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Full text of "Grundriss der römischen Geschichte nebst Quellenkunde"

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HANDBUCH  DER  KLASSISCHEN 
ALTERTUMSWISSENSCHAFT 

BEGRÜNDETVON   IWAN   v.  M  Ü  L  L  E  R 
FORTGESETZT   VON   ROBERT  v.  PÖHLMANN 

IN    NEUER   BEARBEITUNG    HERAUSGEGEBEN 

VON 

DR.  WALTER   OTTO 

ORD.   PROFESSOR    D  Ei  R    ALTEN    ÜF.SCHICHTE 
AN   DER   UNIVERSITÄT   MÜNCHEN 


DRITTER  BAND  5.  ABTEILUNG 

QRUNDRISS  DER  RÖMISCHEN  GESCHICHTE 
NEBST   QUELLENKUNDE 


FÜNFTE,  NEUBEARBEITETE  AUFLAGE 


MÜNCHEN   1923 
C.  H.  BECK'SCHE  VERLAGSBUCHHANDLUNG  OSKAR  BECK 


ORUNDRISS  DER 
RÖMISCHEN  GESCHICHTE 

NEBST  QUELLENKUNDE 


VON 


BENEDICTUS  NIESE 


FÜNFTE  AUF  LAG  E^ 

NEUBEARBEITET   VON 

E.   HOHL 

A.O.  PROFESSOR  DER  ALTEN  GESCHICHTE 
IN  ROSTOCK 


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MÜNCHEN  1923 
C.  H.  BECK'SCHE  VERLAGSBUCHHANDLUNG  OSKAR  BECK 


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FrinWl  in  Qermany 


Vorwort  zur  zweiten  Auflage. 

Dieser  Abriß  der  römischen  Geschichte  erscheint  hier  in  berichtigter  und  ver- 
mehrter Gestalt  und  wird,  wie  ich  hoffe,  jetzt  noch  besser  als  früher  seinem  Zwecke 
genügen  und  eine  brauchbare  kurze  Zusammenfassung  der  wichtigsten  und  glaub- 
haft überlieferten  Tatsachen  bieten. 

Marburg,  den  1.  August  1896. 

Benedictus  Niese. 

Vorwort  zur  dritten  AuHage. 

Die  neue  Auflage  des  Grundrisses  ist  wiederum  berichtigt  und  in  allen  Teilen 
nicht  unerheblich  vermehrt  worden;  eine  so  gedrängte  Darstellung  wie  die  vor- 
liegende fordert  ja  bei  jeder  neuen  Bearbeitung  zur  Ergänzung  heraus.  Ganz  neu 
sind  §  50  und  der  letzte  Abschnitt,  §  55.  Außerdem  hätte  gewiß  noch  manches 
andere  hinzugefügt  werden  können;  doch  habe  ich  Maß  gehalten,  um  mich  nicht 
zu  sehr  ins  Weite  zu  verlieren  und  dem  Werke  seinen  ursprünglichen  Charakter 
zu  erhalten. 

Marburg,  den  28.  August  1905.  ' 

Benedictus  Niese. 

Vorwort  zur  vierten  Auflage. 

Die  hier  erscheinende  vierte  Auflage  dieses  Werkes  ist  wiederum  durchgesehen 
und  an  manchen  Stellen  berichtigt  und  ergänzt  worden.  Neu  eingelegt  ist  ein  Ab- 
schnitt über  die  ältere  römische  Chronologie,  der  zur  Orientierung  vielleicht  von 
Nutzen  sein  wird. 

Halle  a.  S.,  den  7.  Oktober  1909. 

Benedictus  Niese. 

Vorwort  zur  fünften  Auflage. 

Nach  dem  Hinscheiden  des  Verfassers  des  ..Grundrisses"  hatte  es  zunächst  K.  J. 
Neumann- Straßburg  übernommen,  die  notwendig  gewordene  fünfte  Auflage  zu 
besorgen.  Er  war  noch  nicht  über  die  ersten  Anfänge  dieser  Arbeit  hinausgediehen, 
als  er  erkrankte  und  mich  deshalb  bitten  mußte,  ihm  die  Aufgabe  abzunehmen. 
Seiner  Bitte,  sowie  dem  Wunsch  der  Verlagsbuchhaadlung  habe  ich  entsprochen, 
nicht  eben  leichten  Herzens,  hat  es  doch  stets  etwas  Mißliches,  ein  fremdes  Werk 
zu  bearbeiten.  Doch  das  Verschwinden  des  knappen,  aber  wissenschaftlich  sicher 
fundierten  Abrisses  wäre  bedauerlich  gewesen  und  so  habe  ich  mich  denn  redlich 
bemüht,  das  Buch  lebensfähig  zu  erhalten.  Nur  für  den  einleitenden  Abschnitt  lag 
ein  Manuskript  Neumanns  vor.  Er  hatte  den  Text  Nieses  beträchtlich  erweitert; 
da  aber  der  Umfang  der  neuen  Auflage  nicht  anschwellen  durfte,  so  konnte  ich  die 
Ausführungen  Neumanns  nicht  anders  verwerten  wie  die  wenigen  versti-euten 
Notizen  seines  Handexemplars.  Den  Grundcharakter  und  die  Substanz  des  Niese- 
schen  Buches  habe  ich  nicht  antasten  wollen.  Die  neue  Literatur  ist  nach  Möglich- 
keit hineingearbeitet.  Hoffentlich  ist  der  Text  lesbarer  geworden.  Denn  Niese  war 
zwar  ein  bedeutender  Forscher  und  unbestechlicher  Kritiker,  aber  sein  Stil  ist 
mehr  als  nüchtern. 

Rostock  i.  M.  den  25.  Juli  1922. 

E.  Hohl. 


Inhalt. 


I.  Einleitung  in  die  römische  Geschichte. 


1.  Geschiclitlieheb 


Seite 
1 


II.  Italische  und  römische  Vorgeschichte. 

Quellen  und  Cberlicforung  der  älteren  römischen  Geschichte      .         .         .  12 

2.  Italien  und  seine  Bevölkerung 10 

3.  Gründungsgeschichte  Korns 2H 

4.  Die  römischen  Könige          ...........  3U 

III.  Erste  Periode  der  Geschichte  Roms:  Bis  zur  Vereinigung  Roms 
mit  den  Kampanern  (338  v.  Chr.), 

Quellen           ..............  34 

.■).  Die  Anfänge  Roms       ............  35 

0.  Auswärtige  Eintlü.sse 3*> 

7.  Älteste  Verfassung  Roms 42 

8.  Auswärtige  Kriege 40 

9.  Rom  und  die  Gallier 49 

10.  Fernere  Ausbreitung            ...........  52 

11.  Innere  Entwicklung  und  Verfassungskämpfe            .         .        .         .        .        .  58 

IV.  Zweite  Periode  der  Geschichte  Roms:  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens 

(265  V.  Chr.). 

Quellen 67 

12.  Der  Samniterkrieg 68 

13.  Weitere  Kriege  gegen  Samniter,  Etrusker  und  Gallier          ....  72 

14.  Eroberung  Unteritalieas      .         .         .         .         .         .         .         .         .         .         .  •  75 

15.  Verfassungsgeschichtliches 83 

16.  Eintritt  unter  die  großen  Mächte 87 

Chronologischer  Anhang  zur  älteren  römischen  Geschichte           ...  90 

V.  Dritte  Periode  der  Geschichte  Roms:  Bis  zur  Erlangung 
der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.). 

Quellen 99 

17.  Der  erste  launische  Krieg 100 

18.  Illyrische  und  gallische  Ki'iege 109 

19.  Rom  und  Karthago.    Zweiter  illyrischer  Krieg        .         .         .         .         .         .112 

20.  Der  zweite  punische  Krieg,    Erster  Teil 114 

21.  Der  zweite  punische  Krieg. 'Zweiter  Teil                  .         .         .         .         .         .  119 

22.  Kriege  mit  den  östlichen  Mächten 130 

23.  Ausbreitung  und  Befestigung  der  römischen  Herrschaft  im  Westen           .  148 

24.  Grundzüge  der  inneren  Geschichte 151 

VI.  Vierte  Periode  der  Geschichte  Roms:  Bis  zum  Untergang  der  Republik 

(28  V,  Chr,). 

Quellen 156 

25.  Befestigung  und  Erweiterung  der  römischen  Herrschaft:  Spanische  Kriege  158 

26.  Untergang  Karthagos 161 

27.  Die  Annexion  Makedoniens  und  Griechenlands 164 

28.  Die  Erwerbung  Asiens 167 


Inhalt. 


VII 


29.  Beginn  der  inneren  Unruhen.    Die  Gracchen 

30.  Auswärtige  Kriege        ......... 

31.  Die  Zeit  der  kinibri.schen  Kriege       ...... 

32.  Das  Tribunat  des  Livius  Drusus  und  der  Bundesgenossenkriej: 

33.  Der  erste  mithridatisehe  Krieg  und  Sullas  Diktatur 

34.  Unruhen  nach  Sullas  Tod  .... 

35.  Konsulat  des  Pompeius  und  Crassus.    Zustand  des  Reiches 

36.  Mithridates  und  Pompeius  .... 

37.  Innere  Kämpfe.    Catilinas  Verschwörung 

38.  Caesar  in  Gallien  58—56  v.  Chr. 

39.  Pompeius  und  Caesar 

40.  Der  Bürgerkrieg 

41.  Caesars  Diktatur  

42.  Die  Parteien  nach  Caesars  Tod.    Der  mutinensische  Krieg 

43.  Das  Triumvirat 


Seite 

169 
178 
183 
190 
195 
2U7 
212 
216 
224 
231 
237 
244 
253 
256 
261 


VII.  Fünfte  Periode  der  Geschichte  Roms:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian. 
Quellen 

44.  Das  Kaisertum 

45.  Das  römische  Reich  unter  Augustus 

46.  Die  Julischen  Kaiser  nach  Augustus 

47.  Der  Bürgerkrieg  und  die  flavischen  Kaiser 

48.  Nerva,  Traianus,  Hadrianus  und  die  Antonine 

49.  Septimius  Severus  und  sein  Haus     . 

50.  Kaisertum,  Reich  und  Provinzen 

51.  Auflösung  und  Wiederherstellung  des  Reiches 

VIII.  Sechste  Periode  der  Geschichte  Roms:  Die  Kaiserzeit  bis  zum  Ende 

der  ostgothischen  Herrschaft  in  Italien. 
Quellen 

52.  Diokletian  und  das  Haus  Konstantins  des  Großen 

53.  Die  valentinianische  Dynastie  .... 

54.  Ende  des  weströmischen  Kaisertums 

55.  Die  ostgothische  Herrschaft  in  Italien  und  Justinian 
Berichtigungen ;         .         . 

Alphabetisches  Register 


276 
282 
292 
304 
324 
332 
343 
351 
369 


380 
385 
404 
409 
424 
435 
436 


Abkürzungen. 

CIG  =  Corpus  inscriptionum  Graecarum. 

CIL  =  Corpus  inscriptionum  Latinarum. 

FHG  =  Fragmenta  historicorum  Graecorum  ed.  C.  Müller. 

IG  =  Inscriptiones  Graecae  (Griechisches  Inschriftencorpus  der  Berliner  Akademie). 

ILS  =  Inscriptiones  latinae  selectae  ed.  H.  Dessau. 

PIR  =  Prosopographia  imperii  Romani. 

PW  ==  Paulys  Real-Encyclopädie  der  classischen  Altertumswissenschaft.  Neue  Be- 
arbeitung, begonnen  von  G.  Wissowa,  fortgesetzt  von  W.  Kroll  und  K.  Witte, 

SIG  =  Sylloge  inscriptionum  Graecarum  a  Gullelmo  Dittenberger  condita  et  aucta. 
3.  Aufl.  von  Hiller  von  Gärtringen. 

Bruns'  =  Fontes  iuris  Romani   antiqui  ed.  C.  G.  Bruns.    7.  Aufl.  von  0.  Gbadenwitz. 


I.  Einleitung  in  die  römische  Geschichte. 

1.  Geschichtliches.^)  Allgemeine  Hilfsmittel.  Nach  der  Wieder- 
geburt (5er  Wissenschaften  in  den  Tagen  des  Humanismus  tragen  die  ersten 
der  römischen  Geschichte  gewidmeten  Studien  antiquarischen  Charakter:  in 
verdienstlichen  Sammelwerken  wird  die  Masse  der  Überlieferung  mit  ge- 
lehrtem Fleiß,  doch  ohne  kritische  Durchdringung  registriert,  so  z.  B.  von 
Carolus  Sigonius  aus  Modena  (1523 — 84)  in  den  Fastl  consulares  ac  trinni- 
phaJes  ac  triumphi  adi  a  Ronudo  rege  iisque  ad  Ti.Caesareni,  Basel  1559,  einer 
mit  Benutzung  der  fastl  CapitoUni  aufgestellten  Liste  der  Konsuln  mit  histori- 
schem Kommentar  und  annalistischen  Notizen.  Ausführlicher  ist  Stephanus 
Yinandus  Pighius  aus  Kempen  (1520 — 1604)  in  seinen  Ännales  magi- 
stratuum  et  provincianim  S.  F.  Q.  IL,  Antwerpen  1599,  Bd.  2  u.  3  unter  dem 
Titel  Annales  Bomanornm  hrsg.  von  A,  Schott,  ebenda  1615.  Eine  zu- 
sammenhängende Darstellung  der  römischen  Geschichte  bis  auf  Augustus 
erzielte  Joh.  Freinsheim  (1608 — 60)  mit  seinen  1649  begonnenen  Supple- 
menta  Liviana  (abgedruckt  z.  B.  in  Drakenborchs  Liviusausgabe),  indem  er 
€infacl>  die  verlorenen  Teile  des  Livius  auf  Grund  einer  unkritischen  Samm- 
lung der  sonstigen  Zeugnisse  möglichst  in  livianischem  Stil  zu  ersetzen 
suchte.  Auf  geographischem  Gebiet  gebührt  Philipp  Clüver^)  aus  Danzig 
der  Ruhm,  mit  seiner  Italla  antiqua  (Leiden  1624)  die  historische  Landes- 
kunde begründet  zu  haben.  Das  treffliche  Werk  ist  erst  durch  H.  Nissen 
(Italische   Landeskunde,    Berlin,  I  1883,  II  1902)    überholt   worden. 

In  der  Histoire  des  empereurs  von  Lenain  de  Tillemont^)  erfuhr 
zum  erstenmal  ein  bedeutender  Teil  der  römischen  Geschichte,  die  Kaiser- 
zeit bis  zum  Tod  des  Anastasios  (518  n.  Chr.),  eine  eingehende  wissen- 
schaftliche Behandlung  (Originalausgabe  in  6  Quartbänden,  Paris  1690 — 
1738).  Ein  kritischer  Historiker  großen  Stils  war  der  theologisch  gebundene 
Verfasser  freilich  so  wenig  wie  ein  künstlerischer  Gestalter;  aber  als  zu- 
verlässige Stoffsammlung  ist  das  Ergebnis  seines  Bienenfleißes  noch  heute 
von  Nutzen.  Im  Gegensatz  zu  dem  französischen  Asketen,  jedoch  mit  dessen 
Material  schrieb  der  aufgeklärte  Weltmann  Edward  Gibbon,  der  'kon- 
tinentale Engländer',  seine  Histori/  of  tlie  decline  and  fall  of  the  Roman 
emplre  bis  hinab  zum  Fall  Konstantinopels  (1453  n.  Chr.).  Nach  Form  und 
Inhalt  gleich  bedeutend,  erweist  Gibbons  1776 — 88  erschienenes  Meisterwerk 
immer  aufs  neue  seine  unverwüstliche  Lebenskraft.^)    'Gibbon,  Lessing  und 

M  Vgl. A.ScHWEGLERjEöm.Gesch.  11.30 ff.;  Kaisergesch.  bildet    mit  seinen  kirchen- 

€.  Wachsmuth.  Einleitung  in.  d.  Studium  gesch.iiiud.{Memoirespour  se7-vir  ärhistoire 

d.  alt.  Gesch.,  Leipzig  1895,  1  ff.;  K.J.  Neu-  i    ecclesiastique    r/es   si.r  premiers  sied  es)    ein 

MANN,    Entwicklung    u.  Aufgaben   d.    alt.  größeres  Ganzes. 

Gesch..  Straßburg  1910:  E.  Fueter,  Gesch.  ••)  Neu  hrsg.  und  mit  Zusätzen  versehen 

d.  neueren  Historiographie,  München  1911.  von  J.  B.  Büry,  7  Bde.,  London  1896—1900. 

'-)  J.  Partsch,  Ph.  Clüver  in  Pencks  Geo-  Gibbon  ist  1737  in  Putney  geboren,  1794 

graph.  Abhandlungen  V,  2,  Wien  1891.  \   in  London  gestorben.  Er  "lebte  lange  Zeit 

^)  Tillemont  (1637— 98)  gehörte  zur  Jan-  ,    in  Lausanne.  Vgl.  J.  Bernays,  Ges.  Abh, 

senistischen    Genossenschaft    von    Port-  II,  1885,  206  ff.  Nedmann  a.  a.  O.  90  ff. 

Eoyal.    Vgl.  Neumann   a.  a.  0.  86  ff.     Die  i 

Handbucli  der  kla^s.  Altertumswissenschaft.  III,  5.    5.  Aufl.  1 


2  Römisclie  Geschichte. 

Kant  sind  die  drei  Männer  des  18.  Jahrhunderts,  welche  unvergänglich  sein 
werden.'^) 

Hinter  solchen  Taten  auf  dem  Feld  der  Kaiserzeit  blieb  die  Geschichte 
der  römischen  Kepublik  weit  zurück.  Nur  äußerlich  ergänzte  Charles  Rollin 
mit  seiner  einst  so  beliebten  JJistoire  romairie  depuis  la  fondation  de  Home 
jusqu'ä  la  bataille  d'Actium  (16  Bde.,  Paris  1748)  den  Tillemont  nach  oben. 
Ohne  wissenschaftliches  Verdienst  verdankt  er  den  Erfolg  nur  seiner  Er- 
zählergabe. Die  Zeit  stand  noch  ganz  im  Bann  des  Livius,  der  kanonische 
Geltung  genoß.  Doch  gelegentlich  erwachte  die  Kritik:  so  verwarf  der 
protestantische  Geistliche  Samuel  Bochart  aus  Rouen  (1599 — 1667)  die 
Einwanderung  des  Aneas  in  Italien-)  als  ungeschichtlich,  wie  übrigens  vor 
ihm  der  mutige  Clüver.  Einen  kraftvollen  Anlauf  zu  destruktiver  histori- 
scher Kritik  nahm  der  Holländer  Jacob  Perizonius  (1651 — 1715)  mit 
seinen  Animadversiones  Jnstoricae  (1685),  in  denen  er  Widersprüche  und 
Irrtümer  antiker  Historiker  aufdeckte.  Aber  erst  im  18.  Jahrhundert,  im 
saeculum  rationalisticum,  rückte  man  der  fable  convenue  der  römischen 
Geschichte  energisch  zu  Leib,  so  nach  dem  Vorgang  von  dePouilly^)  der 
Hugenotte  Louis  de  Beaufort  (*}*  1795)  in  der  aufsehenerregenden  Dis- 
sertation sur  l'incerfitude  des  cinq  premiers  siecles  de  l'histoire  romaine  (Utrecht 
1738,  neu  hrsg.  von  Blot,  Paris  1866).  Als  rein  negativer  Kritiker  er- 
Aveist  Beaufort  die  Mängel  der  Tradition  über  Roms  ei'ste  Jahrhunderte,  i) 
Doch  versuchte  er  sich  später  auch  an  politisch-antiquarischer  Konstruktion : 
La  repiibliqiie  romairie  ou  plan  general  de  l'ancien  gouvernement  de  Boiiie^ 
2  Bde.,  im  Haag  1766.  Tiefe  und  geistvolle  Aper9us  über  römische  Ge- 
schichte streute  der  geniale,  aber  unmethodische  Neapolitaner  Giambattista 
Vico  (1670 — 17-i4)  in  seine  Principi  di  scienza  nuova  d'intorno  alla  coinune 
natura  delle  nazione,  1725,  ein.^)  So  erklärte  er  z.  B.  die  alte  römische 
Geschichte  für  eine  den  griechischen  Sagen  nachgedichtete  historische  Mytho- 
logie und  erblickte  in  den  Heroen  und  Königen  Roms  'poetische  Charak- 
tere', Einsichten,  die  ihn  als  Vorboten  von  Niebuhr  und  A.W.  v.  Schlegel, 
erscheinen  lassen. 

Ersterer,  Barthold  Georg  Niebuhr,^)  hat  dem  Studium  der  römi- 
schen Geschichte  die  wissenschaftliche  Vollweihe  erteilt,  ja  überhaupt  die 
neuere  Geschichtsforschung  begründet:  auf  den  jungen  Ranke  hat  Nie- 
buhrs  Römische  Geschichte  bestimmend  gewirkt.')  Niebuhr  beruhigte 
sich    nicht    bei    dem    zersetzenden  Skeptizismus  der  Perizonius,   de  Pouilly, 

M  So  Bernäys  a.  a.  O.  254.  seit    1806   im   preußischen    Staatsdienst,^ 

2)VgLScHWEGLERa.a.O.280A.8.  Bochart  1816—23  Gesandter   in   Rom,    starb  1831 

argumentierte  damit,  daß  das  Latein  mit  in  Bonn.    Siehe  Lebensnachrichten  über 

den    von   ihm    gesammelten   Resten    des  B.  G.  Niebuhr,  3  Bde..  Hamburg  1838  SU, 

Phrygischen  keine  ÄhnHchkeit  aufweise.  H.    Nissen,  .  Allg.    deutsche    Biographie, 

')  Vgl. Wachsmdth  a.a.  0. 14  f.,  Schweglek  23.  Bd.  1886,  646  ff.  —  Vgl.  Neumanx  a.  a.  0. 

a.  a.  O.  I  138,   R.  v.  Scala,  Hist.  Zeitschr.  8  f.,  40  ff..  G.  P.  Gooch,  Historv  and  histo- 

108,  3.  F.  12,  1912,  3.  rians  in  the  19''  Century,  London  1913^ 

■*)  Vgl.  H.  Taine,    Essai  sur  Tite-Live,  M. Ritter, DieEntwickkuig  der Geschichts- 

Kap.  3  §  1.  Wissenschaft,  München  und  Berlin  1919, 

'")  Deutsch    von  W.  E.  Weber,    Giamb.  314  ff. 
Vico,    Grundzüge    einer    neuen   Wissen-  "•)  K.  J.  Neumann,   Deutsche   Literatur- 
schaft, Leipzig  1822.  zeitung  1917  Nr,  1. 

^)  Niebuhr,   geb.  1776   in  Kopenhagen,   | 


1.  Einleitung  in  die  römische  Geschichte,    («j  1.)  B 

Beaufort.  Ihm  war  die  Kritik  nicht  Selbstzweck;  nicht  bloß  einreißen  wollte 
er,  sondern  auch  aufbauen.  Denn  'der  Historiker  bedarf  Positives'.  Zu  der 
kritischen  Interpretation  der  Quellen  trat  das  durch  trefPende  Analogie- 
beispiele geförderte  Streben  nach  Anschaulichkeit,  nach  Vergegenwärtigung 
der  geschichtlichen  Vorgänge,  wie  der  Zustände  in  Staat  und  Wirtschaft. 
Mit  scharfem  Blick  und  reichstem  Wissen  verband  dieser  'Diplomat  unter 
den  Gelehrten',  dieser  'Gelehrte  unter  den  Diplomaten'  nüchternen  Tat- 
sachensinn und  politisch-praktische  Erfahrung.  Die  römische  Geschichte 
wurde  ihm  zum  aktuellen  Erlebnis,  zur  realen  Wirklichkeit.  In  der  Lebens- 
wahrheit, die  er  ihr  zurückgab,  liegt  das  Neue  und  Dauernde  der  Leistung 
Niebuhrs.  VeröflPentlicht  ist  der  erste  Band  1811,  der  zweite  1812,  in  um- 
gearbeiteter Auflage  1827  bezw.  1830  (Bd.  I  in  3.  Aufl.  1828).  Ein  dritter 
Band,  1832  aus  dem  Nachlaß  herausgegeben  von  J.  Classen,  geht  bis  zum 
Ende  des  ersten  punischen  Kriegs.  Der  einst  geplante  Anschluß  an  Gibbon 
ist  also  bei  weitem  nicht  erreicht.  Von  den  hinreißenden  Vorträgen,  die 
Niebuhr  an  der  Universität  Bonn  hielt,  sind  diejenigen  über  römische 
Geschichte  in  drei  Bänden  von  M.  Isler  herausgegeben  (Berlin  1846 — 48). 
Sie  schließen  mit  dem  Untergang  Westroms.  Der  Kaiserzeit  wurde  Niebuhr 
freilich  nicht  gerecht;  schon  einen  Caesar  verzeichnete  er  seltsam.  Seine 
eigentliche  Lebensarbeit  galt  eben  dem  älteren  Rom,  das  er  wie  keiner  ver- 
stand, weil  er  es  wie  keiner  liebte. 

In  Niebuhrs  Geist,  jedoch  mit  voller  Selbständigkeit  schrieb  der  Tübinger 
Professor  Albert  Schwegler  (1819 — 57)  seine  lichtvolle  römische  Ge- 
schichte bis  zu  den  licinischen  Gesetzen  (366  v.  Chr.)  (Bd.  I  Tübingen 
1853,  Bd.  II  1856,  Bd.  III  1858).  Die  Fortsetzung  bis  zum  Beginn  des 
Samniterkrieges  (327  v.  Chr.)  von  Octavius  Clason  (2  Bde.,  Berlin  1873, 
Halle  1876)  steht  nicht  auf  derselben  Höhe.  Aber  auch  Widerspruch  gegen 
Niebuhr  blieb  nicht  aus:  berühmt  ist  die  Rezension  von  A.  W.  v.  Schlegel 
(1816,  s.  Sämtliche  Werke  XII,  Leipzig  1847,  444  ff.),  in  der  Niebuhrs 
Hypothese  von  altrömischen  Heldenliedern  als  der  Quelle  der  römischen 
Geschichtslegende  abgelehnt  und  dafür  auf  den  Einfluß  der  griechischen 
Historiographie  hingewiesen  wird.  Abweichend  von  Niebuhr  wollte  Joseph 
Rubino  (1799 — 1864)  in  seinen  Untersuchungen  über  römische  Ver- 
fassung und  Geschichte  (l.Bd.,  Cassel  1839)  prinzipiell  geschieden  wüssen 
zwischen  der  außen-  und  der  innerpolitischen  Überlieferung;  während  er 
die  Verfälschung  der  ersteren  zugab,  wähnte  er  für  die  Verfassungsgeschichte 
auf  festerem  Boden  zu  stehen.^) 

Unter  den  Bearbeitungen  einzelner  Perioden  der  römischen  Geschichte 
ragt  die  Geschichte  Roms  in  seinem  Übergänge  von  der  republi- 
kanischen zur  monarchischen  Verfassung  von  Wilhelm  Drumann^) 
hervor  (6  Bde.,  Königsberg  1834 — 44);  behandelt  ist  die  Zeit  des  Pom- 
peius.  Caesar  und  Cicero  und  zwar  in  alphabetisch  nach  Geschlechtern  ge- 
ordneten Biographien  der  zahlreichen  Akteure  und  Statisten  dieser  drama- 


')  K.  J.  Neümann  in  Geecke-Nordens  Ein^ 
leitung  in  die  Altertumswissenschaft,  Bd 
III.  1912S  420. 

-)  Druniaun,  geb.  1786,    war  von  1817      Berlin  1918,  VI  f.,  321. 

1 


bis  1861  Professor  der  Geschichte  in 
Königsberg.  Vgl.  über  sein  Werk  Ed. 
Meyer,  Caesars  Monarchie,  Stuttgart  und 


4  Römische  Geschichte. 

tiscli  bewegton  Ej)oclie.  Die  Nachteile  der  bizarren  Auflösung  der  Ge- 
schichte in  Biographien,  wie  die  Schwächen  des  subjektiven  Urteils  werden 
aufgewogen  durch  die  'eherne  Gelehrsamkoit',  die  diesen  'historischen  Kom- 
mentar zu  den  ciceronischen  Schriften'  (nach  der  Definition  von  Ed.  Schwartz) 
zu  einer  wahren  Fundgrube  macht.  Eine  zweite  Auflage,  bearbeitet  von 
P.  Groebe,  ist  seit  1899  im  Erscheinen. 

Kurz  nacli  Schwegler  erzielte  Theodor  Mommsen')  mit  seiner  Rö- 
mischen Geschichte,  deren  drei  Bände  bis  zur  Schlacht  bei  Thapsus 
{46  v.Chr.)  führen  (1.  Aufl.  1854—56;  2.  umgearbeitete  Aufl.  1856  f.:  dann 
nicht  mehr  beträchtlich  verändert;  12.  Aufl.:  Bd.  I  u.  III  1920,  Bd.  II 
1919),  einen  durchschlagenden  Erfolg  weit  hinaus  über  den  Kreis  der  Fach- 
gelehrten. Ein  vierter  Band  ist  nie  gefolgt,  weil  Mommsen  später  'nicht 
mehr  die  Leidenschaft  hatte,  Caesars  Tod  zu  schildern.'-)  Dafür  schenkte 
er  der  Wissenschaft  im  Jahr  1885  einen  fünften  Band  mit  der  Geschichte 
der  Provinzen  von  Caesar  bis  Diokletian  (8.  Aufl.  1919).  Mommsens  Werk 
bedeutet  wissenschaftlich  und  künstlerisch  eine  Leistung  großen  Stils  von 
individuellem  Gepräge  und  zeugt  bei  allem  Subjektivismus  des  politisch 
erregten  Achtundvierzigers  von  sicherer  Herrschaft  über  den  Stoff.  Neben 
den  einprägsamen,  freilich  nicht  immer  treffsicheren  Porträts  der  handelnden 
Personen  sind  die  kultur-  und  literarhistorischen  Abschnitte  von  besonderem 
Keiz.  Der  lebendige,  für  seine  Zeit  unerhört  moderne  Stil  sichert  dem  Autor 
einen  Platz  unter  den  Klassikern  deutscher  Prosa.  Der  fünfte  Band  konnte 
nicht  so  in  die  Breite  wirken  wie  der  kühne  Jugendwurf,  obwohl  oder 
vielmehr  weil  das  wissenschaftliche  Verdienst  noch  stärker  ist.  Hat  doch 
hier  der  fast  Siebzigjährige  gezeigt,  wie  man  die  Steine  zum  Reden  bringt, 
wo  die  literarischen  Texte  schweigen:  ohne  die  Inschriften  wäre  das  satte 
Bild  der  Provinzen  unter  der  Kaiserherrschaft  unmöglich  gewesen.  In  den 
Römischen  Forschungen  (2  Bde.,  Berlin  1864.  1879)  hat  Mommsen  eine 
Reihe  von  Aufsätzen  vereinigt,  die  mustergültig  sind  durch  scharfe  Quellen- 
kritik und  exakte  Formulierung  staatsrechtlicher  Begriffe.  Jurist,  Philolog 
und  Historiker  in  einer  Person,  gebot  Mommsen  wie  ein  Herrscher  über 
alle  Provinzen  der  römischen  Altertumswissenschaft.  Ihm  flössen  alle  Quellen 
der  Überlieferung,  die  literarischen  wie  die  monumentalen.  Bis  an  sein 
Ende  unermüdlich,  hat  er  überall,  wo  es  Not  tat,  selbst  Hand  angelegt. 
Außer  der  römischen  Geschichte  hat  er  das  Recht,  das  Münzwesen,  die 
Chronologie  Roms  in  bahnbrechenden  Werken  systematisch  behandelt,  hat 
einzelne  Autoren  wie  den  Solinus,  die  Chroniken  des  ausgehenden  Alter- 
tums   und   die    Rechtsquellen    ediert    und    insbesondere    die  Sammlung    der 


')  Geb.  am  30.  November  1817  zu  Gar-  '  ganzen  Kulturwelt.    Vgl.  L.  M.  Hartmann, 

ding  in  Schleswig.  Die  Lehr-  und  Wander-  '  Th.  Mommsen.  Gotha  1908.  Neumann  a.  a.  0. 

jähre  1844 — 1847  führten  ihn  nach  Italien  ,  63  ff.    Eine  chronologische  Bibliographie 

und  Frankreich.    1848  wurde  er  Professor  j  der  Schriften  geben  Zangemeister-Jacobs, 

in  Leipzig.  Wegen  politischer  Betätigung  j  Th.  M.  als  Schriftsteller,  Berlin  l'.tOö. 

abgesetzt,  wandte  er  sich  nach  der  Schweiz  [  ^)  Nach  seinem  Geständnis  an  0.  Hirsch- 

und  erhielt  1852  eine  Professur  in  Zürich,  j  feld,    s.  dessen  Kleine  Schrilten,    Bei'lin 

von  wo    er  1854  nach  Breslau    und    von  i  1913,  947.  Vgl.  U.  v.  Wilamowitz,  Th.  M., 

da  vier  Jahre  später  an  die  Universität  !  Warum    hat   er    den   4.  Band    der  Eöm. 

Berlin  übersiedelte.    Sein  Tod  am  1.  No-  Gesch.  nicht  geschrieben?  Internationale 

vember  1903  erregte  die  Teilnahme  der  j  Monatsschrift,  12,  1918,  205  ff. 


1.  Einleitung  in  die  römische  Geschichte.    (§1.)  5 

lateinischen  Inschriften  durchgesetzt,  ein  Riesenwerk,  dessen  Hauptlast  er 
auf  die  eigenen  Schultern  nahm.  Die  über  1000  Abhandlungen,  die  er 
juristischen,  historischen,  philologischen  und  epigraphisch -numismatischen 
Themen  widmete,  werden  seit  1905  in  den  Gesammelten  Schriften  (bis 
jetzt  acht  Bände)  neu  herausgegeben.') 

Kein  Wunder,  daß  die  Folgezeit  nichts  der  römischen  Geschichte  Momm- 
sens  Ebenbürtiges  hervorbrachte,  wenngleich  der  Widerspruch  nicht  aus- 
blieb. So  stehen  im  Gegensatz  zu  Mommsen  Carl  Peter  und  Wilhelm 
Ihne,  die  sich  ihrerseits  an  Niebuhr  und  Schwegler  anlehnen.  Peters 
Geschichte  Roms  erstreckt  sich  in  drei  Bänden  (3.  Aufl.,  Halle  1870  f.) 
bis  zum  Ende  Mark  Aureis,  während  Ihne  seine  Römische  Geschichte 
(8  Bde.,  1868—90:  Bd.  I  und  II  in  2.  Aufl.  1893.  1896)  mit  Kleopatras 
Tod  und  Oktavians  Rückkehr  aus  Ägypten  nach  Rom  schließt.  2)  Gegen 
Mommsen  kehrte  sich  auch  K,  W.  Nitzsch,  einst  der  kundigste  Rezensent 
von  Mommsens  römischer  Geschichte;^)  in  seiner  Römischen  Annalist ik 
(Berlin  1873)  legte  Nitzsch  seine  abweichenden  Ansichten  nieder.  Nitzsch 
ist  erklärter  Niebuhrianer,  zugleich  Schüler  Rankes.  Vom  Mittelalter  her 
übertrug  er  in  verkehrter  Analogie  das  sog.  Einc[uellenprinzip  auf  die  anders 
gearteten  Verhältnisse  der  antiken  Geschichtschreibung.  Als  Geschichte 
der  römischen  Republik  (2  Bde.,  Leipzig  1884  f.)  gab  Georg  Thouret 
Vorlesungen  von  Nitzsch  nach  dessen  Tod  heraus.  Naturgemäß  wurde 
die  ältere  Zeit  Roms  mit  ihrer  problematischen  Übei'lieferung  besonders 
umstritten.  So  hat  Sir  G.  C.  Lewis  in  seinen  Untersuchungen  über 
die  Glaubwürdigkeit  der  altrömischen  Geschichte,  deutsch  von 
F.  Lieb  recht,  2  Bde.,  Hannover  1858,  die  Tradition  ähnlich  wie  Beaufort 
mit  berechtigter  Skepsis  behandelt,  während  Victor  Duruy  in  seiner 
Histoire  des  Bomams  (bis  zum  Tod  Theodosius'  des  Großen  395  n.  Chr., 
7  Bde.,  Paris  1879 — 85)  einen  viel  konservativeren  Standpunkt  einnahm.*) 
In  seiner  universalen  Geschichte  des  Altertums  hat  Eduard  Meyer 
die  Geschichte  Roms  bislang  erst  bis  zum  Kelteneinfall  im  4.  Jahrhundert 
V.  Chr.  geführt  (Bd.  2  bis  5,  Stuttgart  und  Berlin  1893— 1902).^)  Auf  die 
Spitze  getrieben  wird  das  Mißtrauen  gegen  die  Überlieferung  von  Ettore 
Pais  in  seiner  Storia  critica  di  Roma  durante  i  prbni  cmqne  secoli,^)  die 
kürzlich  zum  Abschluß  gelangt  ist.  Wie  schon  Schwegler,  kritisiert  auch 
Pais  die  Quellenberichte  eingehend.  Von  der  Tradition  über  die  ältere  Zeit 
läßt  er  nicht  viel  bestehen ;  dafür  gewährt  er  den  eigenen  Hypothesen  freies 
Spiel.    Aber  auch  wer  den  hyperkritischen  Radikalismus  ablehnt,  kann  doch 

^  In   den    populär   gehaltenen    Reden  '        ^)  Den  letzten  Teil  (die  Kaiserzeit)  hat 

und  Aufsätzen  (Berlin  1905)  finden  sich  G.  F.  Hertzberg  ins  Deutsche  übertragen, 

wahre    Kabinettstücke    der    historischen  '•')  Die  innere  Geschichte  Roms  von  66 

Kunst  Mommsens.  —  Über  Mommsen  und  bis  44  v.  Chr.  hat  Ed.  Meyer  kürzlich  in 

die  Forschung  seit  M.  vgl.  A.  Rosenberg,  einem  besonderen  Werk  dargestellt  (Cae- 

Einleitung    und  Quellenkunde    zur   röm.  sars  Monarchie   und    das  Principat 

Gesch.,  Berlin  1921.  292  flf.  des   Pompejus,    Stuttgart    und    Berlin 

■')  Einen  Teil  des  7.  und   den  8.  Band  1918,  2.  Aufl.  1919). 

hat  Ihne   nach    einem   von  A.  W.  Zümpt  1        ^)  Zuerst    erschienen    als  zweiter   Teil 

hinterlassenen  Manuskript  gearbeitet.  :    seiner  Storia  d'Italia  unter  dem  Titel  Storia 

^)  Siehe  Fleckeisens    Neue  Jahrbücher  i    di  Roma.  Bd.  I.  1  und  2,  Turin  1898  f.,  in 

für  class.  Piniol.  73  (1856)    716  ff.  und  77  neuer   Bearbeitung    als    Storia    critica    di 

(1858)  409  flf.,  593  ff.  ^    Roma,  4  Bde.,  Rom  1913—20. 


Q  Römische  Geschichte. 

viel  von  Pais  lernen. i)  Weit  gemäßigter  verfährt  Gaetano  de  Sancti.s 
in  seiner  Storia  dei  Romani.^)  Hier  wird  im  Gegensatz  zu  Pais  der  jüngeren 
Tradition,  besonders  der  livianischen,  mehr  Resjoekt  gezollt.  Die  Ergeb- 
nisse der  Ausgrabungen  ihrer  Landsleute  für  die  Prähistorie  Italiens  haben 
beide  Forscher,  Pais  und  de  Sanctis,  berücksichtigt.  Von  deutscher  Seite  hat 
sich  K,  J.  Neumann  am  Aufbau  der  altrömischen  Geschichte  versucht. 3) 
Originell  und  anregend  wirkte  seine  Ansicht  über  den  Zusammenhang  der 
inneren  Politik  Roms  in  der  Frühzeit  mit  der  wirtschaftlichen  Entwicklung, 
wie  er  sie  hypothetisch  erschließt.  Für  die  späteren  Perioden  hat  Neumann 
die  römische  mit  der  hellenistischen  Geschichte  zu  verflechten  gewußt  und 
so  den  einseitig  „romazentrischen"  Standpunkt  Mommsens  überwunden.'*)  In 
den  Rahmen  seiner  Weltgeschichte  hat  der  greise  Leopold  v.  Ranke 
auch  die  römische  Entwicklung  eingefügt.  Kann  auch  der  geniale  Historiker 
auf  diesem  Gebiet  die  Kompetenz  des  Spezialisten  nicht  beanspruchen,  so 
bleibt  es  „auf  jeden  Fall  vom  höchsten  Interesse,  wie  in  Rankes  reichem 
Geiste  sich  das  Altertum  gespiegelt  hat".^)  Besonderen  Hinweis  verdienen 
die  seiner  Weltgeschichte  beigefügten  Kritischen  Analekten. 

Wenn  die  ältere  römische  Geschichte  zurzeit  durchaus  der  scharfen  Um- 
risse entbehrt  und  an  verschieden  beurteilten  Problemen  und  ungelösten 
Rätseln  reicher  ist  als  an  gesicherten  Tatsachen,  so  ist  um  so  erfreulicher 
die  Vermehrung  und  Vertiefung  positiver  Kenntnisse  durch  das  Studium 
der  auf  die  Nachwelt  gelangten  Originaldokumente  antiken  Lebens,  der 
Inschriften  und  Münzen.  Die  betreffenden  Hilfsdisziplinen  der  Geschichte. 
Epigraphik  und  Numismatik,  erhielten  kräftige  Impulse  durch  den  Grafen 
Bartolomeo  Borghesi  (1781 — 1860),  dessen  verstreute  Schriften  auf  Ver- 
anlassung Napoleons  III.  gesammelt  wurden. '')  Borghesi  galt  in  epigraphi- 
schen Dingen  als  die  Autorität;  von  dem  „Alten  vom  Berge",  der  seit 
1821  in  dem  Felsennest  San  Marino  hauste,  erbat  sich  18-15  auch  der  junge 
Mommsen  für  die  ihm  vorschwebende  Sammlung  der  lateinischen  Inschriften 
Rat  und  Hilfe.  Seine  1852  erschienenen  Inscriptiones  Regni  Neapolitani 
Lat'mae  hat  Mommsen  Borghesi  'magistro,  patrono,  amico'  gewidmet.  Mit 
dieser  Arbeit  bot  Mommsen  ein  Musterbeispiel,  unter  dessen  Eindruck  sich 
die  Berliner  Akademie  entschloß,  das  von  ihr  geplante  Corpus  inscriptionum 
Latinaruni  seiner  Leitung  zu  unterstellen.  Lateinische  Inschriften  aus  re- 
publikanischer Zeit  gibt  es  leider  nicht  viele;  doch  gewähren  griechisch  ab- 


')  Zur  Ergänzung,  als  voluml  di  com- 
plemento,  veröffeutlicht  Pais  daneben  Ri- 
cerche  sulla  storia  e  sul  diritto  puhhlico  di 
Roma,  Bd.  I  Rom  1915,  Bd.  II  1916,  Bd.  III 
1918. 

2)  Bd.  I  und   II  Turin  1907,   Bd.  III,  1 


Fachmann  allerhand  zu  bieten  (Neumann 
nahe  steht  L.M.  Hartmann  in  seiner  popu- 
lären Weltgeschichte,  Bd.  III,  Gotha 
1919). 

*)  Dasselbe  Ziel  steckt  sich  E.  Cavaignac 
in  seiner  ungefügen  Histoii-e  de  l'antiquite 


1916,  III,  2  1917  (bis  zum  Ende  des  2.  puni-  Bd.  III   La   Macedoine,    Carthaqe    et   Rome 

sehen  Kriegs).  (330—107),  Paris  1914. 

^)     Die     hellenistischen     Staaten  '")  K.  J.  Neumann  a.a.O.  58  f. 

und  die  römische  Republik  in  Bd.  I  1        «)  Oeuvres  complHes,  10  Bde.,  Paris  1862 

der  Weltgeschichte  desUllsteinschßnVer-  |   — 97  (Bd.  1  und  2  numismatische,  Bd.  3— 5 

lags,    hrsg.    von    J.  v.  Pflugk  -  Harttung,  epigraphische  Schi'iften,   Bd.  6 — 8  Briefe, 

Berlin  o.J.  (1909).  Für  ein  größeres  Publi-  Bd.  9    und    10    Fasten-    und    Präfekten- 

kum  bestimmt  und  deshalb  ohne  gelehr-  listen), 
ten  Apparat,  hat  dies  Werk  gerade  dem 


1.  Einleitung  in  die  römische  Geschichte.    (§1.)  7 

gefaßte  epigraphische  Texte  einen  Ersatz.  Dagegen  für  die  Kaiserzeit  sind 
die  lateinischen  Inschriften  qualitativ  wie  quantitativ  von  Bedeutung.  Über 
vieles,  was  die  Schriftsteller  kaum  oder  gar  nicht  berühren,  geben  die  In- 
schriften als  unmittelbare,  vielfach  auch  offizielle  Zeugen  Aufschluß,  so  über 
die  Organisation  von  Verwaltung  und  HeerAvesen,  die  Gliederung  der  Be- 
amtenschaft, die  Keligionen  und  den  Kultus.  Auch  auf  die  sozialen  Zu- 
stände, wie  überhaupt  auf  die  Kultur  der  Antike  fällt  manches  Streiflicht.') 
Das  gewaltige  Sammelbecken  der  lateinischen  Inschriften  ist  das  seinem 
Abschlufa  nahe  Corpus  iuscriptionum  Latinarum  der  Berliner  Akademie  in 
15  Bänden.  2)  Von  diesen  enthält  der  erste,  zum  Teil  in  2.  Auflage  (I,  1^ 
1893,  I,  2,  12  1918)  erschienen,  sämtliche  Inscriptiones  antiquissimae  bis 
zum  Tod  Caesars,  sowie  die  Kaiendarien,  die  fasti  consulares  und  die  acta 
triumphorum.  Auf  die  übrigen  Bände  sind  die  Inschriften  nach  geographi- 
schem Prinzip  verteilt  entsprechend  den  einzelnen  Provinzen,  denen  sie 
entstammen.  Der  6.  Band  gilt  den  zahlreichen  Inschriften  der  Stadt  Rom. 
Neu  hinzutretendes  Material  wird  vor  der  Aufnahme  in  die  Supplementa 
der  Corpusbände  zunächst  in  der  Epliemeris  epiyraphica  (seit  1872)  publi- 
ziert; dort  finden  sich  auch  selbständige  Aufsätze  über  einsclilägige  Themen. 
Die  neuen,  auf  das  römische  Altertum  bezüglichen  Inschriftentexte  registriert 
alljährlich  die  von  R.  Cagnat  und  M.  Besnier  herausgegebene  Annee  epi- 
f/rapJnque  (beigegeben  der  Revue  archeologique).^)  Von  Zeitschriften,  die 
Neufunde  veröflPentlichen  oder  behandeln,  seien  genannt  das  Jahrbuch 
des  deutschen  archäologischen  Instituts  samt  den  Mitteilungen 
der  römischen  und  athenischen  Abteilung,  die  Westdeutsche  Zeit- 
schrift für  Geschichte  und  Kunst,  die  Bonner  Jahrbücher,  die 
Archäologisch-epigraphischen  Mitteilungen  aus  Osterreich,  das 
BuUett'mo  della  commissione  archeologica  comunale  di  Roma,  das  JjuUetm  de 
correspo7ulance  hellenique,  das  Journal  of  hellenic  studies  und  das  Journal 
of  roman  studies.  Eine  sachkundige  Auswahl  der  wichtigsten  Inschriften 
hat  H.  Dessau  {Inscriptiones  latinae  selectae,  3  Bde.,  Berlin  1892 — 1916) 
getroffen.  Dadurch  sind  die  älteren  Hilfsmittel  dieser  Art  von  Orelli- 
Henzen  und  Wilmanns  überholt.  In  der  Osthälfte  des  Imperiums  über- 
wiegen bei  weitem  die  Inschriften  in  griechischer  Sprache.^)  Sie  sind  im 
Auftrag  der  Berliner  Akademie  gesammelt  von  A.  Böckh,  J.  Franz, 
E.  Curtius  und  A.  Kirchhoff  in  den  vier  Bänden  des  Corpus  inscrip- 
tionum  Graecarum  (Berlin  1828 — 77).  Dazu  kam  als  Ergänzung  das  leider 
unvollendete  V7erk  von  Ph.  Le  Bas  und  W.  H.  V^-^addington,  Voijage 
archeologique  en  Grece  et  en  Äsie  mineure,  Bd.  II  und  III,  Paris  1817  flp. 
Das  Böckhsche  Corpus  veraltete  rasch,  die  Textgestaltung  —  man  hatte 
auf  Autopsie  verzichtet  — •  genügte  nicht,  die  Zahl  der  Inschriften  war  um 
ein  Vielfaches  gestiegen,  und  so  nahm  denn  die  Berliner  Akademie  als 
neues  Unternehmen    das  Riesenwerk  der  Inscriptiones  Graecae   in  Angriff. 

*)  Vgl.  über  die  lateinische  Epigraphik  für   die    gesamte   griechische   und    latei- 

das  vortreffliche  Handbuch  von  R.  Cagnat,  nische  Epigraphik  des  Altertums  die  Bevue 

Cours  d'epig)-aphie  latine,  Paris  1914*.  epigraphique. 

2)    Siehe    0.    Hirschfeld,    Sitzungs-    j  ■*)  Vgl.  W.  Larfeld.  Griechische  Epi- 

berichte  der  Berl.  Akad.  1917,  45  ff.       '  graphik  1,5  dieses  Handbuches,  1914^ 

^)  Seit  1913  erscheint  in  Paris  als  Organ   | 


g  Römische  Geschichte. 

Der  14.,  von  G.  Kaibol  1890  vollendete  Band  bringt  die  griechischen  In- 
schriften aus  Sizilien  und  Italien  und  dem  übrigen  Westen.  Weiter  sind 
zu  erwähnen  die  Inscriptiones  antiquae  ante  septentrionalis  Ponti  Euxini  rjraecae 
et  latinae  von  B.  Latyschev  (Bd.  1,  2  und  4,  Petersburg  1885 — 1901)  und 
The  collection  of  ancient  Greek  inscriptions  in  the  British  Museum  von  C.  T. 
Newton  u.  a.,  4  Bde.,  Oxford  1874 — 93.  Eine  Auswahl  wertvoller  grie- 
chischer Inschriften,  die  teilweise  auch  für  die  römische  Geschichte  in  Be- 
tracht kommen,  bieten  E.  L.  Hicks  und  G.  F.  Hill,  Ä  manual  of  Greek 
historical  inscriptions,  Oxford  1901 2,  und  insbesondere  W.  Dittenberger, 
Sylloge  inscriptionum  graecarum  (3.  Aufl.  besorgt  von  Hiller  v.  Gaert ringen, 
Leipzig  1915  ff.),  und  Orientis  graeci  inscriptiones  selectae,  2  Bde.,  Leipzig 
1903.  1905,  sowie  Ch.  Michel,  Eecueil  d'lnscriptions  grecques,  Brüssel  1900, 
Suppl.  fasc.  1  1912.  Von  den  nützlichen  Inscriptiones  Graecae  ad  res  lio- 
manas  pertinentes,  die  R.  Cagnat  mit  andern  herausgibt,  ist  Bd.  I  (Paris 
1911)  und  Bd.  III  (1906)  fertig. 

Eine  ganz  neue  Welt  erschlossen  der  Altertumswissenschaft  die  massen- 
haft in  Ägypten  gefundenen  Papyri  und  Ostraka,  zumeist  in  griechischer, 
selten  in  lateinischer  1)  Schrift  und  Sprache.  Wenn  es  auch  nicht  ganz  an 
lateinischen  literarischen  Texten  auf  Papyrus  2)  gebricht,  so  handelt  es 
sich  doch  in  der  Hauptsache  um  griechische  Urkunden  und  Dokumente  des 
öffentlichen  und  privaten  Lebens.  Besonders  befruchtet  wurde  durch  die 
Funde  die  Kultur-  und  Wirtschaftsgeschichte, 3)  wobei  man  sich  allerdings 
vor  Verallgemeinerungen  hüten  muß:  denn  das  für  Ägypten  gewonnene 
Bild  darf  nicht  als  Schablone  auf  die  übrigen  Provinzen  des  Römerreichs 
übertragen  werden.  Für  die  junge,  aber  kraftvoll  sich  entwickelnde  Diszi- 
plin hat  U.  Wilcken  ein  Zentralorgan  geschaffen  in  dem  Archiv  für 
Papyrusforschung  und  verwandte  Gebiete.  Im  Verein  mit  dem 
Juristen  L.  Mitteis  gewährt  derselbe  Gelehrte  eine  unübertreffliche  Ein- 
führung in  das  Studium  der  Papyrologie  (mit  ausgewählten  Texten).^) 

Zu  Epigraphik  und  Papyrologie  gesellt  sich  als  weitere  historische  Hilfs- 
disziplin die  Münzkunde,  die  Numismatik.  Besonders  für  die  Kaiserzeit 
sind  die  Münzen  unschätzbare  authentische  Quellen.^)  Die  wissenschaftliche 
Behandlung  und  Verwertung  des  numismatischen  Bestandes  hat  der  Jesuiten- 
pater Joseph  Eckhel  in  seiner  vorbildlichen  JJoctrina  nuniorum  veterum, 
8  Bde.,  Wien  1792  ff\  angebahnt.  Den  römischen  Münzen  gelten  die  Bände 
5 — 8.    Neue  Wege  hat   auch   auf  diesem  Gebiet  Th.  Mommsen  gewiesen 


^)  Lateinisch  geschriebene  Papyri  zählt 
auf  A.  Stein,  Untersuchungen  zur 
Geschichte  und  Verwaltung  Ägyp- 
tens unter  römischer  Herrschaft, 
Stuttgart  1915,  207  ff. 

2)  Vgl.  W.  ScHUBÄRT,  Einführung  in 
die    Papyrus  künde,    Berlin  1918,  481. 


Nubien,  2  Bde.,  Leipzig  1899. 

'')  L.  Mitteis  und  U.  Wilcken,  Grund- 
züge  und  Chrestomathie  der  Pa- 
pyrus k  u  n  d  e ,  2  Bde.,  Leipzig-Berlin  1912. 
Bd.  I,  1  p.  XXV  flf.  verzeichnet  die  zahl- 
reichen Papyruseditionen;  über  Neu- 
erscheinungen unterriclitet  das  Archiv. 


Besonders  hervorzuheben  ist  die  Livius-    j    —  Vgl.  auch  das  A.  2  genannte  Buch  von 
epitome  von  Oxyrhynchos,  hrsg.  von    j    Sohubakt,     sowie     P.  JVI.    Meyer,     Juri- 


E.  KoRNEMANN,  IvHo,  2.  Beiheft  1904,  der 
Text  auch  in  7.  Lhi  Periorhae,  ed.  0.  Ross- 
BACH,  Leipzig  1910. 

^)    Grundlegend    U.   Wilcken,    Grie- 
chische Ostraka   aus  Ägypten  und 


stische  Papyri,  Berlin  1920. 

^)  Vgl.  E.  A.  Stückelberg,  Die  römi- 
schen K  a  i  s  e  r  m  ü  n  z  e  n  als  Ge- 
schichtsquellen,  2.  Aufl.,   Basel  1915. 


1.  Einleitung  in  die  römische  Geschichte.    (§  1.)  9 

mit  seiner  Geschichte  des  römischen  Münzwesens,  BerHn  1860,  deren 
französische  Übersetzung  durch  den  duc  de  Blacas  (4  Bde.,  Paris  1865 
bis  1875)  Verbesserungen  und  Zusätze  des  Verfassers  brachte.  Außerdem 
sind  zu  nennen  E.  Babelon,  Description  historique  et  chronologique  des  mon- 
naies  de  la  repuhlique  romaine,  2  Bde.,  Paris  1885  f.,  G.  F.  Hill,  Historical 
roman  coins  froin  the  earliesf  fiines  to  the  reign  of  Augiistus,  London  1909 
und  H.  Cohen,  Description  historique  des  monnaies  frappees  sotis  l'empire 
romain,  8  Bde.,  2.  Aufl.,  Paris  1880 — 92, i)  dazu  die  Münzkataloge  des  Bri- 
tischen Museums  {British  Museum  Catalogue  of  roman  coins.  Coins  of  the 
roman  republic,  3  Bde.  von  H.A.  Grueber;  Catalogue  of  Greek  coins,  27  Bde.). 
Über  die  griechischen  Prägungen  orientiert  Barclay  V.  Head,  Historia 
nnmorum,  a  manual  of  Greck  numismatics,  2.  Aufl.,  Oxford  1911.  Mit  einer 
umfassenden  Registrierung  des  antiken  Münzbestandes  hat  die  Berliner  Aka- 
demie den  Anfang  gemacht:  Die  antiken  Münzen  Nordgriechenlands, 
Bd.  I  Dacien  und  Moesien  von  B.  Pick  und  K.  Regling,  1.  Halbbd., 
Berlin  1898,  2.  Halbbd.,  1.  Abth.,  1910;  Bd.  II  Thrakien  von  F.  Münzer 
und  M.  L.  Strack  (im  Erscheinen),  Bd.  III,  1.  Abt.  Makeclonia  und 
Paionia  von  H.  Gaebler,   1906. 

Hinsichtlich  der  Zeitrechnung  ist  namentlich  für  die  älteren  Epochen 
Roms  sowohl  der  chronologische  Ansatz  der  Ereignisse  als  auch  der  Gang 
des  römischen  Kalenders  Gegenstand  vieler  Untersuchungen  geworden,  die 
meist  sehr  subjektiv  ausfielen.  Ludwig  Idelers  Handbuch  der  mathe- 
matischen und  technischen  Chronologie  ist  jetzt  ersetzt  durch  das 
gleichnamige  Werk  von  F.  K.  Ginzel,  dessen  zweiter  Band  (Leipzig  1911) 
unter  anderem  der  Zeitrechnung  der  Römer  gewidmet  ist.  1858  veröftentlichte 
Th.  Mommsen  seine  Römische  Chronologie  bis  auf  Caesar  (2.  Aufl., 
Berlin  1859);  Mommsens  Ansichten  blieben  unbestritten,  bis  G.  F.  Unger 
1879  Widerspruch  erhob;  es  folgten  die  sämtlich  Römische  Chrono- 
logie betitelten  Bücher  von  H.  Matzat,  2  Bde.,  Berlin  1883  f.,  L.  Holz- 
apfel, Leipzig  1885,  W.  Soltau,  Freiburg  i.  B.  1889,  sowie  der  Beitrag 
Ungers  zu  diesem  Handbuch  Bd.  I,  2.  Aufl.  1892,  S.  779  ff. 2)  Die  Er- 
gebnisse dieser  Arbeiten  gingen  weit  auseinander  und  führten  dadurch  zu 
einer  Stagnation  der  Forschung,  die  erst  neuerdings  überwunden  wird.  So 
machte  O.  Leuze  in  seiner  Römischen  Jahrzählung,  Tübingen  1909, 
einen  mutigen  „Versuch,  deren  geschichtliche  Entwicklung  zu  ermitteln", 
ohne  dieses  Problem  mit  den  Hypothesen  über  den  altrömischen  Kalender 
zu  verquicken.  3)  Auch  in  Italien  ist  die  chronologische  Forschung  neuer- 
dings in  Fluß  gekommen.  Tabellen  für  die  antike  Chronologie  stellte  auf 
H.  F.  Clinton,  Fasti  HeUenici^  tJie  civil  and  Uterary  chronology  from  the 
earliest   times   to   the   death   of  Augustus,   3  Bde.,   Oxford  1834 — 51.    Jeder 


')  Von  Spezialarbeiten  sind  anzuführen 
E.  J.  Häberlin,  Aes  grace.  Das  Schwer- 
geld  Roms  und  Mittelitaliens,  Bd.I, 
Frankfurt  a.  M.  1910  und  H.  Willees,  Ge- 
schichte der  römischen  Kupfer- 
prägung vom  Bunde  sgenossen- 
krieg  bis  auf  Kaiser  Claudius, 
Leipzig  und  Berlin  1909.  —  Hingewiesen 


sei  auf  die  Zeitschrift  für  Numis- 
matik (Berlin)  und  auf  die  Numisma- 
tische Zeitschrift  (Wien). 

-)  lieber  die  historisch  wichtigsten  Fra- 
gen vgl.  den  „chronologischen  Anhang" 
unten  S.  90  flf. 

')  Vgl.  L.  Holzapfel,  Zur  römischen 
Chronologie,  Klio  XII  (1912)  83  ff. 


2Q  Römische  Geschichte. 

Band  gibt  clironologische  Tafeln,  denen  mehr  oder  minder  ausführliche 
chronologische  Abhandlungen  folgen.  Für  die  römische  Geschichte  kommt 
besonders  der  dritte  Band  in  Betracht.  Ergänzt  werden  die  Fasti  Hellenici 
durch  die  Fasti  liomani  desselben  Verfassers,  2  Bde.,  Oxford  1845  und  1850; 
der  erste  Band  bringt  Tabellen  vom  Jahr  15 — 578  n.  Chr.,  der  zweite 
chronologische  und  historische  Untersuchungen.  Für  die  Zeit  der  Republik 
sind  veraltet,  doch  noch  nicht  ersetzt  die  Römischen  Zeittafeln  von 
Roms  Gründung  bis  auf  Augustus'  Tod  von  E.  W.  Fischer,  Altona 
1846.  Für  die  Kaiserzeit  leistet  G.  Goyau,  Chronologie  de  l'empire  roniain, 
Paris  1891,  wenigstens  vorläufige  Dienste. 

Das  Bestreben  der  modernen  Altertumswissenschaft,  das  antike  Leben 
in  allen  seinen  Äußerungen  zu  erfassen,  ist  auch  den  sog.  Antiquitäten 
zugute  gekommen,  diesem  Nachbargebiet  der  eigentlichen  Geschichte;  voran- 
steht —  in  Erneuerung  des  großen  Becker-Marquardtschen  Werkes  —  das 
Handbuch  der  römischen  Alterthümer  von  J.  Marquardt  und 
Th.  Mommsen  (Bd.  I — III,  Mommsen,  Römisches  Staatsrecht,  Bd.  I 
imd  II,  3.  Aufl.,  Leipzig  1887;  Bd.  III  1887 '88;i)  Bd.  IV— VI  Marquardt, 
Römische  Staatsverwaltung,  davon  1.  Bd.,  3.  Aufl.,  Leipzig  1884;  2. Bd., 
2.  Aufl.  von  H.  Dessau  und  A.  v.  Domaszewski,  1884,  3.  Bd.,  2.  Aufl. 
von  G.  Wissowa  1885).  Vor  allem  Mommsens  Staatsrecht  ist  eine  um- 
fassende und  eigenartige  Schöpfung,  fast  aus  dem  Nichts  heraus,  hat  doch 
erst  Mommsen  ein  eigentliches  System  des  römischen  Staatsrechts  auf- 
gestellt und  damit  eine  Lücke  geschlossen,  die  in  der  antiken  Überlieferung 
klaffte. 2)  „Als  ergänzende  Fortsetzung"  seines  Staatsrechts  betrachtete 
Mommsen  selbst  sein  Römisches  Strafrecht,  mit  dem  er  als  Greis  die 
Wissenschaft  beschenkte  (in  K.  Bindings  Systemat.  Handbuch  der 
deutschen  Rechtswissenschaft,  I.Abt.,  4. Teil,  Leipzig  1899).  Ludwig 
Lange  (Römische  Altertümer,  Bd.  I  und  II,  3.  Aufl.,  Berlin  1876.  1879; 
Bd.  III,  2.  Aufl.,  1876)  und  Ernst  Herzog  (Geschichte  und  System 
der  römischen  Staatsverfassung,  Bd.  I,  Leipzig  1884;  Bd.  II,  1,  1887; 
Bd.  II,  2, 1891)  lassen  dem  systematischen  Teil  eine  geschichtliche  Darstellung 
voraufgehen.  Als  Gegner  Mommsens  schrieb  der  Däne  J.  N.  Madvig  seine 
Verfassung  und  Verwaltung  des  römischen  Staates,  2  Bde.,  Leipzig 
1881  f.  Das  Buch  von  P.  Willems,  Le  droit  public  romaiN,  hat  in  7.  Aufl. 
der  Sohn  des  Verfassers,  J.  Willems,  herausgegeben  (Löwen  1910).  Wie 
die  Erforschung  der  Personal-  und  Familiengeschichte  (die  sog.  Prosopographie) 
sich  zu  tieferem  Verständnis  des  Wesens  der  oligarchisch-aristokratischen 
Staatsform  des  republikanischen  Rom  auswerten  läßt,  hat  F.  Münz  er  (Rö- 
mische Adelsparteien  und  Adelsfamilien,  Stuttgart  1920)  aufs  glück- 
lichste gezeigt.  Für  die  Städtekunde  des  Altertums  sind  wichtig  die  Pom- 
pejanischen  Studien  von  Heinrich  Nissen,  Leipzig  1877.  Derselben 
Feder  verdanken  wir  die  Italische  Landeskunde  (2  Bde.,  Berlin  1883. 
1902),    eine    ausgezeichnete    Schilderung   von    Land    und  Leuten   des    alten 


')  Einen  Abriß  des  römischen 
Staatsrechts  verf afste  Mommsen  für  Bin- 
dings Systemat.  Handbuch  derdeut- 


zig  1893.  Darin  wird  auch  noch  die  „Staats- 
ordnung seit  Diocietian"  knapp  gewürdigt. 
2)  Vgl.  E.  Täübler,  Hist.  Zeit  sehr. 


sehen  Rechtswissenschaft  1,3,  Leip-   j   120,  3.  F.  24,  1919,  189  ff. 


1.  Einleitung  in  die  römische  Geschichte.    (§1.)  11 

It-alien,  bei  der  nur  leid<3r  die  monumentalen  Zeugnisse  vernachlässigt  sind.*) 
Religion  und  Kultus  der  Römer  hat  unter  diesem  Titel  G.  Wisse wa 
in  Bd.  V,  4  dieses  Handbuchs  (1912 -)  meisterhaft  dargestellt. 

Den  gesamten  Stoff  der  Altertumskunde  läßt  in  al^jhabetischer  Reihe  Revue 
passieren  Paulys  Real-Encyclopädie  der  classischen  Altertums- 
wissenschaft, in  neuer  Bearbeitung  herausgegeben  von  G.  Wissowa,  dann 
von  W.  Kroll,  Stuttgart  1894  ff. 2)  (Bescheideneren  Zwecken  als  dies  uni- 
versale Nachschlagewerk  dient  F.  Liibkers  zur  ersten  Orientierung  nütz- 
liches Real-Lexikon  des  klassischen  Altertums,  vollständig  um- 
gearbeitet herausgegeben  von  J.  Geffcken  und  E.  Ziebarth,  Leipzig-Berlin 
1914^.)  Weiter  kommen  in  Betracht  das  Dictioniialre  des  antiqidtes  grec- 
ques  et  romaines  von  Ch.  Daremberg  und  E.  Saglio  (Paris  1877  ff.)  und 
das  Dizionario  epigrafico  dt  antichitä  7'omane  von  E.  de  Ruggiero  (Rom 
1886  ff'.).  Eine  Bibliograßa  delV  lialia  aiitica  hat  G.  F.  Gamurrini  be- 
gonnen (1.  Bd.,  Arezzo  1905). 

Die  fortschreitende  Arbeit  des  Tages  findet  ihren  Niederschlag  haupt- 
sächlich in  den  gelehrten  Zeitschriften.  Speziell  der  alten  Geschichte 
dienen  folgende  Organe:  Klio  (Beiträge  zur  alten  Geschichte)  heraus- 
gegeben von  C.  F.  Lehmann-Haupt  und  E.  Kornemann  (Leipzig  1901  ff.), 
Quellen  und  Forschungen  zur  alten  Geschichte  und  Geographie 
herausgegeben  von  W.  Sieglin  (Berlin  1901  ff.),  Studi  di  storia  antica  heraus- 
gegeben von  Beloch  (Rom  1891  ff.),  sowie  die  Stndi  storici  per  Votitichita 
classka  herausgegeben  von  E.  Pais  (Pisa  1908  ff.).^) 

Wenn  die  Altertumswissenschaft  der  Gegenwart  unter  dem  Zeichen  der 
Monumente,  vor  allem  der  Inschriften  und  Papyri,  steht,  so  darf  über  diesen 
ertragreichen  Studien  die  eindringliche  Interpretation  der  literarischen 
Texte  nicht  verabsäumt  werden.  Ist  doch  auch  hier  noch  viel  zu  erreichen 
durch  verfeinerte  Analyse  und  methodische  Quellenkritik,  die  nicht  so  sehr 
auf  Autorennamen  Jagd  macht,  als  vielmehr  die  Eigenart  der  benutzten 
Vorlagen  als  das  Wesentliche  zu  bestimmen  sucht.  Noch  immer  von  Nutzen 
sind  die  Kritischen  Untersuchungen  über  die  Quellen  der  4.  und 
5.  Dekade  des  Livius  von  Heinrich  Nissen  (Berlin  1863).  Aber  Nissen 
verallgemeinerte  im  Sinne  seines  Lehrers  K.  W.  Nitzsch  das  in  dem  Einzel- 
fall richtig  beobachtete  Verhältnis  des  Livius  zu  seiner  Quelle  Polybios  und 
so  hat  seine  von  den  mittelalterlichen  Chroniken  auf  die  Antike  über- 
tragene Einquellentheorie,  also  die  Anschauung,  als  ob  der  antike  Historiker 
sich  jeweils    einer  Hauptquelle    anvertraue,    viel  Unheil    angerichtet.    Vor 


')  Vgl.  die  Kritik  von  F.  von  Dühn, 
Deutsche  Literaturzeitung  1903,  223  if. 

^)  Bd.  XI  bis  'Komödie'  erschien  1921. 
Von  der  zweiten  Reihe  (R— Z),  hrsg.  von 
W.  Kroll  und  K.  Witte  wurde  ein  erster 
Band  (Bd.  IA)  (Ra— Sarmathon)  1920  ab- 


bücher  für  das  klassische  Alter- 
tum, Philologus,  Rheinisches  Mu- 
seum, Wiener  Studien,  (Bürsians) 
Jahresbericht  über  die  Fort- 
schritte der  klassischen  Alter- 
tumswissenschaft, Revue  de  pli  Uologie, 


geschlossen.    Überdies  sind  bis  jetzt  drei  '  Revue  des  etudes  anciennes,  Jotcrnal  of  philo- 

Supplementbände  herausgekommen.  i  logy,   Rivista    di  ßlologia    cJassica,   Histo- 

^)  Außerdem    sind    zu   berücksichtigen  |  rische  Zeitschrift,  Jahresberichte 

die  Zeitschriften,  die  sich  mit  Altertums-  i  der  Geschichtswissenschaft,    Revue 

Wissenschaft  bezw.  Geschichte  überhaupt  historique,    Revue    des   questions    historiques, 

befassen,     so    Hermes,    Neue    Jahr-  \  The  english  historical  review  u.  a.  m. 


12  Römisclie  Geschichte. 

der  mechanischen  Anwendung  dieses  sog.  Nissenschen  Gesetzes  hat  A.  v.  Gut- 
schmid  schon  im  Jahr  1877  gewarnt.^)  Dann  hat  Ivo  Bruns^)  an  der  ver- 
schiedenen Behandhmg  der  Persönhchkeit  die  Technik  der  antiken  Historio- 
graphie klargelegt  und  gezeigt,  dafj  sich  zwei  Gruppen  von  Historikern, 
nämlich  die  direkt  und  die  indirekt  charakterisierenden,  unterscheiden  lassen. 
Zu  jenen  ist  Polybios,  zu  diesen  Livius  zu  zählen.  Dagegen  blieb  dem  außer- 
ordentlichen Scharfsinn,  mit  dem  R.  Laqueur  (Polybius,  Leipzig-Berlin 
1913)  an  dem  Text  des  Polybios,  wie  wir  ihn  heute  lesen,  die  Spuren  von 
nicht  weniger  als  fünf  verschiedenen  Auflagen  nachzuweisen  suchte,  ein 
überzeugendes  Ergebnis  versagt;  das  philologische  Problem,  das  ein  Ge- 
schichtsAverk  als  literarisches  Erzeugnis  bietet,  sollte  nie  isoliert  werden;  es 
bedarf  vielmehr  beständig  der  Ergänzung  durch  historische  und  quellen- 
kritische Gesichtspunkte.  Nur  die  Vereinigung  historischer  und  philologi- 
scher Methode  kann  zum  Ziele  führen.^) 


IL  Italische  und  römische  Vorgeschichte. 

Quellen  und  Überlieferung  der  älteren  römischen  Geschichte. 

Die  Anfänge  einer  schriftlich  fixierten,  den  Ereignissen  gleichzeitigen  histori- 
schen Überlieferung  in  Rom  liegen  im  Dunkel.  Doch  läßt  sich  erkennen,  daß  es 
die  Liste  der  Konsuln  oder  sonstiger  eponymer  Beamter,  nach  denen  die  einzelnen 
Jahre  benannt  und  nach  denen  datiert  wurde,  gewesen  sein  muß,  die  das  unent- 
behrliche chronologische  Rückgrat  bildete:  indem  man  unter  den  betreffenden  .Jahren 
die  wichtigsten  Ereignisse  kurz  notierte,  entstanden  ganz  von  selbst  primitive  Chro- 
niken oder  Annalen,  d.  h.  Jahrbücher. 

Daß  nun  die  Namen  von  Konsuln  und  anderen  Eponymen  schon  vor  alters  in 
Rom  zur  Aufzeichnung  gelangten,  entsprach  den  Bedürfnissen  des  täglichen  Lebens, 
da  ja  nach  diesen  Eponymen  datiert  werden  mußte.  Was  freilich  von  Magistrats- 
verzeichnissen {libri  magistratuum)  und  Linnenl:)üchern  {librl  lintei),  die  im  Tempel 
der  Juno  Moneta  vorhanden  gewesen  sein  sollen,  berichtet  wird,  ist  ohne  sichere 
Gewähr.^)  Die  nach  ihrem  heutigen  Aufbewahrungsort  auf  dem  Kapitel  sog.  fasti 
Capitolini,'")  die  noch  erhaltenen  Reste  des  inschriftlichen  Verzeichnisses  der  Kon- 
suln (Diktatoren  und  Zensoren),  das  sich  einst  an  den  Marmorwänden  der  Regia, 
des  Amtslokals  des  Pontifex  maximus  auf  dem  Forum  befand,  sind  erst  um  36  v.  Chr. 
und  später  auf  Veranlassung  des  Augustus  abgefaßt.  Wir  haben  es  also  mit  einem 
Produkt  anticjuarischer  Gelehrsamkeit,  nicht  mit  einer  authentischen  Urkunde  zu 
tun.  Ein  Gleiches  gilt  von  dem  ebenfalls  unter  Augustus  der  Konsulliste  an  dem- 
selben Ort  hinzugefügten  Verzeichnis  der  Triumphe;®)   es  ist  für  die  ältere  Epoche 

*)  In   seiner  Jenenser  Antrittsrede,  s.    \       ■*)  Mommsen,  Rom.  Chronologie  94  f.,  208  f. 

Kl.  Schriften,  Bd.  I,  Leipzig  1889,  1  ff .  1  '")  0.  Hirschfeld,  Kl.  Schriften.  Berlin 
■')  Die   Persönlichkeit    in    der  Ge-    [    1913,  33U  ff.,  Mommsen,  Rom.  Forschungen 

Schichtschreibung  der  Alten,  Berlin       II  58  ff.,  Cichorius,  De  fastis  consularibus 

antic[uissimis,  Leipziger  Studien  IX  171  ff., 
ScHöxN,  PW  VI  2027  ff.  Die  Reste  der 
fasti  Capitolini  sind  ediert  CIL  I-  p.  1  ff.; 
über  die  hinzugekommenen  neuen  Funde 
vgl.  A.  Stein.  Bursians  Jahresbericht  144, 
163  ff. 


1898. 

^)  A.  Rosenberg,  Einleitung  und 
Quellenkunde  zur  römischen  Ge- 
schichte, Berlin  1921,  behandelt  die 
Primärquellen  (Akten,  Inschriften,  Mün- 
zen, Papyri,  archäologisches  Material,  Re- 
den. Briefe,  Memoiren,  Flugschriften)  und  ]  ^)  CIL  I-  p.  43  ff'.  Sonderausgabe  von  G. 
die  Werke  der  Historiker,  wobei  die  Stil-  Schön,  Das  capitolinische  Verzeichnis  der 
gattungen  nach  Gebühr  auseinander-  röm.  Triumphe  (Abhandl.  des  archäol.- 
gehalten  werden. 


2.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (Quellen.)  13 

aus  der  jungen  annalistischen  Literatur  zusammengeklittert  und  wird  erst  mit  der 
im  helleren  Licht  der  Geschichte  liegenden  Zeit  zuverlässig. 

In  Anlehnung  an  die  Beamtenliste  und  den  Kalender  also  müssen  die  ersten 
chronikartigen  Aufzeichnungen,  die  ältesten  Anualen  entstanden  sein.  Speziell  für 
den  Pontifex  maximus  wird  bezeugt,  daß  in  seinem  Amtslokal  alljährlich  eine  Tafel 
{tabula,  griechisch  zilra^)  aufgestellt  wurde,')  auf  der  die  Namen  der  Magistrate  und 
die  ihm  wichtig  dünkenden  Ereignisse  von  ihm  zu  verzeichnen  waren,  eine  alte, 
primitive  Sitte,  mit  der  erst  P.  Mucius  Scaevola,  der  im  Jahr  133  v.  Chr.  Konsul 
gewesen  war,  in  seinem  Pontifikat  gebrochen  hat.-)  Vielleicht  durch  denselben  Mann 
wurden  nun  die  sämtlichen  noch  vorhandenen  tabulae  redigiert  und  unter  dem  Titel 
annales  maximi  in  80  Büchern  herausgegeben  als  'archivalische  Publikation'.^)  Es 
muf3  jedoch,  wie  die  Einheitlichkeit  der  Tradition  über  die  älteste  Geschichte  bei 
den  ersten  Historikern,  die  noch  vor  jener  Veröffentlichung  schrieben,  beweist,  schon 
eine  ältere  Redaktion  solcher  Pontifikalannalen  gegeben  haben, ^)  Für  das  Einzelne  ist 
jedoch  über  Hypothesen  nicht  hinauszukommen.  Als  chronologisches  Gerüste  dienten, 
wie  gesagt,  die  Konsulnamen,  die  Fasten,  vom  ersten  Jahr  der  Republik  an.  Aber 
für  die  älteren  Zeiten  sind  diese  Fasten,  wenn  nicht  ganz  gefälscht,  so  doch  zum 
mindesten  stark  verfälscht.  Schon  äußerlich  nötigte  der  trümmerhafte  Zustand  der 
überlieferten  Daten  —  man  denke  nur  an  die  Vernichtung  wertvollen  Materials 
durch  die  Gallierkatastrophe  —  zu  Konstruktionen  und  Rekonstruktionen.  Zugleich 
bot  sich  hier  Gelegenheit,  einzelnen  inzwischen  zu  Ansehen  gelangten  plebeischen 
Geschlechtern  zu  vornehmen  Ahnen  zu  verhelfen.  Fälschungen  solcher  Art  scheinen 
in  großem  Umfang  zur  Zeit  des  Zensors  vom  Jahr  310  v.  Chr.  Appius  Claudius,  und 
zwar  vermutlich  durch  dessen  literarischen  Handlanger  Cn.  Flavius  begangen  worden 
zu  sein.  Gleich  der  erdichtete  erste  Konsul  der  Republik  L.  Junius  Brutus  bietet 
für  jene  Tendenz  ein  klassisches  Beispiel;^)  denn  da  die  Junii  ein  plebeisches  Ge- 
schlecht sind,  können  sie  unmöglich  den  ersten  Konsul  gestellt  haben.  Eine  zu- 
sammenfassende  kritische  Behandlung   des  Fastenproblems    ist   dringend  geboten.^) 

Einen  anderen  Charakter  als  die  Pontifikalannalen  trugen  die  commeiita^-ü  der 
Pontifices  und  anderer  Priester-  und  Beamtenkollegien.  Sie  enthielten  Ritual-  und 
Amtsvorschriften,  die  sich  insofern  der  Geschichtschreibung  näherten,  als  darin 
außer  Protokollen  über  Amtshandlungen  auch  Riten,  Formeln  und  Rechtsbräuche 
an  erdichteten  Beispielen  aus  der  Vergangenheit  in  erzählender  Form  unter  be- 
stimmten Namen  exemplifiziert  wurden.  Derartige  Elemente  scheinen  schon  früh- 
zeitig auch  in  die  Annalen  eingedrungen  zu  sein;  denn  vielleicht  enthielt  schon 
deren  Frühform  bedeutsame  exempla  (besonders  für  die  Königszeit).  Nach  Niebuhrs 
Vorgang  räumte  man  auch  alten  Haus-  oder  Familienchroniken  einen  nicht  geringen 
Einfluß  auf  die  uns  erhaltene  Überlieferung  in  maiorem  gloriam  einzelner  Ge- 
schlechter ein.  Besonders  K.  W.  Nitzsch  hat  mit  dieser  Hypothese  bei  seiner  Quellen- 
kritik von  Livius  und  Dionysios  gearbeitet.  Doch  ist  das  Vorhandensein  solcher 
privater  Aufzeichnungen  unerweislich  und  für  das  illiterate  Rom  der  1.  Jahrhunderte 
nicht  eben  wahrscheinlich.  Erst  die  gelehrten  Antiquare  zu  Ende  der  Republik  und 
zu  Beginn   der   Kaiserzeit   stellten   derartige   Familiengeschichten   zusammen,   ver- 

epigr.  Seminars   der  L'nivers.  Wien  IX),  i   E.  Korne  mann.   Der  Priestercodex   in  der 

VS^ien  1893,  !   Regia,  Tübingen  1912, 

')   Cato    bei   Gellius,    Noctes    atticae  2,  I        ^)  K,  J,  Neumann,  L.  Junius  Brutus,  der 

28,  6,    Dionys,  Hai.  I  74,  3  (aus  Polybiosj  i    erste  Consul,    in    der  Festschrift  zur  46. 

mit  Niebuhrs  Konjektur.  Servius  ad  Aen.  1    Philologenversammlung,  Straßburg  19U1, 

I  373.  I   309  ff. 

^)  Cicero  de  orat.  2,  52.  ^)  G,  Costa,    I  fasti    consolari    Romani. 

ä)  Fe,  Leo,  Gesch,  der  röm,  Lit,  I,  1913,  I,  1  und  2.  Mailand  1910,  hat  das  Problem 

2,  auf  breiter  Basis  in  Angriff  genommen. 
A.  Enmann,  Rhein.  Mus.  57, 1902,  517  ff. 


QO 


14  Römische  Geschichte. 

mutlich  mit  Benutzung  der  Annalfn.')  Gelegentlich  gingen  Amtsakten  in  den  Privat- 
besitz ehemaliger  Magistrate  über  und  vererbten  sich  dann  wohl  weiter.^)  Aber 
das  sind  keine  historischen  Aufzeichnungen,  sondern  Erzeugnisse  der  Praxis,  die 
in  der  Überlieferung  keine  sichtbaren  Spuren  hinterließen.  Eher  könnte  man,  wie 
es  geschehen  ist,  den  Stanimbaunien  [imaf/itmm  tituli)  vornehmer  Familien  und  den 
Leichenreden  {laudutiones)  eine  Wirkung  auf  die  gesohichtlicho  Erzählung  zutrauen. 
Dabei  bleibt  freilich  zu  bedenken,  daß  auch  die  Alten  hierüber  nur  Vermutungen 
anstellten ')  und  daß  man  erst  im  letzten  Jahrhundert  der  Republik  Reden  zu  publi- 
zieren begann.  Für  die  älteste  Zeit  kommen  solche  Einflüsse  ohnehin  noch  nicht 
in  Frage.  Nicht  so  sehr  dem  Glanz  einzelner  Häuser,  als  vielmehr  dem  Ruhm  des 
Gesamtvolkes  sollte  die  Verfälschung  der  älteren  Geschichte  dienen. 

Von  historischen  Poesien  („Heldenliedern'")  aus  alter  Zeit,  die  Niebühr  und 
in  anderer  Form  Nitzsch,  neuerdings  auch  wieder  de  Sanctis  ^)  annehmen,  ist  nichts 
Sicheres  bekannt.^)  Auch  der  Einfluß  der  römischen  Nationaltragödie,  der  fahula 
praetexta,  auf  die  historische  Darstellung  darf  nicht  überschätzt  werden,  wie  es  be- 
sonders W.  SoLTAu  getan  hat.'') 

Zu  urkundliclien  Aufzeichnungen  ist  man  in  Rom  schon  früh  geschritten, 
wurde  doch  das  Alphabet  und  damit  die  Schreibkunst  bereits  vor  der  Etrusker- 
herrschaft  in  Latium  rezipiert.  Die  älteste  erhaltene  Inschrift  in  lateinischer  Sprache 
scheint  in  den  ersten  Anfang  des  6.  Jahrhunderts  v.  Chr.  hinaufzureichen.")  Mag 
auch  die  Schrift  zunächst  nur  spärlich  verwendet  worden  sein,  so  muß  es  doch  aus 
den  ersten  Jahrhunderten  der  Republik  historisch  bedeutsame  Denkmäler  wie  Weih- 
geschenke mit  Inschriften,  Urkunden  u.  dgl.  gegeben  haben,  wovon  sich  freilich  nur 
Weniges  in  die  eigentlich  literarische  Zeit  hinüberrettete.  L'berhaupt  widmeten  die 
Römer,  anders  als  die  griechische  Welt,  dem  öff"entlichen  Schrift-  und  Urkunden- 
wesen nur  geringe  Sorgfalt.^)  Selbst  Senatsprotokolle,  abgesehen  von  den  Senats- 
beschlüssen, wurden,  wie  es  scheint,  auch  noch  in  späterer  Zeit  lediglich  privatim 
angefertigt,  bis  sie  im  Jahr  59  v.  Chr.  auf  Anordnung  Caesars,  der  damals  Konsul 
war,  zusammen  mit  den  sonstigen  städtischen  Nachrichten  in  den  acta  senattis  poindique 
Romani,  der  Staatszeitung,  dem  Publikum  vorgelegt  wurden.  Diese  acta  behaupteten 
sich  bis  tief  in  die  Kaiserzeit,  wurden  aber  seit  Augustus,  soweit  sie  zur  Ver- 
öffentlichung kamen,  auf  die  städtischen  Angelegenheiten  beschränkt.  Die  Senats- 
beschlüsse wurden  schon  früher  aufgezeichnet,  aber  nur  mangelhaft  und  wahr- 
scheinlich nicht  lange  aufbewahrt.  Von  den  Beamten  sind  anfänglich  nur  die 
Eponymen  (Konsuln  und  Konsulartribunen)  eigens  registriert  worden;  die  übrigen 
wurden  nur  gelegentlich  berücksichtigt,  so  daß  es  für  sie  vollständige,  authentische 
Listen  aus  älterer  Zeit  nicht  gab.  Nur  Gesetze,  soweit  sie  schriftlich  fixiert  wurden, 
und  Verträge  mit  fremden  Staaten  wurden  auf  dauerhaftem  Material  aufgezeichnet 
und  gewissenhafter  behütet.  Erhalten  hat  sich  aber  auch  davon  aus  alten  Zeiten 
nicht  viel;^)  am  bekanntesten  sind  die  von  Polybios  3,  22  ff.  wiedergegebenen  Ver- 
träge mit  Karthago. 


^)  Die  frühesten  Beispiele  sind  die  von  |       =)  Leo,  Gesch.  der  röm.  Lit.  I  18  f. 
Atticus  verfertigten  Familiengeschichten,  ^)  Die  Anfänge  der  römischen  Geschicht- 

Nepos,  Atticus  18.  Schreibung,  Leipzig  1909. 

-)  Plinius  h.  n.  35,  7.   Man  beachte,  daß  I        ')Diese,  auf  der  goldenen  Fibula  von  Prä- 


es  sich  an  dieser  Stelle  um  die  Etymologie 
von  tablinum  handelt. 

")  Cicero  Brut.  61.  Liv.  8,  40,  4  vitiatam 
memoriam  funebrihiis  laudibus  reor  faJslsque 
imagimim  tifidis;  Liv.  4,  16,  4.  Liv.  22,  31 
trifft  gerade  die  als  gefälscht  bezeichnete 
Ueberlieferung  das  Richtige. 

■»)  Storia  dei  Romani  I  22  flf. 


neste,  setzt  E.  Lommatzsch  um  600  v.  Chr. 
an,  den  Forumscippus  um  100  Jahre  später. 
In  weitem  Abstand  folgt  die  Duenos- 
inschrift,  die  in  die  Mitte  des  4.  Jahr- 
hunderts gehören  mag.  Siehe  CIL  I  2,  1, 
2.  Aufl.  1918,  p.  367  ff". 

^)  Cicero  de  legibus  3,  46. 

^)  ScHWEGLEE,   Rom.  Gescli.  I  18  ff.  gibt 


2.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (Quellen.)  15 

Die  älteren  Überlieferungen  hat  wohl  als  erster  der  früheste  römische  Historiker, 
von  dem  wir  wissen,  Q.  Fabius  Pictor,  in  literarischen  Umlauf  gebracht.  Pictor 
lebte  zur  Zeit  des  zweiten  punischen  Krieges  ^)  und  schrieb  in  griechischer  Sprache 
wahrscheinlich  nach  201  v.  Chr.  die  Geschichte  der  beiden  punischen  Kriege,  der 
er  eine  Darstellung  der  gesamten  Geschichte  Roms  seit  der  Gründung  vorausschickte, 
offenbar  in  annalistischer  Form.  Uns  ist  diese  ältere  Überlieferung  in  ihrer  reinsten 
Gestalt  zunächst  in  einigen  Abschnitten  des  Polybios  erhalten,  vollständiger  und 
zusammenhängender  in  dem  Abriß  der  "Weltgeschichte  (ßtß/uoO/jy.t)  loiooiy.i'i),  den  um 
30  V.  Chr.  Diodoros  aus  Agyrion  auf  Sizilien  herausgab,  der  die  ganze  Geschichte 
des  Altertums  in  synchronistischer  und  annalistischer  Gruppierung  von  Anfang  an 
bis  zum  Jahr  54  v.  Chr.  umfalBte.'-)  Diodor  ist  nichts  als  ein  unselbständiger  Kom- 
pilator  und  der  schwankende  Wert  seines  Machwerks  wird  allein  bestimmt  durch 
die  jeweils  benutzten  Quellen.  Seine  ältere  römische  Geschichte  zeichnet  sich  durch 
unverfälschte  Echtheit  aus.  Daß  sie  aus  Fabius  geschöpft  sei,  haben  nach  dem  Vor- 
gang NiEBüHKs  MoMMSEN  u.  a.  vemiutet;  wenn  auch  nicht  mit  Sicherheit  zu  erweisen, 
so  bleibt  diese  Hypothese  doch  noch  immer  die  wahrscheinlichste.^)  Späterhin  ist 
die  Tradition  über  die  ältere  Zeit  unter  dem  Einfluß  der  griechischen  Literatur  und 
in  römisch-chauvinistischer  Tendenz  mannigfach  rhetorisch  aufgeputzt  und  erweitert 
worden,  zumal  gegen  Ende  der  Republik,  zuerst  in  der  gracchischen  und  sullani- 
sehen  Zeit,  dann  durch  die  Arbeiten  der  ciceronischen  und  augusteischen  Epoche,, 
vor  allem  durch  die  antiquarischen  Studien  eines  Varro  und  seiner  Zeitgenossen 
und  Nachfolger.  Der  Wert  der  jüngeren  Annalistik,  die  sich  für  uns  in  den  AVerken 
des  Livius  und  des  Dionysios  von  Halikarnaß  spiegelt,  ist  gering,  da  der  Zuwachs 
an  eigentlich  historischem  Material,  den  sie  im  Verlauf  des  literarischen  Prozesses 
erfuhr,  nur  dürftig  ist.  Vielmehr  sind  die  ältesten  knappen  Nachrichten  allmählich 
durch  willkürliche  Zusätze  der  verschiedensten  Art  ausgestaltet  und  weitergebildet 
worden.  Die  späteren  Annalen  bieten  demnach  nur  zu  einem  kleinen  Teil  echte 
Überlieferung  und  sind  im  übrigen  ein  Produkt  von  Pseudohistorikern,  die  sich 
kein  Gewissen  daraus  machten,  mit  den  Hilfsmitteln  der  Phantasie  den  spärlichen 
Stoff  zu  mehren  und  ihn  nach  dem  Muster  der  hellenistischen  Geschichtschreibung 
zu  formen,  geleitet  nur  von  dem  Bestreben,  ihrem  Volke  eine  möglichst  glorreiche 
Vergangenheit  zu  verschaffen. 

Die  frühesten  römischen  Historiker,  nach  Abkunft  und  Stand  vornehme  Männer., 
hatten  in  griechischer  Sprache  geschrieben,  weil  sie  von  der  griechischen  Kultur- 
welt beachtet  sein  wollten.  Aber  auch  die  Griechen  selbst  widmeten  sich  der  Ge- 
schichtschreibung Roms,  als  bedeutendster  Polybios,  der  Sohn  des  Lykortas,  aus 
Megalopolis  in  Achaia.  Geboren  um  200  v.  Chr.  wurde  Polybios  mit  zahlreichen 
Leidensgenossen  im  Jahr  167  als  politische  Geisel  nach  Rom  verbracht,  wo  er  zu- 
nächst bis  150  V.  Chr.  lebte.  Seine  Freundschaft  mit  Scipio  Aemilianus  und  anderen 
römischen  Großen  erschloß  dem  Griechen  den  Sinn  für  römisches  Wesen  und  römische 
Politik :   in   dem  Wunsch,   seinen   eigenen   Landsleuten   die  Genesis   der   römischen 


ein  Verzeichnis.    Vgl.  auch  die  Angaben    I    11  bis  20  (die  Jahre  4ö0 — 302  v.  Chr.)  er- 
bei  Plinius  h.  n.  34,  20  ff.  halten,  vom  übrigen  nur  einzelne  Auszüge. 

M  Vgl.  Leo.  Geschichte  der  röm.  Lit.  j  ^)  Vgl.  Ed.  Schwaktz,  PW  V  063ff.  Über 
I  85  ff'.  Wenig  später  als  Fabius  verfaßte  ]  die  römische  Quelle  Diodors  handelt  G. 
L.  Cincius  Alimentus  ebenfalls  in  l  Sigwaet,  Klio  VI,  1906.  269  ff.,  341  ff.,  der 
griechischer  Sprache  eine  römische  Ge-  \  einen  Mittelsmann  zwischen  Fabius  uiid 
schichte,  von  der  wir  nur  unsichere  Kunde 
haben.  Vgl.  Münzee  und  Cichokiüs,  PW 
III  2556  f. 

"^)  Von  den  40  Büchern  der  Bibliothek 
sind  nur  1  bis  5  (die  altorientalische  Ge- 
schichte und  die  mythische  Vorzeit)  und 


Diodor  annimmt,  während  O.  Leoze,  Die 
röm.  Jahrzählung,  Tübingen  1909,  in  Fa- 
bius die  unmittelbare  Vorlage  Diodors 
erblickt.  Gegen  diese  Auffassung  wendet 
sich  E.  KoKNEMASN,  Priestercodex  S.  32  f. 


Iß  Römische  Geschichte. 

Weltherrschaft  und  die  gesdiiclitliche  Mission  Roms  klar  zu  machen,  griff  er  zur 
Feder.  Als  Einleitung  hat  er  in  den  beiden  ersten  Büchern  .seines  Geschichtswerks 
<lie  Ereignisse  im  "Westen  und  in  Griechenland  seit  264  v.  Chr.  skizziert.  Die  breitere 
Darstellung  setzt  erst  im  dritten  Buch  mit  dem  zweiten  punischen  Krieg  (220  v.  Chr.) 
■ein  und  reicht  bis  144  v.  Chr.  und  zwar  in  synchronistischer  Anordnung,  wobei  die 
Olympiadenrechnung  das  Gerüste  abgibt.  Wo  Polybios  nicht  aus  Eigenem  schöpfen 
konnte,  arbeitete  er  nach  älteren  historischen  Werken  mit  Sorgfalt  und  Kritik,  flocht 
auch  mitunter  persönliche  Informationen  und  authentische  Urkunden  ein.  Einen 
besonderen  Exkurs,  das  sechste  Buch,  widmet  er  der  römischen  Verfassung  als  dem 
Schlüssel  zum  Verständnis  der  Größe  Roms.  Von  im  ganzen  40  Büchern  liegen  bloß 
die  ersten  fünf  vollständig  vor;  das  Übrige  ist  nur  in  Exzerpten  und  einzelnen  Frag- 
menten, sowie  bei  den  späteren  Ausschreibern  erhalten.  Für  die  folgende  Periode 
gingen  als  Nachfolger  und  Fortsetzer  Poseidonios  und  Strabon  ähnliche  Wege. 
Mit  solchen  Leistungen  der  griechischen  Historiographie  kann  die  lateinische 
sich  nicht  messen.  Der  Schöpfer  einer  historischen  Prosa  in  lateinischer  Sprache 
ist  der  eigenwillige  M.  Porcius  Cato,  der  in  den  letzten  zwei  Jahrzehnten  seines 
inhaltreichen,  politisch  bewegten  Lebens  —  er  starb  149  v.  Chr.  —  seine  Origines 
schrieb  als  die  Geschichte  nicht  nur  Roms,  sondern  der  Italiker  überhaupt  bis  auf 
die  eigene  Zeit,  ein  höchst  originelles  Werk  nach  allem,  was  man  davon  weiß.') 
Der  lateinischen  Sprache  bedienten  sich  in  der  Folge  auch  die  Annalisten 
wie  L.  Cassius  Hemina,  L.  Calpurnius  Piso  (Konsul  133  v.Chr.),  Cn.  Gellius: 
es  folgten  in  sullanischer  Zeit  Valerius  Antias,  Q.  Claudius  Quadrigarius, 
C.  Licinius  Macer  (Prätor  68  v.  Chr.),  später  Q.  Aelius  Tubero,  ein  Zeitgenosse 
Ciceros,  durchweg  also  Vertreter  der  nach  Amtsjaliren  gliedernden  Annalistik.^) 
Bei  allem  Nationalismus  erlagen  diese  vornehmen  Dilettanten  doch  dem  Einfluß  der 
hellenistischen  Erzählertechnik;  nicht  so  sehr  Historiker,  als  schriftstellernde  Poli- 
tiker genossen  sie  nur  geringen  Kredit,  den  geringsten  die  berüchtigten  Schwindler 
■der  sog.  sullanischen  Annalistik,  Valerius  Antias,  Claudius  Quadrigarius  und  Licinius 
Macer.  Höher  standen  die  Verfasser  von  Monographien,  meist  zeitgeschichtlichen 
Inhalts,')  an  ihrer  Spitze  L.  Coelius  Antipater,  der  Historiker  des  Hannibal- 
krieges.  Gegen  Ausgang  der  Republik  glänzten  in  dieser  Gattung  Caesar  und 
Sallust.  Der  große  Redner  und  Publizist  Cicero  hat  in  seinen  zahlreichen  Schriften 
-die  ältere  Zeit  oft  berührt  und  ist  dadurch,  ohne  selbst  Historiker  zu  sein,  für  die 
Entwicklungsgeschichte  der  Tradition  von  Bedeutung.  Besonders  wichtig  sind  seine 
nur  zum  Teil  erhaltenen  Bücher  de  repuhllca  (verfaßt  54  v.  Chr.  ff'.),  in  denen  Poly- 
bios benutzt  ist  und  die  vielfach  eine  ältere  Phase  der  Überlieferung  widerspiegeln. 
Unter  Ciceros  Zeitgenossen  nahmen  die  antiquarischen,  der  gesamten  Vergangen- 
heit Roms  geltenden  Studien  großen  Aufschwung.  Auf  diesem  Forschungsgebiet 
betätigte  sich  Cornelius  Nepos,^)  Ciceros  Freund  T.  Pomponius  Atticus,  unter 
dem  Diktator  Caesar  Verfasser  einer  viel  gebrauchten  Chronik  [über  annalls)  und 
nachmals  gelehrter  Berater  Oktavians,'')  und  namentlich  M.  Terentius  Varro.  In 
einem   langen  Gelehrtenleben  (116 — 27  v.  Chr.)    erwies   sich  Varro   als   äußerst  pro- 


')  Vgl.  Leo  a.  a.  O.  290  ff".  sieht  zu  Abschnitt  VI. 

')  Als  Individualitäten  sind  mit  vm-  ^)  Außer  seinem  biographischen  Sammel- 
seren Mitteln  die  Annalisten  kaum  faßbar,  werk  de  riris  illiistribtts  sind  hier  zu  er- 
Die  früher  beliebte  Quellenforschung,  die  wähnen  seine  Chronik  (in  3  Büchern) 
den  annalistischen  Stoff"  des  Livius  an  und  die  exempla  (beides  verloren).  Die 
bestimmte  Quellen  aufteilen  wollte,  trieb  exempla  dienten  den  Sammlungen  des 
einen  unnützen  Sport  und  führte  sich  Valerius  Maximus  als  Vorbild.  Nepos  er- 
selbst  ad  absurdum.  Nicht  die  Namen,  lebte  noch  die  ersten  Jahre  des  Prinzipats 
sondern  die  Traditionen  gilt  es  zu  schei-  j  des  Augustus. 
den.   Vgl.  Ed.  Schwaktz,  PW  V  948  f.  '")  Nepos,  Attic.  20. 

^)  Für  das  Einzelne  s.  die  Quellenüber-  | 


2.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (Quellen.)  17 

duktiv.  In  seinem  unter  Caesar  abgefafsten  Hauptwerk  antiquitates  reruyn  humanariim 
et  divinarum  hat  er  das  weite  Feld  der  römischen  Altertümer  durchgeackert.  Schon 
die  Titel  einiger  seiner  vielen  Schriften,  wie  annaJes,  de  vita  popidl  Romani,  aetia 
(=:  aiTia)  bezeichnen  die  Richtung  seines  wissenschaftlichen  Interesses.  Bald  nach 
ihm,  unter  Augustus,  wirkten  Verrius  Flaccus,  dessen  großes  Werk  de  verhorum 
sign/ficatu  dem  teilweise  noch  erhaltenen  Lexikon  des  Festus  zugrunde  liegt  und 
aus  dem  auch  Plinius  in  der  historia  naturalis  schöpfte,  und  der  etwas  jüngere 
Fenestella.  Auch  der  gelehrten  Dichtung  sei  in  diesem  Zusammenhang  gedacht; 
der  Elegiker  Propertius  (im  4.  Buch  seiner  Gedichte),  Ovidius  in  den  fasti  und 
der  eigentliche  Nationaldichter  und  epische  Herold  Roms,  Vergil  in  der  Aeneis, 
führten,  ein  jeder  auf  seine  Art,  Roms  Anfänge  und  Vergangenheit  im  Schimmer 
poetisch-patriotischer  Verklärung  ihren  Landsleuten  vor. 

Zu  Beginn  der  Kaiserzeit  fühlte  sich  die  römische  Geschichtschreibung  der  gleich- 
zeitigen griechischen  ebenbürtig.  So  wagte  sich  der  Rhetor  T.  Livius  aus  Patavium 
(Padua)  an  die  gewaltige  Aufgabe,  die  ganze  römische  Geschichte  von  Urbeginn  bis 
auf  die  eigenen  Tage  darzustellen.  Bald  nach  der  Aufrichtung  der  augusteischen 
Verfassung  (27  v.  Chr.)  ging  er  an  die  Arbeit,  die  er  unermüdlich  bis  zu  seinem 
Tode  (17  n.  Chr.)  fortsetzte.  In  seinen  142  Büchern  ah  'iirbe  condita  führte  er  die 
Geschichte  Roms  von  der  Gründung  der  Stadt  bis  zum  Jahr  9  v.  Chr.  Das  brauch- 
barste historische  Material  verdankte  Livius  seinen  griechischen  Vorgängern.  Wo 
er  römischen  Autoren  folgt,  ist  sein  Wert  weit  geringer.  Livius  ist  beseelt  von  dem 
Bewußtsein  der  Größe  der  römischen  Republik,  hat  sich  aber  mit  dem  Regiment 
des  Augustus  loyal  abgefunden.  Als  Schriftsteller  verfügt  er  über  hohe  künstlerische 
Qualitäten.  So  gewann  seine  die  republikanische  Annalistik  abschließende  Leistung 
kanonisches  Ansehen  als  die  Geschichte  der  Republik ;  die  frühere  Annalistik,  durch 
Livius  ersetzt  und  überholt,  geriet  in  Vergessenheit.  Auf  die  Nachwelt  kamen  außer 
versprengten  Bruchstücken  die  Bücher  1 — 10  (bis  293  v.  Chr.)  und  21 — 4.5  (218 — 167 
V.  Chr.).  Für  das  Verlorene  bieten  einen,  freilich  ungenügenden  Ersatz  die  Epitome  ') 
{periochae)  und  die  späteren,  von  Livius  abhängigen  Kompilatoren  Florus,  Eutro- 
pius,  das  anonyme  Büchlein  de  viris  illustribtis,  sowie  Orosius. 

Ein  Zeitgenosse  des  Livius  ist  der  griechische  Rhetor  und  Literat  Dionysios 
von  Halikarnaß,  der  im  Jahr  7  v.  Chr.  in  Rom  seine  griechisch  geschriebene 
Römische  Archäologie,  nämlich  die  Geschichte  Roms  bis  zum  Ausbruch  des 
ersten  punischen  Krieges  herausgab.  Erhalten  sind  die  ersten  elf  Bücher  (das  elfte 
lückenhaft),  von  den  übrigen  neun  nur  Auszüge.  Benutzt  ist  u.  a.  Varro,  schwerlich 
Livius.^)  Dionysios  ist  ein  unselbständiger  Kopf^)  und  geht  ganz  in  der  Rhetorik 
auf.  Verwandter  Art  waren  zwei  andere  griechische  Geschichtswerke,  die  (kurze) 
römische  Geschichte  Jubas  IL,  des  königlichen  Polyhistors,  der  erst  Numidien,  dann 
Mauretanien  regierte,  und  die  römischen  Partien  der  Universalgeschichte  des  Niko- 
laos  von  Da  maskos,  der  ebenfalls  unter  Augustus  schrieb,  seit  dem  Tod  Herodes' 
des  Großen  von  Judäa  (4  v.  Chr.)  in  Rom  lebte  und  bereits  den  Dionysios  benutzte. 
Ebenfalls  in  die  augusteische  Zeit  gehören  die  historiae  PhiUppicae  (44  Bücher)  des 
Pomp  eins  Trogus,  eine  Universalgeschichte  mit  Ninus  beginnend,  uns  nur  er- 
halten in  den  Inhaltsangaben  (prologi)  und  in  dem  ungleichmäßigen  Auszug  des 
Justinus.  Rom  taucht  hier  erst  auf,  seitdem  es  ein  Faktor  (und  bald  die  Domi- 
nante) in  der  Politik  der  außeritalischen  Mächte  geworden  war;   seine  frühere  Ge- 


')  Über  die  neue  Liviusepitome  aus 
Oxyrhynchos  in  Ägypten  (B.  37—40,  48 — 
55)  s.  o.  S.  8  A.  2. 


Lehrer  Niese  anschloß.  Dagegen  Ed. 
ScHWÄRTZ,  PW  V  946  ff.  und  E.  Pais.  Ri- 
cerche  I,  1915,  A.  1. 


■'')   Benutzung    des    Livius    behauptete  ^)  Vgl.    E.  Bux,    Das    Probuleuma    bei 

A.  VoLKMÄR,   De   aunalibtcs   Roman is   quae-   \  Dionys   von  Halikarnaß,  Leipziger  Diss., 

stiones,  Diss.  Marburg  1890,  dem  sich  sein    j  Weida  1915. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft,  III,  5.  5.  Aufl.                                                         2 


\Q  Römische  Geschichte. 

schichte  wird  zum  Schluß  (im  48.  Buch)  nachgetragen.  Einen  Abriß  der  |  Welt- 
geschichte bis  zum  .Jahr  30  n.  Chr.  bietet  Velleius  Paterculus  in  zwei  Büchern, 
von  denen  das  erste  unvollständig  überliefert  ist.  Nach  Art  der  Chronographien 
hat  dieser  dilettierende  Offizier  a.  D.  nur  das  "Wichtigste  zusammengestellt,  um  erst 
ausführlicher  zu  werden,  wo  er  sich  der  eigenen  Zeit  nähert,  in  deren  Schilderung 
er  einen  fast  memoirenhaften  Zug  hineinträgt.  Der  vielseitige  und  menschlich  an- 
ziehende Plutarchos  aus  Chaironeia  in  Boiotien  (rund  50 — 120  n.  Chr.)  hat  in  den 
römischen  Stücken  seiner  berühmten  griechisch-römischen  Parallelbiographien,  wie 
Romulus,  Numa,  Poj^licola,  Coriolanus,  Camillus,  wertvolle  Teile  des  von  Varro  und 
dessen  Nachfolgern,  wie  Juba,  zusammengetragenen  antiquarischen  Materials  für 
uns  gerettet.  Auch  den  Livius  hat  er  gelegentlich  benutzt.  In  einer  besonderen 
Schrift,  ui'na  'Pcofiai'xä,  befaßt  er  sich  mit  Fragen  der  römischen  Altertumskunde. 
Unter  Antoninus  Pius  schrieb  Appianos  aus  Alexandrien  eine  vorzugsweise  nach 
ethnograi:)hischem  Gesichtspunkt  und  nach  Kriegsschauplätzen  eingeteilte  römische 
Geschichte,  von  der  uns  nur  einige  Bücher,  die  spanischen,  hannibalischen,  kartha- 
gischen, illyrischen,  syrischen,  mithridatischen  Kämpfe,  sowie  die  Bürgerkriege  (e/n- 
cpvXia)  (133 — 35  V.  Chr.)  erhalten  sind.^)  Von  den  übrigen  Büchern,  besonders  den 
der  ältesten  Geschichte  gewidmeten,  gibt  es  nur  späte  Exzerpte,  die  lehren,  daß 
Api^ian  für  die  genannte  Periode  nicht  dem  Livius  folgte,  dagegen  sich  mit  Dio- 
nysios  von  Halikarnaß  zwar  berührte,  jedoch  nicht  deckte.  Eine  Zusammenfassung 
erfuhr  die  gesamte  römische  Geschichte  in  griechischer  Sprache  noch  einmal  durch 
Cassius  Dio  Cocceianus  unter  Severus  Alexander.-) 

Obwohl  nicht  zur  eigentlichen  historischen  Literatur  gehörig,  sind  hier  noch 
Sammelwerke  zu  erwähnen,  deren  Verfasser  aus  Historikern  geschöpft  haben,  wie 
Valeri US  Maximus,  der  seine  neun  Bücher  factorum  et  dictorum  memorabilium  dem 
Tiberius  widmete,  ferner  Sex.  Julius  Frontinus  (um  40 — 103  n.  Chr.)  mit  seinen 
Strategemata  und  endlich  A.  Gellius,  in  dessen  etwa  unter  Marc  Aurel  verfaßten  noctes 
Atticae  sich  auch  historisch  interessante  Bruchstücke  aus  der  älteren  Literatur  finden. 

Dieser  rasche  Überblick  lehrt,  daß  die  uns  vorliegende  Überlieferung  der  älteren 
römischen  Geschichte  jung  vnid  verfälscht  ist;  nur  die  aus  guten  alten  Quellen  ge- 
schöpften Nachrichten  haben  Anspruch  auf  ernsthafte  Berücksichtigung,^)  mag  auch 
ihr  letzter  Ursprung  dunkel  bleiben.  Auch  das  Verzeichnis  der  Konsuln  und  sonstigen 
eponymen  Beamten  ist  für  die  älteren  Zeiten  nur  von  relativer  Zuverlässigkeit,  da  es 
von  Fälschungen  und  Konstruktionen  keineswegs  frei  blieb.  Die  jüngeren  Zutateia  zur 
geschichtlichen  Überlieferung,  sofern  sie  nicht  das  Ergebnis  wissenschaftlicher  For- 
schung bilden,  sind  ohne  jeden  Wert.  Dieser  Satz  hat  auch  für  die  Verfassungs- 
geschichte zu  gelten;  denn  der  Glaube  Eübinos  und  Mommsens,  als  sei  die  Verfassungs- 
geschichte dank  der  Kontinuität  und  Konstanz  der  staatsrechtlichen  Tradition  besser 
beglaubigt,  hat  sich  als  irrig  herausgestellt.  In  Wirklichkeit  hat  die  allgemeine  Ver- 
fälschung auch  vor  der  Verfassungsgesehichte  nicht  haltgemacht.  Das  Staatsrecht 
ist  im  Lauf  der  Zeit  starken  Veränderungen  unterworfen  worden  vuid  mit  Vorliebe 
haben  die  Historiker  die  zu  ihrer  Zeit  gültigen  Normen  in  die  Vergangenheit  zurück- 
gespiegelt. ■•)  In  diesem  Sinn  haben  die  Antiquare  der  ciceronischen  Zeit  auch  die 
Verfassungsgeschichte  umgestaltet  und  teilweise  ganz  neu  konstruiert. 

Soviel  im  allgemeinen.  Was  die  nächstfolgenden  Abschnitte  anbelangt,  so  sind 
für   die  Gründung. Eoms    und    die  Königszeit,    außer   einigen  Stücken    aus  Polybios 


')  Vgl.  unten  S.  279.  der  nachweist,  daß  der  Annalist,  dem 
2)  S.  unten  S.  279.  I  Dionysios  von  Halikarnaß  V  53  flf.  folgt, 
')  Vgl.  die  Analysen  Mommsens,  Eöm.  j  zum  J.  500  v.  Chr.  ein  erfundenes  Seiten- 
Forschungren  II  113  ff.  I  stück  zur  catilinarischen  Verschwörung 
■*)  Vgl.  Ed.  Schwartz,  Notae  de  Romano-  '  erzählt  und  sogar  das  sog.  senafus  consuifwn 
riim  fO(H«/<6?(.';,Univ.-Progr.  Göttingen  1903,  ultimum  schon  damals  gefaßt  werden  läßt. 


3.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (§  2.)  19 

und  Diodor,  das  erste  Buch  des  Livius  und  Cicero  {de  republica  II)  Hauptquclle. 
Ihre  verhältnismälMg  einfache  Darstellung  ist  stark  erweitert  i>ei  Dionysios  von 
Halikarnals  und  bei  Plutarch  im  Romulus  und  Numa,  wo  Juba  benutzt  ist.')  Auch 
die  antiquarischen  Dichtungen  des  Properz  und  Ovids  Fasti,  sowie  Vergils  Aeneis 
sind  als  Reflexe  der  gelehrten  Anschauung  von  Interesse.  Ein  Machwerk  des  aus- 
gehenden Altertums  (5.  oder  6.  Jahrh.  n.  Chr.)  ist  die  origo  gentis  Romanae,  eine  mit 
Sehwindelzitaten  ausstaffierte  Urgeschichte  Roms  und  z.  B.  von  Niebuhr,  wenn  auch 
mit  Unrecht,  als  Humanistenfälschung  abgetan. 

Nachrichten  zur  Geschichte  der  italischen  Stämme  verdanken  wir  den  grie- 
chischen Geographen  und  Historikern,  besonders  den  sizilischen,  deren  ältester, 
Antiochos  von  Syrakus,  wahrscheinlich  zwischen  424  und  415  v.  Chr.  die  Ge- 
schichte Siziliens  und  Italiens  bis  auf  seine  Zeit  darstellte.  Sein  Werk  wurde  be- 
arbeitet und  bis  363  v.  Chr.  fortgesetzt  von  seinem  Landsmann  Philistos,  dem 
Zeitgenossen  der  beiden  Dionyse.  Die  Geschichte  des  Tyrannen  Agathokles  schrieb 
sein  Parteigänger  Kallias:  aber  weit  namhafter  war  zur  selben  Zeit  Timaios  von 
Tauromenion,  ein  Gegner  jenes  Tyrannen.  Timaios  verfaßte  eine  umfangreiche 
Sizilische  Geschichte  bis  zum  Tod  des  Agathokles  (289  v.  Chr.),  berücksichtigte  später 
noch  die  Zeit  des  Pyrrhos  und  zog  überhaupt  die  westlichen  Mittelmeerländer  in 
den  Bereich  seiner  Darstellung.*)  Das  älteste  uns  erhaltene  geographische  Stück 
ist  die  Schrift  des  sog.  Skylax,  die  um  338  v.  Chr.  verfaßt  ist,  aber  stellenweise 
ältere  Zeiten  spiegelt.  Nicht  ohne  Wert  ist,  trotz  ihrer  Kürze,  die  (um  100  v.  Chr.) 
entstandene  iambische  Periegese  des  sog.  Skymnos,  die  viel  aus  Ephoros  entlehnt 
hat.  Die  wichtigsten  Stücke  der  älteren  geographischen  Literatur  sind  verwertet 
von  Strabon  im  5.  und  6.  Buch  seiner  rscoyoaffiy.ä,  geschrieben  unter  Tiberius  18 — 19 
n.  Chr.  Dürftiger  sind  die  Nachrichten  des  älteren  Plinius  im  3.  Buch  der  naturalis 
histon'a.  Der  erste  römische  Historiker,  der  die  Anfänge  {origines)  der  italischen 
Völker  zu  schildern  suchte,  war  M.  Porcius  Cato,  der  wohl  aus  griechischen  Quellen 
schöpfte;  denn  einheimische  Berichte  sind  nur  bei  den  Etruskern  nachweisbar;^) 
im  übrigen  beruht  die  Kunde  vom  alten  Italien  auf  griechischer  Vermittlung. 

Literatur  über  die  Quellen:  Niebuhr,  Römische  Geschichte  I  283,  II  1 — 17.  — 
ScHWEGLER,  Röm.  Gescli,  I  7  ff.,  II  1  ff.  —  Historicorum  Romanorum  reliquiae  ed.  H.  Peter 
I^  Leipzig  1914,  II  1906.  —  Historicorum  Romanorum  fragmenta  ed.  H.  Peter,  Leipzig 
1883.  —  C.Müller,  Fragmenta  historicorum  Gi-aecoriim.  Bd.  III — IV,  und  Geog)-aphi  Graeci 
minores,  Bd.  I.  —  K.  W.  Nitzsch,  Die  römische  Annalistik  von  ihren  ersten  Anfängen 
bis  auf  Valerius  Antias,  Berlin  1873,  —  K.  Peter,  Zur  Kritik  der  Quellen  der  älteren 
römischen  Geschichte,  Halle  a  S.  1879.  —  C.  Wachsmutii,  Einleitung  in  das  Studium 
der  alten  Geschichte,  Leipzig  1895,  588  ff.  —  B.  Niese,  De  annalibus  Romanis  ohserra- 
tiones,  Univ.-Progr.  Marburg  1886.  1888.  —  W.  Soltau,  Die  Anfänge  der  römischen 
Geschichtschreibung,  Leipzig  1909.  —  F.  Leo,  Gesch.  der  röm.  Lit.  I,  Berlin  1913.  — 
A.  Rosenberg,  Einleitung  und  Quellenkunde  zur  römischen  Geschichte,  Berlin  1921.  — 
Vgl.  W.  S.  Teuffels  Geschichte  der  römischen  Literatur,  bearb.  von  W.  Kroll  und 
F.  Skutsch,  I",  Leipzig-Berlin  1916,  sowie  in  diesem  Handbuch  die  Geschichte  der 
röm.  Lit.  von  M.  Schanz,  die  der  griechischen  von  Chkist-Schmid. 

2.  Italien  und  seine  Bevölkerung.  Die  Appenninenhalbinsel  —  der 
Name  Italien  hat  sich  erst  anmähHch  von  der  Südspitze  aus  über  die  ganze 
Halbinsel  erstreckt  —  ist  durch  Lage,  Klima  und  Bodenbeschaffenheit  vor 
vielen  anderen  Ländern  begünstigt.  Italien  vereinigt  die  Vorzüge  der  heißeren 
und  der  kälteren  Zone,  des  Gebirges  und  der  Ebene.  Bei  den  Hellenen  war  das 
Land  in  älterer  Zeit  berühmt  durch  sein  Getreide;  aber  es  eignet  sich  nicht 

')  Und   zwar   nicht   so  sehr  Jubas  rö-  j   1892. 
mische  Geschichte,   als   dessen  •o,ao<oT>;T£e,  ^)  Der  Kaiser  Claudivis  schrieb  ri'po?;r<;;a 

vgl.  F.  Jacoby,  PW  IX  2393.  I   und  zitiert  in  einer  Rede  tuskische  An- 

^)  J.  Geffcken,  Timaios'  Geographie  des       nalen.  Sueton,  Claud.  42,  2.   ILS  I  212, 19. 

Westens  (Philol.  Unters.,  13.  Heft),  Berlin  j 


20  Römische  Geschichte. 

minder  für  die  Viehzucht  —  Italia  bedeutet  vielleiclit  'Kälberhmd'  — ,  für  den 
Weinbau  luid  für  die  Kultur  des  aus  dem  Osten  eingeführten  Ölbaums. 
Die  dicht  bewaldeten  Gebirge  liefern  treffliches  Bauholz  in  Menge.  Die 
gestreckte  Gestalt  des  sclnualen  Landes  gibt  ihm  eine  lange  Küstenlinie, 
und  wie  das  Meer  von  allen  Punkten  aus  leicht  erreicht  werden  kann,  so 
ist  Italien  fast  überall  der  Schiffahrt  und  dem  überseeischen  Verkehr  zu- 
gänglich. Allerdings  bestehen  zwischen  den  einzelnen  Gebieten  beträcht- 
liche Unterschiede.  Während  Unteritalien  sich  nach  Gestalt  und  Bau  seiner 
Küsten  mehr  gen  Osten  und  Süden  kehrt,  öffnet  sich  der  nördliche  Teil 
der  Halbinsel  nach  Westen. 

Das  Land  mit  seinen  glücklichen  Lebensbedingungen  ist  bereits  in  der 
Steinzeit  von  Menschen  bewohnt  gewesen,  wie  die  prähistorische  Wissen- 
schaft aus  Funden  von  primitiven  Steinwaffen  und  -geraten  schließt. ')  Der 
Bronzezeit  gehören  an  die  sog.  Terremare,  d,  h.  Pfahldörfer  auf  festem 
Boden,  die  besonders  zahlreich  in  der  Poebene,  vereinzelt  auch  weiter  süd- 
lich aufgedeckt  wurden.  2)  Diese  auffallende  Siedlungsform  läßt  auf  Be- 
wohner schließen,  die  aus  einer  Seengegend,  wo  der  Pfahlrost,  Avie  z.  B. 
in  der  Schweiz,  seinen  guten  Sinn  hatte,  eingewandert  waren.  Die  Eisen- 
zeit wird  durch  die  Villanovakultur  vertreten,  so  benannt  nach  dem  Haupt- 
fundort, einem  Gräberfeld  bei  Bologna.  Daß  die  Handelswaren  des  Ostens, 
namentlich  der  kretisch -minoischen  Kultur,  schon  früh  ihren  Weg  nach 
Italien  fanden,  lehren  Gräberfunde. 3)  Als  Vermittler  orientalischen  Imports 
kommen  vornehmlich  die  Phöniker  in  Betracht,  die  ältesten  Seefahrer  des 
Mittelmeers.  Von  phönikischen  Siedlungen  oder  Faktoreien  auf  Italien  gibt 
es  allerdings  keine  sichere  Spur;  die  Ableitung  italischer  Ortsnamen  aus  dem 
Phönikischen*)  ist  ein  längst  aufgegebener  Sport;  der  j)hönikische  Handel, 
der  Italien  frühzeitig  berührt  haben  mag,  hat  wohl  bis  ins  5.  Jahrhundert 
gedauert;^)  außerdem  gehören  Handelsbeziehungen  mit  Karthago  zu  den 
sicheren  Tatsachen  der  älteren  Geschichte  der  Etrusker  wüe  Koms  und  der 
Latiner. 

Nicht  die  Phöniker,  sondern  erst  die  Griechen  haben  das  Land  Italien 
in  die  Geschichte  eingeführt.  Denn  den  Griechen  verdanken  die  Italiker, 
auch  die  Etrusker,  die  Gaben  höherer  Zivilisation.  Lange  vor  dem  Beginn 
der  historischen  Nachrichten  muß  zwischen  Griechenland  und  dem  Westen 
Handelsverkehr  bestanden  haben;  das  beweisen  sowohl  die  Gräberfunde  auf 
italischem  Boden, ^)  als  auch  das  homerische  Epos;  sind  doch  schon  der 
Odyssee  Sizilien  und  einzelne  Teile  Italiens  bekannt.'^)  In  der  Mitte  des 
8.  Jahrhunderts  v.  Chr.  l^eginnt  dann  der  große  Strom  der  griechischen  Aus- 
wanderung: die  Küsten  Unteritaliens  und  Siziliens  werden  von  hellenischen 


')  Durch  Funde  aus  dem  Paläolithicuni  A)onial  of  tlie  British  schooi  at  Athens  XIII 

ist  die   einst  von  Mommsen   im  2.  Kapitel  405  ff. 

der  römischen  Geschichte  geäufserte  An-  *)  Olshausen,    Rhein.  Mus.  VIII,    1852, 

sieht,     daß    ItaHen     erst     zur    Zeit    des  321  ff. 

„Schmelzens   der   Metalle",    also    in    der  j        ^)  U.  Kahrstedt,  Klio  XII.  1912,  461  ff. 

Bronzezeit  besiedelt  wurde,  widerlegt.  j        ^)  Helbig,  Das  homer.  Ei^os-  82.   Ridge- 

^)  Das  lehrreichste  Beispiel  einer  solchen  |    way,  ThemearJy  age  of  Greece,  1.  Kap. 

Terramara   liefert  Castellazzo   di   Fonta-  ^)  Sikeler  und  Sikaner  Odyss.  XX  383. 

nellato  bei  Parma.  XXIV  211.  307.  366.  389.    Temese  in  Ita- 

^)    W.  Helbig,    Das    homer.  Epos*   29.  ^   lien  Odyss.  I  184. 


2.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (§  2.)  21 

Kolonisten  besiedelt  und  so  entstand  geradezu  ein  neues  Hellas,  Groß- 
griechenland. Auf  Sizilien  faßten  Chalkidier  und  Dorier  Fuß.  Zuerst,  um 
735  V.  Chr.,  wurde  das  chalkidische  Naxos  gegründet,  dann  folgten  Syrakus, 
Gela,  Akragas,  Selinus,  Zankle,  Himera  u.  a.  Die  Phöniker,  die  sich  schon 
vor  den  Hellenen  auf  Sizilien  festgesetzt  hatten,  wurden  zurückgedrängt, 
vermochten  aber  einige  Plätze  im  Westen  und  Nordwesten  der  Insel  im 
Bund  mit  dem  dort  ansässigen  Stamm  der  Elymer  zu  behaupten.  Die  an- 
deren einheimischen  Stämme,  Sikeler  im  Osten  und  weiter  westlich  Sikaner, 
wurden  von  den  griechischen  Ankömmlingen  unterworfen  und  im  Lauf  der 
Zeit  völlig  hellenisiert.  Im  Zusammenhang  mit  dieser  Kolonisation  Siziliens 
stand  die  Gründung  griechischer  Städte  in  Italien.  Die  ersten  Kolonisten  waren 
auch  hier  die  Chalkidier,  die  sich,  wir  wissen  nicht  genau  wann,^)  vielleicht 
noch  vor  Gründung  der  frühesten  Kolonien  auf  Sizilien,  in  Kyme  (Cumae) 
in  Kampanien,  nahe  dem  Golf  von  Neapel,  ansiedelten  und  von  dort  aus 
später  Dikaiarcheia  und  Neapolis  anlegten.  Die  Siedler  stießen  hier  auf 
das  Volk  der  Opiker  {'0:rTixoi,  lat.  Opsci,  Osci),  zu  denen  die  Ausoner 
(lat.  Äurunci)  gehörten,  warfen  sich  zu  Herren  auf  und  erstreckten  ihren 
kulturellen  und  politischen  Einfluß  weit  über  Mittelitalien. 2)  In  Unteritalien 
war  es  die  Ostküste,  die  zuerst  von  mehreren  griechischen  Stämmen  be- 
setzt wurde.  Die  älteste  Kolonie  ist  das  chalkidische  Khegion  an  der  Meer- 
enge; weitere  Kolonien  wurden  Ende  des  8.  oder  Anfang  des  7.  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  angelegt,  zunächst  von  den  Lokrern,  dann  von  den  Achäern 
(Kroton,  Sybaris,  Siris,  Metapontion)  und  endlich  von  den  Spartanern  (Taras 
oder  Tarent).  Die  Westküste  kam  erst  später  an  die  Reihe,  hier  war  nach- 
mals Elea  (Hyele)  oder  Velia,  um  540  v.  Chr.  von  den  ionischen  Phokäern 
nach  ihrer  Vertreibung  aus  Korsika  an  der  oinotrischen  Küste  angelegt,  die 
ansehnlichste  Gemeinde.  Nach  dem  Volk  der  Italer  {^haloi)  erhielt  zuerst 
die  Südspitze  der  Appenninenhalbinsel  den  Namen  Italia  ('/raAta),  eine  Be- 
zeichnung, die  zur  Zeit  Herodots  und  noch  später  die  Küste  bis  Tarent 
einschließlich  umfaßte  ^)  und  vornehmlich  an  der  Ostküste  haftete.  Neben 
den  Italern  tritt  der  Stamm  der  Oinotrer  {Oivcorgoi)  hervor.  Das  davon 
abgeleitete  Oinotria  bezeichnet  vorzugsweise  die  Westküste,  kommt  aber 
auch  als  weiterer,  die  Italer  mit  einbeziehender  Begriff  vor.-*)  In  diesem 
Gebiet  hausten  kleinere,  Ackerbau  treibende  Stämme,  die  in  politische  und 
wirtschaftliche  Abhängigkeit  von  den  griechischen  Städten  gerieten.  Sie 
waren  vermutlich  mit  den  Sikelern  nahe  verwandt,  wie  man  denn  die  Sikeler 
vom  Festland  auf  die  Insel  hinübergewandert  sein  ließ.  Daß  übrigens  Sizilien 
einst  mit  Italien  unmittelbar  zusammenhing  und  erst  verhältnismäßig  spät, 
wenngleich  noch  in  prähistorischer  Zeit,  durch  das  eindringende  Meer  ab- 
geschnürt wurde,  lehrt  die  Geologie. 


')  MoNTELiüs,  Die  vorklassische  Chrono-  VII  3.  Nach  Justin.  20,  1.  13  ist  nicht 
logie  Italiens,  Stockholm  1912,  setzt  die  nur  Nola  und  AbeUa,  sondern  auch  Fa- 
Besiedlung  ins  11.  Jahrhundert  vor  Chr.  lerii  eine  Kolonie  der  Chalkidier. 
und  folgt  damit  dem  unbeglaubigten  Da-  ^)  Herodot  I  24.  Vgl.  E.  Heisterbergk, 
tum  des  Eusebios-Hieronynius  (1052,  bezw.  Über  den  Namen  Italien,  Freiburg  1881. 
1050  v.  Chr.).  Dafs  Kyme  vor  Zankle  be-  *)  Antiochos  bei  Strabo  VI  254  f.  An- 
stand, ergibt  sich  aus  Thukvd.  VI  4,  5.  stoteles  polit.  IV  10  p.  1329b.    Sophokles 

'■)  Strabo  V  242  f.    Dionvs'  Halic.  Ant.   '   bei  Dionvs.  Halic.  I  12. 


22 


Römische  Geschichte. 


Von  den  übrigen  Italikern  deutlich  geschieden  sind  die  Japyger  CJuTiuyeg), 
eine  größere  Gruppe,  die  wieder  in  drei  Stämme  zerfiel,  die  Daunier  (Apuli), 
Peuketier  {Foediculi)  und  Messapi  er  {Sallentini),  von  denen  sich  später 
die  Kalabrer^)  abzweigten.  Die  Messapier  waren  Nachbarn  der  Tarentiner, 
mit  denen  sie  häufig  in  Fehde  lagen,  denen  sie  sich  aber  kulturell  so  stark 
anglichen,  daß  sie  für  halbe  Hellenen  galten  und  von  Kretern  hergeleitet 
wurden,  die  nach  dem  Tod  des  Minos  auf  der  Heimkehr  von  Sizilien  in- 
folge Schift'bruclis  an  die  unteritalische  Küste  verschlagen  worden  seien. ^) 
Sie  besaßen  schon  frühzeitig  eigene  Städte,  die  zu  einer  politischen  Einheit 
zusammengefaßt  waren.  Gegen  die  Tarentiner  wußten  sie  nicht  nur  ilire  Un- 
abhängigkeit zu  bewahren,  sondern  trotz  aller  Hellenisierung  auch  ihre  eigene 
Sprache,    von  der  einige  Reste   durch  Inschriften  auf  uns    gekommen  sind. 

Wie  die  Japyger  nehmen  auch  die  Etrusker^)  {Tvooip'oi,  Tvoo}]v<>i)  eine 
Sonderstellung  innerhalb  der  italischen  Welt  ein.  Bis  heute  ist  die  Zu- 
teilung der  Etrusker  zu  einer  bestimmten  Sprachen-  oder  Völkerfamilie 
problematisch.^)  Griechen  wie  Römer  hatten  ihnen  gegenüber  das  Gefühl 
völliger  Stammesfremdheit.  In  der  eigenen  Sprache  nannten  sich  die 
Etrusker  Rasenna.^)  Herodot  läßt  sie  aus  Lydien  in  das  damals  umbrische 
Mittelitalien  einwandern,  Hellanikos  macht  sie  zu  Pelasgern,  die  aus  Thes- 
salien übers  Meer  gekommen  seien.'')    Die  unwahrscheinliche  Ansicht,    daß 


')  KalaßQol  zuerst  bei  Polyb.  X  1,  3. 

2)  Herodot VII 170.  StraboVI282.  Thuk. 
VII  33. 

3)  Vgl.  K.  O.  MüLLEK,  Die  Etrusker,  2.  Aufl. 
besorgt  von  W.  Deecke,  Stuttgart  1876  f.: 
Dennis,  Citiefi  and  cemeteries  of  Efruria, 
London  1883 ^ 

■•)  Über  ihre  Sprache  vgl.  Corssen,  Über 
die  Sprache  der  Etrusker,  2  Bde.,  Leipzig 
1874  f. ;  Deecke  und  Pauli,  Etruskische 
Forschungen  und  Studien.  F.  Skutsch, 
PW  VI  770  ff.  Die  etruskischen  Inschriften 
werden  seit  1893  in  dem  Corpus  inscrip- 
tionum  Etruscantm  von  Pauli,  Danielsson, 
Herbig  und  Torp  gesammelt. 

^)  'Paohra  nach  Dionys.  Halic.  I  30. 

«)  Herod.  I  94.  Dionys.  Halic.  I  27  ff. 
Slrabo  V220.  Heute  stehen  sich  im  wesent- 
lichen zwei  Hypothesen  gegenüber:  Ein- 
wanderung von  Norden  her  auf  dem  Land- 
weg und  Einwanderung  aus  dem  Osten 
zur  See.  Die  erstere  Hypothese  geht  auf 
NiEBUHK  zurück,  der  RG  1 125  ff.  die  Etrus- 
ker für  Pelasger  erklärte,  die  \o\\  den 
Easenna,  einem  von  Norden  her  zuge- 
wanderten Volk,  unterjocht  seien.  Aller- 
dings haben  sich  im  Norden  Italiens,  in 
den  rätischen  Alpen,  etruskische  In- 
schriften gefunden,  die  jedoch  verhältnis- 
mäfsig  jung  sind  und  nur  beweisen,  was 
wir  ohnehin  von  antiken  Autoren  hören, 
daß  nämlich  Etrusker  der  Poebene  unter 
dem  Druck  der  Gallier  in  die  Berge  aus- 
wichen. Damit  verliert  die  von  Helbig, 
Nissen  (Ital.  Landeskunde  I  498)  ange- 
nommene, von  Niese  gebilligte  Hypothese 


einer  Einwanderung  von  Norden  her  ihre 
Stütze.  Nach  K.  O.  Müller,  Etrusker  I' 
70  ff.,  wären  tyrsenische  Pelasger  von  den 
Küsten  und  Inseln  des  ägäischen  Meeres 
am  Gestade  Südetruriens  gelandet,  hätten 
Agylla  und  Tarquinii  gegründet  und  von 
hier  aus  das  übrige  Etrurien  samt  der 
Polandschaft  unterworfen,  um  dann  mit 
den  über  die  Alpen  nach  Italien  gelangten 
Rasenna  zu  einer  neuen  Nation  zu  ver- 
schmelzen. Diese  Auffassung  hat  G.  Körte, 
PW  VI  730  ff.  insofern  modifiziert,  als  er 
die  Pelasger,  die  M.  als  Griechen  ansprach, 
ausschaltete  und  die  von  M.  angenommene 
Gleichung  der  Rasenna  mit  den  Rätern 
preisgab,  während  er  an  der  Einwanderung 
der  —  sicher  ungriechischen  —  Etrusker 
aus  dem  Osten  festhielt.  Ob  aber,  wie  K. 
meint,  diese  Einwanderung  erst  im  8.  Jahr- 
hundert V.  Chr.  geschah,  ist  sehr  zweifel- 
haft. Man  wird  mit  viel  früheren  Daten 
zu  rechnen  haben.  Für  die  Herkunft 
der  Etrusker  aus  dem  Osten  könnte  auch 
die  umstrittene,  auf  Lemnos  gefundene 
vorgriechische  Inschrift  sprechen,  wenn 
anders  sie  wirklich  ans  Etruskische  an- 
klingt (C.  Pauli,  Eine  vorgriechische  In- 
schrift auf  Lemnos,  Leipzig  1886.  1894. 
Ed.  Meyer,  Forschungen  zur  alten  Gesch. 
I  26  f.).  Solange  aber  das  Rätsel  der  etrus- 
kischen Sprache  selbst  noch  nicht  gelöst 
ist,  läßt  sich  darüber  keine  sichere  Ent- 
scheidung treffen.  Für  Vorderasien  als 
Heimat  der  Etrusker  entschied  sich  F. 
Hommel,  Grundriß  der  Geogi-aphie  und 
Geschichte   des   alten  Orients,   München 


2.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (§  2.) 


23 


die  Etrusker  nach  Italien  nicht  eingewandert,  sondern  dort  autochthon  seien, 
vertritt  nur  Dionys  von  Halikarnaß.')  Als  die  Etrusker  in  den  Gesichts- 
kreis der  Hellenen  traten,-)  waren  sie  das  mächtigste  Volk  im  nördlichen 
Italien.  Ihr  Gebiet  erstreckte  sich  an  der  Küste  des  nach  ihnen  benannten 
tyrrhenischen  Meeres  vom  Tiber  bis  Pisa  und  bis  zum  Macrafluß,  im  Norden 
weit  ins  Etschtal  hinein.  Die  Ebene  und  das  Mündungsgebiet  des  Po  war 
in  ihrer  Hand,  so  daß  ihre  Herrschaft  von  Meer  zu  Meer  reichte.  Nördlich 
des  Appennin  besaßen  sie  eine  Reihe  von  Städten,  zu  denen  Felsina  (das 
spätere  Bononia),  Melpum  und  Mantua  gehörten.^)  An  der  Küste  der  Adria 
hatten  sie  einzelne  Plätze,  wie  Cupra  (maritima),  noch  über  Ancona  hinaus 
nach  Süden.  Frühzeitig  kamen  die  Hellenen  zu  ihnen;  nach  einem  guten 
Zeugnis'*)  zuerst  die  Phokäer,  denen  andere  loner  folgten;  aber  schon  vorher 
müssen  che  Chalkidier  aus  Kyme  mit  ihnen  in  Berührung  gekommen  sein. 
Der  Verkehr  von  Griechen  mit  Etruskern  geschah  sowohl  am  adriatischen 
Meer,  wo  in  Spina  und  Atria  seit  alters  Hellenen  saßen,  wie  von  Westen 
her,  w^o  Caere  (oder,  wie  die  Griechen  mit  Vorliebe  sagen,  Agylla)  einst  das 
wichtigste  Emporium  gewesen  zu  sein  scheint;  es  verdient  Beachtung,  daß 
die  Agylläer  in  Delphi  ihr  eigenes  Schatzhaus  hatten.'^)  In  Kunst  und  Hand- 
werk erfuhren  die  Etrusker  den  griechischen  Einfluß;  das  Alphabet  rezi- 
pierten sie  von  den  Chalkidiern;  schon  früh  liegannen  sie  nach  griechischem 
Muster  Münzen  zu  schlagen.  Die  Nekropolen  Etruriens  sind  die  Fundstätten 
der  attischen  Vasen,  wie  denn  das  Athen  des  5.  Jahrhunderts  enge  Be- 
ziehungen zu  den  Etruskern  unterhielt.*^)  Diese  erwiesen  sich  als  gelehrige 
Schüler  der  Griechen,  schufen  eine  bedeutende  eigene  Industrie  und  er- 
reichten in  der  Kunstübung  eine  sichere  Technik.  Die  Etrusker  ihrerseits 
wirkten  kulturell  wieder  stark   auf  die  übrigen  Italiker.    Politisch  bildeten 


1904%  63  ff.  Daß  die  Etrusker -Tyrseuer 
mit  den  Tursa,  die  nach  ägyj^tischen  Nach- 
richten im  13.  und  12.  Jahrhundert  v.Chr. 
zusammen  mit  anderen  „Nord-"  oder  „See- 
völkern" das  Nilland  heimsuchten,  iden- 
tisch sein  können,  ist  nicht  zu  bezweifeln 
(vgl.  Ed.  Meyer,  Gesch.  des  Altert.  I  2' 
(1913)  §  ,524.  Die  Etrusker  dürften  also 
damals  ihre  Sitze  noch  im  Gebiet  des 
ägäischen  Meeres  gehabt  haben  {Ttiscos 
Asia  sibi  vindicat  sagt  Seneca  dial.  XII 
7,  2).  Von  dort  aus  mögen  die  verwegenen 
Piraten  allmählich  in  wiederholten  Schü- 
ben in  Italien  Fuß  gefaßt  haben,  nicht 
ohne  sich  in  dem  eroberten  Land  mit 
der  unterworfenen  Schicht  der  Einheimi- 
schen zu  amalgamieren.  Erst  durch  Blut- 
mischung wäre  also  der  italische  Etrusker- 
typus  entstanden.  —  Hoffentlich  bringen 
die  Fortschritte  der  Sjjrachwissenschaft 
weitere  Aufklärung  (vgl.  G.  Heebig,  Klein- 
asiatisch-etrusk.  Namengleichungen  (Sitz.- 
Ber.  der  Bayer.  Ak.  1914,  2.  Abh.).  Lydi- 
sches  Inschriftenmaterial  zeigt  Ähnlich- 
keit mit  dem  etruskischen  (E.  Littmann, 
Lydian  inscriptions  =  Sardis  Bd.  VI,  1, 
Leiden  1916).  Die  Entscheidung  scheint 
sich  zugunsten  der  Hypothese  einer  Ein- 


wanderung der  nichtindogermanischen 
Etrusker  aus  dem  Osten  zu  neigen.  Vgl. 
R.  v.  ScALA,  Hist.  Zeitschr.  108.  3.  F.  12, 
1912,  1  ff.,  der  in  den  Etruskern  einen 
der  ursprünglich  ,.minoisclien"  Stämme 
mit  dem  Kulturzentrum  Kreta  erblicken 
möchte.  Mit  v.  Scala  setzt  sich  auseinan- 
der E.  Pais,  Stiidi  sforici  per  Vantichitä 
classica  V,  1912.  181  ff.  —  Die  von  1894 
bis  1907  erschienene  Literatur  verzeichnet 
G.  Herbig,  Bursians  Jahresbericht  140.  Bd., 
1908,  79  ff".  Eine  knappe,  aber  sehr  lehr- 
reiche Erörterung  des  Problems  gibt  K. 
Kretschmer  beiGERCKE-NoRDEN,  Einleitung 
in  die  Altertumswiss.  I,  1910',  176  ff. 

^ )  Neuerdings  verficht  C.  Schuchhardt, 
Alteuropa.  Straßburg  und  Berlin  1919, 
192  ff'.  317  das  Autochthonentum  der 
Etrusker. 

-)  Zuersterwähnt  bei  Hesiod,  Theog.1016. 

')  Bedeutende  Reste  einer  kleinen  Etrus- 
kerstadt  sind  aufgedeckt  worden  südlich 
von  Bologna  am  oberen  Reno  beim  heu- 
tigen Marzabotto,  Momimenti  antichi  1 249 ff. 

*)  Herodot  I  163. 

■')  Strabo  V  220;  vgl.  Herodot  1 163.  167. 

^)  H.  Droysen,  Athen  und  der  Westen, 
Berlin  1882. 


24  Römische  Geschichte. 

die  Etrusker,  soweit  wir  sie  kennen,  keine  geschlossene  Einheit.  Zwischen 
den  einzelnen  Stadtgemeinden,  von  denen  man  im  eigentlichen  Etrurien  (in 
der  heutigen  Toskana)  zwölf  und  ebensoviel  nördlich  des  Appennin  zählte,') 
kann  höchstens  eine  lockere  Vereinigung  bestanden  haben,  die  sich  im 
wesentlichen  auf  gemeinsame  Gottesdienste  l)eschränkt  haben  mag,  wie  solche 
sogar  noch  in  der  Kaiserzeit  vorkommen.  2)  Nur  zeitweilig  scheinen  sich 
mehrere  Städte  etwa  zu  kriegerischen  Zwecken  enger  verbündet  zu  haben. 3) 
Die  Etrusker  erwarben  sich  grofjen  Reichtum;  wenn  in  späterer  Zeit  die 
ohesi  Etrusci  wegen  ihrer  üppigen  Lebenshaltung  und  ungehemmten  Sinn- 
lichkeit berüchtigt  waren,^)  so  mögen  sie  in  der  Tat  allmählich  der  er- 
schlaffenden Wirkung  einer  raffinierten  Zivilisation  erlegen  sein.  Aber  von 
Haus  aus  gebrach  es  dem  verwegenen  Volk  keineswegs  an  kriegerischer 
Energie.  Früh  gelangten  die  Etrusker  zu  einer  Seemacht  und  im  Bund 
mit  Karthago  vermochten  sie  um  540  v.  Chr.  die  Phokäer  aus  Alalia  auf 
Korsika  zu  verdrängen,  Korsika  verblieb  seitdem  lange  in  etruskischem 
Besitz.  Eine  Zeitlang  gebot  das  etruskische  Herrenvolk  sogar  über  Latium 
und  Kampanien.ö)  Auch  das  kampanische  Kyme  wollten  sie  bezwingen; 
nach  einem  ersten  Versuch  von  der  Landseite  her  (um  524  v.  Chr.)  griffen 
sie  die  Stadt  474/3  v.  Chr.  zur  See  an,  wurden  jedoch  von  den  Syraku- 
sanern  unter  Hieron  geschlagen. ß)  Seit  jener  unglücklichen  Schlacht  bei 
Kyme  ging  es  mit  ihrer  Macht  bergab  und  bestand  Feindschaft  zwischen 
ihnen  und  den  Syrakusanern,  die  auch  später  noch  (453/2  v.  Chr.)  erfolg- 
reiche Züge  an  ihre  Küsten  ausführten.')  Auch  der  Tyrann  Dionysios  von 
Syrakus  griff  die  Etrusker  an  und  verheerte  ihre  Küsten  (384/3  v.  Chr.);^) 
um  jene  Zeit  besiedelten  Syrakusaner  mit  der  Gründung  von  Ancon  (Ancona) 
die  beste  Hafenbucht  an  der  Adria,  wodurch  auch  in  diesen  Gewässern  die 
Macht    der  Etrusker    eingeschränkt  wurde.    Aber  wenn  die  Etrusker   auch 


')  Vgl.  Diodor  XIV  113.  Strabo  V  219. 
E.  Bormann,  Archäol.-epigr.  Mittheil,  aus 
Oesterr.-Ungarn  XI,  1887. 103  ff.  hat  die  Na- 


deten  die  Etrusker  auch  in  Kampanien 
zwölf  Städte,  deren  Haupt  Capua  gewesen 
sei.    Die  früher  gehegten  Zweifel  an  einer 


men  der  in  derKaiserzeit  am  gemeinsamen  |  etruskischen  Herrschaft  in  Kampanien 
Gottesdienst  beteiligten  Städte  ermittelt.  :  (F.voNDuHN,Verhandl.  derPhilolog.-Vers., 
Es  sind  Arretium,    Caere,   Clusium,  Cor-    ;    Trier  1879, 114  f.)  sind  durch  den  in  Capua 


tona,  Perusia,  Populonia,  Rusellae,  Tar- 
quinii,  Vetulonia,  Volaterrae,  Volci,  Vol- 
sinii.  Hier  fehlen  jedoch  einige,  z.  B. 
Faesulae  und  Veji.  Die  Zwölfzahl  kann 
daher  nicht  verbürgt  werden. 

*)   Die   Nachrichten    bei   Livius  I  8,  3. 


gemachten  Fund  einer  etruskischen  In- 
schrift (F.  BücHELER,  Rhein.  Mus.  55,  1900, 
1  tf.)  erledigt.  Unter  den  Etruskern  blie- 
ben die  Osker  im  Land.  Nach  Cato  fr.  69 
(bei  Velleius  Paterc.  I  7,  2)  haben  die 
Etrusker    Capua    (vnid    demnächst   Nola) 


II  44,  8.  V  1,  3  f.  von  einem  etruskischen  |   gegründet  und  zwar  etwa  2(50  Jahre  vor 

König,     von     gemeinsamen    Zusammen-  der  Einnahme  der  Stadt  durch  die  Römer, 

künften  und  Gottesdiensten  aller  Etrusker  Velleius  versteht  unter  der  Einnahme  den 

verdienen  kein  Vertrauen.  Fall  Capuas  vom  J.  211  v.Chr.;  Cato  wird 

3)  Thukyd.  VI  88,  6.  aber   den  Anschlufs   an  Rom  vom  J.  338 

•*)  Theopomp  fr.  222  (FHG 1 315)  gibt  eine  v.  Chr.  gemeint  haben,  so  dafs  nach  seiner 

drastische   Schilderung   ihrer    „sexuellen  Ansicht  Capua  um  000  v.  Chr.  entstanden 

Schlaraffia"  (so  R.  v.  Pöhlmann,  Gesch.  der  wäre.  Vgl.  Hülsen,  PW  III 1555  f.,  F.  Mün- 

sozialen    Frage    und    des    Sozialismus   in  zer,  Hermes  49,  1914,  196  f. 

der  antiken  Welt  IL  München  19122,  366).  j        6)    p^s    Weihgeschenk    der    Sieger    an 

Strabo  V  216.    Zur  Korrektur  dieser  Auf-  j    Olympia,   ein  Bronzehelm   mit  Inschrift, 

fassung   vgl.  F.  Weege,    Etrusk.  Malerei,  ;    ist  erhalten:  SIG  I'*  Nr.  35  B. 

Halle  a/S.  1921,  61.  ■)  Dionys.  Halic.  VII  3  f.    Diodor.  XI  51. 

5)  Polyb.  II  17:  Strabo  V  242.    Müller-  88  f. 

Deecke,  Etrusker  1 162.  Nach  Strabo  grün-  ^)  Diodor.  XV  14. 


2.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (§  2.)  25 

der  syrakusaniseheii  Flotte  nicht  gewachsen  waren,  so  bildeten  sie  doch 
als  Seeräuber  noch  lange  genug  den  Schrecken  des  adriatischen  und  tyr- 
rhenischen  Meeres,  ja  sogar  der  Agäis. ')  Ihr  Name,  der  übrigens  auch  auf 
andere  Bewohner  Italiens  überging,  wurde  geradezu  zum  Gattungsbegriff 
des  Piraten. 

Gegen  Nordwesten  hin  grenzen  die  Etrusker  an  die  Ligurer  {Aiyveg)^ 
die  den  nördlichen  Appennin  und  die  Westalpen  bewohnten  und  der  Küste 
entlang  sich  bis  an  die  Pyrenäen  erstreckten,  ein  in  viele  kleine  Stämme 
zersplittertes,  ethnographisch  wie  sprachlich  nicht  sicher  bestimmtes  Volk.^) 
Im  Nordosten,  in  Oberitalien,  sind  den  Etruskern  die  Veneter  {'Evstoi)  be- 
nachbart, ein  illyrischer  Stamm, ^)  der  mannigfachen  etruskischen  Einflufe 
erfuhr.^) 

Mit  Ausnahme  der  Japyger,  Etrusker,  Ligurer  und  Veneter  sind  die 
übrigen  Bewohner  Italiens  unter  sich  nahe  verwandt  und  werden  deshalb  von 
der  Wissenschaft  unter  dem  Namen  „Italiker"  zusammengefaßt.  Sprachlich 
gliedern  sich  diese  Italiker  in  zwei  Gruppen,  eine  gröFaere,  die  umbrisch- 
sabellische,  und  eine  kleinere,  die  latinisch-faliskische.  Die  Umbrer 
COjußQixoi)  sind  ein  altes  Volk,  das  am  Gestade  der  Adria  im  Podelta  und 
weiter  südlich  hauste;  unter  dem  Druck  der  Etrusker  und  später  besonders 
der  Gallier  räumten  sie  die  Küste  und  wichen  ins  Gebirge  zurück.^)  W^eit 
ausgedehnt  ist  das  Gebiet  der  sabellischen  Völkerschaften,  die  ihren  Ur- 
sprung von  den  Sabin  i  herleiten,  deren  Name  Aviederum  identisch  ist  mit 
den  Samnites  {^^awliai);  beide  Namen  sind  nur  verschiedene  Formen  der- 
selben Bezeichnung,  die  im  Oskischen  Safineis  lautete.*^)  In  der  zweiten 
Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  v.  Chr.  drangen  sie  aus  dem  gebirgigen  Binnen- 
land gegen  die  Küsten  vor.  Im  Jahr  438  v.  Chr.  (ol.  85,  3) ')  drangen  Sam- 
niter  in  das  Land  der  Opiker  ein,  eroberten  Capua  und  Umgebung  und 
bildeten  fortan  ein  besonderes  Volk,  das  sich  nach  der  Stadt  Capua  Kam- 
paner  {KciTiTravoi  auf  ihren  Münzen)  nannte.*)  421  v.  Chr.  (ol.  89,  4) 9)  fiel 
ihnen  Kyme  zur  Beute,  das  dann  allmählich  zu  einer  oskischen  Stadt  wurde. 
Das    benachbarte  Nola,    sowie    die  Gegend  von  Nuceria    und  weiterhin  das 

')  BoECKH,  Seeurkunden  457  ff.  1  sprünglich  Umbrer  gewohnt. 

■^^  H.  d'Akbois  de  Jubainville,   Les  pre-  \  ^)  Strabo  V  228.  250.  Der  Sanmitername 

iniers  hahäants  de  TEurope  II,  1894:'^,  erklärt  |  hat   eine    weitere    und    eine    engere   Be- 

sie  für  Indogermanen.  Dem  widerspricht  i  deutung:  in  älterer  Zeit  wird  er  allgemein 

aus    sprachlichen  Gründen  G.  Hekbig   in  [  zur  Bezeichnung  der  sabellischen  Stämme 

Hoops' Reallexikon  der  german.  Altertums-  l  gebraucht,  so  gelegentlich  noch  vonPoly- 


kunde  III 157  if.,  während  M.  Niedermann, 
46.  Jahrb.  des  Vereins  Schweizer.  Gym- 
nasiallehrer, Aarau  1919,  für  indogerma- 
nische Abkunft  eintritt.  Vgl.  auch  C. 
JuLLiAN,  Histoire  de  la  Gaule  I,  Paris  1909, 
110  if.  und  K.  MüLLENHOFF,  Deutsche  Alter- 


bios (IX  5,  8);  später  beschränkt  er  sich 
auf  denjenigen  Teil,  der  den  Römern  am 
längsten  trotzte.  Sabeller  wird  synonym 
mit  Samniter  gebraucht.  Strabo  V  250, 
Liv.  X  19,  20. 

■)  DiodorXIISl.   Liv.  IV  37  erzählt  da- 


tumskuixle  I  86,  III  173  ff.  von  unter  dem  J.  423  v.  Chr. 

'■'')  Herodot  I  196.  1        ^)  Mit  dem  lateinischen  campus  hat  der 

*)  Pauli,  Altitalische  Studien,  3.  Bd.  Name  der  Kampaner  nichts  zu  tun;   im 

^)  Ravenna,  obwohl  wahrscheinlich  eine  strengen  Sinn  bezeichnet  er  nur  die  Be- 

etruskische  Gründung,  ist  in  historischer  \   wohner   von    Capua   und  Umgebung,   so 

Zeit  von  Umbrern  bewohnt.  (Vgl.  Rosen-  dafs  z.  B.  die  Nolaner  nicht   einbegriffen 


BEEG,  PWIA300f.)  Mitten  durch  Etru- 
rien  liiefst  der  in  das  tyrrhenische  Meer 
mündende  Umbro;   also   haben  hier  ur- 


sind.    Vgl.  Hülsen,  PW  III  1437. 

9)  Diodor  XII  76:   nach  Liv.  IV  44:  420 
V.  Chr.,  vgl.  Strabo  V  243. 


2ß  Römische  Geschichte. 

Gebiet  bis  zum  Silarusflufs  fiel  gleichfalls  den  Samnitern  anheim.  Die  Ein- 
heimischen wurden  teils,  wie  die  Opiker,  von  den  Eindringlingen  absorbiert, 
teils  behaupteten  sie,  wie  die  Aurunker  (Ausoner)  und  Sidiziner,  ihre  Eigenart. 

Etwa  gleichzeitig  mit  der  Eroberung  Kampaniens  drangen  andere  sam- 
nitische  Scharen  nach  Unteritalien  vor,  wo  sie  die  oinotrischen  Stämme 
überwältigten  und  ein  neues  Volk,  die  Lukaner  {Aevy.rxvoi,  auf  Münzen 
auch  Avyuavol,  lat.  Loucani)  bildeten.  Diese  werden  393  v.  Chr.  zuerst  be- 
stimmt erwähnt  und  bald  war  ganz  Süditalien  vom  Silarus  bis  zur  Grenze 
Japygiens  in  ihrem  Besitz,  i)  Die  kleineren  Griechenstädte  der  Westküste 
erlagen  ihnen  mit  Ausnahme  von  Elea,  aber  auch  die  größeren  Gemeinden 
der  Ostküste  hatten  einen  schweren  Stand.  Die  Widerstandskraft  der 
Italioten,  d.  h.  der  griechischen  Bewohner  Italiens,  wurde  gelähmt  durch 
Kämpfe  gegen  den  Tyrannen  Dionysios  von  Syrakus,  der  die  Lukaner  unter- 
stützte und  ihnen  ihre  Macht  begründen  half.  Als  dann  Dion  gegen  die 
Tyrannis  des  Dionysios  II  auftrat,  sonderte  sich  (356  5  v.  Chr.)  der  südliche 
Teil  der  Lukaner  ab,  um  einen  eigenen  Stamm,  den  der  Brettier  (auch 
Brittier  oder  Bruttier)  zu  bilden,  der  den  Griechen  nicht  weniger  gefährlich 
w^erden  sollte.-)  Auch  am  adriatischen  Meer  dominierten  die  Samniter.  denen 
Picenter  (Picentiner)  und  Frentaner  (Frentraner)  angehören  und  die  selbst 
ins  nordwestliche  Apulien  vordringen.  So  sind  denn  die  Samniter  die  maß- 
gebende Nation  in  Unteritalien,  von  wo  aus  sie,  und  zwar  besonders  die 
Kampaner,  als  Söldner  der  sizilischen  Griechen  und  der  Karthager  nach 
Sizilien  hinübergriffen,  um  auch  dort  eine  Rolle  zu  spielen.  Viele  wurden 
dort  seßhaft  und  in  dem  Chaos,  das  auf  den  Sturz  des  jüngeren  Dionysios 
folgte  und  von  356 — 346  v.  Chr.  währte,  gewann  es  fast  den  Anschein, 
als  sei  es  um  den  griechischen  Charakter  der  Insel  geschehen.  3) 

Alle  diese  sabellischen  Stämme  redeten  eine  Sprache,  die  man  nach 
dem  Zentrum  ihrer  Kultur  in  dem  0]3iker-  oder  Oskerland  Kampanien  die 
oskische  nennt.^)  Die  Schrift  entlehnten  sie  von  den  Etruskern:  nur  die 
südlichen  Stämme  bedienten  sich  des  griechischen  Alphabets.  Besonders  die 
Kampaner  und  Lukaner  wußten  sich  die  Segnungen  der  griechischen  Kultur, 
die  sie  in  den  benachbarten  Kolonien  kennen  und  schätzen  lernten,  zu  eigen 
zu  machen.  Während  sich  so  vor  allem  in  Kampanien  städtisches  Leben 
nach  griechischem  Muster  entfaltete,  blieben  die  binnenländischen  Sabeller 
noch  lange  der  schlichten  heimischen  Art  treu.  Das  Bergland  begünstigte 
deren  Zersplitterung  in  viele  kleine  Stämme;  außer  den  Sabinern,  Picentern, 
Frentanern  und  den  Samnitern  im  engeren  Sinn  bildeten  die  Marser,  Päligner 
und  Marruciner  besondere  Kantone  mit. ländlicher  Verfassung.  Städtisches 
Leben  entwickelte  sich  bei  ihnen  erst  viel  später,  unter  der  römischen  Herr- 
schaft; jede  Zusammenfassung  zu  einer  größeren  politischen  Einheit  fehlte, 
wie  sie  denn  überhaupt  nie  ein  eigentliches  Staatswesen  gebildet  haben. 
Aber  sie  waren  wehrhaft  und  kriegerisch  und  in  fremdem  Dienst,  besonders 


')  DiodorXIV91.   Skylax  §12f.  (=  G^o-  Leipzig  1850.    J.Zxetajbff,  Siflloge  inscnp- 

graphi graeci  minores  ed.  C.  Müller  1 19  f.).  iionum  oscarnm,  Petersburg  1878  und  In- 

*)  Diodor  XVI  15.    Strabo  VI  2-55.  scrlptiones  Italiae  infer.  dialecficae,  Moskau 

3)   Plato    epist.    8   p.  358  E.     Plutarch,  1886.    K.  S.   Coxway.    The   Italic    dialects, 

Timol.  1.  2  Bde.,  Cambridge  1897. 

•')  Th.  MoMMSEN,  Unteritalische  Dialekte, 


2.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (§  2.)  27 

bei  den  sizilischen  Machthaber n,  wurden  viele  von  ihnen  mit  hellenischer 
Kriegskunst  vertraut. 

Von  den  Sabellern  uud  Etruskern  werden  die  Latiner  umschlossen, 
deren  Spraclie  mit  der  umbrisch-oskischen  verwandt  ist,  so  beträchtlich  die 
Unterschiede  zwischen  den  beiden  Dialektgruppen  sind.  Die  Latiner  be- 
wohnten den  westlichen  Küstenstrich,  der  sich  nach  Süden  hin  an  die  Tiber- 
mündung anschließt.  Nach  dem  Binnenland  zu  waren  sie  von  drei  kleineren 
Völkern  begrenzt;  im  Süden  saßen  die  Volsker^)  {^0?.ooi  bei  Skylax  §9), 
die  ihrerseits  südwärts  an  die  Aurunker  und  östlich  über  den  Liris  hinaus 
an  die  Samniter  stießen,  im  Nordosten  die  Aequer,^)  deren  Gebiet  östlich 
bis  an  den  Fucinersee  reichte,  und  endlich  zwischen  Aequern  und  Volskern 
im  Tal  des  Trerus  bei  Anagnia  und  Frusino  die  Herniker.  Ob  diese  drei 
Stämme  den  Sabellern  oder  den  Latinern  zuzurechnen  sind,  ist  bis  jetzt 
nicht  entschieden;  von  den  Latinern  aufgesogen,  haben  sie  ihr  Volkstum 
verhältnismäßig  früh  eingebüßt.  An  der  Küste  erstreckt  sich  Latium  ur- 
sprünglich vom  Tiber  bis  zum  waldigen  Vorgebirge  Circei  (bei  Tarracina), 
beschränkt  sich  also  auf  die  Landschaft  am  linken  Ufer  des  unteren  Tiber 
mit  dem  vulkanischen  Albanergebirge  als  Mittelj^unkt.  Doch  mag  auch  noch 
das  rechte  Tiberufer  zu  Latium  gehört  haben:  wenigstens  sind  die  Falisker, 
die  im  südlichen  Etrurien  mitten  unter  Etruskern  Falerii  bewohnten,  den 
Latinern  nächstverwandt,   wie  der  Befund  der  Sprachreste  beweist. 

Ohne  Zweifel  sind  die  Italiker  als  Mitglieder  der  indogermanischen  Völker- 
familie in  grauer  Vorzeit  in  die  Appenninenhalbinsel  eingewandert  wie  die 
Griechen  in  den  Balkan. 3)  Die  erwähnten  prähistorischen  Siedlungen  in  den 
Terremai'e  der  Poebene  wollte  W.  Heibig  auf  die  noch  ungetrennten  Italiker 
zurückführen,  die  von  Norden  zu  Land  gekommen  wären,  um  dann  weiter 
nach  Süden  vorzudringen.  Diese  Ansicht  ist  heute  aufgegeben,  aber  die  Ethno- 
graphie jener  terramaricoU  bleibt  kontrovers.  De  Sanctis  hat  sie  sogar 
für  Etrusker  erklärt,  während  andere  von  Ligurern  reden.  Die  Jajjyger 
sind  nach  einer  Vermutung  Helbigs'*)  über  die  Adria  von  Epirus  oder 
Illyrien  aus  nach  Italien  gekommen,  wohin  sie  als  Verwandte  der  ältesten 
Hellenen  bereits  eine  gewisse  Kultur  mitgebracht  hätten.  Andere  Gelehrte 
denken  sich  die  Japyger  als  Einwanderer  auf  dem  Landweg  aus  dem  nörd- 
lichen Illyrien.  Obsehon  die  Ligurer  in  historischer  Zeit  auf  die  Gegenden 
des  nördlichen  Appennin  und  der  angrenzenden  Alpen  beschränkt  waren, 
scheinen  sie  doch  ursprünglich  einen  weit  größeren  Teil  Italiens  bewohnt  zu 
haben.  Wenigstens  finden  sich  in  Nord-  und  Süditalien,  in  Sizilien  und 
Ligurien  ähnlich  klingende  Ortsnamen.  Wenn  die  Alten  von  Ligurern  im 
Zusammenhang  mit  der  Besiedelung  Siziliens  sprechen,^)  so  beweist  das  nicht 

')  U.  V.  WiLAMOwiTz.   Hernips  33,   1898,  [    von    Illyrien    aus    über    die    Adria    ein- 

524  f.    hat   im   Anschluß    an   eine  antike  t    gewandert  sein. 

Tradition  vermutet,  dals  die  Volsker  aus  '■       *)  Hermes  XI.  1876,  257  ff. 

Illyrien  eingewanderte  Eroberer  seien.  ^)  Der  Historiker  Philistos  nannte  das 

■'')  Aequi  oder  Aequiculi,  griechisch  in    Sizilien    unter    Führung    des    Sikelos 

Aly.ot,  Al'xiy.loi,  Aty.aroi,  AixolaroL  Der  Name  •    einwandernde  Volk,  die  späteren  Sikeler, 

steckt  im  heutigen  Cicolano  (d.  h.  Aequi-  Ligurer,     die     ihrerseits    von    Umbi-ern 

culum).  und  Pelasgern  vertrieben  worden  seien. 

^)  Ed.  Meyer,  Gesch.  des  Altertums  I,  2*-  i   Dionys.   Hai.   I  22.    Thukyd.  YI  2.     Ste- 

§  565  läfat  die  indogermanischen  Italiker  \   phanus  Byz.  s.  v.  Ziy.e).ta.  Vgl.  A.  Piganiol, 


28  Römische  Geschichte. 

viel,  da  schon  die  wechselnde  Gestalt  der  betreffenden  Nachrichten  lehrt, 
daß  ihnen  keine  bestimmten  historischen  Erinnerungen  zugrunde  liegen. 
Aber  auch  das  prähistorische  Material,  das  die  modernen  Ausgrabungen  ge- 
liefert haben,  läf.H  meist  verschiedene  Deutung  zu.  So  glänzend  sich  die 
Ausgrabungstechnik  der  Italiener  unter  der  Führung  von  Gelehrten  wie 
L.  Pigorini,  P.  Orsi  u.  a.  entwickelt  hat,  so  ist  doch  die  prähistorische 
Wissenschaft  an  Problemen  reicher  als  an  sicheren  Resultaten. 

Über  die  Völker  Italiens  vgl.  H.  Nissen,  Italische  Landeskunde,  2  Bde.,  Berlin 
LS83.  1902,  ders.,  Das  Templum  101  ff.  —  A.  Holm,  Gesch.  Siziliens  im  Altertum  I, 
Leipzig  1879.  —  E.  A.  Fkeeman,  Histonj  of  Sicily,  deutsch  von  B.  Lupus,  I,  Leipzig  1895. 

—  E.  Pais,  Storia  d'Italia  I,  1.  —  Th.  Mommsen,  Die  unteritalischen  Dialekte,  Leipzig 
1850.  —  J.  Beloch,  Campanien,  Breslau  1890^.  —  W.  Abeken,  Mittelitalien  vor  den 
Zeiten  der  römischen  Herrschaft  nach  seinen  Denkmälern  dargestellt,  Stuttgart  1843. 

—  K.  0.  Müller,  Die  Etrusker,  2.  Aufl.  von  W.  Deecke,  Stuttgart  1876  f.  —  W.  Helbig, 
Die  Italiker  in  der  Poebene,  Leipzig  1879.  —  Zur  Orientierung  über  die  ethnographi- 
schen und  prähistorischen  Forschungen  vgl.  Ed.  Meyek,  Geschichte  des  Altertums  II 
§  310  ff.  F.  VON  DuHN,  Neue  Heidelberger  Jahrbücher  IV  (1894)  143  flf.  VI  (189G)  19  ff., 
ders..  Das  voretruskische  und  etruskische  Bologna  (Besprechung  von  A.  Grenier, 
Bologne  Vülanovlenne  et  ('trusque,  Paris  1912),  Prähist.  Zeitschr.  V,  1913,  472  flf.  G.  de 
Sanctis,  Storia  dei  Romanl  I  50  ff.,  sowie  die  Spezialwerke:  B.  Modestov,  Introduction 
d  Vhistoire  romaine  (aus  dem  Russischen),  Paris  1907.  —  O.  Montelius,  La  civilisation 
prhnitive  en  Italie  depuis  V introduction  des  mHaux,  Stockholm  1895  ff.,  ders.,  Die  vor- 
klassische Chronologie  Italiens,  Stockholm  1912.  —  T.  E.  Peet,  The  stone  and  hrome  ages  in 
Itali/  and  Sici'Ii/,  Oxford  190!).  —  Seit  1875  erscheint  das  Bidlettino  di  paletnoJogia  italiana. 

3.  Gründungsgeschichte  Roms.  Die  bekannte  Legende  gibt  Rom  zwei 
Gründer,  1)  die  Zwillingsbrüder  Romulus  und  Remus,  die  Söhne  einer  Königs- 
tochter aus  Alba  Longa  und  des  Gottes  Mars.  Nach  der  Geburt  ausgesetzt, 
werden  sie  von  einer  Wölfin  gesäugt,  dann  von  Hirten  gefunden  und  auf- 
gezogen, um  schließlich,  als  Fürstensöhne  erkannt,  in  Wahrnehmung  ihrer 
Rechte  nach  Alba  Longa  zurückzukehren,  von  wo  aus  sie  Rom  gründeten. 
Man  hat  es  hier  mit  einer  Fabel  zu  tun,  wie  sie  ähnlich  schon  früher  vom 
griechischen  Drama  gestaltet  worden  war.  Die  ältesten  Zeugnisse  dieser 
Gründungssage  sind  auf  italischem  Boden  römisch-kampanische  Mlinzen  (Di- 
drachmen)  2)  mit  dem  Bild  der  Wölfin  samt  den  Zwillingen,  geprägt  in  der 
zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  v.  Chr.  und  in  Rom  selbst  das  Bronze- 
standbild der  Wölfin  auf  dem  Kapitol  (heute  im  Konservatorenpalast),  ein 
Werk,  dessen  Stil  auf  einen  in  Italien  ansässigen  griechischen  Künstler  des 
6.  oder  5.  Jahrhunderts  v.  Chr.  schließen  läfst.^)  Ein  ähnliches,  nicht  mehr 
erhaltenes  Standbild  stellten  die  Gebrüder  Ogulnii  im  Jahr  29(3  v.  Chr.  unter 
der  flcus  Ruminalis  (dem  heiligen  Feiligenbaum  beim  Lupercal)  auf.*)  Als 
Stifter    der    römischen  Gemeinde  {pojmlus)    mit   ihren    wichtigsten  Organen 


Essai   sicr   les   origines   de  Bonie,    BiU.   des  sprechende    Spuren    an    der    erhaltenen 

-ecoles  frani;.  d'Äthenes  et  de  Borne,  fasc.  110,  Statue    sichern    die   Identität.     Petersen 

Paris  1917,  9  f.  läßt   die  Statue   gleich   nach   dem  Sturz 

^)  In  dieser  Zweizahl  der  Gründer  sieht   |    des  Königtums  als  Symbol  des  befreiten 

Mommsen  eine  Rückspiegelung  des  Doppel-  Gemeinwesens    gestiftet  sein.    Aber  wer 

regiments  der  Konsuln  (Ges.  Sehr.  IV,  1  ff.  weiß,  wann  und  wie  das  Werk  nach  Rom 

22  flf.).  gelangte  und   ob   ihm    von  Anfang  an 

•')  Head,  Historia  numorum^  %2.  menschlicheSäuglinge  beigegeben  waren? 

^)  W.  Helbig,  Führer  durch  die  Samm-  Für  eine  etruskische  Arbeit  des  Ü.  Jahr- 
lungen in  Rom  I'',  1912.  Nr.  983.  E.  Peter-  huuderts    v.  Chr.    erklärt    sich  F.  Weege, 
sen,  Lupa  capItoJina,  Klio  VIII  440  ff.,  IX  Etrusk.  Malerei,  Halle  a/S.  1921,  9. 
29  ff.    Die  kapitolinische  Wölfin  wurde  im  ••)  Liv.  X  23,  12. 
J.  65  V.  Chr.    vom    Blitz    getroffen;    ent- 


2.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (§  3.)  29 

erscheint  Eomulus  allein:  neben  ihm  kommt  Kemus  nicht  zur  Geltung. 
Romulus  gilt  als  der  Eponym  der  Stadt  Rom.')  Aber  seine  wunderbare 
Geschichte  ist  nur  ein  Seitentrieb  der  üpjoig  wuchernden  Sagenpoesie  der 
Griechen.  Denn  wie  so  viele  Städte  Italiens  betrachtete  man  auch  Rom 
als  eine  Gründung  der  nach  dem  Fall  Troias  versprengten  griechischen 
oder  troianischen  Helden,  über  deren  Schicksale  es  die  mannigfaltigsten  Er- 
zählungen gab.  Die  älteste,  die  schon  um  400  v.  Chr.  bei  Hellanikos  und 
Damastes,  später  bei  Aristoteles  auftaucht,  läßt  die  Stadt  von  Aeneas  und 
Odysseus  gegründet  und  nach  einer  Frau,  der  Troerin  Rhome,  benannt  sein, 
auf  deren  Rat  die  gefangenen  Frauen  die  Schiffe  anzünden,  um  die  Weiter- 
fahrt unmöglich  zu  machen.  Nach  einer  anderen  Version  soll  ein  Sohn  des 
Odysseus  und  der  Kirke,  Rhomos,  der  Stadt  den  Namen  gegeben  haben. 
Solche  Legenden, 2)  die  verschiedenen  Zeiten  angehören,  dienen  dem  Zweck, 
den  Ursprung  Roms  mit  Griechenland  und  seiner  Poesie  in  Verbindung  zu 
bringen.  Sie  sind  insofern  lehrreich,  als  sich  das  wachsende  Ansehen  Roms 
in  ihnen  zu  spiegeln  scheint.  Offiziell  rezipiert  wurde  in  Rom  derjenige 
Mythus,  der  den  Ursprung  Roms  auf  Aeneas  zurückfuhrt,  zu  dessen  Sohn 
oder  Nachkommen  Romulus  gestempelt  wird.  Zur  Zeit  des  zweiten  make- 
donischen Kriegs  ist  diese  Version  die  herrschende.  Eine  moderne  Hypo- 
these, die  aber  in  die  antiken  Erzählungen  erst  künstlich  hineininterpretiert 
werden  muß,  wollte  dem  Aeneas  noch  die  weitere  Funktion  zuweisen,  als 
Sohn  der  Aphrodite  den  Kult  seiner  göttlichen  Mutter  zu  vertreten  und 
in  seinen  Wanderungen  dessen  Verbreitung  darzustellen.^)  Damit  wird  der 
Sage  eine  ihr  fremde  Nebenabsicht  zugeschoben.  Richtig  ist  dagegen,  daß 
die  Geschichte  des  Aeneas  nachträglich  benutzt  wurde,  um  den  Ursprung 
von  Heiligtümern  und  Institutionen  ätiologisch  zu  erklären;  denn  einmal 
eingebürgert,  lockte  die  Dichtung  zu  weiterer  Ausgestaltung.  Während  in 
den  älteren  Versionen  Aeneas  unmittelbar  der  Vater  des  Stadtgründers  von 
Rom  ist,  schaltete  man  sjDäter  mit  Rücksieht  auf  die  griechische  Chrono- 
logie,'*) die  schon  dem  Cato  bekannt  war,  Zwischen  Aeneas  und  dem  Rhomos 
oder  Romulus  eine  Reihe  erdichteter  Könige  von  Alba  ein.  Als  dies  ge- 
schah,^) muß  die  Tradition  über  die  Dauer  der  römischen  Königszeit  bereits 
festgestanden  haben. 

Aber  in  dem  Bestreben,  die  Ursprünge  Roms  zu  glorifizieren,  griff  man 
noch  über  Aeneas  und  die  Helden  des  troianischen  Kriegs  hinaus.  Man 
ließ    nämlich    der    Landung   des  Aeneas    in  Italien    die    Einwanderung    des 

])  P.  Kketschmee,  Glotta  I,  1909,  288  fF.  [  Rom.  Gesch.  1 279  ff.  —  J.  Rubino,  Beiträge 

zeigt,  daß  Griechen  als  Eponym  den  Rho-  |  zur  Vorgeschichte  Italiens,  Leipzig  1868, 

mos  erfanden,  den  die  Römer  durch  Remus  :  84  ff.  —  Nissen,  Die  Aeneassage,  N.  Jahrb. 

ersetzten,  der  sich  dann,  als  Romulus  hin-  f.  Philol.  91,  375  f. 


zuerfunden    war,    als   dessen  Bruder  be- 
hauptete. 

-)  Dionj-s.  Hai.  I  72  f.  Plutarch,  Romu- 
lus 1.  Festus  s.  V.  Romam.  Solinus  I  1  ff. 
Vgl.  ScHWEGLER,  Rom.  Gesch.  I  384  ff.  — 

B.  Niese,  Hist.  Zeitschr.  N.  F.  23,  481  ff,  — 

C.  Triebek,  Rhein.  Mus.  43,  569   und   be- 
sonders A.  Rosenbekg,  PW  ja  1074  ff. 

')  R.  H.  Klausen,  Aeneas  und  die  Pe- 
naten, 2  Bde.,  Hamburg  1839.  —  Schwegler, 


■•)  Nach  der  kanonischen  Rechnung  des 
Eratosthenes  entsi^richt  das  Jahr  der  Zer- 
störung Troias  dem  J.  1184,3  v.Chr.,  wäh- 
rend Roms  Gründung  um  750  v.  Chr.  an- 
gesetzt wird. 

'")  MoMMSEN,  Rom. Chronologie  156,  meint, 
Alexander  Polyhistor,  ein  Zeitgenosse 
Sullas,  sei  der  Schöpfer  der  albanischen 
Königsliste.  Vgl.  C.  Tbieber.  Hermes  29, 
1894,  124  ff. 


30  Römische  Geschichte. 

Arkaders  Euandron  von  l^iUantion  voraufgehen,  der  nach  seiner  Vaterstadt 
den  Palatinhügel  und  das  Palatium  benannt  haben  soll.  Diese  Erzählung 
ist  zuerst  bei  Polybios  ^)  sicher  nachweisbar,  muß  aber  älter  sein  und  ur- 
sprünglich eine  selbständige  Gründungsgeschichte  gebildet  haben. ^)  Auch 
Herakles  soll  die  Stätte  Roms  berührt  haben,  als  er  mit  den  Rindern  des 
Geryoneus  aus  dem  Westen  heimkehrte;  damit  hatte  man  eine  Ätiologie 
gewonnen  für  den  in  Rom  wie  in  ganz  Italien  seit  alters  gepflegten  Her- 
kuleskult, den  der  Heros  einst  selbst  in  Rom  auf  der  ara  maxima  gestiftet 
habe.  Zu  diesen  Mythen  kamen  noch  die  landläufigen  griechischen  Erzählungen 
von  Wanderungen  hellenischer  oder  vorhellenischer  Völker,  wie  derPelasger, 
von  denen  man  die  Etrusker  ableitete,  aus  denen  man  zugleich  die  unter- 
italischen Stämme  hervorgehen  ließ,  und  der  Sikeler,  die  nach  der  herr- 
schenden Anschauung  aus  dem  Festland  Italiens  nach  Sizilien  eingewandert 
waren  und  vorher  in  Latium  gehaust  haben  sollen. 3)  Diese  verschiedenen 
Elemente  hat  Dionys  von  Halikarnaß  im  Anfang  seiner  Archäologie  zu 
einer  pragmatisch  und  chronologisch  zusammenhängenden  Darstellung  ver- 
einigt, ein  Beweis  für  die  besondere  Sorgfalt,  die  man  diesen  fabulosen 
Urgeschichten  widmete.*) 

4.  Die  römischen  Könige.  Nach  der  Gründung,  so  lautet  die  Über- 
lieferung, herrschten  in  Rom  Könige,  sieben  an  Zahl:  Romulus  (37  Jahre), 
Numa  Pompilius  (41  oder  43  Jahre),  Tullus  Hostilius  (32  Jahre),  Ancus 
Marcius  (23  oder  24  Jahre),  L.  Tarquinius  Priscus  (38  Jahre),  Servius  TuUius 
(44  Jahre),  L.  Tarquinius  Superbus  (25  Jahre).  Die  Gesamtdauer  dieser  Königs- 
herrschaft wird  in  der  Regel  mit  244  Jahren  gerechnet.^)  Die  legendäre 
Geschichte  dieser  Könige  ist  keine  echte,  volkstümliche  Sage,  sondern  dient 
als  gelehrtes  Machwerk  ätiologischen  Zwecken.  Geschichtliche  Aufzeich- 
nungen liegen  dieser  abstrakten  Dichtung  nicht  zugrunde,  höchstens  hie 
und  da  die  letzten  Reste  einer  verblaßten  Erinnerung. '')  Wie  die  Gründungs- 
geschichte, so  ist  auch  die  Königsgeschichte  unter  der  Einwirkung  griechi- 
scher Literatur  und  griechischen  Geistes  entstanden.  Sie  verfolgt  den  Zweck, 
die  Entstehung  der  Gemeinde  Rom  und  ihrer  Institutionen  zu  erklären. 
Einrichtungen  oder  Zustände,  die  man  für  ursprünglich  hielt,  wurden  ganz 
willkürlich  der  Königszeit  zugeschrieben.  Die  Gründung  der  Gemeinde  und 
ihrer  Verfassung,  die  Gliederung  der  Bürgerschaft,  die  Bildung  des  römi- 
schen Territoriums  {ager  Bomanus)  im  ältesten  erinnerlichen  Umfang,  die 
Einverleibung  der  umliegenden  Ortschaften,  die  Ummauerung  der  Stadt,  der 
Bau  der  ersten  öffentlichen  Gebäude,  die  Unterwerfung  der  Latiner,  all 
das  galt  als  Leistung  der  Königszeit. 

')  Polyb.VI  11''*  1  (Fragment  bei  Dionys.  j    kanischen  Zeit  bezeugt.    Siehe  0.  Leuze, 

Hai.  I  32).  Die  röm.  Jahrzählung,  Tübingen  1909,  83t}\ 

-)    Als   solche    erscheint   sie    noch    bei  I        **)  Gelegentlich  hat  man  vermutet,  dal3 

Strabo  V  230.  in  der  Ivönigsgeschichte  alte  einheimische, 

')  Die  letztere  nach  Antiochos  von  Syra-  besonders    religiöse    Traditionen    durch- 

kus  fr.  3  (FHGI181)  bei  Dionys.  Hal.I  12.  schimmern,  so  A.Enmaxn,  Zur  röm.Königs- 

•*)  Dionys.  Hai.  I  11  ff.,  17  ff'  geschichte,    Jahresber.    der    reformierten 

^)  Die  kapitolinische  Fastentafel  gibt  nur  Kirchenschule  St.  Petersburg  1892.  E.Pais 


243  Jahre.  Nach  Mommsen,  Rom.  Chrono- 
logie 137  hätte  der  ursprüngliche  Ansatz 
sich  auf  240  Jahre  belaufen,  aber  diese 
Zahl   ist    für    keinen  Autor   der  republi- 


wollte  früher  sogar  die  Tarquinier  mit 
dem  GottTarpeius  identifiziex-en,  hat  aber 
diesen  Einfall  jetzt  aufgegeben. 


2.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (§  4.)  31 

Die  Namen  der  Könige,  besonders  die  etruskischen  Vornamen ')  Numa, 
Tullus,  Ancus  klingen  recht  altertümlich;  die  gens  Romilia  oder  Romulia 
ist  ein  früh  ausgestorbenes,  durch  die  Fasten  für  die  erste  Hälfte  des  5.  Jahr- 
hunderts bezeugtes  Patriziergeschlecht,  das  —  ein  Beweis  für  seine  einstige 
Bedeutung  —  einer  der  römischen  Tribus  den  Namen  gegeben  hat.  2)  Die 
Tarquinier  sind  ein  etruskisches  Adelsgeschlecht.  Inwieweit  nun  freilich 
mit  diesen  an  sich  unverdächtigen  Namen  bestimmte  historische  Persönlich- 
keiten bezeichnet  werden,  ist  nicht  zu  ermitteln.  Die  Marcii  z.  B.  sind  in 
republikanischer  Zeit  auffallenderweise  Plebeier  und  so  lag  es  nahe,  in  dem 
König  dieses  Namens  lediglich  eine  nachträgliche  Fiktion  zu  sehen,  durch 
die  man  dem  inzwischen  zu  Ansehen  gelangten  Haus  zu  einem  erlauchten 
Ahnen  verhalf.^) 

Der  erste  König  Romulus,  der  Gründer  der  Stadt,  soll  die  sozusagen 
integrierenden  politischen  Einrichtungen  getroffen  haben,  ohne  die  man  sich 
das  römische  Gemeinwesen  nicht  vorzustellen  vermochte.  Er  hat  also  den 
Senat  der  hundert  patres  und  die  Bürgerschaft  {populiis),  sowie  den  Standes- 
unterschied zwischen  patres  und  plebs  geschaffen  und  die  Gesamtheit  in 
dreißig  Kurien  gegliedert.  Auch  das  Fußheer  mit  den  Rittercenturien  der 
Tities,  Ramnes  und  Luceres  gilt  als  sein  Werk.  In  ihm,  als  ihrem  Urbild, 
verkörpert  sich  die  Magistratur  mit  ihrer  Kompetenz.  Auch  die  ersten  glück- 
lichen Kriege  führt  Romulus  und  erobert  Antemnae,  Caenina  und  Nomentum, 
Auf  Romulus  folgt  Numa  Pompilius  als  Schöpfer  des  Sakralwesens,  der 
Gottesdienste  und  ihrer  Ausstattung,  der  Priesterschaften,  der  alten  Kol- 
legien und  Zünfte.  Wie  der  griechische  Mythus  den  Gesetzen  eines  Minos 
oder  Lykurg  die  Weihe  göttlicher  Inspiration  lieh,  so  soll  auch  Numa  von 
einer  Göttin,  der  Quellnymphe  Egeria,  die  seine  Geliebte  oder  seine  Gattin 
wurde,  beraten  Avorden  sein.  Tullus  Hostilius  erobert  vuid  zerstört  Alba 
Longa  und  verleibt  die  Albaner  der  römischen  Bürgerschaft  ein.  Ancus 
Marcius  bezwingt  die  Latiner,  erwirbt  die  römischen  Gebietsteile  am  rechten 
Tiberufer,  wo  er  die  Salinen  einrichtet,^)  überbrückt  den  Fluß  und  befestigt 
den  Janiculus.  An  der  Tibermündung  gründet  er  mit  den  Latinern  den 
Hafenort  Ostia,  zieht  den  Landgraben  (die  fossa  Quiritiuni)  und  tut  damit 
den  ersten  Schritt  zur  Befestigung  der  Stadt.  L.  Tarquinius,  Sohn  des 
Korinthers  Demaratos  und  aus  dem  etruskischen  Tarquinii  eingewandert, 
erbaut  die  Hallen  am  Forum,  den  Zirkus  und  den  Abzugskanal,  die  sog. 
cloaca.  Auch  beginnt  er  die  Stadtmauer  und  legt  den  Grund  zum  kapito- 
linischen Tempel,    den    dann    der  jüngere  Tarquinius   vollendet.    Er    führt 

')  W.  Soltau.    Die    Anfänge    der    röm.  '  konnte,   ist   mit  F.  Münzek,   Rom.  Adels- 

Geschichtschreibung,  Leipzig  1909,  143  ff.  ,  parteien,    Stuttgart  1920,   80  f.,    vgl.  409, 

^)  L.  Holzapfel,  Bursians  Jahresbericht  ;  wohl  nur  dadurch  zu  erklären,  daß  die  Mar- 

Bd.  1(58,  1914,  161  f.  i  cier  „nicht  Plebeier  schlechthin"'  waren, 

^)  Soltau  a.  a.  O.  146  f.,  K.  J.  Neumann  j  sondern  dem  Patriziat  besonders  nahe- 
in der  Weltgeschichte  des  Ullsteinverlags  '  standen.  Sollten  da  die  Marcier  nicht 
I  362,  398.  —  Aber  es  gibt  doch  zu  den-  doch  ein  ehemals  königliches  Geschlecht 
ken,  daß  nach  Liv.  27, 6, 16  im  J.  210  v.Chr.  gewesen  sein? 

ein  M.  Marcius  als  r<'.rsftc;-or(f>»  verstorben  j  *)  Die  spätere  Fassung  der  Königs- 
ist, also  mit  einer  geistlichen  Würde  be-  '  geschichte  führt  diesen  Erwerb  schon  auf 
kleidet,  die  zu  allen  Zeiten  den  Patriziern  Romulus  zurück.  Dionys.  Hai.  II  55,  5, 
vorbehalten  war.  Daß  ein  Plebeier  aus-  Plutarch,  Romul.  25.  Vgl.  Plin.  h.  ,n. 
nahmsweise    zu    diesem    Amt    gelangen  !  XXXI  89. 


32  Römische  Geschichte. 

Krieg  mit  Latinern  und  Etruskern  und  verdoppelt  den  Senat  durch  Zu- 
lassung neuer  Geschlechter,  der  patres  minoriim  f/oitkitn^)  und  die  Ritter- 
schaft durch  die  neuen  Centurien  der  Titienses,  liamnejises  und  Luccres 
seciindi.  Sein  Nachfolger  Servius  Tullius,  der  im  Haus  des  Tarquinius 
geborene  und  aufgewachsene  Sohn  einer  latinischen  oder  etruskischen  Kriegs- 
gefangenen, also  einer  Sklavin, 2)  gliedert  die  Bürgerschaft  zum  Zweck  der 
Abstimmung  nach  Klassen  und  Centurien  auf  (irund  des  Census,  womit 
zugleich  die  Heereseinteilung  gegeben  ist.  Auch  die  Tribus,  zunächst  die 
vier  städtischen,  werden  auf  ihn  zurückgeführt;  zu  den  übrigen  (den  länd- 
lichen) scheint  ihm  die  Üljerlieferung  jedenfalls  die  Ansätze  beizulegen. 
Überliaupt  gilt  Servius  Tullius  als  der  Organisator  der  Bürgerschaft,  indem 
er  die  Abteilungen  einrichtet,  in  denen  später  die  politischen  Funktionen 
ausgeübt  werden.  Auch  die  Stadtmauer  soll  Servius  Tullius  vollendet  haben. 
Auf  ihn  folgt  Tarquinius  Superbus,  nach  der  älteren  Tradition  der  Sohn 
des  Priscus,  als  der  letzte  König.  Seine  Legende  mufs  also  den  Umsturz, 
den  Übergang  von  der  Monarchie  zur  Republik  verständlich  machen  und 
zu  dem  Behuf  wird  Tarquinius  Suj)erbus  zum  Tyrannen  gestempelt,  dessen 
brutale  Willkür  die  Katastrophe  des  Königtums  heraufbeschwört.  Als  den 
Anstoß  zu  seiner  und  seines  Geschlechtes  Vertreibung  bezeichnet  die  Sage 
die  Entehrung  der  Lucretia,  der  Gattin  des  L.  Tarquinius  Collatinus,  durch 
einen  der  Königssöhne,  Der  König,  so  wird  erzählt,  lag  mit  dem  Heer 
vor  dem  belagerten  Ardea,  als  infolge  jener  Untat  in  Rom  unter  Führung 
des  L.  Junius  Brutus  ein  Aufstand  gegen  die  herrschende  Dynastie  aus- 
brach, dem  sich  auch  das  Heer  anschloß.  Das  Königtum  wurde  abgeschafft; 
an  Stelle  des  Königs  traten  zwei  alljährlich  zu  wählende  Konsuln;  vom 
ersten  Konsulnpaar  war  Brutus  der  eine.  3)  Der  gestürzte  König  mußte  mit 
seinen  Söhnen  nach  Caere  in  die  Verbannung,'^)  wie  überhaupt  das  ganze 
Geschlecht  des  Landes  verwiesen  wurde,  ^)  Wiederholte  Restaurationsver- 
suche der  Emigranten,  die  mit  Hilfe  von  Etruskern  oder  Latinern  nach 
Rom  zurückkehren  wollten,  scheiterten.  Zuletzt  sollen  die  Tarquinier  in 
Kyme  beim  Tyrannen  Aristodemos  Malakos  ein  Asyl  gefunden  haben, '^) 

Daß  es  in  Rom  ursprünglich  eine  Monarchie  gegeben  hat,  läßt  sich  so 
wenig  bezweifeln  wie  die  Wertlosigkeit  der  traditionellen  Legende  über  die 
Königszeit.'')  Von  den  überlieferten  Herrschernamen  ist  am  besten  beglaubigt 


*)  Für  diesen  „Pairscluib"  wird  teil- 
weise erst  Brutus  verantwortlieh  gemacht. 
Tacit.  ann.  XI  25.    Vgl.  Liv.  IV  4,  7. 

2)  Der  Name  Sei-vi'ns,  der  etruskischen 
Ursprungs  ist,  wird  so  durch  falsches 
Etymologisieren  von  serviis  abgeleitet  und 
durch  die  Legende  erklärt, 

^)  Als  Kollegen  des  Brutus  nennen  die 
jüngeren    Annalen    den    Gatten    der  Lu 


*)  Liv,  I  60,  —  Die  Familie  Tarcna,  deren 
Grab  in  Caere,  dem  heutigen  Cervetri,  auf- 
gedeckt wurde,  hat  mit  den  Tarquinii 
nichts  zu  tun.  Vgl,  G,  Körte,  Jahrbuch 
des  archäol.  Instituts  XII,  1897,  76. 

^)  Vgl,  F,  Münzer,  Rom,  Adelsparteien  52, 
6)  Liv,  1121,5.  Dionys.  Halic.V21.  VII 
3  ff.    Eutrop.  I  11,  2  läßt  den  Tarquinius 
in  Tusculum  sein  Leben  beschliefsen. 


cretia,    L.  Tarquinius  Collatinus;   die  ur-  i        ')  Um   300  v.Chr.  scheint  die  Königs- 

sprüngliche  Fassung  lautete  gewiß  anders,  j    legende  entstanden  zu  sein.  Im  .J.  290  v.Chr. 

Leider   fehlt    uns    das    Zeugnis    Diodors.  wurden    die    Sabiner    in    den   römischen 

Aber  nach  der  ältesten  uns  erreichbaren  ■   Bürgerverband  aufgenommen,  ein  staats- 

Nachrieht,  die  bei  Polyb.  III  22  vorliegt,  rechtlicher  Vorgang,  der  in  der  Fabel  von 

sind  die  ersten  Konsuln  L.  .Tunius  Brutus  1    Titus  Tatius,  dem  schemenhaften  sabini- 

und    M.  Horatius.     Den    Iloratius    kennt  sehen  Mitregenten    des  Romulus,    seinen 

z.  B.  Liv.  II  8,  4  nur  als  consuJ  suffecfus.  1   symbolischen    Ausdruck   fand   (Mommsen, 


2.  Italische  und  römische  Vorgeschichte.    (§  4.)  33 

der  etruskische  des  Tarquinius,  des  letzten  in  der  Reihe.')  Was  freilich 
im  einzelnen  über  die  Herkunft  des  Tarquiniergeschlechtes  aus  Tarquinii  2) 
und  seine  Abstammung  von  einem  Korinther  berichtet  wird,  besitzt  keine 
höhere  Gewähr  als  der  sentimentale  Lucretiaroman.  Mit  den  Tarquiniern 
war  eine  fremde,  eine  etruskische  Dynastie  in  Rom  zur  Herrschaft  gelangt. 
Die  Erzählung  von  ihrem  Sturz  wird  durch  Analogien  aus  der  griechischen 
Tyrannengeschichte ^)  keineswegs  empfohlen;  sie  ist  konventionelle  Mache. 
In  Wirklichkeit  dürfte  es  sich  zugleich  um  eine  nationale  Reaktion  gegen 
die  stammfremden  Herren  gehandelt  haben.  Das  Königtum  als  solches  ist 
schwerlich  durch  einen  einmaligen  revolutionären  Akt  beseitigt,  sondern  eher 
auf  dem  Weg  der  Evolution  allmählich  abgebaut  worden.^)  Wenn  näm- 
lich in  der  Tradition  noch  eine  letzte  Erinnerung  an  eine  Art  Samtherrschaft 
des  etruskischen  Geschlechtes  durchschimmert,  so  deutet  dieser  Zug  bereits 
auf  eine  Abschwächung  der  von  Haus  aus  absoluten  Monarchie.^) 

Noch  ein  Wort  über  Servius  TuUius,  den  schon  die  Antike  auf  Grund 
tuskischer  Überlieferungen  mit  dem  Etrusker  Mastarna  glich,  der  zunächst 
den  tuskischen  Kriegsmann  Caelius  Vivenna  (oder  Vibenna)  begleitet  habe, 
dann  nach  wechselvollem  Geschick,  als  das  Heer  des  Vivenna  sich  aufgelöst 
hatte,  nach  Rom  wanderte,  wo  er  sich  auf  dem  mons  Caelius,  den  er  nach 
seinem  alten  Führer  benannte,^)  ansiedelte.  Daß  diese  beiden  Persönlich- 
keiten in  der  Tat  in  der  mehr  oder  weniger  mythischen  Geschichte  der 
Etrusker  ihren  Platz  hatten,  beweist  ein  etruskisches  Wandgemälde  (aus 
dem  4.  Jahrhundert  v.  Chr.),  das  von  A.  Fran^ois  in  einem  Grabgemach  bei 
V^ulci  im  Jahr  1857  entdeckt  wurde.")  Die  durch  Kaiser  Claudius  bezeugte 
Gleichsetzung  des  Mastarna  mit  Servius  Tullius  hatten  sich  schon  vor  jenem 
Fund  Niebuh r  und  K.  0.  Müller  zueigen  gemacht,  denen  sich  mit  wei- 
teren Hypothesen  W.  Soltau   und  V.  Gardthausen   anschlössen.^)    Aber 

Ges.  Sehr.  IV  22  ff.).    Offenbar  stand   die  !   in  der  authentischen  Senatsrede  auf  der 

Öiebenzahl  der  Könige  damals  bereits  fest  Lyoner  Bronzetafel,  ILS  I  212,  CIL  XIII 

und  so  konnte  der  Vertreter  der  Sabiner  1668,  Bkuns,  Fontes  iuris  Romani '  Nr.  52. 

nicht  als  achter  eingereiht  werden,  son-  ')  Das  Fresko   stellt  die  Befreiung  des 

dern   mußte   sich  mit  der  Lückenbüßer-  Caile  Vipinas  durch  Macstrna  und  dessen 

Stellung  eines  Mitregenten  begnügen  (K.  Genossen  aus  der  Haft  von  Wächtern  dar, 

J.  Nedmann,    in    der  Weltgeschichte    des  '    deren  als  Cneve  TarcJni  Rumach  (d.  h.  Cu. 

LHlsteinverlags  I  398 ;    vgl.  A.  Rosenberg,  l    Tarquinius  Romamis)  bezeichneter  Führer 

PW  I A  714).  getötet  wird.  Vgl.  W.  Helbig,  Führer  durch 

')  Für  die  Identität  des  Tarquinius  Pris-  die  Sammlungen  in  Rom  I',  1912,  Nr.  523. 

cus  mit  Tarquinius  Superbus  treten    so-  G.  Körte,  .lahrb.  des  archäol.  Instituts  XII, 

wohl  DE  Sanctis  als  Pais  ein.  !    1897,  57  if.    Körte  verlegt  den  Schauplatz 

-)  Daß  Rom  zeitweise  unter  etruskischer  der  dramatischen  Handlung  nach  Rom, 
Oberhoheit  stand,  hat  auch  Niese  zu-  das  Mastarna  mit  stürmender  Hand  ge- 
gegeben. Er  wies  jedoch  darauf  hin,  daß  nommen  habe,  wobei  König  Tarquinius 
der  etruskische  Eroberer  Roms,  Porsenna,  den  Tod  fand.  Aber  Tarchu-Tarquinius 
nicht  aus  Tarquinii,  sondern  aus  Clusium  ist  nicht  als  König  gekennzeichnet  und 
kam  und  daß  der  etruskische  Einfluß  auf  die  Szene  darf  nicht  ohne  weiteres,  in 
Rom  eher  von  Caere  (Agylla)  als  von  Tar-  !    Rom  lokalisiert  werden.    So  läßt  sich  aus 


quinii  ausgegangen  sein  mag. 

ä)  Aristot.  Politik  V  8,  9  ff. 

■*)  So  fassen  sowohl  de  Sanctis  wie  dessen 
Gegenpol  Pais  die  Entwicklung  auf. 

'")  F.  Münzer,  Rom.  Adelsparteien  46. 
52.  409. 

^)  So  Kaiser  Claudius,  dessen  Stecken- 
pferd die  etruskische  Altertumskunde  war. 


der  umstrittenen  Deutung  des  Gemäldes 
kein  sicherer  Gewinn  für  die  Geschichte 
ziehen.  Vgl.  F.  Münzer,  Rhein.  Mus.  5-3, 
1898,  596  ff.  E.  Petersen,  .Jahrb.  des  arch. 
Instituts  XIV,  1899, 43  ff.  G.  de  Sanctis,  Klio 
II,  1902,  96  ff.  A.  Rosenberg,  PW  I  a  704  f. 
^)  Niebühr,  Rom.  Gesch.  I  422.  K.  O. 
Müller,    Etrusker   I^  112  ff".    W.  Soltaü, 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.  III,  5.  5.  Aufl. 


34  Römische  Geschichte. 

es  macht  bedenklich,  daß  die  ältere  Version  der  Königsgeschichte  von  jener 
angeblichen  Identität  nichts  weiß:  es  handelt  sich  also  nur  um  eine  bereits 
antike,  auf  etruskischer  Heldensage  aufgebaute  Konstruktion,  die  schwerlich 
das  Richtige  trifft;  nach  anderen  Zeugen  hätte  sich  übrigens  der  Etrusker 
Caelius  oder  Caele  (Vibenna)  bereits  unter  einem  der  früheren  Könige  (Ro- 
mulus  oder  Tarquinius  Priscus)  in  Rom  ansässig  gemachte) 

Xach  einer  zuerst  von  K.  W.  Nitzsch^)  geäußerten  Vermutung  dürfte 
Servius  Tullius  der  jüngste  unter  den  römischen  Königen  sein,  d.  h.  seine 
Gestalt  ist  erst  erfunden  worden,  um  nachträglich  zwischen  die  beiden  Tar- 
quinier,  Vater  und  Sohn,  eingeschoben  zu  werden.  Servius  ist  von  allen 
Königen  der  schattenhafteste,  am  meisten  abstrakt  gehaltene.  Er  ist  das 
Geschöpf  seiner  Schöpfung,  der  sog.  servianischen  Stimmordnung;  denn  nur 
um  diese  zu  erklären,  ist  er  geschaffen.  Da  diese  Stimmordnung  sofort  nach 
dem  Sturz  des  Königtums  in  Kraft  treten  soll,  mußte  .sie  noch  in  der  Königs- 
zeit eingeführt  sein.  Aber  der  verfehmte  letzte  König,  der  Tyrann,  durfte 
der  Stifter  nicht  sein.  So  wurde  denn  dem  Servius  als  dem  Urheber  dieser 
Ordnung  der  vorletzte  Platz  in  der  Königsreihe  aflgewiesen.^) 

III.  Erste  Periode  der  Geschichte  Roms:  Bis  zur  Vereinigung 
Roms  mit  den  Kampanern  (338  v.  Chr.). 

Quellen 
dieser  Periode  sind  die  erhaltenen  Bearbeitungen  der  römischen  Annalen,  die  am 
reinsten  vorliegen  bei  Diodor  im  11. — 16.  Buch:*)  mit  ihm  haben  die  wenigen  Nach- 
richten Ciceros  {de  repuhl.,  Buch  2)  die  meiste  Verwandtschaft.  Ausführlicher  sind 
die  Erzählungen  des  Livius,  Dionysios  von  Halikarnaß  und  Plutarch  mit  den 
Bruchstücken  des  Appianos  und  Cassius  Dio.  Über  die  Würdigung  dieser  Schrift- 
steller vgl.  oben  S.  15  ff. 

Über  Entstehung  und  Zusammensetzung  und    die  Bürgerschaft   aus   seinem  Heer 

der    altrömischen    Volksversammlungen,  neu  gebildet  habe.    Damit  soll  der  Census 

Berlin  1S80,  449  ff.    V.  Gaedthaüsex,  Ma-  und  die  Klassen-  und  Centurienverfassung 

starna  oder  Servius  Tullius.  Leipzig  1882.  des  Servius  erklärt  werden. 

K.  O.  Müller   nimmt  eine  längere  etrus-  ')  Varro    de   liiigua    lat.  V  46.    Dionys. 

kische  Herrschaft  über  Rom  an.  die  von  Halic.  II  36.  Tacit.  ann.IV6.5.  Festusp.  44 

Tarquinii  ausgegangen  sei.  Tarquinii  habe  und  3-55  Müllek. 

die  Vormacht  im    südlichen  Etrurien  er-  -)  In  Paülys  RealencyelopädieVI  (1852) 

langt  und    sie  dann    auch  auf  Rom  aus-  1104  ff. 

gedehnt,  das  zum  Bollwerk  gegen  Süden  ^)  Niese  hatte  hier  die  Möglichkeit  in 

ausgebaut  worden    sei.    Dies   sei    in    der  Erwägung  gezogen,  daß  die  kurz  vor  dem 

Zeit   geschehen,    die   der  Herrschaft  der  zweiten   punischen  Krieg   durchgeführte 

Tarquinierdynastie  in  der  römischen  Tra-  Reform  der  Stimmordnung  ..den  äußeren 

dition    entspreche.    Unterbrochen  werde  Anstoß  bot,  der  alten  Einrichtung  in  der 

diese  Herrschaft  durch  Mastarna-Servius  Gestalt    dieses    Königs   ein    Denkmal    zu 

Tullius,    der    zwar   selbst  Etrusker,   aber  setzen-'.    Aber  die  Legende  von  Servius 

Gegner  der  Tarquinier  sei.  Letztere  kehren  Tullius    muß    schon    früher    entstanden 

jedoch  zurück,  um  schließlich  durch  den  sein  und  wenn  die  ihm  zugeschriebenen 

gesteigerten  Druck  ihres  Regiments  ihren  Censussätze    nach  dem    um  die  Zeit  des 

Sturz    herbeizuführen.    Die   Vertreibung  ersten    punischen    Krieges    eingeführten 

der  Tarquinier  bedeute  zugleich  das  Ende  Münzfuß  normiert  sind,  so  liegt  eben  eine 

der  Hegemonie  Tarquiniis  über  Etrurien,  Umrechnung  vor. 

die    vielleicht    von   Porsenna    gebrochen  *)  Ausgabe  von  A.  B.  Dkachmann,  Dio- 

worden  sei.    W.  Soltac  hält  den  Servius  dors   römische   Annalen    bis  302  a.  Chr.^ 

Tullius    für    einen    etruskischen   Kriegs-  in  Lietzma>->-s  Kl.  Texten,  Heft  97,  Bonn 

herrn,  der  den  römischen  Thron  usurpiert  1912. 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§  5.)        ;^5 

5.  Die  Anfänge  Roms.  In  Italien  hat  sich  städtisches  Wesen  und 
Leben,  das  für  die  politische  Entwicklung  eines  Volkes  von  entscheidender 
Bedeutung  ist,  zuerst  nur  in  den  Küstenlandschaften  gebildet,  die  dem  Meer 
und  dem  auswärtigen,  besonders  dem  griechischen  Einfluß  geöffnet  waren, 
in  lapygien,  Kampanien,  Etrurien.  Ebenso  geschah  es  in  Latium  und  bei 
den  Latinern.  Diese  wohnten  in  einer  Anzahl  von  Städten,  für  deren 
mythisches  Haupt  Alba  Longa  galt,  und  unter  diesen  Städten  war  die 
größte,  solange  unsere  Kunde  reicht,  Roma,  an  der  etruskischen  Grenze 
am  linken  Ufer  des  Tiberis  gelegen,  etwa  25  km  vom  Meer  entfernt.  Dort 
erheben  sich  mehrere  Hügel  von  mäßiger  Höhe,  der  ntons  Ave)itinus,  Pala- 
finiis  und  Capitolinus,  hinter  denen  weiter  landeinwärts,  andere  Höhen  an- 
steigen und  in  der  Landschaft  verlaufen.  Der  Tiber,  ein  wasserreicher, 
reißender  Strom,  ist  dort  schiffbar;  bei  Hochwasser  überschwemmt  er  nicht 
selten  die  Niederungen  am  Fuß  der  Hügel.  An  dieser  Stätte  wurde  Rom, 
wie  die  Sage  will,  als  Kolonie  Alba  Longas  angelegt. 

Die  ältesten  Bewohner  Roms  und  Latiums  waren  nach  der  Gründungs- 
fabel die  Aboriginer,')  zu  denen  Aeneas  gekommen  sein  soll  und  die 
von  den  antiken  Antiquaren  wohl  von  Pelasgern  aus  Griechenland  abgeleitet 
werden.  Gewiß  war  der  Boden  des  späteren  Roms  seit  unvordenklicher  Zeit 
von  Menschen  bewohnt.  Wir  finden  ihre  Spuren  in  Grabstätten  auf  dem 
Boden  der  Stadt  wie  ringsumher  in  der  Landschaft  Latium.^)  Aber  wann 
und  wie  Rom  erbaut  wurde,  wissen  wir  nicht.  Die  von  den  Gelehrten  dafür 
berechnete  Zeit  (etwa  750  v.  Chr.)  ist  ohne  Gewähr.'') 

Das  älteste  Rom,  die  lioina  quadrata,  die  Stadt  des  Romulus,  erhob 
sich  auf  dem  Palatinus.  Dieser  Teil  war  am  frühesten  durch  eine  Ring- 
mauer befestigt,  deren  Zug  sich  noch  heute  feststellen  läßt.*)  Die  Stadt 
selbst,  d.  h.  der  Wohnsitz  der  Römer,  hat  sich  wohl  niemals  auf  den  pala- 
tinischen  Hügel  beschränkt.  Schon  die  ältesten  Heiligtümer  und  die  von 
der  Gründungssage  berührten  Orte  liegen  vielfach  außerhalb.  Die  Burg, 
das  CapitoUiUH,  hatte  von  jeher  eine  besondere  Befestigung  und  trug  das 
vornehmste  Heiligtum  der  Stadt,  den  Tempel  des  Juppiter  Capitolinus, 
dessen  Bau  und  Weihe  (508/7  v.  Chr.)  das  erste  zeitlich  fest  bestimmte 
Ei'eignis  der  römischen  Geschichte  zu  sein  scheint.'^)    Die  früheste  Bevölke- 


')  Dieses  Volk    wird    zuerst   in    einem  gebildeten  Gründungsgesehiohte  (Dionys. 

Fragnaent  des  Kallias   erwähnt  (Dionys.  Hai.  I  9)  gehen  übrigens  den  Aboriginern 

Hai.  I  72),    auch   Cato   kannte   sie   (fr.  6);  Sikeler  voran. 

der  Dichter  Lykophron  Alex.  1253  nennt  -)  Vgl.  G.  Pinza,  Monument l  antichi  XV, 

sie  BoQsiyovoi,    vermutlich   nach    Timaios,  1905    inid   im  BuUetttno   della   commissione 

und    diese    Form    wird    von    einigen  Ge-  archeolof/ica  comunale  di  Roma  4:0,1912,1b  ff. 


lehrten  für  die  ursprüngliche,  echte  an- 
gesehen. Nach  der  Auffassung  der  Alten 
sind  die  Aboriginer  die  ältere  Bezeichnung 
der  Latiner  und  sonst  von  diesen  nicht 
verschieden.    Unter  den  Erklärungen  des 


Ueber   die  alten  Gräber  bei  Alba  Longa 
Nissen,  It.  Landeskunde  I  252  f. 

^)  Das  älteste  Datum  (Timaios  bei 
Dionys.  Hai.  I  74)  geht  noch  höher  hinauf 
und   setzt   Roms    Gründung   814   v.  Chr. 


Namens    hat    diejenige,    welche    in    den       gleichzeitig  mit  der  Gründung  Karthagos. 
Aborigines  eine  lateinische  Uebertragung   i        •*)  Die  termini   des    ältesten    Pomerium 


des  griechischen  uvjöxOoveg  sieht,  immer 
noch  viel  für  sich.  Andere  Versuche  bei 
CicHORius,  PW  I  106  f.  J.  Geffcken,  Ti- 
maios' Geographie  des  Westens  (Bei'lin 
1892)  42.    Nach   der  §  3  erwähnten   aus- 


bei  Tacit.  ann.  XII  24,   vgl.  Schwegler  I 
442,  1  und  Jordan -Hülsen,    Topographie 
der  Stadt  Rom  I.  3,  1907,  37  A.  17. 
s)  Polyb.  III  22. 


3^ 


36  Römisclie  Geschichte. 

ruug  denken  wir  uns  als  bäuerlich;  von  ihrer  Teilung  in  niontani  und  payani 
hat  sich  noch  in  sakralen  Instituten  (z.  B.  im  Septimontium,  dem  Fest  der 
sieben  montes)  bis  in  die  spätere  Zeit  hinein  eine  Spur  erhalten,  aucli  als 
die  Stadt  das  umliegende  Land  in  sich  aufgenommen  hatte.  Zwischen  dem 
ältesten  Rom  auf  dem  Palatinus  und  dem  späteren  Umfang  der  sog.  ser- 
vianischen  Mauer  hat  man  einige  Mittelglieder  zu  erkennen  geglaubt.  Eine 
erste  Erweiterung  habe  die  Stadtteile  umfaßt,  die  später  das  Fest  des  Septi- 
montium  feierten ;  in  einer  zweiten  Vergrößerung  habe  Rom  die  vier  alten 
Stadtbezirke  enthalten,  in  denen  sich  die  Kapellen  der  Argeer  befanden,  i) 
Bei  dem  Stande  unseres  Wissens  müssen  wir  uns  begnügen,  auf  dem  Wege 
mehr  oder  weniger  unsicherer  Vermutung  von  der  Entwicklung  der  Stadt 
uns  einen  Begriff  zu  machen. 

Es  ist  eine  verbreitete  Ansicht,  daß  Rom  aus  einer  Vereinigung  dreier 
Stämme  oder  Gemeinden  erwachsen  sei.  2)  Zwei  derselben  sollen  Latiner  und 
Sabiner  sein;  als  dritten  nennt  man  ebenfalls  Latiner  oder  auch  Etrusker. 
So  schließt  man  aus  der  Nachricht,  daß  die  Bürgerschaft  Roms  sich  ur- 
sprünglich in  drei  Tribus  teilte,  die  Tities  oder  Titienses,  Jiamnes  oder  Ram- 
nenses  und  Luceres.  Nach  der  Legende  beteiligten  sich  an  der  Gründung 
der  Stadt  auch  die  Sabiner,  die  unter  ihrem  König  Titus  Tatius  heranzogen, 
um  den  Raub  ihrer  Jungfrauen  an  Romulus  und  seinen  Leuten  zu  rächen, 
sich  aber  mit  ihnen  verständigten  und  zu  einer  Gemeinde  vereinten.  Schon 
die  Alten  glaubten,  das  Volk  des  Romulus  bedeute  die  Raumes,  während 
die  Leute  des  Titus  Tatius  die  Tities  darstellten.  Den  dritten  Teil,  die 
Luceres,  sollen  die  später  von  Tullus  Hostilius  (oder  Ancus  Marcius)  nach 
Rom  verpflanzten  Latiner  ausmachen.  Tatsächlich  wurden  nun  noch  in 
späterer  Zeit  sabinische  Gottheiten,  wie  Sancus,  in  Rom  verehrt.  Überdies 
soll  der  zweite  König,  Numa  Pompilius,  Sabiner  gewesen  sein.  Allein  die 
Hypothese,  daß  Rom  aus  drei  Gemeinden  zusammengewachsen  sei,  ist  schwer- 
lich richtig  und  läßt  sich  durch  die  Annahme  nicht  stützen,  daß  in  der 
Gründungslegende  ein  Kern  historischer  Erinnerung  steckt.  Denn  aus  der 
Erzählung,  daß  gleich  Romulus  alle  drei  Tribus  auf  einmal  eingerichtet 
habe,  geht  doch  hervor,  daß  man  von  einem  nachträglichen  Hinzutritt  der 
Luceres  nichts  wußte.  Sabinische  Gottesdienste  und  Riten  in  Rom  beweisen 
eine  Teilnahme  der  Sabiner  an  der  Gründung  sowenig  wie  die  dort  seit 
alters  geübten  griechischen  Kulte  (z.  B.  der  des  Herkules)  die  Mitwirkung 
von  Griechen.  Aus  der  Dreizahl  der  Tribus  ist  nicht  zu  folgern,  daß  die 
Stadt  von  drei  Völkerschaften  gebildet  sei.    Vielmehr    hat  die  Tribus,    wie 

')  Varro  de  fing.  lat.  V  45  f.    Ueber  die  I    vereinigt    habe,    und    daß    sich    aus    der 

Argeer,  die  man  vielfach  (wahrscheinlich  doppelten  Dreiheit,  die  in  den  römischen 

irrig)   von   dem    griechischen  'AoyeToi  ab-  \   Institutionen   (z.  B.  bei  den  Yestalinnen, 

leitet,    vgl.   neuerdings  G.  Wissowa,  PW  Militärtribunen,    Reitercenturien)    mehr- 

II  689.  fach  begegnende  Sechszahl  erkläre.  Schon 

^)  Auch  Th.  Mommsen  ist  dieser  Meinung  Niebdhr  (Rom.  Gesch.  I  317)  hatte  ganz 
(Rom.  Gesch.  I  43  ff.,  Staatsrecht  III  95).  ähnlich  die  Vereinigung  zweier  Städte 
Er  vermutet,  tribus  bedeute  ursprünglicli  Rom  und  Quirium  vermutet.  Dagegen 
die  Gemeinde,  das  Ganze,  und  nimmt  an,  Niese,  der  es  nicht  wahrscheinlich  fand, 
daß  eine  aus  drei  Einheiten  zusammen-  daß  zwei  Städte  in  unmittelbarer  Nach- 
gewachsene Gemeinde  sich  mit  einer  j  barschaft  bestanden,  und  davon  über- 
zweiten,  ähnlichen,  auf  dem  Quirinalis  j  zeugt  war,  daß  es  hier  immer  nur  eine 
angesiedelten    zur    späteren    Stadt  Rom  I    Gemeinde,  nämlich  Rom,    gegeben  habe. 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§5.)        37 

die  griechische  Phyle,  ein  Ganzes  schon  zur  Voraussetzung  und  kann  erst 
geschaffen  sein,  als  die  Gemeinde  bereits  bestand.  Man  hat  sogar  beweif'elt, 
daß  die  Tities,  Raumes  und  Luceres  als  eigentliche  Tribus  zu  gelten  haben; 
denn  nach  der  für  uns  durch  Livius  ^)  vertretenen  Tradition  schafft  Romulus 
nicht  drei  Tribus,  sondern  drei  Reite rcenturien  mit  den  betreffenden  Namen, 
und  diese  Nachricht  entspricht  der  späteren  Bedeutung  der  Namen,  wo- 
nach sie  die  Centurien  der  Ritterschaft  bezeichnen ;  dagegen  fehlt  von  ihrer 
Betätigung  als  Tribus,  d.  h.  als  politischer  Gliederung  der  Gesamtbürger- 
schaft jede  Spur.  Erst  Varro  und  seinesgleichen  legten  ihnen  auf  Grund 
einer  Etymologie  —  sie  leiteten  tribus  von  tres  ab  —  die  Funktion  der 
Tribus  bei.-)  Die  dem  Romulus  zugeschriebene  älteste  Einteilung  des  Volkes 
hatte  zu  ihrem  Prinzip  nicht  die  drei  Tribus,  sondern  die  dreißig  Kurien; 
für  einen  Zusammenhang  dieser  Kurien  mit  den  drei  Rittercenturien  gibt 
es  kein  sicheres  Zeugnis.  Ob  man  nun  an  der  Realität  der  alten  drei  Tribus 
festhält  oder  sie  preisgibt,^)  so  ist  doch  auf  jeden  Fall  die  Hypothese,  daß 
Rom  sich  aus  drei  zunächst  selbständigen  Gemeinden  zusammengesetzt  habe, 
nicht  genügend  begründet  und  keineswegs  wahrscheinlich.  Vielmehr  ist  an- 
zunehmen, daß  die  Stadt  von  jeher  eine  Einheit  bildete,  wie  es  sich  auch 
die  Alten  nicht  anders  dachten. 

Die  Römer  hießen  seit  alters  Quirites,  ein  Name,  der  sich  bis  in  die 
späteste  Zeit  in  gewissen  Formeln  sowie  in  der  Anrede  an  die  Bürgerschaft 
behauptete.  Man  wollte  das  Wort  schon  im  Altertum  von  dem  sabinischen 
qiiiris  (curis),  das  'Lanze'  bedeutet,  ableiten  oder  auch  von  curla;*)  das 
Richtige  scheint  Madvig^)  zu  treffen,  der  in  den  Quinten  den  alten  eigent- 
lichen Volks-  oder  Gaunamen  der  Römer  erblickt,  der  dann  dem  von  der 
Stadt  Roma  abgeleiteten  {Romani)  weichen  mußte. 

Die  ganze  römische  Bürgerschaft  war  nach  der  Überlieferung  ursprüng- 
lich in  dreißig  Kurien*^)  eingeteilt;  diese  bestanden  noch  bis  ans  Ende  der 
Republik,  wenn  sie  auch  jede  politische  Bedeutung  eingebüßt  hatten.  Der 
Umfang  des  städtischen  Gebiets  war  ursprünglich  sehr  bescheiden.  Nach 
Osten  bezeichnet  der  Ort  Festi  ^)  zwischen  dem  vierten  und  fünften  Meilen- 
stein die  alte  Grenze,  wie  sie  noch  später  beim  Ambarvalienfest  im  Flur- 
umgang  mit    den  Opfertieren    eingehalten  wurde.     Schon   vor  dem  Beginn 


')  Liv.  I  13.  36.  eine   erst  von  Varro  aufgebrachte  Hypo- 

'-)  Vgl.  Niese,  CTÖtt.  gel.  Anz.  1888,  957  f.  these"     erklären    möchte.     Nach     einem 

E.  Bormann  im  EranosVindobonensis  1893,  Zeugnis  bei  Varro  de  ling.  lat.  V  55  sind 

345  ff.    Die   römischen  Antiquare   haben  die  Namen    etruskisch,    und    zwar,    nach 

die  Einteilung  nach  dem  Muster  der  athe-  '    W.  Schulze,    Zur  Geschichte  lateinischer 

nischen  Vorgeschichte  ausgesponnen.  Jede  i   Eigennamen,   Abh.   Gott.  Ges.  der  Wiss. 

der   drei    Tribus   bekam    also    ihre    zehn  j   V,  5,  1904, 581,  als  Gentilnamen  kenntlich. 

Kurien,  jede  Kurie  wieder  zehn  Dekurien  ■*)  Vgl.  Mommsen,  Rom.  Staatsrecht  III,  5; 

mit  den  zugehörigen  Vorständen.  Dionvs.  '    Schwegler  I  494;   L.  Lange,   Rom.  Altert. 

Hai.  II  7.                                                      "  :   I  90  ff. 

^)  Gegen   die  von  Bokmann  (s.  Anm.  2)  ^)  .1.  N.  Madvig,  Die  Verfassung  etc.  1 14. 

näher  begründete  Ansicht NiESES  erklärten  Eine  Analogie  bieten  die  Rutuler,    das 

sieh  L.  Holzapfel,  Klio  I  228  ff.  und  Ed.  ,    Volk    von   Ardea   oder    der   Kauton   der 

Meyer,    Gesch.    des  Altert.  II  830,    sowie  j    Laurentes  mit  dem  Hauptort  Lavinium. 

Kl.  Schriften  (1910)  362, 1.   Vgl.  O.Hirsch-  ß)  Cnrin   bedeutet  vielleicht  das  Haus. 

FELD,  Kl.  Schriften  (1913)  248,  der  die  Exi-  !    SoLTAU,Entstehung  und  Zusammensetzung 

stenz  jener  Tribus  „nicht  für  unbedingt  j   der  altröm.  Volksversamml.  52. 

erwiesen"  hält,  sie  aber  auch  „nicht  für  i       ')  <Pr/oToi.    Strabo  V  230. 


38  Römische  Geschichte. 

sicherer  historischer  Kunde  wurde  dies  Gebiet  durch  Einverleibung  der 
benachbarten  kleinen  latinischen  Ortschaften  erweitert,  deren  Eroberung 
den  Königen,  besonders  Romulus  und  Ancus  Marcius,  zugeschrieben  wird. 
Antemnae,  Caenina,  Crustumerium  u.  a.,  selbst  Alba  Longa,  nach  der  Sage 
der  Vorort  der  Latiner,  gingen  in  Rom  auf.  Ferner  wurde  an  beiden  Tiber- 
ufern ein  Landstrich  bis  zum  Meer  hinab  gewonnen  und  an  der  Mündung 
des  Flusses  Ostia  als  Hafenort,  angeblich  von  Ancus  Marcius,  angelegt. 
Damit  beherrschten  die  Römer  den  ganzen  unteren  Tiberlauf  und  den  Aus- 
gang zur  See.  In  dieser  Gegend  lagen  die  Salinen,  die  sich  im  Besitz  der  Ge- 
meinde befanden  und  deren  Ertrag  zu  den  ältesten  Einnahmequellen  gehörte. 

In  engen,  doch  keineswegs  nur  freundlichen  Beziehungen  stand  Rom  seit 
alters  zu  den  übrigen  Latinern.  In  Sprache,  Sitte,  Tracht,  Kultur  und  Ver- 
fassung ging  man  zusammen  und  gemeinsam  waren  auch  die  Kulte  des 
Juppiter  Latiaris  auf  dem  Albanerberg  und  der  Diana  auf  dem  Aventin. 
Ursprünglich  besaß  der  latinische  Stamm  eine  große  Zahl,  gegen  65,  kleinere 
Orte,  von  denen  viele  schon  früh  verschwanden  und  nur  als  Teilnehmer 
am  latinischen  Fest  ein  Scheindasein  fristeten,')  wurden  sie  doch  teils  von 
Rom  aufgesogen,  teils  mit  anderen  latinischen  Städten  vereinigt.  Die  typische 
Zahl  der  Bundesstädte,  wie  sie  z.  B.  in  der  Aeneassage  vorkommt,  ist  dreißig. 
Man  hat  einen  älteren  und  einen  jüngeren  Latinerbund  zu  unterscheiden:  2) 
der  ältere  war  gegründet  im  6.  Jahrhundert  v.  Chr.  von  Tibur,  Tusculum, 
Aricia  u.  a.  und  stand  unter  der  Leitung  eines  dictator  Latmits.^)  Dieser 
altlatinische  Bund  wollte  dem  Vordringen  der  römischen  Rivalen,  die  auf 
eigene  Faust  die  latinische  Landschaft  zu  einigen  strebten,  einen  Riegel 
vorschieben;  im  5.  Jahrhundert  scheint  Rom  selbst  beigetreten  zu  sein.  Im 
4.  Jahrhundert  vermochte  dann  das  erstarkte  Rom  eine  Veränderung  der 
Bundesverfassung  durchzusetzen  und  sich  das  unbedingte  Übergewicht  in 
dem  neuen  politisch  von  Rom  abhängigen  Gebilde  zu  verschaffen.  Im  ersten 
karthagisch-römischen  Handelsvertrag*)  erscheinen  die  latinischen  Küsten- 
städte von  Ardea  bis  Tarracina  bereits  als  Untertanen  Roms. 

Nach  der  Geschichtslegende  wurden  die  Latiner  bereits  von  den  Königen 
unterworfen,  um  sich  dann  mit  dem  verjagten  letzten  König,  Tarquinius, 
gegen  Rom  zu  verbünden.  In  einer  sagenhaften  Schlacht  am  See  Regillus 
wollen  die  Römer  den  Sieg  davongetragen  haben. °)  Kurz  darauf  soll  Konsul 
Sp.  Cassius  493  v.  Chr.  ein  Bündnis  zu  gleichem  Recht  {foedus  aequiim) 
zwischen  Rom  und  dem  Latinerbund  geschlossen  haben  mit  der  Vereinbarung 
gegenseitigen  Rechtsschutzes  {commercium)  und  wahrscheinlich  auch  der  Ehe- 
gemeinschaft (cotuibium)  zwischen  Rom  auf  der  einen  und  den  latinischen 
Städten  auf  der  anderen  Seite.  Die  Kriegführung  sollte  gemeinsam  ge- 
schehen, die  erzielte  Beute  zu  gleichen  Teilen  an  Rom  und  Latium  fallen.^) 

')Diodorfr.YII5,9.  Dionys.  Hai.  IV49.  ^j  499   v.  Chr.  nach   Livius  II  19:    496 

V  61.    Plinius  h.  n.  III  61  f.  68  f.  nach  Dionys.  Hal.VI  3  und  denTriumphal- 

^)  Vgl.  A.  Rosenberg,  Hermes  54,  1919.  j   fasten. 

113  ff.                                                               '  6)  Cicero   pro   Balbo  53.    Dionys.  Hai. 

')  Cato  orig.  fr.  58  Petek  (nach  der  Weih-  VI  95  gibt  den  Inhalt  des  Vertrags,  Festus 

inschrift  des  Altars  der  Diana  von  Aricia).  p.  241  M.    (s.  v.  praetor  ad   porfam)    zwei 

'')  Polybios  datiert  ihn  nach  den  ersten  privatrechtliche  Klauseln.  L.M.  Hartmann, 

Konsuln,  setzt  ihn  also  ins  erste  Jahr  der  j    Wiener   Studien  34.   1912,   265  ft'.  datiert 

Republik.   Vgl.  unten  8.  102.  \   den  Vertrag  ins  J.  358  v.  Chr.  und  sieht 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§6.)        39 

In  der  Folge,  angeblich  486  v.  Chr.,  traten  auch  die  Herniker  bei.')  Als 
Urkunde  des  Latinerbündnisses  galt  eine  noch  von  Cicero  auf  dem  Forum 
hinter  der  Rednerbühne  gesehene  Inschrift  auf  einer  Bronzesäule.  Indes 
den  Text  einer  Inschrift  aus  dem  frühesten  5.  Jahrhundert  einwandfrei  fest- 
zustellen, wären  die  Römer  des  1.  Jahrhunderts  sicher  außerstande  gewesen. 
Jenes  Dokument  dürfte  erheblich  jünger  sein  und  Sp.  Cassius,  wenn  anders 
sein  Name  in  der  Urkunde  vorkam,  hat  mit  dem  angeblichen  dreimaligen 
Konsul  der  Jahre  502,  498,  486  v.  Chr.  nichts  zu  tun. 

Allgemeine  Literatur:  Schwegler,  Rom.  Gesch.  l.Bd.  —  L.  Lange.  Römische  Alter- 
tümer I^  76  ff.  —  R.  PöHLMANN.  Die  Anfänge  Roms,  Erlangen  1881.  —  Th.  Mommsen, 
Rom.  Staatsrecht  III  1.  —  Ed.  Meyer,  Gesch.  des  Altertums  II  510  ff.  —  J.  Binder,  Die 
Plebs,  Leipzig  1909.  —  Stadtgeschichte:  H.  Jordan,  Topographie  der  Stadt  Rom  im 
Altertum,  Bd.  2.  —  0.  Gilbert,  Geschichte  und  Topographie  der  Stadt  Rom  im  Alter- 
tum. Leipzig  1883.  1885.  —  0.  Richter,  Topographie  der  Stadt  Rom  (Bd.  III  3b  dieses 
Handbuchs)  30  ff.,  2.  Aufl.  -  H.  Nissen.  Ital.  Landeskunde  II  2.  488  ff'.  —  G.  Pinza  in 
•den  Moyinmenfi  anticlii  XV  1905.  —  Älteste  Einteilung:  Mommsen,  Die  römische 
Tribus  in  administrativer  Beziehung  S.  16 f.;  Rom.  Staatsrecht  III.  —  Soltaü,  Über 
Entstehung  und  Zusammensetzung  der  römischen  Volksversammlung  S.  46  f.  —  Vol- 
<}cardsen,  Rhein.  Mus.  N.  F.  33,  538  f.  —  Holzapfel,  Klio  I  228  ff".  —  Der  Latinische 
Bund:  M.  Zöller,  Latium  und  Rom,  Leipzig  1878.  —  J.  Beloch,  Der  Italische  Bund 
unter  Roms  He2;emonie.  Leipzig  1880,  S.  177  ff.  —  O.  Seeck.  im  Rhein.  Museum.  N.  F. 
.37  (1882)  1  ft\  598  ff.  —  Mommsen,  Ges.  Schriften  II  69  ff. 

6.  Auswärtige  Einflüsse.  Frühzeitig  sind  Rom  und  Latium  mit  den 
Griechen  in  Berührung  gekommen,  und  zwar  wohl  zuerst  mit  Chalkidiern, 
die  sich  in  Kyme  niedergelassen  hatten.  Der  Römer  nannte  den  Hellenen 
Graiiis  oder  Graecus,  mit  einem  Namen,  dessen  Ursprung  nicht  bekannt 
ist,  der  aber  vielleicht  ursprünglich  den  Chalkidier  bezeichnen  soll.^)  Der 
griechische  Einfluß,  dem  Rom  sehr  viel  verdankt,  nimmt  zu,  je  mehr  Rom 
wächst,  und  hat  während  der  ganzen  Dauer  der  römischen  Geschichte  ge- 
wirkt. Sein  erstes  Denkmal  ist  das  lateinische  Alphabet,  das  wie  das  etrus- 
kische  von  dem  chalkidischen  abgeleitet  ist,  und  zwar  unmittelbar,  nicht 
Avie  das  umbrische  und  oskische  durch  Vermittlung  des  etruskischen.  Es 
hat  sogar  eine  Zeitlang  die  Entwicklung  des  griechischen  Alphabets  noch 
mitgemacht,  ehe  es  seine  eigenen  Wege  ging.  Schon  sehr  früh,  sicherlich 
bereits  im  6.  Jahrhunderts  v.  Chr.,  müssen  die  Römer  und  Latiner  im  Besitz 
der  Schrift  gewesen  sein.  2)  Werke  griechischer  Kvmst  sind  früh  nach  Latium 
gelangt.  Seit  unvordenklichen  Zeiten  genossen  griechische  Gottheiten,  Her- 
kules, Kastor  und  Pollux,"*)  Ceres,  Liber  und  Liberal)  in  Rom  gött- 
liche Verehrung,  und  gewiß  waren  schon  in  alten  Zeiten  Griechen  in  Rom 
ansässig.  Eine  griechische  Orakelsammlung,  anscheinend  kymäischen  Ur- 
sprungs, die  der  Sibylle,  war  in  Rom,  wie  es  heißt  vom  letzten  Tarquinius 
erv/orben,  von  Staats  wegen  in  Gebrauch.  Ein  besonderer  Platz  auf  dem 
Forum,  die  Graecostasis,  war  für  griechische  Gesandtschaften   bestimmt. 

in  Sp.  Cassius  den  amtierenden  Fetialen.  dessen  Konto  also  offenbar  beide  Bünd- 

Vgl.W. Soltaü, ebda. 35, 1913, 258ff.E.TÄuB-  j   nisse  gesetzt  werden  sollen! 

LER,   Imperium   Romanum  I,  1913,  276  ff".  |        '^)  Er  erinnert  an  FoaTa  und  die  Fgaiy.!], 

verwirft  die  Angaben  des  Dionysios  über  j    die  Landschaft  von  Oropos,  Eretria  gegen- 

deii  Inhalt  des  Vertrags  als  unecht.  Dem-  über.   Vgl.  Niese,  Hermes  12,  1877,  409  ff. 

gegenüber  zieht  A.  Rosenberg.  Hermes  55,  ')  Die  ältesten  erhaltenen  Inschriften 

1920,  337  ff.  eine  Parallele  mit  hellenisti-  [    gehören  etwa  dem  5.  Jahrhundert  v.  Chr. 

sehen  Isopolitieverträgen  und  gewinnt  als  an.    Oben  S.  14  A.  7. 

Datum  die  Zeit  zwischen  287  und  268  v.Chr.  *)  Seit  499  v.  Chr.    Liv.  II  20. 

')  Im  3.  Konsulat  des  Sp.  Cassius,  auf  ,       '••)  Seit  496  v.  Chr.    Tacit.  ann.  II  49. 


40  Römische  Geschichte. 

Neben  den  Chalkidiern  haben  die  sizilischen  Dorier  auf  Rom  vielfältig 
und  andauernd  gewirkt.  Ihnen  verdanken  die  Römer  ihr  Münz-  und  Ge- 
wichtssystem. Auf3erdem  stehen  die  Massalioten,  Kolonisten  von  Phokäa, 
in  alten  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  Rom.  Die  Diana  auf  dem  Aven- 
tinus  war  dem  Artemisbild  in  Massalia  nachgebildet,  und  das  Weihgeschenk, 
das  die  Römer  nach  Vejis  Eroberung  396  v.  Chr.  nach  Delphi  stifteten, 
kam  in  das  Schatzhaus  der  Massalioten.  i)  Auch  mit  den  ebenfalls  phokäi- 
schen  Eleaten  stand  Rom,  wie  es  scheint,  in  alter  Freundschaft ; 2)  andere 
Beziehungen  weisen  nach  Thurii.^*)  Ob  zwischen  Athen  und  Rom  in  alter 
Zeit  direkter  Verkehr  stattfand,  wissen  wir  nicht;  nach  den  späteren  Annalen^) 
sollen  für  die  Dezemviralgesetzgebung  die  attischen  Gesetze  aus  Athen  ge- 
holt sein.  Auch  ist  festgestellt,  daß  der  spätere  römische  Fuß  dem  attischen 
genau  entspricht,  aber  dadurch  ist  eine  unmittelbare  Entlehnung  freilich 
nicht  bewiesen.  Auch  die  Verwaltung  und  Einrichtung  des  Gemeinwesens 
verdankt  wahrscheinlich  griechischer  Anregung  manches  in  Amtern,  Amts- 
insignien,  Amtsgebäuden;  der  Census  ist  nach  griechischem  Beispiel  ein- 
gerichtet, das  römische  Heerwesen  ist  offenbar  griechischen  Ordnungen  nach- 
gebildet, und  überhaupt  entspricht  in  allen  wesentlichen  Punkten  die  römische 
Gemeindeverfassung  der  griechischen.  Endlich  zeugt  eine  Anzahl  alter  grie- 
chischer Lehnworte,  zu  denen  selbst  vinuni  zu  gehören  scheint,  für  die  starke 
Wirkung,  die  Griechenland  in  kultureller  Hinsicht  auf  Rom  ausgeübt  hat. 

Aber  daneben  war  seit  alters  der  Einfluß  der  Etrusker  auf  Rom  höchst 
wirksam.  Sie  besaßen  einstmals  die  Herrschaft  im  nördlichen  Italien  (S.  23) 
und  waren  den  Römern  und  Latinern  gewiß  nicht  nur  an  äußerer  Macht 
überlegen,  sondern  auch  in  der  Gesittung,  hatten  sie  sich  doch  schon  früh 
griechisches  Kulturgut  angeeignet.  Das  benachbarte  Rom  mag  gerade  seiner 
Lage  als  Grenzstadt  einen  Teil  seines  Aufschwungs  verdankt  haben.  Wir 
hören  von  einzelnen  Etruskern,  die,  wie  Caelius  Vibenna,  nach  Rom  über- 
siedelten;^) ja  es  gibt  bestimmte,  durchaus  glaubwürdige  Überlieferungen, 
die  von  der  Unterwerfung  Roms  und  Latiums  durch  den  Etrusker  Por- 
senna,  den  König  von  Clusium,  berichten.  Nach  der  populären  Erzählung  ß) 
erschien  er  in  der  Absicht,  den  stammverwandten  Emigranten  Tarcjuinius 
zurückzuführen,  vor  Rom,  das  er  belagerte  (508/07  v.  Chr.).  Beweise  römi- 
schen Heldenmuts  sollen  ihn  dann  veranlaßt  haben,  gegen  Abtretung  einiger 
Gebietsteile  und  Stellung  von  Geiseln  Frieden  zu  schheßen.  Aber  nach 
einer  wohl  älteren  und  für  Rom  noch  weniger  günstigen  Tradition  hat  der 
Etruskerkönig  Rom  erobert  und  den  Römern  demütigende  Bedingungen 
auferlegt,  so  daß  sie  eine  Zeitlang  den  Etruskern  zinsen  mußten.')    Es  steht 


>)  Diodor  XIV  93.  dieser  Erzählung   beruht   auch   die  Zeit- 

2)  Cicero  pro  Balbo  55.  bestimmung  bald   nach  Vertreibung  der 

3)  Tacit.  ann.  XIV  21.  I   Könige,  die  annähernd  richtig  sein  kann, 
■•)  Liv.  III  31  f.  wenn  sie  auch  nicht  gerade  gut  beglau- 

5)  Über  ihn  und  Mastarna  vgl,  oben  bigt  ist.  Das  angebliche  Grabmal  Por- 
S.  33  f.  Sogar  eine  etruskische  Dynastie,  sennas  bei  Clusium  berschreibt  Plinius 
die   der  Tarquinier,    hat  ja   in  Rom    ge-  h.  n.  XXXVI  91  flf. 

herrscht  und  der  Sturz  der  Könige  wird  ')  Tacitus  hist.  III  72.    Plinius  hist.  nat. 

zugleich  eine  nationale  Erhebung  gegen  ,   XXXIV  139.  Plut.  quaest.  Rom.  18,  wo  ge- 

die  Fremdherrschaft  gewesen  sein.  sagt  wird,  daß  Herakles  die  von  denEtrus- 

6)  Livius  II  9  f.   Dionys.  Halic.  V  21.  Auf  kern  mit  einem  Zehnten  belegten  Römer 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§6.)        41 

also  außer  Zweifel,  daß  Kom  und  auch  Latium^)  einmal  von  den  Etruskern 
unterworfen  und  beherrscht  waren  und  zwar  etwa  im  Lauf  des  6.  Jahr- 
hunderts und  noch  späterhin.  Diese  Abhängigkeit  Eoms  von  Etrurien  macht 
es  begreiflich,  daß  die  Griechen  gelegentlich  auch  Römer  und  Latiner  zu 
den  Etruskern  (wie  übrigens  mit  nicht  größerem  Recht  auch  zu  den  Opikern) 
rechneten.  Eine  förmliche  Etruskerstadt  ist  Rom  aber  nie  gewesen  und 
vollends  nicht  eine  etruskische  Gründung,  obwohl  der  Name  Rom  von  einem 
etruskisehen  Personennamen  stammt.  Denn  die  Stadt  bestand  bereits,  als 
die  Etrusker  kamen  und  ihr  statt  des  ursprünglichen  latinischen  Namens 
den  neuen  etruskisehen  beilegten,  den  sie  für  alle  Zeiten  fuhren  sollte.  2) 

Auch  nachdem  die  Etrusker  ihr  Übergewicht  verloren  hatten  (ihre  Macht 
ist  seit  der  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  erheblich  geschwächt),  bheben  den- 
noch Rom  und  Latium  noch  lange  Zeit  unter  ihrem  Einfluß.^)  Manche 
o^riechischen  Kulturgüter  sind  durch  Vermittlung  der  Etrusker  dorthin  ge- 
langt. Die  Etruskerstadt  Caere,  von  den  Griechen  Agylla  genannt,  war  den 
Römern  benachbart  und  befreundet.  Als  wichtiges  Emporium  stand  sie 
auch  bei  den  Griechen  in  Ansehen  4)  und  ihre  geographische  Lage  machte 
sie  für  den  Warenaustausch  zwischen  Griechen,  Etruskern  und  Latinern  ge- 
eignet. Von  dem  Wesen  und  den  Sitten  der  Etrusker  ging  gleichfalls  man- 
ches auf  Rom  über:  die  Insignien  der  Magistrate  sollen  von  ihnen,  und  zwar 
schon  durch  König  Tarciuinius  entlehnt  sein. 5)  Auch  die  Gladiatorenspiele 
wurden  aus  Etrurien  eingeführt,  wo  sie  sich  großer  Beliebtheit  erfreuten. 
Die  etruskische  Theologie,  Opferschau,  Haruspizin  u.  a.  fand  in  Rom  Ein- 
gang und  eifrige  Pflege. 

Auch  mit  den  sabellischen  Nachbarn  haben  Römer  und  Latiner  wahr- 
scheinlich schon  in  alter  Zeit  in  Verkehr  gestanden.  Besonders  folgenreich 
erwies  sich  später  die  Berührung  mit  den  halb  griechischen  Kampanern, 
die  den  Römern  und  Latinern  wiederum  viel  Griechisches  vermittelten. 
Endlich  gehören  zu  den  Völkern,  die  schon  in  früher  Zeit  mit  den  Römern 
in  Verkehr  traten,  die  Karthager.  Wir  kennen  noch  die  Verträge,  die 
zwischen   ihnen    und  den  Römern    geschlossen  wurden,    wie   sie   dann  ähn- 


befreit habe,    was    zwar   der   bekannten 
Erzählung    von    der    Befreiung   Thebens 
durch  Herakles  nachgebildet  ist,  aber  doch 
auf  dieselbe  Tradition  hinweist. 
>)  Vgl.  Cato  orig.  fr.  62  P. 


2)  Grundlegend   sind    die  Studien    von    '    charakter  bewahrt 


auch  F.  Leo,  Gesch.  der  röm.  Lit.  1 10,  1. 
Es  gibt  zu  denken,  daß  die  älteste,  in 
Korn  gefundene  Inschrift,  der  Forums- 
cippus  (s.  o.  S.  14)  lateinisch  abgefaßt  ist. 
Rom  hat  stets  seinen  latinischen  Grund- 


W.  Schulze  (Zur  Geschichte  lateinischer 
Eigennamen,  Abhandl.  d.  Göttinger  Ges. 
d.  Wiss.  N.  F.  V,  5,  1904).  Ausgehend  von 
der  Beobachtung,  daß  viele  Ortsnamen 
von  Personen-  oder  Familiennamen  ab- 
geleitet sind,  hat  Schulze  in  Italien  auch 
außerhalb  Etruriens  bis  nach  Apulien 
hinein  nach  etruskisehen  Gentilnamen 
benannte  Orte  nachgewiesen.  Zu  diesen 
Namen  gehört  auch  Borna  (etr.  Ruma),  als 
Individualcognomen  =  'Breitbrust'  ge- 
deutet von  G.  Hekbig,  Berl.  philol.  Wochen- 
schr.  1916,  1440  £f.  1472  if.     Aber   Schulze 

geht   zu    weit,   wenn    er  Rom   nun  auch    '    Berlin  1913,  84  fif 
als  etruskische  Gründung  anspricht.  Vgl.    [ 


,  Das  Bild  des  kapitolinischen  Juppiter 
war  nach  Plin.  h.  n.  XXXV 157  von  einem 
Etrusker  gearbeitet. 

*)  Strabo  V  220. 

'")  S.  über  das  etruskische  Vorbild  bes. 
Diodor  V  40.  In  der  sog.  'tomba  del  Lit- 
tore'  der  Etruskerstadt  Vetulonia  hat  sich 
eine  Doppelaxt,  von  6  Stäben  umgeben, 
gefunden,  also  ein  Instrument,  das  genau 
dem  W^ahrzeichen  des  römischen  Im- 
periums, den  fasces,  entspricht,  s.  die  Abb. 
in  Notizie  degJl  scarl  1898,  S.  157.  Vgl. 
A.  RosENBEKG,  Der  Staat  der  alten  Italiker, 


42  Römische  Geschichte, 

liehe  Verträge    mit    den    Etruskern    liatten;^)    doch    scheinen    Spuren    eines 

stärkeren  karthagischen  Einflusses  kaum  vorhanden  zu  sein. 

V.  IIehn,  Die  Kulturpflanzou  und  Haustiere  in  ihrem  L'bergang  aus  Asien  nach 
Griechenland  und  Italion.  S.  Aufl..  hrsg.  von  O.  Schrader,  Berlin  litll.  —  A.  Kir(h- 
HOFF,  Studien  zur  Geschichte  des  griechischen  Alphabets,  4.  Aufl.,  Gütersloh  1887, 
128  ff.  —  Saalfeld,  Der  Hellenismus  in  Lutium,  Wolfenbüttel  188>i;  ders.,  Ten- 
saurus  Italo-Graecus,  Wien  1884.  —  Weise,  Die  griechischen  Wörter  im  Lateinischen 
(Abh.  der  Jablonowskischen  Gesellschaft  XXXIII i,  Leipzig  1882;  ders.  im  Rhein.  Mus. 
N.  F.  88.  r,4(»  ff.  —  E.  Pais.  Shuii  sfnrici  II  (1893)   145  ft'. 

7.  Älteste  Verfassung  Roms.  Anfänglich  wurde  Rom  von  Königen 
beherrscht,  die  nach  der  Tradition  von  den  Kurien  gewählt  wurden  und 
sämtliche  magistratische  Befugnisse  für  die  Zeit  ihres  Lebens  in  sich  ver- 
einigten. Diese  Überlieferung  setzt  den  späteren  Begriff  der  Magistratur 
und  die  politischen  und  sozialen  Verhältnisse,  wie  sie  sich  nachmals  ge- 
stalteten, schon  für  die  Anfänge  voraus  und  ist  daher  im  wörtlichen  Sinn 
ohne  historischen  Wert.  In  Wahrheit  läßt  sich  über  diese  Königszeit  nichts 
Bestimmtes  wissen.  Wenn  wir  aus  der  Analogie  anderer  Völker,  besonders 
der  Hellenen,  und  aus  den  sonstigen  Zuständen  des  alten  Roms  Rückschlüsse 
ziehen  dürfen,  so  war  das  Königtum  eine  mehr  patriarchalische  Institution, 
der  König  selbst  ein  Mitglied  des  Adels.  Die  Erzählung  läßt  das  König- 
tum von  einem  Geschlecht  zum  andern  übergehen,  und  diese  Geschlechter 
sind  zum  Teil  noch  später  nachweislich.  Mit  dem  Jahr  510  oder  509,  oder 
nach  älterer  Rechnung  508  oder  507  v.  Chr.,  mit  dem  Jahr  nämlich  der  Weihe 
des  kapitolinischen  Tempels  beginnt  die  Liste  der  Konsuln,  und  danach 
wird  das  Jahr  der  Vertreibung  der  Könige  bestimmt;  ob  sie  wirklich  in 
diese  Zeit  fällt,  wissen  wir  nicht,  um  so  weniger,  als  das  Königtum  nicht 
eigentlich  abgeschafft,  vielmehr,  wie  auch  auf  griechischem  Boden,  seiner 
Macht  allmählich  entkleidet  wnirde.  Ein  Rudiment,  ein  survival  der  Königs- 
würde hat  sich  in  dem  lebenslänglichen  Priesteramt  des  rex  sacrorum  er- 
halten, wie  auch  das  Amtslokal  des  Priesterkollegiums  stets  die  Begia  (die 
Königsburg)  hieß.  Wie  schon  bemerkt,  hat  das  Königtum  wohl  nicht  durcli 
einen  einmaligen  revolutionären  Akt,  sondern  im  Lauf  der  Entwicklung 
seine  politische  Bedeutung  eingebüßt.  Der  jähe  Übergang  von  absoluter 
Königsherrschaft  zur  freien  Republik,  wie  ihn  die  traditionelle  Legende 
schildert,  ist  unhistorisch. 2)  An  die  Stelle  der  geschwächten  Monarchie  trat 
vielmehr  ein  oligarchisches  Adelsregiment. 

Nach  der  Überlieferung  zerfielen  seit  Entstehung  der  Stadt  die  freien 
Biirger  in  die  beiden  Stände,  den  regierenden  der  Patrizier  und  den  re- 
gierten der  plebs    oder  Plebejer;    als  dritte  Klasse    werden    die   abhängigen 


')  Polyb.  III  22.  Aristot.  Polit.  III  i), 
1280  a  36. 

2)  Vgl.  oben  S.33.  Niese  bezweifelt  eine 
Vertreibung  des  königlichen  Geschlechts 
der  Tarquinier  auf  Grund  der  von  ihm 
selbst  (S.  62  der  4.  Aufl.)  als  „rätselhaft" 


sowenig  der  Bericht  in  den  Einzelheiten 
taugen  mag,  so  ist  diese  Interpretation 
doch  der  Vorstellung,  als  seien  260  männ- 
liche Angehörige  des  —  nach  anderen 
Angaben  aus  Rom  längst  ausgewiesenen 
Tarquiniergeschlechtes  exekutiert  wor- 


bezeichneten  Notiz  bei  Diodor  XVI  45,  8,  den,  vorzuziehen.    E.  Steix,  Wiener  Stu- 

wonach  noch  im  Jahr  354  v.  Chr.  260  Tag-  dien  38,  1916,  363  f.,  schloß  sogar,  daß  die 

y.vvioi  ävögeg  auf  dem  Forum  in  Rom  hin-  Geschichte  der  tarquinischen  Könige  erst 

gerichtet  worden  seien.  Aber  nach  Livius  in    Anlehnung   an   jene  Ausrottung   der 

VII  19,  2    handelt    es    sich    um    kriegs-  vornehmen  Familie  erfunden  sei. 

gefangene  Einwohner  von  Tarquinii  und  , 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Eampanern.    (§7.)        43 

clieuti'S  genannt.  Die  Patrizier  oder  patres  machen  den  ursprünglichen  Senat 
aus,  so  daß  also  der  Eintritt  in  den  Senat  zugleich  die  Aufnahme  in  den 
Patriziat  bedeutet;  Patrizier  sind  demnach  die  Mitglieder  der  Ratsgeschlechter, 
die  erblichen  Anspruch  auf  den  Sitz  im  Senat  haben,  und  diesen  Sinn  be- 
hält der  Begriff;  patres  bezeichnet  die  Gesamtheit,  patricius  den  einzelnen. 
Es  ist  der  alte  Adel,  der  anfänglich  allein  den  Zutritt  zu  den  Gemeinde- 
ämtern und  Priesterwürden  hat,  wie  er  auch  in  griechischen  Städten  häufig 
dominierte.  Die  annalistische  Überlieferung  weist  den  Patriziern  die  Rolle 
der  späteren  Nobilität,  von  der  sie  sich  jedoch  wesentlich  unterscheiden, 
zu  und  hat  dadurch  Verwirrung  gestiftet.  In  den  Händen  des  Königs  und 
dieser  patrizischen  Geschlecliter.  deren  jedes  über  eine  ergebene  Klientel 
verfügte,  lag  wahrscheinlich  in  ältester  Zeit  die  Regierung  der  Gemeinde. 
Die  Patrizier  teilten  sich  in  ältere  und  jüngere  Geschlechter  [patres  niaiorum 
und  inhiorii»!  gentium):  albanische  Familien  sollen  nach  der  Zerstörung  Alba 
Longas  durch  den  König  Tullus  Hostilius  Aufnahme  in  den  römischen  Adel 
gefunden  haben;  eine  .andere  Nachricht  weiß  von  der  Zuwanderung  der 
gens  Claudia  aus  dem  Sabinerlaud.^)  Der  Patriziat  mufa  also  wiederholt 
Zuwachs  erhalten  haben  und  kann  nicht,  wie  es  später  bis  zum  Ende  der 
Republik  der  Fall  war,  geschlossen  gewesen  sein.  Wahrscheinlich  ist  erst 
infolge  der  Ständekämpfe  und  der  Fortschritte  der  demokratischen  Be- 
wegung eine  Erweiterung  des  Kreises  der  patrizischen  Geschlechter  unter- 
sagt worden. 

Die  Patrizier  teilen  sich  nach  Geschlechtern,  und  das  Geschlecht  [gens] 
hat  im  älteren  Rom  eine  große  politische  und  soziale  Bedeutung:  das  Band 
der  Geschlechter  erwies  sich  oft  als  stärker  als  das  der  Gemeinde.  Diese 
Bedeutung  des  Geschlechts  spiegelt  sich  schon  in  der  römischen  Namen- 
gebung,  die  den  Geschlechtsnamen  dem  Eigennamen  regelmäßig  beifügt, 
was  zu  einer  Verkümmerung  der  Eigennamen  führte.^)  Nach  Geschlechtern 
ist  auch  die  große  Mehrzahl  der  alten  Tribus  benannt.  Von  jeher  gab  es 
Geschlechtsgottesdienste,  deren  manche  auf  die  ganze  Gemeinde  übergingen.. 
So  gehört  den  Geschlechtern  der  Potitier  und  Pinarier  ursprünglich  der 
Dienst  des  Herkules  an  der  ara  maxima,  und  die  Fabier  und  Quinktilier 
hatten  besonderen  Anteil  am  Fest  der  Luperkalien.  Man  erkennt  die  Be- 
deutung des  Geschlechtsverbandes  noch  später  in  der  legitimen  und  üblichen 
Berücksichtigung  der  Verwandtschaft  in  der  Gemeindeverwaltung.  Einzelne 
Geschlechter  kamen  zuweilen  zu  außerordentlicher  Macht;  ein  Beweis  aus 
alter  Zeit  sind  vielleicht  die  Fabier,  deren  Haus  nach  den  Fasten  sieben 
Jahre  lang  ohne  Unterbrechung  (485 — 479  v.  Chr.)  stets  den  einen  der  beiden 
Konsuln  stellte.  3)  Ahnliches  beobachtet  man  auch  später.  Die  ältere  Ent- 
wicklung der  römischen  Verfassung  bestellt  zum  guten  Teil  darin,  daß  all- 


')Liv.  II35.  SuetonTib.  1.    Tacit.  aiinal.  ist  meist    das  Cognomen   in  den  Yorder- 

XI  24.    Die  Zeit  der  Einwanderung  wird  grund  gerückt, 

verschieden  angegeben.  ^)  Vgl.  F.  Münzek,  Eöm.  Adelsparteien, 

*)  Der  ursprüngliche  Eigenname  ist  das  I    Stuttgart  1920.  53,  409.  Pais,  Storia  critica 

spätere  Pränomen,  wie  Gaius  und  Publius;  [    di  Roma  II,  160  f.  glaubt  wohl  im   allge- 

in  den  ältesten  Denkmälern  und  nament-  i    meinen    an    eine  Vorherrschaft  einzelner 

lieh  bei  Polybios  ist  dieser  Gebrauch  noch  Geschlechter,  aber  nicht  unbedingt  an  die 

erhalten.  In  der  späteren  klassischen  Zeit  sieben  Konsulate  der  Fabier. 


44 


Römische  Geschichte. 


mählich  die  Gemeinde  über  die  Geschlechter  das  Übergewicht  erhält,  so  dafj 
der  Bürger  nicht  mehr  diesen,  sondern  jener  in  erster  Reihe  angehört. 

Die  imtergeordneten  Mitglieder  der  Geschlechter  sind  die  dienfes,  Schutz- 
befohlene, vielleicht  auch  Gefolgsleute;  denn  auch  das  älteste  Heer  dürfen 
wir  uns  nach  Geschlechtern  geordnet  denken.  Wie  ihr  Herr  sie  schützt, 
(SO  sind  auch  sie  ihm  zur  Hilfe  in  jeder  Not  verpflichtet,  und  dieses  Pietäts- 
verhältnis zwischen  Klienten  und  Patronen  hat  sich  bis  an  das  Ende  der 
Republik  in  Rom  behauptet.') 

Die  Plebs  oder  die  Plebejer  waren  die  nichtpatrizischen,  d.  h.  minder 
berechtigten  Bürger,  die  an  der  Verwaltung  des  Gemeinwesens  keinen  An- 
teil hatten,  es  sind  die  Freien,  zum  größten  Teil  Landbewohner  und  Acker- 
bauer, dazu  die  städtische,  Handel  und  Gewerbe  treibende  Bevölkerung. 
Von  den  Patriziern  sind  sie  durch  eine  tiefe  Kluft  geschieden;  zwischen 
den  beiden  Ständen  bestand  keine  Ehegemeinschaft  (conubiuni)/^)  Wie  die 
Plebejer  entstanden,  ob  aus  den  Klienten,  ob  aus  einer  unterworfenen  Be- 
völkerung oder  aus  zugewanderten  Latinern,  wissen  wir  nicht.  Es  gibt 
dariiber  viele  Vermutungen,  von  denen  jede  einen  Teil  der  Wahrheit  treffen 
kann,  von  denen  jedoch  keine  gut  begründet  oder  auch  nur  notwendig  ist; 
denn  der  Unterschied  der  Stände  ist  so  alt  wie  Rom  selbst,  wie  denn  auch 
dem  Romulus  die  Stiftung  der  Plebs  zugeschrieben  wird,  und  die  von  Nie- 
buh r  geäußerte,  auch  von  Th.  Mommsen  geteilte  Meinung,  daß  die 
Patrizier  die  Altbürger  seien,  daß  also  die  römische  Bürgerschaft  einst  nur 
aus  Patriziern  bestanden  habe,  ist  sicherlich  irrig,  da  der  Patrizier  den 
Plebejer  voraussetzt  und  sich  weder  dieser  ohne  jenen,  noch  jener  ohne 
diesen  denken  läßt.^)  Dunkel  ist  besonders  das  ursprüngliche  Verhältnis 
der  Plebejer  zu  den  Klienten;  in  der  Ursprungsgeschichte  fallen  sie  beide 
zusammen  und  ist  die  plebs  in  der  Klientel  der  patres,  aber  später,  als  die 
Plebejer  etwas  bedeuten,  haben  sie  gleich  den  Patriziern  Geschlechter  und 
Klienten.  Damals  bezeichnet  das  Wort  cliens  ganz  allgemein  das  Verhältnis 
zum  patronus,  gleichviel  ob  derselbe  Patrizier  oder  Plebejer  ist.  Es  ist  noch 
zu  bemerken,  daß  einige  Geschlechter  patrizische  und  plebeische  Mitglieder 
zählten,  wie  z.  B.  die  Klaudier. 

Vorsteher  des  Gemeinwesens  waren  nach  Beseitigung  des  Königtums 
in  der  historischen  Zeit  zwei  jährlich  wechselnde  Magistrate,  consides  oder 
praetores,  die  von  der  Gesamtheit  der  Bürger  gewählt  wurden.  Nur  in 
Zeiten  dringender  Kriegsgefahr  wurde  einem  einzigen  Magistrat,  dem  Dik- 
tator,  oder,    wie  er  ursprünglich   hieß,    dem   maf/isfer  popiili,  der   höchstens 


')  Dionys.  Hai.  II  9.  Vgl.  Mommsen,  Rom. 
Staatsrecht  III  hi  ff.  v.  Premerstein,  PW 
IV  23  f. 

')  Hierfür  gibt  es  griechische  Ana- 
logien. Bei  der  Revolution  auf  Samos  412 
v.Chr.  wurde  das  connbnim  zwischen  Demos 


Sparta  gab  es  nichts,  was  den  römischen 
Plebejern  entsprochen  hätte.  Mit  der  im 
Text  geäußerten  Ansicht  stimmt  Ed.Meyer, 
C4esch.  d.  Altertums  II  ölO  ff.  wesentlich 
überein.  Die  neueren  Theorien  über  die 
Entstehung  der  Plebs  bespricht  G.  Bloch, 


und  Geomoren    aufgehoben.    Thukydides  i??^. /^/s^o/-/^«^,  1917,  106, 241  ff.  und  107, 1  ff. 

VIII  21.  Als  zugewanderte  Latiner,  hauptsächlich 

3)  NiEBüHR,  Rom.  Gesch.  I  364  ff.  Momm-  Kaufleute,  betrachtet  A.  Rosenberg,  Her- 

SEN,  Rom.  Staatsrecht  III  1.  Der  von  Nie-  mes  48,  1913,  359  ff.  die  Plebejer,  die  einen 

buhr  herangezogene  Vergleich  der  Patri-  'Staat  im  Staat'  bilden, 

zier  mit   den  Spartiaten  paßt  nicht.    In  ; 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§  7.)        45 


sechs  Monate  im  Amt  sein  durfte,  der  Oberbefehl  übertragen;  ein  Reiter- 
führer, magister  equitum,  wurde  ihm  beigegeben. i)  Der  Eat  der  Gemeinde 
ist  der  seuatus.  Nach  der  ersten  Ordnung  des  Romulus  soll  es  100  Sena- 
toren {patres)  gegeben  haben;  die  spätere  Normalzahl,  300,  rührt  angeblich 
von  Tarquinius  Priscus  her  (oben  S.  32)  und  wird  nach  Vertreibung  der 
Könige  durch  Aufnahme  plebeischer  Mitglieder  (der  sog.  conscripti)  wieder- 
hergestellt. 2)  Seit  dieser  Zeit  würde  also  der  Senat  auch  den  Plebejern 
zugänglich  gewesen  sein. 3)  Der  Volksgemeinde  wird  das  Wahlrecht  und 
das  Recht,  Gesetze  und  Verträge  zu  genehmigen,  von  Anfang  an  beigelegt. 
Aber  ihre  Beschlüsse  und  Wahlen  bedürfen  der  Bestätigung  [auctoritas)  des 
patrizischen  Senates,  der  patres.  Die  Versammlungen,  in  denen  sie  das  Recht 
ausübt,  sind  die  comitia,  die  sich  nur  unter  Leitung  eines  dazu  befugten 
Beamten  versammeln  dürfen.  Die  Abstimmung  erfolgt  in  frühester  Zeit 
unter  den  Königen  und  vielleicht  auch  noch  später  nach  Kurien.  Ein  Rest 
dieses  Rechts  der  Kurien  blieb  bis  ans  Ende  der  Republik  in  der  lex  curiota, 
durch  welche  den  schon  gewählten  Beamten  das  imperium  verliehen  wurde. 
Später  ist  Volk  und  Volksversammlung  nach  Vermögen,  Alter  und  Wehr- 
pflicht in  fünf  Klassen  [classes]  und  193  Centurien  eingeteilt,  die  vom  König 
Servius  Tullius  eingerichtet  sein  sollen.  Diese  comitia  centuriata  geben  den 
eigentlich  vollgültigen  Ausdruck  des  Volkswillens.  Die  Grundlage  der  Ver- 
waltung für  Aushebung  und  Steuern  sind  die  Tribus,  deren  es  zuerst  21  gab, 
4  städtische  und  17  ländliche.  Angeblich  sind  sie  495  v.  Chr.  gestiftet.'*) 
Sie  nehmen  in  politischer  Hinsicht  die  Stelle  der  alten  Kurien  ein  und  ver- 
drängen diese  vollständig.  Sie  sind  zugleich  Stimmabteilungen,  nach  denen 
das  Volk  in  gewissen  Fällen  in  Tributkomitien  [comitia  trihuta)  abstimmte. 
Das  älteste  bekannte  Rom  stellt  sich  als  ein  größeres  Gebiet  dar  mit 
der  Stadt,  dem  Wohnsitz  des  regierenden  und  begüterten  Standes,  im  Mittel- 
punkt. Die  Hauptmasse  der  Bevölkerung  ist  bäuerlich  und  ländlich,  ein 
zäher  und  kriegstüchtiger  Menschenschlag  mit  derben  egoistischen  Instinkten. 
Die  Wirtschaft  hat  man  sich  in  ihren  Anfängen  als  primitiv  zu  denken; 
leider  ist    nichts  Näheres  bekannt,   weder   über   die  Verteilung  des  Grund- 


')  Angeblich  wui-de  die  Diktatui-,  diese 
„Einfügung  der  monarchischen  Königs- 
gewalt  in  eine  republikanische  Staats- 
ordnung", gleich  in  den  ersten  Jahren 
der  Republik,  501  oder  499  oder  498  v.  Chr. 
notwendig.  Die  Überlieferung  schwankt 
(Liv.  II  18,  4).  Die  Latiner  kennen  eine 
Jahresdiktatur,  die  auf  etruskisches 
Vorbild  zurückgehen  mag.  Vgl.  A.  Rosen- 
berg. Der  Staat  der  alten  Italiker,  Berlin 
1913;  71  ff. 

-)  Allerdings  wird  dem  Tarquinius  nur 
die  Verdoppelung  des  romulischen  Senats 
zugeschrieben.  Unsere  Überlieferung  ist 
unvollständig  und  hat  den  Übergang  von 
den  100  ursprünglichen  patres  zu  den  300 
späteren  nicht  gefunden.  Mommsen,  Röni. 
Sjtaatsrecht  III  845.  tJbrigens  ist  nicht  zu 
verschweigen,  daß  nach  dem  abweichen- 
den Bericht  des  Tacitus  (ann.  XI  25)  nicht 
die  Plebejer,  sondern  die  patres  minorum 


gentium  nach  der  Vertreibung  der  Könige 
von  Brutus  in  den  Senat  aufgenommen 
sein  sollen.    Oben  S.  32  A.  1. 

2)  F.  Hofmann,  Der  röm.  Senat,  Berlin 
1847;  P.  Willems,  Le  se>wt  de  la  rt'puhlique 
Romaine,  1.  Bd.  2.  Ausg.  Löwen  1885,  2.  Bd. 
1883;  G.  Bloch,  Les  origines  du  sniat  Ro- 
main, Paris  1883. 

^)  Die  Stiftung  der  Ti-ibus  ist  jeden- 
falls älter  als  387  v.  Chr.,  wo  die  erste 
Vermehrung  erfolgte.  Mommsen  will  sie 
471  V.  Chr.  ansetzen.  Von  den  ländlichen 
Tribus  sind  16  gentilizisch,  d.  h.  sie  führen 
die  Namen  ijatrizischer  Geschlechter,  nur 
eine,  die  Crustumina,  ist  nach  dem  Ort 
Crustumerium  benannt;  man  vermutet 
daher,  sie  sei  später  hinzugefügt,  um  die 
Zahl  21  voll  zu  machen.  Doch  sind  die 
Tribus  wohl  von  jeher  von  ungerader  Zahl 
gewesen.    Mommsen,  Staatsr.  III  16G  ff. 


46  Römische  Geschichte. 

besitze«  noch  über  das  Verhältnis  der  Kleineren  zu  den  Größeren,  i)  Auch 
Handel-)  und  Gevverbfleifs  kann  nicht  gefehlt  haben.  Die  Kollegien  der 
Handwerker  werden  schon  auf  Numa  zurückgeführt,  gelten  also  für  uralt.  2) 
Eigenes  Geld  fehlt;  der  älteste  Wertmesser  war  das  Vieh,  wovon  das  Geld 
pecunia  seinen  Namen  hat.  Als  Tauschmittel  diente  sodann  das  Kupfer,  das 
gewogen  wurde  {aes  nu/c),  wie  es  sich  im  sakralen  Gebrauch  noch  lange  erhielt. 
Erst  später  schlug  man  Kupfermünzen  mit  Wertzeichen  und  Gepräge;  die 
ältesten,  deren  Gepräge  bereits  eine  vollendete  Kunst  der  Plastik  voraussetzt, 
können  nicht  älter  sein  als  etwa  350  v.  Chr.  Übrigens  hatte  man  schon  früh- 
zeitig Edelmetalle  und  bediente  sich  außerdem  gelegentlich  fremder  Münzen.-*) 
Der  Gemeindehaushalt  war  einfach.  Die  Einkünfte,  aus  denen  die  regelmäßigen 
Bedürfnisse  bestritten  wurden,  bestanden  wohl  aus  dem  Ertrag  des  öffentlichen 
Eigentums  an  Grund  und  Boden,  Gebäuden  usw.  und  den  damit  verbundenen 
nutzbaren  Rechten,  wozu  man  den  Ertrag  der  Salinen  rechnen  kann. 

Bemerkenswert  ist  die  religiöse  Gebundenheit  bei  den  Römern  wie  im 
übrigen  Italien;  jede  Handlung  schien  ihm  von  Göttern  und  Dämonen  re- 
giert, und  mit  Eifer  suchte  er  daher  ihren  Willen  aus  Vorzeichen  zu  er- 
kennen und  sich  ihrer  Huld  zu  versichern.  Bei  alledem  ist  der  Einfluß 
von  Priestern,  selbst  von  denen  der  Hauptgottheiten,  in  der  Gemeinde  nicht 
zu  bemerken.  Der  Gottesdienst  und  seine  Organe  standen,  soviel  war  wissen, 
von  jeher  im  Dienst  der  Gemeinde;  die  Aufsicht  über  die  Religionsübung 
hatte  das  Kollegium  der  poufifices,  eine  Behörde  von  halb  priesterlichem, 
halb  magistratischem  Charakter,  die  vornehmlich  Gutachten  abzugeben  hatte. 
Ein  anderes  Kollegium,  die  Augurn,  besorgte  das  wichtige  Gebiet  der 
offiziellen  Mantik.  Beide  standen  in  enger  Fühlung  mit  den  Magistraten 
und  dem  Senat  und  sorgten  dafür,  daß  die  Religionsübung  mit  den  politi- 
schen Bedürfnissen  stets  im  Einklang  blieb. 

F.  Beknhöft,  Staat  und  Recht  der  römischen  Königszeit  im  Verhältnis  zu  anderen 
Rechten,  Stuttgart  1882.  —  H.  Jordan,  Die  Könige  im  alten  Italien,  Berlin  1887.  — ■ 
MoMMSEN,  Römische  Forschungen  I  69  ff.  355  ff. ;  Staatsr.  III  3  ff.  — •  Genz,  Das  patri- 
zische  Rom,  Berlin  1878.  —  W.  Soltau,  Die  Entstehung  und  Zusammensetzung  etc., 
625  ff.  —  J.  BiNDEK,  Die  Plebs,  Leipzig  1909. 

8.  Auswärtige  Kriege.  Zu  Beginn  der  geschichtlichen  Erinnerung  steht 
Rom   unter   der  Oberherrlichkeit   der  Etrusker.    Wie  lange    diese   dauerte, 


\)  MoMMSEN  vermutet  (Rom.  Gesch.  I*  [  quia  agrorum  partes  attribuercmt  tenuioribiis 
187:  Rom.  Forschungen  I  306),  Ursprung-  ac  si  Jlheris  proprUs  ist  ohne  Wert,  weil 
lieh  sei  aller  Grund  und  Boden  in  den  hier  offenbar  aus  dem  Gleichklang  von 
Händen  der  Patrizier  und  ihrer  Geschlech-  patres  und  partes  eine  Etymologie  erstrebt 
ter  gewesen  und  von  ihnen  nach  dem  wird,  wie  überhaupt  bei  der  Rekonstruk- 
System  der  Feldgemeinschaft  bestellt  tion  der  ältesten  Zustände  mit  falschen 
worden;  die  Plebejer  hätten  als  unter-  Etymologien  ein  bedenkliches  Spiel  ge- 
geordnete Glieder  der  Geschlechter  ihren       trieben  wird. 

Anteil  am  Lande  von  den  Patriziern  zur  j  ^)  Ein  alter  Handelsartikel  ist  das  in 
Nutzniefsung    erhalten,     seien    also    von       den  römischen  Salinen  gewonnene  Salz, 

diesen  ganz  abhängig  gewesen.  K.  J.  Neu-  ;    das  von    hier   ins  Binnenland  ging.    Die 

MANN  (Die  Grundherrschaft  der  röm.  Repu-  j    via  Salaria  hat  davon  ihren  Namen, 

blik,    die  Bauernbefreiung  und   die  Ent-  \        ')  Plut.  Numa  17. 

stehung  der  servian. Verfassung,  Akadem.  :  *)  Mommsen,  Geschichte  des  römischen 
Rede,  Sti-aßburg  1900)  hat  diese  Gedanken  Münzwesens,  169  ft'.  —  K.  Samwer,  Ge- 
weiter ausgeführt.  Aber  die  Beweise  sind  schichte  des  älteren  römischen  Münz- 
nur   schwach.    Das   Zeugnis    des    Festus       wesens    bis  ca.  20l>  v.  Chi'.,   hrsg.  von  M. 

p.  247  M.  patres  senatores  ideo  appeUati  sunt,  !    Bahkfeldt,  Wien  1883. 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§  «.)         47 

ist  nicht  bekannt;  die  Befreiung,  die  spätestens  zu  Anfang  des  5.  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  geschehen  sein  muß,  ist  nach  einer  glaubhchen  Überliefe- 
rung mit  Hilfe  der  Chalkidier  in  Kyme  erfolgt.')  Erst  jetzt  war  die  selb- 
ständige Entwicklung  und  Erweiterung  der  römischen  Maclit  möglich,  deren 
Voraussetzung  und  Grundlage  das  Bündnis  mit  den  Latinern  und  Hernikern 
ist,  wie  es  nach  den  Annalen  493  und  486  v.  Chr.  geschlossen  sein  soll. 
Vielleicht  ist  gerade  die  Befreiung  von  der  etruskischen  Herrschaft  Anlaß 
des  Bündnisses  geworden.  Doch  war  es  nicht  nur  gegen  Etrusker  gerichtet, 
sondern  auch  gegen  andere  feindliche  Nachbarn,  vor  allem  die  Aequer  und 
Volsker,  unruhige  und  streitbare  Stämme,  die  oft  das  latinische  Gebiet  mit 
Raubzügen  heimsuchten  und  gegen  die  Eom  an  der  Spitze  der  Latiner  lange 
Krieg  zu  führen  hatte.  Die  Überlieferung  über  diese  Kriege  in  der  älteren 
Gestalt  bei  Diodor^)  läßt,  so  dürftig  sie  auch  ist,  dennoch  die  Grundzüge 
der  Ereignisse  wenigstens  in  schwachen  Umrissen  mit  genügender  Deutlich- 
keit erkennen. 

Zu  Anfang  kann  man  eine  gewisse  Überlegenheit  der  Aequer  und  Volsker 
bemerken ;  einzelne  latinische  Städte,  wie  Tuskulum,  Labici,  Velitrae,  machen 
anscheinend  mit  den  Feinden  gemeinsame  Sache;  die  Aequer  besetzen  Tus- 
kulum, die  Volsker  Vehtrae  und  vielleicht  sogar  Antium.  Von  Siegen  der 
Volsker  spricht  die  verhältnismäßig  alte  Sage  von  dem  römischen  Verbannten 
Cn.  Marcius  Coriolanus,^)  der  an  der  Spitze  eines  volskischen  Heerhaufens 
unaufhaltsam  gegen  Rom  vorrückt  und  erst  auf  Bitten  seiner  Mutter  vor 
den  Toren   umkehrt."*)    In  den  nächsten  Jahren    sind  die  Römer  durchweg 


')  Unter  Führung  des  späteren  Tyrannen  rührt  wurden.    Pais   hält  an  seiner  von 

Aristodemos  Malakos,    Plut.  mul.  virt.  2(5.  ,   Niese  abgelehnten  Hypothese    einer  „sa- 

Vgl.  Diouysios  Hai.  VII  5.    Liv.  II  14,  die  binischen    Invasion"     gegen     Mitte     des 

dasEreignis508  v.Chr.  setzen.  Fais  {Storia  5.  .Jahrh.  v.  Chr.   fest,    vgl.  seine  Rlcerche 

di  Roma  1  1.  623  flf.)    läfst    die    etruskische  sulla   storia    e  sul  diritto  pubblico  di  Roma 

Herrschaft  bis  in  die  Mitte  des  ö.  Jahrh.  I,  1915,  347  ff. 

v.  Chr.  dauern  und  danach  um  440  v.  Chr.,  i        -)  Diodor  XI  37.  40;  XII  30.  34.  64 ;  XIII 

gleichzeitig    mit     der    Eroberung    Kam-  6.  42;  XIV  10. 11.  34.    Bei  Livius  und  Dio- 

paniens  durch  die  Samniten,  eine  sabini-  |   nysios  werden  diese  auswärtigen  Kriege 

sehe  Invasion  und  Herrschaft  über  Rom  oft  mit  den  politischen  Kämpfen  der  rö- 

luid  Latium  folgen,  die  in  der  Sagenpoesie  mischen  Bürgerschaft  in  Verbindung  ge- 

durch    die   Personen    der   Sabiner   Titus  bracht.   Dies  ist  eine  spätere  Ausmalung, 

Tatius  und  Numa  Pompilius   verkörpert  von  der  sich  in  der  älteren  Überlieferung- 

worden  sei.    Pais  will  also  den  Fall  der  !   nichts  findet. 

etruskischen   Macht   in   Kampanien   und  I        ^)  Schon  Fabius  Pictor  (fr.  17)  erzählte 

Latium  gleichzeitig  setzen,  und  wirklich  I   seine  Geschichte.  Doch  sei  dazu  bemerkt, 

könnte   man    es    vielleicht    für   unwahr-  daß  der  Beiname  Coriolanus  wahrschein- 

scheinlich  halten,    daß  die  Etrusker  ihre  lieh    erst   der   späteren  Bearbeitung   der 

Herrschaft    über    Rom    verloren    hätten,  Sage  angehört.    In  der  älteren  Form  der 

ehe  sie  aus  Kampanien  vertrieben  waren.  ;   Überlieferung  pflegen  die  Cognomina  zu 

Aber  in  Wahrheit  ist  dies  sehr  wohl  mög-  i   fehlen;  erst  im  Laufe  des  2.  Jahrh.  v.Chr. 

lieh.    Die  Etrusker  waren  kein  Einheits-  j    werden   sie   häufiger   und    kommen   erst 

Staat,  sondern  bestanden  aus  lauter  selb-  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  in  amtlichen 

ständigen    Städten,    die    keineswegs   fest  ,    Gebrauch.    Mommsex,  Rom.  Forsch.  I  47. 

zusammenhielten,  und  auch  die  auswar-  Wo  also   aus  älterer  Zeit  ein  Cognomen 

tigen  Erobervuigen  waren  sicherlich  mehr  erscheint,  muß  in  der  Regel  jüngere  Uber- 

Sache  der  einzelnen  als  des  Ganzen.  Eine  1   lieferung  oder  Bearbeitung  angenommen 

größere  Macht,  wie  sie  etwa  Porsenna  ver-  i    werden. 

einigte,  konnte  leicht  wieder  auseinander-  ■*)  Angeblich  489  und  488  v.  Chr.   Corio- 

fallen,  bei   welcher  Gelegenheit  einzelne  I   lanus  wird    als  Optimat  geschildert,    der 

Unterworfene  sich  befreien  mochten,  ohne  1   die   494  v.  Chr.  durch    die    Sezession   er- 

daß   die  Etrusker   als  Ganzes  davon  be-  I   worbenen  Rechte  der  Plebs  einzuschrän- 


j.<^  Römische  Geschichte. 

siegreich;  doch  bleiben  ihre  Siege  ohne  nachhaltige  Wirkung,  auch  handelt 
es  sich  offenbar  nicht  etwa  um  große  Schlachten,  sondern  um  kleinere  Ge- 
fechte. 485  V.  Chr.  wurden  nach  den  Berichten  die  Volsker  besiegt,  im 
Jahre  danach  die  Aequer.  Berühmt  ist  die  Schlacht,  in  welcher  der  Diktator 
L.  Quinctius  (Cincinnatus)  die  Aequer  schlug  und  dadurch  ein  römisches  Heer 
aus  der  feindlichen  Umzingelung  befreite.  Die  Zeit  dieser  sagenhaften  Be- 
gebenheit kann  jedoch  nicht  verbürgt  werden.')  Es  tritt  dann  gegen  die 
Aequer  eine  Zeitlang  Ruhe  ein.  Über  die  Volsker  wurde  446  v.  Chr.  ein 
Sieg  erfochten,  und  vielleicht  steht  mit  dem  Volskerkrieg  die  Kolonie  in  Zu- 
sammenhang, die  442  v.  Chr.  2)  von  den  Römern  nach  Ardea  geschickt  wurde. 
Gegen  die  Aequer  brach  432  v.  Chr.^)  der  Krieg  wieder  aus.  Der  Diktator 
A.  Postumius  (Tubertus)  erfocht  einen  namhaften  Sieg  über  sie.  Weitere 
Erfolge  werden  aus  den  Jahren  418  und  414  v.  Chr.  berichtet;  die  Römer 
dringen  im  feindlichen  Lande  vor  und  besetzen  einzelne  Plätze.  Ebenso  l)e- 
merkt  man  gegen  die  Volsker  ein  beständiges,  wenn  auch  langsames  Fort- 
schreiten. Der  latinische  Küstenstrich  wird  gegen  die  feindlichen  Angriffe 
behauptet  und  schliefalich  durch  einen  bedeutenden  Erfolg,  die  Eroberung 
Anxurs  (406  v.  Chr.),  gesichert.  Die  Grenzstadt  Velitrae  hatte  damals  eine 
römische  Besatzung  oder  Kolonie,  die  bald  danach  (404  v.  Chr.)  verstärkt  wurde. 
Mit  ihren  etruskischen  Nachbarn  standen  die  Römer  seit  alters  in 
Berührung.  Unter  den  beiden  nächstgelegenen  etruskischen  Städten  ist 
Caere,  solange  wir  wissen,  mit  Rom  befreundet,  dagegen  die  nördliche 
Nachbarin  Veji  gehört  zu  den  regelmäßigen  Feinden.  Es  war  eine  große, 
feste  Stadt,  nicht  kleiner  als  Rom  selber.'*)  Mit  Veji  pflegt  die  nördlich 
vom  Anio  gelegene  latinische  Stadt  Fidenae^)  verbündet  zu  sein.  Schon 
Romulus  soll  beide  Städte  besiegt  haben;  die  historischen  Kämpfe  mit 
ihnen  dauern  mit  wechselndem  Erfolg  mehr  als  80  Jahre.  Berühmt  ist 
eine  Niederlage,  welche  die  Römer  477  v.  Chr.  von  den  Vejentern  am 
Flüßchen  Cremera  erlitten.  Mit  dieser  Niederlage  wird  in  der  Überliefe- 
rung ein  sagenhaftes  Ereignis  verbunden,  der  Heldentod  von  306  Fa- 
biern,  Gliedern  des  fabischen  Geschlechtes,  die  in  einen  Hinterhalt  der 
Etrusker  gefallen  sein  sollen. "5)  Aus  dem  Kampf  mit  Fidenae  sind  uns  eben- 
falls noch  einige  ältere  Nachrichten  erhalten.  Noch  zur  Zeit  des  Augustus 
gab  es  als  Trophäe  aus  diesem  Krieg  die  spolia  opiina,  die  der  römische 
Feldherr  A.  Cornelius  (Cossus)  dem  von  ihm  erschlagenen  Führer  der  Fide- 
naten  abgenommen  hatte,  vielleicht  in  seinem  Konsulat  428  v.  Chr.'^)    Aus 


ken  suchte  und  daher  in  die  Verbannung  1    Landeskunde  II  604  f. 

gehen    mußte.     Seine    Gestalt    ist     dem  ^)   Diodor  XI  53.     Liv.  II  50.     Dionys. 

Tliemistokles  nachgebildet.  Vgl.  Mommsen,  IX  19.    Ovid.  fasti  II  197.     Vgl.  E.  Pais, 

Köm.  Forschungen  I  113  f.  Storia  critica  dl  Roma  II  32,  1.    Eine  ähn- 

')  458  V.  Chr.  nach  Livius  III  26  f.    Vgl.  liehe  Begebenheit   erzählt    Livius  VII  15 

zur  Entstehung  der  Tradition  O.Hirsch-  j    (358  v.Chr.)  aus  dem  Kriege  mit  Tarquinii. 

FELD,  Kl.  Sehr.,  246  f.  j   307  römische  Gefangene  unter  einem  Fa- 

■■')  Liv.  IV  11;  Diodor  XII  34.  !    bius  sollen  damals  von  den  Tarquinien- 


3)  431  V.  Chr.  nach  Liv.  IV  26  und  den 
ftisfi  triumphaJes. 

■*)  Beim  heutigen  Isola  Farnese,  etwa 
18  km  von  Rom  entfernt. 

'")  Beim  heutigen  Castel  Giubbileo,  etwa 
8  km    von    Rom    entfernt.     Nissen,    Ital. 


sern  getötet  worden  sein.  E.  Stein,  Wiener 
Studien  38, 1916,  362  sieht  in  der  Cremera- 
katastrophe  eine  Dublette  des  letzteren 
„wahrscheinlich  historischen  Vorfalls". 

')  Liv.  IV  20.    Festus   p.  189  M.    Nach 
anderer  Version  (Propert.  V  10,  23)  wur- 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanera.    (§  9.)        49 

dem  Jahre  426  v.  Chr.  wird  von  einer  unentschiedenen  Schlacht  vor  den 
Mauern  von  Fidenae  berichtet;^)  später,  zu  unbestimmter  Zeit,  muß  die  Stadt 
erobert  und  zerstört  worden  sein.  2)  Gegen  Ende  des  Jahrhunderts  erhalten 
wir  genauere  Kunde.  Es  brach  ein  langer,  elfjähriger  Krieg  zwischen  Veji 
und  Rom  aus  (406 — 396  v.Chr.);  3)  zuletzt  wurde  Veji  nach  längerer,  wechsel- 
voller Belagerung  von  dem  Konsul  M.  Furius  (Camillus)  durch  einen  Minen- 
gang erobert  und  zerstört.  Die  Bewohner  der  eroberten  Stadt  wurden  ver- 
kauft, das  Gebiet  eingezogen,  um  bald  danach  an  römische  Bürger  und 
Latiner  aufgeteilt  zu  werden.*)  Das  war  eine  bedeutende  Erweiterung  des 
römischen  Gebiets,  die  sich  bald  den  Nachbarn  fühlbar  machte.  Schon  395 
V.  Chr.  kam  es  zum  Krieg  mit  den  Faliskern,  der  im  nächsten  Jahre  durch 
einen  Frieden  beendet  wurde,-'')  vielleicht  weil  die  Aequer  und  Volsker  da- 
mals sich  von  neuem  rührten.  Gegen  die  Aequer  wurde  394 — 392  v.  Chr. 
mit  Glück  Krieg  geführt,  der  letzte  und  entscheidende  Sieg  (392  v.  Chr.) 
in  Rom  durch  Spiele  gefeiert.'')  Inzwischen  waren  393  v.  Chr.  Velitrae  und 
Satricum  zu  den  Volskern  abgefallen,  obwohl  jenes  noch  kurz  vorher 
von  neuem  mit  römischen  Kolonisten  beschickt  worden  war.  Die  Römer 
sandten  damals  (393  v.  Chr.)  eine  Kolonie  nach  Circeji  und  scheinen  die 
abgefallenen  Städte  bald  wieder  erobert  zu  haben,  wenn  auch  die  Annalen 
nichts  darüber  berichten.^)  In  Etrurien  kam  es,  im  Verfolg  des  Sieges  über 
Veji,  im  Jahre  391  v.  Chr.  zu  einem  Krieg  mit  Volsinii,^)  in  dem  die  Volsiniten 
eine  Niederlage  erlitten.    Immer  weiter  dringen  die  Römer  in  Etrurien  vor. 

Über  Coriolanus:  Mommsen,  Rom.  Forsch.  II  11.3  ff.  —  Die  Fabier  an  der  Cremera: 
O.  Richter,  Hermes  17,  425.  Der  Fidenatenkrieg:  Mommsen,  Rom.  Forsch.  II  231  ff. 
Niese,  Hermes  13,  412.  —  Beaufort,  Sur  rhicertitnde,  50. 

9.  Rom  und  die  Gallier.  Quellen.  Die  gallische  Katastrophe  gewinnt  da- 
durch ein  besonderes  Interesse,  dafs  sie  zu  denjenigen  Stücken  der  älteren  Geschichte 
gehört,  die  verhältnismäßig  frühzeitig  eine  ausführlichere  Behandlung  erfahren  haben. 
Der  älteste,  kurze  Bericht  ist  der  des  Polybios  (16.  II  18.  22,  4  f.).  Ihm  am  näch- 
sten kommt  die  Erzählung  Diodors  (XIV  113  f.),  die  schon  manche  Spuren  poeti- 
scher wie  antiquarischer  Bearbeitung  aufweist.  Bezeichnend  ist,  daß  danach  Camillus 
den  Galliern  das  erbeutete  Gold  später  wieder  abnimmt.*^)  Die  dritte  Stufe  der  Über- 
lieferung ist  erhalten  bei  Livius  (V  32  f.),  Plutarch  (Camill.  13  f.)  und  den  Ex- 
zerpten aus  Dionysios,  Appian  und  CassiusDio.  Diesen  späteren  Bearbeitungen 
liegt  im  wesentlichen  die  Erzählung  in  der  Gestalt,  wie  sie  Diodor  gibt,  zugrunde, 
ist  jedoch  bei  ihnen  durch  stärkeren  Chauvinismus  und  durch  allerlei  Beiwerk  entstellt. 


den   die  Spolien  vor  Veji  dem  Vejenter-    ;  sollten.    Cicero   Phil.  9   §  4.     Liv.  IV  17. 

könig  Lars  Tolumnius  abgewonnen.  Über    j  Schweglee,  Rom.  Gesch.  III  196. 

die  Inschrift  auf  der  erbeuteten  Rüstung   '  ^)  Die  späteren  Annalen  haben  den  Krieg 

vgl.  E.  Pais,  Storia  critica  di  Roma  II  308  f.    ■  nach    dem  Vorbild  des    trojanischen    auf 

559,    O.  Hirschfeld,    Kl.  Sehr.  398  f.,    E.    ;  zehn  Jahre    eingeschränkt   und   zugleich 

Täubler,    Untersuchgg.    zur    Gesch.    des  aus   der  trojanischen  Sage   verschiedene 

Decenivirats  und  der  Zwölftafeln,  Bei'lin  Züge  eingefügt.    Schwegler,  Rom.  Gesch. 

1921,  133  ff.  III  209.  217. 

1)  Diodor  XII  80.  ')  Diodor  XIV  16.  43.  93.  102. 

"-)  Macrob.  III  9,.  13.    Ein  Denkmal  aus  ^)  Diodor  XIV  96.  98. 

dem  Krieg  mit  Fidenae  waren  auf  dem  rö-    [  ^)  Diodor  XIV  98.  102.  106. 

mischen  Forum  die  Statuen  von  vier  römi-   j  ')  Diodor  XIV  34.  102. 

sehen  Gesandten,  die  von  den  Fidenaten    j  ^)  Das  heutige  Orvieto. 

oder  nach  anderer  Version  vom  Vejenter    J  ^)  Was  bei  Strabo  V  220   den  Caeriten 

Lars  Tolumnius  in  Fidenae  ermordet  sein    ;  zugeschrieben  wird. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    III,  5.  5.  Aufl.                                                          4 


50  Römische  Geschichte. 

In  solcher  Ausbreitung  ihrer  Macht  wurden  die  Römer  (und  wahrschein- 
lich auch  die  Latiner)  unvermutet  von  den  Kelten,  oder  wie  die  Römer 
die  Eindringlinge  nannten,  den  Galliern  heimgesucht.  Dieses  mächtige,  viel- 
köpfige Volk  bewohnte  damals  einen  großen  Teil  von  Nord-  und  West- 
europa; nördlich  von  den  Alpen  waren  die  Donaulandschaften,  das  heutige 
Süddeutschland  bis  zum  Thüringerwald  in  ihrem  Besitz.  Sie  waren  tief  in 
die  Alpen  eingedrungen,  dann  über  die  Alpen  gezogen  und  hatten  die  Po- 
ebene  besetzt.  Herodot,  der  in  den  ersten  Jahren  des  peloponnesischen 
Krieges  schrieb,  kennt  sie  dort  noch  nicht;  erst  im  Periplus  des  sog.  Skylax 
(c.  18)  erscheinen  sie  an  der  Küste,  neben  ihnen  aber  noch  die  Etrusker. 
Gegen  Ende  des  5.  Jahrhunderts  v.  Chr.  scheint  sich  also  das  Ereignis  voll- 
zogen zu  haben. 

Die  vulgäre,  aber  jüngere  und  durchaus  mythische  Erzählung^)  läßt 
die  Kelten  aus  ihrem  späteren  Hauptsitz  Gallien  von  Nordwesten  her  über 
die  kottischen  oder  grajischen  Alpen  in  Italien  einwandern,  und  dies  ist 
noch  heute  eine  weitverbreitete  Ansicht.^)  Aber  nach  der  älteren  Über- 
lieferung 3)  waren  die  Kelten  schon  früher  mit  den  Etruskern  in  Berührung 
gekommen,  überfielen  sie  plötzlich,  verjagten  und  unterwarfen  sie  und  ließen 
sich  zu  beiden  Seiten  des  Po  nieder.  Diese  Nachricht  macht  es  wahrschein- 
lich, daß  sie  von  Norden  her  aus  dem  Donaugebiet  in  Italien  einbrachen; 
denn  die  Berührung  muß  im  Etschtal  und  in  der  Richtung  des  Brenner 
erfolgt  sein,  wo  die  Etrusker  noch  hoch  hinauf  wohnten.  Nicht  allein  die 
Etrusker  wurden  nun  bis  auf  einige  Reste  allmählich  verdrängt,  auch  die  Um- 
brer  mußten  das  adriatische  Küstenland  räumen.  Die  Gallier  besetzten  das 
gewonnene  Land  bis  Ancona  und  darüber  hinaus  und  machten  sich  auch 
die  Nachbarn  Untertan.  Zugleich  wurden  die  Ligurer  zurückgedrängt,  so 
daß  die  Kelten  nunmehr  den  größten  Teil  der  oberitalischen  Ebenen  ein- 
nahmen; nur  die  Veneter  behaupteten  sich  in  ihrem  Lande.  Es  waren  acht 
gallische  Stämme,  die  einwanderten;  am  linken,  nördlichen  Ufer  des  Po 
waren  die  Insubrer  (um  Mailand)  und  östlich  von  diesen  die  Cenomanen 
(oder  Genomanen),^)  am  rechten  die  Bojer  und  Senonen  die  namhaftesten, 
die  Bojer  in  der  heutigen  Romagna  und  Emilia,  die  Senonen  weiter  süd- 
wärts bis  Ancona.  In  weitem  Umkreis  setzten  sie  den  Nachbarn,  zunächst 
den  Etruskern,  zu  und  schon  die  früheren  Etruskerkriege  der  Römer  mögen 
durch  den  gleichzeitigen  Druck  der  Gallier  erleichtert  worden  sein.^)  Doch 
auch  nach  dem  übrigen  Italien,  bis  nach  Apulien  hinein  erstreckten  sich 
die    gallischen  Beutezüge.    Der   kriegerische  Ruhm    der  Gallier   verbreitete 


')  Livius  V  31.   Dionys.  XIII  10  f.    Plut.  Genumana  salicfa  sagt  der  Dichter  Cinna 

Cam.  15.    Vgl.  Niese,  Zeitschr.  f.  deutsch.  '    bei  Gellius  NA  XIX  13,  5. 

Altertum  42  (1898)  129  ff.    Die  liviauische  ■')  Nach  Corn.  Nepos  bei  Plin.  h.  n.  III 125 

Erzählung    geht    von    den    späteren    Zu-  wurde  in  Oberitalien  die  Stadt  Melpum 

ständen  aus  und  ist  erst  nach  der  Erobe-  I    (unbekannter  Lage)    von   den  Insubrern, 

rung  Galliens   durch  Caesar  entstanden.  |   Bojern  und  Senonen  an  dem  nämlichen 

2)  Auch  Camille  Jüllian,  Histoire  de  la  Tage    zerstört,     an    dem    Camillus    Yeji 

Gaule  I  289  folgt  ihr.  |    eroberte,  also  396  v.  Chr.   Eine  sagenhafte 

5)  Polyb.  II  17.     Diodor   (XIV  113)    ist  j   Nachricht,    die    Niebuhr    (Rom.  Gesch.  II 

neutral;  vgl.  Justin  XX  5.  580  ff.)  und  seine  Nachfolger  zu  Unrecht 

*)  Fwofiävoi   bei    Polyb.  II  17,  4.    23,  2.  zur   Grundlage    chronologischer   Berech- 

24,  7.   32,  4.     revofiävoi   bei   Strabo  V  216.  |   nung  machten. 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§  9.)        51 


sich  und  sie  waren  als  Söldner  geschätzt.  So  nahm  Dionysios  I  von  Syrakus 
Gallier  in  Dienst,  um  sie  368  und  367  v.  Chr.  den  Sj)artanern  nach  Griechen- 
land zu  Hilfe  zu  senden;  bei  dieser  Gelegenheit  machten  die  Hellenen  mit 
ihnen  Bekanntschaft. ') 

Im  Jahr  390  v.  Chr.  (nach  späterer  römischer  Rechnung)  kam  ein  galli- 
scher Schwärm  über  den  Appennin  nach  Etrurien,  wo  erClusium  belagerte.^) 
Es  wird  erzählt,  daß  eine  römische  Gesandtschaft,  die  sich  dorthin  begab, 
um  die"  ungebetenen  Gäste  in  Augenschein  zu  nehmen,  sich  verleiten  ließ, 
wider  das  Völkerrecht  am  Kampf  teilzunehmen.  Da  die  Auslieferung  der 
Schuldigen  verweigert  wurde,  wandten  sich  die  Kelten  gegen  Rom.  Die 
Römer  rückten  ihnen  mit  ihren  Bundesgenossen  entgegen,  erlitten  aber  eine 
schwere  Niederlage. 3)  Trümmer  des  Heeres  retteten  sich  nach  Veji,  Rom 
selbst  wurde  preisgegeben  vmd  drei  Tage  nach  der  Schlacht  ohne  Gegen- 
wehr von  den  Galliern  genommen,  woraus  sich  schließen  läßt,  daß  die  Stadt 
damals  noch  keinen  festen  Mauerring  besaß;  nur  das  Kapitol  ließ  sich  be- 
haupten. Die  Einwohner  hatten  sich  in  die  Nachbarstädte  zerstreut,  in  Caere 
barg  man  die  wertvollsten  Heiligtümer,'^)  während  Rom  größtenteils  von 
den  Eindringlingen  durch  Feuer  zerstört  wurde.  Sieben  Monate^)  hielten 
die  Gallier  die  Stadt  besetzt  und  belagerten  das  Kapitol;  dann  schlössen 
sie  mit  den  Belagerten  einen  Vertrag  und  zogen  gegen  Zahlung  von  tausend 
Pfund  Gold  *^)  wieder  ab.  Es  war  nach  Polybios ')  ein  Angriff  der  Veneter, 
der  sie  in  die  Heimat  zurückrief. 

Diese  Eroberung  Roms  durch  die  Gallier  erregte  die  Aufmerksamkeit  auch 
der  griechischen  Welt.  Theopomp  erwähnte  das  Ereignis,  ebenso  Aristoteles 
und  Herakleides ;  s)  diesem  Interesse  verdanken  wir  wahrscheinlich  die  Mög- 


1)  Xenophon  Hellen. VII 1, 20. 31.  Justin. 
XX5;  vgl.  Aristoteles  eth.Nicom.  p.  1115b 
27.  eth.  Eudem.  p.  1229b  28. 

'■')  Über  die  Herkunft  dieser  Kelten  ist 
nichts  bekannt,  der  Stamm  wird  nicht 
bezeichnet.  Nach  Polyb.  II  22,  3  müssen 
es  Transalpiner  gewesen  sein,  also  nicht 
Angehörige  der  in  Oberitalien  schon  an- 
sässigen Stämme,  sondern  wanderndes 
Kriegsvolk.  Vgl.  Diodor  V  32,  5.  Nach 
den  späteren  Berichten  hätte  es  sich  um 
Senonen  gehandelt  (Diodor XV 1 13,  3.  Liv. 
V  35,  3.  Strabo  V  212.  Plin.  h.  n.  III 116. 
Tac.  ann.  XV  41). 

^)  Nach  der  später  eingebürgerten,  von 
Livius  u.  a.  vertretenen  Tradition  fand 
die  Schlacht  an  der  Allia  statt,  also  nörd- 
lich von  Fidenae  auf  dem  linken  Ufer  des 
Tiber,  in  den  die  Allia  mündet.  Dagegen 
suchte  MoMMSEN  (Rom.  Forschungen  II 
310  ff.)  zu  erweisen,  daß  nach  dem  älteren 
bei  Diodor  XIV  114  zugrunde  liegenden 
Bericht  die  Schlacht  auf  dem  rechten 
Tiberufer,  also  gegenüber  der  Mündung 
der  Allia  in  den  Tiber  geschlagen  sei. 
Allerdings  sei  Diodors  Darstellung  zwie- 
spältig, insofern  ihr  erster  Teil  auf  das 
rechte,  ihr  zweiter  auf  das  linke  Ufer 
führe.    Indes   hat    R.  Laqueuk,    Philolog. 


Wochenschr.  1921,  861  ff.,  einer  scharfen 
Interpretation  des  Wortlauts  bei  Diodor 
die  Erkenntnis  abgewonnen,  daß  dort 
durchgehends  das  rechte  Flußufer  gemeint 
ist.  Dadurch  ist  der  A^ersuch  von  J.  Kro- 
MAYER.  Abh.  der  Sachs.  Akad.  der  Wiss. 
34,  5,  1921,  28  ff.,  das  Schlachtfeld  auf  dem 
linken  Tiberufer  topographisch  zu  be- 
stimmen, hinfällig  geworden.  Es  ist  viel- 
mehr auf  dem  rechten  Ufer  zu  suchen,  für 
das  sich  schon  Chr.  Hülsen  u.  P.  Lindner, 
Die  Alliaschlacht,  Rom  1890,  sowie  Ed. 
Meyer  im  Apophoreton  zur  47.  Philol.- 
Vers.  1903,  137  ff.  erklärt  hatten.  A.ls  Da.- 
tum,  als  dies  ÄJliensis,  gilt  der  18.  Juli, 
ein  Unglückstag  {dies  religiosus)  des  römi- 
schen Kalenders.  Der  Name  des  Führers, 
Brennus,  ist  sekundär  und  einfach  der 
Erzählung  vom  Angriff  der  Gallier  auf 
Delphi  (279  v.  Chr.)  "entlehnt. 

■«)  Strabo  V  220.  Valer.  Max.  1 1, 10.  Gel- 
lius  XVI  13,  7.  Nach  Strabo  werden  die 
abziehenden  Gallier  von  den  Caeriten  ge- 
schlagen. 

=)  Polyb.  II  22,  5. 

«)  Diodor  XIV  116,  7. 

')  II  18,  3. 

s)  Plut.  Cam.  22.    Plin.  h.  n.  III  57. 


4* 


g2  Römische  Geschichte. 

lichkeit,  den  Gallierbrand  nach  einem  Ereignis  der  griecliisclien  Geschichte  zu 
datieren.  Polybios  setzt  ihn  in  das  Jahr  des  antalkidischen  Friedens  387/6 
V.  Chr.  (OL  98,  2),  ebenso  Diodor,  und  dieselbe  Überlieferung  findet  sich  in 
einer  anderen  griechischen  Chronik. i)  Es  ist  also  das  Datum  der  griechischen 
Chronographien,  das  für  uns  als  das  wahre,  auf  annähernd  gleichzeitiger  Über- 
lieferung beruhende  zu  gelten  hat  und  dadurch  besonders  wichtig  ist,  daß 
es  die  Fehler  der  herkömmlichen  römischen  Chronologie  kennen  lehrt,  in 
der  das  Ereignis  auf  390  v.  Chr.  (=  364  der  Stadt)  fällt.  Abweichend  setzte 
Niebuhr  die  Eroberung  Roms  ins  Jahr  382  v.Chr.  und  mit  ihm  wesentlich 
übereinstimmend  G.  F.  Unger  und  neuerdings  Ed.  Meyer.  Aber  diese  An- 
sicht beruht  auf  fehlerhaften  Schlüssen,  denen  das  überlieferte  Datum  (387/6 
V.  Chr.)  weit  vorzuziehen  ist.  2) 

Der  gallische  Angriff  hat  sich  zunächst  nicht  erneuert.  Die  oberitalischen 
Gallier  waren  mit  anderen  Dingen  beschäftigt-'^)  und  hatten  sich  namentlich 
ihrer  eigenen  nördlichen  Stammesgenossen  zu  erwehren,  die,  in  mannig- 
facher Bewegung  begriffen,  ihnen  dasselbe  Schicksal  zu  bereiten  drohten, 
das  sie  den  Etruskern  bereitet  hatten.  So  gaben  sie  den  Römern  Zeit,  sich 
zu  sammeln  und  besser  zu  rüsten. 

ScHWEGLER  III  324  ff.  —  NiEBUHR  II  575  ft'.  —  L.  CoNTZEX,  Die  Wanderungen  der 
Kelten,  Leipzig  1861.  —  Unger  in  den  Sitzungsberichten  der  k.  bayerischen  Aka- 
demie, philos.-philolog.-hist.  Klasse  1875,  5-31  ff.  —  Hermes  XIV,  1879,  77  ff.  —  Mommsen, 
Rom.  Forsch.  II  297  ff.  —  Niese,  Hermes  XIII,  1878,  401  ff.  —  Thouket.  Supplement- 
baud  d.  N.  Jahrb.  für  Phil.  (1880)  XI  93  ff.  —  Matzat,  Köm.  Chronologie  I  82  ff.  —  Ed. 
Meyer,  Gesch.  des  Altertums  V  151.  —  E.  Pais,  Storia  critica  di  Roma  III  35  ff.  377  ff. 

10.  Die  gallische  Katastrophe  war  ein  Sturm,  der  rasch  vorüberbrauste. 
Gewiß  bedurfte  es  einiger  Zeit,  bis  die  Stadt  wiederhergestellt  war;  aber 
dauernden  Abbruch  hat  der  Zwischenfall  der  römischen  Macht  nicht  getan. 
Im  Gegenteil;  das  Unglück  wirkte  erzieherisch,  indem  es  die  Römer  veran- 
lagte, ihre  Kraft  straffer  zusammenzufassen.    Die  Stadt  wurde  also  in  Eile 


')  Polyb.  16.   Diodor  XIV  110.  O.Jahn,  beiden  Dionyse  auch  Italien  zu  berühren 

Griech.  Bilderchroniken   S.  77,     IG  XIV  Gelegenheit  hatte   und  wirklich   berührt 

nr.  1294.  hat.    Die  sizilisohen  Tyrannen  hatten  mit 

'^)  Dionys.  Halic.  I  74  setzt  den  Zug  den  Italikern  wie  mit  den  Galliern  man- 
{ecpodng)  der  Kelten,  bei  dem  Eom  erobert  cherlei  Beziehungen,  und  so  mag  die  Nach- 
wurde, auf  Ol.  98,  1  =  388/7  v.  Chr.  Dies  rieht  von  Roms  Fall  durch  Philistos  in  die 
Datum  bezieht  Niebohr  auf  das  Einrücken  Litei-atur  gekommen  sein.  Dazu  stimmt, 
der  Gallier  in  Oberitalien,  das  er  nach  dafs  bei  Polybios  wie  bei  Diodor  die  Kata- 
der oben  S.  50  Anm.  5  erwähnten  Nach-  strophe  mit  einem  Ereignis  aus  der  Ge- 
richt des  Corn.Nepos  gleichzeitig  mit  Vejis  schichte  des  Dionysios,  der  Belagerung 
Eroberung  setzt.  Da  nun  Veji  6  Jahre  vor  Rhegions,  gleichzeitig  gesetzt  wird.  —  Die 
Roms  Eroberung  fiel,  so  würde  also  die  Niebuhrsche  Rechnung  rückt  überdies  den 
wahre  Zeit  des  Gallierbrands  382  v.  Chr.  Zug  gegen  Rom  viel  zu  nahe  an  das  Ein- 
sein. Aber  Dionj^s  meint  mit  seinem  Da-  dringen  der  Kelten  in  Oberitalien  heran, 
tum  die  Ei'oberung  Roms  selbst,  nichts  Aus  Polybios  II  17  f.,  der  allein  in  Be- 
anderes. Auch  die  übrigen  Glieder  dieser  tracht  kommt  und  einen  wirklichen,  wenn 
Rechnung  sind  sehr  unsicher;  vor  allem  auch  kurzen  Bericht  gibt,  geht  deutlich 
die  Nachricht  des  Nepos  über  den  Fall  hervor,  dafs  die  Gallier  zuerst  Oberitalien 
Melpums  ist  chronologisch  ganz  unbrauch-  erobei'ten,  sich  in  acht  Stämmen  nieder- 
bar. Hingegen  das  chronographische,  auch  ließen  und  ausbreiteten,  was  nicht  in 
von  Polybios  wiedergegebene  Datum  be-  Kürze  geschehen  sein  kann,  sondern  eine 
ruht  wahrscheinlich  auf  gleichzeitiger  Reihe  von  Jahren  erfordert  haben  muß. 
Überlieferung  und  kann  am  ehesten  auf  Erst  dann  erfolgte  der  Zug  gegen  Rom. 
Philistos  zurückgeführt  werden,  von  dem  ^)  Kriege  mit  Etruskern  und  Umbreru 
wir  wissen,  daß  er  in  der  Geschichte  der  erwähnt  Strabo  V  216. 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§  10.)        53 


wiefler  aufgebaut  i)  und  jetzt  auch  befestigt.  Das  Übergewicht  Roms  über 
die  Latiner  wurde  erneuert.  Es  gelang  Rom  nicht  nur  sich  zu  behaupten, 
sondern  auch  sich  auszudehnen.  2)  Gewiß  werden  auch  die  Nachbarn  von 
dem  galhschen  Raubzug  in  Mitleidenschaft  gezogen  worden  sein,  und  die 
Gefahr  mag  manchen  bewogen  haben,  sich  an  Rom  einen  Rückhalt  zu 
suchen.  Andererseits  hielten  auch  die  Feinde  Roms  ihre  Stunde  für  ge- 
kommen. So  fielen  gleich  nach  dem  Gallierbrand,  nach  der  älteren  Er- 
zählung sogar  noch  im  nämlichen  Jahr,  Aequer,  Volsker  und  Etrusker  in 
römisches  Gebiet  ein,  wurden  jedoch  von  M.  Furius  (Camillus)  geschlagen, 
die  Volsker  bei  Markion,  die  Aecjuer  bei  Bola,  die  Etrusker  bei  Sutrium.^) 
Die  nächsten  Jahre  brachten  die  Fortsetzung  der  Kämjjfe  gegen  die  Volsker, 
die  schließlich  so  geschwächt  wurden,  dafa  sie  als  politischer  Faktor  nicht 
mehr  zählten;  viel  Gebiet,  besonders  das  pomptinische  Gefilde,  muß  ihnen 
abgenommen  worden  sein.  Für  die  Römer  war  es  von  Wichtigkeit,  daß 
sie  die  Früchte  ihrer  früheren  etruskischen  Siege  nunmehr  bergen  konnten. 
Bald  nach  Abzug  der  Gallier  wurde  der  südetruskische  Boden  völlig  ein- 
verleibt, die  erste  namhafte  Erweiterung  des  römischen  Territoriums.  Im 
Jahr  387  v.  Chr.  wurden  dort  vier  neue  Tribus  eingerichtet,  Stellatina,  Tro- 
mentina,  Sabatina  und  Arnensis  mit  Namen,  und  383  v.  Chr.  wurde  die 
latinische  Kolonie  Sutrium  angelegt,  zehn  Jahre  darauf  Nepet.'^)  Auf  vols- 
kischem  Boden  wurden  um  diese  Zeit  Satricum  (385  v.  Chr.)  und  Setia  (382) 
gegründet  und  römische  Bürger  mit  Landbesitz  ausgestattet,  so  daß  dann 
(358  V.  Chr.)  zwei  neue  Tribus,  Publilia  und  Pomptina,  nötig  wurden.  Auch 
in  Latium  kam  es  zu  kriegerischen  Verwicklungen,^)  über  die  aber  nichts 
Näheres  bekannt  ist.'')  Eine  Erhebung  aller  Lcitiner  hat  schwerlich  statt- 
gefunden; wenn  die  jüngere  Überlieferung  Vertrauen  verdient,  ist  eine  der 
ansehnlichsten  latinischen  Städte,  Tusculum,  schon  380  v.  Chr.  in  die  rö- 
mische Bürgerschaft    aufgegangen.'')     Gut    bezeugt    ist  ein  Sieg   der  Römer 


')  Nach  Livius  V  50,  8  hätten  die  Volks- 
tribunen für  die  Preisgabe  Eoms  und  die 
Übersiedelung  nach  Veji  agitiert,  wogegen 
sich  Camillus  in  einer  Rede  (V  51 — 54) 
wendet,  welche  die  Unersetzliehkeit  Roms 
verficht.  Livius  bekämpft  hiei",  wie  Horaz 
carm.  III.  3,  den  dein  Caesar  zugeschrie- 
benen Plan  einer  Verlegung  der  Haupt- 
stadt, einer  Dekapitalisierung  Roms.  Vgl. 
WiLAMOwiTz  bei  MoMMSEN,  Reden  u.  Aufs. 
175  f.  Über  den  Aufbau  vgl.  Diodor  XIV 
116,  8,  der  von  der  beabsichtigten  Um- 
siedlung nichts  weif3. 

2)  Eine  zwar  sehr  kurze,  aber  beachtens- 
werte Übersicht  über  die  folgenden  Er- 
eignisse gibt  Polybios  I  6. 

3)  Diodor  XIV  117,  wo  ohne  Zweifel  die 
Ereignisse  aus  einer  Reihe  von  Jahren 
zusammengestellt  sind.  In  der  Tat  ver- 
teilt Livius  diese  Kriege,  die  er  noch  vex*- 
mehrt,  auf  389 — 386  v.  Chr.  Das  ist  aber 
sicherlich  eine  nachträgliche  Bearbeitung 
der  älteren  diodorischen  Fassung,  die  auch 
hier  die  ursjirüngliche,  wenn  auch  fehler- 
hafte Überlieferuns'  wiedergibt. 


'')  Velleius  I  14,  2.  Sutrium  wird  frei- 
lich bei  Diodor  XIV  117, 4  schon  390  v.  Chr. 
als  Kolonie  vorausgesetzt.  Unter  386  v.Chr. 
erwähnt  Diodor  XV  27  die  Entsendung 
von  500  Kolonisten  nach  Sardonia.  In 
diesem  Namen  steckt  vielleicht  Sutrium. 
Andere  haben,  jedoch  mit  Unrecht,  an 
die  Insel  Sardinien  gedacht.  Nepets  Grün- 
dung wird  von  Liv.  VI  21,  4  schon  383 
V.  Chi",  erwähnt,  wie  denn  überhaupt  die 
Daten  der  Koloniegründungen  vielfach 
schwanken. 

5)  Polyb.  I  6.  3. 

«)  0.  Seeck,  Rhein.  Mus.  37,  1882,  15  fp. 
glaubt  bei  Cato  fr.  58  vmd  im  Verzeichnis 
der  latinischen  Städte  bei  Plinius  h.  n.III 
68  f.  Spuren  eines  gegen  Rom  gerichteten 
latinischen  Gegenbundes  aus  dieser  Zeit 
zu  erkennen.  Aber  die  Spuren  sind  zu 
schwach. 

')  Liv.  VI  26.  Die  Erzählung  ist  frei- 
lich recht  verdächtig,  und  vielleicht  ist 
Tusculum  erst  338  v.  Chr.  mit  Rom  ver- 
einigt worden. 


54  Römische  Geschichte. 

über  die  Praenestiner  für  das  Jahr  382  v.  Chr.;  da  nun  zum  Jahr  354  v.  Clir. 
eine  Waffenruhe  mit  Praeneste  verzeichnet  wird,  so  muß  der  Krieg  längere 
Zeit  gedauert  haben  oder  aber  wiederholt  worden  sein.^)  Inzwischen  waren 
860  V.  Chr.  die  Gallier  wieder  mit  einem  Heer  bei  Alba  erschienen ;  die 
unvorbereiteten  Römer  wagten  damals  nicht,  sie  anzugreifen.  Vielleicht  hat 
eben  diese  Gefahr  zur  Ordnung  der  latinischen  Verhältnisse  beigetragen; 
denn  358  v.  Chr.  soll  der  latinische  Bund  erneuert  worden  sein,  und  nach 
dem  Waffenstillstand  mit  Praeneste  scheint  in  Latium  die  Ruhe  wiederher- 
gestellt.-) Den  latinischen  Unruhen  folgte  sodann  ein  neuer  Krieg  gegen 
Falisker  und  Etrusker  (357 — 354  v.  Chr.)  ohne  größere  Unternehmungen 
und  nicht  ohne  Niederlagen  der  Römer. ^)  Auch  das  benachbarte  und  sonst 
befreundete  Caere  soll  sich  auf  kurze  Zeit  an  diesem  Krieg  beteiligt  haben."*) 
In  diesen  Etruskerkrieg  darf  man  vielleicht  das  von  Theophrast^)  erwähnte 
erste  Seeunternehmen  der  Römer  setzen;  sie  fuhren  mit  25  Schiffen  nach 
der  in  etruskischem  Besitz  befindlichen  Insel  Korsika,  wo  sie  eine  Stadt  zu 
gründen  versuchten.  Den  etruskischen  Krieg  beendete  im  Jahr  351  v.  Chr. 
eine  Waffenruhe  mit  Falerii  und  Tarquinii;  Falerii  trat  bald  danach  (343 
V.  Chr.)  in  die  römische  Bundesgenossenschaft  ein.*^) 

Ein  sehr  wichtiges  Ereignis  ist  das  kurz  vorher  (354  v.  Chr.)  mit  den 
Samnitern  ')  geschlossene  Bündnis,  das  vielleicht  zunächst  gegen  die  Gallier 
gerichtet  war,  unter  denen  auch  die  Samniter  gelitten  haben  müssen.  Aber 
auch  in  anderer  Hinsicht  scheint  es  bedeutende  Wirkungen  gehabt  zu  haben. 
Die  Samniter  waren  damals  der  mächtigste  Stamm  im  südlichen  Italien,  ein 
kriegerisches  Volk,  von  dem  die  Römer  manches  gelernt  liaben,^)  mit  dem 
sie  vieles  gemeinsam  hatten.  Die  beiden  mächtigen  Völker  erhielten  durch 
ihre  Verbindung  ein  entschiedenes  Übergewicht  über  alle  Nachbarn. 

Als  die  Gallier  im  Jahr  348  v.  Chr.  9)  aufs  neue  anrückten,  gingen  ihnen 
die  Römer  mit  ihren  Bundesgenossen,  darunter  vielleicht  auch  Samniter, 
wohlgerüstet  entgegen,  und  die  Gallier,  auch  unter  sich  uneins,  zogen  in 
fluchtähnlicher   Eile    ab.     Das    war    ein    großer  Erfolg,    der   vielleicht    auch 


')  Diodor  XV  47.   XVI  45,  8.    Auf  den  canum    hrsg.   von   H.   v.   Arnim,    Hermes 
Krieg  mit  Praeneste  bezog  man  ein  später  XXVII,    1892,    121,    jetzt    auch   in   A.  B. 
noch  erhaltenes  Denkmal,  eine  vom  Dik-  Dkachmanns  Ausg.  von  Diodors  röm.  An- 
tator  T.  Quinctius  von  den  Praenestinern  nalen,  Bonn  1012,  S.  69,  Z.  17  flf. 
erbeutete  Statue  des  Juppiter  Imperator.  ^)  Die  Zeit  nach  Polyb.  II 18,  7.  Dagegen 
Liv.  VI  29,  9.  Livius  VII  25  setzt  diesen  gallischen  An- 
2)  Liv.  VI  12,  7.  griff  ein  .Jahr  früher.   Er  und  andere  Au- 
')  Diodor  XVI  31.  36.  45.    Liv.VII16f.  toren   verbinden   damit   den    siegreichen 
•*)  Was  Livius  VII  20  darüber  erzählt,  Zweikampf  des  A^alerius  Corvus(Corvinus) 
ist  aus  verschiedenen  Gründen  verdächtig  mit  dem  Gallier  (vgl.  Gellius  IX  11).  Uber- 
und  ist  wohl  bestimmt,  die  spätere  Ver-  haupt    sind    diese  gallischen  Kriege   von 
gewaltigungCaeres  zu  entschuldigen.  Vgl.  der    späteren    Annalistik    vielfältig    ver- 
Cass.  Dio  fr.  33,  Bd.  I  138  ed.  Boissevain;  mehrt  und  ausgeschmückt  worden,    und 
Strabo  V  220  und  unten  S.  82.  nicht   nur    unter  360,    sondern   auch  361 
'■')  Hist.  plant.V8,  2  {angeblich  geschrie-  und  867  v.  Chr.  werden  Gallierkriege  er- 
ben 31413  V.  Chr.).  wähnt,  361  v.  Chr.  erzählt  Livius  den  Zwei- 
^)  Liv.  VII  22.  38.  kämpf   eines    anderen    Römers.    Manlius 
')  Welche  Teile  der  Samniter  damit  ge-    !   Torquatus,  den  andere  367  v.  Chr.  setzen, 
meint  sind,  können  wir  nicht  sagen.           j    vgl.  Liv.  VI  42.  VII  9.  Gellius  IX  13.  Cass. 
**)  z.  B.   sollen    die   Römer   die  Organi-  Dio  fr.  31.  Zonaras  VII  24  und  Niese,  Her- 
sation ihrer  Reiterei  von  den  Samnitern  mes  XIII,  1878,  401  f, 
entlehnt  haben.    Vgl.  das  Ineditum   Vati-   \ 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§  10.)        55 

in  Hellas  Beachtung  fand.')  Die  Gallier  hielten  jetzt  längere  Zeit  Ruhe 
und  schlössen  334  v.  Chr.  mit  den  Römern  einen  förmlichen  Frieden  ab. 
Zwischen  ihnen  und  den  Römern  wurden  friedlicher  Verkehr  und  freund- 
liche Beziehungen  angebahnt.  Auch  von  den  Galliern  haben  sich  die  Römer, 
vornehmlich  auf  dem  Gebiet  des  Kriegswesens,  mancherlei  angeeignet. 

In  dasselbe  Jahr  mit  dem  ersten  gallischen  Erfolg  (348  v,  Chr.)  fallt  der 
erste  von  den  Annalen  erwähnte  Handelsvertrag  der  Römer  mit  Karthago.  2) 
Er  zeugt  von  der  Ausbreitung  des  römischen  und  latinischen  Handels.  Die 
Waldungen  besonders  bei  Circeji,  die  weithin  berühmt  waren, 3)  lieferten 
den  Latinern  treffliches  Schiffsbauholz,  und  die  latinischen  Küstenstädte 
müssen  lebhafte  Seefahrt  getrieben  haben;  besonders  Antiuni'^)  wird  uns 
genannt.  Neben  dem  Handel  ging  freilich  der  Seeraub  einher,  wie  bei  den 
Etruskern;  in  den  karthagischen  Handelsverträgen  erscheint  er  als  legitimes 
Gewerbe.  Der  etruskische  Seeräuber  Postumius,  der  um  339  v.  Chr.  mit 
zwölf  Schiffen  in  Syrakus  einlief  und  von  Timoleon  ergriffen  w^urde,^)  trägt 
einen  römischen  oder  latinischen  Namen.  Hier  möge  die  von  Livius^)  über- 
lieferte, für  uns  rätselhafte  Nachricht  erwähnt  werden,  daß  349  v,  Chr.  im 
Zusammenhang  mit  einem  gallischen  Angriff  eine  griechische  Flotte  Latiums 
Küsten  heimsuchte.') 

Das  römisch-samnitische  Bündnis  wurde  zuerst  den  schwächeren  Völkern 
verderblich,  die  nun  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  größeren  Mächten 
zerrieben  wurden.*)  Jetzt  wurden  die  Volsker  von  den  Römern  vollends 
unterjocht,^)  und  die  Samniter  haben  vielleicht  dabei  geholfen;  denn  ein 
Teil  des  volskischen  Gebietes,  das  Land  am  oberen  Liris  bei  Fregellae,  fiel 
ihnen  zu.  Auch  die  Kampaner  wurden  von  den  Samnitern  bedrängt,  und 
diese  scheinen  ihre  Angriffe  selbst  gegen  die  Latiner  gerichtet  zu  haben; 
wenigstens  haben  wir  Nachrichten,  daß  sie  bis  nach  Arclea  verwüstend  vor- 
drangen, ^o)  Ahnlich  war  die  Lage  der  zwischen  Latium  und  Kampanien 
wohnhaften  Aurunker  (Ausoner)  und  Sidiciner  (bei  Teanum).  Während  die 
Aurunker  von  den  Römern  bezwungen  wurden  (345  v.  Chr.),  fielen  die  Sidi- 
ciner den  Samnitern  zu.  Freilich  ist  in  der  späteren  Überlieferung  die  Ge- 
meinschaft der  Samniter  und  Römer  nicht  nur  fast  ganz  verwischt,  sondern 
sogar  ein  durch  große  Siege  ausgezeichneter  Krieg  der  Römer  gegen  die 
Samniter  eingelegt,!^)  der  sog.  erste  Samniterkrieg  (343 — 341  v.  Chr.), 
angeblich  von  den  Sidicinern  und  Kampanern  veranlaßt,  die  sich  gegen  die 


')  Hierauf  bezieht   sich,    wie   Niebuhr  i  Gesch.  III  99  f.   hat   an    die   Expedition 

vermutet  hat,  die  von  Aristoteles  gegebene  !  des  Archidamos  gedacht,  Holzapfel,  Rom. 

Nachricht,    daß   Rom    von    einein  Lucius  ;  Chronologie  124,  an  Söldner  des  jüngeren 

errettet   sei,    womit   wohl   L.  Furius    Ca-  i  Dionysios ;  ähnlich  Pais,  Stndi  storici  II 429. 


millus  gemeint  ist  (Plutarch  Cam.  22). 

2)  Diodor  XVI  69,  1.  Vielleicht  ist  es 
in  Wahrheit  der  zweite.    Unten  §  17. 

^)  Theophrast.  hist.  plant.  V  8. 

*)  Strabo  V  232. 

ä)  Diodor  XVI  82.  339  v.  Chr.  bei  Diodor 
entspricht  dem  Jahr  342  v.  Chr.  nach  ge- 
wöhnlicher römischer  Zeitrechnung. 

«)  VII  26,  13  fr. 

'')  Livius  vermutet,  die  Flotte  habe  den 
sizilischen  Tyrannen  gehört.  NiEBüHB,Eöm. 


8)  Nissen,  Ital.  Landeskunde  I  51. 

")  Livius  VII  27.  VIII 1  verzeichnet  34.5 
und  341  V.  Chr.  einen  Volskerkrieg. 

'»)  Strabo  V  249.  232.  Doch  kann  dies 
auch  in  die  Zeit  des  grofsen  Samniter- 
krieges  gehören. 

