden ist, erfolgt die erste Erndte, und diese
wird alle 13 bis 14 Monate wiederholt, auf grofsen Pflan-
zungen soll jedoch die Erndte das ganze Jahr hindurch
fortgesetzt werden. Man hält die Blätter der Cocapflanzen
für reif und geeignet zum Trockenen, wenn. sie steif ge-
429
worden sind, wobei Gröfse und Farbe nichts entscheidet.
Das Einsammeln der Cocablätter geschieht durch Abstrei-
fen, und zum Trocknen derselben bedient man sich der
Sonnenhitze, weil, wahrscheinlich in Folge von Vorurthei-
len, die künstliche Wärme die Kraft der Blätter vermin-
dern soll. Behufs des Trocknens der Blätter durch die
Sonnenhitze befindet sich an jedem Wohnhause der Cocals
(d. h. der Hacienden, wo Coca eultivirt wird) eine Art
von Tenne, worauf die Arbeit vorgenommen wird. Die
getrockneten Blätter werden auf dem östlichen Abfalle des
nördlichen Peru in grofse wollene Säcke verpackt, und jeder
Ballen (Tercio genannt) wiegt frisch .an 80 Pfunde, welche
durch längeres Liegen sehr bedeutend verlieren. In Hoch-
Peru, wo die Zucht der Llamas so aufserordentlich grofs-
artig ist, da wird die Coca, wie die Chinarinde und fast
alle anderen Produkte des Landes, in Llamahäuten verpackt
und diese Ballen mit Coca (Cestos genannt), welche von
La Paz aus, das ganze südliche Peru versehen, sind von
Llamahäuten verfertigt und wiegen 20 bis 30 span. Pfunde. *)
Auf dem östlichen Abfalle von Hoch-Peru, denn im eigent-
lichen Hoch-Peru wird keine Coca gebauet, dem jetzigen
Bolivien, werden nach einer Schrift, welche über diesen
Gegenstand zu La Paz erschienen ist und von Hrn. Pöppig
benutzt wurde, jährlich gegen 40000 jener Cestos, welche '
durchschnittlich eine Arrobe halten sollen, auf den Markt
gebracht, und da diese zu La Paz zwischen 6 bis 7 Piaster
gelten, so ist der Werth dieses Culturzweiges für Bolivien
gegen 2400000 bis 2800000 Piaster. Zugleich erfahren
wir aus jener Schrift, dafs in den Provinzen von Arequipa,
Moquegua und Arica, also in den niederen Gegenden auf
dem westl. Abfalle der Cordillere von Süd-Peru, etwa 40000
Arroben Coca gewonnen werden; jedoch sind die Gegenden,
wo die Coca daselbst gebauet werden soll, nicht angegeben,
und ich kenne hierüber auch durchaus gar keine Quelle.
Bei meiner Reise durch diese so äufserst trockenen Pro-
*) $. Meyen’s Reise. IL, pag. 16.
430
vinzen von Arica und Arequipa, habe ich nirgends eine
Kunde erhalten, dafs daselbst Coca gebauet werde, welche
bekanntlich ein feuchteres Clima verlangt; auch habe ich
auf den Märkten von Arica, Arequipa, Tacna und Islay nur
Coca von La Paz, in Ballen von Llamafellen, zu schen
bekommen, dicke Zambitas safsen mit Wagschale und Ge-
wicht davor und verkauften diese getrockneten Blätter.
Der Verbrauch der Coca für das ganze Peru scheint die
Summe von 4500000 preufs. Thalern weit zu übersteigen,
wozu nach Herrn Pöppig’s Angaben Huanuco für 90000
Piaster, Jauga für 40000 Piaster und Truxilla für 20000
Piaster liefern. Sicherlich wird in den fruchtbaren Pro-
vinzen von Cuzco ebenfalls eine grofse Quantität von Coca
producirt, über deren Menge jedoch noch keine Schätzun-
gen vorhanden sind.
Der Weinstock (Vitis vinifera L.).
Die Verbreitung des Weinstocks über die Oberfläche
der Erde, ist für das Menschengeschlecht von besonderer
Wichtigkeit; der Geuufs des Weines und des Bieres, als
gewöhnliches Getränk, bringt bei den Völkern sehr ver-
schiedene Wirkung hervor, so dafs der Einflufs der Wein-
cultur auf die Völker nicht zu verkennen ist. Ehe wir
die Verbreitung des Weinstockes und die Weincultur an-
geben, wird es nöthig sein, Einiges über das Vaterland des
Weinstockes (Vitis vinifera L.) mitzutheilen. Leider ist
ganz ebenso, wie bei mehreren Getreidearten und bei den
meisten übrigen Culturpflanzen, das Vaterland des Wein-
stockes keineswegs im ganzen Umfange bekannt. Wir
kennen bereits mehrere Oerter, wo die Weinrebe wild
wächst, z. B. im Neapolitanischen, wo eine kleine und süfse
Beere vorkommt, welche sehr guten Wein giebt, und in
Portugal, wo eine kleine, sehr sauere Beere wächst, welche
man gar nicht achtet.*) Der nordafrikanische Weinstock
*) Link’s Urwelt und das Alterthum u. s. w. 2te Auflage. Ber-
lin 1834. I. pag. 432.
431
giebt sogleich, und ohne viele Cultur die schönsten Trau-
ben, daher er wohl in die südiichen Länder von Europa
eingeführt sein mag. Auch in Frankreich und Deutschland
kommt die Rebe in den Wäldern wild vor, z. B. in den
srofsen Rheinwaldungen zwischen Strafsburg und Speier,
fo wie auch an der Donau, doch, wenigstens so viel mir
bekannt ist, sind die Beeren dieser Pflanzen unbrauchbar.
Bei allen diesen vielfachen Fundörtern des Weinstockes
im wilden Zustande fragt es sich doch recht sehr, ob der-
selbe nicht an diesen Orten verwildert ist, und für Deutsch-
land und Frankreich könnte man dieses wohl mit Gewifs-
heit behaupten, weniger vielleicht für die südlicher vor-
kommende Weinrebe, deren Trauben, wie. z.B. im Neapo-
litanischen, sehr gut sind und einen wohlschmeckenden
Wein geben. Mit gröfserer Gewifsheit setzt man das Va-
terland des Weinstockes nach dem Oriente, nach der alten
Cyrenaica und überhaupt nach den Gegenden zwischen dem
schwarzen und dem caspischen Meere. *) In den Wäldern
von Mingreli und Imereti bildet die Weinrebe die Königinn
der Bäume; **) sie erreicht dort die Dicke von 3 bis 6
Zoll im Durchmesser und steigt bis in die Spitzen der
höchsten Bäume, indem sie diese ganz umschlingt und mit-
einander verbindet. Eine wahre Rebencultur findet in
jenen Gegenden gar nicht statt, und dennoch ist der Ueber-
flufs an guten Trauben so grofs, dafs selbst der arme
Landmann nicht alle Trauben erndtet, welche sich in sei-
nem Bereiche finden, sondern sie dem Winter überläfst
und öfters noch kurz vor Ostern die Trauben des vorigen
Jahres von den Bäumen abschlägt. Wohl möchte man
glauben, dafs eine Pflanze dort zu Hause ist, wo sie, ohne
Hinzuthun der pflegenden Hand des Menschen, die schön-
sten und schmackhaftesten Früchte liefert. Bekanntlich ist
aber auch das Verwildern einer Culturpflanze eine höchst
seltene Erscheinung, und wo sie vorkommt, da schwindet
*) $. Bieberstein, Flora Tauro - Caucasica, I. pag. 174.
“) S. Parrot's Reise nach dem Ararat, I. pag. 247,
432
wenigstens die veredelte Frucht. Sehr wahrscheinlich geht
das Vaterland des Weinstsckes noch weit über das. cas-
sche Meer hinaus, nach Indien und wohl selbst nach dem
nördlicheren China, denn in mehreren Gegenden daselbst,
z. B. in Gaschmere, in Dekan, wird der Weinstock eulti-
virt, obgleich der Genufs des Weines daselbst, wie auch
in China unbekannt ist. Ja es steht noch in Frage, ob
die Weinrebe, welche gegenwärtig, fast über den ganzen
Erdkreis cultivirt wird, von einer und derselben Art ab-
stamme; ein ausgezeichneter Botaniker, der viel in den
Weinländern umhergereist ist, Herr Link nämlich, scheint
der Meinung zu sein, dafs unsere Rebe aus mehreren wil-
den Arten zusammengeflossen sei, worauf ihn hauptsächlich
die Form und die Behaarung der Blätter geführt haben.
Die Zahl der Varietäten des Weinstockes ist ganz
aufserordentlich grofs, man möchte ihrer wohl schon gegen
200 zählen; das merkwürdigste hiebei ist aber, dafs eine
und dieselbe Sorte Wein an zwei, oft sehr dicht neben-
einander liegenden Orten, ganz verschiedene Weinsorten
giebt. Hinreichend bekannt ist die Verschiedenheit zwischen
dem Johannisberger und dem Rüdesheimer Wein; ja selbst
auf einem und demselben Berge sind die Weine verschieden,
je nachdem die eine Rebe oben und die andere unten am
Fufse gewachsen ist. Wie aufserordentlich verschieden ist
der Leistenwein bei Würzburg von dem Würzburger und
dem Steinweine, welcher dicht daneben wächst. Der wahre
Leistenwein hat einen Alkoholgehalt wie der Madeira, ob-
gleich man unseren nordischen Weinen stets die Säure
und geringe Stärke vorzuwerfen pflegt. Diese Verschie-
denheiten sind uns allerdings unerklärlich, und nichts ist
gewisser, als dafs sie allein durch die Lokalität hervorge-
bracht werden, doch das-wie wissen wir nicht. Ein Wein-
stock, welcher auf Stinkstein wächst, erhält von diesem
den eigenthümlichen Geruch des Gesteins, und dieses möchte
zur Beachtung sehr wichtig sein.
Die Früchte der Rebe werden nicht nur zu Wein
und zu Brandwein verarbeitet, sondern dienen häufig als
ze
433
eine angenehme und, des grofsen Zuckergehaltes wegen,
auch als eine sehr nahrhafte Speise. Bei den Mahomeda-
nern, besonders bei den Türken, wird aus den Trauben
eine Art von. Mus (Traubenmus) zubereitet, welcher als
angenehmes Nahrungsmittel dient. Der häufige Genufs der
rohen Trauben ist wohl überall, wo der Weinstock ceulti-
virt wird, doch in vielen Gegenden werden die Trauben
getrocknet und zu Rosinen gemacht, blofs um dieses an-
sgenehme Nahrungsmittel länger aufbewahren zu können.
Dieses findet man besonders im nördlichen Chile, in der
Provinz Coquimbo, :woselbst eine sehr grofse Menge von
Rosinen .bereitet werden. *) In manchen Ländern, wie z.B.
in Persien, **) auf Creta, in Mingrelien u. s. w., sucht man
die Trauben, den gröfsten Theil des Jahres hindurch, auf
den Bäumen frisch zu erhalten, was vielleicht durch eine sehr
trockene Atmosphäre zur Winterzeit. in jenen. Gegenden
möglich wird. Zu Catanea, am Fufse des Aetna, wo der
schöne Wein wächst, welcher die Laerymae Christi. giebt,
. da findet man, auf einem und demselben Stocke, Blüthen
und reife. Früchte stets zu gleicher Zeit, eine schein,
welche schon Plinius bekannt war,
Die Verbreitung der Weincultur richtet sich ei we-
niger nach der mittleren Temperatur eines Ortes, als nach
der gröfseren Sommerwärme, vorzüglich ist es aber die
Länge des Sommers, welche auf das Reifen der Frucht so
grofsen Einflufs zeigt. Zu Moscau wird der Wein nur in
Gewächshäusern reif, obgleich die Sommerwärme daselbst
so: hoch wie zu Paris, und überhaupt an der Loire ist.
Aber nur. der Juni und der Juli zeigen zu Moscau die
hohe Temperatur; im August sinkt dieselbe schon auf 14°
Gels. und im September, wenn der Wein reifen soll,
die mittlere Temperatur daselbst nur noch 9,9° Cels., und
heftige Nachtfröste zerstören alsdann die Erndte.
Bei einer mittleren Temperatur von 15° und 16° Gels.
s
*%) S. Meyen’s Reise um die Erde, I. pag. 420 etc.
*) $. Chardin Voyage en Perse, Tom. I. pag. 53.
28
434
gedeiht der Weinstock ganz vorzüglich, wie z. B. im 'süd-
liehen Italien und in Sieilien. Weniger süfs und:Alkohol-
haltiger wird der Wein bei einer niederen Temperatur,
wie bei 9° — 8,7° Gels. mittlerer jährlicher Wärme, wo-
bei jedoch eine Sommertemperatur von 19 bis 20° ©. sein
mufs, sonst kommt er gar nicht zur vollständigen Reife,
wovon London ein Beispiel giebt. Die mittlere Tempera-
tur zu London ist —= 9,12 Cels., fast gleich mit der von
Genf, doch ist der Juli und August zu Genf =17°; doch
der September und October ist in Genf noch so warm,
dafs der Wein reifen kann, wärend dieses in London nicht
der Fall ist. Was die Maxima der Wärme anbetrifft, unter
welcher die Rebe zu gedeihen vermag, so glaube ich be-
haupten zu können, dafs dieses selbst unter jeder tropi-
schen Wärme der Fall sein kann, wenn dieselbe nur nicht
mit einem zu hohen Grade von Feuchtigkeit verbunden ist.
Schon bei uns darf der Wein nicht zu feucht stehen, son-
dern er liebt gerade trockene Gegenden, als an den Abhängen
der Berge. Auf der Westküste von Südamerika, wo, we-
nigstens bis Guyaquil hinauf, ein sehr trockenes Clima
herrscht, da wird der Weinstock, oft selbst dicht an der
Küste, bis zu 6° S. Breite eultivirt. #) Der Wein von
Pisco (im 14ten Grade südl. Breite) ist ganz vorzüglich;
eine Sorte wird daselbst gebauet, welche bei einem gewissen
Alter selbst dem Cyperweine ähnelt; doch im Allgemeinen
wird die Traube von Pisco zur Bereitung des berühmten
Brandweins dieses Namens verbraucht, ein Gewerbszweig,
dessen Produkt sich jährlich auf einen Werth von einer
halben Million Piaster belaufen mag. Dieser Brandwein,
welcher in Peru und in Chile so aufserordentlich beliebt
ist, wird in 'grofsen irdenen Gefäfsen verführt,‘ welche
2, 3.bis 4 Fufs hoch, fast ganz eylindrisch und unten zu-
gespitzt sind. Zu zwei und zwei werden diese Krüge auf
dem Rücken der Maulthiere transportirt, indem in einer
besonderen, von Ruthen geflochtenen Vorrichtung, zu jeder
”) S. Pöppig’s Reise nach Chile’ und Peru, u.s. w. Bd:I. p. 330
435
Seite des Lastthieres ein Krug befindlich ist; Heerden
von Hunderten von Maulthieren sieht man, auf diese Weise
beladen, von einem Orte zum anderen ziehen.
