• ' > » > , '^■■. ^J^
/Uf^
^^•#^
'H^i- ■#■
-■ »-.-..- ' i--
*.;^^*-f
r^ ^.s
;v:f
^^^Bk
■«^i^^^H
f'^NT
iMJiXr
HANDBUCH DER KLASSISCHEN
ALTERTUMSWISSENSCHAFT
BEGRÜNDETVON IWAN v. M Ü L L E R
FORTGESETZT VON ROBERT v. PÖHLMANN
IN NEUER BEARBEITUNG HERAUSGEGEBEN
VON
DR. WALTER OTTO
ORD. PROFESSOR D Ei R ALTEN ÜF.SCHICHTE
AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN
DRITTER BAND 5. ABTEILUNG
QRUNDRISS DER RÖMISCHEN GESCHICHTE
NEBST QUELLENKUNDE
FÜNFTE, NEUBEARBEITETE AUFLAGE
MÜNCHEN 1923
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG OSKAR BECK
ORUNDRISS DER
RÖMISCHEN GESCHICHTE
NEBST QUELLENKUNDE
VON
BENEDICTUS NIESE
FÜNFTE AUF LAG E^
NEUBEARBEITET VON
E. HOHL
A.O. PROFESSOR DER ALTEN GESCHICHTE
IN ROSTOCK
est
lEl'KJJt^^lUI
MÜNCHEN 1923
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG OSKAR BECK
7.09
AI?
Jt
.^' -^'e-
. I
FrinWl in Qermany
Vorwort zur zweiten Auflage.
Dieser Abriß der römischen Geschichte erscheint hier in berichtigter und ver-
mehrter Gestalt und wird, wie ich hoffe, jetzt noch besser als früher seinem Zwecke
genügen und eine brauchbare kurze Zusammenfassung der wichtigsten und glaub-
haft überlieferten Tatsachen bieten.
Marburg, den 1. August 1896.
Benedictus Niese.
Vorwort zur dritten AuHage.
Die neue Auflage des Grundrisses ist wiederum berichtigt und in allen Teilen
nicht unerheblich vermehrt worden; eine so gedrängte Darstellung wie die vor-
liegende fordert ja bei jeder neuen Bearbeitung zur Ergänzung heraus. Ganz neu
sind § 50 und der letzte Abschnitt, § 55. Außerdem hätte gewiß noch manches
andere hinzugefügt werden können; doch habe ich Maß gehalten, um mich nicht
zu sehr ins Weite zu verlieren und dem Werke seinen ursprünglichen Charakter
zu erhalten.
Marburg, den 28. August 1905. '
Benedictus Niese.
Vorwort zur vierten Auflage.
Die hier erscheinende vierte Auflage dieses Werkes ist wiederum durchgesehen
und an manchen Stellen berichtigt und ergänzt worden. Neu eingelegt ist ein Ab-
schnitt über die ältere römische Chronologie, der zur Orientierung vielleicht von
Nutzen sein wird.
Halle a. S., den 7. Oktober 1909.
Benedictus Niese.
Vorwort zur fünften Auflage.
Nach dem Hinscheiden des Verfassers des ..Grundrisses" hatte es zunächst K. J.
Neumann- Straßburg übernommen, die notwendig gewordene fünfte Auflage zu
besorgen. Er war noch nicht über die ersten Anfänge dieser Arbeit hinausgediehen,
als er erkrankte und mich deshalb bitten mußte, ihm die Aufgabe abzunehmen.
Seiner Bitte, sowie dem Wunsch der Verlagsbuchhaadlung habe ich entsprochen,
nicht eben leichten Herzens, hat es doch stets etwas Mißliches, ein fremdes Werk
zu bearbeiten. Doch das Verschwinden des knappen, aber wissenschaftlich sicher
fundierten Abrisses wäre bedauerlich gewesen und so habe ich mich denn redlich
bemüht, das Buch lebensfähig zu erhalten. Nur für den einleitenden Abschnitt lag
ein Manuskript Neumanns vor. Er hatte den Text Nieses beträchtlich erweitert;
da aber der Umfang der neuen Auflage nicht anschwellen durfte, so konnte ich die
Ausführungen Neumanns nicht anders verwerten wie die wenigen versti-euten
Notizen seines Handexemplars. Den Grundcharakter und die Substanz des Niese-
schen Buches habe ich nicht antasten wollen. Die neue Literatur ist nach Möglich-
keit hineingearbeitet. Hoffentlich ist der Text lesbarer geworden. Denn Niese war
zwar ein bedeutender Forscher und unbestechlicher Kritiker, aber sein Stil ist
mehr als nüchtern.
Rostock i. M. den 25. Juli 1922.
E. Hohl.
Inhalt.
I. Einleitung in die römische Geschichte.
1. Geschiclitlieheb
Seite
1
II. Italische und römische Vorgeschichte.
Quellen und Cberlicforung der älteren römischen Geschichte . . . 12
2. Italien und seine Bevölkerung 10
3. Gründungsgeschichte Korns 2H
4. Die römischen Könige ........... 3U
III. Erste Periode der Geschichte Roms: Bis zur Vereinigung Roms
mit den Kampanern (338 v. Chr.),
Quellen .............. 34
.■). Die Anfänge Roms ............ 35
0. Auswärtige Eintlü.sse 3*>
7. Älteste Verfassung Roms 42
8. Auswärtige Kriege 40
9. Rom und die Gallier 49
10. Fernere Ausbreitung ........... 52
11. Innere Entwicklung und Verfassungskämpfe . . . . . . 58
IV. Zweite Periode der Geschichte Roms: Bis zur Unterwerfung Italiens
(265 V. Chr.).
Quellen 67
12. Der Samniterkrieg 68
13. Weitere Kriege gegen Samniter, Etrusker und Gallier .... 72
14. Eroberung Unteritalieas . . . . . . . . . . . • 75
15. Verfassungsgeschichtliches 83
16. Eintritt unter die großen Mächte 87
Chronologischer Anhang zur älteren römischen Geschichte ... 90
V. Dritte Periode der Geschichte Roms: Bis zur Erlangung
der Weltherrschaft (167 v. Chr.).
Quellen 99
17. Der erste launische Krieg 100
18. Illyrische und gallische Ki'iege 109
19. Rom und Karthago. Zweiter illyrischer Krieg . . . . . .112
20. Der zweite punische Krieg, Erster Teil 114
21. Der zweite punische Krieg. 'Zweiter Teil . . . . . . 119
22. Kriege mit den östlichen Mächten 130
23. Ausbreitung und Befestigung der römischen Herrschaft im Westen . 148
24. Grundzüge der inneren Geschichte 151
VI. Vierte Periode der Geschichte Roms: Bis zum Untergang der Republik
(28 V, Chr,).
Quellen 156
25. Befestigung und Erweiterung der römischen Herrschaft: Spanische Kriege 158
26. Untergang Karthagos 161
27. Die Annexion Makedoniens und Griechenlands 164
28. Die Erwerbung Asiens 167
Inhalt.
VII
29. Beginn der inneren Unruhen. Die Gracchen
30. Auswärtige Kriege .........
31. Die Zeit der kinibri.schen Kriege ......
32. Das Tribunat des Livius Drusus und der Bundesgenossenkriej:
33. Der erste mithridatisehe Krieg und Sullas Diktatur
34. Unruhen nach Sullas Tod ....
35. Konsulat des Pompeius und Crassus. Zustand des Reiches
36. Mithridates und Pompeius ....
37. Innere Kämpfe. Catilinas Verschwörung
38. Caesar in Gallien 58—56 v. Chr.
39. Pompeius und Caesar
40. Der Bürgerkrieg
41. Caesars Diktatur
42. Die Parteien nach Caesars Tod. Der mutinensische Krieg
43. Das Triumvirat
Seite
169
178
183
190
195
2U7
212
216
224
231
237
244
253
256
261
VII. Fünfte Periode der Geschichte Roms: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian.
Quellen
44. Das Kaisertum
45. Das römische Reich unter Augustus
46. Die Julischen Kaiser nach Augustus
47. Der Bürgerkrieg und die flavischen Kaiser
48. Nerva, Traianus, Hadrianus und die Antonine
49. Septimius Severus und sein Haus .
50. Kaisertum, Reich und Provinzen
51. Auflösung und Wiederherstellung des Reiches
VIII. Sechste Periode der Geschichte Roms: Die Kaiserzeit bis zum Ende
der ostgothischen Herrschaft in Italien.
Quellen
52. Diokletian und das Haus Konstantins des Großen
53. Die valentinianische Dynastie ....
54. Ende des weströmischen Kaisertums
55. Die ostgothische Herrschaft in Italien und Justinian
Berichtigungen ; . .
Alphabetisches Register
276
282
292
304
324
332
343
351
369
380
385
404
409
424
435
436
Abkürzungen.
CIG = Corpus inscriptionum Graecarum.
CIL = Corpus inscriptionum Latinarum.
FHG = Fragmenta historicorum Graecorum ed. C. Müller.
IG = Inscriptiones Graecae (Griechisches Inschriftencorpus der Berliner Akademie).
ILS = Inscriptiones latinae selectae ed. H. Dessau.
PIR = Prosopographia imperii Romani.
PW == Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Be-
arbeitung, begonnen von G. Wissowa, fortgesetzt von W. Kroll und K. Witte,
SIG = Sylloge inscriptionum Graecarum a Gullelmo Dittenberger condita et aucta.
3. Aufl. von Hiller von Gärtringen.
Bruns' = Fontes iuris Romani antiqui ed. C. G. Bruns. 7. Aufl. von 0. Gbadenwitz.
I. Einleitung in die römische Geschichte.
1. Geschichtliches.^) Allgemeine Hilfsmittel. Nach der Wieder-
geburt (5er Wissenschaften in den Tagen des Humanismus tragen die ersten
der römischen Geschichte gewidmeten Studien antiquarischen Charakter: in
verdienstlichen Sammelwerken wird die Masse der Überlieferung mit ge-
lehrtem Fleiß, doch ohne kritische Durchdringung registriert, so z. B. von
Carolus Sigonius aus Modena (1523 — 84) in den Fastl consulares ac trinni-
phaJes ac triumphi adi a Ronudo rege iisque ad Ti.Caesareni, Basel 1559, einer
mit Benutzung der fastl CapitoUni aufgestellten Liste der Konsuln mit histori-
schem Kommentar und annalistischen Notizen. Ausführlicher ist Stephanus
Yinandus Pighius aus Kempen (1520 — 1604) in seinen Ännales magi-
stratuum et provincianim S. F. Q. IL, Antwerpen 1599, Bd. 2 u. 3 unter dem
Titel Annales Bomanornm hrsg. von A, Schott, ebenda 1615. Eine zu-
sammenhängende Darstellung der römischen Geschichte bis auf Augustus
erzielte Joh. Freinsheim (1608 — 60) mit seinen 1649 begonnenen Supple-
menta Liviana (abgedruckt z. B. in Drakenborchs Liviusausgabe), indem er
€infacl> die verlorenen Teile des Livius auf Grund einer unkritischen Samm-
lung der sonstigen Zeugnisse möglichst in livianischem Stil zu ersetzen
suchte. Auf geographischem Gebiet gebührt Philipp Clüver^) aus Danzig
der Ruhm, mit seiner Italla antiqua (Leiden 1624) die historische Landes-
kunde begründet zu haben. Das treffliche Werk ist erst durch H. Nissen
(Italische Landeskunde, Berlin, I 1883, II 1902) überholt worden.
In der Histoire des empereurs von Lenain de Tillemont^) erfuhr
zum erstenmal ein bedeutender Teil der römischen Geschichte, die Kaiser-
zeit bis zum Tod des Anastasios (518 n. Chr.), eine eingehende wissen-
schaftliche Behandlung (Originalausgabe in 6 Quartbänden, Paris 1690 —
1738). Ein kritischer Historiker großen Stils war der theologisch gebundene
Verfasser freilich so wenig wie ein künstlerischer Gestalter; aber als zu-
verlässige Stoffsammlung ist das Ergebnis seines Bienenfleißes noch heute
von Nutzen. Im Gegensatz zu dem französischen Asketen, jedoch mit dessen
Material schrieb der aufgeklärte Weltmann Edward Gibbon, der 'kon-
tinentale Engländer', seine Histori/ of tlie decline and fall of the Roman
emplre bis hinab zum Fall Konstantinopels (1453 n. Chr.). Nach Form und
Inhalt gleich bedeutend, erweist Gibbons 1776 — 88 erschienenes Meisterwerk
immer aufs neue seine unverwüstliche Lebenskraft.^) 'Gibbon, Lessing und
M Vgl. A.ScHWEGLERjEöm.Gesch. 11.30 ff.; Kaisergesch. bildet mit seinen kirchen-
€. Wachsmuth. Einleitung in. d. Studium gesch.iiiud.{Memoirespour se7-vir ärhistoire
d. alt. Gesch., Leipzig 1895, 1 ff.; K.J. Neu- i ecclesiastique r/es si.r premiers sied es) ein
MANN, Entwicklung u. Aufgaben d. alt. größeres Ganzes.
Gesch.. Straßburg 1910: E. Fueter, Gesch. ••) Neu hrsg. und mit Zusätzen versehen
d. neueren Historiographie, München 1911. von J. B. Büry, 7 Bde., London 1896—1900.
'-) J. Partsch, Ph. Clüver in Pencks Geo- Gibbon ist 1737 in Putney geboren, 1794
graph. Abhandlungen V, 2, Wien 1891. \ in London gestorben. Er "lebte lange Zeit
^) Tillemont (1637— 98) gehörte zur Jan- , in Lausanne. Vgl. J. Bernays, Ges. Abh,
senistischen Genossenschaft von Port- II, 1885, 206 ff. Nedmann a. a. O. 90 ff.
Eoyal. Vgl. Neumann a. a. 0. 86 ff. Die i
Handbucli der kla^s. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 1
2 Römisclie Geschichte.
Kant sind die drei Männer des 18. Jahrhunderts, welche unvergänglich sein
werden.'^)
Hinter solchen Taten auf dem Feld der Kaiserzeit blieb die Geschichte
der römischen Kepublik weit zurück. Nur äußerlich ergänzte Charles Rollin
mit seiner einst so beliebten JJistoire romairie depuis la fondation de Home
jusqu'ä la bataille d'Actium (16 Bde., Paris 1748) den Tillemont nach oben.
Ohne wissenschaftliches Verdienst verdankt er den Erfolg nur seiner Er-
zählergabe. Die Zeit stand noch ganz im Bann des Livius, der kanonische
Geltung genoß. Doch gelegentlich erwachte die Kritik: so verwarf der
protestantische Geistliche Samuel Bochart aus Rouen (1599 — 1667) die
Einwanderung des Aneas in Italien-) als ungeschichtlich, wie übrigens vor
ihm der mutige Clüver. Einen kraftvollen Anlauf zu destruktiver histori-
scher Kritik nahm der Holländer Jacob Perizonius (1651 — 1715) mit
seinen Animadversiones Jnstoricae (1685), in denen er Widersprüche und
Irrtümer antiker Historiker aufdeckte. Aber erst im 18. Jahrhundert, im
saeculum rationalisticum, rückte man der fable convenue der römischen
Geschichte energisch zu Leib, so nach dem Vorgang von dePouilly^) der
Hugenotte Louis de Beaufort (*}* 1795) in der aufsehenerregenden Dis-
sertation sur l'incerfitude des cinq premiers siecles de l'histoire romaine (Utrecht
1738, neu hrsg. von Blot, Paris 1866). Als rein negativer Kritiker er-
Aveist Beaufort die Mängel der Tradition über Roms ei'ste Jahrhunderte, i)
Doch versuchte er sich später auch an politisch-antiquarischer Konstruktion :
La repiibliqiie romairie ou plan general de l'ancien gouvernement de Boiiie^
2 Bde., im Haag 1766. Tiefe und geistvolle Aper9us über römische Ge-
schichte streute der geniale, aber unmethodische Neapolitaner Giambattista
Vico (1670 — 17-i4) in seine Principi di scienza nuova d'intorno alla coinune
natura delle nazione, 1725, ein.^) So erklärte er z. B. die alte römische
Geschichte für eine den griechischen Sagen nachgedichtete historische Mytho-
logie und erblickte in den Heroen und Königen Roms 'poetische Charak-
tere', Einsichten, die ihn als Vorboten von Niebuhr und A.W. v. Schlegel,
erscheinen lassen.
Ersterer, Barthold Georg Niebuhr,^) hat dem Studium der römi-
schen Geschichte die wissenschaftliche Vollweihe erteilt, ja überhaupt die
neuere Geschichtsforschung begründet: auf den jungen Ranke hat Nie-
buhrs Römische Geschichte bestimmend gewirkt.') Niebuhr beruhigte
sich nicht bei dem zersetzenden Skeptizismus der Perizonius, de Pouilly,
M So Bernäys a. a. O. 254. seit 1806 im preußischen Staatsdienst,^
2)VgLScHWEGLERa.a.O.280A.8. Bochart 1816—23 Gesandter in Rom, starb 1831
argumentierte damit, daß das Latein mit in Bonn. Siehe Lebensnachrichten über
den von ihm gesammelten Resten des B. G. Niebuhr, 3 Bde.. Hamburg 1838 SU,
Phrygischen keine ÄhnHchkeit aufweise. H. Nissen, . Allg. deutsche Biographie,
') Vgl. Wachsmdth a.a. 0. 14 f., Schweglek 23. Bd. 1886, 646 ff. — Vgl. Neumanx a. a. 0.
a. a. O. I 138, R. v. Scala, Hist. Zeitschr. 8 f., 40 ff.. G. P. Gooch, Historv and histo-
108, 3. F. 12, 1912, 3. rians in the 19'' Century, London 1913^
■*) Vgl. H. Taine, Essai sur Tite-Live, M. Ritter, DieEntwickkuig der Geschichts-
Kap. 3 § 1. Wissenschaft, München und Berlin 1919,
'") Deutsch von W. E. Weber, Giamb. 314 ff.
Vico, Grundzüge einer neuen Wissen- "•) K. J. Neumann, Deutsche Literatur-
schaft, Leipzig 1822. zeitung 1917 Nr, 1.
^) Niebuhr, geb. 1776 in Kopenhagen, |
1. Einleitung in die römische Geschichte, («j 1.) B
Beaufort. Ihm war die Kritik nicht Selbstzweck; nicht bloß einreißen wollte
er, sondern auch aufbauen. Denn 'der Historiker bedarf Positives'. Zu der
kritischen Interpretation der Quellen trat das durch trefPende Analogie-
beispiele geförderte Streben nach Anschaulichkeit, nach Vergegenwärtigung
der geschichtlichen Vorgänge, wie der Zustände in Staat und Wirtschaft.
Mit scharfem Blick und reichstem Wissen verband dieser 'Diplomat unter
den Gelehrten', dieser 'Gelehrte unter den Diplomaten' nüchternen Tat-
sachensinn und politisch-praktische Erfahrung. Die römische Geschichte
wurde ihm zum aktuellen Erlebnis, zur realen Wirklichkeit. In der Lebens-
wahrheit, die er ihr zurückgab, liegt das Neue und Dauernde der Leistung
Niebuhrs. VeröflPentlicht ist der erste Band 1811, der zweite 1812, in um-
gearbeiteter Auflage 1827 bezw. 1830 (Bd. I in 3. Aufl. 1828). Ein dritter
Band, 1832 aus dem Nachlaß herausgegeben von J. Classen, geht bis zum
Ende des ersten punischen Kriegs. Der einst geplante Anschluß an Gibbon
ist also bei weitem nicht erreicht. Von den hinreißenden Vorträgen, die
Niebuhr an der Universität Bonn hielt, sind diejenigen über römische
Geschichte in drei Bänden von M. Isler herausgegeben (Berlin 1846 — 48).
Sie schließen mit dem Untergang Westroms. Der Kaiserzeit wurde Niebuhr
freilich nicht gerecht; schon einen Caesar verzeichnete er seltsam. Seine
eigentliche Lebensarbeit galt eben dem älteren Rom, das er wie keiner ver-
stand, weil er es wie keiner liebte.
In Niebuhrs Geist, jedoch mit voller Selbständigkeit schrieb der Tübinger
Professor Albert Schwegler (1819 — 57) seine lichtvolle römische Ge-
schichte bis zu den licinischen Gesetzen (366 v. Chr.) (Bd. I Tübingen
1853, Bd. II 1856, Bd. III 1858). Die Fortsetzung bis zum Beginn des
Samniterkrieges (327 v. Chr.) von Octavius Clason (2 Bde., Berlin 1873,
Halle 1876) steht nicht auf derselben Höhe. Aber auch Widerspruch gegen
Niebuhr blieb nicht aus: berühmt ist die Rezension von A. W. v. Schlegel
(1816, s. Sämtliche Werke XII, Leipzig 1847, 444 ff.), in der Niebuhrs
Hypothese von altrömischen Heldenliedern als der Quelle der römischen
Geschichtslegende abgelehnt und dafür auf den Einfluß der griechischen
Historiographie hingewiesen wird. Abweichend von Niebuhr wollte Joseph
Rubino (1799 — 1864) in seinen Untersuchungen über römische Ver-
fassung und Geschichte (l.Bd., Cassel 1839) prinzipiell geschieden wüssen
zwischen der außen- und der innerpolitischen Überlieferung; während er
die Verfälschung der ersteren zugab, wähnte er für die Verfassungsgeschichte
auf festerem Boden zu stehen.^)
Unter den Bearbeitungen einzelner Perioden der römischen Geschichte
ragt die Geschichte Roms in seinem Übergänge von der republi-
kanischen zur monarchischen Verfassung von Wilhelm Drumann^)
hervor (6 Bde., Königsberg 1834 — 44); behandelt ist die Zeit des Pom-
peius. Caesar und Cicero und zwar in alphabetisch nach Geschlechtern ge-
ordneten Biographien der zahlreichen Akteure und Statisten dieser drama-
') K. J. Neümann in Geecke-Nordens Ein^
leitung in die Altertumswissenschaft, Bd
III. 1912S 420.
-) Druniaun, geb. 1786, war von 1817 Berlin 1918, VI f., 321.
1
bis 1861 Professor der Geschichte in
Königsberg. Vgl. über sein Werk Ed.
Meyer, Caesars Monarchie, Stuttgart und
4 Römische Geschichte.
tiscli bewegton Ej)oclie. Die Nachteile der bizarren Auflösung der Ge-
schichte in Biographien, wie die Schwächen des subjektiven Urteils werden
aufgewogen durch die 'eherne Gelehrsamkoit', die diesen 'historischen Kom-
mentar zu den ciceronischen Schriften' (nach der Definition von Ed. Schwartz)
zu einer wahren Fundgrube macht. Eine zweite Auflage, bearbeitet von
P. Groebe, ist seit 1899 im Erscheinen.
Kurz nacli Schwegler erzielte Theodor Mommsen') mit seiner Rö-
mischen Geschichte, deren drei Bände bis zur Schlacht bei Thapsus
{46 v.Chr.) führen (1. Aufl. 1854—56; 2. umgearbeitete Aufl. 1856 f.: dann
nicht mehr beträchtlich verändert; 12. Aufl.: Bd. I u. III 1920, Bd. II
1919), einen durchschlagenden Erfolg weit hinaus über den Kreis der Fach-
gelehrten. Ein vierter Band ist nie gefolgt, weil Mommsen später 'nicht
mehr die Leidenschaft hatte, Caesars Tod zu schildern.'-) Dafür schenkte
er der Wissenschaft im Jahr 1885 einen fünften Band mit der Geschichte
der Provinzen von Caesar bis Diokletian (8. Aufl. 1919). Mommsens Werk
bedeutet wissenschaftlich und künstlerisch eine Leistung großen Stils von
individuellem Gepräge und zeugt bei allem Subjektivismus des politisch
erregten Achtundvierzigers von sicherer Herrschaft über den Stoff. Neben
den einprägsamen, freilich nicht immer treffsicheren Porträts der handelnden
Personen sind die kultur- und literarhistorischen Abschnitte von besonderem
Keiz. Der lebendige, für seine Zeit unerhört moderne Stil sichert dem Autor
einen Platz unter den Klassikern deutscher Prosa. Der fünfte Band konnte
nicht so in die Breite wirken wie der kühne Jugendwurf, obwohl oder
vielmehr weil das wissenschaftliche Verdienst noch stärker ist. Hat doch
hier der fast Siebzigjährige gezeigt, wie man die Steine zum Reden bringt,
wo die literarischen Texte schweigen: ohne die Inschriften wäre das satte
Bild der Provinzen unter der Kaiserherrschaft unmöglich gewesen. In den
Römischen Forschungen (2 Bde., Berlin 1864. 1879) hat Mommsen eine
Reihe von Aufsätzen vereinigt, die mustergültig sind durch scharfe Quellen-
kritik und exakte Formulierung staatsrechtlicher Begriffe. Jurist, Philolog
und Historiker in einer Person, gebot Mommsen wie ein Herrscher über
alle Provinzen der römischen Altertumswissenschaft. Ihm flössen alle Quellen
der Überlieferung, die literarischen wie die monumentalen. Bis an sein
Ende unermüdlich, hat er überall, wo es Not tat, selbst Hand angelegt.
Außer der römischen Geschichte hat er das Recht, das Münzwesen, die
Chronologie Roms in bahnbrechenden Werken systematisch behandelt, hat
einzelne Autoren wie den Solinus, die Chroniken des ausgehenden Alter-
tums und die Rechtsquellen ediert und insbesondere die Sammlung der
') Geb. am 30. November 1817 zu Gar- ' ganzen Kulturwelt. Vgl. L. M. Hartmann,
ding in Schleswig. Die Lehr- und Wander- ' Th. Mommsen. Gotha 1908. Neumann a. a. 0.
jähre 1844 — 1847 führten ihn nach Italien , 63 ff. Eine chronologische Bibliographie
und Frankreich. 1848 wurde er Professor j der Schriften geben Zangemeister-Jacobs,
in Leipzig. Wegen politischer Betätigung j Th. M. als Schriftsteller, Berlin l'.tOö.
abgesetzt, wandte er sich nach der Schweiz [ ^) Nach seinem Geständnis an 0. Hirsch-
und erhielt 1852 eine Professur in Zürich, j feld, s. dessen Kleine Schrilten, Bei'lin
von wo er 1854 nach Breslau und von i 1913, 947. Vgl. U. v. Wilamowitz, Th. M.,
da vier Jahre später an die Universität ! Warum hat er den 4. Band der Eöm.
Berlin übersiedelte. Sein Tod am 1. No- Gesch. nicht geschrieben? Internationale
vember 1903 erregte die Teilnahme der j Monatsschrift, 12, 1918, 205 ff.
1. Einleitung in die römische Geschichte. (§1.) 5
lateinischen Inschriften durchgesetzt, ein Riesenwerk, dessen Hauptlast er
auf die eigenen Schultern nahm. Die über 1000 Abhandlungen, die er
juristischen, historischen, philologischen und epigraphisch -numismatischen
Themen widmete, werden seit 1905 in den Gesammelten Schriften (bis
jetzt acht Bände) neu herausgegeben.')
Kein Wunder, daß die Folgezeit nichts der römischen Geschichte Momm-
sens Ebenbürtiges hervorbrachte, wenngleich der Widerspruch nicht aus-
blieb. So stehen im Gegensatz zu Mommsen Carl Peter und Wilhelm
Ihne, die sich ihrerseits an Niebuhr und Schwegler anlehnen. Peters
Geschichte Roms erstreckt sich in drei Bänden (3. Aufl., Halle 1870 f.)
bis zum Ende Mark Aureis, während Ihne seine Römische Geschichte
(8 Bde., 1868—90: Bd. I und II in 2. Aufl. 1893. 1896) mit Kleopatras
Tod und Oktavians Rückkehr aus Ägypten nach Rom schließt. 2) Gegen
Mommsen kehrte sich auch K, W. Nitzsch, einst der kundigste Rezensent
von Mommsens römischer Geschichte;^) in seiner Römischen Annalist ik
(Berlin 1873) legte Nitzsch seine abweichenden Ansichten nieder. Nitzsch
ist erklärter Niebuhrianer, zugleich Schüler Rankes. Vom Mittelalter her
übertrug er in verkehrter Analogie das sog. Einc[uellenprinzip auf die anders
gearteten Verhältnisse der antiken Geschichtschreibung. Als Geschichte
der römischen Republik (2 Bde., Leipzig 1884 f.) gab Georg Thouret
Vorlesungen von Nitzsch nach dessen Tod heraus. Naturgemäß wurde
die ältere Zeit Roms mit ihrer problematischen Übei'lieferung besonders
umstritten. So hat Sir G. C. Lewis in seinen Untersuchungen über
die Glaubwürdigkeit der altrömischen Geschichte, deutsch von
F. Lieb recht, 2 Bde., Hannover 1858, die Tradition ähnlich wie Beaufort
mit berechtigter Skepsis behandelt, während Victor Duruy in seiner
Histoire des Bomams (bis zum Tod Theodosius' des Großen 395 n. Chr.,
7 Bde., Paris 1879 — 85) einen viel konservativeren Standpunkt einnahm.*)
In seiner universalen Geschichte des Altertums hat Eduard Meyer
die Geschichte Roms bislang erst bis zum Kelteneinfall im 4. Jahrhundert
V. Chr. geführt (Bd. 2 bis 5, Stuttgart und Berlin 1893— 1902).^) Auf die
Spitze getrieben wird das Mißtrauen gegen die Überlieferung von Ettore
Pais in seiner Storia critica di Roma durante i prbni cmqne secoli,^) die
kürzlich zum Abschluß gelangt ist. Wie schon Schwegler, kritisiert auch
Pais die Quellenberichte eingehend. Von der Tradition über die ältere Zeit
läßt er nicht viel bestehen ; dafür gewährt er den eigenen Hypothesen freies
Spiel. Aber auch wer den hyperkritischen Radikalismus ablehnt, kann doch
^ In den populär gehaltenen Reden ' ^) Den letzten Teil (die Kaiserzeit) hat
und Aufsätzen (Berlin 1905) finden sich G. F. Hertzberg ins Deutsche übertragen,
wahre Kabinettstücke der historischen '•') Die innere Geschichte Roms von 66
Kunst Mommsens. — Über Mommsen und bis 44 v. Chr. hat Ed. Meyer kürzlich in
die Forschung seit M. vgl. A. Rosenberg, einem besonderen Werk dargestellt (Cae-
Einleitung und Quellenkunde zur röm. sars Monarchie und das Principat
Gesch., Berlin 1921. 292 flf. des Pompejus, Stuttgart und Berlin
■') Einen Teil des 7. und den 8. Band 1918, 2. Aufl. 1919).
hat Ihne nach einem von A. W. Zümpt 1 ^) Zuerst erschienen als zweiter Teil
hinterlassenen Manuskript gearbeitet. : seiner Storia d'Italia unter dem Titel Storia
^) Siehe Fleckeisens Neue Jahrbücher i di Roma. Bd. I. 1 und 2, Turin 1898 f., in
für class. Piniol. 73 (1856) 716 ff. und 77 neuer Bearbeitung als Storia critica di
(1858) 409 flf., 593 ff. ^ Roma, 4 Bde., Rom 1913—20.
Q Römische Geschichte.
viel von Pais lernen. i) Weit gemäßigter verfährt Gaetano de Sancti.s
in seiner Storia dei Romani.^) Hier wird im Gegensatz zu Pais der jüngeren
Tradition, besonders der livianischen, mehr Resjoekt gezollt. Die Ergeb-
nisse der Ausgrabungen ihrer Landsleute für die Prähistorie Italiens haben
beide Forscher, Pais und de Sanctis, berücksichtigt. Von deutscher Seite hat
sich K, J. Neumann am Aufbau der altrömischen Geschichte versucht. 3)
Originell und anregend wirkte seine Ansicht über den Zusammenhang der
inneren Politik Roms in der Frühzeit mit der wirtschaftlichen Entwicklung,
wie er sie hypothetisch erschließt. Für die späteren Perioden hat Neumann
die römische mit der hellenistischen Geschichte zu verflechten gewußt und
so den einseitig „romazentrischen" Standpunkt Mommsens überwunden.'*) In
den Rahmen seiner Weltgeschichte hat der greise Leopold v. Ranke
auch die römische Entwicklung eingefügt. Kann auch der geniale Historiker
auf diesem Gebiet die Kompetenz des Spezialisten nicht beanspruchen, so
bleibt es „auf jeden Fall vom höchsten Interesse, wie in Rankes reichem
Geiste sich das Altertum gespiegelt hat".^) Besonderen Hinweis verdienen
die seiner Weltgeschichte beigefügten Kritischen Analekten.
Wenn die ältere römische Geschichte zurzeit durchaus der scharfen Um-
risse entbehrt und an verschieden beurteilten Problemen und ungelösten
Rätseln reicher ist als an gesicherten Tatsachen, so ist um so erfreulicher
die Vermehrung und Vertiefung positiver Kenntnisse durch das Studium
der auf die Nachwelt gelangten Originaldokumente antiken Lebens, der
Inschriften und Münzen. Die betreffenden Hilfsdisziplinen der Geschichte.
Epigraphik und Numismatik, erhielten kräftige Impulse durch den Grafen
Bartolomeo Borghesi (1781 — 1860), dessen verstreute Schriften auf Ver-
anlassung Napoleons III. gesammelt wurden. '') Borghesi galt in epigraphi-
schen Dingen als die Autorität; von dem „Alten vom Berge", der seit
1821 in dem Felsennest San Marino hauste, erbat sich 18-15 auch der junge
Mommsen für die ihm vorschwebende Sammlung der lateinischen Inschriften
Rat und Hilfe. Seine 1852 erschienenen Inscriptiones Regni Neapolitani
Lat'mae hat Mommsen Borghesi 'magistro, patrono, amico' gewidmet. Mit
dieser Arbeit bot Mommsen ein Musterbeispiel, unter dessen Eindruck sich
die Berliner Akademie entschloß, das von ihr geplante Corpus inscriptionum
Latinaruni seiner Leitung zu unterstellen. Lateinische Inschriften aus re-
publikanischer Zeit gibt es leider nicht viele; doch gewähren griechisch ab-
') Zur Ergänzung, als voluml di com-
plemento, veröffeutlicht Pais daneben Ri-
cerche sulla storia e sul diritto puhhlico di
Roma, Bd. I Rom 1915, Bd. II 1916, Bd. III
1918.
2) Bd. I und II Turin 1907, Bd. III, 1
Fachmann allerhand zu bieten (Neumann
nahe steht L.M. Hartmann in seiner popu-
lären Weltgeschichte, Bd. III, Gotha
1919).
*) Dasselbe Ziel steckt sich E. Cavaignac
in seiner ungefügen Histoii-e de l'antiquite
1916, III, 2 1917 (bis zum Ende des 2. puni- Bd. III La Macedoine, Carthaqe et Rome
sehen Kriegs). (330—107), Paris 1914.
^) Die hellenistischen Staaten '") K. J. Neumann a.a.O. 58 f.
und die römische Republik in Bd. I 1 «) Oeuvres complHes, 10 Bde., Paris 1862
der Weltgeschichte desUllsteinschßnVer- | — 97 (Bd. 1 und 2 numismatische, Bd. 3— 5
lags, hrsg. von J. v. Pflugk - Harttung, epigraphische Schi'iften, Bd. 6 — 8 Briefe,
Berlin o.J. (1909). Für ein größeres Publi- Bd. 9 und 10 Fasten- und Präfekten-
kum bestimmt und deshalb ohne gelehr- listen),
ten Apparat, hat dies Werk gerade dem
1. Einleitung in die römische Geschichte. (§1.) 7
gefaßte epigraphische Texte einen Ersatz. Dagegen für die Kaiserzeit sind
die lateinischen Inschriften qualitativ wie quantitativ von Bedeutung. Über
vieles, was die Schriftsteller kaum oder gar nicht berühren, geben die In-
schriften als unmittelbare, vielfach auch offizielle Zeugen Aufschluß, so über
die Organisation von Verwaltung und HeerAvesen, die Gliederung der Be-
amtenschaft, die Keligionen und den Kultus. Auch auf die sozialen Zu-
stände, wie überhaupt auf die Kultur der Antike fällt manches Streiflicht.')
Das gewaltige Sammelbecken der lateinischen Inschriften ist das seinem
Abschlufa nahe Corpus iuscriptionum Latinarum der Berliner Akademie in
15 Bänden. 2) Von diesen enthält der erste, zum Teil in 2. Auflage (I, 1^
1893, I, 2, 12 1918) erschienen, sämtliche Inscriptiones antiquissimae bis
zum Tod Caesars, sowie die Kaiendarien, die fasti consulares und die acta
triumphorum. Auf die übrigen Bände sind die Inschriften nach geographi-
schem Prinzip verteilt entsprechend den einzelnen Provinzen, denen sie
entstammen. Der 6. Band gilt den zahlreichen Inschriften der Stadt Rom.
Neu hinzutretendes Material wird vor der Aufnahme in die Supplementa
der Corpusbände zunächst in der Epliemeris epiyraphica (seit 1872) publi-
ziert; dort finden sich auch selbständige Aufsätze über einsclilägige Themen.
Die neuen, auf das römische Altertum bezüglichen Inschriftentexte registriert
alljährlich die von R. Cagnat und M. Besnier herausgegebene Annee epi-
f/rapJnque (beigegeben der Revue archeologique).^) Von Zeitschriften, die
Neufunde veröflPentlichen oder behandeln, seien genannt das Jahrbuch
des deutschen archäologischen Instituts samt den Mitteilungen
der römischen und athenischen Abteilung, die Westdeutsche Zeit-
schrift für Geschichte und Kunst, die Bonner Jahrbücher, die
Archäologisch-epigraphischen Mitteilungen aus Osterreich, das
BuUett'mo della commissione archeologica comunale di Roma, das JjuUetm de
correspo7ulance hellenique, das Journal of hellenic studies und das Journal
of roman studies. Eine sachkundige Auswahl der wichtigsten Inschriften
hat H. Dessau {Inscriptiones latinae selectae, 3 Bde., Berlin 1892 — 1916)
getroffen. Dadurch sind die älteren Hilfsmittel dieser Art von Orelli-
Henzen und Wilmanns überholt. In der Osthälfte des Imperiums über-
wiegen bei weitem die Inschriften in griechischer Sprache.^) Sie sind im
Auftrag der Berliner Akademie gesammelt von A. Böckh, J. Franz,
E. Curtius und A. Kirchhoff in den vier Bänden des Corpus inscrip-
tionum Graecarum (Berlin 1828 — 77). Dazu kam als Ergänzung das leider
unvollendete V7erk von Ph. Le Bas und W. H. V^-^addington, Voijage
archeologique en Grece et en Äsie mineure, Bd. II und III, Paris 1817 flp.
Das Böckhsche Corpus veraltete rasch, die Textgestaltung — man hatte
auf Autopsie verzichtet — • genügte nicht, die Zahl der Inschriften war um
ein Vielfaches gestiegen, und so nahm denn die Berliner Akademie als
neues Unternehmen das Riesenwerk der Inscriptiones Graecae in Angriff.
*) Vgl. über die lateinische Epigraphik für die gesamte griechische und latei-
das vortreffliche Handbuch von R. Cagnat, nische Epigraphik des Altertums die Bevue
Cours d'epig)-aphie latine, Paris 1914*. epigraphique.
2) Siehe 0. Hirschfeld, Sitzungs- j ■*) Vgl. W. Larfeld. Griechische Epi-
berichte der Berl. Akad. 1917, 45 ff. ' graphik 1,5 dieses Handbuches, 1914^
^) Seit 1913 erscheint in Paris als Organ |
g Römische Geschichte.
Der 14., von G. Kaibol 1890 vollendete Band bringt die griechischen In-
schriften aus Sizilien und Italien und dem übrigen Westen. Weiter sind
zu erwähnen die Inscriptiones antiquae ante septentrionalis Ponti Euxini rjraecae
et latinae von B. Latyschev (Bd. 1, 2 und 4, Petersburg 1885 — 1901) und
The collection of ancient Greek inscriptions in the British Museum von C. T.
Newton u. a., 4 Bde., Oxford 1874 — 93. Eine Auswahl wertvoller grie-
chischer Inschriften, die teilweise auch für die römische Geschichte in Be-
tracht kommen, bieten E. L. Hicks und G. F. Hill, Ä manual of Greek
historical inscriptions, Oxford 1901 2, und insbesondere W. Dittenberger,
Sylloge inscriptionum graecarum (3. Aufl. besorgt von Hiller v. Gaert ringen,
Leipzig 1915 ff.), und Orientis graeci inscriptiones selectae, 2 Bde., Leipzig
1903. 1905, sowie Ch. Michel, Eecueil d'lnscriptions grecques, Brüssel 1900,
Suppl. fasc. 1 1912. Von den nützlichen Inscriptiones Graecae ad res lio-
manas pertinentes, die R. Cagnat mit andern herausgibt, ist Bd. I (Paris
1911) und Bd. III (1906) fertig.
Eine ganz neue Welt erschlossen der Altertumswissenschaft die massen-
haft in Ägypten gefundenen Papyri und Ostraka, zumeist in griechischer,
selten in lateinischer 1) Schrift und Sprache. Wenn es auch nicht ganz an
lateinischen literarischen Texten auf Papyrus 2) gebricht, so handelt es
sich doch in der Hauptsache um griechische Urkunden und Dokumente des
öffentlichen und privaten Lebens. Besonders befruchtet wurde durch die
Funde die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, 3) wobei man sich allerdings
vor Verallgemeinerungen hüten muß: denn das für Ägypten gewonnene
Bild darf nicht als Schablone auf die übrigen Provinzen des Römerreichs
übertragen werden. Für die junge, aber kraftvoll sich entwickelnde Diszi-
plin hat U. Wilcken ein Zentralorgan geschaffen in dem Archiv für
Papyrusforschung und verwandte Gebiete. Im Verein mit dem
Juristen L. Mitteis gewährt derselbe Gelehrte eine unübertreffliche Ein-
führung in das Studium der Papyrologie (mit ausgewählten Texten).^)
Zu Epigraphik und Papyrologie gesellt sich als weitere historische Hilfs-
disziplin die Münzkunde, die Numismatik. Besonders für die Kaiserzeit
sind die Münzen unschätzbare authentische Quellen.^) Die wissenschaftliche
Behandlung und Verwertung des numismatischen Bestandes hat der Jesuiten-
pater Joseph Eckhel in seiner vorbildlichen JJoctrina nuniorum veterum,
8 Bde., Wien 1792 ff\ angebahnt. Den römischen Münzen gelten die Bände
5 — 8. Neue Wege hat auch auf diesem Gebiet Th. Mommsen gewiesen
^) Lateinisch geschriebene Papyri zählt
auf A. Stein, Untersuchungen zur
Geschichte und Verwaltung Ägyp-
tens unter römischer Herrschaft,
Stuttgart 1915, 207 ff.
2) Vgl. W. ScHUBÄRT, Einführung in
die Papyrus künde, Berlin 1918, 481.
Nubien, 2 Bde., Leipzig 1899.
'') L. Mitteis und U. Wilcken, Grund-
züge und Chrestomathie der Pa-
pyrus k u n d e , 2 Bde., Leipzig-Berlin 1912.
Bd. I, 1 p. XXV flf. verzeichnet die zahl-
reichen Papyruseditionen; über Neu-
erscheinungen unterriclitet das Archiv.
Besonders hervorzuheben ist die Livius- j — Vgl. auch das A. 2 genannte Buch von
epitome von Oxyrhynchos, hrsg. von j Sohubakt, sowie P. JVI. Meyer, Juri-
E. KoRNEMANN, IvHo, 2. Beiheft 1904, der
Text auch in 7. Lhi Periorhae, ed. 0. Ross-
BACH, Leipzig 1910.
^) Grundlegend U. Wilcken, Grie-
chische Ostraka aus Ägypten und
stische Papyri, Berlin 1920.
^) Vgl. E. A. Stückelberg, Die römi-
schen K a i s e r m ü n z e n als Ge-
schichtsquellen, 2. Aufl., Basel 1915.
1. Einleitung in die römische Geschichte. (§ 1.) 9
mit seiner Geschichte des römischen Münzwesens, BerHn 1860, deren
französische Übersetzung durch den duc de Blacas (4 Bde., Paris 1865
bis 1875) Verbesserungen und Zusätze des Verfassers brachte. Außerdem
sind zu nennen E. Babelon, Description historique et chronologique des mon-
naies de la repuhlique romaine, 2 Bde., Paris 1885 f., G. F. Hill, Historical
roman coins froin the earliesf fiines to the reign of Augiistus, London 1909
und H. Cohen, Description historique des monnaies frappees sotis l'empire
romain, 8 Bde., 2. Aufl., Paris 1880 — 92, i) dazu die Münzkataloge des Bri-
tischen Museums {British Museum Catalogue of roman coins. Coins of the
roman republic, 3 Bde. von H.A. Grueber; Catalogue of Greek coins, 27 Bde.).
Über die griechischen Prägungen orientiert Barclay V. Head, Historia
nnmorum, a manual of Greck numismatics, 2. Aufl., Oxford 1911. Mit einer
umfassenden Registrierung des antiken Münzbestandes hat die Berliner Aka-
demie den Anfang gemacht: Die antiken Münzen Nordgriechenlands,
Bd. I Dacien und Moesien von B. Pick und K. Regling, 1. Halbbd.,
Berlin 1898, 2. Halbbd., 1. Abth., 1910; Bd. II Thrakien von F. Münzer
und M. L. Strack (im Erscheinen), Bd. III, 1. Abt. Makeclonia und
Paionia von H. Gaebler, 1906.
Hinsichtlich der Zeitrechnung ist namentlich für die älteren Epochen
Roms sowohl der chronologische Ansatz der Ereignisse als auch der Gang
des römischen Kalenders Gegenstand vieler Untersuchungen geworden, die
meist sehr subjektiv ausfielen. Ludwig Idelers Handbuch der mathe-
matischen und technischen Chronologie ist jetzt ersetzt durch das
gleichnamige Werk von F. K. Ginzel, dessen zweiter Band (Leipzig 1911)
unter anderem der Zeitrechnung der Römer gewidmet ist. 1858 veröftentlichte
Th. Mommsen seine Römische Chronologie bis auf Caesar (2. Aufl.,
Berlin 1859); Mommsens Ansichten blieben unbestritten, bis G. F. Unger
1879 Widerspruch erhob; es folgten die sämtlich Römische Chrono-
logie betitelten Bücher von H. Matzat, 2 Bde., Berlin 1883 f., L. Holz-
apfel, Leipzig 1885, W. Soltau, Freiburg i. B. 1889, sowie der Beitrag
Ungers zu diesem Handbuch Bd. I, 2. Aufl. 1892, S. 779 ff. 2) Die Er-
gebnisse dieser Arbeiten gingen weit auseinander und führten dadurch zu
einer Stagnation der Forschung, die erst neuerdings überwunden wird. So
machte O. Leuze in seiner Römischen Jahrzählung, Tübingen 1909,
einen mutigen „Versuch, deren geschichtliche Entwicklung zu ermitteln",
ohne dieses Problem mit den Hypothesen über den altrömischen Kalender
zu verquicken. 3) Auch in Italien ist die chronologische Forschung neuer-
dings in Fluß gekommen. Tabellen für die antike Chronologie stellte auf
H. F. Clinton, Fasti HeUenici^ tJie civil and Uterary chronology from the
earliest times to the death of Augustus, 3 Bde., Oxford 1834 — 51. Jeder
') Von Spezialarbeiten sind anzuführen
E. J. Häberlin, Aes grace. Das Schwer-
geld Roms und Mittelitaliens, Bd.I,
Frankfurt a. M. 1910 und H. Willees, Ge-
schichte der römischen Kupfer-
prägung vom Bunde sgenossen-
krieg bis auf Kaiser Claudius,
Leipzig und Berlin 1909. — Hingewiesen
sei auf die Zeitschrift für Numis-
matik (Berlin) und auf die Numisma-
tische Zeitschrift (Wien).
-) lieber die historisch wichtigsten Fra-
gen vgl. den „chronologischen Anhang"
unten S. 90 flf.
') Vgl. L. Holzapfel, Zur römischen
Chronologie, Klio XII (1912) 83 ff.
2Q Römische Geschichte.
Band gibt clironologische Tafeln, denen mehr oder minder ausführliche
chronologische Abhandlungen folgen. Für die römische Geschichte kommt
besonders der dritte Band in Betracht. Ergänzt werden die Fasti Hellenici
durch die Fasti liomani desselben Verfassers, 2 Bde., Oxford 1845 und 1850;
der erste Band bringt Tabellen vom Jahr 15 — 578 n. Chr., der zweite
chronologische und historische Untersuchungen. Für die Zeit der Republik
sind veraltet, doch noch nicht ersetzt die Römischen Zeittafeln von
Roms Gründung bis auf Augustus' Tod von E. W. Fischer, Altona
1846. Für die Kaiserzeit leistet G. Goyau, Chronologie de l'empire roniain,
Paris 1891, wenigstens vorläufige Dienste.
Das Bestreben der modernen Altertumswissenschaft, das antike Leben
in allen seinen Äußerungen zu erfassen, ist auch den sog. Antiquitäten
zugute gekommen, diesem Nachbargebiet der eigentlichen Geschichte; voran-
steht — in Erneuerung des großen Becker-Marquardtschen Werkes — das
Handbuch der römischen Alterthümer von J. Marquardt und
Th. Mommsen (Bd. I — III, Mommsen, Römisches Staatsrecht, Bd. I
imd II, 3. Aufl., Leipzig 1887; Bd. III 1887 '88;i) Bd. IV— VI Marquardt,
Römische Staatsverwaltung, davon 1. Bd., 3. Aufl., Leipzig 1884; 2. Bd.,
2. Aufl. von H. Dessau und A. v. Domaszewski, 1884, 3. Bd., 2. Aufl.
von G. Wissowa 1885). Vor allem Mommsens Staatsrecht ist eine um-
fassende und eigenartige Schöpfung, fast aus dem Nichts heraus, hat doch
erst Mommsen ein eigentliches System des römischen Staatsrechts auf-
gestellt und damit eine Lücke geschlossen, die in der antiken Überlieferung
klaffte. 2) „Als ergänzende Fortsetzung" seines Staatsrechts betrachtete
Mommsen selbst sein Römisches Strafrecht, mit dem er als Greis die
Wissenschaft beschenkte (in K. Bindings Systemat. Handbuch der
deutschen Rechtswissenschaft, I.Abt., 4. Teil, Leipzig 1899). Ludwig
Lange (Römische Altertümer, Bd. I und II, 3. Aufl., Berlin 1876. 1879;
Bd. III, 2. Aufl., 1876) und Ernst Herzog (Geschichte und System
der römischen Staatsverfassung, Bd. I, Leipzig 1884; Bd. II, 1, 1887;
Bd. II, 2, 1891) lassen dem systematischen Teil eine geschichtliche Darstellung
voraufgehen. Als Gegner Mommsens schrieb der Däne J. N. Madvig seine
Verfassung und Verwaltung des römischen Staates, 2 Bde., Leipzig
1881 f. Das Buch von P. Willems, Le droit public romaiN, hat in 7. Aufl.
der Sohn des Verfassers, J. Willems, herausgegeben (Löwen 1910). Wie
die Erforschung der Personal- und Familiengeschichte (die sog. Prosopographie)
sich zu tieferem Verständnis des Wesens der oligarchisch-aristokratischen
Staatsform des republikanischen Rom auswerten läßt, hat F. Münz er (Rö-
mische Adelsparteien und Adelsfamilien, Stuttgart 1920) aufs glück-
lichste gezeigt. Für die Städtekunde des Altertums sind wichtig die Pom-
pejanischen Studien von Heinrich Nissen, Leipzig 1877. Derselben
Feder verdanken wir die Italische Landeskunde (2 Bde., Berlin 1883.
1902), eine ausgezeichnete Schilderung von Land und Leuten des alten
') Einen Abriß des römischen
Staatsrechts verf afste Mommsen für Bin-
dings Systemat. Handbuch derdeut-
zig 1893. Darin wird auch noch die „Staats-
ordnung seit Diocietian" knapp gewürdigt.
2) Vgl. E. Täübler, Hist. Zeit sehr.
sehen Rechtswissenschaft 1,3, Leip- j 120, 3. F. 24, 1919, 189 ff.
1. Einleitung in die römische Geschichte. (§1.) 11
It-alien, bei der nur leid<3r die monumentalen Zeugnisse vernachlässigt sind.*)
Religion und Kultus der Römer hat unter diesem Titel G. Wisse wa
in Bd. V, 4 dieses Handbuchs (1912 -) meisterhaft dargestellt.
Den gesamten Stoff der Altertumskunde läßt in al^jhabetischer Reihe Revue
passieren Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertums-
wissenschaft, in neuer Bearbeitung herausgegeben von G. Wissowa, dann
von W. Kroll, Stuttgart 1894 ff. 2) (Bescheideneren Zwecken als dies uni-
versale Nachschlagewerk dient F. Liibkers zur ersten Orientierung nütz-
liches Real-Lexikon des klassischen Altertums, vollständig um-
gearbeitet herausgegeben von J. Geffcken und E. Ziebarth, Leipzig-Berlin
1914^.) Weiter kommen in Betracht das Dictioniialre des antiqidtes grec-
ques et romaines von Ch. Daremberg und E. Saglio (Paris 1877 ff.) und
das Dizionario epigrafico dt antichitä 7'omane von E. de Ruggiero (Rom
1886 ff'.). Eine Bibliograßa delV lialia aiitica hat G. F. Gamurrini be-
gonnen (1. Bd., Arezzo 1905).
Die fortschreitende Arbeit des Tages findet ihren Niederschlag haupt-
sächlich in den gelehrten Zeitschriften. Speziell der alten Geschichte
dienen folgende Organe: Klio (Beiträge zur alten Geschichte) heraus-
gegeben von C. F. Lehmann-Haupt und E. Kornemann (Leipzig 1901 ff.),
Quellen und Forschungen zur alten Geschichte und Geographie
herausgegeben von W. Sieglin (Berlin 1901 ff.), Studi di storia antica heraus-
gegeben von Beloch (Rom 1891 ff.), sowie die Stndi storici per Votitichita
classka herausgegeben von E. Pais (Pisa 1908 ff.).^)
Wenn die Altertumswissenschaft der Gegenwart unter dem Zeichen der
Monumente, vor allem der Inschriften und Papyri, steht, so darf über diesen
ertragreichen Studien die eindringliche Interpretation der literarischen
Texte nicht verabsäumt werden. Ist doch auch hier noch viel zu erreichen
durch verfeinerte Analyse und methodische Quellenkritik, die nicht so sehr
auf Autorennamen Jagd macht, als vielmehr die Eigenart der benutzten
Vorlagen als das Wesentliche zu bestimmen sucht. Noch immer von Nutzen
sind die Kritischen Untersuchungen über die Quellen der 4. und
5. Dekade des Livius von Heinrich Nissen (Berlin 1863). Aber Nissen
verallgemeinerte im Sinne seines Lehrers K. W. Nitzsch das in dem Einzel-
fall richtig beobachtete Verhältnis des Livius zu seiner Quelle Polybios und
so hat seine von den mittelalterlichen Chroniken auf die Antike über-
tragene Einquellentheorie, also die Anschauung, als ob der antike Historiker
sich jeweils einer Hauptquelle anvertraue, viel Unheil angerichtet. Vor
') Vgl. die Kritik von F. von Dühn,
Deutsche Literaturzeitung 1903, 223 if.
^) Bd. XI bis 'Komödie' erschien 1921.
Von der zweiten Reihe (R— Z), hrsg. von
W. Kroll und K. Witte wurde ein erster
Band (Bd. IA) (Ra— Sarmathon) 1920 ab-
bücher für das klassische Alter-
tum, Philologus, Rheinisches Mu-
seum, Wiener Studien, (Bürsians)
Jahresbericht über die Fort-
schritte der klassischen Alter-
tumswissenschaft, Revue de pli Uologie,
geschlossen. Überdies sind bis jetzt drei ' Revue des etudes anciennes, Jotcrnal of philo-
Supplementbände herausgekommen. i logy, Rivista di ßlologia cJassica, Histo-
^) Außerdem sind zu berücksichtigen | rische Zeitschrift, Jahresberichte
die Zeitschriften, die sich mit Altertums- i der Geschichtswissenschaft, Revue
Wissenschaft bezw. Geschichte überhaupt historique, Revue des questions historiques,
befassen, so Hermes, Neue Jahr- \ The english historical review u. a. m.
12 Römisclie Geschichte.
der mechanischen Anwendung dieses sog. Nissenschen Gesetzes hat A. v. Gut-
schmid schon im Jahr 1877 gewarnt.^) Dann hat Ivo Bruns^) an der ver-
schiedenen Behandhmg der Persönhchkeit die Technik der antiken Historio-
graphie klargelegt und gezeigt, dafj sich zwei Gruppen von Historikern,
nämlich die direkt und die indirekt charakterisierenden, unterscheiden lassen.
Zu jenen ist Polybios, zu diesen Livius zu zählen. Dagegen blieb dem außer-
ordentlichen Scharfsinn, mit dem R. Laqueur (Polybius, Leipzig-Berlin
1913) an dem Text des Polybios, wie wir ihn heute lesen, die Spuren von
nicht weniger als fünf verschiedenen Auflagen nachzuweisen suchte, ein
überzeugendes Ergebnis versagt; das philologische Problem, das ein Ge-
schichtsAverk als literarisches Erzeugnis bietet, sollte nie isoliert werden; es
bedarf vielmehr beständig der Ergänzung durch historische und quellen-
kritische Gesichtspunkte. Nur die Vereinigung historischer und philologi-
scher Methode kann zum Ziele führen.^)
IL Italische und römische Vorgeschichte.
Quellen und Überlieferung der älteren römischen Geschichte.
Die Anfänge einer schriftlich fixierten, den Ereignissen gleichzeitigen histori-
schen Überlieferung in Rom liegen im Dunkel. Doch läßt sich erkennen, daß es
die Liste der Konsuln oder sonstiger eponymer Beamter, nach denen die einzelnen
Jahre benannt und nach denen datiert wurde, gewesen sein muß, die das unent-
behrliche chronologische Rückgrat bildete: indem man unter den betreffenden .Jahren
die wichtigsten Ereignisse kurz notierte, entstanden ganz von selbst primitive Chro-
niken oder Annalen, d. h. Jahrbücher.
Daß nun die Namen von Konsuln und anderen Eponymen schon vor alters in
Rom zur Aufzeichnung gelangten, entsprach den Bedürfnissen des täglichen Lebens,
da ja nach diesen Eponymen datiert werden mußte. Was freilich von Magistrats-
verzeichnissen {libri magistratuum) und Linnenl:)üchern {librl lintei), die im Tempel
der Juno Moneta vorhanden gewesen sein sollen, berichtet wird, ist ohne sichere
Gewähr.^) Die nach ihrem heutigen Aufbewahrungsort auf dem Kapitel sog. fasti
Capitolini,'") die noch erhaltenen Reste des inschriftlichen Verzeichnisses der Kon-
suln (Diktatoren und Zensoren), das sich einst an den Marmorwänden der Regia,
des Amtslokals des Pontifex maximus auf dem Forum befand, sind erst um 36 v. Chr.
und später auf Veranlassung des Augustus abgefaßt. Wir haben es also mit einem
Produkt anticjuarischer Gelehrsamkeit, nicht mit einer authentischen Urkunde zu
tun. Ein Gleiches gilt von dem ebenfalls unter Augustus der Konsulliste an dem-
selben Ort hinzugefügten Verzeichnis der Triumphe;®) es ist für die ältere Epoche
*) In seiner Jenenser Antrittsrede, s. \ ■*) Mommsen, Rom. Chronologie 94 f., 208 f.
Kl. Schriften, Bd. I, Leipzig 1889, 1 ff . 1 '") 0. Hirschfeld, Kl. Schriften. Berlin
■') Die Persönlichkeit in der Ge- [ 1913, 33U ff., Mommsen, Rom. Forschungen
Schichtschreibung der Alten, Berlin II 58 ff., Cichorius, De fastis consularibus
antic[uissimis, Leipziger Studien IX 171 ff.,
ScHöxN, PW VI 2027 ff. Die Reste der
fasti Capitolini sind ediert CIL I- p. 1 ff.;
über die hinzugekommenen neuen Funde
vgl. A. Stein. Bursians Jahresbericht 144,
163 ff.
1898.
^) A. Rosenberg, Einleitung und
Quellenkunde zur römischen Ge-
schichte, Berlin 1921, behandelt die
Primärquellen (Akten, Inschriften, Mün-
zen, Papyri, archäologisches Material, Re-
den. Briefe, Memoiren, Flugschriften) und ] ^) CIL I- p. 43 ff'. Sonderausgabe von G.
die Werke der Historiker, wobei die Stil- Schön, Das capitolinische Verzeichnis der
gattungen nach Gebühr auseinander- röm. Triumphe (Abhandl. des archäol.-
gehalten werden.
2. Italische und römische Vorgeschichte. (Quellen.) 13
aus der jungen annalistischen Literatur zusammengeklittert und wird erst mit der
im helleren Licht der Geschichte liegenden Zeit zuverlässig.
In Anlehnung an die Beamtenliste und den Kalender also müssen die ersten
chronikartigen Aufzeichnungen, die ältesten Anualen entstanden sein. Speziell für
den Pontifex maximus wird bezeugt, daß in seinem Amtslokal alljährlich eine Tafel
{tabula, griechisch zilra^) aufgestellt wurde,') auf der die Namen der Magistrate und
die ihm wichtig dünkenden Ereignisse von ihm zu verzeichnen waren, eine alte,
primitive Sitte, mit der erst P. Mucius Scaevola, der im Jahr 133 v. Chr. Konsul
gewesen war, in seinem Pontifikat gebrochen hat.-) Vielleicht durch denselben Mann
wurden nun die sämtlichen noch vorhandenen tabulae redigiert und unter dem Titel
annales maximi in 80 Büchern herausgegeben als 'archivalische Publikation'.^) Es
muf3 jedoch, wie die Einheitlichkeit der Tradition über die älteste Geschichte bei
den ersten Historikern, die noch vor jener Veröffentlichung schrieben, beweist, schon
eine ältere Redaktion solcher Pontifikalannalen gegeben haben, ^) Für das Einzelne ist
jedoch über Hypothesen nicht hinauszukommen. Als chronologisches Gerüste dienten,
wie gesagt, die Konsulnamen, die Fasten, vom ersten Jahr der Republik an. Aber
für die älteren Zeiten sind diese Fasten, wenn nicht ganz gefälscht, so doch zum
mindesten stark verfälscht. Schon äußerlich nötigte der trümmerhafte Zustand der
überlieferten Daten — man denke nur an die Vernichtung wertvollen Materials
durch die Gallierkatastrophe — zu Konstruktionen und Rekonstruktionen. Zugleich
bot sich hier Gelegenheit, einzelnen inzwischen zu Ansehen gelangten plebeischen
Geschlechtern zu vornehmen Ahnen zu verhelfen. Fälschungen solcher Art scheinen
in großem Umfang zur Zeit des Zensors vom Jahr 310 v. Chr. Appius Claudius, und
zwar vermutlich durch dessen literarischen Handlanger Cn. Flavius begangen worden
zu sein. Gleich der erdichtete erste Konsul der Republik L. Junius Brutus bietet
für jene Tendenz ein klassisches Beispiel;^) denn da die Junii ein plebeisches Ge-
schlecht sind, können sie unmöglich den ersten Konsul gestellt haben. Eine zu-
sammenfassende kritische Behandlung des Fastenproblems ist dringend geboten.^)
Einen anderen Charakter als die Pontifikalannalen trugen die commeiita^-ü der
Pontifices und anderer Priester- und Beamtenkollegien. Sie enthielten Ritual- und
Amtsvorschriften, die sich insofern der Geschichtschreibung näherten, als darin
außer Protokollen über Amtshandlungen auch Riten, Formeln und Rechtsbräuche
an erdichteten Beispielen aus der Vergangenheit in erzählender Form unter be-
stimmten Namen exemplifiziert wurden. Derartige Elemente scheinen schon früh-
zeitig auch in die Annalen eingedrungen zu sein; denn vielleicht enthielt schon
deren Frühform bedeutsame exempla (besonders für die Königszeit). Nach Niebuhrs
Vorgang räumte man auch alten Haus- oder Familienchroniken einen nicht geringen
Einfluß auf die uns erhaltene Überlieferung in maiorem gloriam einzelner Ge-
schlechter ein. Besonders K. W. Nitzsch hat mit dieser Hypothese bei seiner Quellen-
kritik von Livius und Dionysios gearbeitet. Doch ist das Vorhandensein solcher
privater Aufzeichnungen unerweislich und für das illiterate Rom der 1. Jahrhunderte
nicht eben wahrscheinlich. Erst die gelehrten Antiquare zu Ende der Republik und
zu Beginn der Kaiserzeit stellten derartige Familiengeschichten zusammen, ver-
epigr. Seminars der L'nivers. Wien IX), i E. Korne mann. Der Priestercodex in der
VS^ien 1893, ! Regia, Tübingen 1912,
') Cato bei Gellius, Noctes atticae 2, I ^) K, J, Neumann, L. Junius Brutus, der
28, 6, Dionys, Hai. I 74, 3 (aus Polybiosj i erste Consul, in der Festschrift zur 46.
mit Niebuhrs Konjektur. Servius ad Aen. 1 Philologenversammlung, Straßburg 19U1,
I 373. I 309 ff.
^) Cicero de orat. 2, 52. ^) G, Costa, I fasti consolari Romani.
ä) Fe, Leo, Gesch, der röm, Lit, I, 1913, I, 1 und 2. Mailand 1910, hat das Problem
2, auf breiter Basis in Angriff genommen.
A. Enmann, Rhein. Mus. 57, 1902, 517 ff.
QO
14 Römische Geschichte.
mutlich mit Benutzung der Annalfn.') Gelegentlich gingen Amtsakten in den Privat-
besitz ehemaliger Magistrate über und vererbten sich dann wohl weiter.^) Aber
das sind keine historischen Aufzeichnungen, sondern Erzeugnisse der Praxis, die
in der Überlieferung keine sichtbaren Spuren hinterließen. Eher könnte man, wie
es geschehen ist, den Stanimbaunien [imaf/itmm tituli) vornehmer Familien und den
Leichenreden {laudutiones) eine Wirkung auf die gesohichtlicho Erzählung zutrauen.
Dabei bleibt freilich zu bedenken, daß auch die Alten hierüber nur Vermutungen
anstellten ') und daß man erst im letzten Jahrhundert der Republik Reden zu publi-
zieren begann. Für die älteste Zeit kommen solche Einflüsse ohnehin noch nicht
in Frage. Nicht so sehr dem Glanz einzelner Häuser, als vielmehr dem Ruhm des
Gesamtvolkes sollte die Verfälschung der älteren Geschichte dienen.
Von historischen Poesien („Heldenliedern'") aus alter Zeit, die Niebühr und
in anderer Form Nitzsch, neuerdings auch wieder de Sanctis ^) annehmen, ist nichts
Sicheres bekannt.^) Auch der Einfluß der römischen Nationaltragödie, der fahula
praetexta, auf die historische Darstellung darf nicht überschätzt werden, wie es be-
sonders W. SoLTAu getan hat.'')
Zu urkundliclien Aufzeichnungen ist man in Rom schon früh geschritten,
wurde doch das Alphabet und damit die Schreibkunst bereits vor der Etrusker-
herrschaft in Latium rezipiert. Die älteste erhaltene Inschrift in lateinischer Sprache
scheint in den ersten Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. hinaufzureichen.") Mag
auch die Schrift zunächst nur spärlich verwendet worden sein, so muß es doch aus
den ersten Jahrhunderten der Republik historisch bedeutsame Denkmäler wie Weih-
geschenke mit Inschriften, Urkunden u. dgl. gegeben haben, wovon sich freilich nur
Weniges in die eigentlich literarische Zeit hinüberrettete. L'berhaupt widmeten die
Römer, anders als die griechische Welt, dem öff"entlichen Schrift- und Urkunden-
wesen nur geringe Sorgfalt.^) Selbst Senatsprotokolle, abgesehen von den Senats-
beschlüssen, wurden, wie es scheint, auch noch in späterer Zeit lediglich privatim
angefertigt, bis sie im Jahr 59 v. Chr. auf Anordnung Caesars, der damals Konsul
war, zusammen mit den sonstigen städtischen Nachrichten in den acta senattis poindique
Romani, der Staatszeitung, dem Publikum vorgelegt wurden. Diese acta behaupteten
sich bis tief in die Kaiserzeit, wurden aber seit Augustus, soweit sie zur Ver-
öffentlichung kamen, auf die städtischen Angelegenheiten beschränkt. Die Senats-
beschlüsse wurden schon früher aufgezeichnet, aber nur mangelhaft und wahr-
scheinlich nicht lange aufbewahrt. Von den Beamten sind anfänglich nur die
Eponymen (Konsuln und Konsulartribunen) eigens registriert worden; die übrigen
wurden nur gelegentlich berücksichtigt, so daß es für sie vollständige, authentische
Listen aus älterer Zeit nicht gab. Nur Gesetze, soweit sie schriftlich fixiert wurden,
und Verträge mit fremden Staaten wurden auf dauerhaftem Material aufgezeichnet
und gewissenhafter behütet. Erhalten hat sich aber auch davon aus alten Zeiten
nicht viel;^) am bekanntesten sind die von Polybios 3, 22 ff. wiedergegebenen Ver-
träge mit Karthago.
^) Die frühesten Beispiele sind die von | =) Leo, Gesch. der röm. Lit. I 18 f.
Atticus verfertigten Familiengeschichten, ^) Die Anfänge der römischen Geschicht-
Nepos, Atticus 18. Schreibung, Leipzig 1909.
-) Plinius h. n. 35, 7. Man beachte, daß I ')Diese, auf der goldenen Fibula von Prä-
es sich an dieser Stelle um die Etymologie
von tablinum handelt.
") Cicero Brut. 61. Liv. 8, 40, 4 vitiatam
memoriam funebrihiis laudibus reor faJslsque
imagimim tifidis; Liv. 4, 16, 4. Liv. 22, 31
trifft gerade die als gefälscht bezeichnete
Ueberlieferung das Richtige.
■») Storia dei Romani I 22 flf.
neste, setzt E. Lommatzsch um 600 v. Chr.
an, den Forumscippus um 100 Jahre später.
In weitem Abstand folgt die Duenos-
inschrift, die in die Mitte des 4. Jahr-
hunderts gehören mag. Siehe CIL I 2, 1,
2. Aufl. 1918, p. 367 ff".
^) Cicero de legibus 3, 46.