»')  Liv.VII24.  Dionys.Hal.XV3.  Appian. 
Samn.  1.  Vgl.  Niebuhr,  Rom.  Gesch.  III 
127  f.  O.  Clason,  Rom.  Gesch.  II  128  f. 
MoMMSEN,  Rom.  Gesch.  I  358  Aum. 


56  Römische  Geschichte. 

Samniter  nicht  mehr  behaupten  konnten  und  sich  zuletzt,  um  die  Hilfe  der 
Römer  zu  gewinnen,  diesen  zu  eigen  ergaben.  Da  die  Samniter  sich  weigern, 
von  den  Kampanern  abzulassen,  so  kommt  es  zum  Krieg,  in  dem  die  Sam- 
niter dreimal  geschlagen  werden,  am  Berge  Gaurus,  in  den  kaudinischen 
Pässen  und  bei  Suessula  (343  v.  Chr.).  Das  nächste  Jahr  (342  v.  Chr.)  wird 
durch  eine  Meuterei  der  römischen  Soldaten  in  Kampanien  ausgefüllt.  Nach- 
dem die  Ruhe  wieder  hergestellt  ist,  wenden  sich  die  Römer  341  v.  Chr. 
wieder  gegen  die  Samniter,  aber  diese  bitten  nunmehr  um  P'rieden  und  er- 
halten ihn ;  die  Sidiciner  werden  ihnen  überlassen.  Daß  dieser  Hergang  im- 
möglich ist,  beweisen  schon  die  Friedensbedingungen,  und  mit  Recht  hat 
Mommsen  nach  Niebuhrs  Vorgang  den  Krieg  für  erdichtet  erklärt.  Die 
ältere  Überlieferung  Diodors  weiß  nichts  von  ihm.')  Die  Wahrheit  scheint 
zu  sein,  daß  damals  Samniter  und  Römer  gegen  die  Schwächeren  gemein- 
same Sache  machten,  und  daß  die  Samniter  den  Römern  auch  gegen  die 
Latiner  halfen. 

Daraus  wird  sich  erklären,  was  die  Überlieferung  unerklärt  läßt,  näm- 
lich daß  sich  bald  danach  340  v.  Chr.  die  Latiner  erhoben  und  sich  mit 
den  Kampanern  gegen  Rom  verbündeten.  Vielleicht  nahmen  auch  die  Au- 
runker  und  Sidiciner  am  Bunde  teil,  der  sich  zugleich  gegen  die  Samniter 
gerichtet  haben  mag.  ^y  Nach  den  jüngeren  Annalen^)  leisteten  die  Samniter 
den  Römern  Hilfe.  An  der  Grenze  zwischen  Latium  und  Kam23anien  bei 
Sinuessa  lieferten  die  Verbündeten  den  Römern  eine  Schlacht  und  wurden 
geschlagen.  Der  Sieger,  der  Konsul  T.  Manlius,  feierte  einen  Triumph,  die 
Besiegten  wurden  unterworfen,  und  ein  Teil  ihres  Ackers  eingezogen,*)  Die 
völlige  Unterwerfung  der  Latiner  soll  noch  einige  weitere  Kämpfe  erfordert 
haben,  an  denen  sich  vornehmlich  Antium  beteiligte,  und  erst  338  v.  Chr. 
beendet  worden  sein.°)  Der  Bund  der  latinischen  Städte  miteinander  hörte 
jetzt  auf  und  beschränkte  sich  fortan  auf  die  sakrale  Gemeinschaft,  die  bis 
in  die  spätesten  Zeiten  im  latinischen  Fest  [feriae  Latinae)  weiterlebte; 
dagegen    blieb    die  Verbindung   mit   Rom.    Die   auf   dem    alten    Bunde    be- 


')  E.  Pais,  Ston'n  critica  dl  Roma  III  152,  '.   nicht.    Der  Schlacht  bei  Sinuessa  schickt 

A.  1  wendet  sich  gegen  dies  argumentum  !    Livius   ferner   eine    andere   am  Fuß   des 

ex  silentio  und   gegen  die  „radikale"  An-  Vesuv  nicht  weit  vom  Veseris  voraus,  in 

sieht  NiESEs,    gibt  aber  die  militärischen  welcher   der   Konsul  P.  Decius  Mus    den 

und  politischen  Unstimmigkeiten  im  Be-  Opfertod    (durch   devotio)    erleidet.    Diese 

rieht  des  Livius  zu,  vgl.  a.  a.  O.  S.  169  ff.  ausführlich    erzählte    Schlacht    wird    be- 

Die    vorausgegangene    deditio    der   Kam-  nutzt,  um  die  römische  Manipularordnung 

paner  im  Jahr  343   v.  Chr.   erklärt  Pais  darzustellen;    sie    ist   eine   antiquarische 

als  reine  Erfindung,  a.  a.  O.  S.  382  ff.  Musterschlacht     und     ohne    Zweifel     er- 

*)  Dies    würde   noch    wahi'scheinlicher  dichtet.    Außerdem    soll  das  Wesen  und 

sein,  wenn  die  Nachricht  des  Livius  VII  38  das  Ritual  der  devotio  vorgeführt  werden 

von  einem  Kriege  der  Latiner  gegen  die  '    (E.  Kornemann,  Der  Priestercodex  in  der 

Päligner  (343  v.  Chr,)  beglaubigt  wäre.  j    Regia,  Tübingen  1912,  26).  Über  das  topo- 

^)  Liv.VIII  6. 8,  eine  Nachricht,  die  einen  j    graphische  Problem  s.  E.  Pais,  Sforia  critica 

guten  Kern  haben  kann.  1    di  Roma  III  179,  1.  Die  zweite,  historische 

*)DiodorXVI90,2.  Livius  (VIII  3  f.)  hat  [  Schlacht  benennt  Livius  nach  Trifanum, 
zunächst  den  Anlaß  des  Latinerkrieges  einem  Ort  zwischen  Sinuessa  und  Min- 
weiter ausgemalt;  danach  fordern  die  La-  turnae  (Livius  VIII  8,  19,  11,  12). 
tiner  Anteil  am  Konsulat  in  Rom,  was  ^)  Die  Erzählung  des  Liv,  VIII  11  ff.  ist 
ohne  Zweifel  gefälscht  und  den  Anfängen  widerspruchsvoll  und  ohne  Zusammen- 
des  Bundesgenossenkrieges  entlehnt  ist;  hang;  es  ist  unmöglich  zu  sagen,  welcher 
in  unsere  Zeit  paßt  eine  solche  Forderung  historische  Kern  ihr  zugrunde  liegt. 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§  10.)        57 

ruhenden  Rechte  der  latinischen  Gesamtheit  wurden  aufgehoben.  Die  meisten 
der  aufständischen  Städte  scheinen  ihre  Selbständigkeit  und  Teile  ihres  Ge- 
biets verloren  zu  haben  und  in  Rom  einverleibt  worden  zu  sein.  Nur  Tibur 
und  Praeneste  blieben  selbständig  und  schlössen  mit  den  Römern  ein  neues 
Bündnis.  Es  läßt  sich  vermuten,  daß  sie  entweder  gar  nicht,  oder  doch  nicht 
bis  zu  Ende  an  dem  letzten  Kriege  teilgenommen  haben.') 

Die  Unterwerfung  der  Volsker  und  Aurunker  lag  in  diesen  Erfolgen  mit 
eingeschlossen.  Die  Volsker  wurden  vollends  bezwungen  und  Untertan.  Es 
scheint,  daß  mit  der  Einnahme  von  Privernum  (329  v.  Chr.)  der  letzte  Wider- 
stand gebrochen  war.  Fregellae  und  das  volskische  Land  nördlich  vom  Liris 
scheint  den  Samnitern  zugefallen  zu  sein,  vielleicht  auch  die  Sicliciner.^)  Auf 
dem  eroberten  volskischen  Gebiet  ließen  sich  römische  Bürger  nieder,  aus 
denen  332  v.  Chr.  die  neuen  Tribus  Maecia  und  Scaptia  gebildet  wurden. 
Die  Aurunker  hatten  ein  ähnliches  Schicksal  wie  die  Volsker,  auch  hier 
zogen  die  Römer  einen  gi-oßen  Teil  des  Landes  ein.  Nach  den  Annalen 
wurden  schon  338  v.  Chr.  die  Aurunkerstädte  Fundi  und  Formiae  römische 
Untertanen  {cives  shie  suffragio).  Bald  darauf  wurdo  Cales  latinische  Kolonie 
(334  v.  Chr.),  später  auch  Suessa.  Von  größter  Bedeutung  war  es,  daß 
sich  nunmehr  nach  dem  Latinerkrieg  Capua  und  die  Kampaner,  die  mit  den 
Latinern  verbiindet  gewesen  waren,  an  Rom  anschlössen,  und  zwar  trat 
Capua  in  ein  Verhältnis  zu  Rom,  das  dem  latinischen  Bunde  ähnlich  war. 
Beide  Städte  haben  miteinander  fortan  Rechts-  und  Ehegemeinschaft.-'') 
Dabei  behielt  Capua  seine  innere  Autonomie,  eigene  Beamte  und  Heer- 
führer, bildete  aber  nach  außen  hin  mit  Rom  gleichsam  eine  Einheit,  die 
den  Namen  Roms  führte.  Die  Kampaner  setzten  daher  von  jetzt  an  den 
Namen  der  Römer  auf  ihre  Münzen.  Ihre  Truppen,  wie  die  römischen  in 
Legionen  geteilt,  standen  im  Dienste  Roms;  wertv^oU  war  vor  allem  ihre 
Reiterei.  Diese  Vereinigung  erfolgte  338  oder  334  v.  Chr.  gleichzeitig  mit  der 
Unterwerfung  der  Latiner.  Auch  die  Nachbarn  Capuas,  wie  z.  B.  Kyme, 
Acerrae,  ferner  Teile  der  Samniter,  traten  zu  Rom  in  das  gleiche  Verhältnis.^) 


')  Nach  Liv.  YIII  14  ist  eiu  großer  Teil 
der  aufständischen  Latiner  in  die  römische 
Bürgerschaft  auf"enommen  worden.  Dies 


vertretene  Ansicht,  daß  Capua  eine  Kate- 
gorie der  Munizipien  im  späteren  Sinn 
gewesen  sei.    Mäkquaedt,  Eöm.  Staatsvei'- 


ist  schwerlich  richtig;   andere  Zeugnisse  waltung  128 f.;  vgl.  Rudert,  Leipziger  Stu- 

(Festus  p.  127  M.)   stehendem    entgegen.  dien  z.  klass.  Phil.IITSf.:  Mommsen,  Gesch. 

Fällt  in  diese  Zeit  die  von  Macrobius  III  d.  röm.  Münzwesens  167  f.  Aber  das  ist  irre- 

9,13  erwähnte  Zerstörung  von  Gabii?  führend.    Das  Wesentliche  ist,  daß  Capua 

2)  Hierüber  läßt  sich  nichts  Bestimmtes  ;  ein  eigenes  Gemeinwesen  blieb  und  inner- 
sagen. Später  ist  Teanuni,  die  Stadt  der  halb  der  durch  das  Bündnis  gezogenen 
Sidiciner,  föderiert,  also  nicht  Untertan,  Grenzen  seine  Autonomie  behielt.  Die 
auch  keine  Kolonie:  die  Sidiciner  haben  Legion,  die  280  v.  Chr.  Rhegion  besetzte, 
also  Grund  und  Boden  behalten  und  sind  wird  als  römisch  bezeichnet,  bestand  aber 
nicht  durch  gewaltsame  Unterwerfung,  .  aus  Kampanern  unter  einem  kampani- 
sondern  durch  Vertrag  römische  Bundes-  sehen  Führer  Decius.  Dieser  war  also  von 
genossen  geN^^orden.  1   den   Kampanern    bestellt.    Polyb.  I  6,  8. 

*)  Man  kann  daher   die  Kampaner  als  i    7,  7.    Vgl.  Niese,    Götting.  gel.  Anz.  1888 

römische  Bürger  sine  suffragio  bezeichnen ;  ,    S.  962.   Pais,  Storia  critica  cU  Roma  III 383  f. 

der  in  Rom  lebende  Kampaner  war  außer  ■")  Liv.  VIII  14,  10  f.    17,  12.    Velleius  I 

dem  Stimmrecht  dem  Römer  gleich   ge-  |    14,  3.  Velleius  gibt  das  Datum  334  v.  Chr., 

achtet,  und  ebenso  der  Römer  in  Capua  und  nennt  die  Samniter,  worunter  etwa 

dem  Kampaner.    Darauf  beruht  die  von  \   Nola  oder  Nviceria  zu  verstehen  sind,  die 

den  Antiquaren    der   augusteischen  Zeit  nicht    zu    den    eigentlichen    Kampanern 


58  Römische  Geschichte. 

Diese  Verbrüderung  der  Römer  und  Kampaner  hat  in  der  Sage,  daß  Rom 
und  Capua  von  einem  gemeinsamen  Gründer,  dem  Kbmos,  herstammten, 
ihren  diehterisclien  Niedersclilag  gefunden.')  Roms  Macht  wurde  durch  den 
Ansclilufä  der  reiclien  kampanischen  Landschaften  mit  ilirer  höheren  Kultur 
nahezu  verdoppelt;  zugleich  war  dadurch  mit  den  kampanischen  Hellenen 
eine  unmittelbare  Berührung  hergestellt. 

Gleichzeitig  mit  dci*  Herrschaft,  die  nunmehr  bereits  einen  ansehnlichen 
Umfang  erreicht  hatte,  waren  auch  Stadtgebiet  und  Bürgerschaft  entsprechend 
vermehrt  Avorden.  Der  latinische  Bund,  die  princi  Latini.  ging  zugrunde  und 
die  einzelnen  latinischen  Städte  wurden  meist  in  Rom  einverleibt,  zuerst  als 
Untertanen,  dann  als  Bürger.  Aber  die  latinische  Nation  lebte  weiter;  sie 
setzte  sich  außerhalb  des  alten  Latium  fort  in  den  latinischen  Kolonien,  die 
Rom  zur  Behauptung  des  eroberten  oder  unterworfenen  Landes  nach  allen 
Seiten  auszusenden  pflegte.  Zunächst  wurde  die  volskische  und  aurunkische 
Landschaft  latinisch,  so  daß  sich  in  der  Folgezeit  der  Begriff  Latium  an 
der  Küste  bis  Sinuessa  ausdehnte.^) 

11.  Innere  Entwicklung  und  Verfassungskämpfe.  Quellen.  Die  Über- 
lieferung der  römischen  Verfassungsgeschichte  ist  womöglich  noch  dürftiger  und 
noch  mehr  verfälscht  als  die  der  kriegerischen  Ereignisse;  kein  Wunder,  da  das 
Zuständliche  überhaupt  in  der  älteren  Überlieferung  kaum  Berücksichtigung  findet, 
und  die  spätere  Rekonstruktion  die  eigenen  Zustände  zurückzuspiegeln  pflegt.  Die 
ältere  Form  ist  in  spärlichen  Notizen  des  Polybios  und  bei  Diodor  erhalten.  Sie  läßt 
die  Hauptstücke  der  späteren  Verfassung  auf  einmal  im  Anschluß  an  das  Decem- 
virat  entstanden  sein.  Sie  ist  nicht  eigentlich  urkundlich,  gibt  aber  das  wieder, 
was  man  über  die  Entstehung  der  späteren  Gemeindeordnung  in  Rom  in  älterer 
Zeit  ermittelt  hatte  und  glaubte.  Die  spätere  Form,  die  in  Anfängen  schon  bei 
Cicero,  besonders  aber  bei  Livius  und  Dionysios  vorliegt,  ist  eine  stark  rhe- 
torische und  antiquarische  Bearbeitung  und  erzählt  die  politischen  Kämpfe  der  älteren 
Zeit  nach  Art  der  späteren  nachgracchischen  mit  Benutzung  griechischer  Beispiele 
und  in  eintöniger  Wiederholung  der  gleichen  Motive.  Sie  bringt  Dinge  hinein  wie 
die  Agrargesetze,  die  in  die  ältere  Zeit  nicht  gehören.  Die  sonstigen  Notizen  bei 
anderen  Historikern  und  Antiquaren,  z.  B.  bei  Tacitus  und  im  Handbuch  des  Pom- 
ponius,")  weichen  von  den  livianischen  nicht  selten  erheblich  ab  und  zeigen,  wie 
unsicher  gerade  die  Verfassungsgeschichte  überliefert  ist. 

Während  Rom  nach  außen  zunahm,  vollzog  sich  auch  im  Innern  eine 
Umgestaltung.  Etwa  um  dieselbe  Zeit,  da  in  Hellas  die  Demokratie  auf- 
kam, entstand  auch  in  Rom  eine  demokratische  Bewegung.  Die  Plebejer 
entrissen  unter  harten  Kämpfen  den  Patriziern  den  ausschließlichen  Besitz 
der  Amter  und  zwangen  sie,  ihnen  den  gleichen  Anteil  an  der  Gemeinde- 
verwaltung einzuräumen.  Das  Ergebnis  dieser  Kämpfe,  die  man  als  Stände- 
kämpfe bezeichnet,  war,  daß  aus  der  Gemeinschaft  der  Geschlechter  die 
Gemeinde  entstand,  an  der  alle  Bürger  mit  wesentlich  gleichen  Rechten 
teilnahmen.  Zu  diesem  Ergebnis  haben  ohne  Zweifel  die  Kriege  und  die 
Erweiterung  des  Gebietes  das  meiste  beigetragen.  Wie  anderswo,  so  hat  auch 
in    Rom    der  Druck    der    äußeren  Feinde    und    kriegerische  Betätigung   der 

gehörten.    332  v.  Chr.  folgte  Acerrae  dem  ^^  g^rabo  V  231. 

Beispiel  Capuas.    Liv.  VIII  17,  12.  ')  Digest.  I  2. 

')  Dionys.  Halte.  I  73.  j 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§  11.)        59 

demokratischen  Bewegung  starke  Impulse  gegeben.  Sah  man  sich  doch  ge- 
nötigt, die  Wehrpflicht  auf  die  gesamte  Bürgerschaft  auszudelmen,  was  zur 
Folge  hatte,  daß  die  Wehrpflichtigen  die  entsprechenden  politischen  Rechte 
und  Anteil  an  der  Gemeindeverwaltung  verlangten,  worüber  dann  Kämpfe 
mit  den  bisher  alleinigen  Inhabern  dieser  Privilegien,  den  Patriziern,  ent- 
brannten. Die  politischen  Bewegungen  bestehen  jedoch  niclit  nur  aus  Kämpfen 
um  Rechte,  sondern  es  handelt  sich  zugleich  um  einen  organischen  Ent- 
wicklungsprozeß entsprechend  den  Bedürfnissen  einer  wachsenden  Stadt- 
gemeinde. Die  Stadt  und  ihr  Gebiet  vergrößerten  sich,  die  Bevölkerung 
wuchs,  neben  der  Landwirtschaft  entfalteten  sich  Handel  und  Gewerbe;  für 
den  Handel  zeigten  die  Römer  frühzeitig  Neigung  und  Geschick.  Die  Ge- 
meinde organisierte  sich  zweckmäßiger  und  die  Amter  mußten  bei  dem 
wachsenden  Umfang  der  Geschäfte  vermehrt  werden.  So  erhielt  das  poli- 
tische Leben  immer  bewegteren  Rhythmus. 

An  der  Spitze  der  verfassungsgeschichtlichen  Nachrichten  steht  (angeblich 
495  V.  Chr.)  die  Einrichtung  der  21  Tribus,  örtlicher  Bezirke,  als  Grund- 
lage sowohl  des  Kriegs-  wie  des  Steuerwesens,  i)  In  den  Tribus  finden  die 
Plebejer  den  Rahmen  ihrer  politischen  Betätigung  und  erlangen  hier  zuerst 
das  Übergewicht.  Die  nächsten  Bemühungen  des  Plebs  sind  auf  gesetzlichen 
Schutz  gegen  die  Macht  und  Willkür  der  patrizischen  Magistrate  gerichtet. 
Diesem  Zweck  dient  die  Provokation,  d.  h.  das  Recht,  vom  Spruch  des 
Magistrates  in  schweren,  peinlichen  Fällen  an  die  Volksversammlung  Be- 
rufung einzulegen,  ein  Recht,  das  nach  der  Tradition  schon  unter  den 
Königen  oder  gleich  nach  deren  Vertreibung  der  Bürgerschaft  zuteil  ge- 
worden wäre,  2)  das  aber  vermutlich,  wie  auch  das  Stimmrecht,  zu  den  Er- 
rungenschaften der  Ständekämpfe  gehört.  Von  großer  Tragweite  war  die 
Neuerung,  daß  die  Plebs  sich  eigene  Beamte  und  Vertreter  setzte,  die 
Volkstribunen,  2)  die  nach  der  älteren  Überlieferung  zuerst  471  v.  Chr.  vier 
an  der  Zahl  gewählt  wurden.^)  In  diesen  Beamten  erhielt  nunmehr  die 
Plebs  legitime  Führer  und  Organe.  Sie  wurden  von  den  Plebejern  aus  ihrer 
Mitte  in  Tributkomitien  gewählt;'^)  sie  waren  rein  städtisch  und  bürgerlich. 
An  der  Heerführung  waren  sie  nicht  beteiligt.  Sie  hatten  zunächst  die  Auf- 
gabe, die  Plebs  gegen  Willkürakte  der  patrizischen  Magistrate  zu  schützen ; 
zu  dem  Behuf  war  ihre  eigene  Person  heilig  und  unverletzlich.  Ein  zweites 
plebeisches  Amt  bildeten  die  zwei  jährlichen  Adilen  (aediles  plebi),  die  bald 
nach  dem  Tribunat  ursprünglich  vielleicht  zur  Unterstützung  der  Tribunen 
eingesetzt   wurden,    dann    aber    vornehmlich    die   Polizei    versahen.    In    die 

')  Die  überlieferte  Zeitbestimmung  ist   j   habe,   und   zwar  in   der  Zahl  zwei  oder 
schwerlich  zuverlässig.  Oben  S.  45  Anm.  4.    !   fünf.     Diese  Version    ist   aber   nicht   ge- 


-)  Cicero   de    rep.  II  53  f.    Dionys.  V  19. 

^)  tribuni  plebis.  Der  griechische  Name 
dZ/fiag/oi  scheint  aus  Neapolis  zu  stammen, 
wo  die  höchsten  Magistrate  diesen  Titel 
führten.    Mommsen,  Rom.  Staatsr.  III  646. 

■')  Diodor  XI  68.  Die  jüngeren  Berichte 
(Liv.  II 33.  Asconius  in  Cornel.  p.  16)  lassen 
die  Tribunen  sclion  494  v.  Chr.  eingesetzt 
sein.  Sie  erzählen,  daß  die  Plebs  damals 
durch  die  Auswanderung  {secessio)  auf  den 
heiligen  Berg  ihre  Einsetzung  erzwungen 


nügend  bezeugt.  Vgl.  Niese,  De  (oiHalibns 
Bowan/s  (Index  lect.  Marburg  Sommer 
1886)  p.  11 ;  Ed.  Meyer,  Kl.  Schriften  351  ff. ; 
Mommsen,  Rom.  Staatsr.  11^  274.  A.  Volk- 
MAR,  De  annalibtis  Roiimnis  (Diss.,  Marburg 
1890)  54  ff. 

^)  Nach  den  Annalen  sind  die  Tribut- 
komitien gleichzeitig  mit  den  Tribunen 
eingesetzt  woi'den,  durch  die  lex  Publilia 
des  Tribunen  Publilius  Volero.  Liv.  II  56. 


ßQ  Komische  Geschichte. 

gleiche  Zeit  setzt  man  zwei  populäre  Gesetze,  die  vom  Volkstribimen  Icilius 
456  V.  Chr.  eingebrachte  lex  de  Aventino  publicando,  durch  die  der  Aventinus 
den  ärmeren  Bürgern  zur  Wohnstätte  angewiesen  wurde,  und  die  lex  Tdrix'ia 
Aternia  (454  v.  Chr.),  welche  die  Strafgewalt  der  Konsuln  schärfer  umriß. i) 
Ein  wichtiger  Schritt  in  der  Entwicklung  des  Gemeinwesens  war  der 
Beschluß,  das  bis  dahin  gültige  Gewohnheitsrecht  aufzuzeichnen;  denn 
schriftlich  aufgezeichnete  gesetzliche  Bestimmungen  gab  es  vorher  noch 
nicht;  die  den  Königen  zugeschriebenen  sog.  leges  regiae  sind  viel  späteren 
Ursprungs.  Im  Jahr  451  v.  Chr.  wurden  zur  Abfassung  und  Aufzeichnung 
der  Gesetze  zehn  Männer  [decemviri  legibus  scribundls)  gewählt  und  mit  der 
höchsten  Gewalt  bekleidet;  Konsulat  und  Volkstribunat  wurden  suspendiert. 
Von  diesen  Decemvirn,  so  lautet  der  älteste  Bericht  Diodors,  wurden  zehn 
Gesetztafeln  ausgearbeitet.  Was  noch  übrig  war,  fiel  ihren  Nachfolgern  zu, 
dem  Kollegium  des  nächsten  Jahres  (450  v.  Chr.),  die  jedoch  das  Werk 
nicht  vollenden  konnten.  Da  einer  von  ihnen,  so  wird  weiter  erzählt,  gegen 
eine  edle  Jungfrau  eine  empörende  Gewalttat  beging,  2)  so  rückte  das  Kriegs- 
heer, das  auf  dem  Berg  Algidus  im  Felde  stand,  auf  den  Ruf  des  be- 
leidigten Vaters  nach  Rom  auf  den  Aventin.  Ein  Bürgerkrieg  schien  bevor- 
zustehen; denn  die  Decemvirn  rüsteten  sich  zur  Gegenwehr,  aber  durch 
die  Vermittlung  angesehener  Leute  gelang  schließlich  eine  friedliche  Bei- 
legung. Die  Decemvirn  wurden  beseitigt  und  Volkstribunat  und  Konsulat 
wiederhergestellt.  Es  wurde  festgesetzt,  dafs  fortan  jährlich  zehn  Volks- 
tribunen^)  erwählt  werden  sollten,  die,  in  der  Stadt  mit  höchster  Gewalt 
bekleidet,  über  die  bürgerliche  Freiheit  zu  wachen  hatten."*)  Das  Amt  wurde 
mit  neuen  Rechten  ausgestattet  und  hat  wahrscheinlich  erst  jetzt  seine  volle 
Bedeutung  und  den  sakrosankten  Charakter  erhalten.  Regelmäßige  Wahl  und 
ununterbrochene  Fortdauer  des  Amtes  sicherten  strenge  Strafandrohungen. 
Diodors  Bericht  besagt  ferner,  daß  zugleich  bestimmt  wurde,  wenigstens 
einer  der  beiden  Konsuln  solle  jeweils  ein  Plebejer  sein.  Die  jüngere  Tradition 
bei  Livius  weiß  davon  nichts,  fügt  aber  hinzu,  daß  das  Recht  der  Provo- 
kation aufs  neue  eingeschärft  und  die  Wahl  von  inappellablen  Beamten  {sine 
provocatione)  verpönt  wurde.  ^)    Auch  der  Rechtssatz,  daß  die  Beschlüsse  der 


')  Liv.  III  31,  1.  32,  7.  Dionys.  Hai.  X 
31. 50.  Cicero  de  rep.  II  60.  Jedoch  sind  die 
überlieferten  Daten  dieser  Gesetze  nicht 


über  ihr  Amtsjahr  hinaus  behalten,  was 
auf  die  Chronologie  wirkte,  insofern  man 
nunmehr  ein  drittes  Decemviratsjahr  rech- 


sicher. Die  lex  de  Äventmo  gehört  vielleicht  nete,    wie  es   zwar  nicht  in  den  Kapito- 

erst  in  die  nächste  Periode.    Unten  S.  86.  linischen   Fasten,    wohl    aber   bei  Cicero, 

^)  Es  ist  die  bekannte  Geschichte  von  1    Livius   und  Dionysios  geschieht  (Cic.  de 

der  Virginia    und  dem  Decemvir  Appius  :    rep.  II  62.    Liv.  III  38  ff.   Diouys.  X  59  ff.). 

Claudius,    die    wiederum    an   griechische  Vgl.  Niese,    De    annalibxis    Romanis    (Mar- 

Tyranneugeschichten,    auch    an    die    Er-  j    bürg  1886)  VI  f.    A.  Volkmar,  De  annalibus 

Zählung   von    der   Lucretia    (oben    S.  32)  i^owonis  S.  3  f.).  Eingehend  anal j-siert  wird 

erinnert.    Die  ältere  Diodorische  Fassung  die  Überlieferung  von  E.  Täublek,  L'nter- 

nennt   dabei    noch  keine  Nanien;    solche  suchungen    zur    Geschichte    des    Decem- 

sind  erst  später  (Cicero  de  rep.  II  63.  Liv.  virats  und  der  Zwölftafeln,    Berlin  1921. 

III 44  ff.  Dionys. XI 28 ff.)  hinzugekommen.  ^)  Nach  Livius  11130,5    soll    die   Zahl 

In  dieser  jüngeren  Fassung  ist  noch  man-  1    der  Tribunen  schon  457  v.  Chr.  auf  zehn 

ches  andere  hinzugedichtet,  um  das  zweite  erhöht  worden  sein.    Dies  hält  Niese  für 

Deceravirnkollegiuin    als    tyrannisch    zu  eine  jüngere  Erfindung, 

charakterisieren,  z.  B.  die  Ermordung  des  *)  Diodor  XII  24  flf. 

Plebejers  L.  Siccius.    Man  liefs  die  Decem-  ^)  Liv.  III  55. 

virn   ferner   ihi'e   Gewalt    widerrechtlich  I 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§  11.)        ßl 

Plebs  fiir  die  Gesamtgemeinde  bindend  sein  sollten, ')  ist  nach  Livius  damals 
aufgestellt  worden.  Von  Diodor  weicht  Livius  außer  mannigfacher  Aus- 
malung auch  darin  ab,  daß  er  alle  diese  Bestimmungen  als  Gesetze  [Uges] 
im  späteren  Sinne  nimmt,  als  solche  beantragt  von  den  Konsuln  M.  Horatius 
und  L.  Valerius,  indes  sie  bei  Diodor  als  feierlich  beschworener  Friedens- 
vertrag zweier  streitender  Parteien  erscheinen.  Auch  hier  gibt  Diodor  das 
Ursprüngliche;  denn  nicht  um  Gesetze  handelt  es  sich  bei  diesen  Bestim- 
mungen, sondern  um  die  ungeschriebenen  Grundsätze  der  Verfassung,  die 
auf  den  Vertrag  nach  dem  Sturz  der  Decemvirn  zurückgeführt  wurden.  2) 
Ob  das  freilich  alles  auf  einmal  erreicht  wurde,  wie  die  ältere  Überlieferung, 
von  der  man  ausgehen  muß,  es  darstellt, 3)  darf  man  füglich  bezweifeln; 
zum  mindesten  der  Satz,  daß  stets  ein  Plebejer  Konsul  sein  müsse,  ist  da- 
mals noch  nicht  in  Kraft  getreten.  Die  Gesetzgebung  führten  die  neuen  Kon- 
suln M.  Horatius  und  L.A'^alerius  (149  v.  Chr.)  zu  Ende;  zu  den  zehn  schon 
vorhandenen  Tafeln  kamen  zwei  weitere;  auf  zwölf  ehernen  Tafeln  wurde 
das  Ganze  am  Eathaus  öffentlich  ausgestellt.    Soweit  die  Überlieferung. 

Aber  nicht  etwa  eine  Verfassungsurkunde,  eine  magna  charta,  bedeu- 
teten diese  zwölf  Tafeln;  vielmehr  enthielten  sie  in  der  Hauptsache  das 
Privatrecht,  dazu  Bestimmungen  über  das  Gerichtsverfahren  sowie  polizei- 
liche Vorschriften,  alles  ohne  Systematik  und  unvollständig.'*)  Über  den  tat- 
sächlichen Inhalt  bestanden  und  bestehen  mancherlei  Zweifel,^)  zumal  da 
das  ziemlich  früh  zugrunde  gegangene  Original  der  späteren  literarischen 
Zeit  nicht  mehr  vorlag.  Es  ist  sogar  wahrscheinlich,  daß  die  zwölf  Tafeln 
nicht  das  Ergebnis  eines  einmaligen  gesetzgeberischen  Aktes  darstellen,  daß 
vielmehr  das  ursprüngliche  Werk  der  Decemvirn  im  Lauf  der  Rechts- 
entwicklung durch  spätere  Zusätze  vermehrt  und  erweitert  wurde.'') 


')  ut  qnod  irlhutini  j^lebs  hississet  populum  i    zität    des   Decemvirats,    und    zwar   sieht 

teneret.    Vgl.  Dien.  Hai.  XI  45.  [    Pais   in    den   XII  Tafeln   „das   langsame 

^)  Eine  Analogie  gewährt  der  in  Athen  und  säkulare  Produkt"  amtlicher  juristi- 

geschlossene  Amnestievertrag  vom  J.  403  scher  Praxis  und  in  den  decemdri  legibus 

v.  Chr.  nach  dem  Sturz  der  Dreißig.  j    scribundts    nur    eine    willkürliche    Rück- 

^)  Auch  Polyb.  VI  11  führt  die   spätere  l    Spiegelung  der  decemvir!  stlitibus   iiidican- 

Verfassung  auf  den  Ausgang  des  Decem-  dis.    Als  Schlußredaktor  vermutet  er  den 

virats  zurück,  wie  mit  Eecht  Ed.  Meyer,  Cn.  Flavius,  den  Ädilen  von  304  v.  Chr. ; 

Ehein.  Mus.  N.  F.  37,  001  f.,  bemerkt.  er  habe  die  Tafeln  auf  dem  Forum  publi- 

•*)  Den  Inhalt  wird  man  sich  am  besten  '   ziert.    Noch  weit  radikaler  gebärdet  sich 

nachder  Analogie  der  griechischen  Gesetz-  j    der  Jurist  Lambert,  gegen  dessen  Bundes- 

gebungen   denken;    vgl.  z.  B.   die  Tafeln  genossenschaft    sich   Pais    nachdrücklich 

von  Gortyn  auf  Kreta  (Kohler-Ziebarth,  !    verwahrt.    Nach  L.   sind    die  XII  Tafeln 

Das  Stadtrecht  von  G.,  1912).  |    überhaupt   kein  Werk    offizieller  Kodifi- 

Ob  z.B.  ein  Kalender  (Macrob.  113,  21)  i   kation,  sondern  ein  literarisches  Prodvikt 


beigefügt  war,  ist  höchst  zweifelhaft.  Auch 
die  Einführung  des  gemünzten  Geldes  ge- 
hört  schwerlich  hierher;    vgl.  Mommsen, 


des  Juristen  Sex.  Aelius  Paetus  Catus 
(Konsul  198  v.  Chr.),  von  dem  bezeugt  ist, 
daß  er  das  Zwölftafelrecht  kommentierte. 


Rom.  Münzwesen  174.  Gesammelt  sind  die  j    „Ein    gutes    Teil   Berechtigung"    gestand 

Fragmente  der  XII  Tafeln  von  R.  Scholl,  Niese  diesen  Zweifeln  zu.    Es  sei  uns  ge- 

Legis  XII  tabiilariim  reJl.,  Leipz.  1866.  wiß  nur  wenig  Echtes  erhalten  und  man- 

,  ^)  E.  Pais  (vgl.  bes.  Ricerche  I  1  flf.)  und  ches   verrate  deutlich  ein    späteres  Zeit- 

E.  Lambert  [La  question  de  rauthenticite  des  alter.    Das  beweise  aber  nichts  gegen  die 

XII  fahles  et  les  annales  maximi  in  Nouvelle  Überlieferung,    daß    damals     durch     die 

repue  historiqiie  de  droit  1902,  sowie  L'hi-  Decemvirn    die    erste   Aufzeichnung   des 

stoire  traditionelle  des  XII  tables  in  Melanges  !    bürgerlichen  Rechts  stattgefunden  habe, 

Appleton,  Lyon  1903)  leugnen  die  Histori-  |    auf  der    die    spätere    Rechtsentwicklung 


62 


Römische  Geschichte. 


Nach  der  jüngeren  Tradition  hat  die  Gesetzgebung  unter  griechischem 
Einfluß  gestanden.  So  berichtet  Livius,^)  daß  drei  Männer  nach  Griechen- 
land, vornehniHch  nach  Athen  gesandt  worden  seien  zum  Studium  der 
solonischen  und  anderer  griechischer  Gesetze.  Nach  einer  anderen  Version 
hat  Hermodoros  aus  Ephesos,  Herakhts  Freund,  den  Römern  „gewisse  Ge- 
setze aufgeschrieben"  bzw.  den  Decemvirn  bei  ihrer  Arbeit  geholfen.^)  Wenn 
auch  die  Reise  der  Studienkommission,  wie  schon  Vico  erkannte  und  vollends 
der  Anteil  des  Hermodoros  auf  Erfindung  beruht,  so  ist  doch  griechisclier 
Einfluß  auf  das  Gesetzgebungswerk  nicht  zu  bezweifeln;  gerade  um  jene 
Zeit  hat  sich  auch  Griechenland  mit  analogen  Aufgaben  befaßt.  Ob  aber 
in  Rom  griechische  Vorbilder  unmittelbar  wirkten,  also  die  Kodifikation 
durch  die  Decemvirn  sich  nicht  auf  die  schriftliche  Fixierung  des  geltenden 
Gewohnheitsrechts  beschränkte,  sondern  darüber  hinaus  neues  Recht  schuf, 
läßt  sich  nicht  mehr  entscheiden.^) 

Man  hat  vermutet,  daß  die  Decemvirn  außer  jener  Kodifikation  noch 
andere  Aufgaben  zu  lösen  hatten.  Niebuhr  glaubt,  daß  sie  als  dauernde 
Behörde  gedacht  waren,  die  außer  der  Abfassung  der  Gesetze  den  Ausgleich 
der  Stände  anbahnen  sollte.  Nach  Mommsen  hätte  dasVolkstribunat  durch 
die  Aufzeichnung  der  Gesetze  entbehrlich  gemacht  werden  sollen."*)  Aus 
der  Erzählung  vom  Sturz  der  Decemvirn  könnte  man,  wenn  sie  glaub- 
würdiger wäre,°)  schließen,  daß  ihnen  der  Oberbefehl  über  das  Heer  nicht 
zustand;  da  ihnen  aber  andererseits  die  Überlieferung  die  höchste  diskretionäre 
Amtsgewalt  beilegt,^)   so  ist  eine  militärische  Kompetenz  nicht  undenkbar. 


zum  guten  Teil  beruhe.  Es  sei  mit  den 
XII  Tafeln  gegangen,  wie  z.  B.  mit  den 
solonischen  Gesetzen.  Wie  sich  unter 
deren  Namen  manches  zusammengefun- 
den habe,  was  erst  später  entstanden  sei, 
ohne  dafs  die  Tatsache  der  Gesetzgebung 
in  Zweifel  gesetzt  würde,  so  habe  in  Rom 
das  Werk  der  Decemvirn  den  Kern  ge- 
bildet, an  den  sieh  spätere  Gesetze  an- 
kristallisierten. Man  brauche  daher  nicht 
zu  glauben,  daß  alle  12  Tafeln  von  den 
Decemvirn  herrühren.  Übrigens  sei  der 
Inhalt  der  Tafeln  späterer  Verfälschung 
um  so  mehr  ausgesetzt  gewesen,  als  die 
Originale  frühzeitig  verschwunden  sein 
müssen,  wenn  auch  nicht  bei  Gelegen- 
heit der  Gallierkatastrophe.  Doch  lasse 
schon  Diodors  Wortlaut  XII  26  erraten, 
daß  die  Tafeln  zur  Zeit,  da  sein  Quellen- 
bericht entstand,  nicht  mehr  vorhanden 
gewesen  seien.  Die  Überlieferung  der 
Gesetze  sei  daher  schon  im  2.  Jahrh.  v.  Chr. 
der  juristischen  Tradition  mit  allen  ihren 
Zufälligkeiten  undWillkürlichkeiten  über- 
lassen gewesen,  weshalb  scharfe  Kritik 
an  den  erhaltenen  Fragmenten  des  XII 
Tafelrechts  vollauf  berechtigt  sei.  Aber 
die  Tatsache  der  Gesetzgebung  werde  da- 
durch so  wenig  berührt  wie  durch  Aus- 
malungen und  Fälschungen  der  jüngeren 
Berichte.    Die  Annalen  in  ihrer  ältesten 


Fassung,  auch  Folybios  im  VI.  Buch,  wo- 
raus Cicero  de  rep.  II  36,  61  ff.  schöpfte, 
bezeugen  den  Decemvirat  und  betrachten 
ihn  als  Ausgangspunkt  der  späteren 
Verfassungsentwicklung.  —  E.  Täubler, 
Unters,  zur  Gesch.  des  Decemvii-ats  und 
der  Zwölftafeln,  Berl.  1921,  hält  an  der 
Tatsache  des  Decemvirats  im  5.  Jahrh. 
fest,  gibt  aber  das  genaue  Jahr  und  die 
Namen  der  Decemvirn  preis. 

')  Liv.  III 31, 8.  Vgl.  Dionys.  Hai.  X  51, 5. 

")  Strabo  XIV  642.  Plin.  n.  h.  34,  21. 
Pomponius  dig.  I  2,  2,  4.  Vgl.  Münzer, 
FW  VIII  859  ff. 

^)  Über  den  griech.  Einfluß:  F.  Bosch, 
De  tabula?v(m  XII  lege  a  Grctecis i^etifa,  Diss., 
Göttingen  1893;  Leo,  Gesch.  der  röm.  Lit. 
18;  Pais,  Ricerche  ll^h&.  (gegen  Bosch). 

■•)  Niebuhr,  RG.  II  348.  366  f.,  Schwegler, 
RG.  III 16  f..  Mommsen,  StR.II^  272  Anm.; 
weitere,  sehr  unsichere  Vermutungen  bei 
W.  Soltau,  Über  Entstehung  und  Zu- 
sammensetzung der  röm.  Volksversamm- 
lung 361  ff. 

^)  „In  Wirklichkeit  mögen  die  Decem- 
virn nach  Vollendung  ihrer  Aufgabe  eben 
so  friedlich  zurückgetreten  sein  wie  Solon 
nach  Abschluß  seiner  Gesetzgebung",  Ed. 
Meyer,  Kl.  Sehr.  376,  vgl.  Täubler  a.  a. 0.125. 

«=)  Darüber  Täubler  a.  a.  O.  20  f.  —  Als 
Analogiebeispiel    hat    man    die    dreißig 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Roms  mit  den  Kampanern.    (§  11.)        ßß 

mag  auch  die  Amtsbezeichnung  ledighch  auf  die  gesetzgeberische  Funktion 
hinweisen.  Bei  dem  Stand  unseres  Wissens  ist  über  vage  Vermutungen  nicht 
hinauszukommen. 

Die  Aufzeichnung  des  geltenden  Rechts  befriedigte  zwar  einen  Wunsch 
der  Plebejer,  aber  zu  dauerndem  Frieden  hat  sie  nicht  geführt.  Der  Kampf 
der  Parteien,  der  Stände,  setzte  sich  fort  und  brachte  den  Plebejern  neue 
Erfolge.  So  sollen  sie  schon  445  v.  Chr.  durch  die  lex  Canuleia  die  Ehe- 
gemeinschaft mit  den  Patriziern,  die  in  den  zwölf  Tafeln  noch  nicht  an- 
erkannt war,  erwirkt  haben,  i)  Das  Hauptbestreben  der  Plebs  zielte  auf  die 
Beseitigung  des  Konsulats  oder  auf  Beteiligung  an  diesem  Amt,  wie  sie  ja 
nach  dem  älteren  Bericht  bereits  garantiert  war.  Schon  kurz  nach  dem 
Decemvirat  wurde  das  Konsulat  zeitweilig  abgeschafft  und  zuerst  444  v.  Chr. 
durch  das  Amt  der  Kriegstribunen,  tribiiitl  miUtum  consulari  potestate,  er- 
setzt. Dieses  Amt  war  auch  Plebejern  zugänglich.  Schon  der  Titel  kenn- 
zeichnet diese  Tribunen  als  militärische  Ergänzung  der  Volkstribunen;  auch 
mit  den  griechischen  Strategen  lassen  sie  sich  vergleichen.  Anfänglich 
wechseln  diese  Tribunen  als  Präsidenten  der  Republik  mit  den  Konsuln 
ab,  um  diese  schließlich  für  längere  Frist  ganz  zu  verdrängen.^)  Die  Zahl 
der  Tribunen  bleibt  nicht  konstant:  es  kommen  drei,  viei-,  am  häufigsten 
sechs  vor.-^)  Angesichts  einer  solchen  Zuweisung  der  höchsten  Gewalt  an 
ein  größeres  Kollegium  öffnete  sich  ])ei  gefährlichen  Lagen  in  der  Diktatur 
ein  Ausweg,  den  man  in  jenen  Zeiten  mehr  als  einmal  betrat. 

Über  die  sicher  mannigfachen  Kämpfe,  unter  denen  die  Verfassung  all- 
mählich umgestaltet  wurde,  gibt  es  keine  zuverlässigen  Nachrichten.  Schon 
ISTiebuhr  hat  vermutet,  daß  die  Bewegung  der  Plebs  durch  Gegensätze 
unter  den  Patriziern  noch  gesteigert  wurde.  Wie  in  Griechenland  der  Sturz 
der  Aristokratie  oft  durch  Spaltungen  im  eigenen  Lager  herbeigeführt  Avurde, 
so  mögen  auch  in  Rom  manche  patrizischen  Geschlechter  auf  die  Seite  der 
Plebs  getreten  sein  und  ihr  die  Führer  gestellt  haben.  Wir  hören  ferner 
von  Verbannten,  als  deren  Typus  der  schon  erwähnte  Coriolanus  gelten 
kann,  der  mit  den  feindlichen  Volskern  gegen  sein  Vaterland  zog  (oben 
S.  47). ■^)  Mehrmals  versuchte  der  Ehrgeiz  einzelner  monarchische  Gewalt  zu 
usurpieren,  so  485  v.  Chr.  Spurius  Cassius,  derselbe,  unter  dessen  Namen 
das  latinische  Bündnis  geht,  später  (439  v.Chr.)  Spurius  Maelius;  beide 
büßten  ihr  Unterfangen  mit  dem  Tod.^) 

Als  nach  der  gallischen  Katastrophe  die  erste  Verwirrung  überwunden 
war,  erneuerte  die  Demokratie  ihre  Bestrebungen;  die  rasche  Zunahme  der 

Tyrannen  in  Athen  herangezogen,  die  zu-  j  Kapitolinischen  Fasten  zum  J.  380  v.  Chr. 
nächst  zur  Neuordnung  von  Gesetz  und  (Hülsen,  Klio  II,  1902, 248  ff.)  sucht  F.  Mün- 
Verfassung  bestellt  wurden.  j  zer,  Hermes  57,  1922,  134  ff.  zu  erklären. 
')  Cic.  de  rep.  II  63.  Liv.  IV  1.  !  •*)  Liv.  III  15,  5  ff",  berichtet  zum  .Jahr 
-)  In  den  55  Jahren  von  444—390  v.Chr.  !  460  v.Chr.  von  dem  Sabiner  Appius  Her- 
gibt es  29  Konsulate  und  26  Tribunate;  i  donius,  der  an  der  Spitze  einer  Schar  von 
von  390—367  kommen  nur  Tribunate  vor.  Verbannten  und  Sklaven  das  Kapitol  zu 


')  Das  beste  Verzeichnis  bei  Diodor. 
MoMMSEN.  RF.  II  224  ff.  Nach  Mommsen, 
Hermes  38,  1903,  116  ff.  ist  6  die  Höchst- 
zahl, während  die  von  Niese  verteidigte 
Achtzahl  nur  durch  Einbeziehung  der  Zen- 
soren entstand.  Die  singulare  Neunzahl  der 


überrumpeln  suchte. 

s)  Diodor  XI 37, 7.  XII 37.  Vgl.  Mommsen, 
EF.  II  153  ff.  Die  spätere  Überlieferung 
zeichnet  diese  Männer,  ebenso  wie  den 
M.  Ma-nlius  als  Demagogen  nach  Art  der 
Gracchen,  woran  etwas  Richtiges  sein  mag. 


64 


Römische  Geschichte. 


Bürgerschaft  führte  ihr  frische  Kräfte  zu.  Heftige  politische  Kämpfe  er- 
scliütterten  den  inneren  Frieden.  Abermals  strebte  ein  vornehmer  Kömer, 
M.  Manlius  (Capitolinus)  nach  der  Tyrannis,  wurde  aber  überwältigt  und 
getötet,  384  v.Chr.')  Besonderen  Einfluß  besaß  damals  M.  Furius  (Camillus), 
der  Sieger  von  Veji.  Er  soll  nach  einem  Sieg  über  Volsker  und  Etrusker 
(oben  S.  53)  mit  den  Volkstribunen  in  Konflikt  geraten  sein;  nach  einer 
Variante  bei  Diodor  wurde  er  zwei  Jahre  später  vom  Volk  in  eine  hohe 
Geldbuße  genommen.^)  Einige  Jahre  darauf,  nachdem  das  Konsulat  längere 
Zeit  in  Wegfall  gekommen  war,  erhob  sich  heftiger  Streit  über  die  Frage, 
ob  das  Konsulat  wiederhergestellt  oder  das  Konsulartribunat  beibehalten 
werden  sollte.  Einen  Teil  des  Jahres  konnten  einmal  (377  v.  Chr.)  über- 
haupt keine  Beamten  gewählt  werden ;  zwei  Jahre  später  (375  v.  Chr.)  dehnte 
sich  die  Anarchie  auf  ein  volles  Jahr  aus^)  und  erst  vier  Jahre  nachher 
wurde  dieser  Kampf  durch  ein  Kompromiß  beigelegt:  man  stellte  das  Kon- 
sulat wieder  her  und  nun  wurde  erstmalig  ein  Plebejer  Konsul.  Damit  war 
der  Zutritt  der  Plebejer  zum  höchsten  Staatsamt  praktisch  durchgeführt 
(366  V.  Chr.),"*)  nachdem  er  längst  theoretisch  zugestanden  war.  Gleichzeitig 
mit  dieser  Wiederherstellung  des  Konsulats  und  der  Zulassung  der  Plebejer 
(366  V.  Chr.)  wurde  nach  der  Überlieferung  ein  neues  Amt,  die  Prätur,  ge- 
schaffen. Dessen  Inhaber,  der  Prätor,  hat  die  Zivilgerichtsbarkeit  zu  leiten; 
doch  ist  er  im  Bedarfsfall  neben  den  Konsuln,  denen  er  als  collega  minor  zur 
Seite  steht,  auch  im  Krieg  tätig.  In  demselben  Jahr  trat  zu  den  zwei  Adilen 
ein  weiteres  Paar,  die  aediles  cundes,  die  in  einem  zwischen  patrizischen  und 
plebeischen  Anwärtern  jährlich  wechselnden  Turnus  gewählt  wurden.-^) 


>)  Diod.  XV  3.5,  8. 

•'')  Diod.  XIV  117,  6  (wohl  aus  „nach- 
sullanischer"  Nebenquelle).  Die  Überliefe- 
rung der  „sullanisclien"  Annalistik  (Liv. 
V  32,  7;  Plutarch,  Camill.  12)  setzt  diesen 
Vorfall  vor  die  gallische  Katastrophe  und 
läßt  den  Camillus  in  die  Verbannung 
gehen,  aus  der  er  zurückkehrt,  um  Rom 
von  den  Galliern  zu  befreien.  Nach  E. 
Täubler,  Klio  XII,  1912,  219  fP.  hat  Sulla 
der  legendären  Darstellung  des  Camillus 
als  Vorbild  gedient. 

=*)  Diod.  XV  61.  75.  Die  Jahre  877  und 
375  V.  Chr.  sind  nach  gewöhnlicher  Zäh- 
lung gegeben.  Nach  älterer  Chronologie 
fallen  sie  bei  Liv.  mit  373,  bezw.  871,  bei 
Diod.  mit  369,  bezw.  367  v.Chr.  zusammen. 
Vgl.  unten  S.  93. 

•*)  Von  der  älteren  hier  zugrunde  ge- 
legten diodorischen  Überlieferung  weicht 
Liv.  VI  34  f.  stark  ab.  Nach  Liv.  setzen 
die  Volkstribunen  L.  Licinius  Stolo  und 
L.  Sextius  in  zehnjährigen  Kämpfen  (376 
— 867  v.  Chr.)  den  Zutritt  der  Plebejer 
zum  Konsulat  durch  in  Verbindung  mit 
einem  Ackergesetz,  durch  welches  das 
zulässige  Höchstmafa  des  Besitzes  an  Ge- 
meindeland auf  500  Jugera  normiert  wird, 
und  mit  einem  weiteren  Antrag,  der  die 
Schuldenlast   der  verarmten  Plebs  min- 


dert {Ie</('s  Liciniae  Sextiae).  Die  beiden  Tri- 
bunen werden  jahraus  jahrein  wieder- 
gewählt, bis  endlich  ihre  Anträge  durch- 
gehen. Der  Widerstand  ist  so  heftig,  daß 
fünf  Jahre  lang  (875 — 371  v.  Chr.)  keine 
patrizischen  Magistrate  gewählt  wurden 
und  also  Anarchie  herrschte.  Dieser  im 
einzelnen  um  anekdotische  Züge  be- 
i'eicherten  Darstellung  gegenüber  verdient 
Diodor  den  Vorzug  (vgl.  Ed.  Meyer,  Rhein. 
Mus.  37,  1882,  610  ff.).  Das  Ackergesetz  ist 
ohne  Zweifel  aus  weit  späterer  Zeit  zu- 
rückgespiegelt; es  kann  nicht  älter  sein 
als  der  zweite  punische  Krieg  (vgl.  Niese, 
Hermes  23,  1888,  410  ff.).  K.  J.  Neumann 
sucht  das  Originalgesetz  ins  Jahr  196 
V.  Chr.  zu  datieren  (in  Ullsteins  Welt- 
gesch.  1 424  mit  Begründung  seiner  Hyjjo- 
these  bei  Gercke- Norden,  Einl.  in  die 
Altertumswiss.  III'  424  ff.).  Gegen  Niese: 
K.  Schwarze,  Beiträge  zur  Gesch.  altröm. 
Agrarprobleme,  Diss.  Halle  a  S.  1912,  der 
das  Ackergesetz  von  367  v.  Chr.  für  histo- 
risch erklärt. 

^)  Die  Geschichte  ihrer  Einsetzung  bei 
Liv.  VI  42,  12  ff.  ist  legendenhaft.  Ur- 
sprünglich mag  das  Amt  rein  patrizisch 
gewesen  sein.  Jedenfalls  stand  die  kuru- 
lische  Ädilität  stets  in  höherem  Ansehen 
als  die  plebeische. 


3.  Erste  Periode:  Bis  zur  Vereinigung  Korns  mit  den  Kampanern.    (§  11.)        65 

Beendet  waren  die  Kämpfe  der  beiden  Stände  damit  keineswegs  und 
es  währte  noch  einige  Zeit,  bis  die  Plebs  die  volle  politische  Gleichberechti- 
gung mit  den  Patriziern  errang.  Noch  immer  kamen  rein  patrizische  Konsul- 
paare vor  und  erst  seit  etwa  340  v.  Chr.  wird  der  Anspruch  der  Plebejer 
auf  mindestens  eine  der  Konsulnstellen  regelmäßig  befriedigt.^)  Unter  dem 
Jahr  342  v.Chr.  berichtet  die  jüngere  Tradition^)  von  revoltierenden  Soldaten, 
die  damals,  zur  Zeit  des  sog.  ersten  Samniterkriegs  (oben  S.  55f.)  in  Kam- 
panien  standen.  Die  Eebellen  marschierten  gegen  Rom,  konnten  aber  unter- 
wegs von  ihrem  Vorhaben  abgebracht  werden.  Den  Wünschen  der  zur  Ver- 
nunft gekommenen  Soldaten  trugen  einige  militärische  Gesetze  Rechnung; 
nach  anderen  Berichten  wurden  außerdem  durch  Anträge  des  Volkstribunen 
L.  Genucius^)  die  Bedingungen  für  die  Bekleidung  von  Staatsämtern  modi- 
fiziert und  die  Rechte  der  Plebejer  erweitert.*)  Wie  erwähnt,  mögen  die 
auswärtigen  Kriege,  die  damit  verbundene  Entwicklung  des  Militärsystems 
sowie  das  Anwachsen  der  Bürgerschaft  den  Fortschritt  der  Plebs  nicht  wenig 
gefördert  haben.  Es  ist  bezeichnend,  daß  dem  Bürgerheer  schon  am  Sturz 
der  Decemvirn  und  dem  darauffolgenden  Ausgleich  von  der  Überlieferung 
ein  starker  Anteil  zugeschrieben  wird.  Daß  das  Heer  mitunter  in  den  Streit 
der  Parteien  energisch  eingriff,  ist  nicht  unmöglich. 

Überhaupt  gewinnt  das  Heerwesen  immer  größere  Wichtigkeit  inner- 
halb des  Staats  und  wird  zur  zentralen  Angelegenheit  der  ganzen  Ver- 
waltung. Die  Kriege  erforderten  die  Bewaffnung  und  Ausbildung  der  Bürger- 
schaft in  möglichst  weitem  Umfang.  Dabei  ruhte  die  Wehrpflicht,  wie  zu- 
meist auch  in  Griechenland,  auf  der  Grundlage  des  Census,  durch  den  die 
Bürger  nach  Maßgabe  ihres  Besitzes  in  fünf  Klassen  geteilt  waren;  clas^is 
bedeutet  das  Aufgebot.^)  Nach  dem  Census  richtete  sich  die  Wehrpflicht 
und  das  Maß  der  politischen  Rechte;  die  Besitzlosen  waren  vom  Kriegs- 
dienst befreit  und  hatten  nur  nominelles  Stimmrecht.  Die  militärische  Glie- 
derung umfaßte  das  ganze  Volk  und  wurde  auf  die  Volksversammlung  über- 
tragen. Die  zum  Dienst  als  Fußvolk  verpflichtete  Mannschaft  zerfiel  in  zwei 
Altersstufen,  die  iuniore»  und  die  seniores,  wobei  das  46.  Lebensjahr  die 
Grenze  bildete.  Die  Junioren  sind  felddienstpflichtig,  die  Senioren  (bis  zum 
60.  Lebensjahr)  werden  nur  zu  Verteidigungszwecken  verwendet.  Jede 
Klasse  hatte  eine  bestimmte  Zahl  von  Abteilungen  [centuriae),  die  oberen 
verhältnismäßig  mehr  als  die  unteren;  auf  die  Junioren  und  die  Senioren 
waren  diese  Centurien  gleichmäßig  verteilt.^)  Nach  Centurien  stimmte  die 
Volksversammlung,    wobei  je  eine  Centurie  eine  Stimme  bedeutete.    Nicht 


^)  Das  letzte  rein  patrizische  Konsulat  I  nur  vermutungsweise  in  jenem  Jahr  unter- 
fällt in  das  Jahr  343  v.  Chr.    Bei  Liv.VIlI  |  gebracht. 

12, 16  erscheint  die  Bestimmung,  daß  auch  :  =)  Die  früher  beliebte  Ableitung  von  do- 

von  den  Zensoren  der  eine  Plebejer  sein  risch  x/.äoig  ist  aufgegeben;  vgl.  A.Walde, 

müsse,    als   eine    der   Uges  Piibliliae   vom  |  Lat.  etymol.  Wörterbuch,  1910'^,.  167. 

Jahr  339  v.  Chr.  |  '^)   Nach    der    gewöhnlichen    Überliefe- 

^)  Liv.  VII  38  fif.  :  rung  hatte  die  erste  Klasse  80  Centurien, 

')  Liv.  VII  42.  die  vier  anderen  zusammen  90;  von  diesen 

^)  Die  ganze  Erzählung  ist  schlecht  be-  j  170  Centurien  des  Fußvolks  kamen  85  auf 

glaubigt;  Liv.  selbst  führt  Varianten  an.  die    Junioren,    und    ebensoviel    auf    die 

Die    Gesetze    sind    wohl    echt,   aber   ihre  i  Senioren. 

Zeit  ist  ungewiß  und  so  hat  man  sie  wohl  | 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    HI,  5.  5.  Aufl.                                                          5 


ß(3  Römische  Geschichte. 

in  die  Klassen  einbezogen  ist  die  Keiterei  oder  vielmehr  die  berittene  Ho- 
plitenschar,  •)  eine  ständige  Spezialtruppe  mit  ursprünglich  drei,  dann  sechs, 
schließlich  18  Centiirien.  Wie  in  Griechenland  wurden  die  Reiter  für  Be- 
schaffung und  Unterhalt  ihrer  Pferde  aus  der  Staatskasse  entschädigt.  Bei 
den  Komitien  stimmten  sie  an  bevorzugter  Stelle  und  besonders  ab.  Die 
als  Heer  geordnete  Gemeinde  der  Wehrpflichtigen  {'■oniifia  centuridta)  ver- 
fügte über  die  höchste  gesetzgebende  und  richtez'liche  Gewalt  und  wählte 
auch  die  obersten  Gemeindebeamten,  die  Heerführer.  Die  Censusgeschäfte, 
Einschätzung  des  Vermögens,  Gliederung  der  Bürgerschaft,  Musterung  der 
Heerespflichtigen,  gewannen  hohe  Bedeutung.  So  wurde  denn  eine  eigene 
kollegiale  Magistratur,  die  Zensur,  bald  nach  dem  Decemvirat  443  v.  Chr. 
oder  nach  Mommsens  Vermutung  435  v.  Chr.  geschaffen. 2)  Von  Zeit  zu 
Zeit,  erst  später  regelmäßig  alle  fünf  Jahre  wurden  zwei  Zensoren  auf 
18  Monate  bestellt.  Vielleicht  fällt  mit  dem  Beginn  der  Zensur  die  Ein- 
führung des  Census  und  der  Klassenordnung  überhaupt  zusammen,  die  von 
der  Tradition  auf  den  König  Servius  Tullius  (oben  S.  32  ff'.)  zurückgeführt 
wird.  Auf  dem  Census  beruht  auch  die  direkte  Besteuerung,  die  notwendig 
wurde,  weil  die  Ausdehnung  der  Wehrpflicht  die  Ausgaben  vermehrte.  Der 
Staat  mußte  sich  entschließen,  den  Truppen  Sold  zu  zahlen,  was  406  v.  Chr. 
in  dem  langwierigen  Vejenterkrieg  erstmals  geschehen  sein  soll.^)  Doch  gilt 
die  direkte  Steuer,  das  frifjutuin,  stets  als  außerordentliche,  nur  im  Bedarfs- 
fall erhobene  Umlage.  Da  die  siegreichen  Kriege  Beute  und  neue  Einkünfte 
brachten,  so  konnte  ein  Staatsschatz  gebildet  werden,  dessen  Verwaltung 
einer  neuen  Magistratur,  den  Quästoren,  anvertraut  wurde.  Die  ersten  zwei 
vom  Volk  gewählten  Quästoren  hatten  die  Feldherren  ins  Feld  zu  begleiten; 
später  wurden  zwei  weitere  Quästoren  für  die  Stadt  eingesetzt."*)  Die  mannig- 
fache Erweiterung  des  Staatswesens  stellte  die  Verwaltung  vor  neue  Aufgaben. 
Gewitzigt  durch  die  gallische  Katastrophe,  wird  Rom  die  Verbesserung 
des  Heerwesens  mit  gesteigertem  Eifer  betrieben  haben, J)  und  zwar  lernte 
man  bereitwillig  von  Freund  und  Feind,  von  Etruskern,  Galliern  und  Sani- 
nitern,  besonders  aber  von  den  Griechen.")  Auf  Sizilien  hatte  der  Tyrann 
Dionysios  I  (gestorben  367  v.  Chr.)  das  Kriegswesen  auf  eine  hohe  Stufe 
gehoben.  Er  unterhielt  ein  stehendes  Heer,  in  dem  viele  Italiker  dienten. 
Das  sizilische  Beispiel  blieb  gewiß  nicht  ohne  Wirkung  auf  das  italische 
Heerwesen. 


')  Vgl.  W.  Helbig,  Zur  Gesch.  des  röm.  !        ")  447  u.  421  v.  Chr.  nach  Tacit.  ann.  XI 22, 

Equitatus,  Abh.  Münch.  Akad.  2-3,  2.  Abt.,  1    was  Niese  der  abweichenden  Version  bei 

1905,  267  ff.  Liv.  IV  43,  8  ff.    vorzog.     Die    Quästoren 

*)   MoMMSEN,    Rom.  Chronol.  95  f.    Vgl.  sollen   schon  lange    existiert  haben    und 

Liv.  IV  8,  2  ff.    ScHWEGLER  (III  114  f.)  und  j   von  den  Königen    und  Konsuln  ernannt. 

DE  Book  (Fasti   censorii   36  f.)    setzen   die  !    worden  sein.    Diese  Nachricht  kann  hier 

Einführung   der  Zensur  gleichzeitig  mit  ebensowenig    erörtert    werden,    wie    die 


den  ersten  Konsulartribunen  444  v.  Chr. 
Vgl.  auch  SoLTAu,  Über  Entstehung  und 
Zus.setzg  der  röm.  Volksvers.  585  f.  O. 
Leuze,  Zur  Gesch.  der  röm.  Zensur,  Halle 
a/S.  1912,  widerlegt  die  von  Mommsen  be- 
hauptete Ursprünglichkeit  eines  festen 
Normalintervalls. 


Stellung  zu  den  qnaestores  parricidti. 

'•')  Dem  M.  Furius  Camillus  werden  Ver- 
besserungen der  Bewaffnung  'zugeschrie- 
ben (Flut.  Cam.  40),  schwerlich  mit  Recht, 
wie  aus  Polyb.  II  33,  4  hervorgeht. 

®)  Vgl.  das  von  H.  v.  Arnim  entdeckte 
Ineditnm  Vafiramim  3  in  Drächmanks  Ausg. 


=*)  Diod.  XIV  16, 5.  Liv.  IV  59, 11.  V  7, 12.    ,   von  Diodors  röm.  Annalen  (1912). 


4.  Zweite  Periode:  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens  (265  v.  Chr.).    ((Quellen.)        67 

Auch  die  Bildung  des  Senats,  wie  er  später  sich  darstellt,  dürfte  in  diese 
Periode  gehören.  Er  entstand  dadurch,  daß  zu  den  patres,  dem  patrizischen 
Uradel,  plebeische  Mitglieder,  die  co>iscriijfi  hinzukamen.  In  der  Anrede  an 
den  Senat  mit  patres  coiiscripti  hat  diese  seine  Zusammensetzung  bleibenden 
Ausdruck  gefunden.  Allerdings  wären  nach  der  communis  opinio  Plebejer 
alsbald  nach  dem  Sturz  der  Könige  in  den  Senat  gelangt;')  aber  wahr- 
scheinlich ist  dieses  Ziel  erst  in  den  Tagen  des  Ständekampfs  erreicht  worden. 
Der  Senat  tritt  nicht  an  die  Stelle  der  patres,  die  in  seinem  Schoß  als  ge- 
schlossene Körperschaft  ihre  alten  Privilegien  bewahrten,  sondern  hat  nur 
die  Befugnisse  einer  beratenden  Versammlung.  Seine  Zusammensetzung  wurde 
durch  das  plehisc'dum  Orinium  den  Zensoren  übertragen; -)  vielleicht  sollte 
auf  diese  Weise  eine  regelmäßige,  periodische  Neubildung  des  Senats  oder 
doch  seines  plebeischen  Elements  erzielt  werden.  Allein  die  plebeischen 
conscripti  glichen  sich  den  patres  an  und  Lebenslänglichkeit  der  Funktion 
wurde  für  sämtliche  Senatsmitglieder  zur  Regel. 

Im  letzten  Viertel  des  5.  Jahrhunderts  v.  Chr.  ist  Rom  eine  bedeutende 
Gemeinde,  von  der  auch  die  Griechen  wissen,  wie  sich  aus  Erwähnungen 
in  der  damaligen  griechischen  Literatur  ergibt.^)  Die  Heimsuchung  durch 
die  Gallier  hat  den  Aufschwung  Roms  nur  auf  kurze  Zeit  gehemmt.  In 
der  Folge  wuchs  die  Stadt  um  so  rascher  und  erhielt  durch  die  Aufteilung 
des  eroberten  Landes  ein  immer  größeres  Gebiet.  Der  Zuwachs  kam  nament- 
lich der  bäuerlichen  Bevölkerung  mittleren  Besitzes  zugut,  also  derjenigen 
Schicht,  die  das  Rückgrat  des  kriegerischen  Gemeinwesens  bildete;  unter 
diesen  Umständen  ließ  sich  die  ausschließliche  Herrschaft  der  alten  Ge- 
schlechter nicht  aufrecht  erhalten;  den  Plebejern  mußte  Gleichberechtigung 
zugestanden  werden.  Nicht  wenige  plebeische  Familien  gelangten  zu  Reich- 
tum und  Ansehen  und  assimilierten  sich  allmählich  den  älteren  patrizischen. 
Der  äußere  Sieg  des  demokratischen  Gedankens  förderte  den  Gemeinsinn, 
insofern  nunmehr  jeder  Bürger  das  Gemeinwesen  als  das  seinige  ansehen 
durfte.  An  dem  ausgeprägt  aristokratischen  Grundcharakter  des  Regiments 
hat  sich  jedoch  auch  im  patrizisch-plebeischen  Staat  nichts  geändert."*) 

IV.  Zweite  Periode:  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens  (265  v.  Chr.). 

Quellen: 
Über   den   großen  Samniterkrieg   und  die  anschließenden  Ereignisse    vermittelt 
den  ältesten  und  besten  Bericht  Diodor  im  19.  und  20.  Buch.    Es  ist  dies  das  erste 
zusammenhängende  Stück  genauerer  römischer  Geschichte,  das  brauchbar  überliefert 


')  Liv.  II  1,  11.    Plut.,  Popl.  11.    Festus  keler,  Sikelos,  aus  Rom  einwandern,  offen- 

p.  251  M.    Auf   eine    abweichende    Über-  bar  auf  Grund  der  Tatsache,  dafs  gerade 

lieferung    deutet   Tacit.  anu.  XI  25   hin.  Rom  zu    seiner  Zeit   nördlich  von  Kam- 

Oben  S.  45.  panien  die  namhafteste  Stadt  war,  die  eine 

-')  Festus  s.  \.  2)raeteriti  p.  246  M.  Die  \  größere  Landschaft  vertrat.  Es  liegt  auf 
Zeit  dieses  Plebiszits  ist  unbekannt.  Die  derselben  Linie,  wenn  bereits  Hellanikos 
erste  durch  die  Zensoren  vorgenommene  und  Damastes  eine  hellenische  Grün- 
Bildung  des  Senats,  von  der  wir  wissen,  dungssage  Roms  mitzuteilen  in  der  Lage 


geschah  durch  Appius  Claudius  310  v.  Chr., 
MoMMSEN,  Rom.  StR.  III  836.  856. 

^)  Antiochos  von  Syrakus  fr.7  bei  Dionys. 
Hai.  I  73,  4  f.  läßt  den  Eponymen  der  Si- 


waren.    Oben  S.  29. 

•*)  F.  Münzer.    Rom.  Adelsparteien  und 
Adelsfamilien,  Stuttg.  1920,  409  ff. 


68  Römisclie  Geschichte. 

ist.  Diodor  setzt  jedocli  erst  mit  318  v.  Chr.  ein,  da  sein  17.  und  18.  Bucli  nidits 
Römisches  bieten,  und  reicht  nur  bis  zum  Jahr  302  v.  Chr.  Von  da  ab  sind  nur 
einzelne  Auszüge  aus  Diodor  erhalten. 

Über  die  gallisch-etruskischen  Kriege  unterrichtet  am  besten  Polybios 
(II  19, ff.),  der,  wie  man  glaubt,  aus  Fabius  Pictor  geschöpft  hat. 

Der  Krieg  gegen  Pyrrhos  ist  das  erste  Ereignis  der  römischen  Geschichte, 
das  von  gleichzeitigen  Griechen  dargestellt  wurde,  von  Pyrrhos  selbst  in  seinen 
Denkwürdigkeiten,  von  Hieronymos  von  Kardia,  vielleicht  auch  von  Duris  von 
Samos,  ferner  von  dem  Epiroten  Proxenos  und  von  Timaios,  der  die  Schilderung 
dieses  Krieges  seiner  Geschichte  der  Griechen  im  Westen  (Sizilien  und  Italien)  als 
Anhang  nachfolgen  liefs.  Auf  diesen  Quellen,  von  denen  wir  nur  wenige  direkte 
Fragmente  besitzen,  beruht  die  echte  Überlieferung,  die  verhältnismäfsig  am  reinsten 
im  Auszug  des  Justinus  aus  Pompeius  Trogus  (Buch  18  und  23)  und  in  den 
geringen  Exzerpten  Diodors  vorliegt. 

Die  römischen  Annalen,  wie  sie  uns  erhalten  sind,  haben  auch  diese  Periode 
einer  durchgreifenden  nationalistischen  Glorifizierung  unterzogen.  Livius  gibt  für 
den  ersten  Samniterkrieg  nur  eine  Bearbeitung  der  bei  Diodor  reiner  vorliegenden 
Überlieferung.  Mit  dem  Schlufs  des  10.  Buches  (293  v.  Chr.)  bricht  Livius  für  uns  ab. 
Von  da  an  sind  wir  auf  die  Auszüge  aus  Livius  (nebst  Florus,  Eutropius  und  Oro- 
sius)  und  auf  die  Reste  des  Dionysios  von  Halikarnaß,  des  Appianos  und  Cas- 
sius  Dio  angewiesen.  Auch  die  Geschichte  des  Pyrrhoskrieges  ist  bei  diesen  Au- 
toren stark  entstellt,  und  die  echte  griechische  Überlieferung  hat  nur  schwache 
Spuren  hinterlassen.  Für  den  Pyrrhoskrieg  besitzen  wir  überdies  Plutarchs  Bio- 
graphie des  Pyrrhos.  Für  den  italischen  Krieg  ist  Plutarch  besonders  von  Dionysios 
beeinflußt,  hat  jedoch  auch  einzelnes  aus  älteren  Historikern  übernommen. 

Vgl.  die  am  Schluß  von  §§  12  und  14  aufgeführte  Literatur;  über  die  Historiker 
des  Pyrrhoskrieges  besonders  R.  Schubert,  N.  Jahrb.  für  Philologie,  Suppl.bd.  IX  und 
Geschichte  des  Pyrrhos  S.  1  ff.,  ferner  Niese,  Hermes  31,  1896,  481  ff. 

12.  Der  Samniterkrieg.  Nachdem  die  Eömer  durch  das  Biindnis  mit 
den  Kampanern  unmittelbare  Nachbarn  der  Samniter  geworden  waren,  ging 
die  bisherige  Freundschaft  der  beiden  Völker  in  die  Brüche;  denn  die  Sam- 
niter mochten  nicht  auf  ihren  Einfluß  in  Kampanien,^  der  ihnen  die  lebens- 
wichtige Verbindung  mit  der  See  vermittelte,  verzichten.  So  entzündete 
sich  an  der  kampanischen  Reibungsfläche  ein  langwieriger  Krieg  zwischen 
Rom  und  Samnium,  der  22  Jahre  6  Monate  dauerte,  von  328—304  v.  Chr. 2) 
Kriegsschauplatz  sind  zumeist  die  strittigen  Gebiete  in  Kampanien,  am  Liris 
und  später  in  Apulien,  während  weder  Latium  noch  das  eigentliche  Sam- 
nium im  späteren  Sinn  in  stärkere  Mitleidenschaft  gezogen  wurde;  den 
Kampfpreis  bildete  die  Herrschaft  über  die  Stämme  Mittelitaliens.  Den  Rö- 
mern sicherte  die  straffe  Konzentrierung  ihrer  staatlichen  Kräfte  die  Über- 

')  Da  keine  Nachricht  einen  Widerstand    '    Niebuhr,  RG  III  181  ff.,  De  Sanctis,  Sfor. 
der  Samniter  gegen  den  Anschluß  Kam-       c/ei  Romani  II  293  ff. 
paniens  an  Rom  vermeldet,    so  liegt  die  2)  pjo^  XX  101.  5.   Die  .Jahre  v.  Chr.  324 


Vermutung  nahe,  daß  sie  durch  Alexander 
den  Molosser,  der  334  bis  331  v.  Chr.  auf 
italischem  Boden  stand,  festgehalten  wur- 
den; denn  Alexander  kämpfte  gegen  sie 
und  schloß  mit  Rom  ein  Bündnis  (unten 


(430  der  Stadt)  und  309  (445  der  Stadt) 
werden  dabei  nicht  gerechnet;  es  sind 
zwei  nachträglich  eingeschobene  Dik- 
tatorenjahre. Scheidet  man  sie  aus,  so 
wird    der   Anfang   des    Krieges   auf  325, 


S.  75).   Die  Zeit  stimmt;  334  v.  Chr.,  dem    |    sein    Ende    auf  303  v.  Chr.  fallen.    Diod 
wahrscheinlichen  Datum  von  Alexanders       XIX  10   wird   das  Kriegsjahr  318  v.  Chr. 


Landung  in  Unteritalien,  entspricht  in 
der  römischen  Chronologie  dem  Jahr  des 
kampanischen  Bündnisses  338  v.  Chr.  Vgl. 


als    neuntes    bezeichnet;    daraus    ergäbe 
sich  als  erstes  das  Jahr  326  v.  Chr. 


4.  Zweite  Periode:  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens  (265  v.  Chr.).    (§  12.)         69 

legenheit,  während  die  tapferen  und  kriegerischen  Samniter  der  festen  Or- 
ganisation und  der  einheithchen  Leitung  entbehrten.  Mehrere  ihrer  Stämme 
scheinen  den  Römern  verbiindet  gewesen  zu  sein,  andere  traten  im  Ver- 
lauf des  Krieges  zu  Rom  über.  Erwähnenswert  ist,  daß  einige  Jahre  vor 
dem  Krieg  um  334  v.  Chr.  die  Römer  mit  den  Galliern  förmlich  Frieden 
und  Freundschaft  schlössen  (S.  55),  wodurch  sie  nach  dieser  Seite  hin  ge- 
deckt waren. 

Den  Anstoß  zum  Krieg  bot  die  Griechenstadt  Neapolis,  der  wichtigste 
Handelsplatz  Kampaniens,  Nach  der  Erzählung  der  Annalen  hatten  die  Nea- 
politen  ihre  kampanischen  Nachbarn,  römische  Bundesgenossen,  angegriffen 
und  wurden  deshalb  von  den  Römern  belagert  (327  v.  Chr.).  Eine  sam- 
nitische  Besatzung  half  bei  der  Verteidigung,  aber  die  Römer  gewannen 
Neapolis  durch  den  Verrat  ihrer  Parteigänger  innerhalb  der  Bürgerschaft 
(326  V.  Chr.).i)  Jedenfalls  ist  die  Stadt  durch  friedliche  Übereinkunft  ge- 
wonnen worden,  da  sie  auch  als  Bundesgenossin  Roms  volle  Autonomie 
behielt  und  ihren  griechischen  Charakter  bewahrte.  Der  Anschluß  von 
Neapolis,  das  seitdem  treu  zu  Rom  hielt,  war  ein  höchst  wertvoller  Gewinn, 
entfesselte  aber  den  Krieg  gegen  die  Samniter.  Vielleicht  haben  die  Sam- 
niter schon  die  Besetzung  Fregellaes  am  Liris,  welchen  Platz  die  Römer 
328  V.  Chr.  besiedelten,  als  Übergriff  betrachtet. 

In  den  ersten  Jahren  des  Krieges  wurde  auf  beiden  Seiten  mit  statt- 
lichem Aufgebot  gekämpft,  offenbar  ohne  Entscheidung.  Zuverlässige  Nach- 
richten fehlen. 2)  Nur  von  einem  großen  Unglück,  das  321  v.Chr.  die  Römer 
betraf,  haben  wir  Kunde;  als  nämlich  das  römische  Heer  in  Samnium  ein- 
dringen wollte,  wurde  es  nach  einer  verlorenen  Schlacht  (?)  von  den  Sam- 
nitern  in  den  kaudinischen  Pässen  eingeschlossen  und  zur  Kapitulation  ge- 
zwungen.^)   Die  Römer  mußten  Geiseln  stellen  und  ein  Abkommen  schließen, 


1)  Liv.VIII  22,  5  f.,  Dionys.  Hai.  15,  5  f.       crit.  dl  Roma  IV,  132  u.  A.  1). 
Diese    Berichte    sind    wenig    zuverlässig.    I        ')  Rübino,  Unters,  über  röni.  Verfassung 
So  beruht  gleich  die  Erwähnung  des  mit   !    u.  Gesch.  I  274.    J.  Kromayer,    Abh.    der 


Neapolis  eng  verbündeten  Palaepolis  auf 
Erdichtung  (Mommsen,  CIL  X  1,  p.  170). 
Die  weiterhin  erzählte  Hilfeleistung  der 
Tarentiner  an  Neapel  wird  ebenfalls  er- 
funden sein.  Niese,  Gesch.  der  griech.  u. 
niaked.  Staaten  I  478  f.  Aber  Pais,  Stovia 
critica  dl  Borna  IV  457  ff.  verficht  gegen 
Mommsen  und  Beloch  die  Existenz  von 
Palaepolis. 


Sachs.  Akad.  d.  Wiss.  34,  5,  1921,  60  ff.  Die 
Forche  Candlne  liegen  an  der  späteren 
Heerstraße  von  Capua  nach  Benevent. 
Entgegen  der  durch  H.  Nissen,  Rhein.  Mus. 
25,  1870,  1  ff.  fast  kanonisch  gewordenen 
Ansicht,  daß  die  Ebene  von  Caudium 
selbst  bei  dem  heutigen  Montesarchio  der 
Schauplatz  der  Katastrophe  gewesen  sei, 
entscheidet  sich  Kr.  aus  topographischen 


')  Diodors  Bericht  (B.  19  u.  20)  beginnt  I  und    militärischen    Gründen    wieder    für 

erst   mit   dem  Jahr  318  v.  Chr.,    der   des  !  die  Enge   von  Arpaja,    an    der   noch   im 

Livius   ist   minderwertig;   so   klingen   in  \  MitielaMer  der 'Nnine  der  furoilae  Caudlnae 

der  Erzählung  des  J.  325  v.  Chr.  bei  Liv.  \  haftete.    Unsere  späten  und  zugestutzten 

VIII,  29  f.  bekannte  Motive  an.  Besonders  ']  Tendenzberiehte     suchen    dem    schmäh- 

der  Streit  des  Diktators  L.  Papirius  Cursor  j  liehen  Vorfall    eine    für   Rom    möglichst 

mit  dem  magister  equitumQ.Fabius  Maxi-  |  ehrenvolle  Seite  abzugewinnen.    Ob,  wie 

mus  (Rullianus)  ist  dem  Konflikt  des  Fa-  Niebuhr  annahm,    der  Kapitulation    eine 

bius  Maximus  mit  M.  Minucius  vom  J.  217  i  verlorene  Schlacht  vorausging,   oder  ob, 

V.  Chr.  nachgebildet.  —  Nach  Beloch  sind  j  wie  Nissen  es  sich  dachte,   erst  mehrere 

die    Namen    der    samni tischen    Feld-  Durchbruchsversuehe  gescheitert  waren, 

herren    dem    Bundesgenossenkrieg    ent-  [  ist  nicht  zu  ermitteln.    Über  den  Vertrag 

lehnt  (vgl.  bei  Gercke-Noeden,  Einl.  in  die  vgl.  E.  Täubler,  Inq).  Rom.  I  140  flf. 

Altertumswiss.    III',    187  f.     Pais,    Storla  \ 


70 


Römische  Geschichte. 


das  vielleicht  den  Verzicht  auf  das  eroberte  Gebiet  enthielt.  Dieses  Ab- 
kommen, das  nach  einer  Nachricht  i)  von  den  Konsuln  und  den  Volks- 
tribunen beschworen  wurde,  trat  wahrscheinlich  für  einige  Zeit  in  Kraft; 
wenn  später  Fregellae  und  Umgebung  wieder  als  samnitischer  Besitz  er- 
scheint, so  ist  es  denkbar,  dafa  diese  Gegend  damals  von  den  Eömern  ab- 
getreten werden  mußte.  Bald  entbrannte  der  Krieg  aufs  neue.  In  seinem 
Verlauf  gelang  es  den  Eömern  zu  ihrem  Glück,  in  Apulien  und  bei  den 
Lukanern  Bundesgenossen  zu  gewinnen;  jetzt  konnten  sie  also  den  Gegner 
auch  von  Osten  her  angreifen,  von  welcher  Seite  Samnium  leichter  zugäng- 
lich war.  Schon  318  v.  Chr.  wurde  Canusium  in  Apulien  erworben  und 
316  V.  Clir.  machten  die  Römer  hier  weitere  Fortscliritte.  Der  Krieg  wurde 
in  diesen  Jahren  in  der  Form  von  Plünderungen  und  Raubzügen  mit  kleineren 
Scharen  geführt,  nahm  aber  bald  wieder  größeren  Umfang  an. 

Im  Jahr  315  v.  Chr.  waren  zunächst  die  Samniter  mit  Erfolg  tätig.  Sie 
gewannen  vor  allem  Sora  am  Liris,  das  die  Bewohner  ihnen  übergaben. 
Indes  drangen  die  Römer  von  Kampanien  aus  nach  Samnium  vor  und  be- 
lagerten Saticula,^)  das  sie  nach  ihrem  Sieg  über  ein  samnitisches  Entsatz- 
heer auch  eroberten.  Nun  aber  holten  die  Samniter  zu  einem  grofsen  Schlag 
aus:  mit  versammelter  Macht  marschierten  sie  auf  Latium.  Angesichts  der 
Gefahr  bestellten  die  Römer  in  Q.  Fabius  einen  Diktator,  der  an  der  Landes- 
grenze bei  Lautulae  unweit  Tarracinas  dem  Feind  sich  entgegenstellte.  Aber 
die  Römer  wurden  geschlagen,  der  Reiterführer  Q.  Aulius,  der  den  Rückzug 
zu  decken  suchte,  fand  dabei  den  Heldentod.  Der  Sieg  der  Samniter  machte 
großen  Eindruck;  Capua,  wo  bald  darauf  die  samnitische  Partei  die  Ober- 
hand gewann,  drohte  abzufallen.  So  mußten  denn  die  Römer  ihre  Truppen 
aus  Apulien  abberufen;  um  aber  ihre  Stellung  dort  nicht  zu  verlieren, 
sandten  sie  eine  latinische  Kolonie  nach  Luceria,  welcher  Platz  sich  dann 
als  wichtige  Stütze  ihrer  Herrschaft  erweisen  sollte.  Überhaupt  waren  die 
Römer  so  wenig  entmutigt,  daß  sie  im  folgenden  Jahr  (314:  v.  Chr.)  zwei 
Heere  ins  Feld  stellten,  das  eine  gegen  die  Samniter,  das  andere  gegen 
das  abtrünnige  Capua.  Bei  Kinna ')  erfochten  sie  über  die  Samniter  einen 
großen  Sieg.  Infolgedessen  verzichteten  die  Kampaner  auf  ihre  Abfalls- 
gelüste, lieferten  die  Häupter  der  samnitischen  Partei  aus  und  kehrten  zum 
Bündnis  mit  Rom  zurück.  In  den  nächsten  Jahren  machten  die  Römer  weitere 
Fortschritte:  Fregellae  und  Nola  fielen  ihnen  in  die  Hände  (313  v.  Chr.); 
gegen  die  Marrucinerstadt  Pollitium  zogen  sie  im  Jahr  312  v.  Chr.  mit  starkem 
Aufgebot  zu  Fuß  und  zu  Pferd.  Im  selben  Jahr  wurde  am  Liris  die  Kolonie 
Interamna  gegründet.  Damit  hatten  die  Römer  in  Mittelitalien  die  Ober- 
hand gewonnen  und  konnten  nun,  im  Jahr  311  v.  Chr.,  auch  wieder  in  Apu- 
lien mit  einem  größeren  Heer  operieren  und  beträchtliche  Vorteile  erzielen. 

Aber  ein  neuer  Krieg  zog  sie  von  diesem  Schauplatz  ab.  Eine  Anzahl 
Etruskerstädte  *)  vereinigte  sich,  vielleicht  im  Einvernehmen  mit  den  Sam- 


')  Cic.  de  off.  3, 109.  Vgl.  Liv.  IX  8, 13  ff. 

^)  Wie  man  annimmt,  beim  lieutigen 
Sant'  Agata  clei  Goti.  Nissen,  Ital.  Landes- 
kunde II  809. 

')  Unbekannter  Lage.  Burger  und  nach 
ihm   De    Sanctis    denken    an    Tarracina. 


NiESEs  Vermutung,  daß  bei  Diod.  XIX  76, 2 
vielleicht  Pinna  gemeint  sei,  wird  von 
Drachmann  empfohlen. 

■*)  Genannt  werden  die  ansehnlichsten 
Plätze,  Cortona,  Arretium,  Perusia  und 
Tarquinii. 


4.  Zweite  Periode:  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens  (265  v.  Chr.).    (§  12.)  71 

nitern,    zu  einem  Angriff   auf  das  ehemals  etruskische,    nunmehr  latinische 
Sutrium.    Die  Eömer"  mußten  der  belagerten  Stadt  zu  Hilfe   kommen  und 
ihre  Heere  aus  Apulien  zurückziehen;  es  gelang,  die  Etrusker  auf  ihr  Lager 
bei  Sutrium  zurückzuwerfen  und  so  die  bedrängte  Stadt  selbst  zu  entsetzen. 
Doch  die  inzwischen  von  den  Samnitern  in  Apuhen  gemachten  Fortschritte 
zwangen  die  Römer,    ihre  Macht  zu  teilen;    so  ging    der  eine  Konsul  nach 
Kampanien,  um  durch  einen  Angriff  auf  Samnium  die  Feinde  von  Apulien 
abzuziehen.     Jetzt  waren  die  Etrusker,  die  Verstärkungen    erhalten  hatten, 
den  Eömern  anscheinend  überlegen,  und  konnten  Sutrium  erneut  bedrohen. 
Aber  Konsul  Q.  Fabius  machte  durch  das  Gebiet  der  Umbrer,  die  offenbar 
zu   Rom    hielten,    einen    unerwarteten  Vorstoß    nach   Nordetrurien,    das    er 
gründlich  verheerte.     Dadurch  wurde  das  etruskische  Heer  gezwungen,  die 
Belagerung  von  Sutrium  aufzuheben  und  seinen  von  Fabius  besiegten  Lands- 
leuten Hilfe  zu  bringen.  Im  folgenden  Jahr  (308  v.  Chr.) ')  schlugen  die  Römer 
einen    samnitischen" Angriff   auf   die    verbündeten    Marser    siegreich    zurück 
und   zogen    dann    abermals  durch    das   umbrische  Land   nach  Nordetrurien. 
Nachdem  dann  ein  Waffenstillstand,   zu  dem  sich  die  Etrusker  gezwungen 
sahen,  dieser  Fehde  ein  Ende  gemacht  hatte,  konnten  die  Römer  ihre  ganze 
Kraft  wieder  gegen  die  Samniter  einsetzen.    Allerdings  eroberten  die  Sam- 
niter  auf  dem  westlichen  Kriegsschauplatz  306  v.  Chr.  die  Städte  Sora  und 
Calatia;  aber  in  Apulien  siegten  die  Römer  entscheidend  bei  Silvium,  drangen 
in  Samnium    selbst   ein   und  verheerten  das  Land  fünf  Monate  lang.     Eine 
Empörung  Anagnias   und  anderer  Städte  der  Herniker  fand   rasche  Unter- 
drückung und   strenge  Sühne.  2)    Im  nächsten  Jahr  305  v.  Chr.  wurden  die 
Paeligner  unterworfen;    in  Kampanien    errangen  die  Römer   einen  Doppel- 
sieg über    das    samnitische  Heer   und    eroberten  die  Städte  Sora,   Arpinum 
und  Aesernia.3)    Diese  römischen  Waffentaten  nötigten  die  Samniter  encUich 
304  v.  Chr.  zum  Friedensschluß,  dessen  Bedingungen  unbekannt  sind.   Kam- 
panien  und    die  übrigen  Eroberungen   mußten  sie  den  Römern   überlassen. 
Das  bedeutete  für  Samnium  eine  starke  Einschränkung  und  den  fast  völligen 
Abschluß  vom  Meer. 

Noch  im  nämlichen  Jahr  304  eröffneten  die  Römer  einen  Angriff  aut 
die  Aequer.  Der  Konsul  P.  Sempronius  fiel  in  deren  Land  ein,  nahm  zahl- 
reiche Ortschaften  und  zwang  den  ganzen  Stamm  zur  Unterwerfung.^)  Das 
Gebiet  wurde  zum  Teil  an  römische  Bürger  vergeben,  auch  wurden  zwei 
neue  Kolonien,  Alba  Fucens  (303  v.  Chr.)  und  Carsioli  (298  v.  Chr.)  angelegt. 
Marser,  Marruciner,  Paeligner  und  Frentaner,  also  die  streitbaren  Völker 
Mittelitaliens  samnitischen  Stammes,  wurden  gleich  nach  dem  samnitischen 
Frieden    304  v.  Chr.  Bundesgenossen    der   Römer;    ihnen    folgten   bald    die 

^■7^09^^hr.    ist  Diktatorenjahr   (vgl.  \   obert  (vgl.  Liv.  X  1,  3).    Anagiiia  wurde 

g   ßg  r)\  l    später  zur  civitas  sine  snffragio. 

■•^)  Hier  offenbart   sich  wieder  die  Un-  \        ')  So  wird  nach  Glareaküs  und  Clüveb 

Sicherheit    der    lungeren    Überlieferung.  1   sowohl  bei  Diod.  XX  90, 4  (tur  J-fe^rm,-)  als 

Nach  Hin.  h.  n.  34,  23  hätte  Konsul  Q.  Mar-  |    auc;h  bei  Li.^  IX  44^6  zu  lesen  sem    Vgl. 

cius  Anagnia  erobert,  wovon  Liv.  IX  43,  H.  Philipp,  Philol.  Wochenschr.  1921.  647 

dem    zufolge    die  Hei'niker,    ohne  erheb-  I    .  ;)  Diod.  XX  101,  5     Die  ^^^l'^^J^f^^^ 

liehen  Widerstand   zu  leisten,    klein  bei-  ist  unbekannt;   auch  Liy.  IX  4o,  o  tt.  nat 

gäen,  nichts  weiß.  Nach  der  klteren  Tra-  !    darüber  nichtsWesentliches  beizubringen, 

dition  (Diod.  XX  80,  4)  wird  Frusino  er-  | 


72  Römische  Geschichte. 

Vestiner  und  vielleicht  die  Picenter.^)  Über  die  Umbrer  fehlt  es  an  glaub- 
würdigen Nachrichten.  Sie  bildeten  nur  eine  lockere  Einheit,  und  oft  trieben 
die  einzelnen  Gemeinden  ihre  Sonderpolitik.  Im  ganzen  scheinen  sich  die 
Umbrer  um  ihrer  Feindschaft  mit  den  Etruskern  '')  willen  während  des  Krieges 
mehr  den  Römern  zugeneigt  zu  haben.  In  der  Folge  wird  sich  dann  ihr  An- 
schluß an  die  römische  Bundesgenossenschaft  angebahnt  haben.  Einer  ihrer 
südlichen  Grenzorte,  Nec[uinum  am  Nar,  kam  in  den  Besitz  der  Römer,  und 
wurde  unter  dem  Namen  Narnia  latinische  Kolonie  (299  v.  Chr.). 3) 

Noch  während  des  Krieges  und  bald  nachher  wurde  dem  Anwachsen 
der  römischen  Bürgerschaft  Rechnung  getragen;  so  wurden  318  v.  Chr.  die 
Tribus  Falerna  und  Oufentina  auf  kampanischem  und  volskischem  Boden 
geschaffen;  313  v.  Chr.  wurden  in  Kampanien  weitere  römische  Kolonisten 
angesiedelt;  299  v.  Chr.  entstanden  wiederum  zwei  neue  Tribus,  Aniensis 
und  Teretina.  Parallel  damit  lief  die  Gründung  neuer  latinischer  Städte 
mitten  im  Krieg  auf  erobertem  feindlichem  Gebiet.  Zu  den  genannten,  Lu- 
ceria,  Interamna  am  Liris,  Alba  (Fucens),  Carsioli  und  Narnia  kommen 
noch  Suessa  im  Aurunkergebiet  und  Saticula,  beide  angeblich  im  Jahr  313 
V.  Chr.  So  legte  Rom  um  sein  Gebiet  einen  Gürtel  von  befestigten  Städten 
und  gewährte  zugleich  der  latinischen  Nation  eine  dem  Wachstum  der  römi- 
schen Bürgerschaft  entsprechende  Ausdehnung.  In  dem  großen  Ringen  mit 
Samnium  waren  die  Latiner  die  Waffenbrüder  Roms  und  ohne  Zweifel  hat 
vor  allem  die  gemeinsam  bestandene  Kriegsgefahr  die  jüngst  Besiegten  mit 
den  Siegern  zur  völkischen  Einheit  zusammengeschweißt.  In  den  Samniter- 
krieg  gehören  nach  den  Annalen  auch  die  Anfänge  einer  römischen  Kriegs- 
flotte; für  den  Bau  und  die  Ausrüstung  von  Schiffen  wurde  311  v.  Chr. 
eine  eigene  Behörde,  die  duoviri  navales,  bestellt.^)  In  diesem  Zusammen- 
hang ist  auch  die  Gründung  einer  römischen  Kolonie  auf  der  Insel  Pontia 
zu  erwähnen,  die  wohl  dem  Schutz  der  latinischen  Küste  galt.  Offenbar 
sind  neben  dem  Landkrieg  auch  Operationen  zur  See  vorgekommen. 

J.  Käekst,  Jahrbb.  für  Phil.,  Suppl.  XIII  (1884)  725  ff.  —  C.  P.  Bükgee,  De  hello 
cum  Samnitihus  secundo,  Haarlem  1884.  —  P.  Binnebössel,  Untersuchungen  über  Quellen 
und  Geschichte  des  2.  8amniterkrieges,  Diss.  Halle  1893.  —  C.  P.  Bue&er,  Der  Kampf 
zwischen  Rom  und  Samnium,  Verhandl.  d.  Akad.  Amsterdam,  Letterkunde.  X.  F.  II 
1898.  —  Pais,  Storia  crifica  di  Roma  1\ . 

13.  Weitere  Kriege  gegen  Samniter,  Etrusker  und  Gallier.  Bald  nach 
dem  Ende  des  Samniterkriegs  beteiligten  sich  die  Römer  als  Verbündete 
der  Lukaner  an  dem  Krieg  gegen  die  Tarentiner,  die  einen  spartanischen 
Condottier,  den  Prinzen  Kleonymos,  zur  Hilfeleistung  aufgeboten  hatten. 
Kleonymos  brachte  ein  so  starkes  hellenisches  Söldnerheer  zusammen,  daß 

')  Liv.  X  10,  12.    Vgl.  jedoch  S.  74.  81.  und  die  Art,  wie  Nequinum  von  den  Rö- 

2)  Strabo  V  216.  mern  erobert  sein  soll  (Liv.  X  9.  8if.). 

3)  Liv.  IX  37.  39.  41  (310.  308  v.  Chr.)  er-  *)  Liv.  IX  30,  4.  Ob  den  Duovirn  auch 
zählt,  daß  die  Umbrer  den  Etruskern  zu  der  Oberbefehl  über  die  Flotte  zugedacht 
Hilfe  kamen,  dann  von  den  Römern  ge-  war,  ist  zweifelhaft.  Das  Amt  hatte  keine 
schlagen  wurden  und  sich  bedingungslos  große  Zukunft  und  scheint  um  die  Mitte 
unterwarfen  außer  Ocriculum,  das  einen  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.  ganz  ein- 
Sondervertrag  schloß.  Diese  Stadt  wird  gegangen  zu  sein.  Von  einer  eigentlichen 
also  ihr  eigenes  foedus  mit  Rom  gehabt  Kriegsflotte  kann  übrigens  zur  Zeit  seiner 
haben.  Das  übrige  ist  Erfindung.  Nicht  Einführung  noch  nicht  die  Rede  sein, 
minder  verdächtig  ist  ein  späterer  um-  .  Vgl.  Niebühr,  Rom.  Gesch.  III  282. 
brischer  Krieg  bei  Liv.  X  1,  4  (303  v.  Chr.)  , 


4.  Zweite  Periode:  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens  (265  v.  Chr.).    (§  13.)  73 

die  Lukaner  klein  beigaben  und  Frieden  machten  (303  v.  Chr.).i)  In  der 
Folgezeit  neigten  sich  die  Lukaner  den  Samnitern  zu,  und  die  veränderte 
Konstellation  führte  299  oder  298  v.  Chr.  zu  einem  Krieg  Roms  mit  diesen 
beiden  Völkerschaften. 2)  Es  war  kaum  Zufall,  daß  auch  die  Gallier  um  die- 
selbe Zeit  sich  wieder  regten;  299  v.  Chr.  gelangte  nämlich  ein  Schwärm  von 
Transalpinem,  vereinigt  mit  Etruskern,  bis  in  römisches  Gebiet  und  führte 
eine  beträchtliche  Beute  hinweg. 3)  Der  Samniterkrieg  begann  mit  einem 
römischen  Angriff  auf  Samnium  und  Lukanien,  wo  der  Konsul  von  298  v.  Ciir., 
L.  Cornelius  Scipio  Barbatus  nach  dem  Ausweis  der  Inschrift  auf  seinem  uns 
erhaltenen  Sarkophag  mit  Erfolg  sich  betätigte.*)  Kritisch  gestaltete  sich 
Roms  Lage  erst,  als  sich  die  Samniter  mit  Galliern  und  Etruskern  ver- 
bündeten. Die  Heere  der  drei  Stämme  vereinigten  sich  295  v.  Chr.  in  Um- 
brien  und  zogen  gen  Rom.  Zuerst  erlitten  die  Römer  im  Gebiet  der  Camertor 
(bei  dem  nachmaligen  Camerinum)  ^)  eine  Niederlage,  schlugen  aber  wenige 
Tage  später  mit  ihrer  ganzen  Streitmacht  die  Gegner  in  der  gewaltigen 
Schlacht  bei  Sentinum,  in  der  nach  dem  zeitgenössischen  Historiker  Duris 
von  Samos  auf  der  feindlichen  Seite  100000  Mann  geblieben  sein  sollen.  •5) 
Mit  diesem  Sieg  war  die  eigentliche  Gefahr  gebrochen,  wenngleich  sich 
der  Krieg  gegen  die  römerfeindliche  Koalition  mit  wechselndem  Glück  noch 
etliche  Jahre  hinzog.  Ein  Treffen  bei  Luceria  291  v.  Chr.  blieb  unentschieden. 
Im  nächsten  Jahr  erfocht  der  Konsul  Sp.  Carvilius  einen  stattlichen  Sieg 
über  die  Samniter.')  Einen  weiteren  Fortschritt  der  Römer  bezeichnet  die 
291  V.  Chr.  erfolgte  Gründung  von  Venusia  auf  samnitischem  Boden  mit  an- 
geblich 20000  Kolonisten.  Der  Ruhm,  den  Krieg  schließlich  beendet  zu 
haben,  gebührt  den  Konsuln  von  290  v.  Chr.,  P.  Cornelius  (Rufinus)  und 
M'.  Curius  (Dentatus).  Sie  zwangen  den  Feind,  sich  unter  beträchtlicher 
Einbuße  zum  Frieden  zu  bequemen.  M'.  Curius  ist  die  erste  einigermaßen 
greifbare  Persönlichkeit  der  älteren  römischen  Geschichte.^)  Er  hat  vor  allem 
den  letzten  Akt  des  Krieges  zum  guten  Ende  geführt,  die  Unterwerfung 
der  Sabiner,  die  mit  den  blutsverwandten  Samnitern  gemeinsame  Sache 
gegen  Rom  gemacht  haben  müssen.  M'.  Curius  durchzog  unter  Verheerungen 
ihr  Land  und  das  benachbarte  Picenum  bis  zur  Adria.  Zahlreiche  Gefangene 
wurden  gemacht  und  ein  großer  Teil  des  Landes  von  den  Römern  in  Besitz 

')Diod.XX104;  302v.Chr.nachLiv.X2.  und  durch  seinen  Opfertod  den  Römern 
■^)  Bianca  Bruno,    La   terza  guerra  san-  den    Sieg   gewann.     Der  .Opfertod    eines 
nitica  {Studi  di  storia  antica  puhbl.  da  Giulio  '    Konsuls    P.  Decius    wird    uns   auch    von 
Beloch,  fasc.  6),  Rom  1906.  j    den   Schlachten    am    Vesuv  (340  v.  Chr.) 
3)  Polyb.  II  19,  2.  '    (S.  56,  4)  und  bei  Ausculum  (279  v.  Chr.) 
■*)  CIL  I-  6.  7.    ILS  nr.  1.    Ganz  anders  j    berichtet.    Von    diesen    drei  Decierdevo- 
lautet   der   Bericht    des    Liv.  X  12,  3  ff.,  1    tiouen  hat  nur  einer  Anspruch  auf  Histori- 
dessen  Verfälschung  durch   die  Inschrift  zität.    Vgl.  E.  Kornemann,    Der    Priester- 
erwiesen  wird.    Vgl.  Niese  im  Index  lec-  1    codex  in  der  Regia,  Tübingen  1912,  26,  2, 
tlonum,  Marburg,  Sommer  18ö6,  4.  ;    der  sich  für  die  mittlere  entscheidet. 

^)  Nach  Liv.  X  25,  11  bei  Clusium,  das  \        ')  Plin.  n.  h.  34,  43,  während  nach  Liv. 

früher  Camars  geheißen  habe.  Niese  folgt  ;    X  38  sein  Kollege  L.  Papirius  (Cursor)  der 

hier  mit  Niebühr  dem  Polyb.  II 19,  5.    Ob  \    Sieger    war.    Mit    dem    Jahr   293   v.  Chr. 

Clusium  wirklich  je  den  Namen  Camars  I    schließt  die  erste  Dekade  des  Livius. 

führte,  sei  mehr  als  zweifelhaft.  ^)Plutarch,Catomaior  3.  Populär  machte 

«)  Diod.  fr.  XXI  6.    Liv.  X  2S  f.  erzählt,  ihn  besonders  Cato.  Vgl.  Münzer,  PW  IV 

daß  in  dieser  Schlacht  der  Konsul  P.  De-  1844  f. 
cius  Mus  sich  den  Unterirdischen  weihte 


74  Römische  Geschichte. 

genommen.')  Was  von  den  Sabinern  noch  ül)rig  blieb,  trat  in  die  römische 
Bundesgenossenschaft  ein.'-*)  Auch  die  Picenter  mußten  sich  unterwerfen  und 
wahrscheinlich  ein  Stück  ihres  Gebietes  abtreten;  denn  schon  zum  nächsten 
Jahr  289  v.  Chr.  wird  die  Anlage  der  latinischen  Kolonie  Hadria  an  ihrer 
Küste  berichtet.  Die  Herrschaft  Koms  in  Mittelitalien  war  jetzt  entschieden. 
Der  Gewinn,  den  Rom  aus  diesem  Kriege  zog,  war  sehr  beträchtlich:  nach 
der  Unterwerfung  der  Sabina  haben  die  Römer  laut  Fabius  Pictor  „zuerst 
das  Reichsein  verschmeckt ".3)  Die  Verteilung  von  sabinischem  Grund  und 
Boden  an  römische  Bürger  —  doch  blieben  weite  Strecken  vorläufig  noch 
CKier  puUlnis  —  leitete  M'.  Curius,  der  auch  den  See  Velinus  in  den  Nar 
ableitete  und  dadurch  das  fruchtbare  Becken  von  Reate  trocken  legte  und 
der  Kultur  gewann.^)  Bald  war  die  Sabina  völlig  latinisiert;  schon  268  v,  Chr. 
wurden  die  wichtigsten  Städte  in  das  römische  Vollbürgerrecht  aufgenommen. &) 
In  den  Samniterkrieg  hatten,  besonders  seit  295  v.  Chr.,  auch  die  Etrusker 
als  Gegner  Roms  eingegriffen;  mit  ihnen  hatten  die  Römer  noch  mehrere 
Jahre  zu  kämpfen  bis  zur  schließlichen  Unterwerfung.  In  den  Jahren  298 
bis  294  v.  Chr.  werden  in  unserer  Überlieferung  Kriege  gegen  die  Etrusker 
erwähnt,  etwas  s^Däter  ein  Krieg  gegen  Volsinii;*^)  doch  sind  die  Nachrichten 
im  einzelnen  wenig  zuverlässig.  Es  handelt  sich  nicht  etwa  um  einen  Krieg 
gegen  den  gesamten  etruskischen  Stamm.  Vielmehr  scheinen  sich  die  etrus- 
kischen  Städte  auf  zwei  Parteien  verteilt  zu  haben;  während  einige  wie 
Caere  und  vielleicht  auch  Clusium  mit  Rom  befreundet  oder  verbündet 
waren,  suchten  andere  an  den  Samnitern  und  namentlich  an  den  benachbarten 
Galliern  ihren  Rückhalt.  Uneins  unter  sich  und  in  die  Mitte  zwischen  Gallier 
und  Römer  gestellt,  vermochten  die  Etrusker  ihre  Selbständigkeit  nicht  zu 
behaupten.  Die  Entscheidung  fiel  285  v.  Chr.  Vielleicht  von  einem  Teil  der 
Etrusker  gerufen,  überschritten  die  Gallier  aufs  neue  den  Appennin  und 
griffen  Arretium  an:  die  Römer  wollten  Hilfe  bringen,  wurden  aber  unter 
erheblichen  Verlusten  an  Toten  und  Gefangenen  geschlagen.  Als  sich  nun 
die  Gallier  auch  noch  an  römischen  Gesandten  vergriffen,  da  boten  die 
Römer  ihre  ganze  Macht  auf  und  wandten  sich  gegen  den  gallischen  Stamm 
der  Senonen,  die  bis  zu  jener  Verletzung  des  Gesandtenrechts  als  römische 
Bundesgenossen  gegolten  hatten.  Die  Senonen  wurden  verjagt  und  ihr  Ge- 
biet, den  ager  Galllctis,  nahm  Rom  in  Besitz.  Als  Bürgerkolonie  wurde  Sena 
Gallica  an  der  adriatischen  Küste  gegründet.  Durch  diese  römische  Ex- 
pansion fühlten  sich  die  gallischen  Boier,  die  Nachbarn  der  Senonen,  be- 
droht: sie  sammelten  ein  großes  Heer  und  zogen,  vereint  mit  ihren  etrus- 
kischen Bundesgenossen,  gegen  Rom.  Am  vadimonisclien  See  {Vadimonis 
lacii.s),  nicht  weit  vom  Tiber,  traten  die  Römer  den  Feinden  entgegen  und 
besiegten  sie  in  einer  großen  Schlacht.  Nach  einer  erneuten  Niederlage  im 
nächsten  Jahr  (284  v.  Chr.),  vielleicht  bei  Populonia,  ließen  sich  die  Boier 
zum  Frieden  herbei.  Am  meisten  gelitten  hatten  in  der  Schlacht  am 
vadimonischen  See  die  Etrusker;  ihr  Widerstand  ist  gebrochen  und  so  beugen 

1)  Aurelius  Victor  de  vir.  ill.  33.  Florus  =>)  Strabo  V  228. 

I  10.    Niese,  Hist.  Zeitsehr.  N.  F.  23,  503.  ")  Cicero  ad  Att.  IV  15,  5. 

2)  Die    Sabiner    werden    als    Bundes-  *)  Vell.  Patere.  I  14,  7.    Vgl.  aber  unten 
genossen   Roms   zuletzt   um   225   v.  Chr.       S.  86,  1. 

erwähnt.    Polyb.  II  24,  5.  ]        *)  Müllee-Deecke,  Etrusker  I  120. 


4.  Zweite  Periode:  Bis  zui*  Unterwerfung  Italiens  (265  v.  Chr.).    (§  14.)  75 

sie  sich  unter  die  römische  Oberhoheit.  Ihre  Städte  schlössen,  eine  jede  für 
sich,  mit  den  Siegern  einen  Bündnisvertrag.  Nur  Volsinii  und  Volci  be- 
haupteten sich  noch  bis  280  v.  Chr.,  in  welchem  Jahr  auch  sie  Frieden  machten.  *) 

14.  Eroberung  Unteritaliens.  In  Unteritahen  standen  seit  langem  die 
griechischen  Städte  unter  dem  Druck  von  Brettiern  undLukanern;  die  an 
der  Westküste  liegenden  aufser  Elea  (Velia)  waren  bereits  erlegen  und  nur 
die  größeren  Gemeinden  an  der  Ostküste  vermochten  sich  zu  behaupten. 
Bei  weitem  die  mächtigste  von  allen  war  Tarent,^)  eine  große,  reiche  Stadt 
mit  lebhaftem  Handel  und  ansehnlichem  Territorium.  Tarent  beanspruchte 
eine  Art  Hegemonie  über  die  benachbarten  Hellenen.  Mit  Messapiern  und 
Lukanern  lag  Tarent  des  öfteren  in  Fehde.  Zu  ihrer  Verteidigung  nahm 
die  Stadt  wiederholt  griechische  Söldner  und  Heerführer  in  ihren  Dienst, 
zuerst  den  König  Archidamos  III.  von  Sparta,  der  338  v.  Chr.  in  einer 
Schlacht  gegen  die  Messapier  für  Tarent  sein  Leben  ließ,  dann  Alexander 
den  Molosser,  den  König  von  Epirus  und  Oheim  und  Schwager  Alexanders 
des  Großen.  Der  Molosser  setzte  wahrscheinlich  im  Jahre  334  v.  Chr.  nach 
Italien  über,  wo  er  anfänglich  gegen  Lukaner,  Apuler  und  Samniter  Er- 
folge erzielte  und  eine  Reihe  von  festen  Plätzen  eroberte.  Er  zeigte  sich 
auch  im  tyrrhenischen  Meer  und  landete  bei  Poseidonia,  wo  er  Samniter 
und  Lukaner  besiegte.  Seine  Feindschaft  gegen  die  Samniter  brachte  ihn 
in  Fühlung  mit  Rom  und  die  Interessengemeinschaft  verdichtete  sich  zu  einem 
Bündnis.  3)  Sein  letztes  Ziel  soll  die  Gründung  eines  großen  Westreichs  ge- 
wesen sein,^)  eines  Gegenstückes  zu  dem  Ostreich  Alexanders  des  Großen. 
Aber  dem  Wirken  des  Molossers  wurde  bald  ein  Ende  bereitet.  Er  über- 
warf sich  mit  den  Tarentinern,  die  ihn  seinem  Schicksal  überließen.  Nur 
Metapont  und  Thurii  hielten  noch  zu  ihm.  Von  den  Lukanern  mit  über- 
legenen Streitkräften  unerwartet  angegriffen,  wurde  der  Molosser  geschlagen 
und  getötet,  wahrscheinlich  im  Herbst  331  v.  Chr.^) 

Während  des  großen  Samniterkriegs  herrschte  in  Unteritalien,  so  viel 
wir  wissen,  Ruhe.*')  Aber  gleich  darauf  erneuerten  die  Lukaner,  jetzt  mit 
den  Römern  verbündet,  ihre  Angriffe  auf  Tarent;  damals  nahmen  die 
Tarentiner    den    Spartaner   Kleonymos    in    ihren    Sold,    der    den    Lukanern 


^)  Eine  zuverlässige  Überlieferung  der  handl.  der  Münch.  Akad.  XV  173. 

letzten  Ereignisse   und    ihrer  Zeit  bietet  I        -)  Strabo  VI  280.    R.  Lorentz,  Disquisitio 

allein  Polyb.  II  19  f.    Die  späteren,  meist  de  civitate  vetenim  Tarent inortmi,  Naumburg 

von   Liv.  abhängigen    und    vielfach    ent-  1838;  Dohle,  Gesch.  Tarents  bis  auf  seine 


stellten  Erzählungen  setzen  den  Krieg 
2  Jahre  später.  283  und  282  v.  Chr.,  zeigen 
jedoch  noch  Spuren  der  polybianisclien 
Chronologie.  Die  Verschiebung  geschah, 
wie  die  spätere  Überlieferung  selbst  an- 
deutet, wahrscheinlich  zu  dem  Behuf, 
den  Krieg  der  Tarentiner  und  des  Pyrrhos 
mit  dem  gallischen  in  unmittelbaren  Zu- 


Unterwerfung unter  Rom,  Progr.,  Strafs- 
burg i.  E.  1877. 

3)  Vgl.  oben  S.  68,  1. 

*)  Justin  XII  2,  1. 

'->)  Niese,  Gesch.  d.  griech.  u.  maked. 
Staaten  I  476  f.  Über  die  Zeit  seines  Todes 
vgl.  Arrian,  Anab.  III  6,  7.  Aeschin.  in 
Ctesiph.  242.     Ungek,    Griech. -röm.    Syn- 


sammenhang  zu  bringen.  Mommsen  läßt  chronismen,  SB.  Münch.  Akad.  1876,  571  f. 
gegen  alle  Tradition  den  Krieg  3  Jahre,  ,  und  in  diesem  Handbuch  I.  1892,  816. 
von  284—282,  währen.  Unger  sucht  den  j  «)  Liv.  VIII  25,  7;  27,  4;  1X14  berichtet 
Polyb.  mit  den  jüngeren  römischen  Be-  zwar,  daß  die  Tarentiner  zu  einer  Ein- 
richten auszugleichen.  Niese,  Herm.XIII  mischung  zugunsten  der  Samniter  neigten. 
401  ff. ;  Mommsen,  RF  II  352  ff.;  Unger,  Aber  das  kann  Erfindung  sein.  Vgl.  oben 
Herm.  XIV  77  ff.;    Piniol.  39,  69  ff.;   Ab-  |    S.  69,  1. 


yg  Römische  Geschichte. 

durch  seine  Rüstungen  so  imponierte,  data  sie  mit  Tarent  einen  Frieden 
schlössen  (S.  73),  der  auch  die  Römer  mit  einbegriffen  haben  wird  (808 
V.  Chr.).  Wie  der  Molosser  versuchte  auch  Kleonymos  sich  in  Itahen  eine 
eigene  Herrschaft  zu  gründen.  Es  gelang  ihm,  von  Italien  aus  Korkyra 
zu  besetzen,  doch  verlor  er  darüber  unwiederbringlich  seine  Stellung  auf 
dem  Festland.  Wenige  Jahre  später,  bald  nach  8(J0  v.  Chr.,  kam  Agatliokles 
von  Syrakus  den  Tarentinern  gegen  die  Lukaner  zu  Hilfe.  Auch  Apulien 
hat  er  betreten.')  Diese  italische  Intervention  des  sizilischen  Tyrannen  fällt 
offenbar  vor  das  Jahr  295  v.  Chr.,  also  in  die  Zeit,  da  die  Römer  den 
zweiten  großen  samnistischen  Krieg  führten.  Daß  Agathokles  mit  ihnen  in 
Berührung  kam,  ist  zwar  nicht  überliefert,  aber  immerhin  wahrscheinlich. 
Denn  wir  wissen,  dafs  Kallias  in  seiner  Spezialgeschichte  des  Agathokles 
sich  auch  über  die  Anfänge  Roms  geäußert  hat.^)  Agathokles  hatte  zeit- 
weilig die  Brettier  und  die  griechischen  Städte  an  ihrer  Küste,  wo  seine 
Herrschaft  bis  Kroton  reichte,  unterworfen;  er  war  ein  gewaltiger  Kriegs- 
fürst, aber  mit  seinem  Tod  (289  v.  Chr.)  zerfiel  sein  Reich,  und  mit  der 
Beschützerrolle,  die  Syrakus  den  griechischen  Städten  gegenüber  gespielt 
hatte,  war  es  vorbei.  Auf  Sizihen  entstand  allgemeine  Verwirrung  und  die 
Karthager  konnten  im  Trüben  fischen;  in  Italien  kam  es  bald  zu  neuen 
Angriffen  der  Lukaner  auf  Thurii.^*)  Weder  von  Sizilien  noch  von  Hellas, 
wo  damals  die  Kämpfe  der  makedonischen  Machthaber  alle  Kräfte  fesselten, 
konnten  die  Thurier  Hilfe  erwarten;  sich  an  die  Tarentiner  anzuschließen, 
hatten  sie  offenbar  keine  Lust.  So  wandten  sie  sich  denn  an  die  Römer, 
zu  denen  vielleicht  schon  früher  Beziehungen  angeknüpft  waren,  und  Rom 
übernahm  ihren  Schutz.  Das  lukanische  Belagerungsheer  wurde  282  v,  Chr. 
von  Konsul  C.  Fabricius  vor  Thurii  geschlagen.  Eine  römische  Garnison 
sicherte  die  Stadt.  Aber  dieses  Eingreifen  Roms  führte  zum  Konfliß;t  mit 
Tarent.  Es  gab  nämlich  ein  Abkommen,  das  möglicherweise  im  Jahre  803 
V.  Chr.  in  den  Tagen  des  Kleonymos  getroffen  worden  war,  demzufolge 
römische  Kriegsschiffe  nicht  über  das  lakinische  Vorgebirge  sollten  hinaus- 
fahren dürfen.*)  Als  nun  ein  römisches  Geschwader  von  Thurii  aus  in  den 
Golf  von  Tarent  einlief,  sah  es  sich  plötzlich  von  den  Tarentinern  an- 
gegriffen, die  vier  Schiffe  vernichteten,  eines  kaperten.  Dann  wurde  Thurii 
mit  Hilfe  einer  befreundeten  Partei  von  den  Tarentinern  gewonnen  und 
für  die  römische  Besatzung  war  kein  Bleiben  mehr.  Die  Römer  forderten 
durch  eine  Gesandtschaft  Genugtuung  von  Tarent;  aber  die  Gesandten 
wurden  von  dem  zügellosen  Pöbel  insultiert.  So  mußte  denn  Rom  den 
Krieg  erklären. 

Die  Macht    der  Tarentiner  war    nicht  unbedeutend;    es  wird  behauptet, 
daß    sie    30000  Mann   zu  Fuß    und   3000   zu  Pferd    aufbringen  konnten  ;=) 

')  StraboVI280;  Arist.mirab.llO;  Diod.  mung    erst    aus    einer    späteren    Quelle 

exe.  XXI  3  f.    Er  verweilte  in  Argyrippa  (Appiaii.  Samnit.  7,  1)  und    aus  dem  Zu- 

(Arpi).  sammenhang    gerissen,    in    dem    sie    ge- 

2)  Dionys.  Halic.  I  72.  standen    haben    muß.    Der  Vertrag    wird 

3)  Nach  Strabo  VI  263  ist  Thurii  sogar  noch  andere  ergänzende  Artikel  enthalten 
von  den  Lukanern  erobert  und  durch  die  haben.  Es  ist  zu  beachten,  daß  wir 
Tarentiner  wieder  befreit  worden,  was  zu  von  den  betreffenden  Vorgängen  nur  aus 
der  sonstigen  Überlieferung  nicht  stimmt,    j   jüngeren  römischen  Quellen  wissen. 

■•)   "Wir   kennen   diese    Vertragsbestim-    |        =)  Strabo  VI  280. 


4.  Zweite  Periode :  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens  (265  v.  Chr.).    (§  14.) 


/  i 


überdies  Avaren  seit  einiger  Zeit  die  Messapier  aus  Feinden  zai  Bundes- 
genossen geworden;  es  gelang  auch,  die  benachbarten  Itahker  gegen  Rom 
aufzuhetzen.  Außer  den  Lukanern  schlössen  sich  den  Tarentinern  die  kürz- 
lich besiegten  Samniter,  vielleicht  auch  die  Brettier  an.^)  Indes  den  Römern 
mit  ihrer  zahlreichen  und  streitbaren  mittelitalischen  Gefolgschaft  war  Tarent 
imd  sein  bereits  geschwächter  Anhang  denn  doch  nicht  gewachsen.  Auch 
traten  keineswegs  alle  Griechengemeinden  Unteritaliens  der  antirömischen 
Koalition  bei;  Rhegion  und  Locri  wenigstens  neigten  sich  eher  den  Römern 
zu,  ein  Beweis,  daß  sie  mit  ihnen  bereits  in  freundschaftlichem  Verkehr 
standen.  Gleich  im  ersten  Kriegsjahr  (281  v.  Chr.)  wurden  die  Tarentiner 
und  ihre  Bundesgenossen  von  den  Römern  aus  dem  Feld  geschlagen  und 
ihre  Ländereien  verheert.  Wie  früher  suchten  sie  auch  in  dieser  Not  aus- 
wärtige Hilfe  und  zwar  diesmal  bei  Pyrrhos,  dem  Sohn  des  Aiakides,  und 
Neffen  Alexanders  des  Molossers.  Seit  295  v.  Chr.  war  Pyrrhos  König  von 
Epirus.-)  Tarent  stand  in  Beziehungen  zu  Pyrrhos  und  war  ihm  früher 
einmal  nützlich  gewesen.  Pyrrhos,  einer  der  gefeiertsten  Heerführer  seiner 
Zeit,  versagte  sich  dem  Rufe  nicht.  Man  hatte  ihm  aus  Italien  angeblich 
350000  Mann  zu  Fuß,  20000  zu  Pferd  in  Aussicht  gestellt.  Vor  kurzem 
war  Pyrrhos  von  seinem  Rivalen  Lysimachos  aus  Makedonien  verdrängt 
worden;  nun  hoffte  er  sich  in  Italien  eine  neue  Macht  auf  breiterer  Basis 
zu  schaffen.  Schon  damals  sollen  seine  Absichten  auch  auf  Sizilien  gegangen 
sein,  wo  er  als  früherer  Gatte  der  Lanassa,  der  Tochter  des  Agathokles, 
Ansprüche  erheben  konnte. 

Nach  den  vorbereitenden,  von  dem  Thessaler  Kineas  geführten  Unter- 
handlungen setzte  Pyrrhos  280  v.  Chr.  frühzeitig  nach  Italien  über,  unter- 
stützt von  den  drei  damals  um  Makedonien  streitenden  Fürsten  Ptolemaios 
Keraunos,  Antiochos  Soter  und  Antigonos  Gonatas,  begleitet  von  seinen 
Söhnen  Alexander,  dem  Enkel  des  Agathokles,  und  Helenos.  Außer  Tarent 
schloß  sich  nur  ein  Teil  der  Griechen  Italiens  ihm  an,  andere  Gemeinden 
warteten  zunächst  ab,  ja  Rhegion  vind  Locri  erbaten  sich  sogar  eine  römische 
Besatzung.  Den  Kern  des  Heeres  des  Pyrrhos  bildeten  seine  20000  Pha- 
langiten  und  3000  thessalische  Reiter;  auch  Elefanten,  ein  Novum  für 
Italien,  brachte  er  mit.  Die  Kampagne  des  -Jahres  280  eröffneten  die  Römer 
im  Frühjahr  mit  einem  Einfall  ins  feindliche  Gebiet,  zu  dessen  Schutz 
Pyrrhos  ins  Feld  rückte,  verstärkt  durch  das  tarentinische  Aufgebot.  Noch 
ehe  Pyrrhos  seine  italischen  Hilfstruppen  hatte  an  sich  ziehen  können, 
sah  er  sich  von  Konsul  P.  Valerius  (Laevinus)  in  der  Ebene  am  Siris,  zwischen 
Herakleia  und  Pandosia  angegriffen.  Nach  hartem  Kampf  erlitten  die  Römer 
eine  schwere  Niederlage,  Sogar  ihr  Lager  büßten  sie  ein ;  aber  auch  Pyrrhos, 
der  selbst  verwundet  wurde,  hatte  ernste  Verluste.  Die  Entscheidung  der 
Schlacht  war  vor  allem  der  thessalischen  Kavallerie  und  den  Kriegselefanten 
zu  danken.  Die  Folgen  des  Sieges  waren  erheblich;  die  Römer  mußten 
Unteritalien  ganz  aufgeben;  wer  bisher  geschwankt  hatte,  trat  jetzt  auf  die 
Seite   des  Siegers;    Locri    lieferte  dem  Pyrrhos  die  römische  Garnison  aus. 

leicht  sind  sie  erst  später  auf  des  Pyrrhos 
Seite  getreten. 
2)  Velleius  I  14,  6. 


^)  Die  Stellung  der  Brettier  ist  nicht 
ganz  sicher.  Plutarch  erwähnt  sie  nicht 
unter  den  Bundesgenossen  Tarents;  viel- 


78  Römische  Geschichte. 

Die  Truppe  in  Rhegion,  eine  römisch-kampanische  Legion  unter  dem  Kani- 
paner  Decius  befürchtete  einen  ähnhchen  Verrat.  Um  dem  zuvorzukommen, 
überfielen  die  Soldaten  die  Bürger,  töteten  oder  verjagten  sie  und  nahmen 
die  Stadt  in  eigenen  Besitz.  Sie  ahmten  damit  das  Beispiel  ihrer  Lands- 
leute,  der  Mamertiner,  nach.  Die  Mamertiner  waren  ehemalige  Söldner 
des  Agathokles  und  hatten  bald  nach  dessen  Tod  (289  v.  Chr.),  als  sie 
Sizilien  verlassen  sollten,  sich  mit  derselben  Brutalität  auf  der  anderen 
Seite  der  Meerenge  Messanas  bemächtigt.  Fortan  machten  die  neuen  Sol- 
datenrepubliken Messana  und  Rhegion  gemeinsame  Sache.  Das  Band  mit 
Rom  war  in  Rhegion  zerschnitten. 

Pyrrhos  beherrschte  das  Feld;  verstärkt  durch  Samniter  und  Lukaner, 
zog  er,  ohne  auf  Widerstand  zu  stoßen,  über  Samnium  und  Kampanien  bis 
nach  Latium;  schon  näherte  er  sich  der  Stadt  Rom;  bis  Praeneste  oder 
Anagnia  soll  er  gekommen  sein.  Aber  dann  kehrte  er  wieder  um;  denn 
inzwischen  sammelten  die  Römer  stärkere  Kräfte;  der  zweite  Konsul  schloß 
in  Etrurien  Frieden  und  kam  zu  Hilfe;  Pyrrhos  aber  ging  auf  Tarent 
zurück,  ohne  in  Mittelitalien  etwas  ausgerichtet  zu  haben;  denn  ein  Versuch, 
Capua  und  Neapolis  zu  gewinnen,  war  fehlgeschlagen.  Im  nächsten  Jahr 
(279  V.  Clir.)  drang  Pyrrhos  in  Apulien  ein,  um  die  Römer  aus  ihren  dortigen 
Besitzungen  zu  vertreiben,  und  eroberte  mehrere  Städte.  Bei  Ausculum  kam 
es  zur  Schlacht  mit  den  Römern.  Sie  währte  zwei  Tage.  Der  erste  Tag 
war  unentschieden  geblieben,  am  zweiten  wurden  die  Römer  abermals  be- 
siegt; ihr  Feldherr,  Konsul  P.  Decius  fiel.i)  Doch  war  den  Pyrrhos  sein 
Sieg  teuer  zu  stehen  gekommen.  Aber  er  hatte  aufs  neue  seine  taktische 
Überlegenheit  erwiesen  und  so  scheint  es,  daß  die  Römer  das  Feld  räumten. 
Trotzdem  war  es  dem  König  erwünscht,  dem  Krieg  ein  Ende  zu  machen, 
waren  doch  in  Makedonien  inzwischen  durch  einen  Kelteneinfall  und  durch 
den  Tod  des  Ptolemaios  Keraunos  (280  v.  Chr.)  große  Veränderungen  ein- 
getreten, die  ihn  zur  Rückkehr  einluden;  andererseits  rief  man  auch  auf 
Sizilien  nach  ihm.  Als  daher  die  Römer  durch  C.  Fabricius  Verhandlungen 
anknüpften,  bot  Pyrrhos  bereitwillig  die  Hand  zum  Frieden. 2)  Offenbar 
kam  mit  dem  römischen  Unterhändler  ein  vorläufiges  Abkommen,  in  das 
natürlich  auch  Tarent  samt  den  übrigen  italischen  Parteigängern  des  Epiroten 
einbezogen  wurde,  zustande;  sogar  ein  Bündnis  zwischen  Rom  und  Pyrrhos 
scheint  ventiliert  worden  zu  sein.  3)  Als  Vertreter  seines  Königs  begab  sich 
Kineas  nach  Rom,  um  den  Frieden  zu  ratifizieren.  Aber  hier  trat  ein  Um- 
schwung ein:  der  Senat  lehnte  jetzt  einen  Frieden  mit  Pyrrhos  ab;  es  wird 

^)  Vgl.  über  den  Tod  des  Decius  oben  älteren  Berichte,    Justin  18,  2,  6,   Diodor 
S.  73,  6.                                                                j   exe.  22.  6  und  Cic.  de  seueet.  16  datieren 

'^)  Von  der  livianisehen,  früher  als  kano-  die  Unterhandlungen  auf  279  v.  Chr.,  wo- 
nisch geltenden  Überlieferung  werden  für  auch  spricht,  clafa  andernfalls  die  Zeit 
die  Unterhandlungen  des  Fabricius  mit  von  der  Schlacht  bei  Ausculum  bis  zur 
Pyrrhos  und  die  Sendung  des  Kineas  nach  Fahrt  nach  Sizilien  ereignislos  verliefe. 
Eom  ein  .Jahr  früher,  nach  der  Schlacht  ^)  Vgl.  Niese.  Hermes  31.  Iö96.  49-1  ff. 
bei  Herakleia,  angesetzt,  ebenso  im  I)i-  Über  die  vorgeschlagenen  Bedingungen 
editum  Vaticanum  2  (hrsg.  von  H.  v.  Arnim,  läßt  sich  vermuten,  daß  die  Kömer  mit 
Hermes  27,  1892,  120  und  in  Drachmanns  den  Verbündeten  des  Pyrrhos  Frieden 
Ausg.  von  Diodors  röm.  Annalen,  Bonn  schließen  und  in  territorialer  Hinsicht  den 
1912).  Dadurch  soll  der  römische  Herois-  sfatiis  quo  ante  bel/nni  anerkennen  sollten, 
mus  noch  stärker  akzentuiert  werden.  Die 


4.  Zweite  Periode:  Bis  zm-  Unterwerfung  Italiens  (265  v.  Chr.).    (§  14.)  79 

erzählt,  daß  der  blinde  Greis  Appius  Claudius  (Caecus)  durch  eine  markige 
Rede  die  dem  Frieden  zuneigenden  Senatoren  umgestimmt  habe.')  Vor  allem 
aber  waren  es  die  Karthager,  die  den  Stimmungsumschlag  mit  herbeiführten. 
Karthago  sah  seine  Herrschaft  auf  Sizilien  gefährdet,  falls  Pyrrhos  durch 
Verständigung  mit  Rom  die  Hände  frei  bekam.  Der  karthagische  Admiral 
Mago  erschien  mit  einer  Flotte  vor  Ostia  und  bot  dann  in  Rom  die  Hilfe  seiner 
Regierung  an.  ^)  Auf  diese  Weise  gedachte  Karthago  den  Frieden  in  Italien  zu 
hintertreiben,  um  den  Pyrrhos  dort  festzuhalten.  Denn  bereits  hatten  die 
sizilischen  Städte,  besonders  Syrakus  und  Akragas,  unter  dem  dreifachen  Druck 
ihrer  Tyrannen,  der  Karthager  und  der  Mamertiner  um  den  Beistand  des 
Pyrrhos,  der  sich  nicht  lange  bitten  ließ,  nachgesucht.  Angesichts  der  ver- 
änderten Lage  verwarfen  die  Römer  den  Friedensgedanken,  um  nunmehr 
mit  Karthago  in  Fühlung  zu  treten;  in  einem  Vertrag  verpflichteten  sich 
die  beiden  Mächte,  keinerlei  Sonderbündnis  mit  Pyrrhos  einzugehen,  während 
sie  sich  für  den  Krieg  gegenseitige  Unterstützung  in  Aussicht  stellten. 3) 

Aber  Pyrrhos  ließ  sich  durch  diese  römisch-karthagische  'entente'  nicht 
beirren.  Nach  Abschluß  der  Verhandlungen  mit  den  Sikelioten  setzte  er  im 
Sommer  278  v.  Chr.'*)  nach  Sizilien  über,  wo  er  bei  Tauromenion  landete 
und  alsbald  große  Erfolge  erzielte.  Obwohl  zur  See  überlegen,  hatten  die 
Karthager  doch  die  Überfahrt  des  Pyrrhos  nicht  verhindern  können.  Die 
schon  eingeleitete  Belagerung  von  Syrakus  hoben  sie  schleunigst  auf.  In 
die  befreite  Stadt  hielt  Pyrrhos  seinen  Einzug  und  versöhnte  die  beiden 
rivalisierenden  Machthaber  Thoinon  und  Sosistratos.  Alle  Sikelioten  traten 
auf  seine  Seite;  sie  schlössen  einen  Bund  und  wählten  den  Epiroten  ein- 
hellig zu  ihrem  Feldherrn. °)  An  der  Spitze  eines  stattlichen  Aufgebots 
drängte  Pyrrhos  die  Mamertiner  zurück  und  gewann  alle  karthagischen 
Plätze  bis  auf  Lilybaeum,  das  er  zu  belagern  begann.  Die  Karthager  boten 
Frieden  und  waren  bereit,  ihm  seinen  Gewinn  zu  bestätigen  und  sich  mit 
Lilybaeum  zu  begnügen:  aber  dies  Angebot  fand  keine  Gegenliebe.  Da 
jedoch  Lilybaeum  sich  energisch  zur  Wehr  setzte,  so  beschloß  Pyrrhos,  die 
Karthager  in  Afrika  selbst  anzugreifen,  zu  welchem  Behuf  er  eine  große 
Flotte  ausrüstete.  Aber  das  Blatt  wandte  sich.  Denn  durch  Gewalttaten 
und  Erpressungen  verscherzte  sich  der  fremde  König  die  Sympathien  der 
sizilischen  Griechen.  Sein  einflußreichster  Bundesgenosse,  Sosistratos,  den 
er  zu  beseitigen  versuchte,  sagte  sich  von  ihm  los,  worauf  es  mit  der  Macht 
des  Pyrrhos  rasch  bergab  ging.  Die  sizilischen  Städte  verständigten  sich 
mit  Karthago  oder  mit  den  Mamertinern,  so  daß  sich  PyrYhos  auf  seine 
Basis  Syrakus   beschränkt    sah.     Da    zugleich    aus  Italien    dringende  Bitten 


')  Das    hat    schon   der  Dichter  Ennius  genau    genommen  281/0   v.  Chr.    Olymp, 

poetisch  behandelt  (Cic.de  senect.  16).  Den  124,  4.     Vgl.  II  41,  11.    Doch    scheint   er 

Anfang  der  Rede  und  den  Gedankengang  damit    nur   einen  Approximativwert    zu 

gibt   Plut.  Pyrrh.  19,    vgl.  Lieditum    Vati  geben.  Vgl.  Niese,  Hermes  31.  1896,  496,  1 

canuin  2  (s.  S.  78  A.  2).    Die  Blindheit  des  und  über  weitere  damit  verbundene  Kon- 

Ap.  Claudius  hat  Mommsen  in  Zweifel  ge-  troverseu  Meltzer,   Gesch.   der  Karth.  II 

zogen,  Rom.  Forsch.  I  301  ff.  227.  545. 

-)  Justin.  18.  2.  i        ■•)  2  Jahre  4  Monate  nach  der  Ankunft 

==)  Polyb.  III  25.    Diod.  XXII  7,  5.    Liv.  in  Italien.    Diod.  22,  8. 

perioch.  13.    Polyb.  setzt  den  Vertrag  mit  =)  Polyb.  VII  4,  5. 

Karthago    ^arä    zijv   llvuoov    dcäßuaiv,    d.  h.  , 


g()  Römische  Geschichte. 

um  Hilfe  bei  Pyrrhos  einliefen,  so  kehrte  er  »Sizilien  den  Rücken  (um 
275  V.  Chr.).  Er  erreichte  zwar  mit  seinem  Heer  Italien;  aber  seine  Kriegs- 
flotte, 110  Segel  stark,  wurde  in  einer  großen  Seeschlacht  von  den  Kar- 
thagern fast  ganz  vernichtet;  Pyrrhos  hatte  viele  seiner  Besten  zu  beklagen. 

In  der  Zwischenzeit  scheinen  die  Wafien  in  Italien  fürs  erste  geruht  zu 
haben.  Unsere  dürftigen  Nachrichten  verzeichnen  erst  für  277  v.  Chr.  einige 
Kämpfe,  die  sich  mit  wechselndem  Glück  in  Samnium,  Lukanien  und  Brettien 
abspielten.  1)  Den  Krieg  großen  Stils  hatte  ja  Pyrrhos  nach  Sizilien  verlegt; 
wäre  es  ihm  vergönnt  gewesen,  seine  dortigen  Anfangserfolge  sicher  zu 
stellen,  so  wäre  die  RückAvirkung  auf  Italien  nicht  ausgeblieben.  Da  aber 
Pyrrhos  einen  Teil  seiner  Besatzungen  aus  Italien  nach  Sizilien  zog,^)  so 
hatten  die  Römer  gegen  die  unteritalischen  Städte  freies  Spiel.  So  eroberten 
sie  mit  Hilfe  einer  ihnen  ergebenen  Partei  zuerst  Kroton,  dann  Locri^)  und 
auch  über  Samniter  und  Lukaner  müssen  sie  gesiegt  haben:  überhaupt  ge- 
rieten alle  Bundesgenossen  des  Pyrrhos  arg  ins  Gedränge.  Erst  die  Wieder- 
kunft des  Königs  bot  den  Römern  Paroli.  Pyrrhos  unternahm  zunächst 
einen  vergeblichen  Angriff  auf  Rhegion;  beim  Abzug  hatte  er  ein  hitziges 
Gefecht  mit  den  Mamertinern  zu  bestehen.  Dann  gewann  er  Locri  zurück 
und  betrieb  neue  Rüstungen,  zu  denen  seine  italischen  Freunde  kräftig 
beisteuern  mußten.  Von  Tarent  aus  kehrte  er  seine  Waffen  gegen  den  Kon- 
sul M".  Curius  (Dentatus),  der  in  Samnium  oder  Lukanien  stand.  Aber  der 
Angriff  auf  das  römische  Heer  führte  zu  einer  Niederlage,*)  in  deren  Folge 
Pyrrhos  nach  Tarent  zurückgehen  mußte. 

Um  den  Krieg,  wie  es  seiner  ursprünglichen  Absicht  entsprach,  fort- 
setzen zu  können,  hätte  Pyrrhos  bedeutender  Verstärkungen  bedurft.  Er 
ersuchte  also  den  Antigonos  Gonatas,  der  jüngst  Makedonien  erobert  hatte, 
um  Unterstützung.  Dieser  lehnte  ab  und  so  beschloß  Pyrrhos,  mit  ihm  ab- 
zurechnen. In  Italien  ließ  er  Besatzungen  zurück  unter  seinem  Sohn  Hele- 
nes und  dem  Feldherrn  Milon.  Er  selbst  versprach  zurückzukehren.  Als 
er  aber  bald  darauf  fast  ganz  Makedonien  erobert  hatte  und  im  Begriff 
stand,  den  Antigonos  auch  aus  Griechenland  zu  verdrängen,  berief  er  seine 
beiden  Vertreter,  den  Sohn  und  den  Vertrauten,  aus  Italien  ab  (274  v.  Chr.).^) 
Damit  war  das  italische  Unternehmen  aufgegeben.  Seine  dortigen  Bundes- 
genossen setzten  den  Krieg  wohl  noch  eine  Weile  fort,  sahen  sich  aber  bald 
genötigt,    mit    den  Römern  Frieden  zu  machen  und  sich  ihrer  Führung  zu 


')  Zonaras  VIII  6  und  die  Triumphal-  geht   hervor,    daß   Pyrrhos   keine   seiner 

fasten.    CIL  I^  p.  46.  Schlachten  förmlich  verlor,  daß  also  auch 

'-)  In  Locri  hatte  er  anfänglich  seinen  diese,  die  sog.  Schlacht  bei  Beneventum, 
Sohn  Alexandros  zurückgelassen  (.Justin.  rein  taktisch  unentschieden  blieb.  Strate- 
18,  2,  12).  Später  scheint  er  ihn  nach  gisch  hatte  Pyrrhos  den  Kürzeren  ge- 
Sizilien gerufen  zu  haben.  zogen.    Unsicher  wie  der  Verlauf  ist  auch 

ä)  Nach  Zonaras  VIII  6  im  J.  277  v.  Chr.  der  Ort  des  Kampfes.  Nach  Plut.  Pyrrh.  2.") 

durch    den  Konsul  P.  Cornelius  Rufinus.  stand    M.'  Curius    bei    Beneventum.    das 

Doch    ist   die   Einnahme   möglicherweise  damals  noch  Maleventum  geheißen  haben 

erst  276  v.  Chr.  geschehen,  nachdem  die  soll.  Nach  der  livianischen  Tradition  (Flo- 

Lage  auf  Sizilien  sich  ungünstig  für  Pyr-  rus  I  13,  11.    Oros.  IV  2,  3)  war   die  Wal- 

rhos  gestaltet  hatte.  statt  in  Arnsiiiis  ranipis  in  Lukanien.    Vgl. 

•*)  Der  ausführliche   Schlaehtenbericht  Frontin.  strateg.  4,  1,  14.    Hülsen,  PW  II 

bei  Dionys.  Halic.  20, 12  und  Plut.  Pyrrh.  22  1493.  III  274. 
ist  stark  verfälscht.   Aus  Polyb.  18,  28, 11    ,        '^)  Justin  25,  3,  6;  vgl.  Plut.  Pyrrh.  33  f. 


4.  Zweite  Periode:  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens  (265  v.Chr.).    (§  14.)  81 

unterwerfen.  Genaueres  ist  nicht  bekannt.  Die  Lukaner  und  Samniter  ver- 
loren Teile  ihres  Gebietes  und  stellten  Geiseln,  das  lukanische  Pästum 
(Poseidonia)  erhielt  eine  Kolonie  römischer  Bürger.')  Die  mit  Pyrrhos  früher 
verbündeten  griechischen  Städte  Unteritaliens  traten  unter  Wahrung  ihrer 
Autonomie  in  die  römische  Bundesgenossenschaft  ein,  vor  allem  Tarent  samt 
dem  eng  verbundenen  Herakleia.^)  Bald  folgten  die  benachbarten  Messapier 
(Sallentiner),^)  ebenso  die  Brettier.^)  Elea  wird  schon  vorher  sein  Bündnis 
mit  Rom  geschlossen  haben;  ob  es  überhaupt  zu  Pyrrhos  hielt  und  sich  am 
Krieg  gegen  Rom  beteiligte,  ist  sehr  zweifelhaft.  Zuletzt  geschah  die  Unter- 
werfung Rhegions,  das  von  der  abtrünnigen  römisch-kampanischen  Legion 
in  Besitz  genommen  war.  Die  Stadt  konnte  erst  erobert  werden,  nachdem 
die  Mamertiner  in  Messana  bewogen  worden  waren,  ihre  Hand  von  ihr  ab- 
zuziehen. Nach  längerer  Belagerung  wurde  Rhegion  (angeblich  270  v.  Chr.) 
erstürmt.^)  Die  300  überlebenden  Gefangenen  wurden  nach  Rom  geführt 
und  dort  nach  römischer  Sitte  gestäupt  und  enthauptet;  die  Stadt  fiel  an 
die  früheren  Besitzer  zurück,^)  sie  behielt  ihre  Selbständigkeit  ungeschmälert 
und  gehört  fortan  zu  den  sichersten  Bundesgenossen  Roms. 

Nachdem  so  Unteritalien  sich  den  Römern  unterworfen  oder  angeschlossen 
hatte,  blieb  zur  völligen  Eroberung  Italiens  nur  wenig  zu  tun  übrig.'')  Es 
wird  von  einem  Aufstande  im  Samnium  berichtet  (269  v.  Chr.),  ferner  von 
einem  Krieg  gegen  die  Picenter,  die  in  einer  blutigen  Schlacht  besiegt 
wurden  (268  v.Chr.);  ihre  Stadt  Asculum  wurde  erobert.  266  v.  Chr.  kam 
es  zu  Kämpfen  mit  den  Sarsinaten,  einer  umbrischen  Gemeinde,  die  auch 
später  noch  eine  Sonderstellung  einnahm.  In  diese  Zeit  dürfte  auch  die 
Unterwerfung  des  von  alters  her  befreundeten  Caere  gehören.  Aus  un- 
bekannter Ursache  war  die  Gemeinde  mit  Rom  in  Konflikt  geraten.  An- 
gesichts   der   römischen  Kriegsdrohung  gab  sie  klein  bei  und  erkaufte  den 


^)  273  V.  Chr.  Vell.  I  14,  7.   Dies  Datum  nommen  und  verliert  Mauern  und  Schiffe, 

wird  als  das  Jahr  der  Unterwerfung  Lu-  Dies  alles  ist  unmöglich;  denn  Milon  war 

kaniens  anzusehen  sein.    Hierauf  bezieht  nach    dem    besseren   Bericht    längst    ab- 

sich  vielleicht,  was  Aristoxenos  bei  Athen.  berufen,    und    wir    wissen,    daß    Tarent 


XIV  632  A  über  die  Barbarisierung  Posei- 
donias  berichtet. 

^)  Nach  Cicero  pro  Balbo  50  schloß  Hera- 
kleia  unter  dem  Konsul  C.  Fabricius  (278 
V.  Chr.)  mit  Rom  das  Bündnis.  Aber  diese 
Nachricht  lautet  ganz  unbestimmt  und 
kann  nicht  richtig  sein:  denn  es  ist  un- 
denkbar, daß  sich  damals,  als  Pyrrhos' 
Macht  auf  der  Höhe  stand,  Herakleia  den 
Römern  angeschlossen  haben  sollte.  Wahr- 
scheinlich hat  es  sich  zugleich  mit  Tarent 
ergeben.  Nach  der  sj^äteren  Überlieferung 


Mauern  und  Schiffe  behielt,  sowie  seine 
Autonomie.  Auch  die  Zeit  ist  keineswegs 
beglaubigt.  Man  scheint  absichtlich  den 
Fall  Tarents  mit  dem  Tod  des  Pyrrhos 
gleichzeitig  gesetzt  zu  haben.  Vgl.  Niese, 
Hermes  31,  1896,  503  f. 

^)  Deren  Unterwerfung  nach  der  römi- 
schen Überlieferung  erst  267  und  260  v.Chr. 
geschehen  sein  soll,  was  Bedenken  erregt. 
Eutrop.  II  17.    Flor.  I  15.    Zonaras  VIII  7. 

^)  Nach  Dionys.  Halic.  XX  15  mußten 
sie  die  Hälfte  des  holzreichen  Silawaldes 


(Liv.  perioch.  14.  Oros.  IV  3. 1 ;  5,  2.  Fron-  j    an  die  Römer  abtreten. 

tin  strateg.  III  3,  1.    Zonaras  VIII  6;  vgl.  ;        '-)  Nach  Cassius  Dio  (Zonaras  VIII  6, 14) 

die  Triumphalfasten)  werden  die  Lukaner  hat    Hieron    von    Syrakus    den    Römern 

und  Samniter  273  und  272  bekriegt  und  dabei  geholfen. 

erfolgt    die    Unterwerfung    Tarents    272  «)  Polyb.  I  7, 10  ff.    Zonaras  VIII  6.   CIL 

V.  Chr.   nach  Pyrrhos'  Tod.    Tarent   wird  I^  p.  52. 

belagert,  vergebens    kommt  eine  kartha-  ')  Die  sehr  ungenügenden  Nachrichten 

gische    Flotte    zu  Hilfe;    die    Stadt   wird  j    finden  sich  in  den  Auszügen  des  Livius, 

durch  den  Verrat  Milons,  der  sie  immer  bei  Zonaras  VIII  7  und  in  den  Triumphal- 

noch    behauptet,    von    den    Römern    ge-  !   fasten. 

Handbuch  der  klacs.  Altertnmswissonschaft.    III,  5.     5.  Anfl.                                                            6 


82  Römische  Geschichte. 

Frieden  durch  Gebietsabtretung  (etwa  273  v.Chr.).')  Zuletzt  von  allen  unter- 
warf sich  der  römischen  Herrschaft  Volsinii  in  Etrurien,  wo  nach  der  Über- 
lieferung die  Optimaten  in  die  Gewalt  ihrer  Knechte  gelangt  waren  und 
nun  die  Römer  zu  Hilfe  riefen.  Erst  nach  langem  Widerstand  wurde  die 
feste  Stadt  von  den  liöniern  erobert  und  zerstört.  An  anderer  Stelle  wurde 
ein  neues  Volsinii  gebaut^)  und  den  alten  Herren  übergeben  (265  v.  Chr.). 
Auch  jetzt  legten  die  Römer  auf  dem  Gebiet  der  Unterworfenen  Kolonien 
an:  in  Samnium  am  Wege  zwischen  Capua  und  Tarent  Beneventum  (268 
v.Chr.)  und  bald  danach  (263  v.  Chr.)  Aesernia;  bei  den  Picentern  Firnium 
(264  V.  Chr.)3)  und  an  der  gallischen  Grenze  das  wichtige  Ariminum  (268  v.  Chr.). 

Nunmehr  war  ganz  Italien  mit  Ausnahme  der  Gallier  unterworfen  und 
bildete  eine  Bundesgenossenschaft,  deren  Führer  die  Römer  waren.  Zum 
erstenmal  war  so  die  ganze  Appenninenhalbinsel  politisch  geeinigt;  der 
Name  Italia,  mit  dem  die  Griechen  Unteritalien  bezeichneten,  ging  jetzt 
auf  das  Ganze  über  und  wurde  von  den  Römern  akzeptiert.  In  der  Bundes- 
genossenschaft überwog  das  römische  Element,  sowohl  was  die  Kopfzahl 
wie  was  den  Gebietsumfang  anbelangt;  denn  über  ganz  Mittelitalion  bis  ans 
adriatische  Meer  saßen  römische  Bürger  in  mehr  oder  weniger  zusammen- 
hängenden Siedlungen.  Bei  weitem  der  größte  Teil  der  Bürgerschaft  wohnt 
also  weit  zerstreut  auf  dem  Lande;  die  hier  vorhandenen  Ortschaften  oder 
Marktplätze  habmi  aber  nur  untergeordnete  Bedeutung;  denn  die  einzige 
Stadt  ist  Rom  und  innerhalb  des  römischen  Gebiets  kann  es  andere  Städte 
nicht  geben.  Die  Walirnehmung  der  Rechtspflege  in  den  entlegeneren  Teilen 
des  Stadtgebiets  lag  den  pracfecfl  iure  dicundo  ob,  die  vom  römischen  Prätor 
ernannt,  zum  Teil  auch  von  der  Bürgerschaft  gewählt  wurden.  Die  Orte, 
wo  sie  residierten,  wurden  daher  Präfekturen  genannt.^)  Außerdem  waren 
dem  Stadtgebiet  eine  Anzahl  früher  selbständiger  Gemeinden  einverleibt,  die 
als  Untertanen  behandelt  wurden ;  ohne  in  die  Bürgerschaft  einzutreten  und 
ohne  politische  Rechte  nahmen  sie  doch  an  allen  Pflichten  und  Lasten  der 
römischen  Bürger  teil  als  sog.  cives  sine  suffraglo.  Dies  sind  die  Munizipien  im 
älteren  Sinn,  als  deren  Typus  Caere  gilt.  Diese  Untertanen  haben  kein  eigenes 
Gemeinwesen  mehr,  sondern  gehören  zum  Gebiet  der  Stadt  Rom;  im  Lauf 
der  Zeit  sind  sie  allmählich  in  die  Bürgerschaft  aufgenommen  worden. 

Die  übrigen  Italiker  sind  Roms  Bundesgenossen;  ihr  Verhältnis  zur 
führenden  Gemeinde,  das  auf  einem  Vertrag  beruhte,  war  nach  den  Um- 
ständen, vinter  denen  das  Bündnis  zustande  gekommen  war,  verschieden, 
glich  sich  aber  allmählich  aus.  Alle  waren  innerhalb  gewisser  Grenzen 
selbständig.    Den  Römern  waren  sie  vor  allem  zur  Heeresfolge  verpflichtet; 


')  Cassius  Dio  fr.  33  vol.  I  p.  1.38  Boiss.  I  Landesk.  II  337  ff.  Ob  Volsinii  untertänig 
Die  Behandlung  der  Caeriten  zog  den  wurde,  läßt  sich  nicht  bestimmt  erkennen. 
Römern  den  Vorwurf  der  Undankbarkeit  s)  ^^ch  die  Gründung  der  Bürgerkolonie 


zu  (Strabo  V  220),  daher  sind,  um  diesen 
Vorwurf  zu  mildern,  bei  Livius  die  Be- 
ziehungen zu  Caere  wohl  absichtlich  ent- 
stellt.   Oben  S.  54  Anm.  4. 


Castrum  wird  von  Velleius  114,  <S  ins  Jahr 
2G4  V.  Chr.  gesetzt,  von  Livius  283  v.  Chr 
••)  Festus  s.  v.pracfecfHrae  p.233  M.  Momm 
SEN,  Rom.  Staatsrecht  III  581  f.    Daß  die 


2)  Das   alte   Volsinii    entspricht    wahr-  !  Präfekten  ursprünglich  nur  für  die  Halb 

scheinlich    dem    heutigen    Orvieto,     das  1  bürgergemeinden    oder    Munizipien     be 

neuere  trägt  noch  heute  den  alten  Namen  stimmt  gewesen  seien,  wie  Mommsen  meint 

Bolsena  am  lago  di  Bolsena.    Nissen,  Ital.  j  läßt  sich  nicht  erweisen 


4.  Zweite  Periode:  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens  (265  v.  Chr.}.    (§  15.)  83 

Rom  setzte  das  zu  stellende  Truppenkontingent  fest,  das  von  jeder  Ge- 
meinde selbst  ausgehoben  und  besoldet  wurde  und  unter  römischem  Ober- 
befehl einheimische  Führer  hatte.  Tribut  wurde  nicht  geleistet.  Den  Römern 
am  nächsten  standen  die  stammverwandten  Latiner,  die  nach  Aufhebung 
des  alten  latinischen  Bundes  in  den  zahlreichen  Kolonien  über  einen  großen 
Teil  Italiens  ihre  Nationalität  verbreiteten.  Sie  besaßen  Rechts-  und  Ehe- 
gemeinschaft {conuhium  und  commercium)  mit  dem  Vorort  Rom.  Die  Kolonisten 
sind  gewiß  zum  guten  Teil  aus  der  römischen  Bürgerschaft  hervorgegangen, 
aber  die  Städte  bildeten  jede  für  sich  eine  besondere,  selbständige  Gemeinde 
und  kommen  dem  griechischen  Begriff  der  Kolonie  am  nächsten.')  Sie  sind 
eine  wichtige  Stütze  der  römischen  Herrschaft.  Die  übrigen  Bundesgenossen 
hatten  meist  erhebliche  Teile  ihres  Gebietes  an  die  römischen  und  latinischen 
Kolonisten  abtreten  müssen;  manche  Städte  mußten  römische  Bürger  als 
Ansiedler  und  Besatzung  aufnehmen;  im  übrigen  behielten  sie  ihre  alte 
Verfassung,  die  bei  vielen,  besonders  den  binnenländischen  Sabellern,  eine 
Stammesverfassung  war.  Städte  sind  dort  erst  spät  unter  der  römischen 
Herrschaft  entstanden.  Gelegentlich  hatten  Parteiungen  die  römische  Er- 
oberung gefördert; 2)  die  Römer  wußten  dann  dafür  zu  sorgen,  daß  ihre 
Freunde  ans  Ruder  kamen.  Diese  Föderierten  hatten  dieselben  Bundes- 
pflichten wie  die  Latiner.  Die  griechischen  Seestädte  und  wahrscheinlich 
auch  die  Brettier  hatten  später^)  die  besondere  Verpflichtung,  Schiffe  und 
Schiffsmannschaften  zu  stellen;  Mannschaften  zum  Landheer  müssen  die 
hellenischen  Bundesgenossen  nicht  aufbieten;  sie  waren  die  socii  nnvales. 

Mit  auswärtigen  Staaten  oder  Gemeinden  durften  die  Italiker  Bünd- 
nisse nicht  mehr  eingehen;*)  auch  die  früher  oft  geübte  Reisläuferei  mußte 
allmählich  aufhören.  Im  einzelnen  sind  die  Leistungen  der  Bundesgenossen, 
namentlich  im  Hinblick  auf  den  Kriegsdienst,  im  Lauf  der  Zeit  genauer  fest- 
gelegt und  einander  angeglichen  worden.  Die  Italiker  mußten  die  Entwicklung 
des  römischen  Kriegswesens  mitmachen;  die  Römer  sorgten  für  einheitliche 
Wehr  Verfassung,  Bewaffnvmg  und  Ausbildung,  und  die  Selbständigkeit  der 
Kontingente  wurde  mehr  und  mehr  eingeschränkt. 

Literatur  über  den  Pyrrhoskrieg:  K.  v.  Scala,  Der  pyrrhische  Krieg,  Berlin  und 
Leipzig  1884.  —  R.  Schubert,  Geschichte  des  Pyrrhos,  Königsberg  1894.  —  Niese, 
Hermes  XXXI,  1896,  481  ff.  Geschichte  der  griech.  u.  makedonischen  Staaten  II  26  If.  — 
J.  Beloch,  Griechische  Geschichte  III  556  ff.  —  Über  den  italischen  Bund :  Mommsen, 
Rom.  Staatsrecht  III  645  ff.;  Makquardt,  Rom.  Staatsverw.  I  44  f.;  J.  Beloch,  Der  ita- 
lische Bund  unter  Roms  Hegemonie,  Leipzig  1880. 

15.  Verfassungsgeschichtliches.  In  dieser  Periode  ist  die  Verfassung  in 
den  einmal  betretenen  demokratischen  Bahnen  weiter  fortgeschritten.  Die 
Struktur  der  römischen  Bürgerschaft  wurde  durch  die  Erweiterung  des  Ge- 
biets nicht  unwesentlich  verändert;  denn  viele  latinische  und  auch  sam- 
nitische  Elemente  fanden  Eingang,  und  naturgemäß  verstärkten  solche  Neu- 
bürger vor   allem    die  Reihen    der  Plebejer.  Wenn    auch    die  Patrizier    die 


')  Daher   die    Griechen,    wie    Polybios,    I    Marine  gab. 


sie  ganz  richtig  als  Kolonien  der  Römer 
bezeichnen. 

^)  Es  wird  davon  bei  den  Paelignern 
berichtet.    Diodor  XX  90,  3. 

^)  Seitdem   es   nämlich   eine  römische 


*)  Freundschaftsverhältnisse,  soweit  sie 
das  Bündnis  mit  Rom  nicht  alterierten, 
blieben  den  Italikern  auch  fernerhin  ge- 
stattet. 


g4  Römische  Geschichte. 

bisher  errungene  Gleichberechtigung  der  PleVjcjer  nocli  ininier  anfochten, 
so  konnten  diese  doch  ihre  Stellung  beluiupten.  Sclion  stehen  unter  den 
namhaften  Heerführern  der  Zeit  zwei  Sühne  der  Plebs,  M'.  Curius  (Dentatus) 
und  C.  Fabricius  in  vorderster  Linie,  ersterer  zugleich  ein  eifriger  Vorkämpfer 
für  die  Kechte  seiner  Standesgenossen.')  Dabei  l)ehielten  die  Patrizier  auch 
jetzt  noch  wiclitige  Privilegien.  Noch  lange  Zeit  besetzten  sie  tatsächlich 
immer  eines  der  beiden  Konsulate,  was  bei  ihrer  viel  geringeren  Zahl  eine 
starke  Begünstigung  vor  den  plebeischen  Mitbewerbern  bedeutete.  Dauernd 
blieben  ihnen  diejenigen  Pcclite,  welche  durch  die  Religion  geheiligt  waren. 
Diese  wurden  nicht  abgeschafft,  aber  unwirksam  gemacht.  Ausschließlich 
besetzten  sie  nach  wie  vor  die  vornehmsten  alten  Priestertümer;^)  aber  die 
politisch  wichtigen,  die  Kollegien  der  Pontißces  und  Augures,  wurden  300 
v.Chr.  durch  das  Gesetz  der  Volkstribunen  Q.  und  Cn.Ogulnius  den  Plebejern 
gleichmäßig  zugänglich  gemacht,  die  Zahl  der  Mitglieder  der  Kollegien  wurde 
da/AI  verdoppelt.  Nocli  immer  bestand  die  patntm  aiictoritab;  die  Genehmi- 
gung der  Patrizier  für  die  Gesetze  und  Wahlen,  jedoch  nun  mit  der  Be- 
stimmung, daß  sie  im  voraus  ausgesprochen  werden  mußte,  ^)  wodurch  sie 
ihre  entscheidende  Bedeutung  verlor.  Noch  einmal,  um  287  v.  Chr.,  kam 
es  zu  politischen  Unruhen,  zu  einer  Auswanderung  der  bewaffneten  Plebs 
auf  den  Janiculus,  als  deren  Ursache  Zwietracht  und  Verschuldung  an- 
gegeben wird;  vielleicht  hatte  auch  die  Verteilung  der  im  Sabinerkriege  er- 
oberten Ländereien  Anteil  daran.  Ein  Diktator,  Q.  Hortensius,  schlichtete 
den  Streit.  Das  Ergebnis  war  die  le.r  IJorfensia,  durch  welche  die  Beschlüsse 
der  nach  Tribus  abstimmenden  Plebs,  die  plehiscita,  als  für  die  Gemeinde 
bindend  und  den  Besclilüssen  der  Centuriatkomitien  gleiclibedeutend  erklärt 
wurden.'*)  Hierdurch  hob  sich  die  Bedeutung  der  Volkstribunen,  der  Vertreter 
der  Plebs,  beträchtlich.  Den  Tributkomitien  fiel  fortan  der  größte  Teil  der 
Gesetzgebung  wie  der  Wahlen  zu.  Nur  die  höchsten  Magistrate,  Konsuln, 
Prätoren  und  Zensoren  wurden  immer  von  den  Centurien  gewählt. 

Eine    besondere  Erwähnung  verdient    die   j)opuläre  Zensur   des  Appius 
Claudius^)  während  des  großen  Samniterkrieges  (310  v.  Chr.).*^)    Sein  Werk 

')  Cicero  Brut.  55    und    die    Schrift   de  1    stimmt   worden    sein.    Die   Zeit   des  Ge- 

vir.  ill.  33,  10.  I    setzes    scheint    also    unsicher.     Mommsen 

'-)  Das  jüngere  Kollegium  der  decemviri  \    gibt  den  drei  Gesetzen  verschiedene  Be- 

sacri.s  facintid/.'i  war  vielleicht  von  Anfang  deutung  und  will    in   ihnen  drei  Stufen 

an  den  Plebejern  zugänglich.  Nach  Livius  der    plebeischen    Entwicklung    erkennen 

VI  42,  2  wird  es   schon  367  v.  Chr.  unter  (Rom.  Forsch.  I  131  ff.),    aber   die  Über- 

beide  Stände  gleichmäfsig  geteilt.    Aller-  lieferung    kennt     ebensowenig    die    von 

dings    nimmt  die  Überlieferung  an,   daß  Mommsen      angenommene     Bedeutungs- 

es    vorher    rein    i^atrizische    duoviri    ge-  Verschiedenheit    wie  die  Unterscheidung 

geben  habe.  |    zwischen  patrizisch-plebeischen  und  rein 

^)  Durch  eine  le.r  PnhWia  angeblich  a.  d.  plebeischen  Tributkomitien.  Es  gab  wahr- 

J.  339  (Liv. VIII 12,  1.5)  und  eine  spätere /«.r  scheinlich  nur  eine  Art. 

J/«('/i/rt  unbestimmter  Zeit  (Cicero  Brut.55).  j        ^)  Mommsen,  Rom.  Forschungen  1301  ff.; 

^)  Die  Nachrichten  über  diese  Unruhen  Staatsrecht  II  402 f.  III 435  f.;  Soltau, Ent- 
sind dürftig  und  unzuverlässig.  Liv.  stehung  und  Zusammensetzung  der  röm. 
perioch.  11.  Cass.  Dio  fr.  37,  2  (I  110  ff.  Volksvers. 475  ff.:  Sieke,  Ap. Claudius Cae- 
Boiss.).  cf.  Diodor  XXII 18,  2.  Was  das  cus  Censor  i.  J.  310  v.  Chr.,  Marburg  1890. 
Hortensische  Gesetz  vorschreibt,  soll  nach  Münzer,  PW III 2681  ff.  E.Täubler,  Unters, 
unseren  Annalen  früher  schon  zweimal,  z.  Gesch.  des  Decemvirats,  Berl.  1921,  91. 
durch  die  lex  Valeria  Horatia  449  v.Chr.  •')  Diodor  XX  36.  312  v.  Chr.  nach  Livius 
und  durch  die  lex  Puhlilia  339  v.  Chr.  be-  j    IX  29,  5  f.  und  Frontinus  de  aquis  1,  5. 


4.  Zweite  Periode:  Bis  ziir  Unterwerfung  Italiens  (265  v.Chr.).    (§  15.)  85 

war  die  erste  große  Wasserleitung  {<(qii(i  Appia)  und  die  Heerstraße  {via 
Appia)  von  Rom  nach  Capua.  Er  wird  uns  fast  als  Tyrann  geschildert, 
der  im  Einverständnis  mit  seinem  Kollegen  C.  Plautius  Venox  eigenmächtig 
die  Einkünfte  der  Gemeinde  auf  seine  Bauten  verwendete.')  Bei  der  Er- 
gänzung des  Senats  nahm  er  Söhne  von  Freigelassenen  auf,  und  erlaubte 
ferner  jedem  Bürger,  sich  beim  Census  schätzen  zu  lassen,  wo,  d.  h.  in 
welcher  Tribus  er  wollte.  Dabei  stieß  er  im  Senat  und  bei  der  Nobilität 
auf  heftigen  Widerstand,  und  die  Konsuln  erkannten  den  von  ihm  ge- 
bildeten Senat  nicht  an.^)  Aber  die  Bürgerschaft  stand  auf  seiner  Seite. 
Ihm  zu  Gefallen  und  dem  Adel  zum  Tort  wurde  damals  der  Sohn  eines 
Freigelassenen,  also  eines  ehemaligen  Sklaven,  Cn.  Flavius,  zum  kurulischen 
Ädil  gewählt,  als  der  erste  mit  Namen  bekannte  Ädil  der  römischen  Ge- 
schichte. Mit  einer  Weitherzigkeit,  die  den  damaligen  Hellenen  fremd  war, 
gaben  die  Römer  auch  den  Freigelassenen  das  Bürgerrecht,  wenn  es  auch 
zunächst  beschränkt  war.^^)  Flavius  hat  das  Verzeichnis  der  dies  fasti,  der 
Geschäftstage  des  Kalenders,  in  Rom  auf  dem  Forum  öffentlich  anbringen 
lassen  und  des  weiteren  die  Klagformeln  {legis  actiones)  zusammengestellt 
und  publiziert.  Beide  Maßnahmen  stehen  im  Zusammenhang  mit  der  Reform- 
t(ätigkeit  seines  Herrn  und  Meisters  Ap.  Claudius;  es  sind  Vorstöße  gegen 
das  patrizisch-pontifikale  Monopol  der  Rechtskenntnis.'*) 

Überhaupt  trägt  diese  Zeit  einen  gewissen  demokratischen  Zug,  den  die 
vielen  und  schweren  auswärtigen  Kriege  begünstigt  haben;  denn  ohne  eifrige 
Mitwirkung  der  ganzen  Bürgerschaft  konnten  sie  nicht  geführt  werden. 
Durch  die  Volkswahlen  kamen  ehrgeizige  und  tüchtige  Männer  empor,  und 
die  Volkstribunen  gewannen  auf  die  auswärtige  Politik  bedeutenden  Einfluß. 
Und  so  nimmt    auch    das   ganze  Volk  an  den  Früchten  der  Siege  teil,  wie 


')  Vielleicht   wurden    die    Kosten    aus  ]  hatte,   vermutete  K.  W,  Nitzsch,   Flavius 

der  Kriegsbeute  bestritten.  j  habe  die   ersten  Annalen   veröffentlicht. 

2)  Anders   stellt   es  Livius   dar.    Nach  ^  Pais  stempelt  ihn  zum  Urheber  der  sog.  12 

ihm  (IX  4(>,  14)  wurde  die   niedere  städ-  ;  Tafeln.  Vgl.  oben  S.  61  A.  6.  Mommsen,  Rom, 

tische   Bevölkerung  von  Apj^ius   in    alle  \  Chronologie  198.  210  f.    Nitzsch,  Die  röm. 

Tribus  verteilt,  aber  später  (304  v.  Chr.)  |  Annalistik  232  ff.    Matzat,  Röm.  Chronol. 

von  den  Zensoren  Q,  Fabius    und  P,  De-  ,  I  266.     0.  Seeck,,  Die    Kalendertafel   der 

cius   in    die  vier   städtischen  Tribus    zu-  [  Pontifices   1  ff".    E.  Lambert,  L'hist.  tradi- 

sammengedrängt.     Da    sich    diese    Notiz  I  tioneUe   des  XII  fahles  49.    Besonders   be- 

auch  später  (bei  der  Zensur  von  220  v.Chr.,  j  liebt  ist  die  Hypothese,   dafs  Flavius  die 

Liv.  perioch.  20)  wiederholt,  so  ist  ihre  Zu-  älteste    Redaktion    der    Konsulliste    vor- 


verlässigkeit  sehr  zweifelhaft.  Unten  §  24. 

^)  Siehe  den  Brief  Philipps  V.  an  die 
Larisäer.    SIC  II'  nr.  543,  Z.  31  ff. 

•*)  Über  Cn.  Flavius  handeln  Diodor 
XX  36.  Cicero  p.  Mur.  25  f.  de  orat.  I  186. 
ad  Attic.  VI  1,  8.  Piso  fr.  27.  Liv.  IX  46. 
Plinius  h.  n.  XXXIII 17  ff.  Macrob.  1 15,  9. 
Pompon.  Dig.  I  2,  7.  Diodor  verbindet  die 
Ädilität  des  Cn.  Flavius  init  der  Zensur 


genommen  und  dabei  eine  Reihe  von 
Fälschungen  begangen  habe.  Vgl,  z.  B. 
K,  J.  Neumann  bei  Gercke-Noeden,  Einl. 
in  die  Altertumswiss.  III'  427.  Dagegen: 
O.  Leüze,  Die  röm.  Jahrzählung,  Tübingen 
1909,  278  f.  Aus  der  Ädilität  des  Flavius 
gab  es  (nach  Plin.  a.  a.  O.)  ein  Denkmal, 
eine  Kapelle  der  Concordia,  aus  Straf- 
geldern errichtet  laut  Inschrift  204  Jahre 


des  Ap.  Claudius,  und  dies  ist  gewiß  die  nach    der  Weihung    des    kapitolinischen 

ursprüngliche  Überliefex-ung.  Livius  setzt  Tempels,  die  also  in  diesem  Fall  als  Ära 

die  Ädilität  des  Flavius  ins  J.  304  v.  Chr.  dient  (unten  S.  91).  —  Vgl.  über  Flavius 

In  neuerer  Zeit  haben  sich  weittragende  noch  Münzer  bei  PW  VI  2526  ff.  und  über 

Hypothesen  an  den  Mann  und  sein  Werk  seine    literarische  Arbeit   F.  Leo,  Gesch. 

angesetzt.     Nachdem    Mommsen    ihm    die  i    der  röm.  Lit.  I  41  f. 

Herausgabe  der  Konsulliste  zugeschrieben  j 


86  Römische  Geschichte. 

die  Verteilung  des  eroberten  Ijandes  an  die  Bürger,  insonderheit  die  Soldaten 
zeigt.  Sechs  neue  Tribus  wurden  in  dieser  Periode  geschaffen;  von  den  Ver- 
bündeten und  Untertanen,  selbst  von  den  Besiegten  müssen  viele  ins  volle 
Bürgerrecht  aufgenommen  worden  sein.')  Ein  Teil  des  eroberten  Gebiets 
wurde  Gemeindeland-)  und  bildete,  der  Nutznießung  der  Bürger  überlassen, 
einen  wichtigen  Teil  der  öffentlichen  Einkünfte.  Dem  wachsenden  Umfang 
der  römischen  Bürgerschaft  entsprach  die  Vergrößerung  der  Stadt, ■^)  Ver- 
besserung der  städtischen  Einrichtungen  und  Vermehrung  der  Beamten.^) 
Vier  neue  Quästuren  wurden  nach  Unterwerfung  Italiens  (2(57  v.  Chr.)  zur 
Wahrnehmung  der  römischen  Rechte  und  Sicherung  der  Einkünfte  bei  den 
Bundesgenossen  eingesetzt.^) 

Aber  alle  Erfolge  der  Plebejer  machten  liom  doch  nicht  zu  einer  Demo- 
kratie nach  griechischer  Art.  Die  leitenden  Magistrate,  die  Feldherren,  hatten 
nicht  nur  im  Feld,  sondern  auch  in  der  Stadt  große  Macht,  das  Volk  war 
gewohnt,  ihnen  Gehorsam  und  Ehrerbietung  zu  erweisen.  Unverbrüchlich 
blieb  der  Grundsatz,  daß  die  Volksversammlung  nur  unter  Leitung  und  auf 
Antrag  eines  dazu  berechtigten  Magistrats  Beschlüsse  fassen  konnte,  so  daß 
eine  von  der  Magistratur  unabhängige  Demagogie  unmöglich  war.  Dazu 
kam,  daß  bei  weitem  die  Mehrzahl  der  Bürgerschaft  auf  dem  Land  weit 
zerstreut  wohnte  und  nicht  leicht  in  die  Stadt  kam,  daß  hingegen  die 
städtische  Menge  geringeres  politisches  Gewicht  besaß;  sie  sah  sich  bald  auf 
die  vier  städtischen  Tribus  beschränkt  und  konnte  nie  eine  Mehrheit  bilden. 
So  nahm  denn  Rom  aus  der  j^atrizischen  Zeit  seinen  aristokratischen  Cha- 
rakter mit  herüber.  Vielfach  blieb  in  der  veränderten  A^erfassung  das  Alte, 
wenn  auch  zur  bloßen  Form  versteinert,  doch  bis  ans  Ende  der  Republik 
erhalten.  Die  Patrizier  behaupteten  sich  noch  längere  Zeit  als  eine  mächtige 
Klasse,  und  ihr  Gegensatz  zu  den  Plebejern  war,  wie  gesagt,  noch  immer 
nicht  verschwunden.  Aber  allmählich  verschmolzen  sie  mit  den  angesehenen 
plebeischen  Familien  zu  einem  neuen  Adel,  der  Nobilität,")  die  zwar  nicht, 
wie  der  patrizisclie  Uradel,  mit  gesetzlichen  Privilegien  ausgestattet  war, 
aber  durch  Reichtum  und  Ansehen  ein  wichtiger  Faktor  wurde  und  sich 
beständig  durch  neue  Familien  ergänzte.  Ihr  Organ  war  der  Senat,  in  welchen 
neben  den  patres,  den  Mitgliedern  des  älteren  Gemeinderats,  auch  die  con- 
f^-ipti,  die  dazu  berufenen  Plebejer,  Eingang  gefunden  hatten  (oben  S.  67). 
Die  Bedeutung  dieser  Körperschaft  wuchs  mit  dem  Umfang  des  Gemeinwesens, 
wie  auch  die  Macht  der  vornehmen  Familien,  die  in  ihr  saßen,  durch  die 
zahlreichen  Klientelen  in  den  unterworfenen  und  verbündeten  Landschaften 

')  Nach  Velleius  Pat.  I  14,  7  ist  den  Sa-  Für  unecht  erklärt  es  E.  Täubleb.  Unters, 

binern  schon  268  v.Chr.  das  volle  Bürger-  zur  Gesch.  des  Decemvirats,  Berlin  1921, 

recht  verliehen  worden.  Aber  diese  Nach-  11,133.) 

rieht  ist  bedenklich,  da  es  noch  22.5  v.  Chr.  ^)  Hierher   gehören    die  angeblich  289 

verbündete  Sabiner  gab  (Polyb.  II  24,  5);  j    v.  Chr.  (oder  nach  Pomponius  Dig.  1 2, 2, 29 

es  kann  sich  also  höchstens  um  einen  Teil  .    erst   nach   dem  ersten  panischen  Krieg) 

des  Volkes  handeln.  |   eingesetzten  tres  viri  capitales,  die  Polizei- 

■-)  Dies  gilt  besonders  von  dem  Sabiner-  meister  Roms.  Mommsen,  Rom.  Staatsrecht 

land  und  dem   ager  GalUcns.  II-'  594  ff. 

^)  Die  oben  S.  60  A.  1  erwähnte  lex  Idlla  \        '")  Mommsen  a.  a.  O.  570' ff. 

über  den  Aventinus  gehört  vielleicht  erst  «)  Ihr  Wesen  hat  aufgehellt  M.  Gelzer, 

in    diese  Zeit.    (Vgl.   über   dieses  Gesetz  Die  Nobilität  der  röm.  Republik,  Leipzig- 

A.  RosENBEKG,  Heruics  48,  1913.  359  if.  —  j   Berlin  1912. 


4.  Zweite  Periode:  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens  (265  v. Chr.).    (§16.)  87 

zunahm.  Berühmt  ist  das  Wort  des  Kineas,  daß  ihm  der  Senat  von  Rom 
wie  eine  Versammlung  von  Königen  erschienen  sei.  Die  tatsächliche  Lebens- 
länglichkeit der  Mitglieder  verstärkte  die  konservativ-aristokratische  Grund- 
tendenz des  Senates.  So  kam  es,  daß  den  griechischen  Theoretikern  die 
römische  Staatsverfassung  als  eine  glückliche  Mischung  von  Monarchie, 
Aristokratie   und  Demokratie  erscheinen  konnte.^) 

Das  Rückgrat  des  Staates  bilden  nach  wie  vor  Kriegsverfassung  und 
Heerwesen,  das  sich  in  dieser  Zeit  entsprechend  dem  wachsenden  Umfang 
des  Gebietes  und  den  erweiterten  Aufgaben  der  Politik  und  Kriegführung 
entwickelt  haben  muß,  wenn  auch  Nachrichten  darüber  fast  ganz  fehlen. 
Die  Zunahme  des  Heeres  spiegelt  sich  in  der  Zahl  der  Kriegstribunen,  deren 
zuerst  362  v.Chr.  sechs  gewählt  sein  sollen;  311  v.Chr.  stieg  ihre  Zahl  auf 
zwölf  und  später  waren  es  deren  vierundzwanzig.  Sie  haben  als  vom  Volke 
gesetzte  Gehilfen  und  Berater  der  Konsuln  eine  sehr  wichtige  Aufgabe.  Die 
Einheit  des  Fußvolkes  ist  die  Legion^)  von  etwa  -1000  Mann,  aus  Leicht- 
und  Schwerbewaffneten  bestehend,  in  Manipeln  und  Centurien  eingeteilt; 
je  zwei  Legionen  machten  ein  konsularisches  Heer  aus;  beide  konsularischen 
Heere,  vier  Legionen,  waren  das  übliche  Aufgebot  für  einen  größeren  Krieg. 
Neben  den  römischen  Legionen  erscheinen  die  Hilfstruppen  der  Bundes- 
genossen, den  Römern  an  Zahl  mindestens  gleich.  Ihre  Kontingente  setzen 
sich  aus  kleineren  Einheiten,  Kohorten,  zusammen.  Für  die  Reiterei  be- 
stehen bei  Römern  wie  bei  Bundesgenossen  besondere  Formationen. 

Die  Römer  sind  ein  rauhes,  kriegerisches,  eroberungslustiges  Volk,  das 
sich  nicht  begnügt,  die  Feinde  zu  unterwerfen;  ein  großer  Teil  der  Be- 
siegten wurde  vielmehr  vernichtet  oder  vertrieben,  und  römische  Bürger  auf 
ihrem  Lande  angesiedelt.  So  verbreiterten  sie  das  Fundament  ihrer  Vor- 
machtstellung. Der  Erfolg  steigerte  ihr  Selbstvertrauen  und  ihre  Unter- 
nehmungslust. 2)  In  den  Kriegen  gegen  die  Samniter  und  Gallier  und  gegen 
Pyrrhos  machten  sie  eine  gute  Schule  durch,  aus  der  sie  als  Meister  der 
Kriegskunst  hervorgingen.  Es  liegt  ein  tiefer  Sinn  darin,  wenn  die  Legende 
die  Gründer  der  Stadt  zu  Söhnen  des  Kriegsgottes  Mars  gemacht  hat. 

16.  Eintritt  unter  die  großen  Mächte.  Der  Sieg  über  Pyrrhos  führte 
Rom  in  den  Kreis  der  großen  Mächte  ein.  Es  war  die  Zeit,  da  die  Eroberungs- 
politik Alexanders  des  Großen  dem  makedonisch-griechischen  Element  den 
Orient  erschloß  und  damit  der  griechischen  Kultur  ein  neues  Wirkungs- 
gebiet. Aus  dem  langen  Streit  der  Nachfolger  Alexanders  waren  nach  ver- 
geblichen Versuchen,  das  Erbe  Alexanders  als  Einheit  zu  bewahren,  schließ- 
lich drei  größere,  selbständige  Monarchien  hervorgegangen  und  so  ein 
Staatensystem  entstanden,  das  sich  unter  wechselvollen  Kämpfen  in  einem 
gewissen  Gleichgewicht  erhielt.  Das  reichste  und  einheitlichste,  das  best- 
vervvaltete  war  das  Reich  der  Ptolemäer  in  Ägypten,  das  zugleich  das 
benachbarte  Kyrene  und  südliche  Syrien  umfaßte,  dazu  die  Insel  Kypros, 
und  seine  Besitzungen    bis  ins   ägäische  Meer  und  an  die    thrakischen  und 


')  Polyb.  VI  11.  kommt  anscheinend  auch  bei  den  Marsern 

^)  Die  antiquarische  Tradition  läfst  die  i    vor.    Zvetaieff,  In.<icr.  Ital.  mediae  dialect. 

Legion  und  ihre  Einteilung  von  Romulus  (Leipzig  1884)  S.  37,  nr.  43. 

ausgehen.  Plutarch,  Rom.7. 13.  Der  Name  |        ^)  Polyb.  I  37,  7. 


88  Römisclie  Geschichte. 

kleinasiatischen  Küsten  vorschob.  Weitaus  das  größte  Gebiet,  Asien,  er- 
warben die  Seleukiden,  aber  der  Zusammenhang  dieser  Ländermasse  war 
wegen  der  Selbständigkeit  vieler  Teile  nur  locker.  Schon  früh  lösten  sich 
einzelne  Landschaften  los,  in  Vorderasien  Bithynien,  die  beiden  Kappadokien 
und  der  kleine  Staat  um  Pergamon.  Die  dritte  Macht,  Makedonien,  hatte 
sich  nach  langen  äufäeren  und  inneren  Unruhen,  nach  den  Kämpfen  mit 
den  einbrechenden  Kelten  (280  und  279  v.  Chr.)  und  gegen  Pyrrhos  unter 
Antigenes  Gonatas,i)  dem  Sohn  des  Demetrios  Poliorketes,  aufs  neue  kon- 
solidiert. Wenn  Makedonien  auch  von  dem  Umfang  der  Herrschaft,  wie 
sie  Philipp)  und  Alexander  hergestellt  hatten,  viel  aufgeben  mußte,  so  waren 
ihm  doch  außerhalb  des  Stammlandes  noch  wertvolle  Besitzungen  in  Hellas 
geblieben.  Zwischen  den  großen  Monarchien  in  der  Mitte  standen  die  freien 
Hellenen,  die  in  den  Kriegen  der  Nachfolger  Alexanders  ihre  Freiheit 
gerettet  oder  zurückgewonnen  hatten,  teils  im  eigentlichen  Hellas,  wo  der 
ätolische  Stamm  verband  und  später  der  acliäische  sich  zu  Macht  und 
Bedeutung  erhoben,  teils  im  Kolonialgebiet.  Mehrere  ansehnliche  Gemeinden 
erfreuten  sich  anerkannter  Unabhängigkeit,  wie  Chios,  Kyzikos,  Byzanz, 
Herakleia  am  Pontes,  Sinope,  zeitweilig  auch  Athen,  vor  allem  die  Insel- 
gemeinde Rhodos,  die  Handelsrej^ublik  großen  Stils.  Obwohl  die  Freiheit 
der  Hellenen  durch  Verträge  gesichert  schien,  wurde  sie  doch  oft  genug 
von  den  Monarchen  angefochten;  namentlich  die  makedonischen  Könige  be- 
mühten sich,  Hellas  möglichst  zu  unterwerfen,  während  die  Ptolemäer  in 
ihrem  Bestreben,  Makedonien  und  die  Seleukiden  im  Schach  zu  halten,  sich 
der  hellenischen  Freiheit  annahmen.  Das  politische  Intrigenspiel  und  die 
fortdauernden  Kämpfe  erzeugten  fast  unversöhnliche  Gegensätze. 

Unberührt  von  dem  wechselvollen  politischen  Getriebe  blieb  die  Ein- 
heit der  allgemeinen  griechischen  Kultur,  die  seit  Alexander  in  ein  neues 
Stadium  einzutreten  begann,  das  wir  seit  J.  G.  Droysen  als  Hellenismus 
bezeichnen.  Dieser  Hellenismus  erlebte  seine  Blüte  in  den  Hauptstädten 
der  Monarchien,  ganz  besonders  in  Alexandrien  unter  der  verständnisvollen 
Pflege  der  Ptolemäer.  Für  sein  Wesen  charakteristisch  ist  die  Fermentierung 
des  griechischen  Elements  mit  orientalischen  Kulturbestandteilen.  In  dieser 
neuen  Form  hat  das  Griechentum  seinen  Eroberungszug  angetreten  und  ist 
über  alle  politischen  Schranken  hinweg  weit  nach  Osten  zu  den  Barbaren 
vorgedrungen,    um    schließlich    auch   den  Westen  kulturell   zu  unterwerfen. 

Die  Umwälzungen  und  Zuckungen  im  Osten  blieben  auch  auf  den  Westen 
nicht  ohne  Nachwirkung.  Wie  griechische  Heerführer  in  Italien  und  Sizilien 
auftauchten,  so  griff  umgekehrt  Agathokles  von  Sizilien  aus  zeitweilig  in 
die  Kämpfe  um  die  Vorherrschaft  in  Griechenland  ein.  Er  stand  mit  De- 
metrios Poliorketes  und  später  mit  Ägypten  in  Freundschaft  und  Bündnis. 
Und  was  die  Römer  anbetrifft,  so  kamen  sie  den  Kreisen  der  hellenischen 
Mächte  um  so  näher,  je  weiter  sie  in  Unteritalien  vordrangen.  Sie  müssen 
mit   den    griechischen    Mächten    in   gelegentlichen  Verkehr   getreten    sein.  2) 

')  Regierte  von  276—239  v.  Chr.  |  schein  Werte.    Niebukk  III  664  denkt   an 

^)  Eine  Gesandtschaft  der  Apolloniaten  ein  Hilfsgesuch    der  Apolloniaten    gegen 

in  Illyrien  um  266  v.  Chr.  erwähnt  Cass.  j  Alexander    von    Epirus,    den    Sohn    des 

Dio  fr.  42  I  p.  141  Boiss.   Aber  es  ist  nur  ;  Pyrrhos. 

ein  exemplum  von  zweifelhaftem  histori-  1 


4.  Zweite  Periode:  Bis  zur  Unterwerfung  Italiens  (265  v.  Chr.).    (§  10.)  89 

Alexander  der  Molosser  schloß  mit  ihnen  ein  Bündnis  (oben  S.  75),  Alexander 
der  Grofäe  und  Demetrios  Poliorketes  sollen  mit  ihnen  in  diplomatischen 
Verkehr  getreten  sein.^)  Daß  die  Römer  ihrerseits  Alexander  in  Babylon 
(323  V.  Chr.)  durch  Gesandte  gehuldigt  hätten,  ist  spätere  Erfindung;  denn 
nach  den  glaubwürdigen  Berichten  sind  wohl  die  Etrusker,  Lukaner  und  Bret- 
tier  vor  Alexander  erschienen,  aber  nicht  die  Römer.  2)  An  sich  würde  eine 
römische  Gesandtschaft,  Avenn  sie  nur  gut  bezeugt  wäre,  nichts  Befremd- 
liches haben.  Bald  danach,  um  300  v.  Chr. 3)  traten  die  Römer  mit  den  Rho- 
diern  in  eine  Freundschaft,  die  lange  gewährt  und  für  Romern  gute  Früchte 
getragen  hat.  Nach  dem  Ende  des  Pyrrhoskrieges  wurden  zwischen  Rom 
und  Ptolemaios  II  von  Ägypten  in  gegenseitigen  Gesandtschaften  Beziehungen 
angeknüpft.*) 

Wenn  also  die  Hellenen  schon  seit  längerer  Zeit  Rom  recht  wohl  kannten, 
so  wandten  sie  nach  der  Vertreibung  des  Pyrrhos  der  so  rasch  aufgestiegenen 
Macht  ihre  Aufmerksamkeit  in  wachsendem  Maße  zu;  die  verschiedenen 
Gründungssagen  der  Stadt,  die  sie  mit  der  hellenischen  Sagenwelt  verknüpfen 
sollen,  können  dafür  Zeugnis  ablegen  (oben  S.  29).  In  der  Tat  war  Rom 
durch  den  Eintritt  der  italischen  Griechen  in  das  römische  Bündnis  zu  einer 
halb  hellenischen  Macht  geworden;  schon  Herakleides  Pontikos,  der  Zeit- 
genosse des  Aristoteles,  nannte  Rom  eine  hellenische  Stadt, ^)  eine  Über- 
treibung, durch  die  er  seine  geringe  Kenntnis  der  tatsächlichen  Zustände 
verrät.  Etwas  später  erläuterte  Eratosthenes  seine  These,  daß  die  Scheidung 
der  Menschheit  in  Hellenen  und  Barbaren  unbillig  sei,  mit  dem  Hinweis 
auf  Karthago  und  Rom. '^)  Auch  das  Verhalten  mancher  unteritalischer  Städte 
zu  den  Römern  beweist,  daß  man  sie  nicht  als  fremdes  Element  ansah,  ihnen 
vielmehr  Vertrauen  entgegenbrachte.  Mit  dem  Bündnis  übernahm  Rom  zu- 
gleich die  Handelsverbindungen  der  italischen  Griechen  und  schickte  sich 
an,  in  den  Welthandel  einzutreten.  Italien  war  ja  der  berufene  Vermittler 
zwischen  dem  Orient  und  dem  ferneren  Westen.'^)  Und  der  Eintritt  in  den 
Weltverkehr  brachte  noch  eine  andere,  wichtige  Neuerung  mit  sich:  Rom 
degradierte  damals  (269  v.  Chr.)^)  sein  bisheriges  Kupfergeld  zur  Scheidemünze 

')  Strabo  V  233.    Es  handelt  sich  beide  dann  von    den  Römern   erwidert  wurde. 

Male  um  gefangene  Seeräuber  aus  Antium,  Doch  kann  weder  die  Zeit,  noch  das  Drum 

die    den    Römern   zur   Bestrafung    zuge-  j    und  Dran  dieser  Gesandtschaft  verbürgt 

schickt  werden.    Demetrios  war  von  293  werden.  Vielleicht  fällt  sie  erst  später  und 

—287  V.  Chr.  König  von  Makedonien.  ist    Hiei-on    II    von    Syrakus   Vermittler 

2)   Arrian  anab.  VII  16,  4.     Erst  Kleit-  zwischen   Rom    und  Ägypten    geworden, 

archos  (tr.  23)  u.  a.  von  Arrian  a.  a.  O.  ge-  Vgl.  Niese,  Gesch.  d.  griech.  u.  makedon. 

nannte  Autoren  wuTsten  von  den  Römern  Staaten  II,  196  f.    J.  N.  Sboronos,  Tu  rofu'a- 

zu  berichten.    Jedenfalls  mufs  Kleitarchos  //«ro  tov  xoÜTovg  töjv  IlToAfuakov,  117  f.  ver- 

die  Römer  zu  den  namhaftesten  Völkern  mutet,  daß  Rom  und  Ägypten  273  v.  Chr 

des  Westens  gezählt  haben,  was  für  seine  eine  Münzkonvention  geschlossen  hätten 

Zeit  (er  schrieb  um  250  v.  Chr.)  nicht  zu  |   Aber  diese  Vermutung  entbehrt  der  nö 


verwundern  ist.  Vgl.  Niese,  Hist.  Zeitschr. 
N.  F.  43,  41. 

ä)  Polyb.  XXX  5,  6. 

^)  Nach  der  livianischen  Überlieferung 


tigen  Begründung. 
"•)  Plut.  Camill.  22. 
«)  Strabo  I  66. 

cf.  Euthydem  bei  Athenäus  III 116  C. 


(Liv.  per.  15.    Eutrop.  II  15,    vgl.  Justin.    '    Plutarch.  Arat.  12. 

XVIII  2,  9.    Dionys.  Hai.  XX  14.  Cass.  Dio  »)  O.  Leuze,  Das  Datum  der  ersten  Silber- 


fr.  41  vol.  I  p.  139  Boiss.)  >hat  schon  273 
v.  Chr.  Ptolemaios  II  von  Ägypten  eine 
Gesandtschaft   nach  Rom   geschickt,   die 


prägung  in  Rom,  Zeitschr.  f.  Numismatik 
82,  1915,  15  ff. 


90  Römische  Geschichte. 

und  begann  eigenes  Silbergeld  zu  prägen,  und  zwar  nach  dem  attischen 
Fuß,  der  seit  Alexander  dem  Großen  in  den  meisten  Teilen  der  griechischen 
Welt  zur  Geltung  gelangt  war;  die  griechische  Drachme  wurde  dem  De- 
narius  gleichgesetzt;  die  alte  Einheit,  der  schwere  Kupferas,  ging  über  in 
den  Sestertius,  dessen  Wert  den  vierten  Teil  der  Drachme  ausmachte.') 

Die  engere  Berührung  mit  der  griechischen  Welt  hatte  zur  natürlichen 
Folge,  daß  die  griechische  Kultur  mit  vermehrter  Wucht  in  Rom  eindrang; 
gerne  haben  die  Römer  vom  Ausland  gelernt,  ohne  darum  ihre  nationale 
Eigentümlichkeit  preiszugeben.  Ohne  Zweifel  waren  viele  Griechen  in  Rom 
ansäßig,  wie  sich  umgekehrt  Römer  in  den  unteritalischen  Städten  nieder- 
ließen. Die  Kenntnis  der  griechischen  Sprache  verbreitete  sich;  sie  war  für 
den  Staatsmann  unentbehrlich,  und  die  vornehmen  Römer  werden  sie  meist 
beherrscht  haben.  Kunst  und  Literatur  drangen  ebenso  immer  tiefer  ein. 
Einheimische  Künstler  arbeiten  ganz  in  griechischer  Weise,  ähnlich  wie  in 
Kampanien,  w;ie  denn  auch  das  Hellenische  nicht  selten  durch  die  Vermitt- 
lung der  Kampaner  und  Etrusker  nach  Rom  und  Latium  gelangte.  2)  Be- 
sonders von  den  politisch  so  eng  verbundenen  Kampanern  wurde  manches 
übernommen.  Der  Einfluß  der  griechischen  Literatur  zeigt  sich  deutlich  im 
Aufbau  der  römischen  Königsgeschichte,  die  jetzt  ihre  Gestalt  erhalten  haben 
mag.  Die  griechische  Mythologie  wurde  ziemlich  allgemein  bekannt.  Gerade 
auf  religiösem  Gebiet  entlehnte  man  von  den  Griechen,  deren  Götter  man 
als  überlegen  ansah,  wie  denn  auch  in  Rom  das  delphische  Orakel  seit 
alters  hohes  Ansehen  genoß ;3)  ein  eigenes  zehnköpfiges  Priesterkollegium, 
die  deceinviri  mcris  faciundls  wurde  für  den  Kult  der  griechischen  Gott- 
heiten eingesetzt."*)  Zu  den  schon  in  älterer  Zeit  rezipierten  Götterkulten 
kamen  neue  hinzu.  Schon  291  v,  Chr.  soll  der  Dienst  des  Aesculapius  aus 
Epidauros  geholt  worden  sein.  Der  Einfluß  der  fremden  Kultur  gab  dann, 
wie  es  überhaupt  zu  geschehen  pflegt,  die  Anregung  zu  eigener  Arbeit,  zur 
Ausbildung  und  Schulung  auch  der  lateinischen  Sprache.  In  die  Zeit  der 
Unterwerfung  Italiens  fallen  die  ersten  lateinischen  Grabgedichte  in  satur- 
nischem Versmaß;  ein  ursprünglich  griechischer  Brauch  ist  dabei  der  römi- 
schen Eigenart  angepaßt.^) 

Chronologischer  Anhang 

zur  älteren  römischen  Geschichte. 

Die  Zeitrechnung  der  älteren  römischen  Geschichte  beruht  wie  alle  derartigen 
Systeme  auf  gelehrter  Arbeit,  die  erst  in  späterer  Zeit  geleistet  wurde.   Von  einem 

')  HuLTSCH,  Griechische  und  römische  :  die  populäre  Komödie  der  Atellanen  er- 
Metrologie 254  f.,  2.  Aufl.;  Mommsen,  Ge-  wähnt  werden,  die  aus  Atella  in  Kam- 
schichte des  röm.  Münzwesens,  S.  281f.;  panien  stammte  und  sich  in  Rom  völlig 
NissE\  in  diesem  Handbuch  1887.  einbürgerte. 

-)  Zu  den  erhaltenen  Kunstwerken  ge-  ^)  Plinius   h.  n.  XXXIV  26.    Schon   er- 
hört die  in  Praeneste  gefundene  sog.  Fico-  wähnt    ist    das    römische   Weihgeschenk 
ronische  Cista  mit  der  Aufschrift  Novios  an    den  delphischen  Apollon  nach  Vejis 
Plautios  med  Eomai  fecid.  siehe  CIL  I.  2,  1^  Eroberung.    Oben  S.  40. 
nr.561,  ILS  nr.  8562.  Ephemer,  cpigraph.  ^)  Vgl.  oben  S.  84  A.  2. 
I  12.    Über   kampanische  Kunst   in  Rom  ^)  Vgl.  F.  Leo,    Gesch.  der   röm.  Lit.  I, 
s.  Gamürrini,   Mitteil,   des  deutsch,  arch.  1913,  45  f. 
Inst.,   Röm.  Abteil.  II  221  f.    Hier  kann 


Chronologisclier  Anhang  zur  älteren  römischen  Geschichte. 


91 


bestimmten  Punkte  der  Gegenwart  oder  näheren  Vergangenheit  aus  hat  man  rück- 
Avärts  die  Zeit  der  Vergangenheit  ausgemessen,  danach  die  Anfänge  der  Stadt  be- 
rechnet und  zugleich  die  römische  Geschichte  an  die  damals  schon  fertige  griechische 
Chronologie  angeschlossen,  die  sich  bekanntlich  der  Olympiaden  zu  bedienen  pflegte.') 
Das  Ergebnis  dieser  Arbeit  liegt  uns  in  der  Jahrreihe  vor,  wie  sie  mehr  oder  weniger 
vollständig  teils  mit  den  Annalen  bei  den  Historikern  teils  in  besonderen  Verzeich- 
nissen erhalten  ist.')  Und  zwar  besteht  sie  aus  zwei  Teilen,  aus  dem  Verzeichnis 
der  eponymen  .Jahresbeamten,  der  Konsuln,  Decemvirn  und  Konsulartribunen  bis 
zum  Anfang  der  Eepublik,  der  mit  der  Einweihung  des  kapitolinischen  Tempels  zu- 
sammenfällt, und  aus  den  Königsjahren.  Während  letztere  imaginär  sind,  ist  die 
Liste  der  Eponymen  bei  allen  Unsicherheiten  im  einzelnen  doch  in  den  Grundzügen 
ohne  Zweifel  echt  und  verhältnismäßig  alt.  Sie  scheint  schon  am  Ende  des  4.  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  vorhanden  gewesen  zu  sein,  da  ihr  Anfangspunkt,  die  Einweihung 
des  kapitolinischen  Tempels,  damals  in  einem  Denkmal  des  Ädilen  Cn.  Flavius  als 
Ära  diente.^) 

Die  Jahrreihe  besteht  also  in  ihrem  historischen  Teil  aus  Amtsjahren;  aber  diese 
haben  sich  im  Lauf  der  Zeit  durch  Verschiebung  der  Antrittstage  der  Beamten  ge- 
ändert, sind  also  nicht  konstant.  Der  spätere  Jahresanfang,  1.  Januar,  besteht  erst 
seit  153  v.Chr.;  vorher  fing  man  mit  dem  15.  März  an,  und  in  älterer  Zeit  soll  nach 
unseren  freilich  dürftigen  Nachrichten  darin  des  öfteren  ein  Wechsel  eingetreten 
sein.^)  Auf  diese  Verschiedenheit  wird  jedoch  in  der  Jahrreihe  keine  Rücksicht  ge- 
nommen, sondern  die  späteren  römischen  Kalenderjahre,  die  ja  auch  die  unseren 
geworden  sind,  werden  antizipiert.  Von  den  griechischen  Olympiaden-  und  Archonten- 
jahren  sind  die  römischen  Amtsjahre  verschieden;  denn  da  jene  zur  Zeit  des  Mitt- 
sommers ihren  Anfang  nehmen,  so  decken  sich  die  beiden  Jahre  immer  nur  zur 
Hälfte.  Jedoch  hat  man,  nachdem  die  Berührungspunkte  der  beiden  Jahrreihen 
durch  die  Synchronismen  einmal  gefunden  waren,  den  verschiedenen  Jahresanfang 
nicht  in  Rechnung  gezogen,  sondern  Jahr  gleich  Jahr  sein  lassen,  wie  es  das  prak- 
tische Bedürfnis  der  Liste,  in  der  jedes  Jahr  gleichsam  eine  unteilbare  Einheit  bildet, 
mit  sich  brachte.  Es  gab  jedoch  zwei  Möglichkeiten,  die  römischen  Jahre  mit  den 
griechischen  auszugleichen:  die  Konsuln  werden  entweder  in  das  Olympiadenjahr 
gesetzt,  in  dem  sie  ihr  Amt  antraten,  oder  in  das,  in  dem  sie  abgingen.  Der  L^nter- 
schied  läßt  sich  durch  folgendes  Schema  verdeutlichen: 


Römisch  221  v 

Chr. 

Olymp.  189,4 

220  ..      .. 

140.1 

219  ,.      .. 

140.2 

218  ..      .. 

140.3 

217  ..      .. 

140,4 

216  ..    ,  .. 

141,1 

')  Als  erste  Olympias  zählte  man  die 
Olympien  von  776  v.  Chr. 

'•')  MoMMSEN,  Rom.  Chronol.  110.  Cicho- 
Riüs,  De  fastis  Romanonim  antiquissimis, 
Leipziger  Studien  IX. 

^)  Oben  S.  85  A.  4.  Ein  Weihgeschenk 
des  Ädilen  war  nach  der  Inschrift  gestiftet 
204  Jahre  post    [aedem)    Capitolinam    dedi- 


catam.  Plin.  h.  n.  XXXIII  19.  Dies  würde, 
die  ältere  Chronologie  der  Annalen  voraus- 
gesetzt, auf  303/2  V.  Chr.  führen,  und  dem 
entspricht  das  Datum  des  Livius  IX  46. 
Vgl.  über  das  Datum  O.  Leuze,  Die  röm. 
Jahrzählung.  Tübingen  1909,  160  tf. 
'')  MoiiMSEX,  Rom.  Chronol.  80  ff. 


92 


Römische  Geschichte. 


Setzt  man  die  griechischen  und  römischen  Jalire  einander  gleich,  so  ist 


entweder 
220  V.  Chr.  =  Olymp.  139,4 
219  V.  Chr.  =  Olymp.  140,1 
218  V.  Chr.  =  Olymp.  140,2 
217  V.  Chr.  =  Olymp.  140,3 
216  V.  Chr.  =  Olymp.  140,4 


oder 
220  V.  Chr.  =  Olymp.  140,1 
219  V.  Chr.  =  Olymp.  140,2 
218  V.  Chr.  =  Olymp.  140,3 
217  V.  Chr.  =  Olymp.  140,4 
216  V.  Chr.  =  Olymp.  141,1 


Die  erste  Gleichung  ist  die  ältere;  sie  herrscht  z,  B.  bei  Diodor,')  und  nach  ihr 
kommt  also  die  Schlacht  bei  Cannä  216  v.  Chr.  auf  Olymp.  140, 4.  Die  andere  ist  später 
mehr  üblich;  folgt  man  ihr,  so  fällt  die  Schlacht  auf  Olymp.  141,  1.  Zugleich  wird,  wie 
sich  von  selbst  versteht,  in  der  ganzen  Jahresreihe  der  Synchronismus  um  ein  Jahr  ver- 
schoben und  die  griechischen  Daten  römischer  Ereignisse  rücken  um  ein  .Jahr  tiefer. 

Nach  diesen  Bemerkungen  sei  die  Jahrreihe  selbst  kurz  analysiert.  Sie  ist  uns, 
wie  gesagt,  in  den  Annalen  und  in  besonderen  Listen  erhalten  und  zwar  mit  starken 
Verschiedenheiten,  aus  denen  sich  wiederum  Abweichungen  in  der  Datierung  der 
Ereignisse  ergeben.  Diese  abweichende  Überlieferung  bildet  ein  viel  erörtertes  Pro- 
blem, zu  dessen  Lösung  der  Leser  hier  angeleitet  wefden  soll.  Jedoch  kann  nur 
das  Wichtigste  hervorgehoben  werden,  unwesentliche  Dinge  oder  chronologische 
Einzelfragen  gehören  nicht  an  diesen  Ort.  Ebenso  muß  auf  eine  Erörterung  strittiger 
Punkte  oder  eine  Widerlegung  anderer  Meinungen  verzichtet  werden. 2) 

Es  kann  als  zugestanden  angesehen  werden,  daß  seit  dem  Pyrrhoskriege,  seit- 
dem die  römische  Geschichte  durch  die  gleichzeitige  griechische  Geschichtschreibung 
überliefert  wurde,  die  römische  Jahrreihe  feststeht  und  die  Zeitrechnung  in  allen 
wesentlichen  Punkten  gesichert  ist.')  Die  großen  chronologischen  Schwierigkeiten 
liegen  alle  in  der  älteren  Zeit.  Ausgangspunkt  unserer  Übersicht  und  Erörterung 
sei  also  das  erste  Jahr  des  Pyrrhoskrieges,  das  nach  der  griechischen  Überlieferung 
auf  Olymp.  124,4,  d.  i.  281/0  v.  Chr.  fällt.  Blicken  Avir  von  hier  auf  die  uns  vorliegende 
römische  Jahrreihe  bis  zur  Gründung  der  Stadt  zurück,  so  sehen  wir,  daß  zwei  ver- 
schiedene Tabellen,  eine  ältere  und  eine  jüngere,  zu  unterscheiden  sind.  Die  ältere 
haben  wir  in  annähernder  Vollständigkeit  in  den  Annalen  Diodors,  des  Livius  und 
Dionysios,  von  denen  uns  Livius  am  vollständigsten  erhalten  ist.  Nicht  als  ob  die 
Genannten  in  allen  Stücken  übereinstimmten;  vielmehr  weicht  Diodor  in  Bestand 
und  Anordnung  der  Liste  sehr  bedeutend  von  den  beiden  anderen  ab  und  vertritt 
darin  wahrscheinlich  eine  ältere  Überlieferung,  während  Livius  und  Dionj'sios  eng 
zusammenstehen;  nur  in  einem,  unwesentlichen  Punkte  geht  Dionysios  seine  eigenen 
Wege.  Aber  trotz  den  Abweichungen  Diodors  gehen  die  drei  und  ihre  Verwandten 
in  einem  Kardinalpunkt  zusammen  und  bilden  die  ältere  Kechnung.  Diese  zählt 
vom  ersten  Jahre  des  Pyrrhoskrieges,  also  Olymp.  124,  4  oder  281/0  v.  Chr.,  bis  zur 
Gründung  der  Stadt  470  Jahre,  legt  also  die  Gründung  in  Olymp.  7,  2  =  751,0  v.  Chr. 
Dieses  Grüudungsjahr  findet  sich  nicht  nur  bei  Diodor,^)  sondern  auch  bei  anderen,^) 


»)  Nach  Diodor  fr.  XXXVII  2,  2  fallen 
die  Konsuln  von  91  v.  Chr.  auf  Olymp. 
172,  l._  Vgl.  Gott.  Gel.  Anz.  1887  S.  832. 

2)  Die  wichtigsten  chronol.  Werke  sind 
oben  S.  9  f.  angeführt.  Hier  betont  Niese, 
daß  er  seinen  Vorgängern,  namentlich 
Th.  Mommsen,  viel  verdanke,  aber  in  einigen 
wichtigen  Fragen  von  ihm  abweiche.  Dio- 
dors Chronologie  —  sie  war  für  Niese 
maßgebend  —  sei  von  Mommsen  nicht 
richtig  gewürdigt;  hierin  habe  z.B.Matzat 
vielfach  besser  geurteilt. 

')  Womit  nicht  gesagt  werden  soll,  daß 
von  da  ab  in  unserer  meist  sehr  jungen 


Überlieferung  nun  auch  chronologisch 
alles  in  Ordnung  ist.    S.  106  A.  1. 

")  fr.VII  5  bei  Euseb.  chron.  I  283  ff. 
Diese  Angabe  über  das  Gründungsdatum 
ist  jedoch  nach  Leuze  a.  a.  O.  40  nur  eine 
gelegentliche  Notiz,  während  Diod.  im 
eigentlichen  Zusammenhang  der  römi- 
schen Geschichte  Olymp.  8,  1  als  Grün- 
dungsdatum betrachtet  habe.  Für  Livius 
sei  bemerkt,  daß  er  griechische  Datie- 
rungen (nach  Olympiaden)  und  Syn- 
chronismen meidet  und  überhaupt  für 
Chronologie  kein  Verständnis  zeigt. 

*)  Vgl.  Mommsen,  Rom.  Chronol.  143. 


Chronologischer  Anhang  zur  älteren  römischen  Geschichte. 


93 


namentlich  bei  Cornelius  Nepos,  Cicero ')  und  Polybios.^)  und  zwar  hat  es  Polybios, 
wie  er  selbst  sagte,  der  Pontifikaltafel  entlehnt,  woraus  folgt,  dafs  schon  diese  ^-om 
Pyrrhoskriege  bis  zur  Gründung  Roms  470  Jahre  zählte.  Diese  Rechnung  war  also 
in  der  älteren  literarischen  Epoche  Roms,  im  2.  und  1.  Jahrhundert  v.  Chr.  verbreitet 
und  kann  als  die  damalige  Vulgata  angesehen  werden. 

Den  genannten  Zeitraum  von  470  Jahren  wird  man  am  besten  in  drei  Abschnitte 
gliedern.  Der  erste  geht  vom  Anfang  des  Pyrrhoskrieges  bis  zum  gallischen  Brand, 
der  zweite  von  da  bis  zum  ersten  Jahr  der  Republik,  der  dritte  umfafat  die  König- 
zeit bis  zur  Gründung.  Jeder  dieser  Abschnitte  erfordert  eine  besondere  Betrach- 
tung, aber  die  Avichtigsten  chronologischen  Probleme  liegen  im  ersten,  in  der  Zeit 
vom  Anfang  des.  Pyrrhoskrieges  bis  zur  Eroberung  Roms  durch  die  Gallier. 

Diese  Zeit  bestimmen  die  diodorischen,  livianischen  und  dionysischen  Annalen 
bei  aller  Abweichung  im  einzelnen  auf  106  Jahre,  und  da  der  Pyrrhoskrieg  Olymp. 
124,  4  =  281/0  V.  Chr.  beginnt,  so  fällt  demnach  der  gallische  Brand  auf  Olymp.  98,  2 
=  387/6  V.  Chr.,^)  welches  Datum  wiederum  genau  der  griechischen  chronographi- 
schen Überlieferung  entspricht,  wonach  das  Ereignis  in  dasselbe  Jahr  mit  dem  antal- 
kidischen  Frieden  fällt  (oben  S.  52).  Polybios  I  6  berichtet  dies  als  eine  anerkannte 
chronologische  Tatsache,  womit  es  wiederum  vollkommen  im  Einklang  steht,  daß 
er  an  einer  anderen  wichtigen  Stelle,  in  der  Übersicht  der  gallischen  Kriege*)  eben- 
falls zwischen  dem  Anfange  des  Pyrrhoskrieges  und  der  Gallierkatastrophe  106  Jahre 
gezählt  haben  muß.^) 

Diese  106  Jahre  sind  aber  nicht  alle  gleichwertig.  Schon  längst  haben  die  Chrono- 
logen bemerkt,  daß  sich  darunter  fünf  leere  Stellen  befinden.  Bei  Livius  nämlich 
liegt  15  Jahre  nach  dem  gallischen  Brand  eine  fünfjährige  Anarchie,  soh'tudo  magistra- 
ttno»,  fünf  Jahre  also,  in  denen  es  keine  eponymen  Magistrate  gab.")  Man  ist  dar- 
über mit  Recht  ziemlich  einig,  daß  diese  fünfjährige  Anarchie  nicht  historisch  sei, 
sondern  eine  Fiktion,  deren  Zweck  es  war,  die  Jahrreihe  um  fünf  Stellen  zu  ver- 
längern. Aber  auch  Diodor  hat  etwas  ähnliches,  wenn  auch  keine  fünfjährige  Anarchie, 
so  doch  eine  einjährige,  die  offenbar  historisch  ist  (oben  S.  64);')  aber  er  wieder- 
holt unmittelbar  nach  dem  Jahr  des  gallischen  Brandes  (387/6  v.  Chr.)  die  fünf  vorher- 
gehenden Magistratskollegien  der  Jahre  Olymp.  97,  2—98,  2  (391—387  v.Chr.).«)  Dies 
sind  gleichfalls  leere,  ereignislose  Jahre,  die  offenbar  demselben  Zweck  dienen  und 
dasselbe  leisten  wie  die  fünfjährige  Anarchie  des  Livius,  aber  auf  einem  anderen 
Weg.^)  Denn  die  23  Jahre,  die  zwischen  dem  gallischen  Brand  und  dem  ersten 
plebeischen  Konsulat  (den  Konsuln  L.  Aemilius  und  L.  Sextius)  liegen,  sind 


bei  Diodor 
5  wiederholte  Kollegien 
14  Amtsjahre 
1  Jahr  Anarchie 
8  Amtsjahre 


bei  Livius 
13  Amtsjahre  1«) 
5  Anarchiejahre 
5  Amtsjahre 


>)  de  rep.  II  18. 

2)  fr.  VI  11  a  2  bei  Dionys.  Halic.  I  74. 

»)  Diodor  XIV  110  ff. 

*)  Polyb.  II  18  ff. 

-)  Vgl.  Niese.  Hermes  XIII,  1878,  401  ff. 

*)  Liv.  VI  35,  10. 

')  Gegen  die  Historizität  der  einjährigen 
Anarchie  erklärt  sich  Leuze  a.  a.  O.  27  ff. 
Dagegen  betrachtet  er  die  fünfjährige 
sog.  „Anarchie"  oder  besser  ein  Inter- 
regnum von  dieser  ungefähren  Dauer 
als  im  Kern  geschichtlich  (a.  a.  O.  316fF.) 


im  Gegensatz   zu  Niebuhr,  Mommsen  u.  a. 

«)  Wie  BoRGHESi,  Oeuvres  VII  215  f.  und 
Niebuhr,  Rom.  Gesch.  II 630  erkannt  haben. 

^)  Diese  Ansicht  weicht  von  der  herr- 
schenden Ansicht,  z.  B.  Mommsens  (Rom. 
Chronol.  126)  erheblich  ab.  Vgl.  Gott.  Gel. 
Anz.  1887  S.  8.34. 

'")  Wobei  Niese  mit  Mommsen,  Rom. 
Chronol.  119  annimmt,  daß  das  bei  Livius 
fehlende  Kollegium  von  378  der  Stadt 
nur  aus  Versehen  ausgelassen  ist. 


94  Römische  Geschichte. 

und  OS  ist  dadurch  geschehen,  daß  bei  Diodor  und  Livius  die  Eponymen  und  die 
zugehörigen  historischen  Nachrichten  für  die  ersten  18  Jahre  nach  dem  gallischen 
Brand  durchweg  um  fünf  Jahre  differieren,  um  erst  nachher  wieder  zusammen- 
zutreffen. Aber  trotz  der  starken  Abweichung  ist  doc-h  das  chronologische  Ergebnis, 
die  Erhöhung  der  Jalu-essummc  um  fünf,  bei  beiden  gleich  und  daher  sicherlich  aus 
älteren  Quellen  entlehnt.  In  der  Tat  hat  schon  Polybios  an  derselben  Stelle,  nämlich 
in  den  ersten  30  Jahren  nach  dem  gallischen  Brand,  jene  fünf  Jahre  mitgerechnet.') 
Sie  bilden  überhaupt  einen  wesentlichen  Teil  der  römischen  Zeitrechnung  und 
müssen,  wie  oben  angedeutet,  in  irgendeiner  Form  schon  in  der  Pontifikaltafel  vor- 
handen gewesen  sein. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dafj  man  diese  fünf  leeren  Jalire  in  einer  ganz  be- 
stimmten Absicht  eingeschaltet  hat.  Wohin  die  Absicht  ging,  wird  sich  am  besten 
aus  der  erzielten  Wirkung  entnehmen  lassen.  Man  brachte  dadurch  den  gallischen 
Brand  auf  das  Jahr,  das  ihm  die  griechische  Chronographie  zuwies,  nämlich  auf  Olymp, 
98,  2  —  387,6  v.  Chr.,  und  eben  dies  wird  man  gewollt  haben."'')  Daraus  folgt  erstens, 
daß  man  das  Datum  der  griechischen  Chronographie  kannte,  zweitens,  daß  in  der 
römischen  Jahrreihe  fünf  Jahre  fehlten,  daß  die  Liste  der  Eponymen  vom  ersten 
Jahr  des  Pyrrhoskrieges  bis  zum  gallischen  Brand  nur  101  Stellen  hatte,  also  zu 
kurz  war.  Woher  das  Minus  kam,  wissen  wir  nicht.  Daß  die  Verschiebung  der 
Antrittstage  oder  die  Interregnen  es  verschuldet  hätten,  wie  man  wohl  gedacht  hat, 
ist  kaum  glaublich;  derartiges  kann  nicht  so  bedeutende  chronologische  Wirkung 
gehabt  haben.  Dagegen  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  unmittelbar  nach  dem  gal- 
lischen Unglück,  da  ja  die  Bürgei-schaft  vertrieben  und  die  Stadt  sieben  Monate  in 
den  Händen  des  Feindes  war, .bis  zur  leidlichen  Wiederherstellung  des  Gemeinwesens 
die  Verfassung  aufgehoben  war  und  die  regelmäßige  Folge  der  Jahresbeamten  eine 
Unterbrechung  erlitt,  daß  also  auch  hier  Diodor  eine  bessere  Überlieferung  vertritt, 
insofern  er  mit  den  eingeschalteten  Jahren  die  richtige  Stelle  trifft.  Damit  soll 
nun  nicht  behauptet  sein,  daß  der  Ausnahmezustand  ganze  fünf  Jahre  gedauert 
habe;  denn  auch  andere  Umstände,  namentlich  die  heftigen  politischen  Kämpfe 
der  folgenden  Zeit  mögen  dazu  beigetragen  haben,  die  Fehler  der  Beamteuliste  zu 
vergrößern. 

Der  zweite  Abschnitt,  die  Zeit  vom  gallischen  Brand  bis  zum  ersten  Jahr 
der  Republik  wird  in  den  Annalen  sowohl  bei  Diodor  wie  bei  Livius  und  Diony- 
sios  auf  120  Jahre  berechnet.  Mit  dieser  Übereinstimmung  in  der  Summe  sind  wie- 
derum erhebliche  Unterschiede  zwischen  Diodor  und  den  beiden  anderen  verbunden, 
namentlich  fehlen  bei  Diodor  die  fünf  Jahreskollegien,  die  Livius  und  Dionysios 
zwischen  Olymp.  91,  1  und  2  aufführen.  Diodor  muß  diesen  Ausfall  weiter  aufwärts 
in  den  uns  verlorenen  Teilen,  zwischen  Olymp.  75,  1  und  68,  2  wieder  ersetzt  haben. 
Natürlich  hat  sich  die  zeitliche  Lage  der  Ereignisse  in  einer  dieser  Umsetzung  ent- 
sprechenden Weise  verschoben. 3)    Zu  erwähnen  ist  ferner,  daß  Livius  und  Dionysios 


')  Wenn  er  II  18,  6  vom  ersten  bis  zum  gallischen    Eroberung    festzustellen    und 

zweiten  Erscheinen  der  Gallier  30  Jahre  danach  den  Fehler  dos  Beamtenverzeich- 

zählt,  so  müssen  ihm  die  fünf  leeren  Jahre  nisses   zu    berichtigen.    Man    kann  dabei 

schon  vorgelegen  haben.  Ob  er  wie  Diodor  ■   an    die  jährliche    Nageleinschlagung   am 

oder  wie  Livius  zählte,  wissen  wir  nicht.  kapitolinischen  Tempel  denken.    Liv.  VII 

^)  Dies    ist    die    wahrscheinlichste    Er-  I   3,  5  ff.    Mommsen,  Köm.  Chronol.  176.    Wie 

klärung    der    vorliegenden   Erscheinung.  es  sich   aber  damit  in  Wirklichkeit  ver- 

(Vgl.  Leuze   a.  a.  0.  16  If.  und   21  ff',    über  hält,  ist  ganz  dunkel, 

die   mutmaßliche  Arbeitsweise  Diodors.)  ■')  Es  liegt  hier  wohl  keine  Nachlässigkeit 

Möglich  ist  ja,  daß  die  Römer  auch  von  Diodors   vor,    sondern    eine  abweichende 

sich  aus  Mittel  hatten,  die  wirkliche  Zahl  Überlieferung.  Vgl.  Matzat,  Rom.  Chronol. 

der    Jahre    zwischen    Pyrrhos    und    der  ,    I  197  f.  243  f. 


Chronologischer  Anhang  zur  älteren  römischen  Geschichte.  95 

den  Deeemvirn  drei  Jahre  geben,  nicht  wie  Diodor  zwei,  und  daf3  demnach  ihre 
Eponymenliste  eine  Stelle  weniger  gehabt  haben  muß  als  die  diodoi-ische.') 

Die  Königszeit  hat  in  den  Annalen  übereinstimmend  244  Jahi'e.  Die  Summe 
der  Jahre  von  der  Gründung  der  Stadt  bis  zum  gallischen  Brand  beträgt  also  zu- 
sammen 364,  und  diese  Zahl  muß,  wie  das  Gründungsdatum  andeutet,  schon  der 
Pontifikaltafel  eigen  gewesen  sein. 

So  viel  über  die  ältere  Rechnung.  Die  jüngere,  zu  der  jetzt  überzugehen  ist, 
liegt  vollständiger  nur  vor  in  den  kapitolinischen  Fasten  und  den  gleichartigen  Epo- 
nymenverzeichnissen;  annalistische  Geschieh ts werke,  die  auf  sie  gestellt  wären,  sind 
nur  in  geringen  Bruchstücken  auf  uns  gekommen.  Ihr  Urheber  scheint  Atticus 
zu  sein,  in  dessen  über  annalls,  erschienen  zwischen  51  und  46  v.  Chr.,  sie  zuerst 
vorkommt.  Von  da  entlehnt  sie  Cicero  ;2)  auch  Varro  hat  sie  übei-nommen  und 
weiter  ausgeführt.''')  Auch  die  kapitolinischen  Fasten  werden  von  Atticus  abhängen;'') 
Octavianus,  der  sie  veranlaßt  hat  (oben  S.  12,  16),  war  mit  Atticus  befreundet  und 
ließ  sich  in  historischen  Dingen  von  ihm  beraten. 

Die  Jahrreihe  des  Atticus  stimmt  für  die  Zeit  von  der  Gründung  der  Stadt  bis 
zum  gallischen  Brand  in  der  Gesamtzahl  mit  der  älteren  überein,  nur  daß  die  kapito- 
linischen Fasten  für  sich  allein  die  Königszeit  auf  243  und  durch  den  Ausfall  des 
dritten  Decemviratsjahres  den  folgenden  Abschnitt  auf  119  Jahre  berechnen;^)  sie 
geht  ferner  durchweg  mit  Livius  und  Dionysios  gegen  Diodor.  Der  wesentliche 
Unterschied  liegt  erst  später  zwischen  dem  gallischen  Brand  und  dem  Pyrrhoskrieg. 
Zwar  gehen  auch  hier,  was  den  Bestand  im  einzelnen  anbelangt,  die  jüngeren  Listen 
durchweg  mit  Livius  und  haben  namentlich  die  füntjährige  Anarchie  wie  dieser, 
aber  sie  haben  die  Jahrsumme  um  vier  Stellen  vermehrt  und  von  106  auf  110  ge- 
bracht durch  Einfügung  der  Diktatorenjahre,  die  an  vier  verschiedenen  Stellen  als 
jährige  Diktaturen  eingelegt  worden  sind  und  den  Jahreia  333,  324,  309,  301  v.  Chr. 
unserer  üblichen  Zeitrechnung  entsprechen.'')  Die  notwendige  Folge  ist,  daß  alle 
Ereignisse,  die  vor  333  v.  Chr.  liegen,  um  vier  Jahre  hinaufgerückt  wurden,  also 
der  gallische  Brand  von  Olymp.  98,  2  (387,6  v.  Chr.)  auf  Olymp.  97,  2  (391/0  v.  Chr.), 
das  erste  Jahr  der  Republik  von  Olymp.  68,  2  (.507/6  v.  Chr.)  auf  Olymp.  67,  2  (511/10 
V.  Chr.),  endlich  das  Jahr  der  Gründung  von  Olymp.  7,  2  (751/0  v.  Chr.)  auf  Olymp.  6,  2 
(755,4  V.  Chr.).  Diese  vier  Jahre  verringerten  sich  jedoch  auf  drei  durch  die  (oben 
S.  92)  erwähnte  anderweitige  Ausgleichung  der  römischen  Jahre  mit  den  griechischen. 
Dadurch  kam  das  erste  Jahr  des  Pyrrhoskrieges  (280  v.  Chr.)  auf  Olymp.  125, 1,  das 
Jahr  der  gallischen  Katastrophe  (390  v.  Chr.)  auf  Olymp.  97,  3  und  endlich  das  Grün- 
dungsjahr auf  Olymp.  6,  3  (754  v.Chr.);  in  dieses  Jahr,  Olymp.  6,  3,  hatten  Atticus 
und  Varro  die  Gründung  der  Stadt  gesetzt.') 

Zu  welchem  Zweck  die  vier  Diktatorenjahre  von  Atticus  eingeschoben  wurden, 
ist  völlig  unbekannt  und  nicht  leicht  zu  verstehen. •*)    Dagegen  kann  es  wohl  keinem 


')  Deren  oberster  Teil  bekanntlich  nicht 
erhalten  ist. 
■')  Brutus  72. 
^)  Solinus  1,  27. 


114  fif.  145  ff.,  daß  dies  mit  Rücksicht 
auf  den  griechischen  Synchronismus  ge- 
schehen sei,  bewährt  sich  nicht:  der  Syn- 
chronismus wurde  dadurch  vielmehr  zer- 


••)  So  auch  Leüze  a.  a.  0.  256.  i   stört.    Jährige    Diktaturen    hat    erst   der 
")  Vielleicht  nur  infolge  eines  Versehens  i   Diktator  Caesar   geschaffen,    und    da   die 
des  Redaktors.  Diktatorenjahre  der  caesarischen  Zeit  ent- 
^)  Livivis  berichtet  in  den  vorhergehen-  stammen,    so    ließe   sich    vermuten,    daß 
den  Jahren  334,  325,  310,  302  v.  Chr.  die  damit  ein  verfassungsgeschichtliehes  Prä- 
Ernennung von  Diktatoren,  die  aber  ver-  cedenz  für  die  jährigen  Diktaturen  Caesars 
fassungsmäßig  innerhalb  ihres  Konsulats-  geschaffen    werden    sollte.    Vgl.   Matzat, 
Jahres  bleiben.  Rom.  Chronol.  I  345.    Leüze  a.  a.  O.  240  &. 
")  Vgl.  Leüze  a.  a.  O.  210  f.  sucht  gegen  Mommsen   zu   beweisen,    daß 
")  Die  Erklärung  MoMMSENs,Röm.Chronol.  Atticus  mit  seiner  Chronologie  von  Varro 


96  Römische  Geschichte. 

Zweifel  unterliegen,  dafj  wir  es  hierin  mit  einer  willkürlichen  Neuerung  zu  tun 
haben,  durch  die  nun  die  ältere  Chronologie  ganz  verdrängt  worden  ist:  denn  die 
von  Atticus  (oder  von  Varro)  entworfene,  verlängerte,  von  den  kapitolinischen  Fasten 
übernommene  Jahrreihe  drang  in  Kom  allgemein  durch.')  Auch  wir  haben  sie  über- 
nommen, nur  daf3  wir  nicht  754,  sondern  753  v.  Chr.  als' Gründungsjahr  der  Stadt 
anzusehen  pflegen,  indem  wir  mit  den  kapitolinischen  Fasten  zwischen  dem  gallischen 
Brand  und  dem  ersten  Jahre  der  Republik  statt  120  nur  119  Jahre  rechnen,  und 
dadurch  das  letztere  auf  509  v.  Chr.,  die  Gründung  auf  753  v.  Chr.  bringen.  Nach 
dieser  Ära  pflegen  wir  die  Jahre  der  Stadt  zu  beziffern.  Sie  hat  nur  einen  kon- 
ventionellen Wert  und  trägt  den  Namen  der  varronischen  Ära  mit  Unrecht;  denn 
Varros  Gründungsjahr  ist  754  v.  Chr. 

Nun  seien  noch  einige  zerstreute  und  vereinzelte  Zeitangaben  erwähnt,  die  von 
der  älteren  wie  von  der  jüngeren  Rechnung  abweichen,  ohne  daß  uns  ihr  Zusammen- 
hang und  ihre  Begründung  bekannt  wäre.  Dies  letztere  gilt  sogar  von  Dionysios 
von  Halikarnaß.  Er  stimmt  in  der  Jahrsumme  mit  der  älteren  Rechnung  überein, 
vor  allem  mit  Livius,  zählt  also  vom  Anfang  des  Pyrrhoskrieges  bis  zur  Gründung 
470  Jahre;  aber  er  setzt  nun  den  gallischen  Brand  auf  Olymp.  98,  1  =  388/7  v.Chr. 
und  behauptet  in  offenem  Widerspruch  mit  der  älteren  Überlieferung,  daß  dies  die 
herrschende  Annahme  sei. 2)  Demnach  setzt  er  das  erste  Jahr  der  Republik  auf  Olymp. 
68,  1  =  508  V.  Chr.  und  die  Gründung  der  Stadt  auf  Olymp.  7,  1  =  752/1  v.  Chr.,  ferner 
den  Anfang  des  ersten  punischen  Krieges  auf  Olymp.  128,  3  =  266/5  v.  Chr.^)  und  muß 
also  für  den  Beginn  des  Pyrrhoskrieges  auf  Olymp.  124,  3  =  282/1  v.  Chr.  gekommen 
sein.  Wie  er  zu  dieser  Rechnung  gelangte '')  und  wie  er  sich  mit  den  abweichenden 
Überlieferungen  abfand,  ist  völlig  unbekannt.  Sein  Gründungsjahr  stimmt  mit  dem 
catonischen  überein.")  Etwas  abweichend  setzte  Fabius  Pictor  Roms  Gründung 
auf  Olymp.  8,  1  —  748  v.  Chr.  Man  nimmt  an,  daß  er  die  Königszeit  nur  auf  240  Jahre 
bere'^'hnet  habe.^)  Fabius  würde  dann,  wie  Dionysios,  das  erste  Jahr  der  Republik 
auf  Olymp.  68,  1  =  508  v.  Chr.  gesetzt  haben.')  Damit  kann  man  ferner  verbinden, 
daß  Polybios  (III  22,  2)  dasselbe  Datum  gibt.  Mit  der  sonstigen  Rechnung  des  Poly- 
bios,  namentlich  mit  seinem  Gründungsjahr  (oben  S.  93)  läßt  sich  dies  nur  unter 
der  Voraussetzung  in  Einklang  bringen,  daß  er  vom  gallischen  Brand  bis  dahin  121 
und  für  die  Königszeit  243  Jahre  zählte,  was  beides  in  den  älteren  Systemen  nicht 
vorkommt.**) 


abhängt  und  nicht  umgekehrt  Varro  von    |    gesetzt.   Das  erste  Konsulat  fiele  dann  in 


Atticus. 

')  Auch  Velleius  I  8, 4  und  der  anonyme 
Abriß  bei  Gellius  XVII 12  folgen  ihr. 

-)  I  74  f.,  wo  er  seine  ganze  Rechnung 
entwickelt.    Mommsen,  Rom.  Chronol.  121. 


Olymp.  69,  1  (504  v.  Chr. 

'')  Nach  einem  Zitat  des  Gellius  noct.  Att. 
V  4,  3,  hat  Fabius  Pictor,  und  zwar  der 
lateinische,  vom  gallischen  Brand  bis  zum 
ersten  plebeischen  Konsulat  (L.  Aemilius 


Die    Chronologie    des   Dionys.    behandelt  und  L.  Sextius)   nur  22   (bezw.  IS)  Jahre 

Leuze  a.  a.  O.  177ff.;   als   Quelle    ist  Piso  gerechnet,  Peter,  7//.>*/.  i?ow;.  rtV/.  1 110,  und 

zu  vermuten.  \   hieraus  schließt  Matzat,  Rom.  Chronol.  I 

^)  Antiq.  I  8.  |    1,52  ff.  auf  eine  dreijährige  Anarchie  statt 

•*)  Als  Möglichkeit  läßt  sich  erwähnen,  !    der    fünfjährigen.    Das  Fragment   ist   zu 

daß  er  die  Gründung  der  Stadt  mit  dem  unsicher,  als  daß  es  sich  verwenden  ließe. 


Anfange  des  zehnjährigen  Archontats  in 
Athen  zusammenfallen  lassen  wollte. 

Cato  hat  zwar  die  Olymi^iade  nicht 


Vgl.  aber  Leuze  a.  a.  O.  48  ff.,  wo  das  Frag- 
ment eingehend  behandelt  ist.  Über  das 
fabische  Datum  des  ersten  Konsulats  vgl. 


gesetzt,  berechnet  aber  die  Gründung  auf  ;  oben  A.  6. 
4.32  Jahre  nach  Troias  Fall,  1184  v.  Chr.  «)  Anders  Leuze  a.  a.  O.  146  ff.,  der  244 
'■)  Mommsen,  Rom. Chronol.  138.  DieZiffer  Jahre  Königszeit  auch  für  Polybios  an- 
kommt, wenn  auch  nicht  ganz  bestimmt,  nimmt,  obwohl  Cic.  de  rep.  II  52  für  ihn 
bei  Cicero  de  rep.  II  52  und  Solinus  1,  31  |  240  Jahre  bezeugt.  (Gegen  L.:  W.  Aly, 
vor.  Nach  Leuze  a.  a.  O,  81  f.  hätte  auch  Gott.  gel.  Anz.  1911,  391  f.) 
Fabius  die  Königszeit  mit  244  Jahren  an- 


Chronologischer  Anhang  zur  älteren  römischen  Geschichte.  97 

Völlig  außerhalb  der  übrigen  Systeme  liegt  das  Gründungsjahr  des  Cincius 
Alimentus,  Olymp.  12,  4  =  729,28  v.  Chr.,  und  des  Timaios,  der  Rom  in  willkür- 
lichem Synchronismus  gleichzeitig  mit  Karthago  814  v.  Chr.  gegründet  sein  ließ.') 
Letzteres  Datum  ist  wahrscheinlich  nur  für  Karthago  berechnet  und  daher  nur  für 
dieses  von  Wert.  Jedenfalls  zeigt  es,  daß  Timaios  die  spätere  römische  Rechnung 
noch  nicht  kannte. 

Nachdem  das  Gründungsjahr  der  Stadt  bestimmt  war,  empfand  man  das  be- 
greifliche Bedürfnis,  an  der  Hand  der  griechischen  Chronologie  nunmehr  auch  den 
leeren  Raum  zwischen  der  Gründung  Roms  und  dem  Falle  Trojas  (1184  v.  Chr.)  aus- 
zufüllen und  damit  eine  ununterbrochene  Verbindung  zwischen  Aeneas  und  Romulus 
herzustellen.  Dies  geschah  durch  die  Reihe  der  Könige  von  Alba  Longa,  Silvier 
genannt,  die  von  dem  Sohne  des  Aeneas,  Askanios,  bis  zu  Numitor  und  Amulius 
herabführten.  Wann  und  durch  wen  diese  Liste  entstanden  ist,  wissen  wir  nicht. 
Am  Ende  der  Republik  ist  sie  da;  alle  unsere  Historiker,  Diodor,  Livius  und  Diony- 
sios  kennen  sie  vind  haben  sie  bereits  in  ihren  Quellen  vorgefunden.'^)  Die  albani- 
schen Könige  sind  im  übrigen  historisch  wertlose  Phantasiegeschöpfe. 

Aus  dem  Gesagten  ergeben  sich  die  praktischen  Folgerungen  für  die  Chrono- 
logie von  selbst.  Unsere  herkömmliche  Datierung  der  altrömischen  Geschichte  be- 
ruht auf  einer  späteren,  wahrscheinlich  willkürlichen  Herrichtung,  dem  Einschub 
der  vier  Diktatorenjahre.  Viel  besser  beglaubigt  ist  die  ältere  Rechnung,  die  man 
zunächst  durch  Ausscheidung  jener  vier  Jahre  gewinnen  kann.  Die  Jahresziffern 
vor  333  V.  Chr.  werden  alsdann  um  vier  verkürzt,  338 — 300  v.  Chr.  bilden  einen  Über- 
gang, wo  sich  die  Verkürzung  stufenweise  vermindert,  bis  mit  300  v.  Chr.  der  Aus- 
gleich zwischen  alter  und  neuer  Rechnung  erfolgt  ist.^)  Doch  versteht  es  sich  von 
selbst,  daß  damit  nicht  alles  erledigt  ist;  die  starken  Unterschiede  innerhalb  der 
älteren  Gruppe,  namentlich  zwischen  Diodor  und  Livius  werden  dadurch  nicht 
berühi't,  bilden  vielmehr  ein  Problem  für  sich.  Die  ältere  Rechnung  gibt  nichts 
weniger  als  eine  überall  gesicherte  Zeitrechnung.  Für  den  ersten  Abschnitt  ist 
die  .Jahresreihe  zuverlässig  erst  seit  der  Wiederherstellung  des  Konsulats,  den  Kon- 
suln L.  Aemilius  und  L.  Sextius  (366  v.  Chr.  nach  der  vulgären,  362  v.  Chr.  nach 
der  besseren  Zählung).  Von  da  an  bis  zum  gallischen  Brand,  dessen  Jahr  durch 
das  griechische  Datum  festliegt,  ist  eine  sichere  Datierung  der,^  Ereignisse  nicht 
möglich;  immerhin  wird  auch  hier  Diodor  der  Wahrheit  näher  kommen  als  Livius 
und  die  Späteren.  Was  endlich  die  ersten  120  Jahre  der  Republik  anbetrifft,  so 
gehen  die  Daten  vor  418  v.  Chr.  in  unseren  Quellen  ganz  auseinander,  und  erst 
für  die  letzten  28  Jahre  vor  der  gallischen  Katastrophe  steht  die  Reihe  der  Epo- 
nymen  hinreichend  fest,  so  daß  z.  B.  die  Zeit  des  großen  Vejenterkrieges  als  gut 
beglaubigt  gelten  kann. 

Die  nachfolgende  Tabelle  wird  zur  Darstellung  der  verschiedenen  Rechnungen 
und  zur  Erläuterung  ihres  Verhältnisses  dienen  können.  Neben  den  Olympiaden  sind 
nur  die  Jahre  unserer,  der  christlichen  Ära  beigesetzt,  nicht  die  Jahre  ab  urbe  con- 
ilita,  da  diese  wegen  ihres  wechselnden  Anfangs^junktes  die  Verschiedenheit  der  Rech- 
nung nicht  hervortreten  lassen.^) 


')  Dion.  Hai.  Antiq.  I  74.    Leuze  a.  a.  0. 
96,  289  f. 

^)  MoMMSEN,  Rom.  Chronol.  1.5.5.  Trieber, 


')  Umgekehrt  natürlich,  wenn  man  nach 
Jahren  der  Stadt  rechnet;  die  Differenz 
tritt  hier  erst  nach  den  Diktatorenjahren 


Hermes  29,  1894,  124  if.    Nach  Mommsen  ein;    also    erst   von   301    v.Chr.    abwärts 

ist  Alexander  Polyhistor,  ein  Zeitgenosse  sind  die  Ziffern  um  vier  zu  verkürzen. 

Sullas,  ihr  LTrheber;  sie  kann  aber  recht  *)  Bis  334  v.  Chr.  haben  Diodor,  Livius 

wohl  älter  sein.    Vgl.  oben  S.  29.    Ebenso  und  Varro  dieselben  Stadtjahre. 

Leuze  a.  a.  O.  88  ff.  j 

Handbuch  dor  klass.  Altertumswissenschaft.    III,  5.    5.  Aufl.  7 


98 


Römische  Geschichte. 


Ältoro  Tvochimni 


Polybios        Diodor     i    Livius    I    Dionysios 


Jüngere  Rechnung 


Varro 


Fasti 
Capitol. 


Gründung  der  Stadt 


Ol.  7,  2 
751/0  v.Chr, 


Erstes  .Jahr  der  Repu-     Öl.  68,  1 
blik  (Einweihungdes|508/7  v.Chr, 
kapitol.  Tempels) 

Ende  des  Sp.  Cassius 


Niederlage  an  der  Cre- 
mera 


Einsetzung  der  Volks- 
tribunen (lex  Publi- 
lia) 


1.  Decemviratsjahr 


Konsulat  des  Valerius 
und  Horatius 

Usurpationsversuch 
des  Sp.  Maelius 


Aequerkrieg    des    Po- 

stumius  Tubertus 
Aequerkrieg 


Veji  fällt 


RomsEroberungdurch 
die  Gallier 


Usurpationsversuch 

des  M.  Manlius 
Jahr  der  Anarchie 


Wiederherstellung  des 
Konsulats  (L.  Aemi 
lius,  L.  Sextius) 

Dritter  gallischer  An- 
griff 

Sieg  über  Latiner  und 
Kampaner 

Friede   mit   den  Gal- 
liern 


Ol.  98,  2 
387/6  v.Chr. 


01.8,  1 
748/7  v.Chr. 
(vereinzelt 

Ol.  1,  2 
751/Ov.Chr.) 
Ol.  69,  1  ^ 
504,3  v.Chr. 

~OLy572~ 
479/8  v.Chr. 

I    Ol  77,  1 
472/1  v.Chr. 
j'  Ol.  78,  3~ 
466/5  v.Chr. 


Anfang  des  Samniter- 
kriegs 


Kaudinische    Nieder- 
lage 


Schlacht  bei  Lautulae 


Etruskischer  Krieg, 
erstes  Jahr 


Friede  mit  den  Sam- 
nitern 


Ol.  108,  4 
345/4  v.Chr, 


Ol.  112,  2 
331/0  v.Chr, 


Ol.  84,  1 
444/3  v.Chr. 

Ol.  84,  3 
442/1  v.Chr. 

oir87,  r~ 

432/1  v.Chr. 

01:88,4" 
425/4  v.Chr. 

01791,2^ 
415/4  v^h^. 

Ol.'  96,  4 
393/2  v.Chr. 

Ol.  98,  2 

387/6  v.Chr. 

Ol.  100,  4~ 

377/6  v.Chr. 

Oh  103,  2 

367/6  v.Chn 

Ol.  10472" 

363/2  v.Chr. 


750  v.Chr, 

506  v.Chr; 

482\^Chr: 
474  v.Chr. 
468^Clir. 

448  v.Chr. 


Ol.  7,  1        754  V.  Chr.    752  v.  Chr. 
752,1  V.  Chr. 


Ol.  68,  1 
508/7  V.  Chr. 


Ol.  74,  1 
484,3  v.Chr. 

Ol.  76,  1 
476/5  V.  Chr. 
"  Ol.  77,  3 
470,69  V.  Chr. 


510  V.  Chr. 


486  V.  Chr. 


509  V.  Chr. 


485  V.  Chr. 


478  V.  Chr.    477  v.  Chr. 


472  v.Chr.    471  v.Chr. 


445  v.Chr 


435  v.Chr 


427  v.Chr, 


414  v.Chr 
392v:Ch^ 


386  v.Chr. 


Ol.  110,  4 
367/6  v.Chr. 


381  v.Chr. 


01.82,3       452  v.Chr. 
'450/49  v.Chr.! 


01.83,2 
447/6  V.  Chr. 


Ol.  98,  1 
388/7  V.  Chr. 


451  V.  Chr. 


449  V.  Chr.  |  449  v.  Chr. 


439  V.Chr.  1439  v.Chr. 


431  V.  Chr.  !  431  v.  Chr. 


418  V.  Chr.    418  v.  Chr. 


396  V.  Chr.  i  396  v.  Chi-. 


390  V.  Chr.    390  v.  Chr. 


385  V.  Chr.    385  v.  Chr. 


362  v.Chr. 


386  v.Chr 


824  v.Chr, 


319  v.Chr, 


Erstes  Jahr  des  Pyr- 
rhoskrieges 


Ol.  116,  3 
314/3  v.Chr. 

Ol.  1177T 

309/8  v.Chr. 

Ol.  1197T 

1304/3  v.Chr. 


308  v.Chr. 


Ol.  124,  4 
281/0  v.Chr. 


313  v.Chr. 


303  v.Chr. 


366  v.Chr.    366  v.Chr 


340  v.Chr.    340  v.Chr 


327  V.  Chr. 


280  v.Chr. 


321  V.  Chr. 


315  V.  Chr. 


310  V.  Chr. 


304  V.  Chr. 


327.  v.Chr. 


321  V.  Chr. 


315  V.  Chr. 
SiFvrChr; 


304  V.  Chr. 


280  V.  Chr.    280  v.  Chr. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaf  t  (167  v.  Chr.).    (<^>ucllen.)     99 


V.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Er] angung  der  Weltherrschaft 

(167  V.  Chr.). 

Quellen: 

Mit  dieser  Periode  beginnt  die  allgemeine  Geschichte  des  P  o  1  y  b  i  o  s ,  dessen 
eigentliche,  ausführliche,  synchronistisch  geordnete  Darstellung  im  3.  Buch  mit  Olymp. 
140, 1  =  220/19  V.  Chr.  anhebt  und  mit  Olymp.  138,  4  =  145  4  v.  Chr.  schliefat.  Das 
Frühere,  der  erste  punische  Krieg  und  was  folgt,  ist  im  1.  und  2.  Buch  in  einer 
kürzeren  einleitenden  Übersicht  vorangeschickt.  Der  erste  punische  Krieg  wurde 
zuerst,  soviel  wir  wissen,  von  dem  Zeitgenossen  Philinos  von  Akragas  erzählt, 
einem  Freunde  Karthagos,  sj)äter  von  dem  Römer  Q.  Fabius  Pictoi*.  Polybios 
scheint  mehr  dem  Eömer  als  dem  Philinos  zu  folgen,  hat  aber  wohl  noch  andere 
Werke  gekannt.  Seine  Erzählung  bildet  die  Grundlage  unserer  Kenntnis,  ist  aber 
leider  stark  verkürzt,  trägt  alle  die  Mängel  an  sich,  die  eine  solche  Verkürzung  mit 
sich  bringt,  und  muEt  daher  aus  den  sonst  erhaltenen  glaubwürdigen  Berichten  er- 
gänzt werden.')  Auch  der  zweite  punische  Krieg  und  die  nachfolgenden  Ereig- 
nisse wurden  von  griechischen  Autoren  in  einer  Reihe  besonderer  Werke  dargestellt.^) 
Erhalten  sind  daraus  nur  dürftige  Fragmente;  in  neuerer  Zeit  oft  genannt  ist  Silenos 
von  Kaiakte,  Zeitgerlosse  und  Begleiter  Hannibals,  der  eine  offenbar  stark  rhetorische 
Geschichte  des  hannibalischen  Krieges  schrieb.  Das  gleiche  gilt  von  Sosylos,  von 
dessen  Werk  neuerdings  ein  kleines  Bruchstück  auf  Papyrus  entdeckt  worden  ist.^) 
Jene  früheren  Einzelschritten^)  sind  in  Polybios  aufgegangen  und  früh  in  Vergessen- 
heit geraten.  Polybios  ist  vom  zweiten  punischen  Krieg  an  von  der  Nachwelt  fast 
ausschließlich  benutzt  worden  und  daher  im  Altertum  wie  für  uns  einzige  Quelle  dieser 
ganzen  Zeit  geworden.  Leider  ist  er  nur  bis  zum  5.  Buche  (216  v.  Chr.)  vollständig 
erhalten:   im  übrigen  haben  wir  von  ihm  nur  noch  Auszüge  verschiedener  Herkunft. 

Unter  den  späteren  Schriftstellern  hat  Diodoros,  von  dem  Auszüge  erhalten 
sind,  für  den  ersten  punischen  Krieg  (Buch  22 — 24)  wahrscheinlich  den  Philinos  be- 
nutzt, gibt  ihn  aber  nicht  rein  wieder  und  hat  jedenfalls  daneben  aus  Polybios  ge- 
schöpft. Für  den  zweiten  punischen  Krieg  scheint  er  eine  spätere  Bearbeitung  des 
Polybios  benutzt  zu  haben,  nicht  den  Polybios  selbst,  den  er  dagegen  für  die  fol- 
genden Ereignisse  ausschliefälich  zugrunde  gelegt  und  exzerpiert  hat.  Auch  Trogus 
Pomp  ei  US  (im  Auszuge  Justins)  geht  letzten  Endes  auf  Polybios  zurück. 

In  lateinischer  Sprache  stellte  L.  Coelius  Antipater  den  zweiten  punischen 
Krieg  in  einer  Monographie  dar  (im  letzten  Viertel  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.).  Er 
ließ  in  Silenos  den  Hauptvertreter  der  karthagischen  Überlieferung  zu  Wort  kommen. 
Im  übrigen  ist  Polybios  benutzt  und  nach  den  Grundsätzen  der  rhetorischen  Ge- 
schichtschreibung bearbeitet.  Ein  Ähnliches  gilt  auch  von  den  lateinischen  Anna- 
listen, wie  Valerius  Antias,  deren  historischer  Wert  äußerst  gering  ist  (oben  S.  16). 
Nicht  ganz  ohne  Bedeutung  sind  die  kurzen  Beiträge,  die  Cornelius  Nepos  in 
seinen  vltae  (Hamilkar,    Hannibal  und  Cato)  zur  Geschichte    dieser  Zeit   bietet. 

Weit  wichtiger  ist  Livius.  Für  den  ersten  punischen  Krieg  liegen  nur  kurze 
Auszüge  aus  ihm  vor;  vollständig  erhalten  sind  die  Bücher  21 — 45  für  die  Jahre 
218  bis  167  v.  Chr.    Für  diesen  ganzen  Abschnitt  ist  Polybios  benutzt,  aber  in  ver- 


^)  J.  Neuling,  De  belli  Punici ^»'iini  scn'p- 
forum  fontihus,  Diss.  Göttingen  1873.  — 
0.  GoRTziTZA,  Krit.  Sichtung  der  Quellen 
zum  ersten  punischen  Kriege,  Strasburg 
i.  Westpr.  1883,  Progr.  —  C.  Davin,  Bei- 
träge zur  Kritik  der  Quellen  des  ersten 
punischen  Krieges,  Progr.  Schwerin  1889. 

^)  Die  Historiker  und  ihre  Bruchstücke 


bei  C.  Müller,  FHG  III  99  ff. 

3)  U.  WiLCKEN,  Hermes  41  (1906)  108  ff. 
und  42  (1907)  510  ff. 

*)  Die  beiden  Griechen  schrieben  vom 
karthagischen  Standpunkt  aus,  was 
H.  Dessau,  Hermes  51,  1916,  355  ff',  ver- 
geblich zu  bestreiten  suchte. 


XOO  Römische  Geschichte. 

schiedener  Weise.  Für  die  sizilischen  und  griechisch-makedonischen  Ereignisse  wird 
Polybios  zwar  verkürzt,  aber  in  der  Hauptsache  rein  wiedergegeben,  hier  ist  also 
Livius  im  ganzen  zuverUlssig  und  höchst  wertvoll.  Dagegen  für  den  Westen,  für 
Rom,  Italien,  Spanien  und  Afrika  hat  Livius  die  polybianische  Erzählung  mit  minder- 
wertigen lateinischen  Historikern  zusammengeklittert  und  dabei  vieles  selbständig 
hinzugetan,  verfälscht  und  verändert.  Das  Gesagte  gilt  auch  für  die  dritte  Dekade 
(Buch  21 — 30);  nur  daß  hier  bei  dem  Vorwiegen  der  westlichen  Ereignisse  die  rein 
polybianischen  Stücke  viel  geringer  sind.  Für  diesen  Teil  ist  Livius  daher  äußerst 
unzuverlässig,  und  es  ist  nicht  leicht,  da  wo  uns  Polybios  nicht  erhalten  i.st,  aus 
dem  Wust  der  Fälschungen  die  wirkliche  Überlieferung  aus  ihm  herauszuschälen. 
Seine  lateinischen  Autoren  sind  für  die  dritte  Dekade  in  erster  Linie  Coelius  Anti- 
pater,  außerdem  Valerius  Antias  und   andere  jüngere  Annalisten.') 

Plutarch  schöpft  für  den  zweiten  punischen  Krieg  (in  den  Biographien  des 
Fabius  und  Marcellus)  aus  einer  mit  Livius  nahe  verwandten,  aber  nicht  iden- 
tischen Darstellung,  vielleicht  aus  Juba.  Weit  brauchbarer  ist  er  im  älteren  Cato, 
Titus,  Philopoimen  und  Aemilius  Paullus,  wo  er  wesentlich  polybianische 
Tradition  wiedergibt. 

Appians  Geschichte  (im  Hannibalischen,  Iberischen,  Libyschen,  Illyrischen, 
Syrischen  Buch  xmd  den  Resten  des  Sizilischen  und  Makedonischen)  ist  für  den 
zweiten  punischen  Krieg  ebenfalls  nicht  aus  Polybios  selbst  entlehnt,  steht  aber 
diesem  in  vieler  Hinsicht  näher  als  Livius  und  ist  daher  nicht  ohne  eigenen  Wert. 
In  der  späteren  Zeit  ist  er  überwiegend  polybianisch;  doch  ist  möglicherweise  Poly- 
bios durch  Vermittlung  eines  anderen  benutzt.  Cassius  Dio  ist  in  Exzerpten  und 
im  Auszuge  des  Zonaras  erhalten.  Er  scheint  hauptsächlich  dem  Livius  zu  folgen; 
eine  gelegentliche  Benutzung  auch  des  Polybios  ist  nicht  ausgeschlossen;  daß  er  ältere 
Werke,  wie  Fabius  Pictor,  benutzt  habe,  bleibt  höchst  unwahrscheinlich.  In  der  Ge- 
schichte des  ersten  punischen  Krieges  ist  er  verhältnismäßig  reichhaltig  und  daher 
wertvoll,  gelegentlich  zeigt  er  hier  eine  bemerkenswerte  Verwandtschaft  mit  Diodor. 

Manche  Beiträge,  besonders  zur  Geschichte  des  achäischen  Krieges  liefert  der 
Perieget  Pausanias,  der  jedoch  wegen  seiner  Willkür  und  Ungenauigkeit  nur  mit 
Vorsicht  zu  verwerten  ist. 

Für  den  ersten  punischen  Krieg  sind  die  Triumphalfasten  besonders  gut 
und  vollständig  erhalten  und  haben  den  Gelehrten  mancherlei  Material  für  die 
Chronologie  geboten,  sind  aber  eine  trügerische  Stütze.  Sie  haben  nicht  etwa  den 
Wert  gleichzeitiger,  authentischer  Zeugnisse,  sondern  vertreten  eine  jüngere,  minder- 
wertige Überlieferung.    Oben  S.  12  f. 

17.  Der  erste  punische  Krieg.  Einige  Jahre  nachdem  Rom  in  Italien 
die  Hegemonie  erlangt  liatte,  bot  sich  Gelegenheit,  auf  das  benachbarte 
Sizilien  überzugreifen,  was  den  ersten  Krieg  gegen  die  Karthager,  den 
größten  Krieg,  den  Italien  je  allein  gefiihrt  hat,  heraufbeschwor.  Karthago 
war  eine  Macht,  die  mit  Rom  insofern  eine  gewisse  Ähnlichkeit  aufwies,^) 

')  Die  Frage  nach  den  •  Quellen  des  ges,  Leipzig  1880;  Soltau,  Livius' Quellen 
Livius  in  der  3.  Dekade  wird  sehr  ver-  in  der  3.  Dekade,  Berlin  1894;  Henry 
schieden  beantwortet.  Manche  Gelehrte  A.  Sanders,  Die  Quellenkontamination  im 
leugnen  eine  direkte  Benutzung  des  Püly-  21.  und  22.  Buch  des  Livius,  Berlin  1898. 
bios,  die  aber  namentlich  von  Hessel-  Zur  i.  und  5.  Dekade  vgl.  H.  Nissen,  Krit, 
BARTH  (Histor.  krit.  Untersuchungen  zur  Unters,  über  die  Quellen  der  4.  u.  5.  Dek., 
3.  Dekade  des  Livius,  Halle  1889)  nach-  Berl.  1863  und  U.  Kahbstedt,  Die  Anna- 
gewiesen ist.  Vgl.  K.Böttcher,  Neue  Jahrb.  listik  von  Liv.  B.  31— 4-5,  Berl.  1913;  A. 
für  Philol.  5.  Supplem.,  352  ff.;  C.Peter,  Klotz,  Hermes  50, 1915, 481  ff.  (abweichend 
Über  die  Quellen  des  21.  und  22.  Buches  von  Kahrstedt). 

des   Livius,    Pforta   1863;    Zielinski,    Die  ^)  W.  Böttichee,    Geschichte    der  Kar- 

letzten Jahre  des  zweiten  punischen  Krie-    j    thager,  Berlin  1827;  0.  Meltzer,  Gescliichte 


5,  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.Chr.).    (§  17.)      101 

als  auch  in  seinem  Fall  eine  Stadtgemeinde  sich  ein  weites  Herrschafts- 
gebiet erobert  hatte.  Der  Nationalität  nach  sind  die  Karthager  Phöniker, 
und  werden  daher  von  den  Eömern  Punier  (Foeni)  genannt.  Gegründet  von 
den  Tyriern  etwa  800  v.  Chr.,^)  hat  sich  Karthago  seit  Beginn  des  5.  Jahr 
hunderts  v.  Chr.  zu  einer  Großmacht  entwickelt.  Die  benachbarten  libyschen 
Stämme,  denen  man  früher  tributpflichtig  gewesen  war,  teils  Ackerbauer, 
teils  Nomaden  (Numider),-)  wurden  nun  ihrerseits  unterworfen  und  mittel- 
bar oder  unmittelbar  beherrscht.  Karthago  hat  ihnen  allen  den  Stempel 
seiner  Eigenart  aufgeprägt  und  über  sämtliche  Phöniker  des  Westens  in 
Nordafrika,  Südspanien,  auf  Sizilien  und  anderen  Inseln  die  Vorherrschaft 
erlangt.  Auf  Sizilien  machten  die  Karthager  nach  dem  vergeblichen  Ver- 
such von  -180  V.  Chr.  in  mehreren  großen  Kriegszügen  (409 — 40-1  v.  Chr.) 
bedeutende  Eroberungen  und  ließen  sich  trotz  allen  Anstrengungen  der 
Hellenen  aus  ihrer  Stellung  nicht  mehr  vertreiben.  Der  westliche  Teil  der 
Insel  blieb  ihnen  dauernd  unterworfen  oder  verbündet.  Nach  dem  Abzug 
des  Pyrrhos  beherrschten  die  Karthager  die  Küstenlandschaft  Nordafrikas 
von  der  Grenze  der  Kyrenaika  bis  über  die  Straße  von  Gibraltar  hinaus, 
Südspanien,  Sardinien,  Korsika,  die  Pithyusen  (Ebusos)  und  vielleicht  auch 
die  Balearen.  Auf  Sizilien  besaßen  sie  alles  was  westlich  vom  Flusse  Haly- 
kos  lag  und  einen  guten  Teil  der  Nordseite,  auch  Akragas  war  eng  mit 
ihnen  verbündet;  in  Unabhängigkeit  behaupteten  sich  nur  Syrakus  mit  seiner 
Bundesgenossenschaft  und  die  Mamertiner  in  Messana.  Auf  Sizilien  traten 
die  Punier  mit  den  Hellenen  in  nahe  Berührung  und  eigneten  sich  viel  von 
dem  griechischen  Wesen  und  seiner  Kultur  an.  Zugleich  standen  sie  damals 
mit  den  hellenistischen  Staaten  des  Ostens,  namenthch  mit  dem  benachbarten 
Ägypten  und  Kyrene  in  freundschaftlichem  Verkehr. 

Karthago  war  ein  großer  Handelstaat,  der  seine  Bundesgenossen  und 
Untertanen  schonungslos  auszubeuten  pflegte.  Selbst  die  phönizischen  Stamm- 
verwandten in  Afrika,  die  sogenannten  Libyphöniker  besaßen  keine  oder 
nur  geringe  Selbständigkeit,  und  bloß  die  sizilischen  Bundesgenossen  waren 
freier  gestellt.  Die  Verfassung  der  Stadt  war  aristokratisch  oder  timokratisch ; 
unter  den  mächtigen  Familien  der  Stadt  stehen  sich  schon  früh  zwei  sich 
bekämpfende  Faktionen  oder  Richtungen  gegenüber.  Anders  als  die  Römer, 
unterließen  es  die  Karthager,  mit  der  Ausbreitung  ihrer  Herrschaft  auch 
den  Umfang  von  Stadt  und  Bürgerschaft  zu  vergrößern.  Sie  wurden  im 
eigenen  Lande  nicht  heimisch,  sondern  blieben  auswärtige  Eroberer,  die  über 
fremde  Untertanen  herrschten.  Der  karthagischen  Bürgerschaft  gebrach  es 
durchaus  nicht  an  kriegerischem  Geist  und  kriegerischer  Erfahrung;  aber 
sie  konnte  nur  einen  kleinen  Teil  der  Kriegsmacht  stellen,  die  man  für  die 
weit  gedehnte  Machtsphäre  brauchte.  Die  Masse  der  Heere  machten  die 
afrikanischen  Untertanen,  dazu  fremde  Söldner,  Iberer,  Ligurer,  Gallier, 
Italiker    und    auch  Griechen    aus.    Große  Sorgfalt  wandte    Karthago    seiner 


der  Karthager,   1.  Band    (bis  Agathokles)  |  Rechnung  des  Timaios  (fr.  21  FHG  I  197), 

BerUn  1877 ;  2.  Band  (bis  218  v.  Chr.)  Berlin  derzufolge  Karthago  814  v.  Chr.  gegründet 

1896;  3.  Band  von  218— 146  von  U.  Kahr-  1  wurde. 

STEDT.  Berlin  1913.  !  '^)  Das  lateinische  Xuniidae  ist  aus  dem 

')   Am   besten   beglaubigt   scheint   die  i  griechischen  Nofiäds^  entstanden. 


102  Römische  Geschichte. 

Marine  7a\,  und  damals,  nach  der  Vertreibung  des  Pyrrhos,  beherrschte  die 
karthagische  Flotte  die  westlichen  Meere. 

Mit  den  Römern,  wie  mit  anderen  italischen  Völkern,  standen  die  Kar- 
thager seit  alter  Zeit  in  Freundschaft  und  Handelsverkehr.  Noch  jetzt  sind 
die  Verträge,  die  zwischen  Rom  und  Karthago  geschlossen  wurden,  bei 
Polybios')  erhalten.  Es  sind  deren  drei:  den  ersten  setzt  Polybios  in  das 
Jahr  der  ersten  Konsuln  (508  v.  Chr.),  der  zweite  ist  nicht  datiert,  der  dritte 
ist  das  gegen  Pyrrhos  gerichtete  Abkommen  von  279  v.  Chr.  (oben  S.  79). 
Jedoch  wird  die  von  Polybios  gegebene  Datierung  des  ersten  Vertrages  be- 
stritten; nach  dem  Zeugnis  Diodors,^)  der  unter  dem  Jahre  348  v.  Chr.  den 
Abschluß  des  ersten  Vertrages  mit  Karthago  erwähnt,  hat  Mommsen  das 
wahre  Datum  des  ersten  polybianischen  Vertrages  auf  dieses  Jahr  bestimmt, 
während  Nissen  dem  Polybios  folgt.  Einen  anderen  Vertrag  erwähnt  ferner 
Livius-^)  unter  dem  Jahre  306  v.  Chr.,  so  daß,  wenn  man  alles  zusammen- 
zählt, vier  Verträge  herauskommen,  von  508,  348,  306  und  279  v.  Chr.,  und 
auf  diese  Jahre  werden  die  erhaltenen  Verträge  von  den  modernen  Forschern 
verschieden  verteilt.  Indes  sind  nach  dem  bestimmten  Zeugnis  des  Polybios 
vor  dem  ersten  punischen  Kriege  jedenfalls  nur  drei  Verträge  anzunehmen.*) 
Der  zweite  ist  kaum  jünger  als  348  v.  Chr.,  dagegen  der  erste  schwerlich 
schon  508  v.  Chr.  geschlossen,  sondern  viel  später,  etwa  400  v.  Chr.  an- 
zusetzen. Der  angebliche  Vertrag  von  306  v.  Chr.  ist  nicht  genügend  be- 
glaubigt. In  diesen  Verträgen  schließen  die  beiden  Gemeinden  Freundschaft 
und  versprechen  sich  Schutz  für  den  gegenseitigen  Verkehr,  der  für  die 
Römer  wesentlich  auf  die  Stadt  Karthago  und  ihre  sizilischen  Besitzungen 
beschränkt  wird.  Waffengemeinschaft  wird  nur  in  dem  letzten,  gegen  Pyrrhos 
gerichteten  Bündnis  verabredet,  und  jede  der  beiden  Mächte  tat  dann  das 
Ihrige,  um  das  Unternehmen  des  Pyrrhos  zum  Scheitern  zu  bringen.  Der 
Abzug  des  Pyrrhos  gab  den  Karthagern  auf  Sizilien  das  Übergewicht,  aber 
doch  nicht  die  alleinige  Herrschaft;  ein  ansehnlicher  Teil  der  Bewohner 
blieb  unabhängig,  darunter  die  Mamertiner,  und  diese  letzteren  waren  es, 
die  den  Römern  den  Zugang  zu  der  reichen  und  fruchtbaren  Insel  öffneten. 

Dort  hatte  nämlich  nach  dem  Abzug  des  Pyrrhos  aufs  neue  der  Kampf 
zwischen  Syrakus  und  den  Mamertinern  begonnen,  durch  den  in  Syrakus 
ein  tapferer  Heerführer,  Hieron,  Sohn  des  Hierokles,  zur  monarchischen 
Gewalt    gelangte    (269  v.   Chr.).     Er    errang    einen    großen    Sieg    über    die 


')  III  22  ff.  Über  die  karthagischen  Ver-  6.  Jahrhunderts  v.  Chr.  als  Zeit  des  ersten 

träge  vgl.  Mommsen,  Eöm.  Chronol.  320  f. ;  Vertrags    findet    noch    immer    namhafte 

Nissen,  N.  Jahrb.  für  Philol.  1867  S.321  f.;  i    Verfechter. 

G.  F.Ungek,  Rhein.  Mus. 37, 153 f.;  Matzat,  ■')  XVI  69.    Livius  VII  27. 

Rom.   Chronol.  I  296;    Holzapfel,    Rom.  ^)  1X43,26. 

Chronol.84.5;SoLTAu,  Philol.48,131f.  276f.;  ;        •«)  Auch  Cato   fr.  84    scheint  nur  dreie 

E.  Täubler,  Imperhun  Romamuni,  Leipz.-  1    gekannt    zu    haben;    er    zählt    bis    zum 

Berl.  1913,  254  ff.,    der   erkannt  hat,    daß  zweiten  punischen  Kriege  offenbar  sechs; 

nicht  das  römische,  sondern  das  kartha-  die   drei    übrigen   sind  die  Verträge  von 

gische Vertragsschema  zugrunde  liegt  und  241,  238  und  226  v.Chr.    Aber,  wie  schon 

sich  für  die  Jahre  348  (Vertragserneuerung  I   Mommsen  bemerkte,  spricht  Cato  nur  von 

343?,  zu  welchem  Jahr  Liv.  VII  38,  2  das  einer    sechsmaligen    Vertragsverletzung, 

Eintreffen   einer  karthagischen  Gesandt-  also  nicht  von  der  Zahl  der  geschlossenen 

Schaft  in  Rom  berichtet),  306 u. 279 v.Chr.  Verträge, 
entscheidet.  —  Aber  auch  das  Ende  des 


5.  Dritte  Periode :  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  1 7.)      lOB 

Maniertiner  und  wurde  darauf  von  den  Syrakusanern  und  den  verbündeten 
Griechen  Siziliens  zum  König  ausgerufen.^  Die  Mamertiner  schwer  bedrängt, 
ia  mit  Vernichtung  bedroht,  hatten  zunächst  karthagische  Hdfstruppen  auf- 
genommen   (denn    die  Karthager  wollten  die  Stadt  nicht  m  Hierons  Hand 
fallen  lassen),  entschieden  sich  aber  später  in  ihrer  Mehrheit  dafür,  die  dinen, 
den  Oskern,  stammverwandten  Römer  um  Schutz  zu  bitten.    Der  römische 
Senat  schwankte  angesichts  eines  so  verantwortungsvollen  Entschlusses,  aber 
das  Volk   in    den    Zenturiatkomitien  war   in    der  Hoffnung    auf   materiellen 
Gewinn  für  die  Intervention  auf  Sizilien,  und  so   ging  denn  Rom  mit  den 
Mamertinern  ein  Bündnis  ein.^)    Die  karthagische  Garnison  in  Messana  wurde 
von  den  Mamertinern  zum  Abzug  veranlafat.    Um  die  römische  Einmischung 
zu  hindern,  taten  sich  nunmehr  die  Karthager  mit  Hieron  zusammen,  und 
beide  erschienen  mit  Heeresmacht  vor  Messana.    Jedoch  gelang  es  dem  Kon- 
sul Appius  Claudius  nach  fruchtlosen  Unterhandlungen  mit  den  Karthagern 
im   Sommer    264  v.  Chr.    trotz    der   karthagischen  Flotte  von  Rhegion    aus 
über   die  Meerenge    zu    setzen.    Er    besiegte   hierauf   erst  die  Syrakusaner, 
dann    die  Karthager  und  drang  siegreich  bis  nahe  an  Symkus  vor,    das  er 
eine  Zeitlang   belagerte.  Viele  Städte  wurden  gewonnen.  3)   Für  die  Romer 
wurde   es  von  entscheidender  Wichtigkeit,   daß  sich  im  nächsten  Jahr  [Zbö 
V   Chr  )  Hieron  nach  neuen  römischen  Erfolgen  mit  ihnen  auf  lo  Jahre  ver- 
bündete.   Er   lieferte    ihnen    die  Kriegsgefangenen  aus,    zahlte  eine  bunnne 
von  100  Talenten^)   und  wurde  als  König  von  Syrakus  und  den  Nachbar- 
Städten    anerkannt.    Das  Bündnis   bewährte   sich  zuerst  bei  der  Be  agerung 
von    Akragas,    das   die  Karthager    zur  Operationsbasis    gegen  Syrakus    und 
Messana  gemacht  hatten.    Unter  eifriger  Mitwirkung  Hierons  fiel  diese  Stadt 
nach  sechsmonatlichen  schwierigen  Kämpfen  262  v.  Chr.  den  Römern  m  die 
Hände.^)    Nach    diesem  Erfolg    steckten    die  Römer   ihre  Ziele  weiter   und 
beschlossen,  die  Karthager  ganz  aus  Sizihen  zu  vertreiben     Aber  die  Aut- 
gäbe  war  schwierig;  denn  die  Karthager  waren  fast  unangreifbar.  Als  Herren 
des  Meeres  konnten  sie  die  Küsten  Italiens  heimsuchen;  mehrere  Seestädte 
Siziliens  traten  zu  ihnen  über;  Segesta,  das  sich  263  v.  Chr.  mit  Rom  ver- 


')  Polyb.  I  8.  VII  8.  Justin.  XXIII  4. 
Pausan.  VI  12,  2.  Vgl.  Meltzek,  Gesch.  der 
Karthager  II 244.  550  f.    A.  Gercke,  Ehern 


Tarent,  wodurch  die  Verträge  verletzt 
worden  seien.  Vorausgesetzt  wird  dabei 
der  von  Philinos  berichtete  Vertrag,  wo- 


Musl^^      JB..O0H    Her„es28  läS;  nlch   sich  Karthago  verpülchlete.   nicht 

fsH.  Itrltüg  itt.'Tnn  hS:Ö„  in  Syrakus   |  auf  Italien  üb.rzugrrifen  d,e  Ron,er  mcl, 

^„.•TTprr^chaftkam  ob  schon  275/4  v.  Chr.,    :  auf  Sizihen  (Polyb.  III  26,  d  t.  ,  ein   >  ei 

wTe  Me   zer   a'rmmt  oder  erst  270,69   1  ^^'^'Jl'f'Y^'^^l^^S:'^. 

V  Chv     wie  Gercke  und  Beloch  glauben.  ')  Nach  der  Erzählung  des  Fliilinos,  aie 

N^E^Ed^riräTer  hier  und  auch  in  seiner  Polyb.  I  15  mitteilt   und  widerlegt,    sind 

Gesch  d  c.  ■  ech  u   maked.  Staaten  II  179  die  Römer  sowohl  von  den  Syrakusanern 

deii^teren   Ansicht   gefolgt    war,    hat  wie  von  den  Karthagern  zuiaickgeschlagen 

ä'ch  TpitrzurzWeS  bekehrt,   wenn-  worden.    Dieser  Version  sd.lieM  sich  Be- 

gleich   damit  nicht  alle  Schwierigkeiten  .och  ^fl^^^;^^^^^,    Zahlung, 

"^tt^daTverfahren   der   Römer   vom  kein  jährlicher  Tribut    von  dem  nur  d^^^ 

Rechtsstandpunkt    aus    sehr    bedenklich  jüngeren   B^richterstattei    (Zonaia^VIll 

war,  so  haben  die  jüngeren  Annalen  das  IM)  etwas  wissen,  Polyb.  1 16, 4  it.  Uiodor 

Bestreben,  einen  Rechtsgrund  zu  schaffen  -^^^^^^^  *•                  TT4e+r>r;=-.>iATnnoffraDhie 

und  die  Karthager  ins  Unrecht  zu  setzen.  ")  J.  Schübring,  Historische!  opogiapme 

Dazu  dieit  die"obenS.81  A.  2  erwähnte  von  Akragas,  mit  Karte,  Leipzig  18.0. 
angebhche  karthagische  Einmischung  in 


104  Römische  Geschichte. 

bündet  hatte,  wurde  von  ihnen  belagert.  Nur  mit  Hilfe  einer  starken  Kriegs- 
flotte konnten  die  Eömer  ihr  Kriegsziel  erreichen,  und  so  beschlossen  sie 
denn,  eine  Flotte  zu  bauen,  i)  Sie  hatten  schon  früher  gelegentlich  Kriegs- 
schifPe  besessen,  aber  über  eine  Seerüstung  von  Bedeutung  verfügten  sie 
nicht;  selbst  für  die  Überfahrt  nach  Sizilien  behalfen  sie  sich  mit  geliehenen 
Fahrzeugen.^)  Jetzt  bauten  sie  120  große  Kriegschiffe  und  stachen  mit 
ihnen  2(50  v.  Chr.  in  See.  Nach  einem  ersten  Mißgeschick  erfochten  sie  bei 
Mylae  unter  dem  Konsul  CDuilius  über  den  karthagischen  Admiral  Hannibal 
einen  großen  Sieg,  der  hauptsächlich  durch  die  Enterbrücken  ermögliclit 
wurde,  eine  technische  Neuerung,  durch  welche  sich  die  Überlegenheit  der 
römischen  Fußtruppen  auch  für  den  Schiff'skampf  zur  Geltung  bringen  und 
die  nautische  Geschicklichkeit  der  Karthager  ausgleichen  ließ.^)  So  konnten 
in  den  Jahren  259  und  258  v.  Chr.  auch  Korsika  und  Sardinien  zur  See 
angegriffen  werden;  Korsika  wurde  259  v.  Chr.  erobert,  aber  Sardinien  ver- 
blieb nach  mannigfaltigen  Kämpfen  den  Karthagern.^) 

Inzwischen  zog  sich  der  Landkrieg  auf  Sizilien  mit  wechselndem  Glück 
hin,  meist  in  Belagerungen  und  kleineren  Treffen;  wenn  auch  im  ganzen 
die  Römer  die  Oberhand  hatten,  so  erlitten  sie  doch  mancherlei  Nieder- 
lagen und  Verluste,  und  eine  Entscheidung  war  nicht  zu  erzielen;  denn  die 
Karthager  nahmen  keine  große  Schlacht  an,  sondern  suchten  den  Gegner 
zu  ermüden.  Um  also  die  Karthager  zum  Frieden  zu  zwingen,  unternahmen 
schließlich  die  Römer  mit  starkem  Aufgebot  einen  Angriff  auf  Afrika. 
Durch  eine  gewaltige  Seeschlacht  beim  Vorgebirge  Eknomos  an  der  Süd- 
küste Siziliens  erzwangen  sie  im  Jahr  256  v.  Chr.  die  Überfahrt:  gegen  700 
Kriegschiflfe  und  300000  Mann  kämpften  hier,  auf  beiden  Seiten  ungefähr 
gleichmäßig  verteilt,  gegeneinander.  Die  Römer  landeten  bei  Clupea  (Aspis), 
besetzten  diesen  Platz  und  ließen  den  Konsul  M.  Atilius  (Regulus)  mit  einem 
ansehnlichen  Heer  in  Afrika,  w\ährend  das  Gros  zurückfuhr.  Der  Konsul 
schlug  das  ungeschickt  geführte  karthagische  Heer,  das  ihm  entgegentrat, 
verwüstete  das  Land,  nahm  Tunes  und  brachte  viele  Libyer  und  Numider 
zum  Abfall  von  der  karthagischen  Herrschaft,  worauf  die  Karthager  durch 
eine  Gesandtschaft  bei  ihm  um  Frieden  baten.  Aber  Regulus  stellte  so  harte 
Bedingungen,  daß  sie  es  vorzogen,  das  Kriegsglück  wieder  zu  versuchen. 
Als  nun  griechische  Soldtruppen  eintrafen,  mit  ihnen  der  Lazedämonier 
Xanthippos,  ein  erfahrener  Kriegsmann,  bildeten  die  Karthager  ein  neues, 
tüchtiges  Heer,  das  sie  dem  Xanthippos  unterstellten,  der  sie  namentlich 
den  richtigen  Gebrauch  der  Kriegselefanten  lehrte.  Die  Römer  wurden  zum 
Kampf  in  einem  Gelände  gezwungen,  in  dem  die  Karthager  ihre  überlegene 
Reiterei    und    ihre  Elefanterie    aufs  wirkungsvollste  einsetzen  konnten;    die 

')  Über  die  Flotten  des  ersten  punischen  lins  (Sitzungsber.  d.  Münch.  Akad.  d.  Wiss. 

Kriegers  vgl.  W.  W.  Tarn,  Jonrn.  of  hell.  1889,  I  293  f.),  die  Echtheit  gegen  Ritschl 

stnd.  27,  1907,  37  ff.  und  Mommsen  zu  erweisen,  ist  nicht  über- 

^)  Polyb.  I  20,  13  f.  zeugend. 

3)  Polyb.  I  22.    Die  noch  erhaltene  In-  •*)  Vgl.  0.  Leuze.  Klio  X,  1910,  406  ff.  und 

schritt   für    Duilius    (CIL  I  2,  1^    nr.  25,  besonders  dessen  Interpretation  der  Grab- 

ILS  nr.  65)  gehört  der  Zeit  des  Augustus  schritt   des   Eroberers    von  Korsika,    des 

an;   sie   ist   nicht   etwa  die  Kopie    eines  Konsuls    L.  Cornelius   Scipio    (CIL  I  2,  1^ 

älteren  Originals,  sondern  ein  Produkt  nr.  9,  ILS  nr.  3)  und  des  Polyb.  I  24,  5  ff. 
späterer  Antiquare.  Der  Versuch  E.  Wölff- 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.Chr.).    (§  17.)      105 

Römer  wurden  völlig  geschlagen,  der  Konsul  gefangen;  nur  zweitausend 
Römer  entkamen  nach  Clupea.  Jetzt  gaben  die  Römer  das  afrikanische 
Unternehmen  auf,  um  es,  von  Plünderungszügen  abgesehen,  in  diesem  Krieg 
nicht  zu  wiederholen.  Sie  räumten  Clupea  und  sandten  zu  dem  Behuf 
255  V.  Chr.  aufs  neue  ihre  Flotte,  die  nunmehr  nach  einem  Seesieg  über 
die  Karthager  die  belagerte  Besatzung  an  Bord  nahm.  Auf  der  Heimkehr 
fuhr  die  Flotte  die  Südküste  Siziliens  entlang,  wobei  sie  durch  einen  Sturm 
überrascht  wurde,  der  fast  alle  Schiffe  kostete.  Doch  rüstete  Rom  sogleich 
eine  neue  Flotte  aus,  um  zur  Eroberung  der  Städte  des  sizilischen  Nord- 
gestades zu  schreiten;  zuerst  fiel  Kephaloidion,  dann  (254  v.  Chr.)  das 
wichtige  Panormos,')  später  Solus,  Tyndaris  und  Therma^^auch  die  Insel- 
stadt Lipara  wurde  252  v.  Chr.  gewonnen.  Parallel  damit  liefen  andere 
Unternehmungen.  Die  Römer  erlebten  dabei  das  Mißgeschick,  daß  ein  großer 
Teil  ihrer  Flotte  253  v.  Chr.  auf  der  Heimfahrt  von  Panormos  quer  über 
die  See  nach  Rom  in  einem  Sturm  zugrunde  ging;  sie  waren  zunächst 
nicht  imstande,  den  schweren  Verlust  zu  ersetzen,  und  schränkten  in  den 
folgenden  Jahren  ihre  Seemacht  auf  das  Notwendigste  ein.  Inzwischen 
hatten  die  Karthager  nach  der  Niederlage  des  Regulus  ihr  Heer  auf  Sizilien 
erheblich  verstärkt  und  dominierten  unter  Hasdrubal  im  Westen  der  Insel. 
Selbst  Akragas  fiel  ihnen  auf  einige  Zeit  wieder  zu.  Hasdrubal  versuchte 
dann  bei  günstiger  Gelegenheit  Panormos  anzugreifen,  erlitt  aber  durch  den 
Konsul  L.  Caecilius  (Metellus)  eine  große  Niederlage  (251  v.  Chr.),  durch  die 
das  Übergewicht  der  Römer  auf  Sizilien  entschieden  und  die  letzte  Phase 
des  erbitterten  Ringens  eingeleitet  wurde. 

Die  Karthager  räumten  jetzt  alle  Plätze  Siziliens  und  beschränkten  sich 
auf  die  Behauptung  der  westlichen,  Lilybaion  und  Drepana;  letzterer  Ort, 
259  v.  Chr.  gegründet,  war  ursprünglich  das  Emporium  von  Eryx.  Mit  aller 
Macht  schritten  die  Römer  und  ihre  Bundesgenossen  zum  Angriff  auf  Lily- 
baeum,  das  stärkste  Bollwerk  der  Karthager.  2)  Wiederum  rüsteten  sie  eine 
große  Kriegsflotte  aus.  Lilybaeum'')  wurde  von  etwa  100  000  Mann  zu  Wasser 
und  zu  Lande  eingeschlossen,  und  es  entspannen  sich  gewaltige  Kämpfe; 
doch  die  Karthager,  unterstützt  durch  die  Besatzung  von  Drepana,  wider- 
standen erfolgreich;  das  Belagerungsheer  litt  Mangel  an  Lebensmitteln  und 
konnte  sich  nur  mit  Mühe  behaupten.    Im  Jahr  250  (nach  derVulgata  249) 

1)  Vgl.  Schubring,  Progr.  des  Lübecker  1   Vgl.  Appian  Lib.  4.   Sicil.  2,  1,  der  die  Ge- 
Katharineums  1870.  sandtschaft  nach  Rom  erst  ans  Ende  des 

2)  Nach  den  jüngeren  Quellen  (Livius  j  Krieges  setzt.  Die  Geschichte  des  Re- 
per.  18.  Gros.  IV  10,  1.  Cass.  Dio  fr.  43  gulus  ist  legendär;  wohl  beglaubigt  ist 
vol.  I  p.  165  Boissevain,  vgl.  Tuditanus  bei  dagegen  eine  andere  von  der  Mifahand- 
Gellius  N.  A.  VII  4,  1.  Cicero  de  off.  I  39)  lung  karthagischer  Gefangener  in  Rom 
sind  vorher  Unterhandlungen  über  den  (Diodor  exe.  XXIV,  12).  Diese  hat  wahr- 
Frieden  oder  über  Auslieferung  der  Kriegs-  scheinlich  zu  jener  Legende  den  Anstoß 
gefangeneu  geführt  worden,  die  ohne  Er-  ,  gegeben.  Vgl.  .1.  Palmerius,  Exercitatlones 
gebnis  verliefen.  Daß  damals  Karthago  '  in  opfimos  fere  auctores  Graecos  (Utrecht 
kriegsmüde  war,  ist  wohl  möglich,  aber  die  1694)  151  f. ;  Niebuhk,  Rom.  Gesch.  III 704  ff". 
Beglaubigung  der  Nachricht  ist  schwach.  '  Weitere  Literatur  bei  Haltaus,  Gesch. 
Es  wird  daran  die  bekannte  Erzählung  Roms  S.  342.  0.  Jagee,  M.  Atilius  Regulus, 
von  der  Gesandlschaft  des  gefangenen  Progr.  Köln  1878.  Klebs,  PW  II  2086  ff. 
Regulus  nach  Rom  angeknüpft,  der  den  =)  Zur  Belagerung  Lilybaeums  vgl. 
Römern  den  Frieden  abzulehnen  rät  und  |  Schubring,  Philologus  24,  62  ff". 
dadurch  sein  qualvolles  Ende  herbeiführt.  | 


106 


Römische  Geschichte. 


V.  Chr.  übernahm  der  Konsul  P.  Clodius  das  Kommando  und  begann  den 
Krieg  mit  neuem  Eifer;  er  griff  die  kartliagische  Flotte  unter  Adherbal 
(Atarbas)  in  Drepana  an,  erlitt  jedoch  eine  vernichtende  Niederlage,  wes- 
halb ihn  seine  Landsleute  zur  Rechenschaft  zogen  und  hart  bestraften.  Unter 
seinem  Nachfolger,  dem  Konsul  L.  Junius  (Pullus)  ereignete  sich  ein  neues 
Unglück;  eine  große  Expedition,  die  den  Belagerern  Lilybaeums  Verstärkung 
bringen  sollte,  ging  an  der  Südküste  Siziliens  bei  Phintias  zugrunde,  wobei 
die  karthagische  Flotte  und  die  Elemente  sich  in  das  Verniclitungswerk 
teilten.^)  Zur  See  hatte  jetzt  Karthago  die  Vorhand,  so  dafa  die  Kömer  die 
Belagerung  Lilybaeums  aufheben  mu&ten.  Unter  diesen  Umständen  war 
ihnen  der  Beistand  Hierons,  der  schon  vor  Lilybaeum  wichtige  Dienste  ge- 
leistet hatte,  von  besonderem  Wert;  das  Bündnis  mit  ihm  wurde  248  v.  Chr. 
erneuert.  Aber  auch  der  Landkrieg  nahm  für  die  Karthager  eine  günstigere 
Wendung,  als  im  Jahr  247  v.  Chr.  ein  ausgezeichneter  Feldherr,  Hamilkar 
Barkas,  den  Oberbefehl  übernahm.  Er  organisierte  das  Heer,  dessen  Moral 
er  hob,  und  unternahm  24(3  v.  Chr.  einen  Zug  gegen  die  brettische  Küste; 
dann  besetzte  er  nahe  bei  Panormos  einen  festen  Punkt,  die  Heirkte,^)  von 
wo  er  mit  den  Römern  tägliche  Kämpfe  zu  bestehen  hatte.  Von  hier  aus 
unternahm  er  zu  Land  weit  nach  Sizilien  hinein,  und  zur  See  an  die  Küsten 
Italiens  seine  kühnen  Streifzüge.  Fast  drei  Jahre  behauptete  er  sich  auf 
der  Heirkte,  dann  gelang  es  ihm,  die  Stadt  Eryx  zu  besetzen  außer  dem 
Tempel  auf  der  Höhe,  den  gallische  Söldner  in  römischen  Diensten  ver- 
teidigten. Von  den  Feinden  fast  ganz  umschlossen,  hielt  er  sie  doch  be- 
ständig in  Atem,  während  er  mit  der  offenen  See  und  mit  Karthago  über 
Drepana  in  Verbindung  blieb.  Jahrelang  zog  sich  so  der  Krieg  ohne  Ent- 
scheidung hin  und  erschöpfte  die  Kräfte  der  Streitenden;  der  römische 
Staat  war  nicht  mehr  imstande,  eine  neue  Kriegsrüstung  aufzubringen.  In 
dieser  Not  taten  sich  die  angesehensten  Bürger  zusammen,  um  aus  privaten 
Mitteln  den  Bau  einer  Flotte  zu  bestreiten.  Im  Jahr  242  v.  Chr.  stachen 
200  Penteren  unter  dem  Konsul  C.  Lutatius  in  See  und  blockierten  Lily- 
baeum und  Drepana.  Auch  die  Karthager  waren  am  Ende  ihrer  Kraft: 
gleichzeitig  mit  dem  Krieg  auf  Sizilien  hatten  sie  in  Afrika  mit  Libyern 
und  Numidern  zu  schaffen,  wobei  sie  unter  Hannons  Oberbefehl  ihre  Herr- 
schaft nach  Süden  ausbreiteten  und  Hekatompylos  eroberten  (zwischen  247 
und  241  V.  Chr.). 3)  Sie  boten  nun  gegen  Lutatius  ihre  letzten  Mittel  auf 
und  rüsteten  eine  Flotte  aus,  um  den  feindlichen  Gürtel  um  Lilybaeum 
und    Drepana    zu    sprengen    und    dem  Hamilkar   die    unentbehrlichen  Ver- 


')  Niese  folgt  dem  Polybios,  der  hier 
eine  andere  Konsulliste  und  daher  auch 
eine  andere  Anordnung  der  Ereignisse 
hat  als  die  jüngeren  Autoren.  Er  über- 
geht die  Konsuln  von  252  v.  Chr.,  C.  Au- 
relius  und  P.  Servilius,  macht  aber  dafür 
den  L.  Junius  nicht  zum  Kollegen,  son- 
dern zum  Nachfolger  des  P.  Clodius,  wie 
richtig  Seipt  (vgl.  S.  107  A.  3)  31  ff.  er- 
kannt hat.  Nach  Nieses  Überzeugung  ver- 
tritt Polybios  die  echte  Überlieferung. 

'•')    Die   früher    übliche    Gleichung    der 


Heirkte  mit  dem  Monte  Pellegrino  bei 
Palermo  ist  durch  J.  Kromayer,  Antike 
Schlachtfelder  III,  1,  1912,  4  ff.  widerlegt. 
K.  lokalisiert  die  Heirkte  einwandfrei  am 
Monte  Castellaccio  nordwestlich  von  Pa- 
lermo und  nahe  dem  Meer. 

••')  Polyb.  1 73, 1.  DiodorlVlS.  exe. XXIV 
10.  Man  pflegte  Hekatompylos  früher  mit 
Cajjsa  zu  identifizieren,  seitMovERS,  Phöni- 
zier III  2,  519  mit  Theveste  (heute  The- 
bessa).    CIL  VIII  p.  215. 


5.  Dritte  Periode :  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (S  !"•)      107 

Stärkungen   und  Vorräte   zuzuführen.     Als  diese  Flotte  schwer  beladen  von 
den    ägatischen  Inseln    gen  Drepana   fuhr,  wurde   sie  von  den  Römern  an- 
gegriffen, geschlagen  und  grofsenteils  zerstört  (242  v.  Chr.).') 
*  "^ Nunmehr    konnte    sich  Hamilkar   nicht   mehr   behaupten   und   die  Kar- 
thager ließen  sich  zum  Frieden  herbei,  den  Hamilkar  mit  dem  Konsul  ab- 
schroß.   Sie  verpflichteten  sich  den  Römern  Sizilien  abzutreten,  die  Kriegs- 
gefangenen   auszuliefern    und    in    20  Jahresraten    im    ganzen   2200   attische 
Talente  (gegen  10400000  Goldmark)  zu  zahlen.  Jedoch  verwarf  das  römische 
Volk  diese  Präliminarien  und  schickte  zur  weiteren  Unterhandlung  zehn  Senats- 
kommissäre nach  Sizilien ;  diese  fugten  noch  1000  Talente  Kriegskosten  und 
die  Verpflichtung  hinzu,  die  zwischen  Italien  und  Sizilien  liegenden  Inseln 
abzutreten.2)  Auf  dieser  Grundlage  kam  der  Friede  zustande  (241  v.  Chr.), 
Hamilkar  und  sein  Heer  zogen  ab.  Die  ehemals  karthagischen  Besitzungen 
auf  Sizilien  fielen  also  an  Rom.  Unabhängig  bheb  dagegen  der  südöstliche 
Teil  der  Insel,  das  Gebiet  Hierons,  das  vielleicht  einige  Erweiterungen  erfuhr.  3) 
Den  Römern    und   Italikern    hatte    der   24jährige  Krieg    schwere  Opfer 
an  Gut  und  Blut  auferlegt;    vor  allem  die  Küsten  und  Städte  Unteritaliens 
hatten  viel  zu  leiden  gehabt.    Zu  Unruhen  ist  es  während  der  Kriegsdauer 
in  Italien,    soweit  wir  wissen,    nicht  gekommen.^)    Indes  unmittelbar   nach 
Schiufa  des  Krieges  empörten  sich  aus  unbekannten  Ursachen  die  Fahsker 
in  Falerii.    Der  Aufstand  konnte  in  wenigen  Tagen  mit  der  Unterwerfung 
und  Zerstörung  der  Stadt   beendigt  werden.     Gleich   nach  dem  Krieg  (241 
V.  Chr.)  erweiterte  Rom  seinen  Bürgerverband  durch  Einrichtung  der  beiden 
TribusVelina  und  Quirina,    deren  Bezirke  im  Sabinerland  lagen;    mit    den 
nunmehr  35  Tribus  Avar   die  politische  Gliederung  des  Bürgergebietes  zum 
Abschluß  gebracht. 


')  Nach  Eutrop.  II  27,  2  am  10.  März 
(TT.  Id.  Mart.).  Aber  dieses  Datum  kann 
nicht  .stimmen,  wenn  mau  nicht  eine  ge- 
waltige Verschiebung  des  römischen  Ka- 
lenders annehmen  will. 

2)  Über  den  Friedensvertrag  s.  E.  Täub- 
LER.  Impcrimn  Eomanum  I,  1913,  188 ff.  und 
dens.,  Vorgeschichte  des  2.  pun.  Kriegs, 
Berl.  1921,^108  t¥. 

•^)  Hier  zum  Ende  des  ersten  puni- 
schen  Krieges  sei  noch  bemerkt,  dafs  seine 
Chronologie  mancherlei  noch  ungelöste 
Schwierigkeiten  bietet.  Vgl.  Matzat,  Rom. 
Chronologie  II  207  ff. ;  A.  Fkänkel,  Studien 
zur  röm.  Geschichte  1 11  f. :  O.  Seipt,  De  Po- 
lyhii  oJi/Dipiachim  ratione  quaestiones  chrono- 
Jogicae,  28  ff. ;  Soltau,  Röm.  Chronologie 
207  ff.;  P.  Varese,  //  calendario  Romano  all' 
etä  della  prima  guerra  Punica  (Giül.  Be- 
LOCH,  Sfndi  dl  storia  antica  fascic.  3)  und 
danach  Belooh,  Gr.  Geschichte  III  2,  231. 
Die  Frage  nach  dem  damaligen  Gang  des 
römischen  Kalenders  und  dem  Antritts- 
tag der  Konsuln,  als  den  man  für  diese 
Zeit  allgemein  den  1.  Mai  ansieht,  spielt 
dabei  eine  wichtige  Rolle.  Als  gegeben 
hat  zu  gelten,  dafs  der  Anfang  des  Krieges 
in  die  Zeit  der  129.  Olympiade  fällt,  d.  h. 


Sommer  264  v.  Chr.  (Polyb.  I  5.  1),  und 
daß  er  24  Jahre  dauerte  (Polyb.  I  63  und 
andere  Zeugnisse).  Varese  und  mit  ihm 
Beloch  lassen  davon  abweichend  den  Krieg 
erst  im  Sommer  263  v.  Chr.  anfangen,  und 
setzen  die  Schlacht  bei  den  ägatischen 
Inseln  241  v.  Chr.  Varese  hat  übrigens 
die  nächstfolgenden  Jahre  in  seine  Unter- 
suchung miteinbezogen  mit  dem  Ergebnis, 
daß  z.  B.  der  erste  illyrische  Krieg  nicht 
229,  sondern  228  v.  Chr.  geführt  worden 
sei.  Er  stützt  sich  hauptsächlich  auf  die 
Daten  der  Triumphalfasten,  und  dies  ist 
der  Hauptgrund,  weshalb  seine  Unter- 
suchung vollständig  in  die  Irre  ging;  denn 
die  Triumphalfasten  sind  eine  Quelle  sehr 
zweifelhaften  Werts.  Eine  erschöpfende 
Untersuchung  über  die  Chronologie  des 
ersten  punischen  Krieges  ist  sehr  zu 
wünschen.  (Vgl.  Varese,  Cronologia  Ro- 
mana I,  Rom  1908). 

••)  Während  des  Krieges  selbst,  im  Jahre 
260  v.  Chr.  wird  auf  Sizilien  ein  Konflikt 
zwischen  den  Römern  und  ihren  Bundes- 
genossen erwähnt,  der  zu  einer  Trennung 
und  infolgedessen  zu  einer  römischen 
Niederlage  führte.    Polyb.  I  24,  3  f. 


108  Römische  Geschichte. 

Die  Karthager  traf  gleich  nach  dem  Frieden  ein  neuer  Schlag,  ein  be- 
drolilicher  Aufstand  ihrer  Söldner,  die,  nach  dem  Abzug  aus  Sizilien  in 
Karthago  behufs  ihrer  Entlassung  versammelt,  hohe  Geldforderungen  stellten, 
die  bei  der  Ebbe  in  der  Staatskasse  schwer  zu  erfüllen  waren.  Ungeschickte 
halbe  Maßnahmen  der  Regierung  verschärften  die  Lage,  die  vor  allem  da- 
durch gefährlich  wurde,  daß  die  von  den  Kriegslasten  fast  erdrückten  Libyer 
und  Libyphöniker  ebenfalls  revoltierten  und  die  Söldner,  mit  denen  sie  ge- 
meinsame Sache  machten,  in  ihren  Dienst  nahmen.  Der  Kampaner  Spendios, 
der  Gallier  Autaritos  und  der  Libyer  Mathos  spielten  die  Führer;  fast  alle 
punischen  Städte,  selbst  Utica,  beteiligten  sich  an  der  Empörung;  Karthago 
geriet  an  den  Rand  des  Verderbens.  Erst  nach  langen,  wechselreichen  Kämpfen 
wurde  der  Aufstand  nach  einer  Dauer  von  drei  Jahren  vier  Monaten')  be- 
sonders durch  das  Verdienst  des  Hamilkar  Barkas  unter  Mitwirkung  Hannons 
gedämpft  (238  v.  Chr.).  Auch  die  karthagischen  Söldner,  die  auf  Sardinien 
lagen,  hatten  gemeutert  und  die  Insel  den  Römern  angetragen,  ein  Angebot, 
das  abgelehnt  wurde;  erst  als  die  Karthager  zum  Verdruß  Roms  die  Em- 
pörung in  Afrika  bemeisterten  und  sich  nun  nach  Beendigung  des  „Söldner- 
krieges" zur  Wiedereroberung  Sardiniens  anschickten,  beschlossen  die  Römer, 
ihnen  zuvorzukommen.  Sie  erklärten  den  Karthagern  den  Krieg,  und  da 
die  Karthager  an  einen  neuen  Krieg  mit  Rom  damals  nicht  denken  konnten, 
mußten  sie  einen  neuen  Frieden  erbitten  und  sich  dazu  verstehen  die  Insel 
abzutreten  und  überdies  1200  Talente  (etwa  5650000  Goldmark)  zu  ent- 
richten. Die  römische  Herrschaft  auf  Sardinien  und  Korsika  beschränkte 
sich,  wie  früher  die  karthagische,  noch  lange  auf  die  Küstengegenden;  gegen 
die  wilden  Völker  des  Innern  wurden  häufig  grausame  Kolonialkriege  geführt. 

Sizilien  und  Sardinien  mit  Korsika  sind  die  ersten  außeritalischen,  über- 
seeischen Besitzungen  der  Römer.  Sizilien,  ganz  hellenisch,  bestand  aus 
Stadtgemeinden,  die  mit  Ausnahme  von  Lilybaeum,  Eiyx  und  Drepana  schon 
vor  dem  Frieden  den  Römern  zugefallen  waren.  Das  Verhältnis  der  ein- 
zelnen war  verschieden  je  nach  den  Umständen,  unter  denen  sie  an  Rom  ge- 
kommen waren,  nach  den  Verträgen,  die  Rom  mit  ihnen  geschlossen  hatte. 
Ein  Teil  wurde  Untertan  und  abgabenpflichtig,  andere  blieben  frei  und 
autonom.  2)  In  den  ersten  Jahren  der  Herrschaft  scheint  die  Insel,  wie  Italien, 
unmittelbar  von  Rom  regiert  zu  sein.  Dann  setzte  man  einen  besonderen 
Jahresbeamten,  einen  Prätor,  der  in  die  Reihe  der  ordentlichen  Magistraturen 
eintritt,  zurA^erwaltung  der  Insel  ein  (227  v.  Chr.).  Sizilien  wurde  Provinz; 
die  Städte  behielten  ihre  Verfassung;  das  Abgaben wesen  wurde  im  Lauf  der 
Zeit  für  den  römischen  Teil  der  Insel,  wie  es  scheint,  nach  dem  Muster  der 
hieronischen  Herrschaft  einheitlich  geregelt.  Um  dieselbe  Zeit  wie  Sizilien 
erhielt  auch  Sardinien  seinen  eigenen  Prätor. 


')  Polyb.  I,  88,  7.    Diodor  XXV  6  gibt  Antiken  Schlachtfeldern  111,2, 1912,  521  ff. 

vier    Jahre    vier    Monate,    was    nur    ein  -)  Vgl.  Marquardt,  Rom.  Staatsverwalt. 
Schreibfehler  ist;    denn  Diodor   hat  hier   i    I^  242.    Die  erste  Einrichtung  Siziliens  ist 

aus  Polybios    geschöpft.    Anders   O.  Gil-  nur  unsicher  bekannt.    Nähere  Kenntnis 

BERT,  Rom  und  Karthago  in  ihren  gegen-  haben  wir   erst  aus  späterer  Zeit  durch 

seifigen  Beziehungen  513 — 536  a.  u.  c.  (241  Ciceros  Verinnen.    und    zwischen   diesen 

— 21S  V.  Chr.).  Leipzig  1876.  Vgl.  über  den  und  der  ersten  Ordnung  liegen  der  zweite 

„Söldnerkrieg"    G.  Veith    in    Kromayers  punische  Krieg  und  die  Sklavenkriege. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  18.) 


109 


Allo-emeine  Literatur:  L.  0.  Bröcker,  Geschichte  des  ersten  punischen  Krieges, 
Tübino-en  1841.  —  K.  Haltaus,  Geschichte  Roms  im  Zeitalter  der  punischen  Kriege, 
Leipzig  1846.  —  C.  Neumann,  Das  Zeitalter  der  punischen  Kriege,  hrsg.  und  ergänzt 
von  G  Faltin,  Breslau  1883.  —  0.  Meltzer,  Geschichte  der  Karthager  II  252  flf.  — 
Niese.  Geschichte  der  griech.  und  maked.  Staaten  II  174  ff.  —  Beloch,  Gnecliische 
Geschichte  III  1,  G64  ft'. 

18.  Illyrische  und  gallische  Kriege. 0  An  der  illyrischen  Küste  hatte 
sich  unter  König  Agron,  dem  Sohn  des  Pleuratos,  ein  ansehnliches  Reich 
gebildet,  das  im  Süden  bis  an  Epirus  reichte,  im  Norden  vielleicht  noch 
die  Dalmater  einschloß  und  sich  in  lockerem  Gefüge  aus  dem  Gebiet  ab- 
hängiger Städte,  Stämme  und  Fürsten  zusammensetzte.  Agron  griff  als  Ver- 
bündeter des  Königs  Demetrios  von  Makedonien  (reg.  239—229  v.  Chr.)  in 
dessen  griechische  Kämpfe  ein,  bedrohte  Epirus  und  die  griechischen  Städte 
am  ionischen  Meer  und  brandschatzte  die  griechischen  Küsten,  wodurch  der 
illyrische  Seeraub  seinen  Aktionsradius  erweiterte.  Auch  italische  Kaufleute 
wurden  davon  betroffen,  besonders  im  Jahr  230  v.  Chr.,  als  eine  illyrische 
Flotte  vor  der  epirotischen  Bundesstadt  Phoinike  lag  und  die  Vorbeifahrenden 
plünderte.  Nun  nahm  sich  der  Senat  der  geschädigten  Italiker  an  und 
verlangte  Genugtuung.'^)  Aber  die  Königin  Teuta,  seit  231  v.  Chr.  Nach- 
folgerin ihres  Gemahls  Agron,  gab  eine  ausweichende  Antwort;  ja  einem 
der  römischen  Gesandten,  der  eine  sehr  freimütige  und  energische  Sprache 
geführt  hatte,  schickte  sie  Häscher  nach,  die  ihn  töten  sollten.  3)  Im  näch- 
sten Jahr  (229  v.  Chr.)  wurden  daher  die  beiden  Konsuln  Cn.  Fulvius  und 
L.  Postumius  mit  Heer  und  Flotte  über  die  Adria  gesandt.  Damit  griffen  die 
Eömer  in  den  Bereich  Makedoniens  über:  aber  Makedonien  mußte  den  Über- 
grifft dulden,  da  gerade  um  diese  Zeit  der  König  Demetrios  mit  Hinter- 
lassung eines  unmündigen  Sohnes  starb  und  im  Königreich  Unruhen  aus- 
brachen, die  der  Regent  Antigonos  Doson  erst  nach  einiger  Zeit  nieder- 
werfen konnte.  Andererseits  machten  die  Römer  bei  dieser  Gelegenheit 
gemeinschaftliche  Sache  mit  den  Aetolern  und  Achäern,  die  mit  Makedonien 
in  Krieg  lagen. 

TVlit  überlegener  Macht,  mit  200  Kriegschiffen  und  einem  Landheer  von 
22  000  Mann  setzten  die  Römer  nach  Illyrien  über.  Kurz  vor  ihrer  An- 
kunft hatten  die  Illyrier  Korkyra  erobert,  nachdem  die  kleine  achäisch- 
ätolische  Flotte,  die  den  Korkyräern  zu  Hilfe  kam,  geschlagen  worden 
war.  Aber  die  Insel  wurde  den  Römern  durch  den  Beauftragten  der  Teuta, 
den  Dynasten  Demetrios  von  Pharos,  sogleich  übergeben,  und  die  übrigen 
hellenischen  Städte  stellten  sich  in  den  Schutz  der  Römer,  die  jetzt  zum 
Angriff'  vorrückten.    Die  Illyrier   konnten    sich   nirgends   behaupten;  Teuta 

1)   Polybios   II  1  ff.    kommt   allein    als  !   reich  XVIII   (1895)   133  ff.,    wo   versucht 

Quelle  iii  Betracht.    Die  übrigen  Berichte  j    wird,  namentlich  Appians  Darstellung  zu 

gehen  auf  eine  stark  verderbte  Überliefe-  \   verwerten.    Vgl.  Niese,    Gescluchte    der 

rung   zurück;    namentlich    gilt  dies   von  griech.  u.  maked.  Staaten  II  281  ff. 

den  Resten    des  Livius   und  Cassius  Dio  :        ^)  Nach    Appian  Illyr.  7    ruft   das   von 

(Zonaras)  mit    ihren  vielen,    fast  alljähr-  den  Illyriern   belagerte  Issa  den  Schutz 

liehen  Kriegen,  aber  auch  Appians  Illyrike  der    Römer   an.    Aber   damals    war  Issa 

ist  nicht  einwandfrei.    Eine  Darstellung  schwerlich  schon  mit  Rom  verbündet, 

des  illvrischen  Krieges  bei-G.  Zipfel,  Die  |        ')  Polyb.  II  8,  12.    Appian  Illyr.  7.    Mit 

Tömische  Herrschaft    in  Illyrien   bis   auf  ;    starker   Übertreibung  Cassius  Dio^  ti\  49 

Augustus,    Leipzig  1877,    und   bei  Bauer,  vol.  I  p.  180 Boiss.  Vgl.  Plin.h.n.  XXXIV  24. 

Archäolog.  epigraph.  Mitteil,   aus   Öster-  | 


IXQ  Römische  Geschichte. 

mußte  nach  Rhizon  (Golf  von  Cattaro)  entweichen,  die  Parthiner  und  Atin- 
tanen,  letztere  an  der  Grenze  von  Epirus  wohnhaft,  schlössen  sich  den 
Römern  an.  Der  Sieg  der  Römer  war  so  vollständig,  daß  das  Gros  ihres 
Aufgebots  heimkehren  konnte,  und  im  nächsten  Jahr  (228  v.  Chr.)  bequemte 
sich  Teuta  zum  PVieden.  Sie  verpflichtete  sich,  höchstens  zwei  Schiffe  nach 
Süden  über  Lissos  (heute  Alessio)  hinaus  segeln  zu  lassen,  verzichtete  auf 
den  größten  Teil  ihres  Gebietes  und  versprach  Tributzahlung.  Der  Haupt- 
bestand des  ihr  abgenommenen  Gebiets  kam  an  Demetrios  von  Pharos. 
Korkyra,  ApoUonia,  Epidamnos,  die  Inselstadt  Issa  (heute  Lissa),  die  Atin- 
tanen  und  Parthiner  traten  in  die  römische  Bundesgenossenschaft  ein.  Der 
Konsul  Postumius  ließ  den  Friedensvertrag  den  Aetolern  und  Achäern  noti- 
fizieren, was  diese  beifällig  aufnahmen;  die  Römer  Avaren  den  Hellenen 
damals  willlcommene  Helfer  gegen  den  Druck  der  Makedonen.  Bald  darauf 
ging  eine  römische  Gesandtschaft,  die  erste,  die  in  Hellas  erschien,  nach 
Korinth  und  Athen ;  die  Korinther,  damals  Mitglieder  des  achäischen  Bundes, 
bewilligten  den  Römern  Zutritt  zu  den  isthmischen  Spielen,  womit  die  Römer 
gewissermaßen  als  Hellenen  anerkannt  wurden. 

Um  diese  Zeit  sah  sieh  Rom  durch  die  Kelten  in  Oberitalien  aufs  neue 
belästigt.  Die  dortigen  Kelten  w^aren  ein  wohlhabender,  tapferer,  volkreicher 
Stamm,  seit  langem  seßhaft  und  nicht  mehr  so  unruhig  wie  ehedem.  Die 
Römer  müssen  lange  Zeit  mit  ihnen  in  Freundschaft  gelebt  haben;  während 
der  ganzen  Dauer  des  punischen  Krieges  haben  die  Gallier  sich  nicht  ge- 
rührt. Aber  hinter  den  Cisalpinern  standen  die  kriegerischen  Transalpiner, 
die  leicht  ihre  südlichen  Stammesbrüder  in  Bewegung  bringen  konnten. 
238  V.  Chr.  drang  ein  transalpinisches  Heer  vor,  riß  einen  Teil  der  Bojer 
mit  sich,  kam  aber  nur  bis  Ariminum.  Die  Kelten  gerieten  in  Zwietracht 
und  rieben  sich  untereinander  auf.  ^)  Doch  mußten  sich  die  Römer  auf  ähn- 
liche keltische  Überraschungen  gefaßt  machen. 

Im  Jahr  232  v.  Chr.  wurde  auf  Antrag  des  volksfreundlichen  Tribunen 
C.  Flaminius  das  gallische  Grenzland,  der  sog.  aqer  Galücus,^)  zur  Verteilung 
an  das  römische  Volk,  zur  Ansiedlung  römischer  Bürger  bestimmt.  Wie  es 
nun  kam,  daß  die  Gallier,  besonders  die  benachbarten  Bojer,  dadurch  in 
Erregung  versetzt  wurden,  da  das  Land  doch  schon  285  v.  Chr.  erobert  war, 
ist  nicht  klar.  Jedenfalls  sahen  sich  die  Gallier  in  ihrer  Existenz  bedroht, 
die  Bojer  taten  sich  mit  den  Insubrern  zusammen  und  rüsteten  zum  Krieg, 
für  dessen  Zweck  sie  ein  großes  Heer  transalpinischer  Kriegsleute,  sog. 
Gäsaten,  zusammenbrachten  und  in  ihren  Sold  nahmen. s)  Mit  Besorgnis  sah 
man  in  Rom  den  Angriff  kommen  und  traf  Abwehrmaf3nahmen.  Die  Bundes- 
genossen mußten  Listen  ihrer  wafPenfähigen  Mannschaft  einreichen,  deren 
Inhalt  uns  am  besten  bei  Polybios*)  erhalten  ist.  Es  ergab  sich  eine  Summe 


')  Polyb.  II 21,  5.  Bei  Zonaras  VIII 18,  2  Polyb.  II  22.  1.    Pollux  onom.  VII  156. 

(Cass.  Dio  I  p.  174  Boiss.)   ist   daraus   ein  |        *)  Polyb.  II  24.    Es  fehlen  darin  die  socü 

Krieg  gegen  die  Bojer  (und  Ligurer)  ge-  '   navahs,  zu  denen  vielleicht  auch  die  Bret- 

worden,  der  drei  Jahre  (238 — 236  v.  Chr.)  '    tier  gehören.   Vgl.  Mommsen,  Rom.  Forsch, 

währt.  II  382  ff.;   J.  Beloch,  Rhein.  Mus.  XXXII 

2)  Polyb.  II  21,  7  ff .    Cic.  Brut.  57.  245;  Herzog  in  den  commentationes  Momm- 

3)  ruiaäroi    bedeutet  berufsmäßige,  um  1   senianae  124  f. 
Sold  dienende  Krieger,  ymoor  ist  der  Speer.  | 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chi-.).    (§  18.)       Hl 

von  700000  Heerespflichtigen,  darunter  gegen  70000  Reiter.  Willig  folgten 
die  Italiker  dem  Aufruf  Roms  gegen  den  gemeinsamen  Feind;  denn  als 
solchen  sah  man  die  heranrückenden  Völkerschwärme  an.  Auch  gelang 
es  den  Römern,  einen  der  gallischen  Stämme,  die  Cenomanen,  und  ebenso 
die  Veneter  zu  Bundesgenossen  zu  gewinnen. 

Nach  mehrjährigen  ausgedehnten  Werbungen  war  das  Heer  der  Gäsaten 
beisammen,  gegen  50000  Mann  zu  Fuß,  gegen  20000  zu  Roß  und  Wagen; 
geführt  von  den  Königen  Aneroestos  und  Konkolitanos  erschienen  sie  225 
V.  Chr.  südlich  der  Alpen  und  setzten  sich,  verstärkt  durch  Taurisker^)  mit 
den  Insubrern  und  Bojern  nach  Süden  in  Bewegung.  Die  Römer  stellten 
in  erster  Linie  zwei  Heere  auf,  bei  Ariminum  den  Konsul  L.  Aemilius  (Papus), 
in  Etrurien  bundesgenössische  Aufgebote,  zusammen  149  200  Mann  zu  Fuß 
und  7600  Reiter.  Der  andere  Konsul  C.  Atilius  (Regulus)  war  nach  Sardinien 
geschickt,  von  wo  er  schleunigst  zurückberufen  wurde.  Die  Feinde  wandten 
sich  nicht  gegen  Ariminum,  sondern  drangen  über  den  Appennin  in  Etrurien 
bis  Clusium  vor  und  schlugen  das  dort  stehende  Heer.  Als  jedoch  Aemilius 
von  Ariminum  heranzog,  gingen  sie  zurück,  um  zunächst  die  reiche  Beute 
in  Sicherheit  zu  bringen.  Aemilius  folgte,  und  da  gleichzeitig  Atilius  bei 
Pisa  gelandet  war  und  südwärts  heranzog,  wurden  die  Gallier  in  die  Mitte 
genommen  und  in  einer  großen  Doppelschlacht  bei  Telamon  durch  die  über- 
legen geführten  und  besser  bewaffneten  Römer  geschlagen  und  vernichtet. 
Nur  ihre  Reiterei  entkam.  Konkolitanos  wurde  gefangen,  Aneroestos  tötete 
sich  selbst,  auf  römischer  Seite  fiel  der  Konsul  Atilius.  Ein  Einfall  in  das 
Gebiet  der  Bojer  schloß   sich  an  den  großen  Sieg  an. 2) 

Nunmehr  gedachten  die  Römer,  die  Gallier  ganz  aus  Oberitalien  zu 
verdrängen;  sie  erzwangen  224  v.  Chr.  durch  einen  kraftvollen  Angriff  die 
Unterwerfung  der  Bojer.  Weitere  Erfolge  wurden  durch  die  Ungunst  der 
Witterung  verhindert.  Erst  im  nächsten  Jahr  (223  v.  Chr.)  gingen  die  Römer 
an  der  Mündung  des  Addua  im  Einvernehmen  mit  den  dort  ansässigen 
Anaren  über  den  Po  gegen  die  Insubrer  vor,  erlitten  aber  eine  Niederlage 
und  mußten  wieder  zurück.  Sie  überschritten  nun  den  Strom  weiter  ab- 
wärts, gingen  über  den  Clusiusfluß,^)  vereinigten  sich  mit  den  verbündeten 
Cenomanen,  rückten  von  Osten  ins  feindliche  Gebiet  ein  und  schlugen  unter 
dem  Konsul  C.  Flaminius  die  Insubrer.  Die  Besiegten  baten  jetzt  um  Frieden, 
allein  der  Senat  wollte  den  Krieg  fortsetzen.  Die  Insubrer  nahmen  aufs 
neue  30000  Gäsaten  in  Dienst  und  gingen  offensiv  über  den  Po  vor.  Nach 
längeren,  schwierigen  Kämpfen  um  Acerrae  und  Clastidium  (wo  der  Konsul 
M.  Claudius  Marcellus  den  gallischen  Feldherrn  Virdumarus  tötete  und  die 
spoUa  opima  gewann),^)  wurde  endlich  der  befestigte  Hauptort  der  Insubrer, 

^)  Unter  diesen  Tauriskeru  sind  nicht  ;  *)  Plut.  Marc.  6.  Propertius  V  10,  39. 
etwa,  wie  z.  B.  Nissen,  Ital.  Landeskunde  !  Nach  den  Triumphalfasten  hat  später  Mar- 
II 163  glaubt,  die  Tauriner  (beim  heutigen       cellus  über  die  Go-mani  triumphiert,  wo- 


Turin)  zu  verstehen ;  diese  waren  Ligurer. 

'^)  Der  Bericht  des  Polybios  über  den 
Gallierkrieg  geht  auf  Fabius  Pictor  zurück, 
vgl.  E.  Norden,  Ennius  u.  Vergilius,  Leipz.- 
Berl.  1915,  107,  1;  112  f. 

3)  Vgl.  MoMMSEN,  CIL  V  p.  4:13  u.  Nissen, 
Ital.  Landeskunde  II  196,  2. 


mit  die  Gäsaten  gemeint  sein  müssen.  Die 
Germanen  sind  von  den  Antiquaren  der 
augusteischen  Zeit  hier  eingesetzt  worden, 
wie  denn  auch  Properz  die  Feinde  vom 
Rhein  her  gekommen  sein  läfst.  Müllen- 
HOFF,  Deutsche  Altertumskunde  II  194. 


112  Römische  Geschichte. 

Mediolanium,  durch  den  Konsul  Cn.  Cornelius  (Scipio)  genommen  und  der 
Stamm  vmterworfen.  Bqjer  und  Insubrer  mußten  den  Römern  Geiseln  stellen 
und  Tribut  zahlen.  Auf  dem  bojischen  Gebiet  wurde  sogleich  die  Kolonie 
Mutina  angelegt,  auch  wurden  ringsum  römische  Bürger  angesiedelt;  durch 
zwei  andere  Kolonien,  Placentia  und  Cremona,  sollte  die  Polinie  für  Rom 
gesichert  werden. 

Ihre  ursprüngliche  Absicht,  die  Vernichtung  der  Gallier,  haben  die  Römer 
freilich  nicht  verwirklicht;  sie  hatten  in  dem  Krieg  selbst  beträchtliche  Ver- 
luste und  wurden  mit  den  Transpadanern  nicht  ohne  Hilfe  verbündeter 
gallischer  Stämme  fertig. 

19.  Rom  und  Karthago.')  Zweiter  illyrischer  Krieg.  Auf  den  galli- 
schen Krieg  folgt  ein  neuer  Krieg  mit  dem  gedemütigten  und  durch  den 
Raub  Sardiniens  erbitterten  Karthago,  der  zweite  punische.  Gleich  nach 
dem  Söldnerkriege  war  Hamilkar  Barkas  nach  Spanien  gegangen 2)  und  hatte 
die  kartliagische  Herrschaft,  die  sich  bis  dahin  nur  auf  die  Südküste  er- 
streckte, konsolidiert  und  ausgebaut.  Auch  die  Numider  in  Afrika  hielt  er 
von  hier  aus  im  Schach.  Die  karthagischen  Feldherren  seines  Schlags  haben 
eine  fast  königliche  Stellung  und  vertreten  mit  großer  Selbständigkeit  ihren 
Staat;  die  karthagischen  Bürger  im  Heer  bilden  eine  Art  beschlußfähiger 
Volksversammlung,  Mitglieder  des  Rates  und  der  Gerusia  begleiten  den 
Feldherrn  als  amtliche  Berater  (ovreögoi).^)  Hamilkar  unterwarf  in  sieg- 
reichem Krieg  eine  Reihe  iberischer  Völkerschaften;  er  fiel  bei  einer  Be- 
lagerung^) nach  neunjähriger  Tätigkeit  229  v.  Chr.  durch  einen  feindlichen 
Überfall,  worauf  das  Heer  in  Spanien  zum  Nachfolger  seinen  Schwiegersohn 
Hasdrubal  wählte.  Hasdrubal  rächte  Hamilkars  Tod  und  wußte  dann  nament- 
lich durch  Verträge  mit  den  Iberern  die  karthagische  Herrschaft  bedeutend 
zu  vei'größern.  An  der  Mittelmeerküste  schuf  er  den  großen  Waffenplatz 
Neukarthago  {Kaivi]  :n6hg).  Die  Römer  hatten  anfangs  die  karthagischen 
Fortschritte  in  Spanien  außer  Acht  gelassen,  um  nun  mit  Besorgnis  dieser 
Erfolge  gewahr  zu  werden,  aber  die  Gallier  banden  ihre  Kräfte  an  Italien. 
Zur  Zeit,  da  der  gallische  Angriff  drohte,  lag  es  im  römischen  Interesse, 
sich  gegen  Karthago  zu  sichern,  und  Rom  schloß  daher  226  v.  Chr.  mit 
Hasdrubal    einen  Vertrag,    in    dem    sich    dieser   verpflichtete,    den    Ebro   in 


')  Polybios  II  1,  13,  36;  III  13.  Diodor  Sagunti  qnaesfiones  chronoJogicae,  Königs- 
XXV  8  ff.  Livius  gibt  eine  ganz  verkehrte  berg  1886;  Oehler,  N.  Jahrb.  f.  Philol. 
Chronologie.  Da  er  sowohl  die  spanischen  Bd.  143  (1891)  421  f.  (über  Sagunt) ;  Thiaü- 
Kriege  Hannibals  von  220  als  auch  die  court,  Lc.s-  caiisies  et  Vorigine  de  Ja  seconde 
Eroberung  Sagunts  von  219  ins  Jahr  218  guerre  punique,  Paris  1893. 
V.  Chr.  setzt,  so  hat  sich  demgemäfs  die  -)  Über  die  spanischen  Kriege  der  Kar- 
Ankunft  Hamilkars  in  Spanien  auf  236,  thager  haben  wir  außer  Polybios  einige 
sein  Tod  auf  227  und  Hasdrubals  Tod  auf  Fragmente  aus  Diodor  XXV.  Vor  der 
220  V.  Chr.  verschoben.  Mit  Unrecht  wird  jüngeren  römischen  Überlieferung,  hier 
diese  Chronologie  von  einigen  Gelehrten  durch  die  Fragmente  des  Cassius  Dio  ver- 
verteidigt. Neuere  Literatur:  Hennebert,  treten,  ist  wiederum  zu  warnen. 
Hisfoh-e  d'Annibal  I  29.3.  O.  Gilbert,  Rom  *)  Vgl.  den  Vertrag  Hannibals  mit  Phi- 
und  Karthago  usw. ;  O.  Meltzer,  Geschichte  lippos  bei  Polyb.  VII  9. 
der  Karthager  II 393  f.;  G.  Egelhaaf,  Hist.  ■•)  Die  belagerte  Stadt  wird  von  Diodor 
Zeitschr.  N.  F.  XVII  431 ;  W.  Sieolin,  Die  XXV  10, 3  Hehke  genannt,  vielleicht  Ilici, 
Chronologie  der  Belagerung  von  Sagunt,  j  das  heutige  Elche  bei  Alicante.  Meltzer 
Leipzig  1878;   J.  Büzello,  De  oppugnatione   \   a.  a.  O.  403. 


5.  Dritte  Periode :  Bis  ziir  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§19.)      113 

kriegerischer  Absicht  nicht  zu  überschreiten.  Was  südHch  vom  Flusse 
lag,  war  damit  offenbar  als  karthagische  Interessensphäre  anerkannt.') 