" Auch zu Moquegua und zu Tacna, zwischen 16 und
18 Grad südlicher Breite, ist der Weinbau nicht unbedeu-
tend, aber im nördlichen Chile, in den Provinzen Copiapo,
Huasco und Coquimbo *) wird aufserordentlich viel Wein
gebauet, und die Rosinen dieser Reben dienen den Mine-
ro’s zur Nahrung. Die Weinberge von Quillota versehen den
Markt von Valparaiso mit. Trauben, und die Masse von
Wein, welche in der Gegend gekeltert wird, mufs, nach
Poeppig’s Bericht, ebenfalls nicht unbedeutend sein. Bei
Concepcion ist die Weincultur von Bedeutung, es wird
der beste Wein von ganz Chile daselbst gewonnen und
im Lande viel verschickt. Tiefer, südlicher. hinab geht die
Weincultur bis Valdivia, also bis zum 40sten Grade südli-
cher Breite.. |
Auf der anderen Seite von Südamerika wird der
Wein in Buenos Ayres angebauet und wahrscheinlich auch
an verschiedenen Orten von Brasilien, worüber jedoch die
Angaben nicht zahlreich sind. Weiter, nördlicher hinauf
ward der Weinstock, schon zur Zeit der Reise des Herrn
Alex.’v. Humboldt, zu Cumana gepflanzt, und brachte
treffliche Trauben; wohl wird derselbe seit. jener Zeit, nach-
dem sich dort so grofse Veränderungen zugetragen haben, noch
an mehreren anderen Orten angepflanzt sein. Aufserdem
wird der Weinstock in Südamerika, besonders aber in
Mexico und in Guatemala, in mehr oder weniger bedeu-
tenden Höhen ceultivirt. WVortrefllich gedeiht die Rebe im
Thale von: San Jago im Chile (bei 33° S. B.), ebenso
schön: sind die Trauben, welche im Thale von Arequipa
in «einer Höhe ‘von 7797 Engl. Fufs gewonnen werden.
Vielleicht ist das ganze Hochland von Mexico zur Weincultur
geschickt, und derselbe geht auch in.den Provincias internas
bis:nach dem Passo del Norte hinauf (32° 9’/N.B.). Dieses ist
9) S. Meyen’s Reise u. s. w. 1. pag. 420 etc.
25 *
436
nach den Angaben des Herrn Alexander v. Humboldt, seit
jener Zeit aber, seitdem eine so grofse Anzahl von Frem-
den sich in jenem Lande niedergelassen haben, seitdem
wird auch die Weincultur daselbst sehr ausgebreitet wor-
den sein. ‘In Nordamerika wird der Weinstock auf bei-
den Seiten angebauet, doch möchten uns wohl die Data
dazu fehlen, um angeben zu können, bis zu welchen Brei-
ten hinauf dieser Culturzweig sich erstreckt. Nach frühe-
ren Nachrichten geht er am Ohioflusse bis 37° N. Breite
hinauf, doch auf der Nord-West-Küste wird er selbst:
bei St. Francesco, in 38° N. Breite gefunden. Sicher-
lich sind dieses noch nicht die Grenzpunkte. Nach der
allgemeinen climatologischen Uebersicht, welche wir im
Vorhergehenden gegeben haben, steigen die Isothermen
auf der Westküste dieses Continents ebenfalls höher, als
an der Ostküste hinauf; daher wird auch später die
Weincultur höher hinauf auf der Westküste, als auf der
Ostküste stattfinden.
In der alten Welt, von wo aus der Weinstock nach
der neuen Welt gewandert ist, ist der Culturbezirk be-
deutend ausgedehnter, schreibt sich aber auch schon aus
dem grauen Alterthume her und ist, wenigstens nach dem
nördlichen Europa hin, angeblich des Religion’s - Cultus
wegen verbreitet. Im Innern von Europa steigt die Wein-
ceultur am höchsten nach Norden hinauf; auf der westli-
chen Seite, wo sich die Isothere senkt, welche hauptsäch-
lich, wie wir früher gesehen, den Weinbau bedingt, da
geht sie bis 47, 48 und selbst bis 49° N. Breite hin-
auf, nämlich auf den westlichen Ufern der Seine bis
Noyon und Laon. Am Rhein geht die Weineultur bis
über Coeln, ja selbst bis über Düsseldorf hinaus. In Eng-
land, bei 52° Breite, reift der Wein nur in’ so warmen
Sommermonaten, 'wie die von 1834. Weiter ‘östlich im
Innern des Continents, wo sich die Isothere nach Norden
biegt, da steigt auch mit ihr die Weincultur weiter hinauf,
so dafs sie bei Berlin, im 53sten Grade liegt. Unser Wein
ist freilich sauer, Berlin liegt aber auch in der Isotherme
1488
von 7,9° Cels., und in der Isochimene von — 1,1° Cels.
Indessen auch hier ist noch nicht die Polar-Grenze des
Weinstock’s. Im i4ten Jahrhundert ward der Weinstock
durch die deutschen Ritter nach Preufsen gebracht, und
ist, lange Zeit hindurch, daselbst gebauet worden. Danzig,
unter 54° 21’ N. Breite gelegen, hat, offenbar durch die
Nähe der Ostsee und der grofsen Wassermassen der
Weichsel, eine sehr hohe Temperatur; es liegt in der Iso-
therme von 7° 79° Gels., wärend die Sommerwärme 16,56
und die Wintertemperatur gleich — 0,73° Cels. ist. Hier-
aus folgt, dafs das Clima zu Danzig im Allgemeinen besser
istals zu Berlin, nur wird die Sommerwärme daselbst druch
den Einflufs des Küstenclima’s etwas deprimirt. In dieser
Gegend kann’ demnach der Weinstock eben so wohl, wie
bei Berlin und Potsdam gedeihen, und bei Elbing, "Thorn
und andern Orten ist auch früher sehr viel gebauet wor-
den. Ja man hat die Weincultur bis weit über Königs-
berg (54° 42°) hinausgeführt, denn selbst bei Tilsit, wo die
Winterkälte schon sehr streng ist, hat man Weingärten,
selb$t einen Weinberg, welcher an den Ufern der Memel
auf einem hohen Hügel gelegen ist. Ja in den Gärten
der Reichen zu Memel, habe ich selten den Weinstock
vermifst, selbst auf einem Landgute, eine Meile von der
russischen Grenze, auf der Strafse bei Polangen, habe ich
eine grofse Menge Wein gesehen.
Aus diesen hohen Breiten sind allerdings die mittle-
ren Temperaturen noch unbekannt, doch zu Königsberg
(54° 42°) ist die mittlere Temperatur gleich 6,49% Cels.
bei einer Wintertemperatur von — 3,26° Cels. und einer
Sommertemperatur von 15,87° Cels., also ein Clima, wel-
ches nicht mehr trinkbaren Wein erzeugen kann.
Indessen, wie die Geschichte lehrt, so sind die Wein-
berge früher bis in diese Gegenden hinaufgegangen, doch
wahrscheinlich auch schon wieder, . seit 300 Jahren ver-
lassen. Man hat nun die Frage aufgestellt, wefshalb die
“Weineultur in jenen Gegenden wieder eingegangen ist,
und es hat nicht an Gelehrten gefehlt, welche auch hierin
438
eine Abnahme der Wärme der Luft seit jener Zeit haben
demonstriren wollen; doch uns scheint die Sache sehr
leicht erklärlich. Man weifs allgemein, wie schlecht und
sauer der Wein unserer hiesigen Gegend, z. B. der Pots-
damer Landwein, ja selbst der edele Grüneberger schmeckt;
nur die Nähe so volkreicher Städte wie Berlin und Bres-
lau kann diesem Weine Absatz geben, wo man ihn zur
Verfälschung der übrigen Weine verbraucht. |
Bei dem härteren Clima in Ostpreufsen, kommt die
Traube noch weniger zur vollkommenen Ausbildung und
der daraus gekelterte Wein ist ganz aufserordentlich sauer.
Zu Tilsit bleibt die Beere stets klein und zusammenge-
schrumpft. Es ist leicht begreiflich, dafs die Menschen,
nachdem durch die erleichterte Communication, sowohl
zu Lande wie zu Wasser, die süfseren. Weine nach jenen
Gegenden gelangten, von dem Genusse des sauern Saftes
abstanden, und so verschwand auch, mit dem Verschwin-
den des deutschen Ritterordens in Ostpreufsen, die Cultur
des, von ihnen dahin mitgebrachten Weinstockes. Dabei
möchte auch nicht zu übersehen sein, dafs, was in Ost-
preufsen wenigstens sehr häufig der Fall sein mufste,
frühe Nachtfröste im Herbste die ganze Erndte zerstörten,
und daher die Landleute jener Gegenden um so eher ge-
neigt wurden, diesen unsicheren Culturzweig einem siche-
ren, nämlich dem der Getreide nachzusetzen. Uebrigens.
mufste auch der Preis jenes Weines, da alle Ausfuhr
mangelte, sehr gering sein. | o
Weiter östlicher, nach Asien hin, wird die Weincul-
tur bis über die Breite des nördlichen Endes des Caspi-
schen Meeres fortgesetzt, denn selbst um Astrachan sind
Weinberge. Zwischen dem schwarzen und dem Caspischen
Meere ist die Weincultur sehr ausgebreitet, und auch jen-
seit des Caspischen Meeres wird der Weinstock angetrof-
fen. In Sibirien soll diese Pflanze gänzlich fehlen: (?),
doch ist das nicht in China der Fall, wie man es bisher
ganz allgemein geglaubt hat.
Der Missionair Gützlaff spricht von dem Weinstocke
439
welchen er im nördlichen China. gesehen hat, und .ich
selbst habe in Canton herrliche Weintrauben gegessen,
“welche im. nördlichen China gezogen waren.
In den südlichen Provinzen von China habe ich kei-
nen Weinbau gesehen, doch offenbar ist er daselbst durch
die Theecultur verdrängt. Schon Loureiro *) sagt, dafs
der Weinstock in China vorhanden sei und dafs er auch
in Cochinchina, wenn auch nur selten, cultivirt werde.
Demnach geht er auch hier weit nach Süden hinab. Auch
auf Sumatra, also gerade unter der Linie, soll der Wein
vortrefllich gedeihen, doch wird er von den Eingeborenen
nicht. eultivirt **).: Selbst zu Pondichery sollen die Fran-
zosen den Weinstock mit grofsem Erfolge angebauet ha-
ben, obgleich daselbst eine so aufserordentliche Hitze
herrscht ***). In der Ebene von Ostindien, auf den Phi-
lippinen und den Sunda-Inseln ist die Cultur des Wein-
stockes nicht allgemein; das feuchte Clima daselbst steht
seinem Gedeihen entgegen. Doch wächst der Weinstock
auch auf Java, wo die Beeren so grofs und schön sein
sollen, dafs sie der besten Sorte aus Portugal gleichen +).
Es heifst darin: Ueberall findet man auf Java den Wein-
stock, aber vorzüglich zu Batavia. Selbst auf der Insel
Moa, einer der Banda-Inseln, wächst der Weinstock sehr
Sut, wenn er daselbst augepflanzt wird. Auch auf der
Insel Lethy hat mau den Weinstock gezogen; er trägt in
diesen Gegenden jährlich zweimal Früchte ++). Dagegen
wird ‚die Weincultur auf der Hochebene Indiens sehr ausge-
breitet gefunden, z.B. in Dekan und in der Ebene von Casch-
mere +++), welche zwischen 5400 und 5500 Fufs hoch
*) Flora Cochinchin. I. p. 155.
*#) S. Marsden Hist. of Sumatra. 3. Ed. p. 103.
***) Man sehe Ainslie Mat. Med. of Hind. I. p. 156, citirt von
Royle.
+) S. Beschreibung von Batavia, etc. A. d. Holländischen von
I. I. Ebert. Leipzig 1786. 4. p. 112.
+7) S. Barchwitz, Ostindische Reisebeschreibung. Eıfurt 1751
pag. 239. Zweite Auflage.
tr) Royle’s Illustrat. London, Fasc. I. 1833.
440
liest, und woselbst die Rebe auf die Gipfel der Pappel-
bäume steigt.
In dem hochgelegenen Kunawar, zwischen 31 und
32° Breite, sind in einer Höhe von 9- bis 10000 Fufs
prachtvolle Weinberge zu finden, wo im September der
Wein gekeltert und auch zu Rosinen verbraucht wird.
Auch zu Bokhara findet Weinbau statt.
In Persien, an den Ufern des Euphrats, in Syrien,
Unter-Egypten, Abessynien und der ganzen Berberei ist
die Cultur des Weinstockes zu finden, wenn daselbst auch
das Keltern der Trauben nicht im Gebrauche ist. Auf
der westlichen Seite von Afrika ist die Weincultur auf
den Canarischen Inseln und auf den Azoren sehr berühmt,
doch wird der Weinstock auch auf den Capverdischen In-
seln und selbst auf St. Thomas, an den Küsten von Gui-
nea, also fast in der heifsesten Zone gefunden. Herr
Schouw *) vermuthet zwar, dafs hier die Gebirge es wä-
ren, welche diesen Culturzweig begünstigen, doch ist diese
Vermuthung wohl nicht ganz gegründet. Auch auf St.
Helena gedeiht der Weinstock und am Cap der guten
Hoffnung werden bekanntlich die edelsten Sorten von
Wein gezogen.
Auch nach den englischen Colonien, im südlichen
Theile von Neuholland, ist der Weinstock mitgezogen, und
nach den Sandwichs-Inseln, wo er herrlich gedeiht, ist
er von Amerika hinübergewandert.
So hätten wir nachgewiesen, wie die Weincultur von
ihrer unübersteigbaren Polargrenze, in 49 bis 55° N. Br.
durch alle Zonen nach dem Aequator zu, sich verbreitet
hat. In der südlichen Hemisphäre, offenbar nur durch die
eigenthümliche Figuration der Landmasse, und des daselbst
vorherrschenden Küsten-Clima’s wegen, ist ihre Polar-
grenze schon in 40° südlicher Breite zu finden.
Die früheren Ansichten, nach welchen sich die Ae-
quatorialgrenze der Weincultur höchstens bis über die
*) Geographie der Pflanzen p. 209.
441
Wendekreise hinaus erstrecken sollte, sind sehr willkür-
lich gewesen und haben nur durch mangelhafte Nachrich-
tem der Reisenden aufgestellt werden können. Nur ein
sehr heifses und feuchtes Clima ist der Verbreitung des
Weinstockes entgegen.
Die Maguey-Pflanze (Agave- Arten).
Wahrscheinlich wird es nur wenige Völkerschaften
auf der Erde geben, welche nicht im Stande wären, sei es
auf irgend welche Art, berauschende Getränke zu bereiten.