^) ScHWEGLEE, Rom. Gescli. I 18 ff. gibt
2. Italische und römische Vorgeschichte. (Quellen.) 15
Die älteren Überlieferungen hat wohl als erster der früheste römische Historiker,
von dem wir wissen, Q. Fabius Pictor, in literarischen Umlauf gebracht. Pictor
lebte zur Zeit des zweiten punischen Krieges ^) und schrieb in griechischer Sprache
wahrscheinlich nach 201 v. Chr. die Geschichte der beiden punischen Kriege, der
er eine Darstellung der gesamten Geschichte Roms seit der Gründung vorausschickte,
offenbar in annalistischer Form. Uns ist diese ältere Überlieferung in ihrer reinsten
Gestalt zunächst in einigen Abschnitten des Polybios erhalten, vollständiger und
zusammenhängender in dem Abriß der "Weltgeschichte (ßtß/uoO/jy.t) loiooiy.i'i), den um
30 V. Chr. Diodoros aus Agyrion auf Sizilien herausgab, der die ganze Geschichte
des Altertums in synchronistischer und annalistischer Gruppierung von Anfang an
bis zum Jahr 54 v. Chr. umfalBte.'-) Diodor ist nichts als ein unselbständiger Kom-
pilator und der schwankende Wert seines Machwerks wird allein bestimmt durch
die jeweils benutzten Quellen. Seine ältere römische Geschichte zeichnet sich durch
unverfälschte Echtheit aus. Daß sie aus Fabius geschöpft sei, haben nach dem Vor-
gang NiEBüHKs MoMMSEN u. a. vemiutet; wenn auch nicht mit Sicherheit zu erweisen,
so bleibt diese Hypothese doch noch immer die wahrscheinlichste.^) Späterhin ist
die Tradition über die ältere Zeit unter dem Einfluß der griechischen Literatur und
in römisch-chauvinistischer Tendenz mannigfach rhetorisch aufgeputzt und erweitert
worden, zumal gegen Ende der Republik, zuerst in der gracchischen und sullani-
sehen Zeit, dann durch die Arbeiten der ciceronischen und augusteischen Epoche,,
vor allem durch die antiquarischen Studien eines Varro und seiner Zeitgenossen
und Nachfolger. Der Wert der jüngeren Annalistik, die sich für uns in den AVerken
des Livius und des Dionysios von Halikarnaß spiegelt, ist gering, da der Zuwachs
an eigentlich historischem Material, den sie im Verlauf des literarischen Prozesses
erfuhr, nur dürftig ist. Vielmehr sind die ältesten knappen Nachrichten allmählich
durch willkürliche Zusätze der verschiedensten Art ausgestaltet und weitergebildet
worden. Die späteren Annalen bieten demnach nur zu einem kleinen Teil echte
Überlieferung und sind im übrigen ein Produkt von Pseudohistorikern, die sich
kein Gewissen daraus machten, mit den Hilfsmitteln der Phantasie den spärlichen
Stoff zu mehren und ihn nach dem Muster der hellenistischen Geschichtschreibung
zu formen, geleitet nur von dem Bestreben, ihrem Volke eine möglichst glorreiche
Vergangenheit zu verschaffen.
Die frühesten römischen Historiker, nach Abkunft und Stand vornehme Männer.,
hatten in griechischer Sprache geschrieben, weil sie von der griechischen Kultur-
welt beachtet sein wollten. Aber auch die Griechen selbst widmeten sich der Ge-
schichtschreibung Roms, als bedeutendster Polybios, der Sohn des Lykortas, aus
Megalopolis in Achaia. Geboren um 200 v. Chr. wurde Polybios mit zahlreichen
Leidensgenossen im Jahr 167 als politische Geisel nach Rom verbracht, wo er zu-
nächst bis 150 V. Chr. lebte. Seine Freundschaft mit Scipio Aemilianus und anderen
römischen Großen erschloß dem Griechen den Sinn für römisches Wesen und römische
Politik : in dem Wunsch, seinen eigenen Landsleuten die Genesis der römischen
ein Verzeichnis. Vgl. auch die Angaben I 11 bis 20 (die Jahre 4ö0 — 302 v. Chr.) er-
bei Plinius h. n. 34, 20 ff. halten, vom übrigen nur einzelne Auszüge.
M Vgl. Leo. Geschichte der röm. Lit. j ^) Vgl. Ed. Schwaktz, PW V 063ff. Über
I 85 ff'. Wenig später als Fabius verfaßte ] die römische Quelle Diodors handelt G.
L. Cincius Alimentus ebenfalls in l Sigwaet, Klio VI, 1906. 269 ff., 341 ff., der
griechischer Sprache eine römische Ge- \ einen Mittelsmann zwischen Fabius uiid
schichte, von der wir nur unsichere Kunde
haben. Vgl. Münzee und Cichokiüs, PW
III 2556 f.
"^) Von den 40 Büchern der Bibliothek
sind nur 1 bis 5 (die altorientalische Ge-
schichte und die mythische Vorzeit) und
Diodor annimmt, während O. Leoze, Die
röm. Jahrzählung, Tübingen 1909, in Fa-
bius die unmittelbare Vorlage Diodors
erblickt. Gegen diese Auffassung wendet
sich E. KoKNEMASN, Priestercodex S. 32 f.
Iß Römische Geschichte.
Weltherrschaft und die gesdiiclitliche Mission Roms klar zu machen, griff er zur
Feder. Als Einleitung hat er in den beiden ersten Büchern .seines Geschichtswerks
<lie Ereignisse im "Westen und in Griechenland seit 264 v. Chr. skizziert. Die breitere
Darstellung setzt erst im dritten Buch mit dem zweiten punischen Krieg (220 v. Chr.)
■ein und reicht bis 144 v. Chr. und zwar in synchronistischer Anordnung, wobei die
Olympiadenrechnung das Gerüste abgibt. Wo Polybios nicht aus Eigenem schöpfen
konnte, arbeitete er nach älteren historischen Werken mit Sorgfalt und Kritik, flocht
auch mitunter persönliche Informationen und authentische Urkunden ein. Einen
besonderen Exkurs, das sechste Buch, widmet er der römischen Verfassung als dem
Schlüssel zum Verständnis der Größe Roms. Von im ganzen 40 Büchern liegen bloß
die ersten fünf vollständig vor; das Übrige ist nur in Exzerpten und einzelnen Frag-
menten, sowie bei den späteren Ausschreibern erhalten. Für die folgende Periode
gingen als Nachfolger und Fortsetzer Poseidonios und Strabon ähnliche Wege.
Mit solchen Leistungen der griechischen Historiographie kann die lateinische
sich nicht messen. Der Schöpfer einer historischen Prosa in lateinischer Sprache
ist der eigenwillige M. Porcius Cato, der in den letzten zwei Jahrzehnten seines
inhaltreichen, politisch bewegten Lebens — er starb 149 v. Chr. — seine Origines
schrieb als die Geschichte nicht nur Roms, sondern der Italiker überhaupt bis auf
die eigene Zeit, ein höchst originelles Werk nach allem, was man davon weiß.')
Der lateinischen Sprache bedienten sich in der Folge auch die Annalisten
wie L. Cassius Hemina, L. Calpurnius Piso (Konsul 133 v.Chr.), Cn. Gellius:
es folgten in sullanischer Zeit Valerius Antias, Q. Claudius Quadrigarius,
C. Licinius Macer (Prätor 68 v. Chr.), später Q. Aelius Tubero, ein Zeitgenosse
Ciceros, durchweg also Vertreter der nach Amtsjaliren gliedernden Annalistik.^)
Bei allem Nationalismus erlagen diese vornehmen Dilettanten doch dem Einfluß der
hellenistischen Erzählertechnik; nicht so sehr Historiker, als schriftstellernde Poli-
tiker genossen sie nur geringen Kredit, den geringsten die berüchtigten Schwindler
■der sog. sullanischen Annalistik, Valerius Antias, Claudius Quadrigarius und Licinius
Macer. Höher standen die Verfasser von Monographien, meist zeitgeschichtlichen
Inhalts,') an ihrer Spitze L. Coelius Antipater, der Historiker des Hannibal-
krieges. Gegen Ausgang der Republik glänzten in dieser Gattung Caesar und
Sallust. Der große Redner und Publizist Cicero hat in seinen zahlreichen Schriften
-die ältere Zeit oft berührt und ist dadurch, ohne selbst Historiker zu sein, für die
Entwicklungsgeschichte der Tradition von Bedeutung. Besonders wichtig sind seine
nur zum Teil erhaltenen Bücher de repuhllca (verfaßt 54 v. Chr. ff'.), in denen Poly-
bios benutzt ist und die vielfach eine ältere Phase der Überlieferung widerspiegeln.
Unter Ciceros Zeitgenossen nahmen die antiquarischen, der gesamten Vergangen-
heit Roms geltenden Studien großen Aufschwung. Auf diesem Forschungsgebiet
betätigte sich Cornelius Nepos,^) Ciceros Freund T. Pomponius Atticus, unter
dem Diktator Caesar Verfasser einer viel gebrauchten Chronik [über annalls) und
nachmals gelehrter Berater Oktavians,'') und namentlich M. Terentius Varro. In
einem langen Gelehrtenleben (116 — 27 v. Chr.) erwies sich Varro als äußerst pro-
') Vgl. Leo a. a. O. 290 ff". sieht zu Abschnitt VI.
') Als Individualitäten sind mit vm- ^) Außer seinem biographischen Sammel-
seren Mitteln die Annalisten kaum faßbar, werk de riris illiistribtts sind hier zu er-
Die früher beliebte Quellenforschung, die wähnen seine Chronik (in 3 Büchern)
den annalistischen Stoff" des Livius an und die exempla (beides verloren). Die
bestimmte Quellen aufteilen wollte, trieb exempla dienten den Sammlungen des
einen unnützen Sport und führte sich Valerius Maximus als Vorbild. Nepos er-
selbst ad absurdum. Nicht die Namen, lebte noch die ersten Jahre des Prinzipats
sondern die Traditionen gilt es zu schei- j des Augustus.
den. Vgl. Ed. Schwaktz, PW V 948 f. '") Nepos, Attic. 20.
^) Für das Einzelne s. die Quellenüber- |
2. Italische und römische Vorgeschichte. (Quellen.) 17
duktiv. In seinem unter Caesar abgefafsten Hauptwerk antiquitates reruyn humanariim
et divinarum hat er das weite Feld der römischen Altertümer durchgeackert. Schon
die Titel einiger seiner vielen Schriften, wie annaJes, de vita popidl Romani, aetia
(=: aiTia) bezeichnen die Richtung seines wissenschaftlichen Interesses. Bald nach
ihm, unter Augustus, wirkten Verrius Flaccus, dessen großes Werk de verhorum
sign/ficatu dem teilweise noch erhaltenen Lexikon des Festus zugrunde liegt und
aus dem auch Plinius in der historia naturalis schöpfte, und der etwas jüngere
Fenestella. Auch der gelehrten Dichtung sei in diesem Zusammenhang gedacht;
der Elegiker Propertius (im 4. Buch seiner Gedichte), Ovidius in den fasti und
der eigentliche Nationaldichter und epische Herold Roms, Vergil in der Aeneis,
führten, ein jeder auf seine Art, Roms Anfänge und Vergangenheit im Schimmer
poetisch-patriotischer Verklärung ihren Landsleuten vor.
Zu Beginn der Kaiserzeit fühlte sich die römische Geschichtschreibung der gleich-
zeitigen griechischen ebenbürtig. So wagte sich der Rhetor T. Livius aus Patavium
(Padua) an die gewaltige Aufgabe, die ganze römische Geschichte von Urbeginn bis
auf die eigenen Tage darzustellen. Bald nach der Aufrichtung der augusteischen
Verfassung (27 v. Chr.) ging er an die Arbeit, die er unermüdlich bis zu seinem
Tode (17 n. Chr.) fortsetzte. In seinen 142 Büchern ah 'iirbe condita führte er die
Geschichte Roms von der Gründung der Stadt bis zum Jahr 9 v. Chr. Das brauch-
barste historische Material verdankte Livius seinen griechischen Vorgängern. Wo
er römischen Autoren folgt, ist sein Wert weit geringer. Livius ist beseelt von dem
Bewußtsein der Größe der römischen Republik, hat sich aber mit dem Regiment
des Augustus loyal abgefunden. Als Schriftsteller verfügt er über hohe künstlerische
Qualitäten. So gewann seine die republikanische Annalistik abschließende Leistung
kanonisches Ansehen als die Geschichte der Republik ; die frühere Annalistik, durch
Livius ersetzt und überholt, geriet in Vergessenheit. Auf die Nachwelt kamen außer
versprengten Bruchstücken die Bücher 1 — 10 (bis 293 v. Chr.) und 21 — 4.5 (218 — 167
V. Chr.). Für das Verlorene bieten einen, freilich ungenügenden Ersatz die Epitome ')
{periochae) und die späteren, von Livius abhängigen Kompilatoren Florus, Eutro-
pius, das anonyme Büchlein de viris illustribtis, sowie Orosius.
Ein Zeitgenosse des Livius ist der griechische Rhetor und Literat Dionysios
von Halikarnaß, der im Jahr 7 v. Chr. in Rom seine griechisch geschriebene
Römische Archäologie, nämlich die Geschichte Roms bis zum Ausbruch des
ersten punischen Krieges herausgab. Erhalten sind die ersten elf Bücher (das elfte
lückenhaft), von den übrigen neun nur Auszüge. Benutzt ist u. a. Varro, schwerlich
Livius.^) Dionysios ist ein unselbständiger Kopf^) und geht ganz in der Rhetorik
auf. Verwandter Art waren zwei andere griechische Geschichtswerke, die (kurze)
römische Geschichte Jubas IL, des königlichen Polyhistors, der erst Numidien, dann
Mauretanien regierte, und die römischen Partien der Universalgeschichte des Niko-
laos von Da maskos, der ebenfalls unter Augustus schrieb, seit dem Tod Herodes'
des Großen von Judäa (4 v. Chr.) in Rom lebte und bereits den Dionysios benutzte.
Ebenfalls in die augusteische Zeit gehören die historiae PhiUppicae (44 Bücher) des
Pomp eins Trogus, eine Universalgeschichte mit Ninus beginnend, uns nur er-
halten in den Inhaltsangaben (prologi) und in dem ungleichmäßigen Auszug des
Justinus. Rom taucht hier erst auf, seitdem es ein Faktor (und bald die Domi-
nante) in der Politik der außeritalischen Mächte geworden war; seine frühere Ge-
') Über die neue Liviusepitome aus
Oxyrhynchos in Ägypten (B. 37—40, 48 —
55) s. o. S. 8 A. 2.
Lehrer Niese anschloß. Dagegen Ed.
ScHWÄRTZ, PW V 946 ff. und E. Pais. Ri-
cerche I, 1915, A. 1.
■'') Benutzung des Livius behauptete ^) Vgl. E. Bux, Das Probuleuma bei
A. VoLKMÄR, De aunalibtcs Roman is quae- \ Dionys von Halikarnaß, Leipziger Diss.,
stiones, Diss. Marburg 1890, dem sich sein j Weida 1915.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft, III, 5. 5. Aufl. 2
\Q Römische Geschichte.
schichte wird zum Schluß (im 48. Buch) nachgetragen. Einen Abriß der | Welt-
geschichte bis zum .Jahr 30 n. Chr. bietet Velleius Paterculus in zwei Büchern,
von denen das erste unvollständig überliefert ist. Nach Art der Chronographien
hat dieser dilettierende Offizier a. D. nur das "Wichtigste zusammengestellt, um erst
ausführlicher zu werden, wo er sich der eigenen Zeit nähert, in deren Schilderung
er einen fast memoirenhaften Zug hineinträgt. Der vielseitige und menschlich an-
ziehende Plutarchos aus Chaironeia in Boiotien (rund 50 — 120 n. Chr.) hat in den
römischen Stücken seiner berühmten griechisch-römischen Parallelbiographien, wie
Romulus, Numa, Poj^licola, Coriolanus, Camillus, wertvolle Teile des von Varro und
dessen Nachfolgern, wie Juba, zusammengetragenen antiquarischen Materials für
uns gerettet. Auch den Livius hat er gelegentlich benutzt. In einer besonderen
Schrift, ui'na 'Pcofiai'xä, befaßt er sich mit Fragen der römischen Altertumskunde.
Unter Antoninus Pius schrieb Appianos aus Alexandrien eine vorzugsweise nach
ethnograi:)hischem Gesichtspunkt und nach Kriegsschauplätzen eingeteilte römische
Geschichte, von der uns nur einige Bücher, die spanischen, hannibalischen, kartha-
gischen, illyrischen, syrischen, mithridatischen Kämpfe, sowie die Bürgerkriege (e/n-
cpvXia) (133 — 35 V. Chr.) erhalten sind.^) Von den übrigen Büchern, besonders den
der ältesten Geschichte gewidmeten, gibt es nur späte Exzerpte, die lehren, daß
Api^ian für die genannte Periode nicht dem Livius folgte, dagegen sich mit Dio-
nysios von Halikarnaß zwar berührte, jedoch nicht deckte. Eine Zusammenfassung
erfuhr die gesamte römische Geschichte in griechischer Sprache noch einmal durch
Cassius Dio Cocceianus unter Severus Alexander.-)
Obwohl nicht zur eigentlichen historischen Literatur gehörig, sind hier noch
Sammelwerke zu erwähnen, deren Verfasser aus Historikern geschöpft haben, wie
Valeri US Maximus, der seine neun Bücher factorum et dictorum memorabilium dem
Tiberius widmete, ferner Sex. Julius Frontinus (um 40 — 103 n. Chr.) mit seinen
Strategemata und endlich A. Gellius, in dessen etwa unter Marc Aurel verfaßten noctes
Atticae sich auch historisch interessante Bruchstücke aus der älteren Literatur finden.
Dieser rasche Überblick lehrt, daß die uns vorliegende Überlieferung der älteren
römischen Geschichte jung vnid verfälscht ist; nur die aus guten alten Quellen ge-
schöpften Nachrichten haben Anspruch auf ernsthafte Berücksichtigung,^) mag auch
ihr letzter Ursprung dunkel bleiben. Auch das Verzeichnis der Konsuln und sonstigen
eponymen Beamten ist für die älteren Zeiten nur von relativer Zuverlässigkeit, da es
von Fälschungen und Konstruktionen keineswegs frei blieb. Die jüngeren Zutateia zur
geschichtlichen Überlieferung, sofern sie nicht das Ergebnis wissenschaftlicher For-
schung bilden, sind ohne jeden Wert. Dieser Satz hat auch für die Verfassungs-
geschichte zu gelten; denn der Glaube Eübinos und Mommsens, als sei die Verfassungs-
geschichte dank der Kontinuität und Konstanz der staatsrechtlichen Tradition besser
beglaubigt, hat sich als irrig herausgestellt. In Wirklichkeit hat die allgemeine Ver-
fälschung auch vor der Verfassungsgesehichte nicht haltgemacht. Das Staatsrecht
ist im Lauf der Zeit starken Veränderungen unterworfen worden vuid mit Vorliebe
haben die Historiker die zu ihrer Zeit gültigen Normen in die Vergangenheit zurück-
gespiegelt. ■•) In diesem Sinn haben die Antiquare der ciceronischen Zeit auch die
Verfassungsgeschichte umgestaltet und teilweise ganz neu konstruiert.
Soviel im allgemeinen. Was die nächstfolgenden Abschnitte anbelangt, so sind
für die Gründung. Eoms und die Königszeit, außer einigen Stücken aus Polybios
') Vgl. unten S. 279. der nachweist, daß der Annalist, dem
2) S. unten S. 279. I Dionysios von Halikarnaß V 53 flf. folgt,
') Vgl. die Analysen Mommsens, Eöm. j zum J. 500 v. Chr. ein erfundenes Seiten-
Forschungren II 113 ff. I stück zur catilinarischen Verschwörung
■*) Vgl. Ed. Schwartz, Notae de Romano- ' erzählt und sogar das sog. senafus consuifwn
riim fO(H«/<6?(.';,Univ.-Progr. Göttingen 1903, ultimum schon damals gefaßt werden läßt.
3. Italische und römische Vorgeschichte. (§ 2.) 19
und Diodor, das erste Buch des Livius und Cicero {de republica II) Hauptquclle.
Ihre verhältnismälMg einfache Darstellung ist stark erweitert i>ei Dionysios von
Halikarnals und bei Plutarch im Romulus und Numa, wo Juba benutzt ist.') Auch
die antiquarischen Dichtungen des Properz und Ovids Fasti, sowie Vergils Aeneis
sind als Reflexe der gelehrten Anschauung von Interesse. Ein Machwerk des aus-
gehenden Altertums (5. oder 6. Jahrh. n. Chr.) ist die origo gentis Romanae, eine mit
Sehwindelzitaten ausstaffierte Urgeschichte Roms und z. B. von Niebuhr, wenn auch
mit Unrecht, als Humanistenfälschung abgetan.
Nachrichten zur Geschichte der italischen Stämme verdanken wir den grie-
chischen Geographen und Historikern, besonders den sizilischen, deren ältester,
Antiochos von Syrakus, wahrscheinlich zwischen 424 und 415 v. Chr. die Ge-
schichte Siziliens und Italiens bis auf seine Zeit darstellte. Sein Werk wurde be-
arbeitet und bis 363 v. Chr. fortgesetzt von seinem Landsmann Philistos, dem
Zeitgenossen der beiden Dionyse. Die Geschichte des Tyrannen Agathokles schrieb
sein Parteigänger Kallias: aber weit namhafter war zur selben Zeit Timaios von
Tauromenion, ein Gegner jenes Tyrannen. Timaios verfaßte eine umfangreiche
Sizilische Geschichte bis zum Tod des Agathokles (289 v. Chr.), berücksichtigte später
noch die Zeit des Pyrrhos und zog überhaupt die westlichen Mittelmeerländer in
den Bereich seiner Darstellung.*) Das älteste uns erhaltene geographische Stück
ist die Schrift des sog. Skylax, die um 338 v. Chr. verfaßt ist, aber stellenweise
ältere Zeiten spiegelt. Nicht ohne Wert ist, trotz ihrer Kürze, die (um 100 v. Chr.)
entstandene iambische Periegese des sog. Skymnos, die viel aus Ephoros entlehnt
hat. Die wichtigsten Stücke der älteren geographischen Literatur sind verwertet
von Strabon im 5. und 6. Buch seiner rscoyoaffiy.ä, geschrieben unter Tiberius 18 — 19
n. Chr. Dürftiger sind die Nachrichten des älteren Plinius im 3. Buch der naturalis
histon'a. Der erste römische Historiker, der die Anfänge {origines) der italischen
Völker zu schildern suchte, war M. Porcius Cato, der wohl aus griechischen Quellen
schöpfte; denn einheimische Berichte sind nur bei den Etruskern nachweisbar;^)
im übrigen beruht die Kunde vom alten Italien auf griechischer Vermittlung.
Literatur über die Quellen: Niebuhr, Römische Geschichte I 283, II 1 — 17. —
ScHWEGLER, Röm. Gescli, I 7 ff., II 1 ff. — Historicorum Romanorum reliquiae ed. H. Peter
I^ Leipzig 1914, II 1906. — Historicorum Romanorum fragmenta ed. H. Peter, Leipzig
1883. — C.Müller, Fragmenta historicorum Gi-aecoriim. Bd. III — IV, und Geog)-aphi Graeci
minores, Bd. I. — K. W. Nitzsch, Die römische Annalistik von ihren ersten Anfängen
bis auf Valerius Antias, Berlin 1873, — K. Peter, Zur Kritik der Quellen der älteren
römischen Geschichte, Halle a S. 1879. — C. Wachsmutii, Einleitung in das Studium
der alten Geschichte, Leipzig 1895, 588 ff. — B. Niese, De annalibus Romanis ohserra-
tiones, Univ.-Progr. Marburg 1886. 1888. — W. Soltau, Die Anfänge der römischen
Geschichtschreibung, Leipzig 1909. — F. Leo, Gesch. der röm. Lit. I, Berlin 1913. —
A. Rosenberg, Einleitung und Quellenkunde zur römischen Geschichte, Berlin 1921. —
Vgl. W. S. Teuffels Geschichte der römischen Literatur, bearb. von W. Kroll und
F. Skutsch, I", Leipzig-Berlin 1916, sowie in diesem Handbuch die Geschichte der
röm. Lit. von M. Schanz, die der griechischen von Chkist-Schmid.
2. Italien und seine Bevölkerung. Die Appenninenhalbinsel — der
Name Italien hat sich erst anmähHch von der Südspitze aus über die ganze
Halbinsel erstreckt — ist durch Lage, Klima und Bodenbeschaffenheit vor
vielen anderen Ländern begünstigt. Italien vereinigt die Vorzüge der heißeren
und der kälteren Zone, des Gebirges und der Ebene. Bei den Hellenen war das
Land in älterer Zeit berühmt durch sein Getreide; aber es eignet sich nicht
') Und zwar nicht so sehr Jubas rö- j 1892.
mische Geschichte, als dessen •o,ao<oT>;T£e, ^) Der Kaiser Claudivis schrieb ri'po?;r<;;a
vgl. F. Jacoby, PW IX 2393. I und zitiert in einer Rede tuskische An-
^) J. Geffcken, Timaios' Geographie des nalen. Sueton, Claud. 42, 2. ILS I 212, 19.
Westens (Philol. Unters., 13. Heft), Berlin j
20 Römische Geschichte.
minder für die Viehzucht — Italia bedeutet vielleiclit 'Kälberhmd' — , für den
Weinbau luid für die Kultur des aus dem Osten eingeführten Ölbaums.
Die dicht bewaldeten Gebirge liefern treffliches Bauholz in Menge. Die
gestreckte Gestalt des sclnualen Landes gibt ihm eine lange Küstenlinie,
und wie das Meer von allen Punkten aus leicht erreicht werden kann, so
ist Italien fast überall der Schiffahrt und dem überseeischen Verkehr zu-
gänglich. Allerdings bestehen zwischen den einzelnen Gebieten beträcht-
liche Unterschiede. Während Unteritalien sich nach Gestalt und Bau seiner
Küsten mehr gen Osten und Süden kehrt, öffnet sich der nördliche Teil
der Halbinsel nach Westen.
Das Land mit seinen glücklichen Lebensbedingungen ist bereits in der
Steinzeit von Menschen bewohnt gewesen, wie die prähistorische Wissen-
schaft aus Funden von primitiven Steinwaffen und -geraten schließt. ') Der
Bronzezeit gehören an die sog. Terremare, d, h. Pfahldörfer auf festem
Boden, die besonders zahlreich in der Poebene, vereinzelt auch weiter süd-
lich aufgedeckt wurden. 2) Diese auffallende Siedlungsform läßt auf Be-
wohner schließen, die aus einer Seengegend, wo der Pfahlrost, Avie z. B.
in der Schweiz, seinen guten Sinn hatte, eingewandert waren. Die Eisen-
zeit wird durch die Villanovakultur vertreten, so benannt nach dem Haupt-
fundort, einem Gräberfeld bei Bologna. Daß die Handelswaren des Ostens,
namentlich der kretisch -minoischen Kultur, schon früh ihren Weg nach
Italien fanden, lehren Gräberfunde. 3) Als Vermittler orientalischen Imports
kommen vornehmlich die Phöniker in Betracht, die ältesten Seefahrer des
Mittelmeers. Von phönikischen Siedlungen oder Faktoreien auf Italien gibt
es allerdings keine sichere Spur; die Ableitung italischer Ortsnamen aus dem
Phönikischen*) ist ein längst aufgegebener Sport; der j)hönikische Handel,
der Italien frühzeitig berührt haben mag, hat wohl bis ins 5. Jahrhundert
gedauert;^) außerdem gehören Handelsbeziehungen mit Karthago zu den
sicheren Tatsachen der älteren Geschichte der Etrusker wüe Koms und der
Latiner.
Nicht die Phöniker, sondern erst die Griechen haben das Land Italien
in die Geschichte eingeführt. Denn den Griechen verdanken die Italiker,
auch die Etrusker, die Gaben höherer Zivilisation. Lange vor dem Beginn
der historischen Nachrichten muß zwischen Griechenland und dem Westen
Handelsverkehr bestanden haben; das beweisen sowohl die Gräberfunde auf
italischem Boden, ^) als auch das homerische Epos; sind doch schon der
Odyssee Sizilien und einzelne Teile Italiens bekannt.'^) In der Mitte des
8. Jahrhunderts v. Chr. l^eginnt dann der große Strom der griechischen Aus-
wanderung: die Küsten Unteritaliens und Siziliens werden von hellenischen
') Durch Funde aus dem Paläolithicuni A)onial of tlie British schooi at Athens XIII
ist die einst von Mommsen im 2. Kapitel 405 ff.
der römischen Geschichte geäufserte An- *) Olshausen, Rhein. Mus. VIII, 1852,
sieht, daß ItaHen erst zur Zeit des 321 ff.
„Schmelzens der Metalle", also in der j ^) U. Kahrstedt, Klio XII. 1912, 461 ff.
Bronzezeit besiedelt wurde, widerlegt. j ^) Helbig, Das homer. Ei^os- 82. Ridge-
^) Das lehrreichste Beispiel einer solchen | way, ThemearJy age of Greece, 1. Kap.
Terramara liefert Castellazzo di Fonta- ^) Sikeler und Sikaner Odyss. XX 383.
nellato bei Parma. XXIV 211. 307. 366. 389. Temese in Ita-
^) W. Helbig, Das homer. Epos* 29. ^ lien Odyss. I 184.
2. Italische und römische Vorgeschichte. (§ 2.) 21
Kolonisten besiedelt und so entstand geradezu ein neues Hellas, Groß-
griechenland. Auf Sizilien faßten Chalkidier und Dorier Fuß. Zuerst, um
735 V. Chr., wurde das chalkidische Naxos gegründet, dann folgten Syrakus,
Gela, Akragas, Selinus, Zankle, Himera u. a. Die Phöniker, die sich schon
vor den Hellenen auf Sizilien festgesetzt hatten, wurden zurückgedrängt,
vermochten aber einige Plätze im Westen und Nordwesten der Insel im
Bund mit dem dort ansässigen Stamm der Elymer zu behaupten. Die an-
deren einheimischen Stämme, Sikeler im Osten und weiter westlich Sikaner,
wurden von den griechischen Ankömmlingen unterworfen und im Lauf der
Zeit völlig hellenisiert. Im Zusammenhang mit dieser Kolonisation Siziliens
stand die Gründung griechischer Städte in Italien. Die ersten Kolonisten waren
auch hier die Chalkidier, die sich, wir wissen nicht genau wann,^) vielleicht
noch vor Gründung der frühesten Kolonien auf Sizilien, in Kyme (Cumae)
in Kampanien, nahe dem Golf von Neapel, ansiedelten und von dort aus
später Dikaiarcheia und Neapolis anlegten. Die Siedler stießen hier auf
das Volk der Opiker {'0:rTixoi, lat. Opsci, Osci), zu denen die Ausoner
(lat. Äurunci) gehörten, warfen sich zu Herren auf und erstreckten ihren
kulturellen und politischen Einfluß weit über Mittelitalien. 2) In Unteritalien
war es die Ostküste, die zuerst von mehreren griechischen Stämmen be-
setzt wurde. Die älteste Kolonie ist das chalkidische Khegion an der Meer-
enge; weitere Kolonien wurden Ende des 8. oder Anfang des 7. Jahr-
hunderts V. Chr. angelegt, zunächst von den Lokrern, dann von den Achäern
(Kroton, Sybaris, Siris, Metapontion) und endlich von den Spartanern (Taras
oder Tarent). Die Westküste kam erst später an die Reihe, hier war nach-
mals Elea (Hyele) oder Velia, um 540 v. Chr. von den ionischen Phokäern
nach ihrer Vertreibung aus Korsika an der oinotrischen Küste angelegt, die
ansehnlichste Gemeinde. Nach dem Volk der Italer {^haloi) erhielt zuerst
die Südspitze der Appenninenhalbinsel den Namen Italia ('/raAta), eine Be-
zeichnung, die zur Zeit Herodots und noch später die Küste bis Tarent
einschließlich umfaßte ^) und vornehmlich an der Ostküste haftete. Neben
den Italern tritt der Stamm der Oinotrer {Oivcorgoi) hervor. Das davon
abgeleitete Oinotria bezeichnet vorzugsweise die Westküste, kommt aber
auch als weiterer, die Italer mit einbeziehender Begriff vor.-*) In diesem
Gebiet hausten kleinere, Ackerbau treibende Stämme, die in politische und
wirtschaftliche Abhängigkeit von den griechischen Städten gerieten. Sie
waren vermutlich mit den Sikelern nahe verwandt, wie man denn die Sikeler
vom Festland auf die Insel hinübergewandert sein ließ. Daß übrigens Sizilien
einst mit Italien unmittelbar zusammenhing und erst verhältnismäßig spät,
wenngleich noch in prähistorischer Zeit, durch das eindringende Meer ab-
geschnürt wurde, lehrt die Geologie.
') MoNTELiüs, Die vorklassische Chrono- VII 3. Nach Justin. 20, 1. 13 ist nicht
logie Italiens, Stockholm 1912, setzt die nur Nola und AbeUa, sondern auch Fa-
Besiedlung ins 11. Jahrhundert vor Chr. lerii eine Kolonie der Chalkidier.
und folgt damit dem unbeglaubigten Da- ^) Herodot I 24. Vgl. E. Heisterbergk,
tum des Eusebios-Hieronynius (1052, bezw. Über den Namen Italien, Freiburg 1881.
1050 v. Chr.). Dafs Kyme vor Zankle be- *) Antiochos bei Strabo VI 254 f. An-
stand, ergibt sich aus Thukvd. VI 4, 5. stoteles polit. IV 10 p. 1329b. Sophokles
'■) Strabo V 242 f. Dionvs' Halic. Ant. ' bei Dionvs. Halic. I 12.
22
Römische Geschichte.
Von den übrigen Italikern deutlich geschieden sind die Japyger CJuTiuyeg),
eine größere Gruppe, die wieder in drei Stämme zerfiel, die Daunier (Apuli),
Peuketier {Foediculi) und Messapi er {Sallentini), von denen sich später
die Kalabrer^) abzweigten. Die Messapier waren Nachbarn der Tarentiner,
mit denen sie häufig in Fehde lagen, denen sie sich aber kulturell so stark
anglichen, daß sie für halbe Hellenen galten und von Kretern hergeleitet
wurden, die nach dem Tod des Minos auf der Heimkehr von Sizilien in-
folge Schift'bruclis an die unteritalische Küste verschlagen worden seien. ^)
Sie besaßen schon frühzeitig eigene Städte, die zu einer politischen Einheit
zusammengefaßt waren. Gegen die Tarentiner wußten sie nicht nur ilire Un-
abhängigkeit zu bewahren, sondern trotz aller Hellenisierung auch ihre eigene
Sprache, von der einige Reste durch Inschriften auf uns gekommen sind.
Wie die Japyger nehmen auch die Etrusker^) {Tvooip'oi, Tvoo}]v<>i) eine
Sonderstellung innerhalb der italischen Welt ein. Bis heute ist die Zu-
teilung der Etrusker zu einer bestimmten Sprachen- oder Völkerfamilie
problematisch.^) Griechen wie Römer hatten ihnen gegenüber das Gefühl
völliger Stammesfremdheit. In der eigenen Sprache nannten sich die
Etrusker Rasenna.^) Herodot läßt sie aus Lydien in das damals umbrische
Mittelitalien einwandern, Hellanikos macht sie zu Pelasgern, die aus Thes-
salien übers Meer gekommen seien.'') Die unwahrscheinliche Ansicht, daß
') KalaßQol zuerst bei Polyb. X 1, 3.
2) Herodot VII 170. StraboVI282. Thuk.
VII 33.
3) Vgl. K. O. MüLLEK, Die Etrusker, 2. Aufl.
besorgt von W. Deecke, Stuttgart 1876 f.:
Dennis, Citiefi and cemeteries of Efruria,
London 1883 ^
■•) Über ihre Sprache vgl. Corssen, Über
die Sprache der Etrusker, 2 Bde., Leipzig
1874 f. ; Deecke und Pauli, Etruskische
Forschungen und Studien. F. Skutsch,
PW VI 770 ff. Die etruskischen Inschriften
werden seit 1893 in dem Corpus inscrip-
tionum Etruscantm von Pauli, Danielsson,
Herbig und Torp gesammelt.
^) 'Paohra nach Dionys. Halic. I 30.
«) Herod. I 94. Dionys. Halic. I 27 ff.
Slrabo V220. Heute stehen sich im wesent-
lichen zwei Hypothesen gegenüber: Ein-
wanderung von Norden her auf dem Land-
weg und Einwanderung aus dem Osten
zur See. Die erstere Hypothese geht auf
NiEBUHK zurück, der RG 1 125 ff. die Etrus-
ker für Pelasger erklärte, die \o\\ den
Easenna, einem von Norden her zuge-
wanderten Volk, unterjocht seien. Aller-
dings haben sich im Norden Italiens, in
den rätischen Alpen, etruskische In-
schriften gefunden, die jedoch verhältnis-
mäfsig jung sind und nur beweisen, was
wir ohnehin von antiken Autoren hören,
daß nämlich Etrusker der Poebene unter
dem Druck der Gallier in die Berge aus-
wichen. Damit verliert die von Helbig,
Nissen (Ital. Landeskunde I 498) ange-
nommene, von Niese gebilligte Hypothese
einer Einwanderung von Norden her ihre
Stütze. Nach K. O. Müller, Etrusker I'
70 ff., wären tyrsenische Pelasger von den
Küsten und Inseln des ägäischen Meeres
am Gestade Südetruriens gelandet, hätten
Agylla und Tarquinii gegründet und von
hier aus das übrige Etrurien samt der
Polandschaft unterworfen, um dann mit
den über die Alpen nach Italien gelangten
Rasenna zu einer neuen Nation zu ver-
schmelzen. Diese Auffassung hat G. Körte,
PW VI 730 ff. insofern modifiziert, als er
die Pelasger, die M. als Griechen ansprach,
ausschaltete und die von M. angenommene
Gleichung der Rasenna mit den Rätern
preisgab, während er an der Einwanderung
der — sicher ungriechischen — Etrusker
aus dem Osten festhielt. Ob aber, wie K.
meint, diese Einwanderung erst im 8. Jahr-
hundert V. Chr. geschah, ist sehr zweifel-
haft. Man wird mit viel früheren Daten
zu rechnen haben. Für die Herkunft
der Etrusker aus dem Osten könnte auch
die umstrittene, auf Lemnos gefundene
vorgriechische Inschrift sprechen, wenn
anders sie wirklich ans Etruskische an-
klingt (C. Pauli, Eine vorgriechische In-
schrift auf Lemnos, Leipzig 1886. 1894.
Ed. Meyer, Forschungen zur alten Gesch.
I 26 f.). Solange aber das Rätsel der etrus-
kischen Sprache selbst noch nicht gelöst
ist, läßt sich darüber keine sichere Ent-
scheidung treffen. Für Vorderasien als
Heimat der Etrusker entschied sich F.
Hommel, Grundriß der Geogi-aphie und
Geschichte des alten Orients, München
2. Italische und römische Vorgeschichte. (§ 2.)
23
die Etrusker nach Italien nicht eingewandert, sondern dort autochthon seien,
vertritt nur Dionys von Halikarnaß.') Als die Etrusker in den Gesichts-
kreis der Hellenen traten,-) waren sie das mächtigste Volk im nördlichen
Italien. Ihr Gebiet erstreckte sich an der Küste des nach ihnen benannten
tyrrhenischen Meeres vom Tiber bis Pisa und bis zum Macrafluß, im Norden
weit ins Etschtal hinein. Die Ebene und das Mündungsgebiet des Po war
in ihrer Hand, so daß ihre Herrschaft von Meer zu Meer reichte. Nördlich
des Appennin besaßen sie eine Reihe von Städten, zu denen Felsina (das
spätere Bononia), Melpum und Mantua gehörten.^) An der Küste der Adria
hatten sie einzelne Plätze, wie Cupra (maritima), noch über Ancona hinaus
nach Süden. Frühzeitig kamen die Hellenen zu ihnen; nach einem guten
Zeugnis'*) zuerst die Phokäer, denen andere loner folgten; aber schon vorher
müssen che Chalkidier aus Kyme mit ihnen in Berührung gekommen sein.
Der Verkehr von Griechen mit Etruskern geschah sowohl am adriatischen
Meer, wo in Spina und Atria seit alters Hellenen saßen, wie von Westen
her, w^o Caere (oder, wie die Griechen mit Vorliebe sagen, Agylla) einst das
wichtigste Emporium gewesen zu sein scheint; es verdient Beachtung, daß
die Agylläer in Delphi ihr eigenes Schatzhaus hatten.'^) In Kunst und Hand-
werk erfuhren die Etrusker den griechischen Einfluß; das Alphabet rezi-
pierten sie von den Chalkidiern; schon früh liegannen sie nach griechischem
Muster Münzen zu schlagen. Die Nekropolen Etruriens sind die Fundstätten
der attischen Vasen, wie denn das Athen des 5. Jahrhunderts enge Be-
ziehungen zu den Etruskern unterhielt.*^) Diese erwiesen sich als gelehrige
Schüler der Griechen, schufen eine bedeutende eigene Industrie und er-
reichten in der Kunstübung eine sichere Technik. Die Etrusker ihrerseits
wirkten kulturell wieder stark auf die übrigen Italiker. Politisch bildeten
1904% 63 ff. Daß die Etrusker -Tyrseuer
mit den Tursa, die nach ägyj^tischen Nach-
richten im 13. und 12. Jahrhundert v.Chr.
zusammen mit anderen „Nord-" oder „See-
völkern" das Nilland heimsuchten, iden-
tisch sein können, ist nicht zu bezweifeln
(vgl. Ed. Meyer, Gesch. des Altert. I 2'
(1913) § ,524. Die Etrusker dürften also
damals ihre Sitze noch im Gebiet des
ägäischen Meeres gehabt haben {Ttiscos
Asia sibi vindicat sagt Seneca dial. XII
7, 2). Von dort aus mögen die verwegenen
Piraten allmählich in wiederholten Schü-
ben in Italien Fuß gefaßt haben, nicht
ohne sich in dem eroberten Land mit
der unterworfenen Schicht der Einheimi-
schen zu amalgamieren. Erst durch Blut-
mischung wäre also der italische Etrusker-
typus entstanden. — Hoffentlich bringen
die Fortschritte der Sjjrachwissenschaft
weitere Aufklärung (vgl. G. Heebig, Klein-
asiatisch-etrusk. Namengleichungen (Sitz.-
Ber. der Bayer. Ak. 1914, 2. Abh.). Lydi-
sches Inschriftenmaterial zeigt Ähnlich-
keit mit dem etruskischen (E. Littmann,
Lydian inscriptions = Sardis Bd. VI, 1,
Leiden 1916). Die Entscheidung scheint
sich zugunsten der Hypothese einer Ein-
wanderung der nichtindogermanischen
Etrusker aus dem Osten zu neigen. Vgl.
R. v. ScALA, Hist. Zeitschr. 108. 3. F. 12,
1912, 1 ff., der in den Etruskern einen
der ursprünglich ,.minoisclien" Stämme
mit dem Kulturzentrum Kreta erblicken
möchte. Mit v. Scala setzt sich auseinan-
der E. Pais, Stiidi sforici per Vantichitä
classica V, 1912. 181 ff. — Die von 1894
bis 1907 erschienene Literatur verzeichnet
G. Herbig, Bursians Jahresbericht 140. Bd.,
1908, 79 ff". Eine knappe, aber sehr lehr-
reiche Erörterung des Problems gibt K.
Kretschmer beiGERCKE-NoRDEN, Einleitung
in die Altertumswiss. I, 1910', 176 ff.
^ ) Neuerdings verficht C. Schuchhardt,
Alteuropa. Straßburg und Berlin 1919,
192 ff'. 317 das Autochthonentum der
Etrusker.
-) Zuersterwähnt bei Hesiod, Theog.1016.
') Bedeutende Reste einer kleinen Etrus-
kerstadt sind aufgedeckt worden südlich
von Bologna am oberen Reno beim heu-
tigen Marzabotto, Momimenti antichi 1 249 ff.
*) Herodot I 163.
■') Strabo V 220; vgl. Herodot 1 163. 167.
^) H. Droysen, Athen und der Westen,
Berlin 1882.
24 Römische Geschichte.
die Etrusker, soweit wir sie kennen, keine geschlossene Einheit. Zwischen
den einzelnen Stadtgemeinden, von denen man im eigentlichen Etrurien (in
der heutigen Toskana) zwölf und ebensoviel nördlich des Appennin zählte,')
kann höchstens eine lockere Vereinigung bestanden haben, die sich im
wesentlichen auf gemeinsame Gottesdienste l)eschränkt haben mag, wie solche
sogar noch in der Kaiserzeit vorkommen. 2) Nur zeitweilig scheinen sich
mehrere Städte etwa zu kriegerischen Zwecken enger verbündet zu haben. 3)
Die Etrusker erwarben sich grofjen Reichtum; wenn in späterer Zeit die
ohesi Etrusci wegen ihrer üppigen Lebenshaltung und ungehemmten Sinn-
lichkeit berüchtigt waren,^) so mögen sie in der Tat allmählich der er-
schlaffenden Wirkung einer raffinierten Zivilisation erlegen sein. Aber von
Haus aus gebrach es dem verwegenen Volk keineswegs an kriegerischer
Energie. Früh gelangten die Etrusker zu einer Seemacht und im Bund
mit Karthago vermochten sie um 540 v. Chr. die Phokäer aus Alalia auf
Korsika zu verdrängen, Korsika verblieb seitdem lange in etruskischem
Besitz. Eine Zeitlang gebot das etruskische Herrenvolk sogar über Latium
und Kampanien.ö) Auch das kampanische Kyme wollten sie bezwingen;
nach einem ersten Versuch von der Landseite her (um 524 v. Chr.) griffen
sie die Stadt 474/3 v. Chr. zur See an, wurden jedoch von den Syraku-
sanern unter Hieron geschlagen. ß) Seit jener unglücklichen Schlacht bei
Kyme ging es mit ihrer Macht bergab und bestand Feindschaft zwischen
ihnen und den Syrakusanern, die auch später noch (453/2 v. Chr.) erfolg-
reiche Züge an ihre Küsten ausführten.') Auch der Tyrann Dionysios von
Syrakus griff die Etrusker an und verheerte ihre Küsten (384/3 v. Chr.);^)
um jene Zeit besiedelten Syrakusaner mit der Gründung von Ancon (Ancona)
die beste Hafenbucht an der Adria, wodurch auch in diesen Gewässern die
Macht der Etrusker eingeschränkt wurde. Aber wenn die Etrusker auch
') Vgl. Diodor XIV 113. Strabo V 219.
E. Bormann, Archäol.-epigr. Mittheil, aus
Oesterr.-Ungarn XI, 1887. 103 ff. hat die Na-
deten die Etrusker auch in Kampanien
zwölf Städte, deren Haupt Capua gewesen
sei. Die früher gehegten Zweifel an einer
men der in derKaiserzeit am gemeinsamen | etruskischen Herrschaft in Kampanien
Gottesdienst beteiligten Städte ermittelt. : (F.voNDuHN,Verhandl. derPhilolog.-Vers.,
Es sind Arretium, Caere, Clusium, Cor- ; Trier 1879, 114 f.) sind durch den in Capua
tona, Perusia, Populonia, Rusellae, Tar-
quinii, Vetulonia, Volaterrae, Volci, Vol-
sinii. Hier fehlen jedoch einige, z. B.
Faesulae und Veji. Die Zwölfzahl kann
daher nicht verbürgt werden.
*) Die Nachrichten bei Livius I 8, 3.
gemachten Fund einer etruskischen In-
schrift (F. BücHELER, Rhein. Mus. 55, 1900,
1 tf.) erledigt. Unter den Etruskern blie-
ben die Osker im Land. Nach Cato fr. 69
(bei Velleius Paterc. I 7, 2) haben die
Etrusker Capua (vnid demnächst Nola)
II 44, 8. V 1, 3 f. von einem etruskischen | gegründet und zwar etwa 2(50 Jahre vor
König, von gemeinsamen Zusammen- der Einnahme der Stadt durch die Römer,
künften und Gottesdiensten aller Etrusker Velleius versteht unter der Einnahme den
verdienen kein Vertrauen. Fall Capuas vom J. 211 v.Chr.; Cato wird
3) Thukyd. VI 88, 6. aber den Anschlufs an Rom vom J. 338
•*) Theopomp fr. 222 (FHG 1 315) gibt eine v. Chr. gemeint haben, so dafs nach seiner
drastische Schilderung ihrer „sexuellen Ansicht Capua um 000 v. Chr. entstanden
Schlaraffia" (so R. v. Pöhlmann, Gesch. der wäre. Vgl. Hülsen, PW III 1555 f., F. Mün-
sozialen Frage und des Sozialismus in zer, Hermes 49, 1914, 196 f.
der antiken Welt IL München 19122, 366). j 6) p^s Weihgeschenk der Sieger an
Strabo V 216. Zur Korrektur dieser Auf- j Olympia, ein Bronzehelm mit Inschrift,
fassung vgl. F. Weege, Etrusk. Malerei, ; ist erhalten: SIG I'* Nr. 35 B.
Halle a/S. 1921, 61. ■) Dionys. Halic. VII 3 f. Diodor. XI 51.
5) Polyb. II 17: Strabo V 242. Müller- 88 f.
Deecke, Etrusker 1 162. Nach Strabo grün- ^) Diodor. XV 14.
2. Italische und römische Vorgeschichte. (§ 2.) 25
der syrakusaniseheii Flotte nicht gewachsen waren, so bildeten sie doch
als Seeräuber noch lange genug den Schrecken des adriatischen und tyr-
rhenischen Meeres, ja sogar der Agäis. ') Ihr Name, der übrigens auch auf
andere Bewohner Italiens überging, wurde geradezu zum Gattungsbegriff
des Piraten.
Gegen Nordwesten hin grenzen die Etrusker an die Ligurer {Aiyveg)^
die den nördlichen Appennin und die Westalpen bewohnten und der Küste
entlang sich bis an die Pyrenäen erstreckten, ein in viele kleine Stämme
zersplittertes, ethnographisch wie sprachlich nicht sicher bestimmtes Volk.^)
Im Nordosten, in Oberitalien, sind den Etruskern die Veneter {'Evstoi) be-
nachbart, ein illyrischer Stamm, ^) der mannigfachen etruskischen Einflufe
erfuhr.^)
Mit Ausnahme der Japyger, Etrusker, Ligurer und Veneter sind die
übrigen Bewohner Italiens unter sich nahe verwandt und werden deshalb von
der Wissenschaft unter dem Namen „Italiker" zusammengefaßt. Sprachlich
gliedern sich diese Italiker in zwei Gruppen, eine gröFaere, die umbrisch-
sabellische, und eine kleinere, die latinisch-faliskische. Die Umbrer
COjußQixoi) sind ein altes Volk, das am Gestade der Adria im Podelta und
weiter südlich hauste; unter dem Druck der Etrusker und später besonders
der Gallier räumten sie die Küste und wichen ins Gebirge zurück.^) W^eit
ausgedehnt ist das Gebiet der sabellischen Völkerschaften, die ihren Ur-
sprung von den Sabin i herleiten, deren Name Aviederum identisch ist mit
den Samnites {^^awliai); beide Namen sind nur verschiedene Formen der-
selben Bezeichnung, die im Oskischen Safineis lautete.*^) In der zweiten
Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. drangen sie aus dem gebirgigen Binnen-
land gegen die Küsten vor. Im Jahr 438 v. Chr. (ol. 85, 3) ') drangen Sam-
niter in das Land der Opiker ein, eroberten Capua und Umgebung und
bildeten fortan ein besonderes Volk, das sich nach der Stadt Capua Kam-
paner {KciTiTravoi auf ihren Münzen) nannte.*) 421 v. Chr. (ol. 89, 4) 9) fiel
ihnen Kyme zur Beute, das dann allmählich zu einer oskischen Stadt wurde.
Das benachbarte Nola, sowie die Gegend von Nuceria und weiterhin das
') BoECKH, Seeurkunden 457 ff. 1 sprünglich Umbrer gewohnt.
■^^ H. d'Akbois de Jubainville, Les pre- \ ^) Strabo V 228. 250. Der Sanmitername
iniers hahäants de TEurope II, 1894:'^, erklärt | hat eine weitere und eine engere Be-
sie für Indogermanen. Dem widerspricht i deutung: in älterer Zeit wird er allgemein
aus sprachlichen Gründen G. Hekbig in [ zur Bezeichnung der sabellischen Stämme
Hoops' Reallexikon der german. Altertums- l gebraucht, so gelegentlich noch vonPoly-
kunde III 157 if., während M. Niedermann,
46. Jahrb. des Vereins Schweizer. Gym-
nasiallehrer, Aarau 1919, für indogerma-
nische Abkunft eintritt. Vgl. auch C.
JuLLiAN, Histoire de la Gaule I, Paris 1909,
110 if. und K. MüLLENHOFF, Deutsche Alter-
bios (IX 5, 8); später beschränkt er sich
auf denjenigen Teil, der den Römern am
längsten trotzte. Sabeller wird synonym
mit Samniter gebraucht. Strabo V 250,
Liv. X 19, 20.
■) DiodorXIISl. Liv. IV 37 erzählt da-
tumskuixle I 86, III 173 ff. von unter dem J. 423 v. Chr.
'■'') Herodot I 196. 1 ^) Mit dem lateinischen campus hat der
*) Pauli, Altitalische Studien, 3. Bd. Name der Kampaner nichts zu tun; im
^) Ravenna, obwohl wahrscheinlich eine strengen Sinn bezeichnet er nur die Be-
etruskische Gründung, ist in historischer \ wohner von Capua und Umgebung, so
Zeit von Umbrern bewohnt. (Vgl. Rosen- dafs z. B. die Nolaner nicht einbegriffen
BEEG, PWIA300f.) Mitten durch Etru-
rien liiefst der in das tyrrhenische Meer
mündende Umbro; also haben hier ur-
sind. Vgl. Hülsen, PW III 1437.
9) Diodor XII 76: nach Liv. IV 44: 420
V. Chr., vgl. Strabo V 243.
2ß Römische Geschichte.
Gebiet bis zum Silarusflufs fiel gleichfalls den Samnitern anheim. Die Ein-
heimischen wurden teils, wie die Opiker, von den Eindringlingen absorbiert,
teils behaupteten sie, wie die Aurunker (Ausoner) und Sidiziner, ihre Eigenart.
Etwa gleichzeitig mit der Eroberung Kampaniens drangen andere sam-
nitische Scharen nach Unteritalien vor, wo sie die oinotrischen Stämme
überwältigten und ein neues Volk, die Lukaner {Aevy.rxvoi, auf Münzen
auch Avyuavol, lat. Loucani) bildeten. Diese werden 393 v. Chr. zuerst be-
stimmt erwähnt und bald war ganz Süditalien vom Silarus bis zur Grenze
Japygiens in ihrem Besitz, i) Die kleineren Griechenstädte der Westküste
erlagen ihnen mit Ausnahme von Elea, aber auch die größeren Gemeinden
der Ostküste hatten einen schweren Stand. Die Widerstandskraft der
Italioten, d. h. der griechischen Bewohner Italiens, wurde gelähmt durch
Kämpfe gegen den Tyrannen Dionysios von Syrakus, der die Lukaner unter-
stützte und ihnen ihre Macht begründen half. Als dann Dion gegen die
Tyrannis des Dionysios II auftrat, sonderte sich (356 5 v. Chr.) der südliche
Teil der Lukaner ab, um einen eigenen Stamm, den der Brettier (auch
Brittier oder Bruttier) zu bilden, der den Griechen nicht weniger gefährlich
w^erden sollte.-) Auch am adriatischen Meer dominierten die Samniter. denen
Picenter (Picentiner) und Frentaner (Frentraner) angehören und die selbst
ins nordwestliche Apulien vordringen. So sind denn die Samniter die maß-
gebende Nation in Unteritalien, von wo aus sie, und zwar besonders die
Kampaner, als Söldner der sizilischen Griechen und der Karthager nach
Sizilien hinübergriffen, um auch dort eine Rolle zu spielen. Viele wurden
dort seßhaft und in dem Chaos, das auf den Sturz des jüngeren Dionysios
folgte und von 356 — 346 v. Chr. währte, gewann es fast den Anschein,
als sei es um den griechischen Charakter der Insel geschehen. 3)
Alle diese sabellischen Stämme redeten eine Sprache, die man nach
dem Zentrum ihrer Kultur in dem 0]3iker- oder Oskerland Kampanien die
oskische nennt.^) Die Schrift entlehnten sie von den Etruskern: nur die
südlichen Stämme bedienten sich des griechischen Alphabets. Besonders die
Kampaner und Lukaner wußten sich die Segnungen der griechischen Kultur,
die sie in den benachbarten Kolonien kennen und schätzen lernten, zu eigen
zu machen. Während sich so vor allem in Kampanien städtisches Leben
nach griechischem Muster entfaltete, blieben die binnenländischen Sabeller
noch lange der schlichten heimischen Art treu. Das Bergland begünstigte
deren Zersplitterung in viele kleine Stämme; außer den Sabinern, Picentern,
Frentanern und den Samnitern im engeren Sinn bildeten die Marser, Päligner
und Marruciner besondere Kantone mit. ländlicher Verfassung. Städtisches
Leben entwickelte sich bei ihnen erst viel später, unter der römischen Herr-
schaft; jede Zusammenfassung zu einer größeren politischen Einheit fehlte,
wie sie denn überhaupt nie ein eigentliches Staatswesen gebildet haben.
Aber sie waren wehrhaft und kriegerisch und in fremdem Dienst, besonders
') DiodorXIV91. Skylax §12f. (= G^o- Leipzig 1850. J.Zxetajbff, Siflloge inscnp-
graphi graeci minores ed. C. Müller 1 19 f.). iionum oscarnm, Petersburg 1878 und In-
*) Diodor XVI 15. Strabo VI 2-55. scrlptiones Italiae infer. dialecficae, Moskau
3) Plato epist. 8 p. 358 E. Plutarch, 1886. K. S. Coxway. The Italic dialects,
Timol. 1. 2 Bde., Cambridge 1897.
•') Th. MoMMSEN, Unteritalische Dialekte,
2. Italische und römische Vorgeschichte. (§ 2.) 27
bei den sizilischen Machthaber n, wurden viele von ihnen mit hellenischer
Kriegskunst vertraut.
Von den Sabellern uud Etruskern werden die Latiner umschlossen,
deren Spraclie mit der umbrisch-oskischen verwandt ist, so beträchtlich die
Unterschiede zwischen den beiden Dialektgruppen sind. Die Latiner be-
wohnten den westlichen Küstenstrich, der sich nach Süden hin an die Tiber-
mündung anschließt. Nach dem Binnenland zu waren sie von drei kleineren
Völkern begrenzt; im Süden saßen die Volsker^) {^0?.ooi bei Skylax §9),
die ihrerseits südwärts an die Aurunker und östlich über den Liris hinaus
an die Samniter stießen, im Nordosten die Aequer,^) deren Gebiet östlich
bis an den Fucinersee reichte, und endlich zwischen Aequern und Volskern
im Tal des Trerus bei Anagnia und Frusino die Herniker. Ob diese drei
Stämme den Sabellern oder den Latinern zuzurechnen sind, ist bis jetzt
nicht entschieden; von den Latinern aufgesogen, haben sie ihr Volkstum
verhältnismäßig früh eingebüßt. An der Küste erstreckt sich Latium ur-
sprünglich vom Tiber bis zum waldigen Vorgebirge Circei (bei Tarracina),
beschränkt sich also auf die Landschaft am linken Ufer des unteren Tiber
mit dem vulkanischen Albanergebirge als Mittelj^unkt. Doch mag auch noch
das rechte Tiberufer zu Latium gehört haben: wenigstens sind die Falisker,
die im südlichen Etrurien mitten unter Etruskern Falerii bewohnten, den
Latinern nächstverwandt, wie der Befund der Sprachreste beweist.
Ohne Zweifel sind die Italiker als Mitglieder der indogermanischen Völker-
familie in grauer Vorzeit in die Appenninenhalbinsel eingewandert wie die
Griechen in den Balkan. 3) Die erwähnten prähistorischen Siedlungen in den
Terremai'e der Poebene wollte W. Heibig auf die noch ungetrennten Italiker
zurückführen, die von Norden zu Land gekommen wären, um dann weiter
nach Süden vorzudringen. Diese Ansicht ist heute aufgegeben, aber die Ethno-
graphie jener terramaricoU bleibt kontrovers. De Sanctis hat sie sogar
für Etrusker erklärt, während andere von Ligurern reden. Die Jajjyger
sind nach einer Vermutung Helbigs'*) über die Adria von Epirus oder
Illyrien aus nach Italien gekommen, wohin sie als Verwandte der ältesten
Hellenen bereits eine gewisse Kultur mitgebracht hätten. Andere Gelehrte
denken sich die Japyger als Einwanderer auf dem Landweg aus dem nörd-
lichen Illyrien. Obsehon die Ligurer in historischer Zeit auf die Gegenden
des nördlichen Appennin und der angrenzenden Alpen beschränkt waren,
scheinen sie doch ursprünglich einen weit größeren Teil Italiens bewohnt zu
haben. Wenigstens finden sich in Nord- und Süditalien, in Sizilien und
Ligurien ähnlich klingende Ortsnamen. Wenn die Alten von Ligurern im
Zusammenhang mit der Besiedelung Siziliens sprechen,^) so beweist das nicht
') U. V. WiLAMOwiTz. Hernips 33, 1898, [ von Illyrien aus über die Adria ein-
524 f. hat im Anschluß an eine antike t gewandert sein.
Tradition vermutet, dals die Volsker aus '■ *) Hermes XI. 1876, 257 ff.
Illyrien eingewanderte Eroberer seien. ^) Der Historiker Philistos nannte das
■'') Aequi oder Aequiculi, griechisch in Sizilien unter Führung des Sikelos
Aly.ot, Al'xiy.loi, Aty.aroi, AixolaroL Der Name • einwandernde Volk, die späteren Sikeler,
steckt im heutigen Cicolano (d. h. Aequi- Ligurer, die ihrerseits von Umbi-ern
culum). und Pelasgern vertrieben worden seien.
^) Ed. Meyer, Gesch. des Altertums I, 2*- i Dionys. Hai. I 22. Thukyd. YI 2. Ste-
§ 565 läfat die indogermanischen Italiker \ phanus Byz. s. v. Ziy.e).ta. Vgl. A. Piganiol,
28 Römische Geschichte.
viel, da schon die wechselnde Gestalt der betreffenden Nachrichten lehrt,
daß ihnen keine bestimmten historischen Erinnerungen zugrunde liegen.
Aber auch das prähistorische Material, das die modernen Ausgrabungen ge-
liefert haben, läf.H meist verschiedene Deutung zu. So glänzend sich die
Ausgrabungstechnik der Italiener unter der Führung von Gelehrten wie
L. Pigorini, P. Orsi u. a. entwickelt hat, so ist doch die prähistorische
Wissenschaft an Problemen reicher als an sicheren Resultaten.
Über die Völker Italiens vgl. H. Nissen, Italische Landeskunde, 2 Bde., Berlin
LS83. 1902, ders., Das Templum 101 ff. — A. Holm, Gesch. Siziliens im Altertum I,
Leipzig 1879. — E. A. Fkeeman, Histonj of Sicily, deutsch von B. Lupus, I, Leipzig 1895.
— E. Pais, Storia d'Italia I, 1. — Th. Mommsen, Die unteritalischen Dialekte, Leipzig
1850. — J. Beloch, Campanien, Breslau 1890^. — W. Abeken, Mittelitalien vor den
Zeiten der römischen Herrschaft nach seinen Denkmälern dargestellt, Stuttgart 1843.
— K. 0. Müller, Die Etrusker, 2. Aufl. von W. Deecke, Stuttgart 1876 f. — W. Helbig,
Die Italiker in der Poebene, Leipzig 1879. — Zur Orientierung über die ethnographi-
schen und prähistorischen Forschungen vgl. Ed. Meyek, Geschichte des Altertums II
§ 310 ff. F. VON DuHN, Neue Heidelberger Jahrbücher IV (1894) 143 flf. VI (189G) 19 ff.,
ders.. Das voretruskische und etruskische Bologna (Besprechung von A. Grenier,
Bologne Vülanovlenne et ('trusque, Paris 1912), Prähist. Zeitschr. V, 1913, 472 flf. G. de
Sanctis, Storia dei Romanl I 50 ff., sowie die Spezialwerke: B. Modestov, Introduction
d Vhistoire romaine (aus dem Russischen), Paris 1907. — O. Montelius, La civilisation
prhnitive en Italie depuis V introduction des mHaux, Stockholm 1895 ff., ders., Die vor-
klassische Chronologie Italiens, Stockholm 1912. — T. E. Peet, The stone and hrome ages in
Itali/ and Sici'Ii/, Oxford 190!). — Seit 1875 erscheint das Bidlettino di paletnoJogia italiana.
3. Gründungsgeschichte Roms. Die bekannte Legende gibt Rom zwei
Gründer, 1) die Zwillingsbrüder Romulus und Remus, die Söhne einer Königs-
tochter aus Alba Longa und des Gottes Mars. Nach der Geburt ausgesetzt,
werden sie von einer Wölfin gesäugt, dann von Hirten gefunden und auf-
gezogen, um schließlich, als Fürstensöhne erkannt, in Wahrnehmung ihrer
Rechte nach Alba Longa zurückzukehren, von wo aus sie Rom gründeten.
Man hat es hier mit einer Fabel zu tun, wie sie ähnlich schon früher vom
griechischen Drama gestaltet worden war. Die ältesten Zeugnisse dieser
Gründungssage sind auf italischem Boden römisch-kampanische Mlinzen (Di-
drachmen) 2) mit dem Bild der Wölfin samt den Zwillingen, geprägt in der
zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. und in Rom selbst das Bronze-
standbild der Wölfin auf dem Kapitol (heute im Konservatorenpalast), ein
Werk, dessen Stil auf einen in Italien ansässigen griechischen Künstler des
6. oder 5. Jahrhunderts v. Chr. schließen läfst.^) Ein ähnliches, nicht mehr
erhaltenes Standbild stellten die Gebrüder Ogulnii im Jahr 29(3 v. Chr. unter
der flcus Ruminalis (dem heiligen Feiligenbaum beim Lupercal) auf.*) Als
Stifter der römischen Gemeinde {pojmlus) mit ihren wichtigsten Organen
Essai sicr les origines de Bonie, BiU. des sprechende Spuren an der erhaltenen
-ecoles frani;. d'Äthenes et de Borne, fasc. 110, Statue sichern die Identität. Petersen
Paris 1917, 9 f. läßt die Statue gleich nach dem Sturz
^) In dieser Zweizahl der Gründer sieht | des Königtums als Symbol des befreiten
Mommsen eine Rückspiegelung des Doppel- Gemeinwesens gestiftet sein. Aber wer
regiments der Konsuln (Ges. Sehr. IV, 1 ff. weiß, wann und wie das Werk nach Rom
22 flf.). gelangte und ob ihm von Anfang an
•') Head, Historia numorum^ %2. menschlicheSäuglinge beigegeben waren?
^) W. Helbig, Führer durch die Samm- Für eine etruskische Arbeit des Ü. Jahr-
lungen in Rom I'', 1912. Nr. 983. E. Peter- huuderts v. Chr. erklärt sich F. Weege,
sen, Lupa capItoJina, Klio VIII 440 ff., IX Etrusk. Malerei, Halle a/S. 1921, 9.
29 ff. Die kapitolinische Wölfin wurde im ••) Liv. X 23, 12.
J. 65 V. Chr. vom Blitz getroffen; ent-
2. Italische und römische Vorgeschichte. (§ 3.) 29
erscheint Eomulus allein: neben ihm kommt Kemus nicht zur Geltung.
Romulus gilt als der Eponym der Stadt Rom.') Aber seine wunderbare
Geschichte ist nur ein Seitentrieb der üpjoig wuchernden Sagenpoesie der
Griechen. Denn wie so viele Städte Italiens betrachtete man auch Rom
als eine Gründung der nach dem Fall Troias versprengten griechischen
oder troianischen Helden, über deren Schicksale es die mannigfaltigsten Er-
zählungen gab. Die älteste, die schon um 400 v. Chr. bei Hellanikos und
Damastes, später bei Aristoteles auftaucht, läßt die Stadt von Aeneas und
Odysseus gegründet und nach einer Frau, der Troerin Rhome, benannt sein,
auf deren Rat die gefangenen Frauen die Schiffe anzünden, um die Weiter-
fahrt unmöglich zu machen. Nach einer anderen Version soll ein Sohn des
Odysseus und der Kirke, Rhomos, der Stadt den Namen gegeben haben.
Solche Legenden, 2) die verschiedenen Zeiten angehören, dienen dem Zweck,
den Ursprung Roms mit Griechenland und seiner Poesie in Verbindung zu
bringen. Sie sind insofern lehrreich, als sich das wachsende Ansehen Roms
in ihnen zu spiegeln scheint. Offiziell rezipiert wurde in Rom derjenige
Mythus, der den Ursprung Roms auf Aeneas zurückfuhrt, zu dessen Sohn
oder Nachkommen Romulus gestempelt wird. Zur Zeit des zweiten make-
donischen Kriegs ist diese Version die herrschende. Eine moderne Hypo-
these, die aber in die antiken Erzählungen erst künstlich hineininterpretiert
werden muß, wollte dem Aeneas noch die weitere Funktion zuweisen, als
Sohn der Aphrodite den Kult seiner göttlichen Mutter zu vertreten und
in seinen Wanderungen dessen Verbreitung darzustellen.^) Damit wird der
Sage eine ihr fremde Nebenabsicht zugeschoben. Richtig ist dagegen, daß
die Geschichte des Aeneas nachträglich benutzt wurde, um den Ursprung
von Heiligtümern und Institutionen ätiologisch zu erklären; denn einmal
eingebürgert, lockte die Dichtung zu weiterer Ausgestaltung. Während in
den älteren Versionen Aeneas unmittelbar der Vater des Stadtgründers von
Rom ist, schaltete man sjDäter mit Rücksieht auf die griechische Chrono-
logie,'*) die schon dem Cato bekannt war, Zwischen Aeneas und dem Rhomos
oder Romulus eine Reihe erdichteter Könige von Alba ein. Als dies ge-
schah,^) muß die Tradition über die Dauer der römischen Königszeit bereits
festgestanden haben.
Aber in dem Bestreben, die Ursprünge Roms zu glorifizieren, griff man
noch über Aeneas und die Helden des troianischen Kriegs hinaus. Man
ließ nämlich der Landung des Aeneas in Italien die Einwanderung des
]) P. Kketschmee, Glotta I, 1909, 288 fF. [ Rom. Gesch. 1 279 ff. — J. Rubino, Beiträge
zeigt, daß Griechen als Eponym den Rho- | zur Vorgeschichte Italiens, Leipzig 1868,
mos erfanden, den die Römer durch Remus : 84 ff. — Nissen, Die Aeneassage, N. Jahrb.
ersetzten, der sich dann, als Romulus hin- f. Philol. 91, 375 f.
zuerfunden war, als dessen Bruder be-
hauptete.
-) Dionj-s. Hai. I 72 f. Plutarch, Romu-
lus 1. Festus s. V. Romam. Solinus I 1 ff.
Vgl. ScHWEGLER, Rom. Gesch. I 384 ff. —
B. Niese, Hist. Zeitschr. N. F. 23, 481 ff, —
C. Triebek, Rhein. Mus. 43, 569 und be-
sonders A. Rosenbekg, PW ja 1074 ff.
') R. H. Klausen, Aeneas und die Pe-
naten, 2 Bde., Hamburg 1839. — Schwegler,
■•) Nach der kanonischen Rechnung des
Eratosthenes entsi^richt das Jahr der Zer-
störung Troias dem J. 1184,3 v.Chr., wäh-
rend Roms Gründung um 750 v. Chr. an-
gesetzt wird.
'") MoMMSEN, Rom. Chronologie 156, meint,
Alexander Polyhistor, ein Zeitgenosse
Sullas, sei der Schöpfer der albanischen
Königsliste. Vgl. C. Tbieber. Hermes 29,
1894, 124 ff.