Nach  achtjährigem  Kommando  endete  Hasdrubal  221  v.Clir.. durch  Mord; 
ihm  folgte,  ebenfalls  als  Erwählter  des  Heeres  und  des  karthagischen 
Volkes,  sein  Schwager,  Hamilkars  Sohn  Hannibal,  ein  junger  Mann  von 
26  Jahren.  Er  vollendete  das  Werk  seiner  Vorgänger;  221  v.  Chr.  bezwang 
er  die  aufständischen  Olkaden,  im  nächsten  Jahr  besiegte  er  die  keltiberi- 
schen  Vaccäer  und  eroberte  ihre  Städte,  darunter  Salmantica  (Salamanca). 
Auf  der  Rückkehr  schlug  er  ein  großes  Heer  der  Karpetaner  mit  dem  Er- 
folg, daß  südlich  vom  Ebro  kein  Widerstand  mehr  sich  regte.  Nur  Saguntum 
(Zdxarda),  eine  volkreiche  Stadt,  weit  südlich  vom  Ebro,  sieben  Stadien 
vom  Meer  entfernt,  2)  behauptete  noch  die  Unabhängigkeit,  und  Hannibal 
bereitete  sich  zum  Angriff  auf  diese  Stadt  vor,  die  ihm  durch  ihre  feind- 
selige Haltung  Anlaß  zum  Kriege  bot.  Vor  kurzem  hatten  nun  die  Römer 
mit  Sagunt  ein  Bündnis  geschlossen,  nach  anfänglichem  Zögern, 3)  und  so- 
bald der  gallische  Krieg  beendet  war,  beschlossen  sie  die  weitere  Aus- 
breitung der  karthagischen  Macht  zu  hindern.  Sagunt  sollte  ihnen  dabei 
als  Stützpunkt  dienen;  sie  ließen  daher  durch  eine  Gesandtschaft  (Herbst 
220  V.  Chr.)  den  Hannibal  vor  Feindseligkeiten  gegen  die  Stadt  warnen. 
Der  Karthager  wies  sie  ab  und  begann  im  Frühjahr  219  v.  Chr.  den  An- 
griff auf  Sagunt.  Er  war  entschlossen,  eine  römische  Einmischung  südlich 
des  Ebro  nicht  zu  dulden,  selbst  auf  die  Gefahr  eines  Krieges.  Nachdem 
die  Wegnahme  Sardiniens  die  Karthager  darüber  belehrt  hatte,  was  von 
den  Römern  zu  ei'warten  stand,  war  bei  den  leitenden  Männern,  vor  allem 
bei  Hamilkar  und  seinem  Haus  ein  glühender  Haß  gegen  Rom  entstanden. 
Man  wich  jetzt  dem  Krieg  nicht  mehr  aus;  Hannibal  sah  ihm  wohlgerüstet 
und  mit  Zuversicht  entgegen;  er  befand  sich  dabei  in  vollem  Einverständnis 
mit  der  Regierung  in  Karthago. 

Um  diese  Zeit  mußten  die  Römer  abermals  in  Illyrien  einschreiten,  da 
ihr  dortiger  Besitz  bedroht  war.  Denn  es  machte  sich  der  Einfluß  Make- 
doniens geltend,  das  unter  Antigonos  Doson  zu  neuer  Macht  gelangt  war, 
war  doch  fast  der  ganze  Peloponnes,  besonders  der  achäische  Bund,  durch 

^)  Gegen  die  Anwendbarkeit  dieses  aus  ^)  Im  Jahr  226  v.  Chr.  kann  Sagunt 
dem  modernen  Kolonialreeht  stammen-  noch  nicht  unter  römischem  Schutz  ge- 
den  Begriffs  wendet  sich  allerdings  E.  standen  haben,  sonst  hätte  der  Vertrag 
Täubler,  Vorgeschichte  des  2.  pun.  Kriegs,  mit  Hasdrubal  nicht  geschlossen  werden 
Berl.  1921,  61,  nach  dessen  Ansicht  poli-  können,  der,  wenn  auch  nicht  ausdrück- 
tische Verbindungen  der  Römer  südlich  lieh,  so  doch  dem  Sinn  nach  alles,  was 
des  Ebro  durch  das  Abkommen  sowenig  südlich  des  Ebro  lag,  den  Karthagern 
ausgeschlossen  worden  wären,  wie  solche  überHeß.  Allerdings  war  Sagunt  in  dem 
von  Seiten  Karthagos  im  Norden.  Daß  |  Vertrag,  wie  wir  bestimmt  wissen,  nicht 
aber  mit  diesem  .,Notbehelf"  keine  be-'  erwähnt.  Vgl.  G.  Egelhaaf  a.  a.  O.  Über 
friedigende  Situation  geschaffen  war,  muß  den  Ursprung  des  Kriegs  und  die  Händel 
T.  zugeben.  mit  Sagunt  vgl.  Ed.  Meyek,  SB.  Berl.  Ak. 

-)  Die  Nachricht,    daß    Saguntum   eine  1913,  688  ff.    E.  Täubler,  Die  Vorgeschichte 

Kolonie  von  Zakynthos  sei  und  von  Ardea  des  2.  pun.  Kriegs,  Berl.  1921,  sucht  nach- 

in  Latium  Kolonisten  empfangen  habe  zuweisen,  daß  der  römische  Vertrag  mit 
(Appian.  Iber.  7.  Liv.  XXI  7,  2),  ist  eine  aus    i    Sagunt  älter   als  das  Ebroabkommen  sei 

der  Namensähnlichkeit  abgeleitete  Fabel.  und  mit   diesem    nicht   im  Widerspruch 

Die     griechische     Namensform     Zäy.arOa  stehe  (vgl.  oben  A.  1).    Dagegen  Eu.  Meyer, 

spricht  sehr  dagegen.  Saguntum  war  eine  Hannibal  und  Scipio  in  „Meister  der  Poli- 

iberische  Stadt.                                      '  tik"  I,  1922,  81,  1. 

Handbnch  der  klass.  Altertuniswissenscliaft.    III,  5.    5.  Aufl.  8 


114 


Römische  Geschichte. 


den  kleomenischen  Krieg  und  den  Sieg  bei  Sellasia  (222  v.  Chr.)  unter  die 
makedonische  Hegemonie  geraten.  Demetrios  von  Pharos  hatte  sich  den 
Römern  entfremdet  und  an  Antigonos  angeschlossen.  Als  nunmehr  der 
Krieg  mit  Karthago  drohte,  brach  er  ganz  mit  Rom,  griff  die  Städte  der 
illyrischen  Küste  an  und  erschien  220  v.  Chr.  mit  seinen  Raubschiflfen  in 
den  griechischen  Gewässern.  Die  Römer  beschlossen  daher,  ehe  sie  in  den 
Krieg  mit  Karthago  eintraten,  mit  Demetrios  abzurechnen.  Auch  jetzt  waren 
die  Umstände  ihnen  günstig;  soeben  M^ar  Antigonos  Doson  gestorben  und 
sein  Nachfolger  Philippos,  der  Sohn  des  Dometrios,  wurde  kurz  darauf  (220 
v.Chr.)  in  einen  dreijährigen  Krieg  gegen  die  Aetoler  und  ihre  Verbündeten, 
in  den  sog.  Bundesgenossenkrieg,  verwickelt.  Rasch  glückte  es  dem  Konsul 
L.  Aemilius  (Paulus),  mit  überlegener  Macht  den  Demetrios  niederzuwerfen. 
Dessen  stärkste  Plätze,  Dimallos  am  Festland  und  Pharos  auf  der  gleich- 
namigen Insel,  wurden  bald  erobert,  Demetrios  floh  zu  Philippos,  seine  Unter- 
tanen und  Verbündeten  unterwarfen  sich  dem  Sieger,  Pharos  und  Dimallos 
wurden  von  den  Römern  in  eigenen  Besitz  genommen  und  sonst  in  Illyrien 
befreundete  Dynasten  gefördert  und  der  römische  Einfluß  möglichst  befestigt,  i) 
Die  Römer  hatten  gehoflPt,  daß  Sagunt  den  Karthagern  längeren  Wider- 
stand leisten  könne,  allein  nach  achtmonatlicher,  mühevoller  Belagerung 
wurde  die  Stadt  mit  reicher  Beute  von  Hannibal  erobert.  2)  Die  Römer  ver- 
langten darauf  in  Karthago  die  Auslieferung  des  Hannibal  und  seiner  kartha- 
gischen Berater;  dies  schmachvolle  Ansinnen  mußte  verweigert  werden,  und 
Karthago  nahm  den  ihm  angebotenen  Krieg   an.^) 

20.  Der  zweite  punische  Krieg.  Erster  Teil.^)  Die  Römer  hegten  den 
Plan,  das  karthagische  Gebiet  zugleich  in  Afrika  und  Spanien  anzugreifen. 
Für  den  Krieg  in  Spanien  wurde  der  Konsul  P.  Cornelius  Scipio  bestimmt ;^) 


')  G.  ZipPEL,  Die  röm.  Herrschaft  in 
Illyrien  S.  54  f.  Niese,  Geschichte  der 
griech.  u.  maked.  Staaten  II  417,  436  f. 

^)  Die  bekannte  Erzählung  von  der  Be- 
lagerung und  dem  heroischen  Untergang 
Sagunts  und  seiner  Bewohner  bei  Diodor 
XXV  15.  Liv.  XXI  7  f.  Appian  Iber.  12  ist 
ein  wertloses  rhetorisches  Effektstück.  Die 
Stadt  bestand  weiter  und  wurde  neu  be- 
völkert. G.  Jung,  Beiträge  zur  Charak- 
teristik des  Livius  (Diss.  Marburg  1903)  45  f. 

^)  Die  Meinung,  daß  der  zweite  pvuiische 
Krieg  von  Hamilkar  ßarkas  oder  Has- 
drubal  aus  eigennützigen  Motiven  gewollt 
sei,  ist  bald  nach  dem  Krieg  entstanden; 
schon  Fabius  Pictor  beschuldigt  den  Has- 
drubal  (Polyb.  III  8),  spätere  Historiker 
übertragen  die  Beschuldigung  auf  Hamil- 
kar (Appian  Iber.  4  f.  Hannib.  2),  sie  ist 
aber  nicht  begründet.  Daß  es  in  Karthago 
zwei  große  Parteien  gab,  daß  Hamilkar 
und  Hannon  Widersacher  waren,  daß  end- 
lich Hamilkar  und  seine  Familie  die  trei- 
bende Kraft  des  Krieges  war,  ist  gewiß, 
aber  die  überwiegende  Mehrheit  in  Kar- 
thago stand  auf  ihrer  Seite  (Polyb.  III 
9,  6  ff'.),  und  zwar  bis  zum  Ende  des  Krie- 


ges, und  ob  Hannon  wirklich  gegen  den 
Krieg  mit  Rom  gewirkt  und  Nachgiebig- 
keit befürwortet  hat,  ist  sehr  zweifelhaft. 
Bekanntlich  läßt  ihn  Livius  XXI 10  gegen 
den  Krieg  reden,  aber  seine  Rede  ist  ein 
Phantasieprodukt  des  Livius.  Erst  nach 
dem  Ende  des  Krieges  gelangen  die  Gegner 
der  Barkiden  in  Karthago  zu  Einfluß. 

•*)  Vgl.  L.  v.  ViNCKE,  Der  zweite  punische 
Krieg  und  der  Kriegsplan  der  Karthager, 
Berlin  1841 :  Rospatt,  Feldzüge  Hannibals 
in  Italien,  Münster  1864;  Hennebekt,  ///- 
stoire  d'Annibal,  3  Bde.,  Paris  1870,1878,1891; 
C.  Neumann,  Geschichte  Roms  im  Zeitalter 
der  punischen  Kriege,  Breslau  1873;  W. 
Streit,  Zur  Geschichte  des  zweiten  puni- 
schen Krieges  (Berliner  Studien  zur  klass. 
Phil.  u.  Archäologie  VI  2),  Berlin  1887. 

^)  Eine  von  der  Überlieferung-  ab- 
weichende Ansicht  über  den  römischen 
Kriegsplan  suchen  zu  begründen  J.  Fuchs 
(der  zweite  pun.  Krieg  und  seine  Quellen, 
Wiener  Neustadt  1894)  und  H.  Delbrück 
(Geschichte  der  Kriegskunst  I'^  317  ff.). 
Vgl.  dazu  Nieses  Bemerkungen  in  den 
Gott.  gel.  Anz.  1901   S.  616  ff. 


5.  Dritte  Periode :  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.Chr.).    (§20.)      115 

hiefür  bildete  das  den  Römern  von  alters  her  befreundete  Massalia  einen 
wichtigen  Stützpunkt.  Die  Massalioten  waren  seit  langer  Zeit  Rivalen  der 
Karthager  an  der  spanischen  Küste,  sie  hatten  dort  eigene  BesitzAingen  und 
unterhielten  Verbindungen  mit  den  spanischen  Völkerschaften,  zunächst  nörd- 
lich des  Ebro. ')  Den  Angriff  auf  Afrika  leitete  der  Konsul  Ti.  Sempronius 
Longus,  der  sich  mit  Heer  und  Flotte  nach  Sizilien  begab  und  mit  Hilfe 
Hierons  die  Überfahrt  vorbereitete.  Auf  karthagischer  Seite  hatte  Hannibal 
die  Leitung.  Er  gedachte  sich  die  strategische  Vorhand  durch  einen  un- 
mittelbaren Angriff  auf  Italien  zu  sichern.  In  dieser  Absicht  setzte  er  sich 
alsbald  (noch  219  v.  Chr.)  mit  den  jüngst  besiegten  italischen  Kelten  in 
Verbindung;  un(^  nachdem  er  sich  ihrer  Hilfsbereitschaft  versichert,  auch 
sich  von  der  Möglichkeit  des  Unternehmens  überzeugt  hatte,  ging  er  an 
die  Ausführung. 2)  In  Erwartung  seines  Angriffs  entstand  schon  im  Früh- 
jahr 219  V.  Chr.  in  Oberitalien  ein  erfolgreicher  Aufstand  der  Bojer,  durch 
welchen  die  dem  Scipio  bestimmten  Truppen  festgehalten  und  der  Ab- 
marsch nach  Spanien  verzögert  wurde.  Hannibal  selbst  sorgte  während  des 
Winters  für  die  Verteidigung  Spaniens  und  Afrikas,  ließ  seinen  Bruder 
Hasdrubal  in  Spanien  zurück  und  brach  im  Frühjahr  218  v.  Chr.  mit  großem 
Heer  aus  Neukarthago  auf,  unterwarf  das  Land  zwischen  Ebro  und  Pyrenäen, 
ging  über  das  Gebirge,^)  bahnte  sich  durch  die  Gallier  Südfrankreichs  einen 
Weg  und  erreichte  die  Rhone  etwas  oberhalb  der  Durance-Mündung.  Der 
Übergang  über  den  Strom  vollzog  sich  ungestört  in  einigen  Tagen,  nach- 
dem die  Gallier,  die  das  jenseitige  Ufer  besetzt  hatten,  vertrieben  waren.-*) 
Dann  ging  der  Vormarsch  am  linken  Ufer  des  Stromes  hinauf  über  die 
Isara  (Isere),  weiter  durch  das  Gebiet  der  Allobroger^)  und  von  hier  in  die 
Alpen  hinein,  wobei  es  zu  Anfang  heftigen  Widerstand  zu  brechen  galt. 
Nachdem  Hannibal  die  Schwierigkeiten  bemeistert  und  die  Feinde  ge- 
züchtigt hatte,  verhielten  sich  im  übrigen  die  Anwohner  seiner  Strafe  zu- 
meist friedlich,  aber  die  Strapazen  des  Marsches  lichteten  die  Reihen.  Nach 
Überwindung  aller  Hindernisse  kam  Hannibal  mit  einem  Heer  von  20000 
Mann  zu  Fuß  und  6000  Reitern  im  Herbst  218  v.  Chr.  in  Oberitalien  bei 
den  Insubrern  an,  fünf  Monate  nach  dem  Ausmarsch  aus  Neukarthago. 

Auf  welchem  Weg  Hannibal  die  Alpen  überschritt,  ist  eine  seit  langer 
Zeit  strittige  Frage.  Es  gibt  hauptsächlich  zwei  Ansichten.  Die  eine  gründet 
sich  auf  Polybios  und  nimmt  den  Paß  des  kleinen  St.  Bernhard  an.  Sie  ist 
von  De  Luc,  später  von  W ick h am  und  Cramer  begründet  und  wird  von 
Niebuhr,    Mommsen   u.  a.    geteilt.    Die    andere  Meinung,    der    sich   auch 

1)    Niese,    Geschichte    der   griech.    und       märsche  von  der  Küste  entfernt  (Polyb. 
makedon.  Staaten  I  489  f.  III  42, 1),  vielleicht  beim  heutigen  Roque- 

maure;  doch  ist  die  Topographie  um- 
stritten. Vgl.  Camille  Jullian,  Histoire  de 
la  Gaule  1  464. 

s)  Die  Allobroger  reichten  hier  südwärts 
nicht  bis  an  die  Isere,  sondern  nach  dem 
Übergang  über  diesen  Flufs  kam  Hannibal 


Polyb.  III 34,  4  ff.  Die  von  Livius  XXI 
2,  2,  neuerdings  z.  B.  von  Konk.  Lehmann 
vertretene  Meinung,  daß  schon  Hamilkar 
den  von  Hannibal  ausgeführten  Angriff 
auf  Italien  geplant  habe,  ist  unbegründet. 

Hamilkar    war    nicht    in    der   Lage,    ein  ^,     ^  . 

solches  Unternehmen  ernstlich  ins  Auge    j    zunächst    zu    einem    anderen    gallischen 
zu  fassen.  !    Stamm,  bei  dem  er  Unterstützung  fand. 


')    Desjakdins,    Geographie    de    Ja    Gaule 
Romaine  II  259  ff. 

■*)  Die  Übergangsstelle  war  vier  Tage- 


Die  Allobroger  waren  ihm  feindlich.  Ihre 
Lage  wird  durch  das  spätere  Vienna  be- 
zeichnet.   Polyb.  III  49,  5  f. 


110 


Römische  Geschichte. 


Napoleon  I.  anschloß,  stützt  sich  auf  Livius,  bei  dem  Hannihal  unterwegs 
an  den  Druentia^  (Durance)  kommt  und  in  Italien  bei  den  Taurinern  an- 
langt,') und  läßt  die  Karthager  über  den  Paß  des  Mont  Genevre  oder  auch 
des  Mont  Cenis  marscliieren.  Endlich  fehlt  es  auch  nicht  an  vermittelnden 
Theorien.  Für  die  Entscheidung  kann  nur  Polybios  maßgebend  sein,  dem- 
zufolge Hannibal,  ehe  er  das  Gebirge  erreichte,  eine  Zeitlang  durch  das 
Land  der  Allobroger  die  Rhone  hinaufging, 2)  ferner  den  befreundeten  In- 
subrern  zuzog,  was  auf  einen  nördlicheren  Weg,  d.  h.  den  kleinen  St.  Bern- 
hard hinführt.-'')  Der  Bericht  des  Livius  ist  wertlos,  da  er  nur  eine  willkür- 
liche, modernisierende  Bearbeitung  des  Polybios  bietet.  Er  läßt  den  Hanni- 
bal Italien  bei  den  Taurinern  erreichen,  weil  mit  diesen  Hannibal  zuerst 
in  feindliche  Berührung  kam.  Es  versteht  sich  aber  von  selbst,  daß  die 
Karthager  nicht  bei  ihren  Feinden,  sondern  bei  ihren  Freunden  ankommen 
mußten  und  wollten,  da  sie  zunächst  der  Hilfe  bedurften.  Außerdem  ist 
es  zweifelhaft,  ob  es  über  den  Mont  Genevre  damals  schon  eine  fahrbare 
Straße  gab.*) 

P.  Cornelius  Scipio,  dessen  Abfahrt  sich  infolge  des  gallischen  Aufstandes 
verzögerte,  erfuhr  auf  dem  Weg  nach  Spanien  an  der  Ehonemündung  von 
Hannibals  Anmarsch,  kam  aber  zu  spät,  um  ihn  aufzuhalten.  Nur  seine 
Eeiter    drangen    nach    einem    glücklichen    Gefecht    mit    der    karthagischen 


')  Ebenso  Strabo  IV  209. 

2)  Was  auch  Livius  XXI  31,  4  f.  dem 
Polybios  nacherzählt. 

')  Wenn  Hannibal  den  Taurinern  zu- 
gesti-ebt  hätte,  so  würde  er  nicht  bis  etwa 
Vienna  gegangen  sein. 

•*)  Über  den  Alpenübcrgang  Hannibals 
gibt  es  aus  älterer  und  neuerer  Zeit  eine 
umfangreiche  Literatur,  und  sämtliche 
Alpenpässe  vom  Monte  Viso  bis  zum  St. 
Gotthard  sind  bereits  in  Vorschlag  ge- 
kommen. Vgl.  Hennebert,  Hi.stoire  (fÄDiu'- 
bal  II43ff.  und  dieLiteraturübersicht  eben- 
das.  S.  555  ff.  Genannt  seien  hier  de  Luc, 
Histolre  du  jmssage  des  Alpes  2>(^>'  Annibal, 
Paris  1825.  Wickham  u.  Gramer,  A  disser- 
tation  OH  tJie  passaqe  of  Hannibal  over  ihe 
Alps,  2d  ed.  London  1828  (deutsch  von 
Fkrd.  Heinr.  Müller,  Berlin  1830).  Momm- 
sen,  CIL  V  7(i5,  Linke,  Die  Kontroverse 
über  Hannibals  Alpenübergang,  Breslau 
1873.  Nissen,  Ital.  Landeskunde  I  155  ff. 
Desjardins,  Grographie  de  la  GauJe  Romaine 
1  81  ff.  J.  Fuchs,  Hannibals  Alponüber- 
gang,  Wien  1897.  W.  Osiander,  Der  Hanni- 
balweg,  Berlin  1900.  Colin,  AnnibaJ  en 
Gaule.  Paris  1904.  Ivonk.  Lehmann.  Die 
Angriffe  der  drei  Barkiden  auf  Italien, 
Leipzig  1905.  Camille  Jullian,  Histolre  de 
la  Gaule  I  451.  Vgl.  Jahresberichte  des 
philol.  Vereins  in  Berlin  (Zeitschrift  für 
Gymnasialwesen)  1898  S.  21  ff.,  1899  S.  28  ff.. 
1901  S.  41  f.,  1903  S.  22  f..  1905  S.  49  f.,  1909 
S.  21  ff.  Von  den  in  letzter  Zeit  verfoch- 
tenen  Ansichten  sei  hier  angeführt,  daß 
Neumann   und   Hennebert   den   Hannibal 


am  linken  Ufer  der  Isere  etwa  bis  Gre- 
noble,  dann  den  Drac  hinauf  ins  Tal 
der  Durance  nach  Embrun  hinübergehen 
lassen  und  von  hier  zum  Paß  des  Mont 
Genevre.  Nach  Osiander  und  Camille 
Jullian  haben  die  Karthager  den  Lauf 
der  Isere  bis  zur  Mündung  des  Are  ver- 
folgt und  durch  das  Tal  dieses  Neben- 
flusses, die  heutige  Maurienne,  den  Paß 
des  Mont  Cenis  erstiegen:  den  Are  hält 
Osiander  für  den  Druentias  des  Livivis. 
KoNR.  Lehmann  vermutet,  Hannibal  sei 
ganz  die  Isere  hinaufgezogen  bis  nahe 
an  die  Quellen  und  dann  über  den  Paß 
des  kleinen  St.  Bernhard  gegangen.  Alle 
diese  Wege  sind  übrigens  schon  von 
älteren  Forschern  in  Erwägung  gezogen 
worden.  Mit  Hecht  betont  V.  Kahrstedt 
(Meltzers  Gesch.  der  Karthager  III,  1913, 
181  ff.),  daß  das  Problem  literarhistorisch 
(oder  vielmehr  quellenkiätisch)  und  nicht 
topographisch  sei;  denn  dem  „Buch  der 
Natur",  wie  Osiander  sagt,  sind  angesichts 
der  allgemeinen  topographischen  Angaben 
der  Alten  nur  solche  Zeugnisse  abzu- 
gewinnen, die  für  jede  Alpenroute  passen. 
Deshalb  ist  die  Analyse  der  Tradition  von 
entscheidender  Wichtigkeit;  vgl.  O.  Viede- 
BANTT,  Hermes  54,  1919,  337  ff.,  der  sich 
auf  Grund  seiner  quellenkritischen  Unter- 
suchung für  den  Kl.  St.  Bernhard  (das 
Creninnis  luguni  des  Coelius  Antipater  nach 
Liv.  XXI  38,  6)  entscheidet.  Kahrstedt 
und  Ed.  Meyer  halten  den  Mont  Genevre, 
Kromayer  und  Camille  Jullian  den  Mont 
Cenis   für  den  wahrscheinlichsten  Weg. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  20.)     117 

Kavallerie  bis  zum  panischen  Lager  vor,  nachdem  Hannibal  die  Rhone  be- 
reits überschritten  hatte.  Scipio  machte  sich  sofort  gegen  den  Feind  auf, 
bekam  ihn  jedoch  nicht  mehr  zu  fassen  und  kehrte  jetzt,  nur  von  seinem 
Stab  begleitet,  nach  Itahen  zurück,  während  er  seinen  Bruder  Gnaeus  mit 
Heer  und  Flotte  nach  Spanien  schickte.  Sein  Kollege  im  Konsulat  Ti. 
Sempronius  wurde  nach  Hannibals  Eintreffen  in  Italien  mit  seinem  Heer 
sofort  von  Lilybaeum  zurückberufen,  der  Angriff  auf  Afrika  also  eingestellt. 

Hannibal  hatte  inzwischen  seinen  erschöpften  Truppen  die  nötige  Er- 
holung gegönnt  und  sich  durch  gallische  Bundesgenossen  verstärkt.  Die 
ligurisdien  Tauriner,  die  sieh  feindhch  zeigten,  wurden  rasch  bezwungen, 
ihre  Hauptstadt  erstürmt.  Scipio  suchte  an  der  Spitze  der  zwei  in  Ober- 
italien stehenden  Legionen  den  Feind  sogleich  bei  den  Insubrern  auf,  erlitt 
jedoch  westlich  vom  Ticinusfluß  nahe  dem  Po  mit  seinen  Reitern  und  leichten 
Truppen  eine  Niederlage  und  sah  sich  genötigt,  über  den  Po  auf  Placentia 
zurückzugehen.  Hannibal  überschritt  den  Strom  und  ging  westlich  von 
Placentia"  den  Römern  gegenüber  in  Stellung.  Nachdem  sich  hier  Sempronius 
mit  Scipio  am  Trebiaflufe  vereinigt  und  einen  kleineren  Erfolg  davongetragen 
hatte,  beschlossen  die  Römer,  den  Hannibal  anzugreifen,  wurden  aber  völlig 
geschlagen  (um  die  Zeit  des  Wintersolstiz,  also  Ende  218  v.  Chr.j.')  Nur  die 
beiden  Pofestungen  Placentia  und  Cremona,  die  gleich  nach  dem  Ausbruch 
des  Krieges  in  Eile  angelegt  und  mit  einer  starken  Kolonistenbesatzung 
versehen  waren,  sollen  sich  den  ganzen  Krieg  über  behauptet  haben; 2)  sonst 
hei  das  galhsche  Gebiet  Oberitaliens  ganz  an  Hannibal  und  Rom  mußte 
eines  Angriffs  auf  Mittelitalien  gewärtig  sein,  zu  dessen  Abwehr  zwei  Heere 
ins  Feld  gestellt  wurden;  der  eine  Konsul,  C.  Flaminius,  ein  Mann  von 
Namen,  nahm  bei  Arretium  in  Etrurien  Stellung,  der  andere,  Cn.  Servilius, 
bei  Ariminum;  auch  Hieron  von  Syrakus  schickte  Hilfstruppen. 

Im  Frühjahr  217  v.  Chr.  brach  Hannibal  unerwartet  auf  einem  kürzeren 
aber  beschwerlichen  Weg  durch  sumpfiges  Gelände,  bei  Faesulae  in  Etrurien 
ein^)  und  durchzog  verwüstend  das  Land.  Noch  ehe  das  zweite  römische 
Heer  herankam,  wurde  C.  Flaminius,  der  den  Karthagern  unvorsichtig  folgte, 
am  trasimenischen  See  zwischen  Cortona  und  Perusia  auf  dem  Marsch  über- 
fallen  und  vernichtend  geschlagen.  Wenige  Tage  später  fiel  die  gesamte 
Reiterei  des  zweiten  Heeres,  die  dem  Flaminius  zur  Hilfe  eilte,  4000  Mann 
unter  C.  Centenius,  dem  Hannibal  in  die  Hände  und  wurde  ebenfalls  auf- 
gerieben, für  die  Römer  ein  schwerer  Verlust,  weil  die  schon  früher  vor- 
handene Überlegenheit   der   karthagischen  Reiterei    dadurch    noch  empfind- 

"i^Polyb.  III  73.  3.    J.  Kromayer,  Antike  ^)  Über  die  Marschroute  Hannibals,  die 

Schlachtfelder  III  1,  1912,  47  ff.,   hat  das  ihn  4  Tage   und  3  Nächte  durch  Sümpte 

linke  Trebiaufer  als  den  Kampfplatz  ge-  führte,  vgl.  J.  Kromayekj  Antike  Schlacht- 

siehert.  Gegen  Kr.  und  —  Polybios:  K.  J.  fehler  III,  1,  104  ff.,  wo  die  Literatur  bis 

Beloch,  Hist.  Zeitschr.  114,  3.  F.  18,  1915,  zum    Jahr  1909    berücksichtigt    ist.     Die 

1  ff.,  der  wieder  im  Anschluß  au  Liv.  für  „Sümpfe"   müssen    im   Arnogebiet  (nach 

das  rechte  Ufer  eintritt.    Über  die  Ereig-  Kr.  in  der  Ebene  von  Pistoia  und  Florenz) 

nisse   des  Winters  vgl.  O.  Seeck,   Hermes  i   liegen   und  waren  durch  Frühjahrsüber- 

A^III   152;     Matzat,    Rom.   Zeitrechnung  sehwemmungen  gebildet.    Kromayers  Re- 

S.  112;  Thoüeet,  Rhein.  Mus.  XLII  426.  konstruktion  der  Route  findet  im  wesent- 

•^)  Wie  unwahrscheinlich  diese  Tradition  liehen    Zustimmung     bei    Kahkstedt    in 

des  Liv.  ist,  zeigt  Kahrstedt  in  Meltzeks  1   Meltzers  Gesch.  d.  Karth.  III  408,  1. 

Gesch.  der  Karthager  III  400,  Anm.  \ 


218  Römische  Geschichte. 

lieber  wurde,  i)  Hannibal,  der  nunmehr  das  Feld  beherrschte,  schlug  sofort 
unter  Verheerung  des  römischen  Gebiets  den  Weg  nach  Unteritalien  ein.^) 
Nach  einer  Rast  in  Picenum  wandte  er  sich  nach  Apulien.  Er  spekulierte 
auf  den  Abfall  der  römischen  Bundesgenossen,  denen  er  die  Kriegs- 
gefangenen wiederholt  ohne  Lösegeld  heimgesandt  hatte,  um  sich  Sym- 
pathien zu  erwerben. 

In  Rom,  wo  die  Niederlage  des  Flaminius  und  namentlich  des  Centenius 
einen  erschütternden  Eindruck  machte,  wählte  das  Volk  einen  Diktator,  den 
Q.  Fabius  mit  dem  Beinamen  Maximus,  der  sich  mit  ergänzter  Heeresmacht 
vorsichtig,  ohne  eine  Schlacht  anzunehmen,  dem  Hannibal  zur  Seite  hielt. 
Dieser  durchzog  Samnium,  drang  weiter  in  Kampanien  ein  und  plünderte 
das  Falernergebiet  aus;  als  die  Karthager  mit  großem  Train  von  da  wieder 
nach  Samnium  abzogen,  versuchte  Fabius,  ihnen  die  mitgeführte  Beute  ab- 
zujagen, wurde  aber  empfindlich  geschlagen.  Hannibal  bezog  nun  in  Geru- 
nium  in  Apulien  Winterquartiere  und  sammelte  Vorräte.  In  Rom  war  man 
mit  der  vorsichtigen  Kriegführung  des  Fabius  nicht  zufrieden  und  drängte 
auf  eine  baldige  Entscheidung;  als  daher  der  Reiterführer  M.  Minucius  bei 
gelegentlicher  Abwesenheit  des  Diktators  über  Hannibal  einen  Vorteil  er- 
focht, wählte  man  ihn  gegen  alles  Herkommen  neben  Fabius  zum  zweiten 
Diktator.  3)  Jedoch  Minucius  erlitt  bald  darauf  eine  Niederlage  durch  Hannibal 
und  entging  dem  Verderben  nur  durch  des  Fabius  Hilfe;  so  rechtfertigte  sich 
die  Zaudertaktik  des  Fabius,  der  als  'Ermattungsstrateg'  (Cunctator)  die 
Niederwerfungsstrategie  des  im  Feld  überlegenen  Gegners  lahm  legen  wollte, 
zumal  da  die  Zeit  für  Rom  und  gegen  Hannibal  arbeitete. 

Für  den  nächsten  Feldzug  (216  v.  Chr.)  brachten  die  Römer  ihr  Heer 
auf  die  ungewöhnliche  Zahl  von  acht  Legionen.  Als  dann  im  Frühjahr 
Hannibal  aus  den  Winterquartieren  aufbrach  und  in  Apulien  den  Krieg 
wieder  eröffnete,  sahen  sich  die  Römer  im  Interesse  ihrer  hilfeheischenden 
Bundesgenossen  zu  einer  entscheidenden  Schlacht  genötigt,  und  die  Kon- 
suln L.  Aemilius  (Paullus)  und  C.  Terentius  (Varro)  gingen  mit  Zustimmung 
des  Senats  nach  Apulien  ab,  um  den  Oberbefehl  zu  übernehmen.  Bald 
darauf,  etwa  im  Juni,  nach  späterem  römischen  Datum  am  2.  Sextilis,^)  kam 
es  bei  Cannae  auf  dem  rechten  Ufer  des  Aufidus  zu  einer  der  größten  und 
blutigsten  Schlachten  der  römischen  Geschichte.  Die  Römer,  mit  Bundes- 
genossen gegen  80U00  Mann  stark,  wurden  trotz  ihrer  Überzahl  beinahe 
ganz  vernichtet,  hauptsächlich  durch  die  an  Qualität  wie  an  Zahl  überlegene 
Reiterei  der  Karthager.^)    Aber  auch  das  karthagische  schwere  Fußvolk,  seit 

')  Über  die  Schlacht  am  Trasimenvissee  ^)  Die  Kondiktatur  des  Minucius.  eine 

abschließend  Kromayer  a.  a.  0. 148  ff.  Über  staatsrechtliche    Abnormität,    wird    von 

die  Niederlage  des  Centenius  s.  Polyb.  III  Polybios    (III  103,   3  f.)    überliefert   und 

86,  8.   Einen  abweichenden  Bericht  bietet  durch    eine  Weihinschrift    des   Minucius 

Appian  Hann.  9,  wo  der  heute  ausgetrock-  selbst  (CIL  I  1503.    ILS  nr.  11)   bestätigt. 


nete  See  von  Plestia  in  Umbrien  genannt 
wird.  Kbomayer  a.  a.  O.  stützt  sich  für 
seine  Lokalisierung  auf  Ajjj^ian;  dagegen 
Kahrsteut  a.  a.  0.  413,  3. 


Den  späteren  Antiquaren  war  sie  anstöfsij 
und  wurde  daher  durch  die  Fiktion  der 
Prodiktatur  ersetzt.    Liv.  XXII  31,  8  ff. 
■•)  Nach  Kahrstedt,  Meltzers  Gesch.  d. 


'-)  Hannibal  dachte  nicht  daran,  direkt  Karth.  III 434  Anfang  Jvnii.  allenfalls  Ende 

Rom    anzugreifen.      Die    Nachricht    von  Mai,    nach  K.  J.  Beloch,    Klio  XV,  1918, 

seinem  gescheiterten  Sturm  auf  Spoletium  j   400,418  erst  Ende  Juli. 

ist  erfunden  (Liv.  XXII  9,  1  f.).  ,        '•>)  Hannibal    brachte    mit   Cannae   den 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  21.)     119 

der  Schlacht  am  Trasimenus  zum  Teil  römisch  bewaffnet,  hat  einen  hervor- 
ragenden Anteil  an  diesem  großen  Sieg.  Noch  in  demselben  Unglücksjahr 
fiel  eine  nach  Oberitalien  gesandte  Legion  in  einen  Hmterhalt  und  wurde 
von  den  Galliern  aufgerieben. 

Die  morahsche  Wirkung  des  karthagischen  Sieges  blieb  nicht  aus;  Unter- 
italien  wo  ihre  Bundesgenossen  abzufallen  begannen,  wurde  von  den  Römern 
fast    c'anz    aufgegeben.     Zuerst    trat    Arpi   in    Apulien    in  Verbindung    mit 
Hannlbal    der  jetzt  seine  Macht  teilte;  während  er  selbst  nach  Kampanien 
gin-     sandte    er  Mago    mit   einem  Teil  der  Truppen  zu  den  Brettiern,    die 
sich 'mit    Karthago  verbündeten.    In  Kampanien    schlössen    sich   vor    allem 
Capua  und  seine^ Nachbarn  dem  Karthager  an;  weiterhin  wurde  Casilmum 
am  Volturnus    an    der    via    Appia    nach    langem  Widerstand    im   Winter 
216,5  V   Chr.  erobert;  hingegen  Nola  und  die  Seestädte,  besonders  Neapohs, 
hielten    nach  wie  vor    zu   Rom;    viel   gefeiert,    aber    sehr    zweifelhaft   über- 
hefert     ist    der    glückliche  Widerstand,    den    zuerst   vor    Nola  M.  Claudius 
Marcellus  dem  Hannibal  leistete,  i)    In  Unteritahen  fielen  Kroton,  Locn  und 
Peteha     letzteres  nach   heroischer  Abwehr,    den  Karthagern    in    die  Hände 
(215  v.'chr.^.    Rhegion    und  Elea  blieben  römisch,  wie  denn  überhaupt  die 
Griechenstädte    sich    zumeist    den  Karthagern  versagten.     Tarent   und  Um- 
gegend blieb  durch  eine  Besatzung  und  durch  Geiseln  an  die  römische  Sache 
gebunden    Vor  allem  aber  hielt  die  Elite  der  mittehtahschen  Bundesgenossen 
an    den  Römern    fest,    und   darum  konnte  Hannibal  auch  den  gefürchteten 
Angriff  auf  Rom  selbst  nicht  wagen. 

21.  Der  zweite  punische  Krieg.  Zweiter  Teil.  Trotz  den  erlittenen 
Niederlagen  verzagten  die  Römer  nicht,  sondern  verdoppelten  ihre  An- 
strengungen, wie  auch  die  Karthager  alle  Kräfte  anspannten.  Der  Krieg 
griff  über  Italien  und  Spanien  hinaus  und  wuchs  zu  einem  Weltbrand,  der 
auch  die  hellenischen  Staaten  erfaßte.  In  Italien  hielten  die  Römer  sich 
in  der  Defensive.  Sie  vermieden  jedes  entscheidende  Treffen  mit  den  Truppen 
Hannibals,  dessen  Überlegenheit  sie  anerkannten.  Aber  schrittweise  suchten 
sie  ihm  das  Eroberte  wieder  abzunehmen,  ihm  die  Hilfsmittel  abzuschneiden 
und  Verstärkungen  zu  hindern.  Das  Hauptgewicht  hatte  sich  auf  den  Krieg 
außerhalb  Italiens,  besonders  den  spanischen  verschoben;  denn  Spanien  war 
als  das  große  militärische  Reservoir  Karthagos  von  besonderer  Wichtigkeit, 
weshalb  die  Römer  auf  diesem  Schauplatz  offensiv  auftraten,  um  schheß- 
hch  hier  mit  ihrem  immer  besser  geschulten  Heer  den  Krieg  im  Prmzip  zu 

schon  an  der  Trebia  kenntlichen  Typus  !    Kommando    auf  ,f  l^f  ^h^^"  ^^^|J?  f  ^^5|j 

der  Einkreisung  des  Gegners  durch  dessen  -    am  Tag  der   Schlacht  CTerentius.    ihn 

SifisäntvoS  beiden  Flügeln   zu  klas-  machen  die  späteren  Quellen  zum  Sunden- 

S?cheAVendung.    Der  nfcht  ganzer-  i    bock,  der  -  ein  übler  Emporkommhng - 

reichte  Zweck  war   die  völHge  Vernich-  1    sich  durch  demagogische  Mittel  die  Gunst 

tuni    Vgl  vor  allem  J.Kromayer,  Antike  der  Menge   erschlichen   habe    Liv  XXII 

Sch?;chtLderIILl,278ff.,demsichK.HK-  \   25  f.,    34).     Das    f'^^^-^^ffll^t^, 

STEDT  a.a.O.  428  flf.  in  der  Hauptsache  an-  leumdungen  des  C.  Flammius,  gehässige 

schliefst  (gegen   H.  Delbrück,    Gesch.  der  j   Erfindung. 

Krieo-skunst  I^  321  ff.,    der  mit  dem  aut  ')   Livius  XXIII  15  f.  44  tt.    AAi\    i/. 

dnetaXgische  Quelle  (Silenos)  zu-  1   Plut.Marc.il.    ^g^^™  "\f^^J  l'/,',^ 

rückgehenden   Bericht    des    Polybios  III  A.  4  genannten  Schrift  ^- 1«  •  ^"|^  ^^.^«^ 

HO  ff.   sehr  willkürlich   umspringt).    Das  ;    stedtiuMeltzers Gesch. d.Kaith.I11448,l. 


120  Römische  Geschichte. 

ihren  Gunsten  zu  entscheiden.  Auf  karthagischer  Seite  ist  Hannibal  die 
treibende  Kraft,  die  Seele  des  ganzen  Krieges;  er  hat  auch  den  außer- 
italischen Kriegsschauplätzen  seine  Fürsorge  zugewandt.  ^)  Den  Römern 
kam  es  sehr  zustatten,  dala  sie  die  Überlegenheit  zur  See  behaupteten, 
obwohl  der  Seekrieg  diesmal  viel  geringere  Bedeutung  besaß  als  im  ersten 
punischen  Krieg.  Doch  kreuzten  auf  beiden  Seiten  an  den  Küsten  von 
Sizilien,  Italien,  Sardinien  und  auch  Spanien  ansehnliche  Flotten.  Die  Kar- 
thager haben  nicht  ernstlich  versucht,  die  Seeherrschaft  zu  gewinnen,  was 
anscheinend  über  ihre  Kräfte  gegangen  wäre. 

Zunächst  trat  Sizilien  in  den  Krieg  ein.  Es  war  für  die  Römer  ein 
Glück,  daß  ihnen  die  wertvolle  Insel  mehr  als  ein  Jahr  nach  der  Schlacht 
bei  Cannae  unbestritten  verblieben  war.  Erst  nachdem,  etwa  im  Frühjahr 
215  v.  Chr.,  Hieron  in  hohem  Alter  verstorben  war,  begann  es  auf  Sizilien 
zu  gären.  Hierons  Enkel  und  Nachfolger  Hieronymos  löste  Syrakus  bald 
vom  römischen  Bündnis,  um  sich  mit  Hannibal  in  Verbindung  zu  setzen. 
Hippokrates  und  Epikydes,  zwei  Offiziere  Hannibals  von  syrakusanischer 
Abkunft,  gewannen  auf  Hieronymos  Einfluß;  so  schloß  er  denn  einen  Ver- 
trag mit  den  Karthagern,  in  dem  er  sich  ansehnliche  Gebietserweiterung 
zusichern  ließ.  Von  Rom  aus  schickte  man  den  Konsul  M.  Claudius  Mar- 
cellus  nach  Sizilien.  Doch  blieb  fürs  erste  der  Friede  noch  erhalten.  Als 
dann  Hieronymos  den  Angriff  auf  römisches  Gebiet  eröffnen  wollte,  wurde 
er  in  Leontini  nach  einer  Herrschaft  von  dreizehn  Monaten  ermordet 
(21-1  V.  Chr.).  Mit  ihm  fiel  in  Syrakus  auch  die  Monarchie.  Eine  aristo- 
kratische, römische  Partei  gelangte  ans  Ruder,  man  erneuerte  den  Bund 
mit  Rom,  und  ein  etwas  später  unternommener  Versuch,  die  Tyrannis  zu 
restaurieren,  endete  mit  der  Ausrottung  der  Familie  Hierons.  Aber  bald 
folgte  ein  Rückschlag.  Das  gestürzte  Herrscherhaus  hatte  noch  viele  An- 
hänger, Hippokrates  und  Epikydes  waren  in  Syrakus  geblieben,  und  unter 
ihrem  Einfluß  empörte  sich  zuerst  ein  Teil  des  syrakusanischen  Heeres  in 
Leontini,  worauf  die  Römer  die  Stadt  erstürmten  und  schwer  heimsuchten, 
ein  Eingriff,  der  auch  die  übrigen  syrakusanischen,  in  der  Mehrheit  ohne- 
hin karthagisch  gesonnenen  Truppen  zur  Erhebung  veranlaßte.  Sie  schlössen 
sich  dem  Hipjjokrates  an,  bemächtigten  sich  der  Stadt  Syrakus,  stürzten 
die  Regierung,  übertrugen  die  Gewalt  dem  Hippokrates  und  Epikydes  und 
verbündeten  sich  wieder  mit  den  Karthagern.  Daraufhin  zog  Marcellus  zu 
Wasser  und  zu  Land  vor  die  Stadt  und  begann  sie  zu  belagern  (213  v.  Chr.).  2) 

Aber  Syrakus,  die  starke  und  wohlausgerüstete  Festung,  w^urde  durch 
das  technische  Genie  des  Archimedes  so  überlegen  verteidigt,  daß  die  Römer 
nach  acht  Monaten  den  Angriff  einstellten  und  sich  auf  die  Blockade  be- 
schränkten. Um  jene  Zeit  landete  ein  karthagisches  Heer,  besetzte  Akragas 
und  kam  von  hier  den  Syrakusanern  zu  Hilfe:  auch  eine  karthagische 
Flotte   erschien  vor  der  Stadt.    Marcellus   hatte   zeitweilig   einen   schweren 


')  Polyb.  IX  22.  XI  19.  [    übrigen  vgl.  Niese,  Geschichte  d.  griech. 

^)  Giüs.  Tuzr  in  d.  Shidi  di  storia  antlca  u.  makedon.  Staaten  II  -505  ff.  und  über  die 

piibhJ.  da  GiüL.  Beloch  I  81  f.  hat  erwiesen,  ;    Chronologie  daselbst  S.  543  Anm.  2.   Vgl. 

daß  die  Belagerung  von  Syrakus  erst  im  auch  Kahrstedt  in  Meltzers  Gesch.  der 

Frühjahr  213  v.  Chr.  angefangen  hat.    Im  j    Karth.  III  471,  1. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (S  21.)     121 

Stand,  zumal  da  eine  größere  Anzahl  sizilisclier  Städte  sich  von  den  Römern 
lossiigte,  zur  Behauptung  der  Freiheit  einen  Bund  schloß  und  mit  Syrakus 
und  den  Karthagern  gemeinsame  Sache  machte.  Aber  Marcellus  ließ  sich 
nicht  beirren,  und  212  v.  Chr.  gelang  es  ihm,  bei  Gelegenheit  eines  Festes 
durch  einen  Handstreich  Epipolae,  den  westlichen  Stadtteil  von  Syrakus,  zu 
nehmen.  Ein  neuer,  von  Akragas  aus  unternommener  Entsatzversuch  der 
Karthager  unter  Hippokrates  schlug  fehl,  und  nun  begannen  die  sizilischen 
Griechen  mit  Marcellus  über  den  Frieden  in  Unterhandlung  zu  treten.  Über 
der  Friedensfrage  brach  in  dem  belagerten  Syrakus  ein  schwerer  Konflikt 
zwischen  der  Bürgerschaft  und  den  Söldnern,  die  sich  preisgegeben  glaubten, 
aus.  Nachdem  ein  verräterischer  Iberer  die  Inselburg  Ortygia  den  Römern 
in  die  Hände  gespielt  hatte,  konnte  sich  auch  die  Altstadt  Achradina  nicht 
mehr  behaupten,  sondern  mußte  sich  ergeben.  Das  unglückliche  Syrakus 
wurde  als  eroberte  Stadt  behandelt  und  der  Plünderung  preisgegeben,  wobei 
auch  Archimedes  sein  Ende  fand.  Die  Römer  machten  eine  gewaltige  Beute, 
deren  Ertrag  ihren  zerrütteten  Finanzen  zugute  kam;  viele  Werke  griechi- 
scher Kvmst  wurden  vom  Sieger  Marcellus  nach  Rom  entführt,  das  erste, 
später  oft  wiederholte  Beispiel  dieser  gewaltsamen  Art  römischer  Kunst- 
pflege. Die  Syrakusaner  behielten  ihre  persönliche  Freiheit,  aber  ihre  Stadt 
wurde  abhängig  und  abgabenpflichtig.  Die  übrigen  sizilischen  Griechen 
machten  ebenfalls  in  der  Mehrzahl  ihren  Frieden  mit  Rom.  Doch  hielt  eine 
Anzahl  noch  immer  an  den  Karthagern  fest,  die  von  Akragas  aus  den 
Krieg  fortsetzten  und  auf  deren  Seite  sich  besonders  der  Libyphöniker 
Myttones  (Muttines),  den  Hannibal  an  Stelle  des  gefallenen  Hippokrates 
gesandt  hatte,  als  geschickter  Führer  auszeichnete.  Marcellus  wie  sein  Nach- 
folger, M.Valerius  (Laevinus),  Konsul  von  210  v.  Chr.,  hatte  mit  ihm  zu 
kämpfen.  Aber  der  karthagische  Oberbefehlshaber  Hannon  war  auf  Myttones 
eifersüchtig  und  fügte  ihm  eine  schwere  Kränkung  zu,  wofür  sich  der  Zurück- 
gesetzte durch  Übertritt  zu  den  Römern,  denen  er  Akragas  überlieferte, 
rächte  (210  v.  Chr.).')  Jetzt  räumten  die  Karthager  die  Insel,  die  Valerius 
völlig  unterwarf  und  beruhigte. 

Auch  auf  Sardinien  versuchten  nach  der  Schlacht  bei  Cannae  die  Karthager 
sich  mit  einheimischer  Hilfe  wieder  festzusetzen,  doch  behaupteten  in  den 
dortigen  Kämpfen  die  Römer  das  Übergewicht  (215  v.  Chr.). 

Ein  Ereignis  von  besonderer  Tragweite  bildete  der  Eintritt  Makedoniens 
in  den  Krieg. ^)  Gleich  nach  der  Schlacht  am  Trasimenus  hatte  in  Hellas 
Philipp  den  Bundesgenossenkrieg  durch  den  Frieden  von  Naupaktos  be- 
endigt, um  gegen  die  Römer  freie  Hand  zu  haben  (217  v.Chr.);  er  begann 
sofort  Illyrien  anzugreifen;  denn  die  Vertreibung  der  Römer  aus  Illyrien 
war  für  Makedonien  von  höchster  Bedeutung,  ja  eine  Lebensfrage.  Doch 
der  erste  Versuch  Philipps  endete  kläglich,  und  nach  der  Schlacht  bei  Cannae 

')  Myttones  erhielt  zur  Belohnung  das  rol  vlol  aviov  Jlo.-rhog  Fmog  Mdagnog  Koivrog 
römische  Bürgerrecht  und  nahm  den  Ge-    j  'PcofiaToc.    SIG  II'  nr.  585,  Z.  87  ff. 

schlechtsnamen    seines  Patrons  Valerius  ■')  Fr.  A.  Scott,  Makedonien    und  Rom 

an.    Er  beteiligte  sich  später  mit  seinen  während  des  hannibalischen  Krieges  (221 

Söhnen  am  zweiten  makedonischen  Krieg  — 211),  Leipzig  1873,  Niese,  Geschichte  der 

und    erscheint    unter  den  Ehrenbürgern  griech,  und  makedon.  Staaten  II  465  ff, 
Delphis  als  Mäagxog  'Oa/J^iog  6  Moziövtjg  aal 


]^22  Römische  Geschichte. 

schloß  er  daher  mit  llannibal  einen  Vertrag,  worin  sich  beide  Kontrahenten 
Hilfe  gegen  die  Römer  zwar  nicht  unbedingt  zusagten,  aber  in  Aussicht 
stellten,  und  worin  ferner  bestimmt  war,  dafj  die  Römer  ihre  illyrischen 
Besitzungen  verlieren  sollten  (216/15  v.  Chr.).  ^)  Nunmehr  begann  sogleich 
der  Krieg  um  Illyrien,  dessen  Schutz  der  Prätor  M.  Valerius  (Laevinus)  mit 
einer  Flottenabteilung  übernahm. 

In  Italien,  dessen  Kriegsgeschichte  für  uns  mit  dem  Versiegen  der  besten 
Quelle,  des  Polybios,  sehr  unsicher  wird,  begannen  die  Römer  langsam 
wieder  Boden  zu  gewinnen;  in  Apulien  und  Kampanien  hielten  sie  den 
Hannibal,  der  genötigt  war,  seine  Macht  zu  teilen,  in  Atem.  Freilich  blieben 
neue  Verluste  und  Niederlagen  nicht  aus.  So  geriet  213  v.  Chr.  der  Konsul 
Ti.  Sempronius  Gracchus  in  einen  Hinterhalt  und  fand  den  Tod.^)  Unter- 
italien ging  den  Römern  einstweilen  fast  ganz  verloren,  da  es  dem  Hannibal 
gelang,  im  Einverständnis  mit  tarentinischen  Freunden  Tarent  zu  über- 
rumpeln (Winter  213/12  v.  Chr.),  und  bald  darauf  auch  Metapontion,  Hera- 
kleia  und  Thurii  in  seine  Gewalt  fielen;  nur  auf  der  Akropolis  von  Tarent 
hielt  sich  eine  römische  Garnison.  214  v.  Chr.  gewannen  die  Römer  Casilinum 
zurück,  im  nächsten  Jahr  Arpi  in  Apulien,  und  212  v.  Chr.  konnte  Capua 
ringsum  eingeschlossen  und  belagert  werden.  Im  Vertrauen  auf  die  zugesagte 
Hilfe  Hannibals  lehnte  die  Stadt  die  Unterwerfung  ab  und  hielt  den  Winter 
über  die  Belagerung  aus.  Im  Frühjahr  211  v.  Chr.  erschien  auch  Hannibal 
zum  Entsatz,  aber  er  vermochte  die  Römer,  die  sich  befestigt  hatten,  nicht 
zur  Aufhebung  der  Belagerung  zu  zwingen.  Damals  unternahm  Hannibal 
eine  Entlastungsoffensive  für  Capua  durch  eine  Demonstration  gegen  Rom;^) 
sein  unerwartetes  Erscheinen  vor  den  Toren  der  Hauptstadt  verursachte 
großen  Schrecken;  aber  er  fand  die  Stadt  im  Verteidigungszustand  und  ver- 
fehlte seinen  Zweck,  das  römische  Belagerungsheer  von  Capua  zum  Schutz 
Roms  abzuziehen.  Capua  erlag  schließlich  dem  Hunger  und  wurde  streng 
bestraft;  die  Stadt  büßte  ihre  Eigenschaft  als  Gemeinde  ein;  ihr  Gebiet 
ging  in  den  Besitz  des  römischen  Volkes  über.  Auch  die  übrigen  abtrünnigen 
Städte  Kampaniens  fielen  an  die  Römer  zurück.  Capuas  Fall  machte  in 
Italien  Eindruck,  Hannibals  übrige  Bundesgenossen  wurden  schwankend, 
und  nicht  wenige  warteten  nur  auf  die  Gelegenheit,  an  die  Seite  Roms 
zurückzutreten. 

Besonderes  Augenmerk  verdient  das  spanische  Kriegstheater.'*)  Schon 
218  V.  Chr.  setzten  sich  die  Römer  unter  Cn.  Scipio  nördlich  des  Ebro  fest 
und  behaupteten  sich,  besonders  nachdem  sie  unterstützt  von  den  Massalioten 


')   Die   Vertragsurkunde    bei    Polybios  ist   verfälscht,    aber   auch   die   sonstigen 

VII  9.    Die  Fassung  bei  Livius  XXIII  33  Berichte  weichen  stark  von  Polybios  ab. 

ist  gefälsclit  und  ohne  Wert.    Vgl.  Egel-  Über  das  Quellenverhältnis  vgl.  H.  Haupt 

haap,  Hist.  Zeitschr.  N.  F.  XVII  456.  in  d.  Melcon/es  Graux  1884,  23  ff.,  über  den 

Die  Zeit  nach  Polyb. VIII  85, 1.    Livius  Marsch  J.  Kkomayer,  Gott.  gel.  Anz.  1917, 


XXV  16  gibt  das  J.  212  v.  Chr.;  so  auch 
Kahrstedt  in  Meltzers  Gesch.  d.  Karth. 
III  472. 

^)  Hannibal  marschierte  auf  einem  Um- 
weg durch  samnitisches  Gebiet  nach  Rom, 


469  f.  (gegen  Kahrstedt). 

*]  H.  Genzken,  De  rebus  a  P.  et  Cn.  Cor- 
neliis  Scip.  in  Hispcoiia  gestis,  Göttingen 
1879;  J.  Fkentz,  Die  Kriege  der  Scipionen 
in  Spanien,  München  1883;  Soltau,  Hermes 


das  er  über  den  Anio    erreichte.    Polyb.    j    26,  408;    J.  .Tumpektz,   Der  röm.-karthag. 
IX  5  f.   Der  Bericht  des  Livius  XXVI  8  ff.   |   Krieg  in  Spanien  211-206,  Diss.Leipz.  1892. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  21.)     123 

an  der  Mündung  des  Ebro  217  v.  Chr.  einen  Seesieg  erfochten  hatten.')  Ihr 
Stützpunkt  war  Tarraco.  Als  in  demselben  Jahr  Verstärkungen  unter  dem 
Bruder  des  Cn.,  P.  Scipio,  eintrafen,  überschritten  die  Römer  den  Ebro  und 
knüpften  mit  den  spanischen  Untertanen  der  Karthager  Verbindungen  an. 
Hier  waren  jedoch  die  Karthager  mächtiger;  erst  als  sich  Hasdrubal  215 
Y.  Chr.  durch  einen  Aufstand  des  numidischen  Königs  Syphax  genötigt  sah, 
nach  Afrika  hinüberzugehen,  machten  die  römischen  Trupjjen  größere  Fort- 
schritte. 21-1:  V.  Chr.  eroberten  sie  Sagunt  und  gewannen  bis  ins  südliche 
Spanien  hinein  Bundesgenossen.  Als  aber  der  Aufstand  in  Afrika  unter- 
drückt war  und  Hasdrubal  mit  seinen  Truppen  zurückkehrte,  wurden  die 
Scipionen  mit  überlegener  Macht  angegrifPen.  Sie  mußten,  um  sich  zu  be- 
haupten, spanische  Söldner  einstellen,  die  ihnen  aber  untreu  wurden.  Die 
beiden  Brüder  hatten  sich  getrennt  und  wurden  beide  nacheinander  von 
Hasdrubal  und  Mago  besiegt 2)  und  getötet,  zuerst  Publius,  dann  Gnaeus 
(211  v.Chr.);  alle  Eroberungen  südlich  des  Ebro  gingen  den  Römern  ver- 
loren. Aber  nördlich  behaupteten  sie  sich,  und  der  Fall  Capuas  befähigte 
sie,  neue  Truppen  nach  Spanien  zu  werfen  unter  zwei  neuen  Feldherren, 
P.  Cornelius  Scipio,  dem  gleichnamigen  Sohne  des  gefallenen,  und  M.  Junius 
(Silanus).  Die  eigentliche  Leitung  fiel  dem  Scipio  zu,  einem  noch  jungen 
Mann  (geb.  um  235  v.  Chr.),  der,  damals  ein  unerprobter  Anfänger,  das  poli- 
tische Erbe  seines  Vaters  und  seines  Hauses  in  Spanien  anzutreten  sich  an- 
schickte.^) Wachsend  mit  seinen  höheren  Zwecken,  stieg  der  geniale  und 
hochgebildete  Mann  allmählich  auf  zum  größten  Römer  seiner  Zeit;  kein 
Wunder,  daß  man  ihn  mit  Alexander  dem  Großen  verglich  und  ihn  wie 
diesen  mit  einem  überirdischen  Nimbus  umwob,^)  210  v.  Chr.  ging  Scipio 
nach  Spanien  ab,  wo  er  die  Lage  geschickt  ausnutzte.  Die  Karthager  hatten 
nämlich  nach  ihrem  Sieg  durch  Härte  und  Grausamkeit  gegen  die  Unter- 
worfenen viel  Haß  gesät;  Hasdrubal  vertrug  sich  nicht  mit  den  ihm  bei- 
geordneten Kollegen;  die  vernachlässigte  Flotte  überließ  der  römischen  die 
See.  So  glückte  es  dem  Scipio  schon  209  v.  Chr.,  während  die  drei  kartha- 
gischen Heere  sich  voneinander  getrennt  hatten  und  weit  entfernt  standen, 
mit  Hilfe  der  Flotte  unter  C.  Laelius  das  schwach  besetzte  Neu-Karthago  zu 
erobern,  den  Hauptwaffenplatz  der  Karthager,  mit  dem  große  Vorräte  jeglicher 
Art  und  zugleich  alle  spanischen  Geiseln  in  seine  Gewalt  kamen. ^)  Besonders 
emjDfindlich  war  für  die  karthagischen  Finanzen  der  Verlust  der  Silberminen. 
Bereits  in  der  nächsten  Zeit  trat  eine  Anzahl  iberischer  und  keltiberischer 
Völker  zu  den  Römern,  die  damit  in  Spanien  eine  feste  Basis  gewannen,  über. 
So  überwanden  die  Römer  allmählich  die  Krisis;  dank  ihrer  zähen  Tat- 
kraft hatte  der  Krieg  kulminiert,  die  Wagschale  sich  zu  ihren  Gunsten  ge- 

')  In  diesen  Zusammenhang  scheint  das  1068  ff. 

kleine  Sosylosfragmeut  auf  Papyrus  (vgl.    !  *)  Die  supranaturalistischen  Züge   der 

oben  S.  99  A.  8)  zu  gehören.                           i  landläufigen  Tradition,  den  Götterapparat 

2)  Polyb.  IX  22,  2  f.                                         '  und    die  Visionen    Scipios,    hat   Polybios 

^)    MoMMSEN    hat    sein    Bild    ganz    ver-  rationalisiert  (cf.  X  2)  und  so  den  großen 

zeichnet.    Eine  gerechte  Würdigung  hat   i  Mann  für  vuiser  Gefühl  unversehens  zum 

erst  U.  Kahestedt  in  Meltzers  Gesch.  d.    j  Charlatau  gestempelt. 

Karth.  III  .502  ff.  angebahnt  und  Ed.  Meyer   j  ^)  Vgl.  die  Analyse  des  polybianischen 

auf  Grund    einer  Analyse    des   Polvbios    1  Berichts   durch   R.  Laqüeur,    Hermes  56, 

glänzend  durchgeführt,  SB.  Berl.Ak.  1916,   \  1921,  131  ff. 


124:  Römische  Geschichte. 

neigt.  Aber  auch  die  Karthager  haben  Großes  geleistet,  nur  daß  ihre  Bürger- 
schaft kleiner,  ihre  Herrschaft  nicht  so  konsolidiert  war;  auch  mögen  die 
leitenden  Kreise  im  Durchschnitt  an  ausdauerndem  und  opferfreudigem 
Siegerwillen  den  Kömern,  die  über  die  besseren  Nerven  verfügten,  nach- 
gestanden haben.  Doch  noch  waren  diese  nicht  über  alle  Berge;  im  Jahr 
210  V.  Chr.  verschlimmerte  sich  ihre  Lage  durch  eine  große  Hungersnot  in 
Italien;  eine  römisclie  Gesandtschaft  mußte  sich  von  Ptolemaios  IV  ägyp- 
tisches Korn  erbitten.')  Aber  ein  starker  Aktivposten  war  die  Unterwerfung 
Siziliens,  die  210  v.  Chr.  durchgeführt  wurde.  Auch  in  Italien  erzielte  ßom 
stetige  Fortschritte,  Hannibal  sah  sich  immer  mehr  eingeengt.  210  v.  Chr. 
stand  der  Krieg  hauptsächlich  in  Apulien,  wo  Cn.  Fulvius  {Centumalus)^) 
Herdonea  belagerte  und  dabei  von  Hannibal  geschlagen  wurde.  Der  Punier 
drang  sogar  nochmals  in  Kampanien  ein  und  verpflanzte  von  dort  die  Be- 
wohner des  ihm  treu  gebliebenen  Atella  nach  Thurii.^)  Doch  im  nächsten 
Jahre  (209  v.  Chr.)  wurde  Tarent  von  Q.  Fabius  Maximus  angegriffen;  während 
nun  Hannibal  sich  gegen  eine  von  Sizilien  aus  herübergeworfene  Truppen- 
schar nach  Süden  zu  den  Brettiern  wenden  und  von  Tarent  entfernen  mußte, 
fiel  diese  Stadt  durch  Verrat  an  die  Römer  und  erfuhr  ein  ähnliches  Schicksal 
wie  Syrakus;  denn  auch  Tarent  wurde  geplündert  und  mußte  seine  bis- 
herige Autonomie  gegen  ein  Untertanenverhältnis  vertauschen,  blieb  jedoch 
auch  nach  diesem   Schlag  die  angesehene  Griechenstadt. 

Im  Feld  waren  dem  Hannibal  auch  jetzt  noch  taktische  Erfolge  be- 
schieden; im  Jahr  208  v.  Chr.  fiel  gegen  ihn  in  Lukanien  der  Konsul 
M.  Marcellus.  Hannibal  hatte  des  öfteren  aus  Karthago  Verstärkungen  er- 
halten; aber  um  sich  in  Italien  zu  behaupten,  bedurfte  er  durchgreifender 
Hilfe.  Diese  ihm  zu  bringen,  brach  im  Jahr  208  v.Chr.  sein  Bruder  Hasdrubal 
mit  einem  Heer  aus  Spanien  auf,  und  hier  kombiniert  sich  der  italische 
Krieg  mit  dem  spanischen.  Bei  Baecula  am  Baetis  in  der  Nähe  von  Castulo 
trat  ihm  Scipio  in  den  Weg  und  errang  zwar  einen  bedeutenden  taktischen 
Sieg,^)  konnte  jedoch  den  Durchbruch  Hasdrubals  nicht  verhindern.  Im 
nächsten  Jahr  erreichte  Hasdrubal  über  die  Alpen ^)  Italien,  wo  er  sich 
durch  gallische  Hilfstruppen  auf  einige  30000  Mann'')  verstärkte.  Seine  An- 
kunft machte  den  Römern  schwere  Sorgen.  Von  allen  Seiten,  auch  aus 
Spanien  und  Griechenland  wurden  die  verfügbaren  Streitkräfte  aufgeboten. 
Gegen  Hasdrubal  entsandte  man  den  Konsul  M.  Livius  (Salinator),  während 
dessen  Kollege  C.  Claudius  (Nero)  in  Defensivstellung  im  Süden  den  Hannibal 
beobachtete.  Als  aber  Hasdrubal  heranzog,  beschloß  Claudius,  seinem  Kol- 


1)  Polyb.  IX  11  a  (44).    Ganz  anders  Li-  verdient, 

vius  XXVII  4,  10.  ^)  Hyperkritik    erklärte    die   doch    von 

^)  Der  Konsul  des  Vorjahres  (211  v.  Chr.).  Polyb.  überlieferte  Schlacht  für  unhisto- 
Ini  Jahr  "212  v.  Chr.  war  ein  anderer  Ful-  risch,  weil  Scipio  sein  strategisches  End- 
vier, der  Prätor  Cn.  Fulvius  (Flaccus),  eben-  ziel  verfehlte.  Enthusiastisch  wird  Scipios 
falls  bei  Herdonea  von  Hannibal  scliimpf-  Strategie  von  Kahrstedt  in  Meltzers  Gesch. 
lieh  besiegt  worden.  Kahrstedt  in  Melt-  d.  Karth.  III  518  tf.  beurteilt. 
ZERS  Gesch.  d.  Karth.  III  500,  1  erklärt  die  '")  Wohl  über  den  Mont  Genevre  (vgl. 
Schlacht  von  210  für  eine  bloße  Dublette  Kahrstedt  a.  a.  O.  521,  2  und  Viedebantt, 
zu  dem  Ereignis  von  212.  Hermes  54,  1919.  370  ff.). 

^)  Appian  Hann.  49.  dessen  Bericht  vor  ^)  Nach  der  Schätzung  Kkomayers,  Aut. 
Livius  XXVI  34.    XXVII  3   den  Vorzug   ;   Schlachtf.  III,  1,  491  ff. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  21.)      125 

legen  mit  einem  Teil  seines  Heeres  zu  Hilfe  zu  kommen.  So  traten  die 
beiden  Konsuln  dem  Eindringling  am  Metaurus,  bei  Sena  Gallica  mit  über- 
legenen Kräften  entgegen.  Hasdrubal  wollte  die  Schlacht  vermeiden  und 
an  den  Römern  vorbeimarschieren,  wurde  aber  gestellt  und  völlig  geschlagen; 
er  kam  selbst  ums  Leben. i)  Hannibal,  der  seinem  Bruder  nach  Apulien 
entgegen  gerückt  war,  aber  keine  sichere  Kunde  von  ihm  hatte,  kehrte  jetzt 
ins  brettische  Gebiet  zurück,  auf  dessen  Behauptung  er  sich  fortan  be- 
schränkte. Der  Sieg  am  Metaurus  brachte  den  Krieg  zur  Entscheidung,  so- 
wohl in  Italien  als  in  Spanien;  denn  auch  hier  konnten  die  Karthagersich 
gegen  die  wachsende  Macht  Scipios  nicht  mehr  behaupten.  Im  Jahr  206 
\.  Chr.  erfochten  die  Römer  bei  Ilipa  (etwas  oberhalb  von  Sevilla)  einen 
Sieg,  der  ihnen  auch  das  südliche  Spanien  erschloß.  Sie  stießen  zwar  in 
den  dortigen  Städten,  besonders  in  Astapa  auf  Widerstand;  aber  schließlich 
mußte  sich  alles  unterwerfen.  Die  Karthager  gaben  den  Kampf  auf;  ihr 
Feldherr  Mago,  Hannibals  zweiter  Bruder,  räumte  zuletzt  die  Inselstadt  Gades 
(Gadeira),  um  sich  mit  den  Resten  von  Heer  und  Flotte  nach  Italien  einzu- 
schiffen; da  Scipio  seine  Marine  hatte  eingehen  lassen,  so  konnte  er  die  Ab- 
fahrt nicht  hindern.  Gades,  die  alte  phönizische  Kolonie,  öffnete  den  Römern 
die  Tore  und  schloß  mit  ihnen  ein  Bündnis.  So  waren  denn  die  Karthager 
aus  Spanien  verdrängt.  Zuletzt  hatte  Scipio  noch  mit  einigen  hartnäckigen 
Widersachern  und  abtrünnigen  Bundesgenossen,  auch  mit  einer  Meuterei  im 
eigenen  Heer  zu  schaffen;  er  begnügte  sich  mit  einer  vorläufigen  Beruhigung 
des  Landes  und  eilte  nach  Rom;  noch  206  v.  Chr.  fuhr  er  von  Tarraco 
dorthin.  Mago  segelte  zuerst  nach  den  Balearen,  überwinterte  dort  und 
landete  darauf  in  Ligurien,  um  von  hier  aus,  von  den  Galliern  unterstüzt, 
den  Krieg  fortzusetzen  (205  v.  Chr.). 

Nach  den  Erfolgen  auf  Sizilien,  in  Spanien  und  Italien  faßte  man  in 
Rom  den  Entschluß,  nunmehr  zum  Angriff'  auf  Karthago  überzugehen  und 
den  Scipio,  der  sich  unter  allen  Heerführern  am  meisten  bewährt  hatte, 
mit  diesem  Unternehmen  zu  betrauen ;  ihm  war  das  Konsulat  für  205  v.  Chr. 
zugedacht.  Schon  von  Spanien  aus  war  Scipio  nach  Afrika  hinübergefahren 
imd  hatte  den  Numider  Syphax,  der  schon  mit  seinen  Vorgängern  P.  und 
Cn.  Scipio  in  Verbindung  getreten  war,  für  Rom  gewonnen  (206  v.  Chr.). 
Nach  Antritt  des  Konsulats  in  Rom  begab  sich  Scipio  nach  Sizilien,  um 
mit  Hochdruck  die  Landung  in  Afrika  vorzubereiten;  bei  den  sizilischen 
Griechen,  deren  Zuneigung  er  gewann,  fand  er  Unterstützung.  Von  Sizilien 
aus  hatte  er  Gelegenheit,  dem  Hannibal  Locri  zu  entreißen. 

Noch  ehe  der  Angriff  auf  Afi'ika  zur  Ausführung  gelangte,  fand  der 
Krieg  gegen  Philipp  von  Makedonien,  der  erste  makedonische,  sein  Ende.^) 
Mangels  einer  ebenbürtigen  Flotte  hatte  Philipp  in  Illyrien  gegen  die  Römer 


')  Polyb.  X  37.  XI 1,  2  ff.  R.  Oeblee,  Der  1  ^)  W.8cHOEN,Gesch.Griechenlands,Bonn 
letzte  Feldzug  des  Barkideii  Hasdrubal  1  1833.  8. 178 f.;  Hertzberg,  Gesch. Griechen- 
11.  d.  Schlacht  am  Metaurus   (Berl.  Stud.    j    lands    unter    den    Römern   I  21  f.;   Gitjs. 


für  klass.  Philol.  u.  Archäologie  N.  F.  II 1), 
Berlin  1897.  Kokk.  Lehmann,  Die  Angriffe 
der  drei  Barkiden  S.  190.  Über  die  Topo- 
graphie: Keomater  a.a.  0.424  ff.,  abgelehnt 
von  Kahrstedt  a.  a.  0.  527, 1. 


Clementi  in  den  Stndi  di  storla  antica  pubbl. 
da  GiuL.  Beloch  I  49  f.  Vinc.  Costanzi  bei 
E.  Pais,  Sfiidi  stor/ci  1  (1908)  31  f.  Niese, 
Gesch.  der  griech.  u.  makedon.  Staaten 
II  475  £f. 


126  Römische  Geschichte. 

unter  M.  Valerius  Lacvinus  zunächst  wenig  Erfolg  gehabt.  Ein  Handstreich 
auf  Korkyra  schlug  fehl,  und  vor  Apollonia,  das  er  belagerte,  erlitt  er  eine 
Niederlage  (214  v.  Chr.).  Aber  213  v.  Chr.  eroberte  er  Lissos  und  Dimallos  und 
machte  bedrohliche  Fortschritte.  Um  so  vorteilhafter  war  es  für  die  Könicr, 
daß  sie  bald  nach  der  Eroberung  von  Syrakus  im  Herbst  212  v.  Chr.  den 
ätolischen  Bund  zur  Teilnahme  am  Krieg  gegen  Makedonien  gewannen  und 
so  den  Schauplatz  von  Illyrien  nach  Griechenland  verlegten.  In  einem  Ver- 
trag von  Naupaktos  verpflichteten  sich  die  Römer,  die  Aetoler  mit  25  Krieg- 
schiffen zu  unterstützen  und  ihr  Territorium  zu  erweitern;  von  den  eroberten 
Städten  sollte  die  bewegliche  Habe  den  Kömern,  der  Grund  und  Boden  den 
Aetolern  zufallen;  die  Kontrahenten  verpflichteten  sich,  nur  in  gegenseitigem 
Einverständnis  Frieden  mit  Philipp  zu  schließen.  Schon  im  nächsten  Jahr 
(211/10  V.  Chr.)  traten  noch  andere  griechische  Staaten,  Elis,  Messene  und 
Sparta,  in  den  Kampf  gegen  Philipp  ein;  dazu  gesellten  sich  die  nördlichen 
Feinde  Makedoniens,  Dardaner  und  Illyrier,  sowie  König  Attalos  von  Perga- 
mon,  während  dessen  Nachbar,  Prusias  von  Bithynien,  und  besonders  die 
Achäer  sich  zu  Makedonien  hielten.  Philij^p,  der  sich  von  allen  Seiten  be- 
droht sah,  leistete  zwar  energischen  Widerstand,  mußte  aber,  was  für  Rom 
das  Wichtigste  war,  auf  seine  illyrischen  Pläne  vorläufig  verzichten. 

Der  Krieg  in  Griechenland  berührte  die  verschiedensten  Teile  des  Landes. 
Die  Römer  beteiligten  sich  mit  ihrer  Flotte  und  Seesoldaten,  zuerst  unter 
M. Valerius,  seit  211  v.  Chr.  unter  dem  Konsul  P.  Sulpicius  (Galba).  212  v.  Chr. 
eroberten  sie  Zakynthos  und  Oiniadai  in  Akarnanien,  im  nächsten  Jahr 
Antikyra,  210  v.  Chr.  Dyme  in  Achaia  und  die  Insel  Aegina.  Die  Ereignisse 
kulminierten  208  v.  Chr.,  als  auch  Attalos  eingriff  und  seine  Flotte  sich  im 
ägäischen  Meere  mit  der  römischen  vereinigte,  während  dem  Makedonen- 
könig  karthagische  Schiffe  zu  Hilfe  kamen.  Damals  eroberten  die  Römer 
mit  Attalos  zusammen  das  euböische  Oreos,  konnten  sich  aber  nicht  halten ; 
denn  durch  einen  Angriff  des  Prusias  wurde  Attalos  zur  Rückkehr  in  sein 
Land  gezwungen  und  die  römische  Flotte  verließ  das  ägäische  Meer,  um 
im  nächsten  Jahr,  als  Hasdrubals  Anmarsch  die  Römer  zur  Konzentrierung 
in  Italien  veranlaßte,  ganz  auszubleiben.  Makedonien  erlangte  das  Über- 
gewicht. Die  Aetoler  wurden  durch  einen  Einfall  Philipps  im  eigenen  Land 
heimgesucht,  der  achäische  Bund  unter  Philopoimens  Führung  verbesserte 
sein  Kriegswesen,  Machanidas,  der  Herrscher  Spartas,  wurde  bei  Mantineia 
von  Philopoimen  geschlagen  und  getötet  (207  v.  Chr.).  Unter  diesen  Um- 
ständen neigten  die  Aetoler  zum  Frieden.  Schon  mehrmals  hatten  die  neu- 
tralen Mächte,  Ägypten,  die  Republik  Rhodos  und  andere  Freistädte,  denen 
die  römische  Einmischung  Unbehagen  schuf,  dem  verderblichen  Krieg  ein 
Ende  zu  setzen  gesucht.  Jetzt  war  ihre  Vermittlung  erfolgreich.  Die  Aetoler 
sagten  sich  von  den  Römern  los  und  machten  mit  Philipp  Frieden  (206 
V.  Chr.),  womit  der  Krieg  sich  wieder  nach  Illyrien,  von  wo  er  ausgegangen 
war,  zog.  Doch  sollte  er  angesichts  des  Umschwungs  der  Lage  nicht  mehr 
lange  währen ;  schon  205  v.  Chr.  schlössen  die  Römer  und  Philipp  unter 
epirotischer  Vermittlung  zu  Phoinike  in  Epirus  Frieden.  Die  Römer  be- 
haupteten ihre  wichtigsten  ill3a'ischen  Posten,  die  griechischen  Städte,  nur 
einen    Teil    ihrer    festländischen    Besitzungen    mußten    sie    in    den    Händen 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  "Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  21.)     127 

Philipps    belassen.  1)    Jetzt    konnten    sie    sich    mit    voller  Wucht    auf  Kar- 
thago werfen. 

Nach  Abschluß  der  Eüstungen  setzte  Scipio  mit  einer  zahlreichen  Flotte 
204  V.  Chr.  nach  Afrika  über  und  begann  sogleich  Utica  zu  belagern. 2)  Die 
Expedition  war  nicht  gefahrlos;  denn  auf  die  Hilfe  des  Syphax  war  nicht 
mehr  zu  rechnen,  da  der  unzuverlässige  Numider  sich  inzwischen  den 
Karthagern  zur  Verfügung  gestellt  hatte.  Dafür  warf  sich  dessen  Rivale, 
der  numidische  Abenteurer  Masinissa,^)  der  nach  ausgezeichneten,  den 
Karthagern  in  Spanien  geleisteten  Diensten  von  Syphax  (um  205  v.  Chr.) 
aus  seinem  Stammland  vertrieben  worden  war,  den  Römern  in  die  Arme.^) 
Aber  Masinissa  war  nur  ein  machtloser  Prätendent  und  Scipio  sah  sich 
einem  überlegenen  feindlichen  Heer  gegenüber;  er  mußte  die  Belagerung 
Uticas  aufgeben,  und  seine  Lage  gestaltete  sich  noch  schwieriger,  als  die 
Karthager  auch  eine  Flotte  ausrüsteten.  Sie  kampierten  unter  Syphax  und 
Hasdrubal  in  zwei  Lagern  ihm  gegenüber.  Es  kam  unter  Vermittlung  des 
Syphax  im  Winter  204/3  v.  Chr.  zu  Friedensverhandlungen,  wobei  die  Räu- 
mung Italiens  durch  Karthago,  diejenige  Afrikas  durch  Rom  ventiliert  wurde. 
Aber  Scipio  brach  die  von  seiner  Seite  nicht  ernst  gemeinten  Unterhand- 
lungen ab  und  überraschte  durch  einen  nächtlichen  Überfall  die  ahnungs- 
losen Gegner,  deren  Lager  in  Brand  gesetzt  und  deren  Heere  zersprengt 
wurden.  Nach  kurzer  Verfolgung  nahm  Scipio  die  Belagerung  Uticas  wieder 
auf.  Die  Karthager,  inzwischen  durch  iberische  Söldner  verstärkt,  erschienen 
mit  Syphax  aufs  neue  im  Feld,  wurden  aber  auf  den  „großen  Feldern" 
{ueydXn  jiföia)  abermals  geschlagen;^)  im  Anschluß  an  diesen  Sieg  konnte 
Masinissa  mit  römischen  Truppen  unter  dem  Kommando  des  C.  Laelius  in 
Numidien  eindringen;  Syphax  wurde  von  Masinissa  besiegt"^)  und  gefangen, 
seine  Hauptstadt  Cirta  erobert,  sein  Land  in  Besitz  genommen.  In  Masi- 
nissa besaßen  die  Römer  von  nun  an  einen  äußerst  brauchbaren  Bundes- 
genossen. Von  solchen  Schlägen  getroffen,  baten  die  Karthager  um  Frieden. 
Scipio  bewilligte  einen  Waffenstillstand,  dessen  Bedingung  die  Räumung 
Italiens  durch  Mago  und  Hannibal  bildete.  Zugleich  wurden  die  Friedens- 
präliminarien mit  dem  karthagischen  Verzicht  auf  Spanien  aufgesetzt.  Die 
karthagischen  Heere  wurden  also  aus  Italien  abberufen.^)    Hannibal,  zuletzt 


')  Liv.  XXIX  12. 13  f.    E.  Täubler,  Imp.  10  ff.    Liv.  XXIX  29  ff.    Bekannt   ist    die 

Rom.  1  214  ff.  Erzählung  von  der  Gattin  des  Syphax,  der 

'-)ZiELiNSKi,  Die  letzten  Jahre  des  zweiten  Karthagerin  Sophoniba,  die  den  Syphax 

pun.  Krieges,  Leipzig  1880.    Konead  Leh-  I    auf  karthagischer  Seite  festhielt.   Sie  war 

MANN,   Der  letzte  Feldzug  des  hannibali-  nach    der    Erzählung    ursprünglich   dem 

sehen  Krieges  (N.  Jahrb.  f.  Phil.,   Suppl.  Masinissa  bestimmt  und  fand,  von  diesem 

21, 527  f.),  Leipzig  1894.  Matzat,  Rom.  Zeit-  aufs  neue    begehrt,    als  Opfer  der  römi- 

rechn.  S.  160  ff.    G.  Veith   in   Kromayers  '    sehen  Politik  das  bekannte  tragische  Ende. 

Ant.  Schlachtfeldern  III,  2  (1912),  575  ff.  Liv.  XXX  12  ff.    Appian  Lib.  26  flf.   Diodor 

Kahrstedt   in  Meltzers  Gesch.  d.  Karth.  XXVII7.  Vgl.Polyb.XIVl,4.  7,6.  G.Jung, 

III  542  ff.  Beiträge  S.  24. 


^)  Die  griechische  zeitgenössische  Na- 
mensform ist  Maaavväoag .  Er  war  Sohn 
des  Gaia,  wofür  die  Handschriften  des  Li- 
vius  irrig  Gala  schreiben.    SIG  11^  nr.  652. 

■*)  Die  Vorgeschichte  Masinissas  ist  na 


'")  Gegen  die  topographische  Fixierung 
von  Veith  a.  a.  0.  589  ff. :  Kahrstedt  a.  a.  O. 
551,  1. 

6)  Nach  späterem  römischen  Datum  am 
23.  Juni  (F7//.  l-al.  Julias).  Ovid.fast.VI  769. 


mentlich   bei  Livius  großenteils  fabulos.    '        ')  Nach  Livius  XXX  18,  5  starb  Mago 
Polyb.  XXI  21,  2.    Appian  Iber.  37.    Lib.       auf  der  Überfahrt  nach  Afrika.  Nach  Nepos 


]^28  Römische  Geschichte. 

auf  Kroton,  Thurii  und  Umgegend  beschränkt,  gab  unbesiegt  seine  letzten 
Positionen  auf  und  verließ  Kroton,  in  dessen  Nachbarschaft,  im  Heratempel 
auf  dem  lakinischen  Vorgebirge  er  seinen  Tatenbericht  in  Bronze  hatte  ver- 
ewigen lassen.^)  p]r  landete  bei  Leptis  an  der  kleinen  Syrte,  wo  er  den 
Winter  (203/2  v.  Chr.)  zubrachte. 

Indes  der  Waffenstillstand,  während  dessen  Dauer  Senat  und  Volk  von 
Rom  die  Friedensbedingungen  genehmigten,  wurde  durch  einen  Übergriff 
der  Karthager,  denen  die  Rückkehr  Hannibals  Mut  gemacht  hatte,  verletzt. 
Sie  brachten  nämlich  eine  römische  Proviantflotte  auf,  und  als  Scipio  sich 
in  Karthago  beschweren  ließ,  kam  es  sogar  zu  einem  Angriff  auf  seine 
zurückkehrenden  Gesandten.  Sogleich  eröffnete  Scipio  den  Krieg  aufs  neue 
und  brach  verheerend  in  das  karthagische  Gebiet  ein.  Hannibal  eilte  von 
Hadrumetum  (heute  Susa)  herbei  und  traf  den  Gegner  nicht  weit  von  Zama, 
fünf  Tagemärsche  westlich  von  Karthago.  Ehe  es  z.ur  Schlacht  kam,  hatten 
die  beiden  Feldherren  eine  Zusammenkunft,  in  der  Hannibal  vergebens  den 
Frieden  auf  die  früheren  Bedingungen  zu  erlangen  suchte.  Nun  hatten  die 
Waffen  das  Wort.  Scipio  nahm,  verstärkt  durch  Masinissa,  der  kurz  vor 
jener  Konferenz  aus  Numidien  mit  seinen  Reiterscharen  zu  ihm  gestoßen 
war,  die  Schlacht  an,  die  mit  der  völligen  Niederlage  der  Karthager  endete 
(202  V.  Chr.).  Die  Entscheidung  gab,  wie  einst  bei  Cannae,  so  auch  hier  die 
Reiterei,  diesmal  freilich  zuungunsten  Hannibals,  den  Scipio  mit  der  ihm 
selbst  abgelauschten  Taktik  schlug.^) 

Nach  dieser  Niederlage  gab  Karthago  den  Widerstand  auf:  auch  Hannibal 
soll  nachdrücklich  für  den  Frieden  gewirkt  haben,  der  im  nächsten  Jahr 
(201  V.  Chr.)  unter  weit  ungünstigeren  Bedingungen  ratifiziert  wuirde.  Karthago 
sah  sich  auf  Afrika  beschränkt,  wo  es  zwar  sein  eigentliches  Gebiet,  seine 
„Terrafirma"  behielt,  aber  seine  weitere  Herrschaft  einbüßte.  Die  früher 
abhängigen  und  verbündeten  Numider  wurden  selbständig  und  großenteils 
dem  Masinissa  zugewiesen;  unter  diesem  tatkräftigen  und  einsichtigen  Fürsten 
wuchsen  sie  bald  zu  einem  ansehnlichen  Staat  zusammen. 3)  Karthago  mußte 
sich  verpflichten,  außerhalb  Afrikas  überhaupt  keinen  Krieg  zu  führen,  in 
Afrika  selbst  nur  mit  Roms  Zustimmung,  10000  Talente  (etwa  47 150000  Gold- 
mark) zu  zahlen,  Geiseln  zu  stellen,  sämtliche  Elefanten,  sowie  die  Krieg- 
schiffe bis  auf  10  Trieren  auszuliefern.^)  Scipio  führte  sein  Heer  aus  Afrika 

{Hannib.8)  hätte  Mago  aber  noch  190  v.Chr.  iiannt,  bei  Liv.  XXX  29, 9  narcara,  bezw.  in 

gelebt.    Über  seinen  Tod  gab  es  verschie-  einer  Handschrift  naraggaj-a.   Der  Mode- 

dene   Erzählungen.     Th.  Friedrich,    Bio-  name  ..Schlacht  bei  Naraggara"  hat  dem- 

graphie  des  Barkiden  Mago,    Wien  1880.  nach  an   der  Überlieferung  die  denkbar 


')  Diese   Inschrift   hat   Polvb.   benutzt 
(III  33,  18;  50,  4). 

Das  topographische  Problem  erörtert 


schwächste  Stütze.  Gegen  ihn  und  gegen 
dieTopographieVEiTHS  erklären  sichlvAHR- 
STEDT  a.  a.  O.  563, 1  und    Ed.  Meyer,    SB. 


ausführlieh    Yeith     in    Keomayers     Ant.  Berl.  Ak.  1915,  942  f. 

Schlachtf.  III,  2,  599  ff.    Da  es  in  Nord-  ^)  Ein    packendes  Bild   von  Masiuissas 

afrika  zwei  Städte  des  Namens  Zama  sab,  Wirken  für  Einheit  und  Kultur  des  Nu- 

so  ist  die  Bestimmung  des  Schlachtfeldes  miderreichs  entwirft  Kahrstedt  in  Melt- 

vmistritten.    Der   numidische  Ort  Xarag-  zers  Gesch.  d.  Karth.  III  578  flf.  (Vgl.  aber 

gara,  an  den  sich  die  Kombinationen  von  die  Einwände    von  Kromayer,   Gott.  gel. 

K.Lehmann,    H.Delbrück   und   insbeson-  Anz.  1917,  475  ff.) 

dere  Veith  knüpfen,  bliebe  besser  aus  dem  ■•)  Polyb.  XV  18.  Vgl.  H.  Nissen,  De  pace 

Spiel.    Bei  Polyb.  XV  5,  14  ist  als  Ort  der  anno  201  a.Clu-.  Carthagim'ensibusciata.Mar- 

Schlacht    das    unbekannte   Mügyaoo^'    ge-  bürg  1870.    Täubler,    Imp.  Born.  I  190  tf. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  21.)     129 

zurück  und  zog  im  Triumph  in  Kom  ein;  seine  großen  Taten  verbreiteten 
seinen  Ruhm  in  der  ganzen  Welt;  er  war  in  Rom  der  Held  des  Tages,  und 
man  legte  ihm  den  Ehrennamen  Africanus  bei;  er  ist  der  erste  Römer,  der 
durch  einen  solchen  Siegernamen  ausgezeichnet  wurde. 

Der  siegreich  beendete  Kampf  mit  Hannibal  hat  nicht  nur  die  äußere 
Machtstellung  Roms  durch  den  Gebietszuwachs  in  Spanien  und  Sizihen  und 
die  gesteigerten  Einkünfte  gehoben,  sondern  auch  die  innere  Entwicklung 
und  die  Verfassung  während  seines  Verlaufs  und  in  seiner  Wirkung  be- 
einflufst.  Das  Heerwesen  der  Römer  wurde  in  Bewaffnung  und  Taktik  auf 
die  Höhe  gebracht,')  zugleich  die  Abhängigkeit  der  itahschen  Bundesgenossen 
vergrößert,  das  Übergewiclit  Roms  verstärkt  und  das  Gebiet  der  Bürger- 
schaft vermehrt.  Die  Kriegführung  auf  mehreren  Schauplätzen  hatte  vor 
neue  Aufgaben  gestellt.  Es  wurden  mehr  Feldherren  notwendig,  als  die  Ver- 
fassung vorsah;  so  mußten  mitunter  außerordentliche  Kommanden  geschaffen 
werden,  wie  in  Spanien,  oder  man  behalf  sich  mit  der  Prorogation,  der 
Verlängerung  des  Feldherrnamtes  auf  zwei  oder  mehr  Jahre,  wie  es  künftig 
zur  Regel  wird.  Römern  wie  Italikern  hat  der  lange  Krieg  schwere  Opfer 
an  Gut  und  Blut  auferlegt;  viele  Städte  waren  zerstört,  ganze  Landschaften 
verwüstet.  Doch  ist  Mittelitalien  und  das  eigentliche  römische  Gebiet  nur 
vorübergehend  in  Mitleidenschaft  gezogen  worden,  so  daß  der  Krieg  hier 
kaum  tiefere  Spuren  hinterließ.  Anders  in  Unteritalien,  das  lange  das  Kampf- 
objekt bildete,  in  Apulien,  Lukanien  und  bei  den  Brettiern.  In  diesen 
Gegenden,  namenthch  an  der  griechischen  Küste,  leitet  der  hannibalische 
Krieg  die  Verödung  und  den  Verfall  ein. 

Der  itahsche  Bund  hatte  die  Belastungsprobe  glänzend  bestanden;  mit 
wenigen  Ausnahmen  sind  die  Itahker  nur  notgedrungen  zu  Hannibal  über- 
gegangen, und  über  Kampanien  hinaus  hat  der  Abfall,  so  viel  wir  wissen, 
sich  nicht  erstreckt.  Was  sonst  von  Gärung  und  Unruhen  verlautet,  scheint 
unerheblich  geblieben  zu  sein. 2)  Die  Abtrünnigen  haben  zumeist  noch  während 
des  Krieges  ihren  Frieden  mit  Rom  gemacht,  wohl  nicht  ohne  die  verdiente 
Minderung  an  Selbständigkeit  und  Besitz.  Doch  hat  man  diesen  Elementen  die 
Rückkehr  zu  Rom  nicht  über  Gebühr  erschwert.  Dagegen  über  diejenigen, 
die  bis  zuletzt  bei  der  karthagischen  Sache  ausharrten,  erging  das  strengste 
Gericht;  sie  wurden  zu  rechtlosen  Untertanen  hinabgedrückt.  Dies  Los  traf 
außer  den  Kampanern  die  Picentiner  am  tyrrhenischen  Meere  südlich  von 
Kampanien  und  die  Brettier.^^)  Das  Gebiet  von  Capua  und  Nachbarschaft 
wurde    eingezogen    und   für  Rechnung   des  römischen  Ärars  verpachtet,  an 

')  Aus  den  spanischen  Kriegen  brach-  Magos.  Liv.  XXVII  21.  24.  XXIX  36,  10. 
ten  die  Römer  das  gefürchtete  spanische  |  Plut. Marc.  28;  dazu  vielleicht  Polyb.fr.  171 
Schwert  mit.  Polyb.A^I  23,6  u.  fr.  179  (96).  (183).  Über  Ursachen,  Umfang  und  Ver- 
Auch  das  pihtm  scheint  von  den  Spaniern  !  lauf  dieser  Unruhen  fehlt  es,  wie  über- 
(Iberern)  entlehnt  zu  sein;  vgl.  A.  Schui.-  haupt  über  die  Vorgänge  innerhalb  der 
TEN,  Rhein.  Mus.  66,  1911,  573  ff.  römischen  Bundesgenossenschaft,  an  zu- 

-)  Die  Erzählung  von  der  Verweigerung  verlässigen  Nachrichten, 
der  Heeresfolge  durch  zwölf  Kolonien  209  1  '')  Die  Brettier  und  Picentiner  wurden 
v.  Chr.  bei  Livius  XXVII  9  ff.  XXIX  15  !  nicht  mehr  zum  Heer  ausgehoben,  son- 
ist  legendär.  Für  das  J.  208  hören  wir  dern  nur  zu  untergeordneten  Dienst- 
von  Abfallsgelüsten  in  etruskischen  Städ-  j  leistungen  verwendet.  Vgl.  Gellius  N.  A. 
ten,  namentlich  Arretium,  und  noch-  X  3, 19;  Strabo  V  251;  Appian,  Hanmb.61. 
mals   für   das  J.  204    nach  der  Landung 

Handbuch  <\m-  klass.  Altertnmswisspinschaft.    TU,  5.    5.  Aufl.  " 


j^3Ö  Römische  Geschichte. 

der  Küste  in  Liternuni,  Volturnuin  und  Dikaiarcheia  wurden  römische  Kolo- 
nisten angesiedelt.  Besonders  die  letztere  Stadt  kam  dadurch  rasch  in  Blüte. 
Sie  entwickelte  sich,  als  römische  Kolonie  in  Puteoli  umgenannt,  zu  einem 
bedeutenden  Handelsplatz;  bei  der  mangelhaften  Anlage  Ostias  gab  Puteoli 
den  eigentlichen  Hafen  Roms  am  tyrrhenischen  Meer  ab,  wie  Brundisium 
am  adriatischen.  Weiterhin  wurde  im  Land  der  Picentiner  Salernum  an- 
gelegt, in  Unteritalien  erhielten  Sipontum,  Kroton,  Pyxus  (Buxentum)  und 
Temesa  römische  Bürgeransiedlungen,  Thurii  und  Hipponion  (Vibo)  wurden 
als  latinische  Städte  neu  gegründet  und  umbenannt,  ersteres  in  Copia,  Vibo 
in  Valentia.')  Doch  brachten  es  diese  Gründungen  nicht  zu  größerer  Be- 
deutung. Unsere  Nachrichten  lassen  erkennen,  daß  die  Römer  überhaupt 
nach  dem  großen  Krieg  und  vielleicht  schon  während  seiner  Dauer  sich 
bestrebten,  die  Verluste  an  Menschenleben  durch  bevölkerungspolitische  Maß- 
nahmen, wie  Verstärkung  der  vorhandenen  Kolonien  und  Ansiedlung  von 
Veteranen  möglichst  auszugleichen.-)  Sie  blieben  damit  in  den  Bahnen  ihrer 
von  früher  bewährten  Politik. 

22.  Kriege  mit  den  östlichen  Mäctiten.  Die  Römer  haben  die  Ent- 
scheidung des  Krieges  in  Afrika  beschleunigt,  um  Aktionsfreiheit  im  Osten  zu 
gewinnen,  von  wo  man  besonders  gegen  Makedonien  ihren  Beistand  anrief.') 
Der  König  Philippos  hatte  nach  dem  Frieden  von  Phoinike  nach  allen 
Seiten  um  sich  gegriffen  und  zunächst  in  Illyrien  und  Thrakien  Eroberungen 
gemacht.  Weitere  Unternehmungen  verwickelten  ihn  in  einen  Krieg  mit 
seinen  Nachbarn.  Den  Anlaß  bot  der  Tod  des  Ptolemaios  IV  Philopator 
von  Ägypten,  der  unter  Hinterlassung  eines  unmündigen  Sohnes,  Ptole- 
maios V  Epiphanes,  204  v.  Chr.  verstarb.  Der  Hof  gab  das  Ableben  des 
Königs  erst  über  ein  Jahr  später  (203  v.  Chr.)  offiziell  bekannt.  Über  den 
inneren  Wirren  Ägyptens  und  dem  beständigen  Wechsel  der  Vormundschafts- 
regierung geriet  die  äußere  Machtstellung  des  Lagidenreichs  in  Verfall.  So 
war  die  Gelegenheit  zu  einer  Beraubung  Ägyptens  günstiger  denn  je.  In 
dieser  Absicht  verständigte  sich  Philipp  von  Makedonien  mit  Antiochos  III 
dem  Großen.  Dieser  hatte  inzwischen  in  den  Jahren  216 — 204  v.  Chr.  in 
mehreren  glücklichen  Kriegen  das  Reich  des  Seleukos  im  ursprünglichen 
Umfang  fast  ganz  wiederhergestellt.  Während  nun  Antiochos  in  Cölesyrien 
einrückte  (201  v.  Chr.),  in  der  Schlacht  bei  Paneion  das  ptolemäische  Heer 
schlug  (200  V.  Chr.)  und  sodann  das  ganze  Land  bis  zur  ägyptischen  Grenze 
eroberte,  griff  Philipp  nach  den  ptolemäischen  Besitzungen  am  Hellespont 
und  ägäischen  Meer  und  begann  202  v.Chr.  mit  der  Eroberung  Lysimacheias, 
Kalchedons  und  anderer  hellespontischer  Städte,  wobei  er  an  Prusias  von 
Bithynien  einen  Helfer  fand;  auch  Thasos  fiel  ihm  zu.  Jetzt  erklärten  ihm 
die  Rhodier  den  Krieg,  da  sie  sich  als  Beschützer  der  hellenischen  freien 
Städte    betrachteten    und    nicht    dulden    wollten,    daß    der  Hellespont,    eine 

»)  Nach  Liv.  XXXII  29.  XXXIV  45.  53.      Cales  Liv.  XXXI  49,  6.    XXXII  2,  6.  7,  3. 


XXXV  40  erstrecken  sich  diese  Grün 
düngen  auf  die  J.  197—192  v.  Chr.  Vgl. 
Strabo  V  245.  251.  256.  263.  Niese,  Gesch. 
d.  griech.  u.  makedon.  Staaten  II  555  ff. 

'■')  Überliefert  wird  die  Aussendung  neuer 
Kolonien  nach  Venusia,  Narnia,  Cosa  und 


Plut.  Tit.  1.  CIL  12  ij.  200  nr.  XXXII.  Vgl. 
Liv.  XXXI  4.  49,  4.  XXXII  6,  6.  7,  3. 

^)  Vgl.  Niese,  Gesch.  der  griech.  und 
makedon.  Staaten  II  562  ff.  Weitere  Lite- 
ratur unten  S.  148. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zvir  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  22.)     131 

der  wichtigsten  Handelsstraßen,  in  die  Gewalt  Philipps  gerate,  mit  dem  sie 
schon  früher  /Aisammengestoßen  waren.  Mit  Rhodos  vereinigte  sich  Attalos  I 
von  Pergamon.  Dessenungeachtet  errang  Philipp  weitere  Erfolge,  eroberte 
Samos  und  griff  Pergamon  an;  er  wurde  zwar  von  den  vereinigten  Gegnern 
bei  Chios  geschlagen,  erfocht  aber  bei  Lade  über  die  Rhodier  einen  Sieg 
und  eroberte  die  rhodischen  und  ptolemäischen  Besitzungen  in  Karien  (201 
V.  Chr.).  Im  Winter  kehrte  er  von  da  in  sein  Stammland  zurück,  um  im 
nächsten  Jahr  (200  v.  Chr.)  die  ptolemäischen  Plätze  in  Thrakien  anzugreifen, 
Maroneia,  Ainos  und  die  Städte  des  Chersones,  die  er  der  Reihe  nach  be- 
zwang. Von  hier  ging  er  nach  Asien  hinüber  und  belagerte  Abydos,  das 
erst  nach  erbitterter  Gegenwehr  kapitulierte  (200  v.  Chr.). 

Damals  wußte  Philipp  bereits,  daß  er  eine  römische  Intervention  zu  ge- 
wärtigen habe.  Die  Ägypter  hatten  sich  an  Rom  gewandt,  ebenso  Attalos 
und  die  Rhodier,  endhch  auch  die  Athener,  die  aus  besonderer  Ursache  mit 
Philipp  in  Konflikt  gerieten.  Zwar  hatten  die  Römer  keinen  Anlaß  zum 
Krieg  gegen  Philipp, ')  aber  sie  gedachten  die  Konjunktur  zu  benutzen,  um 
Makedonien  zurückzudrängen  und  ihren  Einfluß  auf  Griechenland  aus- 
zudehnen. Nachdem  der  Friede  in  Afrika  geschlossen  war,  mischten  sie  sich 
alsbald  ein.  Der  Zeitpunkt  war  günstig,  da  Philipp  durch  den  Krieg  be- 
deutende Verluste  erlitten  hatte.  Roms  Gesandte  triifen  den  König  200  v.Chr. 
vor  Abydos  und  verlangten  Einstellung  der  Feindseligkeiten  gegen  die 
Griechen  und  Rückgabe  der  ägyptischen  Besitzungen.  Den  Streit  mit  Attalos 
und  den  Rhodiern  sollte  ein  Schiedsgericht  schlichten.  Als  Phihpp  diese 
Forderungen  ablehnte,  erklärte  ihm  Rom  den  Krieg.^)  Noch  im  selben  Jahr 
(200  v.  Chr.)  fuhr  ein  römisches  Heer  unter  dem  Konsul  P.  Sulpicius  (Galba) 
nach  Apollonia  hinüber  und  eröffnete  die  Operationen  durch  einen  Streif- 
zug ins  benachbarte  lUyrien.  Zugleich  kam  es  vor  Athen,  das  von  römi- 
schen, rhodischen  und  pergamenischen  Streitkräften  geschützt  wurde,  zu 
Kämpfen.  Die  verbündeten  Gegner  Philipps  überrumpelten  von  Athen  aus 
die  makedonische  Festung  Chalkis  auf  Euboea,  wo  sie  übel  hausten,  ohne 
sich  auf  die  Dauer  halten  zu  können.  Philipp  rächte  sich  durch  barbarische 
Verwüstung  Attikas  und  wandte  sich  dann  zu  den  Achäern,  um  deren 
aktive  Beteiligung  am  Krieg  er  sich  vergeblich  bemühte. 

Die  Römer  führten  den  Krieg  im  Verein  mit  Attalos  und  den  Rhodiern 
und  suchten  vor  allem  in  Hellas  Bundesgenossen  zu  werben,  da  sonst  keine 
Aussicht  auf  Erfolg  bestand.  Vorläufig  schloß  sich  ihnen  nur  Amynandros, 

1)    Erst    die    späteren    Historiker    be-   1  gedrungen  an   die   überseeischen  Unter- 

haupten,  daß  Philipp  dem  Haunibal  nach    i  nehmungen    herangegangen   sei,    ist  mit 

Afrika  Truppen    geschickt  und  römische  den  Tatsachen  nicht  vereinbar. 

Bundesgenossen  befehdet  habe  (Liv.  XXX    i  ^)  Die  Kriegserklärung  kann  nicht,  wie 

26,  2  f.  42,  4  f.   XXXI  1,  10).   Aber  dies  ist  Livius  XXXI  6  f.  erzählt,  zu  Anfang  des 

Erfindung.     Im    übrigen    gehörte    weder  Konsulatsjahres   200  v.  Chr.   erfolgt   sein 

Ehodos,   noch  Athen,    noch  Ägypten  da-  (die  Konsuln  traten  damals  am  15.  März 

mals  zu  den  römischen  Bundesgenossen,  an),    sondern    erst   nach    der  Begegnung 

sondern    höchstens    Attalos,    der   jedoch  der  römischen  Gesandten  mit  Philipp  vor 

selbst  die  Offensive  gegen  Philipp  eröflnet  Abydos.    Polyb.  XVI  34.   Livius  berichtet 

hatte.     Auch   haben   die    Römer    damals  dazu,    die  Komitien  hätten   den    Knegs- 

nicht    erklärt,    daß    sie  zur  Verteidigung  antrag  des  Konsuls  zuerst  abgelehnt  und 

ihrer  Bundesgenossen  das  Schwert  zogen.  erst  nach  ernster  Vermahnung  in  zweiter 

Die  Ansicht  Mommsens,  daß  Eom  nur  not-  Abstimmung  angenommen. 

9* 


132  Römische  Geschichte. 

der  Fürst  der  Athamanen,  an,  während  die  Aetoler  zuwarteten.  Da  den 
Römern  ihr  Interesse  gebot,  Makedonien  zu  isoheren  und  vor  allem  den 
syrischen  König  Antiochos  fernzuhalten,  so  vertraten  sie  Syrien  gegenüber 
die  ägyptische  Sache  mit  geringem  Eifer.  Ein  Eingreifen  des  Antiochos  zu- 
gunsten Philipps  unterblieb,  war  doch  die  Rivalität  der  beiden  Herrscher 
stärker  als  ihre  opportunistische  Freundschaft.  Von  Anfang  an  auf  Roms 
Seite  stellten  sich,  als  alte  Feinde  Makedoniens,  der  illyrische  Fürst  Pleu- 
ratos  und  die  Dardaner. 

Im  Sommer  199  v.  Chr.  fiel  P.  Sulpicius  durch  lUyrien  ins  obere  Make- 
donien ein,  das  er  durchzog;  am  längsten  verweilte  er  in  der  Lynkestis. 
Philipp  vermied  eine  entscheidende  Schlacht  mit  dem  stärkeren  Gegner, 
doch  kam  es  zu  einigen  größeren  Gefechten,  in  denen  sich  die  Römer  dank 
ihrer  schwereren  und  besseren  Bewaffnung  als  die  Überlegenen  erwiesen.^) 
Sulpicius  kehrte  noch  vor  Ablauf  des  Sonnners  an  die  illyrische  Küste  zu- 
rück, wo  sein  Nachfolger,  der  Konsul  P.  Villius  (TajDpulus),  den  Oberbefehl 
übernahm.  Philipp  hatte  den  Römern  in  Makedonien  zuletzt  das  Feld  über- 
lassen müssen,  um  sich  gegen  die  Angriffe  der  Illyrier,  Dardaner  und  Aetoler 
zu  verteidigen.  Denn  die  Aetoler  hatten  nach  den  ersten  Erfolgen  der 
Römer  ihre  anfängliche  Zurückhaltung  aufgegeben,  um  am  Kampf  gegen 
Philipp  teilzunehmen;  sie  waren  in  Thessalien  eingedrungen.  Gleichzeitig 
hatte  sich  die  römische  Flotte  im  ägäischen  Meer  mit  Attalos  und  den 
Rhodiern  vereinigt,  die  makedonische  Küste  angegriffen  und  außer  einigen 
Inseln  auch  Oreos  auf  Euboea  erobert. 

Die  unmittelbaren  Ergebnisse  des  ersten  Feldzuges  waren  recht  dürftig; 
nur  die  Oresten  (am  See  von  Kastoria)  hatten  sich  in  Makedonien  dem 
Sulpicius  ergeben,  und  es  hatte  sich  herausgestellt,  daß  Philipp  von  Illyrien 
her  schwer  anzugreifen  war.  Aber  ein  Gewinn  für  Rom  war  der  Eintritt  der 
Aetoler  in  die  antimakedonische  Koalition;  und  so  konnten  die  Römer  daran 
denken,  im  nächsten  Jahr  in  Hellas  einzudringen,  um  von  dieser  Basis  aus  zu- 
sammen mit  den  Aetolern  den  Gegner  zu  packen.  Doch  Philipp  kam  ihnen 
zuvor  und  verlegte  ilnien  im  Frülijahr  198  v.  Chr.  in  einer  befestigten 
Stellung  an  den  Engpässen  des  Aoos  den  Weg.  2)  P.  Villius  lag  ihm  hier 
untätig  gegenüber,  und  auch  sein  Nachfolger,  der  Konsul  T.  Quinctius  (Fla- 
mininus),  ein  jüngerer,  sehr  befähigter  Mann,  konnte  nichts  ausrichten. 
Friedensverhandlungen,  die  damals  eingeleitet  wurden,  scheiterten,  da  Rom, 
in  der  Rolle  eines  Protektors  der  Freiheit  der  Hellenen,  von  Philipp  den 
Verzicht  auf  alle  griechischen  Besitzungen  forderte.  Es  gelang  dann  dem 
Konsul  mit  Hilfe  epirotischer  Freunde,  die  makedonische  Stellung  zu  um- 
gehen und  den  Philipp  durch  einen  unerwarteten  Angriff  zu  vertreiben. 
Dieser  zog  sicli  auf  den  Tempepaß  zurück,  die  Römer  folgten,  drangen 
durch  Epirus  in  Thessalien  ein,  reichten  ihren  griechischen  Bundesgenossen 
die  Hand  und  wandten  sich  weiter  gegen  Philipps  Besatzungen  und  Bundes- 
genossen in  Hellas,  besonders  die  Phoker  und  Lokrer,  während  die  ver- 
bündete Flotte  die  euböischen  Städte  Eretria  und  Karystos  eroberte  und 
hierauf  Korinth,   den  wichtigsten  Waffenplatz  Makedoniens,  angriff.    Unter 

')  Kromayer,  Ant.  Sehlaohtf.  II  9  ff.  hat   '        -)  Über  die  Örtlichkeit  vgl.  J.  Kromayer, 
den  Feldzug  zu  rekonstruieren  versucht,    t    Ant.  Schlachtf.  in  Griechenland  II  36  ff. 


5.  Dritte  Periode :  Bis  ziir  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§22.)     133 

dem  Druck  der  Lage  und  nicht  leichten  Herzens  brach  nunmehr  der  achäische 
Bund  die  Beziehungen  zu  Makedonien  ab  und  trat  der  Koahtion  gegen 
Phihpp  bei.  Die  Achäer  beteiligten  sich  alsbald  an  der  Belagerung  Korinths, 
die  indessen  erfolglos  verlief. 

Im  Hinblick  auf  seine  verschlechterte  Lage  wünschte  Philipp  zum  Frieden 
zu  kommen.  Zu  Beginn  des  Winters  hatte  er  zu  dem  Behuf  eine  Zusammen- 
kunft mit  Flamininus  und  den  Alliierten  Roms  bei  Nikaia  am  malischen 
Golf.  Sie  führte  zu  keinem  Resultat,  da  Philipp  sich  seines  griechischen 
Besitzes  nicht  entäußern  mochte.  Eine  Waffenruhe  von  zwei  Monaten  zum 
Zweck  neuer  Unterhandlungen  in  Rom  war  alles,  was  Philipp  erreichte. 
Aber  der  Senat  machte  sich  die  Forderungen  des  Flamininus  zu  eigen,  wo- 
nach Philipp  ganz  Griechenland  mitsamt  den  großen  Festungen  Korinth, 
Chalkis  und  Demetrias,  den  makedonischen  „Fesseln  Griechenlands",  auf- 
geben sollte.  Ehe  er  sich  so  tief  demütigte,  wollte  Philipp  doch  noch  ein- 
mal das  Glück  der  Waffen  versuchen.  Er  umwarb  den  Gegner  der  Achäer, 
den  spartanischen  König  Nabis^)  (seit  206  v.Chr.  Nachfolger  des  Machanidas), 
dem  er  als  Köder  Argos  überließ.  Trotzdem  schloß  sich  Nabis  den  Römern 
an,  und  selbst  die  Böoter,  bisher  mit  Makedonien  eng  befreundet,  traten, 
halb  gezwungen,  zu  ihnen  über.  Flamininus  bot  alles  auf,  um  den  Krieg 
rasch  zu  beenden;  er  fürchtete,  es  möchte  ihm  sonst  von  Rom  aus  ein  Nach- 
folger geschickt  werden.  Aber  auch  Philipp  suchte  eine  Entscheidung,  da 
seine  Kräfte  zur  Neige  gingen.  So  kam  es  denn  bald  nach  Eröffnung  des 
nächsten  Feldzuges  im  Sommer  197  v.  Chr.  in  Thessalien  bei  Skotussa  auf 
der  Hügelkette  Kynoskephalai  zur  entscheidenden  Schlacht.  -)  Völlig  besiegt, 
mußte  Philipp  Thessalien  räumen.  Gleichzeitig  waren  auch  vor  Korinth, 
ferner  in  Akarnanien  und  der  rhodischen  Peräa  die  Waffen  der  Römer  und 
ihrer  Verbündeten  siegreich. 

Fast  unmittelbar  nach  der  Schlacht  kam  der  Friede  zustande.  Philipp 
ging  aller  Eroberungen  aus  den  letzten  Kriegen  verlustig;  aus  Griechenland 
mußte  er  ganz  weichen.  Er  hatte  an  Rom  Geiseln  zu  stellen,  darunter  seinen 
Sohn  Demetrios,  und  mußte  Kriegskosten  zahlen  und  den  Hauptbestandteil 
seiner  Flotte  ausliefern.^)  Die  Einzelheiten  regelte  eine  zehnköpfige  Senats- 
kommission im  Einvernehmen  mit  Flamininus.  Wie  Rom  die  Räumung  der 
Griechenstädte  Kleinasiens  durch  die  makedonischen  Garnisonen  erwirkt 
hatte,  so  erklärte  diese  neue  Schutzmacht  Griechenlands  auch  die  bisher 
von  Makedonien  abhängigen  Hellenen  Europas  für  frei  und  autonom;  die 
feierliche  Bekanntgabe  dieses  Beschlusses  durch  Flamininus  bei  der  Isthmien- 
feier  196  v.  Chr.  wurde  mit  stürmischem  Jubel  aufgenommen.  Die  wichtigen 
Plätze  Korinth,  Demetrias  und  Chalkis  hatte  der  Senat  bis  auf  weiteres 
für  Rom  zu  behalten    gedacht;    aber   auf  Drängen   der  Aetoler  wurden  sie 

^)  Nabis    wird    amtlich    als    König   be-  |   leuderverschiebung  setzt  P.Varese  [Crono- 

zeichnet;  er  betrachtete  sich  als  legitimen  [    Jogia  Romana  I  1908)  die  Schlacht  ein  Jahr 

Herrscher.  Wolters,  Athen.  Mitteil.  XXII  j    später,  in  den  Juni  196:  dagegen  K.  J.Be- 

(1897)  139  ff.  Niese,  Gesch.  d.  griech.  u.  '  loch,  Klio  15,  1918,  382  ff".  —  Über  den 
makedon.  Staaten  II  563  f.  Vgl.  L.  Homo  Feldzug  und  die  Schlacht  s.  Kkomayer, 
in  den  Melanges  Cagnat,  Paris  1912.  31  E.       Aut.  Schlachtf.  II  57  ff". 

undinderiiVwe';»s/oW2«t'121,1916,241ff.;  \        ^)  Polyb.  XVIII  44.     Vgl.  E.  Täubler, 

122,  1916,  1  ff".  '    Imperium  Rom.  I  228  ff.  432  ff. 

^)  Auf  Grund   seiner  Theorie  der  Ka-  \ 


J^;J4  Römische  Geschichte. 

schließlich  doch  freigegeben.  Den  Aetolern  wurde  ihre  Einbuße  im  ersten 
makedonischen  Krieg  größtenteils  zurückerstattet;  die  Achäer  erhielten  im 
Peloponncs  Heräa  und  Tripliylien,  der  Fürst  Pleuratos  die  illyrischen  Be- 
sitzungen Philipps.  Von  einer  Entscliüdigung  der  Ägypter  war  nicht  die  Eede, 

Ein  Nachspiel  bildete  (195  v.  Chr.)  der  Krieg  gegen  Nabis  von  Sparta, 
der  sich  weigerte,  Argos  den  Achäern  zurückzugeben.  Von  den  Römern, 
Acliäern,  Rhodiern  und  Pergamenern  zu  Wasser  und  zu  Land  angegriffen, 
mußte  er  sich  nach  tapferer  Gegenwehr  fügen.  Er  wurde  zwar  in  seiner 
Herrschaft  belassen,  erlitt  aber  empfindlichen  Gebietsverlust;  die  meisten 
der  am  Meer  gelegenen  lazedämonischen  Periökenstädte  wurden  von  Sparta 
getrennt  und  den  Achäern  zugewiesen.  Damit  war  der  Krieg  zu  Ende, 
194  V.  Chr.  räumte  das  römische  Heer  Griechenland,  T.  Quinctius  Elamininus 
feierte  in  Rom  einen  pomphaften  Triumph.  Die  Griechen  hatten  ihrem  Be- 
freier sogar  göttliche  Ehren  erwiesen.') 

Ihre  ganze  griechische  Politik  führten  die  Römer  nicht  ohne  mißtrauischen 
Seitenblick  auf  Antiochos,  der  bedrohliche  Fortschritte  gemacht  hatte.  Er 
hatte  198  v.  Chr.  Cölesyrien  vollständig  okkupiert  und  sich  darüber  mit 
Ägypten  verständigt.  Im  nächsten  Jahr  rückte  er  mit  Heer  und  Flotte  gen 
Westen  vor  und  eroberte  die  ägyptischen  Plätze  an  der  Südküste  Klein- 
asiens. Die  Rhodier  fürchteten  ein  Zusammengehen  des  Antiochos  mit  Philipp 
und  erhoben  Vorstellungen,  aber  nach  der  Schlacht  bei  Kynoskephalai  wurden 
sie  anderen  Sinnes  und  einigten  sich  mit  Antiochos;  sie  benutzten  nun  die 
Gelegenheit,  die  ptolemäischen  Besitzungen  in  ihrer  Nachbarschaft  teils  zu 
befreien,  teils  zu  annektieren.  Antiochos  erwarb  damals  vor  allem  EjDhesos, 
auch  Abydos,  ging  196  v.  Chr.  über  den  Hellespont,  baute  Lysimacheia  wieder 
auf,  das  nach  dem  Abzug  der  Makedonen  von  den  Thrakern  zerstört  worden 
war,  und  nahm  die  früher  ägyptischen,  zuletzt  von  Philipp  eroberten  thra- 
kischen  Küstenstädte  in  Besitz,  über  welche  die  Römer  im  letzten  Frieden 
bereits  verfügt  hatten.  Auch  hier  ging  sein  Streben  auf  Wiederherstellung 
der  Seleukidenherrschaft  im  früheren  Umfang. 

Darüber  geriet  er  in  Konflikt  mit  Rom,  als  dessen  Freund  er  sich  bisher 
betrachtet  hatte.  Überdies  wurde  die  römische  Hilfe  von  den  Städten  Lam- 
psakos,-)  Alexandreia  in  Troas  und  Smj'rna  angerufen,  die  gegen  Antiochos 
ihre  Freiheit  wahren  wollten.  In  Lysimacheia  unterhandelten  die  Römer 
zuerst  mit  dem  König  (196  v.  Chr.) ;  sie  beschwerten  sich  über  seinen  Über- 
griff nach  Europa;  umgekehrt  verbat  sich  Antiochos  jede  Einmischung  der 
Römer  in  Asien.  Auf  die  Nachricht  vom  Tod  des  jungen  PtolemaiosV  hin 
brach  Antiochos  die  Besprechungen  ab  und  stach  schleunigst  in  See  in  der 
Hoffnung,  den  vakanten  ägyptischen  Thron  besteigen  zu  können.  Als  er 
auf  der  Fahrt  erfuhr,  daß  die  Todesbotschaft  sich  nicht  bestätigte,  gedachte 
er  sich  für  diese  Enttäuschung  an  Kypros  schadlos  zu  halten;  aber  ein 
Sturm,  der  seine  Flotte  zerstörte,  vereitelte  diesen  Plan.  Die  ausgesprochene 
Expansionspolitik  des  Antiochos  verfehlte  nicht,  bei  den  griechischen  Frei- 
städten, besonders  aber  in  Pergamon  Besorgnis  zu  erregen.  Gerade  um  diese 
Zeit  (197  V.  Chr.)  war  Attalos  I  von  Pergamon,  von  jeher  ein  Freund  des 

*)  Vgl.  0.  Hirschfeld,  Kl.  Sehr.  475. 

^)  Vgl.  die  lampsakeuische  Inschrift  SIG  11^  ur.  591. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).   (§  22.,     135 

Seleukiden,  verstorben,  i)  Sein  Sohn  und  Nachfolger  Eumenes  II  (197 — 158 
V.  Chr.)  Avollte  von  Antiochos  nichts  wissen  und  suchte  seinen  Rückhalt  an 
den  Körnern,  die  er  gerne  in  Krieg  mit  Syrien  verwickelt  hätte.  Aber  wie 
Antiochos  hielten  sich  auch  die  Römer  noch  zurück,  war  doch  ein  solcher 
Kampf  für  beide  Parteien  ein  Wagnis.  Zudem  waren  die  Römer  zur  Stunde 
mit  der  Unterwerfvmg  der  oberitalischen  Gallier^)  und  mit  einem  Aufstand 
in  Spanien  beschäftigt;  so  begnügte  man  sich  mit  ergebnislosen  diplomati- 
schen Verhandlungen,  die  in  Rom  (Winter  194,93  v.  Chr.)  und  später  bei 
Antiochos  geführt  wurden. 3)  Die  Römer  waren  bereit,  dem  König  in  Asien 
freie  Hand  zu  lassen,  forderten  aber  von  ihm  den  Verzicht  auf  Europa. 
Statt  dessen  hat  Antiochos  in  einem  zweiten  Feldzug  (194  v.  Chr.)  seine 
thrakischen  Besitzungen  noch  vermehrt.  So  rückte  der  Krieg  immer  näher; 
der  nächste  Anstoß  mußte  ihn  zum  Ausbruch  bringen. 

Er  kam  von  Griechenland,  wo  sich  die  Lage  kritisch  zugespitzt  hatte. 
Denn  die  Aetoler,  die  geradezu  die  Vernichtung  Makedoniens  angestrebt 
hatten,  fühlten  sich  von  Rom  enttäuscht  und  zurückgesetzt;  den  beanspruchten 
Gebietszuwachs  konnten  sie  trotz  langwierigen  Verhandlungen  mit  dem  Senat 
nicht  erwirken.  Gleich  bei  den  ersten  Besprechungen  nach  dem  Sieg,  an 
dem  sie  erheblichen  Anteil  hatten,  war  ihr  Gegensatz  zu  den  Römern,  be- 
sonders zu  Flamininus,  zutage  getreten,  um  sich  mehr  und  mehr  zu  ver- 
schärfen; die  Aetoler  mußten  erkennen,  daß  Griechenland  nur  den  Herren 
gewechselt  hatte,  die  Römer  wiederum  wollten  den  ätolischen  Bund  nicht 
zu  mächtig  werden  lassen.  Die  Aetoler  suchten  nun  ganz  Hellas  gegen  Rom 
aufzuwiegeln  und  vor  allem  den  Antiochos  in  den  Krieg  zu  treiben.  Von  ihnen 
angestiftet,  schlug  zunächst  192  v.  Chr.  Nabis  los,  um  sich  der  lazedämo- 
nischen  Küstenstädte  wieder  zu  bemächtigen;  dann  beschlossen  die  Aetoler, 
Antiochos  zum  Schutz  der  hellenischen  Freiheit  herbeizurufen  und  ihn  zum 
Generalissimus  ihres  Bundes  zu  erwählen.  Schon  war  es  ihnen  gelungen, 
das  wichtige  Demetrias  zu  besetzen,  während  ihr  Anschlag  auf  Chalkis  und 
Sparta  keinen  Erfolg  gehabt  hatte.  In  Sparta  war  inzwischen  Nabis  den 
Achäern  unter  Philopoimen  erlegen;  er  wurde  kurz  darauf  von  Aetolern, 
die  ihm  als  Hilfstruppen  zugesandt  waren,  ermordet  und  Sparta  überfallen. 
Die  Mörder  wurden  alsbald  von  den  Spartanern  vertrieben,  Philopoimen 
eilte  herbei  und  gliederte  Spai'ta  dem  achäischen  Bund  ein.  Von  Rom  aus 
erschienen  T.  Quinctius  Flamininus  und  andere  Gesandte,  darunter  M.  Porcius 
Cato;  unterstützt  von  einer  Flottenabteilung,  wirkten .  sie  den  Umtrieben 
der  Aetoler  entgegen. 

Antiochos  war  unvorsichtig  genug,  sich  durch  das  Vorgehen  der  Aetoler 
zu  verfrühtem  Eintritt  in  den  Krieg  hinreißen  zu  lassen.  Seit  196  v.  Chr. 
weilte  Hannibal,  von  seinen  einheimischen  Gegnern  aus  Karthago  zur  Flucht 


')  Die  Nachricht  des  Livius  XXXII  8,  9.  |  15,  1913,  1  if.    Auch   P.  Scipio  Africanus 

27, 1,  daß  Antiochos  199  v.Chr.  den  Attalos  soll    an   einer   der  Gesandtschaften   teil- 

angegx-ifFen    habe,    ist    erfunden.     Niese,  genommen  haben  (Liv.  XXXV  14,  5  zum 

Gesch.  der  griech.  und  niaked.  Staaten  11  ;  J.  193;  vgl.  Appian,  Syr.9).  Daranknüpft 

607,4.  Vgl.  M.  HoLLEAUX,  Klio  8,  1908,  279.  i  sich    die   Anekdote   seines   Zusammen- 

2)  S.  unten  S.  149.  i  treffens   mit  Hannibal  in  Ephesos.    Vgl. 

^)  Über  dieVerhandlungen  seit  200  v.Chr.  {  Holleaux,  Hermes  48,  1918,  75  ff. 

M.  Holleaux,    Revue    des   etudes   anciennes  \ 


136  Römische  Geschichte. 

genötigt,  bei  ihm.^)  Er  riet  dem  König,  die  Römer  mit  überlegener  Macht 
in  Italien  anzugreifen,  sich  zu  dem  Behuf  mit  Makedonien  7a\  verbünden 
und  dann  auch  Karthago  mithineinzuziehen.  Aber  Hannibals  Einfluß  wurde 
durch  Anwandlungen  von  Eifersucht  und  Argwohn  beim  König  und  seinen 
Ratgebern  beeinträchtigt.  So  folgte  denn  Antiochos  dem  Ruf  der  Aetoler 
und  fuhr  mit  verhältnismäßig  kleiner  Macht  und  unzulänglich  gerüstet  nach 
Griechenland  hinüber  (192  v.Chr.);  nach  der  Landung  bei  Demetrias  ver- 
einigte er  sich  mit  den  Aetolern  und  eröffnete  mit  dem  Überfall  auf  eine 
römische  Abteilung  bei  Delion  die  Feindseligkeiten  gegen  Rom.  Aber  der 
erhoffte  Zulauf  blieb  aus;  nur  die  Aetoler  mit  ihrem  Verbündeten  Amy- 
nandros  gingen  mit  ihm  zusammen.  Es  gelang  ihm  zwar,  Chalkis  und  ganz 
Euböa  zu  gewinnen,  auch  die  Böoter  und  im  Peloponnes  Elis  und  Messene 
auf  seine  Seite  zu  ziehen,  ferner  die  meisten  thessalischen  Städte  und,  nach- 
dem er  in  Chalkis  überwintert  hatte,  im  Frühjahr  191  v.  Chr.  einen  Teil 
Akarnaniens  zu  erobern,  aber  Athen  und  der  Peiraieus  hielten  zu  Rom, 
und  die  Achäer  hatten  ihm  gleich  nach  seiner  Landung  den  Krieg  erklärt; 
ja  sogar  Philipp  von  Makedonien  entsagte  völlig  der  syrischen  Freundschaft 
und  stellte  sich  den  Römern  zur  Verfügung,  die  ihm  als  Gegenleistung  den 
Rest  der  Kontribution  erließen,  die  Geiseln  zurückgaben  und  territoriale 
Vorteile  verhießen.  An  einen  Angriff  auf  Italien  konnte  Antiochos  unter 
diesen  Umständen  nicht  mehr  denken,  zumal  da  er  mit  seinen  Rüstungen 
im  Rückstand  war  und  die  Leistungen  der  Aetoler  seinen  Erwartungen 
nicht  entsprachen.  Die  Römer  dagegen  konnten  außer  ihren  griechischen 
und  makedonischen  Bundesgenossen  auf  die  Karthager  und  Numider,  auf 
Eumenes  und  die  Rhodier  rechnen;  denn  auch  die  letzteren  schlössen  sich 
wieder  an.  Ein  konsularisches  Heer  sollte  nach  Griechenland  geworfen 
werden;  im  übrigen  rechnete  Rom  mit  einem  Angriff  des  Antiochos  auf 
Italien,  weshalb  die  Flotte  unter  dem  Prätor  C.  Livius  zunächst  zurückblieb. 
Als  191  V.  Chr.  ein  römisches  Heer  unter  dem  Konsul  M.' Acilius  (Glabrio) 
zusammen  mit  den  Makedonen  gegen  Hellas  anrückte,  mußte  Antiochos 
Thessalien  räumen  und  zog  sich  an  die  Thermopylen  zurück;  hier  wurde 
er  von  den  Römern  angegriffen  und  völlig  geschlagen.^)  M.  Porcius  Cato 
nahm  als  Kriegstribun  an  der  Schlacht  hervorragenden  Anteil.  Antiochos 
floh  nach  Chalkis  und  ging  von  hier  nach  Ephesos  zurück;  seine  helleni- 
schen Bundesgenossen  unterwarfen  sich.  Nur  die  Aetoler  mit  Araynandros 
verharrten  im  Widerstand.  Aber  nach  dem  Fall  des  wichtigen  Ilerakleia 
am  Oeta  baten  sie  um  Frieden,  umsonst,  da  sie  sich  nicht,  wie  die  Römer 
verlangten,  auf  Gnade  und  Ungnade  ergeben  wollten;  so  rückte  denn  der 
Konsul  durch  Aetolien  gegen  den  Hauptwaffenplatz  Naupaktos  vor;  aber 
diese    feste  Stadt    erwehrte    sich    mit  Ausdauer    der  römischen  Belagerung, 

')  Appian  Syr.  4.  Nepos  Hann.  7,  6.  \  Li v.  XXXIII  47;  vgl.  a.  a.  O.  584,  1).  Für 
Justin  XXXI  1,  7  ff.  Die  Entwicklung  in  !  das  livianische  Datum  (195)  tritt  auch 
Karthago  seit  Friedensschluß  und  Hanni-  M.  Holleaux  ein,  Hermes  43,  1908,  296  ff., 
bals  politische  Haltung  dabei  sucht  Kahr-  ;  48,  1913,  82,  2.  Niese,  der  es  verwirft,  er- 
STEDT  inMELTZERsGesch.  d.Karth.  III581  ff.  klärt  es  aus  der  willkürlichen  Absicht 
zu  pragmatisiei-en.  Hannibals  Sturz,  an  des  Livius,  den  Hannibal  als  den  wahren 
dem  Rom  nicht  luibeteiligt  gewesen  zu  Anstifter  des  Krieges  mit  Antiochos  hin- 
sein scheint,  und  seine  Flucht  aus  der  zustellen. 
Heimat  setzt  K.  in  das  J.  195  v.  Chr.  (nach  [        '^)  Vgl.  Kromayer,  Ant.  Schlachtf.  II 134  ff. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  ziir  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  22.)     137 

bis  unter  Vermittking  des  T.  Quinctius  Flamininus  eine  Waffenruhe  zustande 
kam;  es  folgten  Friedensverhandlungen,  abermals  ohne  Erfolg,  da  der  Senat 
unbedingte  Ergebung  verlangte.  Gleichzeitig  mit  diesen  Ereignissen  hatte 
Philipp  in  Thessalien  eine  Reihe  von  Städten  erobert,  besonders  Demetrias  und 
die  Landschaft  Magnesia,  und  auch  einige  ätolische  Landschaften  okkujjiert. 

Auch  zur  See  waren  die  Römer  erfolgreich.  Nach  der  Schlacht  an  den 
Thermopylen  segelte  die  römische  Flotte  unter  C.  Livius  ins  ägäische  Meer 
und  setzte  auf  die  asiatische  Seite  über.  Es  war  von  Wert,  daß  außer  den 
Rhodiern  die  großen  Inselgemeinden,  Samos,  Chios  und  Lesbos,  sich  den 
Römern  zur  Verfügung  stellten  und  der  Flotte  die  nötigen  Stützpunkte 
boten.  Vereinigt  mit  der  pergamenischen  Flotte  und  an  Stärke  der  Schiffe 
überlegen,  1)  erfocht  Livius  bei  Korykos  der  Insel  Chios  gegenüber  einen 
bedeutenden  Sieg  über  Polyxenidas,  den  Admiral  des  Antiochos.  Mehrere 
der  griechischen  Städte  des  asiatischen  Festlandes  fielen  gleich  darauf  von 
Antiochos  ab  und  die  Gegner  des  Antiochos  beherrschten  die  See. 

In  Rom  herrschte  über  den  Seesieg  berechtigter  Jubel.  Nunmehr  konnte 
der  Krieg  nach  Asien  verlegt  werden ;  mit  der  Leitung  betraute  Rom  seinen 
besten  Feldherrn,  den  P.  Scipio  Africanus.  Da  aber  Scipio  erst  191  v.  Chr. 
Konsul  gewesen  war,  so  hätte  seine  Wiederwahl  nach  so  kurzer  Frist  gegen 
die  Verfassung  verstoßen.  Man  half  sich  aus  der  Verlegenheit,  indem  man 
seinen  älteren  Bruder,  den  unbedeutenden  L.  Cornelius  Scipio,  für  190  v.Chr. 
zum  Konsul  wählte  und  ihm  in  außerordentlichem  Auftrag  als  eigentlichen 
Oberbefehlshaber  den  Publius  mit  gleicher  konsularischer  Gewalt,  mit  der 
Bezeichnung  Prokonsul  an  die  Seite  setzte.  2)  Das  Flottenkommando  erhielt 
der  Prätor  L.  Aemilius  (Regillus).  Die  neuen  Befehlshaber  nahmen  be- 
deutende Verstärkungen  mit. 

Es  war  Scipios  Absicht,  den  Krieg  gegen  Antiochos  durch  einen  Angriff 
auf  Asien  rasch  zur  Entscheidung  zu  bringen.  Als  er  zunächst  in  Griechen- 
land erschien,  fand  er  dort  die  Kämpfe  mit  den  Aetolern  wieder  im  Gange. 
M.' Acilius  hatte  Lamia  erobert  und  belagerte  Amphissa,  aber  Scipio  wünschte 
Ruhe  in  Griechenland.  Ein  endgültiger  Friede  wurde  zwar  nicht  erreicht, 
aber  unter  athenischer  Vermittlung  nahmen  die  Aetoler  behufs  neuer  Unter- 
handlungen einen  sechsmonatlichen  Waffenstillstand  an,  und  Scipio  hatte 
also  den  Rücken  gedeckt  und  konnte  sein  Heer  auf  dem  Landweg  durch 
Makedonien  und  Thrakien  sofort  gegen  Asien  in  Marsch  setzen.  Auch  von 
den  Achäern  gingen  Truppen  hinüber;  Flamininus  hatte  zwischen  ihnen 
und  den  Eleern  und  Messeniern  einen  Frieden  vermittelt  und  den  Eintritt 
dieser  beiden  Stämme  in  den  achäischen  Bund  veranlaßt;  dadurch  wurden 
die  achäischen  Streitkräfte  für  römische  Zwecke  frei. 

Der  Übergang  nach  Asien  war  vorbereitet  durch  die  Tätigkeit  der  ver- 
bündeten Flotte,  zu  der  die  seetüchtigen  Rhodier  ein  starkes  und  regsames 
Kontingent  gestellt  hatten.  Als  Stützpunkt  diente  den  Verbündeten  Samos, 


')  KiioMAYER  a.  a.  0.  157,  4.  '   (Polyb.XXI  8),  wird  vonPolyb.XXI  10,11 

^)  Nach  Livius  ist  P.  Scipio  Legat  seines  als  ävdvnatog  bezeichnet    und  nennt  sich 

Bruders;    dies    entspricht    der    späteren  selbst  auf  einer  Dedikation  auf  Delos  or^a- 

staatsrechtlichen  Auffassung.  In  Wirklich-  i   D^yog  vjiaxog.    SIG  11^  588,  Z.  102. 

keit  ist  er  gleichberechtigter  Befehlshaber  j 


J3g  Römische  Geschichte. 

von  wo  die  feindliche  Flotte  in  Ephesos  überwacht  wurde.  Von  hier  aus 
nahm  man  zunächst  Sestos  am  Hellespont.  Inzwischen  hatte  Antiochos  seine 
Marine  bedeutend  verstärkt,  auch  glückten  ihm  einzelne  Unternehmungen; 
aber  das  Übergewicht  zur  See  blieb  auf  römischer  Seite.  Eine  syrische  Hilfs- 
flotte, die  Hannibal  von  Phönizier!  nach  Ephesos  führen  sollte,  wurde  fernab 
vom  Ziel  an  der  pamphylischen  Küste  von  den  Rhodiern  besiegt.  Als  dann 
Antiochos  trotz  der  ausgebliebenen  Verstärkung  eine  Seeschlacht  wagte, 
erlitt  er  bei  Myonnesos  zwischen  Ephesos  und  Kolophon  eine  vollständige 
Niederlage. 

Auch  in  Vorderasien  war  Antiochos  nicht  unbestritten  Herr;  seine  An- 
griife  auf  Eumenes  und  die  Stadt  Pergamon  scheiterten,  und  sein  Freimd 
Prusias  von  Bithynien  ließ  sich  von  den  Römern  zur  Neutralität  bestimmen. 
Immerhin  hatte  der  Seleukide  inzwischen  aus  allen  Provinzen  seines  Reiches 
ein  großes  Heer  aufgeboten,  wozu  ihm  auch  seine  vorderasiatischen  Bundes- 
genossen, die  Galater,  Paphlagonen,  der  lykische  Bund  und  Ariarathes  von 
Kappadokien  Zuzug  leisteten.  Er  zog  nur  die  Konsequenz  aus  seiner  mari- 
timen Schwächung,  wenn  er  alle  Kraft  für  die  bevorstehende  Entscheidung 
auf  asiatischem  Boden  konzentrierte,  und  auch  Lysimacheia  als  nutzlos  ge- 
wordenen Außenposten  aufgab.^)  Ungehindert  gelangten  die  Römer  über 
den  Hellespont.  Antiochos,  der  sich  auf  sein  eigenes  Gebiet  nach  Lydien 
zurückgezogen  hatte,  knüpfte  Unterhandlungen  an;  er  erbot  sich,  den  um- 
strittenen Seestädten  die  Freiheit  zu  belassen  und  Europa  aufzugeben;  allein 
die  anspruchsvoller  gewordenen  Römer  verlangten  jetzt  Abtretung  aller 
syrischen  Besitzungen  diesseits  des  Tauros,  d.  h.  der  vorderasiatischen  Land- 
schaften. Auf  solche  Forderungen  konnte  Antiochos  nur  mit  den  Waffen 
antworten.  Am  Fluß  Phrygios,  nicht  weit  von  Thyateira  und  Magnesia  am 
Sipylos  kam  es  im  Spätherbst  190  v.  Chr.  zu  einer  Schlacht,  in  der  auf 
römischer  Seite  Cn.  Domitius  an  Stelle  des  erkrankten  P.  Scipio  den  Befehl 
führte.  Das  große,  aber  bunt  zusammengewürfelte  Heer  des  Antiochos  wurde 
besiegt,  seine  Kerntruppe,  die  16000  Mann  starke  Phalanx  aufgerieben,  ohne 
überhaupt  zum  Angriff  vorgegangen  zu  sein.  2)  Entscheidenden  Anteil  am 
Sieg  bei  Magnesia  hatten  die  leichten  Truppen  und  besonders  die  römisch- 
pergamenische  Kavallerie,  die  Eumenes  führte.  Unter  dem  frischen  Eindruck 
des  Sieges  öffneten  die  großen  vorderasiatischen  Städte,  Ephesos,  Sardes, 
Magnesia  u.  a.,  den  Römern  ihre  Tore.  Antiochos  verzichtete  auf  weiteren 
Widerstand  und  verstand  sich  zu  den  nunmehr  verschärften  Bedingungen, 
die  Rom  ihm  stellte.  Der  König  mußte  über  den  Tauros  zurückweichen 
(an  der  Küste  bis  über  Pamphylien  hinaus),  15000  Talente  (70731000  Gold- 
mark) in  zwölf  Jahresraten  zahlen  und  sich  verpflichten,  nur  zehn  größere 
Kriegschiffe  und  keine  Kriegselefanten  mehr  zu  halten.  Auch  mußte  er  ver- 
sprechen, hervorragende  Römerfeinde,  darunter  den  Hannibal,  auszuliefern. 
Diese  Bedingungen  wurden  in  Rom  unter  Anhörung  der  römischen  Bundes- 
genossen im  Sommer  189  v.  Chr.  vom  Senat  näher  bestimmt.  Im  Frühsoramer 


1)    Erst    Kromayer,    Ant.  Schlachtf.  II  j  ^)  Über  die  Schlacht  bei  Magnesia  s.  Liv. 

160  ff.  hat  die  Kichtigkeit  dieses  von  an-  |  XXXVII 38  ft".,  AppiauSyr. 31  ft'.,  beide  aus 

tikeu  und  modernen  Kritikern  als  kopflos  |  Polybios;  vgl.KR0MAYERa.a.0.II15.iff.und 

verurteilten  Entschlusses  erkannt.  |  über  die  Quellen  im  besonderen  S.  213  ff. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  22.)     139 

des  nächsten  Jahres  kam  der  Friede  zur  Ratifizierung.^)  Die  von  Antiochos 
abgetretenen  Landschaften,  besonders  Lydien,  Phrygien  und  Karien,  der 
thrakische  Chersones,  zum  Teil  auch  Pamphylien,  fielen  an  Eumenes  von 
Pergamon,  der  damit  den  Löwenanteil  davontrug;  Karien  südwärts  vom 
Mäander  und  Lykien  kamen  an  Rhodos;  die  hellenischen  Städte  wurden 
großenteils  für  frei  erklärt,  einige,  vor  allem  Ephesos  und  mehrere  helles- 
pontische  Plätze,  erhielt  Eumenes.  Vor  dem  Friedensschluß  hatte  der  Nach- 
folger der  Scipionen,  Cn.  Manlius  (Vulso)  mit  pergamenischen  Hilfstruppen 
noch  eine  Expedition  durch  die  Kibyratis  und  Pamphylien  und  von  hier 
nordwärts  gegen  die  Galater  unternommen.  Die  durchzogenen  Landschaften 
wurden  gebrandschatzt,  die  Galater  in  zwei  Schlachten  geschlagen.  2)  Sie, 
wie  die  anderen  Bundesgenossen  des  Antiochos,  Ariarathes  IV  von  Kappa- 
dokien  und  die  Paphlagonen,  sahen  sich  genötigt,  um  Frieden  zu  bitten, 
der  ihnen  bald  danach  in  Ephesos  gewährt  wurde.  Alle  behielten  ihre  Ge- 
biete im  wesentlichen  ungeschmälert.  Ariarathes  schloß  sich  auf  Gedeih  und 
Verderb  an  Rom  und  Eumenes,  seinen  künftigen  Eidam,  an;  die  Galater 
wurden  der  Aufsicht  von  Pergamon  unterstellt.  Nachdem  alles  geordnet 
war,  kehrte  (188  v.  Chr.)  Manlius  auf  dem  Landwege  durch  Thrakien  und 
Makedonien  zurück.  Unterwegs  erlitt  das  beutebeladene  römische  Heer  durch 
thrakische  Überfälle  ziemliche  Verluste. 

Um  dieselbe  Zeit  (190/89  v.  Chr.)  hatten  in  Griechenland  die  Aetoler  die 
Waffenruhe  mit  Rom  benutzt,  um  den  Makedonen  einen  Teil  ihrer  letzten 
Eroberungen  wieder  zu  entreißen  und  den  vertriebenen  Amynandros  von 
Athamanien  in  sein  Land  zurückzuführen.  Vergebens  bemühten  sie  sich 
dann  nach  der  Schlacht  bei  Magnesia  um  einen  günstigeren  Bescheid  des 
römischen  Senats,  der  jedoch  auf  bedingungsloser  Unterwerfung  bestand;  so 
begann  der  Krieg  im  nächsten  Jahr  (189  v.  Chr.)  von  neuem.  Der  Konsul 
M.  Fulvius  Nobilior  rückte  mit  Heer  und  Flotte  vor  Ambrakia,  gleichzeitig 
griffen  die  Makedonen  und  andere  römische  Bimdesgenossen  das  ätolische 
Gebiet  von  mehreren  Seiten  an.  Da  sich  aber  Ambrakia  gegen  alle  römi- 
schen Angriffe  zu  halten  vermochte,  und  überdies  Rhodos  und  Athen  ein 
gutes  Wort  einlegten,  so  gewährte  Nobilior  den  Bitten  der  Aetoler  ge- 
neigteres Gehör.  Gegen  Übergabe  Ambrakias  wurde  auf  unbedingte  Er- 
gebung verzichtet  und  ein  Friede  verabredet,  der  auch  die  Billigung  des 
Senates  fand.  Die  Aetoler  mußten  auf  alles,  was  ihrem  Bund  seit  192  v.  Chr. 
an  Land  und  Leuten  entfremdet  war,  verzichten,  eine  beträchtliche  Kon- 
tribution zahlen,  Geiseln  stellen  und  die  Oberhoheit  Roms  anerkennen. 3) 
Aus  Ambrakia,  der  einstigen  Residenz  des  Pyrrhos,  wurden  von  Nobilior 
viele  Kunstwerke  nach  Rom  entführt  und  auf  Italien  verteilt.  "*)  Der  letzte 
Akt  des  Krieges  spielte  auf  Kephallenia,  von  wo  aus  die  römischen  See- 
transporte des  öfteren  beunruhigt  worden  waren.  Die  Insel  war  vom  äto- 
lischen  Frieden  ausdrücklich  ausgenommen.  Auf  die  Landung  des  M.  Fulvius 
hin  ergaben   sich   die  Städte  bis  auf  Same,  das  erst  nach  längerer  Belage- 


1)  Polyb.  XXI  17.  45.  Über  den  Frieden 
mit  Antiochos  vgl.  Mommsen,  Rom.  Forsch. 
II  511  ff.;  Ed.  Meyer,  Rhein.  Mus.  N.  F.  36, 
1881,  120  ff.  Niese,  Gesch.  der  griech.  u. 
maked.  Staaten  II  745  ff.,  757  ff. 


^)  F.  Stähelin,  Gesch.  d.  kleinasiatischen 
Galater,  Leipzig  1907^,  50  ff. 

3)  Polyb.  XXI  32.    Livius  XXXVIII  11. 

*)  Livius  XXXVIII  9,  13.  CIL  I^  615  f. 
ILS  16  f. 


140  Römische  Geschichte. 

rung  fiel.  Die  Insel  wurde,  wie  kurz  vorher  Zakynthos,  von  den  Römern  in 
Besitz  genommen,  als  nicht  unwichtiger  Posten  an  den  griechischen  Küsten. 
Das  Ergebnis  der  beiden  letzten  Kriege  war  die  Herstellung  der  Hege- 
monie Roms  im  griechischen  Osten.  Die  Überlegenheit  der  römischen  Waffen 
galt  als  unbestreitbare  Tatsache.  Die  Römer  fühlten  sich  als  die  Herren 
der  Welt,  denen  nichts  zu  widerstehen  vermochte.  Die  Machtverhältnisse 
der  hellenistischen  Staaten  hatten  sich  völlig  verschoben.  Makedonien  war 
aus  Hellas  fast  ganz  verdrängt,  die  Seleukiden  aus  Vorderasien,  Äg3^pten, 
Roms  Freund,  hatte  beinahe  alle  auswärtigen  Besitzungen  verloren  außer 
Kypros  und  Kyrene.  Waren  so  die  großen  Staaten  geschwächt,  so  wurden 
die  kleineren,  besonders  die  Freistädte,  vermehrt  und  vergrößert  und  fanden 
an  Rom  einen  Schutzherrn  gegen  ihre  Bedränger,  aber  auch  einen  rück- 
sichtslosen Gegner,  sobald  ihr  Ehrgeiz  zu  hoch  griff  oder  sie  sich  von  Rom 
nicht  gängeln  lassen  mochten.  Denn  die  Römer  erhoben  den  Anspruch,  daß 
in  dieser  Umwelt  nichts  von  Belang  ohne  ihr  Zutun  oder  ihre  Sanktion 
geschähe,  und  ihre  Staatskunst  gipfelte  in  dem  Bestreben,  keine  Macht  zu 
groß  werden  zu  lassen  und  die  Bildung  von  Koalitionen  hintanzuhalten. 
Diese  Politik  wurde  durch  die  Betroffenen  selbst  erleichtert.  Den  Gedanken, 
sich  gegen  Rom  zusammenzuschließen,  durchkreuzte  der  Widerstreit  der  Inter- 
essen, allseitiges  Mißtrauen  und  das  Gefühl  der  Schwäche.  Die  hellenistischen 
Staaten  der  Seleukiden  und  Ptolemäer  entbehrten  zudem  der  nationalen 
Einheit  und  Geschlossenheit;  auch  das  junge  Königreich  von  Pergamon  war 
nicht  fest  gefügt.  Nur  die  Militärmacht  Makedonien  hatte  noch  immer  einen 
gesunden  Kern. 

In  Griechenland  umfaßte  der  achäische  Bund,  der  im  letzten  Krieg  treu 
zu  Rom  gehalten  hatte,  jetzt  den  ganzen  Pelojionnes.  Aber  er  lag  in  be- 
ständiger Fehde  mit  Messene  und  Sparta,  die  ihm  beide  nur  widerwillig 
angehörten;  fast  Jahr  für  Jahr  beschäftigten  diese  Händel  den  römischen 
Senat.  In  Sparta  und  Messene  tobten  Partei-  und  Verfassungskämpfe,  die 
Römer  wurden  angerufen  und  schenkten  auch  den  Gegnern  der  Achäer  Gehör. 
Von  Rom  aus  ermutigt,  sagte  sich  Messene  von  den  Achäern  los,  worauf  diese 
zu  den  Waffen  griffen.  Damals  fiel  ihr  siebzigjähriger  Strateg  Philopoimen 
in  die  Hände  der  Messenier,  die  ihn  im  Gefängnis  vergiften  ließen  (183  v.Chr.), 
in  demselben  Jahr,  in  dem  auch  Hannibal  und  Scipio  Africanus  endeten. 
Die  Achäer  unternahmen  einen  Rachezug  gegen  Messenien,  wurden  aber 
schließlich  nach  langen  Unterhandlungen  trotz  allem  Widerstreben  von  Rom 
gezwungen,  die  in  Sparta  und  Messene  gegen  ihre  Gegner  getroffenen  Maß- 
nahmen aufzuheben  oder  zu  mildern  (178  v.  Chr.).  In  diesem  und  in  ähn- 
lichen Fällen,  so  bei  den  Zwistigkeiten  innerhalb  des  ätolischen  Bundes, 
spielten  stets  die  Römer  den  Schiedsrichter.  Es  gab  ja  allenthalben  in 
Griechenland  ehrgeizige  Streber,  die  mit  römischer  Hilfe  ihre  politischen 
Feinde  zu  beseitigen  und  selbst  ans  Ruder  zu  kommen  hofften;  diese  ge- 
wissenlosen Elemente  waren  den  Römern  in  allem  zu  Willen.  Im  achäischen 
Bund  ist  Kallikrates  der  Typus  eines  solchen  Römlings. 

Vorderasien  war  in  eine  Anzahl  Staaten  von  etwa  gleicher  Stärke  ge- 
teilt, die  sich  vielfach  befeindeten.  Schon  186/85  v.  Chr.  kam  es  zum  Krieg 
zwischen  Eumenes  von  Pergamon  und  seinem  Nachbar  Prusias  von  Bithy- 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  22.)     141 

nien,  in  dessen  Diensten  damals  Hannibal  stand.  Am  Seleukidenhof  infolge 
des  römischen  Auslieferungsverlangens  unmöglich  geworden,  hatte  sich 
Hannibal  zunächst  für  einige  Zeit  nach  Kreta  begeben  i)  und  von  dort  nach 
Bithynien,  wo  er  im  Krieg  gegen  Pergamon  in  einer  Seeschlacht  seinen 
letzten  Sieg  erfocht.  Die  Römer  stifteten  um  184  v.  Chr.  Frieden;  bald  da- 
nach kam  Flamininus  in  diplomatischer  Mission  zu  Prusias  und  benutzte 
die  Gelegenheit, -die  Auslieferung  Hannibals  zu  verlangen;  Prusias  bewilligte 
sie,  worauf  sich  der  Sieger  von  Cannae  der  Gefangennahme  durch  Selbst- 
mord entzog  (183  V.  Chr.). 2)  Langwieriger  und  bedeutsamer  als  der  Krieg 
gegen  Prusias  war  ein  Krieg  des  Eumenes  und  Ariarathes  von  Kappadokien 
gegen  Pharnakes,  den  König  des  pontischen  Kappadokien,  und  seine  Ver- 
bündeten, dessen  Anlaß  in  Galatien  zu  liegen  scheint,  wo  sich  Pharnakes, 
der  sich  außerdem  durch  Überfall  der  freien  Stadt  Sinope  bemächtigt  hatte 
{183  V.  Chr.),  einmischte.  Auch  die  Pontusstädte,  Armenien  und  die  nörd- 
lichen Anwohner  des  schwarzen  Meeres  wurden  in  den  Kampf  verwickelt; 
selbst  Seleukos  IV  von  Syrien,  der  Nachfolger  des  Antiochos,  machte  An- 
stalten, sich  zugunsten  des  Pharnakes  zu  beteiligen.  Wiederholt  intervenierte 
der  Senat,  aber  mehr  hemmend  als  fördernd;  denn  es  lag  nicht  im  römi- 
schen Interesse,  daß  Eumenes  zu  mächtig  wurde.  Erst  179  v.  Chr.  wurde 
der  Kampf  durch  einen  energischen  Angriff  des  Ariarathes  und  Eumenes 
zum  Nachteil  des  Pharnakes  beendigt  und  der  Friede  erzwungen. 3) 

Das  Reich  der  Seleukiden  hatte  zwar  noch  immer  großen  Gebietsumfang, 
entbehrte  aber  der  Konsolidierung  auseinanderstrebender  Teile.  Das  An- 
sehen der  Krone  hatte  durch  die  Niederlage  im  Ringen  mit  Rom  sehr  ge- 
litten, die  Provinzen  östlich  von  Medien  gingen  wieder  verloren,  die  Finanzen 
des  Reichs  waren  durch  die  römische  Kriegskontribution  schwer  belastet. 
Nicht  lange  nach  dem  Frieden,  schon  187  v.  Chr.,  wurde  Antiochos  III  von 
Aufständischen  in  der  Elymais  erschlagen.  Ihm  folgte  sein  Sohn  Seleukos  IV 
Philopator  (187 — 175  v.  Chr.),  ein  schwacher  Fürst,  dem  Schwierigkeiten  im 
Innern  und  nach  außen  ein  Konflikt  mit  Ägypten  zu  schaffen  machten. 
Die  Römer  beobachteten  die  Seleukiden  beständig  mit  Mißtrauen  und  taten 
alles,  um  das  Reich  noch  mehr  zu  schwächen,  eine  Politik,  die  durch  Streitig- 
keiten im  Schoß  der  königlichen  Familie  erleichtert  wurde. 

Da  zeigte  Makedonien  denn  doch  eine  festere  Struktur  und  auf  diesen 
Staat  hatten  die  Römer  ein  besonders  wachsames  Auge.  Denn  der  Bestand 
Makedoniens  bedeutete  eine  dauernde  Gefahr  für  Roms  Hegemonie  in 
Griechenland.  Zum  Dank  für  die  gegen  Antiochos  geleisteten  Dienste  durfte 
Philipp  sein  Gebiet  besonders  auf  Kosten  der  Aetoler  erweitern.  Er  nahm 
Demetrias  und  eine  größere  Anzahl  thessalischer  Plätze,  ferner  das  Land 
der   Doloper,    mehrere    Inseln    und    an    der    thrakischen    Küste   Ainos    und 

')  Auch  soll  er  für  Artaxias  von  Groß-  Der  Verdacht,  dafs  mit  absichtlichem  Syn- 

ai-menien  den  Plan  der  neuen  Hauptstadt  chronismus  der  Tod  der  drei  Feldherrn  in 

Artaxata  entworfen  haben.  Vgl.  Ed.  Meyer,  das    nämliche  Jahr   gesetzt  wurde,    liegt 

Ursprung  und  Anfänge  des  Christentums  :    nahe,  weshalb  z.B.  Lenschau.PW  VII 2349  f. 

II,  1921,  217,  2.  I   das    angebliche    Datum   des   Polyb.  (182) 

2)  Nach  Liv.  XXXIX  50,  11  und  Atticus  |   bezorziigt. 

bei  Nepos   Hannib.  13,  1    starb   Hannibal  ^)    Polyb.  XXV  2   gibt    den    Friedens- 

183  V.  Chr.,  nach  Polyb.,    wie  wenigstens  vertrag. 

Nepos  a.  a.  O.  behauptet,    erst  182  v.  Chr.  | 


1^2  Römische  Geschichte. 

Maroneia.  Aber  die  Römer  duldeten  diese  Entwicklung  nur  mit  Unbehagen 
und  wenn  sie  189  v.  Chr.  den  Aetolern  glimpflichere  Bedingungen  gewährten, 
so  geschah  es,  um  weitere  Eroberungen  Philipps  zu  unterbinden.  Als  dann 
von  den  griechischen  Feinden  Philipps  und  von  Eumenes  Klagen  gegen 
ihn  erhoben  wurden,  da  zwangen  die  Römer  den  Makedonen  in  demüti- 
genden Verhandlungen,  einen  Teil  seiner  griechischen  Erwerbungen  und  die 
thrakischen  Küstenplätze  zu  räumen  (185 — 188  v.  Chr.).  Philipp  sträubte 
sich  lange,  und  sein  Gegensatz  zu  Rom  trat  deutlich  in  die  Erscheinung; 
beinahe  wäre  es  zum  Krieg  gekommen.  Doch  gelang  es  dem  Philipp,  den 
Senat  durch  eine  Gesandtschaft  seines  Sohnes  Demetrios  zu  beschwichtigen. 
Diesen  Prinzen  begünstigten  die  Römer  nicht  ohne  Hintergedanken;  sie 
machten  ihm  Hoffnung  auf  die  Nachfolge.  Diese  römisclien  Intrigen  be- 
schworen eine  Tragödie  herauf:  der  ältere  Bruder  Perseus  machte  den 
Demetrios,  den  er  als  Thronrivalen  haßte,  unschädlich  (181  v.  Chr.).  Der 
Vater  Philipp  hatte  in  dem  erfolgreichen  Bestreben,  sein  Land  auf  einen 
neuen  Krieg  vorzubereiten,  kein  Mittel  gescheut.  Da  ihm  Griechenland  ver- 
schlossen war,  so  wandte  er  sich  nach  Thrakien;  er  erwarb  hier  in  mehr- 
jährigen, glücklichen  Kämpfen  eine  bedeutende  Macht  und  verbündete  sich 
weiter  mit  den  Kelten  jenseits  der  Donau,  namentlich  mit  den  Bastarnern. 
Man  schreibt  ihm  den  Plan  zu,  durch  einen  keltischen  Angriff  die  Römer 
in  Italien  zu  beschäftigen,  um  dann  die  Hegemonie  in  Hellas  wieder  zu  er- 
obern. Als  er  179  v.  Chr.  starb,  hinterließ  er  seinem  Erben  Perseus  einen 
festgefügten  Staat  mit  geordneten  Finanzen  und  einem  schlagfertigen  Heer.') 
Perseus  erneuerte  zunächst  seine  Freundschaft  mit  Rom,  schlug  aber 
dann  andere  Wege  ein  als  sein  Vater.  Er  suchte  die  Beziehungen  zu  den 
Hellenen  neu  anzuknüpfen,  und  bald  wirkte  sich  sein  Einfluß  um  so  stärker 
aus,  je  lästiger  man  die  Bevormundung  durch  das  allmählich  bestgehaßte  Rom 
empfand.  Nach  allen  Seiten  hin  spann  die  Politik  des  Perseus  ihre  Fäden. 
Er  war  verschwägert  mit  Prusias  von  Bithynien,  Seleukos  IV  vermählte 
ihm  seine  Tochter,  selbst  die  Rhodier  bekundeten  ihre  freundliche  Gesinnung. 
Bald  nach  seinem  Regierungsantritt  war,  noch  von  Philipp  veranlaßt,  ein 
bastarnisches  Heer  in  Thrakien  erschienen,  um  die  Dardaner,  die  alten 
Feinde  Makedoniens,  die  Freunde  Roms,  zu  vernichten,  doch  blieb  dem  Vor- 
stoß der  gewünschte  Erfolg  versagt.  Die  geängstigten  Dardaner  baten  in 
Rom  um  Hilfe  und  beschwerten  sich  über  Perseus  (176/75  v.  Chr.).  Auch 
aus  Illyrien  und  von  den  Thessalern  und  Aetolern  kamen  Klagen  über 
makedonische  Umtriebe.  174  v.Chr.  empörten  sich  dieDoloper,  makedonische 
Untertanen;  Perseus  unterwarf  sie  mit  Waffengewalt  und  erschien  bei  dieser 
Gelegenheit  mit  seinen  Truppen  in  Delphi  (er  war  seit  einiger  Zeit  Mit- 
glied der  delphischen  Amphiktionie),  überall  auf  dem  Durchmarsch  freudig 
begrüßt.  Bei  den  Böotern  waren  seine  Freunde  in  der  Mehrheit;  auch  der 
achäische  Bund  wurde  von  ihm  umworben;  wenn  ihn  auch  das  offizielle 
Achaia  abwies,  so  gewann  er  doch  beim  Volk  Sympathien.  Alle  P^einde 
Roms  fanden  an  Perseus  ihren  Rückhalt  und  so  ging  durch  ganz  Griechen- 
land   die  Spaltung  in  makedonische   und    römische  Parteien;    dabei   hielten 


')  Niese,  Gesch.  der  griech.  u.  makedon.  Staaten  III  19  ff. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangimg  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  22.)     143 

die  Oligarchen  zu  Eoni,  die  Demokraten  zu  Makedonien.  In  vielen  Städten 
tobten  Parteikämpfe  politischer  oder  sozialer  Natur.  Die  Abneigung  gegen 
Kom  zeigte  sich  in  der  Feindschaft  gegen  den  Römerfreund  Eumenes  von 
Pergamon,  die  sich  bei  den  Achäorn,  aber  auch  bei  den  kleinasiatischen 
Hellenen  bemerkbar  machte.  Durch  solche  Symptome  über  die  Krisis  be- 
lehrt, in  die  ihre  Hegemonie  über  Griechenland  durch  Perseus  geriet,  be- 
schlossen die  Römer,  der  Selbständigkeit  Makedoniens  ein  Ende  zu  machen. 
König  Eumenes,  der  sich  durch  Perseus  nicht  minder  bedroht  fühlte, 
brachte  durch  einen  Besuch  in  Rom  172  v.  Chr.  diesen  Entschluß  zur  Reife. 
Ein  Vorwand  zu  dem  Krieg,  den  man  wollte,  war  bald  gefunden.  Der 
thrakische  Dynast  Abrupolis,  von  Perseus  zur  Strafe  für  einen  Übergriff 
auf  makedonisches  Gebiet  aus  seiner  Herrschaft  verjagt,  hatte  an  den  römi- 
schen Senat  appelliert,  der  sich  nun  nachträglich  seiner  annahm.  Auch  an 
einem  Attentat,  dem  Eumenes  auf  der  Heimreise  in  Delphi  beinahe  zum 
Opfer  gefallen  wäre,  maß  man  in  Rom  die  Schuld  dem  Perseus  bei.  Da 
aber  die  Römer  im  Unterschied  von  Perseus  zum  Krieg  noch  nicht  gerüstet 
waren,  so  ließen  sie,  um  Zeit  zu  gewinnen,  den  diplomatischen  Apparat 
spielen.  Perseus  ging  in  dem  Wunsch,  den  Krieg  zu  vermeiden,  auf  die 
Verhandlungen  ein,  zu  jedem  Entgegenkommen  bereit,  sofern  nur  seine 
Selbständigkeit  unangetastet  bliebe.  Die  Waffenruhe,  zu  der  er  sich  durch 
den  schlauen  Unterhändler  Q.  Marcius  Philippus  bestimmen  ließ,  benutzten 
die  Römer,  um  den  bereits  für  Makedonien  gewonnenen  böotischen  Bund 
zu  sprengen,  die  Mehrzahl  der  böotischen  Städte  auf  ihre  Seite  zu  ziehen, 
wie  überhaupt  die  Griechen  zu  umgarnen.  In  Rom  wurde  der  Friedens- 
schritt des  Perseus  endgültig  abgewiesen  und  171  v.  Chr.  der  Krieg  eröffnet; 
der  Konsul  P.  Licinius  (Crassus)  setzte  nach  Makedonien  über.  Rom  hatte 
die  Übermacht;  alle  früheren  Bundesgenossen,  vor  allem  Pergamon,  aber 
auch  Rhodos  und  die  Achäer  stellten  sich  zur  Verfügung.  Perseus  war  fast 
ganz  isoliert  und  mußte  den  Römern  die  See  völlig  überlassen.  Trotzdem  ging 
er  nicht  ohne  Zuversicht  in  den  Kampf.  Die  ersten  Treffen  waren  für  ihn 
günstig;  in  einer  großen  Reiterschlacht  bei  Sykyrion  in  Thessalien  wurden  die 
Römer  besiegt;  allenthalben  brach  die  Sympathie  für  Perseus  hervor.  Aber 
er  wagte  seine  Erfolge  nicht  auszunutzen,  suchte  vielmehr  erneut  um  Frieden 
nach,  den  ihm  Rom  nur  bei  bedingungsloser  Ergebung  gewähren  wollte. 
Nach  mehreren  kleineren  Gefechten  räumte  er  Thessalien,  wo  die  Römer 
dann  einige  seiner  Städte  eroberten.  Währenddessen  lag  die  römische  Flotte 
vmter  C.  Lucretius  in  Chalkis,  und  von  hier  aus  wurden  die  zu  Makedonien 
haltenden  böotischen  Städte  Haliartos,  Thisbe  und  Koroneia  erobert  und 
zerstört.  Aber  auch  Chalkis  hatte  zu  leiden,  wie  denn  überhauj^t  die  Römer 
durch  schlechte  Disziplin  der  Truppen,  Habgier  der  Führer  und  unnötige 
Härte  bei  ihren  griechischen  Bundesgenossen  Mißstände  schufen,  die  der 
Senat  später  abzustellen  suchte.')  Die  Hellenen  wurden  mit  Argwohn  be- 
handelt, ihren  Kontingenten  schrieb  man  die  Schuld  an  der  Niederlage  bei 
Sykyrion  zu  und  einige  Aetoler  wurden  zur  Bestrafung  nach  Rom  de- 
portiert. Auf  die  weitere  Hilfe  der  griechischen  Bundesgenossen  verzichteten 

')  Liv.  XLIII  17,  2.    Polyb.  XXVIII  3,  3.   Vgl.  den  Senatsbeschlufs  für  Thisbe  SIG 
11^  nr.  646. 


144  Römische  Geschichte. 

die  Kcimer;  nur  Eumenes  und  Prusias  blieben  aktiv  beteiligt.  Eumenes 
griff  Makedonien  von  Osten  her  an  und  fesselte  dadurch  einen  Teil  der 
feindlichen  Streitkräfte. 

Der  nächste  Feldzug  (170  v.Chr.)  hatte  keinen  besseren  Erfolg.  Vergebens 
versuchte  der  Konsul  A.  Hostilius  zweimal  in  Makedonien  einzudringen,  auch 
die  Flotte  unter  L.  Hortensius  richtete  außer  der  Eroberung  Abderas  nichts 
Wesentliches  aus.  Dagegen  drang  Perseus,  zu  dem  der  epi rotische  Stamm 
der  Molosser  übergetreten  war,  in  Illyrien  vor  und  knüpfte  mit  dem  König 
Genthios,  dem  Sohn  des  Pleuratos,  Verbindungen  an,  die  im  nächsten  Jahr 
zum  Bündnis  führten.  Aus  Epirus  wurden  die  Römer  vertrieben.  Eine  starke 
makedonische  Partei  gab  es  auch  bei  den  Aetolern,  und  beinahe  wäre  es 
dem  Perseus  durch  einen  überraschenden  Marsch  gegen  Stratos  geglückt, 
das  ganze  Volk  auf  seine  Seite  zu  ziehen  (Winter  170/69  v.Chr.).  Erst  der 
Nachfolger  des  Hostilius,  der  Konsul  Q.  Marcius  Philippus,  entschloß  sich 
zu  einem  energischen  Vorstoß,  der  ihn  von  Thessalien  her  über  den  Olymp') 
nach  Makedonien  führte  (169  v.Chr.);  damit  kombiniert  war  eine  Aktion 
der  vereinigten  römisch-pergamenisch-bithynischen  Flotte,  die  an  der  make- 
donischen Küste  landete  und  sogar  Thessalonike,  Kassandreia  und  Demetrias 
angriff.  Aber  bald  kamen  die  Römer  in  Makedonien  wieder  zum  Stehen; 
Perseus  behauptete  sich  in  einer  festen  Stellung  am  Fluß  Elpeios,  und  im 
nächsten  Winter  (169/68  V.  Chr.)  konnte  er  sein  Bündnis  mit  Genthios  zum 
Abschluß  bringen.  Der  Illyrier  sagte  sich  von  Rom  los,  nahm  eine  römische 
Gesandtschaft  an  seinem  Hofe  fest  und  rüstete  sich  zum  Angriff  auf  die 
römischen  Besitzungen  in  Illyrien.  Auch  bei  den  Kelten  jenseits  der  Donau 
hatte  Perseus  mit  dem  Ergebnis  werben  lassen,  daß  ein  großes  Keltenheer, 
besonders  von  Bastarnern,  unter  Klondikos  den  Strom  überschritt  und  seine 
Dienste  anbot.  Aber  da  Perseus  in  falscher  Sparsamkeit  am  Sold  herunter- 
handelte, so  kehrten  die  Barbaren  schließlich  wieder  um.  Noch  schnöder 
verfuhr  Perseus  mit  Genthios,  den  er  fast  um  den  ganzen  ihm  versprochenen 
Subsidienbetrag  prellte. 

Wenn  sich  auch  Perseus  die  wertvolle  Hilfe  der  Kelten  hatte  entgehen 
lassen,  so  war  doch  die  Lage  Roms  nicht  die  beste.  Unerwartet  erschien 
im  Frühjahr  168  v.  Chr.  eine  makedonische  Flotte  im  ägäischen  Meer  und 
tat  den  Feinden  mancherlei  Abbruch.  Auch  fand  Perseus  mit  seinen  wieder- 
holten Hilfs-  und  Vermittlungsgesuchen  bei  einigen  Staaten  Gehör;  er  wandte 
sich  an  Antiochos  Epiphanes,  an  Ägypten  und  an  Rhodos,  selbst  bei  Eumenes 
scheint  er  sondiert  zu  haben.  Die  Ägypter  waren  nahe  daran,  ihm  zu 
willfahren,-)  und  jetzt  (Anfang  168  v.  Chr.)  ließen  sich  die  Rhodier  auf  An- 
regung des  Konsuls  Q.  Marcius  Philippus  wirklich  dazu  bestimmen,  die 
Friedensvermittlung  zu  übernehmen,  nachdem  sie  schon  vor  Ausbruch  des 
Krieges  (172  v.  Chr.)  im  Gegensatz  zu  Eumenes  für  den  Frieden  zu  wirken 
versucht  hatten.  Die  Römer  boten  noch  einmal  allem  auf,  um  den  Krieg 
rasch  zu  beenden;  sie  sandten  einen  tüchtigen  Feldherrn,  den  Konsul 
L.  Aemilius  Paullus,  ein  Mitglied  des  Scipionenkreises  und  vornehmlich  in 

^)    Diesen    Zug    machte    Polybios    mit  ^)  Niese,  Gesch.  der  griech.  u.  makedon. 

(XXVIII  12).    Vgl.  über  den  Ofympüber-       Staaten  III  145. 
gang  J.  IvROMAYER,  Ant.  Schlachtf.  II 267  ff. 


5.  Dritte  Periode :  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.Chr.).    (§22.)     145 

den  spanischen  Kärnj^fen  bewährt,  mit  ansehnhchen  Verstärkungen  nach 
Makedonien  ab.  Mit  der  von  ihm  gründhch  reorganisierten  Armee  zwang 
Aemihus  Paulhis  durch  eine  glückhche  Umgehung  den  Perseus,  seine  feste 
Stelkmg  aufzugeben  und  sich  bei  Pydna  zur  Entscheidungsschlacht  zu  stellen. 
Der  Tag  ist  durch  eine  voraufgehende  Mondfinsternis  astronomisch  genau 
fixiert  (22.  Juni  168  v.  Chr.).')  Perseus'  stolzes  Heer  wurde  völlig  geschlagen, 
die  bewegliche  Manipulartaktik  siegte  über  die  starre  Phalanx,  das  römische 
Schwert  über  die  makedonische  Lanze. 2)  Der  König  rettete  sich  in  eiliger 
Flucht  nach  Samothrake,  wo  er  sich  bald  darauf  dem  Flottenprätor  Cn. 
Octavius  mit  zweien  seiner  Söhne  ergab.  Makedonien  wurde  in  wenigen 
Tagen  von  den  Römern  erobert,  Widerstand  fast  nicht  geleistet. 

Schon  vorher,  in  demselben  Jahr  hatte  der  Prätor  L.  Anicius  den  Krieg 
gegen  Genthios  in  dreißig  Tagen  glücklich  beendigt.  Der  Illyrier  wurde 
geschlagen  und  in  seine  Hauptstadt  Skodra  zurückgedrängt;  von  vielen  seiner 
Untertanen  im  Stich  gelassen,   kapitulierte  er  vor  den  Römern. 

Durch  solche  Siege  wurde  die  letzte  HoflPnung  der  Römerfeinde  zunichte. 
Behufs  Neuordnung  der  Verhältnisse  wurde  dem  Konsul  eine  Senatskommission 
von  zehn  Mitgliedern  beigegeben,  die  in  Amphipolis  ihre  Maßnahmen  traf.  Das 
Königreich  Makedonien  wurde  aufgehoben  und  das  Land  in  vier  Teile  zer- 
schlagen, deren  jeder  einen  Freistaat  für  sich  bilden  sollte;  der  politische  Zu- 
sammenhang dieser  Distrikte  untereinander  wurde  gelöst,  die  Hälfte  der  bisher 
an  den  König  zu  entrichtenden  Abgaben  fiel  als  Tribut  an  die  Römer.  Das 
Land  wurde  entwaffnet  und  in  seiner  wirtschaftlichen  Freiheit  eingeschränkt, 
viele  der  angesehensten  Makedonen  mußten  nach  Italien  übersiedeln.  Auch 
das  illyrische  Reich  des  Genthios  wurde  auseinandergerissen,  und  zwar  in 
drei  Teile.  Die  griechischen  Besitzungen  des  Perseus  erhielten  zum  Teil 
Autonomie.  Die  Inseln  Lemnos.  Imbros  und  Skyros  und  die  böotische  Stadt 
Haliartos,  ebenso  Delos  wurden  den  Athenern  überwiesen.  Zugleich  erging 
über  die  Hellenen,  deren  feindliche  Gesinnung  sich  während  des  Krieges 
gezeigt  hatte,  ein  strenges  Strafgericht.  Hellas  behielt  zwar  dem  Namen 
nach  seine  Freiheit,  wurde  aber  in  Wirklichkeit  seiner  Selbständigkeit  be- 
raubt und  stark  umgestaltet.  Nicht  nur  die  notorischen  Römerfeinde  wurden 
bestraft  und  verfolgt,  sondern  auch  die  Verdächtigen  und  alle,  welche  ihr 
Rückgrat  vor  Rom  nicht  beugen  mochten.  Bei  der  Auswahl  ließen  sich  die 
Römer  von  ihren  eigenen  Parteigängern,  den  politischen  und  persönlichen 
Gegnern  der  Angeschuldigten  leiten.  Niemand  wagte  sich  zu  widersetzen 
oder  die  Verfolgten  zu  schützen.  Wohl  am  härtesten  wurden  die  Aetoler 
betroffen,  bei  denen  Einheimische  im  Einvernehmen  mit  Rom  die  Exekution 
ihrer  makedonisch  gesinnten  Landsleute  übernahmen;  auch  Deportationen 
nach  Rom  fanden  statt.  Der  ätolische  Bund  verlor  einen  großen  Teil  seines 
damals  noch  ansehnlichen  Bestandes  und  wurde  im  wesentlichen  auf  den 
ursi^rünglichen  Umfang  beschränkt;  die  Akarnanen  mußten  Leukas  abtreten. 

')  Liv.  XLIV  37,  5.    Plutarch  Aemil.  17.  I  tember.  DieFinsterniserwähntauchPolyb. 

Justin.  XXXIII  1,7.    F.  K.  Ginzel,   Spe-  !  XXIX  16  [6],  dessen  Zeugnis  durch Beloch, 

zieller  Kanon  der  Sonnen- u.  Mondfinster-  j  Klio  XV,  1918,  413  nicht  entkräftet  ist. 

nisse,  Berl.  1899,  192.    Das  julianische  Da-  I  ^)  Über  den  Verlauf  der  Schlacht  s.  Kko- 

tuni  entspricht  nach  dem  damaligen  rö-  t  mayek,  Ant.  Schlachtf.  II  310  fF.  und  Ed. 

mischen  Kalender  angeblich  dem  4.  Sep-  |  Meyer,  SB.  d.  Berl.  Ak.  1909,  780  ff. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    III,  5.    5.  Aufl.  10 


;[46  Römische  Geschichte. 

Aus  fast  allen  griechischen  Staaten  wurden  Verdächtige  nach  Rom  verbracht, 
die  Achäer  nicht  ausgenommen.  Dem  achäischen  Bund  muteten  die  Römer 
sogar  ein  generelles  Todesurteil  gegen  die  nicht  einmal  namhaft  gemachten 
Anhänger  des  Perseus  zu,  welch  summarisches  Blankoverfahren  denn  doch 
abgelehnt  wurde;  schließlich  wurden  etwa  tausend  angesehene  Achäer  nach 
Rom  überführt,  angeblich  um  sich  dort  zu  rechtfertigen.  Unter  ihnen  be- 
fand sich  Polybios,  der  Sohn  des  Lykortas,  der  spätere  Historiker.  Ohne 
weitere  Untersuchung  wurden  diese  Achäer  gleich  den  übrigen  Unglück- 
lichen aus  Griechenland  in  den  Städten  Italiens  interniert. 

Zum  Abschluß  seiner  Tätigkeit  veranstaltete  Aemilius  Paullus  in  Amphi- 
polis  große  Siegesfeste,  zu  denen  er  die  griechischen  Gemeinden  in  Europa 
und  Asien,  sowie  die  befreundeten  Herrscher  einlud.  Dann  kehrten  Heer 
und  Flotte,  mit  ungeheurer  Beute  beladen,  nach  Italien  zurück  (167  v.  Chr.). 
Auf  dem  Heimweg  vollzog  der  Konsul  bei  den  Molossern,  die  Anicius  im 
Vorjahr  unterworfen  hatte,  das  Werk  der  Vernichtung;  es  wurden  siebzig 
Städte  zerstört  und  150000  Einwohner  in  die  Sklaverei  verkauft.  In  Rom 
feierten  die  siegreichen  Feldherren  prächtige  Triumphe,  zuerst  Anicius,  dann 
Cn.  Octavius,  zuletzt  Aemilius  Paullus.  Die  eingebrachte  Beute,  darunter 
der  königliche  Schatz  Makedoniens,  war  so  groß,  daß  das  tributum,  die 
direkte  Steuer,  für  die  Bürger  fortan  auf  lange  Zeit  in  Wegfall  kam.*) 
Perseus,  im  Triumph  mit  aufgeführt,  starb  einige  Zeit  später  (165  v.  Chr.) 
in  Alba  am  Fucinersee,  wo  er  mit  seiner  Familie  in  unwürdiger  Gefangen- 
schaft gehalten  worden  war. 

Roms  Rache  an  den  Freunden  Makedoniens  beschränkte  sich  nicht  auf 
das  griechische  Festland,  sondern  griff  auf  die  Inselwelt  über.  Die  Delier, 
die  sich  makedonischer  Gesinnung  verdächtig  gemacht  hatten,  wurden  aus 
ihrer  Heimat  vertrieben,  ihre  Insel  kam  an  Athen  als  Freihafen,  der,  zur 
Stütze  und  Förderung  des  römischen  Handels  bestimmt,  bald  große  Be- 
deutung erlangte.  Die  Seerepublik  Rhodos,  Roms  alte  treue  Bundesgenossin, 
die  sich  auch  an  diesem  Krieg  beteiligt  hatte,  mußte  für  die  makedonische 
Gesinnung  vieler  ihrer  Bürger  und  für  den  unwillkommenen  offiziellen 
Friedensschritt  schwer  büßen.  Man  hetzte  in  Rom  sogar  zum  Krieg  gegen 
Rhodos.  Schließlich  gelang  es,  die  Römer  zu  beschwichtigen;  aber  Rhodos 
büßte  den  größten  Teil  seiner  festländischen  Besitzungen  ein  und  geriet 
in  Abhängigkeit  von  Rom.  2)  Der  rhodische  Seehandel  litt  sehr  unter  der 
Konkurrenz  des  neuen  Freihafens  auf  Delos.  Da  die  Römer  nicht  ganz 
ohne  Grund  argwöhnten,  Eumenes  habe  sich  hinter  ihrem  Rücken  mit  Per- 
seus verständigen  wollen,  so  rechneten  sie  auch  mit  ihm  ab.  Sie  versagten 
ihm  jede  Belohnung  für  seine  Hilfeleistung  und  brüskierten  ihn  durch  Ab- 
lehnung seines  Besuches  in  Rom;  sie  suchten  seinen  Bruder  Attalos  gegen 
ihn  auszuspielen  und  sogar  die  Untertanen  aufzuwiegeln.  Unmittelbar  nach 
der  Schlacht  bei  Pydna  geriet  Eumenes  in  Krieg  mit  den  Galatern,  die  von 
Rom  offen  begünstigt  Avurden.  Zwar  Avurden  sie  bald  geschlagen  (166  v.Chr.), 
konnten  aber  dank  der  römischen  Intervention  ihre  Unabhängigkeit  behaupten. 

^)  Plut.  Aemil.   Pauli.  38.     Marquardt,    \   sich  bis  166  v.  Chr.  hin.    M.  Porcius  Cato 
Rom.  Staatsverwalt.  11^  178.  nahm  sich  der  Rhodier  in  einer  Rede  an. 

^)    Die   rhodische  Angelegenheit   zieht   |   Cato  orig.  fr.  95. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.Chr.).    (§22.)     147 

Während  des  makedonischen  Kriegs  war  im  Orient  zwischen  Ägypten 
und  Syrien  ein  Streit  ausgebrochen.  Auf  dem  ägyptischen  Thron  saß  (seit 
180  V.  Chr.)  der  unmündige  Ptolemaios  VI  Philometor.  Die  Vormundschafts- 
regierung erneuerte  nun  den  ägyptischen  Anspruch  auf  Coelesyrien,  worüber 
es  zum  Krieg  gegen  Antiochos  IV  Epiphanes,  den  Bruder  und  Nachfolger 
des  Seleukos  IV  kam.  Antiochos  IV  (175 — 164  v.  Chr.)  war  ein  energischer 
Fürst,  der  die  seleukidische  Macht  wieder  zu  Ansehen  zu  bringen  wußte, 
ein  Freund  der  Hellenen  und  hellenischer  Kultur,  zugleich  ein  Bewunderer 
Roms,  wo  er  eine  Reihe  von  Jahren  als  Geisel  zugebracht  hatte.  Auch  im 
Krieg  gegen  Perseus  hat  er  sich  als  dienstwilliger  Freund  der  Römer  ge- 
zeigt. In  dem  Krieg  mit  Ägypten  war  die  Überlegenheit  auf  seiner  Seite; 
er  drang  169  v.  Chr.  siegreich  in  Ägypten  ein  und  zwang  den  inzwischen 
für  mündig  erklärten,  aber  nunmehr  von  ihm  bevormundeten  König  zur 
Nachgiebigkeit.  Indes  die  Alexandriner  revoltierten  und  so  rückte  Antiochos 
168  V.  Chr.  ein  zweites  Mal  in  Ägypten  ein  und  marschierte  gegen  Alexan- 
drien.  Der  Hilferuf  der  Ägypter  veranlagte  den  römischen  Senat  zur  Ein- 
mischung; man  wollte  den  Seleukiden  nicht  zu  mächtig  werden  lassen,  und 
der  Sieg  bei  Pydna  gab  dem  römischen  Einspruch  das  nötige  Relief.  Erst 
nach  dieser  Entscheidung  erschien  der  römische  Gesandte  C.  Popilius  Laenas 
in  der  Nähe  von  Alexandrien  vor  Antiochos,  den  er  mit  verblüffender  Schroff- 
heit zwang,  Ägypten  zu  räumen  und  von  dem  ebenfalls  erfolgreich  be- 
gonnenen Angriff  auf  Kypros  abzulassen.  Doch  blieb  Coelesyrien  nach  wie 
vor  im  Besitz  des  Antiochos.  Der  einmal  wachgerufene  Argwohn  der  Römer 
gegen  den  König  wurde  durch  dessen  Freundschaft  mit  Eumenes  noch  ge- 
steigert; die  Römer  befürchteten  eine  Koalition  der  beiden.  So  atmete  Rom 
auf,  als  Antiochos  164  v.  Chr.  in  Persis  starb.  Sein  unmündiger  Sohn  An- 
tiochos V  Eupator  mußte  sich  fügen,  als  die  Römer  durch  eine  Gesandt- 
schaft die  Einschränkung  der  seleukidischen  Kriegsmacht  verlangten.  Aber 
die  Wut  des  Volks  fand  in  der  Ermordung  des  anmaßenden  römischen  Ge- 
sandten Cn.  Octavius  ihren  blutigen  Ausdruck  (163  2  v.  Chr.).  Bald  darauf 
(162  V.  Chr.)  wurde  Antiochos  Euj)ator  durch  seinen  aus  römischer  Geisel- 
haft geflüchteten  Vetter  Demetrios,  den  Sohn  des  Seleukos  IV,  gestürzt. 
Mit  Demetrios  bestieg  ein  tatkräftiger  Fürst  den  syrischen  Thron.  Er  wußte 
den  noch  immer  recht  bedeutenden  Rest  des  Reiches  zusammenzuhalten  und 
griff  sogar  nach  Vorderasien  über.  Von  ihm  unterstützt,  vertrieb  158  v.  Chr. 
der  kappadokische  Prätendent  Orophernes  seinen  Bruder  Ariarathes  V  und 
bemächtigte  sich  Kappadokiens,  wo  er  sich  freilich  nur  zwei  Jahre  behaupten 
konnte.  Aber  mochte  sich  Demetrios  auch  um  die  Gunst  der  Römer  be- 
mühen, er  wurde  doch  als  Feind  betrachtet;  von  Rom  ermutigt,  bildete 
sich  eine  Koalition  seiner  Nachbarn,  der  Ägypter  und  der  Pergamener,  der 
Demetrios  150  v.  Chr.  erlag.  Ein  angeblicher  Sohn  des  Antiochos  Epiphanes, 
Alexander  Balas,  wurde  auf  den  Thron  geführt,  und  damit  beginnt  für  das 
unglückliche  Syrien  eine  Epoche  von  Thronwirren,  die  seine  Macht  unter- 
gruben. Die  Ägypter  griffen  zu  und  versuchten,  sich  im  südlichen  Syrien 
festzusetzen,  die  östlichen  Provinzen  bis  an  den  Euphrat  fielen  meist  den 
Parthern  anheim,  in  Syrien  errangen  die  großen  Städte  und  einzelne  Dy- 
nasten, darunter  die    fürstlichen  Hohenpriester  der  Juden    aus  der  Familie 

10* 


248  Römische  Geschichte. 

der  Hasmonäer  in  Jerusalem,  immer  größere  Selbständigkeit.  Die  Römer 
haben  durch  wiederholte  Einmischung  den  Niedergang  des  seleukidischen 
Königshauses  tunlichst  beschleunigt. 

Ägypten  war  durch  den  Krieg  mit  Antiochos  EpijDhanes  zunächst  stark 
geschwächt.  Dazu  kam  (seit  164  v.  Chr.)  der  Zwist  der  feindlichen  Brüder 
Ptolemaios  VI  Philometor  und  Ptolemaios  VIII  Euergetes  mit  dem  Über- 
namen Pliyskon  (d.  h.  Wanst),  die  seit  der  ersten  Invasion  des  Antiochos 
Epiphanes  (170  v.  Chr.)  gemeinsam  regierten.  Philometor  wurde  vertrieben, 
kehrte  aber,  von  Rom  protegiert,  wieder  zurück;  auf  Grund  eines  Teilungs- 
vertrages wurde  dem  Physkon  Kyrene  überwiesen.  Damit  noch  nicht  zu- 
frieden, verlangte  er  auch  Kypros,  und  die  Römer  unterstützten  sein  Be- 
gehr, um  Ägypten  noch  mehr  zu  schwächen.  Da  sich  aber  Philometor  dem 
widersetzte,  so  blieb  es  bei  dem  ursprünglichen  Abkommen,  und  Physkon 
sah  sich  auf  Kyrene  beschränkt.  Erst  nach  Philometors  Tod  (145  v.  Chr.) 
fiel  auch  Ägypten  mit  Kypros  wieder  an  Physkon,  in  dessen  Hand  also  der 
ganze  ptolemäische  Besitz  noch  einmal  zusammengefaßt  war.  Ägypten  war 
dank  seiner  territorialen  Geschlossenheit,  seiner  fein  organisierten  Verwaltung 
und  der  günstigen  Finanzlage  auch  damals  noch  eine  ansehnliche  Macht. 

Wenn  Rom  auch  über  den  hellenistischen  Osten  nicht  unmittelbar  gebot 
und  hier  nicht  alles  nach  Wunsch  ging,  so  war  doch  das  Hauptziel  seiner 
Politik  erreicht:  in  der  unbestrittenen  Rolle  eines  wachsamen  obersten 
Schiedsrichters  konnte  Rom  das  Entstehen  eines  kräftigen  Staatsgebildes 
im  Keim  ersticken  und  in  seinem  Interesse  die  Schwächung  und  Zersplitte- 
rung der  vorhandenen  Gewalten  befördern. 

Wichtige  Beiträge  bei  H.  Nissen,  Kritische  Untersuchungen  über  die  Quellen 
der  4.  und  5.  Dekade  des  Livius,  Berlin  1863.  —  Die  griechisch -orientalische 
Geschichte  bei  W.  Schorn,  Geschichte  Griechenlands  von  der  Entstehung  des  ätoli- 
schen  Bundes  etc.  —  G.  Hertzberg,  Die  Geschichte  Griechenlands  unter  der  Herr- 
schaft der  Römer  I.  —  Flathe,  Geschichte  Makedoniens  2.  Bd.,  Leipzig  1834.  —  Niese, 
Geschichte  der  griech.  und  makedon.  Staaten,  Bd.  II  und  III.  —  G.  Colin,  Rome  et  la 
Grece  de  200  a  HO,  Paris  1905,  53  ff.  —  Die  Seleukiden:  Bevan,  The  honse  of  Seleucus, 
vol.  II,  London  1902.  —  E.  Schürer,  Geschichte  des  jüdischen  Volkes  im  Zeitalter  Jesu 
Christi  I'  165  ff.  —  Die  Ptolemäer:  Mahaffy,  The  empire  of  the  Ptolem/efi,  London  1895.  — 
M.  L.  Strack,  Die  Dynastie  der  Ptolemäer,  Leipzig  1897.  —  A.  Bouche-Leclercq,  Histoire 
des  Lagides,  vol.  I — IV,  Paris  1903 — 1907.  —  Zur  Kriegsgeschichte:  J.  Kromayer,  Antike 
Schlachtfelder,  2.  Bd.,  Berlin  1907. 

23.  Während  die  Römer  im  Osten  die  Hegemonie  errangen,  ohne  eine 
direkte  Herrschaft  auszuüben,  blieb  der  Westen  das  eigentliche  Fundament 
ihrer  Macht,  das  sie  nach  dem  hannibalischen  Krieg  in  vielen  Kämpfen 
befestigten  und  verbreiterten.  Zunächst  hatten  sie  mit  den  Galliern  Ober- 
italiens abzurechnen,  vornehmlich  den  Bojern  und  Insubrern,  die  während 
der  ganzen  Dauer  des  zweiten  punischen  Krieges  auf  Hannibals  Seite  unter 
Waffen  gestanden  hatten. i)  Die  römischen  Besitzungen,  angeblich  außer 
Placentia  und  Cremona,  müssen  alle  verloren  gegangen  sein.  Genauere  Nach- 
richten fehlen;  doch  ist  anscheinend  noch  im  letzten  Abschnitt  des  hanni- 
balischen Krieges  vielleicht  im  Anschluß  an  den  Feldzug  Magos  (204 — 203 
V.  Chr.)  hier  gefochten  worden.  Neue  Kämpfe  begannen  während  des  zweiten 
makedonischen  Krieges    mit    einem  gallischen  Angriff,    dem  wie    es  scheint 

')  Lauterbach,  Unterss.  zur  Gesch.  der  LTnterwerfung  von  Oberitalien  durch  die 
Römer,  Diss.  Breslau  1905. 


5.  Dritte  Periode:  Bis  ziir  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  23.)     149 

Placentia  zum  Opfer  fiel  (198  v.  Chr.).*)  Dies  gab  den  Anlaß  zur  völligen 
Unterwerfung  der  gallischen  Stämme,  die  übrigens  zum  Teil  mit  Rom  ver- 
bündet waren.  197  v.  Chr.  waren  beide  Konsuln  hier  tätig,  und  schon  im 
nächsten  Jahr  wurden  die  Insubrer  bezwungen.  2)  Mit  den  Bojern  wurde 
man  erst  nach  längeren  Kämpfen  etwa  191  v.  Chr.  fertig;  sie  wurden  zum 
großen  Teil  ausgerottet  oder  vertrieben.^)  Auf  dem  freigewordenen  Gebiet 
wurden  zahlreiche  römische  und  latinische  Kolonisten  angesiedelt  und  neue 
Städte  gegründet,  189  v.Chr.  die  latinische  Kolonie  Bononia,  183  v.Chr.  die 
römischen  Bürgerkolonien  Parma  und  Mutina,  dazu  viele  kleinere  Nieder- 
lassungen. Oberitalien,  zunächst  die  Landschaft  südlich  vom  Po,  wurde  in 
kurzer  Zeit  ganz  römisch  und  latinisch;  die  eingewanderte  Bevölkerung  ver- 
mehrte sich  rasch  und  bildet  fortan  einen  wichtigen  Bestandteil  der  römi- 
schen Bürgerschaft,  bezw.  der  latinischen  Bevölkerung  Italiens,  während  in 
Unteritalien  die  oskischen  und  griechischen  Elemente  das  römisch-latinische 
überwiegen.  Durch  große  Straßenbauten  wurde  das  neue  Gebiet  mit  Rom 
und  dem  übrigen  Italien  verbunden.  Bereits  220  v.  Chr.  hatte  C.  Flaminius 
als  Zensor  die  nach  ihm  benannte  Flaminische  Straße  von  Rom  über  den 
Appennin  nach  Ariminum  angelegt,^)  die  nun  von  M.  Aemilius  Lepidus, 
Konsul  187  v.  Chr.,  als  via  Aemilia  bis  Placentia  weitergeführt  wurde.  Eine 
weitere  Verbindung  —  durch  Etrurien  —  wurde  durch  die  via  Cassia  her- 
gestellt (171  v.  Chr.).  Nördlich  vom  Po  erhielten  sich  gallische  Stämme, 
neben  den  Insubrern  die  seit  langer  Zeit  den  Römern  befreundeten  Ceno- 
manen,  ferner  die  Veneter.  Aber  auch  hier  war  die  latinische  Bevölkerung 
in  raschem  Vordringen,  und  das  Keltentum  wich  an  den  Fuß  der  Alpen 
zurück.  Als  äußerster  Vorposten  wurde  im  Nordosten  Italiens,  an  der  Grenze 
der  Veneter  die  Kolonie  Aquileia  gegründet  (181  v.  Chr.).^)  Auch  die  be- 
nachbarten illyrischen  Stämme  machten  den  Römern  zu  schaffen;  so  mußte 
178  und  177  v.  Chr.  gegen  die  Istrer,  156  und  155  gegen  die  räuberischen 
Dalmater  gekämpft  werden.  An  der  illyrischen  Küste  entstanden  schon 
früh  latinische  Ansiedlungen,  im  Anschluß  an  die  früheren  hellenischen. 
Die  friedlichen  Beziehungen,  die  zu  den  Alpenvölkern  bestanden  zu  haben 
scheinen,  ermöglichten  es  dem  italischen  Kaufmann  und  Händler,  tief  in 
ihr  Gebiet  einzudringen. 

^)  Polvb.  XVIII  11  f.    Nach  Livius   be-  triebenen  Bojer   an   der  Donau  an,   was 

ginnen  die  Kämpfe  schon  201  v.  Chr.  mit  nach    Nieses  Ansicht   nicht    deshalb    be- 

einem    gallischen    Angriff  auf  Placentia  zweifelt  werden  sollte,  weil  Livius  davon 

und  Cremona  und  setzen  sich  mit  wech-  schweigt.  Vgl.  Niese,  Zeitschr.  f.  deutsches 

selndem  Glück   in    den   beiden  nächsten  Altertum  XLII  (1898)  149. 

Jahren    fort.     Ein    Punier    Hamilkar    ist  j        *)  Liv.  per.  20.   Nach  Strabo  V  217  hätte 

dabei  beteiligt.    Das  J.  198  v.  Chr.  verläuft  erst  der  gleichnamige  Sohn  des  Zensors, 

ruhig.  Vgl.  Livius  XXXI  2, 5.  10,21.  47,4;  '    C.  Flaminius,  der  Kollege  des  M.  Aemilius 

XXXII  7,  5.  8,  3.   Vgl.  XXXII  29  f.   Diese  Lepidus,  Konsul  187  v.  Chr.,  die  via  Fla- 

Nachrichten,  wie  die  verwandten  bei  Cas-  minia   angelegt,    welche  Nachricht  Niese 

siusDio(Zonaras),  sind  ganz  unzuverlässig.  akzeptierte.   Vielleicht  hat  der  Sohn  das 

-)  Es  verdient  hervorgehoben  zu  wer-  Werk  des  Vaters  renoviert;  vgl.  Münzer, 

den,  daß  die  Insubrer  wie  die  Cenomanen  PW  VI  2502.  Über  die  Straßenbauten  der 

zu  Eom  seitdem  in  einem  durch  Vertrag  beiden   Konsuln    von  187  v.  Chr.    s.  Liv. 

ifoedus)    bestimmten  Verhältnis  standen.  XXXIX  2,  6  u.  10. 

Cic.  13.  Balbo  32.  :        ^)  Ob  die  Gründung  der  Kolonie  mit  den 

'')  Polyb.  II  35,  4.    Strabo  V  213.    Nach  |    oben  S.  142  erwähnten  Plänen  des  Königs 

Strabo   siedeln    sich  die  aus  Italien  ver-  Philip])  zusammenhängt,  ist  zweifelhaft. 


250  Römische  Geschichte. 

Zum  Teil  gleichzeitig  mit  den  Bojern  und  Insubrern  wurden  die  Ligurer 
unterworfen,  zunächst  die  den  Appennin  bewohnenden  nördlichen  Nachbarn 
der  Etrusker.  Zu  erwähnen  sind  ferner  die  Feldzüge  von  1(S7,  von  186 
und  180  V.  Chr.  Im  letzteren  Jahr  wurde  der  Stamm  der  Apuaner  von 
P.  Cornelius  Cethegus  und  M.  Baebius  (Konsuln  von  181  v.  Chr.)  überwunden 
und  nach  Samnium  in  die  Umgegend  von  Beneventum  verpflanzt.')  Bis 
an  den  Ma-fcrae  wurde  das  Land  unterworfen;  Pisa  erhielt  eine  römische 
Kolonie  (180  v.  Chr.)  und  bald  darauf  auch  Luna  (177  v.  Chr.).  Die  west- 
lichen Ligurer,  die  Ingauner  u.  a.,  fielen  als  Piraten  lästig  und  störten  den 
Verkehr  mit  den  spanischen  Provinzen.  Sie  wurden  vom  Konsul  L.  Aemilius 
Paullus  empfindlich  gezüchtigt  (182 — 181  v.  Chr.).  Gegen  die  Statellaten  2) 
focht  M.  Popillius  173  und  172  v.Chr.  So  wurden  die  Küstenbewohner  bis 
zum  Massaliotischen  Gebiet  hin  allmählich  befriedet.  Auf  Sardinien  blieb 
das  Innere  noch  lange  unbezwungen,  und  mit  den  dort  hausenden  Völker- 
schaften stand  Rom  dauernd  auf  Kriegsfuß ;  die  Sarden  plünderten  mitunter 
sogar  die  nächstgelegenen  Küsten  Italiens.  Ein  größerer  Feldzug  nach  Sar- 
dinien (177/6  v.Chr.),  den  man  auch  als  Sklavenjagd  bezeichnen  kann,  brachte 
viele  Gefangene  ein  und  scheint  fürs  erste  Ruhe  geschaffen  zu  haben. 3) 
Ahnlich  lagen  die  Dinge  auf  Korsika,  wo  173  v.  Chr.  ein  Krieg  nötig  wurde. 

Auf  der  spanischen  Pyrenäenhalbinsel  war  Roms  Herrschaft  zunächst 
erst  im  Süden,  in  Turdetanien  und  den  Küstenstrichen  des  Mittelmeeres, 
gesichert;  Tarraco,  Sagunt,  Neukarthago  sowie  das  verbündete  Gades  waren 
die  Stützpunkte.  Da  die  von  P.  Scipio  Africanus  getroffenen  Maßnahmen 
nur  provisorisch  waren,  so  bereiteten  schon  seinen  unmittelbaren  Nachfolgern 
die  neuen  Untertanen  und  auch  die  verbündeten  iberischen  Könige,  die  man 
für  die  Hilfe  gegen  Karthago  mit  Gebietserweiterung  hatte  belohnen  müssen, 
manche  Sorge.  Ernste  Kämpfe  verursachten  die  binnenländischen  Stämme, 
besonders  die  Keltiberer,  die  zunächst  meist  noch  unabhängig  waren. ^)  An- 
fangs scheint  Spanien  von  den  Römern  nach  dem  Vorbild  der  Karthager 
verwaltet  worden  zu  sein.  Von  ihnen  übernahmen  die  Römer  auch  den 
Betrieb  der  ergiebigen  Silberminen  nicht  weit  von  Neukarthago.  Erst  197 
V.  Chr.  richtete  man  eine  regelmäßige  Verwaltung  ein,  wobei  Spanien  in 
zwei  Provinzen,  die  diesseitige  und  die  jenseitige,  geteilt  wurde.  Die  Grenze 
bildete  der  saltiis  Costidonensis  (Sierra  Morena),  so  daß  Neukarthago  noch 
zum  diesseitigen  Spanien  gehörte.  Für  jede  Provinz  wurde  eine  neue  Prätur 
geschaffen.  Die  normale  Amtsdauer  der  spanischen  Prätoren,  die  konsula- 
rische Befugnis  hatten,  belief  sich  auf  zwei  Jahre.  Nicht  selten  mußten  in 
kritischen  Lagen  die  Konsuln  die  Kriegführung  übernehmen. 

Die  erste  Zeit  nach  dem  zweiten  punischen  Krieg  brachte  keine  größeren 
Kämpfe.    Aber    dann    erhob    sich    im    Jahr  196  v.  Chr.   in    der   diesseitigen 

^)  Ihre  Gemeinde  trug  noch  in  späterer   :    den  Krieg  geführt  hat,  muß  nach  Polyb 


Zeit  den  Namen  der  Ligures  Baehiani  et 
Cornelianl.  Plin.  h.  n.  III 105.  Nissen,  Ital. 
Landeskunde  II  814  f. 

^)  Deren  Lage  durch  das  spätere  Aquae 


XXV  4,  Plut.  Cato  mai.  12  als  zweifelhaft 
erscheinen.    Vgl.  Strabo  V  22-5. 

■•)  Die  spanischen  Verhältnisse  sind  vor 
allem    wegen    der  Unzuverlässigkeit    der 


Statiellae,    heute  Acqui    in  Piemont   be-  livianischen  Nachrichten  ziemlich  dunkel, 

zeichnet  wird.  Der  ursprüngliche  Umfang  der  römischen 

')  Liv.  XLI  6.  8.  12.  17.  Ob  freilich,  wie  Herrschaft  ist  schwer  festzustellen. 

Livius   angibt,   Ti.  Sempronius   Gracchus  , 


5.  Dritte  Periode :  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.Chr.).    (§24.)     151 

Provinz  ein  so  bedeutender  Aufstand,  daß  für  das  nächste  Jahr  der  Konsul 
M.  Porcius  Cato  dorthin  entsandt  werden  mußte.  Er  schlug  die  Aufständi- 
schen mit  Hilfe  keltiberischer  Söldner  und  beruhigte  rasch  die  ganze  Provinz. 
Als  praktischer  Mann  sorgte  Cato  in  erster  Linie  für  seine  Soldaten,  doch 
kam  die  persönliche  Uneigennützigkeit  seiner  Verwaltung  auch  der  Provinz 
zugute.  1)  Zur  Zeit  des  Krieges  mit  Antiochos  entstanden  in  der  jenseitigen 
Provinz  größere  Unruhen,  die  der  Prätor  L.  Aemilius  Paullus  191 — 189  v.  Chr. 
erfolgreich  niederschlug;  er  siegte  in  zwei  Schlachten  und  soll  250  Städte 
unterworfen  haben. ^)  Im  diesseitigen  Spanien  erhoben  sich  181  v.  Chr.  die 
Keltiberer  in  der  Gegend  von  Complega.  Ti.  Sempronius  Gracchus  warf  den 
Aufstand  nieder  (179  und  178  v.  Chr.)  und  bahnte  durch  neue  Abmachungen 
mit  den  spanischen  Stämmen  ein  freundlicheres  Verhältnis  an,  so  daß  längere 
Zeit  Ruhe  herrschte.  Früh  setzt  die  Latinisierung  Spaniens  ein,  die  auf  dem 
altphönikischen  Kulturboden  des  Südens  am  raschesten  Wurzel  schlug.  Schon 
Scipio  Africanus  hatte  hier  mit  Soldaten  seines  Heeres  Italica  (bei  Sevilla) 
gegründet.  Später  (171  v.Chr.)  kam  es  zu  einer  ähnlichen  Gründung  in  Carteia 
(bei  Gibraltar).  Der  römische  Handel  erschloß  sich  alsbald  das  neue  spanische 
Absatzgebiet. 

24.  Grundzüge  der  inneren  Geschichte.  Im  Gegensatz  zu  den  Kriegen 
und  der  äußeren  Ausbreitung  Roms  ist  über  die  gleichzeitige  innere  Ent- 
wicklung von  Staat  und  Volk  nur  wenig  bekannt.  Die  zeitgenössische  Über- 
lieferung ist  bis  auf  wenige  Reste  untergegangen,  die  spätere  Geschicht- 
schreibung ist  unzuverlässig  und  anachronistisch  und  verschweigt  die  wich- 
tigsten Dinge.  Aber  es  versteht  sich  von  selbst,  daß  der  Aufschwung  des 
römischen  Staats,  die  durch  die  großen  Kriege  ermöglichte  Aufrichtung  einer 
auswärtigen  Herrschaft  neben  der  italischen  Bundesgenossenschaft  nicht  ohne 
innerpolitische  Wirkung  bleiben  konnte. 

Der  Ausdehnung  der  Herrschaft  entsprach  ein  Anwachsen  der  römischen 
Bürgerschaft.  Bis  zur  Eroberung  Italiens  waren  beide  Kurven  parallel  ver- 
laufen; viele  Bürger  siedelten  sich  auf  erobertem  Gebiet  an,  und  mit  Er- 
teilung des  Bürgerrechts  wurde  nicht  gekargt.  Diese  Politik  wurde  zunächst 
fortgesetzt.  Gleich  nach  dem  Ende  des  ersten  punischen  Krieges  richtete 
man  die  beiden  neuen  Tribus  Velina  und  Quirina  auf  sabinischem  Gebiet 
ein  (241  v.  Chr.),  womit  die  Zahl  der  Tribus  auf  35,  die  nicht  mehr  über- 
schrittene Höchstzahl  (S.  107),  stieg.  Bald  darauf  wurde  der  ager  Galliens 
an  die  Bürger  aufgeteilt  (233  v.  Chr.).  Als  der  zweite  punische  Krieg  be- 
endet war,  wurden  wieder  viele  Ansiedlungen  geschaffen,  teilweise  in  ünter- 
italien  (oben  S.  130),  besonders  aber  im  gallischen  Gebiet  Oberitaliens,  wohin 
latinische  und  römische  Einwanderer  in  Massen  strömten  (S.  149);  diese 
Siedlungspolitik  sollte  die  Menschenverluste  der  Kriege  möglichst  rasch  er- 

')  Die  Berichte   über  Catos  spanisches   '    catonischen   Heeres    erwähnt    auch   Liv. 
Kommando  lauten  sehr  verschieden  und       XXXIV  43,  8,  während  er  von  dem  spani- 


illustrieren  so  die  Unzuverlässigkeit  der 
jüngeren  Überlieferung.  Vgl.  Plut.  Cato 
mai.lOf.  NeposCato2.  Appian.  Iber.  39f. 
Liv.  XXXIV  8  ff.    Nach  Plut.  soll  Scipio 


sehen  Kommando  des  Scipio  nichts  weiß. 

Niese  behandelte  es  trotzdem  als  Tatsache. 

-)  Plut.  Aemil.  4,  der  aus  Polvbios  schöpft. 

Was  Li  vi  US  (XXXVI  2,  6;  XXXVII  2,  IL 


Africanus  den  von  ihm  verdrängten  Cato  46,  7)  berichtet,  weicht  stark  davon  ab. 
auf  kurze  Zeit  in  Spanien  ersetzt  haben.  Aus  der  Prätur  des  Aemilius  Paullus 
Einen  Senatsbeschlufs  auf  Auflösung  des       stammt  die  Inschrift  ILS  nr.  15. 


152  Römische  Geschichte. 

setzen  helfen.  Dazu  kam  der  allmähliche  Aufstieg  der  Untertanen  {cives  sine 
suffrar/io)  zu  römischen  Vollbürgern,  i)  ein  Prozeß,  der  freilich  das  städtische 
Territorium  nicht  erweiterte.  Durch  die  Verträge  mit  den  Bundesgenossen 
hatten  sich  die  liömer  selbst  die  Grenzen  des  in  Italien  für  ihre  Zwecke 
verfügbaren  Gebietes  gesteckt,  so  daß  eine  weitere  Ausdehnung  des  Bürger- 
landes hier  ausgeschlossen  war.  In  den  Pi'ovinzen  kommen  nur  ausnahms- 
weise auf  Sizilien  (in  Akragas)  und  in  Spanien  römische  oder  latinische 
Ansiedlungen  vor.  Wohl  aber  hatten  sich  als  Nutznießer  der  römischen 
Herrschaft  viele  einzelne  Bürger  zu  Handels-  oder  Gewerbezwecken  dauernd 
in  den  Provinzen  und  bei  den  Bundesgenossen  ansässig  gemacht,  wodurch 
ihnen  die  Ausübung  ihrer  politischen  Rechte  und  Pflichten  in  Rom  faktisch 
unmöglich  wurde. 

Als  Zentrum  des  werdenden  Reiches  ist  auch  die  Stadt  Rom  rasch  ge- 
wachsen, besonders  wohl  nach  dem  Sieg  über  Hannibal.  So  erscheint  Rom 
am  Ausgang  unserer  Periode,  bald  nach  167  v.  Chr.,  als  Großstadt  mit  viel- 
stöckigen  Häusern  und  hohen  Mietpreisen.  2)  Die  Kriegsbeute  und  die  ge- 
steigerten Einkünfte  gewährten  die  Mittel,  das  Stadtbild  zu  verschönern 
und  für  die  Bequemlichkeit  der  Einwohner  zu  sorgen.  Schon  bald  nach  den 
gallischen  Kriegen  wurde  der  Circus  Flaminijfyus  gebaut,^)  eine  Generation 
später  entstehen  eine  Reihe  von  öffentlichen  Gebäuden,  wie  die  Basilica 
Porcia, ^)  in  derselben  Zeit  wurde  die  Straßenpflasterung  in  weiterem  Umfang 
durchgeführt,  die  von  der  Legende  dem  älteren  Tarquinius  zugeschriebene 
große  Kloake  angelegt,  die  Hafenanlagen  erweitert,  eine  steinerne  Brücke 
über  den  Tiber  geführt;^)  auch  geschah  viel  für  den  Schmuck  der  Tempel 
vnid  der  öffentlichen  Plätze,  wo  die  aus  Griechenland  entführten  Kunstwerke 
Aufstellung  fanden. '')  Auch  an  die  großen  Straßenbauten  in  Italien  sei  in 
diesem  Zusammenhang  nochmals  erinnert;  zu  den  schon  oben  (S.  149)  ge- 
nannten kommt  noch  hinzu  die  Fortsetzung  der  appischen  Straße  über  Capua 
nach  Brundisium  und  Tarent. 

An  der  Verfassung  Roms  hat  sich  während  der  großen  Kriege  in  der 
Form  wenig  verändert.  Natürlich  erforderte  die  Ausdehnung  des  Staats  und 
der  Geschäfte  einen  größeren  Beamtenapparat.  Gegen  Ende  des  ersten  puni- 
schen  Krieges  (um  242  v.  Chr.)  wurde  ein  zweiter  Prätor  notwendig  für  die 
Jurisdiktion  zwischen  Römern  und  Nichtrömern,  es  folgten  die  Provinzial- 
prätoren  für  Sizilien,  Sardinien  (227  v.  Chr.)  und  die  beiden  spanischen  Pro- 
vinzen (197  V.  Chr.),  so  daß  es  nunmehr  sechs  Prätoren  gab.  Dazu  traten 
Präfekten,  die  als  Vertreter  des  Prätors  in  entfernteren  Teilen  des  städti- 
schen Gebietes,  namentlich  in  Kampanien  die  Jurisdiktion  besorgten  (S.  82). 
Auch  die  Zahl  der  Hilfs-  und  Unterbeamten,  die,  den  Magistraten  und  Kol- 
legien beigegeben,  als  besoldete,  im  Amt  verbleibende  Gehilfen  der  jälirlich 
wechselnden  Vorgesetzten  erhebliche  Bedeutung  gewannen,  schwoll  an.    Da 


*)  Überliefert  wird   uns   ein  derartiger   :        ■•)  184  v.  Chr.   von  M.  Porcius   Cato    in 


Fall,  die  Erteilung  des  Stimmrechtes  an 
die  Orte  Formiae,  Fundi  und  Arpinum 
188  V.  Chr.    Liv.  XXXVIII  36,  7  ff. 

2)  Diodor  XXXI  18,  2. 

')  Angeblich  von  C.  Flaminius  in  seiner 
Zensur  220/19  v.  Chr.  Liv.  per.  20. 


seiner  Zensur  errichtet.  Liv.  XXXIX  44, 7. 

^)  Der  jt>o/(.s  AemiUus,  Liv.  XL  51,  4  zum 
J.  179  V.  Chr.    Vgl.  XLI  27. 

'^)  0.  Richter,  Topographie  der  Stadt 
Rom  48  f. 


5.  Dritte  Periode :  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§24.)     153 

Rom  nicht  zu  sparen  brauchte,  so  gab  man  der  ganzen  staatlichen  Organi- 
sation einen  Zug  ins  Große. 

Während  aber  die  Form  des  Staatslebens  in  der  Hauptsache  unverändert 
blieb,  haben  sich  Wesen  und  Inhalt  gewandelt.  Zu  Anfang  der  Periode  bis 
zum  zweiten  punischen  Krieg  ist  nicht  der  Senat,  sondern  das  Volk,  die 
kriegerisch  gesinnte,  auf  Expansion  bedachte  Bürgerschaft,  der  Träger  auch 
der  auswärtigen  Politik.  Insofern  mag  man  von  einer  Demokratie  sprechen, 
die  einen  besonders  angesehenen  Führer  in  C.  Flaminius  fand,  dem  Konsul 
von  223  und  217,  dem  Zensor  von  220  v.  Chr.  Dieser  Mann  hatte  bedeu- 
tenden Anteil  an  den  gallischen  Kriegen.  Er  hatte  als  Volkstribun  (232 
v.  Chr.)  die  Aufteilung  des  ager  GalUcus  gegen  den  Willen  des  Senats  durch- 
gesetzt (oben  S.  110).  In  seine  Zeit  gehört  die  demokratische  Umgestaltung 
der  älteren  servianischen  Stimmordnung,  wodurch  die  Centurien  mit  den 
Tribus  verschmolzen  wurden  und  die  Censusklassen  gleiche  Stimmen-  oder 
Centurienzahl  (je  70)  erhielten.  Damit  mag  eine  Ausdehnung  der  Dienst- 
pflicht auf  die  minderbemittelten  Klassen  der  Bürgerschaft')  gemäß  den 
wachsenden  militärischen  Aufgaben  zusammenhängen.  Durch  die  Reform 
der  Stimmordnung  wurde  das  Übergewicht  der  begüterten  Klassen  ein- 
geschränkt. -)  Das  besitzlose  hauptstädtische  Proletariat  und  die  Freigelassenen, 
die  auch  nicht  wehrpflichtig  waren,  erhielten  zwar  Stimmrecht,  durften  es 
aber  nur  innerhalb  der  vier  städtischen  Tribus  ausüben,^)  wodurch  sie  prak- 
tisch bedeutungslos  blieben.  Der  timokratische  Grundzug  Roms  war  also 
gewährt.    Den  Ausschlag  gab  der  Besitz. 

In  der  Bedrängnis  des  zweiten  punischen  Krieges  kam  die  demokratische 
Bewegung  zum  Stillstand.  Maßgebend  wurde  der  Senat,  dessen  Autorität 
sich  sowohl  die  Komitien  wie  die  vom  Volk  gewählten  obersten  Beamten 
zu  beugen  lernten.  Diese  Entwicklung  war  bedingt  durch  die  zunehmenden 
Schwierigkeiten,  die  das  Regieren  eines  großen  Staatswesens  bereiten  mußte 
und  denen  die  Volksversammlung  je  länger  je  weniger  gewachsen  war;  so 
wurde  an  Stelle  des  Volkes  der  Senat  das  Organ,  das  über  die  auswärtigen 
Angelegenheiten  und  die  Provinzialverwaltung  bestimmte;  aus  dem  Schoß 
des  Senats  gingen  die  Beamten  hervor,  in  ihn  kehi'ten  sie  zurück.  Dieser 
Körperschaft  verdankt  Rom  die  Stetigkeit  seiner  Außenpolitik  und  die 
Energie  eines  zähen  Machtwillens.  Nach  innen  wirkte  der  Senat  als  kon- 
servatives Element  und  verhinderte  jähe  Änderungen  und  unvermittelte 
Übergänge  in  der  Verfassung.  Im  Senat  saß  die  Nobilität,  d.h.  der  Amts- 
adel, der  Träger  stolzer  Traditionen  und  reicher  praktischer  Erfahrung,  ein 
auch  mit  irdischen  Gütern  gesegneter  Stand,  der  sich  aus  der  Bürgerschaft 
mitunter  neues  Blut  zuführte.   Der  Mut,  die  Energie,  die  Geschäftskenntnis 


')  Wie  es  Polybios  VI  19  darstellt.  '  *)  Diese  Beschränkung,  die  aber  ver- 
^)  Die  Reform  der  Centurienverfassung  mutlich  zunächst  nicht  als  solche  beab- 
kann  erst  nach  AbschlufB  der  Tribuszahl  sichtigt  war,  wird  zuerst  den  Zensoren 
(241  v.Chr.)  stattgefunden  haben;  vgl.  j  von  304  v.  Chr.,  Q.  Fabius  und  P.  Decius 
MoMMSEN,  Die  röm.  Tribus  113  f.  Mommsen,  zugeschrieben,  was  unbeglaubigt  ist  (Liv. 
Staatsr.  II  281  schrieb  sie  später  den  Zen-  IX  46,  14),  dann  wahrscheinlich  den  Zen- 
soren von  220  v.  Chr.  zu,  L.  Aemilius  und  soren  von  220  (Liv.  per.  20).  endlich  denen 
C.  Flaminius;  das  kann  richtig  sein,  ist  i  von  168 v.Chr.  (Liv. XLV 15).  Vgl. Mommsen, 
aber  nicht  zu  erweisen.  i    Röm.  Staatsr.  I  434  f.    Oben  S.  85  A.  2.  86. 


154  Römische  Geschichte. 

dieses  regierenden  Adels  hatten  Koni  in  erster  Linie  den  Sieg  verschafft. 
Nachdem  die  Weltlierrschaft  erkämpft  war,  zeigten  sich  freilicli  auch  die 
Schattenseiten  dieser  Regierung;  die  herrscliende  Schicht  hielt  sich  nicht 
frei  von  Auswüchsen  des  Eigennutzes  und  der  Habsucht.')  Innerhalb  der 
Nobilität  bestanden  heftige  Gegensätze  und  Rivalitäten,  und  auch  jetzt  gab 
es  eine  demokratische  Richtung. 2)  Die  Komitien  haben  nicht  etwa  ihre  alten 
Rechte  eingebüßt;  ihnen  steht  nach  wie  vor  die  Wahl  der  Beamten,  die 
Genehmigung  der  Gesetze  und  Verträge  und  die  oberste  Gerichtsbarkeit  zu. 
Aber  es  fehlt  ihnen  der  unmittelbare  Einfluß  auf  die  Geschäfte,  die  dem 
Senat  und  den  Magistraten  überlassen  bleiben.  Die  Demokratie  aber  hatte 
kein  großes  Ziel,  kein  werbendes  Programm;  der  Kampf  ging  nicht  um 
Lebensfragen  der  Nation;  man  stritt  nur  in  persönlichem  Ehrgeiz  um  die 
Ämter,  die  an  Bedeutung  gewannen.  Nachdem  die  von  außen  drohenden 
Gefahren  gebannt  waren,  regte  sich  Mißstimmung  gegen  die  überragende 
Stellung  des  P.  Scipio  Africanus  und  seiner  Freunde,  deren  Tatkraft  die 
großen  Kriege  siegreich  beendet  hatte.  Der  namhafteste  unter  Scipios  Gegnern 
war  M.  Porcius  Cato.  Besonders  der  Krieg  gegen  Antiochos  und  die  ex- 
zeptionelle Beteiligung  des  P.  Scipio  an  diesem  Krieg  scheint  zu  Angriffen 
auf  die  Scipionen  und  ihren  Anhang  Anlaß  gegeben  zu  haben.  Zwar  zu 
einer  eigentlichen  Anklage  ist  es  nicht  gekommen,  wohl  aber  sah  sich  der 
Hannibalsieger  veranlaßt,  Rom  und  dem  öffentlichen  Leben  den  Rücken  zu 
kehren;  er  starb  183  v.  Chr.  in  Liternum.^)  Mehrere  seiner  Freunde,  die 
sich  gegen  Sitte  und  Recht  vergangen  hatten,  wurden  von  Cato,  als  er 
184  V.  Chr.  mit  L.Valerius  Flaccus  die  Zensur  führte,  zur  Verantwortung 
gezogen  und  bestraft.  Bald  darauf  (180  v.  Chr.)  gelangte  das  Gesetz  des 
L.Villius  {lex  Villia  aimalis)  zur  Annahme,  das  die  öffentliche  Laufbahn 
durch  Festsetzung  bestimmter  Altersgrenzen  und  der  Reihenfolge  der  Amter 
regelte^)  und  damit  dem  Ehrgeiz  eine  Schranke  zog.  Die  unausbleibliche 
Folge  war,  daß  die  unteren  Amter  nur  noch  als  Durchgangsstufe  zu  den 
höchsten  galten  und  dementsprechend  geringer  bewertet  wurden.  Als  un- 
ermüdlicher und  rücksichtsloser  Kämpe  stritt  Cato  gegen  die  Willkür  der 
aristokratischen  Beamten;  aus  der  Gegend  von  Tusculum  stammend,  war 
er  als  liomo  noviis  in  den  Senat  eingetreten  und  für  seine  Person  der  selbst- 


1)  Polyb.  XVIII  35,  2  ff. 

2)  Plutarch.  Tit.  18. 

^)  Über  die  sog.  Scipionenprozesse  vgl. 


der  nicht  Prätor  gewesen  war,  und  daß 
zur  Priitur  nur  zugelassen  werden  solle, 
wer   die  Quästur  verwaltet   hatte.    Viel- 


MoMMSEN,    Rom.  Forsch.  II  417  ff. ;    Niese,  leicht  waren  auch  zehn  Dienstjahre  {sti- 

De  annalihus  Rom.  observ.  alterae  (index  lecf.,  pend/'a)  als  unerläßliche  Vorbedingung  für 

Marburg  Sommersem.  1888)  p.  IV  f.  Nicco-  die    Bekleidung    einer   Magistratur    fest- 

him,  Eivista  dt  storiaanticaS  (1898)  S.  28  ff.  gesetzt.    Polyb.  VI  19,  4.    Vgl.  Nipperdey, 

Münzer,  PW  IV,  1475  ff.  P.FnAccAno,  Sind i  Abhandl.  d.  k.  Sachs.  Gesellsch.  d.  Wiss. 

storici  IV,  1911,  217  ff.    Unsere  Kenntnis  phil.hist.    Kl.  V    (1865).     Mommsen,    Rom. 

davon  beruht   allein  auf  einigen  kurzen  Staatsrecht  I  505  f.    In  früherer  Zeit  gab 

Notizen    des    Polybios    XXIII   14,     alles  es  derartige  gesetzliche  Beschränkungen 

übrige,    was    Livius   XXXVIII  50  f.   und  der  Volkswahl   nicht.    Cicero    Phil.  V  47, 

andere  Annalisten  bieten,  ist  spätere  Aus-  Tacit.  ann.  XI  22.    Über  die  Verschlechte- 

malung  oder  Erfindung.  rung  der  Aussichten  der  patrizischen  Be- 

*)  Bestimmte  Angaben  über  den  Inhalt  werber  durch  die  lex  Villia  atumlis  s.  F. 

des    wichtigen    Gesetzes    fehlen.     Wahr-  Münzek,   Rom.  Adelsparteien   und  Adels- 
scheinlich   war   bestimmt,    daß   niemand    |    familien,  Stuttgart  1920,  151,  207  f. 
sich   um   das  Konsulat  bewerben   dürfe,   | 


5.  Dritte  Periode:  Bis  zur  Erlangung  der  Weltherrschaft  (167  v.  Chr.).    (§  24.)     155 

bewußte  Plebejer  geblieben,  der  die  Privilegien  der  Geburt  nicht  anerkennen 
wollte;  er  starb  149  v.Chr.*)  Einen  Demokraten  darf  man  ihn  nur  nennen, 
sofern  man  sich  bewußt  ist,  daß  der  römische  öTj/iog,  der  die  Komitien  und 
die  Gerichte  bildete,  in  dieser  Zeit  an  sozialer  Geltung  etwa  dem  späteren 
Ritterstand  glich. 

Die  siegreichen  Kriege  hatten  den  Römern  große  Kapitalien  zugeführt 
und  neue  Einnahmequellen  erschlossen;  das  Geld-  und  Bankwesen  des 
griechischen  Ostens  kam  in  Aufnahme;  der  römische  Handel  florierte.  In 
den  Provinzen  sowie  bei  den  verbündeten  und  abhängigen  Staaten  genossen 
die  römischen  Bürger  vielfach  Steuerfreiheit  und  andere  Vorzugsrechte  und 
bei  ihrem  Talent  für  den  Handel 2)  wurden  sie  im  Verein  mit  den  Italikern 
auf  den  fremden  Märkten  und  Absatzgebieten  rasch  heimisch.  Zum  Teil  in 
friedlichem  Wettbewerb  mit  den  Griechen  erschließen  sie  sich  Spanien  und 
Numidien;  bald  tauchen  römische  Geschäftsleute  auch  im  Osten,  in  Athen, 
Argos  und  besonders  auf  Delos  auf;  ja  bis  hinüber  nach  Ägypten  arbeitete 
römisches  Kapital,  Die  Hafenorte,  welche  den  Verkehr  mit  Rom  vermittelten, 
Dikaiarcheia  (Puteoli)  und  Brundisium,  gewinnen  große  Bedeutung.  Die 
römische  Bürgerschaft  verliert  ihren  vorwiegend  bäuerlichen  Charakter;  der 
Bauer  tritt  zurück  hinter  dem  neuen  Typus  des  Unternehmers  und  Ge- 
schäftsmanns der  verschiedensten  Kategorien;  als  Steuerpächter  {pnblicani) 
zu  Gesellschaften  zusammengeschlossen,  übernehmen  römische  Kapitalisten 
die  Erhebung  der  Gefälle.  Alle  diese  Geschäfte  blieben  dem  Bürgertum 
vorbehalten;  dem  Senator  war  der  Großhandel  und  die  Beteiligung  an  den 
Pachtgesellschaften  gesetzlich  verboten. 3) 

Die  nähere  Bekanntschaft  mit  dem  Griechentum  führte  zu  einer  fort- 
schreitenden Hellenisierung  Roms  auf  allen  Kulturgebieten,  in  Literatur, 
Kunst,  Philosophie,  Religion,  selbst  im  Recht. ^)  Die  Graecia  capto,  die  nach 
Horaz  (epist.  II,  1,  156  f.)  den  römischen  Sieger  ihrerseits  überwand,  ist  in 
Wirklichkeit  der  Hellenismus,  der  seine  Hauptzentren  in  Athen,  Pergamon, 
Rhodos  und  Alexandrien  hatte  und  nun  durch  unzählige  Kanäle  das  römische 
Wesen  infiltrierte.  Und  wenn  sich  im  Hellenismus  bereits  die  Amalgamie- 
rung  des  Griechentums  mit  orientalischen  Kulturelementen  vollzogen  hatte, 
so  folgte  in  Rom  auf  die  Rezeption  griechischer  Gottheiten  der  Einzug 
der  orientalischen;  den  Reigen  eröffnet  die  phrygische  Göttermutter,  die 
durch  Vermittlung  der  Pergamener  nach  Rom  kam.^)  Eine  Fülle  von 
Schöpfungen  griechischer  Kunst  fand  mit  der  Kriegsbeute  den  Weg  nach  Rom 
und  Italien;  griechische  Literaten,  Musiker,  Schauspieler,  Künstler  jeder  Art 
verdienten  hier  ihr  Brot.  Griechische  Literaturwerke  werden  ins  Lateinische 
übertragen.  Livius  Andronicus  übersetzt  die  Odyssee  und  bringt  griechische 
Tragödien    in    lateinischer    Sprache    zur    Aufführung,    Plautus    und    später 


')  Sein  Leben  beschreiben  Plutarch  und  j       ^)  So  wurde  das  rhodische  Seerecht  {lex 

Cornelius  Nepos.  ]    Rhodia)  von  Eom  übernommen.    Däreste, 

^)  Wir  hören  z.  B.,  daß  im  zweiten  make-  Revue  de  phüologie  29  (1905)  1  ff. 

donischen  Krieg  beurlaubte  Soldaten  Ge-  ^)  Wissowa,   Religion  und  Kultus  der 

Schäftsreisen  machten.  Liv.  XXXIII  29, 4.  Römer,  1912^,  317  ff.  Das  von  Livius  XXIX 

^)  Durch  eine  lex  Claudia,  die  angeblich  14,  13  gegebene  Jahr  der  Einführung,  205 

um  220  V.  Chr.  mit  Unterstützung  des  C.  [   v.  Chr.,  erklärt  Niese  für  „stark  verfrüht". 

Flaminius  regiert  wurde.    Liv.  XXI  63.  | 


156  Römische  Geschichte. 

Terentius  bearbeiten  griechische  Komödien,  Accius  und  Pacuvius  Tragödien. 
Und  zugleich  wagt  man  sich  an  eigene  lateinische  Dichtungen;  der  Kampaner 
Naevius  besingt  den  ersten  punischen  Krieg,  und  Q.  Ennius,  der  Schützling 
des  Fulvius  Nobilior,  ein  Halbgrieche  aus  dem  messapischen  Kudiae,  stellt 
als  erster  im  Epos  die  ganze  römische  Geschichte  in  Hexametern  dar. 

Naturgemäß  waren  es  die  oberen  Schichten  der  Gesellschaft,  die  von 
der  hellenischen  Bildung  am  stärksten  gepackt  wurden.')  Die  römischen 
Großen  sind  durchweg  Philhellenen,  Scipio  Af'ricanus,  Quinctius  Flamininus, 
Fulvius  Nobilior,  Aemilius  Paullus  und  viele  andere  haben  es  durch  die 
Tat  bewiesen,  durch  Stiftungen  an  griechische  Heiligtümer  und  Teilnahme 
an  den  griechischen  Festen. 2)  Mancher  vornehme  Römer  hat  sich  selbst  in 
griechischer  Literatur  versucht.  Im  Gefolge  der  verfeinerten  hellenistischen 
Kultur  hielten  aber  auch,  als  Zivilisationslaster,  lockere  Sitten,  Luxus  und 
Verschwendung  bei  den  Römern  ihren  Einzug;  die  Griechen,  mit  denen 
man  in  Berührung  kam,  entpujDpten  sich  häufig  als  unwürdige  Epigonen, 
und  so  ist  es  verständlich,  daß  der  Philhellenismus,  wie  er  in  der  besten  römi- 
schen Gesellschaft  Mode  wurde,  eine  Reaktion  des  Römertums  hervorrief, 
das  sich  politisch  den  Graeculi  weit  überlegen  fühlte.  Der  Wortführer  dieser 
nationalen  Bewegung  war  der  eigenwillige  M.  Porcius  Cato,  ein  wirkungs- 
voller Redner  —  er  hat  als  erster  Reden  literarisch  publiziert  —  und  der 
Schöpfer  der  lateinischen  Prosaliteratur.  Mit  der  griechischen  Literatur  war 
er  keineswegs  unbekannt;  für  seine  Origines  (oben  S.  16,  19)  benutzte  er 
griechische  Vorbilder  und  Quellen;  aber  mit  berechtigtem  Nationalstolz  be- 
tonte er  den  Ruhm  der  römischen  Vergangenheit;  sein  Beispiel  hat  gewirkt. 
Bei  aller  Empfänglichkeit  für  die  hellenistische  Kultur  waren  die  Römer 
doch  nicht  gewillt,  ganz  in  ihr  aufzugehen.  Die  übertriebene  Graecomanie 
wurde  bald  überwunden.  Und  wenn  der  Hellenismus  auch  auf  das  Staats- 
und Rechtsleben  Einfluß  gewann,  so  nahm  er  doch  römische  Formen  an 
und  das  fremde  Element  assimilierte  sich  dem  römischen  Erbgut. 

VI.  Vierte  Periode  der  Geschichte  Roms:  Bis  zum  Untergang 
der  Repubhk  (28.  y.  Chr.). 

Quellen^) 
der  Geschichte  dieser  Zeit  sind  zunächst  die  "Werke  des  Polybios,  die  Historien, 
die  bis  145/4  v.  Chr.  reichen,  und  ihr  Anhang,  die  Geschichte  des  numantinischen 
Krieges.  Polybios  hat  zwei  Fortsetzer  gefunden,  den  Poseidonios  und  den  Strabon. 
Von  ihnen  scheint  der  ältere,  Poseidonios,  mindestens  bis  zur  Diktatur  Sullas 
gekommen  zu  sein.*)    Strabon,  der  unter  Augustus  in  Rom  lebte,  dürfte  etwa  mit 

')  Wie  sich  das  große  Publikum  zu  grie-  er  noch  überlebt.  Die  jüngsten  Fragmente 

chischen  Kunstgenüssen  verhielt,  zeigt  die  jener  Fortsetzung  des  Polybios  bezielien 

Beschreibung  der  Siegesfeier  des  Anicius  sich  auf  den  ersten  mithridatischen  Krieg. 

167  v.Chr.  bei  Polyb.  XXX  22.  Dafs  Poseidonios  noch  ein  besonderes  Werk 

^)  XiESE,  Gesch.  der  griech.  u.  makedon.  über  Pompeius   folgen   liefj,    wollte  man 

Staaten  III  11.  aus  Strabo  XI  492  schließen,    wozu  auch 

^)  Vgl.  oben  S.  15  ff.,  99  f.  Niese  neigte:  vgl.  aber  C.Wachsmuth,  Einl. 

■*)  Poseidonios,  der  große  Gelehrte  und  in   das  Studium    der   alten  Gesch.,    1895, 

stoische  Philosoph,  geboren  um  130  V.  Chr.  ü51,  4.    Für  die  Fragmente  s.  C.  Müllek, 

im   syrischen  Apameia,    ließ   sich  später  FHG  III  245  ff. 
in   Rhodos   nieder.    Das  J.  60  v.  Chr.  hat 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    ((Quellen.)     157 

dem  Jahr  30  v.  Chr.  abgeschlossen  haben.')  Die  uns  erhaltenen  Darstellungen  aus 
späterer  Zeit  mögen  in  der  Hauptsache  auf  jenen  zwei  Werken  beruhen,  die  ihrer- 
seits die  ältere  zeitgenössische  Literatur  geringeren  Umfangs  absorbiert  hatten.  Zu 
dieser  Literatur  gehörten  auch  einige  Produkte  römischer  Herkunft,  so  die  "Werke 
des  C.  Fannius,  Konsuls  122  v.  Chr.,"'')  und  des  P.  Rutilius  Rufus,  der  in  der 
Verbannung  (nach  93  v.  Chr.)  die  Geschichte  seiner  Zeit  griechisch  schrieb,  die  Schrift 
des  Q.  Lutatius  Catulus  über  sein  Konsulat  (102  v.  Chr.),  und  namentlich  die  um- 
fangreichen, griechisch  abgefaßten  Denkwüi-digkeiten  des  Diktators  Sulla.  Der  mar- 
sische Krieg  und  die  folgenden  Bürgerkriege  haben  mehrere  Darstellungen  hervor- 
gerufen, wie  die  umfangreiche  Geschichte  des  L.  Cornelius  Sisenna  (Prätor  78 
V.  Chr.).  Cicero  hat  die  Geschichte  seines  Konsulats  auf  Griechisch  geschrieben, 
sowie  eine  Geheimgeschichte  der  catilinarischen  Verschwörung.  In  politischer  Ab- 
sicht hat  auch  Caesar  zur  Feder  gegriffen  und  in  der  anspruchslosen,  scheinbar 
rein  sachlichen  Form  der  commentarü  (Tagebücher)  eine  Selbstapologie  seiner  galli- 
schen Politik  gegeben  (51  v.  Chr.)  und  in  ähnlicher  Weise  auch  den  Bürgerkrieg  zu 
behandeln  begonnen.  Beide  Werke,  das  bellum  Gallicum  und  das  helhim  civile,  wurden 
nach  Caesars  Tod  von  A.  Hirtius  u.  a.  verbunden  und  ergänzt  durch  das  8.  Buch 
des  gallischen  Krieges,  den  alexandrinischen,  afrikanischen  und  spanischen  Krieg, 
und  so  das  uns  erhaltene  Corpus  der  caesarischen  Schriften  hergestellt.  Ein  Partei- 
gänger Caesars  war  Sallustius,  dessen  Schriften  auf  die  Nachwelt  stark  wirkten. 
Nach  Caesars  Tod  schrieb  er  zuerst  zwei  Monographien,  nämlich  die  Verschwörung 
Catilinas  und  den  jugurthinischen  Krieg  (beides  erhalten),  zuletzt  die  verlorenen 
Historien,  Geschichte  der  Jahre  78—67  v.  Chr.,  sein  größtes  Werk.^)  Der  bedeutendste 
Historiker  war  wohl  C.  Asinius  Pollio,  ein  bekannter  Caesarianer  und  namhafter 
Redner  (gestorben  5  n.  Chr.).  Er  stellte  die  Geschichte  der  Jahre  60  bis  etwa  42  v.  Chr. 
zusammenfassend  dar  und  ist  viel  benutzt  worden.  Als  Verfasser  einer  Selbstbio- 
graphie, die  ba,ld  nach  27  v.  Chr.  entstand,  ist  Kaiser  Augustus  zu  erwähnen. 

Unter  den  griechischen  Historikern  ist  am  bekanntesten  Theophanes  von 
Mytilene,  der  Freund  und  Klient  des  Pompeius;  er  berichtete  die  Geschichte  seines 
Gönners,  vornehmlich  die  mithridatischen  Kriege.  Für  diese  letzteren  sind  von 
Wert  die  Auszüge  des  Photios  (Bibl.  cod.  224)  aus  Memnons  Geschichte  des  pon- 
tischen  Herakleia.  Über  das  nämliche  Spezialthema  soll  dem  Lexikon  des  Suidas 
zufolge  ein  gewisser  Timagenes,  der  schwerlich  mit  dem  gefeierten,  ebenfalls 
historiographisch  tätigen  Literaten  der  augusteischen  Zeit  identisch  ist,^)  gehandelt 
haben.  Endlich  sei  Nikolaos  von  Damaskos  erwähnt  wegen  seiner  Biographie  des 
Augustus,  deren  Reste  für  die  Zeit  nach  dem  Tod  Caesars  von  Interesse  sind. 

Unter  der  sonstigen  Literatur  sind  vor  allem  die  Schriften  Ciceros  wichtige 
historische  Quellen,  seine  Reden  und  vornehmlich  seine  Briefe,  die  uns  in  einzig- 
artiger Weise  in  die  Geschichte  der  Jahre  60  bis  43  v.  Chr.  intimen  Einblick  ge- 
währen. Zu  den  Reden  Ciceros  sind  noch  einige  wertvolle  Stücke  von  den  Ein- 
leitungen und  Erläuterungen  des  Grammatikers  Q.  Asconius  Pedianus  aus  der 
Zeit  des  Tiberius  erhalten.  Asconius  benutzte  die  acta  senatus  populiqne  Roman i,  eine 
amtliche  Zeitung,  die  Caesar  in  seinem  ersten  Konsulat  (59  v.  Chr.)  herausgeben  ließ 

')  Strabo  stamnite  aus  Amaseia  im  Pon-  j  ten,  die  zuletzt  Maueenbkechee  heraus- 
tus,  ist  etwa  63  v.  Chr.  geboren  und  hat  gegeben  und  erläutert  hat.  Aus  Sallust 
seine  noch  erhaltene  Geographie  17  — 18  stammt  das  unbehilfliche  Exzerpt  des 
n.Chr.  geschrieben.  Das  letzte  Bruchstück  Julius  Exuperantius  (aus  dem  4.  oder 
seiner  Historien  gehört  dem  J.  37  V.  Chr.  an. 

^)  Für  die  umstrittene  Identifikation  des 
Historikers  mit  dem  Konsul  ist  zuletzt  F. 
MtJNZER,  Hermes  55, 1920, 427  ff.  eingetreten. 

^)  Erhalten  sind  aus  den  Historien  die 
Reden  und  Briefe  nebst  vielen  Fragmen- 


5.  Jahrh.  n.  Chr.),    das  hauptsächlich  den 
ersten  Bürgerkrieg  behandelt. 

*)  Niese  hat  die  beiden  offenbar  zu- 
sammengeworfen. Gegen  ihre  Identität: 
O.  Hirschfeld,  Kl.  Schriften  4  f. 


158  Römische  Geschichte. 

und  deren  Veröffentlichung,  wenn  sie  auch  von  Augustus  eingeschränkt  wurde,  doch 
bis  in  spätere  Zeiten  fortdauerte  (oben  S.  14). 

Unter  den  uns  erhaltenen  späteren  Darstellungen  und  Handbüchern  ist  am 
ältesten  Diodors  Bibliothek,  die  bis  59  v.  Chr.  reichte  und  aus  der  wertvolle  Ex- 
zerpte vorliegen.  Soweit  ein  Urteil  erlaubt  ist,  hat  Diodor  aus  Poseidonios  geschöpft. 
Zeitlich  folgen  die  Fragmente  und  Auszüge  des  Livius,  der  mit  dem  Abbrechen 
des  polybianischen  Werkes  sich  ebenfalls  dessen  Fortsetzer  Poseidonios  zugewendet 
zu  haben  scheint.  Nur  wenig  ergeben  für  unsere  Periode  die  Fragmente  der  Historien 
desNikolaos  von  Damaskos.  Ertragreicher  ist  trotz  seiner  Kürze  und  Flüchtigkeit 
der  Geschichtsabriß  des  Velleius  Paterculus  (bis  30  n.Chr.  geführt).  Velleius  wird 
ausführlicher,  je  mehr  er  sich  der  eigenen  Zeit  nähert.  Die  Epitome  des  Justinus 
ist  vor  allem  für  die  Geschichte  des  Orients  von  Wichtigkeit.  Dasselbe  gilt  von  dem 
jüdischen  Historiker  Flavius  Josephus,  der  auf  die  Römer  anläßlich  ihres  Zu- 
sammentreffens mit  den  Juden  zu  sprechen  kommt,  sowohl  in  der  Geschichte  des 
jüdischen  Kriegs  {bellum  Judaicum),  wie  in  der  jüdischen  Archäologie.  Es  folgen  die 
römischen  Biographien  Plutarchs,  Ti.  und  Gaius  Gracchus,  Marius,  Sulla,  Sertorius, 
LucuUus,  Crassus,  Pompeius,  Cicero,  Caesar,  Antonius  und  Brutus.  Plutarch  scheint 
die  Historien  Strabons  benutzt  zu  haben.  Die  römische  Geschichte  Appians,  und 
zwar  das  iberische,  lybische,  illyrische,  mithridatische,  syrische  Buch  und  besonders 
die  fünf  Bücher  der  Bürgerkriege  geben  eine  zusammenhängende,  aber  oft  recht 
flüchtige  Darstellung  der  Ereignisse.  Seine  Quellen  sind  mit  denen  Plutarchs  viel- 
fach verwandt:  vielleicht  hat  auch  er  den  Strabon  benutzt;  doch  ist  das  Quellen- 
problem umstritten.*)  Appian  hat  seine  Quellen  nicht  immer  getreu  reproduziert, 
sondern  sich  manche  Abänderung  gestattet.  Die  Geschichte  des  achäischen  Krieges 
erzählt  im  Zusammenhang  der  Perieget  Pausanias  VII  12  f.  in  einem  stark  ver- 
kürzten, oft  ungenauen  Auszug,  der  vermutlich  letzten  Endes  auf  Polybios  zurück- 
geht. Dem  zweiten  nachchristlichen  Jahrhundert,  wie  Appian  und  Pausanias,  mag 
auch  Granius  Licinianus  angehören,  der  Verfasser  einer  republikanischen  Ge- 
schichte, deren  Reste  sich  auf  die  Zeit  von  den  cimbrischen  bis  zu  den  mithridati- 
schen  Kriegen  beziehen.  Er  scheint  besonders  den  Livius  ausgebeutet  zu  haben. 
Endlich  istCassiusDio  mit  seinen  Ausschreibern,  namentlich  Zonaraszu  nennen; 
für  uns  beginnt  seine  vollständige  Darstellung  67  v.  Chr.,  auch  er  scheint  haupt- 
sächlich auf  Livius  zu  beruhen. 

Die  Chronographie,  eine  Schöpfung  der  hellenistischen  Wissenschaft,  wird 
durch  das  inschriftlich  erhaltene  Bruchstück  einer  griechischen  Zeittafel  ^)  und  durch 
die  Fragmente  Phlegons,^)  des  Freigelassenen  Hadrians,  vertreten.  Der  Haupt- 
stock der  chronographischen  Literatur  liegt  uns  in  der  Chronik  des  Eusebios  vor, 
die  weiterhin  unter  den  Quellen  der  fünften  und  sechsten  Periode  (unter  VI  und  VII) 
noch  zu  erwähnen  sein  wird. 

25.  Befestigung  und  Erweiterung  der  römischen  Herrsciiaft:  Spa- 
nische Kriege. ^)  Nach  längerer  Ruhe  (S.  151)  brach  um  das  Jahr  154  v.  Chr. 
m  Spanien  ein  bedrohHcher  Aufstand  aus,  der  infolge  der  brutalen  Methoden 
der  römischen  Feldherren  großen  Umfang  annahm,  den  Römern  schwere  Ver- 
luste bereitete  und  eine  Periode  neuer  Verwicklungen  einleitete.  Die  Revolte 
')  Vgl.  Ed.  Schwaktz,  PW  II  216  ff.  Aaszüsre  aus  Livius.    Erwünschte  Ergän- 


2)  IG  XIV  1297. 

3)  FHG  III  (>02  ff. 
*}  Eine  zusammenhängende  Darstellung 


zung  bietet  die  neu  gefundene  Epitome 
des  Livius  auf  einem  Papyrus  aus  Oxy- 
rhynchos.     Kornejiann,    Klio,    2.  Beiheft, 


der  spanischen  Kriege  gibt  Appian,  Iber.       99  ff.    Vgl.  oben  S.  8  Anm.  2.  —  Über  die 
44  ff.    Dazu   kommen   außer    verstreuten       Kriege   Roms    sresren   die  Kel tiberer   vgl. 


o"-o^ 


Notizen  die  spärlichen  Reste  des  Polybios,       A.  Schulten,  Numantia  I,  München  1914. 
einige  Exzerpte   aus  Diodor,   endlich  die 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§25.)       159 

entstand  bei  den  Lusitanern  und  zugleich  bei  den  keltiberischen  Stämmen 
der  Beller  (im  Quellgebiet  des  Tajo  bei  Segida)  und  Titter,  die  sich  mit 
den  ebenfalls  keltiberischen  Arevakern  (bei  Numantia  am  Duero)  verbanden. 
In  Rom  hielt  man  es  für  geboten,  einen  der  Konsuln,  Q.  Fulvius  Nobilior, 
mit  der  Leitung  des  Krieges  zu  betrauen.  Bei  dieser  Gelegenheit  wurde  der 
Antrittstag  der  Konsuln  vom  15.  März  auf  den  1.  Januar  verlegt  (153  v.Chr.). 
Nobilior  holte  sich  vor  Numantia  mehrere  Niederlagen,  ^)  und  der  Aufstand 
griff  weiter  um  sich.  Sein  Nachfolger  M.  Claudius  Marcellus  (Konsul  von 
152  v.Chr.)  konnte  zwar  eine  Verständigung  anbahnen.  Aber  der  Senat  wollte 
davon  nichts  wissen  und  bestimmte  zur  Fortsetzung  des  Krieges  den  Konsul 
L.  Licinius  Lucullus  (151  v.  Chr.).  Bei  den  neuen  Rüstungen  zeigte  sich,  wie 
unpopulär  der  gefährliche  Krieg  war;  denn  die  Aushebung  machte  Schwierig- 
keiten; damals  erwarb  sich  P.Cornelius  Scipio  Aemilianus,^)  der  Sohn  des 
Aemilius  Paullus,  das  Verdienst,  durch  freiwillige  Meldung  seinen  Mitbürgern 
ein  aufmunterndes  Beispiel  zu  geben,  das  tiefen  Eindruck  machte.  3)  Er  be- 
gleitete den  Lucullus  als  Kriegstribun.  Unterdessen  hatte  Marcellus  die 
Arevaker  und  ihre  Bundesgenossen  wirklich  zur  Ergebung  gebracht,  jedoch 
der  beutegierige  Lucullus  brach  den  Krieg  aufs  neue  vom  Zaun  durch  einen 
Angriff  auf  die  bis  dahin  befreundeten  Vaccäer,  die  westlichen  Nachbarn 
der  Arevaker,  hatte  aber  geringen  Erfolg  und  erregte  auch  durch  seine 
perfide  Grausamkeit  neue  Unruhe. 

Inzwischen  wurde  der  Krieg  gegen  die  Lusitaner  von  den  Prätoren  des 
jenseitigen  Spanien  geführt.  Den  Römern  brachten  der  feindliche  Führer 
Punicus  und  seine  Nachfolger  des  öfteren  empfindliche  Schlappen  bei.  Die 
jenseitige  Provinz,  selbst  die  afrikanische  Küste  wurde  von  den  Lusitanern 
heimgesucht  (151: — 151  v.  Chr.).  Zuletzt  (151  v.  Chr.)  wurde  der  Prätor  Ser. 
Sulpicius  Galba  geschlagen,  vereinigte  sich  aber  im  nächsten  Jahr  mit  dem 
Konsul  Lucullus  zu  gemeinsamem  Angriff,  der  die  Lusitaner  zum  Frieden 
nötigte.  Viele  von  ihnen,  welche  die  Waffen  niedergelegt  hatten,  liefs  er 
gegen  sein  gegebenes  Wort  niederhauen  oder  als  Sklaven  verkaufen.  Er 
wurde  deshalb  in  Rom  vor  das  Volksgericht  gestellt,  aber  freigesprochen, 
obwohl  der  alte  Cato  gegen  ihn  aufgetreten  war  (149  v.  Chr.).  Die  Lusitaner 
erhoben  sich  bald  aufs  neue  und  nahmen  ihre  Plünderungen  wieder  auf. 
Der  Prätor  C.Vetilius^)  erfocht  zwar  einen  Sieg  über  sie,  dann  aber  er- 
koren sie  sich  (1-17  v.  Chr.)  in  der  Person  des  Viriathus  '^)  einen  Führer  von 
hohen  Qualitäten.  Erst  dessen  umsichtige  Leitung  brachte  System  in  den 
Kampf  gegen  Rom.  Vetilius  wurde  geschlagen,  gefangen  und  getötet:  wieder- 
holt ei'lagen  die  Römer  dem  Viriathus,  der  sich  acht  Jahre  lang  erfolgreich 
zu  behaupten  vermochte;  seit  145  v.  Chr.  wurde  statt  der  Prätoren  jeweils 
einer  der  Konsuln  auf  den  gefährlichen  Kriegsschauplatz  entsandt,  zuerst 
Q.  Fabius  Maximus  Aemilianus.*^)    Dessen  Adoptivbruder  Q.  Fabius  Maximus 

')  Die  erste  an  den  Volcanalien  (23.  Au-       vinz  verwaltet  zu  haben, 
gust)  153  V.  Chr.  *)   A.  Schulten,    Viriatus,    Neue    Jahr- 

2)  E.  LiNCKE,  P.  Cornelius  Scipio  Aemi-    ;   bücher  31»,  1917,  209  ff. 

lianus,  Progr.  Dresden  1898.   Münzer,  PW  j  ^)  Die  Keihenfolge  der  Befehlshaber  im 

IV  1439  ft\  !  jenseitigen  Spanien   ist  nach  Koknemann 

3)  Polyb.  XXXV  4.  ;  folgende:  Auf  Vetilius  (147,6  v.  Chr.)  folgt 
*)  Er  scheint  147 — 146  v.  Chr.  die  Pro-  |  C.  Plautius,    hierauf   ein    Claudius,    bei- 


\Q()  Römisclie  Geschichte, 

Servilianus  schloß  140  v.  Chr.  Frieden  mit  Viriathus,  der  als  Freund  des 
römischen  Volkes  anerkannt  wurde;  aber  sein  Nachfolger  Q.  .Scrvilius  Caepio, 
der  leibliciie  Bruder  seines  Vorgängers,  ließ  sich  vom  Senat  ermächtigen,  den 
Friedensvertrag  zu  ignorieren.  Unterstützt  vom  Konsul  M.  Popilius  Laenas, 
der  im  diesseitigen  Spanien  befehligte,  drang  Caepio  siegreicli  in  Lusitanien 
ein,  und  Viriathus  sah  sich  zur  Unterwerfung  genötigt.  Während  der  Unter- 
handlungen wurden  von  Caepio  einige  Verräter  gedungen,  die  den  Viriathus 
durcli  Meuchelmord  beseitigten  (139  v.  Chr.).  Empört  über  das  an  ihrem  Helden 
begangene  Verbrechen,  erhoben  die  Lusitaner  abermals  die  Waffen;  aber  da 
sie  keinen  dem  Viriathus  ebenbürtigen  Führer  fanden,  brach  der  Widerstand 
bald  zusammen.  Zu  einem  gewissen  Abschluß  wurde  der  Krieg  gegen  die 
Lusitaner  durch  den  Konsul  D.  Junius  Brutus  gebracht,  der  (138 — 136  v.  Chr.) 
mit  Hilfe  einer  Flotte  die  Küste  Lusitaniens  unterwarf,  bis  an  den  Minius  vor- 
drang und  zuerst  die  Kallaiker  (im  heutigen  Galicia)  bezwang;  er  empfing 
den  Siegernamen  Callaicus.  Von  ihm  wurde  zuerst  Olysipo  (Lissabon)  an 
der  Mündung  des  Tagus  befestigt.  Ein  dauerndes  Denkmal  seiner  Tätigkeit 
ist  die  Stadt  Valentia,  die  er  138  v.  Chr.  an  der  Mittelmeerküste  mit  ehe- 
maligen Kriegern  des  Viriathus  als  latinische  Kolonie  besiedelte. 

In  den  lusitanischen  Krieg  haben  auch  die  Prätoren  der  diesseitigen 
Provinz  nicht  selten  eingegriffen,  so  C.  Laelius  (Sapiens)  (145  v.  Chr.).  Aber 
143  v.Chr.  verbündeten  sich  die  Arevaker  und  andere  Keltiberer  mit  Viriathus 
und  entfesselten  einen  zweiten  keltiberischen  Krieg.  Die  Unterwerfung  der 
Arevaker  durch  den  Konsul  Q.  Caecilius  Metellus  (Macedonicus)  gelang  nur 
zum  Teil  (143 — 142  v.Chr.);  Numantia  und  Termantia  behaupteten  sich. 
Der  zähe  Widerstand  dieser  beiden  Festen  der  Arevaker  erklärt  sich  daraus, 
daß  der  Senat  auf  bedingungsloser  Kapitulation  bestand.  Da  sie  sich  so 
tapfer  und  erfolgreich  verteidigten,  so  fehlte  es  ihnen  nicht  an  Unter- 
stützung durch  die  benachbarten  stammverwandten  Völker.  Der  Nachfolger 
des  Metellus,  Q.  Pompeius,  erlitt  von  den  Numantinern  wiederholte  Nieder- 
lagen und  suchte  nach  seinem  militärischen  Fiasko  die  Gegner  auf  dem 
Verhandlungsweg  durch  vorgespiegelte  Friedensaussichten  zu  überlisten. 
Dem  Pompeius  folgte  der  Konsul  M.  Popilius  Laenas,  der  sich  zunächst  an 
den  letzten  Kämpfen  gegen  Viriathus  beteiligte  und  später  die  Lusoner,  die 
östlichen  Nachbarn  der  Arevaker,  angriff,  aber  geschlagen  wurde  (139 — 138 
V.  Chr.).  137  V.  Chr.  übernahm  der  Konsul  C.  Hostilius  Mancinus  den  Ober- 
befehl und  wandte  sich  wieder  gegen  Numantia;  er  erlitt  mit  dem  demorali- 
sierten Heer  mehrere  Niederlagen;  auf  dem  Rückmarsch  von  den  Numan- 
tinern eingeschlossen,  verschaffte  er  sich  freien  Abzug  durch  einen  von  den 
römischen  Offizieren  eidlich  bekräftigten  Vertrag,  der  den  Numantinern  volle 
Autonomie  gewährleistete.')  Gegen  Recht  und  Billigkeit  verwarf  der  Senat 
das  Abkommen  und  wollte  zur  Beschönigung  dieses  Vertragsbruchs  den 
Mancinus  ausliefern,  ein  Anerbieten,  von  dem  die  geprellten  Numantiner 
keinen  Gebrauch  machten.  An  Mancinus'  Stelle  trat  dessen  Kollege  M.  Aemilius 

genannt   Unimammus    (oder   Unimanus),  sul  141,  endlich  Q.  Servilius Caepio,  Konsul 

dann  Q.Fabius  Maximus  Aemilianus,  Kon-  140  v.Chr.  Etwas  abweichend  J.B.Cottino, 

sul  145  V.  Chr.,  hierauf  ein  Unbekannter,  BoUeff hiodi filoloi/ia  class. XIU,Juhheitl906. 

weiter  L.  Caecilius  Metellus,  Konsul  142,  ')  Über  den  Vertraf?  s.  E.  Täubler,  Im- 

ferner  Q.Fabius  Maximus  Servilianus,  Kon-  ,    pcrium  Bomanum  I  1S8  ff. 


.   6.  Vierte  Periode  :  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§  26.)      161 

Lepidus,  der  mit  D.  Junius  Brutus  zusammen  gegen  den  Willen  des  Senates 
die  Vaccäer  angriff  und  Pallantia  belagerte,  aber  eine  schimpfliche  Nieder- 
lage erlitt,  worauf  er  abberufen  und  zur  Verantwortung  gezogen  wurde. 
Auch  der  Konsul  Q.  Calpurnius  Piso  ließ  sich  135  v.Chr.  von  denVaccäern 
schlagen.  Um  das  sinkende  Prestige  der  römischen  Waffen  wieder  zu  heben, 
schickte  Rom  endlich  seinen  einzigen  großen  Feldherrn,  P.  Cornelius  S(;ipio 
Aemilianus,  den  Eroberer  Karthagos,  als  Konsul  für  134  v.  Chr.  nach  Spanien. 
Sein  Erstes  war,  die  Truppen  wieder  an  straffe  Disziplin  zu  gewöhnen. 
Dann  wurden  in  methodischer  Kriegführung  mit  möglichster  Schonung  der 
Kräfte  die  aufständischen  Völker  niedergeworfen  und  erst  zuletzt  Numantia 
in  Angriff  genommen.  Da  die  Bewohner  die  bedingungslose  Übergabe  ab- 
lehnten, so  wurde  ihre  Stadt  von  Scipio  durch  Wall  und  Graben  allmählich 
völlig  von  der  Außenwelt  abgeschlossen.  Der  Hunger  zwang  die  Belagerten 
endlich  zur  Kapitulation  (133  v.  Chr.).  Eine  Kommission  von  zehn  Senatoren 
ordnete  im  Verein  mit  Scipio  die  Verhältnisse  der  Provinz,  in  der  nunmehr 
auf  längere  Zeit  Ruhe  herrschte. 

Literatur:  M.  Hoffmann,  De  Viriathi  Numantinorumque  hello,  Diss.  Greifswald  1865.  — 
WiLSDOKF  i.  d.  Leipziger  Studien  zur  klass.  Phil.  I  65  f.  —  E.  Kornemann,  Klio,  2.  Bei- 
heft S.  96  ff.  —  A.  ScHLLTEN,  Numantia  I,  München  1914. 

26.  Untergang  Karthagos. i)  Seit  201  v.  Chr.  waren  die  Karthager 
loyale  Bundesgenossen  und  Freunde  der  Römer,  denen  sie  bei  allen  Kriegen 
und  zuletzt  gegen  Perseus  Hilfe  geleistet  hatten.  Besonders  seit  dem  Sturz 
Hannibals  bewegte  sich  die  karthagische  Politik  im  römischen  Fahrwasser. 
Wirtschaftlich  begann  ein  neuer  Aufstieg  der  Handelsrepublik  Karthago, 
deren  für  die  Staatsfinanzen  ertragreiches  Gebiet  sich  im  Osten  bis  an  die 
Grenze  Kyrenes,  also  des  ptolemäischen  Reiches,  erstreckte.  Im  Westen  aber 
hatte  Karthago  an  König  Masinissa  von  Numidien  einen  gefährlichen  Nachbar. 

Nach  der  Vernichtung  der  makedonischen  Königsmacht  (167  v.  Chr.) 
änderten  die  Römer  ihre  Haltung.  Sie  gelangten  zur  Überzeugung,  daß 
Karthagos  Blüte  ihren  Interessen  zuwiderlaufe,  und  brauchten  jetzt  keine 
Rücksicht  mehr  zu  üben.  Der  neue  Kurs  wurde  offenkundig,  als  Masinissa 
in  seinem  auf  Karthagos  Kosten  gehenden  Expansionstrieb  unter  dem  Vor- 
wand alter  Ansprüche  2)  die  Emporien,  das  Südufer  der  kleinen  Syrte  bis 
zur  kyrenäischen  Grenze,  besetzte.  Denn  nun  sprach  Rom,  von  beiden  Par- 
teien angerufen,  das  umstrittene  Land  nach  längeren  Verhandlungen  dem 
Numiderkönig   zu    (161  v.  Chr.). 3)    Ahnliche   Übergriffe   Masinissas    wieder- 


')  Die  wichtigste  Quelle  für  die  folgen- 
den Ereignisse  sind  die  Bruchstücke  des 
Polybios  aus  dem  36.-39.  Buch,  ferner 
die  aus  Polybios  abgeleiteten  Reste  des 
32.  Buches  Diodors.  Eine  vollständige  Er- 
zählung gibt  Appian  Lib.  67ff. ;  sie  ist 
nicht  aus  Polybios  selbst  geschöpft,  son- 
dern aus  einer  jüngeren  Bearbeitung. 
Die  livianische  Überlieferung  (außer  den 
Periochae  48—51  kommt  auch  die  Oxy- 
rhynchos-Epitome  in  Betracht,  oben  S.  8 


3)  Polyb.  XXXII 2,  der  zugleich  bemerkt, 
daß  die  Okkupation  der  Emporien  durch 
Masinissa  nicht  lange  vorher  geschehen  sei. 
Livius  dagegen  datiert  XXXIV  62  diesen 
numidischen  Vorstoß  ins  J.  193  v.  Chr. 
Dieses  livianische  Datum  ist  mit  dem 
polybianischen,  das  unbedingt  den  Vorzug 
verdient,  unvereinbar.  Es  ist  wohl  mög- 
lich, daß  Masinissa  bereits  in  den  neun- 
ziger Jahren  den  Karthagern  begründeten 
Anlaß  zur  Beschwerde  gab;  aber  sein  An- 


A.  2)  ist  wiederum  in  mehreren  Stücken    1    griff  auf  die  Emporien  kann  nicht  vor  der 


verfälscht. 

^)  Auf  Grund  des  Friedensvertrages  von 
201  V.  Chr.    Polyb.  XV  18,  5. 


Mitte  der  sechziger  Jahre  stattgefunden 
haben.  Bevor  Makedonien  unschädlich 
gemacht   war,    durften  die  Römer   nicht 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    III,  5.    5.  Aufl.  11 


]^(32  Römische  Geschichte. 

holten  sich  zur  Zeit  des  keltiberischen  Krieges  (153  — 152  v.Chr.)  und  führten 
wieder  zu  einem  römischen  Schiedsspruch,  der  abermals  zum  Nachteil  Kar- 
thagos ausfiel.  An  der  Gesandtschaft,  die  aus  diesem  Anlaß  von  Rom  nach 
Karthago  ging,  nahm  auch  der  alte  M.  Porcius  Cato  teil,  und  seitdem 
er  mit  eigenen  Augen  die  Blüte  und  den  Reichtum  Karthagos  gesehen  hatte, 
vertrat  er  die  Ansicht,  daß  die  Existenz  Karthagos  eine  Gefahr  für  Rom 
bedeute.  Deshalb  beantragte  er  unentwegt  die  Vernichtung  Karthagos  im 
Senat;  ^)  aber  die  Mehrheit,  deren  Wortführer  P.  Scipio  Nasica^)  war,  wünschte 
vor  Göttern  und  Menschen  einen  gerechten  Anlaß  zum  Krieg  und  damit 
zur  Vernichtungspolitik  zu  haben;  und  diesen  Anlaß  boten  die  Karthager 
selbst  den  Römern. 

Denn  in  Karthago  kam  infolge  der  letzten  Ereignisse  eine  dem  Masinissa 
feindliche  Partei  ans  Ruder,  die  zugleich  Rom  gegenüber  die  Selbständigkeit 
der  Stadt  zu  wahren  bemüht  war.  Die  Schwierigkeiten  Roms  in  Spanien 
mußten  den  Gegnern  Mut  machen.  Die  karthagischen  Parteigänger  Masi- 
nissas  wurden  auf  ewige  Zeiten  verbannt,  worüber  es  zu  einem  neuen  An- 
griff des  Numiderkönigs  auf  das  karthagische  Territorium  kam.  Aber  dies- 
mal setzte  sich  Karthago  zur  AVehr  und  stellte  unter  Hasdrubal  ein  Heer 
ins  Feld,  das  jedoch  geschlagen  wurde.  Die  besiegten  Karthager  wurden 
von  Masinissa  umzingelt  und  kapitulierten  schließlich.  Gegen  den  Vertrag 
wurden  dann  die  abziehenden  Reste  der  karthagischen  Armee  überfallen 
und  vernichtet  (150  v.  Chr.).  Durch  den  ohne  Genehmigung  Roms  geführten 
Krieg  hatte  Karthago  einen  Paragraphen  des  Friedensinstruments  vom  Jahr 
201  V.  Chr.  verletzt.  Sofort  benutzte  Rom  die  ersehnte  Gelegenheit,  gegen 
Karthago,  dessen  Lage  angesichts  der  Bedrohung  durch  Masinissa  und  nach 
dem  Untergang  des  Heeres  ganz  verzweifelt  war,  vorzugehen.  Vergebens 
suchte  sich  Karthago  durch  die  Preisgabe  Hasdrubals,  der  zum  Tod  ver- 
urteilt wurde,  Roms  Gnade  zu  erkaufen.  Rom  wollte  keine  Verständigung, 
und  schon  fiel  Utica  von  Karthago  zu  Rom  ab.  Beide  Konsuln  von  149 
V.  Chr.,  M.'  Manilius  und  L.  Marcius  Censorinus,  setzten  mit  Heer  und  Flotte 
zunächst  nach  Sizilien  über.  Man  drängte  sich  in  Italien  zur  Teilnahme 
an  diesem  Krieg,  den  man  für  einen  militärischen  Spaziergang  hielt.  Jetzt 
faßten  die  Karthager  den  Entschluß,  sich  bedingungslos  den  Römern  zu 
überantworten,  worauf  ihnen  der  Senat  Freiheit,  Land,  Besitz  und  Ver- 
fassung garantierte.  Sie  mußten  einstweilen  Geiseln  stellen  und  im  übrigen 
die  Befehle  der  Konsuln  abwarten.  Diese  landeten  in  Utica  als  dem  ge- 
gebenen Stützpunkt  und  ließen  sich  zunächst  Waffen  und  Kriegsgeräte  aus- 
liefern. Nach  Erfüllung  dieser  Forderung  wurde  den  entwaffneten  Kar- 
thagern befohlen,  ihre  Stadt  zu  verlassen  und  sich  an  einer  anderen  Stelle, 
achtzig  Stadien  (fünfzehn  Kilometer)  von  der  Küste  entfernt,  wieder  anzu- 
siedeln; denn  die  Stadt  Karthago  solle  dem  Erdboden  gleich  gemacht  werden. 


wagen,  sich  mit  Karthago  zu  verfeinden,       strativen  Antrag  auf  Zerstörung  Karthagos 


indem  sie  den  Raub  Masinissas  begün- 
stigten. Vgl.  Kahrstedt  in  Meltzers  Gesch. 
d.  Karth.  III  592  f. 

')  Dies  ist  das  berühmte  „ceterum  censeo^ 
Catos,  der  im  Senat  bei  jeder  beliebigen 


hinzufügte ;  vgl.  K.  J.  Neumann  in  der  Welt- 
geschichte des  Ullsteinverlags  I  442  und 
Kahrstedt  a.  a.  O.  641. 

2)  Dieser  Nasica  war  ein  Enkel  des  Cn. 
Scipio,    der  222  v.  Chr.  das  Konsulat   be- 


Abstimmvmg  seinem  Votum  den  demon-    |    kleidete  und  211  v.  Chr.  in  Spanien  fiel 


6.  Vierte  Periode :  Bis  ziim  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§26.)       163 

Diese  Ungeheuerlichkeit  weckte  in  der  Bürgerschaft  den  Mut  der  Verzweif- 
hnig.  Mit  Anspannung  aller  Kräfte  wurde  Karthago  in  Verteidigungszustand 
gesetzt  und  vor  allem  die  unentbehrlichen  Waffen  hergestellt.  Hasdrubal, 
der  sich  der  Vollstreckung  des  Todesurteils  durch  die  Flucht  entzogen  und 
inzwischen  ein  stattliches  Freikorps  zusammengebracht  hatte,  wurde  zurück- 
gerufen und  aufs  neue  zum  Feldherrn  gewählt.  Die  Konsuln,  die  gewonnenes 
Spiel  zu  haben  glaubten,  hatten  sich  Zeit  gelassen;  als  sie  endlich  mit  Heer 
und  Flotte  vor  Karthago  erschienen,  waren  sie  baß  erstaunt,  die  Stadt  zur 
Abwehr  gerüstet  zu  finden. 

Karthago  bestand  aus  drei  besonders  befestigten  Teilen,  der  Vorstadt 
(Megara  oder  Magalia),  der  Altstadt  mit  der  Burg  (Byrsa)  und  der  im  Süden 
gelegenen  Hafenstadt  mit  dem  Kriegshafen  (Kothon  d.  h.  Becher)  und  dem 
Handelshafen.  Die  Stadt,  durch  gewaltige  Mauern  und  an  der  Landseite 
durch  mehrfache  Befestigungslinien  geschützt,  wies  die  römischen  Angriffe 
zu  Wasser  und  zu  Land  erfolgreich  zurück.  ^)  Das  flache  Land  war  größten- 
teils in  den  Händen  Hasdrubals,  der  die  karthagische  Feldarmee  befehligte 
und  in  Nepheris  am  Südufer  des  karthagischen  Meerbusens  2)  seine  Basis 
hatte.  Nur  wenige  Orte  gingen  zu  den  Römern  über;  anders  als  in  früheren 
Kriegen  blieb  die  Mehrzahl  der  untertänigen  Städte  den  Karthagern  treu. 
Selbst  Masinissa  sah  zu  dem  Angriff  der  Römer  scheel,  hatte  er  sich  doch 
selbst  Hoffnung  auf  den  Ervverb  Karthagos  gemacht.  Das  Belagerungsheer 
wurde  durch  Seuchen  dezimiert  und  die  meisten  Unternehmungen  gegen 
Hasdrubal  schlugen  fehl.  Der  einzige,  der  die  römische  Waffenehre  rettete, 
war  P.  Cornelius  Scipio  Aemilianus,  der  als  Kriegstribun  unter  Manilius 
diente.  Während  der  Belagerung  starb  der  neunzigjährige  Masinissa,  der 
bis  zuletzt  von  erstaunlicher  Rüstigkeit  gewesen  war;  der  Sterbende  hatte 
seine  Söhne  an  Sci^^io  empfohlen,  der  nun  in  Cirta  eintraf  und  als  römi- 
scher Kommissar  Masinissas  Erbe  unter  dessen  drei  Söhne  aufteilte  und 
zugleich  den  Zuzug  numidischer  Kavallerie  bewirkte  (149  48  v.  Chr.).  Auch 
der  Abfall  des  Reiterführers  Himilko  Phameas,  der  mit  einem  Teil  seiner 
Truppe  den  Hasdrubal  im  Stich  ließ  und  zu  den  -Römern  überging,  war 
das  Werk  Scipios.  Manilius'  Nachfolger  L.  Calpurnius  Piso,  Konsul  von 
148  V.  Chr.,  konnte  ebensowenig  den  Krieg  bewältigen,  wie  sein  Vorgänger. 
Seine  Angriffe  auf  die  libyphönikischen  Städte  hatten  wenig  Erfolg,  Hippu- 
akra  wurde  längere  Zeit  vergebens  belagert,  die  Karthager  konnten  ver- 
suchen mit  dem  Ausland,  mit  Makedonien  und  den  Maurusiern  Verbindungen 
anzuknüpfen,  einige  Numider  gingen  zu  ihnen  über;  die  Kriegspartei  er- 
langte in  der  Stadt  völlig  die  Oberhand.  Hasdrubal,  der  bisher  im  Feld 
gestanden  hatte,  übernahm  nach  dem  von  ihm  herbeigeführten  Sturz  seines 
Namensvetters,  eines  Enkels  Masinissas,  das  Kommando  in  der  Stadt,  in 
der  er  ein  strenges  Regiment  führte.     In  Rom  empfand  man  den  unbefriedi- 

^)  Siehe   die   Beschreibung   bei  Tissot,  den  Mauerring  und  damit  das  Areal  der 

Geographie  comparee  de  Vancicnne  Afrique,  Stadt  stark  einzuschränken.    Dagegen  J. 

S.  565  f.    Kährstedt   in   Meltzeks    Gesch.  Kromayek,  Gütt.  gel.  Anz.  1917,  i-iO  ff.,  V. 

der  Karth.  III  7  ff.    sucht   für   die    Topo-  Gardthausen,  Klio  XVII  122  ff.,  R.  Öhler, 

graphie    Karthagos   den    archäologischen  1   PWX2150Ö". 

Befund,  die  Lage  der  Nekropolen,  gegen  |        "•')  "N^gl.  G.  A'eith  in  Kkomayers  Antiken 

den    Bericht   Appians   auszuspielen   und  ]    Schlachtfeldern  III  2,  7Ü5  ff. 

11* 


1Q4:  Römische  Geschichte. 

genden  Verlauf  des  mit  soviel  Zuversicht  begonnenen  Kriegs  um  so  pein- 
licher, als  auch  andere  auswärtige  Verwicklungen  eintraten.  Die  Bürger- 
schaft entschloß  sich  daher  zu  dem  ungewöhnlichen  Schritt,  für  das  nächste 
Jahr  (147  v.  Chr.)  den  jungen  Scipio  Aemilianus,  cbwolil  er  noch  nicht  das 
gesetzliche  Alter  erreicht  hatte,  ^)  zum  Konsul  zu  wählen.  Durch  besonderen 
Volksbeschlufa  wurde  er  mit  dem  Krieg  in  Afrika  betraut. 

Mit  ansehnliclien  Verstärkungen  aus  der  Bürgerschaft  und  von  den 
Bundesgenossen  traf  Scipio  vor  Karthago  ein ;  die  verbündeten  Könige  und 
Freistädte  des  griechischen  Ostens  stellten  Kriegsschiffe.-)  Scipio  reformierte 
zunächst  die  Armee,  dann  schloß  er  im  Lauf  des  Jalires  147  v.  Chr.  Kar- 
thago vollständig  von  der  Außenwelt  ab.  Hierauf  schlug  er  die  karthagische 
Feldarmee  vor  Nepheris  entscheidend  (Winter  147/6  v.  Chr.).  Die  Karthager, 
denen  die  Zufuhr  ganz  unterbunden  war,  litten  immer  stärker  unter  dem 
Hunger;  vergebens  suchte  Hasdrubal  Schonung  der  Stadt  von  den  Römern 
zu  erlangen.  Nachdem  die  Vorstadt  schon  früher  gefallen  war,  eröffneten 
die  Römer  im  Frühjahr  (14(3  v.  Chr.)  den  Sturrii  auf  die  Altstadt  und  den 
Kriegshafen.  Die  Eindringlinge  arbeiteten  sich  unter  erbitterten  Straßen- 
kämpfen allmählich  bis  zur  letzten  feindlichen  Position,  bis  zum  Tempel 
des  Eschmun  (Asklepios)  auf  der  Höhe  der  Byrsa  durch.  Hier  behaupteten 
sich  die  letzten  Verteidiger,  bis  sie  in  den  Flammen  umkamen.  Hasdrubal 
hatte  sich  schließlich  ergeben.  Scipio  begnadigte  ihn.  Die  Stadt  wurde  ge- 
plündert; unter  der  Beute  befanden  sich  die  von  den  Karthagern  einst  aus 
Sizilien  entführten  Kunstwerke,  die  Scipio  nunmehr  den  frühei-en  Eigen- 
tümern zurückgab. 2)  Eine  Kommission  von  zehn  Senatoren  entschied  in 
Gemeinschaft  mit  Scipio  über  das  Schicksal  der  Besiegten.  Karthago  wurde 
bis  auf  den  letzten  Rest  zerstört  und  die  Stätte,  die  unbewohnt  bleiben 
sollte,  verflucht.  Die  karthagische  Herrschaft  wurde  unter  dem  Namen  Afrika 
zur  römischen  Provinz  gemacht,  ausgenommen  die  östlichen  an  Kyrene  gren- 
zenden Stücke,  die  Emporien  und  die  sjjätere  Tripolis,  d.  h.  die  Städte 
Sabrata,  Oea  und  Groß-Leptis,  die  den  numidischen  Königen  verblieben. 
Den  Einwohnern  der  Provinz  wurde  eine  Kopfsteuer  auferlegt,  die  wenigen 
Städte,  welche  den  Karthagern  bis  zuletzt  treu  geblieben  waren,  erlitten 
dasselbe  Schicksal  wie  die  Hauptstadt.  Utica,  Hippo  und  andere  libysche 
und  libyphönikische  Städte  erhielten  zum  Lohn  für  ihre  Dienste  die  Frei- 
heit und  Teile  des  karthagischen  Gebiets.  Sehr  bald  siedelten  sich  in  Afrika 
viele  Römer  an.  Nachdem  Scipio  seinen  Sieg  durch  Festspiele  gefeiert  hatte, 
kehrte   er   nach  Rom   zurück,    wo   ein   glänzender  Triumph   seiner  wartete. 

27.  Die  Annexion  Makedoniens  und  Grieclienlands.^)  Li  Makedonien 
und  Hellas  herrschten  nach  dem  Krieg  mit  Perseus  vielfach  höchst  uner- 
freuliche   innerpolitische  Zustände,    die    des    öfteren    eine   Einmischung   des 


AufDrcängen  der  Bürgerschaft  wur-    1        ^)  Diodor  XIII  90.  5;  XXXII  25.  Cicero 
den  die    entgegenstehenden  gesetzlichen    !   Verr.  II  86.    IG  XIV  315.    G.  Kaibel,  Her- 


Vorschriften  durch  ein  besonderes  Gesetz 
für  dies  eine  Jahr  aufgehoben.  Scipio 
weilte  gerade  in  Rom,  wo  er  sich  um  die 
Ädilität  hatte  bewerben  wollen. 

^)  z.  B.  Mithridates  V  und  Side  in  Pam-    '    auf  Polybios  beruht.    Oben  S.  158 
phylieu.    Appian,  Mithrid.  10,  Lib.  123.       | 


mes  XVIII,  1883,  156  f. 

^)  Quelle  ist  außer  den  Resten  des  Poly- 
bios und  Livius  der  Bericht  des  Pausanias 
VII  12  f.,   der,    wie   es   scheint,    ebenfalls 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§27.)       165 

Senats  nötig  machten.  Die  Römer  hatten  durch  ihr  herrisches  Auftreten, 
durch  kleinliche  Rache  an  ihren  Gegnern  und  ungerechte  Bevorzugung  ihrer 
Anhänger  Haß  und  Erbitterung  in  der  Griechenwelt  erregt.  Makedonien, 
dessen  Einheit  so  willkürlich  zerrissen  war,  hatte  unter  den  heftigsten  in- 
neren Gegensätzen  zu  leiden.  Ein  gewisser  Andriskos,  aus  Adramytteion 
in  Mysien  gebürtig,  der  sich  Philippos  nannte  und  sich  als  Sohn  des  Perseus 
ausgab,  hielt  die  Gelegenheit  für  günstig,  sich  zum  Erben  der  makedoni- 
schen Krone  aufzuwerfen.  Dem  Prätendenten  kam  seine  Ähnlichkeit  mit 
Perseus  zustatten.  Er  versuchte  sein  Heil  in  Syrien  bei  Demetrios  I,  der 
jedoch  den  angeblichen  Verwandten  den  Römern  auslieferte,  die  ihn  in  Italien 
internierten.  Doch  der  Abenteurer  entkam  und  fand  schließlich  in  Thrakien 
Anhang,  von  wo  er  mit  thrakischen  Hilfstruppen  in  Makedonien  einfiel. 
Er  besiegte  das  makedonische  Aufgebot  in  zwei  Treffen,  und  nun  fiel  das 
ganze  Land  ihm  zu.  Thessalien  mußte  durch  die  Truppen  des  achäischen 
Bundes  geschützt  werden.  Zur  Unterdrückung  des  Aufstandes  sandten  die 
Römer  zuerst  unzureichende  Kräfte,  eine  Legion  unter  dem  Prätor  P.  lu- 
ventius,  der  von  Andriskos  geschlagen  und  getötet  wurde  (149  v.  Chr.). 
Dieser  Sieg  brachte  dem  Pseudophilippos  neuen  Anhang;  er  konnte  jetzt 
auch  Thessalien  erobern.  Nunmehr  schickten  die  Römer  ein  konsularisches 
Heer  von  zwei  Legionen  unter  dem  Prätor  Q.  Caecilius  Metellus  nach  Make- 
donien (148  V.  Chr.).  Mit  Hilfe  des  Attalos  II  von  Pergamon  gelang  die 
Überwindung  des  Prätendenten.  Bei  Pydna  geschlagen  und  von  seinen 
Anhängern  aufgegeben,  flüchtete  Andriskos  zu  einem  thrakischen  Dynasten, 
der  ihn  an  Metellus  auslieferte.  Makedonien  mußte  für  die  Usurpation  büßen ; 
das  Land  ging  auch  des  letzten  Phantomes  der  Freiheit  verlustig  und  wurde 
unter  Aufhebung  der  vier  Distrikte  zur  römischen  Provinz  gemacht  (148/7 
v.  Chr.).i)  Epirus  und  das  südliche  Illyrien  mit  Apollonia  und  Dyrrhachion 
wurden  mit  einbezogen,  und  so  die  neue  Provinz  bis  ans  ionische  Meer 
ausgedehnt.  Eine  neue  Heerstraße,  die  Via  Egnatia,  stellte  bald  darauf  die 
Verbindung  zwischen  Dyrrhachion  und  Thessalonike,  zwischen  dem  adria- 
tischen  und  ägäischen  Meer  her.  Übrigens  trat  nicht  lange  nach  der  Nieder- 
lage des  Andriskos  abermals  ein  Pseudophilipp  auf,  dessen  Umtriebe  jedoch 
im  Keim  erstickt  wurden. 

Griechenland  war  im  Innern  durch  Parteikämpfe  zerrissen,  wobei  die 
Freunde  Roms  den  Andersgesinnten  allen  denkbaren  Abbruch  taten.  Auch 
von  Gemeinde  zu  Gemeinde  gab  es  Zwistigkeiten.  Berühmt  ist  der  Streit 
um  das  böotische  Oropos,  das  die  Athener,  Roms  besondere  Günstlinge,  für 
sich  beanspruchten.  Dieser  Handel  zog  sich  mehrere  Jahre  hin  und  be- 
schäftigte 155  V.  Chr.  auch  den  Senat,  vor  dem  die  Athener  sich  durch  ihre 
gefeiertsten  Philosophen  und  Redner,  Karneades,  Diogenes  und  Kritolaos, 
vertreten  ließen.  Diese  Philosophengesandtschaft  war  für  Rom  ein  Ereignis, 
brachte  sie  doch  die  kulturelle  Bedeutung  des  Griechentums  zum  Bewußt- 
sein, aber  freilich  auch  die  der  alten  Römersitte  drohende  Gefahr.  Schließ- 
lich mußten  die  Athener  das  von  ihnen  ausgeplünderte  Oropos  wieder  auf- 
geben. Das  ansehnlichste  staatliche  Gebilde  in  Griechenland  war  der  achäische 


')  Mit  diesem  Jahr  beginnt  die  makedonische  Provinzialära.  Kubitschek,  PW  1 636  f. 


166  Römische  Geschichte. 

Bund,  dessen  Gebiet  nach  167  v.  Chr.,  auf  Kosten  der  Aetoler  durch  Hera- 
kleia  am  Oeta  und  Pleuren  sogar  erweitert  worden  war.  Aber  noch  immer 
lastete  auf  den  Achäern  die  Sorge  um  ihre  in  Italien  internierten  Lands- 
leute und  sie  ließen  nicht  ab,  in  Rom  für  deren  Befreiung  zu  wirken.  End- 
lich, im  Jahr  150  v.Chr.  erhielten  die  Überlebenden  die  Erlaubnis  zur  Heim- 
kehr, darunter  auch  Polybios,  der  Historiker,  dessen  persönliches  Schicksal 
sich  durch  seine  Seelenfreundschaft  mit  dem  viel  jüngeren  P.  Scipio  Aemi- 
lianus  weit  erträglicher  gestaltet  hatte  als  das  der  übrigen  Deportierten. 
Die  römische  Bevormundung,  die  namentlich  anläßlich  der  ewigen  Händel 
mit  Sparta  sich  geltend  machte,  wurde  den  Achäern  überlästig.  Der  spar- 
tanisch-achäische  Gegensatz,  den  die  alten  Grenzirrungen  zwischen  Sparta 
und  dem  im  Bund  so  einflußreichen  Megalopolis  noch  verschärften,  kam 
149  V.  Chr.  aufs  neue  in  Rom  zur  Verhandlung  und  gab  den  Anlaß  zu 
schweren  Verwicklungen.  Neue  Männer,  die  sich  auf  die  Gunst  der  keines- 
wegs römerfreundlichen  Menge  stützten,  gelangten  im  Bund  zur  Herrschaft. 
Ermutigt  durch  die  römischen  Schwierigkeiten  in  Spanien,  durch  den  Aus- 
bruch des  dritten  punischen  Kriegs  und  die  erfolgreiche  Erhebung  des  Pseudo- 
philipp,  gedachten  sie,  sich  der  Aufsicht  Roms  zu  entziehen.  Ohne  den 
Spruch  des  Senats  abzuwarten,  eröffneten  die  Achäer  unter  dem  Strategen 
Damokritos  die  Feindseligkeiten  mit  einem  Einmarsch  nach  Lakonien  trotz 
den  Warnungen  des  Metellus,  der  damals  in  Makedonien  stand  (148  v.  Chr.). 
Der  Senat  beschloß,  die  Achäer  für  ihre  Eigenmächtigkeit  empfindlich  zu 
züchtigen,  indem  er  einige  wichtige,  mit  Hilfe  Roms  nach  dem  zweiten  make- 
donischen Krieg  erworbene  Städte  vom  Bund  lostrennte,  nämlich  Sparta, 
Korinth,  Argos,  das  arkadische  Orchomenos  und  Herakleia  am  Oeta.  Diese 
Maßregelung  wurde  den  Achäern  auf  einer  Versammlung  in  Korinth  im 
Sommer  147  v.  Chr.  durch  eine  Gesandtschaft  eröffnet,  nachdem  Makedonien 
bereits  wieder  bezwungen  war.  Ein  Sturm  der  Entrüstung  war  die  Ant- 
wort; die  anwesenden  Spartaner  wurden  festgenommen  und  dabei  nicht 
einmal  die  Quartiere  der  römischen  Gesandten,  wo  einige  Zuflucht  gesucht 
hatten,  respektiert.  Trotzdem  schien  noch  immer  eine  gütliche  Verständigung 
möglich  zu  sein,  da  die  Römer  in  der  Folge  einen  sehr  gemäßigten  Ton  an- 
schlugen in  der  Hoffnung,  auf  diplomatischem  Weg  mit  den  Achäern  fertig 
zu  werden.  Aber  die  achäischen  Führer,  namentlich  Diaios  und  Kritolaos, 
die  um  ihre  eigene  Existenz  kämpften,  deuteten  die  milde  Form  als  Schwäche, 
hervorgerufen  durch  die  zweifelhafte  Kriegslage  in  Spanien  und  Afrika;  sie 
waren  willens,  selbst  auf  die  Gefahr  eines  Krieges  die  römische  Einmischung 
nicht  zu  dulden.  Der  Strateg  Kritolaos  brachte  durch  sein  Auftreten  die 
Wiederaufnahme  von  Verhandlungen  zum  Scheitern  und  agitierte  im  Winter 
147/6  V.  Chr.  aufs  lebhafteste  gegen  Rom.  Die  Böoter,  Phoker,  Lokrer  und 
Euböer  gingen  mit  den  Achäern  zusammen.  Im  Frühjahr  146  v.  Chr.  be- 
schloß die  achäische  Bundesversammlung  den  Krieg  gegen  Sparta  (und  damit 
den  Bruch  mit  Rom)  ungeachtet  der  Warnungen,  die  Metellus  durch  Ab- 
gesandte übermitteln  ließ.  Sofort  griff  Rom  zu  den  Waffen :  mit  dem  Kom- 
mando wurde  der  Konsul  L.  Mummius  beauftragt;  auch  eine  Flotte  wurde 
aufgeboten,  außerdem  leistete  Attalos  II  von  Pergamon  Zuzug.  Die  Achäer 
eröffneten  den  Krieg  durch  einen  Angriff  auf  Herakleia  am  Oeta,  das  sich 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§28.)       167 

inzwischen  vom  Bund  losgesagt  hatte.  Doch  schon  eilte  Metellus  aus  Make- 
donien der  belagerten  Stadt  zu  Hilfe.  Der  achäische  Feldherr  Kritolaos  zog 
sich  zurück,  wurde  aber  in  Lokris  bei  Skarpheia  eingeholt  und  geschlagen; 
er  endete  auf  der  Flucht.  Die  übrigen  Kontingente  des  Bundes  wurden 
einzeln  überwältigt,  und  ganz  Mittelgriechenland  bis  an  den  Isthmos,  auch 
Theben  und  Megara,  von  Metellus  rasch  unterworfen.  Dann  traf  Mummius 
ein  und  übernahm  den  Oberbefehl.  Die  Achäer  rüsteten  zum  Widerstand 
bis  aufs  Messer.  Sogar  Sklaven  wurden  eingestellt.  Ein  Friedensschritt, 
den  Metellus  kurz  vor  dem  Eintreffen  des  Mummius  unternommen  hatte,  war 
tumultuarisch  abgelehnt  worden ;  die  Kriegspartei  dominierte.  Am  Isthmos 
bei  Leukopetra  kam  es  zur  entscheidenden  Schlacht.  Die  Achäer  kämpften 
tapfer,  erlagen  aber  der  Übermacht,  An  eine  Fortsetzung  des  Kampfes 
war  nicht  mehr  zu  denken.  Das  geschlagene  Heer  löste  sich  auf,  der  Strateg 
Diaios,  der  Nachfolger  des  Kritolaos,  beging  Selbstmord;  ohne  Schwert- 
streich zog  das  römische  Heer  am  dritten  Tag  nach  seinem  Sieg  durch  die 
offenen  Tore  von  Korinth  ein.    Die  Stadt  wurde  geplündert. 

Auf  Anordnung  einer  Kommission  von  zehn  Senatoren  wurde  der  achäische 
Bund  samt  allen  ähnlichen  Vereinigungen  der  Besiegten  aufgehoben  und 
die  Verbindung  der  einzelnen  Gemeinden  miteinander  gelöst.  Die  Schuldigen 
wurden  festgestellt  und  bestraft,  ein  strenges  Gericht  erging  über  alle  Teil- 
nehmer am  Krieg;  die  demokratischen  Verfassungen  wurden  durch  das  timo- 
kratische  System  ersetzt;  über  Korinth  verhängte  ein  besonderer  Senats- 
beschluß das  furchtbare  Schicksal  Karthagos:  die  stolze  Stadt  wurde  völlig 
zerstört.  Viele  Kunstschätze  wurden  als  willkommene  Beute  nach  Italien 
gebracht.  Bei  der  Ordnung  der  griechischen  Verhältnisse  erwarb  sich  Polybios 
als  Vertrauensmann  der  römischen  Kommissäre  große  Verdienste;  er  ver- 
mittelte im  Auftrag  des  Senats  als  ehrlicher  Makler  zwischen  Rom  und 
seinen  Landsleuten.  Diejenigen  Griechen,  welche  nicht  am  Krieg  teil- 
genommen hatten,  wie  die  Akarnanen,  Aetoler,  Thessaler,  Athener  und 
Spartaner  blieben  im  früheren  Bundesverhältnis  zu  Rom,  während  alle 
anderen  zu  tributären  Untertanen  wurden.  Ganz  Griechenland  wurde  der 
Aufsicht  des  makedonischen  Statthalters  unterstellt  und  bildete  insofern 
einen  Teil  der  Provinz  Makedonien,  i)  Schon  nach  einigen  Jahren  konnten 
die  Römer  übrigens  die  Zügel  lockern  und  die  Strafbestimmungen  mildern. 

Literatur:  Schorn,  Geschichte  Griechenlands  381  ff.  —  Thirlwall,  History  ofGreece 
vol.  VIII.  —  Hertzberg,  Gesch.  Griechenlands  usw.  I  220  ff.  —  Niese,  Gesch.  d.  griech. 
und  makedon.  Staaten  III  312  ff.  —  G.  Colin,  Rome  et  Ja  Grece  (Paris  1905)  486  ff. 

28.  Die  Erwerbung  Asiens. 2)  Auf  die  Eroberung  von  Makedonien  und 
Afrika  durch  Rom  folgte  die  Festsetzung  in  Kleinasien,  die  friedliche  Ein- 
verleibung des  pergamenischen  Reichs.  Als  Nachfolger  des  Eumenes  II  von 
Pergamon  hatte  dessen  ältester  Bruder  Attalos  II  159  v.  Chr.  den  Thron 
bestiegen ;  dieser  stets  dienstwillige  Freund  Roms  verstarb  188  v.  Chr. ;  ihm 
folgte  sein  Neffe  Attalos  HI,  der  natürliche  Sohn  des  Eumenes  II  und  vom 

^)  Siehe  Marquardt,  Rom.  Staatsverwal-  waltungsbezirk. 

tung  I  321  ff.    Administrativ  gehört  also  -)  Außer  den  Auszügen  aus  Li  vius  finden 

Griechenland    zur    Provinz    Makedonien.  sich  die  Nachrichten  bei  Strabo  XIV  643. 

Erst  Augustus   machte  Griechenland  als  j    Justin  XXXVI 4.  XXXVII 1.  VelleiusII4. 

Provinz  Achaia  zum   selbständigen  Ver-  1   Valer.  Max.  III  2,  12. 


168  Römische  Geschichte. 

Vater  legitimiert,  um  die  Dynastie  zu  erhalten.')  Der  neue  König  wird  als 
halbverrückter  Sonderling  geschildert.  Er  starb  nach  nur  fünfjähriger  Re- 
gierung (Anfang  133  v.  Chr.) ;  testamentarisch  hatte  dieser  letzte  Attalide 
sein  Königreich  und  seinen  gesamten  Besitz  dem  römischen  Volk  vermacht, 
jedoch  den  Städten,  vor  allem  der  Hauptstadt  Pergamon,  die  Freiheit  be- 
stimmt. Rom  nahm  die  Erbschaft  an,  konnte  aber  nicht  sofort  in  deren 
Besitz  treten,  weil  Senat  und  Volk  einander  die  Kompetenz  streitig  machten. 
Erst  Ende  des  Jahres  erschien  eine  Senatskommission,  um  die  pergamenische 
Frage  zu  regeln.  Aber  bereits  hatte  sich  ein  anderer  Erbe  eingefunden, 
Aristonikos,  ein  Bastard  des  Eumenes  und  Halbbruder  Attalos'  HI.  Von 
den  Ephesiern  in  einem  Seetreffen  besiegt,  fand  der  Prätendent  doch  im 
Binnenland  Anhang;  aus  Söldnern  und  befreiten  Sklaven,  die  sich  Helio- 
politen  nannten,  bildete  er  sich  ein  Heer  und  nahm  den  ganzen  südlichen 
Teil  des  Reiches  in  Besitz,  auch  einige  der  griechischen  Städte  fielen  ihm 
zu,  ja  er  griff  sogar  in  die  Nachbargebiete  über.  So  mußten  die  Römer  ihre 
Erbschaft  erst  erobern.  Die  zunächst  aufgebotenen  Bundesgenossen,  die  be- 
nachbarten Fürsten  Bithyniens,  Paphlagoniens  und  beider  Kappadokien 
richteten  nichts  aus.  Dann  wurde  der  Konsul  des  Jahres  131  v.  Chr.  P.  Licinius 
Crassus  (Mucianus)  mit  Truppen  nach  Asien  gesandt;  bei  der  Belagerung 
von  Leukai  von  Aristonikos  geschlagen,  zog  er  der  Gefangenschaft  den  frei- 
willigen Tod  vor.  Erst  seinem  Nachfolger  M.  Perperna  gelang  es,  den  Usur- 
pator zu  besiegen  und  in  Stratonikeia''')  gefangen  zu  nehmen.  Die  Schätze 
der  Attaliden  sandte  er  nach  Rom  (130/29  v.  Chr.).  Perperna  wurde  in 
Pergamon  vom  Tod  ereilt,  noch  ehe  er  seine  Aufgabe  ganz  gelöst  hatte. 
Erst  sein  Nachfolger  M.' Aquilius,  Konsul  des  Jahres  129  v.  Chr.,  vollendete 
die  Unterwerfung  des  Landes,  das  er,  unterstützt  von  einer  Senatskommis- 
sion, als  Provinz  einrichtete.  Er  scheint  erst  im  Jahr  126  v.  Chr.,  also  nach 
längerem  Wirken,  heimgekehrt  zu  sein.  Die  neue  Provinz,  Asia  genannt, 
umfaßte  alles,  was  den  Römern  durch  das  Testament  des  Attalos  und  den 
letzten  Krieg  zugefallen  war,  nur  die  östlichen  Teile  wurden  den  verbün- 
deten Königen  überlassen,  Großphrygien  dem  Mithridates  V  von  Pontus, 
Lykaonien  den  Söhnen  des  im  Kampf  gegen  Aristonikos  gebliebenen  Aria- 
rathesV.  Aber  diese  Bewilligungen,  angeblich  durch  Bestechungen  erkauft, 
wurden  bald  darauf  rückgängig  gemacht  und  die  betreffenden  Landschaften 
zu  der  römischen  Provinz  geschlagen.  Folgenschwer  für  die  weitere  Ver- 
waltung wurde  eine  lex  Sempronia  des  C.  Gracchus  vom  Jahr  123  oder  122 
V.  Chr. ;  durch  dieses  Gesetz  wurde  der  Zehnte  eingeführt,  der  wie  die  übrigen 
Gefälle  von  römischen  Steuerpächtern  erhoben  werden  sollte,  die  nun  mit 
rücksichtslosem  Egoismus  die  wehrlosen  Provinzialen  ausbeuteten  (S.  176). 
Mit  der  Erwerbung  des  pergamenischen  Reiches  faßten  die  Römer  festen 
Fuß  auf  asiatischem  Boden;  sie  wurden  unmittelbare  Herren  beider  Ufer 
des  ägäischen  Meeres  und  Nachbarn  der  asiatischen  Königreiche.  Die  römische 
Geschäfts-  und  Handelswelt  hat  zusammen  mit  den  Gesellschaften  der  Steuer- 
pächter, der  Publikanen,  die  Provinz  Asien  in  wachsende  Abhängigkeit  von 

')  Nach  KoEPP,  dem  sich  Wilcken,  PW    j    der  griech.  u.  maked.  Staaten  III  204,  4. 
II  2175  anschließt,    wäre  Attalos  III  der   |        ^)  d.  h.  Stratonikeia  am  Kaikos  in  My- 
Sohn  Attalos  II;    dagegen  Niese,    Gesch.    |   sien,  das  spätere  Adrianupolis. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§29.)       169 

ihrem  Kapital  gebracht.  Diese  Eroberung  des  asiatischen  Marktes  durch 
Rom  verurteilte  das  nicht  mehr  konkurrenzfähige  Griechentum  zu  wirt- 
schatthchem  Siechtum  und  Tod. 

Literatur:    Waddington,   Fastes  des  provhices  Askitiques  I  19  f.  —  P  Fodcart     Jn 
formatwn  de  la  in-mince  Romaine  d'Asie  (Memoires  de  nittltut  national  de  F^Zte    Aca 

StraJefinSff^^'^'M    '  ^''''^  f.^ö-.)  N:ksk,  Gesch.  der  griech.  und  makedon 

öiaaten  lii  öbi  ti.  -—  Marquardt,  Rom.  «taatsverw.  I  335. 

29.  Beginn  der  inneren  Unruhen.  Die  Gracchen.  Die  stürmische  Ex- 
pansion der  römischen  Herrschaft  konnte  nicht  ohne  Rückwirkung  auf  die 
innere  Struktur  von  Staat  und  Gesellschaft  bleiben;  das  politische  und  wirt- 
schaftliche   Leben    geriet   in   neue   Bahnen.    Die   Reichtümer  Makedoniens, 
Asiens,    Korinths  und  Karthagos   häuften   sich   in  der  Siegerstadt  an.    Die 
gestiegenen    öffentlichen    Einkünfte    erlaubten    die   Einrichtung   des    Staats- 
wesens in  großem  Stil,  die  reichliche  Ausstattung  der  Beamten,  Feldherren 
Legaten  und  sonstigen  Funktionäre.  Die  Römer  waren  ein  reiches  Volk  ge- 
worden;   ihr  Kapital    und    ihr  Handel   beherrschte   immer  weitere  Gebiete 
Aber  aller  äufserer  Glanz  und  wirtschaftlicher  Aufschwung  konnte  über  die 
beginnende  innere  Zersetzung  nicht  hinwegtäuschen.    Das  römische  Herren- 
gefuhl   wurde   von    keiner    sittlichen  Hemmung    mehr    gezügelt;    skrupellos 
sezte  sich  Rom  über  Verträge  und  feierliche  Abmachungen  hinweg,  sobald 
solcher  Treubruch  in  seinem  Literesse  lag;  für  diesen  StaatsmacchiaveUismus 
bietet  der  spanische  und  der  dritte  punische  Krieg  drastische  Beispiele.  Wohl 
gab    es  Manner,    die    wie    der   vom  Geist    griechischer  Humanität    berührte 
Scipio  Aemihanus  auf  persönliche  Integrität,  auf  Treu  und  Glauben  hielten. 
Doch  das  waren  seltene  Ausnahmen.   Ln  allgemeinen  wurde  es  zur  Regel 
die  Macht,  namentlich  in  den  Provinzen,  zum  eigenen  Vorteil  zu  mißbrauchen;' 
Bestechungen,  Erpressungen,  Übergriffe   aller  Art  wurden    immer   häufiger 
und  so  ergab  sich  die  Notwendigkeit,  die  Bundesgenossen  und  Untertanen 
gegen   die  Mißwirtschaft,   die  habgierige  und  ungerechte  Beamte  übten,  zu 
schützen.    Da  aber  weder  die  Zivil-  noch  die  Volksgerichte   ausreichten,  so 
ernchtete    man    ständige  Gerichtshöfe    für   die  Klagen   der  Bundesgenossen 
und  Untertanen  gegen  die  Erpressungen  römischer  Magistrate  und  Senatoren, 
die  erste  quaesfio  perpetua  de  peciinm  repetimdls,  die,  149  v.  Chr.  durch  eine 
vom  Volkstribun  L.  Calpurnius  Piso  rogierte  lex  Ccdpurnia  begründet,  einen 
Markstein  in  der  Geschichte  des  römischen  Gerichtswesens  bedeutet.     Dies 
Gesetz  zog  bald  andere  nach  sich. 

Von  den  Vorteilen  der  Herrschaft  hatte  gerade  diejenige  Schicht  der 
romischen  Bürger,  die  das  militärische  Rückgrat  des  Staates  bildete,  keinen 
Genuß,  nämhch  die  freie  Bauernschaft,  i)  Die  Bauern  hatten  die  Hauptlast 
der  Kriege  zu  tragen,  während  die  Stadtbevölkerung,  der  wohlhabende,  er- 
werbstätige Mittelstand  weniger,  das  von  der  Wehrpflicht  gesetzlich  befreite 
Proletariat  samt  den  Freigelassenen  überhaupt  nicht  betroffen  wurde.  In  der 
Periode  überseeischer  Eroberungspolitik  war  nun  jene  Last  weit  drückender 
als  zuvor.  Die  Kriege,  auch  wenn  sie  siegreich  beendet  wurden,  kosteten 
viel  Blut,  so  zuletzt  noch  die  Kämpfe  in  Spanien.^)  So  mancher  bäuerliche 

u  2lSmr;h^p''w^f^''1:-f/*^'''''^T°'''^''    I    Agrargeschichte,    Stuttgart  1891,  kommt 
S06    D^s  Buch  vo^mA^^^^^^  *""   i''  Tatsächliche    kaum  in  Betracht. 

1  JUb.  i^as  Buch  V  on  Mas  V,  eber,  Die  röm.   |       ^)  Zählt  man  die  bei  Appian  Iber.  78  ff 


170  Römische  Geschichte. 

Soldat  sah  die  heimische  Scholle  nie  wieder;  aber  auch  die  Zurückkehrenden 
waren  durch  die  lange  Abwesenheit  von  Haus  und  Hof  schwer  geschädigt. 
Nicht  so  sehr  durch  die  Konkurrenz  des  aus  den  Provinzen  zu  niederem 
Preis  eingeführten  Getreides,^)  als  vielmehr  durch  das  einheimische,  im 
Großgrundbesitz  sich  investierende  Kapital  wurde  der  Kleinbauernstand  in 
seiner  Existenz  bedroht.  Schon  nach  dem  hannibalischen  Krieg,  der  nament- 
lich Unteritalien  auf  weite  Strecken  verödet  und  den  Bauernstand  dezimiert 
hatte,  war  die  Konjunktur  für  die  Bildung  von  Großgrundbesitz  günstig. 
Das  Land  war  billig  und  das  Kapital  griff'  zu.  Anstatt  des  wenig  rentablen 
Ackerbaus  wurden  Reben-  und  Olivenkulturen  angelegt  oder  Viehzucht  und 
Weidewirtschaft  in  großem  Maßstab  betrieben.  Dem  Anwachsen  dieses  sog. 
Latifundienbetriebs  entsprach  der  Rückgang  der  freien  Kleinbauernschaft, 
deren  Lage  immer  schwieriger  wurde.  2)  Der  Großgrundbesitz  arbeitete  mit 
den  billigsten  Arbeitskräften,  mit  Sklaven,  wie  sie  besonders  seit  dem  Fall 
von  Korinth  und  Karthago  herdenweise  nach  Italien  gebracht  wurden.  Der 
Handel  mit  dieser  Menschenware  hatte  auf  Delos,  der  heiligen  Insel  Apolls, 
seine  Zentrale.  Die  Sklavenmärkte  wurden  von  Piraten,  aber  auch  von 
römischen  Steuer^^ächtern  in  Asien,  die  den  Menschenraub  in  den  Nachbar- 
gebieten der  Provinz  betrieben,  3)  mit  Ware  versorgt. 

Die  Gefahren  der  Sklavenwirtschaft  offenbarten  sich  in  verschiedenen 
Aufständen  der  Unglücklichen  in  Italien,  auch  in  Attika  und  auf  Delos 
namentlich  aber  in  dem  großen  Sklavenkrieg,  der  um  136  v.  Chr.  auf  Sizilien 
entstand.^)  Hier  war  das  Latifundiensystem  sehr  verbreitet  und  die  Aus- 
beutung der  unfreien  Landarbeiter  durch  ihre  —  vielfach  römischen  — 
Herren  besonders  schlimm.  Auf  den  Gütern  eines  Großgrundbesitzers,  des 
Damophilos,  bei  Henna  kam  es  zu  einer  Erhebung  der  Sklaven,  die  einen 
ihrer  Leidensgenossen,  den  Syrer  Eunus,  zum  Führer  wählten;  dieser  nannte 
sich  Antiochos  und  nahm  den  Königstitel  an.  Henna  wurde  überrumpelt. 
Mit  Eunus  vereinigte  sich  eine  zweite  Schar,  die  sich  unter  dem  Kiliker 
Kleon  bei  Akragas  gebildet  hatte;  große  Teile  Siziliens  waren  den  Plünde- 
rungen der  Sklaven  ausgesetzt.  Die  Empörer,  deren  Zahl  schließlich  auf 
200000  angewachsen  sein  soll,  bestanden  siegreiche  Kämpfe  mit  mehreren 
prätorischen  Aufgeboten.^)  Einige  feste  Städte,  darunter  Tauromenion,  fielen 
in  ihre  Hände.  So  mußten  sich  die  Römer  entschließen,  im  Jahr  134  v.Chr. 
den  Konsul  C.  Fulvius  Flaccus  mit  Truppen  nach  Sizilien  zu  schicken,  aber 
weder  er  noch  sein  Nachfolger  L.  Calpurnius  Piso  wurde  mit  den  Sklaven 
fertig;  erst  P.Rupilius,  der  Konsul  von  132  v.Chr.,  warf  den  Aufstand  nieder, 

in  den  Kriegen  von  1.54—134  v.  Chr.  aus-  ^)  Vgl.  J.  Kromayer,    Neue  Jahrbücher 

drücklich  bezifferten  Verluste  der  Eömer       33,  1914,  145  ff. 


zusammen,  so  kommen  46 100  Mann  heraus, 
wovon  dann  mindestens  die  Hälfte  auf 
die  Bundesgenossen  entfällt.  Dies  ist  aber 


3)  Strabo  XIV  668  f.    Diodor  XXXVI 3, 1. 
*)  Poseidonios  fr.  15.    Diodor  34  35  c.2f. 
Liv.  per.  56.  58.  59.  Oros.  V  9.  Florus  II 7. 


nur  ein  Teil  der  wirklichen  Verluste.  (In-  Vgl.  Holm,  Geschichte  Siziliens  III  104  ff. 
des  verdienen  diese  Zahlen  nicht  den  Bücher.  Die  Aufstände  der  unfreien  Ar- 
Glauben,  den  Niese  ihnen  schenkt.  Vgl.  heiter,  Frankfurt  a.  M.  1874,  121  ff.  Wilms, 
A.  Rosenberg,  Einl.  und  Quellenkunde  zur  N.  Jahrb.  f.  Philol.  151  (1895)  209  flf.  G. 
röm.  Gesch.,  Berl.  1921,  208.)  Bathke,  De Botnanonmi  bellis serrilibus  capita 
')  Vgl.  J.  Kromayer  in  der  von  L.  M.  seh'cta,  Berl.  190i.  Münzer,  P\VVI1143ff. 
Hartmann  hrsg.  Weltgesch.  III,  Gotha  1  ■')  Florus  II  7,  7  nennt  vier  besiegte 
1919,  90.  Prätoren. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).     (§29.)       171 

indem  er  Tauromenion,  dann  Henna  eroberte  und  den  Eunus  gefangen  nahm. 
Rupilius  hat  dann  eine  vollständige  Neuordnung  Siziliens  durchgeführt. 

Rom  war  nicht  blind  gegen  die  Gefahr,  die  in  der  Abnahme  der  freien 
ländlichen  Bevölkerung  lag.  Schon  begann  taugliches  Soldatenmaterial  knapp 
zu  werden  und  es  ist  bezeichnend,  daß  Scipio  Aemilianus  für  den  numan- 
tinischen  Krieg  keine  neuen  Rekrutierungen  vornehmen  durfte.  Man  ver- 
suchte dem  bedrohten  Kleinbauerntum  aufzuhelfen  durch  Verordnungen  über 
das  Gemeindeland,  soweit  nämlich  darüber  verfügt  werden  konnte,  i)  Bei 
der  Eroberung  Italiens  war  den  besiegten  Feinden  viel  Land  abgenommen 
worden,  das  entweder  an  einzelne  Bürger  oder  an  ganze  Kolonien  aufgeteilt 
oder  verkauft  bzw.  verpachtet  wurde.  Was  übrig  blieb,  wurde  gegen  eine 
mäßige  Abgabe  den  Bürgern  und  Bundesgenossen  und  zwar  besonders  dem 
Kleinbesitz  zur  Bebauung  und  Nutznießung  überlassen,  als  j)OSsessio,  wie 
der  technische  Ausdruck  heißt.  Dieses  Verfahren  sollte  dazu  beitragen,  die 
Zahl  der  freien  Landbevölkerung  zu  vermehren.  Aber  auch  dieser  Teil  des 
(((/er  pubUcus,  der  Staatsdomäne,  geriet  größtenteils  in  den  Besitz  der  Reichen. 
Um  diese  Entwicklung  einzudämmen,  wurde,  wahrscheinlich  einige  Zeit  nach 
dem  zweiten  punischen  Krieg,-)  durch  Gesetz  das  erlaubte  Maß  dieser  Pos- 
sessionen auf  500  Jugera  festgesetzt.  Aber  das  betreffende  Gesetz  wurde 
bald  außer  acht  gelassen,  da  gerade  die  herrschenden  Stände  aus  dem  un- 
sozialen Treiben  ihren  Vorteil  zogen.  Unter  diesen  Umständen  war  der  Rück- 
gang der  freien  Kleinbauernschaft  und  damit  zugleich  des  kriegstüchtigsten 
Elementes  der  Nation  unvermeidlich,  während  die  städtische  Bevölkerung 
Roms,  und  zwar  sowohl  der  Mittelstand  als  auch  das  Proletariat,  zunahm. 

Im  Interesse  des  schwer  bedrohten  Bauernstandes  versuchte  C.  Laelius 
{Konsul  140  V.  Chr.),  der  Freund  des  Scipio  Aemilianus,  eine  Erneuerung 
des  Ackergesetzes,  wich  aber  dann  vor  der  Opposition  seiner  Standesgenossen 
im  Senat  zurück,  ein  Opjaortunismus,  der  dem  bekehrten  Reformer  den  Bei- 
namen Sapiens  eintrug.  Doch  damit  war  das  Problem  nicht  aus  der  Welt 
geschafft;  die  senatsfeindliche  Demokratie  griff  es  auf  und  erzwang  eine 
Entscheidung. 

Obwohl  diese  Partei  seit  Catos  Tod  (149  v.Chr.)  keinen  namhaften  Ver- 
treter besaß,  hatte  sie  doch  Fortschritte  zu  verzeichnen,  so  die  Einführung 
der  schriftlichen  statt  der  mündlichen  Abstimmung  bei  den  Wahlen  und 
den  Volksgerichten  durch  die  leges  tabellariae,  Gesetze  der  Volkstribunen 
Q.  Gabinius  (139  v.  Chr.)  und  L.  Cassius  (137  v.  Chr.).  Demokratischen  Geist 
atmet  auch  der  übrigens  von  C.  Laelius  und  anderen  Optimaten  vereitelte 
Versuch  des  Tribunen  vom  Jahr  145  v.  Chr.  C.  Licinius  Crassus,  die  Be- 
stellung der  Priester  statt  der  herkömmlichen  Kooptation  von  selten  der 
einzelnen  Kollegien  den  Komitien  zu  übertragen.  Aber  ein  Programm  und 
einen  Führer  erhielt  die  demokratische  Bewegung  erst,  als  Ti.  Sempronius 

^)Appianb.civ.I7.  PlutarchTi.Gracch.8.  des  Ullsteinverlags  I  454  und  bei  Gekcke- 

2)  Über  die  Zeit  dieses  Gesetzes,  das  ge-  j  Nokden,  Einl.  in  die  Altertumswiss.  III^ 

wohnlich  zu  den  licinisch-sextischen  vom  1  479  datiert  das  Gesetz   ins  J.  196  v.  Chr., 

J.  3P>7  V.  Chr.  gerechnet  wird  (oben  S.  64  j  in  welchem  Jahr  allerdings  ein  Licinier 


A.  4),  vgl.  Niese,  Hermes  XXIII  (1888) 
410  if.  Sie  läf3t  sich  nur  annähernd  be- 
stimmen. K.  J.  Neümann  in  der  Weltgesch. 


Volkstribun  war.  Gegen  die  Hj^pothese 
Neümänns  erklärt  sich  M.  Gelzer,  Die 
Nobilität  der  röm.  Eepublik,  1912,  16. 


172  Römische  Geschichte. 

Gracchus,  für  das  Jahr  133  v.  Chr.  zum  Volkstribun  gewählt,  sich  des  not- 
leidenden Landvolks  erbarmte. 

Ti.  Gracchus  entstammte  einem  der  angesehensten  Häuser  der  plebeischen 
Nobilität;  sein  gleichnamiger  Vater  hat  zweimal,  177  und  163  v.  Chr.,  das 
Konsulat  bekleidet,  zwei  Triumphe  gefeiert,  die  Zensur  (im  Jahr  KiO)  ver- 
waltet und  besonders  in  der  auswärtigen  Politik  eine  Eolle  gespielt;  seine 
Mutter  war  Cornelia,  die  jüngste  Tochter  des  älteren  Africanus,  eine  der 
edelsten  Frauengestalten  Roms  und  die  erste,  in  deren  Seele  uns  einige 
Briefzeilen  einen  Blick  tun  lassen.  Nach  dem  Tod  des  Gatten  widmete  sich 
die  hochgebildete  und  hochgesinnte  Frau,  die  als  Witwe  die  Hand  eines 
Ptolemäers  (wohl  des  Ptolemaios  VHI  Physkon)  ausgeschlagen  haben  soll, 
ganz  der  Erziehung  ihrer  Kinder,  von  denen  nur  drei,  Tiberius,  Sempronia, 
die  nachmalige  Gattin  des  P.  Scipio  Aemilianus,  und  Gaius  zu  Jahren  kamen. 
Als  Lehrer  und  Ratgeber  ihres  Altesten  wirkten  zwei  Träger  griechischer 
Bildung,  der  Rhetor  Diophanes  von  Mytilene  und  der  Stoiker  C.  Blossius 
von  Kyme.  Im  Staats-  und  Kriegsdienst  tat  sich  Tiberius  mehrfach  hervor; 
als  Quästor  des  Konsuls  Hostilius  Mancinus  hatte  er  den  rettenden  Vertrag 
mit  den  Numantinern  (S.  160)  vermittelt  und  mitbeschworen,  aber  dann  in 
Rom  sein  Wort  nicht  einlösen  können,  eine  politische  und  mehr  noch  mora- 
lische Niederlage,  die  den  Bruch  mit  der  Senatsmajorität,  zu  der  auch  sein 
Schwager  Aemilianus  gehörte,  einleitete  und  ihm  den  Entschluß  erleichterte, 
ohne  Rücksicht  auf  seine  Kaste  sich  der  Sache  des  Volkes  anzunehmen. 
Zum  Volkstribun  gewählt,  erneuerte  er,  unter  dem  Beirat  erfahrener  Ge- 
sinnungsgenossen, nämlich  seines  Schwiegervaters  Ap.  Claudius  und  der 
beiden  Brüder  P.  Mucius  Scaevola  und  P.  Crassus  Mucianus  das  Gesetz,  das 
als  Höchstmaß  des  in  Nießbrauch  genommenen  uger  puhUcus  500  int/era 
(Morgen)  für  den  einzelnen  possessor  bestimmte  mit  dem  Zusatz,  daß  für 
zwei  erwachsene  Söhne  je  noch  weitere  250  iugera  freigegeben  sein  sollten, 
so  daß  also  das  Maximum  für  eine  Familie  1000  iugera  (über  250  ha)  be- 
trug. Die  gesetzlich  zulässigen  500  bzw.  1000  iugera  sollten  in  das  volle 
Privateigentum  der  bisherigen  Nutznießer  übergehen,  weitere  Possessionen 
unterbleiben.  Für  Betriebseinrichtungen  und  Meliorationen,  die  auf  dem  über 
das  Höchstmaß  hinausgehenden  und  deshalb  einzuziehenden  Domanialland 
getroffen  w^aren,  scheinen  zunächst  Entschädigungen  in  Aussicht  gestellt 
worden  zu  sein.  Der  in  Kraft  dieses  Gesetzes  zu  konfiszierende  Teil  des 
ager  publicus  sollte  an  arme  Bürger  gegen  eine  geringe  jährliche  Abgabe 
als  unveräußerliches  Eigentum  (gewissermaßen  auf  Erbpacht)  in  Parzellen 
zu  je  30  iugera  aufgeteilt  werden.  Mit  diesem  keineswegs  radikalen  Gesetzes- 
vorschlag fand  Gracchus  beim  Volk  den  stärksten  Anklang,  stieß  aber  zu- 
gleich auf  den  erbitterten  Widerstand  der  herrschenden  Klasse,  in  deren 
Interesse  sein  Kollege  M.  Octavius  in  der  Volksversammlung  hartnäckigen 
Einspruch  erhob;  um  trotzdem  die  Abstimmung  zu  ermöglichen,  ließ  Gracchus 
schließlich  den  Widerspenstigen  durch  das  Volk  seines  Amtes  entsetzen, 
worauf  das  Ackergesetz  in  verschärfter  Form  durchging.  Mit  seiner  Aus- 
führung wurde  ein  alljährlich  neu  zu  wählendes  Kollegium  von  drei  Männern, 
III  riri  agris  dandis  adsignandis  iudicandi.s  betraut.  Gewählt  wurden  in 
diese  Ackerkommission  Tiberius,  sein  Bruder  Gaius  und  sein  Schwiegervater 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.Chr.).    (§  29.)       173 

Ap.  Claudius.  Sie  hatten  die  Aufgabe,  den  Umfang  des  arjer  puhUcus  und 
seine  vielfach  unsicheren  Grenzen  zu  bestimmen,  in  Streitfällen  die  Juris- 
diktion zu  üben,  den  gesetzwidrigen  Überschuß  an  Domanialland  einzuziehen 
und  den  Bedürftigen  zuzuweisen.  Man  ging  sofort  an  die  Ausführung  des 
Gesetzes,  die  Tiberius  durch  das  damals  an  Rom  fallende  pergamenische 
Erbe  (S.  168)  zu  fördern  gedachte.  Im  Kampf  um  das  Ackergesetz  hatte 
sich  der  Gegensatz  der  Parteien  sehr  verschärft,  besonders  durch  die  höchst 
anfechtbare  Amtsentsetzung  des  Tribunen  Octavius.^)  Hatte  Gracchus  bereits 
diesen  Schritt  mit  der  nicht  so  sehr  römischen  als  vielmehr  griechischen 
Tlieorie  der  absoluten  Volkssouveränität  zu  rechtfertigen  gesucht,  so  ging 
er  auf  dieser  Bahn  weiter,  indem  er  dem  Volk  auch  die  Verfügung  über 
das  Vermögen  des  letzten  pergamenischen  Königs  vindizierte  und  beantragte, 
daß  es  zu  Beschaffungsbeihilfen  für  das  nötige  Inventar  an  die  Inhaber  der 
neuen  Bauernhufen  verwendet  v/erde.  Dieser  Eingriff  in  die  längst  zum 
Gewohnheitsrecht  gewordene  Finanzverwaltung  des  Senats  entfesselte  einen 
Kompetenzstreit,  der  den  Antritt  der  Erbschaft  verzögerte  (S.  168).  Aber 
noch  einen  dritten  bedenklichen  Schritt  wagte  der  revolutionäre  Tribun; 
da  seine  Widersacher  ihn  sofort  nach  Ablauf  der  Amtszeit  zur  gerichtlichen 
Verantwortung  zu  ziehen  und  damit  seine  Agrarreform  zu  gefährden  drohten, 
so  bewarb  er  sich,  um  seine  Person  und  sein  Werk  sicher  zu  stellen,  auch 
für  das  nächste  Jahr  um  das  Volkstribunat,  indem  er  zugleich  weitere  popu- 
läre Anträge  verhieß.  2)  Gegen  die  beabsichtigte  unmittelbare  Wiederwahl, 
die  dem  Herkommen  und  dem  Geist  der  Verfassung  zuwiderlief,  setzten 
seine  Feinde  alle  Hebel  in  Bewegung.  Sie  bezichtigten  den  Tiberius  des 
Strebens  nach  der  Monarchie  und  bereiteten  einen  Gewaltakt  vor,  worauf 
der  Tribun  Gegenmaßnahmen  zur  Verteidigung  traf;  da  aber  die  Mehrzahl 
seiner  Gefolgschaft  nach  Annahme  des  Ackergesetzes  auf  die  ländliche 
Scholle  zurückgekehrt  war,  so  besaß  er  in  Rom  nicht  mehr,  wie  zuvor,  das 
Übergewicht.  Bei  der  Wahlhandlung  auf  dem  Kapitol  spielten  sich  höchst 
turbulente  Szenen  ab  und  schließlich  wurde  Gracchus  von  rasenden  Senatoren, 
an  deren  Spitze  sich  der  Pontifex  maximus  P.  Cornelius  Scipio  Nasica  Serapio 
gestellt  hatte,  erschlagen.  Gegen  die  Anhänger  des  Toten  eröffneten  die 
Konsuln  des  nächsten  Jahres  ein  summarisches  Ausnahmeverfahren. 

Aber   die  Gesetze    des  Ti.  Gracchus    blieben    zunächst  unangetastet  und 
die  Ackerverteilung,  bei  der  auch  ein  Gegner  des  Tribunen  mithalf,  3)  nahm 

^)  Die  ahrogatio  des  Tribunen  ist  völlig  j  dehnung  des  Provokationsrechtes  und 
verschieden  beurteilt  worden.  Nach  Nie-  |  Übertragung  der  Gerichte  vom  Senat  auf 
BUHR,  Vorträge  über  röm.  Gesch.  II,  1847,  |  die  Ritter.  Plut.  Ti.  Gracch.  16,  1.  Cass. 
279,  handelte  Ti.  Gracchus  „gegen  den  Dio  fr.  83,  7.  Macrob.  III  14,  6  f.  Nach 
Buchstaben,  aber  im  Geist  derVerfassung".  Velleius  II  2,  3  hätte  Gracchus  „ganz  Ita- 
Als  „Revolution  gegen  den  Geist  und  1  lien"  das  Vollbürgerrecht  versprochen, 
gegen  den  Buchstaben  der  Verfassung"  ^)  Grenzsteine  der  Kommissionen  haben 
bezeichnet  Mommsen  in  der  Röm.  Gesch.  \  sich  erhalten.  CIL  I^  689  ff.  ILS  nr.  24  ff. 
11^  95  den  Akt,  während  seine  spätere,  In  einer  Inschrift  des  p.  Popilius  Laenas, 
imRöm.  Staatsrecht  1^630  vertretene  Auf-  Konsuls  von  132  v.  Chr.  (CIL  I^  638.  ILS 
fassung  sich  auf  die  Formel  „gegen  den  I  nr.  23)  rühmt  sich  selbst  dieser  Wider- 
Geist, aber  nicht  gegen  den  Buchstaben  |  sacher  des  Ti.  Gracchus,  der  auch  die 
der  Verfassung"    bringen    läßt.     Vgl.    R.  ;    Untersuchunggegen die Gracchaner leitete 


V.  PöHLMANN  a.  S.  178  a.  0. 143  ff.  und  E. 
Stern  a.  S.  178  a.  0.  248  ff. 
")  Erwähnt    werden  Anträge   auf  Aus- 


(Cicero  Lael.  37) :  2)rimus  fecei,  ut  de  agro 
poplico  aratoribus   cederent  imastores. 