Beispiele in gröfster Anzahl könnten hier angeführt wer-
den. Hier sei jetzt die Rede von der Magueypflanze,
welche den Weinstock der aztekischen Völker bildet und
einen Gewerbszweig von aufserordentlicher Bedeutung dar-
bietet.
Die Magueypflanze ist leider noch nicht so genan
systematisch bestimmt, als sie es verdiente; es sollen nach
Herriı Alexander von Humboldt, dem wir die Nachrichten
über diesen aztekischen Weinbau fast ganz allein verdan-
ken *), mehrere Varietäten der Agave americana zu der
Bereitung des aztekischen Weines, des Pulque. (Octli der
Azteken) der Spanier, benutzt werden, aber keineswegs ist
es die Agave cubensis Jacq. (Ag. odorata Pers. und Ag.
mexicana Lam. Synon.), wie dieses von verschiedenen
Schriftstellern angegeben ist.
Die Maguey-Pflanzungen finden sich auf dem Plateau
von Mexico, welches über 7000 Fufs hoch ist, hauptsäch-
lich in den Intendantschaften von Puebla und Mexico; dort
kommen grofse Landstriche vor, welche nur mit Maguey-
Pflanzungen bedeckt sind und der mexicanischen Land-
schaft einen höchst sonderbaren Charakter geben müssen.
Herr Deppe, unser Landsmann, hat uns eine Ansicht einer
solchen Maguey-Pflanzung, wenn auch nur von geringer
Ausdehnung, aus der Umgegend von Mexico (8. Leguas
nord-östlich ), mitgetheilt; man vergleiche den Charakter
*) S. dess. Neu- Spanien etc., Bd. III. p. 95 etc.
442
solch ' einer Landschaft mit der wogenden Fläche einer
grünen Saatflur unseres Vaterlandes.
Die schönsten Maguey-Pflanzungen sind die von To-
luca und in der Ebene von Cholula, wo sie in geraden
Reihen neben einander gepflanzt sind. Hier kommt die
Maguey-Pflanze schon in Zeit von 8 Jahren zur Blüthen-
entwickelung, und in dieser Periode wird der Saft der
Pflanze “gesammelt, welcher später durch Gährung den
Pulque giebt. Der Landmann erkennt den. Beginn‘, der
Entwickelung des Blüthenschaftes daran, dafs sich ‚plötz-
lich die. Wurzelblätter erheben, welche früher mehr hori-
zontal auf der Erde lagen; alle Tage durchläuft der Land-
mann die Maguey-Pflanzungen, um ja nicht den Zeitpunkt
zu übersehen, wenn die Pflanze die Entwickelung des Blü-
thenschaftes beginnt. Hat man aber an einer Pflanze den
Zeitpunkt erkannt, so schneidet man die Büschel von Cen-
tralblättern ab, erweitert die Wunde etwas und bedeckt
sie mit den aufgerichteten. Seitenblättern, welche man zu-
sammenknüpft. In diese Wunde ergiefst sich nun - der
Saft, welcher zur Bildung des gewaltigen Blumenschaftes
dienen sollte; zwei bis drei Monate lang hält diese starke
Saftabsonderung an, und täglich wird derselbe‘ dreimal
ausgeschöpft. Gewöhnlich giebt die Pflanze täglich 200
Cubik-Zoll Saft, also gegen 3 N Quart, wovon
= des Morgens, 2 um Mittag und $ Abends um 6 Uhr
abgeschöpft werden. Ja eine sehr Kräftige Pflanze soll
bis 375 Cubik-Zoll Saft geben, also mehr als 7 Gallons
und zwar. 4 bis 5 Monate lang, ununterbrochen fort. Sehr
bemerkenswerth ist es dabei, dafs diese Pflanzen auf dem
dürrsten Boden wachsen, welcher oft kaum mit Humus
bedeckt ist. |
So wie bei dem Weine, so ist auch der Ertrag der
Maguey-Pflanze sehr ungleich, gewöhnlich hat die Masse
Pulque, welche der Landmann an einem Tage gewinnt,
einen Werth. von 10 bis 12 Sous, und 150 Bouteillen
rechnet man auf eine Maguey. Ungeheuere Gapitalien -
stecken in den Maguey-Pflanzungen von Mexico, doch
nn nn
443
mufs man Geduld und Muth haben, um sich dergleichen
Pflanzungen anzulegen, denn erst nach 15 Jahren werden
sie im Allgemeinen gewinnreich, Die Maguey - Pflanze,
welche nach der Darreichung ihres Saftes erschöpft ist,
stirbt ab, aber Hunderte von Schöfslingen treiben alsdann
aus der Wurzel.
„Der Honig oder Agaven- Saft,“ sagt Herr von Hum-
boldt *), „ist angenehm säuerlich. Wegen des Zuckers
und Schleims, den er enthält, kommt er leicht in. Gäh-
rung, und um diese zu beschleunigen, giefst man noch
ein wenig alten, saueren Pulque hinzu. So geht die Ope-
ration in 3 bis 4 Tagen vorüber. Das Getränk gleicht
alsdann dem Cider und hat einen äufserst unangenehmen
Geruch, wie. von faulem Fleische.“ Indessen wenn ein-
mal der Widerwille gegen diesen Geruch des Pulque über-
wunden ist, dann ziehen ihn die Fremden allen übrigen
Getränken vor, indem er sehr stärkend und nahrhaft sein
soll. Der Pulgque zu Hocotitlan, nördlich von Toluca,
fast so hoch gelegen: als der Nevado de Toluca, soll ganz
besonders vorzüglich sein.
Man wird die hohe Wichtigkeit der Maguey- Ehllar
für den Staatshaushalt erst dann erkennen, wenn man er-
fährt, dafs die Einfuhrgebühren für den Pulque im J. 1793,
allein für die Städte Mexico, Puebla und Toluca 817,739
Piaster betrugen, eine Summe, welche gleich 3,809,000
Franken ist.
Aus dem Safte der Maguey - Pflanze wird auch ein
starker Brandwein, Mexical oder Arguadiente de Maguey
bereitet; doch ist dieses eine andere Species, nämlich
Agave Potatorum Zuce. **), welche dazu gebraucht wird.
Aufserdem dafs die Maguey - Pflanze den mexicani-
schen Wein.liefert, geben ihre Blätter den festesten Hanf,
welchen man kennt, und sogar eine Masse, welche die
Stelle des Papiers, aus dem Papierschilf der Alten, ver-
y Bre2p, 08
**) Nova Acta Acad, C..L. C. Tom. XVL P. II. p. 675.
444
treten kann und auch von den alten Mexicanern zur Auf-
zeichnung der hieroglyphischen Figuren benutzt wurde.
Zur Bereitung dieses Papieres läfst man die Blätter der
Agave-Pflanze faulen, bis dafs- alles Zellengewebe ver-
schwunden ist, und klebt die verschiedenen Schichten von
Fasern auf einander, ganz auf ähnliche Art, wie man die
Zeuge aus der Rinde der Broussonetia auf den Südsee-
Inseln verfertigt.
Die Höhe, in welcher die Magueypflanze vorkommt,
beträgt zwischen 1168 und 1379 Toisen und noch weit
höher hinauf. Das Plateau von Neu-Spanien hat ein
Clima, wie unter Rom’s mildem Himmel, nämlich 17°
Cels. mittlere Temperatur; ja im Januar und Februar be-
trägt die mittlere Tageswärme zu Mexico 13 bis 14° C.,
wärend sich im Sommer die Temperatur nicht über 24°
CGels. erhebt. Alle Gebirgsebenen daselbst, welche höher
sind, als das Plateau von Mexico, haben ein rauhes und
unangenehmes Clima, selbst die Ebene von Toluca, wo
die schönsten Maguey-Pflanzungen sind, hat eine Tempe-
ratur, welche fast nie über 6 bis 8° Cels. steigt.
Offenbar ist diese plötzliche Abnahme der Tempera-
tur nur dadurch zu erklären, dafs die Temperatur auf
dem Plateau von Mexico, durch die Rückstrahlung der
Sonnenstrahlen einer so ausgedehnten Ebene, ein weit hö-
heres Clima besitzt, als demselben eigentlich, im Verhält-
nisse zur Höhe zukäme. Demnach gedeiht die Maguey-
Pflanze eigentlich nur in einem. Clima, welches dem des
südlichsten Europa gleich kommt, wo denn auch die ver-
schiedenen Arten von Agaven, in Gesellschaft der stache-
lichen Cacten wild oder vielmehr einheimisch geworden
sind. Auf St. Helena hat man die Agave lurida zur Ein-
fassung einiger Wege benutzt, und sie nimmt sich daselbst, _
wärend sie in Blüthe steht, sehr stattlich aus.
Der Natur der Sache nach steht zu erwarten, dafs
die Verbreitung der Maguey-Pflanze, besonders in Bezug
auf die Weincultur, wenig Liebhaber zeigen wird, ja selbst
* u
# x
445
in Mexico wird dieselbe, je mehr unser Weinstock da-
selbst einzieht, an Umfang abnehmen.
Das Zuckerrohr.
Das Zuckerrohr ist eine Pflanze der alten Welt, wel-
ehe in China und auf den Südsee -Inseln schon vor
aller historischen Zeit angebauet worden ist. Die Spanier
der canarischen Inseln führten das Zuckerrohr nach Ame-
rika, und im Jahre 1520 bauete Piedro de Atienza das er-
ste Zuckerrohr auf St. Domingo, von wo aus es nach
Cuba und nach dem Festlande von Amerika überging.
Die Mexicaner gebrauchten, vor der Bekanntschaft mit
dem Zuckerrohre, den Honig aus den Stengeln. der Mays-
Pflanze.
Der Anbau des Zuckerrohrs erfordert eben denselben
Grad von Wärme, wie derjenige der Baumwolle, nämlich
24 bis 25° Cels. mittlerer Wärme, wo er am besten ge-
räth, doch findet man noch grofse Anpflanzungen dieses
Gewächses in weit kälteren Gegenden, wo die Tempera-
tur nur 19 bis 20° Cels. beträgt. Demnach erstreckt sich
das Land, welches der Zuckercultur fähig ist, weit über
dıe tropischen Gegenden hinaus, und selbst noch auf ei-
nigen Punkten des südlichen Europa wird der Anbau die-
ses Gewächses mit grofsem Vortheile betrieben, z. B. in
Sieilien, früher auch in Spanien häufiger als jetzt. Da
die Abnahme der Wärme mit steigender Höhe, wie wir
früher gesehen haben, so erfolgt, dafs 1° Cels. Wärme
einer Höhe von 100 Toisen entspricht, so würde die mitt-
lere Temperatur von 20° Cels., welche der Anbau des
Zuckerrohrs erfordert, schon auf einer Höhe von 3000
Fufs zu finden sein; indessen auf ausgedehnten Hochebenen
wird die Hitze, durch Zurückprallen der Sonnenstrahlen so
bedeutend vermehrt, dafs die Zuckercultur auf den Gebirgen
von Mexico und von Columbien, bis zu einer Höhe von:
4000, 5000 und selbst über 6000 Fufs steigt. Ja die
Hochebene der Stadt Mexico, deren Clima der Isotherme
von 13°,7 entsprechen sollte, hat eine mittlere Wärme
446
von 17°, und schon: von Cortez selbst, wurden auf diesem
Thale, von 6600 Fufs Höhe, Zucker-Plantagen angelegt.
Auch auf den Hochebenen des Himalaya, z. B. auf dem
Plateau von Nepal, in 4500 Fufs Höhe *), wird Zucker
und Baumwolle gebauet.
Der Bau des Zuckerrohrs geschieht durch Stecklinge,
welche: man aus dem Schafte der ausgewachsenen Pflanze,
von’2 bis zu.3 Fufs Länge verfertist und entweder ho-
rizontal oder auch senkrecht, ja zuweilen auch convergi-
rend zu zwei und zwei neben einander steckt. Schon
nach.14 Tagen treiben die .Absetzer: aus den Knoten aus,
und in ‚Zeit von.einem Jahre. ist der Schaft so weit aus-
gewachsen, ‚dafs er geschnitten: werden kann.‘ Auf frisch
urbar gemachtem Lande, welches nicht anhaltenden’ Ueber-
schwemmungen ausgesetzt ist, und gut gepflanzt, giebt das
Zuckerrohr 20 bis 30 Erndten, indem sich: alljährlich aus
dem..vorhandenen Wurzelstocke neue Triebe entwickeln;
Ja Herr. von Humboldt **) sah auf:Cuba eine Zuckerplan-
tage, welche bereits seit 45 Jahren bestand.
"i. Die. verschiedenen Länder der alten Welt, wo das
Zuckerroehr zu Haüse ist, haben sehr verschiedene 'Varie-
täten; desselben aufzuweisen, wovon die eine" mehr oder
weniger ;grofse Vortheile vor der andern gewährt, so dafs
man sie defshalb nach den entferntesten Ländern hin ver-
pftanzt. :» Bekannt ist es, dafs man ‘das Zuckerrohr von
Otaheiti nach den 'westindischen Inseln verpflanzt hat, wo
man mit:dem reicheren Ertrage desselben aufserordentlich
zufrieden ist; es gewährt in gleicher Zeit und: bei’ dem
nämlichen: Länderumfange + Saft mehr, und'giebt dabei
zugleich eine gröfsere und festere Holzmasse, welche zum
Brennen ‚benutzt wird. Das Zuckerrohr der Südsee-In-
seln. ist aber auch: von einer vorzüglichen Güte und Stärke,
auf. den Sandwichs-Inseln, wie schon Cook ***) bemerkt,
erreicht 'es. eine Dicke von 414 Zoll im Umfange.
*) S. Royle, Ilustr. London, 1833.
**) Reise ın die Aequatorial- Gegenden, Bd. VI. p. 163.
") Dessen dritte Reise um die Welt, Berlin 1788, :p. 294. D.
447
Indessen es scheint, dafs das ostindische Zuckerrohr
weit ergiebiger, als das von den Südsee-Inseln ist, denn
in’ Bengalen ist der Ertrag *) des Zuckerrohrs- doppelt
so grofs, als in der Havanna, wobei der Tagelohn des In-
diers beinahe dreimal so gering ist, als die Unkosten der
Erhaltung eines Sclaven. Auf den Philippinen ist man,
aus dem geringeren Ertrage des Rohrs von Otaheiti, ganz
gegen dessen Anbau auf Zucker- eo en ver-
braucht dieses zum Essen. |
Die Zubereitung des Rohzuckers möchte ich als: be-
kannt voraussetzen; sie besteht im Allgemeinen darin,
dafs man ‘die ausgewachsenen Stengel der Pflanze, 'nach-
dem die Blätter derselben entfernt sind, durch Maschine-
rien zerquetscht,; die Masse auskocht, die erhaltene Flüs-
sigkeit reinigt, einkocht und zum Krystallisiren bringt.