30 Römische Geschichte.
Arkaders Euandron von l^iUantion voraufgehen, der nach seiner Vaterstadt
den Palatinhügel und das Palatium benannt haben soll. Diese Erzählung
ist zuerst bei Polybios ^) sicher nachweisbar, muß aber älter sein und ur-
sprünglich eine selbständige Gründungsgeschichte gebildet haben. ^) Auch
Herakles soll die Stätte Roms berührt haben, als er mit den Rindern des
Geryoneus aus dem Westen heimkehrte; damit hatte man eine Ätiologie
gewonnen für den in Rom wie in ganz Italien seit alters gepflegten Her-
kuleskult, den der Heros einst selbst in Rom auf der ara maxima gestiftet
habe. Zu diesen Mythen kamen noch die landläufigen griechischen Erzählungen
von Wanderungen hellenischer oder vorhellenischer Völker, wie derPelasger,
von denen man die Etrusker ableitete, aus denen man zugleich die unter-
italischen Stämme hervorgehen ließ, und der Sikeler, die nach der herr-
schenden Anschauung aus dem Festland Italiens nach Sizilien eingewandert
waren und vorher in Latium gehaust haben sollen. 3) Diese verschiedenen
Elemente hat Dionys von Halikarnaß im Anfang seiner Archäologie zu
einer pragmatisch und chronologisch zusammenhängenden Darstellung ver-
einigt, ein Beweis für die besondere Sorgfalt, die man diesen fabulosen
Urgeschichten widmete.*)
4. Die römischen Könige. Nach der Gründung, so lautet die Über-
lieferung, herrschten in Rom Könige, sieben an Zahl: Romulus (37 Jahre),
Numa Pompilius (41 oder 43 Jahre), Tullus Hostilius (32 Jahre), Ancus
Marcius (23 oder 24 Jahre), L. Tarquinius Priscus (38 Jahre), Servius TuUius
(44 Jahre), L. Tarquinius Superbus (25 Jahre). Die Gesamtdauer dieser Königs-
herrschaft wird in der Regel mit 244 Jahren gerechnet.^) Die legendäre
Geschichte dieser Könige ist keine echte, volkstümliche Sage, sondern dient
als gelehrtes Machwerk ätiologischen Zwecken. Geschichtliche Aufzeich-
nungen liegen dieser abstrakten Dichtung nicht zugrunde, höchstens hie
und da die letzten Reste einer verblaßten Erinnerung. '') Wie die Gründungs-
geschichte, so ist auch die Königsgeschichte unter der Einwirkung griechi-
scher Literatur und griechischen Geistes entstanden. Sie verfolgt den Zweck,
die Entstehung der Gemeinde Rom und ihrer Institutionen zu erklären.
Einrichtungen oder Zustände, die man für ursprünglich hielt, wurden ganz
willkürlich der Königszeit zugeschrieben. Die Gründung der Gemeinde und
ihrer Verfassung, die Gliederung der Bürgerschaft, die Bildung des römi-
schen Territoriums {ager Bomanus) im ältesten erinnerlichen Umfang, die
Einverleibung der umliegenden Ortschaften, die Ummauerung der Stadt, der
Bau der ersten öffentlichen Gebäude, die Unterwerfung der Latiner, all
das galt als Leistung der Königszeit.
') Polyb.VI 11''* 1 (Fragment bei Dionys. j kanischen Zeit bezeugt. Siehe 0. Leuze,
Hai. I 32). Die röm. Jahrzählung, Tübingen 1909, 83t}\
-) Als solche erscheint sie noch bei I **) Gelegentlich hat man vermutet, dal3
Strabo V 230. in der Ivönigsgeschichte alte einheimische,
') Die letztere nach Antiochos von Syra- besonders religiöse Traditionen durch-
kus fr. 3 (FHGI181) bei Dionys. Hal.I 12. schimmern, so A.Enmaxn, Zur röm.Königs-
•*) Dionys. Hai. I 11 ff., 17 ff' geschichte, Jahresber. der reformierten
^) Die kapitolinische Fastentafel gibt nur Kirchenschule St. Petersburg 1892. E.Pais
243 Jahre. Nach Mommsen, Rom. Chrono-
logie 137 hätte der ursprüngliche Ansatz
sich auf 240 Jahre belaufen, aber diese
Zahl ist für keinen Autor der republi-
wollte früher sogar die Tarquinier mit
dem GottTarpeius identifiziex-en, hat aber
diesen Einfall jetzt aufgegeben.
2. Italische und römische Vorgeschichte. (§ 4.) 31
Die Namen der Könige, besonders die etruskischen Vornamen ') Numa,
Tullus, Ancus klingen recht altertümlich; die gens Romilia oder Romulia
ist ein früh ausgestorbenes, durch die Fasten für die erste Hälfte des 5. Jahr-
hunderts bezeugtes Patriziergeschlecht, das — ein Beweis für seine einstige
Bedeutung — einer der römischen Tribus den Namen gegeben hat. 2) Die
Tarquinier sind ein etruskisches Adelsgeschlecht. Inwieweit nun freilich
mit diesen an sich unverdächtigen Namen bestimmte historische Persönlich-
keiten bezeichnet werden, ist nicht zu ermitteln. Die Marcii z. B. sind in
republikanischer Zeit auffallenderweise Plebeier und so lag es nahe, in dem
König dieses Namens lediglich eine nachträgliche Fiktion zu sehen, durch
die man dem inzwischen zu Ansehen gelangten Haus zu einem erlauchten
Ahnen verhalf.^)
Der erste König Romulus, der Gründer der Stadt, soll die sozusagen
integrierenden politischen Einrichtungen getroffen haben, ohne die man sich
das römische Gemeinwesen nicht vorzustellen vermochte. Er hat also den
Senat der hundert patres und die Bürgerschaft {populiis), sowie den Standes-
unterschied zwischen patres und plebs geschaffen und die Gesamtheit in
dreißig Kurien gegliedert. Auch das Fußheer mit den Rittercenturien der
Tities, Ramnes und Luceres gilt als sein Werk. In ihm, als ihrem Urbild,
verkörpert sich die Magistratur mit ihrer Kompetenz. Auch die ersten glück-
lichen Kriege führt Romulus und erobert Antemnae, Caenina und Nomentum,
Auf Romulus folgt Numa Pompilius als Schöpfer des Sakralwesens, der
Gottesdienste und ihrer Ausstattung, der Priesterschaften, der alten Kol-
legien und Zünfte. Wie der griechische Mythus den Gesetzen eines Minos
oder Lykurg die Weihe göttlicher Inspiration lieh, so soll auch Numa von
einer Göttin, der Quellnymphe Egeria, die seine Geliebte oder seine Gattin
wurde, beraten Avorden sein. Tullus Hostilius erobert vuid zerstört Alba
Longa und verleibt die Albaner der römischen Bürgerschaft ein. Ancus
Marcius bezwingt die Latiner, erwirbt die römischen Gebietsteile am rechten
Tiberufer, wo er die Salinen einrichtet,^) überbrückt den Fluß und befestigt
den Janiculus. An der Tibermündung gründet er mit den Latinern den
Hafenort Ostia, zieht den Landgraben (die fossa Quiritiuni) und tut damit
den ersten Schritt zur Befestigung der Stadt. L. Tarquinius, Sohn des
Korinthers Demaratos und aus dem etruskischen Tarquinii eingewandert,
erbaut die Hallen am Forum, den Zirkus und den Abzugskanal, die sog.
cloaca. Auch beginnt er die Stadtmauer und legt den Grund zum kapito-
linischen Tempel, den dann der jüngere Tarquinius vollendet. Er führt
') W. Soltau. Die Anfänge der röm. ' konnte, ist mit F. Münzek, Rom. Adels-
Geschichtschreibung, Leipzig 1909, 143 ff. , parteien, Stuttgart 1920, 80 f., vgl. 409,
^) L. Holzapfel, Bursians Jahresbericht ; wohl nur dadurch zu erklären, daß die Mar-
Bd. 1(58, 1914, 161 f. i cier „nicht Plebeier schlechthin"' waren,
^) Soltau a. a. O. 146 f., K. J. Neumann j sondern dem Patriziat besonders nahe-
in der Weltgeschichte des Ullsteinverlags ' standen. Sollten da die Marcier nicht
I 362, 398. — Aber es gibt doch zu den- doch ein ehemals königliches Geschlecht
ken, daß nach Liv. 27, 6, 16 im J. 210 v.Chr. gewesen sein?
ein M. Marcius als r<'.rsftc;-or(f>» verstorben j *) Die spätere Fassung der Königs-
ist, also mit einer geistlichen Würde be- ' geschichte führt diesen Erwerb schon auf
kleidet, die zu allen Zeiten den Patriziern Romulus zurück. Dionys. Hai. II 55, 5,
vorbehalten war. Daß ein Plebeier aus- Plutarch, Romul. 25. Vgl. Plin. h. ,n.
nahmsweise zu diesem Amt gelangen ! XXXI 89.
32 Römische Geschichte.
Krieg mit Latinern und Etruskern und verdoppelt den Senat durch Zu-
lassung neuer Geschlechter, der patres minoriim f/oitkitn^) und die Ritter-
schaft durch die neuen Centurien der Titienses, liamnejises und Luccres
seciindi. Sein Nachfolger Servius Tullius, der im Haus des Tarquinius
geborene und aufgewachsene Sohn einer latinischen oder etruskischen Kriegs-
gefangenen, also einer Sklavin, 2) gliedert die Bürgerschaft zum Zweck der
Abstimmung nach Klassen und Centurien auf (irund des Census, womit
zugleich die Heereseinteilung gegeben ist. Auch die Tribus, zunächst die
vier städtischen, werden auf ihn zurückgeführt; zu den übrigen (den länd-
lichen) scheint ihm die Üljerlieferung jedenfalls die Ansätze beizulegen.
Überliaupt gilt Servius Tullius als der Organisator der Bürgerschaft, indem
er die Abteilungen einrichtet, in denen später die politischen Funktionen
ausgeübt werden. Auch die Stadtmauer soll Servius Tullius vollendet haben.
Auf ihn folgt Tarquinius Superbus, nach der älteren Tradition der Sohn
des Priscus, als der letzte König. Seine Legende mufs also den Umsturz,
den Übergang von der Monarchie zur Republik verständlich machen und
zu dem Behuf wird Tarquinius Suj)erbus zum Tyrannen gestempelt, dessen
brutale Willkür die Katastrophe des Königtums heraufbeschwört. Als den
Anstoß zu seiner und seines Geschlechtes Vertreibung bezeichnet die Sage
die Entehrung der Lucretia, der Gattin des L. Tarquinius Collatinus, durch
einen der Königssöhne, Der König, so wird erzählt, lag mit dem Heer
vor dem belagerten Ardea, als infolge jener Untat in Rom unter Führung
des L. Junius Brutus ein Aufstand gegen die herrschende Dynastie aus-
brach, dem sich auch das Heer anschloß. Das Königtum wurde abgeschafft;
an Stelle des Königs traten zwei alljährlich zu wählende Konsuln; vom
ersten Konsulnpaar war Brutus der eine. 3) Der gestürzte König mußte mit
seinen Söhnen nach Caere in die Verbannung,'^) wie überhaupt das ganze
Geschlecht des Landes verwiesen wurde, ^) Wiederholte Restaurationsver-
suche der Emigranten, die mit Hilfe von Etruskern oder Latinern nach
Rom zurückkehren wollten, scheiterten. Zuletzt sollen die Tarquinier in
Kyme beim Tyrannen Aristodemos Malakos ein Asyl gefunden haben, '^)
Daß es in Rom ursprünglich eine Monarchie gegeben hat, läßt sich so
wenig bezweifeln wie die Wertlosigkeit der traditionellen Legende über die
Königszeit.'') Von den überlieferten Herrschernamen ist am besten beglaubigt
*) Für diesen „Pairscluib" wird teil-
weise erst Brutus verantwortlieh gemacht.
Tacit. ann. XI 25. Vgl. Liv. IV 4, 7.
2) Der Name Sei-vi'ns, der etruskischen
Ursprungs ist, wird so durch falsches
Etymologisieren von serviis abgeleitet und
durch die Legende erklärt,
^) Als Kollegen des Brutus nennen die
jüngeren Annalen den Gatten der Lu
*) Liv, I 60, — Die Familie Tarcna, deren
Grab in Caere, dem heutigen Cervetri, auf-
gedeckt wurde, hat mit den Tarquinii
nichts zu tun. Vgl, G, Körte, Jahrbuch
des archäol. Instituts XII, 1897, 76.
^) Vgl, F, Münzer, Rom, Adelsparteien 52,
6) Liv, 1121,5. Dionys. Halic.V21. VII
3 ff. Eutrop. I 11, 2 läßt den Tarquinius
in Tusculum sein Leben beschliefsen.
cretia, L. Tarquinius Collatinus; die ur- i ') Um 300 v.Chr. scheint die Königs-
sprüngliche Fassung lautete gewiß anders, j legende entstanden zu sein. Im .J. 290 v.Chr.
Leider fehlt uns das Zeugnis Diodors. wurden die Sabiner in den römischen
Aber nach der ältesten uns erreichbaren ■ Bürgerverband aufgenommen, ein staats-
Nachrieht, die bei Polyb. III 22 vorliegt, rechtlicher Vorgang, der in der Fabel von
sind die ersten Konsuln L. .Tunius Brutus 1 Titus Tatius, dem schemenhaften sabini-
und M. Horatius. Den Iloratius kennt sehen Mitregenten des Romulus, seinen
z. B. Liv. II 8, 4 nur als consuJ suffecfus. 1 symbolischen Ausdruck fand (Mommsen,
2. Italische und römische Vorgeschichte. (§ 4.) 33
der etruskische des Tarquinius, des letzten in der Reihe.') Was freilich
im einzelnen über die Herkunft des Tarquiniergeschlechtes aus Tarquinii 2)
und seine Abstammung von einem Korinther berichtet wird, besitzt keine
höhere Gewähr als der sentimentale Lucretiaroman. Mit den Tarquiniern
war eine fremde, eine etruskische Dynastie in Rom zur Herrschaft gelangt.
Die Erzählung von ihrem Sturz wird durch Analogien aus der griechischen
Tyrannengeschichte ^) keineswegs empfohlen; sie ist konventionelle Mache.
In Wirklichkeit dürfte es sich zugleich um eine nationale Reaktion gegen
die stammfremden Herren gehandelt haben. Das Königtum als solches ist
schwerlich durch einen einmaligen revolutionären Akt beseitigt, sondern eher
auf dem Weg der Evolution allmählich abgebaut worden.^) Wenn näm-
lich in der Tradition noch eine letzte Erinnerung an eine Art Samtherrschaft
des etruskischen Geschlechtes durchschimmert, so deutet dieser Zug bereits
auf eine Abschwächung der von Haus aus absoluten Monarchie.^)
Noch ein Wort über Servius TuUius, den schon die Antike auf Grund
tuskischer Überlieferungen mit dem Etrusker Mastarna glich, der zunächst
den tuskischen Kriegsmann Caelius Vivenna (oder Vibenna) begleitet habe,
dann nach wechselvollem Geschick, als das Heer des Vivenna sich aufgelöst
hatte, nach Rom wanderte, wo er sich auf dem mons Caelius, den er nach
seinem alten Führer benannte,^) ansiedelte. Daß diese beiden Persönlich-
keiten in der Tat in der mehr oder weniger mythischen Geschichte der
Etrusker ihren Platz hatten, beweist ein etruskisches Wandgemälde (aus
dem 4. Jahrhundert v. Chr.), das von A. Fran^ois in einem Grabgemach bei
V^ulci im Jahr 1857 entdeckt wurde.") Die durch Kaiser Claudius bezeugte
Gleichsetzung des Mastarna mit Servius Tullius hatten sich schon vor jenem
Fund Niebuh r und K. 0. Müller zueigen gemacht, denen sich mit wei-
teren Hypothesen W. Soltau und V. Gardthausen anschlössen.^) Aber
Ges. Sehr. IV 22 ff.). Offenbar stand die ! in der authentischen Senatsrede auf der
Öiebenzahl der Könige damals bereits fest Lyoner Bronzetafel, ILS I 212, CIL XIII
und so konnte der Vertreter der Sabiner 1668, Bkuns, Fontes iuris Romani ' Nr. 52.
nicht als achter eingereiht werden, son- ') Das Fresko stellt die Befreiung des
dern mußte sich mit der Lückenbüßer- Caile Vipinas durch Macstrna und dessen
Stellung eines Mitregenten begnügen (K. Genossen aus der Haft von Wächtern dar,
J. Nedmann, in der Weltgeschichte des ' deren als Cneve TarcJni Rumach (d. h. Cu.
LHlsteinverlags I 398 ; vgl. A. Rosenberg, l Tarquinius Romamis) bezeichneter Führer
PW I A 714). getötet wird. Vgl. W. Helbig, Führer durch
') Für die Identität des Tarquinius Pris- die Sammlungen in Rom I', 1912, Nr. 523.
cus mit Tarquinius Superbus treten so- G. Körte, .lahrb. des archäol. Instituts XII,
wohl DE Sanctis als Pais ein. ! 1897, 57 if. Körte verlegt den Schauplatz
-) Daß Rom zeitweise unter etruskischer der dramatischen Handlung nach Rom,
Oberhoheit stand, hat auch Niese zu- das Mastarna mit stürmender Hand ge-
gegeben. Er wies jedoch darauf hin, daß nommen habe, wobei König Tarquinius
der etruskische Eroberer Roms, Porsenna, den Tod fand. Aber Tarchu-Tarquinius
nicht aus Tarquinii, sondern aus Clusium ist nicht als König gekennzeichnet und
kam und daß der etruskische Einfluß auf die Szene darf nicht ohne weiteres, in
Rom eher von Caere (Agylla) als von Tar- ! Rom lokalisiert werden. So läßt sich aus
quinii ausgegangen sein mag.
ä) Aristot. Politik V 8, 9 ff.
■*) So fassen sowohl de Sanctis wie dessen
Gegenpol Pais die Entwicklung auf.
'") F. Münzer, Rom. Adelsparteien 46.
52. 409.
^) So Kaiser Claudius, dessen Stecken-
pferd die etruskische Altertumskunde war.
der umstrittenen Deutung des Gemäldes
kein sicherer Gewinn für die Geschichte
ziehen. Vgl. F. Münzer, Rhein. Mus. 5-3,
1898, 596 ff. E. Petersen, .Jahrb. des arch.
Instituts XIV, 1899, 43 ff. G. de Sanctis, Klio
II, 1902, 96 ff. A. Rosenberg, PW I a 704 f.
^) Niebühr, Rom. Gesch. I 422. K. O.
Müller, Etrusker I^ 112 ff". W. Soltaü,
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl.
34 Römische Geschichte.
es macht bedenklich, daß die ältere Version der Königsgeschichte von jener
angeblichen Identität nichts weiß: es handelt sich also nur um eine bereits
antike, auf etruskischer Heldensage aufgebaute Konstruktion, die schwerlich
das Richtige trifft; nach anderen Zeugen hätte sich übrigens der Etrusker
Caelius oder Caele (Vibenna) bereits unter einem der früheren Könige (Ro-
mulus oder Tarquinius Priscus) in Rom ansässig gemachte)
Xach einer zuerst von K. W. Nitzsch^) geäußerten Vermutung dürfte
Servius Tullius der jüngste unter den römischen Königen sein, d. h. seine
Gestalt ist erst erfunden worden, um nachträglich zwischen die beiden Tar-
quinier, Vater und Sohn, eingeschoben zu werden. Servius ist von allen
Königen der schattenhafteste, am meisten abstrakt gehaltene. Er ist das
Geschöpf seiner Schöpfung, der sog. servianischen Stimmordnung; denn nur
um diese zu erklären, ist er geschaffen. Da diese Stimmordnung sofort nach
dem Sturz des Königtums in Kraft treten soll, mußte .sie noch in der Königs-
zeit eingeführt sein. Aber der verfehmte letzte König, der Tyrann, durfte
der Stifter nicht sein. So wurde denn dem Servius als dem Urheber dieser
Ordnung der vorletzte Platz in der Königsreihe aflgewiesen.^)
III. Erste Periode der Geschichte Roms: Bis zur Vereinigung
Roms mit den Kampanern (338 v. Chr.).
Quellen
dieser Periode sind die erhaltenen Bearbeitungen der römischen Annalen, die am
reinsten vorliegen bei Diodor im 11. — 16. Buch:*) mit ihm haben die wenigen Nach-
richten Ciceros {de repuhl., Buch 2) die meiste Verwandtschaft. Ausführlicher sind
die Erzählungen des Livius, Dionysios von Halikarnaß und Plutarch mit den
Bruchstücken des Appianos und Cassius Dio. Über die Würdigung dieser Schrift-
steller vgl. oben S. 15 ff.
Über Entstehung und Zusammensetzung und die Bürgerschaft aus seinem Heer
der altrömischen Volksversammlungen, neu gebildet habe. Damit soll der Census
Berlin 1S80, 449 ff. V. Gaedthaüsex, Ma- und die Klassen- und Centurienverfassung
starna oder Servius Tullius. Leipzig 1882. des Servius erklärt werden.
K. O. Müller nimmt eine längere etrus- ') Varro de liiigua lat. V 46. Dionys.
kische Herrschaft über Rom an. die von Halic. II 36. Tacit. ann.IV6.5. Festusp. 44
Tarquinii ausgegangen sei. Tarquinii habe und 3-55 Müllek.
die Vormacht im südlichen Etrurien er- -) In Paülys RealencyelopädieVI (1852)
langt und sie dann auch auf Rom aus- 1104 ff.
gedehnt, das zum Bollwerk gegen Süden ^) Niese hatte hier die Möglichkeit in
ausgebaut worden sei. Dies sei in der Erwägung gezogen, daß die kurz vor dem
Zeit geschehen, die der Herrschaft der zweiten punischen Krieg durchgeführte
Tarquinierdynastie in der römischen Tra- Reform der Stimmordnung ..den äußeren
dition entspreche. Unterbrochen werde Anstoß bot, der alten Einrichtung in der
diese Herrschaft durch Mastarna-Servius Gestalt dieses Königs ein Denkmal zu
Tullius, der zwar selbst Etrusker, aber setzen-'. Aber die Legende von Servius
Gegner der Tarquinier sei. Letztere kehren Tullius muß schon früher entstanden
jedoch zurück, um schließlich durch den sein und wenn die ihm zugeschriebenen
gesteigerten Druck ihres Regiments ihren Censussätze nach dem um die Zeit des
Sturz herbeizuführen. Die Vertreibung ersten punischen Krieges eingeführten
der Tarquinier bedeute zugleich das Ende Münzfuß normiert sind, so liegt eben eine
der Hegemonie Tarquiniis über Etrurien, Umrechnung vor.
die vielleicht von Porsenna gebrochen *) Ausgabe von A. B. Dkachmann, Dio-
worden sei. W. Soltac hält den Servius dors römische Annalen bis 302 a. Chr.^
Tullius für einen etruskischen Kriegs- in Lietzma>->-s Kl. Texten, Heft 97, Bonn
herrn, der den römischen Thron usurpiert 1912.
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§ 5.) ;^5
5. Die Anfänge Roms. In Italien hat sich städtisches Wesen und
Leben, das für die politische Entwicklung eines Volkes von entscheidender
Bedeutung ist, zuerst nur in den Küstenlandschaften gebildet, die dem Meer
und dem auswärtigen, besonders dem griechischen Einfluß geöffnet waren,
in lapygien, Kampanien, Etrurien. Ebenso geschah es in Latium und bei
den Latinern. Diese wohnten in einer Anzahl von Städten, für deren
mythisches Haupt Alba Longa galt, und unter diesen Städten war die
größte, solange unsere Kunde reicht, Roma, an der etruskischen Grenze
am linken Ufer des Tiberis gelegen, etwa 25 km vom Meer entfernt. Dort
erheben sich mehrere Hügel von mäßiger Höhe, der ntons Ave)itinus, Pala-
finiis und Capitolinus, hinter denen weiter landeinwärts, andere Höhen an-
steigen und in der Landschaft verlaufen. Der Tiber, ein wasserreicher,
reißender Strom, ist dort schiffbar; bei Hochwasser überschwemmt er nicht
selten die Niederungen am Fuß der Hügel. An dieser Stätte wurde Rom,
wie die Sage will, als Kolonie Alba Longas angelegt.
Die ältesten Bewohner Roms und Latiums waren nach der Gründungs-
fabel die Aboriginer,') zu denen Aeneas gekommen sein soll und die
von den antiken Antiquaren wohl von Pelasgern aus Griechenland abgeleitet
werden. Gewiß war der Boden des späteren Roms seit unvordenklicher Zeit
von Menschen bewohnt. Wir finden ihre Spuren in Grabstätten auf dem
Boden der Stadt wie ringsumher in der Landschaft Latium.^) Aber wann
und wie Rom erbaut wurde, wissen wir nicht. Die von den Gelehrten dafür
berechnete Zeit (etwa 750 v. Chr.) ist ohne Gewähr.'')
Das älteste Rom, die lioina quadrata, die Stadt des Romulus, erhob
sich auf dem Palatinus. Dieser Teil war am frühesten durch eine Ring-
mauer befestigt, deren Zug sich noch heute feststellen läßt.*) Die Stadt
selbst, d. h. der Wohnsitz der Römer, hat sich wohl niemals auf den pala-
tinischen Hügel beschränkt. Schon die ältesten Heiligtümer und die von
der Gründungssage berührten Orte liegen vielfach außerhalb. Die Burg,
das CapitoUiUH, hatte von jeher eine besondere Befestigung und trug das
vornehmste Heiligtum der Stadt, den Tempel des Juppiter Capitolinus,
dessen Bau und Weihe (508/7 v. Chr.) das erste zeitlich fest bestimmte
Ei'eignis der römischen Geschichte zu sein scheint.'^) Die früheste Bevölke-
') Dieses Volk wird zuerst in einem gebildeten Gründungsgesehiohte (Dionys.
Fragnaent des Kallias erwähnt (Dionys. Hai. I 9) gehen übrigens den Aboriginern
Hai. I 72), auch Cato kannte sie (fr. 6); Sikeler voran.
der Dichter Lykophron Alex. 1253 nennt -) Vgl. G. Pinza, Monument l antichi XV,
sie BoQsiyovoi, vermutlich nach Timaios, 1905 inid im BuUetttno della commissione
und diese Form wird von einigen Ge- archeolof/ica comunale di Roma 4:0,1912,1b ff.
lehrten für die ursprüngliche, echte an-
gesehen. Nach der Auffassung der Alten
sind die Aboriginer die ältere Bezeichnung
der Latiner und sonst von diesen nicht
verschieden. Unter den Erklärungen des
Ueber die alten Gräber bei Alba Longa
Nissen, It. Landeskunde I 252 f.
^) Das älteste Datum (Timaios bei
Dionys. Hai. I 74) geht noch höher hinauf
und setzt Roms Gründung 814 v. Chr.
Namens hat diejenige, welche in den gleichzeitig mit der Gründung Karthagos.
Aborigines eine lateinische Uebertragung i •*) Die termini des ältesten Pomerium
des griechischen uvjöxOoveg sieht, immer
noch viel für sich. Andere Versuche bei
CicHORius, PW I 106 f. J. Geffcken, Ti-
maios' Geographie des Westens (Bei'lin
1892) 42. Nach der § 3 erwähnten aus-
bei Tacit. ann. XII 24, vgl. Schwegler I
442, 1 und Jordan -Hülsen, Topographie
der Stadt Rom I. 3, 1907, 37 A. 17.
s) Polyb. III 22.
3^
36 Römisclie Geschichte.
ruug denken wir uns als bäuerlich; von ihrer Teilung in niontani und payani
hat sich noch in sakralen Instituten (z. B. im Septimontium, dem Fest der
sieben montes) bis in die spätere Zeit hinein eine Spur erhalten, aucli als
die Stadt das umliegende Land in sich aufgenommen hatte. Zwischen dem
ältesten Rom auf dem Palatinus und dem späteren Umfang der sog. ser-
vianischen Mauer hat man einige Mittelglieder zu erkennen geglaubt. Eine
erste Erweiterung habe die Stadtteile umfaßt, die später das Fest des Septi-
montium feierten ; in einer zweiten Vergrößerung habe Rom die vier alten
Stadtbezirke enthalten, in denen sich die Kapellen der Argeer befanden, i)
Bei dem Stande unseres Wissens müssen wir uns begnügen, auf dem Wege
mehr oder weniger unsicherer Vermutung von der Entwicklung der Stadt
uns einen Begriff zu machen.
Es ist eine verbreitete Ansicht, daß Rom aus einer Vereinigung dreier
Stämme oder Gemeinden erwachsen sei. 2) Zwei derselben sollen Latiner und
Sabiner sein; als dritten nennt man ebenfalls Latiner oder auch Etrusker.
So schließt man aus der Nachricht, daß die Bürgerschaft Roms sich ur-
sprünglich in drei Tribus teilte, die Tities oder Titienses, Jiamnes oder Ram-
nenses und Luceres. Nach der Legende beteiligten sich an der Gründung
der Stadt auch die Sabiner, die unter ihrem König Titus Tatius heranzogen,
um den Raub ihrer Jungfrauen an Romulus und seinen Leuten zu rächen,
sich aber mit ihnen verständigten und zu einer Gemeinde vereinten. Schon
die Alten glaubten, das Volk des Romulus bedeute die Raumes, während
die Leute des Titus Tatius die Tities darstellten. Den dritten Teil, die
Luceres, sollen die später von Tullus Hostilius (oder Ancus Marcius) nach
Rom verpflanzten Latiner ausmachen. Tatsächlich wurden nun noch in
späterer Zeit sabinische Gottheiten, wie Sancus, in Rom verehrt. Überdies
soll der zweite König, Numa Pompilius, Sabiner gewesen sein. Allein die
Hypothese, daß Rom aus drei Gemeinden zusammengewachsen sei, ist schwer-
lich richtig und läßt sich durch die Annahme nicht stützen, daß in der
Gründungslegende ein Kern historischer Erinnerung steckt. Denn aus der
Erzählung, daß gleich Romulus alle drei Tribus auf einmal eingerichtet
habe, geht doch hervor, daß man von einem nachträglichen Hinzutritt der
Luceres nichts wußte. Sabinische Gottesdienste und Riten in Rom beweisen
eine Teilnahme der Sabiner an der Gründung sowenig wie die dort seit
alters geübten griechischen Kulte (z. B. der des Herkules) die Mitwirkung
von Griechen. Aus der Dreizahl der Tribus ist nicht zu folgern, daß die
Stadt von drei Völkerschaften gebildet sei. Vielmehr hat die Tribus, wie
') Varro de fing. lat. V 45 f. Ueber die I vereinigt habe, und daß sich aus der
Argeer, die man vielfach (wahrscheinlich doppelten Dreiheit, die in den römischen
irrig) von dem griechischen 'AoyeToi ab- \ Institutionen (z. B. bei den Yestalinnen,
leitet, vgl. neuerdings G. Wissowa, PW Militärtribunen, Reitercenturien) mehr-
II 689. fach begegnende Sechszahl erkläre. Schon
^) Auch Th. Mommsen ist dieser Meinung Niebdhr (Rom. Gesch. I 317) hatte ganz
(Rom. Gesch. I 43 ff., Staatsrecht III 95). ähnlich die Vereinigung zweier Städte
Er vermutet, tribus bedeute ursprünglicli Rom und Quirium vermutet. Dagegen
die Gemeinde, das Ganze, und nimmt an, Niese, der es nicht wahrscheinlich fand,
daß eine aus drei Einheiten zusammen- daß zwei Städte in unmittelbarer Nach-
gewachsene Gemeinde sich mit einer j barschaft bestanden, und davon über-
zweiten, ähnlichen, auf dem Quirinalis j zeugt war, daß es hier immer nur eine
angesiedelten zur späteren Stadt Rom I Gemeinde, nämlich Rom, gegeben habe.
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§5.) 37
die griechische Phyle, ein Ganzes schon zur Voraussetzung und kann erst
geschaffen sein, als die Gemeinde bereits bestand. Man hat sogar beweif'elt,
daß die Tities, Raumes und Luceres als eigentliche Tribus zu gelten haben;
denn nach der für uns durch Livius ^) vertretenen Tradition schafft Romulus
nicht drei Tribus, sondern drei Reite rcenturien mit den betreffenden Namen,
und diese Nachricht entspricht der späteren Bedeutung der Namen, wo-
nach sie die Centurien der Ritterschaft bezeichnen ; dagegen fehlt von ihrer
Betätigung als Tribus, d. h. als politischer Gliederung der Gesamtbürger-
schaft jede Spur. Erst Varro und seinesgleichen legten ihnen auf Grund
einer Etymologie — sie leiteten tribus von tres ab — die Funktion der
Tribus bei.-) Die dem Romulus zugeschriebene älteste Einteilung des Volkes
hatte zu ihrem Prinzip nicht die drei Tribus, sondern die dreißig Kurien;
für einen Zusammenhang dieser Kurien mit den drei Rittercenturien gibt
es kein sicheres Zeugnis. Ob man nun an der Realität der alten drei Tribus
festhält oder sie preisgibt,^) so ist doch auf jeden Fall die Hypothese, daß
Rom sich aus drei zunächst selbständigen Gemeinden zusammengesetzt habe,
nicht genügend begründet und keineswegs wahrscheinlich. Vielmehr ist an-
zunehmen, daß die Stadt von jeher eine Einheit bildete, wie es sich auch
die Alten nicht anders dachten.
Die Römer hießen seit alters Quirites, ein Name, der sich bis in die
späteste Zeit in gewissen Formeln sowie in der Anrede an die Bürgerschaft
behauptete. Man wollte das Wort schon im Altertum von dem sabinischen
qiiiris (curis), das 'Lanze' bedeutet, ableiten oder auch von curla;*) das
Richtige scheint Madvig^) zu treffen, der in den Quinten den alten eigent-
lichen Volks- oder Gaunamen der Römer erblickt, der dann dem von der
Stadt Roma abgeleiteten {Romani) weichen mußte.
Die ganze römische Bürgerschaft war nach der Überlieferung ursprüng-
lich in dreißig Kurien*^) eingeteilt; diese bestanden noch bis ans Ende der
Republik, wenn sie auch jede politische Bedeutung eingebüßt hatten. Der
Umfang des städtischen Gebiets war ursprünglich sehr bescheiden. Nach
Osten bezeichnet der Ort Festi ^) zwischen dem vierten und fünften Meilen-
stein die alte Grenze, wie sie noch später beim Ambarvalienfest im Flur-
umgang mit den Opfertieren eingehalten wurde. Schon vor dem Beginn
') Liv. I 13. 36. eine erst von Varro aufgebrachte Hypo-
'-) Vgl. Niese, CTÖtt. gel. Anz. 1888, 957 f. these" erklären möchte. Nach einem
E. Bormann im EranosVindobonensis 1893, Zeugnis bei Varro de ling. lat. V 55 sind
345 ff. Die römischen Antiquare haben die Namen etruskisch, und zwar, nach
die Einteilung nach dem Muster der athe- ' W. Schulze, Zur Geschichte lateinischer
nischen Vorgeschichte ausgesponnen. Jede i Eigennamen, Abh. Gott. Ges. der Wiss.
der drei Tribus bekam also ihre zehn j V, 5, 1904, 581, als Gentilnamen kenntlich.
Kurien, jede Kurie wieder zehn Dekurien ■*) Vgl. Mommsen, Rom. Staatsrecht III, 5;
mit den zugehörigen Vorständen. Dionvs. ' Schwegler I 494; L. Lange, Rom. Altert.
Hai. II 7. " : I 90 ff.
^) Gegen die von Bokmann (s. Anm. 2) ^) .1. N. Madvig, Die Verfassung etc. 1 14.
näher begründete Ansicht NiESES erklärten Eine Analogie bieten die Rutuler, das
sieh L. Holzapfel, Klio I 228 ff. und Ed. , Volk von Ardea oder der Kauton der
Meyer, Gesch. des Altert. II 830, sowie j Laurentes mit dem Hauptort Lavinium.
Kl. Schriften (1910) 362, 1. Vgl. O.Hirsch- ß) Cnrin bedeutet vielleicht das Haus.
FELD, Kl. Schriften (1913) 248, der die Exi- ! SoLTAU,Entstehung und Zusammensetzung
stenz jener Tribus „nicht für unbedingt j der altröm. Volksversamml. 52.
erwiesen" hält, sie aber auch „nicht für i ') <Pr/oToi. Strabo V 230.
38 Römische Geschichte.
sicherer historischer Kunde wurde dies Gebiet durch Einverleibung der
benachbarten kleinen latinischen Ortschaften erweitert, deren Eroberung
den Königen, besonders Romulus und Ancus Marcius, zugeschrieben wird.
Antemnae, Caenina, Crustumerium u. a., selbst Alba Longa, nach der Sage
der Vorort der Latiner, gingen in Rom auf. Ferner wurde an beiden Tiber-
ufern ein Landstrich bis zum Meer hinab gewonnen und an der Mündung
des Flusses Ostia als Hafenort, angeblich von Ancus Marcius, angelegt.
Damit beherrschten die Römer den ganzen unteren Tiberlauf und den Aus-
gang zur See. In dieser Gegend lagen die Salinen, die sich im Besitz der Ge-
meinde befanden und deren Ertrag zu den ältesten Einnahmequellen gehörte.
In engen, doch keineswegs nur freundlichen Beziehungen stand Rom seit
alters zu den übrigen Latinern. In Sprache, Sitte, Tracht, Kultur und Ver-
fassung ging man zusammen und gemeinsam waren auch die Kulte des
Juppiter Latiaris auf dem Albanerberg und der Diana auf dem Aventin.
Ursprünglich besaß der latinische Stamm eine große Zahl, gegen 65, kleinere
Orte, von denen viele schon früh verschwanden und nur als Teilnehmer
am latinischen Fest ein Scheindasein fristeten,') wurden sie doch teils von
Rom aufgesogen, teils mit anderen latinischen Städten vereinigt. Die typische
Zahl der Bundesstädte, wie sie z. B. in der Aeneassage vorkommt, ist dreißig.
Man hat einen älteren und einen jüngeren Latinerbund zu unterscheiden: 2)
der ältere war gegründet im 6. Jahrhundert v. Chr. von Tibur, Tusculum,
Aricia u. a. und stand unter der Leitung eines dictator Latmits.^) Dieser
altlatinische Bund wollte dem Vordringen der römischen Rivalen, die auf
eigene Faust die latinische Landschaft zu einigen strebten, einen Riegel
vorschieben; im 5. Jahrhundert scheint Rom selbst beigetreten zu sein. Im
4. Jahrhundert vermochte dann das erstarkte Rom eine Veränderung der
Bundesverfassung durchzusetzen und sich das unbedingte Übergewicht in
dem neuen politisch von Rom abhängigen Gebilde zu verschaffen. Im ersten
karthagisch-römischen Handelsvertrag*) erscheinen die latinischen Küsten-
städte von Ardea bis Tarracina bereits als Untertanen Roms.
Nach der Geschichtslegende wurden die Latiner bereits von den Königen
unterworfen, um sich dann mit dem verjagten letzten König, Tarquinius,
gegen Rom zu verbünden. In einer sagenhaften Schlacht am See Regillus
wollen die Römer den Sieg davongetragen haben. °) Kurz darauf soll Konsul
Sp. Cassius 493 v. Chr. ein Bündnis zu gleichem Recht {foedus aequiim)
zwischen Rom und dem Latinerbund geschlossen haben mit der Vereinbarung
gegenseitigen Rechtsschutzes {commercium) und wahrscheinlich auch der Ehe-
gemeinschaft (cotuibium) zwischen Rom auf der einen und den latinischen
Städten auf der anderen Seite. Die Kriegführung sollte gemeinsam ge-
schehen, die erzielte Beute zu gleichen Teilen an Rom und Latium fallen.^)
')Diodorfr.YII5,9. Dionys. Hai. IV49. ^j 499 v. Chr. nach Livius II 19: 496
V 61. Plinius h. n. III 61 f. 68 f. nach Dionys. Hal.VI 3 und denTriumphal-
^) Vgl. A. Rosenberg, Hermes 54, 1919. j fasten.
113 ff. ' 6) Cicero pro Balbo 53. Dionys. Hai.
') Cato orig. fr. 58 Petek (nach der Weih- VI 95 gibt den Inhalt des Vertrags, Festus
inschrift des Altars der Diana von Aricia). p. 241 M. (s. v. praetor ad porfam) zwei
'') Polybios datiert ihn nach den ersten privatrechtliche Klauseln. L.M. Hartmann,
Konsuln, setzt ihn also ins erste Jahr der j Wiener Studien 34. 1912, 265 ft'. datiert
Republik. Vgl. unten 8. 102. \ den Vertrag ins J. 358 v. Chr. und sieht
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§6.) 39
In der Folge, angeblich 486 v. Chr., traten auch die Herniker bei.') Als
Urkunde des Latinerbündnisses galt eine noch von Cicero auf dem Forum
hinter der Rednerbühne gesehene Inschrift auf einer Bronzesäule. Indes
den Text einer Inschrift aus dem frühesten 5. Jahrhundert einwandfrei fest-
zustellen, wären die Römer des 1. Jahrhunderts sicher außerstande gewesen.
Jenes Dokument dürfte erheblich jünger sein und Sp. Cassius, wenn anders
sein Name in der Urkunde vorkam, hat mit dem angeblichen dreimaligen
Konsul der Jahre 502, 498, 486 v. Chr. nichts zu tun.
Allgemeine Literatur: Schwegler, Rom. Gesch. l.Bd. — L. Lange. Römische Alter-
tümer I^ 76 ff. — R. PöHLMANN. Die Anfänge Roms, Erlangen 1881. — Th. Mommsen,
Rom. Staatsrecht III 1. — Ed. Meyer, Gesch. des Altertums II 510 ff. — J. Binder, Die
Plebs, Leipzig 1909. — Stadtgeschichte: H. Jordan, Topographie der Stadt Rom im
Altertum, Bd. 2. — 0. Gilbert, Geschichte und Topographie der Stadt Rom im Alter-
tum. Leipzig 1883. 1885. — 0. Richter, Topographie der Stadt Rom (Bd. III 3b dieses
Handbuchs) 30 ff., 2. Aufl. - H. Nissen. Ital. Landeskunde II 2. 488 ff'. — G. Pinza in
•den Moyinmenfi anticlii XV 1905. — Älteste Einteilung: Mommsen, Die römische
Tribus in administrativer Beziehung S. 16 f.; Rom. Staatsrecht III. — Soltaü, Über
Entstehung und Zusammensetzung der römischen Volksversammlung S. 46 f. — Vol-
<}cardsen, Rhein. Mus. N. F. 33, 538 f. — Holzapfel, Klio I 228 ff". — Der Latinische
Bund: M. Zöller, Latium und Rom, Leipzig 1878. — J. Beloch, Der Italische Bund
unter Roms He2;emonie. Leipzig 1880, S. 177 ff. — O. Seeck. im Rhein. Museum. N. F.
.37 (1882) 1 ft\ 598 ff. — Mommsen, Ges. Schriften II 69 ff.
6. Auswärtige Einflüsse. Frühzeitig sind Rom und Latium mit den
Griechen in Berührung gekommen, und zwar wohl zuerst mit Chalkidiern,
die sich in Kyme niedergelassen hatten. Der Römer nannte den Hellenen
Graiiis oder Graecus, mit einem Namen, dessen Ursprung nicht bekannt
ist, der aber vielleicht ursprünglich den Chalkidier bezeichnen soll.^) Der
griechische Einfluß, dem Rom sehr viel verdankt, nimmt zu, je mehr Rom
wächst, und hat während der ganzen Dauer der römischen Geschichte ge-
wirkt. Sein erstes Denkmal ist das lateinische Alphabet, das wie das etrus-
kische von dem chalkidischen abgeleitet ist, und zwar unmittelbar, nicht
Avie das umbrische und oskische durch Vermittlung des etruskischen. Es
hat sogar eine Zeitlang die Entwicklung des griechischen Alphabets noch
mitgemacht, ehe es seine eigenen Wege ging. Schon sehr früh, sicherlich
bereits im 6. Jahrhunderts v. Chr., müssen die Römer und Latiner im Besitz
der Schrift gewesen sein. 2) Werke griechischer Kvmst sind früh nach Latium
gelangt. Seit unvordenklichen Zeiten genossen griechische Gottheiten, Her-
kules, Kastor und Pollux,"*) Ceres, Liber und Liberal) in Rom gött-
liche Verehrung, und gewiß waren schon in alten Zeiten Griechen in Rom
ansässig. Eine griechische Orakelsammlung, anscheinend kymäischen Ur-
sprungs, die der Sibylle, war in Rom, wie es heißt vom letzten Tarquinius
erv/orben, von Staats wegen in Gebrauch. Ein besonderer Platz auf dem
Forum, die Graecostasis, war für griechische Gesandtschaften bestimmt.
in Sp. Cassius den amtierenden Fetialen. dessen Konto also offenbar beide Bünd-
Vgl.W. Soltaü, ebda. 35, 1913, 258ff.E.TÄuB- j nisse gesetzt werden sollen!
LER, Imperium Romanum I, 1913, 276 ff". | '^) Er erinnert an FoaTa und die Fgaiy.!],
verwirft die Angaben des Dionysios über j die Landschaft von Oropos, Eretria gegen-
deii Inhalt des Vertrags als unecht. Dem- über. Vgl. Niese, Hermes 12, 1877, 409 ff.
gegenüber zieht A. Rosenberg. Hermes 55, ') Die ältesten erhaltenen Inschriften
1920, 337 ff. eine Parallele mit hellenisti- [ gehören etwa dem 5. Jahrhundert v. Chr.
sehen Isopolitieverträgen und gewinnt als an. Oben S. 14 A. 7.
Datum die Zeit zwischen 287 und 268 v.Chr. *) Seit 499 v. Chr. Liv. II 20.
') Im 3. Konsulat des Sp. Cassius, auf , '••) Seit 496 v. Chr. Tacit. ann. II 49.
40 Römische Geschichte.
Neben den Chalkidiern haben die sizilischen Dorier auf Rom vielfältig
und andauernd gewirkt. Ihnen verdanken die Römer ihr Münz- und Ge-
wichtssystem. Auf3erdem stehen die Massalioten, Kolonisten von Phokäa,
in alten freundschaftlichen Beziehungen zu Rom. Die Diana auf dem Aven-
tinus war dem Artemisbild in Massalia nachgebildet, und das Weihgeschenk,
das die Römer nach Vejis Eroberung 396 v. Chr. nach Delphi stifteten,
kam in das Schatzhaus der Massalioten. i) Auch mit den ebenfalls phokäi-
schen Eleaten stand Rom, wie es scheint, in alter Freundschaft ; 2) andere
Beziehungen weisen nach Thurii.^*) Ob zwischen Athen und Rom in alter
Zeit direkter Verkehr stattfand, wissen wir nicht; nach den späteren Annalen^)
sollen für die Dezemviralgesetzgebung die attischen Gesetze aus Athen ge-
holt sein. Auch ist festgestellt, daß der spätere römische Fuß dem attischen
genau entspricht, aber dadurch ist eine unmittelbare Entlehnung freilich
nicht bewiesen. Auch die Verwaltung und Einrichtung des Gemeinwesens
verdankt wahrscheinlich griechischer Anregung manches in Amtern, Amts-
insignien, Amtsgebäuden; der Census ist nach griechischem Beispiel ein-
gerichtet, das römische Heerwesen ist offenbar griechischen Ordnungen nach-
gebildet, und überhaupt entspricht in allen wesentlichen Punkten die römische
Gemeindeverfassung der griechischen. Endlich zeugt eine Anzahl alter grie-
chischer Lehnworte, zu denen selbst vinuni zu gehören scheint, für die starke
Wirkung, die Griechenland in kultureller Hinsicht auf Rom ausgeübt hat.
Aber daneben war seit alters der Einfluß der Etrusker auf Rom höchst
wirksam. Sie besaßen einstmals die Herrschaft im nördlichen Italien (S. 23)
und waren den Römern und Latinern gewiß nicht nur an äußerer Macht
überlegen, sondern auch in der Gesittung, hatten sie sich doch schon früh
griechisches Kulturgut angeeignet. Das benachbarte Rom mag gerade seiner
Lage als Grenzstadt einen Teil seines Aufschwungs verdankt haben. Wir
hören von einzelnen Etruskern, die, wie Caelius Vibenna, nach Rom über-
siedelten;^) ja es gibt bestimmte, durchaus glaubwürdige Überlieferungen,
die von der Unterwerfung Roms und Latiums durch den Etrusker Por-
senna, den König von Clusium, berichten. Nach der populären Erzählung ß)
erschien er in der Absicht, den stammverwandten Emigranten Tarcjuinius
zurückzuführen, vor Rom, das er belagerte (508/07 v. Chr.). Beweise römi-
schen Heldenmuts sollen ihn dann veranlaßt haben, gegen Abtretung einiger
Gebietsteile und Stellung von Geiseln Frieden zu schheßen. Aber nach
einer wohl älteren und für Rom noch weniger günstigen Tradition hat der
Etruskerkönig Rom erobert und den Römern demütigende Bedingungen
auferlegt, so daß sie eine Zeitlang den Etruskern zinsen mußten.') Es steht
>) Diodor XIV 93. dieser Erzählung beruht auch die Zeit-
2) Cicero pro Balbo 55. bestimmung bald nach Vertreibung der
3) Tacit. ann. XIV 21. I Könige, die annähernd richtig sein kann,
■•) Liv. III 31 f. wenn sie auch nicht gerade gut beglau-
5) Über ihn und Mastarna vgl, oben bigt ist. Das angebliche Grabmal Por-
S. 33 f. Sogar eine etruskische Dynastie, sennas bei Clusium berschreibt Plinius
die der Tarquinier, hat ja in Rom ge- h. n. XXXVI 91 flf.
herrscht und der Sturz der Könige wird ') Tacitus hist. III 72. Plinius hist. nat.
zugleich eine nationale Erhebung gegen , XXXIV 139. Plut. quaest. Rom. 18, wo ge-
die Fremdherrschaft gewesen sein. sagt wird, daß Herakles die von denEtrus-
6) Livius II 9 f. Dionys. Halic. V 21. Auf kern mit einem Zehnten belegten Römer
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§6.) 41
also außer Zweifel, daß Kom und auch Latium^) einmal von den Etruskern
unterworfen und beherrscht waren und zwar etwa im Lauf des 6. Jahr-
hunderts und noch späterhin. Diese Abhängigkeit Eoms von Etrurien macht
es begreiflich, daß die Griechen gelegentlich auch Römer und Latiner zu
den Etruskern (wie übrigens mit nicht größerem Recht auch zu den Opikern)
rechneten. Eine förmliche Etruskerstadt ist Rom aber nie gewesen und
vollends nicht eine etruskische Gründung, obwohl der Name Rom von einem
etruskisehen Personennamen stammt. Denn die Stadt bestand bereits, als
die Etrusker kamen und ihr statt des ursprünglichen latinischen Namens
den neuen etruskisehen beilegten, den sie für alle Zeiten fuhren sollte. 2)
Auch nachdem die Etrusker ihr Übergewicht verloren hatten (ihre Macht
ist seit der Mitte des 5. Jahrhunderts erheblich geschwächt), bheben den-
noch Rom und Latium noch lange Zeit unter ihrem Einfluß.^) Manche
o^riechischen Kulturgüter sind durch Vermittlung der Etrusker dorthin ge-
langt. Die Etruskerstadt Caere, von den Griechen Agylla genannt, war den
Römern benachbart und befreundet. Als wichtiges Emporium stand sie
auch bei den Griechen in Ansehen 4) und ihre geographische Lage machte
sie für den Warenaustausch zwischen Griechen, Etruskern und Latinern ge-
eignet. Von dem Wesen und den Sitten der Etrusker ging gleichfalls man-
ches auf Rom über: die Insignien der Magistrate sollen von ihnen, und zwar
schon durch König Tarciuinius entlehnt sein. 5) Auch die Gladiatorenspiele
wurden aus Etrurien eingeführt, wo sie sich großer Beliebtheit erfreuten.
Die etruskische Theologie, Opferschau, Haruspizin u. a. fand in Rom Ein-
gang und eifrige Pflege.
Auch mit den sabellischen Nachbarn haben Römer und Latiner wahr-
scheinlich schon in alter Zeit in Verkehr gestanden. Besonders folgenreich
erwies sich später die Berührung mit den halb griechischen Kampanern,
die den Römern und Latinern wiederum viel Griechisches vermittelten.
Endlich gehören zu den Völkern, die schon in früher Zeit mit den Römern
in Verkehr traten, die Karthager. Wir kennen noch die Verträge, die
zwischen ihnen und den Römern geschlossen wurden, wie sie dann ähn-
befreit habe, was zwar der bekannten
Erzählung von der Befreiung Thebens
durch Herakles nachgebildet ist, aber doch
auf dieselbe Tradition hinweist.
>) Vgl. Cato orig. fr. 62 P.
2) Grundlegend sind die Studien von ' charakter bewahrt
auch F. Leo, Gesch. der röm. Lit. 1 10, 1.
Es gibt zu denken, daß die älteste, in
Korn gefundene Inschrift, der Forums-
cippus (s. o. S. 14) lateinisch abgefaßt ist.
Rom hat stets seinen latinischen Grund-
W. Schulze (Zur Geschichte lateinischer
Eigennamen, Abhandl. d. Göttinger Ges.
d. Wiss. N. F. V, 5, 1904). Ausgehend von
der Beobachtung, daß viele Ortsnamen
von Personen- oder Familiennamen ab-
geleitet sind, hat Schulze in Italien auch
außerhalb Etruriens bis nach Apulien
hinein nach etruskisehen Gentilnamen
benannte Orte nachgewiesen. Zu diesen
Namen gehört auch Borna (etr. Ruma), als
Individualcognomen = 'Breitbrust' ge-
deutet von G. Hekbig, Berl. philol. Wochen-
schr. 1916, 1440 £f. 1472 if. Aber Schulze
geht zu weit, wenn er Rom nun auch ' Berlin 1913, 84 fif
als etruskische Gründung anspricht. Vgl. [
, Das Bild des kapitolinischen Juppiter
war nach Plin. h. n. XXXV 157 von einem
Etrusker gearbeitet.
*) Strabo V 220.
'") S. über das etruskische Vorbild bes.
Diodor V 40. In der sog. 'tomba del Lit-
tore' der Etruskerstadt Vetulonia hat sich
eine Doppelaxt, von 6 Stäben umgeben,
gefunden, also ein Instrument, das genau
dem W^ahrzeichen des römischen Im-
periums, den fasces, entspricht, s. die Abb.
in Notizie degJl scarl 1898, S. 157. Vgl.
A. RosENBEKG, Der Staat der alten Italiker,
42 Römische Geschichte,
liehe Verträge mit den Etruskern liatten;^) doch scheinen Spuren eines
stärkeren karthagischen Einflusses kaum vorhanden zu sein.
V. IIehn, Die Kulturpflanzou und Haustiere in ihrem L'bergang aus Asien nach
Griechenland und Italion. S. Aufl.. hrsg. von O. Schrader, Berlin litll. — A. Kir(h-
HOFF, Studien zur Geschichte des griechischen Alphabets, 4. Aufl., Gütersloh 1887,
128 ff. — Saalfeld, Der Hellenismus in Lutium, Wolfenbüttel 188>i; ders., Ten-
saurus Italo-Graecus, Wien 1884. — Weise, Die griechischen Wörter im Lateinischen
(Abh. der Jablonowskischen Gesellschaft XXXIII i, Leipzig 1882; ders. im Rhein. Mus.
N. F. 88. r,4(» ff. — E. Pais. Shuii sfnrici II (1893) 145 ft'.
7. Älteste Verfassung Roms. Anfänglich wurde Rom von Königen
beherrscht, die nach der Tradition von den Kurien gewählt wurden und
sämtliche magistratische Befugnisse für die Zeit ihres Lebens in sich ver-
einigten. Diese Überlieferung setzt den späteren Begriff der Magistratur
und die politischen und sozialen Verhältnisse, wie sie sich nachmals ge-
stalteten, schon für die Anfänge voraus und ist daher im wörtlichen Sinn
ohne historischen Wert. In Wahrheit läßt sich über diese Königszeit nichts
Bestimmtes wissen. Wenn wir aus der Analogie anderer Völker, besonders
der Hellenen, und aus den sonstigen Zuständen des alten Roms Rückschlüsse
ziehen dürfen, so war das Königtum eine mehr patriarchalische Institution,
der König selbst ein Mitglied des Adels. Die Erzählung läßt das König-
tum von einem Geschlecht zum andern übergehen, und diese Geschlechter
sind zum Teil noch später nachweislich. Mit dem Jahr 510 oder 509, oder
nach älterer Rechnung 508 oder 507 v. Chr., mit dem Jahr nämlich der Weihe
des kapitolinischen Tempels beginnt die Liste der Konsuln, und danach
wird das Jahr der Vertreibung der Könige bestimmt; ob sie wirklich in
diese Zeit fällt, wissen wir nicht, um so weniger, als das Königtum nicht
eigentlich abgeschafft, vielmehr, wie auch auf griechischem Boden, seiner
Macht allmählich entkleidet wnirde. Ein Rudiment, ein survival der Königs-
würde hat sich in dem lebenslänglichen Priesteramt des rex sacrorum er-
halten, wie auch das Amtslokal des Priesterkollegiums stets die Begia (die
Königsburg) hieß. Wie schon bemerkt, hat das Königtum wohl nicht durcli
einen einmaligen revolutionären Akt, sondern im Lauf der Entwicklung
seine politische Bedeutung eingebüßt. Der jähe Übergang von absoluter
Königsherrschaft zur freien Republik, wie ihn die traditionelle Legende
schildert, ist unhistorisch. 2) An die Stelle der geschwächten Monarchie trat
vielmehr ein oligarchisches Adelsregiment.
Nach der Überlieferung zerfielen seit Entstehung der Stadt die freien
Biirger in die beiden Stände, den regierenden der Patrizier und den re-
gierten der plebs oder Plebejer; als dritte Klasse werden die abhängigen
') Polyb. III 22. Aristot. Polit. III i),
1280 a 36.
2) Vgl. oben S.33. Niese bezweifelt eine
Vertreibung des königlichen Geschlechts
der Tarquinier auf Grund der von ihm
selbst (S. 62 der 4. Aufl.) als „rätselhaft"
sowenig der Bericht in den Einzelheiten
taugen mag, so ist diese Interpretation
doch der Vorstellung, als seien 260 männ-
liche Angehörige des — nach anderen
Angaben aus Rom längst ausgewiesenen
Tarquiniergeschlechtes exekutiert wor-
bezeichneten Notiz bei Diodor XVI 45, 8, den, vorzuziehen. E. Steix, Wiener Stu-
wonach noch im Jahr 354 v. Chr. 260 Tag- dien 38, 1916, 363 f., schloß sogar, daß die
y.vvioi ävögeg auf dem Forum in Rom hin- Geschichte der tarquinischen Könige erst
gerichtet worden seien. Aber nach Livius in Anlehnung an jene Ausrottung der
VII 19, 2 handelt es sich um kriegs- vornehmen Familie erfunden sei.
gefangene Einwohner von Tarquinii und ,
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Eampanern. (§7.) 43
clieuti'S genannt. Die Patrizier oder patres machen den ursprünglichen Senat
aus, so daß also der Eintritt in den Senat zugleich die Aufnahme in den
Patriziat bedeutet; Patrizier sind demnach die Mitglieder der Ratsgeschlechter,
die erblichen Anspruch auf den Sitz im Senat haben, und diesen Sinn be-
hält der Begriff; patres bezeichnet die Gesamtheit, patricius den einzelnen.
Es ist der alte Adel, der anfänglich allein den Zutritt zu den Gemeinde-
ämtern und Priesterwürden hat, wie er auch in griechischen Städten häufig
dominierte. Die annalistische Überlieferung weist den Patriziern die Rolle
der späteren Nobilität, von der sie sich jedoch wesentlich unterscheiden,
zu und hat dadurch Verwirrung gestiftet. In den Händen des Königs und
dieser patrizischen Geschlecliter. deren jedes über eine ergebene Klientel
verfügte, lag wahrscheinlich in ältester Zeit die Regierung der Gemeinde.
Die Patrizier teilten sich in ältere und jüngere Geschlechter [patres niaiorum
und inhiorii»! gentium): albanische Familien sollen nach der Zerstörung Alba
Longas durch den König Tullus Hostilius Aufnahme in den römischen Adel
gefunden haben; eine .andere Nachricht weiß von der Zuwanderung der
gens Claudia aus dem Sabinerlaud.^) Der Patriziat mufa also wiederholt
Zuwachs erhalten haben und kann nicht, wie es später bis zum Ende der
Republik der Fall war, geschlossen gewesen sein. Wahrscheinlich ist erst
infolge der Ständekämpfe und der Fortschritte der demokratischen Be-
wegung eine Erweiterung des Kreises der patrizischen Geschlechter unter-
sagt worden.
Die Patrizier teilen sich nach Geschlechtern, und das Geschlecht [gens]
hat im älteren Rom eine große politische und soziale Bedeutung: das Band
der Geschlechter erwies sich oft als stärker als das der Gemeinde. Diese
Bedeutung des Geschlechts spiegelt sich schon in der römischen Namen-
gebung, die den Geschlechtsnamen dem Eigennamen regelmäßig beifügt,
was zu einer Verkümmerung der Eigennamen führte.^) Nach Geschlechtern
ist auch die große Mehrzahl der alten Tribus benannt. Von jeher gab es
Geschlechtsgottesdienste, deren manche auf die ganze Gemeinde übergingen..
So gehört den Geschlechtern der Potitier und Pinarier ursprünglich der
Dienst des Herkules an der ara maxima, und die Fabier und Quinktilier
hatten besonderen Anteil am Fest der Luperkalien. Man erkennt die Be-
deutung des Geschlechtsverbandes noch später in der legitimen und üblichen
Berücksichtigung der Verwandtschaft in der Gemeindeverwaltung. Einzelne
Geschlechter kamen zuweilen zu außerordentlicher Macht; ein Beweis aus
alter Zeit sind vielleicht die Fabier, deren Haus nach den Fasten sieben
Jahre lang ohne Unterbrechung (485 — 479 v. Chr.) stets den einen der beiden
Konsuln stellte. 3) Ahnliches beobachtet man auch später. Die ältere Ent-
wicklung der römischen Verfassung bestellt zum guten Teil darin, daß all-
')Liv. II35. SuetonTib. 1. Tacit. aiinal. ist meist das Cognomen in den Yorder-
XI 24. Die Zeit der Einwanderung wird grund gerückt,
verschieden angegeben. ^) Vgl. F. Münzek, Eöm. Adelsparteien,
*) Der ursprüngliche Eigenname ist das I Stuttgart 1920. 53, 409. Pais, Storia critica
spätere Pränomen, wie Gaius und Publius; [ di Roma II, 160 f. glaubt wohl im allge-
in den ältesten Denkmälern und nament- i meinen an eine Vorherrschaft einzelner
lieh bei Polybios ist dieser Gebrauch noch Geschlechter, aber nicht unbedingt an die
erhalten. In der späteren klassischen Zeit sieben Konsulate der Fabier.
44
Römische Geschichte.
mählich die Gemeinde über die Geschlechter das Übergewicht erhält, so dafj
der Bürger nicht mehr diesen, sondern jener in erster Reihe angehört.
Die imtergeordneten Mitglieder der Geschlechter sind die dienfes, Schutz-
befohlene, vielleicht auch Gefolgsleute; denn auch das älteste Heer dürfen
wir uns nach Geschlechtern geordnet denken. Wie ihr Herr sie schützt,
(SO sind auch sie ihm zur Hilfe in jeder Not verpflichtet, und dieses Pietäts-
verhältnis zwischen Klienten und Patronen hat sich bis an das Ende der
Republik in Rom behauptet.')
Die Plebs oder die Plebejer waren die nichtpatrizischen, d. h. minder
berechtigten Bürger, die an der Verwaltung des Gemeinwesens keinen An-
teil hatten, es sind die Freien, zum größten Teil Landbewohner und Acker-
bauer, dazu die städtische, Handel und Gewerbe treibende Bevölkerung.
Von den Patriziern sind sie durch eine tiefe Kluft geschieden; zwischen
den beiden Ständen bestand keine Ehegemeinschaft (conubiuni)/^) Wie die
Plebejer entstanden, ob aus den Klienten, ob aus einer unterworfenen Be-
völkerung oder aus zugewanderten Latinern, wissen wir nicht. Es gibt
dariiber viele Vermutungen, von denen jede einen Teil der Wahrheit treffen
kann, von denen jedoch keine gut begründet oder auch nur notwendig ist;
denn der Unterschied der Stände ist so alt wie Rom selbst, wie denn auch
dem Romulus die Stiftung der Plebs zugeschrieben wird, und die von Nie-
buh r geäußerte, auch von Th. Mommsen geteilte Meinung, daß die
Patrizier die Altbürger seien, daß also die römische Bürgerschaft einst nur
aus Patriziern bestanden habe, ist sicherlich irrig, da der Patrizier den
Plebejer voraussetzt und sich weder dieser ohne jenen, noch jener ohne
diesen denken läßt.^) Dunkel ist besonders das ursprüngliche Verhältnis
der Plebejer zu den Klienten; in der Ursprungsgeschichte fallen sie beide
zusammen und ist die plebs in der Klientel der patres, aber später, als die
Plebejer etwas bedeuten, haben sie gleich den Patriziern Geschlechter und
Klienten. Damals bezeichnet das Wort cliens ganz allgemein das Verhältnis
zum patronus, gleichviel ob derselbe Patrizier oder Plebejer ist. Es ist noch
zu bemerken, daß einige Geschlechter patrizische und plebeische Mitglieder
zählten, wie z. B. die Klaudier.
Vorsteher des Gemeinwesens waren nach Beseitigung des Königtums
in der historischen Zeit zwei jährlich wechselnde Magistrate, consides oder
praetores, die von der Gesamtheit der Bürger gewählt wurden. Nur in
Zeiten dringender Kriegsgefahr wurde einem einzigen Magistrat, dem Dik-
tator, oder, wie er ursprünglich hieß, dem maf/isfer popiili, der höchstens
') Dionys. Hai. II 9. Vgl. Mommsen, Rom.
Staatsrecht III hi ff. v. Premerstein, PW
IV 23 f.
') Hierfür gibt es griechische Ana-
logien. Bei der Revolution auf Samos 412
v.Chr. wurde das connbnim zwischen Demos
Sparta gab es nichts, was den römischen
Plebejern entsprochen hätte. Mit der im
Text geäußerten Ansicht stimmt Ed.Meyer,
C4esch. d. Altertums II ölO ff. wesentlich
überein. Die neueren Theorien über die
Entstehung der Plebs bespricht G. Bloch,
und Geomoren aufgehoben. Thukydides i??^. /^/s^o/-/^«^, 1917, 106, 241 ff. und 107, 1 ff.
VIII 21. Als zugewanderte Latiner, hauptsächlich
3) NiEBüHR, Rom. Gesch. I 364 ff. Momm- Kaufleute, betrachtet A. Rosenberg, Her-
SEN, Rom. Staatsrecht III 1. Der von Nie- mes 48, 1913, 359 ff. die Plebejer, die einen
buhr herangezogene Vergleich der Patri- 'Staat im Staat' bilden,
zier mit den Spartiaten paßt nicht. In ;
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§ 7.) 45
sechs Monate im Amt sein durfte, der Oberbefehl übertragen; ein Reiter-
führer, magister equitum, wurde ihm beigegeben. i) Der Eat der Gemeinde
ist der seuatus. Nach der ersten Ordnung des Romulus soll es 100 Sena-
toren {patres) gegeben haben; die spätere Normalzahl, 300, rührt angeblich
von Tarquinius Priscus her (oben S. 32) und wird nach Vertreibung der
Könige durch Aufnahme plebeischer Mitglieder (der sog. conscripti) wieder-
hergestellt. 2) Seit dieser Zeit würde also der Senat auch den Plebejern
zugänglich gewesen sein. 3) Der Volksgemeinde wird das Wahlrecht und
das Recht, Gesetze und Verträge zu genehmigen, von Anfang an beigelegt.
Aber ihre Beschlüsse und Wahlen bedürfen der Bestätigung [auctoritas) des
patrizischen Senates, der patres. Die Versammlungen, in denen sie das Recht
ausübt, sind die comitia, die sich nur unter Leitung eines dazu befugten
Beamten versammeln dürfen. Die Abstimmung erfolgt in frühester Zeit
unter den Königen und vielleicht auch noch später nach Kurien. Ein Rest
dieses Rechts der Kurien blieb bis ans Ende der Republik in der lex curiota,
durch welche den schon gewählten Beamten das imperium verliehen wurde.
Später ist Volk und Volksversammlung nach Vermögen, Alter und Wehr-
pflicht in fünf Klassen [classes] und 193 Centurien eingeteilt, die vom König
Servius Tullius eingerichtet sein sollen. Diese comitia centuriata geben den
eigentlich vollgültigen Ausdruck des Volkswillens. Die Grundlage der Ver-
waltung für Aushebung und Steuern sind die Tribus, deren es zuerst 21 gab,
4 städtische und 17 ländliche. Angeblich sind sie 495 v. Chr. gestiftet.'*)
Sie nehmen in politischer Hinsicht die Stelle der alten Kurien ein und ver-
drängen diese vollständig. Sie sind zugleich Stimmabteilungen, nach denen
das Volk in gewissen Fällen in Tributkomitien [comitia trihuta) abstimmte.
Das älteste bekannte Rom stellt sich als ein größeres Gebiet dar mit
der Stadt, dem Wohnsitz des regierenden und begüterten Standes, im Mittel-
punkt. Die Hauptmasse der Bevölkerung ist bäuerlich und ländlich, ein
zäher und kriegstüchtiger Menschenschlag mit derben egoistischen Instinkten.
Die Wirtschaft hat man sich in ihren Anfängen als primitiv zu denken;
leider ist nichts Näheres bekannt, weder über die Verteilung des Grund-
') Angeblich wui-de die Diktatui-, diese
„Einfügung der monarchischen Königs-
gewalt in eine republikanische Staats-
ordnung", gleich in den ersten Jahren
der Republik, 501 oder 499 oder 498 v. Chr.
notwendig. Die Überlieferung schwankt
(Liv. II 18, 4). Die Latiner kennen eine
Jahresdiktatur, die auf etruskisches
Vorbild zurückgehen mag. Vgl. A. Rosen-
berg. Der Staat der alten Italiker, Berlin
1913; 71 ff.
-) Allerdings wird dem Tarquinius nur
die Verdoppelung des romulischen Senats
zugeschrieben. Unsere Überlieferung ist
unvollständig und hat den Übergang von
den 100 ursprünglichen patres zu den 300
späteren nicht gefunden. Mommsen, Röni.
Sjtaatsrecht III 845. tJbrigens ist nicht zu
verschweigen, daß nach dem abweichen-
den Bericht des Tacitus (ann. XI 25) nicht
die Plebejer, sondern die patres minorum
gentium nach der Vertreibung der Könige
von Brutus in den Senat aufgenommen
sein sollen. Oben S. 32 A. 1.
2) F. Hofmann, Der röm. Senat, Berlin
1847; P. Willems, Le se>wt de la rt'puhlique
Romaine, 1. Bd. 2. Ausg. Löwen 1885, 2. Bd.