174  Römische  Geschichte. 

iliren  freilich  durch  große  Schwierigkeiten  gehemmten  Fortgang.  Zu  neuen 
Konflikten  kam  es,  als  die  Triumvirn  M.  Fulvius  Flaccus  und  C.  Papirius 
Carbo  im  Jahre  131  v.  Chr.  das  Ackergesetz  auch  auf  das  von  den  italischen 
Bundesgenossen  okkupierte  Domanialland  anwenden  wollten.  Die  Bundes- 
genossen fanden  an  Scipio  Aemilianus  einen  Kückhait.  Scipio  war  132  v.Chr. 
aus  Spanien  zurückgekehrt,  und  obschon  er  gegen  die  Notwendigkeit  von 
Reformen  nicht  blind  sein  mochte,')  mif^billigte  er  doch  das  revolutionäre 
Ungestüm  seines  Schwagers,  ja  hieß  sogar  dessen  Ermordung  gut.  Jetzt 
warf  er  sich  zum  Anwalt  der  in  ihrem  Besitz  bedrohten  italischen  Bundes- 
genossen auf  und  erwirkte  129  v.  Chr.  einen  Volksbeschluß,  der  den  Triumvirn 
ihre  wichtigste  Kompetenz,  die  Gerichtsbarkeit  über  strittiges  Land,  entzog, 
die  nun  dem  Konsul  C.  Sempronius  Tuditanus  übertragen  wurde.  Der  neue 
Gerichtsherr  zog  bald  darauf  gegen  die  lUyrier  ins  Feld  und  so  geriet  die 
Durchführung  der  Ackergesetze  immer  mehr  ins  Stocken.  Scipio  hatte  sich 
durch  seine  antidemokratische  Haltung  viele  Feinde  gemacht  und  als  er 
mitten  in  der  Konfliktszeit  im  Alter  von  56  Jahren  plötzlich  verstarb,  mun- 
kelte man  von  Meuchelmord;  auch  C.  Gracchus  und  Fulvius  Flaccus,  ja 
sogar  seine  Gattin  Sempronia  und  deren  Mutter  Cornelia  wurden  der  Tat 
verdächtigt.^)  Die  Trauer  um  den  großen  Mann,  den  größten  seiner  Zeit,  war 
allgemein  und  übertönte  für  den  Augenblick  den  Lärm  des  Parteikampfes. 

Die  Reformbewegung  zog  weitere  Kreise  und  griff  auf  die  italischen 
Bundesgenossen  über.  Um  diese  zu  gewinnen,  machte  der  Gracchaner  Fulvius 
Flaccus  (Konsul  125  v.Chr.)  den  Vorschlag,  sie  in  die  römische  Bürgerschaft 
aufzunehmen  oder  ihnen  wenigstens  das  Recht  der  Provokation  zu  verleihen. 
Man  dachte  ferner  daran,  römische  Bürger  außerhalb  Italiens  anzusiedeln 
und  mit  Land  zu  versorgen.  Flaccus  mußte  bald  darauf  Rom  verlassen,  um 
gegen  die  Ligurer  zu  kämpfen.  Aber  das  Fiasko  der  Bestrebungen  des 
demokratischen  Konsuls  brachte  die  Italiker  in  Wallung,  Asculum  (Picenum) 
imd  Fregellae  am  Liris  revoltierten  offen  gegen  Rom.  Das  abtrünnige  Fre- 
gellae,  eine  der  bedeutendsten  latinischen  Gemeinden,  wurde  von  dem  Heer 
des  Prätors  L.  Opimius  zerstört.  Auf  dem  Gebiet  von  Fregellae,  soweit  es 
nicht  den  Nachbarn  zufiel,  wurde  im  folgenden  Jahr  die  Kolonie  Fabrateria 
nova  angelegt. 

In  dem  Jahrzehnt  seit  dem  Tod  des  Ti.  Gracchus  hatte  im  wesentlichen 
die  Reaktion  das  Feld  behauptet;  das  Blatt  wandte  sich,  als  der  neun  Jahre 
jüngere  Bruder  Gaius  im  Jahr  123  v.  Chr.  als  Volkstribun  die  politische  Arena 
betrat  in  dem  Entschluß,  Vendetta  für  den  Mord  des  Bruders  zu  üben  und 
dessen  Werk  weiterzuführen.  Gaius  war  eine  dämonische  Natur,  auch  er 
nicht  frei  von  schwärmerischer  Ideologie,  aber  an  leidenschaftlichem  Macht- 
willen und  hinreißender  Beredsamkeit  dem  Älteren  noch  überlegen.    Nach 


*)  Über   seine   politische   Eichtung   ist  Münze  genommen  werden, 

wenig  bekannt;    ergalt  als  Volksfreund  i        2)  ygijyiüjfzER,  PWIVI458f.   E.v.  Stern 

(Plut.  Aemil.38),  war  aber  mit  der  Acker-  a.  S.  lt8  a.  0.  268, 1.    Die  antike  Tradition 

gesetzgebung    nicht    einverstanden.     Im  zieht  alle  Möglichkeiten  in  Betracht,  sogar 

ganzen   mag   er    ähnlich   gedacht    haben  den  Selbstmord.    Ein  natürlicher  Tod  ist 

wie  Polybios.    Die  Aufserungen,  die  ihm  i    keineswegs  ausgeschlossen,  läßt  sich  aber 

Cicero   in    den  Büchern   de  re  publica  in  sowenig  beweisen,  wie  das  Gegenteil, 

den   Mund   legt,    dürfen   nicht   für   bare  ! 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§29.)       175 

dem  tragischen  Ende  des  edlen  Bruders  hatte  sich  Gaius  mit  Rücksicht  auf 
seine  Jugend  zunächst  zurückhalten  müssen,  um  erst  allmählich  in  seine 
Rolle  hineinzuwachsen.  Zwei  Jahre,  126/25  v.Chr.,  bekleidete  er  in  Sardinien 
die  Quästur.  Nach  seiner  eigenmächtigen  Rückkehr  wurde  er  für  das  Jahr  123 
trotz  dem  Widerstand  der  Senatspartei  zum  Volkstribun  gewählt.  Er  er- 
öffnete seine  Tätigkeit  mit  einem  Antrag,  der  die  auf  Anregung  des  Senats 
von  den  Konsuln  gebildeten  außerordentlichen  Gerichtskommissionen  mit 
rückwirkender  Kraft  als  ungesetzlich  brandmarkte,  was  auf  das  Ausnahme- 
verfahren gegen  die  Gracchaner  nach  dem  Tod  des  Tiberius  gemünzt  war. 
In  einer  Rede  de  legibus  promulgatis  stellte  dann  Gaius  ein  umfassendes 
Reformprogramm  auf.^)  Vorj  seinen  Gesetzen  scheint  die  lex  agraria  eine 
verbesserte  und  ergänzende  Redaktion  des  Ackergesetzes  des  Tiberius  ge- 
bracht zu  haben.-)  Aber  nicht  nur  für  das  Landvolk,  wie  sein  Bruder, 
sondern  auch  für  das  hauptstädtische  Proletariat  wollte  Gaius  sorgen  und 
zwar  durch  eine  lex  frumentaria,  die  nach  griechischem  Muster^)  den  Bürgern 
Brotkorn  zu  billigem  Preis  verschaffte  und  dadurch  die  Staatskasse  erheb- 
lich belastete.  Seine  lex  ■inilitaris  beschränkte  die  Strafgewalt  der  Heerführer 
und  gewährte  den  gemeinen  Soldaten  Erleichterungen  und  Vorteile,  Von 
größter  politischer  Tragweite  war  das  Richtergesetz  {lex  iudiciaria),  das  die 
Macht  des  Senats,  der  bisher  alle  wichtigeren  Gerichtshöfe,  besonders  die 
für  Repetundenprozesse  zuständigen  Quaestionen,  mit  seinen  Mitgliedern  be- 
setzt hatte,  stark  beschränkte;  die  senatorischen  Richter  hatten  sich  in  letzter 
Zeit  durch  einige  anstößige  Freisprechungen  hochgestellter  Angeklagter  dis- 
kreditiert, und  nach  heftigen  Kämpfen  ging  der  Antrag  des  Gracchus  durch, 
der  die  senatorischen  Richter  zum  mindesten  von  den  Repetundenprozessen 
ganz  ausschloß  und  durch  Ritter  ersetzte,  d.h.  durch  die  Vertreter  der  be- 
güterten Bürgerschaft,  die  nach  der  Censusordnung  die  achtzehn  Ritter- 
centurien  ausmachten.  Vorbereitet  war  dieses  Gesetz  bereits  durch  ein  anderes, 
das  die  Zusammensetzung  der  Rittercenturion  modifizierte.^)  Diese  Ritter- 
centurien  hatten  ihre  militärische  Bedeutung  längst  eingebüßt  und  waren 
die  Stimmabteilungen  der  höchsten  und  reichsten  Schicht  der  Bürgerschaft, 
vor  allem  der  Senatoren  geworden.  Jenes  Gesetz  aber  entzog  den  Senatoren 
mit  dem  Ritterpferd  auch  die  Zugehörigkeit  zu  den  Rittercenturien.  Da  seit- 
dem kein  Senator  mehr  Ritter  sein  durfte,  so  bildeten  nunmehr  die  Ritter 
einen  besonderen  Stand  im  Staat,  den  zweiten  neben  dem  ersten  der  Senatoren. 
Den  Ritterstand  als  politischen  Faktor  gegen  den  Senat  auszuspielen,  das 
war  die  Absicht,  die  C.  Gracchus  mit  dem  Richtergesetz  verfolgte.^) 

')  Die  Mehrzahl  der  Forscher  setzt  diese    \   Bezug. 
Eede  erst  in  das  zweite  Tribunat;  dagegen  ^)  Vgl.  die    Inschrift  von   Samos,    ver- 

E.  V.  Stern  a.  S.  178  a.  0.  274  f.  Auch  die  i  öffentlicht  von  U.  v.  Wilamowitz  und  Th, 
Verteilung  der  einzelnen  Gesetze  des  C.    |    Wiegand,   Sitz.ber.  der  Berl.  Akad.  1904, 

917  ff.    H.  Francotte,  Mt'langes  Nicole  133. 

■*)  Dieses  Gesetz  scheint  nach  Cicero  de 

rep.  IV  2    bald   nach  129  v.  Chr.  gegeben 


Gracchus  auf  die  beiden  Tribunatsjahre 
ist  kontrovers.  Die  antiken  Zeugnisse 
finden  sich  bei  Plutarch  C.  Gr.  5  ff.  Appiau 
bell.  civ.  121  f!L.  Diodor  fr.  XXXIV — XXXV       zu  sein,    kann    aber  auch    älter  gewesen 


20,    Velleius  II  6,  die  moderne  Literatur 
s.  unten  S.  178. 

^)  Die  lex  agraria  vom  J.  111  v.  Chr. 
(CIL  I-  nr.  585  =  Brüns'  nr.  11)  nimmt 
nämlich   nur   auf  das  Gesetz   des  Gaius 


sein  (S.  173A.  2).  Denkbar  ist  auch,  daß 
es  einen  Teil  des  gracchischen  Kichter- 
gesetzes  ausmachte. 

^)  In    betreff  des  Inhalts    des  Richter- 
gesetzes schwankt  die  Überlieferung.  Nach 


176  Römische  Geschichte. 

Mit  Vorliebe  nahm  Gaius  die  Ausführung  seiner  Gesetze  in  eigene  Regie, 
was  seine  Macht  nicht  wenig  hob.  Die  Tatkraft,  mit  der  er  in  die  ver- 
schiedenen Verwaltungszweige  eingriff  —  er  hat  sogar  Straßen  gebaut  und 
Kornspeicher  errichtet  —  imponierte  auch  den  Gegnern  im  Senat,  der  sich 
zur  Mitarbeit  entschließen  mußte.  Von  nachhaltiger  Wirkung  war  das  Gesetz 
des  Gaius  über  die  Konsularprovinzen,  demzufolge  der  Senat  bereits  vor 
der  Konsulwahl  zu  bestimmen  hatte,  welche  Provinzen  den  zukünftigen, 
also  noch  unbekannten  Konsuln  als  Wirkungskreis  zugewiesen  werden  sollten. 
Manche  der  Gesetze  des  Tribunen  machten  große  laufende  Ausgaben  not- 
wendig und  so  hat  Gaius  auch  der  Finanzgebarung  sein  Augenmerk  zu- 
gewendet. Er  erhöhte  die  Zölle  und  zog  vor  allem  die  Provinzen  heran. 
In  diesen  Zusammenhang  gehört  die  damals  zum  Abschluß  gelangte  Neu- 
ordnung der  Provinz  Asia.i)  Wie  schon  bemerkt  (S.  168),  legte  er  der  neuen 
Provinz  einen  Zehnten  auf,  der  mit  den  übrigen  Gefällen  durch  die  römi- 
schen Steuerpächter  erhoben  werden  sollte,  eine  Einrichtung,  die  in  der 
Folge  auch  für  andere  Provinzen  getroffen  wurde.  Der  römischen  Geschäfts- 
welt, die  sich  vor  allem  aus  dem  Bitterstand  rekrutierte,  wurden  dadurch 
große  Vorteile  zugewendet;  die  Provinzialen  aber  erniedrigte  das  gracchische 
Gesetz  zum  Ausbeutungsobjekt  der  skrupellosen  römischen  Kapitalisten  und 
ihrer  Organe. 

Der  Tribun  hatte  eine  so  überragende  Stellung  erlangt,  daß  er  auch  für 
das  nächste  Jahr,  offenbar  ohne  sich  überhaupt  beworben  zu  haben,  wieder- 
gewählt wurde.  Die  Kontinuierung  des  Amtes  war  inzwischen  durch  ein 
Gesetz  gestattet  worden. 2)  In  seinem  zweiten  Tribunat  befürwortete  Gaius 
die  Gründung  neuer  Kolonien,  besonders  in  Capua  und  Tarent:^)  noch  wich- 
tiger war  die  Wiederaufnahme  des  Antrags  des  Fulvius  Flaccus,  den  Italikern, 
namentlich  den  Latinern,  das  römische  Bürgerrecht  zugänglich  zu  machen. 
Zum  erstenmal  wurde  auf  Vorschlag  des  Tribunen  Rubrius  die  Anlage  einer 
außeritalischen  Kolonie  und  zwar  auf  afrikanischem  Boden  beschlossen.^) 
Der  Zufall  des  Loses  betraute  mit  dieser  Aufgabe  den  Gaius  selbst,  der 
die  Kolonie  auf  der  bisher  verfehmten  Stätte  Karthagos  ansiedelte  und 
Junonia  benannte.  Der  Senat  änderte  nunmehr  seine  Taktik;  in  unlauterem 
Wettbewerb  suchte  er  den  Tribunen  zu  übertrumpfen  und  beim  Volk  aus- 
zustechen. Ein  Kollege  des  Gracchus,  der  vornehme  und  angesehene  M.Livius 


Appian  hell.  civ.  1 22  und  Diodor  fr.XXXI  V/V 
25  wären  die  Senatoren  als  Richter  über- 
haupt ausgeschaltet  worden.    Nach  Plut- 


')  Auf  Asia  bezieht  sich  wohl  auch  die 
lex  Aufeia,  gegen  die  C.  Gracchus  in  einer 
Rede  sich  wandte  (Gellius  N.  A.  XI  10). 


arch  C.  Gr.  5,  1  hätte  C.  Gracchus  die  Ge-  j  '^)  Nach  131  v.  Chr.,  in  welchem  Jahr 
schworenenschaft  aus  300  Senatoren  und  i  eine  dahin  gehende  Rogation  des  Papirius 
ebensoviel  Rittern  gebildet,  während  Li-  Garbo  am  Einspruch  des  Scipio  Aemilianus 
vius  per.  60  die  Zahl  der  betreffenden  gescheitert  war.  Cic.  Lael.  1>G.  Liv.  per.  59. 
Ritter  mit  600  angibt.  In  dem  Repetunden-  ^)  Tarent  wurde  tatsächlich  römische 
gesetz  des  M.'  Acilius  Glabrio  vom  J.  123  Kolonie  und  heifst  als  solche  Neptunia. 
oder  eher  122  v.  Chr.  (CIL  I^  nr.  583  =  Aufserdem  wurde  in  Unteritalien  Minervia 
Bruns'^  nr.  10)  werden  450  Richter  vor-  1  an  Stelle  von  Skylletion  (Scolacium)  an- 
geschrieben,   von    denen    keiner   Senator  gelegt.  Velleius  I  15,  4.  Marqüakdt,  Rom. 


oder  Sohn  eines  Senators  sein  darf.  Dafs 
aber  die  Geschworenenschaft  für  alle 
Gerichte  lediglich  aus  Rittern  bestanden 
habe  und  Senatoren  nirgends  mehr  als 
Richter  fungierten,  ist  eine  Übertreibung, 


Staatsverw.  I'^  39. 

")  Nach  Velleius  II,  6,  3.  7,  7  hat  C.  Grac- 
chus noch  weitere  Kolonien  außerhalb 
Italiens  angelegt  oder  geplant. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§29.)       177 

Drusus,  gab  sich  zum  Werkzeug  dieser  heuchlerischen  Pohtik  her  und  bluifte 
die  urteilslose  Menge,  indem  er  gleich  ein  ganzes  Dutzend  Kolonien  be- 
antragte. So  wurde  dem  Gaius,  dessen  fast  monarchische  Machtfülle  vielen 
ein  Dorn  im  Auge  war,  die  zelmwöchige  Abwesenheit  in  Afrika  zum  Ver- 
hängnis; bei  seiner  Eückkehr  nach  Eom  fand  er  die  Lage  zu  seinen  Un- 
gunsten verschoben.  Auf  der  Tagesordnung  stand  die  Abstimmung  über  die 
noch  unerledigten  Anträge,^)  besonders  über  die  Aufnahme  der  italischen 
Bundesgenossen  in  die  Bürgerschaft,  weshalb  viele  Italiker  nach  der  Haupt- 
stadt strömten.  Aber  nun  schlug  sich  ein  früherer  Freund  des  Tribunen, 
der  Konsul  C.  Fannius,  dem  Gaius  zum  Konsulat  verholfen  hatte,  auf  die 
Seite  des  Senats  und  wies  die  Bundesgenossen  aus,  ohne  daß  ihr  Protektor 
sie  zu  schützen  vermochte;  die  Abstimmung  wurde  durch  den  Einspruch 
des  Tribunen  Livius  Drusus  vereitelt.  Auch  mit  seinen  übrigen  Kollegen 
überwarf  sich  Gaius.  Er  wurde  nicht  wiedergewählt,  wohl  aber  wurde  einer 
seiner  erbittertsten  Widersacher,  der  ausgesprochene  Reaktionär  L.  Opimius, 
Konsul.  Gleich  nach  dessen  Amtsantritt  (121  v.  Chr.)  begannen  die  Opti- 
maten  den  Angriff  auf  einige  der  gracchischen  Gesetze,  die  kassiert  werden 
sollten;  auch  die  Gründung  von  Junonia  sollte  rückgängig  gemacht  werden, 
wofür  schlimme  Zeichen  den  Vorwand  liefern  mußten.  C.  Gracchus  und  seine 
Anhänger,  unter  denen  Fulvius  Flaccus  das  treibende  Element  war,  be- 
schlossen, den  Kampf  um  Sein  oder  Nichtsein  aufzunehmen.  Aber  auch 
Opimius  rüstete.  An  dem  zur  Abstimmung  über  das  Schicksal  von  Junonia 
festgesetzten  Tag  wurde  ein  Bürger  von  den  Gracchanern  erschlagen;  unter 
dem  Eindruck  dieses  blutigen  Zwischenfalls  übertrug  der  Senat  dem  Konsul 
Opimius  diskretionäre  Gewalt.^)  Der  Konsul  rief  die  Bürgerschaft  unter  die 
Waffen.  Die  Gracchaner  hatten  den  Aventin  besetzt;  nach  ergebnislosem 
Parlamentieren  befahl  der  Konsul  den  Sturm  auf  den  Aventin,  wobei  auch 
kretische  Bogenschützen  unter  D.  Brutus  eingesetzt  wurden.  Die  Leute  des 
Gracchus  wurden  zersprengt;  er  selbst,  auf  dessen  Kopf  ein  Preis  gesetzt 
war,  ließ  sich  auf  der  Flucht  von  einem  treuen  Sklaven  den  Todesstoß 
geben;  auch  Fulvius  Flaccus  fand  sein  Ende.  Die  Reaktion  hatte  gewonnenes 
Spiel:  an  3000  Gracchaner  sollen  in  der  Folge  durch  Sondergerichte  zum 
Tod  verurteilt  worden  sein.  Die  mit  Bürgerblut  befleckte  Stadt,  in  der  die 
Ruhe  eines  Friedhofs  herrschte,  wurde  feierlich  entsühnt  und  Opimius  weihte 
der  —  Concordia  einen  Tempel. 

Von  den  Gesetzen  des  C.  Gracchus  blieben  die  wichtigsten,  das  Richter- 
und Ackergesetz,  in  Kraft.  Die  Kolonie  Junonia  wurde  aufgehoben,  doch 
beließ  man  den  Kolonisten  ihr  Land;  zum  Ersatz  für  Junonia  ging  im  Jahr 
118  V.  Chr.  eine  andere  Kolonie  außer  Landes,  in  die  neue  gallische  Provinz 
nach  Narbo.    Die  Ackergesetze   wurden    in  Bälde    stark    modifiziert;    zuerst 


')  Vielleicht  gehört  dazu  auch  der  nur 
von  Sallust  ad  Caesarem  senem  de  re  publ. 
II  8,  1  erwähnte  Antrag,  das  Vorstimm- 
recht der  ersten  Steuerklasse  bei  den 
Centuriatkomitien  aufzuheben. 


capiat.  Dieser  Senatsauftrag  verlieh  dik- 
tatorische Befugnisse;  die  so  geschaffene 
Quasidiktatur  entspricht  etwa  der  Ver- 
hängung des  Belagerungszustandes.  Ge- 
faßt hat  der  Senat  einen  solchen  Beschluß 


^)  Durch  das  sog.  senatus  consultum  nlfi-  I  zum  erstenmal  im  J.  133  gegen  Ti.  Grac- 
mum,  dessen  Formel  ursprünglich  lautet  i  chus,  jedoch  damals  ohne  praktische  Wir- 
uti  consules  rempublicam  defendant,  später  i  kung.  Vgl.  G.  Plaumänn,  Klio  XIII,  1913, 
videant  consules  ne  quid  respubJica  detrimenti   j    321  ff. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft,    IH,  5.    6.  Anfl.  12 


178  Römische  Geschichte. 

kam  die  Unveräufscrlichkeit  der  durch  Assignation  geschaffenen  Bauernhufen 
in  Wegfall;  dann  wurde  durch  die  lex  Tlioria^)  weitere  Assignation  verboten 
und  den  derzeitigen  poasessorcs  ihr  Anteil  am  ar/er  pxblicus  als  Eigentum 
gegen  eine  regelmäßige  Abgabe  zugesprochen.  Unter  Verzicht  auf  diese  Ab- 
gabe erklärte  schließlich  ein  drittes  Gesetz,  etwa  aus  dem  Jahr  111  v.Chr., 
sowohl  das  assignierte  wie  das  okkupierte  Domanialland  für  volles  Privat- 
eigentum.-) Dabei  hatte  es  bis  auf  weiteres  sein  Bewenden.  Indem  die 
Gracchen  den  bedrohten  Kleinbauernstand  schützten  und  mehrten,  haben 
sie  in  wirtschaftlicher  und  bevölkerungspolitischer  Hinsicht  .segensreich  ge- 
wirkt.^) Jedoch  ein  durchschlagender  und  dauerhafter  Erfolg  blieb  den  vom 
besten  Willen  beseelten  Brüdern  versagt.  Dadurch  aber,  daß  sie  ihre  wohl- 
gemeinte Sozialreform  mit  revolutionären  Mitteln  durchzusetzen  suchten, 
haben  sie  Geister  gerufen,  die  erst  nach  einem  Jahrhundert  und  nachdem 
Ströme  von  Bürgerblut  geflossen  waren,  sich  wieder  bannen  ließen.  Es  war 
ein  verhängnisvoller  Irrtum,  wenn  sie  glaubten,  die  auf  dem  Boden  der 
griechischen  Polis  gewachsene  demokratische  Theorie  für  Rom  in  die  Praxis 
umsetzen  zu  können.  Wohl  hat  C.  Gracchus  den  Kitterstand  in  den  Sattel 
gehoben;  aber  der  von  ihm  vermittelte  Bund  zwischen  den  kapitalkräftigen 
Rittern  und  dem  hauptstädtischen  Proletariat  mit  der  gemeinsamen  Front 
gegen  den  Senat  konnte  nicht  von  Bestand  sein.  Senatoren  und  Ritter  haben 
gemeinsam  gegen  die  Gracchaner  die  Waffen  erhoben,  als  Konsul  Opimius 
sie  rief.  Daß  dieser  Konsul  sofort  nach  Ablauf  seiner  Amtszeit,  wenngleich 
ohne  Erfolg,  in  Anklagezustand  versetzt  werden  konnte,  ist  ein  Beweis 
dafür,  daß  die  demokratische  Partei  die  Katastrophe  ihres  größten  Führers 
überlebt  hatte.  In  weiten  Schichten  der  Bevölkerung  blieb  eine  tiefe  Er- 
bitterung zurück  über  das  brutale  Vorgehen  der  Reaktion  gegen  die  Gracchen 
und  ihren  Anhang. 

Literatur:  K.  W.  Nitzsch,  Die  Gracchen  und  ihre  nächsten  Vorgänger,  Berlin 
1847.  —  C.  Neumann,  Geschichte  Roms  während  des  Verfalles  der  Republik,  hrsg.  von 
E.  GoTHEiN,  I,  Breslau  1881.  —  W.  G.  C.  Bijvanck,  Studia  in  TL  GraccJii  historiam.  Leiden 
1879.  —  Ed.  Meyer,  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  Gracchen,  Kleine  Schriften. 
Halle  a/S.  1910  [1891]  381  ff.  —  H.  Klimke,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Gracchen, 
Px'ogr.  Sagan  1893.  —  E.  Koknemänn,  Zur  Geschichte  der  Gracchenzeit,  Klio,  1.  Bei- 
heft 1903.  —  R.  V.  PöHLMANN,  Tiberius  Gracchus  als  Sozialreformer,  Aus  Altertum 
und  Gegenwart,  Neue  Folge,  München  1911.  118  ff.  —  W.  Judeich,  Die  Gesetze  des 
Gaius  Gracchus,  Hist.  Zeitschr.  111,  3.  F.  15,  1913,  473  ff.  —  E.  v.  Stern,  Zur  Beurteilung 
der  politischen  Wirksamkeit  des  Tiberius  und  Gaius  Gracchus,  Hermes  56,  1921,  229  tf. 

30.  Auswärtige  Kriege.  Die  Kriege  dieser  Zeit  sind  zwar  militärisch 
nicht  von    besonderer  Bedeutung,    hielten    aber    doch   die  Römer  fast  ohne 


M  Appian  bell.  civ.  I  27.    Cic.  de  orat.  ten,  die  lex  Thoria. 

II  284.    Brut.  136.    Das  Gesetz   wird   von  ,        *)  Die  überlieferten  Zensuszahlen  zeigen 

MoMMSEN  ins  J.  119,  von  C.  Neumann  und  j    zwischen  131  und  125  v.  Chr.  ein  starkes 

Kornemann  ins  J.  114  v.  Chr.  datiert.  Vgl.  j    Anschwellen  der  Bürgerschaft:  136  v.Chr. 

R.  Maschke,  Zur  Theorie  und  Gesch.  der  317933 Köpfe,  131  v.Chr. 318823.  125  v.Chr. 

röm.  Agrargesetze,    Tübingen  1906.  84  ff.  '    394736,  115  v.Chr.  394336  (Liv.  per.  56. 

'-)  Appian  a.  a.  0.  Vgl.  Mommsen  zu  CIL  59.  60.  63).  Viele  Tausende  von  bisherigen 
I'  nr.  200  (  -^  CIL  I^  nr.  585  und  Bruns'  I  Proletariern  waren  durch  die  Assiguatio- 
nr.  11).  sowie  Ges.  Sehr.  I  68  ff.  Die  ge-  neu  mit  Land  versorgt  worden  und  konn- 
nannte Inschrift  gibt  wahrscheinlich  den  [  ten  also  in  die  Censuslisten  eingetragen 
fragmentierton  Wortlaut  jenes  dritten  Ge-  werden,  in  denen  sie  bisher  nicht  geführt 
setzes  (vom  J.  111)  wieder  und  nicht,  wie  wurden.  Vgl.  E.  v.  Stern  a.  unten  a.  0.244 f. 
schon  SiGONius  und  später  Rudorff  glaub- 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    {%  f^^l)     179 

Pause  in  Atem,  da  fast  immer  an  irgendeiner  Stelle  des  großen  Reiches 
gekämpft  werden  mußte.  In  Italien  gab  die  Nachbarschaft  unabhängiger 
Stämme  in  den  Alpen  und  im  nahen  Illyrien  Anlaß  zu  wiederholten  Kämpfen. 
Nach  Norden  hin  scheint  das  Verhältnis  zu  den  Alpenvölkern  überwiegend 
friedlich  gewesen  zu  sein,  ein  starker  Verkehr  muß  sich  in  das  Alpengebiet 
hinein  erstreckt  haben,  i)  doch  kam  es  auch  hier  zu  Störungen  der  Ruhe. 
143  V.  Chr.  führte  der  Konsul  Ap.  Claudius  Pulcher  Krieg  gegen  die  Salasser 
(beim  heutigen  Aosta  im  Tal  der  Dora  Baltea),  die  einträgliche  Gold- 
wäschereien besaßen,  118/17  v.  Chr.  Q.  Marcius  Rex  gegen  die  ligurischen 
Stöner  westlich  vom  Comersee,  115  v.  Chr.  M.  Aemilius  Scaurus  gegen  die 
Karner  (in  Kärnten),  Taurisker  und  andere  keltische  Völker  der  Ostalpen. 
Für  die  römischen  Feldherren  boten  diese  Kriege  mitunter  eine  willkommene 
Gelegenheit,  Beute  zu  machen  und  billige  Triumphe  zu  verdienen.  Die  Li- 
gurer  an  der  italischen  Seite  der  Alpen  hatte  Rom  allmählich  unterworfen 
und  zu  dienstpflichtigen  Bundesgenossen  gemacht.  2)  Die  Durchdringung  und 
Erschließung  des  nördlichen  Italiens  wird  durch  folgende  Straßenbauten 
illustriert:  die  via  Postum ia,  die  der  Konsul  Sp.  Postumius  1-18  v.  Chr.  von 
Genua  nach  Cremona,  vielleicht  sogar  bis  Aquileia  führte,  und  die  via 
AemiUa,  die  von  Pisa  über  Genua  an  der  Küste  bis  nachVada  Sabatia  und 
von  da  über  den  Appennin  bis  Dertona  ging,  ein  Werk  des  Zensors  M.  Aemilius 
Scaurus  (109  v.Chr.). 2)  Kriege  mußten  im  nördlichen  Illyrien  geführt  werden, 
129  V.  Chr.  gegen  die  Istrer,  Japuden  und  vielleicht  auch  Taurisker,*)  119 
— 117  V.  Chr.  gegen  Japuden  und  Dalmater.  Von  den  kriegerischen  und  un- 
ruhigen Nachbarn  der  Provinz  Makedonien,  von  Thrakern,  Illyriern  und 
Kelten,  erlitten  die  römischen  Prätoren  nicht  selten  ernste  Niederlagen. 
Schon  141  v.  Chr.  wurde  mit  den  Skordiskern  an  der  Save  unglücklich  ge- 
kämpft; andere  Kriege  werden  135  und  117  v.  Chr.  erwähnt.^)  Auch  auf 
Sardinien  gab  es  noch  immer  keinen  dauernden  Frieden,  so  kämpften  dort 
z.B.  die  Konsuln  L.  Aurelius  Orestes  (126— 123  v.  Chr.)^)  und  M.  Caecihus 
Metellus  (115 — 112  v.  Chr.);  nur  die  Küste  war  in  sicherem  Besitz  der  Römer. 
Erwähnenswert  ist  die  Unterwerfung  der  Balearen  durch  Q.  Caecilius  Metellus 
(123  und  122  v.  Chr.).')  Die  Inseln  wurden  künftig  vom  diesseitigen  Spanien 
aus  verwaltet  und  auf  der  größeren  (Mallorca)  mit  römischen  Kolonisten 
aus  Spanien  die  Städte  Palma  und  Pollentia  gegründet.**) 


1)  Polybios  bei  Strabo  IV  207  berichtet,  (1908)  321  ff. 

daß   die  norischen  Taurisker  eine  Gold-  '")    Appian   Illyr.  10  f.     G.  Zipfel,    Die 

miue  bei  Aquileia  kurze  Zeit  gemeinsam  |   römische    Herrschaft    in    Illyrien    129  f. 

mit  Italikern  ausbeuteten,  dann  aber  die  Livius  epit.  Oxyrh.  54  (vgl.  S.  8  A.  2).    E. 

Fremdlinge  verjagten,  um  sich  das  Mono-  KoRNEMANN,Klio, 2. Beiheft  1904, 61. 93.  Aus 

pol  zu  sichern.  |    dem  Ehrendekret  für  M.  Annius  SIG  11^ 

^)  Vgl.  den  Schiedsspruch  der  Minucier  j   nr.  700  ergibt  sich,  daß  iui  J.  117  v.  Chr. 

zwischen  Genuaten    und  Veituriern  von  unter   dem  Prätor   Sex.  Pompeius  Make- 

117  V.  Chr.    CIL  I^  584.    ILS  II  nr.  5946.  donien   von  GalHern  und  Mädern    auge- 

3)  Strabo  V  217.    CIL  V  2,  827  f.  griffen  wurde. 

■*)   Durch    den    Konsul    C.  Semprouius  ^)  Orestes  triumphiert  nach  den  Trium- 

Tuditanus.    Von  einer  Ehreninschrift  aus  ,    phalakten    am    8.  Dezember  122    v.  Chi'. 

Aquileia,  die  aus  diesem  Anlaß  dem  Kon-  CIL  I^  p.  49.  176. 

sul  gesetzt  wurde,   sind  Reste  gefunden.  ■")  Metellus  triumphiert  121  v.  Chr. 

A.  V.  Premerstein,    Österr.  Jahreshefte  10  j        ^)  Strabo  III  167  f.    Diodor  V  17. 

(1907)  264  ff.     BücHELER,    Ehein.  Mus.  63  | 

12* 


]^8Q  Römische  Geschichte. 

Folgenreicher  wurde  der  Krieg  gegen  die  westlichen  Ligurer.  Diese  be- 
unruhigten oft  das  Gebiet  Massalias,  das  die  Küste  etwa  von  Monaco  bis 
nahe  an  die  Pyrenäen  umfaßte;  sclion  154  v.  Chr.  hatten  die  Kömer  zum 
Schutz  ihrer  Verbündeten  einen  Feldzug  gegen  die  ligurischen  Dekieten  und 
Oxybier  unternommen  und  sie  zur  Unterwerfung  genötigt.  Aus  ähnlichem 
Anlaß  kam  es  125  v.  Chr.  zu  einem  Krieg  gegen  die  Sallyer  (Salluvier)  und 
Vokontier,  der  in  den  Jahren  125  und  124  v.  Chr.  von  M.  Fulvius  Flaccus, 
128  und  122  v.Chr.  von  C.  Sextius  Calvinus  geführt  wurde. ^)  Die  Sallyer 
wurden  zurückgedrängt;  ein  Teil  ihres  Gebiets  fiel  an  die  Massalioten.  122 
v.  Chr.  wurde  in  dieser  Gegend  als  erste  römische  Niederlassung  das  Kastell 
Äqnae  Sextlae  angelegt.  Der  Krieg  mit  den  Ligurern  führte  zu  Verwick- 
lungen mit  den  benachbarten  Kelten. 

Die  kriegerischen  und  reichen  Stämme  der  transalpinischen  Kelten, 2) 
denen  die  Massalioten  bereits  ein  gewisses  Maß  griechischer  Zivilisation 
übermittelt  hatten,  zerfielen  in  zwei  feindliche  Gruppen.  Damals  hatten  im 
südlichen  und  mittleren  Gallien  die  Arverner  die  Vormacht,  deren  Klientel 
sich  von  den  Pyrenäen  bis  an  den  Ozean  und  den  Rhein  erstreckte;  ihnen 
standen  die  Aeduer  mit  ihrer  Partei  gegenüber.  Im  Verlauf  des  ligurischen 
Krieges  stießen  nun  die  Römer,  wie  es  scheint,  zuerst  mit  den  Allobrogern, 
bei  denen  der  vertriebene  König  der  Sallyer  Zuflucht  fand,  und  hierauf  mit 
den  Arvernern  zusammen.  Die  Aeduer  dagegen  schlössen  als  erste  unter  allen 
Transalpinem  mit  Rom  ein  für  die  Zukunft  wichtiges  Freundschaftsbündnis. 
Der  weitere  Verlauf  der  Ereignisse  war  etwa  folgender: 3)  Der  Arverner 
Bituitus,  Sohn  des  mächtigen  Luerios,  verwendete  sich  bei  den  Römern  für 
den  verjagten  Fürsten  der  Sallyer,  wurde  aber  abgewiesen,  weshalb  er  die 
Allobroger  gegen  die  Römer  unterstützte;  aber  die  vereinigten  Allobroger  und 
Arverner  wurden  vom  Nachfolger  des  Sextius,  von  Cn.  Domitius  Ahenobarbus, 
Konsul  122  v.  Chr.,  bei  Vindalium  an  der  Mündung  des  Sulgas  (Sorgue)  in 
die  Rhone  geschlagen.  Nun  bot  Bituitus  seine  ganze  Macht  auf,  während 
die  Römer  den  Q.  Fabius  Maximus  Aemilianus  (Konsul  121  v.  Chr.)  mit  einem 
neuen  Heer  nach  Gallien  schickten  mit  dem  Auftrag,  zusammen  mit  Domitius 
den  Krieg  fortzusetzen.  Durch  Fabius  Maximus  erlitt  Bituitus  mit  den  Allo- 
brogern an  der  Mündung  der  Isere  eine  vernichtende  Niederlage  (8.  August 
121  V.  Chr.),^)  worauf  die  Allobroger  klein  beigaben.  Die  Beendigung  des 
Krieges  fiel  dem  Domitius  zu,  der  die  Arverner  zum  Frieden  zwang,  den 
König  Bituitus  und  dessen  Sohn  als  Gefangene  nach  Rom  sandte  und  aus 
den  zunächst  gelegenen  gallischen  Stämmen,  den  Volcae  mit  der  Stadt  Tolosa 
und  den  Allobrogern,  eine  neue  gallische  Provinz  bildete;  zugleich  erbaute 
er  die  via  Duiitifia  von    den  Pyrenäen    bis   an  die  Rhone.    Er    trium^Dhierte 

*)  Sextius  triumphiert  122  v.  Chr.  ganger,  wie  Nachfolger  des  Fabius  Maximus 

^)  Zuerst  hat  über  sie  berichtet  Posei-  war.  Mommsen  (II  163)  setzt  die  Schlacht 

donios.  Vgl.  Poseid.  fr.  23 ff.  (FHGIII  259ff.).  an  der  Isere  vor  die  am  Sulgas.  Vgl.  außer 

DiodorV24.  StraboIV  195ff.  Vgl.  Camille  den  Auszügen  aus  Livius  61,  Oros.VlSf., 

JuLLiAN,    Histoire    de    la  Gaule  vol.  I— III,  Eutrop.  IV  22,   Florus  I  37  noch  Strabo  IV 

Paris  1908 f.  185.  191.   Velleius  1, 15,  4:  II  10,  2.  Valer. 

^)  Die  Geschichte  des  folgenden  Krieges  Max.  IX  6,  3.    Diodor  XXXIV/XXXV  23. 

ist  nur  dürftig  und  unsicher  überliefert,  j    Appian  Keltik.l2.  Steph.Byz.  s.v..J/^ot'ö<o(, 

Zu  beachten  ist,  daß  von  den  beiden  rö-  'Aoöeorm,  'Paßia. 

mischen  Feldherren  Domitius  sowohl  Vor-  1        ^)  Plinius  n.  h.  VII  166. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§  3U.)      181 

120  V.  Chr.')  Schon  118  oder  117  v.  Chr.  wurde  die  alte  keltische  Stadt  Narbo 
mit  römischen  Bürgern  besiedelt,  und  bald  ergoß  sich  ein  Strom  italischer 
Kaufleute  und  Einwanderer  in  die  neue  Provinz.  Von  hier  aus  traten  die 
Römer  auch  mit  den  übrigen  gallischen  Stämmen  in  Verkehr;  das  Bündnis 
mit  den  Aeduern  gab  ihnen  den  nötigen  Rückhalt. 

Entscheidenden  Einfluß  auf  die  innere  Politik  gewann  der  Krieg  gegen 
den  Numider  Jugurtha  (111 — 105  v.  Chr.),  weil  während  seines  Verlaufs  die 
wachsende  Korruption  der  herrsehenden  Schicht  grell  beleuchtet  wurde. 
Das  Königreich  Numidien  umfaßte  damals  die  Küstenlandschaften  Nord- 
afrikas von  der  Grenze  der  Kyrenaika  bis  zum  Fluß  Muluccha  mit  Aus- 
schluß der  Provinz  Afrika;  es  war  das  Reich  des  Masinissa.  Dieser  Fürst 
hatte  sich  um  sein  Land  und  Volk  große  Verdienste  erworben,^)  den  Acker- 
bau gefördert  und  die  Einwohner  seßhaft  gemacht.  Die  Grundlage  der  numi- 
dischen  Kultur  war  punisch,  aber  bereits  Masinissa  hatte  sich  auch  für 
griechisches  Wesen  interessiert  und  Griechen  und  Italiker  ins  Land  gezogen ; 
sein  Sohn  und  Nachfolger  Micipsa  war  Philhellene  und  ein  halber  Gelehrter.^) 
Als  Micipsa  118  v.Chr.  starb,  hinterließ  er,  ähnlich  wie  sein  Vater,  das  Reich 
zu  gemeinsamer  Verwaltung  dreien  Erben,  nämlich  seinen  Söhnen  Adherbal 
und  Hiempsal  und  seinem  Neffen  Jugurtha,  den  er  adoptiert  hatte.  Jugurtha 
war  ehrgeizig  und  energisch,  auch  im  Krieg  erprobt;  vor  Numantia  hatte 
er  sich  an  der  Spitze  eines  numidischen  Hilfskorps  die  Sporen  verdient  und 
übrigens  auch  Beziehungen  zur  römischen  Aristokratie  augeknüpft.  Sein 
Ziel  war,  sich  die  Alleinherrschaft  über  Numidien  anzueignen.  Schon  bald 
nach  dem  Tode  Micipsas  entzweiten  sich  die  Erben  und  teilten  das  Land 
in  drei  Teile.  Bald  darauf  wurde  Hiempsal  von  Jugurtha  vertrieben  und 
getötet;  auch  Adherbal  wurde  verjagt  und  suchte  Zuflucht  bei  den  Römern; 
Jugurtha  nahm  das  ganze  Reich  in  Besitz;  seine  römischen  Freunde  sorgten 
dafür,  daß  er  straflos  ausging;  eine  Senatskommission  teilte  Numidien 
zwischen  den  beiden  Erben,  wobei  an  Jugurtha  die  fruchtbarere,  stärker 
bevölkerte  Westhälfte  fiel  (117  v.Chr.).  Wenige  Jahre  später  wurde  Adherbal 
von  Jugurtha  erneut  angegriffen,  geschlagen  und  trotz  römischen  Protesten  in 
der  Residenz  Cirta  belagert ;  er  kapitulierte  schließlich  gegen  Zusicherung  von 
Leben  und  Freiheit.  Der  wortbrüchige  Jugurtha  ließ  ihn  jedoch  zu  Tode 
martern.  Auch  die  wehrhaften  Bewohner  von  Cirta,  darunter  nicht  wenige 
Italiker,  mußten  sterben  (112  v.  Chr.).  Diese  Bluttat  entfesselte  in  Rom  beim 
Volk  einen  Sturm  der  Empörung.  C.  Memmius,  der  Tribvm  des  nächsten 
Jahres,  machte  sich  zum  Wortführer  der  öffentlichen  Meinung,  unter  deren 
Druck  auch  der  Senat  in  die  Kriegserklärung  gegen  Jugurtha  willigen  mußte. 
Konsul  L.  Calpurnius  Bestia,  ein  Optimat  vom  reinsten  Wasser,  setzte  im 
Jahr  111  V.  Chr.  mit  einem  Heer  nach  Afrika  über.  Aber  Bestia  und  seine 
Legaten,  besonders  der  einflußreiche  M.  Aemilius  Scaurus,  ließen  sich  be- 
stechen und  verabredeten  mit  Jugurtha  einen  mehr  als  glimpflichen  Frieden, 
ohne  daß  eine  entscheidende  Waffentat  vorausgegangen  wäre.  Der  plötzliche 


*)  In  dasselbe  Jahr  etwas  vorher  fällt  ^)  Diodor  XXXIV  3-5.    Über  Masinissas 

der  Triumph  des  Fabius  Maximus.  Verbindung   mit  Delos    und   Athen    vgl. 

^)  Vgl.  Kähkstedt   in  Meltzers   Gesch.  i    SIG  11^  nr.  652. 

der  Karthager  III  .578  ff.  , 


182  Römische  Geschichte. 

FriedensschluE^  erregte  beim  römischen  Volk  größtes  Befremden.  C.Memmius 
verhinderte  die  Ratifikation  und  setzte  die  Vorladung  Jugurthas  durch.  Der 
König  erschien  vor  der  Volksversannnlung,  wußte  sich  aVjer  dem  Verhör 
mit  Hilfe  eines  käuflichen  Tribunen  zu  entziehen.  Jugurtha  hatte  sogar  die 
Stirn,  einen  in  Kom  weilenden  Enkel  Masinissas,  den  Massiva,  der  als  numi- 
discher  Prätendent  in  Frage  kam,  aus  dem  Weg  räumen  zu  lassen.  Auf 
dieses  neue  Verbrechen  hin  wurde  Jugurtha  vom  Senat  aus  Italien  aus- 
gewiesen, was  zugleich  die  Wiederaufnahme  des  Krieges  bedeutete.  Ober- 
befehlshaber wurde  jetzt  Konsul  Sp.  Postumius  Albinus  (110  v.  Chr.).  Die 
Wahlen  riefen  ihn  aber  bald  vom  Kriegsschauplatz  nach  Rom  zurück,  wo 
er  lange  festgehalten  wurde.  Sein  von  ihm  mit  dem  stellvertretenden  Kom- 
mando betrauter  Bruder  A.  Postumius  wagte  mitten  im  Winter  einen  ver- 
geblichen Angriff  auf  die  Feste  Suthul.  Auf  dem  Rückzug  wurde  er  von 
Jugurtha  überfallen  und  geschlagen.  Aus  verzweifelter  Lage  rettete  Aulus 
sein  Heer  durch  ein  schmachvolles  Bündnis  mit  Jugurtha  und  das  Ver- 
sprechen, binnen  zehn  Tagen  Numidien  völlig  zu  räumen  (109  v.  Chr.). 

Dieses  Abkommen  wurde  vom  Senat  ohne  weiteres  verworfen.  Der  Volks- 
tribun C.  Mamilius  Limetanus  hatte  schon  früher  eine  gerichtliche  Unter- 
suchung über  die  Vorgänge  im  jugurthinischen  Krieg  beantragt.  Jetzt  wurde 
ein  Untersuchungsausschuß  gebildet,  der  unter  anderen  vornehmen  An- 
geklagten auch  den  beim  Volk  besonders  verhaßten  L.  0]3imius,  den  Führer 
der  ersten  Senatskommission,  verurteilte.  Mit  der  Fortsetzung  des  Kriegs 
wurde  Konsul  Q.  Caecilius  Metellus  beauftragt  (109  v.  Chr.).  Metellus  war 
wällens,  dem  Treiben  Jugurthas  ein  Ende  zu  bereiten;  in  der  Wahl  seiner 
Mittel  war  der  Römer  genau  so  skrupellos  wie  sein  Gegner.  In  zwei  Feld- 
zügen (108  und  107  v.  Chr.)  hat  Metellus  Erfolge  errungen.  Die  Doppel- 
schlacht am  Muthul,')  einem  Nebenfluß  des  Bagradas,  wo  Jugurtha  die  ge- 
trennten römischen  Streitkräfte  mit  Geschick  angriff,  aber  dann  doch  ge- 
schlagen wurde,  die  vergebliche  Belagerung  von  Zama  (Regia),  die  Eroberung 
der  Feste  Thala  durch  die  Römer  bilden  die  Hauptereignisse.  In  dem 
zwischen  den  Campagnen  liegenden  Winter  wurde  unterhandelt,  ohne  Re- 
sultat, da  Jugurtha  die  bedingungslose  Übergabe  ablehnte.  Die  Proviant- 
frage war  für  die  Römer  um  so  schwerer  zu  lösen,  je  länger  der  Krieg  sich 
hinzog.  Einer  entscheidenden  Schlacht  aber  wich  Jugurtha  aus,  belästigte 
jedoch  die  Römer  mit  seiner  überlegenen  Kavallerie  und  den  beweglichen 
Leichtbewaffneten.  Der  von  seinen  Landsleuten  opferfreudig  unterstützte 
Numider  fand  überdies  107  v.  Chr.  Bundesgenossen  an  den  Gätulern  und 
an  seinem  Schwiegervater  Bocchus  von  Mauretanien,  den  die  Gleichgültig- 
keit Roms  gegen  sein  Bündnisangebot  verstimmt  hatte.  Rom  hegte  den 
dringenden  Wunsch,  den  Krieg  zu  gutem  Ende  zu  bringen,  um  die  in 
Afrika  engagierten  Streitkräfte  frei  zu  bekommen.  Da  auch  Metellus  mit 
Jugurtha  nicht  fertig  wurde,  so  gab  man  ihm  einen  Nachfolger  in  dem 
hämo  uorus  C.  Marius.  Dieser  demokratisch  gesinnte,  aus  dem  Ritterstand 
hervorgegangene  Mann  hatte  seine  Laufbahn  unter  Scipio  vor  Numantia 
begonnen.    Als  Prätor    hatte  er  das  diesseitige  Spanien  verwaltet  und  sich 


1)  R.  Gehler,  Jahreshefte  des  österr.  arch.  lustit.  XII,  1909,  327  ff.,  XIII  257  ff. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§31.)      183 

zuletzt  als  Legat  des  Metellus  im  numidischen  Krieg  ausgezeichnet.  Dem 
schlichten,  aber  ehrgeizigen  Marius  schenkte  das  Volk  das  Vertrauen,  das 
sich  die  adligen  Offiziere  verscherzt  hatten,  und  so  wurde  er  denn  trotz 
allen  Hindernissen,  die  ihm  die  Optimaten  und  sein  Vorgesetzter,  Metellus, 
in  den  Weg  legten,  für  107  v.  Chr.  zum  Konsul  gewählt.  Ein  besonderes 
Gesetz  übertrug  ihm  das  Kommando  in  Numidien. 

Marius  brachte  ansehnliche  Verstärkungen  mit.  In  seinem  ersten  Feld- 
zug (106  V.  Chr.)  verdrängte  er  durch  methodische  Operationen  den  Feind 
fast  ganz  aus  dem  Land,  und  als  Jugurtha  und  Bocchus  einen  neuen  An- 
griff wagten,  wurden  sie  zweimal  geschlagen  (Herbst  106  v.  Chr.).  Diese 
Niederlagen  machten  den  Bocchus  geneigt,  seinen  Eidam  preiszugeben,  was 
Marius  bisher  vergeblich  angestrebt  hatte.  Nach  längeren  Unterhandlungen, 
die  im  Auftrag  des  Marius  sein  Quästor  L.  Cornelius  Sulla  führte,  ließ  sich 
Bocchus  bereit  finden,  den  Jugurtha  den  Römern  in  die  Hände  zu  spielen 
(Frühjahr  105  v.  Chr.).  Mit  der  Gefangennahme  Jugurthas  war  der  Krieg 
zu  Ende;  es  galt  nur  noch,  die  Verhältnisse  Numidiens  und  Afrikas  neu 
zu  ordnen,  was  im  Lauf  des  Jahres  105  v.  Chr.  geschah.  Numidien  kam  an 
einen  Enkel  Masinissas,  Gauda,  den  Sohn  Mastanabals;  abgetrennt  wurde 
die  Landschaft  der  Tripolis,  die  zur  Provinz  Afrika  geschlagen  wurde,  sowie 
das  westliche  Drittel  des  Königreichs,  mit  dem  Bocchus  belohnt  wurde, 
nachdem  bereits  vorher  Jugurtha  zu  dessen  Gunsten  darauf  verzichtet  hatte. 
Gegen  Ende  105  v.  Chr.  kehrte  Marius  nach  Rom  zurück,  wo  er  am 
1.  Januar  104  sein  zweites  Konsulat  antrat  und  am  selben  Tag  den  Jugurtha, 
der  dann  im  Kerker  hingerichtet  wurde,  im  Triumph  aufführte.^) 

31.  Die  Zeit  der  kimbrischen  Kriege.  Das  Gebiet  nördlich  der  Alpen, 
das  heutige  Süddeutschland  und  die  angrenzende  Donaulandschaft,  war  da- 
mals von  keltischen  Stämmen  bewohnt,  die  mit  Griechen  und  Römern  schon 
seit  langem  in  Handelsverkehr  standen.  Zwischen  Main  und  Rhein  saßen 
die  Helvetier  mit  ihren  vier  Gauen,  und  weiter  östlich  im  heutigen  Böhmen 
und  Mähren  die  Bojer,  ebenfalls  ein  mächtiger  Stamm  mit  großer  Klientel.  2) 
Diese  Gegenden  wurden  um  die  Zeit  des  jugurthinischen  Kriegs  durch  ein 
wanderndes  Kriegsvolk  heimgesucht,  durch  die  germanischen  Kimbern,  die 
vermutlich  aus  Nordalbingien  stammten,  wo  es  auch  später  noch  Kimbern 
gab.^)    Die  Kimbern  stießen  zuerst  auf  die  Bojer;  von  ihnen  abgeschlagen. 


')  Über  die  Chronologie  des  jugurthini-  Über  die  Wohnsitze  und  den  Namen  der 
sehen  Kriegs  vgl.  Mommsen,  Rom.  Gesch.  I  Kimbern,  Progr.  des  Luisengymnasiums, 
11^  149  Anm.  G.  Meinel,  Zur  Chronol.  des  Berlin  1904.  Den  besten  Bericht  über  die 
jugurth.  Krieges,  Progr.  Augsburg  1883.  Wanderung  der  Kimbern  gibt  Strabo  VII 
"■^)  Tacitus  Germ.  28.  '  293 nach Poseidonios.  Vgl.Plut.Mar.il.  Da 
')  Von  der  großen  Literatur  über  die  '  im  späteren  römischen  Sprachgebrauch, 
kimbrische  Wanderung  seien  genannt  besonders  bei  Caesar,  die  Kimbern  und 
Kaspar  Zeuss.  Die  Deutsclien  und  ihre  Teutonen  stets  zusammen  genannt  zu 
Nachbarstämme.  Müllenhoff,  Deutsche  werden  pflegen,  so  hat  man  ihnen  auch 
Altertumskunde  1476 f.  II 112  f.  Rud.Müch,  eine  gemeinschaftliche  Heimat  gegeben. 
Deutsche  Stammsitze  (aus  den  Beiträgen  !  Nach  Müllenhoff  sind  die  Teutonen  eine 
zur  Gesch.  der  deutschen  Sprache  und  keltische  Bezeichnung  der  Germanen  an 
Litteratur),  Halle  1892.  J. F. Makcks. Bonner  ;  der  Nordseeküste  In  Wahrheit  werden 
Jahrb.  95,  32  ff.  G.  Zippel,  Die  Heimat  der  !  in  den  älteren  Quellen  zuerst  nur  Kim- 
Kimbern,  Festschrift  des  kgl.  Friedrichs-  |  bern  genannt;  die  Teutonen  sind,  'wie 
Kollegium,  Königsberg  1892.  Fr. Matthias,  i   auch  Much    ausführt,    dieselben    wie    die 


184  Römische  Geschichte. 

kamen  sie  an  die  Donau,  zogen  abwärts  bis  zu  den  Skordiskern  im  nördlichen 
Illyrien  und  wandten  sich  von  hier  gegen  die  Taurisker  in  Noricum,  die 
jüngst  mit  den  Römern  Freundschaft  geschlossen  hatten.  Der  Konsul  Cn. 
Pajjirius  Carbo,  der  die  Alpenpässe  zu  decken  hatte,  veranlagte  die  Ein- 
dringlinge zur  Räumung  des  Gebietes  der  Taurisker.  Die  gutwillig  Ab- 
ziehenden griff  der  Konsul  bei  Noreia  treuloserweise  an,  holte  sich  aber 
eine  schwere  Niederlage.  Ein  Unwetter  bewahrte  das  römische  Heer  vor 
völliger  Vernichtung  (113  v.  Chr.). 

Nach  diesem  Sieg  hätten  die  Kimbern  in  Italien  einfallen  können,  aber 
statt  nach  Süden  wandten  sie  sich  nach  Westen;  so  gelangten  sie  zu  den 
Helvetiern,  deren  zwei  Gaue,  die  Teutonen  (Toygener)  und  Tiguriner  sich 
ihnen  anschlössen,  und  zu  den  drei  Völkern  trat  als  viertes,  wir  wissen 
nicht  wann,  die  Ambronen,  ein  keltischer  oder  germanischer  Stamm  un- 
bekannter Herkunft.  Um  111  v.  Chr.  überschritten  die  Kimbern  und  ihre 
Genossen  den  Rhein,  vielleicht  von  den  Sequanern  zu  Hilfe  gerufen,')  und 
setzten  bei  den  Galliern,  und  zwar  meist  jeder  Stamm  für  sich,  ihr  kriege- 
risches Wanderleben  fort.  Auch  im  Süden  Galliens,  in  der  Nähe  der  römi- 
schen Provinz,  tauchten  die  Kimbern  auf,  wobei  es  zu  einem  neuen  Zu- 
sammenstoß mit  den  Römern  kam.  109  v.  Chr.  wurde  Konsul  M.  Junius 
Silanus  von  ihnen  besiegt.  Die  Sieger  schickten  sogar  Gesandte  an  den 
Senat  und  erbaten  Land  zur  Besiedlung,  wurden  aber  abschlägig  beschieden, 
worauf  der  Krieg  seinen  Fortgang  nahm.  Konsul  L.  Cassius  Longinus  holte 
sich  von  den  Tigurinern,  denen  er  auf  dem  Rückzug  unvorsichtig  folgte, 
im  Gebiet  der  Nitiobrogen^)  an  der  Garonne  eine  Niederlage;  er  selbst  fiel 
und  sein  Heer  mußte  kapitulieren  (107  v.  Chr.).  Jetzt  übernahm  Q.  Servilius 
Caepio  den  Krieg,  ein  stolzer  Optimat  (106  v.  Chr.).  Er  brachte  das  ab- 
trünnige Tolosa  wieder  in  seine  Gewalt  und  entführte  dabei  die  ungeheuren 
Schätze  des  keltischen  Nationalheiligtums,  das  aurum  Tolosanuin,  angeblich 
150000  Talente  (=  707  Millionen  Goldmark). 3)  Im  nächsten  Jahr  (105  v.Chr.) 
erschien  außerdem  Konsul  Cn.  Mallius  Maximus  mit  frischen  Truppen  im 
Feld.  Auch  die  vier  Barbarenstämme  scheinen  sich  wieder  vereinigt  zu 
haben.  Am  6.  Oktober  105  v,  Chr.  wurden  bei  Arausio  die  beiden  römischen 
Heere    kurz    nacheinander   vernichtend    geschlagen.     Die    Römer   sollen    an 


von  Strabo  IV  183  und  VII  293  genannten  die  Poseidonios  sogar  mit  den  Kimmeriern 

Toygener  {TcovyEvoi),  also  ein  Gau  der  Hei-  zusammengebracht  hatte,  unter  den  ger- 

vetier.     Hierzu   stimmt   der   bei   Milten-  manischen  Stämmen  an  der  Nordseeküste, 

berg  am  Main  gefundene  Grenzstein  mit  die  dem  Kaiser  huldigten,  genannt  (Strabo 

der  Inschrift  infer  Toutonos  (CIL  XIII  2,  1    I  VII  293.    Bes  gestae  divi  Aug.  p.  104  Momm- 

nr.  6610),    aus   der  sich  ergibt,   daß  noch    :  sen);    nach    Müllenhoffs    unbeweisbarer 

später    sich    ein    Rest    dieses    Gaues    an  Annahme  hätten  die  germanischen  Kim- 

seinem    alten  Wohnsitze    erhalten  hatte.  bern,   deren  Namen  er  für  keltisch  hält, 

Die  Identität  der  Toygener  (Tougener)  mit  nicht  an  der  Unterelbe,  bezw.  in  Jütland, 

den  Teutonen    vertritt    auch   Ed.  Meyer,  sondern  weiter  südlich  an  der  mittleren 

Sitz.ber.  der  Berl.Ak.  1921,  750  ff.,  erblickt    '  Elbe  gesessen. 

aber  in  ihnen  im  Gegensatz  zu  Poseidonios  ')  Velleius  II  8,  3.    Strabo  IV  192. 

bei  Strabo   keinen    helvetischen   Stamm,  '^)  Nicht  bei  den  Allobrogern,  wie  man 

sondern   Germanen    von    der   friesischen  früher  nach  einer  unbeglaubigten  Lesart 

Nordseeküste,   von  wo   sie  wie  die  Kim-    :  bei  Livius  per.  65  annahm.  Vgl.  Mommsen, 

bern   und  Ambronen  durch  verheerende  Rom.  Gesch.  11^  178. 

Sturmfluten  vertrieben  worden  seien.  Zur  ^)  Strabo  IV  188.    Justin.  XXXII  3,  9  ff. 
Zeit  des  Augustus  werden  die  Kimbern,    | 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (*?  31.)      1^5 

60000  Mann^)  verloren  haben.  Die  Hauptschuld  an  dieser  Katastrophe  trugen 
persönliche  Antipathien,  die  ein  Zusammenwirken  der  beiden  Feldherren  un- 
möglich machten.  Wenn  auch  der  befürchtete  Einfall  der  Sieger  unterblieb, 
so  war  doch  die  nationale  Sorge  in  dem  trauernden  Italien  schwer  genug; 
sie  zu  bannen,  wählten  die  Bürger  gegen  das  Gesetz  den  Mann  des  all- 
gemeinen Vertrauens,  den  Marius,  der  soeben  den  jugurthinischen  Krieg  er- 
folgreich beendet  hatte,  bereits  wiederum  für  das  Jahr  104  v.  Chr.  zum 
Konsul  und  übertrugen  ihm  den  Kimbernkrieg. 

Marius  traf  umfassende  Rüstungen,  zu  denen  alle  Verbündeten,  auch  die 
Könige,  herangezogen  wurden.  Die  zahlreichen  Niederlagen  der  letzten  Zeit 
verraten  den  Verfall  und  die  Unzweckmäßigkeit  des  römischen  Heerwesens. 
Schon  im  dritten  makedonischen  Krieg  zeigen  sich  die  ersten  Symptome. 
Der  kriegerische  Geist  der  römischen  Bürgerschaft  war  mit  dem  Eindringen 
des  Hellenismus  und  der  Veränderung  der  wirtschaftlichen  Struktur  ge- 
sunken, die  Disziplin  der  Truppe  hatte  sich  gelockert.  Auch  die  allgemeine 
Dienstpflicht  liefs  sich  nicht  mehr  wie  früher  durchführen;  die  besitzenden 
Klassen  genossen  eine  bevorzugte  Stellung,  viele  Bürger  lebten  dauernd 
im  Ausland,  und  neben  der  Aushebung  nahm  der  Aufruf  Freiwilliger  immer 
größeren  Umfang  an.  Die  jährliche  Neubildung  der  Heere  war  bei  den 
langen  Kriegen  außerhalb  Italiens  nicht  mehr  möglich,  die  Soldaten  mußten 
jahrelang  bei  der  Fahne  bleiben  und  wurden  ganz  von  selbst  zu  Berufs- 
kriegern.   Diesen  Umständen  trug  Marius  mit  seiner  Heeresreform  Rechnung. 

Schon  im  jugurthinischen  Krieg  nahm  er  die  Soldaten  aus  den  untersten, 
unbemittelten  Klassen  der  Bürgerschaft; -)  daraus,  daß  der  Kriegsdienst  aus 
einer  bürgerlichen  Ehrenpflicht  zu  einem  Handwerk  wurde  und  der  alt- 
gediente Soldat  nach  der  Entlassung  von  seinem  General  eine  Zivilversorgung 
beanspruchte,  ergaben  sich  neue  politische  und  soziale  Probleme,  sowie  neue 
Versuche  zu  deren  Lösung.  Auch  nach  der  taktischen  Seite  hat  Marius 
das  Kriegswesen  zeitgemäß  reformiert.  Er  wird  es  gewesen  sein,  der  an 
Stelle  der  alten  Manipularordnung  der  Legion  die  Kohorte  zur  Kampf- 
einheit machte,  was  sie  bei  den  bundesgenössischen  Kontingenten  von  jeher 
gewesen  war.  Marius  gilt  als  Schöpfer  der  Kohortenformation,  die  ein 
beweglicheres  Manövrieren  auf  dem  Schlachtfeld  ermöglichte.^)  Auch  die 
Bewaffnung  hat  der  große  römische  Kriegsmeister  verbessert. 

Die  Kimbern  waren  nach  Spanien  gezogen,  die  anderen  Stämme  werden 
sich  in  Gallien  zerstreut  haben.  So  gewann  Marius  Zeit  in  Südgallien,  sein 
Heer  auf  den  bevorstehenden  Kampf  gründlich  vorzubereiten  (104  und  103 
V.  Chr.).  Da  die  Verbindung  mit  Italien  zur  See  aufrechterhalten  werden 
sollte,  so  wurde  zur  Erleichterung  der  Schiffahrt  der  Rhone  ein  neuer 
Mündungskanal  gegraben,^)  die  fos^a  Mariana.  Die  teilweise  verlorenen 
gallischen  Landschaften  suchte  Marius  zurückzugewinnen. 5)  Durch  geschickte 
Wahlmanöver  wußte  er  sich  das  Konsulat  auch  für  das  Jahr  102  v.  Chr.  zu 


1)  Diodor.  XXXVI  1 ;  vgl.  Granius  Licin.  kunst  I^  435.    Daß  es  Marius  war,  der  die 

p.  17,  ed.  Bonn.  j  Kohortentaktik  einführte,  ist  mit  großer 

-)  Plut.  Mar.  9;  vgl.  Sallust.  Jug.  84.  j  Wahrscheinlichkeit  zu  vei'muten. 

')  Marqüardt,    Eöm.  Staatsverwaltung  j  ^)  Strabo  IV  183. 

II- 435  ff.    Delbrück,    Gesch.  der   Kriegs-  |  ^)  Plutarch  Sulla  4. 


186  Römische  Geschichte. 

verscliaffen.  Dann  kehrten  die  Kimbern  aus  Spanien  zurück  und  alle  vier 
Barbarenstämme  vereinigten  sich  an  der  Rhone  mit  dem  Kriegsplan,  ge- 
trennt in  zwei  großen  Heerlinuf'en  in  Italien  einzufallen,  die  Teutonen  und 
Ambronen  durch  das  ligurische  Küstengebiet,  die  Kimbern  und  Tiguriner 
auf  dem  Umweg  über  Noricum.  Marius  eilte  von  Rom  aus  zum  Heer,  An 
der  unteren  Rhone  schlug  er  ein  befestigtes  Lager,  von  wo  aus  er  die 
Gegner  überwachte.  Sein  Kollege  Q.  Lutatius  Catulus  übernahm  den  Schutz 
der  Nordgrenze  Italiens.  Nachdem  die  Teutonen  und  Ambronen  das  Lager 
des  Marius  vergeblich  berannt  hatten,  zogen  sie  daran  vorüber,  um  den 
Vormarsch  nach  Italien  anzutreten.  Marius  folgte  dem  Feind;  bei  Aquae 
Sextiae  (Aix-les-Bains)  kam  es  zu  einem  Zusammenstoß  mit  den  Ambronen, 
die  den  Kürzeren  zogen.  Zwei  Tage  später  besiegte  Marius  die  Teutonen 
und  die  Ambronen  in  einer  großen  Schlacht  und  nahm  auch  ihr  Lager; ') 
die  Barbaren  wurden  getötet  oder  gefangen;  letzteres  Schicksal  erlitt  auch 
Teutobod,  der  König  der  Teutonen.  Das  fünfte  Konsulat  war  der  Dank 
des  Volkes  an  den  Sieger  Marius.  Inzwischen  hatten  im  Herbst  102  v.  Chr. 
die  Kimbern  unter  König  Boiorix  Oberitalien  erreicht.  Catulus  mußte  die 
Abwehrstellung  an  der  Etsch  aufgeben  und  sich  auf  die  Polinie  zurück- 
ziehen. Marius  begab  sich  nach  dem  Sieg  bei  Aquae  Sextiae  nach  Rom 
und  stieß  dann  mit  seinen  aus  Gallien  zurückgekehrten  Truppen  zu  Catulus. 
Auf  den  raudischen  Feldern  bei  Vercellae  wurden  am  30.  Quinctilis  (Juli) 
101  V.  Chr.  auch  die  Kimbern  vernichtend  geschlagen. 2)  Die  in  den  Alpen 
zurückgebliebenen  Tiguriner  vereinigten  sich  nach  der  Katastrophe  der  Kim- 
bern wieder  mit  den  übrigen  Helvetiern,  die  bald  darauf  ihren  früheren 
Wohnsitz  verließen  und  sich  in  der  Westschweiz  zwischen  Rhein  und  Jura 
festsetzten.  Marius,  als  Retter  des  Vaterlandes  und  zweiter  Romulus  ge- 
priesen, feierte  mit  Catulus  einen  prächtigen  Triumph. 

Gleichzeitig  mit  dem  Kimbernkrieg  war  auf  Sizilien  ein  neuer  großer 
Sklavenaufstand  ausgebrochen.  3)  Anläßlich  der  Rüstungen  des  Marius  kam 
die  skandalöse  Tatsache  ans  Licht,  daß  römische  Steuerpächter  aus  ver- 
bündeten Staaten  Asiens  viele  Menschen  entführt  und  als  Sklaven  verkauft 
hatten,  wodurch  die  Rekrutierung  der  bundesgenössischen  Kontingente  be- 
einträchtigt wurde.  Der  Senat  verfügte  die  Freilassung  der  Unglücklichen, 
von  denen  viele  nach  Sizilien  verschleppt  worden  waren.  Die  Sklavenhalter 
wußten  aber  die  weitere  Ausführung  des  Senatsbeschlusses  zu  hindern,  und 
nun  rotteten  sich  viele  Sklaven  beim  Heiligtum  der  Paliken  (am  lago  di 
Maffia  bei  Palagonia)  zusammen;^)  mehrere  Aufstände  waren  die  Folge 
der  Sklavenbewegung.  Der  erste  im  Westen  der  Insel  nahm  bald  ein  Ende. 
Eine  zweite  Erhebung  in  der  Gegend  von  Henna  gewann  größere  Aus- 
dehnung;   es    sammelten    sich    an  20000    bewaffnete  Sklaven:    zum  Führer 

')  Michel  Clerc,  La  hataille  d'Aix,  äudes 
C7-Üiques  snr  la  campagne  de  Marius  en  Pro- 
vence.   Paris  1906. 

'-)  Plutarch  Mar.  25  f.  Der  Bericht  über 
die  Schlacht  geht  teilweise  auf  die  Me- 
moiren des  Sulla  zurück,  der  das  Ver- 
dienst des  Catulus  auf  Kosten  des  auch 
sonst  von  der  Überlieferung  benachteilig- 
ten Marius  vergröf3erte. 


n  Diodor  XXXVI  3  f.  Vgl.  Holm,  Gesch. 
Siziliens  III  114  f.  Auch  in  Kampanien 
entstand  um  dieselbe  Zeit  ein  Sklaven- 
aufstand unter  Führung  des  römischen 
Ritters  T.  Vettius.    Diodor  XXXVI  2. 

••)  Das  Palikenheiligtum  war  für  Schutz 
suchende  Sklaven  besonders  bestimmt. 
Holm,  Gesch.  Siziliens  I  75.  Macrob.  sat. 
V  19,  15. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§31.)      187 

wurde  ein  gewisser  Salvius  gewählt,  der  Morgantine  belagerte  und  den  zum 
Entsatz  heranziehenden  römischen  Prätor  schlug,  worauf  er  unter  dem  Namen 
Tryphon  den  Königstitel  annahm  und  sieh  in  Triokala  eine  Eesidenz  baute. 
Ein  zweiter  Führer,  der  sich  bei  Lilybaeum  erhob,  der  Kiliker  Athenion. 
ein  Mann  von  Einsicht  und  Mäßigung,  nannte  sich  ebenfalls  König,  ordnete 
sich  aber  dann  dem  Try2:>hon  unter,  um  nach  dessen  Tod  (102  v.  Chr.)  die 
Leitung  des  Aufstandes  zu  übernehmen.  Zur  Unterdrückung  der  Revolte 
ging  103  V.  Chr.  L.  Licinius  Lucullus  mit  ansehnlicher  Macht  nach  Sizilien: 
er  schlug  zwar  das  Sklavenheer  in  offener  Feldschlacht,  konnte  aber  Trio- 
kala nicht  nehmen.  Noch  weniger  richtete  sein  Nachfolger  C.  Servilius  aus: 
Athenion  konnte  ganz  Sizilien  durchziehen  und  hätte  sich  beinahe  Messanas 
bemächtigt.  Erst  nach  Beendigung  des  Kimbernkrieges  gelang  es  dem  Kol- 
legen des  Marius,  dem  kriegskundigen  Konsul  M.'  Aquillius,  den  Athenion 
in  der  Schlacht  im  Zweikampf  zu  töten  und  dann  die  Empörung  nieder- 
zuwerfen (101/100  v.  Chr.). 

Die  Bedrängnis  Roms  durch  die  Kimbern  machte  sich  auch  in  den  Pro- 
vinzen fühlbar,  am  unmittelbarsten  in  Spanien,  das  unter  den  Raubzügen 
der  Barbaren  jahrelang  zu  leiden  hatte,  ohne  von  Rom  geschützt  zu  werden. 
Nur  die  Keltiberer  vermochten  die  Eindringlinge  zurückzuschlagen.  In  der 
Folge  machten  den  Römern  Keltiberer  und  Lusitaner  zu  schaffen.  Bemerkens- 
wert sind  die  mit  brutaler  Grausamkeit  geführten  Kämpfe  des  Prokonsuls 
T.  Didius  gegen  die  Arevaker  und  andere  Keltiberer  (97  v.  Chr.);  auch  sein 
Nachfolger,  C.  Valerius  Flaccus,  hatte  noch  mit  ihnen  zu  tun.^)  In  der 
jenseitigen  Provinz  regten  sich  die  Lusitaner;  P.  Licinius  Crassus,  Konsul 
97  v.Chr.,  hat  93  v.  Chr.  über  sie  triumphiert. 2)  Von  geringer  Bedeutung 
war  ein  Krieg  des  Konsuls  L.  Licinius  Crassus  gegen  die  Alpenvölker  (95 
V.  Chr.).  3)  Weit  ernster  waren  die  Angriffe,  denen  die  Provinz  Makedonien 
von  den  thrakischen  und  gallischen  Stämmen,  besonders  den  Skordiskern 
und  Mädern,  ausgesetzt  war;  auch  lUyrien  hatte  von  den  Skordiskern  viel 
zu  leiden.^)  Das  Aufgebot  der  Provinz  genügte  nicht  und  so  mußten  die 
Römer  des  öfteren  Truppen  dorthin  detachieren.  11-1  v.  Chr.  erlitt  C.  Por- 
cius  Cato,  als  er  die  Skordisker  in  ihrem  Land  aufsuchte,  eine  schimpfliche 
Niederlage;  erst  112  v.  Chr.  erzwang  M.  Livius  Drusus  durch  einen  sieg- 
reichen Angriff  den  Frieden.-'')  Mit  ähnlichem  Erfolg  kämpften  die  Kon- 
suln C.  Caecilius  Metellus  in  Thrakien  (113  v.  Chr.)  und  M.  Minucius  Rufus*^) 
gegen  Thraker  und  Skordisker  (110  und  109  v.  Chr.).  Hervorhebung  ver- 
dient der  Feldzug  des  T.  Didius,  der  (um  101  v.  Chr.)  einige  Teile  Thrakiens 
dauernd  erworben  und  zur  Provinz  geschlagen  haben  mufs.'')  Trotzdem  gab 
es  keine  Ruhe:  97  v.  Chr.  wurden  Mäder  und  Dardaner  bekriegt,  und  be- 
sonders heftig  waren  die  Angriffe  der  Barbaren  in  den  Jahren  92 — 88 
V.  Chr.,    in    deren  Verlauf  sie    sogar    in  Griechenland    eindrangen    und    das 

^)  Appian  Iber.  99  f.  ^)  Ein  Siegesdenkmal  des  Minucius  aus 


^)  Vgl.  Strabo  III  176. 

')  Cic.  de  invent.  11  111:  in  Pison.  62; 
Val.  Max.  III  7  6. 

r)  Strabo  VII  318.  327.  Vgl.  oben  S.  179. 

'=)  Er  triumphierte  am  I.Mai  110  v.Chr. 
CIL  12  49.  177. 


Delphi  SIGII^nr,  710.  Minucius  hat  trium- 
phiert.  Vell.  Pat.  II  8.  3. 

')  F.  Münzer,  PW  V  407  f.  Dazu  eine 
delphische  Inschrift,  von  der  in  den 
Comptes  rendus  de  Vacademie  des  hiso-.  vom 
7.  Oktober  1904  p.  5-32  f.  berichtet   wird. 


188  Römische  Geschichte. 

Zeusheiligtum  von  Dodona')  plünderten.  Nur  mit  Mühe  erwehrte  sich  ihrer 
der  Prätor  C.  Sentius  Saturninus.^)  Im  Osten  machten  sich  seit  längerem 
die  Seeräuber  lästig.  Sie  waren  im  Taurosgebiet  beheimatet,  im  westlichen 
Kilikien  und  im  benachbarten  Pisidien  und  I^imphylien,  Landschaften,  die 
einst  zum  pergamenischen  Reich  gehört  und  dann  von  Rom  die  Freiheit 
erhalten  hatten.  Die  Piraten  verlegten  sich  vor  allem  auf  den  höchst  ein- 
träglichen Menschenraub,  fanden  sie  doch  auf  dem  Sklavenmarkt  in  Delos 
stets  Absatz  für  die  von  den  Römern  begehrte  Ware.-^)  102  v.  Chr.  wurde 
der  Prätor  M.  Antonius  beauftragt,  gegen  die  Seeräuberplage  einzuschreiten; 
er  züchtigte  die  Piraten;  seine  Eroberungen  bildeten  den  Grundstock  der 
späteren  Provinz  Cilicia.^) 

Die  unfähigen  und  gewissenlosen  Feldherren,  deren  Schuldkonto  der 
jugurthinische  und  der  kimbrische  Krieg  so  schwer  belastete,  waren  durch- 
weg aus  den  Reihen  der  Optimaten,  der  Gegner  der  gracchischen  Partei, 
hervorgegangen.  Da  war  es  kein  Wunder,  wenn  das  Ansehen  der  herr- 
schenden Aristokratie  sank,  während  die  Popularpartei  sich  erholte;  dals 
der  Retter  Roms,  Marius,  ihr  angehörte,  steigerte  ihre  politische  Stofekraft. 
In  zahlreichen  Prozessen  wurden  die  Feldherren,  die  im  jugurthinischen, 
kimbrischen  und  sizilischen  Krieg  versagt  hatten,  zur  Rechenschaft  gezogen. 
Die  heftigsten  Angriffe  richteten  sich  gegen  Q.  Servilius  Caepio,  der  als 
eifriger  Optimat  in  seinem  Konsulat  (106  v.  Chr.)  ein  für  den  Senat  vorteil- 
haftes Richtergesetz  durchgebracht  hatte.  Nach  der  Niederlage  bei  Arausio, 
an  der  er  die  Hauptschuld  trug,  wurde  er  durch  Volksbeschluß  zunächst 
aus  dem  Kommando,  später  auch  aus  dem  Senat  entfernt.  Als  dritter 
Schlag  traf  ihn  eine  Anklage  auf  Unterschlagung  des  tolosanischen  Goldes; 
das  Urteil  in  diesem  Sensationsprozeß  lautete  auf  Verbannung  und  Ver- 
mögenskonfiskation (103  V.  Chr.).^)  Mehrere  optimatenfeindliche  Gesetze 
wurden  angenommen,  so  die  eben  auf  Caepio  gemünzte  lex  Cassia,  laut 
deren  ein  vom  Volk  verurteilter  oder  abgesetzter  Beamter  für  immer  seines 
Senatssitzes  verlustig  ging  (104  v.  Chr.),  und  die  lex  Doinifia,  durch  welche 
für  die  Pontifices  und  Augures  an  Stelle  der  bisher  üblichen  Kooptation 
die  Volkswahl  trat.*')  Der  Antragsteller,  Cn.  Domitius,  wurde  selbst  der 
erste  gewählte  Pontifex  maximus.  Als  Wortführer  der  Popularpartei  tat 
sich  L.  Appuleius  Saturninus  hervor,  ein  ebenso  beredter,  wie  gewalttätiger 
Demagog,  der  schon  in  seinem  ersten  Volkstribunat  103  v.  Chr.  die  Wieder- 
wahl des  Marius  betrieben  hatte. '^)  Als  dann  dieser  sein  Parteifreund  nach 
Rom  zurückkehrte  und  für  das  Jahr  100  v.  Chr.  sein  sechstes  Konsulat  er- 
hielt,^) kam  es  zu  Unruhen.    Man  erwartete  von  Marius  wichtige  Reformen. 


')  Cass.  Dio  fr.  101,  2  (I  p.  344:  ed.  Boiss.). 
'')  G.  ZippEL,  Illyrien  unter  röm.  Herr- 
schaft S.  142  f. 


familien,  Stuttgart  1920,  288  ff. 

«)  Ascon.    p.  78.  81.    Velleius  II  12,  B, 
vgl.  oben  S.  171. 


')  Strabo  XIV  668.  ')  F.  von   der   Muehll,    De   L.  Appuleio 


■*)  Liv.  per.  68.  Auf  die  Seeräuber  be- 
zieht sich  die  S.  187  Anm.  7  erwähnte 
delphische  Inschrift,  ein  Senatsbeschluß 
aus  dem  sechsten  Konsulat  des  Marius 
100  V.  Chr. 


Satitrnino  tr.  pl.,  Diss.  Basel  1906.  F.  W. 
Robinson,  Marius  Saturninus  u.  Glaucia, 
Jenaer  bist.  Arbeiten  III.  Bonn  1912.  Ne- 
ben den  Berichten  der  Historiker  kommt 
Ciceros  Eede  pro  Rahirio  §  18  1X.  als  Quelle 


'"•)  MoMMSEN,  Rom.  Gesch.  II  182  Anm.;       in  Betracht 
F.  Münzer,    Röm.  Adelsparteien  u.  Adels-    \        >*)  E.Bapdey,  Das  6.  Konsulat  des  Marius, 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§31.)      189 

Saturninus,  der  abermals  für  Marius  agitiert  hatte,  wurde  ebenfalls  für  das 
Jahr  100  v.  Chr.  zum  Volkstribun  gewählt,  nachdem  einer  seiner  Mitbewerber 
im  Wahlkampf  erschlagen  worden  war.  Sein  gleichgesinnter  Genosse  C.  Ser- 
vilius  Glaucia  wurde  Prätor.  Im  Einvernehmen  mit  dem  politischen  Neu- 
ling Marius  brachte  Saturninus  eine  Reihe  von  Anträgen  ein,  in  denen  er 
die  gracchischen  Gesetze  kopierte,  so  ein  Getreide-  und  ein  Ackergesetz;  M 
letzteres  verfügte  naiverweise  über  das  von  den  Kimbern  vorübergehend 
überflutete  Gebiet  freier  gallischer  Stämme,  das  zwar  von  Marius  gesäubert, 
aber  keineswegs  erobert  war;  avifaerdem  waren  Kolonien  in  Sizilien,  Achaia 
und  Makedonien  in  Aussicht  genommen.  Der  eigentliche  Zweck  dieser  An- 
träge war  die  Versorgung  der  Veteranen  des  Marius;  neben  den  Bürgern 
sollten  auch  die  Bundesgenossen  berücksichtigt  werden.  Die  besitzenden 
Schichten  der  Bürgerschaft,  vor  allem  die  Ritter,  bildeten  diesmal  mit  dem 
Senat  und  den  Optimaten  eine  gemeinsame  Front  gegen  die  demagogischen 
Uto]3ien  des  Saturninus.  Aber  da  die  Radikalen  um  Appuleius,  vor  allem 
die  Veteranen  des  Marius,  mit  ihren  Fäusten  die  Volksversammlung  be- 
herrschten, so  gingen  die  Gesetze,  wenn  auch  auf  höchst  tumultuarische 
Weise,  durch.  Das  Ackergesetz  enthielt  eine  heimtückische  Klausel,  der- 
zufolge  jeder  Senator  auf  dieses  Gesetz  vereidigt  werden  sollte.  Nur  Q.  Cae- 
cilius  Metellus  (Numidicus)  hatte  die  Zivilkurage,  diesen  Schwur  zu  ver- 
weigern, worauf  er  verbannt  wurde.  Appuleius  wurde  seinem  Wunsch 
gemäfs  auch  für  das  folgende  Jahr  wiedergewählt;  sein  KumjDan  Glaucia 
kandidierte  für  das  Konsulat;  beim  Wahlakt  wurde  sein  Rivale  C.  Mem- 
mius  kurzerhand  erschlagen.  Dieser  Terrorismus  veranlagte  den  Senat,  durch 
das  solutus  consultum  ultinnim  den  Belagerungszustand  zu  verhängen.  Jetzt 
mu&te  Marius  als  Vertreter  der  Regierungsautorität  gegen  seine  Partei- 
freunde die  ordnungsliebenden  Elemente  der  Bürgerschaft  zu  den  Waffen 
rufen.  Saturninus  und  Glaucia  wurden  mit  ihrer  extremen  Gefolgschaft  nach 
einer  förmlichen  Schlacht  auf  dem  Forum  auf  das  Kapitol  zurückgeworfen, 
zur  Ergebung  genötigt  und  schließlich  von  fanatischen  Gegnern  gelyncht 
(10.  Dezember  100  v.  Chr.).  Marius  hatte  seine  Freunde  nicht  retten  können. 
Die  Gesetze  des  Saturninus,  von  denen  nur  ein  Bruchteil  zur  Ausführung 
gelangt  war,  wurden  kassiert;^)  die  Wiederaufnahme  der  Ackergesetze  durch 
Sex.  Titius,  den  Tribunen  des  Jahres  99,  blieb  ohne  Wirkung.  Gegen  die 
Anhänger  des  Saturninus  wurde  in  der  Folge  ein  Prozeßkrieg  eröffnet; 
sogar  die  Verurteilung  Caepios  suchte  die  Reaktion  zu  rächen.  Metellus 
wurde  durch  Volksbeschluß  aus  dem  Exil  zurückgerufen  (99  v.  Chr.). 3)  Der 
als  Politiker  unmöglich  gewordene  Marius  entzog  sich  der  peinlichen  Lage 


EostockerDiss.,  Brandenburg  1884,  betont,  18.  Jahrh.    gefundenen    Bronzetafel    von 

daß  die  Tradition  über  die  Unruhen  des  !  Bantia  (CIL  I^  nr.  582  =  Bruns^  S.  53  ff.), 

J.  100  zu  Ungunsten  der  Populären  gefärbt  i  was  viel  für  sich  hat.    Vgl.  A.  Rosenberg, 

ist.  Aber  daß  Saturninus  und  Glaucia  Ge-  '  Einleitung   und    Quellenkunde  zur   röni. 


walt  anwandten  und  sich  dadvu'ch  viele 
ihrer  Anhänger  entfremdeten,  bleibt  be- 
stehen. 

')  R.  Masohke,    Zur   Theorie   u.  Gesch. 
der  röm.  Agrargesetze  1906,  105  ff.  identi- 
fiziert die  lex  agraria  des  Saturninus  mit   '    bell.  civ.  I  33 
dem  lateinischen  Teil  der  gegen  Ende  des 


Geschichte  30.  33. 

2)  Vielleicht  ist  die  Gründung  der  Ko- 
lonie Eporedia,  modern  Ivrea  (100  v.  Chr., 
Vell.  I  15,  5),  durch  sie  vei'anlaßt. 

3)  Diodor   fr.  XXXVI  16;    vgl.  Appian 


190  Römische  Geschichte. 

durch  eine  Gesandtschaftsreise  nach  Asien,  wo  er  besonders  mit  Mithridates 

zu  unterhandeln  hatte.    Die  Optimaten  hatten  auf  der  ganzen  Linie  gesiegt. 

32.  Das  Tribunal  des  Livius  Drusus  und  der  Bundesgenossenkrieg. 

Der  ]>lock,  don  Senat  und  iiitterstand  gegen  das  revolutionäre  Treiben  des 
Saturninus  gebildet  hatten,  zerschellte  an  dem  Widerstreit  der  Interessen. 
Die  Ritter  trieben  nämlich  mit  dem  Richtoramt  nicht  weniger  egoistischen 
Mißbrauch  als  zuvor  die  Senatoren;  dadurch,  daß  diese  parteiischen  Richter 
sich  stets  auf  die  Seite  ihrer  Standesgenossen,  der  Steuerpächter,  schlugen, 
wurden  die  senatorischen  Statthalter  so  eingeschüchtert,  daß  sie  zu  der  Be- 
drückung der  Provinzialen  schweigen  lernten.  Am  skandalösesten  offen- 
barte sich  die  Parteilichkeit  der  Rittergerichte  in  dem  Fall  des  Konsulars 
P.  Rutilius  Rufus,  der  als  Legat  seines  Freundes  Q.  Scaevola  sich  in  Asien 
der  Provinzialen  angenommen  hatte. ^)  Die  Steuerpächter  rächten  sich  durch 
eine  grundlose  Anklage  gegen  Rutilius  wegen  angeblichen  Unterschleifs, 
und  trotz  notorischer  Unschuld  wurde  der  verdiente  Mann  verurteilt  (92 
V.  Chr.);  er  ging  ins  Exil  nach  Smyrna,  wo  er  die  Geschichte  seiner  Zeit 
schrieb.  Sein  Neffe,  der  schwerreiche  M.  Livius  Drusus,  2)  der  für  das  Jahr 
91  V,  Chr.  zum  Volkstribunen  gewählt  war,  wagte  einen  energischen  Vor- 
stoß gegen  die  Rittergerichte,  die  von  Q.  Servilius  Caepio,  dem  Sohn  des 
bei  Arausio  geschlagenen  Prokonsuls,  und  L.  Marcius  Philippus  verteidigt 
wurden.  Livius  Drusus  schlug  vor,  die  Gerichtsbarkeit  dem  Senat  zurück- 
zugeben, diesen  aber  durch  die  Aufnahme  von  300  Rittern  auf  die  Normal- 
zahl von  600  Mitgliedern  zu  ergänzen.  Ein  zweiter  Antrag  stellte  die  Be- 
stechlichkeit der  Richter  unter  Strafe  und  forderte  für  die  einschlägigen 
Fälle  einen  besonderen  Gerichtshof  (quaestio).  Um  sich  für  seine  Entwürfe 
die  Stimmen  der  unteren  Klassen  zu  sichern,  beantragte  der  Tribun  in 
agitatorischer  Absicht  außerdem  ein  Getreide-,  ein  Acker-  und  ein  Kolonie- 
gesetz. Überdies  verbündete  er  sich  mit  den  italischen  Bundesgenossen,  die 
ja  seit  der  Gracchenzeit  mehrfach  in  die  innerpolitischen  Kämpfe  Roms 
mitverwickelt  worden  waren.  Sie  waren  vor  einigen  Jahren  (95  v.  Chr.) 
durch  ein  Gesetz  der  Konsuln  L.  Licinius  Crassus  und  Q.  Mucius  Scaevola 
[lex  Llcinla  Mucia  de  civihus  reginidis)^)  betroffen,  das  vielen  von  ihnen  das 
römische  Bürgerrecht  verschloß  und  eine  Reihe  von  Prozessen  hervorrief. 
Mit  Ausnahme  der  Umbrer  und  Etrusker  verbanden  sich  die  Italiker  auf 
Gedeih  und  Verderb  in  eidlich  bekräftigtem  Freundschaftsvertrag  mit  Drusus.^) 
Der  Tribun  verhieß  ihnen  das  Bürgerrecht  und  fügte  diesen  Antrag  den 
übrigen  hinzu.  Unter  harten  Kämpfen  setzte  er  seine  Vorschläge  durch; 
er  vereinigte  nämlich  die  verschiedenen  Anträge,  was  gesetzlich  verboten 
war,  zu  einem  Gesetzesstrauß,  über  den  en  bloc  {per  saiurain)  abgestimmt 
wurde.  Den  Widerstand  der  Gegner  brach  er  mit  Gewalt.  Aber  die  Mehr- 
heit des  Senats  unter  Führung  des  Konsuls  L.  Marcius  Philippus,  und  unter- 
stützt von  anderen  Tribunen,  wandte  sich  gegen  ihn.     Seine  Gesetze  wurden 

')  Diodor  XXXVII  5.  ■•)  Ihr  Eid  bei  Diodor  XXXVII  11.   Die 

')  Sein  Vater  war  der  oben  S.  176  f.  ge-    i    von    Mommsen    bezweifelte    Echtheit    der 
nannte  Gegner  des  C.  Gracchus.   Konsul    ;    Formel    wird    von  W.  Steehl,    M.  Livius 


I 


112,    Zensor  109  v.  Chr.    Vgl.  F.  Münzer, 
Rom.  Adelsparteien  299. 

')  Asconius  p.  67.    Cicero  pro  Balbo  48. 


Drusus,    Diss.  Marburg  1887,    31  ff.    und 
0.  HmscHFELD,  Kl.  Sehr.  288  ff.  verteidigt. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    *§  32.)      191 

vom  Senat  für  ungültig  erklärt,  er  selbst,  der  letzte  der  großen  Tribunen, 
endete  noch  vor  Ablauf  seines  Amtsjahres  durch  Meuchelmord.^)  Auf  An- 
trag des  Tribunen  Q.  Varius  ging  man  gegen  die  unruhigen  Bundesgenossen 
und  ihre  Freunde  in  Rom  mit  Untersuchungen  und  Strafen  vor.  Der  Tod 
ihres  Anwalts  Drusus  gab  den  Italikern  das  Signal  zum  Abfall:  der  Bundes- 
genossenkrieg brach  los.^) 

Auch  abgesehen  von  den  Staatsverträgen  standen  die  Italiker  zu  Rom  und 
seinen  Bürgern  in  den  mannigfachsten  Beziehungen  ideeller  wie  materieller 
Natur.  Man  hatte  zusammen  gekämpft  und  Geschäfte  gemacht,  Freund- 
schaften und  Heiraten  geschlossen.  Wie  sich  viele  Bundesgenossen  in  Rom 
ansiedelten,  so  wohnten  in  italischen  Städten  römische  Bürger.  Von  den 
Gemeinden  der  Italiker  standen  nicht  wenige  in  Blüte;  man  partizipierte 
an  den  wirtschaftlichen  Vorteilen  der  Weltherrschaft;  italische  Kaufleute, 
mit  den  Römern  zusammen  als  Italici  bezeichnet,  machten  sich  in  den  aus- 
wärtigen Handelsplätzen,  auf  Delos,  in  Asien  usw.  heimisch  und  genossen 
dieselben  Vorrechte  wie  die  römischen  Bürger.  Rascher  als  die  Römer  er- 
schlossen sich  die  Italiker  griechischer  Sitte  auch  im  öffentlichen  Leben, 
und  mit  griechischen  Gemeinden  bestand  freundschaftlicher  Verkehr.  In 
politischer  Hinsicht  waren  sie  freilich  den  Römern  gegenüber  im  Nachteil. 
Sie  mußten  das  größere  Kontingent  zu  den  Heeren  stellen  und  wurden 
bei  der  Verteilung  der  Beute  nicht  dementsprechend  berücksichtigt;  der 
Löwenanteil  an  den  Früchten  der  Weltherrschaft  blieb  den  cives  Romanl 
vorbehalten.  Unter  der  Willkür  römischer  Beamter  hatten  die  Italiker 
gelegentlich  zu  leiden ;  ^)  doch  waren  sie  solchen  Übergriffen  nicht  schutzlos 
preisgegeben;  denn  sie  fanden  einen  Rückhalt  an  dem  persönlichen  Ver- 
hältnis der  Gastfreundschaft  und  Klientel,  in  dem  viele  angesehene  Fami- 
lien zu  vornehmen  Häusern  Roms  standen. 

Durch  die  gracchischen  Agrargesetze  wurden  die  Bundesgenossen  in  die 
innere  Politik  Roms  hineingezogen,  zuerst  von  Scipio  Aemilianus  (oben 
S.  174);  etwas  später  hatten  Fulvius  Flaccus  und  C.  Gracchus  die  ernst- 
liche Absicht,  ihnen  ganz  oder  teilweise  den  Zutritt  zum  römischen  Bürger- 
recht zu  eröffnen  oder  doch  zu  erleichtern.  Ihre  alte  und  feste  Verbindung 
mit  den  Römern  gab  ihnen  politischen  Einfluß  auf  die  Bürgerschaft,  und 
sie  fanden  sich  daher  bei  wichtigen  Abstimmungen  mitunter  zur  Mitwirkung 
ein.  Auch  die  Optimaten  bedienten  sich  ihrer  Hilfe;'*)  denn  die  Bestrebungen 
der  Bundesgenossen  deckten  sich  keineswegs  mit  dem  Programm  der  römi- 
schen Popularpartei;  die  Ausführung  der  Ackergesetze  drohte  sie  eher  zu 
benachteiligen,  und  wenn  sie  die  Agrarpläne  des  Drusus  unterstützten,  so 
geschah  es  nur  in  der  Hoffnung  auf  das  ersehnte  Bürgerrecht.  Aber  weite 
Kreise  der  römischen  Bürger  wollten  von  einer  Gleichstellung  der  Italiker 


')   Die   mangelhafte    Überlieferung   er-  Dazu  komzneu  wichtige  Auszüge  aus  Dio- 

schwert  das  Urteil   über  Charakter,   Mo-  j    dor,  die  Beste  der  livianischen  Erzählung, 

tive   und  Ziele   des  Livius  Drusus.    Vgl.  Velleius  und  einzelne  Beiträge  in  Plutarchs 

P.  A.  Seymour,   Erujl.  liistorical  revieio  24,  i    Biographien,  außer  gelegentlichen  Notizen. 

1914.  417  ö'.  Vgl.  oben  S.  158. 

-)  Die  einzige  erhaltene  Darstellung  des  :        ^)  Beispiele  aus  einer  Rede  des  C.  Grac- 

Bundesgenossenkrieges     im     Zusammen-  chus  bei  Gellius  N.  A.  X  3. 

hang  findet  sich  bei  Appian  b.  civ.  I  39  ff.  |        *)  Sallust  Jug.  40,  2. 


192  Römische  Geschichte. 

nichts  wissen.  Als  nun  der  Tod  des  Drusus  jene  Hoffnung  vernichtet  hatte 
und  auf  Grund  des  Varischen  Gesetzes  die  Untersuchungen  in  den  italischen 
Gemeinden  begannen,  verständigten  sich  die  Italiker  über  eine  gemeinsame, 
mit  den  Waffen  zu  führende  Gegenaktion.  Der  eigentliche  Aufstand  be- 
gann mit  der  Ermordung  eines  römischen  Untersuchungsbeamten  in  Asculum 
Picenum.  Die  wehrhaften  und  volkreichen  Stämme  Mittelitaliens,  Marser, 
Picenter  und  Paeligner  fielen  zuerst  ab,  und  die  Marser  haben  dem  nun- 
mehr beginnenden  Krieg,  dem  bellum  Marsiciini,  den  Namen  gegeben;  auch 
Unteritalien  schloß  sich  an.  Die  Aufständischen  forderten  zunächst  vom 
Senat  das  Bürgerrecht;  als  dies  abgelehnt  wurde,  erklärten  sie  den  Abfall 
und  richteten  sich  einen  Bundesstaat  ein,  zu  dessen  Mittelpunkt  Corfinium, 
eine  Stadt  im  Land  der  Paeligner,  bestimmt  wurde.  Die  Geschäfte  leitete 
ein  Senat  von  Fünfhundert,  aus  dem  wiederum  ein  Ausschuß  gebildet  wurde; 
als  Jahresbeamte  fungierten  zwei  Konsuln  oder  Imperatoren  und  zwölf  Prä- 
toren. Diese  Verfassung,  die  an  griechische  Vorbilder,  wie  den  ätolischen 
oder  böotischen  Bund,  erinnert,  gibt  für  Italien  das  erste  Beispiel  eines 
Repräsentativsystems,  da  in  dem  Senat  Vertreter  aller  von  Rom  abgefallenen 
Gemeinden  saßen.  Die  Italiker  schlugen  Münzen  nach  römischem  Fuß  mit 
lateinischer  oder  oskischer  Aufschrift.^)  Fast  ganz  Mittel-  und  Unteritalien 
befand  sich  im  Aufstand,  besonders  das  Gebiet  der  sabellischen  Stämme. 
Es  war  ein  Glück  für  Rom,  daß  die  latinischen  Städte  im  ganzen  treu 
blieben,  ebenso  die  griechischen  Städte  Unteritaliens  und  der  gesamte  Norden, 
sowohl  das  ehemals  gallische,  jetzt  römische  oder  latinische  Gebiet,  als  auch 
Etiairien  und  Umbrien. 

Die  Streitkräfte  der  beiden  Parteien,  die  sich  jetzt  in  einem  erbitterten 
und  verlustreichen  Kampf  von  gewaltigem  Umfang  maßen,  waren  annähernd 
gleich.  Das  Heerwesen  in  allen  Einzelheiten  war  bei  den  Bundesgenossen 
längst  nach  römischem  Muster  geregelt.  Die  Römer  geboten  über  die  reicheren 
Mittel:  die  Provinzen  und  die  auswärtigen  Verbündeten  standen  zu  ihrer 
Verfügung.  Sie  boten  Gallier  und  Numider  auf  und  Kriegsschiffe  aus  dem 
griechischen  Osten ;  ^)  Rom  beherrschte  die  See.  Die  Insurgenten  dagegen 
scheinen  zunächst  besser  vorbereitet  gewesen  zu  sein;  an  kriegerischer 
Tüchtigkeit  waren  sie  den  Römern  gewachsen  und  es  gebrach  ihnen  auch 
nicht  an  erfahrenen  Führern,  die  unter  Marius  das  Kriegshandwerk  gelernt 
hatten.  Ihre  Imperatoren,  der  Marser  Q.  Pompaedius  Silo  und  der  Samnite 
C.  Papius  Mutilus,  machten  sich  einen  großen  Namen.  Auf  römischer  Seite 
übernahmen  neben  den  Konsuln  Marius  und  die  Feldherren  seiner  Schule 
die  Leitung. 

Im  Jahr  91  v.  Chr.  war  der  Aufstand  ausgebrochen;  im  folgenden  Jahr 
begann  der  eigentliche  Krieg  mit  Rom.  Silo  befehligte  die  Heere  nördlich 
vmd  östlich  von  Latium,  während  Mutilus  im  Süden  kommandierte.  Gegen 
jenen  stand  der  Konsul  P.  Rutilius  Lupus  im  Feld,  unterstützt  von  Marius 
und  mehreren  anderen  Legaten :  auf  dem  südlichen  Kriegsschauplatz  operierte 
der  Konsul  L.  Julius  Caesar,  zu  dessen  Legaten  L.  Cornelius  Sulla  gehörte. 

n  Strabo  V  241.    Diodor  XXXVII  2,  4.    \    (Kgl.  Museen  zu  Berlin)  III  1.  57. 
Appian  b.  civ.  I  39  f.     Über  die  Münzen  •')    S.  C.  de   Asclepiade  CIL   I^  .588  = 

vgl.  Beschreibung    der    antiken    Münzen   {    Brüns' nr.  41,  Memnou  p.  230  a  SOBekker. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§32.)      193 

Die  Hauptstadt  Rom  war  bedroht;  ihre  Mauern  und  Tore  mußten  besetzt 
werden;  zum  Schutz  von  Latium  wurden  zum  erstenmal  auch  Freigelassene 
ausgehoben.  Der  Konsul  Caesar  versuchte  von  Kampanien  aus  Samnium 
und  Apulien  zu  unterwerfen,  erlitt  aber  in  Samnium  eine  Niederlage  und 
mußte  sich  zurückziehen.  Nun  schwebte  Kampanien  in  unmittelbarer  Ge- 
fahr, die  Osthälfte  der  wichtigen  Landschaft,  Nola  mit  Umgebung  fiel  an 
Mutilus,  der  Acerrae  längere  Zeit  belagerte  und  den  Konsul  bis  nach  Tea- 
num  (Sidicinum)  zurückdrängte.  Der  andere  Konsul,  Rutilius,  kämpfte  im 
Norden  gleichfalls  unglücklich,  erlitt  eine  schwere  Niederlage  am  Tolerus 
oder  Liris  und  fiel  selbst  (11.  Juni  90  v.  Chr.).  Die  Stimmung  in  Rom  war 
gedrückt;  die  Wahl  eines  neuen  Konsuls  an  Stelle  des  gefallenen  unter- 
blieb. Aber  es  gelang  der  methodischen  Kriegführung  des  Marius,  die 
römische  Sache  zu  behaupten;  zusammen  mit  Sulla  erfocht  er  über  die 
Marser  einen  bedeutenden  Sieg.  Gleichzeitig  spielten  sich  an  verschiedenen 
Punkten  Kämpfe  ab;  mehrere  den  Römern  treu  gebliebene  Städte,  wie 
Aesernia  und  Pinna,  wurden  von  den  Italikern  eingeschlossen  und  fielen 
nach  zähem  Widerstand.  Von  Wichtigkeit  war  der  Krieg  in  Picenum,  wo 
Cn.  Pompeius  Strabo  nach  anfänglichem  Mißerfolg  die  Aufständischen  nach 
Asculum  trieb  und  dort  einschloß. 

Bisher  waren  die  Umbrer  und  Etrusker  in  der  Hauptsache  dem  Auf- 
stand fern  geblieben,  doch  jetzt  machten  auch  sie  Miene,  sich  anzuschließen. 
Um  die  dadurch  drohende  Gefahr  einer  Abschnürung  Roms  von  Oberitalien 
zu  beschwören,  verstand  man  sich  zur  Nachgiebigkeit.  Auf  Antrag  des 
Konsuls  Caesar  beschloß  das  Volk,  den  bisher  loyal  gebliebenen  Bundes- 
genossen das  Bürgerrecht  zu  verleihen  {lex  Julia).  Dann  folgte  (Anfang 
89  V.  Chr.)  das  Gesetz  der  Tribunen  M.  Plautius  Silvanus  und  C.  Papirius 
Carbo  {lex  Plauüa  Fapiria),  worin  diese  Vergünstigung  auf  alle  Föderierten 
Italiens  südlich  des  Po  ausgedehnt  wurde,  sofern  sie  sich  binnen  einer  Frist 
von  sechzig  Tagen  meldeten.  Zur  Ergänzung  diente  das  Gesetz  des  Cn. 
Pompeius  Strabo,  Konsuls  von  89  v.  Chr.,  das  den  Transpadanern  zwar 
nicht  das  römische  Bürgerrecht,  aber  die  Rechte  der  bisherigen  latinischen 
Gemeinden  übertrug,  i)  Den  Neubürgern  sollten  zunächst  nicht  sämtliche 
Tribus  offenstehen;  nach  der  einen  Version  hätte  man  sie  nur  in  acht  von 
den  35  Tribus  aufnehmen  wollen,  nach  der  anderen,  vielleicht  besseren 
wären  für  sie  zehn  neue  Tribus  geschaffen  worden,  die  dann  freilich  bald 
wieder  verschwunden  sein  müßten.^)  Die  gemachten  Zugeständnisse  ver- 
hüteten den  Abfall  der  Umbrer  und  Etrusker;  die  Widerstandskraft  der 
Insurgenten  erlahmte  allmählich,  und  wahrscheinlich  haben  viele  Italiker 
die  Waffen  niedergelegt.  Doch  nahm  der  Krieg  seinen  Fortgang  und  zog 
sich  auch  ins  Jahr  89  hinein.  Die  Italiker  erzielten  noch  immer  Erfolge, 
der  Konsul  L.  Porcius  Cato  blieb  in  einer  Schlacht  gegen  die  Marser.    Aber 

')  Derselbe  Cn.  Pompeius  Strabo  hat  im  propagatione,  Wien  1882,  S.  61  f.    Mommsen, 

Feldlager  von  Asculum  spanische  Reiter  Ges.  Schr.V  262  flf.    Im  Anschluß  an  Canta- 

der  tiirma  Salluitana   für   ihre  Tapferkeit  ldpi  sucht  Fereero,  Größe  u.  Niedergang 

auf  Grund  der  lex  lulia  mit  dem  Bürger-  Roms   I  103    den  Widerspruch    zwischen 

recht  belohnt,  ILS  III  2,  nr.  8888.  Velleius    und  Appian    aufzuheben  durch 

-)  Velleius  II  20,  2.    Appian  149.   Kubit-  die  Annahme,   daß  beide  Vorschläge  ge- 

SCHEK,    De  Romanorum  tribtmm   origine   ac  macht  wurden. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    III,  5.  5.  Aufl.                                                        13 


194  Römische  Geschichte. 

die  Bewegung  hatte  kulminiert:  Rom  gewann  das  Übergewicht:  in  Piccnum 
wurde  Asculum  von  Cn.  Pompeius  Strabo  endlich  erobert,  und  erfolgreich 
kämpfte  L.  Sulla  in  Kampanien,  wo  er  die  Gegner  wiederholt  schlug,  die 
meisten  verlorenen  Städte,  wie  Nuceria  und  Pompeji,  zurückgewann  und 
die  Hirpiner  unterwarf;  große  Teile  von  Samnium  und  Apulien  fielen  gleich- 
falls wieder  an  Rom.  Ende  89  v.  Chr.  war  der  Aufstand  in  Mittelitalien 
fast  ganz  erloschen.  Nur  in  Nola,  einem  Teil  von  Samnium,  bei  den  Lu- 
kanern  und  Brettiern  behaupteten  sich  noch  die  Aufständischen.  Anfang 
88  V.  Chr.  mußten  sie  den  Sitz  ihrer  Bundesregierung  von  Corfinium  nach 
Aesernia  verlegen.  Damals  traten  sie  mit  Mithridates  in  Verbindung,  der 
ihnen  nach  der  Eroberung  Asiens  Hilfe  versprach,  aber  der  Moment  war 
verpaßt;  von  allen  Seiten  sahen  sie  sich  angegriffen;  die  Marser  wurden 
von  Pompeius  Strabo  völlig  unterworfen,  in  Samnium  verlor  Pompaedius 
Silo,  Schlacht  und  Leben,  Apulien  wurde  erobert,  und  Sulla,  für  88  v.  Chr. 
zum  Konsul  gewählt,  begann  mit  der  Belagerung  von  Nola.  Aber  ein  neuer 
Zwischenfall,  der  Ausbruch  des  Bürgerkrieges  in  Rom,  verzögerte  diesen 
letzten  Akt  des  brudermörderischen   Kampfes. 

Der  Bundesgenossenkrieg  schafft  eine  Zäsur  in  der  Entwicklung  Roms. 
Sein  prinzipielles  Ergebnis  ist  der  Eintritt  der  Italiker  in  die  römische 
Bürgerschaft,  auch  in  die  herrschenden  Stände.  Das  bedeutet  eine  Aus- 
weitung des  Organismus  und  eine  neue  Mischung  seiner  Säfte.  War  schon 
bisher  das  römische  Stadtgebiet  unverhältnismäßig  angewachsen,  so  entstand 
jetzt  ein  von  römischen  Bürgern  besiedeltes  Territorium,  das  sich  nicht  als 
stadtrömisches  Kommunalgebiet  zentralistisch  verwalten  ließ.  Noch  weniger 
als  früher  war  die  so  weit  verstreute  Bürgerschaft  in  der  Lage,  sich  am 
öffentlichen  Leben  der  Stammgemeinde  Rom  zu  beteiligen.  Die  zahlreichen, 
teilweise  bedeutenden  Städte  Italiens  konnten  nicht  einfach  in  Rom  auf- 
gehen und  von  den  Beamten  Roms  verwaltet  werden,  sie  mußten  vielmehr 
ihre  kommunale  Selbständigkeit  behalten.  Ihre  Einwohner  sind  zwar  zu 
römischen  Bürgern  mit  römischem  Recht  geworden;  aber  die  Gemeinden 
bleiben  autonome  Körperschaften  und  werden  als  municlpia  clvium  liomanoruin 
nach  römischem  Muster,  doch  unter  Schonung  berechtigter  Eigenart')  gesetz- 
lich konstituiert.^)  Munizipien  römischer  Bürger  hatte  es  bereits  gegeben 
innerhalb  des  römischen  Staatsgebiets;  aber  jetzt  wurde  das  Munizipal- 
system neu  gestaltet  und  auf  ganz  Italien  ausgedehnt.  Fortan  ist  das  Ge- 
biet der  römischen  Bürgerschaft  ein  Konglomerat  einzelner  Gemeinden, 
denen  das  römische  Volk  einen  großen  Teil  seiner  Rechte  übertragen  hat; 
Rom  hat  aufgehört,  die  einzige  Stadt  der  römischen  Bürger  zu  sein,  und  ist 
statt  dessen  zur  Hauptstadt  geworden.  Dadurch  verändert  sich  das  Wesen 
des  römischen  Bürgerrechts.  Durch  die  Aufnahme  der  italischen  Stämme 
und  Städte  in  die  römische  Bürgerschaft  wird  die  Verschmelzung  mit  dem 
Latinertum  begünstigt,  durch  die  Aufhebung  der  politischen  Unterschiede 
die  Bildung  eines  national  geschlossenen  Einheitsstaates  angebahnt. 

')  Wie    z.  B.  Neapolis    die    griechische  schaft    von    einzelnen    Personen    ausge- 

Sprache  und  anderes  beibehielt.  arbeitet    wurden,    ist    das    tarentinische 

2)  MoMMSEN,  Rom.  Staatsrecht  III  773  ff.  wohl  das   älteste.    Mommsen,  Gesammelte 

Unter  den  erhaltenen  Munizipalgesetzen,  Schriften  1 146  if.    XLS  II  ur.  6086,  Bkons" 

die   im    Auftrag   der   römischen  Bürger-  j   nr.  27. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§  B3.)        195 

Zunächst  freilich  hatte  erst  ein  Teil  der  Italiker  das  Vollbürgerrecht 
erreicht;  noch  standen  viele  gegen  Rom  unter  Waffen  und  die  inzwischen 
mit  Gewalt  Bezwungenen  wurden  gewiß  nicht  mit  dem  Bürgerrecht  be- 
schenkt, sondern  als  rechtlose  Unterworfene  betrachtet.  Es  blieb  der  nächsten 
Generation  vorbehalten,  die  Gegensätze  auszugleichen  und  auf  der  bereits 
betretenen  Bahn  bis  zum  Ziel,  bis  zur  nationalen  Einigung  Italiens,  fort- 
zuschreiten.   Das  Tempo  haben  die  auswärtigen  Kriege  beschleunigt. 

Literatur:  W.  Strehl,  M.  Livius  Drusus,  Volkstribun  91  v.Chr.,  Marburg  1887.  — 
J.  AsBACH,  Das  Volkstribunat  des  jüngeren  M.  Livius  Drusus,  Bonn  1888.  —  Erich 
Marcks,  Die  Überlieferung  des  Bundesgenossenkrieges  91 — 89  v.  Chr.,  Marburg  1884.  — 
A.  Kiene,  Der  römische  Bundesgenossenkrieg,  Leipzig  1845.  —  P.  H.  Kaptejn,  Disser- 
tatio  piiilologico-historica  de  hello  Marsico,  I^eiden  1864.  —  Krebs,  Reliquiae  Jibri  XXXVII 
bibliothecae  Diodori  Siculi,  Weilbui'g  1862.  —  J.  Beloch,  Der  italische  Bund  unter  Roms 
Hegemonie,  Leipzig  1880. 

33.  Der  erste  mithridatische  Krieg  und  Sullas  Diktatur.  Im  Orient 
waren  nach  der  Einverleibung  Makedoniens  und  Asiens  mancherlei  Ver- 
schiebungen des  Gleichgewichts  eingetreten,  die  auch  für  die  römische  Ge- 
schichte von  Bedeutung  sind.  Die  fortschreitende  Zersetzung  der  hellenisti- 
schen Staaten  beschäftigte  auch  die  auswärtige  Politik  Roms.^) 

In  Ägypten  war  die  Regierung  des  Ptolemaios  VIII  Physkon  (oben 
S.  148)  von  Konflikten  mit  seiner  Schwester  und  Mitregentin  Kleopatra 
und  von  inneren  Unruhen  fast  ganz  avisgefüllt.  Der  Streit  spielte  auch  nach 
Syrien  hinüber,  wo  die  Macht  des  Königtums  durch  unaufhörliche  Thron- 
wirren immer  tiefer  sank.  Alexander  Balas  (150 — 146  v.  Chr.)  wurde  zwar 
von  Demetrios  II,  einem  Sohn  des  Demetrios  I,  gestürzt ;  aber  als  Antiochos  VI 
wurde  der  Sohn  des  Usurpators  von  Diodotos  Tryphon,  einem  früheren 
Strategen  seines  Vaters,  auf  den  Schild  gehoben.  Dieser  Diodotos  hat 
mehrere  Jahre  (145 — 137  v.  Chr.)  zuerst  im  Namen  seines  Schützlings,  dann 
in  seinem  eigenen  regiert,  in  stetem  Kampf  gegen  Demetrios  II  und  seinen 
Bruder  und  Nachfolger  Antiochos  VII.  Diese  Bürgerkriege  in  Syrien  gaben 
den  Parthern  Gelegenheit,  die  Hände  nach  den  östlichen  Satrapien  des 
Seleukidenreichs  auszustrecken.  Als  Demetrios  II  diese  Übergriffe  abzu- 
weisen suchte,  wurde  er  von  den  Parthern  in  Medien  geschlagen  und  ge- 
fangen genommen  (139  v.  Chr.).  ,  Sein  Bruder  Antiochos  VII  Sidetes  hat 
noch  einmal  durch  Beseitigung  Tryphons  (137  v.  Chr.)  die  königliche  Macht 
wiederhergestellt,  aber  er  fiel  129  v.  Chr.  im  Kampf  gegen  die  Parther,  die 
nunmehr  ihre  Herrschaft  bis  an  den  Euphrat  vorschoben.  Sein  Bruder 
Demetrios  II  kehrte  aus  der  Gefangenschaft  auf  den  Thron  zurück;  ihm 
wurde  alsbald  von  Ägypten  aus  ein  Rivale  auf  den  Hals  gehetzt,  Alexander 
Zabinas,  der  sich  in  Syrien  bis  123/2  v.  Chr.  behauptete.  Schon  125  v,  Chr. 
fand  Demetrios  ein  gewaltsames  Ende,  ihm  folgte  sein  Sohn  Antiochos  VIII 
Grypos,  der  nach  dem  Sturz  des  Zabinas  mehrere  Jahre  unbestritten  regierte, 
dann  aber  in  seinem  Halbbruder  Antiochos  IX  Kyzikenos  einen  Prätendenten 
erhielt,  mit  dem  er  fast  zwanzig  Jahre  lang  in  Fehde  lag.  Grypos  starb 
96  v.  Chr.,  im  nächsten  Jahr  Kyzikenos;  ihre  Söhne  setzten  den  Streit  der 
Väter  fort,  so  daß  das  unglückliche  Land  aus  dem  Chaos  nicht  herauskam. 

')  Über  Ägypten  und  die  Seleukiden  |  gides  vol.  IL  Bevan,  The  house  of  Seleucus 
vgl.  J.  P.  Mahapfy,  The  empire  of  the  Ptole-  i  vol.  IL  Niese,  Geschichte  der  griech.  und 
mies.     Bouche-Leclercq,    Histoire   des   La-   j    makedon.  Staaten,  Bd.  III. 

13* 


196  Römische  Geschichte. 

Diese  ewigen  Kämpfe  untergruben  die  Autorität  der  Krone,  und  das 
Reich  löste  sich  in  seine  Bestandteile  auf.  Die  großen  Städte  erlangten  die 
Freiheit,  selbständige  Herrschaften  bildeten  sich,  unter  denen  im  südlichen 
Syrien  die  jüdischen  Hohenpriester  aus  der  Familie  der  Hasmonäer^)  und 
die  Fürsten  der  nabatäischen  Araber  am  bekanntesten  sind.  Auch  das  west- 
liche rauhe  Kilikien  machte  sich  unabhängig.  Diodotos  Tryphon  hatte  hier 
im  Kampf  gegen  Demetrios  II  das  Piratentum  begünstigt,^)  das  künftig  in 
den  Tauroslandschaften  seine  breitere  und  sicherere  Basis  hatte  (oben  S.  188). 
Auch  die  Parther  griflPen  über  den  Euphrat  nach  Syrien  über.  Doch  wurde 
ihre  Stoßkraft  durch  Thronstreitigkeiten  und  durch  die  Angriffe  ihrer  nord- 
östlichen, skythischen  Nachbarn  gehemmt,  vor  allem  aber  durch  die  Er- 
starkung des  früher  von  den  Seleukiden,  dann  von.  den  Parthern  abhängigen 
Armeniens.  Der  Aufstieg  Armeniens  begann  mit  der  Regierung  des  Königs 
Tigranes  (seit  etwa  96  v.  Chr.).  3)  Tigranes  einte  Armenien  und  entzog  sich 
der  parthischen  Suzeränität.  Er  schob  die  Grenzen  seines  Reichs  gegen 
Mesopotamien  vor,  drängte  die  Parther  vom  Euphrat  ab  und  wurde  so  un- 
mittelbarer Nachbar  der  Seleukiden. 

In  Ägypten  starb  116  v.  Chr.  Ptolemaios  VIII;  sein  Nachfolger  wurde 
sein  Sohn  Ptolemaios  X  Lathyros;  nur  das  Gebiet  von  Kyrene  ging  auf 
dessen  Bruder,  Ptolemaios  Apion,  über.  Apion  hinterließ  bei  seinem  Tod 
(96  V.  Chr.),  wie  einst  Attalos  III  von  Pei'gamon,  seinen  Besitz  den  Römern, 
die  das  Erbe  annahmen,  aber  den  griechischen  Gemeinden  der  Kyrenaika 
die  Freiheit  gewährten;  da  jedoch  Unruhen  und  Bürgerkriege  ausbrachen, 
wurde  das  Land  schließlich  als  römische  Provinz  eingerichtet  (74  v.  Chr.). 
Ptolemaios  Lathyros  war  infolge  von  Zwistigkeiten  mit  seiner  Mutter  und 
Mitregentin  Kleopatra  und  seinem  Bruder  aus  Ägypten  verjagt  und  durch 
letzteren,  der  als  Ptolemaios  XI  Alexander  den  Lagidenthron  bestieg,  ersetzt 
worden  (107  v.  Chr.).  Lathyros  mußte  sich  mit  der  Herrschaft  über  Kypros 
begnügen,  gewann  aber  im  Jahr  88  die  Pharaonenkrone  zurück  und  regierte 
über  das  durch  ihn  wieder  mit  Kypros  vereinigte  Reich  bis  zu  seinem  Tod 
(80  V.  Chr.).  Die  langwierigen  dynastischen  Kämpfe  hatten  das  ptolemäische 
Königtum  verhängnisvoll  geschwächt;  Kyrene  w^ar  für  immer  abgetrennt; 
bald  sollte  sich  auch  die  Insel  Kypros  losreißen  (80  v.  Chr.). 

Rom  förderte  den  Zersetzungsprozeß  des  seleukidischen  und  ptolemäischen 
Königtums.  Von  den  Parteien  angerufen,  mischten  sich  die  Römer  ein,  aber 
nicht  als  ehrliche  Makler,  sondern  lediglich  auf  den  eigenen  Vorteil  bedacht. 
Gegen  Dynasten,  die  ihnen  unbequem  wurden,  begünstigten  sie  Rebellen 
und  Usurpatoren.*)  Berühmt  ist  die  Gesandtschaft,  auf  der  139  v.  Chr. 
Scipio  Aemilianus  zusammen  mit  Sp.  Mummius  und  L.  Caecilius  Metellus 
den  Osten  bereiste,  um  in  Äg3'pten,  Syrien  und  anderswo  Wirren  beizulegen 
und  die  befreundeten  Könige  aufzusuchen.^)    Die  Römer  verloren  den  Orient, 


')  Die  Selbständigkeit    der  Juden    läßt  Timarchos  und    besonders  die  aufständi- 

man   gewöhnlich   mit  Simon  141  v.  Chr.  sehen  Juden.    Die  erste  Gesandtschaft  der 

beginnen;  aber  wirklich  unabhängig  wurde  Juden  war  161  v.  Chr.  zur  Zeit  des  Judas 

erst  Johannes  Hyrkauos  (135 — 104  v.Chr.).  Makkabaios  in  Rom  anwesend.    Niese,  Ge- 

2)  Strabo  XIV  668.  schichte  der  griech.  und  makedon.  Staaten 

')  Die  Zeit  nach  Plutarch  Luculi.  21.  III  247.  254. 

•*)  Wie    den    babylonischen    Satrapen  ^)  Über   diese  Gesandtschaft  und  ihre 


6.  Vierte  Periode :  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§  33.)      197 

WO  sie  SO  viele  Bundesgenossen  besaßen  und  wichtige  Interessen  wahr- 
zunehmen hatten,  nie  aus  den  Augen. 

Das  gilt  vor  allem  von  Vorderasien,  wo  ihre  Provinz  Asia  lag.  Das  Ge- 
setz des  C.  Gracchus  hatte  die  bedauernswerte  Provinz  den  römischen  Steuer- 
pächtern überantwortet;  sie  litt  aufs  schwerste  unter  dem  Druck  des  römi- 
schen Regiments.  Viele  Römer  und  Italiker  machten  sich  in  dem  reichen 
Land  ansässig,  das  sie  in  ihrer  bevorzugten  Stellung  rücksichtslos  ausbeuteten. 
Die  habgierigen  und  brutalen  Publikanen  scheuten  sich  nicht,  auch  die  be- 
nachbarten Stadtrepubliken  und  Fürstentümer  heimzusuchen,  und  ihr  Treiben 
erregte  wachsende  Erbitterung  bei  den  Einheimischen.  Der  Bestand  der 
vorderasiatischen  Staaten  war  ziemlich  unverändert  geblieben :  es  gab  außer 
den  Provinzen  Asien  und  Pamphylien  die  freien  Städte,  wie  Kyzikos, 
Rhodos,  die  Inseln  Lesbos,  Chios,  Samos,  Kos  und  andere;  auch  der  lykische 
Bund  mit  dem  angrenzenden  Gebiet  von  Kibyra  gehört  hierher;  des  weiteren 
vier  Königreiche,  Bithynien,  Paphlagonien  und  die  beiden  Kappadokien. 
endlich  in  ihrer  Mitte  die  Galater,  eine  Vereinigung  dreier  Stämme  mit 
aristokratischer  Stammesverfassung,  sie  alle  mit  Rom  verbündet,  aber  unter- 
einander vielfach  verfeindet. 

Unter  diesen  politischen  Gebilden  erhob  sich  das  nördliche,  am  Schwarzen 
Meer  gelegene  Kappadokien,  nach  späterem  Sprachgebrauch  Pontos  genannt, 
zu  ansehnlicher  Macht.  Hier  regierten  Fürsten,  deren  Selbständigkeit 
281  V.  Chr.  beginnt  und  die  sich  wie  auch  andere  kleinasiatische  Könige 
auf  der  einen  Seite  von  den  persischen  Achämeniden,  auf  der  anderen  von 
Seleukos  ableiteten.  Sie  sind  Orientalen,  aber  nicht  unberührt  von  helleni- 
scher Kultur,  die  vornehmlich  von  den  griechischen  Städten  der  pontischen 
Küste  ausstrahlte.  Der  erste  bedeutende  Regent  war  Pharnakes,  der  Sinope 
eroberte  und  mit  Eumenes  Krieg  führte  (oben  S.  14:1).  Dessen  Sohn  Mithri- 
dates  V  Euergetes,  der  Freund  und  Bundesgenosse  der  Römer,  i)  erwarb  die 
Küstenlandschaft  bis  Amastris  und  wui'de  für  den  gegen  Aristonikos  ge- 
leisteten Beistand  mit  Großphrygien  belohnt.  Aber  als  er  um  120  v.  Chr. 
ermordet  wurde,  zogen  die  Römer  Phrygien  wieder  ein  (oben  S.  168).  Sein 
Sohn  und  Nachfolger  war  Mithridates  VI  Eupatpr,^)  der  zunächst  wie  auch  sein 
Bruder  Mithridates  Chrestos  mehrere  Jahre  unter  der  Vormundschaft  seiner 
Mutter  Laodike  stand.  Alleinherrscher  war  Mithridates  seit  etwa  111  v.  Chr. 
nach  der  Beseitigung  seiner  Mutter  und  seines  Bruders.  Der  hochbegabte 
und  tatkräftige  Fürst  war  ein  erklärter  Philhellene;  er  hat  die  Griechen- 
städte begünstigt  und  neue  angelegt.^'')  Sein  erstes  auswärtiges  Unternehmen 
war  die  Erwerbung  der  blühenden  Stadt  Chersonesos  auf  der  taurischen 
Halbinsel,  der  Krim;  von  den  Skythen  belagert,  hatte  sie  seine  Hilfe  an- 
gerufen.   Mithridates    befreite   sie  durch  seinen  Feldherrn  Diophantos,    und 

Zeit  vgl.  F.  Marx,    Studia   Luciliana  81  ff.  1    gleichzeitigen    Inschriften    und    Münzen 

Münzer,  PW  IV  1452  f.,  Nikse,  Gesch^  der  1    Mi&gad(ui]g.    Mithradates  ist  also  die  kor- 

griech.  u.  maked.  Staaten  III  269  f.   K.  Ci-  :    rekte  Form  des  Namens. 

CHORius,  Rhein.  Mus.  63,  1908,  197  ff.  ^}  Ed.  Meyer,    Gesch.    des   Königreichs 

')   Er   leistete   nach    Appian   Mithr.  10  |    Pontos,  Leipzig  1879;  Th.  Reinach,  il/zY/j;-/- 

den  Römern  im  dritten  punischen  Krieg  dcite  Eupator  roi  du  Pont,  Paris  1890;  davon 

Hilfe,  muß  also  damals  schon  regiert  haben.  eine    deutsche    Übersetzung  mit  Berich- 

'-)  MidQtddiijg   schreiben    die  Texte    der  tigungen  und  Nachträgen  des  Verfassers 

Schriftsteller   fast    ohne   Ausnahme,   die  ,   von  A.  Goetz,  Leipzig  1895. 


198  Römische  Geschichte. 

im  Anschluß  daran  wurde  auch  das  Königreich  der  Bosporaner,  d.  h.  die 
Städte  am  Kimmerischen  Bosporos  mit  Tlieodosia  in  mehreren  Feldzügen 
unter  seine  Oberhoheit  gezwungen  (etwa  110 — 106  v.  Chr.).  Fast  das  ganze 
nördliche  Pontosufer  bis  zur  Donau,  ja  noch  darüber  hinaus  wurde  ihm 
botmäßig;  von  hier  aus  trat  er  neben  den  Skythen  mit  den  Bastarnern 
und  Thrakern  in  Freundschaft  und  Bündnis.')  Durch  die  Einverleibung 
von  Kleinarmenien  und  Kolchis  wurde  Mithridates  zum  eigentlichen  König 
vonPontos,  d.h.  der  Uferlandschaften  des  Schwarzen  Meeres;  der  NamePontos 
ist  dann  später  aufsein  Stammland,  das  nördliche  Kappadokien  übergegangen. 
Das  Nordufer  des  Pontos  lag  damals  noch  außerhalb  der  römischen 
Machtsphäre;  diese  wurde  erst  tangiert,  als  Mithridates  seine  Hand  gegen 
die  kleinasiatischen  Nachbarn  ausstreckte.  Er  versuchte,  sich  in  dem  damals 
erledigten  paphlagonischen  Königreich,  sowie  in  Galatien  festzusetzen  (um 
102  V.  Chr.);  mit  besonderer  Zähigkeit  strebte  er  nach  dem  Erwerb  von 
Großkappadokien,  auf  das  schon  sein  Vater  Ansprüche  erhoben  hatte.  Nach- 
einander beseitigte  er  den  Ariarathes  VI  (11.2  v.  Chr.)  und  dessen  Sohn 
Ariarathes  VII  (um  100  v.  Chr.);  in  jene  Zeit  fällt  die  diplomatische  Mission 
des  Marius  (S.  189  f.),  endlich  vertrieb  er  um  95  v.  Chr.  Ariarathes  VIII,  den 
letzten  seines  Geschlechts.  Aber  die  Römer  traten  allen  diesen  Anschlägen 
entgegen  und  duldeten  keine  Eroberungen  in  Vorderasien,  In  Kappadokien 
wurde  auf  Bestimmung  des  Senats  ein  König  Ariobarzanes  gewählt,  mit 
dem  eine  neue  Dynastie  beginnt.  Ihn  betrachtete  Mithridates  als  seinen 
Feind,  den  er  beständig  bekämpfte,  wobei  er  mit  Tigranes  von  Armenien 
(oben  S.  196)  gemeinsame  Sache  machte.  Als  sein  Verbündeter  vertrieb 
Tigranes  den  Ariobarzanes  und  setzte  einen  Anhänger  des  Mithridates  auf 
den  kappadokischen  Thron.  Aber  im  Auftrag  des  Senats  führte  der  Prätor 
von  Pamphylien,  L.  Cornelius  Sulla,  den  Ariobarzanes  wieder  zurück 
(92  V.  Chr.).  Bald  darauf  griff  Mithridates  in  Bithynien  ein.  Nach  dem  Tod 
seines  Widersachers,  Nikomedes  II,  vertrieb  nämlich  Mithridates  den  neuen 
König  Nikomedes  III  und  führte  dessen  Halbbruder  Sokrates  mit  dem  Bei- 
namen Chrestos  auf  den  bithynischen  Thron.  Da  Rom  damals  in  den  italischen 
Bundesgenossenkrieg  verwickelt  war,  mochte  Mithridates  hoffen,  unbehelligt 
zu  bleiben.  Aber  die  Römer  intervenierten  doch;  der  König  mußte  sich 
fügen,  und  die  beiden  vertriebenen  Fürsten  —  denn  auch  Ariobarzanes  war 
wiederum  verjagt  worden  —  wurden  in  Kappadokien  und  Bithynien  von 
einer  römischen  Gesandtschaft  unter  M.'  Aquillius  restituiert  (90/89  v.  Chr.).  2) 
Diese  Gesandten  veranlaßten  nun  den  Nikomedes  zu  einem  Raubzug  ins 
pontische  Reich  und  verweigerten  dann  jede  Genugtuung  für  diesen  Über- 
fall, worauf  sich  Mithridates  zum  Krieg  entschloß.  Er  setzte  sich  auch  mit 
den  Aufständischen  in  Italien  ins  Benehmen  (oben  S.  19-1).  Mithridates  war 
besser  gerüstet  als  die  Römer;  er  hatte  ein  zahlreiches  Landheer,  zu  dem 
auch  Bastarner  und  Skythen  ihre  Kontingente  stellten,  und  eine  überlegene 
Flotte  von  dreihundert  Kriegsschiffen;  dazu  verfügte  er  über  bedeutende 
Einkünfte.  So  gelang  es  ihm,  sich  in  raschem  Anlauf  fast  ganz  Vorderasiens 
zu   bemächtigen.    Seine  Feldherren   rückten  in  Kappadokien  ein;    er  selbst 

■)  Niese,  Ehein.  Mus.  N.  F.  XLI  559  f. 

2)  Über  die  Zeit  s.  Waddington,  Fastes  des  Provinces  Asiatiques,  38. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§33.)       199 

wandte  sich  gegen  Nikomedes,  schlug  ihn  und  vertrieb  die  von  den  Körnern 
aufgebotenen  Provinziahnilizen.  Er  besetzte  Bithynien  und  die  Provinz  Asien, 
wo  man  ihn  an  vielen  Stellen  als  Retter  begrüHste.  Die  ganze  Provinz  mit 
Ausnahme  des  Südens  brachte  er  in  seine  Gewalt,  während  seine  Flotte  die 
Inselwelt  des  Agäischen  Meeres  beherrschte.  Nur  Rhodos  widersetzte  sich. 
Von  Ephesos  aus  erließ  Mithridates  an  die  Satrapen  der  eroberten  Gebiete 
und  an  die  Magistrate  der  freien  Städte  den  Blutbefehl,  alle  Italiker,  deren 
man  habhaft  werden  konnte,  an  einem  und  demselben  Tag  zu  ermorden; 
in  einem  grauenhaften  Pogrom,  dem  Tausende  und  Abertausende  zum  Opfer 
fielen,  entlud  sich  der  fanatische  Haß  der  Bevölkerung  gegen  die  fremden 
Bedrücker  (88  v.  Chr.).  In  den  besetzten  Landschaften  richtete  sich  der 
König  zu  dauernder  Herrschaft  ein;  Pergamon  machte  er,  gewissermaßen 
-als  Nachfolger  der  Attaliden,  zur  Residenz. 

Durch  den  Haß  gegen  Rom,  der  die  kleinasiatische  'Vesper'  diktiert  hatte, 
fühlte  sich  der  pontische  Halbbarbar  mit  dem  griechischen  Element  ver- 
bunden; auch  am  jenseitigen  Gestade  des  Agäischen  Meeres  wollte  er  die 
Rolle  des  Befreiers  spielen.  Zu  dem  Behuf  marschierte  noch  im  Jahr  88 
V.  Chr.  ein  Landheer,  geführt  von  einem  pontischen  Prinzen,  durch  Thrakien 
gegen  Makedonien  und  segelte  eine  Flotte  unter  Archelaos  über  das  Agäische 
Meer.  Noch  ehe  sie  erschien,  war  Athen  zu  Mithridates  übergetreten.  Nicht 
lange  zuvor  hatte  der  römische  Senat  in  die  Verfassungskämpfe  der  Athener 
■eingegriffen  und  die  Demokratie  abgeschafft;  darüber  erbittert,  neigte  die 
Bürgerschaft  zum  Anschluß  an  Mithridates.  i)  Zu  Athen  gehörte  damals 
Delos,  das  die  Römer  nach  dem  Abfall  Athens  besetzten;  dann  eroberte 
Archelaos  die  Insel,  wobei  viele  Bewohner,  darunter  die  ganze  römisch- 
italische Kolonie,  hingemetzelt  wurden;  von  dieser  Katastrophe  hat  sich 
Delos  nie  wieder  erholt.  Ganz  Griechenland,  außer  Aetolien  und  Thessalien, 
mußte  sich  dem  Mithridates  unterwerfen.  Der  Prätor  von  Makedonien  C. 
Sentius  Saturninus  mit  seinem  Quästor  Bruttius  Sura  war  fast  machtlos, 
zumal  da  auch  noch  Gallier  und  Thraker  auf  Veranlassung  von  Mithridates 
die  Provinz  heimsuchten  und  bis  Griechenland  vorstießen  (89  und  88  v.  Chr.) 
(oben  S.  187  f.);  überdies  war  das  pontische  Heer  im  Anmarsch. 

Während  ihnen  so  die  asiatischen  und  griechischen  Provinzen  verloren 
gingen,  hatten  die  Römer  bei  sich  zu  Haus  den  Bürgerkrieg.  Schon  während 
des  Bundesgenossenkrieges  war  es  zum  Konflikt  zwischen  der  Ritterpartei 
und  dem  Senat  gekommen.  2)  Die  Beschwerden  über  die  richterliche  Praxis  der 
Ritter  verdichteten  sich  89  v.Chr.  zu  einem  Gesetz  des  Volkstribunen  M.Plautius 
Silvanus,  das  die  Richter  vom  Volk,  fünfzehn  aus  jeder  Tribus,  wählen  ließ.^) 
Neue  Unruhen  wurden  durch  die  Geldnot  hervorgerufen,  die  der  Krieg  er- 
zeugte. Die  bedrängten  Schuldner  zogen  alte  Wuchergesetze  ans  Licht  und 
bedrohten  die  Gläubiger  mit  Anklagen,  worauf  die  Geldleute  sich  zusammen- 
rotteten und  den  Prätor  A.  Sempronius  Asellio,  der  den  Schuldnern  Gehör 

')  Vgl.  Poseidonios  fr.  41  bei  Athenaeus  |  sisch)  S.  225if.  Ferguson.  Klio  IV,  1904, 1  ff. 

'V211E;  Hertzberg,  Gesch.  Griechenlands  ;  -)  Appian  b.  civ.  I  54f.    Livius  per.  73. 

unter  den  Eömern  I  148;  Wächsmuth,  Die  Plutarch  Sulla  6  f.    Marius  34  f.    Velleius 

Stadt  Athen  im  Alterthum  1655 f.;  Niese,  i  II  10 f.   Diodor  XXXVII  2. 

Ehein.  Mus.  N.  F.  XLII  574  f.    Shebeleff,  ^)  Asconius  in  Cornel.  71. 

Aus  der  Geschichte  Athens  229—31  (rus-  ; 


200  Römische  Geschichte. 

gab,  erschlugen.  Schlierslicli  führte  die  auswärtige  Politik,  der  Angriff  des 
Mithridates,  zu  einer  schweren  Krisis.  Das  einträgliche  Kommando  in  Asien 
wurde  von  mehreren  Bewerbern  begehrt;  der  Senat  hatte  es  dem  Her- 
kommen gemäß  dem  Konsul  L.  Cornelius  Sulla  bestimmt,  aber  Marius  trat 
dazwischen.  Bisher  hatten  sich  die  beiden  ungleichen  Männer  vertragen; 
Sulla  hatte  sich  im  jugurthinischen  wie  im  kimbrischen  Krieg  unter  dem 
Oberbefehl  des  Marius  bewährt;  im  Bundesgenossenkrieg  wuchs  freilich 
Sulla  über  den  alternden  Marius  hinaus.  Aber  Marius  war  noch  immer  von 
brennendem  Ehrgeiz  erfüllt;  in  seiner  Eifersucht  gönnte  er  dem  Sulla  keine 
neuen  Lorbeeren;  er  wollte  sich  selbst  den  Oberbefehl  gegen  Mithridates 
sichern.  In  dieser  Absicht  verband  er  sich  mit  dem  Tribunen  P.  Sulpicius 
Rufus,  einem  feurigen  und  beredten  Demagogen  der  Ritterpartei.  Dieser 
stellte  zunächst  den  Antrag,  die  italischen  Neubürger  und  zugleich  die  Frei- 
gelassenen in  alle  Tribus  gleichmäßig  aufzunehmen,  was  er  auch  unter 
Anwendung  von  Gewalt  gegen  den  Widerstand  des  Senats  und  der  Kon- 
suln durchsetzte.  Durch  einen  zweiten  Volksbeschlufs  wurde  der  Krieg 
gegen  Mithridates  dem  Marius  übertragen.  Der  benachteiligte  Sulla  fügte 
sich  dem  nicht  und  fand  an  seinem  Heer,  das  bei  Nola  stand,  den  nötigen 
Rückhalt.  Er  marschierte  mit  seinen  ihm  ergebenen  Truppen  gegen  Rom, 
das  er  überrumpeln  konnte.  Durch  Beschluß  von  Senat  und  Volk  wurden 
Sulpicius,  Marius  mit  seinem  Sohn  und  zehn  andere  der  Gegner  für 
Staatsfeinde  erklärt  und  geächtet.  Sulpicius  wurde  auf  der  Flucht  ge- 
tötet, Marius  entkam  mit  seinem  Sohn  und  einigen  Freunden  nach  Afrika, 
wo  er  schließlich  in  Mauretanien  Aufnahme  fand.  Die  Gesetze  des  Sul- 
picius wurden  kassiert,  und  durch  neue  Gesetze  beschränkte  Sulla  die  Macht 
der  Volkstribunen.  Die  Beschlüsse  der  Komitien  wurden  von  der  Ge- 
nehmigung des  Senats  abhängig  gemacht;  die  gesetzgebende  Gewalt  wurde 
allein  den  Centuriatkomitien  übertragen  und  vielleicht  statt  der  reformierten 
Stimmordnung  (oben  S.  153)  die  alte  des  Servius  Tullius  wiederhergestellt.') 
Es  wurde  ferner  beschlossen,  den  Senat  durch  dreihundert  neue  Mitglieder 
zu  verstärken  und  den  Veteranen  Kolonien  anzuweisen.  Doch  war  die  Bürger- 
schaft dem  Sulla  keineswegs  gewogen;  die  ungesunden  und  verworrenen 
Zustände  illustriert  drastisch  der  Fall  des  Konsuls  Q.  Pompeius,  dem  das 
Heer  des  Cn.  Pompeius  Strabo  und  ein  Kommando  in  Italien  übertragen 
worden  war.  Strabo  wiegelte  seine  Soldaten  gegen  den  Konsul  auf,  der 
denn  auch  beim  Antritt  des  Oberbefehls  im  Lager  ermordet  wurde,  worauf 
Strabo  ohne  weiteres  an  seine  Stelle  trat.  Sulla  selbst  ging  nach  Ablauf 
des  Konsulates  87  v.  Chr.  nach  Griechenland  hinüber,  um  zunächst  die 
pontischen  Heere  zu  vertreiben. 

Die  besiegte  Partei,  die  sich  noch  während  Sullas  Anwesenheit  bemerkbar 
machte  und  die  Rückberufung  des  Marius  forderte,  brachte  sich  nach  seiner  Ab- 
reise bald  wieder  zur  Geltung.  An  ihre  Spitze  trat  der  eine  der  Konsuln  von  87 
V.  Chr.,  L.  Cornelius  Cinna,  der  die  sulpicischen  Gesetze  sogleich  erneuerte  und 
dadurch  blutige  Kämpfe  in  Rom  hervorrief.  Cinna  erlag  allerdings  seinem 
Kollegen  Cn.  Octavius ;   er  verließ    mit    seinen  Anhängern  Rom,  worauf  er 


')  Appian  I  59.    Mommsen,  Rom.  Staatsrecht  III  270  Aum.  1. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.Chr.).    (§33.)       201 

seines  Amtes  entsetzt  und  L.  Cornelius  Merula  statt  seiner  zum  Konsul  ge- 
wählt wurde.  Allein  die  Truppen,  die  Nola  belagerten,  stellten  sich  hinter 
den  Exkonsul ;  so  konnte  Cinna  die  Rückkehr  nach  Rom  vorbereiten;  er 
berief  den  Marius  und  die  übrigen  Verbannten  zurück;  Marius  landete  mit 
einer  Schar  in  Etrurien,  sammelte  Truppen  um  sich,  vereinigte  sich  mit 
Cinna  und  übernahm  die  Leitung  des  neuen  Bürgerkriegs.  Er  gewann  auch 
den  Beistand  der  noch  aufständischen  Italiker,  besonders  der  Samniter. 
gegen  die  damals  Q.  Caecilius  Metellus  Pius  kämpfte.  Pius  erhielt  vom 
Senat  den  Auftrag,  mit  den  Samnitern  Frieden  zu  schließen,  aber  diese 
verlangten  die  Rückgabe  ihrer  Güter  und  das  Bürgerrecht  für  sich  und  die 
bei  ihnen  befindlichen  Überläufer,  Forderungen,  die  dem  Senat  zu  weit 
gingen.  Marius  dagegen  erfüllte  die  Wünsche  der  Samniter,  worauf  Metellus 
Pius  nach  Rom  zog,  um  bei  der  Verteidigung  zu  helfen.  Auch  Pompeius 
Strabo  erschien  mit  seinen  Truppen  vor  der  Stadt;  nach  längerem  Schwanken 
entschied  er  sich  für  die  Regierung,  wurde  aber  noch  während  des  Krieges 
vom  Blitz  erschlagen.  Der  Angriff  auf  Rom  wurde  von  Marius  geschickt 
geleitet,  die  Verteidigung  versagte.  Von  verschiedenen  Seiten  rückten  die 
Marianer  heran,  die  Stadt  wurde  von  jeder  Zufuhr  abgeschnitten  und  immer 
enger  umklammert ;  Seuchen  lichteten  die  Reihen  der  Verteidiger,  von  denen 
viele  zu  den  Revolutionären  überliefen.  So  mußte  der  Senat  sich  zur  Kapi- 
tulation entschließen,  Cinna  als  Konsul  anerkennen  und  dem  Marius  die 
Rückkehr  gestatten.  Sullas  Gesetze  wurden  aufgehoben,  und  eine  blutige 
Rache  traf  die  Regierungspartei.  Unter  den  Opfern  waren  die  Konsuln 
Octavius  und  Merula,  ferner  Q.  Lutatius  Catulus,  einst  der  Kollege  des 
Marius  im  Konsulat,  und  der  Redner  M.  Antonius.  Sullas  Vermögen  wurde 
eingezogen,  sein  Haus  zerstört.  Dem  wilden  Treiben  der  marianischen 
Banden  wurde  erst  nach  dem  Tod  des  Marius  durch  Cinna  und  Q.  Sertorius 
ein  Ziel  gesetzt.  Marius  trat  zusammen  mit  Cinna  aus  eigener  Macht- 
vollkommenheit am  1.  Januar  86  v.  Chr.  sein  siebentes  Konsulat  an,  über- 
lebte aber  die  Erfüllung  dieses  sehnlichen  Wunsches  nur  um  wenige  Tage; 
am  13.  Januar  86  starb  der  Mann,  der  einst  Rom  vor  den  Barbaren  ge- 
rettet hatte,  zuletzt  aber  durch  Ströme  A^on  Bürgerblut  gewatet  war.  Zum 
Nachfolger  bestellte  Cinna  den  L.  Valerius  Flaccus,  dem  an  Stelle  Sullas 
der  Krieg  gegen  Mithridates  übertragen  wurde. 

Viele  Optimaten  flüchteten  zu  Sulla,  der  nach  seiner  Landung  in  Epirus 
rasche  Erfolge  erzielte;  die  meisten  griechischen  Gemeinden  waren  nur  der 
Not  gehorchend  zu  Mithridates  übergegangen  und  kehrten  bereitwillig  zu 
Rom  zurück.  Archelaos  wurde  nach  einer  Niederlage  in  Böotien  auf  Athen 
und  den  Piraeus  zurückgedrängt;  nach  langer  Belagerung,  die  den  ganzen 
Winter  87/86  v.  Chr.  dauerte,  wurde  zunächst  das  von  Aristion  verteidigte 
Athen  erstürmt  (1.  März  86),  hierauf  der  Piraeus  mit  Ausnahme  der  Burg 
Munichia  erobert.  Athen  wurde  verwüstet,  die  Akropolis  geplündert;  im 
Piraeus  wurden  damals  die  großartigen  Hafenanlagen  aus  Athens  Blütezeit 
zerstört,  die  der  Stadt  bei  allem  Verfall  noch  immer  eine  gewisse  maritime 
Bedeutung  verliehen  hatten.  Aber  Sulla  wollte  den  Hafen  für  die  pon tische 
Flotte  unbrauchbar  machen.  Inzwischen  hatte  das  Landheer  des  Königs 
Makedonien    erobert,  war  dann  durch  die  Thermopylen   nach  Griechenland 


202  Römische  Geschichte. 

vorgedrungen  und  hatte  sich  mit  Archelaos,  der  von  seinem  Hauptquartier 
Chalkis  aus  die  See  beherrschte,  vereinigt.  Sulla  erwartete  den  Feind  an 
der  Grenze  von  Böotien  und  Phokis,  bei  Ghaironeia,  und  brachte  dem  an 
Zahl  weit  überlegenen,  aber  schlecht  geführten  pontischen  Heer  eine  ver- 
nichtende Niederlage  bei.^)  Solche  Erfolge  stärkten  die  Stellung  Sullas 
seinen  politischen  Gegnern  in  der  Heimat  wie  seinen  Soldaten  gegenüber. 
Der  zur  Ablösung  Sullas  eingetrofPene  Valerius  Flaccus  vermochte  nichts 
auszurichten,  ja  seine  Vorhut  ging  sogar  zu  Sulla,  der  ihm  ins  südliche 
Thessalien  entgegengezogen  war,  über.  Eine  Begegnung  der  beiden 
rivalisierenden  Feldherren  unterblieb,  es  ist  sogar  möglich,  daß  ein  Ver- 
gleich zustande  kam,  der  für  Sulla  um  so  erwünschter  war,  als  gerade 
jetzt  ein  starkes,  neues  Heer  des  Mithridates  unter  Dorylaos  auf  Euböa 
landete  und  in  Böotien  eindrang.  So  zog  ein  jeder  seines  Wegs,  Valerius 
Flaccus  nach  Norden,  Sulla  nach  Süden  gegen  Dorylaos,  der  sich  mit 
Archelaos  vereinigte  und  bei  Orchomenos  in  Böotien  Stellung  nahm.  Er 
wurde  von  Sulla  angegriffen  und  geschlagen.  Das  pontische  Heer  wurde 
aufgerieben  (86  v.  Chr.). 2)  Damit  war  Griechenland  zurückgewonnen.  Nur 
Euböa  nebst  einigen  Seeplätzen  war  noch  in  der  Hand  des  Mithridates,  der 
auch  die  Seeherrschaft  behauptete;  seine  Kriegsschiffe  hatten  sogar  das 
Ionische  und  Adriatische  Meer  unsicher  gemacht  und  die  anliegenden  Küsten 
angegriffen.    Sullas  Heer  überwinterte  in  Thessalien  (86/85  v.  Chr.). 

Flaccus  eroberte  Makedonien  zurück  und  zog  unter  Kämpfen  mit  den 
Thrakern  an  den  Bosporus,  wo  er  die  Brückenköpfe  Byzanz  und  Kalchedon 
besetzte.  Bei  der  zuchtlosen  Soldateska  war  sein  Legat  C.  Flavius  Fimbria, 
der  ihr  alles  nachsah,  weit  beliebter.  Die  beiden  entzweiten  sich:  aber  die 
Truppe  nahm  für  den  gemaßregelten  Legaten  Partei.  Der  Konsul  floh,  wurde 
aber  in  Nikomedeia  in  Bithynien  von  den  Häschern  Fimbrias  ereilt  und  ge- 
tötet. Fimbria  riß  den  Oberbefehl  an  sich,  schlug  die  pontischen  Truppen  bei 
Miletopolis  an  der  Propontis  und  drang  siegreich  nach  Süden  vor,  so  daß ' 
Mithridates  Pergamon  räumen  mußte.  Fimbria  führte  ein  wahres  Schreckens- 
regiment in  dem  eroberten  Land;  auch  Bion  wurde  erstürmt  und  geplündert. 

Durch  die  Siege  Fimbrias  geriet  Mithridates  in  eine  schwierige  Lage, 
um  so  mehr  als  es  dem  L.  Licinius  Lucullus,  Sullas  Quästor,^)  gelungen 
war,  bei  den  Seestaaten  des  Ostens  eine  ansehnliche  Flotte  zu  requirieren, 
■die  85  v.  Chr.  im  Agäischen  Meer  erschien  und  die  Inseln  befreite.  Auch 
war  schon  nach  der  Schlacht  bei  Chaironeia  in  Asien  ein  Stimraungs- 
umschwung  eingetreten;  Ephesos^)  und  mehrere  andere  Städte  sagten  sich  von 
Mithridates  los,  desgleichen  die  Galater,  wodurch  sich  der  nervös  gewordene 
König  zu  strengem  Vorgehen  gegen  alle  unsicheren  Kantonisten  veranlaßt 
sah.  Unter  diesen  Umständen  knüpfte  er  schon  nach  der  Schlacht  bei  Orcho- 
menos durch  Archelaos  Verhandlungen  mit  Sulla  an.  Da  beide  Parteien 
den  Frieden  wünschten,  gelangte  man  rasch  zur  Einigung.    Es  wurde  ver- 

')  Vgl.  Leake,  Travels  in  Northern  Greece  Jahr   gehört    wie   die  Einuahnie  Athens 

II  194  flf.    J.  Kromayer,   Antike    Schlacht-  und  die  Schlacht  bei  Chaironeia. 
felder  II  353  ff.  ■^)  Lucullus  war  im  Winter  87  86  v.  Chr. 

'-)  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  von  Athen    aus    in   den  Orient   entsandt 

•daß,  wie  Th.  Eeinach  richtig  erkannt  hat,  worden, 
■die  Schlacht  bei  Orchomenos  in  dasselbe  ■•)  Vgl.  SIG  11=*  nr.  742. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§33.)       203 

abredet,  daß  der  König  die  vorderasiatischen  Eroberungen  dieses  Krieges, 
nämlich  Großkappadokien,  Paphlagonien,  Galatien,  Bithynien  und  Asia,  auf- 
geben, 2000  (oder  3000)  Talente  Kriegskosten  zahlen  und  an  Sulla  von 
seiner  Flotte  siebzig  oder  achtzig  Schiffe  für  die  Rückkehr  nach  Italien  ab- 
treten sollte.  Ein  Waffenstillstand  trat  sofort  ein;  Archelaos  mußte  dafür 
seine  Schiffe  ausliefern  und  die  letzten  pontischen  Besatzungen  aus  Europa 
entfernen.  Während  der  Verhandlungen  rückte  Sulla  nach  Makedonien  und 
züchtigte  die  Skordisker,  Dardaner,  Mäder  und  andere  Völkerschaften,  von 
denen  die  Provinz  in  den  letzten  Jahren  wiederholt  belästigt  worden  war. 
Der  Abschluß  des  Friedens  verzögerte  sich,  weil  Mithridates,  in  der  Hoff- 
nung durch  den  Hinweis  auf  Fimbria  günstigere  Bedingungen  zu  erlangen, 
Schwierigkeiten  machte.  Als  aber  Sulla  sich  zum  Angriff  auf  Asien  an- 
schickte, gab  er  nach.  Zu  Dardanos  wurde  dann  bei  einer  persönlichen  Zu- 
sammenkunft Sullas  mit  dem  König  der  Friede  endgültig  geschlossen  (85 
V.  Chr.).^)  Nikomedes  HI  und  Ariobarzanes  kehrten  unter  dem  Schutz 
römischer  Soldaten  in  ihre  Königreiche  zurück. 

Der  Krieg  hatte  noch  ein  kurzes  Nachspiel,  Sullas  Abrechnung  mit 
Fimbria,  seinem  politischen  Widerpart,  den  die  pontische  Diplomatie  gegen 
ihn  auszuspielen  gesucht  hatte.  Die  Fimbrianer  standen  bei  Thyateira,  wo 
Sulla  sie  einschloß  und  zum  Eintritt  in  sein  Heer  zwang.  Fimbria  selbst 
nahm  sich  im  Tempel  des  Asklepios  bei  Pergamon  das  Leben.  Sulla  blieb 
längere  Zeit  (85/84  v.  Chr.)  in  Asien,  wo  er  die  treu  gebliebenen  Städte 
belohnte,  über  die  abtrünnigen  strengstes  Gericht  hielt; 2)  die  ganze  Provinz 
mußte  für  ihren  Abfall  schwer  büßen  und  Quartierlasten  und  hohe  Kon- 
tributionen (20000  Talente  =  94308000  Goldmark)  tragen;  auch  war  der 
Tribut  für  5  Jahre  nachzuzahlen;  um  diese  Summen  aufzubringen,  mußte 
sich  die  Provinz  tief  in  Schulden  stürzen.  Aber  Sulla  füllte  rücksichtslos 
seine  Kassen,  mußte  er  doch  für  die  Rückkehr  nach  Italien  auch  in  finanzieller 
Hinsicht  mobilisieren.  Im  Jahr  84  v.  Chr. 3)  setzte  Sulla  nach  Griechenland 
über,  wo  er  überwinterte  und  seine  Rüstungen  vollendete.  Griechenland 
hatte  in  dem  Krieg,  dessen  Kosten  es  mit  bestreiten  mußte,  dauernden 
Schaden  genommen:  die  pontische  Flotte  hatte  die  Küsten  verheert;  Sulla 
hatte  die  ehrwürdigen  Kultstätten  in  Delphi,  Olympia  und  Epidauros  ihrer 
Reichtümer  beraubt,  überall  gebrandschatzt,*)  Böotien  und  Attika  ver- 
wüstet und  entvölkert. 

Inzwischen  herrschte  in  Italien  und  den  westlichen  Provinzen  die 
marianische  Partei;  sie  hat  den  Bundesgenossenkrieg  vollends  beendet  und 
den  Ausgleich  mit  den  Italikern  durchgeführt.  Als  nun  85  v.  Chr.  der 
Friede    mit  Mithridates    geschlossen  war    und  Sulla  in  einem  Schreiben  an 


^)  Dieses  Jahr  ergibt  sich  unzweifelhaft  mithridatischen    Krieges    vgl.    Empekiüs, 

aus  Appian  b.  civ.  I  76  und  77.  De  temporum  belli  MitJu-idaticl  prhm  ratione, 

2)  Nach  Memnon  p.  232  a  18  hat  Sulla  Göttingen  1829;  H.  Beknhakdt,    Über  die 

versprochen,  die  zu  Mithridat  übergetre-  Chronologie  der  mithridatischen  Kriege, 

tenen  Städte  nicht  zu  bestrafen,  aber  sein  Marburg  1896.  und  das  oben  zitierte  Werk 
Versprechen  nicht  gehalten.    Dies  ist  ge-    i    von  Th.  Reinach. 

wiß  gute  Überlieferung.    Die  Überwinte-  ^)  Ein  lehrreiches  Beispiel  liefert  eine 

rung  Sullas  in  Asien  bezeugt  Tacit.  annal.  Inschrift  aus  Gytheion.    SIG  11^  nr.  748. 

IV  56.  Vgl.  Asconius  p.  75,  8  Scholl. 

^)  Über   die    Zeitrechnung    des    ersten 


204  Römische  Geschichte. 

den  Senat  seine  Rückkehr  ankündigte,  begannen  die  damaligen  Konsuln 
L.  Cinna  und  Cn.  Papirius  Carbo  eifrige  Rüstungen  zu  Wasser  und  zu  Land. 
Die  Allgemeinheit  war  freilich  dem  Kampf  abgeneigt;  der  Senat  schickte 
Gesandte  an  Sulla,  und  dieser  lehnte  einen  Vergleich  nicht  ab;  erforderte 
Rückkehr  der  Vertriebenen  und  seine  eigene  Restituierung.  Allein  die 
marianischen  Parteihäupter  vereitelten  das  Abkommen,  Cinna  und  Carbo 
usurpierten  ohne  rechtmäßige  Wahl  das  Konsulat  für  das  nächste  Jahr 
(84  V.  Chr.),  rüsteten  weiter  und  planten  den  Übergang  über  die  Adria,  um 
Sulla  in  Makedonien  aufzusuchen.  Aber  die  Truppen  meuterten  und  er- 
schlugen den  Cinna.  Nach  seinem  Tod  hintertrieb  Carbo  die  Wahl  eines 
Ersatzmannes  und  blieb  alleiniger  Konsul.  Schon  begannen  einzelne  Partei- 
freunde Sullas  auf  eigene  Faust  mit  Werbungen,  so  Q.  Metellus  Pius  und 
der  junge  Cn.  Pompeius,  der  Sohn  Strabos,  der  in  seiner  Heimat  Picenum 
zwei  Legionen  aufstellte. i)  Das  große  Ereignis  der  Rückkehr  Sullas  warf 
seine  Schatten  voraus. 

Ln  Frühjahr  83  v.  Chr.  landete  Sulla  mit  sechzehnliundert  Schiffen  und 
vierzigtausend  Mann  bei  Brundisium,  das  ihm  sofort  seine  Tore  öfPnete.^) 
Metellus  Pius  und  Cn.  Pompeius  stießen  zu  ihm.  Die  Italiker  wurden  von 
Sulla  beruhigt;  in  besonderen  Verträgen  bestätigte  er  ihnen  die  erworbenen 
Rechte,  besonders  den  schon  im  Jahr  87  v.  Chr.  bewilligten  Zutritt  zu  allen 
Tribus.3)  So  gewann  er  ansehnliche  Verstärkungen  und  konnte  in  Kam2:>anien 
eindringen.  Am  Berg  Tifata  erfocht  er  über  den  Konsul  C.  Norbanus  den 
ersten  Sieg;  dessen  Kollege  L.  Cornelius  Scipio  ließ  sich  auf  Unterhand- 
lungen ein  und  sah  sich  darüber  von  seinem  Heer  verlassen,  das  zu  Sulla 
überging.  In  Rom  wurde  um  diese  Zeit  (am  6.  Juli  83  v.  Chr.)  der  kapi- 
tolinische Tempel  ein  Raub  der  Flammen.  In  der  adriatischen  Küsten- 
landschaft machten  Sullas  Parteigänger  gleichfalls  Fortschritte,  besonders 
Pompeius  und  M.  Licinius  Crassus,  welch  letzterer  während  der  Herrschaft 
der  Marianer  in  Spanien  ein  Asyl  gefunden  hatte. ^)  Den  Marianern  fehlte 
das  Vertrauen  in  ihre  Sache  und  der  rechte  Führer,  der  Abfall  breitete  sich 
aus.^)  Da  eine  Versöhnung  auch  jetzt  nicht  zustande  kam,  so  ging  im 
nächsten  Jahr  (82  v.  Chr.)  der  Krieg  weiter.  Im  nördlichen  Italien,  am 
Adriatischen  Meer  stand  der  eine  Konsul,  Carbo,  mit  seinen  Genossen  den 
Legaten  Sullas  gegenüber,  dem  Metellus  Pius,  Pompeius,  L.  und  M.  Lucullus 
und  anderen;  auch  die  Flotten  traten  in  Aktion.  Nach  verschiedenen 
kleineren  Erfolgen  erlangten  die  Sullaner  durch  einen  Sieg  des  Metellus 
Pius  bei  Faventia  die  Oberhand.  Sulla  selbst  drang  in  Latiuni  ein  und  be- 
siegte den  einen  Konsul,  den  jüngeren  C.  Marius,  in  einer  großen  Schlacht 
bei  Sacriportus  unweit  Signias.  Der  Übertritt  einiger  Kohorten  zu  Sulla 
gab  die  Entscheidung.  Die  Geschlagenen  warfen  sich  nach  Praeneste,  wo 
sie  eingeschlossen  wurden.  Marius  mußte  Rom  aufgeben,  nachdem  er  zuvor 
einige    Optimaten,    darunter    Q.  Mucius    Scaevola,    hatte    hinrichten    lassen. 


')  Plutarch  Pomp.  5.  Exuperant.  4.  Liv.  per.  84.  Mommsen,  Rom. 

')  Vgl.  zum  folgenden  E.  Linden,  De.  hello       Staatsrecht  III  179  f. 
civili  Sidlano,  Diss.  Freiburg  i.  B.  1896.  *)  Plutarch  Crassus  4. 

^)  Dieser  war  schon  87  v.  Chr.  bewilligt  '        ")  Plutarch  Sertor.  6. 

und  gelangte  84  v.  Chr.  zur  Ausführung.  1 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§33.)       205 

Rom  fiel  an  Sulla,  der  nun  weiter  gegen  Carbo  nach  Etrurien,  der  Hoch- 
burg der  Marianer,  vorrückte.  Carbo  wurde  nach  mehrfachen  Niederlagen 
von  vielen  seiner  Anhänger  verlassen  und  floh  mit  der  Flotte  nach  Afrika. 
Die  Reste  seines  Heeres  in  Italien  vereinigten  sich  mit  den  Samnitern  und 
Lukanern,  die  unter  C  Pontius  Telesinus  und  M.  Lamponius  zunächst 
Praeneste  zu  entsetzen  versuchten.  Da  sie  den  Zernierungsgürtel  nicht 
durchbrechen  konnten,  versuchten  sie  einen  Handstreich  gegen  Rom.  Aber 
Sulla  eilte  noch  rechtzeitig  herbei  und  gewann  am  1.  November  82  v.  Chr.') 
am  collinischen  Tor  einen  blutigen,  für  die  Gegner  vernichtenden  Sieg,  an 
dem  M.  Crassus  ein  hervorragendes  Verdienst  hatte.  Praeneste  mußte  bald 
darauf  kapitulieren,  Marius  nahm  sich  das  Leben,  und  die  Einwohner 
wurden  hart  bestraft.  Den  letzten  Widerstand  in  Italien  brachen  die  Legaten 
Sullas.  Am  längsten  hielten  sich  Norba  und  das  etruskische  A^olaterrae,^) 
das  erst  nach  zwei  Jahren,  79  v.  Chr.,  erobert  wurde. 

Nach  dem  Sieg  in  Italien  fielen  auch  die  westlichen  Provinzen  in  die 
Gewalt  Sullas  und  seiner  Heerführer.  Sardinien  wurde  noch  im  Jahr  82 
V.  Chr.  besetzt.  Nicht  einmal  in  den  spanischen  Provinzen  konnten  sich  die 
Marianer  behaupten.  Nach  Sizilien  sandte  Sulla  den  Cn.  Pompeius,  der  dort 
auf  keine  Gegenwehr  stieß.  Carbo  war  nach  der  Insel  Cossura  entflohen; 
er  wurde  aufgehoben  und  nach  Lilybaeum  vor  Pompeius  gebracht,  der  ihn 
hinrichten  ließ.  Von  Sizilien  setzte  Pompeius  nach  Afrika  über;  dort  hatte 
der  Marianer  Cn.  Domitius  Ahenobarbus  im  Verein  mit  dem  numidischen 
Prätendenten  Hiarbas  eine  ansehnliche  Macht  gesammelt.  Pompeius  schlug 
den  Domitius  und  nahm  Hiarbas  gefangen;  der  rechtmäßige  König  Hiempsal 
erhielt  sein  Reich  zurück.  In  nur  vierzig  Tagen  war  Afrika  gewonnen.  Von 
allen  Gehilfen  Sullas  war  der  junge  Pompeius  der  erfolgreichste  und  be- 
liebteste; 2)  er,  der  überhaupt  noch  keine  ordentliche  Magistratur  bekleidet 
hatte,  der  nicht  einmal  Senator,  sondern  nur  Ritter  war,  ertrotzte  von  Sulla, 
der  ihn  bereits  durch  den  Ehrennamen  Magnus  ausgezeichnet  hatte,  auch 
noch  den  Triumph  über  Afrika,  den  er  am  12.  März  79  abhielt.  Sulla  selbst 
hatte  bereits  am  27.  und  28.  Januar  81  unter  großem  Gepränge  über  Mithri- 
dates  triumphiert.  Durch  Feste  und  Schauspiele,  bei  denen  Künstler  aus 
Griechenland  auftraten,  sollte  die  Bevölkerung  Roms  über  die  Not  der  Zeit 
hinweggetäuscht  werden. 

Die  marianische  Partei  traf  die  Rache  des  Siegers,  die  nicht  einmal  vor 
dem  Grab  des  Marius  Halt  machte  und  ihre  Opfer  in  ganz  Italien  fand. 
Wer  nach  den  Unterhandlungen  mit  L.  Scipio  (83  v.  Chr.)  noch  die  Waffen 
getragen  hatte,  wurde  straffällig.  Die  anfängliche  Milde  Sullas  schlug  nach 
dem  Sieg  in  brutale  Härte  um.  Die  prominenteren  Gegner  wurden  in  der 
neuen  Form  der  Proskription  geächtet,  indem  nämlich  Sulla  ihre  Namen 
„proskribieren",  d.  h.  durch  öffentlichen  Anschlag  bekannt  machen  ließ. 
Diese  Proskribierten  hatten  auf  Grund  eines  besonderen  Gesetzes  nicht  nur 
Leben  und  Vermögen  verwirkt,  sondern  werden  auch  noch  in  ihren  Söhnen 
und  Enkeln  bestraft,  indem  diese  ihre  Nachkommen  für  die  Ämterlaufbahn 


')  Das  Datum  bei  Velleius  II  27,  1;   vgl. 
Marquardt,  Staatsverwaltung  III  585. 
-)  Strabo  V  228. 


^)  Cn.  Pompeius  war  geboren  am  29.  Sep- 
tember 106  V.  Chr.  Plin.  h.  n.  XXXVII 13. 
Velleius  II 53, 5.  Dkumann-Groebe  IV  332  f. 


206  Römische  Geschichte. 

disqualifiziert  wurden.  Rund  40  Senatoren  und  gegen  1600  Ritter  hat  Sulla 
proskribiert;  ^)  gerade  der  Ritterstand  war  dem  Sulla  besonders  verhaßt. 
Die  Gesamtzahl  der  Opfer  war  noch  weit  höher.  Mancher  Sullaner  benutzte 
die  Gelegenheit  zur  Befriedigung  persönlicher  Rachsucht  und  zur  eigenen 
Bereicherung;  denn  Sulla  liefa  seine  Anhänger  in  dieser  Hinsicht  gewähren. 
Von  den  Italikern  erging  es  den  Etruskern  und  Samnitern  am  schlimmsten. 2) 
Viele  verloren  ihr  Leben,  viele  mußten  in  die  Verbannung  gehen;  die  ein- 
gezogenen Güter  wurden  verkauft  oder  verschenkt.  Die  großen  Landstrecken, 
die  zur  Einziehung  kamen,  wurden  zu  ausgedehnten  Ansiedlungen  und 
Kolonisationen  benutzt,  wie  sie  Sulla  schon  früher  beabsichtigt  hatte.  Ein 
gewaltiger  Besitzwechsel  vollzog  sich.  Gegen  150000  Veteranen  wurden  mit 
Land  versorgt,  zumeist  in  Samnium,  Kampanien  und  Etrurien.  Hierdurch 
wurde  der  Menschenverlust  der  letzten  italischen  Kriege  wenigstens  zum 
Teil  ersetzt  und  zugleich  die  Latinisierung  der  Osker  und  Etrusker  be- 
schleunigt, deren  Nationalität  vollends  ausstirbt.  Ein  Beispiel  bietet  Pom- 
peji in  Kampanien,  das  zu  den  von  Sullas  Veteranen  besetzten  Städten 
gehört:  das  Inschriftenmaterial  illustriert  hier  den  Sieg  des  Lateins  über 
das  Oskische.  Der  mit  dem  Bundesgenossenkrieg  einsetzende  Prozeß  der 
nationalen  Einigung  Italiens  wurde  so  durch  Sullas  Maßnahmen  beschleunigt. 
Svüla  war  unumschränkter  Herr  im  Staat;  da  beide  Konsuln  tot  waren, 
so  wurde  zunächst  ein  Interrex  ernannt,  und  dieser,  L.  Valerius  Flaccus, 
kreierte  Ende  82  v.  Chr.  auf  Grund  eines  besonderen  Gesetzes  den  Sulla 
auf  unbestimmte  Zeit  zum  didator  reipublicae  constituendae  behufs  Neuord- 
nung der  Verfassung;  alle  bisherigen  Verfügungen  Sullas  wurden  für  gültig 
erklärt.  3)  Im  Besitz  dieser  diskretionären  Gewalt  hat  Sulla  eine  umfassende 
gesetzgeberische  Tätigkeit  entfaltet  und  dabei  vor  allem  die  Interessen  seiner 
eigenen  Partei,  der  oligarchischen,  wahrgenommen;  als  Produkt  einer  sena- 
torischen Restaurationspolitik  sind  seine  Gesetze  bald  angefochten  worden. 
Aber  darüber  hinaus  hat  Sulla  auch  notwendige  und  längst  gewünschte  Re- 
formen und  Verbesserungen  der  Verwaltung  und  Rechtspflege  vorgenommen 
und  Bestimmungen  von  Dauer  und  von  normativer  Bedeutung  für  die  Zu- 
kunft getroffen.*)  Zunächst  erneuerte  Sulla  die  in  seinem  ersten  Konsulat 
ergangenen  Beschränkungen  der  legislativen  Gewalt  der  Komitien  und  der 
Volkstribunen;^)  ein  anderes  Gesetz  verschloß  den  Volkstribunen  den  Zu- 
tritt zu  den  übrigen  Magistraturen.  Die  Gerichte  wurden  dem  Ritterstand 
entzogen  und  den  Senatoren  zurückgegeben.  Zugleich  wurden  die  Quä- 
stionen,  d.  h.  die  Kriminalgerichtshöfe,  weiter  ausgebaut.  Unumgänglich  war 
eine  Vermehrung  der  Magistrate,  deren  geringe  Zahl  der  Ausdehnung  des 
Reichs  und  der  Häufung  der  Geschäfte  nicht  mehr  entsprach.  Sulla  vermehrte 
die  Prätoren  von  sechs  auf  acht,  die  Quästoren  brachte  er  auf  zwanzig.  Auch 
die  Mitgliederzahl  der  Priesterkollegien  wurde  erhöht,  ihre  Bestellung  durch 


')  Appian  b.  civ.  1 95 ;  die  höheren  Zahlen  |  uer  des  römischen  Freistaates,  Heidelberg 
bei  Appian  b.  civ.  I  103  sind  auf  die  Opfer  1834;  Th.  Lau,  L.Cornelius  Sulla,  eine  Blö- 
des Bürgerkrieges  überhaupt  zu  beziehen;  grapliie,  Hamburg  1855.  J.  Lengle.  Unter- 
vgl.  MoMMSEN,  Rom.  Gesch.  11^  344  Anm.  suchungen    über   die    sullan.  Verfassung, 

2)  Strabo  V  249.  Diss.  Freiburg  i.  B.  1899. 

^)  Appian  b.  civ.  I  99.  j        ^)  M.  Sunden,    De   tribunicia   potestate    a 

*)  Zachariä,  L.  Cornelius  Sulla  als  Ord-  l    L.  Sulla  imniinufa,  Uppsala  1897. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§34.)      207 

Volkswahl  (oben  S.  188)  abgeschafft  und  die  frühei'e  Ernennung  durch  Ko- 
optation wieder  hergestellt.  Besonders  wichtig  sind  Sullas  Bestimmungen 
über  die  Intervallierung  und  Reihenfolge  der  Amter  und  über  die  Provinzial- 
verwaltung.  Er  machte  es  zur  Regel,  daß  die  Konsuln  und  Prätoren  wäh- 
rend ihres  Amtsjahres  in  Rom  blieben  und  erst  nachher  mit  prorogiertem 
Imperium  in  die  Provinzen  gingen;  wenigstens  für  die  Prätoren  gilt  dies 
fast  ausnahmslos.  Der  Senat  wurde  durch  Volkswahl  aus  den  Rittern  um 
dreihundert  Mitglieder  vermehrt,  also  auf  sechshundert  gebracht,  ein  Pairs- 
schub,  der  ebenso  dem  erweiterten  Geschäftsbereich  dieser  Körperschaft  wie 
dem  Schwinden  der  durch  die  letzten  Kriege  gelichteten  Aristokratie  Rech- 
nung trug.  Die  alljährliche  Ergänzung  des  Senats  regelte  sich  weiterhin  so, 
daß  immer  die  gewesenen  Quästoren  in  ihn  eintraten:  die  Zensoren,  deren 
Amt  überhaupt  seinen  Charakter  geändert  hatte,  wurden  dadurch  für  die 
Ergänzung  des  Senats  überflüssig.  Noch  mehr  als  früher  fiel  die  Staatsgewalt, 
die  eigentliche  Regierung,  an  den  Senat,  womit  die  Konsequenz  gezogen  war 
aus  der  bisherigen  Entwicklung,  aus  der  Vergrößerung  des  Reichs  und  aus 
der  neuen  Struktur  der  Bürgerschaft,  die  nicht  mehr  unmittelbar  in  die 
Geschäfte  eingreifen  konnte.  Ein  Reich  von  solchem  Umfang  konnte  nicht 
durch  die  plebs  iirhana  in  öffentlichen  Versammlungen  regiert  werden  und 
auch  die  Marianer  hätten  sich  wohl  oder  übel  des  Senats  bedienen  müssen. 

Die  Neuordnung  des  Gemeinwesens  erforderte  große  Geldmittel,  die  von 
der  Staatskasse  nicht  aufgebracht  werden  konnten;  denn  die  Kriegsbeute 
wurde  meist  verschenkt  oder  verschleudert,  wobei  der  Staat  das  Nachsehen 
hatte.  Um  die  Kosten  zu  decken,  mußte  selbst  Tempeleigentum  verkauft 
werden,  auch  die  Provinzen,  die  verbündeten  Städte  und  Könige  wurden 
herangezogen.  Auch  das  reiche  Ägypten  dachte  Sulla  zu  schröpfen.  Er  führte 
nach  dem  Tod  des  Ptolemaios  Lathyros  den  jungen  Ptolemaios  Alexander  II, 
der  sich  unter  seinen  Schutz  gestellt  hatte,  ^)  auf  den  ägyptischen  Thron. 
Aber  sein  Schützling  wurde  schon  neunzehn  Tage  nach  der  Thronbesteigung 
vom  alexandrinischen  Mob  erschlagen,  worauf  zwei  illegitime  Söhne  des 
Ptolemaios  Lathyros  zur  Regierung  kamen,  der  eine  in  Ägypten,  der  andere 
auf  Kypros. 

Nach  Ordnung  des  Staates  legte  Sulla,  der  ungekrönte  König,  79  v.  Chr. 
die  Diktatur  freiwillig  nieder.  Auch  als  Privatmann  blieb  er  eine  Macht: 
im  Senat  dominierten  seine  Parteifreunde;  seine  Veteranen  aber  und  die 
zehntausend  Cornelier,  die  von  ihm  freigelassenen  »Sklaven  der  Proskribierten, 
verbürgten  seine  persönliche  Sicherheit.  Schon  im  nächsten  Jahr  (78  v.  Chr.) 
erlag  er  im  Alter  von  sechzig  Jahren  einem  Blutsturz.  Seinen  letzten  Lebens- 
abschnitt hatte  er  heiterem  Daseinsgenuß  gewidmet,  den  dieser  Vorläufer 
Petrons  allem  Machtkitzel  vorzog.  Er  hat  umfangreiche  Aufzeichnungen 
in  griechischer  Sprache  (vTio/uv/juaTa)  hinterlassen,  von  denen  in  den  Bio- 
graphien Plutarchs  noch  Reste  erhalten  sind. 

34.  Unruhen  nach  Sullas  Tod.  Sozusagen  am  Scheiterhaufen  des  mit 
fürstlichen  Ehren    beigesetzen  Diktators    entzündete    sich    die   Fackel    einer 

^)  Er  war  Sohn  des  Ptolemaios  Alexan-  in  die  Hände  fiel.  Später  entfloh  er  zu 
der  I  (oben  S.  196)  und  wurde  auf  Kos  Sulla.  Appian  Mithrid.  23;  bell.  civ.  102. 
erzogen,  wo  er  88  v.  Chr.  dem  Mithridates    i 


203  Römische  Geschichte. 

neuen  Revolution.  Alle  durch  Sullas  Gesetze  Benachteiligten  drängten  un- 
gestüm auf  Änderung.  Der  Marianer  M.  Aemilius  Lepidus,  mit  Q.  Lutatius 
Catulus  im  Jahr  78  v.  Chr.  Konsul,  rüttelte  gegen  den  Widerstand  seines 
Kollegen  an  Sullas  Verordnungen.  Er  suchte  zunächst  durch  ein  Getreide- 
gesetz der  hauptstädtischen  Plebs  wohlfeiles  Brot  zu  verschaffen  und  betrieb 
weiter  die  Rückkehr  der  Verbannten  und  die  Restitution  der  durch  die 
sullanischen  Assignationen  vertriebenen  Italiker.  Es  brachen  damals  Un- 
ruhen in  Etrurien  aus,  zu  deren  Unterdrückung  die  Konsuln  Truppen  auf- 
boten. Schon  damals  wäre  es  zwischen  Lepidus  und  Catulus  zum  Krieg 
gekommen,  wenn  nicht  der  Senat  vermittelt  hätte.  Aber  nach  Ablauf  des 
Amtsjahres  griff  Lepidus  zu  den  Waffen.  Er  besetzte  das  ihm  als  Provinz 
bestimmte  cisalpinische  Gallien  und  rückte  auf  Rom  los,  um  ein  zweites 
Konsulat  zu  erzwingen;  denn  für  77  v.  Chr.  hatten  die  Wahlen  wegen  der 
Unruhen  noch  nicht  stattlinden  können.  Der  Senat  erklärte  den  Lepidus 
in  die  Acht  und  beauftragte  Catulus  und  Pompeius  mit  dem  Krieg  gegen 
ihn.  Pompeius  überwältigte  die  Truppen  des  Lepidus  in  Oberitalien,  nahm 
deren  Führer  M.  Junius  Brutus  i)  in  Mutina  gefangen  und  ließ  ihn  hin- 
richten. Lepidus  selbst  wurde  vor  Rom  auf  dem  Marsfeld  von  Catulus 
zurückgeschlagen,  erlitt  eine  neue  Niederlage  in  Etrurien  und  schiffte  sich 
von  Cosa  nach  Sardinien  ein,  wo  er  bald  darauf  verstarb.  Die  Reste  seines 
Heeres  wurden  von  M.  Perperna  nach  Spanien  geführt,  dem  einzigen  Land, 
wo  die  marianische  Partei  unter  einem  hervorragenden  Führer,  dem  Q.  Ser- 
torius,  sich  behauptete. 

Sertorius^)  war  einer  der  ersten  und  treuesten  Anhänger  Cinnas  und 
der  Populären;  als  solchem  war  ihm  83  v.  Chr.  mit  der  Prätur  das  dies- 
seitige Spanien  als  Provinz  bestimmt  worden.  Da  er  bei  dem  Verlauf  des 
Krieges  in  Italien  Sullas  Endsieg  voraussah,  so  ging  er  schon  83  v.  Chr. 
in  seine  Provinz  ab,  wurde  aber  zwei  Jahre  später  durch  die  sullanischen 
Statthalter  verdrängt;  daraiif  wandte  er  sich  nach  Mauretanien,  das  zu  den 
Marianern  hielt,  trat  in  den  Dienst  eines  dortigen  Dynasten  und  machte 
sich  durch  siegreiche  Kämpfe  einen  Namen. •^)  Dann  leistete  der  römische 
Exulant  einem  Ruf  der  gegen  Rom  rebellierenden  Lusitaner  mit  einem 
Stamm  römischer  Truppen  und  mauretanischen  Reitern  Folge  (80  v.  Chr.) 
und  schuf  ein  weniger  für  die  Feldschlacht  als  für  die  Guerilla  geeignetes 
Heer.  Er  fühlte  sich  durchaus  als  Römer  und  ließ  sich  nicht  etwa  in  die 
Stellung  eines  Condottieres  der  Lusitaner  hinabdrücken.  Schon  im  ersten 
Jahr  hatte  er  bedeutende  Erfolge:  er  schlug  den  Proprätor  des  jenseitigen 
Spaniens,  Fufidius,  und  setzte  sich  auch  in  der  diesseitigen  Provinz  fest. 
Von  Rom  mußten  Verstärkungen  nach  Spanien  geschickt  werden ;  in  die 
jenseitige  Provinz,  den  wichtigeren  Kriegsschauplatz,  sandte  Sulla  den  be- 
währten Q.  Metellus  Pius  (Konsul  80  v.  Chr.) ;  die  diesseitige  übernahm 
M.  Domitius  Calvinus.  Doch  konnte  Metellus  gegen  Sertorius,  der  sich  ihm 
entgegenstellte,    nichts    ausrichten;    zwar  drang   er   in  Lusitanien  ein,    aber 

')  Er  ist  der  Vater  des  Caesarmörders.  90  v.Chr.  verwaltete  er  als  Quästor  Ober- 

2)  Sertorius  war  in  Nursia  im  Sabiner-  Italien.  Plutarch  hat  seine  Biographie  ge- 

land  geboren  und  hatte  mit  Auszeichnung  ,    schrieben. 

gegen  die  Kimbern,  dann  in  Spanien,  zu-  ^)  Er  eroberte  z.  B.  Tingis,  das  heutige 

letzt    im   Bundesgenossenkrieg    gedient;  i   Tanger. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§  34.)       209 

sein  Gegner  wich  einer  Feldschlacht  aus  und  nötigte  das  römische  Heer 
durch  seine  Überlegenheit  im  Kleinkrieg  zum  Rückzug.  Noch  unglücklicher 
kämpfte  in  der  diesseitigen  Provinz  Calvinus:  vom  Quästor  des  Sertorius, 
L.  Hirtuleius,  geschlagen,  fand  er  den  Tod.  Metellus  war  gezwungen,  den 
Statthalter  des  benachbarten  narbonensischen  Galliens,  L.  Manlius,  zu  Hilfe 
zu  rufen.  Aber  auch  dieser  erlitt  in  der  Ebrogegend  eine  Niederlage  und 
mußte  unter  starken  Verlusten  in  seine  Provinz  zurückkehren  (78  v.  Chr.). 
Ein  großer  Teil  des  diesseitigen  Spaniens  bis  an  den  Fuß  der  Pyrenäen 
fiel  an  Sertorius,  der  auch  an  der  Mittelmeerküste  bei  Dianium  Fuß  faßte. 
Sertorius  wurde  der  in  Rom  herrschenden  Partei  namentlich  dadurch 
gefährlich,  daß  er  das  Banner  der  Marianer  wieder  aufpflanzte  und  sein 
Lager  zum  Asyl  für  die  Vertriebenen  und  Heimatlosen  Roms  machte.  Er 
betrachtete  sich  als  rechtmäßigen  Statthalter  seiner  Provinz;  alle  Offiziers- 
stellen besetzte  er  mit  Römern;  römisch  war  auch  die  Verwaltung,  und  aus 
den  Häuptern  der  Emigranten  bildete  er  einen  förmlichen  Gegensenat.  Die 
iberischen  Stämme  unterwarfen  sich  ihm  teils  freiwillig  teils  gezwungen, 
bei  den  Lusitanern,  den  Keltiberern  und  in  der  Ebrolandschaft  lagen  die 
starken  Wurzeln  seiner  Macht.  Die  iberischen  Stämme  mußten  ihm  Geiseln 
stellen,  Kinder  aus  vornehmen  Häusern,  die  er  in  Osca  (heute  Huesca)  in  einer 
Art  Ritterakademie  nach  römischer  Weise  griechisch  und  lateinisch  unter- 
richten ließ.  Seine  Tapferkeit,  Gerechtigkeit  und  Leutseligkeit  verschafften  ihm 
weithin  Ansehen  und  Anhang;  er  wußte  sich  auch  einen  religiösen  Nimbus 
zu  verleihen.  Die  Befürchtung  war  nicht  unbegründet,  daß  es  ihm  gelingen 
könnte,  ganz  Spanien  zu  gewinnen  und  von  dieser  Basis  aus  Italien  anzugreifen 
und  die  sullanische  Partei  zu  stürzen,  zumal  nachdem  Perperna  in  Spanien 
aufgetaucht  war.  Um  diese  Gefahr  zu  bannen,  sandte  der  Senat  nach  der 
Besiegung  des  Lepidus  dem  Antrag  des  L.  Marcius  Philippus  gemäß  den 
Pompeius  mit  prokonsularischem  Imperium  ins  diesseitige  Spanien,  wo  er 
zusammen  mit  Metellus  Pius  den  Sertorius  bekämpfen  sollte.  Ein  derartiges 
Kommando  einem  Mann,  der  noch  kein  reguläres  Amt  bekleidet  hatte,  zu 
übertragen,  war  freilich  ohne  Beispiel.  Aber  Pompeius  hatte  die  Macht,  sich 
eine  Ausnahmestellung  zu  erzwingen;  er  stand  nach  dem  Sieg  über  Lepidus 
vor  den  Toren  Roms,  ohne  sich, um  die  Aufforderung  des  Senats,  sein  Heer 
zu  entlassen,  zu  kümmern.  Der  Senat  mußte  sich  fügen.  Den  Durchzug 
durch  die  Alpen  erkämpfte  sich  Pompeius  mit  dem  Schwert;  er  bahnte 
eine  neue  Straße  über  die  kottischen  Alpen  ^)  und  traf  Ende  77  oder  An- 
fang 76  v.  Chr.  mit  etwa  vierzigtausend  Mann  in  Spanien  ein, 2)  wo  sich 
alsbald  einige  iberische  Stämme  ihm  zuneigten.  Auf  die  Ankunft  des  Pom- 
peius hin  wurde  Perperna  von  seinen  Truppen  veranlaßt,  sich  dem  Ober- 
befehl des  Sertorius  unterzuordnen.     Noch  immer  hatte  Sertorius  das  Über- 


')  Die  seitdem  viel  benutzte  Heerstraße,  ■    über  diese  und  andere  Streitfragen  Bien- 

die  vom  heutigen  Turin  über  Segusio(Susa)  •    kowski,  Wien.  Stud.  XIII  129  f.:  Mauren- 

und   den  Mont  Genevre    an  die  Durance  brecher,  SalJusti  hist.  I  20.  II  226  und  die 

führt.    Strabo  IV  179.    Pompeius  hat  bei  dort  angeführte  Literatur,  dazu  Güilelmus 

dieserGelegenJieit  in  der  narbonensischen  ^    Stahl,  De  hello  Sertoriano,    Diss.  Erlangen 

Provinz  Anordnungen  getroffen.    Caesar  ;    1907.    Drumann-Groebe  IV  372  und  377, 1. 

b.  civ.  I  3.5,  4.  Auch  Ciceros  Rede  pro  Fonteio  kommt  für 

2)  Die  Zeit  der  Ankunft  ist  strittig.  Vgl.  die  Chronologie  in  Betracht. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    III,  5     5.  Aufl.                                                        14 


210  Römische  Geschichte. 

gewicht;  Pompeius  konnte  nicht  einmal  seine  Bundesgenossen  wirksam 
schützen,  wie  sich  bei  der  Belagerung  von  Lauron  zeigte,  das  Sertorius 
unter  den  Augen  des  Pompeius  eroberte  (76  v.  Chr.)J)  Dagegen  gelang  es 
im  selben  Jahr  dem  Metellus,  den  Hirtuleius,  der  sich  zu  einer  Feldschlacht 
verleiten  ließ,  bei  Italica  gänzlich  zu  schlagen  und  dem  Pompeius  Hilfe 
zu  bringen.  In  der  Küstenlandschaft  südlich  vom  Ebro  kam  es  nun  zu 
heftigen  Kämpfen.  Pompeius  besiegte  im  Jahr  75  den  Perperna  bei  Valentia, 
erlitt  aber  eine  Niederlage  am  Sucro,  als  er,  ohne  die  Ankunft  des  Metellus 
abzuwarten,  dem  Sertorius  eine  Schlacht  lieferte.  Nachdem  dann  Pompeius 
sich  mit  Metellus  vereinigt  hatte,  wurde  bei  Saguntum  am  Turia  ohne  Ent- 
scheidung gekämpft.  Trotz  gelegentlichen  Mißerfolgen  zeigte  sich  Sertorius 
so  überlegen,  daß  Pompeius  aus  dem  Winterquartier  dringende  Bitten  um 
Verstärkung  an  den  Senat  richtete. 

Es  fiel  dem  Senat  schwer,  frische  Truppen  nach  Spanien  zu  senden,  da 
gleichzeitig  im  Osten  die  Kämpfe  mit  Mithridates,  den  Thrakern  und  Kelten 
und  den  Seeräubern  die  militärischen  Kräfte  Roms  in  Anspruch  nahmen. 
Aber  der  Senat  mußte  dem  Drängen  des  Pompeius  schließlich  doch  nach- 
geben. Denn  Sertorius  stand  damals  auf  der  Höhe  seiner  Macht,  sein  Ruhm 
ging  durch  die  Welt.  Er  trat  in  Verbindung  mit  den  kilikischen  Piraten 
und  auch  mit  Mithridates,  der  ihm  ein  Bündnisangebot  gemacht  hatte.  Im 
Namen  Roms,  als  dessen  rechtmäßigen  Vertreter  er  sich  betrachtete,  schloß 
Sertorius  mit  dem  König  einen  Vertrag  ab  und  schickte  ihm  Soldaten  und 
Offiziere,  deren  vornehmster  als  Statthalter  der  Provinz  Asien  mit  jji'ätori- 
fechen  Insignien  im  Gefolge  des  Königs  erschien.  Unter  diesen  Umständen 
war  die  Niederwerfung  des  Sertorius  eine  Sache  des  Prestiges  der  römischen 
Regierung.  Auch  unterstützte  der  Konsul  von  74  v.  Chr.,  L.  Licinius  Lu- 
cuUus,  das  Gesuch  des  Pompeius  mit  Nachdruck,  um  den  Rivalen  in  Spanien 
festzuhalten.  Pompeius  erhielt  also  die  geforderten  Reserven.  Ohne  daß 
entscheidende  Schlachten  geschlagen  wurden,  gewann  er  denn  auch  in  den 
Jahren  74  und  73  v.  Chr.  allmählich  immer  mehr  Boden.  Um  den  Abfall 
zu  verhindern,  zog  Sertorius  die  Zügel  straffer  an;  durch  die  Quertreibereien 
seiner  anmaßenden  und  brutalen  römischen  Genossen  wurde  die  Lage  ver- 
schärft. Aber  nicht  von  den  Einheimischen,  sondern  von  seinen  eigenen 
Landsleuten  unter  Führung  des  eingebildeten  Perperna  ging  die  Verschwörung 
aus,  die  im  Jahr  72  v.  Chr.  dem  Sertorius  das  Leben  kostete.  Der  eigen- 
artige Mann,  der  nicht  bloß  Soldat,  sondern  auch  Politiker  und  Kultur- 
pionier war  und  der  niemals  seinen  Römerstolz  verleugnet  hatte,  wurde  bei 
einem  Gastmahl  feig9  ermordet,  ^j  Der  Oberbefehl  ging  auf  Perperna  über. 
Dieser  nahm  die  ihm  von  Pompeius  angebotene  Feldschlacht  an,  wurde  aber 
völlig  geschlagen,  gefangen  und  getötet.  Nunmehr  konnte  Spanien  rasch 
beruhigt  werden.    Pompeius  ließ  Milde  walten.    Am  längsten  widerstanden 


^)  Plut.  Sertor.  18.    Noch   in    das   J.  77  des  Dianium  (Artemision)  gesetzt. 

gehörtdieEroberung  von  Contrebia  durch  ^)  Nachdem   der  Krieg   acht  Jahre  ge- 

Sertorius.   worüber  ein  Liviuspalimpsest  dauert  hatte.  Liviusper.96.  Appian  b.  civ. 

aus  dem  91.  Buch  berichtet.  Li  vius  vol.  IV  1 108.  In  die  zehn  .lahre  des  Orosius  V  23, 13 

p.  227  Hertz.    Lauron  wird  in  die  Küsten-  sind  die  Jahre  der  ersten  Statthalterschaft 

landschaft  südlich  von  Sucro  in  die  Nähe  ;   der  Sertorius  mit  eingerechnet. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§34.)       211 

einige  Plätze  in  der  Ebrogegend,  besonders  Calagurris.     Im  Jahr  71  v.  Chr. 
kehrte  dann  Pompeius  mit  seinem  siegreichen  Heer  nach  Italien  zurlick. 

Noch  ehe  der  sertorianische  Krieg  zu  Ende  war,  entstand  in  Italien  ein 
gefährlicher  Sklavenkrieg.  ^)  Sein  Herd  war  Capua,  wo  viele  Sklaven  in 
Gladiatorenschulen  für  ihr  blutiges  Handwerk  abgerichtet  wurden,  zumeist 
Kriegsgefangene,  darunter  Leute  von  guter  Herkunft.  Von  hier  brach  73 
V.  Chr.  eine  Schar  aus,  meist  Gallier  oder  Germanen  und  Thraker;  ihre 
Führer  waren  die  Gallier  Krixos  und  Oinomaos  und  der  Thraker  Spartacus. 
Sie  setzten  sich  zuerst  am  Vesuv  fest,  ihre  Zahl  wuchs  und  nach  einem 
Sieg  über  den  Prätor  C.  Clodius  Pulcher  zogen  sie  durch  Kampanien  nach 
Lukanien  und  Unteritalien,  wo  sie  viel  Zulauf  fanden.  Ein  römisches  Heer 
unter  dem  Prätor  P.  Varinius  wurde  geschlagen;  im  Winter  73  72  v.  Chr. 
war  die  Zahl  der  aufständischen  Sklaven  auf  gegen  70000  angeschwollen. 
Sie  teilten  sich  in  zwei  Heerhaufen,  einen  gallisch-germanischen  unter  Krixos 
und  einen  thrakischen  unter  Spartacus.  Im  nächsten  Jahr  (72  v.  Chr.)  mußten 
beide  Konsuln  gegen  sie  zu  Felde  ziehen,  L.  Gellius  und  Cn.  Cornelius  Len- 
tulus.  Gellius  schlug  den  Krixos  in  Apulien  am  Berge  Garganus;  Spartacus 
hatte  sich  nach  Norden  gewandt,  um  sich  in  seine  Heimat  durchzuschlagen. 
Von  beiden  Konsuln  bedrängt,  besiegte  er  sie  nacheinander;  gegen  den 
Willen  ihres  Führers  beschlossen  die  Sklaven  nunmehr  in  Italien  zu  bleiben, 
um  ihren  Sieg  auszubeuten,  und  marschierten  auf  Rom.  Die  Konsuln  er- 
litten in  Picenum  nochmals  eine  Niederlage;  doch  konnte  Spartacus  Rom 
nicht  erreichen,  sondern  ging  nach  Unteritalien  zurück,  wo  er  sich  bei  Thurii 
festsetzte.  Für  das  folgende  Jahr  71  v.  Chr.  betraute  der  Senat  nicht  die 
Konsuln,  sondern  in  außerordentlichem  Auftrag  den  M.  Licinius  Crassus 
mit  dem  Krieg  gegen  die  Sklaven.  Crassus  hob  die  Disziplin  seiner  Truppen 
und  drängte  dann  den  Spartacus  in  den  äußersten  Süden  Italiens,  wo  er 
ihn  einschloß.  Damals  versuchte  Spartacus,  einen  Teil  seines  Heeres  nach 
Sizilien  hinüberzuwerfen,  aber  die  kilikischen  Seeräuber,  die  er  für  den 
Transport  angeworben  hatte,  ließen  ihn  im  Stich.  Doch  glückte  der  Durch- 
bruch durch  die  Linien  des  Crassus;  Spartacus  errang  nochmals  über  einen 
unvorsichtigen  Unterfeldherrn  des  Crassus  einen  Erfolg;  bald  danach  teilte 
sich  sein  Heer,  und  nachdem  der  eine  Teil  von  Crassus  in  Lukanien  ver- 
nichtet war,  wurde  auch  der  zweite  schließlich  in  Apulien  zur  Schlacht 
gezwungen  und  ebenfalls  besiegt;  Spartacus  fiel.  Die  Flüchtigen  wurden 
abgefangen  und  vernichtet,  sechstausend  Gefangene  ans  Kreuz  geheftet. 
Eine  Abteilung  von  fünftausend  Mann  schlug  sich  bis  Oberitalien  durch,  wo 
sie  dem  zurückkehrenden  Pompeius  in  die  Hände  lief.  Crassus  hatte  alles 
aufgeboten,  um  aus  eigenen  Kräften  mit  den  Aufständischen  fertig  zu  werden, 
damit  der  Ruhm,  den  Krieg  beendet  zu  haben,  nicht  anderen  zufiel;  denn 
schon  nahten  Pompeius  aus  Spanien  und  M.  Lucullus  aus  Makedonien.  In 
sechs  Monaten  hat  Crassus  sein  Ziel  erreicht.  Er  traf  nach  dem  Sieg  zu  Anfang 
des  Winters  mit  Pompeius  vor  Rom  zusammen;  beide  waren  entschlossen, 
sich  für  die  guten  Dienste,  die  sie  geleistet  hatten,  belohnt  zu  machen. 

')  ScHAMBÄCH,  Der  italische  Sklavenauf-  Berlin  1904.  Irrig  läßt  Schämbach  den 
stand 74 — 71  v.Chr., Berlin  1872.  G.Rathke,  ,  Sklavenkrieg  schon  74  v.Chr.  beginnen. 
De  Romanonim  bellt's  sej-vilibus  capita  selecta,    \ 

14* 


2]^ 2  Römische  Geschichte. 

Literatur:  W.  Drumann,  Goschichte  Roms  in  seinem  Übergange  von  der  republi- 
kanischen zur  monarchisclien  Verfassung,  Königsberg  1834—1844,  in  neuer  Bearbeitung 
von  P.  Groebe,  Bd.  I,  II,  III,  IV,  V.  C.  Nbumann,  Geschichte  Roms,  Bd.  2.  Besonders 
wichtig  sind  die  Fragmente  des  Sallust  und  ihre  Ausgaben  von  Kritz  und  neuer- 
dings Maurenbrecher  {Salhisti  historiae,  Leipzig  1891.  1893),  der  wertvolk;  Beiträge  zur 
Geschichte  dieser  Zeit  gibt. 

35.  Konsulat  des  Pompeius  und  Crassus.  Zustand  des  Reiches.   Der 

Sieg  über  Lepidus  liatte  die  Herrscliaft  des  Senats  gefestigt.  Die  Regierung 
war  in  seinen  Händen,  auch  die  Komitien  standen  unter  seinem  Einfluß. 
Er  übte  sogar  das  Recht,  von  den  Gesetzen  zu  entbinden,  ein  Recht,  das 
nicht  selten  zu  egoistischen  Zwecken  mißbraucht  wurde.  Innerhalb  des 
Senats,  der  kaum  je  vollzählig  zusammentrat,  führten  einige  wenige  das 
Wort.  Zu  diesen  Optimaten  gehörten  Q.  Lutatius  Catulus,  C.  Scribonius 
Curio,  L.  Licinius  Lucullus  und  sein  Bruder  Marcus.  Eine  gewichtige  Stimme 
hatte  auch  P.  Cornelius  Oethegus,  ein  ehemaliger  Marianer,  der  rechtzeitig 
zu  Sulla  übergegangen  war.  Es  war  ein  ausgesprochen  oligarchisches  Re- 
giment, dessen  moralisches  Ansehen  durch  die  bedenklichen  Elemente,  die 
daran  teilhatten,  stark  beeinträchtigt  wurde.  Dabei  erschwerten  die  wach- 
senden Schwierigkeiten  der  Außenpolitik  dem  Senat  die  Abwehr  des  Sturms 
auf  die  sullanischen  Gesetze,  den  einige  Tribunen,  wie  Cn.  Sicinius  (76  v.  Chr.), 
Q.  Marcius  (74),  C.  Licinius  Macer  (73)  i)  als  Vertreter  der  senatsfeindlichen 
Popularpartei  liefen.  Es  glückte  diesen  Vorkämpfern  der  demokratischen 
Bewegung  in  der  Tat,  Mißstände  abzustellen  und  gehässige  Privilegien  zu 
beseitigen.  Aber  einen  großen  Erfolg  erzielte  die  Popularpartei  erst,  als 
die  bewaffnete  Macht  sich  mit  ihr  verband.  Das  geschah  im  Jahr  71  v,  Chr. 
Pompeius  und  Crassus  lagen  mit  ihren  Heeren  vor  Rom  und  wollten  für  das 
Konsulat  kandidieren.  Die  Bewerbung  des  Pompeius  vertrug  sich  nicht  mit 
der  Verfassung  und  auch  Crassus  stieß  auf  Schwierigkeiten.  Um  sie  zu  über- 
winden, schlössen  die  beiden  Männer,  indem  sie  die  gegenseitige  Rivalität 
hinter  die  gemeinsamen  Interessen  zurückstellten,  einen  Bund,  in  den  die 
demokratische  Partei  mit  aufgenommen  wurde,  Crassus  tat  den  ersten  Schritt 
zu  dieser  eigenartigen  Koalition,  Die  beiden  Feldherren  versprachen  die 
vollständige  Restituierung  des  Volkstribunats;  ihre  Truppen  behielten  sie 
unter  den  Waffen;  durch  diesen  Druck  schüchterten  sie  den  Senat  ein  und 
erzwangen  ihre  Wahl  als  Konsuln,  Während  des  Amtsjahres  gab  es  frei- 
lich viele  Unstimmigkeiten  und  erst  zuletzt  näherten  sich  die  Konsuln  wieder 
einander,  Ihre  den  Demokraten  gemachten  Zusagen  lösten  sie  ein.  Die 
sullanischen  Beschränkungen  des  Tribunats  wurden  aufgehoben  und  durch 
ein  Gesetz  des  Prätors  L.  Aurelius  Cotta  {lex  AureJia)  erfuhr  die  Besetzung 
der  Gerichte  eine  Neuordnung  im  Sinn  des  demokratischen  Programms; 
die  Richter  wurden  fortan  zu  gleichen  Teilen  aus  dem  Senat,  dem  Ritter- 
stand und  den  tribuni  aerarli  bestellt;  diese  letzteren  sind  Angehörige  der 
unmittelbar  auf  die  Ritter  folgenden  Censusklasse.^)  Im  Konsulatsjahr  des 
Pompeius  und  Crassus  wurde  nach  längerer  Pause  wieder  ein  Census  ab- 
gehalten, bei  dem  die  Zensoren  64  übel  beleumundete  Kreaturen  des  Sulla 

>)  Dies  ist  der  Historiker  (oben  S.  16).  '^)    Ursprünglich    scheinen    die    tribuni 

Sallust  hat   ihm   in    den  Historien   eine  aerarli   Beamte    der   Tribus   gewesen    zu 

noch  erhaltene  Rede  in  den  Mund  gelegt.  sein,  die  mit  der  Umlage  und  Erhebung 

Sallust  ed.  Jordan  S.  119.  der  direkten  Abgaben  befaßt  waren. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§35.)       213 

aus  dem  Senat  stießen.  Die  erste  Bresche  in  die  sullanische  Verfassung 
war  also  gelegt  und  zwar  von  denen,  die  sie  einst  hatten  aufrichten  helfen. 
Es  folgte  ein  neuer  Ansturm  der  marianischen  Partei,  die  nicht  eher  ruhte, 
als  bis  sie  die  ihr  mißliebigen  Gesetze  sämtlich  abgeschafft  hatte.  Auch  die 
auswärtige  Politik  erhielt  neue,  stark  imperialistische  Impulse  durch  ehr- 
geizige Heerführer;  sie  betraten  die  Bahn,  deren  Endziel  die  Monarchie  war. 

Es  war  eine  Zeit  der  Krisen  nach  außen  wie  nach  innen,  auf  militärischem 
und  auf  finanziellem  Gebiet  und  die  Regierung  versagte  diesen  Schwierig- 
keiten gegenüber.  Immer  klarer  stellte  sich  die  Unmöglichkeit  heraus,  mit 
dem  App:.rat  der  damaligen  Verfassung  die  Geschicke  des  Weltreichs  zu 
lenken  und  seinen  Bestand  zu  sichern,  i) 

In  Italien  hatten  sich  die  sozialen  und  wirtschaftlichen  Nöte,  die  zu  den 
gracchischen  Reformen  den  Anlaß  gaben,  noch  verschlimmert.  Während 
in  den  Provinzen,  besonders  in  Afrika,  Spanien  und  Gallien  infolge  der 
Expansion  der  römischen  Bürgerschaft  und  der  fortschreitenden  Romani- 
sierung  neues  Leben  pulsierte,  verkümmerte  das  Mutterland.  Der  Bundes- 
genossenkrieg, die  Bürgerkriege  und  der  Sklavenaufstand  hatten  den  Wohl- 
stand Italiens  zerstört,  die  freie  Bevölkerung  dezimiert  und  der  Latifundien- 
wirtschaft mit  Sklavenbetrieb  Vorschub  geleistet ;  die  von  Sulla  angesiedelten 
Veteranen  waren  kein  vollwertiger  Ersatz  für  die  alten,  an  die  Scholle  an- 
hänglichen Besitzer.  Gerade  die  Kolonisationen  Sullas  und  außerdem  die 
Gewaltmaßnahmen  des  Siegers  im  Bürgerkrieg  hatten  viele  Existenzen  ruiniert, 
die  nun  das  hauptstädtische  Proletariat  vermehrten.  Diese  jilebs  urbana  schrie 
immer  lauter  nach  Versorgung  aus  Staatsmitteln.  Seitdem  die  Armee  sich 
aus  der  unteren  Schicht  der  Bürger  ergänzt,  wird  sie  zimi  Asyl  für  die 
Armeren;  an  die  Stelle  des  Demagogen  tritt  der  Heerführer,  dem  seine 
Soldateska  zu  Ruhm  und  Macht  verhilft  und  der  als  Gegenleistung  ihre 
materielle  Sicherstellung  übernimmt. 

Dem  zunehmenden  Pauperismus  der  Vielen  entsprach  der  Mammonis- 
mus der  Wenigen.  Der  ausgeprägteste  Typus  dieser  neuen  Plutokratie  ist 
M.  Licinius  Crassus,  der  den  Grundstock  zu  seinem  Riesenvermögen  bei 
Gelegenheit  der  sullanischen  Proskriptionen  gelegt  hatte.  Crassus  verstand 
es,  mit  seinen  Pfunden  zu  wuchern.  Er  organisierte  einen  kapitalistischen 
Großbetrieb  und  schuf  sich  aus  intelligenten  und  handfertigen  Sklaven  einen 
Stab  von  Gehilfen.  Auch  machte  er  sich  überall  Freunde  mit  dem  un- 
gerechten Mammon  und  sein  Kapital  wurde  zum  Faktor  des  politischen 
Lebens  und  das  um  so  mehr,  als  die  herrschende  Aristokratie  im  allgemeinen 
in  zerrütteten  Vermögensverhältnissen  steckte;  denn  der  Luxus  der  Lebens- 
haltung und  die  Beteiligung  am  öffentlichen  Leben  verschlang  Unsummen ; 
die  Kosten  der  Bewerbung  um  die  Amter  stiegen  mit  der  Vergrößerung 
der  Bürgerschaft.  Die  Zeiten  waren  vorbei,  in  denen  der  erste  Stand  zu- 
gleich der  reichste  gewesen  war;  jetzt  machte  die  Geschäftswelt  des  zweiten 
und  dritten  Standes,  deren  wirtschaftlicher  Ehrgeiz  weit  größer  war  als 
der  politische,  das  Rennen.  2) 

^)  H.  Nissen,  Der  Ausbruch  des  Bürger-       T.  Pomponius  Atticus   (geb.  110,   gest.  32 

krieges  49  v.  Chr.    Hist.  Zeitschr.  45,  409  flf.       v.  Chr.),  den  wir  aus  Cicero  und  der  Bio- 

2)  Ein  bekanntes  Beispiel  ist  der  Ritter    ,   graphie  des  Cornelius  Nepos  kennen,  ein 


214 


Römische  Geschichte. 


Groß  und  weit  verbreitet  war  die  Not  in  den  römischen  Provinzen;  sie 
waren  durch  die  Bürgerkriege  und  die  sullanische  Restauration  ausnahmslos 
in  Mitleidenschaft  gezogen.')  Schädlich  wirkte  der  häufige  Wechsel  der 
Statthalter;  denn  fast  jeder  neue  Statthalter  war  darauf  bedacht,  seine  durch 
die  Unkosten  der  Wahlkämpfe  zerrütteten  Finanzen  zu  sanieren.  Wenn  es 
auch  nicht  ganz  an  gewissenhaften  Beamten  fehlte,^)  so  überwogen  doch 
die  unerfreulichen  Gegenbeispiele.  Was  auf  dem  Gebiet  der  Ausbeutung 
der  Untertanen  mitunter  geleistet  wurde,  geht  in  drastischer  Weise  aus  dem 
durch  die  Publizistik  des  Anklagevertreters  Cicero  berühmt  gewordenen 
Prozeß  gegen  C.  Verres  hervor,  der  von  73 — 71  v.  Clir.  als  Prätor  die  Geißel 
Siziliens  war.^)  Es  wurde  Sitte,  daß  die  Provinzen  ihren  Statthaltern  per- 
sönliche Zuwendungen  machten.  Viel  böses  Blut  schuf  das  Treiben  der 
römischen  Geschäftsleute,  die  alle  Provinzen  als  Steuerpächter,  als  Grund- 
besitzer, als  Kaufleute  und  Händler  überschwemmten  und  ausbeuteten.  Sie 
fanden  an  den  römischen  Beamten,  von  denen  nur  wenige  gegen  ihre  Über- 
griffe einzuschreiten  wagten,  zumeist  einen  sicheren  Rückhalt;  es  kam  auch 
vor,  daß  reiche  Provinzialen  mit  den  römischen  Blutsaugern  unter  einer 
Decke  steckten.  Die  Gemeinden  waren  tief  verschuldet,  namentlich  in  den 
Ländern  mit  entwickelter  Geldwirtschaft,  so  besonders  in  der  Provinz  Asien. ^) 
Sizilien  lag  schon  lange  darnieder,  und  selbst  der  Grundbesitz  war  über- 
wiegend in  römischen  Händen;  Griechenland  hatte  im  mithridatischen  Krieg 
schwer  gelitten.  Aber  auch  die  verbündeten  freien  Städte  und  Königreiche 
waren  nicht  in  rosiger  Lage.  Ihre  Wünsche  konnten  sie  in  Rom  nur  mit 
Korruptionsgeldern  durchsetzen  und  jede  Einmischung  der  römischen  Kon- 
trollinstanz war  mit  schweren  Opfern  verbunden.  Dagegen  lastete  auf  den 
Gebieten  mit  primitiverer  Wirtschaftsform  die  römische  Herrschaft  nicht  so 
schwer  wie  auf  den  hochzivilisierten.  Ln  Westen  waren  die  Zustände  im 
ganzen  nicht  so  trostlos  wie  im  Osten,  auch  deshalb,  weil  sich  im  Westen 
eine  größere  Zahl  römischer  oder  latinischer  Gemeinden  befand. 

Die  militärische  und  materielle  Hilfe  der  Provinzen  und  der  Verbündeten 
wurde  von  Rom  bei  jedem  größeren  Krieg  auf  den  verschiedensten  Schau- 
plätzen in  Anspruch  genommen,  wobei  der  griechische  Osten  in  der  Regel 
KriegsschiflPe  stellen  mußte.  Diese  Pflichten  wurden  um  so  drückender  emp- 
funden, als  die  Römer  ihrerseits  ihrer  Schutzpflicht  nicht  immer  genügten. 
Seit  langer  Zeit  war  Makedonien,  wie  erwähnt,  den  Überfällen  der  kelti- 
schen und  thrakischen  Völker  im  Norden  ausgesetzt,  der  Mäder  und  Dar- 
daner,  der  Skordisker  und  Bastarner.  Sullas  Feldzug  gegen  sie  (oben  S.  203) 
hatte  keine  nachhaltige  Wirkung.  Bald  nach  seinem  Abzug  fielen  die  Skor- 
disker und  Mäder  sogar  in  Griechenland  ein  und  plünderten  das  delphische 
Heiligtum,  ö)    Dem  L.  Cornelius  Scipio  (Konsul  83  v.  Chr.)  gelang  es,  wenig- 

Mann,  der  mit  Angehörigen  der  verschie- 
densten Parteien  Freundschaft  hielt  und 
seinen  großen  Reichtum  gut  anwendete. 
')  Appiau  bell.  civ.  I  102.  Plutarch  com- 
par.  Sullae  et  Lys.  3.    Cic.  de  off.  III  87. 

2)  Vgl.  was  Diodor  XXXVII  8  von  L. 
Asyllios  (oder  Syllios,  vielleicht  Suillius), 
dem  Prätor  Siziliens,  berichtet. 

3)  Der  Prozefs  fand  70  v.  Chr.  statt,  der 


Angeklagte  ging  noch  vor  der  Urteils- 
fällung ins  Exil. 

■')  Vgl.  die  Inschrift  bei  Dörppeld,  Troja 
und  Ilion  II  454  flf. 

5)  Plutarch  Num.  9.  Appiau  lUyr.  5. 
Euseb.  chron.  II  133  Schöne  (unter  82/81 
V.  Chr.),  PoMTOw,  Rhein.  Mus.  51,  364  ff. 
Vgl.  IIiLLER  V.  Gäektkingbn,  PW  IV  2577. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§35.)       215 

stens  die  Skordisker  zu  züchtigen  (81  v.  Chr.).  Ap.  Claudius  Pulcher  (Konsul 
79  V,  Chr.),  der  seit  77  v,  Chr.  Makedonien  verwaltete,')  hat  am  Rhodo]3e- 
gebirge  gekämpft,  aber  auch  die  Skordisker  in  ihren  Wohnsitzen  aufgesucht. 
Er  starb  in  der  Provinz.  Um  dieselbe  Zeit  unterwarf  C.  Cosconius  in  zwei- 
jährigem Krieg  (etwa  78  und  77  v.  Chr.)  die  aufständischen  Dalmater  und 
eroberte  Salonae.  Nachfolger  des  Ap.  Claudius  wurde  C.  Scribonius  Curio, 
der  während  seiner  Statthalterschaft  (von  76 — 74  v.  Chr.)  namentlich  die 
Dardaner  besiegte  und  wie  sein  Vorgänger  bis  an  die  Donau  vordrang.  Ihn 
löste  der  Konsul  M.  Terentius  Varro  Lucullus  ab.^)  Während  sein  Bruder 
L.  Lucullus  gegen  Mithridates  ins  Feld  zog,  führte  er  73 — 71  v.  Chr.  einen 
erbitterten  Krieg  gegen  die  mit  Mithridates  verbündeten  thrakischen  Stämme, 
besonders  gegen  Besser  und  Mäder.  Er  nahm  Uscudama  (Adrianopel)  und 
andere  Plätze,  ferner  griechische  Städte  der  thrakischen  Küste,  so  Apol- 
lonia,  Kaliatis,  Tomi,  Istros,  die  vermutlich  ebenfalls  mit  Mithridates  im 
Bunde  standen.  Diese  thrakischen  Feldzüge,  die  demnach  in  den  Rahmen 
des  mithridatischen  Krieges  fallen,  führten  jedoch  nicht  zu  dauernder  Unter- 
werfung oder  Beruhigung  Thrakiens.  Damals  entstand  jenseits  der  Donau 
als  neues  politisches  Gebilde  das  Reich  der  Geten  (oder  Daker).  Die  ein- 
zelnen getischen  Stämme  wurden  durch  ByrebistaSj^)  dem  ein  Prophet  De- 
kaineos  zur  Seite  stand,  geeinigt.  Diese  religiös  nationale  Einheitsbewegung 
hob  die  Stoßkraft  der  Geten.  Sie  griflPen  über  die  Donau  hinüber  und  ge- 
fährdeten Makedonien.^) 

Die  Sicherheit  des  Meeres  und  der  Küsten  war  durch  die  Seeräuber 
aufgehoben;  sie  wurden  während  des  Kriegs  von  Mithridates  unterstützt 
und  nach  dem  Krieg  fanden  viele  Provinzialen  Asiens  bei  ihnen  eine  Zu- 
flucht vor  Sullas  Rache.  Die  Inseln  und  Küsten  des  ägäischen  Meeres  waren 
ihnen  preisgegeben;  mit  ganzen  Flotten  kreuzten  die  Piraten  auf  der  See. 
Unter  den  Augen  des  noch  in  Asien  weilenden  Sulla  trieben  sie  ihr  ein- 
trägliches Gewerbe  (85/84  v.  Chr.);  sie  plünderten  z.  B.  Samos  und  das  reiche 
Heiligtum  auf  Samothrake.  Tigranes  von  Armenien,  der  um  83  v.  Chr. 
Syrien  eroberte,  überließ  ihnen  die  westlichen  Teile  Kilikiens.  Noch  bei 
Sullas  Lebzeiten  mußte  ein  neuer  Krieg  gegen  sie  geführt  werden,  mit 
dem  P.  Servilius  betraut  wurde  (78  v.  Chr.).  Er  eroberte  zunächst  die  Städte 
Phaseiis,  Attaleia,  Olympos  und  andere,  und  machte  große  Beute.  Es  han- 
delt sich  um  die  Herrschaft  des  Zeniketes,  eines  Dynasten,  der  sich  den 
Königstitel  beilegte.^)  Des  weiteren  unternahm  Servilius  einen  Krieg  gegen 
die   Isaurer,    überschritt    den  Tauros,    erstürmte    die    Stadt   Isaura    und    er- 

')  Wenn  er  mit  dem  bei  Sallust  orat.  149  f.  Byrebistas  kam  in  den  Tagen  Sullas 

Philipp!  §  21  erwähnten  Interrex  des  Xa-  empor   und    muß   kurz    vor  Caesars  Tod 

mens  aus  dem  Anfang  77  v.  Chr.  identisch  (44  v.  Chr.)  gestorben  sein.    Die  Yernich- 

ist,  so  kann  er  erst  in  diesem  Jahr  in  die  tung    und  Vertreibung   der  Bojer   durch 

Provinz  abgegangen  sein.  ihn    geschah    einige  Zeit   vor  58  v.  Chr.; 

^)  Leiblicher   Bruder   des    L.  Lucullus,  denn  damals  taten  sich  ihre  Reste  mit  den 

von  M.  Terentius  Varro  adoptiert.  Dru-  Helvetiern  zusammen  (Caesar  bell.  Gall. 
männ-Groebe  IV  189.                                           i    I  5,  4).  Vgl.  Niese,  Zeitschr.  für  deutsches 

^)  Die   früher  zweifelhafte  Schreibung  Altert.  42,  156  ff.    Müllenhoffs  Ansichten 

des  Namens  ist  durch  eine  Inschrift  ge-  über  Geten,  Daker  usw.  können  nicht  ge- 
sichert.   SIG  11^  nr.  762.                                   i    billigt  werden. 

^)  StraboVII298.303f.  Jordanes  Get.  67.  s)  Strabo  XIV  671.  Benndokff,  Festschrift 

3IiJLLENH0FF,  Deutsclie  Altertumskunde  III  zu  0.  Hirschfelds  60.  Geburtstage  S.  83  f. 


216  Römische  Geschichte. 

weiterte  die  Grenzen  der  Provinz  Pamphylien  und  Kilikien.  74  v.  Chr. 
kehrte  Servilius,  der  den  Beinamen  Isauricus  annahm,  nach  Rom  zurück,  i) 
Aber  an  der  Wurzel  hatte  er  das  Übel  nicht  gepackt,  tauchten  doch  die 
Seeräuber,  Kiliker  genannt,  gleich  darauf  im  Mittelmeergebiet,  an  den  Säulen 
des  Herakles,  in  Spanien  bei  Sertorius,  auf  Sizilien  bei  Verres,  in  Italien 
bei  Spartacus  auf.  Kreta  schloß  mit  ihnen  ein  Bündnis;  unter  geschickten 
und  verwegenen  Führern  bildeten  sie  eine  Art  Gemeinwesen  und  fühlten 
sich  als  kriegführende  Macht.  Die  meisten  altberühmten  Kultstätten  Griechen- 
lands wurden  von  ihnen  heimgesucht,  die  Inseln  geplündert,  angeblich  vier- 
hundert Städte  erobert.  Es  fehlte  ihnen  nicht  an  Sympathien,  waren  sie 
doch  die  einzigen,  die  den  verhaßten  Römern  zu  trotzen  wagten  und  sie 
zum  Gespötte  machten.  Der  neue  Krieg  des  Mithridates  vergrößerte  den 
Aktionsradius  der  Seeräuber.  2) 

Vgl.  die  am  Schluß  des  vorigen  Paragraphen  (§  34  S.  212)  angeführte  Literatur. 

36.  Mithridates  und  Pompeius.  Der  Friede  von  Dardanos  war  eigent- 
lich nur  ein  Waffenstillstand,  den  Sulla  notgedrungen  geschlossen  hatte, 
weil  er  nach  Italien  zurückstrebte;  es  ist  bezeichnend,  daß  Mithridates  in 
Rom  trotz  wiederholten  Bemühungen  niemals  die  schriftliche  Ausfertigung 
des  Friedensinstruments  zu  erlangen  vermochte;^)  er  konnte  also  über  die 
Gesinnung  der  Römer  nicht  im  Zweifel  sein.  Schon  bald  nach  dem  Frieden 
kam  es  zu  einem  neuen  Krieg.  Zwischen  Mithridates  und  Ariobarzanes 
von  Kappadokien  schwebten  noch  Gebietsstreitigkeiten,  auch  rüstete  Mithri- 
dates, um  die  abtrünnigen  Kolcher  und  Bosporaner  wieder  zu  unterwerfen. 
Der  Nachfolger  Sullas  in  der  Provinz  Asien,  L.  Licinius  Murena,  hatte 
also  einen  Vor  wand,  den  Krieg,  von  dem  er  sich  Ruhm  und  Beute  ver- 
sprach, vom  Zaun  zu  brechen.  83  v.  Chr.  fiel  er  plündernd  ins  pontische 
Gebiet  ein;  als  er  jedoch  im  nächsten  Jahr  (82  v.  Chr.)  trotz  den  Vor- 
stellungen des  Mithridates  und  den  Mahnungen  des  Senats  seinen  Angriff 
wiederholte,  wurde  er  am  Halys  von  den  Pontikern  zurückgewiesen.  Auf 
ein  Machtwort  Sullas  hin,  bei  dem  sich  Mithridates  beschwert  hatte,  wurde 
der  Friede  wieder  hergestellt,  und  auch  der  Konflikt  mit  Ariobarzanes  bei- 
gelegt. Zu  Beginn  seiner  Verwaltung  hatte  Murena  die  Seeräuber  bekämpft 
und  das  Fürstentum  Kibyra,  das  Moagetes  als  letzter  Sproß  eines  Räuber- 
geschlechtes beherrschte,  der  Provinz  Asia  einverleibt  bis  auf  die  Teile,  die 
an  den  lykischen  Bund  fielen.-*)  Ein  Nachspiel  des  von  Murena  provozierten 
Kriegs  gegen  Pontos  war  die  Eroberung  Mytilenes,  das  besonders  energisch 
für  Mithridates  und  gegen  Rom  Partei  genommen  hatte,  ^)  durch  M.  Minucius 
Thermus,  den  Nachfolger  Murenas.  Die  Stadt  mußte  sich  nach  längerer 
Belagei'ung  ergeben  und  verlor  ihre  Freiheit  (80  v.  Chr.). 

Mithridates,  der  die  Hände  gegen  die  abtrünnigen  Untertanen  wieder 
frei  hatte,  befestigte  und  erweiterte  seine  Herrschaft  am  nördlichen  Pontos- 


^)  H.  Jordan,  De  Sallustn  historiarum 
reliquils  quae  ad  bellum  plrat.  Servil,  per- 
tinent,  Index  lect.  aest.  Königsberg  1887. 

^)  Cicero  de  imp.  Cn.  Pomp.  §  31  f. 
Plutarch  Pomp.  24.    Cass.  Dio  XXXVI  20. 

')  Über  Mithridates  und  die  Kriege  gegen 
ihn  vgl.  die   oben  S.  197  A.  3  angeführte 


Literatur.  Dazu  kommt  noch  Mauren- 
BREOHER,   Sallusii  histortae. 

*)  Strabo  XIII  631. 

^)  Die  Mytilenäer  hatten  dem  König 
den  Legaten  M.'  Aquillius  und  andere 
Römer  ausgeliefert.    Velleius  II  18,  1. 


3.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§36.)       217 

ufer.  Auch  sein  Freund  Tigranes  von  Armenien  hatte  inzwischen  sein  Reich 
bedeutend  vergröfaert  und  auf  Syrien  ausgedehnt.  Hier  hatte  seit  dem  Tod 
des  Antiochos  Kyzikenos  (oben  S.  195)  eine  endlose  Fehde  der  seleukidischen 
Thronanwärter  das  Land  und  die  Städte  in  Parteien  gespalten;  Araber  und 
Juden  benutzten  die  Gelegenheit,  um  im  Trüben  zu  fischen.  Um  endlich  zur 
Ruhe  zu  kommen,  wandten  sich  die  großen  hellenischen  Stadtgemeinden  Xord- 
syriens  an  Tigranes,  der  sich  nicht  lange  bitten  ließ.  Sein  Erscheinen  bereitete 
der  seleukidischen  Herrschaft  ein  Ende  (83/82  v.  Chr.).  Nur  in  wenigen  Plätzen 
konnten  sich  die  überlebenden  Mitglieder  der  Dynastie  behaupten.  Tigranes 
wurde  mit  einigen  Ausnahmen  in  Syrien  sowie  im  ebenen  Kilikien  als  Oberherr 
anerkannt  und  legte  sich  den  Titel  König  der  Könige  bei.  Bald  nach  Sullas  Tod 
überzog  er  im  Einvernehmen  mitMithridates  wiederum  Groß-Kappadokien  mit 
Krieg.  Von  hier  und  aus  Kilikien  entführte  er  viele  Bewohner,  darunter  auch 
Griechen,  und  siedelte  sie  in  seiner  neuen  Hauptstadt  Tigranokerta  an,  einer 
großzügigen  Schöpfung  nach  griechischem  Muster,  i)  Auch  das  südliche  Syrien 
bis  zur  ägyptischen  Grenze  bnxchte  er  bald  darauf  zur  Unterwerfung. 

Die  Feindschaft  zwischen  Mithridates  und  den  Römern  wurde  akut,  als 
der  König  von  Bithynien,  Nikomedes  III  Philopator  starb  (74  v.  Chr.) 2)  und 
sein  Reich  den  Römern  vererbte.  Aber  Mithridates  erhob  im  Namen  eines 
von  Philopator  übergangenen  Sohnes  Ansprüche  auf  Bithynien  in  der  Ab- 
sicht, den  Römern  die  Erbschaft  zu  entreißen.  Er  war  besser  gerüstet  als 
früher  und  die  Gelegenheit  erwies  sich  als  günstig,  da  damals  Sertorius  auf 
der  Höhe  seiner  Macht  stand  und  Rom  von  allen  Seiten  mit  Kriegen  be- 
droht war.  Mithridates  schloß  mit  Sertorius  ein  Bündnis  und  versprach  ihm 
Schiffe  und  Geld  (oben  S.  210);  Sertorius  sandte  ihm  einige  höhere  Offiziere 
und  bewilligte  ihm  im  Namen  Roms  Paphlagonien,  Bithynien,  Galatien  und 
Groß-Kappadokien,  während  er  die  römische  Provinz  als  unantastbar  be- 
zeichnete. Mithridates  verband  sich  auch  mit  den  Piraten  und  mit  Kreta; 
sein  Bündnis  mit  den  Thrakern  war  noch  in  Kraft;  überdies  zählte  er  auf 
Tigranes.  Man  stand  also  am  Vorabend  großer  Ereignisse  und  in  Rom  fehlte 
es  nicht  an  Kandidaten  für  den  Oberbefehl  im  kommenden  Krieg.  Der 
Konsul  von  74  v.  Chr.  L.  Licinius  Lucullus,^)  einer  der  angesehensten  Opti- 
maten,  ein  Freund  Sullas,  verschaffte  sich  das  wichtige  Kommando;  be- 
zeichnenderweise versprach  er,  im  Interesse  der  Staatskasse  seine  Rüstungen 
tunlichst  zu  beschränken.  Lucullus  erhielt  die  Provinzen  Kilikien  und  Asien 
und  den  Oberbefehl  gegen  Mithridates,  sein  Kollege  M.  Aurelius  Cotta 
Bithynien  und  das  Flottenkommando.  Zugleich  wurde  der  Prätor  M.  An- 
tonius mit  dem  Krieg  gegen  die  Piraten  und  gegen  Kreta  beauftragt. 

Im  Frühjahr  74v.  Chr.^)  rückte  Mithridates  mit  seiner  Hauptmacht,  deren 
Kern    bastarnische,    skythische    und    thrakische    Mannschaften    bildeten,    in 

^)  Die  Lage   von  Tigranokerta    ist  viel    j   für  7.5  v.  Chr.  entschied  sich  Niese  im  Au- 

umstritten;  vgl.  C.  F.  Lehmann-Haupt,  Ar-  Schluß  an  Maurenbrecher,    Sal/ust.  histor. 

menien  einst  und  jetzt  I,  Berlin  1910, 381  flf.,  reJiquiae  II  228.   Die  Chronologie  des  Krie- 

der    sich    gegen    Kiepert,    Mommsen    und  ges  gegen  Mithridates  ist  kontrovers;  vgl. 

Sachau  für  Farkin  nordöstlich  von  Amida  H.Bernhardt, Chronol.dermithrid. Kriege 

(Diarbekr)  entscheidet.  und  Drumann-Geoebe  IV  142,  15. 

-)  Vgl.  über   das  Todesjahr  (74  v.  Chr.)  ^)  Drumann-Groebe  IV  1-34  ff. 

Eeinach-Götz,  Mithradates  Eupator,  Leip-  ^)  Nach  Reinach-Götz  a.  a.  O.  317,  1   ein 

zig  1895,813,5,  Dkumann-Groebe  IV 139, 12;  Jahr  später. 


218  Römische  Geschichte. 

Bithynien  ein;  die  Flotte  begleitete  ihn.  Die  Freistadt  Herakleia  bewies 
ihr  wohlwollende  Neutralität.  Cotta  nahm,  ehe  LucuUus  von  Asien  her  zu 
Hilfe  kommen  konnte,  vor  Kalchedon  den  Kampf  auf.  Er  wurde  zu  Wasser 
und  zu  Land  geschlagen  und  in  der  Stadt  eingeschlossen.  Seine  ganze 
Flotte  hatte  er  eingebüßt.  Andere  pontische  Heere  besetzten  Galatien  und 
das  benachbarte  Phrygien  und  drangen  bis  nach  Pisidien  und  Isaurien  vor; 
die  Flotte  sollte  die  Verbindung  mit  Kreta  und  sogar  mit  Sertorius  in 
Spanien  herstellen.  Mithridates  rückte  in  die  Provinz  Asien  ein  und  be- 
setzte namentlich  die  ganze  hellespontische  Küste;  nur  die  stark  befestigte 
Freistadt  Kyzikos  leistete  ihm  hartnäckigen  Widerstand,  der  König  belagerte 
sie  von  der  See-  und  von  der  Landseite.  Aber  Lucullus  eilte  zum  Entsatz 
herbei,  und  es  gelang  ihm,  den  Belagerern  die  Zufuhr  zu  Land  abzuschneiden. 
Die  Winterstürme  (74/73  v.Chr.)  erschwerten  auch  die  Verproviantierung  auf 
dem  Seeweg  und  so  wüteten  Hunger  und  Seuchen  unter  dem  grofsen  pontischen 
Heer.  Mithridates  mußte  die  Belagerung  aufheben;  dem  abziehenden  Heer 
brachte  Lucullus  besonders  beim  Übergang  über  den  Aiseposfluß  schwerste 
Verluste  bei.  Mithridates  wandte  sich  über  Byzanz  nach  Nikoraedeia;  seine 
Überlegenheit  im  Feld  war  gebrochen.  Ein  Teil  Bithyniens  fiel  den  Römern 
wieder  in  die  Hände;  besonders  wichtig  war  es,  daß  Lucullus  mit  Schiffen, 
die  er  bei  den  griechischen  Bundesgenossen  requiriert  hatte,  in  zwei  See- 
treffen, an  der  troischen  Küste  und  bei  Lemnos,  die  pontische  Flotte  zu 
schlagen  vermochte  (73  v.  Chr.).  Dann  kehrte  er  sich  gegen  Mithridates, 
der  Bithynien  nicht  mehr  halten  konnte  und  sich  in  Nikomedeia  einschiffte. 
Auf  der  Fahrt  verursachte  ein  Seesturm  neue  Verluste;  aber  dann  wurde 
dem  König  durch  Verrat  Herakleia  in  die  Hände  gespielt.  Er  ließ  dort  eine 
Garnison  zurück.  Die  Römer  besetzten  ganz  Bithynien  und  schritten  zum 
weiteren  Angriff'.  Während  Cotta  sich  zur  Belagerung  Herakleias  anschickte, 
marschierte  Lucullus  in  die  pontische  Küstenlandschaft  ein,  wo  er  über- 
winterte (73/72  V.  Chr.).  Die  befestigten  Plätze,  besonders  Sinope  und  Amisos, 
schlössen  ihm  ihre  Tore,  und  Lucullus  begann  mit  der  Belagerung.  Iva 
Frühjahr  72  v.  Chr.  stieß  er  von  der  Küste  aus  ins  Binnenland  vor  und 
stand  bei  Kabera^)  am  Lykos  dem  mithridatischen  Heer  unter  kleineren 
Gefechten  von  wechselndem  Erfolg  eine  Zeitlang  gegenüber.  Die  Stärke  der 
Pontiker  lag  in  ihrer  überlegenen  Kavallerie.  Als  diese  aber  bei  einem 
größeren  Unternehmen  geschlagen  wurde,  entschloß  sich  Mithridates,  seine 
Stellvmg  zu  räumen.  Da  die  Römer  nachsetzten,  artete  der  Rückzug  in 
Flucht  aus;  als  König  ohne  Land  rettete  sich  Mithridates  über  die  armenische 
Grenze.  Lucullus  ging  nun  an  die  Unterwerfung  des  von  seinem  Herrscher 
aufgegebenen  Reiches;  das  gab  eine  schwere  und  langwierige  Arbeit;  die 
Städte  wurden  von  ihren  Besatzungen,  die  zum  Teil  aus  Piraten  bestanden, 
mannhaft  verteidigt  und  mußten  von  Lucullus  oder  seinen  Legaten  nach- 
einander erobert  werden.  Zuerst  (71  v.  Chr.)  fielen  Kabera  und  Amisos. 
Inzwischen  war  Herakleia  von  Cotta  belagert  worden,  ließ  sich  aber  erst 
bezwingen,  nachdem  die  Flotte  des  Lucullus  unter  C.  Triarius  das  ägäische 
Meer  von   den   Resten   der   pontischen  Marine   gesäubert   hatte.    Von  Cotta 


')  Die  Form  Kahera  ist  durch  Münzen  besser  beglaubigt  als  Kabeira. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§36.)       219 

gerufen,  schloß  Triarius  Herakleia  von  der  See  ab;  nun  kapitulierte  nach 
zweijähriger  Gegenwehr  die  Garnison  auf  freien  Abzug;  die  Stadt  wurde 
von  den  Römern  schonungslos  geplündert.  Nachdem  Triarius  auch  Amastris 
und  Tios  gewonnen  hatte,  betrachtete  Gotta  seine  Aufgabe  als  gelöst  und 
kehrte  nach  Rom  zurück  (70  v.  Chr.).  Lucullus  hatte  im  Jahr  70  endlich 
auch  das  feste  Sinope  erstürmen  können,  nachdem  der  Vizekönig  des  kim- 
merischen  Bosporos,  Machares,  der  die  Belagerten  bisher  mit  Proviantflotten 
unterstützt  hatte,  von  seinem  Vater  Mithridates  abgefallen  und  zu  Lucullus 
übergetreten  war.  Bald  darauf  fiel  auch  das  letzte  Bollwerk  des  pontischen 
Reiches,  Amaseia.  Im  Winter  70/69  v.  Chr.  weilte  Lucullus  in  seiner  Pro- 
vinz Asien,  deren  Finanzen  durch  die  Manipulationen  der  römischen  Gläubiger 
und  Steuerpächter  völlig  zerrüttet  waren.  Lucullus  legte  diesen  Wucherern 
das  Handwerk;  dank  seinen  Maßnahmen  konnte  die  Provinz  ihre  Schulden 
in  vier  Jahren  tilgen.  Die  Provinzialen  atmeten  auf;  die  römischen  Kapi- 
talisten aber  sannen  auf  Rache. 

Tigranes  von  Armenien,  in  dessen  Reich  sich  sein  Schwiegervater  Mithri- 
dates geflüchtet  hatte,  war  bisher  noch  nicht  in  Konflikt  mit  Rom  geraten. 
Als  dann  die  Eroberung  des  Pontos  ihrem  Abschluß  entgegen  ging,  forderte 
Lucullus  von  Tigranes,  der  sich  in  Syrien  aufhielt,  in  schroffster  Form  die 
Auslieferung  des  Mithridates  (71/70  v.  Chr.).  Nunmehr  nahm  sich  der  Ar- 
menier des  vertriebenen  Königs  an;M  er  plante  einen  Einfall  nach  Kilikien 
und  Lykaonien.  Aber  Lucullus  kam  dem  zuvor.  2)  Nach  der  Unterwerfung 
des  Pontos  ging  er  69  v.  Chr.  bei  Melitene  über  den  Euphrat,  marschierte 
auf  Tigranokerta,  warf  die  ihm  entgegengesandten  Truppen  zurück  und 
schloß  die  Stadt  ein.  Tigranes  zog  mit  einem  großen  Heer  zum  Entsatz 
herbei,  wurde  aber  von  der  weit  geringeren  Macht  des  Lucullus  am  6. 
Oktober  69  v.  Chr.  völlig  geschlagen.  Tigranokerta  wurde  mit  großer  Beute 
erobert.  Eine  Folge  des  Sieges  war  die  Losreißung  Syriens  von  Armenien. 3) 
Der  Seleukide  Antiochos  XIII,  mit  dem  Beinamen  Asiatikos,*)  konnte  zurück- 
kehren und  ließ  sich  von  Lucullus  als  König  bestätigen.  Lucullus  über- 
winterte in  Gordyene;  er  trat  in  Unterhandlung  mit  dem  Partherkönig 
Phraates,  als  er  aber  merkte,  daß  der  Parther  sich  auch  mit  Tigranes  ver- 
ständigte, gedachte  er  ihn  ebenfalls  zu  bekriegen,  zu  welchem  Behuf  er  die 
im  Pontos  stehenden  Truppen  an  sich  ziehen  wollte.  An  deren  Gehorsams- 
verweigerung scheiterte  der  Plan  des  Partherzugs.  Im  nächsten  Jahr  (68 
V.  Chr.)  drang  Lucullus  von  Süden  her  in  Armenien  ein:  sein  Ziel  war 
Artaxata.  Er  erfocht  am  Arsanias  einen  Pyrrhussieg  über  Tigranes  und 
Mithridates;  als  die  Strapazen  des  Vormarsches  bei  Beginn  der  schlechten 
Jahreszeit  in  dem  unwirtlichen  Gebirgsland  immer  größer  wurden,  erzwangen 
die  Soldaten  die  Umkehr.    Ohne  Artaxata  erreicht  zu  haben,  mußte  Lucullus 


^)  Mithridates  hat  nach  Memuonp.  238  b  5  Diese  Zahl  ist   besser   beglaubigt  als  die 

ein  Jahr  acht  Monate  nach  seiner  Flucht  siebzehn  Jahre  des  Justinus  (XL  1,  4),  die 

ganz  zurückgezogen  gelebt.  vielleicht  nur  ein  Schreibfehler  (X  TT/ für 

-)  K.  Eckhardt.  Die  armenischen  Feld-  XIIII)  sind. 

Züge  des  Lukullus,  Klio  IX  (1909),  400  flf.  ■*)  Ein  Sohn  des  Antiochos  X  Eusebes, 

X  72  if.  192  ff.  der  wiederum  Sohn   und  Nachfolger  des 

')   Tigranes    hat   Syrien    nach    Appiau  Antiochos  IX  Kyzikenos  war,  oben  S.  195. 
(Syr.  70)  vierzehn  Jahre  lang  beherrscht. 


220  Römische  Geschichte. 

nach  Mesopotamien  zurück.  Er  eroberte  hier  Nisibis  und  bezog  dann  Winter- 
quartiere (68/67  V.  Chr.).  Aber  die  Tage  seines  Kommandos  waren  gezählt. 
An  eine  dauernde  Behauptung  seiner  Eroberungen  war  nicht  zu  denken;  sein 
Heer,  dessen  Kern  die  Legionen  Fimbrias  (S.  208)  bildeten,  hatte  er  nicht  mehr 
in  der  Hand;  die  Soldaten,  durch  unzufriedene  Offiziere  verhetzt,')  begehrten 
nach  Hause.''')  Lucullus  war  nie  populär  gewesen,  weil  er  die  Soldateska  in 
Zucht  hielt  vmd  keine  Ausschreitungen  gegen  die  friedliche  Bevölkerung  dul- 
dete. Auch  der  neue  demokratische  Kurs  in  Kom  (oben  S.  212  f.)  wurde  ihm, 
dem  ausgesprochenen  Optimaten,  verhängnisvoll.  Von  der  Provinz  Asien  aus 
intrigierten  die  von  Lucullus  in  ihren  schmutzigen  Geschäften  gestörten  Kapi- 
talisten. In  Rom  wurde  behauj)tet,  daß  Lucullus  den  Krieg  über  Gebühr 
ausdehne  und  so  wurde  denn  im  Jahr  67  v.  Chr.  Konsul  M'.  Acilius  Glabrio 
zu  seinem  Nachfolger  bestellt.  Lucullus  wurde  angewiesen,  die  altgedienten 
Leute  zu  entlassen,  die  übrige  Mannschaft  dem  Glabrio  zu  übergeben. 

Mithridates  war  nicht  müßig  geblieben.  Nach  der  Schlacht  am  Arsanias 
hatte  er  die  Wiedereroberung  seines  pontischen  Reiches  versucht.  Daher 
ging  Lucullus  67  v.  Chr.  wieder  in  den  Pontos,  aber  noch  ehe  er  eintraf, 
wurde  sein  Legat  C.  Triarius  bei  Zela  von  Mithridates  geschlagen.  Zwar 
wich  der  König  vor  Lucullus  zurück,  aber  der  römische  Feldherr  konnte 
weder  ihm  folgen  noch  das  benachbarte  Kappadokien  gegen  Tigranes  ver- 
teidigen. Seine  Soldaten  verweigerten  jede  Offensive  und  verstanden  sich 
nur  dazu,  an  Ort  und  Stelle  zu  bleiben,  um  das  Land  nicht  ohne  Schutz 
zu  lassen.  Mithridates  behauptete  sich  im  östlichen  Teil  des  Pontos,  Tigranes 
fiel  plündernd  in  Groia-Kappadokien  ein,  und  als  der  Sommer  zu  Ende  war, 
löste  sich  das  Heer  des  Lucullus  zum  größten  Teil  auf. 

Während  des  mithridatischen  Krieges  hatte  das  Unwesen  der  Piraten 
weiter  um  sich  gegriffen.  Sie  setzten  sich  zeitweilig  auf  Sizilien  fest  und 
machten  sich  selbst  in  Italien  bemerklich.  M.  Antonius,  dem  der  Krieg  gegen 
sie  74  V.  Chr.  übertragen  war,  richtete  wenig  aus.^)  Er  erlitt  durch  die  mit 
den  Seeräubern  verbündeten  Kreter  eine  Niederlage  und  schloß  mit  ihnen 
einen  förmlichen  Friedensvertrag,  der  aber  in  Rom  verworfen  wurde;  der 
Senat  bestand  auf  bedingungsloser  Übergabe.^)  Antonius  starb  während  des 
Krieges  auf  Kreta.  Besser  bewährte  sich  sein  Nachfolger  Q.  Caecilius  Metellus 
(Creticus),  dem  es  in  den  Jahren  69/67  v.  Chr.  gelang,  die  Kreter  nach 
tapferem  Widerstand  zu  unterwerfen  und  ihre  Führer  Lasthenes  und  Panares 
gefangen  zu  nehmen.  Auf  die  Piraten  machte  der  Fall  Kretas  keinen  Ein- 
druck. Sie  wagten  sogar  in  Kampanien  zu  landen  und  Menschen  aufzu- 
greifen und  fuhren  selbst  in  den  Hafen  von  Ostia  ein,  wo  sie  plünderten 
und  die  Schiffe  zerstörten.  Der  ganze  Seehandel  war  gelähmt  und  die  Ge- 
treidezufuhr Roms  geriet  ins  Stocken ;  eine  Teurung  war  die  unausbleibliche 
Folge.    In  dieser  Bedrängnis  richteten   sich  die  Blicke  auf  Pompeius. 

')  Der  Haupthetzer    war    des  Lucullus  Athenodoi'os  die  Insel  Delos.  Triarius  be- 
Schwager, P.  Clodius.  festigte  dieverödeteStadt  mit  einer  Mauer; 

^)    Wenn    die    Firabrianer,    wie    anzu-  aber  das  schon  im  J.  88  schwer  getroffene 

nehmen,  87  v.  Chr.  ausgehoben  waren,  so  Delos  erholte   sich  nie  wieder.    Phlegon 

hatten  sie  jetzt,  nach  20 Dienstjahren,  ein  fr.  12  (FHG  III  606). 

Eecht  auf  Entlassung.  |        ••)  Appian  Sikel  6.    Diodor  XXXIX  1. 

^)  Noch  69  V.  Chr.  plünderte  der  Pirat  j 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§30.)       221 

Er  war  wie  Crassus  nach  seinem  Konsulat  (S.  212)  in  Rom  geblieben; 
auf  eine  Provinz  hatte  er  verzichtet;  in  ungestilltem  Ehrgeiz  strebte  er 
nach  höheren  Zielen.  Seine  bisherigen  Leistungen,  seine  Persönlichkeit  und 
einwandfreie  Lebensführung  erwarben  ihm  Vertrauen  und  Ansehen.  An- 
fang 67  V.  Chr.  stellte  nun  der  Volkstribun  A.  Gabinius  beim  Volk  den  An- 
trag, einem  Mann  den  Krieg  gegen  die  Seeräuber  mit  großen  Streitkräften 
auf  drei  Jahre  zu  übertragen  und  ihm  für  alle  Küstenprovinzen  bis  zum 
50.  Meilenstein  landeinwärts  unumschränkte  Gewalt  zu  verleihen.  Gegen 
denWiderstand  des  Senats,  der  befürchtete,  daß  aus  einer  solchen  „Nauarchie" 
sich  die  Monarchie  entwickle,  ging  der  Antrag  durch  und  Pompeius,  auf 
den  er  gemünzt  war,  wurde  gewählt.  Ein  riesiges  Aufgebot  bis  zum  Maxi- 
mum von  500  Kriegsschiffen  und  20  Legionen  wurde  ihm  bewilligt.  Pom- 
peius machte  sich  sofort  an  die  große  Arbeit,  die  er,  unterstützt  von  24 
Legaten,  mit  Organisationstalent  streng  methodisch  bewältigte,  i)  Zunächst 
befreite  er  in  vierzig  Tagen  das  westliche  Mittelmeerbecken  .von  der  See- 
räuberplage; dann  wandte  er  sich  über  Rom  nach  dem  Osten;  er  trieb  alle 
Piraten  nach  Kilikien  zusammen  und  gewann  in  kurzem  ihre  festen  Plätze, 
die  sich  fast  alle  freiwillig  ergaben,  so  auch  die  Seeräuberburg  Korakesion,  wo 
sich  die  Verwegensten  eine  Zeitlang  verteidigt  hatten.  Pompeius  ließ  Milde 
walten;  alle,  die  sich  ergaben,  blieben  an  Leben  und  Freiheit  ungekränkt. 
Um  den  Heimatlosen  eine  Existenz  zu  schaffen,  siedelte  Pompeius  viele  der 
ehemaligen  Piraten  an,  so  im  kilikischen  Soloi  (Pompeiopolis),  in  Dyme  in 
Achaia  usw. 2)  Auch  die  von  Q.  Metellus  bedrängten  Kreter  wandten  sich 
an  ihn,  und  Pompeius  machte  gegen  Metellus  sein  höheres  Imperium  geltend, 
das  dieser  nicht  anerkannte.  Der  Kompetenzstreit  hätte  zum  offenen  Kampf 
und  also  zum  Bürgerkrieg  geführt,  wenn  Pompeius  nicht  durch  eine  neue 
Mission  abgelenkt  worden  wäre.  Metellus  wurde  nicht  weiter  behelligt-;  er 
unterwarf  Kreta  und  machte  die  Insel  zur  Provinz. 

Anfang  66  v.  Chr.  beantragte  der  Volkstribun  C.  Manilius,  dem  Pompeius 
auch  die  Provinzen  Bithynien  und  Kilikien  und  den  Krieg  gegen  Mithri- 
dates  und  Tigranes  mit  umfassender  Vollmacht^)  zu  übertragen.  Befürwortet 
von  den  Populai-en,  übrigens  auch  von  dem  Prätor  M.  Tullius  Cicero,  ging 
das  Gesetz  trotz  den  Gegenbemühungen  der  extremen  Optimaten  durch. 
Man  erwartete  von  Pompeius  die  rasche,  glückliche  Beendigung  des  Krieges, 
und  er  ging  sofort  mit  gewohnter  Umsicht  ans  Werk.  Zuerst  betrat  er  den 
diplomatischen  Weg,  aber  Mithridates  lehnte  seine  Forderungen  ab.  .Dann 
setzte  sich  Pompeius  mit  den  Parthern  ins  Benehmen;  sie  versprachen,  den 
Tigranes  zu  beschäftigen  und  werden  dafür  gewisse  Zusicherungen  erhalten 
haben.  Pompeius  ließ  seine  Flotte  ins  Schwarze  Meer  einlaufen.  Er  selbst 
traf  in  Galatien  mit  Luculius  zusammen ;  die  beiden  überwarfen  sich  völlig. 
Pompeius  machte  die  Anordnungen  des  Luculius  rückgängig  und  zog  den 
größten  Teil  seines  Heeres  zu  sich  herüber.  Dann  rückte  er  in 'den  Pontos 
ein.  Mithridates  hielt  sich  in  der  Defensive  und  suchte  den  Krieg  hinzu- 
ziehen, wurde  aber  genötigt,  nach  Kleinarmenien  auszuweichen  und  ging 
zuletzt    bei    Dasteira    in    Stellung.     Pompeius,    der   Verstärkungen    erhielt, 

^)  Vgl.  P.Groebe,  Klio  X,  1910,  374  ff.       1   räuber  angesiedelt.  Sueton.  fr.  S.  306  Roth. 
2)  Auch   in   Unteritalien    wurden  See-    |        ^)  Appian  b.  civ.  I  97. 


222  Römische  Geschichte. 

schloß  ihn  ein.  Doch  es  glückte  dem  König,  bei  Nacht  unbemerkt  durch 
die  feindlichen  Linien  hindurch  abzuziehen.  Aber  Pompeius  holte  das 
flüchtige  Heer  ein  und  zersprengte  es  nicht  weit  vor  Euphrat  durch  einen 
nächtlichen  Angriff'. i)  Mithridates  rettete  sich  aus  der  Katastrophe;  von 
Tigranes  abgewiesen,  floh  er  nach  Kolchis  und  Dioskurias,  wo  er  den 
Winter  zubrachte.  Von  hier  aus  ging  er  im  folgenden  Jahr  (65  v.  Chr.)  an 
den  kimmerischen  Bosporos. 

Der  Sieg  des  Pompeius  war  entscheidend.  Tigranes,  der  mit  seinem 
gleichnamigen  Sohn  und  mit  den  Parthern  in  Krieg  lag,  ergab  sich  dem 
Sieger.  Er  erhielt  sein  Königtum  zurück  und  wurde  als  Bundesgenosse  an- 
erkannt. Die  Römer  überwinterten  (66/65  v.  Chr.)  im  nördlichen  Armenien. 
Im  nächsten  Jahr  (65  v.  Chr.)  unterwarf  Pompeius  die  mit  Mithridates  und 
Tigranes  verbündeten  Kaukasosvölker,  zuerst  die  Iberer  am  Kyros  unter 
dem  König  Artokes,  von  hier  zog  er  nach  Kolchis  hinab  und  traf  an  der 
Küste  mit  seiner  Flotte  zusammen;  darauf  wandte  er  sich  gegen  die  Albaner 
am  kaspischen  Meer,  die  unter  ihrem  Fürsten  Oroizes  im  Winter  die  ver- 
streuten römischen  Truppen  in  ihren  armenischen  Quartieren  zu  überfallen 
versucht  hatten.  Die  Legaten  des  Pompeius  waren  inzwischen  teilweise  für 
Tigranes  in  Armenien  und  Mesopotamien  tätig,  wobei  sie  schon  mit  den 
Parthern  zusammenstießen;  doch  ließ  Pompeius  es  hier  nicht  zum  Krieg 
kommen;  den  Parthern  wurden  gemäß  den  früheren  Versprechungen  auf 
Kosten  des  Tigranes  Gebietserweiterungen,  insbesondere  die  Euphratgrenze 
zugestanden.  Gleichzeitig  wurde  das  Stammland  des  Mithridates  nicht  ohne 
schwierige  Kämpfe  und  erst  nach  tapferem  Widerstand  vollständig  zur 
Unterwerfung  gebracht  und  durch  Pompeius  64  v.  Chr.  von  Amisos  aus 
vorläufig  als  Provinz  eingerichtet. 

Pompeius  unterbrach  diese  Tätigkeit,  um  sich  zu  einer  neuen  Erwerbung 
nach  Syrien  zu  wenden,  wo  seine  Legaten  schon  vorher  erschienen  waren 
und  wo  jetzt  seine  Anwesenheit  erforderlich  wurde.  Den  Antiochos  Asia- 
tikos  der  sich  nicht  einmal  in  der  Hauptstadt  Antiocheia  zu  behaupten  ver- 
mochte, erkannte  er  nicht  an.  So  herrschte  denn  wieder  Anarchie,  und  die 
gegenseitigen  Kämpfe  der  verschiedenen  Machthaber  hatten  zum  Schaden 
der  griechischen  Stadtgemeinden  überall  aufs  neue  eingesetzt.  In  Cölesyrien 
war  vor  allem  Aretas  mächtig,  der  Fürst  der  nabatäischen  Araber,  daneben 
das  jüdische  Königtum,  um  dessen  Besitz  sich  damals  zwei  Brüder,  Söhne 
des  Alexander  Jannaios,  Hyrkanos  und  Aristobulos,  seit  67  v.  Chr.  stritten. 
Durch  den  Beistand  des  Aretas  hatte  zeitweilig  Hyrkanos  das  Übergewicht 
erlangt;  aber  M.  Aemilius  Scaurus,  der  Legat  des  Pompeius,  hatte  die  Herr- 
schaft dem  Aristobulos  zugewendet. 

Pompeius  betrachtete  Syrien  als  früheren  Besitz  des  Tigranes  und  so- 
mit nach  Kriegsrecht  als  römische  Beute;  in  der  Absicht,  das  Land  für 
Rom  einzuziehen,  begab  er  sich  nach  Antiochien,  wo  er  den  Winter  64/63 
V.  Chr.  zubrachte.    Im  nächsten  Frühjahr  zog  er  weiter  gen  Süden,    stellte 

')  Über  diesen  Feldzug  vgl.  "W.  Fabri-  nisse  sind  vielfach  unklar.    Dasteira  lag 

cius,  Theophanes  vonMytilene  und  Q.  Del-  nach  Strabo  XII  555  nicht  weit  von  Niko- 

lius  als  Quellen  der  Geographie  des  Strabo,  polis  (heute  Enderes),  das  Pompeius  zum 

Straßburg  1888,  94  f.   Reinach-Götz  a.  a.  O.  Gedächtnis  seines  Sieges  gründete. 
380  ff.  DEUMANN-GROEBElV443ff.  DieEreig- 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§36.)       223 

die  Ruhe  her  und  beseitigte  mehrere  Tyrannen  und  Dynasten.  In  Damaskos 
entschied  er  den  Streit  zwischen  den  beiden  jüdischen  Fürsten  zugunsten 
des  Hyrkanos.  Da  Aristobulos  und  seine  Partei,  sich  diesem  Spruch  nicht 
fügten,  so  rückte  Pompeius  gegen  Jerusalem.  Die  Stadt  ergab  sich  sogleich, 
aber  der  Tempel,  den  die  Anhänger  des  Aristobulos  besetzt  hielten,  wurde 
erst  nach  längerem  Widerstände  erstürmt.  Judäa  wurde  der  Provinz  Syrien 
einverleibt,  Hyrkanos  erhielt  das  Priestertum  und  die  Vorstandschaft  über 
die  Juden.  Alle  Eroberungen  der  früheren  jüdischen  Fürsten  mußten  heraus- 
gegeben werden,  namentlich  die  umliegenden  griechischen  Städte,  die  durch 
die  jüdischen  AngriflPe  viel  gelitten  hatten.  Pompeius  stellte  ihre  kommunale 
Selbständigkeit  wieder  her,  wie  er  sich  auch  sonst  als  Philhellene  erwies.  ^) 
Mit  den  Nabatäern  wurde  bald  die  Sprache  der  WafPen,  bald  die  der 
Diplomatie  geführt,  ohne  daß  eine  Unterwerfung  des  Aretas  zustande- 
gekommen wäre. 

Schon  auf  dem  Weg  nach  Jerusalem  hatte  Pompeius  die  Nachricht  vom 
Tod  des  Mithridates  erhalten.  Mithridates  hatte  sich  65  v.  Chr.  von  Dios- 
kurias  an  den  Bosporos  durchgeschlagen  und  hier  die  Herrschaft  wieder 
angetreten;  sein  abtrünniger  Sohn  Machares  beging  Selbstmord.  Noch  ein- 
mal versuchte  der  König  zu  unterhandeln;  er  bot  seine  Unterwerfung  an; 
da  aber  Pompeius  verlangte,  daß  er  sich  persönlich  stelle,  so  brach  er  die 
Verhandlungen  ab ;  mit  unermüdlicher  Energie  schuf  er  sich  nochmals  Heer 
und  Flotte,  indem  er  den  letzten  Mann  und  die  letzte  Drachme  aufbot, 
aber  seine  Macht  hatte  längst  kulminiert.  Die  Flotte  des  Pompeius  unter- 
band den  bosporanischen  Handel,  die  Untertanen  stöhnten  unter  dem  Druck 
der  Rüstungen,  des  Königs  Umgebung  verlor  den  Mut.  Phanagoreia  gab 
das  Signal  zum  Abfall;  Theodosia,  Chersonesos  und  andere  Griechenstädte 
folgten.  Der  phantastisch  großartige  Plan,  eine  Offensive  gegen  Italien  an 
der  Spitze  der  Barbaren  des  Nordens,  der  Sarmaten,  Bastarner  und  Donau- 
kelten zu  unternehmen,  scheiterte  an  der  Unlust  des  Heeres.  In  Pantikapaion, 
der  Residenz  des  Mithridates,  empörte  sich  sein  Sohn  Pharnakes;  die  Truppen 
gingen  zu  ihm  über,  und  der  alte  König,  von  allen  verlassen,  entzog  sich 
durch  freiwilligen  Tod  der  äußersten  Schmach.  Pharnakes  machte  sogleich 
mit  den  Römern  Frieden. 

Pompeius  kehrte  noch  im  Jahr  63  v.  Chr.  aus  Syrien  nach  Vorderasien 
zurück,  wo  er  den  Winter  verbrachte.  Er  führte  die  Neuordnung  der  Land- 
schaften durch,  belohnte  seine  Freunde,  bestrafte  die  Gegner.  Das  Erbland 
des  Mithridates  wurde  mit  Ausnahme  der  östlichen  Teile  unter  dem  Namen 
Pontes  mit  Bithynien  vereinigt  zur  römischen  Provinz.  Pharnakes  mußte 
sich  mit  dem  bosporanischen  Gebiet  begnügen.  Ariobarzanes  von  Kappadokien 
erhielt  territorialen  Zuwachs,  Paphlagonien  wurde  wiederhergestellt,  die 
Stammesgenossenschaft  der  Galater,  die  den  Römern  nützliche  Dienste  ge- 
leistet hatten,  in  drei  Fürstentümer  geteilt.  Armenien  verblieb  dem  Tigranes, 
aber  mehrere  kleinere  Fürstentümer  wurden  abgetrennt.  Östlich  vom  Pontos 
(z.  B.  in  Kolchis)  und  im  rauhen  Kilikien  bestanden  einige  Territorien  unter 

')  Eine  Eeihe  von  Städten  an  beiden  j  die  spätere  Kaiserzeit  gilt.  Kubitschek, 
Seiten  des  Jordan  fängt  mit  Pompeius  i  PW  I  649  f.  Vgl.  Bull,  de  correspond.  hell. 
(63  V.  Chr.)  eine  neue  Ära  an,   die  bis  in    |    1897,  47.  64  ff .      • 


224  Römische  Geschichte. 

ihren  besonderen  Dynasten  weiter.  Kleinarmenien  und  die  angrenzenden 
Küstenstriche  wurden  dem  galatischen  Fürsten  Deiotarus  übergeben,  einem 
besonders  verdienten  Anhänger  des  Pompeius.^)  Bemerkenswert  sind  im 
Pontos  die  zahlreichen  Städtegründungen  des  Pompeius,  der  damit  an  die 
Kulturpolitik  des  Mithridates  anknüpfte.  Pompeius  schaltete  in  alle  dem 
ganz  nach  eigenem  Ermessen.  Im  Jahr  02  v.  Chr.  trat  Pompeius  die  Heim- 
reise an.  Er  ließ  sich  Zeit, 2)  um  die  überschwenglichen  Huldigungen,  die 
man  ihm  darbrachte,  auszukosten. 3) 

Literatur:  Siehe  die  am  Schluß  des  §34  (S.  212)  angeführten  Werke. 

37.  Innere  Kämpfe.  Catilinas  Verschwörung.  Pompeius  verdankte 
seinen  Aufstieg  zu  höchsten  Erfolgen  dem  Pakt  mit  der  Popularpartei ; 
seine  Gegenleistung  war  im  Jahr  70  v.  Chr.  die  völlige  Wiederherstellung 
des  Volkstribunats  und  die  Befreiung  der  Gerichte  aus  der  ausschließlichen 
Gewalt  des  Senats  gewesen.  In  den  folgenden  Jahren  waren  die  Demokraten 
mit  Erfolg  bestrebt,  die  Macht  des  Senats  einzudämmen,  die  sullanische 
Verfassung  abzubauen  und  die  einstigen  Handlanger  des  Diktators  zur 
Rechenschaft  zu  ziehen.'^)  Ein  aufstrebender  Parteigänger  der  Populären 
war  C.  Julius  Caesar  (geb.  13.  Quinctilis  100  v.  Chr.),°)  zwar  Sproß  eines 
patrizischen  Geschlechts,  aber  auch  Eidam  Cinnas  und  durch  die  Ehe  seiner 
Tante  Julia  mit  Marius  dessen  Neffe.  Sulla  ächtete  den  Jüngling,  in  dem 
er  mehr  als  einen  Marius  witterte,  hat  ihn  aber  schließlich  begnadigt.  So- 
lange Sulla  noch  lebte,  leistete  Caesar,  fern  von  Rom,  Kriegsdienste  in 
Asien. 6)  Nach  Sullas  Tod  in  die  Hauptstadt  geeilt,  erregte  er  bald  in  der 
politischen  Arena  Aufsehen  durch  seinen  redegewandten  Prozeßkrieg  gegen 
zwei  namhafte  Sullaner.  Als  der  aus  Spanien  zurückgekehrte  Pompeius 
sein  Herz  für  die  Populären  entdeckte,  schloß  Caesar  sich  ihm  an.  Als 
erstes  kuruhsches  Amt  verwaltete  er  (68  v.  Chr.)  die  Quästur  im  jenseitigen 
Spanien.  Eindruck  machte  seine  Ädilität  (65)  durch  großartige  Spenden 
und  Spiele  und  vor  allem,  weil  er  Statue  und  Trophäen  des  Marius  wieder 
aufzurichten  wagte.  Beziehungen  zu  Crassus,  der  mit  den  Führern  der 
Optimaten  in  Fehde  lag^)  und  durch  den  Pakt  mit  den  Populären  die  eigenen 
Pläne  förderte,  stärkten  seinen  finanziellen  Kredit.    Aber  nicht  nur  bei  den 


1)  Vgl.  Niese,  Rhein.  Mus.,  N.  F.  XXXVIII  p.  56  (50  Scholl). 

567  f.  Stähelin,  Gesch.  der  kleinasiatischen  ^)  Auf  dieses  .lahr  führen  die  Angaben 

Galater^  88.  der  Alten;  aber  Mommsen,  Rom.  Gesch.  III 

2)  Unterwegs  besuchte  er  Mytilene,  dem  16  Anm.  zieht  statt  dessen  das  J.  102  vor, 
er  die  Freiheit  zurückgab.  IG  XII  2. 140  flf.  weil  Caesar  im  J.  59  das  Konsulat  be- 
202.  Theophanes  von  Mytilene,-der  Histo-  kleidete,  für  welches  Amt  das  43.  Lebens- 
riker,  stand  bei  ihm  in  Gunst  und  ge-  jähr  das  normale  ist.  Der  Ansicht  Momm- 
hörte  zu  seiner  Umgebung.  Auf  Rhodos  sens  neigt  sich  Ed.  Meyer  zu,  Caesars 
machte  er  dem  großen  Philosophen  Posei-  Monarchie  und  das  Prinzipat  des  Pom- 
donios   seine   Aufwartung.    Auch    Athen  pejus,  1918,  58,  2. 

wnirde  besucht  und  beschenkt.  Plut.  Pomp.  «)  Er    nahm    an    der    Belagerung    von 

42.    Drumänn-Geoebe  IV  485  ff.  Mytilene  unter  M.  Minucius  Thermus  teil 

^)  Vgl.  die  Inschrift  von  Miletupolis,  und  diente  dann  unter  P.  Servilius  Isauri- 
Journ.  of  hell.  sUul.  XXVII  (1907)  64.  Dazu    1    cus.    Oben  S.  215  f. 

Diodor  fr.  XL  4.  ')  65  v.  Chr.  war  Crassus  rnit  Q.  Luta- 

*)    Hierher    gehören    die    Anträge    des  tius  Catulus  Zensor,  konnte  sich  aber  mit 

C.  Cornelius,    der  67  v.  Chr.  Mißbräuche  ihm  nicht   einigen,   so  daß   zuletzt  beide 

des    senatorischen    Regiments    abstellen  Zensoren  abdankten, 
wollte:  s.  Ascönius  zu  Ciceros  Corneliana 


6.  Vierte  Periode :  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§37.)      225 

Populären,  sondern  auch  bei  den  Sullanern  gab  es  Unzufriedene,  adlige 
Schuldenniacher  oder  unruhige  Streber,  die  durch  die  Zensur  des  Jahres 
70  V.  Chr.  ihren  Senatssitz  eingebüßt  hatten,  sich  aber  nicht  für  immer 
kaltstellen  lassen  wollten. i)  Zu  diesen  gefährlichen  Elementen  gehörten  die 
für  65  V.  Chr.  gewählten  Konsuln  P.  Autronius  Paetus  und  P.  Cornelius 
Sulla.  Wegen  Wahlunterschleifs  verurteilt,  hatten  sie  ihr  Amt  nicht  an- 
treten können.  Daraus  entstand  ein  Komplott  mit  dem  Zweck,  die  in- 
zwischen nachgewählten  Konsuln  zu  töten  und  den  verurteilten  doch  noch 
zum  Konsulat  zvi  verhelfen.  Die  Ausführung  übernahmen  zwei  verwegene 
Männer,  die  dabei  auch  auf  die  eigene  Rechnung  zu  kommen  hofften,  Cn. 
Calpurnius  Piso  und  L.  Sergius  Catilina.  Catilina,  ein  heruntergekommener 
Patrizier,  hatte  sich  als  Helfershelfer  Sullas  bei  den  Proskriptionen  be- 
sonders anrüchig  gemacht.  Auch  er  hatte  bei  den  Konsulwahlen  für  das 
Jahr  65  vergeblich  kandidiert,  ohne  sich  durch  diesen  Mißerfolg  von  weiteren 
Bewerbungen  abschrecken  zu  lassen.  Das  geplante  Attentat  wurde  ruchbar 
und  konnte  vereitelt  werden.  Die  eigentlichen  Drahtzieher  dieser  ersten 
catilinarischen  Verschwörung  des  Winters  66/65  v.  Chr.  waren  Crassus  und 
Caesar,  die  so  schon  jetzt  den  abwesenden  Pompeius  mattzusetzen  trachteten. 
Piso  ging  in  aufserordentlichem  Auftrag  nach  Spanien,  wo  er  bald  darauf, 
wie  man  munkelte  auf  Anstiften  des  Pompeius,  erschlagen  wurde.  Gestützt 
auf  Caesar  und  Crassus  setzte  Catilina  sein  Streben  nach  dem  Konsulat 
fort,  Avurde  aber  in  einen  Repetundenprozeß  verwickelt.^)  Freigesprochen, 
konnte  er  doch  erst  für  das  Jahr  63  v.  Chr.  im  Verein  mit  dem  gleich- 
gesinnten  C.  Antonius  wieder  kandidieren.  Catilina  fiel  durch;  gewählt 
wurden  Antonius  und  M.  Tullius  Cicero.^)  Cicero  war  106  v.  Chr.  geboren 
und  stammte  aus  einer  schlichten  Ritterfamilie.  Militärische  Neigungen 
gingen  ihm  ab;  er  machte  seine  Laufbahn  als  Sachwalter  und  Redner;  als 
solcher  überflügelte  er  seinen  Hauptkonkurrenten  Q.  Hortensius,  der  auf  dem 
rechten  Flügel  der  Optimaten  stand.  Die  Amter  bekleidete  Cicero  in  nor- 
maler Reihenfolge:  75  v.  Chr.  war  er  Quästor  auf  Sizilien,  69  Adil,  66 
Prätor.  Er  hatte  sich  von  jeher  auf  die  Seite  der  gemäßigten  Optimaten 
und  des  Senatsregiments  gestellt;-^)  damit  vertrug  sich  seine  Verteidigung 
des  Sex.  Roscius  gegen  eine  Kreatur  Sullas  (80  v.  Chr.),  wie  seine  Anklage 
gegen   den   erpresserischen    C.  Verres   (70  v.  Chr.;  oben  S.  214).     Gegen  die 

^)  Für   das  Nachfolgende   vgl.  John,  X.  -)  Über  seine    angebliche  Verteidigung 

Jahrb.  f.  Philolog.  Suppl.  VIII  703  ff.;    E.  durch  Cicero  vgl.  Ascon.  p.  85  Or.,    p.  76 

y.  Stern,    Catilina    und  die  Parteikämpfe  Scholl.   Der  Plan  hat  bestanden;  Cicero 

in  Eom  der  Jahre  66—63  v.  Chr.,  Dorpat  war  also  damals  kein  unbedingter  Geg- 
1883.   Ed.  ScHWARTZ,  Hermes  XXXII  554  ff.    i   ner   Catilinas.     Vgl.  Ed.  Meyer,    Caesars 

Gaston  Boissier,  La  conjnration  de  Catilina,  Monarchie,  22,  Anm.  2. 

Paris  1905.   Dkumann-Groebe  V  401  ff.    Als  ^)  Unter  im  ganzen  7  Kandidaten  war 

Quellen  kommen  außer  Sallust  im  Cati-  der  aus  dem  Ritterstand  hervorgegangene 

lina,  Plutarch  und  Cassius  Dio  besonders  Cicevo  der  einzige  homonoms;  Ascon.  p.  73 

in    Betracht   Ciceros    catilinarische    und  Scholl;  vgl.  Drumann-Groebe  V  431  f. 

andere  Reden,  sowie  Asconius  zu  Ciceros  <)  R.Heinze,  Ciceros  polit.  Anfänge,  Abh. 
Rede    in    toga   Candida.     Der   Caesarianer   ,    der  Sachs.  Ges.  der  Wiss.  27,  1909,  947  ff. 

Sallust    hat    unter    der    Maske    des    ob-  hat  gezeigt,  daß  Cicero  niemals  Demokrat 

jektiven  Historikers  eine  politische  Ten-  war  und  daß   er  also  nicht  erst  mit  der 

denzschrift    geliefert.     Irrig    läßt   er    die  Bewerbung  um  das  Konsulat  zu  den  Opti- 

eigentliche    Verschwörung    des    Catilina  maten  überging, 
schon  64  v.  Chr.  beginnen. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    III,  5.    5.  Aufl.  15 


226  Römische  Geschichte. 

extreme  Oligarchie  befürwortete  er  als  Prätor  die  Übertragung  des  mithri- 
datischen  Krieges  an  Pompeius  in  einer  Rede  vor  dem  Volk.  Für  63  v.  Chr. 
erhielt  er,  der  homo  iiovas,  der  Mann  ohne  kurulische  Ahnen,  das  Konsulat, 
da  ihn  die  Optimaten  gegen  den  gefährlichen  Catilina  unterstützten.  Ciceros 
Ehrgeiz  hatte  ein  hohes  Ziel  erreicht;  aber  eine  Führernatur  war  er  nicht. 
Ihm  fehlte  die  große  Linie  des  echten  Staatsmannes.  Seine  wahre  Leistung 
liegt  auf  geistesgeschichtlichem  Gebiet.  Er  wurde  der  sprachgewaltige  Meister 
der  lateinischen  Kunstprosa,  der  emsige  Vermittler  griechischer  Bildungs- 
elemente. Durch  seine  Reden,  weiter  durch  seine  rhetorische  und  philo- 
sophische Schriftstellerei  in  engster  Anlehnung  an  griechische  Vorbilder,  hat 
er  auf  Mit-  und  Nachwelt  aufs  stärkste  gewirkt  und  bleibende  Werte  ge- 
schaffen. Politisch  ein  Dilettant,  menschlich  nicht  ohne  Schwächen,  war  er 
eine  Großmacht  des  römischen  Geistes. 

Ciceros  Konsulat  (63  v.  Chr.)  wurde  durch  heftige  politische  Kämpfe  er- 
schüttert.^) Die  bevorstehende  Rückkehr  des  Pompeius  warf  ihre  Schatten 
voraus.  Zu  Anfang  des  Jahres  beantragte  der  Volkstribun  (^.  Servilius  Rullus 
ein  Ackergesetz.  Eine  auf  fünf  Jahre  zu  wählende  Kommission  von  zehn 
Männern  sollte  über  den  gesamten  ager  public us  und  sonstige  Einkünfte 
innerhalb  und  außerhalb  Italiens  verfügen,  um  aus  deren  Erlös  das  arme 
Volk  mit  Land  zu  versorgen.  Das  Gesetz  zielte  wahrscheinlich  vor  allem  auf 
die  Befriedigung  der  Veteranen  des  Pompeius  ab ;  von  Caesar  und  anderen 
Populären  empfohlen,  von  Cicero  bekämpft,  kam  der  Antrag  schließlich  zu 
Fall. 2)  In  einer  anderen  Sache  siegten  die  Populären:  der  Pontifex  maximus 
war  verstorben  und  nun  wurde  auf  Antrag  des  Volkstribunen  T.  Labienus 
die  Besetzung  wieder  durch  Volkswahl  gemäß  der  von  Sulla  beseitigten  lex 
Domitia  (oben  S.  188,  206  f.)  vorgenommen.  Aus  heißem  Wahlkampf,  besonders 
gegen  den  Obmann  des  Senats,  Q.  Lutatius  Catulus,  ging  Caesar  als  Sieger, 
als  neues  Haupt  der  römischen  Staatskirche  hervor.  Wiederum  bewarb  sich 
Catilina  mit  allen  Mitteln  um  das  Konsulat  für  das  nächste  Jahr.  Aber 
Cicero  und  die  Optimaten  bekämpften  ihn  erfolgreich,  und  bei  den  Wahlen, 
die  etwa  im  Juli  ^)  stattfanden,  erlitt  er  abermals  eine  Niederlage.  Jetzt  ent- 
schloß er  sich,  den  Weg  der  Gewalt  zu  betreten;  er  konspirierte  in  dieser 
Absicht  mit  einer  größeren  Anzahl  von  Gesinnungsgenossen  verschiedener 
Stände,  unter  denen  der  Prätor  P.  Cornelius  Lentulus  Sura  und  C.  Cornelius 
Cethegus  die  vornehmsten  waren. 4)  Die  Verschwörung  erstreckte  sich  weit- 
hin über  Italien ;  besonders  unter  den  unzufriedenen  sullanischen  Kolonisten 
fand  Catilina  Anhänger,  namentlich  in  Etrurien,  wo  C.  Manlius  in  Faesulae 
seine    Sache    vertrat.     Alle    erhofften    von    Catilina    die    Befriedigung   ihrer 


')  Die  Kämpfe  spiegelten  sich  in  Ciceros  Kede  pro  Rabirio  perduellionis  gehalten, 

konsularischen  Reden,   die    er  in  seinem  ')  Die  früher  auch  von  Niese  vertretene 

Brief  ad  Attic.  II  1,  3  aufzählt.  Meinung,  dafs  die  Wahlen  in  den  Oktober 

"-)  Von  Ciceros  Kampfreden  sind  noch  verschoben  worden  seien,  ist  nicht^haltbar. 

drei  de  lege  agraria  vorhanden.    Es  gelang  Zwar  fand  eineVerschiebuug  der  Komitien 

den  Optimaten  auch,  die  von  Caesar  unter-  statt  (Cicero  pro  Mur.  51),  doch  kann  es 

stützte  Anklage  gegen  den  Ritter  C.  Ra-  sich  dabei  nur  um  einige  Tage  handeln, 

birius    zu    hintertreiben,    der  100  v.  Chr.  •*)  Andere  Namen  bei  Sallust  Catil.  17. 

den    Tod    des  Volkstribunen    Saturninus  Neben  den  Genannten  gerieten  Caesar  und 

(oben    S.  189)    verschuldet    haben    sollte.  Crassus  in  den    unerwiesen en  Verdacht, 

Cicero  hat  in  dieser  Angelegenheit  seine  auch  diesmal    hinter  Catilina  zu  stehen. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§37.)       227 

Wünsche,  sei  es  nun  nach  Ämtern  und  Provinzen,  oder  nach  Bauernhufen 
und  Schuldentilgung.  1)  Man  einigte  sich  zuletzt  auf  den  Plan,  Rom  in  Brand 
zu  stecken,  die  Konsuln  und  andere  einflußreiche  Gegner  zu  ermorden  und 
mit  Hilfe  eines  durch  Catilina  in  Italien  zu  sammelnden  Heeres  die  Gewalt 
an  sich  zu  reißen.  Man  erhoffte  Beistand  aus  den  Provinzen.  Das  Heer 
Catilinas  sollte  die  Revolution  in  Rom  erleichtern.  Aber  diese  hochverräte- 
rischen Absichten  blieben  nicht  verborgen,  der  Senat  konnte  Gegenmaß- 
nahmen treffen.  Der  Konsul  Antonius  ließ  sich  von  Catilina  abziehen,  als 
ihm  Cicero  seine  Provinz,  das  einträgliche  Makedonien  abtrat.  2)  Als  Ende 
Oktober  Unruhen  in  Etrurien,  Picenum  und  anderen  Gegenden  Italiens  be- 
gannen, erteilte  der  Senat  den  Konsuln  Vollmacht,  die  Ordnung  wieder  her- 
zustellen ;  in  die  gefährdeten  Gebiete  gingen  Truppen  ab.  In  der  Nacht  vom 
8.  auf  9.  November  verließ  Catilina  Rom  2)  und  begab  sich  nach  dem  Mittel- 
punkt der  Insurrektion,  nach  Faesulae;  unterwegs  hatte  er  die  Abzeichen 
eines  Konsuls  angelegt.  Der  Senat  ächtete  ihn  und  beauftragte  den  C.  An- 
tonius mit  dem  Krieg  gegen  den  Hochverräter.  Die  Mitverschworenen  Cati- 
linas, die  in  Rom  geblieben  waren,  beschlossen  nach  längerem  Zaudern  an 
den  Saturnalien  (17.  Dezember)  loszuschlagen.  Aber  auch  diese  Absicht 
wurde  ruchbar;  dj?  Verschworenen  hatten  eine  in  Rom  weilende  Gesandt- 
schaft der  Allobroger  eingeweiht,  in  der  Hoffnung,  durch  deren  Vermittlung 
Zuzug  von  gallischen  Reitern  zu  erhalten;  durch  die  Allobroger  in  Kenntnis 
gesetzt,  ließ  Konsul  Cicero  die  Catilinarier  verhaften,  und  am  5.  Dezember 
faßte  der  Senat  in  einer  stürmischen  Sitzung  über  deren  Schicksal  Beschluß. 
Der  erste  Antrag  lautete  auf  Todesstrafe,  dagegen  machte  Caesar  für  einen 
milderen  Spruch  Stimmung;  dem  widersetzte  sich  M.  Porcius  Cato,  ein  eigen- 
williger Politiker,  der  sich  schon  verhältnismäßig  früh  —  er  ist  95  v.  Chr. 
geboren  —  durch  Charakterfestigkeit  und  Uneigennützigkeit  bei  seinen  opti- 
matischen  Parteifreunden,  aber  auch  bei  den  Gegnern  in  Respekt  zu  setzen 
wußte.  Entschlossen  griff  er  auf  den  ersten  Antrag  zurück  und  verhalf  ihm 
zum  Sieg.  Das  Todesurteil  wurde  alsbald  vollstreckt.  Inzwischen  hatte  Catilina 
ein  Heer  gesammelt;  er  gedachte  sich,  nachdem  die  Revolution  in  Rom  im 
Keim  erstickt  war,  ins  jenseitige  Gallien  durchzuschlagen.  Aber  der  Weg 
wurde  ihm  verlegt;  er  stellte  sich  nunmehr  dem  von  Süden  heranrückenden 
Antonius  bei  Pistoria  zur  Schlacht  und  fiel  mit  der  Mehrzahl  seiner  Gefolg- 
schaft (Anfang  62  v.  Chr.).  Gegen  seine  Anhänger  wurden,  wie  früher  in 
ähnlichen  Fällen,  Untersuchungen   eingeleitet. 

Das  Fiasko    der  Verschwörung   kam  der  Autorität    des  Senats  und  der 
Optimaten   zugute;    aber  Cicero    sollte    des  Sieges  über  den  Umsturz    nicht 


')  Man  darf  Catilina  nicht  als  sozialen 
Reformer  in  modernem  Sinn  ansprechen. 
Catilina  agitierte  nicht  nur  unter  dem 
eigentlichen  Proletariat,  sondern  vor  allem 
auch  unter  den  tief  verschuldeten  Be- 
dürftigen [egentes)  der  höheren  Schichten. 


zu  treffen.  Die  sonstigen  Berichte  stimmen 
im  wesentlichen  damit  überein. 

^)  Cicero  tauschte  dafür  von  Antonius 
das  cisalpinische  Gallien  ein,  hat  aber 
später  auf  die  Provinz  verzichtet. 

3)  Seinem  Abzug  geht  am  8.  November 


Dabei  verfolgte  Catilina  nur  sein  eigenes  i  die  erste  catilinarische  Rede  Ciceros  voran, 
Ziel,  die  Gewinnung  der  Macht  für  seine  in  welcher  der  Konsul  in  Gegenwart  Cati- 
Person.  Die  Schilderung  Ciceros  (Catil.  2  |  linas  dem  Senat  Bericht  erstattete.  Die 
§  17  ff.)  scheint  im  ganzen,  wenn  man  Absicht  Catilinas,  Rom  zu  verlassen,  stand 
die  Übertreibungen  abzieht,  das  Richtige       bereits  fest. 

15* 


228  Römische  Geschichte. 

froh  werden.  Sein  Vorgehen  wurde  als  ungesetzhch  scharf  kritisiert;  noch 
vor  Ablauf  des  Anitsjahres  sah  er  sich  von  dem  Volkstribunen  Q.  Metellus 
Nepos,  dem  bisherigen  Legaten  des  Pompeius,  angegriffen.  Nepos  beantragte, 
dem  Pompeius  das  Konsulat  und  die  Niederwerfung  der  catilinarischen  Un- 
ruhen zu  übertragen;  der  Antrag  wurde  durch  die  Optimaten  unter  Catos 
Führung  nach  tumultuarischen  Auftritten  zu  Fall  gebracht.  Nepos  und  Caesar, 
damals  Prätor,  wurden  sogar  von  ihren  Amtern  suspendiert;  Nepos  verließ 
Kom  unter  Protest  und  begab  sich  zu  Pompeius;  Caesar  wurde  nach  kurzem 
rehabilitiert.    Nach  der  Prätur  erhielt  er  als  Provinz  das  jenseitige  Spanien. 

Nicht  ohne  Bangen  sah  man  in  Rom  der  Rückkehr  des  Pompeius  ent- 
gegen ;i)  viele  fürchteten  in  ihm  einen  neuen  Sulla.  Pompeius  verließ  Asien 
im  Sommer  62  v.  Chr.  und  kam  Ende  des  Jahres  in  Brundisium  an,  wo  er 
wider  Erwarten  sein  Heer  verabschiedete.  Im  Januar  61  v.  Chr.  war  er  vor 
Rom  eingetroffen; 2)  am  28.  und  29.  September  des  Jahres  feierte  er  einen 
pomphaften  Triumph,  der  ihm  ohne  Zögern  bewilligt  worden  war.  Sein 
Hau]3tanliegen  war  die  Erfüllung  anderer  Forderungen,  die  Versorgung  seiner 
Veteranen  mit  Land  und  die  Bestätigung  seiner  Maßnahmen  in  Asien  durch 
den  Senat.  In  beiden  Punkten  opponierten  die  Optimaten,  die  ihm  wegen 
seiner  Verbindung  mit  den  Populären  nicht  trauten.  L.  Lucullus  verlangte 
Berücksichtigung  seiner  von  Pompeius  umgestoßenen  Anordnungen.  Pompeius 
war  außer  stände,  dem  Senat  seinen  Willen  aufzuzwingen.  Nicht  einmal  das 
von  Pompeius  veranlaßte  Ackergesetz  des  Tribunen  L.  Flavius,  eine  mildere 
Redaktion  der  lex  Servilia  vom  Jahr  63,3)  ging  durch,  obwohl  sich  die 
Popularpartei  dafür  einsetzte  (60  v.  Chr.).  Die  Senatspartei  verharrte  in  ihrer 
Abneigung  gegen  jedes  Ackergesetz  und  trieb  den  Widerstand  auf  die  Spitze, 
so  daß  Pompeius  nachgeben  mußte.  Pompeius  war  vollkommen  isoliert; 
Crassus  verleugnete  seine  persönliche  Abneigung  je  länger  desto  weniger: 
Cato  zeigte  ihm  die  kalte  Schulter;  auf  den  Kompromißpolitiker  Cicero 
war  kein  Verlaß;  der  Senat  mißtraute  ihm;  kurz,  Pompeius  Magnus  erfuhr 
eine  Enttäuschung  und  Demütigung  nach  der  andern.  Darüber  kehrte  Caesar 
(etwa  im  Juni  60  v.  Chr.)  aus  seiner  Provinz  zurück.  In  siegreichen  Kämpfen 
mit  Lusitanern  und  Kallaikern  hatte  er  militärische  Erfahrungen  gesammelt. 
Er  hatte  die  Schuldenlast  des  jenseitigen  Spaniens  erleichtert  und  zugleich 
die  Gelegenheit  wahrgenommen,  seine  eigenen  Gläubiger  zu  befriedigen.*) 
Nun  wartete  er  vor  den  Toren  Roms  auf  den  Triumph  und  wollte  sich 
überdies  für  das  Jahr  59  v.  Chr.  um  das  Konsulat  bewerben. 

Er  hätte  keine  günstigere  Konstellation  antreffen  können.  Der  ver- 
einsamte Pompeius  begrüßte  ihn  als  Bundesgenossen.  Auf  den  Triumph 
mußte  Caesar  allerdings  verzichten;  denn  da  ihn  der  Senat  von  der  per- 
sönlichen Bewerbung  ums  Konsulat  nicht  dispensierte,  so  blieb  ihm  nichts 
übrig,  als  Rom  selbst  zu  betreten,  womit  dem  Herkommen  gemäß  die  Anwart- 
schaft auf  den  Triumph  verwirkt  war.  Aber  seine  Kandidatur  für  das  Kon- 
sulat, von  Pompeius  und  auch  von  Crassus  gefördert,  hatte  Erfolg.    Die  ihm 


*)  Crassus  traf  Anstalten  zur  Flucht. 
Plut.  Pomp.  42. 

*)  Cicero  ad  Att.  I  12  f.  Mit  dieser  Zeit 
etwa  beginnt  die  erhaltene  Korrespondenz 


Ciceros. 

3)  Cicero  ad  Att.  I  19,  4. 

■•)  Sueton  Jul.  18.  54.    Plut.  Caes.  12. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.Chr.).    (§  37.)      229 

abholde  Senatspartei  mußte  sich  damit  begnügen,  als  Kollegen  Caesars  ihren 
Kandidaten,  den  M.  Calpurnius  Bibulus,  durchzudrücken.  Es  glückte  dem 
Caesar,  Pompeius  und  Crassus  zu  versöhnen;  die  drei  Männer  schlössen  eine 
zunächst  noch  geheim  gehaltene  private  Interessengemeinschaft,  das  sog. 
erste  Triumvirat,  i)  also  lediglich  eine  coitio,  d.  h.  einen  inoffiziellen  Bund 
zum  Behuf  gegenseitiger  politischer  Förderung.  Mit  Recht  bezeichnete  Cato 
diese  Abmachung  als  den  Anfang  vom  Ende  der  freien  Republik.  Caesar 
spielte  in  diesem  Triumvirat  fürs  erste  eine  ziemlich  bescheidene  Rolle;  der 
eigentliche  Machthaber  Avar  Pompeius.  Der  nächste  praktische  Zweck  der 
Vereinigung,  nämlich  die  Befriedigung  der  Wünsche  des  Pompeius,  wurde 
im  Konsulatsjahr  Caesars  (59  v.  Chr.)  erreicht;  gegen  die  Einheitsfront  der 
drei  Männer  unterlag  der  Senat,  der  sich  zudem  die  Kapitalisten  des  Ritter- 
standes entfremdet  hatte.  2)  Übrigens  trugen  die  Machthaber  kein  Bedenken, 
nötigenfalls  mit  Gewalt  ihren  Willen  durchzusetzen. 

Nachdem  sich  Caesar  vergeblich  bemüht  hatte,  die  Mitwirkung  des  Senats 
zu  erreichen,  wandte  er  sich  unmittelbar  ans  Volk  und  beantragte  nachein- 
ander zwei  Ackergesetze  für  die  Veteranen  des  Pompeius  und  die  bedürftige 
Plebs;  in  dem  zweiten  wurde  auch  die  bisher  geschonte  kampanische  Domäne 
zur  Aufteilung  an  kinderreichere  Familien  bestimmt.  Die  Gesetze  wurden 
unter  Nichtachtung  der  üblichen  Formen  auf  tumultuarische  Weise  durch- 
gebracht, der  Widerspruch  des  Konsuls  Bibulus  und  der  Optimaten  verhallte 
wirkungslos.^)  Nach  diesem  Sieg  beherrschten  die  Triumvirn  das  Feld.  Bibulus 
ließ  sich  in  der  Öffentlichkeit  nicht  mehr  blicken,  tobte  sich  aber  in  pam- 
phletistischen  Edikten  gegen  seinen  Kollegen  aus,  viele  angesehene  Senatoren 
verhielten  sich  gänzlich  passiv.  Die  Anordnungen  des  Pompeius  in  Asien 
bestätigte  der  Senat  in  Bausch  und  Bogen.  Die  Triumvirn  schalteten  nach 
Belieben.  Von  den  weiteren  Gesetzen,  die  im  Konsulatsjahr  Caesars  ein- 
gebracht wurden,  ist  besonders  wichtig  die  umfangreiche  lex  Julia  de  re- 
petufidis,  durch  welche  die  Verwaltungstätigkeit  der  Provinzialstatthalter 
in  humanem  Geist  neu  geregelt  wurde.  Wie  modern  Caesar  dachte,  das 
zeigt  die  von  ihm  geschaffene  „Zeitung",  die  der  amtlichen  Publikation  der 
acta  senatus  et  populi  Iionuüü,  der  Protokolle  der  Verhandlungen  des  Senats 
und  der  Volksversammlung,  diente.  Für  seine  eigene  Zukunft  war  ent- 
scheidend der  Antrag  des  P.  Vatinius,  durch  den  das  Volk  ihm  das  cisalpi- 
nische  Gallien  und  Illyricum  mit  drei  Legionen  auf  fünf  Jahre  als  Provinz 
übertrug,  wozu  der  Senat  noch  das  transalpinische  Gallien  mit  einer  vierten 
Legion  fügte.  Das  Konsulat  des  nächsten  Jahres  (58)  fiel  an  den  Günstling 
des  Pompeius  A.  Gabinius  und  an  L.  Calpurnius  Piso,  den  Vater  von  Caesars 
junger  Gattin  Calpurnia.  Das  .Jahr  59  hatte  auch  zwischen  Pompeius  und 
Caesar  verwandtschaftliche  Bande  geknüpft:  Pompeius  führte  die  einzige 
Tochter  Caesars  aus  erster  Ehe,  -Julia,  heim. 


')  Zu  seiner  Geschichte  s.  Cicero  ad  Att.  hatte.   Caesar  versprach,  die  Ermäßigung 

11  .3,  3.  durchzusetzen,   und  bewirkte  in  der  Tat 

'^)  Die    Kapitalisten    erbaten    eine    Er-  als  Konsul  die  Bewilligung  des  Gesuchs, 
mäßigung  der  Pachtsumme  für  die  asia-  Drumann-Gboebe  III  192  ff.:  V  174. 
tischen  Gefälle,  was  der  Senat,  auf  Catos   !       ^)  Etwa  Ende  April  müssen  beide  Ge- 
Betreiben, abschlug.  Die  Sache  stand  mehr-  setze   bereits   vollzogen   sein.     Cicero  ad 
mals,  61  und  60  v.  Chr.,  im  Senat  zur  De-  Att.  II  16. 


230  Römische  Geschichte. 

Nach  Ablauf  des  Konsulats  verweilte  Caesar  mit  dem  für  die  Provinzen 
bestimmten  Heer  noch  drei  Monate  in  der  Nähe  Roms,  um  nötigenfalls  in 
den  Gang  der  inneren  Politik  eingreifen  zu  können.  Es  handelte  sich  um 
die  Unschädlichmachung  des  Cicero  und  des  Cato.  Cato  war  ein  gefährlicher 
Gegner;  auch  Cicero  war  den  Triumvirn  unbequem;  er  hatte  sie  durch  seine 
scharfe  Zunge  gereizt  i)  und  lehnte  jede  Teilnahme  an  ihrer  Politik  ab.  Die 
drei  Machthaber  bedienten  sich  der  Hilfe  des  P.  Clodius,  eines  routinierten 
und  gewissenlosen  Demagogen.  Clodius  war  Ciceros  Todfeind  ;=^)  im  Jahr  59 
V.  Chr.  war  es  ihm  unter  Beihilfe  von  Pompeius  und  Caesar  gelungen,  seinen 
schon  seit  längerem  betriebenen  Übertritt  vom  Patriziat  zur  Plebs  zu  bewerk- 
stelligen; hierauf  war  er  zum  Volkstribunen  gewählt  worden.  Er  begann 
seine  Tätigkeit  mit  einigen  unverfänglichen  Rogationen  im  Sinn  der  Fopular- 
partei,  um  dann  zum  Angriff  auf  Cicero  vorzugehen.  Er  beantragte  die 
Ächtung  gegen  jeden,  der  einen  Bürger  ohne  Urteil  und  Recht  habe  hin- 
richten lassen.  Das  war  auf  Cicero,  dem  das  Todesurteil  gegen  die  Catilinarier 
zur  Last  gelegt  wurde,  gemünzt;  Cicero  hoffte  zunächst  auf  Pompeius,  der 
ihn  aber  fallen  ließ,  worauf  Cicero  freiwillig  in  die  Verbannung  ging,  unter 
der  er  seelisch  aufs  schwerste  litt.  Er  wurde  in  der  Tat  geächtet,  sein  Ver- 
mögen konfisziert.  In  ehrenvollerer  Form  wurde  Cato  aus  Rom  entfernt; 
auf  Antrag  des  Clodius  betraute  ihn  das  Volk  mit  der  Einziehung  der  Insel 
Kypros,  womit  die  ägyptische  Frage  endlich  einen  vorläufigen  Abschluß  fand.^) 

Nach  dem  Ende  des  Ptolemaios  Alexander  II  (S.  207)  war  das  ptole- 
mäische  Reich  an  zwei  Söhne  des  Ptolemaios  Lathyros  gekommen,  in  der 
Weise,  daß  dem  einen,  Ptolemaios  XIII  Auletes,  Ägypten  zufiel,  dem  anderen, 
der  auch  Ptolemaios  hieß,  Kypros.  Aber  die  Legitimität  der  beiden  Könige 
war  angefochten,  und  nach  römischer  Version  soll  Ptolemaios  Alexander  als 
letzter  legitimer  König  das  römische  Volk  zum  Erben  eingesetzt  haben. 
Möglicherweise  war  das  Testament  apokryph;*^)  aber  der  Appetit  auf  den 
fetten  Bissen  war  geweckt  und  die  Populären  forderten  die  Einziehung 
Ägyptens.  Im  Jahr  63  hatten  sich  Crassus  und  Caesar  gegen  die  Optimaten 
dafür  eingesetzt.  Aber  auch  Ptolemaios  Auletes  blieb  nicht  untätig;  er  be- 
mühte sich  um  die  Anerkennung  des  Senats;  seit  70  v.  Chr.  schwebten  die 
Verhandlungen.  Schließlieh  gewann  Ptolemaios  Auletes  den  Beistand  des 
Pompeius ;  ihm  zulieb  veranlaßte  Caesar  als  Konsul  (59  v,  Chr.)  die  Bestäti- 
gung des  Auletes  durch  den  Senat  ;^)  ein  Jahr  später  aber  wurde,  wie  erwähnt, 
Cato  mit  der  Einziehung  von  Kypros  beauftragt.  Der  König  von  Kypros 
entzog  sich  der  drohenden  Schmach  durch  Selbstmord;  Kypros  wurde  als 
römische  Provinz  mit  Kilikien  vereinigt.  Als  Cato  56  v.  Chr.  nach  Erledigung 


')  Beim   Prozeß   des   C.  Antonius,   den   !   Cicero,  früher  mit  ihm  befreundet,  hatte 

Cicero  verteidigte.   Antonius  hatte  Make-  gegen  ihn  Zeugnis  abgelegt.  Plut.  Cic.  28  f. 

donien    schlecht  verwaltet   und  von  den  ^)  Zum  folgenden  vgl.  Boüche-Leclercq, 

Bastarnern    und  Dardanern  eine  Nieder-  Histoh-e  des  Lagides  II  122  ff. 

läge    erlitten.    Er   wurde  verurteilt   und  ■*)  Die  Echtheit  des  Testaments  verficht 

ging  in  die  Verbannung.  V.  Chapot,    Les  Romains  et  Ci/pre,   in  den 

^)  Die  Feindschaft  datierte  vom  Anfang  Melanges  Cagnat  1912,  59  ff. 

des  J.  61  V.  Chr.    Clodius  war  wegen  Re-  ')  Caesar  erhielt  von  Auletes  eine  hohe 

ligionsfrevels  belangt,  weil  er  sich  beim  Summe  zugesagt,   ist  aber  erst  im  J.  48 

Fest  der  Bona  Dea,   au  dem  nur  Frauen  zu  seinem  Geld  gekommen, 
teilnehmen  durften,  einsreschlichen  hatte. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§38.)      231 

seiner  Mission  —  er  hatte  überdies  byzantinische  Verbannte  zurückführen 
müssen  —  in  Rom  eintraf,  fand  er  eine  neue  Lage  vor.  Die  Dreistigkeit 
des  Tribunen  Clodius  hatte  zum  Bruch  mit  Pompeius  geführt,  der  sich  nun 
wieder  den  Optimaten  näherte;  so  konnte  zuletzt  der  Widerstand  des  Clodius 
gegen  die  besonders  von  dem  Tribunen  T.  Annius  Milo  betriebene  Rück- 
berufung Ciceros  gebrochen  werden.  Am  -4.  September  57  v.  Chr.  zog  Cicero, 
freudig  begrüßt,  in  Rom  ein."^)  Pompeius  brauchte  ihn  und  die  Optimaten, 
um  sich  ein  neues  außerordentliches  Mandat,  die  Oberaufsicht  über  die  Ge- 
treideversorgung, zu  sichern.  Unter  Ciceros  Mitwirkung  erhielt  Pompeius 
das  gewünschte  Amt  auf  fünf  Jahre  für  den  gesamten  Bereich  der  römischen 
Herrschaft  mit  eigener  Armee  und  Flotte  und  einer  den  Provinzialstatthaltern 
übergeordneten  Befehlsgewalt.  Überdies  wünschten  die  Triumvirn  die  Bei- 
legung der  ägyptischen  Wirren  in  ihrem  Sinn.  In  Alexandrien  hatte  die 
Einverleibung  von  Kypros,  das  als  ägyptischer  Besitz  galt,  böses  Blut  ge- 
macht. König  Ptolemaios  Auletes,  dem  man  die  Schuld  beimaß,  mußte  sich 
nach  Rom  flüchten  (58  v.  Chr.).  Pompeius  nahm  sich  seiner  an.  Aber  auch 
die  Alexandriner  ließen  sich  in  Rom  vertreten ;  doch  wußte  der  skrupellose 
Auletes,  von  Pompeius  gedeckt,  ihre  Gesandten  teils  zu  beseitigen,  teils  für 
sich  zu  gewinnen.  Die  Wiedereinsetzung  des  Königs  vermochte  aber  Pompeius 
nicht  durchzusetzen;  denn  seine  Gegner  beriefen  sich  auf  einen  warnenden 
sibyllinischen  Spruch;  so  verlief  die  Angelegenheit  schließlich  im  Sande.  Rom 
hallte  damals  von  innerpolitischen  Kämpfen  wider,  in  denen  sich  Clodius 
gegen  Pompeius,  Cicero  und  Milo  und  auch  gegen  Cato,  den  er  in  der 
kyprischen  Sache  des  Unterschleifs  verdächtigte,  unrühmlich  hervortrat. 
Hinter  Clodius  stand  Caesar,  dessen  Macht  durch  die  in  Gallien  errungenen 
Erfolge  gestiegen  war.  Schon  war  Caesar  der  bestgehaßte"  Mann  bei  den  von 
Cato  geführten  Optimaten,  deren  Selbstgefühl  sich  durch  den  bisherigen 
Verlauf  der  ägyptischen  Affäre  sehr  gehoben  hatte. 

38.  Caesar  in  Gallien  58 — 56  V.  Chr. 2)    Seit  Erwerbung  der  narbonensi- 
schen  Provinz  und  den  Cimbernkriegen  hatten  die  Römer  ihre  Einflußsphäre 

')  Cic.  ad  Att.  IV  1,  5.  niatoren  des  Livius  und  bei  Cassios  Dio 
-)  Hauptquelle  für  die  Geschichte  der  |  (vgl.  J.  Melbek,  Die  Berichte  des  Dio  Cass. 
Unterwerfung  Galliens  durch  Caesar  sind  j  über  die  gall.  Kriege  Caes.,  Progr.  Mün- 
dessen Kommentarien  de  hello  Gall/co,  ent-  i  chen  1893)  vorliegen.  Um  so  interessanter 
standen  52/1  v.  Chr.  in  7  Büchern,  denen  sind  die  Ergänzungen,  die  diese  Werke 
A.  Hirtius  ein  achtes  hinzufügte.  Unter  gelegentlich,  wohl  meist  auf  Grund  der 
der  scheinbar  streng  sachlichen  Form  einer  i  Historien  des  Asinius  Pollio,  bieten.  Vgl. 
Art  von  Dienstbericht  verbirgt  Caesar  eine  I  T.R.Holmes  (s.u.).  Auch  in  seiner  skizzen- 
apologetische Tendenz:  seine  Kriege  sollen  haften  Darstellung  des  Bürgerkriegs,  im 
dem  Publikum  als  notwendig  hingestellt  j  bellum  civile,  hat  sich  Caesar  nicht  streng 
werden.  Dabei  fehlt  es  nicht  an  Über-  an  die  Wahrheit  gehalten.  Vgl.  über  die 
treibungen,  Lücken  und  Flüchtigkeiten;  gallischen  Kriege  W.  Rüstow,  Heerwesen 
auf  solche  Mängel  hat  schon  der  Zeit-  und  Kriegführung  C.Julius  Caesars,  Gotha 
genösse  Asinius  Pollio  hingewiesen  (Suet.  1853;  A.v.Gölee,  Caesars  gallische  Kriege, 
Jul.  56, 4).  Die  Kommentarien  müssen  also  zwei  Teile,  2.  Aufl. ;  Napoleon  III,  ifis^o/z-e 
mit  Kritik  benutzt  werden.  Sie  bleiben  !  de  Jules  Cesar,  2  vol.,  Paris  1866.  G.  Veith, 
aber  die  wichtigste,  meist  sogar  die  ein-  ]  Geschichte  der  Feldzüge  C.  Julius  Caesars, 
zige  Quelle;  denn  aus  ihnen  schöpfen  in  Wien  1905  (mit  Einschluß  des  Bürger- 
der  Hauptsache  die  späteren  Darstel-  |  krieges).  Für  die  Einzelliteratur  sei  auf 
lungen,  deren  Reste  bei  Strabo,  in  Plut-  die  Literaturgeschichten  von  Schanz  und 
archs  Caesar,  bei  Appian  in  den  Frag-  Teüffel,  sowie  auf  die  Jahresberichte  des 
menten  der  Keltike,  bei  Sueton,  den  Epito-  philologischen  Vereins  in  der  Zeitschr.  f. 


232  Römische  Geschichte. 

über  das  freie  Gallien,  wo  sie  mit  manchen  Stämmen  Freundschaft  schlössen, 
ausgedehnt.  Gallien  war  ein  großes,  fruchtbares,  stark  bevölkertes  Land. 
Die  zahlreichen  Stämme  teilte  man  in  verschiedene  Gruppen. i)  Im  Süden 
zwischen  der  Garumna  und  den  Pyrenäen  saßen  die  mit  iberischen  Elementen 
untermischten  Aquitanier;  die  Stämme  der  Mitte,  die  im  Norden  bis  an  die 
Sequana  (Seine)  und  Mosel  reichten,  werden  als  die  eigentlichen  Gallier 
oder  Kelten  bezeichnet;  den  Norden  zwischen  Sequana  und  Rhein  nahmen 
die  Beigen  ein,  die  auf  ähnlich  niedriger  Kulturstufe  standen  wie  ihre  Nach- 
barn, die  Germanen,  von  denen  sie  angeblich  abstammten.  Die  Bewohner 
der  Küstenlandschaft  Britannien  gegenüber  nannte  man  die  Aremoriker, 
d.  i.  Küstenleute.  Die  Gallier  waren  sich  ihrer  völkischen  Zusammengehörig- 
keit, wie  sie  in  Sprache  und  Religion  zum  Ausdruck  kam,  von  jeher  bewußt, 
bildeten  aber  keine  politische  Einheit.  Die  Gesamtheit  wie  die  einzelnen 
Stämme  waren  durch  Parteiungen  in  zwei  feindliche  Heerlager  geschieden. 
An  der  Spitze  der  einen  Partei  standen  die  Aeduer,  die  sich  Brüder  der 
Römer  nannten  und  ihre  ältesten  Freunde  waren  (oben  S.  180),  die  Gegen- 
partei führten  die  mit  den  benachbarten  Aeduern  verfeindeten  Sequaner  an, 
während  früher  die  Arverner  dominiert  hatten.'^) 

Eine  neue  Lage  wurde  in  Gallien  geschaffen  durch  das  Eindringen  der 
Germanen.  Als  nämlich  die  Helvetier  ihre  frühere  Heimat  zwischen  Main 
und  Oberrhein  verlassen  und  die  heutige  Westschweiz  zwischen  Bodensee, 
Genfersee  und  Jura  in  Besitz  genommen  hatten  (oben  S.  186),  waren  Ger- 
manen, vornehmlich  Sueben,  ihnen  nachgerückt  und  an  den  Oberrhein  vor- 
gestoßen. Von  den  Sequanern  gegen  die  Aeduer  zu  Hilfe  gerufen,  über- 
schritten suebische  Scharen  unter  einem  Heerkönig  Ariovistus,  wie  einst  die 
Kimbern  und  Teutonen,  den  Rhein  (vielleicht  72  v.  Chr.) 3)  und  besiegten  nach 
längeren  Kämpfen  die  Aeduer  (vielleicht  60  v.  Chr.).*)  Ariovistus  siedelte 
sich  in  einem  Teil  des  Gebietes  der  Sequaner  (im  Elsaß)  an,  bald  folgten 
neue  germanische  Scharen.  Die  Aeduer  mußten  sich  unterwerfen,  Geiseln 
stellen  und  geloben,  Rom  nicht  um  Beistand  anzugehen.  Trotzdem  verließen 
vornehme  Aeduer,  darunter  Divitiacus  (Diviciacus),  das  Land,  um  in  Rom 
Hilfe  zu  suchen,  worauf  der  Senat  zugunsten  der  Aeduer  intervenierte. 
Ariovist  stellte  die  Feindseligkeiten  ein  und  wurde  zum  Dank  unter  Caesars 
Konsulat  (59  v.  Chr.)  als  befreundeter  und  verbündeter  König  anerkannt.  Die 
Herstellung  des  Friedens  im  freien  Gallien  lag  um  so  mehr  im  Interesse  der 
römischen  Politik,  als  gleichzeitig  weitere  Gefahren  drohten.  Schon  früher 
(61  V.  Chr.)  hatten  sich  in  der  Provinz  die  Allobroger  empört  und  wurden 
von  C.  Pomptinus  wieder  unterworfen;  in  demselben  Jahr  beschlossen  die 
Helvetier  auszuwandern  und  sich  in  Gallien  weiter  westlich  neue  Wohnsitze 


d.  Gymnasialwesen  (Sokrates)  von  Meusel  jedoch  diese  Einteilungen  derWirklichkeit 

hingewiesen.    Grundlegend  ist  T.  R.  Hol-  entsprechen,   ist  zweifelhaft.    Verdächtig 

j'iES,  Caesar's  Conquesf  of  Gaul,  Oxford  1911-,  ist  der  dabei  gemachte  Unterschied  zwi- 

wo  auch  die  ethnographischen  Fragen  be-  sehen  Galliern  und  Kelten, 

handelt   sind.     Vgl.  E.  Desjardins,    Geo-  -)  Caesar  bell.  Gall.  I  31, 3.  VI  12.  VII 8, 2. 

f/raphie    historiquc    et    administrative   de   la  ')  Nach  Caesar  bell.  Gall.  I  36,  7.    Doch 

Gaule  Bomaine,  Paris  1876  ff".,  vol.  IL  erlaubt   diese    Stelle   keine   sichere  Zeit- 

')  Nach  der  Einteilung  Caesars  bell.  Gall.  bestimmung. 

I  1,  die  auch  Strabo  IV  176  f.  wiedergibt.  ••)  Cic.  ad  Att.  I  19,  2.  20,  5. 
Eine  ältere  gibt  Diodor  V  32.    Inwieweit 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§38.)      233 

zu  erobern.  1)  Der  Beweggrund  der  Helvetier  ist  nicht  klar  zu  erkennen. 
Möglicherweise  hat  die  Katastrophe  der  Bojer  in  Böhmen  und  Mähren  den 
Stein  ins  Rollen  gebracht.  Diese  wurden  bald  nach  63  v.  Chr.  von  den  durch 
Byrebistas  geeinten  Geten  vernichtet  oder  vertrieben,  vielleicht  mit  Beihilfe 
germanischer  Stämme.  2)  Da  auch  die  Taurisker  in  den  Untergang  der  Bojer 
hineingerissen  wurden,  so  war  das  Keltentum  in  diesen  Gegenden  schwer 
getroffen.  Ein  Teil  der  Bojer  rettete  sich  zu  den  Helvetiern,  ihren  früheren 
Nachbarn,  und  es  kann  sein,  daß  deren  Ankunft  den  Anstoß  zu  der  neuen 
Wanderung  der  Helvetier  gab,  die  in  Rom  Besorgnis  erregte.^)  Zunächst 
wurde  das  Unternehmen  durch  Unruhen  innerhalb  des  Stammes  verzögert, 
aber  58  v.  Chr.  machten  sie  sich  samt  den  Bojern  auf  den  Weg.  Durch  ihren 
Aufbruch  sah  sich  Caesar  veranlaßt,  in  Gallien  einzugreifen;  ein  Entschluß 
des  Augenblicks,  aber  in  seinen  Folgen  von  welthistorischer  Tragweite,  wurde 
doch  damit  die  Unterwerfung  der  freien  Gallier,  die  Aufrichtung  der  römischen 
Herrschaft  auch  im  nördlichen  Europa  eingeleitet.  Den  Vorwand  zu  der 
kiihnen  Initiative  lieferte  ihm  der  allgemeine  Auftrag  des  Senats,  die  römi- 
schen Bundesgenossen,  in  diesem  Fall  also  die  Aeduer,  zu  stützen.  Caesar 
hatte  sich  eine  unvergleichliche  Gelegenheit  geschaffen,  der  Welt  zu  zeigen, 
was  er  als  Feldherr  und  Staatsmann  vermochte. 

Auf  die  Meldung,  daß  die  Helvetier  sich  in  Bewegung  setzten,"*)  eilte 
Caesar  von  Rom  an  die  Nordgrenze  seiner  Provinz,  sammelte  seine  Truppen 
und  hob  in  Oberitalien  eigenmächtig  zwei  neue  Legionen  aus;  er  verlegte 
den  Helvetiern  den  Weg  durch  die  Provinz,  und  als  sie  nunmehr  eine  andere 
Straße  durch  das  Land  der  Sequaner  und  Aeduer  einschlugen,  rückte  Caesar 
mit  verstärktem  Heer  in  das  freie  Gallien  ein.  Bei  den  Aeduern  brachte 
er  die  Römerfreunde  ans  Ruder,  führte  den  Divitiacus  zurück  und  empfing 
zahlreiche  gallische  Hilfstruppen.  Sein  Legat  T.  Labienus  konnte  einen  der 
vier  helvetischen  Gaue,  die  Tiguriner,  beim  Übergang  über  den  Arar  (Saöne) 
einholen  und  zersprengen.^)  Die  übrigen  setzten  ihre  Wanderung  fort  bis 
in  die  Nähe  von  Bibracte  (Mont  Beuvr.ay  bei  Autun).  Hier  stellten  sie  sich 
dem  Caesar,^)  wurden    aber    geschlagen    und  zur  Umkehr  gezwungen.     Die 

^)  Man  vermutet  den  Druck  der  Ger-  Gesamtvolk  sich  auf  die  "Wanderschaft  be- 
manen  oder  einen  gallischen  Hilferuf  gab,  gegen  Delbrück  u.  a.,  die  einen  bloßen 
gegen   Ariovist   als   Anlaß.    Nach  Caesar   j    Heereszug  annehmen   und  Caesars  stati- 


b.  Gall.  I  10,  1  war  das  Land  der  Santoui 
(nördlich  der  Garonnemündung,  heute 
Saintes)  ihr  Ziel. 

-)  Es  scheint,  daß  der  Fall  des  Mithri- 
dates  zur  Stärkung  der  getischen  Macht 
viel  beigetragen  hat.  Vgl.  Niese,  Zeitschr. 


stische  Angaben  über  die  Kopfstärke  ver- 
werfen. 

^)  Caesar  bell.  Gall.  1 12  verschweigt  den 
Namen  seines  Legaten  und  schreibt  sich 
selbst  den  Sieg  über  die  Tiguriner  zu.  Aber 
er   stand    am    anderen  Ufer   der   Saöne; 


f.  deutsches  Altert.  42,  152  ff.  vgl.  Plutarch  Caes.  18,  Appian  Celt.  fr.  15. 

^)  Cicero  ad  Att.  I  19,  2.  I  Es  scheint,    daß  Caesar  aus  der  Provinz 

■*)  Über  das  Folgende  vgl.  H.  Kauchen-  j  über   die  Ehöne    zu    den   Aeduern   ging, 

STEIN,     Der    Feldzug   Caesars    gegen    die  !  während  Labienus  ins  Land  der  Sequaner 

Helvetier  (Diss.  von  Jena),   Zürich   1882.  einmarschierte,    um    den    Helvetiern    zu 

H.  Bikcher,   Der   Feldzug  Caesars   gegen  folgen,  wobei  er  die  Tiguriner  erreichte, 

die  Helvetier,  Frauenfeld  1894.  Bibracte,  |  Caesars  Bericht  gibt  nur  eine  „verkürzte 

Aaraul904.  F.  Fröhlich,  Die  Glaubwürdig-  ,  Projektion"  (A.  v.  Mess,  Caesar  1913,  107); 

keit  Caesars  in  seinem  Bericht  über  den  '  vgl.  Rauchenstein  a.  a.  0. 

Feldzug  gegen  die  Helvetier,  Aarau  1903.  *')  Das  Schlachtfeld  bei  Toulon-sur-Ar- 

A.  Klotz,  Neue  Jahrbücher  35,  1915,  609  ff.  j  roux  ist  durch  Stoffel  gesichert, 

verteidigt  Caesars  Darstellung,  wonach  das  | 


234  Römische  Geschichte. 

Helvetier  schlössen  mit  Rom  ein  Bündnis')  und  kehrten  dann  in  ihre  alten 
Sitze  in  der  Schweiz  zurück;  die  Bojer  wurden  bei  den  Aeduern  angesiedelt. 
Hieraufwandte  sich  Caesar,  nach  seiner  eigenen  Darstellung  auf  die  dringenden 
Bitten  seiner  neuen  gallischen  Bundesgenossen  hin,  sogleich  gegen  Ariovist, 
um  auch  ihn,  den  er  früher  selbst  als  Freund  Roms  anerkannt  hatte,  zu 
verjagen;  auch  die  Sequaner  traten  auf  Caesars  Seite,  der  ihre  Hauptstadt 
Vesontio  (Besan^^on)  besetzte.  Da  Ariovist  die  römischen  Forderungen  ab- 
lehnte, so  griff  Caesar  an,  ehe  die  erwarteten  germanischen  Verstärkungen 
eingetroffen  waren;  er  besiegte  den  Suebenkönig  im  heutigen  Elsaß 2)  und 
warf  ihn  über  den  nahen  Rhein  zurück.  Die  am  linken  Rheinufer  bereits 
angesiedelten  germanischen  Stämme,  Vangionen,  Triboker  und  andere,  blieben 
unbehelligt;  dem  weiteren  Eindringen  der  Germanen  suchte  Caesar  einen 
Riegel  vorzuschieben.  Er  betrachtete  sich  jetzt  als  Herrn  im  Lande.  Die 
Stämme  des  mittleren  Galliens  bis  an  die  Seine  und  Mosel  verbündeten 
sich  mit  Rom  ^)  und  leisteten  Caesar  in  den  späteren  Kämpfen  wertvolle 
Dienste.  Die  Beigen  und  Aremoriker  dagegen,  die  tapferen  Bewohner  des 
nördlichen  und  nordwestlichen  Galliens,  schlössen  sich  zur  Abwehr  zusammen 
mit  Ausnahme  der  belgischen  Remer  (um  Reims),  die  von  Anfang  an  mit 
besonderer  Treue  zu  Rom  hielten.  Caesar  verstärkte  sein  Heer  durch  zwei 
neue  Legionen  aus  Oberitalien  und  rückte  im  Frühjahr  57  v.  Chr.  zum  Schutz 
der  Remer  an  die  Axona  (Aisne),  wo  starke  belgische  Kontingente  sich  zu- 
sammenzogen.*) Aber  ihr  Angriff  auf  die  römische  Stellung  scheiterte,  und  ihr 
großes  Aufgebot  zerstreute  sich,  so  daß  Caesar  nacheinander  die  belgischen 
Gaue  einzeln  unterwerfen  konnte,  die  Suessionen  (bei  Soissons),  Ambianen 
(Amiens)  und  Nervier.  Die  Nervier  brachten  ihn  allerdings  zunächst  durch 
einen  überraschenden  Angriff  am  Sabis  (Sambre)  in  ernste  Gefahr,  wurden 
aber  zuletzt  geschlagen  und  fügten  sich  der  römischen  Herrschaft,  wie  auch 
die  Aduatuker,  deren  Hauptstadt  erobert  wurde.  Nach  Unterwerfung  der 
Beigen  begab  sich  Caesar  nach  Illyricum.  Sein  Legat  Ser.  Sulpicius  Galba 
zog  zu  Beginn  des  Winters  gegen  die  räuberischen  Alpenstämme  des  oberen 
Rhönetals  östlich  vom  Genfersee  im  heutigen  Wallis,  die  Sedunen  und 
Veragrer,  konnte  sich  aber  nicht  behaupten,  sondern  mußte  seine  Winter- 
quartiere wieder  räumen. 

Die  Stämme  der  gallischen  Küstenlandschaften,  die  Aremoriker,  waren 
schon  im  Jahr  57  v.  Chr.  durch  Caesars  Legaten  P.  Crassus  wenigstens  zum 
Teil  besiegt,  aber  unterstützt  von  den  Briten  vereinigten  sie  sich  im  nächsten 


^)  Cicero    pro    Balbo    32    bezeugt    aus-  Ariovistische  Kampfplatz,  Mülhauseu  i.  E. 

drücklich,  daß  die  Helvetier  ein  Bündnis  (Selbstverlag)  1907.  Die  Lage  des  Schlacht- 

ifoedns)   mit  Rom    hatten.    Es   kann  also  felds   ist   umstritten.    Stoffel,   dem  sich 

kaum  richtig  sein,  daß  sie  sich  auf  Gnade  Delbrück  anschließt,  sucht  es  bei  Rappolts- 

und  Ungnade  ergeben  haben,  wie  Caesar  weiler.    Stolle  bei  Arcey,    10  km  östlich 

I  27  berichtet.  von    Mömpelgard,    also    nicht    mehr    im 

^)  Stoffel,  Guerre  de  Cesar  et  d'Ärioviste  Elsaß,  Winkler  in  der  Gegend  von  Epfig 

et  premieres  Operations  de  Cesar  en  Van  702  im  Unterelsaß,  ebenso  Veith,  v.Göler  bei 

u.  c,   Paris  1891.    Wiegand,    Die  Schlacht  Mülhausen. 

zwischen  Caesar  und  Ariovist  [Bulletin  des  ')    Cicero  pro  Balbo  32.     Tacit.  histor. 

momiments  historiqiies  d'Alsace),  Straßburg  IV  67.    Ammianus  Marc.  XV  12,  6. 

1893.    Revue  archeol.SS  (1898)  S.  21  fif.:  F.  *)  Über  die  Örtlichkeit  vgl.  K.  Lehmann. 

Stolle,  Wo  schlug  Caesar  den  Ariovist?  Klio  VI,  1906,  237  flf. 
Straßburg  1890.    C.  Winklee,  Der  Caesar-   j 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§38.)      235 

Jahr,  an  der  Spitze  die  Veneter  (in  der  Bretagne),  zum  Widerstand,  wozu 
sie  eine  starke  Flotte  aufbrachten.  Da  sie  nur  zur  See  bezwungen  werden 
konnten,  ließ  Caesar  Kriegsschiffe  bauen,  mit  denen  bei  der  Loiremündung 
den  Feinden  eine  erfolgreiche  Seeschlacht  geliefert  wurde.  Gleichzeitig  ope- 
rierten Caesars  Legaten  im  übrigen  Küstengebiet;  namentlich  unterwarf 
P.  Crassus  die  Aquitanier.  Den  Schluß  dieses  Feldzuges  machte  ein  ziemlich 
ergebnisloser  Angriff  auf  die  Moriner  und  Menapier  an  Scheide  und  Nieder- 
rhein. Alles  in  allem  war  die  Unterwerfung  Galliens  so  weit  gediehen,  daß 
man  in  Rom  bereits  für  die  Einrichtung  der  Provinz  zehn  Legaten  bestimmte.') 
Caesar  eilte  nach  Oberitalien,  wo  seine  Anwesenheit  notwendig  war,  wie  er 
auch  sonst  den  Winter  südlich  der  AljDen  zuzubringen  pflegte,  um  das  poli- 
tische Treiben  der  Hauptstadt  nicht  aus  dem  Auge  zu  verlieren.  Seine  Siege 
erregten  in  Rom  Freude  und  Bewunderung:  die  Reichtümer,  die  ihm  und 
seinen  Kriegsgefährten  aus  Gallien  zuflössen,  steigerten  seine  Macht; 2)  aber 
dieser  Aufstieg  weckte  auch  Besorgnis  und  Eifersucht  sowohl  im  Lager  der 
Gegner  als  bei  Pompeius. 