Es ist-wohl sehr gewifs, dafs wir die Art’den Zucker ein-
zukochen 'und ihn zu reinigen, aus Indien und China! er-.
halten haben; denn dort, in dem Lande, wo fremde Ge-
bräuche 'nur im gröfsten Nothfalle eingeführt werden, ist
eben dasselbe Verfahren schon seit uralten Zeiten im Ge-
brauche, und man ist darin auch sogar viel weiter in China
gekommen als bei uns. sm |
Obgleich der Zucker. bei üns nur ein schwer zu ent-
behrender: Luxus-Artikel ist, .so ist er in tropischen Ge-
senden ‚meistens auch ein allgemeines Nahrungsmittel,
theils nämlich als wirklicher Rohzucker, theils aber auch,
und dieses ist allgemeiner. im Gebrauch ‚ im unzubereite-
ten Zustande, nämlich ‘die gereiften Schafte ‘der Pflanze,
welche gekauet und ausgesogen, auch wohl durch Kochen
zuerst: weich gemacht werden. Es‘ist unglaublich, welche
ehorme Massen von rohem Zuckerrohre auf diese Weise
consumirt werden; grofse!'Schiffsladungen komnien hievon
‚täglich auf den Markt von Manila, und in Rio'de Janeiro,
_ auf den Sandwichs-Inseln und an anderen Orten, sieht
| *) Siehe Alexander n Humboldt, Ueber Neu-Mexice, II.
p- 116, TAN F
448
man jedes Kind ‘mit einem Stücke Zuckerrohr in der
Hand umhergehen. |
Der Erwerb der Völker durch die Cultur des Zuckers
ist ganz enorm, ebenso ist die Masse der geistigen Ge-
tränke, welche aus dem Zuckerrohr, theils aus der Me-
lasse, theils unmittelbar aus dem zerquetschten Rohre ge-
zogen werden, ganz unglaublich, und dennoch wird die
Melasse, wenigstens in den spanischen Colonien , meistens
noch fortgeworfen, weil alte Privilegien die Bereitung der
gebrannten Wasser verhindern sollen.
Es ist hier nicht der Ort, den ‚Ertrag: der ver-
schiedenen Colonial- Artikel mit demjenigen unserer Ge-
treide zu vergleichen, aber, obgleich es wahr ist, dafs die
Cultur des Zuckerrohrs auf gleichem Raume und in eben
derselben Zeit bedeutend gröfser ist, als_ derjenige der
Getreide, so ist dabei recht sehr zu bemerken, dafs zur
Cultur des Zuckerrohrs im Grofsen ,: ganz besonders gro-
fse Capitalien nöthig sind, diese alsdann aber nicht mehr
Zinsen einbringen, als bei uns der Ertrag des Getreide-
baues. Möge man sich daher unter Plantagen-Besitzern
in den Tropen nicht immer reiche Leute denken und sie
beneiden, wie es von unserem Landmanne gewöhnlich ge-
schieht.: Ganz abgesehen davon, dafs Insektenfrafs, durch
Heuschrecken-Züge nämlich, wenigstens in Ostindien, den
Ertrag dieser Plantagen oftmals ganz vernichtet, wärend
Mifswachs in unseren Gegenden doch sehr selten ist. So-
bald die Zuckerpflanze ihrer Ausbildung nahe ist, wird
der Heuschreckenfrafs, d. h. wenn er nicht zu arg ist,
nicht’ mehr gefürchtet, denn alsdann schadet der Verlust
der Blätter nicht mehr, wohl aber werden die jüngeren
Pflanzen dadurch recht sehr beschädigt und bleiben in ih-
rer Ausbildung zurück. Sind die Plantagen nicht zu grofs,
so sucht der Hacendado, mit Hülfe ‘seiner vielen Leute,
das Festsetzen des Zuges zu verhindern.
Die Cultur des Kaffee’s (Coffea arabica Lin.).
Der Kaffee-Baum gedeiht in den heifsesten Gegenden
der Tropen; sein künstlicher Verbreitungsbezirk ist jedoch
449
so grofs, dafs er weit über die Tropen, selbst bis über
den 36sten Grad nördlicher Breite hinaus geht, wo er nur
noch eine mittlere Wärme von 19% bis 20° Cels. findet.
Demnach -ist der Verbreitungs-Bezirk des Kaffeebaumes
mit demjenigen der Baumwollpflanze ziemlich genau überein-
stimmend. Wie es scheint, so liebt der Kaffeebaum einen
feuchten und beschatteten Boden, daher er auch zwischen
den Wendekreisen, am besten in einiger Höhe, z. B. zwi-
schen 1200 bis 3000 Fufs, selten aber noch über 6000
Fufs Höhe gedeiht.
Die alte Welt ist das Vaterland des Kalos eines
Culturzweiges, welcher schon gegenwärtig einen den wich-
tigsten Handelsartikel der neuen Welt ausmacht; ja ich
selbst habe in Brasilien, unweit der Stadt Rio de Janeiro,
in den Wäldern des CGorcovado’s, auf einer Höhe von
1000 Fufs, mehrere kleine Kaffee-Bäume verwildert ge-
funden. : Gegenwärtig wird die Cultur des Kaffee’s in sehr
bedeutender Menge auf den ostindischen Inseln, als auf
Java und selbst auf Lucon betrieben, und auf den Süd-
see-Inseln gedeiht der Kaffee ganz vorzüglich, doch wird
die Ausdehnung desselben nach Osten hin, durch die all-
gemeine Cultur des Thee’s unterdrückt. Nach Java, wo
gegenwärtig der Kaffeebaum sein zweites Vaterland ge-
funden hat, wurde derselbe im Anfange des vorigen
Jahrhunderts von Persien aus verpflanzt.
Der Anbau des Kaffee’s wird auf folgende Weise be-.
trieben *): Man säet die frischen Bohnen, vorzüglich im
Schatten anderer Kaffeebäume, und hebt dann die Pflänz-
chen mit der Erde aus, sobald sie eine Höhe von 12 Zoll
erreicht haben. Die jungen Pflänzchen werden in Quin-
cunx gepflanzt, und zwar so, dafs die Stämmchen 4 bis 6
Fufs weit auseinander stehen. Durch Abschneiden der
geilsten Schöfslinge läfst man die Kaffeebäume in den
Plantagen nicht höher, als 12 Fufs werden, damit die
Früchte leichter zu pflücken sind, welche schon im 20sten
*) S. v. Martius, Reise in Brasilien, I. p. 146.
29
450
oder auch erst im 32sten Mönate nach der Verpflanzung
reif werden. Nach 4 bis 5 Jahren wird die Lese schon
schr gut, und dann wird für jede 1000 Bäumchen'ein Die-
ner gestellt: Der Kaffeebaum giebt jährlich drei Lesen,
welche dann fast das ganze Jahr beschäftigen. Bei Rio
de Janeiro beginnt die erste Lese im April, und man
nimmt alsdann nur die ganz reifen und rothen Beeren ab,
deren: Saame sich ohne Mühe vom Fleische trennen Jäfst;
sonst werden die ganzen Saamen getrocknet und mit Hülfe
einer Maschine zerschlaubt.
Der Chinesische Thee.
Der Gebrauch des Thee’s ist bei einem grofsen Theile
der Bevölkerung der Erde so allgemein, und die. Cultur
der Theepflanze ist für das grofse chinesische Reich von
solcher Bedeutung, dafs eine ausführlichere Auseinander-
setzung der Cultur, ‘des: Verbrauchs und des Nutzens die-
ser Pflanzen hieselbst am rechten Orte sein wird.
Die Pflanze, welche ‘die gewöhnlichen Theearten lie-
fert, die zu. uns in den Handel kommen, ist‘ die Thea
chinensis; es ist eine einzige Art, welche eine Menge von
Abarten aufzuzählen hat, die tlieils mehr theils weniger
constant sind, so dafs sehr verschiedene‘ Botaniker nicht
nur zwei, sondern sogar drei bestimmte Arten aus jener
Pflanze gemacht haben, nämlich Thea viridis, ‘Th. Bohea
und Th. strieta. Ich werde später auf die ‚Gründe zu-
rückkommen, welche mich zur Annahme einer einzigen
Thee-Art, welche den chinesischen Thee liefert, bestimmen.
Das Vaterland des Theestrauchs ıst China, man: findet
ihn daselbst bis zu 40° nördlicher Breite, .so wie in den
gebirgigen Gegenden des südlichen Theil’s des Landes, beson-
ders auf den Bergen, welche China von dem Birmanischen
Reiche trennen. Dafs die Cuitur des chinesischen Thee’s
auch in Awa, dem Reiche der Birmanen, so: wie an:der
östlichsten Grenze von Tübet betrieben wird, das: hat
schon Herr Ritter *) nach genauen Quellen nachgewiesen.
ER *) Ueber die Verbreitung der Theecultur — Geogr. v. Asien. II.
451
Ganz neuerlichst hat man’ aber auch in Assam, und zwar
in dem‘»Gebiete, welches den Engländern gehört, wo die
Gebirge nicht über 6- bis 8000 Fufs hoch sind, die Thee-
pflanze wild gefunden *), und man macht sich defshalb
um. so gröfsere Hoffnung, dafs die Cultur des Thee’s im
Grofsen hier um. so besser glücken werde, so dafs der
Handel mit. dieser Waare nächstens den: Chinesen ganz
entrissen werden könnte. Auch in Cochin-China und in
Tonquin wird ‘eine grofse Quantität ordinairen Thee’s ge-
bauet, doch. ist .man hier. bei. diesem: Culturzweige sehr
nachlässig. Ob. hier die. Pflanze wild ist, oder ob sie da-
hin .eingeführt worden, das wissen wir noch nicht; bei-
nahe wäre ‚Letzteres zu vermuthen, indem die Theepflanze
in. der subtropischen Zone am. besten gedeiht, also auch
bier, :so wie in den. dieser Zone entsprechenden Höhen
der Gebirge. zu Hause: sein wird.
‚Der Gebrauch ‚der getrockneten Blätter des Thee-
ds zu dem bekannten warmen Aufgusse, welcher bei
uns unter dem Namen _des Thee’s bekannt ist, erstreckt
sich bis in die ältesten Zeiten der chinesischen Geschichte
hinauf, und gegenwärtig ist derselbe im ganzen Reiche so
allgemein, dafs daselbst der Consum der Theeblätter wohl
schwerlich noch steigen kann, d. h. wenn die Menschen-
zahl sich nicht vergröfsert. | |
Ueber den Ursprung und über .das Vaterland des
Thee’s ist schon sehr viel geschrieben worden, und stets
sind alte chinesische Schriften als Autoritäten dafür aufge-
führt. Neuerlichst hat Herr von Siebold die Meinung zu
verbreiten gesucht **), dafs der Thee' auch nach China
eingeführt sei, und zwar von Kaorai aus, was aber Herr
Klaproth ***) als irrig nachgewiesen hat. Herr Klaproth
hat vielmehr gezeigt, dafs die ältesten Nachrichten über
”)S. WVallich Discovery of the genuine tea plant ın Upper
Assam; ım Journ. of the Asiätic Soc. Jan. 1835.
#98. Nippon, Heft II.
*+*) Haude- und 'Spenersche Zeitung. Berlin 1834. 1iten Dee.
n 29 *
452
den Gebrauch des Thee’s sich bis zu den Jahren 265 bis
419 hinauf erstrecken. In der chinesischen Schrift, wel-
che den Titel führt: Schi schue, findet man, dafs in der
Hälfte des 4ten Jahrhunderts ein Minister der öffentlichen
Bauten, Wang-mung mit Namen, die Theepflanze gebraucht
habe, welche im Chinesischen den Namen Ming führt. Im
Jahre 600 ist die Pflanze durch einen Priester einem Kai-
ser von China, welcher an heftigen Kopfschmerzen litt,
empfohlen worden, und da die Krankheit durch den Ge-
brauch der Theepflanze sehr bald geheilt wurde, so erhielt
der Gebrauch derselben überall sehr schnelle Aufnahme.
Tschha ist Synonym für die Pflanze Ming und unter je-
nem Namen ist die getrocknete Pflanze zuerst durch die
Portugiesen und Spanier weiter verbreitet worden, auch
ist das Wort Tschha in allen nördlicheren Provinzen von
China zu Hause. Herr Klaproth hält das Wort Thea für
das malayische Teh, welches von dem chinesischen Worte
Thee abstamme.
Schon im $ten Jahrhundert mufis die Theecultur in
China sehr bedeutend gewesen sein, denn schon 783 ward,
bei einer Geldverlegenheit der Regierung, der Thee mit
10 Procent besteuert, und seit jener Zeit hat die Regie-
rung von dieser nützlichen Pflanze immer eine sehr be-
deutende Einnahme gehabt. Heutigen Tages geschieht die
Zollerhebung auf den Thee noch anf folgende Weise: Es
darf nämlich Niemand von den Landleuten ohne vorher-
- gehende Erlaubnifs Thee verkaufen; diese Erlaubnifsscheine
erhält man aber in den Zoll-Bureau’s der verschiedenen
Provinzen, und zwar wird für jede beliebige Summe, wel-
che man verkaufen will, ein doppelter Schein ausgestellt,
den einen erhält der Käufer und den anderen behält der
Verkäufer, um sich stets legitimiren zu können.
Seit 810 ist der Thee in Japan bekannt, und seit 828
wird er in Korea gebauet. Die Cultur des Theestrauchs
ist auch in Bengalen versucht worden und man verspricht
sich hievon sehr grofsen Erfolg, ja neuerlichst ist diese
453
Frage von Herrn Royle *) sehr ausführlich erörtert wor_
den, doch, wie es scheint, mit grofser Vorliebe für Indien.
Ich werde in der Folge zu zeigen suchen, dafs, wenngleich
die Theepflanze in allen kühleren Gegenden der tropi-
schen,: und in der ganzen subtropischen, ja sogar weiter
hinauf in die temperirte Zone hinein, bis über den 40sten
Grad der Breite hinaus gebauet werden kann, dafs noch
andere: Erfordernisse vorhanden sind, welche einen vor-
theilhaften Theebau bedingen. Die Hauptsache ist der ge-
ringe Tageslohn, welcher zwar in Bengalen wie in’ China
. sehr. gering ist, dafs derselbe aber in Indien 4 und 3 so
grofs ist als in China, wie dieses Herr Reeves in Royle’s
angeführtem Werke gesagt hat, das möchte wohl zu be-
zweifeln sein; wäre es aber richtig, so würde Bengalen
alsbald einen wohlfeileren Thee als China liefern können.
Bei Canton, wo Herr Reeves wohnte, möchte wohl der Tages-
lohn $S Pence betragen, aber im Innern von China beträgt er
nur 4 dieser Summe. Aufserdem hat man den Thee nach
Ceylon und nach Java verpflanzt, wo man auch jährlich
einige Tausend Kisten zieht. Ja der Thee von Java ist
neuerdings schon auf den Markt von Amsterdam gekom-
men. und hat daselbst grofses Aufsehen gemacht, denn
man ‘hat schon über 1400000 Pfunde gewonnen, so dafs
die Holländer, vielleicht schon nach 20 Jahren, allen Be-
darf an Thee, aus Java ziehen werden. In Sumatra wur-
den, nach Marsden’s Angabe, schon im vergangenen Jahr-
hundert einige Theesträucher cultivirt. - Aufserdem hat
man den Thee noch nach dem Cap der guten Hoffnung
verpflanzt, nach St. Helena .und nach Rio de Janeiro, wo
noch gegenwärtig im botanischen Garten daselbst grofse
Anpflanzungen sind, die sich aber in einem. kümmerlichen
Zustande befinden **).