1883; G. Bloch, Les origines du sniat Ro-
main, Paris 1883.
^) Die Stiftung der Ti-ibus ist jeden-
falls älter als 387 v. Chr., wo die erste
Vermehrung erfolgte. Mommsen will sie
471 V. Chr. ansetzen. Von den ländlichen
Tribus sind 16 gentilizisch, d. h. sie führen
die Namen ijatrizischer Geschlechter, nur
eine, die Crustumina, ist nach dem Ort
Crustumerium benannt; man vermutet
daher, sie sei später hinzugefügt, um die
Zahl 21 voll zu machen. Doch sind die
Tribus wohl von jeher von ungerader Zahl
gewesen. Mommsen, Staatsr. III 16G ff.
46 Römische Geschichte.
besitze« noch über das Verhältnis der Kleineren zu den Größeren, i) Auch
Handel-) und Gevverbfleifs kann nicht gefehlt haben. Die Kollegien der
Handwerker werden schon auf Numa zurückgeführt, gelten also für uralt. 2)
Eigenes Geld fehlt; der älteste Wertmesser war das Vieh, wovon das Geld
pecunia seinen Namen hat. Als Tauschmittel diente sodann das Kupfer, das
gewogen wurde {aes nu/c), wie es sich im sakralen Gebrauch noch lange erhielt.
Erst später schlug man Kupfermünzen mit Wertzeichen und Gepräge; die
ältesten, deren Gepräge bereits eine vollendete Kunst der Plastik voraussetzt,
können nicht älter sein als etwa 350 v. Chr. Übrigens hatte man schon früh-
zeitig Edelmetalle und bediente sich außerdem gelegentlich fremder Münzen.-*)
Der Gemeindehaushalt war einfach. Die Einkünfte, aus denen die regelmäßigen
Bedürfnisse bestritten wurden, bestanden wohl aus dem Ertrag des öffentlichen
Eigentums an Grund und Boden, Gebäuden usw. und den damit verbundenen
nutzbaren Rechten, wozu man den Ertrag der Salinen rechnen kann.
Bemerkenswert ist die religiöse Gebundenheit bei den Römern wie im
übrigen Italien; jede Handlung schien ihm von Göttern und Dämonen re-
giert, und mit Eifer suchte er daher ihren Willen aus Vorzeichen zu er-
kennen und sich ihrer Huld zu versichern. Bei alledem ist der Einfluß
von Priestern, selbst von denen der Hauptgottheiten, in der Gemeinde nicht
zu bemerken. Der Gottesdienst und seine Organe standen, soviel war wissen,
von jeher im Dienst der Gemeinde; die Aufsicht über die Religionsübung
hatte das Kollegium der poufifices, eine Behörde von halb priesterlichem,
halb magistratischem Charakter, die vornehmlich Gutachten abzugeben hatte.
Ein anderes Kollegium, die Augurn, besorgte das wichtige Gebiet der
offiziellen Mantik. Beide standen in enger Fühlung mit den Magistraten
und dem Senat und sorgten dafür, daß die Religionsübung mit den politi-
schen Bedürfnissen stets im Einklang blieb.
F. Beknhöft, Staat und Recht der römischen Königszeit im Verhältnis zu anderen
Rechten, Stuttgart 1882. — H. Jordan, Die Könige im alten Italien, Berlin 1887. — ■
MoMMSEN, Römische Forschungen I 69 ff. 355 ff. ; Staatsr. III 3 ff. — • Genz, Das patri-
zische Rom, Berlin 1878. — W. Soltau, Die Entstehung und Zusammensetzung etc.,
625 ff. — J. BiNDEK, Die Plebs, Leipzig 1909.
8. Auswärtige Kriege. Zu Beginn der geschichtlichen Erinnerung steht
Rom unter der Oberherrlichkeit der Etrusker. Wie lange diese dauerte,
\) MoMMSEN vermutet (Rom. Gesch. I* [ quia agrorum partes attribuercmt tenuioribiis
187: Rom. Forschungen I 306), Ursprung- ac si Jlheris proprUs ist ohne Wert, weil
lieh sei aller Grund und Boden in den hier offenbar aus dem Gleichklang von
Händen der Patrizier und ihrer Geschlech- patres und partes eine Etymologie erstrebt
ter gewesen und von ihnen nach dem wird, wie überhaupt bei der Rekonstruk-
System der Feldgemeinschaft bestellt tion der ältesten Zustände mit falschen
worden; die Plebejer hätten als unter- Etymologien ein bedenkliches Spiel ge-
geordnete Glieder der Geschlechter ihren trieben wird.
Anteil am Lande von den Patriziern zur j ^) Ein alter Handelsartikel ist das in
Nutzniefsung erhalten, seien also von den römischen Salinen gewonnene Salz,
diesen ganz abhängig gewesen. K. J. Neu- ; das von hier ins Binnenland ging. Die
MANN (Die Grundherrschaft der röm. Repu- j via Salaria hat davon ihren Namen,
blik, die Bauernbefreiung und die Ent- \ ') Plut. Numa 17.
stehung der servian. Verfassung, Akadem. : *) Mommsen, Geschichte des römischen
Rede, Sti-aßburg 1900) hat diese Gedanken Münzwesens, 169 ft'. — K. Samwer, Ge-
weiter ausgeführt. Aber die Beweise sind schichte des älteren römischen Münz-
nur schwach. Das Zeugnis des Festus wesens bis ca. 20l> v. Chi'., hrsg. von M.
p. 247 M. patres senatores ideo appeUati sunt, ! Bahkfeldt, Wien 1883.
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§ «.) 47
ist nicht bekannt; die Befreiung, die spätestens zu Anfang des 5. Jahr-
hunderts V. Chr. geschehen sein muß, ist nach einer glaubhchen Überliefe-
rung mit Hilfe der Chalkidier in Kyme erfolgt.') Erst jetzt war die selb-
ständige Entwicklung und Erweiterung der römischen Maclit möglich, deren
Voraussetzung und Grundlage das Bündnis mit den Latinern und Hernikern
ist, wie es nach den Annalen 493 und 486 v. Chr. geschlossen sein soll.
Vielleicht ist gerade die Befreiung von der etruskischen Herrschaft Anlaß
des Bündnisses geworden. Doch war es nicht nur gegen Etrusker gerichtet,
sondern auch gegen andere feindliche Nachbarn, vor allem die Aequer und
Volsker, unruhige und streitbare Stämme, die oft das latinische Gebiet mit
Raubzügen heimsuchten und gegen die Eom an der Spitze der Latiner lange
Krieg zu führen hatte. Die Überlieferung über diese Kriege in der älteren
Gestalt bei Diodor^) läßt, so dürftig sie auch ist, dennoch die Grundzüge
der Ereignisse wenigstens in schwachen Umrissen mit genügender Deutlich-
keit erkennen.
Zu Anfang kann man eine gewisse Überlegenheit der Aequer und Volsker
bemerken ; einzelne latinische Städte, wie Tuskulum, Labici, Velitrae, machen
anscheinend mit den Feinden gemeinsame Sache; die Aequer besetzen Tus-
kulum, die Volsker Vehtrae und vielleicht sogar Antium. Von Siegen der
Volsker spricht die verhältnismäßig alte Sage von dem römischen Verbannten
Cn. Marcius Coriolanus,^) der an der Spitze eines volskischen Heerhaufens
unaufhaltsam gegen Rom vorrückt und erst auf Bitten seiner Mutter vor
den Toren umkehrt."*) In den nächsten Jahren sind die Römer durchweg
') Unter Führung des späteren Tyrannen rührt wurden. Pais hält an seiner von
Aristodemos Malakos, Plut. mul. virt. 2(5. , Niese abgelehnten Hypothese einer „sa-
Vgl. Diouysios Hai. VII 5. Liv. II 14, die binischen Invasion" gegen Mitte des
dasEreignis508 v.Chr. setzen. Fais {Storia 5. .Jahrh. v. Chr. fest, vgl. seine Rlcerche
di Roma 1 1. 623 flf.) läfst die etruskische sulla storia e sul diritto pubblico di Roma
Herrschaft bis in die Mitte des ö. Jahrh. I, 1915, 347 ff.
v. Chr. dauern und danach um 440 v. Chr., i -) Diodor XI 37. 40; XII 30. 34. 64 ; XIII
gleichzeitig mit der Eroberung Kam- 6. 42; XIV 10. 11. 34. Bei Livius und Dio-
paniens durch die Samniten, eine sabini- | nysios werden diese auswärtigen Kriege
sehe Invasion und Herrschaft über Rom oft mit den politischen Kämpfen der rö-
luid Latium folgen, die in der Sagenpoesie mischen Bürgerschaft in Verbindung ge-
durch die Personen der Sabiner Titus bracht. Dies ist eine spätere Ausmalung,
Tatius und Numa Pompilius verkörpert von der sich in der älteren Überlieferung-
worden sei. Pais will also den Fall der ! nichts findet.
etruskischen Macht in Kampanien und I ^) Schon Fabius Pictor (fr. 17) erzählte
Latium gleichzeitig setzen, und wirklich I seine Geschichte. Doch sei dazu bemerkt,
könnte man es vielleicht für unwahr- daß der Beiname Coriolanus wahrschein-
scheinlich halten, daß die Etrusker ihre lieh erst der späteren Bearbeitung der
Herrschaft über Rom verloren hätten, Sage angehört. In der älteren Form der
ehe sie aus Kampanien vertrieben waren. ; Überlieferung pflegen die Cognomina zu
Aber in Wahrheit ist dies sehr wohl mög- i fehlen; erst im Laufe des 2. Jahrh. v.Chr.
lieh. Die Etrusker waren kein Einheits- j werden sie häufiger und kommen erst
Staat, sondern bestanden aus lauter selb- gegen Ende des Jahrhunderts in amtlichen
ständigen Städten, die keineswegs fest , Gebrauch. Mommsex, Rom. Forsch. I 47.
zusammenhielten, und auch die auswar- Wo also aus älterer Zeit ein Cognomen
tigen Erobervuigen waren sicherlich mehr erscheint, muß in der Regel jüngere Uber-
Sache der einzelnen als des Ganzen. Eine 1 lieferung oder Bearbeitung angenommen
größere Macht, wie sie etwa Porsenna ver- i werden.
einigte, konnte leicht wieder auseinander- ■*) Angeblich 489 und 488 v. Chr. Corio-
fallen, bei welcher Gelegenheit einzelne I lanus wird als Optimat geschildert, der
Unterworfene sich befreien mochten, ohne 1 die 494 v. Chr. durch die Sezession er-
daß die Etrusker als Ganzes davon be- I worbenen Rechte der Plebs einzuschrän-
j.<^ Römische Geschichte.
siegreich; doch bleiben ihre Siege ohne nachhaltige Wirkung, auch handelt
es sich offenbar nicht etwa um große Schlachten, sondern um kleinere Ge-
fechte. 485 V. Chr. wurden nach den Berichten die Volsker besiegt, im
Jahre danach die Aequer. Berühmt ist die Schlacht, in welcher der Diktator
L. Quinctius (Cincinnatus) die Aequer schlug und dadurch ein römisches Heer
aus der feindlichen Umzingelung befreite. Die Zeit dieser sagenhaften Be-
gebenheit kann jedoch nicht verbürgt werden.') Es tritt dann gegen die
Aequer eine Zeitlang Ruhe ein. Über die Volsker wurde 446 v. Chr. ein
Sieg erfochten, und vielleicht steht mit dem Volskerkrieg die Kolonie in Zu-
sammenhang, die 442 v. Chr. 2) von den Römern nach Ardea geschickt wurde.
Gegen die Aequer brach 432 v. Chr.^) der Krieg wieder aus. Der Diktator
A. Postumius (Tubertus) erfocht einen namhaften Sieg über sie. Weitere
Erfolge werden aus den Jahren 418 und 414 v. Chr. berichtet; die Römer
dringen im feindlichen Lande vor und besetzen einzelne Plätze. Ebenso l)e-
merkt man gegen die Volsker ein beständiges, wenn auch langsames Fort-
schreiten. Der latinische Küstenstrich wird gegen die feindlichen Angriffe
behauptet und schliefalich durch einen bedeutenden Erfolg, die Eroberung
Anxurs (406 v. Chr.), gesichert. Die Grenzstadt Velitrae hatte damals eine
römische Besatzung oder Kolonie, die bald danach (404 v. Chr.) verstärkt wurde.
Mit ihren etruskischen Nachbarn standen die Römer seit alters in
Berührung. Unter den beiden nächstgelegenen etruskischen Städten ist
Caere, solange wir wissen, mit Rom befreundet, dagegen die nördliche
Nachbarin Veji gehört zu den regelmäßigen Feinden. Es war eine große,
feste Stadt, nicht kleiner als Rom selber.'*) Mit Veji pflegt die nördlich
vom Anio gelegene latinische Stadt Fidenae^) verbündet zu sein. Schon
Romulus soll beide Städte besiegt haben; die historischen Kämpfe mit
ihnen dauern mit wechselndem Erfolg mehr als 80 Jahre. Berühmt ist
eine Niederlage, welche die Römer 477 v. Chr. von den Vejentern am
Flüßchen Cremera erlitten. Mit dieser Niederlage wird in der Überliefe-
rung ein sagenhaftes Ereignis verbunden, der Heldentod von 306 Fa-
biern, Gliedern des fabischen Geschlechtes, die in einen Hinterhalt der
Etrusker gefallen sein sollen. "5) Aus dem Kampf mit Fidenae sind uns eben-
falls noch einige ältere Nachrichten erhalten. Noch zur Zeit des Augustus
gab es als Trophäe aus diesem Krieg die spolia opiina, die der römische
Feldherr A. Cornelius (Cossus) dem von ihm erschlagenen Führer der Fide-
naten abgenommen hatte, vielleicht in seinem Konsulat 428 v. Chr.'^) Aus
ken suchte und daher in die Verbannung 1 Landeskunde II 604 f.
gehen mußte. Seine Gestalt ist dem ^) Diodor XI 53. Liv. II 50. Dionys.
Tliemistokles nachgebildet. Vgl. Mommsen, IX 19. Ovid. fasti II 197. Vgl. E. Pais,
Köm. Forschungen I 113 f. Storia critica dl Roma II 32, 1. Eine ähn-
') 458 V. Chr. nach Livius III 26 f. Vgl. liehe Begebenheit erzählt Livius VII 15
zur Entstehung der Tradition O.Hirsch- j (358 v.Chr.) aus dem Kriege mit Tarquinii.
FELD, Kl. Sehr., 246 f. j 307 römische Gefangene unter einem Fa-
■■') Liv. IV 11; Diodor XII 34. ! bius sollen damals von den Tarquinien-
3) 431 V. Chr. nach Liv. IV 26 und den
ftisfi triumphaJes.
■*) Beim heutigen Isola Farnese, etwa
18 km von Rom entfernt.
'") Beim heutigen Castel Giubbileo, etwa
8 km von Rom entfernt. Nissen, Ital.
sern getötet worden sein. E. Stein, Wiener
Studien 38, 1916, 362 sieht in der Cremera-
katastrophe eine Dublette des letzteren
„wahrscheinlich historischen Vorfalls".
') Liv. IV 20. Festus p. 189 M. Nach
anderer Version (Propert. V 10, 23) wur-
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanera. (§ 9.) 49
dem Jahre 426 v. Chr. wird von einer unentschiedenen Schlacht vor den
Mauern von Fidenae berichtet;^) später, zu unbestimmter Zeit, muß die Stadt
erobert und zerstört worden sein. 2) Gegen Ende des Jahrhunderts erhalten
wir genauere Kunde. Es brach ein langer, elfjähriger Krieg zwischen Veji
und Rom aus (406 — 396 v.Chr.); 3) zuletzt wurde Veji nach längerer, wechsel-
voller Belagerung von dem Konsul M. Furius (Camillus) durch einen Minen-
gang erobert und zerstört. Die Bewohner der eroberten Stadt wurden ver-
kauft, das Gebiet eingezogen, um bald danach an römische Bürger und
Latiner aufgeteilt zu werden.*) Das war eine bedeutende Erweiterung des
römischen Gebiets, die sich bald den Nachbarn fühlbar machte. Schon 395
V. Chr. kam es zum Krieg mit den Faliskern, der im nächsten Jahre durch
einen Frieden beendet wurde,-'') vielleicht weil die Aequer und Volsker da-
mals sich von neuem rührten. Gegen die Aequer wurde 394 — 392 v. Chr.
mit Glück Krieg geführt, der letzte und entscheidende Sieg (392 v. Chr.)
in Rom durch Spiele gefeiert.'') Inzwischen waren 393 v. Chr. Velitrae und
Satricum zu den Volskern abgefallen, obwohl jenes noch kurz vorher
von neuem mit römischen Kolonisten beschickt worden war. Die Römer
sandten damals (393 v. Chr.) eine Kolonie nach Circeji und scheinen die
abgefallenen Städte bald wieder erobert zu haben, wenn auch die Annalen
nichts darüber berichten.^) In Etrurien kam es, im Verfolg des Sieges über
Veji, im Jahre 391 v. Chr. zu einem Krieg mit Volsinii,^) in dem die Volsiniten
eine Niederlage erlitten. Immer weiter dringen die Römer in Etrurien vor.
Über Coriolanus: Mommsen, Rom. Forsch. II 11.3 ff. — Die Fabier an der Cremera:
O. Richter, Hermes 17, 425. Der Fidenatenkrieg: Mommsen, Rom. Forsch. II 231 ff.
Niese, Hermes 13, 412. — Beaufort, Sur rhicertitnde, 50.
9. Rom und die Gallier. Quellen. Die gallische Katastrophe gewinnt da-
durch ein besonderes Interesse, dafs sie zu denjenigen Stücken der älteren Geschichte
gehört, die verhältnismäßig frühzeitig eine ausführlichere Behandlung erfahren haben.
Der älteste, kurze Bericht ist der des Polybios (16. II 18. 22, 4 f.). Ihm am näch-
sten kommt die Erzählung Diodors (XIV 113 f.), die schon manche Spuren poeti-
scher wie antiquarischer Bearbeitung aufweist. Bezeichnend ist, daß danach Camillus
den Galliern das erbeutete Gold später wieder abnimmt.*^) Die dritte Stufe der Über-
lieferung ist erhalten bei Livius (V 32 f.), Plutarch (Camill. 13 f.) und den Ex-
zerpten aus Dionysios, Appian und CassiusDio. Diesen späteren Bearbeitungen
liegt im wesentlichen die Erzählung in der Gestalt, wie sie Diodor gibt, zugrunde,
ist jedoch bei ihnen durch stärkeren Chauvinismus und durch allerlei Beiwerk entstellt.
den die Spolien vor Veji dem Vejenter- ; sollten. Cicero Phil. 9 § 4. Liv. IV 17.
könig Lars Tolumnius abgewonnen. Über j Schweglee, Rom. Gesch. III 196.
die Inschrift auf der erbeuteten Rüstung ' ^) Die späteren Annalen haben den Krieg
vgl. E. Pais, Storia critica di Roma II 308 f. ■ nach dem Vorbild des trojanischen auf
559, O. Hirschfeld, Kl. Sehr. 398 f., E. ; zehn Jahre eingeschränkt und zugleich
Täubler, Untersuchgg. zur Gesch. des aus der trojanischen Sage verschiedene
Decenivirats und der Zwölftafeln, Bei'lin Züge eingefügt. Schwegler, Rom. Gesch.
1921, 133 ff. III 209. 217.
1) Diodor XII 80. ') Diodor XIV 16. 43. 93. 102.
"-) Macrob. III 9,. 13. Ein Denkmal aus ^) Diodor XIV 96. 98.
dem Krieg mit Fidenae waren auf dem rö- [ ^) Diodor XIV 98. 102. 106.
mischen Forum die Statuen von vier römi- j ') Diodor XIV 34. 102.
sehen Gesandten, die von den Fidenaten j ^) Das heutige Orvieto.
oder nach anderer Version vom Vejenter J ^) Was bei Strabo V 220 den Caeriten
Lars Tolumnius in Fidenae ermordet sein ; zugeschrieben wird.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 4
50 Römische Geschichte.
In solcher Ausbreitung ihrer Macht wurden die Römer (und wahrschein-
lich auch die Latiner) unvermutet von den Kelten, oder wie die Römer
die Eindringlinge nannten, den Galliern heimgesucht. Dieses mächtige, viel-
köpfige Volk bewohnte damals einen großen Teil von Nord- und West-
europa; nördlich von den Alpen waren die Donaulandschaften, das heutige
Süddeutschland bis zum Thüringerwald in ihrem Besitz. Sie waren tief in
die Alpen eingedrungen, dann über die Alpen gezogen und hatten die Po-
ebene besetzt. Herodot, der in den ersten Jahren des peloponnesischen
Krieges schrieb, kennt sie dort noch nicht; erst im Periplus des sog. Skylax
(c. 18) erscheinen sie an der Küste, neben ihnen aber noch die Etrusker.
Gegen Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. scheint sich also das Ereignis voll-
zogen zu haben.
Die vulgäre, aber jüngere und durchaus mythische Erzählung^) läßt
die Kelten aus ihrem späteren Hauptsitz Gallien von Nordwesten her über
die kottischen oder grajischen Alpen in Italien einwandern, und dies ist
noch heute eine weitverbreitete Ansicht.^) Aber nach der älteren Über-
lieferung 3) waren die Kelten schon früher mit den Etruskern in Berührung
gekommen, überfielen sie plötzlich, verjagten und unterwarfen sie und ließen
sich zu beiden Seiten des Po nieder. Diese Nachricht macht es wahrschein-
lich, daß sie von Norden her aus dem Donaugebiet in Italien einbrachen;
denn die Berührung muß im Etschtal und in der Richtung des Brenner
erfolgt sein, wo die Etrusker noch hoch hinauf wohnten. Nicht allein die
Etrusker wurden nun bis auf einige Reste allmählich verdrängt, auch die Um-
brer mußten das adriatische Küstenland räumen. Die Gallier besetzten das
gewonnene Land bis Ancona und darüber hinaus und machten sich auch
die Nachbarn Untertan. Zugleich wurden die Ligurer zurückgedrängt, so
daß die Kelten nunmehr den größten Teil der oberitalischen Ebenen ein-
nahmen; nur die Veneter behaupteten sich in ihrem Lande. Es waren acht
gallische Stämme, die einwanderten; am linken, nördlichen Ufer des Po
waren die Insubrer (um Mailand) und östlich von diesen die Cenomanen
(oder Genomanen),^) am rechten die Bojer und Senonen die namhaftesten,
die Bojer in der heutigen Romagna und Emilia, die Senonen weiter süd-
wärts bis Ancona. In weitem Umkreis setzten sie den Nachbarn, zunächst
den Etruskern, zu und schon die früheren Etruskerkriege der Römer mögen
durch den gleichzeitigen Druck der Gallier erleichtert worden sein.^) Doch
auch nach dem übrigen Italien, bis nach Apulien hinein erstreckten sich
die gallischen Beutezüge. Der kriegerische Ruhm der Gallier verbreitete
') Livius V 31. Dionys. XIII 10 f. Plut. Genumana salicfa sagt der Dichter Cinna
Cam. 15. Vgl. Niese, Zeitschr. f. deutsch. ' bei Gellius NA XIX 13, 5.
Altertum 42 (1898) 129 ff. Die liviauische ■') Nach Corn. Nepos bei Plin. h. n. III 125
Erzählung geht von den späteren Zu- wurde in Oberitalien die Stadt Melpum
ständen aus und ist erst nach der Erobe- I (unbekannter Lage) von den Insubrern,
rung Galliens durch Caesar entstanden. | Bojern und Senonen an dem nämlichen
2) Auch Camille Jüllian, Histoire de la Tage zerstört, an dem Camillus Yeji
Gaule I 289 folgt ihr. | eroberte, also 396 v. Chr. Eine sagenhafte
5) Polyb. II 17. Diodor (XIV 113) ist j Nachricht, die Niebuhr (Rom. Gesch. II
neutral; vgl. Justin XX 5. 580 ff.) und seine Nachfolger zu Unrecht
*) Fwofiävoi bei Polyb. II 17, 4. 23, 2. zur Grundlage chronologischer Berech-
24, 7. 32, 4. revofiävoi bei Strabo V 216. | nung machten.
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§ 9.) 51
sich und sie waren als Söldner geschätzt. So nahm Dionysios I von Syrakus
Gallier in Dienst, um sie 368 und 367 v. Chr. den Sj)artanern nach Griechen-
land zu Hilfe zu senden; bei dieser Gelegenheit machten die Hellenen mit
ihnen Bekanntschaft. ')
Im Jahr 390 v. Chr. (nach späterer römischer Rechnung) kam ein galli-
scher Schwärm über den Appennin nach Etrurien, wo erClusium belagerte.^)
Es wird erzählt, daß eine römische Gesandtschaft, die sich dorthin begab,
um die" ungebetenen Gäste in Augenschein zu nehmen, sich verleiten ließ,
wider das Völkerrecht am Kampf teilzunehmen. Da die Auslieferung der
Schuldigen verweigert wurde, wandten sich die Kelten gegen Rom. Die
Römer rückten ihnen mit ihren Bundesgenossen entgegen, erlitten aber eine
schwere Niederlage. 3) Trümmer des Heeres retteten sich nach Veji, Rom
selbst wurde preisgegeben vmd drei Tage nach der Schlacht ohne Gegen-
wehr von den Galliern genommen, woraus sich schließen läßt, daß die Stadt
damals noch keinen festen Mauerring besaß; nur das Kapitol ließ sich be-
haupten. Die Einwohner hatten sich in die Nachbarstädte zerstreut, in Caere
barg man die wertvollsten Heiligtümer,'^) während Rom größtenteils von
den Eindringlingen durch Feuer zerstört wurde. Sieben Monate^) hielten
die Gallier die Stadt besetzt und belagerten das Kapitol; dann schlössen
sie mit den Belagerten einen Vertrag und zogen gegen Zahlung von tausend
Pfund Gold *^) wieder ab. Es war nach Polybios ') ein Angriff der Veneter,
der sie in die Heimat zurückrief.
Diese Eroberung Roms durch die Gallier erregte die Aufmerksamkeit auch
der griechischen Welt. Theopomp erwähnte das Ereignis, ebenso Aristoteles
und Herakleides ; s) diesem Interesse verdanken wir wahrscheinlich die Mög-
1) Xenophon Hellen. VII 1, 20. 31. Justin.
XX5; vgl. Aristoteles eth.Nicom. p. 1115b
27. eth. Eudem. p. 1229b 28.
'■') Über die Herkunft dieser Kelten ist
nichts bekannt, der Stamm wird nicht
bezeichnet. Nach Polyb. II 22, 3 müssen
es Transalpiner gewesen sein, also nicht
Angehörige der in Oberitalien schon an-
sässigen Stämme, sondern wanderndes
Kriegsvolk. Vgl. Diodor V 32, 5. Nach
den späteren Berichten hätte es sich um
Senonen gehandelt (Diodor XV 1 13, 3. Liv.
V 35, 3. Strabo V 212. Plin. h. n. III 116.
Tac. ann. XV 41).
^) Nach der später eingebürgerten, von
Livius u. a. vertretenen Tradition fand
die Schlacht an der Allia statt, also nörd-
lich von Fidenae auf dem linken Ufer des
Tiber, in den die Allia mündet. Dagegen
suchte MoMMSEN (Rom. Forschungen II
310 ff.) zu erweisen, daß nach dem älteren
bei Diodor XIV 114 zugrunde liegenden
Bericht die Schlacht auf dem rechten
Tiberufer, also gegenüber der Mündung
der Allia in den Tiber geschlagen sei.
Allerdings sei Diodors Darstellung zwie-
spältig, insofern ihr erster Teil auf das
rechte, ihr zweiter auf das linke Ufer
führe. Indes hat R. Laqueuk, Philolog.
Wochenschr. 1921, 861 ff., einer scharfen
Interpretation des Wortlauts bei Diodor
die Erkenntnis abgewonnen, daß dort
durchgehends das rechte Flußufer gemeint
ist. Dadurch ist der A^ersuch von J. Kro-
MAYER. Abh. der Sachs. Akad. der Wiss.
34, 5, 1921, 28 ff., das Schlachtfeld auf dem
linken Tiberufer topographisch zu be-
stimmen, hinfällig geworden. Es ist viel-
mehr auf dem rechten Ufer zu suchen, für
das sich schon Chr. Hülsen u. P. Lindner,
Die Alliaschlacht, Rom 1890, sowie Ed.
Meyer im Apophoreton zur 47. Philol.-
Vers. 1903, 137 ff. erklärt hatten. A.ls Da.-
tum, als dies ÄJliensis, gilt der 18. Juli,
ein Unglückstag {dies religiosus) des römi-
schen Kalenders. Der Name des Führers,
Brennus, ist sekundär und einfach der
Erzählung vom Angriff der Gallier auf
Delphi (279 v. Chr.) "entlehnt.
■«) Strabo V 220. Valer. Max. 1 1, 10. Gel-
lius XVI 13, 7. Nach Strabo werden die
abziehenden Gallier von den Caeriten ge-
schlagen.
=) Polyb. II 22, 5.
«) Diodor XIV 116, 7.
') II 18, 3.
s) Plut. Cam. 22. Plin. h. n. III 57.
4*
g2 Römische Geschichte.
lichkeit, den Gallierbrand nach einem Ereignis der griecliisclien Geschichte zu
datieren. Polybios setzt ihn in das Jahr des antalkidischen Friedens 387/6
V. Chr. (OL 98, 2), ebenso Diodor, und dieselbe Überlieferung findet sich in
einer anderen griechischen Chronik. i) Es ist also das Datum der griechischen
Chronographien, das für uns als das wahre, auf annähernd gleichzeitiger Über-
lieferung beruhende zu gelten hat und dadurch besonders wichtig ist, daß
es die Fehler der herkömmlichen römischen Chronologie kennen lehrt, in
der das Ereignis auf 390 v. Chr. (= 364 der Stadt) fällt. Abweichend setzte
Niebuhr die Eroberung Roms ins Jahr 382 v.Chr. und mit ihm wesentlich
übereinstimmend G. F. Unger und neuerdings Ed. Meyer. Aber diese An-
sicht beruht auf fehlerhaften Schlüssen, denen das überlieferte Datum (387/6
V. Chr.) weit vorzuziehen ist. 2)
Der gallische Angriff hat sich zunächst nicht erneuert. Die oberitalischen
Gallier waren mit anderen Dingen beschäftigt-'^) und hatten sich namentlich
ihrer eigenen nördlichen Stammesgenossen zu erwehren, die, in mannig-
facher Bewegung begriffen, ihnen dasselbe Schicksal zu bereiten drohten,
das sie den Etruskern bereitet hatten. So gaben sie den Römern Zeit, sich
zu sammeln und besser zu rüsten.
ScHWEGLER III 324 ff. — NiEBUHR II 575 ft'. — L. CoNTZEX, Die Wanderungen der
Kelten, Leipzig 1861. — Unger in den Sitzungsberichten der k. bayerischen Aka-
demie, philos.-philolog.-hist. Klasse 1875, 5-31 ff. — Hermes XIV, 1879, 77 ff. — Mommsen,
Rom. Forsch. II 297 ff. — Niese, Hermes XIII, 1878, 401 ff. — Thouket. Supplement-
baud d. N. Jahrb. für Phil. (1880) XI 93 ff. — Matzat, Köm. Chronologie I 82 ff. — Ed.
Meyer, Gesch. des Altertums V 151. — E. Pais, Storia critica di Roma III 35 ff. 377 ff.
10. Die gallische Katastrophe war ein Sturm, der rasch vorüberbrauste.
Gewiß bedurfte es einiger Zeit, bis die Stadt wiederhergestellt war; aber
dauernden Abbruch hat der Zwischenfall der römischen Macht nicht getan.
Im Gegenteil; das Unglück wirkte erzieherisch, indem es die Römer veran-
lagte, ihre Kraft straffer zusammenzufassen. Die Stadt wurde also in Eile
') Polyb. 16. Diodor XIV 110. O.Jahn, beiden Dionyse auch Italien zu berühren
Griech. Bilderchroniken S. 77, IG XIV Gelegenheit hatte und wirklich berührt
nr. 1294. hat. Die sizilisohen Tyrannen hatten mit
'^) Dionys. Halic. I 74 setzt den Zug den Italikern wie mit den Galliern man-
{ecpodng) der Kelten, bei dem Eom erobert cherlei Beziehungen, und so mag die Nach-
wurde, auf Ol. 98, 1 = 388/7 v. Chr. Dies rieht von Roms Fall durch Philistos in die
Datum bezieht Niebohr auf das Einrücken Litei-atur gekommen sein. Dazu stimmt,
der Gallier in Oberitalien, das er nach dafs bei Polybios wie bei Diodor die Kata-
der oben S. 50 Anm. 5 erwähnten Nach- strophe mit einem Ereignis aus der Ge-
richt des Corn.Nepos gleichzeitig mit Vejis schichte des Dionysios, der Belagerung
Eroberung setzt. Da nun Veji 6 Jahre vor Rhegions, gleichzeitig gesetzt wird. — Die
Roms Eroberung fiel, so würde also die Niebuhrsche Rechnung rückt überdies den
wahre Zeit des Gallierbrands 382 v. Chr. Zug gegen Rom viel zu nahe an das Ein-
sein. Aber Dionj^s meint mit seinem Da- dringen der Kelten in Oberitalien heran,
tum die Ei'oberung Roms selbst, nichts Aus Polybios II 17 f., der allein in Be-
anderes. Auch die übrigen Glieder dieser tracht kommt und einen wirklichen, wenn
Rechnung sind sehr unsicher; vor allem auch kurzen Bericht gibt, geht deutlich
die Nachricht des Nepos über den Fall hervor, dafs die Gallier zuerst Oberitalien
Melpums ist chronologisch ganz unbrauch- erobei'ten, sich in acht Stämmen nieder-
bar. Hingegen das chronographische, auch ließen und ausbreiteten, was nicht in
von Polybios wiedergegebene Datum be- Kürze geschehen sein kann, sondern eine
ruht wahrscheinlich auf gleichzeitiger Reihe von Jahren erfordert haben muß.
Überlieferung und kann am ehesten auf Erst dann erfolgte der Zug gegen Rom.
Philistos zurückgeführt werden, von dem ^) Kriege mit Etruskern und Umbreru
wir wissen, daß er in der Geschichte der erwähnt Strabo V 216.
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§ 10.) 53
wiefler aufgebaut i) und jetzt auch befestigt. Das Übergewicht Roms über
die Latiner wurde erneuert. Es gelang Rom nicht nur sich zu behaupten,
sondern auch sich auszudehnen. 2) Gewiß werden auch die Nachbarn von
dem galhschen Raubzug in Mitleidenschaft gezogen worden sein, und die
Gefahr mag manchen bewogen haben, sich an Rom einen Rückhalt zu
suchen. Andererseits hielten auch die Feinde Roms ihre Stunde für ge-
kommen. So fielen gleich nach dem Gallierbrand, nach der älteren Er-
zählung sogar noch im nämlichen Jahr, Aequer, Volsker und Etrusker in
römisches Gebiet ein, wurden jedoch von M. Furius (Camillus) geschlagen,
die Volsker bei Markion, die Aecjuer bei Bola, die Etrusker bei Sutrium.^)
Die nächsten Jahre brachten die Fortsetzung der Kämjjfe gegen die Volsker,
die schließlich so geschwächt wurden, dafa sie als politischer Faktor nicht
mehr zählten; viel Gebiet, besonders das pomptinische Gefilde, muß ihnen
abgenommen worden sein. Für die Römer war es von Wichtigkeit, daß
sie die Früchte ihrer früheren etruskischen Siege nunmehr bergen konnten.
Bald nach Abzug der Gallier wurde der südetruskische Boden völlig ein-
verleibt, die erste namhafte Erweiterung des römischen Territoriums. Im
Jahr 387 v. Chr. wurden dort vier neue Tribus eingerichtet, Stellatina, Tro-
mentina, Sabatina und Arnensis mit Namen, und 383 v. Chr. wurde die
latinische Kolonie Sutrium angelegt, zehn Jahre darauf Nepet.'^) Auf vols-
kischem Boden wurden um diese Zeit Satricum (385 v. Chr.) und Setia (382)
gegründet und römische Bürger mit Landbesitz ausgestattet, so daß dann
(358 V. Chr.) zwei neue Tribus, Publilia und Pomptina, nötig wurden. Auch
in Latium kam es zu kriegerischen Verwicklungen,^) über die aber nichts
Näheres bekannt ist.'') Eine Erhebung aller Lcitiner hat schwerlich statt-
gefunden; wenn die jüngere Überlieferung Vertrauen verdient, ist eine der
ansehnlichsten latinischen Städte, Tusculum, schon 380 v. Chr. in die rö-
mische Bürgerschaft aufgegangen.'') Gut bezeugt ist ein Sieg der Römer
') Nach Livius V 50, 8 hätten die Volks-
tribunen für die Preisgabe Eoms und die
Übersiedelung nach Veji agitiert, wogegen
sich Camillus in einer Rede (V 51 — 54)
wendet, welche die Unersetzliehkeit Roms
verficht. Livius bekämpft hiei", wie Horaz
carm. III. 3, den dein Caesar zugeschrie-
benen Plan einer Verlegung der Haupt-
stadt, einer Dekapitalisierung Roms. Vgl.
WiLAMOwiTz bei MoMMSEN, Reden u. Aufs.
175 f. Über den Aufbau vgl. Diodor XIV
116, 8, der von der beabsichtigten Um-
siedlung nichts weif3.
2) Eine zwar sehr kurze, aber beachtens-
werte Übersicht über die folgenden Er-
eignisse gibt Polybios I 6.
3) Diodor XIV 117, wo ohne Zweifel die
Ereignisse aus einer Reihe von Jahren
zusammengestellt sind. In der Tat ver-
teilt Livius diese Kriege, die er noch vex*-
mehrt, auf 389 — 386 v. Chr. Das ist aber
sicherlich eine nachträgliche Bearbeitung
der älteren diodorischen Fassung, die auch
hier die ursjirüngliche, wenn auch fehler-
hafte Überlieferuns' wiedergibt.
'') Velleius I 14, 2. Sutrium wird frei-
lich bei Diodor XIV 117, 4 schon 390 v. Chr.
als Kolonie vorausgesetzt. Unter 386 v.Chr.
erwähnt Diodor XV 27 die Entsendung
von 500 Kolonisten nach Sardonia. In
diesem Namen steckt vielleicht Sutrium.
Andere haben, jedoch mit Unrecht, an
die Insel Sardinien gedacht. Nepets Grün-
dung wird von Liv. VI 21, 4 schon 383
V. Chi", erwähnt, wie denn überhaupt die
Daten der Koloniegründungen vielfach
schwanken.
5) Polyb. I 6. 3.
«) 0. Seeck, Rhein. Mus. 37, 1882, 15 fp.
glaubt bei Cato fr. 58 vmd im Verzeichnis
der latinischen Städte bei Plinius h. n.III
68 f. Spuren eines gegen Rom gerichteten
latinischen Gegenbundes aus dieser Zeit
zu erkennen. Aber die Spuren sind zu
schwach.
') Liv. VI 26. Die Erzählung ist frei-
lich recht verdächtig, und vielleicht ist
Tusculum erst 338 v. Chr. mit Rom ver-
einigt worden.
54 Römische Geschichte.
über die Praenestiner für das Jahr 382 v. Chr.; da nun zum Jahr 354 v. Clir.
eine Waffenruhe mit Praeneste verzeichnet wird, so muß der Krieg längere
Zeit gedauert haben oder aber wiederholt worden sein.^) Inzwischen waren
860 V. Chr. die Gallier wieder mit einem Heer bei Alba erschienen ; die
unvorbereiteten Römer wagten damals nicht, sie anzugreifen. Vielleicht hat
eben diese Gefahr zur Ordnung der latinischen Verhältnisse beigetragen;
denn 358 v. Chr. soll der latinische Bund erneuert worden sein, und nach
dem Waffenstillstand mit Praeneste scheint in Latium die Ruhe wiederher-
gestellt.-) Den latinischen Unruhen folgte sodann ein neuer Krieg gegen
Falisker und Etrusker (357 — 354 v. Chr.) ohne größere Unternehmungen
und nicht ohne Niederlagen der Römer. ^) Auch das benachbarte und sonst
befreundete Caere soll sich auf kurze Zeit an diesem Krieg beteiligt haben."*)
In diesen Etruskerkrieg darf man vielleicht das von Theophrast^) erwähnte
erste Seeunternehmen der Römer setzen; sie fuhren mit 25 Schiffen nach
der in etruskischem Besitz befindlichen Insel Korsika, wo sie eine Stadt zu
gründen versuchten. Den etruskischen Krieg beendete im Jahr 351 v. Chr.
eine Waffenruhe mit Falerii und Tarquinii; Falerii trat bald danach (343
V. Chr.) in die römische Bundesgenossenschaft ein.*^)
Ein sehr wichtiges Ereignis ist das kurz vorher (354 v. Chr.) mit den
Samnitern ') geschlossene Bündnis, das vielleicht zunächst gegen die Gallier
gerichtet war, unter denen auch die Samniter gelitten haben müssen. Aber
auch in anderer Hinsicht scheint es bedeutende Wirkungen gehabt zu haben.
Die Samniter waren damals der mächtigste Stamm im südlichen Italien, ein
kriegerisches Volk, von dem die Römer manches gelernt liaben,^) mit dem
sie vieles gemeinsam hatten. Die beiden mächtigen Völker erhielten durch
ihre Verbindung ein entschiedenes Übergewicht über alle Nachbarn.
Als die Gallier im Jahr 348 v. Chr. 9) aufs neue anrückten, gingen ihnen
die Römer mit ihren Bundesgenossen, darunter vielleicht auch Samniter,
wohlgerüstet entgegen, und die Gallier, auch unter sich uneins, zogen in
fluchtähnlicher Eile ab. Das war ein großer Erfolg, der vielleicht auch
') Diodor XV 47. XVI 45, 8. Auf den canum hrsg. von H. v. Arnim, Hermes
Krieg mit Praeneste bezog man ein später XXVII, 1892, 121, jetzt auch in A. B.
noch erhaltenes Denkmal, eine vom Dik- Dkachmanns Ausg. von Diodors röm. An-
tator T. Quinctius von den Praenestinern nalen, Bonn 1012, S. 69, Z. 17 flf.
erbeutete Statue des Juppiter Imperator. ^) Die Zeit nach Polyb. II 18, 7. Dagegen
Liv. VI 29, 9. Livius VII 25 setzt diesen gallischen An-
2) Liv. VI 12, 7. griff ein .Jahr früher. Er und andere Au-
') Diodor XVI 31. 36. 45. Liv.VII16f. toren verbinden damit den siegreichen
•*) Was Livius VII 20 darüber erzählt, Zweikampf des A^alerius Corvus(Corvinus)
ist aus verschiedenen Gründen verdächtig mit dem Gallier (vgl. Gellius IX 11). Uber-
und ist wohl bestimmt, die spätere Ver- haupt sind diese gallischen Kriege von
gewaltigungCaeres zu entschuldigen. Vgl. der späteren Annalistik vielfältig ver-
Cass. Dio fr. 33, Bd. I 138 ed. Boissevain; mehrt und ausgeschmückt worden, und
Strabo V 220 und unten S. 82. nicht nur unter 360, sondern auch 361
'■') Hist. plant.V8, 2 {angeblich geschrie- und 867 v. Chr. werden Gallierkriege er-
ben 31413 V. Chr.). wähnt, 361 v. Chr. erzählt Livius den Zwei-
^) Liv. VII 22. 38. kämpf eines anderen Römers. Manlius
') Welche Teile der Samniter damit ge- ! Torquatus, den andere 367 v. Chr. setzen,
meint sind, können wir nicht sagen. j vgl. Liv. VI 42. VII 9. Gellius IX 13. Cass.
**) z. B. sollen die Römer die Organi- Dio fr. 31. Zonaras VII 24 und Niese, Her-
sation ihrer Reiterei von den Samnitern mes XIII, 1878, 401 f,
entlehnt haben. Vgl. das Ineditum Vati- \
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§ 10.) 55
in Hellas Beachtung fand.') Die Gallier hielten jetzt längere Zeit Ruhe
und schlössen 334 v. Chr. mit den Römern einen förmlichen Frieden ab.
Zwischen ihnen und den Römern wurden friedlicher Verkehr und freund-
liche Beziehungen angebahnt. Auch von den Galliern haben sich die Römer,
vornehmlich auf dem Gebiet des Kriegswesens, mancherlei angeeignet.
In dasselbe Jahr mit dem ersten gallischen Erfolg (348 v, Chr.) fallt der
erste von den Annalen erwähnte Handelsvertrag der Römer mit Karthago. 2)
Er zeugt von der Ausbreitung des römischen und latinischen Handels. Die
Waldungen besonders bei Circeji, die weithin berühmt waren, 3) lieferten
den Latinern treffliches Schiffsbauholz, und die latinischen Küstenstädte
müssen lebhafte Seefahrt getrieben haben; besonders Antiuni'^) wird uns
genannt. Neben dem Handel ging freilich der Seeraub einher, wie bei den
Etruskern; in den karthagischen Handelsverträgen erscheint er als legitimes
Gewerbe. Der etruskische Seeräuber Postumius, der um 339 v. Chr. mit
zwölf Schiffen in Syrakus einlief und von Timoleon ergriffen w^urde,^) trägt
einen römischen oder latinischen Namen. Hier möge die von Livius^) über-
lieferte, für uns rätselhafte Nachricht erwähnt werden, daß 349 v, Chr. im
Zusammenhang mit einem gallischen Angriff eine griechische Flotte Latiums
Küsten heimsuchte.')
Das römisch-samnitische Bündnis wurde zuerst den schwächeren Völkern
verderblich, die nun in der Mitte zwischen den beiden größeren Mächten
zerrieben wurden.*) Jetzt wurden die Volsker von den Römern vollends
unterjocht,^) und die Samniter haben vielleicht dabei geholfen; denn ein
Teil des volskischen Gebietes, das Land am oberen Liris bei Fregellae, fiel
ihnen zu. Auch die Kampaner wurden von den Samnitern bedrängt, und
diese scheinen ihre Angriffe selbst gegen die Latiner gerichtet zu haben;
wenigstens haben wir Nachrichten, daß sie bis nach Arclea verwüstend vor-
drangen, ^o) Ahnlich war die Lage der zwischen Latium und Kampanien
wohnhaften Aurunker (Ausoner) und Sidiciner (bei Teanum). Während die
Aurunker von den Römern bezwungen wurden (345 v. Chr.), fielen die Sidi-
ciner den Samnitern zu. Freilich ist in der späteren Überlieferung die Ge-
meinschaft der Samniter und Römer nicht nur fast ganz verwischt, sondern
sogar ein durch große Siege ausgezeichneter Krieg der Römer gegen die
Samniter eingelegt,!^) der sog. erste Samniterkrieg (343 — 341 v. Chr.),
angeblich von den Sidicinern und Kampanern veranlaßt, die sich gegen die
') Hierauf bezieht sich, wie Niebuhr i Gesch. III 99 f. hat an die Expedition
vermutet hat, die von Aristoteles gegebene ! des Archidamos gedacht, Holzapfel, Rom.
Nachricht, daß Rom von einein Lucius ; Chronologie 124, an Söldner des jüngeren
errettet sei, womit wohl L. Furius Ca- i Dionysios ; ähnlich Pais, Stndi storici II 429.
millus gemeint ist (Plutarch Cam. 22).
2) Diodor XVI 69, 1. Vielleicht ist es
in Wahrheit der zweite. Unten § 17.
^) Theophrast. hist. plant. V 8.
*) Strabo V 232.
ä) Diodor XVI 82. 339 v. Chr. bei Diodor
entspricht dem Jahr 342 v. Chr. nach ge-
wöhnlicher römischer Zeitrechnung.
«) VII 26, 13 fr.
'') Livius vermutet, die Flotte habe den
sizilischen Tyrannen gehört. NiEBüHB,Eöm.
8) Nissen, Ital. Landeskunde I 51.
") Livius VII 27. VIII 1 verzeichnet 34.5
und 341 V. Chr. einen Volskerkrieg.
'») Strabo V 249. 232. Doch kann dies
auch in die Zeit des grofsen Samniter-
krieges gehören.
»') Liv.VII24. Dionys.Hal.XV3. Appian.
Samn. 1. Vgl. Niebuhr, Rom. Gesch. III
127 f. O. Clason, Rom. Gesch. II 128 f.
MoMMSEN, Rom. Gesch. I 358 Aum.
56 Römische Geschichte.
Samniter nicht mehr behaupten konnten und sich zuletzt, um die Hilfe der
Römer zu gewinnen, diesen zu eigen ergaben. Da die Samniter sich weigern,
von den Kampanern abzulassen, so kommt es zum Krieg, in dem die Sam-
niter dreimal geschlagen werden, am Berge Gaurus, in den kaudinischen
Pässen und bei Suessula (343 v. Chr.). Das nächste Jahr (342 v. Chr.) wird
durch eine Meuterei der römischen Soldaten in Kampanien ausgefüllt. Nach-
dem die Ruhe wieder hergestellt ist, wenden sich die Römer 341 v. Chr.
wieder gegen die Samniter, aber diese bitten nunmehr um P'rieden und er-
halten ihn ; die Sidiciner werden ihnen überlassen. Daß dieser Hergang im-
möglich ist, beweisen schon die Friedensbedingungen, und mit Recht hat
Mommsen nach Niebuhrs Vorgang den Krieg für erdichtet erklärt. Die
ältere Überlieferung Diodors weiß nichts von ihm.') Die Wahrheit scheint
zu sein, daß damals Samniter und Römer gegen die Schwächeren gemein-
same Sache machten, und daß die Samniter den Römern auch gegen die
Latiner halfen.
Daraus wird sich erklären, was die Überlieferung unerklärt läßt, näm-
lich daß sich bald danach 340 v. Chr. die Latiner erhoben und sich mit
den Kampanern gegen Rom verbündeten. Vielleicht nahmen auch die Au-
runker und Sidiciner am Bunde teil, der sich zugleich gegen die Samniter
gerichtet haben mag. ^y Nach den jüngeren Annalen^) leisteten die Samniter
den Römern Hilfe. An der Grenze zwischen Latium und Kam23anien bei
Sinuessa lieferten die Verbündeten den Römern eine Schlacht und wurden
geschlagen. Der Sieger, der Konsul T. Manlius, feierte einen Triumph, die
Besiegten wurden unterworfen, und ein Teil ihres Ackers eingezogen,*) Die
völlige Unterwerfung der Latiner soll noch einige weitere Kämpfe erfordert
haben, an denen sich vornehmlich Antium beteiligte, und erst 338 v. Chr.
beendet worden sein.°) Der Bund der latinischen Städte miteinander hörte
jetzt auf und beschränkte sich fortan auf die sakrale Gemeinschaft, die bis
in die spätesten Zeiten im latinischen Fest [feriae Latinae) weiterlebte;
dagegen blieb die Verbindung mit Rom. Die auf dem alten Bunde be-
') E. Pais, Ston'n critica dl Roma III 152, '. nicht. Der Schlacht bei Sinuessa schickt
A. 1 wendet sich gegen dies argumentum ! Livius ferner eine andere am Fuß des
ex silentio und gegen die „radikale" An- Vesuv nicht weit vom Veseris voraus, in
sieht NiESEs, gibt aber die militärischen welcher der Konsul P. Decius Mus den
und politischen Unstimmigkeiten im Be- Opfertod (durch devotio) erleidet. Diese
rieht des Livius zu, vgl. a. a. O. S. 169 ff. ausführlich erzählte Schlacht wird be-
Die vorausgegangene deditio der Kam- nutzt, um die römische Manipularordnung
paner im Jahr 343 v. Chr. erklärt Pais darzustellen; sie ist eine antiquarische
als reine Erfindung, a. a. O. S. 382 ff. Musterschlacht und ohne Zweifel er-
*) Dies würde noch wahi'scheinlicher dichtet. Außerdem soll das Wesen und
sein, wenn die Nachricht des Livius VII 38 das Ritual der devotio vorgeführt werden
von einem Kriege der Latiner gegen die ' (E. Kornemann, Der Priestercodex in der
Päligner (343 v. Chr,) beglaubigt wäre. j Regia, Tübingen 1912, 26). Über das topo-
^) Liv.VIII 6. 8, eine Nachricht, die einen j graphische Problem s. E. Pais, Sforia critica
guten Kern haben kann. 1 di Roma III 179, 1. Die zweite, historische
*)DiodorXVI90,2. Livius (VIII 3 f.) hat [ Schlacht benennt Livius nach Trifanum,
zunächst den Anlaß des Latinerkrieges einem Ort zwischen Sinuessa und Min-
weiter ausgemalt; danach fordern die La- turnae (Livius VIII 8, 19, 11, 12).
tiner Anteil am Konsulat in Rom, was ^) Die Erzählung des Liv, VIII 11 ff. ist
ohne Zweifel gefälscht und den Anfängen widerspruchsvoll und ohne Zusammen-
des Bundesgenossenkrieges entlehnt ist; hang; es ist unmöglich zu sagen, welcher
in unsere Zeit paßt eine solche Forderung historische Kern ihr zugrunde liegt.
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§ 10.) 57
ruhenden Rechte der latinischen Gesamtheit wurden aufgehoben. Die meisten
der aufständischen Städte scheinen ihre Selbständigkeit und Teile ihres Ge-
biets verloren zu haben und in Rom einverleibt worden zu sein. Nur Tibur
und Praeneste blieben selbständig und schlössen mit den Römern ein neues
Bündnis. Es läßt sich vermuten, daß sie entweder gar nicht, oder doch nicht
bis zu Ende an dem letzten Kriege teilgenommen haben.')
Die Unterwerfung der Volsker und Aurunker lag in diesen Erfolgen mit
eingeschlossen. Die Volsker wurden vollends bezwungen und Untertan. Es
scheint, daß mit der Einnahme von Privernum (329 v. Chr.) der letzte Wider-
stand gebrochen war. Fregellae und das volskische Land nördlich vom Liris
scheint den Samnitern zugefallen zu sein, vielleicht auch die Sicliciner.^) Auf
dem eroberten volskischen Gebiet ließen sich römische Bürger nieder, aus
denen 332 v. Chr. die neuen Tribus Maecia und Scaptia gebildet wurden.
Die Aurunker hatten ein ähnliches Schicksal wie die Volsker, auch hier
zogen die Römer einen gi-oßen Teil des Landes ein. Nach den Annalen
wurden schon 338 v. Chr. die Aurunkerstädte Fundi und Formiae römische
Untertanen {cives shie suffragio). Bald darauf wurdo Cales latinische Kolonie
(334 v. Chr.), später auch Suessa. Von größter Bedeutung war es, daß
sich nunmehr nach dem Latinerkrieg Capua und die Kampaner, die mit den
Latinern verbiindet gewesen waren, an Rom anschlössen, und zwar trat
Capua in ein Verhältnis zu Rom, das dem latinischen Bunde ähnlich war.
Beide Städte haben miteinander fortan Rechts- und Ehegemeinschaft.-'')
Dabei behielt Capua seine innere Autonomie, eigene Beamte und Heer-
führer, bildete aber nach außen hin mit Rom gleichsam eine Einheit, die
den Namen Roms führte. Die Kampaner setzten daher von jetzt an den
Namen der Römer auf ihre Münzen. Ihre Truppen, wie die römischen in
Legionen geteilt, standen im Dienste Roms; wertv^oU war vor allem ihre
Reiterei. Diese Vereinigung erfolgte 338 oder 334 v. Chr. gleichzeitig mit der
Unterwerfung der Latiner. Auch die Nachbarn Capuas, wie z. B. Kyme,
Acerrae, ferner Teile der Samniter, traten zu Rom in das gleiche Verhältnis.^)
') Nach Liv. YIII 14 ist eiu großer Teil
der aufständischen Latiner in die römische
Bürgerschaft auf"enommen worden. Dies
vertretene Ansicht, daß Capua eine Kate-
gorie der Munizipien im späteren Sinn
gewesen sei. Mäkquaedt, Eöm. Staatsvei'-
ist schwerlich richtig; andere Zeugnisse waltung 128 f.; vgl. Rudert, Leipziger Stu-
(Festus p. 127 M.) stehendem entgegen. dien z. klass. Phil.IITSf.: Mommsen, Gesch.
Fällt in diese Zeit die von Macrobius III d. röm. Münzwesens 167 f. Aber das ist irre-
9,13 erwähnte Zerstörung von Gabii? führend. Das Wesentliche ist, daß Capua
2) Hierüber läßt sich nichts Bestimmtes ; ein eigenes Gemeinwesen blieb und inner-
sagen. Später ist Teanuni, die Stadt der halb der durch das Bündnis gezogenen
Sidiciner, föderiert, also nicht Untertan, Grenzen seine Autonomie behielt. Die
auch keine Kolonie: die Sidiciner haben Legion, die 280 v. Chr. Rhegion besetzte,
also Grund und Boden behalten und sind wird als römisch bezeichnet, bestand aber
nicht durch gewaltsame Unterwerfung, . aus Kampanern unter einem kampani-
sondern durch Vertrag römische Bundes- sehen Führer Decius. Dieser war also von
genossen geN^^orden. 1 den Kampanern bestellt. Polyb. I 6, 8.
*) Man kann daher die Kampaner als i 7, 7. Vgl. Niese, Götting. gel. Anz. 1888
römische Bürger sine suffragio bezeichnen ; , S. 962. Pais, Storia critica cU Roma III 383 f.
der in Rom lebende Kampaner war außer ■") Liv. VIII 14, 10 f. 17, 12. Velleius I
dem Stimmrecht dem Römer gleich ge- | 14, 3. Velleius gibt das Datum 334 v. Chr.,
achtet, und ebenso der Römer in Capua und nennt die Samniter, worunter etwa
dem Kampaner. Darauf beruht die von \ Nola oder Nviceria zu verstehen sind, die
den Antiquaren der augusteischen Zeit nicht zu den eigentlichen Kampanern
58 Römische Geschichte.
Diese Verbrüderung der Römer und Kampaner hat in der Sage, daß Rom
und Capua von einem gemeinsamen Gründer, dem Kbmos, herstammten,
ihren diehterisclien Niedersclilag gefunden.') Roms Macht wurde durch den
Ansclilufä der reiclien kampanischen Landschaften mit ilirer höheren Kultur
nahezu verdoppelt; zugleich war dadurch mit den kampanischen Hellenen
eine unmittelbare Berührung hergestellt.
Gleichzeitig mit dci* Herrschaft, die nunmehr bereits einen ansehnlichen
Umfang erreicht hatte, waren auch Stadtgebiet und Bürgerschaft entsprechend
vermehrt Avorden. Der latinische Bund, die princi Latini. ging zugrunde und
die einzelnen latinischen Städte wurden meist in Rom einverleibt, zuerst als
Untertanen, dann als Bürger. Aber die latinische Nation lebte weiter; sie
setzte sich außerhalb des alten Latium fort in den latinischen Kolonien, die
Rom zur Behauptung des eroberten oder unterworfenen Landes nach allen
Seiten auszusenden pflegte. Zunächst wurde die volskische und aurunkische
Landschaft latinisch, so daß sich in der Folgezeit der Begriff Latium an
der Küste bis Sinuessa ausdehnte.^)
11. Innere Entwicklung und Verfassungskämpfe. Quellen. Die Über-
lieferung der römischen Verfassungsgeschichte ist womöglich noch dürftiger und
noch mehr verfälscht als die der kriegerischen Ereignisse; kein Wunder, da das
Zuständliche überhaupt in der älteren Überlieferung kaum Berücksichtigung findet,
und die spätere Rekonstruktion die eigenen Zustände zurückzuspiegeln pflegt. Die
ältere Form ist in spärlichen Notizen des Polybios und bei Diodor erhalten. Sie läßt
die Hauptstücke der späteren Verfassung auf einmal im Anschluß an das Decem-
virat entstanden sein. Sie ist nicht eigentlich urkundlich, gibt aber das wieder,
was man über die Entstehung der späteren Gemeindeordnung in Rom in älterer
Zeit ermittelt hatte und glaubte. Die spätere Form, die in Anfängen schon bei
Cicero, besonders aber bei Livius und Dionysios vorliegt, ist eine stark rhe-
torische und antiquarische Bearbeitung und erzählt die politischen Kämpfe der älteren
Zeit nach Art der späteren nachgracchischen mit Benutzung griechischer Beispiele
und in eintöniger Wiederholung der gleichen Motive. Sie bringt Dinge hinein wie
die Agrargesetze, die in die ältere Zeit nicht gehören. Die sonstigen Notizen bei
anderen Historikern und Antiquaren, z. B. bei Tacitus und im Handbuch des Pom-
ponius,") weichen von den livianischen nicht selten erheblich ab und zeigen, wie
unsicher gerade die Verfassungsgeschichte überliefert ist.
Während Rom nach außen zunahm, vollzog sich auch im Innern eine
Umgestaltung. Etwa um dieselbe Zeit, da in Hellas die Demokratie auf-
kam, entstand auch in Rom eine demokratische Bewegung. Die Plebejer
entrissen unter harten Kämpfen den Patriziern den ausschließlichen Besitz
der Amter und zwangen sie, ihnen den gleichen Anteil an der Gemeinde-
verwaltung einzuräumen. Das Ergebnis dieser Kämpfe, die man als Stände-
kämpfe bezeichnet, war, daß aus der Gemeinschaft der Geschlechter die
Gemeinde entstand, an der alle Bürger mit wesentlich gleichen Rechten
teilnahmen. Zu diesem Ergebnis haben ohne Zweifel die Kriege und die
Erweiterung des Gebietes das meiste beigetragen. Wie anderswo, so hat auch
in Rom der Druck der äußeren Feinde und kriegerische Betätigung der
gehörten. 332 v. Chr. folgte Acerrae dem ^^ g^rabo V 231.
Beispiel Capuas. Liv. VIII 17, 12. ') Digest. I 2.
') Dionys. Halte. I 73. j
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§ 11.) 59
demokratischen Bewegung starke Impulse gegeben. Sah man sich doch ge-
nötigt, die Wehrpflicht auf die gesamte Bürgerschaft auszudelmen, was zur
Folge hatte, daß die Wehrpflichtigen die entsprechenden politischen Rechte
und Anteil an der Gemeindeverwaltung verlangten, worüber dann Kämpfe
mit den bisher alleinigen Inhabern dieser Privilegien, den Patriziern, ent-
brannten. Die politischen Bewegungen bestehen jedoch niclit nur aus Kämpfen
um Rechte, sondern es handelt sich zugleich um einen organischen Ent-
wicklungsprozeß entsprechend den Bedürfnissen einer wachsenden Stadt-
gemeinde. Die Stadt und ihr Gebiet vergrößerten sich, die Bevölkerung
wuchs, neben der Landwirtschaft entfalteten sich Handel und Gewerbe; für
den Handel zeigten die Römer frühzeitig Neigung und Geschick. Die Ge-
meinde organisierte sich zweckmäßiger und die Amter mußten bei dem
wachsenden Umfang der Geschäfte vermehrt werden. So erhielt das poli-
tische Leben immer bewegteren Rhythmus.
An der Spitze der verfassungsgeschichtlichen Nachrichten steht (angeblich
495 V. Chr.) die Einrichtung der 21 Tribus, örtlicher Bezirke, als Grund-
lage sowohl des Kriegs- wie des Steuerwesens, i) In den Tribus finden die
Plebejer den Rahmen ihrer politischen Betätigung und erlangen hier zuerst
das Übergewicht. Die nächsten Bemühungen des Plebs sind auf gesetzlichen
Schutz gegen die Macht und Willkür der patrizischen Magistrate gerichtet.
Diesem Zweck dient die Provokation, d. h. das Recht, vom Spruch des
Magistrates in schweren, peinlichen Fällen an die Volksversammlung Be-
rufung einzulegen, ein Recht, das nach der Tradition schon unter den
Königen oder gleich nach deren Vertreibung der Bürgerschaft zuteil ge-
worden wäre, 2) das aber vermutlich, wie auch das Stimmrecht, zu den Er-
rungenschaften der Ständekämpfe gehört. Von großer Tragweite war die
Neuerung, daß die Plebs sich eigene Beamte und Vertreter setzte, die
Volkstribunen, 2) die nach der älteren Überlieferung zuerst 471 v. Chr. vier
an der Zahl gewählt wurden.^) In diesen Beamten erhielt nunmehr die
Plebs legitime Führer und Organe. Sie wurden von den Plebejern aus ihrer
Mitte in Tributkomitien gewählt;'^) sie waren rein städtisch und bürgerlich.
An der Heerführung waren sie nicht beteiligt. Sie hatten zunächst die Auf-
gabe, die Plebs gegen Willkürakte der patrizischen Magistrate zu schützen ;
zu dem Behuf war ihre eigene Person heilig und unverletzlich. Ein zweites
plebeisches Amt bildeten die zwei jährlichen Adilen (aediles plebi), die bald
nach dem Tribunat ursprünglich vielleicht zur Unterstützung der Tribunen
eingesetzt wurden, dann aber vornehmlich die Polizei versahen. In die
') Die überlieferte Zeitbestimmung ist j habe, und zwar in der Zahl zwei oder
schwerlich zuverlässig. Oben S. 45 Anm. 4. ! fünf. Diese Version ist aber nicht ge-
-) Cicero de rep. II 53 f. Dionys. V 19.
^) tribuni plebis. Der griechische Name
dZ/fiag/oi scheint aus Neapolis zu stammen,
wo die höchsten Magistrate diesen Titel
führten. Mommsen, Rom. Staatsr. III 646.
■') Diodor XI 68. Die jüngeren Berichte
(Liv. II 33. Asconius in Cornel. p. 16) lassen
die Tribunen sclion 494 v. Chr. eingesetzt
sein. Sie erzählen, daß die Plebs damals
durch die Auswanderung {secessio) auf den
heiligen Berg ihre Einsetzung erzwungen
nügend bezeugt. Vgl. Niese, De (oiHalibns
Bowan/s (Index lect. Marburg Sommer
1886) p. 11 ; Ed. Meyer, Kl. Schriften 351 ff. ;
Mommsen, Rom. Staatsr. 11^ 274. A. Volk-
MAR, De annalibtis Roiimnis (Diss., Marburg
1890) 54 ff.
^) Nach den Annalen sind die Tribut-
komitien gleichzeitig mit den Tribunen
eingesetzt woi'den, durch die lex Publilia
des Tribunen Publilius Volero. Liv. II 56.
ßQ Komische Geschichte.
gleiche Zeit setzt man zwei populäre Gesetze, die vom Volkstribimen Icilius
456 V. Chr. eingebrachte lex de Aventino publicando, durch die der Aventinus
den ärmeren Bürgern zur Wohnstätte angewiesen wurde, und die lex Tdrix'ia
Aternia (454 v. Chr.), welche die Strafgewalt der Konsuln schärfer umriß. i)
Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Gemeinwesens war der
Beschluß, das bis dahin gültige Gewohnheitsrecht aufzuzeichnen; denn
schriftlich aufgezeichnete gesetzliche Bestimmungen gab es vorher noch
nicht; die den Königen zugeschriebenen sog. leges regiae sind viel späteren
Ursprungs. Im Jahr 451 v. Chr. wurden zur Abfassung und Aufzeichnung
der Gesetze zehn Männer [decemviri legibus scribundls) gewählt und mit der
höchsten Gewalt bekleidet; Konsulat und Volkstribunat wurden suspendiert.
Von diesen Decemvirn, so lautet der älteste Bericht Diodors, wurden zehn
Gesetztafeln ausgearbeitet. Was noch übrig war, fiel ihren Nachfolgern zu,
dem Kollegium des nächsten Jahres (450 v. Chr.), die jedoch das Werk
nicht vollenden konnten. Da einer von ihnen, so wird weiter erzählt, gegen
eine edle Jungfrau eine empörende Gewalttat beging, 2) so rückte das Kriegs-
heer, das auf dem Berg Algidus im Felde stand, auf den Ruf des be-
leidigten Vaters nach Rom auf den Aventin. Ein Bürgerkrieg schien bevor-
zustehen; denn die Decemvirn rüsteten sich zur Gegenwehr, aber durch
die Vermittlung angesehener Leute gelang schließlich eine friedliche Bei-
legung. Die Decemvirn wurden beseitigt und Volkstribunat und Konsulat
wiederhergestellt. Es wurde festgesetzt, dafs fortan jährlich zehn Volks-
tribunen^) erwählt werden sollten, die, in der Stadt mit höchster Gewalt
bekleidet, über die bürgerliche Freiheit zu wachen hatten."*) Das Amt wurde
mit neuen Rechten ausgestattet und hat wahrscheinlich erst jetzt seine volle
Bedeutung und den sakrosankten Charakter erhalten. Regelmäßige Wahl und
ununterbrochene Fortdauer des Amtes sicherten strenge Strafandrohungen.
Diodors Bericht besagt ferner, daß zugleich bestimmt wurde, wenigstens
einer der beiden Konsuln solle jeweils ein Plebejer sein. Die jüngere Tradition
bei Livius weiß davon nichts, fügt aber hinzu, daß das Recht der Provo-
kation aufs neue eingeschärft und die Wahl von inappellablen Beamten {sine
provocatione) verpönt wurde. ^) Auch der Rechtssatz, daß die Beschlüsse der
') Liv. III 31, 1. 32, 7. Dionys. Hai. X
31. 50. Cicero de rep. II 60. Jedoch sind die
überlieferten Daten dieser Gesetze nicht
über ihr Amtsjahr hinaus behalten, was
auf die Chronologie wirkte, insofern man
nunmehr ein drittes Decemviratsjahr rech-
sicher. Die lex de Äventmo gehört vielleicht nete, wie es zwar nicht in den Kapito-
erst in die nächste Periode. Unten S. 86. linischen Fasten, wohl aber bei Cicero,
^) Es ist die bekannte Geschichte von 1 Livius und Dionysios geschieht (Cic. de
der Virginia und dem Decemvir Appius : rep. II 62. Liv. III 38 ff. Diouys. X 59 ff.).
Claudius, die wiederum an griechische Vgl. Niese, De annalibxis Romanis (Mar-
Tyranneugeschichten, auch an die Er- j bürg 1886) VI f. A. Volkmar, De annalibus
Zählung von der Lucretia (oben S. 32) i^owonis S. 3 f.). Eingehend anal j-siert wird
erinnert. Die ältere Diodorische Fassung die Überlieferung von E. Täublek, L'nter-
nennt dabei noch keine Nanien; solche suchungen zur Geschichte des Decem-
sind erst später (Cicero de rep. II 63. Liv. virats und der Zwölftafeln, Berlin 1921.
III 44 ff. Dionys. XI 28 ff.) hinzugekommen. ^) Nach Livius 11130,5 soll die Zahl
In dieser jüngeren Fassung ist noch man- 1 der Tribunen schon 457 v. Chr. auf zehn
ches andere hinzugedichtet, um das zweite erhöht worden sein. Dies hält Niese für
Deceravirnkollegiuin als tyrannisch zu eine jüngere Erfindung,
charakterisieren, z. B. die Ermordung des *) Diodor XII 24 flf.