Indes  machten  die  Fortschritte  der  Senatspartei  eine  Auffrischung  des 
Triumvirats  ratsam.  Denn  Pompeius  konnte  allein  die  Lage  nicht  meistern 
und  auch  Caesar  brauchte  einen  Rückhalt.  Nach  einer  Vorbesprechung  Caesars 
mit  Crassus  in  Ravenna  vereinigten  sich  auf  einer  Konferenz  in  Luca  alle 
drei  Machthaber  zu  neuem  Bund,  diesmal  in  aller  Öffentlichkeit.  Caesar  sah 
sich  hier  von  über  200  Senatoren  umworben.  Es  wurde  verabredet,  daß 
Pompeius  und  Crassus  im  Jahr  55  das  Konsulat  führen  sollten,  um  dann 
wichtige  Provinzen  auf  fünf  Jahre  zu  übernehmen ;  dementsprechend  sollte 
auch  Caesars  gallisches  Kommando  verlängert  werden.  Die  gefaßten  Be- 
schlüsse wurden  unverzüglich  in  die  Tat  umgesetzt.  Die  gesetzliche  Melde- 
frist für  die  Bewerbung  um  das  Konsulat  war  bereits  verstrichen;  deshalb 
hintertrieben  Pompeius  und  Crassus  die  ordentlichen  Wahlen.  Infolgedessen 
begann  das  Jahr  55  v.  Chr.  mit  einem  Interregnum.  Die  übrigen  Kandidaten 
waren  zurückgetreten  bis  auf  L.  Domitius  Ahenobarbus,  der  aber  mit  Gewalt 
vom  Wahlplatz  entfernt  wurde.  Die  terrorisierte  Versammlung  wählte  Pom- 
peius und  Crassus,  die  sofort  ihr  Amt  antraten.  Durch  Volksbeschluß  wurden 
auf  Antrag  des  Volkstribunen  C.  Trebonius  dem  Pompeius  die  beiden  Spanien 
mit  vier  Legionen,  dem  Crassus  Syrien  verliehen  und  Caesars  Kommando 
um  fünf  Jahre  verlängert,  alles  unter  dem  Protest  der  Gegner.  Pompeius 
vollendete  als  Konsul  sein  Theater,  das  erste  massive  Bauwerk  dieser  Art 
in  Rom,  und  weihte  es  durch  prächtige  Spiele  ein.  Nach  Ablauf  des  Amts- 
jahres blieb  er  in  Italien;  Spanien  ließ  er  durch  seine  Legaten  verwalten, 
von  denen  ein  bisher  noch  nicht  unterdrückter  Aufstand  der  Vaccäer  und 
ihrer  Nachbarn  niedergeschlagen  wurde. 

Während  also  Spanien  zu  ernsteren  Sorgen  keinen  Anlaß  bot,  standen  in 
Syrien,  das  dem  Crassus  zugefallen  war,  die  Dinge  recht  bedrohlich.  Bei 
den    unfertigen    Zuständen    der    Provinz,    unter    dem    ungewohnten    Druck 


')  Cicero  ad  fam.  I  7,  10.    Cassius  Dio  und  besonders  der  von  Catull  angegriffene 

XXXIX  25,  1.  Außerdem  wurden  bedeu-  Mamurra.    Cic.  ad  fam.  VII  7,  6.  Catull  29. 

tende  Geldsummen  für  Caesar  bewilligt.  Catulls  Gedichte  spiegeln  die  Stimmung 

*)  In  Gallien  bereicherten  sich  Labienus  der  Gegner  Caesars. 


236  Römische  Geschichte. 

des  römischen  Regiments  und  der  Mißwirtschaft  der  Steuerpächter  bildete 
sich  gefährhcher  Zündstoff.  Der  jüdische  König  Aristobulos  und  sein  Sohn 
Alexander,  die  Pompeius  nach  Rom  entführt  hatte,  entkamen  aus  der  Ge- 
fangenschaft und  erregten  in  Judäa  mehrere  Aufstände;  auch  die  Araber 
machten  zu  tun.^)  Eine  weitere  Gefahr  bildeten  die  benachbarten  Parther,  die 
nach  dem  Sturz  des  Tigranes  Mesopotamien  und  die  Euphratgrenzen  zurück- 
gewonnen hatten.  Über  sie  regierte  damals  der  tüchtige  Orodes  (oder  Hyrodes), 
Sohn  des  Phraates,  der  durch  Unterwerfung  abtrünniger  Vasallen  die  Macht 
des  Königtums  gehoben  hatte.  Pompeius  war  einem  Zusammenstoß  mit  den 
Parthern  ausgewichen,  A.  Gabinius  dagegen,  der  damalige  Statthalter  "von 
Syrien,  machte  Miene  zum  Krieg.  Einige  vornehme  Parther  hatten  bei  ihm 
Zuflucht  gesucht,  und  er  traf  Anstalten,  sie  zurückzuführen.  Da  jedoch  der 
Senat  Einspruch  erhob,  2)  so  gab  er  seinen  Plan  auf;  statt  dessen  übernahm 
er  die^Wiedereinsetzung  des  Ptolemaios  Auletes,  den  Pompeius  an  ihn  em- 
pfohlen hatte ;  Pompeius  bediente  sich  des  Gabinius,  um  seinerii  ptolemäischen 
Schützling  allen  Widerständen  zum  Trotz  doch  noch  auf  den  Thron  zu  -v'^r- 
helfen.  Gabinius  rückte  in  Ägypten  ein,  besiegte  und  tötete  Archelaos,  den 
Gemahl  der  damals  regierenden  Königin  Berenike,  eroberte  Alexandrien  und 
setzte  den  Ptolemaios  wieder  zum  König  ein  (Anfang  55  v.  Chr.),  natürlich 
nicht  ohne  sich  für  diesen  Liebesdienst  teuer  bezahlen  zu  lassen.  Da  Gabinius 
mit  seiner  ägyptischen  Expedition  gegen  den  erklärten  Willen  des  römischen 
Volkes  verstoßen  hatte,  wurde  er  zur  Rechenschaft  gezogen,  aber  von  käuf- 
lichen Richtern  freigesprochen.  Dagegen  unterlag  er  in  einem  Repetunden- 
prozeß,   worauf  er  ins  Exil  ging.  2) 

Crassus,  der  an  Stelle  des  Gabinius  Syrien  übernahm,  begab  sich  noch 
im  Jahr  55  v.  Chr.,  vor  Ablauf  seines  Konsulats,  in  diese  seine  Provinz.  Er 
war  zum  Krieg  gegen  die  Parther'*)  entschlossen,  wiewohl  kein  unmittelbarer 
Anlaß  vorlag.  Aber  ihn  trieben  Habsucht  und  Ehrgeiz  und  der  Wunsch, 
es  seinen  Rivalen  Caesar  und  Pompeius  gleichzutun.  In  überraschendem 
Vorstoß  (54  V.  Chr.)  eroberte  er  mit  leichter  Mühe  einige  Plätze  jenseits  des 
Euphrats;  die  dort  ansässigen  Griechen  begrüßten  ihn  als  Befreier  vom  Parther- 
joch. Im  nächsten  Jahr  (53  v.  Chr.)  traf  Crassus  in  Mesopotamien  auf  ein 
starkes,  hauptsächlich  aus  Reitern  bestehendes  Partherheer,  das  der  Surenas, 
der  Inhaber  der  erblichen  Kronfeldherrnwürde,  befehligte:  ein  gleichzeitiger 
Angriff  des  Parterkönigs  Orodes  auf  den  Armenier  Artavasdes,  den  Sohn 
des  Tigranes,  hinderte  diesen  Verbündeten  des  Crassus  an  der  Unterstützung 
der  Römer.  Crassus'  Ziel  war  Seleukeia  am  Tigris;  dorthin  wollte  er  durch 
die  Ebenen  Mesopotamiens  marschieren.  Aber  südlich  von  Carrhae  wurde 
er  plötzlich  vom  Feind  gestellt  und  mußte  unter  ungünstigen  Bedingungen 
schlagen;  das  römische  Heer  wurde  besiegt  und  zersprengt,  ein  großer  Teil 
gefangen.^)    Mit  dem  Rest  rettete  sich  Crassus,   dessen  tapferer  Sohn  nach 


')  Josephus  Bell.  Jud.  I  159  ff.    Antiq.  Mannes.  Ein  dritter,  wegen  öwZ'/Yhs  seh we- 

XIV  80  ff".  bender  Prozeß  kam  nicht  mehr  zur  Yer- 

^)  Strabo  XII  558.  handlung. 

')  Bei  beiden  Prozessen  war  Cicero  be-  ■*)  Über   Crassus'  Partherkrieg   vgl.    K. 

teiligt,  beim  ersten  nur  als  Zeuge,  beim  Regling,  Klio  VII,  1907,  357  ff.,  Dkumann- 

zweiten   auf  Wunsch    des   Pompeius    als  Groebe  IV  108  ff. 

Verteidiger  des  ihm  persönlich  verhaßten  ")  Die  Schlacht  fand  am  9.  Juni  53  statt 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).     (§39.)      237 

verzweifeltem  Kampf  freiwillig  den  Tod  gesucht  hatte,  nach  Carrhae,  von 
wo  er  nach  Armenien  zu  entkommen  suchte;  aber  der  Surenas  holte  ihn 
ein  und  trug  ihm  nach  kurzem  Kampf  eine  Unterredung  an,  die  Crassus 
unter  dem  Druck  seiner  erschöpften  Soldaten  annahm;  er  war  in  eine  Falle 
gelockt  und  wurde  mit  seinem  Gefolge  niedergemacht.  Mesopotamien  er- 
oberten die  Parther  zurück;  aber  den  Euphratübergang  verteidigte  der  Quästor 
des  Crassus,  C.  Cassius  Longinus,  der  auch  in  Syrien  die  Ruhe  aufrecht 
erhielt.  Doch  geriet  der  ganze  Orient  in  Gärung;  vielfach  erhoffte  man  von 
den  Parthern  die  Befreiung  von  der  römischen  Herrschaft.  Artavasdes  hatte 
sich  den  Parthern  angeschlossen;  kleinere  Aufstände  am  Amanosgebirge 
waren  das  Vorspiel  zu  einer  parthischen  Offensive,  die  erst  51  v.  Chr.  mit 
der  Überschreitung  des  Euphrats  eröffnet  wurde.  Die  Parther  holten  sich 
zwar  in  der  Nähe  Antiochiens  von  C.  Cassius  eine  Schlappe,  blieben  aber  auf 
syrischem  Boden,  so  daß  mit  einem  erneuten  Angriff  auf  Syrien  oder  Kappa- 
dokien  gerechnet  werden  mußte.  Der  Nachfolger  des  Crassus,  M.  Bibulus, 
verhielt  sich  passiv;  durch  die  Parthergefahr  fühlte  sich  auch  Cicero,  der 
51/50  V.  Chr.  Kilikien  verwaltete,  beunruhigt.^)  Man  dachte  daran,  Pompeius 
oder  Caesar  gegen  die  Parther  zu  senden;  doch  es  geschah  nichts;  der  zwischen 
den  beiden  ausbrechende  Konflikt  hielt  Rom  und  den  Senat  in  Atem.  Un- 
ruhen im  Partherreich  veranlagten  dann  im  Jahr  50  v.  Chr.  die  Eindringlinge 
zum  Abzug  aus  Syrien. 

39.  Pompeius  und  Caesar.  Die  Verlängerung  seines  Kommandos  im 
Jahr  55  v.  Chr.  ermöglichte  es  dem  Caesar,  die  Eroberung  Galliens  zu  voll- 
enden. Im  Winter  zuvor  hatten  die  germanischen  Stämme  der  Usipeter  und 
Tenkterer,  von  den  Sueben  vertrieben,  in  der  Gegend  der  Menapier  den 
Rhein  überschritten  in  der  Absicht,  sich  in  Gallien  niederzulassen.  Caesar 
zog  ihnen  entgegen,  bemächtigte  sich  durch  schnöde  Hinterlist  ihrer  Häupt- 
linge und  vernichtete  dann  das  führerlose  Heer  durch  einen  plötzlichen 
Überfall  unweit  der  Mündung  der  Maas  in  den  Rhein; 2)  die  zufällig  ver- 
schont gebliebene  germanische  Reiterei  nahmen  die  Sugambrer  auf  dem  rechten 
Rheinufer  auf;  dadurch  sah  sich  Caesar  zu  einer  militärischen  Demonstration 
veranlaßt;  auf  einer  eigens  geschlagenen  Brücke 3)  führte  er  seine  Truppen 
auf  das  rechte  Ufer,  wo  die  zwischen  Lahn  und  Sieg  ansässigen  Ubier  seine 
Verbündeten  waren.  Die  Sugambrer  und  Sueben  flüchteten  in  den  Schutz 
ihrer  Wälder;  nach  achtzehntägigem  Verweilen  ging  Caesar  über  den  Strom 
zurück,  um  nun  gegen  die  Moriner  zu  kämpfen,  die  auch  diesmal  nicht  völhg 
gebändigt  wurden.    Vom  portus  Itins  aus^)  fuhr  Caesar  mit  zwei  Legionen 


(P.  Geoebe,  Hermes  42,  1907,  315  flf.).    Die  dagegen  überschritt  Caesar  den  Rhein  zwi- 

Gefangenen  wurden  nach  Antiocheia  Mar-  sehen  Weißeuturm  u.  Urmitz ;  vgl.  Nissen- 

giane  (östlich  vom  Kaspischen  Meer)  ver-  i   Koenen,  Caesars  Rheinfestung,  Bonn  1899. 

schleppt,  Pliuius  h.  n.  VI  47.  *)  Wahrscheinlich  Boulogne  und  nicht 

>)  Cicero  ad  fam.  XV  1— 4;  ad  Att.VlS  j    Wissant.  Vgl.  über  die  Kontroverse  Haver- 

und  20.    Cass.  Dio  XL  28  ff.  !   pield.  PW  IX  2368  ff.    Über  Caesars  Ex- 

2)  Nach  Caesars  ziemlich  vager  Angabe  ,    peditionen  nach  Britannien  s.  das  Spezial- 

(bell.  Gall.  lA"  15,  2) ;  vgl.  Cass.  Dio  XXXIX  werk   von  T.  R.  Holmes,    Ancient  Britain 

47.    Plutarch  Caes.  22.    Appian.  Celt.  1,  4.  and  the  invasions  of  JtiL  Caesar,  OydoTCfH^Ol. 

Dbumann-Groebe  III  260,  3.    Holmes,  Cae-  t   Das  Datum  der  Abfahrt  bestimmt  Heller, 

sars  conquest  of  Gaul »  680  ff.  1    Philol.  26,  1867,  670  ff.  auf  den  27.  August 

^)  Bei  Neuwied  nach  v.  Göler.  Im  J.  53  55  julianischer  Rechnung. 


238  Römische  Geschichte. 

nach  Britannien  hinüber,  wo  er  in  der  Nähe  von  Dover  landete.  Er  hegte 
den  Wunsch,  die  keltische  Insel  und  ihre  Bewohner,  die  so  oft  die  Stammes- 
brüder in  Gallien  im  Kampf  gegen  Rom  unterstützt  hatten,  aus  eigener  An- 
schauung kennen  zu  lernen.  Mehr  als  eine  solche  Rekognoszierung  wurde 
auch  nicht  erreicht.  In  Rom  freilich  machte  die  Kunde  von  der  Landung 
in  Britannien,  über  dessen  Lage  und  Größe  man  phantastische  Vorstellungen 
hatte,  Sensation.  Nach  Züchtigung  der  Moriner  und  Menapier  legte  Caesar 
seine  Truppen  in  belgische  Winterquartiere;  Anfang  54  v.  Chr.  begab  er  sich 
nach  Oberitalien,  wohin  ihn  seine  Statthalterpflichten  riefen.  In  Illyricum, 
wo  dalmatische  Pirusten  geplündert  hatten,  sorgte  er  für  Sühne  und  Schaden- 
ersatz. Eine  zweite,  größere  Expedition  nach  Britannien  wurde  für  das  Jahr  54 
vorbereitet.  Nach  Gallien  zurückgekehrt,  mußte  Caesar  zunächst  Unruhen 
bei  den  Treverern  unterdrücken.  Dann  setzte  er  im  Sommer  54  mit  fünf 
Legionen  und  2000  gallischen  Reitern  nach  Britannien  über.  Die  Landung 
verlief  ungestört.  Einige  britische  Stämme  unterwarfen  sich ;  aber  ein  großes 
Heer  leistete  unter  dem  Oberbefehl  des  Cassivellaunus  Widerstand,  der  erst 
gebrochen  wurde,  nachdem  die  Römer  die  Themse  überschritten  hatten. 
Caesar  eroberte  den  Hauptort  des  Cassivellaunus  und  zwang  ihn  zum  Frieden. 
Die  Briten  stellten  Geiseln  und  versprachen  auch  Tribut,  der  aber  nie  ent- 
richtet wurde.  Von  einer  Eroberung  Britanniens  konnte  nicht  die  Rede  sein. 
Die  gemachte  Beute,  die  fast  nur  aus  Kriegsgefangenen  bestand,  blieb  hinter 
den  Erwartungen  weit  zurück,  i) 

Schon  bei  Gelegenheit  des  Zuges  gegen  die  Briten  hatten  sich  bei  den 
Galliern  Symptome  wachsender  Unzufriedenheit  gezeigt,  namentlich  bei  den 
Treverern,  wo  Indutiomarus  das  Haupt  einer  römerfeindlichen  Partei  war. 
Caesar  hatte  kurz  vor  der  zweiten  Expedition  nach  Britanien  zugunsten 
des  römischen  Parteigängers  Cingetorix  eingegriffen.  Aus  Sicherheitsgründen 
bestimmte  er  eine  große  Zahl  vornehmer  Gallier  als  Geiseln  zur  Teilnahme 
an  dem  britischen  Unternehmen,  darunter  den  Aeduer  Dumnorix,  der  jedoch 
vor  der  Abfahrt  die  Flucht  ergriff,  aber  eingeholt  und  niedergemacht  wurde. 
Die  Gallier  litten  unter  der  Fremdherrschaft,  unter  dem  Zwang  des  Kriegs- 
dienstes und  der  Kontributionen,  unter  der  einseitigen  Bevorzugung  der 
Römerfreunde.  2)  Caesar  hatte  bisher  nur  mit  den  belgischen,  aremorischen 
und  aquitanischen  Stämmen  Krieg  führen  müssen,  die  übrigen,  der  Kern 
des  mittleren  Galliens,  waren  ihm  verbündet.  Aber  diese  Verbündeten 
wurden  nicht  minder  vom  Geist  der  Auflehnung  angesteckt  als  die  Unter- 
worfenen. Zunächst  kam  es  zu  Anfang  des  Winters  54  53  v.  Chr.  bei  den 
belgischen  Stämmen  zur  Empörung:  die  Eburonen  unter  Ambiorix  über- 
fielen die  bei  ihnen  überwinternden  fünfzehn  Kohorten  unter  Q.  Titurius 
Sabinus  und  L.  Aurunculeius  Cotta.  Die  belagerten  Römer  nahmen  den 
von  den  Galliern  angebotenen  freien  Abzug  an,  wurden  aber  vor  dem  Lager 
überfallen  und  vernichtet.  In  einem  anderen  Winterlager  geriet  der  Legat 
Q.  Tullius  Cicero,  der  Bruder  des  Redners,  durch  die  Nervier  in  schwerste 


')  Pluiarch  Caes.  23.    Cicero  ad  Att.  IV  '-)  So    hatte  Caesar  57  v.  Chr.    bei    den 

16,  7.  18, 5.    Über  die  zweite  britannische  Carnuten    den    Römling    Tasgetius    zum 

Expedition  vgl.  F.Vogel,  N.  Jahrb.  f.  Philol.  König  eingesetzt.    Caes.  bell.  Call.  V  2b. 
153  (1896)  269  ff. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§39.)      239 

Bedräxignis ;  auch  die  Treverer  erhoben  sich.  Caesar,  der  schon  die  Reise 
nach  Galha  cisalpina  angetreten  hatte,  kehrte  schleunigst  um,  besiegte  die 
Aufständischen  und  befreite  den  Cicero ;  den  Winter  über  Wieb  er  im  nörd- 
hchen  Galhen.  Im  nächsten  Frühjahr  (53  v.  Chr.)  ergänzte  er  sein  zusammen- 
geschmolzenes Heer  durch  zwei  neu  ausgehobene  Legionen  und  eine  dritte 
von  Pompeius  entliehene,  so  daß  er  im  ganzen  über  zehn  Legionen  ver- 
fügte. Die  Nervier,  Menapier  und  andere  Insurgenten  wurden  von  Caesar, 
die  Treverer  von  Labienus  niedergeworfen.  Da  suebische  Krieger  den  Tre- 
verern  zu  Hilfe  gekommen  waren,  so  demonstrierte  Caesar  durch  einen  er- 
neuten Übergang  über  den  Ehein,  ohne  daß  es  zu  Kämpfen  mit  den  Sueben, 
die  sich  ins  Landesinnere  zurückgezogen  hatten,  gekommen  wäre.  Zur  War- 
nung ließ  Caesar  diesmal  die  etwas  stromaufwärts  der  früheren  geschlagene 
Brücke  teilweise  stehen  und  durch  einen  starken  Brückenkopf  mit  einer 
Besatzung  sichern.  Ein  strenges  Gericht  erging  über  die  Eburonen.  Nach- 
dem Caesar  auf  einer  Häuptlingsversammlung  in  Durocortorum  (Reims)  noch 
einzelne  Römerfeinde  bestraft  hatte,  begab  er  sich  in  dem  Wahn,  die  Ruhe 
wiederhergestellt  zu  haben,  nach  Oberitalien.  In  Wirklichkeit  warteten  die 
Gallier  nur  auf  eine  Gelegenheit,  um  erneut  loszuschlagen.  Sie  wußten, 
daß  die  Tage  von  Caesars  Kommando  gezählt  waren  und  daß  in  Rom 
Krisenluft  wehte. 

Nach  dem  Konsulat  des  Crassus  und  Pompeius  (55  v.  Chr.)  traten  in 
Rom  anarchische  Zustände  ein,  hervorgerufen  durch  die  Umtriebe  der 
Demagogen  und  die  Wahlagitation  der  Ämterjäger,  geduldet,  ja  gefördert 
durch  Pompeius,  der  die  bedrängte  Senatsregierung  als  den  unfreiwilligen 
Schrittmacher  seiner  persönlichen  Herrschaft  betrachtete.  P.  Clodius  stand 
wieder  in  seinen  Diensten;  aber  auch  die  Gegner,  die  von  Cato  geführten 
Optimaten,  rührten  sich,  wie  schon  die  Machtprobe  in  den  Prozessen  gegen 
A.  Gabinius,  die  Kreatur  des  Pompeius,  gezeigt  hatte.  Ihre  Geschäfte  be- 
sorgte T.  Annius  Milo  ganz  nach  der  GeAvaltmethode  des  Clodius.  Monate- 
lang gab  es  im  Jahr  53  v.  Chr.  weder  Konsuln  noch  kurulische  Magistrate; 
nur  die  Volkstribunen  fungierten.  Man  schlug  vor,  wie  einstens  Konsular- 
tribunen  (S.  63)  zu  bestellen;  ein  anderer  Antrag  forderte  die  Diktatur 
des  Pompeius.  Auf  Ersuchen  des  Senats  ermöglichte  Pompeius  zuletzt  die 
Wahl  der  Konsuln  für  den  Rest  des  laufenden  Jahres  (53);  als  dann  für 
das  nächste  Konsulat  Milo,  P.  Plautius  Hypsaeus  und  Q.  Caecilius  Metellus 
Scipio  kandidierten,  kam  es  zu  Wahlkämpfen  in  des  Wortes  voller  Be- 
deutung; die  bewaffneten  Banden  der  Bewerber  machten  Rom  unsicher 
und  lieferten  sich  förmliche  Schlachten.  Die  Komitien  konnten  nicht  statt- 
finden ;  ohne  Konsuln  und  Prätoren  mußte  das  neue  Jahr  (52  v.  Chr.)  an- 
getreten  werden. 

Die  Dauer  dieser  Anarchie  wurde  durch  das  Ende  des  Clodius  abge- 
kürzt. Am  18.  Januar  52  v.  Chr.  wurde  dieser  Todfeind  Milos  von  dessen 
Leuten  auf  der  Appischen  Straße  erschlagen.  Der  aufgehetzte  Pöbel  ver- 
brannte die  Leiche  des  Volksbeglückers  in  der  Kurie,  die  bei  dieser  Gelegen- 
heit in  Flammen  aufging,  und  tobte  sich  dann  tagelang  mit  Mord  und 
Plünderung  aus.  Dem  Senat  blieb  nichts  übrig  als  dem  Pompeius  die  Her- 
stellung der  Ordnung  zu  übertragen;  den  seit  Sulla  ominösen  Titel  Diktator 


240  Römische  Geschichte. 

vermied  man  und  bestellte  im  Schaltmonat  52  v.  Chr.')  den  Pompeius  zum 
alleinigen  Konsul  {consul  sine  collega). 

Nach  dem  Erlaß  strenger  Strafgesetze  gegen  Gewalttaten,  Wahluratriebe 
und  Bestechung  und  einer  Revision  der  Richterliste  begannen  unter  dem 
Schutz  pompeianischer  Truppen  zahlreiche  gerichtliche  Verhandlungen  gegen 
die  Urheber  der  letzten  Unruhen.  Milo  wurde  trotz  Ciceros  Verteidigung 
verurteilt  und  verbannt.  Vom  Senat  ließ  sich  Pompeius  sein  spanisches 
Kommando  um  fünf  weitere  Jahre  verlängern;  die  Kosten  für  sein  Heer 
hatte  die  Staatskasse  zu  tragen.  Jetzt  glaubte  Pompeius  sich  stark  genug, 
um  auf  Caesar  keine  Rücksicht  mehr  zu  nehmen;  der  Tod  der  Julia  (54 
v.  Chr.)  hatte  das  verwandtschaftliche  Band  zerschnitten;  doch  hatte  Pom- 
peius noch  im  Jahr  53  die  Gefälligkeit,  seinem  früheren  Schwiegervater 
Caesar  eine  Legion  zur  Verfügung  zu  stellen  (S.  239).  Nachdem  Crassus 
durch  den  Tod  aus  dem  Bund  der  Machthaber  ausgeschieden  war,  spitzte 
sich  die  Lage  immer  schärfer  auf  den  Endkampf  zwischen  Pompeius  und 
Caesar  zu.  In  Rom  hatte  sich  die  Lage  zuungunsten  Caesars  und  seiner 
Freunde  verschoben.  Mehrere  Caesarianer  wurden  verurteilt,  ohne  daß  Pom- 
peius einen  Finger  für  sie  rührte,  während  er  seine  eigenen  Anhänger  vor 
ihren  Richtern  schützte,  wie  z.  B.  den  Q.  Caecilius  Metellus  Scipio,  mit  dessen 
Tochter  Cornelia  er  sich  inzwischen  vermählt  hatte.-)  Eben  diesen  seinen 
neuen  Schwiegervater  und  nicht  den  früheren,  Caesar,  hat  sich  dann  Pom- 
peius als  Kollegen  im  Konsulat  beigesellt.  Daß  Caesar  durch  Volksbeschluß 
ermächtigt  wurde,  sich  abwesend  um  das  Konsulat  bewerben  zu  dürfen,  war 
alles,  was  seine  Vertreter  in  Rom  für  ihn  erreichten. 

Caesar,  der  sich  über  die  Abkehr  des  Pompeius  im  klaren  war,  mußte 
die  Dinge  zunächst  gehen  lassen  wie  sie  wollten;  denn  auf  die  Nachricht 
von  den  Wirren  in  der  Hauptstadt  war  in  Gallien  ein  Aufstand  losgebrochen, 
der  ihn  nötigte,  noch  im  Winter,  Anfang  52  v.  Chr.,  über  die  Alpen  zurück- 
zueilen. Gerade  die  bisherigen  Verbündeten  Roms  rebellierten;  überall  kamen 
Römerfeinde  ans  Ruder.  Die  Arverner  und  Carnuten  gaben  das  Signal,  an 
die  Spitze  der  Arverner  trat  Vercingetorix,  Sohn  des  Celtillus,  eine  be- 
deutende Persönlichkeit  aus  königlichem  Geschlecht;^)  er  brachte  eine  Reihe 
anderer  Stämme  zum  Abfall,  selbst  die  Aeduer  wurden  unsicher,  die  Pro- 
vinz von  Narbo  war  durch  die  Aufständischen  bedroht,  Caesar  von  seinen 
Truppen  weit  getrennt. 

Caesar  sorgte  zunächst  für  den  Schutz  der  Provinz,  unternahm  einen 
kühnen  Streifzug  über  die  schneebedeckten  Cevennen  ins  Land  der  Ar- 
verner, erreichte  sodann  von  Vienna  aus  die  Lingonen  (Plateau  von  Langres) 
und  sammelte  dort  seine  Legionen,  Von  hier  marschierte  er  gegen  die  Car- 
nuten,   nahm  ihre  Hauptstadt  Cenabum  (Orleans)  und  ging  über  die  Loire 


')  Ascon. in Milon.  p. 37  Or.  p. 31  Scholl: 
V Kai.  Mart.  mense  intercaJario.  Das  Datum 
entspricht  dem  S.Februar  des  julianischen 
Kalenders. 

'"')    Den     hochpolitischen    Hintergrund 
dieser  Ehe  hat  erst  F.  Münzer,  Rom.  Adels- 
parteien u.  Adelsfamilien,  Stuttgart  1920,    1    1903 
317  erkannt:  „Pompeius,  der  als  Nachfolger   [ 


der  großen  Seipionen  und  in  höherem 
Maße  als  sie  herrschen  und  gebieten  wollte, 
meinte  ein  Recht  darauf  zu  gewinnen 
durch  die  Hand  ihrer  Erbin"  (der  Cornelia). 
^)  Camille  Jullian,  Vercingetorix,  Paris 
1901.  Deutsch  von  Sieglerschmidt,  Glogau 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§39.)      241 

gegen  die  Biturigen  an,  deren  Hauptort  Avaricum  (Bourges)  er  nach  längerer 
Belagerung  eroberte.  Vergebens  hatte  Vercingetorix  den  wichtigen  Platz  zu 
retten  versucht.  Nachdem  Caesar  bei  den  Aduern  Verstärkungen  an  sich 
gezogen  hatte,  sandte  er  die  eine  Hälfte  des  Heeres  unter  T.  Labienus  gegen 
die  Parisier  und  deren  Nachbarn  an  der  Seine,  während  er  selbst  gegen  die 
Arverner  zog  und  auf  Gergovia  (etwas  südlich  von  Clermont)  rückte,  wo 
ihm  Vercingetorix  gegenüber  lagerte.  Ein  Angriff  Caesars  auf  das  gallische 
Lager  schlug  fehl,  und  dieses  Mißgeschick,  sowie  der  Abfall  der  Aduer 
zwang  die  Eömer  zum  Abzug.  Der  Aufstand  wurde  allgemein.  In  Bibracte 
hatten  sich  fast  alle  gallischen  Stämme  der  Führung  des  Vercingetorix 
unterstellt.  Die  römischen  Heere  waren  in  Gefahr,  von  der  Provinz  ab- 
geschnitten zu  werden;  Caesar  wandte  sich  nach  Norden  und  vereinigte  sich 
bei  den  Senonen  (bei  Sens)  mit  Labienvis,  der  inzwischen  mit  den  Auf- 
ständischen an  der  Seine  erfolgreich  gekämpft  hatte,  jetzt  aber  gleichfalls 
zurück  mußte.  Durch  das  Gebiet  der  Lingonen  und  Sequaner,  die  noch  zu 
Koni  hielten,  eilte  das  vereinigte  römische  Heer  nach  Süden,  um  die  Pro- 
vinz und  Italien  zu  decken,  wurde  aber  unterwegs  bei  den  Lingonen  nahe 
an  der  Grenze  der  Sequaner  von  Vercingetorix  angegriffen.  Die  Stärke  der 
Gallier  lag  in  ihrer  zahlreichen  Reiterei,  die  aber  von  Caesar  geschlagen 
wurde,  wobei  germanische  Reiter,  die  er  damals  in  größerer  Anzahl  in 
Sold  genommen  hatte,  die  besten  Dienste  leisteten. i)  Vercingetorix  zog  sich 
hierauf  nach  Alesia  im  Land  der  Mandubier  (Alise  Ste.  Reine  im  Departe- 
ment Cöte  d'or)  zurück,  wo  er  von  Caesar  eingeschlossen  wurde.  Die  Gal- 
lier boten  ein  großes  Entsatzheer  auf,  aber  ihr  Angriff  auf  Caesars  starke 
Linien  mißlang  nach  langen  und  schweren  Kämpfen;  sie  wurden  geschlagen, 
und  der  Hunger  trieb  den  Nationalhelden  Vercingetorix  endlich  zur  Über- 
gabe (52  V.  Chr.).  Das  Bündnis  der  gallischen  Stämme  löste  sich  auf.  Der 
entscheidende  Sieg  wurde  in  Rom  mit  Dankfesten  begangen. 

Die  Hauptarbeit  war  getan,  wenn  auch  die  völlige  Unterwerfung  der 
Aufständischen  sich  unter  mannigfachen  Kämpfen  Caesars  und  seiner 
Legaten  noch  bis  in  den  Sommer  51  v.  Chr.  hineinzog.  Besonders  zäh  war 
der  Widerstand  der  Bellovaker  (bei  Beauvais)  und  ihrer  Nachbarn.  Das 
letzte  größere  Unternehmen  war  die  Belagerung  und  Eroberung  von  Uxello- 
dunum^)  im  Lande  der  Cadurker.  Den  folgenden  Winter  (51/50  v.  Chr.)  ver- 
brachte Caesar  wie  den  vorigen  im  transalpinischen  Gallien  bei  den  Atre- 
baten  (Arras),  bereiste  dann  die  cisalpinische  Provinz  und  hielt  endlich  im 
Gebiet  der  Treverer  als  Schlußakt  des  Krieges  eine  Heerschau  über  alle 
seine  Truppen  ab  (50  v.  Chr.).  Wenn  auch  noch  vieles  unfertig  blieb,  das 
Hauptwerk,  die  endgültige  Eroberung  der  gallischen  Landschaften  am  linken 
Rheinufer  war  im  wesentlichen  vollendet.  Die  Einzelheiten  der  Einrichtung 
der  neuen  Provinz  sind  nicht  bekannt;  die  Rechtsstellung  der  gallischen 
Stämme,    von    denen    nicht  wenige    zu  Rom    im  Bundesverhältnis    standen, 

^)  Caesars  Bericht  bell.  C4all.  VII  66  £f.  1  ^)  Uxellodunum  ist  wahrscheinlich  Puy 
ist  dürftig.  Vgl.  Plutarch  Caes.  26.  Über  d'Issolu  bei  Vayrac  an  der  Dordogne.  Au- 
dio germanischen  Eeiter  vgl.  bell.  Gall.  dere  haben  sich  für  Luzech  am  Lot  west- 
VII  65,  4.  Caesar  hatte  schon  von  Anfang  lieh  von  Cahors  entschieden.  Vgl.  Holmes, 
an  germanische  Reiter  bei  sich,  bell.  Gall.  !  Caesar's  conquest  of  Gaid'^  489  ff. 
VII  13,  1.  i 

Handbuch  der  klacs.  Altertnmswissenschaft.    III,  5.    5.  Aufl.  16 


242  Römische  Geschichte. 

war  verschieden  abgestuft.  Die  Gallier  waren  zur  Kriegshilfe  verpflichtet; 
außerdem  legte  ihnen  Caesar  eine  feste  Abgabe  {stipendium)  auf.')  Die  ver- 
söhnende Politik  des  milden  Siegers  hat  das  Land  auch  moralisch  erobert; 
die  reichen  Hilfsmittel  Galliens  standen  ihm  von  nun  an  zur  Verfügung. 
Aber  es  war  auch  höchste  Zeit,  daß  Caesar  mit  seinen  politischen  Gegnern 
in  Kom  abrechnete. 

Während  der  großen  Insurrektion  jenseits  der  Alpen  hatte  für  die  Sicher- 
heit der  cisalpinischen  Provinz  und  Illyricums  nichts  geschehen  können. 
Wiederholt  griffen  die  dalmatischen  Stämme  die  Küstenplätze  an;  52  v.  Chr. 
wurde  Tergeste  von  den  Istrern  überrumpelt.  Erst  im  nächsten  Jahr  konnte 
Caesar  eine  Legion  nach  Gallia  cisalpina  entsenden.  2) 

Nachdem  der  gallische  Aufstand  niedergeworfen  und  die  Gefahr,  in  der 
auch  Italien  geschwebt  hatte,  gebannt  war,  wurde  die  Frage  der  Nachfolger- 
schaft Caesars  im  gallischen  Kommando  brennend.  >^)  Bei  den  Optimaten 
hatte  Caesar  längst  Besorgnis  erregt.  »Sein  Kriegsruhm  und  sein  Geld  — 
er  ließ  auf  seine  Kosten  Rom  und  die  Provinzen  durch  Bauten  verschönern  — 
warben  ihm  viele  Anhänger.  Daher  setzten  seine  Gegner  alle  Hebel  gegen 
seine  bedrohliche  Machtstellung  in  Bewegung.  Je  mehr  sich  Pompeius  den 
Optimaten  näherte,  desto  schärfer  wurde  der  Gegensatz  zwischen  ihm  und 
seinem  einstigen  Bundesgenossen  Caesar.  Dieser  hatte  ja  durch  ein  Plebiszit 
die  Erlaubnis  erhalten,  sich  abwesend,  also  noch  im  Besitz  von  Heer  und 
Provinz,  um  das  Konsulat  zu  bewerben,  und  gedachte  für  das  Jahr  48 
V.  Chr.  zu  kandidieren;  es  fragte  sich,  ob  dieses  Privileg  unangetastet 
bleiben  sollte.*)  Inzwischen  war  der  Modus  der  Besetzung  der  Statthalter- 
schaften abgeändert  w^orden,  zuerst  durch  ein  Senatskonsult  vom  Jahr  53, 
dann  im  folgenden  Jahr  endgültig  durch  ein  Gesetz  des  Pompeius;^)  diese 
lex  Pompeia  verfügte,  daß  die  Magistrate  nicht  wie  bisher  gleich  nach  Ab- 
lauf ihres  städtischen  Amtsjahres  die  Verwaltung  einer  Provinz  übernehmen 
sollten,  sondern  erst  fünf  Jahre  später.  Damit  war  aber  die  Möglichkeit 
gegeben,  für  Caesar  unmittelbar  nach  dem  Endtermin  seiner  Statthalter- 
schaft (1.  März  50  V.  Chr.)^)  und  noch  vor  der  Bewerbung  um  das  Konsulat, 


^)  40  Millionen  Sesterzen  (reichlich  7  Mil-  Konsul  M.  Claudius  Marcellus   beantragt 

liouen  Goldmarkl  nach  Sueton  Jul.  25.  worden.  Vgl.  dagegen  O.Hikschfeld a.a.O. 

■■')  Caes.  bell.  Gall.  YIII  24,  3.  ^)    Das    Ende    von    Caesars    galHschem 

^)  Zum  Folgenden  F.  Hofmann,  De  ori-  Kommando  war   nach    dem  Zeugnis   der 

gine  heUi.  civilis  Caesariam,  Berlin  1857.  —  Zeitgenossen  dadurch  bedingt,  daß  nach 

Th.  Mommsen,  Die    Rechtsfrage   zwischen  dem  Gesetz  des  J.  55  v.  Chr.  nicht  vor  dem 

Caesar  und  dem  Senat  (1857).  Ges.  Sehr.  1.  März  50  v.Chr.  im  Senat  über  die  Nach- 

lY  92  ff.  —  H.  Nissen,  Hist.  Zeitschr.  46,  folgerschaft    verhandelt    werden    durfte. 

18S1.48ff.  — O.Hikschfeld, Kl. Sehr. 310 tf.,  Nach  der  früheren  Ordnung  der  h'x  Sem- 

324  ff.  —  L.  Holzapfel,  KHo  III  213  tf.  IV  prouia  (oben  S.176)  hätte  Caesar  de  facto 

327ff.  V107tf.  —  DEüMÄNN-GROEBElII720ff.  noch  das  ganze  J.  49  über  seine  Provinz 

—  W.  Judeich,  Rhein.  Mus.  68,  1913, 1  ff .  —  behaupten  können,  da  erst  einer  der  Kon- 
Ed.  Meyer,  Caesars  Monarchie  usw.  157, 1.  suln  von  49   als   Nachfolger   in  Betracht 

—  R.  Laqceür,  Neue  Jahrbücher  45,  1920,  gekommen    wäre.    Das  Gesetz   des  Pom- 
241  ff'..  47.  1921,  233  ff.  peius  aber  schuf  eine  neue  Lage.    Denn 

■•)  In  der  Tat  wurde  dieses  Privileg  von  nunmehr  konnten  gleich  nach  dem  I.März 

M.  Claudius  Marcellus,  Konsul  51  v.  Chr.,  50  einem   der  zur  Verfügung  stehenden 

angefochten.    Livius  per.  108.  Konsulare  aus  früheren  Jahren  die  galli- 


'")  Cass.  Dio  XL  56.  Mommsen,  Staatsr. 
11^  241  ist  der  Meinung,  das  Gesetz  sei 
erst  ein  Jahr  später,  51  v.  Chr.,  durch  den 


sehen  Provinzen  überwiesen  werden.  Pom- 
peius war  nur  zu  dem  Zugeständnis  bereit, 
die  Frist  für  Caesars  Verbleiben  im  Kom- 


6.  Vierte  Periode :  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    i,§  39.)      243 

einen  Nachfolger  zu  bestellen.  Für  Caesar  aber  war  die  Beibehaltung  seiner 
Provinz  bis  zum  Antritt  eines  neuen  Amtes,  des  Konsulats,  geradezu  eine 
Lebensfrage,  da  nur  die  Kontinuierung  seiner  Amtseigenschaft  ihn  gegen 
gerichtliche  Angriffe,  denen  er  als  Privatmann  nicht  hätte  entgehen  können, 
immun  machte.  Nur  als  Konsul  war  er  in  der  Lage,  seine  Veteranen  zu 
belohnen  und  die  in  der  Provinz  getroffenen  Verfügungen  bestätigen  zu. 
lassen,  so  z.B.  die  bisher  umstrittene  Anerkennung  des  Bürgerrechts  der 
Transpadaner.  ^) 

Das  Problem  der  Abberufung  Caesars  aus  Gallien  beschäftigte  die  Ge- 
müter seit  51  V.  Chr.;  schon  damals  bekannte  Pompeius  Farbe:  statt  in  seine 
Provinz  zu  gehen,  wie  er  sich  zuweilen  den  Anschein  gab,  verblieb  er  in 
Italien,  um  seinen  Einfluß  gegen  Caesar  geltend  zu  machen.  Beim  Volke 
war  übrigens  Caesar  der  Beliebtere.  Seine  Sache  vertrat  geschickt  und 
skrupellos  der  von  ihm  gekaufte  Tribun  des  Jahres  50,  C.  Scribonius  Curio, 
der  verlangte,  daß  beide  Rivalen,  Pompeius  nicht  minder  wie  Caesar,  Pro- 
vinzen und  Heer  aufgeben  sollten.  Diese  friedliche  Lösung,  die  jedoch  Curio 
nur  aus  taktischen  Gründen  empfahl,  wäre  auch  nach  dem  Sinn  der  Senats- 
mehrheit gewesen,  die  keineswegs  mit  Pompeius  durch  dick  und  dünn  gehen 
mochte.  Wie  der  Senat,  so  zitterte  auch  das  Landvolk  und  die  Geschäfts- 
welt Italiens  vor  den  Schrecken  eines  neuen  Bürgerkriegs.  Aber  Pompeius 
und  die  extremen  Optimaten  wollten  die  Macht  Caesars  ein  für  allemal 
brechen.  So  scheiterten  alle  Vermittlungsversuche:  die  Kluft  war  unüber- 
brückbar. Es  erschien  als  Symptom  der  nahenden  Krisis,  daß  unter  dem 
\  orwand  des  parthischen  Kriegs  dem  Caesar  zwei  Legionen  entzogen  wurden, 
die  aber  in  Italien  blieben.  Caesar  ersetzte  diesen  Verlust  sofort.  Doch  war 
er  zu  dem  Kompromiß  erbötig,  sein  Heer  größtenteils  zu  entlassen  und  das 
transalpinische  Gallien  abzugeben,  sofern  er  die  cisalpinische  Provinz  und 
einige  Truppen  bis  zum  Antritt  des  Konsulats  behalten  durfte.  Da  die 
Gegner  darauf  nicht  eingingen,  blieb  nur  noch  der  Appell  an  die  WaflPen; 
Caesar  ließ  seine  Legionen  marschieren;  er  selbst  begab  sich  etwa  im  De- 
zember 50  V.  Chr.  ins  diesseitige  Gallien,  wo  er  sich  in  Ravenna  nahe  an  der. 
Grenze  Italiens  aufhielt.  Er  war  wohl  gerüstet  und  konnte  sich  auf  die 
Ergebenheit  und  die  Schlagkraft  seiner  geschulten  Armee  verlassen.  Aber 
auch  Pompeius  war  zuversichtlich;  als  er  gegen  Ende  des  Jahres  in  Neapel 
erkrankte,  bezeigte  ihm  ganz  Italien  seine  Teilnahme;  über  die  Stimmung 
der  Truppen  Caesars  kursierten  ungünstige  Gerüchte.  Es  kam  endlich  soweit, 
daß  der  Konsul  C.  Claudius  Marcellus   auf   die  falsche  Kunde  von  Caesars 


maiido  bis  zum  13.  November  50  zu  ver-  queuk  sucht  diese  schon  von  Napoleon  III 

längern  (Caelius,   Cic.  ad  fam.  VIII  11,  3;  !    geäußerte  Ansicht,  „wohl  die  unmöglichste 

vgl.  0.  Hirschfeld,  Kl.  Sehr.  316  f.).    Der  von   allen"    (Hieschfeld  a.  a.  O.  314),   mit 

1.  März   50  V.  Chr.   scheint   ursprünglich  •   neuen,  aber  nicht  durchschlagenden  Ar- 


als  gemeinsamer  Endtermin  für  alle  drei 
Triumvirn,  Crassus,  Pompeius  und  Caesar, 
festgelegt  worden  zu  sein  (Ed.  Meyer,  s. 
Anm.  3).  A.  Laqueue  (s.  Anm.  3)  will  das 
Konsulatsjahr   Caesars    (59  v.  Chr.)    vom 


gumenten  zu  begründen. 

')  Schon  in  den  Anfängen  seiner  Lauf- 
bahn, im  J.  68,  hatte  Caesar  den  Trans- 
padanern  das  Vollbürgerrecht  versprochen 
(Suet.  Jul.  8).     Im   J.  65   wollte   Caesars 


ersten  Tag   an   zugleich    als    erstes   Jahr       Bundesgenosse  Crassus  die  Transpadaner 
seiner  Statthalterschaft  zählen  und  erklärt   j   in  die  Censuslisten  der  Bürger  eintragen. 
demgemäßdenletztenDezember50  v.Chr.    j    Cass.  Dio  XXXVII  9,  3. 
als  Endpunkt  der  zweimal  fünf  Jahre.  La-    | 

16* 


244  Römische  Geschichte. 

Anmarsch  hin  im  Senat  die  Erklärung  des  Kriegszustandes  beantragte  und 
dem  Pompeius  auf  eigene  Faust  das  Kommando  der  beiden  in  Capua  liegenden 
Legionen  übertrug:')  auch  begann  man  mit  Aushebungen. 

Am  1.  Januar  49  v.  Chr.  traten  zwei  Gegner  Caesars  das  Konsulat  an, 
L.  Cornelius  Lentulus  und  C.  Claudius  Marcellus,  ein  Vetter  seines  gleich- 
namigen Amtsvorgängers.  Sie  brachten  die  Sache  sofort  zur  Entscheidung. 
Nach  langen  Verhandlungen  vom  1.  bis  7.  Januar  wurde  beschlossen,  Caesar 
habe  bis  zu  einem  bestimmten  Tag  das  Heer  zu  entlassen  und  seine  Pro- 
vinzen zu  räumen.  Um  den  Einspruch  der  caesarianischen  Volkstribunen 
M.  Antonius  und  Q.  Cassius  zu  beseitigen,  wurde  der  Belagerungszustand 
verhängt.  Vorschläge  zur  Verständigung  kamen  nicht  zur  Geltung:  Cicero, 
der  am  4.  Januar  aus  der  Provinz  Kilikien  vor  Rom  ankam,  hat  nochmals 
zu  vermitteln  versucht,  aber  vergebens;  die  Führer  der  Optimaten,  auf  deren 
Kosten  ein  gütlicher  Ausgleich  gegangen  wäre,  drängten  zum  Bruch ;  auch 
Pompeius  wollte  den  Krieg.  Die  caesarianischen  Tribunen  flohen  zu  Caesar. 
Man  übertrug  dem  Pompeius  den  Oberbefehl,  verfügte  über  die  gallischen 
Provinzen  ^)  und  machte  in  ganz  Italien  mobil. 

40.  Der  Bürgerkrieg.")  Caesar  hätte  den  Bürgerkrieg  am  liebsten  ver- 
mieden; er  hat  wiederholt  die  Hand  zum  Frieden  geboten.  Als  er  sich  aber 
von  der  Unversöhnlichkeit  seiner  Gegner  überzeugt  hatte,  riß  er  die  Initiative 
an  sich:  mit  der  Legion,  die  er  gerade  zur  Hand  hatte,  überschritt  er  den 
Rubico,  das  Grenzflüßchen  seiner  Provinz,  um  als  Feind  in  das  eigentliche 
Italien  einzumarschieren:  der  Würfel  war  gefallen.  Im  ersten  Anlauf  über- 
rannte er  die  Städte  von  Ariminum  bis  Ancona  und  gewann  auch  Arretium, 
den  Schlüssel  zu  Etrurien.'^)  Diese  überraschende  Bedrohung  Mittelitaliens 
veranlaßte  den  Pompeius,  die  Magistrate  und  den  Senat,  Rom  schleunigst 
zu  verlassen  (17.  und  18.  Januar);  die  Staatskasse  ließ  man  zurück.  Pompeius 
erkannte  die  augenblickliche  militärische  Überlegenheit  des  Gegners:  er  faßte 
daher  den  Entschluß,  schlimmstenfalls  Italien  ganz  zu  räumen,  jedoch  möglichst 
viele  Truppen  mit  sich  zu  nehmen,  um  später  das  Land  von  allen  Seiten 
anzugreifen  und  wieder  zu  erobern.  Dieser  strategisch  richtige  Gedanke 
wurde  aber  nicht  von  allen  seinen  Parteigängern  begriffen.    Die  Schnellig- 

')  Vgl.  C.  Bardt,  Hermes  45,  1910,  337  ff.  maneheTatsachen  entstellt,  wie  aus  Ciceros 

-)  Das  jenseitige  Gallien  fiel  dem  L.  Do-  Briefen   hervorgeht.    Als   Quelle   kommt 

mitius  Ahenobarbus  zu.  auch   das   Epos    des   Lucanus.    Pharsalla, 

^)  Vgl.  A.  V.  GöLEE,  Caesars  gall.  Kriege  in  Betracht,  das  ohne  Zweifel  auf  Livius 

Bd.  2.    Hifttoire   de  Jules  Cesar,   (/uerre   ci-  zurückgeht  und  historisch  Wertvolles  ent- 

vih,   par  Je   colonel    Stoffel,    Paris   1887.  hält.    Dazu  die  alten  Schollen.  Scholia  in 

Gloede,  Über  die  Quellen  des  Pompejan.  Lucani   hell.  civ.   ed.  H.  Usexer  I,    Leipzig 

Bürgerkrieges!,    Kiel   1871.    O.  Basinek,  1869.  Vgl.  L.  Wilhelm,  Livius  und  Caesars 
De  hell.  civ.  Caesariano,  Moskau  1883.  Ferner   j    bell,  civ.,  Diss.  Straßburg  1901. 

NissENS  S.  242  A.  3  zitierten  Aufsatz.  O.  E.  *)   Der    entscheidende    Senatsbeschluß 

Schmidt,  Der  Briefwechsel  des  M.  Tullius  wurde    am  7.  Januar   gefaßt,    am    Abend 

Cicero  von  seinem  Prokonsulat  in  Cilicien  dieses  Tages  reisten  die  beiden  Tribinien 

bis  zu  Caesars  Ermordung  (Leipzig  1893)  zu  Caesar  ab,  den  sie  schon  in  Ariminum 

und  W.  Judeich,  Caesar  im  Orient  (Leipzig  antrafen,    also   nach  Überschreitung   des 

1885)    51  ff.    Caesars    eigene    Darstellung  Rubico.    Es  ist  daher  wahrscheinlich,  daß 

im  fef//«»«  f/r/7<?  ist  eine  tendenziöse  Selbst-  Caesar   den    Rubico   überschritt,    ehe   er 

apologie.  Vor  allem  liegt  ihm  daran,  seine  von    dem    Senatsbeschluß   des    7.  Januar 

Milde  und  Friedensliebe    hervorzuheben.  Kenntnis  hatte,  anders  als  er  selbst  (bell. 

Er  will   zeigen,    daß    er   nur  gezwungen  civ.  I  7)  es  darstellt. 
zu  den  Waffen  gegriffen   habe,    und  hat 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§40.)      245 

keit  Caesars,  dem  während  des  Vormarsches  wiederholt  Verstärkungen  zu- 
gingen, störte  die  Mobihnaehung  in  Mittelitalien.  Caesar  besetzte  Umbrien 
und  Picenum;  Unterhandlungen,  die  inzwischen  angeknüpft  wurden,  hatten 
kein  Ergebnis.  Man  verlangte  von  ihm,  daß  er  die  besetzten  italischen 
Plätze  aufgeben  und  in  seine  Provinz  zurückgehen  solle,  wozu  er  sich  nicht 
verstand.  Denn  dadurch  hätten  die  Gegner  Zeit  für  ihre  Rüstungen  gewonnen. 
Vielmehr  nutzte  Caesar  seinen  Vorsprung  nach  Kräften  aus.  In  Corfinium^) 
versuchte  L.  Domitius  den  Caesar  aufzuhalten,  in  der  Hoffnung  auf  die  Hilfe 
des  Pompeius.  Aber  Pompeius  setzte  seinen  Abzug  fort,  und  Domitius,  der 
sich  auch  von  den  eigenen  Truppen,  die  zu  Caesar  übergingen,  im  Stich 
gelassen  sah,  hatte  sein  gewagtes  Spiel  verloren,  Caesar  setzte  dem  Pompeius 
bis  Brundisium  nach;  er  schlofs  die  Stadt  ein,  vermochte  aber  die  Einschiffung 
des  Gegners  nicht  zu  verhindern.  Am  17.  März  fuhr  Pompeius  mit  dem 
letzten  Truppentransport  nach  Illyrien  hinüber.  Das  caesarianische  Heer  war 
seinem  Führer  treu  geblieben;  nur  der  tüchtigste  seiner  Legaten,  T.  Labienus, 
war  gleich  zu  Beginn  des  Krieges  auf  die  Seite  des  Pompeius  getreten.  Der 
rasche  Erfolg  gab  ganz  Italien  in  die  Hand  Caesars.  Ein  großer  Teil  der 
gegnerischen  Truppen  war  gefangen  genommen.  Caesar  reihte  sie  in  sein 
Heer  ein  und  unternahm  selbst  umfangreiche  Aushebungen  in  Italien.^)  Auch 
Sizilien  und  Sardinien  konnten  von  den  Pompeianern  nicht  behauptet  werden. 
Die  Provinz  Sizilien  war  dem  Cato  zugefallen,  wurde  aber  ohne  Widerstand 
geräumt  und  in  Caesars  Auftrag  von  C.  Scribonius  Curio  besetzt.^) 

In  Rom  war  das  bei  der  Flucht  der  Magistrate  eingetretene  Justitium 
bereits  aufgehoben,  und  noch  ehe  Caesar  hier  eintraf,  fungierten  einige 
Magistrate;  auch  ein  Teil  der  Senatoren  fand  sich  ein.  Schon  am  11.  März 
w^urde  ein  Gesetz  eingebracht,^)  das  den  Transpadanern  das  Bürgerrecht 
verlieh.  Caesar,  der  seine  vornehmen  Gefangenen  ohne  weiteres  freiließ, 
hatte  sich  durch  die  Milde,  die  er  übte,  beliebt  gemacht,  während  über 
den  Drohungen  der  Pompeianer  sogar  deren  Freunde  Furcht  vor  ihrer  sieg- 
reichen Wiederkehr  beschlich.  In  Rom  selbst  stieß  Caesar  zunächst  auf 
Schwierigkeiten;  er  brauchte  Geld  und  wünschte  dringend  die  Anerkennung 
des  Senats;  indes  der  Volkstribun  L.  Metellus  protestierte  und  widersetzte 
sich  der  Öffnung  des  verschlossenen  Ärars,  bis  er  gewaltsam  entfernt  wurde. 
Der  Senat  beschloß  eine  Friedensgesandtschaft  an  Pompeius,  die  jedoch  nicht 
zur  Ausführung  kam.  Übrigens  verweilte  Caesar  zur  Erledigung  der  not- 
Avendigsten  Geschäfte  nur  kurz  (sechs  bis  sieben  Tage)  bei  der  Stadt,  um 
sich  dann  mit  den  in  Gallien  gebliebenen  Truppen  gegen  die  kriegsgeübten 
Heere  des  Pompeius  in  Spanien  zu  wenden,  sieben  Legionen  unter  L.  Afranius, 
M.  Petreius  und  M.  Terentius  Varro.  Unterwegs  wurde  er  dadurch  auf- 
gehalten, daß  die  Republik  Massalia  ihm  die  Tore  verschloß  und  sich  für 
neutral  erklärte.     Mit  der  Neutralität  wollte  Caesar  sich  nicht  begnügen;^) 

')  G.  Veith,  Klio  XIII,  1913.  1  ff.  ab.    Cicero  ad  Att.  X  16,  3. 

•-)  Vgl.  Cicero  ad  Att.  IX  18, 4:  A.  v.Doma-  ')  Cicero  ad  Att.  IX  1,  2.  12,  3.  Mommsen, 

szEWSKi,  N.  Heidelb.  Jahrb.  4  (1Ö94)  1.57  ff.  ;    Ges.  Sehr.  I  184  ff. 

^)  Sardinien   und  Sizilien  wurden  erst  °)  Caesars  Behauptung  (bell.  civ.I  34  ff.), 

nach    der  Abreise  Caesars   von  Rom   be-  die  Massalioten  hätten  durch  Verletzung 

setzt.    Cato  fuhr  am  23.  April  {=  3.  März  j    der  Neutralität,  nämlich  durch  Aufnahme 

des  julianischen  Kalenders)  aus  Syrakus  des  Domitius,  den  Angriff  Caesars  heraus- 


246  Römische  Geschichte. 

er  begann  sogleicli  mit  drei  Legionen  die  Belagerung,  die  er  selbst  über 
einen  Monat  lang  leitete.  Inzwischen  waren  seine  Legaten  in  Spanien  ein- 
gerückt, wo  bei  Ilerda  (Lerida)  nördlich  vom  Ebro  sechs  caesarianische  Legionen 
fünf  pompeianischen  gegenüberlagen. ')  Caesar  bot  nach  seinem  Eintreffen 
sofort  die  Schlacht  an,  erlitt  aber  eine  Schlappe  und  geriet  überdies  durch 
Hochwasser  infolge  der  Schneeschmelze  in  Bedrängnis.  Aber  bald  wandte 
sich  das  Blatt,  Caesar  erhielt  aus  Gallien  Reserven  und  Proviant,  und  die 
Pompeianer  beschlossen  den  Rückzug  nach  Süden  hinter  den  Ebro,  ver- 
mochten jedoch  den  Flußübergang  bei  Octogesa  nicht  zu  erreichen;  Caesar 
holte  sie  ein  und  erzwang  schließlich  ihre  Kapitulation  (2.  August  49  v.Chr.).-) 
Darauf  mußte  auch  Varro,  der  im  jenseitigen  Spanien  für  Pompeius  rüstete, 
sich  ergeben.  Die  pompeianischen  Truppen  blieben,  sow^eit  sie  nicht  entlassen 
wurden,  in  Spanien,  aber  in  Caesars  Diensten.  Nach  Unterwerfung  der 
spanischen  Provinzen  ^)  eilte  Caesar  nach  Italien  zurück.  Wieder  vor  Massalia 
angelangt,  fand  er  die  Stadt  reif  zur  Übergabe ;  seine  Flotte  hatte  inzwischen 
die  Massalioten  zweimal  besiegt  und  von  der  See  abgeschnitten :  auch  zu  Land 
hatten  die  Belagerer  Fortschritte  gemacht.^)  Nun  ergab  sich  die  Stadt  dem 
Caesar.  Sie  mußte  Schiffe  und  Waffen  ausliefern,  eine  Kontribution  zahlen 
und  eine  Besatzung  aufnehmen:  sie  verlor  ihre  Selbständigkeit  und  über- 
dies später  den  größten  Teil  ihres  Gebiets;  erst  nach  einiger  Zeit  wurde 
ihr  die  Freiheit  wieder  geschenkt. 

In  Afrika  war  den  caesarianischen  Waffen  das  Glück  nicht  hold.  Dort 
hatte^  sich  der  Pompeianer  P.  Attius  Varus  festgesetzt,  unterstützt  vom  nu- 
midischen  König  Juba.  Curio  fuhr  im  Sommer  49  v.  Chr.  mit  zwei  Legionen 
von  Sizilien  nach  Afrika  hinüber,  um  sich  der  Provinz  zu  bemächtigen.  Seine 
Truppen,  die  früheren  Pompeianer  von  Corfinium,  waren  unzuverlässig,  und 
er  hatte  keine  leichte  Aufgabe.  Gleichwohl  war  er  anfangs  siegreich  und 
begann  Utica  zu  belagern,  mußte  aber,  als  Juba  mit  starker  Macht  heran- 
zog, auf  seine  frühere  befestigte  Stellung  zurückgehen.  Er  ließ  sich  dann 
verleiten,  die  Numider  unter  ungünstigen  Umständen  am  Fluß  Bagradas 
anzugreifen  und  fand  mit  seinem  Heer  den  Untergang.  Nur  wenige  ent- 
kamen, darunter  C.  AsiniusPollio,  der  nachmalige  Historiker  der  Bürgerkriege. 
Inzwischen  hatte  Pompeius  in  Makedonien  sein  Hauptquartier  auf- 
geschlagen. Thessalonike  wurde  Sitz  des  Senats,  in  Beroia  befand  sich  das 
Heerlager;  die  Streitkräfte  des  ganzen  Orients  wurden  ^dorthin  entboten.  Es 
kamen  neun  römische  Legionen  zusammen,  dazu  die  zumeist  berittenen 
Hilfstruppen  der  verbündeten  Völker  und  Könige.  Selbst  der  Gete  Byrebistas 
stellte  solche  in  Aussicht.-^)  Von  den  Seestaaten  des  Ostens  gestellt,  sammelte 
sich  eine  große  Flotte  im  adriatischen  Meer,   besetzte  die  epirotischen  und 

gefordert,  ist  wahrscheinlich  eine  absieht-  treffen  bei  Ilerda  in  40  Tagen  vollzogen, 

liehe  Entstellung  der  Wahrheit.  Domitius  ■•)  Der  Bericht  Caesars  (bell.  civ.  134 ff. 

ist  wohl  erst  in  Massalia  eingetroffen,  nach-  .56  ff.  II 1  ff".)  von  der  Belagerung  Massalias 

dem  Caesar   den  Angriff  schon    eröffnet  ist  verfälscht.  Vgl.  Cassius  Dio  XLI 19. 25. 

hatte.    Sueton.  Nero  2.  i   Beachtung  verdient  Lucanus  (Pharsal.  III 

')  R.Schneider.  Ilerda,  ein  Beitrag  zur  j   300  ff.);    einzelne  Nachrichten  bieten  die 

röm.  Kriegsgeschichte,  BerUn  1886.  Scholien  zu  v.37ö.381.453.524.  Vgl.FROEH- 


^)  Am  10.  Juni   des  Julian.  Kalenders. 
')  Nach  Caesar  bell.  civ.  II  32,  5  hat  sich 
die  Eroberung  Spaniens  nach  seinem  Ein- 


NER.  Benie  archroJ.  3 me  sf^r.  18  (ISm)  321  ff'. 
°)  SIG  ir  ur.  702.  Z.  32  ft'.    Vgl.  Cicero 
ad  Att.  IX  10,  3. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§40.)     247 

illyrischen  Küstenplätze  und  Inseln  und  vertrieb  unter  M.  Octavius  und 
L.  Scribonius  Libo  die  Caesarianer  aus  dem  nördlichen  Illyrien.  Caesars 
Legaten  P.  Cornelius  Dolabella  und  C.  Antonius,  konnten  sich  nicht  be- 
haupten. Ersterer  mußte  weichen,  und  Antonius,  der  ihm  zu  Hilfe  kam, 
wurde  auf  der  Insel  Schwarz-Korkyra  (Curzola)  eingeschlossen  und  mit 
fünfzehn  Kohorten  gefangen  genommen.  Der  größte  Teil  der  illyrischen 
Küste  fiel  den  Pompeianern  zu. 

Caesar,  der  durch  den  Prätor  M.  Lepidus  zum  Diktator  ernannt  worden 
war,  traf  in  Rom  ein,  wo  er  für  das  Jahr  48  v.  Chr.  sich  selbst  zusammen 
mit  P.  Servilius  Isauricus  zum  Konsul  wählen  ließ.  Daß  er  kein  einseitiges 
Parteiwesen,  sondern  ein  gerechtes  Regiment  des  sozialen  Ausgleichs  an- 
strebte, zeigte  er  durch  die  besonnene  Art,  wie  er  den  Geldmarkt  und  die 
Schuldverhältnisse  regulierte.  Viele  Verbannte  ließ  er  zurückrufen.  Auch 
diesmal  blieb  er  nur  wenige  Tage  in  Rom,  dann  legte  er  die  Diktatur  nieder 
und  begab  sich  noch  vor  Ende  49  v.  Chr.  nach  Brundisium.  Unterhandlungen 
mit  Pompeius  zerschlugen  sich.  Obwohl  die  Flotte  der  Pompeianer  die  Adria 
beherrschte,  war  Caesar  doch  gesonnen,  möglichst  bald  nach  Makedonien 
überzusetzen,  um  einem  Angriff  des  erstarkten  Gegners  auf  Italien  zuvor- 
zukommen. Er  konnte  sich  auf  sein  schlagfertiges  Heer  verlassen,  nachdem 
er  kürzlich  an  der  meuternden  neunten  Legion  ein  Exempel  statuiert  hatte. 
Pompeius  dagegen  hatte  viel  ungeübtes  Rekrutenmaterial  und  war  durch 
die  Rücksicht  auf  seine  vornehme  Gefolgschaft  gehemmt. 

Am  6.  November  49  v.  Chr.  i)  schiffte  sich  Caesar  mit  sieben  Legionen 
in  Brundisium  ein, 2)  landete  unbemerkt  an  den  Akrokeraunien  3)  südlich  von 
Orikos  und  besetzte  diesen  Ort,  sowie  das  benachbarte  Apollonia;  von  hier 
marschierte  er  auf  Dyrrhachion :  aber  dieses  sein  Arsenal  konnte  Pompeius 
rechtzeitig  decken;  beide  Heere  gingen  südlich  von  Dyrrhachion  am  Apsus- 
fluß  in  Stellung,  wo  sie  sich  lange  fast  untätig  gegenüberlagen.  Caesar 
wartete  mit  Schmerzen  auf  den  Rest  seiner  Truppen;  aber  die  feindliche 
Flotte,  die  jetzt  auf  der  Hut  war,  verhinderte  die  Überfahrt.  Eine  Abteilung, 
die  Gabinius  auf  dem  Landweg  heranführen  wollte,  wurde  von  den  Illyriern 
aufgerieben.  Endlich  glückte  dem  M.  Antonius  mit  vier  Legionen  die  Landung 
in  der  Nähe  von  Lissos  und  darauf  die  Vereinigung  mit  Caesar.  Da  Pompeius 
eine  Feldschlacht  ablehnte,  so  kam  es  zwischen  Dyrrhachion  und  dem  neuen 
Lager  des  Pompeius  bei  Asparagion  zu  einem  großartigen  Stellungskrieg, 
wobei  Caesar  versuchte,  den  Gegner  durch  ein  System  von  Schanzlinien 
einzuschließen.  Aber  nach  vielen  kleineren  Gefechten  erlitt  Caesar  eine 
empfindliche  Niederlage,  die  ihn  zur  Räumung  seiner  Linien  zwang:  er  ging 
nach  Apollonia  zurück  und  wandte  sich  von  hier  nach  Thessalien.  Pompeius 
folgte.    Auf  das  Drängen  seiner  Umgebung  wagte  Pompeius  bei  Pharsalos 


^)  Dieses  Datum  des  julianisehen  Kalen- 
ders entspricht  dem  4.  Januar  des  J.  706 
der  Stadt. 

2)  Über  den  illyrisch -makedonischen 
Feldzug  vgl.  Heuzey  et  Daümet,  Mission 
ctfchf'oJogique    de   Macedoine  347  ff.    (PI.  H). 


zug  von  Dyrrhachium  zwischen  Caesar 
und  Pomp.,  Wien  1920.  Über  Orikos  und 
Apollonia  C.  Patsch,  Das  Sandschak  Berat 
in  Albanien  (Kais.  Akad.  d.  Wiss.  zviWien. 
Schriften  d.  Balkankommission.  Antiquar. 
Abteil.  III),  Wien  1904. 


L.  Heuzey,  Les  Operations  militaires  de  Jules  ^)  Bei  Palaeste  nach  Lucan  V  460.    Bei 

Cesai-,  Paris  1886.  Stoffel.  Histoire  de  Jules   \    Caesar  bell.  civ.  III  6,  3  ist  der  Name -durch 
Craa;- 1,  349  ff.  PI.  12  f.  G.Yeith,  Der  Feld-   j   eine  Textkorruptel  entstellt. 


248  Römische  Geschichte. 

die  Schlacht  (7.  Juni  48  v,  Chr.).')  Das  mehr  als  doppelt  so  starke  Heer 
des  Pompeius  wurde  völlig  geschlagen.'-^)  Der  besiegte  Feldherr  floh  über 
Mytilene  zu  Schiff  nach  Osten.  Er  dachte  daran,  sich  nach  Afrika  oder  zu 
den  Parthem  zu  begeben,  entschloß  sich  aber  nach  einigem  Zaudern,  bei 
dem  König  von  Ägypten,  dem  Sohn  seines  Schützlings  Ptolemaios  Auletes, 
Zuflucht  zu  suchen.  Aber  bei  der  Landung  in  Pelusion  wurde  der  un- 
gebetene Gast  im  Alter  von  58  Jahren  ^)  auf  Befehl  des  jungen  Königs 
ermordet. 

Caesar  hatte  sich  nach  dem  Sieg  sogleich  zur  Verfolgung  des  Pompeius 
aufgemacht  und  ging  über  den  Hellespont  zunächst  nach  Asien,  wo  er  einige 
Zeit  verweilte.  Er  nahm  die  Unterwerfung  der  Provinz  entgegen  und  hat 
sie  bei  dieser  Gelegenheit  durch  Verbesserung  der  Steuerverfassung  entlastet.'*) 
Sowie  er  vernahm,  wohin  Pompeius  sich  gewandt  hatte,  eilte  auch  er  nach 
Ägypten.  Aber  als  er  in  Alexandrien  eintraf,  war  sein  Gegner  schon  eine 
Leiche.  Caesar  mischte  sich  in  den  ägyptischen  Thronstreit  ein.^)  Ptolemaios 
Auletes,  gestorben  51  v.  Chr.,  hatte  vier  Kinder  hinterlassen,  zwei  Söhne 
und  zwei  Töchter,  und  die  beiden  ältesten,  Ptolemaios  XIV  und  Kleopatra 
zu  gemeinsamer  Regierung  als  Thronerben  eingesetzt.*^)  Aber  die  beiden  Ge- 
schwister hatten  sich  entzweit  und  Kleopatra  war  von  den  Alexandrinern  ver- 
jagt worden.  Caesar  beanspruchte  im  Namen  des  römischen  Volkes  das  Schieds- 
richteramt und  benutzte  die  Gelegenheit  zur  Eintreibung  einer  alten  Ehren- 
schuld des  Ptolemaios  Auletes  (oben  S.  230  Anm.  5).  Überhaupt  war  er  während 
des  ganzen  Krieges  bestrebt,  auch  seine  finanzielle  Rüstung  nach  Möglich- 
keit zu  verstärken.  Den  jungen  König  brachte  er  in  seine  Gewalt  und  nahm 
sich  der  vertriebenen  Kleopatra  an,  die  er  heimlich  nach  Alexandrien  zurück- 
rief; die  pikante  Levantinerin  wußte  den  für  weibliche  Reize  nicht  unempfäng- 
lichen Römer  für  sich  zu  gewinnen.  Die  Alexandriner  waren  von  Anfang 
an  durch  die  Herrengeste,  mit  der  Caesar  sich  über  ihre  Selbständigkeit 
hinwegsetzte,  verletzt;  die  Rückführung  der  Kleopatra  steigerte  die  Er- 
regung. Doch  konnte  Caesar,  der  nur  wenige  Truppen  bei  sich  hatte,  die 
Alexandriner  dadurch  beschwichtigen,  daß  er  Ptolemaios  und  Kleopatra 
feierlich  zu  Königen  Ägyptens  proklamierte  und  zugleich  dem  jüngeren 
Ptolemaios  und  seiner  Schwester  Arsinoe  die  Insel  Kypros  zurückgab.'')  Aber 


')  Es  war  der  9.  Sextilis  des  unberieh-    ]        •')  Vgl.  Judeich,  Caesar  im  Orient  57  tt". 


tigten  römischen  Kalenders. 

2)  Über  Ort  und  Verlauf  der  Schlacht 
vgl.  außer  den  schon  zit.  Schriften  Leake, 


Heinr.  Jung,  Caesar  in  Ägyi>ten  48/47  v.Chr., 
Progr.  d.  Gymn.  zu  Mainz  1900.  Der  Be- 
richt Caesai-s  (bell.  civ.  III 103  ff.)  und  seine 


Travels  in  Northe?-n  Grcece  lY  4:70  fi'.  Hevzey  \    Fortsetzung   im  BeUum  Alexandrhuun    ist 

a.a.O.  91  ff.    Kkomayek,  Antike  Schlacht-  retuschiert    und     muß    durch    Plutarch, 

felder  II  401  ff'.  Appian,    Cassius    Dio     und    die    liviani; 

')  Cass.  Dio  XLII  .5.    Velleius  II  53,  3.  sehe  Überlieferung  berichtigt  und  ergänzt 

Nach  Plutarch,  Pomp.  79  hat  er  59  Jahre  werden. 

erreicht.    Auch  der  Todestag  wird  nicht  *)  Die  beiden  Geschwister  wurden  nach 

übereinstimmend  überliefert.    Nach  Vel-  ägyptischer    Sitte    zugleich    miteinander 

leius  starb  er  einen  Tag  vor  seinem  Ge-  vermählt.    Kleopatra,  geb.  69  v.  Chi-.,  war 

burtstag,    der  auf  den  29.  September  fiel  älter  als  Ptolemaios,  der  damals  erst  drei- 

(Plin.  hist.  nat.  37, 13),  nach  Plutarch  einen  zehn   Jahre    zählte.     M.  L.    Strack,    Die 

Tag  später,   nach  Cass.  Dio  am  Geburts-  Dynastie  der  Ptolemäer  S.  210  f. 

tag  selbst.    Vgl.  Dkumann-Groebe  III  470.  ')  Cass.  Dio  XLII  35, 5.  Aus  guten  Grün- 

*)  Cass.  Dio  XLII  0,  3.    Plut.  Caes.  48.  j    den  schweigt  Caesar  davon. 

Ein  Jahr  später  nach  Appian  bell.  civ.  II 92.  j 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§40.)      :249 

die  Partei  des  Ptolemaios  ^  gab  sich  damit  nicht  zufrieden,  sondern  wollte 
den  Römer  aus  Ag3'pten  vertreiben.  Das  ptolemäische  Heer  unter  Achillas 
rückte  von  Pelusion  in  Alexandrien  ein,  und  Caesar,  der  auf  die  Königs- 
burg und  ihre  Umgebung  beschränkt  war  und  sich  hier  befestigte,  mußte 
sich  in  täghchen  Kämpfen  mit  den  Feinden  messen.  Er  hefs  sogar  die  Kriegs- 
flotte und  die  Schiffshäuser  in  Brand  stecken,  damit  sie  nicht  den  Ale- 
xandrinern in  die  Hände  fielen ;  damals  wurde  auch  die  berühmte  Bibliothek 
ein  Raub  der  Flammen.  Caesar  beherrschte  die  See,  und  so  konnten  ihm 
Vorräte  und  einzelne  Verstärkungen  zugehen.  Aber  die  Macht  der  Angreifer 
wuchs;  Arsinoe  entkam  aus  dem  Palast  und  wurde  zur  Königin  ausgerufen, 
durch  sie  wurde  Achillas  beseitigt  und  der  Eunuch  Ganymedes  mit  der 
Leitung  des  Krieges  beauftragt;  der  neue  Befehlshaber  machte  Caesar  auch 
die  See  streitig.  Caesars  Versuch,  die  Insel  Pharos  zu  nehmen,  wurde  mit 
schwerem  Verlust  zurückgeschlagen,  wobei  er  selbst  in  Lebensgefahr  geriet. 
Aber  jetzt  nahten  die  von  Caesar  aufgebotenen  Kontingente;  Mithridates 
von  Pergamon,  ein  Sproß  des  galatischen  Fürstenhauses,  führte  aus  Kilikien 
und  Syrien  ein  Heer  heran  und  eroberte  Pelusion.  Nunmehr  suchten  die 
Alexandriner  um  Frieden  nach,  und  Caesar  entließ  auf  ihre  Bitte  den  jungen 
Ptolemaios  aus  der  Haft.  Mit  ihrem  König  an  der  Spitze  zogen  die  Ale- 
xandriner dem  Mithridates  entgegen.  Aber  schon  hatte  sich  Caesar  mit 
seinem  Bundesgenossen  vereinigt;  in  einem  Treffen  am  Nil  erlagen  ihm  die 
Alexandriner.  Ptolemaios  ertrank  auf  der  Flucht.  Der  Krieg  war  zu  Ende. 
Alexandrien  mußte  sich  dem  Sieger  ergeben  (27.  März  47  v.  Chr.).  2)  Kleopatra 
wurde  mit  ihrem  jüngei-en  Bruder  Ptolemaios  XV  vermählt  und  als  Herrscherin 
in  Ägypten  und  Kypros  anerkannt.  Caesar  verbrachte  den  Rest  des  Winters 
an  ihrer  Seite  unter  rauschenden  Festen;  sie  gebar  ihm  später  einen  Sohn, 
den  (Ptolemaios)  Kaisarion.  Ln  Frühjahr  47  v.  Chr.  verließ  Caesar  nach  im 
ganzen  neunmonatlichem  Aufenthalt  das  Nilland,  um  sich  zunächst  nach 
Vorderasien  zu  begeben.  Die  allzu  ausgedehnte  Schäferstunde  Caesars  mit 
Kleopatra  war  den  Gegnern  zustatten  gekommen.  Sie  hatten  sich  erholt  von 
der  erschütternden  Wirkung  der  Katastrophe  des  Pomj)eius. 

Die  Schlacht  bei  Pharsalos  hatte  nicht  nur  das  Heer  des  Pompeius  ver- 
nichtet, auch  seine  Flotte,  die  vorher  die  italischen  und  sizilischen  Küsten 
beunruhigt  hatte,  zerfiel,  die  bundesgenössischen  Kontingente  kehrten  meist 
in  die  Heimat  zurück  und  nahmen  die  Partei  des  Siegers.  Das  Hauptquartier 
auf  Korkyra,  wohin  sich  nach  der  Niederlage  ein  Teil  der  Führer  rettete, 
löste  sich  auf.  Manche,  darunter  Cicero,  machten  ihren  Frieden  mit  Caesar, 
die  übrigen,  wie  Cato,  Metellus  Scipio,  Afranius,  Labienus,  begaben  sich  auf 
die  Flucht.  Die  nächste  Folge  war,  daß  die  pompeianischen  Erwerbungen 
in  Illyrien  wieder  verloren  gingen.  M.  Octavius  hatte  hier  nach  dem  Sieg 
über  Dolabella  und  C.  Antonius  im  vorigen  Jahr  das  Übergewicht  erlangt, 
sich  mit  den  Dalmatern  verbündet  und  die  Caesarianer  auf  wenige  Plätze 
beschränkt.  Nur  mit  Mühe  behauptete  sich  Q.  Cornificius,  Caesars  Quästor; 
Salona,  wohin  sich  Gabinius  geflüchtet  hatte,  wurde  belagert.  Nach  dem 
Sieg  bei  Pharsalos  aber  kam  in  Caesars  Auftrag  P.  Vatinius  mit  Heer  und 

')  Der  Eatgeber  des  jungen  Königs  war   j       '^)  CIL  I^  p.  314.    Nach  dem  julianischen 
der  Eunuche  Potheinos.  1   Kalender  am  15.  Januar. 


250  Römische  Geschichte. 

Flotte  von  Brundisium  herüber,  Octavius,  von  seinen  Leuten  im  Stich  ge- 
lassen, erlitt  eine  Niederlage  und  mußte  mit  dem  Rest  seiner  Schiffe  ab- 
^iiehen,  worauf  die  illyrischen  Städte  wieder  an  Caesar  fielen;  auch  die  dal- 
matischen Stämme  wurden  vorläufig  gebändigt.')  Griechenland  hatte  sich 
dem  Legaten  Caesars,  Q.  Fufius  Calenus,  ohne  Widerstand  gefügt;  nur  Megara 
muFste  mit  Sturm  genommen  und  bestraft  werden.  Nach  einiger  Zeit  räumten 
die  Pompeianer  auch  Patrae.  Schon  hatten  sie  den  ganzen  Osten  verloren; 
aber  dafür  setzten  sie  sich  im  Westen  fest  und  Caesars  ägyptisches  Aben- 
teuer verschaffte  ihnen  eine  willkommene  Atempause. 

Inzwischen  nahm  der  bosporanische  König  Pharnakes,  der  Sohn  des 
Mithridates  von  Pontos,  das  väterliche  Reich  wieder  in  Besitz.  Er  hatte 
schon  vor  der  Schlacht  bei  Pharsalos,  vielleicht  im  Einvernehmen  mit  Pom- 
peius,  damit  den  Anfang  gemacht  und  Sinope  erobert;  während  des  ale- 
xandrinischen  Krieges  holte  er  weiter  aus:  er  besetzte  Kleinarmenien  und 
griff  Kappadokien  an.  Cn.  Domitius  Calvinus,  der  als  Caesars  Legat  Asien 
verwaltete,  wurde  von  ihm  bei  Nikopolis  in  Kleinarmenien  geschlagen: 
Pharnakes  nahm  Amisos  und  besetzte  sogar  Bithynien.  Caesar  war  es  seinem 
Prestige  schuldig,  zunächst  mit  Pharnakes  abzurechnen;  er  verließ  Ägypten 
und  belohnte  auf  dem  Durchzug  durch  die  syrische  Provinz  die  Verdienste, 
die  man  sich  dort  um  ihn  erworben  hatte;  damals  wurde  Hyrkanos  als 
Hohepriester  und  Ethnarch  der  Juden  anerkannt;  gegen  Mitte  Juli  befand 
sich  Caesar  in  Antiochien,^)  das  er  besonders  auszeichnete.  Pharnakes  wollte 
Verhandlungen  anknüpfen,  denn  mittlerweile  hatte  sich  bei  den  Bosporanern 
sein  Statthalter,  Asandros,  gegen  ihn  empört:  aber  Caesar  rückte  unauf- 
haltsam weiter  und  besiegte  ihn  am  2.  August  47  v.  Chr. 3)  bei  Zela.  In  fünf 
Tagen  hatte  Caesar  den  eigentlichen  Feldzug  beendet  und  so  versteht  man 
das  berühmte  veni,  vidi,  viel,  mit  dem  er  den  raschen  Erfolg  einem  seiner 
Getreuen  nach  Rom  meldete.  Pharnakes  zog  sich  nach  Sinope  und  von  da 
an  den  Bosporos  zurück,  wo  er  bald  darauf  durch  Asandros  sein  Ende  fand. 

Caesar  begnügte  sich  mit  einer  vorläufigen  Ordnung  Kleinasiens,  die  er 
von  dem  bithynischen  Nikaia  aus  vornahm.  Mithridates  von  Pergamon  er- 
hielt für  seine  wertvolle  Hilfe  außer  einem  Teil  Galatiens  die  östlich  an  den 
Pontos  grenzenden  Bezirke,  ein  Stück  von  Kleinarmenien  und  den  kimmeri- 
schen  Bosporos  mit  dem  Königstitel.  Dann  eilte  Caesar  nach  dem  unruhigen 
Rom,  wo  seine  Anwesenheit  dringend  nötig  war.  Der  Bürgerkrieg  und  die 
Wirren  der  Gegenwart  hatten  eine  Geld-  und  Wirtschaftskrisis  hervorgerufen. 
Schon  Ende  49  v.  Chr.  hatte  Caesar  als  Diktator  durch  gesetzliche  Maßnahmen 
die  Lasten  der  Schuldner  und  Mieter  erleichtert.  Nicht  viel  später  (Anfang 
48  V.  Chr.)  stellte  der  Prätor  M.  Caelius  Rufus,  ein  enttäuschter  Parteigänger 
Caesars,  im  Widerspruch  mit  seinen  Kollegen  den  demagogischen  Antrag, 
einen  Zahlungsaufschub  von  sechs  Jahren  zu  verordnen;  die  Rechtsprechung 
übte    er   einseitig   im    Interesse    der  Verschuldeten;    er    entfesselte    dadurch 

^)  Die   illyrischen  Ereignisse   sind   un-  :  ^)  Cicero  ad  Att.  XI  20:    nach  juliani- 

klar    und    widerspruchsvoll    überliefert.  '  schem  Kalender  Anfang  Mai.  wozu  stimmt, 

Schwierigkeiten  macht  vor  allem  der  Be-  daß  nach   antiochenischer  Überlieferung 

i'icht  des  Bellum  Ah.randrimim  42  ff.    Vgl.  Caesar  am  23.  Artemisios  (Mai)  in  Antio- 

ZipPEL,    Die   röm.  Herrschaft    in  lUyrien  i  chien  einzog.  Joh.Malalas  p.  216  ed.Bonn. 

205  ff.    W.  JüDEicH,  Caesar  im  Orient  158.  |  ^)   Am  21.  Mai  nach  Julian.  Eechnung. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§40.)      251 

längere  Unruhen,  liis  ihm  der  Konsul  P.  Servilius  Isauricus,  damals  Caesars 
Vertreter,  auf  Beschluß  des  Senats  die  Amtsführung  untersagte.  Caelius  trat 
dann  in  Verbindung  mit  Milo,  der  eigenmächtig  aus  der  Verbannung  zurück- 
kehrte und  in  Kampanien  und  Unteritalien  einen  Aufstand  versuchte.  Beide 
Gesinnungsgenossen  nahmen  ein  gewaltsames  Ende.  Noch  bedrohlicher  ge- 
stalteten sich  die  Dinge  im  nächsten  Jahr  (47  v.  Chr.);  da  die  Wahlen  bis 
auf  Caesars  Ankunft  vertagt  worden  waren,  so  hatte  Rom  weder  Konsuln 
noch  Prätoren;  als  magister  equituin  Caesars,  der  Ende  48  v.  Chr.  zum  zweiten- 
mal Diktator  geworden  war,^)  vertrat  M.  Antonius  die  Staatsgewalt.  Zu 
blutigen  Bandenkämpfen  führte  der  Gegensatz  der  Volkstribunen  P.Cornelius 
Dolabella  und  L.  Trebellius.  Dolabella  nahm  nämlich  die  Sozialrevolutionären 
Bestrebungen  des  Caelius  wieder  auf.  Antonius  schritt  mit  den  Waffen  gegen 
Dolabella  ein,  ohne  die  Ruhe  ganz  herstellen  zu  können. 

Der  Einfluß  der  Pompeianer  in  den  Nachbarprovinzen  wirkte  auch  auf 
Rom  und  Italien,  wo  sie  noch  immer  Sympathien  besaßen.  Einen  zweifel- 
haften Besitz  Caesars  bildeten  die  beiden  spanischen  Provinzen,  besonders 
die  jenseitige,  deren  Besatzung  aus  vormals  pompeianischen  Truppen  be- 
stand. Hier  machte  sich  der  caesarianische  Statthalter  Q.  Cassius  Longinus 
durch  Härte  und  Willkür  verhaßt.  Als  er  im  Jahr  48  zum  Krieg  gegen  Juba 
nach  Afrika  übersetzen  wollte,  meuterte  ein  Teil  der  Truppen;  Cassius  wvu'de 
von  den  Aufständischen  unter  Führung  seines  Quästors  in  einer  Bergstadt 
eingeschlossen;  erst  die  Vermittlung  des  Statthalters  der  diesseitigen  Provinz 
und  die  Ablösung  des  Cassius  durch  C.  Trebonius  (Anfang  47  v.  Chr.)  ent- 
spannte die  Lage.  Aber  Cassius  hatte  die  Sache  Caesars  schwer  geschädigt. 
An  einen  Angriff  auf  Afrika  von  der  spanischen  Basis  aus  war  nicht  mehr 
zu  denken  und  so  konnten  sich  auf  afrikanischem  Boden  ansehnliche  Reste 
der  pompeianischen  Macht  sammeln.  Metellus  Scipio,  der  Schwiegervater 
des  Pompeius  wurde  als  Oberbefehlshaber  anerkannt;  seine  Gefährten  waren 
die  Söhne  des  Pompeius,  Gnaeus  und  Sextus,  sowie  M.  Petreius  und  T.  Labien us. 
Zu  ihnen  gesellte  sich  auch  Cato,  der  von  Korkyra  über  Griechenland  Kyrene 
und  von  dort  auf  dem  Landweg  die  Provinz  Afrika  erreichte.  In  Utica 
bildete  sich  eine  Art  Senat.  Während  König  Juba  von  Numidien  die  Pom- 
peianer unterstützte,  schlugen  sich  die  Könige  von  Mauretanien  Bocchus 
und  Bogud  auf  Caesars  Seite,  ebenso  der  alte  Catilinarier  P.  Sittius,  der 
sich  seit  64  v.  Chr.  in  Mauretanien  als  Freibeuter  eine  selbständige  Macht 
geschaffen  hatte.  2)  Alles  in  allem  aber  war  Afrika  die  Hochburg  der  Pom- 
peianer, die  von  hier  aus  Streifzüge  gegen  Sizilien  und  Sardinien  unter- 
nahmen und  sogar  Italien  zu  bedrohen  schienen. 

Die  Unruhe  in  Italien  wurde  durch  die  Haltung  der  caesarianischen 
Truppen  gesteigert.  Schon  Ende  49  v.  Chr.  hatte  Caesar  eine  Meuterei  in 
Placentia  in  eigener  Person  unterdrücken  müssen.  Im  Jahr  47  empörten  sich 
die  in  Kampanien  für  den  Feldzug  nach  Afrika  versammelten  Soldaten.  Im 
Bewußtsein  ihrer  Unentbehrlichkeit  verlangten  sie  stürmisch  die  ihnen  ver- 
sprochenen Belohnungen  und  die  Entlassung  und  wiesen  jeden  Beschwichti- 
gungsversuch zurück.    Es  war  also  hohe  Zeit,  daß  Caesar  zurückkehrte.    Sep- 

')  Über   den  Zeitpunkt  dieser  zweiten   t       -)  Mommsen,  Ges.  Sehr.  Y  470  flf. 
Diktatur  Caesars  s.Drümann-Geoebe  I404ff.    1 


252  Römische  Geschichte. 

tember  47  v.  Chr.  traf  er  unvermutet  früh  in  Italien  ein.  In  Rom  legten 
sich  sofort  die  Unruhen;  aber  die  Soldaten  verharrten  im  Aufstand  und 
rückten  vor  die  Stadt.  Mit  einem  einzigen  Wort,  mit  der  Anrede  „Quiriten" 
(„Zivilisten"),  führte  der  Menschenkenner  Caesar  seine  Kriegskameraden  zum 
Gehorsam  zurück.  Die  Ämter  der  Republik  besetzte  Caesar  mit  seinen 
Anhängern,  wobei  er  die  Zahl  der  Prätoren  von  acht  auf  zehn  erhöhte.  Der 
wirtschaftlichen  Not  sollte  durch  zeitweilige  Beschränkung  der  Zins-  und 
Mietzahlung  und  durch  feste  Einschätzung  des  immobilen  Besitzes  ge- 
steuert werden.  Das  Vermögen  derjenigen  Optimaten,  die  noch  unter  den 
Waffen  standen,  ließ  Caesar  einziehen.  Aber  er  verschmähte  Proskriptionen 
nach  sullanischem  Muster.  Um  die  Pompeianer,  die  sich  im  Winter  keines 
Angriffs  versahen,  zu  überraschen,  setzte  Caesar  noch  vor  Ablauf  des  Jahres 
nach  Sizilien  und  von  hier  nach  Afrika  über.^) 

Am  28.  Dezember  47  v.  Chr. 2)  landete  Caesar  unerwartet  an  der  afrika- 
nischen Küste  nahe  bei  Hadrumetum  (Susa)  und  schlug  bei  Ruspina  (Monastir) 
sein  Lager  auf,  wo  ihm  sein  einstiger  Legat  Labienus  eine  empfindliche 
Niederlage  beibrachte;  durch  die  überlegene  Zahl  seiner  Gegner,  besonders 
durch  die  starke  Reiterei,  sah  er  sich  in  die  Defensive  gedrängt:  seine 
Stellung  bei  Ruspina  baute  er  zur  unangreifbaren  Festung  aus.  Zum  Glück 
für  Caesar  wurden  die  numidischen  Streitkräfte  teilweise  durch  Sittius  ge- 
bunden. Nachdem  Caesar  weitere  Truppen  an  sich  gezogen  hatte,  entschloß 
er  sich  zu  offensivem  Voi'gehen;  aber  vor  Uzita  entwickelte  sich  ein  neuer 
Positionskrieg,  den  Caesar  schließlich  abbrach,  um  weiter  nach  Süden  vor- 
zustoßen; als  er  gegen  Thysdrus  nichts  auszurichten  vermochte,  kehrte  er 
wieder  um  und  bedrohte  nun  die  Seefeste  Thapsus,  die  Scipio  zu  decken 
suchte.  Hier  erzwang  er,  des  vorsichtigen  Operierens  müde,  mit  kühnem 
Wagemut  die  Entscheidung,  die  am  6.  April  46  v.  Chr.  2)  fiel.  Die  Pompeianer, 
unter  denen  die  erbitterten  Legionare  Caesars  ein  furchtbares  Blutbad  an- 
richteten, wurden  vernichtend  geschlagen.  Ungefähr  gleichzeitig  hatte  P.  Sittius 
den  König  Juba  besiegt  und  Numidien  gewonnen.  Juba  kam  auf  der  Flucht 
mit  Petreius  nach  Zama  (Regia);  da  sie  keinen  Einlaß  fanden,  gaben  sie 
sich  im  Zweikampf  den  Tod;  andere  Pompeianer,  wie  Metellus  Scipio  und 
Afranius,  fielen  dem  Sittius  in  die  Hände.  Alle  Gemeinden  der  Provinz 
ergaben  sich  dem  Sieger,  auch  Utica.  Cato,  der  Kommandant  von  Utica, 
bemühte  sich  aufopfernd  um  die  Rettung  seiner  Parteifreunde  und  ging  dann 
freiwillig  in  den  Tod,  um  die  Republik  nicht  überleben  zu  müssen.  Der 
Sieger  Caesar  räumte  unter  seinen  Gegnern  gründlich  auf;  die  Zeit  der  be- 
rechnenden Milde  war  vorbei,  viele  angesehene  Gefangene  mußten  sterben 
und  wenn  Caesar  auch  nicht  zu  Proskriptionen  schritt,  so  war  doch  die 
Zahl  seiner  Opfer  groß.  Jubas  Königreich  wurde  als  Africa  nova  zur  Provinz 
gemacht.  Am  13.  Juni  (15.  April  jul.)  schiffte  sich  Caesar  von  Utica  nach 
Sardinien  ein.  Am  25.  Juli  (26.  Mai  jul.)  traf  er  vor  den  Toren  Roms  ein. 
Ein  pomphafter,  vierfacher  Triumph  über  Gallien,  Ägypten,  Pharnakes  und 
Juba   beschloß    den  Krieg.    In    diesem  Triumph    wurde  auch  Vercingetorix 

*)  Über  den  afrikanischen  Krieg  s.  G.    j        '-)  Am  12.  Oktober  Julian.  Zählung. 
Veith  in  Keomayebs  Ant.  Schlachtf.  III  2,    '        ^)  7.  Julian.  Februar. 
1912,  761  ff. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§41.)      253 

aufgeführt  und  dann  getötet.  Caesar,  der  seine  Veteranen  entließ  und  be- 
lohnte, konnte  sich  als  Alleinherrscher  betrachten;  er  begründete  gleich  nach 
seiner  Ankunft  in  einer  Rede  an  das  Volk  den  Anspruch,  den  er  auf  die 
Leitung  des  Staates  erhob. 

41.  Caesars  Diktatur.  Die  monarchische  Gewalt,  die  sich  Caesar  er- 
obert hatte,  übte  er  teils  als  Inhaber  des  Konsulats,^)  teils  unter  dem  Titel 
eines  Diktators  aus.  Caesar,  der  schon  in  den  Jahren  49  und  48  v.  Chr.  die 
Diktatur  übernommen  hatte,  wurde  nach  dem  Sieg  bei  Thapsus  im  Jahr  46 
zum  Diktator  auf  zehn  Jahre  ernannt,  dann  im  Jahr  44  auf  Lebenszeit.  2) 
Er  begann  jetzt  eine  umfassende  gesetzgeberische  Tätigkeit,  die  den  Bedürf- 
nissen des  Staates  und  seinen  eigenen  politischen  Literessen  entsprach.  Zu- 
nächst versorgte  er  die  große  Menge  seiner  Veteranen  —  er  hatte  sein  Heer 
im  Krieg  bis  auf  52  Legionen  gebracht 3)  —  mit  Land:  nicht  nur  nach 
Italien,  sondern  auch  in  alle  Provinzen  gingen  seine  Kolonisten,  nach 
Spanien,  Südgallien, *)  Makedonien,  Asien  und  Afrika.  Es  wurden  gegen 
80000  Bürger  über  See  geschickt;  Korinth  und  Karthago,  Arelate  und 
Arausio,  vielleicht  auch  das  pontische  Herakleia  und  Lampsakos  wurden 
durch  Caesar  besiedelt.  Um  den  Zustrom  arbeitsscheuen  Gesindels  nach  Rom 
einzudämmen,  fixierte  er  die  Zahl  der  zum  unentgeltlichen  Getreideempfang 
auf  Staatskosten  Berechtigten  statt  der  320000,  die  er  antraf,  auf  150000. 
Zugleich  wurden  die  von  Clodius  58  v.  Chr.  geschaffenen  Vereine  der  Plebs, 
die  unter  religiös-sozialem  Deckmantel  den  bedenklichsten  politischen  Zwecken 
dienten,  aufgehoben. 

Zur  Erleichterung  der  Geschäftsführung  und  auch  um  eine  größere  Zahl 
seiner  Anhänger  zu  befördern,  hat  Caesar  die  Beamten  und  die  Priester 
erheblich  vermehrt,  die  Quästoren  von  zwanzig  auf  vierzig,  die  Adilen  von 
vier  auf  sechs,  die  Prätoren  von  acht  auf  zehn,  vierzehn  und  sechzehn.  Der 
Senat  wurde  auf  etwa  neunhundert  Mitglieder  gebracht;  Caesar  machte  viele 
neue  Männer,  viele  seiner  alten  Soldaten  zu  Senatoren.  Die  zusammen- 
geschrumpfte Zahl  der  Patrizier  wurde  aus  den  Reihen  der  Plebejer  auf 
Grund  eines  besonderen  Gesetzes  ergänzt.  Die  Dauer  der  Provinzialstatt- 
halterschaften  wurde  gesetzlich  beschränkt,  die  Zahl  der  Provinzen  ver- 
mehrt.^) Ein  Luxusgesetz  {lex  sinnptuaria)  schritt  gegen  übermäßigen  Auf- 
wand ein,  die  Kriminalgesetzgebung  und  Gerichtsverfassung  wurden  ver- 
bessert, die  Gerichte  zwischen  Senat  und  Ritterstand  geteilt;  die  Arar- 
tribunen  schieden  aus.  Erhalten  ist  noch  die  Städteordnung  für  Italien,  die 
lex  lulia  niunicipcdis.'^)  Ein  großes  Verdienst  erwarb  sich  Caesar  durch  seine 
Reform  des  Kalenders,  der  durch  unterlassene  Schaltungen  verwirrt  war. 
Caesar  rezipierte  das  ägyptische  Sonnenjahr  unter  Beseitigung  des  Schalt- 
monats.   Wie  groß  die  Verwirrung  geworden  war,  zeigt  der  Umstand,  daß 


')  Das  Konsulat  bekleidete  er  im  ganzen  ^)  Mommsen,  Ges.  Sehr.  IV  169  fF. 


fünfmal,  in  den  J.  59,  48,  46,  45.  44  v.  Chr, 

■')  Mommsen,  Eöm.  Staatsr.  II  703  f.    CIL 
I^  40  f.    Deumänn-Gkoebe  III  785  ff. 

^)  A.  V.  DoMASzEwsKi,  Neue  Heidelberger 
Jahrb.  4  (1894)  157  ff. 
_  ■*)  Wo  das  eingezogene  Gebiet  der  Massa-   i   Mommsek,  Ges.  Sehr.  I  194  ff. 
lioten  zur  Verfügung  stand. 


.  «)  CIL  12593,  Bküns'  nr.l8,  ILSIInr.6085. 
Ähnlicher  Art  ist  die  ebenfalls  noch  von 
Caesar  herrührende  Verfassung  der  Ko- 
lonie L^rso  in  Südspanieu,  die  lex  coloniae 
Geuetivae  luliae.    CIL  I-  594.  ILS  nr.  60S7. 


254  Römische  Geschichte. 

im  Übergangsjahr  46  v.  Chr.  (708  der  Stadt)  nicht  weniger  als  neunzig  Tage 
eingeschoben  werden  mußten. i) 

Caesar  entfaltete  eine  Tätigkeit  von  staunenswerter  Vielseitigkeit  und 
bewährte  seine  gewaltige  Arbeitskraft;  das  ganze  so  lange  vernachlässigte 
Gebiet  der  öffentlichen  Wohlfahrt  zog  er  in  den  Bereich  seiner  Entwürfe, 
wobei  er  kein  Vorurteil  schonte  und  nur  das  Zweckmäßige  erstrebte.  Er 
erweiterte  und  verschönerte  die  Stadt:  ein  Forum,  ein  Theater,  eine  Bibliothek 
und  andere  öffentliche  Gebäude  waren  unter  seinen  Plänen,  weiter  die  Regu- 
lierung des  Tiber,  der  Ausbau  des  Hafens  von  Ostia,  die  Trockenlegung 
der  pomptinischen  Sümpfe  und  des  Fucinersees,  der  Durchstich  des  Isthmos 
von  Korinth.  Caesar  brach  mit  dem  traditionellen,  aber  in  vielem  überholten 
und  rückständigen  Altrömertum  und  drängte  das  öffentliche  und  kulturelle 
Leben  energisch  weiter  auf  der  Bahn  des  Hellenismus.  Über  seiner  um- 
fassenden Regententätigkeit  fand  der  Unermüdliche  auch  noch  Zeit  und 
Spannkraft  zu  schriftstellerischer  Betätigung,  ^j 

Indes  waren  Ruhe  und  Friede  noch  nicht  überall  im  römischen  Reich 
eingekehrt.  Zur  Zeit  des  afrikanischen  Krieges  brachte  in  Syrien  der  Pom- 
peianer  Q.  Caecilius  Bassus,  ermutigt  durch  die  Nachrichten  von  Caesars 
Bedrängnis  in  Afi'ika,  von  Tyros  aus  die  Legionen  zum  Abfall,  tötete  den 
Statthalter  Sex.  Caesar,  einen  Verwandten  des  Diktators,  und  besetzte 
Apameia,  wo  er  sich  zunächst  mit  arabischer  und  parthischer  Hilfe  erfolg- 
reich behauptete,  dann  aber  von  Caesars  Truppen  unter  Q.  Marcius  Crispus 
und  L.  Staius  Murcus  eingeschlossen  und  belagert  wurde. ^)  Ernstlicher  waren 
die  Unruhen  in  Spanien,  wo  Pomj)eius  von  jeher  viele  Anhänger  besessen 
hatte.  Die  Trupj^en  in  der  jenseitigen  Provinz  setzten  sich  mit  den  Pom- 
peianern  in  Afrika  in  Verbindung,  und  von  da  wurden  Cn.  und  Sex.  Pompeius 
nach  Spanien  geschickt.  Sie  besetzten  zunächst  die  Balearen  und  gingen 
nach  der  Schlacht  bei  Thapsus  auf  das  Festland  hinüber,  Labienus,  Attius 
Varus  und  andere  Flüchtlinge  des  afrikanischen  Heeres  stießen  zu  ihnen. 
Sie  fanden  Zulauf;  der  Statthalter  C.  Trebonius  wurde  vertrieben,  Lusitaner 
und  Keltiberer  schlössen  sich  ihnen  an,  und  sie  brachten  ein  großes  Heer 
zusammen.  Die  Legaten  Caesars,  Q.  Fabius  Maximus  und  Q.  Pedius,  waren 
nicht  imstande,  sie  zu  überwältigen;  nur  die  Flotte  unter  C.  Didius  war 
siegreich.  So  entschloß  sich  Caesar  Ende  46  v.  Chr.  mit  seinen  Kerntruppen 
selbst  nach  Sj)anien  zu  gehen.  Im  Dezember  nach  siebenundzwanzigtägiger 
Reise  langte  er  an  der  Grenze  der  Baetica  an.  Nach  längeren  winterlichen 
Kämpfen,  die  sich  vornehmlich  um  das  zu  den  Feinden  übergegangene 
Corduba  und  die  Nachbarstädte  drehten,  zwang  Caesar  durch  einen  Angrijßf 
auf  Munda  die  Gegner  zur  Schlacht.  Nach  hartem  Kampf  wurden  die  drei- 
zehn Legionen  der  Pompeianer  von  den  acht  caesarianischen  geschlagen 
(17.  März  45  v.  Chr.).^)  Corduba  wurde  gleich  darauf  erobert  und  ebenso  die 
übrigen  Plätze    der  Pompeianer.     Cn.  Pompeius  wurde    auf   der  Flucht   er- 


^)  Vgl.  Drümanx-Geoebe  III  755  fF. 
-)  Abgesehen   von    den    unvollendeten 
Kommentarien  de  hello  civiU  und  C4edichten 


3)  Cass.  Dio  XLVII  26  f.  Appian  III 77  f. 
IV  58  f.  Josephus  bell.  Jud.  I  216:  Ant. 
Jud.  XIV  268.    Strabo  XVI  752  f.    Cicero 


verfaßte  er  damals  den  Anticato  als  Gegen-       ad  fam.  XII  17  u.  18:  ad  Att.  XIV  9,  3. 
schriftaufCicerosLobschrift  aufCato.  Vgl.    j        *)  A.Klotz,   Die  Schlacht  von  Munda, 
Caesars  fragm.  p.  762  Nipp.,  p.  145  Kübler.   !   Neue  Jahrbb.  23,  1909,  560  ff. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Repiiblik  (28  v.  Chr.).    (,§41.)      255 


griffen  und  getötet:  auch  Labienus  und  Attius  Varus  fanden  damals  ihr 
Ende.  Sex.  Pompeius  dagegen  entkam  in  das  nördhche  Spanien,  wo  er  bald 
wieder  sein  Banner  aufpflanzte.  Nach  dem  Sieg  verweilte  Caesar  noch  einige 
Monate  in  Spanien,  erschien  im  September  wieder  vor  Rom  und  feierte 
dann  nochmals  einen  Triumph  (Oktober  45  v.  Chr.).  i) 

Der  neue  Sieg  vollendete  Caesars  monarchische  Stellung.  Der  Senat, 
der  schon  nach  Pharsalos  und  Thapsus  mit  Auszeichnungen  nicht  gekargt 
hatte,  überbot  sich  in  Huldigungen  vor  dem  allmächtigen  Diktator.  Man 
bewilhgte  ihm  äußere  Abzeichen  seiner  Hoheit,  wie  das  Triumphalgewand, 
den  Lorbeerkranz,  den  goldenen  Amtsstuhl.  Zu  diesen  irdischen  Ehren 
traten  göttliche: 2)  die  Statue  Caesars  wurde  unter  die  Götterbilder  eingereiht, 
er  selbst  als  Hypostase  des  obersten  Staatsgottes,  als  Jupj)iter  Julius,  gefeiert; 
man  gewöhnte  sich  beim  Genius  Caesars  zu  schwören.  Sein  Geburtsmonat, 
der  Quinctilis,  erhielt  nach  ihm  den  Namen  Julius.  Die  Magistrate  legten 
beim  Amtsantritt  den  Eid  auf  Caesar  und  seine  Verordnungen  ab.  Caesar 
genoß  den  Schutz  der  tribunizischen  Unverletzlichkeit,  Als  ständiger  Im- 
perator führte  er  den  Oberbefehl  über  das  gesamte  Heer.  Für  die  Besetzung 
der  Ämter  war  sein  Vorschlagsrecht  von  Bedeutung.  3)  Auch  über  die  Staats- 
kasse hatte  er  allein  zu  verfügen  und  auf  Münzen  erschien  sein  Porträt. 
Kurz,  der  absolute  Monarch  war  fertig  bis  auf  den  Titel  eines  solchen, 
mochte  die  Vogelstrauiapolitik  des  Senats  den  Caesar  auch  als  „Befreier'' 
bezeichnen  und  der  Libertas  einen  Tempel  weihen.^)  Neben  den  Reformen 
und  Kolonisationen  beschäftigten  den  Diktator  die  auswärtigen  Angelegen- 
heiten. Rom  hatte  damals  mit  zwei  Feinden  abzurechnen,  den  Geten  und 
den  Parthern.  Die  ersteren  hatten  ihre  Herrschaft  über  Thrakien  ausgedehnt 
und  beunruhigten  die  Provinzen  Makedonien  und  lUyrien  schon  seit  längerem 
(oben  S.  215);  daher  rüstete  Caesar  gegen  sie;  aber  um  diese  Zeit°)  wurde, 
so  scheint  es,  Byrebistas  ermordet,  und  nach  seinem  Tod  zerfiel  das  getische 
Einheitsreich.  Die  Geten  bedeuteten  jetzt  keine  unmittelbare  Gefahr  mehr. 6) 
Den  Revanchekrieg  gegen  die  Parther  betrachtete  Caesar  als  eine  Ehren- 
pflicht, der  er  sich  nicht  entziehen  durfte.  In  Makedonien  und  Griechen- 
land sammelten  sich  sechzehn  Legionen  und  10000  Reiter  für  den  Krieg, 
dessen  Dauer  auf  drei  Jahre  veranschlagt  war;  für  diese  Zeit  wurden  die 
wichtigeren  Magistrate  in  Rom  im  voraus  bestimmt.  Aber  kurz  vor  der 
Ausre'ise,  am  15.  März  44  v.  Chr.,  wurde  der  ungekrönte  Monarch  in  der 
Kurie  des  Pompeius  von  den  Dolchen  seiner  fanatischen  Gegner  getroffen. 

Die  Mörder  gehörten  einer  Verschwörung  an,  die  sich  im  Schoß  des 
Senats  gebildet  hatte.  Der  Senat  war  von  Caesar  seiner  bisherigen  Macht- 
stellung entkleidet  worden  und  empfand  diese  Depossedierung  um  so  schmerz- 
licher,^) als  Caesar  sich  auch  in  der  Form  immer  unverhüllter  als  Herrscher 
gebärdete.  Er  ließ  gelegentlich  die  dem  Senat  gebührende  Rücksicht  außer 
Acht,    während    er  Respektwidrigkeiten    gegen    seine   eigene  Person  streng 


')  Velleius  II  56,  3. 

-)  Vgl.  A.  V.  DoMAszEWSKi,  Abhandlgg. 
zur  röm.  Eeligion.  1909,  193  ff.  H.  Heinen, 
KlioXI,  1911.  129  ff. 

3)  Suet.  Jul.  41,  2. 

*)  Cass.  Dio  43,  44.  1. 


»)  Strabo  VII  298.  304. 

''j  Vielleicht  haben  sie  um  Frieden  ge- 
beten. Vgl.  Niese,  Zeitschr.  f.  deutsches 
Altert.  42.  1-56  ff. 

')  Die  Stiniuiuug  der  Optimatenkreise 
spiegelt  sich  in  Ciceros  Korrespondenz. 


256  Römische  Geschichte. 

ahndete.  1)  Bei  aller  Milde  und  Nachsicht  gegen  seine  Freunde  erlag  Caesar 
doch  mitunter  den  Wallungen  seines  leidenschaftlichen  Temperaments  und 
Widerspruch  vermochte  er  nicht  zu  ertragen.  Mit  der  Verfassung,  namentlich 
mit  den  Ämtern,  schaltete  er  nach  Willkür  und  ohne  Rücksicht  auf  das  Her- 
konunen.''^)  Schon  spielten  seine  Anhänger  mit  dem  von  ihm  gutgeheißenen 
Plan,  ihn  zum  König  auszurufen;  am  20.  Januar  44  v.  Chr.  bei  der  Rück- 
kehr vom  Albanerberg  wurde  er  in  Zurufen  aus  der  Menge  zum  erstenmal 
als  solcher  begrüßt.  Die  schwerlich  grundlosen  Gerüchte,  daß  Caesar  Ale- 
xandrien  oder  Ilion  zum  Mittelpunkt  seines  hellenistisch- römischen  Welt- 
reichs zu  machen  gedenke,  trugen  zur  Beunruhigung  der  in  ihrem  Vorrang 
bedrohten  Hauptstadt  bei.-^) 

Auch  unter  den  Caesarianern  gab  es  Enttäuschte  und  Unzufriedene.  Aber 
nur  aus  idealistischen  Beweggründen  können  alte  Waff'engefährten  Caesars 
wie  C.  Trebonius  und  D.  Junius  Brutus  Albinus,*)  denen  ihr  Herr  und  Meister 
alle  Wünsche  erfüllte,  sich  der  von  dem  Pompeianer  C.  Cassius  Longinus, 
dem  „letzten  Römer",  angezettelten  Verschwörung  angeschlossen  haben.  Für 
den  von  ihm  als  Akt  legitimistischer  Notwehr  aufgefaßten  Tyrannenmord 
ließ  sich  auch  M.  Junius  Brutus  gewinnen,  der  angebliche  Nachkomme  des 
mythischen  Stifters  der  Republik,  ein  Neffe  Catos  und  Freund  Ciceros,  zu 
dem  er  in  literarischen  Beziehungen  stand.  Dieser  hochangesehene  Republi- 
kaner war  nach  Pharsalos  zu  Caesar  übergegangen,  der  ihm  seine  Zuneigung 
schenkte.^)  Im  ganzen  wußten  etwa  sechzig  Senatoren  um  das  Komplott, 
das  nach  längerem  Hin  und  Her  an  den  Iden  des  März  44  v,  Chr.  zur  Aus- 
führung kam  in  einer  Senatssitzung,  in  der  die  Königsfrage  hätte  entschieden 
werden  sollen.  Cassius  und  Brutus,  die  als  Prätoren  hierzu  hätten  Stellung 
nehmen  müssen,  konnten  die  Aktion  nicht  mehr  verzögern. 

42.  Die  Parteien  nacli  Caesars  Tod.  Der  mutinensische  Krieg.«) 
Caesars  Amt  war  rein  persönlich,  von  einer  Succession  konnte  staatsrechtlich 
keine  Rede  sein,  für  den  Fall  seines  Todes  hat  er  keine  Vorkehrung  ge- 
troffen:   mit    seinem  Leben    war    also    auch    seine  Monarchie   zu  Ende.     So 


')  So  an  dem  Volkstribunen  Pontius 
Aquila  und  etwas  später  an  Epidius  Ma- 
rullus  und  Caesetius  Flavus. 


^)  Böse  Zungen  behaupteten,  er  sei  ein 
natürlicher  Sohn  Caesars,  des  Freundes 
seiner  Mutter  Servilia.    Durch  Adoption 


Sueton  Jul.  76.  i    erhielt  Brutus  den   offiziellen  Namen  <^. 


^)  Suet.  Jul.  79,  3.  Wer  mit  Niese  diese 
Gerüchte  als  „abenteuerlich"  abtut  und  in 
den  Caesar  zugeschriebenen  Eroberungs- 
plänen im  Orient  (Plut.  Caes.  58.  comp. 
Dion.  et  Brut.  4.  Nicol.  Dam.  vita  Caes.  26 
FHG  III  p.  446)  nichts  als  nachträglich 


Caepio  Brutus  (Cicero,  Phil.  10. 25.  IG  VII 
383;  vgl.  F.  Münzer,  Rom.  Adelsparteien 
336  ff.).  —  Dkumann-Groebe  IV  21  ff..  Gel- 
ZEK,  PW  X  973  ff. 

^)  Unter  den  Quellen  haben  die  Briefe 
Ciceros  und  seine  philippischen  Reden  als 


aus  dem  Vergleich  mit  Alexander  d.  Gr.  zeitgenössische  Dokumente  den  höchsten 

herausgesponnene  „Phantasien"  erblickt,  Wert.    Gutes    Material    enthalten    ferner 

verkennt  das  Wesen  von  Caesars  Monar-  die  Reste  der  Biographie  des  Augustus_von 

chie,    die    „ihrer  Idee   nach    die  Wieder-  !  Nikolaos  von  Damaskos  (FHG  III  427  ff.), 

aufnähme    und    volle  Durchführung   der  j  ebenso  Plutarch   im  Cicero,   Brutus  und 

Weltmonarchie  Alexanders"  ist  und  deren  '  Antonius.    Die    anderen    Historiker,    in- 

„  Voraussetzung  und  Rechtfertigung"  eben  i  Sonderheit  Appian  und  Cassius  Dio  müssen 

die  „Welteroberung"   bildet   (Ed.  Meyer,  i  streng   geprüft    werden;    namentlich  bei 

Caesars  Monarchie  466  ff".,  513  f.).  j  Appian    finden     sich    neben    wertvollen 

*)  B.C.  BoiivvTtA^T,  Decinms  Junius  Bru-  Nachrichten    Verschiebungen    und    Ent- 

ius,   a  hlstorical  stndij.    Diss.  universal/  of  \  Stellungen.     Vgl.  Ed.  Schwartz,    Hermes 

Chicago,  1907.                                             "  i  33,  1898,  185  ff. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§42.)      257 

folgte  auf  seinen  Tod  zunächst  allgemeine  Verwirrung,  bis  zwei  Tage  später, 
am  17.  März,  nach  einer  Senatssitzung  im  Tempel  der  Tellus  zwischen  den 
Caesarmördern,  auf  deren  Seite  sich  die  Mehrheit  des  Senats  stellte,  und 
den  caesarianischen  Machthabern,  dem  Konsul  M.  Antonius  und  M.  Aemilius 
Lepidus,  dem  magister  equitum  Caesars, i)  und  ihrem  Anhang,  der  Plebs, 
den  Veteranen  und  Kolonisten  Caesars,  die  zahlreich  in  der  Stadt  anwesend 
waren,  ein  Ausgleich  zustande  kam.  Antonius  brachte,  nachdem  die  Lage 
sich  geklärt  hatte,  das  Heft  in  seine  Hand,  setzte  sich  in  den  Besitz  des 
Schatzes  und  der  Papiere  Caesars  und  spielte  den  Vermittler  zwischen  den 
rachedurstigen  Caesarianern  und  den  Verschwörern,  die  Caesar  als  Tyrannen 
brandmarkten  und  seine  Anordnungen  kassiert  wässen  wollten.  Die  Mörder 
wurden  amnestiert  und  in  ihren  Amtern  bestätigt,  zugleich  wurden  aber 
auch  die  Anordnungen  Caesars  en  bloc  für  gültig  erklärt  mit  Einschluß  des 
Testaments  und  se;ner  noch  unveröffentlichten  Verfügungen;  ein  Begräbnis 
auf  Staatskosten  wurde  für  ihn  beschlossen.  Lepidus,  der  als  Vertreter  der 
extremen  Caesarianer  der  Versöhnung  eine  Zeitlang  Aviderstrebte,  ließ  sich 
durch  die  bald  verwirklichte  Aussicht,  an  Caesars  Stelle  Pontifex  maximus 
zu  werden,  beschwichtigen.  Indes  bei  der  Beisetzung  des  Ermordeten,  dem 
der  Konsul  Antonius  die  Leichenrede  hielt,  entlud  sich  der  von  dem  Redner 
geschickt  geschürte  Haß  gegen  die  Attentäter  in  tumultuarischen  Szenen: 
die  Leiche  wurde  auf  dem  Forum  verbrannt  und  bestattet.  Weitere  Un- 
ruhen folgten,  und  die  Verschworenen  sahen  sich  genötigt,  Rom  zu  verlassen; 
einige  begaben  sich  in  die  ihnen  zugeteilten  Provinzen,  D.  Brutus  ins  cis- 
alpinische  Gallien,  C.  Trebonius  nach  Asien,  M.  Brutus  und  Cassius  hielten 
sich  als  beurlaubte  Prätoren  in  der  Nähe  Roms  auf;  Antonius  konnte  in 
Rom  nach  Belieben  schalten  und  walten. 

Der  Konsul  Antonius  war  vor  allem  bestrebt,  seine  eigene  Zukunft  zu 
sichern.  Als  Kollegen  ließ  er  sich  nunmehr  seinen  bisherigen  Gegner,  den 
Eidam  Ciceros,  P.  Cornelius  Dolabella,  gefallen,  den  Caesar  als  seinen  Ersatz- 
mann im  Konsulat  in  Aussicht  genommen  hatte.  Gemeinsam  verfügten  die 
beiden  über  den  Schatz  und  die  politischen  Papiere  Caesars.  Antonius  suchte 
Fiihlung  mit  dem  Senat,  ja  sogar  mit  Brutus  und  Cassius.  Die  Umtriebe 
eines  angeblichen  Enkels  des  Marius,  der  sich  unter  starkem  Zulauf  zum 
Rächer  Caesars  aufwarf  und  dem  Toten  auf  dem  Forum  einen  Altar  er- 
richtete, wurden  von  Antonius  niedergeschlagen,  der  Betrüger  hingerichtet. 
Unter  Vermittlung  des  Lepidus,  dem  das  diesseitige  Spanien  zugewiesen 
war,  knüpfte  Antonius  Unterhandlungen  mit  Sex.  Pompeius  an;  nach  Cae- 
sars Tod  hatte  nämlich  Sex.  Pompeius  im  jenseitigen  Spanien  den  offenen 
Krieg  wieder  aufgenommen  und  den  caesarianischen  Statthalter  Asinius 
Pollio  geschlagen.  Jetzt  verhieß  ihm  Antonius  durch  Lepidus  die  Erlaubnis 
zur  Rückkehr  nach  Italien,  sowie  Vermögensentschädigung.  Dem  juristischen 
Erben  Caesars  dagegen,  dem  jungen  Oktavian,  zeigte  er  die  kalte  Schulter. 
Dem  Antonius  lag  vor  allem  daran,  sich  eine  Provinz  und  ein  Heer  zu 
verschaffen.  Er  ließ  also  Anfang  Juni  44  durch  Volksbeschluß  sich  selbst 
die  beiden  gallischen  Provinzen  (mit  Ausnahme  der  Narbonensis)  und  seinem 

')  Das  Amt  des  magister  equttnm  erlosch  eigentlich  automatisch  mit  dem  Tod  des 
Diktators. 

Handbuch  der  klass.  Altertuniswissensehaft.    III,  5.    5.  Aufl.  17 


258  Römische  Geschichte. 

Kollegen  Dolabella  Syrien  und  den  Partherkrieg  bewilligen,  beides  auf  fünf 
Jahre  mit  prokonsularischeni  Imperium  und  den  erforderlichen  Truppen. i) 
Noch  vor  Ablauf  ihres  Amtsjahres  gedachten  die  Konsuln,  ihr  neues  Kom- 
mando anzutreten,  und  da  Antonius  von  dem  derzeitigen  Inhaber  des  dies- 
seitigen Galliens,  D.  Brutus,  Widerstand  zu  gewärtigen  hatte,  so  ließ  er  die 
ihm  bewilligten  Legionen  aus  Makedonien  nach  Italien  kommen,  wo  sie 
Anfang  Oktober  in  Brundisium  landeten.  Antonius  hat  als  Konsul  eine 
Anzahl  Gesetze  veranlaßt,  so  Acker-  und  Kolonialgesetze,  sowie  ein  Richter- 
gesetz. Gesetzlich  festgelegt  wurde  auch  die  Abschaffung  der  Diktatur  für 
ewige  Zeiten.  An  seinen  beiden  Brüdern,  dem  Prätor  Gaius,  dem  Volks- 
tribunen Lucius  Antonius,  hatte  der  Konsul  Marcus  nützliche  Gehilfen. 

M.  Brutus  und  Cassius  waren  in  der  Nähe  Roms  geblieben;  in  die  Stadt 
zurückzukehren,  hielten  sie  nicht  für  rätlich;  die  zunächst  wenigstens  äußer- 
lich freundliche  Haltung  dem  Antonius  gegenüber  schlug  bei  ihnen  und  ihren 
Gesinnungsgenossen  ins  Gegenteil  um,  sobald  dessen  Absichten  zutage  traten. 
Als  Provinzen  wurde  dem  Brutus  Kreta,  dem  Cassius  wahrscheinlich  Cyrenaica 
für  das  nächste  Jahr  (43  v.  Chr.)  zugewiesen. 2)  Einstweilen  übertrug  ihnen 
der  Senat  (5.  Juni)  für  das  laufende  Amtsjahr  unter  anderem  die  Getreide- 
besorgung in  Asien  und  Sizilien.  Aber  sie  hatten  keine  Lust,  sich  diesem 
wenig  ehrenvollen  Geschäft  zu  unterziehen,  sondern  beschlossen  im  Ein- 
vernehmen mit  ihren  Freunden,  die  Pläne  des  Antonius  zu  durchkreuzen, 
dem  Dolabella  zuvorzukommen  und  sich  im  Orient  festzusetzen.  Nach  den 
nötigen  Vorbereitungen  gingen  sie  im  September,  um  die  Zeit,  da  die  Truppen 
aus  Makedonien  erwartet  wurden,  nacheinander  in  den  Osten  ab. 

Aber  zwischen  die  Mörder  des  Diktators  und  seinen  einstigen  Marschall 
Antonius  schob  sich  als  dritte  Macht  der  Erbe  Caesars,  der  neunzehnjährige 
C.  Octavius.^)  Als  Sohn  des  gleichnamigen  Vaters  und  der  Atia,  der  Schwester- 
tochter Caesars,  war  er  der  nächste  männliche  Verwandte  des  Diktators,  den 
er  schon  45  v,  Chr.  nach  Spanien  begleitet  hatte  und  an  dessen  Seite  er 
auch  den  parthischen  Feldzug  hätte  mitmachen  sollen.  Caesar  hatte  ihn  zu 
weiterer  Avissenschaftlicher  und  militärischer  Ausbildung  nach  Apollonia  in 
Illyrien  vorausgeschickt.  Auf  die  Nachricht  von  dem  Attentat  kehrte  er 
alsbald  nach  Italien  zurück,  wo  er  erfuhr,  daß  der  Großoheim  ihn  in  seinem 
Testament  adoptiert  und  ihm  die  freilich  mit  Legaten  an  die  römischen 
Bürger  schwer  belastete  Erbschaft  seines  großen  Vermögens  vermacht  hatte. 
Er  entschloß  sich,  dieses  Erbe  mit  allen  seinen  Rechten  und  Pflichten  an- 
zutreten und  nannte  sich  nun  nach  seinem  Adoptivvater  C.  Julius  C.  f.  Caesar, 
Caesar  den  Sohn.*)  Der  frühreife  Jüngling  hat  mit  bewundernswerter  Energie 
und  Geschicklichkeit  die  schwere  Aufgabe  in  Angriff  genommen,  vor  die 
er  sich  plötzlich  gestellt  sah.  Er  hatte  wahrlich  keinen  leichten  Stand. 
Antonius  begegnete  dem  unwillkommenen  Rivalen  mit  kaum  verhüllter 
Feindseligkeit;   Vermittlungsversuche,    die    gemeinsame    Freunde    machten, 

')  Vorher  war  dem  Antonius  Makedonien  köpf,  Hermes  47,  1912,  321  ff.,  bes.  357  flf. 
zugewiesen  worden;  die  lex  de  permiifa-  2)  Vgl.  Sternkopf  a.  a.  0.  381  ff. 
fione  provinciarum  (Livius  per.  117),  die  den  ^)  Geboren  am  28.  September  63  v.  Chr. 
Tausch  mit  den  gallischen  Provinzen  ver-  ■*)  Oetavianus  hat  er  sich  selbst  nie  ge- 
fügte, ist  identisch  mit  dem  im  Text  er-  nannt.  Doch  haben  ihn  schon  die  Zeit- 
wähnten Volksbeschluß;    vgl.  W.  Stern-  genossen  gelegentlich  so  bezeichnet. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§42.)       259 

führten  zu  keinem  Ergebnis;  die  caesai'ianische  Partei  trennte  sich  also  in 
zwei  Lager.  Als  sich  am  9.  Oktober  44  v.  Chr.i)  Antonius  nach  Brundisium 
begab,  um  die  makedonischen  Legionen  zu  übernehmen,  hielt  es  auch  Oktavian 
für  geboten,  sich  eine  bewaffnete  Macht  zu  sichern,  wozu  er  als  Privatmann 
freilich  nicht  befugt  war.  Um  die  Wette  warben  die  beiden  namentlich 
unter  den  von  Caesar  angesiedelten  Veteranen ;  Oktavian  hatte  das  Glück, 
mit  Hilfe  seiner  Freunde-)  eine  persönliche  Garde  zusammenzubringen  und 
sogar  dem  Antonius  zwei  Legionen  und  andere  Truppen  auszuspannen. 
Damit  war  ein  militärisches  Gegengewicht  gegen  Antonius  geschaffen  und 
nun  konnte  die  Mehrheit  des  Senats  gegen  den  Konsul  auftreten,  der  nach 
vorübergehendem  Aufenthalt  in  Eom  die  Hauptstadt  Ende  November  oder 
Anfang  Dezember  verließ,  um  sich  des  cisalpinischen  Galliens  zu  bemächtigen. 
Der  Wortführer  der  republikanischen  Senatspartei,  der  Feinde  des  Antonius, 
war  Cicero.  Er  hatte  bereits  vor  Antonius  nach  Griechenland  flüchten  wollen, 
war  aber  unterwegs  bei  Ehegion  umgekehrt,  als  er  hörte,  daß  Antonius  auf 
Schwierigkeiten  stieß.  Er  eröffnete  den  parlamentarischen  Kampf  gegen 
den  Konsul  schon  am  2.  September  mit  der  ersten  philippischen  Rede  und 
stellte  seine  Beredsamkeit  ganz  in  den  Dienst  seines  Hasses; 3)  er  hat  den 
Verlauf  der  Dinge  nicht  unwesentlich  beeinflußt.  Indem  er  den  „Knaben" 
Oktavian  gegen  Antonius  auszuspielen  suchte,  merkte  er  zunächst  nicht, 
daß  er  selbst  für  diesen  geborenen  Politiker  und  Diplomaten  nur  ein  Stein 
in  dessen  Brettspiel  war. 

Antonius  konnte  seine  Provinz  nicht  ganz  in  Besitz  nehmen.  D.  Brutus, 
vom  Senat  ermutigt,  leistete  Widerstand  und  setzte  sich  in  Mutina  fest,  wo 
er  von  Antonius  belagert  wurde.  In  Rom  schritt  man  zu  seiner  Befreiung. 
Mit  dem  Antritt  der  neuen  Konsuln,  der  Caesarianer  A.  Hirtius  und  C.  Vibius 
Pansa  (1.  Januar  43  v.  Chr.),  v/ar  im  Senat  das  Übergewicht  der  Gegner  des 
Antonius  gesichert,  vermittelnde  Vorschläge  des  Antonius  wurden  abgelehnt, 
und  man  beschloß,  gegen  ihn  mit  Gewalt  vorzugehen.  Doch  konnten  es 
Cicero  und  Genossen  nicht  durchsetzen,  daß  der  letzte  Schritt  getan  und 
Antonius  zum  Feind  erklärt  wurde;  denn  dieser  hatte  noch  immer  Anhang 
im  Volk  wie  im  Senat,  wo  Q.  Fufius  Calenus  und  andere  seine  Sache  gegen 
Cicero  vertraten.  Aber  der  Krieg  mußte  beginnen.  Oktavian,  dem  prä- 
torisches  Kommando  und  konsularischer  Rang  und  damit  die  Legitimierung 
seiner  widerrechtlichen  Werbungen  vom  Senat  zuerkannt  war  (7.  Januar), 
und  der  Konsul  Hirtius  marschierten  aus;  von  Spanien  und  Gallien  wurden 
die  dortigen  Statthalter,  M.  LejDidus,  C.  Asinius  Pollio  und  L.  Munatius 
Plauens  ebenfalls  gegen  Antonius  aufgeboten.  Dieser  war  zuerst  im  Vor- 
teil, als  aber  Pansa  dem  Oktavian  und  Hirtius  zu  Hilfe  kam,  wandte 
sich  das  Blatt.  Antonius  griff  den  heranrückenden  Pansa  am  Iq».  April  bei 
Forum  Gallorum^)  an,  ehe  er  sich  mit  Hirtius  vereinigt  hatte,  und  schlug 


')  Cic.  ad  fam.  XII  23,  2.  v.  Chr.,  die  6.  am  4.  Januar,  die  übrigen 

2)  Es  werden  hier  M.  Vii^sanius  Agrippa  in  der  folgenden  Zeit,   und  zwar  die  10. 

und  C.  Maecenas  zuerst  genannt.  vor  der  Abreise  des  Pansa  um  den  1.  März, 

^)  Von  den  philippischen  Reden  Ciceros  die  14.  und  letzte  wenige  Tage  nach  dem 

ist  die  2.  eine  Streitschrift  in  Form  einer  Treffen    bei  Forum  Gallorum  (15.  April) 

Rede,  die  3.  und  4.  sind  am  20.  Dezember  •*)  Cic.  ad  fam.  X  30.    Der  Ort  ist  an  der 

44  V.  Chr.  gehalten,  die  5.  am  1.  .Januar  43  via  Aemilia  nicht  weit  von  Mutina  gelegen. 

17* 


260  Römische  Geschichte. 

ihn  in  einem  blutigen  Treffen.  Pansa  wurde  schwer  verwundet;  aber  durch 
den  herbeieilenden  Hirtius  wurde  auch  Antonius  besiegt  und  zum  Kückzug 
genötigt.  Wenig  später  (etwa  am  27.  April)  kam  es  vor  Mutina  zu  einer 
zweiten  Schlacht,  in  der  zwar  Hirtius  den  Tod  fand,  aber  Antonius  mili- 
tärisch den  Kürzeren  zog.  Er  sah  sich  infolgedessen  gezwungen,  die  Ein- 
schließung der  Stadt  aufzugeben;  über  den  Appennin  wandte  er  .sich  ins 
jenseitige  Gallien  und  erreichte  die  ligurische  Küste,  wo  ihm  bald  darauf 
Lepidus  entgegentrat.  Da  beide  Konsuln  ihr  Leben  eingebüßt  hatten,  so 
betraute  der  Senat  mit  Übergebung  des  Oktavian  den  D.  Brutus  mit  dem 
Oberbefehl. 

Die  Autorität  des  Senats  war  also  wiederhergestellt  und  nun  wurde 
Antonius  durch  Senatsbeschluß  zum  Feind  erklärt,  während  Sex.  Pompeius, 
der  sich  schon  vorher  durch  Vermittlung  des  Lepidus  mit  dem  Senat  ver- 
glichen hatte,  zum  Admiral  und  zum  praefedus  orae  maritimae  ernannt 
wurde.  Brutus  und  Cassius,  die  sich  zu  Herren  des  Orients  gemacht  und 
große  Heere  aufgestellt  hatten,  wurden  in  ihrem  Besitz  bestätigt  und  mit 
dem  Oberbefehl  {imperlum  malus)  über  den  ganzen  Osten  ausgestattet.  Man 
hoffte  auf  ihre  baldige  Rückhehr.  Allein  gerade  die  Erfolge  der  Caesar- 
mörder mußten  die  Caesarianer  mit  Besorgnis  erfüllen,  und  alle  Statthalter 
der  westlichen  Provinzen  waren  Caesarianer.  Nur  ungern  waren  sie  in  den 
Krieg  gegen  Antonius  eingetreten;  jetzt  sahen  sie  nicht  nur  die  Gesetze 
des  Antonius,  sondern  auch  Caesars  Anordnungen,  sowie  ihre  eigene  Stel- 
lung bedroht.  Gegen  diese  Gefahren  schlössen  sie  sich  wieder  mit  Antonius 
zusammen;  am  Fluß  Argenteus  an  der  ligurischen  Küste  vereinigte  der 
unselbständige  Lepidus  nach  einigem  Schwanken  sich  und  sein  Heer  mit 
Antonius  (29.  Mai  43  v.Chr.),')  worauf  D.  Brutus  dessen  Verfolgung  auf- 
geben mußte  und  über  die  Alpen  zu  Munatius  Plauens  zog.  Lepidus  und 
seine  Genossen  wurden  zwar  (am  30.  Juni)  vom  Senat  ebenfalls  geächtet, 
doch  blieb  die  Acht  nicht  lange  in  Kraft. 

Oktavian  war  nicht  gewillt,  sich  nach  geleistetem  Dienst  einfach  bei- 
seiteschieben zw  lassen.  Statt  sich  also,  wie  der  Senat  ihm  ansann,  dem 
D.  Brutus  unterzuordnen,  verständigte  er  .sich  mit  Antonius  und  Lepid-us 
und  erleichterte  dem  ersteren  den  Rückzug  in  das  jenseitige  Gallien.  Vom 
Senat  verlangte  er  das  Konsulat  und  einen  Triumph  und  für  sein  Heer 
die  versprochene  Belohnung;  aber  der  Senat,  der  auf  Brutus  und  Cassius 
rechnete,  lehnte  .seine  Forderungen  ganz  oder  teilweise  ab.  Vergebens  ver- 
suchte er,  Oktavians  Truppen  zu  sich  herüberzuziehen;  das  Heer  blieb 
seinem  Führer  treu,  der  nunmehr  kurz  entschlossen  gegen  Rom  marschierte. 
Der  Senat  versuchte  zwar  Widerstand;  aber  die  aus  Afrika  eingetroffenen 
Truppen  gingen  zu  Oktavian  über,  der  in  Rom  einzog  und  in  einem  außer- 
ordentlichen Wahlverfahren  am  19.  Sextilis  (August)  mit  Q.  Pedius  zum 
Konsul  gewählt  werden  mußte.  Sein  Erstes  war,  daß  er  durch  ein  beson- 
deres Gesetz  [lex  Fedia)  einen  Gerichtshof  zur  Verfolgung  der  Caesarmörder 
einsetzte,  die  verurteilt  und  geächtet  wurden.  Dann  vollendete  sich  die 
Einigung  der  Caesarianer.     Die    gegen    Antonius    und   Lepidus    ergangenen 


')  Cic.  ad  fam.  X  23,  2.     Der  Argenteus  mündet   bei  Forum  Julii   (heute  Frejus). 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.Chr.).    (§43.)       201 

Beschlüsse  wurden  aufgehoben,  Asinius  Pollio  und  Planeus  gingen  zu  An- 
tonius über,  D.Brutus  versuchte  vergebens  sich  durchzuschlagen:  von  seinem 
Heere  verlassen,  wurde  er  auf  der  Flucht  in  Gallien  bei  den  Seciuanern 
aufgegriffen  und  getötet.^) 

V.  Gaedthaüsen,  Augustus  und  seine  Zeit  II.  II  1.  —  O.  E.  Schmidt,  Die  letzten 
Kämpfe  der  röm.  Republik,  1.  Teil,  Jahrb.  für  Philol.  u.  Päd.  XIII.  Suppl.  663  ff.  — 
MoMJtsEN,  Ges.  Sehr.  TV  16i»  ff.  —  Ed.  Schwartz.  Hermes  33,  185  ff.  —  P.  Gkoebe,  De 
legibus  et  se>iatHS  cousultis  cnini  710,  Diss.  Berlin  1893.  —  A.  v.  Hagen,  De  hello  Miitmensi 
quaestiones  criticae,  Marburg  1886.  —  E.  Becht,  Regeste  über  die  Zeit  von  Caesars  Er- 
mordung bis  zum  Umschwung  in  der  Politik  des  Antonius,  Diss.  Freiburg  i  B.  11)11. 

43.  Das  Triumvirat.-)  Antonius  und  Lepidus  zogen  nun  mit  ihren 
Heeren  nach  Italien.  Von  Rom  kam  ihnen  Oktavian  entgegen,  und  bei 
Bononia  auf  einer  Insel  des  Rhenus  trafen  sich  die  drei  Männer,  um  sich 
zu  einer  politischen  Koalition  zusammenzuschließen.  Ihre  Versöhnung  ent- 
sprach den  Wünschen  der  caesarianischen  Partei.  Oktavian,  Antonius  und 
Lepidus  teilten  sich  zunächst  in  die  Provinzen  des  Westens,  Antonius  er- 
hielt die  ihm  durch  Volksbeschluß  zugewiesenen  beiden  Gallien,  Lepidus, 
der  das  diesseitige  Spanien  mit  der  narbonensischen  Provinz  bereits  ver- 
waltete, nahm  das  jenseitige  Spanien  hinzu,  an  Oktavian  fielen  Sardinien, 
Sizilien  und  Afrika.  Zugleich  verabredete  man  die  Verteilung  der  Amter 
an  die  Freunde,  die  Belohnung  der  Truj^pen  und  die  Vernichtung  der  Gegner. 
Am  27.  November  43  v.  Chr.  wurden  die  drei  Machthaber  durch  die  lex  Tltia 
des  Tribunen  P.  Titius  vom  Volk  als  triuinviri  reipublicae  constituendae  offi- 
ziell anerkannt  und  als  solche  mit  unumschränkter  Gewalt  auf  fünf  Jahre 
bekleidet.  Nun  erging  ihr  Strafgericht  in  der  brutalen  Form  der  Pro- 
skription; unter  den  zahlreichen  Opfern  war  eines  der  ersten  Cicero,  dessen 
Kopf  sein  Todfeind  Antonius  forderte.  Nicht  wenige  der  für  vogelfrei  Er- 
klärten entzogen  sich  dem  Untergang  durch  die  Flucht  zu  Sex.  Pompeius, 
der  mit  seiner  Flotte  das  Meer  beherrschte,  oder  zu  Brutus  und  Cassius. 
Die  Proskriptionen,  die  mit  Einziehung  der  Güter  verbunden  waren,  hatten 
zugleich  den  Zweck,  den  Triumvirn  die  Mittel  zu  liefern,  die  sie  zum  Krieg 
gegen  die  Caesarmörder  und  zur  Befriedigung  der  Truppen  brauchten.  Den 
Veteranen  sollten  achtzehn  der  blühendsten  Städte  Italiens  preisgegeben 
werden,  für  jede  Legion  eine;  hohe,  direkte  Abgaben  wurden  der  Bürger- 
schaft, namentlich  den  Begüterten,  auferlegt,  ä) 

Der  Zusammenschluß  der  drei  Caesarianer  war  eine  politische  Notwendig- 
keit angesichts  der  Macht,  die  sich  die  Caesarmörder  schon  seit  Ende  44: 
V,  Chr.  mi  Orient  erworben  hatten.    Brutus    und  Cassius^)  hatten,    als    die 


^)  Die  letzten  Schicksale  des  D.  Brutus  |  die  von  den  Triumvirn  auferlegte  Ab- 
sind dunkel.  Vgl.  Appian  b.  civ.  III  98.  gäbe  wesentlich  anderer  Art  gewesen  zu 
Cass.  Dio  XLVI  53.  Velleius  II  64,  1.  Liv.  j  sein.  Übrigens  wurden  schon  zu  Anfang 
per.  120.  Oros.  VI  18,  7,  ferner  die  oben  43  v.  Chr.  zur  Zeit  des  mutinensischen 
S.  256  A.  4  zitierte  Schrift  Bondürants.  j   Krieges    ähnliche  Kontributionen  einge- 

^)  Quellen:  Appian  b.  civ.  IV.  Cass.  Dio  1   fordert.    Appian  b.  civ.  III  66.    Cass.  Dio 

XLVII  1  f.   Plutarch  Cic.  47  f.  Anton.  20  f.  XLVI  31.    Plut.  Aemil.  38. 

Brutus  22  f.  ■*)  Als  Quellen  kommen  aufser  den  Hi- 

^)  Appian  b.  civ.  IV  31  ff.  Cass.  Dio  XLVII  storikern    besonders  Cic.  ad  fam.  XII8f. 

16.  Man  betrachtete  diese  Auflage  als  eine  |    und  die  Brvitusbriefe  in  Betracht,  deren 

Erneuerungdesalten, seit  167  v.Chr.  nicht  Echtheit  früher  zu  Lairecht  angefochten 

mehrerhobenen/;-/iM<«w.  MARQUARDT,Röm.  [    wurde. 
Staatsverwaltung  II'^  178.    Doch  scheint 


262  Römische  Geschichte. 

Herrscherabsichten  des  Antonius  offenkundig  wurden,  im  September  44 
V.  Chr.  Italien  verlassen  und  sich  zunächst  nach  Griechenland  eingeschifft. 
In  der  Absicht,  dem  Antonius  von  Osten  aus  Paroli  zu  bieten,  wollten  sie 
sich  der  Provinzen  Makedonien  und  Syrien  mit  den  dort  stehenden  Heeren 
bemächtigen.^)  Cassius  ging  nach  Asien  hinüber  und  gelangte  mit  Unter- 
stützung des  C.  Trebonius  nach  Syrien.  Brutus  verweilte  zuerst  in  Athen, 
wo  er  unter  der  dort  studierenden  römischen  Jugend  erfolgreich  warb.  Er 
ging  dann  nach  Makedonien,  dessen  Statthalter  Q.  Hortensius  sich  ihm 
bereitwillig  unterordnete;  auch  P.  Vatinius  in  Illyricum  mußte  sich  fügen 
und  ihm  seine  TrujDpen  übergeben.^)  So  fand  C.  Antonius,  dem  Makedonien 
zugewiesen  war,  diese  seine  Provinz  bereits  besetzt.  Er  wurde  an  der  illyrisch- 
epirotischen  Küste  südlich  von  Apollonia  besiegt  und  gefangen  (Anfang  43 
v.Chr.),  später,  nachdem  die  Triumvirn  ihre  Proskriptionen  verhängt  hatten, 
ließ  ihn  Brutus  hinrichten.  Bis  zur  Niederlage  des  M.  Antonius  bei  Mutina 
hielt  sich  Brutus  an  der  illyrischen  Küste,  um  im  Notfall  in  Italien  ein- 
greifen zu  können.  Er  brachte  acht  Legionen  zusammen,  darunter  zwei, 
die  sich  aus  Makedonen  rekrutierten,  und  gewann  auch  Thrakien,  wo  er 
einige  Kämpfe  zu  bestehen  hatte.  Von  hier  ging  er  nach  Einsetzung  des 
Triumvirats  nach  Asien  hinüber, 3)  um  sich  auch  dieser  Provinz  zu  versichern 
und  seine  Rüstungen  zu  vollenden. 

Inzwischen  hatte  Cassius  Syrien  erreicht  und  gewonnen.  Er  fand  den 
Caecilius  Bassus  in  Apameia  von  Marcius  Crispus  und  Staius  Murcus  noch 
immer  belagert  (oben  S.  254);  aber  sowohl  Belagerer  wie  Belagerte  schlössen 
sich  ihm  an  (Anfang  März  43  v.  Chr.),  ebenso  vier  Legionen  unter  A.  AUienus, 
die  für  Dolabella  aus  Ägypten  kamen.  Dolabella  kam  zu  spät.  Er  hatte 
noch  im  Herbst  44  v.  Chr.  Italien  verlassen,  um  Syrien,  die  ihm  bestimmte 
Provinz,  in  Besitz  zu  nehmen.  Zunächst  überfiel  und  tötete  er  in  Smyrna 
den  Trebonius  (Anfang  43  v.  Chr.)  und  brachte  die  Provinz  Asien  in  seine 
Hand.  Hier  sammelte  er  eine  Flotte  und  versuchte  dann  in  Syrien  ein- 
zudringen, konnte  aber  gegen  Cassius  nicht  mehr  aufkommen.  Sein  An- 
griff auf  Antiochien  scheiterte,  und  er  mußte  sich  auf  Laodikeia  an  die 
Küste  zurückziehen.  Nachdem  sich  aber  Cassius  eine  überlegene  Flotte  ge- 
schaffen hatte,  konnte  sich  sein  Gegner  auch  dort  nicht  mehr  halten.  Cassius 
nahm  die  Stadt  durch  Verrat,  worauf  Dolabella  seinem  Leben  ein  Ende 
machte.  Der  Senat  hatte  ihn  nach  dem  Tod  des  Trebonius  geächtet,  auch 
dem  Brutus  und  Cassius  die  besetzten  Provinzen  bestätigt  und  ihnen  beiden 
ein  höheres  Imperium  über   den  ganzen  Osten  erteilt,    kraft  dessen  sie  als 


')  Nach  Florus  (II 17. 4)  und  Apj^ian  hätte  Dresden  1891,  5  f.,  Ed.  Schwartz,  Hermes 
bereits  der  Diktator  Caesar  dem  Brutus  33,  1898,  226  f.,  W.  Sternkopf.  Hermes  47, 
und  Cassius  Makedonien  und  Syrien  als  1912,  340  ff .  S.  auch  die  Edikte  des  An- 
Provinzen bestimmt.  Diese  Yersjon  ist  toniusbeiJosephus,  Ant.  Jud.XIY316.820. 
eine  apologetische  Fälschung  zugunsten  2)  InDyrrhachion.  das  damals  zur  illyri- 
der  beiden  Republikaner.  Aus  Cicero  Phil.  sehen  Provinz  gehört  haben  muß. 
XI  27  ff.  geht  unzweideutig  hervor,  daß  ')  Nach  Cass.  Dio  XLVII  24  f.  ist  Brutus 
sich  nicht  das  geringste  formale  Recht  schon  vorher  einmal,  bald  nach  dem  Tod 
aul  die  betreffenden  Provinzen  für  die  des  Trebonius  in  Asien  gewesen,  aber 
beiden  Republikaner  geltend  machen  ließ.  wieder  nach  Makedonien  zurückgekehrt. 
Vgl.  E.  Schelle,  Beiträge  zur  Gesch.  des  Vgl.  Plutarch  Brut.  26  f. 
Todeskampfes  der  röm.  Republik,  Progr. 


6.  Vierte  Periode :  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§  43.)       263 

unbeschränkte  Herren  i)  schalteten  und  Truppen,  Schiffe  und  riesige  Geld- 
mittel zusammenbrachten ;  ^)  sie  brandschatzten  die  Bevölkerung  aufs  rück- 
sichtsloseste;  wer  sich  widersetzte,  wie  z.  B.  Tarsos  in  Kilikien,  mußte  büßen. 
Mit  den  Parthern  schloß  Cassius  Freundschaft.  Er  schickte  sich  an,  auch 
Ägypten  anzugreifen,  dessen  Königin  Kleopatra  die  Caesarianer  unterstützte: 
doch  mußte  er  das  Unternehmen  aufgeben,  da  eine  Offensive  der  Triumvirn 
drohte  und  Brutus  ihn  nach  Kleinasien  berief.  Dieser  hatte  mittlerweile  Asia 
und  die  benachbarten  Provinzen  und  Königreiche  in  seine  Gewalt  gebracht 
vmd  eine  starke  Flotte  zusammengestellt.  In  Smyrna  trafen  sich  die  beiden 
Republikaner  (42  v.  Chr.).  Sie  wandten  sich  zunächst  gegen  zwei  Gemein- 
wesen, die  ihre  Neutralität  erklärten  und  Heeresfolge  verweigerten,  die 
Republik  Rhodos  und  den  lykischen  Bund.  Rhodos  wurde  von  Cassius  nach 
längerer  Belagerung  erobert  und  gezüchtigt, '^)  den  Krieg  gegen  die  Lykier 
übernahm  Brutus.  Als  Xanthos  nach  verzweifelter  Gegenwehr  gefallen  war, 
fügten  sich  die  übrigen  Städte.  Auch  der  König  Ariobarzanes  IH  von 
Kappadokien  wurde  um  diese  Zeit  von  Cassius  beseitigt.  In  Sardes  ver- 
einigten sich  dann  Brutus  und  Cassius,  die  übrigens  nicht  im  besten  Ein- 
vernehmen standen,  um  von  da  aus  an  den  Hellespont  und  nach  Europa 
hinüber  den  Triumvirn  entgegenzuziehen.  Eine  Musterung  an  der  thraki- 
schen  Küste  ergab  eine  Streitmacht  von  19  Legionen,  etwa  80000  Mann 
römischer  Truppen,  dazu  die  Kontingente  der  Verbündeten.  Im  Bund  mit 
Sex.  Pompeius  zur  See  unbedingt  überlegen,  hätten  die  Republikaner  durch 
eine  Blockade  Italien  und  Rom  auf  die  Knie  zwingen  können;  aber  man 
wählte  den  Landkampf,  der  allerdings  eine  raschere  Entscheidung  versprach 
und  den  römischen  Traditionen  angemessener  war.  Nur  eine  Flottille  unter 
Staius  Murcus  kreuzte  in  der  Adria. 

Im  Westen  hatte  sich  unterdessen  Oktavian  in  den  Besitz  der  beiden 
afrikanischen  Provinzen  gesetzt.  Der  Statthalter  der  alten,  Q.  Cornificius, 
schloß  sich  dem  Brutus  und  Cassius  an,  dagegen  blieb  in  Africa  nova  T.  Sex- 
tius  auf  caesarischer  Seite.  In  dem  Krieg,  der  sich  zwischen  beiden  ent- 
spann, hatte  anfangs  Cornificius  die  Oberhand,  aber  mit  Hilfe  des  numidi- 
schen  Dynasten  Arabio  trug  zuletzt  Sextius  den  Sieg  davon;  Cornificius 
wurde  bei  Utica  geschlagen  und  getötet.  Dagegen  konnte  sich  Oktavian 
der  anderen  ihm  zugewiesenen  Provinzen  nicht  bemächtigen.  Sex.  Pompeius 
hatte  zuerst  Sardinien  erworben  und  sich  sodann,  nach  seiner  Proskription 
durch  die  Triumvirn,  mit  seiner  Flotte  auch  auf  Sizilien  festgesetzt;  der 
Statthalter  A.  Pompeius  Bithynicus  gewährte  ihm  Aufnahme  (Ende  43  v.  Chr.). 
Oktavian  ließ  ihn  im  nächsten  Jahr  durch  Q.  Salvidienus  Rufus  angreifen, 
jedoch  ohne  Erfolg.  Dringender  war  die  Abrechnung  mit  Brutus  und  Cassius 
und  dieser  Aufgabe  wandten  sich  nun  die  Triumvirn  zu.  Während  Lepidus 
in  Rom  blieb,  setzten  Oktavian  und  Antonius  nach  Makedonien  über. 


')    Wenn    Brutus    sogar    Münzen    mit   I        ä)  Die  Bürgerschaft  mußte  ihren  ganzen 


seinem  Porträt  schlagen  Heß,  so  darf  man 
darin  nicht,  wie  zumeist  gescliieht,  eine 
monai'chische  Velleität  erblicken.  Vgl. 
M.  Gelzek,  PW  X  1007  f. 

2)  Vgl.  z.  B.  Josephus  bell.  Jud.  I  218  f. 
Ant.  Jud.  XIV  270  f. 


Bestand  au  Geld  und  Edelmetall  im  Ge- 
samtwert von  SOOO  Talenten  (etwa  37 ^'4 
Millionen  Goldmark)  ausliefern.  Über  die 
Haltung  der  Rhodier  vgl.  Cic.  ad  fam. 
XII  14  und  15. 


264  Römische  Geschichte. 

Ihre  Vorhut,  acht  Legionen  unter  Decidius  Saxa  und  C.  Norbanus  Flaccus, 
war  schon  Mitte  42  v.  Chr.  über  das  Meer  gegangen  und  liatte  Makedonien 
und  die  thrakischen  Küstenpässe  besetzt,  wurde  aber  jetzt  von  Brutus  und 
Cassius,  die  vom  Hellespont  anmarschierten,  umgangen  und  genötigt,  sich 
auf  Amphipolis  zurückzuziehen.  Den  Übergang  derTriumvirn  über  die  Adria 
hatte  die  Flotte  des  Murcus  nicht  zu  verhindern  vermocht.  In  AmphipoHs 
vereinigte  sich  ilir  Heer  mit  Norbanus.  Brutus  und  Cassius  hatten  bei 
Philippi  an  der  Heerstraße  nach  Asien  eine  strategisch  ideale  Stellung  be- 
zogen, von  der  aus  sie  auch  mit  der  See  und  dem  Gros  ihrer  Flotte  in 
Verbindung  standen.*)  Sie  gedachten  das  kampfgeübte  Heer  der  Caesarianer 
ohne  Schlacht  im  Stellungskampf  mattzusetzen.  Aber  über  den  Versuchen 
des  Antonius,  die  Gegner  von  der  See  abzuschneiden,  kam  es  zu  einer  merk- 
würdigen Doppelschlacht:  Cassius  wurde  von  Antonius,  Oktavian  dagegen 
von  Brutus  besiegt.  Während  also  beide  Parteien  einen  Teilsieg  erfochten 
hatten  und  die  Entscheidung  nicht  gefallen  war,  hatte  sich  doch  die  Lage 
der  Bepublikaner  durch  den  übereilten  Selbstmord  des  Cassius,  der  nach 
seiner  eigenen  Niederlage  am  Sieg  verzweifelte,  erheblich  verschlechtert. 
Einige  Wochen  später  suchte  Brutus  auf  das  Drängen  seiner  Truppen  die 
Entscheidung  in  einer  zweiten  Schiacht,  die  mit  dem  völligen  Sieg  der 
Triumvirn  endete;  Brutus  entzog  sich  der  Gefangennahme  durch  frei- 
willigen Tod  (Hei'bst  42  v.  Chr.).  Nach  der  Auflösung  des  Landheeres  gab 
die  republikanische  Flotte  den  Kampf  noch  nicht  völlig  auf;  Murcus  stellte 
seine  Schiffe  dem  Sex.  Pompeius  zur  Verfügung,  während  sein  Genosse 
Cn.  Domitius  Ahenobarbus  den  Kreuzerkrieg  auf  der  Adria  auf  eigene  Faust 
fortsetzte. 

Die  Sieger  Antonius  und  Oktavian  nahmen  eine  neue  Verteilung  der 
Provinzen  vor  und  zwar  über  den  Kopf  des  in  ihrem  Bunde  kaum  noch 
geduldeten  Lepidus  hinweg,  der  für  den  ihm  diktierten  Verzicht  auf  Spanien 
und  die  Narbonensis  mit  Afrika  abgefunden  wurde.  Die  spanischen  Pro- 
vinzen fielen  an  Oktavian,  Gallia  cisalpina  hörte  als  Provinz  auf  und  wurde 
zu  Italien  geschlagen,  wo  Antonius  und  Oktavian  dieselben  Rechte  hatten. 
Die  Narbonensis  fügte  Antonius  seinem  gallischen  Besitz  hinzu.  Nach  dem 
Sieg  mufäten  vor  allem  die  den  Soldaten  gemachten  Versprechungen  er- 
füllt werden.  Antonius  ging  in  den  Osten,  um  dort  die  nötigen  Geldmittel 
aufzubringen,  während  Oktavian  in  Italien  die  Veteranen  mit  Land  ver- 
sorgen sollte.  Damals  genoß  Antonius,  der  eigentliche  Held  von  Philippi, 
weit  höheres  Ansehen  als  Oktavian,  der  nie  ein  großer  Feldherr  war.  Nach 
einem  Besuch  in  Athen  begab  sich  Antonius  im  Frühjahr  41  v.  Chr.  nach 
Kleinasien;  er  wurde  als  Gott  auf  Erden,  als  neuer  Dionysos  begrüßt  und 
schaltete  mit  souveräner  Willkür  in  den  schon  von  Brutus  geschröpften 
Landschaften,  die  nun  aufs  neue  ausgesogen  wurden.  Nach  Tarsos  entbot 
er  die  Königin  Kleopatra  von  Ägypten,  die  ihre  Politik  während  des  Krieges 
rechtfertigen  sollte,  was  der  einstigen  Freundin  Caesars  ein  Leichtes  war. 
Auch  Antonius  erlag  dem  eigenartigen  Zauber  dieser  geborenen  Herrscherin; 
während    in    den    asiatischen   Provinzen    seine  Legaten    zurückblieben,    ver- 

')  Zur  Schlacht  bei  Philippi  s.  Heuzey  et  Daumet,  Missio)i  arclu'oJoffique  en  Macf'- 
doine  (Paris  1876),  S.  97  f.  pl.  A. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chi-.).    (§43.)        265 

brachte    er    den  Winter  41/40  v.  Chr.  an   der  Seite    der   letzten  Lagidin    in 
der  ägyptischen  Residenz,  in  der  man  sich  nicht  langweilte. 

In  derselben  Zeit  hatte  Oktavian  in  Italien  einen  schweren  Stand.  Rund 
100000  Veteranen ')  galt  es  mit  Land  zu  versorgen;  die  für  diesen  Zweck 
bestimmten  achtzehn  Städte,  von  denen  übrigens  zwei,  Rhegion  und  Vibo, 
mit  Rücksicht  auf  den  bevorstehenden  Krieg  mit  Sex.  Pompeius  ausgenommen 
werden  mußten,  reichten  längst  nicht  aus.  Um  für  die  Veteranen  neue 
Bauernhufen  zu  schaffen,  schritt  man  zur  Zwangsenteignung,  und  wenn 
auch  die  Expropriierten  Anspruch  auf  Geldentschädigung  hatten,  so  machte 
doch  diese  gewaltsame  Bodenreform  zugunsten  der  Söldner  unter  der  fried- 
lichen Bevölkerung  viel  böses  Blut; 2)  die  Mifsstimmung  in  Italien  wurde 
gesteigert  durch  den  Steuerdruck  und  die  Piraterie  des  Sex.  Pompeius,  der 
mit  seinen  Kapern  die  Kornzufuhr  unterband.  Oktavian  sah  sich  zunächst 
durch  Krankheit  und  sodann  durch  die  Umtriebe  der  Antonianer  gehemmt, 
an  deren  Spitze  der  Konsul  L.  Antonius,  der  Bruder,  und  die  energische 
Fulvia,  die  Gattin  des  Triumvirn,  standen.  Sie  hetzten  und  wühlten  gegen 
Oktavian,  dem  sie  in  agitatorischer  Absicht  die  volle  Verantwortung  für 
die  doch  mit  M.  Antonius  vereinbarten  Expropriationen  beimaßen.  Auch 
die  Legaten  des  Antonius  in  Gallien,  Q.  Fufius  Calenus  und  C.  Asinius  Pollio, 
verhielten  sich  feindselig.  Da  die  Antonianer  eine  Versöhnung  ablehnten, 
so  mußten  die  Waffen  entscheiden.  Auf  kurze  Zeit  nahm  L.  Antonius  Rom 
in  Besitz;  dann  eilte  er  nach  Norden,  um  sich  mit  den  Truppen  seines 
Bruders  zu  vereinigen.  Aber  Oktavians  Feldherren  verlegten  ihm  den  Weg; 
in  Perusia  wurde  er  eingeholt  und  belagert. 2)  Nach  langem  Widerstand 
zwang  ihn  Ende  Februar  40  v.  Chr.  der  Hunger  zur  Kapitulation.  Oktavian 
sandte  ihn  später  als  einen  seiner  Statthalter  nach  Spanien.  Die  übrigen 
Antonianer  hatten  inzwischen  Italien  verlassen;  Fulvia  reiste  ihrem  Gatten 
nach  dem  Osten  entgegen;  sie  traf  mit  ihm  in  Athen  zusammen  und  ist 
bald  darauf  in  Sikyon  gestorben ;  ^)  andere  Parteigänger  des  Antonius  flüch- 
teten zu  Sex.  Pompeius.  ö)  Asinius  Pollio  blieb  in  Oberitalien,  wo  er  sich 
mit  Cn.  Domitius  Ahenobarbus  vereinigte,  der  jetzt  unter  Vermittlung  des 
Asinius  mit  seinen  Schiffen  zu  Antonius  überging.  Auch  nach  dem  Sieg 
blieb  das  Glück  dem  Oktavian  treu;  ohne  Schwertstreich  gelangte  er  in 
den  Besitz  der  gallischen  Provinzen,  die  ihm  der  Sohn  des  plötzlich  ver- 
storbenen Q.  Fufius  Calenus,  des  Statthalters  des  Antonius,  in  der  ersten 
Bestürzung  mit    elf  Legionen  übergab.    Auch    in  Afrika  war  während    des 

^)  Nach  Appian    b.  eiv.  V  5,  21    in    der  ;    Autononius  vgl.  E.  Groag,  Klio  XIV,  1915, 

Ansprache    an    die    asiatischen  Griechen  43  ff. 

über  170000;  diese  Zahl,  die  der  Sollstärke  ;        ••)  Vgl.  über  Fulvia  als  die  „erste  Für- 

von    28   Legionen    entspricht,    wii-d    von  '    stin  Roms"    das   gerechte  Urteil    von    F. 

J.  Kbomayer,    Neue  Jahrbb.  33,  1914,  161,  Münzee,  PW  VII  281  ff.    Sie  ist  besser  als 

auf  die  obige  Ziffer  reduziert.  ihr  —  sehr  schlechter  —  Ruf. 

2)  Bekannt  ist  der  Fall  des  Dichters  Ver-  *)  Unter  ihnen  Ti.  Claudius  Nero,    der 

gilius,  der  das  väterliche  Gut  nur  durch  j    Unruhen  in  Kampanien  angestiftet  hatte, 


die  Fürsprache  hoher  Gönner  rettete.  W 

S.  Teuffels  Gesch.  der  röm.  Lit.  IP  §  224 

^)  Weshalb    dieser  Krieg,    der   in  ver 

schiedenen   Teilen    Italiens    spielte,  .den 


und  nun  mit  seiner  Gattin  Livia,  der  spä- 
teren Kaiserin,  und  seinem  zweijährigen 
Sohn,  dem  nachmaligen  Kaiser  Tiberius, 
nach  SiziUen  flüchtete  und  von  dort  weiter 


Namen  des  per  US  in  i  sehen  führt.    Über       nach  Griechenland.    Velleius  II  75.    Suet. 
die  notgedrungene  Zurückhaltung  des  M.       Tib.  4.  6. 


266  Römische  Geschichte. 

perusinischen  Krieges  gestritten  worden.  Der  Antonianer  T.  Sextius  hatte 
den  von  Oktavian  in  Africa  nova  eingesetzten  Statthalter  Chi.  Fuficius  Fango 
angegriffen  und  überwunden ;  bis  nach  Spanien  griff  dieser  Krieg  hinüber, 
um  erst  aufzuhören,  als  Lepidus,  von  Oktavian  mit  Truppen  ausgerüstet, 
die  afrikanischen  Provinzen  übernahm.  Eine  Folge  des  Konflikts  mit  den 
Antonianern  war  ein  Annälierungsversuch  Oktavians  an  Sex.  Pompeius. 
Damals  löste  Oktavian  seine  Josephsehe  mit  Clodia,  der  Stieftochter  des 
M.  Antonius,  und  ging  eine  neue  politische  Konvenienzehe  mit  der  alternden 
Scribonia,  einer  Verwandten  des  Sex.  Pompeius  ein. 

Inzwischen  hatten  im  Osten  die  Parther  die  Offensive  ergriff'en;  Pakoros, 
der  Sohn  des  Orodes,  überschritt  (40  v.  Chr.)  den  Euphrat.  Bei  den  Par- 
thern weilte  als  Vertreter  des  Brutus  und  Cassius  Q.  Labienus,  der  Sohn 
des  einstigen  Legaten  Caesars  T.  Labienus.  Q.  Labienus  übernahm  den  Be- 
fehl über  ein  parthisches  Heer,  wobei  er  die  nationale  Würdelosigkeit  so- 
weit trieb,  sich  Parthicus  Imperator  zu  nennen. ^)  Von  den  Truppen  des 
Antonius  gingen  viele  zu  ihm  über  und  dessen  Statthalter  Decidius  Saxa 
wurde  erst  in  Syrien,  dann  in  Kilikien  geschlagen  und  schließlich  getötet; 
ganz  Syrien  außer  Tyros  kam  in  parthische  Gewalt.  Labienus  ging  über 
den  Tauros  und  eroberte  mit  seinem  parthisch-römischen  Heer  einen  großen 
Teil  Vorderasiens,  selbst  die  Provinz  Asia  geriet  bis  auf  die  Küste  und 
einige  feste  Plätze  in  seine  Hände. 

Um  die  orientalischen  Provinzen  zurückzuerobern,  brauchte  Antonius 
Verstärkungen,  die  er  nur  in  Italien  rekrutieren  konnte;  eine  Auseinander- 
setzung mit  Oktavian  war  unvermeidlich  und  so  kehrte  denn  Antonius  nach 
dem  Westen  zurück ;  er  war  auf  das  Schlimmste  gefaßt.  Brundisium  sperrte 
ihm  die  Einfahrt,  worauf  er  die  wichtige  Hafenstadt  zu  blockieren  begann ; 
Oktavian  zog  heran;  schon  kam  es  zu  Feindseligkeiten  und  ein  neuer  Bürger- 
krieg drohte  auszubrechen.  Gleichzeitig  unternahm  Sex.  Pompeius,  mit  dem 
sich  Antonius  verständigt  hatte,  einen  Angriff  auf  Thurii  und  Consentia 
in  Unteritalien.  Aber  die  Freunde  der  Triumvirn,  Maecenas,  Asinius  Pollio 
und  L.  Cocceius  Nerva  brachten  (Herbst  40  v.  Chr.)  einen  friedlichen  Aus- 
gleich, das  sog.  foedtis  Brundisinum^)  zuwege.  Diese  Übereinkunft  lag  im 
beiderseitigen  Interesse.  Denn  zum  Endkampf  hatte  die  Stunde  noch  nicht 
geschlagen;  Antonius  verfügte  zwar  über  eine  starke  Flotte,  aber  nicht  über 
genügend  Soldaten,  während  Oktavian  zur  See  nichts  ausrichten  konnte  und 
seines  gewaltigen  Landheeres  nicht  vollkommen  sicher  war.  Den  Pakt  der 
beiden  Triumvirn  sollte  wiederum  ein  Ehebündnis  besiegeln;  der  soeben 
verwitwete  Antonius  verlobte  sich  mit  Octavia,  der  ebenfalls  verwitweten 
Schwester  Oktavians.  Aufs  neue  teilten  die  Triumvirn  die  Welt:  Oktavian 
erhielt  den  lateinischen  Westen,  Antonius  den  hellenistischen  Osten;  die 
Demarkationslinie  zwischen  den  beiden  Machtsphären  lief  über  das  illyrische 
Scodra  (Skutari);  Afrika  verblieb  dem  Lepidus.  Italien  galt  nach  wie  vor 
als  neutraler  Boden.  Im  nächsten  Jahr  wurde  auch  mit  Sex.  Pompeius 
Friede  geschlossen.    Dieser  hatte  bereits  durch  seinen  Kapitän  Menas  dem 

')  Es    gibt   von  ihm   Münzen   mit   der    |   81  f.    Mommsen,  Eöm.  Gesch.  V  359. 
Aufschrift  Q.  Labienus  Parthicus  imp.  Vgl.  ^)  Vgl.  J.  Kromayer,    Hermes  29,  1894, 

A.  V.  Sället-Regling,  Die  antiken  Münzen,    |   556  ff. 


6.  Vierte.  Periode :  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§  43.)       267 

Oktavian  die  Insel  Sardinien  entrissen  und  bedrohte  Eom  mit  Hungersnot, 
indem  er  die  Getreidezufuhr  mit  seiner  Flotte  lahm  legte;  trotzdem  war 
der  Sohn  des  großen  Pompeius  in  Italien  noch  immer  populär;  unter  dem 
Druck  der  öffentlichen  Meinung  und  auf  Wunsch  des  Antonius  mußte  sich 
Oktavian  zu  einem  Ausgleich  mit  dem  „Seekönig"  bequemen.  Bei  Kap 
Misenum  hatten  die  beiden  Triumvirn  mit  Sex.  Pompeius  eine  Zusammen- 
kunft (Sommer  39  v.  Chr.).  Sex.  Pompeius  wurde  durch  den  Vertrag  von 
Misenum  als  Herr  der  See  und  der  Inseln  Sizilien,  Sardinien  und  Korsika 
anerkannt,  weiterhin  wurde  ihm  die  Provinz  Achaia  und  das  Konsulat  in 
Aussicht  gestellt,  sowie  eine  Entschädigung  für  das  eingezogene  väterliche 
Erbe;  auch  sollten  seine  Anhänger  bei  der  Amterverteilung  berücksichtigt 
werden.*)  Sextus  hat  eine  eigenartige  Stellung,  er  betrachtet  sich  als  Rechts- 
nachfolger und  Rächer  seines  Vaters,  in  dessen  Spuren  er  wandeln  will; 
deshalb  legte  er  sich  den  Beinamen  Plus  zu.  Er  war  übrigens  ein  Mann 
von  autokratischen  Neigungen;  seinen  Genossen  aus  dem  Senatorenstand 
traute  er  nicht;  den  Pompeius  Bithynicus,  mit  dem  er  zuerst  die  Herrschaft 
über  Sizilien  teilte,  und  den  Staius  Murcus,  der  mit  seinen  Schiffen  zu  ihm 
übergegangen  war,  räumte  er  aus  dem  Weg.  Dagegen  gab  er,  ähnlich  wie  sein 
Vater,  viel  auf  seine  Freigelassenen;  nur  von  diesen  seinen  Kreaturen  ließ 
er  seine  Flotte  kommandieren;  deshalb  hielten  nur  wenige  Männer  von  Rang 
bei  ihm  aus.  Für  die  Sicherheit  Italiens  und  des  ganzen  Westens  bedeutete 
er  eine  ständige  Gefahr.  Flüchtlinge,  Seeräuber,  entlaufene  Sklaven  fanden  bei 
ihm  Zuflucht,  mehrere  Inseln  und  Küstenplätze  Italiens  bis  nach  Kampanien 
hin  waren  in  seinem  Besitz,  in  Rom  hatte  er  noch  immer  seinen  Anhang.  2) 
Während  Antonius  nach  dem  Frieden  von  Misenum  zum  Partherkrieg 
abging,  begab  sich  Oktavian  zunächst  nach  Gallien,  wo  an  der  germanischen 
Grenze  und  in  Aquitanien  Aufstände  ausgebrochen  waren.  M.  Agrippa  über- 
nahm es,  die  Ruhe  wieder  herzustellen.  Bei  dieser  Gelegenheit  überschritt 
er  den  Rhein  (38  v.  Chr.)  und  siedelte  die  Ubier,  um  sie  zu  schützen,  auf 
dem  linken  Rheinufer  an  mit  dem  späteren  Köln  als  Mittelpunkt.  3)  Durch 
einen  großen  Sieg  brachte  Agrippa  auch  die  Aquitaner  zur  Unterwerfung 
(38  V.  Chr.).  Oktavian  war  inzwischen  nach  Italien  zurückgekehrt,  wo  sich 
bald  neue  Feindseligkeiten  mit  Sex.  Pompeius  entspannen,  nachdem  Oktavian 
sich  durch  den  verräterischen  Flottenführer  des  Sextus,  Menas,  die  Insel 
Sardinien  hatte  in  die  Hände  spielen  lassen,  womit  er  den  Vertrag  von 
Misenum  verletzte,  an  den  sich  auch  Antonius,  der  Achaia  nicht  herausgab, 
und  Sex.  Pompeius  nicht  kehrten.  Schon  38  v.  Chr.  nahm  der  Krieg  wieder 
seinen  Anfang  trotz  dem  Abraten  des  Antonius,  der  damals  von  Griechen- 
land aufs  neue  bei  Tarent  erschien,  dann  aber  zum  Partherkrieg  in  den 
Orient  eilte.  Den  Winter  39/38  v.  Chr.  hatte  Antonius  an  der  Seite  seiner 
Gattin  Octavia  in    seiner  Lieblingsstadt  Athen  zugebracht  und    einstweilen 


')  Sein  Legat  L.PliniusRufus  bezeichnet   ;  au  Stelle  des  Praeuomens. 

sich    in    einer  Inschrift   als   designierten    '  ^)  Vgl.DRUMANN-GEOEBE  IV  563ff.  Dorn- 

Prätor.    Sextus  selbst   wird  dort  Magnus  Seiffen,    De    Sexfo   Pompeio   Magno   Magni 

Pompeius  Magni  filius  Pins  genannt.    ILS    ''  filio,  Utrecht  1846:  Hitze,  De  Sex.  Pompeio, 

III  2  ur.  8891.    K.  Mras,  Wien.  Stud.  25,    '  Breslau  1883. 

1903,  288  flf.  Sex.  Pompeius  führt  also  hier   \  ^)  Strabo  IV  194. 
das  vom  Vater  ererbte  Cognomen  Magnus 


268  Römische  Geschichte. 

den  Partherkrieg  seinem  Legaten  P.  Ventidius  übertragen.  Ventidius  .schlug 
den  Labienus  aus  Asien  hinaus;  Labienus  mußte  flüchten  und  fand  den 
Tod;  die  Parther  wurden  in  zwei  Treffen,  am  Tauros  und  Amanos,  ge- 
schlagen und  die  verlorenen  Provinzen  zurückerobert  (39  v.  Chr.).  Noch 
einmal  erneuerte  im  nächsten  Jahr  Pakoros  den  Angriff  und  überschritt 
unerwartet  den  Euj^thrat,  wurde  aber  bei  Gindaros  in  der  Kyrrhestike  ge- 
schlagen und  getötet,  angeblich  an  demselben  Tag,  an  dem  fünfzehn  Jahre 
vorher  Crassus  von  den  Parthern  getötet  worden  war  (oben  S.  236)  (38  v.  Chr.). 
Syrien  und  überhaupt  der  ganze  römische  Orient  wurden  Avieder  unter- 
worfen, nur  einige  Landschaften  verharrten  noch  im  Aufstand.  Der  König 
Antiochos  von  Kommagene,  der  sich  nicht  unbedingt  hatte  fügen  wollen, 
Avurde  in  seiner  Hauj^tstadt  Samosata  (am  Euphrat)  belagert,  und  hier  traf 
nun  Antonius  ein.  Aber  Antiochos  setzte  wider  Erwarten  den  Widerstand 
mit  solcher  Zähigkeit  fort,  daß  Antonius  die  Belagerung  aufheben  und  dem 
König  weit  glimpflichere  Bedingungen  gewähren  mußte,  als  dieser  selbst 
zuvor  dem  Ventidius  vorgeschlagen  hatte.  Den  Winter  38/37  v.  Chr.  ver- 
brachte Antonius  wieder  in  Athen.  Der  Krieg  blieb  seinen  Legaten  über- 
lassen. P.  Canidius  Crassus  gewann  Armenien  und  focht  von  hier  aus  mit 
Erfolg  gegen  Iberer  und  Albaner  (37  36  v.  Chr.).  C.  Sosius  bezwang  Syrien 
vollends  ganz;  er  nahm  Arados  und  unterwarf  Judaea.  Nach  fünfmonat- 
licher Belagerung  wurde  Jerusalem  von  Sosius  im  Verein  mit  dem  Idumäer 
Herodes  im  Jahr  37  v.  Chr.  erobert.  Der  von  den  Parthern  in  Jerusalem 
zum  jüdischen  König  eingesetzte  Antigonos,  ein  Sohn  des  Aristobul  (S.  223), 
wurde  gefangen  und  auf  Befehl  des  Antonius  in  Antiochien  enthauptet. 
Mit  ihm  endete  die  Dynastie  der  Hasmonäer,  deren  Thron  in  Jerusalem 
Herodes  bestieg,  der  Sohn  des  Antipatros,  des  Majordomus  des  von  den 
Parthern  abgesetzten  königlichen  Hohenpriesters  Hyrkanos  H.  Herodes 
hatte  sich  40  v.  Chr.  vor  den  Parthern  nach  Rom  geflüchtet  und  war  von 
den  Triumvirn  und  vom  Senat  als  König  der  Juden  anerkannt  worden, 
konnte  aber  erst  nach  längeren  Kämpfen  mit  Antigonos  die  Herrschaft 
endgültig  antreten.') 

Antonius  wollte  nun  endlich  mit  dem  Rachekrieg  gegen  die  Parther  und 
also  mit  der  Ausführung  von  Caesars  letztem  Entwurf  Ernst  machen.  Dazu 
brauchte  er  Truppen  aus  Italien,  die  er  aber  nicht  ohne  weiteres  bekam. 
Denn  inzwischen  war  das  Einvernehmen  der  Triumvirn  von  beiden  Seiten 
gestört  worden,  vor  allem  durch  Sex.  Pompeius.  Schon  38  v.  Chr.  hatte 
Oktavian,  für  den  der  Besitz  Siziliens  eine  Lebensfrage  war,  die  Feind- 
seligkeiten gegen  den  „Seekönig"  wieder  aufgenommen.  Von  zwei  Seiten, 
auf  dem  tyrrhenischen  und  dem  ionischen  Meer,  wurde  der  Angriff  geführt; 
nach  einem  unentschiedenen  Seegefecht  bei  Cumae  rückte  Calvisius  Sabinus 
im  tyrrhenischen  Meer  gegen  Sizilien  vor,  während  Oktavian  von  Tarent 
aus  in  See  stach,  aber  nach  einem  unglücklichen  Treffen  in  der  Straße  von 
Messina    so    schwere  Havarie    erlitt,    daß  er    von    seinem  Unternehmen  zu- 


')  Vgl.  Walter  Otto,  PW,  Suppl.  II  1  if .  v.  Chr.;  über  das  richtige  Datum  (Juli  37 

( =  Herodes.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  ]üd.  Königs-  v.  Chr.)  s.  Otto  a.  a.  O.  31,  Aum.  (Herodes 

hauses).  —  Cass.  Dio  XLIX  22  setzt  den  )    S.  33**). 
Fall   Jerusalems  fälschlich   in   das   J.  38 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§43.)        269 

nächst  abstehen  mufäte.  Da  Antonius  die  Hilfe  gegen  Sextus  abgelehnt 
hatte,  so  wurde  ihm,  als  er  37  v.  Chr.  in  Brundisium  einfahren  wollte,  von 
Oktavian  der  Hafen  gesperrt.  Trotz  diesem  Akt  offener  Feindschaft  gelang 
es  der  Vermittlung  der  Octavia,  nochmals  eine  Versöhnung  anzubahnen.  Bei 
einer  persönlichen  Begegnung  der  beiden  Triumvirn  bei  Tarent  wurde  ein 
neues  Abkommen  getroffen,  in  das  sie  auch  den  Lepidus  mit  einbezogen. 
Das  Triumvirat  wurde  auf  weitere  fünf  Jahre  verlängert.')  Antonius  ließ 
den  Sex.  Pompeius  ganz  fallen:  Oktavian  und  Lepidus  versprachen  dem 
Antonius  für  den  Partherkrieg  eine  ansehnliche  Truppenmacht,  als  Gegen- 
leistung stellte  er  für  den  Kampf  mit  Sextus  Schiffe  zur  Verfügung.  Auch 
Lepidus  erklärte  sich  bereit,  am  Krieg  gegen  Sextus  teilzunehmen,  und  nun 
ließ  Oktavian  alsbald  durch  M.  Agrippa,  der  damals  (37  v.  Chr.)  Konsul  war, 
umfassende  Vorbereitungen  zum  sizilischen  Krieg  treffen.  Der  Lukrinersee 
beim  Golf  von  Neapel  wurde  damals  mit  dem  Meer  verbunden  und  in  einen 
großen  Kriegshafen  {portus  Julius)  umgewandelt.  Sextus  rüstete  sich  zum 
Widerstand,  seine  Hauptmacht  sammelte  sioh  in  Messana  und  Lilybaeum. 
Am  1.  Juli  36  v,  Chr.  stachen  drei  Flotten  mit  Kurs  nach  Sizilien  in  See, 
und  zwar  das  Gros  unter  Oktavian  und  Agrippa  von  dem  neuen  Hafen 
bei  Puteoli  aus,  die  von  Antonius  geliehenen  Schiffe  unter  Statilius  Taurus 
von  Tarent,  diejenigen  des  Lepidus  von  der  afrikanischen  Küste  aus.  Lepidus 
konnte  in  Sizilien  landen  und  die  Belagerung  von  Lilybaeum  beginnen,  da- 
gegen wurde  Oktavians  Flotte  durch  Stürme  derart  beschädigt,  daß  eine 
längere  Verzögerung  einti-at.  Doch  setzte  Oktavian  alles  daran,  den  Ver- 
lust, den  ihm  die  Elemente  zugefügt  hatten,  wieder  auszugleichen:  die  Flotte 
wurde  wieder  seetüchtig  gemacht  und  lichtete  einen  Monat  später  von  neuem 
die  Anker.  Agrippa  errang  bei  Mylae  einen  Seesieg;  dann  glückte  es  dem 
Oktavian,  einige  Truppen  unter  L.  Cornificius  nach  Tauromenion  überzu- 
setzen, die  zwar  von  Sextus  aufs  äußerste  bedrängt  wurden,  sich  aber  doch 
behaupteten,  bis  es  dem  Agrippa  gelang,  Verstärkungen  hinüberzuwerfen. 
Agrippa  nahm  Tyndaris,  voll  Westen  her  zog  Lepidus  heran,  und  Sextus 
mußte  eine  Entscheidungsschlacht  annehmen.  Bei  Naulochos  errang  Agrippa 
am  3.  September  36  v.  Chr.  einen  Seesieg,  in  dem  der  Kern  der  pompejani- 
schen  Flotte  vernichtet  wurde.  Sex.  Pompeius  gab  Sizilien  ohne  weiteren 
Kampf  auf  und  flüchtete  mit  wenigen  Schiffen  nach  Kleinasien,  ohne  sich 
um  sein  Landheer  zu  kümmern.  Messana,  das  sein  Legat  L.  Plinius  be- 
hauptete, wurde  von  Agrijspa  und  Lepidus  eingeschlossen.  Die  pompejani- 
schen  Truppen  ergaben  sich  dem  Lepidus,  der  ihnen  über  den  Kopf  des 
noch  abwesenden  Oktavian  hinweg  die  Stadt  zur  Plünderung  preisgab  und 
sie  in  sein  Heer  einreihte.  Ja,  Lepidus  machte  sogar  Miene,  Sizilien  für 
sich  zu  behalten;  aber  Oktavian  war  nicht  der  Mann,  sich  um  den  Sieges- 
preis prellen  zu  lassen.  Es  wäre  zu  einem  neuen  Krieg  zwischen  den  beiden 
Triumvirn  gekommen,  wenn  nicht  die  kampfesmüden  Truppen  des  Lepidus 
es  vorgezogen  hätten,  zu  Oktavian  überzugehen.    Von  seinem  Heer  im  Stich 

')  Appian  bell.civ.y  95,  Illyr.28.    J.  Keo-  Daß  auch  der  Vertrag  von  Tarent  durch 

MAYEK,    Die    rechtliche    Begründung    des  Volksbeschlußbestätigt  wurde,  wird  gegen 

Triumvirats,  Straßburger  Diss.,  Marburg  Mommsen  (Staatsrecht  11^  718,  3)  von  Keo- 

1888, 8.  Die  ursprüngliche  Frist  war  schon  mayer    und  W.  Kolbe,    Hermes  49,   1914, 

am   31.  Dezember  38  v.  Chr.    abgelaufen.  276  ff.  mit  guten  Gründen  verfochten. 


270  Römische  Geschichte. 

gelassen,  mußte  sich  Lepidus  der  Gnade  Oktavians  anvertrauen.  Oktavian 
nahm  ihm  seine  Provinzen  ab  und  entkleidete  ihn  seines  Amtes,  beließ  ihm 
aber  die  Würde  eines  jxjntifex  maximus,  die  ihm  erst  der  Tod  raubte.') 

Der  Sieg  über  Sex.  Pompeius  und  die  Beseitigung  des  Lepidus  sind 
Ereignisse  von  einschneidender  Bedeutung,  machten  sie  doch  Oktavian  zum 
alleinigen  Herrn  des  Westens.  Die  Sicherheit  des  Meeres  konnte  wieder 
hergestellt,  Italien  vom  Banditenunwesen  gesäubert  und  die  Hauptstadt,  in 
der  Sextus  nicht  wenige  Anhänger  gezählt  hatte,  beruhigt  werden.  Die 
Versorgung  Koms  und  Italiens  mit  sizilischem  und  afrikanischem  Korn  war 
sichergestellt.  Die  aufatmende  Bevölkerung  konnte  wieder  ungestört  ihren 
friedlichen  Geschäften  nachgehen.  Viele  Veteranen  wurden  entlassen  und  zu- 
meist in  Kampanien  angesiedelt.  Bei  der  Rückkehr  nach  Rom  war  Oktavian 
mit  großen  Ehren  empfangen  worden.  Ein  Volksbeschluß  verlieh  ihm  im 
Jahr  35  v.  Chr.  die  tribunizische  Gewalt  auf  Lebenszeit  und  schützte  damit 
seine  Person;  sein  Stern  war  im  Steigen. 

Sein  Rivale  Antonius  war  nach  dem  Tarentiner  Abkommen  zum  Parther- 
krieg in  den  Orient  abgegangen.  2)  Hier  erneuerte  er  sogleich  seine  Ver- 
bindung mit  Kleopatra,  die  er  (37/36  v.  Chr.)  zu  sich  nach  Antiochien  berief, 
wo  er  sich  mit  ihr  vermählte  und  ihr  als  „Morgengabe"  größere  Teile  Syriens 
sowie  die  Insel  Kypros  mit  Annexen  an  der  kilikischen  Küste  überließ.  3) 
Im  Jahr  36  v.  Chr.  trat  dann  Antonius  den  Partherzug  an.  Bei  den  Par- 
thern waren  kurz  zuvor  (37  v.  Chr.)  nach  der  Thronbesteigung  des  Phraates  II 
und  dem  Tod  des  Orodes  Unruhen  ausgebrochen,  die  sich  Antonius  zunutze 
zu  machen  gedachte.  Er  suchte  den  Phraates  durch  Unterhandlungen  zu 
täuschen  und  hoffte  ihn  zu  überraschen;  daher  ging  sein  Angriff  nicht  gerade- 
wegs über  den  Euphrat,  sondern  auf  einem  weiten  Umweg  zog  er  durch 
Armenien  in  das  atropatenische  Medien  ein.^)  Jedoch  nach  vergeblicher 
Belagerung  einer  festen  Stadt  ^)  mußte  er  einen  gefahrvollen  Rückzug  an- 
treten, beständig  von  den  Parthern  verfolgt.  Er  bewährte  in  dieser  gefähr- 
lichen Lage  seine  kriegerischen  Tugenden  in  Vollem  Maß  und  schlug  sich 
nach  Armenien  durch;  aber  er  hatte  von  rund  100000  Mann  über  ein  Drittel 
eingebüßt,  und  der  mit  großen  Mitteln  begonnene  Feldzug  endete  mit  einem 
Fiasko,  das  seinem  Ansehen  nicht  wenig  schadete.  Um  jene  Zeit  tauchte 
Sex.  Pompeius  auf  der  Flucht  in  Asien  auf;  zuerst  fand  er  Aufnahme  in 
Mytilene,    dann  bemächtigte    er   sich  der  Stadt  Lampsakos  und    setzte  sich 


')  Lepidus  ist  vor  dem  6. März  12  v.Chr.  V.  Gardthaüsen,    Neue  Jahrbb.  37,    lUlT, 
gestorben,  an  welchem  Tag  Oktavian  als   ,    158  ff.  bestreitet,    daß  Antonius  vor    der 

sein  Nachfolger  zum  jjontifex  max'nmis  ge-  Scheidung  von  Octavia  eine  förmliche  Ehe 

wählt  wurde.  mit  Kleopatra  ein-ging.  —  Über  Kleopatra 

-)  Octavia  begleitete  ihn  nur  bisKorkyra.  s.  M.  L.  Strack,  Hist.  Zeitschr.  115,  3.  F.  19, 

^)  Vgl.  MoMMSEN,  Res  gestae  divi  Aug.  118  1916.  473  flF. 

und  Additam.;    ScHUREli,  Gesch.  des  jüd.  *)  Vgl.  über  diesen  Feldzug  Bürcklein, 

Volkes  P  316:  Kromayer.  Hermes  29, 1894,  Quellen  und  Chronologie  der  röm  -parth. 

571.    Josephus  b.  Jud.  I  859  f.    Antiq.  XV  Feldzüge  i.  d.  J.  713  bis  718  d.  St.,  Diss. 

88  f.    Da  sich  Antonius  erst  32  v.Chr.  von  Berl.  1879.  Kromayer,  Hermes 31, 1896, 70f. 

Octavia  scheiden  liefs,  so  lebte  er  4  Jahre  =)    Phraata     bei    Plutarch    Anton.    38, 

lang,    von  36 — 32  v.  Chr.,    nach    unseren  Praaspa  bei  Cass.  Dio  XLIX  2-5,  Vera  bei 

Begriffen    in    Bigamie.     Nach    römischer  Strabo  XI  523.    Dies  ist  nach  Rawlinsox 

Rechtsanschauung  war  allerdings  die  Ehe  das  heutige  Tachti  Suleiman;  vgl.  Gardt- 

mit   der  Ausländerin  Kleopatra   nichtig.  haüsen,  Augustus  I  295  f.  II  153  f. 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.Chr.).    (§43.)       271 

in  Bithynien  fest;  er  erhielt  großen  Zulauf.  Ermutigt  durch  das  Mißgeschick 
des  Antonius,  suchte  er  sich  mit  dem  Partherkönig  ins  Benehmen  zu  setzen, 
wobei  ihm  die  Rolle  des  Q.  Labienus  vorschwebte.  Aber  in  Phrygien  ereilten 
ihn  die  Truppen  des  Antonius  unter  M.  Titius,  C.  Eurnius  und  dem  Galater- 
könig  Amyntas.  Er  wurde  als  Gefangener  nach  Milet  gebracht  und  dort 
hingerichtet  (35  v.  Chr.).  Zur  Feier  der  Besiegung  des  Sex.  Pompeius  ließ 
Oktavian  für  Antonius  durch  den  Senat  hohe  Auszeichnungen  beschließen. 

Oktavian  wandte  sich  nunmehr  gegen  die  nördlichen  und  östlichen  Nach- 
barn Italiens  in  den  Alpen  und  in  Illyrien,  die  während  der  Bürgerkriege 
Italien  zu  Wasser  und  zu  Lande  oft  genug  beunruhigt  hatten,  i)  In  Illyrien 
waren  die  Dalmater  und  andere  Stämme  überhaupt  nie  ganz  unterworfen. 
Schon  zur  Zeit  der  gallischen  Kriege  Caesars  ließ  die  Sicherheit  an  der 
dortigen  Küste  viel  zu  wünschen  übrig  (oben  S.  242),  die  späteren  Bürger- 
kriege machten  manche  Völkerschaften  ganz  unabhängig  und  verhalfen  ihnen 
zu  Waffen,  Beute  und  Geld.  Einzelne  Inseln  wurden  zu  förmlichen  Raub- 
nestern, und  auch  die  italischen  Küsten  scheinen  heimgesucht  worden 
zu  sein.  Unter  dem  Diktator  Caesar  hatte  P.  Vatinius  (45  44:  v.  Chr.)  in 
Illyrien  zvi  kämpfen,  später  39  v.  Chr.  Asinius  Pollio,  beide  ohne  viel 
auszurichten.  Oktavian  wollte  hier  ganze  Arbeit  tun.  Sein  letztes  Ziel, 
die  Donau,  sollte  er  freilich  nicht  erreichen.  Er  wandte  sich  zuerst  gegen 
das  nördliche  Ilh^rien,  überwand  nach  heftigem  Widerstand  die  Japoder, 
drang  weiter  zu  den  Pannoniern  vor  und  eroberte  Segestike  oder  Siscia 
(Sziszek)  an  der  Save  und  Kulpa;  damit  hatte  er  den  wichtigsten  Stütz- 
punkt für  weitere  Operationen  gegen  die  Geten  und  Bastarner  gewonnen. 
Doch  drang  er  in  der  Folge  nicht  weiter  gegen  Norden  vor,  sondern  wandte 
sich  im  nächsten  Jahr  (34  v.  Chr.)  gegen  die  Dalmater;  der  schwierige  Krieg 
wurde  durch  den  Winter  hindurch  unter  persönlicher  Teilnahme  Oktavians 
ins  nächste  Jahr  hinein  bis  zur  Unterwerfung  der  Feinde  und  Sicherung 
der  Küstenlandschaft  fortgesetzt.  Kurz  vorher  (34  v.  Chr.)  hatte  M.  Valerius 
Messalla  Corvinus  das  Alpenvolk  der  Salasser  bezwungen. 

Antonius  bereitete  sich  in  dieser  Zeit  auf  einen  neuen  parthischen  Feldzug 
vor.  Er  trat  mit  dem  König  des  westlichen,  atropatenischen  Medien,  einem 
parthischen  Vasallen,  in  Verbindung  2)  und  legte  die  Hand  auf  Armenien, 
dessen  König  Artavasdes  das  Mißlingen  des  parthischen  Feldzuges  ver- 
schuldet haben  sollte.  Nach  einem  ersten  Versuch  im  Jahr  35  v.  Chr.  rückte 
Antonius  im  nächsten  Jahr  unerwartet  gegen  Armenien,  nahm  den  Arta- 
vasdes bei  einer  Unterredung  gefangen,  besetzte  das  Land  und  entführte 
den  König  mit  sich  nach  Alexandrien,  wo  er  über  ihn  einen  Triumph  feierte. 
In  Armenien  entstanden  darüber  Unruhen  und  Empörung,  ein  Sohn  des 
Artavasdes,  Artaxes  (oder  Artaxias),  wurde  von  den  Parthern  ins  Land 
geführt,  und  Antonius  mußte  abermals  in  Armenien  eingreifen.  33  v.  Chr. 
stand  er  am  Araxes  und  brachte  das  Bündnis  mit  dem  Mederkönig  zum 
Abschluß.     Selbst    mit   den    feindlichen   Nachbarn    der   Parther,    den  Indo- 


1)  Appian  lUyr.  16  f.    Cass.  Dio  XLIX  35.  Oct.    in   Illyrien,    Schriften   der   Balkan- 

Strabo  VII  313  f.    Zippel,   Illyrien   unter  kommission  VII,  Wien  1914. 

röm.  Herrschaft  226  f.    Kromayek,  Hermes  ;        -)  Wie   der   armenische    König   führte 

33,  1898,  1  ff.    G.  Veith,  Die  Feldzüge  des  auch  dieser  den  Namen  Artavasdes. 


272  Römische  Geschichte. 

skythen,  die  damals  Indien  beherrschten,  trat  er  in  Verbindung.  Er  hegte 
großartige  Erol)erungspläne,  die  an  Alexander  den  Großen  anknüpften. 

Bei  ihrer  Ausführung  hätte  er  die  Unterstützung  Oktavians  nicht  ent- 
behren können,  nun  aber  kam  es  gerade  jetzt  zum  völligen  Bruch  und 
weiter  zum  offenen  Krieg.  Den  Anstoß  gab,  abgesehen  von  der  natürlichen 
Rivalität  der  beiden  Machthaber,  der  Sturz  des  Sex.  Pompeius  und  des 
Lepidus  sowie  die  steigende  Macht  Oktavians,  der  sich  in  den  Alleinbesitz 
Italiens  und  seiner  militärischen  Hilfsquellen  setzte  und  seinem  Kollegen 
den  ihm  zukommenden  Anteil  nicht  gönnte,  ja  ihm  nicht  einmal  die  im 
Vertrag  von  Tarent  versprochene  Hilfe  gegen  die  Parther  geleistet  hatte. 
Um  daher  seinen  Anspruch  auf  Italien  nötigenfalls  mit  Gewalt  zu  erzwingen, 
schritt  Antonius  zu  Rüstungen,  die  schon  35  v.  Chr.  ihren  Anfang  nahmen. 

Der  Gegensatz  wurde  noch  verschärft  durch  die  Verbindung  des  Antonius 
mit  der  Königin  von  Ägypten,  als  deren  „Prinzgemahl"  er  sich  seit  Anfang 
36  V.  Chr.  gerierte.  Seine  Ehe  mit  Kleopatra  war  nicht  nur  eine  persön- 
liche Beleidigung  für  seinen  Schwager  OktaA'ian,  sondern  auch  ein  Ereignis 
von  größter  politischer  Tragweite;  denn  im  Bund  mit  Kleojjatra  verfügte 
Antonius  über  das  reichste  Land  des  Orients.  Nach  dem  parthischen  Fehl- 
schlag hatte  die  edle  Octavia  dem  pflichtvergessenen  Gatten  nochmals  die 
Hand  zur  Versöhnung  entgegengestreckt,  wurde  aber  schroff  zurückgewiesen 
(35  V.  Chr.).  Die  Verbindung  des  Römers  mit  der  Ägypterin  gab  in  Rom 
viel  Ärgernis.  Nicht  weniger  Anstoß  erregte  dort  die  Unbekümmertheit, 
mit  der  Antonius  über  die  asiatischen  Landschaften  verfügte,  wozu  er  frei- 
lich durch  die  ihm  vom  Senat  übertragenen  Vollmachten  befugt  war.  Außer 
Judäa  erhielten  Galatien  und  Kappadokien  neue,  dem  Antonius  ergebene 
Fürsten.  In  Galatien  und  den  südlich  angrenzenden  Landschaften  Avurde 
Amyntas  König,  Archelaos  in  Kappadokien.  Mit  den  östlichen  Teilen  der 
Provinz  Pontos  wurden  Söhne  des  Pharnakes  und  später  ein  vornehmer 
Grieche,  Polemon  von  Laodikeia  in  Phrygien,  ausgestattet.  Besonders  reich 
wurde  Kleopatra  bedacht.  Schon  Anfang  36  v.  Chr.  ^j  verlieh  Antonius  ihr 
einzelne  syrische  Landschaften;  nach  dem  Triumph  über  Artavasdes  (34: 
v.  Chr.)  —  auch  das  eine  Ungeheuerlichkeit,  denn  nur  am  Tiber  und  nicht 
am  Nil  ist  für  römische  Begriffe  ein  Triumph  denkbar  —  wurde  in  feierlicher 
Versammlung  in  Alexandrien  Kleopatra  zur  Königin  der  Könige  [ßaoi/j^ 
ßaoikecov)  ausgerufen  mit  einem  den  Arsakiden  entlehnten  Titel.  Ägypten, 
Kypros,  Kyrene,  Teile  Kilikiens  und  selbst  Kretas  wurden  ihr  überlassen: 
so  war  nahezu  das  ptolemäische  Ägypten  zur  Zeit  seiner  höchsten  Macht 
wiederhergestellt.  Kaisarion  (Ptolemaios  XVI),  den  Antonius  als  Sohn  Caesars 
anerkannte,  wurde  ihr  Mitregent:  ihre  und  des  Antonius  Söhne  wurden  als 
Könige  der  Könige  mit  Herrschaften  ausgestattet,  der  eine  mit  Phönike. 
Syrien  und  Kilikien,  der  andere  mit  Armenien,  Medien,  Parthien;  eine 
Tochter  mit  Kyrene.-)  Von  den  römischen  Provinzen  im  Orient  blieben  nur 
Asien  und  Bithynien   unangetastet.    In  den  Augen  der  Römer   bedeuteten 


^)  Vgl.  über   die   Zeit  Walter  Otto  a. 
S.  268  A.  1  a.  O.  43  (45)  Anm. 

^)   Kleopatra    schenkte    dem    Antonius 
drei  Kinder,    ein  Zwillingspaar,   Alexan-    |    Dio  XLIX  41. 
dros  und  Kleopatra,  und  einen  Sohn  Ptole-    [ 


maios,  beigenannt  Philadelphos.  Die  Toch- 
ter Kleopatra  heiratete  später  den  Juba 
von  Mauretanien.   Plut.  Aut.  54.  87.  Cass. 


6.  Vierte  Periode :  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chr.).    (§  43.)       273 

diese  Schenkungen  eine  Minderung  des  Reiches,  und  selbst  die  Freunde 
des  Antonius  konnten  sein  Verlialten  nicht  rechtfertigen.  Vielen  unter  ihnen 
war  die  Verbindung  mit  der  ägyptischen  Königin  und  die  Förderung  der 
ptolemäischen  Großraachtspolitik  ein  Dorn  im  Auge,  und  nicht  wenige  gingen 
zu  Oktavian  über. 

Die  das  römische  Nationalgefühl  verletzenden  Vorgänge  in  Alexandrien 
veranlaßten  den  Oktavian,  mit  Anklagen  gegen  Antonius  öffentlich  hervor- 
zutreten, woraus  sich  ein  Federkrieg  der  Triumvirn  entwickelte,  der  von 
den  Parteigängern  auf  beiden  Seiten  lebhaft  weitergeführt  wurde.  Antonius 
beschwerte  sich  seinerseits  über  die  Absetzung  des  Lepidus  und  verlangte 
Halbpart  von  allen  Erwerbungen  Oktavians,  sowie  die  Hälfte  der  italischen 
Rekruten.  Die  Antwort  Oktavians,  der  die  nicht  unbegründeten  Ansprüche 
glatt  ablehnte,  ging  dem  Antonius  33  v.  Chr.  in  Armenien  zu;  er  setzte 
hierauf  sein  Heer  sofort  gegen  Westen  in  Marsch;  der  Krieg  gegen  die 
Parther  war  damit  aufgegeben.  Dann  fiel  die  Entscheidung  zu  Anfang  32 
v.Chr.,  als  in  Rom  zwei  Antonianer,  Cn.Domitius  Ahenobarbus  und  C.  Sosius, 
das  Konsulat  antraten.  In  einem  Schreiben  an  den  Senat  erklärte  sich  An- 
tonius bereit,  das  Triumvirat,  dessen  zweite  Periode  damals  ablief,  nieder- 
zulegen und  die  alte  Verfassung  wieder  in  Kraft  zu  setzen.  Die  Konsuln 
stellten  sich  in  den  Dienst  des  Antonius.  Oktavians  Lage  war  höchst  kritisch. 
Seit  dem  1.  Januar  32  v.  Chr.  ist  er  nur  noch  amtloser  Privatmann.  Wäh- 
rend sein  Rivale  als  Prinzgemahl  der  ägyptischen  Königin  den  Verlust  des 
Triumvirates  leicht  verschmerzen  kann,  hat  Oktavian  den  legalen  Boden 
seiner  Macht  unter  den  Füßen  verloren.  Aber  mit  einem  Staatsstreich, i) 
gestützt  auf  die  Schwerter  seiner  Soldaten,  terrorisierte  er  den  Senat.  Vor 
der  Gewalt  räumten  seine  Gegner,  an  ihrer  Spitze  die  Konsuln,  das  Feld. 
Oktavian  gewann  sein  gewagtes  Spiel  durch  Veröffentlichung  des  Testaments 
des  Antonius,  das  ihm  der  Verrat  zweier  Überläufer  zugänglich  machte  und 
durch  dessen  Inhalt  die  nationale  Würdelosigkeit  des  Antonius  aufgedeckt 
wurde.  Der  Abtrünnige  wurde  durch  Volksbeschluß  seiner  Ämter  entsetzt 
und  an  Kleopatra  der  Krieg  erklärt.  Jetzt  erst  löste  Antonius  in  aller 
Form  seine  Ehe  mit  Octavia,  die  sich  durch  ihre  würdige  Haltung  allgemeine 
Sympathie  erworben  hatte.  Die  öffentliche  Meinung  erblickte  in  Oktavian 
den  Vertreter  der  nationalen  Sache,  den  Anwalt  des  populus  Eomanus. 
Vergebens  versuchte  Antonius  in  Italien  gegen  ihn  Stimmung  zu  machen. 
Trotz  den  neu  aufgelegten  Kriegssteuern  blieb  mit  wenigen  Ausnahmen 
alles  ruhig;  die  Mehrheit  des  Senats  erklärte  sich  für  Oktavian.  Volk  und 
Senat  leisteten  ihm  den  militärischen  Treueid.  Der  Staatsstreich  war  ver- 
gessen und  vergeben. 

Antonius  und  Kleopatra  vereinigten  sich  zur  Eröffnung  des  Feldzuges 
schon  im  Herbst  33  v.  Chr.  in  Ephesos  und  weilten  dann,  während  die  Flotten 
imd  Heere  sich  sammelten,  längere  Zeit  auf  Samos  und  später  in  Athen. ^) 
Alle  Dynasten  des  Ostens  brachten  ihre  Kontingente,  aus  dem  Westen  er- 


')  W.  KoLBE,  Hermes  49,  1914,  273  ff. 
leugnet  den  Staatsstreich  Oktavians,  da 
nach  seiner  Ansicht  (vgl.  Appian  Illyr.  28) 


117,  3.  F.  21,  1917, 11  ff.  und  bes.  E.  Kokne- 
MANN,  Mausoleum  und  Tatenbericht  des 
Aug.,  Leipzig-Berlin  1921,  96  ff. 


das  Triumvirat   erst  Ende  32  v.  Chr.  ab-  ^)  Zum  folgenden  vgl.  Kkomayer,  Hermes 

lief.    Dagegen    A.  Bauer,    Hist.  Zeitschr.       34,  1899,  1  ff. 

Handbuch  der  kl ass.  Altertumswissenschaft,    lU,  5.    5.  Aufl.  18 


274  Römische  Geschichte. 

schien  König  Bogud  von  Mauretanien,  dessen  Reich  Oktavian  38  v.  Chr. 
nach  dem  Tod  des  Bocchus  eingezogen  hatte;  auch  die  Geten  versi)rachen 
Hilfe.  Antonius  hatte  mit  seinen  Rüstungen  einen  erhebhchen  Vorsprung; 
er  konzentrierte  seine  Hauptmacht,  etwa  10000(/  Mann  mit  12000  Reitern 
und  eine  Flotte  von  500  Kriegsschiffen,  an  der  Westküste  Griechenlands 
und  versuchte  einen  Vorstoß  gegen  Italien,  mußte  aber  auf  eine  Landung 
verzichten,  da  er  keinen  Stützpunkt  fand  und  Oktavian  alles  zur  Verteidi- 
gung vorbereitet  hatte;  bei  Korkyra  kehrte  er  um  und  nahm  sein  Haupt- 
quartier in  Patrae,  während  Heer  und  Flotte  am  Meerbusen  von  Ambrakia 
bei  Actium  überwinterten  (32/31  v,  Chr.).  Die  Verpflegung  war  schlecht 
organisiert,  die  Flotte  litt  Mangel  und  verlor  viele  Leute,  Griechenland 
mußte  Ersatz  liefern  und  wurde  überhaupt  erbarmungslos  geschröpft. 

Oktavian  hatte  sich  zunächst  im  ganzen  Westen  auf  die  Verteidigung 
eingerichtet,  ging  aber  dann  nach  Vollendung  seiner  Rüstungen  im  Früh- 
jahr 31  V.  Chr.  mit  etwa  80000  Mann  und  400  Kriegsschiffen  zum  Angriff 
über,  die  Vorhut  führte  Agrippa,  dem  sogleich  einige  kühne  Streifzüge  zur 
See  glückten.  Gegenüber  den  Antonianern  sammelte  sich  das  ganze  Heer 
im  südlichen  Epirus  und  lagerte  hier  längere  Zeit.  Antonius  wurde  durch 
Erfolge  der  Gegner,  durch  die  Eroberung  von  Leukas,  Patrae  und  Korinth 
immer  mehr  eingeengt,  seine  Flotte  war  in  der  Bucht  von  Ambrakia  fest- 
geklemmt. Sein  Heer  litt  Mangel,  schon  begann  in  seinen  Reihen  der  Ab- 
fall zu  Oktavian.  Antonius  mußte  eine  Entscheidung  suchen  und  beschloß 
auf  Rat  der  Kleopatra,  sich  mit  der  Flotte  den  Durchbruch  zu  erkämpfen. 
So  kam  es  am  2.  September  31  v.  Chr.  bei  Actium  zu  einer  großen  See- 
schlacht. Der  Durchbruch  gelang  nicht;  während  der  Kampf  noch  tobte, 
entfernte  sich  Kleopatra  mit  ihrem  Geschwader,  Antonius  folgte  ihr,  aber 
die  übrigen  Schiffe,  etwa  zwei  Drittel  der  Flotte,  blieben  zurück  und  wurden 
nach  tapferem  Widerstand  überwältigt.  Das  Landheer  des  Antonius,  19  Le- 
gionen, hätte  unter  Canidius  Crassus  den  Rückzug  nach  Makedonien  an- 
treten sollen,  wurde  aber  umstellt  und  kapitulierte,  verlassen  von  seinem 
Führer,  der  heimlich  nach  Ägypten  entwich.  Der  Sieger  Oktavian,  dem 
ganz  Griechenland  zujubelte,  begab  sich  nach  Athen  und  von  da  nach  Samos, 
wo  er  den  Winter  verbrachte  (31-30  v.  Chr.).  Gleich  nach  dem  Sieg  hatte 
er  einen  großen  Teil  des  Heeres  entlassen.  Unter  den  Entlassenen  entstand 
in  Italien  eine  schwere  Meuterei,  so  daß  Oktavian  selbst  im  Winter  nach 
Italien  über  die  stürmische  See  mußte,  um  die  Veteranen  zu  beruhigen.  Dann 
eilte  er  w^ieder  nach  Osten,  um  den  Krieg  gegen  Antonius  zum  Abschluß  zu 
bringen.  Dieser  war  von  Actium  über  Tainaron  nach  Kyrene  geflohen,  und 
hatte  dann  Alexandrien  erreicht.  Die  meisten  seiner  Bundesgenossen  ver- 
ließen ihn,  auch  die  Legionen,  die  bei  Kyrene  standen,  fielen  von  ihm  ab.  Den 
Winter  über  schwankte  Antonius  zwischen  Furcht  und  Hoffnung,  Selbst- 
behauptung und  Verzweiflung,  Lebensgenuß  und  Menschenscheu.  Unter- 
handlungen mit  Oktavian,  der  keine  Milde  walten  lassen  mochte,  zerschlugen 
sich.  Im  Sommer  30  v.  Chr.  rückte  der  Feind  von  zwei  Seiten  heran, 
Oktavian  von  Syrien,  Cornelius  Gallus  von  Kyrene  her.  Ägypten  wurde 
ohne  Schwierigkeit  erobert;  vor  Alexandrien  versuchte  Antonius  nochmals 
Gegenwehr;  allein  vergebens;  seine  und  der  Kleopatra  Streitmacht,    zuerst 


6.  Vierte  Periode:  Bis  zum  Untergang  der  Republik  (28  v.  Chi-.).    (§  43.)       275 

die  Flotte,    dann  das  Landheer,   ging  zu  Oktavian  über,  und  am   1.  August 
30  V.  Chr.  fiel  die  Hauptstadt.    Antonius  stürzte   sich  in  sein  Schwert. 

Kleopatra  hatte  noch  immer  gehofft,  Ägypten  für  sieh  oder  ihre  Kinder 
zu  retten;  aus  diesem  Grund  hatte  sie  zuletzt  den  Widerstand  selbst  ge- 
hemmt; als  ihre  Hoffnung  zuschanden  wurde,  nahm  sie  sich  das  Leben.') 
Ihr  ältester  Sohn,  Ptolemaios  Kaisarion,  wurde  auf  der  Flucht  eingeholt 
und  getötet,  ebenso  Antyllos,  der  älteste  Sohn  des  Antonius;  die  übrigen 
Kinder  des  Antonius  und  der  Kleopatra  wurden  begnadigt  und  wie  die 
Kinder  der  Oetavia  zur  caesarischen  Familie  gerechnet.  Ägypten  wurde  von 
Oktavian  eingezogen,  wodurch  das  Land  zwar  zu  einer  Provinz  des  römischen 
Weltreichs  wurde,  jedoch  ausschließhch  der  eigenen  Verwaltung  Oktavian s, 
der  sich  durch  einen  Präfekten  vertreten  ließ,  vorbehalten  blieb.  2)  Der 
Sieger  fand  in  Alexandrien  eine  Beute,  die  ihm  für  die  Versorgung  der 
Veteranen  und  die  sonstigen  Bedürfnisse  seiner  Herrschaft  von  unschätz- 
barem Wert  war.  Oktavians  Politik  der  Kleopatra  gegenüber  war  von  dem 
Bestreben  geleitet,  den  ägyptischen  Königsschatz  unversehrt  in  seine  Hand 
zu  bringen,  was  in  der  Tat  gelang;  auch  sonst  wurden  dem  Nilland  hohe 
Kontributionen  auferlegt.  Ägypten  hat  die  Hauptkosten  des  Krieges  be- 
zahlen müssen.  Die  Steuern  wurden  dauernd  erhöht.  Die  anderen  Pro- 
vinzen und  Königreiche  des  römischen  Ostens  blieben  wie  sie  waren;  nur 
einige  besonders  eifrige  Parteigänger  des  Antonius  wurden  bestraft.  Den 
Winter  30  29  v.  Chr.  brachte  Oktavian  in  Asien  zu.  Damals  fanden  auch 
mit  den  Parthern  Verhandlungen  statt.  Antonius  hatte  den  verbündeten 
Mederkönig  gegen  die  Parther  mit  Truppen  unterstützt,  dann  aber  im  Krieg 
gegen  Oktavian  ihm  die  Hilfe  entziehen  müssen.  Nun  war  der  Meder  von 
den  Parthern  überwältigt  worden,  und  Medien  wie  Armenien  ging  dem 
römischen  Einfluß  verloren.  Aber  die  Parther  wurden  durch  Thronstreitig- 
keiten zwischen  Phraates  und  Tiridates  gehemmt.  Beide  Prätendenten  wandten 
sich  an  Oktavian,  der  die  Gelegenheit  benutzte,  die  Arsakiden  in  eine  ge- 
wisse Abhängigkeit  zu  bringen  und  dadurch  den  Frieden  zu  sichern.  Die 
Gebietsverhältnisse  blieben  hier  vorläufig  unverändert. 

In  Rom  waren  dem  Oktavian  vom  Senat  nach  den  Siegen  die  höchsten 
Ehren  dekretiert  Avorden;  das  Andenken  des  Antonius  wurde  verflucht. 
Einige  asiatische  Gemeinden  huldigten  dem  Sieger  schon  damals  durch  den 
Bau  von  Tempeln  und  die  Einrichtung  eines  Kultes.  Bei  Actium,  an  der 
Stätte,  wo  das  oktavianische  Lager  gestanden  hatte,  wurde  eine  neue  helle- 
nische Freistadt,  Nikopolis,  gegründet  und  mit  akarnanischem,  ätolischem 
und  epirotischem  Gebiet  ausgestattet.  Penteterische  Wettspiele,  die  Aktien, 
sollten  dort  nach  dem  Muster  der  Olympien  alle  vier  Jahre  von  den  Hel- 
lenen gefeiert  werden.     Über  Korinth  kehrte  Oktavian  nach  Italien  zurück 

')  Während  NöLDEKE  die  Hypothese  auf-  Adoptivsohn  die  einfachste  Lösung  aller 

stellte,  Oktavian  habe  die  Kleopatra  um-  Schwierigkeiten. 

^^\^^^^^  ä^^^^^'  "in;^'«*  E.  Groag,  Klio  XIV,  .        ^)  Vgl.  U.  Wilcken  in  Mitteis- Wilcken, 

1915,  5/ ff.    an,  daß   Augustus    der  noto-  Grundzüge  u.  Chrestomathie  der  Papyrus- 

rischen    Selbstmordabsicht    der    Königin  '   künde  I.  1,  1912,  28  f..   A.  Stein     Unters 

durch  lässige  Überwachung  Vorschub  lei-  zur  Gesch.  U.Verwaltung  Ägvptens  Stutt- 

stete.     Ohne    Zweifel    war   der   Tod    der  gart  1915,  79  ff. 
einstigen    Freundin    Caesars    für    dessen 

18* 


276  Römische  Geschichte. 

lind   beging    mit    außergewöhnlicher  Pracht  einen    dreifachen  Triuni])li   (18. 

bis  15.  August  20  V.  Chr.).    Er  war  jetzt  Alleinherrscher. 

Literatur:  Dkumann-Uroebe,  Gesch.  Roms.  bos.  Bd.  I  (Antonü),  IV  (Octavii).  — 
V.  Gardthausen,  Augustus  u.  soinoZoit,  I.  Thoil.  l.Bd.  II.  Thoil,  l.Bd.,  Leipzig  1891.  — 
L.  Ganter,  Die  I'rovinzialvorwaltung  der  Triumvirn,  Diss.  Straßhurg  1892.  —  Mommsen, 
lies  gestae  (livi  Attgtisti)''  Berlin  1883. 

VII.  Fünfte  Periode  der  Geschichte  Roms:  Die  Kaiserzeit 

bis  auf  Diokletian. 

Quellen: 
Von  der  reichen  geschichtlichen  Literatur  in  lateinischer  und  griechischer  Sprache, 
wie  sie  namentlich  das  erste  Jahrhundert  der  Kaiserzeit  hervorbrachte,  ist  nur  wenig 
erhalten,  vieles  ganz  verschollen.  Es  fügte  sich  von  selbst,  daß  die  Anfänge  der 
neuen  Epoche  mitunter  mit  der  Geschichte  der  Bürgerkriege  verknüpft  wurden,  so 
schon  von  Livius,  dessen  Annalen  bis  9  v.  Chr.  reichten,  also  die  erste  Hälfte  der 
Zeit  des  Augustus  mit  umfaßten.  Ein  gleiches  galt  von  den  Historien  des  Nikolaos 
von  Daniaskos  (S.  17).  Ebenfalls  in  die  Übergangszeit  gehörte  die  Autobiographie 
des  Augustus  (S.  157),  benutzt  von  Nikolaos  von  Damaskos  in  seiner  offiziösen  Bio- 
graphie des  Augustus,  von  der  beträchtliche  Fragmente  erhalten  sind,')  sowie  die 
Memoiren  des  M.  Valerius  Messalla  Corvinus,^)  des  M.  Agrippa  (gestorben  12 
v.Chr.)  und  des  C.  Maecenas  (gestorben  8  v.Chr.).  Während  diese  interessanten 
documents  humains  leider  verloren  sind,  besitzen  wir  fast  vollständig  ein  authenti- 
sches Selbstzeugnis  des  ersten  Kaisers,  den  knappen  index  rernm  gestarnm,  den  Be- 
richt über  Ämter  und  Ehren  {honores),  Aufwendungen  für  das  Gemeinwohl  {impensae) 
und  Taten  {res  gestae),  den  Augustus  bei  seinem  Tode  hinterließ  und  der  dann  vor 
seinem  Mausoleum  auf  dem  Marsfeld  seinem  Willen  gemäß  auf  zwei  ehernen  Pfeilern 
eingraviert  der  Öffentlichkeit  übergeben  wurde.  Von  den  provinzialen  Kopien  dieses 
Textes  (in  lateinischer  Sprache  nebst  griechischer  Übersetzung)  haben  sich  bedeutende 
Inschriftenreste  in  Ankyra  (Angora)  in  Galatien  (daher  spricht  man  vom  Monumentiim 
Ancyranuni)  sowie  kleinere  Fragmente  in  Apollonia  und  Antiocheia  in  Pisidien  ge- 
funden. Das  Monumentum  Ancyranum,  diese  „Königin  der  Inschriften",  ist  eine  Quelle 
ersten  Eangs  für  die  Zeit  des  Augustus.')  Manches  Wertvolle  besonders  auch  für 
die  Provinzialgeschichte  bieten  die  uns  erhaltenen  17 — 18  n.  Chr.  in  Rom  abgefaßten 
rscoygaqipcä  des  Strabon  aus  Amaseia. 


')  FHG  III  427  ff.  der  Inschrift  des  Duodezfürsten  Antiochos 
2)  Er  gab  nach  der  Schlacht  bei  Philippi  von  Kommagene.  Vgl.  Mommsen,  Ges.  Sehr, 
die  Sache  der  Republik,  für  die  er  tapfer  IV  247  ff.  Die  successive  Entstehung  des 
gekämpft  hatte,  auf  und  ging  zu  den  sieg-  Textes  sucht  E.  Kornemann,  Mausoleum 
reichen  Triumvirn  über.  Im  J.  31  v.  Chr.  und  Tatenbericht  des  Augustus,  Leipzig- 
war er  Konsul,  27  v.Chr.  triumphierte  er;  Berlin  1921,  im  einzelnen  nachzuweisen 
kurz  vor  Augustus,  etwa  13  n.Chr.,  scheint  von  einem 'Urmonument'  aus  dem  Ende 
er  gestorben  zu  sein.  Vgl.  PIE  III  363  ff.,  des  J.  29  v.  Chr.  bis  zur  letzten  Redaktion 
nr.  90.  des  Augustus  6  oder  7  n.  Chr.  und  den 
')  Klassische  Ausgabe  von  Th.  Mommsen,  notwendigen  Ergänzungen  durch  Tiberius 
Res  gestae  divi  Augusti,  Berlin  1883''  mit  nach  dem  Tod  seines  Stief-  und  Adoptiv- 
einem  Kommentar,  der  eine  Fundgrube  vaters.  —  Der  einzige  sichere  terminxs 
für  die  Geschichte  des  Avigustus  bedeutet.  ante  quem  für  die  Arbeit  des  Augustus 
Die  Inschrift  ist  nicht  als  Grabschrift  zu  ist  der  3.  April  13  n.  Chr.,  an  welchem  Tag 
fassen,  wie  besonders  E.  Bokmann,  Mar-  der  greise  Kaiser  den  Index  mit  seinem 
burger  Rektoratsprogramm  1884,  wollte.  Testament  und  anderen  Dokumenten  bei 
Als  Rechenschafts-  oder  Tatenbericht  ist  den  Vestalinnen  deponierte  (Suet.  Aug. 
sie  vielmehr  eine  Gattung  für  sich,  hat  101,  1  u.  4). 
aber  im  Osten  gewisse  Parallelen,  so  in 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (Quellen.)  277 

Noch  unter  Augustus  schilderte  A.  Creniutius  Cordus  den  Untergang  der 
Republik  und  die  Anfänge  der  Monarchie  mit  einem  Freimut,  der  ihm  unter  Tiberius 
eine  Anklage  vor  dem  Senat  zuzog.  Der  Verurteilung  gewiß,  ging  er  freiwillig  in 
den  Tod.  Ein  anderer  Historiker  dieser  Übergangszeit  war  Aufidius  Bassus,  an 
den  C.  Plinius  der  Ältere  unmittelbar  anknüpfte,  indem  er  31  Bücher  u  fine  Äufidil 
i^ass/ vermutlich  bis  herab  zum  Jahr  71  n.  Chr.  verfaßte.  Zuvor  hatte  Plinius  eine 
breite  Monographie  über  die  germanischen  Kriege  geschrieben.^)  Weiter  sind  als 
Annalisten  der  Kaiserzeit  zu  nennen  der  Konsular  M  Cluvius  Eufus,  der  am 
Hofe  Neros  eine  Rolle  gespielt  hatte  und  unter  Vespasian  schrieb,  sowie  Vipstanus 
Messalla  und  Fabius  Rusticus,  die  Zeitgenossen  der  Flavier.  Neben  dieser  im 
einzelnen  nicht  mehr  faßbaren  Kaiserannalistik  gab  es  eine  reiche  Memoirenliteratur. 
Daran  sind  beteiligt  Kaiser  Tiberius,  die  jüngere  Agrippina,  Cn.  Domitius  Cor- 
bulo,  sowie  Vespasian.  Mehrere  Darstellungen  galten  den  Bürgerkriegen  nach 
Neros  Tod.  Aber  alle  diese  Originalwerke  sind  verloren,  erhalten  ist  nur  der  kurze 
Geschichtsabriß  des  C.  Velleius  Paterculus  ad  M.  Vhiicium  libri  duo,  bis  auf  das 
Jahr  der  Abfassung,  30  n.  Chr.,  herabgeführt.  Der  loyale  Verfasser  ist  ein  begeisterter 
Verehrer  des  Tiberius,  unter  dem  er  als  Offizier  gedient  hatte,  und  huldigt  sogar 
dem  Seian.^)  Über  den  jüdischen  Aufstand  (66 — 70  n.  Chr.),  der  mehrere  Geschichts- 
werke hervorrief,  liegt  uns  noch  das  Buch  des  Flavius  Joseph us  vor,  eines  Juden, 
der  während  des  Aufstandes  (67  n.  Chr.)  in  römische  Gefangenschaft  geriet,  im  römi- 
schen Heerlager  die  Belagerung  Jerusalems  mitmachte  und  sich  später  als  Frei- 
gelassener Vespasians  in  Rom  aufhielt,  wo  er  zwischen  75  und  79  n.Chr.  seine  Ge- 
schichte des  jüdischen  Krieges  in  griechischer  Sprache  verfaßte.  Als  Einleitung 
schildert  er  die  Schicksale  der  Juden  seit  der  makkabäischen  Erhebung.  Später, 
93/94  n.  Chr.,  ließ  er  seine  jüdische  Archäologie  folgen,  eine  Geschichte  der  Juden 
von  der  Schöpfung  bis  zum  Ausbruch  des  Aufstandes  66  n.  Chr.  Die  späteren  Bücher 
(15^20)  sind  für  die  allgemeine  Zeitgeschichte  von  Wert.  Eingehend  ist  z.  B.  der 
Tod  des  Caligula  und  der  Regierungsantritt  des  Claudius  erzählt.^)  Von  der  bio- 
graphisch, orientierten  Kaisergeschichte  von  Augustus  bis  Vitellius,  die  Plutarchos 
von  Chaironeia^)  vielleicht  unter  Domitian  verfaßte,  sind  nur  die  Biographien  des 
Galba  und  Otho  auf  uns  gekommen. 

Wenn  von  der  reichen  römischen  Kaiserannalistik  sich  nichts  erhielt,  so  liegt 
das  an  der  überragenden  Leistung  des  Cornelius  Tacitus,^)  die  alle  Vorgänger 
verdrängte.  Erst  unter  dem  toleranten  Nerva  im  Jahr  98  n.  Chr.  begann  Tacitus 
seine  historische  Schriftstellerei  mit  zwei  kleineren  Schriften,  der  enkomiastischen 
Biographie  seines  Schwiegervaters  Cn.  Julius  Agricola  und  der  sog.  Germania  {de 
origine  et  situ  Germmiorum),  gewissermaßen  einem  vorausgeschickten  ethnographischen 


1)    Vgl.    Ed.  Nokden,    Die    german.    Ur-  •*)  Diese  beiden  Kaiserbiographien,  die 

geschichte  in  Tacitus  Germania,  Leipzig-  mit  den  ßioi  .laoalhf/Mt  nichts  zu  tun  haben, 

Berlin  1920,  207  fi".  machten  auf  Mommsen  „den  Eindruck  eines 

^)  Velleius  war  15  n.Chr.  Prätor.  Er  Anfängerwerkes" (Ges.Schr.VII 226). Über 
hegte  den  unseres  Wissens  nicht  verwirk-  ihre  Eigenart  vgl.  F.Leo.  Griech.-röm.  Bio- 
lichten Plan,  in  einem  ausführlichen  Ge-  graphie,  Leipzig  1901,  156  f. 
Schichtswerk  vor  allem  den  Tiberius  zu  ^)  Die  Familie  des  Tacitus  gehörte  dem 
verherrlichen.  Vell.  1196,3;  99,3;  103,4;  Ritterstandan.  Er  selbst  schlug  die  sena- 
114,  4.  torische  Laufbahn  ein.    Geboren  etwa  55 

^)  Vgl.  E.  ScHÜREK,  Gesch.  des  jüd. Volkes  n.  Chr.,   wurde  er  im  Jahr  88  Prätor,  im 

I^  74  flf..  Niese,  Hist.  Zeitschr.  76,  N.  F.  40,  I    Jahr  97  Konsul,    zuletzt   Prokonsul    von 

1896,  193  flf.     HöLSCHEK,   PW   IX   1934  flf.  i    Asia.    Tacitus    galt  als    der  berühmteste 

W.Weber,  Josephus  u. Vespasian,  Stuttg.  Redner  und  Sachwalter  seiner  Zeit;  seine 

1921.    Höchst  scharfsinnig,  aber  nicht  un-  Freundschaft   mit  dem  jüngeren  Plinius 

bedenklich    sind    die   Aufstellungen    von  ,    bezeugt  dessen  Briefwechsel.    Vgl.  außer 

R.  Laqueür,   Der  jüd.  Historiker   Flavius  den  Literaturgeschichten  (S.  19)  Schwabe, 

Josephus,  Gießen  1920.  PW  IV  1566  ff. 


278  Römische  Geschichte. 

Exkurs  zu  seinem  folgenden  Gescliichtswerk.')  Von  diesem  erschienen  zunächst 
zwischen  104  und  109  n.Chr.  die  Historien,  die  mit  dem  I.Januar  6'.*  n.  Chr.  ein- 
setzten und  mit  Domitians  Tod  schlössen.  Erhalten  sind  von  im  ganzen  wohl  zwölf 
Büchern  nur  Buch  1—4  und  der  erste  Teil  des  fünften,  umfassend  das  Jahr  69  n.  (Jhr. 
und  einen  Teil  des  folgenden.  Der  ursprüngliche  Plan,  auch  noch  die  Regierungen 
Nervas  und  Traians  zu  schildern,  wurde  nie  verwirklicht.  Den  Anschluß  nacli  oben 
gewann  Tacitus  mit  den  sog.  Annalen,  den  —  wohl  18  —  Büchern  ab  cxcessu  divl 
Auf/usti,  die  vom  Tod  des  Augustus  bis  zum  Ende  des  Jahres  68  reichten  und  nun 
zusammen  mit  den  Historien  ein  großes  Annalenwerk  vom  Jahr  14  n.'Chr.  bis  zum 
Jahr  96  n.  Chr.  bildeten.  Erhalten  sind  von  den  Annalen  die  Bücher  1 — 6  (mit  einer 
Lücke,  die  große  Stücke  des  5.  und  6.  Buchs  verschlang)  sovpie,  zu  Anfang  und  am 
Ende  verstümmelt,  Buch  11 — 16;  mitten  im  Satz  bricht  die  Erzählung  des  Jahres  6(> 
n.Chr.  ab.  Die  Annalen  müssen  zwischen  115  und  117  n.  Chr.  vollendet  worden  sein. 
Seine  Absicht,  auch  die  Geschichte  des  Augustus  zu  behandeln,  hat  Tacitus  nicht 
mehr  verwirklicht.  Als  Schriftsteller  ist  Tacitus  unerreicht,  namentlich  in  der  drama- 
tischen Komposition  liegt  seine  Stärke.  Forscher  in  unserem  Sinn  war  er  nicht; 
ihm  genügte  es,  den  von  anderen  überlieferten  Stoff  künstlerisch  zu  formen.  Seine 
})olitischen  Ideale  wurzeln  in  der  republikanischen  Vei-gangenheit;  durchaus  sena- 
torisch gesinnt,  frondierte  er  doch  nicht  gegen  das  monarchische  System,  von  dessen 
Notwendigkeit  er  sich  resigniert  überzeugt  hat.  Von  Standesvorurteilen  nicht  frei, 
hat  er  aber  die  kaiserliche  Politik  nicht  immer  gerecht  beurteilt  und  besonders  den 
Tiberius  völlig  verkannt.  Die  Frage  nach  den  Quellen  des  Tacitus  ist  für  die  An- 
nalen nicht  zu  lösen.  Dagegen  zwingt  ein  Vergleich  des  Anfangs  der  Historien  mit 
Plutarchs  Galba  und  Otho  zur  Annahme  einer  dem  Griechen  und  dem  Römer  ge- 
meinsamen Quelle,  auf  deren  Benennung  man  lieber  verzichten  wird.^j  Lehrreich 
ist  jener  Vergleich  vor  allem  dadurch,  daß  er  einen  Blick  in  die  Werkstatt  des 
Historikers  gewährt:  es  zeigt  sich,  daß  Tacitus,  unbeschadet  seiner  Originalität,  ge- 
wisse Pointen  wörtlich  seiner  Vorlage  entlehnte.  Für  militärische  Dinge  hat  Tacitus 
geringes  Verständnis  und  um  die  Provinzen  kümmert  er  sich  sowenig  wie  möglich. 
Sein  Horizont  ist  der  des  Stadtrömers:  die  Idee  einer  wirklichen  Reichsgeschichte 
ist  ihm  nie  aufgestiegen.  Ein  jüngerer  Freund  des  Tacitus  war  der  Neffe  und  Adoptiv- 
sohn des  älteren  Plinius,  C.  Plinius  Caecilius  Secundus.'^)  Sein  im  Jahr  100 
n.Chr.  von  ihm  als  Konsul  gehaltener  Panegyricus  auf  Kaiser  Traian,  ferner  der 
Briefwechsel  mit  seinen  Freunden,  von  97 — 109  n.  Chr.  von  ihm  selbst  herausgegeben, 
und  endlich  die  offizielle  Korrespondenz  mit  dem  genannten  Kaiser,  als  dessen  Ver- 
trauensmann er  die  Provinz  Bithynien  und  Pontus  etwa  111—113  n.  Chr.  verwaltete, 
sind  von  hohem  Nutzen  für  die  Kenntnis  seiner  Zeit. 

Etwa  zwanzig  Jahre  jünger  als  Tacitus  war  C.  Suetonius  Tranquillus,  ein 
namhafter  Philologe  und  Grammatiker.^)    Er  hat  mit  seinen  Caesai-es,  den  Viten  der 


')  MoMMSEN,  Reden  und  Aufsätze.  144  ff.  berühmte  Abhandlung  von  Th.  Mommsen, 

Ed.  Norden,  Die  german.  Urgeschichte  in  Zur  Lebensgeschichte   des  jüngeren  Pli- 

Tac.  Germania,  Leipzig-Berlin  1920.  nius.  Ges.  Sehr.  IV  366 ff.  ist  überholt  durcli 

■•')  Unmöglich  kann,  was  auch  behauptet  die  gleichbetitelte  von  Walter  Otto,  Sitz.- 

wurde,    Plutarch    aus    Tacitus    geschöpft  Ber.  der  Bayer.  Akad.  1919,  10. 
haben.     Mommsen,    Ges.   Sehr.  VII  224  ff.  •*)  Sueton  war  unter  Hadrian  Vorstand 

sieht  die   gemeinsame  Quelle  in  Cluvius  der  kaiserlichen  Kanzlei  {a/>  i'jjisfulLs).    Da 

Rufus,  Nissen,    Rhein.  Mus.  26,  427  ff.  in  die  Caesaves.  deren  Anfang  verloren  ging, 

dem  älteren  Plinius.    Vgl.  Ph.  Fabia.  Les  demPrätorianerpräfektenSepticiusCIarus 

sonrces   de  Tacite,   Paris  1893.    S.   die  Ge-  gewidmet  waren,  der  gleichzeitig  mit  Sue- 

schichte  der  Frage  bei  Schanz,  Gesch.  d.  ton  entlassen  wurde  {rita  Hadrinni  11.  3) 

röm.  Litt.  II,  2,  1913',  317  flf.    Auch    bei  und  zwar  wahrscheinlich  im  J.  122  n.Chr., 

Sueton  und  Cassius  Die  finden  sich  Spuren  so  dürften  sie  vor  jenem  Zeitpunkt  ent- 
des  betreifenden  Autors.                                  1   standen  sein. 

')  Geb.  etwa  (i2.  gest.  um  114  n.Chr.  Die 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (Quellen.)  279 

Hei-rscher  von  Caesar  bis  Doniitian,  die  römische  Kaiserbiographio  begründet  und 
damit  Schule  gemacht.  Denn  diese  neue  literarische  Gattung,  obwohl  ursprünglich 
nur  gedacht  als  Ergänzung  der  annalistischen  Geschichtschreibung,  hat  diese,  wenig- 
stens im  lateinischen  Sprachgebiet,  fast  völlig  verdrängt.  Sueton  verfügte  über  ein 
teilweise  ausgezeichnet^es  Material,  das  er  in  geistloser  Weise  nach  einem  festen 
Schema  verarbeitete.  Er  hat  aber  auch  den  übelsten  Klatsch  mit  aufgenommen  und 
auf  ein  psychologisch  entwickeltes  Persönlichkeitsbild  verzichtet. 

Die  Folgezeit  ist  —  besonders  in  lateinischer  Sprache  —  arm  an  ernsteren  histo- 
rischen Leistungen,  und  Tacitus  hat  einen  irgendwie  ebenbürtigen  Nachfolger  zu- 
nächst nicht  gefunden,  mag  es  auch  an  Fortsetzern  nicht  ganz  gefehlt  haben.  Die 
Hauptarbeit  verrichteten  die  Griechen,  unter  denen  Flavius  Arrianus  aus  Niko- 
medien  hervorragt.  Er  wurde  unter  Hadrian  Konsul  und  Statthalter.  In  seinen 
noch  von  Photios  im  l».  Jahrhundert  gelesenen  IlagöiyA  beschrieb  er  die  Parther- 
kriege Traians.^)  Sein  Zeitgenosse  war  Appianos  aus  Alexandrien,  der  erst  in 
seiner  Vaterstadt  höhere  Ämter  Verwaltete,  dann  Ritter  wurde  und  in  Rom  die 
Beamtenlaufbahn  einschlug.  In  der  Muße  des  Alters  verfaßte  er  —  um  16U  n.  Chr.  — 
die  schon  erwähnte  (oben  S.  18)  römische  Geschichte,  deren  letzte  Bücher  ('ExaTcnia- 
FTi'a,  Aaxixt),  'Aodßtog),  woran  sich  noch  eine  IlaQßty.rj  und  eine  Übersicht  über  die 
Provinzialverwaltung  und  die  militärischen  und  finanziellen  Mittel  des  Reiches  an- 
anreihen sollten,  den  Eroberungen  der  Kaiserzeit  galten.  Leider  ist  davon  nichts 
auf  uns  gekommen.''*)  Dann  hat  der  Partherkrieg  unter  Marc  Aurel  eine  Hochflut 
von  wertloser  „historischer"  Tagesliteratur  hervorgerufen.^)  Die  Zeit  steht  unter 
der  Herrschaft  des  Klassizismus,  und  gerade  in  jenen  Geschichten  des  Partherkrieges 
hat  die  manierierte  Nachahmung  der  klassischen  Stilmuster  die  absonderlichsten  Ein- 
tagsblüten getrieben.  Ein  für  den  geistigen  Tiefstand  bezeichnender  Typus  ist  der 
archaisierende  Rhetor  M.Cornelius  Fronto  (Konsul  143  n.Chr.),  der  Lehrer  und 
Freund  der  Kaiser  Marc  Aurel  und  L.  Verus.  Sein  zum  großen  Teil  erhaltener  Brief- 
wechsel mit  diesen  seinen  Zöglingen  ist  in  der  Form  geziert  und  inhaltlich  wenig 
ergiebig. 

Ein  Historiker  von  Rang  war  der  Grieche  Cassius  Dio  Cocceianus,*)  ein 
Landsmann  Arrians.  Sein  großes  Hauptwerk  ist  die  'Pco^imx)]  torooia  von  der  Gründung 
der  Stadt  bis  auf  die  eigene  Zeit  in  80  Büchern,  wobei  die  Regierung  des  Severus 
Alexander  bis  229  n.  Chr.  nur  noch  knapp  skizziert  ist.  Das  mehr  oder  minder  voll- 
ständig Erhaltene  beschränkt  sich  auf  die  Geschichte  der  Jahre  68  v.  Chr.  bis  46  n.  Chr. 
(Buch  36—60)  und  den  Schluß,  Teile  des  79.  und  80.  Buches;  im  übrigen  sind  wir 
auf  die  konstantinischen  Exzerpte,  sowie  auf  die  Auszüge  der  Byzantiner  Xiphilinos 
und  Zonaras  und  andere  späte  Reflexe  Dios  angewiesen. 5)    Stilistisch  spielt  Dio  den 


1)  Vgl.  Müller,  FHG  III  586  ff..  Ed.  Dio  von  Prusa  (Chrysostomos)  irgendwie 
ScHWARTZ,  PW  II  1230  ff.  In  den  dreißiger  verwandt.  Sohn  eines  Senators,  trat  er 
Jahren  des  2.  Jahrh.  war  er  kaiserlicher  selbst  im  J.  180  n.  Chr.  in  den  Senat  ein; 
Legat  der  Provinz  Kappadokien.  In  dieser  194  bekleidete  er  die  Prätur;  später  war 
Eigenschaft  bereiste  er  das  Küstengebiet  er  Konsul  und  Prokonsul  von  Afrika.  Zu- 
des  Pontus,  worüber  er  in  dem  erhaltenen  sammen  mit  Kaiser  Severus  Alexander 
.TFoL-T/.ov;  Er$8irov  IlniTov  in  Form  eines  wurde  er  229  n.  Chr.  zum  zweitenmal 
Briefes  an  Hadrian  berichtete.  Im  Ruhe-  Konsul.  Im  selben  Jahr  schied  er  aus 
stand  widmete  er  sich  ganz  der  Literatur.  dem  Staatsdienst  aus.  Vgl.  Ed.  Schwartz, 
Lange  lebte  er  in  Athen,  wo  er  noch  im  PW  III  1684  ff. 

J.  171/ 72  n.  Chr.  als  Prytane  nachgewiesen     .       '■')  Xiphilinos  exzerpierte  auf  Befehl 

werden  kann.  des   Kaisers   Michael    Dukas    (1071 — 1078 

2)  Vgl.  Ed.  Schwartz,  PW  II  216  If.  j    n.  Chr.)  den  Dio  vom  36.  Buch  an:  schon 

3)  Wir  kennen  sie  aus  Lucians  Satire  |  in  seinem  Dioexemplar  fehlten  aber  die 
.Twc  ÖfT  ioTogkn'  ovyyodf/fn:  Geschichte   des  Antoninus  Pius   und  die 

*)  Oben  S.  18.   Dio  stammte  aus  Nikaia  ersten  Jahre  Marc  Aureis.    Zonaras.  der 

in  Bithynien   und  war  mit  dem  Redner  gegen   Mitte   des    12.  Jahrh.   seine  Welt- 


280  Römische  Geschichte. 

Thukydideer;  als  geschultor  Rhetor  hat  er  zahlreiche,  mitunter  recht  lange  Reden 
eingelegt,  von  denen  die  dem  Maecenas  für  die  Monarchie  in  den  Mund  gelegte  in- 
sofern interessiert,  als  sie  Dios  eigene  Reformgedanken  zum  Ausdruck  bringt.')  Unter 
den  Quellen  Dios  befindet  sich  Livius,  dagegen  nicht  Tacitus  und  schwerlich  Sueton. 
Auf  die  griechische  Reichshälfte  hat  Dio  nachhaltig  gewirkt-,  er  wurde  „der  Livius 
für  Byzanz"  (Wilamowitz).  Wohl  sein  Zeit-  und  Standesgenosse  war  Marius  Maxi- 
mus,'^)  der  Fortsetzer  und  Xachahiner  der  Kaiserbiographien  Suetons.  Er  behandelte 
die  Kaiser  von  Nerva  bis  Elagabal  in  lateinischer  Sprache,  wahrend  sonst  das  Grie- 
chische vorherrscht. 

Auf  Dio  folgt  zunächst  Herodianos,  vermutlich  aus  Antiocheia,')  mit  seiner 
noch  erhaltenen  griechisch  geschriebenen  Geschichte  der  Jahre  180  bis  238  n.  Chr. 
in  acht  Büchern.  Herodian  ist  rhetorisch  beeinflußt.  Die  Chronologie  wird  ver- 
nachlässigt. Ü^ber  die  Vorgänge  im  Osten  zeigt  er  sich  gut  unterrichtet;  für  die 
Prätendentenkämpfe  zwischen  Septimius  Severus  und  Pescennius  Niger  ist  er  unsere 
beste  Quelle.  Eine  Geschichte  des  tausendjährigen  römischen  Reiches  —  also  bis 
zu  dem  Jubiläumsjahr  248  n.  Chr.  —  in  1.5  Büchern  verfaßte  in  ionischem  Dialekt 
Asinius  Quadratus,  der  auch  über  die  Partherkriege  schrieb.^)  Die  Geschichte 
der  Gotheneinfälle  vom  Jahr  238  n.  Chr.  bis  auf  Aurelian  schrieb  unter  dem  Titel 
Zy.v&ixä  P.  Herennius  Dexippus,*)  der  selbst  im  Jahr  267  n.Chr.  seine  Vaterstadt 
Athen  gegen  die  barbarischen  Heruler  verteidigt  hatte.  Eine  Chronographie  {Xowiy.a) 
desselben  Verfassers  ging  bis  zum  Jahr  269/70  n.  Chr.  Wenn  von  diesen  Werken 
kaum  die  Umrisse  kenntlich  sind  und  also  die  zeitgenössische  Tradition  für  die  letzten 
beiden  Drittel  des  3.  Jahrhunderts  versagt,  so  sehen  wir  uns  auf  die  noch  zu  er- 
wähnenden Historiker  der  späteren  Zeit  angewiesen,  auf  Ammianus  Marcellinus 
und  Jordanis,  auf  Eunapios,  den  Fortsetzer  der  Chronik  des  Dexipp,  Zosimos, 
Petrus  Patricius,  Johannes  von  Antiochien,  sowie  auf  die  dürftigen  lateinischen 
Kompendien  des  Eutropius  und  des  Rufius  Festus,  die  knappen  Caesares  des 
Aurelius  Victor  und  die  ähnlich  geartete  sog.  Epitome  de  Caesafibus.  Aus  den 
eben  genannten  Kompendien  läßt  sich  als  deren  Quelle  eine  uns  verlorene,  bio- 
graphisch orientierte,  lateinisch  geschriebene  Kaisergeschichte  erschließen.*) 

Ein  Teil  der  Überlieferung  fand  gegen  Ende  des  4,  Jahrhunderts  seinen  Nieder- 
schlag in  dem  Corpus  der  sog.  scriptores  historiae  Augustae,'')  den  Biographien  der 
Kaiser  von  Hadrian  bis  auf  Carus  und  dessen  Söhne,  angeblich  von  sechs  verschie- 
denen Verfassern  unter  Diokletian  und  Konstantin  geschrieben.^)  Wie  zahlreiche 
Anachronismen  und  Anspielungen  beweisen,  gehören  aber  diese  Viten  erst  der  theo- 
dosianischen  Zeit  an.    Der  Anfang  der  Sammlung,  die  auch  sonst  Lücken  aufweist, 


Chronik  verfaßte,  hat  von  Nerva  ab  nicht  II  1603  f. 

mehr  den  Dio  im  Original,  sondern  den  ^)  FHG  III  666  ff.    Ed.  Schwartz,  PW  V 

Xiphilinos  benutzt.  —  Eine  abschließende  288  ff. 

Ausgabe  Dios  mit  Zusammenstellung  aller  ")  Vgl.  A.  Enmann,  Philol.  IV.  Suppl.bd. 

Reste   verdanken    wir   Ph.  U.  Boissevain,  1884,  337  ff. 

3  Bde.,  Berlin  1895 — 1901.  ')  Diese  Bezeichnung,  die  in  einer  der 

^)  Vgl.  Paul  Meyer,   De  Maecetiatis  ora-  Viten    dem  Tacitus    beigelegt   wird,    hat 

tione  a  Dione  ficfa,  Diss.  Berlin  1891.  sich  erst  seit  dem  Beginn  des  17.  Jahrh. 

*)  Denn  die  Identität  des  Kaiserbiogra-  eingebürgert.    Der  handschriftliche  Titel 

phen    mit  L.  Marius  Maximus  Perpetuus  vitae    diversorum  priticlpum    et  tyrannomm 

Aurelianus,    der    im    J.  223  n.  Chr.    zum  a   divo  Hadriano    usque    ad  Xnmerkinmn  a 

zweitenmal  Konsul    war,    ist    und    bleibt  diversis  conpositi  (sie)  ist  in  dieser  Fassung 

wahrscheinlich.  Vgl.  PIR  II  346  f.,  nr.  233.  nicht  antik. 

^)  Er  hat  —  trotz  Borghesi,  Oeuvres  III  ^)  Sie  heißen  Aelius  Spartianus,  Aelius 


120,  vgl.  V  228  —  nichts  zu  tun  mit  dem 
Legaten  Siziliens  Ti .  Claudius  Herodianus ; 
s.  PIR  I  380,  nr.  710. 

*)  FHG  III  659  ff.  Vgl.  Ed.  Schwaktz,  PW 


Lampridius,  Julius  Capitolinus,  Vulcacius 
Gallicanus,  Trebellius  Pollio  und  Flavius 
Vopiscus. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian,     ((^uellon.)  281 

ist  offenbar  verloren;  sie  muß  ursprünglich  spätestens  mit  Nerva  begonnen  haben, 
womit  der  Anschluß  an  Sueton  hergestellt  war.  Unter  den  Quellen  ist  vor  allem 
Marius  Maximus  zu  nennen;  auch  Dexippos  wird  zitiert  und  Ilerodian  ist  stark 
benutzt.  Daneben  finden  sich  auch  reine  Schwindelzitate,  wie  überhaupt  die  Bio- 
graphien, besonders  diejenigen  der  späteren  Kaiser  und  der  Usurpatoren  oder  „Ty- 
rannen" von  albernen  Erfindungen  und  plump  gefälschten  Aktenstücken  wimmeln. 
Doch  steckt  auch  manches  Korn  unter  der  Spreu,  und  namentlich  der  erste  Teil 
des  Corpus  enthält  wertvolles  Material.  Auf  jeden  Fall  ist  den  Angaben  der  Historia 
Augusta  gegenüber  stets  kritische  Vorsicht  geboten.') 

Auch  für  die  Profangesehichte  wertvoll  ist  die  Kirchengeschichte  {toTogia  iy.xhpuL- 
arixtj)  des  gelehrten  Bischofs  Eusebios  von  Caesarea  in  zehn  Büchern,  beginnend  mit 
dem  apostolischen  Zeitalter,  endend  mit  der  Befreiung  der  Christen  durch  Konstantin 
den  Großen.  Der  Tod  des  Licinius  (325  n.  Chr.)  wird  noch  erwähnt. '■')  Endlich  ist 
noch  der  Chronographien  zu  gedenken,  die  unseren  Geschichtstabellen  entsprechen 
und  regelmäßig  fortgesetzt  wurden.  Bekannt  sind  die  Olympiaden  des  Ph legen 
von  Tralles,'')  eines  Freigelassenen  Hadrians,  der  seine  nach  Olympiaden  geordneten, 
recht  ausführlichen  Zeittafeln  bis  Olymp.  228,  d.  h.  137  n.  Chr.  herabführte.  Schon 
genannt  wurde  die  ebenfalls  umfangreiche  Chronographie  des  Dexippos.  Gleich- 
zeitig hat  der  bekannte  neuplatonische  Philosoph  Porphyrios,  der  Gegner  der 
Christen,  eine  mit  270  n.  Chr.  schließende  Chronographie  herausgegeben.  Diese 
Literaturgattung  wurde  von  den  christlichen  Apologeten  übernommen.  Ihr  erster 
namhafter  Vertreter  ist  Julius  Africanus.*)  Seine  uns  nicht  erhaltene  Chronik 
reichte  in  fünf  Büchern  bis  221  u.  Chr.  Ihm  folgt  der  oben  erwähnte  Eusebios, 
Bischof  von  Caesarea,  mit  seiner  kurzgefaßten  Chronik  in  zwei  Büchern,  von  denen 
das  erste,  die  eigentliche  Chronik,  Königsverzeichnisse  und  andere  Listen  enthält, 
das  zweite,  die  Kanones,  synchronistische  Tabellen  der  wichtigen  Ereignisse  bis 
325  n.  Chr.  Auch  dies  Werk  ist  im  Original  nicht  erhalten,  sondern  nur  in  späteren 
Auszügen  und  Bearbeitungen,  sowie  in  der  armenischen  Übertragung.  Die  Kanones 
hat  Hieronymus,  der  bekannte  christliche  Schriftsteller,  übersetzt,  erweitert  und 
bis  zum  Jahr  378  n.  Chr.  fortgeführt.  Unter  den  späteren  byzantinischen  Werken 
ist  zu  nennen  das  sog.  Chronicon  Paschale,  eine  von  der  Erschaffung  der  Welt  bis  629 
n.  Chr.  reichende  Chronik,  die  bald  nach  dem  Endjahr  verfaßt  worden  ist.^)  Mehr 
bietet  für  unsere  Periode  die  um  810  n.  Chr.  verfaßte  Chronographie  des  Georgios, 
beigenannt   Synkellos.*)    Seine   kurze  Chronographie    [ixkoyi]   xQ'^'^oygaqriag)    beginnt 


')  Bahnbrechend  war  die  Untersuchung  \  und  wird  demnächst  ersetzt:  vgl.  E.  Hohl, 
von  H.  Dessau,  Hermes  24,  1889,  337  ff.,  Klio  XIII,  1913,  258  flf.,  387  ff. 
in  der  zuerst  die  Spuren  der  theodosiani-  ^)  Eusebios,  bekannt  als  Freund  Keu- 
schen Zeit  aufgedeckt  wurden.  Während  stantins  d.  Gr.,  war  gemäßigter  Arianer. 
nach  Dessau  das  ganze  Corpus  erst  da-  Die  Kirchengeschichte  ist  nach  der  Chro- 
mais entstand,  hielt  Mommsen,  Ges.  Sehr.  nik  geschrieben,  die  bis 325  n.  Chr.  reichte; 
VII 302  flf.  an  dem  diokletianisch-konstan-  Eusebios  starb  340  n.  Chr.  Vgl.  Ad.  Har- 
tinischen  Grundstock  fest,  gab  aber  eine  nack,  Gesch.  d.  altchristl.  Litt.  I  551  ff., 
Überarbeitung  in  theodosianischer  Zeit  zu.  II  2,  106  ff. 
Inzwischen    ist  Dessaus    einst   heiß   um-    i        ')  FHG  III  602. 

strittene  Hypothese  durch  zahlreiche  Ar-  "•)  Julius  Africanus  lebte  unter  den  Gor- 
beiten   verschiedener  Forscher  bestätigt   '    dianen   in  Palästina   und  Ägypten.    Vgl. 

worden.    Vgl.  E.  Kornemann  bei  Gercke-  H.  Gelzer,  Sex.  Julius  Africanus  und  die 

Norden,    Einl.  in  die  Altertumswiss.  III-  byzantinische  Chronographie,  2  Tle.,Leipz. 

1914,  255  f.,  E.  Hohl,  Bursians  Jahresber.  1880—1898. 

CLXXI,  1915,  95  flf.,  A.  Rosenbkrg,  Einl.  u.  *)  Kbumbacher,    Gesch.    der    byzantin. 

Quellenkunde  zur  röm.  Gesch.,  1921,  281  flf.  Litteratur^  337. 

Ein    Sachkommentar,    wie   ihn   Mommsen  '')  Er  war  784 — 806  n.Chr.  öi'r;'ir£A/.o?,  d.  h. 

schon  1890  forderte,  ist  noch  immer  ein  Gehilfe  des  Patriarchen  Tarasios  und  ging 

dringendes   Desiderat.    Die    Textausgabe  dann  ins  Kloster.   Krumbacher  a.  a.  O.  339. 
von  H.  Peter,  2  Bde.,   1884■^    ist  veraltet 


282  Römische  Geschichte. 

mit  dor  Schöpfung  und  sehlioüt  mit  Diokletian  (284  n.  (Jhr.).  (iroüenteils  unter  Ver- 
mittlung späterer  Chronographen  hat  er  aus  Africanus  und  Eusebios  geschöpft.  Weit 
tiefer  steht  die  populäre  Chronik  des  Antiocheners  Johannes  Malalas  (oder  Ma- 
Iclas),  eine  mit  romanhaften  Elementen  durchflochtene  Geschichtserzählung,  die  aber 
auch  Splitter  guter  Tradition  enthält.')  Von  den  knappen  chronistischen  Aufzeich- 
nungen in  lateinischer  Sprache  sind  zu  nennen  der  .sog.  Chronograph  von  854 
n.Chr.,  wichtig  vor  allem  für  die  Stadt  Rom,  und  die  Chronik  des  Cassiodorus.-) 
Die  Geschichte  der  Kaiserzeit  ist  besonders  für  das  2.  und  8.  Jahrhundert  nur 
unzulänglich  überliefert.  Um  so  wertvoller  sind  die  Aufschlüsse,  die  sich  aus  In- 
schriften, Münzen  und  Papyri  ergeben. 

44.  Das  Kaisertum.  Durch  seinen  Sieg  über  Antonius  beendete  Oktavian 
die  Leidens-  und  Sehreckenszeit  der  Bürgerkriege,  die  in  zwei  Generationen 
das  ganze  Reich  in  den  Grundfesten  erschüttert  hatten.  Aus  der  schweren 
Krisis  ging  ein  neues,  anders  gestaltetes  Rom  und  Italien  hervor.  Nicht 
nur  daß  die  alte  Aristokratie  furchtbar  dezimiert  war  und  neue  Männer 
aus  Italien  oder  der  Provinz  emporkamen,  auch  die  Struktur  der  Bürger- 
schaft und  der  übrigen  Bevölkerungsschiehten  hatte  sich  infolge  der  Kriege, 
Pi'oskriptionen  und  Kolonisationen  gewandelt.  Unsäglich  hatten  die  Pro- 
vinzen, vor  allem  im  Osten,  leiden  müssen.  Griechenland,  Makedonien  und 
Asien  waren  durch  die  mithridatischen  Kriege,  durch  die  Seeräuber,  durch 
dreifachen  Bürgerkrieg,  sowie  durch  Einfälle  barbarischer  Nachbarstämme 
verheert,  geplündert,  gebrandschatzt;  viele  Städte  und  Landschaften  waren 
verarmt  und  entvölkert.  Was  die  gepeinigte  Welt  brauchte  und  ersehnte, 
das  war  der  Friede,  den  ihr  dann  endlich  Oktavian  brachte.  Er  ist  der  Friede- 
fürst, der  nun  als  Erlöser,  als  Wohltäter  und  Weltheiland,  als  Gott  auf 
Erden  gefeiert  wird. 3)  Das  Friedenswerk  war  die  beste  Legitimation  seiner 
Herrschaft;  dem  Reich  den  Frieden  zu  erhalten,  betrachtete  er  als  seine 
vornehmste  Aufgabe.'') 

Nach  Rom  zurückgekehrt,  machte  sich  Oktavian  alsbald  an  die  Wieder- 
herstellung des-  Gemeinwesens,  die  er  in  seinem  sechsten  und  siebenten 
Konsulat  28  und  27  v.  Chr.  vollendete.  Er  entließ  die  Truppen  bis  auf 
18  Legionen,  versorgte  die  Entlassenen  und  straffte  die  in  den  Bürgerkriegen 
gelockerte  Disziplin  des  Heeres.  Die  Parteigänger  des  Antonius  wurden 
amnestiert.  Dann  gab  er,  wie  er  es  schon  nach  der  Besiegung  des  Sex.  Pom- 
peius  verheißen  hatte,  dem  Gemeinwesen  die  Freiheit  zurück  und  legte  seine 
triumvirale  Gewalt  nieder,    die  er  15  Jahre   innegehabt  hatte. ^)    Er  erhielt 


^)  Vgl.  Krumbaoher  a.  a.  O.  325  f.    Joh.  ^)  Davon  geben  griechische  Inschriften 

Malalas  (Malalas  bedeutet  Prediger)  lebte  Zeugnis.  Vgl.P.WENOLANo,  Soter,Zeitschr. 

im  6.  Jahrh.  n.Chr.  und  hat  seine  Chronik  f.  d.  neutestamentl.  Wiss.  V  1904,  335  ft'. 

wahrscheinlich  bis  565 n.Chr.  geführt.  Das  H.  Lietzmann,    Der    Weltheiland,    Bonn 

\Yerk,  das  nicht  vollständig  erhalten  ist,  1909,  13  ff. 

bietet    noch    manche   Probleme.     Mittel-  ■*)  Diesen  Gedanken  symbolisiert  die  13 

punkt  der  Erzählung  ist  Antiöeheia.  Der  v.  Chr.    beschlossene   ara  pacis  Augustae. 

Verfasser   ist   nicht    zu  verwechseln  mit  Gardthausen,  Augustus  I  «52  ff.  E.  Peter- 

dem  noch  zu  erwähnenden  Historiker  Jo-  sen,  Ara  pacis  Augustae,  Wien  1902. 

hannes  von  Antiochien.  ^)   Das    Triumvirat    war    zunächst    auf 

-)  Beide  jetzt  hrsgg.  v.  Th.  Mommsen,  in  fünf  Jahre  befristet,  wurde  dann  im  Ver- 
den Chronica  mlnora  [Monumenta  Germaniae  trag  von  Tarent  (Frühjahr  37  v.  Chr.)  auf 
histoKica,auctoresantiquissimi,\o\.IXu.XI).  weitere  fünf  Jahre  verlängert  und  lief 
Über  Cassiodorus  vgl.  unten.  mit  dem  Jahr  33  v.Chr.  ab.   Eine  weitere 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§44.)  283 

darauf  von  Volk  und  Senat  wichtige  Befugnisse  7Airück,  das  Kommando  über 
die  Heere  und  die  prokonsularische  Gewalt  über  die  Provinzen,  ferner  die 
Verwaltung  der  militärisch  wichtigen  Provinzen  Syrien  und  Gallien  und  des 
noch-  nicht  völlig  befriedeten  diesseitigen  Spaniens.  Die  übrigen  Provinzen, 
von  denen  nur  in  Afrika  Truppen  standen,  fielen  an  den  Senat  zurück. 
Nach  offizieller  Auffassung  war  damit  die  Republik  wiederhergestellt.  Der 
dankbare  Senat  verlieh  dem  Reorganisator  am  16.  Januar  27  v.  Chr.  den 
Weihenamen  Ävgustus  {l'eßaoTÖg).^)  Diese  Ehrung  bezeichnet  den  äußeren 
Abschluß  der  Neuordnung. 

Man  mag  immerhin  den  16.  Januar  27  v.  Chr.  als  den  Geburtstag  des 
römischen  Kaisertums  betrachten,  sofern  man  sich  bewußt  bleibt,  daß  der 
monarchische  Gedanke  längst  auf  dem  Marsch  war.  Nicht  ohne  Berechti- 
gung ließ  schon  die  Antike  mitunter  die  Reihe  der  Kaiser  mit  Caesar,  dem 
ersten  Monarchen  de  facto,  beginnen.  Die  Prinzipienfrage  Monarchie  oder 
RejDublik  hatte  schon  er  zugunsten  der  ersteren  entschieden.  Um  das  poli- 
tische Erbe  Caesars  entbrannte  aufs  neue  ein  Kampf,  der  sich  nach  dem 
Untergang  der  letzten  Republikaner  zuspitzte  auf  die  Personenfrage  An- 
tonius oder  Oktavian.  Diese  Frage  wurde  vorläufig  bei  Actium  und  end- 
gültig in  Alexandrien  gelöst.  Der  Sieg  Oktavians  war  zugleich  der  Sieg 
eines  Systems.  Mit  ihm  triumphierte  der  lateinische  Westen  über  den 
hellenistischen  Osten,  der  römische  Bürger  über  den  Kosmopoliten,  der 
künftige  Princeps  über  den  Despoten,  der  Konstitutionalismus  über  den 
Despotismus.  Dem  Urteil  der  Zeitgenossen  entspricht  es  am  besten,  wenn 
man  den  Abschluß  der  gesetzlosen  Übergangsperiode  des  Triumvirats  und  die 
gesetzliche  Konstituierung  der  imperatorischen  Stellung  als  einer  dauernden 
unentbehrlichen  Institution  neben  dem  alten  Gemeinwesen  als  den  Anfang 
des  Kaisertums  betrachtet.  2) 

Die  Staatsordnung  des  Augustus  ist  ein  Kompromiß  der  republikani- 
schen Verfassung  mit  der  unvermeidlich  gewordenen  Monarchie.  In  den 
schweren  Kämpfen,  besonders  im  Endkampf  gegen  Antonius  konnte  Oktavian 
den  Beistand  der  Aristokratie,  der  Anhänger  des  alten  Systems,  die  das 
Ende  der  unbeschränkten  triumviralen  Willkür  herbeisehnten,  nicht  missen. 
Er  selbst  hatte  sein  Wort  verpfändet,  und  so  durfte  er  nicht,  wie  sein 
Vater  Caesar,  eine  diktatorische  Gewalt  als  dauernde  Einrichtung  schaffen, 
sondern  mußte  die  gesetzlichen  Organe  der  Republik  wieder  in  Tätigkeit 
setzen.  Daher  hat  er  auch  später  die  Diktatur  oder  ein  fortwährendes 
Konsulat  oder  eine  unbeschränkte  gesetzgeberische  Gewalt  konsequent  ab- 
gelehnt, als  ihn  Volk  und  Senat  zuerst  22  v.  Chr.,  dann  19,  18  und  ip  l 
V.  Chr.  aus  Anlaß  von  Unruhen  und  Mißständen  dazu  drängten.  Wohl  aber 
stellte  er  neben  die  Verfassung  sein  eigenes  persönliches  Mandat,  das  ihm 
durch  Senatsbeschluß  und  Gesetz  und  stets  aufs  neue  befristet  übertragen 
wurde  ;^)    ein    langes    Leben    gab    ihm    die    Möglichkeit,    sein    Amt    zu    be- 


Verlängerung wurde    nicht  verfügt;    die  j   cus  vorgeschlagen  (Yelleius  II  91,  1).    Er 

letzten  fünf  Jahre  waren  also  usurpiert,  bezeichnet   den  Gottgeweihten,  Ehrwür- 

weshalb  Augustus  im  Monumentum  An-  digen. 

cyr.  sie  nicht  mitzählt.    Vgl.  oben  S.  269.  ^)  Mommsen,  Rom.  Staatsr.  II  723  f. 

')  Der  Name  wurde  von  Munatius  Plan-  ^)  Also  durch  Volksbeschluß.  Von  dem 


284  Römische  Geschichte. 

festigen  und  auszubauen  und  die  Zeitgenossen  an  eine  Institution  zu  ge- 
wöhnen, die  ihrem  staatsrechthchen  Wesen  nach  gewissermaßen  kündbar 
war,  in  Wirkhchkcit  sich  als  historische  Notwendigkeit  durch  Juhriiunderte 
fortpflanzte  und  weiter  entwickelte.') 

Der  Kaiser  ist  der  erste  Bürger,  der  princeps:  *)  praestiti  omtiibu.'<  di<jnitate, 
sagt  Augustus  von  sich;')  in  seiner  Hand  ruht  die  res  publica,  die  Bürger- 
schaft wie  die  Provinzen;^)  er  vertritt  sie  nach  außen,  hat  das  Recht,  über 
Krieg  und  Frieden  zu  entscheiden  und  Bündnisse  zu  schließen.^)  Doch  nur 
einen  Teil  des  Gemeinwesens  verwaltet  er  selbst,  das  übrige  wird  unter 
seinem  Schutz  von  Volk  und  Senat  verwaltet.  Es  ist  das  außerordentliche 
prokonsularische  Kommando  der  letzten  Zeit  der  Republik, ^j  vereinigt  mit 
der  höchsten  Gewalt  in  der  Stadt,  was  den  Kern  der  kaiserlichen  Macht 
bildet.  Anfangs  übernahm  Augustus  jährlich  das  Konsulat;  dann  aber  ver- 
zichtete er  im  Jahr  23  v.  Chr.  auf  die  dauernde  Bekleidung  dieses  Amtes, 
Seine  magistratische  Stellung  in  Stadt  und  Bürgerschaft  fand  fortan  ihren 
Ausdruck  in  der  tribunizischen  Gewalt,  die  ihm  schon  nach  Besiegung  des 
Sex.  Pompeius  auf  Lebenszeit  übertragen  worden  war,  jetzt  aber  zum  in- 
tegrierenden Bestandteil  des  kaiserlichen  Amtes  wird;  alljährlich  erneuert, 
dient  sie  zur  Zählung  der  Regierungsjahre.  Außerdem  ist  der  Kaiser  Mit- 
glied aller  großen  Priesterkollegien,  seit  dem  6.  März  12  v.  Chr.  als  Nach- 
folger des  Lepidus  auch  Fontifex  maximus.  Im  Lauf  der  Jahre  erhielt 
Augustus  noch  weitere  Rechte  und  Pflichten  zugewiesen,  da  sich  in  jeder 
Not  die  Augen  des  Volkes  auf  ihn  als  den  alleinigen  Helfer  richteten. 
Im  übrigen  teilte  er  seine  Gewalt  mit  den  Organen  des  Gemeinwesens, 
besonders  mit  dem  Senat,  den  er  in  wiederholten  lediones  (28,  18  und  11 
V.  Chr.)  reinigte  und  von  mehr  als  1000  Senatoren  auf  die  frühere  Zahl 
von  600  reduzierte.')    Der  Senat  behielt  seine  Rechte,  z.  B.  die  Verfügung 


für  Vespasian    bestimmten    Bestallungs-  principes   viri   zu    benamsen.     Nun    wird 

gesetz    ist   uns   in   der  bekannten  lex  de  princeps    zur    Bezeichnung    des    Kaisers, 

/wi2:)eHo  Fes^asia»/ noch  ein  Stück  erhalten.  jedoch   nicht   zum    amtlichen  Titel.    Die 

CIL  VI  930.    ILSInr.  244.   Bruns"  nr.  56.  Ideengeschichte    des    Prinzipates   hat   R. 

')  Mit  einem  Schein  des  Rechtes  kann  Reitzenstein,  Nachr.  d.  Gott.  Ges.  d.  Wiss. 

sich  Augustus  rühmen,  die  Freiheit  wieder  1917,  399  If.,  481  ff.  aufgehellt, 
hergestellt   zu    haben    {Res  gestae  d.  Aug.    \        ')  Res  gest.  div.  Aug.  VI  21. 

VI  13  p.  144  ff.);  vgl.  seine  Münze  von  28  *)  Daher   ihm    der  Eid    geleistet   wird, 

V.  Chr.  mit  der  Aufschrift  lihertatis  populi  was  schon    anläßlich    des  Krieges   gegen 

Romani    vindex.     Die    griechischen    Zeit-  Kleopatra  geschehen  war  {Res  gestae  div. 

genossen    bezeichnen    ihn    unbefangener  Aug.  5,  3  p.  98.  Mommsen  oben  S.  273).  Vgl. 

als  Monarchen.    Strabo  XVII  840  t)  JiuToig  die    in    Paphlagonien    gefundene    Eides- 

fjTETQEipsv   avrcö   xtjv  :nonaraniav   Tfjg  t]yef(oriag  formel  von  3,2  V.  Chr.     ILS  II  nr.  8781. 

xal  jioksfiov  xal  slqr'p')]?  xareoit]  xvoiog  8iä  ßiov,  ^)  Man    findet    die    wichtigsten   kaiser- 

vgl.  VI  441.    Die  Ansicht  Ed.  Meyers,  Kl.  liehen  Rechte  zusammengestellt  im  oben 

Sehr.  441  ff.,  Augustus  habe  ernstlieh  die  S.  283  A.  3    erwähnten  Bestallungsgesetz 

Absicht  gehabt,  die  alte  Verfassung  wieder  für  Kaiser  Vespasian. 

in  Kraft  zu  setzen,  ist  nicht  zu  billigen.  ^)  Vgl.  J.  Kromayer,  Gott.  gel.  Anz.  1919, 

Die  Tatsachen  lehren,    daß  er   seine  Ge-  420  ff. 

walt  doch  immer  als  lebenslänglich  auf-  ')  Mommsex,  Res  gestae  divi  Aug."^  35  hat 

faßte  und  sie  in    seiner  Familie   zu  ver-  mit  Unrecht  angenommen,    daß  die  drei 

erben  gedachte.    Vgl.  E.  Kornemann    bei  lectiones  senatns  mit  den  drei  Census  des 


Gercke-Norden,    Einl.   in    die  Altertums- 
wiss.  III2  274  ff. 

^)  Princeps  heißt  der  Erste.   Man  pflegte 
die  Konsulare  als  principes  civitatis,  bezw. 


Augustus  zusammenfielen,  was  nur  für 
die  erste  lectio  zutrifft.  Vgl.  Ed.  Meyer, 
Kl.  Sehr.  475  A.  1. 


7.  Fünfte  Periode :  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  44.)  285 

über  das  Aerarium  und  die  Verwaltung  der  ihm  zugewiesenen  Provinzen. 
Die  Magistrate  und  die  in  den  liöheren  Stellen  der  Provinzialverwaltung  imd 
des  Heeresdienstes  tätigen  Legaten  gingen  aus  ihm  hervor.  In  der  Reihen- 
folge der  Amter  blieb  die  hauptsächlich  von  Sulla  begründete  bisherige 
Ordnung  bestehen,  und  auch  die  kaiserliche  Verwaltung  bequemte  sich  ihr 
an.  Aber  der  princeps  hat  sich  neben  und  über  die  alte  republikanische 
Verfassung  gestellt  und  deren  weitere  Entwicklung  unterbunden.  Die  besten 
Stützen  der  kaiserlichen  Macht  sind  die  Plebs  und  das  Heer,  beide  dem 
Einfluß  des  Senats  entzogen. 

Als  Avigustus  nach  dem  Sieg  über  Antonius  die  Ordnung  des  Gemein- 
wesens in  Angriff  nahm,  knüpfte  er  vielfach  an  die  Entwürfe  Caesars  an. 
Die  Sicherheit  wurde  in  Rom,  Avie  in  Italien  hergestellt;  Rom  erhielt  in 
den  cohortes  urbanae  eine  Garnison  und  seit  dem  Jahre  6  n.  Chr.  versahen 
sieben  cohortes  vigilum  den  Sicherheits-  und  Löschdienst,  auf  sieben  Stationen 
verteilt,  für  je  zwei  Regionen  eine;  denn  die  Stadt  war  in  vierzehn  Regionen 
eingeteilt  worden.  Eine  der  ersten  Sorgen  des  Kaisers  galt  der  Ergänzung 
der  Priesterschaften  und  der  Wiederherstellung  der  alten  Heiligtümer  und 
Gottesdienste,  welch'  frommes  Werk  er  schon  29  und  28  v.Chr.  durchführte.^) 
Zahlreich  waren  die  Neubauten,  mit  denen  Augustus,  sowie  Freunde  und 
Angehörige  des  kaiserlichen  Hauses,  namentlich  M.  Agrippa,  die  Stadt 
schmückten:  das  Forum  des  Augustus,  der  Tempel  des  palatinischen  Apollo, 
die  Thermen  des  Agrippa,  der  Porticus  der  Octavia  und  das  Theater  des 
Marcellus  belebten  und  verschönten  das  Stadtbild.  Erst  jetzt  begann  die 
Welthauptstadt  mit  den  glanzvollen  hellenistischen  Großstädten  in  Wett- 
bewerb zu  treten.  2)  Die  Versorgung  der  ärmeren  Bürger  wurde  nach  dem 
Vorgang  Caesars  (oben  S.  253)  unter  Festlegung  der  Zahl  der  Getreide- 
empfänger gehandhabt.  Als  es  22  v.  Chr.  zu  Brotkrawallen  kam,  übernahm 
Augustus  das  Getreideamt,  später  auch  die  Wasserleitungen  und  die  öffent- 
lichen Arbeiten  Roms.  In  Italien  wurden  die  Brücken  und  Wege,  vor  allem 
die  ein  Flaminia,  in  Stand  gesetzt  und  bald  darauf  der  kaiserlichen  Ver- 
waltung unterstellt.  Getreu  der  römischen  Verwaltungstradition  nahm  sich 
der  Kaiser  auch  in  den  Provinzen  des  Straßenbaues  an.  3) 

In  Einlösung  der  schon  von  den  Triumvirn  gemachten  Zusagen  siedelte 
Augustus  die  entlassenen  Soldaten  in  Italien  oder  in  überseeischen  Kolonien 
an.  Damit  kam  die  Umgestaltung  der  Bevölkerung  Italiens,  wie  sie  mit 
dem  Bundesgenossenkrieg  eingesetzt  hatte,  vorläufig  zum  Abschluß.  Die 
früheren  Bewohner  wurden,  soweit  sie  nicht  an  Ort  und  Stelle  blieben, 
entschädigt;    viele   wurden   in    die  Provinzen    verpflanzt.*)    Die  Ansiedlung 


^)  Dazu  gehört  auch  die  Ergänzung 
der  Patrizier  auf  Grund  eines  besonderen 
Gesetzes,  der  lex  Saenia.  Res  gest.  d.  Aug. 
2,  1  p.  34.  Tacit.  ann.  XI  25.  Die  Patrizier 
waren  zur  Besetzung  der  alten  Priester- 
tümer  unentbehrHch,  und  auch  die  spä- 
teren Kaiser  haben  das  Recht  der  Er- 
nennung im  Bedarfsfall  geübt.  Die  Kaiser 
gelbst    sind    Patrizier    oder    wurden    bei 


Heiter,  De  patriciis  gentihtis  qnoe  imperii 
Rom.  saec.  I.  IL  III.  fuerint,  Diss.  Berl.  1909. 

^)  Strabo  V  235  f.  Mommsen,  Res  gest.  d. 
Äug.  p.78.  Gardthädsen,  Augustus  1 2, 955  f. 
Richter,  Topographie  d.  Stadt  Rom.^  58. 

^)  Die  Wiederherstellung  der  via  Fla- 
minia fällt  27  V.  Chr.  Mommsen,  Rest.  gest. 
p.  86.  Unter  anderem  hat  Augustus  auch 
die  Küstenstraße  von  Vada    bis  Spanien 


ihrem  Amtsantritt  dazu  gemacht.    Momm-       ausgebaut  CIL  V  2,  827  f. 

SEN,   Rom.  Staatsr.  II  765.  1046.    Vgl.  C.  *)  Augustus  hat  nach  eigenen  Angaben 


2S()  Römische  Geschichte. 

der  Veteranen  wurde  systematisch  fortgesetzt.  In  Italien  hat  Augustus 
28  Kolonien  angelegt,  darunter  Ariniinuni,  Bononia,  Augusta  Taurinorum 
(Turin),  Beneventuni;  nicht  geringer  ist  die  Zahl  der  in  den  Provinzen  ge- 
gründeten. Zu  nennen  sind  Panormos  und  Thermae  auf  Sizilien,  Karthago 
in  Afrika,  Augusta  Emerita  (heute  Merida)  und  Caesaraugusta  (Saragossa) 
in  Spanien,  Aquae  Sextiae  (Aix)  in  Gallien,  Dyrrhachion  und  Philippi  in 
Makedonien,  Patrae  in  Achaia,  Berytos  in  Syrien.')  Schon  der  erste  Census 
des  Kaisers  (28  v.  Chr.)  ergab  eine  ansehnliche  Zunahme  der  römischen 
Bürgerschaft:  die  Kurve  blieb  unter  Augustus  im  Steigen. 

Augustus  war  bestrebt,  durch  gesetzgeberische  Maßnahmen  besonders 
des  Jahres  18  v.  Chr.  die  höheren  Stände  zu  erhalten  und  dem  Sittenverfall 
und  der  Verschwendungssucht  zu  steuern.  Auch  die  Literatur  suchte  er 
für  seine  Reform  des  Römertums  zu  gewinnen  und  der  Dichter  Horaz  stellte 
sich  mit  einem  patriotischen  Odenzyklus  in  den  Dienst  der  nationalrömischen 
Tendenzen  des  Kaisers.  2)  Die  Aristokratie  wurde  zur  Teilnahme  an  den  Staats- 
geschäften angehalten.  In  das  öffentliche  Leben  griff  am  tiefsten  die  vom 
Kaiser  eingebrachte  lex  Julia  (18  v.  Chr.)  ein  und  ihre  Ergänzung,  das  Ge- 
setz der  Konsuln  M.  Papius  und  Q.  Poppaeus  {lex  Fapia  Foppaea)  vom 
Jahr  9  n.  Chr.,  durch  welche  den  mit  Kindern  gesegneten  Bewerbern  der 
Zutritt  zu  den  Amtern  erleichtert  wurde.  Bereitwillig  förderte  Augustus 
das  Studium  der  römischen  Vergangenheit,  deren  Denkmälern  er  lebhaftes 
Interesse  entgegenbrachte:^)  die  Anbringung  der  Konsularfasten  an  der 
Wand  der  Regia  auf  dem  Forum  (um  Sß  v.  Chr.),  ebenda  die  Triumphalfasten, 
die  Statuenreihe  aller  berühmten  Römer,  mit  der  er  sein  Forum  schmückte, 
dokumentieren  den  Sinn  des  Kaisers  für  die  große  Vergangenheit  Roms. 
Den  Altertumsforscher  Verrius  Flaccus  nahm  er  als  Lehrer  seiner  Enkel 
in  sein  Haus;  die  antiquarischen  Gedichte  des  Properz  (5.  Buch)  und  Ovids 
Fasten  sind  unter  Augustus  entstanden,  und  als  der  Rhetor  T.  Livius  zur 
Verherrlichung  der  Geschichte  Roms  sein  großes  Annalenwerk  verfaßte, 
bekundete  der  Kaiser  diesem  gemäßigten  Republikaner  eine  nicht  ganz  un- 
berechnete Teilnahme.  Bei  der  Wiederherstellung  der  Gottesdienste  spielten 
antiquarische  Neigungen  keine  geringe  Rolle.  Alte  verschollene  Priester- 
tümer,  wie  die  sodales  Tifii  und  die  Arvalbrüder  (fratres  arvales)  wurden 
wiederbelebt  und  auch  sonst  ältere  Zeremonien  zeitgemäß  erneuert.^)  Augustus 
wollte  das  Nationalgefühl  der  Römer  heben,  der  Gegenwart  die  Großtaten 
der  Vergangenheit  vorhalten  und  zugleich  die  lateinische  Literatur  konkurrenz- 

etwa  500000  Bürger  als  Soldaten  in  seinem  und  Aufsätze  l(i8  ft'. 

Dienst   gehabt  und  weit   über  300000  in  ^)  Er  ließ  sich  dabei  von  Atticus  (oben 

Kolonien   deduziert  oder  in  die  Heimat   ,    S.  16)  beraten.    Nepos  Attic.  19  f.    Atticus 

entlassen.    Beim   aktischen  Triumph    er-  war  mit  Augustus  verschwägert.    Seine 

hielten  etwa  120000  Kolonisten  dasTrium-  Enkelin  Vipsania,  Tochter  des  M.  Agrippa, 

phalgeschenk    von   je    lOOO  Sesterzen    =  war  die  erste  Gattin  des  späteren  Kaisers 

250  Drachmen;    die    an    frühere   Besitzer  Tiberius. 

gezahlten  Entschädigungen   bezift'ert  der  ^)  Wie  bei  den  Säkularspieleu  des  J.  17 

Kaiser    auf   600   Millionen    Sesterzen     —  v.  Chr.,    zu  denen  Horaz  das  carnien  sae- 

105240000  Goldmark.    Res  gest.  div.  Aug.  '.ulare  schrieb,  und  von  denen  wir  noch 

I  3.  III  15  f.  einen  Teil    der  Akten    haben.    Mommsen, 

')  MoMMSEN,  Ges.  Sehr.  V  203ff.    Res  gest.  Epheni.  epigr.  8,  22f)  ff.  und  Reden  u.  Auf- 

fUv.  Äug.  121  f.  Sätze  351  ff. 

'*)  Carm.  III  1  ff.    Vgl.  Mommsen,  Reden 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  4-i.)  287- 

fähig  mit  der  griechischen  machen.  Daher  forcierte  er  zusammen  mit  seinen 
Freunden  die  römischen  Dichter  und  Scliriftsteller;  das  von  Vergil  ganz 
nach  dem  .Herzen  des  Kaisers  geschaffene  Nationalepos,  die  Aeneis,  hat 
er  gegen  den  letzten  Willen  des  frühverstorbenen  Dichters  für  die  Nach- 
welt gerettet.  Aber  auch  die  griechisclie  Literatur  ging  nicht  leer  aus;  die 
öffentlichen  Bibliotheken,  die  palatinische  und  die  im  Porticus  der  Octavia 
hatten  neben  der  lateinischen  eine  griechische  Abteilung.  Nächst  Alexan- 
drien  wurde  Rom  zum  bevorzugten  Sitz  der  griechischen  Literatur,  die  hier 
in  allen  ihren  Zweigen  vertreten  war.  Die  bekanntesten  Schriftsteller  der 
Zeit,  z.  B.  die  Historiker  Dionysios  von  Halikarnaß,  Nikolaos  von  Damaskos 
und  Strabon  schrieben  in  Rom.i)  Auf  allen  Gebieten  suchte  Augustus  dem 
Wohl  Roms  und  der  Kulturmenschheit  zu  dienen.  Es  war  und  blieb  sein 
schönster  Ruhm,  daß  er  die  Welt  von  den  Greueln  der  Bürgerkriege  er- 
löste und  eine  Ära  des  Friedens  und  der  Ruhe  heraufführte. 

Die  von  Augustus  angestrebte  Vereinigung  der  alten  Verfassung,  der 
Senatsherrschaft,  mit  dem  Prinzipat,  also  die  Dyarchie,  um  den  von  Mommsen 
geprägten  Ausdruck  zu  gebrauchen,  war  in  Wahrheit  eine  Verbindung  un- 
vereinbarer Gegensätze.  Als  Restitution  der  Freiheit  kann  man  Augustus' 
Werk  nur  bezeichnen  im  Hinblick  auf  die  Bürgerkriege  und  das  Trium- 
virat, nicht  im  Vergleich  mit  den  Glanzzeiten  der  Republik.  Augustus  selbst 
hat  freilich  alles  getan,  um  das  republikanische  Empfinden  zu  schonen  und 
seine  tatsächliche  Monarchie  zu  verschleiern;  er  wollte  seine  Vorstandschaft 
nicht  einmal  als  dauernd  betrachtet  wissen,  sondern  nur  als  zeitweilig;  seine 
Gewalt  wurde  zuerst  auf  zehn  Jahre  erteilt,  dann  weiter  verlängert,  so 
noch  zuletzt  kurz  vor  seinem  Tod.  2)  Jede  monarchische  Benennung  wurde 
vermieden  und  die  kaiserliche  Kompetenz  war  lediglich  eine  Kumuliei'ung 
republikanischer  Amtsbefugnisse. 3)  Augustus  verbat  sich  in  Rom  und  Italien 
von  Seiten  der  römischen  Bürger  die  göttliche  Verehrung  seiner  Person  in  den 
Formen  des  hellenistischen  Herrscherkultes,  den  er  nur  in  den  Provinzen, 
zuerst  in  Asien,  und  auch  da  nur  mit  Einschränkungen  zuliefs;*)  die  Freunde 
und  Getreuen  des  Augustus  wie  M.  Agrippa,  Statilius  Taürus  und  andere  waren 
sozusagen  stille  Teilhaber  an  dem  Regiment,  das  er  ihrer  Hilfe  mitverdankte. 

Doch  trat  der  monarchische  Charakter  des  Prinzipates  noch  unter  seinem 
ersten  Träger  je  länger  desto  mehr  hervor.  Der  Wirkungskreis  des  Senates,^) 
dem  ein  groiaer  Teil  der  Verwaltung  zurückgegeben  worden  war,  wurde  von 
Augustus  erweitert,  indem  er  ihm  die  Gerichtsbarkeit  über  die  eigenen 
Mitglieder  übertrug  und    ihn  zum  höchsten  Kriminalgerichtshof  für  Italien 


^)    A.  HiLLSCHEK,    Hom>>inm    litteratoruni  Imperatoniamen  als  vou  seinem  Adoptiv- 

Graecortim  ante  Tiber ii  mortem  imirbe  Roma  vater   ererbt    betrachtete;    vgl.  den   ana- 

commoratorum    hlst.  crit.,    Jahrb.  f.  Philol.  logen   Fall    des    Sex.  Pompeius,    der   das 

Suppl.  18  (1892)  358  ff.  Cognonien    seines    Vaters     ebenfalls    als 

^)  13  n.  Chr.    Cass.  Dio  LVI  28.  Praenomen    verwendet;    s.  A.  Rosenberg, 

ä)  Princeps  ist,    wie  schon   oben  S.  284  PW  IX  1144  f. 

A.  2  bemerkt,    kein  Amtstitel.    Am   ehe-  *)  Vgl.  E.  Koknemann,   Klio  I  95  ff.    H. 

sten  könnte /wyM'r«/o;- als  kaiserlicher  Titel  Keinen,  Klio  XI,  1911.  139  ff. 

gelten.    Augustus  führte  ihn  zum  Unter-  *)  Th.  A.  Abele,  Der  Senat  unter  Augu- 

schied    vom    früheren   Gebrauch    seit  40  stus,   Paderborn  1907  (Stud.  z.  Gesch.  u. 

V.  Chr.  dauernd  an  Stelle  des  Vornamens  Kultur  d.  Altertums  I  2). 
Gfdän?,:  Imperator  Caesar  Vlüw.,  vfohe'i^T  den 


288  Römische  Geschichte. 

und  die  Senatsprovinzen  machte.  Die  gegen  Senatoren  gerichteten  politi- 
schen Prozesse  kamen  in  der  Folge  vor  das  Forum  des  Senats.  Seit  Tiberius 
wurden  ihm  auch  die  Walilen,  die  Komitien  übertragen;  aber  letzten  Endes 
hatte  der  Princeps  das  entscheidende  Wort,  wo  immer  es  ihm  beliebte. 
Der  Senat  bedeutete  am  meisten  als  Stand,  er  behielt  im  Dienst  des  Kaisers 
den  wichtigsten  Anteil  an  der  Reichsregierung;  die  höchsten  Amter  waren 
ihm  vorbehalten. 

Den  veränderten  Verhältnissen  entsprechend  verloren  die  städtischen 
Magistraturen  ihre  eigentliche  Bedeutung;  sie  dienten,  wie  das  schon  von 
Sulla  angebahnt  worden  war,  hauptsächlich  als  Vorstufe  für  die  wichtigeren 
Verwaltungsämter.  Ein  Versuch,  die  Zensur  zu  erneuern,  schlug  fehl;') 
nur  der  Kaiser  selbst  konnte  die  zensorischen  Geschäfte  durchführen.  Die 
Volkstribunen  treten  in  den  Hintergrund,  seitdem  die  tribunizische  Gewalt 
auf  den  Kaiser  übergegangen  ist.  Es  werden  aus  ihnen,  Avie  aus  den  Prä- 
toren und  Adilen  alljährlich  die  Vertreter  der  städtischen  Regionen  erlost. 2) 
Das  Konsulat  hörte  auf  jährig  zu  sein;  denn  in  der  Regel  sah  ein  und 
dasselbe  Jahr  nach  den  beiden  consules  ordinarii  noch  ein  oder  mehr  Paare 
von  Suffektkonsuln.  Durch  gesetzliche  Vorschriften,  durch  Festsetzung  eines 
Census,  durch  genauere  Bestimmung  der  Altersstufen  und  Amterfolge  wurden 
die  Rechte  und  Pflichten  des  senatorischen  Standes  umgrenzt.  Dem  Senat 
in  früherer  Weise  die  Regierung  zu  überlassen,  vertrug  sich  weder  mit  dem 
Prinzipat  noch  mit  den  Bedürfnissen  des  Reiches.  Immer  mehr  bewahr- 
heitete sich  die  schon  vor  Caesars  Diktatur  lautgewordene  Überzeugung, 
daß  nur  ein  einzelner  das  Reich  zu  leiten  vermöge;  die  große  politische 
Rolle  des  Senats  war  im  wesentlichen  ausgespielt.  Zugleich  verlor  die  Stadt 
Rom  ihre  Stellung  als  herrschende  Gemeinde,  seitdem  die  Regierenden  nicht 
mehr  aus  freier  Wahl  der  Komitien  des  römischen  Volks  hervorgingen; 
denn  auch  auf  die  Wahlen  gewann  der  Kaiser  entscheidenden  Einfluß:  er 
hatte  das  Recht  der  Empfehlung  zu  den  Amtern,  und  ein  großer  Teil  der 
Stellen,  auch  das  Konsulat,  wurde  tatsächlich  von  ihm  besetzt.  5)  Übrigens 
blieb  das  Wahlrecht  auf  die  alten  republikanischen  Magistraturen  beschränkt; 
für  die  neugeschaffenen  Amter  hatten  die  Kaiser  das  Ernennungsrecht. 

Auch  über  den  Staatshaushalt  und  die  Finanzgebarung  wurde  eine  Aus- 
einandersetzung zwischen  Kaiser  und  Senat  notwendig.  Die  alte  Staats- 
kasse, das  Aerarium,  war  auf  Italien  und  die  Senatsprovinzen  als  Einnahme- 
quellen angewiesen,  während  die  Einkünfte  aus  den  kaiserlichen  Provinzen 
dem  Princeps  zuflössen,^)  dem  überdies  der  Ertrag  seines  großen  Privat- 
vermögens zur  Verfügung  stand.  Eine  kaiserliche  Zentralkasse  gab  es  zu- 
nächst noch  nicht,  wohl  aber  einzelne  kaiserliche  Kassen;  erst  unter  Claudius 
entsteht    der  Fiskus    als    kaiserliche  Hauptkasse. ^)    Aus    seinen  Einkünften 


')  Im  J.  22  V,  Chr.  wurden  nämlich  zum 
leiztenmal  Zensoren  gewählt  und  zwar 
L.  Munatius  Plancus  und  Paullus  Aemilius 
Lepidus,  die  jedoch  versagten.    Cass.  Dio 


hat  der  Kaiser   faktisch    die  Ernennung. 
MoMMSEN,  Staatsrecht  11^  877  ff. 

*)  Daneben   hatte    der  Kaiser  auch   in 
den  Senatsprovinzen  Einkünfte. 


Liy  2.    ILS  I  nr.  886.  ^)  Vgl.  O.  Hirschfeld,  Die  kaiserlichen 

')  7  V.  Chr:  Cass.  Dio  LV  8,  7.  Verwaltungsbeamten   bis  auf  Diocletian, 

^  ^)  Unter  Augustus  und  Tiberius  ist  das  2.  Aufl.,  Berlin  1905,  S.l  ff.  Fiscus  bedeutet 

Konsulat    von    der    Kommendatiou    an-  den  Geldkorb, 
scheinend    noch    ausgeschlossen,     später 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§44.)  289 

bestritt  der  Kaiser  die  Kosten  seiner  eigenen  Verwaltung,  vor  allem  den 
Heeres-  und  Flottenetat.  Der  kaiserliche  Fiskus  war  weit  leistungsfähiger 
als  die  Senatskasse,  das  Arar,  dem  schon  Augustus  wiederholt  Zuschüsse  ge- 
währen mußte.  Augustus  hat  anscheinend  in  allen  Provinzen  die  Steuern  er- 
höht, und  auch  die  römische  Bürgerschaft  wurde  dauernder  Besteuerung 
unterworfen.  Nur  so  konnten  die  Ausgaben  für  die  Verwaltung,  besonders 
für  das  kostspielige  stehende  Heer,  das  Augustus  unterhielt,  gedeckt  werden. 

Das  Heerwesen  war  das  wichtigste  Stück  der  kaiserlichen  Verwaltung.  M 
Die  Verfügung  über  die  Armee  stand  beim  Kaiser.  Er  allein  hatte  als 
ständiger  Imperator  das  Recht  der  Aushebung  und  Formierung,  sowie  die 
oberste  Befehlsgewalt  in  Krieg  und  Frieden.  Bei  seiner  Heeresordnung 
trug  Augustus  den  militärischen  Verhältnissen,  wie  sie  sich  in  den  Bürger- 
kriegen herausgebildet  hatten,  Rechnung.  Das  Landheer  setzte  sich  wie 
früher  aus  den  Legionen  und  den  Kontingenten  der  Bundesgenossen  und 
Untertanen,  den  Auxilien,  zusammen.  Die  letzteren  wurden  hauptsächlich 
aus  den  unverbrauchten  kriegerischen  Stämmen  des  Reichsgebiets  ausgehoben; 
ihre  taktische  Einheit  ist  wie  bisher  die  Kohorte  und  für  die  Reiterei  die 
Ala.2)  Nach  der  Schlacht  bei  Actium  blieben  zunächst  nur  18  Legionen 
unter  den  Fahnen;  später  wurde  das  Heer  auf  25  Legionen  gebracht.  Die 
Bedingungen  des  Dienstes  wurden  gesetzlich  geregelt;  nachdem  eine  frühere 
Ordnung  3)  sich  nicht  bewährt  hatte,  wurde  die  aktive  Dienstzeit  der  Le- 
gionare auf  20  Jahre  festgesetzt ;  die  Ausgedienten  hatten  Anspruch  auf  eine 
Zivilversorgung  mit  Land  und  Geld;  für  diese  Zwecke  gründete  Augustus 
6  n.  Chr.  einen  besonderen  Fonds,  das  aerarium  inilitare,  das  durch  die 
Erträgnisse  der  neu  eingeführten  Erbschafts-  und  Auktionssteuer  gespeist 
wurde.*)  Die  Legion  besteht  wie  früher  aus  römischen  Bürgern;  doch  war 
dies  Prinzip  in  den  Bürgerkriegen  bereits  tatsächlich  durchbrochen  worden, 
und  auch  Augustus  nahm  den  Ersatz  der  Legionen  vielfach  aus  Provinzialen, 
die  mit  dem  Eintritt  in  die  Legion  das  römische  Bürgerrecht  erhielten  und 
später  als  Bürger  entlassen  wurden.^)  Es  wurden  dabei  bestimmte  Pro- 
vinzen bevorzugt.  So  wurde  der  Heeresdienst  zu  einem  wichtigen  Faktor 
für  die  fortschreitende  Romanisierung  der  Provinzen. 

Die  privilegierte  Stellung  einer  Gardetruppe  nahmen  die  prätorischen 
Kohorten  ein,  die  dem  Kaiser  in  seiner  Eigenschaft  als  Imperator  zustanden,  c) 
neun  an  der  Zahl,  je  1000  Mann  stark.  Sie  waren  durch  kürzere,  16jährige 
Dienstzeit  und  höheren  Sold  ausgezeichnet  und  wurden  von  zwei  Präfekten 
kommandiert.  Augustus  hielt  nur  einen  kleinen  Teil  in  Rom  oder  sonst 
in  seiner  unmittelbaren  Umgebung,  die  übrigen  wurden  auf  die  benach- 
barten Munizipien  verteilt.    Sie  rekrutierten  sich  aus  Freiwilligen  und  zwar 

')  Über  die  kaiserliche  Heeresordnung  i   Sueton.  Aug.  49. 

und  ihre  Wirkungen  handelt  A.  v.  Domä-  *)  Marqüakdt,    Eöm.   Staatsverwaltung 

szEwsKi,  N.  Heidelb.  Jahrb.  X  221  flf.  und  \   II^  305. 

Die  Rangordnung  des  röm.Heeres  (Bonner  {        ^)  Mommsen,  Ges.  Sehr.  VI  20  ff. 

Jahrb.  Heft  117,  1908).  *)  Seit  Scipio  Aemilianus  (Festus  s.  v. 

2)  EinVerzeichnisderAlen  und  Kohorten  [  jiraetorin  coJiors)    bildeten  die  Feldherren 

gibt  CicHOKius,  PW  I  1224  ff.  IV  231  ff.  i    zu  ihrer  Bedeckung  aus  erlesenen  Mann- 

')    13  V.  Chr.    wurden    die    Prätorianer  schafteu   eine  Kohorte   [cohors  praetoria), 

auf  12,  die  Legionare  auf  16  Dienstjahre  die  während  der  Bürgerkriege   zu   einer 

verpflichtet.    Cass.  Dio  LIV  25,  of. ;  vgl.  j    größeren  Truppe  anwuchs. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    111,5.    5.  Aufl.  19 


290  Römische  Geschichte. 

aus  römischen  Bürgern  Italiens;  denn  Italien  war  von  der  gewöhnlichen 
Aushebung  befreit;  doch  griff'  man  bald  auch  über  Italien  in  die  roniani- 
sierten  Provinzen  hinaus. 

Während  die  Mannschaften  des  Reichsheeres  den  verschiedensten  Natio- 
nalitäten angehörten,  waren  die  Offiziere  der  Legionen  wie  der  Auxilien 
durchweg  italischer  Herkunft,  wie  es  auch  nur  eine  Kommandosprache,  die 
lateinische,  gab.  Die  Einheitlichkeit  des  Offizierstandes  gewährleistete  den 
Zusammenhalt  der  Armee.  Die  höchsten  Führerstellen  in  den  Legionen 
blieben  dem  Senatorenstand  vorbehalten,  in  den  Auxilien  den  römischen 
Rittern.  Auch  eine  ständige  Kriegsmarine  hat  Augustus  als  erster  geschaffen. 
Misenum  und  Ravenna  waren  die  beiden  großen  Flottenstationen  Italiens. 
Eine  dritte  befand  sich  in  Forum  Julii  (Frejus)  in  Südgallien ;  später  erhielten 
auch  das  Schwarze  Meer  und  andere  Gewässer  eigene  Flotten.  Es  entsprach 
dem  geringeren  Ansehen  des  Seedienstes,  daß  die  Flottenmannschaften  aus 
den  untersten  Schichten  der  freien  Bevölkerung  genommen  wurden. 

Der  Kaiser  versieht  die  ihm  von  Senat  und  Volk  übertragenen  Befug- 
nisse innerhalb  der  res  publica  in  den  von  früher  überkommenen  Formen. 
In  den  Provinzen  und  im  Kommando  der  Heere  läßt  er  sich  durch  Legaten 
senatorischen  Standes  vertreten,  und  hier  gilt  die  in  den  republikanischen 
Amtern  übliche  Rangordnung.  Ägypten  und  andere  selbsterworbene  Terri- 
torien verwaltet  er  dagegen  durch  persönlich  Beauftragte,  Präfekten  und 
Prokuratoren,  die  dem  Ritterstand  angehören.  Die  Ritterschaft  wird  der 
zweite,  der  kaiserliche  Beamtenstand;  ihre  Mitglieder  finden  in  die  Staats- 
verwaltung und  besonders  in  die  Armee  Eingang,  und  es  bildet  sich  in  den 
ritterlichen  Amtern  nach  Analogie  der  republikanischen  Ordnung  eine  be- 
stimmte Rangfolge  heraus,  deren  untere  militärische  Stufen  dieselben  sind 
wie  bei  der  senatorischen  Laufbahn.  Aus  den  Rittern  und  ihren  vier  De- 
kurien  wurden  jetzt  auch  die  Gerichtshöfe  gebildet;  dem  Ritterstand  ge- 
hörten zumeist  die  rechtsgelehrten  Berater  an,  die  den  Kaiser  bei  Ausübung 
seiner  Gerichtsbarkeit  unterstützten.  Den  Stand,  dem  er  so  wichtige  Auf- 
gaben zuwies,  säuberte  Augustus  von  unwürdigen  Elementen  und  unterzog 
ihn  regelmäßigen  Musterungen.')  Die  Ritter  bildeten  eine  zweite  Aristo- 
kratie, die  an  tatsächlicher  Bedeutung  den  Senatorenstand  allmählich  er- 
reichte, wo  nicht  überflügelte.  Die  Verwaltung  des  kaiserlichen  Haushalts 
und  der  kaiserlichen  Einkünfte  war  persönliche  Angelegenheit  des  Monarchen, 
der  die  einschlägigen  Geschäfte  durch  einen  Stab  von  Vertrauensmännern 
und  Dienern  erledigen  ließ;  zu  diesen  Hofbeamten  gehörten  neben  Rittern 
auch  Freigelassene  und  Sklaven.  Namentlich  Freigelassene  sind  in  den  Haus- 
und Hofämtern  zu  höchst  einflußreichen  Stellungen  gelangt,  freilich  noch 
nicht  unter  Augustus  und  Tibeiüus;  Augustus  wählte  seine  Berater  und 
Freunde  aus  den  höheren  Ständen;  aber  unter  den  Nachfolgern  wurden 
die  für  die  Reichsregierung  wichtigsten  Posten  am  Hof  von  kaiserlichen 
Freigelassenen  eingenommen,  bis  dann  diese  großen  Hofämter  auch  formell 
zu  Staatsämtern  gemacht  und  mit  Rittern   besetzt  wurden. 


')    Die   Musterung    war   mit   dem    von       der  travectio,  verbunden,    die  am  15.  Juli 
Augustus    wieder   eingeführten    Festzug,    j   stattfand.    Mommsen,  Staatsrecht  III  489. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§44.)  2*.>1 

Auf  den  Grundmauern  der  republikanischen  Verfassung  und  aus  lauter 
alten  Werkstücken  hat  Augustus  einen  originalen  Neubau  aufgeführt  und 
seinen  Nachfolgern  hinterlassen.')  Wenn  auch  die  privilegierte  Stellung 
der  römischen  Bürgerschaft  unangetastet  blieb,  so  haben  die  Reformen  des 
Augustus  doch  dazu  beigetragen,  den  Unterschied  zwischen  Herrschern  und 
Beherrschten,  zwischen  Rom  und  den  Provinzen  auszugleichen  und  ein  all- 
gemeines Reichsbürgertum  anzubahnen.  Als  Friedenskaiser  hat  Augustus 
den  erschöpften  Provinzen  die  Möglichkeit  geschaffen,  sich  zu  erholen  und 
neu  zu  beleben.  Städtisches  Wesen  und  städtische  Kultur  verbreiten  sich 
über  das  ganze  Reich;  im  Osten  längst  heimisch,  durchdringen  ihre  Seg- 
nungen nunmehr  auch  den  Westen. 

Die  Achillesferse  der  kaiserlichen  Verwaltung  war  das  Finanz-  und  Heer- 
wesen, das  sich  als  unzulänglich  erwies  und  doch  immer  schwerer  auf  den 
Leistungspflichtigen  lastete.  Auch  unter  der  kaiserlichen  Regierung  hat  die 
Bedrückung  der  Provinzen  durch-  habsüchtige  vnid  unredliche  Magistrate 
nicht  ganz  aufgehört.  Schon  unter  Augustus  und  seinen  nächsten  Nach- 
folgern wird  über  die  Höhe  der  Steuern  geklagt.^)  Im  Heerwesen  hat  be- 
sonders die  von  Sparsamkeitsrücksichten  diktierte  Ausdehnung  der  Dienst- 
zeit sowie  die  ungleichmäßige  Verteilung  der  militärischen  Lasten  Mißstände 
ergeben.  Die  Vorherrschaft  der  städtischen  Verfassung  führte  zu  einer  starken 
Bevorzugung  der  städtischen  vor  der  ländlichen  Bevölkerung,  die  finanziell 
und  militärisch  die  Hauptopfer  bringen  mußte.  Die  Provinzen  machten  eine 
ähnliche  Entwicklung  durch  wie  einst  Italien;  auch  in  ihnen  dehnten  sich 
die  Latifundien  aus,  das  freie  Landvolk  schmolz  zusammen  und  die  später 
auch  noch  durch  Angriffe  von  außen  erschütterte  Lebenskraft  begann  all- 
mählich zu  versiegen. 

Die  Periodisierung  der  Kaisergeschichte  wird  bedingt  durch  die  innere 
Entwicklung  des  Kaisertums.  Mit  Recht  macht  man  beim  Regierungsantritt 
des  Diokletian  (285  n.  Chr.)  eine  tiefe  Zäsur;  denn  mit  ihm  beginnt  die 
absolute  Monarchie,  der  Dominat  an  Stelle  des  Prinzipats,  und  die  gänz- 
liche Beseitigung  der  alten  Verfassung  und  des  Senates  durch  eine  neue, 
rein  monarchische  Verwaltung.^) 

Darstellungen  der  Kaisergeschichte:  Über  die  Werke  Tillemonts  und  Gibbons 
siehe  oben  S.  1  f.  Dazu:  Merivale,  ä  histonj  of  the  Romans  under  the  empire,  London 
1862.  —  Hertzberg,  Geschichte  des  röm.  Kaiserreichs  (in  der  ONCKEN'schen  Samm- 
lung), Berlin  1880.  —  K.  Hück,  Röm.  Geschichte  vom  Verfall  der  Republik  bis  zur 
Vollendung  der  Monarchie  unter  Constantin,  1.  Bd.  in  8  Abt.,  Braunschweig  1841  — 
1850  (bis  zum  Tode  Neros).  —  H.  Schiller.  Geschichte  der  röm.  Kaiserzeit,  1.  Bd.  in 
2  Abt.  (bis  Diokletian),  Gotha  1883;  2.  Bd.  (bis  zum  Tode  Theodosius  d.  Gr.  (Gotha 
1887.  —  DuRüY,  Geschichte  des  röm.  Kaiserreichs,  deutsch  von  G.  F.  Hertzberg.  5  Bde., 
Leipzig  1885—1889.  —  Th.  Mommsen,  Röm.  Geschichte,  5.  Bd.,  Die  Provinzen  von  Caesar 
bis  Diocletian,  Berlin  1885.  —  Julius  Asbach,  Röm.  Kaisertum  und  Verfassung  bis 
auf  Traian,  Köln  1896.  —  Mommsen,  Rom.  Staatsrecht,  2.  Bd.  2.  Abt.,  Leipzig  1887, 
3.  Aufl.  (gibt  eine  Darstellung  des  Prinzipats).  —  0.  Hirschfeld,  Die  kaiserl.  Vei*- 
waltungsbeamten  bis  auf  Diocletian,  2.  Aufl.,  Berlin  1905.  —  E.  Kühn,  Die  städtische 


>)  Vgl.  die  von  Augustus  offiziell  aus-  II  42,  54.  III  40.  IV  46. 
gesprochene  Hofi^nung  mansura  in  vestigio  ')  Welthistorisch  macht  freilich  erst  die 

suo  fundanienfa  reip.  quae  leccro  (Suet.  Aug.    I  Alleinherrschaft  Konstantins  und  der  Sieg 

28,  2).  I  des  Christentums  Epoche,  vgl.  K.  J.  Neu- 

'^)  z.  B.  in  Achaia  und  Makedonien,  Asien,    i  mann,  Hist.Zeitschr.117,  3.F.21, 1917,379f, 
Syrien,  Judäa  und  Gallien.  Tacit.  ann.  I  76.    I 

19* 


292  Römische  Geschichte. 

und  bürgerliche  Verfassung  des  röm.  Reiches  Ijis  auf  die  Zeiten  Justinians,  2  Bde., 
Leipzig  1864.  1865.  —  L.  Fkiedländek,  Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte  Roms 
in  der  Zeit  von  Augustus  bis  zum  Zeitalter  der  Antonine,  9.  u.  10.  Aufl.  besorgt  von 
G.  WissowA,  4  Bde.  1919,21.  —  A.  v.  Domaszewski,  Geschichte  der  röm.  Kaiser,  2  Bde., 
Leipzig  1909.  —  R.  v.  Pöiilmann  in  Bd.  I  der  Weltgeschichte  des  Ullsteinschen  Ver- 
lags, hrsg.  von  J.  v.  Pflugk-Harttung,  Berlin  o.  J.  (1909).  —  E.  Koknemann  in  'Ein- 
leitung in  die  Altertumswissenschaft',  hrsg.  von  Gekcke-Norden,  Bd.  III,  Leipzig  und 
Berlin  1914'^,  210  ff.  —  O.  Hirscjifelo,  Zur  Geschichte  der  röm.  Kaiserzeit  in  den  ersten 
drei  Jahrhunderten,  Kleine  Schriften,  Berlin  1913.  901  ff.  —  Sammlungen  von  Einzel- 
untersuchungen: SiEVEus,  Studien  zur  Geschichte  der  röm.  Kaiser,  Berlin  1870.  — 
BüDiNGER,  Untersuchungen  zur  röm.  Kaisergeschichte,  'S  Bde.,  Leipzig  1870.  —  Zur 
Chronologie:  H.  F.  Clinton,  Fasfi  Romani  (vom  Tode  des  Augustus  bis  zum  Tode 
Justins  II  578  n.  Chr.),  2  Bde.,  Oxford  1845.  1850.  —  Joseph  Klein,  Fasti  consulares 
inde  a  Caesaris  nece  unque  ad  imperUtm  Diocletiani,  Leipzig  1881.  —  W.  Liebenam,  Fasti 
consulares  impeiii  Romani  von  30  v.  Chr.  bis  565  n.  Chr.,  Bonn  1909.  —  Numismatik: 
EoKHEL,  Doctrina  numornm  veterum,  vol.  VI — VIII.  —  H.  Cohen,  De.^cription  historique 
des  monnaies  frappees  sons  I'emjnre  romain,  8  Bde.,  Paris  1880/92^.  —  Ein  wichtiges 
Repertorium  ist  die  Pro.HopograpJiia  imperii  Romani  saec.  I.  IL  III  von  H.  Dessau, 
E.  Klebs  und  P.  v.  Rohden,  3  Bde.,  Berlin  1897.  1898. 

45.  Das  römische  Reich  unter  Augustus.  In  der  auswärtigen  Politik 
mahnte  den  Augustus  die  allgemeine  Friedensseimsucht  ebenso  wie  die  be- 
schränkte militärische  und  finanzielle  Leistungsfähigkeit  des  Reiches  zur 
Vorsicht;  aber  schon  die  Sicherung  und  Abrundung  der  Grenzen,  die  Au- 
gustus als  seine  Hauptaufgabe  betrachtete,  machte  zahlreiche  Kriege  not- 
wendig, die  zugleich  den  traditionellen  Waffenruhm  Koms  erhalten  und 
mehren  sollten.  Gelegentlich  hat  der  Friedenskaiser  in  imperialistischer  An- 
wandlung auch  Eroberungspolitik  getrieben,  so  mit  der  arabischen  Expedition 
vom  Jahr  25  v.  Chr.  und  Germanien  gegenüber.^)  Die  Avichtigsten  Provinzen 
hat  Augustus  selbst  auf  längere  Zeit  besucht,  einige  zu  wiederholten  Malen. 
Gleich  nach  dem  Abschluß  des  Verfassungswerks  (27  v.  Chr.)  begab  er  sich 
nach  Gallien  und  von  hier  noch  in  demselben  Jahr  nach  Spanien,  wo  er  bis 
Anfang  24  v.Chr.  verweilte;  22 — 19  v.Chr.  bereiste  er  Sizilien,  Griechen- 
land und  den  Orient;  überall  hat  er  durch  Neuordnungen  und  Gründungen 
dauernde  SjDuren  seiner  Anwesenheit  hinterlassen.  Seine  Erfahrungen  in 
der  auswärtigen  Politik  veranlagten  ihn  schließlich,  seinem  Nachfolger  als 
politisches  Testament  den  Rat  zu  vermachen,  die  Grenzen  des  Reiches  nicht 
zu  erweitern. 

Eine  dringende  Notwendigkeit  war  der  Schutz  der  Nordgrenze  Italiens 
und  Makedoniens,  die  während  des  Bürgerkriegs  ganz  unsicher  geworden 
war.  Sobald  die  Umstände  es  gestatteten,  wurden  zu  dem  Behuf  die  Alpen- 
landschaften einverleibt.  Der  erste  Schritt  geschah  mit  der  Vernichtung  der 
Salasser  am  Kleinen  St.  Bernhard,  die  schon  früher  mehrmals,  zuletzt  34 
V.  Chr.  (oben  S.  271)  unterworfen,  immer  wieder  ihre  Freiheit  zu  behaupten 
wußten. 2)  Als  sie  sich  26  v.  Chr.  aufs  neue  rührten,  ließ  der  Kaiser  sie 
durch  A.  Terentius  Varro  Murena  ausrotten  oder  verpflanzen  und  auf  ihrem 
Gebiet  die  Militärkolonie  Augusta  Praetoria  (Aosta)  anlegen  (25  v,  Chr.). 
Später  gab  ein  Angriff  der  Pannonier  und  Noriker  (Taurisker)  auf  die 
istrische  Küstenlandschaft    den  Anstoß    zur  Annexion    von  Noricum    durch 


')  Vgl.  U.  WiLCKEN,  Über  Werden  u.  Ver-  Plauens  zu  vereinigen  (oben  S.  260),  mußte 

gehen  der  Universalreiche,  Bonn  1915, 24  f.  er  von  ihnen  den  Durchmarsch  erkaufen, 

^)  Als  43  V,  Chr.  D.  Brutus   durch   ihr  indem   er   für  jeden  Mann    einen  Denar 

Gebiet  über  die  Alpen  zog,  um  sich  mit  erlegte.    Strabo  IV  205, 


7.  Fünfte  Periode :  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  45.)  298 

P.  Silius  Nerva  (16  v.  Clir.).^)  Bereits  im  nächsten  Jahr  schloß  sich  die 
Unterwerfung  der  Räter  und  Vindeliker  an,  die  in  einem  einzigen  Feldzug 
durch  die  Stiefsöhne  des  Augustus,  Ti.  Claudius  Nero  und  Nero  Claudius 
Drusus,  vollendet  wurde.  Tiberius  drang  von  Gallien  aus  vor,  schlug  die 
Vindeliker  auf  dem  Bodensee  (1.  August  15  v.  Chr.)  und  erreichte  das  Quell- 
gebiet der  Donau,  während  Drusus  von  Süden  her  über  den  Brenner  kam 
und  den  Sieg  des  Bruders  vervollständigte.  Der  Bau  einer  Heerstraße  über 
die  Alpen  sicherte  das  Werk  der  Waffen.  Die  Reichsgrenze  wurde  bis  an 
die  Donau  vorgeschoben.  Es  handelte  sich  dabei  um  die  unumgängliche 
Ergänzung  der  Unterwerfung  des  großen  Galliens,  das  bisher  nur  lose  mit 
Italien  zusammenhing.  Die  Befriedung  der  übrigen  Alpenstämme  erforderte 
noch  weitere  Kämpfe,  die  erst  6  v.  Chr.  ihr  Ende  fanden.  Ein  Sieges- 
denkmal, am  Südfuß  der  Alpen  errichtet,  die  tropaea  Äuyusti  (heute  la 
Turbie  bei  Monaco),  zählte  die  unterworfenen  Völkerschaften  auf. 2)  Die  neu- 
erworbenen Gebiete,  auch  Rätien  und  Noricum,  wurden  von  kaiserlichen 
Prokuratoren  oder  Präfekten,  gelegentlich  auch  von  einheimischen  Fürsten 
verwaltet.  Ein  solcher  war  M.  Julius  Cottius,  der  in  Segusio  (Susa)  resi- 
dierte und  nach  dem  die  kottischen  Alpen  ihren  Namen  erhalten  haben. 3) 
Am  Unterlauf  der  Donau  waren  seit  längerem  die  Geten  (Daker)  und 
die  mit  ihnen  verbündeten  Bastarner  die  vorwiegende  Macht  und  unbequeme 
Nachbarn  der  Provinz  Makedonien.  Sie  griffen,  wie  schon  früher  bemerkt, 
nach  Thrakien  und  Illyrien  über,  die  an  Noricum  grenzenden  Pannonier 
Avaren  ihnen  verbündet,  jinsehnliche  Teile  ihres  Volkes,  wie  die  Moser,  hatten 
sich  am  südlichen  Donauufer  niedergelassen,  die  griechischen  Städte  am 
thrakischen  Pontosufer  waren  teilweise  in  ihrer  Gewalt.  Augustus  hatte  den 
Krieg  mit  ihnen  bereits  in  seinem  illyrischen  Feldzug  von  35  v.  Chr.  (oben 
S.  271)  ins  Auge  gefaßt  und  ist  beinahe  während  seiner  ganzen  Regierungs- 
zeit mit  der  Erledigung  dieser  Aufgabe  beschäftigt  gewesen.  Erleichtert 
wurde  sie  durch  die  Zersplitterung  der  Geten,*)  die  nicht  mehr  wie  unter 
Byrebistas  eine  Einheit  bildeten,  sondern  sich  in  mehrere  Stämme  getrennt 
hatten.  Zuerst  wurde  der  Krieg  von  Makedonien  aus  geführt.  Schon  30 
und  29  V.  Chr.  hatte  M.  Licinius  Crassus,  der  Statthalter  Makedoniens,  einen 
Angriff  der  Bastarner  und  Geten  auf  die  thrakischen  Stämme  siegreich 
zurückgeschlagen  und  die  Eindringlinge  bis  an  die  Donau  verfolgt,  wo  er 
die  Moser  zum  Teil  unterwarf.  Diese  Kämpfe  sollten  sich  des  öfteren  wieder- 
holen; einzelne  römische  Heerführer  haben  die  Donau  überschritten  und 
sind  bis  an  den  Tyras  (Dniestr)  gelangt.  5)  Auch  die  Thraker  mußten  sich 
unterwerfen ;  sie  wurden  unter  römischer  Klientel  dem  odrysischen  Fürsten 
Kotys  und  seinem  Haus  zugeteilt.*^)  Manche  Stämme  jedoch,  vor  allem  die 
Besser,  wollten  sich  nicht  fügen,  und  mehrfach,  namentlich  16  und  11  v.Chr., 

>)  ZipPEL,  Illyrien  121  f.    P.  Groebe,  Klio  *)  Zur  Zeit   der  Schlacht   von  Actium 

V  104.  war   ein    Teil    des  Volkes    mit    Antonius 
ä)   Plinius  h.  n.  III  136.     CIL  V  7817.       verbündet,  ein  anderer  hielt  zu  Oktavian. 

G.  Obekziner,  Le  guen-e  di  Augnsfo  contro  |        ^)  Strabo  I  14,  der  auch  berichtet  (YII 

i  popoli  Alpini,  Roma  1900.  303),  daß  Sex.  Aelius  Catus  über  die  Donau 

^)  Cottius  führt  den  Titel  Präfekt.  CIL  j    ging  und  50000  Geten  zur  Ansiedlung  in 

V  7231.    ILS  nr  94.   Erst  unter  Nero  hörte  Mösien  auf  das  südliche  Ufer  führte,  nach 
der  kleine  Staat  zu  existieren  auf.    Mar-  >    v,  Premerstein  16  v.  Chr. 

QUARDT,  Staatsverwalt.  I'^  280.  ^)  Vgl.  Mommsen,  is^/u'wer.  «'j;/5'>-.  II  250ft'. 


204  Römische  Geschichte. 

mußten  die  Römer  zu  den  Waffen  greifen,  bis  es  ihnen  gelang,  ihre  Herr- 
schaft bis  an  die  Donau  vorzuschieben  und  auch  Thrakien  zu  beruhigen, 
ein  Ergebnis,  das  von  der  illyrischen  Seite  her  gefördert  wurde  durch  die 
Unterwerfung  der  Pannonier,  die  auf  die  Eroberung  Noricums,  Rätiens  und 
Vindeliciens  unmittelbar  folgte.  M.  Agrippa  und  M.  Vinicius  (Konsul  19 
V.  Chr.)  nahmen  den  früheren  Versuch  des  Augustus  14  v.  Chr.  auf,')  nach 
mehrjähriger  Arbeit  wurde  die  Aufgabe  von  Tiberius,  der  12 — 9  v,  Chr. 
das  Kommando  führte,  zu  Ende  gebracht.  Die  Geten  kamen  den  Pannoniern 
zu  Hilfe,  wurden  aber  zurückgeworfen,  und  auch  in  dieser  Gegend  konnte 
die  Grenze  zunächst  etwa  bis  an  den  Dravus  (Drau)^)  vorgerückt  werden. 
Die  unterworfenen  Pannonier  wurden  zunächst  zu  lUyricum  geschlagen, 
und  auch  die  Landschaft  Mösien  bildete  anfangs  vielleicht  einen  besonderen 
Bezirk  dieser  Provinz,  während  weiter  unterhalb  das  eroberte  Gebiet  an 
den  thrakischen  Klientelstaat  fiel,  der  sich  bis  an  die  Donau  ausdehnte  und 
auf  dieser  Strecke  den  Grenzschutz  übernahm. 3) 

Bei  weitem  die  wichtigste  und  größte  Provinz  des  Westens  war  das 
von  Caesar  eroberte  Gallien,  die  sog.  Gallia  roiiiafn,  aber  hier  war  noch 
alles  im  Stadium  der  Unfertigkeit  und  Gärung.  Unruhig  waren  besonders 
die  an  die  Pyrenäen  und  den  Niederrhein  grenzenden  Stämme;  Agrippa 
hatte  im  Jahr  38  v.  Chr.  am  Rhein  wie  bei  den  Ac{uitanern  gekämpft  (oben 
S.  267),  um  das  Jahr  29  v.Chr.  standen  die  Treverer  unter  den  Waffen; 
M,  Nonius  Gallus  warf  sie  nieder;  im  nächsten  Jahr  (28  v.  Chr.)  durfte 
C.  Carrinas  einen  Triumph  über  die  Gallier  feiern,  weil  er  die  Moriner, 
das  nördlichste  Küstenvolk,  geschlagen  und  überdies  eine  Suebenschar  über 
den  Rhein  zurückgeworfen  hatte;  denn  am  Rhein  griffen  die  germanischen 
Stämme  fortwährend  nach  Gallien  über  und  kamen  jedem  Aufstand  zu 
Hilfe,  und  Ahnliches  gilt  von  den  Kelten  Britanniens,  die  mit  den  galli- 
schen Stämmen  des  Festlands  in  regem  Verkehr  standen.  Über  die  Aqui- 
taner  erfocht  M.  Valerius  Messalla  Corvinus  28  v.  Chr.  einen  Sieg;  sie  fanden 
an  den  noch  unabhängigen  spanischen  Nachbarn  jenseits  der  Pyrenäen  einen 
Rückhalt.  Augustus  begab  sich  nach  der  Neuordnung  des  Staates  27  v.  Chr. 
zuerst  nach  Gallien  und  legte  den  Grund  zur  Organisierung;  er  hielt  einen 
Census  ab  und  legte  den  Galliern  feste  Abgaben  auf,  darunter  eine  Ein- 
gangssteuer von  fünf  Prozent  {viceslnia  Galllaruiii).  Die  langwierige  Durch- 
führung der  Besteuerung  machte  viel  böses  Blut.  Bei  einem  zweiten  Auf- 
enthalt in  Gallien  (16 — 13  v.  Chr.)  teilte  Augustus  das  Land  in  drei  Distrikte, 
Aquitania,  Lugdunensis  und  Belgica,  die  zusammen  60  (später  64)  Stämme 
[civitates]  umfaßten.  Die  alte  narbonensische  Provinz  wurde  vom  übrigen 
Gallien  abgetrennt  und  22  v.  Chr.  dem  Senat  überwiesen ;  ihre  Latinisierung 

')   Nach    einer    von    A.  v.  Premerstein  ^)  Welche  Stellung  Mösien    anfänglich 

behandelten  und  ergänzten  Inschrift  ist  einnahm,  ist  zweifelhaft,  vgl.  A.  v.Pkemer- 

Vinicius  über   die  Donau    gegangen  und  stein.  .Jahreshefte  des  österr.-archäol.  In- 

hat  die  Bastarner,  Kotiner,  Anartier  und  stituts  I  (18il8)  Beibl.  140  ff.  und  weitere 

andere  Stämme  geschlagen.    Jahreshefte  Literatur  bei  Gardthausen,   Aug.  II  786. 

des  österr.-archäol.  Instituts?  (1904)  215 ff.  Als  Provinz   scheint  die  Landschaft  erst 

")  Nach  Augustus   selbst  {lies  gest.  dir.  in  den  letzten  Jahren  des  Augustus.  nach 

Aug.hjiifi'.)  ist  die  Donau  zur  Grenze  von  dem  pannonischen  Aufstand,  eingerichtet 

Illyricum  gemacht;    doch   trifft  dies  nur  zu  sein.    Sicher  nachweislich  ist  sie  erst 

teilweise  zu.  MARQUARDT.Staatsverw.  1^291.  unter  Tiberius  (Tacit.  ann.  1  80). 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§4.").)  295 

machte  unter  Augustus  weitere  Fortschritte.  Die  drei  Landschaften  des 
übrigen  Galliens,  die  tres  Galliae,  bildeten  eine  Einheit;  sie  hielten  einen 
gemeinsamen  Landtag  {conreutus)  ab,  der  in  der  43  v.  Chr.  gegründeten  ^) 
römischen  Kolonie  Lugudunum  zusammentrat;  dort  wurde  auch  von  den 
vereinigten  gallischen  Stämmen  ein  gemeinsamer  Gottesdienst  der  Roma 
und  des  Augustus  eingerichtet  an  der  ara  Bomae  et  Augusti  (geweiht  am 
1.  August  12  V.  Chr.).^)  Die  drei  Gallien  wurden  durch  einen  Statthalter 
verwaltet,  der  für  jede  von  ihnen  einen  Legaten  hatte;  erst  seit  Tiberius 
bildet  jeder  Distrikt  eine  Provinz  für  sich.  Von  Natur  reich  gesegnet, 
wurde  Gallien  durch  sein  wirtschaftliches  Gedeihen  und  die  Stärke  seiner 
Bevölkerung  bald  die  wichtigste  Provinz  des  Reiches.  3)  Daher  war  Augustus 
wiederholt  persönlich  anwesend  (z.  B.  8  v.  Chr.),  oder  er  übertrug  das  Kom- 
mando einem  seiner  Nächsten,  so  seinem  Jugendfreund  und  Schwiegersohn 
M.  Agrippa  (20^19  v.  Chr.),  der  von  Lugudunum  aus  das  Straßennetz  Galliens 
ausbaute,^)  später  seinen  Stiefsöhnen  Drusus  und  Tiberius.  Die  Gallier  fanden 
sich  mit  dem  römischen  Regiment  und  besonders  mit  den  Steuerlasten  nur 
widerstrebend  ab.  Des  öfteren  kamen  die  Germanen  über  den  Rhein  und 
unterstützten  Aufstandsbewegungen.  Schon  25  v.  Chr.  hatte  M.  Vinicius  die 
Germanen  zurücktreiben  müssen.  Einige  Jahre  später  (16  v.  Chr.)  erlitt 
M.  Lollius  von  den  Sugambrern  und  ihren  Bundesgenossen  eine  schimpf- 
liche Niederlage,  was  den  Kaiser  veranlagte,  selbst  nach  Gallien  zu  gehen 
und  den  Frieden  wiederherzustellen.  Als  dann  12  v.  Chr.  ein  neuer  Angriff 
des  Sugambrers  Maelo  erfolgte,  beschloß  Augustus  im  Interesse  der  Be- 
friedung Galliens  die  Unterwerfung  der  Germanen  jenseits  des  Rheins.  Wie 
die  Gallier  zur  Zeit  Caesars  bildeten  die  Germanen  keine  politische  Ein- 
heit, sondern  zerfielen  in  verschiedene  Stämme,  die  sich  oft  untereinander 
befehdeten.  Schon  seit  längerer  Zeit  hatten  die  Römer  in  Germanien  Ver- 
bindungen angeknüpft. 