Die Anpflanzungen des Thee’s geschehen ‘durch Aus-
*) Ilustrations of the Botany of the Himalaya Mountains. Fasc.
IV. London, 1834.
**) Siehe hiezu Meyen’s Reise um die Erde, Bd. I. p. 102.
454
saat der Saamen, welche bald mehr, bald weniger regel-
mäfsie gepflanzt werden. Schon im ersten Jahre nimmt
man der Pflanze ‘die mittelsten Triebe, damit sie nicht
schlank in die Höhe steigen kann, sondern mehr ästie,
und mit einer gröfseren Masse von Blättern bedeckt wird.
Schon im 4ten und im 5ten Jahre beeinnt die Lese der
Blätter. Ich habe dergleichen Thee - Plantagen besueht
und fand sie in hügelreichen Gegenden, ‘wie das im gan-
zen Lande der Fall sein soll. Die meisten der Theesträu-
cher in jenen Anpflanzungen "hatten nur 21 bis’ 3 Fufs
Höhe und standen über 3 Füfs weit auseinander; nür"ein-
zelne Stämmchen rasten weit über die andern hinaus und
erreichten die Höhe von 5 Fufs. Tech fand Frauen neben
diesen Sträuchern sitzen und die Blätter auf &anz gewöhn-
liche Weise mit den Händen abpflücken. Nüäch den ver-
schiedenen Angihen über die Zeit der Theelese, ‘scheint
diese für verschiedene "Gegenden ‘des elihestschen und
japanischen Reiches sehr verschieden zu sein, ‘doch 'en-
den die Hauptlesen schon im Mai und im Juni, denn
schon im September und October kommen frische Thee-
ladungen aus dem Innern des Landes nach Canton. |
Die Düngung dieser Pflanzungen geschieht allerdings
sehr verschieden für verschiedene Gegenden, doch‘ ist in
China die Düngung mit ‘einer Auflösung von Menschen-
koth mit kalkhaltigem Thone vermischt, die gewöhnlichste.
Ueberall neben dem bekaueten Acker sieht man auf- den
chinesischen Feldern grofse eingemauerte ‚Gruben oder
Fässer, welche in die Erde versenkt und mit jeder Dün-
ger - Sauce angefüllt sind. In Japan bedient man sich
nach Herrn von Siebold’s Angabe noch anderer, sehr star-
ker Dingungsmittel für den Thee, nämlich des ausgeprefs-
ten Saftes des japanischen Senfes und getrocknete Sardel-
len, auch der zurückgebliebenen Oelkuchen von der Bras-
sica orientalis und von andern Pflanzen.
Die frisch gepflückten Blätter des Theestrauches zei-
gen nichts von dem Geruche und dem Geschmacke, wel-
chen die getrockneten Blätter später aufweisen, auch ha-
... 456
ben sie weder einen scharfen), noch. einen - ätherischen,
noch einen bitteren Geschmack. Die Eigenthümlichkeiten,
welche. sie. später, als, zubereiteter: Thee ‚zeigen und wo-
durch ‚sie ‚gerade, so beliebt geworden sind, nämlich der
Wohlgeschmack und der angenehme Geruch „sind erst
Produkt. der starken Röstung, wobei jene Blätter getrock-
net werden. , Man. möge sich. hierüber um so. weniger
wundern, da es sich mit dem Kaffee ganz ähnlich verhält;
Jedermann. weifs, dafs der ungebramnte Kaffee ‚noch. .nichts
von ‚dem ‚angenehmen Aroma, und: dem "ätherischen Dufte
enthält, welcher, demselben nach dem Brennen eigen ist.
Diese Röstung der Theeblätter geschieht auf grofßsen, ei-
sernen Platten, ‚welche. äufserst, stark erhitzt werden, und
in grofsen flachen veisernen Pfannen; welche. etwas schräg
eingemauert.. sind. . Die Theeblätter ‚werden zuerst. in
diesen Pfannen. durch stetes . 'Umrühren. bei. gelinder
Wärme zum Welken ‚gebracht, -wobei sie daun durch anhal-
tende Hitze allmälich zusammentroekenen. Hierauf. wer-
den. die erhitzten ‚Blätter. auf Matten ausgeschüttet ‚und
mit den flachen Händen gerieben, ‚nach’dem:-Erkalten aber
wieder von Neuem in die Pfannen gethan und abermals
geröstet, bis der Thee ‚ganz getrocknet ist, was durch. vier-
bis. sechsmalige Wiederholung dieser Operation erfolgt.
Bei. diesem Trockenen: der ‘Blätter verlieren dieselben 2
ihres ganzen Gewichtes, so dafs also 3 Pfund. frische
Theeblätter ‚nur 4::Pfund getrockneten Thee geben.
Die verschiedene :-Farbe, Form und:Behaarung der ge-
trockneten 'Theeblättehen brachte. zuerst die Botaniker auf
den Gedanken, »dafs: der grüne und der schwarze Thee
von verschiedenen Arten: bereitet würde, indessen "dieses
ist wohl nicht der Fall, sondern es: können beide‘ Arten
von Thee aus den. Blättern: einer und derselben. Pflanze
gemacht werden, »wieidieses schon Abeliauf.,der Reise des
Lord‘ Amhorst erfahren hat. ‘Der ieinmal:zubereitete Thee
kann aber, wie auch Herr Reeves angiebt, nicht mehr gut
umgewandelt werden, ‚wenigstens kann, der schwarze Thee
nicht mehr in grünen "Thee umgewandelt werden, doch
456
kann der grüne Thee wenigstens unvollkommen in schwar-
zen verwandelt werden. |
Es ist eine eigene Erscheinung, dafs der Streit, ob
der Thee von einer und derselben Art der Gattung Thea,
oder ob er von zwei verschiedenen Arten dieser Gattung
bereitet wird, unter den Botanikern noch immer nicht be-
stimmt entschieden ist. In Japan, wo eben sowohl schwar-
zer als grüner Thee gemacht wird, da gehören die Thee-
sträucher, nach den Beobachtungen von Kaempfer, Thun-
berg, und Siebold zu einer und derselben Art, wovon sich
auch nach den, durch Herrn von Siebold mitgebrachten
Exemplaren, Herr F. Nees v. Esenbeck überzeugt hat;
demnach ist schon die von Herrn Reeves, ehemaligem
Theeschmecker bei der Engl. Ostind. Compagnie zu Can-
ton, so Scharf ausgesprochene Meinung, dafs der schwarze
Thee und der grüne Thee von zwei ganz verschiedenen
Pflanzen abstamme, als unrichtig erwiesen.
Anmerk. Ich glaube nicht, dafs man den Mittheilungen des
Herrn Reeves, wenn sich derselbe auch noch so lange zu Canton
und Macao aufgehalten hat, mehr Gewicht beilegen kann, als den
Botanikern von Profession, welche wohl besser wissen werden, was
ıman als Arten und was man als Varietäten aufzuführen hat. Uebri-
gens ist Herr Reeves niemals in den Provinzen Chinas gewesen, wo
die Cultur des Thees allgemein betrieben wird, ja er scheint nicht
einmal die Thee-Plantagen in der Nähe von Canton besucht zu
haben *).
Herr Reeves wundert sich, wie Jemand, der in China
gewesen ist, der nur die verschiedenen Aufgüsse von grü-
nem und von schwarzem Thee gesehen hat, diese beiden
Theearten für Blätter einer und derselben Pflanze halten
kann **), und diese Aeufserung, welche man für sehr
hochtrabend halten mufs, scheint grofsen Beifall zu fin-
den. Hätte Herr Reeves aber gewufst, wie die verschie-
denen Theesorten zubereitet werden, so würde er sich
nicht mehr gewundert haben. Hr. R. verweist uns auf die
*%) S. Meyen’s Reise u. s. w. I. p. 375 etc.
*) Loudon’s Gard. Mag. IX. p. 713.
457
Abbildungen ‘der beiden Theearten, welche in Loddige’s
Bot. Cab. Tab. 226 und 227 vorhanden sind, und macht
die Bemerkung, dafs hier diese beiden Species, welche
den schwarzen und den grünen Thee geben, sehr wohl
charakterisirt sind. Dafs dieses nun aber gerade nicht
so aufserordentlich klar ist, wie Hr. R. glaubt, möchte die
vorurtheilsfreie Vergleichung durch die meisten der Botaniker
bestätigen. Selbst bei unseren Culturpflanzen der Art, wel-
che, im Verhältnisse zur Theepflanze, nur kleine Verbrei-
tungsbezirke haben, sind die Unterschiede bei verschiede-
nen Varietäten wohl noch gröfser nachzuweisen als hier.
Herr Hooker *) hat zwar ebenfalls die Existenz zweier
Theearten angenommen, doch gründen sich seine Charak-
tere mehr auf Theepflanzen, welche in England gezo-
gen sind.
Nimmt man eine Menge Blätter der verschiedensten
Theesorten, welche zu uns in den Handel kommen, weicht
dieselben in heifsem Wasser auf und legt sie neben ein-
ander, so wird man sich gewifs sehr bald überzeugen,
dafs es keine Charaktere giebt, welche die verschiedenen
schwarzen Theesorten von den verschiedenen grünen Thee-
sorten unterscheiden; vorausgesetzt, dafs man eine grofse
Menge von Blättern beobachtet. Eine solche Arbeit, wel-
che sehr beachtenswerth ist, hat neulich Herr Accum, ge-
genwärtig zu Berlin, ausgeführt, und sie dem Vereine zur
Beförderung des Gewerbfleifses in Preufsen vorgelegt, wo-
durch sich der Uebergang der Theeblätter aller verschie-
denen Sorten in einander nachweisen läfst.
So möchte denn:die Richtigkeit des Urtheil’s von Herrn
Reeves über diesen Gegenstand wenigstens etwas in Zwei-
fel gezogen sein, ich glaube jedoch, dafs es sogar wider-
legt sein möchte.
Der grüne Thee wird zubereitet, wie ich es so eben
angegeben habe, der schwarze Thee dagegen wird auf so-
genanntem nassen Wege bereitet. Hiebei werden die fti-
*) Bot. Mag. Tab. 3148.
458
\
schen Blätter auf grofse Siebe gelegt und diese über ko-
chendes Wasser gestellt, damit die Blätter zuerst:von.den
heifsen Dämpfen durchzogen und also stark infundirt wer-
den. Hierauf werden auch diese Blätter, wie‘ vorhin an-
gegeben wurde, in eisernen Kasten getrocknet. Durch
diese Infusion mit heifsen Wasserdämpfen wird dem. fri-
schen Thee das Adstringirende, nämlich Gallussäure und Ger-
bestoffientzogen, auch werden die Blätter dadurch geschickt
‚gemacht, dafs sie später weniger von den sehr reitzenden
flüchtigen Bestandtheilen enthalten, welche dem grünen
Thee in grofser Masse eigen sind. So enthält denn auch,
nach den bekannten Untersuchungen der Chemiker, der
schwarze Thee weniger 'Gallussäure und Gerbestofl, als
der grüne Thee, ja dieser allein enthält die: Theine, "ein
Alkaloid, welches dem schwarzen Thee doch wahrschein-
lich ‘nur durch die Infusion mit den:heifsen Wasserdäm-
pfen 'entzogen sein kann. x od
Wenn es nun auch entschieden wahr ist, ‘dafs alle
unsere Tiheesorten‘'von einer und: derselben ‘Species der
Gattung Thea bereitet werden, so glaube man nicht, dafs
alle die 'Theesorten in emer und derselben Gegend und
vorn einer und derselben Staude gemacht werden ' können.
In der einen Gegend bauet man: vorzüglich schwarzen, in.
der anderen’ Gegend vorzüglich grünen Thee, hier krätı-
selt man den: Thee nur wenig, dort'sehr stark, so.'dafs
er ganz kugelförmig wird, doch ist dieses keineswegs 'ein
Zeichen von sehr feinem Thee. Ich glaube nicht, ‚dafs
man sich darüber zu wundern'!hat, denn ganz ‘ähnlich ver-
fährt man mit ‘anderen Culturpflanzen‘ bei : uns, welche
eleichfalls Hunderte ‘von verschiedenen Abarten aufzuwei-
sen haben. Ich ‘erinnere hier an :die Bereitung unserer
Weine; es ist fast überall eine und dieselbe Species, und
wie ‚verschieden schmeekt ‘und riecht der Wein.‘ So be-
schränkt der Ort'ist, an welchem‘ dieser oder jener Wein
mit ‘einem "eigenthümlichen 'Geruche vorkommt; eben so
beschränkt sind die Theeplantagen, deren Pflanzenblätter
von einem besonders ausgezeichneten Geruche sind, und
459
es ist durchaus nicht der Fall, dafs 'man diesen Wohlge-
ruch besonderer Theesorten durch ändere wohlriechende
"Substanzen erzeugt. ‘Indessen bemerk@ ich hier, dafs ich
selbst grofse Massen der Blüthenknöspen von Olea fra-
grans gesehen habe, welche in China wirklich in den Han-
del kommen ind von besonderen Liebhabern zur Verbes-
serung des Geschmack’s von grünem Thee gebraucht wer-
den, doch mischt sich Jedermann diese Substanz nach Be-
lieben zu. '
Schlechtere Sorten von Thee, welche meistens nicht
mehr zu uns in den Handel Konknien) sondern zum eige-
nen Verbrauche im Lande bleiben, wördEn dadurch berei-
dafs man von gewöhnlichen 'Gewächsen die ganzen
Bei und Sprossen abnimmt und die Blätter theils mit
den Stengeln trocknet, theils ’von "diesen 'nur "mit der
Hand abstreift. 'Eine solche Sorte ist es, welche zur Be-
reitüng des Backstein- oder Ziegel-"Thee’s "benutzt wird.
Dieser Ziegelthee kommt in’ harten Broden, ähnlich sehr
dünnen Backsteinen, in den Handel, ‘wird aber’ 'hauptsäch-
lich im nördlichen China und im Innern 'von Asien, z.B.
bei den Nomaden in der Wüste Gobi verbraucht; er "bei
steht aus schlechten und unreinen Blättern, ‘mit Stengeln
. vermischt, welche durch eine schleimige Substanz 'zusam-
mengceklebt, in Form von Broden geprefst und im Ofen
getrocknet werden.