Plebejers L. Siccius. Man liefs die Decem- ^) Liv. III 55.
virn ferner ihi'e Gewalt widerrechtlich I
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§ 11.) ßl
Plebs fiir die Gesamtgemeinde bindend sein sollten, ') ist nach Livius damals
aufgestellt worden. Von Diodor weicht Livius außer mannigfacher Aus-
malung auch darin ab, daß er alle diese Bestimmungen als Gesetze [Uges]
im späteren Sinne nimmt, als solche beantragt von den Konsuln M. Horatius
und L. Valerius, indes sie bei Diodor als feierlich beschworener Friedens-
vertrag zweier streitender Parteien erscheinen. Auch hier gibt Diodor das
Ursprüngliche; denn nicht um Gesetze handelt es sich bei diesen Bestim-
mungen, sondern um die ungeschriebenen Grundsätze der Verfassung, die
auf den Vertrag nach dem Sturz der Decemvirn zurückgeführt wurden. 2)
Ob das freilich alles auf einmal erreicht wurde, wie die ältere Überlieferung,
von der man ausgehen muß, es darstellt, 3) darf man füglich bezweifeln;
zum mindesten der Satz, daß stets ein Plebejer Konsul sein müsse, ist da-
mals noch nicht in Kraft getreten. Die Gesetzgebung führten die neuen Kon-
suln M. Horatius und L.A'^alerius (149 v. Chr.) zu Ende; zu den zehn schon
vorhandenen Tafeln kamen zwei weitere; auf zwölf ehernen Tafeln wurde
das Ganze am Eathaus öffentlich ausgestellt. Soweit die Überlieferung.
Aber nicht etwa eine Verfassungsurkunde, eine magna charta, bedeu-
teten diese zwölf Tafeln; vielmehr enthielten sie in der Hauptsache das
Privatrecht, dazu Bestimmungen über das Gerichtsverfahren sowie polizei-
liche Vorschriften, alles ohne Systematik und unvollständig.'*) Über den tat-
sächlichen Inhalt bestanden und bestehen mancherlei Zweifel,^) zumal da
das ziemlich früh zugrunde gegangene Original der späteren literarischen
Zeit nicht mehr vorlag. Es ist sogar wahrscheinlich, daß die zwölf Tafeln
nicht das Ergebnis eines einmaligen gesetzgeberischen Aktes darstellen, daß
vielmehr das ursprüngliche Werk der Decemvirn im Lauf der Rechts-
entwicklung durch spätere Zusätze vermehrt und erweitert wurde.'')
') ut qnod irlhutini j^lebs hississet populum i zität des Decemvirats, und zwar sieht
teneret. Vgl. Dien. Hai. XI 45. [ Pais in den XII Tafeln „das langsame
^) Eine Analogie gewährt der in Athen und säkulare Produkt" amtlicher juristi-
geschlossene Amnestievertrag vom J. 403 scher Praxis und in den decemdri legibus
v. Chr. nach dem Sturz der Dreißig. j scribundts nur eine willkürliche Rück-
^) Auch Polyb. VI 11 führt die spätere l Spiegelung der decemvir! stlitibus iiidican-
Verfassung auf den Ausgang des Decem- dis. Als Schlußredaktor vermutet er den
virats zurück, wie mit Eecht Ed. Meyer, Cn. Flavius, den Ädilen von 304 v. Chr. ;
Ehein. Mus. N. F. 37, 001 f., bemerkt. er habe die Tafeln auf dem Forum publi-
•*) Den Inhalt wird man sich am besten ' ziert. Noch weit radikaler gebärdet sich
nachder Analogie der griechischen Gesetz- j der Jurist Lambert, gegen dessen Bundes-
gebungen denken; vgl. z. B. die Tafeln genossenschaft sich Pais nachdrücklich
von Gortyn auf Kreta (Kohler-Ziebarth, ! verwahrt. Nach L. sind die XII Tafeln
Das Stadtrecht von G., 1912). | überhaupt kein Werk offizieller Kodifi-
Ob z.B. ein Kalender (Macrob. 113, 21) i kation, sondern ein literarisches Prodvikt
beigefügt war, ist höchst zweifelhaft. Auch
die Einführung des gemünzten Geldes ge-
hört schwerlich hierher; vgl. Mommsen,
des Juristen Sex. Aelius Paetus Catus
(Konsul 198 v. Chr.), von dem bezeugt ist,
daß er das Zwölftafelrecht kommentierte.
Rom. Münzwesen 174. Gesammelt sind die j „Ein gutes Teil Berechtigung" gestand
Fragmente der XII Tafeln von R. Scholl, Niese diesen Zweifeln zu. Es sei uns ge-
Legis XII tabiilariim reJl., Leipz. 1866. wiß nur wenig Echtes erhalten und man-
, ^) E. Pais (vgl. bes. Ricerche I 1 flf.) und ches verrate deutlich ein späteres Zeit-
E. Lambert [La question de rauthenticite des alter. Das beweise aber nichts gegen die
XII fahles et les annales maximi in Nouvelle Überlieferung, daß damals durch die
repue historiqiie de droit 1902, sowie L'hi- Decemvirn die erste Aufzeichnung des
stoire traditionelle des XII tables in Melanges ! bürgerlichen Rechts stattgefunden habe,
Appleton, Lyon 1903) leugnen die Histori- | auf der die spätere Rechtsentwicklung
62
Römische Geschichte.
Nach der jüngeren Tradition hat die Gesetzgebung unter griechischem
Einfluß gestanden. So berichtet Livius,^) daß drei Männer nach Griechen-
land, vornehniHch nach Athen gesandt worden seien zum Studium der
solonischen und anderer griechischer Gesetze. Nach einer anderen Version
hat Hermodoros aus Ephesos, Herakhts Freund, den Römern „gewisse Ge-
setze aufgeschrieben" bzw. den Decemvirn bei ihrer Arbeit geholfen.^) Wenn
auch die Reise der Studienkommission, wie schon Vico erkannte und vollends
der Anteil des Hermodoros auf Erfindung beruht, so ist doch griechisclier
Einfluß auf das Gesetzgebungswerk nicht zu bezweifeln; gerade um jene
Zeit hat sich auch Griechenland mit analogen Aufgaben befaßt. Ob aber
in Rom griechische Vorbilder unmittelbar wirkten, also die Kodifikation
durch die Decemvirn sich nicht auf die schriftliche Fixierung des geltenden
Gewohnheitsrechts beschränkte, sondern darüber hinaus neues Recht schuf,
läßt sich nicht mehr entscheiden.^)
Man hat vermutet, daß die Decemvirn außer jener Kodifikation noch
andere Aufgaben zu lösen hatten. Niebuhr glaubt, daß sie als dauernde
Behörde gedacht waren, die außer der Abfassung der Gesetze den Ausgleich
der Stände anbahnen sollte. Nach Mommsen hätte dasVolkstribunat durch
die Aufzeichnung der Gesetze entbehrlich gemacht werden sollen."*) Aus
der Erzählung vom Sturz der Decemvirn könnte man, wenn sie glaub-
würdiger wäre,°) schließen, daß ihnen der Oberbefehl über das Heer nicht
zustand; da ihnen aber andererseits die Überlieferung die höchste diskretionäre
Amtsgewalt beilegt,^) so ist eine militärische Kompetenz nicht undenkbar.
zum guten Teil beruhe. Es sei mit den
XII Tafeln gegangen, wie z. B. mit den
solonischen Gesetzen. Wie sich unter
deren Namen manches zusammengefun-
den habe, was erst später entstanden sei,
ohne dafs die Tatsache der Gesetzgebung
in Zweifel gesetzt würde, so habe in Rom
das Werk der Decemvirn den Kern ge-
bildet, an den sieh spätere Gesetze an-
kristallisierten. Man brauche daher nicht
zu glauben, daß alle 12 Tafeln von den
Decemvirn herrühren. Übrigens sei der
Inhalt der Tafeln späterer Verfälschung
um so mehr ausgesetzt gewesen, als die
Originale frühzeitig verschwunden sein
müssen, wenn auch nicht bei Gelegen-
heit der Gallierkatastrophe. Doch lasse
schon Diodors Wortlaut XII 26 erraten,
daß die Tafeln zur Zeit, da sein Quellen-
bericht entstand, nicht mehr vorhanden
gewesen seien. Die Überlieferung der
Gesetze sei daher schon im 2. Jahrh. v. Chr.
der juristischen Tradition mit allen ihren
Zufälligkeiten undWillkürlichkeiten über-
lassen gewesen, weshalb scharfe Kritik
an den erhaltenen Fragmenten des XII
Tafelrechts vollauf berechtigt sei. Aber
die Tatsache der Gesetzgebung werde da-
durch so wenig berührt wie durch Aus-
malungen und Fälschungen der jüngeren
Berichte. Die Annalen in ihrer ältesten
Fassung, auch Folybios im VI. Buch, wo-
raus Cicero de rep. II 36, 61 ff. schöpfte,
bezeugen den Decemvirat und betrachten
ihn als Ausgangspunkt der späteren
Verfassungsentwicklung. — E. Täubler,
Unters, zur Gesch. des Decemvii-ats und
der Zwölftafeln, Berl. 1921, hält an der
Tatsache des Decemvirats im 5. Jahrh.
fest, gibt aber das genaue Jahr und die
Namen der Decemvirn preis.
') Liv. III 31, 8. Vgl. Dionys. Hai. X 51, 5.
") Strabo XIV 642. Plin. n. h. 34, 21.
Pomponius dig. I 2, 2, 4. Vgl. Münzer,
FW VIII 859 ff.
^) Über den griech. Einfluß: F. Bosch,
De tabula?v(m XII lege a Grctecis i^etifa, Diss.,
Göttingen 1893; Leo, Gesch. der röm. Lit.
18; Pais, Ricerche ll^h&. (gegen Bosch).
■•) Niebuhr, RG. II 348. 366 f., Schwegler,
RG. III 16 f.. Mommsen, StR.II^ 272 Anm.;
weitere, sehr unsichere Vermutungen bei
W. Soltau, Über Entstehung und Zu-
sammensetzung der röm. Volksversamm-
lung 361 ff.
^) „In Wirklichkeit mögen die Decem-
virn nach Vollendung ihrer Aufgabe eben
so friedlich zurückgetreten sein wie Solon
nach Abschluß seiner Gesetzgebung", Ed.
Meyer, Kl. Sehr. 376, vgl. Täubler a. a. 0.125.
«=) Darüber Täubler a. a. O. 20 f. — Als
Analogiebeispiel hat man die dreißig
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Roms mit den Kampanern. (§ 11.) ßß
mag auch die Amtsbezeichnung ledighch auf die gesetzgeberische Funktion
hinweisen. Bei dem Stand unseres Wissens ist über vage Vermutungen nicht
hinauszukommen.
Die Aufzeichnung des geltenden Rechts befriedigte zwar einen Wunsch
der Plebejer, aber zu dauerndem Frieden hat sie nicht geführt. Der Kampf
der Parteien, der Stände, setzte sich fort und brachte den Plebejern neue
Erfolge. So sollen sie schon 445 v. Chr. durch die lex Canuleia die Ehe-
gemeinschaft mit den Patriziern, die in den zwölf Tafeln noch nicht an-
erkannt war, erwirkt haben, i) Das Hauptbestreben der Plebs zielte auf die
Beseitigung des Konsulats oder auf Beteiligung an diesem Amt, wie sie ja
nach dem älteren Bericht bereits garantiert war. Schon kurz nach dem
Decemvirat wurde das Konsulat zeitweilig abgeschafft und zuerst 444 v. Chr.
durch das Amt der Kriegstribunen, tribiiitl miUtum consulari potestate, er-
setzt. Dieses Amt war auch Plebejern zugänglich. Schon der Titel kenn-
zeichnet diese Tribunen als militärische Ergänzung der Volkstribunen; auch
mit den griechischen Strategen lassen sie sich vergleichen. Anfänglich
wechseln diese Tribunen als Präsidenten der Republik mit den Konsuln
ab, um diese schließlich für längere Frist ganz zu verdrängen.^) Die Zahl
der Tribunen bleibt nicht konstant: es kommen drei, viei-, am häufigsten
sechs vor.-^) Angesichts einer solchen Zuweisung der höchsten Gewalt an
ein größeres Kollegium öffnete sich ])ei gefährlichen Lagen in der Diktatur
ein Ausweg, den man in jenen Zeiten mehr als einmal betrat.
Über die sicher mannigfachen Kämpfe, unter denen die Verfassung all-
mählich umgestaltet wurde, gibt es keine zuverlässigen Nachrichten. Schon
ISTiebuhr hat vermutet, daß die Bewegung der Plebs durch Gegensätze
unter den Patriziern noch gesteigert wurde. Wie in Griechenland der Sturz
der Aristokratie oft durch Spaltungen im eigenen Lager herbeigeführt Avurde,
so mögen auch in Rom manche patrizischen Geschlechter auf die Seite der
Plebs getreten sein und ihr die Führer gestellt haben. Wir hören ferner
von Verbannten, als deren Typus der schon erwähnte Coriolanus gelten
kann, der mit den feindlichen Volskern gegen sein Vaterland zog (oben
S. 47). ■^) Mehrmals versuchte der Ehrgeiz einzelner monarchische Gewalt zu
usurpieren, so 485 v. Chr. Spurius Cassius, derselbe, unter dessen Namen
das latinische Bündnis geht, später (439 v.Chr.) Spurius Maelius; beide
büßten ihr Unterfangen mit dem Tod.^)
Als nach der gallischen Katastrophe die erste Verwirrung überwunden
war, erneuerte die Demokratie ihre Bestrebungen; die rasche Zunahme der
Tyrannen in Athen herangezogen, die zu- j Kapitolinischen Fasten zum J. 380 v. Chr.
nächst zur Neuordnung von Gesetz und (Hülsen, Klio II, 1902, 248 ff.) sucht F. Mün-
Verfassung bestellt wurden. j zer, Hermes 57, 1922, 134 ff. zu erklären.
') Cic. de rep. II 63. Liv. IV 1. ! •*) Liv. III 15, 5 ff", berichtet zum .Jahr
-) In den 55 Jahren von 444—390 v.Chr. ! 460 v.Chr. von dem Sabiner Appius Her-
gibt es 29 Konsulate und 26 Tribunate; i donius, der an der Spitze einer Schar von
von 390—367 kommen nur Tribunate vor. Verbannten und Sklaven das Kapitol zu
') Das beste Verzeichnis bei Diodor.
MoMMSEN. RF. II 224 ff. Nach Mommsen,
Hermes 38, 1903, 116 ff. ist 6 die Höchst-
zahl, während die von Niese verteidigte
Achtzahl nur durch Einbeziehung der Zen-
soren entstand. Die singulare Neunzahl der
überrumpeln suchte.
s) Diodor XI 37, 7. XII 37. Vgl. Mommsen,
EF. II 153 ff. Die spätere Überlieferung
zeichnet diese Männer, ebenso wie den
M. Ma-nlius als Demagogen nach Art der
Gracchen, woran etwas Richtiges sein mag.
64
Römische Geschichte.
Bürgerschaft führte ihr frische Kräfte zu. Heftige politische Kämpfe er-
scliütterten den inneren Frieden. Abermals strebte ein vornehmer Kömer,
M. Manlius (Capitolinus) nach der Tyrannis, wurde aber überwältigt und
getötet, 384 v.Chr.') Besonderen Einfluß besaß damals M. Furius (Camillus),
der Sieger von Veji. Er soll nach einem Sieg über Volsker und Etrusker
(oben S. 53) mit den Volkstribunen in Konflikt geraten sein; nach einer
Variante bei Diodor wurde er zwei Jahre später vom Volk in eine hohe
Geldbuße genommen.^) Einige Jahre darauf, nachdem das Konsulat längere
Zeit in Wegfall gekommen war, erhob sich heftiger Streit über die Frage,
ob das Konsulat wiederhergestellt oder das Konsulartribunat beibehalten
werden sollte. Einen Teil des Jahres konnten einmal (377 v. Chr.) über-
haupt keine Beamten gewählt werden ; zwei Jahre später (375 v. Chr.) dehnte
sich die Anarchie auf ein volles Jahr aus^) und erst vier Jahre nachher
wurde dieser Kampf durch ein Kompromiß beigelegt: man stellte das Kon-
sulat wieder her und nun wurde erstmalig ein Plebejer Konsul. Damit war
der Zutritt der Plebejer zum höchsten Staatsamt praktisch durchgeführt
(366 V. Chr.),"*) nachdem er längst theoretisch zugestanden war. Gleichzeitig
mit dieser Wiederherstellung des Konsulats und der Zulassung der Plebejer
(366 V. Chr.) wurde nach der Überlieferung ein neues Amt, die Prätur, ge-
schaffen. Dessen Inhaber, der Prätor, hat die Zivilgerichtsbarkeit zu leiten;
doch ist er im Bedarfsfall neben den Konsuln, denen er als collega minor zur
Seite steht, auch im Krieg tätig. In demselben Jahr trat zu den zwei Adilen
ein weiteres Paar, die aediles cundes, die in einem zwischen patrizischen und
plebeischen Anwärtern jährlich wechselnden Turnus gewählt wurden.-^)
>) Diod. XV 3.5, 8.
•'') Diod. XIV 117, 6 (wohl aus „nach-
sullanischer" Nebenquelle). Die Überliefe-
rung der „sullanisclien" Annalistik (Liv.
V 32, 7; Plutarch, Camill. 12) setzt diesen
Vorfall vor die gallische Katastrophe und
läßt den Camillus in die Verbannung
gehen, aus der er zurückkehrt, um Rom
von den Galliern zu befreien. Nach E.
Täubler, Klio XII, 1912, 219 fP. hat Sulla
der legendären Darstellung des Camillus
als Vorbild gedient.
=*) Diod. XV 61. 75. Die Jahre 877 und
375 V. Chr. sind nach gewöhnlicher Zäh-
lung gegeben. Nach älterer Chronologie
fallen sie bei Liv. mit 373, bezw. 871, bei
Diod. mit 369, bezw. 367 v.Chr. zusammen.
Vgl. unten S. 93.
•*) Von der älteren hier zugrunde ge-
legten diodorischen Überlieferung weicht
Liv. VI 34 f. stark ab. Nach Liv. setzen
die Volkstribunen L. Licinius Stolo und
L. Sextius in zehnjährigen Kämpfen (376
— 867 v. Chr.) den Zutritt der Plebejer
zum Konsulat durch in Verbindung mit
einem Ackergesetz, durch welches das
zulässige Höchstmafa des Besitzes an Ge-
meindeland auf 500 Jugera normiert wird,
und mit einem weiteren Antrag, der die
Schuldenlast der verarmten Plebs min-
dert {Ie</('s Liciniae Sextiae). Die beiden Tri-
bunen werden jahraus jahrein wieder-
gewählt, bis endlich ihre Anträge durch-
gehen. Der Widerstand ist so heftig, daß
fünf Jahre lang (875 — 371 v. Chr.) keine
patrizischen Magistrate gewählt wurden
und also Anarchie herrschte. Dieser im
einzelnen um anekdotische Züge be-
i'eicherten Darstellung gegenüber verdient
Diodor den Vorzug (vgl. Ed. Meyer, Rhein.
Mus. 37, 1882, 610 ff.). Das Ackergesetz ist
ohne Zweifel aus weit späterer Zeit zu-
rückgespiegelt; es kann nicht älter sein
als der zweite punische Krieg (vgl. Niese,
Hermes 23, 1888, 410 ff.). K. J. Neumann
sucht das Originalgesetz ins Jahr 196
V. Chr. zu datieren (in Ullsteins Welt-
gesch. 1 424 mit Begründung seiner Hyjjo-
these bei Gercke- Norden, Einl. in die
Altertumswiss. III' 424 ff.). Gegen Niese:
K. Schwarze, Beiträge zur Gesch. altröm.
Agrarprobleme, Diss. Halle a S. 1912, der
das Ackergesetz von 367 v. Chr. für histo-
risch erklärt.
^) Die Geschichte ihrer Einsetzung bei
Liv. VI 42, 12 ff. ist legendenhaft. Ur-
sprünglich mag das Amt rein patrizisch
gewesen sein. Jedenfalls stand die kuru-
lische Ädilität stets in höherem Ansehen
als die plebeische.
3. Erste Periode: Bis zur Vereinigung Korns mit den Kampanern. (§ 11.) 65
Beendet waren die Kämpfe der beiden Stände damit keineswegs und
es währte noch einige Zeit, bis die Plebs die volle politische Gleichberechti-
gung mit den Patriziern errang. Noch immer kamen rein patrizische Konsul-
paare vor und erst seit etwa 340 v. Chr. wird der Anspruch der Plebejer
auf mindestens eine der Konsulnstellen regelmäßig befriedigt.^) Unter dem
Jahr 342 v.Chr. berichtet die jüngere Tradition^) von revoltierenden Soldaten,
die damals, zur Zeit des sog. ersten Samniterkriegs (oben S. 55f.) in Kam-
panien standen. Die Eebellen marschierten gegen Rom, konnten aber unter-
wegs von ihrem Vorhaben abgebracht werden. Den Wünschen der zur Ver-
nunft gekommenen Soldaten trugen einige militärische Gesetze Rechnung;
nach anderen Berichten wurden außerdem durch Anträge des Volkstribunen
L. Genucius^) die Bedingungen für die Bekleidung von Staatsämtern modi-
fiziert und die Rechte der Plebejer erweitert.*) Wie erwähnt, mögen die
auswärtigen Kriege, die damit verbundene Entwicklung des Militärsystems
sowie das Anwachsen der Bürgerschaft den Fortschritt der Plebs nicht wenig
gefördert haben. Es ist bezeichnend, daß dem Bürgerheer schon am Sturz
der Decemvirn und dem darauffolgenden Ausgleich von der Überlieferung
ein starker Anteil zugeschrieben wird. Daß das Heer mitunter in den Streit
der Parteien energisch eingriff, ist nicht unmöglich.
Überhaupt gewinnt das Heerwesen immer größere Wichtigkeit inner-
halb des Staats und wird zur zentralen Angelegenheit der ganzen Ver-
waltung. Die Kriege erforderten die Bewaffnung und Ausbildung der Bürger-
schaft in möglichst weitem Umfang. Dabei ruhte die Wehrpflicht, wie zu-
meist auch in Griechenland, auf der Grundlage des Census, durch den die
Bürger nach Maßgabe ihres Besitzes in fünf Klassen geteilt waren; clas^is
bedeutet das Aufgebot.^) Nach dem Census richtete sich die Wehrpflicht
und das Maß der politischen Rechte; die Besitzlosen waren vom Kriegs-
dienst befreit und hatten nur nominelles Stimmrecht. Die militärische Glie-
derung umfaßte das ganze Volk und wurde auf die Volksversammlung über-
tragen. Die zum Dienst als Fußvolk verpflichtete Mannschaft zerfiel in zwei
Altersstufen, die iuniore» und die seniores, wobei das 46. Lebensjahr die
Grenze bildete. Die Junioren sind felddienstpflichtig, die Senioren (bis zum
60. Lebensjahr) werden nur zu Verteidigungszwecken verwendet. Jede
Klasse hatte eine bestimmte Zahl von Abteilungen [centuriae), die oberen
verhältnismäßig mehr als die unteren; auf die Junioren und die Senioren
waren diese Centurien gleichmäßig verteilt.^) Nach Centurien stimmte die
Volksversammlung, wobei je eine Centurie eine Stimme bedeutete. Nicht
^) Das letzte rein patrizische Konsulat I nur vermutungsweise in jenem Jahr unter-
fällt in das Jahr 343 v. Chr. Bei Liv.VIlI | gebracht.
12, 16 erscheint die Bestimmung, daß auch : =) Die früher beliebte Ableitung von do-
von den Zensoren der eine Plebejer sein risch x/.äoig ist aufgegeben; vgl. A.Walde,
müsse, als eine der Uges Piibliliae vom | Lat. etymol. Wörterbuch, 1910'^,. 167.
Jahr 339 v. Chr. | '^) Nach der gewöhnlichen Überliefe-
^) Liv. VII 38 fif. : rung hatte die erste Klasse 80 Centurien,
') Liv. VII 42. die vier anderen zusammen 90; von diesen
^) Die ganze Erzählung ist schlecht be- j 170 Centurien des Fußvolks kamen 85 auf
glaubigt; Liv. selbst führt Varianten an. die Junioren, und ebensoviel auf die
Die Gesetze sind wohl echt, aber ihre i Senioren.
Zeit ist ungewiß und so hat man sie wohl |
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. HI, 5. 5. Aufl. 5
ß(3 Römische Geschichte.
in die Klassen einbezogen ist die Keiterei oder vielmehr die berittene Ho-
plitenschar, •) eine ständige Spezialtruppe mit ursprünglich drei, dann sechs,
schließlich 18 Centiirien. Wie in Griechenland wurden die Reiter für Be-
schaffung und Unterhalt ihrer Pferde aus der Staatskasse entschädigt. Bei
den Komitien stimmten sie an bevorzugter Stelle und besonders ab. Die
als Heer geordnete Gemeinde der Wehrpflichtigen {'■oniifia centuridta) ver-
fügte über die höchste gesetzgebende und richtez'liche Gewalt und wählte
auch die obersten Gemeindebeamten, die Heerführer. Die Censusgeschäfte,
Einschätzung des Vermögens, Gliederung der Bürgerschaft, Musterung der
Heerespflichtigen, gewannen hohe Bedeutung. So wurde denn eine eigene
kollegiale Magistratur, die Zensur, bald nach dem Decemvirat 443 v. Chr.
oder nach Mommsens Vermutung 435 v. Chr. geschaffen. 2) Von Zeit zu
Zeit, erst später regelmäßig alle fünf Jahre wurden zwei Zensoren auf
18 Monate bestellt. Vielleicht fällt mit dem Beginn der Zensur die Ein-
führung des Census und der Klassenordnung überhaupt zusammen, die von
der Tradition auf den König Servius Tullius (oben S. 32 ff'.) zurückgeführt
wird. Auf dem Census beruht auch die direkte Besteuerung, die notwendig
wurde, weil die Ausdehnung der Wehrpflicht die Ausgaben vermehrte. Der
Staat mußte sich entschließen, den Truppen Sold zu zahlen, was 406 v. Chr.
in dem langwierigen Vejenterkrieg erstmals geschehen sein soll.^) Doch gilt
die direkte Steuer, das frifjutuin, stets als außerordentliche, nur im Bedarfs-
fall erhobene Umlage. Da die siegreichen Kriege Beute und neue Einkünfte
brachten, so konnte ein Staatsschatz gebildet werden, dessen Verwaltung
einer neuen Magistratur, den Quästoren, anvertraut wurde. Die ersten zwei
vom Volk gewählten Quästoren hatten die Feldherren ins Feld zu begleiten;
später wurden zwei weitere Quästoren für die Stadt eingesetzt."*) Die mannig-
fache Erweiterung des Staatswesens stellte die Verwaltung vor neue Aufgaben.
Gewitzigt durch die gallische Katastrophe, wird Rom die Verbesserung
des Heerwesens mit gesteigertem Eifer betrieben haben, J) und zwar lernte
man bereitwillig von Freund und Feind, von Etruskern, Galliern und Sani-
nitern, besonders aber von den Griechen.") Auf Sizilien hatte der Tyrann
Dionysios I (gestorben 367 v. Chr.) das Kriegswesen auf eine hohe Stufe
gehoben. Er unterhielt ein stehendes Heer, in dem viele Italiker dienten.
Das sizilische Beispiel blieb gewiß nicht ohne Wirkung auf das italische
Heerwesen.
') Vgl. W. Helbig, Zur Gesch. des röm. ! ") 447 u. 421 v. Chr. nach Tacit. ann. XI 22,
Equitatus, Abh. Münch. Akad. 2-3, 2. Abt., 1 was Niese der abweichenden Version bei
1905, 267 ff. Liv. IV 43, 8 ff. vorzog. Die Quästoren
*) MoMMSEN, Rom. Chronol. 95 f. Vgl. sollen schon lange existiert haben und
Liv. IV 8, 2 ff. ScHWEGLER (III 114 f.) und j von den Königen und Konsuln ernannt.
DE Book (Fasti censorii 36 f.) setzen die ! worden sein. Diese Nachricht kann hier
Einführung der Zensur gleichzeitig mit ebensowenig erörtert werden, wie die
den ersten Konsulartribunen 444 v. Chr.
Vgl. auch SoLTAu, Über Entstehung und
Zus.setzg der röm. Volksvers. 585 f. O.
Leuze, Zur Gesch. der röm. Zensur, Halle
a/S. 1912, widerlegt die von Mommsen be-
hauptete Ursprünglichkeit eines festen
Normalintervalls.
Stellung zu den qnaestores parricidti.
'•') Dem M. Furius Camillus werden Ver-
besserungen der Bewaffnung 'zugeschrie-
ben (Flut. Cam. 40), schwerlich mit Recht,
wie aus Polyb. II 33, 4 hervorgeht.
®) Vgl. das von H. v. Arnim entdeckte
Ineditnm Vafiramim 3 in Drächmanks Ausg.
=*) Diod. XIV 16, 5. Liv. IV 59, 11. V 7, 12. , von Diodors röm. Annalen (1912).
4. Zweite Periode: Bis zur Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.). ((Quellen.) 67
Auch die Bildung des Senats, wie er später sich darstellt, dürfte in diese
Periode gehören. Er entstand dadurch, daß zu den patres, dem patrizischen
Uradel, plebeische Mitglieder, die co>iscriijfi hinzukamen. In der Anrede an
den Senat mit patres coiiscripti hat diese seine Zusammensetzung bleibenden
Ausdruck gefunden. Allerdings wären nach der communis opinio Plebejer
alsbald nach dem Sturz der Könige in den Senat gelangt;') aber wahr-
scheinlich ist dieses Ziel erst in den Tagen des Ständekampfs erreicht worden.
Der Senat tritt nicht an die Stelle der patres, die in seinem Schoß als ge-
schlossene Körperschaft ihre alten Privilegien bewahrten, sondern hat nur
die Befugnisse einer beratenden Versammlung. Seine Zusammensetzung wurde
durch das plehisc'dum Orinium den Zensoren übertragen; -) vielleicht sollte
auf diese Weise eine regelmäßige, periodische Neubildung des Senats oder
doch seines plebeischen Elements erzielt werden. Allein die plebeischen
conscripti glichen sich den patres an und Lebenslänglichkeit der Funktion
wurde für sämtliche Senatsmitglieder zur Regel.
Im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts v. Chr. ist Rom eine bedeutende
Gemeinde, von der auch die Griechen wissen, wie sich aus Erwähnungen
in der damaligen griechischen Literatur ergibt.^) Die Heimsuchung durch
die Gallier hat den Aufschwung Roms nur auf kurze Zeit gehemmt. In
der Folge wuchs die Stadt um so rascher und erhielt durch die Aufteilung
des eroberten Landes ein immer größeres Gebiet. Der Zuwachs kam nament-
lich der bäuerlichen Bevölkerung mittleren Besitzes zugut, also derjenigen
Schicht, die das Rückgrat des kriegerischen Gemeinwesens bildete; unter
diesen Umständen ließ sich die ausschließliche Herrschaft der alten Ge-
schlechter nicht aufrecht erhalten; den Plebejern mußte Gleichberechtigung
zugestanden werden. Nicht wenige plebeische Familien gelangten zu Reich-
tum und Ansehen und assimilierten sich allmählich den älteren patrizischen.
Der äußere Sieg des demokratischen Gedankens förderte den Gemeinsinn,
insofern nunmehr jeder Bürger das Gemeinwesen als das seinige ansehen
durfte. An dem ausgeprägt aristokratischen Grundcharakter des Regiments
hat sich jedoch auch im patrizisch-plebeischen Staat nichts geändert."*)
IV. Zweite Periode: Bis zur Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.).
Quellen:
Über den großen Samniterkrieg und die anschließenden Ereignisse vermittelt
den ältesten und besten Bericht Diodor im 19. und 20. Buch. Es ist dies das erste
zusammenhängende Stück genauerer römischer Geschichte, das brauchbar überliefert
') Liv. II 1, 11. Plut., Popl. 11. Festus keler, Sikelos, aus Rom einwandern, offen-
p. 251 M. Auf eine abweichende Über- bar auf Grund der Tatsache, dafs gerade
lieferung deutet Tacit. anu. XI 25 hin. Rom zu seiner Zeit nördlich von Kam-
Oben S. 45. panien die namhafteste Stadt war, die eine
-') Festus s. \. 2)raeteriti p. 246 M. Die \ größere Landschaft vertrat. Es liegt auf
Zeit dieses Plebiszits ist unbekannt. Die derselben Linie, wenn bereits Hellanikos
erste durch die Zensoren vorgenommene und Damastes eine hellenische Grün-
Bildung des Senats, von der wir wissen, dungssage Roms mitzuteilen in der Lage
geschah durch Appius Claudius 310 v. Chr.,
MoMMSEN, Rom. StR. III 836. 856.
^) Antiochos von Syrakus fr.7 bei Dionys.
Hai. I 73, 4 f. läßt den Eponymen der Si-
waren. Oben S. 29.
•*) F. Münzer. Rom. Adelsparteien und
Adelsfamilien, Stuttg. 1920, 409 ff.
68 Römisclie Geschichte.
ist. Diodor setzt jedocli erst mit 318 v. Chr. ein, da sein 17. und 18. Bucli nidits
Römisches bieten, und reicht nur bis zum Jahr 302 v. Chr. Von da ab sind nur
einzelne Auszüge aus Diodor erhalten.
Über die gallisch-etruskischen Kriege unterrichtet am besten Polybios
(II 19, ff.), der, wie man glaubt, aus Fabius Pictor geschöpft hat.
Der Krieg gegen Pyrrhos ist das erste Ereignis der römischen Geschichte,
das von gleichzeitigen Griechen dargestellt wurde, von Pyrrhos selbst in seinen
Denkwürdigkeiten, von Hieronymos von Kardia, vielleicht auch von Duris von
Samos, ferner von dem Epiroten Proxenos und von Timaios, der die Schilderung
dieses Krieges seiner Geschichte der Griechen im Westen (Sizilien und Italien) als
Anhang nachfolgen liefs. Auf diesen Quellen, von denen wir nur wenige direkte
Fragmente besitzen, beruht die echte Überlieferung, die verhältnismäfsig am reinsten
im Auszug des Justinus aus Pompeius Trogus (Buch 18 und 23) und in den
geringen Exzerpten Diodors vorliegt.
Die römischen Annalen, wie sie uns erhalten sind, haben auch diese Periode
einer durchgreifenden nationalistischen Glorifizierung unterzogen. Livius gibt für
den ersten Samniterkrieg nur eine Bearbeitung der bei Diodor reiner vorliegenden
Überlieferung. Mit dem Schlufs des 10. Buches (293 v. Chr.) bricht Livius für uns ab.
Von da an sind wir auf die Auszüge aus Livius (nebst Florus, Eutropius und Oro-
sius) und auf die Reste des Dionysios von Halikarnaß, des Appianos und Cas-
sius Dio angewiesen. Auch die Geschichte des Pyrrhoskrieges ist bei diesen Au-
toren stark entstellt, und die echte griechische Überlieferung hat nur schwache
Spuren hinterlassen. Für den Pyrrhoskrieg besitzen wir überdies Plutarchs Bio-
graphie des Pyrrhos. Für den italischen Krieg ist Plutarch besonders von Dionysios
beeinflußt, hat jedoch auch einzelnes aus älteren Historikern übernommen.
Vgl. die am Schluß von §§ 12 und 14 aufgeführte Literatur; über die Historiker
des Pyrrhoskrieges besonders R. Schubert, N. Jahrb. für Philologie, Suppl.bd. IX und
Geschichte des Pyrrhos S. 1 ff., ferner Niese, Hermes 31, 1896, 481 ff.
12. Der Samniterkrieg. Nachdem die Eömer durch das Biindnis mit
den Kampanern unmittelbare Nachbarn der Samniter geworden waren, ging
die bisherige Freundschaft der beiden Völker in die Brüche; denn die Sam-
niter mochten nicht auf ihren Einfluß in Kampanien,^ der ihnen die lebens-
wichtige Verbindung mit der See vermittelte, verzichten. So entzündete
sich an der kampanischen Reibungsfläche ein langwieriger Krieg zwischen
Rom und Samnium, der 22 Jahre 6 Monate dauerte, von 328—304 v. Chr. 2)
Kriegsschauplatz sind zumeist die strittigen Gebiete in Kampanien, am Liris
und später in Apulien, während weder Latium noch das eigentliche Sam-
nium im späteren Sinn in stärkere Mitleidenschaft gezogen wurde; den
Kampfpreis bildete die Herrschaft über die Stämme Mittelitaliens. Den Rö-
mern sicherte die straffe Konzentrierung ihrer staatlichen Kräfte die Über-
') Da keine Nachricht einen Widerstand ' Niebuhr, RG III 181 ff., De Sanctis, Sfor.
der Samniter gegen den Anschluß Kam- c/ei Romani II 293 ff.
paniens an Rom vermeldet, so liegt die 2) pjo^ XX 101. 5. Die .Jahre v. Chr. 324
Vermutung nahe, daß sie durch Alexander
den Molosser, der 334 bis 331 v. Chr. auf
italischem Boden stand, festgehalten wur-
den; denn Alexander kämpfte gegen sie
und schloß mit Rom ein Bündnis (unten
(430 der Stadt) und 309 (445 der Stadt)
werden dabei nicht gerechnet; es sind
zwei nachträglich eingeschobene Dik-
tatorenjahre. Scheidet man sie aus, so
wird der Anfang des Krieges auf 325,
S. 75). Die Zeit stimmt; 334 v. Chr., dem | sein Ende auf 303 v. Chr. fallen. Diod
wahrscheinlichen Datum von Alexanders XIX 10 wird das Kriegsjahr 318 v. Chr.
Landung in Unteritalien, entspricht in
der römischen Chronologie dem Jahr des
kampanischen Bündnisses 338 v. Chr. Vgl.
als neuntes bezeichnet; daraus ergäbe
sich als erstes das Jahr 326 v. Chr.
4. Zweite Periode: Bis zur Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.). (§ 12.) 69
legenheit, während die tapferen und kriegerischen Samniter der festen Or-
ganisation und der einheithchen Leitung entbehrten. Mehrere ihrer Stämme
scheinen den Römern verbiindet gewesen zu sein, andere traten im Ver-
lauf des Krieges zu Rom über. Erwähnenswert ist, daß einige Jahre vor
dem Krieg um 334 v. Chr. die Römer mit den Galliern förmlich Frieden
und Freundschaft schlössen (S. 55), wodurch sie nach dieser Seite hin ge-
deckt waren.
Den Anstoß zum Krieg bot die Griechenstadt Neapolis, der wichtigste
Handelsplatz Kampaniens, Nach der Erzählung der Annalen hatten die Nea-
politen ihre kampanischen Nachbarn, römische Bundesgenossen, angegriffen
und wurden deshalb von den Römern belagert (327 v. Chr.). Eine sam-
nitische Besatzung half bei der Verteidigung, aber die Römer gewannen
Neapolis durch den Verrat ihrer Parteigänger innerhalb der Bürgerschaft
(326 V. Chr.).i) Jedenfalls ist die Stadt durch friedliche Übereinkunft ge-
wonnen worden, da sie auch als Bundesgenossin Roms volle Autonomie
behielt und ihren griechischen Charakter bewahrte. Der Anschluß von
Neapolis, das seitdem treu zu Rom hielt, war ein höchst wertvoller Gewinn,
entfesselte aber den Krieg gegen die Samniter. Vielleicht haben die Sam-
niter schon die Besetzung Fregellaes am Liris, welchen Platz die Römer
328 V. Chr. besiedelten, als Übergriff betrachtet.
In den ersten Jahren des Krieges wurde auf beiden Seiten mit statt-
lichem Aufgebot gekämpft, offenbar ohne Entscheidung. Zuverlässige Nach-
richten fehlen. 2) Nur von einem großen Unglück, das 321 v.Chr. die Römer
betraf, haben wir Kunde; als nämlich das römische Heer in Samnium ein-
dringen wollte, wurde es nach einer verlorenen Schlacht (?) von den Sam-
nitern in den kaudinischen Pässen eingeschlossen und zur Kapitulation ge-
zwungen.^) Die Römer mußten Geiseln stellen und ein Abkommen schließen,
1) Liv.VIII 22, 5 f., Dionys. Hai. 15, 5 f. crit. dl Roma IV, 132 u. A. 1).
Diese Berichte sind wenig zuverlässig. I ') Rübino, Unters, über röni. Verfassung
So beruht gleich die Erwähnung des mit ! u. Gesch. I 274. J. Kromayer, Abh. der
Neapolis eng verbündeten Palaepolis auf
Erdichtung (Mommsen, CIL X 1, p. 170).
Die weiterhin erzählte Hilfeleistung der
Tarentiner an Neapel wird ebenfalls er-
funden sein. Niese, Gesch. der griech. u.
niaked. Staaten I 478 f. Aber Pais, Stovia
critica dl Borna IV 457 ff. verficht gegen
Mommsen und Beloch die Existenz von
Palaepolis.
Sachs. Akad. d. Wiss. 34, 5, 1921, 60 ff. Die
Forche Candlne liegen an der späteren
Heerstraße von Capua nach Benevent.
Entgegen der durch H. Nissen, Rhein. Mus.
25, 1870, 1 ff. fast kanonisch gewordenen
Ansicht, daß die Ebene von Caudium
selbst bei dem heutigen Montesarchio der
Schauplatz der Katastrophe gewesen sei,
entscheidet sich Kr. aus topographischen
') Diodors Bericht (B. 19 u. 20) beginnt I und militärischen Gründen wieder für
erst mit dem Jahr 318 v. Chr., der des ! die Enge von Arpaja, an der noch im
Livius ist minderwertig; so klingen in \ MitielaMer der 'Nnine der furoilae Caudlnae
der Erzählung des J. 325 v. Chr. bei Liv. \ haftete. Unsere späten und zugestutzten
VIII, 29 f. bekannte Motive an. Besonders '] Tendenzberiehte suchen dem schmäh-
der Streit des Diktators L. Papirius Cursor j liehen Vorfall eine für Rom möglichst
mit dem magister equitumQ.Fabius Maxi- | ehrenvolle Seite abzugewinnen. Ob, wie
mus (Rullianus) ist dem Konflikt des Fa- Niebuhr annahm, der Kapitulation eine
bius Maximus mit M. Minucius vom J. 217 i verlorene Schlacht vorausging, oder ob,
V. Chr. nachgebildet. — Nach Beloch sind j wie Nissen es sich dachte, erst mehrere
die Namen der samni tischen Feld- Durchbruchsversuehe gescheitert waren,
herren dem Bundesgenossenkrieg ent- [ ist nicht zu ermitteln. Über den Vertrag
lehnt (vgl. bei Gercke-Noeden, Einl. in die vgl. E. Täubler, Inq). Rom. I 140 flf.
Altertumswiss. III', 187 f. Pais, Storla \
70
Römische Geschichte.
das vielleicht den Verzicht auf das eroberte Gebiet enthielt. Dieses Ab-
kommen, das nach einer Nachricht i) von den Konsuln und den Volks-
tribunen beschworen wurde, trat wahrscheinlich für einige Zeit in Kraft;
wenn später Fregellae und Umgebung wieder als samnitischer Besitz er-
scheint, so ist es denkbar, dafa diese Gegend damals von den Eömern ab-
getreten werden mußte. Bald entbrannte der Krieg aufs neue. In seinem
Verlauf gelang es den Eömern zu ihrem Glück, in Apulien und bei den
Lukanern Bundesgenossen zu gewinnen; jetzt konnten sie also den Gegner
auch von Osten her angreifen, von welcher Seite Samnium leichter zugäng-
lich war. Schon 318 v. Chr. wurde Canusium in Apulien erworben und
316 V. Clir. machten die Römer hier weitere Fortscliritte. Der Krieg wurde
in diesen Jahren in der Form von Plünderungen und Raubzügen mit kleineren
Scharen geführt, nahm aber bald wieder größeren Umfang an.
Im Jahr 315 v. Chr. waren zunächst die Samniter mit Erfolg tätig. Sie
gewannen vor allem Sora am Liris, das die Bewohner ihnen übergaben.
Indes drangen die Römer von Kampanien aus nach Samnium vor und be-
lagerten Saticula,^) das sie nach ihrem Sieg über ein samnitisches Entsatz-
heer auch eroberten. Nun aber holten die Samniter zu einem grofsen Schlag
aus: mit versammelter Macht marschierten sie auf Latium. Angesichts der
Gefahr bestellten die Römer in Q. Fabius einen Diktator, der an der Landes-
grenze bei Lautulae unweit Tarracinas dem Feind sich entgegenstellte. Aber
die Römer wurden geschlagen, der Reiterführer Q. Aulius, der den Rückzug
zu decken suchte, fand dabei den Heldentod. Der Sieg der Samniter machte
großen Eindruck; Capua, wo bald darauf die samnitische Partei die Ober-
hand gewann, drohte abzufallen. So mußten denn die Römer ihre Truppen
aus Apulien abberufen; um aber ihre Stellung dort nicht zu verlieren,
sandten sie eine latinische Kolonie nach Luceria, welcher Platz sich dann
als wichtige Stütze ihrer Herrschaft erweisen sollte. Überhaupt waren die
Römer so wenig entmutigt, daß sie im folgenden Jahr (314: v. Chr.) zwei
Heere ins Feld stellten, das eine gegen die Samniter, das andere gegen
das abtrünnige Capua. Bei Kinna ') erfochten sie über die Samniter einen
großen Sieg. Infolgedessen verzichteten die Kampaner auf ihre Abfalls-
gelüste, lieferten die Häupter der samnitischen Partei aus und kehrten zum
Bündnis mit Rom zurück. In den nächsten Jahren machten die Römer weitere
Fortschritte: Fregellae und Nola fielen ihnen in die Hände (313 v. Chr.);
gegen die Marrucinerstadt Pollitium zogen sie im Jahr 312 v. Chr. mit starkem
Aufgebot zu Fuß und zu Pferd. Im selben Jahr wurde am Liris die Kolonie
Interamna gegründet. Damit hatten die Römer in Mittelitalien die Ober-
hand gewonnen und konnten nun, im Jahr 311 v. Chr., auch wieder in Apu-
lien mit einem größeren Heer operieren und beträchtliche Vorteile erzielen.
Aber ein neuer Krieg zog sie von diesem Schauplatz ab. Eine Anzahl
Etruskerstädte *) vereinigte sich, vielleicht im Einvernehmen mit den Sam-
') Cic. de off. 3, 109. Vgl. Liv. IX 8, 13 ff.
^) Wie man annimmt, beim lieutigen
Sant' Agata clei Goti. Nissen, Ital. Landes-
kunde II 809.
') Unbekannter Lage. Burger und nach
ihm De Sanctis denken an Tarracina.
NiESEs Vermutung, daß bei Diod. XIX 76, 2
vielleicht Pinna gemeint sei, wird von
Drachmann empfohlen.
■*) Genannt werden die ansehnlichsten
Plätze, Cortona, Arretium, Perusia und
Tarquinii.
4. Zweite Periode: Bis zur Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.). (§ 12.) 71
nitern, zu einem Angriff auf das ehemals etruskische, nunmehr latinische
Sutrium. Die Eömer" mußten der belagerten Stadt zu Hilfe kommen und
ihre Heere aus Apulien zurückziehen; es gelang, die Etrusker auf ihr Lager
bei Sutrium zurückzuwerfen und so die bedrängte Stadt selbst zu entsetzen.
Doch die inzwischen von den Samnitern in Apuhen gemachten Fortschritte
zwangen die Römer, ihre Macht zu teilen; so ging der eine Konsul nach
Kampanien, um durch einen Angriff auf Samnium die Feinde von Apulien
abzuziehen. Jetzt waren die Etrusker, die Verstärkungen erhalten hatten,
den Eömern anscheinend überlegen, und konnten Sutrium erneut bedrohen.
Aber Konsul Q. Fabius machte durch das Gebiet der Umbrer, die offenbar
zu Rom hielten, einen unerwarteten Vorstoß nach Nordetrurien, das er
gründlich verheerte. Dadurch wurde das etruskische Heer gezwungen, die
Belagerung von Sutrium aufzuheben und seinen von Fabius besiegten Lands-
leuten Hilfe zu bringen. Im folgenden Jahr (308 v. Chr.) ') schlugen die Römer
einen samnitischen" Angriff auf die verbündeten Marser siegreich zurück
und zogen dann abermals durch das umbrische Land nach Nordetrurien.
Nachdem dann ein Waffenstillstand, zu dem sich die Etrusker gezwungen
sahen, dieser Fehde ein Ende gemacht hatte, konnten die Römer ihre ganze
Kraft wieder gegen die Samniter einsetzen. Allerdings eroberten die Sam-
niter auf dem westlichen Kriegsschauplatz 306 v. Chr. die Städte Sora und
Calatia; aber in Apulien siegten die Römer entscheidend bei Silvium, drangen
in Samnium selbst ein und verheerten das Land fünf Monate lang. Eine
Empörung Anagnias und anderer Städte der Herniker fand rasche Unter-
drückung und strenge Sühne. 2) Im nächsten Jahr 305 v. Chr. wurden die
Paeligner unterworfen; in Kampanien errangen die Römer einen Doppel-
sieg über das samnitische Heer und eroberten die Städte Sora, Arpinum
und Aesernia.3) Diese römischen Waffentaten nötigten die Samniter encUich
304 v. Chr. zum Friedensschluß, dessen Bedingungen unbekannt sind. Kam-
panien und die übrigen Eroberungen mußten sie den Römern überlassen.
Das bedeutete für Samnium eine starke Einschränkung und den fast völligen
Abschluß vom Meer.
Noch im nämlichen Jahr 304 eröffneten die Römer einen Angriff aut
die Aequer. Der Konsul P. Sempronius fiel in deren Land ein, nahm zahl-
reiche Ortschaften und zwang den ganzen Stamm zur Unterwerfung.^) Das
Gebiet wurde zum Teil an römische Bürger vergeben, auch wurden zwei
neue Kolonien, Alba Fucens (303 v. Chr.) und Carsioli (298 v. Chr.) angelegt.
Marser, Marruciner, Paeligner und Frentaner, also die streitbaren Völker
Mittelitaliens samnitischen Stammes, wurden gleich nach dem samnitischen
Frieden 304 v. Chr. Bundesgenossen der Römer; ihnen folgten bald die
^■7^09^^hr. ist Diktatorenjahr (vgl. \ obert (vgl. Liv. X 1, 3). Anagiiia wurde
g ßg r)\ l später zur civitas sine snffragio.
■•^) Hier offenbart sich wieder die Un- \ ') So wird nach Glareaküs und Clüveb
Sicherheit der lungeren Überlieferung. 1 sowohl bei Diod. XX 90, 4 (tur J-fe^rm,-) als
Nach Hin. h. n. 34, 23 hätte Konsul Q. Mar- | auc;h bei Li.^ IX 44^6 zu lesen sem Vgl.
cius Anagnia erobert, wovon Liv. IX 43, H. Philipp, Philol. Wochenschr. 1921. 647
dem zufolge die Hei'niker, ohne erheb- I . ;) Diod. XX 101, 5 Die ^^^l'^^J^f^^^
liehen Widerstand zu leisten, klein bei- ist unbekannt; auch Liy. IX 4o, o tt. nat
gäen, nichts weiß. Nach der klteren Tra- ! darüber nichtsWesentliches beizubringen,
dition (Diod. XX 80, 4) wird Frusino er- |
72 Römische Geschichte.
Vestiner und vielleicht die Picenter.^) Über die Umbrer fehlt es an glaub-
würdigen Nachrichten. Sie bildeten nur eine lockere Einheit, und oft trieben
die einzelnen Gemeinden ihre Sonderpolitik. Im ganzen scheinen sich die
Umbrer um ihrer Feindschaft mit den Etruskern '') willen während des Krieges
mehr den Römern zugeneigt zu haben. In der Folge wird sich dann ihr An-
schluß an die römische Bundesgenossenschaft angebahnt haben. Einer ihrer
südlichen Grenzorte, Nec[uinum am Nar, kam in den Besitz der Römer, und
wurde unter dem Namen Narnia latinische Kolonie (299 v. Chr.). 3)
Noch während des Krieges und bald nachher wurde dem Anwachsen
der römischen Bürgerschaft Rechnung getragen; so wurden 318 v. Chr. die
Tribus Falerna und Oufentina auf kampanischem und volskischem Boden
geschaffen; 313 v. Chr. wurden in Kampanien weitere römische Kolonisten
angesiedelt; 299 v. Chr. entstanden wiederum zwei neue Tribus, Aniensis
und Teretina. Parallel damit lief die Gründung neuer latinischer Städte
mitten im Krieg auf erobertem feindlichem Gebiet. Zu den genannten, Lu-
ceria, Interamna am Liris, Alba (Fucens), Carsioli und Narnia kommen
noch Suessa im Aurunkergebiet und Saticula, beide angeblich im Jahr 313
V. Chr. So legte Rom um sein Gebiet einen Gürtel von befestigten Städten
und gewährte zugleich der latinischen Nation eine dem Wachstum der römi-
schen Bürgerschaft entsprechende Ausdehnung. In dem großen Ringen mit
Samnium waren die Latiner die Waffenbrüder Roms und ohne Zweifel hat
vor allem die gemeinsam bestandene Kriegsgefahr die jüngst Besiegten mit
den Siegern zur völkischen Einheit zusammengeschweißt. In den Samniter-
krieg gehören nach den Annalen auch die Anfänge einer römischen Kriegs-
flotte; für den Bau und die Ausrüstung von Schiffen wurde 311 v. Chr.
eine eigene Behörde, die duoviri navales, bestellt.^) In diesem Zusammen-
hang ist auch die Gründung einer römischen Kolonie auf der Insel Pontia
zu erwähnen, die wohl dem Schutz der latinischen Küste galt. Offenbar
sind neben dem Landkrieg auch Operationen zur See vorgekommen.
J. Käekst, Jahrbb. für Phil., Suppl. XIII (1884) 725 ff. — C. P. Bükgee, De hello
cum Samnitihus secundo, Haarlem 1884. — P. Binnebössel, Untersuchungen über Quellen
und Geschichte des 2. 8amniterkrieges, Diss. Halle 1893. — C. P. Bue&er, Der Kampf
zwischen Rom und Samnium, Verhandl. d. Akad. Amsterdam, Letterkunde. X. F. II
1898. — Pais, Storia crifica di Roma 1\ .
13. Weitere Kriege gegen Samniter, Etrusker und Gallier. Bald nach
dem Ende des Samniterkriegs beteiligten sich die Römer als Verbündete
der Lukaner an dem Krieg gegen die Tarentiner, die einen spartanischen
Condottier, den Prinzen Kleonymos, zur Hilfeleistung aufgeboten hatten.
Kleonymos brachte ein so starkes hellenisches Söldnerheer zusammen, daß
') Liv. X 10, 12. Vgl. jedoch S. 74. 81. und die Art, wie Nequinum von den Rö-
2) Strabo V 216. mern erobert sein soll (Liv. X 9. 8if.).
3) Liv. IX 37. 39. 41 (310. 308 v. Chr.) er- *) Liv. IX 30, 4. Ob den Duovirn auch
zählt, daß die Umbrer den Etruskern zu der Oberbefehl über die Flotte zugedacht
Hilfe kamen, dann von den Römern ge- war, ist zweifelhaft. Das Amt hatte keine
schlagen wurden und sich bedingungslos große Zukunft und scheint um die Mitte
unterwarfen außer Ocriculum, das einen des 2. Jahrhunderts v. Chr. ganz ein-
Sondervertrag schloß. Diese Stadt wird gegangen zu sein. Von einer eigentlichen
also ihr eigenes foedus mit Rom gehabt Kriegsflotte kann übrigens zur Zeit seiner
haben. Das übrige ist Erfindung. Nicht Einführung noch nicht die Rede sein,
minder verdächtig ist ein späterer um- . Vgl. Niebühr, Rom. Gesch. III 282.
brischer Krieg bei Liv. X 1, 4 (303 v. Chr.) ,
4. Zweite Periode: Bis zur Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.). (§ 13.) 73
die Lukaner klein beigaben und Frieden machten (303 v. Chr.).i) In der
Folgezeit neigten sich die Lukaner den Samnitern zu, und die veränderte
Konstellation führte 299 oder 298 v. Chr. zu einem Krieg Roms mit diesen
beiden Völkerschaften. 2) Es war kaum Zufall, daß auch die Gallier um die-
selbe Zeit sich wieder regten; 299 v. Chr. gelangte nämlich ein Schwärm von
Transalpinem, vereinigt mit Etruskern, bis in römisches Gebiet und führte
eine beträchtliche Beute hinweg. 3) Der Samniterkrieg begann mit einem
römischen Angriff auf Samnium und Lukanien, wo der Konsul von 298 v. Ciir.,
L. Cornelius Scipio Barbatus nach dem Ausweis der Inschrift auf seinem uns
erhaltenen Sarkophag mit Erfolg sich betätigte.*) Kritisch gestaltete sich
Roms Lage erst, als sich die Samniter mit Galliern und Etruskern ver-
bündeten. Die Heere der drei Stämme vereinigten sich 295 v. Chr. in Um-
brien und zogen gen Rom. Zuerst erlitten die Römer im Gebiet der Camertor
(bei dem nachmaligen Camerinum) ^) eine Niederlage, schlugen aber wenige
Tage später mit ihrer ganzen Streitmacht die Gegner in der gewaltigen
Schlacht bei Sentinum, in der nach dem zeitgenössischen Historiker Duris
von Samos auf der feindlichen Seite 100000 Mann geblieben sein sollen. •5)
Mit diesem Sieg war die eigentliche Gefahr gebrochen, wenngleich sich
der Krieg gegen die römerfeindliche Koalition mit wechselndem Glück noch
etliche Jahre hinzog. Ein Treffen bei Luceria 291 v. Chr. blieb unentschieden.
Im nächsten Jahr erfocht der Konsul Sp. Carvilius einen stattlichen Sieg
über die Samniter.') Einen weiteren Fortschritt der Römer bezeichnet die
291 V. Chr. erfolgte Gründung von Venusia auf samnitischem Boden mit an-
geblich 20000 Kolonisten. Der Ruhm, den Krieg schließlich beendet zu
haben, gebührt den Konsuln von 290 v. Chr., P. Cornelius (Rufinus) und
M'. Curius (Dentatus). Sie zwangen den Feind, sich unter beträchtlicher
Einbuße zum Frieden zu bequemen. M'. Curius ist die erste einigermaßen
greifbare Persönlichkeit der älteren römischen Geschichte.^) Er hat vor allem
den letzten Akt des Krieges zum guten Ende geführt, die Unterwerfung
der Sabiner, die mit den blutsverwandten Samnitern gemeinsame Sache
gegen Rom gemacht haben müssen. M'. Curius durchzog unter Verheerungen
ihr Land und das benachbarte Picenum bis zur Adria. Zahlreiche Gefangene
wurden gemacht und ein großer Teil des Landes von den Römern in Besitz
')Diod.XX104; 302v.Chr.nachLiv.X2. und durch seinen Opfertod den Römern
■^) Bianca Bruno, La terza guerra san- den Sieg gewann. Der .Opfertod eines
nitica {Studi di storia antica puhbl. da Giulio ' Konsuls P. Decius wird uns auch von
Beloch, fasc. 6), Rom 1906. j den Schlachten am Vesuv (340 v. Chr.)
3) Polyb. II 19, 2. ' (S. 56, 4) und bei Ausculum (279 v. Chr.)
■*) CIL I- 6. 7. ILS nr. 1. Ganz anders j berichtet. Von diesen drei Decierdevo-
lautet der Bericht des Liv. X 12, 3 ff., 1 tiouen hat nur einer Anspruch auf Histori-
dessen Verfälschung durch die Inschrift zität. Vgl. E. Kornemann, Der Priester-
erwiesen wird. Vgl. Niese im Index lec- 1 codex in der Regia, Tübingen 1912, 26, 2,
tlonum, Marburg, Sommer 18ö6, 4. ; der sich für die mittlere entscheidet.
^) Nach Liv. X 25, 11 bei Clusium, das \ ') Plin. n. h. 34, 43, während nach Liv.
früher Camars geheißen habe. Niese folgt ; X 38 sein Kollege L. Papirius (Cursor) der
hier mit Niebühr dem Polyb. II 19, 5. Ob \ Sieger war. Mit dem Jahr 293 v. Chr.
Clusium wirklich je den Namen Camars I schließt die erste Dekade des Livius.
führte, sei mehr als zweifelhaft. ^)Plutarch,Catomaior 3. Populär machte
«) Diod. fr. XXI 6. Liv. X 2S f. erzählt, ihn besonders Cato. Vgl. Münzer, PW IV
daß in dieser Schlacht der Konsul P. De- 1844 f.
cius Mus sich den Unterirdischen weihte
74 Römische Geschichte.
genommen.') Was von den Sabinern noch ül)rig blieb, trat in die römische
Bundesgenossenschaft ein.'-*) Auch die Picenter mußten sich unterwerfen und
wahrscheinlich ein Stück ihres Gebietes abtreten; denn schon zum nächsten
Jahr 289 v. Chr. wird die Anlage der latinischen Kolonie Hadria an ihrer
Küste berichtet. Die Herrschaft Koms in Mittelitalien war jetzt entschieden.
Der Gewinn, den Rom aus diesem Kriege zog, war sehr beträchtlich: nach
der Unterwerfung der Sabina haben die Römer laut Fabius Pictor „zuerst
das Reichsein verschmeckt ".3) Die Verteilung von sabinischem Grund und
Boden an römische Bürger — doch blieben weite Strecken vorläufig noch
CKier puUlnis — leitete M'. Curius, der auch den See Velinus in den Nar
ableitete und dadurch das fruchtbare Becken von Reate trocken legte und
der Kultur gewann.^) Bald war die Sabina völlig latinisiert; schon 268 v, Chr.
wurden die wichtigsten Städte in das römische Vollbürgerrecht aufgenommen. &)
In den Samniterkrieg hatten, besonders seit 295 v. Chr., auch die Etrusker
als Gegner Roms eingegriffen; mit ihnen hatten die Römer noch mehrere
Jahre zu kämpfen bis zur schließlichen Unterwerfung. In den Jahren 298
bis 294 v. Chr. werden in unserer Überlieferung Kriege gegen die Etrusker
erwähnt, etwas s^Däter ein Krieg gegen Volsinii;*^) doch sind die Nachrichten
im einzelnen wenig zuverlässig. Es handelt sich nicht etwa um einen Krieg
gegen den gesamten etruskischen Stamm. Vielmehr scheinen sich die etrus-
kischen Städte auf zwei Parteien verteilt zu haben; während einige wie
Caere und vielleicht auch Clusium mit Rom befreundet oder verbündet
waren, suchten andere an den Samnitern und namentlich an den benachbarten
Galliern ihren Rückhalt. Uneins unter sich und in die Mitte zwischen Gallier
und Römer gestellt, vermochten die Etrusker ihre Selbständigkeit nicht zu
behaupten. Die Entscheidung fiel 285 v. Chr. Vielleicht von einem Teil der
Etrusker gerufen, überschritten die Gallier aufs neue den Appennin und
griffen Arretium an: die Römer wollten Hilfe bringen, wurden aber unter
erheblichen Verlusten an Toten und Gefangenen geschlagen. Als sich nun
die Gallier auch noch an römischen Gesandten vergriffen, da boten die
Römer ihre ganze Macht auf und wandten sich gegen den gallischen Stamm
der Senonen, die bis zu jener Verletzung des Gesandtenrechts als römische
Bundesgenossen gegolten hatten. Die Senonen wurden verjagt und ihr Ge-
biet, den ager Galllctis, nahm Rom in Besitz. Als Bürgerkolonie wurde Sena
Gallica an der adriatischen Küste gegründet. Durch diese römische Ex-
pansion fühlten sich die gallischen Boier, die Nachbarn der Senonen, be-
droht: sie sammelten ein großes Heer und zogen, vereint mit ihren etrus-
kischen Bundesgenossen, gegen Rom. Am vadimonisclien See {Vadimonis
lacii.s), nicht weit vom Tiber, traten die Römer den Feinden entgegen und
besiegten sie in einer großen Schlacht. Nach einer erneuten Niederlage im
nächsten Jahr (284 v. Chr.), vielleicht bei Populonia, ließen sich die Boier
zum Frieden herbei. Am meisten gelitten hatten in der Schlacht am
vadimonischen See die Etrusker; ihr Widerstand ist gebrochen und so beugen
1) Aurelius Victor de vir. ill. 33. Florus =>) Strabo V 228.
I 10. Niese, Hist. Zeitsehr. N. F. 23, 503. ") Cicero ad Att. IV 15, 5.
2) Die Sabiner werden als Bundes- *) Vell. Patere. I 14, 7. Vgl. aber unten
genossen Roms zuletzt um 225 v. Chr. S. 86, 1.
erwähnt. Polyb. II 24, 5. ] *) Müllee-Deecke, Etrusker I 120.
4. Zweite Periode: Bis zui* Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.). (§ 14.) 75
sie sich unter die römische Oberhoheit. Ihre Städte schlössen, eine jede für
sich, mit den Siegern einen Bündnisvertrag. Nur Volsinii und Volci be-
haupteten sich noch bis 280 v. Chr., in welchem Jahr auch sie Frieden machten. *)
14. Eroberung Unteritaliens. In Unteritahen standen seit langem die
griechischen Städte unter dem Druck von Brettiern undLukanern; die an
der Westküste liegenden aufser Elea (Velia) waren bereits erlegen und nur
die größeren Gemeinden an der Ostküste vermochten sich zu behaupten.
Bei weitem die mächtigste von allen war Tarent,^) eine große, reiche Stadt
mit lebhaftem Handel und ansehnlichem Territorium. Tarent beanspruchte
eine Art Hegemonie über die benachbarten Hellenen. Mit Messapiern und
Lukanern lag Tarent des öfteren in Fehde. Zu ihrer Verteidigung nahm
die Stadt wiederholt griechische Söldner und Heerführer in ihren Dienst,
zuerst den König Archidamos III. von Sparta, der 338 v. Chr. in einer
Schlacht gegen die Messapier für Tarent sein Leben ließ, dann Alexander
den Molosser, den König von Epirus und Oheim und Schwager Alexanders
des Großen. Der Molosser setzte wahrscheinlich im Jahre 334 v. Chr. nach
Italien über, wo er anfänglich gegen Lukaner, Apuler und Samniter Er-
folge erzielte und eine Reihe von festen Plätzen eroberte. Er zeigte sich
auch im tyrrhenischen Meer und landete bei Poseidonia, wo er Samniter
und Lukaner besiegte. Seine Feindschaft gegen die Samniter brachte ihn
in Fühlung mit Rom und die Interessengemeinschaft verdichtete sich zu einem
Bündnis. 3) Sein letztes Ziel soll die Gründung eines großen Westreichs ge-
wesen sein,^) eines Gegenstückes zu dem Ostreich Alexanders des Großen.
Aber dem Wirken des Molossers wurde bald ein Ende bereitet. Er über-
warf sich mit den Tarentinern, die ihn seinem Schicksal überließen. Nur
Metapont und Thurii hielten noch zu ihm. Von den Lukanern mit über-
legenen Streitkräften unerwartet angegriffen, wurde der Molosser geschlagen
und getötet, wahrscheinlich im Herbst 331 v. Chr.^)
Während des großen Samniterkriegs herrschte in Unteritalien, so viel
wir wissen, Ruhe.*') Aber gleich darauf erneuerten die Lukaner, jetzt mit
den Römern verbündet, ihre Angriffe auf Tarent; damals nahmen die
Tarentiner den Spartaner Kleonymos in ihren Sold, der den Lukanern
^) Eine zuverlässige Überlieferung der handl. der Münch. Akad. XV 173.
letzten Ereignisse und ihrer Zeit bietet I -) Strabo VI 280. R. Lorentz, Disquisitio
allein Polyb. II 19 f. Die späteren, meist de civitate vetenim Tarent inortmi, Naumburg
von Liv. abhängigen und vielfach ent- 1838; Dohle, Gesch. Tarents bis auf seine
stellten Erzählungen setzen den Krieg
2 Jahre später. 283 und 282 v. Chr., zeigen
jedoch noch Spuren der polybianisclien
Chronologie. Die Verschiebung geschah,
wie die spätere Überlieferung selbst an-
deutet, wahrscheinlich zu dem Behuf,
den Krieg der Tarentiner und des Pyrrhos
mit dem gallischen in unmittelbaren Zu-
Unterwerfung unter Rom, Progr., Strafs-
burg i. E. 1877.
3) Vgl. oben S. 68, 1.
*) Justin XII 2, 1.
'->) Niese, Gesch. d. griech. u. maked.
Staaten I 476 f. Über die Zeit seines Todes
vgl. Arrian, Anab. III 6, 7. Aeschin. in
Ctesiph. 242. Ungek, Griech. -röm. Syn-
sammenhang zu bringen. Mommsen läßt chronismen, SB. Münch. Akad. 1876, 571 f.
gegen alle Tradition den Krieg 3 Jahre, , und in diesem Handbuch I. 1892, 816.
von 284—282, währen. Unger sucht den j «) Liv. VIII 25, 7; 27, 4; 1X14 berichtet
Polyb. mit den jüngeren römischen Be- zwar, daß die Tarentiner zu einer Ein-
richten auszugleichen. Niese, Herm.XIII mischung zugunsten der Samniter neigten.
401 ff. ; Mommsen, RF II 352 ff.; Unger, Aber das kann Erfindung sein. Vgl. oben
Herm. XIV 77 ff.; Piniol. 39, 69 ff.; Ab- | S. 69, 1.
yg Römische Geschichte.
durch seine Rüstungen so imponierte, data sie mit Tarent einen Frieden
schlössen (S. 73), der auch die Römer mit einbegriffen haben wird (808
V. Chr.). Wie der Molosser versuchte auch Kleonymos sich in Itahen eine
eigene Herrschaft zu gründen. Es gelang ihm, von Italien aus Korkyra
zu besetzen, doch verlor er darüber unwiederbringlich seine Stellung auf
dem Festland. Wenige Jahre später, bald nach 8(J0 v. Chr., kam Agatliokles
von Syrakus den Tarentinern gegen die Lukaner zu Hilfe. Auch Apulien
hat er betreten.') Diese italische Intervention des sizilischen Tyrannen fällt
offenbar vor das Jahr 295 v. Chr., also in die Zeit, da die Römer den
zweiten großen samnistischen Krieg führten. Daß Agathokles mit ihnen in
Berührung kam, ist zwar nicht überliefert, aber immerhin wahrscheinlich.
Denn wir wissen, dafs Kallias in seiner Spezialgeschichte des Agathokles
sich auch über die Anfänge Roms geäußert hat.^) Agathokles hatte zeit-
weilig die Brettier und die griechischen Städte an ihrer Küste, wo seine
Herrschaft bis Kroton reichte, unterworfen; er war ein gewaltiger Kriegs-
fürst, aber mit seinem Tod (289 v. Chr.) zerfiel sein Reich, und mit der
Beschützerrolle, die Syrakus den griechischen Städten gegenüber gespielt
hatte, war es vorbei. Auf Sizihen entstand allgemeine Verwirrung und die
Karthager konnten im Trüben fischen; in Italien kam es bald zu neuen
Angriffen der Lukaner auf Thurii.^*) Weder von Sizilien noch von Hellas,
wo damals die Kämpfe der makedonischen Machthaber alle Kräfte fesselten,
konnten die Thurier Hilfe erwarten; sich an die Tarentiner anzuschließen,
hatten sie offenbar keine Lust. So wandten sie sich denn an die Römer,
zu denen vielleicht schon früher Beziehungen angeknüpft waren, und Rom
übernahm ihren Schutz. Das lukanische Belagerungsheer wurde 282 v, Chr.
von Konsul C. Fabricius vor Thurii geschlagen. Eine römische Garnison
sicherte die Stadt. Aber dieses Eingreifen Roms führte zum Konfliß;t mit
Tarent. Es gab nämlich ein Abkommen, das möglicherweise im Jahre 803
V. Chr. in den Tagen des Kleonymos getroffen worden war, demzufolge
römische Kriegsschiffe nicht über das lakinische Vorgebirge sollten hinaus-
fahren dürfen.*) Als nun ein römisches Geschwader von Thurii aus in den
Golf von Tarent einlief, sah es sich plötzlich von den Tarentinern an-
gegriffen, die vier Schiffe vernichteten, eines kaperten. Dann wurde Thurii
mit Hilfe einer befreundeten Partei von den Tarentinern gewonnen und
für die römische Besatzung war kein Bleiben mehr. Die Römer forderten
durch eine Gesandtschaft Genugtuung von Tarent; aber die Gesandten
wurden von dem zügellosen Pöbel insultiert. So mußte denn Rom den
Krieg erklären.