Der  germanische  Krieg  wurde  dem  Stiefsohn  des  Kaisers,  Nero  Claudius 
Drusus  übertragen,  der  zugleich  für  den  Schutz  der  Provinz  sorgte  und  die 
Rheinlinie  durch  ein  System  von  befestigten  Lagern  und  Kastellen  sicherte, 
dessen  Mittelpunkt  zur  Verteidigung  wie  zum  Angriff  die  Legionslager  bei 
Cdstra  Vetera°)  und  Mainz  bildeten.  Er  trieb  zunächst  die  Sugambrer  zurück 
und  drang  über  den  Rhein  in  ihr  Gebiet  ein;  dann  legte  er  einen  Kanal 
vom  Rhein  nach  dem  damals  noch  geschlossenen  Zuydersee  an,  brachte  auf 
diesem  Weg  seine  Flotte  in  die  Nordsee  und  unterwarf  die  dort  ansässigen 
germanischen  Küstenstämme,  vornehmlich  die  Bataver  und  Friesen.  Die 
Bataver  und  ihre  Stammverwandten  wurden  römische  Bundesgenossen  und 
stellten  ihre  Krieger  in  römischen  Dienst.  Unter  mannigfachen  Kämpfen 
gelangte  Drusus  bis  an  die  Ems  und  Weser.  Im  nächsten  Jahr  (11  v.  Chr.) 
stieß  er  zu  Land  wiederum  bis  zur  Weser  vor; 6)  es  kam  ihm  zustatten,  daß 
die  Sugambrer  gerade  mit  den  Chatten  in  Fehde  lagen.    Gegen  den  Winter 

')  Cass.  Die  XL  VI  50.  .      i       ^)  Vgl.  Josephus  bell.  Jud.  II  371  f. 

■')  Strabo  IV  192.    Über  die  Einrichtung  •*)  Strabo  IV  208. 

Galliens    vgl.  Marquardt,    Staatsverw.  I'^    i        °)  Fürstenberg     bei    Birten    nahe    bei 


267  f.;  MoMMSEN.  Ges.  Schriften  VII  183. 
O.  HiRscHPELD,  Kl.  Schriften,  Berlin  1913, 
112  ff.,  186  ff. 


Xanten.    CIL  XIII  2,  2. 

8)  G.  Kropatscheck,  Der  Drususfeldzug 
11  V.  Chr.,  Bonner  Jahrbb.  120,  1911,  19  ff. 


:2i)6  Römische  Geschichte. 

zog  sich  Drusus  zurück,  hatte  aber  auf  dem  Marsch  noch  einen  heftigen 
Kampf  mit  den  Germanen,  die  ihm  den  Weg  verlegten,  zu  bestehen.  Auf 
den  gewonnenen  Gebieten,  auch  an  der  Nordseeküste,  legte  Drusus  eine 
Anzahl  fester  Stationen  an,  namentlich  Aliso  an  der  Lippe ')  und  ein  Kastell 
am  Taunus. 2)  Der  nächste  Feldzug  (10  v.  Chr.)  war  gegen  die  Chatten  und 
Sueben  gerichtet.  Im  folgenden  drang  Drusus  noch  tiefer  in  Germanien 
ein;  nach  siegreichen  Kämpfen  gegen  Chatten,  Sueben  und  Cherusker  über- 
schritt er  die  Weser  und  erreichte  die  Elbe.  Hier  mußte  er  auf  Befehl  des 
Kaisers  Halt  machen;  er  scheint  dann  eine  Strecke  die  Saale  hinauf  und 
von  hier  auf  Mainz  zurückgegangen  zu  sein.  Aber  unterwegs  verunglückte 
er  durch  einen  Sturz  vom  Pferd  und  starb  bald  darauf  im  Alter  von  dreißig 
Jahren.  Er  wurde  noch  im  Tod  hoch  geehrt  und  erhielt  den  Namen  Ger- 
manicus,  den  sein  Sohn  von  ihm  ererbte.  Der  Kaiser  ging  jetzt  selbst  wieder 
nach  Gallien,  den  Krieg  übernahm  an  Drusus'  Stelle  Tiberius;  dieser  erreichte 
in  einem  neuen  Feldzug  (8  v.  Chr.)  abermals  die  Elbe,  brachte  das  Land 
zur  Unterwerfung  und  kehrte  im  nächsten  Jahr,  als  neue  Unruhen  drohten, 
nochmals  an  den  Rhein  zurück.  Eine  größere  Schar  Sugambrer  und  andere 
Germanen  unterwarfen  sich  damals  dem  Kaiser  und  wurden  am  linken 
Rheinufer  auf  gallischem  Boden  angesiedelt. 

Auch  von  Süden,  von  der  Donau  her,  wurde  die  Eroberung  Germaniens 
betrieben.  L.  Domitius  Ahenobarbus  hat,  während  er  an  der  Donau  be- 
fehligte, dem  suebischen  Stamm  der  Hermunduren  an  der  römischen  Grenze 
Wohnsitze  verschafft  und  sie  in  die  römische  Freundschaft  aufgenommen. 
Er  hat  sogar  als  erster  Römer  die  Elbe  überschritten.  Später  komman- 
dierte er  am  Rhein;  er  unternahm  einen  Zug  gegen  die  Cherusker,  jedoch 
ohne  den  gewünschten  Erfolg. 3)  Andere  Verwicklungen  ließen  dann  die 
Germanenfrage  eine  Zeitlang  zurücktreten,  bis  Tiberius,  der  sich  inzwischen 
einige  Jahre  von  den  Staatsgeschäften  ferngehalten  hatte,  nach  der  Rück- 
kehr aus  dem  selbstgewählten  Exil  und  nunmehr  von  Augustus  adoptiert 
den  Krieg  wieder  aufnahm.  Im  Jahr  4  n.  Chr.  ging  er  über  den  Rhein 
und  bezwang  mehrere  Völkerschaften,  z.  B.  die  Cherusker;  damals  über- 
winterte erstmalig  das  römische  Heer  auf  germanischem  Boden  an  der  Lippe. 
Im  nächsten  Jahr  (5  n.  Chr.)  kam  Tiberius  bis  zur  Elbe;  zugleich  lief  die 
römische  Flotte  in  den  Strom  ein  und  vereinigte  sich  mit  dem  Landheer. 
Die  Langobarden  fügten  sich,  und  mehrere  Stämme  des  jenseitigen  Eibufers, 
wie  die  Kimbern  und  Semnonen,  suchten  die  Freundschaft  des  Augustus  nach.^) 

')  Bei  Haltern  an  der  Lippe  haben  Aus-  j    und  dazu  A.  v.  Domaszewski,  Korrespon- 

grabungen    eine  römische  Anlage  augu-  |    denzblatt  d. Westdeutschen  Zeitschr.  1903, 

steischer  Zeit  aufgedeckt,  die  mit  Wahr-  J    212  ff.    Das  Kastell  am  Taunus  ist  nicht 

scheinlichkeit  als  Aliso  angesprochen  wer-  etwa  die  heutige  Saalburg;  v.  Domaszewski 

den  darf.    Ein  weiteres  Staudlager  wurde  setzt  es  nach  Friedberg  in  der  Wetterau ; 

stromaufwärts  bei  Oberaden  festgestellt.  andere  rücken  es  näher  an  den  Rhein  und 

Vgl.  über  das  Alisoproblem  F.  Koepp,  Die  '    wollen  es  in  den  Resten  der,  Kastells  von 

Römer    in    Deutschland  1912-,   16  ff.,    H.  Hof  heim  bei  Höchst  am  Main  erkennen. 

Dragendorff,  Westdeutschland  zur  Römer-  Vgl.  Archäol.  Anzeiger  1900,  102. 

zeit,  1912,  12  ff.    Problematische  Aufstel-  =)  Cass.  Dio  LV  10  a  (vol.II  494f.  Boiss.). 

lungen  auf  Grund  desPtolemaeus  (II 11, 13)  Tacit.  ann.  I  63.*  IV  44. 

macht  A.  Schulten,  Bonner  Jahrbücher  124,  {        *)  Res  gest.  die.  Aug.  Y  14:  S.lOi.    Ob  die 

1917,  88  ff.  römische    Flotte    damals,    wie    man    an- 

^)  Cass.Dio  LIV33,4.  vgl.FIorusII30, 16  nimmt,  bis  Skagen  kam,   hielt  Niese  für 


7.  Fünfte  Pei'iode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§45.)  2S)1 

Wenn  auch  die  Unterwerfung  ganz  provisorisch  bheb,  so  galt  doch  Germanien 
bis  zur  Elbe  als  erobertes  Land;  in  der  Stadt  der  Ubier  (Köln)  entstand 
nach  gallischem  Vorbild  ein  Kult  des  Augustus  mit  einem  germanischen 
Priester.  ^)  Außer  den  genannten  Kastellen  wurden  noch  andere  errichtet, 
Stra&en  gebaut  (z.  B.  die  Lippe  hinauf),  der  Rhein  überbrückt.  2)  Germanische 
Edelinge  traten  in  römischen  Dienst;  die  Römer  hatten  bei  einzelnen  Stämmen 
Freunde  und  Parteigänger. 

Das  Werk  sollte  vollendet  werden  durch  die  Zertrümmerung  des  Sueben- 
reiches des  Marbod  (Maroboduus),  der  seit  einiger  Zeit  an  der  Donaugrenze 
eine  bedeutende  Herrschaft  gegründet  hatte.  Marbod  war  früher  in  Rom 
gewesen  und  hatte  vielleicht  in  römischen  Diensten  gestanden.'^)  Dann  hatte 
er  seinen  Stamm,  die  Markomannen,  zusammen  mit  anderen  Völkerschaften, 
vielleicht  bei  Gelegenheit  der  Feldzüge  des  Drusus  in  dem  ehemaligen  Land 
der  Bojer,  dem  heutigen  Böhmen  und  Mähren,  angesiedelt.  Von  hier  machte 
er  seine  nördlichen  Nachbarn  am  östlichen  Eibufer  Untertan  und  schuf  sich 
ein  Reich,  das  sich  durch  straffere  monarchische  Leitung  von  den  lockeren 
Stammesverbänden  der  übrigen  Germanen  zu  seinem  Vorteil  unterschied. 
Um  die  Gefahr,  die  von  der  wachsenden  Macht  des  Markomannenkönigs 
drohte,  zu  brechen,  ehe  es  zu  spät  war,  bereitete  Tiberius  von  Carnuntum 
an  der  Donau  aus  einen  Angriff  vor,  an  dem  sich  C.  Sentius  Saturninus 
vom  Rhein  her  beteiligen  sollte.  Aber  während  des  Aufmarsches  der  Heere 
flammte  6  n.  Chr.  in  Illyricum  bei  den  über  den  römischen  Steuerdruck 
erbitterten  Pannoniern  und  Dalmatern  ein  Aufstand^)  auf,  zu  dem  die  für 
den  Krieg  gegen  Marbod  vorgenommenen  Aushebungen  den  äußeren  An- 
stoß gaben.  Zuerst  schlugen  die  pannonischen  Breuker  und  die  dalmatischen 
Daesitiaten  los,  beide  geführt  von  einem  Baton.  Die  Aufständischen,  die 
wohl  gerüstet  waren,  griffen  die  römischen  Festungen  an  und  konnten  zu- 
nächst nicht  überwältigt  werden,  da  gleichzeitig  Mösien  von  Dakern  und 
anderen  Nachbarn  heimgesucht  wurde.  So  breitete  sich  der  Aufstand  weit 
aus;  es  hieß,  daß  über  200000  Insurgenten  unter  Waffen  stünden.  Make- 
donien, ja  selbst  Italien  war  gefährdet.  Es  mußten  neue  Truppen  aus- 
gehoben werden;  wahrscheinlich  sind  damals  acht  neue  Legionen  gebildet 
worden,  teilweise  sogar  aus  Freigelassenen;  aber  die  Rekrutierungen  und  die 
deshalb  nötigen  neuen  Steuern^)  erregten  in  Italien  lebhafte  Mißstimmung. 
Der  Krieg  mit  Marbod  mußte  aufgegeben  werden;  Rom  schloß  mit  ihm 
einen  förmlichen  Frieden.^)  Drei  Jahre  verstrichen  unter  schweren  Kämpfen, 
ehe  der  pannonische  Aufstand  niedergeschlagen  war.  Von  allen  Seiten 
wurden  Truppen  herangezogen,  so  daß  sich  die  von  Rom  eingesetzte  Streit- 
macht schließlich   auf  fünfzehn  Legionen  und   zahlreiche  Auxiliarkohorten, 

recht  zweifelhaft.    Müllenhoff,  Deutsche  Augustus,  Berlin  1875;  O.  Hirschfeld,  Kl. 

Altertumskunde  II  285  f.  Schriften,  Berlin  1913.  387  flf. 

M  Tacit.  ann.  I  57.  ^)  Damals   wurde   die  Erbschaftssteuer 

^)  FlorusII  30,  26.  Nach  diesem  Zeugnis  eingeführt  und  das  aei-an'uni  militare  be- 

lagen  sogar   an  der  Weser   und  Elbe  rö-  gründet.  Im  nächsten  Jahr  7  n.  Chr.  folgte 

mische  Kastelle  und  Besatzungen.  '    eine  Verkaufssteuer,  die  quinquagesima  ve- 

3)Vgl.VelleiusII10Sf.  StraboVII290er-  ,    nalmm  mancipiorum.   Cass.  Dio  LY  25  f.  31. 

zählt,  Augustus  habe  ihm  Gutes  erwiesen.  |    Oben  S.  289. 

*)  Abraham,    Zur   Geschichte    der   ger-  *)  Vgl.  Tacit.  ann.  II  46. 

manischen  u.  pannonischen  Kriege  unter  | 


298  Römische  Geschichte. 

iin  ganzen  etwa  auf  150000  Mann  belief.  Tiberius,  unterstützt  von  Ger- 
manicus,  dem  Sohn  des  Drusus,  führte  den  langwierigen  Krieg  methodisch 
zu  Ende.  8  n.  Chr.,  nach  einem  Sieg  des  Tiberius  am  Fliifa  Bathinus.  unter- 
warfen sich  die  Pannonier,  im  folgenden  Jahr  die  Dalmater.  Pannonien, 
vorher  ein  Teil  von  Illyricum,  wurde  nunmehr  als  eigene  Provinz  eingerichtet. 

Die  Germanen  östhch  vom  Rhein  verhielten  sich  während  der  panno- 
nischen  Wirren  ruhig.  Erst  in  deren  letztem  Jahr  (9  n.  Chr.),  nachdem 
P.  Quinctilius  Varus  das  Kommando  in  Germanien  übernommen  hatte  ^}  und 
römische  Rechtspflege  und  Verwaltung  einzuführen  begann,  entstand  ein 
weitverzweigter  Aufstand,  zu  dem  sich  die  mächtigsten  Stämme,  vor  allem 
die  Cherusker  und  Chatten  zusammenschlössen.  Die  Führung  hatten  die 
Cherusker,  an  deren  Spitze  die  Fürsten  Arminius  und  Segimer  standen; 
ersterer  hatte  im  römischen  Heer  gedient  und  war  römischer  Ritter.-)  Der 
unvorsichtige  Varus  ließ  sich  überlisten  und  wurde,  als  er  aus  seinem  Sommer- 
lager mit  drei  Legionen,  drei  Alen  und  sechs  Kohorten  zurückmarschierte, 
im  Teutoburger  Wald  überfallen;  in  viertägigen  Kämpfen  ging  das  römische 
Heer,  dessen  Führer  sich  selbst  den  Tod  gab,  zugrunde.^) 

Noch  war  in  Rom  der  Jubel  über  das  Ende  des  pannonischen  Aufstandes 
nicht  verklungen,  als  die  Hiobspost  aus  Germanien  neuen  Schrecken  ver- 
breitete; man  fürchtete  einen  Zug  der  Germanen  über  den  Rhein  und  eine 
Erhebung  Galliens;  eilends  wurden  Sicherheitsmafanahmen  getroffen;  aber 
der  erwartete  Offensivstofit  der  Germanen  blieb  aus.  Den  Oberbefehl  am 
Rhein  übernahm  Tiberius  (10  n.  Chr.).  Er  sicherte  Gallien,  wo  wirklich 
Unruhen  entstanden  waren,  befestigte  die  Grenze  und  drang  in  zwei  Feld- 
zügen (10  und  11  n.  Chr.)  unter  Mitwirkung  der  Flotte  wieder  in  Germanien 
ein.  Zwar  erzielte  er  einige  Erfolge,  aber  eine  eigentliche  Wiedereroberung 
wurde  nicht  versucht.^)  Nur  die  Küstenvölker,  Bataver,  Friesen  undChauken, 
hielten  noch  zu  Rom,  im  übrigen  gingen  die  Eroberungen  in  Germanien 
verloren,  und  statt  der  Elbe  bildete  der  Rhein  die  Grenze;  doch  blieb  ein 
Streifen  am  rechten  Rheinufer  in  römischen  Händen  und  wurde  durch  eine 


')  Vgl.  E.  KoRNEMANN,  Neue  Jahrbb.  49,  Osnabrück    (so  Knoke)   oder   in  der  Um- 

1922,  42  ff.  gebung  von  Detmold  in  derDörenschlucht 

■^)  Die  Annahme,  daß  Arminius  sein  (H.  Delbrück).  Die  Literatur  seit  1820 
römischer  Name  sei  und  der  germanische  s.  bei  V.  Gardthausen,  Augustus  II,  3  (1904) 
anders  gelautet  habe,  ist  nicht  wahr-  808  ff.,  sowie  Bibliographische  Nachträge 
scheinlich.  Allerdings  kommt  Arminius  i  hierzu  S.  29  f.  Einen  Überblick  über  den 
als  römischer  Familienname  vor,  doch  Stand  der  Forschung  im  Jubiläumsjahr 
ist  nicht  abzusehen,  wie  der  germanische  bieten  E.  Wilisch,  Neue  Jahrbücher  33, 
Fürst  gerade  zu  diesem  gekommen  sein  1909,  322  ff.  und  H.  Dragendorff,  5.  Be- 
sollte.   Vgl.  V.  RoHDEN,  FW  II  1190  f.  rieht   der   röm.-germ.  Kommission   1909, 

^)  Vgl.  Cass.  Dio  LVI  18  ff.;  Velleius  II  73  ff.   Vgl.  auch  F.  Knoke,  Die  Kriegszüge 

118  ff.;  Florus  IV  12, 29 ff.,  sowie Tac.  ann.  des  Germanicus    in  Deutschland,    Berlin 

I  60  ff.    Das   topographische  Problem  ist  1922^,  71  ff.   Das  genaue  Datum  der  Kata- 

angesichts  der  vagen  Angaben  der  Quellen  strophe   ist    nicht    zu    ermitteln.     Gegen 

bis    heute    nicht    mit    Sicherheit    gelöst.  den  Vorschlag   von   Zangemeister,  West- 

MoMMSEN,  Ges.  Sehr.  IV  200ff.  [1885]  identi-  deutsche  Zeitschr.  VI,  1887,  234  ff.  (2.  Au- 

fizierte  den  saUus  Teutoburgiensis  mit  dem  gust,  Jahrestag  von  Cannae)  vgl.  O.  Hirsch- 

Wiehengebirge  und  verlegte  aulGruud  von  feld,  Kl.  Sehr.  397  Anm.  3.    Verfehlt  ist 

Münzfunden  das  Schlachtfeld  in  die  Ge-  dieVerlegungder  Schlacht  ins  J.  10  n.Chr., 

gend  von  Barenau  östlich  von  Bramsche.  dagegen  Mommsen, Rom. Gesch.V 43  Anm.l. 

Andere  Forscher  bevorzugen  den  Osning  ,        ■*)  Velleius  II  121.    Sueton  Tib.  18.   Cass, 

und    suchen    den    Schauplatz    der   Kata-  1   Dio  LVI  23  ff. 

strophe   entweder   im  Habichtswald   bei  | 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  45.)  299 

Linie,  den  liines,  nach  außen  begrenzt.  Das  römische  Germanien  beschränkte 
sich  in  Zukunft  auf  die  dem  Rhein  benachbarten  Gegenden,  so  daß  also 
die  Niederlage  im  Teutoburger  Wald  letzten  Endes  in  der  Tat  einen  Wende- 
punkt der  Weltgeschichte  bedeutet,  indem  sie  Germanien  vor  dem  Schicksal 
Galliens,  vor  der  Romanisierung  bewahrte.  *)  Tiberius  weilte  auch  12  n.  Chr. 
nochmals  in  Gallien,  später  übernahm  Germanicus,  der  Sohn  des  Drusus, 
die  Leitung  der  Provinz. 

Zweimal,  34  und  27/26  v.  Chr.,  hat  Augustus  an  einen  Feldzug  gegen 
Britannien  gedacht,  jedoch  mußte  eine  solche  Wiederaufnahme  der  Politik 
seines  Adoptivvaters  hinter  dringlichere  Aufgaben  zurückgestellt  werden; 
der  Kaiser  begnügte  sich  mit  den  Huldigungen,  die  einzelne  britische  Häupt- 
linge ihm  und  dem  kapitolinischen  Juppiter  darbrachten. 2) 

Spanien  war  zur  Zeit,  als  Augustus  die  Regierung  übernahm,  immer  noch 
nicht  ganz  befriedet;  im  Nordwesten  des  Landes  behaupteten  die  Kantabrer 
und  Asturer  ihre  Unabhängigkeit,  zuweilen  im  Bund  mit  den  Aquitanern. 
Noch  unter  dem  Triumvirat  war  gegen  sie  Krieg  geführt  worden ;  29  v.  Chr. 
hatte  Statilius  Taurus  mit  den  benachbarten  Vaccäern  zu  kämpfen.  Augustus 
begab  sich  27  v.  Chr.  in  die  Provinz,  wo  er  die  beiden  folgenden  Jahre  ver- 
brachte; in  Tarraco  wurde  er  auf  ein  langes  und  schweres  Krankenlager 
geworfen.  Während  seiner  Anwesenheit  brach  ein  Krieg  gegen  die  Kan- 
tabrer und  A sturer  aus,  der  zwei  Jahre  dauerte.  Beide  Völker  wurden  von 
den  Legaten  C.  Antistius  und  T.  Carisius  mit  Hilfe  einer  Kriegsflotte  unter 
bedeutenden  Schwierigkeiten  unterworfen. 3)  Anfang  24  v.  Chr.  verließ  der 
Kaiser  Spanien,  aber  noch  in  demselben  Jahr  erhoben  sich  die  Besiegten 
abermals,  und  erst  20 — 19  v.  Chr.  gelang  dem  M.  Agrippa  nach  längeren 
Kämpfen  die  völlige  Unterwerfung.  Ein  Teil  der  Kantabrer  wurde  trans- 
plantiert.  Seitdem  herrschte  Ruhe  in  Spanien.  Rasch  verbreitete  sich  in  der 
ganzen  Provinz    römisches  Bürgerrecht    und   römische  Gemeindeverfassung. 

Während  im  Westen  Augustus  allenthalben  Kriege  führen  und  die  Grenzen 
des  Reiches  erweitern  mußte,  war  im  Osten  das  römische  Gebiet,  seitdem 
die  Grenzen  der  Parther  erreicht  waren,  im  wesentlichen  abgeschlossen.  Hier 
galt  es,  das  Erworbene  zu  erhalten  und  auszubauen,  das  Zweifelhafte  zu 
sichern.  Der  Kaiser  selbst  reiste  22  v.Chr.  in  den  Orient,  verweilte  21  v.  Chr. 
in  Griechenland,  überwinterte  21/20  und  20/19  v.  Chr.  auf  Samos  und  be- 
suchte in  der  Zwischenzeit  die  asiatischen  Provinzen.  In  den  Jahren  23 — 21, 
17 — 13  V.  Chr.  war  Agrippa,  mit  höherem  Kommando  ausgestattet,  im  Orient 
anwesend;  später  (1  v.  Chr.)  sandte  der  Kaiser  seinen  Enkel  und  Adoptiv- 
sohn C.  Caesar.  Die  Ostgrenze  wurde  zum  großen  Teil  von  einer  Anzahl 
abhängiger  Königreiche  eingenommen,  die  ihre  Existenz  meist  dem  Antonius 


')  Zwei  amerikanische  Gelehrte,  W.  A.  I   Winterlagern    im   Lippetal    bei    Haltern 

Oldfathek  und  H.  V.  Canter,  The  defeat  of  \    uiid  Oberaden,  vereinigen.    Vgl.  F.  Koepp, 

Varus    and    fhe  Gennan    frontier   polkif   of  I    Neue  Jahrbb.  35,  1915,  673  ff.    M.  Gelzer. 

Aug.,   Univ.  of  Illinois  studies  IV,  1915,'  be-  '    Hist.  Zeitschr.  115,  3.  F.  19,  1916,  601  tf. 

streiten  die  Bedeutung  der  Schlacht  und  ,  ^)  Cass.  Die  XLIX  38,  2.  LIII  22,  5.  25, 2. 
behaupten,  Augustus  habe  aus  Germanien  Strabo  IV  200.  Mommsen,  Re.^  gestae  divi 
nie  eine  Provinz,  sondern  nur  einen  Puffer-       Aug.  138. 

Staat   machen  wollen.    Diese  These   läßt  ^)  Auf  ihrem  Gebiet  wurden  die  Kolo- 

sich  weder  mit  den  Quellen  noch  mit  nien  Bracara  Augusta  (Braga)  und  Au- 
dem  archäologischen  Befund,  den  soliden       gusta  Asturica  (Astorga)  angelegt. 


30()  Römische  Geschichte. 

verdankten.  Galatien  und  seine  südliche  Nachbarschaft  stand  unter  Amyntas, 
wurde  aber  nacli  seinem  Tod  bereits  25  v.  Chr.  einge/.ogen  und  zur  Pro- 
vinz gemacht;  später  (G  v.  Chr.)  wurde  auch  das  paphlagonische  Fürstentum 
der  Provinz  Galatien  einverleibt.  Die  östlichen  Teile  des  Königreichs  Pontos 
mit  Kleinarmenien  verwaltete  Polemon,  der  Sohn  des  Zenon,  mit  seiner 
Gattin  Pythodoris,  die  ihn  lange  übei'lebte.  Seine  Dynastie  hat  sich  bei 
wechselndem  territorialem  Bestand  noch  lange  gehalten.')  Kappadokien  stand 
unter  Archelaos,  dem  der  Kaiser  20  v.  Chr.  auch  Kleinarmenien  und  das 
rauhe  Kilikien  überwies,  so  daß  sein  Gebiet  fast  vom  Schwarzen  Meer  bis 
zum  Mittelmeer  sich  erstreckte.  Zwischen  Kappadokien  und  Syrien  schob 
sich  am  Euphrat  das  Königreich  Kommagene  ein  mit  der  Hauptstadt  Samo- 
sata,  unter  Fürsten,  die  sich  von  den  Seleukiden  und  den  persischen  Achä- 
meniden  ableiteten.  Endlich  lag  im  Süden  der  Provinz  Syrien  der  jüdische 
Staat  unter  Herodes,^)  dem  Augustus  schon  nach  der  Schlacht  bei  Actium, 
später  nochmals  im  Jahr  20  v.  Chr.  ansehnliche  Gebietserweiterungen  zu- 
wandte. Herodes  war  seinen  Untertanen  ein  gestrenger  Herr,  zugleich  aber 
ein  umsichtiger  Regent,  der  sich  nach  Art  der  hellenistischen  Fürsten  durch 
Städtegründungen  ein  dauerndes  Verdienst  erworben  hat.  3)  Als  er  4  v.  Chr. 
starb,  wurde  sein  Reich  unter  drei  seiner  Söhne  verteilt.  Archelaos,  der 
das  eigentliche  Judäa  erhalten  hatte,  wurde  aber  schon  6  n.  Chr.,  weil  er 
seine  Untertanen  bedrückte,  abgesetzt  und  sein  Land  mit  der  Provinz  Syrien 
vereinigt;  die  übrigen  Fürstentümer  blieben  vorläufig  bestehen.  Später  ist 
dann  noch  mancher  Wechsel  eingetreten.  Zu  den  Klientelstaaten  gehörte 
seit  Antonius  auch  das  Gebiet  der  Bosporaner,  bei  denen  längere  Unruhen 
und  Thronstreitigkeiten  ausbrachen,  so  daß  Agrippa  einschreiten  mufste;  er 
unternahm  14  v.  Chr.  einen  Feldzug  dahin;  der  von  ihm  zum  Fürsten  ein- 
gesetzte Polemon  von  Pontos  fand  einige  Jahre  später  im  Kriege  gegen  einen 
sarmatischen  Stamm  sein  Ende.  Eine  neue  Dynastie  trat  an  seine  Stelle.^) 
Den  springenden  Punkt  in  der  Orientpolitik  des  Augustus  bildet  die 
Partherfrage.  Noch  immer  waren  die  Niederlagen  des  Crassus  und  des  An- 
tonius ungesühnt  und  Prestigerücksichten  geboten  die  Einlösung  dieser  natio- 
nalen Ehrenschuld;  römische  Gefangene  und  Trophäen  waren  in  parthischen 
Händen.  Augustus  bemühte  sich,  einen  Revanchekrieg  zu  vermeiden  und 
statt  dessen  die  Scharte  mit  den  friedlichen  Mitteln  der  Diplomatie  aus- 
zuwetzen. Die  im  Arsakidenhaus  üblichen  Thronwirren  leisteten  einer  Ver- 
ständigungspolitik Vorschub.  So  gelang  es  in  der  Tat,  im  Jahr  20  v.  Chr. 
von  König  Phräates  IV  die  Rückgabe  der  Feldzeichen  und  Gefangenen 
zu  erwirken,  ein  unblutiger,  von  Dichtern  und  auf  zeitgenössischen  Denk- 
mälern viel  gefeierter  Erfolg.     Etwas  später,   etwa  9  v.  Chr.,  verstand  sich 


')  Über  die  Schicksale  dieser  Dynastie  alte  Samareia  richtete  er  unter  dem  Na- 
vgl.  MoMMSEN,  Ges.  Sehr.  VIII  264  ff.,  H.  men  Sebaste  neu  ein.  Josephus  Ant.  Jud. 
Dessau,  Ephem.  epigr.  IX  691  ff.  696  ff.  \   XV  296.  XVI  136.    Bell.  Jud.  I  403.  408  ff. 


^)  E.  ScHÜREK,  Geschichte  des  jüdischen 
Volkes  im  Zeitalter  Jesu  Christi  I'  360  f. 
Walter  Otto,  PW  Suppl.  II  1  ff. 

^)  Er  gründete  vornehmlich  an  Stelle  des 
früheren  Stratonsturms  (3o«rw)o,-  ni-oyog)       dargebracht  (Leipzig  1894)  S.  127. 
die  Hafenstadt  Caesarea  (12  v.Chr.).    Das 


)  A.  V.  Sallet,  Beiträge  zur  Geschichte 
und  Numismatik  der  Könige  des  kimm. 
Bosporos,  Berlin  1866;  M.  v.  Voigt  in  den 
griechischen   Studien,    Hermann   Lipsius 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§45.)  3(>1 

Phraates  sogar  dazu,  vier  seiner  Söhne  als  Geiseln  zu  stellen.  Der  eigent- 
liche Zankapfel  zwischen  Rom  und  Parthien  war  Armenien,^)  das  beide 
Mächte  als  Interessensphäre  beanspruchten.  Während  des  Krieges  von  Actiuni 
war  Armenien,  das  durch  seine  geographische  Lage  zum  Festun gsglacis  ge- 
macht wurde,  unter  die  Botmäßigkeit  der  Parther  geraten  (oben  S.  275). 
die  dem  Artaxes,  einem  Sohn  des  Artavasdes,  dort  auf  den  Thron  ver- 
halfen. Im  Auftrag  des  Kaisers  setzte  20  v.  Chr.  Tiberius  einen  anderen 
Sohn  des  Artavasdes,  Tigranes,  als  König  von  Armenien  ein;  aber  dieser 
regierte  nicht  lange;  seine  Nachfolger  neigten  wieder  zu  den  Parthern,  und 
die  römische  Partei  hatte  das  Nachsehen;  die  Mehrheit  der  Armenier  war 
parthisch  gesinnt.  Eine  Zeitlang  schien  ein  ernster  Konflikt  bevorzustehen. 
Zur  Wiederherstellung  des  römischen  Einflusses  sollte  6  v.  Chr.  Tiberius 
abermals  in  den  Orient  gehen;  aber  er  lehnte  ab  und  zog  sich  nach  Rhodos 
zurück.  Erst  1  v.  Chr.  wurde  C.  Caesar  mit  der  Mission  im  Osten  betraut: 
der  Prinz  setzte  in  Armenien  einen  neuen  König,  den  Atropatener  Ario- 
barzanes,  auf  den  Thron  und  erneuerte  in  einer  Zusammenkunft  mit  dem 
Partherkönig  Phraatakes  das  gute  Einvernehmen.  Doch  mufate  C.  Caesar 
schon  nach  kurzem  in  Armenien  zugunsten  seines  Schützlings  mit  den  Waifen 
einschreiten ;  bei  der  Belagerung  der  Veste  Artagira  (2  n.  Chr.)  brachte  ihm 
ein  feiger  Attentäter  die  Wunde  bei,  an  der  er  nach  langem  Siechtum  am 
21.  Februar  4  n.  Chr.  verstarb.  In  Armenien  wechselte  bald  darauf  aber- 
mals die  Herrschaft  und  eine  dauernde  Eindämmung  des  parthischen  Ein- 
flusses, der  vielmehr  noch  im  Steigen  war,  erwies  sich  als  unmöglich.  Eine 
Mittelstellung  zwischen  den  beiden  großen  Mächten,  Rom  und  Parthien, 
nahm  Atropatene  (Medien)  ein,  dessen  Geschicke  mit  denjenigen  des  armeni- 
schen Nachbarlandes  eng  zusammenhingen.  Einen  Gewinn  für  Rom  be- 
deutete der  Anschluß  der  Iberer  am  Kaukasos.  Neue  Streitigkeiten  inner- 
halb der  parthischen  Dynastie  führten  eine  für  Rom  günstige  Wendung 
herbei;  Phraatakes  wurde  vertrieben  und  es  kam  schließlich  so  weit,  daß 
Augustus  den  der  Unruhen  überdrüssigen  Parthern  auf  deren  Ansuchen 
einen  der  Söhne  des  Phraates,  Vonones,  als  König  zusandte  (vor  9  n.  Chr.). 
Im  Hinblick  auf  das  Partherproblem  legten  die  Römer  Wert  auf  freund- 
schaftliche Besiehungen  zu  den  Indern  oder  Indoskythen,  mit  denen  schon 
Antonius  angeknüpft  hatte.  Mehrmals  hat  Augustus  indische  Gesandtschaften 
empfangen  können.  Damals  kam  der  unmittelbare  Handelsverkehr  mit  In- 
dien, der  mit  Benutzung  der  Monsune  in  regelmäßigen  Fahrten  von  Ägypten 
zu  den  indischen  Häfen  führte,  lebhafter  in  Gang.  2)  Ägypten  war  auch  der 
Ausgangspunkt  des  einzigen  Eroberungszuges,  den  der  Kaiser  im  Orient  ver- 
suchte, des  Vorstoßes  gegen  das  südliche,  sog.  glückliche  Arabien,  wo  man 
große  Reichtümer  vermutete.  Der  frühere  Präfekt  von  Ägypten,  Aelius 
Gallus,  leitete  (24 — 23  v.  Chr.)  die  Expedition,  konnte  aber  das  Ziel  nicht 
erreichen;  vor  Marsyaba,  der  Stadt  der  Rhambaniten,  die  er  vergeblich  be- 
.lagerte,  mußte  er  nach  harten  Strapazen  und  schweren  Verlusten  wieder 
umkehren.  2)    Auf  den  arabischen  Feldzug  folgte  ein  Krieg  gegen  die  süd- 

1)  MoMMSEN,  Res  gest.  dlv.  Aug.  109.  f.  135  f. ;  ^)  Strabo  XVi  780  ff.    Vgl.  Tkac,  PW  I  a 

A.  V.  GuTSCHMiD,  Gesch.  Irans  102  f.  1343  ff. 

■')  Strabo  II  118.  | 


302  Römische  Geschichte. 

lieh  an  Ägypten  grenzenden  Äthiopen  unter  der  Königin  Kandake,  mit 
denen  schon  der  erste  Präfekt  von  Ägypten,  C.  Cornelius  Gallus,  der  Vor- 
gänger des  Aelius  Gallus,  gekänijjft  hatte.')  Während  der  Abwesenheit 
des  Aelius  Gallus  überschritten  die  Äthiopen  die  Grenze,  C.  Petronius,  der 
Nachfolger  des  Gallus,  schlug  sie  zurück,  eroberte  Premnis  und  drang  weit 
in  Äthiopien  ein.  Kandake  bequemte  sich  zum  Frieden  (21  v.  Chr.)  und 
mußte  einige  Grenzplätze  abtreten. 

In  Afrika  wurde  das  von  dem  Diktator  Caesar  eingezogene  Numidien  2) 
zeitweilig  dem  gleichnamigen  Sohn  des  numidischen  Königs  Juba  (oben 
S.  246)  überlassen,  der  in  Italien  erzogen  war  und  sich  an  Oktavian  an- 
geschlossen hatte.  Der  junge  König  Juba  II,  ein  wissenschaftlicher  Dilettant 
und  gelehrter  Polyhistor,  trat  durch  seine  Vermählung  mit  Kleopatra  Selene, 
einer  Tochter  des  Antonius  und  der  Königin  Kleopatra,  in  Beziehungen 
zum  Kaiserhaus.  Als  25  v.  Chr.  Numidien  wieder  zur  römischen  Provinz 
gemacht  und  als  solche  mit  Afrika  vereinigt  wurde,  erhielt  Juba  Maure- 
tanien, das  schon  38  v.  Chr.  an  Oktavian  gefallen  war.  Die  Provinz  Afrika 
wurde  durch  die  benachbarten  nomadischen  Wüstenstämme,  namentlich 
die  Gätuler,  vielfach  beunruhigt;  die  Wirkungen  der  Bürgerkriege  zeigten 
sich  auch  hier.  Auch  dem  Juba  machten  die  Gätuler  zu  schaffen.  6  n.  Chr. 
mußte  der  Prokonsul  von  Afrika  Cossus  Cornelius  Lentulus  ihm  zu  Hilfe 
kommen.  Sein  glücklicher  Krieg  gegen  die  Gätuler  verschaffte  ihm  den 
Beinamen  Gaetulicus.  Außerdem  inußte  gegen  die  Garamanten  und  Mar- 
mariden,  die  Nachbarn  Kyrenes,  unter  Augustus  mehrmals  Krieg  geführt 
werden. 3)  Nach  Süden  hin  waren  die  Grenzen  der  römischen  Herrschaft 
ganz  unfertig  und  konnten  erst  allmählich  in  langsamer  Arbeit  gesichert 
und  erweitert  werden. 

Das  von  Augustus  geschaffene  System  verträgt  seinem  cjuasirepublikani- 
schen  Charakter  nach  keine  feste  Successionsordnung.  Und  doch  gipfelt 
die  Politik  des  Princeps  in  dem  Bestreben,  eine  Dynastie  zu  gründen  und 
sein  Amt  innerhalb  der  eigenen  Familie'*)  zu  vererben,  w^ie  er  selbst  sich 
als  den  Rechtsnachfolger  Caesars  betrachtete.  Ganz  wie  ein  Monarch  hul- 
digte Augustus  dynastischen  Velleitäten;  die  wichtigsten  Posten  pflegte  er 
mit  den  Mitgliedern  seines  engsten  Kreises  zu  besetzen.  Zu  diesen  gehörten 
besonders  M.  Vipsanius  Agrippa  und  C.  Maecenas,'')  die  Getreuen,  die  ihm 
schon  bei   seinem    ersten  Auftreten   zur  Seite   gestanden  hatten.     Maecenas 

')  Cornelius  Gallus  hatte  auch  als  lyri-  liehen  Familie  zu  gehören,  der  Ehre  des 
scher  Dichter  einen  Namen.  Als  Präfekt  Triumphs  teilhaftig  wurde.  CILI^p.  50. 
von  Ägypten  wegen  Majestätsbeleidigung  *)  Das  dynastische  Prinzip  wird  offen- 
abgesetzt, wurde  er  vom  Senat  zur  Ver-  kundig  in  der  Formel  des  Treueides,  der 
bannung  verurteilt,  worauf  er  sich  das  nicht  nur  auf  den  Kaiser,  sondern  auch 
Leben  nahm  (26  v.  Chr.).  Cass.  Dio  LIII  auf  dessen  Kinder  und  Kindeskinder  ab- 
23,  5.  Th.  Mommsen,  Reden  und  Aufsätze  gelegt  wird.  ILS  II  nr.  S7S1. 
449  ff.,  Sitz.-Ber.  der  Berl.  Ak.  1896,  469  ff.  ">)  P.  S.  Fkandsen,  M.  Vipsanius  Agrippa, 
U.  WiLCKEN,  Zeitschr.  f.  ägypt.  Sprache  Altena.  18S6;  \aü  Eck,  Quaestioneshistoricae 
XXVI  ff.    Stein,  PW  IV  1342  ff.  de  M.  Vips.  Agrippa,   Leiden    1842:    P.  S. 

■^)  Unter  dem  Namen  ^/>-/ca  novo.  Oben  Frandsen,  C.Cilnius  Maecenas,  Altona  1843. 

S.  252.  Übrigens  führte  Maecenas  nicht  das  Gen- 

')  Die  Garamanten    besiegte    L.  Gerne-  tile  Cilnius   sondern   nannte  sich  nur  C. 

lius   Baibus,    Prokonsul    von    Afrika.    Er  Maecenas.    Vgl.  Bormann,  Quaestiones  epi- 

triumphierte  19  v.  Chr.  und  ist  der  letzte,  graphicae,  Marburg  1886. 
der  ohne  Kaiser  zu  sein  oder  zur  kaiser- 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§45.)  ;^();^ 

ist  der  gefeierte  Gönner  der  Literaten  und  Dichter.  Er,  der  Sprofs  etrus- 
kischer  Könige,  trat  nicht  in  den  Senat  ein,  sondern  bliel)  dem  Rang  nach 
einfacher  Ritter;  er  hat  für  den  Kaiser  die  wichtigsten  Aufträge  erledigt 
und  mehrmals,  wenn  dieser  Rom  verließ,  zuletzt  während  des  kantabrischen 
Kriegs,  für  ihn  die  Stellvertretung  geführt;  später  ging  freilich  die  alte 
Freundschaft  in  die  Brüche,  und  Maecenas  verschwand  von  der  politischen 
Bühne;  8  v.  Chr.  ist  er  verstorben.  Agrippa,  ein  Mann  ohne  Ahnen,  war 
der  Heerführer  des  Kaisers,  dem  er  in  vorbildlicher  Treue  diente,  wofür 
er  mit  den  höchsten  Ehren  und  Auszeichnungen  belohnt  wurde;  seit  18 
V.  Chr.  ist  er  Mitinhaber  der  tribunizischen  Gewalt.  Eigene  Söhne  blieben 
dem  Augustus  versagt.  Seine  erste  rein  politische  Ehe  mit  Clodia,  der  Stief- 
tochter des  Antonius,^)  löste  er  41  v.Chr.  zur  Zeit  des  perusinischen  Kriegs 
und  heiratete  hierauf,  wiederum  aus  politischen  Gründen,  die  Scribonia,  eine 
Verwandte  des  Sex.  Pompeius,  die  ihm  eine  Tochter,  Julia  mit  Namen, 
schenkte  (oben  S.  266).  Nachdem  auch  diese  zweite  Ehe  geschieden  war, 
führte  Augustus  38  v.  Chr.  die  schöne  und  kluge  Livia  Drusilla  heim,'-^)  die 
Gattin  des  Ti.  Claudius  Nero,  die  ihm  die  Söhne  ihres  ersten  Gatten,  den 
Ti.  Claudius  Nero  und  den  Nero  Claudius  Drusus,  als  Stiefsöhne  zubrachte. 
Zur  kaiserlichen  Familie  wurden  auch  die  Kinder  der  Octavia,  der  Schwester 
des  Augustus,  gerechnet.  Dem  Sohn  der  Octavia,  seinem  Neffen  M.  Mar- 
cellus,^)  gab  Augustus  die  Hand  seiner  einzigen  Tochter  Julia  und  damit 
eine  gewisse  Anwartschaft  auf  den  Thron.  Aber  der  junge  Marcellus  ver- 
starb nach  zweijähriger  kinderloser  Ehe  (23  v.  Chr.)  und  Agrippa,  der  Jugend- 
freund des  Kaisers,  trat  als  neuer  Gatte  der  Julia  an  dessen  Stelle.  Aus 
dieser  Ehe  sind  im  ganzen  fünf  Kinder  hervorgegangen.  Die  beiden  ältesten 
Söhne  des  ungleichen  Paares  wurden  gleich  nach  der  Geburt  von  ihrem 
Großvater  Augustus  adoptiert  und  nach  Agrippas  Tod  (12  v.  Chr.)  als  Thron- 
folger in  Aussicht  genommen;  beide  starben  jedoch  in  jungen  Jahren,  zu- 
erst (2  n.  Chr.)  Lucius,  dann  (4  n.  Chr.)  Gaius."»)  Da  auch  des  Kaisers  Stief- 
sohn Drusus  schon  9  v.  Chr.  gefallen  war,  so  trat  einstweilen  der  ältere  Sohn 
der  Livia,  Tiberius,  in  den  Vordergrund;  er  mußte  seine  Gattin  Vipsania, 
die  Tochter  Agrippas.  entlassen  und  die  Witwe  Agrippas,  Julia,  heiraten; 
schon  6  V.  Chr.  erhielt  er  die  tribunizische  Gewalt.  Indes  litt  Tiberius  see- 
lisch aufs  schwerste  unter  der  ihm  aufgezwungenen  Ehe  mit  der  zügellosen 
Julia;  auch  fand  er  es  seiner  nicht  würdig,  den  Platzhalter  für  seine  Stief- 
söhne Gaius  und  Lucius,  die  beiden  Caesares,  zu  spielen.  Er  überwarf  sich 
mit  seinem  Stief-  und  Schwiegervater  Augustus  und  zog  sich  von  jeder 
Teilnahme  an  den  Staatsgeschäften  zurück,  um  auf  Rhodos  in  freiwilliger 
Verbannung  zu  leben;  erst  im  Jahr  2  n.  Chr.  durfte  er  heimkehren,  aber 
nur  als  amtloser  Privatmann;  doch  nachdem  der  Tod  der  Caesares  die  Hoff- 
nungen des  Augustus  vernichtet  hatte,  wurde  Tiberius  am  27.  Juni  4  n.  Chr. 
zusammen  mit  M.  Agrippa  Postumus,  einem  nachgeborenen  Sohn  Agrippas, 
vom  Kaiser  adoptiert    und  damit    als  Nachfolger    gekennzeichnet.     Tiberius 


')  Fulvia,  die  Gattin  des  Antonius,  war  Berlin  1911. 

in  erster  Ehe  mit  dem  bekannten  P.  Clo-  ')  Octavia    war   in    erster   Ehe    mit  C. 

dius  vermählt.  Claudius  Marcellus  vermählt. 

')  Vgl.  H.  WiLLKicH,  Livia,   Leipzig   u.  *)  ILS  I  nr.  139. 


304  Römische  Geschichte. 

seinerseits  mußte  seinen  Neffen  Germanicus,  den  Sohn  seines  Bruders  Drusus, 
adoptieren;  Germanicus  war  mit  Agrippina,  der  Enkelin  des  Kaisers,  der 
Tochter  des  Agrippa  und  der  Juha,  vermählt  und  stand  neben  Tiberius 
dem  Thron  am  nächsten. 

Wie  es  sich  für  den  Princeps  geziemte,  hielt  Augustus,  verständnisvoll 
unterstützt  von  Livia,  die  Ehre  und  das  Ansehen  seines  Hauses  hoch,  das 
allen  Römern  zum  Vorbild  dienen  sollte.  Um  so  tiefer  war  sein  Schmerz 
über  das  ausschweifende  Leben  seiner  Tochter  Julia ')  und  seiner  gleich- 
namigen Enkelin,  der  Gattin  des  L.  Aemilius  Paullus;  unnachsichtlich  schritt 
Augustus  gegen  sein  eigen  Fleisch  und  Blut  ein  und  ließ  die  schvddigen 
Prinzessinnen  mit  lebenslänglicher  Verbannung  büßen.  2) 

Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  es  dem  Kaiser  nicht  an  politischen 
Gegnern  fehlte.  Eine  republikanisch  gesinnte  Fronde  machte  sich  nament- 
lich in  der  ersten  Hälfte  seiner  Regierung  noch  sehr  bemerklich.  Zu  denen, 
die  das  neue  Regiment  ablehnten,  gehört  auch  der  einflußreiche  Historiker 
C.  Asinius  Pollio.  Jedoch  die  Mehrzahl  innerhalb  der  führenden  Schichten 
stellte  sich  bereitwillig  unter  der  Leitung  des  Princeps  in  den  Dienst  des  Staats. 
Auf  ernsteren  Widerstand,  der  seiner  Herrschaft  hätte  gefährlich  werden 
können,  ist  Augustus  kaum  je  gestoßen.  Allerdings  werden  mehrere  Fälle 
von  Auflehnung  gegen  die  kaiserliche  Autorität  und  von  Anschlägen  auf 
das  Leben  des  Kaisers  berichtet,  wie  die  Verschwörung  des  Fannius  Caepio 
und  des  L.  Licinius  Varro  Murena  (22  v.  Chr.),  des  M.  Egnatius  Rufus  (19 
V.  Chr.),  des  Julius  Antonius,  eines  Sohnes  des  Triumvirn,  der  2  v.  Chr. 
wegen  seiner  Buhlschaft  mit  Julia,  sowie  wegen  hochverräterischer  Pläne 
hingerichtet  wurde.  ^)  Alles  in  allem  hatte  Augustus  die  Monarchie  fest  be- 
gründet, als  er  am  19.  August  14  n.  Chr.  kurz  vor  Vollendung  des  76.  Lebens- 
jahres nach  über  vierzigjähriger  Regiei'ung  zu  Nola  in  Kampanien  die  Augen 
für  immer  schloß.  Seine  Asche  wurde  in  dem  längst  erbauten  Mausoleum 
auf  dem  Marsfeld  beigesetzt;  der  Senat  erklärte  den  toten  Kaiser  zum  Reichs- 
gott; aus  dem  divl  plius  wurde  so  der  divus  Augustus;  als  erste  Priesterin 
des  neuen  Kaisergottes  fungierte  die  Kaiserinwitwe. 

MoMMSEN,  Res  gestae  divi  Äugusti,  2.  Aufl.,  Berlin  1883.  —  Gakdthausen,  Augustus 
und  seine  Zeit,  1.  und  2.  Teil,  2.  und  3.  Bd.,  Leipzig  1896.  1904.  —  Fitzler  und  Seeok, 
PW  X  275  ff. 

46.  Die  Julischen  Kaiser  nach  Augustus.^)  Dem  Augustus  folgte  sein 
Stief-   und  Adoptivsohn  Ti.  Claudius  Nero  als  Ti.  Caesar  Augustus. 0)    Der 


')  E.  Geoag,  Studien  zur  röm.  Kaiser- 
gesch.,  Linz  1918,  39  ff. 

'^)  Die  ältere  Julia  wurde  2  v.  Chr.  nach 


unterdrückte  Verschwörung  des  M.  Lepi- 
dus,  eines  Sohnes  des  Triumvirn.  Velleius 
II  88.    Appian.  b.  civ.  IV  50. 


Pandateria    verbannt,    später   durfte    sie  *)  Hauptquellen  sind  Tacitus'  Annalen, 

nach  Rhegion  übersiedeln,  wo  sie  14  n.Chr.  in  denen  jedoch  die  Geschichte  des  Gaius 

verstarb.  Ihre  zur  jeunesse  doree  gehören-  und   der   ersten  Jahre   des  Claudius  (bis 

den  Liebhaber  wurden  teils  getötet,  teils  47  n.  Chr.)  nicht  mehr  erhalten  ist.    Zur 

verbannt.  Diejüngere  Julia  mußte 8 n.Chr.  Ergänzung    dienen    Suetonius    und    die 

auf  eine  Insel  an  der  apulischen  Küste  in  Reste  des  Cassius  Dio,  dazu  einige  Stücke 

die  Verbannung  gehen.  Ihr  Gatte  wurde  des  Josephus,    besonders  in  der  Archäo- 

wegen  Hochverrats  hingerichtet.  Näheres  logie   Buch  XVIII   bis  XX    und    in   den 

bei  Gakdthausen,  Augustus  und  seine  Zeit  entsprechenden  Teilen  des  jüdischen  Krie- 

1 1095  ff.  1253  f.  Fitzler,  PWX  896  ff.  906  ff.  ges.    Über    die    allgemeine    Literatur    s. 

^)  Noch  vor  die  Aufrichtung  des  Prinzi-  ,    oben  S.  291  f. 

pats,  31  V.  Chr.,   fällt    die    von    Maecenas  '        ^)  Tiberius  führt  das  praenotnen  impera- 


7.  Fünfte  Periode :  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  40.) 


305 


Thronwechsel  vollzog  sich  reibungslos,  ein  Beweis,  wie  fest  der  Prinzi2:)at 
bereits  gewurzelt  war.  Der  neue  Kaiser,  fast  55  Jahre  alt,  hatte  sich  als 
Staatsmann  und  Heerführer  vielfach  bewährt  und,  gestützt  auf  die  tribuni- 
zische  Gewalt,  sowie  zuletzt  auf  ein  prokonsularisches  Kommando,  *)  an  der 
Reichsverwaltung  entscheidenden  Anteil  genommen.  Doch  war  bei  seiner 
geringen  Popularität  seine  Stellung  begreiflicherweise  zu  Anfang  nicht  so 
fest  wie  die  seines  Vorgängers.  Er  trat  daher  mit  Vorsicht  und  Zurück- 
haltung auf  und  lehnte  im  Senat  die  Übernahme  der  kaiserlichen  Gesamt- 
kompetenz anfänglich  ab,  was  peinliche  Debatten  zur  Folge  hatte.  Aber 
Tiberius  gewann  sein  Spiel :  indem  er  sich  vom  Senat  die  Übernahme  der 
höchsten  Gewalt  förmlich  aufdrängen  ließ,  verschaffte  er  sich  eine  Art  von 
Vertrauensvotum.  Augustus  hatte  den  so  ganz  anders  gearteten  Stiefsohn 
ursprünglich  nicht  zum  Thronerben  bestimmt  gehabt,  aber  allmählich  unter 
dem  Zwang  der  Verhältnisse  und  angesichts  der  unbestreitbaren  Tüchtigkeit 
des  Tiberius  seine  Abneigung  überwunden;  in  diesem  Sinn  wirkte  für  den 
Sohn  auch  die  Mutter  Livia  oder,  wie  sie  seit  dem  Tod  des  Augustus,  der 
die  Gattin  testamentarisch  adoptiert  hatte,  mit  dem  sie  über  alle  Frauen 
emporhebenden  Namen  und  Ehrentitel  genannt  wird,  Julia  Augusta.  Ob- 
wohl Tiberius  der  Mutter  viel  verdankte,  war  er  doch  nicht  gesonnen,  ihr 
Anteil  an  der  Herrschaft  zu  gewähren.  Neben  Tiberius  standen  die  Bluts- 
verwandten des  Augustus,  die  ebenfalls  ein  gewisses  Erbrecht  geltend  machen 
konnten,  an  ihrer  Spitze  Germanicus,  der  mutmaßliche  Thronfolger,  mit 
seiner  Gattin  Agrippina,  der  Enkelin  des  Augustus.  Der  degenerierte  und 
doch  nicht  ungefährliche  Agrippa  Postumus,  den  Augustus  verbannt  hatte, 
wurde  alsbald  aus  dem  Weg  geräumt. 

Von  Anfang  an  war  Tiberius  dem  Senat  gegenüber  auf  der  Hut,  konnte 
doch  ein  etwaiger  Rivale  nur  aus  dieser  Körperschaft  hervorgehen.  2)  Gegen 
einzelne  hervorragende  Mitglieder  des  Senats,  die  sich  verdächtig  gemacht 
hatten,  mußte  er  einschreiten.  Majestätsprozesse  wegen  Vergehens  gegen 
die  Person  des  Kaisers  waren  unter  Tiberius  keine  Seltenheit,  ^j  Anderer- 
seits war  der  Kaiser  ernstlich  bestrebt,  die  politischen  Rechte  des  Senats 
und  das  Ansehen  des  senatorischen  Standes  zu  wahren,  wie  er  auch  be- 
dürftige Senatoren  zu  unterstützen  pflegte.  Eine  seiner  ersten  Regierungs- 
handlungen war  die  Abschaffung  der  Komitien  und  die  Überweisung  der 
Beamtenwahlen  vom  Volk  an  den  Senat;  aufs  gewissenhafteste  hielt  er  auf 
die  Beobachtung  der  verfassungsmäßigen  Formen,^)  ohne  aber  vom  Wesen 
der  kaiserlichen  Gewalt  irgendetwas  preiszugeben;  unbeschadet  der  nomi- 
nellen Mitherrschaft  des  Senats  führte  der  Kaiser  tatsächlich  das  Regiment. 

Gleich  beim  Regierungsantritt  des  Tiberius  entstand  eine  gefährliche 
Meuterei  der  drei  in  Pannonien  stehenden  Legionen.  Die  Truppen  be- 
schwerten sich  über  ungesetzliche  Verlängerung  ihrer  Dienstzeit  und  andere 
Härten   und    benutzten  den  Thronwechsel,    um    ihre  Forderungen  durchzu- 


toris,  das  Augustus  sich  beilegte,  in  der 
Regel,  nicht,  Sueton  Tib.  26,  2. 

')  Über  das  imperium  j))-oconsulare  mains 
des  Tiberius  vgl.  H.  Dieckmann,  Klio  XV, 
1918,  339  ff. 

■')  Tacit.  ann.  I  13. 


^)  Hierher  gehört  auch  die  Verurteilung 
des  Cremutius  Cordus  wegen  einiger  po- 
litisch bedenklicher  Stellen  seines  Ge- 
schichtswei-ks  (25  n.Chr.).  Tacit.  ann.  IV 34. 

"*)  Vgl.L.  Levy,  Qno  modo  TL  Claudius  Nero 
erga  senatum  se  gesserit,  These,  Paris  1901. 


Handbuch  der  klass.  Altertnmswissenschaft.    III,  5.    5.  Aufl. 


20 


;^Qß  Römische  Geschichte. 

drücken.!)  Auch  am  Niederrhein  empörten  sich  vier  Legionen,  die  bei  den 
Ubiern  (um  Köln)  lagerten.  Sie  stellten  ähnliche  Forderungen  wie  die  pan- 
nonischen  Truppen  und  versuchten  ihren  Feldherrn,  den  Germanicus,  zur 
Übernahme  der  höchsten  Gewalt  zu  zwingen.  Aber  die  Loyalität  des  Ger- 
manicus widerstand  der  Versuchung.  Allmählich  ließen  sich  die  Rebellen 
beruhigen. 2)  Die  Rädelsführer  mußten  büßen;  das  Los  der  übrigen  wurde 
gebessert.  Gleichsam  zur  Sühne  unternahm  dann  die  Rheinarmee  einen  neuen 
Feldzug  gegen  die  Germanen.  Der  junge  Germanicus  ergriff  mit  Feuereifer 
die  Gelegenheit,  seiner  bisherigen  Untätigkeit  ein  Ende  zu  machen  und  die 
varianische  Niederlage  zu  rächen;  er  war  willens,  auf  den  Spuren  seines 
Vaters  Drusus  kriegerischen  Ruhm  zu  erwerben. ^j  Denn  noch  immer  befand 
sich  Rom  im  Kriegszustand  mit  den  germanischen  Stämmen,  die  sich  einst 
gegen  Varus  zusammengeschlossen  hatten.  Schon  im  Herbst  14  n.  Chr.  er- 
öffnete Germanicus  die  Feindseligkeiten  mit  einem  Streifzug  gegen  die  Marser 
(zwischen  Ruhr  und  Lippe).  Da  bei  den  Cheruskern  zwischen  Arminius  und 
seinem  Widersacher  Segestes  eine  Fehde  entstand,  so  hoffte  man  auf  die 
Zersplitterung  der  Feinde.  Im  nächsten  Jahr  drang  Germanicus  von  Mainz 
her  nordwärts  ins  Land  der  Chatten  ein  und  kam  bis  über  die  Eder,  während 
der  Legat  A.  Caecina  vonVetera  aus  gegen  Marser  und  Cherusker  vorrückte. 
Germanicus  machte  weiter  einen  Vorstoß  gegen  die  Cherusker,  entsetzte  den 
von  Arminius  belagerten  Segestes  und  nahm  ihn  und  seine  Familie  mit  sich 
zurück,  darunter  Thusnelda,  die  Tochter  des  Segestes  und  Gattin  des  Arminius. 
Dann  erfolgte  der  Hauptangriff.  Die  Legionen  begaben  sich  teils  zu  Land, 
teils  auf  dem  Seeweg  an  die  Ems;^)  die  Brukterer  wurden  besiegt,  das  Land 
zwischen  Lippe  und  Ems  verwüstet,  Chauken  und  Friesen  leisteten  den 
Römern  Beistand.  Germanicus  besuchte  von  hier  aus  den  Schauplatz  der 
Varuskatastrophe  im  Teutoburger  Wald  und  wandte  sich  zuletzt  gegen  den 
inzwischen  im  Feld  erschienenen  Arminius.  Die  Rückkehr  des  römischen 
Heeres  erfolgte  von  der  Ems  aus  auf  demselben  Weg  wie  der  Anmarsch. 
Der  Heeresteil  unter  Germanicus,  der  den  Seeweg  wählte,  erlitt  durch  eine 
Springflut  an  der  Nordseeküste  einige  Verluste.  Caecina  nahm  mit  den 
übrigen  Truppen  seinen  Weg  über  die  pontes  longi,  einen  von  L.  Domitius 
Ahenobarbus  (S.  296)  angelegten  Bohlenweg  durch  ausgedehntes  Sumpf- 
gebiet.^)  Aber  die  Cherusker  unter  Arminius  und  Inguiomerus  waren  zur 
Stelle  und  brachten  das  römische  Korps  in  schwere  Bedrängnis.  Als  jedoch  die 


')   Die   Meuterei   kam   zuerst   in   Nau-  11.  Erg.-Heft),  Trier  1902. 

portus  (bei  Laibach)  zum  Ausbruch.  *)  Da  die  Ems  schwerlich  über  die  Mün- 

^)  Nach  Pannonien  wurde  Drusus,  der  düng  der  Hase  hinaus  schiffbar  war,  so 

eigeneSohndesTiberius,  geschickt.  Durch  wird   sich  Landheer   und  Flotte  etwa  in 

eine  Mondfinsternis  (am  26.  September  14  der   Gegend    des   heutigen   Meppen    ver- 

n.  Chr.),  die  der  Aberglaube  der  Soldaten  einigt  haben. 

als  göttliche  Warnung  deutete,  wurde  die  ■"•)  Tacit.  ann.  1 13.  Die  pontes  lonc/i,  wahr- 
kritische Lage  entspannt.  scheinlich  teils  Aufschüttung  teils  Bohlen- 

3)  Tacit.  ann.  I  49  f.  55  f.,  II  5  f.    Strabo    ;    weg,  mögen  etwa,  wie  O.  Dahm  a.  a.  0. 64  ff. 

VII  290  f.    Strabos  Nachrichten  lassen  er-  vermutet,  in  der  Richtung  von  Emsbüren 

kennen,   daß  bei  Tacitus  eine  stark  ver-  auf  Bentheim  verlaufen  sein.    Jedenfalls 

kürzte  Erzählung  vorliegt.   Vgl.  F.  Knoke,  hat  man  anzunehmen,    dafs  Caecina  von 

Die  Kriegszüge  des  Germanicus  in  Deutsch-  der  Ems,  etwa  von  Meppen  aus  den  Rhein 

land,  Berlin  1922'^   O.  Dahm,  Die  Feldzüge  bei  Wesel  erreichen  wollte, 
des  Germanicus  (Westdeutsche  Zeitschr., 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian,   (§46.)  307 

beutelustigen  Germanen  gegen  den  Reit  des  Arminius  das  römische  Lager  zu 
stürmen  suchten,  wurden  sie  geschlagen  und  dem  Caecina  gliickte  der  Durch- 
bruch. Den  Auftakt  zum  Feldzug  des  nächsten  Jahres  (16  n.  Chr.)  bildete 
ein  Einfall  des  Legaten  C.  Silius  ins  Land  der  Chatten  und  ein  Zug  des 
Germanicus  selbst  an  die  Lippe,  wo  ein  belagertes  Kastell  entsetzt  und  die 
Strecke  zwischen  Aliso  und  Rhein  neu  befestigt  wurde.  Hierauf  brachte  eine 
Flotte  von  tausend  Schiffen  das  gesamte  Heer  (acht  Legionen  und  Hilfs- 
truppen) durch  den  Drususkanal  in  den  Ozean,  um  dann  in  die  Emsmün- 
dung  einzulaufen.  Mit  den  ans  Land  gesetzten  Truppen  marschierte  Ger- 
manicus an  die  Weser,  wo  Arminius  mit  den  Cheruskern  und  ihren  Bundes- 
genossen sich  zeigte.  Germanicus  überschritt  die  Weser  und  schlug  den  Feind 
auf  dem  Feld  Idistaviso;i)  auch  in  einer  zweiten  blutigen  Schlacht  am  Grenz- 
wall zwischen  dem  Land  der  Angrivarier  und  Cherusker-)  waren  die  Römer 
im  Vorteil;  der  Stamm  der  Angrivarier  mußte  sich  unterwerfen.  Doch  das 
Ende  der  guten  Jahreszeit  nötigte  den  Germanicus  zur  Umkehr.  Den  größten 
Teil  seines  Heeres  führte  er  wieder  zu  Schiff  zurück;  dabei  erlitt  er  auf 
der  Nordsee  durch  Flut  und  Stürme  abermals  schwere  Verluste ;  gleich  nach 
der  Rückkehr  wurden  noch  demonstrative  Vorstöße  gegen  Marser  und  Chatten 
in  Szene  gesetzt. 

Germanicus  gefiel  sich  in  der  Hoffnung,  daß  nach  den  letzten  Siegen 
ein  einziger  Feldzug  genügen  würde,  um  ganz  Germanien  bis  zur  Elbe  zu 
unterwerfen ;  allein  der  Kaiser,  weniger  optimistisch  als  der  junge  Drauf- 
gänger, untersagte  die  Fortsetzung  des  Krieges,  der  Rom  schon  recht  teuer 
zu  stehen  gekommen  war.  Realpolitische  Erwägungen  rechtfertigen  diesen 
Entschluß  des  Tiberius  vollkommen,  mag  auch  eine  tendenziöse  Überlieferung 
Eifersucht  und  Übelwollen  des  Kaisers  gegen  den  Neffen  und  Adoptivsohn 
als  treibendes  Motiv  bezeichnen.  Die  römischen  Heere  hatten  bedenkliche 
Verluste  erlitten,  die  nicht  leicht  zu  ersetzen  waren,  wie  die  Erfahrungen 
der  früheren  Jahre  lehrten.  Am  meisten  wurde  Gallien  in  Mitleidenschaft 
gezogen,  und  man  mag  sich  in  Rom  gesagt  haben,  daß  dieser  großen  und 
zu  Unruhen  neigenden  Provinz  nicht  zu  viel  zugemutet  werden  dürfe.  Zu- 
dem war  das  tatsächliche  Ergebnis  der  Offensive  des  Germanicus  durchaus 
problematisch;  denn  Arminius  behauptete  sich  nach  wie  vor  im  Feld,  und 
der  Bund  der  Germanen  war  nicht  gelockert.  So  berief  denn  der  Kaiser 
den  Prinzen  ab ;  Germanicus  feierte  am  26.  Mai  17  n.  Chr.  einen  pomphaften 
Triumph,  in  dem  auch  Thusnelda  mit  ihrem  kleinen  Sohn  aufgeführt  wurde, 
und  ging  noch  im  selben  Jahr,  ausgestattet  mit  einem  außerordentlichen 
Kommando  für  die  überseeischen  Provinzen,  nach  dem  Osten  ab,  wo  aller- 
hand Aufgaben,  vor  allem  die  Regelung  der  armenischen  Angelegenheiten 
seiner  harrten.  Für  die  gallischen  Provinzen  bedeutet  die  Abberufung  des 
Germanicus  einen  wichtigen  Einschnitt.  Die  administrative  Einheit,  die  sie 
bisher  mit  Germanien  gebildet  hatten,  hört  jetzt  auf.  Die  drei  Gallien  wurden 
jede  eine  besondere,  von  einem  prätorischen  Legaten  des  Kaisers  verwaltete 

')  Etwa   bei  Bückeburg  oder  Hameln,  ^)  Vielleicht  am  Steinhuder  Meer  (vgl. 

nach  Dahm  weiter  aufwärts  gegenüber  Mommsen,  Rom.  Gesch.  V  49  A.  1)  oder  bei 
Rehme,  nach  Knoke  bei  Eisbergen.  Vgl.  Leese,  nach  Dahm  nicht  weit  von  Minden. 
Räppaport,  PW  IX  903  ff. 

20* 


308  Römische  Geschichte. 

Provinz.  Das  militärische  Kommando  am  Rhein  wurde  abgetrennt  und  unter 
dem  Namen  Ober-  und  Untergermanien  zwei  neue  Bezirke  geschaffen,')  in 
denen  künftig  konsularische  Legaten  den  Oberbefehl  führten.  Die  freien 
Germanen  überließ  Tiberius  sich  selbst;  getreu  dem  politischen  Testament 
des  Augustus^)  leistete  er  auf  weitere  Eroberungen  Verzicht. 

Der  Widerstand  der  Germanen  war  also  nicht  vergeblich  gewesen.  Es 
darf  als  historische  Leistung  gewertet  werden,  daß  Arminius  imstande  war, 
der  starken  römischen  Armee  zwei  Schlachten  zu  liefern,  ohne  eigentlich 
besiegt  zu  werden  ;S)  sein  Organisationstalent  wußte  die  Streitkräfte  der 
verbündeten  Germanen  nicht  nur  aufzubieten,  sondern  auch  zusammen- 
zuhalten. Übrigens  hatten  die  Barbaren  von  der  römischen  Kriegskunst 
schon  viel  gelernt.  Aber  der  Zusammenschluß  der  Germanen  begann  sich 
zu  lösen,  sobald  von  Rom  keine  unmittelbare  Gefahr  mehr  drohte.  Zunächst 
gerieten  bald  nach  dem  Abzug  des  Germanicus  (17  n.  Chr.)  Arminius  und 
seine  Gefolgschaft  in  Krieg  mit  Marbod,  in  dessen  Bereich  sie  eingriffen.*) 
Es  kam  zu  einer  Schlacht,  die  zwar  unentschieden  blieb,  aber  doch  für 
Marbod  in  ihren  Folgen  einer  Niederlage  gleichkam.  Der  Markomannen- 
könig zog  sich  mit  seinem  Heer  zurück,  seine  Herrschaft  geriet  ins  Wanken, 
und  18  n.Chr.^)  wurde  er  von  dem  Gothen  Katualda  gestürzt,  worauf  er  als 
Flüchtling  auf  römisches  Gebiet  übertrat.  Tiberius,  dessen  Sohn  Drusus  seit 
17  n.  Chr.  von  Illyricum  aus  im  römischen  Interesse  wirkte,  hatte  die  Hand 
mit  im  Spiel.  Aber  auch  Katualda  konnte  sich  nicht  lange  halten ;  von  den 
benachbarten  Hermunduren  vQrjagt,  nahm  er  gleichfalls  zu  den  Römern 
seine  Zuflucht.  Er  wie  Marbod  hatte  viele  Gefolgsleute  mitgebracht,  die  nun 
östlich  der  March  unter  dem  Quaden  Vannius  angesiedelt  wurden.  Vannius 
dehnte  sein  Reich  bald  weiter  aus  und  trat  in  gewissem  Sinn  das  Erbe 
Marbods  an.'')  Er  war  römischer  Bundesgenosse.  Nicht  lange  nach  dem 
Sturz  des  Marbod  fand  sein  Gegner  Arminius  den  Untergang.  Der  Cherusker 
hatte  sich  mit  seinen  Volksgenossen  entzweit,  die  ihn  des  Strebens  nach 
der  Königsherrschaft  bezichtigten;  im  Alter  von  37  Jahren  erlag  der  Be- 
freier Germaniens  der  Hinterlist  seiner  eigenen  Sippe  (19  oder  21  n.  Chr.). 

Dem  Kaiserthron  am  nächsten  stand,  wie  erwähnt,  Germanicus.  Aber 
das  persönliche  Verhältnis  zwischen  dem  Kaiser  und  dem  Prinzen  war  nicht 
das  beste,  doch  hat  Germanicus  sich  stets  dem  Willen  des  kaiserlichen 
Oheims  und  Adoptivvaters  gefügt,  so  schwer  es  ihn  mitunter  ankommen 
mochte.'')   Den  vorzeitigen  Tod,  von  dem  Germanicus  während  seines  Kom- 

')  Grenze   ist  der  Vinxtbach  zwischen  |   1915^^). 

Andernach  und  Remagen.  ®)    Vgl.    über    das    regnum    Vannianum 

')   Tacit.   anii.  I  11    consilium    coercendi  Mommsen  a.  a.  O.  196  A.  1. 

hitra  terminos  imperii.  ')    Der    Gegensatz    zwischen    Tiberius 

^)  proeliiii  amhigtms,  hello  von  victus  sagt  und  Germanicus,  zwischen   dem   pflicht- 

Tacit.  ann.  II  88.  j    getreuen  Monarchen  und  dem  von  helle- 

*)    Die    Langobarden    und    Semnonen  nistischen  Ideen  angekränkelten  Prinzen 

schlugen  sich  auf  die  Seite  des  Arminius,  trat  z.  B.  anläßlich  der  programmwidrigeu 

während  der  Cherusker  Inguiomerus,  des  Vergnügungsreise  des  Germanicus  nach 

Arminius   Oheim,    zu    Marbod    überging.  Ägypten,  über  die  einPapyruslund  neues 

Tacit.  ann.  II  44.  |    Licht  verbreitet,  in  die  Erscheinung.  Vgl. 

^)  Mommsen,  Rom.  Gesch.  V  55;  über  die  !    ü.  v.  Wilamowitz-Moellendorff    und    F. 

Chronologie  (18  oder  19  n.  Chr.)  vgl.  Nipper-  Zucker,  Zwei  Edikte  des  Germanicus,  Sitz.- 

DfiY-ANDRESEN  ZU  Tacit.  auu.  II  62  (Berlin  Ber.  der  Berl.  Akad.  1911,  794  ff.,  E.  Hohl, 


7,  Fünfte  Periode:   Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  46.)  309 

mandos  im  Osten  in  Daphne,  der  Vorstadt  von  Antiochien,  am  10.  Oktober 
19  n.  Chr.  ereilt  wurde,  empfand  man  als  schweren  Schlag  für  das  Reich 
und  die  Dynastie.  Der  Prinz  war  der  Liebling  des  Volkes,  der  Abgott  der 
Armee  gewesen.  Diese  Popularität  übertrug  sich  auf  seine  Kinder.  Man 
glaubte  allgemein,  Germ*inicus  sei  von  Cn.  Calpurnius  Piso,  dem  kaiserlichen 
Legaten  von  Syrien,  vergiftet  worden,')  ein  Verdacht,  der  sich  nicht  be- 
stätigte. Allerdings  hatte  sich  Germanicus  mit  Piso  völlig  überworfen,  so 
daß  der  Legat  schließlich  seine  Provinz  Syrien  verließ;  nach  dem  Tod  des 
Germanicus  wagte  Piso  den  vergeblichen  Versuch,  sich  Syriens  gewaltsam, 
unter  Bruch  des  Landfriedens,  zu  bemächtigen.  Seinen  Richtern  in  Rom 
entzog  er  sich  durch  Selbstmord.  Nach  dem  Hinscheiden  des  Germanicus 
entstand  ein  unheilvoller  Konflikt  im  Kaiserhaus;  die  verwitwete  Agripj)ina 
war  im  Fanatismus  ihres  Schmerzes  davon  überzeugt,  daß  Tiberius  am  Tod 
ihres  Gatten  nicht  unschuldig  sei.  Auch  war  sie  gesonnen,  ihren  Kindern 
die  Herrschaft  zuzuwenden,  während  nach  Germanicus'  Tod  zunächst  Drusus 
Caesar,  der  Sohn  des  Kaisers,  als  Thronanwärter  galt.  Doch  als  Drusus 
23  n.  Chr.  starb,  rückten  in  der  Tat  Agrippinas  Söhne  Nero  und  Drusus  in 
die  vorderste  Reihe.  Der  Gegensatz  zu  Tiberius  verschärfte  sich  noch  nach 
dem  Tod  der  greisen  Augusta  (29  n.  Chr.),  die  bis  zuletzt  zu  vermitteln  ge- 
sucht hatte;  seit  dem  Hingang  der  einflußreichen  Mutter  hat  Tiberius  seine 
Politik  in  mehr  als  einem  Punkt  geändert.  Eine  Verständigung  mit  der  un- 
versöhnlichen Agrippina  erwies  sich  als  Unmöglichkeit;  sie  mußte  schließ- 
lich ebenso  wie  ihr  Altester,  Nero,  in  die  Verbannung,  in  der  beide  ver- 
starben, der  Sohn  31  n.Chr.  die  Mutter  zwei  Jahre  später;  im  nämlichen 
Jahr  wie  Agrippina  (33  n.  Chr.)  endete  auch  ihr  zweiter  Sohn,  Drusus,  in 
strenger  Haft. 

Eine  verhängnisvolle  Rolle  spielt  in  der  Geschichte  des  Tiberius  der 
praefectKS  i)raetorio  h.  Aelius  Seianus,^)  der  als  erster  sämtliche  Prätorianer- 
kohorten  (oben  S.  289)  in  einem  festen  Lager  im  Weichbild  Roms  kaser- 
nierte. 3)  Gestützt  auf  die  Schwerter  seiner  Prätorianer,  wurde  Seian  der 
mächtigste  Mann  nächst  dem  Kaiser,  der  ihm  und  nur  ihm  unglücklicher- 
weise blindlings  vertraute.  So  konnte  der  gewissenlose  Intrigant  den  Zwist 
innerhalb  des  Kaiserhauses  zur  Förderung  seines  maßlosen  Ehrgeizes  be- 
nutzen. Er  hetzte  und  wühlte  beim  Kaiser  gegen  Germanicus  und  dessen 
Familie ;  den  Sohn  des  Tiberius,  den  Thronfolger  Drusus,  dessen  Gattin  er 
zu  verführen  wußte,  räumte  er  durch  Gift  aus  dem  Weg  (23  n.Chr.):  den 
zweiten  Sohn  des  Germanicus,  Drusus,  suchte  er  gegen  den  älteren  Bruder 
Nero  einzunehmen,  um  zuletzt  beide  Prinzen  ins  Verderben  zu  stürzen.^) 
Nach  dem  Tod  der  Julia  Augusta  erreichte  Seians  Macht  ihren  Höhepunkt. 

Ein  röm.  Prinz  in  Äg.,  Preuß.  Jahrbücher  Seian  entstammt  einer  reichen  etruski- 
182,  1920,  344  ff.  —  Über  Germanicus  zu-  sehen  EitterfamiHe  aus  Volsinii  und  war 
sammenfassend   M.  Gelzee.    PW  X  435  ff.       mit  dem  römischen  Hochadel  verschwä- 

')    Germanicus    teilte    diesen   Glauben.  1    gert;  vgl.  Cichoriüs,  Hermes  39, 1904, 461  ff. 

Tacit.  ann.  II69.  71.    Vgl.  Josephus  Ant.  i       ')  Seit  23  n.Chr.   Tacit.  ann.  lY  2.   Hier 

XVIII  54.  '    lagen  auch  die  cohortes  urbaiiae. 

^)  Er  war   der  Sohn   des  angesehenen  *)  Den  kläglichen  Ausgang  des  Drusus 

Ritters  L.  Seius  Strabo.  In  der  Präfektur  schildert  Tacit.  ann.  VI  23  f.  Vgl.  Suet. 
der  Prätorianer   anfangs    Kollege    seines       Tib.  54. 

Vaters,  wurde  er  später  alleiniger  Präfekt,  \ 


310  Römische  Geschichte. 

Er  erliielt  eine  Stellung  ähnlich  der  des  Agrippa  unter  Augustus,')  wurde 
Konsul  (^U  n.  Chr.)''')  und  trat  durch  seine  Verlobung  mit  Julia,  der  Enkelin 
des  Tiberius,  in  die  kaiserliche  Familie  ein. 3)  Schon  wollte  er  nach  der  Krone 
selbst  greifen,  als  Tiberius,  im  letzten  Augenblick  von  seiner  Schwägerin 
Antonia,  der  Witwe  des  älteren  Drusus,  gewarnt,  ium  vernichtenden  Schlag 
ausholte.  Am  18.  Oktober  »U  n.Chr.  büßte  der  Präfekt  seine  Verbrechen  mit 
dem  Tod.  In  seinen  Sturz  wurden  viele  seiner  Anhänger  mit  hineingezogen. 
Seians  Nachfolger  in  der  Präfektur  Naevius  Sertorius  Macro  hat  die  Macht- 
fülle seines  Vorgängers  nicht  erreicht;  doch  blieb  das  Amt  eines  der  ver- 
antwortungsvollsten des  Kaisertums.  Seine  Inhaber  gingen  aus  dem  Ritter- 
stand hervor. 

Die  zweite  Hälfte  der  Regierung  des  Tiberius  erhielt  ihr  Gepräge  durch 
die  Abwesenheit  des  Herrschers  aus  der  Reichshauptstadt,  die  er  im  Jahr 
26  n.  Chr.  verließ,  um  sie  nie  wieder  zu  betreten.  Infolgedessen  wurde  die 
wichtige  praefectura  urhls  zu  einer  ständigen  Einrichtung;  der  Stadtpräfekt, 
der  Regel  nach  ein  Konsvilar,  vertrat  den  Kaiser  in  Rom;  er  hatte  weit- 
gehende richterliche  und  polizeiliche  Befugnis  und  galt  als  der  erste  Beamte 
der  Stadt  und  ihrer  Umgebung.  Die  städtischen  Kohorten  waren  ihm  unter- 
stellt. Tiberius  verweilte  anfangs  in  Kampanien,  später  mit  Vorliebe  auf 
dem  schönen  Felseneiland  Capri,  wo  er  in  weltferner  Abgeschiedenheit  das 
Leben  eines  menschenscheuen  Sonderlings  führte.^)  Mit  zunehmendem  Alter 
wuchs  die  Menschenverachtung  des  vom  Leben  mißhandelten  Monarchen: 
seine  Entschlußkraft  war  erlahmt,  sein  Interesse  abgestumpft.^)  Die  zahl- 
reichen Opfer  seines  Argwohns  brachten  seine  Regierung  in  Verruf,  und 
besonders  Tacitus  hat  den  Kaiser  ebenso  künstlerisch  wirksam  wie  historisch 
unwahr  als  völlig  entarteten  Tyrannen  gezeichnet.'')  Der  künstlerische  Bann 
des  Tacitus  ist  heute  gebrochen^)  und  man  bemüht  sich  mit  Erfolg  um  ein 
gerechteres  Bild  des  hervorragenden  Herrschers.  Seine  Regententugenden 
sind  unbestreitbar:  bei  dem  hauptstädtischen  Pöbel  konnte  der  sparsame, 
dem  höfischen  Prunk  und  den  blutigen  Gladiatorenspielen  abholde  Kaiser 
freilich  nicht  beliebt  sein;  um  so  dankbarer  empfanden  die  Provinzialen 
den  Segen  einer  gewissenhaften  Verwaltung.*)  Tiberius  hat  in  seinem  Wesen 


')  In  den  höchsten  Tönen   wird  Seian  Senat   (Tacit.  ann.  YI6.    Suet.  Tib.  67,  1). 

vonVelleiusinseinemSOn.  Chr.  verfaßten  ^)  Daß  Tacitus  seinem  Tiberiusporträt 

Geschichtsabriß  (II  127  ff.)  gepriesen.  Züge  Domitians   einverleibte,    hat  schon 

2)  Die  Inschrift  ILS  II  nr.  6044  erwähnt  A.  v.  Gutschmi©  (Kl.  Sehr.  V 1894  [1863],  6) 

inprobae  comitiae  auf  dem  Aventin,  durch  vermutet. 

die  Seian  Konsul  wurde.  Die  literarische  ')  Schon   Napoleon    I   hat    die   Verun- 

Überlieferung   schweigt  von    diesem   re-  glimpfung  des  Tiberius  durch  Tacitus  er- 

volutionären    Akt.    (Vgl.  Mommsen,    Rom.  kannt.    Vgl.  B.  G.  Niebuhr,  Vorträge  über 

Staatsr.III  348  A.2.)   Wie  erwähnt,  hatte  röm.  Gesch.  III  173.    Aber  erst  G.  R.  Sie- 

Tiberius  die  Volkswahlen  abgeschafft.  vers  übte  an  der  allzulange  als  kanonisch 

')  Diese  Julia,  die  Tochter  des  Drusus  geltenden  Darstellung  des  Tacitus  metho- 

Caesar,    hatte   20  n.  Chr.    den   Sohn    des  dische  Kritik  (Progr.,  Hamburg  1850. 1851, 

Germanicus,  Nero,  geehelicht.  abgedruckt  in  den  Studien  zur  Gesch.  der 

*)  Es  kursierten  die   tollsten  Gerüchte  röm.Kaiser,1870,  Iff.).  Ad.  Stahr, Tiberius, 

über  angebliche  Perversitäten  des  kaiser-  Berlin  1863.  L.  Freytag,  Tib.  u.Tac,  Berlin 

liehen  Einsiedlers.  1870.   W.  Ihne,  Zur  Ehrenrettung  des  Kai- 

■')  Die  seelische  Zerrüttung  des  Tiberius  sers  Tiberius,  übersetzt  von  W.  Schott, 
spiegelt  sich  in  den  authentischen  Ein-  j  Straßburg  1892.  M.  Gelzer,  PWX478ff. 
gaugsworten    eines    Schreibens    an    den    ;       ^)  Tiberius  ließ  die  Statthalter  mit  Vor- 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  46.)  311 

etwas  Altrömisches;  dieser  stolze,  steifnackige  Claudier  ist  weit  mehr  Römer 
als  sein  modern  gerichteter  Vorgänger.  Er  gehört  zu  den  tragischen  Figuren, 
die  zu  spät  geboren  sind.^) 

Tiberius  verstarb  am  16.  März  37  n.Chr. 2)  und  hinterließ  den  Thron 
seinem  Adoptivenkel  Gaius  Caesar,  dem  sog.  Caligula,  dem  einzigen  noch 
lebenden  Sohn  des  Germanicus  und  der  Agrippina.^)  Sein  leiblicher  Enkel 
Tiberius  Gemellus,  der  Sohn  des  Drusus,  mußte  hinter  Gaius  zurückstehen 
und  wurde  bald  ganz  beseitigt.  Die  Thronbesteigung  des  fünfundzwanzig- 
jährigen Gaius  wurde  allgemein  mit  hochgespannten  Erwartungen  begrüßt; 
die  Welt  atmete  auf  von  dem  Druck,  der  in  den  letzten  Jahren  des  Tiberius 
auf  ihr  gelastet  hatte.  Dem  Sohn  des  Germanicus  flogen  die  Herzen  der 
Untertanen  entgegen.^)  Der  neue  Kurs  begann  mit  einer  Reaktion  gegen 
Tiberius,  die  sich  in  Begnadigungen,  Steuererleichterungen,  Wiederherstellung 
einiger  Klientelkönigreiche,  vorübergehender  Wiederaufnahme  der  Wahlen 
durch  die  Komitien,  Auszeichnungen  des  Senats  und  Schenkungen  doku- 
mentierte; durch  Freigebigkeit  erhielt  sich  Gaius  seine  Beliebtheit  bei  Volk 
und  Heer  bis  an  sein  Ende.  Einige  notwendige  Maßregeln,  die  Tiberius 
immer  wieder  aufgeschoben  hatte,  wurden  zur  Ausführung  gebracht.  Gaius 
restituierte  das  Andenken  seiner  Mutter  und  Brüder;  seine  Schwestern  ließ 
er  an  den  kaiserlichen  Ehren  teilnehmen.^)  Der  junge  Kaiser  war  keines- 
wegs unbegabt;  er  verfügte  über  beißenden  Witz  und  ein  natürliches  Rede- 
talent, auch  hegte  er  literarische  Interessen;  aber  ihm  fehlte  es  an  Pflicht- 
gefühl, Ausdauer  und  Willenskraft.  In  maßloser  Selbstüberschätzung  setzte 
er  sich  bald  über  Recht,  Gesetz  und  Sitte  Roms  hinweg.  Bekanntlich  wird 
Caligula  vielfach  als  Typus  des  sog.  Caesarenwahnsinns'')  betrachtet  und 
wenn  alle  die  pathologischen  Züge,  die  von  ihm  berichtet  werden,  Glauben 
verdienten,  so  stünde  seine  geistige  Erkrankung  außer  Zweifel.  In  Wirk- 
lichkeit ist  das  Bild  des  sicherlich  nervös  überreizten  Kaisers  stark  karikiert;') 
manche  die  Römer  befremdende  Anwandlung  erklärt  sich  aus  den  helle- 
nistischen Tendenzen  des  absolutistischen  Herrschers.  In  diesem  Sinn  forderte 
er  die  göttliche  Verehrung   seiner   Person.*)    Durch   seine  Verschwendungs- 


liebe lang  im  Amt.    Tacit.  ann.  I  80.    Jo- 
sephus  Antiq.  Jud.  XVIII  170  ff. 
')  Vgl.  Gelzer  a.  a.  O.  534. 


{eig  <PXäxxov)  und  die  Gesandtschaft  an 
Gaius  {jTEQi  dgeTcor  ycai  jTQeaßelag  jtqoq  ratbi-). 
*)  Vgl.  das  Dekret  der  Panhellenen,  durch 


Nach  Tacit.  ann.  VI  50  hätte  man  dem    '    das    ihm    hohe  Ehren    erwiesen  werden. 
Gaius  bereits  huldigen  wollen,  als  der  für   j    IG  VII  nr.  2711  f.    ILS  II  nr.  8792. 


tot  gehaltene  greise  Kaiser  noch  einmal 
das  Bewußtsein  erlangte,  worauf  Macro 
so  viel  Decken  auf  ihn  werfen  ließ,    daß 


^)  Auch  an  der  göttlichen  Verehrung 
hatten  die  Schwestern  teil.  Vgl.  Sueton 
Calig.  15.    Ephemer,  epigr.  V  154.    Bull,  de 


der  Tod    durch  Ersticken   eintrat.     Über  corr.  hellen.  XII  305.    IG  IV  nr.  1400. 

das   Ende    des    „Tyrannen"    liefen    noch  ^)    Der   Ausdruck   ist   von    G.  Freytag 

andere,    ebenso    unkontrollierbare    Ver-  \   geprägt.   Der  Caesarenwahnsinn  ist  übri- 

sionen  um;  vgl.  Suet.  Tib.  73,  2.   Josephus  |    gens  nicht  etwa  eine  „Berufskrankheit", 

Antiq.  Jud.  XVIII  205  flf.  sondern    nur   die   durch    die  Ausnahme- 

^)  Caligula  ist  ein  Kosename,   den  die  Stellung  des  Betroffenen  bedingte  Form 

Soldaten    der   Rheinarmee    dem    kleinen  i    einer   geistigen   Erkrankung.    Vgl.  K.  J. 


Prinzen,  den  seine  Eltern  in  eine  Miniatur- 
uniform gesteckt  hatten,  beilegten  („Kom- 
mißstiefelchen"). Interessante  Beiträge 
zur  Geschichte  des  Gaius  enthalten  zwei 
Schriften  eines  Zeitgenossen,  des  alexan- 
drinischen  Juden  Philon:  gegen  Flaccus 


Neumann,  Deutsche  Lit.-Ztg.  1917,  534  ff. 

')  Vgl.  H.W^iLLEicH,  Klio  III,  1903,  85  ff., 
288  ff.,  397  ff'.    M.  Gelzer,  PW  X  381  ff. 

^)  Er  hat  zuerst  an  seinem  Hof  ein 
orientalisch  anmutendes  Zeremoniell  ein- 
geführt.   Seneca  de  benef.  II  12,  1. 


312  Römische  Geschichte. 

suclit  hatte  er  in  Jiälde  die  von  Tiberius  gefüllte  Staatskasse  geleert  und 
mußte  nun,  um  sie  wieder  zu  fidlen,  die  Steuerschraube  aufs  schärfste  an- 
ziehen; auch  Prozesse  und  Konfiskationen  dienten  diesem  Zweck.  Um  auch 
die  reichen  gallischen  und  spanischen  Provinzen  zu  plündern,  begab  er  sich 
89  n.Chr.  nach  Gallien,  wo  er  einige  Zeit  in  Lugudunum  verweilte.')  Moti- 
viert wurde  die  plötzliche  Abreise  des  Kaisers  aus  Rom  durch  einen  Krieg 
gegen  die  Germanen,  wozu  er  ein  großes  Heer  zusammenzog.  Doch  Ernst 
wurde  damit  nicht  gemacht;  Gaius  überschritt  zwar  den  Rhein,  kehrte  aber 
bald  ins  Innere  Galliens  zurück  und  überließ  alles  Weitere  seinem  Legaten.^) 
Dann  wandte  er  sich  gegen  Norden.  Er  plante  nämlich  einen  Angriff  auf 
Britannien,  von  wo  aus  sich  ein  britischer  Königssohn,  Adminius,  zu  ihm 
geflüchtet  hatte.  Doch  begnügte  sich  Gaius  mit  einer  bloßen  Demonstration 
an  der  Küste  der  Moriner.  Nach  Rom  zurückgekehrt,  feierte  der  Kaiser  den 
kleinen  Triumph,  die  oratio.'^)  Es  war  kein  Wunder,  wenn  die  wachsende 
Abneigung  der  Senatsaristokratie  gegen  den  despotischen  Monarchen  sich 
zu  Anschlägen,  die  auf  seinen  Sturz  abzielten,  verdichtete.  Schon  in  Gallien 
wurde  39  n.  Chr.  eine  Verschwörung  entdeckt,  deren  Haupt  Cn.  Cornelius 
Lentulus  Gaetulicus,  der  langjährige  Legat  Obergermaniens,*)  war  und  in  die 
auch  einer  der  Intimen  des  Kaisers,  der  Gatte  seiner  unlängst  verstorbenen 
Lieblingsschwester  Julia  Drusilla,  M.  Aemilius  Lepidus,  verwickelt  war.  Die 
Verschwörer  wurden  hingerichtet  und  die  beiden  ebenfalls  verdächtigen 
Schwestern  des  Kaisers,  Julia  Agrippina  und  Julia  Livilla,  verbannt.^)  Nach 
der  Rückkehr  des  Kaisers  aus  Gallien  bildete  sich  in  den  Kreisen  von  Sena- 
toren und  Rittern  ein  neues  Komplott  unter  Leitung  des  L.  Annius  Vini- 
cianus;  auch  einige  Tribunen  der  Prätorianer,  vor  allem  Cassius  Chaerea  hatte 
man  gewonnen.  Am  2-1.  Januar  41  n.  Chr.  stieß  Chaerea  den  Kaiser  während 
der  zum  Gedächtnis  des  Augustus  gefeierten  palatinischen  Spiele  nieder.^) 
In  der  allgemeinen  Verwirrung,  die  auf  das  Attentat  folgte,  griffen  einige 
Söldner  den  Oheim  des  Ermordeten,  den  Ti.  Claudius  Germanicus,  auf,  um 
ihn  in  das  Prätorianerlager  zu  bringen,  wo  der  um  sein  Leben  Bangende 
zu  seiner  größten  Überraschung  von  der  Garde  als  Imperator  begrüßt  wurde.  ^) 

')  Hier   trat  er   40  n.  Chr.  sein  drittes  ^)  Am  27.  Oktober  39  n.  Chr.  brachten 

Konsulat  an.  die  Arvalbrüder  in  Rom  ein  Dankopfer  für 

2)   A.  Riese,   Neue   Heidelb.  Jahrb.  VI  die  Rettung  des  Kaisers.  CIL  VI  2029  d  6  ff. 

152  ff.  vermutet,  der  gallische  Feldzug  sei  *)  Eine   Rettung  Caligulas    unternahm 

durch    die    gleich    zu    erwähnende   Ver-  H.  Willbkh,  KlioIII  (1903)  S.  85ff.,  288ff., 

schwörung  des  Lentulus  Gaetulicvis  und  397  ff.    Niese  hat  diesen  Versuch  schroff 

den  Abfall  der  germanischen  Heere  ver-  I    abgelehnt,    und    in    der   Tat   schießt   die 

anlaßt  worden.    Dieser  Vermutung  steht  |    Apologie  Willrichs,  der  den  sprunghaften 

entgegen,  daß  die  Verschwörung  erst  ent-  j    und  widerspruchsvollen  Kaiser  zu  einem 

deckt  wurde,  als  Gaius  schon  in  der  Pro-  |    bedeutenden  Politiker  stempeln  möchte, 

vinz  Germanien  war.  Sueton  Claud.9.  Vgl.  über  das  Ziel  hinaus.  Aber  Willrichs  Hin- 

G.  Teuber,    Beiträge  zur  Geschichte    der  '    weis  auf  hellenistische,  besonders  ägyp- 

Eroberung  Britanniens  durch  die  Römer  tisch-ptolemäische  Einflüsse  und  Vorbilder 

(Breslauer  Studien  z.  Gesch.  Bd.  III,  1909)  \   ist  ebenso  dankenswert,  wie  sein  Bestre- 


S.  2ff.  82  ff.  Vgl.  zum  Germanenkrieg  E. 
Ritterling,  Röm.-germ.  Korrespondenz- 
blatt VI,  1913,  1  ft'. 

')  Sein  Einzug  in  Rom  fällt  nach  Sueton 
Calig.  49  auf  den  31.  August  40  n.  Chr., 
seinen  Geburtstag. 

*)  Vgl.  über  ihn  Tacit.  ann.VI  30. 


ben,  die  z.T.  geradezu  burlesken  Elemente 
der  Überlieferung  auszuschalten.  Ein  vor- 
sichtigabwägendes Urteil  überCaligula  hat 
neuerdings  M.Gelzer  gefällt,  PW  X  417  ff. 
')  H.  Lehmann,  Claudius  und  Nero  und 
ihre  Zeit,  1.  (einziger)  Bd.,  Gotha  1858. 
Groag,  PW  III 2778  ff.,  K.Vivell,  Chronol.- 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  t6.)  313 

Inzwischen  debattierte  der  Senat  über  die  Frage  „Republik  oder  Monarchie", 
bis  er  sich  durch  jenen  Gewaltstreich  der  kurzentschlossenen  Prätorianer 
vor  eine  vollendete  Tatsache  gestellt  sah.  Es  blieb  dem  Senat  nichts  übrig, 
als  gute  Miene  zum  bösen  Spiel  zu  machen  und  auch  seinerseits  den  Claudius 
als  Princeps  anzuerkennen.  Der  neue  Kaiser  verdankte  seine  Würde  ledig- 
lich dem  Zufall  und  seiner  erlauchten  Geburt.  Die  kaiserliche  Familie  hatte 
den  mehr  als  beschränkten  Prinzen  geflissentlich  zurückgesetzt;  am  Hof 
seines  Neffen  Gaius  wurde  er  als  komische  Figur  behandelt;  mit  historisch- 
antiquarischen Studien  tröstete  sich  der  schrullenhafte  Sonderling  über  seine 
unwürdige  Rolle,  i)  Als  Regent  hat  sich  Claudius  nicht  ungünstig  eingeführt. 
Gewitzigt  durch  die  Katastrophe  seines  Neffen  versprach  der  neue  Kaiser, 
die  Rechte  des  Senats  zu  achten,  und  war  bemüht,  die* Willkürakte  seines 
Vorgängers  wieder  gut  zu  machen,  2)  So  unzulänglich  seine  Geisteski-äfte 
waren,  an  gutem  Willen  gebrach  es  ihm  nicht.  Von  Natur  schlicht  und  gut- 
mütig, geriet  er  in  völlige  Abhängigkeit  von  seiner  Umgebung,  von  Frei- 
gelassenen und  Frauen;  er  war  leicht  einzuschüchtern  und  ließ  sich  dann 
zu  Schritten  drängen,  die  er  nachträglich  bereuen  mochte.  Auch  geschah 
manches  in  seinem  Namen,  ohne  daß  er  davon  wußte.  Dies  zeigte  sich  schon 
bald  nach  seinem  Regierungsantritt  bei  Gelegenheit  einer  Empörung,  die  von 
Annius  Vinicianus  ausging  und  als  Nachspiel  zum  Sturz  des  Gaius  gelten  kann 
(42  n,  Chr.).  Der  Legat  von  Dalmatien,  Furius  Camillus  Scribonianus,  empörte 
sich  mit  seinen  Truppen  und  fand  in  Rom  in  den  Kreisen  des  Senats  viele 
Anhänger.  Aber  der  Rebell  sah  sich  von  den  Legionen  sofort  im  Stich  ge- 
lassen, als  er  die  Wiederherstellung  der  Republik  proklamierte;  er  wurde  auf 
der  Flucht  getötet.  Über  seine  Parteifreunde  erging  ein  strenges  Gericht.^) 
Im  Gegensatz  zu  dem  exzentrischen  Gaius  lenkte  Claudius  wieder  in 
die  Bahnen  des  Augustus  und  Tiberius  ein;  die  Provinzen  hatten  sich  be- 
sonderer Fürsorge  zu  erfreuen.  Der  Kaiser  war  in  der  Verleihung  des  Bürger- 
rechtes an  die  Provinzialen  weit  freigebiger  als  seine  Vorgänger.^)  Im  Jahr 
48  n.  Chr,  erhielten  die  Gallier  und  zwar  zunächst  die  Aeduer  das  ins  honorum 
und  damit  die  Möglichkeit,  in  den  Senat  einzutreten.  &)  Dies  geschah  kraft 
der  Zensur,  die  Claudius  47  n.  Chr.  übernahm,  wobei  er  den  Senat  ergänzte. 
Der  Census  der  römischen  Bürgerschaft  (47 — 48  n.  Chr.)  ergab  gegen  den 
letzten  des  Augustus  eine  Zunahme  von  mehr  als  einer  Million.^)  Auch  für 

krit.  Unters,  z.  Gesch.  des  Kaisers  Cl.,  nebst  ^)  Wie  er  z.B.  die  Maßregeln  des  Gaius 

einem  Versuch  zu  Regesten  dieses  Kaisers,  gegen  die  Juden  zurücknahm,    Josephus 

Heidelberger  Diss.,  Freiburg  i.  B.  1911.  ;   Ant.  Jud.  XIX  278  ff. 

')   Als   Zensor   (47  n.  Chr.)   bereicherte  j        ^)    Damals    ging   auch    Caecina   Paetus 

der  Kaiser  das  lateinische  Alphabet  um  mit   seiner   heldenmütigen   Gattin  Arria 

drei  neue  Zeichen,  die  auf  gleichzeitigen  (Cass.DioLX  16)  in  den  Tod.  Der  Sohn  des 


Inschriften  auftauchen,  um  bald  wieder 
zu  verschwinden.  Claudius  liebte  es  auch, 
seine  antiquarischen  Kenntnisse  auszu- 
kramen und  auf  alte  Gebräuche  und  For- 


Camillus   machte   sieh   später  (52  n.  Chr.) 
ebenfalls  verdächtig;  er  mußte  in  die  Ver- 
bannung, wo  er  bald  danach  starb. 
*)  In  der  Apokolokyntosis  (Seneca  ludus 


mein    zurückzugreifen.    Eine  Probe   gibt  c.  3)  wird  er  deshalb  versi^ottet. 

seine  Rede  über  das  ins  honorum  der  Gal-    i        ^)  Von    der  Rede,    in  der  Claudius   im 

Her  i^CIL  I  nr.  212;  vgl.  das  Edikt  ebenda  Senat   die  Aufnahme    der  Gallier   befür- 

nr.  206).     Auch   das  Referat   des  Tacitus  wortete,    sind   noch  Stücke   auf  einer  in 

(ann.  XII  61)  über  den  Inhalt  einer  Rede  Lyon   gefundenen   Bronzetafel    erhalten. 

des  Claudius   für  die  Koer  ist   in  dieser  ILS  I  nr.  212. 

Hinsicht  lehrreich.  *)  Der  Abschluß  des  Census,  das /«s<r»»j, 


324  Römische  Geschichte. 

die  Stadt  Rom  und  für  Italien  ist  viel  geschehen;  zu  erwähnen  sind  die 
teilweise  Trockenlegung  des  Fucinersees  (52  n.  Chr.)  und  die  gewaltigen 
Hafenanlagen  in  Ostia  (begonnen  42  n.  Chr.),  die  diesen  für  die  Getreide- 
zufuhr wichtigen  Stapelplatz  den  gesteigerten  Bedürfnissen  anpaßten.  Bei 
den  Regierungsgeschäften  ließ  sich  der  Kaiser  von  sachkundigen  Männern 
beraten,  so  von  L.Vitellius,  seinem  Kollegen  in  der  Zensur.  Entscheidenden 
Einfluß  gewannen  die  kaiserlichen  Freigelassenen,  besonders  Callistus,  Nar- 
cissus  und  Pallas,  die  als  selbstbewußte  und  energische  Inhaber  der  großen 
Hofämter  tatsächlich  das  Reich  regierten  und  ihre  einzigartige  Stellung  nicht 
selten  mißbrauchten.  Auch  die  Gemahlin  des  Kaisers,  die  durch  ihre  Zügel- 
losigkeit  sprichwörtlich  gewordene  Valeria  Messalina,  besaß  große  Macht, 
war  aber  ohne  politische  Aspirationen.  Manche  Mitglieder  der  Gesellschaft, 
Männer  wie  Frauen,  fielen  ihren  Ränken  zum  Opfer.  Die  Ausschweifungen 
Messalinas  blieben  dem  Claudius  lange  verborgen,  bis  sie  zuletzt  eine  förm- 
liche Ehe  mit  ihrem  ehrgeizigen  Liebhaber  C.  Silius  einging,  eine  Tollheit, 
die  den  kaiserlichen  Hahnrei  auch  politisch  unmittelbar  bedrohte.  Die  Tat- 
kraft des  Narcissus  rettete  den  Kaiser;  das  hochverräterische  Paar  wurde 
mit  anderen  Schuldigen  hingerichtet  (48  n.  Chr.).  Trotz  den  schlimmen  Er- 
fahrungen mit  Messalina,  die  übrigens  bereits  seine  dritte  Gattin  w^ar,  ver- 
mählte sich  Claudius  in  vierter  Ehe  mit  seiner  Nichte  Julia  Agrippina,  der 
letzten  Tochter  des  Germanicus.  Unter  der  Regierung  ihres  Bruders  Gaius 
hatte  Agrippina  einst  mit  ihren  beiden  Schwestern  bei  Hof  geglänzt,  bis 
sie  39  n.  Chr.  ins  Exil  mußte,  aus  dem  sie  der  neue  Kaiser,  Claudius,  zurück- 
rief. Messalina  ließ  aber  die  Nichte  ihres  Gatten  nicht  aufkommen.  Aber 
durch  ihre  Ehe  mit  dem  kaiserlichen  Oheim  Claudius  (49  n.  Chr.)  näherte 
sich  die  herrschsüchtige  Frau  dem  Ziel  ihres  Ehrgeizes.  Schon  im  Jahr 
50  n.  Chr.  erwirkte  sie  die  Adoption  ihres  Sohnes  aus  erster  Ehe,  des 
L.  Domitius,!)  durch  seinen  kaiserlichen  Stiefvater  und  für  sich  selbst  den 
Titel  Augusta.  Dieser  ihr  Sohn,  der  einzige  männliche  Nachkomme  des 
Germanicus,  drängte  den  Leibeserben  des  Claudius  aus  dessen  Ehe  mit  Messa- 
lina, Ti.  Claudius  Caesar  Britanniens,  2)  in  den  Hintergrund.  Mit  der  Hand 
seiner  Stiefschwester,  der  Kaisertochter  Octa via,  erhielt  der  Sohn  der  Agrippina 
eine  gewisse  Anwartschaft  auf  den  Thron  (53  n.  Chr.).  Agrippinas  Machen- 
schaften im  Interesse  des  Sohnes  gipfelten  schließlich  in  dem  Verbrechen 
des  Gattenmordes.  Sie  ließ  den  Claudius  vergiften,  weil  sie  einen  Umschwung 
zugunsten  des  im  Purpur  geborenen  Britanniens  befürchtete  (54  n.Chr.). 3) 
Der  Sohn  der  Agrippina,  Nero  Claudius  Caesar, 4)  wurde  glatt  als  Kaiser 
anerkannt  (13.  Oktober  54  n.  Chr.).  Der  Mutter  verdankte  der  junge  Kaiser 


fand  48  n.  Chr.  statt.    Die  Gesamtzahl  der  ^)  Über  ihren  Helfershelfer,  den  Leib- 
Bürger  betrug  fast  sechs  Millionen.  arzt  Xenophon  von  Kos,  vgl.  R.  Herzog, 

')  Sohn  des  Cn.  Domitius  Ahenobarbus,  Hist..  Zeitschr.  125,   3.  F.  29,  1922,  216  ff. 

Enkel  des  L.  Domitius,  Konsuls  16  v.  Chr.,  Claudius  empfing  nach    seinem  Tod  die 

Gemahls    der   jüngeren    Antonia.    Tacit.  Apotheose.    Aus   diesem   Anlaß  verfaßte 

ann.  IV  44.  75.  [    Seneca  eine  boshafte  Satire,  die  sog.  Apo- 

*)  Der   ursprüngliche  Beiname   des  41  j   kolokyntosis,    die    „Verkürbissung",    den 

n.  Chr.  geborenen   Prinzen,   Germanicus,  |    ludu^   de   morte   Claudii.    Vgl.  A.  P.  Baxl, 

wurde  nach   dem  britannischen  Feldzug  The  satlre  of  Seneca  on  the  apotheosis  of  Cl., 

seines  Vaters  Claudius  (43  n.  Chr.,  unten  New  York  1902. 

S.  318)  durch  Britannicus  ersetzt.  *)  H.  Schiller,  Gesch.  des  röm.  Kaiser- 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  46.)  315 

die  Krone.  Die  herrschsüchtige,  von  vielen  gehaßte')  Frau  gedachte  sich 
als  Regentin  aufzuspielen. 2)  Aber  der  Sohn  wußte  sich  allmählich  ihrem 
Einfluß  zu  entziehen.  In  dem  Ringen  um  die  Macht  zwischen  Mutter  und 
Sohn  fand  der  letztere  Bundesgenossen  in  seinen  Ratgebern,  dem  Prätorianer- 
präfekten  Sex.  Afranius  Burrus  und  dem  gefeierten  Modephilosophen  L.  An- 
naeus  Seneca,  seinem  Erzieher.  2)  In  ihrer  Verblendung  suchte  die  Kaiserin- 
mutter sogar  ihren  Stiefsohn  Britanniens  gegen  Nero  auszuspielen,  mit  dem 
Ergebnis,  daß  der  Kaiser  den  unglücklichen  Knaben  durch  Gift  aus  dem 
Weg  räumte  (55  n.  Chr.).  Vergeblich  machte  Agrippina  verzweifelte  An- 
strengungen, um  den  Sohn  an  sich  zu  fesseln:  ihr  Bann  war  und  blieb  ge- 
brochen. Schließlich  kam  es  so  weit,  daß  der  entmenschte  Kaiser  die  ihm 
noch  immer  unbequeme  Mutter  ermorden  ließ  (März  59  n.  Chr.).  Erst  nach 
diesem  scheußlichen  Verbrechen,  das  ihn  von  jeder  Bevormundung  befreite, 
fühlte  sich  Nero  ganz  als  sein  eigener  Herr.  Mitschuldig  an  dem  Unter- 
gang der  Agrippina  ist  die  schöne  und  maßlos  ehrgeizige  Poppaea  Sabina,*) 
die  den  Kaiser  seit  dem  Jahr  58  n.  Chr.  in  die  Bande  einer  wachsenden 
Leidenschaft  verstrickte.  Das  Ziel,  dem  sie  in  kalter  Berechnung  zustrebte, 
war  der  Thron.  Schon  war  Agrippina,  die  sich  ihr  in  den  Weg  gestellt 
hatte,  beseitigt.  Im  Jahr  62  n.  Chr.  folgte  der  Sturz  der  Kaiserin  Octavia. 
Nero  ließ  sich  von  Octavia  scheiden  und  als  das  römische  Publikum  für 
die  unglückliche  Dulderin  Partei  nahm,  wurde  sie  verbannt  und  bald  dar- 
auf hingerichtet.  Kurz  nach  der  Scheidung  hatte  Nero  die  Ehe  mit  Poppaea 
geschlossen.  Schon  drei  Jahre  später  (65  n.  Chr.)  starb  die  neue  Kaiserin, 
ohne  Kinder  zu  hinterlassen.^) 

Wenn  die  ersten  Regierungsjahre  Neros  als  glückliche  Zeit  gelten  düi'fen,^) 
so  ist  das  ausschließlich  das  Verdienst  der  beiden  tatsächlichen  Reichsleiter, 
des  Seneca  und  des  Burrus.  Sie  haben  noch  einmal  mit  der  Dyarchie  des 
Augustus  Ernst  gemacht  und  dem  Senat  vollen  Anteil  an  den  Geschäften 
gewährt.  Die  Verwaltung  der  Stadt  und  der  Provinzen  und  das  Finanz- 
und  Steuerwesen  wurden  verbessert.  Die  Wendung  zum  Schlimmen,  für  die 
auch  die  wieder  einsetzenden  Majestätsprozesse  bezeichnend  sind,  brachte 
das  Jahr  62  n.  Chr.,  das  Todesjahr  des  ausgezeichneten  Prätorianerpräfekten 


reichs    unter    der    Kegierung    des    Nero,  führte    den    Namen    ihres    mütterHchen 

Berlin  1872.    B.  W.  Hendekson,    The  life  '    Großvaters.  Zuerst  war  sie  mit  dem  Ritter 

and  principate  of  the  emperor  Nero,  London  Rufrius  Crispinus  vermählt,  dem  sie  der 

1903  und  1905.    E.  Hohl,    PW  Suppl.  III  spätere  Kaiser  Otho  entführte.  Bei  seinem 

349  flf.  Freund    Otho    lernte    Nero    sie    kennen. 

')  Unter  Claudius  haben  durch  Agrip-  j    Tacit.  ann.  XIII  45  f.    Vgl.  über  Poppaea 

pina  mehr  Mitglieder  der  römischen  Ge-  auch  Ph.  Fabia,    Revue   de   pJüloloqie  nouv. 

Seilschaft   den  Tod    gefunden    als    durch  j   ser.  XXII  (1898)  383  flf. 

Messalina.  [       *)  Poppaea  hatte  63  n.  Chr.  eine  Tochter 

*)  Vgl.  U.  Kahrstedt,  Klio  X,  1910,  297.  \   geboren,    die    aber    nur    wenige    Monate 

F.  Sandels,  Die  Stellung  der  kaiserl. Frauen  lebte    und   als  Diva  Claudia   konsekriert 

aus  dem  jul.-claud.  Hause,  Gießener  Diss.,  '    wurde.    Noch  dem  Tod  Poppaeas  hat  sich 

Darmstadt  1912.  Nero  in  dritter  Ehe  mit  Statilia  Messalina 

ä)  Seneca  war  auf  Betreiben  der  Mes-  I    vermählt,  die  ihn  überlebte.  Sueton  Nero 

salina  nach  Korsika  verbannt  worden,  von  35,  1.    Otho  10,  2.     PIR  III  266  f.    IG  IV 

wo  er  dank  der  Fürsprache  Agrippinas  49  nr.  1402. 

n.  Chr.  zurückkehren  durfte.    Tacit.  ann.  \       ®)  Vgl.  das  hohe  Lob,  das  Kaiser  Traian 

XII  8.  j    dem  (^jtm^Memim/xiV^pron/s  gespendet  haben 

^)  Tochter   eines  Ritters  T.  Ollius;    sie  soll,  Aur.  Vict.  Caes.  5,  2.    Epit.  5,  2. 


31()  Römische  Geschichte. 

Burrus,  der  mit  Seneca  in  vorbildlicher  Weise  zusammengearbeitet  hatte. 
Seneca,  der  bisher  sozusagen  den  dem  Senat  verantwortlichen  Minister  gespielt 
hatte,  sah  sich  kaltgestellt.  In  Ofonius  Tigellinus, ')  dem  einen  der  beiden 
Nachfolger  des  Burrus,  fand  Nero  einen  skrupellosen  Höfling,  der  jeder 
Laune  des  Kaisers  bereitwillig  Vorschub  leistete.  Einen  besonderen  Hang 
hatte  Nero  für  agonistische  Vorstellungen  jeder  Art.  Schon  f)()  n.Chr.  wurden 
in  Rom  nach  griechischem  Vorbild  die  Neronien  gestiftet,  periodische  Wett- 
spiele für  musische  Künste.  Der  Kaiser,  der  auch  in  der  Dichtkunst  dilet- 
tierte,  gierte  nach  Künstlerlorbeeren.  Er  trat  sogar  in  eigener  Person  als 
Wagenlenker  und  Kitharöde  auf,  zuerst  in  geschlossenen  Privatvorstellungen, 
seit  dem  Jahr  64  n.  Chr.  vor  der  Öffentlichkeit.  In  dem  genannten  Jahr  legte 
eine  riesenhafte  Feuersbrunst  einen  großen  Teil  der  Hauptstadt  in  Asche. 2) 
Um  einen  zweckmäßigen  Wiederaufbau  hat  sich  die  kaiserliche  Regierung 
sehr  bemüht;  das  Stadtbild  wurde  verschönert  und  Nero  benutzte  die  Ge- 
legenheit, eine  gewaltige  Palastanlage,  die  berühmte  domus  aurea,  deren 
Areal  sich  vom  Palatin  über  die  benachbarten  Stadtquartiere  erstreckte,  zu 
schaffen.  Zu  den  Kosten  dieses  Luxusbaues^)  mufäten  Italien  und  die  Pro- 
vinzen beitragen.  Da  das  Gerede,  daß  der  Kaiser  das  Feuer,  das  seinen 
Bauplänen  zu  paß  kam,  habe  anlegen  lassen,  nicht  verstummen  wollte,  be- 
zichtigte Nero,  um  den  wahrscheinlich  grundlosen  Verdacht'*)  von  sich  ab- 
zulenken, die  neue  Sekte  der  Christen,  deren  Name  hier  zum  erstenmal  in 
der  Geschichte  begegnet,  der  Brandstiftung.  Viele  Mitglieder  der  jungen 
Christengemeinde  der  Hauptstadt  wurden  qualvoll  zu  Tode  gemartert.  Dieser 
wilde  Exzeß  Neros  gegen  unschuldige  Christen  blieb  auf  Rom  beschränkt; 
eine  allgemeine  Christenverfolgung  fand  nicht  statt.  Im  Jahr  66  n.  Chr. 
unternahm  der  kaiserliche  Dilettant  mit  großem  Gefolge  eine  Kunstreise  nach 
Griechenland,  um  bei  den  altberühmten  Agonen  in  Olympia  und  Delphi 
aufzutreten.  In  Korinth  verlieh  er  allen  Gemeinden  Griechenlands  (der 
Provinz  Achaia)  Freiheit  und  Selbstverwaltung;^)  mit  diesem  Danaergeschenk, 
das  schon  Vespasian  wieder  zurücknehmen  mußte,  gedachte  er  den  Flamininus, 
den  einstigen  Befreier  Griechenlands,  zu  überbieten.  Erst  zu  Beginn  des 
Jahres  68  n.  Chr.  kehrte  der  mit  Siegerkränzen  überhäufte  Kaiser  nach 
Italien  zurück. 

Nero  setzte  sich  durch  sein  Tun  und  Treiben  in  schroffen  Gegensatz 
zu  den  überlieferten  römischen  Begriffen  von  Anstand  und  Würde  und  zog 
durch  seine  Verschwendungssucht  das  ganze  Reich  in  Mitleidenschaft.  Die 
wachsende  Mißstimmung  in  den  höheren  Schichten  konnte  dem  Kaiser  nicht 
entgehen.    Um    sich    zu    sichern,    machte    er  jeden   unschädlich, '  der  seinen 


')  Ofonius  nicht  Sofonms  ist  die  richtige  in   der  Nacht    vor  dem  Brand  Vollmond 

Namensform,   s.  PIR  III  250.    Boissevain  eingetreten  war,  ein  Umstand,  der  gegen 

zu  Cass.  Die  LIX  23,  9  vol.  II  p.  (544.  eine  Brandstiftung  spricht. 

-)   Der   Brand    entstand    in    der  Nacht  ^)  Ende  Nov.  67  n.  Chr.    SIG  II'  nr.  814. 

vom  18.  zum  19.  Juli  64  n.Chr.  und  wütete  ILSII  nr.8794.  cf.Plut.  Tit.  12.  Suet.Nero 

zunächst  sechs  Tage  lang  und  dann,  nach  24.    Pick,  Zeitschr.  f.  Numatismatik  XVII 

kurzer  Pause,  noch  drei  weitere  Tage.  180  f.    CxvYAmAS,  FottiUes  d'Epidanre  S.  67 

^)  Vgl.  F.  Weege,  Archäol.  Jahrb.  1913,  I    u.  203  f.  (=   IG  IV  nr.  9.34  f.).     Den  Auf- 

127  ff.  j    enthalt  in  Olympia  bezeugt  die  Inschrift 

■*)  Gh.  Yivi.sv.^,  Ame7-ic.  Journal  ofarcheo-  SIG  II'  nr.  815.    Athen  und  Sparta  wur- 

logy  XIII  1909,  4-5,  wies   darauf  hin,    daß  den  nicht  besucht.    Cass.  Dio  LXIII  14,  3. 


7,  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§46.)  ^^17 

Argwohn  erregte.  Es  zeigten  sich  in  der  Tat  ernste  Symptome  einer  gegen 
den  Kaiser  gerichteten  Bewegung.  Im  Jahr  65  n.  Chr.  wurde  eine  weit- 
verzweigte Verschwörung  gegen  sein  Leben  aufgedeckt,  an  deren  Spitze 
C.  Calpurnius  Piso  stand.  Schon  62  n.  Chr.  hatte  Piso,  der  sich  verdächtigt 
wußte,  beschlossen,  den  Kaiser  zu  beseitigen;  er  fand  viele  Gleichgesinnte, 
darunter  den  Präfekten  Faenius  Kufus  und  andere  Gardeoffiziere.  Man 
wollte  Nero  ermorden  und  Piso  zum  Kaiser  machen.  Jedoch  kurz  vor  der 
Ausführung  wurde  der  Anschlag  verraten  (18.  April  65  n.  Chr.).  Erst  der 
Verlauf  der  sofort  eingeleiteten  Untersuchung  belehrte  den  Kaiser  über  den 
Umfang  des  Komplotts  und  die  Größe  der  Gefahr,  in  der  er  geschwebt 
hatte;  unter  den  zahlreichen  Mitwissern  oder  Verdächtigen  fand  auch  der 
Dichter  Annaeus  Lucanus  den  Tod,  sowie  dessen  Oheim  Seneca,^)  der  wahr- 
scheinlich fälschlich  denunziert  war  und  seit  seinem  Sturz  jedem  politischen 
Ehrgeiz  entsagt  hatte.  Selbst  auf  die  an  der  Verschwörung  unbeteiligte 
Gesinnungsopposition,  auf  republikanisch  denkende  Stoiker  wie  P.  Clodius 
Thrasea  Paetus  und  Barea  Soranus,  erstreckte  sich  die  Rache  des  Kaisers 
(66  n.  Chr.).  Eine  zweite  Verschwörung  2)  kam  ebenfalls  vor  der  Zeit  ans 
Licht.  Aber  bald  nach  Neros  Rückkehr  aus  Griechenland  (März  68  n.  Chr.) 
erhob  sich  der  Statthalter  von  Gallia  Lugdunensis,  C.  Julius  Vindex;  ein 
großer  Teil  der  gallischen  Stämme,  durch  den  Steuerdruck  erbittert,  schloß 
sich  ihm  an.  Vindex  sagte  sich  von  Nero  los  und  vereidigte  seine  An- 
hänger auf  Senat  und  Volk.^)  Nero  bot  Truppen  auf,  raffte  sich  aber  zu 
keinem  energischen  Entschluß  auf  und  besiegelte  dadurch  seinen  Untergang. 
Denn  inzwischen  hatte  sich  auch  der  Legat  des  diesseitigen  Spaniens,  Ser. 
Sulpicius  Galba,  ein  vornehmer  und  angesehener  Mann,  dem  Vindex  an- 
geschlossen; das  Gleiche  taten  die  Statthalter  von  Lusitanien  und  Afrika. 
Allerdings  erlag  Vindex  den  Legionen  Obergermaniens  unter  Verginius  Rufus 
bei  Vesontio,  worauf  er  sich  entleibte.  Aber  die  siegreichen  Truppen  selbst 
fielen  von  Nero  ab  und  gedachten  den  Verginius  zum  Kaiser  zu  machen : 
doch  dieser  lehnte  ab  und  überließ  die  Wahl  dem  Senat.  Nero  sah  sich 
"von  allen  verlassen,  zuletzt  auch  von  den  Prätorianern,  denen  der  Präfekt 
C.  Nymphidius  Sabinus  ein  hohes  Geldgeschenk  {donativum)  versprach,  um 
sie  für  Galba  zu  gewinnen,  den  sie  denn  auch  zum  Kaiser  ausriefen ;  auch  Volk 
und  Senat  erklärten  sich  für  Galba.  Nero  verbarg  sich  auf  einem  Landgut 
in  der  Nähe  Roms  und  ließ  sich  hier  durch  einen  Getreuen  den  Tod  geben,  als 
er  seine  Achtung  durch  den  Senat  erfuhr  (9.  Juni  68  n.  Chr.).'*)  Mit  ihm  stai'b 
der  letzte  Nachkomme  des  Kaisers  Augustus.  Beim  gemeinen  Volk  und  bei 
den  Griechen  blieb  der  sonderbare  Philhellene  noch  lange  in  gutem  An- 
gedenken; dreimal  fanden  im  Orient  Schwindler  in  der  Maske  Neros  Zulauf. 
Die  auswärtigen  Angelegenheiten  wurden  unter  Tiberius,  Claudius  und 
Nero  im  ganzen  gleichmäßig  behandelt.    Das  gegebene  Ziel  der  Politik  war 

')  Tacit.  ann.  XV  48  flf.  j    setzung  Neros  und  die  Ernennung  eines 

-)  Die  sog.  coniurafio  Viniciana.   Sueton    [    anderen  Kaisers   durch    Senat   und  Volk 

Nero  36.  !   handle.    Mommsens  These  wird  auch  von 


')  MoMMSEN,  Ges.  Sehr.  IV  333  ff.  347  ff. 
Vindex  dachte  jedoch  schwerlich  daran, 
die  Republik  wiederherzustellen,  wie 
MoMMSEN  meint;  mit  Recht  bemerkt  Fabia 
(Klio  IV  49),  daß  es  sich  nur  um  die  Ab- 


E.  KoRNEMANN  bei  Gekcke-Nokden,  Eiul.  in 
die  Altertumswiss.  tJI^  278  ff.  widerlegt. 
*)  Über   das  Datum   vgl.  L.  Holzapfel, 
Klio  XII,  1912,  484  flf. 


;318  Römische  Geschichte. 

die  Erhaltung  des  Besitzstandes,  nicht  dessen  Vermehrung.  Besondere  Sorg- 
falt erheischten  die  gallischen  Provinzen,  wo  das  römische  Reich  an  die 
germanische  und  die  britische  Welt  stieß.  Die  gallischen  Stämme  hatten 
sich  noch  nicht  völlig  mit  der  römischen  Herrschaft  abgefunden.  21  n.  Chr. 
brach  infolge  des  Steuerdrucks  und  anderer  Mißhelligkeiten  eine  Empörung 
aus,  die  fast  in  allen  Stämmen  der  drei  Gallien  Teilnehmer  zählte  und 
zuerst  recht  gefährlich  aussah.  Der  Aeduer  Julius  Sacrovir  und  der  Tre- 
verer  Julius  Florus  standen  an  der  Spitze.  Sacrovir  brachte  ein  großes 
Heer  zusammen  und  besetzte  Augustodunum  (Autun);  doch  wurde  er  von 
den  germanischen  Legionen  geschlagen  und  der  Aufstand  rasch  unterdrückt. 
Eine  Eroberung  hat  im  Westen  nur  Claudius  gemacht.  Er  verwirklichte 
endlich  den  Plan  Caesars  und  löste  eine  alte  Ehrenschuld  der  auswärtigen 
Politik  ein,  als  er  von  einigen  vertriebenen  Häuptlingen  gerufen,  43  n.  Chr. 
ein  Heer  unter  A.  Plautius  nach  Britannien  schickte,  um  die  Insel  zu  unter- 
werfen. Nach  der  Landung  und  den  ersten  Erfolgen  fügten  sich  zunächst 
die  südlichsten  Stämme  der  Briten  ohne  bedeutenden  Widerstand  oder 
schlössen  sich  freiwillig  an;  die  übrigen,  namentlich  die  Trinovanten,  sam- 
melten sich  hinter  der  Themse.  Plautius  überschritt  den  Fluß,  der  Kaiser 
selbst  eilte  mit  Verstärkungen  herbei,  und  unter  seinen  Augen  wurde  ein 
entscheidender  Sieg  über  die  verbündeten  Briten  errungen.  Der  Kaiser 
kehrte  darauf  nach  Rom  zurück  und  feierte  einen  Triumph.  Plautius  hat 
noch  einige  Jahre  (bis  47  n.  Chr.)  das  Kommando  geführt  und  die  britischen 
Stämme  nordwärts  etwa  bis  an  den  Humber  oder  vielleicht  noch  darüber 
hinaus  unterworfen.  Er  durfte  den  kleinen  Triumph  (die  ovatlo)  feiern.  Die 
unterworfenen  Stämme  wurden  tributpflichtig  und  mußten  Truppen  stellen. 
Einige,  namentlich  im  Norden  die  Briganten,  behielten  bis  auf  weiteres  ihre 
einheimischen  Könige.  Auf  dem  eroberten  Gebiet  wurde  (50  n.  Chr.)  in 
Camulodunum  (Colchester)  eine  Veteranenkolonie  gegründet.  Bald  siedelten 
sich  viele  römische  Bürger  und  Untertanen  in  Britannien  an,  vor  allem  in 
dem  wichtigen  Handelsplatz  Londinium  an  der  Themse.  Doch  war  die  Unter- 
werfung noch  sehr  unvollkommen;  die  Briten  haben  ihre  Freiheit  tapfer 
verteidigt  und  den  Nachfolgern  des  Plautius  viel  zu  schaffen  gemacht;  die 
Erwerbung  Britanniens  kostete  erhebliche  Opfer.  Vornehmlich  die  Stämme 
des  gebirgigen  Westens,  des  heutigen  Wales  und  Cornwallis,  Silurer  und 
Ordoviker,  leisteten  noch  längere  Zeit  hartnäckigen,  oft  erfolgreichen  Wider- 
stand. An  ihre  Grenze  wurden  die  meisten  Truppen  gelegt  und  in  Lagera 
oder  Kastellen  untergebracht.  Bei  den  Silurern  fand  der  vertriebene  Trino- 
vante  Caratacus  eine  neue  Herrschaft,  bis  er  51  n.  Chr.  nach  einer  ver- 
lorenen Schlacht  ausgeliefert  und  nach  Rom  verbracht  wurde.  59  n.  Chr. 
übernahm  C.  Suetonius  Paulinus,  einer  der  tüchtigsten  Soldaten  des  damaligen 
Roms,  das  britische  Kommando.  Während  er  die  Insel  Mona  (Anglesea) 
eroberte,  brach,  hervorgerufen  durch  die  Mißstände  der  römischen  Ver- 
waltung, bei  den  Unterworfenen,  besonders  den  Icenern  und  Trinovanten, 
ein  gefährlicher  Aufstand  los,  dessen  Führerin  die  Königin  Boudicca')  war. 

M  Sie  war  Gattin  des  Prasutagus,  Kö-    \   toren  aufs  schändlichste  mißhandelt  und. 
nigs  der  Icener,  und  war  mit  ihren  beiden       beraubt  worden. 
Töchtern  von  den  kaiserlichen  Prokura- 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  46.)  319 

Suetonius,  der  von  Mona  herbeieilte,  konnte  den  Aufständischen  zunächst 
nicht  die  Spitze  bieten,  Camulodunum  und  Londinium  wurden  ihnen  preis- 
gegeben und  viele  Römer  fanden  den  Tod.  Erst  nachdem  Suetonius  seine 
Macht  gesammelt  hatte,  konnte  er  den  Briten  südlich  der  Themse  eine 
siegreiche  Feldschlacht  liefern  und  die  Kraft  des  Aufstandes  brechen  (60 
n.  Chr.).  Boudicca  nahm  sich  das  Leben;  allmählich  kehrte  wieder  Ruhe 
ein.    Rom  war  bestrebt,  die  Verwaltung  zu  verbessern. i) 

Den  Germanen  gegenüber  beschränkt  sich  seit  Tiberius  die  kaiserliche 
Politik  darauf,  etwaige  feindliche  Angriffe  abzuweisen  und  die  Grenze  zu 
sichern.  Zum  besseren  Schutz  der  natürlichen  Stromgrenze  wurde  auf  dem 
rechten  Rheinufer,  das  die  Germanen  hatten  räumen  müssen,  ein  Grenz- 
streifen (limes)  gezogen,  der  nicht  bebaut  werden  durfte.  Am  Niederrhein 
entstand  bei  den  Ubiern  in  der  Colonia  Agrippina  (Köln),  gegründet  50 
n.  Chr.,  ein  neues  städtisches  Gemeinwesen,  wichtig  auch  für  den  friedlichen 
Verkehr  mit  den  Germanen,  der  übrigens  ständig  kontrolliert  wurde.  Denn 
die  Germanen  waren  unruhige  Nachbarn.  Unter  Tiberius  (28  n.  Chr.)  rebel- 
lierten die  Friesen  und  behaupteten  sich  gegen  den  römischen  Angriif; 
Tiberius,  allen  größeren  Unternehmungen  abgeneigt,  ließ  sie  gewähren.  Die 
Friesen  und  ihre  Nachbarn,  die  Chauken,  machten  sich  in  der  Folgezeit 
durch  Seeraub  lästig,  schon  41  n.  Chr.  wurden  sie  bekriegt,  aber  erst  Cn. 
Domitius  Corbulo  trat  als  Legat  von  Untergermanien  energisch  auf  (47  n.  Chr.). 
Die  Friesen  kehrten  damals  unter  die  römische  Oberhoheit  zurück,  als  jedoch 
Corbulo  die  Chauken  ebenso  gründlich  unterwerfen  wollte,  fiel  ihm  Kaiser 
Claudius  in  den  Arm.  Sogar  die  rechtsrheinischen  Besatzungen  mußten 
zurückgenommen  werden,  wohl  infolge  der  gesteigerten  Anforderungen,  die 
damals  der  britannische  Krieg  an  die  Wehrkraft  des  Reiches  stellte.  Als 
bester  Schutz  der  Grenze  erwies  sich  die  leidige  Zwietracht  der  germani- 
schen Stämme,  die  schon  Tiberius  in  Rechnung  gestellt  hatte.  Die  Römer 
fanden  immer  wieder  Anhänger.  Der  mächtigste  und  angesehenste  Stamm 
der  Germanen  waren  zunächst  die  Cherusker,  aber  nach  dem  Tod  des  Ar- 
minius  zerfleischten  sie  sich  weiter  in  inneren  Kämpfen.  Ihr  königliches 
Geschlecht  fand  den  Untergang;  47  n.  Chr.  sandte  ihnen  auf  ihre  Bitte 
Claudius  als  neuen  König  den  in  Rom  aufgewachsenen  Neffen  des  Arminius, 
Italicus,2)  der  sich  nur  mit  Hilfe  der  Langobarden  durchzusetzen  vermochte. 
Größere  Bedeutung  gewannen  die  Chatten,  die  römischen  Grenznachbarn, 
denen  der  Feldzug  des  Gaius  galt.  Einer  ihrer  Gaue,  die  Mattiaker,  traten 
in  römischen  Schutz  und  wurden  am  rechten  Rheinufer  Mainz  gegenüber 
(im  Rheingau  und  beim  heutigen  Wiesbaden)  angesiedelt,  wo  sie  den  Grenz- 
schutz übernahmen. 2)  Der  betreffende  Landstrich  bleibt  römischer  Besitz. 
Als  50  n.  Chr.  die  Chatten  über  den  Rhein  hinüberstreiften,  wurden  sie  von 

')  Über  die  Eroberung  Britanniens  vgl.  '   dien  zur  Geschichte  Bd.  III),  Breslau  1909. 

Cass.  Dio  LX  19  f.,  30.    Sueton  Claud.  17.  F.  Sagot,  La  Bretagne  romaine,  Paris  1911. 

Tacit.  ann.  XII  31  f.,  XIV  29  f.    Agrie.  13.  |        '-)  Er  war  Sohü   des  Flavus  und  einer 

HüBNEE,  Herrn.  XVI 513  ff. ;  Panzer,  Histor.  j    chattischen  Fürstentochter.    Flavus,    der 

Untersuchungen,  Arnold  Schäfer  gewid-  Bruder  des  Arminius,  stand  in  römischen 


met  (Bonn  1882)  116  ff.;  Asbach,  Analecta 
histor.  et  epigr.  (Bonn  1878)  8  ff.  G.  Teubek, 
Beiträge  zur  Gesch.  der  Eroberung  Bri- 
tanniens durch  die  Römer  (Breslauer  Stu- 


Diensten. 

')  Diesen  ager  Mattiacus  erwähnt  Tacit. 
ann.  XI  20  (47  n.  Chr.). 


;^20  Römische  Geschichte, 

römischer  Seite  mit  Erfolg  angegriffen  und  bequemten  sich  zum  Frieden, 
zumal  da  sie  damals  mit  den  Cheruskern  in  Fehde  lagen.  Einige  Jahre 
später  (58  n.  Chr.)  hatten  sie  mit  ihren  östlichen  Nachbarn,  den  Hermunduren, 
einen  Grenzstreit  au szu fechten,  wobei  der  Sieg  den  Hermunduren  zufiel.') 
Übrigens  gab  es  auch  bei  den  Chatten  römische  Parteigänger. 

Friedlicher  waren  die  Zustände  an  der  Donaugrenze,  wo  die  Römer  an 
den  Hermunduren  gute  Freunde  hatten.  Die  wichtigste  römische  Nieder- 
lassung war  Augsburg  {Auf/usta  VindeUciim),  wahrscheinlich  bald  nach  der 
Eroberung  entstanden,  Straßenknotenpunkt  und  Handelsplatz  für  die  Her- 
munduren. Der  König  des  angrenzenden  Suebenreichs  Vannius  (oben  S.  808) 
wurde  nach  dreißigjähriger  Herrschaft  von  seinen  Schwestersöhnen  Vangio 
und  Sido  mit  Unterstützung  der  Hermunduren  und  anderer  Nachbarn  ge- 
stürzt (50  n.  Chr.).  Er  flüchtete  zu  den  Römern,  die  ihm  ein  Asyl  ge- 
währten, aber  nicht  intervenierten.  Vangio  und  Sido,  die  sich  in  die  Herr- 
schaft teilten,  fügten  sich  ihrerseits  der  römischen  Oberherrschaft.  Die  an- 
schließende Landschaft  zwischen  Donau  und  Theiß,  das  einstige  Grenzland 
zwischen  Bojern  und  Geten,  fiel  bald  nach  dem  Tod  des  Augustus  an  die 
Jazygen,  einen  sarmatischen  Stamm,  der  ebenfalls  in  ein  friedliches  Ver- 
hältnis zu  den  Römern  trat. 

An  der  unteren  Donau  wurde  die  Grenze  teils  durch  Mösien  gebildet, 
das  nach  dem  großen  pannonischen  Aufstand  (oben  S.  297  f.)  als  eigene  Pro- 
vinz eingerichtet  worden  war,  teils  durch  das  thrakische  Königreich.  Letz- 
teres wurde  nach  dem  Tod  des  Königs  Rhoimetalkes  noch  zu  Lebzeiten  des 
Augustus  unter  seinen  Sohn  Kotys  und  seinen  Bruder  Rhaskuporis  geteilt. 
Unter  Tiberius  gelang  es  dem  Rhaskuporis,  seinen  Neffen  zu  beseitigen  und 
sich  das  ganze  Reich  anzueignen.  Er  wurde  in  Rom  vom  Senat  abgesetzt 
und  schließlich  in  Alexandrien  getötet;  sein  Sohn  und  ein  Sohn  des  Kotys 
erhielten  die  thrakischen  Fürstentümer,  aber  unter  römischer  Vormundschaft 
(18  oder  19  n.  Chr.).  An  diese  Wirren  schloß  sich  ein  Aufstand  der  Thraker 
an  (21  n.  Chr.),  der  sich  einige  Jahre  später  (25  n.  Chr.)  in  größerem  Um- 
fang wiederholte,  veranlaßt  durch  drückende  Aushebungen;  die  Rebellen 
wurden  erst  nach  tapferem  Widerstand  bezwungen.  Unter  Claudius  nahm 
der  thrakische  Klientelstaat  ein  Ende;  der  nördliche  Teil  kam  zu  Mösien, 
das  sich  nun  bis  an  das  Schwarze  Meer  erstreckte,  der  südliche  bildete  eine 
prokuratorische  Provinz  (46  n.  Chr.).  Dem  Legaten  von  Mösien  war  künftig 
die  Grenzwehr  bis  zu  den  Donaumündungen  anvertraut;  vielleicht  waren 
schon  damals  einzelne  Punkte  am  nördlichen  Donauufer  besetzt.  2)  Alles 
in  allem  herrschte  Friede.  Unter  Nero  hat  Plautius  Silvanus  mehr  als 
100000  Transdanuvianer  südlich  von  der  Donau  angesiedelt.  3)  Auch  der 
Schutz  des  nördlichen  Pontosufers,  besonders  des  bosporanischen  König- 
reichs, lag  dem  mösischen  Legaten  ob.  Am  kimmerischen  Bosporos  kam 
es  unter  Claudius  zu  ernsteren  Unruhen.    Der  41  n.Chr.  daselbst  eingesetzte 

*)  Es  handelte  sich  um  den  Besitz  der  ')  Vgl.   die  Inschrift    des  Legaten   von 

Salinen   entweder  bei  Salzungen  an  der  Moesien    Ti.  Plautius    Silvanus    Aelianus 

Werra  oder   bei  Kissingen   au  der   frän-  ILS  I  nr.  986.    Nach  S.  E.  Stout,  The  go- 

kischen  Saale.  vernors   of  Moesia,    Diss.    Princeton   1911, 

*)  Dies  läßt  sich  aus  Tacit.  liist.  III  46  I  12  ff.,  verwaltete  der  Genannte  die  Pro- 
schließen, vinz  etwa  in  den  Jahren  60  bis  67  n.  Chr. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§46.)  321 

König  Mithridates  wurde  bald  wieder  entfernt  und  durch  seinen  Bruder 
Kotys  ersetzt.  Er  versuchte  nun  mit  Hilfe  benachbarter  sarmatischer  Stämme 
zurückzukehren,  wurde  aber  geschlagen  und  gefangen  nach  Rom  geschickt 
(49  n.  Chr.).  Später  hat  der  schon  erwähnte  Plautius  Silvanus  das  von  den 
Skythen  belagerte  Chersonesos  befreit.') 

Im  Brennpunkt  der  Orientpolitik  stehen  die  Beziehungen  zu  den  Par- 
thern, ^)  mit  denen  die  Römer,  wie  erwähnt  (S.  301),  vornehmlich  um  die 
Oberherrschaft  über  Armenien  stritten.  Auch  hier  war  die  kaiserliche  Re- 
gierung bemüht,  einen  Krieg  nach  Möglichkeit  zu  vermeiden.  Bald  nach 
dem  Tod  des  Augustus  mußte  der  von  ihm  eingesetzte  Partherkönig  Vonones 
vor  seinem  Nebenbuhler  Artabanos  III  nach  Syrien  flüchten  (16  n.  Chr.). 
Da  Artabanos  auf  Armenien  Anspruch  erhob,  so  schien  ein  Krieg  bevor- 
zustehen. Damals  ging  Germanicus  in  den  Orient,  um  die  schwebenden 
Streitfragen  an  Ort  und  Stelle  zu  lösen  (S.  307).  Er  setzte  einen  neuen 
König  Zenon,  den  Sohn  Polemons,  unter  dem  Namen  Artaxias  auf  den 
armenischen  Thron  (18  n.  Chr.).  Kappadokien  und  Kommagene,  wo  die 
Könige  Archelaos  und  Antiochos  vor  kurzem  (17  n.  Chr.)  gestorben  waren, 
wurden  römische  Provinzen.  Mit  Artabanos  traf  Germanicus  ein  gütliches 
Abkommen;  Vonones  mußte  Syrien  verlassen.  Als  später  Artaxias  starb 
(um  34  n.Chr.),  versuchte  Artabanos  seinen  ältesten  Sohn  Arsakes  an  dessen 
Stelle  zu  setzen.  Aber  Arsakes  erlag  einer  Palastintrige,  die  Mithridates 
aus  dem  Stamm  der  am  Kaukasos  ansässigen  Iberer  angestiftet  hatte.  Im 
Einverständnis  mit  Tiberius  bestieg  dann  Mithridates  den  armenischen  Thron, 
auf  dem  er  sich  gegen  einen  parthischen  Angriff  behauptete.  Zugleich  stellte 
Tiberius  in  der  Person  des  Tiridates  einen  Prätendenten  gegen  Artabanos 
auf,  und  wenn  Tiridates  auch  nur  kurzen  Erfolg  hatte,  so  sah  sich'  doch 
Artabanos  schließlich  zum  Einlenken  genötigt;  in  einer  Zusammenkunft  mit 
dem  syrischen  Legaten  L.  Vitellius  am  Euphrat  wurde  37  n.  Chr.  das  Ein- 
vernehmen mit  Rom  wieder  hergestellt,^)  das  unter  Gaius  und  in  den  ersten 
Jahren  des  Claudius  erhalten  blieb.  Dann  brach  der  Streit  um  Armenien 
von  neuem  aus.  Doch  wurde  zunächst  die  Handlungsfreiheit  der  Parther 
durch  Thronwirren  gehemmt,  bei  denen  die  Römer  die  Hand  mit  im  Spiele 
hatten,  bis  dann  der  tüchtige  Vologases  (um  51  n.  Chr.)  zur  Regierimg  kam 
und  sein  Königtum  auf  eine  festere  Basis  stellte.  Ein  gewaltsamer  Thron- 
wechsel in  Armenien  gab  ihm  Gelegenheit  zur  Einmischung.  Mithridates 
war  durch  seinen  Neffen  und  Eidam  Radamistus  vertrieben  und  getötet 
worden,  ein  Vei'brechen,  dem  das  pflichtwidrige  Verhalten  der  römischen 
Grenzposten  Vorschub  leistete.  Vologases  verjagte  den  Usurpator  und  führte 
seinen  Bruder  Tiridates  nach  Armenien,  wo  ihm  die  Mehrheit  der  Bevöl- 
kerung zuneigte.  Die  Römer  hielten  sich,  solange  Claudius  regierte,  zurück, 
aber  nach  Neros  Thronbesteigung  entschloß  man  sich  zu  einer  tatkräftigeren 
Politik;   Domitius  Corbulo,  ein  erprobter  Soldat,  wurde  nach  Kappadokien 


')  Vgl.  die  S.  320  A.  3  zitierte  Inschrift  unter  Tiberius,    nicht    erst    unter   Gaius 

und  RosTOwzEw,  Klio  II  SO  ff .  stattfand  (Josephus  Ant.  XVIII 102  gegen 

2)  Vgl.  A.  V.  GuTSCHMiD,    Gesch.  Irans,  '    SuetonCalig.l4,  Vitell.2.  Cass.DioLIX27), 

Tübingen  ISSS,  119  tf.  I    vgl.  E.  Täubler,  Die  Parthernachrichten 

")  Über  diese  Zusammenkunft,  die  noch  |   bei  Josephus,  Diss.  Berlin  1904,  39  ff. 

Handbuch  der  klats.  Altertnmswissenscliaft.    III.  5.     5.  Aufl.  21 


;^22  Römische  Geschichte, 

gesandt,  um  zusammen  mit  dem  syrischen  Legaten  nötigenfalls  den  Krieg 
zu  führen  (55  n.  C/hr.).')  Fürs  erste  ruhten  die  Waffen  noch;  Vologases,  dem 
ein  Eivale  den  Thron  streitig  machte,  räumte  Armenien  und  stellte  Geiseln, 
Corbulo  benutzte  die  willkommene  Pause,  um  sein  Heer  zu  reorganisieren. 
Bald  brachen  in  Armenien  neue  Unruhen  aus;  Tiridates  wurde  dorthin  zurück- 
gerufen, und  so  war  denn  der  Krieg  um  Armenien  (58  n.Chr.)  unaufschiebbar. 
Tiridates  konnte  sich  um  so  weniger  halten,  als  Vologases  durch  einen  Auf- 
stand der  Hyrkaner  verhindert  war,  ihm  beizustehen.  Corbulo  eroberte  die 
beiden  Hauptstädte  Armeniens,  zuerst  Artaxata  (58  n,  Chr,),  darauf  Tigrano- 
kerta  (59  n.Chr.);  Tiridates  wurde  aus  Armenien  verdrängt.  Ein  von  Nero 
ernannter  König  Tigranes  V,  Urenkel  des  Herodes  von  Judäa  und  des 
Archelaos  von  Kappadokien,  zog  in  Armenien  ein  (60  n.  Chr.),  sah  sich  aber 
bald  von  Tiridates,  dem  nunmehr  sein  Bruder,  der  Partherkönig  Vologases 
seine  Hilfe  lieh,  verdrängt;  die  Römer,  die  auch  jetzt  einen  großen  Krieg 
lieber  vermieden  hätten,  unterstützten  ihren  Schützling  nur  lässig.  Ver- 
handlungen, die  teils  von  Corbulo,  teils  in  Rom  geführt  wurden,  brachten 
keine  Einigung  und  der  Krieg  begann  aufs  neue.  L.  Caesennius  Paetus,  der 
neue  Statthalter  von  Kappadokien,  fiel  in  Armenien  ein,  wurde  aber  von 
Vologases  mit  überlegener  Macht  in  Randeia  am  Arsanias  eingeschlossen. 
Durch  einen  demütigenden  Vertrag  verschaffte  er  sich  freien  Abzug.  Cor- 
bulo, der  damals  Syrien  verwaltete,  kam  zur  Hilfe  zu  spät  (62  n.  Chr.); 
er  erreichte  nur,  daß  auch  die  Parther  Armenien  räumten.  Nach  der  Kapitu- 
lation von  Randeia  ging  eine  parthische  Gesandtschaft  nach  Rom  ab;  die 
dort  gepflogenen  Verhandlungen  verliefen  im  Sande.  Corbulo  wurde  von 
der  Verwaltung  Syriens  entbunden  ^)  und  als  Generalissimus  mit  außerordent- 
lichen Machtbefugnissen  an  Stelle  des  abgesetzten  Caesennius  Paetus  mit 
der  Wiederaufnahme  der  militärischen  Operationen  betraut.  Er  rückte  bei 
Melitene  über  den  Euphrat  nach  Armenien  ein,  und  nun  gaben  die  Parther 
klein  bei.  Auf  einer  Zusammenkunft  mit  Tiridates  in  Randeia  kam  es  zu 
einem  friedlichen  Vergleich  (63  n.  Chr.).  Die  Römer  ließen  ihren  Schützling 
Tigranes  fallen  und  erkannten  den  Tiridates  als  König  von  Armenien  an 
unter  der  Bedingung,  daß  er  das  armenische  Diadem  vorläufig  niederlegte 
und  sich  bereit  erklärte,  das  Königsabzeichen  in  Rom  aus  des  Kaisers  Hand 
entgegenzunehmen.  Erst  im  Jahr  66  n.  Chr.  traf  Tiridates  in  Rom  ein. 
Nero  krönte  den  Parther  unter  großem  Gepränge  zum  König  von  Armenien. 
Damit  war  die  armenische  Frage  bis  auf  weiteres  gelöst.  Mit  dem  Ergebnis 
(Armenien  parthische  Sekundogenitur  unter  römischer  Suzeränität)  konnten 
sich  beide  Parteien  zufrieden  geben.  Corbulo,  dem  Rom  den  Erfolg  ver- 
dankte, behielt  sein  Kommando  in  Kappadokien:  aber  dann  schöpfte  Nero 
während  seiner  Künstlertournee  Verdacht  und  lockte  ihn  nach  Griechenland, 
Der  tapfere  General  entzog  sich  der  von  Nero  befohlenen  Exekution  durch 
das  eigene  Schwert  (67  n.  Chr,). 

Die    Provinz    Syrien    umfaßte    immer    noch    eine   Anzahl    von   Klientel- 
königreichen wechselnden  Bestandes.    Am  bekanntesten  sind  die  jüdischen 

')Ygl.EGLiinBüDiNGERS Untersuchungen       in  libris  XI — A'T7  enarratis,  Bonn  1875. 
1307  f.;    Lauffenberg,    Quaestiones  chrono-  *)  Die  Provinz  Syrien  tiel  damals  dem 

logicae  de  rebus  Parthicis  Ärmeniisque  aTacito       C.  Cestius  Gallus    zu.    Tacit.  ann.  XY  25. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  46.)  328 

Fürsten,  die  Erben  des  Herodes.  Judäa  mit  Jerusalem,  das  nach  der  Ent- 
fernung des  Archelaos  (6  n.  Chr.)  zur  Provinz  geschlagen,  aber  einem  be- 
sonderen kaiserlichen  Prokurator  unterstellt  wurde,  übergab  Claudius  dem 
Agrippa,  einem  Enkel  des  Herodes  (41  n.  Chr.),  nach  dessen  Tod  das  Ge- 
biet wieder  mit  der  Provinz  vereinigt  wurde  (44  n.  Chr.).  Der  gleichnamige 
Sohn  Agrippas  wurde  mit  einem  anderen  Fürstentum  abgefunden.  Im  Volk 
der  Juden  waren  unter  dem  Druck  der  römischen  Herrschaft,  zugleich  unter 
dem  Einfluß  einer  starken  und  eigenartigen  religiösen  Erregung  und  fanati- 
scher Sektiererei  schon  oft  Unruhen  entstanden.  Unter  Nero  bewirkten 
schließlich  die  Übergriffe  der  kaiserlichen  Prokuratoren,  besonders  des  Gessius 
Florus,  eine  Erhebung  des  ganzen  jüdischen  Volkes,  zu  der  ein  Streit  der 
Juden  und  Hellenen  in  Caesarea  den  äußeren  Anlaß  bot  (66  n.  Chr.).^)  Die 
römischen  Besatzungen  in  Judäa  wurden  niedergemacht;  der  Legat  von 
Syrien,  C.  Cestius  Gallus,  der  Jerusalem  besetzen  wollte,  erlitt  eine  em- 
pfindliche Niederlage  (Herbst  66  n.Chr.);  die  Empörung  breitete  sich  jetzt 
über  das  ganze  jüdische  Gebiet  aus.  Von  Achaia  aus  sandte  Nero  als  Nach- 
folger des  inzwischen  verstorbenen  Cestius  Gallus  den  T.  Flavius  Vespasianus, 
einen  Konsular,  der  sich  namentlich  in  Britannien  ausgezeichnet  hatte,  in 
die  aufständische  Provinz.  Es  gelang  dem  Vespasian,  mit  ansehnlichen  Streit- 
kräften zunächst  im  Jahr  67  n.  Chr.  Galiläa  wieder  zu  unterwerfen  und  im 
nächsten  Jahr  den  größten  Teil  Judäas  außer  Jerusalem,  der  Hochburg  der 
Insurgenten.  Indes  der  Sturz  Neros  und  die  nachfolgenden  Unruhen  machten 
fürs  erste  die  völlige  Unterwerfung  unmöglich. 

Kurz  vor  seinem  Ende  hatte  Nero  für  einen  Feldzug  gegen  die  Kaukasos- 
völker  gerüstet.  Auch  von  einem  Krieg  gegen  die  Athiopen,  die  Nachbarn 
Ägyptens,  war  die  Kede;  schon  waren  Truppendetachements  nach  Alexan- 
drien  eingeschifft.     Der  Tod  des  Kaisers  vereitelte  jene  Pläne. ^) 

Afrika  und  das  Königreich  Mauretanien  wurden  unter  Tiberius  längere 
Zeit  (17 — 20  n.  Chr.)  durch  die  Streifzüge  eines  kühnen  Freibeuters,  des 
Numiders  Tacfarinas  heimgesucht.  21  n.  Chr.  mußten  stärkere  Streitkräfte 
gegen  ihn  aufgeboten  werden,  und  der  Prokonsul  Junius  Blaesus  bekriegte 
ihn  erfolgreich.  Doch  brach  24  n.  Chr.  der  Krieg  nochmals  aus,  um  erst 
durch  P.  Cornelius  Dolabella  beendet  zu  werden.  Tacfarinas  konnte  sich 
nicht  mehr  halten  und  nahm  sich  das  Leben.  Nunmehr  trat  Euhe  ein. 
Das  Königreich  Mauretanien  hat  Kaiser  Gaius  aufgehoben,  der  den  letzten 
König,  Ptolemaios,  Jubas  Sohn,  im  Jahr  40  n.  Chr.  an  den  Hof  nach  Rom 
entbot  und  dann  unter  Einziehung  von  Land  und  Vermögen  hinrichten  ließ. 
Aber  die  Einverleibung  ging  keineswegs  glatt  von  statten;  Aidemon,  ein 
Freigelassener  des  Ptolemaios,  rächte  seinen  Herrn  durch  einen  Aufstand, 
der  erst  unter  Claudius  von  Suetonius  Paullinus  und  Hosidius  Geta  nieder- 
gerungen wurde.  Suetonius  ist  der  erste  Römer,  der  mit  einem  Heer  den 
Atlas  überschritt  (42  n.Chr.).  3)  Wahrscheinlich  im  Zusammenhang  mit  diesen 


')  Josephus  Bell.  Jud.  II  284.  Der  Aus-  jüd.Yolkes  im  Zeitalter  Jesu  Christi  IH18  f. 
bruch  erfolgte  im  Monat  Artemisios  (Mai  |  ^^  pu^ j^jgt  nat.VI40.  ISlf.  Tacit.histor. 
bis  Juui)  66  n.Chr.  Die  Geschichte  des  jüdi-  131.70.  Cass.DioLXIII  8, 1  (III  p.73Boiss.). 
sehen  Aufstandes  erzählt  Josephus  Bell.  ')  Plin.  bist.  nat.  V  14  f.    Er  kam  bis  an 

Jud.  II  280  ff.  Vgl.  E.  Schürer,  Gesch.  des       den  Fluß  Ger. 

21* 


ß04  Römische  Geschichte. 

Unruhen  liatte  bald  darauf  (44  45  n.  Chr.)  der  spcätere  Kaiser  Sulpicius  Gall>a 
als  Prokonsul  von  Afrika  in  Numidien  Krieg  zu  führen.  Mauretanien  wurde 
in  zwei  prokuratorische  Provinzen  zerlegt  {Maiin-fcnna  Tinijitcnia  und  Caet-a- 
riensis).  Die  Nomadenstämme  südlich  vom  Atlas  blieben  unter  einheimi- 
schen Fürsten. 

In  der  Verwaltung   der  Provinzen    machte    sich  der  persönliche  Einfluß 
der  Regenten  weit  weniger  geltend  als  in  der  Hauptstadt  selbst;  man  blieb 
im  ganzen  den  von  Augustus  und  Tiberius  aufgestellten  Grundsätzen  treu. 
Die  Provinzen  wurden  auch  von  den  Friktionen,  die  der  Gegensatz  zwi.schen 
Senat  und  Kaiser    hervorrief,    nicht  berührt,    sondern   fanden  im  Gegenteil 
bei  der  kaiserlichen  Gewalt  nicht  selten  Schutz  gegen  die  Mißwirtschaft  der 
senatorischen  Beamten,  sowie  Hilfe  in  besonderen  Notlagen.     Nur  die  Ab- 
gaben und  der  Heeresdienst  wurden  als  drückende  Last  empfunden,  die  noch 
wuchs  durch  die  brutalen  Methoden,    deren    man   sich  zu  bedienen   pflegte. 
Schon    unter  Augustus    und  Tiberius    kamen    aus   verschiedenen   Provinzen 
bewegliche  Klagen,  i)  und  in  den  letzten  Jahren  Neros  verschlimmerte  sich 
die  Lage.    Aber  eine    große  Wohltat  war  der  Friedenszustand,    der   allent- 
lialben  im  Reich  herrschte   und   eine  neue  Blüte  zeitigte.     So  söhnten  sich 
die  Provinzialen   mit  der  römischen  Herrschaft    allmählich    aus.    Römisches 
Bürgerrecht    breitete  sich  in  allen  Provinzen    immer  mehr  aus,  im  griechi- 
schen Osten   und    namentlich  im  Westen.    Hier  im  Westen  war  städtisches 
Wesen  und  damit  die  griechisch-römische  Kultur  in  siegreichem  Vordringen. 
47.  Der  Bürgerkrieg^)  und  die  flavischen  Kaiser. 3)  Nach  Neros  Ab- 
setzung wurde  in  Rom    der   schon   betagte  Ser.  Sulpicius  Galba,^)  der  vor- 
nehmste unter  den  frondierenden  Statthaltern,  zum  Kaiser  ausgerufen  und 
fand,    freilich    nicht    ohne  Widerstreben,    im    ganzen  Reich  Gehorsam.    Der 
Legat  in  Afrika,  L.  Clodius  Macer,  der  ihm  die  Anerkennung  verweigerte, 
wurde  beseitigt,  auch  andere  Exekutionen  erfolgten.  Galba  zeigte  sich  seiner 
schwierigen  Lage    nicht   gewachsen;    durch  Ungeschick   und   unangebrachte 
Strenge  verscherzte  er  sich  viele  Sympathien.    Die  germanischen  Legionen 
hatten  sich  ihm  von  Anfang  an  nur  ungern    angeschlossen,  und  da  er  auf 
ihre    Stimmung    keine    Rücksicht    nahm    und    sie    beispielsweise    durch    Be- 
günstigung   der  Anhänger   des  Vindex  verletzte,  so    sagten    sich    schon   am 
1.  Januar  69  n.  Chr.  die  Legionen  Obergermaniens,  zuerst  die  Garnison  von 
Mainz,  von  ihm  los  und  forderten  einen  neuen  Kaiser,  dessen  Auswahl  sie 
dem  Senat,   dem   sie  Treue    schworen,  überlassen  wollten. °)  Am   folgenden 
Tag  proklamierten  die  untergermanischen  Legionen  ihren  Führer,  A.Vitel- 
lius,''^)  der  dann  von  der  ganzen  germanischen  Armee  anerkannt  wurde,  zum 
Kaiser.    Auch   die  Prätorianer  in  Rom   hatte  sich  Galba  völlig  entfremdet. 
Die  Zerrüttung  der  Finanzen  nötigte  zur  Sparsamkeit,  und  so  versagte  denn 


')  Vgl.  oben  S.  291.  !       *)  Er  führte  zeitweilig  den  Vornamen 


*)  Vgl.  B.  W.  Hendekson,  Civil  irar  and 
reheJIion  in  the  Roman  empire  a.  d.  69 — 70, 
London  1908. 

^)  Vgl.  A.  Chambalu,  De  magistratibus 
Flavionim,  Diss.  Bonn  1881.  Derselbe,  Fla- 


Lucius;  als  Kaiser  nannte  er  sich,  wie  an- 
fänglich, Servius.  Sueton  Galb.4.  Momm- 
SEN,  Ges.  Sehr.  IV  399,  Anm.  3. 

»)  Vgl.  hierüber  die  Untersuchung  von 
Ph.  Fabia,  Klio  IV  (1904)  42  ff. 


viana   im   Philologus  XLIV  106  ff.  502  ff.;    '        «)  Sohn  des  L.  Vitellius,  des  Vertrauten 
XLV  100  ff.:  XLVII  .569  ff.  des  Kaisers  Claudius  (oben  S.  314). 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§47.)  325 

Galba  unklugerweise  den  Pratorianern  das  ihnen  in  seinem  Namen  ver- 
heißene Donativ,  womit  er  überdies  gegen  einen  im  Fall  eines  Thronwechsels 
üblich  gewordenen  Brauch  verstieß.  Auch  seine  Hinfälligkeit  und  die  Ab- 
hängigkeit von  seiner  Umgebung,  besonders  von  dem  übel  berufenen  T.  Vinius, 
schadeten  seinem  Ansehen.  Die  schlimme  Kunde  aus  Germanien  veranlagte 
ihn,  den  L.  Calpurnius  Piso  Licinianus  zu  adoptieren  und  zum  Nachfolger 
zu  bestimmen.  Aber  M.  Salvius  Otho,  früher  der  Kumpan  Neros,  dann  Statt- 
halter von  Lusitanien  und  bisher  einer  der  ersten  und  eifrigsten  Anhänger 
Galbas,  hatte  sich  Hoffnung  auf  die  Adoption  gemacht.  Da  er  sich  ge- 
täuscht sah,  gewann  er  die  unzufriedenen  Prätorianer,  die  ihn  am  15.  Januar 
69  n.  Chr.  zum  Kaiser  ausriefen  und  den  Galba  mit  seinem  Adoptivsohn 
Piso  auf  dem  Forum  erschlugen.  Otho  fand  auch  die  Anerkennung  des 
Senats,  mußte  sich  aber  alsbald  gegen  Vitellius  verteidigen,  dessen  Heer  in 
zwei  Abteilungen  unter  A.  Caecina  Alienus  und  Fabius  Valens  sich  noch 
im  Winter  69  n.Chr.  gegen  Italien  in  Maj-sch  setzte,  i)  Vitellius  selbst  folgte 
nach.  Gallien,  Spanien  und  Britannien  fielen  ihm  zu,  während  die  östlichen 
Provinzen  sich  für  Otho  erklärten.  Caecina  überschritt  ungehindert  die  Alpen. 
Erst  an  der  Polinie  setzten  sich  die  Othonianer  mit  Erfolg  einem  weiteren 
Vordringen  entgegen  und  wiesen  bei  Bedriacum  einen  Vorstoß  des  Caecina 
siegreich  zurück;  die  illyrischen  Legionen  waren  zu  ihrer  Unterstützung 
unterwegs.  Aber  noch  ehe  sie  eintrafen,  befahl  Otho,  der  auf  eine  rasche 
Entscheidung  drängte,  weil  er  seinen  Feldherren  mißtraute,-)  einen  Angriff 
auf  dieVitellianer,  die  sich  bei  Cremona  vereinigt  hatten.  Hier  erlitten  die 
Othonianer  eine  bedeutende  Niederlage  und  wurden  auf  Bedriacum  zurück- 
geworfen. Der  Kaiser,  der  sich  in  Brixellum  aufhielt,  gab  sich  zwei  Tage 
nach  der  Schlacht  (am  16.  April)  den  Tod;  seine  Truppen  mußten  zu  Vitellius 
übertreten,  der  jetzt  auch  in  Rom  bestätigt  wurde  (19.  April).  Vitellius  traf 
bald  selbst  ein;  seine  Truppen  überfluteten  Italien  und  Rom.  Vitellius  zeigte 
sich  als  maßvollen  Sieger,  er  suchte  auch  Mißbräuche  abzustellen,  wie  er 
z.  B.  die  Freigelassenen  im  kaiserlichen  Dienst  durch  Ritter  ersetzte ;  in 
Rom  war  er  nicht  unbeliebt.  Aber  den  Aufgaben  seines  verantwortungs- 
vollen Amtes  vermochte  der  Kaiser,  der  die  Freuden  der  Tafel  mehr  liebte 
als  die  Geschäfte,  nicht  zu  genügen;  gegen  den  aufreizenden  Übermut  der 
zuchtlosen  Soldateska,  die  ihn  auf  den  Thron  erhoben  hatte,  war  er  machtlos. 
Die  Heere  des  Orients,  besonders  Syriens,  Judäas  und  Ägyptens,  hatten 
sich  zunächst  abwartend  verhalten;  Otho  wurde  als  Kaiser  anerkannt^)  und 
anfangs  auch  Vitellius.  Dann  einigten  sich  die  Führer,  unter  denen  der  Legat 
von  Syrien,  der  vornehme  C.  Licinius  Mucianus,  den  Ausschlag  gab,  und 
am  1.  Juli  69  n.  Chr.  wurde  zuerst  in  Alexandrien  der  Feldherr  des  jüdischen 
Krieges,  T.  Flavius  Vespasianus,   zum   Kaiser    ausgerufen;    die  Legionen    in 


')  Vgl.  Hagge,  Bemerkungen  zum  Feld-  nicht  abgeneigt,  das  Blutvergießen  zu 
zuge  des  Vitellius  und  Otho  nach  der  beenden  und  sich  über  einen  Kaiser  zu 
Darstellung  des  Tacitus,  Kiel  1864;  Th.  verständigen  und  zwar,  wie  Otho  be- 
MoMMSEN,  Die  Schlachten  von  Betriacum,  fürchten  mochte,  auf  dessen  Kosten. 
Ges.  Sehr.  IV  354  ff. ;  Gerstenecker,  Der  ')  Vgl.  die  dem  Otho  gewidmete  In- 
Krieg des  Otho  und  Vitellius  in  Italien  schrift  aus  der  Gaulanitis  im  Bulletin  de 
im  Jahre  69,  München  1882.                           ;    corresp.  hellen.  1897,  47. 

-)  Die  beiden  feindlichen  Heere  waren 


,'JO(j  Römische  Geschichte. 

Judäa  und  die  syrischen  unter  Mucianus  folgten  in  den  nächsten  Tagen, 
bald  darauf^)  auch  die  Truppen  in  Illyricum  und  Mösien,  zum  Teil  Otho- 
nianer,  die  den  Vitellius  nur  gezwungen  anerkannt  hatten.  Die  pannonischen 
Truppen  rückten  unter  dem  verwegenen  und  elirgeizigen  M.  Antonius  Primus 
sogleich  zum  Angriff"  gegen  Italien  vor;  Mucianus  folgte  nach.  DieVitellianer 
waren  schlecht  gerüstet,  ihre  umzuformierenden  Truppenkörper  standen  weit 
imter  Sollstärke,  da  nach  dem  Sieg  viele  Leute  entlassen  waren,  die  Heer- 
führer, Caecina  und  Valens,  rivalisierten.  Caecina  sann  auf  Verrat.  Zuerst 
trat  auf  sein  Anstiften  die  Flotte  in  Ravenna  zu  Vespasian  über:  die  Le- 
gionen des  Vitellius,  die  sich  am  Po  gesammelt  hatten,  blieben  treu  und 
setzten  den  treulosen  Caecina  fest,  wurden  aber  dann  in  einer  mörderischen 
Doppelschlaclit  hei  C'remona  von  den  Flavianern  aufgerieben.  Valens,  der 
zu  spät  kam,  geriet  in  Gefangenschaft,  und  nun  zog  die  gegen  Vitellius  ge- 
richtete Bewegung  weitere  Kreise.  Antonius  Primus  marschierte  unaufhaltsam 
auf  Rom  und  hatte  bereits  den  Appennin  überschritten.  Gleichzeitig  wurden 
Unterhandlungen  angeknüpft,  und  Vitellius  erklärte  sich  bereit  abzudanken, 
allein  seine  Truppen  zwangen  ihn  auszuhalten  (18.  Dezember).  Jetzt  erhoben 
sich  in  Rom  ^ie  Flavianer  unter  Flavius  Sabinus,  Vespasians  Bruder,  imd 
besetzten  das  Kapitol,  wurden  aber  von  den  Vitellianern  überwunden;  Flavius 
Sabinus  wvirde  gefangen  und  hingerichtet.  Damals  ging  das  Kapitol  in 
Flammen  auf  (19.  Dezember).  Schon  am  nächsten  Tag  erschien  Antonius 
Primus  vor  den  Toren  der  Hauptstadt,  die  er  in  blutigem  Kampf  eroberte. 
Vitellius  fiel  (20.  Dezember  69  n.  Chr.),  ebenso  kurz  darauf  sein  Bruder  Lucius. 
Die  Reste  derVitellianer  ergaben  sich.  Bei  der  Einnahme  Roms  hatten  sich 
grauenhafte  Szenen  abgespielt.  Vespasian  wurde  jetzt  vom  Senat  und  im 
ganzen  Reich  anerkannt.  2)  Er  traf  im  Frühjahr  70  n.  Chr.  von  Ägypten  in  Rom 
ein.  Von  dem  früheren  Herrschergeschlecht  übernahm  er,  wie  schon  Galba, 
für  sich  und  seine  Söhne  den  Namen  Caesar,  der  also  zum  ständigen  Prädikat 
des  jeweils  regierenden  Hauses  und  zu  einer  Art  Amtsbezeichnung  wird. 
Der  neue  Kaiser  hatte  keinen  leichten  Stand:  die  Disziplin  der  Soldaten 
war  erschüttert,  und  die  benachbarten  Barbaren  machten  sich  den  Bürger- 
krieg zunutze.  Ln  Pontos  entstand  69  n.  Chr.  eine  Erhebung  zugunsten  des 
Vitellius,^)  die  Sarmaten  und  Geten  gingen  über  die  Donau  und  brand- 
schatzten Mösien  (69  und  70  n.  Chr.);  auch  in  Britannien  und  selbst  in  Afrika 
gärte  es;  in  allen  Teilen  des  Reichs  waren  die  Wehen  und  Nachwehen  des 
unheilvollen  Jahres  69,  des  Dreikaiserjahres,  zu  verspüren.  Besonders  wichtig 
sind  die  Ereignisse  am  Rhein. ^)  Hier  entstand  unter  Julius  Civilis  eine  Em- 
pörung der  Bataver  und  Cannenefaten,  die  einen  bedrohlichen  Umfang  annahm. 
Civilis  gehörte  zum  Fürstengeschlecht  seines  Stammes  und  besaß  römisches 
Bürgerrecht.  Der  Aufstand  begann  bei  Gelegenheit  der  von  Vitellius  gegen 
Vespasianus  angeordneten  Aushebungen.    Civilis  wurde  von  Antonius  Primus 

')  Etwa  im  August.    Sueton  Vit.  15.  machte    eine   Zeitlang   die  See   und   das 


^)  Von  dem  Gesetz,    das   seine   kaiser- 


Land  unsicher.    Tacit.  histor.  III  47  f. 


liehe  Gewalt  bestimmt,  ist  noch  ein  Teil  *)  Ed.  Meyer,    Der   Freiheitskampf  der 

erhalten  CIL  VI  930.  ILS  I  nr.  244.  Bruns^  Bataver  unter  Civilis.    Progr.  des  Johan- 

nr.  56.  neums,    Hamburg  1856.    E.  Stein.  PW  X 

^  ^)  Aniketos,  Freigelassener  des  letzten  550  ff, 

Königs  Polemon,  besetzte  Trapezunt  und  ; 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§47.)  327 

bei  dessen  Angriff  auf  Italien  zur  Empörung  anfgefordert,  um  so  die  vitel- 
lianischen  Truppen  in  Gallien  festzuhalten;  demgemäß  gebärdcte  er  sich 
als  Parteigänger  Vespasians,  dem  er  in  der  Tat  gute  Dienste  geleistet  hat. 
Die  erprobten  batavischen  Kohorten,  die  zum  Heer  des  Vitellius  gehörten, 
gingen  zu  ihm  über,  Friesen  und  andere  Germanen  leisteten  Zuzug,  die  ver- 
streuten römischen  Besatzungen  wurden  überwältigt.  Auch  nach  dem  Sieg 
Vespasians  verharrte  Civilis  im  Aufstand,  ja  die  Bewegung  griff'  um  sich, 
da  nun  auch  römische  Truppen,  die  vitellianisch  gesinnt  waren,  meuterten, 
ihren  Legaten  Hordeonius  Flaccus  und  andere  Führer  erschlugen  und  sich 
an  Civilis  anschlössen.  A^eiter  folgte  nach  dem  Tod  des  Vitellius  ein  Auf- 
.  stand  der  benachbarten  gallischen  Stämme,  der  Treverer,  Lingonen  und 
eines  Teils  der  Beigen  unter  Führung  der  Treverer  Classicus  und  Julius 
Tutor  und  des  Lingonen  Julius  Sabinus.  Man  gedachte  ganz  Gallien  von 
Rom  loszureißen  und  ein  selbständiges  linperium  GaUianim  aufzurichten. 
Die  römischen  Legionen  traten  fast  alle  den  Insurgenten  bei  und  leisteten 
den  Eid  auf  das  „gallische  Reich".  Die  Besatzung  von  Vetera  mußte  sich 
nach  langer  Einschließung  dem  Civilis  ergeben  und  wurde  beim  Abzug 
niedergemacht.  Civilis  zerstörte  alle  Legionslager  und  Kastelle  außer  Mainz 
und  Vindonissa  (Windisch  bei  Basel);  Köln  mußte  sich  dem  gallischen  Im- 
perium fügen.  An  den  Kämpfen  beteiligten  sich  auch  die  rechtsrheinischen 
Germanen,  Chatten,  Tenkterer  und  Brukterer,  bei  denen  die  Seherin  Veleda 
eine  auch  politisch  bedeutsame  Rolle  spielte.  Man  wollte  die  Grenze  nach 
Gallien  öffnen.  Allein  die  große  Mehrheit  der  gallischen  Stämme  hielt  an 
Rom  fest,  und  schon  hatte  sich  im  Auftrag  Vespasians  Q.  Petillius  Cerialis 
mit  ansehnlichen  Streitkräften  in  Bewegung  gesetzt,  den  Aufstand  zu  unter- 
drücken. Die  Treverer  wurden  bei  Bingen  besiegt;  die  römischen  Truppen 
gingen  alle  zu  Cerialis  über,  auch  Civilis  wurde  geschlagen,  Gallien  wieder 
unterworfen;  Cerialis  setzte  nach  der  Insel  der  Bataver  über  und  vertrieb 
den  Civilis  aus  seinem  Stammland.  Doch  war  damit  der  Krieg  noch  nicht 
beendet:  Cerialis,  der  noch  nicht  aller  Schwierigkeiten  Herr  geworden  war, 
willigte  gerne  in  ein  friedliches  Abkommen,  zu  dem  Civilis  und  die  Germanen 
die  Hand  boten.  Civilis  wurde  begnadigt  (Herbst  70  n.  Chr.).  Cerialis  begab 
sich  dann  in  seine  Provinz  Britannien.  Die  germanischen  Kohorten  verloren 
fortan  ihre  einheimischen  Führer  und  wurden  disloziert. 

Um  dieselbe  Zeit  beendigte  Vespasians  Sohn  Titus  den  jüdischen  Krieg, 
der  während  der  Bürgerkriege  eingestellt  worden  war.  Titus  führte  aus 
Ägypten  Verstärkungen  herbei  und  begann  im  April  70  n.  Chr.  die  Ein- 
schließung und  Belagerung  des  dreifach  befestigten  Jerusalems,  wohin  die 
Aufständischen  zusammengedrängt  waren.  Es  war  keine  leichte  Arbeit,  die 
volkreiche,  von  fanatischen  Kriegern  verteidigte  Stadt  zu  erobern.  Nachdem 
die  erste  und  zweite  Mauer  genommen  waren,  leisteten  die  Verteidiger  in 
der  Altstadt  und  auf  dem  Tempelberg  erfolgreichen  Widerstand.  Erst  nach 
harten  Kämpfen  und  nachdem  die  Belagerten  durch  Hunger  zum  Äußersten 
gebracht  waren,  wurde  am  29.  August  (10.  Loos)  der  Tempel  erstürmt  und 
in  Brand  gesteckt^)  und  am  26.  September  (8.  Gorpiaios)  die  Oberstadt.  Jeru- 

*)  Nach  Josephus  bell.  Jud.  VI  236  f.  ist   1   angezündet  worden.   Dem  steht  aber  das 
der  Tempel  gegen  den  Willen  des  Titus   j    wahrscheinlich    aus   Tacitus    abgeleitete 


328  Römische  Geschichte. 

salem  wurde  dem  Erdboden  gleichgemacht;  die  Juden  im  ganzen  Reich 
hatten  künftig  eine  Kopfsteuer  zu  entrichten.  Titus  ging  nach  Rom  zurück 
und  feierte  71  n.  Chr.  mit  dem  Kaiser  einen  Triumph.  Völlig  beendet  wurde 
der  Aufstand  erst  mit  dem  Fall  von  Masada,  der  Veste  am  Toten  Meer 
(2.  Mai  72  n.Chr.).  Judäa  wurde  als  besondere  Provinz  von  Syrien  abgezweigt 
und  mit  starker  Truppenmacht  belegt. 

Vespasians  Regierung  wurde  mit  Recht  als  „Restitution"  empfunden.  Die 
Wunden,  die  der  Krieg  geschlagen  hatte,  suchte  sie  zu  heilen;  das  stolzeste 
Wahrzeichen  der  Reichshauptstadt,  das  Kapitol,  ließ  sie  aus  der  Asche  neu 
erstehen;  die  Armee  wurde  reorganisiert,  i)  die  Veteranen  entlassen  und  an- 
gesiedelt. Die  letzten  Unruhen  und  Grenzkriege  gaben  Anlaß  zur  Befesti- 
gung und  Sicherung  der  Grenzen,  zunächst  an  der  Donau  in  Mösien  und 
Pannonien,  wo  der  Kaiser  die  festen  Lager  beiVindobona  und  Carnuntum 
anlegte.  Am  Rhein  wurden  die  Befestigungen  erneuert  und  vermehrt;  das 
Legionslager  in  Straßburg  (Argentorate)  verdankt  demVespasian  seine  Ent- 
stehung.^) Gegenüber  am  jenseitigen  Ufer  ließ  der  Kaiser  einen  größeren 
Landstrich  okkupieren.  Das  Land  zwischen  Rhein  und  Donau,  das  Dekumaten- 
land  {agri  deciimates)^)  wurde  in  den  Reichsverband  einbezogen  und  meist 
von  Gallien  aus  besiedelt.  Der  kaiserliche  Legat  Cn.  Pinarius  Cornelius 
Clemens  eroberte  das  Neckargebiet,  durch  das  eine  neue  Straße  die  kürzeste 
Verbindung  zwischen  Straßburg  und  Rätien  herstellte  (74  n,  Chr.).^)  Auch 
am  Niederrhein,  wo  der  Aufstand  des  Civilis  nachwirkte,  war  Krieg  zu 
führen.  Die  Germanen  wurden  vom  rechten  Stromufer  zurückgedrängt  und 
die  nächstgelegenen  dem  römischen  Einfluß  unterworfen.^)  Auch  im  Orient 
sorgte  man  für  Sicherung  der  Grenzen;  römische  Posten  wurden  an  das 
Ostufer  des  Schwarzen  Meeres  vorgeschoben,  und  die  Iberer  im  Kaukasos 
erhielten  eine  römische  Besatzung.'')  Der  Kaiser  war  mit  dem  Bürgerrecht 
freigebig;  die  spanischen  Gemeinden  erhielten  durch  ihn  sämtlich  die  La- 
tinität  (75  n.Chr.).  Die  wichtigste  Aufgabe  war -die  Sanierung  der  Finanzen, 
die  infolge  der  neronischen  Mißwirtschaft  und  der  Bürgerkriege  ganz  im 
Argen  lagen.'')    Neue  und  drückende  Abgaben  waren  nötig,   in  Rom  wie  in 


Zeugnis  des  Sulpicius  Severus  (chi-on.  II  [        '•>)  Von  den  Vorgängen  am  Niederrhein 

30,  6)  entgegen,  daß  Titus  die  Zerstörung  !    weiß   mau    nicht  viel.    Etwa   77   n.  Chr. 

gewollt  habe.    Dasselbe   bezeugt  Orosius  |    bemächtigte    sich    der   Legat   C.  Rutilius 

VII  9,  5  f.  und,  wie  es  scheint,  auch  Cass.  Gallicus  in  einem  Krieg   mit  den  Bruk- 

Dio  LXVI  4.  Vgl.  J.  Bernays,  Die  Chronik  terern    der  Seherin  Veleda,    die   als  Ge- 

des  Sulpicius  Severus,  Berlin  1861,  48  ff.  fangene    nach    Rom    kam.     Statius    silv. 

(Gesammelte  Abhandlungen  II  159  ff.).  :    I  4,  89  f.    Tacit.  Germ.  8.   Möglich  ist,  daß 

')  Es    wux'den    z.  B.   die    meuterischen  auch   die  von  Tacit.  Germ.  33  und  Plin. 

germanischen  Legionen  zum  großen  Teil  ■    epist.  II  7,  2    erwähnten   Ereignisse,    die 

aufgelöst  und  neue  Formationen  gebildet.  mit  dem  Untergang  der  Brukterer  endeten, 

■■')  Die  erste  Befestigungsanlage  in  Straß-  in    diese  Zeit  gehören.    Vgl.  PIR  III  4U9. 

bürg  scheint  allerdings  noch  älter  zu  sein.  A.  v.  Domaszewski,  Mainzer  Zeitschr.V  184. 

Westd.  Zeitschr.  XXIV  (1905)  330.  «)  CIL  III  add.  6052  S.  974.    Vgl.  Jose- 

^)  Der  Name  wird  sich  daraus  erklären,  phus  bell.  Jud.II366.  ILS  II  nr.  8795.  Den 

daß  die  Ansiedler  für  das  ihnen  zugeteilte  Anlaß  zur  Sicherung  der  Pontosküste  gab 

Land  den  Zehnten  entrichten  mußten.  '•    wohl  der  Aufstand  des  Aniketos.  S.326A. 3. 

*)  Zangemeistee.  Neue  Heidelb.  Jahrb.  3  ')  Vespasian  veranschlagte  die  Bedürf- 

(1893)  1  f. ;  246  f.  E.  Herzog,  Bonner  Jahrb.  nisse  des  Staats  auf  40  Milliarden  Sesterze, 

102  (1898)  89.    E.  Fabricius,    Die  Besitz-  etwa    8>  2  Milliarden    Goldmark.    Sueton 

nähme  Badens  durch  die  Römer  36.    ILS  Vesp.  16,  3. 
I  nr.  990.  991.  997.  1992. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    ($47.)  329 

den  Provinzen;  die  Skrupellosigkeit  des  Kaisers  in  Geldsachen,  die  durch  das 
berühmte  „non  ölet"  illustriert  wird,  machte  ihn  begreiflicherweise  nicht 
beliebter.  Für  gemeinnützige  Zwecke  scheute  er  trotz  aller  Sparsamkeit  auch 
große  Ausgaben  nicht.  In  Rom  wie  in  den  Provinzen  übte  er  eine  rege 
Bautätigkeit  aus;  er  richtete  den  kapitolinischen  Tempel  wieder  auf,  baute 
den  Tempel  der  Pax  (75  n.  Chr.)  und  das  große  flavische  Ampliitheater,  das 
heutige  Coliseo  (eingeweiht  80  n.  Chr.);  er  war  der  erste,  der  in  Rom  grie- 
chische und  lateinische  RhetOren  fest  besoldete.  Aus  finanziellen  Gründen 
wurde  der  Provinz  Achaia  die  von  Nero  verliehene  Freiheit  wieder  ent- 
zogen (72  n.  Chr.).  Auch  der  lykische  Bund  und  die  noch  vorhandenen  auto- 
nomen Freistädte,  wie  Rhodos  und  Byzanz,  verloren  ihre  Selbständigkeit. 
Die  meisten  Klientelfürstentümer  hobVespasian  auf,  um  sie  den  Provinzen 
einzuverleiben,  so  auch  das  Königreich  Kommagene,  in  welchem  Fall  er 
nicht  ohne  Härte  vorging.*)  Ausschlaggebend  war  dabei  die  Sicherung  der 
Grenze,  sowie  das  —  übrigens  durchaus  freundliche  —  Verhältnis  zu  den 
Parthern.  Der  Partherkönig  Vologases  hatte  dem  Vespasian  bei  seiner  Er- 
hebung sogar  Hilfe  angeboten. 

Dem  Senat  gegenüber  hatte  es  Vespasian,  der  aus  dem  Ritterstand  hervor- 
gegangen war  und  keine  vornehmen  Ahnen  besaß,  2)  zunächst  nicht  leicht. 
Viel  vermochte  in  den  ersten  Regierungsjahren  Mucianus,  dem  Vespasian 
zu  Dank  verpflichtet  war;  denn  Mucianus  hatte  in  Rom  den  Kaiser  bis  zu 
dessen  Ankunft  vertreten  und  es  verstanden,  die  siegreichen  Feldherren, 
wie  Antonius  Primus,  sowie  den  machtlüsternen  Sohn  des  Kaisers,  den 
Domitianus,  und  andererseits  den  Senat  in  Schranken  zu  halten.  Der  Senat 
versuchte  zunächst  sich  größere  Selbständigkeit  zu  erringen  und  die  ver- 
haßten sog.  Delatoren,  die  dem  Nero  Denunziantendienste  geleistet  hatten,  zur 
Rechenschaft  zu  ziehen.  Der  Wortführer  der  Opposition  war  der  Schwieger- 
sohn des  Paetus  Thrasea,  Helvidius  Priscus,  damals  Prätor,  der  seinen  re- 
publikanischen Männerstolz  gegen  den  Kaiser  aufs  provozierendste  hervor- 
kehrte und  deshalb  nach  Ablauf  seines  Amtes  zum  Tod  verurteilt  wurde. 
Im  Anschluß  daran  wurden  die  Philosophen,  namentlich  die  einflußreichen 
Stoiker,  denen  Helvidius  angehörte,  aus  Italien  verwiesen,  weil  ihre  Lehren 
die  Interessen  der  Monarchie  gefährdeten  (72  n.  Chr.).  Alles  in  allem  hat 
Vespasian  dem  Senat  Achtung  und  Wohlwollen  entgegengebracht.  73  n.Chr. 
übernahm  er  zusammen  mit  seinem  Sohn  Titus  das  Amt  des  Zensors  und 
ergänzte  in  dieser  Eigenschaft  die  in  dem  Bürgerkrieg  stark  gelichtete 
Körperschaft.  Schon  unter  den  julischen  Kaisern  hatte  sich  die  Zusammen- 
setzung des  Senats  stark  verändert;  die  Geschlechter  der  alten  Nobilität 
waren  bis  auf  wenige  erloschen,  und  so  rekrutierte  sich  der  Senat  haupt- 
sächlich aus  dem  neuen  Amtsadel.  Des  Kaisers  treuester  Gehilfe  war  sein 
älterer  Sohn  Titus,  der  bald  Mitregent  und,  ein  ungewöhnlicher  Fall,  jjrae- 
fectus  praetorio  seines  Vaters  wurde  und  des  Kaisers  Person  und  Amt  kraft- 


')  Josephus  bell.  Jud.  A'II  319  ff.    Momm-  |   Er  selbst   war   bei  Reate    in  der  Sabina 

SEN,  Sitz.-Ber.  der  Berl.  Akad.  1900.  Kom-  j    geboren   am  17.  November  9  n.  Chr.    Der 

magene  wurde  73  n.Chr.  eingezogen.  Beiname  Vespasiaaus  stammt  von  seinem 

■•')  Sein  Vater   T.  Flavius  Sabinus  war  mütterlichen  Grofsvater  A'espasius  her. 
Zollpächter  in  der  Provinz  Asia  gewesen. 


33Q  Römische  Geschichte. 

voll  zu  schützen  wußte.i)  Als  Vespasian  am  24.  Juni  7*.>  n.  C'iir.^)  starb, 
bestieg  Titus  als  Imp.  Titus  Caesar  Vespasianus  Augustus  den  Thron. 

Anders  als  man  nach  seinem  Vorleben  befürchtet  hatte,  erwies  sich  Titus 
als  milder  Kegent,  und  seine  kurze  Regierung  gilt  der  Nachwelt  als  Zeit 
des  Glückes,  obwohl  sich  schlimme  Katastrophen  ereigneten.  So  wurden  die 
kampanischen  Städte  Pompeji,  Herculaneum  und  Stabiae  durch  einen  Vesuv- 
ausbruch zerstört  und  verschüttet,  wobei  der  ältere  Plinius,  damals  Flotten- 
präfekt  zu  Misenum,  sein  Leben  einbüßte  (25.  August  79  n.Chr.).'^)  Ein 
weiteres  Unglück  war  ein  dreitägiger  Brand,  der  grofäe  Teile  Koms  in  Asche 
legte  (80  n.  Chr.).  Titus  starb  am  13.  September  81  n.  Chr.  und  hinterließ 
die  Herrschaft  seinem  ganz  anders  gearteten  Bruder  Domitianus.*)  Der  neue 
Kaiser,  Imp.  C/aesar  Domitianus  Augustus  (geboren  am  24.  Oktober  51  n.  Chr.), 
hatte  schon  in  den  Tagen  der  Thronbesteigung  seines  Vaters  —  er  war  im 
Jahr  70  n.  Chr.  städtischer  Prätor  —  Beweise  eines  gefährlichen  Ehrgeizes 
gegeben,  weshalb  er  in  der  Folge  geflissentlich  hinter  seinen  loyalen  Bruder 
Titus.  den  er  haßte  und  beneidete,  zurückgedrängt  wurde.  Zur  Herrschaft 
gelangt,  entfaltete  der  hochbegabte  Domitian  ein  unleugbares  Herrscher- 
talent. Anfangs  bewegte  er  sich  in  den  Bahnen  seiner  Vorgänger;  er  zeigte 
sich  milde  und  gewissenhaft,  sorgte  für  Verwaltung  und  Rechtspflege,  übte 
strenge  Aufsicht  über  Magistrate  und  Provinzialstatthalter  und  wachte  über 
die  Erfüllung  der  religiösen  Vorschriften  durch  die  Priester.  Seit  85  n.  Chr. 
nahm  er  als  Censor  perpetinis  die  zensorische  Gewalt  dauernd  wahr  und  be- 
stimmte die  Zusammensetzung  des  Senats,  ein  Vorrecht,  das  den  Kaisern 
verblieb,  während  Titel  und  Amt  des  Zensors  verschwanden.  In  Rom  setzte 
Domitian  die  begonnenen  großen  Bauten  fort  und  vollendete  den  neuen 
kapitolinischen  Tempel;  auch  in  den  Provinzen  ließ  er  viel  bauen.  Er  wandte 
auch  den  Hellenen  seine  Fürsorge  zu  und  hinterließ  in  Griechenland  monu- 
mentale Denkmäler  seiner  Freigebigkeit.^)  Ein  lebhaftes  Interesse  hegte  er 
für  die  Literatur:  86  n.  Chr.  stiftete  er  nach  dem  Muster  der  Neronien  die 
vierjährigen  kapitolinischen  Spiele,  bei  denen  auch  literarische  Erzeugnisse 
griechischer  und  lateinischer  Zunge  in  Wettbewerb  traten. 

Mit  Glück  kämpfte  unter  ihm  Cn.  Julius  Agricola^)  in  Britannien.  Hier 
hatte  zunächst  nach  Vespasians  Thronbesteigung  Petillius  Cerialis  die  auf- 
ständischen Briganten  unterworfen  und  sein  Nachfolger  Sex.  Julius  Frontinus 
die  Silurer  bezwungen.  Dem  Frontinus  folgte  (Sommer  77  n.  Chr.)  Agricola 
nach.  Er  eroberte  zuerst  von  neuem  die  Insel  Mona,  führte  dann  in  sechs 
weiteren  Feldzügen  Krieg  gegen  die  nördlichsten  Stämme,  besonders  die 
Kaledonier,  und  schob  die  römische  Herrschaft  bis  an  die  Tava  (Tay)  vor. 


')  Er  ließ  z.  B.  den  A.  Caecina  Alienus  '')  Für  Domitians  Geschichte  sind  wich- 

uiedermachen,  der  in  den  Verdacht  einer  tig  die  Dichter  Statins  und  Martialis.  Vgl. 

Verschwörung  kam  und  bei  den  Soldaten  j   Fribdländer,   Sittengesch.  Eoms  11^  241  f. 

viel   galt.     Sein    Komplize    war   der    be-  '    Über  Domitian   s.  St.  Gsell,  Essai  sur  Je 

kannte    Redner   T.  Clodius    Eprius    Mar-  |   re(/7ie   de   Vempereur  Domiticn,    Paris  1894. 

oellus:  dieser  wurde  im  Senat  verurteilt,  i    Weynand,  PW  VI  2541  ff. 

worauf  er   sich    die  Kehle   durchschnitt  '•        s)  Er  baute  z.B.  in  Delphi  und  in Megalo- 

{79  n.  Chr.).    Cass.  Dio  LXVI  16,  3  f.  polis.    In  Athen  war  er  Archon.    BuUetin 

•^) Vgl. L. Holzäpfel, Klio XVII,  1921, 74 ff.  de  corr.JieUm.  2(K  Hoff.;  22,  152f.;  30,314. 

ä)  Phn.  epist.  VI  16  ff'.    Vgl.  S.  Herrlich,  «)  Siehe  Tacit.  Agricola.    Literatur  bei 

KlioIV209ff.,  dazu  Wolters,  ebdas.V  333.  Gaheis,  PW  X  142  f. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§47.)  381 

Auch  mit  den  Bewohnern  Irlands  trat  er  in  Verbindung.  Ein  Ereignis  war 
der  Sieg,  den  er  im  siebenten  und  letzten  Feldzug  am  Berg  Graupius  nörd- 
lich von  Clota  {ßrth  of  Clijde)  und  Bodotria  {firtli  of  Forth)  über  die  ver- 
einigten Kaledonier  unter  Calgacus  erfocht  (83  n.  Chr.).  Seine  Flotte  um- 
segelte damals  ganz  Schottland  und  stellte  mit  dieser  Fahrt  die  Inselgestalt 
Großbritanniens  fest.  Zu  einer  vollständigen  Unterwerfung  der  Kaledonier 
kam  es  indes  nicht;  im  nächsten  Jahr  wurde  Agricola  zurückgerufen,  der 
Krieg,  der  recht  bedeutende  Verluste  verursacht  hatte,  war  aufgegeben; 
Rom  begnügte  sich  mit  dem  bisher  Erreichten,  eine  Zurückhaltung,  die  ver- 
ständlich Avird,  wenn  man  bedenkt,  daß  auch  anderswo  die  Kräfte  des  Reichs 
in  Ansj3ruch  genommen  wurden.  So  am  Rhein,  wo  es  zu  einem  Krieg  gegen 
die  Chatten  kam  (83  n.  Chr.).  Wenn  auch  große  Schlachten  nicht  geschlagen 
wurden,  so  hat  doch  Domitian  ein  neues  Stück  der  rechtsrheinischen  Ufer- 
landschaft dem  Reich  hinzugewonnen.  Von  Mainz  aus  hat  er  die  Grenze 
weiter  vorgeschoben,  die  Chatten  zurückgedrängt,  die  heutige  Wetterau  be- 
setzt und  am  Oberrhein  die  Erwerbungen  seines  Vaters,  dessen  Politik  er 
fortsetzte,  gesichert.  Die  erste  Grenzbefestigung  wird  auf  Domitian  zurück- 
geführt. *)  Gegen  die  Chatten  leisteten  die  Cherusker  Beistand,  auch  mit 
den  Semnonen  jenseits  der  Elbe  und  den  Lugiern  (in  Schlesien)  schlössen 
die  Römer  Freundschaft.  Für  die  Donaugrenze  bedeutete  die  Einigung  der 
getischen  oder  dakischen  Stämme  unter  Decebalus,  der  sogar  den  Strom 
überschritt,  eine  ernste  Gefahr.  Der  mösische  Legat  Oppius  Sabinus  wurde 
besiegt  und  fiel,  die  ganze  Provinz  war  bedroht.  Domitian  zog  selbst  ins 
Feld,  aber  sein  Gardepräfekt  Cornelius  Fuscus,  der  über  die  Donau  nach 
Dakien  eindrang,  erlitt  eine  Niederlage,  bei  der  er  selbst  den  Tod  fand,  2) 
Doch  dessen  Nachfolger  Tettius  Julianus  siegte  über  Decebalus.  Nun  aber 
geriet  Domitian  auch  mit  den  Sueben  (Markomannen)  und  Sarmaten  (Jazygen) 
in  Feindschaft;  eine  Legion  wurde  in  Pannonien  vernichtet,  und  weitere 
Unfälle  folgten.  Unter  diesen  Umständen  schloß  Domitian  mit  Decebalus 
Frieden;  er  bewilligte  ihm  Jahresgelder  und  andere  Vergünstigungen  und 
feierte  einen  Triumph  (um  89  n.  Chr.).  3)  Auch  mit  den  Markomannen  scheint 
ein  Friede  zustande  gekommen  zu  sein.  Noch  während  des  dakischen  Krieges 
fiel  in  Obergermanien  der  Statthalter  L.  Antonius  Saturninus  mit  zwei  Legionen 
ab  und  verbündete  sich  mit  germanischen  Völkerschaften.  Aber  seine  Ver- 


')  Frontin  strat.  I  3,  16.    Vgl.  Chambalu,  sein.    C,  Cichorius,    Die   röm.  Deukmäler 

Philologus  N,  F.  I  (47)  571  f.     Ritterling,  in  der  Dobrudscha,  Berlin  1904.    Anders 

Westdeutsche  Zeitschr.  XII  (1893)   263  f.  A.  Fuktwängler,  Abhandl.  der  k.  b.  Akad. 

Korrespondenzblatt  1897  (16)  60  ff.    Neue  i   zu  München,  phil.  Kl.  22  (1903)  455  flf. 

Heidelb.  Jahrb.   X  218.  226.     Limesblatt  |        ^)  Diese  Begebenheiten   und    ihre  Zeit 


1897  nr.  23  S.  617  ff.  Archäolog.  Anzeiger 
1900,  87  ff.  H.  ViEZE,  Domitians  Chatten- 
krieg,  Jahresbericht  der  8.  städt.  Real- 
schule, Berlin  1902. 

'^)  Auf  die  Niederlage  des  Cornelius 
Fuscus  beziehen  sich  wahrscheinlich  die 
Denkmäler  bei  Adamklissi  in  der  Do- 
brudscha, ein  großes  Grabmal  mit  den 
Namen  der  Gefallenen  vind  ein  besonderes 
für  Fuscus.  Adamklissi  würde  also  der 
Ort  der  Niederlage  sein  und  Fuscus  nicht 
nur  einmal,  sondern  zweimal  geschlagen 


sind  nur  ungenügend  bekannt;  vgl.  Tacit. 
Agric.  41,  histor.  I  2.  Sueton  Domit.  6. 
Cass.  Dio  LXVII  6.  Petrus  Patric.  fr.  4. 
JordanisGet.  §76  ff.  Die  ungünstige  Wen- 
dung fällt  ohne  Zweifel  erst  später  als  die 
Rückkehr  Agricolas  nach  Rom  (84  n.  Chr.) 
und  wird  86/87  n.  Chr.  zu  setzen  sein. 
Vgl.  MoMMSEN,  Sitz.-Ber.  d.  Berl.  Akad. 
XXXIX  (1903)  817  und  Ritterling  in  den 
Jahresheftendes  österr, Instituts VII  Bei- 
blatt S.  23. 


332  Römische  Geschichte. 

bündeten  konnten  ihm  keinen  Zuzug  leisten,  da  im  Winter  (88/89  n.  Chr.), 
als  sie  den  /Aigefrorenen  Rliein  überschreiten  wollten,  das  Eis  aufbrach. 
Saturninus  wurde,  wie  es  scheint,  von  den  untergermanischen  Truppen  bald 
überwältigt  und  getötet.')  An  der  Südgrenze  der  Provinz  Afrika  kämpfte 
(yn.  Suellius  Flaccus  gegen  die  Nasamonen  mit  Erfolg  (85  oder  8(>  n.  Chr.). 

Der  Kaiser  hatte  ein  ausgeprägtes  Majestätsbewufstsein  und  ließ  sich 
offiziell  Herrn  und  Gott  {dominum  et  deus)  nennen. 2)  Er  wußte  zu  repräsen- 
tieren und  liebte  kostbare  Spiele  und  Bauten;  auch  der  Sold  der  Truppen 
wurde  erhöht,^)  und  da  die  beabsichtigte  Verringerung  des  Heeres  sich  als 
unzweckmäßig  herausstellte,  so  mußte  die  Steuerschraube  angezogen  werden, 
was  in  einigen  Teilen  des  Reiches  Unruhen  hervorrief.  Sein  geringes  Kriegs- 
gliick  machte  den  Kaiser  eifersüchtig  auf  die  Lorbeeren  seiner  Feldherren; 
er  bangte  um  die  kaiserliche  Autorität  und  zeigte  sehr  unerfreuliche  Charakter- 
eigenschaften. Sein  Mißtrauen  wuchs  nach  der  Empörung  des  Saturninus, 
auf  die  eine  Reihe  von  Untersuchungen  und  Hinrichtungen  folgten.  So  geriet 
Domitian,  besonders  in  seinen  letzten  Jahren  (94 — 96  n.Chr.),  mit  der  Senats- 
opposition in  einen  Kampf,  dem  viele  angesehene  Männer  zum  Opfer  fielen, 
wie  Herennius  Senecio,  Junius  Arulenus  Rusticus  und  der  jüngere  Helvidius 
Priscus.  Damit  im  Zusammenhang  steht  die  erneute  Vertreibung  der  Philo- 
sophen aus  Rom  und  Italien.-*)  Die  eigenen  Verwandten  wurden  nicht  ver- 
schont; seine  Vettern  T.  Flavius  Sabinus  und  Flavius  Clemens  ließ  er  hin- 
richten; der  letztere  wurde  mit  seiner  Gattin  Flavia  Domitilla  der  Hin- 
neigung zum  Christentum  beschuldigt;  Domitilla  ging  in  die  Verbannung.^) 
Aber  mit  dem  Schreckensregiment,  das  er  ausübte,  besiegelte  der  Kaiser 
den  eigenen  Untergang.  Da  selbst  seine  Gemahlin  Domitia^)  und  die  Hof- 
beamten sich  nicht  mehr  sicher  fühlten,  so  reifte  der  Plan  eines  Attentats^. 
Nachdem  man  sich  in  der  Person  des  Konsulars  M.  Cocceius  Nerva  einen 
Nachfolger  gesichert  hatte,  schritt  man  zur  Tat  und  ließ  den  Kaiser  am 
18.  September  96  n.  Chr.   ermorden. 

48.  Nerva,  Traianus,  Hadrianus  und  die  Antonine.  Der  neue  Kaiser 
M.  Cocceius  Nerva  (als  Kaiser  Imperator  Nerva  Caesar  Augustus),  zählte  bereits 
66  Jahre.'')  Seine  Regierung  begann  mit  einigen  unvermeidlichen  Rache- 
akten;^)  Domitians  Andenken  verfiel  durch  die  f/f//«;/((//'o  nteinorioe,  die  der 

• 
')  Ritterling,  De  legionc  Rom.  X  gemina  j  polis  auswandern.  Gellius  N.  A.  XV  11,  4. 
(Diss.  Leipzig  1885)  74  f.  Westdeutsche  !  '•')  Die  Anklage  lautete  auf  Gottlosigkeit 
Zeitschr.  XII  203f.  218f.  Der  Besieger  des  und  Judaismus.  Auch  andere  sind  unter 
Saturninushießwohl  nicht  L.Appius Maxi-  dieser  Beschuldigung  verfolgt  worden. 
musNorbanus(vgl.GR0AG,PW,SupplJ112),  Sueton  Domit.  15.  Cass.  Dio  LXVII  14. 
sondern  Lappius  Maximus.  A.  v.  Doma-  Euseb.  hist.  eccles.  III  18,  4.  Domitilla 
szEwsKi,Sitz.-Ber.  der  Heidelb.  Akad.  1918,  wurde  bekanntlich  als  eine  der  ersten 
6.  Abh.,  7  f.  unterscheidet  ihn  von  dem  christlichen  Märtyrerinnen  verehrt, 
nachmaligen  Prätorianerpräfekten  Demi-  «)  Sie  war  eine  Tochter   des  Domitius 

tians  Norbanus,  mit  dem  ihn  die  Epit.  de       Corbulo. 


Caes.  11, 10  zusammenzuwerfen  scheint 
2)  Vgl.  K.  J.  Neumann,  PW  V  1307  f. 
^)  Nach  dem  Chattenkrieg.  Sueton  Domit. 

12,1. 

••)  Sie  geschah  94/95  n.  Chr.  durch    ein 


GiESEN,  De  imp.  M.  Coccei  Nervae  vita, 
Bonn  1865.  A.  Stein,  PW  IV  133  ff.  Er 
ist  geboren  am  8.  November  30  n.  Chr., 
s.  BoissEVAiN  zu  Cass.  Dio  LXVIII  4, 2  und 
L.  Holzäpfel,  Klio  XVII,  1921,  82  tf. 


Senatskonsult.  Vgl.  Walter  Otto,  Sitz. -Ber.  1  ^)  Vgl.  Plin.  epist.  IX  13,  der  hier  von 
der  Bayer.  Akad.  1919,  10.  Abh.  45  ff.  48. 50.  ,  seiner  Rache  an  Publicius  Certus  berichtet, 
Damals  mußte  Epiktet  von  Rom  nach  Niko-    j    dem  Ankläger  des  Helvidius  Priscus. 


7.  Fünfte  Periode :  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  48.)  333 

Senat  verfügte,  der  Achtung;  aber  allzu  weit  konnte  die  Reaktion  gegen  den 
Vorgänger,  der  unter  den  Prätorianern  viele  Anhänger  gehabt  hatte,  nicht 
getrieben  werden;  es  kam  zu  einer  großen  Meuterei,  und  Nerva  sah  sich  ge- 
zwungen, der  Garde  die  beiden  Hauptanstifter  des  Attentats  auf  Domitian 
preiszugeben.  Um  seine  Stellung  zu  befestigen  und  die  Nachfolge  zu  sichern, 
adoptierte  der  kinderlose  Greis  den  Statthalter  von  Obergermanien,  M.  Ulpius 
Traianus  (97  n.  Chr.).  Eine  bemerkenswerte  Maßnahme  gegen  die  Entvölkerung 
Italiens  traf  Nerva  mit  den  sog.  Alimentationen,  einer  großen  Stiftung,  die  er 
zur  Versorgung  bedürftiger,  kinderreicher  Bürger  mit  Land  und  zum  Unter- 
halt armer  Bürgerkinder  bestimmte.  Die  späteren  Kaiser,  zunächst  Traian, 
aber  auch  Privatleute  haben  diese  soziale  Einrichtung  weiter  ausgebaut.') 
An  der  Grenze  machten  den  Römern  neue  Unruhen  bei  den  Germanen 
am  Niederrhein  zu  schafFen;  von  Pannonien  aus  wurden  die  Sueben  mit 
Glück  bekriegt  (97  n.  Chr.),  und  Nerva  konnte  den  Titel  Germanicus  an- 
nehmen. Er  starb  schon  am  27.  Januar  98  n.  Chr.  und  hinterließ  den  Thron 
seinem  Adoptivsohn  Traianus,  der  aus  Italica  in  Spanien  gebürtig,  sich 
schon  unter  Domitian  als  Heerführer  ausgezeichnet  hatte 2)  und  zum  Re- 
genten väe  geschaffen  war.  Er  nannte  sich  als  Kaiser  Imperator  Caesar 
Nerva  Traianus  Augustus.  In  Köln  trat  er  sein  Herrscheramt  an.  Seine 
erste  Handlung  war  die  Bestrafvmg  der  meuterischen  Prätorianer,  deren 
Rädelsführer  er  nach  Germanien  kommen  ließ.  Zunächst  blieb  er  am  Rhein, 
um  die  Ordnung  der  germanischen  Angelegenheiten  durchzuführen  und  die 
Grenze  zu  schützen.  Die  Colonia  TJlpia  Traiana  (heute  Xanten)  bei  Vetera 
und  Ulpia  Noviomagus  (Nymwegen)  sind  von  ihm  gegründet.  Ferner  hat  er 
die  Erwerbungen  der  Flavier,  die  Taunuslandschaft,  Wetterau  und  Neckar- 
gebiet abgerundet,  militärisch  gesichert  und  durch  Straßenanlagen  erschlossen. 
Er  baute  die  Heerstraße  von  Mainz  nach  Baden  und  verband  die  Donau- 
und  Rheingrenze  unmittelbar  miteinander.^)  Auch  an  der  Donau,  wo  er  den 
Winter  98/99  n.  Chr.  zubrachte,  befestigte  er  die  Grenze,  beendigte  den 
Krieg  gegen  die  Sueben  und  schloß  mit  den  Germanen  Verträge.  Dann 
begab  er  sich  nach  Rom,  wo  er  99  und  100  n,  Chr.  verweilte  und  mit  aller- 
hand Reformen  beschäftigt  war.  Vor  allem  rüstete  er  zu  einem  neuen  Krieg 
gegen  Decebalus;  denn  der  Friede  Domitians  wurde  als  Schmach  empfunden, 
und  bereits  Nerva  scheint  an  einen  Dakerkrieg  gedacht  zu  haben.  Schon 
im  nächsten  Jahr  (101  n.  Chr.)  eröffnete   der  Kaiser   die  Feindseligkeiten. 4) 


1)  Cass.  Dio  LXVIII  2.  Epit.  de  Caes. 
12,  4.  Inschriften  s.  ILS  II  nr.  6278.  6509. 
6675.  Lanckoeonski,  Städte  Pamphyliens 
und  Pisidiens  I  176  f.  Vgl.  Makquardt, 
Staatsverwalt.  II  137;  Hirschfeld,  Die 
kaiserlichen  Verwaltungsbeamten^  212  ff. 


')  Aurel.  Vict.  13,  3,  Mommsen,  Rom. 
Gesch.  V  189.  Ebenso  hat  er  die  links- 
rheinische Heerstraße  von  Mainz  abwärts 
gebaut.  Vgl.  den  in  Koblenz  gefundenen 
Meilenstein  im  Korrespondenzblatt  der 
Westdeutschen  Zeitschr.  18  nr.  4f.  S.  SOflf. 


Mommsen,  Staatsrecht  II  955.    Kubitschek,    I        *)    Die  Dakerkriege    Traians   sind    nur 


PW  I  1485.  B.  Laum,  Stiftungen  in  der 
griech.  u.  röm.  Antike,  Leipzig-Berlin  1914, 
1112  ff. 

2)  Geb.  am  18.  September  58  n.  Chr.  Vgl. 
über   ihn  Dierauer  in  Büdingers  Unter- 


mangelhaft bekannt;  die  Werke,  die  ihn 
erzählten,  darunter  Traians  eigene  Dar- 
stellung (H.  Peter,  Hititoric.  Born,  fragm. 
828),  sind  verloren,  auch  der  Bericht  des 
Cassius  Dio  (Buch  68)  ist  nur  in  Splittern 


Buchungen  II  f.;  Mommsen,  Ges.  Sehr.  IV  erhalten.    Einen  gewissen  Ersatz  für  dies 

366  ff.   passim.     Wichtig    für    seine  Zeit  Versagen  der  literarischen  Überlieferung 

sind  die  Briefe  und  der  Panegyrikus  des  |    bietet  eine  große  bildliche  Darstellung,  die 

jüngeren  Plinius.  \   Reliefs  der  Traianssäule,  die  nach  Fröhner 


;jßj.  Römische  Geschichte. 

üecebalus  war  ein  tapferer  Gegner;  er  hielt  sein  Volk  in  guter  Zucht,  hatte 
von  den  Rihnern  die  Kriegskunst  gelernt  und  fand  bei  den  Nachbarn  und 
selbst  auf  römischem  Gebiet  Helfer.  Docli  dem  methodischen  Angriff  Traians 
vermochte  er  nicht  zu  widerstehen.  Das  Heer  des  Kaisers  drang  in  drei 
Abteilungen  in  sein  Land  ein,  Decebalus  erlag  in  einer  blutigen  Schlacht, 
und  als  im  folgenden  Jahr  (1<)2  n.  Chr.)  die  römischen  Heere  sich  von  allen 
Seiten  der  Hauptstadt  Sarmizeget^ifusa  (Värhely)  näherten,  unterwarf  er  sich. 
Er  mußte  Waffen  und  Kriegsmaschinen  ausliefern,  ebenso  die  ihm  von 
Domitian  gestellten  Handwerker,  einen  Teil  seines  Landes  abtreten  und 
sich  zur  Heeresfolge  verpflichten.  Traian  nahm  den  Namen  Dacicus  an  und 
feierte  einen  Triumph.  Um  den  Übergang  über  die  Donau  zu  sichern,  ließ 
er  bei  dem  heutigen  Turn-Severin  eine  feste  Brücke  bauen.  Decebalus  hielt 
nicht  lange  Frieden;  schon  105  n.Chr.  brach  der  Krieg  wieder- aus,  der  mit 
der  Vernichtung  der  dakischen  Selbständigkeit  endete.  Ein  Teil  des  Volkes 
fügte  sich  den  Römern,  und  die  früher  mit  Decebalus  verbündeten  Nach- 
barn traten  auf  römische  Seite  über.  Traians  Angriff,  der  lOB  n.  Chr.  er- 
folgte, führte  daher  zu  einem  vollkommenen  Sieg.  Die  Hauptstadt  des  Dece- 
balus (nicht  Sarmizegetjl^isa)  wurde  erobert.  Decebalus  nahm  sich  auf  der 
Flucht  das  Leben.  Viele  Daker  wanderten  aus,  viele  wurden  ausgerottet 
oder  weggeführt,  Dakien  zur  Provinz  gemacht  und  mit  Veteranen  und  anderen 
Kolonisten,  vornehmlich  aus  Kleinasien, i)  besiedelt.  Sarmizegetjfusa  wurde 
römische  Kolonie  {colonia  Ulpia  Traiana)^)  Die  Provinz  erhielt  eine  Be- 
satzung. Sie  war  ein  vorgeschobener  Außenposten,  der  vielen  Angriffen  und 
Beunruhigungen  ausgesetzt  war,  aber  die  übrigen  Donauprovinzen,  besonders 
Mösien,  schützte.  Auch  diese  Landschaften,  die  seit  längerer  Zeit  stark  ent- 
völkert waren,  wurden  von  Traian  mit  befestigten  Lagern,  mit  Städten  und 
neuen  Bewohnern  versehen  und  dadurch  bald  ganz  romanisiert.  Pannonien 
wurde  (107  n.  Chr.)  geteilt.  Die  Donaulinie  ist  seit  Traian  bei  weitem  am 
besten  mit  Festungen  und  Besatzungen  ausgestattet,  während  die  Rhein- 
grenze, die  bis  dahin  am  stärksten  besetzt  war,  entlastet  werden  konnte.  3) 
In  ähnlicher  Weise  hat  Traian  in  Afrika  und  im  Orient  die  Grenzen 
befestigt  und  vorgeschoben.  Das  östliche  Pontosufer  Avurde  gesichert,  die 
Iberer  unterworfen  und  auch  die  gelockerte  Oberlierrlichkeit  über  die  Bospo- 
raner  wieder  hergestellt.  Um  die  Zeit  des  zweiten  Dakerkrieges  (106  n.Chr.) 
wurde  das  nabatäische  Königreich,  d.  h.  die  Landschaft  von  Bostra  und  Petra, 
von  A.  Cornelius  Palma  erobert  und  zur  Provinz  Arabia  gemacht. 


C.  CicHOKius  (Die  Reliefs  der  Traianssäule,  n.  Chr.,  dessen  Erklärung  im  übrigen  um- 

2.  u.  3.  Textbd.,  1.  u.  2.  Tafelbd.,    Berlin  stritten  ist.  Vgl.  Tocilesco,  Benndokf  und 

189(1  1900)   hrsg.    und    interpretiert   hat.  Niemann,  Monument  von  Adamklissi.Wien 

Freilich   ist  die  Erklärung  dieses   monu-  1895.    Cichorius,   Die  röm.  Denkmäler  in 

mentalen  Bilderbuches,  wenn  keine  Nach-  der  Dobrudscha,  BerHn  1904,  und  die  dort 

richten  zu  Hilfe  kommen,  sehr  schwierig  zitierte  Literatur.    Oben  S.  331  A.  2. 

und  führt  oft  nur  zu  unsicheren  Ej-geb-  ')  Ein  Kolonist  aus  Mytileue.  IG  XII  2,125. 

nissen.  Die  Meinungen  gehen  daher  stark  ^)  Über  Dakien  vgl.  J.  Jung,  Fasten  der 

auseinander.     Vgl.  E.  Petersen,    Traians  Prov.  Dacien  mit  Beiträgen  zur  römischen 

dakische  Kriege,  Leipzig  1899.  1903.    Ein  Verwaltungsgeschichte,    Innsbruck   1894, 

zweites  Denkmal  hat  sicli  erhalten  in  der  O.  Hirschfelo,  Kl.  Sehr.  744  ff. 

Stadt  Tropaeum  Traiani  beim  heutigen  ^^  js^oya^gi^ui  (j^eufj)  wird  seit  105  n.Chr. 
Adamklissi  in  der  Dobrudscha  mit  dem  ^  als  befestigtes  Lager  aufgegeben.  Nissen, 
dakischen  Siegeszeichen  aus  dem  Jahr  109   |   Bonner  Jahrbücher  111/112  S.  85.  92. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  4y.)  335 

Der  Kaiser  war  in  erster  Linie  Soldat  und  Feldherr;  tiiclitige  Heerführer, 
wie  Lusius  Quietus,  Laberius  Maximus,  Licinius  Sura,  A.  Cornelius  Palma, 
Marcius  Turbo,  standen  ihm  zur  Seite.  Er  besaß  die  allgemeine  Bildung 
seiner  Zeit,^)  war  aber  ohne  tiefere  literarische  Intei'essen.  Dieser  Mann  der 
Tat  war  ein  pflichttreuer  Regent,  der  allen  Zweigen  der  Regierung  seine 
Aufmerksamkeit  schenkte.  Von  dem  sachlichen  Ernst  der  Geschäftsführung 
gibt  die  uns  erhaltene  Korrespondenz  des  Kaisers  mit  seinem  Legaten,  dem 
jüngeren  C  Plinius,  während  dessen  Statthalterschaft  in  Bithynien  (111 — 
113  n.  Chr.)  einen  guten  Begriff.  Seine  kraftvolle  Regierung  hat  einen  Zug 
ins  Große.  Großartig  ist  auch  die  Bautätigkeit,  die  er  in  Rom  wie  in  den 
Provinzen  entfaltete;^)  zum  Schönsten,  was  Rom  besaß,  gehörte  sein  Forum, 
113  n.  Chr.  erbaut,  mit  der  hvmdert  Fuß  hohen  Säule,  auf  welcher  der  Daker- 
krieg  dargestellt  ist.^)  Dem  Senat  begegnete  der  Kaiser  mit  Rücksicht  und 
respektierte  dessen  Rechte,  ohne  seiner  monarchischen  Befugnis  das  Geringste 
zu  vergeben;  er  wurde  mit  dem  Beinamen  Optlinus  ausgezeichnet.'*) 

Gegen  Ende  seiner  Regierung  (114  n.  Chr.)  brach  ein  Krieg  mit  den 
Parthern  aus,  als  der  Partherkönig  Osroes  eigenmächtig  seinen  Brudersohn 
zum  König  in  Armenien  einsetzte.  Traian  ergriff  den  Anlaß  und  erklärte 
den  Krieg;  er  hofftie,  die  Parther  jetzt  demütigen  zu  können,  zumal  da  sie 
durch  innere  Wirren  geschwächt  waren.  Mit  Unterstützung  der  Kaukasos- 
völker  unterwarfen  die  römischen  Heere  114  n.  Chr.  Armenien  und  Teile 
Mesopotamiens.  Als  der  Kaiser  eintraf,  fand  er  hier  nicht  mehr  viel  zu  tun. 
Er  wandte  sich  115  n.  Chr.  gegen  Osroes  selbst,  der  dem  überlegenen  Angriff 
nur  schwachen  Widerstand  entgegensetzen  konnte.  Den  Winter  115/16  n.Chr. 
brachte  der  Kaiser  in  Antiochien  zu,  das  um  jene  Zeit  (13,  Dezember  115 
n.  Chr.)  von  einem  Erdbeben  heimgesucht  wurde. 0)  116  n.  Chr.  ging  der 
Kaiser  über  den  Tigris,  eroberte  Adiabene  und  Babylonien,  besetzte  Ktesi- 
phon,  wo  er  seinen  Thronkandidaten  Parthamaspates  mit  dem  parthischen 
Diadem  schmückte,  und  drang  bis  an  den  Persischen  Meerbusen  vor.  Die 
Landschaft  Mesene  mit  Spasinu  Charax  fiel  in  seine  Gewalt;  er  dachte  schon 
an  einen  Zug  nach  Indien;  Mesopotamien  und  Assyrien  wurden  römische 
Provinzen.  Aber  Traian  konnte  seine  Erwerbungen  nicht  behaupten;  in 
Mesopotamien  entstand  eine  Empörung,  die  ihn  zur  Umkehr  nötigte.  Die 
Empörer  wurden  zwar  besiegt;  aber  Hatra  wurde  von  Traian  vergeblich 
belagert,  und  der  vertriebene  Osroes  gewann  in  seinem  Stammland  wieder 
Boden.  Als  kranker  Mann  kehrte  der  Kaiser  nach  Antiochien  zurück.  Gleich- 
zeitig  war  (115  n.  Chr.)    ein    blutiger  Aufstand    der  Juden    in   Kyrene   los- 

*)  Er  hat  die  Geschichte  seines  Dakar-      der  Senat  den  Kaisern  den  Wunsch  zu- 
krieges  selbst  geschrieben.  j   zurufen   'felicior  Augnsto,   melior  Traiano', 

2)  Sein  Baumeister  war  Apollodoros  von       Eutrop  VIII  5,  3. 
Damaskos.  Vgl.  Fabricius,PW  12896.  Vgl. 
über  Traians  Bautätigkeit  PausaniasV  12,6. 

^)  Auch  die  schönen  Bauten  vonThamu- 
gadi  (Timgad)  in  Afrika  rühren  von  Traian 
her.  Ballu,  Ruines  de  Ti)ngad.  2  voll.  Paris 
1897.  1903. 

••)  Zwischen  dem  10.  Dezember  113  und 
dem  1.  September  114  n.  Chr.  Mommsen, 
CIL  III  7086.  Vgl. W.Weber  a.  S. 336  A.  2 
a.  O.  7.    Noch  im  4.  Jahrh.  n.  Chr.  pflegte 


^)  A.  V.  DoMASZEwsKi,  Abhandlungen  zur 
römischen  Religion  40  ff.  vermutet,  das 
Erdbeben  habe  schon  im  Winter  114,15 
n.Chr.  stattgefunden.  Überhaupt  ist  Über- 
lieferung und  Chronologie  des  traianischen 
Partherkrieges  vielfach  unsicher.  Vgl. 
DiEEAUER  a.  a.  O.  I  167.  A.  v.  Gütschmid, 
Geschichte  Irans  140  ff.  Boissevain  zu 
Cassius  Dio  vol.  III  p.  209. 


ßß(5  Römische  Geschichte. 

ge))roclien,  der  sich  ü])er  Ägypten  und  Kypros')  ausdehnte  und  nur  mit 
einoni  Aufgebot  gröfserer  Streitkräfte  unterdrückt  werden  konnte.  Auch  die 
Juden  in  Mesopotamien  nahmen  an  (heser  i]mi)örung  teil.  Traian  selbst 
wurde  auf  der  Reise  nach  Rom  in  Selinus  an  der  kihkischen  Küste  vom 
Tod  ereilt,  August  117  n.  Chr. 

Ihm  folgte  sein  Verwandter  und  Landsmann  P.  Aelius  Hadrianus  (Im- 
perator Caesar  Traiamis  Hadrianus  Augustus),^)  dem  Traian  das  Kommando 
der  syrischen  Legionen  anvertraut  hatte.  Ob  der  todkranke  Traian  den  von 
ihm  bisher  nicht  besonders  bevorzugten  Hadrian  zuletzt  noch  adoptiert  und 
dadurch  zur  Thronfolge  bestimmt  habe,  oder  ob  die  Adoption  lediglich  von 
Plotina,  der  Gemahlin  Traians,  vorgetäuscht  sei,  ist  eine  alte,  angesichts 
des  Widerspruchs  der  Zeugnisse  unlösbare  Streitfrage.  3)  Die  erste  Handlung 
Hadrians  galt  der  Beendigung  des  Partherkriegs.  Fast  alle  Eroberungen 
wurden  zurückgegeben  «nd  der  status  quo  ante  im  wesentlichen  wieder  her- 
gestellt; Armenien  wurde  römischer  Klientelstaat  unter  einem  arsakidischen 
Herrscher.  Das  Reich  brauchte  den  Frieden;  es  ist  wohl  kein  Zweifel,  daß 
Traians  kriegerische  Expansionspolitik  über  die  Ki-äfte  des  Staates  ging.  Auch 
auf  anderen  Gebieten  mußte  erst  Ruhe  geschaffen  werden.  Der  Aufstand 
der  Juden  war  noch  nicht  niedergeworfen,  die  Mauren  empörten  sich,  und 
in  Dakien,  an  der  Donau  und  in  Britannien  kam  es  zu  Zwischenfällen  an 
der  Grenze.  Der  neue  Kaiser  begab  sich  von  Antiochien,  wo  er  die  Re- 
gierung am  11.  August  117  n.  Chr.  angetreten  hatte,  zunächst  nach  Mösien 
und  Dakien,  befestigte  die  Grenze,*)  beruhigte  die  Nachbarn  und  erschien 
dann  118  n.  Chr.  in  Rom,  wo  ein  Anschlag  gegen  sein  Leben,  an  dessen 
Spitze  Nigrinus  und  andere  vornehme  Männer  standen,  noch  vor  seiner  An- 
kunft entdeckt  und  vom  Senat  geahndet  worden  w^ar.^)  Hadrian  hatte  näm- 
lich unter  den  einstigen  Gehilfen  Traians  manche  Feinde,  und  seine  Nach- 
folge wurde  vielfach  ungern  gesehen.  Der  neue  Kaiser  führte  sich  mit 
Akten  der  Milde  ein,  namentlich  mit  einem  großen  Nachlaß  rückständiger 

•)  Siehe   U.  Wilcken,    Hermes   XXVII  |  Laufbahn  bei  Dessau,  ILS  I  nr.  308.  Vgl. 

(1892)  464  flf.,  MiTTEis-WiLCKEN,  Grundzüge  j  PIRIlOf.  A.  v.  Domaszewski,  Jahreshefte 

und  Chrestomathie   der  Papyruskunde  I  '  desösterr.  Instituts  II  (1899)  178.  E.  Groag, 

1,64  f.  12,  27  ff.  I  Mitteil,  des  deutscheu  archäol.  Instituts 

■')  F.  v.Gregokovius,  Der  Kaiser  Hadrian,  |  in  Rom  XIV  (1899)  268. 

3.  Aufl.,  Stuttgart  1884.    Otto  Th.  Schulz,  I        *)  Von  Hadrian  rührt  die  Befestigung 

Leben  des  Kaisers  Hadrian,  Leijjzig  1904.  j  der  Alutalinie  im  heutigen  Rumänien  her, 


E.  Kornemann,  Hadrian  und  der  letzte 
große  Historiker  von  Rom,  Leipzig  1905. 
W.  Weber,  Untersuchungen  zur  Gesch. 
des  Kaisers  Hadrianus,  Leipzig  1907. 

2)  Hadrian  war  in  Italica  am  24.  Januar 
76  n.  Chr.  geboren.  Er  war  Traians  Mündel 


Gr.  G.  Tocilesco,  Fouüles  et  recherches  ar- 
cheologiques  en  Boumauie,  Bukarest  1900.. 

'")  Die  Verschworenen  beabsichtigten, 
wie  es  heißt,  den  Kaiser  beim  Opfer  oder 
auf  der  Jagd  umzubringen.  Ihr  Haupt  war 
Nigrinus  (vermutlich  C.  Avidius  Nigrinus, 


gewesen;  seine  Gattin  Sabina  war  die  vgl.  PIR 1 188  f.) ;  er  und  andere  Mitwisser, 
Enkelin  der  Marciana,  einer  Schwester  wie  Cornelius  Palma,  Publilius  Celsus  und 
Traians.  Es  gab  eine  beachtenswerte  Tra-  Lusius  Quietus,  wurden  auf  Befehl  des 
dition,  der  zufolge  die  Adoption  Hadrians  Senats  hingerichtet,  wie  Hadrian  behaup- 
nicht  mehr  von  Traian  vorgenommen,  tete,  ohne  sein  Wissen.  Vita  Hadr.  7.  Nach 
sondern  von  Plotina  gefälscht  sei,  die  den  Cass.  Dio  LXIX  2,  5  f.  Avar  die  Verschwö- 
Tod  des  kaiserlichen  Gemahls  einige  Tage  rung  nur  ein  Vorwand  für  die  Beseitigung 
verheimlicht  habe.  Vgl.  Cass,  Dio  iLXIX  1.  der  dem  neu(Mi  Kaiser  unbequemen  Män- 
W.  Weber  a.  a.  O.  87  ff.  Über  die  Rechts-  ner.  Vgl.  A.  v.  Premerstein,  Das  Attentat 
frage  bei  der  Adoption  vgl.  St.  Brassloff,  der  Konsulare  auf  Hadrian,  Klio  8.  Bei- 
Hermes 49,  1914,  590  ff.    Hadrians  frühere  heft  1908. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§48.)  337 

Steuern  für  Italien  und  in  geringerem  Umfang  für  die  Provinzen.  In  be- 
wußtem Gegensatz  zu  seinem  kriegerischen  Vorgänger  wollte  er  ein  Friede- 
fürst heißen.  Unter  Verzicht  auf  jede  Vez'größerung  des  Reiches,  die  bei 
dem  Stand  der  Finanzen  und  des  Heerwesens  bedenklich  erschien,  begnügte 
er  sich  mit  der  Defensive,  mit  dem  Schutz  der  Grenze;  Gi*enzkriege  wurden 
unter  ihm  z.  B.  in  Dakien  und  Britannien  geführt.  Mit  großem  Eifer  be- 
handelte er  die  Verwaltung;  auf  diesem  Gebiet  hat  er  und  zwar  besonders 
im  Finanzwesen  neue  Wege  gewiesen.  Unermüdlich  bereiste  er  alle  Pro- 
vinzen des  Reiches,  um  Land  und  Leute  aus  eigener  Anschauung  kennen 
zu  lernen  und  selbst  nach  dem  Rechten  zu  sehen.  ^)  Nach  der  Durchführung 
einer  zweckmäßigen  Heeresreform  wurde  von  Hadrian  die  erste  große  Reise 
angetreten,  die  von  121 — 125  n.  Chr.  währte.  Sie  führte  ihn  über  Gallien 
an  die  germanische  Grenze,  wo  er  die  Sicherung  der  rechtsrheinischen  Be- 
sitzungen durch  einen  Palisaden  wall  (limes)  in  der  Hauptsache  vollendet  zu 
haben  scheint, 2)  dann  weiter  nach  Britannien;  dort  ließ  er  zum  Schutz  gegen 
die  Kaledonier  eine  Grenzmauer  vom  Busen  von  Solway  bis  zur  Mündung 
des  Tyne  qvier  über  die  ganze  Insel  ziehen.^)  Über  Gallien  und  Spanien 
begab  er  sich  dann  nach  Afrika;  in  der  Kyrenaika  gründete  er  Kolonien, 
er  besuchte  ferner  Vorderasien  und  die  Balkanhalbinsel,  besonders  Griechen- 
land, wo  er  124  n.  Chr.  eintraf.  Seine  Lieblingsstadt  war  Athen,  wo  er  schon 
im  Jahr  112  n.  Chr.  Archen  gewesen  war;  als  Kaiser  hat  er  die  alte  Theseus- 
stadt  Athen  durch  die  neue  Hadriansstadt  erweitert;^)  auch  Delphi  und 
andere  Heiligtümer,  sowie  die  verarmten  und  verödeten  Städte  des  Pelo- 
ponnes  hatten  sich  seiner  Fürsorge  zu  erfreuen.^)  Über  Sizilien  kehrte  er 
im  Lauf  des  Jahres  125  n.  Chr.  nach  Rom  zurück.  128  n.  Chr.  war  er  aufs 
neue  in  Afrika  und  inspizierte  die  Provinz  und  die  Truppenlager,*')  128  n.Chr. 
trat  er  eine  zweite  Reise  in  den  Orient  an,  über  Griechenland  —  den  Winter 
verbrachte  er  in  Athen  —  nach  Kleinasien,  Syrien  und  Ägypten.  An  Stelle 
Jerusalems  gründete  er  die  Kolonie  Aelia  Capitolina,  worüber  es  noch 
während  seiner  Anwesenheit  im  Osten  zu  dem  letzten  großen  Aufstand  der 
Juden  unter  Simon  (Barkochba),  dem  König,  und  Eleazar,  dem  Hohen- 
priester, kam  (132 — 134  n.  Chr.).  Jerusalem  wurde  von  den  Aufständischen 
besetzt  und  mußte  wieder  erobert  werden.  Erst  nach  schweren  Kämpfen 
konnte  die  Empörung  niedergeworfen  und  Aelia  neu  gegründet  werden.'^) 
Seine  Herrscherpflichten  hat  der  kosmopolitisch  angehauchte  Kaiser  in  rast- 

')  J.  DüKK,  Die  Reisen  des  Kaisers  Ha-  j    1839  ff.  Den  Korinthern  hat  er  ein  Bad  und 

drian,    Wien  1881.    und    das    S.  336   A.  2  |    eine  Wasserleitung   gestiftet.    Pausan.  II 

zitierte  Buch   Webers.  \   3,5;  VIII  22,  3.    Auch  S^iarta  hat  er  be- 

'^)Hadr.l2,6.  InschriftlicheBelegeseiner  j    sucht  CIG  I  1348,  vgl.  1346.    Auch  sonst 

Anwesenheit  und  Tätigkeit  in  Germanien:  |    gibt  es  zalilreiche  inschriftliche  Zeugnisse, 

Korresp.-Bl.  d.Westd.  Ztschr.  15  (1896)  196;  z.  B.  IG  IV 1406.  1051  f.,  die  von  Weber  a. 

19(1900)33.  Limesl)lattl896  nr.20S.549f.  j    S.  336  A.  2  a.  0.  verwertet  sind. 

^)  Von  ihm  rührt  die  Brücke  über  den  **)  Er  war  im  Legionslager  zu  Lambaesis; 

Tyne  her,  der  Poxs  Aelins,  an  der  Stätte  vonderdortanil.Julil28n.Chr.gehaltenen 

des  heutigen  Newcastle.  I    „Man<)verkritik"sindgror3eResteiiTschrift- 

■*)  C.  Wachsmuth,   Die  Stadt  Athen  im  lieh  erhalten.  Vgl.CANTARELLi(<S'^«rf/e(iorH- 

Alterthum  I  686.  |    nienfi  rli  sfoiu'a  e  diriffo,  vol.  19,  Roma  1898). 

'•')  In  Delphi    war  er  zweimal  Archon.  CIL  VIII  suppl.  18042.    Heron  de  Ville- 

richtete  auch  die  Amphiktionie  neu  ein.  1    fosse,  in  der  Festschrift  zu  0.  Hirschfelds 

Bidl. de (■orresp.hen>'n.XX722  ff.  iJber seine  60.  Geburtstag,  1903,  192  ff. 

Anwesenheit   in  Thespiae   IG  VII  1828.  |       ')  Schürer,  Gesch.  d.jüd.VolkesI^  562  ff. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.  III,  5.  5.  Aufl.  22 


338  Römische  Geschichte. 

loser  Tätigkeit  vorbildlich  erfüllt,  wenngleich  dieser  antike  Typus  der  „Reiz- 
samkeit"  nicht  frei  war  von  selbstherrlichen  Anwandlungen.  Dem  Senat 
gegenüber  hielt  er  sich  mit  wenig  Ausnahmen  in  den  von  Traian  vor- 
gezeichneten Bahnen  der  gesetzmäfäigen  Monarchie.  Wie  sein  Vorgänger  hat 
er  in  Rom  und  anderswo  viel  gebaut  und  restauriert.')  Der  Philhellene 
Hadrian,  der  erste  Kaiser  mit  dem  griechischen  Philosoi^henbart,  hatte  Sinn 
für  Literatur,  Kunst  und  antiquarische  Studien,  und  widmete  den  großen 
Männern  der  klassischen  Vergangenheit  eine  aufrichtige  Verehrung,  ^j  Den 
Geschmack  der  Zeitgenossen  hat  der  an  Widersprüchen  reiche  Kaiser  mit 
seinen  barocken  Launen  nachhaltig  beeinflußt;  er  hat  der  archaistischen 
Richtung  zum  Sieg  verholfen.  Gelehrte  und  Literaten  von  Ruf  befanden 
sich  in  seiner  Umgebung;  er  hat  sich  auch  selbst  literarisch  betätigt.^) 

Hadrian  hatte  keine  Kinder.  Als  ihn  eine  unheilbare  Krankheit  befiel, 
nahm  er,  um  die  Nachfolge  zu  sichern  (136  n.  Chr.),  den  L.  Ceionius  Com- 
modus  unter  dem  Namen  L.  Aelius  Caesar  an  Sohnes  Statt  an,  und  zog 
sich  bald  in  seinen  prächtigen  Landsitz  bei  Tibur  zurück.  Aber  der  prä- 
sumptive  Thronerbe  starb  vor  ihm,  woi-auf  der  Kaiser  den  T.  Aurelius  Anto- 
ninus  durch  Adoption  zum  Nachfolger  erkor;  der  Thronanwärter  mußte  in 
Ermanglung  eigener  Söhne,  um  die  Nachfolge  weiter  zu  sichern,  seinerseits 
gleichzeitig  den  M.  AnniusVerus  und  den  hinterlassenen  Sohn  des  Ceionius 
Commodus,  L. Aelius Verus  adoptieren  (Februar  138  n.Chr.).  Wenige  Monate 
später  erlöste  der  Tod  den  Hadrian  von  qualvollem  Siechtum  (10.  Juli  138 
n.  Chr.)  in  Bajae,  und  T.  Aurelius  Antoninus  (nach  der  Thronbesteigung  Imp. 
T.  Aelius  Caesar  Hadrianus  Antoninus  Augustus  Pius  genannt)  übernahm  die 
Regierung.  Er  hielt,  obwohl  von  anderer  Wesensart  als  sein  Vorgänger,  doch 
unentwegt  an  dessen  friedlicher  Politik  fest.^)  Gegen  aufständische  Unter- 
tanen und  unruhige  Grenzvölker  hat  er  Kriege  geführt,  in  Britannien  durch 
Q.  Lollius  Urbicus  gegen  die  nördlichen  Nachbarn  (142  n.  Chr.) ;  er  ließ  nörd- 
lich vom  hadrianischen  Grenzwall  einen  neuen  zwischen  Clota  und  Bodotria 
(Clyde  und  Firth  of  Forth)  errichten.  In  Mauretanien  machte  (etwa  zwischen 
144  und  149  n.Chr.)  ein  größerer  Aufstand  ernstliche  Kämpfe  nötig,  in  dessen 
Verlauf  die  kaiserlichen  Heere  tief  in  das  Atlasgebiet  eindrangen.  An  der 
unteren  Donau  von  Mösien  aus  war  Olbia  am  Borysthenes  gegen  Skythen- 
angriffe  zu  schützen;  die  Alanen  wurden  in  die  Schranken  gewiesen;  ein 
Aufstand    der  Juden   und  eine  Empörung  in  Achaia  und  Ägypten  werden 


1)  Das  Pantheon  in  Rom  hat  seine  heu-    ;    archäol.  Instituts,  3.  Erg.bd.),  Berlin  18i>5. 


tige  Gestalt  unter  ihm  erhalten. 

'^)  Wie  er  z.  B.  auf  das  Grab  des  Alki- 
biades  in  Melissa  in  Phrygien  ein  Denk- 


*)  Vgl.  SiEVERS.  Studien  zur  Gesch.  der 
röm.  Kaiser  173  ff. ;  Bossakt  und  Müller 
in  BüDiNGERS  Untersuchungen  11  290  flf.; 


mal  setzte,  oder  die  Stätte,  von  der  aus  G.  Lacour-Gayet,    Äntonin   le  pieux  et  son 

einst    die    Zehntausend    Xenophons    bei  temps,  Paris  1888.   E.  C.  Bryant,  The  reü/n 

Trapezunt    das    rettende    Meer    begrüßt  !    of  Anfoiiimis Pius.  Cambridge  hisiorical  esfai/s 

hatten,  durch  Altäre  weihte.  Athen.  XIII  VIII.    P.  v.  Rohden,  PW  II  2493  ff.    Wir 

574  f.    Arrian.  peripl.  Pont.  Eux.  1.  j    sind  über  seine  Zeit  nur  mangelhaft  unter- 

^)  Vgl.  die  o.S.  337  A.  6  angeführte  Schrift  j   richtet,    da    uns    auch   die    Auszüge    aus 

von  Cantarelli.    Die  Ruinen  seiner  Villa  !    Cassius  Dio    im   Stich   lassen.    Denn   die 

zu  Tibur  (Tivoli)  lassen  noch  heute  den  j    Regierung  des  Antoninus  Pius  war  in  dem 

barocken  Geschmack  des  kaiserlichen  Bau-  von  Xiphilinos   benutzten  Exemplar  des 

herrn  erkennen.    Vgl.  H.  Winnefeld,  Die  j    Cassius  Dio  ausgefallen.  Oben  S.  279  A.  5. 
Villa  des  Hadrian    bei  Tivoli  (Jahrb.  des 


7,  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§48.)  339 

erwähnt.  Die  Hauptsorge  des  Antoninus  Pius  galt  der  Verwaltung;  bei  aller 
Sparsamkeit  hat  er  doch  nicht  gekargt;  den  Lehrern  der  Redekunst  und 
Philosophie  in  den  Provinzen  setzte  er  Gehälter  aus;  in  Rom,  Italien  und 
den  Provinzen  hat  er  viel  gebaut  und  gestiftet,')  bei  öffentlichen  Unglücks- 
fällen die  Not  der  Gemeinden  gelindert.  Streng  sah  er  auf  eine  gereclite 
Justiz;  bewährte  Beamte  pflegte  er  lange  in  ihrer  Stellung  zu  belassen. 
Seine  Redlichkeit,  Milde  und  Pflichttreue  verschafften  ihm  das  Vertrauen 
der  Untertanen,  und  er  Avufete  seine  selbst  bei  fremden  Völkern  wirksame 
Autorität  und  den  Bestand  des  Reichs  zu  wahren.  So  soll  er  den  Parther- 
könig Vologases  III  lediglich  durch  Briefe  von  der  Eroberung  Armeniens 
abgehalten  haben.-)  Anders  als  Hadrian,  hat  Antoninus  Pius  während  seiner 
Regierungszeit  Italien  nie  verlassen;  am  7.  März  161  n.Chr.  verschied  er  eines 
sanften  Todes  avif  seinem  Landgut  Lorium  bei  Rom.  Das  Reich  hinterließ  er 
seinem  Adoptivsohn  M.  Aurelius  Antoninus.^)  Dieser  erhob  sogleich  seinen 
Adoptivbruder  L.  Aurelius  Verus*)  zum  Augustus  und  gab  damit  das  erste 
Beispiel  einer  gemeinsamen  Herrschaft  („Samtherrschaft",  wie  Mommsen 
sagt) ;  aber  das  Verantwortungsgefühl  des  echten  Herrschers  konnte  M.  Aure- 
lius seinem  leichtlebigen  Mitkaiser  nicht  einimpfen  und  so  hat  er  kraft  seines 
moralischen  Übergewichts  den  Kurs  der  Regierung  allein  bestimmt:  wie  sein 
Vorgänger,  aber  im  Unterschied  zu  dem  Adoptivbruder,  hat  M.  Aurel  seine 
Pflichten  ernst  genommen;  seiner  philosophisch  vertieften  Lebensanschauung, 
von  der  das  unvergängliche  Büchlein  „Selbstgespräche"  [tä  eig  eavrov)  des 
kaiserlichen  Autors  Zeugnis  ablegt,  ist  er  auf  dem  Thron  treu  geblieben. 
Dem  Senat  brachte  er  wie  Antoninus  Pius  stets  die  größte  Rücksicht  entgegen. 
Man  pflegt  die  Zeit  von  Nerva  bis  M.  Aurel  als  die  glücklichste  Epoche 
des  römischen  Reichs  zu  betrachten,  vor  allem  die  Regierung  Traians,  unter 
der  ein  Tacitus  sein  schriftstellerisches  Genie  ungehemmt  entfalten  konnte 
und  die  der  Panegyrikus  des  jüngeren  Plinius  verherrlicht.  Diese  Auf- 
fassung ist  berechtigt  vom  Gesichtswinkel  des  Senats  aus,  der  von  einem 
schweren  Druck  aufatmete.  Denn  die  Kaiser  seit  Nerva  respektierten  den 
Senat  und  ließen  das  Vorrecht  des  Senators,  nur  vor  das  eigene  Pairsgericht, 
nicht  vor  das  Gericht  des  Kaisers  gezogen  zu  werden,  unangetastet.  Aber 
andererseits  zeigen  sich  gerade  unter  Nerva  und  seinen  Nachfolgern  die  ersten 
deutlichen  Symptome  des  Verfalls:  zunächst  in  Italien  die  Verarmung  des 
Volkes,  die  zu  dem  Alimentationensystem  Nervas  und  Traians  den  leidigen 
Anlaß  bot  (oben  S.  333).  Über  die  Höhe  des  Steuerdrucks  war  im  ganzen 
Reich  schon  früher  geklagt  worden.  Ein  bedenkliches  Zeichen  ist  der  große 
Steuernachlaß  Hadrians  (oben  S.  336  f.),  den  Antoninus  Pius  und  M.  Aurel °) 


')  Er  baute  in  Eom  z.  B.  das  Grabmal  und  (138  n.  Chr.)  den  Namen  M.  Aelius  Aurelius 

den  Tempel  Hadrians.    Vita  Anton.  Pii  8.  Verus  Caesar. 

-)  Vita  Anton.  Pii  9,  6.   Daß  Antoninus  ■*)  Er  war,  wie  oben  erwähnt,  Solm  des 

Pius    nach   Syrien    reiste    und    mit   dem  von  Hadrian  adoptierten  L.CeioniusCom- 

Partherkönig  eine  Zusammenkunft  hatte,  modus  und  führte  nach  seiner  Adoption 

wie  (nach  dem  Vorgang  von  Waddington  durch  Antoninus  Pius  den  Namen  L.  Aelius 

und  A.  V.  Gütschmid)  auch  Niese  noch  an-  Aurelius  Commodus. 

nahm,  ist  unwahrscheinlich.  Vgl.  P.  v.  Roh-  ^)  Über  M.  Aureis  Steuernachlässe  vgl. 

DEN,  PW  II  2508.  die  spanische  Inschrift  Ephemeris  epigr. 

^)   Ursprünglich    M.  Annius  Verus   ge-  VII  385  f.  aus  dem  J.  176,77  n.Chr. 
nannt,    führte    er   nach    seiner  Adoption 


340  Römische  Geschichte. 

wiederholten.  Finanzielle  Schwierigkeiten,  die  durcli  die  Art  der  Steuer- 
erhebung vermehrt  wurden,  versetzten  auch  der  Selbstverwaltung  der  Ge- 
meinden den  Todesstoß,  in  Italien  wie  in  den  Provinzen.  Die  Kaiser  hatten 
den  guten  Willen,  zu  helfen,  konnten  aber  nicht  viel  ausrichten.  Schon 
begannen  die  Bürger,  sich  den  lästigen  und  kostspieligen  Gemeindeämtern 
nach  Möglichkeit  7a\  entziehen.  Sehr  drückend  war  für  viele  Provinzen  die 
Aushebung;  Feuersbrünste  und  Erdbebenkatastrophen  verschlimmerten  die 
Lage  der  Gemeinden.  In  Literatur  und  Kunst  meldet  sich  die  allmähliche 
Erschlaffung.  Die  schöpferisclie  Kraft  droht  zu  versiegen;  an  geistloser  Nach- 
ahmung und  gekünsteltem  Archaismus  findet  die  griechische,  besonders  aber 
die  immer  tiefer  sinkende  lateinische  Literatur  ihr  Genüge.  Die  griechischen 
Klassizisten,  die  auf  lange  hinaus  den  Ton  angaben,  hatten  immerhin  noch 
beachtenswerte  Leistvmgen  aufzuweisen ;  einem  Herodes  Atticus,  Aristeides, 
Arrianos,  Appianos,  Lukianos  und  Pausanias  konnte  die  lateinische  Prosa 
keine  ebenbürtigen  Vertreter  gegenüberstellen.  Ein  unselbständiger  Klassi- 
zismus wurde  auch  in  der  bildenden  Kunst  Mode. 

Die  ungestörte  Ruhe  des  Reiches  während  der  quietistischen  Herrschaft 
des  Antoninus  Pius  war  nur  die  Stille  vor  dem  Sturm,  der  unter  M.  Aurel 
losbrach.  Schon  im  zweiten  Jahr  seiner  Regierung  fielen  die  Chatten  ins 
benachbarte  römische  Gebiet  ein,  auch  in  Britannien  entstanden  Unruhen. 
Und  schon  war  auch  das  parthische  Gewitter,  das  sich  in  dem  armenischen 
Wetterwinkel  längst  zusammengezogen  hatte,  zur  Entladung  gekommen. 
Der  Legat  von  Kappadokien,  P.  Aelius  Severianus  Maximus,  erlitt  in  Ar- 
menien eine  Niederlage  von  den  Parthern,  die  darauf  in  Syrien  einfielen, 
wo  sie  einen  zweiten  Erfolg  errangen.  Der  Kaiser  L.  Verus  ging  nun  (162 
n.Chr.)  mit  frischen  Truppen  nach  dem  Kriegsschauplatz  ab,')  überließ  aber 
das  tatsächliche  Kommando  seinen  Legaten,  unter  denen  Avidius  Cassius 
hervorragte.  Es  gelang  163  n.  Chr.  Armenien  zu  erobern  und  die  Parther 
aus  Syrien  zu  verdrängen;  der  Eviphrat  und  später  auch  der  Tigris  wurden 
überschritten,  Seleukeia  und  Ktesiphon  genommen  (165  n.  Chr.).  Doch  auf 
dem  Rückzug  dezimierten  Hunger  und  Pest  das  römische  Heer.  So  ent- 
schloß man  sich  zum  Frieden,  in  dem  Armenien  behauptet  und  die  nächst- 
gelegenen Landschaften  am  linken  Euphratufer,  Osroene  und  Carrhae,  ge- 
wonnen wurden.  Beide  Kaiser  feierten  166  n.  Chr.  einen  Triumph.  Aber 
die  heimkehrenden  römischen  Truppen  schleppten  die  Pest  ein,  die  dann 
durch  das  ganze  Reich  ihren  mörderischen  Siegeszug  antrat.  Inzwischen 
war  an  der  Donaugrenze  ein  gefährlicher  Krieg  ausgebrochen.  Lange  Zeit 
hatte  dort,  seitdem  Traian  und  Hadrian  die  Grenze  befestigt  hatten,  mit 
wenigen  Ausnahmen  Ruhe  und  friedlicher  Verkehr  geherrscht;  die  Ursachen 
des  überraschenden  Umschwungs  lassen  sich  nur  vermuten.  Es  haben  sich 
wahrscheinlich  nach  dem  Tod  des  Pius  jenseits  der  Grenze  bedeutendere 
Wanderungen  und  Verschiebungen  der  Völker  vollzogen,  in  deren  Aus- 
wirkung jetzt  in  Noricum  und  Pannonien  ein  schwerer  Krieg  entstand,  unter 
dessen  Druck  der  Friede  mit  den  Parthern  beschleunigt  werden  mußte. 
Der  Krieg   ging   von   den  Markomannen,   Quaden    und  Sarmaten  (Jazygen) 


')  Vgl.  dazu  Ritterling.  Rhein.  Mus.  LIX  (1904)  186  f. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§48.)  341 

aus,  aber  auch  andere  Stämme,  wie  die  Hermunduren,  Vandalen  und  Lango- 
barden beteiligten  sich  zeitweise,  und  die  benachbarten  Provinzen,  vornehm- 
hch  Dakien,  wurden  in  Mitleidenschaft  gezogen.  *)  Solange  Rom  noch  mit 
den  Parthern  zu  tun  hatte,  konnte  an  eine  energische  Kriegführung  nicht 
gedacht  werden,  so  daß  die  Barbaren  Gelegenheit  hatten,  einen  verheerenden 
Einfall  ins  Reich  zu  unternehmen.  Die  Landschaften  am  oberen  und  mitt- 
leren Lauf  der  Donau  wurden  bis  nach  Italien  hinein  überrannt  und  Tau- 
sende von  Gefangenen  hinweggeführt  (167  n.  Chr.).  Der  schlechte  Stand 
der  Finanzen  und  die  Folgen  der  Pestepidemie  erschwerten  die  Verstärkung 
der  Heere.  Beide  Kaiser  gingen  (168  n.  Chr.)  zum  Krieg  an  die  Donau  ab; 
während  desselben  starb  L.  Verus  in  Altinum  (169  n.  Chr.).  Erst  nach  langen, 
wechselvollen  Kämpfen  —  es  kam  sogar  zu  neuen  Einfällen  der  Barbaren 
nach  Italien  —  glückte  es  dem  Kaiser  M.  Aurel  durch  zielbewußte  Ausdauer 
erst  die  Markomannen  (172  n.  Chr.),  dann  die  Quaden  und  Sarmaten  (175 
n.  Chr.)  zur  Unterwerfung  zu  bringen,  ihnen  einen  Grenzstreifen  abzunehmen 
und  die  Stellung  von  Truppen  zu  erzwingen.  2)  Gefangene  Germanen  wurden 
auf  römischem  Gebiet  zwangsweise  angesiedelt  und  zu  Ackerbau  und  Kriegs- 
pflicht genötigt.  Die  Überwältigung  der  Donauvölker  war  um  so  schwieriger, 
als  es  gleichzeitig  an  anderen  Stellen  des  Reichs  zu  kämpfen  gab.  Die 
maurischen  Stämme  erhoben  sich  aufs  neue  und  plünderten  die  spanischen 
Küstenlandschaften,  in  Gallien  entstand  eine  Empörung;  besonders  gefähr- 
lich war  in  Ägypten  der  nationale  Aufstand  der  sog.  Bukolen,  der  räuberi- 
schen Bewohner  des  Bukolia  (Rinderweide)  genannten  Nildeltas  östlich  von 
Alexandrien,  unter  Führung  eines  Priesters  Isidoros.  Die  Aufständischen 
schlugen  die  römische  Legion  und  hätten  beinahe  Alexandreia  erobert,  Sie 
wurden  erst  durch  den  syrischen  Legaten  Avidius  Cassius  überlistet. 

Derselbe  Mann  wurde  gegen  seinen  Willen  in  die  Rolle  des  Rebellen 
gegen  M,  Aurel  hineingedrängt.  Die  Kaiserin  Faustina  soll  nämlich  ihm, 
dem  angesehensten  Statthalter  und  General  des  Orients, 3)  für  den  Fall  des 
Todes  ihres  erkrankten  Gemahls  ihre  Hand  und  damit  den  Thron  in  Aus- 
sicht gestellt  haben.  Auf  die  falsche  Nachricht  vom  Tod  des  Kaisers  ließ 
sich  Avidius  Cassius  alsbald  zum  Kaiser  ausrufen  und  fand  vielen  Anhang. 
Die  meisten  asiatischen  Provinzen  und  Ägypten^)  erkannten  ihn  an.  Der 
Kaiser  beschleunigte  den  Friedensschluß  mit  den  Jazygen  uikI  eilte  selbst 
in  den  Orient,    Der  Usurpator,  der  nicht  mehr  zurück  konnte,  wurde  schon 


')  Die  Überlieferung  ist  wiederum  sehr  (174  n.  Chr.)  ereignete  sich  das  berühmte, 
dürftig  und  fragmentarisch;  vieles  muß  j  auch  auf  der  Marcussäule  dargestellte 
der  Vermutung  überlassen  bleiben.  Neben  j  Regen  wunder.  Die  Römer,  von  den  Fein- 
die  literarischen  Nachrichten  treten  die  i  den  bedroht  und  von  Wassermangel  heim- 
Reliefs  der  Marcussäule  als  monumentale  gesucht,  werden  durch  ein  Gewitter  mit 
Illustration  der  Ereignisse.  Vgl.  Petersen,  '  Platzregen  errettet,  nach  christlicher  Ver- 
V.  DoMASZEwsKi  Und  Calderini,  Die  Marcus-  1  sion  auf  das  Gebet  der  christlichen  Sol- 
säule auf  Piazza  Colonna  in  Rom.  128  Tafeln  ;  daten  (der  leglo  fidminata).  Euseb.  bist,  eccl, 
mit  Text,  München  1897.  (Mit  Beiträgen  j  V  5.  Vgl.  Mommsen,  Ges.  Sehr.  IV  498  ff. 
von  Th.  MoMMSEN.)  Ferner  Conrad,  Mai'c  Au- 
reis Markomanenkrieg,  Neu-Ruppin  1889. 
V.  DoMASZEWSKi,  Rhein.  Mus.  XLV  20.  Neue 
Heidelb.  Jahrb.  V  107.    Serta  B«ftelia>ia  8, 

^)    172  n.  Chr.    nahm   der   Kaiser    den 
Namen  Germanicus  an.    Bei  den  Quaden 


Harnack,  Sitz.-Ber.  der  Akad.  zu  Berlin 
1894,  835  flf. 

3)  Vgl.  P.  V.  RoHDEN,  PW  II  2378  ff. 

*)  U. WiLCKEN,  Ostraka  I  801 :  II  nr,  939, 
F,  G.  Kenyon,  Arch,  f,  Papyrusforschung 
VI,  1920,  213  f. 


342  Römische  Geschichte. 

nach  dreimonatlicher  Herrschaft  von  seinen  Anhängern  verlassen  und  ge- 
tötet (175  n.  Chr.)J)  Der  Kaiser,  der  auch  Athen  V^esucht  hatte,  kehrtf 
wieder  nach  Kom  zurück,  wo  er  Ende  176  n.  Clir.  einen  glänzenden  Triumph 
üher  die  Germanen  und  Sarmaten  feierte.  Gleichzeitig  erhob  er  seinen  Sohn 
C'onnnodiis  zinn  Mitregenten.  Schon  178  n.  Chr.  begab  er  sich,  begleitet 
von  (*ommodus,  wieder  an  die  Donau,  wo  die  hart  gezüchtigten  Markomannen 
und  Quaden  von  neuem  zu  den  Waffen  griff'en.  Sie  wurden  vollständig 
bezwungen;  aber  die  Absicht  des  Kaisers,  ihr  Land  zur  römischen  Provinz 
zu  machen,  wurde  durch  den  Tod  vereitelt.  Am  17.  März  180  n.  Chr.  ver- 
schied M.  Aurel  zuVindobona,  kurz  vor  der  Vollendung  des  59.  Lebensjahres. 
Sein  Sohn  und  Erbe  Commodus^)  (M.^)  Aurelius  Commodus  Antoninus) 
führte  zunäclist  den  Krieg  weiter,  schloß  aber  bald,  ohne  das  Ziel  seines 
Vaters  festzuhalten,  auf  mildere  Bedingungen  Frieden  mit  den  Markomannen 
und  Quaden  und  begnügte  sich  mit  einer  Unterwerfung,  die  nicht  von  Dauer 
sein  konnte.  Schon  180  n.  Chr.  kehrte  er  nach  Rom  zurück.  Trotz  sorg- 
fältiger Erziehung  führte  der  unreife  Commodus  ein  unwürdiges  Leben;  er 
war  das  gerade  Gegenteil  seines  pflichttreuen  *\^aters.  Der  Ehrgeiz  des  jungen 
Kaisers,  der  sich  mit  dem  Namen  und  den  Attributen  eines  römischen  Her- 
cules schmückte,  erschöpfte  sich  in  dem  Tagesruhm  der  Arena,  wo  er  als 
Gladiator  und  Athlet  zu  glänzen  suchte.  Wie  er  die  Politik  des  Marcus 
preisgegeben  hatte,  so  schob  er  auch  die  bewährten  Ratgeber  und  Kriegs- 
gefährten des  Vaters,  z.  B.  Ti.  Claudius  Pompeianus,  beiseite.  Der  Garde- 
präfekt  Perennis  gewann  großen  Einfluß,  den  er  durch  die  Beseitigung 
seines  Kollegen  Tarrutenus  Paternus  noch  zu  steigern  vermochte.  Mit  dem 
Senat  wußte  sich  Commodus  nicht  zu  stellen.  Ein  Anschlag  gegen  sein  Leben, 
dem  seine  Schwester  Lucilla  und  seine  Gattin  Crispina  nicht  fernstanden, 
gab  Anlaß  zu  zahlreichen  Verfolgungen  und  Hinrichtungen  angesehener 
Männer  (183  n.  Chr.).  Das  Bvihlen  des  haltlosen  Kaisers  um  die  Gunst  der 
Soldateska  untergrub  die  Disziplin.  Den  Perennis  mußte  Commodus  den 
meuternden  Soldaten  opfern  (185  n.Chr.).*)  Die  Macht  des  Perennis  erbte 
Cleander,  ein  ehemaliger  Sklave,  der  später  bis  zum  Gardepräfekten  auf- 
stieg.^) Auch  diesen  Günstling  gab  Commodus  preis;  er  wurde  189  n.  Chr. 
bei  einer  Hungersnot  durch  einen  Volksaufstand  gestürzt,  und  nunmehr 
teilten  sich  der  Kämmerer  Eclectus  und  die  kaiserliche  Mätresse  Marcia, 
die  sich  übrigens  der  Christen  annahm,  in  die  Gunst  des  Commodus.  Nach 
außen  hin  herrschte  im  ganzen  Ruhe;  die  Erfolge  des  Marcus  wirkten  noch 
nach.  Größere  Grenzkriege  wurden  gegen  die  Mauren  (182  n.  Chr.),  in 
Dakien  (183 — 184  n.  Chr.)  und  gegen  die  Kaledonier  in  Britannien  geführt; 

')  Allgemeine  Anerkennung  hat  Avidius  rische  Wert  der  vita  Comniodi.    Philologus, 

Cassius    auch   in  Asien    nicht  gefunden;  Supplem.  IX,  1901,  1  ff. 

der  Legat  von   Kappadokien,    P.  Martius  *)  Vor  der  Thronbesteigung  führte  er 

A'erus,    erklärte  sich  gegen  ihn  und  hat  den  Vornamen  Lucius, 

vielleicht  sein  Ende  veranlaßt.  Ritterling,  •*)  Vgl.  A.  Stein,  Hermes  XXXV.  1900. 

Rhein.  Mus.  N.  F.  LIX  (1904)  196  ff.  Die  Teil-  528  ff. 


iiehmer  an  der  Erhebung  wurden  vom 
Kaiser  mit  möglichster  Schonung  be- 
handelt. 

*)    J.   Zürcher,     in     Büdingers    Unter- 
suchungen I  221  f.    Bossart  und  Müller 


ebeudas.  II  287  ff.    J.  M.  Heer.  Der  histo-       Dio  LXXII  12 


)  Cleander  war  bestechlich  und  betrieb 
einen  schwunghaften  Ämterschacher.  So 
konnte  es  geschehen,  daß  es  im  J.  189 
n.  Chr.  25  Konsuln  gab,  darunter  der  nach- 
malige Kaiser   Septimius  Severus.    Cass. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian,    (j?  49.)  348 

die  letzteren  waren  in  die  Provinz  eingefallen  und  hatten  eine  römische 
Heeresabteilung  vernichtet,  wurden  dann  aber  durch  den  tiichtigen  und 
strengen  Legaten  L.  Ulpius  Marcellus  zurückgetrieben.  Eine  Meuterei  der 
britannischen  Truppen  wurde  durch  Zugeständnisse,  die  der  eingeschüchterte 
Commodus  machte  —  damals  überließ  er  den  unbeliebten  Perennis  der  Rache 
der  Soldaten  — ,  gedämpft.  In  Dakien  wurden  Erfolge  erzielt  und  eine 
größere  Zahl  Unterworfener  angesiedelt.  Persönlich  war  der  Kaiser  feige  und 
ein  Feind  jeder  Anstrengung;  gelegentlich  erkaufte  er  den  Frieden  dvirch 
Tribute  an  die  Grenznachbarn,  i)  Auch  im  Innern  herrschten  schlimme  Zu- 
stände; in  Italien  bildeten  sich  Räuberbanden,  auch  Gallien  wurde  von 
Banden  heimgesucht,  den  sog.  desertores,  Heimatlosen,  die  sich  aufs  Räuber- 
handwerk verlegten.  Durch  seine  sinnlose  Verschwendungssucht  und  seine 
Leidenschaft  für  öffentliche  Spiele  leerte  der  Kaiser  die  Staatskassen.  Er 
produzierte  sich  selbst  als  Gladiator,  nahm  in  der  Gladiatorenkaserne  Woh- 
nung und  gedachte  von  hier  aus  in  Fechtertracht  am  1.  Januar  193  n.  Chr. 
das  Konsulat  anzutreten.  Vergebens  suchte  ihn  seine  Umgebung  zurück- 
zuhalten; der  Gardepräfekt  Q.  Aemilius  Laetus,  der  sein  eigenes  Leben  ge- 
fährdet sah,  ließ  im  Bund  mit  Marcia  und  Eclectus  den  verächtlichen  Kaiser 
in  der  Neujahrsnacht  ermorden,  31.  Dezember  192  n.  Chr. 

49.  Septimius  Severus  und  sein  Haus.  Aemilius  Laetus  erhob  nach 
dem  Tod  des  Commodus  einen  Konsular  von  schlichter  Herkunft,  aber  be- 
währter Tüchtigkeit  auf  den  Thron,  den  Stadtpräfekten  P.  Helvius  Pertinax, 
der  sich  unter  Kaiser  Marcus  im  Markomannenkrieg,  später  in  Britannien 
ausgezeichnet  hatte. '^)  Er  fand  beim  Senat 3)  und  im  Reich*)  Anerkennung. 
Pertinax  entfaltete  sofort  eine  wohlgemeinte  Reformtätigkeit;  seine  Haupt- 
sorge galt  der  Ordnung  der  Staatsfinanzen,  deren  trostloser  Zustand  ihn 
zur  Sparsamkeit  nötigte.  Die  Soldaten  und  besonders  die  Prätorianer  waren 
mit  dem  Kaiser,  der  auf  straffe  Zucht  hielt,  höchst  unzufrieden.  Der  Prä- 
fekt  Aemilius  Laetus  machte  mit  den  Prätorianern  gemeinsame  Sache  und 
so  wurde  Pertinax  schon  am  28.  März  193  n.  Chr.  von  ihnen  ermordet.^) 
Die  Garde  in  Rom  erhob  nun  den  M.  Didius  Severus  Julianus,  der  die  Krone 
von   ihr   meistbietend    ersteigerte,  ß)    Aber   Didius   Julianus    vermochte    sich 

')  Dieses  Mittel,  die  Ruhe  zu  erhalten,  *)  Über  die  —  sehr  verspätete  —  Landes- 

haben freilich  auch  bessere  Kaiser  nicht  feier  für  das  neue  Kaiserhaus  s.  den  Pa- 
verschmäht.  pyrus   bei   Mitteis -Wilcken,    Grundzüge 

-)  Fluss,  PW  Suppl.bd.  III  895  if.  Vgl.  u.  Chrestomathie  der  Papyruskunde  I  2 
zum  Folgenden  O.  Th.  Schulz,  Beiträge  nr.  490.  Übrigens  lehnte  Pertinax  den 
zur  Kritik  unserer  litt.  Überl.  für  die  Zeit  Augustatitel  für  seine  Gemahlin  ab,  woran 
von  Comm.'  Sturze  bis  auf  den  Tod  des  sich  indes  die  Provinzialen  nicht  kehrten. 
.  .  .  Caracalla,  Diss.  Leipzig  1903.  Die  von       Vgl.  nächste  Anm. 

A.  V.  DoMASZEWSKi   (Rhein.  Mus.  53,  1898,  '=)  Sein    gleichnamiger  Sohn  heißt  auf 

689)  geäußerte,  von  Schulz  weiter  aus-  Inschriften  und  Münzen  Caesar  (z.  B.  ILS 
geführte  Vermutung,  daß  von  den  Ver-  j  I  nr.  410)  gegen  den  Wunsch  des  zurück- 
schwörern  gegen  Commodus  Septimius 
Severus  von  Anfang  als  Kaiser  in  Aus- 
sicht genommen  worden  sei,  wurde  von 
Niese  abgelehnt,  aber  von  J.  Hasebroek, 
LTnters.  z.  Gesch.  des  Kaisers  Sept.  Sev., 
Heidelberg  1921,  17  akzeptiert. 

^)  Vgl.  das  Senatsprotokoll  vita  Com- 
modi  18 f.,  ein  echtes  Stück  unter  den  zahl- 
losen Fälschungen  der  Historia  Augusta. 


haltenden  Vaters  (Cass.  Dio  LXXIII  7,  2), 
dessen  Sturz  er  überlebte,  um  erst  von 
Caracalla  beseitigt  zu  werden,  Herodian 
IV  6,  3. 

^)  Um  die  Wette  mit  ihm  bot  T.  Flavius 
Sulpicianus,  den  sein  kaiserlicher  Eidam 
Pertinax  zum  Stadtpräfekten  gemacht 
hatte. 


;^44  Römische  Geschichte. 

nicht  einmal  in  der  Hauptstadt  überall  durchzusetzen,  geschweige  denn  bei 
den  Heeren  in  den  Provinzen.  In  Antiocheia  wurde  der  Legat  von  Syrien, 
C.  Pescennius  Niger,  der  auch  in  Rom  Anhänger  hatte,  auf  den  Schild  ge- 
hoben, in  Carnuntum  der  Statthalter  von  Oberpannonien,  L.  Septimius 
Severus, ')  der  aus  Lei:)tis  in  Afrika  stammte,  übrigens  aus  einem  längst  romani- 
sierten  und  in  die  Senatslaufbahn  eingetretenen  Geschlecht.  Septimius  Severus 
marschierte  unverzüglich  gegen  Kom,  indem  er  sich  zum  Rächer  des  Pertinax 
aufwarf.  Mit  dem  Inhaber  des  dritten  großen  Kommandos,  mit  D.  Clodius 
Albinus,  dem  Statthalter  Britanniens,  konnte  sich  Septimius  Severus  dadurch 
verständigen,  daß  er  ihn  adoptierte  und  ihn  unter  Verleihung  des  Caesartitels 
zum  Nachfolger  designierte.''')  Ohne  Mühe  bemächtigte  sich  Severus  der  Reichs- 
hauptstadt; die  Prätorianer  wagten  keinen  Widerstand.  Didius  Julianus  wurde 
vom  Senat  zum  Tod  verurteilt  und  hingerichtet  (I.Juni  193  n.Chr.).  Dann 
huldigte  der  ohnmächtige  Senat  dem  Septimius  Severus,  der  sich  nun  mit 
seiner  ganzen  Land-  und  Seemacht  gegen  Osten  wandte,  um  mit  Pescennius 
Niger  abzurechnen.  Versuche,  einen  Vergleich  zwischen  den  Rivalen  herbei- 
zuführen, waren  gescheitert;  so  wurde  denn  der  Bürgerkrieg  unvermeidlich. 
Niger  war  in  allen  asiatischen  Provinzen,  sowie  im  Nilland  3)  anerkannt. 
Nach  anfänglichem  Zaudern  griff  er  nach  Europa  hinüber,  wo  sein  Feldherr 
Asellius  Aemilianus  Byzanz  besetzte.  Weiterem  Vordringen  gebot  der  An- 
griff des  Severus  Halt.  Sein  Heer  setzte  nach  Kyzikos  über,  wo  es  zur 
Schlacht  kam.  Aemilianus  wurde  besiegt  und  getötet.  Durch  den  Erfolg 
gewann  Severus  bereits  manche  Anhänger  in  Asien,  und  nachdem  auch 
Niger  selbst  in  einer  zweiten  Schlacht  den  Generalen  des  Severus  erlegen 
war,  fiel  diesem  ganz  Vorderasien  bis  zum  Taurus  zu.  Endlich  wurde  Niger 
nochmals  in  einer  großen  Schlacht  bei  Issos  geschlagen  und  auf  der  Flucht 
zu  den  Parthern  ereilt  und  getötet  (Herbst  194  n.  Chr.).  Jetzt  unterwarf 
sich  der  ganze  Osten  des  Reichs  dem  Severus,'*)  der  über  die  Parteigänger 
des  Besiegten  strenges  Gericht  ergehen  ließ.  Das  feste  Byzanz  konnte  jedoch 
erst  Ende  195  n.  Chr.,  im  dritten  Jahr  der  Belagerung,  zur  Übergabe  ge- 
zwungen werden.  Syrien  wurde  nach  Nigers  Sturz  in  zwei  Provinzen  zerlegt.^) 
An  den  Kampf  gegen  Niger  schloß  Severus  einen  Krieg  mit  den  Par- 
thern an,  die  seinen  Nebenbuhler  unterstützt  hatten.  Der  Euphrat  wurde 
überschritten  und  das  nördliche  Mesopotamien  bis  zum  Tigris  erobert  (195 
n.  Chr.).  Die  wichtige  Stadt  Nisibis  diente  als  Basis  für  weitere  Operationen, 
die  indes  eingestellt  werden  mußten,  da  Clodius  Albinus  dem  auf  die  Dauer 
unmöglichen  Einvernehmen  —  Severus  hatte  bereits  ein  Attentat  auf  seinen 
Caesar  versucht  —  ein  Ende  machte.  Albinus  legte  sich  den  Augustustitel 
bei  und  setzte  mit  den  britannischen  Legionen  nach  Gallien  über,  wo  er 
in  Lugudunum  seine  Residenz  aufschlug.  So  war  abermals  der  Bürgerkrieg 
da.    Aus  dem  Orient   marschierte  Severus  durch  die  Donauprovinzen'')  auf 

^)  Vgl.    die   S.  343  A.  2  zitierte  Arbeit  ^)  U.  Wilcken,  Griech.  Ostraka  aus  Äg. 

von  Hasebroek.  u.  Nubien  I,  Leipzig  1899,  803. 

^)  Vgl.  O.  HiRscHPELD,  Kl.  Sehr.  411  ff.  ^)  In  Ägypten    wird   schon  am  21.  Fe- 

Albinus  blieb  Statthalter  von  Britannien.  bruar  194  n.  Chr.  nach   Severus   datiert. 

Gegen  Hirschfelds  Annahme  (a.a.O. 418),  ^    Wilcken,  Griech.  Ostraka  I  803. 

es  sei  ihm  überdies  ein  „Oberaufsichtsrecht  !        '")  S.  unten  S.  362. 

über  Gallien  und  Spanien"  verliehen  wor-  j        ^)  InViminacium  an  der  Donau  ernannte 

den,  erklärt  sich  Hasebroek  a.  a.  0.  27.  |    er  im  Frühjahr  196  n.  Chr.  seinen  ältesten 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§49.)  3-15 

kürzestem  Weg  nach  dem  Westen,  wo  sich  in  Gallien  und  Germanien  be- 
reits manche  Truppenteile  und  Bezirke  auf  seine  Seite  schlugen.')  In  zwei 
Schlachten  maßen  sich  die  Gegner;  in  der  zweiten,  bei  Lugudunum,  erlitt 
Albinus  nach  wechselvollem  Kampf  schließlich  eine  völlige  Niederlage,  die 
er  nicht  überleben  mochte  (19.  Februar  197  n.  Chr.).  Der  Sieg  machte  den 
Severus  zum  Herrn  auch  des  Westens.  Zahlreiche  Parteigänger  des  Albinus, 
darunter  auch  Senatoren  in  Rom,  büßten  mit  dem  Tod.  Konfiskationen  großen 
Stils  wurden  in  Gallien  und  sonst  im  Reich  vorgenommen.  Anfänglich  hatte 
Severus  den  Rächer  des  Pertinax,  dessen  Namen  er  vorübergehend  führte, 
gespielt:  aber  schon  im  Jahr  195  n.Chr.  führte  sich  der  Emporkömmling 
durch  fiktive  Adoption  in  das  erlauchte  Haus  der  Antonine  ein;  er  nannte 
sich  Sohn  des  Marcus,  Bruder  des  Commodus.^) 

Nach  dem  Bürgerkrieg  kommen  wieder  die  äußeren  Feinde,  die  Parther, 
an  die  Reihe  (zweiter  Partherkrieg  197 — 199  n.  Chr.).  Ihr  König  Vologases  IV 
hatte  die  Kampfpause  zu  einem  Angriff  auf  Mesopotamien,  Armenien  und 
Syrien  benutzt.  Jetzt  trieb  Kaiser  Severus  die  Parther  zurück  und  brachte 
dem  von  ihnen  belagerten  Nisibis  Entsatz.  Severus  setzte  den  Fuß  auch 
über  den  Tigris.  Seleukeia  ergab  sich,  Ktesiphon  wurde  erstürmt  (Ende  197 
n.  Chr.).  Dagegen  scheiterte  ein  zweimaliger  Vorstoß  gegen  Hatra.  Schließ- 
lich bequemten  sich  die  Parther  zu  einem  Friedensschluß,  in  dem  sie  zu 
Roms  Gunsten  auf  Mesopotamien  verzichteten,  das  künftig  wie  Ägypten 
von  Statthaltern  aus  dem  Ritterstand  verwaltet  wurde. 3)  Severus  verweilte 
noch  längere  Zeit  im  Orient;  er  besuchte  auch  Ägypten,  wo  Unruhen  aus- 
gebrochen waren.  Erst  im  Jahr  202  n.  Chr.  betrat  der  Kaiser  die  Reichs- 
hauptstadt wieder. 

Wie  Vespasian  hatte  auch  Septimius  Severus  die  schwere  Aufgabe,  das 
durch  Mißwirtschaft  des  Vorgängers  und  blutige  Bürgerkriege  zerrüttete 
Reich  wiederherzustellen.  Dazu  bedurfte  es  großer  Geldmittel,  die  er  durch 
die  erwähnten  Konfiskationen  aufbrachte;  die  Anhänger  des  Niger  und  des 
Albinus  mußten  die  Niederlage  ihrer  Herren  teuer  bezahlen.  Severus  war 
ein  tatkräftiger  Herrscher  von  starkem  Pflichtgefühl.  Seine  Regierung  macht 
in  mehr  als  einer  Hinsicht  Epoche.  Er  hat  die  monarchische  Gewalt  stärker 
betont  und  die  Vorrechte  des  Senats  zugunsten  der  Ritter  namentlich  im 
Heeresdienst  eingeschränkt.  Den  Soldaten,  denen  er  ja  den  Thron  verdankte, 
galt  vor  allem  seine  Gunst;  er  erhöhte  den  Sold,  hob  ihre  soziale  Stellung 
und  gestattete  ihnen  z.  B.  die  Ehe;  aber  einem  weniger  energischen  Herr- 
scher konnte  die  verwöhnte  und  immer  stärker  barbarisierte  Soldateska  leicht 
über  den  Kopf  wachsen.  Die  prätorischen  Kohorten  hat  Severus  gleich 
nach  seinem  Einzug  in  Rom  (193  n.  Chr.)  aufgelöst;  an  ihre  Stelle  trat  eine 
Garde,  die  sich  aus  zuverlässigen  Leuten  aller  Truppen  ohne  Rücksicht  auf 
die  Nationalität  rekrutierte;  damit  warder  italische  Charakter  der  Garde  preis- 
gegeben, wie  auch  die  Italiker  ihrer  militärischen  Vorrechte  verlustig  gingen."*) 

Sohn,    den    achtjährigen   Bassianus    zum   ;    a.  a.  O.  89  ff. 

Caesar,   vita  Severi  10,3.  ^)  Über  diese  Partherkriege  vgl.  A.v.Gut- 


')  O.  Hirschfeld,  Kl.  Sehr.  426  ff. 

2)  ILS  I  nr.  422.  423.  Folgerichtig  er- 
zwang Severus  zugleich  die  nachträgliche 
Konsekration  desCommodus,  s.  Hasebroek 


scHMiD,  Gesch.  Irans  151  ff'. 

••)  Oben  S.  289  f.  A.  v.  Domaszewski,  Die 
Rangordnung  des  röm.  Heeres,  Bonner 
Jahrbücher  117,  1908,  88. 


:U6 


Römische  Geschichte. 


Überdies  wurde  in  nächster  Nähe  Roms,  auf  dem  Albanerberg,  ein  Legions- 
standlagcr  errichtet.  Es  war  das  Programm  des  Kaisers,  die  Privilegien 
Roms  und  Italiens  zu  beseitigen  und  den  Provinzen  die  volle  Gleichberech- 
tigung zu  gewähren.!)  Um  Rom  ganz  zu  seiner  Stadt,  zur  Kaiserstadt  zu 
machen,  entfaltete  er  dort  eine  lebhafte  Bautätigkeit;  er  ließ  auch  einen 
neuen  Stadtplan  aufnehmen,  von  dem  Reste  erhalten  sind. 2)  Auch  litera- 
rische Interessen  hegte  der  Kaiser,  der  selbst  seine  Memoiren  aufzeichnete. 3) 
Die  von  Pertinax  angebahnte  Trennung  des  kaiserlichen  Privatvermögens 
(res  privata)  von  dem  unter  kaiserlicher  Verwaltung  stehenden  Staatsgut 
hat  Severus  durchgeführt.*)  Als  der  nächste  am  Thron  schaltete  lange  Zeit 
mit  einer  Machtvollkommenheit,  die  an  die  Tage  Seians  erinnert,  der  Prä- 
torianerpräfekt  C.FulviusPlautianus,  der  mit  zur  kaiserlichen  Familie  zählte. 
Der  älteste  Kaisersohn  war  sein  Eidam  und  dessen  Intrige  fiel  er  schließ- 
lich zum  Opfer  (Anfang  205  n.  Chr.).^)  Der  eine  Nachfolger  Plautians  wurde 
der  große  Rechtslehrer  Aemilius  Papinianus.  208  n.  Chr.  begab  sich  der 
Kaiser  mit  seinen  beiden  Söhnen  nach  Britannien,  um  die  Grenzvölker  im 
Norden,  die  Kaledonier  und  Maaten,  von  denen  die  Provinz  viel  zu  leiden 
hatte,  zu  unterwerfen.  In  mühseligen  Kämpfen  wurden  die  Barbaren  be- 
zwungen und  die  hadrianische  Grenzsperre  erneuert.  Aber  bald  erhoben 
sie  sich  abermals.  Über  neuen  Rüstungen  überraschte  den  gichtleidendeu 
Kaiser  der  Tod  in  Eburacum  (York)  am  4.  Februar  211  n.  Chr. 

Er  hinterließ  die  Herrschaft  seinen  beiden  Söhnen,  dem  M.  Aurelius 
Antoninus,'')  dem  früheren  Bassianus,  der  den  Übernamen  Caracalla^)  führte, 
und  dem  ebenfalls  noch  bei  Lebzeiten  des  Vaters  zum  Caesar  und  Imperator 
ernannten  P.  Septimius  Geta.  Der  Druck  der  Umgebung  und  des  Heeres 
zwang  Caracalla,  dem  Willen  des  toten  Vaters  gemäß  den  jüngeren  Geta 
als  gleichberechtigten  Augustus  neben  sich  zu  dulden.  Der  Krieg  in  Bri- 
tannien wurde  schleunigst  liquidiert;  noch  im  Jahr  211  n.Chr.  kehrten  die 
kaiserlichen  Brüder  nach  Rom  zurück.  Von  Kindesbeinen  an  hatten  sie 
sich  gehaßt  und  ihre  Zwietracht  spaltete  den  Hof  und  die  Hauptstadt  in 
zwei  Lager.  Die  feindlichen  Brüder  sollen  an  eine  förmliche  Teilung  des 
Reichs  gedacht  haben.  Eine  Versöhnung  war  unmöglich  und  schon  Anfang 
212  n.  Chr.  ließ  Caracalla  den  Bruder  in  den  Armen  der  Kaiserinmutter, 
der  Syrerin  Julia  Domna,  von  gedungenen  Centurionen  erschlagen.  Auf  den 
Brudermord  folgte  die  Hinrichtung  zahlreicher  Freunde  Getas;  unter  den 
Opfern  war  auch  der  Prätorianerpräfekt  Papinianus.  Von  dem  Mitregenten, 
dessen  Andenken  der  Acht  verfiel,  befreit,  überließ  sich  Caracalla  zumeist 
seinen  unwürdigen  Passionen;  einen  großen  Teil  der  Regierungsgeschäfte 
führte  seine  Mutter,  die  schon  bei  ihrem  Gatten  Severus  viel  vermocht  hatte.  8) 


')  O.  HiESCHFELD,  Die  kaiserl.  Verwal- 
tungsbeamteu-  480  ff". 

^)  H.  Jordan,  Forma  urbis  Romae,  Berlin 
1874.  EiCHTER,  Topographie  der  Stadt 
Rom  1.  61. 

^)  H.  Peter,  Historie.  Romanorum  fragm. 
329  f..  Historie.  Romanornm  reJiquiae  II 
p.  CLXXVIir,  118. 

••)   O.  HiESCHFELD  a.  3.  O.  20  ff. 

*)  Nach  dem  Chronic.  Paschale  am  22.  Ja- 


nuar 203.  in  Wahrheit  zwei  Jahre  später. 
Vgl.  E.  Bormann.  Bull.  deW  institnto  1867, 
218  f.  und  Hasebroek  a.  a.  O.  136  ff". 

6)  Vgl.  P.  V.  Rohden,  PW  II  2484  ff. 

')  earncaUa  heifät  der  gallische  Umhang 
mit  Kapuze,  den  —  in  veränderter  Form  — 
der  Kaiser  mit  Vorliebe  trug  und  auch 
beim  Heer  einführte. 

s)  Sie  führt  seit  195  n.  Chr.  den  Ehren- 
namen mater  ca.itrorimi.  ILS I  nr.425  f.   Sie 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    i'§  49.)  347 

Caracalla  warb  vor  allem  um  die  Gunst  der  Soldaten.  Ihren  Sold  erhöhte 
er  auf  Kosten  der  Steuerzahler.  Die  militärische  Disziplin  wurde  unter- 
graben. Weder  als  Heerführer  noch  als  Regent  hat  Carucalla  sicli  be- 
währt, i)  Bald  herrschte  wieder  das  alte  Finanzelend,  und  es  geschah  nicht 
zum  wenigsten  im  Interesse  des  Fiskus,  wenn  Caracalla  mit  einem  Feder- 
strich das  römische  Vollbürgerrecht  allen  freien  Reichsangehörigen  verlieh 
(212  n.  Chr.).  Denn  nur  die  Bürger,  deren  Zahl  sich  so  mit  einem  Schlag 
vermehrte,  durften  zur  Erbschaftssteuer  herangezogen  werden.  Zugleich 
brachte  diese  sog.  Constitufio  Antotntiiana  den  schon  von  früheren  Kaisern 
eingeleiteten  Nivellierungsprozeß  zu  einem  gewissen  Abschluß.  Italien  hatte 
vor  den  Provinzen  nichts  mehr  voraus.  2) 

213  n.  Chr  zog  Caracalla  ins  Feld  an  die  Donaugrenze,  wo  sich  die  Nach- 
barn wieder  regten.  Am  Oberrhein  erscheint  damals  zuerst  der  neue  Völker- 
bund der  Alamannen.  Der  Kaiser  drang  213  n.  Chr.  über  den  rätischen 
Limes  in  Germanien  ein  und  kämpfte  gegen  Alamannen  und  Chatten. 3) 
Doch  bald  schloß  er  einen  Frieden,  den  er  durch  Geschenke  und  Jahrgelder 
erkaufte.*)  Im  nächsten  Jahr  214  n.  Chr.  finden  wir  ihn  an  der  unteren 
Donau  im  Krieg  mit  den  dortigen  Grenz  Völkern.^)  Von  da  begab  er  sich 
in  den  Orient,  wo  ihn  die  Armenier  und  die  Parther  beschäftigten.  Da 
die  beiden  Söhne  des  Partherkönigs  Vologases  V,  Vologases  VI  und  Arta- 
banos  V,  sich  gegenseitig  den  Thron  streitig  machten,  so  schien  der  Augen- 
blick für  ein  Eingreifen  Roms  günstig  zu  sein.  Caracalla  träumte  davon, 
den  Osten  völlig  unter  römische  Botmäßigkeit  zu  bringen.  Ihm  schwebte 
die  Siegeslaufbahn  Alexanders  des  Großen  vor,  mit  dessen  Andenken  er 
einen  förmlichen  Kult  trieb  und  den  er  selbst  in  Tracht  und  Haltung  nach- 
äfPte.  Den  Winter  214/15  n.  Chr.  verbrachte  er  in  Nikomedien  '^)  und  zog 
dann  durch  Asien  weiter.'')    Als  er  in  Antiochien  erschien,  fügte  sich  Volo- 


hatte  schöngeistige  Interessen ;  auf  ihren  [    callo  in  Germania  et  Sarmatia  gestis,  Diss. 

Wunsch   schrieb  Philostratos   das  Leben  t    Breslau  1866  ;B.  Bockhoff,  De  eT^<;(??Y/OHi&?<s 

des  Apollonios.    Philostr.  vit.  Apoll,  p.  4,  2  l    M.  Aurelil  Äntonini  CaracaUi,  Diss.  Münster 

ed.  Kaysek.     Vgl.  Mary  Gilm.  Williams,  1868;  Alkuin  Holländer,  Die  Kriege  der 

AmericatiJourn.  of  arcJieoIog)/Yl,1902,2b9ff.  Alamannen  mit  den  Römern  im  dritten 

Über  die  ihr  in  Athen  erwiesenen  Kult-  Jahrh.n.Chr.,  Karlsruhe  1874.  Carl  Schnei- 

ehren  s.  A.  v.  Peemerstein,  Jahreshefte  des  der,  Beiträge  zur  Gesch.  Caracallas.  Diss. 

österr.  archäol.  Instituts  XVI,  1913,  249  ff.  Marburg  1890.     Für  einen  germanischen 

^)  Eine   „Rettung"  Caracallas  versucht  Sieg  Caracallas  opferten  die  Arvalbrüder 


O.  Th.  Schulz,  Der  römische  Kaiser  Cara- 
calla, Leipzig  1909. 

^)  Die  gekürzte  griechische  Übersetzung 


am  6.  Oktober  213  n.  Chr.  in  Rom.  Ada 
fratrum  arvalium  ed.  Henzen  p.  193.  ILS  I 
nr.  451.  Limesblatt  von  1897  nr.  25  S.  688  ff. 


des   betreffenden  Ediktes,    der  constitutio  ■*)  Man  behauptet,   daß  die  Jahrgelder, 

Antoniniana,  hat  sich  auf  einem  Gießener  .    die  er  den  Grenznachbarn  zahlte,  ebenso 

Papyrus   gefunden.     Alle   freien    Reichs-  ;    hoch   gewesen   seien,    wie   der  Sold    der 

angehörigen   mit  Ausnahme  der  —  sehr  Truppen.    Cass.  Dio  LXXVIII  17,  3. 

zahlreichen  —  dediticü   erhalten   das  rö-  [        ^)  Es  werden  die  Karpen  genannt,  die 

mische  Bürgerrecht.    Unter   den  dediticü  1    damals  zuerst  in  derGeschichte  erscheinen, 

sind    die    Kopfsteuerpfliehtigen    zu    ver-  A.  v.  Domaszewski.  Korresp.-Bl.  d.  Westd. 

stehen.    Vgl.  P.  M.  Meyer  in  den  Griech.  Zeitschr.  XIX  (1900)  146.  Rhein.  Mus.  N.  F. 

Papyri  zu  Gießen  Bd.  I  nr.  40,  S.  29  ff.  164  f.  LVII  (1902)  506  ff. 

Mitteis- WiLCKEN,    Grundzüge  u.  Chresto-  ^)  In  seinem  Gefolge   befand    sich  der 

mathie    der  Papyruskuude  I  1,  55  ft\  II  1,  Senator  Cassius  Dio,    der   in  seinem  Ge- 


288  ff*.  II 2  nr.  377.  P.  M.  Meyer,  Juristische 
Papyri,  BerHn  1920,  nr.  1. 

^)  P.  NiSLB,  De  belHs  ab  Antonino  Cara- 


schichtswerk  LXXVII  17  das  Treiben  des 
Kaisers  schildert. 

')  Bull,  de  corr.  /?c//<'«.  X  406.  417;  XI 92, 


348  Römische  Geschichte. 

gases  den  römischen  Forderungen.  Der  Krieg  wurde  also  aufgegeben,  und 
der  Kaiser  wandte  sich  nach  Ägypten  (215  n.  Chr.),  wo  er  die  Alexandriner, 
die  sich  ihm  schon  früher  als  Anhänger  Getas  verhafat  gemacht  hatten, 
seinen  Zorn  fühlen  ließ.  Eine  Revolte  wurde  im  Blut  erstickt  und  Alexan- 
dreia  nach  grausamem  Kriegsrecht  l^ehandelt.')  Bereits  im  nächsten  Jahr 
ist  Caracalla  auf  einem  neuen  Kriegszug  gegen  Armenien  und  die  Parther 
begriffen.  Inzwischen  hatte  Artabanos  überVologases  obgesiegt;  der  römische 
Kaiser  begehrte  die  Hand  der  Tochter  des  neuen  Partherkönigs  in  der  Ab- 
sicht, durch  dieses  Heiratsprojekt  beide  Reiche  in  seiner  Hand  zu  vereinigen. 
Als  Artabanos  dieses  Ansinnen  zurückwies,  eröffnete  der  verschmähte  Eidam 
kurzerhand  die  Feindseligkeiten,''^)  und  da  die  Parther  nicht  vorbereitet  waren, 
so  drang  Caracalla,  ohne  auf  Widerstand  zu  stoßen,  über  den  Tigris  in  Adia- 
bene  und  die  Landschaft  von  Arbela  ein  (216  n.  Chr.).  Aber  die  Parther 
sammelten  jetzt  ihrerseits  ein  großes  Heer.  Als  der  Kaiser  im  nächsten 
Jahr  aus  den  Winterquartieren  in  Mesopotamien  gegen  die  parthische  Über- 
macht ins  Feld  ziehen  w^ollte,  wurde  er  am  8.  April  217  n.  Chr.  auf  dem 
Weg  von  Edessa  nach  Carrhae  ermordet.^) 

Den  Mord  hatte  der  Gardepräfekt  des  Kaisers  M.  Opellius^)  Macrinus 
angestiftet.  Er  hatte  um  sein  eigenes  Leben  gebangt  und  war  deshalb  dem 
Kaiser  zuvorgekommen.  Drei  Tage  nach  der  Tat  wurde  er  zum  Imperator 
ausgerufen  und  in  Rom  und  bei  den  Heeren  anerkannt.^)  Wie  er  sein  Amt 
als  Präfekt  mit  Redlichkeit  und  Umsieht  verwaltet  hatte,  so  bekundete  er 
auch  auf  dem  Thron  den  besten  Willen.  Er  ist  der  erste  Kaiser  aus  dem 
Ritterstand;  seinen  erst  neunjährigen  Knaben  M.  Opellius  Antoninus  Dia- 
dumenianus  erhob  er  zum  Caesar.*^)  Macrinus  brachte  zunächst  den  Parther- 
krieg, für  den  Rom  nicht  genügend  gerüstet  war,  zum  Abschluß.  Wenn 
auch  die  Parther  die  ihnen  gebotene  Hand  fürs  erste  ausschlugen  und  Waffen- 
erfolge erfochten,  so  ließen  sie  sich  doch  schließlich  gegen  ansehnliche  Geld- 
zahlungen zu  einem  Frieden  herbei,  der  keine  wesentlichen  Gebietsverände- 
rungen brachte.  Auch  an  der  dakischen  Grenze  sicherte  Macrinus  durch 
Nachgiebigkeit    den   bedrohten  Frieden.    Innerpolitisch  versuchte   er   einige 


')  Vielleicht  hatten  die  Alexandriner  den   1  ')  Über  Caracallas  Ermordung  vgl.  A. 

kaiserliehen  Zorn    auch  dadurch  heraus-    |  v.  Domaszewski,  Rh.  Mus.  LVII(1902)506ff. 

gefordert,  dafs  sie  sich  der  beabsichtigten    [  *)  Opellius  (nicht  Opilius)  ist  die  richtige 

Aushebung    widersetzten.    Herodian    IV  durch  Inschriften  und  Münzen  gesicherte 

9,  4  ff.  Man  kann  ferner  einen  Zusammen-  Form    dieses   Namens.    Er   stammte   aus 

hang  mit   den    in  Ägypten  damals  herr-  Mauretanien  und  war  als  Präfekt,  wie  es 

sehenden  Mißständen  vermuten.    Die  ge-  scheint,  Nachfolger  des  Papinianus. 


plagte  und  bedrückte  bäuerliche  Bevöl- 
kerung der  yMoa,  der  „Provinz",  entzog 
sich  nämlich  ihrem  harten  Los  nicht  selten 


^)  Die  Vermutung  von  B.  Keil,  Nachr. 
der  Gott.  Ges.  der  Wiss.  1905,  321  ff.,  daß 
die   fälschlich  dem  Aristides  zugeschrie- 


durch  die  Flucht  nach  der  „Stadt'',  nach  bene  Rede  «cjöV/ö«-^.««  auf  Macrinus  gehalten 

Alexandrien.  Die  Ausweisung  dieser  Ele-  sei,    ist  von  E.  Groag,    Studien  zur  röm. 

mente,    der  „wahren  Ägypter",  verfügte  Kaisergeschichte,  Linz  1918,  13  ff.  wider- 

Caracalla   in    einem  Erlaß,  dessen  Wort-  legt.  Groag  bezieht  die  Rede  auf  Philippus 

laut  durch    einen  Gießener  Papyrus  be-  Arabs, 


kannt  wurde.  Mitteis -Wilcken,  Grund- 
züge u.  Chrestomathie  der  Papyruskunde 
I  1,  61.  I  2  nr.  22. 

^)  F.  W.  Drexler,   Caracallas  Zug  nach 


In  Ägypten  wird  nach  Vater  und  Sohn 
datiert.  Greek  papijri  of  fhe  Brit.  Mus.  p.  93. 
Preisigke,  Griech.  Papyri  der  kais.  Univ.- 
Bibl.  Straßburg  I  14.    Macrinus  führt  den 


dem  Orient,  Diss.  Halle  1880.  Beinamen  Severus. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§49.)  349 

Reformen:  er  hob  dinickende  Steuern  auf  und  reduzierte  die  von  Caracalla 
bewilligten  Solderhöhungen.  Dadurch  entfremdete  er  sich  die  Soldaten,  auf 
deren  Huld  er  doch  angewiesen  war;  unter  den  Legionen  Syriens  begann 
es  zu  gären.  Noch  lebten  dort  Angehörige  des  severischen  Hauses.  Zwar 
hatte  Julia  Domna,  die  Witwe  des  Severus,  nach  dem  Tod  ihres  Sohnes 
Caracalla  ihren  politischen  Sturz  nicht  überleben  mögen ;  aber  deren  Schwester 
Julia  Maesa  lebte  noch  im  Genuß  eines  großen  Vermögens  in  Emesa.  wohin 
sie  von  Macrinus  verwiesen  war.  Von  den  beiden  Töchtern  der  Maesa, 
Soaemias  und  Mamaea,  besaß  die  ältere,  Soaemias,  aus  ihrer  Ehe  mit  Varius 
Marcellus  einen  vierzehnjährigen  Sohn,  Varius  Avitus  Bassianus.  der  damals 
Priester  des  Sonnengottes  Elagabal  in  Emesa  war;  dieser  Jüngling  wurde  nun 
auf  Betreiben  eines  gewissen  Eutychianus  von  den  Soldaten  als  M.  Aurelius 
Antoninus  zum  Kaiser  ausgerufen  (16.  Mai  218  n.  Chr.)  und  fand  bald  allent- 
halben Geltung.  Vergebens  suchte  Macrinus  sich  zu  behaupten;  er  wurde 
vor  Antiochien  geschlagen  (S.  Juni  218  n.  Chr.)  und  auf  der  Flucht  in  den 
Westen  in  Kalchedon  ergriffen  und  getötet:  sein  Sohn  Diadumenianus,  der 
sich  zu  den  Parthern  begeben  wollte,  erlitt  das  gleiche  Schicksal.  Der 
Thronwechsel  war  in  einigen  Provinzen,  namentlich  in  Ägypten,  von  Un- 
ruhen begleitet. 

Der  neue  Kaiser,  der  sich  nur  auf  die  Soldaten  stützte,  zog  durchVorder- 
asien  und  die  Donauprovinzen  nach  Rom,  wo  er  219  n.  Chr.  eintraf;  der 
weichliche  Orientale,  eine  Sultansnatur,  der  jeder  Begriff  von  römischer 
Würde  abging,  führte  ein  bizarres  und  ausschweifendes  Leben.')  Er  brachte 
den  Kultus  des  Sonnengottes  mit  und  nannte  sich  selbst  sacerdos  a^nplissi- 
mus  dei  invicti  Solls  Elagabali;  so  erklärt  sich  sein  Beiname  Elagabal.  Die 
Regierungsgeschäfte  führte  die  ehrgeizige  Großmutter  des  Kaisers,  Julia 
Maesa,  die,  zur  Augusta  erhoben,  das  Ziel  erreichte,  das  einer  Agrippina 
vorgeschwebt  hatte;  sie  nahm  offiziell  an  den  Senatssitzungen  teil.  Das 
skandalöse  Treiben  ihres  Enkels  ging  sogar  der  von  ihm  verwöhnten  Solda- 
teska zu  weit  und  gefährdete  die  Dynastie;  deshalb  mußte  Elagabal  im 
Jahr  221  n.  Chr.  seinen  allgemein  beliebten,  nur  um  wenige  Jahre  jüngeren 
Vetter  Alexianus  oder  Bassianus  adoptieren,  den  Sohn  der  Mamaea,  der 
unter  dem  Namen  M.  Aurelius  Alexander  zum  Caesar  und  Mitregenten  er- 
hoben wurde.  2)  Elagabal,  der  den  ihm  verhaßten  Mitregenten  gerne  beseitigt 
hätte,  wurde  schließlich  selbst  von  den  Soldaten  erschlagen,  erst  achtzehn 
Jahre  alt  (März  222  n.  Chr.).^)  Nunmehr  trat  der  junge  M.  Aurelius  Severus 
Alexander  die  Regierung  allein  an.^)  Er  zählte  noch  keine  vierzehn  Jahre, 
hatte  eine  sorgfältige  Erziehung  genossen  und  war  eifrig  bestrebt,  seine 
Pflicht  zu  tun  und  die  Fehler  seiner  Vorgänger  gut  zu  machen;  aber  die 
Aufgaben,  vor  die  er  sich    gestellt    sah,    gingen  weit    über   die  Kräfte    des 


')  Der  Kettungsversuch,  den  J.  S.  Hay, 
The  amazing  emperor.  Heliog.,  London  1911, 
unternahm,  ist  nicht  geglückt. 

2)  Den  Augustustitel,  der  auf  Papyrus- 
urkunden ihm  beigelegt  wird,  hat  er  da- 
mals noch  nicht  erhalten.  Abusiver  Ge- 
brauch des  Titels  läfst  sich  auch  bei  Cara- 
calla, Geta  und  dem  Sohn  des  Maximinus 
Thrax  nachweisen.    Vgl.  Thiele  a.  Anm.4 


a.  0.  57  und  Hönn  A.  118. 

*)  Vgl.  Cass.  Dio  LXXIX  39,  1 ;   LXXX 

3,  3.  Ettore  Calligabi,  yota  cronologica ' 
quando  ahhia  comhiciafo  a  regnare  Älessandro 
Sevcro,  Padova  1896. 

*)  W.  Thiele,  De  Serero  AJe.raudro  itnp., 
Berlin  1909.  K.  Hönn,  Quellenunters,  zu 
den  Viten  des  Heliog.  u.  des  Sever.  Alex., 
Leipzig  u.  Berlin  1911. 


;}5(J  Römische  Geschichte. 

wohlmeinenden,  aber  unselbständigen  Jünglings,  dei*  sich  auch  in  späteren 
Jahren  niclit  von  weiblicher  Bevormundung,  wie  sie  eine  Zeitlang  noch 
seine  Großmutter  Julia  Maesa")  und  beständig  seine  Mutter  Mamaea  aus- 
übten, zu  befreien  vermochte;  letztere  war  Mitregentin  und  erhielt  dieselben 
Ehren  und  Titel  wie  früher  Julia  Domna.  Mit  besonderer  Auszeiclinung 
wurde  der  Senat  behandelt;  sechzehn  seiner  Mitglieder  bildeten  als  Rat- 
geber des  jungen  Kaisers  einen  besonderen  Regentschaftsrat  und  auch  in 
dem  juristisdi  tätigen  consiliuni  principh  (Staatsrat)  war  das  senatorische 
Element  vertreten;-)  die  maßgebende  Rolle  in  diesem  Staatsrat,  dem  sie 
als  Prätorianerpräfekten  angehörten,  fiel  den  großen,  aus  dem  Ritterstand 
hervorgegangenen  Rechtsgelehrten,  dem  Domitius  Ulpianus,  dem  Lehrer  des 
Herennius  Modestinus,  und  dem  Julius  Paulus  zu.  Der  Krebsschaden  war 
die  Zuchtlosigkeit  der  Soldaten,  die  Caracalla  großgezogen  hatte.  Es  scheint, 
daß  unter  Severus  Alexander  die  militärischen  Ausgaben  eingeschränkt 
wurden,  was  bei  den  Truppen  viel  böses  Blut  machte.  Es  kam  mehrfach 
zu  gefährlichen  Meutereien,  in  den  Provinzen  wie  in  Rom,  wo  der  wegen 
seiner  Strenge  verhaßte  Ulpian  von  seinen  Prätorianern  unter  den  Augen 
des  Kaisers  ermordet  wurde.  Durch  hohe  Donative  suchte  Severus  Alexander 
die  Empörer  zu  besänftigen.  Die  Truppen,  die  der  Staatskasse  so  teuer  zu 
stehen  kamen,  leisteten  nur  wenig  und  mißhandelten  überdies  die  Unter- 
tanen. Dabei  herrschte  Mangel  an  Soldaten;  ihm  durch  die  Ansiedlinig  von 
Barbaren  auf  römischem  Boden  abzuhelfen,  w^ar  ein  gefährliches,  aber  un- 
entbehrliches Mittel.  Rom  brauchte  ja  ein  starkes  Heer,  um  seine  Grenzen 
zu  decken. 

Denn  besonders  im  Osten  geriet  der  Bestand  des  Reiches  in  ernste  Ge- 
fahr, als  im  Partherreich  eine  neue  kriegerische  Dynastie  emporkam.  3)  Die 
Arsakiden,  längst  durch  unauf  hörhche  Thronstreitigkeiten  geschwächt,  mußten 
einem  neuen  Fürstengeschlecht  weichen.  Ardaschir  (Artaxerxes),  Sohn  des 
Pabak,*)  Fürst  im  eigentlichen  Persien,  stürzte  nach  längeren  Kämpfen  den 
letzten  Arsakiden  Artabanos  und  machte  sich  zum  Herrscher  des  Reichs; 
er  gründet  die  Dynastie  der  Sasaniden  (224:  oder  227  n.  Chr.).^)  Die  Arsa- 
kiden behaupteten  sich  nur  in  Armenien.  Mit  dem  Aufstieg  der  Sasaniden 
war  ein  nationaler  und  religiöser  Umschwung  verbunden;  die  Religion 
Zarathustras  wurde  in  vermeintlich  alter  Reinheit  wiederhergestellt,  und 
der  Hellenismus  der  Parther  durch  den  „Iranismus"  verdrängt.*')  Unter  den 
neuen  Herrschern  entfaltete  das  Reich  ein  höheres  Maß  von  Stoßkraft  als 
früher,  und  die  Selbständigkeit  der.  einzelnen  Landschaften  trat  hinter  der 
zentripetalen  Bewegung  zurück.    Die  Sasaniden  bedrohten  alsbald  die  römi- 


')  Maesa  starb  um  226  n.  Chr.  Vgl.  Thiele  Th.  Nöldeke,    Tabaris  Gesch.  der  Araber 

a.  a.  O.  67.  und  Perser  zur  Zeit  der  Sasaniden,  Leyden 

^)  Der  Senator  Cassius  Dio,  229  n.  Chr.  1879.  Aufsätze  zur  persischen  Geschichte 
Mitkonsul  des  ihm  geneigten  Kaisers  Seve-    "  (Leipzig  1887)  SiS  f. 

rus  Alexander,  legt  in  seinem  Geschichts-  *)  Daher  der  Beiname  Babekan. 

werk  (LH  l-l  ff.)  dem  Maecenas  seine  eige-  '")  Benannt  nach  Sasan,  dem  Vorfahren 

uen  Ideen  über  eine  Reform  der  Monarchie  des  Ardaschir.    Sasan  war  Priester.  Vor- 

in  den  Mund.  Vgl.  P.  Meyer,  De  Maecenatis  steher  des  Feuertempels  der  Anaitis  bei 

oratione   a  Diane   fcta,   Diss.  Berlin  1891.  Persepolis  (Istachr). 

Ed.  Schwartz,  PW  III  1719  f.  ^)  Vgl.  E.  Korxemann  bei  Gercke-Norden, 

^)  Vgl.  A.v.  GuTscHMiD,  Gesch.  Irans  156;  Einl.  in  die  Altertumswiss.  III"'' 298  ff. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  •")().)  35^ 

sehen  Grenzen;  man  wollte  Mesopotamien  zurückerobern  und  dachte  sogar 
an  eine  Wiederherstellung  des  alten  persischen  Reiches.  J]s  gelang  den 
Persern,  die  zuchtlosen,  zum  Teil  verräterischen  römischen  Truppen  aus 
Mesopotamien  zu  verdrängen;  sie  rückten  weiter  sogar  in  Syrien  und  Kappa- 
dokien  ein  (231  n.  Chr.),  Severus  Alexander  mußte  selbst  gegen  die  Perser 
zu  Felde  ziehen.  Die  Berichte  über  seinen  Feldzug  sind  ungenügend  und 
widerspruchsvoll.  1)  Die  Römer  drangen  mit  drei  Heeren  vor,  deren  mitt- 
leres der  Kaiser  selbst  befehligte  (232  n.  Chr.).  Wenn  es  auch  gelang,  den 
Angriff  der  Perser  zurückzuwerfen  und  sie  in  ihre  früheren  Grenzen  zu 
verweisen,  so  w^aren  doch  die  Verluste  der  Römer  sehr  schwer,  und  da  zu- 
gleich andere  Gefahren  drohten, 2)  so  mußte  Severus  Alexander  den  Perser- 
krieg einstellen.  Vor  allem  war  es  geboten,  den  Angriffen  der  Germanen 
auf  die  Rhein-  und  Donaugrenze  zu  begegnen.  Ohne  daß  ein  formeller 
Friede  mit  den  Persern  zustande  gekommen  wäre,  kehrte  Severus  Alexander, 
der  sich  immerhin  als  Sieger  betrachten  konnte,  nach  Rom  zurück;  dann 
begab  er  sich  nach  sorgfältiger  Rüstung  an  den  Rhein  (234  n.  Chr.),  wo  er 
sein  Hauptquartier  in  Mainz  aufschlug.  Nach  verschiedenen  Unternehmungen 
mit  wechselndem  Erfolgt)  wurden  (Winter  234/35  n.  Chr.)  Unterhandlungen 
angeknüpft,  um  den  Frieden  mit  den  Germanen  wiederherzustellen;  wie  es 
schon  unter  Caracalla  geschehen  war,  hat  man  dabei  mit  Geschenken  nicht 
gespart.  Dies  Paktieren  mit  den  Barbaren  untergrub  das  Ansehen  des  un- 
kriegerischen Kaisers.  Auch  seine  Sparsamkeit  und  die  Abhängigkeit  von 
der  Mutter  erregten  das.  Mißfallen  der  Soldaten.  Ein  beliebter  und  bewährter 
Troupier,  C.  Julius  Verus  Maximinus,  wurde  zum  Imperator  ausgerufen  und 
als  solcher  von  der  ganzen  Armee  anerkannt.  Maximinus  ließ  den  Kaiser 
und  dessen  Mutter  Mamaea  ermorden  (Februar  oder  März  235  n.  Chr.).^) 
Mit  Alexander  erlosch  die  severische  Dynastie.  Die  Usurpation  des  Maxi- 
minus führte  über  das  Reich  eine  Periode  endloser  Wirren  herauf. 

50.  Kaisertum,  Reich  und  Provinzen.  Hier  sei  zunächst  ein  kurzer 
Überblick  über  das  Kaisertum  vind  seine  Leistungen,  über  Bestand  und 
Lage  der  Provinzen  wie  des  Reichs  eingeschaltet. 

Der  Prinzipat,  das  kaiserliche  Amt  hatte  sich  seit  seiner  Begründung 
durch  Augustus  immer  mehr  zur  eigentlichen  Monarchie  entwickelt.^)  Man 
hatte  sich  an  die  Alleinherrschaft,  die  mit  Recht  als  Notwendigkeit  em- 
pfunden wurde,  längst  gewöhnt;  Volk,  Heer  und  Provinzen  wollten  von 
einer  Wiederkehr  der  Senatsherrschaft  nichts  wissen;  seit  dem  Ende  des 
Gaius  ist  daher  die  Monarchie  nicht  mehr  in  Frage  gestellt  worden.  Nach 
dem  Sturz  des  julisch-claudischen  Kaiserhauses  haben  die  Flavier,  vor  allem 


1)  Herodian  VI  5  f.  Zonaras  XII 15.  Vita   j    für  die  Thronbesteigung  Maximins  ergibt 
Alexandri  Severi  55  ff.  G.Krebs,  De  Seren'      die  Inschrift  CIL  VI  2001,  Z.  13,  aus  der 


Alexandri  hello  contra  Persas  gesto,  Düssel- 
dorf 1847. 

*)  Dazu  gehört  die  Seeräuberplage  im 
Mittelländischen  Meer.  A.  v.  Domaszewski. 
Rhein.  Mus.  LVIII  381. 

^)  Auf  einer  in  Beuel  gefundenen  In- 
schrift wird  ein  römischer  bieg  erwähnt. 


hervorgeht,  daß  der  neue  Kaiser  am  25. 
März  235  n.  Chr.  in  Rom  anerkannt  war. 
Das  Andenken  Alexanders  und  seiner 
Mutter  wurde  geächtet,  ihr  Name  auf 
den  Denkmälern  getilgt. 

")  MoMMSEN,   Rom.  Staatsrecht  II  2.    O. 
Hirschfeld,  Die  kaiserlichenVerwaltungs- 


NissEN,  Bonner  Jahrb.  103  S.  110.  i    beamten  bis  auf  Diocletian,  2.  Aufl.  Berlin 

*)  Einen  sicheren  termiuus  ante  quem       1905. 


352 


Römische  Geschichte. 


Domitian,  später  die  Severer  den  monarchischen  Charakter  des  Regiments 
mit  wachsendem  Nachdruck  betont.  Der  Senat,  der  einstige  Mitrogent  und 
Teilhaber  der  „Dyarchie",  sah  sich  in  Verwaltung  und  Heerwesen  allmäh- 
lich mehr  und  mehr  zurückgedrängt;  sogar  auf  seinem  eigensten  Gebiet 
war  der  Einfluß  des  Senats  im  Schwinden  begriffen;  ohne  Zweifel  haben 
sich  selbst  die  sog.  Senatskaiser,  ein  Nerva,  ein  Traian  und  deren  loyale 
Nachfolger,  die  den  Senat  an  den  Regierungsgeschäften  Anteil  nehmen 
liefsen,  weit  monarchischer  gebärdet,  als  vordem  Augustus  oder  Tiberius.') 
Auch  der  äußere  Umfang  des  vom  Kaiser  verwalteten  Reichsgebiets  hat 
zugenommen;  die  kaiserlichen  Provinzen  übertreffen  die  senatorischen  an 
Zahl  wie  an  Ausdehnung.  Wenn  auch  der  Senat  als  Körperschaft,  als  Re- 
präsentant der  obersten  sozialen  Schicht,  sowie  als  Träger  einer  Jahrhunderte 
alten  Überlieferung  und  besonders  als  das  stabile  Element  der  Verfassung 
den  w^echselnden  Herrschergestalten  gegenüber  eine  nicht  zu  unterschätzende 
Bedeutung  besitzt,  so  mufs  er  sich  doch  wohl  oder  übel  als  gefügiges  Werk- 
zeug in  den  Dienst  des  Kaisertums  stellen,  gegen  das  er  nicht  regieren 
kann.  Immer  mehr  macht  sich  die  kaiserliche  Gewalt  und  Gerichtshoheit 
selbst  in  Rom,  Italien  und  den  Senatsprovinzen  geltend.  Seit  Septimius 
Severus,  der  zuerst  eine  Legion  als  Besatzung  in  die  Nähe  Roms  gelegt 
hat,  nennen  sich  die  Kaiser  auch  in  Italien  Prokonsul,  2)  während  nach 
älterem  Recht  die  prokonsularische  Gewalt  sich  nur  auf  die  Provinzen  er- 
streckt. Der  titulare  Ausdruck  der  Monarchie  wird  bestimmter;  durch 
Hadrian  wird  der  Name  Caemr^  bisher  das  allgemeine  Prädikat  der  ganzen 
regierenden  Familie,  auf  den  Mitregenten  und  designierten  Nachfolger  als 
solchen  ausschließlich  übertragen,  womit  der  Begriff  Caesar  seinen  besonderen 
staatsrechtlichen  Inhalt  bekommt.  3) 

Der  Kaiser  übt  seine  Gewalt  aus  durch  eine  zahlreiche  Berufsbeamten- 
schaft, deren  Gliederung  während  der  ersten  anderthalb  Jahrhunderte  in 
Anlehnung  an  die  von  der  Republik  übernommenen  senatorischen  Amter 
durchgeführt  wurde.  Die  kaiserlichen  Amter  werden  in  der  Hauptsache 
Privileg  des  Ritterstandes.  Dies  gilt  auch  von  den  Haus-  und  Hofämtern, 
deren  Wichtigkeit  für  die  Reichsregierung  zuerst  unter  Claudius  deutlich  in 
die  Erscheinung  trat.  Sie  wurden  anfangs  von  den  kaiserlichen  Freigelassenen 
eingenommen,  fielen  aber  allmählich  den  Rittern  zu  und  verloren  so  den  Cha- 
rakter des  persönlichen  kaiserlichen  Dienstes.  Epochemachend  war  für  die 
Entwicklung  des  römischen  Reichsbeamtenstandes  die  Regierung  Hadrians. 
Nach  Rang  und  Gehalt  abgestuft  bildet  sich  parallel  der  längst  bestehenden 
senatorischen  eine  ritterliche  Ämtercarriere  mit  der  Präfektur  von  Ägypten 
und  der  Prätorianerpräfektur  an  der  Spitze.  Der  Prätorianerpräfekt  ist  der 
Stellvertreter  des  Kaisers  und  wird  insonderheit  mit  der  Ausübung  der 
höchsten  Gerichtsbarkeit  betraut.  Der  Ritterstand  findet  auch  in  die  Offiziers- 
stellen des  Heeres  Eingang;  das  Legionskommando  bleibt  allerdings  mit 
einigen  Ausnahmen  noch  längere  Zeit  den  senatorischen  Legaten  vorbehalten ; 
erst  Septimius  Severus   hat   mit  diesem  Vorrecht    des  Senatorenstandes  ge- 

*)  Der  jüngere  Plinius  redet  in  seinen       Tiberius  ein  Unding  gewesen  wäre. 
Briefen  an  Traian  den  Kaiser  in  der  Regel  2)  Vgl.  E.  Stein,  Klio  XII,  1912,  392  flf. 

mit  domine  an,  was  unter  Augustus  oder  *)  Mommsen,  Rom.  Staatsrecht  II,  1082  ff. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  50.)  353 

brocken:    aber    schon    unter   den    ersten  Kaisern  treten  neben  die  Offiziere 
der  senatorischen  Kangklasse  solche  aus  dem  Kitterstand. 

Unter  den  Ländern,  die  das  Reich  ausmachen, i)  nimmt  ItaHen  als  Sitz 
der  herrschenden  Bürgerschaft  eine  bevorzugte  Stellung  ein.  In  Form  der 
Gemeindeverfassung  sollte  Italien  sich  selbst  verwalten,  unter  Aufsicht  des 
Senats  und  des  Kaisers.  Erst  Augustus  hat  die  Grenzen  Italiens  endgültig 
festgesetzt;  das  cisalpinische  Gallien  wurde  in  sie  einbezogen;  nach  Westen 
bildete  der  FIuFb  Varus  die  Grenze,  gegen  Osten  wurde  Istrien  bis  Pola 
noch  hinzugerechnet:  Augustus  hat  auch  das  gesamte  Gebiet  mit  Ausnahme 
der  Stadt  Rom  in  elf  Bezirke  oder  Regionen  geteilt,  die  Vorläufer  späterer 
Provinzen.  2)  Seit  Augustus  kann  Italien  fast  ohne  Einschränkung  als  latei- 
nisches, national  in  sich  geschlossenes  Territorium  gelten.  Die  Wurzeln 
seiner  Kraft  ruhen  gerade  in  den  jüngsten  Annexen,  in  dem  oberitalischen, 
einst  überwiegend  gallischen  Gebiet.  Hier  und  in  den  angrenzenden  Strichen 
Mittelitaliens  ist  die  Bevölkerung  am  dichtesten,  sind  die  Städte  am  zahl- 
reichsten; neben  Mediolanium,  Ticinum,  Cremona,  Verona  nimmt  in  der 
früheren  Kaiserzeit  Patavium  durch  Reichtum  und  Einwohnerzahl  den  ersten 
Platz  ein.  Das  schon  seit  langem  entvölkerte  Unteritalien  wieder  zur  Blüte 
zu  bringen,  blieb  den  Kaisern  trotz  allen  Bemühungen  versagt.^)  Selbst 
die  Umgegend  Roms  war  verödet,  nur  Kampanien  mit  Neapel  behauptete 
seinen  früheren  Stand;  im  übrigen  waren  in  der  augusteischen  Zeit  unter 
den  alten  griechischen  Städten  nur  Rhegion  und  Tarent  noch  von  einiger 
Bedeutung.  Die  Freiheit  der  italischen  Gemeinden  war  durch  das  kaiser- 
liche Aufsichtsrecht  über  die  Landstraßen  von  Anfang  an  eingeengt.  Aber 
auch  sonst  ließ  sich  die  Selbstverwaltung  nicht  aufrecht  erhalten;  es  rissen 
seit  Nerva  namentlich  in  der  Finanzverwaltung  und  der  Rechtspflege  Miß- 
bräuche ein,  die  schließlich  unter  M.  Aurelius  im  Jahr  163/164  n.  Chr."*) 
zu  der  Institution  der  iuridki  führten;  diese  iuridici  sind  vom  Kaiser  er- 
nannte Richter  im  Zivilprozeß;  allmählich  erweiterten  sich  ihre  Befugnisse 
zu  einem  Aufsichtsrecht  auf  Kosten  der  Selbstverwaltung  der  Gemeinden 
ihres  Sprengeis. 

^)  Zum  Folgenden  vgl.  vor  allem  Momm-  tannischen,  Bd.  3  mit  Supplement  die  öst- 
SENS  Eömische  Geschichte  Bd.  V.  Das  sta-  licheuProvinzeumitEinschluß  der  Donau- 
tistische Material   mit  den  Belegen    und  landschaften  (bis  Eätien),  Bd  8  mit  Sup- 
der  neueren  Literatur  findet  sich  bei  Mar-  I    plement  die  afrikanischen. 
QUARDT,  Rom.  Staatsverwaltung  I'^  216  ff",  i        ^)  Plinius  hist.  nat.  III  46.   Zu  welchem 


Einzelne  Teile  behandeln  Camille  Jullian, 
Les  tra)isfor))iations  politiques  de  l'ItaJie  sous 
les  emperews  Bomains,  Paris  1883;  E.  Hüb- 
NEK,  Rom. Herrschaft  in  Westeuropa,  Berlin 
1890;  J.  Jung,  Die  romanischen  Land- 
schaften des  röm.  Reiches,  2.  Aufl.,  Inns- 


Zweck  diese  Einteiknig  ursprünglich  ge- 
trofi^en  wurde,  ist  unbekannt.  Vielleicht 
sollte  sie  der  Aushebung  dienen. 