Bei der Benutzung dieses Ziegelthee’s ‘werden ein-
zelne Stücke abgebrochen, und nachdem sie vorher gepul-
"vert sind, mit Wasser oder mit Milch, Mehl und Fett ge-
kocht #). Die chinesischen Soldaten an jenen nordischen
Grenzen erhalten’ diesen 'Ziegelthee gleichsam als Soöld,
und was sie davon nicht selbst gebrauchen, wird‘ nach
Kiachta hin verhandelt. Ja überall in der Mongolei und
in Daurien soll dieser Thee als Handelsmünze im Ge-
brauche sein‘ "#), Grofse Karaväanen von’ Kameelen zie-
*) S. Timkowsky’s Reise nach China, p. 46. 1.
END hierüber ausführlich in €, Ritter’s historisch geographi-
460
hen beladen mit diesem Thee durch die Wüste Gobi. In
früheren Zeiten war es ganz gewöhnlich, dafs der Thee
sowohl in China, wie auch in Japan aus den gepulverten
Blättern gekocht wurde. |
Die älteste bis jetzt bekannte Schrift, in welcher
von einem Europäer ‘über den Thee geschrieben ist, soll
die Historia indica von Maffei sein, welche 1589 zu
Leyden erschien; doch soll der erste Thee erst 1610
durch holländische Kaufleute nach Europa gebracht wor-
den sein. Schon im Jahre 1660 wurde der Verkauf
des Theegetränk’s durch eine Parlamentsacte mit einer
Steuer belegt. Auch haben schon im Jahre 1638 Gesandte
von Moskow den Thee, als Geschenke an den Czar mit-
gebracht. |
Nachdem wir nun. die Anpflanzung, die Bereitung
und Verbreitung der Theepflanze kennen gelernt haben,
gehen wir zur Betrachtung der ungeheuren Masse über,
welche von dieser Nutzpflanze jährlich producirt und con-
sumirt wird. Wir wissen, dafs gegenwärtig in England
eine so grofse Summe Thee verbraucht wird, dafs auf je-
den Bewohner mehr als 13 Pfund jährlich zu rechnen
ist; sicherlich ist aber der Verbrauch des Thee’s in China
noch gröfser, denn, wer es haben kann, der trinkt den
ganzen Tag über Thee. Indessen. rechnen wir auch nur
die Masse von 14 Pfund für jeden Kopf, so käme bei ei-
ner Bevölkerung des chinesischen Reiches von, wenigstens
200 Millionen Menschen, die ungeheuere Summe von
300 Millionen Pfunden zum Vorschein. Beachten wir. in-
dessen auch den Gebrauch des Thee’s in Japan, in Cochin-
China, und den angrenzenden Staaten, so möchte vielleicht
eine Summe von 450 Millionen dieses getrockneten Krau-
tes für den ganzen -Osten von Asien sicherlich nicht zu
hoch sein. Man bedenke nun die Masse von frischen
Blättern und die Zahl der. Hände, welche zur Bereitung
sche Forschung über die Verbreitung der Theecultur, in dessen Geo-
graphie von Asıen IH.
461
dieser Unmasse von Thee nöthig sind! Von welcher hohen
Bedeutung ist demnach der Ackerbau in China und Japan,
blofs für diesen einzigen Zweig betrachtet.
Die Menge von Thee, welche China jährlich nach dem
Auslande verhandelt, kennen wir allerdings noch nicht mit
gehöriger Genauigkeit, wohl aber die Massen, welche nach
Europa und den europäischen Colonieen eingeführt werden.
Ich habe nach genauen Quellen die ganze Menge von Thee,
welche durch Europäer aus dem Hafen von Canton aus-
geführt wird, zu 45,000000 Pfd. für die Jahre bis 1830
‘berechnet; *) hiezu kommt noch der Thee, welcher auf
dem Karavanenwege nach Rufsland geführt wird, welcher
im Jahre 1830 nicht mehr als 5,405990 preufs. Pfunde
betragen haben soll. |
Die grofse Menge von Thee, womit China auf dem
Landwege die indischen Reiche versieht, ist leider nicht
bekarnt, auch fehlen alle Thatsachen, um dieselbe auch
nur annäherend zu schätzen; doch mufs, nach verschiedenen
Nachrichten zu urtheilen, der Verbrauch des Thee’s da-
selbst sehr grofs sein. In ganz Tübet und in Nepal ist
der Thee das gewöhnliche Getränk, mit welchem man die
Nahrungsmittel verzehret. Abstrahiren wir aber ganz von
der Menge Thee, welche auf diesem Landwege nach Indien
‘geführt wird, so kommen dennoch schon 50000000 Pfunde,
von den getrockneten Blättern jener Pflanze, ganz allein
nach Europa und dessen Colonieen, wofür dem chinesi-
schen Lande eine Summe Geldes von ungefähr 18,000000
preufs. Thalern zufliefst, denn im Durchschnitte werden
die Thee-Sorten zu Canton mit 4 Piaster für das Pfund
bezahlt. Wir haben indessen schon gesehen, auf wel-
chem höchst sonderbaren Wege diese ganze Masse von
Geld dem chinesischen Reiche wieder entzogen wird, doch
fliefst dieses Geld leider in andere Hände, so dafs Europa
durch den Gebrauch des Thee’s dennoch immer einen be-
deutenden Geldverlust erleidet.
*”) S. meine Reise um die Erde, Bd. II. pag. 38% u. s. w.
462
Noch. will. ich anführen, dafs vom jenen 50,000000 Pf.
Thee, welche auf dem Seewege von Canton und. auf dem
Landwege über Kiachta versendet werden, nicht mehr als
gegen 200000 Pfunde im 'preufsischen. Staate verbraucht
werden, . wärend ‚England allein über 26- bis 27,000000
Pfunde *) verbraucht; demnaeh consumirt England, im Ver-
hältnısse zu Preufsen, bei Beachtung einer verbältnifsmäfsig
gleichen Bevölkerung, fast 100mal mehr als Preufsen.
Schon jetzt ist die. Thee-Cultur für: den, ‚östlichen
Theil von Asien von einer aufserordentliehen ‚Bedeutung,
und ‚dennoch sind kaum'.100 Jahre: vergangen, dafs der
Gebrauch des. Thee’s in Europa etwas allgemeiner gewor-
den ist; indessen täglich nmmmt' der Geschmack der Men-
schen für den Genufs des Thee’s zu,‘ und so .‘läfst sich
voraussehen,: dafs dieser Zweig. des Ackerbaues für gewisse
tropische :Länder, : schon .nach: einem halben . Jahrhunderte,
eine. neue Quelle des Mohlatandes von. Bedeutung, ‚wer-
nen wird,
„Die, Hauptsache bei der Einführung der- Ti Gultur
nich einem. :anderen Lande ist ‚die Beachtung .der Preise
des Tagelohns,. welche daselbst herrschen... Die. Bereitung
des Thee’s erfordert viel Arbeit, und da der. Preis. des
Thee’s schon an und für sich sehr gering ist, so kann
auch die Arbeit bei der Bereitung des Thee’s' nur sehr
gering bezahlt werden, daher kann in einem Lande, wo
wenig: Menschen sind und der: Tagelohn hoch steht, nie-
mals mit Vortheil Thee gebauet werden; so steht es denn
auch mit der: Thee-Cultur. in Brasilien, wo die Selaven
so, ungeheuer. theuer sind. Da der Durchschnitts- Preis
des Thee’s zu Canton für das Pfund: ungefähr‘ 82 Silber-
groschen :beträgt, so möchte der Landmann das Pfund die-
ser Waare wahrscheinlich schen zu 8 bis 6 Silbergroschen
:) di Val des Jahres i834, nachdem das Privilegium der
englisch - ostindischen Compagnie auf den chinesischen Handel auf-
gehoben, und auch die hohe Zollabgabe auf den Thee ermäfsigt ist,
sollen, nach Zeitungs- Nachrichten, schon gegen 36,000000 Pfunde
Thee verbraucht werden. (?)
463
verkaufen, denn der Kaufmann, welcher den Thee an den
Ausländer verhandelt, mufs dabei wenigstens 30 Procent
Verdienst haben, nachdem: die Abgaben davon schon ab-
gerechnet sind, denn der chinesische Kaufmann zu Canton
leiht Geld zu 20 —26 Procent, mit dem er nach den Thee-
Plantagen in das Innere "des Landes geht und daselbst schon
die Erndte auf dem Stocke mit baarem Gelde erkauft,
ebenso, wie es bei uns die Weinhändler mit den Trauben
machen.
Die Pfeffer - Pflanze.
Der Anbau des Pfeffers, als des gewöhnlichsten Ge-
würzes, welches in allen Gegenden, auf der ganzen Ober-
fläche .der Erde, überall wo nur einige Cultur hingelangt
ist, gebraucht wird, ist ebenfalls von hohem:Interesse. Die
Pfefferpflanze (Piper nigrum L.) ist eine vieljährige, aus-
dauernde: Rankenpflanze, welche nur allein in tropischen
Gegenden cultivirt werden kann. Ostindien ist das Vater-
land des Pfeffers, und zwar fast Malabar allein, wo Bucha-
nan die Pfefferpflanze in den Wäldern wild fand. Auf
Sumatra und den’ übrigen Sunda - Inseln, wo der Pfeffer
gegenwärtig ebenfalls eultivirt wird, hat man die Pflanze
noch nicht wild gefunden, und sicherlich ist sie dahin von
Westen her eingeführt worden, von wo aus ‘man dieselbe
nach allen Ländern, innerhalb der Wendekreise, zu führen
versucht hat, wo der ‚Speculations - Geist der Menschen
pecuniären Vortheil zu erlangen erspäht hat. Auch ist der
Pfeffer von Malabar viel kräftiger als der von Sumatra,
und wird defshalb auch höher geschätzt, so dafs man auch
daraus auf das ursprüngliche Vaterland. dieser Pflanze
schliefsen kann. Zwar ist in verschiedenen Büchern der
CGultur der Pfefferpflanze gedacht, aber eine ausführliche
Beschreibung haben wir von derselben ‘durch Marsden *)
erhalten, ‘welcher lange Jahre hindurch, als: Beamter der
*) The History of Sumätra etc. third edition. London, 1811.
pag. 130 — 148. ı
464
ostindischen Compagnie, diesen für den Handel so wichti-
gen Culturzweig beobachtet hat.
Zu den Pfeffer-Pflanzungen wählt man einen mäfsig
hohen und mit Bäumen bewachsenen Boden, auch kann
man solche Pflanzungen benutzen, wo einmal Bergreis ge-
zogen ist. Auf die gewöhnliche Art, nämlich durch Ab-
hauen, Trockenen und durch Verbrennen, reinigt man den
Boden von dem darauf befindlichen Holze und theilt ihn
alsdann in regelmäfsige Vierecke von 6 Fufs Seitenlänge
ab. In jeder Pfeffer-Plantage pflegt man dergleichen vier-
eckige Felder an Tausend zu zählen und auf jedes dieser
Felder kommt ein Pfefferstock zu stehen, an welchem sich
die Pfefferpflanze hinaufwindet.
Die Pfefferstangen werden nun zuerst gesteckt, doch
sind diese, je nach den Gebräuchen in verschiedenen Län-
dern, sehr verschieden. Bald gebraucht man hiezu lebende
schlanke Bäumchen, bald nur gewöhnliche Stangen, doch
giebt man den lebenden Bäumen meistens den Vorzug, um
dadurch zugleich für die Pfefferpflanze einigen Schatten
zu erhalten. Auf Sumatra, wo sehr viel Pfeffer gebauet
wird, gebraucht man zu den Stangen die abgeschnittenen
Zweige der Erythrina Corallodendron, welche man einige
Monate früher, als den Pfeffer pflanzt, damit sie gehörige
Wurzel treiben, so dafs sie die ‚Pfefferpflanze tragen. kön-
nen, wenn sich dieselbe daran hinaufschlingt. Die obigen
Aeste der Erythrina Corallodendron eignen sich zu diesen
Stützen hauptsächlich defshalb, weil dieselbe schnell wächst
und mit kleinen Dornen besetzt ist, wodurch die Pfeffer-
pflanze um so fester ansitzt. Sobald die Erythrina zu
treiben beginnt, bricht man alle seitlichen Zweige ab und
läfst nur den mittelsten und geradesten in die Höhe schie-
fsen, bis er etwa 15 Fufs erreicht hat, worauf er alsdann
auf der Spitze abgeschnitten wird, um das Höherwachsen
zu verhindern. In anderen Gegenden hat man auch. diese
Stützen von Morinda eitrifolia und von Erythrina indica
benutzt. Da die Pfefferpflanze mehrere Jahre dauert, so
sind diese wurzelnden Stützen besonders vortheilhaft, denn
465
' die gewöhnlichen Stangen verfaulen in jenem nassen Clima
schon in kurzer Zeit, und durch Einsetzen anderer Stan-
gen wird die Pfefferpflanze beschädigt. Die Zweige und
Blätter dieser wurzelnden Stangen werden sorgfältig von
dem Stamme gereinigt und die Spitze wird in Form eines
Fächers beschnitten, damit sie der Pfefferpflanze den ge-
hörigen Schatten geben kann. Die Pfeffer - Pflanzungen
erforderen viele Sorgfalt, sie müssen stets von dem Un-
kraute gereinigt werden, welches in jenem heifsen und
feuchten Clima sehr bald die Oberhand gewinnen würde,
so dafs der Pfeffer ersticken müfste. Indessen wärend der
heifsen Sommer -Monate, wenn die Luft sehr trocken ist,
läfst man ein langes Gras in den Pfeffer - Pflanzungen
wachsen, welches gröfsere Feuchtigkeit des Bodens herbei-
führen soll.
Man pflanzt den Pfeffer durch Stecklinge, welche man
von den Ausläufern einer alten Pfefferpflanze nimmt, wozu
ein einzelnes Internodium hinreichend ist. Meistentheils wer-
den zwei Pfefferpflanzen an einer Stange gezogen, in Zeit
von drei Jahren erreichen sie eine Höhe von 8 bis 12 Fufs
und fangen an ihre Früchte zu tragen. Um diese Zeit,
und zwar wenn der Pfeffer reif geworden ist, schneidet
man die ganze Pfefferpflanze bis auf 3 Fufs Länge ab,
trennt sie sorgfältig von ihrem Stocke und legt sie hori-
zontal, in Form eines Zirkels, an die Erde, so dafs die
Spitze wieder zur Wurzel kommt. Nun treibt die Pflanze
von Neuem und trägt jährlich eine grofse Menge Früchte,
wärend sie, ohne dieses vorhergegangene Einlegen, sich
meistens in Blättertragen erschöpft. Man pflegt es auch
so zu machen, dafs man den mittelsten Schöfsling der
Pflanze an der Stütze stehen läfst und nur die seitlichen
Schöfslinge einschlägt. Werden die neuen Pfeffer - Pflan-
zungen aus diesen langen Schöfslingen angelegt, so tragen
sie schon im nächsten Jahre. Gewöhnlich treibt die Pflanze
aus diesen eingeschlagenen Schöfslingen zu stark, und dann
werden die meisten abgeschnitten und nur eine oder zwei
läfst man in die Höhe steigen. Wenn nun die Pfeffer-
30
466
pflanze zu tragen anfängt, so nimmt sie bis zum siebenten
oder achten Jahre an Tragbarkeit zu, worin sie alsdann
einige Jahre über stehen bleibt, bis sie allmälich zum Tra-
gen zu alt wird.