Die Macht der Tarentiner war nicht unbedeutend; es wird behauptet,
daß sie 30000 Mann zu Fuß und 3000 zu Pferd aufbringen konnten ;=)
') StraboVI280; Arist.mirab.llO; Diod. mung erst aus einer späteren Quelle
exe. XXI 3 f. Er verweilte in Argyrippa (Appiaii. Samnit. 7, 1) und aus dem Zu-
(Arpi). sammenhang gerissen, in dem sie ge-
2) Dionys. Halic. I 72. standen haben muß. Der Vertrag wird
3) Nach Strabo VI 263 ist Thurii sogar noch andere ergänzende Artikel enthalten
von den Lukanern erobert und durch die haben. Es ist zu beachten, daß wir
Tarentiner wieder befreit worden, was zu von den betreffenden Vorgängen nur aus
der sonstigen Überlieferung nicht stimmt, j jüngeren römischen Quellen wissen.
■•) "Wir kennen diese Vertragsbestim- | =) Strabo VI 280.
4. Zweite Periode : Bis zur Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.). (§ 14.)
/ i
überdies Avaren seit einiger Zeit die Messapier aus Feinden zai Bundes-
genossen geworden; es gelang auch, die benachbarten Itahker gegen Rom
aufzuhetzen. Außer den Lukanern schlössen sich den Tarentinern die kürz-
lich besiegten Samniter, vielleicht auch die Brettier an.^) Indes den Römern
mit ihrer zahlreichen und streitbaren mittelitalischen Gefolgschaft war Tarent
imd sein bereits geschwächter Anhang denn doch nicht gewachsen. Auch
traten keineswegs alle Griechengemeinden Unteritaliens der antirömischen
Koalition bei; Rhegion und Locri wenigstens neigten sich eher den Römern
zu, ein Beweis, daß sie mit ihnen bereits in freundschaftlichem Verkehr
standen. Gleich im ersten Kriegsjahr (281 v. Chr.) wurden die Tarentiner
und ihre Bundesgenossen von den Römern aus dem Feld geschlagen und
ihre Ländereien verheert. Wie früher suchten sie auch in dieser Not aus-
wärtige Hilfe und zwar diesmal bei Pyrrhos, dem Sohn des Aiakides, und
Neffen Alexanders des Molossers. Seit 295 v. Chr. war Pyrrhos König von
Epirus.-) Tarent stand in Beziehungen zu Pyrrhos und war ihm früher
einmal nützlich gewesen. Pyrrhos, einer der gefeiertsten Heerführer seiner
Zeit, versagte sich dem Rufe nicht. Man hatte ihm aus Italien angeblich
350000 Mann zu Fuß, 20000 zu Pferd in Aussicht gestellt. Vor kurzem
war Pyrrhos von seinem Rivalen Lysimachos aus Makedonien verdrängt
worden; nun hoffte er sich in Italien eine neue Macht auf breiterer Basis
zu schaffen. Schon damals sollen seine Absichten auch auf Sizilien gegangen
sein, wo er als früherer Gatte der Lanassa, der Tochter des Agathokles,
Ansprüche erheben konnte.
Nach den vorbereitenden, von dem Thessaler Kineas geführten Unter-
handlungen setzte Pyrrhos 280 v. Chr. frühzeitig nach Italien über, unter-
stützt von den drei damals um Makedonien streitenden Fürsten Ptolemaios
Keraunos, Antiochos Soter und Antigonos Gonatas, begleitet von seinen
Söhnen Alexander, dem Enkel des Agathokles, und Helenos. Außer Tarent
schloß sich nur ein Teil der Griechen Italiens ihm an, andere Gemeinden
warteten zunächst ab, ja Rhegion vind Locri erbaten sich sogar eine römische
Besatzung. Den Kern des Heeres des Pyrrhos bildeten seine 20000 Pha-
langiten und 3000 thessalische Reiter; auch Elefanten, ein Novum für
Italien, brachte er mit. Die Kampagne des -Jahres 280 eröffneten die Römer
im Frühjahr mit einem Einfall ins feindliche Gebiet, zu dessen Schutz
Pyrrhos ins Feld rückte, verstärkt durch das tarentinische Aufgebot. Noch
ehe Pyrrhos seine italischen Hilfstruppen hatte an sich ziehen können,
sah er sich von Konsul P. Valerius (Laevinus) in der Ebene am Siris, zwischen
Herakleia und Pandosia angegriffen. Nach hartem Kampf erlitten die Römer
eine schwere Niederlage, Sogar ihr Lager büßten sie ein ; aber auch Pyrrhos,
der selbst verwundet wurde, hatte ernste Verluste. Die Entscheidung der
Schlacht war vor allem der thessalischen Kavallerie und den Kriegselefanten
zu danken. Die Folgen des Sieges waren erheblich; die Römer mußten
Unteritalien ganz aufgeben; wer bisher geschwankt hatte, trat jetzt auf die
Seite des Siegers; Locri lieferte dem Pyrrhos die römische Garnison aus.
leicht sind sie erst später auf des Pyrrhos
Seite getreten.
2) Velleius I 14, 6.
^) Die Stellung der Brettier ist nicht
ganz sicher. Plutarch erwähnt sie nicht
unter den Bundesgenossen Tarents; viel-
78 Römische Geschichte.
Die Truppe in Rhegion, eine römisch-kampanische Legion unter dem Kani-
paner Decius befürchtete einen ähnhchen Verrat. Um dem zuvorzukommen,
überfielen die Soldaten die Bürger, töteten oder verjagten sie und nahmen
die Stadt in eigenen Besitz. Sie ahmten damit das Beispiel ihrer Lands-
leute, der Mamertiner, nach. Die Mamertiner waren ehemalige Söldner
des Agathokles und hatten bald nach dessen Tod (289 v. Chr.), als sie
Sizilien verlassen sollten, sich mit derselben Brutalität auf der anderen
Seite der Meerenge Messanas bemächtigt. Fortan machten die neuen Sol-
datenrepubliken Messana und Rhegion gemeinsame Sache. Das Band mit
Rom war in Rhegion zerschnitten.
Pyrrhos beherrschte das Feld; verstärkt durch Samniter und Lukaner,
zog er, ohne auf Widerstand zu stoßen, über Samnium und Kampanien bis
nach Latium; schon näherte er sich der Stadt Rom; bis Praeneste oder
Anagnia soll er gekommen sein. Aber dann kehrte er wieder um; denn
inzwischen sammelten die Römer stärkere Kräfte; der zweite Konsul schloß
in Etrurien Frieden und kam zu Hilfe; Pyrrhos aber ging auf Tarent
zurück, ohne in Mittelitalien etwas ausgerichtet zu haben; denn ein Versuch,
Capua und Neapolis zu gewinnen, war fehlgeschlagen. Im nächsten Jahr
(279 V. Clir.) drang Pyrrhos in Apulien ein, um die Römer aus ihren dortigen
Besitzungen zu vertreiben, und eroberte mehrere Städte. Bei Ausculum kam
es zur Schlacht mit den Römern. Sie währte zwei Tage. Der erste Tag
war unentschieden geblieben, am zweiten wurden die Römer abermals be-
siegt; ihr Feldherr, Konsul P. Decius fiel.i) Doch war den Pyrrhos sein
Sieg teuer zu stehen gekommen. Aber er hatte aufs neue seine taktische
Überlegenheit erwiesen und so scheint es, daß die Römer das Feld räumten.
Trotzdem war es dem König erwünscht, dem Krieg ein Ende zu machen,
waren doch in Makedonien inzwischen durch einen Kelteneinfall und durch
den Tod des Ptolemaios Keraunos (280 v. Chr.) große Veränderungen ein-
getreten, die ihn zur Rückkehr einluden; andererseits rief man auch auf
Sizilien nach ihm. Als daher die Römer durch C. Fabricius Verhandlungen
anknüpften, bot Pyrrhos bereitwillig die Hand zum Frieden. 2) Offenbar
kam mit dem römischen Unterhändler ein vorläufiges Abkommen, in das
natürlich auch Tarent samt den übrigen italischen Parteigängern des Epiroten
einbezogen wurde, zustande; sogar ein Bündnis zwischen Rom und Pyrrhos
scheint ventiliert worden zu sein. 3) Als Vertreter seines Königs begab sich
Kineas nach Rom, um den Frieden zu ratifizieren. Aber hier trat ein Um-
schwung ein: der Senat lehnte jetzt einen Frieden mit Pyrrhos ab; es wird
^) Vgl. über den Tod des Decius oben älteren Berichte, Justin 18, 2, 6, Diodor
S. 73, 6. j exe. 22. 6 und Cic. de seueet. 16 datieren
'^) Von der livianisehen, früher als kano- die Unterhandlungen auf 279 v. Chr., wo-
nisch geltenden Überlieferung werden für auch spricht, clafa andernfalls die Zeit
die Unterhandlungen des Fabricius mit von der Schlacht bei Ausculum bis zur
Pyrrhos und die Sendung des Kineas nach Fahrt nach Sizilien ereignislos verliefe.
Eom ein .Jahr früher, nach der Schlacht ^) Vgl. Niese. Hermes 31. Iö96. 49-1 ff.
bei Herakleia, angesetzt, ebenso im I)i- Über die vorgeschlagenen Bedingungen
editum Vaticanum 2 (hrsg. von H. v. Arnim, läßt sich vermuten, daß die Kömer mit
Hermes 27, 1892, 120 und in Drachmanns den Verbündeten des Pyrrhos Frieden
Ausg. von Diodors röm. Annalen, Bonn schließen und in territorialer Hinsicht den
1912). Dadurch soll der römische Herois- sfatiis quo ante bel/nni anerkennen sollten,
mus noch stärker akzentuiert werden. Die
4. Zweite Periode: Bis zm- Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.). (§ 14.) 79
erzählt, daß der blinde Greis Appius Claudius (Caecus) durch eine markige
Rede die dem Frieden zuneigenden Senatoren umgestimmt habe.') Vor allem
aber waren es die Karthager, die den Stimmungsumschlag mit herbeiführten.
Karthago sah seine Herrschaft auf Sizilien gefährdet, falls Pyrrhos durch
Verständigung mit Rom die Hände frei bekam. Der karthagische Admiral
Mago erschien mit einer Flotte vor Ostia und bot dann in Rom die Hilfe seiner
Regierung an. ^) Auf diese Weise gedachte Karthago den Frieden in Italien zu
hintertreiben, um den Pyrrhos dort festzuhalten. Denn bereits hatten die
sizilischen Städte, besonders Syrakus und Akragas, unter dem dreifachen Druck
ihrer Tyrannen, der Karthager und der Mamertiner um den Beistand des
Pyrrhos, der sich nicht lange bitten ließ, nachgesucht. Angesichts der ver-
änderten Lage verwarfen die Römer den Friedensgedanken, um nunmehr
mit Karthago in Fühlung zu treten; in einem Vertrag verpflichteten sich
die beiden Mächte, keinerlei Sonderbündnis mit Pyrrhos einzugehen, während
sie sich für den Krieg gegenseitige Unterstützung in Aussicht stellten. 3)
Aber Pyrrhos ließ sich durch diese römisch-karthagische 'entente' nicht
beirren. Nach Abschluß der Verhandlungen mit den Sikelioten setzte er im
Sommer 278 v. Chr.'*) nach Sizilien über, wo er bei Tauromenion landete
und alsbald große Erfolge erzielte. Obwohl zur See überlegen, hatten die
Karthager doch die Überfahrt des Pyrrhos nicht verhindern können. Die
schon eingeleitete Belagerung von Syrakus hoben sie schleunigst auf. In
die befreite Stadt hielt Pyrrhos seinen Einzug und versöhnte die beiden
rivalisierenden Machthaber Thoinon und Sosistratos. Alle Sikelioten traten
auf seine Seite; sie schlössen einen Bund und wählten den Epiroten ein-
hellig zu ihrem Feldherrn. °) An der Spitze eines stattlichen Aufgebots
drängte Pyrrhos die Mamertiner zurück und gewann alle karthagischen
Plätze bis auf Lilybaeum, das er zu belagern begann. Die Karthager boten
Frieden und waren bereit, ihm seinen Gewinn zu bestätigen und sich mit
Lilybaeum zu begnügen: aber dies Angebot fand keine Gegenliebe. Da
jedoch Lilybaeum sich energisch zur Wehr setzte, so beschloß Pyrrhos, die
Karthager in Afrika selbst anzugreifen, zu welchem Behuf er eine große
Flotte ausrüstete. Aber das Blatt wandte sich. Denn durch Gewalttaten
und Erpressungen verscherzte sich der fremde König die Sympathien der
sizilischen Griechen. Sein einflußreichster Bundesgenosse, Sosistratos, den
er zu beseitigen versuchte, sagte sich von ihm los, worauf es mit der Macht
des Pyrrhos rasch bergab ging. Die sizilischen Städte verständigten sich
mit Karthago oder mit den Mamertinern, so daß sich PyrYhos auf seine
Basis Syrakus beschränkt sah. Da zugleich aus Italien dringende Bitten
') Das hat schon der Dichter Ennius genau genommen 281/0 v. Chr. Olymp,
poetisch behandelt (Cic.de senect. 16). Den 124, 4. Vgl. II 41, 11. Doch scheint er
Anfang der Rede und den Gedankengang damit nur einen Approximativwert zu
gibt Plut. Pyrrh. 19, vgl. Lieditum Vati geben. Vgl. Niese, Hermes 31. 1896, 496, 1
canuin 2 (s. S. 78 A. 2). Die Blindheit des und über weitere damit verbundene Kon-
Ap. Claudius hat Mommsen in Zweifel ge- troverseu Meltzer, Gesch. der Karth. II
zogen, Rom. Forsch. I 301 ff. 227. 545.
-) Justin. 18. 2. i ■•) 2 Jahre 4 Monate nach der Ankunft
==) Polyb. III 25. Diod. XXII 7, 5. Liv. in Italien. Diod. 22, 8.
perioch. 13. Polyb. setzt den Vertrag mit =) Polyb. VII 4, 5.
Karthago ^arä zijv llvuoov dcäßuaiv, d. h. ,
g() Römische Geschichte.
um Hilfe bei Pyrrhos einliefen, so kehrte er »Sizilien den Rücken (um
275 V. Chr.). Er erreichte zwar mit seinem Heer Italien; aber seine Kriegs-
flotte, 110 Segel stark, wurde in einer großen Seeschlacht von den Kar-
thagern fast ganz vernichtet; Pyrrhos hatte viele seiner Besten zu beklagen.
In der Zwischenzeit scheinen die Wafien in Italien fürs erste geruht zu
haben. Unsere dürftigen Nachrichten verzeichnen erst für 277 v. Chr. einige
Kämpfe, die sich mit wechselndem Glück in Samnium, Lukanien und Brettien
abspielten. 1) Den Krieg großen Stils hatte ja Pyrrhos nach Sizilien verlegt;
wäre es ihm vergönnt gewesen, seine dortigen Anfangserfolge sicher zu
stellen, so wäre die RückAvirkung auf Italien nicht ausgeblieben. Da aber
Pyrrhos einen Teil seiner Besatzungen aus Italien nach Sizilien zog,^) so
hatten die Römer gegen die unteritalischen Städte freies Spiel. So eroberten
sie mit Hilfe einer ihnen ergebenen Partei zuerst Kroton, dann Locri^) und
auch über Samniter und Lukaner müssen sie gesiegt haben: überhaupt ge-
rieten alle Bundesgenossen des Pyrrhos arg ins Gedränge. Erst die Wieder-
kunft des Königs bot den Römern Paroli. Pyrrhos unternahm zunächst
einen vergeblichen Angriff auf Rhegion; beim Abzug hatte er ein hitziges
Gefecht mit den Mamertinern zu bestehen. Dann gewann er Locri zurück
und betrieb neue Rüstungen, zu denen seine italischen Freunde kräftig
beisteuern mußten. Von Tarent aus kehrte er seine Waffen gegen den Kon-
sul M". Curius (Dentatus), der in Samnium oder Lukanien stand. Aber der
Angriff auf das römische Heer führte zu einer Niederlage,*) in deren Folge
Pyrrhos nach Tarent zurückgehen mußte.
Um den Krieg, wie es seiner ursprünglichen Absicht entsprach, fort-
setzen zu können, hätte Pyrrhos bedeutender Verstärkungen bedurft. Er
ersuchte also den Antigonos Gonatas, der jüngst Makedonien erobert hatte,
um Unterstützung. Dieser lehnte ab und so beschloß Pyrrhos, mit ihm ab-
zurechnen. In Italien ließ er Besatzungen zurück unter seinem Sohn Hele-
nes und dem Feldherrn Milon. Er selbst versprach zurückzukehren. Als
er aber bald darauf fast ganz Makedonien erobert hatte und im Begriff
stand, den Antigonos auch aus Griechenland zu verdrängen, berief er seine
beiden Vertreter, den Sohn und den Vertrauten, aus Italien ab (274 v. Chr.).^)
Damit war das italische Unternehmen aufgegeben. Seine dortigen Bundes-
genossen setzten den Krieg wohl noch eine Weile fort, sahen sich aber bald
genötigt, mit den Römern Frieden zu machen und sich ihrer Führung zu
') Zonaras VIII 6 und die Triumphal- geht hervor, daß Pyrrhos keine seiner
fasten. CIL I^ p. 46. Schlachten förmlich verlor, daß also auch
'-) In Locri hatte er anfänglich seinen diese, die sog. Schlacht bei Beneventum,
Sohn Alexandros zurückgelassen (.Justin. rein taktisch unentschieden blieb. Strate-
18, 2, 12). Später scheint er ihn nach gisch hatte Pyrrhos den Kürzeren ge-
Sizilien gerufen zu haben. zogen. Unsicher wie der Verlauf ist auch
ä) Nach Zonaras VIII 6 im J. 277 v. Chr. der Ort des Kampfes. Nach Plut. Pyrrh. 2.")
durch den Konsul P. Cornelius Rufinus. stand M.' Curius bei Beneventum. das
Doch ist die Einnahme möglicherweise damals noch Maleventum geheißen haben
erst 276 v. Chr. geschehen, nachdem die soll. Nach der livianischen Tradition (Flo-
Lage auf Sizilien sich ungünstig für Pyr- rus I 13, 11. Oros. IV 2, 3) war die Wal-
rhos gestaltet hatte. statt in Arnsiiiis ranipis in Lukanien. Vgl.
•*) Der ausführliche Schlaehtenbericht Frontin. strateg. 4, 1, 14. Hülsen, PW II
bei Dionys. Halic. 20, 12 und Plut. Pyrrh. 22 1493. III 274.
ist stark verfälscht. Aus Polyb. 18, 28, 11 , '^) Justin 25, 3, 6; vgl. Plut. Pyrrh. 33 f.
4. Zweite Periode: Bis zur Unterwerfung Italiens (265 v.Chr.). (§ 14.) 81
unterwerfen. Genaueres ist nicht bekannt. Die Lukaner und Samniter ver-
loren Teile ihres Gebietes und stellten Geiseln, das lukanische Pästum
(Poseidonia) erhielt eine Kolonie römischer Bürger.') Die mit Pyrrhos früher
verbündeten griechischen Städte Unteritaliens traten unter Wahrung ihrer
Autonomie in die römische Bundesgenossenschaft ein, vor allem Tarent samt
dem eng verbundenen Herakleia.^) Bald folgten die benachbarten Messapier
(Sallentiner),^) ebenso die Brettier.^) Elea wird schon vorher sein Bündnis
mit Rom geschlossen haben; ob es überhaupt zu Pyrrhos hielt und sich am
Krieg gegen Rom beteiligte, ist sehr zweifelhaft. Zuletzt geschah die Unter-
werfung Rhegions, das von der abtrünnigen römisch-kampanischen Legion
in Besitz genommen war. Die Stadt konnte erst erobert werden, nachdem
die Mamertiner in Messana bewogen worden waren, ihre Hand von ihr ab-
zuziehen. Nach längerer Belagerung wurde Rhegion (angeblich 270 v. Chr.)
erstürmt.^) Die 300 überlebenden Gefangenen wurden nach Rom geführt
und dort nach römischer Sitte gestäupt und enthauptet; die Stadt fiel an
die früheren Besitzer zurück,^) sie behielt ihre Selbständigkeit ungeschmälert
und gehört fortan zu den sichersten Bundesgenossen Roms.
Nachdem so Unteritalien sich den Römern unterworfen oder angeschlossen
hatte, blieb zur völligen Eroberung Italiens nur wenig zu tun übrig.'') Es
wird von einem Aufstande im Samnium berichtet (269 v. Chr.), ferner von
einem Krieg gegen die Picenter, die in einer blutigen Schlacht besiegt
wurden (268 v.Chr.); ihre Stadt Asculum wurde erobert. 266 v. Chr. kam
es zu Kämpfen mit den Sarsinaten, einer umbrischen Gemeinde, die auch
später noch eine Sonderstellung einnahm. In diese Zeit dürfte auch die
Unterwerfung des von alters her befreundeten Caere gehören. Aus un-
bekannter Ursache war die Gemeinde mit Rom in Konflikt geraten. An-
gesichts der römischen Kriegsdrohung gab sie klein bei und erkaufte den
^) 273 V. Chr. Vell. I 14, 7. Dies Datum nommen und verliert Mauern und Schiffe,
wird als das Jahr der Unterwerfung Lu- Dies alles ist unmöglich; denn Milon war
kaniens anzusehen sein. Hierauf bezieht nach dem besseren Bericht längst ab-
sich vielleicht, was Aristoxenos bei Athen. berufen, und wir wissen, daß Tarent
XIV 632 A über die Barbarisierung Posei-
donias berichtet.
^) Nach Cicero pro Balbo 50 schloß Hera-
kleia unter dem Konsul C. Fabricius (278
V. Chr.) mit Rom das Bündnis. Aber diese
Nachricht lautet ganz unbestimmt und
kann nicht richtig sein: denn es ist un-
denkbar, daß sich damals, als Pyrrhos'
Macht auf der Höhe stand, Herakleia den
Römern angeschlossen haben sollte. Wahr-
scheinlich hat es sich zugleich mit Tarent
ergeben. Nach der sj^äteren Überlieferung
Mauern und Schiffe behielt, sowie seine
Autonomie. Auch die Zeit ist keineswegs
beglaubigt. Man scheint absichtlich den
Fall Tarents mit dem Tod des Pyrrhos
gleichzeitig gesetzt zu haben. Vgl. Niese,
Hermes 31, 1896, 503 f.
^) Deren Unterwerfung nach der römi-
schen Überlieferung erst 267 und 260 v.Chr.
geschehen sein soll, was Bedenken erregt.
Eutrop. II 17. Flor. I 15. Zonaras VIII 7.
^) Nach Dionys. Halic. XX 15 mußten
sie die Hälfte des holzreichen Silawaldes
(Liv. perioch. 14. Oros. IV 3. 1 ; 5, 2. Fron- j an die Römer abtreten.
tin strateg. III 3, 1. Zonaras VIII 6; vgl. ; '-) Nach Cassius Dio (Zonaras VIII 6, 14)
die Triumphalfasten) werden die Lukaner hat Hieron von Syrakus den Römern
und Samniter 273 und 272 bekriegt und dabei geholfen.
erfolgt die Unterwerfung Tarents 272 «) Polyb. I 7, 10 ff. Zonaras VIII 6. CIL
V. Chr. nach Pyrrhos' Tod. Tarent wird I^ p. 52.
belagert, vergebens kommt eine kartha- ') Die sehr ungenügenden Nachrichten
gische Flotte zu Hilfe; die Stadt wird j finden sich in den Auszügen des Livius,
durch den Verrat Milons, der sie immer bei Zonaras VIII 7 und in den Triumphal-
noch behauptet, von den Römern ge- ! fasten.
Handbuch der klacs. Altertnmswissonschaft. III, 5. 5. Anfl. 6
82 Römische Geschichte.
Frieden durch Gebietsabtretung (etwa 273 v.Chr.).') Zuletzt von allen unter-
warf sich der römischen Herrschaft Volsinii in Etrurien, wo nach der Über-
lieferung die Optimaten in die Gewalt ihrer Knechte gelangt waren und
nun die Römer zu Hilfe riefen. Erst nach langem Widerstand wurde die
feste Stadt von den liöniern erobert und zerstört. An anderer Stelle wurde
ein neues Volsinii gebaut^) und den alten Herren übergeben (265 v. Chr.).
Auch jetzt legten die Römer auf dem Gebiet der Unterworfenen Kolonien
an: in Samnium am Wege zwischen Capua und Tarent Beneventum (268
v.Chr.) und bald danach (263 v. Chr.) Aesernia; bei den Picentern Firnium
(264 V. Chr.)3) und an der gallischen Grenze das wichtige Ariminum (268 v. Chr.).
Nunmehr war ganz Italien mit Ausnahme der Gallier unterworfen und
bildete eine Bundesgenossenschaft, deren Führer die Römer waren. Zum
erstenmal war so die ganze Appenninenhalbinsel politisch geeinigt; der
Name Italia, mit dem die Griechen Unteritalien bezeichneten, ging jetzt
auf das Ganze über und wurde von den Römern akzeptiert. In der Bundes-
genossenschaft überwog das römische Element, sowohl was die Kopfzahl
wie was den Gebietsumfang anbelangt; denn über ganz Mittelitalion bis ans
adriatische Meer saßen römische Bürger in mehr oder weniger zusammen-
hängenden Siedlungen. Bei weitem der größte Teil der Bürgerschaft wohnt
also weit zerstreut auf dem Lande; die hier vorhandenen Ortschaften oder
Marktplätze habmi aber nur untergeordnete Bedeutung; denn die einzige
Stadt ist Rom und innerhalb des römischen Gebiets kann es andere Städte
nicht geben. Die Walirnehmung der Rechtspflege in den entlegeneren Teilen
des Stadtgebiets lag den pracfecfl iure dicundo ob, die vom römischen Prätor
ernannt, zum Teil auch von der Bürgerschaft gewählt wurden. Die Orte,
wo sie residierten, wurden daher Präfekturen genannt.^) Außerdem waren
dem Stadtgebiet eine Anzahl früher selbständiger Gemeinden einverleibt, die
als Untertanen behandelt wurden ; ohne in die Bürgerschaft einzutreten und
ohne politische Rechte nahmen sie doch an allen Pflichten und Lasten der
römischen Bürger teil als sog. cives sine suffraglo. Dies sind die Munizipien im
älteren Sinn, als deren Typus Caere gilt. Diese Untertanen haben kein eigenes
Gemeinwesen mehr, sondern gehören zum Gebiet der Stadt Rom; im Lauf
der Zeit sind sie allmählich in die Bürgerschaft aufgenommen worden.
Die übrigen Italiker sind Roms Bundesgenossen; ihr Verhältnis zur
führenden Gemeinde, das auf einem Vertrag beruhte, war nach den Um-
ständen, vinter denen das Bündnis zustande gekommen war, verschieden,
glich sich aber allmählich aus. Alle waren innerhalb gewisser Grenzen
selbständig. Den Römern waren sie vor allem zur Heeresfolge verpflichtet;
') Cassius Dio fr. 33 vol. I p. 1.38 Boiss. I Landesk. II 337 ff. Ob Volsinii untertänig
Die Behandlung der Caeriten zog den wurde, läßt sich nicht bestimmt erkennen.
Römern den Vorwurf der Undankbarkeit s) ^^ch die Gründung der Bürgerkolonie
zu (Strabo V 220), daher sind, um diesen
Vorwurf zu mildern, bei Livius die Be-
ziehungen zu Caere wohl absichtlich ent-
stellt. Oben S. 54 Anm. 4.
Castrum wird von Velleius 114, <S ins Jahr
2G4 V. Chr. gesetzt, von Livius 283 v. Chr
••) Festus s. v.pracfecfHrae p.233 M. Momm
SEN, Rom. Staatsrecht III 581 f. Daß die
2) Das alte Volsinii entspricht wahr- ! Präfekten ursprünglich nur für die Halb
scheinlich dem heutigen Orvieto, das 1 bürgergemeinden oder Munizipien be
neuere trägt noch heute den alten Namen stimmt gewesen seien, wie Mommsen meint
Bolsena am lago di Bolsena. Nissen, Ital. j läßt sich nicht erweisen
4. Zweite Periode: Bis zur Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.}. (§ 15.) 83
Rom setzte das zu stellende Truppenkontingent fest, das von jeder Ge-
meinde selbst ausgehoben und besoldet wurde und unter römischem Ober-
befehl einheimische Führer hatte. Tribut wurde nicht geleistet. Den Römern
am nächsten standen die stammverwandten Latiner, die nach Aufhebung
des alten latinischen Bundes in den zahlreichen Kolonien über einen großen
Teil Italiens ihre Nationalität verbreiteten. Sie besaßen Rechts- und Ehe-
gemeinschaft {conuhium und commercium) mit dem Vorort Rom. Die Kolonisten
sind gewiß zum guten Teil aus der römischen Bürgerschaft hervorgegangen,
aber die Städte bildeten jede für sich eine besondere, selbständige Gemeinde
und kommen dem griechischen Begriff der Kolonie am nächsten.') Sie sind
eine wichtige Stütze der römischen Herrschaft. Die übrigen Bundesgenossen
hatten meist erhebliche Teile ihres Gebietes an die römischen und latinischen
Kolonisten abtreten müssen; manche Städte mußten römische Bürger als
Ansiedler und Besatzung aufnehmen; im übrigen behielten sie ihre alte
Verfassung, die bei vielen, besonders den binnenländischen Sabellern, eine
Stammesverfassung war. Städte sind dort erst spät unter der römischen
Herrschaft entstanden. Gelegentlich hatten Parteiungen die römische Er-
oberung gefördert; 2) die Römer wußten dann dafür zu sorgen, daß ihre
Freunde ans Ruder kamen. Diese Föderierten hatten dieselben Bundes-
pflichten wie die Latiner. Die griechischen Seestädte und wahrscheinlich
auch die Brettier hatten später^) die besondere Verpflichtung, Schiffe und
Schiffsmannschaften zu stellen; Mannschaften zum Landheer müssen die
hellenischen Bundesgenossen nicht aufbieten; sie waren die socii nnvales.
Mit auswärtigen Staaten oder Gemeinden durften die Italiker Bünd-
nisse nicht mehr eingehen;*) auch die früher oft geübte Reisläuferei mußte
allmählich aufhören. Im einzelnen sind die Leistungen der Bundesgenossen,
namentlich im Hinblick auf den Kriegsdienst, im Lauf der Zeit genauer fest-
gelegt und einander angeglichen worden. Die Italiker mußten die Entwicklung
des römischen Kriegswesens mitmachen; die Römer sorgten für einheitliche
Wehr Verfassung, Bewaffnvmg und Ausbildung, und die Selbständigkeit der
Kontingente wurde mehr und mehr eingeschränkt.
Literatur über den Pyrrhoskrieg: K. v. Scala, Der pyrrhische Krieg, Berlin und
Leipzig 1884. — R. Schubert, Geschichte des Pyrrhos, Königsberg 1894. — Niese,
Hermes XXXI, 1896, 481 ff. Geschichte der griech. u. makedonischen Staaten II 26 If. —
J. Beloch, Griechische Geschichte III 556 ff. — Über den italischen Bund : Mommsen,
Rom. Staatsrecht III 645 ff.; Makquardt, Rom. Staatsverw. I 44 f.; J. Beloch, Der ita-
lische Bund unter Roms Hegemonie, Leipzig 1880.
15. Verfassungsgeschichtliches. In dieser Periode ist die Verfassung in
den einmal betretenen demokratischen Bahnen weiter fortgeschritten. Die
Struktur der römischen Bürgerschaft wurde durch die Erweiterung des Ge-
biets nicht unwesentlich verändert; denn viele latinische und auch sam-
nitische Elemente fanden Eingang, und naturgemäß verstärkten solche Neu-
bürger vor allem die Reihen der Plebejer. Wenn auch die Patrizier die
') Daher die Griechen, wie Polybios, I Marine gab.
sie ganz richtig als Kolonien der Römer
bezeichnen.
^) Es wird davon bei den Paelignern
berichtet. Diodor XX 90, 3.
^) Seitdem es nämlich eine römische
*) Freundschaftsverhältnisse, soweit sie
das Bündnis mit Rom nicht alterierten,
blieben den Italikern auch fernerhin ge-
stattet.
g4 Römische Geschichte.
bisher errungene Gleichberechtigung der PleVjcjer nocli ininier anfochten,
so konnten diese doch ihre Stellung beluiupten. Sclion stehen unter den
namhaften Heerführern der Zeit zwei Sühne der Plebs, M'. Curius (Dentatus)
und C. Fabricius in vorderster Linie, ersterer zugleich ein eifriger Vorkämpfer
für die Kechte seiner Standesgenossen.') Dabei l)ehielten die Patrizier auch
jetzt noch wiclitige Privilegien. Noch lange Zeit besetzten sie tatsächlich
immer eines der beiden Konsulate, was bei ihrer viel geringeren Zahl eine
starke Begünstigung vor den plebeischen Mitbewerbern bedeutete. Dauernd
blieben ihnen diejenigen Pcclite, welche durch die Religion geheiligt waren.
Diese wurden nicht abgeschafft, aber unwirksam gemacht. Ausschließlich
besetzten sie nach wie vor die vornehmsten alten Priestertümer;^) aber die
politisch wichtigen, die Kollegien der Pontißces und Augures, wurden 300
v.Chr. durch das Gesetz der Volkstribunen Q. und Cn.Ogulnius den Plebejern
gleichmäßig zugänglich gemacht, die Zahl der Mitglieder der Kollegien wurde
da/AI verdoppelt. Nocli immer bestand die patntm aiictoritab; die Genehmi-
gung der Patrizier für die Gesetze und Wahlen, jedoch nun mit der Be-
stimmung, daß sie im voraus ausgesprochen werden mußte, ^) wodurch sie
ihre entscheidende Bedeutung verlor. Noch einmal, um 287 v. Chr., kam
es zu politischen Unruhen, zu einer Auswanderung der bewaffneten Plebs
auf den Janiculus, als deren Ursache Zwietracht und Verschuldung an-
gegeben wird; vielleicht hatte auch die Verteilung der im Sabinerkriege er-
oberten Ländereien Anteil daran. Ein Diktator, Q. Hortensius, schlichtete
den Streit. Das Ergebnis war die le.r IJorfensia, durch welche die Beschlüsse
der nach Tribus abstimmenden Plebs, die plehiscita, als für die Gemeinde
bindend und den Besclilüssen der Centuriatkomitien gleiclibedeutend erklärt
wurden.'*) Hierdurch hob sich die Bedeutung der Volkstribunen, der Vertreter
der Plebs, beträchtlich. Den Tributkomitien fiel fortan der größte Teil der
Gesetzgebung wie der Wahlen zu. Nur die höchsten Magistrate, Konsuln,
Prätoren und Zensoren wurden immer von den Centurien gewählt.
Eine besondere Erwähnung verdient die j)opuläre Zensur des Appius
Claudius^) während des großen Samniterkrieges (310 v. Chr.).*^) Sein Werk
') Cicero Brut. 55 und die Schrift de 1 stimmt worden sein. Die Zeit des Ge-
vir. ill. 33, 10. I setzes scheint also unsicher. Mommsen
'-) Das jüngere Kollegium der decemviri \ gibt den drei Gesetzen verschiedene Be-
sacri.s facintid/.'i war vielleicht von Anfang deutung und will in ihnen drei Stufen
an den Plebejern zugänglich. Nach Livius der plebeischen Entwicklung erkennen
VI 42, 2 wird es schon 367 v. Chr. unter (Rom. Forsch. I 131 ff.), aber die Über-
beide Stände gleichmäfsig geteilt. Aller- lieferung kennt ebensowenig die von
dings nimmt die Überlieferung an, daß Mommsen angenommene Bedeutungs-
es vorher rein i^atrizische duoviri ge- Verschiedenheit wie die Unterscheidung
geben habe. | zwischen patrizisch-plebeischen und rein
^) Durch eine le.r PnhWia angeblich a. d. plebeischen Tributkomitien. Es gab wahr-
J. 339 (Liv. VIII 12, 1.5) und eine spätere /«.r scheinlich nur eine Art.
J/«('/i/rt unbestimmter Zeit (Cicero Brut.55). j ^) Mommsen, Rom. Forschungen 1301 ff.;
^) Die Nachrichten über diese Unruhen Staatsrecht II 402 f. III 435 f.; Soltau, Ent-
sind dürftig und unzuverlässig. Liv. stehung und Zusammensetzung der röm.
perioch. 11. Cass. Dio fr. 37, 2 (I 110 ff. Volksvers. 475 ff.: Sieke, Ap. Claudius Cae-
Boiss.). cf. Diodor XXII 18, 2. Was das cus Censor i. J. 310 v. Chr., Marburg 1890.
Hortensische Gesetz vorschreibt, soll nach Münzer, PW III 2681 ff. E.Täubler, Unters,
unseren Annalen früher schon zweimal, z. Gesch. des Decemvirats, Berl. 1921, 91.
durch die lex Valeria Horatia 449 v.Chr. •') Diodor XX 36. 312 v. Chr. nach Livius
und durch die lex Puhlilia 339 v. Chr. be- j IX 29, 5 f. und Frontinus de aquis 1, 5.
4. Zweite Periode: Bis ziir Unterwerfung Italiens (265 v.Chr.). (§ 15.) 85
war die erste große Wasserleitung {<(qii(i Appia) und die Heerstraße {via
Appia) von Rom nach Capua. Er wird uns fast als Tyrann geschildert,
der im Einverständnis mit seinem Kollegen C. Plautius Venox eigenmächtig
die Einkünfte der Gemeinde auf seine Bauten verwendete.') Bei der Er-
gänzung des Senats nahm er Söhne von Freigelassenen auf, und erlaubte
ferner jedem Bürger, sich beim Census schätzen zu lassen, wo, d. h. in
welcher Tribus er wollte. Dabei stieß er im Senat und bei der Nobilität
auf heftigen Widerstand, und die Konsuln erkannten den von ihm ge-
bildeten Senat nicht an.^) Aber die Bürgerschaft stand auf seiner Seite.
Ihm zu Gefallen und dem Adel zum Tort wurde damals der Sohn eines
Freigelassenen, also eines ehemaligen Sklaven, Cn. Flavius, zum kurulischen
Ädil gewählt, als der erste mit Namen bekannte Ädil der römischen Ge-
schichte. Mit einer Weitherzigkeit, die den damaligen Hellenen fremd war,
gaben die Römer auch den Freigelassenen das Bürgerrecht, wenn es auch
zunächst beschränkt war.^^) Flavius hat das Verzeichnis der dies fasti, der
Geschäftstage des Kalenders, in Rom auf dem Forum öffentlich anbringen
lassen und des weiteren die Klagformeln {legis actiones) zusammengestellt
und publiziert. Beide Maßnahmen stehen im Zusammenhang mit der Reform-
t(ätigkeit seines Herrn und Meisters Ap. Claudius; es sind Vorstöße gegen
das patrizisch-pontifikale Monopol der Rechtskenntnis.'*)
Überhaupt trägt diese Zeit einen gewissen demokratischen Zug, den die
vielen und schweren auswärtigen Kriege begünstigt haben; denn ohne eifrige
Mitwirkung der ganzen Bürgerschaft konnten sie nicht geführt werden.
Durch die Volkswahlen kamen ehrgeizige und tüchtige Männer empor, und
die Volkstribunen gewannen auf die auswärtige Politik bedeutenden Einfluß.
Und so nimmt auch das ganze Volk an den Früchten der Siege teil, wie
') Vielleicht wurden die Kosten aus ] hatte, vermutete K. W, Nitzsch, Flavius
der Kriegsbeute bestritten. j habe die ersten Annalen veröffentlicht.
2) Anders stellt es Livius dar. Nach ^ Pais stempelt ihn zum Urheber der sog. 12
ihm (IX 4(>, 14) wurde die niedere städ- ; Tafeln. Vgl. oben S. 61 A. 6. Mommsen, Rom,
tische Bevölkerung von Apj^ius in alle \ Chronologie 198. 210 f. Nitzsch, Die röm.
Tribus verteilt, aber später (304 v. Chr.) | Annalistik 232 ff. Matzat, Röm. Chronol.
von den Zensoren Q, Fabius und P, De- , I 266. 0. Seeck,, Die Kalendertafel der
cius in die vier städtischen Tribus zu- [ Pontifices 1 ff". E. Lambert, L'hist. tradi-
sammengedrängt. Da sich diese Notiz I tioneUe des XII fahles 49. Besonders be-
auch später (bei der Zensur von 220 v.Chr., j liebt ist die Hypothese, dafs Flavius die
Liv. perioch. 20) wiederholt, so ist ihre Zu- älteste Redaktion der Konsulliste vor-
verlässigkeit sehr zweifelhaft. Unten § 24.
^) Siehe den Brief Philipps V. an die
Larisäer. SIC II' nr. 543, Z. 31 ff.
•*) Über Cn. Flavius handeln Diodor
XX 36. Cicero p. Mur. 25 f. de orat. I 186.
ad Attic. VI 1, 8. Piso fr. 27. Liv. IX 46.
Plinius h. n. XXXIII 17 ff. Macrob. 1 15, 9.
Pompon. Dig. I 2, 7. Diodor verbindet die
Ädilität des Cn. Flavius init der Zensur
genommen und dabei eine Reihe von
Fälschungen begangen habe. Vgl, z. B.
K, J. Neumann bei Gercke-Noeden, Einl.
in die Altertumswiss. III' 427. Dagegen:
O. Leüze, Die röm. Jahrzählung, Tübingen
1909, 278 f. Aus der Ädilität des Flavius
gab es (nach Plin. a. a. O.) ein Denkmal,
eine Kapelle der Concordia, aus Straf-
geldern errichtet laut Inschrift 204 Jahre
des Ap. Claudius, und dies ist gewiß die nach der Weihung des kapitolinischen
ursprüngliche Überliefex-ung. Livius setzt Tempels, die also in diesem Fall als Ära
die Ädilität des Flavius ins J. 304 v. Chr. dient (unten S. 91). — Vgl. über Flavius
In neuerer Zeit haben sich weittragende noch Münzer bei PW VI 2526 ff. und über
Hypothesen an den Mann und sein Werk seine literarische Arbeit F. Leo, Gesch.
angesetzt. Nachdem Mommsen ihm die i der röm. Lit. I 41 f.
Herausgabe der Konsulliste zugeschrieben j
86 Römische Geschichte.
die Verteilung des eroberten Ijandes an die Bürger, insonderheit die Soldaten
zeigt. Sechs neue Tribus wurden in dieser Periode geschaffen; von den Ver-
bündeten und Untertanen, selbst von den Besiegten müssen viele ins volle
Bürgerrecht aufgenommen worden sein.') Ein Teil des eroberten Gebiets
wurde Gemeindeland-) und bildete, der Nutznießung der Bürger überlassen,
einen wichtigen Teil der öffentlichen Einkünfte. Dem wachsenden Umfang
der römischen Bürgerschaft entsprach die Vergrößerung der Stadt, ■^) Ver-
besserung der städtischen Einrichtungen und Vermehrung der Beamten.^)
Vier neue Quästuren wurden nach Unterwerfung Italiens (2(57 v. Chr.) zur
Wahrnehmung der römischen Rechte und Sicherung der Einkünfte bei den
Bundesgenossen eingesetzt.^)
Aber alle Erfolge der Plebejer machten liom doch nicht zu einer Demo-
kratie nach griechischer Art. Die leitenden Magistrate, die Feldherren, hatten
nicht nur im Feld, sondern auch in der Stadt große Macht, das Volk war
gewohnt, ihnen Gehorsam und Ehrerbietung zu erweisen. Unverbrüchlich
blieb der Grundsatz, daß die Volksversammlung nur unter Leitung und auf
Antrag eines dazu berechtigten Magistrats Beschlüsse fassen konnte, so daß
eine von der Magistratur unabhängige Demagogie unmöglich war. Dazu
kam, daß bei weitem die Mehrzahl der Bürgerschaft auf dem Land weit
zerstreut wohnte und nicht leicht in die Stadt kam, daß hingegen die
städtische Menge geringeres politisches Gewicht besaß; sie sah sich bald auf
die vier städtischen Tribus beschränkt und konnte nie eine Mehrheit bilden.
So nahm denn Rom aus der j^atrizischen Zeit seinen aristokratischen Cha-
rakter mit herüber. Vielfach blieb in der veränderten A^erfassung das Alte,
wenn auch zur bloßen Form versteinert, doch bis ans Ende der Republik
erhalten. Die Patrizier behaupteten sich noch längere Zeit als eine mächtige
Klasse, und ihr Gegensatz zu den Plebejern war, wie gesagt, noch immer
nicht verschwunden. Aber allmählich verschmolzen sie mit den angesehenen
plebeischen Familien zu einem neuen Adel, der Nobilität,") die zwar nicht,
wie der patrizisclie Uradel, mit gesetzlichen Privilegien ausgestattet war,
aber durch Reichtum und Ansehen ein wichtiger Faktor wurde und sich
beständig durch neue Familien ergänzte. Ihr Organ war der Senat, in welchen
neben den patres, den Mitgliedern des älteren Gemeinderats, auch die con-
f^-ipti, die dazu berufenen Plebejer, Eingang gefunden hatten (oben S. 67).
Die Bedeutung dieser Körperschaft wuchs mit dem Umfang des Gemeinwesens,
wie auch die Macht der vornehmen Familien, die in ihr saßen, durch die
zahlreichen Klientelen in den unterworfenen und verbündeten Landschaften
') Nach Velleius Pat. I 14, 7 ist den Sa- Für unecht erklärt es E. Täubleb. Unters,
binern schon 268 v.Chr. das volle Bürger- zur Gesch. des Decemvirats, Berlin 1921,
recht verliehen worden. Aber diese Nach- 11,133.)
rieht ist bedenklich, da es noch 22.5 v. Chr. ^) Hierher gehören die angeblich 289
verbündete Sabiner gab (Polyb. II 24, 5); j v. Chr. (oder nach Pomponius Dig. 1 2, 2, 29
es kann sich also höchstens um einen Teil . erst nach dem ersten panischen Krieg)
des Volkes handeln. | eingesetzten tres viri capitales, die Polizei-
■-) Dies gilt besonders von dem Sabiner- meister Roms. Mommsen, Rom. Staatsrecht
land und dem ager GalUcns. II-' 594 ff.
^) Die oben S. 60 A. 1 erwähnte lex Idlla \ '") Mommsen a. a. O. 570' ff.
über den Aventinus gehört vielleicht erst «) Ihr Wesen hat aufgehellt M. Gelzer,
in diese Zeit. (Vgl. über dieses Gesetz Die Nobilität der röm. Republik, Leipzig-
A. RosENBEKG, Heruics 48, 1913. 359 if. — j Berlin 1912.
4. Zweite Periode: Bis zur Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.). (§16.) 87
zunahm. Berühmt ist das Wort des Kineas, daß ihm der Senat von Rom
wie eine Versammlung von Königen erschienen sei. Die tatsächliche Lebens-
länglichkeit der Mitglieder verstärkte die konservativ-aristokratische Grund-
tendenz des Senates. So kam es, daß den griechischen Theoretikern die
römische Staatsverfassung als eine glückliche Mischung von Monarchie,
Aristokratie und Demokratie erscheinen konnte.^)
Das Rückgrat des Staates bilden nach wie vor Kriegsverfassung und
Heerwesen, das sich in dieser Zeit entsprechend dem wachsenden Umfang
des Gebietes und den erweiterten Aufgaben der Politik und Kriegführung
entwickelt haben muß, wenn auch Nachrichten darüber fast ganz fehlen.
Die Zunahme des Heeres spiegelt sich in der Zahl der Kriegstribunen, deren
zuerst 362 v.Chr. sechs gewählt sein sollen; 311 v.Chr. stieg ihre Zahl auf
zwölf und später waren es deren vierundzwanzig. Sie haben als vom Volke
gesetzte Gehilfen und Berater der Konsuln eine sehr wichtige Aufgabe. Die
Einheit des Fußvolkes ist die Legion^) von etwa -1000 Mann, aus Leicht-
und Schwerbewaffneten bestehend, in Manipeln und Centurien eingeteilt;
je zwei Legionen machten ein konsularisches Heer aus; beide konsularischen
Heere, vier Legionen, waren das übliche Aufgebot für einen größeren Krieg.
Neben den römischen Legionen erscheinen die Hilfstruppen der Bundes-
genossen, den Römern an Zahl mindestens gleich. Ihre Kontingente setzen
sich aus kleineren Einheiten, Kohorten, zusammen. Für die Reiterei be-
stehen bei Römern wie bei Bundesgenossen besondere Formationen.
Die Römer sind ein rauhes, kriegerisches, eroberungslustiges Volk, das
sich nicht begnügt, die Feinde zu unterwerfen; ein großer Teil der Be-
siegten wurde vielmehr vernichtet oder vertrieben, und römische Bürger auf
ihrem Lande angesiedelt. So verbreiterten sie das Fundament ihrer Vor-
machtstellung. Der Erfolg steigerte ihr Selbstvertrauen und ihre Unter-
nehmungslust. 2) In den Kriegen gegen die Samniter und Gallier und gegen
Pyrrhos machten sie eine gute Schule durch, aus der sie als Meister der
Kriegskunst hervorgingen. Es liegt ein tiefer Sinn darin, wenn die Legende
die Gründer der Stadt zu Söhnen des Kriegsgottes Mars gemacht hat.
16. Eintritt unter die großen Mächte. Der Sieg über Pyrrhos führte
Rom in den Kreis der großen Mächte ein. Es war die Zeit, da die Eroberungs-
politik Alexanders des Großen dem makedonisch-griechischen Element den
Orient erschloß und damit der griechischen Kultur ein neues Wirkungs-
gebiet. Aus dem langen Streit der Nachfolger Alexanders waren nach ver-
geblichen Versuchen, das Erbe Alexanders als Einheit zu bewahren, schließ-
lich drei größere, selbständige Monarchien hervorgegangen und so ein
Staatensystem entstanden, das sich unter wechselvollen Kämpfen in einem
gewissen Gleichgewicht erhielt. Das reichste und einheitlichste, das best-
vervvaltete war das Reich der Ptolemäer in Ägypten, das zugleich das
benachbarte Kyrene und südliche Syrien umfaßte, dazu die Insel Kypros,
und seine Besitzungen bis ins ägäische Meer und an die thrakischen und
') Polyb. VI 11. kommt anscheinend auch bei den Marsern
^) Die antiquarische Tradition läfst die i vor. Zvetaieff, In.<icr. Ital. mediae dialect.
Legion und ihre Einteilung von Romulus (Leipzig 1884) S. 37, nr. 43.
ausgehen. Plutarch, Rom.7. 13. Der Name | ^) Polyb. I 37, 7.
88 Römisclie Geschichte.
kleinasiatischen Küsten vorschob. Weitaus das größte Gebiet, Asien, er-
warben die Seleukiden, aber der Zusammenhang dieser Ländermasse war
wegen der Selbständigkeit vieler Teile nur locker. Schon früh lösten sich
einzelne Landschaften los, in Vorderasien Bithynien, die beiden Kappadokien
und der kleine Staat um Pergamon. Die dritte Macht, Makedonien, hatte
sich nach langen äufäeren und inneren Unruhen, nach den Kämpfen mit
den einbrechenden Kelten (280 und 279 v. Chr.) und gegen Pyrrhos unter
Antigenes Gonatas,i) dem Sohn des Demetrios Poliorketes, aufs neue kon-
solidiert. Wenn Makedonien auch von dem Umfang der Herrschaft, wie
sie Philipp) und Alexander hergestellt hatten, viel aufgeben mußte, so waren
ihm doch außerhalb des Stammlandes noch wertvolle Besitzungen in Hellas
geblieben. Zwischen den großen Monarchien in der Mitte standen die freien
Hellenen, die in den Kriegen der Nachfolger Alexanders ihre Freiheit
gerettet oder zurückgewonnen hatten, teils im eigentlichen Hellas, wo der
ätolische Stamm verband und später der acliäische sich zu Macht und
Bedeutung erhoben, teils im Kolonialgebiet. Mehrere ansehnliche Gemeinden
erfreuten sich anerkannter Unabhängigkeit, wie Chios, Kyzikos, Byzanz,
Herakleia am Pontes, Sinope, zeitweilig auch Athen, vor allem die Insel-
gemeinde Rhodos, die Handelsrej^ublik großen Stils. Obwohl die Freiheit
der Hellenen durch Verträge gesichert schien, wurde sie doch oft genug
von den Monarchen angefochten; namentlich die makedonischen Könige be-
mühten sich, Hellas möglichst zu unterwerfen, während die Ptolemäer in
ihrem Bestreben, Makedonien und die Seleukiden im Schach zu halten, sich
der hellenischen Freiheit annahmen. Das politische Intrigenspiel und die
fortdauernden Kämpfe erzeugten fast unversöhnliche Gegensätze.
Unberührt von dem wechselvollen politischen Getriebe blieb die Ein-
heit der allgemeinen griechischen Kultur, die seit Alexander in ein neues
Stadium einzutreten begann, das wir seit J. G. Droysen als Hellenismus
bezeichnen. Dieser Hellenismus erlebte seine Blüte in den Hauptstädten
der Monarchien, ganz besonders in Alexandrien unter der verständnisvollen
Pflege der Ptolemäer. Für sein Wesen charakteristisch ist die Fermentierung
des griechischen Elements mit orientalischen Kulturbestandteilen. In dieser
neuen Form hat das Griechentum seinen Eroberungszug angetreten und ist
über alle politischen Schranken hinweg weit nach Osten zu den Barbaren
vorgedrungen, um schließlich auch den Westen kulturell zu unterwerfen.
Die Umwälzungen und Zuckungen im Osten blieben auch auf den Westen
nicht ohne Nachwirkung. Wie griechische Heerführer in Italien und Sizilien
auftauchten, so griff umgekehrt Agathokles von Sizilien aus zeitweilig in
die Kämpfe um die Vorherrschaft in Griechenland ein. Er stand mit De-
metrios Poliorketes und später mit Ägypten in Freundschaft und Bündnis.
Und was die Römer anbetrifft, so kamen sie den Kreisen der hellenischen
Mächte um so näher, je weiter sie in Unteritalien vordrangen. Sie müssen
mit den griechischen Mächten in gelegentlichen Verkehr getreten sein. 2)
') Regierte von 276—239 v. Chr. | schein Werte. Niebukk III 664 denkt an
^) Eine Gesandtschaft der Apolloniaten ein Hilfsgesuch der Apolloniaten gegen
in Illyrien um 266 v. Chr. erwähnt Cass. j Alexander von Epirus, den Sohn des
Dio fr. 42 I p. 141 Boiss. Aber es ist nur ; Pyrrhos.
ein exemplum von zweifelhaftem histori- 1
4. Zweite Periode: Bis zur Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.). (§ 10.) 89
Alexander der Molosser schloß mit ihnen ein Bündnis (oben S. 75), Alexander
der Grofäe und Demetrios Poliorketes sollen mit ihnen in diplomatischen
Verkehr getreten sein.^) Daß die Römer ihrerseits Alexander in Babylon
(323 V. Chr.) durch Gesandte gehuldigt hätten, ist spätere Erfindung; denn
nach den glaubwürdigen Berichten sind wohl die Etrusker, Lukaner und Bret-
tier vor Alexander erschienen, aber nicht die Römer. 2) An sich würde eine
römische Gesandtschaft, Avenn sie nur gut bezeugt wäre, nichts Befremd-
liches haben. Bald danach, um 300 v. Chr. 3) traten die Römer mit den Rho-
diern in eine Freundschaft, die lange gewährt und für Romern gute Früchte
getragen hat. Nach dem Ende des Pyrrhoskrieges wurden zwischen Rom
und Ptolemaios II von Ägypten in gegenseitigen Gesandtschaften Beziehungen
angeknüpft.*)
Wenn also die Hellenen schon seit längerer Zeit Rom recht wohl kannten,
so wandten sie nach der Vertreibung des Pyrrhos der so rasch aufgestiegenen
Macht ihre Aufmerksamkeit in wachsendem Maße zu; die verschiedenen
Gründungssagen der Stadt, die sie mit der hellenischen Sagenwelt verknüpfen
sollen, können dafür Zeugnis ablegen (oben S. 29). In der Tat war Rom
durch den Eintritt der italischen Griechen in das römische Bündnis zu einer
halb hellenischen Macht geworden; schon Herakleides Pontikos, der Zeit-
genosse des Aristoteles, nannte Rom eine hellenische Stadt, ^) eine Über-
treibung, durch die er seine geringe Kenntnis der tatsächlichen Zustände
verrät. Etwas später erläuterte Eratosthenes seine These, daß die Scheidung
der Menschheit in Hellenen und Barbaren unbillig sei, mit dem Hinweis
auf Karthago und Rom. '^) Auch das Verhalten mancher unteritalischer Städte
zu den Römern beweist, daß man sie nicht als fremdes Element ansah, ihnen
vielmehr Vertrauen entgegenbrachte. Mit dem Bündnis übernahm Rom zu-
gleich die Handelsverbindungen der italischen Griechen und schickte sich
an, in den Welthandel einzutreten. Italien war ja der berufene Vermittler
zwischen dem Orient und dem ferneren Westen.'^) Und der Eintritt in den
Weltverkehr brachte noch eine andere, wichtige Neuerung mit sich: Rom
degradierte damals (269 v. Chr.)^) sein bisheriges Kupfergeld zur Scheidemünze
') Strabo V 233. Es handelt sich beide dann von den Römern erwidert wurde.
Male um gefangene Seeräuber aus Antium, Doch kann weder die Zeit, noch das Drum
die den Römern zur Bestrafung zuge- j und Dran dieser Gesandtschaft verbürgt
schickt werden. Demetrios war von 293 werden. Vielleicht fällt sie erst später und
—287 V. Chr. König von Makedonien. ist Hiei-on II von Syrakus Vermittler
2) Arrian anab. VII 16, 4. Erst Kleit- zwischen Rom und Ägypten geworden,
archos (tr. 23) u. a. von Arrian a. a. O. ge- Vgl. Niese, Gesch. d. griech. u. makedon.
nannte Autoren wuTsten von den Römern Staaten II, 196 f. J. N. Sboronos, Tu rofu'a-
zu berichten. Jedenfalls mufs Kleitarchos //«ro tov xoÜTovg töjv IlToAfuakov, 117 f. ver-
die Römer zu den namhaftesten Völkern mutet, daß Rom und Ägypten 273 v. Chr
des Westens gezählt haben, was für seine eine Münzkonvention geschlossen hätten
Zeit (er schrieb um 250 v. Chr.) nicht zu | Aber diese Vermutung entbehrt der nö
verwundern ist. Vgl. Niese, Hist. Zeitschr.
N. F. 43, 41.
ä) Polyb. XXX 5, 6.
^) Nach der livianischen Überlieferung
tigen Begründung.
"•) Plut. Camill. 22.
«) Strabo I 66.
cf. Euthydem bei Athenäus III 116 C.
(Liv. per. 15. Eutrop. II 15, vgl. Justin. ' Plutarch. Arat. 12.
XVIII 2, 9. Dionys. Hai. XX 14. Cass. Dio ») O. Leuze, Das Datum der ersten Silber-
fr. 41 vol. I p. 139 Boiss.) >hat schon 273
v. Chr. Ptolemaios II von Ägypten eine
Gesandtschaft nach Rom geschickt, die
prägung in Rom, Zeitschr. f. Numismatik
82, 1915, 15 ff.
90 Römische Geschichte.
und begann eigenes Silbergeld zu prägen, und zwar nach dem attischen
Fuß, der seit Alexander dem Großen in den meisten Teilen der griechischen
Welt zur Geltung gelangt war; die griechische Drachme wurde dem De-
narius gleichgesetzt; die alte Einheit, der schwere Kupferas, ging über in
den Sestertius, dessen Wert den vierten Teil der Drachme ausmachte.')
Die engere Berührung mit der griechischen Welt hatte zur natürlichen
Folge, daß die griechische Kultur mit vermehrter Wucht in Rom eindrang;
gerne haben die Römer vom Ausland gelernt, ohne darum ihre nationale
Eigentümlichkeit preiszugeben. Ohne Zweifel waren viele Griechen in Rom
ansäßig, wie sich umgekehrt Römer in den unteritalischen Städten nieder-
ließen. Die Kenntnis der griechischen Sprache verbreitete sich; sie war für
den Staatsmann unentbehrlich, und die vornehmen Römer werden sie meist
beherrscht haben. Kunst und Literatur drangen ebenso immer tiefer ein.
Einheimische Künstler arbeiten ganz in griechischer Weise, ähnlich wie in
Kampanien, w;ie denn auch das Hellenische nicht selten durch die Vermitt-
lung der Kampaner und Etrusker nach Rom und Latium gelangte. 2) Be-
sonders von den politisch so eng verbundenen Kampanern wurde manches
übernommen. Der Einfluß der griechischen Literatur zeigt sich deutlich im
Aufbau der römischen Königsgeschichte, die jetzt ihre Gestalt erhalten haben
mag. Die griechische Mythologie wurde ziemlich allgemein bekannt. Gerade
auf religiösem Gebiet entlehnte man von den Griechen, deren Götter man
als überlegen ansah, wie denn auch in Rom das delphische Orakel seit
alters hohes Ansehen genoß ;3) ein eigenes zehnköpfiges Priesterkollegium,
die deceinviri mcris faciundls wurde für den Kult der griechischen Gott-
heiten eingesetzt."*) Zu den schon in älterer Zeit rezipierten Götterkulten
kamen neue hinzu. Schon 291 v, Chr. soll der Dienst des Aesculapius aus
Epidauros geholt worden sein. Der Einfluß der fremden Kultur gab dann,
wie es überhaupt zu geschehen pflegt, die Anregung zu eigener Arbeit, zur
Ausbildung und Schulung auch der lateinischen Sprache. In die Zeit der
Unterwerfung Italiens fallen die ersten lateinischen Grabgedichte in satur-
nischem Versmaß; ein ursprünglich griechischer Brauch ist dabei der römi-
schen Eigenart angepaßt.^)
Chronologischer Anhang
zur älteren römischen Geschichte.
Die Zeitrechnung der älteren römischen Geschichte beruht wie alle derartigen
Systeme auf gelehrter Arbeit, die erst in späterer Zeit geleistet wurde. Von einem
') HuLTSCH, Griechische und römische : die populäre Komödie der Atellanen er-
Metrologie 254 f., 2. Aufl.; Mommsen, Ge- wähnt werden, die aus Atella in Kam-
schichte des röm. Münzwesens, S. 281f.; panien stammte und sich in Rom völlig
NissE\ in diesem Handbuch 1887. einbürgerte.
-) Zu den erhaltenen Kunstwerken ge- ^) Plinius h. n. XXXIV 26. Schon er-
hört die in Praeneste gefundene sog. Fico- wähnt ist das römische Weihgeschenk
ronische Cista mit der Aufschrift Novios an den delphischen Apollon nach Vejis
Plautios med Eomai fecid. siehe CIL I. 2, 1^ Eroberung. Oben S. 40.
nr.561, ILS nr. 8562. Ephemer, cpigraph. ^) Vgl. oben S. 84 A. 2.
I 12. Über kampanische Kunst in Rom ^) Vgl. F. Leo, Gesch. der röm. Lit. I,
s. Gamürrini, Mitteil, des deutsch, arch. 1913, 45 f.
Inst., Röm. Abteil. II 221 f. Hier kann
Chronologisclier Anhang zur älteren römischen Geschichte.
91
bestimmten Punkte der Gegenwart oder näheren Vergangenheit aus hat man rück-
Avärts die Zeit der Vergangenheit ausgemessen, danach die Anfänge der Stadt be-
rechnet und zugleich die römische Geschichte an die damals schon fertige griechische
Chronologie angeschlossen, die sich bekanntlich der Olympiaden zu bedienen pflegte.')
Das Ergebnis dieser Arbeit liegt uns in der Jahrreihe vor, wie sie mehr oder weniger
vollständig teils mit den Annalen bei den Historikern teils in besonderen Verzeich-
nissen erhalten ist.') Und zwar besteht sie aus zwei Teilen, aus dem Verzeichnis
der eponymen .Jahresbeamten, der Konsuln, Decemvirn und Konsulartribunen bis
zum Anfang der Eepublik, der mit der Einweihung des kapitolinischen Tempels zu-
sammenfällt, und aus den Königsjahren. Während letztere imaginär sind, ist die
Liste der Eponymen bei allen Unsicherheiten im einzelnen doch in den Grundzügen
ohne Zweifel echt und verhältnismäßig alt. Sie scheint schon am Ende des 4. Jahr-
hunderts V. Chr. vorhanden gewesen zu sein, da ihr Anfangspunkt, die Einweihung
des kapitolinischen Tempels, damals in einem Denkmal des Ädilen Cn. Flavius als
Ära diente.^)
Die Jahrreihe besteht also in ihrem historischen Teil aus Amtsjahren; aber diese
haben sich im Lauf der Zeit durch Verschiebung der Antrittstage der Beamten ge-
ändert, sind also nicht konstant. Der spätere Jahresanfang, 1. Januar, besteht erst
seit 153 v.Chr.; vorher fing man mit dem 15. März an, und in älterer Zeit soll nach
unseren freilich dürftigen Nachrichten darin des öfteren ein Wechsel eingetreten
sein.^) Auf diese Verschiedenheit wird jedoch in der Jahrreihe keine Rücksicht ge-
nommen, sondern die späteren römischen Kalenderjahre, die ja auch die unseren
geworden sind, werden antizipiert. Von den griechischen Olympiaden- und Archonten-
jahren sind die römischen Amtsjahre verschieden; denn da jene zur Zeit des Mitt-
sommers ihren Anfang nehmen, so decken sich die beiden Jahre immer nur zur
Hälfte. Jedoch hat man, nachdem die Berührungspunkte der beiden Jahrreihen
durch die Synchronismen einmal gefunden waren, den verschiedenen Jahresanfang
nicht in Rechnung gezogen, sondern Jahr gleich Jahr sein lassen, wie es das prak-
tische Bedürfnis der Liste, in der jedes Jahr gleichsam eine unteilbare Einheit bildet,
mit sich brachte. Es gab jedoch zwei Möglichkeiten, die römischen Jahre mit den
griechischen auszugleichen: die Konsuln werden entweder in das Olympiadenjahr
gesetzt, in dem sie ihr Amt antraten, oder in das, in dem sie abgingen. Der L^nter-
schied läßt sich durch folgendes Schema verdeutlichen:
Römisch 221 v
Chr.
Olymp. 189,4
220 .. ..
140.1
219 ,. ..
140.2
218 .. ..
140.3
217 .. ..
140,4
216 .. , ..
141,1
') Als erste Olympias zählte man die
Olympien von 776 v. Chr.
'•') MoMMSEN, Rom. Chronol. 110. Cicho-
Riüs, De fastis Romanonim antiquissimis,
Leipziger Studien IX.
^) Oben S. 85 A. 4. Ein Weihgeschenk
des Ädilen war nach der Inschrift gestiftet
204 Jahre post [aedem) Capitolinam dedi-
catam. Plin. h. n. XXXIII 19. Dies würde,
die ältere Chronologie der Annalen voraus-
gesetzt, auf 303/2 V. Chr. führen, und dem
entspricht das Datum des Livius IX 46.
Vgl. über das Datum O. Leuze, Die röm.
Jahrzählung. Tübingen 1909, 160 tf.
'') MoiiMSEX, Rom. Chronol. 80 ff.
92
Römische Geschichte.
Setzt man die griechischen und römischen Jalire einander gleich, so ist
entweder
220 V. Chr. = Olymp. 139,4
219 V. Chr. = Olymp. 140,1
218 V. Chr. = Olymp. 140,2
217 V. Chr. = Olymp. 140,3
216 V. Chr. = Olymp. 140,4
oder
220 V. Chr. = Olymp. 140,1
219 V. Chr. = Olymp. 140,2
218 V. Chr. = Olymp. 140,3
217 V. Chr. = Olymp. 140,4
216 V. Chr. = Olymp. 141,1
Die erste Gleichung ist die ältere; sie herrscht z, B. bei Diodor,') und nach ihr
kommt also die Schlacht bei Cannä 216 v. Chr. auf Olymp. 140, 4. Die andere ist später
mehr üblich; folgt man ihr, so fällt die Schlacht auf Olymp. 141, 1. Zugleich wird, wie
sich von selbst versteht, in der ganzen Jahresreihe der Synchronismus um ein Jahr ver-
schoben und die griechischen Daten römischer Ereignisse rücken um ein .Jahr tiefer.
Nach diesen Bemerkungen sei die Jahrreihe selbst kurz analysiert. Sie ist uns,
wie gesagt, in den Annalen und in besonderen Listen erhalten und zwar mit starken
Verschiedenheiten, aus denen sich wiederum Abweichungen in der Datierung der
Ereignisse ergeben. Diese abweichende Überlieferung bildet ein viel erörtertes Pro-
blem, zu dessen Lösung der Leser hier angeleitet wefden soll. Jedoch kann nur
das Wichtigste hervorgehoben werden, unwesentliche Dinge oder chronologische
Einzelfragen gehören nicht an diesen Ort. Ebenso muß auf eine Erörterung strittiger
Punkte oder eine Widerlegung anderer Meinungen verzichtet werden. 2)
Es kann als zugestanden angesehen werden, daß seit dem Pyrrhoskriege, seit-
dem die römische Geschichte durch die gleichzeitige griechische Geschichtschreibung
überliefert wurde, die römische Jahrreihe feststeht und die Zeitrechnung in allen
wesentlichen Punkten gesichert ist.') Die großen chronologischen Schwierigkeiten
liegen alle in der älteren Zeit. Ausgangspunkt unserer Übersicht und Erörterung
sei also das erste Jahr des Pyrrhoskrieges, das nach der griechischen Überlieferung
auf Olymp. 124,4, d. i. 281/0 v. Chr. fällt. Blicken Avir von hier auf die uns vorliegende
römische Jahrreihe bis zur Gründung der Stadt zurück, so sehen wir, daß zwei ver-
schiedene Tabellen, eine ältere und eine jüngere, zu unterscheiden sind. Die ältere
haben wir in annähernder Vollständigkeit in den Annalen Diodors, des Livius und
Dionysios, von denen uns Livius am vollständigsten erhalten ist. Nicht als ob die
Genannten in allen Stücken übereinstimmten; vielmehr weicht Diodor in Bestand
und Anordnung der Liste sehr bedeutend von den beiden anderen ab und vertritt
darin wahrscheinlich eine ältere Überlieferung, während Livius und Dionj'sios eng
zusammenstehen; nur in einem, unwesentlichen Punkte geht Dionysios seine eigenen
Wege. Aber trotz den Abweichungen Diodors gehen die drei und ihre Verwandten
in einem Kardinalpunkt zusammen und bilden die ältere Kechnung. Diese zählt
vom ersten Jahre des Pyrrhoskrieges, also Olymp. 124, 4 oder 281/0 v. Chr., bis zur
Gründung der Stadt 470 Jahre, legt also die Gründung in Olymp. 7, 2 = 751,0 v. Chr.