^)  Die  Ansiedlungen  von  Veteranen 
hatten  keine  rechte  Wirkung.  Über  die 
Erfahrungen,  die  man  in  Tarent  und  An- 


bruck  1886.  Als  Quellen  kommen  in  Be-  tium  machte,  vgl.  Tacit.  ann.  XIV  27.  In 
tracht  die  Geograiihie  Strabons  und  die  j  Italien  muß  es  an  unbebautem  Land  nicht 
geographischen  Bücher  des  Plinius  hist.  gefehlt  haben.  Das  beweisen  die  Ansied- 
nat.  III — V,  sowie  die  Geographie  des  !  lung  von  Kriegsgefangenen  durch  Marcus 
Ptolemaevxs.  Reiches  Material  bieten  die  |  Aurelius  (S.  341)  und  noch  deutlicher  die 
verschiedenen  Bände  des  CIL.  Bd.  2  mit  i  Verordnung  des  Pertinax,  der  das  un- 
Supplement enthält  die  spanischen  In-  |  bebaute  Land  jedem  in  Kultur  zu  nehmen 
Schriften,  Bd.  12  die  der  narbonensischen  \  gestattete.  Herodian.  II  4,  6.  Vgl.  auch 
Provinz,  Bd.  13  umfaßt  die  drei  Gallien  ]  Sueton.  Domit.  9. 
und  die  beiden  Germanien,  Bd.  7  die  bri-  *)  Vgl.  Rosenberg,  PW  X  1148. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.   III,  5.    5.  Aufl.                                                          23 


354  Römische  Geschichte. 

Erst  in  der  Kaiserzeit  wurde  Kom  zu  der  imposanten  Weltstadt,  von 
deren  Glanz  und  Pracht  nocli  lieute  die  Kuinen  zeugen.  Nach  dem  Vorbild 
der  hellenistischen  Großstädte  des  Ostens  haben  (he  Kaiser  die  Reichs- 
hauptstadt um  die  Wette  mit  kostspieligen  Luxus-  und  Nutzbauten,  mit 
Tempeln,  Thermen  und  anderen  Anlagen  geschmückt.  Nach  den  Schöp- 
fungen des  Augustus  gaben  große  Brände')  z.B.  unter  Nero  und  Titus 
(64  und  80  n.  Chr.)  Anlaß  zu  großzügiger  Bautätigkeit.  Die  Flavier,  ferner 
Traian,  Hadrian  und  seine  Nachfolger  ließen  viel  bauen,  ebenso  Septimius 
Severus  und  seine  Dynastie.  Die  Grenzlinie  der  Stadt  im  engsten  Sinn,  das 
Pomerium,  wurde  wiederholt,  so  von  Claudius  und  Vespasian  vorgerückt. ''') 
Die  Verwaltung  der  Haupt-  und  Residenzstadt  wird  überwiegend  kaiserlich. 
Der  vom  Kaiser  bestellte  Stadtpräfekt  {praefectus  urhi)  wurde  bald  die  maß- 
gebende Instanz;  mit  der  Polizei  geht  die  Kriminalgerichtsbarkeit  auf  ihn 
über.  Die  republikanischen  Amter  verändern  ihr  ursprüngliches  Wesen; 
schon  unter  Augustus  beginnt  eine  Entwicklung,  in  deren  Verlauf  die  Volks- 
tribunen und  Adilen  zu  hauptstädtischen  Beamten  werden:  unter  Severus 
Alexander  gehen  die  genannten  Amter  tatsächlich  ein,  und  es  bleibt  nur  der 
Titel.  Auch  die  Prätoren  verlieren  viel  von  ihren  früheren  Befugnissen:  sie 
haben  die  hauptstädtischen  Spiele  auszurichten,  während  sie  die  Gerichts- 
hoheit zum  großen  Teil  dem  Kaiser  und  seinen  Beamten  überlassen  müssen. 
Die  Bevölkerung  der  Weltstadt  ist  aufs  bunteste  zusammengewürfelt;  selbst 
die  römische  Bürgerschaft,  die  nach  den  fünfunddreißig  Tribus  gegliederte 
plebs  Bomaiia,  Avird  von  fremden  Elementen  durchsetzt;  beständig  strömen 
nach  Rom  aus  allen  Provinzen  Ausländer,  von  denen  die  Juden  schon  früh 
ein  ansehnliches  Kontingent  stellen. 

Die  Provinz  Sizilien,  die  früher  ganz  griechische  Insel,  ist  nach  der  Be- 
siegung des  Sex.  Pompeius  durch  Augustus  infolge  von  späteren  Koloni- 
sationen in  der  Hauptsache  lateinisch  geworden,  hat  sich  also  an  Italien 
angeglichen.  Sardinien  und  Korsika  waren  noch  unter  Augustus  und  Tiberius 
nicht  völlig  beruhigt:^^)  unter  kaiserlicher  Verwaltung  machte  die  Befriedung 
der  Einheimischen  im  Innern  der  beiden  Inseln  Fortschritte.  Durch  An- 
siedlung  von  Kolonisten  wurde  das  italische  Element  und  die  lateinische 
Sprache  gefördert. 

Die  spanischen  Provinzen  der  Pyrenäenhalbinsel  hat,  wie  schon  er- 
wähnt (S.  299),  erst  Augustus  endgültig  dem  Reich  einverleibt  und  für  die 
Dauer  beruhigt.  Noch  unter  diesem  Kaiser  wurde  von  den  beiden  schon 
vorhandenen  Provinzen  als  dritte  Lusitanien  abgezweigt.^)  Die  spanischen 
Stämme  wurden  zum  Heeresdienst  stark  herangezogen.  In  denjenigen  Ge- 
bieten, die  schon  lange  römisch  waren,  namentlich  in  der  jenseitigen  Provinz, 
der  Baetica,  haben  sich  frühzeitig  Italiker  niedergelassen  und  lateinische 
Sprache  und  Zivilisation  verbreitet.  Schon  zu  Caesars  Zeit  hatten  sich  viele 
römische  Bürger   dort   seßhaft   gemacht.    Die  Stadt  Gades,    der  Caesar  das 


')  P.  Werner,   De  incendiis  urhi.-i  Romae       (>.  Hirschfelds   0(h  Geburtstag  221  f.    Die 
aetate  hnperatonmi,  Diss.  Leipzig  1906.  Bildung  einer  besonderen  Provinz  Lusi- 

'')RicHTER,Topographied.  Stadt  Rom  53  flf.       tanien  hat   sich   schon  unter  der  letzten 


3)  Tacit.  ann.  II  85.    Strabo  V  224  f. 
*)  E.  KoRNEMANN   in   der  Festschrift  zu 


Verwaltungsära  des  Pompeius  vorbereitet. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  öO.)  355 

Bürgerrecht  verlieh,  ist  in  augusteischer  Zeit  wohl  die  gröfjte  aul^eritalische 
römische  Stadt  mit  fünfhundert  Bürgern  von  Ritterrang. i)  In  der  dies- 
seitigen Provinz  haben  schon  Sertorius  und  Pompeius  als  Pioniere  der  Latini- 
sierung gewirkt,  später  hat  Augustus  in  ganz  Spanien  diese  Kulturarbeit 
in  zukunftsreichen  Gründungen  methodisch  fortgesetzt  vmd  rascli  vollzieht 
sich  des  weiteren  die  Bildung  städtischer  Gemeinwesen.  Schon  Vespasian 
war  in  der  Lage,  sämtlichen  spanischen  Gemeinden  das  latinische  Recht 
zu  bewilligen.  Die  Zahl  der  ländlichen  Stammverbände  war  in  rascher  Ab- 
nahme begriffen.^) 

Unter  den  gallischen  Provinzen  nimmt  die  älteste,  die  Narbonensis.  eine 
Sonderstellung  ein.^)  Schon  Caesar  hat  sie  von  dem  übrigen  Gallien  los- 
getrennt, und  diese  Scheidung  wurde  definitiv,  als  die  Narbonensis  22  v.  Chr. 
im  Austausch  gegen  Illyrien  vom  Kaiser  auf  den  Senat  überging.  Gleich 
nach  der  ersten  Eroberung  hatte  die  Latinisierung  begonnen,  der  die  Koloni- 
sationen des  Diktators  Caesar  und  des  Augustus  kräftigen  Vorschub  leisteten. 
Neben  dem  alten  Narbo  wurden  die  Kolonien  Arelate,  Forum  Julii  (Frejus),. 
Aquae  Sextiae  (Aix)  u.  a.  gegründet,  dazu  Gemeinden  latinischen  Rechtes,, 
wie  Nemausus  (Nimes),  und  das  gallische,  rasch  latinisierte  und  zur  Kolonie 
erhobene  Vienna.  Von  dem  städtischen  Leben,  das  hier  aufblühte,  legen 
noch  heute  erhaltene  Bauwerke  Zeugnis  ab.  Jene  Gründungen  geschahen 
zum  Teil  auf  Kosten  des  alten  Massalia,  das  sich  von  der  Katastrophe  der 
Eroberung  durch  Caesar  niemals  erholt  hat.  Augustus  hat  die  ehrwürdige 
Stadt  wenigstens  einigermafsen  entschädigt:  sie  bewahrte  als  eine  Pflegstätte 
höherer  griechischer  Kultur  und  feinerer  Bildung  ihren  Rang,  der  sie  über 
die  von  ihr  beeinflußte  gallische  Umwelt  emporhob. 

Wesentlich  anders  ist  die  Gliederung  des  großen  Galliens,  nämlich  der 
drei  gallischen  Provinzen,  die  zusammen  eine  besondere  Einheit  bildeten 
(oben  S.  295).^)  Hier  ist  nach  der  augusteischen  Ordnung  nicht  die  Stadt- 
gemeinde, sondern  der  Stamm  {cirifas)  die  Grundlage  der  Provinzialverwal- 
tung.  Wohl  gab  es  auch  hier  Städte  und  zwar  recht  ansehnliche,  aber  sie 
waren  dem  Stamm  untergeordnet.  Natürlich  hat  die  römische  Regierun,«- 
die  großen  Klientelverbände  aufgelöst  und  die  früher  mächtigen  Stämme 
geschwächt,  die  schwächeren  von  der  Abhängigkeit  befreit.")  Die  Gegen- 
sätze und  Streitigkeiten  der  Stämme  untereinander  überdauerten  indes  noch 
lange  die  römische  Eroberung  und  wurden  nicht  selten  akut.  Aus  der 
Stammverfassung  erklärt  sich  die  Erscheinung,  daß  die  Hauptorte  in  vielen 
Fällen  ihren  eigenen  Namen  verloren  und  den  Stammnamen  annalimen,  wie 

')  Strabo  III  109.  1876—1893.    Fustel  de  Coülanges,  Ulstoive 

2)  Dies  zeigt  der  Vergleich  der  Statistik  des  instihdions  poJit!que.'<  de  Vancienne  France, 
der  tarrakonensischen  Provinz  bei Plinius  revue  par  C.  Jüllian  I  (Paris  1891)  65  If. 
{III  18  ff.)  und  Ptolemaeus  (Geogr.  II  5).  Zu  den  nationalen  Eigentümlichkeiten  der 
Die  114  ländlichen  Gemeinden  des  Plinius  drei  Gallien  gehört  auch  das  Wegemaß, 
sind  bei  Ptolemaeus  auf  27  zusammen-  die  leuga:  sie  mißt  1' 2  Milien  oder  2,22  km. 
geschrumpft.  5)  Damit  wird  zusammenhängen,  daß  der 

3)  L.  Herzog,  (ialJiae  Xarbonensis  pro-  frühere  Hauptort  der  Aeduer.  Bibracte, 
vinciae  hi^toria.descr/ptio  etc.  Leipzig  1864.  verschwindet  und  durch  das  neue  Augu- 
O.  HmscHFELu,  Kl.  Sehr.  19  ff.  stodunum  ersetzt  wird,  und  ähnlich  bei 

^)  E.  Desjardins,  Geographie  historlque  et  den  Arvernern  Gergovia  durch  Augusto- 
administrative  de   la  Gaule  Romaine,   Paris       nemetum.    O.  Hirschfeld.  Kl.  Sehr.  186  ff. 

23* 


356 


Römische  Geschichte. 


/,.  B.  die  alten  Städte  Lutetia  (oder  Lukotokia),  Durocoitoruni  und  Samaro- 
briva  die  Namen  der  Parisier,  Anibianen  und  Remer  eintauschten. i)  Nur 
wenige  römische  Städte  wurden  hier  gegründet;  die  bedeutendste  ist  die 
48  V.  Chr.  auf  dem  Gebiet  der  Segusiaver  an  der  Mündung  des  Arar  in  die 
Khöne  angelegte  Kolonie  Lugudunum,^)  wo  am  1.  August  12  v.  Chr.  die  am 
Hoinae  et  AiH/iisfi  als  religiöser  Mittelpunkt  der  gallischen  Provinzen  ein- 
geweiht wurde.  Alljährlich  versammelten  sich  hier  am  Stiftungstag  die  Ver- 
treter der  sechzig  (oder  später  vierundsechzig)  gallischen  Stämme  unter  einem 
gewählten  Priester  zur  gemeinsamen  Festfeier.  Lugudunum  galt  als  die 
bevorzugte  Zentrale  der  drei  Provinzen;  dieses  „Rom  des  Nordens"  war 
kaiserliche  Münzstätte  und  Garnisonsort  einer  der  stadtrömischen  Kohorten. 
Das  römische  Bürgerrecht  verbreitete  sich  in  Gallien  durch  einzelne  Ver- 
leihungen wie  durch  den  Heeresdienst  rasch,  und  bereits  Claudius  konnte 
zunächst  wenigstens  den  Aduern  das  iuf>  liojionnn  verleihen  (oben  S.  818). 
Es  bildeten  sich  größere  städtische  Ansiedlungen,  die  nun  zu  Brennpunkten 
der  griechisch-römischen  Gesittung  wurden.  Die  Gallier  erwiesen  sich  als 
sehr  empfänglich  für  die  Segnungen  einer  höheren  Kultur  und  glichen  sich 
verhältnismäßig  rasch  ihren  Besiegern  an.  Gallien  hat  seinerseits  dem  Reich 
viel  gegeben.  Frühzeitig  tritt  sein  Adel  in  die  römische  Aristokratie,  den 
regierenden  Stand,  ein;  das  romanisierte  Gallien  ist  als  die  wichtigste  Pro- 
vinz des  Westens  zu  bezeichnen. 

Weniger  günstig  lagen  die  Dinge  in  der  britannischen  Provmz.  Es  dauerte 
lange,  bis  sie  vollständig  unterworfen  war,  und  auch  nachdem  Hadrian 
und  Antoninus  Pius  die  Nordgrenze  befestigt  hatten,^)  war  sie  des  öfteren 
den  Einfällen  der  nördlichen  Nachbarn,  der  kriegerischen  Kaledonier  und 
anderer,  ausgesetzt.  Septimius  Severus  hat  nach  dem  Ende  des  Clodius 
Albinus  die  Provinz  in  zwei  Teile  (superior  und  inferior)  geteilt  und  zu- 
gleich den  südlicheren,  den  hadrianischen  Wall  als  Grenze  gesetzt.  Trotz 
den  vielen  kriegerischen  Unruhen  haben  die  Römer  auch  hier  die  Grund- 
lage der  Zivilisation  und  des  städtischen  Lebens  gelegt.  Auf  die  Eroberung 
folgte  eine  starke  Einwanderung;  Londinium  wurde  schon  damals  ein  be- 
lebter Handelsplatz.^) 

Gallien,  mit  Ausschlufs  der  Narbonensis,  bildete  unter  Augustus  ein  ein- 
heitliches Kommando,  das  sich  auch  über  den  Rhein  zu  den  Germanen  er- 
streckte. Jedoch  die  Abberufung  des  Germanicus  durch  Tiberius  10  17  n.Chr. 
(oben  S.  307)  beendete  diesen  Zustand.  Von  nun  an  gab  es  drei  gesonderte 
gallische  Provinzen;  das  militärische  Kommando  der  Rheinarmee  wurde  ab- 
getrennt und  mit  der  Verwaltung  der  an  den  Rhein  grenzenden  links- 
rheinischen Landstriche  verbunden,  die  nunmehr  die  Provinzen  Ober-  und 
Untergermanien  ausmachten.^)  Das  rechtsrheinische  Gebiet  mit  seinen  schon 


»)  Heute  Paris,  Reims  und  Amiens.  Aber  ^)  E.  Krügek,  Die  Limesanlageu  im  uördl. 

zuweilen  behaupten  sich  die  alten  Namen;  England.  Bonner  Jahrb.  Bd.  110  (1903)  1  ff. 

Yesontio  ist  noch  heute  Besan(,-on.  *)  F.  Havekfield.    TIh-    Eomauization    of 

2)  Cass.  Dio  XLVI  50.    O.Hikschfeld,  Kl.  Roman  Britain,  3.  Aufl.,  Oxford  1915. 
Sehr.  133  ff.    Sonst  nur  noch  das  gleich-  *)  Ob  die  beiden  Germanien  eine  Pro- 
zeitig   angelegte    Raurica    oder    Augusta  vinz  im  vollen  Sinn  bildeten,  ist  zweifel- 
Rauracorum  (Äugst  bei  Basel)  und  Novio-  haft.  In  finanzieller  Hinsicht  scheinen  sie 
dunum  (Nyon).    Marquärdt  a.  a.  O.  I'^  267.  zu  Gallien  (zur  Belgica)  gehört  zu  haben. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  50.)  357 

vorhandenen  Ansiedlungeni)  ging  verloren  und  wurde  am  Niederrhein  dauernd 
aufgegeben,  nur  behielten  sich  die  römischen  Besatzungen  einen  Grenz- 
streifen unbebauten  Landes  vor,  auf  dem  sie  keine  germanischen  Siedler 
duldeten: 2)  übrigens  hatten  die  Römer  nicht  selten  Gelegenheit,  auch  in 
das  freie  Germanien  einzugreifen.  In  Obergermanien  blieb  Mainz  gegenüber 
auf  dem  rechten  Ufer  beim  Chattenland,  beim  heutigen  Wiesbaden  etwa 
bis  Frankfurt  hin,  ein  Landstrich  als  eine  Art  Glacis  in  römischen  Händen 
(oben  S.  319),  und  später  sind  die  Flavier  auf  dem  rechten  Rheinufer  als 
Eroberer  aufgetreten.  Schon  erwähnt  ist,  daß  Vespasian  die  Neckarland- 
schaft unterwarf  (S.  328) :  Domitian  brachte  diese  Erwerbung  zum  Abschluß : 
derselbe  Kaiser  drängte  von  Mainz  aus  die  Chatten  zurück,  besetzte  die 
Wetterau  und  zog  eine  durch  Posten  gesicherte  Grenzlinie,  die  den  Main 
beim  heutigen  Kesselstadt  erreichte  und  sich  südlich  vielleicht  über  den 
Odenwald  fortsetzte  (S.  331).  Die  späteren  Kaiser  bis  zu  Caracalla  haben 
das  Werk  weitergeführt:^)  unter  Antoninus  Pius  wurde  die  Befestigungs- 
linie weiter  nach  Osten  vorgeschoben:  der  Main,  der  bei  Groß-Krotzenburg 
(bei  Hanau)  erreicht  wurde,  bildete  bis  Miltenberg  die  Grenze,  die  dann 
schnurgerade  südwärts  bis  Lorch  an  die  Rems,  einen  Nebenfluß  des  Neckars, 
läuft,  um  von  hier  als  rätischer  Limes  nach  Osten  umzubiegen,  bis  sie  bei 
Kelheim  oberhalb  Regensburg  die  Donau  berührt.-^)  Entsprechend  wvu'de 
von  Rätien  aus  schon  durch  Vespasian  die  Reichsgrenze  vorgerückt.  Die 
Grenze  war  zunächst  nur  durch  einen  Limes,  den  Grenzweg,  bezeichnet. 
Hadrian  befestigte  sie  durch  Pfahlwerk  und  eine  Reihe  von  Kastellen :  in 
Rätien  wurde  später  Mauerwerk  errichtet.  Die  Kastelle  waren  untereinander 
und  mit  dem  Hinterland  durch  Straßen  verbunden:  den  nötigen  Rückhalt 
boten  die  großen  Legionslager  der  Rheinlinie,  in  deren  Bereich  sich  das 
Leben  einer  römischen  Provinz  entwickelte.  In  Untergermanien  wird  die 
ehemalige  Stadt  der  Ubier,  die  Colonia  Agrippina  (Köln),  ein  wichtiger 
Platz,  andere  städtische  Ansiedlungen  entstehen  bei  den  Legionslagern  von 
Bonna  und  Novaesium  (Neuß),"*)  weiter  rheinabwärts  die  Gründungen  Traians, 
beiVetera  die  Kolonie  LTlpia  Traiana  (Xanten)  und  Ulpia  Noviomagus  (Nym- 
Avegen).  Die  Rheinmündungen,  durch  Kastelle  und  Besatzungen  geschützt, 
wurden  der  Ausgangspunkt  eines  regen  Handels,  der  seine  Fäden  nach 
Britannien  und  dem  Norden  spann.*')  In  Obergermanien  ist  am  linken  Rhein- 

^)  Wozu  die  römische  Niederlassung  bei  Kastelle   vuid  Anlagen    vgl.  Sarwey    und 

Haltern  an  der  Lippe  gehört.  Hettner  (Sarwey  und  Fabriciüs),  Der  ober 

^)  Tacit.  ann.  XIII  54  ff.  germanisch-rätische    Limes    des    Römer 

^)  Über  Hadrian  vgl.  vita  Hadriani  12,  (>.  reiches.  Heidelberg  1894  if.,  undzurOrien 

*)  Diese   Befestigung    nennt   man    den  tierung  Westdeutsche  Zeitschrift  IX  1  tf. 

limes,  d.  h.  eigenthch  die  Grenzlinip  und  Xllllff.:  134.219:  XVIII IflP.  E.Fabricius 

Grenzstraße.  DerLimes  verläßt  den  Ehein  Die  Entstehung   der  röm.  Limesanlagen 

bei  Rheinbrohl,  zieht  an  den  Taunus,  läuft  Trier  1902.    Vgl.  die  folgenden  Anm. 
ostwärts    auf  der  Höhe   weiter,    schließt  '")  H.  Nissen,  Novaesium,  Bonner  Jahrb. 

Butzbach    und   Friedberg    ein    und    geht   '    111/112,  1904. 

dann  an  den  Main.  Das  berühmteste  der  ")  Der  wichtigste  Hafen  scheint  Fectio 
Kastelle,  die  Saalburg  bei  Homburg  (vgl.  gewesen  zu  sein,  heute  Vechten  bei  Ut- 
L.Jacobi,  Das  Römerkastell  Saalburg,  Hom-  recht,  ein  anderer  bei  Domburg  auf  Wal- 
burg 1897.  2  Bde.),  ist  zuerst  unter  Domi-  cheren.  CIL  XIII 2, 2  p.  630 flf.  Erwähnens- 
tian  gegründet,  später  weiter  ausgebaut  wert  ist  eine  Inschrift  aus  Beetgum  bei 
und  unter  Antoninus  Pius  vollendet  wor-  Leeuwarden  in  Friesland,  die  Widmung 
den.  Über  den  Limes  und  seine  einzelnen  von  Fischereipächtern  an  die  dea  Hludana 


358  Römische  Geschichte. 

ufer  die  Stadt  der  Trcverer  (Trier)  einer  der  ältesten  und  wichtigsten  Plätze. i) 
Andere  städtische  Niederlassungen  bilden  sicli  hei  den  Legionslagern  von 
Mainz  und  Strafahurg  (Argentoratej,  bei  Worms  (Borhetomagus)  und  sonstwo. 
Das  rechte  Rheinufer  ist  wahrscheinlich  zum  großen  Teil  von  Gallien  aus 
neu  bevölkert  worden;  wenigstens  ist  dies  bei  dem  sog.  Dekumatenland 
der  Fall.  Schon  früh  entstand  eine  Stadtanlage  in  Aqiiae  Mattiacae,  dem 
heutigen  Wiesbaden,  2)  später  bei  Frankfurt  in  der  cifitas  l^ninensium  bei 
Hcddernheim,3)  weiter  südwärts  in  Lopodunum  (Ladenburg  bei  Heidelberg),*) 
bei  den  Arae  FUiviue  (Rottweil)  und  in  Sumelocenna  (Rottenburg),  an  den 
Bädern  von  Badenweiler  und  Baden-Baden  {aquae  Aurciuie).  Die  römische 
Zivilisation  schlägt  hier  ebenso  Wurzel  wie  auf  dem  linken  Rheinufer  in 
(Tullien.^) 

In  der  Provinz  Rätien  und  Vindelicien,  die  sich  an  der  Donau  bis  nach 
Castra  Batava,  dem  heutigen  Passau,  erstreckte,  wurde  eine  größere  römische 
Ansicdlung  in  AugustaVindeliccBinu,  dem  heutigen  Augsburg,  gegründet.*^) 
Weit  früher  und  stärker  wurde  das  benachbarte  Noricum  romanisiert.  Es 
hatte  wahrscheinlich  einen  großen  Teil  seiner  keltischen  Bewohner,  der 
Taurisker  usw.,  verloren  und  wurde  durch  Einwanderer  aus  Italien  neu  be- 
völkert und  zivilisiert.  Schon  unter  Claudius  empfing  Noricum  italisches 
Recht.  Die  angrenzenden  Germanen  verhielten  sich  ruhig;  deshalb  lagen 
weder  hier  noch  in  Rätien  römische  Legionen,  sondern  nur  Auxiliarkohorten, 
wie  denn  auch  beide  Provinzen  zunächst  bis  auf  Antoninus  Pius  und  M.  Aurelius 
nicht  Legaten,  sondern  ritterlichen  Prokuratoren  unterstellt  waren. '') 

Donauabwärts  schließt  an  Noricum  Pannonien  an,  das  ursprünglich  zu 
lUyricum  gehörte  und  erst  nach  dem  Ende  des  pannonischen  Aufstandes 
(1)  n.  Chr.)  als  besondere  Provinz  eingerichtet  wurde.  Die  Provinz  scheint 
zunächst  nur  etwa  bis  zur  Draulinie  gereicht  zu  haben;  erst  seit  den  Flaviern 

a.a.O.  nr. 8830  =  ILSInr. 322.  DieseGegend  künde  und  die  Xeuen  Heidelberger  Jahr- 

geliörte  also  noch  zum  römischen  Reich.  bücher  zu  verweisen. 

')  Als  Augnsta   schon   von  Mela  III  20  '5)AugsburgsAnfänge  sind  dunkel.  Wahr- 
erwähnt. Kolonie  bei  Tacit.  bist.  IV  62.  72.  scheinlich  ist  die  Stadt  von  Augustus  ge- 

■^)  E.  Ritterling,  Das  Kastell  Wiesbaden,  gründet.    Plinius  erwähnt  sie  noch  nicht, 

Heidelberg  1909.  dagegen   wird  sie   ohne  Zweifel  von  Ta- 

^)  Der  Hauptort  dieser  Civitas,  dessen  citus  als  splendidissima  Itat-fiae  coJonia  be- 
Reste bei  Heddernheim  und  Praunheim  zeichnet  (Germ.  41).  Später  ist  Augsburg 
liegen,  verdankt  seine  Gründung  vielleicht  Municipium:  der  Beiname  Aella  läßt  auf 
dem  Traian.  Vielleicht  war  sein  Name  Verleihung  des  Stadtrechts  durch  Hadrian 
Nida.  CIL  XIII  2,  1  p.  425.  G.Wolff,  Die  schließen.  Mommsen,  CIL  III  2  p.  711. 
Römerstadt  Nida,  Frankfurt  a.  M.  190b.  ')  Vgl.  über  die  römische  Herrschaft  im 

•*)  Lopodunum  war  (nach  Zangemeister,  heutigen  Süddeutschland :  Haug  und  Sixt, 

Neue  Heidelb.  Jahrb.  III  1893,  1  ff.)    die  Die  röm.  Inschriften  und  Bildwerke  Würt- 

Stadt   der   Neckarsueben   {Suehi  Nicretes).  tembergs,  Stuttgart,  2. Aufl.  1914.  F.  Ohlen- 

^)  Zur  Orientierung  vgl.  F.  Koepp,  Die  schlagee,  Römische  Überreste  in  Bayern, 

Römer  in  Deutschland,  Bielefeld  u.  Leipzig.  1.  Heft,  München  1902,  und  Abhandf.  d.  k. 

2.  Aufl.  1912.    E.  Fabkicius,  Baden  in  der  bayer.Akad.  d.Wiss.  bist.  Kl.  1886,  Bd.  17, 

Römerzeit,  Heidelberg  190-5,  und  Histor.  philos.-philol.  Kl.  1890,  Bd.  18.    Der  röm. 

Zeitschr.  98,  1906,  1  ff .    E.  Hübner,  Röm.  Limes  in  Österreich,  10  Liefer.,  Wien  1900 

Herrschaft   in  Westeuropa  71  f.    Im   ein-  — 1909.  F.  PicHLER,.4».s/rwi?o»iff/(a(W.SiEG- 

zelnen    ist    vornehmlich    auf   die    West-  lin,  Quellen  und  Forschungen  zur  alten 

deutsche  Zeitschrift,  die  Jahrbücher  des  Geschichte  und  Geographie,  Heft  2,  3,  4). 

VereinsfürAltertumsfreundeindenRhein-  Mary  B.  Peaks,   Ciril  and  militari/  admiui- 

landen  (Bonner  Jahrbücher),  die  Annalen  stration  of  Noricum  and  Facfia.  Chicago  1907. 

des  Nassauischen  Vereins  für  Altertums-  Vgl.  Anm.  5. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  50.)  359 

umfaßt  sie  das  ganze  Donauufer:  infolgedessen  fiel  dann  das  bisher  zu 
Noricum  gehörige  Carnuntuni,  wie  auch  das  benachbarte  Vindobona  an  Pan- 
nonien  und  wurde  der  Hauptwaffenplatz.  Die  Landschaft,  die  zur  Zeit  der 
Eroberung  von  verschiedenen  Stämmen  teilweise  nur  diinn  bevölkert  war, 
erhielt  erst  durch  die  römische  Herrschaft  städtische  Ansiedlungen,  die  wie 
gewöhnlich  sich  zunächst  an  die  Truppenlager  anschlössen.  Aufaer  den  schon 
genannten  sei  die  älteste  Kolonie  Julia  Aemona  (Lail^ach)  erwähnt,  ferner 
Poetovio  (Pettau)  und  Aquincum  (Ofen).  Zur  Zeit  der  Dakerkriege  Traians, 
zwischen  102  und  107  n.  Chr.,  wurde  Pannonien  in  Ober-  und  Unterpan- 
nonien  geteilt. 

An  der  Mündung  der  Save  in  die  Donau  beginnt  Mösien,  das,  wie  schon 
bemerkt,  zuerst  unter  Tiberius  als  eigene  Provinz  vorkommt  und  unter 
Claudius  (46  n.  Chr.)  durch  die  nördliche  Hälfte  des  Königreichs  Thrakien 
erweitert  wurde.  Domitian  teilte  die  Provinz  in  Moesia  superior  und  inferior. 
Um  die  Befestigung  der  Grenze  und  die  Besiedlung  der  ganzen  Donau- 
landschaft, einschliefalich  Pannoniens,  hat  sich  vor  allem  Traian  verdient 
gemacht.  In  Anbetracht  ihrer  starken  Gefährdung  wurde  die  Donaugrenze 
mit  besonderen  Sicherungen  versehen.  Den  ganzen  Unterlauf  des  Stromes 
entlang  von  Singidunum  (Belgrad)  bis  Trösmis  (Igiitza)  zog  sich  ein  Gürtel 
von  festen  Plätzen;^)  zahlreiche  Kolonisten  kamen  ins  Land,  das  sie  in 
weitem  Umfang  romanisierten.  Auch  die  binnenländischen  Städte  verdanken 
der  römischen  Herrschaft  ihre  Entstehung.  Der  Provinz  Mösien  gehörten 
ferner  die  in  einem  besonderen  Verband  konstituierten  griechischen  Pontos- 
städte  an,  Tomi,  Mesambria,  Odessos  und  Apollonia.  Die  Befugnisse  des 
mösischen,  später  des  niedermösischen  Legaten  erstreckten  sich  noch  über 
die  Donaumündungen  hinaus.  Namentlich  unterstehen  ihm  die  griechi- 
schen Städte  an  der  nördlichen  Pontosküste,  die  sich  der  römischen  Ober- 
hoheit unterwarfen,  T^-ras,^)  Olbia,  Chersonesos  (auf  der  Krim),  und  die 
Bosporaner. 

Ein  grofaer  Teil  Mösiens  wurde  später  durch  die  neue  Provinz  Dacien 
gedeckt,  deren  Neubesiedlung  und  Romanisierung  Traian  gleich  nach  der 
Eroberung  eingeleitet  hatte;  es  entstanden  dort  im  Lauf  der  Zeit  mehrere 
Städte  mit  lateinisch  redender  Einwohnenschaft,  wie  Napoca  (Klausenburg) 
und  Aj^ilum  (Weifsenburg  oder  Karlsburg).  Die  Provinz  wurde  von  Hadrian 
in  zwei,  später,  um  die  Mitte  des  2.  Jahrhunderts,^)  in  drei  Bezirke  geteilt, 
vmd  war  wegen  der  unsicheren  Grenzen  und  der  kriegerischen  Nachbarschaft 
ein  sehr  prekärer  Besitz. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  der  Einflufs  der  Römer  sich  auch  über 
die  Grenzen  hinaus  erstreckte,  und  daß  mit  den  barbarischen  Nachbarn  und 
ihren  Häuptlingen  oft  in  weite  Ferne  Beziehungen  verschiedener  Art  be- 
standen; Handel  und  Politik  konnten  an  der  Reichsgrenze  nicht  Halt  machen. 


')  Die  quer  durch  die  Dobrudscha  von  der  sehen  Erdwall,  eine  grolse  römische  Wall- 
Donau  nach  Osten  zum  Schwarzen  Meer  linie,  die  vermutlieh  Domitian  anlegen 
verlaufenden  dreifachen  sog.  Traianswälle  ließ,  und  einen  viel  späteren  Steinwall, 
gehen  nicht  auf  Traian  zurück  und  bilden  ^)  Seit  56/57  n.Chr.  dem  Reich  angehörig, 
kein  einheitliches  System.  C.  Schuchhardt,  ILS  I  ur.  423. 

Abhdlgg.  der  Borl.Äkad.d.Wiss.  1918nr.  12  ')  Nach    A.  v.  Pkemersteix  im  Wiener 

unterscheidet    einen    kleinen    prähistori-  Eranos  190'.».  25Hif.  im  .T.  1-58  1.59  n.Chr. 


,'5(50  Römische  Geschichte. 

weder  am  Ozean  nocli  an  der  Donau  ')  noch  am  Rhein.  Im  Westen  gehörte 
die  Insel  Irland  zwar  nicht  zum  nimischen  Reich,  wohl  aber  zur  Zone  des 
römischen  Handelsverkehrs,  der  hauptsächlich  über  die  gallischen  Häfen  des 
Atlantischen  Ozeans  ging  und  den  Iren  die  Erzeugnisse  der  mittelländischen 
Kultur  übermittelte. 2)  Über  den  Rhein  und  die  Donau  hinüber  unterhielten 
die  Römer  nicht  nur  mit  den  zunächst  benachbarten  Germanen  Verbindungen, 
die  nunmehr  in  einem  langen  Frieden  vermehrt  und  befestigt  wurden,  son- 
dern sie  schlössen  auch  mit  weiter  entfernten  Völkern  Freundschaft.  Unter 
Nero  machte  ein  römischer  Ritter  die  Reise  von  Carnuntum  in  das  Bern- 
steingebiet der  Ostsee.  3)  Auch  die  Ostgermanen  traten  in  den  Gesichtskreis 
Roms;  Domitian  befreundete  sich  mit  den  Lugiern  und  Senmonen  in  Schlesien 
und  Brandenburg.  Der  römische  Handel  und  seine  Produkte  drangen  weit 
nach  Norden  vor.^)  Die  geographischen  Kenntnisse  nahmen  zu;  von  Strabo 
bis  auf  Plinius,  von  diesem  zu  Tacitus  und  weiter  zu  Ptolemaeus  (in  der 
Zeit  der  Antonine)  ist  der  Fortschritt  unverkennbar. s) 

Thrakien,  das  früher  niemals  eine  politische  Einheit  gebildet  hatte,  wurde, 
wie  oben  S.  293  bemerkt,  zunächst  als  ein  einheitliches  Vasallenkönigreich 
eingerichtet,  womit  die  römische  Provinzialverwaltung  sich  vorbereitete,  die 
im  Jahr  45  n.  Chr.  tatsächlich  eintrat.^)  An  der  Spitze  der  Provinz  stand 
anfangs  ein  ritterlicher  Prokurator,  dann  seit  Traian  ein  senatorischer  Legat. 
Die  Küste  mit  ihren  griechischen  Städten  war  schon  längst  römisch.  Der 
Widerstand  der  kriegerischen  Bewohner  des  Binnenlandes  gegen  Rom  konnte 
gebrochen  werden;  gerade  Thrakien  bildete  künftig  ein  unerschöj)fliches 
Truppenreservoir  für  das  Kaiserreich.  Städte  gab  es  daselbst  nur  wenige;  die 
römische  Regierung  fand  daher  Gelegenheit,  Neugründungen  vorzunehmen. 
Neben  Claudius  und  den  Flaviern  hat  sich  auch  hier  Traian  als  Städte- 
gründer ein  dauerndes  Andenken  gesichert.") 

In  Illyrien  ^)  beschränkte  sich  zur  Zeit,  da  Augustus  den  Prinzipat  über- 
nahm, der  römische  Besitz  im  wesentlichen  auf  die  Uferlandschaft.  Das 
Hinterland,  erst  durch  die  pannonischen  Kriege  wirklich  erworben,  bildete 
nach  Abtrennung  Pannoniens  mit  der  Küste  zusammen  die  Provinz  Dal- 
matia.^)    EntsjDrechend  der  Beschaffenheit  des  Landes  haben  sich  Städte  von 

^)  Vgl.   die   Inschrift   des   Ti.  Plautius  nordischen  Geschäfts  gewesen  sein  muß. 

Silvanus,  Legaten  von  Mösien  unter  Nero.  Montelius,    Sveriges  Hednafkl  179.   294  flF. 

ILS  I  nr.  986.    Oben  S.  320.  Friedländer,    Zeitschrift    für    Ethnologie 

2)  Vgl.  Tacit.  Agric.  24    und    die   Aus-  IV  (1872)  ir)2.    M('m.  de  Ja  soctVfr  roi/ale  des 

führungen  von  H.  Zimmer,  Sitz.-Ber.  der  antiq.  du  Nord,  /(o«r.  s/^'r.  1872— 1877,  269 flf. 

Berl.  Akad.  1909,  363  ff.    Zimmer  weist  mit  SoPHUsMüLLER.NordischeAltertumskunde, 

Recht  darauf  hin,  daß  der  Geograph  Ptole-  deutseh  von  Jiricek  II  81  ff. 

maeus  (II  2)  gute  Nachrichten  über  Irland  ")  z.  B.  die  von  Eratosthenes  sauktio- 
gehabt  haben  muß.                                            i   nierte  Vorstellung,  wonach  das  Kaspische 

^)  Plinius  hist.  nat.  XXXVII  45.  Meer   mit   dem    Oceanus  in  Verbindung 

■*)  Eine  nicht  geringe  Bedeutung  hatten  stehe,  wurde  damals  widerlegt, 

für    den    Handel    die    Häfen    der  Rhein-  ^)  Vgl.  A.  Stein,  Rom.  Reichsbeamte  der 

mündungen.  Vgl.  H. Willers,  Neue  Unter-  Provinz  Thracia,  Sarajevo  1920.    Vermut- 

suchungen  über  die  röm.  Bronzeindustrie  lieh  sind  die  Strategien,    die  sich  in  der 

von  Kapua   und  vom  Niederrhein,   Han-  Provinz  finden,   eine  königliche  Bezirks- 

nover  u.  Leipzig  1907.  Zu  den  Zeugnissen  einteilung. 

des  Handels  gehören  vor  allem  die  römi-  '•)  Die  Städte  Traianopolis,  Plotinopolis 

sehen  Münzen,  die  im  Ostseegebiet  häufig  und  Marcianopolis  stammen  von  ihm  her. 

gefunden    werden,   am   meisten   auf  der  ^)  CIL  Bd.  III  p.  271  ff.  1472  ff. 

Insel  Gothland.  das  eine  Art  Zentrum  des  **)  K.  Patsch.    Archäolog.-epigr.  Unter- 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  50.)  361 

erheblicher  Bedeutung  nur  an  der  adriatischen  Küstenlandschaf't  und  auf 
den  vorgelagerten  Inseln  gebildet.  Die  ansehnlichsten,  wie  Salona,  Jader, 
Narona,  hat  das  Kaisertum  schon  vorgefunden.  Sie  hatten  bereits  eine  latei- 
nisch redende  Bevölkerung;  allmählich  wurde  die  ganze  Provinz  gründlich 
romanisiert. 

Makedonien  behielt  als  Provinz  im  wesentlichen  die  Grenzen,  die  es  bei 
der  ersten  Konstituierung  148  v.  Chr.  empfangen  hatte,  mit  Einschluß  Thes- 
saliens und  eines  großen  Teils  von  Epirus.  Auch  der  Bestand  an  städtischen 
Gemeinden,  wie  ihn  die  Römer  übernommen  hatten,  erfuhr  keine  wesentliche 
Veränderung:  doch  wurde,  z.  B.  in  Philippi  und  Pella,  eine  beträchtliche 
Zahl  von  Kolonisten  angesiedelt.  Die  Hauptstadt  war  Thessalonike.  Die 
Provinz  bildete  einen  ganz  sicheren  Besitz  Roms;  sie  hat  sich  der  römischen 
Herrschaft  völlig  akkommodiert.  Obwohl  eigentlich  Senatsprovinz,  ging 
Makedonien  zur  Erleichterung  der  Steuerlast  mit  dem  benachbarten  Achaia 
zeitweilig  (von  15  bis  44  n.  Chr.)  in  kaiserliche  Verwaltung  über.') 

Seit  dem  Diktator  Caesar  war  das  alte  Hellas  als  Provinz  Achaia  von 
Makedonien  losgetrennt. 2)  Der  freilich  längst  verblaßte  Glanz  einer  großen 
geschichtlichen  Vergangenheit  verschaffte  den  Griechen  das  wohlwollende 
Entgegenkommen  der  kaiserlichen  Regierung.  Augustus  hat  das  ausgesogene 
und  entvölkerte  Land  neugeordnet,  Territorien  zusammengelegt  und  teilweise 
anders  abgegrenzt,  sowie  die  delphische  Amphiktionie  umgestaltet.^)  Auch 
kamen  römische  Ansiedler  nach  Griechenland.  Außerdem  wurden  durch 
Caesar  in  Korinth,  durch  Augustus  in  Patrae  bedeutende  römische  Kolonien 
angelegt  und  reichlich  ausgestattet;  überdies  gründete  Augustus  die  Frei- 
stadt Nikopolis,  der  jedoch  die  ei'hoffte  Blüte  versagt  war.  Zu  den  auto- 
nomen Städten  gehört  Sparta,  dessen  Tyrann  C.  Julius  Eurykles'^)  fast  als 
einziger  Hellene  auf  Oktavians  Seite  bei  Actium  gefochten  hatte.  Eurykles 
wurde  der  erste  Mann  in  Griechenland  und  auch  nach  seinem  Sturz  blieb 
die  reiche  Familie  durch  Generationen  hindurch  in  Sparta  eine  wirtschaft- 
liche Macht.  Sparta  wurde  mit  Gebietszuwachs  und  Einkünften  begabt.  Auch 
Athen  war  frei  und  bewahrte  seinen  alten  Ruf  als  Musenstadt.  Augustus 
allerdings  grollte  den  Athenern  als  einstigen  Parteigängern  seines  Rivalen 
Antonius :  er  entzog  ihnen  Gebietsverleihungen  des  Triumvirn  wieder.  Dauernd 
geschadet  hat  die  kaiserliche  Ungnade  den  Athenern  nicht.  Wie  den  übrigen 
Griechen  wandte  ihnen  der  Kaiserhof  seine  Huld  zu.^)  Der  Phantast  Nero 
gewährte  der  ganzen  Provinz  Achaia  Freiheit  und  Immunität,  ein  Danaer- 
geschenk, das  Vespasian  alsbald  wieder  zurücknehmen  mußte,  im  eigenen 
Interesse  der  Beschenkten,  die  es  verlernt  hatten,  frei  zu  sein.  Nach  ihm 
hat  Domitian  wieder  manches  für  das  Land  getan.  Am  meisten  förderte 
der  tatkräftige  Philhellenismus  Hadrians  die  Griechen  (oben  S.  337),  aber 
auch  Antoninus  Pius,  M.  Aurelius  und  die  späteren  Herrscher  erwiesen  sich 

suchungen   zur  Gesch.  der  röm.  Provinz  ^)  Pausanias  X  8. 

Dalmatia  (Wissenschaftl.  Mitteilungen  aus  ■*)  Über  ihn    E.  Kjellberg,   Klio  XVII, 

Bosnien  IX).                                        ^  1921,  44  ff. 

1)  Tacit.  ann.  I  76—80;  V  10.  i        *)  Germanicus   besuchte   Athen  (Tacit. 

^)  G.  F.  Hertzberg,  Gesch.  Griechenlands  ann.  II  53)  und  siegte  in  den  olympischen 

unter  d.  Herrschaft  d.  Römer.    Shebeleff.  Spielen  (Inschr.  v.  Olympia  nr.  221  S.  335 

Achaika,  St.  Petersburg  1903  (russisch).  =  SIG  11^  nr.  792). 


:^ß2  Römische  Geschichte. 

als  Gönner  des  Griechenliims,  das  ja  damals  du  ich  den  Klassizismus  die 
geistige  Mode  beherrschte.  Schon  unter  Augustus  schlössen  sich  die  Pelo- 
ponnesier  unter  dem  Namen  der  Achäer  zu  gemeinschaftlicher  Festfeier 
zusammen;  sie  erweiterten  sieh  dann  zu  Panachäern  und  Panhellenen,  welch 
letztere  von  Hadrian  eine  neue  Organisation  mit  dem  Mittelpimkt  in  Athen 
erliielten.  Über  bloläe  Festfeiern  iialjen  es  die  Panhellenen  nicht  hinaus- 
gebracht, und  alle  kaiserlichen  Gunstbeweise  konnten  den  Verfall  des  Landes 
nicht  aufhalten;  abgesehen  von  einzelnen  größeren  Städten  ist  Griechenland 
schon  in  der  ersten  Kaiserzeit  menschenleer  und   verarmt. 

Was  die  asiatischen  Provinzen  betrifft,  so  boten  sie  bei  Beginn  des 
Kaisertums  in  ihrem  regellosen  Durcheinander  ein  äußerst  buntes  Bild.  Der 
Kern  der  römischen  Besitzungen  war  die  Provinz  Asia,  dazu  kam  die  kleine 
kilikisch-pamphylische  Provinz,  ferner  Bithynien  und  Pontes,  endlieh  Syrien 
jnit  dem  ebenen  Kilikien  und  der  Insel  Kypros.  Daneben  und  dazwischen 
gab  es  eine  Anzahl  von  Klientelkönigreichen  und  Freistaaten,  die  außer- 
halb des  Provinzialverbandes  standen.  Mit  diesen  Besonderheiten  hat  das 
Kaisertum  etwa  in  den  ersten  hundert  Jahren  seines  Bestehens  aufgeräumt. 
Galatien  und  die  damit  vereinigten  Stücke  von  Phrygien,  Pisidien  und 
Lykaonien  wurden  bereits  25  v.  Chr.  beim  Tod  des  Königs  Amyntas  ein- 
gezogen, und  6  V.  Chr.  das  gleichfalls  erledigte  Königreich  Paphlagonien 
damit  vereinigt.  Kappadokien  wurde  nach  dem  Tod  des  Archelaos  von  Ger- 
manicus  eingezogen,  ebenso  Kommagene  (S.  821),  das  jedoch  Kaiser  Gaius 
restituierte.  Die  polemonische  Herrschaft,  d.  h.  der  "östliche  Teil  des  ehe- 
maligen Pontes  mit  Kleinarmenien  wurde  unter  Nero  vakant  und  von  ihm 
zur  Provinz  gemacht.')  Was  in  Vorderasien  noch  von  Klientelkönigreichen 
übrig  war,  hat  in  der  Hauptsache  Vespasian  aufgehoben,  vor  allem  Komnui- 
gene.  Er  hat  auch  der  Autonomie  der  Insel  Rhodos  und  dem  lykischen 
Bund  ein  Ende  'bereitet  und  diesen  mit  Pamphylien  zu  einer  neuen  Provinz 
vereinigt  (74  n.  Chr.).  Etwas  länger  hielten  sicli  in  Syrien  einzelne  Fürsten- 
tümer; während  Judäa  schon  seit  dem  Tod  des  Herodes  Agrippa  endgültig 
an  die  Provinz  Syrien  gefallen  war,  erlosch  das  Fürstentum  seines  Sohnes 
ebenso  wie  die  arabischen  Dynastien  im  Libanon  erst  unter  Domitian.  Den 
letzten  Schritt  tat  Traian  mit  der  Eroberung  des  nabatäischen  Königreichs 
(S.  334),  das  man  vorher  in  gewissem  Sinn  den  Klientelstaaten  zurechnen  konnte. 

Syrien  war  später  geteilt.  Nach  dem  Ende  des  jüdischen  Aufstandes 
(70  n.  Chr.)  wurde  Judäa  mit  Zubehör  (als  Palästina)  eine  besondere  Provinz, 
ebenso  Arabien,  endlich  nahm  Septimius  Severus  nach  dem  Sturz  des  Pes- 
cennius  Niger  eine  Teilung  des  noch  übrigen  Syriens  in  eine  nördliche  {Sf/i'la 
roch')  und  südliche  Hälfte  {Si/ria  r/iooüce)  vor.  Der  unruhigste  Teil  blieb 
Judäa,  von  wo  auch  nach  dem  großen  Aufstand  unter  Hadrian  (S.  387) 
wiederholt  Empörungen  gemeldet  werden. 

Zu  Syrien  trat  nachmals  Mesopotamien  hinzu.  Die  Erwerbung  dieser 
Landschaft  wurde  eingeleitet  durch  den  Partlierkrieg  des  M.  Aurelius  und 
vollendet  durch  Septimius  Severus.    Ahnlich  wie  Dacien  war  das  neue  Ge- 

')  Der  Pontus  Polemoniacus  wurde  zu-  als  diese  Provinz  einen  eigenen  kaiser- 
erst  zu  Galatien.  später  seit  Vespasian  liehen  Legaten  erhielt.  Marqüardt.  Staats- 
und Traian  zu  Kappadokien  geschlagen.       vorw.  I-  8fi7. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  :>0.)  ßßß 

biet  ein  sehr  umstrittener  Besitz,  bildete  jedoch  für  Syrien  eine  wichtige 
Schutzzone  gegen  die  Angriffe  der  Parther  und  Perser.")  "^  Die  kappadokische 
Grenze  hatte  in  Armenien  ihr  Vorland,  das  zwar  nur  unter  Traian  und  auf 
wenige  Jahr  dem  Reich  einverleibt  war,  aber  doch  stets  zu  Roms  Interessen- 
sphäre gehörte  und  zeitweilig  römische  Besatzungen  beherbergte.  Für  den 
Grenzschutz  war  es  förderlich,  daß  seit  Vespasian  die  Iberer  und  andere 
Kaukasosvölker  ganz  unter  römischem  Protektorat  standen.  2)  Die  räuberi- 
schen Neigungen  der  kaukasischen  Küstenvölker  machten  auf  dem  Schwarzen 
Meer  eine  strenge  Seepolizei  nötig,  die  von  der  Pontosflotte  versehen  wurde. 

In  Asien  sind  die  Römer  die  Erben  und  Nachfolger  hellenistischer  Könige. 
Sie  fanden  viele  große  und  blühende  Stadtgemeinden  vor,  teils  alte  helle- 
nische Städte,  teils  Gründungen  der  Seleukiden,  Pergamener  oder  der  kappa- 
dokischen  Herrscher.  Die  großen  Städte  werden  als  Zentren  des  provin- 
ziellen Lebens  von  den  Kaisern  vielfach  gefördert.  Ephesos,  die  Hauptstadt 
Asiens.  Milet,  Sardes  u.  a.  zeigen  noch  in  ihren  Überresten  die  Spuren 
kaiserlicher  Bautätigkeit.  Nikomedeia  und  Nikaia  in  Bithj-nien,'  Caesarea  in 
Kappadokien,  das  alte  Mazaka,  Antiocheia  in  Syrien  und  viele  andere  haben 
in  der  Kaiserzeit  ihre  Bedeutung  nicht  nur  erhalten,  sondern  noch  gesteigert. 
Doch  existierten  nicht  in  allen  Landschaften  Städte;  in  manchen  Teilen 
Kleinasiens  gab  es  deren  nur  wenige;  da  haben  nun  die  Römer  das  Werk 
ihrer  hellenischen  Vorgänger  ergänzt.  Pompeius  hat  begonnen,  was  die  kaiser- 
liche Verwaltung  dann  fortsetzte.  Das  binnenländische  Phrygien,  Lykaonien 
und  Isaurien  verdankt  den  Römern  einen  großen  Teil  seiner  Städte;  nament- 
lich die  letztgenannten  Landschaften  erschlossen  sich  erst  in  der  Kaiserzeit 
einer  höheren  Zivilisation.  Das  Gleiche  gilt  von  den  östlichen  Teilen  der 
Provinz  Syrien  und  von  Arabien.  An  der  Karawanenstraße  zum  unteren 
Euphrat  wurde  Palmyra  das  große  Emporium  und  Gemeinwesen, 2)  das  sclion 
etwa  unter  Claudius  unter  römischen  Schutz  kam  und  etwa  seit  Traian  dem 
Reich  angehörte.  In  der  Provinz  Arabien  zeugen  noch  heute  monumentale 
Reste  von  den  Leistungen  der  kaiserlichen  Verwaltung,  die  durch  Städtebau 
und  Bewässerung  diese  Gegenden  auf  einen  Stand  gebracht  hat,  von  dem 
sie  in  späteren  Jahrhunderten  herabsanken,  um  ihn  nie  wieder  zu  erreichen.*) 
Die  Grenze  war  hier,  wie  in  allen  asiatischen  Provinzen,  nicht  selten  gefährdet 
und  mußte  in  ähnlicher  Weise  wie  im  Westen  je  nach  den  Umständen  durch 
Garnisonen,  Militärposten,  Kastelle  und  Limesanlagen  gedeckt  werden. 

Hier  möge  Ägypten^)  angefügt  werden,  das  die  besondere  Domäne  des 
Kaisers   blieb,    der   es   durch    seinen  Präfekten  verwalten   ließ.     Dieser    aus 


')  V.  Chapot,  La  front ih-e  de  I'Eupin-ate  rener  konnten  sich  und  ihre  Habe  reclit- 

de  Pompee  a  Ja  conqiivte  arabe  {Bibliotheque  zeitig  über  den  Euphrat  flüchten.  Appian. 

des  ('coles  franc.  d'Athhies  et  de  Eonie  XCIX),  bell.  civ.  V  1),  37  f. 

Paris  1907.  ■*)  Literatur  bei  J.  Jung,   Grundriß  der 

2)  Marquakdt,  Staatsverw.  I'  370  f.  Über  Geographie  von  Italien  usw.,  2.  Aufl.,  S.148. 

die  Kaukasosvölker   berichtet  Arrian  im  Vgl.  R.  E.Bkünnow  und  A.  v.  Domaszewski, 

PeripL  Ponti  Euxini  1  ff.  Provincia  Arabia,  2  Bde.,   Straßburg  1!>04. 

■^)  Der  Triumvir  Antonius  wollte  im  Alois  Musil,  Arahia  Petraea,  Wien  1907. 
J.  41  v.  Chr.  das  schätzereiche  Palmyra,  '")  J.  G.  Milne,  A  histonj  of  Egypt  iiiider 
das  bei  dieser  Gelegenheit  erstmalig  in  Roman  ride.  A.  Stein,  Üntersuchgg.  zur 
der  Geschichte  erwähnt  wird,  durch  seine  Gesch.  u.Verwaltg.  Äg.s  unter  röm.  Herr- 
Reiter  plündern  lassen.    Aber  die  Palniy-  schaff.  Stuttgart  1915. 


3(J4  Römische  Geschichte. 

dem  Ritterstand  hervorgegangene  „Vizekönig"  besaß  prokonsularische  Be- 
fugnis und  führte  auch  den  Oberbefehl  über  die  in  Ägypten  stehenden 
Legionstruppen.  Der  Senat  war  von  jeder  Einmischung  in  die  ägyptischen 
Angelegenheiten  grundsätzlich  ausgeschlossen;  kein  Senator  durfte  das  Land 
ohne  kaiserliehe  Erlaubnis  betreten. i)  Wenn  demnach  für  Ägypten  die  sonst 
doch  geflissentlich  gewahrte  Eiktion  der  Dyarchie  niemals  in  Kraft  trat,^) 
so  erklärt  sich  dieser  Ausnahmefall  sehr  einfach  aus  der  strategischen  und 
wirtschaftlichen  Bedeutung  des  ertragreichen  Nillandes,  das  der  Kaiser  fest 
in  der  Hand  haben  mußte,  schon  um  die  Getreideversorgung  Roms  aus  dieser 
wichtigsten  Kornkammer  des  Reichs  sicherstellen  zu  können.  Ägypten  be- 
hielt im  Prinzip  seine  alte  Verfassung;  nur  trat  jetzt  an  die  Stelle  der  ptole- 
mäischen  Könige  als  ihr  Rechtsnachfolger  der  römische  Kaiser,  der  sich 
durch  seinen  Statthalter,  den  Präfekten,  vertreten  ließ.  Augustus  erhöhte 
die  Steuern,  stellte  den  in  den  letzten  Zeiten  der  Lagidenherrschaft  ein- 
gerissenen Schlendrian  in  der  Verwaltung  ab  und  straffte  deren  herkömmliche 
Zentralisierung.  Die  ptolemäische  Residenz  Alexandrien  war  als  Griechen- 
stadt von  der  landesüblichen  Gauverfassung  von  jeher  eximiert  gewesen; 
sie  besaß  ihre  eigenen  Rechte  und  galt  staatsrechtlich  als  außerhalb  Ägyptens 
gelegen  [Alexandria  ad  Aegijpfum).  Ihre  Einwohner  waren  die  typischen 
Großstädter,  betriebsam  und  verwegen,  selbstbewußt  und  respektlos.^)  Re- 
volten waren  keine  Seltenheit;  namentlich  mit  der  ansässigen  Judenschaft 
lag  das  griechische  Element  der  Landeshauptstadt  in  ewiger  Feindschaft, 
die  sich  mitunter  in  blutigen  Straßenkämpfen  entlud.'*)  Das  übrige  Ägypten 
war  mit  Ausnahme  der  alten  Griechenstädte  Alexandrien,  Naukratis  und 
Ptolemais,  sowie  der  Schöpfung  Hadrians,  Antinoopolis,^)  ohne  städtische 
Gemeinwesen;  erst  Septimius  Severus  hat  bei  Gelegenheit  seines  Besuches 
202  n.  Chr.  den  Gaumetropolen,  die  staatsrechtlich  bisher  nur  Dörfer  ge- 
wesen waren,  vermutlich  im  fiskalischen  Literesse  Stadtrecht  verliehen.'') 
Die  Bevölkerung  war  schwer  belastet;  nicht  nur  Augustus,  sondern  auch 
Vespasian  haben  die  Steuerschraube  angezogen,  und  mehrmals  gab  es  Em- 
pörungen, mit  denen  sich  gelegentlich  Einfälle  der  südlichen  und  östlichen 
barbarischen  Nachbarn  verbanden.  Die  Grenze  stand  dauernd  unter  mili- 
tärischer Bewachung. 

Weit  über  die  Grenzen  des  Reichs  hinaus  erstreckte  sich  auch  im  Osten 
der  Einfluß  Roms  und  sein  Handel.  Schon  Augustus  hatte  indische  Ge- 
sandte empfangen  (oben  S.  301),  und  zugleich  begann  von  Ägypten  aus  der 
direkte  Handelsverkehr  mit  Indien,  der  einen  lebhaften  Aufschwung  nahm; 

')  Tacit.  arm.  II  59.  Daß  Germanicus  im  ^)  G.  Plaumann.  Ptolemais  in  Oberägyp- 

J.  19  n.  Chr.  sich    mit  seinem  Besuch    in  ten,   Leipziger  histor.  Abhdlgg..    Heft  18, 

Alexandrien  eigenmächtig  über  jenes  ge-  Leipzig  1910.   E.  Kühn,  Antinoopolis,  Leip- 

nerelleVerbot  des  Augustus  hinwegsetzte,  ziger  Diss.,  Göttingen  1913.    Antinoopolis 

wurde  von  Kaiser  Tiberius  offiziell  gerügt.  wurde  von  Hadrian  im  J.  130  n.  Chr.  zum 

Vgl.  oben  S.  308  A.  7.  Andenken  an  seinen  im  Nil  ertrunkenen 

-)    Mitteis -WiLCKEN,     Grundzüge     und  Liebling  Antinoos  gegründet. 
Chrestomathie  der  Papyruskunde  I  1.28  f.  ß)  U.  Wilcken,  Griech.  Ostraka  I  430  ff. 

')  MoMMSEN,  Rom.  Gesch.  V  582  ff.  F.  Preisigke.    Städtisclies    Beamtenwesen 

■*)Vgl.  über  den  „alexandrinischenAnti-  im  röm.  Äg.,  Diss.  Halle  1903,  6.    Mitteis- 

semitismus"  und  dessen  literarische  Doku-  Wilcken,  Grundzüge  u.  Chrestomathie  der 

mente    U.  Wilcken,   Abhdlgg.  der  Sachs.  Papvruskunde  I  1,41  f. 
Ges.  der  Wiss.  XXVII,  nr.  23,  1909. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian,    (ij  ÖU.)  3()5 

Barygaza  (heute  Barodsch)  südlich  der  Indusniündungen  war  der  wiclitigste 
indische  Stapelplatz.  Übrigens  drang  der  römische  Kaufmann  nocli  weiter 
bis  Ceylon  {Taprobane)  und  darüber  hinaus  vor,  lernte  Hinterindien  kennen 
und  kam  auch  in  Berührung  mit  dem  uralten  Kulturvolk  der  Chinesen.') 
Der  indische  Handel  schlug  auch  andere  altgewohnte  Straßen  ein;  er  ging 
zum  Teil  über  den  Persischen  Meerbusen  und  Palmyra,  zum  Teil  über  Land 
an  die  Pontoshäfen,  wie  denn  auch  eine  Verbindung  mit  China  auf  dem 
Landweg  bestand  und  den  Seidenhandel  vermittelte.^)  Der  Handel  auf  dem 
Roten  Meer  erschloß  die  Bekanntschaft  mit  den  afrikanischen  Staaten  und 
Völkern  südwärts  von  Ägypten  in  beträchtlicher  Ausdehnung  und  ließ  in 
späterer  Zeit  namentlich  mit  Äthiopien  Beziehungen  anknüpfen. 

Die  mit  Numidien  vereinigte  Provinz  Afrika^)  hatte  in  dem  zuerst  von 
Caesar,  dann  von  Augustus  (29  v.  Chr.)  erneuerten  Karthago  ihre  alte  Haupt- 
stadt zurückerhalten.  Die  Provinz,  zunächst  die  alte,  wurde  in  weitem  Um- 
fang romanisiert,  wenn  auch  die  punische  Sprache  und  Kultur  keineswegs 
verschwand.  Afrika  war  Senatsprovinz  und  unterstand  als  solche  einem 
Prokonsul,  dem  einzigen  senatorischen  Statthalter,  der  noch  eine  Zeitlang 
ein  militärisches  Kommando  innehatte,  bis  Kaiser  Gaius  den  Oberbefehl 
über  die  dortigen  Truppen  einem  besonderen  kaiserlichen  Legaten  übertrug. 
Die  Südgrenze  war  noch  lange  unsicher;  allmählich  wurden  die  Legions- 
lager und  Militärposten  in  den  Zeiten  von  Augustus  bis  Traian  bis  an  und 
in  den  Atlas  vorgeschoben.  Namentlich  Hadrian  und  nach  ihm  Septimius 
Severus  und  Caracalla  haben  sich  um  den  Straßenbau  verdient  gemacht.^) 
Am  Fuß  des  Gebirges,  dort  wo  wichtige  Pässe  mündeten,  entstanden  feste 
Städte,  die  miteinander  durch  ein  Straßennetz  verbunden  wurden.  Es  haben 
sich  hier  besonders  stattliche  Reste  der  römischen  Herrschaft  bis  auf  den 
heutigen  Tag  erhalten;  zu  nennen  sind  Theveste,  das  100  n.  Chr.  von  Traian 
erbaute  Thamugadi,^)  das  afrikanische  Pompeji,  und  Lambaesis,  das  Hadrian 
besuchte  und  zum  Hauptlager  machte.  Zur  Provinz  Afrika  gehörte  auch 
die  Tripolis  und  ihr  Hinterland,  wo  die  Garamanten  hausten,  gefährliche 
Nachbarn  der  zivilisierten  und  friedlichen  Provinz.  Unter  Augustus  wurden 
sie  zurückgeworfen;  römische  Heere  drangen  bis  nach  Cidamus  (Ghadames) 
und  Garama  (in  Fezzan)  vor,  unter  Domitian  sogar  noch  weiter  (S.  302.  332). 

')    Die    liierdurch    gewonnene    bessere  ^)  Ch.  Tissot,  Geographie  comparee  de  la 

Keimtnis   der  Küstenlandschaft    des   in-  province    Romaine   d'Afrique,    2  Bde.,    mit 

dischen  Ozeans    ist    niedergelegt  in  dem  Atlas,  Paris  1884. 1888.  K.  Cagnat,  L'arnu'e 

wohl    gegen   Ende    der  Regierung  Domi-  ',    Bomaine  d'Äp-ique   et   Voccupation   militaire 

tians   verfaßten  Pcriplus    maris   Eri/tlit-aei  '    d'Afrique  soiis    les  empereurs,    Paris  1913-. 

{CW\ii,hs^,Geo(iraphi graeci  miiwresl2hl1S.;  '    Ad.  Schulten,    Das    röni.  Afrika,    Leipzig 

über  die  Entstehungszeit   vgl.  E.  Kokne-  ,    1899.    Al.  Gkaham,  Roman  Africa,  London 

MANN    in    der   Festschrift    für    Lehmann-  1902.    Aug.  Audollent,    Carthage  Ro»iai>u' 

Haupt,  Janus  I,  1921,  55  ff.)  und  beim  Geo-  |    146  av.  Jesus-Christ  —  698  ap.  Ji'sus-CJirist 

graphen  Ptolemaeus  (s.  A.  Hekrmann,  Die  {BibliotJdque  des  ecoJes  fran(^aises  d'Aihines 

alten  Verkehrswege  zwischen  Indien  und  et  de  Rome  fasc.  84),  Paris  1901.    Walthek 

Südchina  nach  Ptol.,  Zeitschr.  der  Gesell-  Barthel,    Zur  Gesch.  der  röm.  Städte  in 

schalt  f.  Erdkunde  1913,  771  ff.).  Die  Chine-  Afrika,    Diss.   Greifswald    1904.    Weitere 

sische  Überlieferung  weiß  von  einer  römi-  Literatur  bei  J.  Jung,  Grundriß  der  Geo- 

schen  Gesandtschaft  des  J.  166  n.  Chr.  zu  '    graphie  von  Italien,  2.  Aufl.,  S.  81. 

berichten.    Richthofen,  China  I  509.  512.  {        •*)  O.  Hirschfeld,  Kl.  Sehr.  729. 

A.  V.  GuTscHMiD,  Gesch.  Irans  150.  ^)  CIL  VIII   p.  259.     Ballu,    Ruines   de 

■')  Ptolem.  Geogr.  111.  |    Timgad,  2  Bde.,  Paris  1897.  1902. 


l>{\{f  Römische  Geschichte. 

Einzelne  Händler  und  Reisende  gelangten  über  die  Sahara  hinaus  bis  an 
den  Niger.  1)  Die  (istlich  an  Afrika  angrenzende  Landschaft,  Kyrene  und 
seine  Nachbarstädte,  die  Pentapulis,  bildete  zusammen  mit  Kreta  eine  eigene 
senatorische  Provinz:  auch  hier  muE^te  zuweilen  gegen  unruhige  libysche 
Anwohner  eingeschritten  werden. 

Weniger  erfolgreich  als  in  der  Provinz  Afrika  waren  die  römischen 
Assimilationsbestrebungen  in  Mauretanien,  das  seit  der  Absetzung  des  Königs 
Ptolemaios  (oben  S.  -V2S}  eine  zweigeteilte  prokuratorische  Provinz  bildete. 
Bei  (lelegenheit  der  Unterwerfung  drang  Suetonius  Paulinus  weit  nach  Süden 
vor;  auch  die  Gätuler  wurden  wenigstens  teilweise  unterworfen  und  heeres- 
pflichtig  gemacht.  Städtische  Ansiedlungen  gab  es  hier  nur  ausnahmsweise, 
und  die  Unabhängigkeit  der  Stämme,  besonders  des  westlichen  Mauretaniens, 
war  viel  größer;  einzelne,  wie  die  Mauren  des  heutigen  Rif,  entzogen  sich 
dauernd  der  Botmäßigkeit  Roms;  sie  belästigten  gelegentlich  ihre  Nachbarn 
und  die  gegenüberliegende  spanische  Provinz. 

Alle  Reichsprovinzen  hat  das  Kaisertum  zu  einem  Ganzen  vereinigt.   Es 
lag  in  der  Natur  der  Sache,  wenn  die  Regierung  sich  dabei  von  der  Ten- 
denz leiten   ließ,  die  Unterschiede   zwischen  Bürgern,    Bundesgenossen  und 
Untertanen  allmählich  nach  Möglichkeit  zu  verwischen.    Schon  die  Republik 
hatte  mit  diesem  unvermeidlichen  Nivellierungsprozeß  den  Anfang  gemacht; 
aber  das  Reich,  wie  es  Augustus  übernahm,  bildete  noch  ein  regelloses  Kon- 
glomerat der  verschiedensten  Eigenarten  und  Rechte,  gemäfs  der  Vergangen- 
heit der  einzelnen  Völker  und  Gemeinden  und  entsprechend  den  Umständen, 
unter  denen    sie    sich    mit  Rom  vereinigt    hatten.    Erst   die    kaiserliche  Re- 
gierung fand  Zeit  und  Gelegenheit,    den  Ausgleich  vorzunehmen.    Wie  die 
Klientelkönigreiche  eingingen,  so  verloren  auch  die  freien  Städte  ihre  Sonder- 
rechte; nicht  anders  als  in  Italien  gerieten  auch  in  Asien  die  Gemeinden  in 
finanzielle  Schwierigkeiten;  dadurch  wurde  seit  Nerva  das  Eingreifen  kaiser- 
licher Korrektoren  nötig,  deren  außerordentliches  Amt  sich   zu  einer  regel- 
mäßigen Institution  auswuchs,  was  praktisch  die  Aufhebung  der  städtischen 
Autonomie  bedeutete. 2)    So  verscliwanden  die  Sonderrechte  der  Gemeinden. 
In  fast  allen  Provinzen  dringt  überdies  die  Munizipalverfassung  und  das  mit 
ihr  verbundene    Steuersystem    ein.    Dazu   kommt   die  durch  Kolonisationen 
und  Verpflanzung   beförderte  Vermischung    der   verschiedenen  Volksstämme 
und  der  ausgleichende  Einfluß  des  Heeresdienstes,  der  die  Angehörigen  der 
Legionen    alle    zu    Römern    machte.     Durch    das    Heer    wurde    das   Bürger- 
recht in  den  Provinzen  weit  verbreitet,  die  provinziellen  Eigentümlichkeiten 
schliffen    sich    ab    und   der  Partikularismus   des   Stammesgefühls  wich   dem 
Begriff  eines    universalen   Reichsbürgertums.    Die  Aristokratie   der  Provinz 
fand  Aufnahme  in  den  römischen  Ritterstand  und  Eingang    in  den  Senat; 
nicht  nur  Gallien  erhielt  das  ins  honorum,  sondern  auch  die  Hellenen:  seit 
Hadrian  begegnen  vornehme  griechische  Kleinasiaten  wie  Flavius  Arrianus 
in  hohen  römischen  Ämtern.    Die  constitutio  Äntoniuiana,  durch  die  Caracalla 
mit  einem  Federstrich  allen  freien  Reichsangehörigen  das  Bürgerrecht  ver-- 

')  Ptolem.  Geogr.  I  8.  Römische  Münzen  2)  Mommsen,    Rom.  Staatsrecht  II'  858 

sind  durch  den  Handel  bis  an  den  Kongo       1086. 
verschleppt  worden. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian,    (tj  öo.)  3()^ 

lieh,  bildet  den  folgerichtigen  Abschluf^  einer  langen  Entwicklung.  Der 
römische  Kalender  in  der  von  Caesar  reformierten  Gestalt  wird  in  den  Pro- 
vinzen eingeführt')  und  vor  allem  das  römische  Recht,  das  individuellste 
und  wertvollste  Erzeugnis  des  römischen  Wesens,  das  allerdings  die  ein- 
heimischen Nationalrechte  nicht  zu  verdrängen  vermochte. 

Das  römische  Recht  2)  verdankte  seine  Ausbildung  den  hohen  Aufgaben, 
die  der  Rechtsprechung  durch  die  Weltherrschaft  gestellt  wurden.  Als  die 
Römer  grof.^e  Provinzen  in  Besitz  nahmen,  mußten  sie  sich  den  Rechts- 
anschauungen ihrer  Bundesgenossen  und  Untertanen  anbequemen  und  be- 
sonders die  weit  entwickelteren  Formen  des  hellenistischen  Rechts  berück- 
sichtigen.^) Dabei  konnte  eine  Wirkung  auf  das  eigene  Recht  nicht  aus- 
bleiben, das  nunmehr  über  den  engen  Horizont  eines  Stadtrechts  hinaus- 
wuchs und  sich  zum  Reichsrecht  erweiterte.  Das  Vehikel  dieser  Entwicklung 
war  das  prätorische  Edikt, ■*)  das  der  Prätor  in  Rom  wie  in  der  Provinz  bei 
Antritt  seines  Amtes  bekannt  gab,  ein  kontinuierliches,  aber  stets  wandlungs- 
fähiges  Gesetz,  das  in  festem  Anschluß  an  die  Judikatur  der  prätorischen 
Amtsvorgänger  und  doch  beständig  erneuert,  sich  den  dringenden  Bedürfnissen 
der  Gegenwart,  des  Handels  und  Wandels  spielend  anpaßte  und,  wo  es 
zweckmäßig  erschien,  fremde  Rechtselemente  sich  zu  eigen  machen  konnte. 
Auf  diese  Weise  vermied  das  römische  Recht  die  Gefahren  einer  starren 
Kodifikation  und  fand  für  jedes  juristische  Erfordernis  das  geeignete  Mittel: 
dieses  Recht  war  gleichzeitig  konservativ,  was  die  Tradition,  und  elastisch, 
was  die  Weiterbildung  der  Normen  anbetrifft.  Ein  großes  Verdienst  gebührt 
den  Rechtskundigen,  die  schon  frühzeitig  in  Ansehen  standen;  denn  mit  Vor- 
liebe suchten  die  römischen  Politiker  ihren  Ruhm  in  einer  genauen  Kenntnis 
und  Anwendung  des  Rechts,  Schon  die  Republik  hat  hervorragende  Juristen 
hervorgebracht,  aber  ihre  eigentliche  Blüte  hat  die  Jurisprudenz  erst  unter 
den  Kaisern  entfaltet:  seit  Augustus  hat  sie  unter  dem  fruchtbaren  Streit 
zweier  Schulen  und  entgegengesetzter  Rechtsanschauungen, ^)  zugleich  nicht 
ohne  Einwirkung  der  Philosophie,  ihre  Grundsätze  entwickelt  und  sich  zu 
einem  wissenschaftlichen  System  ausgebildet.  Der  Kaiser  (mit  dem  Senat) 
wird  der  Inhaber  der  höchsten  Gerichtsbarkeit  und  nimmt  rechtsweisende 
Befugnis  in  Anspruch.  Ihm  zur  Seite,  als  Beisitzer  und  Berater,  stehen  die 
Juristen.  Der  Verwalter  der  kaiserlichen  Jurisdiktion  wird  der  Präfekt  der 
prätorischen  Kohorten,  der  in  der  Regel  aus  den  namhaftesten  zeitgenössi- 
schen Juristen  ausgewählt  Avird.  Unter  Hadrian  und  den  Antoninen  hat 
die  richterliche  Tätigkeit  des  Kaisers  ihren  Höhepunkt  erreicht.  Das  römische 
Recht  erlangt  eine  universelle  Bedeutung. 

')  Zueist,  wie  es  scheint,  und  zwar  schon  u.  Leipzig  1917''^. 

unter  Augustus  in  der  Provinz  Asia.  Die  ^)  Vgl.  R.  Mitteis,  Reichsrecht  u.Volks- 
eiuheimischen  Monatsnamen  bleiben;  das    ^   recht,  1891. 

Wesentliche  ist,  daß  das  julianische  Sy-  *)  O.IjEnel,  Das  edicf um  ijeipefuurn,  heil)' 

stein  durchdringt.    Dittenbergek,  Orientis  zig  1883. 

(iraeci  inscr.  sei.  II  nr.  458.  ^)  Ein  solcher  Gegensatz  der  Anschau- 

^)  G.  F.  PocHTA,  Kursus  der  Institutio-  ungen  bestand  in  betrefl' des  Verhältnisses 

nen,hrsgg.  von  P.Krüger.  1. Bd.  Karlowa,  der  Freigelassenen  und  Sklaven  zu  ihrem 

Rom.  Rechtsgeschichte,    2  Bde.,    Leipzig  Herrn.   Tacit.ann.XIIl  26f.  32;  XIV  42ff. 

1885.    Paul  Krüger,    Gesch.  der  Quellen  Der  Senat  vertrat  hierbei  das  strengere, 

und  Litteratur  des   röm.  Rechts,  Leipzig  der  Kaiser  das  humanere  Prinzip,  welch 

1888.     R.  SoHM,    Institutionen,    München  letzteres  sich  schließlich  durchsetzte. 


ßßg  Römische  Geschichte. 

Wie  die  Bevölkerungen,  so  vermischten  sich  auch  die  Kehgionen,  wobei 
die  SkLiverei  und  der  Skhivenhandel  eine  nicht  unwichtige  Rolle  spielten: 
denn  der  Sklave  bringt  seine  Religion  mit  und  überträgt  sie  in  das  Land 
und  das  Haus  des  Herrn.  Vor  allem  waren  es  orientalische  Kulte  und  Kult- 
gebräuche, die  in  den  Westen  wanderten,  nachdem  sie  sich  in  Hellas  und 
in  Afrika  schon  vorher  eingebürgert  hatten.  Die  ägyptische  Isis  und  die 
Mysterien  des  persischen  Mithras  fanden  in  weitestem  Umkreis  ihre  Gläu- 
bigen; Mithras  wurde  namentlich  von  den  Soldaten  verelirt. ')  Die  Kaiser 
des  1.  Jahrhunderts,  ein  Augustus,  Tiberius,  Claudius,  Domitian  bemühten 
sich  vergeblich,  die  fremden  Kulte  von  Rom  fernzuhalten:  diese  drangen 
doch  ein  und  wußten  sich  die  amtliche  Anerkennung  zu  verschaffen.  Zu- 
gleich deuteten  die  einheimischen  Religionen  der  Untertanen  ihre  lokalen 
Sondergötter  in  die  Begriffe  der  griechisch-römischen  Mythologie  um,  so 
daß  man  in  allen  Provinzen  wenigstens  auf  den  ersten  Blick  den  gleichen 
Göttern  zu  begegnen  glaubte.  Der  öffentlichen  Ordnung  zuwiderlaufende 
Religionsübungen  wurden  unterdrückt. 2)  Als  eine  Art  einheitlicher  Reichs- 
religion war  der  nach  dem  Vorbild  der  hellenistischen  Monarchien  ge- 
schaffene Kaiserkult  gedacht,  der  überall  in  den  Provinzen  in  ähnlicher 
Weise  eingerichtet  wurde:  zur  Verehrung  des  Kaisergottes  pflegten  sich  die 
Vertreter  der  Provinzialstädte  Avie  eine  Amphiktionie  in  gemeinsamer  Fest- 
feier zu  vereinigen. 3) 

Eine  in  der  Hauptsache  gleichartige  Zivilisation,  das  auf  römischen  Boden 
verpflanzte  Kulturgut  des  Hellenismus  hat  auf  friedlichem  Weg  alle  Pro- 
vinzen erobert.  Im  Osten  herrschte  das  Griechische  vor,  um  sich  durch  die 
römische  Herrschaft  weiter  über  Gegenden  zu  verbreiten,  die  ihm  bisher  noch 
verschlossen  waren.  Der  Westen  war  von  Italien  abhängig,  und  hier  domi- 
nierte die  lateinische  Sprache:  doch  rissen  auch  vereinzelte  Fäden  nach  dem 
Osten  nicht  ab,  wie  z.  B.  die  Griechenkolonie  Massalia  die  angestammte 
Verbindung  aufrecht  erhielt.  Der  Inhalt  der  Kultur  in  beiden  Sprachgebieten 
ist  dem  Wesen  nach  so  ziemlich  derselbe:  aber  lokale  Einflüsse  und  die 
Verschiedenheit  der  Bedürfnisse  bedingten  den  individuellen  Unterschied  und 
die  jeweilige  Färbung.  Die  Weltstadt  Rom  selbst  trägt  einen  Januskopf ;  ein 
gut  Teil  der  Bewohner  ist  griechisch,  die  oberen  Stände  und  die  Literaten 
sind  zweisprachig.  Im  Reich  schlagen  die  griechische  und  die  lateinische 
Literatur  verwandte  Bahnen  ein;  aber  das  Griechische  marschiert  an  der 
Spitze  und  erweist  auch  jetzt  seine  größere  schöpferische  Kraft. 

Das  römische  Reich  bildet  damals,  in  der  Zeit  der  Antonine  und  Severer, 
noch  keineswegs  eine  vollkommene  Einheit,  ja  nicht  einmal  ein  in  sich  ge- 
schlossenes Wirtschaftsgebiet:  denn  noch  sind  die  Provinzen  durch  Zoll- 
schranken voneinander  getrennt.  Aber  alles  in  allem  ist  doch,  gemessen 
an  der  früheren  Zersplitterung  und  dem  Umfang  des  Riesenreichs  ein  be- 
trächtlicher Grad  von  äußerer  und  innerer  Einheit  erreicht  worden;  die 
folgenden  Generationen  haben  sich  bemüht,  diese  Einheit  weiter  auszubauen, 

^)  G.  WissowA,  Religion  und  Kultus  der  religion  wegen  ihrer  Grausamkeit  verbot. 

Römer,  19122.  87  ff.  348  ff.    F.  Cümont,  Die  Sueton.  Claud.  20,  5. 

Mysterien  des  Mithra,  deutsch  von  G.  Geh-  ^)  E.  Beürliek.  Le  culte  Impn-ial.  sonhi- 

RiCH,  Leipzig  1911^,  36  ff .  stoij-e  etc.,  Paris  1891.   E.  Koknemank,  Klio 

■'')  Wie  Claudius  die  gallische  Druiden-  I  95  ff.    O.  Hikschfeld.  Kl.  Sehr.  471  ff. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  ")1.)  369 

bis  die  Kräfte  der   alt    und    müde   gewordenen   Kulturwelt    des   Imperiums 
schließlich  versagten. 

51.  Auflösung  und  Wiederherstellung  des  Reiches.  Nach  dem  Tod  des 
Severus  Alexander  (235  n.  Chr.)  wurde  Maximinus  vom  Senat  und  in  den  Pro- 
vinzen als  Kaiser  anerkannt;  i)  seinen  Sohn  C.  Julius  Verus  Maximus  erhob  er 
nach  einiger  Zeit  zum  Caesar.    Der  neue,  von  der  Pike  auf  gediente  Soldaten- 
kaiser stammte  aus  Thrakien  oder  Mösien  ^)  und  hatte  zuletzt  unter  Severus 
Alexander  hohe  militärische  Kommanden  innegehabt,  jedoch  nie  ein  senatori- 
sches Amt  bekleidet. 3)   Den  Germanen  brachte  Maximin  eine  schwere  Nieder- 
lage bei;  seinen  Germanensieg,  den  er  mit  persönlicher  Bravour  erstritt,  be- 
trachtete er  als  die  beste  Rechtfertigung  der  Usurpation  des  Kaiserthrones. 
Des   weiteren    machten  ihm   Sarmaten   und  Daker  zu  schaffen;    die  .Sieger- 
titel auf  Inschriften  und  Papyrusurkunden  Sarmaticus  maximus  und  Dacicus 
maximus   lassen    auf  gewisse  Erfolge    in    diesen  Kämpfen    im   Donaugebiet 
schließen.*)  Den  senatsfreundlichen  Kurs  des  Severus  Alexander  hat  Maximin 
nicht  eingehalten.  Dieser  rauhe,  halbbarbarische  Krieger  wollte  von  den  vor- 
nehmen Herren  des  Senats  nichts  wissen;  er  fühlte  sich  nur  wohl  inmitten 
seiner  Armee.    Die  Keichshauptstadt  Rom  hat  Maximin  als  Kaiser  überhaupt 
nicht    betreten.    Er   ging    auf  in   seinem  militärischen  Pflichtenkreis.    Auch 
religionspolitisch  stellte  sich  Maximin  in  scharfen  Gegensatz  zu  seinem  Vor- 
gänger; gegen  den  Klerus  der  Christen,  denen  Severus  Alexander  wohlwollte, 
ist   er  von  Staats  wegen   eingeschritten.^)    Die    rücksichtslose  Art,    mit   der 
Maximin  für  die  steigenden  Heeresausgaben  die  nötigen  Geldmittel  eintreiben 
ließ,  machte  ihn  immer  verhaßter.   Als  daher  238  n.  Chr.  bei  Gelegenheit  einer 
Empörung  in  Afrika  der  hochbetagte  Prokonsul  der  Provinz,  M.  Antonius 
Gordianus,    zum  Kaiser   ausgerufen  wurde  und    seinen  gleichnamigen  Sohn 
zum  Mitregenten  annahm,  fielen  Rom  und  Italien  und  mehrere  Provinzen  von 
Maximin  ab.^)  Zwar  wurden  die  beiden  Gordiane  in  Afrika  von  den  Truppen 
Maximins  unter  dem  treugebliebenen  Statthalter  von  Numidien  Capelianus 
rasch  beseitigt,  aber  der  Senat  setzte  den  Widerstand  gegen  Maximin  fort; 
er  bestellte  zuerst  zur  Verteidigung  Italiens  eine  Kommission  von  zwanzig 


»)  Vgl.  für  Rom  oben  S.  351  A.  4.  *)  Vgl.  A.  v.  Domaszewski,  Rhein.  Mus. 

2)  Er  war  nicht  etwa,  wie  Jordanis  N.  F.  LVIII,  1903,  538  ff.  Herodian,  unser 
Getic.  XV  83  behauptet,  ein  Gothe.  bester  Gewährsmann,  schweigt  hierüber. 

3)  Maximinus  hat  im  J.  232  n.  Chr.  in  Auf  den  Inschriften  erscheint  zuerst  der 
Ägypten  als  praefectus  legionis  gestanden,  :  Siegertitel  Germanicus  maximus,  wozu  spä- 
wenn  U.  Wilcken,  Philölog.  53,  1894,  95  ter  die  im  Text  genannten  Ehrennamen 
den  Pariser  Papyrus  (bei  Mitteis-Wilcken,  kommen  (z.  B.  ILS  I  nr.  488  ff.).  Der  Sohn 
Grundzüge  u.  Chrestomathie  der  Papyrus-  Maximus  partizipiert  an  diesen  Titeln 
künde  I  2  nr.  41,  S.  63)  richtig  ergänzt  hat,  seines  Vaters. 

was  sehr  wahrscheinlich  ist.  Dann  scheint  *)  Vgl.  K.  J.  Neomann,  Der   röm.  Staat 

er  Präfekt   von  Mesopotamien  geworden  und  die  allgem.  Kirche  bis  auf  Diocletian 

zu  sein  (A.  v.  Domaszewski,  Neue  Heidelb.  I,  Leipzig  1890,  210  ff.  und  unten  S.  392. 

Jahrb.  IX,  1899, 161  f.).    Zuletzt  war  er  am  ^)  Über  die  folgenden  Ereignisse    siehe 

Rhein  praefectus   tironihm   des   gesamten  O.  Seeck,  Rhein.  Mus.  XLI  161  ff.    Preuß. 

Feldheeres   für  den  Germanenkrieg   und  Jahrb.  56  (1885)  267  ff.  (=  Populäre  Sehr., 

als   solcher   für  die  Ausbildung   der  Re-  Berlin  1898,  191  ff.).    Über  die  Chronologie 

kruteu  verantwortlich  (M.  Bakg,  Hermes  s.  Eckhel,  X>oc^r«>ia  nHW(.VII293.   P.  v.  Roh- 

41,1906,304).  Über  Maximinus  und  seinen  den,    PW  I  2621  ff.    Vgl.  R.  Ferwer,    Die 

Sohn  Maximus  vgl.  E.  Hohl,  PW  X  852  ft\  politischen  Wirren  des  röm.  Reiches  von 

368  ff.  Maximin  bis  Decius,  Neisse  1875. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.  III,  5.  5.  Aufl.                                                         ^4 


^70  Römische  Geschichte. 

Senatoren  M  und  wählte  dann  nacli  dem  Tod  der  Gordiane  —  der  jüngere  war 
in  einer  Schlaclit  bei  Kartliago  gegen  Capelianus  gefallen,  der  Vater  hatte 
durch  Selbstmord  geendet  —  aus  den  Zwanzig  gegen  den  heranrückenden 
Maximin  zwei  Gegenkaiser,  M.  Clodius  Pupienus  Maximus  2)  und  D.  Caelius 
Calvinus  Balbinus;  auf  Verlangen  der  Truppen  und  des  Volks  wurde  so- 
dann der  dreizehnjährige  Enkel  Gordians  i,  der  Schwestersohn  Gordians  II. 
M.  Antonius  Gordianus  (III)  zum  Caesar  erhoben.'^)  Maximin  war  im  An- 
marsch gegen  Italien;  aber  bei  der  langen  und  beschwerlichen  Belagerung 
von  Aquileia  empörten  sich  seine  Truppen,  erschlugen  ihn  samt  seinem 
Solm  und  gingen  zum  Senat  über. 

Inzwischen  hatten  sich  während  der  Thronwirren  die  auswärtigen  Feinde 
Roms  geregt;  die  Gothen  und  Karpen  waren  in  Mösien  eingefallen  und  die 
Perser  hatten  Mesopotamien  angegriffen.  Maximus  und  Balbinus  schickten 
sich  daher  an,  ins  Feld  zu  ziehen.  Aber  sie  standen  untereinander  in  keinem 
guten  Einvernehmen  und  entfremdeten  sich  die  haujjtstädtischen  Truppen^ 
die  für  ihre  Privilegien  fürchteten.  So  kam  es,  daß  sie  vor  dem  Auszug 
bei  den  kapitolinischen  Spielen  238  n.  Chr.  in  Rom  nach  etwa  dreimonat- 
licher Regierung  erschlagen  wurden  ;'^)  Gordianus  III  wurde  so  alleiniger 
Herrscher.  Aber  der  hilflose  Knabe  war  zvi  einer  selbständigen  Regierung 
noch  nicht  fähig.  Aus  den  ersten  Jahren  nach  der  Thronbesteigung  ist  fast 
nichts  bekannt;  240  n.  Chr.  wurde  in  Numidien  ein  Empörer  Sabinianus 
überwunden.  Im  nächsten  Jahr  vermählte  sich  der  Kaiser  mit  Furia  Sabinia 
Tranquillina,  der  Tochter  des  C.  Furius  Timesitheus;  von  seinem  kaiserlichen 
Eidam  zum  Prätorianerpräfekten  gemacht,  riß  Timesitheus  die  eigentliche 
Führung  der  Geschäfte  an  sich.^)  Da  die  Perser  (unter  Sapor  I)  nach  der 
Eroberung  Mesopotamiens  (241  n.  Chr.)  Syrien  bedrohten,  so  unternahm  Gor- 
dian  mit  großer  Heeresmacht  einen  Feldzug  gegen  sie  (242  n.  Chr.).  Unter- 
wegs trieb  er  die  Gothen  und  Karpen  zurück,  die  über  die  Donau  vor- 
gedrungen waren.  Die  Perser  wurden  in  einer  großen  Schlacht  bei  Resaina 
in  Mesopotamien  geschlagen  und  das  Verlorene  zurückerobert.  Aber  während 
des  Feldzugs  raffte  eine  Krankheit  den  Timesitheus  hinweg  (243  n.  Chr.). 
Sein  Nachfolger  in  der  Präfektur,  der  Araber  M.  Julius  Philippus,  machte 
bei  den  Soldaten  Stimmung  für  sich  und  gegen  den  schwachen  Kaiser,  und 
als  dieser  sich  des  illoyalen  Präfekten  zu  entledigen  suchte,  holte  Philippus 
zum  Schlag  aus  und  ließ  den  Gordian,  zu  dem  man  kein  Vertrauen  hatte, 


')  Vgl.  A.  V.  DoMASZEwsKi,    Eheiii.  Mus.  dicwits Sempronlanus Romamis Africanus{d9v 

LVIII  538  ff.  Vater  und  der  Sohn).    Vgl.  ILS  I  nr.  493. 

2)   Über   seinen   Namen    vgl.  Mommsen,  Bereits  am  11.  Mai  238  n.  Chr.  waren  die 

Zeitschr.f.NumismatikVIII26.  A.v.Doma-  drei  Kaiser  Maximus,  Balbinus  und  Gor- 
szEwsKi,  Festschr.  f.  Th.  Gomi^erz  233.          |    dian  III  im  Amt.    CIL  VI  816. 

^)  S.  den  Stammbaum  bei  P.  v.  Rohden,  *)  A.  v.  Domaszewski,  Rhein.  Mus.  LVII 

PW  12(519  f.    Es.  ist  bezeichnend  für  den  (1902)509. 

Stand   unserer  Überlieferung,    daß  latei-  '")  Seine  Ämterlaufbahn  und  sein  voll- 

nische  Autoren,  wie  Aurelius  Victor  und  ständiger  Name  (C.  Furius  Sabinius  Aquila. 

Eutrop  nur  zwei  Gordiane  kennen;    das  Timesitheus)    ist   durc-h    die    Lyoner  In- 

Richtige  haben  die  Griechen,  deren  Zeug-  schritt   ILS  I  nr.  1380    bekannt.    Vgl.  A. 

nis  durch  die  Monumente  bestätigt  wird.  v.  Domaszewski,  Rhein.  Mus.  N.  F.  LVIII 

Lanckoronski,  Städte  Pamphvliens  u.  Pisi-  (1903)  218  ff.  Kkaüss  ebdas.630.  Rühl  ebda 

diens  I  168.    Die  beiden  ersten  Gordianc  LXII  (1907)  4  ff.    A.  Stein,  PW  VII  364  ff.. 
heifsen  vollständig:  Marcus  Antonius  Gor- 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  •■)!.)  i]~l 

244  n.  Chr.  bei  Zaitha  am  Euphrat  auf  dem  Marsch  nach  Ktesiphon  ermorden 
und  sich  selbst  zum  Kaiser  ausrufen.  Der  neue  Herrscher  i)  kam  rasch  zum 
Frieden  mit  Persien.  In  Rom  fand  er  erst  nach  einigem  Schwanken  An- 
erkennung; gegen  ihn  erhoben  sich  mehrere  Prätendenten,  darunter  Jota- 
pianus  in  Kappadokien  oder  Syrien,  der  sich  bis  in  die  Anfänge  der  Re- 
gierung des  Decius  behauptet  zu  haben  scheint.^)  Seinen  gleichnamigen  Sohn 
nahm  Kaiser  Philippus  zum  Mitregenten  an.  Die  Ironie  des  Schicksals  hat 
es  gefügt,  dafs  unter  den  beiden  Kaisern  arabischen  Geblüts  Rom  das  pomjD- 
haft  gefeierte  Jubiläum  seines  tausendjährigen  Bestehens  beging  (248  n.  Chr.). 
In  Wirklichkeit  war  die  Zeit  nicht  eben  zu  frohen  Festen  angetan:  ge- 
rade unter  den  Philippi  beginnt  sich  das  Unglück  des  Reiches  zu  häufen: 
die  Schwächung  des  kaiserlichen  Ansehens  durch  Usurpationen,  die  Unzu- 
verlässigkeit  der  Armee,  der  finanzielle  Ruin,  der  harte  Steuerdruck,  die 
Einfälle  der  Grenzvölker  und  verheerende  Krankheiten,  das  alles  wirkte 
verhängnisvoll  zusammen.  Bei  den  Nachbarn  und  nicht  nur  bei  den  Persern 
(S.  350)  waren  bedeutsame  Veränderungen  eingetreten.  An  den  germani- 
schen Grenzen  hatten  sich  die  einzelnen  Stämme  zu  größeren  Völkerbünd- 
nissen zusammengeschlossen.  Wo  die  Germanen  mit  den  Römern  in  Be- 
rührung kamen,  erwiesen  sie  sich  als  deren  gelehrige  Schüler  besonders  in 
militärischer  Hinsicht.  Am  obergermanischen  Limes  tauchten  schon  unter 
Caracalla  die  Alamannen  auf,  am  Mittel-  und  Unterrhein  die  Franken  und 
östlich  von  ihnen  an  der  Nordsee  die  Sachsen,  die  zu  Schiff  die  gallischen  und 
britischen  Küsten  heimsuchten. 2)  Ostgei-nianische  Stämme,  die  Gothen  mit 
ihren  Verwandten,  denVandalen,  Langobarden  u.a.,  hatten  sich  in  Bewegung 
gesetzt,'^)  die  Gothen  hatten  den  Pontos  erreicht  und  wurden  an  der  unteren 
Donau  Nachbarn  des  Reichs.^)  Sie  eroberten,  wahrscheinlich  unter  Severus 
Alexander,  Tyras.  Beim  Sturz  des  Maximinus  (238  n.  Chr.)  gingen  sie  mit  den 
Karpen,  einem  dakischen  Stamm,  über  die  Donau  und  nahmen  Istros  ein. 
Auf  dem  Weg  nach  dem  Orient  v/arf  sie  Gordianus  III  zurück,  bewilligte 
ihnen  aber  zugleich  Jahrgelder  (242  n.  Chr.).  Philippus  hat  245 — 247  n.  Chr. 
teils  selbst,  teils  durch  Legaten  siegreich  mit  ihnen  gekämpft.  248  n.  Chr. 
erneuerten    sich  die  Angriffe  der  Gothen,    wobei  ihnen  die   Usurpation  des 


')  Vgl.  über  ihn  E.  Stein,  PWX755ff.  !    wird  vermutet,  daß  sie  mit  den  Semnonen 

Sein  Christentum  ist  legendär.  zusammenhängen,  die  früher  östlich  der 

-)  Jotapianus    rühmte    sich    der   Zuge-  Elbe    wohnten.      Müllenhoff,     Deutsche 

hörigkeit   zum  Haus  Alexanders,    womit  Altertumskunde  lY  523  f. 

Severus  Alexander  gemeint  sein  dürfte.  ■*)  Das    erste    Stadium    der  Wanderung 

Aurel.Vict.  Caes.  29, 2.  Ein  anderer  Gegen-  ist  schon  zur  Zeit  der  Markomannenkriege 

kaiser  ist  Julius  Aurelius  Sulpicius  Ura-  !    des  M.  Aurelius  vollendet.    Damals    sind 

nius  Antoninus,  der  sich  in  Syrien  erhob,  Vandalen   und  Langobarden   bereits  den 

nach  dem  Zeugnis  der  Münzen  das  Mil-  Donauvölkei-u  benachbart, 

lennium  feierte   und   noch  das  J.  253/254  5)  KaspakZeuss,  Die  Deutschen  und  ihre 

n.  Chr.  erlebte.   Indes  setzt  ihn  die  litera-  Nachbarstämme,  1837,  401  f.     L.Schmidt, 

rische  Überlieferung  schon  unter  Severus  Gesch.  der   deutschen   Stämme    bis    zum 

Alexander  (Zosim.  I  12,  2.    Syncell.  p.  674  ;    Ausgange    der  Völkerwanderung  I  1  (bei 

ed.  Bonn.),  weshalb  Mommsen  vermutet,  es  '    Sieglin,  Quellen  u.  Forschungen  z.  alten 

habe  zwei  Prätendenten  mit  Namen  Üra-  Gesch.  u.Geogr.,  Heft  7,  Berlin  1904).  Das 

nius  gegeben.    Vgl.  PIR  II  170  nr.  125.  Werk  von  Zeuss  ist  grundlegend  für  die 

^)  Die  Sachsen  {^ä^orec)  nennt  als  öst-  \   germanische  Stammesgeschichte.  Vgl.  Ed. 

liehe  Nachbarn  der  Chauken  schon  Ptole-  Norden,  Die  germanische  Urgeschichte  in 

maeusGeogr.  1141,7.  Von  den  Alamannen  Tacit.  Germania,  Leipzig-Berlin  1920,  1  f . 

24* 


l^-jo  Römische  Geschichte. 

Ti.  Claudius  Marinus  Pacatianus,  des  Legaten  von  Pannonien  und  Mösien, 
der  sich  zum  Kaiser  ausrufen  ließ,  zu  statten  kam.  Zur  Beruhigung  und 
Sicherung  der  Provinz  schickte  Philippus  den  angesehenen  Senator  C.  Messius 
Quintus  Traianus  Decius  mit  starkem  Aufgebot  nach  Mösien.  *)  Er  wurde 
von  den  Soldaten  mit  dem  Purpur  geschmückt,  worauf  er  sein  Heer  nach 
Italien  in  Marsch  setzte.  Philippus  fiel  gegen  ihn  in  einer  Schlacht  bei 
Verona  (249  n.  Chr.),  der  jüngere  Philippus,  der  in  Rom  zurückgeblieben 
war,  nahm  im  Prätorianerlager  ein  gewaltsames  Ende. 

Der  neue  Kaiser  Decius  stammte  aus  Unterpannonien,  und  mit  ihm  be- 
ginnt die  Reihe  der  illyrischen  Kaiser.  Wie  üblich,  bestellte  er  seine  Söhne 
Q.  Herennius  Etruscus  Messius  Decius  und  C.  Valens  Hostilianus  Messius 
Quintus  zu  Caesaren  und  damit  zu  Thronerben.  Decius  ist  der  erste,  der  eine 
allgemeine  systematische  Verfolgung  der  Christen  anordnete,  die  dann  Valerian 
fortsetzte. 2)  Zunächst  mußte  Decius  einen  Aufstand  in  Gallien  dämpfen; 
hierauf  wandte  er  sich  gegen  die  Gothen,  die  inzwischen  unter  Kniva  Mösien 
und  Thrakien  überflutet  hatten.  Unsere  dürftigen  Berichte  über  seine  Kämpfe 
mit  den  Barbaren  lassen  erkennen,  daß  der  Erfolg  wechselte,  ^j  Die  Gothen 
belagerten  Nikopolis  und  eroberten  nach  einem  Sieg  über  den  Kaiser  sogar 
Philippopolis,  das  ihnen  L.  Priscus  verriet,  der  mit  ihrer  Hilfe  das  Imperium 
zu  erlangen  hofPte.  Decius  sammelte  neue  Streitkräfte  und  nötigte  die  Feinde 
zum  Rückzug.  Es  scheint  nun,  daß  Decius  ihnen  im  Verein  mit  dem  Statt- 
halter Mösiens  C.  Vibius  Trebonianus  Gallus  den  Weg  verlegen  wollte.  In 
den  sich  entspinnenden  Kämpfen  erlitt  zuerst  der  kürzlich  zum  Augustus 
erhobene  jüngere  Decius  und  dann  auch  der  tapfere  kaiserliche  Vater  bei 
Abrittus  in  Niedermösien,  also  auf  römischem  Reichsboden,  den  Heldentod 
(spätestens  Anfang  Juni  251  n.  Chr.).-^)  Verrat  von  Seiten  des  Gallus  soll  bei 
der  Katastrophe  mit  im  Spiel  gewesen  sein.  Das  verwaiste  Heer  rief  den 
Gallus  zum  Kaiser  aus.  Hostilianus,  der  zweite  Sohn  des  Decius,  blieb  Mitkaiser 
und  wurde  der  Adoptivsohn  des  neuen  Augustus,  der  seinen  leiblichen  Sohn 
Gallus  Volusianus  zum  Caesar  machte.  Die  Gothen  erhielten  freien  Abzug 
und  die  Bewilligung  von  Jahrgeldern;  aber  die  schmählich  erkaufte  Ruhe 
war  nicht  von  Bestand;  denn  bald  drangen  die  Barbaren  von  neuem  über 
die  Donau  vor  und  setzten  sogar  nach  Kleinasien  über.  Unter  Trebonianus 
Gallus  hielt  vom  Orient  her  die  Pest  ihren  Einzug,  um  fünfzehn  Jahre  lang 
die  Bevölkerung  heimzusuchen;  unter  ihren  zahllosen  Opfern  befand  sich 
auch  Kaiser  Hostilianus.'')  Ein  Sieg  über  die  Gothen  führte  den  Statthalter 
Mösiens,    M.  Aemilius  Aemilianus,    auf  den  Thron;    Gallus   und  Volusianus 

')  Vielleicht  schon  248  n.  Chr. :  denn  Vgl.  P.  M.  Meyer,  Abhandlgg.  d.  Berl.  Akad 
dieses  Jahr  wird  in  einigen  Inschriften  als  1910.  W.  Schubaet,  Einführung  m  die 
das  erste  des  Decius  gerechnet:  Mommsen,       Papyruskunde,  Berlin  1918,  363.  370. 


BhU.  deir  instit.  1865  p.  27  ff.;  vgl.  PIR  II 
368  nr.  373  und  W.  Liebenam,  Fasti  con- 
sulares  imp.  Rom.  113. 

^)  Der  Verfolgung  entging,  wer  das  von 


')  Ammian.  XXXI 5, 15  ff. :  Jordanis  Get. 
101;  Zosimos  I  21  ff. ;  Zonaras  XII  20.  De- 
xippos  fr.  16  a.  Aurel.  Vict.  29.  B.  Rappa- 
poRT.  Die  Einfalle  der  Goten  in  das  röm. 


allen   Bürgern    geforderte   Opfer   leistete  Reich  (Leipzig  1899)  38  ff. 

und    sich    diesen    Akt    behördlicherseits   !  •*)  Über   das   Datum  vgl.  Che.  Hülsen, 

bescheinigen  liefs.    Solche  Opferausweise    j  Röm.  Mitteilungen  17,  1902,  167  ff. 

{hbeUi;    daher   die   Bezeichnung  liheUaiici   \  ^)  Nach  anderer  Version  (Zosim.  I  25,  3) 

für  abtrünnige  Christen)  sind  neuerdings   j  wäre    Hostilianus    von    Gallus    beseitigt 

in  Ägypten  auf  Papyrus  gefunden  worden.    \  worden. 


.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  aixf  Diokletian,    (i;  •")l.)  ;>~3 

wurden,  als  der  Gegenkaiser  sich  Rom  näherte,  bei  Interanina  von  ihren 
Truppen  verlassen  und  erschlagen  (253  n.  Chr.).  Aber  noch  in  demselben 
Jahr  ereilte  den  Aemilianus  nach  wenigen  Monaten  seiner  Kaiserherrlich- 
keit dasselbe  Geschick;  denn  in  Rätien  machten  die  Legionen  einen  neuen 
Kaiser,  den  Konsular  P.  Licinius  Valerianus;  schon  in  einer  Inschrift  vom 
22.  Oktober  258  n.  Chr.')  erscheint  er  mit  seinem  Sohn  P.  Licinius  Egnatius 
Gallienus  als  Lnperator.  2)  Der  ältere  Sohn  des  Gallienus,  P.  Licinius  Cor- 
nelius Valerianus,  2)  wurde  bald  darauf  zum  Caesar  und  Mitregenten  ernannt. 

Unter  Valerianus  und  Gallienus  brach  von  allen  Seiten  das  Unheil  über 
das  Reich  herein:  Alamannen  und  Franken  überschritten  den  Rhein;  die 
Küsten  wurden  von  den  Sachsen  verheert;  in  Mauretanien  erhoben  sich  die 
Gebirgsstämme,  die  sog.  Quinquegentiani,  und  fielen  (258 — 259  n.  Chr.)  ins 
benachbarte  Numidien  ein;*)  die  Gothen  und  ihre  Nachbarn  zogen  wiederum 
plündernd  über  die  Donau,  erreichten  Makedonien  vmd  die  Grenzen  Achaias 
und  hätten  fast  Thessalonike  erobert;  Dacien  ging  größtenteils  verloren 
(etwa  257  n.Chr.).  Ln  Osten  machten  die  Perser  einen  Vorstoß;  sie  brachten 
Armenien  in  ihre  Gewalt  und  bedrohten  die  römischen  Provinzen;  256  n.  Chr. 
nahmen  sie  Antiochien.  Die  beiden  Kaiser  teilten  sich  in  die  Arbeit;  Gallienus 
ging  nach  Gallien  und  führte,  im  Bund  mit  germanischen  Stämmen,  den 
Krieg  an  der  Rheingrenze. °)  Valerianus  begab  sich  in  den  Orient,  um  die 
asiatischen  Provinzen  zu  schützen.  Antiochien  gewann  er  wieder  zurück 
(etwa  257  n.  Chr.)  und  wandte  sich  dann  gegen  die  Perser,  die  Edessa  in 
Mesopotamien  belagerten.  Hier  erlitt  Valerian  eine  Niederlage  und  geriet 
selbst  in  Feindeshände  (260  n.  Chr.);^)  in  der  schmachvollen  Gefangenschaft 
der  Perser  ist  der  römische  Kaiser  verstorben.  Den  Orient  überfluteten  die 
Perser,  die  Antiochien,   Tarsos  und  Caesarea  in  Kappadokien  eroberten. 

Die  Gefangenschaft  Valerians  machte  bei  Freund  und  Feind  den  tiefsten 
Eindruck;  die  Grenzvölker  griffen  nun  mit  verdoppeltem  Eifer  an.  Gallienus 
war  nicht  mehr  in  der  Lage,  das  Reich  zu  schützen,  die  Provinzen  waren 
oft  auf  sich  selbst  angewiesen;  bei  der  Ohnmacht  der  Regierung  und  der 
Zerrüttung  der  Disziplin  wurden  häufig  in  den  Provinzen  Gegenkaiser  auf- 
gestellt, zumeist  Kriegsleute,  deren  Schutz  man  sich  anvertrauen  wollte. 
Es  ist  die  Zeit  der  sog.  dreißig  Tyrannen,')  wobei  unter  Tyrann  der  nicht 


1)  ILS  I  nr.  5S1.  Lehner,  Westdeutsche  Zeitschr.  XV  260  f. 

2)  Zur  Geschichte  des  GalHenus  vgl.  Nissen,  Novaesium  (Bonner  Jahrb.  1904 
A.  V.  DoMASZEwsKi,  Eheiu.  Mus.  LVII  (1902)  Bd.  111/112  S.  96.  251). 

510  ff.    L.Homo,  liemie  historique  HS,  li)lS,  ^)  Der  Hergang  wird  sehr  verschieden 

1  a:  225  ff".  erzählt.     Zosinios  I  36.    Zonaras  XII  22. 

3)  Er  wird  nicht  selten  mit  seinem  Zvir  Chronologie  vgl.  Sadee,  De  imp.  Ro- 
jüngeren  Bruder  Saloninus  (P.  Licinius  manorum  tertii  p.  Chr.  saecuU  temporibns, 
Cornelius  Saloninus)  verwechselt.  PIE  II  Bonn  1891.  W.  Liebenam,  Fasti  consulares 
272  f.  (nr.  123f.).  irnj).  Rom.  lU. 

••)  Zusammen  mit  den  C^uinquegentia-  ')  Vgl.    H.  Peteb,    Die    i'ömischen    sog. 

nern  werden  die  Bahares  genannt.  R.  Cag-  dreißig  Tyrannen,  Abhandlgg.  der  Sachs. 

nat,  L'ai-mce  Romaine  d'Äfrtque,  55  f.    ILS  Gesellsch.  derWiss.  27  nr.  6,  Leipzig  1909. 

I  nr.  1194.  Der   Name    beruht    auf   einem    albernen 

'=)  Valerianus  und  Gallienus  nehmen  den  Einfall  der  Hisioria  Äugusta ;  er  ist  geprägt 

Tiiei  Germanicus  Maximus  Siii.  Von  Gallie-  nach    der  —  historisch   in  keiner  Weise 

nus  rührt  die  Befestigung  von  Köln  und  zutreffenden   —   Analogie   der   „Dreißig" 

wohl  auch  von  Trier  her.  Auch  Novaesium  in  Athen.    Die  i//«ioria  J.4<//us/a  bezeichnet 

(Neuß)    wurde    damals    wieder    Festung.  mit  iijrannns  den  Usurpator,  den  Gegen- 


;}7  1  Römische  Geschichte. 

legitimierte  Usurpator  verstanden  werden  muß.  Dacien  wurde  erobert,  die 
Donauprovinzen  waren  den  Verheerungen  der  Gotlien  und  anderer  Barbaren, 
<lie  bis  nach  Achaia  vorstießen,  preisgegeben.  Der  obergermanisclie  und 
rätische  Limes  hielt  niclit  stand,  die  Befestigungen  wurden  zerstört,*)  die 
rechtsrlieinischen  Besitzungen  gingen  verloren.  Von  Rätien  her  brachen  die 
Alamannen  in  Italien  ein  (261  n.  Chr.),  und  der  Senat  mußte  Truppen  auf- 
bieten; Gallienus  eilte  aus  Gallien  herbei,  wo  er  seinen  Sohn,  den  Cae.sar 
Cornelius  Valerianus  zurückließ,  imd  besiegte  die  Eindringlinge  bei  Mailand. 
Damals  sagte  sich  Ingenuus,  der  Befehlshaber  Pannoniens,  von  Gallienus 
los;  er  ist  der  erste  unter  den  Tj-rannen.  Gallienus  eilte  herbei  und  schlug 
-den  Rebellen  bei  Mursa:  ein  Nachfolger  erstand  dem  Ingenuus  in  Rega- 
lianus, der  in  einem  blutigen  Krieg  ebenfalls  niedergeworfen  wurde. ^)  Aber 
inzwischen,  seitdem  Gallienus  den  Westen  verlassen  hatte,  ergossen  sich 
die  Franken  über  das  Land,  kamen  bis  nach  Spanien  und  setzten  sogar 
über  das  Meer.  M.  Cassianius  Latinius  Postumus,  der  eine  plündernde  Schar 
besiegt  hatte,  wurde  von  seinen  Truppen  zum  Kaiser  proklamiert:  der  C'aesar 
Valerianus  wurde  in  Köln  gefangen  und  getötet.  3)  Es  gelang  dem  Postumus, 
Gallien  wieder  von  den  Feinden  zu  säubern.  Auch  Spanien  und  Britannien 
fielen  ihm  zu,  und  umsonst  versuchte  Gallienus,  ihn  zu  verdrängen.  Postumus 
fand  an  den  Franken  Bundesgenossen  und  konnte  sogar  einen  wenn  auch 
vergeblichen  Angriff  auf  Gallienus  gegen  Italien  unternehmen:  er  hat  zehn 
Jahre  regiert  (258—268  n.  Chr.).  Ihm  schwebte  nichts  Geringeres  vor  als 
die  Gründung  eines  unabhängigen  gallo-germanischen  Reiches.'*) 

Im  Orient  konnten  sich  die  Perser  auf  römischem  Boden  nicht  behaupten: 
sie  wurden  von  einzelnen  Heerführern  bald  wieder  verdrängt.  Besonders  ist 
zu  nennen  Septimius  Odaenathus  von  Palmyra,^)  der  den  Sapor  zum  Rückzug 
über  den  Euphrat  nötigte,  Mesopotamien  zurückeroberte  und  den  Persern 
schwere  Verluste  beibrachte.  Aber  auch  hier  standen  Gegenkaiser  auf.  Zwei 
Brüder,  T.  Fulvius  Junius  Macrianus  und  T.  Fulvius  Junius  Quietus,  Söhne 
des  M.  Fulvius  Macrianus,  wurden  im  Jahr  260  zu  Kaisern  ausgerufen  und 
eine  Zeitlang  im  ganzen  Kleinasien,  auch  in  Ägypten  anerkannt.'')  Macrianus 
und  sein  Vater  gingen  sogar  nach  Europa  hinüber:  als  aber  Aureolus,  der 

kaiser,   ein   später   Sprachgebrauch.    Die   i  jüngeren  Sohn,  Saloninus,  zum  Caesar. 
„Biographien"    der  tijranni  irlginta,    eine  *)  Vgl.  Ed.  Norden,  Die  germanische  Ur- 
Zahl,   die    in  Wirklichkeit    nie    erreicht  geschichte   in  Tacit.  Germania,    Leipzig- 
wurde, sind  historisch  wertlos.    Mehrere  Berlin  1920.  177  ff. 

der  Tyrannen  existieren  nur  in  der  Phan-  '")  Vgl.  A.  v.  Sallet,    Die  Fürsten   von 

tasie  des  Biographen,  der  sich  Trebellius  Palmyra,  Berlin  1866.  PIRIII2lof.  nr.339. 

Pollio    nennt   und    z.  B.  einen  Tyrannen  Odaenathus    war   Ratsherr   (decurio)   von 

Trebellianus  frei  erfindet.  Palmyra  und  besaß  den  Rang  eines  römi- 

')  259  oder  260  n.Chr.  ist   das  Kastell  sehen  Konsulars,  wie  aus  einer  griechisch- 

Niederbieber  (bei  Neuwied)  zerstört  wor-  syrischen    Inschrift     hervorgeht    (Lebas- 

den  (vgl.  E.  Ritterling,  Bonner  .Jahrb.  120,  Waddington,   Voi/cif/e  archeologique  III    nr. 

1912,  276).    Die   Besatzungstruppen,    die  2602).    Vgl.  Mommsen,  Rom.  Gesch.  V  427 

vielfach  ansässig  waren,  mögen  mitunter  Anm.  -4. 

geblieben  sein  und  sich  mit  den  Eroberern  «)  Vgl.  PIR II 94  f.  nr.  371  u.  372.  A.  Stein 

verschmolzen  haben.  PW  VII 253  ff.  257  f.  Die  Daten  ägyptischer 

^)  Seine  Gemahlin    war    vielleicht    die  Papyrusurkunden    ergeben    eine    minde- 

nur  durch  pannonische  Münzen  bekannte  stens  einjährige  Dauer  des  Regiments  der 

Kaiserin  Sulpieia  Drvantilla.  PIR  III  290  beiden    Usurpatoren.    S.    die    Belege    bei 

"r.  741.                          ■  Stein  a.  a.  O.  254  f. 

')  Hierauf  ernannte   Gallienus    seinen 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  51.)  375 

Peldherr  des  Gallieniis,  ihnen  entgegentrat,  wurden  sie  von  ihren  Soldaten 
verlassen  und  getötet.  Nunmehr  vermochten  sich  auch  Quietus  und  sein 
praefectus  j)metorio  Ballista  in  Syrien  nicht  mehr  zu  halten ;  sie  wurden  von 
Odaenathus  in  Emesa  belagert  und  nahmen  ein  gewaltsames  Ende.  Odae- 
nathus  spielte  noch  immer  den  loyalen  Anhänger  des  Kaisers  Gallienus, 
der  ihm  in  Anerkennung  seiner  Verdienste  nach  der  Vertreibung  der  Perser 
imter  dem  Titel  dux  orlentis  den  Schutz  der  asiatischen  Provinzen  und 
Ägyptens  übertrug. 

Des  Reiches  Bedrängnis  wurde  gesteigert  durch  große  Seezüge  der  Pontos- 
völker,  der  Boranen,  Gothen,  Heruler  und  anderer,  die  sich  der  Häfen  des 
nördlichen  Pontosufers  bemächtigten  und  noch  unter  Valerian  die  Küsten 
des  Schwarzen  Meeres  und  besonders  die  bithynischen  Städte  heimsuchten 
(256  und  258  n.  Chr.).^)  Später,  seit  etwa  262  n.  Chr., 2)  erzwangen  sie  sich 
■den  Durchzug  durch  die  Meerengen  und  brandschatzten  die  Küsten  Asiens 
und  Griechenlands.  263  n.  Chr.  wurde  Ephesos  erobert  und  verwüstet,  3)  um 
264  n.  Chr.  gelangten  sie  bis  nach  Galatien  und  Kappadokien,  266  n.  Chr. 
fiel  bei  einem  neuen  Angriff  auf  Bithynien  das  pontische  Herakleia  in  ihre 
Gewalt.  Besonders  schlimm  hausten  die  Barbaren  auf  ihrem  Raubzug  von 
267  n.  Chr.,  Athen  und  ein  großer  Teil  Griechenlands,  Korinth,  Argos  und 
Sparta  wurden  von  den  Herulern  erobert  und  geplündert.  Ein  entschlossener 
Athener,  Herennius  Dexippus,  der  bekannte  Geschichtschreiber,  rieb  damals 
eine  Schar  von  Plünderern  auf;  aber  die  mutige  Tat  blieb  ohne  Wirkung. 
Schließlich  erschien  eine  römische  Flotte  im  Ägäischen  Meer;  Gallienus  selbst 
brachte  Hilfe  und  schlug  einen  auf  dem  Rückzug  befindlichen  Barbaren- 
haufen in  Thrakien  am  Nestos.  Allenthalben  herrschte  Not  und  Verwüstung; 
zu  allem  Unglück  setzte  auch  noch  die  Pest  ihr  Vernichtungswerk  fort. 
Auch  die  afrikanischen  Provinzen  hatten  zu  leiden;^)  sie  wurden  von  den 
schon  genannten  Maurenstämmen  der  Quinquegentianer  überfallen ;  besonders 
gefürchtet  war  der  Rebell  Faraxen,  der  aber  um  260  n.  Chr.  gefangen  ge- 
nommen und  hingerichtet  wurde. ^)  Auch  dort  vermehrten  Gegenkaiser,  wie 
der  Maure  Memor,  die  allgemeine  Verwirrung.  Mitten  in  diesem  Chaos  hielt 
Gallienus,  dem  es  an  Tatkraft  nicht  gebrach,*^)  wenigstens  in  seiner  Person 
die  Einheit  des  Reiches  aufrecht.  Die  meisten  Prätendenten  wurden  von 
ihm  niedergeworfen;  aber  die  Grenzen  konnte  er  nicht  mehr  schützen.  Er 
war  ganz  Soldatenkaiser  und  nahm  auf  den  Senat  wenig  Rücksicht;  die 
Senatoren  schloß  er  vom  Heer  grundsätzlich  aus.'')    Man  wirft  dem  Gallienus 


')  Vgl.  die  oben  S.  372  A.  3  zit.  Schrift  welclien  Tag   die  Grabsehrift    seines  Be- 

Kappapokts.  Siegers    datiert   ist,    ILS  I   nr.  2767    (vgl. 

^)  262  n.Chr.  vor  der  Feier  der  Decenna-  noch  nr.  1194).    Cichorius,  Leipziger  Stu- 

lien  war  Gallienus  in  Byzanz  anwesend,  dien  X  319.    A.  Stein,  PW  VI  1998. 

wo  eine  Meuterei  der  Truppen  beseitigt  ®)  K.J.  Neumann,  Deutsche  Lit. Ztg.  1917, 
wurde,  wenn  die  rifa  Gall.  7,  4  recht  hat.    !    566,  möchte  den  Gallienus  allerdings  zum 

^)  Jahreshefte    des    österr.  archäol.  In-  „Typus  des  Neurasthenikers"  stempeln  im 

stituts  I  (1898)  Beiblatt  59  f.  72  f.  Widerspruch  gegen  das    günstige  Urteil, 

■')  Auch  hier  wurde  eine  Grenzbefesti-    ,    das   A.  v.  Domaszewski  (Gesch.  der   röm. 

gung  eingerichtet.  Am  Limes  Tripolitanus  Kaiser  II  305;  vgl.  Rangordnung  des  röm. 

hat  Gallienus  264  n.Chr.  ein  Kastell  er-  Heeres,BonnerJahrbb.  11 7, 196)  gefällt  hat. 

baut.    Comptes  rendus  de  Vacademie  des  in-  ^)  Einen  Anfang  in  dieser  Richtung  hatte 

Script.  1902,  1  S.  821  ff.  schon  Septimius  Severus  gemacht.    Vgl. 

'=)   Vor   dem    25.  März  260  n.  Chr..    auf  oben  S.  345.    C.  W.  Keyes.    The  rise  of  the 


p^~ß  Römische  Geschichte. 

vor,  dafe  er  über  der  großen  Not  der  Zeit  die  Vergnügungen  der  Haupt- 
stadt nicht  vergaß  und  sich  in  seinen  letzten  Jahren  einem  wüsten  Genuß- 
leben hingab.  Das  sind  wohl  tendenziöse  Übertreibungen,  zu  denen  der 
Haß  des  zurückgesetzten  Senats  gegen  den  militärischen  und  politischen 
Reformer  verf'ülirte.  Der  hocligebildete  Kaiser,  der  verständnisvolle  Ver- 
ehrer des  neuplatonischen  Philosophen  Plotin ')  ist  besser  als  sein  Kuf  in 
der  parteiisch  gefärbten  antiken  Überlieferung. 

Während  des  Gothenkriegs  sagt  sich  einer  der  angesehensten  Heerführer, 
Aureolus,  der  gegen  Postumus  im  Felde  stand,  von  Gallienus  los.  Der  Kaiser 
mußte  deshalb  die  Abrechnung  mit  den  Gothen  anderen  überlassen,  um 
sich  selbst  gegen  Aureolus  zu  wenden,  den  er  schlug  und  in  Mailand  ein- 
schloß. Hier  kam  es,  vielleicht  im  Einvernehmen  mit  Postunms,  zu  einer 
Verschwörung  der  höheren  Offiziere,  die  den  Kaiser  zu  beseitigen  und  einen 
aus  ihrer  Mitte,  den  M.  Aurelius  Claudius,  auf  den  Thron  zu  setzen  ge- 
dachten. Gallienus  wurde  bei  einem  falschen  Alarm  hinterrücks  ermordet; 
der  neue  Kaiser  fand  die  Anerkennung  des  ganzen  Reiches  mit  Ausnahme 
von  Gallien  und  Britannien  (2(58  n.  Chr.).^) 

Claudius  (II)  hat  Italien  vor  den  Alamannen  geschützt  und  sich  vor 
allem  das  Verdienst  erworben,  einen  wuchtigen  Angriff  der  Gothen  zurück- 
zuweisen; die  Gothen  hatten  Athen  abermals  erobert  und  die  Küsten  und 
Inseln  des  östlichen  Mittelmeers  bis  nach  Kypros  hin  verheert.  Claudius 
schlug  die  Barbaren  bei  Naissus  (Nisch)  und  machte  viele  Gefangene,  die 
er  als  Kolonen  auf  dem  entvölkerten  römischen  Gebiet  ansiedelte  oder  ins 
Heer  einstellte  (269  n.  Chr.).  Er  verdiente  sich  durch  seinen  Erfolg  den 
Beinamen  Gothiciis  max'uniis.^)  Aber  schon  270  n.  Chr.  erlag  der  Gothen- 
sieger,  ehe  er  zu  weiteren  Schlägen  ausholen  konnte,  im  Heerlager  zu  Sir- 
mium  der  Pest.  Nur  auf  wenige  Wochen  erbte  sein  Bruder  Quintillus  den 
Thron,  von  dem  ihn  der  Erwählte  der  Heere,  L.  Domitius  Aurelianus 
verdrängte  (etwa  März  270  n.  Chr.).  Aurelianus,^)  ein  hervorragender  Feld- 
herr, setzte  zunächst  das  nationale  Rettungswerk  des  Claudius  fort;  er  ver- 
trieb nämlich  die  Alamannen  (Juthungen)  aus  Rätien,  die  Gothen  und  Van- 
dalen  aus  Pannonien,  und  als  die  Alamannen  von  neuem  bis  nach  Umbrien 
verheerend  in  Italien  einbrachen,  schlug  er  sie  in  einer  Reihe  von  Gefechten 
wieder  zum  Land  hinaus  (271  n.  Chr.).  Um  für  die  Zukunft  vorzubeugen, 
wurde  beschlossen,  Rom  und  andere  Städte  Italiens  neu  zu  befestigen.  Die 
Riesenarbeit  einer  Ummauerung  Roms  wurde  von  Aurelian  unter  Heran- 
ziehung der  Einwohnerschaft  geschickt  organisiert,  gelangte  aber  erst  unter 
seinem  Nachfolger  zur  Vollendung.  Dacien  wurde  ganz  aufgegeben  und  den 
inzwischen  dort  angesiedelten  Barbaren  überlassen,  die  in  der  bisherigen 
Provinz  ansässigen  Römer  wurden  nach  Mösien  verpflanzt.    Eine  gothische 


equites  in  the  third  Century  of  the  Roman 
empire.  Diss.  Princeton  1915.  Über  die 
Wichtigkeit  der  Reformen  des  Gallienus 
vgl.  R.Grosse,  Rom. Militärgeschichte  von 
Gallienus  bis  zum  Beginn  der  byzantin. 
Themenverfassung,  Berlin  1920,  1  ff. 

^)  Vgl.  M.WuNDT,  Plotin,  I.Heft,  Leipzig 
1919,  36  flf. 

2)  Henze,    PW  II  245Hlf.    L.  Homo,  De 


Claudio  Gothico,  These,  Paris  1903. 

=>)  269  n.  Chr.  hat  Claudius  auch  die  Be- 
festigung von  Nikaia  in  Bithynien  wieder 
hergestellt.    Letronne,  Renteil  I  221  f. 

*)  F.  GöRRES,  De  primis  Aureliani  pri)i- 
cipis  t empor ibus,  Diss. Bonn  1868.  L.Homo, 
Essai  sitr  le  reqne  de  Vempereur  Aurelieny 
Paris  1904.    E.  Groag,  PW  V  1347  ff. 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§51.)  87/ 

Schar,  die  über  die  Donau  vordrang,  wurde  geschlagen  und  vertrieben.  Als 
seine  Hauptaufgabe  betrachtete  Aurelian  die  Wiederherstellung  der  Reichs- 
einheit. In  dieser  Absicht  wandte  er  sich  zunächst  nach  dem  Orient,  wo 
nach  dem  Tod  des  Odaenathus  (266  oder  267  n.Chr.)  dessen  Witwe  Zenobia') 
(Bathzabbai  mit  einheimischem  Namen)  mit  ihrem  Sohn  Vaballath  (Atheno- 
doros)  herrschte.  Zeitweilig  (269  n.  Chr.)  nahm  die  Herrin  von  Palmyra 
auch  Ägypten  in  Besitz  und  erwarb  sich  im  Nilland  viele  Anhänger:  auch 
ein  großer  Teil  Vorderasiens  gehörte  ihr.  Aurelian  hatte  sie,  wie  sein  Vor- 
gänger Claudius,  zunächst  anerkennen  müssen,  2)  geriet  aber  nunmehr  um  den 
Besitz  Bithyniens  mit  ihr  in  Krieg.  Der  Kaiser  verdrängte  die  Gegnerin  aus 
Kleinasien,  schlug  sie  bei  Emesa  und  schloß  sie  in  Palmyra  ein.  Bei  einem 
Fluchtversuch  wurde  Zenobia  gefangen,  worauf  Palmyra  kapitulierte.  Zenobias 
Leben  schonte  der  Kaiser,  der  die  Gefangene  in  Rom  im  Triumph  aufzu- 
führen gedachte.  Ihre  Hauptratgeber,  darunter  der  Philosoph  Longinus, 
mußten  sterben  (272  n.  Chr.).  Bald  darauf  empörte  sich  Palmyra  aufs  neue; 
Aurelian,  schon  auf  der  Rückkehr  begriffen,  kehrte  schleunigst  um  und 
eroberte  und  zerstörte  die  Stadt  unbarmherzig.  Damit  war  die  künstliche 
Blüte  Palmyras  für  immer  geknickt.  Auch  in  Ägypten  rebellierten  Partei- 
gänger der  Zenobia  und  leisteten  dem  Kaiser  längeren  Widerstand.  Alexan- 
drien  wurde  deshalb  von  Aurelian  streng  bestraft;  die  Stadt  verlor  die  Mauern 
und  einen   Teil  ihres  Gebietes  (273  n.  Chr.).^) 

Unmittelbar  nach  Unterwerfung  des  Orients  wurden  auch  die  gallischen 
Provinzen  wieder  mit  dem  Reich  vereinigt.  Hier  war  um  268  n.  Chr.  Postumus 
bald  nach  Beseitigung  eines  Nebenbuhlers  C.  Laelianus  von  meuterischen  Sol- 
daten erschlagen  worden.  Angeblich  nur  zwei  oder  drei  Tage  soll  die  Usur- 
pation eines  ehemaligen  Waffenschmiedes,  des  M.  Aurelius  Marius,  gewährt 
haben.  Nach  dessen  Sturz  warf  sich  M.  Piavonius  Victorinus  zum  gallischen 
Gegenkaiser  auf,  um  sich  etwa  zwei  Jahre  lang  (um  268 — 270  n.  Chr.)  zu 
behaupten.  Seine  einflußreiche  Mutter  Victoria,  die  Zenobia  des  Westens, 
wußte  nach  der  Ermordung  des  Sohnes  die  Legionen  zur  Proklamation  des 
damaligen  Statthalters  von  Aquitanien,  C.  Esuvius  Tetricus,  dessen  gleich- 
namiger Sohn  Caesar  wurde,  zu  bestimmen.  Tetricus  regierte  noch  gleich- 
zeitig mit  Claudius  Gothicus,  also  seit  etwa  270  n.  Chr.*)    Er  hatte  bei  der 

')  Vgl.  über  Septimia  Zenobia  PIR  III  Imperatoren  kann  nur  mit  Hilfe  der  Nu- 

217ff.  nr.  355.    F.  Müller,    Studien    über  mismatik  einigermaßen  aufgehellt  werden. 

Zenobiau.Palmyra,Diss.  Königsberg  1902.  Vgl.  J.  de  Witte,  Eecherches   sur   les   em- 

')  Vaballath  herrscht  in  Ägypten  eine  pereurs    qui   ont   regne    dans    hs  Gaules  au 

Weile  (Daten  vom  31.  März    bis  17.  Nov.  3«^  siede,   Lyon  1868,   dazu   den  Bericht 

271  n.  Chr.)  neben  Aurelian ;  sein  viertes  über  einen  Münzfund  in  Trier  im  Korresp.- 

und  fünftes  Jahr  entspricht  dort  dem  er-  Blatt  der  Westd.  Zeitschr.  XVIII   (1899) 

sten  und  zweiten  Aurelians.    Er  hat  sich  S.54f.  Von  Marius  gibt  es  zahlreiche  Mün- 

nämlich    in    Ägypten    nachträglich    vor-  zen;  er  kann  also  nicht  allzu  kurz  regiert 

datiert  und  unmittelbar  an  Gallienus  an-  haben.    Es  gibt  ferner  Münzen,  auf  denen 

geschlossen.    Sein  voller  Name  und  Titel  Tetricus   und  Postumus,   ferner  Tetricus 

lautet:  Vir  clarissimus  rex  imperator  dux  Bo-  und  Victorinus  zugleich  erscheinen,  end- 

manorum  lulius  Aurelius  Septimius  Vaballa-  lieh  auch  solche  mit  Tetricus  und  Clau- 

thus  Athenodorus.  Wessely  in  den  Papyrus  dius  (Eckhel  VII  455;  Cohen  VI  115).    Man 

Rainer  IV  55.    PIR  III  215  nr.  347.    Prei-  könnte    daraus    schließen,    daß    Tetricus 

siGKE,  Papyrus  Straßburg  IIS.  32  flf.  noch  mit  Postumus  zusammen  geherrscht 

')  Ammianus  Marceil.  XXII  16,  15.  hätte,    de  Witte   setzt    Postumus   in    die 

■•)  Die  dunkle  Geschichte  der  gallischen  J.  258—267,  Victorinus  265—268,  Marius 


.737(S  Römische  Geschichte. 

Unbotmäßigkeit  der  Soldateska,  sowie  infolge  von  Unruhen  unter  dem  Land- 
volk keinen  leichten  Stand;  in  seiner  l^edrängnis  ging  der  Usurpator  schliefs- 
lich  insgeheim  den  legitimen  Kaiser  Aurclian  um  Hilfe  an.  Dieser  ließ  sich 
nicht  lange  bitten;  er  zog  nach  Gallien  und  in  der  Schlacht  bei  Chiilons 
ging  Tetricus  '/a\  ihm  über;  Aurelian  besiegte  die  führerlosen  Truppen  und 
gewann  Gallien  und  Britannien  wieder  für  das  Reich  zurück.  Ein  imposanter 
Triumph  krönte  seine  im  Orient  wie  im  Okzident  gegen  die  Keichsfeinde 
verrichteten  Waffentaten  (274  n.  Chr.).  Wie  nach  außen,  so  war  Aurelian 
auch  im  Inneren  bemüht,  die  aus  den  Fugen  gegangene  Welt  wieder  ein- 
zurenken, und  so  ist  sein  Ehrenbeiname  restitiitor  orbis  keine  hohle  Phrase. 
Er  verbesserte  z.  B.  die  sehr  verschlechterte  Münze,  was  einen  Aufstand 
iler  Münzarbeiter  (inonetarä)  in  Kom  zur  Folge  hatte,  der  in  Blut  erstickt 
wurde.  Aurelian  hatte  ein  stark  entwickeltes  Herrscherbewußtsein,  das  er 
•auch  darin  zum  Ausdruck  brachte,  daß  er  sich  mit  dem  Diadem  nach  orien- 
talischer Königssitte  schmückte.  Vereinzelte  Münzlegenden  bezeichnen  den 
Kaiser  geradezu  als  dens  et  dominus  nattis.  Wie  einst  Elagabal,  so  hegte 
auch  Aurelian  eine  besondere  Vorliebe  für  den  Sonnengott,  den  sol  invictus, 
dem  er  in  Rom  einen  prächtigen  Tempel  errichtete  imd  dessen  Kult  er  von 
Staats  wegen  rezipierte. 

Aber  selbst  diesen  machtvollen  Herrscher  traf  schließlich  der  Mordstahl 
seines  kriegerischen  Gefolges.  Auf  einem  neuen  Feldzug,  wohl  gegen  die 
Perser,  begriffen,  wurde  Aurelian  im  Jahr  275  n.  Chr.  auf  der  Straße  nach 
Byzanz  getötet.^)  Ausnahmsweise  war  es  der  Senat,  der  den  Nachfolger 
bestimmte,  und  zwar  in  der  Person  des  M.  Claudius  Tacitus,  eines  bejahrten 
Konsulars. 2)  Der  Senatskaiser  schlug  die  Gothen  zurück  und  kämpfte  in 
Asien  gegen  die  Pontosvölker,  die  von  neuem  das  Land  überschwemmten: 
aber  schon  nach  kurzer  Regierung  wurde  er  276  n.  Chr.  von  seinen  Truppen 
zu  Tyana  in  Kappadokien  erschlagen.  Ein  Teil  des  Heeres  wählte  an  seiner 
Stelle  den  Gardepräfekten  M.  Annius  Florianus,^)  der  in  Rom  Anerkennung 

267,  Tetricus  268 — 273  n.Chr.  Abweichend  -   sehen  Kaisermünzeu,  Berlin  1870;  ILS  I 

W.  LiEBENAM,   Fastl  considares  115  f.    Au-  nr.  581.   B.  Rappaport  a.  a.  O.  75.   Das  Da- 

gustodunum,  die  Hauptstadt  der  Aeduer,  tum  der  vita  Taciti  3,  2  für  die  Wahl  des 

schloß   sich    an  Claudius    an  und  wider-  Tacitus  in  Rom  ist,  wie  die  meisten  der- 

stand    dem    gallischen   Herrscher   sieben  [    artigen  Angaben    der   Historia   Augusta, 

Monate    lang.    Claudius    wurde    zu  Hilfe  ganz  ohne  Gewähr. 

gerufen,  konnte  aber  nicht  abkommen.  ^)  Vgl.  E.  Hohl,  Klio  XI,  1911,  284  flf. 
Panegyr.  Lat.  V  (VIII)  2,  5.  4,  2.  Damit  Nach  dem  Tod  Aurelians  soll  ein  halb- 
steht im  Einklang,  daß  laut  einer  Inschrift  jähriges  Interregnum  eingetreten  sein, 
aus  Cularo  (Grenoble)  im  J.  269  n.  Chr.  bis  schließlich  auf  den  Wunsch  der  Sol- 
Claudius  wenigstens  einen  Teil  der  Nar-  daten  der  Senat  den  Tacitus  wählte,  eine 
bonensis  beherrschte.  CIL  XII  2228.  Den  \  Version,  die  der  ENMANNSchen  Kaiser- 
Anfängen  der  Regierung  des  Aurelian  ge-  geschichte  (vgl.  S.  280)  entstammt.  Dagegen 
hört  ein  anderer  durch  einen  Münzfund  berichtet  Zonaras  XII  28,  daß  Tacitus  vom 
bezeugter  gallischer  Imperator  an,  Domi-  Heer  gewählt  und  vom  Senat  bestätigt 
tianus.  A.  Stein  in  den  Wiener  Studien  '  worden  sei.  Über  die  Daten  der  Papyrus- 
XXIV  (1902)  339  ff.  PW  V  1311  f.  Urkunden  vgl.  Klio  a.  a.  0.  323  f.  Daß  der 
')  Aurelian  muß  nach  dem  29.  August  Kaiser  Tacitus  ein  Nachkomme  des  Hi- 
275  n.  Chr.  gestorben  sein,  wie  aus  den  storikers  Tacitus  gewesen  sei,  ist  eine 
ägyptischen  Münzen  hervorgeht,  die  sein  läppische  Erfindung  der  Historia  Augusta. 
siebentes  Jahr  zählen.  Auch  sonst  ist  ')  Florian  ist  nicht  etwa  der  Bruder 
sein  siebentes  Jahr  unzweifelhaft  bezeugt.  des  Tacitus,  wie  Aur.  Vict.  Caes.  36,  2  in- 
A.  V.  Sallet,   Die  Daten  der  alexandrini-  folge  einerVerwechslung  mit  dem  Bruder- 


7.  Fünfte  Periode:  Die  Kaiserzeit  bis  auf  Diokletian.    (§  öl.)  879 

fand.  Auch  er  hatte  gothische  Streifscharen  in  Kleinasien  zu  bekriegen. 
Aber  die  syrischen  Legionen  erhoben  ihrerseits  den  M.  Aurehus  Probus,') 
der  aus  Sirmium  stammte,  also  wieder,  wie  Aurehan,  „Illyrier"  (im  weiteren 
Sinn)  war.  Daraufhin  wurde  Florianus,  noch  ehe  es  zum  eigenthchen  Kampf 
mit  dem  Rivalen  kam,   von  seinen  Leuten  aufgegeben  und  beseitigt. 

Probus  vollendete  in  gewissem  Sinn,  was  (Claudius  und  Aurelian  be- 
gonnen hatten.  Er  vertrieb  unter  blutigen  Kämpfen  die  nach  Aurelians 
Tod  in  Gallien  eingefallenen  Alamannen  und  Franken  und  stellte  die  Rhein- 
grenze wieder  her.  Zur  besseren  Verteidigung  wurden  die  gallischen  Städte 
mit  neuen  Befestigungen  versehen  ^)  und  am  rechten  Rheinufer  feste  Posten 
eingerichtet  (277  n.  Chr.).  Aus  Rätien  schlug  Kaiser  Probus  die  Burgunder 
und  Vandalen  hinaus  (278  n.  Chr.);  den  Stamm  der  Bastarner  und  zahlreiche 
Germanen  siedelte  er  auf  römischem  Boden  an  und  verstärkte  aus  ihnen 
sein  Heer. 3)  In  Asien  wurden  die  Isaurer  bezwungen,  die  seit  Gallienus 
sieh  unabhängig  gemacht  hatten;  den  letzten  Widerstand  leistete  das  feste 
Kremna  (279  n.  Chr.).  Gleichzeitig  unterdrückten  die  kaiserlichen  Feldherren 
einen  Aufstand  in  Oberägypten,  den  die  räuberischen  Grenznachbarn,  die 
Blemyer,  unterstützt  hatten.  Die  von  den  Eindringlingen  besetzten  Städte 
Koptos  und  Ptolemais  wurden  zurückgewonnen.  Aber  Probus  hat  nicht 
nur  Kriegstaten,  sondern  auch  Friedenswerke  aufzuweisen;  er  machte  sich 
um  die  Landwirtschaft  verdient  und  förderte  den  Weinbau  in  Gallien  und 
Pannonien.  Unter  den  Soldaten,  die  er,  wenn  sie  militärisch  nicht  gebraucht 
wurden,  zu  produktiver  Kulturarbeit  verwendete,  hielt  er  gute  Zucht.  Er 
betrachtete  das  Heer  so  wenig  als  Selbstzweck,  daß  er  in  Kürze  dessen 
völlige  Entbehrlichkeit  verhieß,  eine  pazifistische  Hoffnung,  die  freilich  trüge- 
risch war.  Mit  Aurelian  verglichen,  erscheint  er  als  der  Mildere;  auch  er- 
wies sich  Probus  entgegenkommender  gegen  den  Senat,  dessen  gestrenger 
„Pädagog"  sein  Vorgänger  gewesen  war.  Unangefochten  sollte  auch  seine 
Herrschaft  nicht  bleiben;  in  Syrien  wurde  Saturninus  mit  dem  Purpur  ge- 
schmückt (279/80  n.  Chr.),  im  Westen  erhoben  sich  Bonosus  und  Proculus,^) 
in  Britannien  rebellierte  der  Statthalter.  Aber  diese  Unruhen  ließen  sich 
rasch  unterdrücken.  Doch  machte  sich  Probus  bei  den  Soldaten,  die  er  aller- 
dings nicht  verwöhnte,  so  unbeliebt,  daß  sie  den  Prätorianerpräfekten  M.  Au- 
relius  C^arus  zum  Kaiser  ausriefen.  Probus  wurde  in  Sirmium  nach  sechs- 
jähriger Regierung  erschlagen  (282  n.  Chr.).  Carus  erhob  seine  beiden  Söhne 
Carinus  und  Numerianus  zu  Caesaren  und  übertrug,  während  er  selbst  zu- 
nächst   in  Pannonien    gegen  die  Sarmaten  Krieg  führte,    dem  Carinus   den 

paar  Claudius-Quintillus  angibt,  ein  Irr-  kische  Schar  wußte  sich  Schiffe  zu  ver- 

tum,  den  sich  die  schwindelhafte  Historia  schaffen  und  machte  sich  auf  den  Heim- 

Augusta  bereitwilligst    zu   eigen    macht;  weg,  landete  plündernd  in  Griechenland, 

vgl.  E.  Hohl,  Klio  XI  310  f.  Sizilien  und  Afrika  und  erreichte  glück- 

*) 'B.Böhm,  De  M.  Aur.  Probo  imp.  Romano,  lieh  wieder  die  Heimat,    die  Eheinmün- 

Diss.  Breslau  1867.  E.  Dannhäuser,  Unter-  düngen.    Zosim.  I  71. 

such.  z.  Gesch.  des  Kaisers  Probus,  Diss.  ■•)  Auf  einer  Inschrift  aus  Tarraco  vom 

Jena  1909.  J.  280  n.  Chr.    ist  der  Name  des   Probus 

'^)  AdkienBlanchet,  Li's  enceintes Romaities  eradiert  (CIL  II 3738.  ILS I  nr.  597).  Wenn 
rfc/rtGa?</e,  Paris  1907.  In  diesen  Zusammen-  dies,  wie  wahrscheinlich,  mit  dem  Auf- 
hang gehören  auch  die  Befestigungen  von  stand  des  Proculus  und  Bonosus  zu- 
Trier und  Köhi.    Oben  S.  373  A.  5.  sammenhängt,  so  kann  derselbe  frühestens 

■')  Eine  in  Thrakien  angesiedelte  frän-  280  n.  Chr.  gesetzt  werden. 


^^^0  Römische  Geschichte. 

Grenzschutz  in  Gallien,  das  nach  Probus'  Tod  aufs  neue  bedroht  war.  Dann 
mußte  sich  Carus  den  Persern  zuwenden,  gegen  die  sclion  Aurelian  und 
später  Probus  einen  Feldzug  vorbereitet  hatten;  Carinus  wurde  zum  Augustus 
befördert  ^)  und  blieb  als  Regent  im  Westen  zurück.  Carus  drang  über  den 
Tigris  bis  Ktesiphon  vor,  schlug  die  Perser,  kehrte  mit  großer  Beute  zurück 
und  sicherte  den  Besitz  Armeniens  und  Mesopotamiens.  Aber  er  sollte  sich 
seines  Erfolges  nicht  lange  erfreuen :  vor  Abschluß  des  Feldzuges  wurde 
er  am  Tigris  in  seinem  Zelt  vom  Blitz  erschlagen  (283  n.  Chr.).^)  Der  Caesar 
Numerianus,  der  den  Vater  begleitet  hatte,  führte  das  Heer  zurück,  wnirde 
aber  schon  dreißig  Tage  später  unterwegs  vom  Gardepräfekten  Aper  er- 
mordet, der  sich  selbst  Hoffnung  auf  den  Thron  gemacht  hatte:  aber  nach- 
dem der  von  Aper  verheimlichte  Tod  Numerians  ans  Licht  gekommen  war, 
wählte  das  Heer  bei  Nikomedien  den  C.  Valerius  Aurelius  Diocletianus 
(17.  September  284  n.  Chr.). 3)  Inzwischen  hatte  in  Rom  Carinus  das  Imperium 
übernommen.  Er  wird  als  roher,  gewalttätiger  Mensch  geschildert.  Einen 
Nebenbuhler  Sabinus  Julianus  (M.  Aurelius  Julianus),  der  sich  nach  dem 
Tod  des  Carus  in  Oberitalien  erhoben  hatte,  beseitigte  er  bei  Verona.  Dann 
zog  er  dem  Diokletian  entgegen,  mit  dem  er  am  Margus  in  Mösien  zu- 
sammenstieß; in  der  Schlacht,  die  anscheinend  für  ihn  siegreich  war,  wurde 
Carinus  von  seinen  eigenen  Leuten  niedergemacht.  Diokletian  behauptete 
das  Feld  (285  n.  Chr.). 

Literatur:  Jakob  Burckhakdt,  Die  Zeit  Constantins  d.  Gr.,  2.  Aufl.,  Leipzig  1880, 
1.  Abschn.  —  Th.  Bernhardt,  Politische  Geschichte  des  röm.  Eeiches  von  Valerian 
bis  zu  Diokletians  Regierungsantritt,  Berlin  18<>7.  —  J.  Oberdick,  Die  römerfeindliche 
Bewegung  im  Orient,  Berlin  1869.  —  B.  Rappaport,  Die  Einfälle  der  Goten  in  das 
Römische  Reich  bis  auf  Konstantin,  Leipzig  1899. 

Vni.    Sechste  Periode   der  Geschichte  Roms:    Die  Kaiserzeit 
Ijis  zum  Ende  der  ostgothischen  Herrschaft  in  Itahen. 

Quellen: 
Die  zusammenhängende  Geschichtschreibung  knüpft  an  die  Darstellungen  der 
früheren  Periode  an  und  setzt  sie  ihrerseits  fort.  Das  umfassendste  Werk,  das  den 
gröfsten  Teil  auch  der  vorhergehenden  Epoche  behandelte,  sind  die  Res  gestae  des 
Antiocheners  Ammianus  Marcellinus, ^)  der  unter  Constantius  II  im  kaiserlichen 
Heeresdienst  stand,  sich  dann,  im  Jahr  360  n.  Chr.,  ins  Privatleben  zurückzog,  dessen 
Muße  er  nur  noch  einmal  durch  seine  Teilnahme  an  dem  Perserzug  Julians  unter- 
brach. Ammianus,  der  den  großen  Wurf  einer  Fortsetzung  des  Tacitus  wagte,  begann 
demgemäß  mit  Nerva  (96  n.  Chr.)  und  schloß  mit  dem  Untergang  des  Valens  (378 
n.  Chr.) ;  er  schrieb  in  Rom  um  39U  n.  Chr.  und  in  den  folgenden  Jahren.  Erlialten 
sind  nur  die  Bücher  14 — 31,  in  denen  der  Autor  die  eigene  Zeit  von  353 — 378  n.  Chr. 
schildert;  also  muß  die  vorausgehende  Geschichte  verhältnismäßig  knapp  erzählt 
worden  sein.  Der  Verfasser,  von  Geburt  Grieche,  fühlte  sich  sozusagen  als  Wahl- 
rümer,   wie    er   sich    dema   auch    der   lateinischen  Sprache  bediente,    was  ihm  nicht 


*)  IG  IX  2  nr.  222.  die   Feier  der  Vicennalien  im  November 

'^)  Nach    anderer  Version    wäre   er   er-  303  n.  Chr.  die  Erhebung  Diokletians  auf 

mordet  worden.  den  17.  November  284  n.  Chr. 

^)  Das  Datum  nach  Chron.  Pasch.  I  p.  510  ■*)  Vgl.  W.  Klein,  Studien  zu  Ammian. 

ed.  Bonn.    O.  Seeck,  Zeitschr.  für  Numis-  Marcell..  Klio,  13.  Beiheft,  1914. 

matik  XII  131  datiert  mit  Rücksicht  auf 


8.  Sechste  Periode:  Die  Kaiserzeit  b.  z. Ende  d.  ostgoth.  Herrsch,  in  Italien.  (C^uellon.)   381 

eben    leicht   fiel;    er   war  Heide,    stand    aber  dem  Christentum    tolerant   gegenüber. 
Ammian  ist  ein  warmer  Verehrer  Julians,   den  er  jedoch  mit  Objektivität  beurteilt 
und  dessen  Fehler   er   nicht  verschweigt.    Die  Darstellung   ist,   dem  Zeitgeschmack 
entsprechend,    stark   rhetorisch    und    mit  mannigfaltigen  Exkursen,    besonders   geo- 
graphischen  Inhalts,    durchsetzt.     Alle    anderen    zeitgenössischen  Quellen    übertrifit 
Ammian  an  Wert    und  Unparteilichkeit  bei  weitem;    wo  sein  Werk  aufliört,  da  be- 
ginnt ein  starkes  Nachlassen    unseres   geschichtlichen  Wissens.    Im  übrigen   ist   die 
eigentliche  Geschichtschreibung  fast  ganz  in  den  Händen  griechischer  Schriftsteller, 
von  denen  die  hervorragendsten  genannt  seien.    So  schrieb  Eunapios  von  Sardes, 
ein  berühmter  Rhetor,  Verehrer  Julians  und  Widersacher  der  Christen,')  nach  414 
n.  Chr.  in  14  Büchern  die  Geschichte  der  Jahre  270—404  n.  Chr.  und  zwar  in  Fort- 
setzung des  Dexippos:    doch  war  die  Zeit  vor  Julian  nur   in  kurzem  Überblick  ge- 
geben.   An  ihn    schloß    sich  Olympiodoros    an,    ein  Ägypter   aus  Theben,    der  in 
22  Büchern  die  Zeit  von  407—425  n.Chr.  eingehend  darstellte;  er  widmete  sein  Werk 
dem  zweiten  Theodosius.    Vornehmlich  Eunapios   und  Olympiodoros  sind,    wie  sich 
aus  ihren  Exzerpten  ergibt,    von  Zosimos  benutzt   worden,    dessen  noch  erhaltene 
Neue  Geschichte   {foTogia  vm)   nach   kurzer  Einleitung  die  Jahre  270 — 410  n.  Chr. 
darstellt.    Der  Schlafs  fehlt.    Wie  seine  beiden  Vorgänger  war  auch  Zosimos  ein  An- 
hänger  der   alten  Religion  und  Gegner  der  Christen;    er   scheint   gegen  450  n.  Chr. 
geschrieben  zu  haben;  doch  ist  die  Zeit  strittig.    Um  die  Mitte  des  5.  Jahrhunderts 
lebte  der  Rhetor  Priskos,  der  die  Geschichte  seiner  Zeit,  namentlich  der  Hunnen 
und  des  Attila,    schrieb;    wir   besitzen    daraus   für   die  Jahre  433 — 468  n.  Chr.  noch 
umfangreiche  und  sehr  wertvolle  Fragmente.^)    Wahrscheinlich  nach  dem  Tod  Kaiser 
Zenons  schrieb  Malchos  von  Philadelpheia  in  Syrien  die  Geschichte  von  474—480 
n.  Chr.,3)   ferner   schilderte  der   Isaurer  Candidus   die   Zeit   der  Kaiser  Leon   und 
Zenon  (457—491  n.  Chr.).    Ein  kürzerer  Abriß  der  allgemeinen  Geschichte  bis  zum 
zwölften  Jahr  des  Anastasios  stammte  aus  der  Feder  des  Syrers  Eustathios  von 
Epiphaneia."*)     Unter   den    Kaisern   Anastasios  I,    Justinus  I    und  Justinianus   lebte 
Hesychios  von  Milet,    der   in    seiner  Chronik   ebenfalls    die  ganze  Weltgeschichte 
von  Anbeginn  bis  zum  Tod  des  Anastasios  (518  n.  Chr.)  zusammenfaßte.    Bedeutender 
war   der  Patrizier  Petros  (Petros  Patrikios),    Staatsmann   und   hoher  Beamter   im 
Dienst  Justinians.    Er   hinterließ    eine  Geschichte   der  Kaiser   bis  etwa  Julian   und 
hat  vielleicht  auch  den  Cassius  Dio  fortgesetzt.    Der  Historiker  der  justinianischen 
Zeit   ist   Prokopios   von  Caesarea    in  Palästina,    ein    im    Staatsdienst  vielfach    be- 
schäftigter Mann,    Begleiter   und  Beirat  des  Belisarios   im  vandalischen,  gothisehen 
und   persischen  Krieg. ^)    Sein   großes  Werk  {iotooihöv)   in    acht  Büchern   erzählt  die 
Geschichte  des  vandalischen,  gothisehen  und  persischen  Krieges,  mit  einem  achten 
Buch  als  Supplement.    Der  Hauptteil  ist  550/51  n.  Chr.  abgefaßt,  das  achte  Buch  554 
n.  Chr.  oder  etwas  später.    Es  wird  ergänzt  durch  die  Anekdota.  auch  hisforia  arcana 
genannt,  eine  gegen  Justinianus  und  Theodora  gerichtete  Sehmähschrift.    Sein  drittes 
Werk  ist  die  für  die  Kenntnis  der  Zeit  sehr  wichtige  Geschichte  der  Bauten  Justi- 
nians (jiegi  xriojimwv,  de  aedificiis).    Prokopius  ist  Klassizist,  Nachahmer  besonders  des 
Thukydides.   Er  ist  als  Zeitgenosse  ein  Quellenschriftsteller  von  unschätzbarem  Wert; 
für  die    vor   seiner  Zeit   liegenden  Ereignisse    muß   er  jedoch   mit  Vorsicht  benutzt 


')  Die  erste  Auflage  enthielt  solche  Aus-  j  *)  So    nach    Photios    bibl.  cod.  78    und 

fälle  gegen  die  Christen,  daß  man  später  i  den  erhaltenen  Exzerpten.    Nach  Suidas 

■eine    neue    Ausgabe    {>'sa   sxdoaig)    veran-  i  schrieb  er  von  Konstantin  bis  Anastasios. 

staltete,    in    der   die    anstößigen    Stellen  •»)  Das  Werk  hatte  zwei  Teile,  der  eine 

gestrichen  waren.  |  gab  die  Sagengeschichte  bis  zum  Fall  Tro- 

•-)   Priskos    begleitete    den    Marcellinus  |  jas,  im  zweiten  folgte  die  historische  Zeit, 

auf  einer  Gesandtschaft  an  den  Hof^des  j  ")  Felix  Dahn,  Procopius  von  Caesarea, 

Attila.  448  n.  Chr.  Berlin  1865. 


l>^-2  Römische  Geschichte. 

werden.  Sein  Furtsctzer  uikI  jiinjjcrcr  Zeitgenosse  ist  Agathias  von  Myrina,  der 
in  seinem  Werk  über  .Justinian  (.Tfol  rT/g  'lovnTirtavov  ßanÜFiag)  die  Gescliichte  der  .Jahre 
.%2  -.558  n.  Chr.  liinzugegeben  hat.  Endlich  sind  wichtige  Nachrichten  erhalten  in 
der  Weltchronik  des  Johannes  von  Antiochien,  der  im  7.  .Jahrhundert  aus  nam- 
haften Vorgängern,  unter  denen  sich  auch  Cassius  Dio  und  die  obengenannten  .S<-liritt- 
steller  befinden,  seine  vielgelesene  Weltgeschichte  kompiliert  hat,  von  der  noch  be- 
tleutende  Reste  übrig  sind.') 

Die  lateinische  liistorische  Literatur  dieser  Periode  steht,  abgesehen  von  Am- 
mianus  Marcellinus,  der  griechischen  an  Mannigfaltigkeit  und  Wert  weit  nach.  Es 
sind  meist  nur  knappe  Kompendien  erhalten,  die  trotz  aller  Dürftigkeit  in  Ermanglung 
eines  Besseren  dennoch  von  Wert  sind,  so  die  Caesarea  des  Sex.  Aurelius  Victor,') 
d.  i.  ein  biographischer  Abriß  aller  Kaiser  von  Augustus  bis  Constantius  II,  unter  dessen 
Regierung  der  Autor  schrieb  (360  n.Chr.);  ferner  die  mit  den  Caesares  zugleich  über- 
lieferte epüonie  de  CaesarUms,  die  bis  Theodosius  I  geht.  Verwandter  Art  ist  das  dem 
Kaiser  Valens  gewidmete  breviarlum  der  ganzen  römischen  Geschichte  von  E  u  t  r  o  p  i  u  s , 
das  bis  zum  Tod  Jovians  (364  n.  Chr.)  geht;  und  die  Schrift  adversus  paganos  des  spani- 
schen Priesters  Paulus  Orosius,  im  Jahr  417  n.  Chr.  dem  Augustinus  zugeeignet 
und  bis  auf  die  eigenen  Tage  hinabgeführt,  eine  Widerlegung  der  heidnischen  Be- 
hauptung, als  sei  alles  Unheil  jener  Zeit  durch  den  Abfall  vom  alten  Götterglauben 
verschuldet.  Die  Zeit  von  der  Abdankung  Diokletians  bis  zum  Tod  Konstantins 
(337  n.  Chr.)  und  die  Geschichte  Odoakars  und  Theoderichs  (474 — 526  n.  Chr.)  be- 
handeln zwei  ganz  heterogene  Exzerpte,  das  erste  betitelt  oi-iyo  Constantinl  itnperatoris; 
beide  pflegt  man  unter  dem  Namen  des  Anonymus  Valesianus  zusammenzufassen, 
weil  sie  von  Valesius  im  Anhang  seiner  Ammianausgabe  (1636)  erstmalig  zum  Ab- 
druck gebracht  wurden.')  Sonst  hat  sich  die  lateinische  Geschichtschreibung  wesent- 
lich nur  in  kurzen  Chroniken  fortgesetzt,  die  so  für  die  letzte  Zeit  des  Kaiserreichs 
besondere  Bedeutung  gewinnen.^)  Im  Anfang  steht  die  bis  325  n.  Chr.  reichende 
griechische  Chronik  des  Eusebios  (vgl.  oben  S.  281  A.  2)  und  ihre  Übersetzung  und 
Fortsetzung  (bis  378  n.  Chr.)  durch  Hieronymus.  Hieronymus  wird,  jedoch  in 
anderer  Form,  von  dem  Aquitaner  Prosper  Tiro  wiederholt  und  in  der  zweiten 
Bearbeitung  bis  455  n.  Chr.  fortgesetzt,  um  welche  Zeit  der  Verfasser  in  Rom  schrieb. 
Eine  Fortsetzung  Prospers  bis  581  n.  Chr.  gab  Marius,  Bischof  von  Aventicum,  eine 
andere  bis  zum  Jahr  489  n.  Chr.  und  weiter  ist  erhalten  in  einer  Kopenhagener 
Handschrift.  An  Hieronymus  schließen  sich  an  die  oströmischen  Annalen  des  Mar- 
cellinus Comes  zuerst  bis  534,  später  bis  566  n.  Chr.  fortgesetzt.  Hierzu  kommt 
die  Chronik  der  Jahre  379 — 468  n.  Chr.  des  Sj^aniers  Hydatius  (Idacius).  Hydatius 
war  Bischof  von  Aquae  Flaviae  in  Gallaecien  und  erzählt  die  Ereignisse  von  427 
n.  Chr.  ab  als  zuverlässiger  Zeitgenosse.  Endlich  seien  noch  erwähnt  die  anonyme 
Chronik  der  Jahre  47  v.  Chr.  bis  539  n.  Chr.,  der  sog.  Anonymus  Cuspiniani,  der 
namentlich  zur  Geschichte  der  Jahre  455 — 496  n.  Chr.  wertvolle  Beiträge  gibt,  und 
die  bis  519  n.Chr.  reichende  Weltchronik  des  Cassiodorus  Senator,  sowie  die 
etwas  anders  geartete  Chronik  des  Sulpicius  Severus.  die  bald  nach  400  n.  Chr. 
geschrieben,  bis  nahe  an  die  Abfassungszeit  heranreicht.  Die  Chroniken  sind  häufig 
mit  den  Listen  der  Konsuln  verbunden.    Eine  vollständige  Konsulliste  vom  Anfang 


')  Über  die  Person  des  Johannes   sind  niinora  I    (Mouumenfa  Germaniae   hisfon'ca 

wir  nicht  unterrichtet.  SeineWeltchronik  auctor.  anticpüss.  vol.  IX  1). 

reichte  bis  Phokas  (610  n.  Chr.).  ••)  Früher  zusammen    mit  Hieronymus 

-)AureliusVictor  verwaltete  hoheStaats-    j    hrsg.  von  Thom.  Roncallius,    Vefnsfiora  la- 

ämter.    Julianus    machte   ihn  361  n.  Chr.  tinorwn  so-iptorum  chronica,  2  voll.    Padua 

zum  Vorsteher    von    Pannonia    secunda,  1787,  jetzt  von  Th.  Mommsen,  Chronica  mi- 

später  (389  n.  Chr.)  war   er  Stadtpräfekt.  nora  I  und  II. 

^)  Jetzt  auch  bei  Mommsen  in  den  Chronica 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Hei  rsch.  in  Italien.  ((Quellen.)  8(Svi 

der  Republik  bis  4tv)  n.  Chr.  bieten  die  «lein  Hydatius  zugeschriebenen  Fasten,  denen 
in  den  späteren  Teilen  auch  historische  Notizen  beigeschrieben  sind.  Auch  in  grie- 
chischer Sprache  fehlt  es  nicht  an  solchen  Chroniken.  Hier  ist  nochmals  zu  nennen 
die  phantastische  Weltchronik  des  Johannes  Malalas,  die  bis  zum  Ende  Justinians 
(565  n.  Chr.)  ging,  und  das  Werk  des  Theophanes  Confessor.  Dieser,  ein  Freund 
des  Georgios  Synkellos  (S.  281  f.),  setzt  dessen  Chronographie  fort,  beginnt  also  mit 
Diokletian  und  geht  bis  auf  die  eigene  Zeit,  bis  813  n.  Chr.  Er  schrieb  zwischen  81«  ► 
und  815  n.  Chr.  Unter  den  übrigen  ist  besonders  wichtig  das  schon  S.  281  erwähnt»» 
Chronicon  Paschale.  verfaßt  629  n.  Chr.  und  bis  auf  diese  Zeit  herabgeführt. 

Auch  die  großen  germanischen  Stämme,  die  zu  einer  herrschenden  Stellung 
aufstiegen,  fanden  ihre  Chronisten,  zuerst  die  Gothen  in  Ablabius,  dem  später 
Magnus  Aurelius  Cassiodorus  Senator  folgte,  der  berühmte  Zeitgenosse  Theo- 
derichs.^)  Sein  Werk,  12  Bücher  gothischer  Geschichte  {Historia  Gothica)  ist  nur  in 
der  halbbarbarischen  Verballhornung  und  Kürzung  des  Jordanis,  der  seine  Getica 
551  n.  Chr.  herausgab,  erhalten.  Die  Geschichte  der  Franken  bearbeitete  nach  ver- 
schiedenen Vorgängern  Gregorius  von  Tours  (gest.  594  n.  Chr.) ;  er  gibt  einige  für 
die  Schlußepoche  des  weströmischen  Reiches  wichtige  Nachrichten.  Endlich  seien 
noch  die  Historiker  der  Briten  und  Angelsachsen.  Gildas  (gest.  570  n.  Chr.)  und 
Beda  (geb.  673  n.  Chr.)  und  der  Geschichtschreiber  der  Langobarden  Paulus  Dia- 
conus^)  erwähnt.  Mit  der  Vorgeschichte  der  Langobarden  berührt  Paulus  noch  das 
Ende  unserer  Periode.  Für  die  Beziehungen  der  Römer  zu  den  Persern  liegen 
uns  die  persischen,  zum  Teil  sehr  phantastischen  Überlieferungen  in  der  späteren 
arabischen  Chronik  des  Tabari  vor.') 

Angesichts  der  großen  Dürftigkeit  der  profanhistorischen  Überlieferung  und  der 
Bedeutung,  die  seit  Diokletian  die  christliche  Kirche  für  die  Reichsgeschichte  be- 
anspruchen kann,  haben  auch  die  Bearbeitungen  der  Kirchengeschichte  eine 
besondere  Wichtigkeit  für  die  allgemeine  Geschichte;  auch  hier  behauptet  die  grie- 
chische Literatur  durchaus  ihre  L'berlegenheit.  Auf  L'^nparteilichkeit  kann  man  aller- 
dings bei  den  Kirchenhistorikern  namentlich  für  die  Zeit  des  Kampfes  und  der  dog- 
matischen Streitigkeiten  nicht  rechnen.  Die  erste  der  erhaltenen  Schriften  ist  das 
etwa  318  n.Chr.  abgefaßte,  mit  Wahrscheinlichkeit  dem  Lactantius  Firmianus^) 
zu  vindizierende  Buch  f/f  mortibus  pe)-secutorum,  in  dem  die  Christenverfolgung  unter 
Diokletian  vuid  seinen  Nachfolgern  und  das  Ende  der  Verfolger  von  Nero  an  dargestellt 
wird.  Das  interessante  Dokument  der  Stimmung  der  Christen  nach  errungenem  Sieg 
ist  rhetorisch  gefärbt  und  enthält  tendenziöse  Entstellungen  und  Übertreibungen,  wes- 
halb es  nur  mit  kritischer  Vorsicht  benutzt  werden  darf.  Apologetischen  Zwecken 
dient  die  höchst  wertvolle,  bis  325  n.  Chr.  geführte  Kirchengeschichte  des  als  Chrono- 
graph bereits  erwähnten  Bischofs  Eusebios  (vgl.  oben  S.  281 1.  Derselbe  Kirchenvater 
schrieb  nach  dem  Tod  Konstantins  cl.  Gr.  ein  Leben  des  Kaisers  {ßloc:  KoroTan/rov), 
eine  Lobschrift,  die  den  Kaiser  als  das  Ideal  eines  christlichen  Fürsten  hinstellt  und 
von  seiner  Person  wie  von  seinem  Leben  ein  ziemlich  retuschiertes  Bild  entwirft.^) 
Eusebios'  Kirchengeschichte  wurde  von  Rufinus  ins  Lateinische  übertragen  und 
fortgesetzt,  hat  aber  auch  selbständigere  Nachfolger  gefunden,  zuerst  den  Arianer 
Philostorgios,  der  unter  Theodosius  II  lebte  und  die  Zeit  von  320—425  n.Chr.  dar- 


^)  Cassiodor  stand  bei  Theoderich  und  arabischen  Chronik  des  Tabari  übersetzt 

seinen  Nachfolgern  in  hohen  Ehren  und  von  Th.  Nöldeke,  Leiden  1879. 
Ämtern,  war  514  n.  Chr.  Konsul  und  starb  ■•)  Lactantius  war  ein  Schüler  des  Arno- 

um  575  n.  Chr.  im  Kloster.  bius;  zuletzt  wurde  er  Lehrer  des  Caesar 

'^)  Geschrieben  nach  787  n.Chr.  Das  Werk  Crispus,  des  Sohnes  Konstantins  d.  Gr. 
ist  unvollendet  und  geht  bis  744  n.Chr.  ''')Cni\i:i,i.vcci,  Delhi  fede  storica  diEusebio, 

^)  Tabari,    Geschichte    der  Perser   und  Livorno  1888.    O.  Seeck,  Briegers  Zeitschr.. 

Araber  zur  Zeit  der  Sasaniden.    Aus  der  für  Kirchengesch.  XVIII  321  flf. 


;^^4:  Römische  Geschichte. 

stellte;  dieses  Werk  ist  nur  in  kurzem  Exzerpt')  überliefert.  Vollständig  erhalten  sind 
die  zeitgenössischen  Kirchengoschichten  zweier  Anhänger  der  orthodoxen  Richtung, 
des  Sokrates,  der  unter  Theodosius  II  die  Kirchongescliichto  von  :>(M) — 431*  n.Chr. 
weiterführte,  und  dos  gleichzeitigen  Sozomonos;  dos  letzteren  mindorwortigos  Mach- 
werk (erzählt  die  Geschichte  von  324 — 415  n.Chr.,  und  etwas  nach  ihm  (443  —  450  n.Chr.) 
der  Bischof  Theo-doretos  die  Zeit  von  325 — 429  n.Chr.  An  Sokrates  und  Theodoret 
schließt  sich  an  die  Kirchengeschichte  des  Euagrios,  die  bis  598  n.  Chr.  herabgeht. 
Endlich  sei  noch  die  nur  teilweise  erhaltene  syrisch  geschriebene  Kirchengeschichte 
des  Johannes  von  Ephosos  erwähnt,  eines  jüngeren  Zeitgenossen  Justinians.-') 

Überhaupt  bieten  die  kirchlichen  Schriftstoller  wertvolles  Material,  wie  einzelne 
Schriften  des  Athanasios,')  Gregorios  von  Nazianz,*)  Johannes  Chryso- 
stomos,  des  Hieronymus,  Ambrosius  und  Augustinus.^)  Ein  Gleiches  gilt 
von  der  Geschichte  der  vandalischen  Verfolgung  durch  Geiserich  und  seinen  Sohn 
Hunerich  von  Victor  von  Vita  (geschrieben  um  487  n.  Chr.),  dem  Leben  des  hei- 
ligen Severinus  von  Eugippius  und  den  Schriften  des  Bischofs  Ennodius  von 
Ticinum,  eines  Zeitgenossen  des  Ostgothen  Thoodorich.  Endlich  kommen  noch  die 
Redner  und  Dichter  auch  für  den  Historiker  in  Betracht;  unter  den  Griechen  die 
Schriften  des  Kaisers  Julianus,  die  Reden  und  Briefe  des  Themistios,  des  Zeit- 
genossen der  Kaiser  Constantius  II,  Julianus,  Valentinianus  und  Theodosius,  und  des 
Antiocheners  Libanios,  der  unter  den  Kaisern  von  Constantius  bis  Theodosius  I 
blühte.")  Unter  den  Lateinern  treten  die  Panegyriker  hervor,  Eumenius  und  Na- 
zarius,  Zeitgenossen  Diokletians  und  Konstantins,  Mamertinus,  der  Lobrodner 
Julians,  und  Pacatus,  der  Theodosius  d.  Gr.  verherrlichte,  zuletzt  Merobaudes 
mit  seiner  Rede  auf  Aetius.  Beachtung  verdienen  auch  die  Reden  und  Briefe  des 
älteren  Symmachus,  die  sich  auf  die  Zeit  des  Valentinian  und  Theodosius  beziehen. 
Was  die  Dichter  betrifft,  so  gewinnen  sie  einen  eigenen  historischen  Wert,  vor  allem 
Claudius  Claudia nus,  der  talentvolle  Hofdichter  des  Honorius  und  Stilicho,  und 
SidoniusApollinaris,  Bischof  der  Arverner  (Clermont),  Schwiegersohn  des  Kaisers 
Avitus,  Zeitgenosse  und  Lobredner  der  letzten  weströmischen  Kaiser.  Zuletzt  sei 
genannt  die  Johannis  des  Afrikaners  Corippus,  eine  Darstellung  der  Maurenkriege 
■des  Feldherrn  Johannes  unter  Justinianus,  abgefaßt  559  oder  560  n.  Chr. 

Authentisches  Quellenmaterial  für  die  Kenntnis  von  Geschichte  und  Verfassung 
liefern  die  erhaltenen  Gesetzessammlungen,  namentlich  der  auf  Veranlassung  Theo- 
dosius II  438  n.  Chr.  veröffentlichte  Codex  Theodosianus,  der  die  kaiserlichen  Konsti- 
tutionen von  Konstantin  d.  Gr.  (312  n.  Chr.)  bis  Theodosius  enthält,  dazu  die  novellae, 
d.  h.  die  später  von  Theodosius  und  den  nachfolgenden  Kaisern  bis  Anthemius  er- 
lassenen Konstitutionen,')  und  der  spätere  529  und  534  n.Chr.  herausgegebene  Codex 


1)  Bei  Photios  bibl.  cod.  40.  1  esse.  Ambrosius  warzuersthoherStaats- 

2)  I.  P.  N.  Land,  Johannes  Bischof  von  '  beamter,  wurde  374  n.  Chr.  Bischof  von 
Ephesos,  der  erste  syrische  Kirchenhisto-  Mailand  und  starb  in  höchstem  Ansehen 
riker,  Ley  den  1856.                                             1  397  n.  Chr.    Augustinus   ist  354  n.Chr. 

^)  Zur  Geschichte    des  Athanasios  vgl.    j  in  Tagaste    in  Afrika   geboren,    ließ  sich 

Ed.  SoHWARTZ,  Nachrichten  der  Gesellsch.    \  durch  Ambrosius  in  Mailand  zum  Christen- 

dor  Wiss.  in  Göttingen  1904,  333  f.;  1905,  tum    bekehren    und    starb    zur   Zeit    des 


164  ff.  257  ff. 

■•)  Gregorius  lebte  unter  der  Regierung 
dos  Kaisers  Julian,  gegen  den  er  schrieb. 
Kurze  Zeit  (381  n.  Chr.)  war  er  Bischof 
von  Konstantinopel. 


Vandalenoinfalls  430  n.  Chr.  als  Bischof 
von  Hippo.    Auch  Ambrosius  und  Augu- 
stinus haben  Briefe  hinterlassen,  die  von 
erheblichem  historischem  Wert  sind. 
^)  G.  R.  SiEVERS,  Das  Leben  des  Libanios, 


)  Hieronymus  geb.  um    310  n.  Chr.    i    Berlin  1868.    Otto  Seeok,  Die  Briefe  des 
in  Stridon  in  Dalmatien,  gest.  420  n.  Chr.    ;    Libanius,  Berlin  1906. 


Seit  386  n.Chr.  weilte  er  in  einem  Kloster 


Hrsg.    mit    klassischem    Kommentar 


bei  Bethlehem.  Unter  seinen  vielen  Schrif-       von  Gothofkedus,  Lyon  1655,  später  von 
ten  sind  die  Briefe  von  besonderem  Inter-       Hänel,  Bonn  1842,  jetzt  von  Mommsen  und 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (§  'y2.)     385 

JnsthiiriHHs,  der  die  älteren  Sammlungen  in  sicli  zu  vereinigen  bestimmt  war.  Für 
die  Zeit  der  Gothenherrschaft  in  Italien  haben  ähnliche  Bedeutung  die  Variae  des 
Cassiodorus,  die  Sammlung  der  von  dem  Verfasser  entworfenen,  zum  großen  Teil 
wirklich  erlassenen  amtlichen  Schreiben  aus  der  Zeit  des  Theoderieh  und  seiner 
Nachfolger  (etwa  507—538  n.Chr.).')  Das  Schema  der  späteren  Verwaltungs-  und 
Beamtenordnung  ergibt  sich  aus  der  in  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  ver- 
faßten Nof/tia  diguitafum.'^)  Was  Inschriften  und  Münzen  angeht,  so  ist  auf  die  oben 
S.  7  ff.  angeführten  Werke  zu  verweisen. 

Nähere  Nachweise  über  die  Quellen  dieser  Periode  außer  der  oben  S.  19  zitierten 
Literatur  bei  C.  Müller,  Fragmenta  hisforiconwi  Graecoi-Jim.  Bd.  4.  Dindorf,  Historici 
graeci  mhwres,  Bd.  I.  Th.  Mommsen,  Chronica  minora  I — III.  W.  v.  Christ's  Geschichte 
der  griechischen  Litteratur,  bearb.  von  W.  Schmid  (Bd.  VII  dieses  Handbuchs)  II,  2, 
5.  Aufl.,  München  1913.  K.  Krxjmbacher,  Geschichte  der  byzantinischen  Litteratur 
(Bd.  IX,  1.  Abteil,  dieses  Handbuchs),  2.  Aufl.,  München  1897.  Wättenbäch,  Deutsch- 
lands Geschichtsquellen  im  Mittelalter.  1.  Bd..  7.  Aufl.,  Stuttgart  1904.  Die  kirchliche 
Literatur  bei  0.  Babdenhewer.  Patrologie,  Freiburg  1894.  Die  juristische  Literatur 
in  den  Darstellungen  der  römischen  Rechtsgeschichte,  besonders  P.  Krüger,  Gesch. 
der  Quellen  und  Litteratur  des  röm.  Rechts,  Leipzig  1888. 

52.  Diokletian  und  das  Haus  Konstantins  des  Großen.  Mit  Diokletian 
beginnt  staatsrechtlich  eine  neue  Epoche:  er  gilt  als  der  Begründer  der 
Monarchie  im  strengen  Sinn,  die  in  der  Person  des  Monarchen  den  Staats- 
begriff ausgedrückt  hndet  und  die  ganze  Regierung  in  einer  Hand  vereinigt, 
des  Dominats  im  Gegensatz  zum  Prinzipat;  der  Senat  hört  auf,  Teilhaber  an 
der  Herrschaft  zu  sein.  Dem  entspricht  die  Einführung  eines  strengen  Hof- 
zeremoniells und  die  Bekleidung  des  Monarchen  mit  dem  Diadem  und  mit  der 
prunkhaften  Herrschertracht  der  orientalischen  Könige.  Der  Kaiser  wurde  seit 
Diokletian  dauernd  als  Dominus  bezeichnet.  Das  sind  Änderungen,  die  schon 
von  früheren  Kaisern  vorbereitet  und  angebahnt  waren  und  nun  durch  Dio- 
kletian zum  Gesetz  wurden.  Diokletian  war  wie  die  meisten  seiner  nächsten 
Vorgänger  ein  Illyrier,  aus  Dalmatien  gebürtig.  Er  war  von  niedriger  Herkunft  3) 
und  ist  aus  dem  Heer  hervorgegangen,  später  gelangte  er  in  den  Senat  und 
hatte  es  bis  zum  Konsulat  gebracht.  Er  zeigte  sich  sogleich  als  ein  Herrscher 
von  überlegener  Einsicht  und  Begabung.  Bemerkenswert  ist  seine  Milde 
gegenüber  den  Anhängern  des  Carinus,  die  er  sogar  in  ihren  Amtern  beließ.*) 

Seine  Aufgabe  war  ihm  durch  die  Geschichte  der  letzten  Generation 
in  den  Hauptlinien  vorgezeichnet;   es  galt  die  Erhaltung  und  Verteidigung 


P.  M.  Meyer,    2  Bde.,    Berlin   1905.    1906.  toreri  Freigelassener   des  Senators   Anu- 

„Die    chronologische  Kritik  des  Theodo-  linus.    Ob  der  CIL  VIII  10615  genannte 

sianus  hat  O.Seeck  zu 'Regesten  der  Kaiser  t    Centurio  Vahrius  Diodetianus  der  spätere 

und  Päpste  für  die  Jahre  311— 476  n.Chr.'  j    Kaiser   ist,    läßt   sich    nicht    ausmachen. 

(Stuttgart  1919)  ausgestaltet."  Unter  Probus  muß  Diokletian  schon  eine 


')  Cassiodori  Senatorin  variae  reo.  Th 
Mommsen  {Monum.  Gei-maniae  Jn'st.  auctores 
■antiqnissimi  XII),  Berlin  1894. 

^)  Mit  reichem  Kommentar  hrsg.  von 
E.  BöcKiNG,  Bonn  1839—1858.  Neuer  Text 
von  O.  Seeck,  Berlin  1876. 

^)  Die  Vorgeschichte  Diokletians  ist  fast 


höhere  Stelle  eingenommen  haben  und 
scheint  zuletzt,  ehe  er  mit  Carus  in  den 
Orient  zog,  in  Mösien  befehligt  zu  haben. 
Eutrop.  IX  10.  Epitom.  de  Caes.  39.  Zona- 
ras  XII  31.  Syncell.  I  p.  725,  ed.  Bonn. 
A.  V.  DoMASZEwsKi  (Bouner  Jahrb. 117  S.  191) 
vermutet,   der  im  CIL  V  856  f.  genannte 


ganz  unbekannt,  wie  überhaupt  die  Tra-    [   Licinius    Diodetianus     sei     der     spätere 
■dition   über   ihn  vielfach   versagt,    nicht      Kaiser.   Vgl.  zur  Geschichte   Diokletians 


zuletzt  weil  in  den  Handschriften  des 
Zosimos  seine  Regierung  ganz  ausgefallen 
ist.  Der  Kaiser  soll  früher  Diokles  ge- 
heißen haben  und  war  nach  einigen  Au- 


G.  Costa  in  Ruggieros  Dizionario  epigraßco 
II  1793  ff. 

■•)  Dies  gilt  namentlich  von  dem  praef. 
praet.  Aristobulus.  Aurel.Vict.  Caes.  39, 14. 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    III,  5.    5.  Aufl. 


^^^  Römische  Geschichte. 

des  Vorhandenen  zu  sichern,  nicht  aber  neue  Eroberungen  zu  machen.  Dio- 
1<letians  Bestreben  mußte  es  sein,  das  Reich  wieder  aufzurichten,  die  An- 
griffe der  Barbaren  zuriickzuweisen,  der  Zuclitlosigkeit  der  Soldateska  und 
dem  die  Reichseinheit  unterwühlenden  Unwesen  der  Usurpationen  ein  Ende 
zu  bereiten  und  die  Ordnung  im  Staatshaushalt,  sowie  die  Ruhe  in  den 
Provinzen  wieder  herzustellen.  Für  die  Bewältigung  dieser  Herrscherpfhchten 
schien  es  ihm  rätlich,  sich  einen  Gehilfen  an  die  Seite  zu  stellen;  so  wählte 
er  denn  schon  bald  nach  dem  Untergang  des  Carinus  285  n.  Chr.  seinen 
Freund  M.  Aurelius  Valerius  Maximianus  zum  Caesar  und  Mitregenten  ^)  und 
übertrug  ihm  die  Ordnung  zunächst  der  gallischen  Provinzen,  wo  unter 
Carinus  ein  gefährlicher  Aufstand  der  Bauern,  der  Bagauden  (oder  Bakauden) 
ausgebrochen  war,  die  sich  in  Aelianus  und  Amandus  eigene  Kaiser  gesetzt 
hatten.  Auch  die  Germanen  störten  wiederum  die  Grenzen.  Schon  im  nächsten 
Jahr  rückte  Maximianus  zum  Augustus  auf.  Diokletian  blieb  zunächst  in  der 
Osthälfte  des  Reiches;  er  war  an  der  Donaugrenze  mit  den  Alamannen  be- 
schäftigt (285.  287  n.Chr.),  drängte  am  Euphrat  die  Perser  zurück,  setzte  seinen 
Schützling  Tiridates  in  Armenien  auf  den  Thron  (287  n.  Chr.)  und  vertrieb  die 
Syrien  plündernden  Sarazenen  (290  n.  Chr.).  Er  war  rastlos  tätig  und  weilte 
bald  hier,  bald  dort;  2)  mit  besonderer  Vorliebe  kehrte  er  in  dem  bithvnischen 
Nikomedien  ein,  das  er  mit  prächtigen  Bauten  schmückte.  Mittlerweile  hatte 
Maximianus  im  Westen  zu  tun ;  er  unterwarf  die  Bagauden  (285  n.  Chr.) 
und  fiihrte  gegen  Franken,  Alamannen  und  Burgunder  Krieg  (286 — 288 
n.  Chr.),  wobei  er  gelegentlich  durch  Kämpfe  der  Germanen  untereinander 
(291  n.  Chr.)  unterstützt  wurde.  Nahe  an  der  Grenze,  in  Trier,  nahm  er 
seine  Residenz.  Zahlreiche  Germanen,  besonders  Franken  wurden  von  ihm 
im  nördlichen  Gallien  angesiedelt.  Zugleich  aber  mußte  er  sich  mit  einem 
Usurpator  abfinden,  dem  Menapier  Carausius,^)  den  er  mit  dem  Schutz  der 
Küste  gegen  das  Piratentum  der  Franken  und  Sachsen  betraut  hatte.  Carau- 
sius  empörte  sich,  bemächtigte  sich  Britanniens  und  ließ  sich  zum  Kaiser 
ausrufen  (286  oder  287  n.  Chr.).  Da  Maximians  Versuch,  ihn  zu  unterwerfen^ 
fehlschlug  (290  n.  Chr.),  so  blieb  nichts  anderes  übrig,  als  ein  gütliches  Ab- 
kommen zu  treffen.  Auf  seinen  Münzen  erscheint  der  Gegenkaiser  als  gleich- 
berechtigter Augustus  neben  seinen  „Brüdern"  Diokletian  und  Maximian; 
er  hat  sieben  Jahre  Britannien  beherrscht  vmd  hier  den  Frieden  aufrecht 
erhalten.  Außerdem  hatte  er  an  der  gallischen  Küste  Besitzungen,  nament- 
lich Gessoriacum  oder  Bononia  (Boulogne)  und  Rotomagus  (Ronen),  und  be- 
herrschte das  Meer;  Franken  und  Sachsen  standen  mit  ihm  im  Bunde. 

Im  Interesse  des  Reichs  und  um  zugleich  die  Nachfolge  zu  sichern  und 
der  Usurpation  vorzubeugen,  beschloß  Diokletian  sich  und  dem  Maximianus 
zwei  Caesaren  beizugesellen.  Am  1.  März  293  n.Chr.  bekleidete  er  in  Niko- 
medien den  C.  Galerius  Valerius  Maximianus  mit  dem  Purpur;  an  demselben 
Tag  ernannte  Maximianus  in  Mailand  den  M.  (oder  C.)  Flavius  Valerius 
Constantius  (Chlorus)  zum  Caesar.    Beide  waren  erprobte  Krieger  und  Heer- 


M  Daher  zählt  Maximianus  in  den  Prä-  -)  Vgl.  Mommsen  in  den  Abhandlungen 

Skripten   der    Erlasse    ein    Jahr    weniger  der  Berliner  Akad.  von  1860.  349  ff. 
als  Diokletian,  der  immer  der  älteste  und  ^)    Vgl.   Evans    und  Webb,    Niimisniatic: 

vornehmste  Augustus  bleibt.  chronicle  1907.    O.  Seeck.  PW  III  1570  f. 


8.  Sechste  Periode:  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (^  r)2.)      387 

führer,  beide  in  den  illyrischen  Provinzen  beheimatet,  i)  Die  Caesaren  wurden 
von  den  Augusti  adoptiert,  und  alle  vier  Regenten  wurden  Glieder  einer 
Familie.  Constantius  vermählte  sich  mit  Theodora,  der  Tochter  Maximians, 
Galerius  mit  Valeria,  der  Tochter  Diokletians,  während  die  beiden  Augusti 
sich  als  Brüder  betrachteten ;  2)  sie  hatten  schon  vorher  (288  n.  Chr.)  gött- 
liche Beinamen  angenommen;  Diokletian  nannte  sich  Jovius,  Maximianus 
Herculius.  Das  Reich  wurde  in  der  Weise  verteilt,  daß  Diokletian  die  asiati- 
schen Provinzen  mit  Thrakien  und  Ägypten  sich  vorbehielt;  Galerius  über- 
nahm die  übrigen  Landschaften  der  Balkanhalbinsel  mit  den  anstoßenden 
Donauprovinzen,  Maximianus  Italien  mit  Rätien,  Spanien  und  Afrika,  Con- 
stantius die  gallischen  Provinzen.  Übrigens  war  mit  dieser  Anordnung 
durchaus  nicht  etwa  eine  Teilung  des  Reichsganzen  beabsichtigt,  sondern 
alle  vier  Regenten  galten  als  Herrscher  der  Gesamtheit,  eine  Auffassung, 
die  sich  auch  darin  dokumentiert,  daß  die  Reichsgesetze  im  Namen  aller 
vier  ergingen. 3)  Aber  die  Caesaren  waren  den  Augusti  unterstellt  und  hatten 
mindere  Befugnisse.  Unter  den  beiden  Augusti  hatte  wiederum  Diokletian 
als  der  ältere  ein  merkbares  Übergewicht:  er  genoß  die  höchste  Verehrung. 
Diokletian  gedachte  ein  neues  System  der  Thronfolge  einzuführen;  nach 
dem  Plan,  wie  er  ihm  vorschwebte,  sollten  die  Augusti  nach  einer  gewissen 
Zeit  abdanken,  die  Caesaren  alsdann  zu  Augusti  aufrücken  und  gleichzeitig 
für  sie  die  Nachfolger  bestimmt  werden,  die  von  den  neuen  Augusti  zu 
Adoptivsöhnen  zu  machen  waren,  ein  schematisches  Verfahren,  das  die 
Kaiserwürde  gleichsam  als  letzte  und  höchste  Staffel  der  regelmäßigen  Amter- 
reihe  erscheinen  läßt.  Die  Teilung  der  Gewalt  war  zwar  nicht  als  Teilung 
des  Reiches  gedacht,  aber  sie  bildete  doch  eine  Vorstufe  dazu. 

Die  Kaiser  setzten  nunmehr  die  zur  Herstellung  der  Reichseinheit  un- 
vermeidlichen Kämpfe  fort.  Constantius,  von  Maximianus  unterstützt,  wandte 
sich  gegen  die  Franken  und  gegen  Britannien,  wo  vor  kurzem  (293  n.  Chr.) 
das  Imperium  des  Carausius  ein  Ende  genommen  hatte.  Carausius  war  von 
seinem  Präfekten  Allectus  beseitigt  worden,  und  dieser  nahm  gleichfalls 
den  Kaisertitel  an.*)  Nachdem  es  schon  293  n.  Chr.  geglückt  way,  Gessoria- 
cum,  den  Brückenkopf  der  Briten  auf  dem  Kontinent,  wieder  zu  erobern, 
konnte  296  n.  Chr.  Constantius  zum  unmittelbaren  Angriff'  auf  Allectus  vor- 
gehen. Zu  dem  Behuf  setzten  zwei  Flotten  über  den  Kanal,  die  eine  ge- 
führt von  Constantius  selbst,  die  andere  von  seinem  Prätorianerpräfekten 
Asclepiodotus;  der  Usurpator  Allectus  wurde  geschlagen  und  getötet,  Bri- 
tannien wieder  mit  dem  Reich  vereint.  Alamannenscharen,  die  bald  darauf 
in  Gallien  einfielen,  wurden  durch  einen  Sieg  bei  den  Lingonen  (Langres) 
vertrieben. °)    Um    dieselbe   Zeit   hatte  Maximianus    in  Afrika    zu   kämpfen. 

')  Die    angebliche  Verwandtschaft  des  ^)  Wie  die  Eingaiigsformeln  der  Gesetze 

Constantius  mit  Claudius  Gothicus  ist  eine  lehren,  z.  B.  des  Ediktes  de  pretiis.    ILS  I 

spätere  Fiktion.    Vgl.  H.  Dessau,  Hermes  j    nr.  <)42.  Vgl.  die  Urkunde  bei  Gkenfell  ik: 

24,  1889,  340  ff.  Hunt,  Thi'0.vj/rh;/nchtis  pam/rl,  I  p.  94. 118. 


-)  Auch  Carausius  bezeichnet  sich  als 
Bruder  der  beiden  anderen  Kaiser.  Die 
Münzen  mit  seinem  und  der  beiden  an- 
deren Augusti  Bildnis  tragen  die  Auf- 
schrift Carcmsiufi  et  fi-atres  sui.    Webb,  Xum. 


*)  über  Allectus  vgl. Webb,  Num.  chroyiicle 
1906,  127  ff. 

'")  Zuerst  wurde  Constantius  überrascht 
und  genötigt,  in  der  Stadt  Zuflucht  zu 
suchen,    aber    noch    an  demselben  Tage 


chronicie  1907,  414.  ,    wandte  sich  das  Blatt  und  er  trug  einen 


388  Römische  Geschichte. 

Schon    früher  (um  292  ii.  Chr.)  war  Nuiiiidien   und  Mauretanien   durch  einen 
Prätendenten  Juhanus    und    durch    die  Angriffe  der  Quinquegentianer    und 
anderer  Stämme  beunruhigt  worden.   Wenn  sie  auch  damals  erfoh'eich  be- 
kämpft wurden,')    so  erneuerten  sie  doch   jetzt  ihre  Angriffe,    und  deshalb 
ging  Maximianus    selbst    nach  Afrika    hinüber,    warf   die   Quinquegentianer 
nieder  (297  n.  Chr.)  und   sicherte  die   afrikanischen  Provinzen.    Im  Auftrag 
Diokletians  bekämpfte  Galerius  die  Jazygen  (294  n.  Chr.)  und  Karpen  (296 
n.  Chr.);  die  letzteren  wurden  auf  römisches  Gebiet  verpflanzt.   Überall,  am 
Hhein  wie  an  der  Donau  und  in  Afrika,  wurden  die  Grenzen  neu  befestigt. 
Auch  Ägypten  wurde  von    ernsten  Unruhen    betroffen  teils  durch  die  An- 
griffe  der  Blemyer,    teils   durch    die  Erhebung   des  Achilleus  oder,    wie    er 
offiziell  heißt,  L.  Doniitius  Domitianus.^)  Diokletian  eilte  durch  Syrien  herbei, 
belagerte  und  eroberte  Alexandrien  3)  und  bestrafte  die  Aufständischen  mit 
großer  Strenge,  um  alsdann  Ägypten  neu  zu  ordnen.    Es  beginnt  dort  mit 
Diokletian  eine  neue  Ära.^)    Der  Kaiser  begab  sich  auch  an  die  Südgrenze 
des  Landes,  die  er  neu  befestigte.    Er  hat  mit  den  Blemyern  ein  Abkommen 
getroffen  und  den  benachbarten  Nubiern  unter  der  Verpflichtung  des  Grenz- 
schutzes   einen  Landstrich    südlich   von    den  Katarakten    eingeräumt.    Noch 
während  des  ägyptischen  Feldzuges  rückten  die  Perser  unter  ihrem  König 
Narses  in  Armenien  und  Mesopotamien  ein,  Galerius,  der  ihnen  zuerst  ent- 
gegentrat, wurde  bei  Nikephorion  geschlagen  (297  n.  Chr.),  erfocht  aber  bald 
daravif,  nachdem  ihm  Verstärkungen  zugegangen  waren,  in  Armenien  einen 
großen,    entscheidenden  Sieg   über  Narses,   während  Diokletian   gleichzeitig 
Mesopotamien  wieder  besetzt  hatte.    Es  kam  zum  Abschluß  eines  Friedens, 
in  dem  Armenien  vergrößert  und  Mesopotamien  gesichert  wurde;  zur  Grenze 
bestimmte  der  Friedensvertrag  den  oberen  Tigris,  wobei  übrigens  auch  einige 
transtigritanische  Distrikte^)  noch  an  Rom  fielen.    Die  räuberischen  Isaurer 
wurden  damals  zwar  nicht  überwältigt,  aber  durch  eine  Befestigungslinie  ein- 
geschlossen.   So  gelang  es,  den  Frieden  im  ganzen  Reich  wieder  herzustellen. 
Durchgreifend    war    die    von   Diokletian    geschaffene    Reform    der  Ver- 
waltung,   deren  Prinzipien    schon    die  Verteilung   der  Reichsgebiete    an  die 
Mitregenten    beherrschten.     Die    Provinzen    wurden    verkleinert,     erheblich 
vermehrt   und    zugleich    zu    größeren  Verwaltungsbezirken,    den    Diözesen, 
zusammengelegt,    deren     es     zwölf    gab,^)    während    man    101    Provinzen 

großen  Sieg  davon  (298  n.  Chr.).    Eutrop.  '    den  in  Rede  stellenden  Usurpator  bezog, 

IX  23.    Zonar.  XII  31.  sind  längst  als  Fälschungen  entlarvt  (Eck- 

1)  Nach  CIL  VIII  9324;  ILS  I  nr.  627.  !  hel,  Doctr.  num.  IV  96)  —  drängt  sich  auf 
628  hat  sich  Aurelius  Litua,  der  Befehls-  und  wird  von  O.  Seeck,  PW  I  245  yer- 
haber  in  Mauretania  Caesariensis  dabei  fochten.  Vgl.  W.  Kubitschek,  Numisni. 
ausgezeichnet.  Zeitschr.  44,  N.  F.  4,  1911,  164  f. 

2)  Die  literarischen  Quellen  nennen  den  ^)  Die  Belagerung  endete  nach  Eutrop. 
ägyptischen  Rebellen  durchweg  Achilleus.  1X23  etwa  im  achten  Monat. 
Dagegen  erscheint  auf  Münzen  ein  sonst  ■*)  Sie  beginnt  am  29.  August,  mit  dem 
nicht  bekannter  L.  Domitius  Domitianus  ägypt.  Neujahrstag  (1.  Thoth),  284  n.  Chr. 
als  Kaiser.  Auch  eine  Papyrusurkunde  ")  Ammian  XXV  7, 9.  Petrus  Patr.  fr.  14. 
{Pap.  de  Thf'adeJphie  hrsg.  voii  P.  Jouguet,  ,  «)  Es  wurden  folgende  Diözesen  gebildet: 
Paris  1911, 141,  nr.  26)  ist  nach  lo//mo?  zlo//(-  '  1.  Oriens,  wozu  Ägypten  mit  der  Kyre- 
Tiuröc:  J^FßaoTÖ;  datiert  (13.  Sept.  296  n.  Chr.).  naike,  Syrien,  Arabien,  Mesopotamien  ge- 
Die  Identifikation  der  beiden  Personen  —  hört,  2.  P o  n  t  i  k  a ,  3.  A  s i  a n a ,  4.  T h  r  a  c  i  a 
Münzen  mit  L.  Epidius  Ach/'Ueus,  die  z.B.  (mitUntermösien),  S.Moesiae  (mitMake- 
TiLLEMONT,   Hist.  dcs  empereuvs  IV  21  auf  donien,  Achaia,EpirusundKreta),  6.  Pan- 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (§  52.)      -^89 

zählte.')  Das  bisher  bevorrechtete  Italien  wurde  den  übrigen  Provinzen  völlig 
gleichgestellt,  auch  in  Hinsicht  der  Steuern,  während  es  früher  von  der 
Grundsteuer  befreit  gewesen  war.  Diokletian  führte  auch  die  Trennung 
von  Zivil-  und  Militärgewalt  systematisch  durch,  der  Oberbefehl  über  die 
Truppen  wurde  von  der  Provinzialverwaltung  losgelöst  und  eigenen  Beamten, 
den  (htces,  anvertraut.  An  die  Spitze  der  Zivilverwaltung  und  der  Rechts- 
pflege der  Reichsteile  treten  die  pruefecti  praetorlo  und  ihre  vicarii,  die  Vor- 
steher der  einzelnen  Diözesen.^)  Der  Senat  geht  seiner  Privilegien  und  seines 
legitimen  Anteils  an  der  regierenden  Gewalt  gänzlich  verlustig,  der  Unter- 
schied zwischen  senatorischen  und  ritterlichen  Beamten  verschwindet;  es 
gibt  nur  eine  einzige,  rein  kaiserliche  Beamtenschaft,  die,  nach  Rangstufen 
streng  gegliedert,  mit  bestimmten  Titeln  und  Prädikaten  ausgestattet,  in 
den  hohen  Hofämtern,  zuletzt  im  Kaiser  ihre  Spitze  findet.  Mit  der  Aus- 
schaltung des  Senats  hängt  es  zusammen,  daß  Rom  aufhörte,  die  Residenz 
der  Kaiser  zu  sein ;  ^)  denn  der  Augustus  des  Westens,  Maximianus,  resi- 
dierte nicht  in  Rom.  sondern  in  Mailand,  das  er  prächtig  schmückte,  und 
er  wie  Diokletian  haben  Rom  immer  nur  auf  kürzere  Zeit  besucht.  Rom 
blieb  eine  privilegierte  Stadt  mit  dem  Senat,  den  alten  Beamten  und  Priester- 
schaften ;^)  Vorsteher  der  Stadt  mit  Umgegend  und  des  Senats  ist  jetzt  der 
Stadtpräfekt  [praefedus  iirbi),  die  Senatoren  werden  kaiserliche  Beamte,  sie 
behalten  ihre  persönlichen  Prärogativen,  der  Senat  wird  gelegentlich  um 
Rat  befragt,  er  ist  keineswegs  bedeutungslos,  aber  Mittelpunkt  der  Reichs- 
regierung ist  er  allerdings  nicht  mehr.  In  der  Folge  wurde  die  Isolierung 
dadurch  verstärkt,  daß  Rom  und  besonders  der  Senat  zum  guten  Teil  dem 
alten  Väterglauben  treu  blieb,  während  das  Reich  sich  immer  mehr  christiani- 
sierte. Ein  Verzeichnis  sämtlicher  Militär-  und  Zivilbehörden  und  damit 
einen  Begriff  von  der  Organisation  der  Verwaltung  gibt  die  notitia  digni- 
tatuiii  aus  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts.  Dieses  „Staatshandbuch" 
zeigt  allerdings  nicht  den  durch  Diokletian  geschaffenen  Zustand,  sondern 
die  Verhältnisse,  wie  sie  sich  in  späteren  Generationen  unter  Konstantin 
und  seinen  Nachfolgern  durcli  systematischen  Ausbau  gestalteten.  Aber  die 
eigentlichen  Fundamente  hat  bereits  Diokletian  gelegt,  der  seinerseits  das 
von  seinen  Vorgängern  begonnene  Werk  fortsetzte.^) 


noniae    (mit  Dalmatien    und   Noricum),  ruhender  vorausgelieuden Zeit  ein dauern- 

7.  Italien  (mit  Rätien),  8.  Yiennensis  der  Aufenthalt   des  Kaisers  in  Rom  zur 

(etwa  der  iiarbonensisclien  Provinz  ent-  Ausnahme  wurde.    So  ist  denn  auch  die 

sprechend),    *J.  Galliae  (den  tres  Galliae  Zahl  der  stadtrömischen  Inschriften  der 

entsprechend),    10.  Britanniae,    11.  Hi-  Kaiser  für  die  Zeit  von  Caracalla  bis  Dio- 

spaniae,  12.  Afrika.  kletian  auffallend  gering. 

')  Am  vollständigsten  und  besten  auf-  ■*)  Diokletian    ließ    auch    in    Rom    viel 

geführt    im  Veroneser  Verzeichnis,    das  bauen  und  den  durch  einen  großen  Brand 

MoMMSEN  herausgegeben  hat  (1862),  jetzt  unter  Carinus  angerichteten  Schaden  aus- 

Ges.  Schr.Y  5<>1  fl".:    vgl.  Riese,   Geographi  bessern.    Sein  Hauptwerk  sind  die  großen 

latini  tiiin.  127.     Später   sind    mancherlei  Thermen,  die  jedoch  erst  kurz  nach  seiner 

Änderungen  eingetreten.    Vgl.  E.  Korne-  Abdankung   (305/30G  n.  Chr.)   unter  Dach 

MANN,  PW  V  727  ff.  kamen.    ILS  I  nr.  646. 

■^)  Unter  Diokletian   gab   es  zwei  prae-  '"■)  Vgl.  oben  S.  385,  ferner  E.  Kuhn,  Die 

fecfi  2}raetorio,  für  jeden  Augustus  einen.  städtische  und  bürgerliche  Verfassung  des 

MoMMSEN,  Ges.  Sehr.  VI  284  ff.  röm.  Reiches,  Leipzig  1864. 1865;  Schiiler, 

^)  Diese  Depossedierung  Roms    wurde  Geschichte  der  römischen  Kaiserzeit  II 22. 

dadurch  vorbereitet,  daß  infolge  der  Un-  Th.  Mommsen,  Abriß  des  römischen  Staats- 


;3<J0  Römische  Geschichte. 

Auch  das  Heer  erf'ulir  eine  Umwandlung  seiner  Organisation,  sowie  eine 
starke  Vonnehrung.  Man  .scheidet  jetzt  grundsätzh'ch  zwischen  den  fest 
angesiedelten  Grenztruppen  und  der  eigentlichen  Feldarmee.  Für  die  Ver- 
stärkung der  Armee  bildete  die  Sanierung  der  zerrütteten  Reichsfinanzen  die 
unerläßliche  Vorbedingung.  Eine  Reform  des  schon  seit  Neros  Zeiten  in 
fortschreitendem  Maß  deroutierten  Münzwe.sens  war  nicht  zu  umgehen. i) 
Diokletian  hat  die  Abgaben  bedeutend  erhöht,  die  Besteuerung  im  ganzen 
Reich  nach  Möglichkeit  ausgeglichen  und  nach  einheitlichen  Grundsätzen 
geregelt,  ebenso  wie  die  Verteilung  der  für  den  Staat  zu  übernelmienden 
Leistungen  und  Lasten,  Die  Pflichtigen  bildeten  Genossenschaften,  die  für  den 
Gesamtbetrag  der  Steuern  und  Lasten  zu  haften  hatten ;  das  gilt  vor  allem 
von  den  Gemeinden  und  ihren  Vorstehern,  außerdem  wurden  die  schon  früher 
bestehenden  gewerblichen  Verbände  herangezogen.  Die  neue  Staatsordnung, 
die  der  Verwaltung  einen  straff  zentralistischen  Zug  verlieh,  ist  in  ihrer 
Art  eine  großartige  Leistung.  Freilich  fehlen  die  Schattenseiten  nicht.  Denn 
ein  System,  das  folgerichtig  in  dem  Bestreben  gipfelte,  alles  und  jegliches 
den  Interessen  des  Fiskus  und  der  Verw^altung  dienstbar  zu  machen,  öffnete 
der  Willkür  der  Beamtenschaft  Tür  und  Tor,  lähmte  die  Freiheit  der  Kom- 
munen wie  der  Individuen  und  hat  dadurch  alles  in  allem  doch  wohl  mehr 
Schaden  als  Nutzen  gestiftet.  Die  starre  kastenmäßige  Abgrenzung  bestimmter 
Gewerbe  und  Stände  wird  durch  dieses  System  mitbedingt.  In  dieser  Hinsicht 
bildet  einen  besonders  wichtigen  wirtschaftlichen  Faktor  der  sog.  Kolonat. 
d.  h.  die  an  die  Scholle  gebundene,  der  Kopfsteuer,  Naturallieferung  und 
der  Verpflichtung  zum  Kriegsdienst  unterworfene,  persönlich  freie  Land- 
bevölkerung. Der  Ursprung  dieser  Einrichtung,  die  man  früher  entweder  mit 
der  Ansiedlung  gefangener  Barbaren  auf  römischem  Boden  seit  M.  Aurelius 
oder  mit  der  Entwicklung  der  Kleinpacht  auf  den  Latifundien  der  Kaiser- 
zeit in  Zusammenhang  brachte,  ist  in  Wirklichkeit  weit  älter  und  gar  nicht 
rein  römisch;  2)  vielmehr  gaben  die  hellenistischen  Reiche  des  Orients  das 
Beispiel,  das  dann  die  römische  Verwaltung  in  den  ihr  eigentümlichen  Formen 
nachahmte. 

Ein  lehrreiches  wirtschaftliches  Experiment  machte  Diokletian  mit  seinem 
im  Jahr  301  n.  Chr.  erlassenen  edlctum  de  pretiis  venalium  renim,  von  dessen 
Text  an  verschiedenen  Orten  griechische  und  lateinische  Inschriftenbruch- 
stücke   erhalten    sind;  3)    es   handelt   sich  um  den  Versuch,  dem  Wucher  zu 

rechts  347  ff.    A.  W.  Hunzinger,  Die  dio-  kaiserlichen  Domänen  in  Afrika  habe  sich 

kletian.  Staatsreform,  Diss.  Rostock  1899.  der   spätere    Zustand  vollkommener   Ge- 

Uber  das  Verhältnis  Diokletians  zu  Kon-  bundenheit  zuerst  ausgebildet.    Dazu  ist 

stantin   Mommsen,    Ephemeris    epigraph.  V  zu  bemerken,    daß  schon  die  Kolonisten 

137  f.    Im  einzelnen  sind  die  Ordnungen  der  gracchischen  Zeit  an  die  Scholle  ge- 

Diokletiaus  vielfach  unklar.  bunden    wurden;    sie    durften    ihr   Land 

^)  Marquardt,    Rom.  Staatsverwaltung  nicht  verkaufen    und    mufäten  Zins   ent- 

II  31.   MoMMSBN,    Gesch.    des   röm.  Münz-  richten.    Die  hellenistischen  Wurzeln  des 

Wesens  832.    Hultsch,   Griech.  und   röm.  Kolonats  hat  mit  Hilfe   des  Inschriften - 

Metrologie  320  ff.  332  ff.  und  Papyrusmaterials  für  Ägypten  usw. 

-)  Vgl.  Ad.  Schulten,  Der  röm.  Kolonat,  aufgedeckt    M.  Rostowzew,    Studien    zur 

Hist.  Zeitschr.  N.  F.  42  (1897)  1  ff.  O.  Seeck,  Gesch.  des  röm.  Kolonates.   1.  Beiheft  zum 

PW  IV  483  ff.,  wo  auch  sonstige  Literatur  Archiv  für  Papyrusforschung,  1910. 

zitiert  wird,  und  H.  Bolkestein,  De  colo-  ')  Mommsen  und  Blümner,  DerMaximal- 

natu  Romano  eiusque   origine,    Amsterdam  tarif  des  Diokletian.  Berlin  1893.  Seit  dieser 

1906.    Schulten   glaubt,    auf  den    großen  Publikation    sind    jedoch    mehrere    neue 


8.  Sechste  Periode:  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (4^  52.)      391 

steuern  und  Höchstpreise  für  die  Lebensbedürfnisse  und  die  Arbeit  fest- 
zustellen. Das  Edikt  zeigt  uns  den  Kaiser  als  einen  fürsorglichen  Regenten, 
dem  das  Wohl  und  Wehe  der  Untertanen  am  Herzen  liegt,  aber  sein  Tarif 
erwies  sich  nicht  als  ein  geeignetes  Mittel,  die  Teuerung  zu  beseitigen.  Das 
wohlgemeinte  Edikt,  dessen  Wirkung  den  von  seinem  Urheber  gehegten  Er- 
wartungen nicht  entsprach,  hatte  viele  Bestrafungen  zur  Folge  und  mußte 
als  praktisch  undurchführbar  bald  wieder  aufgehoben  werden. 

Von  grofser  Tragweite  waren  die  Maßregeln,  die  Diokletian  durcii  ein 
Edikt  vom  23.  Februar  303  n.  Chr.  gegen  die  Christen  ergehen  ließ  und 
mit  denen  er  die  Unterdrückung  des  christlichen  Kultes  beabsichtigte.  Die 
C'hristen  wurden  aus  dem  Heer  und  den  Amtern  entfernt,  ihr  Gottesdienst 
untersagt,  ihre  Versammlungshäuser  zerstört  und  das  Vermögen  der  Ge- 
meinden eingezogen.  1)  Das  Christentum  war  nämlich  nach  der  decianischen 
Verfolgung  (S.  372)  sehr  erstarkt.^)  Anfangs  bildeten  die  Christen  eine  reli- 
giöse Gemeinschaft,  die  neben  anderen  hellenistisch-orientalischen  Mysterien- 
kulten in  der  synkretistischen  Strömung  der  Kaiserzeit  auftauchte.  Rasch 
breiteten  sich  die  Christen  aus,  und  schon  unter  Traian  gab  es  in  den  ver- 
schiedenen Provinzen  ihrer  viele. 3)  Sie  ließen  es  sich  angelegen  sein,  ihren 
Glauben  zu  propagieren  und  in  ein  System  zu  bringen,  ihre  Gemeinde- 
verfassung auszubilden  und  die  in  ihrer  Mitte  zahlreich  sich  bildenden,  ab- 
weichenden Meinungen  und  Sekten  zu  bekämpfen  oder  auszugleichen.  Die 
römische  Staatsgewalt  nahm  ihnen  gegenüber  keine  konsequente  Haltung  ein.*) 
Wie  gegen  die  Juden,  mit  denen  sie  anfangs  zuweilen  zusammengeworfen 
wurden, 5)  erhob  man  auch  gegen  die  Christen,  weil  sie  die  Götterverehrung 
verschmähten,  den  Vorwurf  der  Gottlosigkeit,  und  besonders  ihre  Weigerung, 
am  Kaiserkult  teilzunehmen,  erregte  Befremden  und  brachte  sie  in  den 
Geruch  der  Illoyalität.'^)  Der  erste  Christenverfolger  unter  den  römischen 
Kaisern  war  Nero;  aber  mit  Religionspolitik  hat  seine  übrigens  lokal  auf 
Rom  beschränkte  Verfolgung  eigentlich  nichts  zu  tun;  denn  nicht  so  sehr 
als  Christen,  wohl  aber  als  angebliche  Brandstifter  Roms  mußten  die  Un- 
schuldigen büßen  für  eine  Katastrophe,  die  vermutlich  der  Zufall  herauf- 
geführt  hatte.    Es   scheint,    daß  Domitian  die  Zugehörigkeit    zum  colleg'uDn 

Stücke  gefunden  worden.    Die  Fragmente  '    I — III,  5.  Aufl.,  Tübingen  1914. 

stammen   alle    aus  der   östlichen  Reichs-  ^)  Der   bekannte  Brief  des  Plinius  {ad 

hälfte  Diokletians,  und  es  scheint,  daß  der  1    Traian.  96)  zeigt  es  für  Bithynien  u.  Pontos. 

Tarif  nur  in  dieser  wirksam  geworden  ist.  !        ■»)  K.  J.  Neumann,    Der  röm.  Staat  und 

')O.HüNziKER,  Zur  Regierung  U.Christen-  die  allgemeine  Kirche  bis  auf  Diokletian, 

Verfolgung  des  Kaisers  Diokletian  u.  seiner  Bd.  I,  Berlin  1890.    A.  Linsenmayek,    Die 

Nachfolger  in  Büdingers  Unters.  II 115  f.  Bekämpfung  des  Christentums  durch  den 

^)  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  frühere  |    röm.  Staat,  München  1905.  R.  Heinze,  Ter- 

Geschichte  des  Christentums  und  seiner  tullians  Apologeticum,  Berichte  der  Sachs. 

Ausbreitung  darzustellen.    Zur  Orientie-  Ges.  der  Wiss.  Bd.  62,  1910. 

rung  möge  dienen  Weizsäcker,  Das  apo-  *)  Doch  ergibt  sich  aus  dem  bekannten 

stolische  Zeitalter  der  christlichen  Kirche,  Zeugnis  des  Tacit.  ann.  XV  44  und  ebenso 

3.  Aufl.,   Tübingen  1902.    Renan,   Histoire  aus  Plinius,  daß  man  sie  von  den  Juden 

des    angines  du    citri  st  ianisme  vol.  VI.  VII.  sehr  bestimmt  unterschied. 

A.  v.  Harnack,  Die  Mission  u.  Ausbreitung  *)  Dieses  Moment  darf  allerdings  nicht 

des  Christentums  in  den  ersten  drei  Jahr-  überschätzt    werden    und    wird    von   Eu. 

hunderten,3.Aufl.,Leipzig  1915. W.Möller,  Schwartz,     Kaiser    Constantin    und    die 

Lehrbuch   der  Kirchengeschichte,  1.  Bd.,  christliche  Kirche,  Leipzig-Berlin  1913,  36 

2.  Aufl.  von  H.v.  Schubert,  Tübingen  1902.  so  gut  wie  ganz  ausgeschaltet. 

A.  V.  Harnack,  Lehrb.  der  Dogmengesch.  i 


392  Römische  Geschichte. 

illicitiim  der  C/irist  1(1)1  i  bei  Todesstrafe  verbot;  jedenfalls  wurden  in  den  letzten 
Jahren  seiner  Kegierung  mehrere  Mitglieder  der  stadtröniischen  Christen- 
gemeinde zum  Tod  verurteilt.')  Auch  unter  Traian  und  M.  Aurelius,  später 
unter  Septimius  Severus  waren  die  Christusgläubigen  in  einzelnen  Provinzen, 
in  Gallien,  Asien  und  Ägypten,  verschiedenen  Verfolgungen  ausgesetzt.  Im 
übrigen  blieben  sie,  soweit  sie  nicht  hervortraten,  unbehelligt;  einzelne 
Kaiser,  wie  Commodus,  Severus  Alexander  und  Philippus  Arabs,  waren  ihnen 
sogar  gewogen.  Dem  religiösen  Suchen  der  Zeit,  dem  Hang  zum  Mystizis- 
mus, dem  Erlösungsbedürfnis  der  leidenden  Menschheit  konnte  das  Christen- 
tum seiner  ganzen  Wesensart  nach  wohl  genügen.  Die  Christen  zählten  zu 
den  Ihrigen  Literaten,  Schriftsteller  und  Denker,  die  es  mit  jedem  aufnehmen 
konnten,  Männer  wie  Clemens  von  Alexandrien,  Origenes  und  im  lateini- 
schen Westen  Tertullianus.  Nach  dem  prinzipiell  wichtigen,  in  seiner  prak- 
tischen Wirkung  jedoch  ziemlich  bedeutungslosen  Vorgehen  des  Kaisers  Maxi- 
minus (Thrax),  der  den  christlichen  Klerus  und  damit  das  Riickgrat  der  Kirche 
zu  brechen  gedachte  (oben  S.  369),  war  es  der  von  Reformideen  erfiillte 
Kaiser  Decius,  der  im  Jahr  250  n.  Chr.  eine  systematische  Verfolgung  der 
Christen  dadurch  inszenierte,  daß  er  von  allen  Untertanen  das  heidnische 
Opfer  forderte  (oben  S.  372);  diese  massive  Politik  wurde  von  den  Kaisern 
Gallus  und  Volusianus  fortgesetzt,  von  Valerian  jedoch  dahin  modifiziert, 
daß  er  in  erster  Linie  gegen  den  Klerus  und  die  vornehmeren  Laien  ein- 
schritt, um  so  die  Organisation  der  Kirche  zu  sprengen.^)  So  groß  die  Zahl 
derjenigen  Christen  war,  die  ihren  Glauben  verleugneten,  so  hat  doch  die 
Kirche  als  Ganzes  den  Sturm  überstanden.  Der  Sohn  Valerians,  Gallienus, 
hat  dann  jede  Verfolgung  eingestellt  und  seitdem  nahm*  das  Christentum, 
zu  dessen  Anhängern  seit  früher  Zeit  auch  Mitglieder  der  höheren  Schichten 
gehörten,  stark  zu.  Obgleich  das  heidnische  Element  zahlenmäßig  noch 
immer  bei  weitem  überwog  und  namentlich  im  Heer  dominierte,  so  waren 
doch  die  Christen  eine  nicht  zu  unterschätzende  Macht  infolge  ihres  Glaubens- 
eifers, ihrer  reinen  Lebensführung  vmd  nicht  zuletzt  ihrer  Organisation, 
durch  die  alle  Gemeinden  des  Reichs  und  deren  Vorsteher,  die  Bischöfe, 
miteinander  in  Verbindung  standen.  Die  Verehrung  der  alten  Götter  war 
unverkennbar  im  Rückgang  begriffen  ^)  und  aus  diesem  Grund  scheint  Dio- 
kletian den  Entschluß  gefaßt  zu  haben,  die  christliche  Religionsübung  aufs 
neue  zu  unterdrücken.  Der  besondere  Anlaß  seines  gegen  die  Christen  ge- 
richteten Ediktes  ist  im  übrigen  nicht  bekannt.  Aber  wir  wissen,  daß  der 
Kaiser  überhaupt  eine  Regeneration  des  altrömischen  Wesens,  auch  der 
Religion  anstrebte.  Rein  persönliche  Motive  sind  bei  ihm  schwerlich  anzu- 
nehmen; denn  lange  genug  haben  sich  Christen  unbehelligt  am  Hof  des 
Kaisers  befunden.  Galerius  war  der  eigentliche  Scharfmacher.  Die  Verfolgung 
wurde  durch  den  Widerstand  der  Bekenner  noch  verschärft,  und  viele,  be- 

')  Oben    S.  332.    Domitian    ließ   seinen  mutet  Ed.  Schwartz  a.  S.  391  A.  6  a.  O.  3.5. 

Vetter  Flavius  Clemens   hinrichten    und  -)  Ein  Opfer  dieser  Verfolfjung  war  der 

dessen  Gattin  Flavia  Domitilla  verbannen.  bekannte  Schriftsteller  Cyprianus.  seit  248 

Cass.  Dio  LXVII  14.    Er  war  um  die  rö-  n.  Chr.  Bischof  von  Karthago.    Er   erlitt 

mische    Religion    und    deren    Erhaltung  25.5  n.  Chr.  den  Märtyrertod. 

eifrig  bemüht.   Daß  Domitian  es  war,  der  ^)  Dies  bemerkt  schon  der  jüngere  Plinius 

jenes    durch    die    Pliniusbriefe    als    vor-  epist.  ad  Traian.  96. 
traianisch    gesicherte  Verbot  erließ,    ver- 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiseizeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (§  52.)      39^^ 

sonders  Bischöfe,  fanden  den  Märtyrertod,  Als  besonders  eifrige  Verfolger 
betätigten  sich  Maximian us  Herculius  iind  Galerius,  während  Constantius 
Chlorus  die  Edikte  Diokletians  mit  Milde  ausführte;  die  Verfolgungen  dauerten 
mit  Unterbrechungen  bis  zum  Emporkommen  Konstantins  d.  Gr.  Ihre  Be- 
deutung liegt  darin,  daß  das  Christentum  von  nun  an  als  politischer  Faktor 
erscheint.  Aus  dem  blutigen  Krieg,  den  der  Staat  ihr  angesagt  hatte,  sollte 
die  Kirche  schließlich  mit  gesteigerter  Macht  als  Siegerin  hervorgehen. 

Am  1.  Mai  305  n.  Chr.  legten  Diocletianus  und  Maximianus  nach  zwanzig- 
jähriger gemeinsamer  Herrschaft  —  Diokletian  hatte  schon  im  November  303 
zu  Rom  sein  Regierungsjubiläum,  die  Vicennalien  gefeiert  —  ihr  Amt  nieder: 
Galerius  und  Constantius  wurden  Augusti;  Galerius  trat  in  gewissem  Sinn 
als  Oberkaiser  an  Stelle  Diokletians  i)  und  ernannte  für  die  Diözesen  Italien 
und  Afrika  den  Flavius  Valerius  Severus,  für  die  Diözese  des  Orients  ^)  den 
Galerius  Valerius  Maximinus  Daia  (oder  Daza)  zu  Caesaren.  Das  Gebiet  des 
Constantius  wurde  durch  Spanien  und  die  gegenüberliegenden  westlichen 
Striche  Mauretaniens  vergrößert.  Die  alten  Kaiser  zogen  sich  als  seniores 
ÄiKjusti  ins  Privatleben  zurück,  Diokletian  nach  Salona  in  Dalmatien,  Maxi- 
mianus nach  Lukanien. 

Doch  schon  nach  kurzem  sollte  die  künstliche  Regelung  der  Succession, 
wie  sie  Diokletian  getroffen  hatte,  ^)  durch  das  urwüchsige  und  allgemein 
verständliche  Prinzip  des  Erbrechts  durchbrochen  werden.  Denn  als  im 
Jahr  306  n.  Chr.  der  Augustus  Constantius  Chlorus  in  Eburacum  (York)  nach 
einem  eben  glücklich  beendeten  Feldzug  gegen  Pikten  und  Skoten  verstarb, 
machte  das  Heer  kurzerhand  dessen  ältesten  Sohn  aus  erster  Ehe,  Flavius 
Valerius  Constantinus,  zum  Nachfolger  des  Toten  (25.  Juli  306  n.  Chr.).*^ 
Es  scheint,  daß  Konstantin  schon  früher  für  die  Würde  eines  Caesars  in 
Aussicht  genommen  war,  dann  aber  zurückstehen  mußte. ^)  Er  wurde  als- 
bald von  Galerius  wenn  auch  nicht  als  Augustus,  so  doch  wenigstens  als 
Caesar  anerkannt.*^)  Das  Beispiel  der  britannischen  Armee  machte  Schule  in 
Rom,  das  durch  die  Neuordnung  der  Dinge  seinen  alten  Vorrang  als  Reichs- 
hauptstadt eingebüßt  hatte.  Als  nämlich  Galerius  durch  seinen  Caesar  Severus 
die  bisher  privilegierte  Stadt  der  allgemeinen  Besteuerung  unterwerfen  lassen 
wollte,  da  schlössen  sich  die  erbitterten  Bürger  und  Garnisonstruppen  zu- 
sammen und  riefen  ebenfalls  einen  Kaisersohn,  den  M.  Aurelius  Valerius 
Maxentius,  den  Sohn  des  Maximianus  Herculius  zum  Augustus  aus  (28.  Oktober 
306  n.  Chr.).    Auch  der  alte  Maximianus  ließ  sich  bewegen,  die  nur  ungern 

')  Wobei  aber  zu  bemerken  ist,  daß  ersten  christlichen  Kaisers  ist  frühzeitig- 
rechtlich  die  beiden  Augusti  sieh  ganz  Gegenstand  romanhafter  Bearbeitung  ge- 
gleich standen.  worden. 

■-)  Oben  S.  388  A.  6.  '=)  Dies  darf  man  der  Schrift  de  niort/'h. 

=*)  Die  vier  Kaiser  zusammen  mit  den  persecutor.  18  f.  glauben.   Es  wird  bestätigt 

beiden  aeniores  Auyusti  erscheinen  in  der  durch  die  Münzen,  auf  denen  Konstantin 

Inschrift  der  Diokletiansthermen  in  ILS  schon  vor  seiner  Erhebung  erscheint.  Vgl. 

I  nr.  646.    Ebenso  in  nr.  645.  Schiller,    Kaiserzeit  II  168  ff.,   sowie  die 

■*)  Constantius  hatte  sich  293  n.  Chr.,  als  Ausführungen  des  Grafen  v.  Westphalen, 
er   die  Theodora    ehelichte    (S.  387),    von  Revue  numismaf.  1887  (X)  26  f. 
seiner   ersten    Frau   Helena,    der   Mutter  •')  Die  Anerkennung  geschah    im  Ver- 
Konstantins, geschieden.  Die  legitime  Ge-  lauf  des  ägyptischen  .Jahres  306/307,  vor 
burt  Konstantins  ist  nicht  zu  bezweifeln.  dem  28.  August  307  n.  Chr. 
Die  Jugendgeschichte  Konstantins  als  des 


;>94  Römische  Geschichte. 

niedergelegte  Gewalt  wieder  aufzunehmen  und  sich  mit  seinem  Sohn  zu  ver- 
binden. Gegen  diesen  gewaltsamen  Bruch  des  diokletianischen  Systems  mußte 
mit  den  Waffen  eingeschritten  werden;  im  Auftrag  seines  Augustus,  des 
Galerius,  zog  Severus,  der  selbst  zum  Augustus  befördert  wurde,  gegen 
Maxentius;  aber  Severus  sah  sich  bei  Rom  von  seinen  Truppen  verlassen 
und  mußte  nach  Ravenna  fliehen,  wo  er  sich  dem  Maximianus  ergab;  er 
wurde  später  von  Maxentius  beseitigt.  Maximianus  und  Maxentius  ver- 
bündeten sich  ihrerseits  mit  dem  Caesar  Constantinus,  der  gleich  nach  seiner 
Erhebung  am  Niederrhein  Angriffe  fränkischer  Stämme  .siegreich  zurück- 
gewiesen hatte.  Maximianus  begab  sich  zu  ihm,  vermählte  ihm  seine  Tochter 
Fausta  und  erhob  den  Schwiegersohn  zum  Augustus  (80H  n.  Chr.).  Auch 
dem  Galerius  selbst  gelang  es  nicht,  den  Sturz  des  Maxentius  herbeizuführen. 
Als  er  gegen  ihn  auf  Rom  marschierte,  zwang  ihn  die  unzuverlässige  Stim- 
mung seiner  Truppen  zur  Umkehr.  Maxentius  blieb  also  Herr  in  Italien 
und  fand  auch  in  Spanien  Gehorsam.  Schon  nach  der  Niederlage  des  Severus 
hatte  er  sich  den  Augustustitel  beigelegt.  Galerius  wußte  keinen  anderen 
Ausweg,  als  die  Hilfe  Diokletians  anzurufen,  den  er  zu  sich  nach  Carnuntum 
zu  einer  Zusammenkunft  entbot.  Hier  erschien  auch  Maximianus,  der  sich 
inzwischen  mit  seinem  Sohn  überworfen  und  im  Reichsteil  seines  Eidams 
Konstantin  gelebt  hatte.  Durch  keine  Bitten  war  Diokletian  dazu  zu  be- 
wegen, die  Last  der  Regierung  abermals  auf  seine  Schultern  zu  nehmen; 
doch  vermochte  er  wenigstens  seinen  Kollegen  Maximianus  Herculius  dazu, 
sich  der  kaiserlichen  Gewalt  freiwillig  wieder  zu  entäußern  (307  n.  Chr.).^) 
An  Stelle  des  Severus  ernannte  Galerius  den  Valerius  Licinianus  Licinius 
zum  Augustus  und  übertrug  ihm  die  illyrischen  Provinzen  (11.  November 
308  n.  Chr.).  Aber  trotz  seiner  erneuten  Abdankung  konnte  der  greise 
Maximianus  nicht  Ruhe  halten.  Aus  Italien,  wo  er  sich  nochmals  als 
Augustus  geltend  zu  machen  suchte,  vertrieb  ihn  Maxentius.  Er  begab 
sich  wieder  nach  Gallien  und  versuchte  hier,  als  Konstantin  gegen  Franken 
und  Alamannen  ins  Feld  zog,  sich  aufs  neue  der  kaiserlichen  Gewalt  zu 
bemächtigen,  konnte  sich  aber  ebensowenig  behaupten.  Beim  Herannahen 
Konstantins  mußte  er  sich  nach  Massalia  zurückziehen,  wo  er  als  Gefangener 
in  die  Hände  seines  Schwiegersohnes  fiel,  um  wenig  später  —  nach  der  offi- 
ziellen Version  durch  Selbstmord  —  zu  enden  (310  n.  Chr.).  Inzwischen  hatte 
nach  der  Erhebung  des  Licinius  auch  Maximinus  Daia  sich  den  Augustustitel 
angemaßt;  Galerius  sah  sich  genötigt,  diese  Eigenmächtigkeit  anzuerkennen 
und  gestand  nunmehr  auch  dem  Konstantin  den  gleichen  Rang  zu.  Es  gab 
also  vier  legitime  Augusti,  dazu  den  Maxentius. 

Galerius  starb  im  Mai  311  n.  Chr.  Kurz  zuvor  hatte  dieser  hitzigste 
Widersacher  der  Christen  noch  durch  Edikt  vom  30.  April  gemeinsam  mit 
Konstantin  und  Licinius  den  seither  Verfolgten  ihr  Bekenntnis  zum  Christen- 
tum und  die  gottesdienstlichen  Versammlungen  zugestanden  und  damit  die 
vorläufige  Kapitulation  des  Staates  vor  der  Kirche  vollzogen.  2)  Sein  Erbe 
war  Licinius;    aber  Maximinus  Daia  versuchte  diesen  zu  verdrängen;    doch 

')  Ein  weiteres  Ergebnis  der  Konferenz  *i  Euseb.  bist.  eccl.  VIII  17,  3.    Lactant. 

war,  daß  für  308  n.  Chr.  Diokletian  und       de  mort.  persec.  34. 
Galerius  das  Konsulat  übernahmen.  1 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien,  (i?  ~>'2.)      895 

ließ  sich  der  Krieg  wider  Erwarten  durch  ein  güthches  Abkommen  ver- 
meiden, durch  das  Maximinus  alle  asiatischen  Diözesen  erhielt.  Maximin  war 
als  überzeugter  Heide  ein  Feind  der  Christen,  denen  er  nur  widerstrebend 
eine  beschränkte  Duldung  gewährte:*)  er  versuchte  den  alten  Gottesdienst 
zu  befestigen  und  besser  zu  organisieren.  Konstantin  hatte  sich  bei  Leb- 
zeiten des  Galerius  einer  klugen  Zurückhaltung  befleißigt;  er  war  überdies 
auch  durch  Grenzkriege  am  Rhein  und  in  Britannien  in  Ansprucli  genommen : 
das  war  eine  gute  Schule  für  sein  wachsendes  Heer.  Über  verschiedene 
fränkische  und  alamannische  Stämme  erfocht  Konstantin  im  Jahr  310  n.  Chr. 
einen  großen  Sieg.  2)  Seine  Residenz  nahm  er,  wie  schon  sein  Vater  Con- 
stantius,  in  Trier,  das  er  mit  prächtigen  Gebäuden  und  Anlagen  schmückte. 
Nach  Galerius'  Tod  geriet  Konstantin  in  einen  kriegerischen  Konflikt 
mit  Maxentius,  der  allgemein  als  Usurpator  betrachtet  wurde  und  in  un- 
serer Überlieferung  als  brutaler  Tyrann,  auch  als  Gegner  der  Christen  in 
ungünstigstem  Licht  erscheint.  Aber  Maxentius  verfügte  nun  einmal  tat- 
sächlich über  Rom  und  Italien  und  besaß  außerdem  die  spanische  Diözese, 
die  früher  zum  Gebiet  des  Constantius  gehört  hatte.  In  seinem  Sohn  Romulus 
setzte  er  sich  einen  Caesar  und  Nachfolger;  3)  in  Rom  machte  er  sich  durch 
Bauten  einen  Namen ;  er  gerierte  sich  überhaupt  als  den  Beschützer  und  Hüter 
der  alten  Rechte  und  Traditionen  Roms.  Er  unterwarf  durch  seinen  Garde- 
präfekten  auch  Afrika,  dessen  Statthalter  (vicarius)  L.  Domitius  Alexander 
sich  um  808  n.  Chr.  zum  Kaiser  hatte  ausrufen  lassen.  Der  Usurpator  wurde 
mit  leichter  Mühe  überwunden  und  dann  getötet  (310  n.  Chr.).  Die  Provinz, 
besonders  die  Städte  Karthago  und  Cirta,  mußten  für  den  Abfall  schwer 
büßen.*)  Anscheinend  machte  Maxentius  den  Versuch,  sich  auch  Rätiens 
zu  bemächtigen,  worüber  es  zum  Krieg  gegen  Konstantin  kam.  Dieser  ver- 
bündete sich  mit  Licinius,  während  Maxentius  sich  mit  Maximinus  ver- 
ständigte, so  daß  also  ein  allgemeiner  Kampf  der  Regenten  bevorzustehen 
schien.  Konstantin,  der  am  besten  gerüstet  war,  rückte  in  Italien  ein,  be- 
siegte die  Heere  des  Maxentius  in  mehreren  Treffen,  zuletzt  bei  Verona, 
brachte  das  nördliche  Italien  in  seine  Gewalt  und  marschierte  auf  Rom. 
Kurz  vor  der  Stadt,  nicht  allzu  weit  von  der  mulvischen  Brücke  (heute 
Ponte  Molle)  stellte  sich  ihm  Maxentius  entgegen,  wurde  aber  geschlagen 
und  fand  mit  vielen  der  Seinigen  im  Tiber  ein  klägliches  Ende  (28.  Oktober 
312  n.  Chr.),  da  die  Schiffbrücke  dem  Andrang  der  zurückflutenden  Flücht- 
linge   nicht  Stand    hielt. ^)    Der  Sieger  Konstantin  nahm  Rom  und  Italien, 

')  Ein  Zeugnis  dafür  bietet  eine  lykische  xander    zuletzt    behauptet;    bei    der   Er- 

luschrift  des  Jahres  311/312  n.Chr.,  worin  oberung  wurde  die  Stadt  großenteils  zer- 

Maximinus    gebeten   wird,    die  Christen-  stört    und   später  von  Konstantin   unter 

Verfolgung    zu    erneuern.     Th.  Mommsen,  dem  Namen  Constantina  neu  aufgebaut. 

Archäol.epigraph.  Mitteilungen  aus  Öster-  Aurel.  Vict.  Caes.  40,  19.  28. 

reich XVI  (1893)  98 ff.  DiTTENBERGER,Or/(?>i//.s  ^)  Die  Topographie   des   Schlachtfeldes 

ffraeci  inscriptiones  sehctae  II  nr.  569.  ist  umsti'itten.    Die  Entscheidung  fiel  bei 

2)  Ob  dies  der  CIL  VI  5565  erwähnte  Sieg  Saxa    Rubra:    die  Verfolgung   ei'streckte 

vom  27.  Juni  310  n.  Chr.  ist,  wie  Schiller  sich  bis  an  den  Tiber.    Vgl.  F.  Töbelmann, 

II  181  und  andere  annehmen,   wird  von  Der   Bogen    von  Malborghetto,    Abhand- 

MoMMSEN  mit  guten  Gründen  bezweifelt.  lungen    der   Heidelb.  Akad.  der  Wiss.,  2, 

^)  Romulus  starb  vor  dem  Vater.  1915,  22  flf.     Die    dürftige    Überlieferung 

^)  Vgl.  Revue  numisniatique  1902,  222  flf.,  (Zosim.  II  16)  duldet  jedoch  keine  zuver- 

wo  das  Ende  Alexanders  auf  311  n.  Chr.  lässige  Rekonstruktion  des  Hergangs, 
bestimmt  wird.    In  Cirta  hatte  sich  Ale- 


ggg  Römische  Geschichte. 

Spanien  und  Afrika  in  Besitz,  In  Mailand  kam  er  mit  Licinius  zusammen 
und  vermählte  ihm  seine  Schwester  Constantia.  Hier  erließen  die  beiden 
Kaiser  das  berühmte  Toleranzedikt,  das  den  Christen  Duldung  und  Gleich- 
berechtigung mit  den  Anhängern  der  alten  Religion  gewährte  und  für  ihre 
Verluste  Entschädigung  versprach.')  Inzwischen  griff"  Maximinus  Daia  den 
Licinius  an;  er  setzte  nach  Europa  über  und  traf  zwischen  Adrianopel  und 
Herakleia  auf  den  Gegner.  Nach  vergeblichen  Friedensverhandlungen  kam 
es  hier  zu  einer  Schlacht,  in  der  Licinius  siegte  (L  Mai  818  n.  Chr.);  damit 
war  der  Orient  für  ihn  gewonnen;  der  geschlagene  Maximinus  floh  bis  nach 
Tarsos,  wo  ihn  eine  Krankheit  hinwegraff'te.  Von  Nikomedien  aus  ließ  Licinius 
sofort  auch  für  den  Orient  das  Toleranzedikt  für  die  Christen  publizieren 
(18.  Juni  318  n.  Chr.).  Die  Mitglieder  der  augusteischen  Familien,  Valeria,  die 
Gemahlin  des  Galerius,  Tochter  Diokletians,  ihr  Sohn  Candidianus,  und  der 
Sohn  des  Severus,  Severianus,  die  damals  dem  Licinius  in  die  Hände  fielen,  2) 
wurden  von  ihm  aus  dem  Weg  geräumt.  Wenige  Jahre  später  (316  n.  Chr.) 
verstarb  fern  der  Welt  in  der  Abgeschiedenheit  seines  Palastes  zu  Spalato 
der  greise  Diokletian,  der  sich  nach  einigen  Berichten,  weil  er  sich  von 
Konstantin  und  Licinius  bedroht  glaubte,  das  Leben  genommen  haben  soll. 

Die  Eintracht  der  beiden  siegreichen  Kaiser  hielt  nicht  lange  vor. 3)  Schon 
814  n.  Chr.  brach  ein  Konflikt  zwischen  ihnen  aus.  Es  scheint,  daß  Gebiets- 
streitigkeiten den  Anlaß  dazu  gaben.  Denn  Licinius  hatte  auch  die  pan- 
nonische  und  mösische  Diözese  in  Besitz,  beherrschte  also  ein  größeres  Ge- 
biet als  Konstantin,  der  eine  neue  Teilung  beantragte  und  seinen  Schwager 
Bassianus  als  Caesar  mit  den  illyrischen  Landschaften  ausgestattet  wissen 
wollte.  Allein  Bassianus  ließ  sich  durch  das  Intrigenspiel  des  Licinius  um- 
garnen und  wurde  daraufhin  von  Konstantin  beseitigt;  dieser  Zwischenfall 
löste  den  Krieg  aus.  Konstantin  rückte  in  das  Gebiet  seines  Widersachers 
ein  und  errang  bei  Cibalae  in  Unterpannonien  (8.  Oktober  314  n.  Chr.)  einen 
Sieg.  Aber  nach  einer  zweiten  Schlacht  in  Thrakien,  die  unentschieden 
blieb,  entschlossen  sich  die  beiden  Imperatoren  zu  einem  gütlichen  Vergleich ; 
Licinius  mußte  die  Diözesen  Pannonien  und  Mösien  abtreten  und  seinen 
während  des  Krieges  ernannten  Caesar  Valens  fallen  lassen.  In  Europa 
verblieb  dem  Licinius  nur  die  thrakische  Diözese  mit  den  anstoßenden  Donau- 
landschaften. 

Mehrere  Jahre  dauerte  nun  die  gemeinsame  Regierung  der  beiden.  Kaiser. 
Gemeinsam  führten  sie  an  der  Donaugrenze  Krieg  gegen  die  Sarmaten, 
Gothen  und  Karpen  und  stellten  die  Grenzbefestigungen  wieder  her  (315 
n.  Chr.). 4)  Gemeinsam  ordneten  sie  die  Nachfolge  und  ernannten  (1.  März 
317  n.  Chr.)  ihre  Söhne,  Flavius  Julius  Crispus,  Flavius  Claudius  Constantinus 

')  Euseb.  hist.  eccl.  IX  9,  12.    Lactant.    ;    war  Konstantin  313  n.  Chr.  wieder  an  den 

de  niort.  pers.  48.    Die  von  O.  Seeck  (Zeit-  Rhein  gegangen,  wo  ihm  die  Franken  zu 

schritt  für  Kircliengeschichte  XII 181.  457.  schaffen  machten. 

Benjamin,  PW  IV  1018  f.)  gegen  die  Exi-  ^)  Hierher  gehört  die  Wiederherstellung 

stenzder  Mailänder  Konstitution  geäußer-  der  Stadt  TropaeJTTraiani  und  vielleicht 

ten  Zweifel  haben  sicli  nicht  bewährt.  des  Monuments  von  Adamklissi.  Bokmann, 

■')    Maximinus    wollte   die   Valeria    zur  Archäol.epigr.  Mitteilungen  aus  Osterreich 

Ehe  nehmen;  da  sie  sich  weigerte,  hatte  XVII  108.    Cichokius,  Philol. hist. Beiträge 

er  sie  gefangen  gesetzt.  CurtWach.smuth  zum  60.  Geburtstag  über- 

^)  Nach  der  Zusammenkunft  in  Mailand  reicht  (Leipzig  1897)  13. 


8.  Sechste  Periode:  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (§52.)     397 

und  Licinianus  Licinius  zu  Caesaren.  Doch  schon  einige  Jahre  später  (324 
n.  Chr.)  kam  es  zwischen  ihnen  zu  einem  neuen  Zusammenstoß,  dessen  Ur- 
sachen nicht  bekannt  sind.^)  Vielleicht  hat  die  verschiedene  Haltung  der 
beiden  Kaiser  den  Christen  gegenüber  zur  Verschärfung  ihres  Gegensatzes 
beigetragen;  denn  die  Christen  neigten  sich  im  ganzen  Reich  dem  Konstantin 
zu,  während  sich  Licinius  in  den  späteren  Jahren  von  ihnen  ab  wandte,  ihre 
Religionsübung  einschränkte  und  sie  aus  seiner  Umgebung  entfernte.  2)  Kon- 
stantin betrachtete  sich  als  den  Oberkaiser;  seit  316  n.  Chr.  residierte  er 
nicht  mehr  in  Trier,  sondern  an  der  Ostgrenze  seines  Gebiets  in  Mösien; 
als  der  Sarmatenhäuptling  Rausimod  mit  seinem  Stamm  in  Tlirakien  ein- 
brach, rückte  Konstantin  eigenmächtig  in  seines  Kollegen  Gebiet  und  trieb 
die  Eindringlinge  zurück,  und  darüber  entbrannte  abermals  ein  Krieg,  den 
übrigens  beide  Kaiser  auch  mit  gothischen,  bezw.  sarmatischen  Hilfstruppen 
führten.  Licinius  wurde  (3.  Juli  324  n.  Chr.)  in  der  Gegend  von  Adrianopel 
geschlagen  und  zog  sich  nach  Byzanz  zurück.  Inzwischen  war  der  Caesar 
Crispus  mit  einer  starken  Kriegsflotte  zum  Angriff  auf  Asien  vorgegangen 
und  vernichtete  bei  Kallipolis  am  Hellespont  die  Flotte  des  Licinius.  Dieser 
räumte  nunmehr  Byzanz,  die  orientalischen  Provinzen  sagten  sich  zum  Teil 
von  ihm  los  und  nach  einer  neuen  Niederlage  bei  Chrysopolis  (18.  September 
324)  suchte  er,  in  Nikomedien  eingeschlossen,  die  Gnade  des  Siegers  nach, 
der  ihm  Schonung  zusicherte  und  ihn  nach  Thessalonike  sandte,  wo  er  jedoch 
bald  darauf  (325  n.  Chr.)  umgebracht  wurde.  Dasselbe  Schicksal  erlitt  sein 
von  ihm  während  des  Krieges  zum  Augustus  ernannter  Hofmarschall  {niagister 
officiorum)  Martinianus, 

Konstantin  beherrschte  somit  das  ganze  Reich,  das  ihm  nicht  mehr  streitig 
gemacht  wurde,  s)  Auch  jetzt  hatte  er,  um  die  Grenze  zu  schützen,  viele 
Kriege  zu  führen.  Den  Schutz  der  Rheingrenze  übertrug  er  zunächst  dem 
Crispus,  der  siegreich  gegen  die  Franken  kämpfte;  der  Kaiser  selbst  behielt 
sich  die  Wacht  an  der  Donaugrenze  vor,  die  er  weiter  befestigte.  Er  baute 
328  n.  Chr.  eine  neue  steinerne  Brücke  über  den  Strom.  Erfolgreich  kämpfte 
er  gegen  die  Gothen,  Als  diese  ihrerseits  die  Sarmaten  angriffen,  kam  der 
Kaiser  den  letzteren  zu  Hilfe,  schlug  die  Gothen  (20,  April  332  n,  Chr,)  und 
nötigte  sie  zum  Frieden.  Sie  verpflichteten  sich  gegen  eine  jährliche  Geld- 
zahlung Truppen  zu  stellen  und  traten  von  jetzt  an  mit  den  Römern  in 
friedlichen  Verkehr.  Sarmaten  wurden  in  den  Donauprovinzen  und  in  Italien 
angesiedelt,  den  von  den  Gothen  bedrängten  Vandalen  Wohnsitze  in  Pan- 
nonien  gegeben.  Uberhauj)t  ist  die  Gunst  bemerkenswert,  die  der  Kaiser 
den  Barbaren  zuteil  werden  ließ;  schon  zu  Anfang  seiner  Regierung  in 
Gallien  nahm  er  fränkische  Krieger  und  Heerführer  in  seinen  Dienst.  Unter 
Konstantin  begann  namentlich  das  germanische  Element  in  steigendem  Maß 

*)  Zur  Datierung  s.o.  Seeok,  Rhein. Mus.  !    den;    vgl.  P.  Joügüet,    Papyrus   de    Theo- 

62,  1907,  493  ff.  517  ff.,  dens.,  Regeste  der  I    deljihie,  1911,  nr.  50  u.  58,  dens.,  Melanies 

Kaiser  .und    Päpste  173.     Seecks    Ansatz  •    Cagnat,  1912,  407  &. 

(324  n.  Chr.)  ist  zwar  von  Mommsen.  Ges.  ^)  p_  Görres.    Die    Religionspolitik    des 

Sehr.  VI  331  ff.  340  ff.  und   Ed.  Schwartz,  •    Kaisers    Licinius,    Philolog.  72   (N.  F.  26) 

Nachrichten  der  Göttinger  Ges.  der  Wiss.  ,    1913,  250  ff. 

1904,  540  ff.,  die  beide  für  das  J.  323 n.Chr.  ^)  Die  Erhebung  eines  gewissen  Kalo- 
eintreten, bestritten  worden,  fand  aber  kairos  auf  der  Insel  Kypros  (um  335  n.Chr.) 
seine  Bestätigung  durch   Papyrusurkun-  war,  wie  es  scheint,  ohne  Bedeutung. 


898 


Römische  Geschichte. 


in  die  höheren  Stellen  des  Dienstes  einzudringen,  ein  Prozeß,  der  für  das 
Heerwesen  und  die  Geschicke  des  Reiches  von  größter  Tragweite  war.  In 
der  Verwaltung  baute  Konstantin  auf  den  von  Diokletian  gelegten  Funda- 
menten weiter;  aber  Konstantin  ist  kein  bloßer  Fortsetzer,  sondern  ein 
Neuerer  mit  eigenen  Ideen.')  Anders  als  Diokletian,  der  sich  in  erster  Linie 
als  Beamten  betrachtete,  l)ehandelte  Konstantin  das  römische  Hecht  in  aus- 
geprägt absolutistischem  Geist,  indem  er  als  erster  der  römischen  Kaiser 
seine  Erlasse  zu  gesetzgeberischen  Akten  stempelte. 2)  Dem  praefedus  prae- 
torio,  der  noch  in  der  diokletianischen  Ordnung  die  oberste  Militär-  und 
Zivilgewalt  in  sich  vereinigt  hatte,  entzog  Konstantin  das  militärische  Kom- 
mando, um  es  besonderen  Generälen,  dem  maghter  peditum  bezw.  efpätuin 
zu  übertragen.  Die  Organisation  des  Heerwesens  der  späten  Kaiserzeit  geht 
auf  Konstantin  zurück.  Er  vermehrte  die  eigentliche  Feldarmee  und  ver- 
ringerte die  Grenztruppen  {Umitanei).^)  Auch  dem  Münzwesen  wandte  er 
seine  Fürsorge  zu;  er  hat  es  einheitlich  für  das  ganze  Reich  systematisiert.*) 
Einen  entscheidenden  Schritt  tat  Konstantin,  als  er  das  Christentum 
und  namentlich  die  christliche  Hierarchie  dem  Staatswesen  eingliederte  und 
sich  in  gewissem  Sinn  zu  ihrem  Haupt  machte.  Der  christliche  Kultus  wurde 
freigegeben  und  mit  dem  heidnischen  mindestens  auf  die  gleiche  Stufe  ge- 
stellt; die  Geistlichen  wurden  von  den  drückenden  Gemeindelasten  befreit; 
der  Kirche  wurde  gestattet,  Erbschaften  anzunehmen  (Dekrete  von  313  und 
319  n.Chr.);  die  Jurisdiktion  der  Bischöfe  fand  Anerkennung.^)  Die  Ver- 
einiglmg  der  Kirche  mit  dem  Staat  führte  von  selbst  dazu,  daß  der  Kaiser 
sich  bemühte,  die  kirchliche  Einheit  herzustellen  und  die  Glaubensstreitig- 
keiten zu  bannen.  Denn  sobald  der  Druck  der  Verfolgung  aufgehört  hatte, 
begannen  auch  schon  die  verschiedenen  christlichen  Lehrmeinungen  und 
Sekten  den  erbittertsten  Kampf  miteinander.  Konstantin  nahm  in  diesen 
Streitigkeiten  nicht  selbst  und  unmittelbar  Partei,  sondern  legte  sie  den 
kirchlichen  Synoden  vor,  um  alsdann  durch  eigenes  Eingreifen  deren  Be- 
schlüsse zur  Ausführung  zu  bringen.  So  geschah  es  schon  bei  den  um  311 
n.  Chr.  beginnenden  donatistischen  Streitigkeiten  in  Afrika,  die  mit  ernsten 
Unruhen  verbunden  waren. ß)    Der  Kaiser  verbannte  den  Bischof  Donatus, 

')  Im  einzelnen  sind  die  Neuordnungen       zum  Beginn  der  byzantinischen  Tlieraen- 
Konstantins    nicht    mit    Sicherheit    von       Verfassung,  Berlin  1920,  59  ff. 


denen  Diokletians  oder  der  Nachfolger  zu 
unterscheiden.  Aber  z.  B.  die  vier  Prä- 
fekturen  der  notitia  dignifatum  gehören  der 
späteren  Zeit  an.  Bei  Konstantins  Tod 
gab  es  nur  drei  praefecti  praetoi-io.  Momm- 
SEN,  Ges.  Sehr.  VI  284  ff. 

^)  Ed.  Schwartz,  Kaiser  Constantin  und 


Makquardt,  Staatsverw.  11"^  27  ft'.; 
Schiller,  Gesch.  der  röm.  Kaiserzeit  II 222. 
Die  Grundlage  der  Währung  ist  der  Gold- 
solidus  von  ','-2  Pfund  Gewicht.  J.  Maurice, 
Numismatique  Co)i$tanti>üenne,  Paris  1908 ff. 
5)  Vgl.  Cod.  Theodos.  XVI  2,  1.  2,7.  Zu 
bemerken    ist,    daß    auch    den  jüdischen 


die  christl.  Kirche  VII.  91,  ders.  in  „Mei-  Kultusbeamten    Vergünstigungen    zuteil 

ster  der  Politik"  I,  1922,  196  f.  j    wurden.    Cod.  Theodos.  XVI  8,  2.  4. 

^)  Die  sog.  comitnteniies  hatte  schon  Dio-  1        ")  Anlaß  des  Streites  war  die  Wahl  des 

kletian  als  Kaisergarde  an  Stelle  der  zu  Caecilianus   zum  Bischof  von  Karthago; 

einer   hauptstädtischen    Garnison    degra-  diese  Wahl  wurde    von   den   Donatisten 

dierten  Prätorianer  gegründet.  Konstan-  angefochten.    Die    Donatisten    sonderten 

tili  hob  die  Prätorianertrui^pe  endgültig  sich  durch  strengere  Disziplin  und  Lehre 

auf  und    schuf   sich    aus   der   Elite    der  von  den  Katholiken  scharf  ab  und  wollten 

comitatenses   eine    neue   Garde   des   Feld-  sich  den  Besclilüssen  der  Synoden  nicht 

heeres,   die  sog.  palatini;   vgl.  R,  Grosse,  '   fügen.   Die  Bewegung-  hat  einen  provin- 

Röm.  Militärgeschichte  von  Gallienus  bis  ziellen  Charakter.  Es  bildeten  sich  Scharen 


8.  Sechste  Periode:  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (§  .V2.I     ;399 

das  Haupt  der  Sekte,  und  verhängte  andere  Strafen,  ohne  jedoch  viel  zu 
erreichen.  Ahnlieh  vei'liielt  er  .sich  im  Streit  um  die  Trinitätslehre.  der 
sich  durch  Areios  (318  n.  Chr.)  von  Alexandrien  aus  über  die  ganze  christ- 
liche Welt  verbreitete.  Zur  Schlichtung  des  Streites  berief  Konstantin  das 
erste  Reichskonzil  nach  Nikaia:  am  20.  Mai  325  n.  Chr.  eröffnete  der  Kaiser 
in  eigener  Person  diese  allgemeine  Synode.  Unter  der  aktiven  Teilnahme 
des  Kaisers  brachte  ihre  Tagung  das  Ergebnis,  daß  das  arianische  Bekenntnis 
verworfen  und  die  namentlich  von  Athanasios  verfochtene  orthodoxe  Lehre 
angenommen  wurde  (am  19.  Juni).  Areios  mußte  in  die  Verbannung  gehen. 
Später  jedoch  entschied  sich  Konstantin  unter  dem  Einfluß  des  Bischofs  Eusebios 
zugunsten  der  Arianer  und  gestattete  dem  verbannten  Areios  die  Rückkehr 
nach  Alexandrien.  Dies  führte  zu  einem  langen  Streit  mit  dem  Bischof  Atha- 
nasios, der  vorläufig  mit  dessen  Verbannung  nach  Trier  endete  (335  n.  Chr.). 
Die  Verbindung  der  kaiserlichen  Gewalt  mit  der  Kirche  bleibt  inskünftig  be- 
stehen, und  dadurch  haben  fortan  die  Glaubensstreitigkeiten  auf  die  Politik  der 
Kaiser  und  die  Geschicke   des  Reiches  einen  tiefgehenden  Einfluß  ausgeübt. 

Die  Motive,  die  eine  Herrschernatur  wie  Konstantin  zum  Christentum 
hinführten,  dürften  überwiegend  staatsmännischen  Charakter  getragen  haben. 
Aber  man  darf  darum  den  Kaiser,  dessen  universale  Tendenzen  sich  mit 
der  einheitlichen  Organisation  der  Kirche  berührten  und  verflochten,  nicht 
etwa  einer  seichten  Opportunitätspolitik  oder  gar  der  Heuchelei  zeihen.  Erst 
im  Angesicht  des  Todes  ließ  sich  Konstantin  durch  die  christliche  Taufe  in 
die  eigentliche  Gemeinde  der  Glälibigen  aufnehmen;  gegen  den  heidnischen 
Kult  verhielt  er  sich  tolerant;  nur  die  schlimmsten  Auswüchse  wurden  be- 
schnitten; aber  es  erging  kein  allgemeines  Verbot  gegen  den  Polytheismus: 
namentlich  blieben  die  stadtrömischen  Priestertümer  unangetastet:  durch 
seine  Begünstigung  der  Christen  bereitete  Konstantin  den  endgültigen  Sieg 
des  Christentums  vor;  auch  seine  Söhne  ließ  er  im  christlichen  Bekenntnis 
erziehen.    Seine  Mutter  Helena  war  eifrige  Christin,  i) 

Eine  welthistorische  Tat  Konstantins  war  auch  die  Gründung  der  neuen 
Hauptstadt  Konstantinopolis  an  der  Stelle  von  Byzanz.  Die  Stadt  wurde 
am  11.  Mai  330  n.  Chr.  unter  halb  heidnischen  halb  christlichen  Riten  feier- 
lich eingeweiht.  2)    Konstantinopel  war  als  eigentliche  Reichshauptstadt  ge- 


von  begeisterten  Schwärmern,  den  sog.  tins  d.  Gr.  zum  Christenthum,  Zürich 
CircumceHionen,  die  sich  selbst  Heilige  1862;  Th.  Bkieger,  Konstantin  d.  Gr.  als 
nannten,  im  Land  umherzogen  und  Un-  Eeligionspolitiker,  Gotha  1880;  P.  Monod, 
ruhen  erregten.  La  politiqxie  religieuse  de  Constantiu,  Mon- 
')  Konstantins  Verhältnis  zum  Christen-  tauban  1889;  F.  M.Flasch,  Konstantin d.Gr. 
tum  wird  sehr  verschieden  beurteilt.  Nach  als  erster  christl.  Kaiser,  Würzburg  1891. 
der  von  Eusebios  begründeten  Meinvmg,  Schiller  II  204  ff.  Ed.  Schwaktz,  Kaiser 
der  auch  Seeck  und  andere  Gelehrte  fol-  Constantin  u.  die  christl.  Kirche,  Leipzig- 
gen, hat  sich  Konstantin  seit  seinem  Sieg  Berlin  1913. 

über  Maxentius  für  den  Christengott  ent-  '^)  Th.  Preger,    Hermes  XXXVI,    1901,. 

schieden.  Allerdings  wurde  noch  im  J.  333  336.  457  ff.    Der  Anfang  zur  Erweiterung' 

n.  Chr.  der  Stadt  Hispellum  in  ItaHen  die  von  Byzanz  Avar  schon  früher,  November 

Errichtung  eines  Tempels  für  das  kaiser-  328  n.  Chr.  (nach   anderen   Angaben   326- 

liehe  Geschlecht  gestattet  (ILS  I  nr.  705).  n.  Chr.),  gemacht  worden.  Die  neue  Stadt 

Heidnische  Eeminiszenzen  behaupten  sich  wurde   der   Tyche    geweiht.    Eine   Säule 

auch  auf  den  Münzprägungen.   Vgl.  außer  mit  einer  Statue,  die  den  Konstantin  als. 

J.  ßüRCKHARDT  (Die  ZeitCoustantius  d.  Gr.,  Sol  invictus  darstellte,  wurde  errichtet. 
345):    Th.  Keim,    Der  Übertritt   Constan- 


j/vTi  Römische  Geschichte. 

dacht,  als  die  rm  ^f'<''>i<ih  ^^^^  Neurom  am  Bosporos,  das  als  Zentrum  des 
Weltreichs  an  die  Stelle  der  Tiberstadt  treten  sollte  und  allmählich  mit 
allen  Rechten  und  Privilegien  des  alten  Roms  versehen  wurde.  Auch  ein 
zweiter  Senat  wurde  in  kurzem  hier  eingerichtet;  eine  Anzahl  Senatoren 
siedelten  von  Rom  über  nach  der  neuen  Gründung,  die  zur  starken  Festung 
ausgebaut  und  mit  prächtigen  Gebäuden,  I^ibliotheken,  Zirkus,  Bädern  usw. 
geschmückt  wurde.  Das  Reich  mußte  zur  Ausstattung  der  neuen  Haupt- 
stadt beitragen,  1)  und  viele  Kunstschätze  aus  Rom  und  insbesondere  aus 
den  griechischen  Städten  wurden  hierher  entführt,  um  der  Kaiserstadt,  in 
der  nunmehr  der  Schwerpunkt  des  Reiches  ruhte,  ein  repräsentatives  Aus- 
sehen zu  verleihen.  Für  seine  Schöpfung  hat  Konstantin  keine  Ausgabe 
gescheut  und  den  Staatsschatz  schwer  belastet.  Überhaupt  fühlte  Konstantin 
als  absoluter  Monarch  die  Verpflichtung  zur  Prachtentfaltung;  er  hatte  auch 
eine  offene  Hand  und  förderte  die  Literatur,  soweit  es  seinen  Zwecken 
dienlich  war.  In  den  letzten  Regierungsjahren  Konstantins  wurden  Klagen 
laut  über  den  Steuerdruck,  die  Willkür  der  Beamten  und  die  Nachsicht, 
die  der  Kaiser  seinen  Günstlingen  zuteil  werden  ließ. 

Konstantin  starb  am  22.  Mai,  Pfingstsonntag,  337  n.  Chr.  während  der 
Vorbereitungen,  die  er  zu  einem  Krieg  gegen  die  Perser,  die  nach  längerer 
Friedenszeit  unter  Sapor  II  Armenien  und  Mesopotamien  angriffen,  traf. 
Von  seinen  Söhnen  war  der  älteste,  Crisi^us,  der  längere  Zeit  den  Westen 
verwaltete,  326  n.  Chr.  hingerichtet  worden,  während  der  Kaiser  in  Rom 
weilte;  Konstantins  Gemahlin,  die  Kaiserin  Fausta,  die  mit  der  Katastrophe 
ihres  Stiefsohnes  Crispus  in  innigen  Zusammenhang  gebracht  wird, 2)  mußte 
bald  darauf  selbst  sterben.  Ebenso  wurde  der  Caösar  Licinianus  Licinius 
damals  beseitigt.  Seine  übrigen  Söhne  hatte  Konstantin  nacheinander  zu 
Caesaren  ernannt  und  ihnen  einzelne  Reichsteile  übergeben,  dem  Konstantin 
(Caesar  seit  317  n.  Chr.)  den  Westen,  dem  Constantius  (Caesar  seit  323  n.  Chr.) 
die  asiatischen  Provinzen  mit  Ägypten,  dem  Constans  (Caesar  seit  333  n.  Chr.) 
Italien,  lUyricum  und  Afrika.  Dazu  kam  335  n.  Chr.  Delmatius,  sein  Bruder- 
sohn, dem  er  in  seinem  Testament  Thrakien,  Makedonien  und  Achaia  be- 
stimmte, während  ein  zweiter  Neffe  HannibalianusS)  mit  dem  Titel  König 
der  Könige  {Hex  Eegum)  zum  Fürsten  Armeniens  und  des  benachbarten 
Pontosufers  ernannt  wurde.  Allein  das  kaiserliche  Testament  erlangte  nicht 
vollständige  Geltung:  Delmatius,  Hannibalianus  und  andere  Verwandte  des 
verstorbenen  Kaisers  wurden  noch  im  Sommer  337  n.  Chr.  in  Konstantinopel 
durch  einen  blutigen  Militäraufstand  beseitigt;  Constantius  ließ  die  Mörder 
gewähren;  er  war  auf  die  Nachricht  von  der  schweren  Erkrankung  seines 
Vaters  aus  Mesopotamien  herbeigeeilt,  hatte  ihn  aber  nicht  mehr  als  Lebenden 
angetroffen.  Die  nächsten  Vertrauten  seines  Vaters  überlieferte  Constantius 
ebenfalls    dem  Tod.    Das  Gebiet    der   beiden  Ermordeten  fiel  ihm  zu.    Von 


^)  Die  Grundbesitzer  der  Diözesen  Asien  ed.  MoiyiMSEN. 

und  Pontos  mufsten  nach  Konstantinopel  2)  Die    näheren  Umstände   beim  Sturz 

ziehen  oder  sich  dort  wenigstens  Häuser  des  Crispus  sind  dunkel, 

bauen.  Erst  später  durch  eine  Verordnung  ^)  Delmatius  und  Hannibalianus  waren 

der   Kaiser  Theodosius   II    und   Yalenti-  Söhne  des  Flavius  Delmatius.  eines  Halb- 

nians  III  (9.  Mai  488  n.  Chr.)  wurde  der  bruders  des  Konstantin. 
Zwang  aufgehoben.    Novell.  Theodos.  V  1 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (§  ")2.)      401 

den  drei  Kaisern  geriet  Konstantin  mit  Constans  um  Italien  und  Afrika 
in  Streit;  er  wurde  bei  Aquileia  von  den  Truppen  seines  Bruders  Constans 
überfallen  uud  getötet  (840  n.  Chr.).  Constans  bemächtigte  sich  nun  auch 
des  Anteils  seines  toten  Bruders  und  erlangte  dadurch  über  Constantius 
eine  Überlegenheit,  die  sich  in  den  damals  wieder  heftig  entbrannten  Lehr- 
streitigkeiten zwischen  den  Arianern  und  Orthodoxen  bemerklich  machte; 
Constans,  Anhänger  des  Athanasios,  verhinderte  den  Sieg  der  Arianer  im 
Orient  und  setzte  durch,  daß  der  zum  zweitenmal  verbannte  Athanasios 
als  Bischof  nach  Alexandrien  zurückkehren  konnte  (346  n.  Chr.).  Während 
seiner  Regierung  herrschte  im  Westen,  abgesehen  von  einem  Einfall  der 
Franken  und  Unruhen  in  Britannien,  längere  Zeit  Frieden.  Da  sich  Constans 
durch  Roheit  und  Laster  verhaßt  machte,  so  wurde  er  (am  18.  Januar  350 
n.Chr.)  in  Gallien  durch  seinen  Heermeister  [nwgister  niilitum),  den  Franken 
Magnus  Magnentius,  gestürzt  und  dann  auf  der  Flucht  umgebracht. 

Magnentius  bemächtigte  sich  zunächst  des  Westens  und  besiegte  unter 
vielem  Blutvergießen  den  Nepotianus,  einen  Schwestersohn  Konstantins  des 
Großen,  1)  der  auf  kurze  Zeit  in  Rom  zum  Augustus  ausgerufen  wurde.  Auch 
in  Illyricum  hatten  die  Heere  sich  von  dem  Herrscherhaus  losgesagt  und 
auf  eigene  Faust  einen  Imperator  erhoben,  den  greisen  Vetranio  (1.  März 
350  n.  Chr.).  Constantius  war  während  dieser  Zeit  (seit  338  n.  Chr.)  in  einen 
langen  und  schweren  Krieg  mit  dem  Perserkönig  Sapor  II  verwickelt.  Das 
Kampfobjekt  bildete  Armenien  und  Mesopotamien;  die  Römer  erlitten  mehr- 
faches Mifageschick.  Constantius  mußte  jedoch  diesen  Krieg  seinen  Feld- 
herren überlassen,  um  die  Herrschaft  seines  Hauses  im  Westen  wieder- 
herzustellen. Ein  Abkommen  mit  den  verbündeten  Usurpatoren  lehnte  er 
ab,  aber  er  wußte  sie  zu  trennen;  Vetranio  traf  mit  ihm  einen  Ausgleich 
und  legte  bei  einer  Zusammenkunft  in  Serdica  den  Purpur  ab  (Anfang  351 
n.  Chr.).  Magnentius  wurde  nach  vergeblichen  Unterhandlungen  351  n.  Chr. 
in  Pannonien  bei  Mursa  in  einer  blutigen  Schlacht  besiegt,  aber  erst  zwei 
Jahre  später  auch  von  seinen  letzten  Anhängern  aufgegeben.  Constantius, 
der  sogar  die  Germanen  zu  einem  Vorstoß  über  den  Rhein  angestiftet  hatte, 
besiegte  den  Magnentius  in  Gallien:  der  Usurpator  stürzte  sich,  von  allen 
verlassen,  in  Lyon  in  das  Schwert;  auch  sein  Bruder  Decentius,  den  er 
zum  Caesar  ernannte,  endete  freiwillig  (353  n.  Chr.). 

Constantius  vereinigte  also  das  ganze  Reich  wieder  in  seiner  Hand.  Er 
blieb  zunächst  im  Westen;  nachdem  er  mit  den  Alamannen  Frieden  ge- 
schlossen hatte,  begab  er  sich  nach  Mailand  (354  n.  Chr.)  und  besuchte  von 
da  Rom. 2)  Unter  ihm  spielen  die  kirchlichen  Streitigkeiten,  in  die  er  selbst 
eingrifp.  eine  wichtige  Rolle.  Er  war  ein  Gegner  des  nicänischen  Bekennt- 
nisses und  des  Athanasios,  den  er  nur  ungern  hatte  zurückkehren  lassen; 
in  dem  Bestreben  der  anderen,  der  arianischen  Richtung  den  Sieg  zu  ver- 
schaffen, setzte  er  die  Verurteilung  des  Athanasios  auf  einem  Konzil  zu 
Mailand  (355  n.  Chr.)  durch;  er  ließ  den  Athanasios  aus  Alexandrien  ver- 
treiben, was  nicht  ohne  Unruhen  abging  (356  n.  Chr.). s)  Der  Arianismus  er- 
hielt durch  die  Gunst  des  Kaisers  Constantius  einen  neuen  Impuls. 

')    Sohn    der    Eutropia,     einer    Stief-   |       "")  ILS I  nr.  731—736. 
Schwester  des  Kaisers.  '      ^)  Über  Athanasios  vgl.  Ed.  Schwaktz, 

Handbuch  der  klass.  Altertnmswissenschaft.    III.  5.    5.  Aufl.  26 


402  Römische  Geschichte. 

Da  der  Kaiser  keine  Leibeserben  besafö,  so  ruhte  die  Dynastie  auf  seinen 
/.wei  Vettern,  Gallus  und  Julianus,  den  Söhnen  des  Julius  Constantius,  eines 
Bruders  Konstantins  d.  Gr.  Der  ältere  von  ihnen,  Gallus,')  war  zur  Zeit 
des  Zuges  gegen  Magnentius  als  Caesar  in  den  Osten  nach  Antiochien  ge- 
schickt worden;  aber  er  machte  sich  dem  mißtrauischen  Kaiser  rasch  ver- 
dächtig, worauf  er  abgesetzt  und  354  n.  Chr.  hingerichtet  wurde.  Während 
des  letzten  Bürgerkrieges  hatten  die  gallischen  Provinzen  nach  längerer 
Ruhe  wiederum  verheerende  Einfälle  der  Franken,  Sachsen  und  Alamannen 
erleiden  müssen;  viele  Städte  lagen  in  Trümmern.  Das  kaiserliche  Ansehen 
war  noch  nicht  wiederhergestellt,  und  leicht  konnten  neue  gefährliche  Neben- 
buhler sich  erheben. 2)  Daher  entschloß  sich  Constantius,  nunmehr  seinen 
zweiten  Vetter,  den  Stiefbruder  des  Gallus,  Flavius  Claudius  Julianus, ^)  zum 
Caesar  zu  erheben  und  nach  Gallien  zu  entsenden  (855  n.Chr.).  Dem  Julianus 
gelang  es,  die  Alamannen,  die  den  Constantius  gegen  Magnentius  unter- 
stützt und  sich  am  linken  Rheinufer  niedergelassen  hatten,  zu  demütigen 
und  Gallien  wieder  zu  schützen.  Er  schlug  die  Alamannen  in  der  großen 
Schlacht  bei  Straßburg  (857  n.  Chr.)^)  und  ging  dreimal,  357,  358  und  359 
n.Chr.  über  den  Rhein.  Auch  gegen  die  Franken  führte  er  glückliche  Kriege, 
räumte  aber  zugleich  358  n.  Chr.  den  salischen  Franken  am  linken  Rhein- 
ufer Wohnsitze  ein.  Constantius  war  inzwischen  in  Rätien  und  Pannonien 
mit  Kämpfen  gegen  die  Quaden  und  Sarmaten  beschäftigt  (358  n.Chr.); 
dann  rief  ihn  ein  neuer  Angriff  des  Persers  Sapor  II,  der  359  n.  Chr.  mit 
überlegener  Macht  über  den  Tigris  zog,  in  den  Orient.  Der  Kaiser  ver- 
langte von  Julianus  die  Stellung  von  Hilfstruppen  in  beträchtlicher  Stärke 
aus  Gallien;  aber  dieses  Ansinnen  war  nicht  nach  dem  Geschmack  der 
Armee,  die  sich  offen  dagegen  auflehnte.'')  Im  Winter  360  n.  Chr.  erhoben 
die  Aviderspenstigen  Truppen  in  Paris  den  Julianus  auf  den  Schild  und  riefen 
ihn  zum  Augustus  aus.    Julianus  hatte  sich  durch  energische  Kriegführung 


Nachr.  der  Gott.  Ges.  der  Wiss.  1904 — 1908.  panien  CIL  X  6945  genannte  Imperator 
Auch  der  Streit  zwischen  den  römischen  Claudius  Silvanus  kann,  wie  Mommsen  zu 
Bischöfen  Liberius  und  Felix  II  gehört  der  Stelle  bemerkt  hat,  mit  dem  hier  ge- 
in  diesen  Zusammenhang.  Liberius  wider-  nannten  nicht  identisch  sein;  er  ist  ander- 
setzte sich  dem  Willen  des  Kaisers,  worauf  weitig  nicht  bekannt. 
er  355  n.  Chr.  verbannt  und  durch  Felix  ')  A.  Mücke,  Flavius  Claudius  Julianus, 
ersetzt  wurde.  Später  aber  fügte  er  sich  2  Teile,  (xotha  1867.  1809;  Sieveks,  Studien 
und  kehrte  nach  Rom  zurück  (358  n.  Chr.),  225  ff. :  Wilh.  Schwaez,  De  rita  et  scriptis 
woraus  ein  neuer  Konflikt  mit  Felix  ent-  Julian  l  imi^eratoyis,  Bonn  1888:  H.  Heckek,^ 
stand.  Letzterer  mußte  schließlich  wei-  Zur  Gesch.  des  Kaisers  Julian,  Progr.  von 
chen  und  in  die  Verbannung  gehen.  Eine  Kreuznach  1886;  Neue  Jahrb.  für  Philol. 
spätere  Nachwirkung  dieses  Schismas  ist  1889,59ff.;  P.  Allard,  Ju/Zc/; /'«/)o.s<ftf, 3  Bde., 
366  n.  Chr.  die  Doppelwahl  der  Bischöfe  Paris  1900—1903.  W.  Koch,  Jahrbb.  für 
Ursinus  und  Damasus,  die  zu  blutigen  klass.  Philol.  Supplem.  25,  329  ff.  G.  Negri, 
Kämpfen  führte,  bis  Valentinianus  I  ein-  L'impercttore  Giuliano  VApostata,  Mailand 
gi-iff  und  den  Ursinus  vertrieb.  Ammian.  1902^  J.Geffcken,  Kaiser  Julianus,  Leipzig 
XXVII  3,  12  f.  9,  9.  Mommsen,  Deutsche  1914..  E.  v.  Borkies,  PW  X  26  ff. 
Zeitschr.  für  Geschichtswissenschaft  N.  F.  j  ^)  Über  die  Alamannenschlacht  s.  Wie- 
I  167.  I    GAND,  Beiträge  zur  Landes-  u.  Volkskunde 

')   Offiziell    heißt   er    Fl.  Claudius    Con-  '   von  Elsaß-Lothringen  3,  1887;  vgl.Westd.. 

stantius  Caesar.    ILS  I  nr.  737.  Zeitschr.  VI  319,  VII  63  f.,  XII  242.   Del- 

'^)  355  n.  Chr.  nahm  der  Befehlshaber  in  brück,  Gesch.  der  Kriegskunst  II  272  f. 
Köln,  Silvanus,  den  Purpur,  wurde  aber  *)  Ein  Teil  der  Truppen  durfte  vertrags- 
rasch   beseitigt.    Ammianus   Marc.  XV  5.  ,    mäßig  nicht  jenseits  der  Alpen  zur  Ver- 
Der  auf  einer  Inschrift  aus  Atella  in  Kam-  '    wendunsr  kommen.  Ammian.  Marc.  XX 4, 4.. 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien,   i  ?;  ."n'.  i      _^{)-> 

und  gewissenhafte  Verwaltung  in  Achtung  gesetzt:  er  strebte  selbst  nach 
der  kaiserlichen  Gewalt;  von  Constantius  erbat  er  jetzt  die  Anerkennimg 
des  Geschehenen  und  die  Überlassung  der  westlichen  Provinzen,  besonders 
der  gallischen  Diözese.  Constantius  unterbrach  weder  den  Krieg  gegen  die 
Perser,  noch  bewilligte  er  Julians  Forderung.  So  eröffnete  denn  Julian  die 
Feindseligkeiten  und  rückte  donauabwärts  gegen  Constantius  vor.  An  der 
Grenze  von  Illyricum  erreichte  ihn  die  Botschaft  vom  Tod  des  Constantius, 
der,  im  Begriff  ihm  entgegenzuziehen,  in  Kilikien  vom  Tod  überrascht 
worden  war  (3.  November  361  n.Chr.).  Auf  dem  Totenbette  hatte  er  seinen 
unbotmäfäigen  Vetter  Julianus  zum  Nachfolger  bestimmt,  und  so  war  denn 
ein  Bürgerkrieg,  dessen  Ausgang  zum  mindesten  zweifelhaft  war,  im  letzten 
Augenblick  glücklich  vermieden;  Julianus  fand  als  Nachfolger  des  Con- 
stantius die  Anerkennung  des  ganzen  Reichs. 

Der  neue  Kaiser  unternahm  den  Versuch,  den  alten  heidnischen  Kultus, 
der  allmählich  abzusterben  drohte,  neu  zu  beleben  ;i)  eingedrungen  in  die 
religionsphilosophische  Ideenwelt  des  Neuplatonismus,  wollte  Julian  nach 
der  praktischen  Seite  hin  die  heidnische  Priesterschaft  dem  Muster  des 
christlichen  Klerus  entsprechend  organisieren.  Die  staatliche  Duldung  des 
Christentums  konnte  der  heidnische  Reaktionär  zwar  nicht  mehr  rückgängig 
machen,  aber  er  setzte  die  Christen  geflissentlich  zurück  und  erlegte  ihnen 
die  Restituierung  der  alten  Göttertempel  auf.  Den  Klerikern  entzog  er  die 
ihnen  seit  Konstantin  gewährte  Steuerfreiheit.  Als  besonders  schweren  Schlag 
empfanden  die  Christen  das  selbst  von  Heiden  als  unbillig  betrachtete 
Verbot  des  Jugendunterrichts  durch  christliche  Rhetoren  und  Sophisten. 
Zwischen  den  verschiedenen  Sekten  machte  Julian  keinen  Unterschied:  die 
Maßregeln  z,  B.  gegen  die  Donatisten  in  Afrika  wurden  aufgehoben  und 
verfolgte  Sektierer  begnadigt.  Julian  hatte  eine  christliche  Erziehung  ge- 
nossen, war  aber  dann  in  den  Bannkreis  der  Neuplatoniker  geraten.  Abel* 
noch  als  Caesar  in  Gallien  hatte  er  den  öffentlichen  Gottesdienst  der  Christen 
mitgemacht.  Der  religiöse  Abfall  des  sog.  „Apostaten",  des  Abtrünnigen 
vom  Christentum  hängt  mit  seiner  politischen  Rebellion  gegen  Kaiser  Con- 
stantius aufs  engste  zusammen.  Romantisch  angehaucht  wie  er  war,  lebte 
Julian  ganz  in  den  klassischen  Reminiszenzen  der  Vergangenheit;  ein  Studien- 
aufenthalt in  Athen,  dem  Sitz  der  heidnischen  Philosophie,  hatte  einst  be- 
stimmend auf  die  empfängliche  Seele  des  Jünglings  eingewirkt.  Julian  hat 
auch  die  Feder  gegen  die  Christen  geführt.  2)  wie  er  auch  sonst  sich  litera- 
risch zu  betätigen  liebte.  Mit  den  angesehensten  Tagesgrößen  der  Literatur 
stand  er  in  enger  Verbindung.  3)  Nicht  ganz  frei  von  Eitelkeit  und  Ruhm- 
sucht, war  Julian  im  Grund  ein  ehrlich  strebender  Mensch  und  ein  wohl- 
meinender, humaner  Regent,  der  die  Schäden  seiner  Zeit  erkannte  und  zu 
heilen  bemülit  war.  In  seiner  kurzen  Regierung  hat  er  viel  Gutes  gestiftet, 
Mißbräuche    abgestellt,    die    Finanzen    verbessert.    Seine   Erlasse    gegen    die 

1)  Vgl.  J.  Geffcken,  Der  Ausgang  des  ligionsphilosophie  Kaiser  Julians,  Leipzig 
griech.-röm.  Heidentums,  Heidelberg"l920,       u.  Berlin  1907. 

115  ff,                                    '  3)  Dip  Eedner  Libanios  und  Himerios. 

2)  kaza  XQioziaviöv.  Vgl.  K.  J.  Neumänn,  auch  der  bekannte  medizinische  Schrift- 
Juliani  hnp.  Uhrorum  contra  Christianos  qnae  steller  Oreibasios  gehören  dazu.  Orei- 
supersnnt,  Leipzig  1880.   G.  Mau,  Die  Re-    ,  basios  wurde  Leibarzt  des  Kaisers. 

26* 


404 


Römische  Geschichte. 


Christen  sollten  ihn  nicht  üherdauern  vnid  verfehlten  ihre  Wirkung;  wohl 
aber  entfesselte  Julian  durch  seinen  „Kulturkampf"  einen  fanatischen  Ha6, 
der  sein  Andenken  dauernd  verunglimpfte.  Seinen  Bestrel)ungen,  den  re- 
ligiösen Eifer  der  Heiden  wachzurufen,  war  kein  P]rfblg  gegönnt. 

Von  seinem  Vorgänger  übernahm  Julian  den  Krieg  gegen  die  Perser; 
Constantius  hatte  noch  3(>0  n.  Chr.  am  Euphrat  gekämpft,  ohne  da(.3  es  ihm 
gelungen  wäre,  die  Eindringlinge  aus  Mesopotamien  wieder  zu  vertreiben. 
Nach  sorgfältigen  Rüstungen  eröffnete  Julian  im  Frühjahr  863  n.  Chr.  einen 
neuen  Feldzug.  Verhandlungen  mit  dem  Erbfeind  Persien  lehnte  er  ent- 
rüstet ab.  Das  Andenken  an  Alexander  d.  Gr.  begleitete  ihn  bei  seinem 
Unternehmen.  Die  Perser  wnirden  in  zwei  Abteilungen,  die  durch  Armenien 
bzw.  durch  Mesopotamien  zogen,  angegriffen.  Julian  überschritt  siegreich 
den  Tigris  und  gelangte  bis  unter  die  Mauern  der  Hauptstadt  Ktesiphon; 
den  ihm  angebotenen  Frieden  schlug  er  aus;  Julian  wollte  nach  Norden 
in  das  Binnenland  vordringen,  mußte  aber  dann  zum  Tigris  zurück.  Die 
Perser  setzten  dem  abziehenden  Heer  mit  ihren  Angriffen  immer  stärker 
zu.  Bei  einem  Gefecht  fand  der  tapfere  Kaiser  am  26.  Juni  363  n.  Chr.  den 
Tod.i)  Sein  vom  Heer  erwählter  Nachfolger  Jovianus  sah  sich  von  Sapor 
zu  einer  Kapitulation  genötigt  und  mußte  fast  alle  Erwerbungen  Diokletians, 
nämlich  die  transtigritanischen  Provinzen  und  Nisibis  in  Mesopotamien  ab- 
treten. Die  Römer  verpflichteten  sich,  Armeniens  Unabhängigkeit  an- 
zuerkennen und  sich  dort  nicht  einzumischen.  Jovianus  war  Christ,  An- 
hänger des  nicänischen  Bekenntnisses;  alle  Beeinträchtigungen  der  Christen 
wurden  sogleich  aufgehoben,  Athanasios  kehrte  mit  kaiserlicher  Erlaubnis 
auf  den  Bischofssitz  von  Alexandrien  zurück.  Doch  Jovianus  starb  schon 
im  nächsten  Jahr  (in  der  Nacht  vom  16.  zum  17.  Februar  364  n.  Chr.)  in 
einem  bithynischen  Nest  eines  plötzlichen  Todes,  worauf  die  in  Nikaia  ver- 
sammelten Spitzen  des  Heeres  und  der  Beamtenschaft  den  Flavius  Valenti- 
nianus  zum  Nachfolger  erwählten. 2) 

Th.  Preuss,  Kaiser  Diokletian  und  seine  Zeit,  Leipzig  1869.  —  Otto  Hüsziker  in 
BüDiNGERS  Untersuchungen  II  p.  113  ff.  —  J.  C.  F.  Mänso,  Leben  Constantins  d.  Gr., 
Breslau  1817.  —  J.  Burckhakdt.  Die  Zeit  Constantins  d.  Gr.,  2.  Aufl.,  Leipzig  1880.  — 
O.  Seeck,  Gesch.  des  Untergangs  der  antiken  Welt,  Bd.  I^  Berlin  1910,  Bd.  II— IV, 
Berlin  1901—1911  (mit  Anhängen).  —  Sievers,  Studien  zur  Gesch.  der  röm.  Kaiser 
225  ff.  —  Heinrich  Richter,  Das  weström.  Reich  besonders  unter  den  Kaisern  Gratian, 
A^alentinian  II  und  Maximus,  Berlin  186.5. 

53.  Die  valentinianische  Dynastie.  Die  Teilung  der  Herrschaft  galt 
so  sehr  als  Gebot  der  Notwendigkeit,  daß  Valentinianus  gleich  bei  seiner 
Erhebung  vom  Heer  aufgefordert  wurde,  einen  zweiten  Kaiser  zu  ernennen. 
Er  wählte  bald  darauf  (28.  März  364  n.  Chr.)  in  Konstantinopel  seinen  Bruder 
Flavius  Valens  zum  Augustus  und  übergab  ihm  die  Verwaltung  des  Orients. 
Die  beiden  Kaiser  teilten  sich  in  das  Imperium  mit  gleichen  Rechten;  doch 
blieb  das  Übergewicht,  die  eigentliche  Leitung  bei  Valentinianus.  Dieser 
übernahm    das    Imperium    des  Westens,    der    wiederum    von    verschiedenen 


')  Vgl.  Büttner -Wobst,    Philologus  LI  gearbeitet   hatte.    Der  Sohn  war   gleich- 

561  ff.  falls  durch  das  Heer   gegangen   und  zu- 

2)  Valentinianus  war  der  Sohn  des  Gra-  letzt  von  .Julian  zum  Tribunen  der  kaiser- 

tianus,  der  sich  von  unten  auf  durch  den  liehen  Leibwache  gemacht  worden. 
Heeresdienst   zu   hohen  Ämtern    empor- 


8.  Sechste  Periode:  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.   (5?  ')'.'>.]      -4.05 

Seiten  her  bedrängt  war;  er  hatte  zunächst  Galhen  gegen  die  Einfälle  der 
Alamannen  zu  schützen,  mit  denen  er  seit  367  n.  Clir.  glücklich  kämpfte, 
unterstützt  von  den  Burgundionen,  ihren  östlichen  Nachbarn :  zweimal.  36S 
und  371  n.Chr.,  überschritt  er  den  Rhein  und  374  n.  Chr.  schloß  er  hier 
Frieden.  Dann  wandte  er  sich  375  n.  Chr.  gegen  die  Quaden,  die  mit  den 
Sarmaten  Pannonien  und  Mösien  verwüstet  hatten.  Sein  Feldherr  Tlieodosius 
wies  inzwischen  in  Britannien  die  Einfälle  der  Nachbarvölker,  der  Pikten, 
ferner  der  irischen  Skoten^)  und  der  Sachsen  zurück  (368 — 370  n.  Chr.).  In 
Afrika  Avurde  die  Tripolitana  von  den  benachbarten  Stämmen,  den  Austu- 
rianern,  wiederholt  verheert  und  ausgeplündert,  2)  ohne  daß  sie  genügend 
geschützt  werden  konnte,  namentlich  370  n.  Chr.,  und  wenig  später  kam 
es  in  Mauretanien  zur  Empörung  des  Firmus,  die  zum  guten  Teil  von  den 
römischen  Beamten  verschuldet  war.'^)  Firmus  ließ  sich  zum  Augustus  aus- 
rufen und  fand  weithin  Anhang,  namentlich  durch  die  Unterstützung  der 
in  Afrika  so  zahlreichen  Donatisten.  Nach  längeren  Kämpfen  gelang  es 
dem  Theodosius,  ihn  zu  überwinden  und  zum  Selbstmord  zu  treiben. 

Schon  im  Herbst  375  n.  Chr.  starb  Valentinianus  im  Feldlager  zu  Brigetio.'*) 
Ihm  folgte  sein  bereits  367  n.  Chr.  zum  Augustus  ernannter  Sohn  Gratianus, 
der  in  Trier  residierte.  Zugleich  rief  das  Heer  Gratians  jüngeren  Bruder, 
den  vierjähi'igen  Valentinianus  II,  zum  Augustus  aus;  Italien  und  Afrika 
wurden  ihm  untergeordnet.  Während  Valentinian  I  sich  im  Streit  zwischen 
den  christlichen  Parteien  der  Arianer  und  Athanasianer,  sowie  den  Heiden 
gegenüber  unparteiisch  gezeigt  hatte,  erwies  sich  Gratianus  auch  in  der  Re- 
gierung als  eifrigen  Christen  und  Athanasianer;  er  ist  der  erste,  der  den 
Titel  eines  pontife.v  niaxinnis,  diesen  integrierenden  Bestandteil  der  Kaiser- 
würde seit  Augustus,  ablegte.  Gegen  die  Häretiker  und  zugunsten  des  Klerus 
wurden  376  und  377  n.  Chr.  Edikte  erlassen.  Durch  eine  Verordnung  vom 
Jahr  382  n.  Chr.  wurde  schließlich  dem  heidnischen  Kult  und  seinen  Dienern 
die  Unterstützung  aus  Staatsmitteln  entzogen.  Der  Kaiser  stand  ganz  unter 
dem  Einfluß  des  christlichen  Klerus,  vor  allem  des  Bischofs  Ambrosius  von 
Mailand,  der  damals  im  Westen  der  angesehenste  Kirchenfürst  war. 

Der  Imperator  des  Ostens,  Valens,  war  redlich  bemüht,  ein  gerechtes 
Regiment  zu  führen  und  die  schwer  gedrückte  Landbevölkerung  zu  ent- 
lasten; gemeinnützige  Arbeiten  und  Bauten  wurden  unter  ihm  in  Angriff 
genommen.  Da  der  Perserkönig  Sapor  sich  an  den  mit  Jovianus  geschlossenen 
Friedensvertrag  nicht  länger  binden  mochte,  so  mußte  Valens  zu  einem 
neuen  Krieg  rüsten.  Während  dessen  ließ  sich  in  Konstantinopel  Prokopios, 
ein  Verwandter  Julians,  zum  Kaiser  ausrufen  (28.  September  365  n.  Chr.). 
Dieser  Sproß  des  konstantinischen  Hauses  fand  Gefolgschaft;  aber  als  dann 
Valens  aus  Kleinasien  mit  größerer  Macht  heranzog,  wurde  der  Usurpator 

')  Schon  unter  Constans  und  später  359  scheu    Diensten   gestanden.    Von   seinen 

und  360  n.  Chr.  unter  Julian   hatten  die  Brüdern  haben  sich  zwei,  Gildo  und  Mas- 

Pikten  und  Skoten  die  Provinz  Britannien  cizel.  später  einen  Namen  gemacht.  Seine 

beunruhigt.    Ammian.  XX  1.  Geschichte    erzählt   Ammianus  XXIX  5. 

2)  Ammian.  Marc.  XXVIII 10  ff.,  dessen  Vgl.  Seeck,  PW  VI  2383  f. 
Erzählung   die  damals  herrschende  Miß-  *)  Fr.  Reiche.    Chronologie  der   letzten 

Wirtschaft  grell  beleuchtet.  sechs  Bücher  des  Ammianus  Marcellinus, 

^)  Firmus  war  der  Sohn  eines  mauri-  Liegnitz  1889. 
sehen  Fürsten  und  hatte  früher  in  römi- 


406  Römische  Geschichte. 

von  seinen  Truppen  verlassen,  durch  \'errat  dem  Kaiser  überantwortet  und 
^uf  dessen  Befehl  hingerichtet  (27.  Mai  'MW)  n.Chr.).  Zahlreiche  Hochverrats- 
prozesse folgten  auf  den  Sturz  des  Unglücklichen.  Ein  weiteres  Nachspiel 
der  Usurpation  war  ein  längerer  Krieg  des  Valens  gegen  die  gothischen 
Stännne  (867 — 369  n.  Chr.),  die  dem  Prokopios  Zuzug  geleistet  hatten.  Durch 
einen  Frieden,  den  Valens  in  einer  persönlichen  Zusammenkunft  mit  dem 
Gothenfürsten  Athanarich  schloß,  wurde  das  frühere  Verhältnis  wieder  her- 
gestellt. Valens  war  eifriger  Arianer  und  begünstigte  auf  seinem  Gebiet 
das  arianische  Bekenntnis.  Durch  seine  Vermittlung  fand  nun  auch  bei  den 
Gothen  und  ihren  Nachbarn  das  Christentum  und  zwar  der  Arianismus 
Eingang,  wenn  auch  nicht  ohne  auf  Widerstand  zu  stoßen.  Im  Orient 
machten  sich  die  Isaurer,  die  sich  schon  unter  Constantius  geriihrt  hatten, 
aufs  neue  lästig;  zu  diesen  Unruhen  kamen  ernstliche  Streitigkeiten  um 
Armenien  und  das  anstoßende  Iberien  mit  den  Persern.  Um  die  Perser 
einzuschüclitern  und  Armenien  wieder  unter  römische  Oberhoheit  zu  bringen, 
rückte  Kaiser  Valens  an  den  Tigris  (376  n.  Chr.).  Verhandlungen  mit  König 
Sapor  II  zerschlugen  sich;  aber  Valens  konnte  den  Kampf  mit  den  Waffen 
nicht  aufnehmen,  weil  um  diese  Zeit  die  Donaugrenze  durch  neue,  gefähr- 
liche Völkerbewegungen  bedroht  war. 

Es  erschien  damals  ein  neues  Volk  auf  dem  Schauplatz  der  Geschichte 
(375  n,  Chr.),  das  große  Reitervolk  der  Hunnen,  die  ursprünglich  aus  der 
Mongolei  stammten  und  sich  von  da  allmählich  weiter  westwärts  bewegt 
hatten.^)  Das  Auftreten  der  Hunnen  ist  das  Ereignis,  das  man  als  Beginn 
der  Völkerwanderung  zu  bezeichnen  pflegt.  Die  Hunnen  warfen  sich  auf 
Alanen  und  Ostgothen  oder  Greuthungen  ^)  und  rissen  sie  mit  sich  fort. 
Dann  fielen  sie  über  die  Westgothen  (Thervingen)  her.  Auch  sie  mußten 
weichen  und  erbaten  nun  von  Valens,  der  damals  im  Orient  weilte,  Auf- 
nahme im  römischen  Reich  (376  n.  Chr.).  Valens  nahm  sie  auf  als  Unter- 
worfene, die  ihre  Waffen  ablegen  mußten.  Aber  infolge  der  Willkür  römi- 
scher Beamten  empörten  sich  die  Gothen,  ergriffen  bei  Marcianopel  die 
Waffen  und  verwüsteten  nach  einem  Sieg  über  die  Römer  Thrakien  bis 
über  den  Balkan  hin  (377  n.  Chr.).  Gleichzeitig  brachen  die  Alamannen  aufs 
neue  in  Thrakien  ein;  Gratianus  besiegte  sie  37S  n.  Chr.  in  der  Schlacht 
bei  Argentaria  (südlich  vom  heutigen  Straßburg)  und  eilte  dann  dem  Valens 
gegen  die  Gothen  zu  Hilfe.  Ehe  sein  Neffe  eintraf,  griff  Valens  die  Feinde 
an,  wurde  aber  bei  Adrianopel  am  9.  August  378  n.  CUir.  vernichtend  ge- 
schlagen. Kaiser  Valens  selbst  fiel  nach  tapferem  Kampf.  Die  siegreichen 
Gothen,  im  Bund  mit  anderen  Völkerschaften,  überschwemmten  nunmehr 
Thrakien  und  die  Nachbarprovinzen. 

In  dieser  Not  ernannte  Gratianus  einen  erprobten  Krieger,  den  Spanier 
Theodosius,   zum  Augustus  (19.  Januar  379  n.  Chr.)  und    überwies   ihm  den 

^)  In  der  klassischen  Literatur  erschei-  J.  J.  M.  i>e  Gkoot,  Die  Hunnen  der  vor- 
nen  sie  zuerst  bei  Dionysios  dem  Perie-  christl.  Zeit  I,  Berlin  1921. 
geten  (v.  730),  also  zur  Zeit  Hadrians,  als  ^)  Die  Ostgothen  reichten  östlich  bis  an 
Anwohner  des  Kaspischen  Meeres.  Vgl.  den  Dniepr.  Es  ist  zu  beachten,  daß  die  ein- 
Kasp.  Zeuss,  Die  Deutschen  u.  die  Nachbar-  gebürgerte  Bezeichnung  Ost-  und  West- 
stämme, 700  If.  Chinesische  Urkunden  zur  gothenfür  diese  Zeit  nicht  korrekt  ist.  Am- 
früheren  Geschichte    der   Hunnen   s.  bei  mianus  Marcellinus  kennt  sie  noch  nicht. 


8.  Sechtse  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (i$  öJi.)      4( )"/ 

Orient  mit  dem  gröfsten  Teil  von  lUyricum.  Theodosius  war  der  Sohn  des 
gleichnamigen  Feldherrn  {contes),  der  in  Britannien  und  Afrika  siegreich 
gefochten  hatte  (oben  S.  405),-  später  aber  (876  n.  Chr.)  in  Ungnade  ge- 
fallen und  hingerichtet  worden  war.  Der  neue  Kaiser,  der  sein  Hauptquartier 
in  Thessalonike  aufschlug,  erzielte  rasch  einige  Erfolge;  er  reorganisierte 
das  Heer,  nahm  die  eigenen  Landsleute  der  Gothen  in  römischen  Sold  und 
befreite  schliefalich  Thrakien  von  den  Barbaren.  Aber  bald  erfolgte  ein 
neuer  Vorstoß  der  Gothen  und  ihrer  Verbündeten,  die  unter  ihren  Führern 
Fritigern,  Saphrax  und  Alatheus  ihre  Züge  bis  nach  Epirus  und  Achaia 
ausdehnten  (380  n.Chr.).  Nun  brachte  Gratianus,  der  inzwischen  die  Ala- 
mannen  wieder  bekämpft  hatte,  aus  dem  Westen  Hilfe,  worauf  es  gelang, 
die  Hauptmasse  der  Barbaren,  besonders  die  Gothen,  zu  beruhigen  (380 
n.  Chr.).  Die  ungestümen  Fremdlinge  wurden  am  Südufer  der  Donau,  in 
Dacia  ripuaria  und  in  Mösien  angesiedelt,  erhielten  bestimmte  Getreide- 
tribute bewilligt  und  mußten  sich  verpflichten,  dem  Kaiser  Kriegsdienste 
zu  leisten  als  sog.  foederati  (382  n.  Chr.).  Sie  bildeten  als  solche  fortan  einen 
wichtigen  Bestandteil  der  kaiserlichen  Streitmacht.  Freilich  blieben  auch 
jetzt  noch  manche  Streifscharen  zurück,  und  die  Donaugrenze  und  die  Donau- 
provinzen blieben  nach  wie  vor  unsicher:  286  n.  Chr.  versuchten  die  Greu- 
thungen  unter  Odotheus  den  Strom  zu  überschreiten,  wurden  aber  von  der 
römischen  Grenzwehr  unter  Promotus  verlustreich  zurückgewiesen.  Theo- 
dosius war  nach  Abwendung  der  akuten  Gothengefahr  in  Konstantinoi)el 
mit  der  Schlichtung  kirchlicher  Händel  beschäftigt.  Auf  einem  ziemlich  schwach 
besuchten  Konzil  zu  Konstantinopel  kamen  die  Zwistigkeiten  über  die  Be- 
setzung der  Bistümer  Konstantinopels  und  Antiochiens  zum  Avistrag  und 
fand,  was  bedeutsam  war,  die  athanasianische  Dreifaltigkeitslehre  allgemeine 
Anerkennung  (381  n.  Chr.).  Theodosius  war  im  Gegensatz  zu  Valens  ein 
eifriger  Anhänger  dieser  Lehre,  die  im  Westen  des  Reiches  herrschte  und 
durch  ihn  auch  im  Osten  triumphierte.  Die  Arianer  und  andere  Sekten 
wurden  überall  zurückgedrängt,  und  daneben  die  noch  immer  ansehnlichen 
Reste  des  Heidentums  bekämpft,  die  Kulthandlungen  verboten  und  die 
Tempel  zerstört.  Tiefen  Eindruck  machte  allgemein  die  Zerstörung  des 
großen  Sarapisheiligtums  in  Alexandrien  (391  n.  Chr.). 

Gratianus,  der  in  Trier  residierte,  fiel  bald  einer  Empörung  zum  Opfer: 
er  entfremdete  sich  dui-ch  die  offensichtliche  Bevorzugung  des  germanischen 
Elements  im  Heer  einen  großen  Teil  seiner  römischen  Truppen.  Der  Statt- 
halter Britanniens,  Magnus  Clemens  Maximus,  ein  Spanier,  wurde  zum  Kaiser 
ausgerufen  und  landete  in  Gallien,  während  Gratianus  gegen  die  Alamannen 
zu  Feld  zog.  Gratianus  wandte  sich  gegen  den  Rebellen,  wurde  aber  bei  Paris 
von  der  Mehrzahl  seiner  Soldaten  verlassen  und  auf  der  Flucht  in  Lugudunum 
getötet  (25.  August  383  n.  Chr.).  Maximus  mit  seinem  jugendlichen  Sohn 
Victor  wurde  jetzt  von  Valentinianus  und  Theodosius  als  Augustus  in  Gallien, 
Spanien  und  Britannien  anerkannt.  Seinen  Eifer  für  das  orthodoxe  athana- 
sianische Dogma  erhärtete  Maximus  durch  die  blutige  Verfolgung  der  Sekte 
der  Priscillianisten.i)  Umgekehrt  nahm  der  junge  Valentinian  II  als  Arianer 

')  Es  war  eine  in  Spanien  und  Gallien       tuug,  die  an  gnostische  Lehren  anknüpfte. 
weitverbreitete    Sekte    asketischer   Rieh-       Ihren  Führer,  Priscillianus,  ließ  Maximus 


4Q8  Römische  Geschichte. 

unter  dem  Einfluß  seiner  Mutter  Justina  seine  ketzerischen  Glaubensgenossen 
in  Italien  in  Schutz  und  gewährte  ihnen  freie  Religionsübung  (Edikt  vom 
28.  Januar  386  n.  Chr.).  Diese  Toleranz  stieß  auf  den  zum  Äußersten  ent- 
schlossenen Widerstand  des  Bischofs  Ambrosius  von  Mailand,  des  Hauptes 
der  abendländischen  Hierarchie.  Diese  kirchlichen  Wirren  mußten  den  An- 
schlag des  orthodoxen  Maximus  auf  Italien  erleichtern.  Unerwartet  überfiel 
er  das  Land,  das  er  fast  ohne  Schwertstreich  eroberte.  Valentinian  hatte 
sich  mit  seinen  Angehörigen  zu  Schiff  in  den  Reichsteil  des  Theodosius  ge- 
flüchtet (887  n.  Chr.).  Theodosius,  der  sich  um  jene  Zeit  mit  Valentinian 
verschwägerte,  versagte  dem  Gewaltstreich  des  Maximus  seine  Billigung. 
Er  forderte  den  Räuber  des  italischen  Thrones  auf,  den  verjagten  Valen- 
tinian, der  sich  jetzt  vom  arianischen  Bekenntnis  abwandte,  wieder  einzu- 
setzen. Theodosius  hatte  38-4  n.  Chr.  mit  dem  Perserkönig  Sapor  III  Frieden 
und  Freundschaft  geschlossen ;  ^ )  die  Grenzen  waren  gesichert  und  so  konnte 
er  seine  ganze  Macht  gegen  den  Usurpator  kehren,  2)  als  dieser  sich  weigerte, 
auf  Italien  zu  verzichten.  Maximus  wurde  zu  Wasser  und  zu  Land  an- 
gegriffen. Nach  zwei  verlorenen  Schlachten  gaben  die  Truppen  die  Sache 
des  Maximus  auf.  Bei  Aquileia  wurde  der  Usurpator  gefangen  genommen 
und  hingerichtet.  Theodosius'  Heerführer  Arbogastes  ging  weiter  nach  Gallien, 
beseitigte  den  Victor  und  sicherte  die  inzwischen  bedrohte  Grenze  durch  neue 
■Verträge  mit  Franken  und  Alamannen.  Die  beiden  Kaiser  blieben  in  Italien; 
gemeinschaftlich  besuchten  sie  im  Jahr  389  n.  Chr.  Rom.  Bald  darauf  (390 
n.  Chr.)  entstand  in  Thessalonike  ein  Aufruhr,  den  Theodosius  durch  einen 
grausamen  Blutbefehl  sühnte.^) 

Theodosius  begab  sich  im  Jahr  391  n.  Chr.  zurück  in  den  Orient,  der 
auch  jetzt  noch  durch  Züge  plündernder  Barbaren  heimgesucht  wurde,  wäh- 
rend Valentinianus  in  Vienna  in  Gallien  Residenz  nahm.  Als  seinen  Berater 
hatte  ihm  Theodosius  den  selbstherrlichen  Franken  Arbogast  beigegeben ; 
Arbogast  terrorisierte  den  jungen  und  schwachen  Kaiser  und  trieb  ihn  schließ- 
lich in  den  Tod  (15,  Mai  392  n.  Chr.).  Dann  erhob  er  einen  Nichtmilitär,  den 
ehemaligen  Rhetor  Eugenius,  der  zuletzt  einer  der  Hofkanzleien  vorgestanden 
hatte,  auf  den  Thron.  Eine  wichtige  Rolle  spielte  der  italische  pracfccfuH 
praetorio  Virius  Nicomachus  Flavianus,  ein  begeisterter  Anhänger  des  alten 
Glaubens.  Eugenius  fand  im  ganzen  Westen  und  auch  in  Italien  Gehorsam. 
Er  wandte  dem  Heidentum  seine  Gunst  zu  und  gestattete  z.  B.  die  Wieder- 
herstellung des  Altars  der  Göttin  Victoria  in  der  Kurie  zu  Rom.  Dieses  alt- 
ehrwürdige Symbol  einer  stolzen  Vergangenheit  hatte  Constantius  (357  n.  Chr.) 

hinrichten.    Die  Sekte  hat  ihren   Stifter  Milde  walten  ließ.    Siehe  Libanios,  Orat. 

noch  um  Jahrhunderte  überdauert.  19 — 22.  34.    Joh.  Chrysost.  vol.  II   homil. 

')  Sapor  II   hatte    bei  Gelegenheit  der  1 — 21.    A.  Hug,    Antiochia   und  der  Auf- 

gothischen  Kriege  noch  einmal  einen  Ein-  stand  im  J.  387  n.  Chr.,  Winterthur  1863. 

bruch  in  Syrien  und  Kappadokien  unter-  ^)  Die  Soldaten    erschlugen   im  Zirkus 

nommen;    aber    nach    seinem   Tod    (379  angeblich  7000  Zuschauer.  Theodosius  be- 

n.  Chr.)  gerieten  die  Nachfolger  in  innere  reute    seinen  Befehl    und    unterzog   sich 

Schwierigkeiten,  die  sie  nach  außen  hin  auf  die  Vorstellungen   des  Bischofs  Am- 

lähmten.  brosius  in  Mailand  der  üblichen  Kirchen- 

'■')  In  diese  Zeit  (387  n.  Chr.)  gehört  der  büße.    Über   diesen    berühmten,   vielfach 

durch    die   drückende  Steuerpolitik    her-  übertrieben    dargestellten    Vorgang    vgl. 

vorgerufene  Aufstand  im  syrischen  An-  H.  Koch,  Histor.  Jahrbuch  XXVIII.  257  tf. 
tiochien,  bei  dessen  Bestrafung  der  Kaiser 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  ^§  54.)     409 

entfernen  lassen;  unter  Julian  war  das  Wahrzeichen  abermals  im  Sitzungs- 
saal des  Senats  aufgerichtet  worden,  um  von  Gratian  erneut  beseitigt  zu 
werden.  Theodosius  verweigerte  dem  Eugenius  seine  Anerkennung  und  setzte 
die  Heere  des  Orients  gegen  Itahen  in  Marsch.  In  der  blutigen  Schlacht 
am  Frigidus  (Wippach  zwischen  Laibach  und  Aquileia)  ^)  wurde  der  Usur- 
pator geschlagen,  gefangengenommen  und  getötet  (6.  September  394  n.  Chr.). 
Zwei  Tage  später  endete  auch  der  Kaisermacher  Arbogast  auf  der  Flucht 
durch  Selbstmord.  Theodosius  hatte  durch  seinen  Sieg  den  Westen  wieder 
unterworfen,  sollte  sich  jedoch  dieses  Triumphes  nicht  lange  erfreuen.  Schon 
am   17.  Januar  895  verschied  der  Kaiser  in  Mailand. 

Literatur:  Sievers,  Studien  etc.  273  f.  —  H.  Richter,  Das  weström.  Reich  besonders 
unter  den  Kaisern  Gratian.  Yalentinian  II  und  Maximus  (375—388),  Berlin  1865.  — 
V.  WiETERSHEiM,  Gescli.  der  Völkerwanderung,  2.  Aufl.  von  F.  Dahn,  2.  Bd.,  Leipzig 
1881.  —  GüLDENPENNiNG  uiid  Ifpland,  Der  Kaiser  Theodosius  d.  Gr.,  Halle  1878.  — 
Q.  Aiirelil  Sijmmachl  quae  supersioit  ed.  Otto  Seeck,  Berlin  1883,  praef.  p.  XXXIX  ff.  — 
G.  Rauschen,  Jahrbücher  der  christl.  Kirche  unter  dem  Kaiser  Theodosius  d.  Gr.,  1897.  — 
O.  Seeck,  Gesch.  des  Untergangs  der  antiken  Welt,  V.  Bd.,  Berlin  1913  (mit  Anhang). 

54.  Ende  des  weströmischen  Kaisertums.  Ein  Rückblick  auf  die 
dargestellten  Ereignisse  zeigt  allenthalben  die  wachsende  Bedrängnis  und 
die  unverkennbaren  Symptome  eines  allgemeinen  Verfalls  der  Kräfte.  Die 
Grenzen  können  nicht  mehr  geschützt  werden,  die  Grenzprovinzen  bevölkern 
sich  mit  fremden  Ansiedlern.  Daß  sich  die  Zeitgenossen  selbst  ihrer  Not 
vollauf  bewußt  sind,  beweisen  bewegliche  Klagen,  die  sie  anstimmen.  Welche 
Ursachen  den  fortschreitenden  Zersetzungsprozeß  hervorbringen,  läßt  sich 
nicht  leicht  mit  einem  Wort  sagen.  Denn  hier  hat  gar  vieles  unheilvoll 
zusammengewirkt  und  die  destruktiven  Kräfte,  die  Elemente  der  Dekompo- 
sition  reichen  mitunter  bis  zurück  in  die  Tage  der  Republik  oder  sie  sind 
bedingt  teils  durch  die  Eigenart  antiken  Lebens  und  Denkens  überhaupt, 
teils  durch  die  Natur  des  römischen  Staatswesens  im  besonderen.  Träger 
der  höchsten  Staatsgewalt  ist  die  Person  des  Kaisers,  dessen  Wille  Gesetz 
ist;  seine  ausführenden  Organe  in  der  Rechtspflege,  in  der  Verwaltung  und 
im  Heerwesen  sind  die  nach  einer  festen  Rangordnung  gegliederten  Beamten, 
deren  Bestechlichkeit,  Willkür  und  Unredlichkeit  den  Regierten  immer  wieder 
Grund  zur  Unzufriedenheit  gab.  Wohl  fehlte  es  nicht  an  rühmlichen  Aus- 
nahmen ;  aber  alles  in  allem  scheint  die  Korruption  weit  verbreitet  gewesen 
zu  sein  und  gegen  ihr  Unwesen  waren  auch  vom  besten  Willen  beseelte 
Monarchen  auf  die  Dauer  ohnmächtig;  die  Beamten  bildeten  ja  zugleich 
auch  den  Hofstaat  vmd  der  Kaiser  war  auf  ihre  Hilfe  angewiesen,  sofern 
er  nicht  auf  die  Ausführung  seines  Willens  verzichten  mochte.  Die  Beamten- 
schaft zerfiel  in  einzelne  Faktionen,  die  sich  je  nachdem  unterstützten  oder 
bekämpften,  und  zwar  nicht  nur  am  Hof,  sondern  auch  in  den  Provinzen. 
Nicht  selten  verdankten  die  Kaiser  ihre  Würde  der  Gunst  einer  bestimmten 
Clique,  die  dann  von  der  angeblich  unbeschränkten  kaiserlichen  Gewalt  die 
entsprechende  Gegenleistung  erwartete,  die  um  so  weniger  verweigert  werden 
konnte,  als  die  Herrscher  mangels  fester  Erbfolge  und  unbestreitbarer  Legiti- 
mität zumeist  nicht  allzu  fest  auf  dem  Thron  saßen.  Diese  Unsicherheit 
illustrieren  die  häufigen  Usurpationen,  durch  die  einzelne  Glieder  des  Reichs 

')  Vgl.  O.  Seeck  u.  G.  Veith,  Die  Schlacht  am  Frigidus.  Klio  XIII,  1913.  454  ff. 


410  Römische  Geschichte. 

sich  schon  auf"  kürzere  oder  längere  Zeit  vom  Gesamtkörper  losgelöst  hatten 
Diese  Usurpationen  haben  zuweilen  in  höfischen  Parteiungen  ihren  Ursprung. 

Eine  Quelle  schwerer  Leiden  war  das  herrschende  Steuersystem,  das 
nach  rein  fiskalischen  Grundsätzen  eingerichtet  und  nur  darauf  zugeschnitten 
war,  dafa  die  auferlegte  Steuersumme  unter  allen  Umständen  einging  (S.  890). 
Das  ganze  Leben  der  Untertanen  hatte  sich  den  Bedürfnissen  des  unerbitt- 
lichen Fiskus  anzupassen.  Die  besitzenden  und  erwerbenden  Stände  wurden 
in  Korporationen  geteilt,  in  der  jeder  einzelne  seinen  Platz,  den  er  nicht 
verlassen  durfte,  auszufüllen  hatte:  dabei  war  alles  von  Staatswegen  aufs 
genaueste  reglementiert  und  so  herrschte  denn  bei  dieser  Knebelung  der 
individuellen  Freiheit  ein  fast  unerträglicher  Zwang,  der  am  schwersten  auf 
der  ländlichen  Bevölkerung  lastete,  auf  den  bedauernswerten  coloni,  die 
den  Ackerbau  besorgen,  Frondienste  leisten  i)  und  den  Heeresersatz  stellen 
mufaten.  Die  Abgaben,  so  vielgestaltig  und  hoch  sie  waren,  reichten  doch 
nicht  aus,  um  den  tatsächlichen  Bedarf  zu  decken.  Die  unaufhörlichen 
Kriege  und  Empörungen,  die  Unredlichkeit  der  Beamten,  auch  die  Ver- 
schwendung des  Hofes  hatten  trotz  erhöhten  Steuern  immer  neue  Geld- 
knappheit zur  Folge. 

Auch  die  Armee  konnte  von  Mißständen  nicht  unberührt  bleiben.  Sie 
war  zu  schwach,  um  die  langgestreckten  Grenzen  allseitig  zu  schützen  und 
sie  verlor  allmählich  den  inneren  Zusammenhalt.  Schon  überwog  das  bar- 
barische Element  unter  macht-  und  geldgierigen  Führern.  Die  Disziplin  der 
Soldaten  lieia  schon  früher  viel  zu  wünschen  übrig;  sie  waren  durch  ihre 
Ausschreitungen  gelegentlich  zu  einer  Plage  für  die  Untertanen  geworden.  2) 
Die  Mifsbräuche  mußten  sich  aber  häufen,  wenn  die  Truppen,  wie  es  oft 
geschah,  schlecht  gehalten  und  bezahlt  wurden,  wenn  die  Offiziere  den  Sold 
unterschlugen  und  die  Truppen  die  Bauern  ausplünderten. 3)  Verheerten 
dann  auch  noch  die  Einfälle  von  Grenznachbarn  das  Land,  so  war  es  kein 
Wunder,  wenn  ganze  Gegenden  verarmten  und  sich  entvölkerten,  wenn 
die  Landbewohner  ihre  Scholle  verliefsen  und  sich  zu  Räuberbanden  zu- 
sammenrotteten  oder  gar  zu  den  Feinden  übergingen. 

Ein  Moment  der  Schwäche  lag  auch  in  der  Weiterentwicklung  des  Christen- 
tums, das  seit  Konstantin  d.  Gr.  am  Hof  und  in  der  Beamtenschaft  immer 
mehr  zur  Herrschaft  gelangte.  Denn  es  wirkte  zentrifugal  und  zersetzend 
auf  das  Reich  durch  die  leidigen  Glaubensstreitigkeiten,  die  mit  dem  größten 
Fanatismus  geführt  wurden.  Nachdem  Staat  und  Kirche  eine  Union  ein- 
gegangen hatten,  verstand  es  sich  von  selbst,  daß  die  Staatsgewalt  an  der 
Einheit  des  Glaubens  interessiert  war  und  demgemäß  die  von  der  katholi- 
schen Kirche  abweichenden  Lehrmeinungen  mit  Gewalt  zu  unterdrücken 
suchte.  Die  Folgen  dieses  in  der  Regel  doch  vergeblichen  Gewissenszwanges 
waren  höchst  verderblich.  Es  blieb  eine  tiefgehende  Erbitterung  gegen  das 
Reichsregiment  zurück,  und  oft  wurden  die  eindringenden  Barbaren  von 
der  dissentierenden  Minderheit  als  das  geringere  Übel  willkommen  geheißen. 

')  Sie  hatten  z.  B.  die  Landstraßen  zu  aus  der  Zeit  des  Claudius  (49  n.  Chr.)  und 

erhalten,  für  den  Staatsdienst  Fuhrwerk  Gordiaus    III    bei    Dittenberger,    Orientis 

zu  stellen  und  den  Truppen  Quartier  zu  graeci  inscr.  seled.  II  nr.  665  und  SIG  II' 

geben.  j    nr.  888. 

2)  Vgl.  das  Zeugnis  zweier  Inschriften  '        ^)  Themist.  orat.  X  |).  135  D.  138  B. 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  I^öl.i      411 

Bei  diesem  Zustand  des  Refchs  war  der  Tod  des  Theodosius  I,  der  das 
Ganze  noch  einmal  zusammengehalten  hatte,  ein  verhängnisvolles  Ereignis. 
Die  Nachfolge  war  allerdings  nicht  bestritten;  die  beiden  Söhne  des  Theo- 
dosius Avaren  bereits  als  Augusti  anerkannt,  aber  beide  waren  jung,  un- 
erfahren und  ohne  höhere  Begabung  und  Tatkraft.  Sie  waren  völlig  al>- 
hängig  von  ihrer  Umgebung  und  nur  ein  Spielball  der  feindlichen  Parteien, 
die  sich  an  ihrem  Hof  gegenseitig  den  Rang  abzulaufen  suchten.  Der  ältere. 
Flavius  Arcadius,  seit  883  n.  Chr.  Augustus,  war  in  Konstantinopel  zurück- 
geblieben unter  Leitung  des  praefectus  lyraetorio  Rufinus,  eines  Galliers.  Der 
jüngere,  Flavius  Honorius,  393  n.  Chr.  zum  Augustus  ei'hoben,  war  von  dem 
Vater  kurz  vor  seinem  Tod  nach  Mailand  berufen  worden  und  übernahm 
jetzt  die  westliche  Reichshälfte  unter  der  Leitung  des  Heermeisters  {magisfer 
mUitu)n)  Stilicho.  eines  Vandalen:  Theodosius  hatte  den  hochgewaclisenen 
Halbbarbaren  mit  seiner  Lieblingsnichte  Serena  vermählt  und  ihn  auf  dem 
Totenbette  dem  Honorius  als  Ratgeber  empfohlen.  Eine  Reichsteilung  war 
nicht  beabsichtigt,  wie  ja  auch  früher  die  Teilung  der  kaiserlichen  Gewalt 
die  Einheit  des  Reiches  nicht  hatte  aufheben  sollen;  aber  nun  geschah  es. 
daß  Stilicho  mit  der  durch  seinen  alten  Gegner  Rufinus  vertretenen  Re- 
gierung des  Arcadius  in  Feindschaft  und  Zwist  geriet,  und  dieser  Zwist 
machte  die  Teilung  der  Regierung  zu  einer  Teilung  des  Reiches  und  ver- 
anlagte zugleich  einen  verstärkten  Ansturm  der  umwohnenden  Barbaren. 
Abgesehen  von  dem  persönlichen  Gegensatz  der  beiden  leitenden  Männer 
wurde  der  Konflikt  dadurch  hervorgerufen,  daß  Stilicho  auf  Grund  einer 
letztwilligen  Verfügung  des  verstorbenen  Kaisers  die  mösische  Diözese,  die 
auch  Makedonien  und  Griechenland  umfaßte  und  seit  der  Erhebung  -des 
Theodosius  I  dem  Ostreich  angehörte,  für  das  Westreich  in  Anspruch  nahm,^) 
ein  Begehren,  das  in  Konstantinopel  abgelehnt  wurde. 

Zunächst  gaben  der  Tod  des  Theodosius  und  die  Abwesenheit  des  orien- 
talischen Heeres  im  Westen  das  Signal  zu  einem  verheerenden  Einfall  der 
Hunnen  in  den  Orient  bis  nach  Kappadokien  und  Syrien  hinein.  Gleichzeitig 
erhob  sich  noch  im  Winter  eine  Schar  föderierter,  in  Ilhn-icum  angesiedelter 
Gothen  unter  dem  Häuptling  Alarich,^)  um  in  Verbindung  mit  Völkern  von 
jenseits  der  Donau  Thrakien  und  Makedonien  heimzusuchen  (395  n.  Chr.). 3) 
Stilicho,  der  sich  aufgemacht  hatte,  um  das  östliche  Illyricum  zu  besetzen  und 
das  orientalische  Heer  zurückzuführen,  lagerte  den  Eindringlingen  in  Thes- 
salien ein  halbes  Jahr  lang  gegenüber,  mußte  aber  schließlich  auf  Arcadius' 
Befehl  die  beanspruchte  Provinz  räumen  und  den  orientalischen  Heeresteil 
unter  dem  Gothen  Gainas  und  Timasius  dem  Arcadius  zusenden.  Zur  Be- 
grüßung gingen  der  Kaiser  und  sein  Präfekt  Rufinus  den  Truppen  entgegen, 


^)  Olympiodoros    cap.  2    (FHG  IV  58).  Er  hatte  unter  Theodosius  gegen  Eugeniu.s 

Vgl.  MoMMSEN,    Hermes   XXXVIII   (1903)  gedient,    aber    nicht    die    erwartete    An- 

101  ff.    Für    die    Kenntnis    der  Zeitereig-  erkennung  gefunden,    sondern  war  nach 

nisse  sind  wichtig  die  Gedichte  des  Clau-  Haus    entlassen    worden.     König    ist    er 

dianus.  Vgl.  den  historischen  Kommentar  nie  gewesen.    Vgl.  Seeck,  PW  I  1286  ff. 
dazu  von  Th.  Birt.  Clandii  Claudiant  Car-  ^)  Beide  Einfälle  werden  sicher  zu  Un- 

mina    p.   XXIV  flf.    iMonunienta    Germaniae  recht  dem  Rufinus  zur  Last  gelegt.  Dieser 

historica  aiicf.  antiqnissimi  vol.  VIII.)  trat    allerdings    mit    den    aufständischen 

^)  Alarich  gehörte  zu  den   südlich  der  Gothen  in  Verhandlung,  was  aber  nichts 

Donau  angesiedelten  föderierten  Gothen.  für  seine  Schuld  beweist. 


412  Römische  Geschichte. 

und  l)('i  »lieser  Gelegenheit  ließ  Gainas  im  geheimen  Auftrag  Stilichos  den 
Rufinus  von  den  Soldaten  einkreisen  und  niederhauen.  Inzwischen  war  die 
umstrittene  Provinz  den  Pliinderungen  des  Alarich  schutzlos  preisgegeben, 
der  Peloponnes  wurde  furchtbar  verheert,  auch  Athen  erobert.  Stilicho,  der 
sich  auf  kurze  Zeit  nach  Gallien  und  an  den  Rhein  begeben  hatte,  um  dort 
die  Ruhe  herzustellen,  unternahm  mit  einer  starken  Flotte  eine  Expedition 
nach  Griechenland;  schon  hatte  er  die  Gothen  Alarichs  im  arkadi.schen  Berg- 
land in  die  Enge  getrieben,  als  ihnen  der  Durchbruch  nach  Epirus  glückte. 
Unverricliteter  Dinge  kehrte  Stilicho  nach  Italien  zurück.  Arcadius  aber 
fand  sich  gütlich  mit  Alarich  ab,  indem  er  ihn  und  seine  Gothen  unter 
günstigen  Bedingungen  in  römischen  Sold  nahm.  Stilicho  wurde  vom  ost- 
römischen Hof  zum  Feind  erklärt  und  es  trat  Kriegszustand  zwischen  Ost- 
und  Westrom  ein.  In  Konstantinopel  hatte  der  Hof'eunuche  Eutropius  die 
politische  Erbschaft  des  Rufinus  angetreten,  und  seine  frühere  Verbindung 
mit  Stilicho  allmählich  gelöst.  Indes  im  Zusammenhang  mit  einer  Empörung 
des  Tribigild,  der  in  Phrygien  eine  Schar  Greuthungen  befehligte,  wurde 
Arcadius  von  Gainas,  der  zu  Stilicho  hielt,  genötigt,  den  Eutropius  un- 
schädlich zu  machen  (399  n.  Chr.).  Aber  auch  gegen  Gainas  und  den  gothi- 
schen  Einfluß  kam  es  in  Konstantinopel  zu  einer  Erhebung.  Gainas  mußte 
zuletzt  über  die  Donau  fliehen  und  fand  bei  den  Hunnen  sein  Ende  (400 
n.  Chr.).  Über  die  größte  Macht  am  oströmischen  Hof  verfügte  zunächst 
die  Gemahlin  des  Arcadius,  die  Kaiserin  Eudoxia,  bis  dann  nach  ihrem  Tod 
(404  n.  Chr.)  der  Präfekt  Anthemius  den  maßgebenden  Einfluß  erlangte,  den 
er  nach  dem  Tod  des  Arcadius  (1.  Mai  408  n.  Chr.)  auch  auf  die  ersten  sieben 
Regierungsjahre  seines  unmündigen  Sohnes  und  Nachfolgers  Theodosius  II 
ausdehnte.  Sehr  lebhaft  waren  die  kirchlichen  Streitigkeiten  in  Konstantinopel, 
infolge  deren  der  Bischof  Johannes  Chrysostomos  von  dem  Patriarchensitz 
weichen  mußte  (404  n.Chr.):  auch  die  abendländische  Kirche  mischte  sich 
ein  und  erklärte  die  Absetzung  des  Johannes  für  ungültig  (406  n.  Chr.). 