Die Pfeffer-Pflanzungen sind zwar bei den Bewohnern
der heifsen Gegenden, der vielen Arbeit wegen, welche
sie erfordern, in Verruf, indessen sollen 1000 Pfefferpflan-
zen sehr wohl von zwei Leuten versehen werden können,
welche dabei auch noch für ihren Reis sorgen können.
So wie bei den meisten Culturpflanzen, so hat man
auch bei den Pfefferpflanzen eine Menge von verschiedenen
Varietäten, von denen die eine in dieser, die andere in
einer anderen Beziehung geschätzt wird. Die Zeit, in
welcher die Pfefferpflanze blüht und Beeren trägt, ist zwar
sehr veränderlich, indessen sie liefert jährlich zwei Ernd-
ten, zuweilen trägt sie Blüthen und Früchte das ganze
Jahr hindurch, aber in einigen Gegenden trägt sie jährlich
nur einmal. Auf Java trägt die Pfefferpflanze oft so stark,
dafs man die Blätter der Pflanze, der vielen Früchte wegen,
nicht sehen kann. Auf Sumatra pflegt der Ertrag von 1000
tragbaren Stöcken gleich 400 bıs 450 Pfunden zu sein.
Die Beeren des Pfeffers brauchen 4 bis 5 Monate zu
ihrer Reife; sie sind anfänglich grün, werden aber, sobald
sie reif sind, schön roth und fallen alsdann ab, wenn sie
nicht zur rechten Zeit abgenommen werden. Sobald einige
Beeren reif werden, pflegt man die ganze Traube abzuneh-
men und sie dann auf Matten oder auf den blofsen Boden
auszubreiten, wo sie trocken werden und eine schwarze
Farbe mit runzeliger Oberfläche annehmen. Je reifer die
Beeren bei dem Abnehmen waren, je weniger runzelig
werden sie durch das Trockenen.
Der weifse Pfeffer wird aus dem schwarzen gemacht
und zwar dadurch, dafs man diesem durch Fäulnifs den
schwarzen Ueberzug abnimmt. Zu diesem Zwecke wird
der schwarze Pfeffer in Gruben oder auch in stehendes
Wasser gelegt, woselbst, nach 14tägiger Einwirkung, die
Hülse reifst und worauf die weifsen Körner, welche darin
467
enthalten waren, an der Sonne getrocknet werden, nach-
dem man durch Reiben mit den Händen die Hüllen ganz
entfernt hat. Man behauptet zwar, dafs der weifse Pfeffer
durch dieses Einweichen seine beste Kraft verloren hat,
doch ist er auch, mit seiner geringeren Schärfe, vielen
Menschen angenehmer. |
Eine schlechtere Sorte von weifsem Pfeffer erhält man
aus den Beeren, welche als überreif abgefallen sind, wobei
nämlich die schwarze Hülle abplatzte, und es scheint dar-
nach hervorzugehen, dafs die Schärfe des Pfeffers mit dem
Reifen sich verliert.
Man findet auch Angaben, dafs in Indien ein Pfeffer
wachse, welcher weifse Beeren trage, doch dieses möchte
wohl noch der Bestätigung bedürfen.
In dem neu erschienenen vierten Bande der Erdbe-
schreibung von Herrn Ritter, hat der gelehrte Herr Ver-
fasser eine Schätzung der gesammten Pfeffer -Production
nach Berechnungen von H. Crawfurd mitgetheilt, woraus
ich hier eine kurze Uebersicht darstelle. Die Gesammt-
Production des Pfeffers beträgt gegenwärtig an 50,000000 _
Pfunde, wovon nur 4 nach Europa kommt, die gröfste
Masse wird von den Chinesen verbraucht. Vertheilt man
die gesammte Pfeffermasse auf 1000 Millionen Menschen,
so kommt auf jeden Kopf der tägliche Verbrauch von 1,05
Gran. Da der Verbrauch des Pfeffers, als des allgemein-
sten Gewürzes, von Jahr zu Jahr zunimmt, und sich all-
mälich über die rohesten Völker ausdehnt, so ist voraus-
zusehen, dafs sich die Production des Pfeffers noch weit
mehr ausdehnen wird.
Ueber einige der hauptsächlichsten Pflanzen, deren
Fasern und Wolle zur Bereitung von Zeugen und
anderen, dem Menschen unentbehrlichen Mate-
rıalien benutzt werden.
Bekanntlich könnte der vorliegende Gegenstand das
Material zu einem umfangreichen Buche geben, wollte man
468
denselben auch nur mit einiger Ausführlichkeit behandeln.
Es ist bekannt, wie äufserst vielfach die Bereitung der
Zeuge ist, welche den Südsee-Insulaneren zur gewöhnlichen
Kleidung dienen. Ich kann hier die Zubereitung dieser
Zeuge, aus der Rinde verschiedener Bäume, übergehen,
indem dieselbe schon so oft, in den verschiedensten Schrif-
ten, mitgetheilt worden ist; wer hierüber nähere Auskunft
zu haben wünscht, dem sind die Berichte der klassischen
Reisen von Cook zu empfehlen. Hier beschränke ich mich
auf das Anführen derjenigen Pflanzen, welche hie und da
zur Bereitung der Kleidungsstücke von den Bewohnern
verschiedener Länder gebraucht werden.
Die bekannteste aller dieser Pflanzen ist bei uns. der
Flachs (Linum usitatissimum) und der Hanf (Cannabis sa-
tiva), deren so äufserst vielfältige Benutzung" allgemein
bekannt ist. Der Flachs hat in der alten Welt sein Vater-
land, aber in Nordamerika befindet sich eine andere Art,
welche ebenfalls zu denselben Zwecken benutzt werden
könnte. Gegen Osten und gegen Süden wird die Cultur
des Flachses überall durelr den Anbau der Baumwolle ver-
drängt, welche eine viel reichhaltigere Erndte giebt. Auf
den kalten Hochebenen Indiens, wo keine Baumwolle ge-
deihet, da wird noch Flachs cultivirt, doch meistens nur
auf die Oel-Gewinnung. Ob unser Flachs auch in China
eultivirt wird, ist eigentlich wohl noch unbekannt; das
Fabrikat, welches zu uns als chinesische Leinewand kommt,
ist wenigstens einer anderen, uns noch unbekannten Pflanze
angehörig.
Die Baumwoll- Pflanze,
Die Baumwollpflanze ist eine der nützlichsten für, das
Menschengeschlecht, welche auf.der Erde eultivirt wird;
es ist sehr wahrscheinlich, dafs eine gröfsere Menge von
Menschen ‚durch Baumwollenzeuge gekleidet werden, als
durch irgend einen anderen Stof.
Nicht nur in den tropischen Gegenden aller Länder
-der alten und der neuen Welt wird die Baumwolle ange-
469
bauet, sondern sie geht auch weit über die Tropen hinaus,
selbst bis in Gegenden, deren mittlere jährliche Tempera-
tur zwischen 13 und 14° R. steht, was gerade noch den
südlichsten Gegenden von Europa zukommt. In einzelnen
Fällen, wie z.B. in der Krimm, wo noch andere Ursachen
vorhanden sind, welche die Winterkälte mäfsigen, geht die
Cultur der Baumwollenstaude in Europa bis zum 45° N.
Breite; in Asien selbst bis Astrakan. Im südlichen Spa-
nien, im südlichen Italien, auf Sicilien und in Griechen-
land, wie überhaupt rund um das mittelländische Meer, in
Syrien, Aegypten und in Kleinasien wird die Baumwolle
eultivirt, welche dem Gossypium herbaceum angehört; es
ist die gewöhnliche Pflanze mit weifser Wolle, in Sicilien
und Griechenland wird aber auch eine Staude mit gelber
Wolle eultiyirt, wahrscheinlich das Gossypium religiosum;
doch ist hier, in diesen heifsen Gegenden, wo der Oelbaum
und die Oranje so herrlich gedeihen, die Cultur dieser
Pflanze noch in sehr geringem Umfange. Bedeutender da-
gegen wird dieser Culturzweig in Kleinasien, in Aegypten,
in den angrenzenden Ländern des alten Asiens, in China
und in Japan, wo sie sich, fast beständig bis zur Breite
von 40 und 41° nördlich hinauf erstreckt. Nach den Mit-
theilungen, welche wir über die Verbreitung der Baum-
wollen-Cultur bei Royle *) finden, soll Gossypium vitifo-
lium um Cairo, in Westindien und um Rio de Janeiro ceul-
tivirt werden, wo aber auch G. herbaceum und G. barba-
badense zu finden ist. Auf Portorico wird Gossypium
racemosum und auf den französichen Besitzungen West-
indiens meistens G. hirsutum eultivirt.
Die Zahl der Arten dieser Gattung, welche sämmtlich
die Baumwolle, bald von weifser, bald von gelber Farbe
liefern, ist wohl recht sehr erofs und noch lange nicht
mit gehöriger Genauigkeit bestimmt. Zwar ist die Cultur
der Baumwolle weiter verbreitet, als irgend eine andere
Nutzpflanze, doch möchten die einzelnen Arten der Gattung
*) Tllastr., Fasc. IM.
Gossypium, welche hie und da gebauet werden, eine weni-
ger ausgedehnte Fläche einnehmen; indessen um Unter-
suchungen der Art anzustellen, sind der Thatsachen noch
viel zu wenige. Das Gossypium herbaceum ist dasjenige,
welches in Europa am weitesten nach Norden steigt; in
Nordamerika wird die Baumwollen-Cultur bis zum 40sten
Grade betrieben. In Südamerika geht die Cultur dieser
Gewächse, nach Aug. de St. Hilaire, auf der Ostküste bis
zum 30sten Grade, und auf der Westküste dieses Conti-
nents habe ich, noch in 30 und 33° südlicher Breite, einige
Baumwollsträucher gesehen, wahre Anpflanzungen finden
indessen dort nicht statt; wohl aber nördlicher, als z. B.
in der Provinz von Copiapo. Am Cap der guten Hoffnung,
so wie in Neuholland, in den englischen Colonieen daselbst,
kommt die Baumwolle bis jetzt am südlichsten vor.
Ueber den Anbau der Baumwollenpflanze giebt Herr v.
Martius *) für Brasilien sehr ausführliche Nachrichten. Hat
man dort den Boden geordnet, was gewöhnlich durch Aus-
roden und Abbrennen der Bäume und Sträucher geschieht,
so werden die Saamen im Monate Januar gelegt; man
steckt deren 5 bis 6, ja bis 12 in ein Loch von 3 bis 4
‘ Zoll Tiefe und in 5 bis 6 Fufs Entfernung. Mit unglaub-
licher Schnelligkeit wächst nun die Baumwollstaude heran
und wird 12, 15 bis 20 Jahre alt, aber blüht und fructi-
fieirt jährlich zweimal; im 9ten oder 10ten Monate nach
der Aussaat beginnt die erste Lese. Die Haupterndte fällt
in der Provinz Pernambuco in die Monate Juli und August,
und die erste Erndte einer Baumwollstaude ist die beste;
die stärksten Bäume geben dann 24 Pfund reine Wolle,
die schwächsten dagegen nur 10 Loth reine Wolle.
Ist der Saame einmal ausgelegt, so pflegen sich die
Landleute nicht früher ‘um die Pflanzung zu kümmern, bis
die Zeit der Erndte herbeikommt; doch diese Nachlässig-
keit soll öfters stark bestraft werden, indem die Masse
des Unkrauts zwischen den Pflanzen so grofs werden soll,
*) S. dessen Reise nach Brasilien, II. pag. 815.
471
dafs dieselben sich nicht entwickeln können. Herr von
Martius *) nennt diese Unkräuter, es sind: Ipomoea Qua-
moclit L., I. hederacea R. Er., Momordica macropetala Mart.
u. s. w. Der fleifsige Landmann rodet die Unkräuter jähr-
lich zweimal aus. Man sucht zugleich die einzelnen Stämme
. dieser Pflanzungen in einer Höhe von 5 bis 6 Fufs zu
erhalten, indem man die geraden Aeste abbricht.
Das Einsammeln der Baumwollkapseln ist in grofsen
Plantagen eine schwere Arbeit, und eine grofse Anzahl von
Negern sind dazu nöthig, denn ein Sclave vermag, den Tag
über, nur ein bis zwei Arroba’s voll einzusammeln. Noch
schlimmer ist aber die Arbeit des Trennens der Wolle von
ihren Körnern, was gegenwärtig eben so, wie das Stampfen
der grofsen Wollsäcke durch Maschinerieen geschieht.
In China und Japan ist die Baumwollen-Cultur im
höchsten Flor, es wird indessen noch lange nicht der
nöthige Bedarf erzeugt, so dafs grofse Massen in diesem
“Artikel aus Ostindien nach China eingeführt werden, un-
geachtet der grofsen Menge von gewebtem Zeuge Im
Jahre 1828 **) ward allein für 1,322361 Piaster rohe
Baumwolle nach China eingeführt.
Das Gossypium, welches die bekannte echte gelbe
Nanking- Wolle liefert, hielt man früher für eine Abart
von Gossypium religiosum, welcher Pflanze man ebenfalls
- China und Siam zum Vaterlande anweist. Eine speciellere
Untersuchung zeigte mir jedoch, dafs die echte Nanking-
Wolle einer besonderen Art angehöre, welche ich Gossy-
pium Nanking ***) genannt hahe. Sehr interessant ist es
zu erfahren, das dasjenige Gossypium, welches Forster von
den Südsee-Inseln mitgebracht hat, nicht dem Gossypium
religiosum angehöre, sondern mit der echten Nanking-
Pflanze identisch sei. +) :
") 1. c. pag. 816.
.*%) Meyen’s Reise, II. pag. 397.
**%) S. Meyen’s Reise, II. pag. 397 und Verhandlungen des Vereins
zur Beförderung des Gartenbaues in Preufsen. Berlin 1836. XI. 2. Hft.
+) S. Royle Illustr., Fasc. III.
31
472
«
Ueber die Cultur der Baumwolle in Indien findet man
in H. Royle’s angeführter. Schrift sehr ausführliche Erör-
terungen. In den nördlichen Provinzen Indiens säet man
die Baumwolle in der Mitte des März und April, und ım °
October und November, wenn die Regen aufgehört haben,
erndtet man. Anfangs Februar treibt die Pflanze neue
Blätter und Blüthen und wärend des Märzes und Aprils
erndtet man die Wolle zum zweiten Male. Auch im cen-
tralen Indien, nämlich bis 4000 Fufs hoch, erndtet man
einmal nach dem Regen und einmal im Februar und März.
In Georgien und in der Guyana ist die Erndte im September.