Dieses Grüudungsjahr findet sich nicht nur bei Diodor,^) sondern auch bei anderen,^)
») Nach Diodor fr. XXXVII 2, 2 fallen
die Konsuln von 91 v. Chr. auf Olymp.
172, l._ Vgl. Gott. Gel. Anz. 1887 S. 832.
2) Die wichtigsten chronol. Werke sind
oben S. 9 f. angeführt. Hier betont Niese,
daß er seinen Vorgängern, namentlich
Th. Mommsen, viel verdanke, aber in einigen
wichtigen Fragen von ihm abweiche. Dio-
dors Chronologie — sie war für Niese
maßgebend — sei von Mommsen nicht
richtig gewürdigt; hierin habe z.B.Matzat
vielfach besser geurteilt.
') Womit nicht gesagt werden soll, daß
von da ab in unserer meist sehr jungen
Überlieferung nun auch chronologisch
alles in Ordnung ist. S. 106 A. 1.
") fr.VII 5 bei Euseb. chron. I 283 ff.
Diese Angabe über das Gründungsdatum
ist jedoch nach Leuze a. a. O. 40 nur eine
gelegentliche Notiz, während Diod. im
eigentlichen Zusammenhang der römi-
schen Geschichte Olymp. 8, 1 als Grün-
dungsdatum betrachtet habe. Für Livius
sei bemerkt, daß er griechische Datie-
rungen (nach Olympiaden) und Syn-
chronismen meidet und überhaupt für
Chronologie kein Verständnis zeigt.
*) Vgl. Mommsen, Rom. Chronol. 143.
Chronologischer Anhang zur älteren römischen Geschichte.
93
namentlich bei Cornelius Nepos, Cicero ') und Polybios.^) und zwar hat es Polybios,
wie er selbst sagte, der Pontifikaltafel entlehnt, woraus folgt, dafs schon diese ^-om
Pyrrhoskriege bis zur Gründung Roms 470 Jahre zählte. Diese Rechnung war also
in der älteren literarischen Epoche Roms, im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. verbreitet
und kann als die damalige Vulgata angesehen werden.
Den genannten Zeitraum von 470 Jahren wird man am besten in drei Abschnitte
gliedern. Der erste geht vom Anfang des Pyrrhoskrieges bis zum gallischen Brand,
der zweite von da bis zum ersten Jahr der Republik, der dritte umfafat die König-
zeit bis zur Gründung. Jeder dieser Abschnitte erfordert eine besondere Betrach-
tung, aber die Avichtigsten chronologischen Probleme liegen im ersten, in der Zeit
vom Anfang des. Pyrrhoskrieges bis zur Eroberung Roms durch die Gallier.
Diese Zeit bestimmen die diodorischen, livianischen und dionysischen Annalen
bei aller Abweichung im einzelnen auf 106 Jahre, und da der Pyrrhoskrieg Olymp.
124, 4 = 281/0 V. Chr. beginnt, so fällt demnach der gallische Brand auf Olymp. 98, 2
= 387/6 V. Chr.,^) welches Datum wiederum genau der griechischen chronographi-
schen Überlieferung entspricht, wonach das Ereignis in dasselbe Jahr mit dem antal-
kidischen Frieden fällt (oben S. 52). Polybios I 6 berichtet dies als eine anerkannte
chronologische Tatsache, womit es wiederum vollkommen im Einklang steht, daß
er an einer anderen wichtigen Stelle, in der Übersicht der gallischen Kriege*) eben-
falls zwischen dem Anfange des Pyrrhoskrieges und der Gallierkatastrophe 106 Jahre
gezählt haben muß.^)
Diese 106 Jahre sind aber nicht alle gleichwertig. Schon längst haben die Chrono-
logen bemerkt, daß sich darunter fünf leere Stellen befinden. Bei Livius nämlich
liegt 15 Jahre nach dem gallischen Brand eine fünfjährige Anarchie, soh'tudo magistra-
ttno», fünf Jahre also, in denen es keine eponymen Magistrate gab.") Man ist dar-
über mit Recht ziemlich einig, daß diese fünfjährige Anarchie nicht historisch sei,
sondern eine Fiktion, deren Zweck es war, die Jahrreihe um fünf Stellen zu ver-
längern. Aber auch Diodor hat etwas ähnliches, wenn auch keine fünfjährige Anarchie,
so doch eine einjährige, die offenbar historisch ist (oben S. 64);') aber er wieder-
holt unmittelbar nach dem Jahr des gallischen Brandes (387/6 v. Chr.) die fünf vorher-
gehenden Magistratskollegien der Jahre Olymp. 97, 2—98, 2 (391—387 v.Chr.).«) Dies
sind gleichfalls leere, ereignislose Jahre, die offenbar demselben Zweck dienen und
dasselbe leisten wie die fünfjährige Anarchie des Livius, aber auf einem anderen
Weg.^) Denn die 23 Jahre, die zwischen dem gallischen Brand und dem ersten
plebeischen Konsulat (den Konsuln L. Aemilius und L. Sextius) liegen, sind
bei Diodor
5 wiederholte Kollegien
14 Amtsjahre
1 Jahr Anarchie
8 Amtsjahre
bei Livius
13 Amtsjahre 1«)
5 Anarchiejahre
5 Amtsjahre
>) de rep. II 18.
2) fr. VI 11 a 2 bei Dionys. Halic. I 74.
») Diodor XIV 110 ff.
*) Polyb. II 18 ff.
-) Vgl. Niese. Hermes XIII, 1878, 401 ff.
*) Liv. VI 35, 10.
') Gegen die Historizität der einjährigen
Anarchie erklärt sich Leuze a. a. O. 27 ff.
Dagegen betrachtet er die fünfjährige
sog. „Anarchie" oder besser ein Inter-
regnum von dieser ungefähren Dauer
als im Kern geschichtlich (a. a. O. 316fF.)
im Gegensatz zu Niebuhr, Mommsen u. a.
«) Wie BoRGHESi, Oeuvres VII 215 f. und
Niebuhr, Rom. Gesch. II 630 erkannt haben.
^) Diese Ansicht weicht von der herr-
schenden Ansicht, z. B. Mommsens (Rom.
Chronol. 126) erheblich ab. Vgl. Gott. Gel.
Anz. 1887 S. 8.34.
'") Wobei Niese mit Mommsen, Rom.
Chronol. 119 annimmt, daß das bei Livius
fehlende Kollegium von 378 der Stadt
nur aus Versehen ausgelassen ist.
94 Römische Geschichte.
und OS ist dadurch geschehen, daß bei Diodor und Livius die Eponymen und die
zugehörigen historischen Nachrichten für die ersten 18 Jahre nach dem gallischen
Brand durchweg um fünf Jahre differieren, um erst nachher wieder zusammen-
zutreffen. Aber trotz der starken Abweichung ist doc-h das chronologische Ergebnis,
die Erhöhung der Jalu-essummc um fünf, bei beiden gleich und daher sicherlich aus
älteren Quellen entlehnt. In der Tat hat schon Polybios an derselben Stelle, nämlich
in den ersten 30 Jahren nach dem gallischen Brand, jene fünf Jahre mitgerechnet.')
Sie bilden überhaupt einen wesentlichen Teil der römischen Zeitrechnung und
müssen, wie oben angedeutet, in irgendeiner Form schon in der Pontifikaltafel vor-
handen gewesen sein.
Es versteht sich von selbst, dafj man diese fünf leeren Jalire in einer ganz be-
stimmten Absicht eingeschaltet hat. Wohin die Absicht ging, wird sich am besten
aus der erzielten Wirkung entnehmen lassen. Man brachte dadurch den gallischen
Brand auf das Jahr, das ihm die griechische Chronographie zuwies, nämlich auf Olymp,
98, 2 — 387,6 v. Chr., und eben dies wird man gewollt haben."'') Daraus folgt erstens,
daß man das Datum der griechischen Chronographie kannte, zweitens, daß in der
römischen Jahrreihe fünf Jahre fehlten, daß die Liste der Eponymen vom ersten
Jahr des Pyrrhoskrieges bis zum gallischen Brand nur 101 Stellen hatte, also zu
kurz war. Woher das Minus kam, wissen wir nicht. Daß die Verschiebung der
Antrittstage oder die Interregnen es verschuldet hätten, wie man wohl gedacht hat,
ist kaum glaublich; derartiges kann nicht so bedeutende chronologische Wirkung
gehabt haben. Dagegen ist nicht unwahrscheinlich, daß unmittelbar nach dem gal-
lischen Unglück, da ja die Bürgei-schaft vertrieben und die Stadt sieben Monate in
den Händen des Feindes war, .bis zur leidlichen Wiederherstellung des Gemeinwesens
die Verfassung aufgehoben war und die regelmäßige Folge der Jahresbeamten eine
Unterbrechung erlitt, daß also auch hier Diodor eine bessere Überlieferung vertritt,
insofern er mit den eingeschalteten Jahren die richtige Stelle trifft. Damit soll
nun nicht behauptet sein, daß der Ausnahmezustand ganze fünf Jahre gedauert
habe; denn auch andere Umstände, namentlich die heftigen politischen Kämpfe
der folgenden Zeit mögen dazu beigetragen haben, die Fehler der Beamteuliste zu
vergrößern.
Der zweite Abschnitt, die Zeit vom gallischen Brand bis zum ersten Jahr
der Republik wird in den Annalen sowohl bei Diodor wie bei Livius und Diony-
sios auf 120 Jahre berechnet. Mit dieser Übereinstimmung in der Summe sind wie-
derum erhebliche Unterschiede zwischen Diodor und den beiden anderen verbunden,
namentlich fehlen bei Diodor die fünf Jahreskollegien, die Livius und Dionysios
zwischen Olymp. 91, 1 und 2 aufführen. Diodor muß diesen Ausfall weiter aufwärts
in den uns verlorenen Teilen, zwischen Olymp. 75, 1 und 68, 2 wieder ersetzt haben.
Natürlich hat sich die zeitliche Lage der Ereignisse in einer dieser Umsetzung ent-
sprechenden Weise verschoben. 3) Zu erwähnen ist ferner, daß Livius und Dionysios
') Wenn er II 18, 6 vom ersten bis zum gallischen Eroberung festzustellen und
zweiten Erscheinen der Gallier 30 Jahre danach den Fehler dos Beamtenverzeich-
zählt, so müssen ihm die fünf leeren Jahre nisses zu berichtigen. Man kann dabei
schon vorgelegen haben. Ob er wie Diodor ■ an die jährliche Nageleinschlagung am
oder wie Livius zählte, wissen wir nicht. kapitolinischen Tempel denken. Liv. VII
^) Dies ist die wahrscheinlichste Er- I 3, 5 ff. Mommsen, Köm. Chronol. 176. Wie
klärung der vorliegenden Erscheinung. es sich aber damit in Wirklichkeit ver-
(Vgl. Leuze a. a. 0. 16 If. und 21 ff', über hält, ist ganz dunkel,
die mutmaßliche Arbeitsweise Diodors.) ■') Es liegt hier wohl keine Nachlässigkeit
Möglich ist ja, daß die Römer auch von Diodors vor, sondern eine abweichende
sich aus Mittel hatten, die wirkliche Zahl Überlieferung. Vgl. Matzat, Rom. Chronol.
der Jahre zwischen Pyrrhos und der , I 197 f. 243 f.
Chronologischer Anhang zur älteren römischen Geschichte. 95
den Deeemvirn drei Jahre geben, nicht wie Diodor zwei, und daf3 demnach ihre
Eponymenliste eine Stelle weniger gehabt haben muß als die diodoi-ische.')
Die Königszeit hat in den Annalen übereinstimmend 244 Jahi'e. Die Summe
der Jahre von der Gründung der Stadt bis zum gallischen Brand beträgt also zu-
sammen 364, und diese Zahl muß, wie das Gründungsdatum andeutet, schon der
Pontifikaltafel eigen gewesen sein.
So viel über die ältere Rechnung. Die jüngere, zu der jetzt überzugehen ist,
liegt vollständiger nur vor in den kapitolinischen Fasten und den gleichartigen Epo-
nymenverzeichnissen; annalistische Geschieh ts werke, die auf sie gestellt wären, sind
nur in geringen Bruchstücken auf uns gekommen. Ihr Urheber scheint Atticus
zu sein, in dessen über annalls, erschienen zwischen 51 und 46 v. Chr., sie zuerst
vorkommt. Von da entlehnt sie Cicero ;2) auch Varro hat sie übei-nommen und
weiter ausgeführt.''') Auch die kapitolinischen Fasten werden von Atticus abhängen;'')
Octavianus, der sie veranlaßt hat (oben S. 12, 16), war mit Atticus befreundet und
ließ sich in historischen Dingen von ihm beraten.
Die Jahrreihe des Atticus stimmt für die Zeit von der Gründung der Stadt bis
zum gallischen Brand in der Gesamtzahl mit der älteren überein, nur daß die kapito-
linischen Fasten für sich allein die Königszeit auf 243 und durch den Ausfall des
dritten Decemviratsjahres den folgenden Abschnitt auf 119 Jahre berechnen;^) sie
geht ferner durchweg mit Livius und Dionysios gegen Diodor. Der wesentliche
Unterschied liegt erst später zwischen dem gallischen Brand und dem Pyrrhoskrieg.
Zwar gehen auch hier, was den Bestand im einzelnen anbelangt, die jüngeren Listen
durchweg mit Livius und haben namentlich die füntjährige Anarchie wie dieser,
aber sie haben die Jahrsumme um vier Stellen vermehrt und von 106 auf 110 ge-
bracht durch Einfügung der Diktatorenjahre, die an vier verschiedenen Stellen als
jährige Diktaturen eingelegt worden sind und den Jahreia 333, 324, 309, 301 v. Chr.
unserer üblichen Zeitrechnung entsprechen.'') Die notwendige Folge ist, daß alle
Ereignisse, die vor 333 v. Chr. liegen, um vier Jahre hinaufgerückt wurden, also
der gallische Brand von Olymp. 98, 2 (387,6 v. Chr.) auf Olymp. 97, 2 (391/0 v. Chr.),
das erste Jahr der Republik von Olymp. 68, 2 (.507/6 v. Chr.) auf Olymp. 67, 2 (511/10
V. Chr.), endlich das Jahr der Gründung von Olymp. 7, 2 (751/0 v. Chr.) auf Olymp. 6, 2
(755,4 V. Chr.). Diese vier Jahre verringerten sich jedoch auf drei durch die (oben
S. 92) erwähnte anderweitige Ausgleichung der römischen Jahre mit den griechischen.
Dadurch kam das erste Jahr des Pyrrhoskrieges (280 v. Chr.) auf Olymp. 125, 1, das
Jahr der gallischen Katastrophe (390 v. Chr.) auf Olymp. 97, 3 und endlich das Grün-
dungsjahr auf Olymp. 6, 3 (754 v.Chr.); in dieses Jahr, Olymp. 6, 3, hatten Atticus
und Varro die Gründung der Stadt gesetzt.')
Zu welchem Zweck die vier Diktatorenjahre von Atticus eingeschoben wurden,
ist völlig unbekannt und nicht leicht zu verstehen. •*) Dagegen kann es wohl keinem
') Deren oberster Teil bekanntlich nicht
erhalten ist.
■') Brutus 72.
^) Solinus 1, 27.
114 fif. 145 ff., daß dies mit Rücksicht
auf den griechischen Synchronismus ge-
schehen sei, bewährt sich nicht: der Syn-
chronismus wurde dadurch vielmehr zer-
••) So auch Leüze a. a. 0. 256. i stört. Jährige Diktaturen hat erst der
") Vielleicht nur infolge eines Versehens i Diktator Caesar geschaffen, und da die
des Redaktors. Diktatorenjahre der caesarischen Zeit ent-
^) Livivis berichtet in den vorhergehen- stammen, so ließe sich vermuten, daß
den Jahren 334, 325, 310, 302 v. Chr. die damit ein verfassungsgeschichtliehes Prä-
Ernennung von Diktatoren, die aber ver- cedenz für die jährigen Diktaturen Caesars
fassungsmäßig innerhalb ihres Konsulats- geschaffen werden sollte. Vgl. Matzat,
Jahres bleiben. Rom. Chronol. I 345. Leüze a. a. O. 240 &.
") Vgl. Leüze a. a. O. 210 f. sucht gegen Mommsen zu beweisen, daß
") Die Erklärung MoMMSENs,Röm.Chronol. Atticus mit seiner Chronologie von Varro
96 Römische Geschichte.
Zweifel unterliegen, dafj wir es hierin mit einer willkürlichen Neuerung zu tun
haben, durch die nun die ältere Chronologie ganz verdrängt worden ist: denn die
von Atticus (oder von Varro) entworfene, verlängerte, von den kapitolinischen Fasten
übernommene Jahrreihe drang in Kom allgemein durch.') Auch wir haben sie über-
nommen, nur daf3 wir nicht 754, sondern 753 v. Chr. als' Gründungsjahr der Stadt
anzusehen pflegen, indem wir mit den kapitolinischen Fasten zwischen dem gallischen
Brand und dem ersten Jahre der Republik statt 120 nur 119 Jahre rechnen, und
dadurch das letztere auf 509 v. Chr., die Gründung auf 753 v. Chr. bringen. Nach
dieser Ära pflegen wir die Jahre der Stadt zu beziffern. Sie hat nur einen kon-
ventionellen Wert und trägt den Namen der varronischen Ära mit Unrecht; denn
Varros Gründungsjahr ist 754 v. Chr.
Nun seien noch einige zerstreute und vereinzelte Zeitangaben erwähnt, die von
der älteren wie von der jüngeren Rechnung abweichen, ohne daß uns ihr Zusammen-
hang und ihre Begründung bekannt wäre. Dies letztere gilt sogar von Dionysios
von Halikarnaß. Er stimmt in der Jahrsumme mit der älteren Rechnung überein,
vor allem mit Livius, zählt also vom Anfang des Pyrrhoskrieges bis zur Gründung
470 Jahre; aber er setzt nun den gallischen Brand auf Olymp. 98, 1 = 388/7 v.Chr.
und behauptet in offenem Widerspruch mit der älteren Überlieferung, daß dies die
herrschende Annahme sei. 2) Demnach setzt er das erste Jahr der Republik auf Olymp.
68, 1 = 508 V. Chr. und die Gründung der Stadt auf Olymp. 7, 1 = 752/1 v. Chr., ferner
den Anfang des ersten punischen Krieges auf Olymp. 128, 3 = 266/5 v. Chr.^) und muß
also für den Beginn des Pyrrhoskrieges auf Olymp. 124, 3 = 282/1 v. Chr. gekommen
sein. Wie er zu dieser Rechnung gelangte '') und wie er sich mit den abweichenden
Überlieferungen abfand, ist völlig unbekannt. Sein Gründungsjahr stimmt mit dem
catonischen überein.") Etwas abweichend setzte Fabius Pictor Roms Gründung
auf Olymp. 8, 1 — 748 v. Chr. Man nimmt an, daß er die Königszeit nur auf 240 Jahre
bere'^'hnet habe.^) Fabius würde dann, wie Dionysios, das erste Jahr der Republik
auf Olymp. 68, 1 = 508 v. Chr. gesetzt haben.') Damit kann man ferner verbinden,
daß Polybios (III 22, 2) dasselbe Datum gibt. Mit der sonstigen Rechnung des Poly-
bios, namentlich mit seinem Gründungsjahr (oben S. 93) läßt sich dies nur unter
der Voraussetzung in Einklang bringen, daß er vom gallischen Brand bis dahin 121
und für die Königszeit 243 Jahre zählte, was beides in den älteren Systemen nicht
vorkommt.**)
abhängt und nicht umgekehrt Varro von | gesetzt. Das erste Konsulat fiele dann in
Atticus.
') Auch Velleius I 8, 4 und der anonyme
Abriß bei Gellius XVII 12 folgen ihr.
-) I 74 f., wo er seine ganze Rechnung
entwickelt. Mommsen, Rom. Chronol. 121.
Olymp. 69, 1 (504 v. Chr.
'') Nach einem Zitat des Gellius noct. Att.
V 4, 3, hat Fabius Pictor, und zwar der
lateinische, vom gallischen Brand bis zum
ersten plebeischen Konsulat (L. Aemilius
Die Chronologie des Dionys. behandelt und L. Sextius) nur 22 (bezw. IS) Jahre
Leuze a. a. O. 177ff.; als Quelle ist Piso gerechnet, Peter, 7//.>*/. i?ow;. rtV/. 1 110, und
zu vermuten. \ hieraus schließt Matzat, Rom. Chronol. I
^) Antiq. I 8. | 1,52 ff. auf eine dreijährige Anarchie statt
•*) Als Möglichkeit läßt sich erwähnen, ! der fünfjährigen. Das Fragment ist zu
daß er die Gründung der Stadt mit dem unsicher, als daß es sich verwenden ließe.
Anfange des zehnjährigen Archontats in
Athen zusammenfallen lassen wollte.
Cato hat zwar die Olymi^iade nicht
Vgl. aber Leuze a. a. O. 48 ff., wo das Frag-
ment eingehend behandelt ist. Über das
fabische Datum des ersten Konsulats vgl.
gesetzt, berechnet aber die Gründung auf ; oben A. 6.
4.32 Jahre nach Troias Fall, 1184 v. Chr. «) Anders Leuze a. a. O. 146 ff., der 244
'■) Mommsen, Rom. Chronol. 138. DieZiffer Jahre Königszeit auch für Polybios an-
kommt, wenn auch nicht ganz bestimmt, nimmt, obwohl Cic. de rep. II 52 für ihn
bei Cicero de rep. II 52 und Solinus 1, 31 | 240 Jahre bezeugt. (Gegen L.: W. Aly,
vor. Nach Leuze a. a. O, 81 f. hätte auch Gott. gel. Anz. 1911, 391 f.)
Fabius die Königszeit mit 244 Jahren an-
Chronologischer Anhang zur älteren römischen Geschichte. 97
Völlig außerhalb der übrigen Systeme liegt das Gründungsjahr des Cincius
Alimentus, Olymp. 12, 4 = 729,28 v. Chr., und des Timaios, der Rom in willkür-
lichem Synchronismus gleichzeitig mit Karthago 814 v. Chr. gegründet sein ließ.')
Letzteres Datum ist wahrscheinlich nur für Karthago berechnet und daher nur für
dieses von Wert. Jedenfalls zeigt es, daß Timaios die spätere römische Rechnung
noch nicht kannte.
Nachdem das Gründungsjahr der Stadt bestimmt war, empfand man das be-
greifliche Bedürfnis, an der Hand der griechischen Chronologie nunmehr auch den
leeren Raum zwischen der Gründung Roms und dem Falle Trojas (1184 v. Chr.) aus-
zufüllen und damit eine ununterbrochene Verbindung zwischen Aeneas und Romulus
herzustellen. Dies geschah durch die Reihe der Könige von Alba Longa, Silvier
genannt, die von dem Sohne des Aeneas, Askanios, bis zu Numitor und Amulius
herabführten. Wann und durch wen diese Liste entstanden ist, wissen wir nicht.
Am Ende der Republik ist sie da; alle unsere Historiker, Diodor, Livius und Diony-
sios kennen sie vind haben sie bereits in ihren Quellen vorgefunden.'^) Die albani-
schen Könige sind im übrigen historisch wertlose Phantasiegeschöpfe.
Aus dem Gesagten ergeben sich die praktischen Folgerungen für die Chrono-
logie von selbst. Unsere herkömmliche Datierung der altrömischen Geschichte be-
ruht auf einer späteren, wahrscheinlich willkürlichen Herrichtung, dem Einschub
der vier Diktatorenjahre. Viel besser beglaubigt ist die ältere Rechnung, die man
zunächst durch Ausscheidung jener vier Jahre gewinnen kann. Die Jahresziffern
vor 333 V. Chr. werden alsdann um vier verkürzt, 338 — 300 v. Chr. bilden einen Über-
gang, wo sich die Verkürzung stufenweise vermindert, bis mit 300 v. Chr. der Aus-
gleich zwischen alter und neuer Rechnung erfolgt ist.^) Doch versteht es sich von
selbst, daß damit nicht alles erledigt ist; die starken Unterschiede innerhalb der
älteren Gruppe, namentlich zwischen Diodor und Livius werden dadurch nicht
berühi't, bilden vielmehr ein Problem für sich. Die ältere Rechnung gibt nichts
weniger als eine überall gesicherte Zeitrechnung. Für den ersten Abschnitt ist
die .Jahresreihe zuverlässig erst seit der Wiederherstellung des Konsulats, den Kon-
suln L. Aemilius und L. Sextius (366 v. Chr. nach der vulgären, 362 v. Chr. nach
der besseren Zählung). Von da an bis zum gallischen Brand, dessen Jahr durch
das griechische Datum festliegt, ist eine sichere Datierung der,^ Ereignisse nicht
möglich; immerhin wird auch hier Diodor der Wahrheit näher kommen als Livius
und die Späteren. Was endlich die ersten 120 Jahre der Republik anbetrifft, so
gehen die Daten vor 418 v. Chr. in unseren Quellen ganz auseinander, und erst
für die letzten 28 Jahre vor der gallischen Katastrophe steht die Reihe der Epo-
nymen hinreichend fest, so daß z. B. die Zeit des großen Vejenterkrieges als gut
beglaubigt gelten kann.
Die nachfolgende Tabelle wird zur Darstellung der verschiedenen Rechnungen
und zur Erläuterung ihres Verhältnisses dienen können. Neben den Olympiaden sind
nur die Jahre unserer, der christlichen Ära beigesetzt, nicht die Jahre ab urbe con-
ilita, da diese wegen ihres wechselnden Anfangs^junktes die Verschiedenheit der Rech-
nung nicht hervortreten lassen.^)
') Dion. Hai. Antiq. I 74. Leuze a. a. 0.
96, 289 f.
^) MoMMSEN, Rom. Chronol. 1.5.5. Trieber,
') Umgekehrt natürlich, wenn man nach
Jahren der Stadt rechnet; die Differenz
tritt hier erst nach den Diktatorenjahren
Hermes 29, 1894, 124 if. Nach Mommsen ein; also erst von 301 v.Chr. abwärts
ist Alexander Polyhistor, ein Zeitgenosse sind die Ziffern um vier zu verkürzen.
Sullas, ihr LTrheber; sie kann aber recht *) Bis 334 v. Chr. haben Diodor, Livius
wohl älter sein. Vgl. oben S. 29. Ebenso und Varro dieselben Stadtjahre.
Leuze a. a. O. 88 ff. j
Handbuch dor klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 7
98
Römische Geschichte.
Ältoro Tvochimni
Polybios Diodor i Livius I Dionysios
Jüngere Rechnung
Varro
Fasti
Capitol.
Gründung der Stadt
Ol. 7, 2
751/0 v.Chr,
Erstes .Jahr der Repu- Öl. 68, 1
blik (Einweihungdes|508/7 v.Chr,
kapitol. Tempels)
Ende des Sp. Cassius
Niederlage an der Cre-
mera
Einsetzung der Volks-
tribunen (lex Publi-
lia)
1. Decemviratsjahr
Konsulat des Valerius
und Horatius
Usurpationsversuch
des Sp. Maelius
Aequerkrieg des Po-
stumius Tubertus
Aequerkrieg
Veji fällt
RomsEroberungdurch
die Gallier
Usurpationsversuch
des M. Manlius
Jahr der Anarchie
Wiederherstellung des
Konsulats (L. Aemi
lius, L. Sextius)
Dritter gallischer An-
griff
Sieg über Latiner und
Kampaner
Friede mit den Gal-
liern
Ol. 98, 2
387/6 v.Chr.
01.8, 1
748/7 v.Chr.
(vereinzelt
Ol. 1, 2
751/Ov.Chr.)
Ol. 69, 1 ^
504,3 v.Chr.
~OLy572~
479/8 v.Chr.
I Ol 77, 1
472/1 v.Chr.
j' Ol. 78, 3~
466/5 v.Chr.
Anfang des Samniter-
kriegs
Kaudinische Nieder-
lage
Schlacht bei Lautulae
Etruskischer Krieg,
erstes Jahr
Friede mit den Sam-
nitern
Ol. 108, 4
345/4 v.Chr,
Ol. 112, 2
331/0 v.Chr,
Ol. 84, 1
444/3 v.Chr.
Ol. 84, 3
442/1 v.Chr.
oir87, r~
432/1 v.Chr.
01:88,4"
425/4 v.Chr.
01791,2^
415/4 v^h^.
Ol.' 96, 4
393/2 v.Chr.
Ol. 98, 2
387/6 v.Chr.
Ol. 100, 4~
377/6 v.Chr.
Oh 103, 2
367/6 v.Chn
Ol. 10472"
363/2 v.Chr.
750 v.Chr,
506 v.Chr;
482\^Chr:
474 v.Chr.
468^Clir.
448 v.Chr.
Ol. 7, 1 754 V. Chr. 752 v. Chr.
752,1 V. Chr.
Ol. 68, 1
508/7 V. Chr.
Ol. 74, 1
484,3 v.Chr.
Ol. 76, 1
476/5 V. Chr.
" Ol. 77, 3
470,69 V. Chr.
510 V. Chr.
486 V. Chr.
509 V. Chr.
485 V. Chr.
478 V. Chr. 477 v. Chr.
472 v.Chr. 471 v.Chr.
445 v.Chr
435 v.Chr
427 v.Chr,
414 v.Chr
392v:Ch^
386 v.Chr.
Ol. 110, 4
367/6 v.Chr.
381 v.Chr.
01.82,3 452 v.Chr.
'450/49 v.Chr.!
01.83,2
447/6 V. Chr.
Ol. 98, 1
388/7 V. Chr.
451 V. Chr.
449 V. Chr. | 449 v. Chr.
439 V.Chr. 1439 v.Chr.
431 V. Chr. ! 431 v. Chr.
418 V. Chr. 418 v. Chr.
396 V. Chr. i 396 v. Chi-.
390 V. Chr. 390 v. Chr.
385 V. Chr. 385 v. Chr.
362 v.Chr.
386 v.Chr
824 v.Chr,
319 v.Chr,
Erstes Jahr des Pyr-
rhoskrieges
Ol. 116, 3
314/3 v.Chr.
Ol. 1177T
309/8 v.Chr.
Ol. 1197T
1304/3 v.Chr.
308 v.Chr.
Ol. 124, 4
281/0 v.Chr.
313 v.Chr.
303 v.Chr.
366 v.Chr. 366 v.Chr
340 v.Chr. 340 v.Chr
327 V. Chr.
280 v.Chr.
321 V. Chr.
315 V. Chr.
310 V. Chr.
304 V. Chr.
327. v.Chr.
321 V. Chr.
315 V. Chr.
SiFvrChr;
304 V. Chr.
280 V. Chr. 280 v. Chr.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaf t (167 v. Chr.). (<^>ucllen.) 99
V. Dritte Periode: Bis zur Er] angung der Weltherrschaft
(167 V. Chr.).
Quellen:
Mit dieser Periode beginnt die allgemeine Geschichte des P o 1 y b i o s , dessen
eigentliche, ausführliche, synchronistisch geordnete Darstellung im 3. Buch mit Olymp.
140, 1 = 220/19 V. Chr. anhebt und mit Olymp. 138, 4 = 145 4 v. Chr. schliefat. Das
Frühere, der erste punische Krieg und was folgt, ist im 1. und 2. Buch in einer
kürzeren einleitenden Übersicht vorangeschickt. Der erste punische Krieg wurde
zuerst, soviel wir wissen, von dem Zeitgenossen Philinos von Akragas erzählt,
einem Freunde Karthagos, sj)äter von dem Römer Q. Fabius Pictoi*. Polybios
scheint mehr dem Eömer als dem Philinos zu folgen, hat aber wohl noch andere
Werke gekannt. Seine Erzählung bildet die Grundlage unserer Kenntnis, ist aber
leider stark verkürzt, trägt alle die Mängel an sich, die eine solche Verkürzung mit
sich bringt, und muEt daher aus den sonst erhaltenen glaubwürdigen Berichten er-
gänzt werden.') Auch der zweite punische Krieg und die nachfolgenden Ereig-
nisse wurden von griechischen Autoren in einer Reihe besonderer Werke dargestellt.^)
Erhalten sind daraus nur dürftige Fragmente; in neuerer Zeit oft genannt ist Silenos
von Kaiakte, Zeitgerlosse und Begleiter Hannibals, der eine offenbar stark rhetorische
Geschichte des hannibalischen Krieges schrieb. Das gleiche gilt von Sosylos, von
dessen Werk neuerdings ein kleines Bruchstück auf Papyrus entdeckt worden ist.^)
Jene früheren Einzelschritten^) sind in Polybios aufgegangen und früh in Vergessen-
heit geraten. Polybios ist vom zweiten punischen Krieg an von der Nachwelt fast
ausschließlich benutzt worden und daher im Altertum wie für uns einzige Quelle dieser
ganzen Zeit geworden. Leider ist er nur bis zum 5. Buche (216 v. Chr.) vollständig
erhalten: im übrigen haben wir von ihm nur noch Auszüge verschiedener Herkunft.
Unter den späteren Schriftstellern hat Diodoros, von dem Auszüge erhalten
sind, für den ersten punischen Krieg (Buch 22 — 24) wahrscheinlich den Philinos be-
nutzt, gibt ihn aber nicht rein wieder und hat jedenfalls daneben aus Polybios ge-
schöpft. Für den zweiten punischen Krieg scheint er eine spätere Bearbeitung des
Polybios benutzt zu haben, nicht den Polybios selbst, den er dagegen für die fol-
genden Ereignisse ausschliefälich zugrunde gelegt und exzerpiert hat. Auch Trogus
Pomp ei US (im Auszuge Justins) geht letzten Endes auf Polybios zurück.
In lateinischer Sprache stellte L. Coelius Antipater den zweiten punischen
Krieg in einer Monographie dar (im letzten Viertel des 2. Jahrhunderts v. Chr.). Er
ließ in Silenos den Hauptvertreter der karthagischen Überlieferung zu Wort kommen.
Im übrigen ist Polybios benutzt und nach den Grundsätzen der rhetorischen Ge-
schichtschreibung bearbeitet. Ein Ähnliches gilt auch von den lateinischen Anna-
listen, wie Valerius Antias, deren historischer Wert äußerst gering ist (oben S. 16).
Nicht ganz ohne Bedeutung sind die kurzen Beiträge, die Cornelius Nepos in
seinen vltae (Hamilkar, Hannibal und Cato) zur Geschichte dieser Zeit bietet.
Weit wichtiger ist Livius. Für den ersten punischen Krieg liegen nur kurze
Auszüge aus ihm vor; vollständig erhalten sind die Bücher 21 — 45 für die Jahre
218 bis 167 v. Chr. Für diesen ganzen Abschnitt ist Polybios benutzt, aber in ver-
^) J. Neuling, De belli Punici ^»'iini scn'p-
forum fontihus, Diss. Göttingen 1873. —
0. GoRTziTZA, Krit. Sichtung der Quellen
zum ersten punischen Kriege, Strasburg
i. Westpr. 1883, Progr. — C. Davin, Bei-
träge zur Kritik der Quellen des ersten
punischen Krieges, Progr. Schwerin 1889.
^) Die Historiker und ihre Bruchstücke
bei C. Müller, FHG III 99 ff.
3) U. WiLCKEN, Hermes 41 (1906) 108 ff.
und 42 (1907) 510 ff.
*) Die beiden Griechen schrieben vom
karthagischen Standpunkt aus, was
H. Dessau, Hermes 51, 1916, 355 ff', ver-
geblich zu bestreiten suchte.
XOO Römische Geschichte.
schiedener Weise. Für die sizilischen und griechisch-makedonischen Ereignisse wird
Polybios zwar verkürzt, aber in der Hauptsache rein wiedergegeben, hier ist also
Livius im ganzen zuverUlssig und höchst wertvoll. Dagegen für den Westen, für
Rom, Italien, Spanien und Afrika hat Livius die polybianische Erzählung mit minder-
wertigen lateinischen Historikern zusammengeklittert und dabei vieles selbständig
hinzugetan, verfälscht und verändert. Das Gesagte gilt auch für die dritte Dekade
(Buch 21 — 30); nur daß hier bei dem Vorwiegen der westlichen Ereignisse die rein
polybianischen Stücke viel geringer sind. Für diesen Teil ist Livius daher äußerst
unzuverlässig, und es ist nicht leicht, da wo uns Polybios nicht erhalten i.st, aus
dem Wust der Fälschungen die wirkliche Überlieferung aus ihm herauszuschälen.
Seine lateinischen Autoren sind für die dritte Dekade in erster Linie Coelius Anti-
pater, außerdem Valerius Antias und andere jüngere Annalisten.')
Plutarch schöpft für den zweiten punischen Krieg (in den Biographien des
Fabius und Marcellus) aus einer mit Livius nahe verwandten, aber nicht iden-
tischen Darstellung, vielleicht aus Juba. Weit brauchbarer ist er im älteren Cato,
Titus, Philopoimen und Aemilius Paullus, wo er wesentlich polybianische
Tradition wiedergibt.
Appians Geschichte (im Hannibalischen, Iberischen, Libyschen, Illyrischen,
Syrischen Buch xmd den Resten des Sizilischen und Makedonischen) ist für den
zweiten punischen Krieg ebenfalls nicht aus Polybios selbst entlehnt, steht aber
diesem in vieler Hinsicht näher als Livius und ist daher nicht ohne eigenen Wert.
In der späteren Zeit ist er überwiegend polybianisch; doch ist möglicherweise Poly-
bios durch Vermittlung eines anderen benutzt. Cassius Dio ist in Exzerpten und
im Auszuge des Zonaras erhalten. Er scheint hauptsächlich dem Livius zu folgen;
eine gelegentliche Benutzung auch des Polybios ist nicht ausgeschlossen; daß er ältere
Werke, wie Fabius Pictor, benutzt habe, bleibt höchst unwahrscheinlich. In der Ge-
schichte des ersten punischen Krieges ist er verhältnismäßig reichhaltig und daher
wertvoll, gelegentlich zeigt er hier eine bemerkenswerte Verwandtschaft mit Diodor.
Manche Beiträge, besonders zur Geschichte des achäischen Krieges liefert der
Perieget Pausanias, der jedoch wegen seiner Willkür und Ungenauigkeit nur mit
Vorsicht zu verwerten ist.
Für den ersten punischen Krieg sind die Triumphalfasten besonders gut
und vollständig erhalten und haben den Gelehrten mancherlei Material für die
Chronologie geboten, sind aber eine trügerische Stütze. Sie haben nicht etwa den
Wert gleichzeitiger, authentischer Zeugnisse, sondern vertreten eine jüngere, minder-
wertige Überlieferung. Oben S. 12 f.
17. Der erste punische Krieg. Einige Jahre nachdem Rom in Italien
die Hegemonie erlangt liatte, bot sich Gelegenheit, auf das benachbarte
Sizilien überzugreifen, was den ersten Krieg gegen die Karthager, den
größten Krieg, den Italien je allein gefiihrt hat, heraufbeschwor. Karthago
war eine Macht, die mit Rom insofern eine gewisse Ähnlichkeit aufwies,^)
') Die Frage nach den • Quellen des ges, Leipzig 1880; Soltau, Livius' Quellen
Livius in der 3. Dekade wird sehr ver- in der 3. Dekade, Berlin 1894; Henry
schieden beantwortet. Manche Gelehrte A. Sanders, Die Quellenkontamination im
leugnen eine direkte Benutzung des Püly- 21. und 22. Buch des Livius, Berlin 1898.
bios, die aber namentlich von Hessel- Zur i. und 5. Dekade vgl. H. Nissen, Krit,
BARTH (Histor. krit. Untersuchungen zur Unters, über die Quellen der 4. u. 5. Dek.,
3. Dekade des Livius, Halle 1889) nach- Berl. 1863 und U. Kahbstedt, Die Anna-
gewiesen ist. Vgl. K.Böttcher, Neue Jahrb. listik von Liv. B. 31— 4-5, Berl. 1913; A.
für Philol. 5. Supplem., 352 ff.; C.Peter, Klotz, Hermes 50, 1915, 481 ff. (abweichend
Über die Quellen des 21. und 22. Buches von Kahrstedt).
des Livius, Pforta 1863; Zielinski, Die ^) W. Böttichee, Geschichte der Kar-
letzten Jahre des zweiten punischen Krie- j thager, Berlin 1827; 0. Meltzer, Gescliichte
5, Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v.Chr.). (§ 17.) 101
als auch in seinem Fall eine Stadtgemeinde sich ein weites Herrschafts-
gebiet erobert hatte. Der Nationalität nach sind die Karthager Phöniker,
und werden daher von den Eömern Punier (Foeni) genannt. Gegründet von
den Tyriern etwa 800 v. Chr.,^) hat sich Karthago seit Beginn des 5. Jahr
hunderts v. Chr. zu einer Großmacht entwickelt. Die benachbarten libyschen
Stämme, denen man früher tributpflichtig gewesen war, teils Ackerbauer,
teils Nomaden (Numider),-) wurden nun ihrerseits unterworfen und mittel-
bar oder unmittelbar beherrscht. Karthago hat ihnen allen den Stempel
seiner Eigenart aufgeprägt und über sämtliche Phöniker des Westens in
Nordafrika, Südspanien, auf Sizilien und anderen Inseln die Vorherrschaft
erlangt. Auf Sizilien machten die Karthager nach dem vergeblichen Ver-
such von -180 V. Chr. in mehreren großen Kriegszügen (409 — 40-1 v. Chr.)
bedeutende Eroberungen und ließen sich trotz allen Anstrengungen der
Hellenen aus ihrer Stellung nicht mehr vertreiben. Der westliche Teil der
Insel blieb ihnen dauernd unterworfen oder verbündet. Nach dem Abzug
des Pyrrhos beherrschten die Karthager die Küstenlandschaft Nordafrikas
von der Grenze der Kyrenaika bis über die Straße von Gibraltar hinaus,
Südspanien, Sardinien, Korsika, die Pithyusen (Ebusos) und vielleicht auch
die Balearen. Auf Sizilien besaßen sie alles was westlich vom Flusse Haly-
kos lag und einen guten Teil der Nordseite, auch Akragas war eng mit
ihnen verbündet; in Unabhängigkeit behaupteten sich nur Syrakus mit seiner
Bundesgenossenschaft und die Mamertiner in Messana. Auf Sizilien traten
die Punier mit den Hellenen in nahe Berührung und eigneten sich viel von
dem griechischen Wesen und seiner Kultur an. Zugleich standen sie damals
mit den hellenistischen Staaten des Ostens, namenthch mit dem benachbarten
Ägypten und Kyrene in freundschaftlichem Verkehr.
Karthago war ein großer Handelstaat, der seine Bundesgenossen und
Untertanen schonungslos auszubeuten pflegte. Selbst die phönizischen Stamm-
verwandten in Afrika, die sogenannten Libyphöniker besaßen keine oder
nur geringe Selbständigkeit, und bloß die sizilischen Bundesgenossen waren
freier gestellt. Die Verfassung der Stadt war aristokratisch oder timokratisch ;
unter den mächtigen Familien der Stadt stehen sich schon früh zwei sich
bekämpfende Faktionen oder Richtungen gegenüber. Anders als die Römer,
unterließen es die Karthager, mit der Ausbreitung ihrer Herrschaft auch
den Umfang von Stadt und Bürgerschaft zu vergrößern. Sie wurden im
eigenen Lande nicht heimisch, sondern blieben auswärtige Eroberer, die über
fremde Untertanen herrschten. Der karthagischen Bürgerschaft gebrach es
durchaus nicht an kriegerischem Geist und kriegerischer Erfahrung; aber
sie konnte nur einen kleinen Teil der Kriegsmacht stellen, die man für die
weit gedehnte Machtsphäre brauchte. Die Masse der Heere machten die
afrikanischen Untertanen, dazu fremde Söldner, Iberer, Ligurer, Gallier,
Italiker und auch Griechen aus. Große Sorgfalt wandte Karthago seiner
der Karthager, 1. Band (bis Agathokles) | Rechnung des Timaios (fr. 21 FHG I 197),
BerUn 1877 ; 2. Band (bis 218 v. Chr.) Berlin derzufolge Karthago 814 v. Chr. gegründet
1896; 3. Band von 218— 146 von U. Kahr- 1 wurde.
STEDT. Berlin 1913. ! '^) Das lateinische Xuniidae ist aus dem
') Am besten beglaubigt scheint die i griechischen Nofiäds^ entstanden.
102 Römische Geschichte.
Marine 7a\, und damals, nach der Vertreibung des Pyrrhos, beherrschte die
karthagische Flotte die westlichen Meere.
Mit den Römern, wie mit anderen italischen Völkern, standen die Kar-
thager seit alter Zeit in Freundschaft und Handelsverkehr. Noch jetzt sind
die Verträge, die zwischen Rom und Karthago geschlossen wurden, bei
Polybios') erhalten. Es sind deren drei: den ersten setzt Polybios in das
Jahr der ersten Konsuln (508 v. Chr.), der zweite ist nicht datiert, der dritte
ist das gegen Pyrrhos gerichtete Abkommen von 279 v. Chr. (oben S. 79).
Jedoch wird die von Polybios gegebene Datierung des ersten Vertrages be-
stritten; nach dem Zeugnis Diodors,^) der unter dem Jahre 348 v. Chr. den
Abschluß des ersten Vertrages mit Karthago erwähnt, hat Mommsen das
wahre Datum des ersten polybianischen Vertrages auf dieses Jahr bestimmt,
während Nissen dem Polybios folgt. Einen anderen Vertrag erwähnt ferner
Livius-^) unter dem Jahre 306 v. Chr., so daß, wenn man alles zusammen-
zählt, vier Verträge herauskommen, von 508, 348, 306 und 279 v. Chr., und
auf diese Jahre werden die erhaltenen Verträge von den modernen Forschern
verschieden verteilt. Indes sind nach dem bestimmten Zeugnis des Polybios
vor dem ersten punischen Kriege jedenfalls nur drei Verträge anzunehmen.*)
Der zweite ist kaum jünger als 348 v. Chr., dagegen der erste schwerlich
schon 508 v. Chr. geschlossen, sondern viel später, etwa 400 v. Chr. an-
zusetzen. Der angebliche Vertrag von 306 v. Chr. ist nicht genügend be-
glaubigt. In diesen Verträgen schließen die beiden Gemeinden Freundschaft
und versprechen sich Schutz für den gegenseitigen Verkehr, der für die
Römer wesentlich auf die Stadt Karthago und ihre sizilischen Besitzungen
beschränkt wird. Waffengemeinschaft wird nur in dem letzten, gegen Pyrrhos
gerichteten Bündnis verabredet, und jede der beiden Mächte tat dann das
Ihrige, um das Unternehmen des Pyrrhos zum Scheitern zu bringen. Der
Abzug des Pyrrhos gab den Karthagern auf Sizilien das Übergewicht, aber
doch nicht die alleinige Herrschaft; ein ansehnlicher Teil der Bewohner
blieb unabhängig, darunter die Mamertiner, und diese letzteren waren es,
die den Römern den Zugang zu der reichen und fruchtbaren Insel öffneten.
Dort hatte nämlich nach dem Abzug des Pyrrhos aufs neue der Kampf
zwischen Syrakus und den Mamertinern begonnen, durch den in Syrakus
ein tapferer Heerführer, Hieron, Sohn des Hierokles, zur monarchischen
Gewalt gelangte (269 v. Chr.). Er errang einen großen Sieg über die
') III 22 ff. Über die karthagischen Ver- 6. Jahrhunderts v. Chr. als Zeit des ersten
träge vgl. Mommsen, Eöm. Chronol. 320 f. ; Vertrags findet noch immer namhafte
Nissen, N. Jahrb. für Philol. 1867 S.321 f.; i Verfechter.
G. F.Ungek, Rhein. Mus. 37, 153 f.; Matzat, ■') XVI 69. Livius VII 27.
Rom. Chronol. I 296; Holzapfel, Rom. ^) 1X43,26.
Chronol.84.5;SoLTAu, Philol.48,131f. 276f.; ; •«) Auch Cato fr. 84 scheint nur dreie
E. Täubler, Imperhun Romamuni, Leipz.- 1 gekannt zu haben; er zählt bis zum
Berl. 1913, 254 ff., der erkannt hat, daß zweiten punischen Kriege offenbar sechs;
nicht das römische, sondern das kartha- die drei übrigen sind die Verträge von
gische Vertragsschema zugrunde liegt und 241, 238 und 226 v.Chr. Aber, wie schon
sich für die Jahre 348 (Vertragserneuerung I Mommsen bemerkte, spricht Cato nur von
343?, zu welchem Jahr Liv. VII 38, 2 das einer sechsmaligen Vertragsverletzung,
Eintreffen einer karthagischen Gesandt- also nicht von der Zahl der geschlossenen
Schaft in Rom berichtet), 306 u. 279 v.Chr. Verträge,
entscheidet. — Aber auch das Ende des
5. Dritte Periode : Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 1 7.) lOB
Maniertiner und wurde darauf von den Syrakusanern und den verbündeten
Griechen Siziliens zum König ausgerufen.^ Die Mamertiner schwer bedrängt,
ia mit Vernichtung bedroht, hatten zunächst karthagische Hdfstruppen auf-
genommen (denn die Karthager wollten die Stadt nicht m Hierons Hand
fallen lassen), entschieden sich aber später in ihrer Mehrheit dafür, die dinen,
den Oskern, stammverwandten Römer um Schutz zu bitten. Der römische
Senat schwankte angesichts eines so verantwortungsvollen Entschlusses, aber
das Volk in den Zenturiatkomitien war in der Hoffnung auf materiellen
Gewinn für die Intervention auf Sizilien, und so ging denn Rom mit den
Mamertinern ein Bündnis ein.^) Die karthagische Garnison in Messana wurde
von den Mamertinern zum Abzug veranlafat. Um die römische Einmischung
zu hindern, taten sich nunmehr die Karthager mit Hieron zusammen, und
beide erschienen mit Heeresmacht vor Messana. Jedoch gelang es dem Kon-
sul Appius Claudius nach fruchtlosen Unterhandlungen mit den Karthagern
im Sommer 264 v. Chr. trotz der karthagischen Flotte von Rhegion aus
über die Meerenge zu setzen. Er besiegte hierauf erst die Syrakusaner,
dann die Karthager und drang siegreich bis nahe an Symkus vor, das er
eine Zeitlang belagerte. Viele Städte wurden gewonnen. 3) Für die Romer
wurde es von entscheidender Wichtigkeit, daß sich im nächsten Jahr [Zbö
V Chr ) Hieron nach neuen römischen Erfolgen mit ihnen auf lo Jahre ver-
bündete. Er lieferte ihnen die Kriegsgefangenen aus, zahlte eine bunnne
von 100 Talenten^) und wurde als König von Syrakus und den Nachbar-
Städten anerkannt. Das Bündnis bewährte sich zuerst bei der Be agerung
von Akragas, das die Karthager zur Operationsbasis gegen Syrakus und
Messana gemacht hatten. Unter eifriger Mitwirkung Hierons fiel diese Stadt
nach sechsmonatlichen schwierigen Kämpfen 262 v. Chr. den Römern m die
Hände.^) Nach diesem Erfolg steckten die Römer ihre Ziele weiter und
beschlossen, die Karthager ganz aus Sizihen zu vertreiben Aber die Aut-
gäbe war schwierig; denn die Karthager waren fast unangreifbar. Als Herren
des Meeres konnten sie die Küsten Italiens heimsuchen; mehrere Seestädte
Siziliens traten zu ihnen über; Segesta, das sich 263 v. Chr. mit Rom ver-
') Polyb. I 8. VII 8. Justin. XXIII 4.
Pausan. VI 12, 2. Vgl. Meltzek, Gesch. der
Karthager II 244. 550 f. A. Gercke, Ehern
Tarent, wodurch die Verträge verletzt
worden seien. Vorausgesetzt wird dabei
der von Philinos berichtete Vertrag, wo-
Musl^^ JB..O0H Her„es28 läS; nlch sich Karthago verpülchlete. nicht
fsH. Itrltüg itt.'Tnn hS:Ö„ in Syrakus | auf Italien üb.rzugrrifen d,e Ron,er mcl,
^„.•TTprr^chaftkam ob schon 275/4 v. Chr., : auf Sizihen (Polyb. III 26, d t. , ein > ei
wTe Me zer a'rmmt oder erst 270,69 1 ^^'^'Jl'f'Y^'^^l^^S:'^.
V Chv wie Gercke und Beloch glauben. ') Nach der Erzählung des Fliilinos, aie
N^E^Ed^riräTer hier und auch in seiner Polyb. I 15 mitteilt und widerlegt, sind
Gesch d c. ■ ech u maked. Staaten II 179 die Römer sowohl von den Syrakusanern
deii^teren Ansicht gefolgt war, hat wie von den Karthagern zuiaickgeschlagen
ä'ch TpitrzurzWeS bekehrt, wenn- worden. Dieser Version sd.lieM sich Be-
gleich damit nicht alle Schwierigkeiten .och ^fl^^^;^^^^^, Zahlung,
"^tt^daTverfahren der Römer vom kein jährlicher Tribut von dem nur d^^^
Rechtsstandpunkt aus sehr bedenklich jüngeren B^richterstattei (Zonaia^VIll
war, so haben die jüngeren Annalen das IM) etwas wissen, Polyb. 1 16, 4 it. Uiodor
Bestreben, einen Rechtsgrund zu schaffen -^^^^^^^ *• TT4e+r>r;=-.>iATnnoffraDhie
und die Karthager ins Unrecht zu setzen. ") J. Schübring, Historische! opogiapme
Dazu dieit die"obenS.81 A. 2 erwähnte von Akragas, mit Karte, Leipzig 18.0.
angebhche karthagische Einmischung in
104 Römische Geschichte.
bündet hatte, wurde von ihnen belagert. Nur mit Hilfe einer starken Kriegs-
flotte konnten die Eömer ihr Kriegsziel erreichen, und so beschlossen sie
denn, eine Flotte zu bauen, i) Sie hatten schon früher gelegentlich Kriegs-
schifPe besessen, aber über eine Seerüstung von Bedeutung verfügten sie
nicht; selbst für die Überfahrt nach Sizilien behalfen sie sich mit geliehenen
Fahrzeugen.^) Jetzt bauten sie 120 große Kriegschiffe und stachen mit
ihnen 2(50 v. Chr. in See. Nach einem ersten Mißgeschick erfochten sie bei
Mylae unter dem Konsul CDuilius über den karthagischen Admiral Hannibal
einen großen Sieg, der hauptsächlich durch die Enterbrücken ermögliclit
wurde, eine technische Neuerung, durch welche sich die Überlegenheit der
römischen Fußtruppen auch für den Schiff'skampf zur Geltung bringen und
die nautische Geschicklichkeit der Karthager ausgleichen ließ.^) So konnten
in den Jahren 259 und 258 v. Chr. auch Korsika und Sardinien zur See
angegriffen werden; Korsika wurde 259 v. Chr. erobert, aber Sardinien ver-
blieb nach mannigfaltigen Kämpfen den Karthagern.^)
Inzwischen zog sich der Landkrieg auf Sizilien mit wechselndem Glück
hin, meist in Belagerungen und kleineren Treffen; wenn auch im ganzen
die Römer die Oberhand hatten, so erlitten sie doch mancherlei Nieder-
lagen und Verluste, und eine Entscheidung war nicht zu erzielen; denn die
Karthager nahmen keine große Schlacht an, sondern suchten den Gegner
zu ermüden. Um also die Karthager zum Frieden zu zwingen, unternahmen
schließlich die Römer mit starkem Aufgebot einen Angriff auf Afrika.
Durch eine gewaltige Seeschlacht beim Vorgebirge Eknomos an der Süd-
küste Siziliens erzwangen sie im Jahr 256 v. Chr. die Überfahrt: gegen 700
Kriegschiflfe und 300000 Mann kämpften hier, auf beiden Seiten ungefähr
gleichmäßig verteilt, gegeneinander. Die Römer landeten bei Clupea (Aspis),
besetzten diesen Platz und ließen den Konsul M. Atilius (Regulus) mit einem
ansehnlichen Heer in Afrika, w\ährend das Gros zurückfuhr. Der Konsul
schlug das ungeschickt geführte karthagische Heer, das ihm entgegentrat,
verwüstete das Land, nahm Tunes und brachte viele Libyer und Numider
zum Abfall von der karthagischen Herrschaft, worauf die Karthager durch
eine Gesandtschaft bei ihm um Frieden baten. Aber Regulus stellte so harte
Bedingungen, daß sie es vorzogen, das Kriegsglück wieder zu versuchen.
Als nun griechische Soldtruppen eintrafen, mit ihnen der Lazedämonier
Xanthippos, ein erfahrener Kriegsmann, bildeten die Karthager ein neues,
tüchtiges Heer, das sie dem Xanthippos unterstellten, der sie namentlich
den richtigen Gebrauch der Kriegselefanten lehrte. Die Römer wurden zum
Kampf in einem Gelände gezwungen, in dem die Karthager ihre überlegene
Reiterei und ihre Elefanterie aufs wirkungsvollste einsetzen konnten; die
') Über die Flotten des ersten punischen lins (Sitzungsber. d. Münch. Akad. d. Wiss.
Kriegers vgl. W. W. Tarn, Jonrn. of hell. 1889, I 293 f.), die Echtheit gegen Ritschl
stnd. 27, 1907, 37 ff. und Mommsen zu erweisen, ist nicht über-
^) Polyb. I 20, 13 f. zeugend.
3) Polyb. I 22. Die noch erhaltene In- •*) Vgl. 0. Leuze. Klio X, 1910, 406 ff. und
schritt für Duilius (CIL I 2, 1^ nr. 25, besonders dessen Interpretation der Grab-
ILS nr. 65) gehört der Zeit des Augustus schritt des Eroberers von Korsika, des
an; sie ist nicht etwa die Kopie eines Konsuls L. Cornelius Scipio (CIL I 2, 1^
älteren Originals, sondern ein Produkt nr. 9, ILS nr. 3) und des Polyb. I 24, 5 ff.
späterer Antiquare. Der Versuch E. Wölff-
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v.Chr.). (§ 17.) 105
Römer wurden völlig geschlagen, der Konsul gefangen; nur zweitausend
Römer entkamen nach Clupea. Jetzt gaben die Römer das afrikanische
Unternehmen auf, um es, von Plünderungszügen abgesehen, in diesem Krieg
nicht zu wiederholen. Sie räumten Clupea und sandten zu dem Behuf
255 V. Chr. aufs neue ihre Flotte, die nunmehr nach einem Seesieg über
die Karthager die belagerte Besatzung an Bord nahm. Auf der Heimkehr
fuhr die Flotte die Südküste Siziliens entlang, wobei sie durch einen Sturm
überrascht wurde, der fast alle Schiffe kostete. Doch rüstete Rom sogleich
eine neue Flotte aus, um zur Eroberung der Städte des sizilischen Nord-
gestades zu schreiten; zuerst fiel Kephaloidion, dann (254 v. Chr.) das
wichtige Panormos,') später Solus, Tyndaris und Therma^^auch die Insel-
stadt Lipara wurde 252 v. Chr. gewonnen. Parallel damit liefen andere
Unternehmungen. Die Römer erlebten dabei das Mißgeschick, daß ein großer
Teil ihrer Flotte 253 v. Chr. auf der Heimfahrt von Panormos quer über
die See nach Rom in einem Sturm zugrunde ging; sie waren zunächst
nicht imstande, den schweren Verlust zu ersetzen, und schränkten in den
folgenden Jahren ihre Seemacht auf das Notwendigste ein. Inzwischen
hatten die Karthager nach der Niederlage des Regulus ihr Heer auf Sizilien
erheblich verstärkt und dominierten unter Hasdrubal im Westen der Insel.
Selbst Akragas fiel ihnen auf einige Zeit wieder zu. Hasdrubal versuchte
dann bei günstiger Gelegenheit Panormos anzugreifen, erlitt aber durch den
Konsul L. Caecilius (Metellus) eine große Niederlage (251 v. Chr.), durch die
das Übergewicht der Römer auf Sizilien entschieden und die letzte Phase
des erbitterten Ringens eingeleitet wurde.
Die Karthager räumten jetzt alle Plätze Siziliens und beschränkten sich
auf die Behauptung der westlichen, Lilybaion und Drepana; letzterer Ort,
259 v. Chr. gegründet, war ursprünglich das Emporium von Eryx. Mit aller
Macht schritten die Römer und ihre Bundesgenossen zum Angriff auf Lily-
baeum, das stärkste Bollwerk der Karthager. 2) Wiederum rüsteten sie eine
große Kriegsflotte aus. Lilybaeum'') wurde von etwa 100 000 Mann zu Wasser
und zu Lande eingeschlossen, und es entspannen sich gewaltige Kämpfe;
doch die Karthager, unterstützt durch die Besatzung von Drepana, wider-
standen erfolgreich; das Belagerungsheer litt Mangel an Lebensmitteln und
konnte sich nur mit Mühe behaupten. Im Jahr 250 (nach derVulgata 249)
1) Vgl. Schubring, Progr. des Lübecker 1 Vgl. Appian Lib. 4. Sicil. 2, 1, der die Ge-
Katharineums 1870. sandtschaft nach Rom erst ans Ende des
2) Nach den jüngeren Quellen (Livius j Krieges setzt. Die Geschichte des Re-
per. 18. Gros. IV 10, 1. Cass. Dio fr. 43 gulus ist legendär; wohl beglaubigt ist
vol. I p. 165 Boissevain, vgl. Tuditanus bei dagegen eine andere von der Mifahand-
Gellius N. A. VII 4, 1. Cicero de off. I 39) lung karthagischer Gefangener in Rom
sind vorher Unterhandlungen über den (Diodor exe. XXIV, 12). Diese hat wahr-
Frieden oder über Auslieferung der Kriegs- scheinlich zu jener Legende den Anstoß
gefangeneu geführt worden, die ohne Er- , gegeben. Vgl. .1. Palmerius, Exercitatlones
gebnis verliefen. Daß damals Karthago ' in opfimos fere auctores Graecos (Utrecht
kriegsmüde war, ist wohl möglich, aber die 1694) 151 f. ; Niebuhk, Rom. Gesch. III 704 ff".
Beglaubigung der Nachricht ist schwach. ' Weitere Literatur bei Haltaus, Gesch.
Es wird daran die bekannte Erzählung Roms S. 342. 0. Jagee, M. Atilius Regulus,
von der Gesandlschaft des gefangenen Progr. Köln 1878. Klebs, PW II 2086 ff.
Regulus nach Rom angeknüpft, der den =) Zur Belagerung Lilybaeums vgl.
Römern den Frieden abzulehnen rät und | Schubring, Philologus 24, 62 ff".
dadurch sein qualvolles Ende herbeiführt. |
106
Römische Geschichte.
V. Chr. übernahm der Konsul P. Clodius das Kommando und begann den
Krieg mit neuem Eifer; er griff die kartliagische Flotte unter Adherbal
(Atarbas) in Drepana an, erlitt jedoch eine vernichtende Niederlage, wes-
halb ihn seine Landsleute zur Rechenschaft zogen und hart bestraften. Unter
seinem Nachfolger, dem Konsul L. Junius (Pullus) ereignete sich ein neues
Unglück; eine große Expedition, die den Belagerern Lilybaeums Verstärkung
bringen sollte, ging an der Südküste Siziliens bei Phintias zugrunde, wobei
die karthagische Flotte und die Elemente sich in das Verniclitungswerk
teilten.^) Zur See hatte jetzt Karthago die Vorhand, so dafa die Kömer die
Belagerung Lilybaeums aufheben mu&ten. Unter diesen Umständen war
ihnen der Beistand Hierons, der schon vor Lilybaeum wichtige Dienste ge-
leistet hatte, von besonderem Wert; das Bündnis mit ihm wurde 248 v. Chr.
erneuert. Aber auch der Landkrieg nahm für die Karthager eine günstigere
Wendung, als im Jahr 247 v. Chr. ein ausgezeichneter Feldherr, Hamilkar
Barkas, den Oberbefehl übernahm. Er organisierte das Heer, dessen Moral
er hob, und unternahm 24(3 v. Chr. einen Zug gegen die brettische Küste;
dann besetzte er nahe bei Panormos einen festen Punkt, die Heirkte,^) von
wo er mit den Römern tägliche Kämpfe zu bestehen hatte. Von hier aus
unternahm er zu Land weit nach Sizilien hinein, und zur See an die Küsten
Italiens seine kühnen Streifzüge. Fast drei Jahre behauptete er sich auf
der Heirkte, dann gelang es ihm, die Stadt Eryx zu besetzen außer dem
Tempel auf der Höhe, den gallische Söldner in römischen Diensten ver-
teidigten. Von den Feinden fast ganz umschlossen, hielt er sie doch be-
ständig in Atem, während er mit der offenen See und mit Karthago über
Drepana in Verbindung blieb. Jahrelang zog sich so der Krieg ohne Ent-
scheidung hin und erschöpfte die Kräfte der Streitenden; der römische
Staat war nicht mehr imstande, eine neue Kriegsrüstung aufzubringen. In
dieser Not taten sich die angesehensten Bürger zusammen, um aus privaten
Mitteln den Bau einer Flotte zu bestreiten. Im Jahr 242 v. Chr. stachen
200 Penteren unter dem Konsul C. Lutatius in See und blockierten Lily-
baeum und Drepana. Auch die Karthager waren am Ende ihrer Kraft:
gleichzeitig mit dem Krieg auf Sizilien hatten sie in Afrika mit Libyern
und Numidern zu schaffen, wobei sie unter Hannons Oberbefehl ihre Herr-
schaft nach Süden ausbreiteten und Hekatompylos eroberten (zwischen 247
und 241 V. Chr.). 3) Sie boten nun gegen Lutatius ihre letzten Mittel auf
und rüsteten eine Flotte aus, um den feindlichen Gürtel um Lilybaeum
und Drepana zu sprengen und dem Hamilkar die unentbehrlichen Ver-
') Niese folgt dem Polybios, der hier
eine andere Konsulliste und daher auch
eine andere Anordnung der Ereignisse
hat als die jüngeren Autoren. Er über-
geht die Konsuln von 252 v. Chr., C. Au-
relius und P. Servilius, macht aber dafür
den L. Junius nicht zum Kollegen, son-
dern zum Nachfolger des P. Clodius, wie
richtig Seipt (vgl. S. 107 A. 3) 31 ff. er-
kannt hat. Nach Nieses Überzeugung ver-
tritt Polybios die echte Überlieferung.
'•') Die früher übliche Gleichung der
Heirkte mit dem Monte Pellegrino bei
Palermo ist durch J. Kromayer, Antike
Schlachtfelder III, 1, 1912, 4 ff. widerlegt.
K. lokalisiert die Heirkte einwandfrei am
Monte Castellaccio nordwestlich von Pa-
lermo und nahe dem Meer.
••') Polyb. 1 73, 1. DiodorlVlS. exe. XXIV
10. Man pflegte Hekatompylos früher mit
Cajjsa zu identifizieren, seitMovERS, Phöni-
zier III 2, 519 mit Theveste (heute The-
bessa). CIL VIII p. 215.
5. Dritte Periode : Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (S !"•) 107
Stärkungen und Vorräte zuzuführen. Als diese Flotte schwer beladen von
den ägatischen Inseln gen Drepana fuhr, wurde sie von den Römern an-
gegriffen, geschlagen und grofsenteils zerstört (242 v. Chr.).')
* "^ Nunmehr konnte sich Hamilkar nicht mehr behaupten und die Kar-
thager ließen sich zum Frieden herbei, den Hamilkar mit dem Konsul ab-
schroß. Sie verpflichteten sich den Römern Sizilien abzutreten, die Kriegs-
gefangenen auszuliefern und in 20 Jahresraten im ganzen 2200 attische
Talente (gegen 10400000 Goldmark) zu zahlen. Jedoch verwarf das römische
Volk diese Präliminarien und schickte zur weiteren Unterhandlung zehn Senats-
kommissäre nach Sizilien ; diese fugten noch 1000 Talente Kriegskosten und
die Verpflichtung hinzu, die zwischen Italien und Sizilien liegenden Inseln
abzutreten.2) Auf dieser Grundlage kam der Friede zustande (241 v. Chr.),
Hamilkar und sein Heer zogen ab. Die ehemals karthagischen Besitzungen
auf Sizilien fielen also an Rom. Unabhängig bheb dagegen der südöstliche
Teil der Insel, das Gebiet Hierons, das vielleicht einige Erweiterungen erfuhr. 3)
Den Römern und Italikern hatte der 24jährige Krieg schwere Opfer
an Gut und Blut auferlegt; vor allem die Küsten und Städte Unteritaliens
hatten viel zu leiden gehabt. Zu Unruhen ist es während der Kriegsdauer
in Italien, soweit wir wissen, nicht gekommen.^) Indes unmittelbar nach
Schiufa des Krieges empörten sich aus unbekannten Ursachen die Fahsker
in Falerii. Der Aufstand konnte in wenigen Tagen mit der Unterwerfung
und Zerstörung der Stadt beendigt werden. Gleich nach dem Krieg (241
V. Chr.) erweiterte Rom seinen Bürgerverband durch Einrichtung der beiden
TribusVelina und Quirina, deren Bezirke im Sabinerland lagen; mit den
nunmehr 35 Tribus Avar die politische Gliederung des Bürgergebietes zum
Abschluß gebracht.
') Nach Eutrop. II 27, 2 am 10. März
(TT. Id. Mart.). Aber dieses Datum kann
nicht .stimmen, wenn mau nicht eine ge-
waltige Verschiebung des römischen Ka-
lenders annehmen will.
2) Über den Friedensvertrag s. E. Täub-
LER. Impcrimn Eomanum I, 1913, 188 ff. und
dens., Vorgeschichte des 2. pun. Kriegs,
Berl. 1921,^108 t¥.
•^) Hier zum Ende des ersten puni-
schen Krieges sei noch bemerkt, dafs seine
Chronologie mancherlei noch ungelöste
Schwierigkeiten bietet. Vgl. Matzat, Rom.
Chronologie II 207 ff. ; A. Fkänkel, Studien
zur röm. Geschichte 1 11 f. : O. Seipt, De Po-
lyhii oJi/Dipiachim ratione quaestiones chrono-
Jogicae, 28 ff. ; Soltau, Röm. Chronologie
207 ff.; P. Varese, // calendario Romano all'
etä della prima guerra Punica (Giül. Be-
LOCH, Sfndi dl storia antica fascic. 3) und
danach Belooh, Gr. Geschichte III 2, 231.
Die Frage nach dem damaligen Gang des
römischen Kalenders und dem Antritts-
tag der Konsuln, als den man für diese
Zeit allgemein den 1. Mai ansieht, spielt
dabei eine wichtige Rolle. Als gegeben
hat zu gelten, dafs der Anfang des Krieges
in die Zeit der 129. Olympiade fällt, d. h.