Nach  außen  hin  herrschte  in  den  östlichen  Provinzen  in  dieser  Zeit  leid- 
liche Sicherheit,  wenn  schon  die  Isaurer  ihre  Plünderungen  fortsetzten  und 
die  Gegend  von  Kyrene ')  wie  früher  so  auch  jetzt  von  den  benachbarten 
Barbaren  heimgesucht  wurde  (403 — 404  n.Chr.);  mit  den  Persern  wurde 
Friede  und  Freundschaft  geschlossen  (408  n.  Chr.).  Dagegen  hatte  die  West- 
hälfte des  Reiches  unter  den  schwersten  Kriegsnöten  zu  leiden,  wozu  die 
Feindschaft  des  Hofes  von  Konstantinopel  ohne  Zweifel  das  Ihrige  beitrug. 
Zunächst  sagte  sich  schon  im  Jahr  397  n.  Chr.  in  Afrika,  dieser  als  Korn- 
kammer für  Rom  und  Italien  wichtigen  Provinz.  Gildo,  ein  Bruder  des 
Firmus  (S.  405),  von  Honorius  los  und  ging  zu  Arcadius  über.  Er  verwaltete 
seit  385  n.  Chr.  Afrika  ganz  selbständig,  und  wiewohl  er  sich  dem  Usur- 
pator Eugenius  nicht  anschloß,  hatte  er  doch  auch  den  Kaiser  Theodosius 
im  Krieg  gegen  ihn  nicht  unterstützt.  Erst  Stilicho  setzte  dem  Treiben 
Gildos  ein  Ziel,  indem  er  dessen  feindlichen  Bruder  Mascizel  mit  einem 
kleinen  Aufgebot  nach  Afrika  hinübersandte;   noch  ehe  Stilicho  selbst  mit 

')  Nachrichten  über  Kyrene,  seine  Vater-      nachmaligen    christlichen    Bischofs    von 
Stadt,  enthalten  die  Schriften  des  Syne-       Ptolemais  (seit  409  n.  Chr.). 
sios,  des  neuplatonischen  Philosophen  und 


8.  Sechste  Periode.  Die  Kaiserzeit  b.z.  Ende  d.ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  ($54.1      413 

dem  Gros  gelandet  war.  erlag  Gildo  dem  Schicksal.  Sein  großes  Heer,  so- 
weit es  nicht  Holi.  trat  zu  Mascizel  über;  Gildo  selbst  ging  flüchtig,  wurde 
aber  gefangen  und  nach  längerer  Haft  erdrosselt  (31.  Juli  39S  n.Chr.).') 
Drei  Jahre  später  wurde  Italien  von  den  Barbaren  bedroht:  Alarich  unter- 
nahm einen  Kaubzug  dorthin  (November  401  n.Chr.);  er  drang  mit  seinen 
Gothen  plündernd  in  Oberitalien  ein  und  belagerte  Mailand.  Nach  zwei 
Treffen  bei  Pollentia  (6.  April  402  n.  Chr.)  und  bei  Verona  .schloß  Stilicho 
mit  ihm  ein  Abkommen  und  versicherte  sich  seiner  Hilfe  gegen  Ostrom  zum 
Zweck  der  Erwerbung  des  östlichen  lUyricums,  wohin  Alarich  zurückging. 
Auch  einen  neuen  Einfall  verschiedener  Kriegsvölker,  derVandalen,  Alanen 
luid  Gothen  unter  Radagaisus  wehrte  Stilicho  mit  Erfolg  ab;  ein  Teil  wurde 
bei  Faesulae  geschlagen,  ein  anderer  schloß  mit  Stilicho  Abkommen  und 
Bündnis.  Stilicho  wollte  sich  schon  anschicken,  das  von  ihm  begehrte  Ost- 
illyricum  mit  Gewalt  zu  erobern,  als  er  seine  Absicht  aufgeben  mußte,  weil 
der  ganze  Westen,  Gallien  und  Spanien,  verloren  zu  gehen  drohte. 

Zunächst  überschritt  im  Jahr  406  n.  Chr.  ein  Heerhaufen  verschiedener 
germanischer  Völker,  der  Vandalen,  Burgunder,  Sueben,  Alanen  den  Rhein 
und  verheerte  die  gallischen  Provinzen,  denen  der  schwache  Kaiser  Honorius 
keinen  Schutz  gewähren  konnte,  standen  doch  seine  besten  Truppen  in 
Italien.  Gallien  blieb  also  sich  selbst  überlassen.  Auch  Britannien  fiihlte 
sich  bedroht,  und  hier  schritt  das  britannische  Heer  zur  Selbsthilfe,  indem 
es  kurz  nacheinander  drei  Kaiser  erhob;  die  beiden  ersten,  Marcus  und 
Gratianus,  wurden  nach  kurzem  von  den  Soldaten  wieder  beseitigt;  der 
dritte,  Flavius  Claudius  Constantinus,  behauptete  sich  und  setzte  über  den 
Kanal  nach  Gallien  über:  die  gallischen  Provinzen  fielen  ihm  zu,  und  er 
verteidigte  sich  mit  Erfolg  gegen  die  Truppen  des  Honorius  (407  n.  Chr.). 
Auch  Spanien  brachte  er  anfangs  in  seine  Gewalt;  doch  wurden  er  und 
sein  Sohn  Constans,  den  er  zum  Caesar  machte,  hier  bald  durch  die  Partei- 
gänger des  Honorius  in  schwierige  Kämpfe  verwickelt.  Da  überdies  hier  sein 
bester  Feldherr  Gerontius  rebellierte,  so  konnte  Konstantin  die  in  Gallien 
einbrechenden  Barbaren,  die  er  anfangs  zurückgeschlagen  hatte,  nicht  mehr 
im  Schach  halten.  Vandalen,  Alanen,  Sueben  und  Burgunder  drangen  ein 
und  setzten  sich  in  Gallien  fest.  Damals  trennten  sich  Britannien  und  das 
gegenüberliegende  Aremorica  zuerst  vom  Reich  ab  und  suchten  sich  aus 
eigener  Kraft  ihrer  Bedränger,  der  Sachsen  und  anderer  Seevölker,  zu  er- 
wehren. Die  Kämpfe,  die  sich  zwischen  Konstantin  und  Gerontius  ent- 
spannen, erleichterten  es  den  Vandalen,  Alanen  und  Sueben,  auch  in  Spanien 
Eingang  zu  finden  (409  n.  Chr.).  Unter  Verheerungen  durchzogen  sie  die 
Pyrenäenhalbinsel,  um  sich  dann  an  verschiedenen  Orten  niederzulassen,  die 
Alanen,  Sueben  und  ein  Teil  der  Vandalen  im  Nordwesten  und  Westen 
ein  anderer  Teil  der  Vandalen   in  Baetica. 

Inzwischen  nahm  der  Streit  zwischen  West-  und  Ostrom  eine  neue  Wen- 
dung. Alarich,  der  sich  als  Feldherrn  des  Honorius  betrachtete,  setzte  seine 
Gothen  abermals  in  Marsch;  er  rückte  durch  Pannonien  und  Noricum  der 
Grenze  Italiens    bedrohlich   nahe    und    forderte  die  Riesensumme  von   vier- 


')  Den  Krieg  gegen  Gildo  hat  der  Dichter  Claudianus  zum  Stoff  eines  —  nicht 
Tollendeten  —  Epos  gemacht. 


414 


Römische  Geschichte. 


tausend  ITiiiid  (Jold.  Stilicho,  der  den  Gothen  ^egen  den  gallischen  Usur- 
pator Konstantin  zu  verwenden  gedachte,  setzte  im  Senat  die  Bewilhgung 
dieser  erpresserischen  Forderung  Alarichs  rhirch.  Als  um  jene  Zeit  Kaiser 
Arcadius  verstarb  (1.  Mai  408  n.  Chr.)  und  seinem  unmündigen  Sohn  Theo- 
dosius  n  die  Krone  Ostroms  hinterheß.  hatte  Stilicho  den  Wunsch,  nach 
Konstantinopel  zu  gehen,  um  dort  die  Vormundschaftsregierung  zu  über- 
nehmen und  seine  unioni-stischen  Pläne  zu  fördern.  Doch  wie  jüngst  in 
Konstantinopel  gegen  Gainas  und  seine  Gothen,  so  machte  sich  jetzt  auch 
in  Italien  eine  antigernumische  Strömung  bemerkbar.  Diese  vor  allem  gegen 
den  Halbgermanen  Stilicho  gerichtete  Bewegung,  die  von  dem  nationalisti- 
schen Senat  unterstützt  wurde,  ergriff'  auch  die  römischen  Soldaten,  die  sich 
hinter  die  Gothen  zurückgesetzt  fühlten.  In  Ticinum  erschlugen  die  Sol- 
daten unter  den  Augen  des  hilflosen  Kaisers  Honorius  einige  der  höchsten 
Würdenträger,  die  ihnen  als  Kreaturen  Stilichos  verha&t  waren.  Bald  darauf 
wurde  Stilicho  selbst  auf  Befehl  seines  kaiserlichen  Schwiegersohnes  Honorius 
in  Ravenna  hingerichtet.')  Seine  Anhänger  wurden  gerichtlich  verfolgt.  Sein 
Sohn  Eucherius,  der  Verlobte  der  Galla  Placidia,  der  Tochter  des  Theodosius, 
mußte  sterben.  Das  Ohr  des  Kaisers  gewannen  die  Gegner  Stilichos,  Olym- 
pius  und  dessen  Genossen.  Als  Honorius  sich  unter  dem  Druck  der  am 
Hof  herrschenden  Stimmung  weigerte,  die  —  inzwischen  reduzierten  —  For- 
derungen Alarichs  zu  erfüllen,  ließ  der  Gothe  marschieren.  Bald  stand  sein 
Heer  unter  den  Mauern  Roms.  Die  Hauptstadt  mußte  sich  von  ihrem  Be- 
dränger durch  eine  ungeheure  Kontribution  loskaufen.  Da  Honorius  noch 
immer  Alarichs  Forderungen,  nämlich  Wohnsitze  in  Noricum,  Ernennung 
ziuii  römischen  Heermeister,  Versorgung  des  Heeres  mit  Korn,  ablehnte, 
so  zog  er  ein  zweites  Mal  gegen  Rom  und  brachte  die  Stadt  aufs  neue  in 
seine  Gewalt.  Um  mit  einem  anderen  Kaiser  sein  Ziel  zu  erreichen,  zwang 
Alarich  den  römischen  Senat,  den  Stadtpräfekten  Priscus  Attalus  zum  Kaiser 
zu  wählen  und  führte  dann  mit  ihm  gegen  Honorius  Krieg  (409  n.  Chr.). 
Honorius  konnte  sich  unter  dem  ewigen  Ränkespiel  seiner  Umgebung  mit 
Hilfe  der  Oströmer  in  dem  festen  Ravenna,  das  damals  zur  kaiserlichen 
Residenzstadt  wurde,  behaupten.  Dagegen  war  Alarich  nicht  imstande,  die 
Absichten,  die  er  mit  Attalus  hegte,  zu  verwirklichen;  Attalus  konnte  sich 
nicht  entschließen,  die  Eroberung  Afrikas  den  Gothen  zu  übertragen;  der 
schwächliche  Versuch,  den  Attalus  machte,  um  die  wichtige  Kornkammer  zu 
erwerben,  wurde  von  Heraclianus,  einem  Getreuen  des  Honorius,  abgewiesen. 
Alarich  entkleidete  den  Attalus  des  Purpurs  wieder  und  setzte  sich  aufs  neue 
mit  Honorius  in  Verbindung;  da  aber  ein  Einvernehmen  wiederum  nicht  er- 
zielt wurde,  so  wandte  sich  Alarich  zum  drittenmal  gegen  Rom,  das  furchtbar 
unter  Hunger  zu  leiden  hatte.  Am  24.  August  410  n.  Chr.  drangen  die  Be- 
lagerer ein  und  plünderten  drei  Tage  lang. 2)  Dann  führte  Alarich  sein  beute- 
beladenes  Heer  gen  Süden,  um  Sizilien  und  Afrika  zu  nehmen ;  aber  der 
Versuch  mißglückte,  und  Alarich  starb  in  Unteritalien  an  einer  Krankheit. 

')  Er  wurde   beschuldigt,    daß   er   den  '    besonders  aus  den  unteren  Ständen.  Ein 

Theodosius  II  stürzen  und  seineu  eigenen  Teil  der  Stadt  ging  in  Flammen  auf.  Das 

Sohn  Eucherius  zum  Kaiser  machen  wollte.  Asylrecht  der  Basiliken  der  Apostel  Petrus 

'■')  Obwohl    Alarich    das   Blutvergießen  und  Paulus  wurde  übrigens  gewissenhaft 

verboten  hatte,  gab  es  doch  viele  Opfer,  respektiert. 


8.  Sechste  Periode:  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien,   l«;  ö-t.i      415 

• 
Den  Oberbefehl  über  das  gothisclie  Heer  übernahm  der  Schwager  Alarichs^ 
Athaulf,  der,  um  zum  Ziel  zu  kommen,  wieder  den  Weg  der  Verhandhuigen 
mit  Honorius  betrat,  aber  sowenig  erreichte  wie  sein  Vorgänger.  Athaulf 
scheint  Rom  nochmals  besetzt  zu  haben.  Honorius  konnte  sich  jetzt  gegen 
Konstantin  wenden:  er  hatte  den  Gegenkaiser  notgedrungen  eine  Zeitlang 
anerkannt,  bis  dieser  den  Frieden  brach  und  in  Italien  einzudringen  suchte. 
Der  Usurpator,  den  inzwischen  Gerontius  in  Arelate  eingeschlossen  hatte, 
wurde  dort  von  Constantius,  dem  inagisfer  miliium  des  Honorius,  überwunden 
und  gefangen  (411  n.Chr.);  Constantius  war  jetzt  der  maßgebende  Staats- 
mann des  Honorius.  Auch  Athaulf  zog  nach  Gallien  (412  n.  Chr.).  zunächst 
um  bei  Jovinus,  einem  vornehmen  Gallier,  der  sich  neben  Konstantin  zum 
Imperator  aufgeworfen  hatte,  Dienste  zu  nehmen.  Doch  trat  Athaulf  bald 
zu  Honorius  über  und  half  den  Jovinus  und  dessen  Bruder  Sebastianus  be- 
seitigen (413  n.  Chr.).  Während  also  Honorius  sich  in  Gallien  wieder  durcli- 
setzte,  gelang  es  ihm,  auch  einen  anderen  Abtrünnigen  zu  überwinden,  den 
Heraclianus.i)  der  sich  in  Afrika  empörte  und  sogar  mit  einer  Riesenflotte 
einen  Angriff  auf  Italien  unternahm.  Aber  der  Angreifer  erlitt  nach  dei" 
Landung  eine  Niederlage  und  wurde  auf  der  Flucht  in  Karthago  getötet 
(41o  n.  Chr.).  Der  lebhafte  W\insch  des  Athaulf,  mit  Honorius  zu  einer 
Einigung  zu  kommen,  ging  nicht  in  Erfüllung;  vielmehr  ergaben  sich  neue 
Mißhelligkeiten,  in  deren  Verlauf  der  Gothe  sich  in  Südgallien  festsetzte 
und  Narbo  eroberte  (413  n.  Chr.).  Auch  verweigerte  er  die  Auslieferung  der 
Galla  Placidia,  der  Schwester  des  Honorius,  die  sich  seit  der  Eroberung 
Roms  (410  n.  Chr.)  als  Gefangene  im  Gothenlager  befand.  Im  Jahr  414 
n.  Chr.  vermählte  sich  Athaulf  in  Narbo  mit  Placidia.  Aber  wenn  er  gehofft 
hat,  sich  jetzt  leichter  mit  Honorius,  seinem  nunmehrigen  Schwager,  ver- 
ständigen zu  können,  so  hatte  er  sich  getäuscht.  Honorius  begnügte  sich 
damit,  den  Gothen  Aquitanien  als  Siedlungsgebiet  zuzuweisen.  Aber  damit 
war  ihnen  nicht  gedient;  denn  sie  mochten  nicht  den  Acker  selbst  bestellen,, 
sondern  begehrten  mühelosen  Anteil  an  der  afrikanischen  Getreideernte. 
Die  Gothen  verliehen  ihrer  Mifastimmung  dadurch  Ausdruck,  daß  sie  aber- 
mals den  Attalus  als  Gegenkaiser  aufstellten,  was  den  Krieg  bedeutete. 
Nun  aber  wurde  Athaulf  von  Constantius  aus  Gallien  nach  Spanien  ver- 
drängt, wo  er  bald  darauf  (415  n.  Chr.)  ermordet  wurde.  Erst  sein  Nach- 
folger Valia  verständigte  sich  mit  Honorius;  er  schickte  ihm  die  Placidia 
zurück,  2)  trat  in  kaiserlichen  Dienst  und  drängte  die  Vandalen,  Alanen  und. 
Sueben,  die  sich  übrigens  auch  untereinander  befehdeten,  erfolgreich  zuriick. 
Nach  einigen  Jahren  bewilligte  Honorius  den  Gothen  einen  Teil  Aquitaniens, 
die  Gegend  von  Tolosa  bis  an  den  Ozean  (418  n.  Chr.).  Einige  Jahre  zuvor 
(413  n.  Chr.)  hatten  die  Burgundionen  am  linken  Rheinufer  um  Mainz  W^ohn- 
sitze  erhalten.  AVährend  in  Gallien  zeitweise  eine  gew'isse  Beruhigung  ein- 
trat, dauerte  in  Spanien  der  Kampf  zwischen  den  Römern  und  den  ein- 
gedrungenen Völkern  fort.    422  n.  Chr.  versuchte  der  Heermeister  Castinus 


')  Er  war  der  Mörder  des  Stilicho  und  in  die  Gefangenschaft  des  Honorius,  der 
hatte  zum  Lohn  das  Kommando  in  Afrika  ihn  416  n.  Chr.  in  Rom  im  Triumph  auf- 
erhalten, führte. 

2)  Den  Attalus  gab  man   preis;    er  fiel 


^jfj  Romische  Geschichte. 

mit  gothisclior  Hilfe  die  Vandalon   aus  SiKJspanicii  zu  vertreiben,   erlitt  aber 
eine  Niederlage. 

Placidia  mußte  widci-  iliicn  Willen  417  n.  Chr.  mit  CJonstantius  eine  neue 
p]he  eingehen;  Honorius  erhol)  im  Jahr  421  n.Chr.  diesen  seinen  Schwager 
zum  Augu.stus  und  Mitregenten,  ohne  dafür  die  Zustimmung  des  oströmisclien 
Hofes  unter  Theodosius  H  zu  finden.  Der  Widerstand  des  Ostreichs  hätte  bei- 
nahe zum  Krieg  geführt:  doch  gab  Theodosius  im  letzten  Augenblick  seinen 
Einspruch  auf,  der  übrigens  durch  den  friihen  Tod  des  Constantius  ohne- 
hin gleich  darauf  gegenstandslos  geworden  wäre.  Die  abermals  verwitwete 
Placidia  entzweite  sich  völlig  mit  ihrem  Bruder:  sie  flüchtete  mit  ihren  beiden 
Kindern  nach  Konstantinopel.  Honorius  selbst  verschied  am  15.  August  428 
n.  Chr.  ohne  Leibeserben.  Da  ein  Nachfolger  im  W^esten  nicht  vorhanden 
war,  so  wurde  ein  hoher  Zivilbeamter  Johannes  in  Rom  mit  dem  Purpur 
bekleidet.!)  Der  neue  Kaiser  fand  jedoch  in  Konstantinopel  keine  und  im 
Westreich  nur  beschränkte  Anerkennung;  Bonifatius,  der  selbstherrliche 
Befehlshaber  in  Afrika,  hatte  die  Partei  der  Calla  Placidia  ergriffen  und 
leistete  den  Truppen  des  Johannes,  die  sein  Machtgebiet  hätten  erobern 
sollen,  erfolgreichen  Widerstand.  Auch  Theodosius  nahm  sich  der  Placidia, 
die  er  zur  Augusta  erhob,  und  ihres  Söhnchens  Valentinianus  IH  an  und 
ließ  sie  mit  Heeresmacht  auf  den  weströmischen  Thron  führen  unter  der 
Bedingung,  daß  Westrom  auf  seinen  Anspruch  auf  die  Präfektur  lUyricum 
verzichte.-)  Johannes  konnte  rasch  überwältigt  werden;  die  hunnischen 
Scharen,  die  ihm  zu  Hilfe  zogen,  ließen  sich  zur  Umkehr  bewegen.  Valen- 
tinianus in  (geboren  419  n.  Chr.)  wurde  zum  Augustus  ausgerufen  und 
regierte  unter  Vormundschaft  der  Placidia.  Diese  Regierung  war  abhängig 
von  den  Parteien,  die  sich  schon  unter  Honorius  bekämpft  hatten,  und  deren 
Ränkespiel  das  Reich  in  immer  größere  Schwäche  versetzte.«  Einer  der  mächtig- 
sten Männer  war  der  schon  erwähnte  Bonifatius,  der  Afrika  verwaltete  und 
Placidia  und  Valentinianus  gegen  Johannes  unterstützt  hatte.  Gegen  ihn  stand 
Flavius  Aetius,^)  ein  ehemaliger  Parteigänger  des  Johannes,  für  den  er  ein 
hunnisches  Hilfsheer  angeworben  hatte;  Johannes  war  schon  tot,  als  Aetius 
mit  den  Hunnen  in  Italien  eintraf;  unter  der  Bedingung,  daß  er  die  Hunnen, 
mit  denen  es  schon  zu  Kämpfen  gekommen  war,  zum  Abzug  bewege,  er- 
hielt er  Amnestie  und  ein  Kommando.  Bonifatius  geriet  mit  dem  Hof  in 
Konflikt;  als  er  nach  Italien  berufen  wurde,  weigerte  er  sich  zu  erscheinen, 
eine  Auflehnung,  die  von  der  Regierung  in  Ravenna  mit  Krieg  beantwortet 
wurde  (427  n.Chr.).  Als  der^vierte  römische  Feldherr  mit  gothischen  Söld- 
nern gelandet  war,  faßte  Bonifatius  den  verhängnisvollen  Entschluß,  sein 
Gebiet  den  Barbaren  zu  öffnen,  indem  er  sich  mit  den  Vandalen  einließ, 
um  sich  mit  deren  Hilfe  in  Afrika  zu  behaupten.  Schon  seit  420  n.  Chr. 
hatte  sich   dieses  Barbarenvolk'')  im   südlichen  Spanien  niedergelassen    und 

')  Castinus,  der  als  Feldherr  des  Heeres  1914,  344  flf. 

in  Ravenna  viel  galt,  hat  die  wohl  vom  ^)  Hansen,    De   vifa   ÄHii.   Diss.  Dorpat 

Senat  vorgenommene  Wahl  wenn    nicht  1840.  Freemas,  The  E>i(/Iish  hisforiccd  revieir 

begünstigt,    so  doch  jedenfalls   geduldet.  11(1887)4171".  MoMMSEN,Ges.Schr.IV531fF. 

^)  Bei  der  Vermählung  des  Valentinia-  O.  Seeck,  PW  I  701  ff.    G.  Lizerand,  Aetius, 

nus  III   mit  Eudoxia  i'Sl  n.  Chr.    wurde  These  Paris  1910. 

dieser  Verzicht  erneuert.   Cassiod.  Var.  XI  *)  Und  zwar  die  asdingischen  Vandalen. 

1,  9.    Vgl.  E.  Stein.   Wiener   Studien   36,  Ihre  Stammesgenossen,  die  Silingen,  hat- 


8.  Sechste  Periode:  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien,  (i?  .>i.)     417 

sieh  durch  Piratenzüge  berüchtigt  gemacht.  Verbunden  mit  den  Alanen,  im 
ganzen  etwa  80000  Köpfe  stark,  setzten  die  Vandalen  im  Jahr  429  n.  Chr. 
unter  ihrem  Fürsten  Geiserich  ')  nach  Mauretanien  über  und  brachten  einen 
grol.^en  Teil  Afrikas  und  der  benachbarten  numidischen  Provinz  in  ihre  Ge- 
walt. 2)  Durch  immerwiederkehrende  Unruhen  sowie  durch  religiöse  Streitig- 
keiten und  durch  die  Einfälle  der  Mauren  Avar  hier  einer  feindlichen  P]robe- 
rung  der  Boden  schon  lange  bereitet. 

Da  Bonifatius  mit  der  Kaiserin  Placidia  inzwischen  seinen  P'rieden  ge- 
macht hatte,  so  brauchten  die  Vandalen  in  Afrika  keinerlei  Rücksicht  mehr 
zu  üben;  aus  Bundesgenossen  wurden  sie  zu  offenen  Feinden,  die  Bonifatius 
vergeblich  mit  gothischen  Söldnern  aus  Italien  und  mit  Hilfstruppen  aus 
Konstantinopel  bekämpfte  (430/31  n.  Chr.),  bis  ihn  Galla  Placidia  an  ihren 
Hof  berief  (432  n.  Chr.).  Die  Kaiserin  ernannte  ihn  zum  Heermeister  an 
Stelle  des  ihr  zu  mächtig  gewordenen  Aetius.  Zwischen  den  beiden  Rivalen 
brach  ein  förmlicher  Krieg  aus;  Bonifatius  besiegte  zwar  den  Aetius  in  einer 
Schlacht  bei  Ariminum,  erlag  aber  bald  darauf  den  Folgen  einer  Verwundung. 
Aetius  suchte  Zuflucht  bei  seinen  Freunden,  den  Hunnen.  An  der  Spitze 
einer  Horde  des  wilden  Volkes  konnte  er  die  Kaiserin  so  einschüchtern, 
daß  sie  ihn  aufs  neue  in  das  Amt  eines  Oberbefehlshabers  einsetzte  (433 
n.  Chr.).  In  dieser  Eigenschaft  war  er  der  mächtigste  Mann  im  Westreicli. 
Den  Hunnen  wurde  damals  Pannonien  überlassen.  Mit  hunnischer  Hilfe  hielt 
Aetius  im  Westen  unter  den  Völkern,  die  ganze  Striche  von  Gallien  besetzt 
hatten,  den  Franken,  Gothen  und  Burgundern,  die  kaiserliche  Autorität 
nach  Möglichkeit  aufrecht.  Auch  nach  Spanien  griff  er  hinüber.  Er  verstand 
es,  die  verschiedenen  Stämme  gegeneinander  auszuspielen.  Sie  waren  durch 
Verträge  den  Römern  zu  Diensten  verpflichtet,  gingen  aber  unbedenklich 
zu  Feindseligkeiten  über,  zumal  wenn  bei  der  Bedrängnis  der  römischen 
Finanzen  die  vertragsmäßigen  Leistungen  nicht  erfüllt  wurden.  428  n.  Chr. 
führte  Aetius  mit  den  Franken  Krieg,  430  und  431  n.  Chr.  focht  er  in  Rätien 
und  Noricum,  432  n.  Chr.  zog  er  wiederum  gegen  die  Franken,  die  sich 
über  das  nördliche  Gallien  immer  weiter  ausdehnten.  435  n.  Chr.  schlug  er 
die  Burgunder,  die  bald  darauf  auch  den  Hunnen  erlagen  und  sich  erst 
später  wieder  erholen  sollten.  436 — 439  n.  Chr.  wurde  mit  den  Gothen  um 
Tolosa  ein  Krieg  geführt,  der  nach  einer  Niederlage  des  römischen  Feld- 
herrn Litorius  durch  einen  Friedensschluß  beendet  wurde.  Zugleich  spielten 
Bauernaufstände  in  Gallien  (435 — 437  n.  Chr.)  und  in  Spanien  (441,  443 
n.  Chr.).^)  Eine  vollständige  Unterwerfung  oder  Beschützung  der  westlichen 
Provinzen  war  ein  Ding  der  Unmöglichkeit.  Britannien  mußte  aufgegeben 
werden;  vergebens  baten  die  Briten  den  Aetius  um  Schutz  gegen  die  Pikten 
und  Skoten  (446  n.Chr.);  sie  mußten  sich,  wie  die  kaiserliclie  Regierung 
selbst,  an  fremde  Völker,  an  die  Angeln  und  Sachsen  wenden,  die  nunmehr 
übers  Meer  fuhren  und  sich  auf  der  Insel  heimisch  machten.  Von  den  Ein- 


ten früher  in  der  Baetica  gesessen,  waren  ^)  L.  Schmidt  in  Seeligers  historischer 

aber  von  Valia  (S.  415)  vernichtet  worden.  Vierteljahrsschrift  II  (1899)  449  ff. 

1)  Diese  Form,  lat.  Geisericus  (auch  Gai-  ^)  Der  Name  der  Bakauden  (Bagauden) 

sericus),  griech. /> Cf of/oc  oder  Ftt^egt/og,  ver-  erscheint  hier  nochmals.    Chronica  min.  II 

dient  als  die  am  besten  beglaubigte  vor  j   p.  24  Mommsen. 
Gensericus  den  Vorzug. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    III,  5.    5.  Aufl.                                                       27 


^■j^g  Römische  Geschichte. 

dringlingen  vertrieben,  setzte  sich  ein  Teil  der  britischen  Bevölkerung  an 
der  gegenüberliegenden  Küste  der  Areniorica  fest  und  trug  den  Namen 
Britannien  auf  den  Kontinent  hinüber. 

Ein  Versuch,  die  Kornprovinz  Afrika  den  Barbaren  wieder  zu  entreiLien^ 
wurde  vom  weströmischen  Hof  nicht  gemacht.  Vielmehr  räumte  Valen- 
tinianus  III  durch  einen  Vertrag  vom  Jahr  435  n.  Chr.  den  Vandalen  des^ 
Geiserich  einen  Teil  der  afrikanischen  Diözese  als  Wohnsitz  ein.  Vier  Jahre 
hielt  der  energische  Vandalenkönig  Ruhe;  dann  brachte  er  durch  einen  Hand- 
streich Karthago  in  seine  Ge>valt  (19.  Oktober  439  n.  Chr.).  Jetzt  konnte 
er  sich  als  den  Herrn  von  Afrika  betrachten.  Er  gründete  auf  dem  romani- 
sierten  Boden  ein  kriegerisches  Gemeinwesen  und  schuf  sich  eine  ansehn- 
liche Seemacht,  mit  der  er  die  gegenüberliegenden  Küsten  immer  wieder 
angriff.  Geiserich  war  überzeugter  Arianer  und  war  bestrebt,  in  seinem  Be- 
reich sein  Bekenntnis  mit  roher  Gewalt  zur  Herrschaft  zu  bringen;  die 
Katholiken  waren  unter  ilnn  und  seinen  Nachfolgern ')  vielfachen  Verfol- 
gungen ausgesetzt.^)  Gleich  nach  der  Einnahme  Karthagos  verheerte  er 
Sizilien  und  bedrohte  Italien  (440  n.  Chr.).  Im  Jahr  441  n.  Chr.  sollte  er  von 
den  Römern  beider  Reichshälften  mit  vereinten  Kräften  angegriffen  werden, 
Theodosius  II  hatte  nach  Sizilien  eine  starke  Flotte  entsandt,  die  aber  im 
nächsten  Frühjahr,  ehe  sie  gegen  Afrika  etwas  ausgerichtet  hatte,  zurück- 
berufen wurde.  Die  Hunnen  waren  nämlich  über  die  Donau  in  Mösien  und 
Thrakien  eingefallen  (441  und  442  n.  Chr.),  und  auch  die  östlichen  Provinzen 
wurden  von  Persern  und  Hunnen  bedroht;  Valentinianus,  der  ohne  die  ost- 
römische Hilfe  sich  zu  einer  Offensive  zu  schwach  fühlte,  sah  sich  genötigt^ 
mit  Geiserich  Frieden  zu  schließen  und  ihm  aufs  neue  die  von  ihm  besetzten 
Provinzen,  Afrika  und  Numidien  außer  einigen  Teilen,  einzuräumen  (442 
n.  Chr.).  Geiserich  sicherte  jährliche  Kornlieferungen  zu  und  stellte  seinen 
Sohn  Hunerich  als  Geisel.    Die  Ruhe  des  Reichs  hat  er  nicht  mehr  gestört. 

Günstiger  als  im  weströmischen  Reich  war  die  Lage  in  Ostrom,  das 
unter  der  langen  Herrschaft  des  zweiten  Theodosius  eine  weit  stetigere  Re- 
gierung hatte;  der  oströmische  Kaiser  erscheint  als  der  eigentliche  Träger 
der  einheitlichen  Regierungsgewalt.  Valentinianus  III  verdankte  dem  Theo- 
dosius II  seinen  Thron  und  war  deshalb  von  ihm  abhängig;  auch  verwandt- 
schaftliche Bande  wurden  geknüpft;  im  Jahr  437  n.  Chr.  reiste  Valentinian 
nach  Konstantinopel,  um  sich  mit  Eudoxia,  der  Tochter  des  Theodosius, 
zu  vermählen. 3)  Eine  bedeutsame  Rolle  spielte  am  oströmischen  Hof  die 
Schwester  des  Kaisers,  die  jungfräuliche  Pulcheria.  Ein  Krieg  gegen  die 
Perser,  der  nach  längerem  Frieden  im  Jahr  421  n.  Chr.  ausbrach,  wurde 
schon  im  nächsten  Jahr  siegreich  beendigt.  Im  übrigen  machten  außer  den 
Hunnen  die  stets  unruhigen  Isaurer  Schwierigkeiten.  Wieweit  man  vom 
inneren  Frieden  entfernt  war,  das  beweisen  die  von  dem  übereifrigen  Bischof 


')  Die  Reihe  der  vandalischen  Könige  ^)  Bald  darauf,  438  n.Chr.,  erfolgte  die 
ist:  Geiserich  (bis  477),  Hunerich  (477 —  Publikation  des  Codex  Theodosianus  durch 
484),Guntaniund(484— 496),Thransamund  die  beiden  Kaiser,  die  Sammlung  der 
(496—528),  Hilderich  (523—530),  Geilamir  kaiserlichen  Konstitutionen  seit  Konstan- 
oder Gelimer  (.530—534  n.  Chr.).  tin  d.  Gr. ;  seit  429  n.  Chr.  war  an  diesem 

^)  Worüber  die  Schrift  des  Victor  von  großen  Werk  gearbeitet  worden. 
Vita  de  persecutione  Vandalica  handelt.          j 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  HeiTscliaft  in  Italien,  (i?  -")4.l      41i) 

Kyrillos  beeinflufken  Händel  zwischen  Juden  und  Christen  in  Alexandrien 
(414  n.  Chr.);  der  Fanatismus  der  Anhänger  des  alexandrinischen  Bisehofs 
entlud  sich  schließlich  in  der  bestialischen  Ermordung  der  heidnischen  Philo- 
sophin Hypatia,  der  Tochter  des  Mathematikers  Theon  (415  n.  Chr.).  Auch 
in  christlichen  Kreisen  hatte  die  bedeutende  Frau,  die  Freundin  des  Bischofs 
Synesios,  in  Ansehen  gestanden.  Viel  Staub  wurde  aufgewirbelt  durch  die 
kirchlichen  Streitigkeiten,  die  über  der  Lehre  des  Xestorius,  des  Patriarchen 
von  Konstantinopel,  entstanden.  Der  unerquickliche  Kampf  für  und  wider 
störte  auch  den  Frieden  des  Kaiserhofs.  Der  römische  Papst  Caelestin  er- 
klärte sich  im  Jahr  430  n.  Chr.  gegen  Xestorius,  der  im  folgenden  Jahr  auf 
dem  Konzil  von  Ephesos  zum  Ketzer  gestempelt  und  als  Patriarch  abgesetzt 
wurde.  Bald  entspannen  sich  neue  dogmatische  Händel  zwischen  dem  un- 
gebildeten Abt  Eutyches  und  dem  Patriarchen  von  Konstantinopel.  Flavianus. 
Vom  Kaiser  begünstigt,  errang  die  Partei  des  Eutyches  im  Jahr  449  n.  Chr. 
auf  der  um  ihres  gewalttätigen  Verfahrens  willen  sog.  Räubers^^node  von 
Ephesos  den  Sieg.  Vergeblich  protestierte  der  römische  Papst  Leo.  Aber 
kurz  darauf,  450  n.  Chr.,  starb  der  schwache  Kaiser  Theodosius  II;  die 
Schwester  des  Kaisers,  die  Augusta  Pulcheria,  übernahm  als  einzige  in  Kon- 
stantinopel anwesende  Vertreterin  der  Dynastie  das  Regiment  und  erhob 
den  in  kirchlichen  Fragen  unbefangenen  Marcianus  zum  Gemahl  und  damit 
zum  Kaiser.  In  der  Folge  unterlagen  die  Eutychianer  auf  der  Synode  von 
Kalchedon;  die  früher  vom  Papst  Leo  an  Flavianus  gerichtete  epistula  dog- 
iNOflca  diente  der  Mehrheit  der  Bischöfe  zur  Richtschnur  (451  n.  Chr.). 

Der  größte  Machthaber  jener  Zeit  war  der  Hunnenkönig  Attila,  der  Sohn 
des  Mundiuch.')  Im  Jahr  434  n.  Chr.  der  Nachfolger  des  König  Ruas^)  ge- 
worden, teilte  sich  Attila  zunächst  in  die  Herrschaft  über  die  Hunnen  mit 
seinem  älteren  Bruder  Bleda,  den  er  aber  später  ermorden  ließ  (um  445 
n.  Chr.).  Unter  seiner  Herrschaft  vereinigte  nunmehr  Attila  die  hunnischen 
Stämme  insgesamt,  die  damals  das  heutige  Ungarn,  Rumänien  und  Süd- 
rußland besaßen:  das  einheitliche  Regiment  erhöhte  die  ungestüme  Stoß- 
kraft dieser  wilden  Völker  um  ein  Beträchtliches.  Einen  großen  Teil  der 
benachbarten  skythischen  und  germanischen  Stämme,  vornehmlich  die  Ost- 
gothen  und  Gepiden,  hatte  Attila  unterworfen,  seine  Oberhoheit  erstreckte 
sich  bis  an  den  Rhein.  Die  Hunnen  besetzten  Stücke  der  Provinzen  Pan- 
nonien  und  Mösien;  das  Ostreich  unter  Theodosius  II  hatte  mehrere  ver- 
heerende Invasionen  der  Hunnen  zu  erdulden  (441 — 443  und  447  n.  Chr.). 
Der  Kaiser,  mit  dem  Attila  auf  gleichem  Fuß  verhandelte,  mußte  sich  zu 
Tributzahlungen  herbeilassen,  wobei  man  sich  schamhaft  der  Fiktion  eines 
Gehalts  für  den  zum  maglster  militum  ernannten  Hunnenkönig  bediente. 
Die  guten  Beziehungen,  in  denen  Westrom  besonders  durch  die  Vermittlung 
ihres  alten  Freundes,  des  Aetius,  zu  den  Hunnen  gestanden  hatte,  trübten 
sich  und  auch  mit  Ostrom  geriet  Attila  in  Konflikt,  weil  Marcianus  die 
Weiterzahlung  des  Tributes  verweigerte.  Von  Valentinian  III  verlangte  Attila 
die  Hand  seiner  Schwester  Honoria  und  dazu  die  Hälfte  des  Westreichs 
als    deren  väterliches  Erbe:    in    der  Tat    hatte  Honoria   sich  dem  Hunnen- 


')  Oder  Mundzuk.  |        ^)   Audi  Rugas  oder  Rugila  genannt. 


4J0  Römische  Geschichte. 

kcinig  oi^eniiiäclitiu  imyctratfen.  war  ahcr  dann  von  ihrem  Bruder  zu  einer 
anderen  Ehe  ge/.wungen  worden.  ALs  Valentinian  die  Wünsche  Attihi.'^  nicht 
erfüllte,  machte  sich  der  ilunnenkrtnig  mit  einem  groL^en  Heer  zum  Angriff 
auf  Gallien  auf:  dorthin  rief  ihn  ohnehin  ein  Streit  unter  (]en  Franken; 
ein  fränkischer  Königssohn,  der  den  durch  den  Tod  seines  Vaters  erledigten 
Thron  ))ean.spruchte,  bat  um  Attilas  Hilfe  gegen  Aetius,  den  Gönner  des 
jüngeren  Bruders;  überdies  wünschte  Geiserich  seinen  Beistand  gegen  den 
Westgothenkönig  Theoderid.  Unter  großen  Verwüstungen  fiel  Attila  mit 
seinen  Hunnen  im  Jahr  451  n.  Chr.  in  Gallien  ein.  Aetius  trat  ihm  ent- 
gegen mit  den  Hilfsvölkern  des  weströmischen  Reiches,  den  Westgothen, 
Franken,  Burgundern  und  Sachsen,  Ostgothen  und  Gepiden  fochten  auf 
Attilas  Seite;  ein  hunnischer  Angriff  auf  Orleans  wurde  zurückgeschlagen. 
Dann  maßen  die  beiden  Heere  ihre  Kräfte  auf  den  katalauni.schen  Feldern 
bei  dem  Ort  Mauriacum  Avestlich  von  Troyes  in  einer  höchst  blutigen  Schlacht, 
die  nach  erbittertem  Ringen  schließlich  unentschieden  blieb;  besonders  her- 
vorgetan hatten  sich  die  Westgothen,  deren  König  auf  der  Walstatt  blieb. 
Attila  verzichtete  auf  einen  neuen  Kampf  und  ging  über  den  Rhein  zurück, 
um  im  nächsten  Jahr  (452  n.  Chr.)  nach  Italien  einzufallen;  die  Hunnen 
eroberten  das  feste  Ac^uileia  und  verheerten,  ohne  auf  Widerstand  zu  stoßen, 
die  Poebene.  Eine  Gesandtschaft  vornehmer  Römer,  darunter  Papst  Leo, 
beredete  den  Attila  zum  Rückzug  über  die  Donau.  Schon  waren  Hunger  und 
Krankheit  in  seinem  Heer  eingekehrt  und  überdies  bedrohten  die  Truppen 
des  Kaisers  Marcianus   das  Heimatgebiet. 

Attila  hatte  die  Absicht,  mit  Ostrom  abzurechnen,  als  er  eines  jähen 
Todes  verstarb  (453  n.  Chr.).  Sein  Reich  löste  sich  bald  auf,  da  seine  Söhne 
in  Zwist  gerieten  und  die  unterworfenen  Stämme  sich  unabhängig  machten. 
Attilas  ältester  Sohn  fiel  in  einer  Schlacht  gegen  die  Gepiden,  die  sich  nun 
in  Dacien  niederließen.  Verschiedene  gothische  Haufen  wurden  südlich  der 
Donau  angesiedelt,  die  Ostgothen  noch  unter  Marcianus  in  Pannonien.  Sie 
stehen  als  Föderierte  unter  einheimischen  Führern  im  Dienst  des  Kaisers, 
empfangen  Sold  und  Lieferungen  und  leisten  dafür  Grenzschutz  und  Kriegs- 
dienste. Aber  sie  sind  anspruchsvolle  Bundesgenossen;  nicht  selten  geraten 
sie  mit  dem  Kaiser  in  Streit,  namentlich  wenn  die  Besoldung  ausbleibt.  In 
diesem  Fall  halten  sie  sich  durch  Plünderung  schadlos.  Immer  beschämender 
wurde  die  Abhängigkeit  der  hilflosen  kaiserlichen  Regierung  von  den  wenig 
oder  gar  nicht  zivilisierten  fremden  Truppen,  unter  denen  neben  den  Germanen 
Isaurer  und  Hunnen  die  Hauptrolle  spielten.  Die  Hunnen  blieben  auch  in 
Zukunft  unbequeme  Nachbarn;  noch  unter  der  Regierung  des  Kaisers  Leo 
wagten  sie  einen  Einfall  nach  Thrakien,  wurden  aber  wieder  verjagt  (466 
n.Chr.).  Auch  siJäterhin  machten  sie  sich  des  öfteren  unliebsam  bemerklich: 
doch  ihre  eigentliche  Macht  hatte  mit  dem  Tod  Attilas  kulminiert. 

Bald  nach  der  Hunnenepisode  ließ  sich  Valentinianus  III  von  den  Wider- 
sachern des  Aetius  dazu  bestimmen,  diesen  überlegenen  Mann  mit  eigener 
Hand  zu  töten  (454  n.  Chr.).  Der  übel  beratene  Kaiser  hatte  die  beste  Stütze 
seiner  eigenen  Herrschaft  gefallt  und  schon  ein  Jahr  später,  am  16.  März 
455  n.  Chr.  traf  ihn  die  Rache  der  Gefolgsleute  des  Ermordeten :  auf  dem 
Marsfeld    in    Rom    wurde  Valentinian    erschlagen.    Unter   den    drei   Thron- 


8.  Sechste  Periode:  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (J<  :>4.t     421 

bewerbern  ging  schon  am  nächsten  Tag  der  hochangesehene  und  reiche 
Senator  Petronius  Maxinius  als  Sieger  hervor.  Der  neue  Kaiser  ernannte 
seinen  Sohn  Palladius  zum  Caesar.  Aus  dynastischen  Gründen  nötigte  er 
die  Kaiserinwitwe  Eudoxia  kurzer  Hand  zur  Ehe  und  vermählte  überdies 
deren  Tochter  seinem  eigenen  Sohn.  Aber  bald  erschien,  von  Eudoxia  ge- 
rufen, mit  Heer  und  Flotte  Geiserich,  der  nach  Valentinians  Ableben  sich 
durch  die  mit  ihm  geschlossenen  Verträge  nicht  mehr  gebunden  fühlte,  und 
landete  bei  Rom.  Maximus  Avurde,  als  er  aus  Rom  fliehen  wollte,  nach  nicht 
einmal  dreimonatlicher  Herrschaft  vom  Volk  gelyncht;  Geiserich  besetzte 
Rom,  plünderte  die  Stadt  und  zog  mit  reicher  Beute  und  vielen  Gefangenen 
ab;  darunter  befand  sich  auch  die  Kaiserin  Eudoxia  mit  ihren  beiden  Töch- 
tern. Den  Kaiserthron  bestieg  nun  Avitus,  ein  vornehmer  gallischer  Ar- 
verner,!)  einer  der  Genossen  des  Aetius  und  jüngst  von  Maximus  zum  Heer- 
meister ernannt.  Die  Nachricht  vom  Ende  des  Maximus  erreichte  ihn  in 
Tolosa,  wo  er  das  Bündnis  mit  den  Westgothen  erneuerte.  Im  Einvernehmen 
mit  dem  Gothenkönig  ließ  er  sich  in  Arelate  vom  Heer  als  Kaiser  begrüfäen 
(9.  Juli  455  n.  Chr.).  Mit  gothischen  und  burgundischen  Truppen  begab  er 
sich  nach  Rom  und  fand  auch  in  anderen  Provinzen  Anerkennung,  jedoch 
nicht  in  Ostrom.  Als  seine  Verbündeten  rückten  die  Westgothen  in  Spanien 
ein,  unterstützt  von  den  Burgundern,  die  443  n.  Chr.  feste  Wohnsitze  am 
linken  Rhöneufer  erhalten  hatten  und  jetzt  (456  n.  Chr.)  ilir  Gebiet  er- 
weiterten. Die  Sueben  wurden  besiegt  (456  n.Chr.);  einen  grofsen  Teil  Spa- 
niens nahmen  die  Gothen  in  Besitz.  Über  Geiserich,  der  den  Krieg  fort- 
setzte und  die  Friedensbedingungen  des  Marcianus  und  Avitus  ablehnte, 
errang  die  römische  Flotte  unter  Flavius  Ricimer  bei  Sizilien  einen  Sieg. 
Aber  die  Kaiserherrlichkeit  des  Avitus,  der  zunächst  nach  Gallien  zurück- 
gekehrt war,  sollte  nicht  lange  währen;  Ricimer,  der  Heermeister,  erhob 
sich  gegen  ihn,  schlug  ihn  bei  Placentia  und  nötigte  ihn  zur  Abdankung 
(Oktober  456  n.Chr.);  Avitus  ließ  sich  zum  Bischof  weihen.  Er  ist  bald 
darauf  gestorben.  Sein  Besieger  Flavius  Ricimer,  der  Sohn  eines  suebischen 
Vaters  und  einer  gothischen  Mutter,  der  Tochter  des  Königs  Valia,  besaß 
im  Westreich  eine  Machtstellung,  die  an  Stilicho  erinnert. 

Auch  in  Konstantinopel  trat  um  jene  Zeit  ein  Thronwechsel  ein.  Auf 
Marcianus  folgte  Kaiser  Leo,  der  seine  Würde  dem  einflußreichen  Gothen 
Aspar  verdankte  (7.  Februar  457  n.  Chr.).  Als  erster  Kaiser  ließ  sich  Leo 
von  einem  Bischof  krönen.  Auf  den  Thron  des  Westreichs  wurde  bei  Ra- 
venna  Julius  Valerius  Maiorianus  erhoben  (L  April  457  n.Chr.)  und  von  Leo 
wenigstens  als  Caesar  anerkannt.  Wie  Avitus,  so  hatte  auch  Maiorianus 
einst  unter  Aetius  gedient.  Maiorianus  wandte  sicli  zunächst  gegen  die  West- 
gothen, die  Freunde  des  gestürzten  Avitus:  er  befreite  das  von  ihnen  be- 
lagerte Arelate  und  nötigte  sie,  das  alte  Bündnis  zu  erneuern:  auch  in 
Spanien  schränkte  er  sie  ein.  Ein  Feldzug,  den  er  hernach  von  Spanien 
aus    gegen  Geiserich  vorbereitete,    blieb    in  den  Anfängen    stecken:   ja   der 

1)  Sein  vollständiger  Name  lautet  wahr-  ist  ungenügend  beglaubigt  und  schwer- 
scheinlich  Eparchius  Avitus.  De  Rossi,  In-  lieh  echt.  Vgl.  0.  Seeck,  PW  II  2395.  Der 
Script.  Christ.  I79Ö.  Mommsen,  Chronica  min.  Schwiegersohn  des  Avitus  war  Sidonius 
I  491.  Eine  Münze  mit  der  Aufschrift  M.  Apollinaris,  der  bekannte  Bischof,  Redner 
MaecH.  Acithiis  (EcKUEL,  Doct  num. Y11119S)  \    und  Schriftsteller. 


422  Römische  Geschichte. 

Kaiser  muüte  sicli  zu  einem  wenig  günstigen  Frieden  mit  dem  Vandalen- 
könig  bequemen  (460  n.Chr.).  Schon  am  2. August  401  n.Chr.  bemächtigte 
sich  Ricimer  der  Person  des  Kaisers  imd  ließ  ihm  fünf  Tage  später  den 
Kopf  vor  die  Füße  legen.  Zum  Nachfolger  bestellte  er  den  Libius  Severus. 
der  aber  außerhalb  Italiens  kaum  noch  Anerkennung  fand.  Die  eigentliche 
Regierung  lag  nach  wie  vor  in  Ricimers  Händen.  In  Gallien  griffen  die 
Westgothen  um  sich;  462  n.  Chr.  erwarben  sie  Narbo.  Ihrem  Vordrängen 
nach  Norden  erwehrte  sich  siegreich  der  mit  den  Franken  verbündete  Aegi- 
dius,  ein  Anhänger  des  Maiorianus,  der  von  Severus  nichts  wissen  wollte. 
Als  aber  Aegidius  im  Jahr  463  n.  Chr.  starb,  breiteten  sich  die  Gothen  auch 
nach  Norden  weiter  aus.  Italien  wurde  von  Geiserich  bedrängt,  der  von 
Afrika  aus  alljährlich  die  Küsten  und  die  Inseln  heimsuchte  und  sich  Sar- 
diniens bemächtigte;  Sizilien  war  eine  Zeitlang  von  Marcellinus,  dem  Befehls- 
haber in  Dalmatien,  geschützt  worden,  wurde  aber  nach  dessen  Rückkehr 
ebenfalls  das  Ziel  der  Piratenzüge  der  Vandalen.  Mit  Ostrom  machte  Gei- 
serich seinen  Frieden;  er  lieferte  die  Witwe  Valentinians,  Eudoxia,  an  Leo 
aus  (462  n.  Chr.),  nachdem  er  eine  ihrer  Töchter,  die  Eudokia.  seinem  Sohn 
Hunerich  zur  Gemahlin  gegeben  hatte.  Die  andere  Kaisertochter  heiratete 
den  vornehmen  Römer  Anicius  Olybrius,  dem  Geiserich  das  westliche  Kaiser- 
tum verschaffen  wollte.  Der  Tod  des  Severus  (15.  August  465  n.  Chr.)  machte 
den  Kaiser  Leo  zum  Alleinherrscher  des  ganzen  Reichs;  doch  behielt  Ricimer 
im  Westen  die  Leitung  der  Staatsgeschäfte.  Da  Geiserich  avif  seinen  Piraten- 
fahrten auch  die  griechischen  Küsten,  vornehmlich  den  Peloponnes,  unsicher 
machte,  so  wurde  beschlossen,  ihn  von  Italien  und  von  Konstantinopel  aus 
zu  bekriegen.  Leo  sandte  Anthemius,  den  Eidam  des  Kaisers  Marcianus, 
nach  Italien;  auf  dem  Weg  nach  Rom  riefen  die  Truppen  den  Anthemius 
zum  Augustus  aus;  den  bisher  allmächtigen  Ricimer  suchte  der  neue  Kaiser 
dadurch  zu  versöhnen,  dafs  er  ihm  seine  Tochter  zur  Ehe  gab.  Mit  großen 
Streitkräften  wurden  im  Jahr  468  n.  Chr.  die  Vandalen  zu  Wasser  und  zu 
Land  angegriffen,  Sardinien  und  Tripolis  ihnen  entrissen.  Das  Gros,  die 
kaiserliche  Flotte  unter  Basiliskos,  dem  Schwager  des  Kaisers,  erschien  vor 
Karthago,  wurde  aber  durch  eine  Kriegslist  Geiserichs  fast  völhg  vernichtet: 
damit  war  das  Schicksal  des  Feldzugs  in  der  Hauptsache  besiegelt;  der  An- 
griff wurde  eingestellt.  Schon  die  Zeitgenossen  führten  das  Fiasko  auf  den 
Verrat  des  Admirals  Basiliskos  zurück ;  Basiliskos  habe  den  Vandalenfreund 
Aspar  für  sich  gewinnen  wollen,  indem  er  die  Katastrophe  Geiserichs  ver- 
hütete, i)  Man  munkelte  auch  von  Bestechung  des  Basiliskos  durch  Geiserich 
und  nannte  sogar  die  Summe.  Die  Macht  des  Vandalenkönigs  stand  nach 
der  gescheiterten  Offensive,  bei  der  zum  letztenmal  das  Gesamtreich  mit- 
gewirkt hatte,  fester  denn  je. 

In  Konstantinopel,  wo  sich  verschiedene  Parteien  um  die  Macht  stritten, 
wußte  Aspar  es  durchzusetzen,  daß  sein  Sohn  Patricius  von  Leo  zum  Caesar 
ernannt  und  mit  einer  Tochter  des  Kaisers  vermählt  wurde.   Aber  das  Volk 


'i  In  der  kaiserlichen  Regierung  zeigten  lien  aus  den  Angriff  auf  Karthago  wieder- 

sich  auch  sonst  tiefe  Gegensätze.  Der  von  holen  wollte,  wurde,  wohl  auf  Ricimers  An- 

Ricimer    unabhängige    Marcellinus,     der  stiften,  ermordet.   Tillemont  VI  33(>f.  400. 
nach  der  Eroberung  Sardiniens  von  Sizi- 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  HeiTschaft  in  Italien.  (§  54.)     423 

von  Konstantinopel  nahm  gegen  Patricius  Partei  und  verbat  sich  durch  eine 
Deputation  die  Thronfolge  des  als  Arianer  mißliebigen  Patricius.  Aspar 
wurde  schließlich  ermordet  (471  n.  Chr.).  Sein  schärfster  Gegner,  der  Haupt- 
schuldige an  seinem  Tod,  war  der  Isaurer  Zenon,  der  Gemahl  der  Ariadne. 
der  älteren  Tochter  Leos.  Der  Sturz  Aspars  hatte  einen  Aufstand  der  föde- 
rierten Ostgothen  zur  Folge,  den  erst  im  Jahr  473  n.  Chr.  eine  Erneuerung 
des  friiheren  Bündnisses  beendete.  Leo  ernannte  in  diesem  Jahr  seinen  gleich- 
namigen Enkel,  den  Sohn  Zenons,  zu  seinem  Nachfolger  und  starb  kurz 
darauf  im  Februar  474  n.Chr.  Der  jüngere  Leo  nahm  seinen  Vater  zum  Mit- 
regenten, und  da  er  ebenfalls  bald  mit  Tod  abging,  so  blieb  Zenon  als 
alleiniger  Augustus  übrig.  Er  mußte  freilich  zunächst  dem  Basiliskos  weichen 
(Anfang  475  n.  Chr.),  Dieser  wurde  nämlich  von  seiner  Schwester  Verina. 
der  Witwe  Leos,  und  ihrem  Anhang  auf  den  Thron  gesetzt,  auf  dem  er 
sich  nicht  behaupten  konnte.  Verina  in  Gemeinschaft  mit  einflußreichen 
Truppenführern,  dem  Isaurer  lUus  und  anderen,  entschied  sich  für  Zenon. 
der  als  Kaiser  zurückkehren  durfte.  Basiliskos  verhungerte  im  Gefängnis 
(477  n.Chr.).!) 

Inzwischen  hatten  in  Westrom  die  Inhaber  der  höchsten  Gewalt  rasch 
gewechselt.  Schon  im  Jahr  470  n.  Chr.  hätte  das  gegenseitige  Mißtrauen,  das 
zwischen  Ricimer  und  dem  Kaiser  Anthemius  bestand,  beinahe  zum  Bürger- 
krieg geführt.  Zwei  Jahre  später  (472)  rebellierte  Ricimer  offen  und  stellte 
den  Olybrius  als  Gegenkaiser  auf.  Anthemius  wurde  in  Rom  auf  dem  Palatin 
l)elagert  und  am  11.  Juli  472  n.  Chr.  getötet.  Ricimer  sollte  seinen  Sieg  nicht 
lange  überleben  und  noch  im  selben  Jahr  verschied  auch  Olybrius  (2.  No- 
vember 472  n.  Chr.).  Als  sein  Nachfolger  ließ  sich  mit  Unterstützung  des 
Gundobad,  eines  Neffen  Ricimers,  in  Ravenna  (3.  März  473  n.  Chr.)  Glycerius 
zxuu  Kaiser  proklamieren;  aber  Kaiser  Leo  entschied  sich  statt  seiner  für 
Julius  Nepos,  einen  Verwandten  der  Kaiserin  Verina.  Als  Schwestersohn  des 
Marcellinus  hatte  Nepos  die  Herrschaft  seines  Oheims  über  Dalmatien  geerbt. 
Glycerius  wurde  gefangen  genommen  und  abgesetzt  (im  Juni  474  n.  Chr.). 
Aber  jetzt  empörte  sich  der  Patricius  Orestes  und  vertrieb  den  Nepos  aus 
Ravenna  nach  Dalmatien,  wo  er  sich  noch  bis  480  n.  Chr.  behauptete;  Orestes 
ließ  sein  Söhnchen  Romulus  zum  Augustus  ausrufen  (31.  Oktober  475  n.  Chr.): 
im  Namen  des  unmündigen  Sohnes,  den  die  Schriftsteller  Augustulus  nennen, 
während  er  auf  Münzen  als  Romulus  Augustus  pius  felix  Augustus  erscheint,  2) 
regierte  Orestes  selbst.  Aber  nun  erhoben  sich  die  germanischen  Söldner, 
Heruler,  Skiren  und  Turcilingen,  deren  Führer  Odoakar  war.  3)  Wie  in  den 
Provinzen  die  Kriegsvölker  feste  Wohnsitze  erhalten  hatten,  so  forderten 
sie  die  gleiche  Vergünstigung  für  sich  in  Italien,  und  da  Orestes  sich  ihnen 
versagte,  so  kehrten  sie  die  Waffen  gegen  ihn.  Odoakar  wurde  von  den 
Truppen  zum  König  ausgerufen  (23.  August  476  n.  Chr.),  Orestes  in  Placentia 


')  Vgl.  MoMMSEN,  Ges.  Sehr.  IV  561  ff.  gehörte  zum  Stamm  der  Skiren,  die  nach 

-)  Daß  Romulus  als  Kaiser  den  Namen  Attilas  Ende  von  den  Gothen  geschlagen 

Ävgustns  erhielt,  beweist  der  doppelte  Ge-  und  zerstreut  worden  waren.  Er  war  im 

brauch  des  Wortes,  erst  als  Name,  dann  Dienst  Ricimers  emporgekommen.   Auch 

als    Titel,    auf   den    Münzlegenden.    Vgl.  sein  Vater  Edeko  und  sein  Bruder  Onulf 

O.  Seeck,  PW  ja  1105  f.  hatten  sich  einen  Namen  gemacht. 
^)  Odoakar  {Odovacat-  auf  den  Münzen) 


424  Römische  Geschichte. 

überwältigt  und  got(")tei  iiiul  etliche  Tage  .spätei'  auch  sein  Pn-iulei-  Paiihis 
in  Ravenna.  Des  Komuhis  erbarmten  sich  die  germanischen  S/Udner:  man 
warf  dem  Entthronten  eine  Jahresrente  aus  und  verwies  ihn  auf  ein  Land- 
gut in  Kampanien.  Die  germanischen  Söldner  erhielten  Wohnsitze  in  Italien ; 
ein  Drittel  des  Landes  mußte  ihnen  überlassen  werden.  So  hatte  denn  Italien 
das  Schicksal  der  übrigen  Provinzen  des  Westreichs  zu  teilen. 

A.  GüLDENPENNiNo,  Gesch.  des  oström.  Reiches  unter  den  Kaisern  Arkadius  und 
Theodosius  II,  Halle  188.").  —  Sievers,  Studien  etc.  p.  419  ff.  —  J.  B.  Bury,  A  histori/ 
of  the  luter  ItonHoi  enipv-e.  front  Arcadius  to  Irene,  2  Bde.,  London  1889.  —  K.Hopf,  Art. 
Griechenland  in  Erscli  u.  Grubers  Enzyklopädie  der  Wissenschaften  I,  Bd.  85.  86.  — 
K.  Zeuss,  Die  Deutschen  und  die  Nachbarstänuue,  München  1837.  —  E.  v.  Wieters- 
heim,  Gesch.  der  V()lkerwanderung,  2.  Aufl.  von  F.  Dahn,  2  Bde.,  Leipzig  1880.  1881.  — 
Felix  Dahn,  Die  Könige  der  Germanen,  Bd.  1,  München  1861.  —  R.  Pall.mann,  Gesch. 
der  Völkerwanderung,  Gotha  1863,  2.  Teil,  Weimar  1864.  —  Georü  Kaufmann,  Deutsche 
Gesch.  bis  auf  Karl  d.  Gr.,  2  Bde.,  Leipzig  1880.  1881.  —  H.  v.  Sybel,  Entstehung  des 
deutschen  Königtums,  2.  Aufl.,  Frankfurt  a.  M.  1881.  —  Ludwig  Schmidt,  Allgemeine 
Gesch.  der  gernianiselien  Völker  bis  zur  Mitte  des  6.  .Jahrhunderts,  München  u.  Berlin 
1909.  —  F.  Papencokdt,  Gesch.  der  vandalischen  Herrschaft  in  Afrika,  Berlin  1837.  — 
L.  Schmidt,  Gesch.  der  Vandalen,  Leipzig  1902.  —  Junghans,  Gesch.  der  fränkischen 
Könige  Childerich  und  Chlodowech,  Göttingen  1857.  —  .Jahn,  Gesch.  der  Burgun- 
dionen, Halle  1874.  —  Binding,  Das  burgundisch-romanische  Königreich,  Leipzig  1868. 
—  0.  Seeck,  Gesch.  des  Untergangs  der  antiken  Welt,  Bd.  VI,  Stuttgart  1920,  Anhang 
1921.  —  .J.  Sundwall,  Weström.  Studien,  Berlin  1915. 

55.  Die  ostgothische  Herrschaft  in  Italien  und  Justinian.  Die  Er- 
hebung des  Barbaren  Odoakar  zum  König  in  Italien  gab  zwar  dem  west- 
römischen Kaisertum,  das  ja  schon  seit  der  Ermordung  Valentinians  III  unter 
der  tatsächlichen  Herrschaft  von  Heerführern  germanischen  Blutes  nur  noch 
ein  Scheindasein  gefristet  hatte,  den  Gnadenstoß;  aber  staatsrechtlich  hat 
das  Imperium  ßomanum  auch  nach  dem  Ende  der  Schattenkaiser,  nach  der 
Absetzung  des  ßomulus  Augustus  (476  n.  Chr.)  und  der  Ermordung  des 
letzten  abendländischen  Kaisers,  des  Julius  Nepos,  der  sich  jenseits  der  Adria 
in  Salona  in  Dalmatien  vier  Jahre  länger  hielt,  fortbestanden,  i)  nur  daß  das 
kaiserliche  Amt  in  Westrom  fortan  auf  den  oströmischen  Herrscher  —  da- 
mals regierte  Zenon  —  überging.  Bei  Zenon  suchte  eine  Gesandtschaft  des 
römischen  Senats  die  Bestätigung  des  Reichs verwesers  Odoakar  nach.  Nach 
einigem  Zögern  erfüllte  Ostrom  diese  Bitte  und  Odoakar  erhielt  vom  Kaiser 
den  Rang  eines  Patricius.  Er  herrschte  an  Kaisers  Statt  und  in  dessen  Auf- 
trag dreizehn  Jahre  lang  in  Italien  und  sicherte  dem  Land  den  Frieden 
nach  außen.  Mit  Geiserich  schloß  er  ein  Abkommen;  gegen  einen  jährlichen 
Tribut  behielt  Odoakar  den  größten  Teil  von  Sizilien;  auch  mit  den  West- 
gothen  verständigte  er  sich.  Seine  Herrschaft  beschränkte  sich  auf  Italien, 
was  zur  Folge  hatte,  daß  in  den  übrigen  Provinzen  des  weströmischen 
Reiches  die  kaiserliche  Autorität  fast  nichts  mehr  bedeutete.  In  Spanien 
und  Südfrankreich  breiteten  sich  die  Westgothen  unter  dem  tüchtigen  König 
Eurich,2)  dem  Sohn  des  Theoderid,  weiter  aus;  schon  Anthemius  hatte  ihnen 
vergebens  einen  Riegel  vorzuschieben  gesucht.  Vor  dem  Jahr  470  n.  Chr. 
eroberte  Eurich  einen  großen  Teil  Spaniens  und  vergrößerte  dann  sein  Ge- 
biet im  südlichen  Gallien.  Nach  längeren  Kämpfen  mit  dem  Römer  Ecdicius, 

')  Über  die  Fortdauer  der  Reichseinheit  -)  Eurich  regierte  von  466— 48-'J  n.  Chr. 

unter  Odoakar  und  Theoderich  vgl.  Momm-       Vgl.  O.  Seeck,  FW  VI  1289  ff. 
SEN,  Ges.  Sehr.  VI  3.S4  ff". 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Endo  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien .  i  §  .jö.)     _j.o_"^ 

dem  Sohn  des  Kaisers  Avitus,  den  die  Britannier  in  Aremorica  und  die 
Burgunder  unterstützten,  schoben  die  Westgothen  ihre  Herrschaft  bis  an 
die  Loire  und  Rhone  vor;  dann  schlofs  Eurich  mit  Kaiser  Nepos  einen  Waffen- 
stillstand (4^74  n.  Chr.).  Einige  Jahre  später  fielen  sogar  Massalia  und  Arelate 
in  die  Gewalt  der  Westgothen  (um  477  n.  Chr.).  Nur  ein  Teil  des  nordwest- 
lichen (lalliens  um  Soissons  verblieb  unter  Syagrius,  dem  Söhn  des  Aegidius, 
in  den  Händen  der  Römer,  bis  diese  den  Franken  erlagen.  Die  verschiedenen 
Stämme  der  Franken  einigte  in  jenen  Tagen  der  Begründer  der  fränkischen 
Macht  Chlodwig,  indem  er  seine  Mitkönige  beseitigte.  Er  überwältigte  den 
Syagrius  und  nahm  den  letzten  Rest  der  römischen  Herrschaft  für  sich  und 
sein  Volk  in  Besitz  (486  n.  Chr.).  Auch  die  zur  Diözese  Italien  gehörigen 
Donauprovinzen  Rätien  und  Noricum  fielen  mit  dem  größten  Teil  der  Alpen- 
landschaften   den  Alamannen,    Thüringern    und  anderen  Stämmen    anheim. 

In  Konstantinopel  gefährdete  den  Kaiser  Zenon  die  Empörung  eines 
seiner  höchsten  Beamten,  des  lUus,  der  sich  zusammen  mit  der  Kaiserin- 
witwe Verina  erhob  und  den  Leontios  zum  Kaiser  ausrufen  ließ  (484  n.  Chr.). 
Aber  nur  für  kurze  Zeit  fand  der  Prätendent  im  Orient  Anerkennung;  Illus 
mußte  sich  bald  nach  Isaurien  zurückziehen  und  wurde  hier  samt  Leontios 
nach  längerer  Belagerung  von  den  kaiserlichen  Truppen  gefangen  und  ge- 
tötet (488  n.  Chr.).  1)  Da  Odoakar,  den  Illus  um  Hilfe  angegangen  hatte,  in 
den  Verdacht  geriet,  den  Aufrührer  tatsächlich  unterstützt  zu  haben,  so 
stiftete  der  Kaiser,  um  sich  zu  rächen,  die  damals  nördlich  von  der  Donau 
wohnhaften  Rugier  zu  einem  Angriff  auf  Noricum  an.  Daraufhin  rückte 
Odoakar  an  die  Donau  vor,  wo  er  die  Rugier  schlug  und  verdrängte:  aber 
er  vermochte  Noricum  nicht  zu  behaupten  und  nahm  deshalb  einen  großen 
Teil  der  römischen  Bevölkerung  mit  sich  nach  Italien,  um  sie  dort  anzu- 
siedeln (487  n.  Chr.). 

Mit  dem  Kaiser  scheint  Odoakar  sich  wieder  verständigt  zu  haben.  Ein 
gefährlicherer  Feind  erstand  ihm  in  dem  kaiserlichen  Heerführer,  dem  Gothen 
Theoderich.  2)  Dieser  Sproß  aus  dem  Geschlecht  der  Amaler  gehörte  zu  den 
Ostgothen,  die  nach  Attilas  Tod  als  Föderierte  in  Pannonien  Wohnsitze 
gefunden  hatten.  Schon  sein  Vater  Thiudimer  zählte  zu  den  Führern  seines 
Stammes.  Theoderich  hatte  in  seiner  Jugend  jahrelang  als  Geisel  am  kaiser- 
lichen Hof  gelebt.  Als  Nachfolger  des  Vaters  an  die  Spitze  seiner  Stanniies- 
genossen  getreten,  hatte  er  unter  wechselnden  Umständen,  bald  als  Bundes- 
genosse, bald  als  Gegner  des  Kaisers  seinen  Gothen  immer  höhere  Jahrgelder, 
neue  Wohnsitze  in  Mösien  und  feste  Plätze,  wie  Singidunum  (Belgrad),  ver- 
schafft. Er  selbst  stieg  zur  Würde  eines  kaiserlichen  Adoptivsohnes,  Patricius 
und  Konsuls  (484  n.Chr.)  auf. 3)  Zuletzt  war  er  zum  Krieg  gegen  Illus  nach 

')  Vgl.  MoMMSEN,  Ges.  Sehr,  VII  713  ff.  mächtiger    Nebenbuhler,     zugleich    Vor- 

-)  Die   richtige  Namensform   ist  Theo-  wandter  und  Namensvetter  war  Tlieodc- 

derich:  die  Griechen  schreiben  ßsvöioiyog.  rieh   Strabo,    Sohn    des  Triarius.    Führer 

^)  Die  wechselvolle  Laufbahn  des  Theo-  einer   anderen    gothischen    Kriegerschar, 

derich    erzählt    im    Zusammenhang   .Jor-  Schwager  Asjjars  und  Förderer  des  Basi- 

danis   Get.  §  268  ff.    Die   eigene  Tätigkeit  liskos  (oben  S.  422  f.).    Bei  den  verschie- 

des  Theoderich  beginnt  im  .J.  471  n.  Chr.,  denen    inneren  Wirren   stützte    sich    der 

als  er,    ISjährig,   von  Kaiser  Leo  seinem  Kaiser  bald  auf  den  einen,  bald  auf  den 

Vater  wieder   zurückgesandt  wurde,    bei  anderen  der  beiden  Namensvettern.    Erst 

Gelegenheit    des    Sturzes    Asi)ar.s.     Sein  als  Theoderich   Strabo  481  n.  t!hr.   starb. 


42()  Römische  Geschichte. 

Kleinasien  gesandt,  aber,  da  der  Kaiser  lluii  nicht  traute,  zurückgerufen 
worden.  Er  nötigte  nunnielir  durch  einen  Zug  gegen  K«»nstantino])el  den 
Kaiser  Zenon,  ihm  den  Auftrag  mi  erteilen,  Odoakar,  seinen  persönlichen 
Feind,  aus  Italien  zu  verdrängen,  ein  Ziel,  das  er  schon  lange  erstrebt  hatte. 
Er  sammelte  also  zu  diesem  Zweck  seine  gotbischen  Scharen;  andere  Kriegs- 
völker ^)  schlössen  sich  an,  und  im  Winter  488  89  n.  Chr.  setzte  sich  Theo- 
derich in  Marsch.  Die  Gepiden  an  der  Save,  die  den  Weg  sperrten,  wurden 
überwältigt.  Odoakar  wurde  an  der  Grenze  Italiens,  am  Isonzo,  geschlagen 
(28. August  489  n.Chr.);  nach  einer  zweiteii  Niederlage  bei  Verona  zog  er 
sich  in  seine  Hauptstadt  Ravenna  zurück :  ein  Teil  seines  Heeres,  auch  Rom 
und  andere  Landschaften  Italiens  fielen  von  ihm  ab.  Aber  dann  trat  ein 
Rückschlag  ein;  die  Abgefallenen  kehrten  teilweise  wieder  zu  Odoakar  zurück, 
doch  behauptete  Theoderich  mit  Hilfe  der  Westgothen  das  Übergewicht:  am 
Addua  erfocht  er  einen  neuen  Sieg  (11.  August  490  n.  Chr.),  worauf  er 
den  Odoakar  in  Ravenna  einschloß.  In  diesem  festen  Platz  verteidigte  sich 
Odoakar  mehr  als  zwei  Jahre  lang  unter  mannigfachen  Kämpfen:  erst  nach- 
dem Theoderich  sich  eine  Flotte  verschafft  und  Ravenna  von  der  Seeseite 
eingeschlossen  hatte,  mußte  er  kapitulieren.  Es  kam  ein  Vergleich  zustande, 
demzufolge  Odoakar  und  Theoderich  gemeinsam  regieren  sollten:  nachdem 
aber  Theoderich  in  Ravenna  eingezogen  war  (5.  März  493  n.  Chr.),  wurde 
Odoakar  umgebracht ;  seine  über  Italien  verstreuten  Leute  mußten  mitsamt 
ihren  Familien  das  Los  ihres  Königs  teilen. 

Der  Sieger  Theoderich  konstituierte  seine  Herrschaft  in  Italien,  mit  Ein- 
schluß Siziliens,  das  ihm  auf  Grund  eines  Abkommens  mit  den  Vandalen 
schon  im  Jahr  491  n.  Chr.  zugefallen  war.  Den  gotbischen  Stämmen,  die  mit 
Weib  und  Kind  eingezogen  waren,  mußte  ein  Drittel  des  italischen  Bodens 
y.ur  Ansiedlung  und  zum  Unterhalt  überlassen  werden.  Mit  dem  Grund  und 
Boden  ging  der  zugehörige  Teil  des  lebenden  und  toten  Inventars,  auch  die 
Kolonen,  auf  die  neuen  Besitzer  über.  Die  Gothen  wurden  vorzugsweise 
in  den  nördlichen  und  nordöstlichen  Landesteilen  angesiedelt.  Sie  betrachten 
sich  als  Herren  des  Landes;  sie  sind  der  Krieger-  und  Wehrstand,  ver- 
mischen sich  nicht  mit  den  Römern,  2)  haben  ihren  eigenen  Gerichtsstand  und 
ihre  eigene  Kirche;  sie  sind  Arianer,  während  Italien  im  übrigen  orthodox 
ist.  Theoderich  wird  ihr  König:  nach  dem  Ableben  des  Kaisers  Zenon 
{9.  April  491  n.  Chr.)  war  er  vor  Ravenna  vom  Heer  zum  König  ausgerufen 
worden.  Zugleich  herrscht  er  im  Namen  und  Auftrag  des  Kaisers  über  die 
Römer.  Allerdings  verstrichen  Jahre,  bis  der  Kaiser  Anastasios,  der  Nach- 
folger Zenons,  ihm  die  formelle  Anerkennung  gewährte,  die  497  n,  Chr. 
erfolgt  zu  sein  scheint.  Theoderich  führt  den  kaiserlichen  Familiennamen 
als  Flavins  Theodericiis  rex  und  übt  im  Bereich  seiner  Herrschaft  als  Be- 
auftragter des  Kaisers  die  kaiserliche  Gewalt  aus.  Italien  wurde  unter  ihm 
nach  dem  römischen  Recht  und  in  den  hergebrachten  Verwaltungsformen 
regiert.    Römische  Beamte,    unter  ihnen  Boethius   und  Cassiodorus   standen 

gewann  der  Amaler  Theoderich  für  seinen  läge  durch  Odoakar  zu  Theoderich  ge- 
Ehrgeiz  freie   Bahn.    Er    wurde   für   484       rettet  hatte, 

n.  Chr.  Konsul.  i        •')  Ehen  zwischen  Gothen  und  Römern 

M  z.B.  eine  Schar  Rugier,  die  sich  unter  j    waren  verboten, 

ilirem  P^irsten  Friedrich  nach  der  Nieder-  ' 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (§  ")•'». i     4^7 

dem  Herrscher  zur  Seite.  Theoderich  zeigte  sich  als  einsichtigen  und  milden  Ke- 
genten, der  auch  seine  Gothen  in  Schranken  zu  halten  wußte;  zugleich  nahm 
er  sich  der  römischen  Untertanen  an,  ließ  Bauten  und  andere  niitzliche  Ar- 
beiten ausführen  und  beschützte  trotz  seiner  eigenen  Unbildung  Künste  und 
Wissenschaften;  vor  allem  aber  gewährte  er  dem  Land  die  Segnungen  einer 
langen  Friedenszeit. 

Die  kaiserliche  Regierung  erblickte  in  Theoderich  immer  den  Usurpator. 
Deshalb  suchte  der  Ostgothe  einen  Rückhalt  an  den  übrigen  germanischen 
Stämmen;  schon  492  n.  Chr.  heiratete  er  des  Frankenkönigs  Chlodwig  Tochter, 
Audefleda,  und  verschwägerte  sich  mit  dem  Burgunder  Gundobad,  der  von 
nun  an  die  früher  geübten  Feindseligkeiten  gegen  Italien  einstellen  mußte. 
Der  Vandalenkönig  Thransamund  vermählte  sich  mit  Theoderichs  Schwester 
Amalafrida.  die  mit  ansehnlichem  Gefolge  nach  Karthago  kam  und  dem 
Gatten  Lilybaeum  auf  Sizilien  als  Mitgift  zubrachte.  Auch  mit  den  Alamannen 
und  Thüringern  schloß  Theoderich  Freundschaft.  Am  engsten  verband  er 
sich  mit  den  Westgothen;  Eurichs  Sohn  Alarich  II  wurde  sein  Eidam.  Nicht 
zuletzt  durch  diese  seine  dynastische  Politik  sicherte  sich  Theoderich  im 
ganzen  Westen  einen  weitreichenden  Einfluß,  der  ihn  gewissermaßen  zum 
Erben  des  weströmischen  Kaisers  machte.  Er  durfte  es  wagen,  in  das  Ge- 
biet Ostroms  überzugreifen,  gegen  seine  Feinde,  die  Gepiden,  zu  Feld  zu 
ziehen  und  sich  durch  die  Eroberung  von  Sirmium  an  der  Donau  festzu- 
setzen, worüber  es  zu  einem  ernstlichen  Zusammenstoß  seines  Heeres  mit 
oströmischen  Streitkräften  kam  (504  n.  Chr.).  Theoderichs  Macht  beruhte  auf 
seinem  Heerwesen,  das  er  auf  der  Höhe  zu  halten  wußte,  sowie  auf  einer 
wohlgeordneten  Verwaltung,  die  beträchtliche  Überschüsse  abwarf,  während 
die  kaiserliche  Regierung  unter  chronischer  Finanznot  litt. 

Das  politische  System  des  Theoderich,  das  auf  die  Eintracht  und  das 
Gleichgewicht  der  avif  weströmischem  Gebiet  angesiedelten  Germanen  ein- 
gestellt war.  wurde  gestört  durch  die  Ausbreitung  der  Franken.  Durch  einen 
großen  Sieg  erwarb  Chlodwig  die  Oberherrschaft  über  die  Alamannen  (49<) 
n.  Chr.)  und  trat  hierauf  zum  Christentum  über,  und  zwar  nicht  zum  ariani- 
schen  Bekenntnis,  sondern  zum  orthodoxen  Glauben;  er  schloß  sich  also 
der  kirchlichen  Gemeinschaft  der  gesamten  römischen  Bevölkerung  an.  Da- 
durch gewann  er  ein  moralisches  Übergewicht  über  die  arianischen  Gothen. 
die  von  ihren  Untertanen  durch  die  Kluft  konfessioneller  Spaltung  getrennt 
waren,  und  sicherte  sich  bei  seinen  Unternehmungen  den  Beistand  und  die 
Sympathie  seiner  katholischen  Glaubensgenossen.  Zunächst  machte  er  die 
burgundischen  Könige  von  sich  abhängig  und  griff  dann  die  Westgothen 
an,  deren  König  Alarich  II  bei  Vougle  (bei  Poitiers)  Schlacht  und  Leben 
verlor  (507  n.  Chr.);  die  Westgothen  wurden  fast  ganz  aus  Gallien  verdrängt. 
Chlodwigs  Vorgehen  hatte  den  Beifall  des  Kaisers  Anastasios,  der  mit  Theo- 
derich in  Feindschaft  geraten  war  und  in  dem  Franken  einen  natürlichen 
Bundesgenossen  begrüßte;  ^)  eine  oströmische  Flotte  griff  507  n.  Chr.  die 
unteritalischen  Küsten  an.  Theoderich  hatte  den  Angriff"  der  Franken  nicht 
hindern  können,    kam  aber  jetzt  den  Westgothen  zu  Hilfe.    Er  verl)ündete 

')  Zum  Zeichen  seines  Einvernehmens  übersandte  Anastasios  dem  Chlodwig  die 
konsularischen  Insisjnien,  509  n.Chr. 


428  Römische  Geschichte. 

sich  mit  dem  König  der  Tlüiringer,  Herminafrid,  dem  NachUarn  der  Franken, 
und  ließ  sein  Heer  in  die  Narbonensis  einrücken.  Das  fränki.sch-hurgundisciie 
Heer,  das  Arelate  belagerte,  wurde  geschlagen  (508  n.  Chr.):  die  Burgunder 
wurden  verdrängt;  wenigstens  die  südgallischen  Küstenland.schaften  mit  Ein- 
schluß Avignons  entriß  Theoderich  den  Franken  und  Burgundern,  um  sie 
in  eigene  Verwaltung  zu  nehmen.  Zugleich  ordnete  er  bei  den  Westgothen 
die  Thronfolge ;  er  vertrieb  den  Gesalich,  einen  Sohn  Alarichs  H,  und  setzte 
dessen  jüngeren  unmündigen  Sohn,  seinen  Enkel  Amalaricli.  auf  den  Thron. 
Er  selbst  übernahm  bei  den  Westgothen  die  Regierung  (510  n.  Chr.).  Mit 
den  Franken  muß  sich  Theoderich  verständigt  haben:  iiinen  blieb  der  größte 
Teil  Aquitaniens.  Nach  Chlodwigs  Tod ')  beteiligte  er  sich  sogar  mit  dessen 
Söhnen  an  dem  Kampf  gegen  die  Burgunder,  denen  er  die  südlichsten  Teile 
ihres  Gebietes  abnahm  (523  n.  Chr.). 

Unterdessen  war  auch  das  Zerwürfnis  mit  dem  Kaiser  beigelegt  und  das 
äußere  Einvernehmen  wiederhergestellt  worden  (510  n.  Chr.).  Anastasios 
hatte  in  seinem  eigenen  Gebiet  mit  äußeren  und  inneren  Schwierigkeiten 
zu  kämpfen;  er  mußte  also  den  Westen  dem  Theoderich  überlassen.  Nach 
dem  Abzug  der  Ostgothen  beginnen  seit  493  n.  Chr.  die  Einfälle  der  Slawen 
und  besonders  der  Bulgaren,  die  fast  alljährlich  wiederkehren.  Es  wurde 
nötig,  zum  Schutz  der  Hauptstadt  und  ilirer  Umgebung  eine  lange  Mauer 
quer  über  das  Land  zu  ziehen  (507  n.  Chr.).  In  Kleinasien  empörten  sich  die 
Isaurer  (492 — 497  n.Chr.);  ein  mehrjähriger,  vmentschiedener  Krieg  mußte 
mit  den  Persern  geführt  werden  (502 — 50(5  n.  Chr.).  Dann  brachen  innere 
Wirren  aus,  die  aus  einer  von  Anastasios  tolerierten  Abweichung  vom  ortho- 
doxen Dogma  erwuchsen.  Anastasios  geriet  darüber  in  Konflikt  mit  dem 
Patriarchen  von  Konstantinopel  wie  mit  dem  römischen  Papst  Hormisdas.^) 
Im  Jahr  511  n.  Clir.  entstand  in  der  Hauptstadt  ein  großer  Aufruhr,  und 
in  den  Jahren  514  und  515  n.  Chr.  erhob  sich  Vitalianus  an  der  Spitze  eines 
Heeres  zum  Schutz  der  Orthodoxie  und  zwang  den  Kaiser,  einzulenken. 
Vitalianus  revoltierte  ein  drittes  Mal  im  Jahr  518  n.  Chr. ;  da  verstarb  Ana- 
stasios eines  plötzlichen  Todes.  Unter  Hintansetzung  der  Verwandten  riefen 
die  hauptstädtischen  Truppen  den  Justinus  zum  Kaiser  aus  (10.  Juli  518 
n.  Chr.).  Justin  3)  steuerte  seinen  Kurs  in  entgegengesetzter  Richtung;  diesem 
erklärten  Orthodoxen  lag  viel  daran,  die  Glaubensunion  und  das  Einvernehmen 
mit  dem  römischen  Papst  wiederherzustellen.  Desgleichen  erstrebte  er  ein 
gutes  Verhältnis  zu  Theoderich  und  gewann  so   auch   in  Italien  Einfluß. 

Ein  nicht  unwichtiges  Ereignis  war  die  Besteigung  des  vandalischen 
Königsthrones  durch  Hilderich.  den  Sohn  Hunerichs  und  der  Eudokia.  den 
Freund  Justins,  im  Jalir  523  n.  Chr.  nach  dem  Tod  König  Thransamunds. 
Auch  er  schlug  andere  Balinen  ein  als  seine  Vorgänger,  Die  Verfolgung  der 
Orthodoxen,  die  Geiserixih  und  besonders  Hunerich  betrieben  hatte,  hörte 
auf.  Hilderich  lehnte  sich  an  den  Kaiser  an :  Amalafrida,  die  Königinwitwe, 
und  ihr  gothisches  Gefolge,  die  Stützen  der  früheren  Politik  und  des  ost- 
gothischen  Bündnisses,  wurden  aus  dem  Weg  geräumt.  Um  die  an  seiner 
Schwester  und  ihren  Leuten  begangenen  Frevel  zu  sühnen,  bereitete  Theo- 

')  Chlodwig  starb  511  n.Chr.  keit  des  Papstes  dem   Kaiser  gegenüber. 

2)  Theoderich  schützte  die  Selbständig-  =)  Vgl.  E.  Stein,  PW  X  13U  ff. 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiseizeit  b.  z.  Ende  d.  ostgotb.  Herrschaft  in  Italien.  (^  "»•J-)      420 

derich  einen  Zug  nach  Afrika  gegen  Hilderirli  vor.  Um  die  nämliche  Zeit 
wurden  in  Italien  hoeliverräterische  Umtriebe  des  vornehmen  römiscjien 
Elements  gegen  Theoderich  ruchbar,  die  zur  Verurteilung  und  seldief.ilich 
zur  Hinrichtung  des  magii<ter  officioriim  Boethius  und  des  jüngeren  Sym- 
machus  (524  und  525  n.  Chr.)  fiihrten.  Auch  der  konfessionelle  Gegensatz 
der  Römer  zu  den  arianischen  Gothen  machte  sich  unter  dem  Druck  der 
orthodoxen  Bestrebungen  des  Justinus  fühlbarer.  Tlieoderich  verwendete 
sich  bei  Justinus  zugunsten  der  Arianer  im  oströmischen  Reich  und  erreichte 
in  der  Tat  einige  Milderungen. 

Den  von  Tlieoderich  beabsichtigten  Angriff  auf  die  Vandalen  vereitelte 
der  Tod,  der  ihn  am  30.  August  526  n.  Chr.  aus  seinen  Plänen  herausriü. 
Zum  Nachfolger  hatte  er  ursprünglich  Eutharich,  den  Gemahl  seiner  Tochter 
Amalasuntha,  ausersehen  gehabt.  Aber  Eutharich  war  vor  ihm  gestorben, 
und  so  wurde  denn  unter  der  Zustimmung  des  Kaisers  Eutharichs  zehn- 
jähriger Sohn  Athalarich  auf  den  Thron  gesetzt  unter  der  Vormundschaft 
seiner  Mutter  Amalasimtha.  Der  Thronwechsel  war  von  wichtigen  Folgen 
begleitet.  Der  Krieg  gegen  die  Vandalen  wurde  aufgegeben;  die  Vereinigung 
der  Ost-  und  Westgothen  ging  alsbald  in  die  Brüche.  Bei  den  Westgothen 
übernahm  Amalarich  das  Königtum,  Spanien  löste  sich  wieder  von  Italien. 
Die  Franken  griffen  erneut  um  sich.  Amalarich  wurde  im  Jahr  531  n.  Chr. 
von  ihnen  geschlagen  und  verlor  Thron  und  Leben.  Dann  wandten  sich 
die  Franken  gegen  den  Thüringer  Herminafrid,  Theoderichs  Verbündeten 
und  Verwandten;  sie  schlugen  ihn  und  zertrümmerten  seine  Herrschaft:  er 
selbst  fiel.  Ferner  griffen  sie  Burgund  an  und  bedrohten  den  ostgothischen 
Besitz  in  Südgallien;  im  Jahr  534  n.Chr.  nahmen  sie  Burgund  in  Besitz 
und  wurden  unmittelbare  Nachbarn  Italiens.  In  Italien  selbst  geriet  die 
königliche  Autorität  ins  Wanken.  Zwar  nahm  die  Regierung  zunächst  in 
der  bisherigen  Weise  ihren  Fortgang,  aber  die  nach  Rom  und  Konstantinopel 
orientierte  Politik  der  Regentin  Amalasuntha  erweckte  eine  starke  gothische 
Opposition,  gegen  die  sich  die  Bedrohte  durch  Konspirationen  mit  Kaiser 
Justinianus,!)  dem  Neffen  und  Nachfolger  des  im  Jahr  527  verstorbenen 
Justinus,  zu  decken  suchte. 

Die  Regierung  Justinians  macht  in  der  Geschichte  des  römischen  Kaiser- 
tums Epoche.  2)  Dieser  Kaiser  hat  sicli  in  der  Rechtsgeschichte  durch  die 
neue  Sammlung  und  Bearbeitung  der  Rechtsquellen,  der  Konstitutionen,  der 
Digesten  und  Institutionen,  die  in  den  Jahren  529 — 533  n.  Chr.  vollendet 
und  an  Gesetzes  Statt  veröffentlicht  wurde,  einen  unsterblichen  Namen 
gemacht.  Er  war  ein  Herrscher,  der  große  Entwürfe  gefaßt  und  ausgeführt 
hat;  einen  bedeutenden  Einfluß  auf  die  Regierung,  ja  geradezu  die  Mit- 
regentschaft, übte  seine  ungewöhnlich  kluge  und  energische  Gemahlin  Theo- 
dora,3)  die  trotz  ihrer  dunkeln  Vergangenheit  ihre  neue  Rolle  als  Augusta 
virtuos  spielte  und  ungescheut  ihre  eigene  Politik  machte.^)  Prachtliebend 
wie  er  war,  ließ  er  im  ganzen  Reich  glänzende  Bauten  aufführen,  nament- 


')  Am  1.  April  527  n.  Chr.  wurde  Justi-       zeitung  1917,  387  ff. 

nianus  zum  Mitregenten  ernannt,   schon  1        ^)  ILSInr.  831. 
am  1.  August  starb  Justinus.  ^)  ^ie  starb  548  n.  Chr. 

2)Vgl.K  J.Neümann,  Deutsche  Literatur-  | 


4;]()  Römische  Geschichte. 

licli  Kiiclicii,  mitei'  denen  die  Sophienkirche  in  Konstantinopel  not-li  heute 
zeigt,  auf  welcher  Höhe  das  technische  Kr)nnen  der  Architekten  und  Bau- 
meister stand.  In  seinem  Eifer,  die  kirchliche  und  dogmatische  Einheit  her- 
zustellen, schreckte  Justinian  auch  vor  Gewaltmitteln  nicht  zurück;  er  ver- 
folgte die  Häretiker,  vor  allem  die  Arianer,  wie  die  Heiden  oder  Hellenen. 
Indem  er  die  Schliefäung  der  Universität  Athen  verfügte  (529  n.  Chr.),  be- 
raubte er  die  heidnische  Intelligenz  ihrer  letzten  Zufluchtsstätte.  Die  besonders 
in  Kleinasien  noch  zahlreichen  Heiden  wurden  bekehrt.  In  die  äußerste 
Gefahr  geriet  Justinians  Kegierung  im  Jahr  532  n.  Chr.  durch  den  von  den 
vereinigten  Zirkusparteien  unternommenen  sog.  Nikaaufstand,  der  halb  Kon- 
stantinopel  in  Asche  legte.  Die  Aufrührer  hatten  bereits  einen  Neffen  des 
Anastasios,  Hypathios,  zum  Kaiser  ausgerufen  und  nur  das  mannhafte  Auf- 
treten der  Theodora  rettete  dem  schon  zur  Flucht  entschlossenen  Gemahl  im 
letzten  Augenblick  die  Kaiserkrone.  Die  Revolution  wurde  im  Blut  erstickt. 
Justinians  vornehmstes  Streben  galt  der  Wiederaufrichtung  des  kaiser- 
lichen Imperiums  über  den  Westen  und  dieser  Absicht  waren  die  äufseren 
Umstände  nicht  ungünstig,  nachdem  ein  Perserkrieg  der  ersten  Regierungs- 
jahre zu  einem  „ewigen"  Frieden  geführt  hatte  (532  n.  Chr.).  Die  Aktions- 
freiheit, die  er  damit  gewann,  benutzte  der  Kaiser  zunächst  gegen  die  Van- 
dalen.  Den  Anlaß  zu  einer  Intervention  bot  ein  gewaltsamer  Thronwechsel. 
Der  Römerfreund  Hilderich,  dessen  schwächliche  Politik  den  Unwillen  der 
Vandalen  erregte,  war  entthront  und  durch  Geilamir  (Gelimer)  ersetzt  worden. ') 
Justinian  mischte  sich  zugunsten  des  Gestürzten  ein;  als  er  auf  diploma- 
tischem Weg  für  seinen  Schützling  nichts  erreichte,  griff  er  zu  den  Waffen. 
Die  Herrschaft  der  Vandalen  stand  auf  recht  schwaclien  Füßen:  die  kirch- 
lichen Streitigkeiten,  die  Verfolgungen  der  Orthodoxen  hatten  die  römischen 
Untertanen  erbittert;  die  vandalische  Herrenschicht  war  durch  verlustreiche 
Kämpfe  gegen  die  Mauren  geschwächt.  Auf  die  Kunde  von  dem  bevor- 
stehenden Angriff'  Ostroms  fielen  Tripolis  und  Sardinien  von  Geilamir  ab. 
Mit  der  Führung  des  Krieges  betraute  der  Kaiser  einen  bewährten  Heer- 
führer, seinen  engeren  Landsmann  Belisarios.  Amalasuntha  förderte  das 
Unternehmen  und  gewährte  der  Expedition  einen  Stützpunkt  in  Syrakus, 
von  wo  Belisarios  mit  verhältnismäßig  geringer  Macht  nach  Afrika  übersetzte; 
das  Heer  der  Vandalen  wurde  in  zwei  Schlachten  besiegt  (533  n.Chr.),  Geilamir 
als  Gefangener  mit  zahlreichen  Vandalen  nach  Konstantinopel  geschickt. 
Die  afrikanischen  Provinzen  kamen  zum  guten  Teil  wieder  unter  kaiser- 
liche Verwaltung;  2)  freilich  blieben  beide  Mauretanien  zum  größten  Teil 
in  den  Händen  der  einheimischen  Stämme,  und  Afrika  mit  Numidien  wurde 
durch  die  Einfälle  der  Mauren  und  durch  wiederholte  Meutereien  der  Truppen 
oft  genug  beunruhigt.  3) 


')  Der  Name  Geilamir  wird  durch  die  von  Sizilien  aus  einschreiten,  und  später, 

Münzen  wie  durch  den  Dichter  Corippus  .544:  n.Chr., entstand  nochmals  durch  einen 

bezeugt.  Aufstand  der  Mauren  ein  längerer  Krieg, 

2)  Der  Patricius  Solomon  wurde  nach  den  der  Feldherr  Johannes  Troglita  über- 
der  Eroberung    mit  der  Verwaltung  der   1    wand ;  diesen  Krieg  schildert  die  Johannis 

Provinzen  beauftragt.  Procop.Vand.il  8  f.  des  Corippus  in  epischem  Stil.  Yg\.  Cor ippl 

ILS  I  nr.  831.  libri  qui  supersunt  rec.  J.  Paktsch  (Monnm. 

^)   Belisarios   mußte  schon   536  n.  Chr.  Genn.  hist.  auct.  antiquiss.  III  2,  1879). 


8.  Sechste  Periode:  Die  Kaiserzeit  b.  Z.Ende  d.ostgoth.  Herrschaft  in  Italien,  (ij  ö.").)     _j.;^j 

Die  Zertrümmerung  des  vandalisehen  Königtums  bildete  den  Auftakt 
zur  Eroberung  Italiens.  Die  Vandalenmacht  hatte  bisher  als  erwünschtes 
Gegengewicht  gegen  Ostrom  gewirkt,  weshalb  der  Ostgothenkönig  Tiieoderich 
auf  eine  möglichst  enge  Verbindung  bedacht  gewesen  war  und  es  auch  ver- 
standen hatte,  die  guten  Beziehungen  im  ganzen  aufrecht  zu  erhalten. i)  Um 
so  schärfer  wurde  die  Unterstiitzung,  die  seine  Tochter  Anuilasuntha  dem 
Belisarios  zuteil  werden  ließ,  von  den  Gothen  in  Italien  gemilabilligt.  Die 
Gothen  hatten  sich  nach  der  Überwältigung  der  Vandalen  auf  Sizilien  in 
den  Besitz  von  Lilybaeum  gesetzt  und  dadurch  dem  Kaiser  einen  will- 
kommenen Kriegsvorw^and  geliefert. 

Den  Ausbruch  der  Feindseligkeiten  verursachten  dynastische  Wirren  in 
der  königlichen  Familie.  Nach  dem  Tod  des  von  jeher  kränklichen  Königs 
Athalarich  (2.  Oktober  534  n.  Chr.)  erkor  sich  Amalasuntha  zum  Mitregenten 
den  unwürdigen  Theodahad,  der  seine  Gönnerin  schon  nach  kurzem  (Früh- 
jahr 535  n.Chr.)  gefangen  setzen  und  umbringen  ließ.  Auf  dieses  Verbrechen 
antwortete  Justinian  in  der  Rolle  des  Rächers  mit  dem  Krieg:  den  Ober- 
befehl übertrug  er  wiederum  dem  Belisar;  die  Rüstung  der  Gothen  war 
mangelhaft;  unter  Amalasuntha  seheint  das  Kriegswesen  gelitten  zu  haben 
und  Theodahad  entbehrte  der  Führereigenschaften.  Die  Lage  der  Gothen 
wurde  noch  dadurch  verschlechtert,  daß  das  römische  Element,  besonders 
die  besitzende  Schicht  und  die  Kirche,  mit  dem  kaiserlichen  Heer  sym- 
pathisierte. Schon  im  Jahr  535  n.  Chr.  Avurden  Dalmatien  und  Sizilien  rasch 
erobert.  Von  Sizilien  aus  ging  Belisar,  nachdem  er  vorher  eine  Meuterei 
in  Afrika  unterdrückt  hatte,  nach  Unteritalien  hinüber.  Die  Herrschaft  über 
die  See  verlieh  ihm  das  Übergewicht;  er  drang  vor  bis  Neapel,  das  er  be- 
lagerte und  eroberte.  Theodahad,  der  in  Rom  stand,  wurde  vom  gothischen 
Heerbann  abgesetzt;  an  seiner  Stelle  riefen  die  Krieger  den  Vitiges  zum 
König  aus;  der  neue  König  beeilte  sich,  die  Tochter  der  Amalasuntha^ 
Mathesuentha,  zu  ehelichen,  um  der  Wahl  ein  dynastisches  Relief  zu  geben. 
Aber  er  hatte  nicht  hindern  können,  daß  Rom  dem  Belisar  die  Tore  öfPnete 
(9. /IG.  Dezember  536  n.  Chr.).  Vitiges  zog  alle  verfügbaren  Streitkräfte  zu- 
sammen; er  sicherte  sich  vor  den  Franken  durch  die  Abtretung  Südgalliens^ 
und  versuchte  mit  überlegener  Macht  Rom  wieder  zu  erobern;  aber  nach 
einer  langen  und  verlustreichen  Belagerung  mußte  er  abziehen  (März  538 
n.  Chr.)  und  sich  auf  Oberitalien  beschränken,  wo  die  Hauptmasse  der  Gothen 
ansässig  war.  Hier  wurden  noch  längere  Kämpfe  ausgefochten,  an  denen 
sich  auch  die  Franken  in  den  Jahren  538  und  539  n.  Chr.  zugunsten  der 
Gothen  beteiligten,  allerdings  als  Bundesgenossen  zweifelhaften  Wertes, 
schlugen  sie  doch  dem  Vitiges  geradezu  eine  Teilung  Italiens  vor.  Seit 
Ende  539  n.  Chr.  wurde  Ravenna  zu  Wasser  und  zu  Land  belagert  und 
mußte  sich  nach  längeren  Unterhandlungen  dem  Belisar  ergeben  (540  n.  Chr.). 
Vitiges  wurde  nach  Konstantinopel  verbracht,  wo  er  bald  darauf  starb. 

Doch  waren  die  Gothen  noch  nicht  endgültig  bezwungen.  Im  Jahr  539 
n.  Chr.  entstand  im  Orient  ein  neuer  Krieg  mit  den  Persern,  der  mit  einem 
Einbruch  des  Königs  Chosroes  in  Syrien  einsetzte,    hierauf  bis  545  n.  Chr. 

')  Nur  einmal  war  eine  Mifshelligkeit  entstanden,  als  die  Vandalen  sich  in  Spanien 
einzumischen  versuchten. 


482 


Römische  Geschichte. 


in  Mesopotamien  weitergel'ülut  \viii(k-  mul  sicli  sclilief.^licli  am  Kaukasos 
noch  bis  551  n.Chr.  hinzog:  erst  im  Jahr  5()2  n.Chr.  beendete  den  Kriegs- 
zustand ein  fünfzigjähriger  Friede,  in  dem  sich  Justinian  gegen  gewisse 
Zugeständnisse  der  Gegenseite  zu  einer  jährlichen  Geldzahlung  verpflichtete. 
Belisar  war  zu  dem  persischen  Krieg  schon  540  n.  Chr.  mit  seinen  besten 
Truppen  nach  dem  Orient  entsandt  worden;  nach  seinem  Abgang  rührten 
sich  in  Oberitalien  die  Gothen  aufs  neue.  Besonders  hervor  tat  sich  in  ihren 
Reihen  ein  tapferer  und  umsichtiger  Krieger  namens  Totila,')  der  541  n.Chr. 
von  den  gothischen  Heerscharen  zum  König  ausgerufen  wurde,  jedoch  auch 
bei  der  niederen  Bevölkerung  Italiens  Anklang  fand.  Totila  besetzte  fast 
ganz  Italien,  eroberte  Neapel  (543  n.  Chr.)  und  nach  langer  Belagerung 
sogar  Rom  (17.  Dezember  540  n.  Chr.).  Belisar,  der  544  n.  Chr.  als  kaiser- 
licher Generalissimus  wieder  nach  Italien  zurückgekehrt  war,  vermochte 
nicht  viel  auszurichten;  ein  Handstreich  brachte  allerdings  das  verödete 
Rom  wieder  in  seine  Gewalt,  aber  die  Unzulänglichkeit  seiner  Truppen 
und  die  Zwietracht  unter  den  kaiserlichen  Feldherren  unterband  nach- 
haltige Erfolge;  schlielslich  wurde  Belisar  al)berufen  (549  n.  Chr.),  worauf 
Totila  sich  des  Faustpfandes  Rom  aufs  neue  bemächtigte.  Totila  schuf  sich 
auch  eine  Flotte,  mit  deren  Hilfe  er  einen  großen  Teil  Siziliens  eroberte 
und  vorübergehend  selbst  Korsika  und  Sardinien  gewann.  Nur  Ravenna 
und  andere  feste  Seestädte  verblieben  den  Kaiserlichen. 

Erst  550  n.  Chr.,  als  der  Perserkrieg  sich  seinem  Ende  zuneigte,  hatte 
Justinian  die  Möglichkeit,  einen  Feldzug  größeren  Stils  auszurüsten.  Zu- 
nächst wurde  Sizilien  zurückerobert  (551  n.  Chr.).  Den  Angriff  auf  Italien 
sollte  von  Norden  her  der  Neffe  des  Kaisers,  Germanos,  der  Gatte  der 
Mathesuentha,  der  Witwe  des  Vitiges,  führen;  aber  ehe  er  Italien  betreten 
konnte,  wurde  der  Prinz  von  einer  Krankheit  hin  weggerafft;  das  Kommando 
iibernahm  als  sein  Nachfolger  der  Eunuche  Narses,  der  schon  den  ersten 
Feldzug  Belisars  mitgemacht  hatte.  Dieser  zielbewußte  Feldherr  sammelte 
zunächst  eine  stattliche  Armee,  in  die  er  neben  anderen  Barbaren  auch 
langobardische  Soldtruppen  einstellte.  Auf  dem  Landweg  drang  Narses  in 
Italien  ein,  erreichte  Ravenna  und  zog  von  hier  auf  Rom.  Totila  trat  ihm 
bei  Busta  Gallorum  (bei  Tadinae  in  Umbrien)  entgegen,  erlitt  aber  eine 
Niederlage  und  fiel  (552  n.  Chr.).  Narses  konnte  in  Rom  einziehen.  Doch 
auch  nach  dem  entscheidenden  Waffenerfolg  der  Kaiserlichen  leisteten  ein- 
zelne gothische  Scharen  noch  immer  Widerstand.  Sie  erhoben  in  Ticinum 
den  Teia  auf  den  Schild;  dieser  drang  nochmals  weit  vor  in  Unteritalien, 
bis  er  in  der  Schlacht  am  Sarnus  in  Kampanien  ein  Ende  fand  (553  n.  Chr.). 
In  seinen  letzten  Zuckungen  währte  der  Kampf  noch  bis  555  n.  Chr.  In 
<len  Schlußakt  des  Krieges  griffen  auch  die  Franken  ein,  deren  Beistand 
sich  schon  Totila  dadurch  erkauft  hatte,  daß  er  ihnen  ein  Stück  vonVene- 
tien  überließ.  Fränkisch-alamannische  Scharen  unternahmen  im  Jahr  554 
n.Chr.  einen  verheerenden  Einbruch  nach  Italien  und  gelangten  bis  in  den 
äußersten  Süden;  doch  wurden  viele  dieser  Eindringlinge  auf  dem  Heimweg 
aufgerieben. 

')  Auf  Münzen  und  in  Chroniken  [Chronica   viin.  II  236.  238  Mommsen)  heifst    er 
Jiaduila. 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  (§  55.)     433 

Das  erschöpfte  Italien,  das  zwanzig  Jahre  hing  den  Kriegsschauplatz 
hatte  abgeben  müssen,  wurde  von  Narses  wieder  als  kaiserliche  Provinz 
eingerichtet  und  in  Verwaltung  genommen.  1)  Die  Grenzen  reichten  bis  in 
die  Alpen  hinein,  im  Norden  etwa  bis  Brixen,  im  Nordosten  bis  Friaul. 
Aber  über  den  Kamm  der  Alpen  erstreckte  sich  das  kaiserliche  Gebiet 
nicht,  die  Donauprovinzen  waren  und  blieben  verloren;  Pannonien  hatte 
Justinian  den  Langobarden  eingeräumt,  Südgallien  war  mit  seiner  Ein- 
willigung den  Franken  anheimgefallen.  Es  gelang  dem  Kaiser  bei  Gelegen- 
heit eines  westgothischen  Thronstreites  von  Afrika  aus  auch  noch  in  Spanien 
wieder  Fuß  zu  fasfeen  {554  n.Chr.);  doch  beschränkte  sich  der  tatsächliche 
Besitz  auf  einige  Plätze  und  Landschaften  des  südlichen  Spaniens,  wie 
Corduba,  Neukarthago  und  Malaca  nebst  den  Balearen.  Den  Westen  in 
weiterem  Umfang  wieder  zu  erobern,  dazu  reichte  die  Macht  Ostroms  nicht 
aus.  Schon  die  Unterwerfung  Italiens  und  Afrikas  hatte  gewaltige  An- 
strengungen gekostet  und  schwer  lastete  der  Steuerdruck  auf  den  Unter- 
tanen. Die  unangenehmen  Folgen  seiner  nach  Westen  gerichteten  Ex- 
pansionspolitik hatte  Justinian  selbst  zu  verspüren  und  mehr  noch  seine 
Nachfolger.  Die  Donaugrenze  konnte  nicht  genügend  geschützt  "werden. 
Mehrmals,  z.B.  ."  iO  und  559  n.Chr.,  drangen  plündernde  Horden,  Bulgaren 
lind  Slawen,  tief  in  die  Balkanhalbinsel  ein.  Die  Avaren,  die  sich  damals 
nördlich  von  der  Donau  ansiedelten,  nahm  der  Kaiser  gegen  Jahrgelder 
in  seinen  Dienst. 

In  der  zweiten  Hälfte  seiner  Regierung  war  Justinian  mit  kirchlichen 
Angelegenheiten  beschäftigt.  Ein  Vorläufer  des  Caesaropapismus,  wünschte 
der  autokratische  Kaiser  die  Kirche  nicht  weniger  zu  beherrschen  wie  den 
Staat,  und  seine  Gesetzgebung  befaßt  sich  auch  mit  kirchlichen  Angelegen- 
heiten. Sein  Bestreben  war  darauf  gerichtet,  die  Einheit  der  Lehre  nicht 
nur  im  Osten,  sondern  auch  im  Westen  herzustellen  und  namentlich  die 
im  Orient  zahlreichen  Monophysiten'^)  mit  den  Orthodoxen  durch  eine  Ver- 
mittlungsformel auszusöhnen,  die  er  denn  auch  auf  einem  Konzil  zu  Kon- 
stantinopel zur  Annahme  brachte  (553  n.  Chr.).  Auch  der  Bischof  von  Rom, 
der  durch  den  Untergang  des  gothischen  Königtums  unter  die  kaiserliche 
Botmäßigkeit  geraten  war,  mußte  sich  fügen.  Aber  seinen  Zweck  sollte 
Justinian  nicht  erreichen;  im  Westen  erhob  sich  sogleich  lebhafter  Wider- 
spruch, und  auch  im  Osten  entbrannte  der  Glaubensstreit  von  neuem  und 
führte  unter  den  Nachfolgern  zu  Unruhen,  die  den  inneren  Frieden  des 
Reiches  untergruben. 

Am  14.  November  565  n.  Chr.  starb  Justinian;  schon  sein  Nachfolger 
Justinus  II  konnte  die  Erwerbungen  des  Vorgängers  nicht  behaupten:  Italien 
ging  zum  großen  Teil  an  die  Langobarden  verloren,  die,  einst  mit  Narses 
gegen  die  Gothen  verbündet,  jetzt  ihre  Wohnsitze  in  Pannonien  verließen, 
in  Italien  einw\anderten  (568  n.  Chr.).  In  wenigen  Jahren  okkupierten  sie 
Oberitalien  und  ganze  Striche  Mittelitaliens  und  beschränkten  die  kaiser- 
liche Herrschaft  auf  Unteritalien,  auf  Ravenna  und  auf  Rom  und  seine  Um- 


')  Ein  Zeugnis  der  Verwaltung  des  Narses  2) -pj^podora  begünstigte  offen  die  Mono- 

iii  Italien  ist  die  Inschrift  an  der  neuen       physiten. 
Aniobrücke  bei  Kom.    ILS  I  nr.  832. 

Handbuch  der  klass.  Altertumswissenschaft.    111,5.    5.  Aufl.  2o 


^34  Römische  Geschichte. 

gebung.  Diese  ungebetenen  Gäste  ließen  sicli  nicht  wieder  vertreiben;  sie 
unterbrachen  dauernd  die  Verbindung  zwischen  Ostrom  und  dem  ferneren 
Westen.  Dadurch  daß  bald  darauf  (seit  581  n.  Chr.)  die  Bulgaren  und  Slawen 
sich  südlich  von  der  Donau  seßhaft  machten  und  namentlich  der  ganze 
Nordwesten  der  Balkanhalbinsel,  das  illyrischc  Dreieck,  den  heidnischen 
Slawen  zur  Beute  fiel,  verloren  die  beiden  Hauptteile  der  damaligen  christ- 
lichen und  zugleich  zivilisierten  Welt,  der  lateinische  Westen  und  der  grie- 
chische Osten,  ihren  unmittelbaren  Zusammenhang;  mit  Justinian  beginnt 
die  endgültige  Hellenisierung  Konstantinopel.s;  die  lateinische  Sprache  ver- 
schwindet aus  dem  amtlichen  Gebrauch. 

In  den  euroi^äischen  Provinzen  Westroms  waren  überall  die  Germanen 
eingedrungen  und  zur  Herrschaft  gelangt.  Dieses  Ergebnis  hatte  sich  schon 
lange  vorbereitet.  Namentlich  seit  Konstantin  d.  Gr.  waren  in  wachsender 
Zahl  Germanen  und  andere  Fremde  in  den  römischen  Staats-  und  Heeres- 
dienst eingetreten;  so  konnte  sich  das  barbarische  Element  ganz  allmählich 
der  römischen  Kultur  assimilieren  und  römische  Staats-  und  Rechtsbegriffe 
erlernen.  Vor  allem  die  Gothen  hatten  durch  die  Berührung  mit  dem  römi- 
schen Reich  schon  ein  beträchtliches  Maß  von  Zivilisation  empfangen.  Sie 
eigneten  sich  die  griechische  Schrift  an;  die  Bibelübersetzung  des  Vulfila 
schenkte  ihnen  eine  Schriftsprache.  Die  griechisch-römische  Bildung  der  Zeit 
haben  sich  viele  Gothen  er^yorben.  Unter  diesen  Umständen  bedeutete 
der  Übergang  der  Herrschaft  auf  die  gelehrigen  und  anpassimgsfähigen  Ger- 
manen keineswegs  eine  gänzliche  Zerstörung  der  antiken  Kultur  und  wenig- 
stens keinen  jähen  Bruch  mit  der  Vergangenheit.  Die  organische  Entwick- 
lung neuer  Gebilde  aus  dem  Alten  wurde  durch  das  Christentum  erleichtert^ 
dem  die  fremden  Völker  mit  ihrer  Aufnahme  ins  römische  Reich  sich  hingaben. 
Allerdings  schlössen  sie  sich  zumeist  dem  verketzerten  Arianertum  an,  so 
die  Gothen  und  Vandalen;  aber  durch  die  Preisgabe  ihres  Heidentums  hatten 
sie  sich  auf  religiösem  Gebiet  trotz  abweichendem  Bekenntnis  den  Römern 
genähert;  es  ist  bezeichnend,  daß  bei  den  Plünderungen  Roms  unter  Alaricli 
und  Geiserich  die  Barbaren  Kirchen  und  Priester  schonten. 

Die  innere  Einheit  des  römischen  Reichs,  das  Bewußtsein  der  Zusammen- 
gehörigkeit ging  nicht  restlos  verloren,  nachdem  das  staatliche  Band  zer- 
schnitten war.  Noch  immer  wirkte  das  Kaisertum,  dessen  oströmischer  In- 
haber über  Teile  Italiens  herrschte,  als  Idee  von  unverwüstlicher  Lebenskraft. 
Das  Gefühl  einer  ideellen  Einheit  des  Imperiums  wurde  durch  die  recht- 
liche und  kirchliclie  Gemeinschaft  verstärkt.  Der  römische  Papst,  als  der 
ersle  der  Bischöfe  anerkannt,  trat  in  mancher  Hinsicht  das  Erbe  des  west- 
römischen Kaisers  an;  selbst  mit  entlegenen,  dem  Reich  längst  entfremdeten 
Bezirken,  wie  Britannien,  hielt  die  geistliche  Macht  in  Rom  die  Verbindung 
aufrecht.  Das  Einheitsbewußtsein  überdauerte  den  Ausgang  des  Altertums ') 
und  manifestierte  sich  in  der  Erneuerung  des  weströmischen  Kaisertums 
durch  Karl  d.  Gr. 

Literatur:  L.  M.  Hartmann,  Gesch.  Italiens  im  Mittelalter,  1.  Bd.,  Das  italienische 
Königreich,   Leipzig  1897.  —  Mänso,   Gesch.  des    ostgoth.  Reiches    in  Italien,  Breslau 


*)  Die  Grenzen  zwischen  Altertum  und  Mittelalter  sind  fließend.  Vgl.  A.  v.  Gut- 
soHMiD,  Kl.  Sehr,  y  393  tf. 


8.  Sechste  Periode :  Die  Kaiserzeit  b.  z.  Ende  d.  ostgoth.  Herrschaft  in  Italien.  i§  öö.)     J.35 

1824.  —  Gregorovius,  Gesch.  der  Stadt  Rom  im  Mittelalter,  1.  Bd.  4.  Aufl.,  Stuttgart 
1886.  —  MoMMSEN,  Ostgoth.  Studien,  Ges.  Sehr.  VI  o(J2  ff.  —  Cassiodori  Senatorts  Variae 
rec.  Th.  MoMMSEN  {Monum.  Gerntaniae  hisfor.  aiict.  antiquissiui!  XU),  Berlin  1894.  —  Hertz- 
berg, Gesch.  Griechenlands  seit  dem  Absterben  des  antiken  Lebens  bis  zur  Gegen- 
wart, Gotha  1876 — 1878.  3  Bde.  —  Charles  Diehl,  Justinien  et  la  civilisation  hyzantine 
au  6.  siech',  Paris  1901.  —  W.  G.  Holmes,  The  äffe  of  Justinian  and  Theodora,  2  Bde., 
London  1905  u.  1907.  —  J.  Sundwall,  Abhandl.  zur  Gesch.  des  ausgehenden  Römer- 
tums,  Helsingfors  1919.  —  E.  Stein,  Studien  zur  Gesch.  des  byzantinischen  Reiches 
vornehmlich  unter  den  Kaisern  Justinus  II  und  Tiberius  Constantinus,  Stuttgart 
1919.  —  Dazu  die  S.  424  angeführten  Werke. 


Berichtigungen. 
S.  58,  Z.  2  lies  Rh o mos  st.  Romos. 
S.  75,  Z.  2  lies  Volci  st.  Vulci. 
S.  86,  Z.  33  f.  lies  conscripti  st.  consripfi. 
S.  105,  Z.  11  lies  Thermae  st.  Therma. 
S.  116,  Z.  2  lies  Druentia  st.  Druentias. 
S.  150,  Z.  7  lies  Macra  st.  Makras. 

S.  152,  Z.  19  lies  Circus  Flaminius  st.  Circus  Flamininus. 
S.  173,  Anm.  3  lies  P.  Popilius  Laenas  st.  C.  Popilius  Laenas. 
S.  259,  Z.  2  von  unten  lies  14.  April  st.  15.  April. 
S.  277,  Z.  8  ist  das  Praenoraen  M,  bei  Cluvius  Rufus  zu  tilgen. 
S.  334,  Z./In,18  und  21  lies  Sarmizegetusa  st.  Sarmizegethusa. 
S.  358,  Z.  15  lies  Augusta  Vindelicum  st.  Augusta  Vindelicorum. 
S.  396,  Anm.  4  lies  Tropaeum  Traiani  st.  Tropaea  Traiani. 


28* 


Alphabetisches  Register. 


Dioromischen  Vornamen  sind  in  der  übliclien  Weise  abgekürzt,  also:  A.  Aulus  Ap.  —  Appins,  C.  =  Gains 
Cn.  —  Gnaeus,  I).  =  Decimus,  L.  =  Lucius,  M.  =  Marcus,  M.  Manins,  P.  —  Publius,  Q.  =  Quintus,  Ser.  ;- 
Servius,  Sex.  =  Sextus,  .Sp.  -  Spurius,  Ti.  =  Tiberins,  T.  =  Titus.  Sonst  sind  folgende  Abkürzungen  verwendet: 
COS. —  Konsul.    Fl.  =  Fluß.    G.       Gatte,    Gattin.    Hist.  =  Historiker.    Kol.  =  Kolonie.    Fr.  =  Prütor.    Pjov.  = 

Provinz.    «.  =  Sohn.    St.  =  Stadt.    Si-hl.  ^  Scblaclit.    T.  -  Tochter. 

(Die  Ziffern  bezeichnen  die  Zahl  der  Seiten  und  Anmerkungen.) 


A. 

Abdera  144. 

Abella,  Kolonie  von  Kyme 

212. 
Ablabius,  Hist.  383. 
Aboriginer  35. 
Abrittus  in  Mösien  872. 
Abrupolis.  Thraker  143. 
Abydos  131.  134. 
Accius,  Dichter  15(). 
Acerrae  in  Kampanien  57. 

193. 

—  in  Oberitalien  111. 
Achäer  in  Italien  21. 

—  in  Hellas,  achäischer 
Bund  8<S.  109  f.  113.  126. 
131  ff.;  verbündet  135. 
137.  140. 142  f.  146;  unter- 
worfen 165  ff.;  Festge- 
nieinschaft  362. 

Achämeuiden  197.  300. 
Achaia,     Prov.    167'.     267. 

329.  338.  361.  373  f.;  vgl. 

Griechenland. 
Achillas  249. 

Achilleus,  Gegenkaiser  388. 
Achradina  in  Syrakus  121. 
M'.    Acilius     Glabrio.    cos. 

191  V.  Chr.  136  f. 

—  cos.  67  V.  Chr.  220. 
Ackergesetze,         licinisch- 

sextisches  64*,  171:  grac- 

chische    172  f.    175.    177; 

spätere    189.    190  f.    226. 

228  f.  258. 
Acta  se>wius  popuh'qxe  R.  14. 

157  f.  229. 
Actium,  Schi.  274  f. 
Adamklissi,Monument3312, 

3334    3964_ 

Addua,  Fl.  111:  Schi.  426. 
Adel    153  f.;    s.    Nobilität, 

Patrizier. 
Adherbal,  Karthager  106. 

—  Numider  181. 
Adiabene  335.  348. 
Adminius,  Britte  312. 
Adria.  St.  s.  Atria. 
Adrianopel  396  f. ;  Schi.  406 ; 

vlg.  Uscudama. 

Aduatuker  234. 

Aedilen,  plebeische  59;  ku- 
rulische64;  vermehrt  253 : 
in  der  Kaiserzeit  288.  354. 


!  Aeduer  180  f.  232  ff.  240  f. 
I       313.  318.  356. 

Aegatische  Inseln,  Schi.  107. 

Aegidius  in  Gallien  422. 425. 

Aegina  126. 

Aegypten  126.  130.  134.  140. 
!  l4l.  144.  147 f.  195  f.  207. 
j  230  f.  236.  248  ff".  263  ff. 
272  f.;  unter  den  Eümern 
275.  290.  301  f.  308".  325  f. 
336ff.341.344.  348  f.  363  ff. 
375. 377;  Aufstand  379.388. 

Aelia  Capitolina  =  Jerusa- 
lem 337. 

Aelianus,  Gegenkaiser  386. 

L.  Aelius  Aurelius  Com- 
modus  339*;  s.  L.  Aure- 
lius Verus. 

M.  Aelius  Aurelius  Verus 
Caesar  339=';  s.  M.  Aure- 
lius Antoninus. 

L.  Aelius  Caesar  =  L.  Ce- 
ionius  Commodus  338. 

Aelius  Catus  293'. 

Aelius  Gallus  302. 

P.  Aelius  Hadrianus,  Kaiser 
336  ff. ;  s.  Hadrianus. 

T.  Aelius  Hadrianus  An- 
toninus Pius  338;  s.  An- 
toninus Pius. 

Aelius  Lampridius.  Bio- 
graph 280». 

L.  Aelius  Seianus  309  f. 

P.  Aelius  Severianus  Maxi- 
mus 340. 

Aelius  Spartianus,  Biogr. 
280^. 

Q.  Aelius  Tubero,  Hist.  16. 

L.  Aelius  Verus  =  L.  Au- 
relius Verus  339. 

Aemilianus  (Asellius  Aemi- 
lianus), Heerführer  Nigers 
344. 

—  Kaiser  372  f. 
Aemilische  Brücke  152'; 

Straße  179. 
L.  Aemilius,  cos.  366  v.  Chr. 

97. 
M.    Aemilius     Aemilianus, 

Kaiser  372  f. 
Q.  Aemilius  Laetus  348. 
M.  Aemilius   Lepidus,  cos. 

187  V.  Chr.  149. 

—  cos.  137  V.  Chr.  160  f. 


M.  Aemilius  Lepidus,  cos.  78 
V.  Chr.  208. 

—  Caesarianer  257;  Trium- 
vir  259  ff.  269  f. ;  abgesetzt 
270. 

—  S.  des  vor.  304'. 

--  unter  Kaiser  Gaius  312. 

Paullus  Aemilius  Lepidus 

288'. 
Aemilius  Papinianus,  Jurist 

346. 
L.Aemilius(Papus)  111.153^ 

—  (Paullus)  COS.  216  v.  Chr. 
114.  118. 

—  COS.  168  V.  Chr.  144  ff. 
150  f.  156. 

—  unter  Augustus  304. 

—  (Regillus).  Pr.  190 v.Chr. 
137. 

M,  Aemilius Scaurus  cos. 115 
V.  Chr.  179.  181. 

—  Legat  des  Pompeius  222, 
Aeneas  29. 

Aequer.  Volk  27 :  Kriege  mit 
Rom47ff.  53;  vernichtet71. 

Aera,  kapitolinische  85*.  91 ; 
des  Pompeius  223';  Dio- 
kletians 388. 

Aerarium288;  aerarium  mi- 
liare 289.  297^ 

Aerartribunen  s.  Tribunen. 

aes  rtide  46. 

Aesculapius,  in  Rom  90;  vgl. 
Asklepios. 

Aesernia  71;  Kol.  82.  193  f. 

Aethiopen,  südlich  von  Ae- 
gypten 302.  323.  365. 

Aetius  (Flavius  Aätius) 
416 f.  419 f.;  endet  420. 

Aetoler  (Aetolischer  Bund) 
88. 109  f.  114:  Verbündete 
126.  1.32  ff.  134;  Krieg  mit 
Rom  135  ff'. :  unterworfen 
139.  142  f.  145.  199. 

L.  Afranius  245.  249.  252. 

Afranius  Burrus  315  f. 

Afrika  104.  125.  127  f.;  rö- 
mische Provinz  164.  200. 
205.  246.  251  f.  261.  263  f. 
266. 302.  .323  f.  326. 3.32. 334. 
337.  365.  369.  375.  387  f. 
395  f.  405.  412.  415;  wird 
vandalisch  416  ff. :  kaiser- 
lich 430. 


Alphabetisches  Register. 


437 


Afrika,  Diözese  388«. 
Africa   nova    252.    263.    266. 

3022. 
Africanus,  Beiname  129:  s. 

Cornelius. 
Agathias,  Hist.  382. 
Agathokles  von  Syrakus  in 

Italien  76  ff.  88. 
ager  Gallicus  74.  86«.  110. 151. 
■  153. 
aqerpHblicus{Ge\ü.eh\dQ\2ind) 
'86.  171flf.  226. 
agri  decumates  (Dekumaten- 

land)  328.  358. 
Agricola  s.  Julius. 
Agrippa  s.  Vipsanius. 
Agrippa  (Herodes  Agrippa), 

Vater  und  Sohn  323. 
M.  Agrippa   Postumus  303. 

305. 
Agrippina   die  ältere  304  f. 

809.  311. 

—  Julia  Agrippina  277. 314  f. 
Agron,  Illyrier  109. 
Agylla  (=  Caere)  23.  41:  s. 

Caere. 
Aidemon,  Maure  323. 
Ainos,  St.  131.  141. 
Aisepos,  Fl.  218. 
Akademie    in    Athen    auf- 
gelöst 430. 
Akarnanen,  Akarnanien 

136.  145.  167. 
Akragas(Agrigentum)21.79, 

karthagisch  101 ;  römisch 

103.   105.  120  f.;    Kolonie 

152.  170. 
Akrokeraunien  247. 
Aktia,  Spiele  275. 
Aktion  s.  Actium. 
Ala  in  der  Eeiterei  289. 
Alalia  (Aleria)  24. 
Alamannen347.371;  Einfälle 

ins  Reich  373  f.  376.  379. 

386.   387.  394.  401  f.  405. 

406  ff.  425.  427;  fränkisch 

427.  432. 
Alanen    338.    406.    413;    in 

Spanien  413. 415 ;  inAfrika 

417. 
Alarich  I  411  f.  413  ff. 

—  II  427. 

Alatheus,  Gothe  407. 
Alba  Fucens,  St.  71  f.  146. 
Alba  Longa  28. 31. 35.  38.  43; 

albanische    Familien   43; 

Könige  29.  97. 
Albaner  im  Kaukasos  222. 

268. 
Alesia  241. 
Alexander  Severus  s.  Seve- 

rus  Alexander. 
Alexandreia  in  Aegypten  88. 

147.  231.  236.   248  f.   256. 

271  ff.  274  f.  341.348.  364; 


aufständisch     377.     388: 

alexandrin.  Krieg  248  f. 
Alexandreia    in  Troas  134. 
Alexandros  der  Große  256^ 

272.  347.  404;  Verhältnis 

zu  Rom  89. 

—  der  Molosser  68'.  75.  77. 
89. 

—  S.  des   Pyrrhos   77.  80^. 
88- 

—  Balas  147.  195. 

—  Zabinas  195. 

—  .Jannaios  222. 

—  Jude,  S.  des  Aristobulos 
236. 

—  S.  des  Antonius  272*. 

—  Polyhistor  29^  972. 
Alexianus  =  Severus  Ale- 
xander 349. 

Alimentationen  333.  339. 
Aliso  296.  307. 
Alkibiades  338-. 
Allectus,    Gegenkaisev  387. 
Allia,  Fl.,  Seh.  bV. 
A.  Allienus  262. 
Allobroger  115. 180.  227. 232. 
Alpen,  Uebergang  des  Han- 

nibal  115  f. :  des  Pompeius 

2091. 
Alpenvölker  149.   179.   187. 

234.  271.  292  f. 
Alphabet,  latein.  39.  313». 
Altertümer    (Antiquitäten) 

10. 
Amalafrida,  Gothin  427  f. 
Amalarich,  Westgothe  428  f. 
Amalasuntha  429.  431. 
Amaler,  Gothen  425. 
Amandus,  Gegenkaiser  386. 
Amanos,  Gebirge  237.  268. 
Amaseia,  St.  219.  276. 
Amastris,  St.  197.  219. 
Ambarvalien  37. 
Ambianen  234.  356. 
Ambiorix  238. 
Ambrakia  139. 
Ambrouen   184.  186. 
Ambrosius,  Bischof  384.405. 

408. 
Amiens  356'. 
Amisos  218.  222.  250. 
Ammianus  Marcellinus  280. 

380  f. 
Amphiktionie ,     delphische 

142    337 ^  361. 
Amphipolis  145.  264. 
Amphissa  137. 
Amphitheater,      flavisches 

329. 
Amtsakten  13  f. 
Amynandros ,       Athamane 

131  f.  136.  139. 
Amyntas,  Galater  271  f.  300. 

362. 
Anagnia  27.  71.  78. 


Anaitis,  Gottheit  3.50^. 

Anarchie  in  Rom  64;  fünf- 
jährige 93. 

Anaren,  Gallier  111. 

Anartier,  Kelten  294'. 

Anastasios,  Kaiser  426 f.  430. 

Ancona  24.  50.  244. 

Andriskos  (Pseudophilip- 
pos)  165. 

Aneroestos  111. 

Angeln  in  Britannien  417. 

Angrivarier  307. 

L.  Anicius.  Pr.  168  v.  Chr. 
145  f.  156'. 

Aniensis,  Tribus  72. 

Aniketos,  Empörer  326'. 
3286. 

Anio,  Brücke  433'. 

Ankyra,  St.  276. 

Annaeus  Lucanus,  Dichter 
317. 

L.  Annaeus  Seneca315f.  317. 

Annalen  in  Roml2  f. ;  annales 
uiaximi  13. 

—  des  Cn.  Flavius  85^ 
Annibalianus.Caesar  s.Han- 

nibaliauus. 
M.  Annius,  Quästor  in  Make- 
donien 179^ 
M.  Annius  Florianus.  Kaiser 

378  f. 
T.  Annius  Milo  231.239.251. 
M.  Annius  Verus(M.Aurelius 

Antoninus  imp.)  338  f. 
£.  Annius  Vinicianus  312  f. 
Anonymus    Cuspiniani    382: 

Valesianiis  382. 
Ansiedlung   von   Barbaren 

350.376.  379.386.388.390. 

397.402.  407.415.  420 f.:  in 

Italien  423  f.  426. 
Antemnae,  St.  31.  38. 
Anthemius,  Präfekt  412. 

—  Kaiser  422  ff. 
Anticato  Caesars  254^. 
Antigonos  Gonatas  80.   88. 

—  Doson  109.  113f. 

—  jüdischer  Fürst  268. 
Antikyra,  St.  126. 
Antinoopolis,  St.  364. 
Antiocheia  am  Orontes  222. 

237.  250.  262.  268.  270.  .309: 
Erdbeben  335.  336.  347. 
349. 363. 402 :  von  den  Per- 
sern erobert  373:  Aufstand 
408  -. 

—  Margiane  236^. 
Antiochos  von  Syrakus, 

Hist.  19.  303.  673. 
^  I  König  von  Syrien  77. 

—  III  130.  132.  134;  Krieg 
mit  Rom  134  ff.  141. 

—  IV  Epiphanes  144.  147  f. 

—  V  Eupator  147. 

—  VI  195. 


438 


Alphabetisches  Register. 


Antiochos  VII  Sidetes  195. 

—  VIII  Grvpos  195. 

—  IX  Kyzikenos  195.  217. 
219^ 

—  X  Eusebes  219  ^ 

—  XIII  Asiatikos  219.  222. 

—  =  Eunus  im  Sklaven- 
kriog  auf  Sizilien  170. 

—  I  von  Koiiimagene  268. 

—  III  von  Komniagone  321. 
Antipatros,  Idumiior  268. 
Antiquarische    Studien    in 

Rom  286. 
Antiquitäten  10. 
C.  Antistius  299. 
Antium,  St.  38.  47;  Seeraub 

55.  89  ' ;   unterworfen  56, 

353^ 
Autonia,  die  Aeltere  310. 
Antonia,.  die  Jüngere  314'. 
Antoninus  Pius  (T.  Aelius 

AureliusAntoninus)338f. 

357  f.  361. 
C.  Antonius  cos.  63  v.  Chr. 

225.  227.  230'. 

—  Bruder  des  Triumvirn 
M.  Antonius  247.  249.  258. 

Julius  Antonius,  S.  des 

Triumvirn  304. 
L.  Antonius  258.  265. 
M.  Antonius,    Redner    188. 

201. 

—  Pr.  74  V.  Chr.  217.  220. 

—  der  Triumvir  244.  247. 
255.  257  ff.  259  ff.  262  f. 
265  flf.  299  f.  .363  =*:  seine 
Gesetze  258;   Ende  274  f. 

M.  Antonius  Gordianus  I, 
II,  III  369  ff. 

Antonius  Primus  326.  329. 

L.  Antonius  Satui*ninus,  Le- 
gat  in   Germanien   331  f. 

Antyllos,  S.  des  Triumvirn 
M.  Antonius  275. 

Anulinus,  Senator  385  3. 

Anxur  (Tarracina)  48. 

Aoos,  Fl.  132. 

Apameia  amOrontes254.262. 

Ai>er,  Praefectus  praet.  380. 

Aphrodite,  Göttin  29. 

Apokolokyntosis  Senecas 
3143. 

Apollodoros  von  Damaskos 

3352. 
Apollon  in  Delphi  90  ^ 
Apollonia    in  Illvrien   88-. 

109.  126.  165.  247.  258. 

—  in  Thrake  215.  359. 
Appia  aqua  85. 
Appisehe  Straße  [Appia  via) 

85.  152.  239. 
Appianos,    Hist.  100.    109'. 

158.  279.  340. 
L.  Appius  Maximus  s.  Lap- 

pius  Maximus. 


L.  Appuleius  Saturninus 

188  f.  262  2. 
Apuaner,  Ligurer  150. 
Apuler.  Apulien  22.  70.  75. 

78.  118.  129.  193f.  211. 
Apulum,  St.  359. 
aqua  Appia  85. 
Aquae  Anreliae  (Baden)  358. 
Aquae  Mattiacae  358. 
Aquae  Sextiae  180.  186;  Kok 
Aquae  Statieilae  150*. 

286.  355. 
Aquileia  149.179.401.  408 f.; 

von  Attila  erobert  420. 
M'.  Aquillius  cos.  129  v.  Chr. 

168. 

—  COS.  101  V.  Chr.  187.  198. 
216  5. 

Aquincum  359. 

Ac[uitaner,  Aquitanien  232. 
235. 267. 294.  299 ;  gothisch 
415;  fränkisch  428. 

a>-a  ma.rima  in  Rom  30.  43. 

ara  liomae  et  August i  295.  356. 

Araber,  Arabien  236.  362; 
nabatäisches222.  334. 362 ; 
Prov.  334.  362 f.;  glück- 
liches 301. 

Arabio,  Numider  263. 

Arados  268. 

Arae  Flaviae  358. 

Arar,  FL  233.  356. 

Arausio,  Schi.  184  f.;  Kol. 
253. 

Araxes,  Fl.  271. 

Arbela,  St.  348. 

Arbogastes  408  f. 

Arcadius(FlaviusArcadius), 
Kaiser  411  f.  414. 

Archelaos,  Mithridats  Feld- 
herr 199.  201  ff. 

—  in  Aegypten  236. 

—  König  von  Kappadokien 
272.  300.  321  f.  362. 

—  in  Judäa  300.  323. 
Archidamos,  Spartaner  55". 

75. 
Archimedes  120f. 
Ardaschir  (Artaxerxes)  350. 
Ardea  38;  Kol.  48.  113 2. 
Areios,   Priester  399;    Ari- 

aner,  Arianismus  399. 401. 

406.    407.    418.   427.  429if. 
Arelate  253.  355.   415.  421. 

425.  428. 
Aremoriker.  Aremorica  232. 

234.  413.  418.  425. 
Aretas,  Araber  222. 
Arevaker  in  Spanien  159  f. 

187. 
Argeerkapellen  in  Rom  36. 
Argentaria,  Schi.  406. 
Argenteus,  FI.  260. 
Argentorate  (Straßburg) 

328.  358. 


Arges  im  Peloponnes  133 1. 

166.  .375. 
Argyrippa    (Arpi),    St.  76 '. 
Ariadne,  T.  des  Kaisers  Leo 

423. 
Arianer  s.  Areios. 
Ariarathes  IV    König   von 

Kappadokien  138f.  141. 
;  —  V147.  168. 

—  VI,  VII,  VIII  198. 
Aricia,  St.  38. 
Ariminum,  Kol.82. 111. 117. 

149.  244.  286.  417. 
AriobarzanesI,  Kappadoker 
198.  203.  216.  223. 

—  III  263. 

—  von  Armenien  301. 
Ariovistus  231  f.  234. 
Aristeides,  Redner  340. 348  K 
Arlstion  201. 
Aristobulos.  jüdischer  Fürst 

222.  236.  268. 

—  Praefectus   praet.    385^. 
Aristodemos  Malakos.    Ty- 
rann 32.  471. 

Aristonikos.  Prätendentl68. 

197. 
Aristoteles  29.  51. 
j  Armenien  141.  196.  218. 

223.  268.  270ff.  275.   301. 
1      .307.  321  f.  335.   339  f.  345. 

347  f.  350.  363.  373.  380. 
386.  388.  400  f.  404.  406; 
Kleinarmenien  198.    221. 

224.  250.  300.  362. 
Arminius  298.   319  *:    Ende 

308. 

Arnensis,  Tribus  53. 

Arpi  (Argyrippa)  76*.   119. 

Arpinum  71.  152 '.  225. 

Arretium  24'.  70*.  74.  1292. 
I       244. 

I  Arria.  G.  des  Caecina  Paetus 
3133. 

Arrianos    s.    Flavius   Arri- 
anus. 
j  Arsakes,  Parther  321. 

Arsakiden.  parthisches  Kö- 
nigshaus 275.  .300  336.350. 

Arsanias,  Fl.  219.  322. 

Arsinoe,  T.  des  Ptolemaios 
Auletes  248. 

Artabanos  III  321. 

—  V  347.  3.50. 
Artagira,  St.  301. 
Artavasdes,  Armenier  236  f. 

271  f.  301. 

—  Atropatener  271 2. 
Artaxata  141».  219.  322. 
Artaxes  (Artaxias)  141'.  271. 

301. 

—  früher  Zenon  321. 
Artokes,  Iberer  222. 
Arulenus  Rusticus  332. 

Arusini  canipi  80*. 


Alphabetisches  Register. 


439 


Arvalen  (fratresarralesj  286. 
Arverner,  Gallier  180.  232. 

240  f. 
As  (von  Kupfer)  90. 
Asandros,   Bosporaner  250. 
Asclepiodotus,  Präfekt  387. 
Q.  Asconius  Pedianus  157. 
Asculum    in    Picenum    81. 

174.  192.  193. 
Asdingen,    Vandalen   416  *. 
Asellius  Aemilianus,  Feld- 
herr des  Niger  344. 
Asien,  Prov.  167  ff.  176.  197. 

198 f.  203.  214.  217  f.  219. 

248.  262  f.   266.   272.   275 

282.  362:  Diözese  388«. 
C.  Asinius  PoIIio,  Hist.  157. 

2312.    246.    257.   259.  261. 

265  f.  271.  304. 
C  Asinius  Quadratus,  Hist. 

280. 
Asklepios  (Aeseulapius)   in 

Rom  90 :  in  Karthago  164 ; 

in  Pergamon  203. 
Aspar  (Flavius  Ardabur 

Aspar)    Gothe  421.   425  s. 
Aspis  {=  Clupea)  in  Afrika 

104. 
Assyrien,  Prov.  335. 
Astapa,  St.  125. 
Asturer  299. 

L.Asyllios  (Suillius?)  214^. 
Atella,  St.l24;  Atellanen  90^ 
Athalarich,    Ostgothe    429. 

431. 
Athamanen  132.  139. 
Athanarieh,  Gothe  406. 
Athanasios,  Bischof  384. 399. 

401.    404:     Athanasianer 

405.  407. 
Athaulf,  Gothe  415. 
Athen,     Athener,      Attika, 

Beziehungen  zu  Etrurien 

23;   zu   Rom   40.  88.  110. 

131.   136.    137.  139.  145  f. 

165.167.170.199.203:  von 

Sulla    erobert   201.  224  2. 

262.  264.  267  f.  316  5.  337. 

342.  361:  von  den  Heru- 

lern  erobert  375;  von  den 

Gothen  376;  von  Alarich 

412;     verliert    die    Aka- 
demie 430. 
Athenion,   Sklavenführer 

auf  Sizilien  187. 
Athenodoi'os,  Pirat  220^. 
—  Palmyi-ener  (Vaballath) 

377. 
Atia,  Mutter  des  Augustus 

258. 
C.  Atilius  (cos.  225  v.  Chr.) 

111. 
M.  Atilius  (Regulus)  104. 105^ 
Atintanen  110. 
Atlas,  Gebirge  324.  338. 


Atrebaten  241. 

Atria,  St.  23. 

Atropatene    (Medien)    270. 

301. 
Attaleia,  St    215. 
Attalos  I,  Pergamener  126. 

131.  134. 

—  II  146.  165f.  167. 

—  III  167  f. 

Attalus    (Priscus    Attalus), 

Kaiser  414  f. 
Attika,Sklavenaufstandl70; 

s.  Athen. 
Atticus    s.    T.    Pomponius 

Atticus. 
Attila  419  f. 

P.  Attius  Yarus  246.  255. 
Audefleda,  T.Chlodwigs  427. 
Aufidius  Bassus,  Hist.  277. 
Augsburg  320.  358. 
Äugst  (bei  Basel)  356  2. 
Augures  46.  84.  188. 
Augusta,    Name   der  Livia 

305.  309. 
Augiista  Asturica  299^. 
Augtcsta  Emerita  286. 
Augiista  Praeton'a  292. 
ÄugutiUi  Emiracorum  356  2. 
Äiigusta   Taurinorum  286. 
Augusta  YhideJiciwi  320.  358. 
Augustalen  304. 
Augustinus,  Bischof  von 

Hippo  384. 
Augustodunum    318.    355  °. 
'      377^. 

!  Augustus  s.  C.  Julius  Caesar 
'       Octavianus. 
j  Q.  Aulius  70. 
Aurelianus  (L.  DomitiusAu- 

relianus),  Kaiser  376  ff. 
C.  Aurelius  (cos.  252  v.  Chr.) 

1061. 
M.  Aurelius  Antoninus  (=^ 
I      M.  Annius  Verus),  Kaiser 

338  ff.  353.  353  ^  358.  361  f. 
j     .390.  392. 
M.  Aurelius  Antoninus  (Ca- 

racalla)  346  ff. 
M.  Aurelius  Antoninus  (Ela- 

gabalus)  349. 
T.  Aurelius  Antoninus  Pius 

338  f. 
M.  Aurelius  Carus,   Kaiser 

379  f. 
M.  Aurelius  Claudius   (Go- 

thicus)  Kaiser  376. 
M.    Aurelius    Commodus 

Antoninus,  Kaiser  342f.; 

s.  Commodus. 
L.  Aurelius  Cotta,  Pr.  212. 
M.  Aurelius  Cotta   (cos.  74 

V.  Chr.)  217  ff. 
M.  Aurelius    Julianus   (Sa- 

binus   Julianus),   Gegen- 
kaiser 380. 


Aurelius  Litua  in  Afrika 
388'. 

M.  Aurelius  Marius,  Gegen- 
kaiser 377. 

M.  Aurelius  Maxentius,  Kai- 
ser 393  ff. 

L.  Aurelius  Orestes  179. 

M.  Aurelius  Probus,  Kaiser 
379. 

M.  Aurelius  Severus  Ale- 
xander, Kaiser  349  ff. ;  s. 
Severus  Alexander. 

M.  Aurelius  Yalerius  Ma- 
ximianus,    Kaiser    386  ff. 

L.  Aurelius  Verus  (L.  Aelius 
Aurelius  Commodus)  Kai- 
ser 399  ff. 

Aurelius  Victor,  Hist.  17. 
280.  382. 

Aureolus,  Gegenkaiser  374  f. 
876. 

anrnm  Tolosanuni  184. 

Aurunci  (Ausoner)  21.  26: 
unterworfen  55f.  57. 

L.  Aurunculeius  Cotta  238. 

Ausculum   in    Apulien   78. 

Ausoner  s.  Aurunci. 

Austurianer  in  Afrika  405. 

Autaritos,  Gallier  108. 

P.  Autronius  Paetus  225. 

Auxilien  289. 

Avaren  433. 

Avaricum  241. 

Aventinus,  Berg  35.  60.  86*. 
177. 

Avidius  Cassius,  Gegenkai- 
ser 340  ff. 

C.  Avidius    Nigrinus   336». 

Avignon,  St.  428. 

Avitus  (Eparchius  Avitus), 
Kaiser  421.  425. 

Axona  (Aisne),  Fl.  234. 

B. 

Babares  in  Afrika  373'*. 
Babekan,  Beiname  des  Ar- 

daschir  350*. 
Babylonien  335. 
Baden-Baden  333.  358. 
Badenweiler  358. 
Baduila  =  Totila  432'. 
M.  Baebius  150. 
Baecula,  Schi.  124. 
Bagauden    (Bakauden)     in 

Gallien  386.  4173. 
Bagradas,  Fl.  246. 
Bajae  338. 
Balbinus,  Kaiser 370;  s.Cae- 

lius. 
Balearen  101.  125:  römisch 

179.  254.  433. 
Ballista.  Präfekt  375. 
Bantia,  St.  189'. 
Barea  Soranus  317. 
Barenau  298^. 


440 


Alphabetisches  Register. 


Barkochba  (Simon)  337. 
Barygaza,  St.  365. 
Basilica  Porcia  152. 
Basiliskos,     Feldherr    422; 

Gegenkaiser  423.  425'. 
Bassianus,  Name  des  Cara- 

calla  346. 

—  Name  des  Severus  Ale- 
xander .349. 

—  Caesar  396. 
Bastarner  142.  144.  198.  214. 

217.  230>.  271.  29.3.  294'; 

angesiedelt  379. 
Bataver  295.  298;  Aufstand 

326  f. 
Bathinus,  Fl.  298. 
Bathzabbai  (Zenobia)  377. 
Baton,  Illyrier  297. 
Bauernaufstände,  s.  Bagau- 

den. 
Beamtenverzeichnisse  12  f. 
Beaüfort  2. 
Beda,  Hist.  383. 
Bedriaeum,  Schi.  325. 
Beetgum  in  Friesland  357 8. 
Beigen  2,32.  234.  238. 
Belgica  294.  356  \ 
Belgrad  (Singidunum)  359. 

425. 
Belisarios  430  fif. 
Beller,  Keltiberer  159, 
Bellovaker,  Gallier  241. 
Beneventum,  Schl.80<;  Kol. 

82.  150.  286. 
Berenike,  Königin  von  Ae- 

gypten  236. 
St.  Bernhard,   kleiner,  Paß 

115  f. 
Bernstein  360. 
Beroia  in  Makedonien  246. 
Berytos,  Kol.  286. 
Besan(?on  (Vesontio)  356'. 
Besser,  Thraker  215, 
Beuel  bei  Bonn  351  ^ 
Bibracte,  St.  233.  241.  355^ 
Bibliothek  in  Eom  254,  287 ; 

in  Alexandrien  verbrannt 

249. 
Bingen  327. 
Bischöfe   393.  398;  Bischof 

von  Rom  (Papst)  419,  433. 

434. 
Bithynien  197  f.  203.  217  f.; 

Prov,  221.   223.   250.  271. 

272.  335.  362.  375.  377. 
Bituitus,  Arveruer  180. 
Biturigen  241. 
Bleda,  Hunne  419. 
Blemyer  379.  388. 
Blossius  von  Kyme  172. 
Bocchus,  Mauretanier  182. 

—  desgleichen  251.  274. 

BOCHAKT,   Säm,  2. 

Bodensee  293. 
Bodotria  331.  338. 


Böoter    (Böotien)"  1,33.    136. 

142  f.  166.  203. 
Bo<ithius  426.  429. 
Bogud,  Mauretanier  251.274. 
Bojor  in  Italien  .50.  74.  IIOIF. 

115.149f.;inBöhmenl49'. 

183.    215^    2.33.    297:    in 

Gallien  234. 
Boiorix  186. 
Bola,  St.  53. 

Bonifatius,    Feldherr  416  f, 
Bonna,  St.  357. 
Bononia  (Felsina)  23:  Kol. 

149.  261.  286. 
—  in  Gallien  (Boulogne)  386. 
Bonosus,   Gegenkaiser  379. 
Boranen  375. 

Borbetomagus  (Worms)  358. 
Bogeiyoroi   (Aboriginer)   35'. 

BOEGHESI   6. 

Bosporos  (kimmerischer), 
Bosporaner  198.  216.  219. 
222  f.  223.  2,50  f.  300.  320  f. 
359. 

Bostra  334. 

Boudicca  318  f. 

Boulogne  237''.  386. 

Bracara  Augusta  299^. 

Brandenburg.  Prov.  360. 

Brenner,  Paß  293. 

Brennus,  Gallier  51'. 

Brettier  (Bruttier,  Brittier) 
26.  75  f.:  Verhältnis  zu 
Rom  77.  81. 110\  119. 129. 
194;  bei  Alexander  d.  Gr. 
89. 

Breuker  in  Pannonien  297. 

BriganteninBritannien318, 
330. 

Brigetio.  St.  405.  ' 

Britannien.  Briten  234. 237  f. 
294.  299.  312;  römische 
Prov.  318  f.  325.326.  330  f. 
337.  338.  340.  342  f.  346  f. 
356.  374.  379.  395.  401.  405. 
407;  vom  Reich  gelöst 
413. 417  f.  425.  434;  britan- 
nische Kaiser  386  f. 

Britanniens,  S.  des  Claudius 
314  f.;  s.Ti. Claudius Brit. 

Brixellum  325. 

Brixen  4.33. 

Brukterer  306.  327.  3285. 

Brundisium  130.  152.  155. 
204.  228.  245.  247.  259. 
266.  269. 

Bruttier  s.  Brettier. 

Bruttius  Sura  199. 

Bückeburg  307'. 

Bürgerrecht.  Bürgerschaft, 
erweitert  85.  151  f.  194  f. 
213.  289.  328.  347.  ,366  f. 

Bukolen  in  Aegvpten  341. 

Bulgaren  428.  433  f. 

Bundesgenossen,     italische 


82  f.  110.  118  fr.  129.  174. 
189.  190  f;  Bunde.sgenos- 
senkrieg  in  Italien  191  ff. ; 
in  Hellas  114.  121. 

Burgunder  (^Burgundionen) 
379.  386.  405  413:  in  Gal- 
lien 415  417.  420  f.  425; 
fränkisch  427.  429. 

Busta  Gallorum.  Ort,  Schi. 
432. 

Butzbach  ,357^. 

Buxentum  (Pyxus),  Kol.1.30. 

Bvrebista.s,  Gete  215.  23.3. 
'246.  255.  293. 

Bvrsa  in  Karthago  163. 

Bvzanz  88.  202.  '218;  ein- 
■verleibt329:  erobert  344. 
375^  378.  397;  wird  Kon- 
stant! nopel  399  f. 

C. 

'S.  auch  unter  K) 

Cadurker,  Gallier  241. 
Caecilianus,  Bischof  398«. 
Q.  Caecilius  Bassus  254. 262. 

C.  Caecilius  Metellus,  cos. 
113  V.  Chr.  187. 

L.  Caecilius  (Metellus),  cos. 

251  V.  Chr.  105. 
L.  Caecilius  Metellus,   cos. 

142  V.  Chr.  159«.  196. 
—  Yolkstribun  245. 
M.  Caecilius   Metellus   cos. 

115  V.  Chr.  179. 
Q.  Caecilius  Metellus  Balea- 

ricus  179. 
Q.  Caecilius  Metellus  Numi- 

dicus  182  f.  189. 
Q.  Caecilius  Metellus  Creti- 

cus  221. 
Q.  Caecilius  Metellus  Mace- 

donicus  160.  165  f.  167. 
Q.  Caecilius  Metellus  Nepos 

228. 
Q.  Caecilius  Metellus  Pins 

201.  204.  208  ff. 
Q.  Caecilius  Metellus  Scipio 

239  f.  249.  251  f. 
A.  Caecina  306  f. 
A.CaecinaAlienus325f.,330'. 
Caecina  Paetus  313', 
Caelestin.  Papst  419. 
Caelius,  Hügel  33. 
M.  Caelius  Rufus  2.50. 

D.  Caelius  Calvinus  Bal- 
binus,  Kaiser  370. 

Caelius  Vibenna  (Vivenna) 
33  f.  40. 

Caenina,  St.  31.  38. 

Caere  (Agylla),  Caeriten  23. 
32.  41;  mit  Rom  befreun- 
det 48.  499.  51.74;  unter- 
worfen 54.  82. 

Caesar,  kaiserlicher  Name 
326.  '3,52;  Mitregent  .386  f. 


Alphabetisches  Register. 


441 


Caesar  s.  C.  Julius  Caesar. 
Caesaraugusta,  Kol.  286. 
Caesarea  in  Palästina  303^ 
323. 

—  in  Kappadokien  (=  Ma- 
zaka)  363;  von  den  Per- 
sern erobert  373. 

L.  Caesennius  Paetus  322. 
Caesetius  Flavus  256'. 
Calagurris  in  Spanien  211. 
Calatia,  St.  71. 
Cales,  Kol.  57.  130=. 
Caligula  (Gaius  Caesar)  311  f. 
Callaicus  160. 

Callistus,Freigelassener314. 
Calpurnia,   Caesars   G.  229. 
L.  Calpurnius  Bestia  181. 
M.  Calpurnius  Bibulus  229. 

237. 
C.  Calpurnius  Piso,  Gegner 

Neros  317. 
Cn.  Calpurnius  Piso,  Freund 

Catilinas  225. 

—  Gegner  des  Germanicus 
309. 

L.  Calpurnius  Piso,  cos.  148 
V.  Chr.  163. 

—  cos.  133  V.  Chr.  169  f.; 
Hist.  16. 

—  cos.  58  V.  Chr.  229. 
Q.  Calpurnius  Piso  161. 

L.  Calpurnius  Piso  Licinia- 

nus,  Caesar  325. 
Calvisius  Sabinus  268. 
Camalodununi    s.    Camulo- 

dunum. 
Camars  angeblich    =    Clu- 

sium  73^ 
Camerinuni,    Canierter    in 

Umbrien  73. 
Camillus  s.  Furius. 
Camulodunvim,  Kol.  318  f, 
Candidianus,  S.  desGalerius 

396. 
Candidus,  Hist.  381. 
P.  Canidius  Crassus  268.  274. 
Cannae,  Schi.  118.  121. 
Cannenefaten ,     Germanen 

326. 
Canusium  wird  römisch  70. 
Capelianus  369. 
Capitolium  s.  Kapitol. 
Capri,  Insel  310. 
Capsa  in  Afrika  106 ^ 
Capua,    samnitisch   25:   rö- 
misch 57.  70.  78:   Abfall 

119.122. 129:  Kol.  176. 201. 

211. 
Caracalla  (M.  Aurelius  An- 

toninus) ,    Kaiser    346  ff. 

365.  366  f.  371. 
Caratacus,  Brite  318. 
Carausius,  Kaiser  386  f. 
Carinus,  Kaiser  379  f.  389^ 
T.  Carisius  299. 


Carnuntum,    St.    297.    328. 
'   359  f.  394. 
Carnuten  2.38'^.  240. 
Carrhae.  Schi.  237:  römisch 

340.  348. 
C.  Carrinas  294. 
Carsioli  71  f. 
Carteia,  Kol.  151. 
Carus  (M.  Aurelius  Carus), 

Kaiser  379  f. 
Sp.  Carvilius  73. 
Casilinum,  St.  119.  122. 
Caftsia  via  149. 
M.  Cassianius  Latinius  Po- 

stumus  374.  377. 
Cassiodorus  (Magnus  Aure- 
lius Cassiodorus  Senato'r), 

Hist.  282.  382.  385.  426. 
L.  Cassius,  Tribun  137  v.  Chr. 

171. 
Sp.  Cassius  38  f.  63. 
Cassius  Chaerea  312. 
Cassius  DioCocceianus.Hist. 

18.   100.   1091.   158.   279  f. 

3476.  350-. 
L.  Cassius  Hemina,  Hist.  16. 
C.    Cassius  .  Longinus,    der 

Caesarmörder    237.    256. 

257  f.  260—264. 
L.  Cassius    Longinus,    cos. 

107  V.  Chr.  184. 
Q.  Cassius  Longinus,  Caesa- 

rianer  244.  251. 
Cassivellaunus,  Brite  238. 
Castinus  415  f.  416'. 
Castra  Bafara  358. 
Ccisfra    Vefera  295.  327. 
Castrum,  Kol.  82^ 
Castulo,  St.  124. 
Catilina  s.  Sergius. 
Catullus,  Dichter  235^ 
L.  Ceionius  Commodus  338. 

339  4_ 

Celtilliis  240. 
I  Cenabum,  St.  240. 
Cenomanen    (Genomanen), 

Gallier  50.  111.  149. 
Census  (Zensoren)  40.  60  f. 

84  f.   153.  178».   207.   286. 

288.  313.  329  f. 
C.  Centenius  117  f. 
Centurien  des  Heeres  65  f. 

87;    Stimmkörper  45.  65. 

153:      Centuriatkomitien 

45.  84.  177'.  200. 
Ceres,  Göttin  39. 
C.  Cestius  Gallus  323. 
Cevennen  240. 
Ceylon  365. 
Chaironeia,  Schi.  202. 
Chalkis  auf  Euboea  131. 133. 

135  f.  143.  202;  Chalkidier 

in    Sizilien    und    Italien 

20  f.  23.  39.  47. 
Chalons  s.M.  (Catalauni)  378. 


Chatten  295  f.  298. 306  f.  319  f. 

327.  331.  340.  347.  357. 
Chauken  298.  306.  319.  37P. 
Chersonesos  in  Thrake  131. 

139. 

—  St.  auf  der  Krim  197. 
223.  321.  359. 

Cherusker  296.  298.  306  f. 
319.  331. 

China  365.  406'. 

Chios  88.  131.  137.  197. 

Chlodwig,  König  der  Fran- 
ken 425.  427  f. 

Chosroes  I  431. 

Christen  316.  332. 369. 391  ff. : 
Christentum  im  Staat 
398  f.  405.  410.  434;  Ver- 
folgung unter  Decius  372 : 
unter  Diokletian  391  ff. ; 
beendet  394.  397:  unter 
Julian  403  f.:  christliche 
Literatur  383f. ;  Glaubens- 
streitigkeiten und  kirch- 
liche Händel  407  f.  410. 
412.  419.  428.  433. 

Chronicon  Paschale  281.  383. 

Chronograph  von  354  n.  Chr. 
282. 

Chronographien  158.  281  f. 

Chronologie,  römische  9  f. 
30.  90  fi-. 

Chrvsopolis,  Schi.  397. 

Cibalae,  Schi.  396. 

Cicero  s.  Tullius. 

Cidamus  in  Afrika  365. 

C.  Cilnius  Maecenas  302^; 
s.  Maecenas. 

Cimbern  s.  Kimbern. 

L.  Cincius  Alimentus,  Hist. 
151.  97. 

Cingetorix,  Gallier  238. 

Circei  (Circeji)  27.  49. 

Circumcellionen  398*. 

Circus  Flaminius  152;  Ma- 
ximus 31. 

Cirta  in  Numidien  127.  163. 
181.  395;  Constantina  ge- 
nannt 395*. 

t'ives  sine  suffragio  51 .82. 1Ö2. 

Clason  3. 

Classicus,  Gallier  327. 

classis  beim  Census  65. 

Clastidium,  Ort  111. 
>  Claudianus,     Dichter     384. 
411'.  413'. 

Claudier,  Geschlecht  {gens 
Claudia)  43.  44. 

Ap.  Claudius,  Decemvir60'. 

—  Zensor  310  v.  Chr.  672. 
79.  84  f. 

—  COS.  264  V.  Chr.  103. 

—  Schwiegervater   des  Ti. 
I       Gracchus  172. 

1  Ti.    Claudius     Bi*itannicus 
I       314  f. 


442 


Alphabetisches  Register. 


NeroClaudiusCaesar,Kaiser 

293''.  314—317.  320.  321  f. 

360.  361  f. 
Nero  Claudius Drusus,  Stief- 
sohn  des   Augustus  293. 

295  f.  303. 
Ti.   Claudius    Germanicus, 

Kaiser  312—314.  319.  320. 

321.  323. 354. 356. 358.  360. 

363. 
Claudius  Gothicus  (M.  Auro- 

lius  Claudius)  Kai.ser  376. 

387». 
Claudius  Claudianus  s.  Clau- 

dianus. 
C.  Claudius  Marcellus.  cos. 

50  V.  Chr.  243  f. 

—  cos.  49  V.  Chr.  244. 

—  G.  der  Octavia  3031 
M.  Claudius  Marcellus,  cos. 

222v.  Chr.  111. 119 ff.: fällt 
124. 

—  cos  152  V.  Chr.  159. 

—  cos.  51  V.  Chr.  242*-  K 

—  S.  der  Octavia  303. 

Ti.  Claudius  Marinus  Paca- 
tianus,   Gegenkaiser  372. 

C.  Claudius  Nero,  cos.  207 
v.Chr.  124  f. 

Ti.  Claudius  Nero,  G.  der 
Livia  2655.  303. 

—  S.  des  vorigen  265^.  277. 
2861  293—296.  298  f.  301. 
303  f.;  Kaiser  304 ff.  317. 
319.  320  f.  368. 

Ti.   Claudius     Pompeianus 

342. 
Ap.  Claudius  Pulcher,    cos. 

143  v.  Chr.  179. 

—  cos.  79  V.  Chr.  215. 

Q.  Claudius    Quadrigarius, 

Hist.  16. 
M.  Claudius  Tacitus.  Kaiser 

378. 
Claudius  Uuimaniinus  159^. 
Cleander,  Präfekt  342. 
Clemens  von   Alexandrien 

392. 
Clodia,    G.   Oktavians    266. 

303. 
P.  Clodius,   cos.  250  v.  Chr. 

105  f. 

—  Demagog  220^.  230  f.  239. 
253.  303'. 

D.  Clodius  Albinus 344 f.  356. 
T.  Clodius  Eprius  Marcellus 

3301. 

L.  Clodius  Macer,  Legat  in 
Afrika  324. 

C.  Clodius  Pulcher.  Pr.  73 
V.  Chr.  211. 

M.  Clodius  Pupienus  Maxi- 
mus, Kaiser  370. 

P.  Clodius  Thrasea  Paetus 
317. 


Clota  (Clyde)  in  Britannien 
331.  338. 

Clüver  1. 

Clupea  (Aspis),  St.  104. 

Clusium,  St.  24>;  Rom  be- 
befreundet 51.  74.  111; 
angeblich  Camars  73^. 

Clusius,  Fl.  111. 

Cluvius  Rufus,  Hist.  277. 
278"-. 

L.  Cocceius  Nerva  266. 

M.  Cocceius  Nerva.  Kaiser 
332  f.  339. 

codex  Justiviauus  384  f.  429. 

—  Theodosianus  384. 
Cölesyrien  130. 134. 147.  222. 
L.  Coelius  Antipater,  Hist. 

16.  99  f. 
cognomina,  römische  43^.  47^. 
Colchesters.Camulodunum. 
Collinisches  Tor,  Schi.  205. 
Colonia  Agrippina  s.  Köln. 
comitatenses,  Truppen  398^. 
co»2/^m(Volksversammlung) 

45.  66.  84.   153.  200.  206; 

abgeschafft  305.  311. 
Commodus     (M.     Aurelius 

Commodus     Antoninus), 

Kaiser  342  f.  345. 345-.  392. 
Concordiatempel  177. 
conscriptt,  Senatoren  67.  86. 
Consentia,  St.  266. 
Constans  I,  Kaiser  400  f.  405  ^ 

—  Caesar,  S.  des  Constan- 
tinus  III  413. 

Constantia,  G.  des  Licinius 

396. 
Constantina ,    St.   395'':     s. 

Cirta. 
Constantinus  I  d.  Gr.  (Fla- 

vius     Constantinus)    393 

bis  400.  434. 

—  II  (Flavius  Claudius  Con- 
stantinus) 396.  400  f. 

—  III  (FlaviusClaudius  Con- 
stantinus) in  Gallien  413. 
415. 

Constantius  Chlorus  (M.  [C] 
Flavius  Valerius  Constan- 
.  tius) .  Kaiser  386  f.  393. 
395. 

Constantius  II  400—403.408. 

Constantius  III  415  f. 

co>istifufio  Antoniniana  347'^. 
366  f. 

Contrebia,  St.  210». 

conuhium  zwischen  Patri- 
ziern und  Plebejern  44. 63. 

Copia  (Thurii),  Kol.  130. 

Corduba  254.  433. 

Corfinium  192.  194.  245. 

Corippus,  Dichter  384.  430'. 
430'. 

Cornelia,  Mutter  der  Grac- 
chen  172.  174. 


Cornelier,  Freigelassene 
Sullas  207. 

C.  Cornelius,  Volkstribun 
224^ 

L.  Cornelius  Baibus  3023. 

C.  Cornelius  Cethegus,  An- 
hänger Catilinas  226. 

P.  Cornelius  Cethegus,  cos. 
181  V.  Chr.  150. 

—  Optimat  212. 

L.  Cornelius    Cinna    200  f. 

204.  224. 
A.  Cornelius  (Cossus),    cos. 

428  V.  Chr.  48. 
P.  Cornelius  Dolabolla,  Cae- 

sarianer  247. 251. 257  f.  262. 

—  Procos.  in  Afrika  323. 
M.  Cornelius  Fronto  279. 
Cornelius  Fuscus  331. 
C.Cornelius  Gallus  274.  302. 
Cn.  Cornelius  Lentulus,  cos. 

72  v.Chr.  211. 
Cossus  Cornelius  Lentulus 

302. 
L.  Cornelius  Lentulus,  cos. 

49  V.  Chr.  244. 
Cn.  Cornelius  Lentulus Gae- 

tulicus,     unter    Caligula 

hingerichtet  312. 
P.  Cornelius  Lentulus  Sura 

226. 
L.  Cornelius  Merula  201. 
Cornelius   Nepos,    Hist.  16. 

93.  99. 
A.  Cornelius  Palma  335. 336^. 
P.  Cornelius  (Rufinus),  cos. 

277  V.  Chr.  801 
Cn.  Cornelius    Scipio,    cos. 

222  V.  Chr.  112.  162'';   in 

Spanien  117.  123. 
L.  Cornelius    Scipio    (Asia- 

ticus),  COS.  19Ö  V.  Chr.  137. 

—  COS.  83 v.Chr.  204 f.  214 f. 
L.  Cornelius  Scipio  Barbatus 

73. 

P.  Cornelius  Scipio.  cos.  218 
v.Chr.  114.  116  f.' 123.  125. 

P.  Cornelius  Scipio  Aemi- 
lianus  15.  159;  vor  Kar- 
thago 163  f.;  vor  Numantia 
161;166.  169.  171.172.  174. 
191.  196.  2896. 

P.  Cornelius  Scipio  Atriea- 
nus  123  f. ;  in  Afrika  127  ff. : 
gegen  Antiochos  137  f. ; 
151.  151'.  154.  156. 

P.  Cornelius  Scipio  Nasica 
162.  173. 

L.  Cornelius  Sisenna,  Hist. 
157. 

L.  Cornelius  Sulla  183.  192. 
194. 198. 200  f.;  Krieg  gegen 
Mithridates  201  ff'.;  Dik- 
tator 205  ff.  215 :  Memoiren 
157 ;  207  f. 


Alphabetisches  Register. 


448 


P.  Cornelius  Sulla  225. 
Cornelius     Tacitus,     Hist. 

277  f.  280.  310.339.  378^. 
Q.  Cornificius  249.  263. 
L.  Cornificius  269. 
Cornwallis  318. 
cort-ecfores  s.  Korrektoren. 
Cortona  24  >.  70^ 
Cosa,  Kol.  1302.  208. 
C.  Cosconius  215. 
Cossura  205. 
Cottius  293.  2933. 
Cremera,  Fl.  48. 
Cremona,  Kol.  112.  117. 148. 

179.  353;  Schi.  326. 
Cremutius  Cordus277.  SOö^. 
Crispina,  G.  des  Commodus 

342. 
Crispus  (Flavius  Julius  Cris- 

pus),  Caesar  396  f.  400, 
Crustumerium,  St.  38.  45*. 
Crustumina     (Clustumina), 

Tribus  45-'. 
Cularo  (Grenoble)  377*. 
Cuniae  268;  vgl.  Kyme. 
Cupra,  St.  23. 
M'.  Curius    (Dentatus)    73. 

80.  84. 
Cyprianus,  Bischof  392-. 
Cyrenaica  s.  Kyrene. 

D. 

Daesitiaten,  Illyrier  297, 
Daker  (oder  Geten),  Dakien 

215.   233.    255.    271.   274. 

293  f.  297.  326. 331 ;  unter- 
worfen 333  f. ;   Prov.  334. 

336.341.342.348.359.369: 

geräumt  373  f.   376.   420; 

Dada  ripnaria  407. 
Dalmater    (Delmater)    109. 

149.    179.    242.    250.    271. 

297  f. :  Dalmatia  Prov. 360. 

422  f.  431. 
Damaskos  223. 
Damastes,  Hist.  29.  67'. 
Damasus,  röm.  Bischof  401'. 
Damokritos  Achäer  166. 
Damojjhilos  von  Henna  170. 
Daphne,  St.  309, 
Dardaner,  Illvrier  126.  132. 

142,  187.  203.  214.  230». 
Dardanos,    St.,  Friede  203. 

216. 
Dasteira,  St.  221. 
Daunier  22. 
Decebalus  331.  333  f. 
decemviri  sacris  fac.  84'^,  90, 
Decemvirn,  Gesetzgeber  60 

bis  63.  95. 
Decentius,  Caesar  401. 
Decidius  Saxa  264.  266. 
Decius,  Kampaner  57'.  78. 
Decius  (C.  Messius  Traianus 

Decius);  Kaiser  372.  392. 


P.  Decius  Mus,  cos.  340  v.Chr. 
56*.  736. 

—  COS.  295  V.  Chr.  Zensor, 
73«.  85'-.  153'. 

—  COS.  279  V.  Chr.  73^,  78. 
Deiotarus  224. 
Dekaineos,  Gete  215. 
Dekieten,  Ligurer  180. 
Dekumatenland  328.  358, 
Delatoren  329. 

Delion,  Ort  136. 

Delmatius,  Caesar  400. 

Delos.  athenisch  145  f. :  Han- 
delsplatz 170. 188. 191. 199. 
220', 

Delphi,  Orakel  90.  143.  203. 
214.  337. 

Demaratos,  Korinther  31  f, 

Demetrias,  St.  133  f.  136  f. 
141.  144. 

Demetrios  Poliorketes  88  f. 

—  Vater  Philipps  V  109. 

—  S.  Philipps  133.  142. 

—  von  Pharos  109  f.  114. 

—  I  von  Syrien  147.  165. 

—  II  von  Syrien  195. 
Demokratie  in  Rom  58  f.  83. 

85  f.  153  ff.  171.  175.  188. 
212.  224. 

Denarius,  Münze  90. 

Dertona,  St.  179. 

desertores  343. 

Dexippos,  Hist.280f.  375.381. 

DE  Sanctis  6, 

Diadumenianus,Caesar348f, 

Diaios,  Achäer  166  flf, 

Diana,  Göttin  in  Rom  38. 40. 

Dianium  (Artemision)  in 
Spanien  209.  210'. 

dicfafor  Lafinus  38. 

C.  Didius  254. 

T.  Didius  187. 

M.  Didius  Severus  Julianus, 
Kaiser  343  f. 

Dienstpflicht  65. 

Dikaiarcheia  (Puteoli)  25: 
Kol.  130.  155. 

Diktator,  Diktatur  44  f. ;  Sul- 
las 206. 239  f. ;  Caesars  253 ; 
abgeschafft  258.  283:  Dik- 
tatorenjahre 95. 

Dimallos,  St.  114.  126. 

Dio  Cassius  s.  Cassius  Dio. 

Dio  von  Prusa  (Chrvsosto- 
mos)  279*. 

Diocletianus(C.[M.]Valerius 
Aurelius  Diocletianus), 
Kaiser  380.  385 ff.;  Yer- 
fassung388ff.:  verfolgt  die 
Christen  391  ff, ;  dankt  ab 
393;  394.  396.  404. 

Diodoros.  Hist.  15.  67  f.  99. 
158;  Chronologie  92  ff. 

Diodotos  Tryphon  196. 

Diözesen  (Bezirke)  388«. 


Diogenes,  Athener  165. 

Diokles,  .später  Diocletianus 
385'. 

Dion,  Syrakusior  26. 

Dionysios,  Tvrann  von  Si- 
zilien 24,  26.  51.  52^  66. 

—  S. des  vorigen 26.  52-.  55'. 

—  vonHalikarnaß,  Hist.  15. 
17,  23,  30,  92  ff-.  96.  287. 

—  Perieget  406'. 
Diophanes  von  Mytilene  172. 
Diophantos,    Feldherr    Mi- 

thridats  197. 
Dioskurias,  St.  222  f. 
Divitiacus  232  f. 
Dniepr,  Fl.  406^. 
Dobrudscha  359'. 
Dodona  188. 
Dörenschlucht  298'. 
Doloper  141  f. 
Domburg  357«. 
Dominat  385. 
Domitia  lex  188:  via  180. 
Domitia,  G.  Domitians  332. 
Domitianus,  Kaiser  329.  330 

bis  332.  333.  352.  357.  357*. 

360.  362.  365.  368.  392'. 

—  Gegenkaiser  388^ 
Domitilla  (Flavia  Domitilla) 

332. 
Cn.  Domitius  138. 
Cn.  Domitius  Ahenobarbus 

COS.  122  V.  Chr.  180. 

—  Marianer  205. 

—  Antonianer  264  f.  273. 

—  Vater  Neros  314'. 

L.  Domitius  Ahenobarbus, 
cos.  54  V.  Chr.  235.  244«. 
245    245^. 

—  COS.  16  V.  Chr.  296.  306. 
314'. 

—  der  spätere  Kaiser  Nero 
s.  Nero. 

L.  Domitius  Alexander,  Kai- 
ser in  Afrika  395. 

L.DomitiusAurelianus,  Kai- 
ser 376—378. 

Cn.  Domitius  Calvinus,  Cae- 
sarianer  250. 

M.  Domitius  Calvinus  208  f. 

Cn.  Domitius  Corbulo  277. 
319.  321  f.  332«. 

L.  Domitius  Domitianus, 
Gegenkaiser  388^. 

Domitius  ülpianus  350. 

doitius  aurea  Neros  316. 

Donatisten  398  f.   403.   405. 

Donatus.  Bischof  398  f. 

Donau  2i5.  293;  Brücke  334. 
397;  Grenze  293  f.  333  f. 
336.341.  347.  360.  396  f. 

Dorier  auf  Sizilien  21.  40. 

Dorvlaos.  Feldherr  Mithri- 
dats  202. 

Dover  in  England  238. 


444 


Alphabetisches  Register. 


Dravus  (Drau)  294.358.. 

Dreißig  Tyrannen  in  Athen 
62";  sog.  Dreißig  Tyran- 
nen (Gegenkaiser)  373'. 

Drepana  auf  Sizilien  105  ff. 
108. 

Drucntia,  Fl.  s.  Durance. 

Druiden  368^ 

DuUMANN    3  f. 

Drusilla.  T.  des  Germanicus 

312. 
Drusus  (Nero  Claudius  Dru- 

sus),  Stiefsohn  des  Augus- 

tus293.295f.  299.306  310; 

Drususkanal  295. 
Drusus  Caesar,  S.  des  Tibe- 

rius  SOe-''.  308  f. 
-     S.  des  Germanicus  309. 
C.  Duilius  104. 
Dumnorix,  Gallier  238. 
diioviri  navales  72. 
Durance,  Fl.  115  f. 
Duris,  Hist.  68.  73. 
Durocortoruni  239.  356. 

DUKUY    5. 
dux  orienfis  375. 
dux,  Amt  389. 
Dyarchie  287.  352. 
Dyme,  St.  126.  221. 
Dyrrhachion     (Epidamnos) 
110.  165.  247.  2622.  286. 

E. 

Ebro    112  f.    115.    209.    210: 

Sclil.  122  f. 
Eburacum,  St.  346.  393. 
Eburonen  238  f. 
Ebusos,  Insel  101. 
Ecdicius  424  f. 
Eclectus  342. 

Edeko,  Vater  Odoakars  423'. 
Eder,  Fl  306. 
Edessa  in  Mesopotamien  348. 

373. 
edictum  de  pretiis  Diokletians 

390  f. 
Egeria,  Gottheit  31. 
Egnatische  Straße  {vin  Eg- 

natia)   165. 
M.  Egnatius  Rufus  304. 
Eid  (Treueid)  273.  284*.  302*. 
Eigennamen,  röm.  43. 
Eknomos,  Ort,  Sohl.  104. 
Elagabal,  Gott,  Beiname  des 

Kaisers  M.  Aurelius  An- 

toninus  349. 
Elbe,  Fl.  296  f. 
Elea  (Hyele,  Velia),  St.  21. 

26.  40.  75.  81.  119. 
Eleazar,  Hoherpriester  337. 
Elefanten  im  Krieg  77.  104. 

138. 
Elis,    Eleer   in    Hellas  126. 

136.  137. 
Elpeios,  Fl.  144. 


Elymer  auf  Sizilien  21. 
Emesa,  St.  349. 375 ;  Schi.  377. 
Emporien  in  Afrika  161. 164. 
Ems,  Fl.  295  f.  306. 
Q.  Enniu.s,  Dichter  79'.  156. 
Ennodius,  Redner  384. 
Enzyklopädien  11. 
Eparchius    Avitus,    Kaiser 

421. 
Ephesos,  St.  134. 136. 138. 139. 

202.  273.363.375:  Svnode 

419. 
Ephoros,  Hist.  19. 
Epidamnos  s.  Dyrrhachion. 
Epidauros.  St.  203. 
L.  Epidius  Achilleus  3882. 
Epidius  MaruUus  256'. 
Epipolae  bei  Syrakus  121. 
Epirus  109  f.   144.  165.  361. 

407.  412. 
Eporedia  189^ 
Eprius    Marcellus,    Redner 

3301. 
Eratosthenes  29*.  89.  360^. 
Erbschaftssteuer  289.  297*. 
Eretria  auf  Euboea  132. 
Eryx  auf  SiziHenlOSf.  108. 
C.  Esuvius  Tetricus,  Kaiser 

377  f. 
Etrusker  (Tyrrhener)  20. 22 

bis  25.  27.  30.  31.  32.  41. 

89 ;  Verhältnis  zu  Rom  32. 

36.  40 f.  46 f.;  Kriege  mit 

Rom  48.  50.  b2\  53 f.  70  f. 

73 — 75;  unterworfen  74  f. 

190.  193;  Untergang  206; 

Etrurien  35. 192.  205.  208. 

226  f. 
Euagrios,  Hist.  384. 
Euandros  30. 

Euboea,  Euböer  136. 166. 202. 
Eucherius  414. 
Eudokia,  T.ValentiniansIII 

422.  428. 
Eudoxia,G.desArcadius412. 
—  T.  des  Theodosius  II 416^. 

418.  421  f. 
Eugenius,  Kaiser  408  f.  41P. 

412. 
Eugippius,  Hist.  384. 
Eumenes   II,     Pergamener 

135  f.  138  f.  140  ff.    143  f. 

146.  167  f.  197. 
Eumenius,  Redner  384. 
Eunapios,  Hist.  280.  381. 
Eunus  oder  Antiochos,  Skla- 
venführer    auf    Sizilien 

170  f. 
Euphrat    195  f.     340.     344; 

Grenze  222.  236.  404. 
Eurich,  Westgothe  424.  427. 
Eurykles    (C.  Julius   Eury- 

kles),  Spartaner  361. 
Eusebios  von  Caesarea,  Hist. 

158.  281.  382.  383. 


Eusebios   von   Nikomedien 

399. 
Eustalhios  von  Epiphaneia, 

Hist.  381. 
Eutharich,  Cstgothe  429. 
Entropia  401'. 
Eutroj.iu.s,  Hist.  17.  280.382. 
—  Hofcunuche  412. 
Eutyche.s,  Eutychianer  419. 
Eutychianus  349. 
Exuperantius   (.Julius  Exu- 

perantius),  Hist.  157'. 

F. 

Fabier,    Geschlecht  43;    an 

der  Cremera  48. 
Q.  Fabius  Maximus,   Legat 

Cae.sars  254. 
Q.  Fabius  Maximus  Aemi- 

lianus,  cos.  145  v.  Chr.  159. 

159«. 
Q.  Fabius    Maximus    Allo- 

brogicus  180. 
Q.  Fabius  Maximus   (Cunc- 

tator)  692.  ng.  124. 
Q.  Fabius  Maximus  (Rullia- 

nus),  cos.  310  V.  Chr.  69^. 

70  f. ;  Zensor  85^.  153^ 
Q.  Fabius    Maximus    Servi- 

lianus  159  f.  159«. 
Q.  Fabius  Pictor,    Hist.  15. 

68.  96.  99. 
Fabius  Rusticus,   Hist.  277. 
Fabius  Valens  325  f. 
Fabrateria,  Kol.  174. 
C.  Fabricius  76.  78.  81-.  84. 
Faenius  Rufus  317. 
Faesulae,  St.  24 1. 117.  226  f.; 

Schi.  413. 
Falerii  (Falisker),  St.  21 2.  27. 

49.  54;  zerstört  107. 
Falerna,  Tribus  72. 
Falernisches  Feld  {ager  Fa- 

lernus)  118. 
Falisker  s.  Falerii. 
Familienchroniken  13. 
C.  Fannius,    Hist.,   cos.  122 

V.  Chr.  157.  177. 
Fannius  Caepio  304. 
Faraxen  375. 
fasti,  Kalender  85 :  fasti  Capi- 

foliiii  1.  12.  305.  95  f.  2H6; 

fnumphales  12  f.  100.  107». 

286. 
Fausta,  G.  des  Konstantin  I 

394.  400. 
Faustina,  Kaiserin  341. 
Faventia  204. 
Fectio,  Ort  357«. 
Felix  II.  Bischof  von  Rom 

401  ^ 
Felsina  23. 
Fenestella,  Hist.  17. 
feriae  Latinae  56. 
Festi,  Ort  37. 


Alphabetisches  Register. 


445 


Festus,  Grammatiker  17. 

—  Rufius,  Hist.  280. 
Ficoronische  Cista  90'. 
Fidenae,  St.  48  f. 
Fimbria  s.  Flavius. 
Firmum,  Kol.  82. 
Firmus,  Maure  405.  412. 
Fiskus  288  f. 
Flaminische  Straße  {vi'aFla- 

minia)  149.  285. 
C.  Flaminius,  cos.  217  v.  Chr. 
llOf.  117f.  118\  149.  149^ 
152'.  153'^. 

—  cos'.  187  V.  Chr.  149^. 
Fla  via  Domitilla  332.  392 1. 
Flavianus,  Bischof  419. 
Flavier.   Kaiserhaus   325  tf. 

351  f.  357.  358  f.  360. 
Cn.  Flavius,  Adil  85. 
L.  Flavius,  Tribun  228. 
Flavius  Aetius  416  f. 
Flavius    Arcadius,     Kaiser 

411  f. 
Flavius  Arrianus,  Hist.  279. 

366. 
Flavius  Claudius  Constan- 

tinus  II  396.  400  f. 

—  III  413.  415. 

Flavius  Claudius  Constan- 
tius,  Caesar  =  Gallus  402. 

Flavius  Claudius  Julianus, 
Kaiser  380  f.  382 2.  402— 
404.  4042.  405^ 

Flavius  Clemens  332.  392'. 

Flavius  Delmatius  400. 

C.  Flavius  Fimbria  202  f.  220. 

Flavius  Honorius,  Kaiser 
411—416. 

Flavius  Josephus.  Hist.  158. 
277. 

Flavius  Julius  Crispus,  Cae- 
sar 396  f.  400. 

Flavius  Sabinus,Vespasians 
Vater  329^. 

—  Vespasians  Bruder  326. 

—  S.  des  vorigen  332. 

T.  Flavius  Sulpicianus  343«. 
Flavius  Valens,  Kaiser  404 

—406. 
Flavius  Valentinianus,  Kai- 
ser 404  f. 
M.  (C.)  Flavius  Valerius  Con- 

stantius  (Chlorus),  Kaiser 

386  f.  393.  395. 
Flavius   Valerius    Severus, 

Caesar  393. 
T.  Flavius  Vespasianus  323; 

Kaiser  325—330.  354.  357. 

361  f.  364;  Memoiren  277. 
Flavius  Vopiscus,  Biograph 

280S. 
Flavus,  Cherusker  319^. 
Florianus    (M.  Annius  Flo- 

rianus),  Kaiser  378  f. 
Florus,  Hist.  17. 


Flotte,  römische  72.  104, 290. 

326.  363. 
Föderierte,    Italiker   82    f.; 

fremde  Hilfstruppen  407. 

411^.  420. 
foedns  Brundisinum  266. 
Formiae,  St.  57.  152'. 
Forum  Caesars  254 ;  des  Au- 

gustus  285.  286;  Traians 

335. 
Forum  Gallorum,   Ort  259. 
Forum  Julii  (in  Gallien)  290. 
fossa  Mariana  185. 
fossa  Quirülum  31. 
Franken  371;  Feinde  Roms 

373  f.  379.3793.  386  f.  394  f. 

397;  nach  Konstantin  401f. 

408.417.420.425;  salische 

402;  seit  Chlodwig  427  f. 

431  f. 
Frankfurt  357  f. 
fratres  Arvales  286. 
Fregellae,   St.  55.  57.  69  f.; 

zerstört  174. 
Freigelassene    in    Rom    85. 

153.    193.  200.    297.   367»; 

im  kaiserl.  Dienst  290. 314. 

325.  352. 
Freinsheim  1. 
Frentaner  26.  71. 
Friaul  433. 

Friedberg,  St.  296=.  357^ 
Friedrich,  Rugier  426'. 
Friesen,  Germanen  295.  298. 

306.  319.  327. 
Frigidus,  Fl.,  Schi.  409. 
Fritigern,  Gothe  407. 
Frusino,  St.  27. 
Fucinersee  27.  254.  314. 
Fürstenberg  bei  Birten  [Ca- 

sfra  Veiera)  295'. 
Cn.  Fuficius  Fango.  266. 
Fufidius,  Pr.  208. 
Q.  Fufius  Calenus  250.  259. 

265. 

—  S.  des  vor.  265. 
Fulvia  265  f.  303'. 

Cn.  Fulvius,  cos.  229  v.  Chr. 
109. 

—  COS.  211  v.Chr.  124. 

C.  Fulvius  Flaccus,  cos.  134 
V.  Chr.  170. 

M.  Fulvius  Flaccus.  Grac- 
chaner  174,  176.  180.  191. 

Fulvius  Macrianus,  Gegen- 
kaiser 374. 

M.  Fulvius  Nobilior  139, 156, 

Q,  Fulvius  Nobilior  159, 

C.  Fulvius  Plautianus,  Prä- 
torianerpräfekt  346. 

Fulvius  Quietus,  Gegen- 
käiser  374, 

Fundi,  St,  57.  152', 

Furia  Sabinia  Tranquillina, 
Kaiserin  370, 


M,  Furius  Camillus   49.  53. 

64.  66 -^ 
L.  Furius  Camillus  55'. 
Furius  Camillus  Soribonia- 

nus  313:  dessen  S.  313». 
C.  Furius  Timesitheus  370. 
C.  Furnius  271. 

G. 

Gabii,  St.,  zerstört  57'. 

Q.  Gabinius  171. 

A.  Gabinius  221.  229.  236. 
247.  249. 

Gades  (Gadeira)  wird  rö- 
misch 125.  150.  354  f. 

Gäsaten  110  f.  11 1^ 

Gätuler  182.  302.  366. 

Gaia,  Vater  Masinissas  127^. 

Gainas,  Gothe  411  f. 

Gaius  Caesar  (Caligula)  31  If. 
313.  321.   362.  365. 

Gala  s.  Gaia. 

Galater,  Galatien  (in  Asien  I 
138  f.  141.  146.  197  f.  202  f. 
217  f.  223.  250.  272;  Prov. 
300.  362.  362'.  375. 

C.  GaleriusValerius  Maximi- 
anus,  Kaiser  386  ff.  39-3  f. 

Galerius  Valerius  Maximi- 
nus Daia,Kaiser  393  ff.  396. 

Galiläa  323. 

Gallien. Prov.,  cisalpinisches 
208.  229.  242.  243.  257.  258. 
259.  264;  transalpinisches 
231  ff.  241  f.  243.  257.  261. 
264  f.  267 ;  narbonensi- 
sches209.  264.  294  f.  355; 
unterCaesar237ff. :  unter 
den  Kaisern  294  f.  307  f. 
312.  313.  318.  325.  327.  341. 
343.  345.  355  f.  379  f.  386. 
402.  405.  406  ff.  412  f.  417. 
420  f.  424  f.;  fränkisch 
427  f.  4.33;  Diözese  388«; 
Imperium  Galliarum  327 : 
gallische  Kaiser  374.  377  f. 
413.  415. 

Gallienus  (P.  Licinius  Egna- 
tiusGallienus),  Kaiser  373 
—376,  379,  392. 

Gallier  (Kelten),  Wohnsitz 
50;  in  Italien  50;  nehmen 
Rom  51  f.  93  f. :  Kriege  54  f. 
110  ff.  115.  119;  unter- 
worfen 148  f,  192;  an  der 
Donau  (Donaukelten)  142. 
144.  179.  199.  214.  223; 
transalpinische  Kelten 
180  f. 

Gallus  (Flavius  Claudius 
Constantius),  Caesar  402. 

Gallus  Volusianus,  Kaiser 
372  f. 

Ganymedes,  Alexandriner 
249. 


446 


Alphabetisches  Register. 


Garama  3ß5. 

Garamanton  302.  365. 

Garganus,  Berg,  Schi.  211. 

Gauda,  ^fumido^  183. 

Gaurus,  Berg,  Schi.  56. 

Geilamir  (Gelimer),Vandale 
418>.  430. 

Geiserich,  Vandale  417  f. 
420  ff.  424.  428:  nimmt 
Rom  421. 434;  zurNameiis- 
form  417'. 

Gela,  St.  21. 

Geld,  römisches  46.  89  f. 

A.  Gollius  18. 

Cn.  Gellius,  Hist.  16. 

L.  Gellius.  COS.  72  v.  Chr.  211. 

Gemeindeland  s.  ager  piibli- 
cus. 

Genomanen  =  Cenomanen 
50. 

f/entes  s.  Geschlechter. 

Genthios,  Illyrier  144  f. 

Genua,  Genuaten  (Ligurer) 
179.  179^ 

L.  Genucius  65. 

Georgios  Synkellos,  Hist. 
281  f.  383. 

Gepiden  419  f.  426  f. 

Gergovia,  St.  241. 

Gerichte  173'-. 206;  Gerichts- 
verfassung 253. 

Germanen  11 1^  211. 232. 234. 
237.241;  Kriege  mit  Rom 
295  ff.  298  f.  305  ff.  307  f. 
312.  319  f  331  f  333.  337. 
347.  351.  360.  369.  371.  401. 
420;  angesiedelt  341;  im 
Reichsdienst  397  f  420. 
434;  Ostgermanen  360.371. 

Germanicus  Caesar,  S.  des 
Drusus  298  f  304  f.  306  f; 
im  Orient  307  ff.  311.  314. 
321.  356.  36P.  364'. 

Germanion,  Prov.  308.  356  flf. 

Germanos,  Feldherr  432. 

Gerontius,  Feldherr  413. 415. 

Gerunium,  St.  118. 

Geryoneus  .30. 

Gesalich,  Westgothe  428. 

Geschlechter  (gentes)  in  Rom 
43. 

Gesetze,    aufgezeichnet    14. 

Gessius  Florus  323. 

Gessoriacum(Bononia)  386  f. 

Geta,  Kaiser  346.  348. 

Geten  s.  Daker. 

Getreidegesetze  175.189.190. 
208.  228;  Getreideversor- 
gung Roms  253.  258.  270. 
285. 

Gewerbe  in  Rom  46. 

Gibbon  1  f. 

Gildas,  Hist.  383. 

Gildo,  Maure  405'.  412  f. 

Gindaros,  Schi.  268. 


Gladiatorenspiele  41;  Gla- 
diatorenaufstand 211. 

Glaubensstreitigkeiten  s. 
Christen. 

Glycerius,  Kaiser  423. 

Goldwäschereien  der  Sa- 
lasser  179:  in  den  Alpen 
1791. 

Gordianus  (M.AntoniusGor- 
dianus)  I  und  II  369. 

—  III  370  f.  371. 
Gordyone  219. 

Gothen  370  f.;  Einfalle  ins 
Reich  370—375. 397 ;  unter 
Valens  406;  Schrift  434; 
Westgothen  406^;  ange- 
siedelt 406.  411;  in  Aqui- 
tanien  415;  in  Spanien 
421.  424;  in  Gallien  422. 
424;  mit  Theoderich  426. 
427.  429;  Ostgothen  406. 
406'-.  419;  in  Pannonien 
420.  423.  425;  in  Italien 
426  flf. 

Gothland,  Insel  360^. 

Gottesdienste(Götter),frem- 
de  in  Rom  155.  368. 

Graecostasis  in  Rom  39. 

Granius  Licinianus,  Hist. 
158. 

Gratianus,  Vater  Valenti- 
nians  I  404^. 

—  Kaiser  405—407.  409. 

—  in  Britannien  413. 
Graupius,  Berg  331. 
Gregorios  von  Nazianz  384. 
Gregorius  von  Tours  383. 
Grenzwall  Hadrians  337.346. 

356;    des  Antoninus  338. 

Greuthungen,  Ostgothen 
406  f.  412. 

Griechen  (Hellenen)  in  Ita- 
lien 20f:  Einflufsauf  Rom 
39  f  90.  155  f ;  Griechische 
Flotte  bei  Latium  55; 
freie  Hellenen  88;  Sprache 
verbreitet  368. 

Griechenland  (Hellas),  be- 
freit 133.  142  f  145.  165; 
im  mithrid.  Krieg  201  ff. ; 
250.  274.  282. 299 ;  Freiheit 
unter  Nero  316;  wieder 
aufgehoben  329;  unter 
Domitian  330;  unter  Ha- 
drian  337;  Zustand  361  f. ; 
verheert  375.  407.  412; 
vgl.  Achaia. 

Groebe  4. 

Große  Felder,  Schi,  in  Afrika 
127. 

Groß-Krotzenburg  357. 

Groß-Leptis  164. 

Gründung  Roms  28  flf.  89; 
Gründungsjahr  29*.  92  f. 
95  ff. 


Gundobad,  Neflfe  Ricimers 
428. 

—  Burgunder  427. 
Guntamund,  Vandale  418'. 
Gytheion,  St.  203*. 

H. 

Habrupolis  s.  Abrupolis. 

Hadria,  Kol.  74. 

Hadrianus  (P.  Aelius  Hadri- 
anus),  Kaiser  278^  336— 
338. 339.  352. 354.  356.358«. 
359.361.  365.  366  f;  Grab- 
mal 339';  Villa  .338^•  Ha- 
drianswall    .337.  346.  356. 

Hadrumetum  128.  252. 

Haliartos  143.  145. 

Haltern  a.  d.  Lippe  296».  357 1. 

Halvkos,  Fl.  101. 

Halys,  Fl.  216. 

Hameln  307'. 

Hamilkar,  Punier  149'. 

Hamilkar  Barkas  106  f.  108; 
in  Sj^anien  112  f.  114^. 

Handel  Roms  46. 89. 155. 301. 
357.  359  f  364  f;  Handels- 
verträge mit  Karthago 
102. 

Hannibal,  karthag.  Admiral 
104. 

—  S.Hamilkars  113f ;  Alpen- 
übergang 115  f. ;  in  Italien 
117  flf. ;  Räumung  Italiens 
128;  aus  Karthago  ver- 
drängt 136'.  161;  in  der 
Verbannung  135  f ;  138. 
141. 

Hannibalianus,  Caesar  400. 
Hannon,  Karthager  106. 108. 
1143. 

—  auf  Sizilien  121. 
Hasdrubal,  Feldherr  auf  Si- 
zilien 105. 

—  in  Spanien  112  f  114^ 

—  (Hannibals  Bruder j  115. 
123.  124  f 

—  in  Afrika  127. 

—  im  3.  pun.Krieg  162—164. 
Hasmonäer  147  f.  268. 
Hatra,  St.  in  Mesopotamien 

335.  345. 

Hauschroniken  13. 

Heddernheim  358. 

Heerwesen  in  Rom  40.  65  f. 
87.  110  f  129.  185.  213: 
initer  den  Kaisern  289  f. 
337.  345  f.;  Reform  des 
Gallienus375";  unter  Dio- 
kletian 390:  unter  Kon- 
stantin 398;  Spätzeit  410. 
420. 

Heidentvim,     unterdrückt 
407.  430. 

Heiliger  Berg  59*. 

HeirkteaufSizilienl06.1062. 


Alphabetisches  Register, 


u: 


Hekatompylosin  Afrika  106. 

Helbig,  W.  27. 

Helena.  Mutter  Konstantins 

393^  399. 
Helenos,  S.  des  Pvrrhos  77. 

80. 
Helike  in  Spanien  112^ 
Heliopoliten,     Sklaven     in 

Asien  168. 
Hellanikos,  Hist.  22.  29.  673. 
Hellas,HeIlenen  s. Griechen, 

Griechenland. 
Helvetier.  Gallier  183  f.  186. 

215*.  232—234. 
Helvidius  Priscus  der  ältere 

329. 

—  der  jüngere  332.  332^. 
P.  Helvius  Pertiuax,  Kaiser 

343.  3533. 
Helvius  Pertinax.  S.  des  vor. 

3435. 
Henna.  St.  auf  Sizilien  170  f. 

186. 
Hera   Lakinia,   Göttin  128. 
Heraclianus  414  f. 
Heräa.    St.   im  Peloponnes 

134. 
Herakleia  in  Italien  81. 122. 

—  am  Oeta  136.  166. 

—  amPoutos88.218f.;  Kol. 
253.  375. 

—  in  Thrake  396. 
Herakleides  Pontikos  51.  89. 
Herakles  s.  Herkules. 
Herculaueum,  Ort  330. 
Herculius,      Beiname      des 

Maximianus  387. 

Herdonea   in  Apulien  124. 

Ap.  Herdonius,  Sabiuer  63*. 

P.  HerenniusDexippus  375: 
Hist.  280  f.  381. 

Q.  Herennius  Etruscus  De- 
cius  372. 

Herennius  Modestinus  350. 

Herennius  Senecio  332. 

Herkules  i  Herakles)  inEom 
30.  36.  39.  40'.  43;  Com- 
modus  als  römischer  Her- 
kules 342. 

Herminaf  rid,Thürin!i'er  428. 
429. 

Hermodoros  vonEphesos  62. 

Hermunduren  296.  308.  320. 
341. 

Herniker,Volk  27;  mit  Rom 
verbündet  39;  unterwor- 
fen 71. 

Herodes  I  von  Judäa  268. 
300.  322  f. 

Herodes  Agrippa,  Vater  und 
Sohn  323.  362. 

Herodes  Atticus  340. 

Herodianos,  Hist.  280. 

Herodotos,  Hist.  22.  50. 

Heruler  375.  423. 


Hesvchios  von  Milet.  Hist. 

381. 
Hiarbas  205. 
Hiempsal,  Numider.  S.  des 

Micipsa  181. 

—  König  205. 

Hieron  I   von   Syrakus  24. 
Hieron  II  81  ^    102  f.  106  f. 

115.  120. 
Hieronymos,    Tyrann    von 

Syrakus  120. 

—  von  Kardia,   Hist.  68. 
Hieronymus,  Chronist  281. 

382.  384. 
Hilderich,     Vandale     418'. 

428  ff. 
Himera,  St.  21. 
Himerios,  Redner  403^. 
Himilko  Phameas  163. 
Hinterindien  365. 
Hippo  in  Afrika  164. 
Hippokrates,  OffizierHanni- 

bals  120  f.' 
Hipponion  (Vibo)  130. 
Hippuakra,  St.  163. 
Hirpiner  194. 
A.  Hirtius,  Hist.  157.   23r-. 

259  f. 
L.  Hirtuleius  209  f. 
Hispaniae  s.  Spanien:  Diö- 
zese 388«. 
Hfstaria  Aiu/usta  280  f.  373'. 
Historische  Poesien  in  Rom 

14. 
Hludana,  Göttin  357^. 
Hörige  (Klienten)  42  f.  44. 
Hofheim  296^ 
Homerisches  Epos  u.  Italien 

20. 
Honoria  419  f. 
Honorius    (Flavius    Houo- 

rius).  Kaiser  411 — 416. 
Horatius,  Dicliter  286. 
M.  Horatius,  cos.  509  v.  Chr. 

323 

—  COS.  449  V.  Chr.  61. 
Hordeonius  Flaccus  327. 
Hormisdas,  röm. Bischof  428. 
L.Hortensius,  Pr.  170  v.Chr. 

144. 
Q.  Hortensius,  Diktator  84. 

—  Redner  157.  225. 

—  S.  des  vorigen  262. 
Hosidius  Geta  323. 
Hostilianus,  Kaiser  372. 
A.  Hostilius  144. 
TullusHostilius.  König 30 f. 

36.  43. 
C.  Hostilius  Mancinus    vor 

Numantia  160.  172. 
Humber.  Fl.  318. 
Hunerich,  Vandale  418 '.  422. 

428. 
Hunnen    406.    411  f.   417  f. 

419  f. 


Hydatius(Idacius),  Chronist 

382  f. 
Hyele  s.  Elea. 
Hypathios,  Gegenkaiser  430. 
Hypatia  419. 
Hyrkauer,  Volk  322. 
Hyrkanos,  Hoherpriester  I 

1961. 

—  II  222  f.  250.  268. 
Hyrodes  s.  Orodes. 

I.  J. 

Jader,  St.  361. 

.Janiculus   bei   Rom  31.  84. 

Japoder  (.Japuden)  in  Illv- 

rien  179.  271. 
lapvger.  lapvgia  22.  25.  26: 

Herkunft  27. 
Jazvgen  ( Sarmaten)  320. 331. 

340  f.  388. 
Iberer  s.  Spanien. 

—  im  Kaukasos  222.  268. 
301.321.328.334.363.406. 

Icener,  Briten  318. 

Icilia  lex  60.  86^ 

leilius.  Volkstribun  60. 

Idacius  (Hydatius)  382  f. 

Idistaviso,  Schi.  307. 

Jerusalem  148.  323;  ei'obert 
223.  268. 327  f.:  wird  Aelia 
Capitolina  337. 

Iglitza  =  Trösmis  in  Mösien 
359. 

Ihxe  5. 

Ilerda.  St.  246. 

IHci(Helike)  inSpanien  112*. 

IHon  202.  256. 

Ilipa  in  Spanien,  Schi.  125. 

Illus,  Isaurer  423.  425. 

Illyrien.  Illvrier  109  f.  113  f. 
121  f.  126.  132.  142.  144: 
unterworfen  145.  165.  174. 
179.  187;  Provinz  Caesars 
229.  234.  238.  242.  247. 
249  f.  262.  271:  kaiserlich 
355.  360  f.  401.  416;  vgl. 
Dalmatia. 

imagiuum  tituli  14. 

Imbros  145. 

hnpcfinm  45. 

impcriiim   Gallianim  327. 

Inder.  Indien  272.  301.  335, 
364  f. :  Indoskvthen  271  f. 
301. 

Indutiomai'us,   Gallier  238. 

Ingauner,  Ligurer  150. 

Ingenuus,  Gegenkaiser  374. 

Inschriften  7  f.;  älteste  la- 
teinische 14'. 

Insignien  der  Magistrate  41. 

Insubrer  50.  50^  llOff.  115. 
149. 

Interamna  am  Liris.  KoL 
70.  72.  373. 

Johannes.  Kaiser  416. 


448 


Alphabetisches  Register. 


Johannes  Antiochenus  280. 
382. 

Johannes  Chrysostomos  384. 
412. 

Johannes  vonEphesos,  Hist. 
384. 

Johannes  Hyrkanos  196'. 

Johannes  Malalas  282.  383. 

Johannes  Troglita  430'. 

Jo.sepl)us,  Hist.  158.  277. 

Jotapianus,Gegenkaiser371. 

Jovianus,  Kai.ser  404. 

Jovinus,  Gegenkaiser  415. 

JoviuSjBeiname  Diokletians 
387. 

Irland  331.  360. 

Isara  (Isere),  Fl.  115.  180. 

Isaura,  St.  215;  Isaurcr. 
Isaurien215.  218.  363.379. 
388;  seit  Valens  406.  412. 
418.  420.  425.  428. 

Isidoros,  Ägypter  341. 

Isis,  Gottheit  368. 

Isonzo,  Fl.,  Schi.  426. 

Issa,  St.  1092.  110. 

Issos,  St.,  Schi.  344. 

Isthmos  von  Korinth,  Schi. 
167;  Durchstich  geplant 
254;  Isthmien  110.  133. 

Istrer,  Istrien  149.  179.  242. 
353. 

Istros,  St.  -215.  371. 

Italer,  Volk  21. 

Italica  in  Spanien  151.  210. 
333.  336*. 

Italiens,  Cherusker  319. 

Italien,  Italiker,  Name  20  f. ; 
Anfänge  19  tf.  25.  27;  und 
Pyrrhos  77;  unter  Eoni 
81  ff.  HO  f.  190  f.  199:  auf- 
ständisch 192  ff.  198;  im 
Heer  290.  345 ;  unter  den 
Kaisern  353;  Prov.  389; 
Diözese  388".  408.  424; 
unter  Odoakar  und  Theo- 
derich 424.  425 ff.;  kaiser- 
lich 431.  433;  langobar- 
disch  4.33  f.;  vgl.  unter 
Bundesgenossen. 

Jtius  portus  2S1*. 

Juba  I,  König  von  Numi- 
dien  246. 

—  II  2722.  .302;  als  Hist.  17. 
100. 

Judäa,  römisch  223. 236. 268. 
300.  323.  326;  Prov.  328. 
362. 

Judas  Makkabaios  196*. 

Juden  147.  196.  196*.  250. 
313^;  aufständisch  323.325. 
327  f.  337.  338.  362;  in 
Alexandrien  364;  Stel- 
lung 391.  ,398'. 

Jugurtha  181—183. 

Julia,  T.  Caesars  229.  240. 


Julia,  T.  des  Augustus  .303  f. 

—  Enkelin  des  Augustus 
304.  3042. 

—  =  Livia  305.  309. 

—  T.desDrususCaesar310'. 
Julia  Aemona,  Kol.  359. 
Julia  Agrippina,  Mutter  Ne- 
ros 312.  314  f. 

Julia  Domna  .346.  349  f. 
Julia  Drusilla  312. 
Julia  Livilla  312. 
Julia  Maesa  349  f. 
Julianus,  Gegenkaiser  388. 

—  Flavius  Claudius  Julia- 
nus, Kaiser  380  f.  382''. 
402—404.  4042.  4051. 

Julius,  Monat  255. 

Julius  Africanus,  Chronist 
281. 

Cn.  Julius  Agricola  277.  330. 

Julius  Aurelius  Sulpicius 
Uranius  Antoninus,  Ge- 
genkaiser 371  ■-. 

C.  Julius  Caesar  224  flf. ;  cos. 
228  f.;  in  Gallien  231  ff.; 
im  Bürgerkrieg  244  ff.; 
Diktator  247. 253  ff.;  Welt- 
reich 256':  Ermordung 
256.  283.  355.  361;  Hist. 
16.  157.  2312.  244^  245=. 
246^-  •*.  248»-  '.  2542.  . 

C.  Julius  Caesar,  d.  S.  (Oc- 
tavianus)  12.  17.  95.  257. 
258  ff. ;  Augustus  genannt 
283;  Kaiser  283—304. 355  f. 
361  f.  364.  368;  Selbstbio- 
graphie 157.  276;  Taten- 
bericht 276. 

C.  Caesar,  Enkel  des  Augu- 
stus 299.  301.  303. 

L.  Caesar,  Enkel  des  Augu- 
stus 303. 

L.  Julius  Caesar,  cos.  90 
V.  Chr.  192  f. 

Sex.  Julius  Caesar  in  Svrien 
254. 

Julius  CapitolinuSjBiograph 
280«. 

Julius  Civilis  326  f. 

Julius  Constantius,  Bruder 
Konstantins  I  402 

M.  Julius  Cottius  293. 

C.  Julius  Eurykles  361. 

Julius  Florus,    Gallier  318. 

Sex.  Julius  Frontinus  18. 
330. 

Julius  Nepos,  Kaiser  423  ff. 

Julius  Paulus,  Jurist  350. 

M.  Julius  Philippus,  Kaiser. 
Vater  und  Sohn  370  f. 

Julius  Sabinus  327. 

Julius  Sacrovir  318. 

Julius  Tutor  327. 

Julius  Valerius  Maiorianus, 
Kaiser  421. 


C.  .Julius  A^erus  Maximinus, 
Kai.ser  351.  369  f.  371.  392. 

C.  Julius  Verus  Maximus, 
S.  des  vorigen  369  f. 

C.  Julius  Vindex   317.  324. 
Julius  Antonius  304. 
iuniores  65. 

Junius  Arulenus  Rusticus 

332. 
Junius  Blaesus  .323. 
L.   Junius     Brutus,    erster 

Konsul  13.  13"'.  32.  45^ 
M.  Junius  Brutus,  Freund 

des  Lepidus  208. 

—  S.  des  voi-igen.  Caesar- 
mörder 208'.  256.  257  f. 
260-264. 

D.  Junius  Brutus  Albinus, 
Caesarmörder  256 — 261. 
2922. 

D.  Junius  9rutus  Callaicus 

160  f.  177. 
L.  Junius  (Pullus),  cos.  249 

V.  Chr.  106. 
M.  Junius  Silanus,  Kollege 

des    Scipio   Africanus  in 

Spanien  123. 

—  COS.  109  V.  Chr.  184. 
Junouia  =  Karthago  176  f. 
Jui3piterCapitolinus35.299; 

Latiaris  38. 
iuridici,  Beamte  353. 
Jurisprudenz  367. 
ins  honorum  313.  356.  366. 
Justina  408. 
Justinianus,    Kaiser    .381  f. 

384  f.  429—433. 
Justinus,    Epitomator    17  f. 

68.  99.  158. 

—  I,  Kaiser  428  f. 
-   II  433. 

Juthungeu   (Alamannen) 
376. 

P.  Juventius,  Pr.  in  Make- 
donien 165. 

K. 

Kabera,  St.  218. 

Kaisarion  (PtolemaiosXVI) 
249.  272.  275. 

Kaisertum  283  ff.  351  ff. ;  seit 
Diokletian  385  ff. ;  Kaiser- 
titel 2842.  287^;  Kaiser- 
kult 287. 295.  297.  311.  368. 

Kalabrer  in  Italien  22. 

Kaiehedon,  St.  130.  202.  218. 
349;  Synode  419. 

Kaledonier  330.  337.  342  f. 
346.  356. 

Kalender  in  Rom  61^.  85; 
Reform  253  f.  367. 

Kallaiker  in  Spanien  160. 
228. 

Kallatis,  St.  215. 

Kallias,  Hist.  19.  35'.  76. 


Alphabetisches  Register. 


Kallikrates,  Achäer  140. 
Kallipolis    am    Hellesnont, 

.Sohl.  397. 
Kalokairos,  Rebell  3973, 
Kanipaner,  Kampanien  25  f. 

35;      etruskisch     24\    40; 

Verhältnis    zu    Rom    4l! 

55  f.    57  f.    90.    119.    129: 

Landschaft  1861  193.  oq^' 

2ÜB.  220.  229.  251.  270.  353.' 
Jvandake;  Athiopenkönigin 

302.  ^ 

Kantabror,  Iberer  299. 
Kapitel,  kapitolinischer  Hü- 
gel 35.  51;  Tempel  31.35. 
85 ' ;  Brand  204. 326 ;  Wie- 
deraufbau 328  f  330;  kapi- 
tolinische   Ära    So*.    91- 
Fasti  1.  12.  305.  95  f_  286- 
Spiele  330.  370. 
Kappadokien.  beide  88. 197; 
pontisches  (Pontos)  197  f.; 
großes  147.  197  f.  203.  217 
22U.    223.    263.    272.    300,' 
röm.  Provinz  321. 351,362, 
362'.  371.   375.  408'.  411 
Karien  131.  139. 
Karl  der  Grofse  434. 
Karlsburg  359. 
Karneades,    Philosoph   165. 
Karner.  Kelten  179. 
Karpen. Volk  347\ 370 f.  388. 

396. 
Karpetaner,  Iberer  113. 
Karthago.  Karthager  20.  24. 
76. 81^.  89.  99M0üflf,;  Ver- 
träge mit  Rom  41.  79.  102. 
102'.    112  f.;    Kriege    mit 
Rom  103  ff.  114-129.  162 
—  164;   Söldnerkrieg  108; 
gegen  Antiochos  136 ;  Kol 
176  f.  253.  286.   365.   395: 
vandalisch  418.  422. 
Karystos,  St.  132. 
Kaspisches  Meer  360\ 
Kassandreia,  St.  144. 
Kassische   Strafse   (r/a  Cas- 

sia)   149. 
Kastor,  Gottheit  39. 
Katalaunische  Felder,  Schi. 

420. 
Katualda  308. 
Kaudinische  Pässe  56.  69. 
Kaukasos,    Kaukasosvölker 

321.  323  385.  363.  432. 
Kelten  s.  Gallier. 
Kel  tiberer  150  f  159  160.187 

209  254. 
Kephallenia,  römisch  139  f. 
Kephaloidion,  St.  105. 
Kesselstadt  357. 
Kibyra,  St.  197.  216. 
Kilikien  188.  196.  215;  Prov 
188  216:217.221  230  237 
244.  249.  272.  300. 


Kimbern  183ff.l88  208'.296 
Kineas,  Thessaler  77  f  87 
Kinna  (?),  Schi   70. 
Kirchengeschichte  383  f. 
Kirchliche  Streitigkeiten  s. 

Christen. 
Kirke  29. 
Kissingen  320'. 
Klagformeln  (legis  actiones) 

85. 
Klassen  (im  Census)  45. 
Klausenburg  359. 
Kleinarmenien  198.221  224 

250.  300.  362. 
Kleitarchos,  Hist.  89-. 
Kleon.    Sklavenführer    auf 

Sizilien  170. 
Kleonymos,  Spartaner  72  f. 

75  f. 
Kleopatra.     G.   des    Ptole- 

maios  VIII  195  f. 

—  T.desPtolemaiosAuletes 
248f.  263  ff.;  G.  des  Anto- 
nius 272—275. 

—  Selene,  T.  der  vorigen 
272-.  302. 

Klienten,  Hörige  42  f.  44. 
Kloake   (doaca  maxima)  31. 

152. 
Klondikos,  Kelte  144. 
Kniva,  Gothe  372. 
Köln,    St.    der    Ubier    267. 
297.  306;    Colonia  Agrip- 
pina  319    327.  357.  373^ 
374.  3792.  402-'. 
Könige,  Königtum  in  Rom 
30  ff.  42;  Ende  32  f.;  Cae-  ' 
sars    Plan    256;    Königs- 
geschichte 90. 
Kohorten  87.  185.  289;  prä- 
torische   289  f.   309.    345;  ,' 
städtische    {coli,  nrhanae) 
285.309^356;  ri(iilv.m2Sb. 
Kolchis.    Kolcher'l98.  216 

222.  223. 
Kollegien,  stadtrömische  31. 

46.  253.  I 

Kolonen.  Kolonat  376.  390.  | 

410.  426. 
Kolonien  Roms  83. 174. 176 
189.    200.    206.    253.    258;  ' 
Zwölf  Kol.  129'-:    kaiser-  i 
^  liehe  286.  334  337.  359.       j 
Kommagene,      Königreich 
268.    300;     röm.    Provinz 
321.  329.  362. 
Konkolitanos,  Gallier  111. 
Konstantinopel       (Bvzanz) 
399f.  405:  Konzil  407.  433. 
Konsuln,    Konsulat  32.  42. 
44.   64  f.   207.  240:    unter 
den  Kaisern  288 :  Antritts- 
tag 91.  159;   Verzeichnis 
12  f.  18.  286.  382  f.:  Kon- 
sulartribunen  63  f.  239. 


449 

Koptos,  St.  379. 

Korakesion.  St.  221. 

Korinth  110;  belagert  132 f.; 
166:  zerstört  167:  Kol.  253.' 
274. 275. 316. 337^  361.  .375. 

Korkyra    76:    römisch    109 

126. 249. 251.274  ;Sch\varz- 
Korkyra  247. 

Koroneia,  St.  143. 

Korrektoren ,  kaiserl.  Be- 
amte 366. 

Korsika,  etruskisch  24.  54; 
karthagisch  101:  römisch 
^  104.  108.  150.  354.  432. 

Korykos  in  .Jonien  137 

Kos  197.  313'  3143. 

Kothon,  karthagischer  Ha- 
fen 1'63. 

Kotiner,  Kelten  294'. 

Kottische  Alpen  50. 209. 293 

Kotys.  Thraker  293. 

—  desgl.  320. 

—  Bosporaner  321. 
Kremna,  St.  379. 
Kreta.  Kreter  177.  216.  217f 

220;  Prov.  221.  258.  272. 

366;  in  Italien  22. 
Kriegstribunen  s.  Tribunen. 
Kriegswesen  s.  Heerwesen. 
Kritolaos,  Athener  165. 

—  Achäer  166  f. 
Krixos,  Gallier  211. 
Kroton,  St.  21.  76;  römisch 

80;  119.  128;  Kol.  130. 

Ktesiphon.  St.  335.  340.  345 
371.  380.  404. 
■  Kulpa,  Fl.  271. 

Kurie  in  Rom  verbrannt 
239;  Kurien  31.  37.  45: 
Kuriatkomitien  45. 

Kyme  in  Italien  32:  Grün- 
dung 21.  23.  24 :  wird  kam- 
panisch 25;  39:  römisch 
57;  vgl.  Cumae. 

Kynoskephalai,  Schi.  133. 
134. 

Kypros,  Insel,  ägvptisch  87. 
134.  147  f.  196.  '207.  248  f. 
270.  272 ;  römisch  230. 336. 
362.  376. 

Kyrene  (Cvrenaica)  87.  148. 
196.251.258.272.274  302 
335  f.  337.  366.  412. 
Kyrillos,  Bischof  418  f. 
Kyzikos,  St.  88. 197.  218.  344. 


Handbuch  der  klass.  Altertumswissensfliaft.    III,  5.    5.  Aufl. 


Labici,  St.  47. 

Q  Labienus  266.  268. 

T.    Labienus.    Volkstribun 

226:    Legat    Caesars  233. 

235''.   239.   241.   245.    249 

251.  252.  255.  266. 
Lactantius  Firmianus,  Hist. 

383. 

29 


450 


Alphabetisches  Register. 


Lade,  Schi.  131. 
Ladenburg      (Lo])odunum) 

358. 
0.  Laelianus,   Gegenkaiser 

377. 
C.  Laelius  123  127. 
—  Sapiens  160.  171. 
Laibach  (Aemona)  359. 
Lakodaimon  s.  Sparta. 
Lakinion,  Vorgebirge  76.128. 
Lambaesis   in  Afrika  337". 

365. 
Lampridius    (Aelius    Lam- 

pridius),  Biograph  280». 
M.  Lamponius  205. 
Lampsakos,  St.l34 :  KoL  253. 

270. 
Lanassa,  G  des  Pyrrhos  77. 
Landbevölkerung291;  Land- 
wirtschaft 170. 
Langobarden  296.  308^.  341. 

371.   432;    in    Pannonien 

433;  in  Italien  433  f. 
Laodike,  Mutter  des  Mithri- 

dates  197. 
Laodikeia  am  Meer  262. 
Lappius  Maximus  332'. 
Lasthenes,  Kreter  220. 
Latifundien  170.  213. 
Latiner,  Latiuni  25.  27.  35; 

Verhältnis   zu  Rom  31  f. 

36.  38  f.  55;    Bund  38  f. 

56  f.;   unterworfen    53  f 

56  f.  72.  83;   lat.  Fest  38. 

56;  lat.  Kolonien  58.  83; 

192  f. 
Latinisierung  (Latein)  206. 

354  ff.  368.  434. 
laudationes     (Leichenreden) 

14. 
Laurentum,  St  38. 
Lauron,  in  Spanien  210. 
Lautulae,  Schi.  70. 
Leese  307^. 
Legion  87.  289  f. 
leffes  s.  lex. 
legis  actiones  85. 
Leichenreden  14. 
Lemnos  145.  218. 
Leo  I,  Kaiser  421—423.  4253. 

—  II  423. 

—  röm.  Bischof  419  f. 
Leontini  120. 

Leontios,  Gegenkaiser  425. 

Leptis  128  344. 

Lesbos  137.  197. 

leuga  355*. 

Leukai  in  Kleinasien  168. 

Leukas  145.  274. 

Leukopetra,  Schi.  167. 

Lewis  5. 

lex  Aufeia  176^ 

—  Aurelia  212. 

—  Calpnrnia  169. 

—  Cnmtleia  63. 


lex  Cassia  188.  1 

—  Claudia  155'. 

—  coloniae  Genetivae  253*.      ' 

—  curiata  45. 

—  Domitia  188.  226.  i 

—  frumentaria  175. 
leges  Gemiciae  65. 
lex  Hortensia  84. 

—  Icilia  60.  86'. 

—  deimperio  Vespasiani28S^. 

—  iudiciaria  des  C.Gracchus 
175 

—  Julia  193. 

—  Julia  de  maritandis  ord. 
286. 

—  Julia  municipalis  253. 

—  Jtdia  de  repetundis  229. 

—  Licinia  Mucia  190. 
leges  Liciniae  Sextiae  64*. 
lex  Maenia  84'. 

—  militaris  des  C.  Gracchus 
175. 

—  Papia  Poppaea  286. 

—  Plautia  Papiria  193. 

—  Pontpeia  242. 

—  PuhUlia  84*.  84*. 
leges  regiae  60. 

lex  Ehodia  155*. 

—  Saenia  285 ' . 

—  Sempronia  168  176.  242^. 
^-   Servilia  226.  228. 

—  SHinptuaria  253 
leges  tabellariae  171. 
lex  Tarpeia  Aternia  60. 

—  Tlioria  178. 

leges  Valeriae Horatiae&l.  84*. 

lex  Villia  annalis  154. 

Libanios,  Redner  384.  403'. 

Liber  und  Libera,  Götter  39. 

Liberius,  röm.  Bischof  401'. 

Libius  Severus,  Kaiser  422. 

libri  lintei,  libri  magistratuuni 
12. 

Libyer  101.  106.  108;  Liby- 
phöniker  101 .  108. 163 ;  vgl. 
Afrika 

Licinianus  Licinius,  Caesar 
397.  400. 

Licinius  (Valerius  Licinia- 
nus Licinius),  Kaiser  394 
-397. 

P.  Licinius  Cornelius  Salo- 
ninus,  Caesar  373'. 

P.  Licinius  Cornelius  Vale- 
rianus,  Caesar  373  f. 

C.  Licinius  Crassus,  Volks- 
tribun 171. 

L.  Licinius  Crassus,  cos.  95 
V.  Chr.  187.  190. 

M.  Licinius  Crassus,  Sulla- 
ner 204  f.  211  f.  213.  224  f. 
226*.  229.  230;  Triumvir 
235;  Ende  236  f. 

—  Legat  von  Makedonien 
293. 


P.Licinius  Crassus,  cos.  171 

V.  Chr.  143. 
P.  Licinius  Crassus,  cos.  97 

V.  Chr.  187. 

—  Caesars  Legat  235. 

P.  Licinius  Crassus  Mucia- 
nus,   COS.  131  V  Chr.   168. 

Licinius  Diocletianus  385'. 

P.  Licinius  Egnatius  Gallie- 
nus,  Kai.ser  373—376. 

L.  Licinius  Lucullus,  cos 
151  V.  Chr.  159. 

— '  auf  Sizilien  187. 

—  Sullaner  202.  204.  210. 
212  215  217;  Krieg  gegen 
Mithridates  217— 220.221. 
228. 

M.  Licinius  Lucullus  (M. 
TerentiusVarro)204. 211  f. 
215. 

C.  Licinius  Macer,  Hist.  16. 
212.  212». 

C.  Licinius  Mucianus  325  f^ 
329 

L.  Licinius  Murena  216 

L.  Licinius  Stolo,  Volkstri- 
bun 64*;  licinisch-sexti- 
sches  Gesetz  171^. 

Licinius  Sura  335. 

P.  Licinius  Valerianus,  Kai- 
ser 373. 

L.  Licinius  Varro  Murena 
304. 

Ligurer  25.  27  f.  50:  Kriege- 
mit  Rom  110'.  150.  174. 
180;  Ligures  Baebiaiii  et 
Corneliani  150'. 

Lilybaeum,  St.  79.  105  f.  108. 
205.  269;  vandalisch  427. 
431. 

Limes  299. 319. 347  357. 357*. 
374;  Tripolitanus  375*. 

limifanei,  Truppen  398. 

Lingonen  in  Gallien  240  f. 
327.  387. 

Lipara,  St .  erobert  105. 

Lippe,  Fl.  '296  f.  306  f. 

Liris,  Fl.  193. 

Lissos,  St.  110.  126. 

Liternum,  Kol.  130.  154. 

Litorius  417. 

Livia  Drusilla,  G.  des  Augu- 
stus  265*^.303;  Julia  Augu- 
sta  genannt  305.  309. 

Livilla  s.  Julia. 

C.  Livius,  Pr.  191  v.  Chr.  137. 

M.  Livius  Salinator,  cos.  207 
V.  Chr.  124  f. 

Livius  Andronicus,  Dichter 
155. 

T.  Livius,  Hist.  13. 15. 17.  68. 
99  f.  158.  276.  2S6;  Chrono- 
logie 92  ft\:  Kritik  242. 602. 
60  f.  69^  72'.  73*.  109L 
112'.  1143.  116.  161'. 


Alphabetisches  Register. 


451 


M.  Livius  Drusus,    cos.  112 

V.  Chr.  176  f.  187.  190^. 
—  Volkstribun    91    v.  Chr. 

190  f. 
Locri,   St.  77.  80.  119.  125. 
Loire,  FL,  Schi.  235. 
Loki-er  in  Hellas  132.  166; 

in  Italien  21. 
M.  Lollius  295. 
Q.  Lollius  Urbicus,  Legat  in 

Britannien  338. 
Londinium  (London)  318  f. 

356. 
Longinus,  Philosoph  377. 
Lopodunum  358. 
Lorch  (in  Württemberg)  357. 
Loriuni,  Villa  339. 
Luca,  St.  235. 
Lucaiius    (Annaeus    Luca- 
nus), Dichter  317. 
Licceres,  Reitercenturie  31  f. 

36  f. 
Luceria,Kol.70.72;  Schi.  73. 
Lucianus  s.  Lukiauos. 
Lucilla,  T.  des  M.  Aurelius 

312. 
Lucius  Priscus  372. 
Lucretia  32. 
C.  Lucretius,  Pr.  171  v.  Chr. 

143. 
Lvierios,  Arverner  180. 
Lugier,  Germanen  331.  360. 
Lugudunum,  Kol.  295.  312. 

344.  356.  407;  Schi.  345. 
Lukaner,  Lukanien  26.  70. 
72  f.  75  f.  77.   80.  81.   89. 
129.  194.  205.  211. 
Lukianos.    Schriftsteller 

279^  340. 
Lukrinersee  269. 
Luna,  Kol.  150. 
Luperkalien  43. 
Lusitanerl59f.  187. 208  f.  228. 
254;  Lusitanien,  Prov.  354. 
Lusius    Quietus   335.    336°. 
Lusoner,  Keltiberer  160. 
C.  Lutatius,  cos.  242  v.  Chr. 

106. 
Q.  Lutatius  Catulus,  cos.  102 
v.Chr.  186.  201;  Hist.  157. 
—  cos.  78  V.  Chr.  208.  212. 

224'.  226. 
Lutetia  (Lukotokia)  =  Paris 

356. 
Lydien  139. 
Lykaonien  168.  362  f. 
Lykien,    Lykier,    lykischer 
Bund  138  f.  197.  216.263; 
Prov.  329.  362. 
Lykophron,  Dichter  35*. 
Lykortas,  Achäer  146. 
Lynkestis    in    Makedonien 

132. 
Lysimacheia,  St.130.134.138. 
Lysimachos,  König  77. 


M. 

Machanidas,  Spartaner  126. 
133. 

Machares,  S.  Mithridats  219. 
223. 

Macra,  Fl.  23.  150. 

Macrianus  (Fulvius  Macri- 
anus),  Gegenkaiser  374  f. 

Macrinus  (M.  Opellius  Ma- 
crinus),  Kaiser  348  f. 

Macro  (Naevius  Sertorius 
Macro)  310.  311^ 

Maaten,  Briten  346. 

C.  Maecenas  259^.  266.  302. 
304'.  350- ;  Memoiren  276. 

Maecia,  Tribus  57. 

M.  Maecilius  Avitus,  angeb- 
licher Name  des  Kaisers 
Avitus  421'. 

Mäder,  Thraker  179\  187. 
203.  214  f. 

Sp.  Maelius  63. 

Maelo,  Sugambrer  295. 

Magalia  (Megara)  in  Kar- 
thago 163. 

mag  ister  equitum  45. 257  '.398. 

magister  militum  401.  419. 

magister  pedltum  398. 

magister  populi  44. 

Magnesia  am  Mäander  138. 

—  am  Sipylos,  Schi.  138. 

—  in  Hellas  137. 
Magnus  Clemens  Maximus, 

Kaiser  407  f. 
Magnus  Magnentius,  Kaiser 

401. 
Mago,  Karthager,  Admiral 

79. 

—  Hannibals  Unterfeldherr 
119. 

—  Hannibals  Bruder  123. 
125.  127.  127'.    129^  148. 

Majestätsprozesse  305.  315. 
Mailand   (Mediolanium)  50. 

112.  353;    Schi.  374.  376; 

Residenz  389. 396. 401. 409. 

413. 
Mainz    (Mogontiacum)   295. 

306.  324.  327.  331.  333.  351. 

357  f. 
Maiorianus  (Julius  Valerius 

Maiorianus),  Kaiser  421  f. 
Makedonien  85.  109.  113  f.; 

erster  Krieg  mit  Rom  121. 

125—127. 134;  zweiter  130 

—  134.  136.  139  f.:  dritter 

141—145.  163;  Prov.  165. 

187.  199.  201  ff.  214  f.  246  f. 

258 '.262.282. 293. 361. 411. 
Malaca,  St.  433. 
Malchos,  Hist.  381. 
Maleventum    (=  Beneven- 

tum)  80«. 
Cn.  Mallius  Maximus  184. 
Mallorca,  Insel  179. 


Mamaea,  Kaiserin  349  ff. 
Mamertincr  auf  Sizilien  78 

—81.  101  ff. 
Mamortinus,  Redner  384. 
C.  Mamilius    Limetanus, 

Volkstribun  182. 
Mamurra  235*. 
C.  Manilius  220. 
M'.  Manilius,  cos.  149  v.Chr. 

i(;2  f. 

Manipchi  87;  Manipular- 
ordnung  185. 

C.  Manlius,  Catilinarier  226. 

Cn.  Manlius  (Vulso)  139. 

L.Manlius.Pr.  in  Gallien 209. 

M.  Manlius  (Capitolinus)  64. 

T.  Manlius  Torquatus,  Zwei- 
kampf 54'-':  COS.  340  v.Chr. 
56. 

Mantineia,  Schi.  126. 

Mantua  23. 

Marbod  (Maroboduus)  297. 
308. 

Marcellinus,  Staatsmann 
3812.  422.  422'. 

—  Comes,  Chronist  382. 
Marcellus  s.  unter  Claudius. 
Marcia.Konkubine  des  Com- 

modus  342  f. 
Marciana,SchwesterTraians 

3363. 
Marcianopolis  360^.  406. 
Marcianus,  Kaiser  419  f.  421. 
Ancus  Marcius,  König  .30  f. 

36. 
Q.  Marcius,  Volkstribun  212. 
L.  Marcius  Censorinus,  cos. 

149  V.  Chr.  162. 
Cn.  Marcius  Coriolanus  47. 

63. 
Q.  Marcius  Crispus  254.  262. 
L.  Marcius    Philippus    190. 

209. 
Q.  Marcius   Philippus,   cos. 

169  V.  Chr.  144. 
Q.  Marcius    Rex,    cos.  118 

V  Chr.  179. 
Marcius  Turbo  335. 
Marcus,  Gegenkaiser  in  Bri- 
tannien 413. 

—  s.  M.  Aurelius  Antoninus. 
Marcussäule  341'.  341^ 
Mariuus  Pacatianus,  Gegen- 
kaiser 372. 

Marius  (M.  Aurelius  MariusI, 

gallischer  Kaiser  377. 
C.  Marius,   der  Vater  182  f. 
185  f.  188  f.  192  f.  198.  200  f. 
224;    sein    angebl.  Enkel 
1       257;  fossa  Mariana  185. 
'  —  der  Sohn  200.  204  f. 
I  Marius  Aventicensis,    Hist. 
'      382. 

L.  Marius    Maximus,    Bio- 
\      graph  280-. 

28* 


452 


Alphabetisches  Register. 


Markion,  Ort  53.| 

Markomannen  297.  331; 
Kriof;  mit  M.  Aurel  340  ff. 

Marmaridon  302. 

Maroneia.  St.  131.  142. 

Marruciner  26.  70;  mit  Kom 
verbündet  71. 

Mars,  Kriegsgott  28. 

Marser  in  Italien  26;  mit 
Rom  verbündet  71.  87^; 
marsischer  Krieg  192  ff. 

—  Germanen  306  f. 

Marsyaba,  St.  301. 

Miirtinianus,  Cae.sar  397. 

P.  Martins  Verus  342'. 

Marzabotto  23». 

Masada  in  .Judäa  328. 

Mascizel,  Maure  405'.  412  f. 

Masinissa,  Xumider  127  ff. 
161.   163.   181. 

Massalia,  Massalioten,  mit 
Rom  verbündet  40.  115. 
123.  180:  von  Caesar  er- 
obert 245  f.  260 ;  kaiserlieh 
355.  368.  394.  425. 

Massiva,  Numider  182. 

Mastanabai,  Numider  183. 

Mastarna,  Etrusker  33. 

Mathesuentha,  Gothin  431  f. 

Mathos,  Libyer  108. 

Mattiaker  in  Germanien  319. 

Mauren,  Maurusier  163.  336. 
341f.  417.430;  Mauretanien 
200.  208.  251.  302;  Prov. 
323 f.  366. 373. 388.  405.  417. 

Mauriacum  420. 

Mausoleum  des  Augustus 
276.  304. 

Maxentius  (M.  Aurelius  Ma- 
xentius),  Kaiser  393  ff. 

Maximianus  Herculius  (M. 
Aurelius  Valerius  Maxi- 
mianus), Kaiser  386  ff. 
393  f. 

Maximinus  Daia  (Galerius 
Valerius  Maximinus),  Kai- 
ser 393  ff.  396. 

Maximinus Thrax  (C.Julius 
Verus  M.), Kaiser  351. 369  f. 

Maximus  (M.  Clodius  Pupie- 
nus  Maximus),  Kaiser  370. 

—  Magnus  Clemens  Maxi- 
mus 407  f. 

—  Petronius  Maximus  421. 
Mazaka  ( =  Caesarea),  St.  363. 
Med  er,  Medien  (atropateni- 
,  sches)  270  f.  272.  275. 
Mediolanium  s.  Mailand. 
Megalopolis  inArkadien  166. 
Megara  in  Hellas  167.  250. 

—  in  Karthago  (Magalia)  163. 
Melissa  in  Phrygien  3382. 
Melitene   am  Euphrat   219. 

322. 
Melpum,  St.  23.  50=.  b2K 


C.  Memmius  181  f.  189. 
Memnon,  Hist.   157. 
Memor,  Gegenkaiser  375. 
Menapier,  Gallier  235.  237  f. 

2.39. 
Menas,    Admiral    des    Sex. 

Pompeius  267. 
Meppen  306^. 
Merobaudes,  Redner  .384. 
Mesambria,  St.  359. 
Mesene,  Landschaft  335. 
Mesopotamien  196.  220.  222. 

236  f. ;  Prov.  335  f.  345. 351 . 

362.  369^.  370  f.  380.  388. 

400  f.  432. 
Messalina    (Valeria    Messa- 

lina)  314. 
Messana  auf  Sizilien  78. 101 ; 

wird  römisch  103. 187. 269 ; 

vgl.  Mamertiner. 
Messapier   (Sallentiner)  22. 

75.  77;  römische  Bundes- 
genossen 81. 
Messene  im  Peloponnes  126. 
C.  Messius  Traianus  Decius, 

Kaiser  372. 
Metapoution,  St.  21.  122. 
Metaurus,  Fl.  125. 
Meyer,  Ed.  5. 
Micipsa.  Numider  181. 
Milet,  St.  271.  363. 
Miletopolis  224^;  Schi.  202. 
Milon,  Feldherr  des  Pyrrhos 

80.  81-. 
Miltenberg  357. 
Minervia,  Kol.  =  Skylletion 

176». 
Minius,  Fl.  160. 
Minucier,   Schiedsrichter 

179-. 
M.  Minucius,    Diktator  118. 
M.  Minucius  Rufus  187. 
M.  Minucius  Thermus  216. 
Minos  22. 
Misenum  267. 
Mithras,  Gottheit  368. 
Mithridates    V     Euergetes, 

König    des    Pontos    164^. 

168.  197. 

—  Chrestos  197. 

—  VI  Eupator  190.  194. 197. 
207'.  210.  215.  2332;  er- 
ster raithridatischerKrieg 
198 ff.  201  ff.;  zweiter  216; 
dritter  217  ff.  221  ff. 

—  von  Pergamon  249  f. 

—  Bosporaner  321. 

—  Iberer  321. 
Moagetes,  Kibyrate  216. 
Moser  293 ;  Mösien  294 ;  Prov. 

2943.  297.  .320. 326. 328. 334. 
336.  .359.  370.  372.  405.  407. 
418  f.   425:    Diözese   388«. 
396.  411. 
Mogontiaeum  s.  Mainz. 


Molosser  144.  146. 
MOMMSEN.   Tu.   4  f. 

Mona,  Insel  318  f.  .3.30. 
Mondfinsternis  145.  306*. 
monetaril  in  Rom  378. 
Mongolei  406. 
Monophysiten  433. 
Mt.  Cenis,  Paß  116.  116*. 
Mt.  Genevre  116.  116*.  1245. 

2091. 
montanl  in  Rom  36. 
Monte  Castellaccio  u.  Monte 

Pellegrino     auf    Sizilien 

1062;  vgl.  Heirkte. 
Monutnenttcm  Ancyranum  276. 
Morgantine,  St.  auf  Sizilien 

187. 
Moriner  in  Gallien  235.  238. 

294.  312. 
Mucianus    s.  Licinius    Mu- 

cianus. 
P.  Mueius  Scaevola  13.  172. 
Q.  Mueius  Scaevola  190.  204. 
Mülhausen  im  Elsaß  234^. 
Müller,  K.  O.  33. 
Münzen.  Münzwesen  Roms 

8  f.  46.  89  f.  378.  390.  398. 
Muluccha,  Fl.  181. 
Mulvisehe  Brücke,  Sehl.  395. 
L.  Mummius  166  f. 
Sp.  Mummius  196. 
L.  Munatius  Plancus  259  ff. 

283'.  2881. 
Munda  in  Spanien, Schi.  254. 
Mundiuch    (Mundzuk), 

Hunue  419. 
Munichia  in  Athen  201. 
Munizipien     82.    194.    253; 

Munizipalverfassung  366. 
Mursa,  Schi.  374.  401. 
Muthul.  FI.  182. 
Mutina.   Kol.  112.  149.  208. 

259  f.;       mutinensischer 

Krieg  259  f. 
Muttines  s.  Myttones. 
Mylae,  Schi.  104.  269. 
Mvonnesos,  Schi.  138. 
MVtilene.  St.  216.  2242.  224«. 

248.  270.  334". 
Myttones,  Karthager  121. 

N. 
Nabatäer  (Araber)  196.  222; 

Prov.  334.  362. 
Nabis,  Spartaner  133 — 135. 
Naevius,  Dichter  156. 
Naevius     Sertorius    Macro. 

Präfekt  310.  31P. 
Nageleinschlagung  am  Ka- 

pitol  94-. 
Naissus,  Sehl.  376. 
Napoca  in  Daeien  359. 
NaraggarainNumidien  128^. 
Narbo,    Kol.  177.    181.    355. 

415;  westgothisch  422. 


Alphabetisches  Register. 


453 


Narcissus.  kaiserl.  Freigelas- 
sener 314. 
Narnia,  Kol.  72.  180^ 
Narona    in    Dalmatieu  361. 
Narses.  Perserkönig  388. 

—  Feldherr  Justinians  432  f. 
Nasamouen   in   Afrika  332. 
Naulochos,  Schi.  269. 
Naupaktos  121.  12«.  136. 
Nauportus     in     Pannonien 

3061. 
Naxos    (Tauromenion)    auf 

Sizilien  21. 
Nazarius,  Redner  384. 
Neapolis  in  Kampanien  21; 

wird  römisch  69.  78.  119. 

194'.  243    353.  431  f. 
Neckarlandschaft  328.   333. 

357. 
Neckarsueben  (Suebi  yicre- 

tes)  358^. 
Nemausus  (Nim es)  355. 
Nepet,  Kol.  53. 
Nepheris  in  Afrika  163  f. 
Nepotianus,    Gegenkaiser 

401. 
Neptunia{Tarent),  Kol.  176^ 
Nequinum  (Narnia),   St.  in 

Umbrien  72. 
Nero   Caesar,    S.   des    Ger- 

manicus  309.  310^. 

—  Kaiser  (Nero  Claudius 
Caesar  29.33.  3i4_3i7.  320 
—323.  360.  361  f.  391 ;  fal- 
scher Nero  317. 

Neronien,  Wettspiele  316. 
Nerva  (M.  Cocceius  Nerva), 

Kaiser  332  f.  339.  352.  353. 

366. 
Nervier  in  Gallien  234.  238  f. 
Nestorius,  Bischof  419. 
Nestos,  Fl.,  Schi.  375. 
Neukarthago  in  Spanien  1 12. 

123.  150.  433. 
Neuß  s.  Novaesium. 
Nicomachus  Flavianus  408. 
Nida  in  Germanien  358^. 
NiEBüHR,  B.  G.  2  f.  33. 
Niederbieber,  Kastell  374'. 
Niger,  Fluf3  366. 
Nigrinus  (Avidius  Nigrinus) 

336^ 
Nikaaufstand  430. 
Nikaia,  St.  in  Bithynien  250. 

363.  404;  Konzil  399. 

—  an  den  Thermopylen  133. 
Nikephorion,  St.,  Schi.  388. 
Nikolaos     von     Damaskos, 

Hist.  17.  157.  276.  287. 
Nikomedeia,  St.  202. 218. 347. 

363.   380.    396:    Residenz 

386. 
Nikomedes  II,    König  von 

Bithynien  198. 

—  III  198.  203.  217. 


NikopolisbeiActiuni275  361. 

—  in    Kleinarmenicn  222'. 
250. 

—  in  Mösien  372. 
Nisibis,  St.  220.  345.  4U4. 

I  Nissen,  H.  1.  11  f. 
Nitiobrogen  in  Gallien  184. 
NiTzscH,  K.  W.  5.  11.  13.  34. 
,  Nobilität  86.  153  f. 
j  Nola,  St.  in  Kampanien  21-. 
i      25.  25^;    römisch  57-*.  70. 

119.  193  f.  200  f.  304. 
Nomentum,  St.  31. 
M.  Nonius  Gallus,  Legat  des 

Augustus  294. 
Norba,  St.  205. 
Norbanus  332 1. 
C.  Norbanus,  cos.  83  v.  Chr. 

204. 
C.  Norbanus  Flaccus  264. 
Noreia,  Schi.  184. 
Noriker  292;  Noricum  184; 

Prov.  292f.  340.  358.  413  f. 

417 :  von  Barbaren  besetzt 

425. 
Nofifia  äiqnitattim    385.  389. 
Novaesium  (Neuß)  334'.  357. 

373^ 
Noviodunum  (Nyon)  356^. 
Noviomagus   (Ulpia  Novio- 

raagus)  333.  357. 
Nubier  388. 

Nuceria  Alfaterna  in  Kam- 
panien 25.  57^  194. 
Numa  Pompilius,  König 30  f. 

36.  46.  471. 
Numantia   in  Spanien  159; 

numantinischer    Krieg 

160  f.  172. 
Numerianus,  Kaiser  380. 
Numider  (Nomaden).  Numi- 

dien    101.    104.    106.    112. 

123.  128.  136.  161 :  numid. 

Krieg  181—183.  192.  205. 

252;   Prov.  302.  365.  369. 

373.  388;   vandalisch  418. 
Nursia,  St.  208^ 
Nymphidius    Sabinus,  Prä- 

torianerpräfekt  317. 
Nymwegen  s.  Noviomagus. 

O. 

Ocriculum,  St.  72=*. 
Octavia.    Schwester    Okta- 

vians266f.  269.  270».  272  f. 

303;  ihr  Porticus  285. 

—  T.  des  Claudius  314  f. 
Octavianus  s.  C.  Julius  Cae- 
sar Octavianus. 

C.  OctaviuSjVater  Oktavians 
258. 

—  der  spätere  Kaiser  Au- 
gustus 258. 

Cn.  Octavius,  Fr.  168  v.  Chr. 
145.  146  f. 


Cn.  Octavius,  cos.  87  v.  Chr. 

200  f. 
M.    Octavius,     Volkstribun 

133  V.  Chr.  172. 

—  Pompejaner  247.  249  f. 
Octogesa,  St.  246. 
Odaenathus      (Septimius 

Odaenathus)  374  f.  377. 
Odenwald  357. 
Odessos,  St.  359. 
Odoakar  423  f.  424«.  425  f. 
Odotheus.  Gothe  407. 
Odysseus  29;   Ody.ssee  20. 
Oea,  St.  164. 

Ofen  (Aquincum),  St.  359. 
Ofonius     Tigellinus,      Prä- 

torianerpräfekt  316. 
Cn.  und  Q.  Ogulnius, Volks- 
tribunen  84;    Ädilen  28. 
Oiniadai,  St.  126. 
Oinomaos,  Gallier  211. 
Oinotrer,  Oinotria  21. 
Olbia  am  Borvsthenes  338. 

359. 
Olkaden  in  Spanien  113. 
T.  Ollius,   röm.  Ritter  31 5^ 
Olybrius  422;   Kaiser  423. 
Olympia  203.  316^  361\ 
Olympiaden  91  f. 
Olympiodoros,  Hist.  381. 
Olympius,  Stilichos  Gegner 

414. 
Olympos,  St.inlsaurien215. 
Olysipo  in  Lusitanien  160. 
Onulf,  Skire  423». 
M.  Opellius  Antoninus  Dia- 

dumenianus,  Caesar  348  f. 
'  M.  Opellius  Macrinus,Kaiser 

348  f. 
Opiker,  Osker  21.  26. 
!  L.  Opimius.  cos.  121  v.  Chr. 

174.  177.  182. 
Oppius  Sabinus  331. 
Orchomenos    in    Arkadien 

166. 

—  in  Böotien,  Schi.  202. 
;  Ordoviker,  Briten  318. 

Oreos  auf  Euboea  126.  132. 
I  Ofesten  in  Makedonien  132. 

Orestes,  Patricius  423  f. 

Oriens,  Diözese  388*^. 
j  Origenes,  Schriftsteller  392. 

origo  Constanthu  382. 

Orikos  in  Illyrien  247. 
;  Orleans  {AurenxH!).  St.  420. 
i  Orodes  (Hyrodes).   Parther 
236  f.  266.  270. 

Oroizes,  Albaner  222. 

Orophernes.  Kappadoker 
147. 

Oropos,  St.  165. 

Orosius  (Paulus  Orosiust, 
Hist.  17.  382. 

Ortygia  in  Syrakus  121. 

Orvieto  (Volsinii)  82^ 


454 


Alphabetisches  Register. 


Osca  in  Spanien  20y. 
Osker  21.  206;  osk.  Sprache 

26    206. 
Osroi'He,     Landschaft,     rri- 

misch  340. 
Osrors,  Partherkönig  335. 
Ostgothen  s.  Gothen. 
Ostia  bei  Rom  31.  38.  220. 

254;  ausgebaut  314. 
Ostsee  360. 

Otlio,  Kaiser,  s.  SalviusOtho. 
Oufentina,  Tribus  72. 
Ovidius,  Dichter  17.  286. 
Ovinium  phbiscitian  67. 
Oxybier,  Ligurer  180. 

P. 

Pabak,  Perser  350. 

Pacatus.  Redner  384. 

Pacuvius,  Dichter  156. 

Päligner  26.  56'-;  römische 
Bundesgenossen  71.  83^ 
192. 

Pästum(Poseidonia),Kol.  81. 

Paetus  Thrasea  (P.  Clodius 
Thrasea  Paetus)  317.  329. 

pagani  in  Rom  36. 

Pais,  E.  5  f. 

Pakoros,  Parther  266.  268. 

Palaepolis  bei  Neapolis  69'. 

Palaeste,  Ort  247^ 

Palästina,  Prov.  362. 

Palatium,  Palatinus  in  Rom 
30.  35  f.  316. 

Paliken,  Götterpaar  186. 

Palladius,  Caesar  421. 

Pallantia  in  Spanien  161. 

Pallantion  in  Arkadien  30. 

Pallas,  kaiserl.  Freigelasse- 
ner 314. 

Palma,  St.  179. 

Palmyra  363.  365.  374;  er- 
obert 377. 

Pamphvlien  138  f.;  Prov. 
188.  216.  362. 

Panaehäer,  Hellenen  362. 

Panares,  Kreter  220. 

Pandateria,  Insel  304^*. 

Paneion,  Schi.  130. 

Panhellenen,  Festgemein- 
schaft 311^.  362. 

Pannonier  271.  293  f.;  Auf- 
stand 297  f.;  Prov.  298. 305. 
306-^  308.  334.  340.  358  f. 
379. 397. 402. 405;  hunnisch 
417.  419;  ostgothisch420; 
langobardisch  433;  Diö- 
zese 388«.  396. 

Panormos  auf  Sizilien  105; 
Kol.  286. 

Pantikapaion,  St.  223. 

Paphlagonien  138  f.  197  f. 
217.  223;    Prov.  300.  362. 

Papinianus  (Aemilius  Papi- 
nianus),  Jurist  346.  348''. 


C.  Papirius  Garbo,  Graccha- 
ner  174.  1762. 

—  Volkstribun  89  v.Chr.  193. 
Cn.  Papirius  Garbo,  cos.  113 

v.Chr.  184. 

—  Marianer  204  f. 

L.  Papirius  Cursor,  Diktator 
692. 

—  COS.  294  v.  Chr.  73'. 

C.  PapiusMutilus,  Samniter 

192. 
Papyri  8. 
Parisier  241.  356;  Paris  402. 

407. 
Parma,  Kol.  149. 
Parthamaspates,    parthi- 

scher  König  335. 
Parther  147.  196.  219;  Ver- 
hältnis zu  Rom  (Kriege) 

unter  Pompeius  221  f.  236. 

248;    Crassus    236  f.    254; 

Caesar  255.  258;  Cassius 
I       263:  Antonius  267  ff.  270. 

272.  275;  Augustus  275. 
,  299  ff.  321 ;  Nero  321  f. ; 
I  Vespasian  329;  Traian  335; 
!      Hadrian  336;   Antoninus 

Pius  339;   M.  Aurel  340; 

Septimius  Severus  344  f. ; 

Caracalla347f.;  Sturz350. 
Parthiner,  Illyrier  110. 
Passau  [Castra  Batava)  358. 
Patavium,  St.  353. 
Patrae  in  Achaia  250.  274; 
!      Kol.  286.  361. 
Patres,  der  alte  Senat  31.  43. 

45.  67.  86 f.;  maiontm  und 

minorum    gentium  32.    43; 

patnim    auctorttas   45.    84. 
Patricius,  S.  Aspars,  Caesar 

422. 
Patrizier  43  f.  46';  Kämpfe 

mit    den  Plebejern  58 f.; 

Vorrechte    84.    86;     ver- 
mehrt 253.  285'. 
Paulus  Diaconus,  Hist.  383. 
Pausanias,  Perieget  100. 158. 

340. 
Pax,  Tempel  329 ;  Altar  282^. 
pecnnia  46, 
Q.  Pedius,  cos.  43  v.  Chr.  254. 

260;  lex  Pecfia  260. 
Peiraieus,   Hafen   Athens 

136.  201. 
Pelasger  in  Italien  22. 30. 35 ; 

tyrrhenische  22. 
Pella  in  Makedonien,   Kol. 

361. 
Peloponnes,  verwüstet  412. 

422. 
Pelusion,  St.  248  f. 
Pentapolis  (Kyrene)  366. 
Peräa  der  Rhodier  133. 
Perennis,  Präfekt  des  Com- 

modus  342. 


Pergamon,  Pergamener  88. 

131.  1.34  f.  138  f.  140  f.  143. 

147.    188;    römisch    167  f. 

199.  202  f. 
perinchae  des  Livius  17. 
Periökenstädte  in  Lakonien 

134  f. 
Periplus  des  Roten  Meeres 

365'. 
Perizoniüs  2. 
M.  Perperna,  cos.  130  v.  Chr. 

168. 

—  Marianer  208  ff. 
Persepolis  350"\ 

Perser  (Neuperser)  .3.50  f.; 
Perserkriege  351. 373.  374. 
378.  380:  Diokletians  386. 
388;  Konstantins  400;  des 
Con.stantius  401 ;  .Julians 
404;  406.  408'.  412.  418  f. 
428;  Justinians  430.  431  f. 

Perseus,  König  von  Make- 
donien 142.  165;  Krieg 
mit  Rom  143—145;  Ende 
146. 

Pertinax,  Kaiser  (P.  Helvius 
Pertinax)  343.  353^. 

—  Beiname  des  Septimius 
Severus  345. 

Perusia,    St.   24'.    70*.   117; 

perusinischer  Krieg  265. 
C,  Pescennius  Niger,  Kaiser 

344, 
Pest   im    römischen   Reich 

.340.  372.  375. 
Petelia,  St.  119. 
Peter,  Carl  5. 
Q.  Petillius  Cerialis  327. 330. 
Petra,    St.  in  Arabien  3.34. 
M.  Petreius  245.  251  f. 
C.  Petronius,    Präfekt   von 

Ägypten  302. 
Peti'onius  Maximus,  Kaiser 

421. 
Petros  Patrikios,  Hist.  280. 

.381. 
Peuketier  22. 
Phanagoreia,  St.  223. 
Pharnakes.  König  von  Pon- 

tos  141.  i97. 

—  II,  Bosporaner  223.  250; 
seine  Söhne  272. 

Pharos,  Insel  vor  Ägvpton 
249. 

—  in  Illyrien  114. 
Pharsalos,  Schi.  247  f. 
Phaseiis,  St.  215. 
Philinos  von  Akragas.  Hist. 

99. 
Philippi.  St..  Schi.  264;  Kol. 

286,  361, 
philippische  Reden  Ciceros 

259, 
Philippopolis  372. 
Philippos  V,  König  von  Ma- 


Alphabetisches  Register. 


455 


kedonieii   85^.  114.  121  f. 

125  ff.  130— 134. 136  f.  138. 

141  f.  149\ 
Philippos,  falscher  (Andris- 

kos)  165. 
Philippus  Arabs  (M.  Julius 

Philippus),  Kaiser,  Vater 

und  Sohn  37U  ff.  392. 
Philistos,  Hist.  19.  522. 
Philon,  Jude  31 1^ 
Philopoimen,    Achäer    126. 

135.  140. 
Philosophen  aus  Eom  ver- 
trieben 329.  332. 
Philostorgios,  Hist.  383  f. 
Philostratos,    Schriftsteller 

34«3. 
Phintias,  St.  auf  Sizilien  106. 
Phlegon,  Hist.  158.  281. 
Phönike,  Landschaft  272. 
Phöniker  20  f. 
Phoinike,  St.  in  Epirus  109. 

126.  130. 
Phokäer  in  Italien  21.  23  f. 
Phraata  (Praaspa,  Vera),  St. 

in  Medien  270^. 
Phraatakes.  Parther  301. 
Phraates  I,  Parther  219. 236. 

—  II  270    275. 

—  IV  300  f. 

Phrygien  139.  218.362f.412; 
Großphr-N  gien  168.  197. 

Phrygios,  Fl.,  Schi.  138. 

Physkon  (Ptolemaios  VIII) 
148.  172.  195  f. 

Picenum,Picenter26;  unter- 
worfen 72.  74.  81. 118. 192. 
193  f.  204.  211.  227.  245; 
Picentiner  ana  tvrrhen. 
Meer  129. 

PlGHIÜS    1. 

Pikten   in  Schottland    393. 

405.  417. 
Pinarier,  Geschlecht  in  Rom 

43. 
Cn.  Pinarius  Cornelius  Cle- 
mens 328. 
Pinna,  St.  193. 
Piraten  s.  Seeräuber. 
Pirusten,  Illyrier  238. 
Pisa    in   Etrurien   23.    111; 

Kol.  150.  179. 
Pisidien  188.  218.  362. 
Piso  s.  Calpurnius. 
Pisonische     Verschwörung 

317. 
Pistoria,  St.,  Schi.  227. 
Pithyusen,  karthagisch  101. 
Placentia,  Kol.  112. 117. 149. 

251.  423;  Schi.  421. 
Placidia     (Galla     Placidia) 

416  ff. 
Plautianus  (C.  Fulvius  Plan- 

tianus),     Prätorianerprä- 

fekt  346. 


A.Plautius  erobert  Britan- 
nien 318. 
,  C.  Plautius,  Pr.  in  Spanien 
I       1596. 
I  P.  Plautius    Hypsaeus  239. 

M.  Plautius  Silvanus,Volks- 
tribuu  193.  199. 

Ti.  Plautius  Silvanus  Aelia- 
nus,  Legat  von  Mösien  320. 
360». 

C.  Plautius  Venox,Zensor85. 

Plautus,  Dichter  155. 

Plebejer,  Plebs  31.  42.  44. 
46';  Streit  mit  den  Patri- 
ziern 58;  erhalten  das 
Konsulat  64  f.;  gleich- 
berechtigt 83  f.  85  f. ;  spä- 
tere plebs  354 ;  plebiscita  84. 

Plestia  in  Umbrien  118». 

Pleuratos,  Illyrier,  Vater 
Agrons  109. 

—  Vater  des  Genthios  132. 
134.  144. 

Pleuron.  St.  166. 

C.  Plinius  (der  ältere)  17.  19. 
277.  278-.  330. 

C.  Plinius  Caecilius  Secun- 
dus  (der  jüngere)  278. 335. 
339.  352». 

L.  Plinius  Rufus  267'.  269. 

Plotina,  G.  Traians  336. 

Plotinopolis  in  Thrakien 
360'. 

Plotinos,  Philosoph  376. 

Plutarchos,  Hist.  18.100. 158. 
277. 

Po,  Fl.  111. 

Poedikuler  (Peuketier)  22. 

Poesien,  historische  14, 

Poetovio  (Pettau),  St  in  Pan- 
nonien  359. 

Pola,  St.  353.  402. 

Polemonvon  Laodikeia,  Dy- 
nast 272.  300.  321;  sein 
Nachkomme  326^;  pole- 
monischer  Pontos  362. 

Pollentia,  St.  in  Italien  413. 

—  auf  den  Balearen  179. 
Pollitium,St.derMarruciner 

70. 

Pollux,  Gottheit  39. 

Polybios,  Hist.  15  f.  30.  68. 
99  f.  109».  1.56;  Chrono- 
logie 93 f.;  in  Rom  146. 
166;  in  Hellas  167. 

Polyxenidas,  Admiral  des 
Antiochos  137. 

Pomerium  35* ;  erweitert 
354. 

Q.  Pompaedius  Silo,  Marser 
192.  194. 

Pompeji,  St.  194.  206;  ver- 
schüttet 330. 

Pompeiopolis  (Soloi)  in  Ki- 
likien  221. 


Q. Pompeius,  cos.  141  v.Chr. 
160. 

—  COS.  88  V.  Chr.  200. 

Sex.  Pompeius,  Pr.  in  Make- 
donien 179^ 

A. Pompeius  Bithvnicus263. 
267. 

Cn.  Pompeius  Magnus  204  f. 
208;  in  Spanien  209—211. 
355;  Konsulat  212;  gegen 
die  Seeräuber  und  Mithri- 
dates  221.  223  f.  225.  228. 
363;  Triumvirat  229. 230 f. 
235  f.  239.  f. ;  gegen  Caesar 
242  ff. ;  Ende  248. 

Cn.  Pompeius,  S.  des  vorigen 
251.  254  f. 

Sex.  Pompeius,  S.  des  Mag- 
nus 251.  2541.  257.  260  f.; 
264  ff.  267.  269  f.;  Ende 
270  f. 

Cn.  Pompeius  Strabo  193  f, 
200  f,  204, 

Pompeius  Trogus,  Hist,  17  f. 
68,  99. 

Numa  Pompilius30f.  36.  46. 
47', 

T,  Pomponius  Atticus,  Hist, 
16,  95  f.  213-.  286». 

Pomptina,  Tribus  53. 

Pomptinische  Sümpfe  254. 

C.  Pomptinus  232. 

Pons  Aeliiis  (Newcastle)  337^ 

Pons  Aemilius  in  Rom  152^. 

pontes  longt  in  Germanien 
306. 

Pontia,  Kol.  72. 

pontifices  in  Rom  46.  84. 171 
gewählt  188.  206  f.  226 
Pontifex  maximus  13.226 
270.  284;  hört  auf  405 
Pontifikaltafel  13.  93  f.  95 

C.  Pontius   (Telesinus)  205 

Pontius  Aquila.Volkstribun 
256'. 

Pontos,  Kappadokien  am 
Pontos  141.  197 f.;  Prov. 
222.  223.  272. 300.  326. 400; 
polemonisoherPontos362 ; 
Diözese3886:  Pontosstädte 
141 ;  Pontosküste  198.  328. 
334.  359:  Pontosvölker 
375.  378. 

C.  Popilius  Laenas  in  Ägyp- 
ten 147. 

M.  Popilius  (Laenas),  cos.  173 
V.  Chr.  150. 

M.  Popilius  Laenas  160. 

P.  Popilius  Laenas,  cos.  132 
V.  Chr.  1733. 

Poppaea  Sabina,  G.  Neros 
315. 

Populonia,  St.  24'. 

C.PorciusCato,cos.ll4v.Chr. 
187. 


456 


Alphabetisches  Register. 


L.Porcius  Cato,  cos.  89  v.Chr. 

193. 
M.  Porcius  Cato  135  f.  146"; 

COS.  195  V.Chr.  151 ;  Zensor 

152^    154;    155.    156.    1.59. 

162;  Hist.  16.  19.  29. 

—  der  jüngere  227  f.  231. 
235.  239.  245.  249.  251.  2.56; 
Ende  2.52. 

Porphyrios,      Chronograph 

281. 
Porsenna,    König  von  Clu- 

sium  33^  33«.  40. 
Porticus  der  Octavia  285. 
portiis  Itins  in  Gallien  237. 
Poseidonia  (Pästum),  St.  75. 

81. 
Poseidonios,   Hist.   16.   156. 

183'.  224^ 
possessio  171. 
Postumische  Straße  [via  Po- 

stumia)  179. 
Postumius,  Seeräuber  55. 
A.  Postumius  (Tubertus)  48. 

—  im  jugurthiuischen  Krieg 
182. 

L.  Postumius,  cos.  229  v.Chr. 

109  f. 
Sp.Postumius,  cos.148v.Chr. 

179. 
Sp.  Postumius  Albinus,  cos. 

110  V.  Chr.  182. 
Postumus  (M.Cassianius  La- 

tinius  Postumus),  Kaiser 

374.  377. 
Potheinos,  Ägypter  249'. 
Potitier,  Geschlecht  in  Rom 

43. 

POUILLY,    DE    2. 

Praaspa  (Phraarta,  Vera),  St. 
in  Medien  270^. 

praefecti  iure  dicundo,  Prä- 
fektureu  82.  152;  praef. 
orae  maritimae  260;  kaiser- 
liche Prätekten  289  f.  293; 
PräfektvonÄgypteu363f. ; 
praefecfus  praetorio  289. 
309  f.  329.  352.  367.  389. 
389^.  398;  praefectus  urbi 
310.  354.  389. 

Praeneste,  St.  54.  57.  78;  er- 
obert 204  f. 

prae)ioiiie)i   43-. 

Prätor  =  Konsul  44 ;  ein- 
gesetzt 64;  vermehrt  108. 
150.  152.  206  f.  253;  unter 
den  Kaisern  288.  354 ;  ita- 
lische Pr.  192;  prätori- 
sches  Edikt  367. 

Prätorische  Kohorten,  Prä- 
torianer  289  f.  309.  333. 
343.  345. 

Prasutagus,  Brite  818'. 

Praunheim  358'. 

Premnis  in  Aethinpien  302. 


Priester,     Priesterschaften 

46.  171.  206  f.  2.53.  284. 
Princeps  284.  302. 
Prinzipat  s.  Kaisertum. 
j)risci  Latini  58. 
Priscillianus   407';    Pris<il- 

lianisten  407. 
Priscus  Attalus,  Kaiser  414. 
Priskos,  Hist.  381. 
Privernum,  St.  57. 
Probus  (M.AureliusProbus), 

Kaiser  379. 
Proculus.  Gegenkaisor  379. 
Prodiktatur  118^ 
Prokonsularische      Gewalt 

255.  352. 
Prokopios,Gegenkaisor405  f. 

—  Hist.  381  f. 
Prokuratoren,      kaiserliche 

290.  293.  32Ö.  323.  358. 360. 

366. 
Promotus,  Feldherr  407. 
Propertius,  Dichter  17.  286. 
Prorogation  129.  207. 
Proskriptionen  205  f.  261. 
Prosper  Tiro,  Chronist  38^. 
Provinzen,    Zustände    214. 

324;  Verwaltung  176.  207. 

229.  253 ;  unter  Diokletian 

388  f. 
Provokation  59.  60. 1732. 174. 
Proxenos,  Hist.  68. 
Prusias  von  Bithvnien  126. 

130.  138.  140  f.  142.  144. 
Pseudophilippos      (Andris- 

kos)  165. 
Ptolemäer   in  Ägypten  87. 
Ptolemaeus,  Geograph  296  ^ 

353'.  360  ^ 
Ptolemaios   Keraunos   77  f. 
Ptolemaios  II  Philadelphos 

89 

—  IV  124.  130. 

—  V  130.  134. 

—  VI  147  f. 

—  VIII  148.  172.  195  f. 

—  X  196.  207.  230. 

—  XI  Alexander  1 196.  207 '. 

—  XII  Alexander  11207.230. 

—  XIII  Auletes  230  f.  236. 
248. 

—  XIV  248  f. 

—  XV  249. 

—  XVI  Kaisarion  249.  272. 
275. 

—  Philadelphos,  S.  des  An- 
tonius und  der  Kleopatra 
2722. 

Ptolemaios    Apion,    König 

von  Kyrene  196. 
Ptolemaios  von  Kypros  230. 

—  von  Mauretanien  323. 366. 
Ptoleniais.   St.  in  Ägvpten 

364.379.4122. 
Publicius  Certus  332». 


Publikanen   s.  Stoucrpäch- 

ter 
Publilia.  Tribus  53 
Publilius  Celsus  3.36^ 
Pulcheria  418  f. 
Punicus,  Lusitaner  159. 
Punier    =     Phöniker    101 ; 

erster    punischer    Krieg 

103  ff.;  zweiter  114     129; 

dritter  162     164. 
Puteoli,  Kol   130.  155. 
Pydna,  Schi.  145.  165. 
Pyrenäen  115. 
Pvrrhos,  König  von  Ej>irus 

'77—80.  139. 
Pythodoris,  Königin  300. 
Pyxus(Buxentum),  Kol. 1.30. 

Q. 

Quaden,     Germanen     3(>8. 

340  ff.  402.  405. 
Quaestionen,    Gerichtsliöfe 

169.  175.  190  206. 
Quästoren,   Quästur  einge- 
setzt   66;     vermehrt    86. 

206  f.  253. 
Quietus  (Fulvius  Quietus), 

Gegenkaiser  374  f. 
Quinctilii,  Geschlecht  43. 
Quinctilis,  Monat  =  Julius 

255. 
P.  QuinctiliusVarus298. 306. 
L.  Quinctius  (Cincinnatus) 

48. 
T.  Quinctius,  Diktator  54'. 
—  Flamininus,  im  zweiten 

makedonischen         Krieg 

132  flf.  135.  137.  141.  156. 
qiiinquagesima    venalinm    re- 

rum,  Steuer  297*. 
Quinquegentianer  in  Afrika 

373.  375.  388. 
Quintillus,  Kaiser  376. 
Quirina,  Tribus  107.  151. 
Quirites  37.  252;  fossa  Quiri- 

tium  31. 

R. 

C.  Rabirius  226^. 
Eadagaisus  413. 
Radamistus,  Iberer  321. 
Räter,  Rätien  22«.  293.  358. 

374.379.387.395.402.417; 

barbarisch  425. 
Ramnes,  Ramneiises  31  f.  36  f. 
Randeia  322. 
Raxke,  L.  V.  6. 
Rasenna,  Etrusker  22. 
Raudische  Felder  186. 
Raurica    [Augusta    Rauraco- 

no»)  356*. 
Rausimod,  Sarmate  397. 
Ravenna.  St.  235.  243.  326. 

394 :  kaiserliche  Residenz 

414.  423.  426.  431. 


Alphabetisches  Register. 


457 


Recht,     i'ömisches     367; 
Rechtsquellen  •129. 

Regalianus,  Gegenkaiser 
374. 

Regen  wunder  bei  den  Qua- 
den  341^ 

Regia  am  Forum  42.  286. 

Regillus,  See,  Schi.  38. 

Regionen  Roms  285.  288; 
Italiens  353. 

Rehme,  Ort  307'. 

Reichsteilung  411. 

Reiter  (Ritter),  Reiterei  37. 
45.  6B.  87. 

Religion,  römische  46.  90; 
in  der  Kaiserzeit  368. 

Remer  (Reims),  Gallier  234. 
239.  356. 

Remus  28  f. 

Repetunden  229. 

Resaina  am  Euphrat  370. 

fes  gestae  divi  Angusti  276. 

res  privata  des  Kaisers  346. 

rex  sacrorum  42. 

Rhambauiten,   Araber  301. 

Rhaskuporis,  Thraker  320. 

Rhegion.  St.  21.  77  f.  80;  er- 
obert 81;  119.265.304^353. 

Rhein,  von  Caesar  über- 
schritten 237.  239;  von 
Agrippa  267 ;  überbrückt 
239.  297:  Grenze  298  f. 
337.379.  397.  412 f.;  Mün- 
dungen 357. 

Rheinbrohl  357*. 

Rheingau  319. 

Rhetoren,  besoldet  329.  339. 

Rhizon  in  Illyrien  110. 

Rhodope,  Gebirge  in  Thra- 
kien 215. 

Rhodos,  Rhodier  88;  mit 
Rom  verbündet  89.  126. 
130  f.  133.  136  ff.  144.  146. 
197. 199.  2242;  von  Cassius 
erobert  263 ;  Aufenthalt 
des  Tiberius  301. 303 ;  ein- 
gezogen 329.  362. 

Rhoimetalkes,  Thraker  320. 

Rhome,  Troerin  29. 

Rhomos  29.  58. 

Rhone  (Rhodanus),  Fl.  185  f. ; 
Hannibals  Übergang  115. 

Richter,  Richtergesetze  175. 
177.  188. 190.  199.  206.  212. 
258.  290. 

Ricimer  421.  423. 

Rif  in  Mauretanien  366. 

Rittercenturien  31  f.  175; 
Ritterstand  173^.  175f.  178. 
189. 190. 199f.206.212.  229. 
253.  290.  345.  352  f. 

Rollin  2. 

Rom,  Lage  und  Ursprung 
35  f.;  Bevölkerung  usw. 
152. 286  f.  354  368:  Bauten 


285.  329.  335.  338.  354; 
Brände  316.  354.  389*; 
Stadtmauer  31  f.  53.  376; 
Stadtplan  346:  seit  Dio- 
kletian 389;  unter  Maxen- 
tius  393  f.  395:  Bischöfe 
40P;  408  f :  geplündert 
414.421;  431  f.;  West- und 
Ostrom  411  ff. 
Romulus,GründerRoms28f. 
30  f.  38.  48. 

—  S.  des  Maxentius  .395. 

—  Augustulus  423  f. 

Sex.  Roscius  aus  Ameria  225. 
Rotes  Meer  365. 
Rotomagus  (Rouen)  386. 
Rottenburg  358. 
Rottweil  358. 
Ruas  (Rugas,Rugila).Hunne 

419.  4192. 
Rubico.  Fl.  244.  244*. 

RUBINO    3. 

Rubrius,  Volkstribun  176. 
Rudiae,  St.  156. 
Rufinus,  Hist.  383. 

—  Präfekt  411  f. 
Rufrius  Crispinus  315*. 
Rugas  s.  Ruas. 
Rugier,  Germanen  426'. 
P.  Rupilius,  cos.  132  v.  Chr. 

170  f. 
Rusellae,  St.inEtrurien24^ 
Ruspina,  St.  in  Afrika  252. 
C.  Rutilius  Gallicus  328^. 
P.  Rutilius    Lupus,    cos.  90 

v.  Chr.  192  f. 
P.  Rutilius  Rufus,  Hist.  157. 

190. 

i  s. 

I  Saalburg  296^.  .357*. 
!  Saale,  Fl.  296. 
;  Sabatina,  Tribus  53. 
Sabeller  =  Samniter  25. 25'^. 

27;  Einfluß  41:  192. 
Sabina,  G.  Hadrians  336^. 
Sabiner    25;     in    Rom    36; 

unterworfen  73  f.  86'"  2. 
Sabinianus ,       Gegenkaiser 

370. 
Sabinus  Julianus  (M.  Aure- 

lius     Julianus),      Gegen- 
kaiser 380. 
Sabis  (Sambre),  Fl.  234. 
Sabrata,  St  der  Tripolis  164. 
Sachsen,  Einfälle  ins  Reich 

371.373.  386.402.405.413. 

417.  420. 
Sacriportusin  Latium.  Schi. 

204. 
Säkularspiele  286*. 
Saguntum     (Zakantha)     in 

Spanienll3f.  123. 150.210. 
Salarta  via  46-. 
Salasser.  Alpenvolk  179. 271. 

292. 


Salernum,  Kol.  130. 

Salinen  bei  Kom  31.  38.  46. 
462;    in  Gormanien   320'. 

Sallentiner  (Messajiier)  22. 
81. 

Sallustius,  Hist.  16.  157. 

Sallver  (Salluvier),  Ligurer 
180. 

Salmantika  (Salamanca)  1 13. 

Salona  in  Illvrien  249.  361. 
393.  424. 

Saloninus  (P.  Licinius  Cor- 
nelius Saloninus),  Caesar 
373=*.  374^ 

saltiis  Castulonensis  150. 

Q.  Salvidienus  Rufus  263. 

Salvius  (od.  Tryphon),  Skla- 
venführerauf Sizilien  187. 

M.  Salvius Otho,  Kaiser 315*. 
325. 

Salzhandel  462. 

Salzungen  320'. 

Samareia  (Sebaste),  St.  300». 

Samarobriva  356. 

Same  auf  Kephallenia  139. 

Samniter  (Samnium)  25:  = 
Sabeller  25'^:  mit  Rom 
verbündet  54':  im  Krieg' 
55  f.  68  ff.  73  f.  75.  77.  80; 
unterworfen  81. 192ff.  201. 
205:  Untergang  206. 

Samos  131.  137.  197.  215. 
274.  299. 

Samosata  am  Euphrat  268. 
300. 

Samothrake  145.  215. 

Sancus,  Gott  36. 

Santoni  in  Gallien  233". 

Saphrax,  Gothe  407. 

Sapor  I,  Perser  370.  374. 

—  II  400  f.  402.  406.  408'. 

—  III  408. 
Sarapistempel  407. 
Sarazenen  386. 
Sardes,  St.  138.  26.3.  363. 
Sardinien,  karthagisch  101. 

104:  römisch  108.  121.150. 

175.    179.    205.    208.    245. 

251  f.  261.   263.  267.  354: 

vandalisch  422;  kaiserlich 

430.  432. 
Sardonia,  Kol.  (unbekannt) 

53*. 
Sarmaten  ( Jazygen)  320.326. 

331.   340.  369.  379.  396  f. 

402.  405. 
Sarmizegetusa  334. 
Sarnus,  Fl.,  Schi.  432. 
Sarsinateu,  Umbrer  81. 
Sasan  350^;  Sasanideu  350. 
Saticula  70;  Kol.  72. 
Satricum  49:  Kol.  53. 
Saturninus  s.  Appuleius. 

—  Gegeukaiser  379. 
Saxa  rubra  395=. 


458 


Alphabetisches  Register. 


Scaptia,  Tribus  57. 
Schlegel,  A.  W.  v.  2  f. 
Schlesien  331.360.' 
Schottland  331. 
Schuldgesetze  199.  2.Ö0. 
Schwarz-Korkyra  (Curzola) 
247. 

SCHWEGLER,    A.    3. 

Scipio  s.  Cornelius   Scipio. 
Scipionenprozesse  154'. 
Scolacium  (Minervia),   Kol. 

176». 
Scribonia,  G.  Oktavians  266. 

303. 
CScriboniusCurio  der  ältere 

212.  215. 

—  Caesarianer  243. 245. 246. 
L.  Scribonius  Libo  247. 
scriptores  historiae  Axc/iistae 

280  f. 
Sebaste  (Samareia),  St.  300'. 
Sebastianus  415. 
secessio  -plehis  59'.  84. 
Sedunen,  Alpenvolk  234. 
Seei'aub,   Seeräuber  25.  55. 

170.  188.  210.   211.  217  f.; 

Seeräuberkrieg  215  f.  220f. 

267.  3512. 
Segesta  (Egesta)  auf  Sizilien 

103  f. 
Segestes,  Cherusker  306. 
Segestike    (Siscia)    in    Pan- 

nonien  271. 
Segida,  St.  in  Spanien  159. 
Segimer,  Cherusker  298. 
Segusiaver  in  Gallien  356. 
Segusio   (Susa),    St.  in    den 

Alpen  209'.  293. 
Seidenhandel  365. 
L.  Seius  Strabo  309^ 
Seleukeia  am  Tigris  236. 340. 

345. 
Seleukiden,Dynastie88. 141. 

147  f.  195  f.  300;  Ende  217. 
Seleukos  I  197. 

—  IV  141.  142. 
Selinus  auf  Sizilien  21. 

—  in  Kilikien  336. 
Scllasia,  Schi.  114. 
Semnonen,  Germanen  296. 

308-'.  331.  360.  37P. 
Sempronia,    G.    des    Scipio 

Aemilianus  172.  174. 
P.  Sempronius,    cos.  304  v. 

Chr.  71. 
A.  Sempronius  Asellio,  Pr. 

199. 
CSempronius  Gracchus  168. 

172:Volkstribunl74— 177. 

191.  191'. 
Ti.  Sempronius    Gracchus, 

cos.  213  V.  Chr.  12^1 
-cos.177v.Chr.150M51.172. 

—  S.  des    vorigen.    Volks- 
tribun 172  f. 


Ti.  Sempronius  Longus,  cos. 
218  v.Chr.  115.  117. 

C.  Sempronius  Tuditanus 
174.  179^ 

Sena  Gallica,  Kol.  74;  Schi. 
125. 

Senat,  Entstehung  und  Bil- 
dung 31.  43.  45.  85;  patri- 
zisch-plebeisch  67.  86  f  ; 
Bedeutung  153.  173'.  175. 
200.  206  f.  212;  vergrößert 
253;  255;  kaiserlich  284  f. 
287  f.  290.  305.  315.  329. 
335.  338.  339.  345.  350. 
351  ft".;  beschränkt  364; 
367^.  375.  378  f.;  .seit  Dio- 
kletian 385.  389.  409.  414. 
416';  Beschlüsse  und  Pro- 
tokolle 14;  in  Konstan- 
tinopel  400. 

seniorcs  in  der  Centurien- 
ordnung  65. 

Senonen   in  Italien  50.  74. 

—  in  Gallien  241. 
Sentinum,  Schi.  73. 

C.  Sentius  Saturninus,  Pr.  in 
Makedonien  188.  199. 

—  in  Germanien  297. 
Septicius  Clarus  278'. 

P.  Septimius   Geta,   Kaiser 

346. 
Septimius  Odaenathus,  Pal- 

myrener  374  f.  377. 
L.  Septimius  Severus,  Kaiser 

342ä.  344—346.  352  f.  354. 

356.  362.  364.  375".    392; 

Tod  346;  Selbstbiographie 

346. 
Septimontium  in  Eom  36. 
Sequaner,  Gallier  184.  186. 

232.  233.  234.  241.  261. 
Serdica,  St.  401. 
Serena.  G.  des  Stilicho  411. 

414.  ■ 
L.  Sergius  Catilina  225—227. 
Q.  Sertorius   201.  208—210. 

216.  217.  218.  355. 
Naevius  (vielleicht  Gnaeus) 

Sertorius  Macro,  Präfekt 

310.  3112. 
Servilia  Mutter  des  Brutus 

256^. 
C.  Servilius,  Pr.  auf  Sizilien 

187. 
Cn.  Servilius,  cos.  217  v.  Chr. 

117. 
P.  Servilius,  cos.  252  v.  Chr. 

106'. 
Q.  Servilius  Caepio,  cos.  140 

V.  Chr.  159«.  160. 

—  cos.  106  V.  Chr.  184.  188. 
190. 

—  S.  des  vorigen,  Gegner 
des  Livius  Drusus  190. 

C.  Servilius  Glaucia  189. 


P.  Servilius  Isauricus,   cos. 
79  v.Chr.  215  f.  224«. 

—  COS.  48  v.  Chr.  247.  251. 
Q.  Servilius  Rullu.s,  Volks- 
tribun 226.  228. 

Servius  Tullius,   König  .30. 

32—34.   45.  66.  200;    ser- 

vianische  Stimmordnung 

abgeändert  153 
Sestertius,  Münze  90. 
Sestos,  St.  138. 
Setia,  Kol.  53. 
Severianus,   S.  des  Kai.sers 

Severus  396. 
Severus    (Flavius   Valerius 

Severus),  Kaiser  .393  f  396. 

—  (Libius  Severus)  422. 
Severus  Alexander  (M.  Au- 

relius  Severus  Alexander), 

Kaiser  349—351.  354.  369. 

371.  371«.  .392. 
L.  Sextiu.s,  Volkstribun  64^; 

cos.  366  V.  Chr  97. 
T.  Sextius  in  Afrika  263.  266. 
C.  Sextius  Calvinus,  cos.  123 

V.  Chr.  180. 
Sibylle,  sibyllinische  Orakel 

39.  231. 
L  Siccius  60^ 
Cn.    Sicinius,    Volkstribun 

212. 
Side,  St.  in  Pamphylienl642. 
Sidiciner  26.  55.  57. 
Sido,  Suebe  320. 
Sidonius    Apollinaris     384. 

421'. 

SlGONIÜS    1. 

Sikaner  20'.  21. 

Sikeler  auf  Sizilien  20  \  21. 

30;  in  Italien  21.  27»;  in 

Latium  35 ^ 
Sikelos  67'. 
Silarus,  Fl.  26. 
Silawald  der  Brettier  81*. 
Silberminen  in  Spanien  123. 

150. 
Sileuos,  Hist.  99. 
Silingen,  Vaudalen  416*. 
C.  Silius  314. 
P.  Silius  Nerva  293. 
Silurer  in  Britannien  318. 

330. 
Silvanus,  Gegenkaiser  402*. 
Silvier,    Könige   von    Alba 

Longa  97. 
Silvium,  St.  71. 
Simon    Hoherpriester  196'. 
Simon  Barkochba  337. 
Singidunum  (Belgrad)  359. 

425. 
Sinope,  St.  88. 141.  197;  wird 

römisch  218  f.  250. 
Sinuessa,  Schi.  56. 
Sipontum,  Kol.  130. 
Siris.  St.  und  Fl.  21.  77. 


Alphabetisches  Register. 


459 


Sirmium  in  Pannonien  369. 
376.  379;  ostgothisch  427. 

Siscia  (.Segestike)  in  Pan- 
nonien 271. 

P.  !-ittius  251  f. 

Sizilien,  besiedelt  20  f.  40. 
76.79f.  101;  römischeProv. 
107  f.;  im  zweiten  puni- 
schen  Krieg  120f.  124  f.;  im 
Sklavenkrieg  170f.  1861".; 
sullanisch  205;  214.  214^. 
245.  251.  261.  263.  267. 
268 f.;  unter  den  Kaisern 
354.  414.  418.  422.  424.  426. 
431  f. 

Skagen  in  Jütland  296^. 

Skarpheia  in  Lokris.  Schi. 
167. 

Skiren,  Germanen  423. 

Sklaven,  Sklaverei,  Sklaven- 
handel 168.  170.  188.  213. 
367^:  Sklavenkriege  auf 
Sizilien  170f.  1861".;  in  Ita- 
lien 211. 

Skodra  (Skutari)  145.  266. 

Skordisker,  Gallier  179.  184. 
187.  203.  214. 

Skoten  in  Irland  393.  405. 
417. 

Skotussa,  St.  133. 

Skylax,  Geograph  19.  50. 

Skylletion  (Scolacium,  Mi- 
nervia),  Kol    1763. 

Skymnos,  Geograph  19. 

Skyros,  Insel  145. 

Skythen  196.  197.  217.  338. 

Slawen  im  röm.  Reich  428. 
433  f. 

Smyrna  134.  190,  263. 

Soaemias,  Kaiserin  349. 

socii  navaJes  83.  110*. 

sodales  Titii  286. 

Söldnex'krieg  der  Karthager 
108. 

Soissons  (Suessionen)  425. 

Sokrates,  Kirchenhist.  384. 

Sokrates  Chrestos.  Präten- 
dent 198. 

solitudo  magistratmim  (Anar- 
chie) 93. 

Soloi  (Pompeiopolis)  in  Ki- 
likien  221. 

Solomon,  Patricius  430 -. 

Solus  auf  Sizilien,  römisch 
105. 

Sonnengott  Elagabals  349; 
Aurelians  378. 

Sophienkirche  430. 

Sophoniba,  Karthagerin 
127^ 

Sora,  St.  70  f. 

Sosistratos  79. 

C.  Sosius,  Antonianer  268. 
273. 

Sosylos,  Hist.  99. 


Sozomenos,  Kirchenhist. 

384. 
Spanien  (Hispanien,  Iberer, 

Iberien),  karthagisch  101. 

112  f.;    im    2.    punischen 

Krieg  114f.  120.  122f.  125; 

Pi'ov.  geteilt  150;  Kriege 

150  f.  158  ff.  169.  185  f.  187. 

205 ;  unterSertorius  208  ff. ; 

228.    235.    240.   245  f.  251. 

254f.  261.  264;  ganz  unter- 
worfen   299;     325.    354  f. 

374.    413.   415  f.   417.   424. 

4.33;  Diözese  388«.  393. 
Sparta,  Spartaner  126.  133  f. 

135.  140;  Streit  mit  Achä- 

ern  166;  167. 361;  unter  den 

Kaisern316\337 -.361.375. 
Spartacus,  Thraker  211.  216. 
Spasinu  Charax  an  der  Eu- 

phratinündung  335. 
Spendios,  Kampaner  108. 
Spina,  St.  23. 
Spoletium,  St.  118^. 
Stabiae  verschüttet  330. 
Stadtpräfekt  {praefectus  urbi) 

von  Rom  310.  354.  389. 
L.  Staius  Murcus  254.  262. 

263  f.  267. 
Stammbäume  (imaginum 

tituli)  14. 
Statellaten,  Ligurer  150. 
Statilia  Messalina  315\ 
StatiliusTaurus  269. 287. 299. 
Steinhuder  Meer  307^ 
Stellatina,  Tribus  53. 
Steuern,     Steuerwesen    66. 

289.   291.   294  f.   297.  315. 

318.  328  f.  332.  3.36  f.  339  f. 

343.    347.    349.    364.    366. 

390.  410;  Erlaß  336  f.  339  f. 
Steuerpächter       [publican  i) 

155. 168.  176.  186. 190. 197. 

214.  219.  236. 
Stilicho  411—414.  415'. 
Stimmordnung,      serviani- 

sche    32.    34.    66;    refor- 
mierte 343.  153.  200. 
Stöner,  Ligurer  179. 
Stoiker,  ausgewiesen  329. 
Strabon,  Geograph  und  Hist. 

16.  19.  156  f.  158.  276.  287. 

306  ^ 
Straßburg       (Argentorate) 

328.  358.  406;  Schi.  402. 
Stratonikeia  in  Mysien  168. 
Stratonsturni  in   Palästina 

3003. 
Stratos.  St.  144. 
Sucro,  Fl.  210. 
Sueben  232.   237.   239.   294. 

296  f.  320.  331.333;  Suehi 

Nicj-efes  358'*;   in  Gallien 

413. 
Cn.  Suellius  Flaccus  332. 


Sue.ssa  Aurunca,  Kol.  57.  72. 
Suessionen,  Gallier  234. 
Suessula,  Schi.  .56. 
C.  Suetonius  Paulinus  318f. 

323.  366. 
C.   Suetonius    Tranquillus, 

Biograph  278  f 
Sugambrer  237.  295  f. 
SulpiciaDryantilla,Kaiserin 

374  ^ 
Sulpicianus  (T.  Flavius  Sul- 

picianus)  343'. 
P.    Sulpicius    (Galba),    cos. 

211,  200  v.Chr.  126.  131  f. 
Ser.  Sulpicius  Galba,  Pr.  151 

V.  Chr.  159. 

—  Caesars  Legat  234. 

—  Kaiser  317.  324  f. 

P.  Sulpicius   Rufus,  Volk.s- 

tribun  200. 
Sulpicius  Severus,  Chronist 

382. 
Sumelocenna    (Rottenburg) 

358. 
Surenas,  Parther  236  f. 
Suthul  in  Numidien  182. 
Sutrium,  Kol.  53.  71. 
Syagrius  425. 
Sybaris  21. 
Sykyrion,  Schi.  143. 
Symmachus  der  ältere  384. 

—  der  jüngere  429. 
Synesios  412'. 
Synkellos     (Georgios    Syn- 

kellos)  281  f. 
Syphax  123.  125.  127. 
Syrakus,    Svrakusaner    21. 
24  f.    79.    101.    102  f.;    er- 
obert 120  f  ;  422. 
Syrien  147.  195  f.:  unter  Ti- 
granes217.219;Prov.222f. 
235  f.   250.   254.    258.  262. 
266.  268.  270.  272.  340. 345. 
351.  362  f.  363.  370  f.  408'. 
411;  Sgria  coele  und  Phoe- 
nice  362. 

T. 
I  Tabari,  Hist.  383. 
j  Tacfarinas,  Numider  323. 

Tacitus  (M.  Claudius  Taci- 
I      tus),  Kaiser  378. 

—  (Cornelius  Tacitus),  Hist. 
I      277  f.  280.  310.  339.  378^. 

Tadinae  in  Umbrien  432. 
Tagaste,  St.  384^ 
;  Taprobane  365. 

Tarasios,   Patriarch  281^. 
I  Tarchu  33'. 

Tarcna  in  Caere  32*. 
I  Tarentum  (Taras),  St.  21  f. 
69';  tarentinischer  Krieg 
72.  75ff.;  römisch  81.81*. 
103-.  119. 122;  erobert  124. 
j  152:  Kol.  1763.  1942.  267 f. 
353.  353'. 


460 


Alphabetisches  Register. 


Tarquinier,  Geschleclit  33. 

40 ^  42 ^ 
Tarciuinii,  St.24'.  31.33.  332. 

42^.  54.  70^. 
Cn.  Tar<iuinius  33'. 
L.  Taniuinius  Collatinus32. 
L.    Tarquinius    Priscus  30. 

31  f.  45. 
L.  Tarquinius  Superbus  30. 

31.  32.  40. 
Tarracina  38. 
Tarraco,  St.  123.  150.  299. 
Tarrutenus  Paternus  342. 
Tarsos,   St.  263 f.;   von  den 

Persern  erobert  373;  396. 
Tasgetius,  Gallier  238^. 
T.  Tatius,   Sabiiier  36.   47'. 
Taunuskastell  296;  Taunus- 

landschaft333 ;  civitasTau- 

iiensinm  358. 
Tauriner  111'.  116. 
Tauriskerlll.179. 179'.  184. 

233.  292.  358. 
Tauromenion  79.  170  f.  269. 
Tauros,    Gebirge    138.    188. 

215;  Schi.  268. 
Teanum  Sidicinum  57 2.  193. 
Teia,  Gothe  432. 
Telamon,  Schi.  111. 
Teraese  (Tempsa)  20';  Kol. 

130. 
Tenkterer  237.  327. 
P.  Terentius  (Afer),  Dichter 

156. 
C.  Terentius  Varro,  cos.  216 

V.  Chr.  118. 
M.  Terentius  Varro    245  f.; 

Schriftstellerei  16  f.    95  f. 
M.  Terentius  Varro  Lucul- 

lus    (M.   Licinius    Lucul- 

lus)  215. 
A.  Terentius  Varro  Murena 

292. 
Teretina,  Tribus  72. 
Tergeste,  St.  242. 
Termantia,  St.  160. 
Terremare  20.  27. 
Tertullianus  392. 
Tetricus  (C.  Esuvius  Tetri- 

cus),    Vater     und    Sohn, 

Kaiser  377  f. 
Tettius  Julianus  331. 
Teuta,  Königin  109  f. 
Teutobod  186. 
Teutoburger  Wald  298.  306. 
Teutonen    (Toygener)    184. 

186. 
Thala  in  Numidien  182. 
Thamugadi,  St.  335 ^  365. 
Thapsus,  Schi.  252. 
Thasos  130. 

Theater  in  Rom  235. 254.  285. 
Theben  in  Böotien  167. 
Themistios,  Redner  384. 
Themse,  Fl.  238.  318  f. 


Theodahad  431. 
Theoderich  der  Große  {Fla- 

vitis  Theodet-icus)  425 — 429. 

431. 

Theoderid,  Westgothe  420. 

424. 
Theodora,  T.  des  Maximia- 

nus  387.  393<. 

—  G.  des  Justinianus  429  f. 
4332. 

Theodoretos,     Kirchenhist. 

384. 
Theodosius,  comes  405.  407. 
Theodosius  I  406—409.  411. 

4112.  412. 

—  II 412.  414'.  416. 418 f.;  co- 
dex Uieodosianus  384.  418'. 

Theologie,  etruskische  41. 
Theon,  Mathematiker  419. 
Theophanes   von   Mytilene 
157.  2242. 

—  Confessor  383. 
Theophrastos  54. 
Theopompos,  Hist.  51. 
Thermae   auf   Sizilien  105; 

Kol.  286. 
Thermen  des  Agrippa  285; 

des  Diokletian  389*. 
Thermopylen,  Schi.  136  f. 
Thervingen,       Westgothen 

406. 
Thespiae,  St.  337^. 
Thessaler,  Thessalien  136  f. 

141  f.    143.    165.    199.  202. 

247.  361.  411. 
Thessalonike,   St.  144.   246. 

361.   373.   397.   407;    Auf- 
stand 408. 
Theudosia,  St.  198.  223. 
Theveste,  St.  lOö^.  365. 
Thisbe,  St.  143. 
Thiudimer,  Gothe  425. 
Thoinon.  Syrakusaner  79. 
Thraker,  Thrakien  131. 134  f. 

139.    142.    165.    187.    198. 

202.   211.   214  f.   217.   262. 

293 f.;    Königreich    293 f. 

320.  359  f.;  Pro v.  359.  360. 

396.    406.    411.    418.    420; 

Diözese  388«.  396. 
Thransamund,Vandale418'. 

427.  428. 
Thüringer  425.  427  f.  429. 
Thurii,    St ,  Verhältnis   zu 

Rom  40.  75  f.  122. 124.  128; 

Kol.  (Copia)  130;  211.  266. 
Thusnelda  306. 
Thyateira,  St.  203. 
Thysdrus  252. 
Tiberis,  Fl.  27.  35.  254. 
Tiberius,  Kaiser,  s.  Ti.  Clau- 
dius Nero. 
Tiberius    Gemellus,    Enkel 

des  vorigen  311. 


Tibur,  St.  38.  57.  338.  338='. 
Ticinum    (Pavia),    St.    353. 

414.  432. 
Ticinu.s,  Fl.,  Schi.  117. 
Tifata,  Berg,  Schi.  204. 
Tigellinus  (Ofonius  Tigelli- 

nus)  316. 
Tigranes  I,  von  Armenien 

196.    198.   215.   217.  219  f. 

221  f.  223. 

—  V  322. 

Tigranokerta  217.  219.  322. 
Tigris,  Fl.  335.  340.  345.  348. 

380.  388.  402.  404. 
Tiguriner  184.  186.  233. 

TiLLEMONT    1. 

Timaios,    Hist.  19.   35'.   68. 

97.  101'. 
Timagenes,  Hist.  157. 
Timarchos    in    Babvlonien 

196*. 
Timasius  411. 
Timoleon  55. 
Tingis  2083. 
Tios,  St.  219. 
Tiridates,  Parther  275. 

—  Bruder    des   Vologases 
321  f. 

—  Armenier  386. 

Tities  (2'itienses),  Reitercen- 

turie  31  f.  36  f. 
Tita,  sodales  286. 
M.  Titius,   Antonianer  271. 
P.  Titius,  Volkstribun  261. 
Sex.  Titius,  Volkstribun  189. 
Titter,  Keltiberer  159. 
Q.  Titurius  Sabinus  238. 
Titus  Caesar,  Sohn  Vespa- 

sians  327  ft". ;  Kaiser  330. 
Titus  Tatius,  Sabiner36.47'. 
Tolerus,  Fl.  193. 
Tolosa,  St.  180. 184.  415.  417. 

421 ;  anruni  Tolosannm  184. 

188. 
LarTolumnius,Vejenter48'. 

492. 
Tomi,  St.  215.  359. 
Totila  (Baduila),  Gothe  432. 
Toufoiii  (Teutonen)  183'. 
Toygener  184. 
Traianopolis  360'. 
Traianus  (M.  Ulpius  Traia- 

nus\Kaiser333 — 336.336  f. 

339. 352.  354. 358'.  359. 360. 

362  f.  365.  391  f.:  Traians- 

säule  333*.  335;  Tropaeum 

Trakt ni  333*.  396*. 
Transalpiner,    Kelten    51 2. 

73.  110. 
Transdanuvianer  320.   411. 
Transpadaner  112.  193.  243. 

245. 
Transtigritanische  Provinz 

388.  404. 
Trapezunt,  St.  326'. 


Alphabetisches  Register. 


401 


Trasimenischer  See,  Schi. 
117. 

fravi'cfio  der  Ritter  290'. 

L.  Trebellius,  Volkstribun 
2.Ö1. 

Trebellius  Pollio,  Biograph 
280«. 

Trebia,  Fl..  Schi.  117. 

Trebonianus  Gallus  (C.  Vi- 
bius  Trebonianus  Gallus), 
Kaiser  372  f.  392. 

C.  Trebonius  235.  251.  254. 
256  f.  262. 

Trerus,  Fl.  27. 

tres  viri  capitales  86*. 

Treverer.  Stamm  237  ff.  241. 
294.  318.  327:  Stadt  (.4m- 
(lusta)  Trier  358. 373^  379^: 
Residenz  386. 395. 399. 405. 
407. 

Triarius,  Gothe  425'. 

C.  Triarius  218  ff.  220^ 

Tribigild  412. 

Triboker  234. 

Tribunen,  Volkstribunen 
[tn'huni plebis)  59.84;  ein- 
geschränkt 200.  206;  her- 
gestellt 212;  unter  den 
Kaisern  288.  354;  tribu- 
ni zische  Gewalt  Caesars 
255;  Oktavians  270;  des 
princeps  284;  des  Tiberius 
303. 

—  Kriegstribunen  [tribuni 
iiiiJifitm)  63.  87;  consukiri 
pntestate  63  f.  239. 

—  Aerartribunen  {tribuni 
aei-arii)  212.  253. 

Tribus  32. 43. 45.  59. 153. 204; 

vermehrt  53. 57. 72. 86. 107. 

151.193;  städtische  32.  86. 

1 53 ;  Stammtribus  36  f.  36- ; 

Tributkomitien  59.  84. 
tributnm  66.  146.  26P. 
Trier  s.  Treverer. 
Trifanum,  Schi.  56^. 
Trinitätslehre    und    -streit 

399.  401.  405.  407. 
Trinovanten  318. 
Triokala  auf  Sizilien  187. 
Triphylien,  Landschaft  134. 
Tripolis  in  Afrika  164.  183. 

365.  405.  422.  430;    limes 

T/-ipolitani(s  375"'. 
Triumphalfasten    12  f.  100. 

1073.  111^  286. 
Triumvirat,  erstes  229.  235. 

—  zweites  262. 269.  273.  282^ 
Triumvirn  für  Ackervertei- 
lung 173. 

Trösmis,  St.  359. 

Trogus  Pompeius,  Hist.  17  f. 

68.  99. 
Troia  29^  491 
Tiopaea  August i  293. 


Tropaeum  Traiatü  333*.  396*. 

Tromentina.  Tribus  53. 

Troyes.  St.  420. 

Trvphon  (oder  Salvius)  auf 
Sizilien  187. 

M.  Tullius  Cicero  221;  cos 
225-228:  verbannt  230 
in  Kilikien  237.  240.  244 
249.256:  gegen  Antonius 
259;  Ende  261;  Schrift 
stellerei  16.  19.  157. 

Q.  Tullius  Cicero  238  f. 

Ser.  Tullius,  König  30.  32. 
33  f.  45.  66.  200. 

Tullus  Hostilius,  König 30 f. 
36.  43. 

Turcilingen,  Germanen  423. 

Turdetanien  150. 

Tursa  (Etrusker?)  22«. 

Tusculum  32«.  38. 47. 53. 154. 

Tvana.  St.  378. 

Tyndaris.  St.  105.  269. 

Tyne.  Fl.  3373. 

Tyrannen.  =  Gegenkaiser 
373  f.  373'. 

Tvrannis  in  Rom  63  f. 

Tyras,  Fl.  293:  St.  359.  371. 

Tyros,  St.  101.  266. 

Tyrrhener  s.  Etrusker. 

Tyrrhenische  Pelasger  22. 

U. 

Ubier  237 ;  bei  Köln  267. 297. 
306.  319.  357. 

Ulpia  Noviomagus  (Nym- 
wegen)  33.3.  357. 

Ulpia  Traiana,  Sarmizege- 
tusa  334. 

—  Xanten  333.  357. 

L.  Ulpius  Marcellus  343. 

M.  Ulpius  Traianus  333;  s. 
Traianus. 

Umbrer  (Umbrien)  25;  vei'- 
drängt  50.  52':  Verhält- 
nis zu  Rom  72.  190.  192  f. 
245. 

Uraiiius  (Julius  Aurelius 
Sulpicius  Uranius  Anto- 
ninus),  Gegenkaiser  37 1'*. 

Urkunden  14. 

Urmitz  am  Rhein  237'. 

ürsinus.  röm.  Bischof  401'. 

Urso,  St.  2536. 

Useudama  (Adrianopel)  215. 

Usipeter  237. 

Utika  127. 162. 164. 246. 251  f. 
263. 

Uxellodunum.  St.  241. 

Uzita,  St.  252. 


Vaballath  (Athenodoros).  S. 

der  Zenobia  377. 
Vaccäer,  Keltibei-er  113. 159. 

161.  235.  299. 


VadaSabatia  inLigurienl79. 
Vadimo,  See.  Seid.  74. 
Valens,  Caesar  396. 

—  Flavius  Valens,  Kaiser 
404-406. 

C.Valens  Hostilianus,  Kai- 
ser 372. 
Valentia(ViboValentia)  130. 

—  Kol.  in  Spanien  160.  210. 
ValentinianusI  (FlaviusVa- 

lentinianus),  Kaiser  404  f. 

—  II  405.  407  f. 

—  III  416.  418—420. 
Valeria,  T.  Diokletians  387. 

396. 
Valeria  Messalina  314. 
Valerianus  ( P.  LiciniusVale- 

rianus),    Kaiser  372.  373. 

375.  392. 

—  (P.  Licinius  Cornelius  Va- 
lerianus), Caesar  373  f. 

L.  Valerius,  cos.  449  v.  Chr. 
61. 

Valerius  Antias,  Hist.16.99  f. 

C.  Valerius  Aurelius  Diocle- 
tianus,  Kaiser  380.  385  ff. 

Valerius  Corvus  54'. 

Valerius  Diocletianus,  Cen- 
turio  385'. 

C.  Valerius  Flaccus  in  Spa- 
nien 187. 

L.  Valerius  Flaccus.  Zensor 
184  V.  Chr.  154. 

—  cos.  86  V.  Chr.  201  f. 

—  Interrex  206. 

M.  Valerius  (Laevinus),  cos. 

210  v.Chr.  121  f.  126. 
P.  Valerius  (Laevinus).  cos. 

280  V.  Chr.  77. 
Valerius     Licinianus    Lici- 
nius. Kaiser  394—397. 
Valerius  Maximus  16*.  18. 
M.  Valerius  Messalla  Corvi- 

nus  271.    294;    Memoiren 

276. 
M.  Valerius    Muttines   (vgl. 

Myttones)   121'. 
Valia,  Westgothe  415.  416*. 

421. 
Vandalen    341.    371;   fallen 

ins  Reich  ein  376.  379.  397. 

413;  in  Spanien  413.  415; 

in  Afrika  416  fl'. :  Ende  430. 
Vangio,  Suebe  320. 
Vangionen,  Germanen  234. 
Vannius.  Suebe  308.  320. 
P.Varinius.  Pr.  73  V.  Chr.  211. 
Q.  Varius.    Volkstribun    91 

v.Chr.l91 ;  sein  Gesetz  192. 
Varius  Avitus  Bassiauus  = 

Elagabal  349. 
Varius  Marcellus  349. 
Varro  s.  M.  Terentius  Varro. 
Varus,  Fl.  353. 
Varus  s.P.Quinctilius  Varus. 


462 


Alphabetisches  Register. 


Varusschlacht  2983.  306. 
P.Vatinius  229. 249  f.  262.271. 
Vechten  (Fectio)  Hafen  357«. 
Veji,    Vojenter  24>.   40.  48; 

fällt  49;    51.  53'.  901  97. 
Veiturier,  Ligurer  179'-. 
Veleda  327.  328^ 
Velia,  St.  (Elea)  21.  75. 
Velina,  Tribus  107.  151. 
Velinus,  See  74. 
Velitrao,  St.  47  f.  49. 
C.  Velleius  Paterculus,  Hist. 

18.  158.  277.  310'. 
Veneter  in  Italien  25  50. 51; 

werden  römisch  111.  149. 

—  in  Gallien  235. 
P.Ventidius  268. 
Venusia,  Kol.  73.  130^ 
Vera  i  l'raaspa,  Phraata),  St. 

in  Medien  270^. 

Veragrer  234. 

Vercellae  186. 

Vercingetorix  240  f.  252  f. 

Verfassungsgeschichte,  Be- 
glaubigung 3    18.  58. 

Vergilius  17.  265^.  287. 

Verginius  Rufus  317. 

Verina,    Kaiserin    423.  425. 

Verona  353.  372.  380.  395. 
413.  426. 

C.  Verres  214.  216.  225. 

Verrius  Flaccus  17.  286. 

Verträge,  aufgezeichnet  14. 

Verzeichnis  der  Beamten 
12  f.  14. 

—  der  Konsuln  12  f.  14.  18. 
286.  382  f. 

Veseris,  Schi.  bG*. 
Vesontio     (Besan<;on)     234. 

317.  3561. 
Vespasianus  s.  T.  Flavius 

Vespasianus. 
Vespasius  329-. 
Vestiner  72. 
Vesuvius  211.  330. 
Vetera    {Castra    Vetera)    am 

Rhein  295.  306.  327.  333. 
C.  Vetilius,  Pr.  in  Spanien 

159.  159«. 
Vetranio,  Gegenkaiser  401. 
T.  Vettius  1863. 
Vetulonia,   St.  24'. 
via  Aennlia  179. 

—  Äppia  85.   152.  239. 

—  Cassia  149. 

—  Domitia  180. 

—  Egnatia  165. 

—  Flaminia  149.  285. 

—  Postumia  179. 

—  Salaria  46^. 

C.  Vibius  Pansa  259  f. 

C.  Vibius  Trebonianus  Gal- 

lus,  Kaiser  372  f. 
Vibo  Valentia   (Hipponion) 

130.  265. 


vicarii  389. 

vicesima  Galliarum  294. 

Vico  2. 

Victor,    S.   des   Maximus, 

Caesar  407  f. 
~  Vitensis,  Hist.  384.  418^. 
Victoria,  Altar  in  der  Kurie 

408  f. 

—  Mutter  des  folgenden  377. 
Victorinus  (M.  Piavonius 

Victorinus)  377. 
Vienna,  St.  in  Gallien  115*. 

240;  Kol  355.  408;  Vien- 

nensis,  Diözese  388«. 
L.  Villius,  Volkstribun  154. 
P.Villius,  cos.  199  v.Chr.  132. 
Viminacium  344«. 
Vindalium,  Schi.  180. 
Vindeliker,Vindelicien  293. 

358. 
A^indobona  328.  342.  359. 
Vindonissa  327. 
Viniciana  coniuratio  317^*. 
M.  Vinicius,   cos.  19  v.  Chr. 

294  f. 

—  cos.  30  V.  Chr.  277.- 
T.  Vinius  325. 
vinuni,  Lehnwort  40. 
Vinxtbach  308'. 
Vipsania  286 ».  303. 

M.  Vipsanius  Agrippa  259". 

267.269.274.276  285.  286». 

287.  294  f.  299  f.  303. 
Vipstanus  Messalla,  Hist. 

277. 
Virdumarus  111. 
Virginia  6t  i^ 
Viriathus  159  f. 
Virius  Nicomachus  Flavia- 

nus,  Stadtpräfekt  408. 
Vitalianus  428. 
A.  Vitellius,  Kaiser  324  ff. 
L.A^itellius,  Zensor  314.  321. 

324«. 

—  S.  des  vorigen  326. 
Vitiges,  Ostgothe  431. 
Völkerwanderung,    Beginn 

406 
Vokontier  180. 
Volaterrae,  St.  24'.  205. 
Volcae,  Gallier  180. 
Volci,  St.  24'.  75. 
Volkstribunen  s.  Tribunen. 
Volksversammlung    s.    co- 

mitia. 
Vologases  I  321  f.  329. 

—  III  339. 

—  IV  345. 

—  V  347  f. 

Volsinii,  St.  24 1.  49.  74  f.; 
verlegt  82. 

Volsker  27. 47  f.  49. 53;  unter- 
worfen 55.  57. 

Volturnum,  Kol.  130. 


Volu.sianus  (GallusVolusia- 

nus),  Kaiser  372  f. 
Vonones,  Parther  301.  321. 
Vougle  {campiis  Vogladenfiis), 

Schi.  427. 
Vulcacius   Gallicanus  280®. 
Vulfila,  Gothe  434. 

W. 

Wahlen  66;  unter  den  Kai- 
sern 288.  305.  311. 

Wales  in  Britannien  318. 

Wehrpflicht  65  f. 

Weinbau   von   Probus   ge- 
fördert 379. 

Weißenburg     in     Sieben- 
bürgen (Apulun))  359. 

Weser,  Fl.  295  f.  307. 

Westgothen  s.  Gothcn. 

Weströmisches  Reich.  Ende 
424. 

Wetterau,  römisch  331.  333. 
357. 

Wiesbaden  (aquae  Mattiacae) 
319.  357  f. 

Wippach,  Fl.  409. 

Wissant  237*. 

Wölfin,  eherne  28. 

Worms  (Borbetomagus)  358. 

Wuchergesetie  199. 

X. 

Xanten  ( Ulpla  Traiana)  295^. 

333.  357. 
Xanthippos,  Spartaner  104. 
Xanthos,  St.  263. 
Xenophon,  Hist.  338-. 
Xenophon  von  Kos  314*. 
Xiphilinos,  Hist.  279. 


York  s.  Eburacum. 

Z. 

Zaitha  am  Euphrat  371. 
Zakantha  s.  Saguntum. 
Zakynthos  1 13M26;  römisch 

140. 
Zama,  Schi.  128. 
Zama  Regia  182.  252. 
Zankle  (Messana),  St.  21, 
Zehnte,  Abgabe  168.  176. 
Zeitrechnung  9  f.  90  ff. 
Zeitschriften  7.  11. 
Zela,  Schi.  220.  250. 
Zeniketes,  König  215, 
Zenobia  377. 
Zenon,  Laodikeer  300. 

—  Artaxias,  König  von  Ar- 
menien 321. 

—  oström.  Kaiser  423.  425  f. 
Zonaras  (Johannes  Zonaras) 

158    279. 
Zosimos,  Hist.  280. 381. 385'. 
Zwölf  Kolonien  129-. 
Zwölf  Tafeln  61  f. 


Handbuch  der  klassischen  Altertumswissenschaft 

in  systematischer  Darstellung 
Begründet  von  IWAN  v.  MÜLLER,  fortgesetzt  von  ROBERT  v.  PÖHLMANN 
In  neuer  Bearbeitung  herausgegeben  von 
Dr.  WALTER  OTTO 

0.  Professor  der  alten  Geschichte  an  der  Universität  München 

Inhalt   der   einzelnen    Bände: 

I.  Band:  Einleitende  und  Hilfsdisziplinen.    Dritte,  vollkommen  neu  bearbeitete  Auflage, 

Erschienen  sind: 

S.Abteilung:  Kritik  und  Hermeneutik.    Abriß  des  antiken  Buchwesens  von  F'rofessor  Dr.  Theodor 

Bin  (Marburg).    1913.    25'..  Bogen  Lex.  8'.    Grundpreis  geh.  .M  9.50,  geb.  M  13.— 
S.Abteilung:    Griechische   Epigraphik   von   Professor   Dr.  Wilhelm    Larfeld   (Remscheid).    Dritte, 

völlig  neubearbeitete  Auflage.    1913.    34' 4  Bogen  Lex.  8".   Grundpreis  geh.  M  12.50,  geb.  M  17.— 

II.  Band,  L  Abtlg. :  Griechische  Grammatik  (Lautlehre,  Stammbildungs-  und  Flexionsichre 
U.Syntax)  von  Prof.  Dr.  Karl  Brugmann  (Leipzig).  4.Aufl.,bearb.  von  Prof.  Dr.A.Tliumb 
(Straßburg).  Mit  einem  Anliang  über  Griechische  Lexikographie  von  Prof.  Dr.  Leo- 
pold Cohn  (Breslau).    1913.    49 V^  Bg.  Lex.8«.   Grundpreis  geh.  M  19.—,  geb.  M  24.— 

II.  Band,  2.  Abtlg.:  Lateinische  Grammatik  (Laut-  und  Formenlehre,  Syntax  und  Stilistik) 
von  Professor  Dr.  Friedrich  Stolz  (Innsbruck)  und  Gymnasialdirektor  J.  H.  Schmalz 
(Freiburg).  Mit  einem  Anhang  über  Lateinische  Lexikographie  von  Professor 
Dr.  Ferdinand  Heerdegen  (Erlangen).  4. Auflage.  1910.  50  Bogen  Lex. 8°.  (Vergriffen.) 
II.  Band,  3.  Abtlg. :  Rhetorik  von  Dr.  Richard  Volkmann,  weiland  Gymnasialdirektor  in 
Jauer.  Neubearbeitet  von  Gymnasialrektor  K.  Hammer  (Würzburg)  und  Metrik  nebst 
einem  Anhang  über  die  Musik  der  Griechen  von  Professor  Dr.  H.  Gleditscii  (Berlin). 
3.  Auflage.    1901.    22  Bogen  Lex.  8».    (Vergriffen.) 

III.  Band,  1.  Abtlg.,  1.  Hälfte:  Geographie  und  Geschichte  des  alten  Orients  von  Prof. 
Dr.  Hommel  (München).  1.  Hälfte:  Ethnologie  des  alten  Orients.  Babylonien  und 
Chaldäa.  Nebst  provisorischem  Register.  2.  Auflage.  1904.  25  Bogen  Lex.  8"  mit  Ab- 
bildungen und  1  Karte.    Grundpreis  geh.  M  9.50 

III.  Band,  2.  Abtlg.,  2.  Teil:  Topographie  von  Athen  von  Professor  Dr.  Walter  Judeich 
(Jena).  26  '/4  Bogen  Lex.  8"  mit  48  Textabbildungen,  einem  Stadtplan  im  Maßstab  von  1 :  5000, 
einem  Plan  der  Akropolis  im  Maßstab  von  1  :  1000  und  einem  Plan  des  Peiraieus  im 
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III.  Band, 3. Abtlg.,  I.Hälfte:  GrundrißderGeographievonItalien  unddemOrbisRomanus 
von  Prof.  Dr.  J.  Jung.  2. Aufl.  Mit  Register.  1897.  12  Bogen  Lex. 8".  Grundpreis  geh.  M 4.50 

III.  Band,  3.  Abtlg.,  2.  Hälfte:  Topographie  der  Stadt  Rom  von  Gymnasialdirektor  Prof. 

Dr.  Otto  Richter  (Berhn).    2.  Auflage.    1901.    26  Bogen  Lex.8o.    Mit  32  Abbildungen, 

18  Tafeln  und  2  Plänen  des  antiken  und  des  modernen  Rom.  Grundpreis  geh.  M  16. — 

In  Halbfranz  gebundene  Exemplare   der  vollständigen  3.  Abteilung  des  III.  Bandes: 

Geographie  von  Italien  und  Topographie  der  Stadt  Rom  sind  zum  Grundpreise 

von  M  25.50  zu  beziehen 

IIL  Band,  4.  Abtlg.:  Griechische  Geschichte  nebst  Quellenkunde  von  Prof.  Dr.  Robert 
von  Pöhlmann  (München).  5.,  umgearbeitete  Auflage.  1913.  24'/8  Bogen  Lex.8". 
(Vergriffen,  neue  Auflage  im  Frühjahr  1923.) 

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Dr.  Benedictus  Niese.  5.  Auflage,  neubearbeitet  von  Professor  Dr.  E  Hohl  (Rostock). 
Soeben  erschienen. 

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3.,  neugestaltete  Auflage.  Erster  Hauptteil :  Allgemeine  Darstellung  des  griechischen  Staates. 
1920.  40'/h  Bogen  Lex.8".  Grundpreis  geh.  M  15—,  geb.  M  20.— 

IV.  Band,  1.  Abtlg.,  2.  Hälfte:  Die  Griechischen  Privataltertümer  von  Professor  Dr.  Iwan 
vonMüller(München).  Die  Griechischen  Kriegsaltertümer  von  Professor  Dr.  A.Bauer 
(Graz).  Mit  16  Tafeln.  Mit  Register.  2.Auflage.  1893.  32 '/2  Bogen  Lex. 8».  Grundpreis 
geh.  M  12.—,  geb.  M  16.— 

Die  angeführten  Preise  sind  Grundpreise.  Der  Ladenpreis  ergibt  sidi  aus  der  Vervielfältigung  mit  der  vom 
Börsenverein  der  deutschen  Buchhändler  je  nach  dem  Stand  des  Geldwerts  bekanntgegebenen  Schlüsselzahl. 
Die  jeweils  gültige  Schlüsselzahl  ist  in  jeder  Buchhandlung  zu  erfahren. 

C.  H.  Beck' sehe  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 


Handbuch  der  klassischen  Altertumswissenschaft 

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geschichte von  Professor  Dr.  Moritz  Voigt.  2.  Auflage.  1911.  (Vergriffen.) 

IV.  Band,  2.  Abtlg.,  2.  Teil:  Die  Römischen  Privataltertümer  von  Professor  Dr.  Hugo 
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preis geh.  M  16.—,  geb.  M  21.— 

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Dr.  O.Gruppe  (Berlin).    2  Bände.  1897—1906.    121  Bogen  Lex.8«.  (Vergriffen.) 

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V.  Band,  4.  Abtlg. :  Religion  und  Kultus  der  Römer,  von  Professor  Dr.  G.  Wi s  s o  w  a  (Halle). 

2.  Auflage.    1912.    39  Bogen  Lex.8".    Grundpreis  geh.  M  14.50,  geb.  M  19.50 
VI.  Band:  Handbuch  der  Archäologie.   In  Verbindung  mit  zahlreichen  Gelehrten  heraus- 
gegeben von   Professor  Dr.  Heinrich  Bulle  (Würzburg) 

1.  Lieferung:  A.  Wesen  und  Methode  der  Archäologie  (von  Dr.  Heinrich  Bulle  .  B.Geschichte  der 
Archäologie  (von  Dr.  Bruno  Sauen.  C.  Untergang  und  Wiedergewinnung  der  antiken  Denkmäler 
(von  Dr.  Theodor  Wi  egand).    184  Seiten  Lex.  8'^  mit  8  Abbildungen.    Grundpreis  geh.  M  4.50 

VII.  Band:  Griechische  Litteraturgeschichte  von  Wilhelm  von  Christ.    In  Verbindung 
mit  Prof.  Dr.  Otto  Stähiin  (Erlangen)  neubearb.  von  Prof.  Dr.  W.  Schmid  (Tübingen) 

LTeü:  Die  klassische  Periode  der  griechischen  Litteratur.  6.  Auflage.  1912.  50  Bogen  Lex.  8°. 
Grundpreis  geh.  M  19.—,  geb.  M  24.— 

IL  Teil,  I.Hälfte  Die  nachklassische  Litteratur  von  320  v.  Chr.  bis  100  n.  Chr.  6.  Aufl.  1920.  42',2Bg. 
Lex.  8".    Grundpreis  geh.  M  IB.—,  geb.  M  21.— 

IL  Teil,  2.  Hälfte:  Die  nachklassische  Periode  der  griechischen  Litteratur  von  100  bis  530  n.  Chr. 
S.Auflage.  1913.  Mit  aiphabet.  Sachregister  und  einem  Anhang  von  45  Porträtdarstellungen,  aus- 
gewählt und  erläutert  von  J.  Sieveking.  50' ,  Bogen  Lex.  8'.  (Vergriffen,  neue  Auflage  im  Krüh- 
janr  1923.) 

Vill.Band:  Geschichte  der  römischen  Litteratur  von  Martin  Schanz 

1.  Teil,  1.  Hälfte:  Von  den  Anfängen  der  Litteratur  bis  zum  Ausgang  des  Bundesgenossen- 
krieges. Mi   Register.  3.  Auflage.  1907.  23  Bogen  Lex.8".    Grundpreis  geh.  M  8.50.—,  geb.  M  12.5Ü 

I.  Teil,  2.  Hälfte:  Bis  zum  Ende  der  Republik.  Mit  Register.  3.  Auflage.  1909.  .33 "<*  Bogen  Lex.8". 
Grundpreis  geh.  M  12.50,  geb.  M  17. — 

IL  Teil,  1.  Hälfte:  Die  augustische  Zeit.  Mit  Register.  3.  Auflage.  1911.  38' 2  Bogen  Lex. 8».  Grund- 
preis geh.  M  14.50,  geb.  M  19.50 

li.  Teil,  2.  Hälfte:  Vom  Tode  des  Augustus  bis  zur  Regierung  Hadrians.  Mit  Register.  S.Auf- 
lage.   1913.    38'..  Bogen  Lex.8".    Grundpreis  geh.  .H  14  50,  geb    M  19.50 

III.  Teil:  Die  römische  Litteratur  von  Hadrian  bis  auf  Constantin  (324  n.  Chr.),  3.,  neubearbeitete 
Auflage  von  Carl  Hosius  und  Gustav  Krüger.  Mit  Register  1922.  XVI,  474  Seiten  Lex.8''. 
Grundpreis  geh.  M  12.—,  geb.  M  16.50 

IV.  Teil:  Die  römische  Litteratur  von  Constantin  bis  zum  Gesetzgebungswerk  Justinians. 
1.  Hälfte:  Die  Litteratur  des  4.  Jahrhunderts.  Mit  Register.  2.,  vermehrte  Auflage.  36'4  Bogen 
Lex  8".    Grundpreis  geh.  M  13.50,  geb.  M  17.50 

IV.  Teil,  2.  Hälfte:  Die  Litteratur  des  5.  und  6.  Jahrhunderts.  Von  Martin  Schanz,  Carl  Hosius 
und  Gustav  Krüger.     Mit  Register  und  einem  Generalregister  des  Gesamtwerkes  nebst  einem 
Bildnis  von  Martin  Schanz.  43^4  Bogen  Lex.8''.    Grundpreis  geh.  M  17  — ,  geb.  M  22.— 
Die  Geschichte  der  römisdien  Litteratur  ist  mit  Band  IV.  2  abgesdilossfn. 

IX.  Band,  1.  Abtlg. :  Geschichte  der  byzantinischen  Litteratur  von  Justinian  bis  zum 
Ende   des   oströmischen  Reiches   (527 — 1453)  von   Professor  Dr.  Karl  Krumbacher. 

2.  Auflage  bearbeitet  unter  Mitwirkung  von  Professor  Dr.  A.  Ehrhard  (Straßburg)  und 
Prof.  Dr.  H.  Geiz  er  (Jena).  1897.  75^/4  Bogen  Lex. 8°.  Vergriffen,  neue  Auflage  in  Vor- 
bereitung. 

IX.  Band,  2.  Abtlg.:  Geschichte  der  lateinischen  Litteratur  im  Mittelalter  von  Professor 
M.  Manitius  (Radebeul) 

I.  Teil:  Von  Justinian  bis  zur  Mitte  des  10.  Jahrhunderts.  Mit  Register.  1911.  49  Bogen  Lex.  8". 

Grundpreis  geh.  M  18.50,  geb.  M  24.— 
(II.  Teil  erscheint  1923  - 


C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 

C.  H.  Beck'sche  Buchdruckerei  in  Nördlingen. 


DG  Niese,   Benedictus 
209  Grundriss  der  romischen 

N7  Geschichte  nebst  Quellen- 

1923  künde   .   5.  Aufl.,  neubearb. 


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