Es ist eine bekannte Klage, dafs die indische Wolle
kurz ist und daher weniger brauchbar, als andere Sorten,
doch auf H. Roxburgh’s Anrathen hat man gegenwärtig die
Baumwollpflanze von Bourbon nach Indien verpflanzt, und
die Wolle dieser Art soll allen Forderungen entsprechen.
England verbraucht jährlich 300 Millionen Pfunde Baum-
wolle, wozu Indien nur Z, dieser Summe liefert.
Die Hanf- Pflanzen.
Der Anbau des Hanfs im nördlichen Europa, in Asien
und in Nordamerika ist von der aufserordentlichsten Be-
deutung, ja unglaublich sind die Massen dieses Stoffes,
welche, blofs in den russischen Besitzungen gewonnen wer-
den; die Pflanze ist diesen Ländern noch von weit gröfse-
rer Wichtigkeit, indem ihre Saamen ein gutes Oel geben,
welches daselbst allgemein gegessen wird. Zwar wird noch
in den neuesten Zeiten das künstliche Areal der Hanf-
Pflanze immer mehr und mehr vergröfsert, indessen die
Bereitung eines stärkeren Hanfs aus verschiedenen ande-
ren Pflanzen, welche ich sogleich anführen werde, möchte
doch zuletzt unserer Hanfcultur störend in den Weg treten.
Ich habe schon im Vorhergehenden (pag. 383), als
von der Cultur der Banane die Rede war, des Hanfs von
Manila, der sogenannten Avaca ausführlich gedacht, und
die Zubereitung desselben aus der Musa textilis angegeben,
worauf ich verweise. Auch aus den Stämmen der andern
1
413
Bananen- Arten vermag man sehr feste Fasern zu gewin-
nen, welche hauptsächlich zu Stricken und Angelschnüren
tauglich sind.
Der Neu-Seeländische Hanf.
Auf Cook’s erster Weltumsegelung wurde der Flachs
oder Hanf von Neu-Seeland bekannt; er wird aus den
Fasern der Blätter von Phormium tenax, einer grofsen
und prachtvollen Schilfpflanze bereitet. Die Bewohner
von Neu-Seeland verfertigen aus den Blättern dieser
Pflanze nicht nur alle ihre Kleidungsstücke, sondern auch
alle Arten von Schnüren und Stricken, ja sogar äufserst
feine Fäden, denen der Seide ähnlich, sind aus dieser
Pflanze zu bereiten.
Schon Cook *) erkannte die hohe Wichtigkeit, wel-
che daraus für England erwachsen müfste, wenn dieser
neuseeländische Flachs nach England verpflanzt und da-
selbst angebauet würde, wozu ihm das Clima sehr gün-
stig zu sein schien. Bekanntlich hat man sich lange Zeit
hindurch mit der Einführung des neuseeländischen Flach-
ses sowohl in England, als auch bei uns, auf dem Conti-
nente beschäftigt, doch fehlten leider alle meteorologischen
Beobachtungen in dem Vaterlande jener Pflanze, von wel-
chen man hätte müssen ausgehen. Auch jetzt sind mir
Beobachtungen der Art von Neu-Seeland nicht bekannt,
wohl aber haben wir die mittleren Temperaturen von
zwei Orten auf Van-Diemen’s-Land, einer Insel, welche
mit Neu-Seeland in einer Breite und unter ähnlichen
Verhältnissen liegt, so dafs wir die Temperaturen von
Van-Diemens-Land für die gleichen Breiten von Neu-
Seeland substituiren können.
Von Van-Diemen’s-Land sind die Temperaturen zu
Macquarie Harbour und zu Hobart Town **) bekannt; der
erstere Ort giebt eine jährliche mittlere Temperatur von
— nn.
”) Reise um die WVelt. Berlin 1774. II. pag. 34.
**) Edinb. Journ. of Science, 1825. p. 75.
474
13° Cels. und ist auf der westlichen Seite der Insel ge-
legen, der letztere dagegen eine mittlere Temperatur von
11,3° Cels. und ist auf der östlichen Seite gelegen. Die-
ser grofse Unterschied beruht hauptsächlich auf djerhö-
here,Winterwärme, welche zu Maequarie Harbour herrscht,
indem die Temperaturen der Sommermonate sich beinahe
ganz gleich verhälten. Die Ursachen, welche diese gro-
{se Differenz veranlassen, kennen wir zwar nicht, doch
beruhen sie wahrscheinlich auf herrschende Winde. Um
zu zeigen, wie genau das Clima von Van-Diemens -Land
mit demjenigen in einigen Gegenden von England überein-
kommt, so dafs es keinem Zweifel unterliegen kann, dafs
der Flachs von Neu-Seeland auch in England, besonders
auf dessen westlicher Seite, und vorzüglich in Irland ge-
deihen würde, habe ich die Temperaturen von Macquarie
Harbour und von Hobart Town mit denen von London
(da mir gute Beobachtungen aus Irland unbekannt sind )
zusammengestellt, und sie auf der beiliegenden Tafel ver-
zeichnet. Aus dieser graphischen Darstellung der mitt-
leren Temperaturen wird man zugleich ersehen, dafs der
neuseeländische Flachs keineswegs in unserem Clima zu
eultiviren ist, wo die Winterkälte viel za stark ist; in-
dessen wird diese Pflanze schon gegenwärtig im südlichen
Frankreich und in Dalmatien eultivirt.
Dagegen ist das Phormium tenax nach Neu-Holland
übergeführt, und um Sydney herum giebt es grofse An-
pflanzungen davon, welche schon gegenwärtig so viel pro-
duciren, dafs der Hanf nach England ausgeführt wird *).
In der Colonie selbst werden ganz vorzügliche Whäler-
Leinen, zum Harpuniren der Wallfische, gemacht, und al-
ler Wahrscheinlichkeit nach wird der .neuseeländische :
Hanf auch ganz vorzügliche Taue geben, wenn nur das
Vorurtheil dagegen einmal geschwunden ist. Die Blätter
der Hanfpflanze von Neuseeland erreichen eine Länge von
*) S. Bennett’s VWVanderings in New Soutlı Wales. London 1834.
I. p. 72 etc.
475 .
6 und 7 Fufs, geben demnach sogar längere Fäden, als
unser europäischer Hanf.
Eine andere Art von Hanf bereitet man aus den Fa-
sern der Agave-Blätter, welche man, wie wir vorhin
(pag. 443) gesehen haben, von eben denselben Maguey-
Pflanzen nimmt, die zur Gewinnung des Pulque’s benutzt
wurden, und nach dieser Operation jedesmal absterben.
Die Faser der Agaven wird als die festeste von Allen an-
gesehen, und kommt schon seit langer Zeit in den Han-
del. In Ostindien wird Agave vivipara zu den Einfassun-
gen der Gärten und Ländereien gepflanzt, und aus ihren
Blättern macht man den Hanf, welcher zur Bereitung von
Stricken aufserst schicklich ist.
Die Bereitung der grofsen Schiffstaue, welche zur
Befestigung der Anker dienen, aus den Fasern der Co-
cosnufs-Schaale, haben wir ebenfalls schon vorher ange-
geben. Es ist dieser Fabrikzweig von sehr bedeutendem
Umfange für diejenigen Gegenden Ostindiens, wo die gro-
fsen Cocospalmen -Plantagen zu finden sind. Auch hier
werden die Fasern aus der harten Fruchthülle durch Fäul-
nifs und durch starkes Klopfen von einander geschieden,
und später zusammengeflochten. |
Schliefslich nenne ich noch diejenigen Pflanzen, welche
in verschiedenen Gegenden die Stoffe zur Bereitung der
Kleidungsstücke hergeben. Der Papier - Maulbeerbaum
Broussonetia papyrifera) ist der bekannteste von Allen; er
ist hauptsächlich auf den Südsee-Inseln wie auch in China
zu Hause, und aus den Fasern seiner Rinde bereitet man
die Zeuge. Auf den Sandwichs-Inseln habe ich Böhmeria
albida Hook. und Neraudia melastomaefolia Gaud. zu die-
sen Zwecken benutzen sehen; von ersterer Pflanze findet
man daselbst grofse Plantagen. Ebenso wird die innere
Rinde des Brodfruchtbaums, die Rinde von Aletris nervosa
und Celtis orientalis zu solchen Zeugen benutzt. Im öst-
lichen Asien sind es hauptsächlich die Corchorus- Arten,
welche, ebenso wie die Hanfpflanze, zu Fasern verarbeitet
werden, aber viel feinere Geflechte liefern. Corchorus
476
olitorius wird in Bengalen cultivirt, C. capsularis haupt-
sächlich in China und auch in Indien, C. japonicus dagegen
in Japan. Aufserdem sind verschiedene Arten der Gattun-
gen Sida, Hibiscus und Malva, welche in Indien und auf
den Südsee-Inseln zur Bereitung von Zeugen verwendet
werden.
Cultur der Indigo - Pflanzen.
Obgleich wohl alle Arten der Gattung Indigofera den
Indigo liefern, so wird dennoch hauptsächlich die Indigo-
fera tinctoria zu diesem Culturzweige benutzt. In ganz
Ostindien, wo man die bei weitem gröfste Masse dieses
Handels-Productes gewinnt, wird nur die genannte Indigo-
fera tinctoria gezogen, welche verhältnifsmäfsig mehr Far-
bestoff liefern soll, als die anderen Arten. Auf den Phi-
lippinen wird gegenwärtig eine andere, vielleicht noch
unbestimmte Indigofera mit grofsem Erfolge angebauet, und
in Amerika werden neben der Indigofera tinctoria ver-
schiedene Varietäten von Indigofera Anil gezogen.
‚Den Gebrauch des Indigo’s haben wir aus Indien ken-
nen gelernt; Plinius und Strabo sprechen schon von dem
schönen, blauen Farbestoffe, welchen das Indicum liefert,
woraus das Wort Indigo entstanden ist. Indessen viele
andere Völker der alten Welt kennen die blaufärbende
Eigenschaft der Indigofera - Arten, ohne jemals mit Indien
in Berührung gewesen zu sein. Vor der Entdeckung der
Schifffahrt um das Cap der guten Hoffnung ging der ganze
Indigo-Handel nach Europa über Aleppo. *) Später, nach
der Entdeckung Amerika’s, ward dieser Culturzweig eben-
falls dahin verbreitet, und gegenwärtig wird derselbe an
aufserordentlich vielen Punkten der ganzen heifsen und
'subarktischen Zone betrieben. Der beste Indigo wird auf
der Westküste von Mexico, aus. der Indigofera argentea
bereitet. Zur Verfälschung des guten Indigo’s bereitet man
*) J. Phipps, A Series of Treatises, on the Principal Products of
Bengal. Nro. 4. Indigo. Calcutta 1832.
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den Farbestofft aus Nerium tinctorium, Isatis tinctoria,
Galega tinetoria, Spilanthus tinctoria, Amorpha fruticosa
“ und noch mehreren anderen Pflanzen.
- Die Indigopflanze erfordert einen sehr guten und leich-
ten Boden, der Ertrag des Farbestoffes ist wenigstens um
so gröfser, je mehr diesen Anforderungen, selbst durch
künstliche Bereitung, entsprochen wird. In Ostindien und
überhaupt in den indischen Ländern der alten Welt, säet
man die Pflanze vom März bis zum Mai, und die Erndte
erfolgt dann von Juli bis zum September; es treten diese
Perioden für verschiedene Ländereien bald früher bald spä-
ter ein, doch richtet man sich so ein, dafs die Erndte noch
vor Eintritt der Regenzeit erfolgen kann, daher man in
vielen Gegenden schon im November und December die
Saatzeit beginnt.
Zur Bereitung des Indigo’s wird die ganze ausgewach-
sene Pflanze benutzt, und man sondert den Farbestoff die-
ser Pflanze aus seiner Umgebung durch eine gelinde Gäh-
rung. Zu diesem Zwecke wird die Indigopflanze zur Zeit
der Blüthe gemäht und in grofse Gefäfse mit Wasser ge-
than, wo sie in Gährung übergeht; hiedurch wird, nach
mehrmaliger starker Umrührung, aller Farbestoff von dem
Wasser aufgenommen, welches dann in andere Gefäfse
abgegossen wird, wo sich der Farbestoff als ein Präcipitat
zu Boden setzt. Der Indigo ist keinesweges ein Product
der Gährung, sondern er existirt schon vollkommen gebil-
det in der Pflanze, verbunden mit schleimigen, harzigen
und verschiedenen holzigen Theilen, deren Trennung die
wahre Kunst des Indigo-Fabrikanten ist; er ist Anfang’s
gelb und wird erst durch Berührung mit der Luft blau.
Später dampft man die Feuchtigkeit von dem Sedimente
durch Kochen ab, was man so lange fortsetzt, bis die
Masse nicht mehr schäumt. Die auf diese Weise erhaltene
Masse bringt man in hölzerne Formen und prefst sie in
solche Stücke zusammen, wie sie in den Handel kommen,
worauf man diese Stücke noch vollkommen austrockenen
läfst und sie zuletzt verpacket.
478 -
Man kann sich ungefähr eine Vorstellung von dem
enormen Umfange dieses so wichtigen Culturzweiges machen,
wenn man erfährt, dafs sich die Einfuhr des Indigo’s, ganz
allein aus englischen Colonieen, nach England über mehr
als 6% Million Pfunde beläuft, wovon über 2,000000 Pfund
in England selbst verbraucht werden, wärend die übrigen
4,000000 nach dem Continente gehen. Die Durchschnitts-
Preise dieses Indigo’s sind, je nach der Güte der Waare,
von 1 bis 34 Thlr. für das Pfund.
Ueberdies ist die Ausfuhr des Indigo’s aus den frühe-
ren ‚spanischen Besitzungen Amerika’s, so wie aus den
südlichen Provinzen von Nordamerika und aus den Be-
sitzungen der Holländer, Spanier und Portugiesen in Indien
äufserst bedeutend. Von Manila allein wurden, in den letz-
teren Jahren, durchschnittlich über eine Million Pfunde
ausgeführt, *), so dafs, hätte man die Data für sämmtliche
Production dieses Artikels gesammelt, wahrscheinlich mehr
als 9—10 Millionen Pfunde hievon jährlich in den Welt-
handel kommen.
Von der Bereitung des Farbestoffes aus der Indigo-
Pflanze bei den Negern am Senegal, giebt uns Adanson
eine sehr interessante Beschreibung. Die Neger pflücken
nämlich die Blätter der Pflanze und stofsen dieselben in
Mörsern zu Brei, welchen sie darauf in Klumpen zusam-
mendrücken und sodann trockenen lassen. Beim Gebrauche
zum Färben, lassen sie dann von dieser Paste etwas in
einer Lauge zergehen, welche aus der Asche von Sesuvium
Portulacastrum L. bereitet ist, und worauf die Lösung so- _ E
gleich ihre blaue Farbe annimmt.
”) $. Meyen’s Reise, Theil I. pag. 276.
Gedruckt bei den Gebr. Unger.
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