Sommer 264 v. Chr. (Polyb. I 5. 1), und
daß er 24 Jahre dauerte (Polyb. I 63 und
andere Zeugnisse). Varese und mit ihm
Beloch lassen davon abweichend den Krieg
erst im Sommer 263 v. Chr. anfangen, und
setzen die Schlacht bei den ägatischen
Inseln 241 v. Chr. Varese hat übrigens
die nächstfolgenden Jahre in seine Unter-
suchung miteinbezogen mit dem Ergebnis,
daß z. B. der erste illyrische Krieg nicht
229, sondern 228 v. Chr. geführt worden
sei. Er stützt sich hauptsächlich auf die
Daten der Triumphalfasten, und dies ist
der Hauptgrund, weshalb seine Unter-
suchung vollständig in die Irre ging; denn
die Triumphalfasten sind eine Quelle sehr
zweifelhaften Werts. Eine erschöpfende
Untersuchung über die Chronologie des
ersten punischen Krieges ist sehr zu
wünschen. (Vgl. Varese, Cronologia Ro-
mana I, Rom 1908).
••) Während des Krieges selbst, im Jahre
260 v. Chr. wird auf Sizilien ein Konflikt
zwischen den Römern und ihren Bundes-
genossen erwähnt, der zu einer Trennung
und infolgedessen zu einer römischen
Niederlage führte. Polyb. I 24, 3 f.
108 Römische Geschichte.
Die Karthager traf gleich nach dem Frieden ein neuer Schlag, ein be-
drolilicher Aufstand ihrer Söldner, die, nach dem Abzug aus Sizilien in
Karthago behufs ihrer Entlassung versammelt, hohe Geldforderungen stellten,
die bei der Ebbe in der Staatskasse schwer zu erfüllen waren. Ungeschickte
halbe Maßnahmen der Regierung verschärften die Lage, die vor allem da-
durch gefährlich wurde, daß die von den Kriegslasten fast erdrückten Libyer
und Libyphöniker ebenfalls revoltierten und die Söldner, mit denen sie ge-
meinsame Sache machten, in ihren Dienst nahmen. Der Kampaner Spendios,
der Gallier Autaritos und der Libyer Mathos spielten die Führer; fast alle
punischen Städte, selbst Utica, beteiligten sich an der Empörung; Karthago
geriet an den Rand des Verderbens. Erst nach langen, wechselreichen Kämpfen
wurde der Aufstand nach einer Dauer von drei Jahren vier Monaten') be-
sonders durch das Verdienst des Hamilkar Barkas unter Mitwirkung Hannons
gedämpft (238 v. Chr.). Auch die karthagischen Söldner, die auf Sardinien
lagen, hatten gemeutert und die Insel den Römern angetragen, ein Angebot,
das abgelehnt wurde; erst als die Karthager zum Verdruß Roms die Em-
pörung in Afrika bemeisterten und sich nun nach Beendigung des „Söldner-
krieges" zur Wiedereroberung Sardiniens anschickten, beschlossen die Römer,
ihnen zuvorzukommen. Sie erklärten den Karthagern den Krieg, und da
die Karthager an einen neuen Krieg mit Rom damals nicht denken konnten,
mußten sie einen neuen Frieden erbitten und sich dazu verstehen die Insel
abzutreten und überdies 1200 Talente (etwa 5650000 Goldmark) zu ent-
richten. Die römische Herrschaft auf Sardinien und Korsika beschränkte
sich, wie früher die karthagische, noch lange auf die Küstengegenden; gegen
die wilden Völker des Innern wurden häufig grausame Kolonialkriege geführt.
Sizilien und Sardinien mit Korsika sind die ersten außeritalischen, über-
seeischen Besitzungen der Römer. Sizilien, ganz hellenisch, bestand aus
Stadtgemeinden, die mit Ausnahme von Lilybaeum, Eiyx und Drepana schon
vor dem Frieden den Römern zugefallen waren. Das Verhältnis der ein-
zelnen war verschieden je nach den Umständen, unter denen sie an Rom ge-
kommen waren, nach den Verträgen, die Rom mit ihnen geschlossen hatte.
Ein Teil wurde Untertan und abgabenpflichtig, andere blieben frei und
autonom. 2) In den ersten Jahren der Herrschaft scheint die Insel, wie Italien,
unmittelbar von Rom regiert zu sein. Dann setzte man einen besonderen
Jahresbeamten, einen Prätor, der in die Reihe der ordentlichen Magistraturen
eintritt, zurA^erwaltung der Insel ein (227 v. Chr.). Sizilien wurde Provinz;
die Städte behielten ihre Verfassung; das Abgaben wesen wurde im Lauf der
Zeit für den römischen Teil der Insel, wie es scheint, nach dem Muster der
hieronischen Herrschaft einheitlich geregelt. Um dieselbe Zeit wie Sizilien
erhielt auch Sardinien seinen eigenen Prätor.
') Polyb. I, 88, 7. Diodor XXV 6 gibt Antiken Schlachtfeldern 111,2, 1912, 521 ff.
vier Jahre vier Monate, was nur ein -) Vgl. Marquardt, Rom. Staatsverwalt.
Schreibfehler ist; denn Diodor hat hier i I^ 242. Die erste Einrichtung Siziliens ist
aus Polybios geschöpft. Anders O. Gil- nur unsicher bekannt. Nähere Kenntnis
BERT, Rom und Karthago in ihren gegen- haben wir erst aus späterer Zeit durch
seifigen Beziehungen 513 — 536 a. u. c. (241 Ciceros Verinnen. und zwischen diesen
— 21S V. Chr.). Leipzig 1876. Vgl. über den und der ersten Ordnung liegen der zweite
„Söldnerkrieg" G. Veith in Kromayers punische Krieg und die Sklavenkriege.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 18.)
109
Allo-emeine Literatur: L. 0. Bröcker, Geschichte des ersten punischen Krieges,
Tübino-en 1841. — K. Haltaus, Geschichte Roms im Zeitalter der punischen Kriege,
Leipzig 1846. — C. Neumann, Das Zeitalter der punischen Kriege, hrsg. und ergänzt
von G Faltin, Breslau 1883. — 0. Meltzer, Geschichte der Karthager II 252 flf. —
Niese. Geschichte der griech. und maked. Staaten II 174 ff. — Beloch, Gnecliische
Geschichte III 1, G64 ft'.
18. Illyrische und gallische Kriege. 0 An der illyrischen Küste hatte
sich unter König Agron, dem Sohn des Pleuratos, ein ansehnliches Reich
gebildet, das im Süden bis an Epirus reichte, im Norden vielleicht noch
die Dalmater einschloß und sich in lockerem Gefüge aus dem Gebiet ab-
hängiger Städte, Stämme und Fürsten zusammensetzte. Agron griff als Ver-
bündeter des Königs Demetrios von Makedonien (reg. 239—229 v. Chr.) in
dessen griechische Kämpfe ein, bedrohte Epirus und die griechischen Städte
am ionischen Meer und brandschatzte die griechischen Küsten, wodurch der
illyrische Seeraub seinen Aktionsradius erweiterte. Auch italische Kaufleute
wurden davon betroffen, besonders im Jahr 230 v. Chr., als eine illyrische
Flotte vor der epirotischen Bundesstadt Phoinike lag und die Vorbeifahrenden
plünderte. Nun nahm sich der Senat der geschädigten Italiker an und
verlangte Genugtuung.'^) Aber die Königin Teuta, seit 231 v. Chr. Nach-
folgerin ihres Gemahls Agron, gab eine ausweichende Antwort; ja einem
der römischen Gesandten, der eine sehr freimütige und energische Sprache
geführt hatte, schickte sie Häscher nach, die ihn töten sollten. 3) Im näch-
sten Jahr (229 v. Chr.) wurden daher die beiden Konsuln Cn. Fulvius und
L. Postumius mit Heer und Flotte über die Adria gesandt. Damit griffen die
Eömer in den Bereich Makedoniens über: aber Makedonien mußte den Über-
grifft dulden, da gerade um diese Zeit der König Demetrios mit Hinter-
lassung eines unmündigen Sohnes starb und im Königreich Unruhen aus-
brachen, die der Regent Antigonos Doson erst nach einiger Zeit nieder-
werfen konnte. Andererseits machten die Römer bei dieser Gelegenheit
gemeinschaftliche Sache mit den Aetolern und Achäern, die mit Makedonien
in Krieg lagen.
TVlit überlegener Macht, mit 200 Kriegschiffen und einem Landheer von
22 000 Mann setzten die Römer nach Illyrien über. Kurz vor ihrer An-
kunft hatten die Illyrier Korkyra erobert, nachdem die kleine achäisch-
ätolische Flotte, die den Korkyräern zu Hilfe kam, geschlagen worden
war. Aber die Insel wurde den Römern durch den Beauftragten der Teuta,
den Dynasten Demetrios von Pharos, sogleich übergeben, und die übrigen
hellenischen Städte stellten sich in den Schutz der Römer, die jetzt zum
Angriff' vorrückten. Die Illyrier konnten sich nirgends behaupten; Teuta
1) Polybios II 1 ff. kommt allein als ! reich XVIII (1895) 133 ff., wo versucht
Quelle iii Betracht. Die übrigen Berichte j wird, namentlich Appians Darstellung zu
gehen auf eine stark verderbte Überliefe- \ verwerten. Vgl. Niese, Gescluchte der
rung zurück; namentlich gilt dies von griech. u. maked. Staaten II 281 ff.
den Resten des Livius und Cassius Dio : ^) Nach Appian Illyr. 7 ruft das von
(Zonaras) mit ihren vielen, fast alljähr- den Illyriern belagerte Issa den Schutz
liehen Kriegen, aber auch Appians Illyrike der Römer an. Aber damals war Issa
ist nicht einwandfrei. Eine Darstellung schwerlich schon mit Rom verbündet,
des illvrischen Krieges bei-G. Zipfel, Die | ') Polyb. II 8, 12. Appian Illyr. 7. Mit
Tömische Herrschaft in Illyrien bis auf ; starker Übertreibung Cassius Dio^ ti\ 49
Augustus, Leipzig 1877, und bei Bauer, vol. I p. 180 Boiss. Vgl. Plin.h.n. XXXIV 24.
Archäolog. epigraph. Mitteil, aus Öster- |
IXQ Römische Geschichte.
mußte nach Rhizon (Golf von Cattaro) entweichen, die Parthiner und Atin-
tanen, letztere an der Grenze von Epirus wohnhaft, schlössen sich den
Römern an. Der Sieg der Römer war so vollständig, daß das Gros ihres
Aufgebots heimkehren konnte, und im nächsten Jahr (228 v. Chr.) bequemte
sich Teuta zum PVieden. Sie verpflichtete sich, höchstens zwei Schiffe nach
Süden über Lissos (heute Alessio) hinaus segeln zu lassen, verzichtete auf
den größten Teil ihres Gebietes und versprach Tributzahlung. Der Haupt-
bestand des ihr abgenommenen Gebiets kam an Demetrios von Pharos.
Korkyra, ApoUonia, Epidamnos, die Inselstadt Issa (heute Lissa), die Atin-
tanen und Parthiner traten in die römische Bundesgenossenschaft ein. Der
Konsul Postumius ließ den Friedensvertrag den Aetolern und Achäern noti-
fizieren, was diese beifällig aufnahmen; die Römer Avaren den Hellenen
damals willlcommene Helfer gegen den Druck der Makedonen. Bald darauf
ging eine römische Gesandtschaft, die erste, die in Hellas erschien, nach
Korinth und Athen ; die Korinther, damals Mitglieder des achäischen Bundes,
bewilligten den Römern Zutritt zu den isthmischen Spielen, womit die Römer
gewissermaßen als Hellenen anerkannt wurden.
Um diese Zeit sah sieh Rom durch die Kelten in Oberitalien aufs neue
belästigt. Die dortigen Kelten w^aren ein wohlhabender, tapferer, volkreicher
Stamm, seit langem seßhaft und nicht mehr so unruhig wie ehedem. Die
Römer müssen lange Zeit mit ihnen in Freundschaft gelebt haben; während
der ganzen Dauer des punischen Krieges haben die Gallier sich nicht ge-
rührt. Aber hinter den Cisalpinern standen die kriegerischen Transalpiner,
die leicht ihre südlichen Stammesbrüder in Bewegung bringen konnten.
238 V. Chr. drang ein transalpinisches Heer vor, riß einen Teil der Bojer
mit sich, kam aber nur bis Ariminum. Die Kelten gerieten in Zwietracht
und rieben sich untereinander auf. ^) Doch mußten sich die Römer auf ähn-
liche keltische Überraschungen gefaßt machen.
Im Jahr 232 v. Chr. wurde auf Antrag des volksfreundlichen Tribunen
C. Flaminius das gallische Grenzland, der sog. aqer Galücus,^) zur Verteilung
an das römische Volk, zur Ansiedlung römischer Bürger bestimmt. Wie es
nun kam, daß die Gallier, besonders die benachbarten Bojer, dadurch in
Erregung versetzt wurden, da das Land doch schon 285 v. Chr. erobert war,
ist nicht klar. Jedenfalls sahen sich die Gallier in ihrer Existenz bedroht,
die Bojer taten sich mit den Insubrern zusammen und rüsteten zum Krieg,
für dessen Zweck sie ein großes Heer transalpinischer Kriegsleute, sog.
Gäsaten, zusammenbrachten und in ihren Sold nahmen. s) Mit Besorgnis sah
man in Rom den Angriff kommen und traf Abwehrmaf3nahmen. Die Bundes-
genossen mußten Listen ihrer wafPenfähigen Mannschaft einreichen, deren
Inhalt uns am besten bei Polybios*) erhalten ist. Es ergab sich eine Summe
') Polyb. II 21, 5. Bei Zonaras VIII 18, 2 Polyb. II 22. 1. Pollux onom. VII 156.
(Cass. Dio I p. 174 Boiss.) ist daraus ein | *) Polyb. II 24. Es fehlen darin die socü
Krieg gegen die Bojer (und Ligurer) ge- ' navahs, zu denen vielleicht auch die Bret-
worden, der drei Jahre (238 — 236 v. Chr.) ' tier gehören. Vgl. Mommsen, Rom. Forsch,
währt. II 382 ff.; J. Beloch, Rhein. Mus. XXXII
2) Polyb. II 21, 7 ff . Cic. Brut. 57. 245; Herzog in den commentationes Momm-
3) ruiaäroi bedeutet berufsmäßige, um 1 senianae 124 f.
Sold dienende Krieger, ymoor ist der Speer. |
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chi-.). (§ 18.) Hl
von 700000 Heerespflichtigen, darunter gegen 70000 Reiter. Willig folgten
die Italiker dem Aufruf Roms gegen den gemeinsamen Feind; denn als
solchen sah man die heranrückenden Völkerschwärme an. Auch gelang
es den Römern, einen der gallischen Stämme, die Cenomanen, und ebenso
die Veneter zu Bundesgenossen zu gewinnen.
Nach mehrjährigen ausgedehnten Werbungen war das Heer der Gäsaten
beisammen, gegen 50000 Mann zu Fuß, gegen 20000 zu Roß und Wagen;
geführt von den Königen Aneroestos und Konkolitanos erschienen sie 225
V. Chr. südlich der Alpen und setzten sich, verstärkt durch Taurisker^) mit
den Insubrern und Bojern nach Süden in Bewegung. Die Römer stellten
in erster Linie zwei Heere auf, bei Ariminum den Konsul L. Aemilius (Papus),
in Etrurien bundesgenössische Aufgebote, zusammen 149 200 Mann zu Fuß
und 7600 Reiter. Der andere Konsul C. Atilius (Regulus) war nach Sardinien
geschickt, von wo er schleunigst zurückberufen wurde. Die Feinde wandten
sich nicht gegen Ariminum, sondern drangen über den Appennin in Etrurien
bis Clusium vor und schlugen das dort stehende Heer. Als jedoch Aemilius
von Ariminum heranzog, gingen sie zurück, um zunächst die reiche Beute
in Sicherheit zu bringen. Aemilius folgte, und da gleichzeitig Atilius bei
Pisa gelandet war und südwärts heranzog, wurden die Gallier in die Mitte
genommen und in einer großen Doppelschlacht bei Telamon durch die über-
legen geführten und besser bewaffneten Römer geschlagen und vernichtet.
Nur ihre Reiterei entkam. Konkolitanos wurde gefangen, Aneroestos tötete
sich selbst, auf römischer Seite fiel der Konsul Atilius. Ein Einfall in das
Gebiet der Bojer schloß sich an den großen Sieg an. 2)
Nunmehr gedachten die Römer, die Gallier ganz aus Oberitalien zu
verdrängen; sie erzwangen 224 v. Chr. durch einen kraftvollen Angriff die
Unterwerfung der Bojer. Weitere Erfolge wurden durch die Ungunst der
Witterung verhindert. Erst im nächsten Jahr (223 v. Chr.) gingen die Römer
an der Mündung des Addua im Einvernehmen mit den dort ansässigen
Anaren über den Po gegen die Insubrer vor, erlitten aber eine Niederlage
und mußten wieder zurück. Sie überschritten nun den Strom weiter ab-
wärts, gingen über den Clusiusfluß,^) vereinigten sich mit den verbündeten
Cenomanen, rückten von Osten ins feindliche Gebiet ein und schlugen unter
dem Konsul C. Flaminius die Insubrer. Die Besiegten baten jetzt um Frieden,
allein der Senat wollte den Krieg fortsetzen. Die Insubrer nahmen aufs
neue 30000 Gäsaten in Dienst und gingen offensiv über den Po vor. Nach
längeren, schwierigen Kämpfen um Acerrae und Clastidium (wo der Konsul
M. Claudius Marcellus den gallischen Feldherrn Virdumarus tötete und die
spoUa opima gewann),^) wurde endlich der befestigte Hauptort der Insubrer,
^) Unter diesen Tauriskeru sind nicht ; *) Plut. Marc. 6. Propertius V 10, 39.
etwa, wie z. B. Nissen, Ital. Landeskunde ! Nach den Triumphalfasten hat später Mar-
II 163 glaubt, die Tauriner (beim heutigen cellus über die Go-mani triumphiert, wo-
Turin) zu verstehen ; diese waren Ligurer.
'^) Der Bericht des Polybios über den
Gallierkrieg geht auf Fabius Pictor zurück,
vgl. E. Norden, Ennius u. Vergilius, Leipz.-
Berl. 1915, 107, 1; 112 f.
3) Vgl. MoMMSEN, CIL V p. 4:13 u. Nissen,
Ital. Landeskunde II 196, 2.
mit die Gäsaten gemeint sein müssen. Die
Germanen sind von den Antiquaren der
augusteischen Zeit hier eingesetzt worden,
wie denn auch Properz die Feinde vom
Rhein her gekommen sein läfst. Müllen-
HOFF, Deutsche Altertumskunde II 194.
112 Römische Geschichte.
Mediolanium, durch den Konsul Cn. Cornelius (Scipio) genommen und der
Stamm vmterworfen. Bqjer und Insubrer mußten den Römern Geiseln stellen
und Tribut zahlen. Auf dem bojischen Gebiet wurde sogleich die Kolonie
Mutina angelegt, auch wurden ringsum römische Bürger angesiedelt; durch
zwei andere Kolonien, Placentia und Cremona, sollte die Polinie für Rom
gesichert werden.
Ihre ursprüngliche Absicht, die Vernichtung der Gallier, haben die Römer
freilich nicht verwirklicht; sie hatten in dem Krieg selbst beträchtliche Ver-
luste und wurden mit den Transpadanern nicht ohne Hilfe verbündeter
gallischer Stämme fertig.
19. Rom und Karthago.') Zweiter illyrischer Krieg. Auf den galli-
schen Krieg folgt ein neuer Krieg mit dem gedemütigten und durch den
Raub Sardiniens erbitterten Karthago, der zweite punische. Gleich nach
dem Söldnerkriege war Hamilkar Barkas nach Spanien gegangen 2) und hatte
die kartliagische Herrschaft, die sich bis dahin nur auf die Südküste er-
streckte, konsolidiert und ausgebaut. Auch die Numider in Afrika hielt er
von hier aus im Schach. Die karthagischen Feldherren seines Schlags haben
eine fast königliche Stellung und vertreten mit großer Selbständigkeit ihren
Staat; die karthagischen Bürger im Heer bilden eine Art beschlußfähiger
Volksversammlung, Mitglieder des Rates und der Gerusia begleiten den
Feldherrn als amtliche Berater (ovreögoi).^) Hamilkar unterwarf in sieg-
reichem Krieg eine Reihe iberischer Völkerschaften; er fiel bei einer Be-
lagerung^) nach neunjähriger Tätigkeit 229 v. Chr. durch einen feindlichen
Überfall, worauf das Heer in Spanien zum Nachfolger seinen Schwiegersohn
Hasdrubal wählte. Hasdrubal rächte Hamilkars Tod und wußte dann nament-
lich durch Verträge mit den Iberern die karthagische Herrschaft bedeutend
zu vei'größern. An der Mittelmeerküste schuf er den großen Waffenplatz
Neukarthago {Kaivi] :n6hg). Die Römer hatten anfangs die karthagischen
Fortschritte in Spanien außer Acht gelassen, um nun mit Besorgnis dieser
Erfolge gewahr zu werden, aber die Gallier banden ihre Kräfte an Italien.
Zur Zeit, da der gallische Angriff drohte, lag es im römischen Interesse,
sich gegen Karthago zu sichern, und Rom schloß daher 226 v. Chr. mit
Hasdrubal einen Vertrag, in dem sich dieser verpflichtete, den Ebro in
') Polybios II 1, 13, 36; III 13. Diodor Sagunti qnaesfiones chronoJogicae, Königs-
XXV 8 ff. Livius gibt eine ganz verkehrte berg 1886; Oehler, N. Jahrb. f. Philol.
Chronologie. Da er sowohl die spanischen Bd. 143 (1891) 421 f. (über Sagunt) ; Thiaü-
Kriege Hannibals von 220 als auch die court, Lc.s- caiisies et Vorigine de Ja seconde
Eroberung Sagunts von 219 ins Jahr 218 guerre punique, Paris 1893.
V. Chr. setzt, so hat sich demgemäfs die -) Über die spanischen Kriege der Kar-
Ankunft Hamilkars in Spanien auf 236, thager haben wir außer Polybios einige
sein Tod auf 227 und Hasdrubals Tod auf Fragmente aus Diodor XXV. Vor der
220 V. Chr. verschoben. Mit Unrecht wird jüngeren römischen Überlieferung, hier
diese Chronologie von einigen Gelehrten durch die Fragmente des Cassius Dio ver-
verteidigt. Neuere Literatur: Hennebert, treten, ist wiederum zu warnen.
Hisfoh-e d'Annibal I 29.3. O. Gilbert, Rom *) Vgl. den Vertrag Hannibals mit Phi-
und Karthago usw. ; O. Meltzer, Geschichte lippos bei Polyb. VII 9.
der Karthager II 393 f.; G. Egelhaaf, Hist. ■•) Die belagerte Stadt wird von Diodor
Zeitschr. N. F. XVII 431 ; W. Sieolin, Die XXV 10, 3 Hehke genannt, vielleicht Ilici,
Chronologie der Belagerung von Sagunt, j das heutige Elche bei Alicante. Meltzer
Leipzig 1878; J. Büzello, De oppugnatione \ a. a. O. 403.
5. Dritte Periode : Bis ziir Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§19.) 113
kriegerischer Absicht nicht zu überschreiten. Was südHch vom Flusse
lag, war damit offenbar als karthagische Interessensphäre anerkannt.')
Nach achtjährigem Kommando endete Hasdrubal 221 v.Clir.. durch Mord;
ihm folgte, ebenfalls als Erwählter des Heeres und des karthagischen
Volkes, sein Schwager, Hamilkars Sohn Hannibal, ein junger Mann von
26 Jahren. Er vollendete das Werk seiner Vorgänger; 221 v. Chr. bezwang
er die aufständischen Olkaden, im nächsten Jahr besiegte er die keltiberi-
schen Vaccäer und eroberte ihre Städte, darunter Salmantica (Salamanca).
Auf der Rückkehr schlug er ein großes Heer der Karpetaner mit dem Er-
folg, daß südlich vom Ebro kein Widerstand mehr sich regte. Nur Saguntum
(Zdxarda), eine volkreiche Stadt, weit südlich vom Ebro, sieben Stadien
vom Meer entfernt, 2) behauptete noch die Unabhängigkeit, und Hannibal
bereitete sich zum Angriff auf diese Stadt vor, die ihm durch ihre feind-
selige Haltung Anlaß zum Kriege bot. Vor kurzem hatten nun die Römer
mit Sagunt ein Bündnis geschlossen, nach anfänglichem Zögern, 3) und so-
bald der gallische Krieg beendet war, beschlossen sie die weitere Aus-
breitung der karthagischen Macht zu hindern. Sagunt sollte ihnen dabei
als Stützpunkt dienen; sie ließen daher durch eine Gesandtschaft (Herbst
220 V. Chr.) den Hannibal vor Feindseligkeiten gegen die Stadt warnen.
Der Karthager wies sie ab und begann im Frühjahr 219 v. Chr. den An-
griff auf Sagunt. Er war entschlossen, eine römische Einmischung südlich
des Ebro nicht zu dulden, selbst auf die Gefahr eines Krieges. Nachdem
die Wegnahme Sardiniens die Karthager darüber belehrt hatte, was von
den Römern zu ei'warten stand, war bei den leitenden Männern, vor allem
bei Hamilkar und seinem Haus ein glühender Haß gegen Rom entstanden.
Man wich jetzt dem Krieg nicht mehr aus; Hannibal sah ihm wohlgerüstet
und mit Zuversicht entgegen; er befand sich dabei in vollem Einverständnis
mit der Regierung in Karthago.
Um diese Zeit mußten die Römer abermals in Illyrien einschreiten, da
ihr dortiger Besitz bedroht war. Denn es machte sich der Einfluß Make-
doniens geltend, das unter Antigonos Doson zu neuer Macht gelangt war,
war doch fast der ganze Peloponnes, besonders der achäische Bund, durch
^) Gegen die Anwendbarkeit dieses aus ^) Im Jahr 226 v. Chr. kann Sagunt
dem modernen Kolonialreeht stammen- noch nicht unter römischem Schutz ge-
den Begriffs wendet sich allerdings E. standen haben, sonst hätte der Vertrag
Täubler, Vorgeschichte des 2. pun. Kriegs, mit Hasdrubal nicht geschlossen werden
Berl. 1921, 61, nach dessen Ansicht poli- können, der, wenn auch nicht ausdrück-
tische Verbindungen der Römer südlich lieh, so doch dem Sinn nach alles, was
des Ebro durch das Abkommen sowenig südlich des Ebro lag, den Karthagern
ausgeschlossen worden wären, wie solche überHeß. Allerdings war Sagunt in dem
von Seiten Karthagos im Norden. Daß | Vertrag, wie wir bestimmt wissen, nicht
aber mit diesem .,Notbehelf" keine be-' erwähnt. Vgl. G. Egelhaaf a. a. O. Über
friedigende Situation geschaffen war, muß den Ursprung des Kriegs und die Händel
T. zugeben. mit Sagunt vgl. Ed. Meyek, SB. Berl. Ak.
-) Die Nachricht, daß Saguntum eine 1913, 688 ff. E. Täubler, Die Vorgeschichte
Kolonie von Zakynthos sei und von Ardea des 2. pun. Kriegs, Berl. 1921, sucht nach-
in Latium Kolonisten empfangen habe zuweisen, daß der römische Vertrag mit
(Appian. Iber. 7. Liv. XXI 7, 2), ist eine aus i Sagunt älter als das Ebroabkommen sei
der Namensähnlichkeit abgeleitete Fabel. und mit diesem nicht im Widerspruch
Die griechische Namensform Zäy.arOa stehe (vgl. oben A. 1). Dagegen Eu. Meyer,
spricht sehr dagegen. Saguntum war eine Hannibal und Scipio in „Meister der Poli-
iberische Stadt. ' tik" I, 1922, 81, 1.
Handbnch der klass. Altertuniswissenscliaft. III, 5. 5. Aufl. 8
114
Römische Geschichte.
den kleomenischen Krieg und den Sieg bei Sellasia (222 v. Chr.) unter die
makedonische Hegemonie geraten. Demetrios von Pharos hatte sich den
Römern entfremdet und an Antigonos angeschlossen. Als nunmehr der
Krieg mit Karthago drohte, brach er ganz mit Rom, griff die Städte der
illyrischen Küste an und erschien 220 v. Chr. mit seinen Raubschiflfen in
den griechischen Gewässern. Die Römer beschlossen daher, ehe sie in den
Krieg mit Karthago eintraten, mit Demetrios abzurechnen. Auch jetzt waren
die Umstände ihnen günstig; soeben M^ar Antigonos Doson gestorben und
sein Nachfolger Philippos, der Sohn des Dometrios, wurde kurz darauf (220
v.Chr.) in einen dreijährigen Krieg gegen die Aetoler und ihre Verbündeten,
in den sog. Bundesgenossenkrieg, verwickelt. Rasch glückte es dem Konsul
L. Aemilius (Paulus), mit überlegener Macht den Demetrios niederzuwerfen.
Dessen stärkste Plätze, Dimallos am Festland und Pharos auf der gleich-
namigen Insel, wurden bald erobert, Demetrios floh zu Philippos, seine Unter-
tanen und Verbündeten unterwarfen sich dem Sieger, Pharos und Dimallos
wurden von den Römern in eigenen Besitz genommen und sonst in Illyrien
befreundete Dynasten gefördert und der römische Einfluß möglichst befestigt, i)
Die Römer hatten gehoflPt, daß Sagunt den Karthagern längeren Wider-
stand leisten könne, allein nach achtmonatlicher, mühevoller Belagerung
wurde die Stadt mit reicher Beute von Hannibal erobert. 2) Die Römer ver-
langten darauf in Karthago die Auslieferung des Hannibal und seiner kartha-
gischen Berater; dies schmachvolle Ansinnen mußte verweigert werden, und
Karthago nahm den ihm angebotenen Krieg an.^)
20. Der zweite punische Krieg. Erster Teil.^) Die Römer hegten den
Plan, das karthagische Gebiet zugleich in Afrika und Spanien anzugreifen.
Für den Krieg in Spanien wurde der Konsul P. Cornelius Scipio bestimmt ;^)
') G. ZipPEL, Die röm. Herrschaft in
Illyrien S. 54 f. Niese, Geschichte der
griech. u. maked. Staaten II 417, 436 f.
^) Die bekannte Erzählung von der Be-
lagerung und dem heroischen Untergang
Sagunts und seiner Bewohner bei Diodor
XXV 15. Liv. XXI 7 f. Appian Iber. 12 ist
ein wertloses rhetorisches Effektstück. Die
Stadt bestand weiter und wurde neu be-
völkert. G. Jung, Beiträge zur Charak-
teristik des Livius (Diss. Marburg 1903) 45 f.
^) Die Meinung, daß der zweite pvuiische
Krieg von Hamilkar ßarkas oder Has-
drubal aus eigennützigen Motiven gewollt
sei, ist bald nach dem Krieg entstanden;
schon Fabius Pictor beschuldigt den Has-
drubal (Polyb. III 8), spätere Historiker
übertragen die Beschuldigung auf Hamil-
kar (Appian Iber. 4 f. Hannib. 2), sie ist
aber nicht begründet. Daß es in Karthago
zwei große Parteien gab, daß Hamilkar
und Hannon Widersacher waren, daß end-
lich Hamilkar und seine Familie die trei-
bende Kraft des Krieges war, ist gewiß,
aber die überwiegende Mehrheit in Kar-
thago stand auf ihrer Seite (Polyb. III
9, 6 ff'.), und zwar bis zum Ende des Krie-
ges, und ob Hannon wirklich gegen den
Krieg mit Rom gewirkt und Nachgiebig-
keit befürwortet hat, ist sehr zweifelhaft.
Bekanntlich läßt ihn Livius XXI 10 gegen
den Krieg reden, aber seine Rede ist ein
Phantasieprodukt des Livius. Erst nach
dem Ende des Krieges gelangen die Gegner
der Barkiden in Karthago zu Einfluß.
•*) Vgl. L. v. ViNCKE, Der zweite punische
Krieg und der Kriegsplan der Karthager,
Berlin 1841 : Rospatt, Feldzüge Hannibals
in Italien, Münster 1864; Hennebekt, ///-
stoire d'Annibal, 3 Bde., Paris 1870,1878,1891;
C. Neumann, Geschichte Roms im Zeitalter
der punischen Kriege, Breslau 1873; W.
Streit, Zur Geschichte des zweiten puni-
schen Krieges (Berliner Studien zur klass.
Phil. u. Archäologie VI 2), Berlin 1887.
^) Eine von der Überlieferung- ab-
weichende Ansicht über den römischen
Kriegsplan suchen zu begründen J. Fuchs
(der zweite pun. Krieg und seine Quellen,
Wiener Neustadt 1894) und H. Delbrück
(Geschichte der Kriegskunst I'^ 317 ff.).
Vgl. dazu Nieses Bemerkungen in den
Gott. gel. Anz. 1901 S. 616 ff.
5. Dritte Periode : Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v.Chr.). (§20.) 115
hiefür bildete das den Römern von alters her befreundete Massalia einen
wichtigen Stützpunkt. Die Massalioten waren seit langer Zeit Rivalen der
Karthager an der spanischen Küste, sie hatten dort eigene BesitzAingen und
unterhielten Verbindungen mit den spanischen Völkerschaften, zunächst nörd-
lich des Ebro. ') Den Angriff auf Afrika leitete der Konsul Ti. Sempronius
Longus, der sich mit Heer und Flotte nach Sizilien begab und mit Hilfe
Hierons die Überfahrt vorbereitete. Auf karthagischer Seite hatte Hannibal
die Leitung. Er gedachte sich die strategische Vorhand durch einen un-
mittelbaren Angriff auf Italien zu sichern. In dieser Absicht setzte er sich
alsbald (noch 219 v. Chr.) mit den jüngst besiegten italischen Kelten in
Verbindung; un(^ nachdem er sich ihrer Hilfsbereitschaft versichert, auch
sich von der Möglichkeit des Unternehmens überzeugt hatte, ging er an
die Ausführung. 2) In Erwartung seines Angriffs entstand schon im Früh-
jahr 219 V. Chr. in Oberitalien ein erfolgreicher Aufstand der Bojer, durch
welchen die dem Scipio bestimmten Truppen festgehalten und der Ab-
marsch nach Spanien verzögert wurde. Hannibal selbst sorgte während des
Winters für die Verteidigung Spaniens und Afrikas, ließ seinen Bruder
Hasdrubal in Spanien zurück und brach im Frühjahr 218 v. Chr. mit großem
Heer aus Neukarthago auf, unterwarf das Land zwischen Ebro und Pyrenäen,
ging über das Gebirge,^) bahnte sich durch die Gallier Südfrankreichs einen
Weg und erreichte die Rhone etwas oberhalb der Durance-Mündung. Der
Übergang über den Strom vollzog sich ungestört in einigen Tagen, nach-
dem die Gallier, die das jenseitige Ufer besetzt hatten, vertrieben waren.-*)
Dann ging der Vormarsch am linken Ufer des Stromes hinauf über die
Isara (Isere), weiter durch das Gebiet der Allobroger^) und von hier in die
Alpen hinein, wobei es zu Anfang heftigen Widerstand zu brechen galt.
Nachdem Hannibal die Schwierigkeiten bemeistert und die Feinde ge-
züchtigt hatte, verhielten sich im übrigen die Anwohner seiner Strafe zu-
meist friedlich, aber die Strapazen des Marsches lichteten die Reihen. Nach
Überwindung aller Hindernisse kam Hannibal mit einem Heer von 20000
Mann zu Fuß und 6000 Reitern im Herbst 218 v. Chr. in Oberitalien bei
den Insubrern an, fünf Monate nach dem Ausmarsch aus Neukarthago.
Auf welchem Weg Hannibal die Alpen überschritt, ist eine seit langer
Zeit strittige Frage. Es gibt hauptsächlich zwei Ansichten. Die eine gründet
sich auf Polybios und nimmt den Paß des kleinen St. Bernhard an. Sie ist
von De Luc, später von W ick h am und Cramer begründet und wird von
Niebuhr, Mommsen u. a. geteilt. Die andere Meinung, der sich auch
1) Niese, Geschichte der griech. und märsche von der Küste entfernt (Polyb.
makedon. Staaten I 489 f. III 42, 1), vielleicht beim heutigen Roque-
maure; doch ist die Topographie um-
stritten. Vgl. Camille Jullian, Histoire de
la Gaule 1 464.
s) Die Allobroger reichten hier südwärts
nicht bis an die Isere, sondern nach dem
Übergang über diesen Flufs kam Hannibal
Polyb. III 34, 4 ff. Die von Livius XXI
2, 2, neuerdings z. B. von Konk. Lehmann
vertretene Meinung, daß schon Hamilkar
den von Hannibal ausgeführten Angriff
auf Italien geplant habe, ist unbegründet.
Hamilkar war nicht in der Lage, ein ^, ^ .
solches Unternehmen ernstlich ins Auge j zunächst zu einem anderen gallischen
zu fassen. ! Stamm, bei dem er Unterstützung fand.
') Desjakdins, Geographie de Ja Gaule
Romaine II 259 ff.
■*) Die Übergangsstelle war vier Tage-
Die Allobroger waren ihm feindlich. Ihre
Lage wird durch das spätere Vienna be-
zeichnet. Polyb. III 49, 5 f.
110
Römische Geschichte.
Napoleon I. anschloß, stützt sich auf Livius, bei dem Hannihal unterwegs
an den Druentia^ (Durance) kommt und in Italien bei den Taurinern an-
langt,') und läßt die Karthager über den Paß des Mont Genevre oder auch
des Mont Cenis marscliieren. Endlich fehlt es auch nicht an vermittelnden
Theorien. Für die Entscheidung kann nur Polybios maßgebend sein, dem-
zufolge Hannibal, ehe er das Gebirge erreichte, eine Zeitlang durch das
Land der Allobroger die Rhone hinaufging, 2) ferner den befreundeten In-
subrern zuzog, was auf einen nördlicheren Weg, d. h. den kleinen St. Bern-
hard hinführt.-'') Der Bericht des Livius ist wertlos, da er nur eine willkür-
liche, modernisierende Bearbeitung des Polybios bietet. Er läßt den Hanni-
bal Italien bei den Taurinern erreichen, weil mit diesen Hannibal zuerst
in feindliche Berührung kam. Es versteht sich aber von selbst, daß die
Karthager nicht bei ihren Feinden, sondern bei ihren Freunden ankommen
mußten und wollten, da sie zunächst der Hilfe bedurften. Außerdem ist
es zweifelhaft, ob es über den Mont Genevre damals schon eine fahrbare
Straße gab.*)
P. Cornelius Scipio, dessen Abfahrt sich infolge des gallischen Aufstandes
verzögerte, erfuhr auf dem Weg nach Spanien an der Ehonemündung von
Hannibals Anmarsch, kam aber zu spät, um ihn aufzuhalten. Nur seine
Eeiter drangen nach einem glücklichen Gefecht mit der karthagischen
') Ebenso Strabo IV 209.
2) Was auch Livius XXI 31, 4 f. dem
Polybios nacherzählt.
') Wenn Hannibal den Taurinern zu-
gesti-ebt hätte, so würde er nicht bis etwa
Vienna gegangen sein.
•*) Über den Alpenübcrgang Hannibals
gibt es aus älterer und neuerer Zeit eine
umfangreiche Literatur, und sämtliche
Alpenpässe vom Monte Viso bis zum St.
Gotthard sind bereits in Vorschlag ge-
kommen. Vgl. Hennebert, Hi.stoire (fÄDiu'-
bal II43ff. und dieLiteraturübersicht eben-
das. S. 555 ff. Genannt seien hier de Luc,
Histolre du jmssage des Alpes 2>(^>' Annibal,
Paris 1825. Wickham u. Gramer, A disser-
tation OH tJie passaqe of Hannibal over ihe
Alps, 2d ed. London 1828 (deutsch von
Fkrd. Heinr. Müller, Berlin 1830). Momm-
sen, CIL V 7(i5, Linke, Die Kontroverse
über Hannibals Alpenübergang, Breslau
1873. Nissen, Ital. Landeskunde I 155 ff.
Desjardins, Grographie de la GauJe Romaine
1 81 ff. J. Fuchs, Hannibals Alponüber-
gang, Wien 1897. W. Osiander, Der Hanni-
balweg, Berlin 1900. Colin, AnnibaJ en
Gaule. Paris 1904. Ivonk. Lehmann. Die
Angriffe der drei Barkiden auf Italien,
Leipzig 1905. Camille Jullian, Histolre de
la Gaule I 451. Vgl. Jahresberichte des
philol. Vereins in Berlin (Zeitschrift für
Gymnasialwesen) 1898 S. 21 ff., 1899 S. 28 ff..
1901 S. 41 f., 1903 S. 22 f.. 1905 S. 49 f., 1909
S. 21 ff. Von den in letzter Zeit verfoch-
tenen Ansichten sei hier angeführt, daß
Neumann und Hennebert den Hannibal
am linken Ufer der Isere etwa bis Gre-
noble, dann den Drac hinauf ins Tal
der Durance nach Embrun hinübergehen
lassen und von hier zum Paß des Mont
Genevre. Nach Osiander und Camille
Jullian haben die Karthager den Lauf
der Isere bis zur Mündung des Are ver-
folgt und durch das Tal dieses Neben-
flusses, die heutige Maurienne, den Paß
des Mont Cenis erstiegen: den Are hält
Osiander für den Druentias des Livivis.
KoNR. Lehmann vermutet, Hannibal sei
ganz die Isere hinaufgezogen bis nahe
an die Quellen und dann über den Paß
des kleinen St. Bernhard gegangen. Alle
diese Wege sind übrigens schon von
älteren Forschern in Erwägung gezogen
worden. Mit Hecht betont V. Kahrstedt
(Meltzers Gesch. der Karthager III, 1913,
181 ff.), daß das Problem literarhistorisch
(oder vielmehr quellenkiätisch) und nicht
topographisch sei; denn dem „Buch der
Natur", wie Osiander sagt, sind angesichts
der allgemeinen topographischen Angaben
der Alten nur solche Zeugnisse abzu-
gewinnen, die für jede Alpenroute passen.
Deshalb ist die Analyse der Tradition von
entscheidender Wichtigkeit; vgl. O. Viede-
BANTT, Hermes 54, 1919, 337 ff., der sich
auf Grund seiner quellenkritischen Unter-
suchung für den Kl. St. Bernhard (das
Creninnis luguni des Coelius Antipater nach
Liv. XXI 38, 6) entscheidet. Kahrstedt
und Ed. Meyer halten den Mont Genevre,
Kromayer und Camille Jullian den Mont
Cenis für den wahrscheinlichsten Weg.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 20.) 117
Kavallerie bis zum panischen Lager vor, nachdem Hannibal die Rhone be-
reits überschritten hatte. Scipio machte sich sofort gegen den Feind auf,
bekam ihn jedoch nicht mehr zu fassen und kehrte jetzt, nur von seinem
Stab begleitet, nach Itahen zurück, während er seinen Bruder Gnaeus mit
Heer und Flotte nach Spanien schickte. Sein Kollege im Konsulat Ti.
Sempronius wurde nach Hannibals Eintreffen in Italien mit seinem Heer
sofort von Lilybaeum zurückberufen, der Angriff auf Afrika also eingestellt.
Hannibal hatte inzwischen seinen erschöpften Truppen die nötige Er-
holung gegönnt und sich durch gallische Bundesgenossen verstärkt. Die
ligurisdien Tauriner, die sieh feindhch zeigten, wurden rasch bezwungen,
ihre Hauptstadt erstürmt. Scipio suchte an der Spitze der zwei in Ober-
italien stehenden Legionen den Feind sogleich bei den Insubrern auf, erlitt
jedoch westlich vom Ticinusfluß nahe dem Po mit seinen Reitern und leichten
Truppen eine Niederlage und sah sich genötigt, über den Po auf Placentia
zurückzugehen. Hannibal überschritt den Strom und ging westlich von
Placentia" den Römern gegenüber in Stellung. Nachdem sich hier Sempronius
mit Scipio am Trebiaflufe vereinigt und einen kleineren Erfolg davongetragen
hatte, beschlossen die Römer, den Hannibal anzugreifen, wurden aber völlig
geschlagen (um die Zeit des Wintersolstiz, also Ende 218 v. Chr.j.') Nur die
beiden Pofestungen Placentia und Cremona, die gleich nach dem Ausbruch
des Krieges in Eile angelegt und mit einer starken Kolonistenbesatzung
versehen waren, sollen sich den ganzen Krieg über behauptet haben; 2) sonst
hei das galhsche Gebiet Oberitaliens ganz an Hannibal und Rom mußte
eines Angriffs auf Mittelitalien gewärtig sein, zu dessen Abwehr zwei Heere
ins Feld gestellt wurden; der eine Konsul, C. Flaminius, ein Mann von
Namen, nahm bei Arretium in Etrurien Stellung, der andere, Cn. Servilius,
bei Ariminum; auch Hieron von Syrakus schickte Hilfstruppen.
Im Frühjahr 217 v. Chr. brach Hannibal unerwartet auf einem kürzeren
aber beschwerlichen Weg durch sumpfiges Gelände, bei Faesulae in Etrurien
ein^) und durchzog verwüstend das Land. Noch ehe das zweite römische
Heer herankam, wurde C. Flaminius, der den Karthagern unvorsichtig folgte,
am trasimenischen See zwischen Cortona und Perusia auf dem Marsch über-
fallen und vernichtend geschlagen. Wenige Tage später fiel die gesamte
Reiterei des zweiten Heeres, die dem Flaminius zur Hilfe eilte, 4000 Mann
unter C. Centenius, dem Hannibal in die Hände und wurde ebenfalls auf-
gerieben, für die Römer ein schwerer Verlust, weil die schon früher vor-
handene Überlegenheit der karthagischen Reiterei dadurch noch empfind-
"i^Polyb. III 73. 3. J. Kromayer, Antike ^) Über die Marschroute Hannibals, die
Schlachtfelder III 1, 1912, 47 ff., hat das ihn 4 Tage und 3 Nächte durch Sümpte
linke Trebiaufer als den Kampfplatz ge- führte, vgl. J. Kromayekj Antike Schlacht-
siehert. Gegen Kr. und — Polybios: K. J. fehler III, 1, 104 ff., wo die Literatur bis
Beloch, Hist. Zeitschr. 114, 3. F. 18, 1915, zum Jahr 1909 berücksichtigt ist. Die
1 ff., der wieder im Anschluß au Liv. für „Sümpfe" müssen im Arnogebiet (nach
das rechte Ufer eintritt. Über die Ereig- Kr. in der Ebene von Pistoia und Florenz)
nisse des Winters vgl. O. Seeck, Hermes i liegen und waren durch Frühjahrsüber-
A^III 152; Matzat, Rom. Zeitrechnung sehwemmungen gebildet. Kromayers Re-
S. 112; Thoüeet, Rhein. Mus. XLII 426. konstruktion der Route findet im wesent-
•^) Wie unwahrscheinlich diese Tradition liehen Zustimmung bei Kahkstedt in
des Liv. ist, zeigt Kahrstedt in Meltzeks 1 Meltzers Gesch. d. Karth. III 408, 1.
Gesch. der Karthager III 400, Anm. \
218 Römische Geschichte.
lieber wurde, i) Hannibal, der nunmehr das Feld beherrschte, schlug sofort
unter Verheerung des römischen Gebiets den Weg nach Unteritalien ein.^)
Nach einer Rast in Picenum wandte er sich nach Apulien. Er spekulierte
auf den Abfall der römischen Bundesgenossen, denen er die Kriegs-
gefangenen wiederholt ohne Lösegeld heimgesandt hatte, um sich Sym-
pathien zu erwerben.
In Rom, wo die Niederlage des Flaminius und namentlich des Centenius
einen erschütternden Eindruck machte, wählte das Volk einen Diktator, den
Q. Fabius mit dem Beinamen Maximus, der sich mit ergänzter Heeresmacht
vorsichtig, ohne eine Schlacht anzunehmen, dem Hannibal zur Seite hielt.
Dieser durchzog Samnium, drang weiter in Kampanien ein und plünderte
das Falernergebiet aus; als die Karthager mit großem Train von da wieder
nach Samnium abzogen, versuchte Fabius, ihnen die mitgeführte Beute ab-
zujagen, wurde aber empfindlich geschlagen. Hannibal bezog nun in Geru-
nium in Apulien Winterquartiere und sammelte Vorräte. In Rom war man
mit der vorsichtigen Kriegführung des Fabius nicht zufrieden und drängte
auf eine baldige Entscheidung; als daher der Reiterführer M. Minucius bei
gelegentlicher Abwesenheit des Diktators über Hannibal einen Vorteil er-
focht, wählte man ihn gegen alles Herkommen neben Fabius zum zweiten
Diktator. 3) Jedoch Minucius erlitt bald darauf eine Niederlage durch Hannibal
und entging dem Verderben nur durch des Fabius Hilfe; so rechtfertigte sich
die Zaudertaktik des Fabius, der als 'Ermattungsstrateg' (Cunctator) die
Niederwerfungsstrategie des im Feld überlegenen Gegners lahm legen wollte,
zumal da die Zeit für Rom und gegen Hannibal arbeitete.
Für den nächsten Feldzug (216 v. Chr.) brachten die Römer ihr Heer
auf die ungewöhnliche Zahl von acht Legionen. Als dann im Frühjahr
Hannibal aus den Winterquartieren aufbrach und in Apulien den Krieg
wieder eröffnete, sahen sich die Römer im Interesse ihrer hilfeheischenden
Bundesgenossen zu einer entscheidenden Schlacht genötigt, und die Kon-
suln L. Aemilius (Paullus) und C. Terentius (Varro) gingen mit Zustimmung
des Senats nach Apulien ab, um den Oberbefehl zu übernehmen. Bald
darauf, etwa im Juni, nach späterem römischen Datum am 2. Sextilis,^) kam
es bei Cannae auf dem rechten Ufer des Aufidus zu einer der größten und
blutigsten Schlachten der römischen Geschichte. Die Römer, mit Bundes-
genossen gegen 80U00 Mann stark, wurden trotz ihrer Überzahl beinahe
ganz vernichtet, hauptsächlich durch die an Qualität wie an Zahl überlegene
Reiterei der Karthager.^) Aber auch das karthagische schwere Fußvolk, seit
') Über die Schlacht am Trasimenvissee ^) Die Kondiktatur des Minucius. eine
abschließend Kromayer a. a. 0. 148 ff. Über staatsrechtliche Abnormität, wird von
die Niederlage des Centenius s. Polyb. III Polybios (III 103, 3 f.) überliefert und
86, 8. Einen abweichenden Bericht bietet durch eine Weihinschrift des Minucius
Appian Hann. 9, wo der heute ausgetrock- selbst (CIL I 1503. ILS nr. 11) bestätigt.
nete See von Plestia in Umbrien genannt
wird. Kbomayer a. a. O. stützt sich für
seine Lokalisierung auf Ajjj^ian; dagegen
Kahrsteut a. a. 0. 413, 3.
Den späteren Antiquaren war sie anstöfsij
und wurde daher durch die Fiktion der
Prodiktatur ersetzt. Liv. XXII 31, 8 ff.
■•) Nach Kahrstedt, Meltzers Gesch. d.
'-) Hannibal dachte nicht daran, direkt Karth. III 434 Anfang Jvnii. allenfalls Ende
Rom anzugreifen. Die Nachricht von Mai, nach K. J. Beloch, Klio XV, 1918,
seinem gescheiterten Sturm auf Spoletium j 400,418 erst Ende Juli.
ist erfunden (Liv. XXII 9, 1 f.). , '•>) Hannibal brachte mit Cannae den
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 21.) 119
der Schlacht am Trasimenus zum Teil römisch bewaffnet, hat einen hervor-
ragenden Anteil an diesem großen Sieg. Noch in demselben Unglücksjahr
fiel eine nach Oberitalien gesandte Legion in einen Hmterhalt und wurde
von den Galliern aufgerieben.
Die morahsche Wirkung des karthagischen Sieges blieb nicht aus; Unter-
italien wo ihre Bundesgenossen abzufallen begannen, wurde von den Römern
fast c'anz aufgegeben. Zuerst trat Arpi in Apulien in Verbindung mit
Hannlbal der jetzt seine Macht teilte; während er selbst nach Kampanien
gin- sandte er Mago mit einem Teil der Truppen zu den Brettiern, die
sich 'mit Karthago verbündeten. In Kampanien schlössen sich vor allem
Capua und seine^ Nachbarn dem Karthager an; weiterhin wurde Casilmum
am Volturnus an der via Appia nach langem Widerstand im Winter
216,5 V Chr. erobert; hingegen Nola und die Seestädte, besonders Neapohs,
hielten nach wie vor zu Rom; viel gefeiert, aber sehr zweifelhaft über-
hefert ist der glückliche Widerstand, den zuerst vor Nola M. Claudius
Marcellus dem Hannibal leistete, i) In Unteritahen fielen Kroton, Locn und
Peteha letzteres nach heroischer Abwehr, den Karthagern in die Hände
(215 v.'chr.^. Rhegion und Elea blieben römisch, wie denn überhaupt die
Griechenstädte sich zumeist den Karthagern versagten. Tarent und Um-
gegend blieb durch eine Besatzung und durch Geiseln an die römische Sache
gebunden Vor allem aber hielt die Elite der mittehtahschen Bundesgenossen
an den Römern fest, und darum konnte Hannibal auch den gefürchteten
Angriff auf Rom selbst nicht wagen.
21. Der zweite punische Krieg. Zweiter Teil. Trotz den erlittenen
Niederlagen verzagten die Römer nicht, sondern verdoppelten ihre An-
strengungen, wie auch die Karthager alle Kräfte anspannten. Der Krieg
griff über Italien und Spanien hinaus und wuchs zu einem Weltbrand, der
auch die hellenischen Staaten erfaßte. In Italien hielten die Römer sich
in der Defensive. Sie vermieden jedes entscheidende Treffen mit den Truppen
Hannibals, dessen Überlegenheit sie anerkannten. Aber schrittweise suchten
sie ihm das Eroberte wieder abzunehmen, ihm die Hilfsmittel abzuschneiden
und Verstärkungen zu hindern. Das Hauptgewicht hatte sich auf den Krieg
außerhalb Italiens, besonders den spanischen verschoben; denn Spanien war
als das große militärische Reservoir Karthagos von besonderer Wichtigkeit,
weshalb die Römer auf diesem Schauplatz offensiv auftraten, um schheß-
hch hier mit ihrem immer besser geschulten Heer den Krieg im Prmzip zu
schon an der Trebia kenntlichen Typus ! Kommando auf ,f l^f ^h^^" ^^^|J? f ^^5|j
der Einkreisung des Gegners durch dessen - am Tag der Schlacht CTerentius. ihn
SifisäntvoS beiden Flügeln zu klas- machen die späteren Quellen zum Sunden-
S?cheAVendung. Der nfcht ganzer- i bock, der - ein übler Emporkommhng -
reichte Zweck war die völHge Vernich- 1 sich durch demagogische Mittel die Gunst
tuni Vgl vor allem J.Kromayer, Antike der Menge erschlichen habe Liv XXII
Sch?;chtLderIILl,278ff.,demsichK.HK- \ 25 f., 34). Das f'^^^-^^ffll^t^,
STEDT a.a.O. 428 flf. in der Hauptsache an- leumdungen des C. Flammius, gehässige
schliefst (gegen H. Delbrück, Gesch. der j Erfindung.
Krieo-skunst I^ 321 ff., der mit dem aut ') Livius XXIII 15 f. 44 tt. AAi\ i/.
dnetaXgische Quelle (Silenos) zu- 1 Plut.Marc.il. ^g^^™ "\f^^J l'/,',^
rückgehenden Bericht des Polybios III A. 4 genannten Schrift ^- 1« • ^"|^ ^^.^«^
HO ff. sehr willkürlich umspringt). Das ; stedtiuMeltzers Gesch. d.Kaith.I11448,l.
120 Römische Geschichte.
ihren Gunsten zu entscheiden. Auf karthagischer Seite ist Hannibal die
treibende Kraft, die Seele des ganzen Krieges; er hat auch den außer-
italischen Kriegsschauplätzen seine Fürsorge zugewandt. ^) Den Römern
kam es sehr zustatten, dala sie die Überlegenheit zur See behaupteten,
obwohl der Seekrieg diesmal viel geringere Bedeutung besaß als im ersten
punischen Krieg. Doch kreuzten auf beiden Seiten an den Küsten von
Sizilien, Italien, Sardinien und auch Spanien ansehnliche Flotten. Die Kar-
thager haben nicht ernstlich versucht, die Seeherrschaft zu gewinnen, was
anscheinend über ihre Kräfte gegangen wäre.
Zunächst trat Sizilien in den Krieg ein. Es war für die Römer ein
Glück, daß ihnen die wertvolle Insel mehr als ein Jahr nach der Schlacht
bei Cannae unbestritten verblieben war. Erst nachdem, etwa im Frühjahr
215 v. Chr., Hieron in hohem Alter verstorben war, begann es auf Sizilien
zu gären. Hierons Enkel und Nachfolger Hieronymos löste Syrakus bald
vom römischen Bündnis, um sich mit Hannibal in Verbindung zu setzen.
Hippokrates und Epikydes, zwei Offiziere Hannibals von syrakusanischer
Abkunft, gewannen auf Hieronymos Einfluß; so schloß er denn einen Ver-
trag mit den Karthagern, in dem er sich ansehnliche Gebietserweiterung
zusichern ließ. Von Rom aus schickte man den Konsul M. Claudius Mar-
cellus nach Sizilien. Doch blieb fürs erste der Friede noch erhalten. Als
dann Hieronymos den Angriff auf römisches Gebiet eröffnen wollte, wurde
er in Leontini nach einer Herrschaft von dreizehn Monaten ermordet
(21-1 V. Chr.). Mit ihm fiel in Syrakus auch die Monarchie. Eine aristo-
kratische, römische Partei gelangte ans Ruder, man erneuerte den Bund
mit Rom, und ein etwas später unternommener Versuch, die Tyrannis zu
restaurieren, endete mit der Ausrottung der Familie Hierons. Aber bald
folgte ein Rückschlag. Das gestürzte Herrscherhaus hatte noch viele An-
hänger, Hippokrates und Epikydes waren in Syrakus geblieben, und unter
ihrem Einfluß empörte sich zuerst ein Teil des syrakusanischen Heeres in
Leontini, worauf die Römer die Stadt erstürmten und schwer heimsuchten,
ein Eingriff, der auch die übrigen syrakusanischen, in der Mehrheit ohne-
hin karthagisch gesonnenen Truppen zur Erhebung veranlaßte. Sie schlössen
sich dem Hipjjokrates an, bemächtigten sich der Stadt Syrakus, stürzten
die Regierung, übertrugen die Gewalt dem Hippokrates und Epikydes und
verbündeten sich wieder mit den Karthagern. Daraufhin zog Marcellus zu
Wasser und zu Land vor die Stadt und begann sie zu belagern (213 v. Chr.). 2)
Aber Syrakus, die starke und wohlausgerüstete Festung, w^urde durch
das technische Genie des Archimedes so überlegen verteidigt, daß die Römer
nach acht Monaten den Angriff einstellten und sich auf die Blockade be-
schränkten. Um jene Zeit landete ein karthagisches Heer, besetzte Akragas
und kam von hier den Syrakusanern zu Hilfe: auch eine karthagische
Flotte erschien vor der Stadt. Marcellus hatte zeitweilig einen schweren
') Polyb. IX 22. XI 19. [ übrigen vgl. Niese, Geschichte d. griech.
^) Giüs. Tuzr in d. Shidi di storia antlca u. makedon. Staaten II -505 ff. und über die
piibhJ. da GiüL. Beloch I 81 f. hat erwiesen, ; Chronologie daselbst S. 543 Anm. 2. Vgl.
daß die Belagerung von Syrakus erst im auch Kahrstedt in Meltzers Gesch. der
Frühjahr 213 v. Chr. angefangen hat. Im j Karth. III 471, 1.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (S 21.) 121
Stand, zumal da eine größere Anzahl sizilisclier Städte sich von den Römern
lossiigte, zur Behauptung der Freiheit einen Bund schloß und mit Syrakus
und den Karthagern gemeinsame Sache machte. Aber Marcellus ließ sich
nicht beirren, und 212 v. Chr. gelang es ihm, bei Gelegenheit eines Festes
durch einen Handstreich Epipolae, den westlichen Stadtteil von Syrakus, zu
nehmen. Ein neuer, von Akragas aus unternommener Entsatzversuch der
Karthager unter Hippokrates schlug fehl, und nun begannen die sizilischen
Griechen mit Marcellus über den Frieden in Unterhandlung zu treten. Über
der Friedensfrage brach in dem belagerten Syrakus ein schwerer Konflikt
zwischen der Bürgerschaft und den Söldnern, die sich preisgegeben glaubten,
aus. Nachdem ein verräterischer Iberer die Inselburg Ortygia den Römern
in die Hände gespielt hatte, konnte sich auch die Altstadt Achradina nicht
mehr behaupten, sondern mußte sich ergeben. Das unglückliche Syrakus
wurde als eroberte Stadt behandelt und der Plünderung preisgegeben, wobei
auch Archimedes sein Ende fand. Die Römer machten eine gewaltige Beute,
deren Ertrag ihren zerrütteten Finanzen zugute kam; viele Werke griechi-
scher Kvmst wurden vom Sieger Marcellus nach Rom entführt, das erste,
später oft wiederholte Beispiel dieser gewaltsamen Art römischer Kunst-
pflege. Die Syrakusaner behielten ihre persönliche Freiheit, aber ihre Stadt
wurde abhängig und abgabenpflichtig. Die übrigen sizilischen Griechen
machten ebenfalls in der Mehrzahl ihren Frieden mit Rom. Doch hielt eine
Anzahl noch immer an den Karthagern fest, die von Akragas aus den
Krieg fortsetzten und auf deren Seite sich besonders der Libyphöniker
Myttones (Muttines), den Hannibal an Stelle des gefallenen Hippokrates
gesandt hatte, als geschickter Führer auszeichnete. Marcellus wie sein Nach-
folger, M.Valerius (Laevinus), Konsul von 210 v. Chr., hatte mit ihm zu
kämpfen. Aber der karthagische Oberbefehlshaber Hannon war auf Myttones
eifersüchtig und fügte ihm eine schwere Kränkung zu, wofür sich der Zurück-
gesetzte durch Übertritt zu den Römern, denen er Akragas überlieferte,
rächte (210 v. Chr.).') Jetzt räumten die Karthager die Insel, die Valerius
völlig unterwarf und beruhigte.
Auch auf Sardinien versuchten nach der Schlacht bei Cannae die Karthager
sich mit einheimischer Hilfe wieder festzusetzen, doch behaupteten in den
dortigen Kämpfen die Römer das Übergewicht (215 v. Chr.).
Ein Ereignis von besonderer Tragweite bildete der Eintritt Makedoniens
in den Krieg. ^) Gleich nach der Schlacht am Trasimenus hatte in Hellas
Philipp den Bundesgenossenkrieg durch den Frieden von Naupaktos be-
endigt, um gegen die Römer freie Hand zu haben (217 v.Chr.); er begann
sofort Illyrien anzugreifen; denn die Vertreibung der Römer aus Illyrien
war für Makedonien von höchster Bedeutung, ja eine Lebensfrage. Doch
der erste Versuch Philipps endete kläglich, und nach der Schlacht bei Cannae
') Myttones erhielt zur Belohnung das rol vlol aviov Jlo.-rhog Fmog Mdagnog Koivrog
römische Bürgerrecht und nahm den Ge- j 'PcofiaToc. SIG II' nr. 585, Z. 87 ff.
schlechtsnamen seines Patrons Valerius ■') Fr. A. Scott, Makedonien und Rom
an. Er beteiligte sich später mit seinen während des hannibalischen Krieges (221
Söhnen am zweiten makedonischen Krieg — 211), Leipzig 1873, Niese, Geschichte der
und erscheint unter den Ehrenbürgern griech, und makedon. Staaten II 465 ff,
Delphis als Mäagxog 'Oa/J^iog 6 Moziövtjg aal
]^22 Römische Geschichte.
schloß er daher mit llannibal einen Vertrag, worin sich beide Kontrahenten
Hilfe gegen die Römer zwar nicht unbedingt zusagten, aber in Aussicht
stellten, und worin ferner bestimmt war, dafj die Römer ihre illyrischen
Besitzungen verlieren sollten (216/15 v. Chr.). ^) Nunmehr begann sogleich
der Krieg um Illyrien, dessen Schutz der Prätor M. Valerius (Laevinus) mit
einer Flottenabteilung übernahm.
In Italien, dessen Kriegsgeschichte für uns mit dem Versiegen der besten
Quelle, des Polybios, sehr unsicher wird, begannen die Römer langsam
wieder Boden zu gewinnen; in Apulien und Kampanien hielten sie den
Hannibal, der genötigt war, seine Macht zu teilen, in Atem. Freilich blieben
neue Verluste und Niederlagen nicht aus. So geriet 213 v. Chr. der Konsul
Ti. Sempronius Gracchus in einen Hinterhalt und fand den Tod.^) Unter-
italien ging den Römern einstweilen fast ganz verloren, da es dem Hannibal
gelang, im Einverständnis mit tarentinischen Freunden Tarent zu über-
rumpeln (Winter 213/12 v. Chr.), und bald darauf auch Metapontion, Hera-
kleia und Thurii in seine Gewalt fielen; nur auf der Akropolis von Tarent
hielt sich eine römische Garnison. 214 v. Chr. gewannen die Römer Casilinum
zurück, im nächsten Jahr Arpi in Apulien, und 212 v. Chr. konnte Capua
ringsum eingeschlossen und belagert werden. Im Vertrauen auf die zugesagte
Hilfe Hannibals lehnte die Stadt die Unterwerfung ab und hielt den Winter
über die Belagerung aus. Im Frühjahr 211 v. Chr. erschien auch Hannibal
zum Entsatz, aber er vermochte die Römer, die sich befestigt hatten, nicht
zur Aufhebung der Belagerung zu zwingen. Damals unternahm Hannibal
eine Entlastungsoffensive für Capua durch eine Demonstration gegen Rom;^)
sein unerwartetes Erscheinen vor den Toren der Hauptstadt verursachte
großen Schrecken; aber er fand die Stadt im Verteidigungszustand und ver-
fehlte seinen Zweck, das römische Belagerungsheer von Capua zum Schutz
Roms abzuziehen. Capua erlag schließlich dem Hunger und wurde streng
bestraft; die Stadt büßte ihre Eigenschaft als Gemeinde ein; ihr Gebiet
ging in den Besitz des römischen Volkes über. Auch die übrigen abtrünnigen
Städte Kampaniens fielen an die Römer zurück. Capuas Fall machte in
Italien Eindruck, Hannibals übrige Bundesgenossen wurden schwankend,
und nicht wenige warteten nur auf die Gelegenheit, an die Seite Roms
zurückzutreten.
Besonderes Augenmerk verdient das spanische Kriegstheater.'*) Schon
218 V. Chr. setzten sich die Römer unter Cn. Scipio nördlich des Ebro fest
und behaupteten sich, besonders nachdem sie unterstützt von den Massalioten
') Die Vertragsurkunde bei Polybios ist verfälscht, aber auch die sonstigen
VII 9. Die Fassung bei Livius XXIII 33 Berichte weichen stark von Polybios ab.
ist gefälsclit und ohne Wert. Vgl. Egel- Über das Quellenverhältnis vgl. H. Haupt
haap, Hist. Zeitschr. N. F. XVII 456. in d. Melcon/es Graux 1884, 23 ff., über den
Die Zeit nach Polyb. VIII 85, 1. Livius Marsch J. Kkomayer, Gott. gel. Anz. 1917,
XXV 16 gibt das J. 212 v. Chr.; so auch
Kahrstedt in Meltzers Gesch. d. Karth.
III 472.
^) Hannibal marschierte auf einem Um-
weg durch samnitisches Gebiet nach Rom,
469 f. (gegen Kahrstedt).
*] H. Genzken, De rebus a P. et Cn. Cor-
neliis Scip. in Hispcoiia gestis, Göttingen
1879; J. Fkentz, Die Kriege der Scipionen
in Spanien, München 1883; Soltau, Hermes
das er über den Anio erreichte. Polyb. j 26, 408; J. .Tumpektz, Der röm.-karthag.
IX 5 f. Der Bericht des Livius XXVI 8 ff. | Krieg in Spanien 211-206, Diss.Leipz. 1892.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 21.) 123
an der Mündung des Ebro 217 v. Chr. einen Seesieg erfochten hatten.') Ihr
Stützpunkt war Tarraco. Als in demselben Jahr Verstärkungen unter dem
Bruder des Cn., P. Scipio, eintrafen, überschritten die Römer den Ebro und
knüpften mit den spanischen Untertanen der Karthager Verbindungen an.
Hier waren jedoch die Karthager mächtiger; erst als sich Hasdrubal 215
Y. Chr. durch einen Aufstand des numidischen Königs Syphax genötigt sah,
nach Afrika hinüberzugehen, machten die römischen Trupjjen größere Fort-
schritte. 21-1: V. Chr. eroberten sie Sagunt und gewannen bis ins südliche
Spanien hinein Bundesgenossen. Als aber der Aufstand in Afrika unter-
drückt war und Hasdrubal mit seinen Truppen zurückkehrte, wurden die
Scipionen mit überlegener Macht angegrifPen. Sie mußten, um sich zu be-
haupten, spanische Söldner einstellen, die ihnen aber untreu wurden. Die
beiden Brüder hatten sich getrennt und wurden beide nacheinander von
Hasdrubal und Mago besiegt 2) und getötet, zuerst Publius, dann Gnaeus
(211 v.Chr.); alle Eroberungen südlich des Ebro gingen den Römern ver-
loren. Aber nördlich behaupteten sie sich, und der Fall Capuas befähigte
sie, neue Truppen nach Spanien zu werfen unter zwei neuen Feldherren,
P. Cornelius Scipio, dem gleichnamigen Sohne des gefallenen, und M. Junius
(Silanus). Die eigentliche Leitung fiel dem Scipio zu, einem noch jungen
Mann (geb. um 235 v. Chr.), der, damals ein unerprobter Anfänger, das poli-
tische Erbe seines Vaters und seines Hauses in Spanien anzutreten sich an-
schickte.^) Wachsend mit seinen höheren Zwecken, stieg der geniale und
hochgebildete Mann allmählich auf zum größten Römer seiner Zeit; kein
Wunder, daß man ihn mit Alexander dem Großen verglich und ihn wie
diesen mit einem überirdischen Nimbus umwob,^) 210 v. Chr. ging Scipio
nach Spanien ab, wo er die Lage geschickt ausnutzte. Die Karthager hatten
nämlich nach ihrem Sieg durch Härte und Grausamkeit gegen die Unter-
worfenen viel Haß gesät; Hasdrubal vertrug sich nicht mit den ihm bei-
geordneten Kollegen; die vernachlässigte Flotte überließ der römischen die
See. So glückte es dem Scipio schon 209 v. Chr., während die drei kartha-
gischen Heere sich voneinander getrennt hatten und weit entfernt standen,
mit Hilfe der Flotte unter C. Laelius das schwach besetzte Neu-Karthago zu
erobern, den Hauptwaffenplatz der Karthager, mit dem große Vorräte jeglicher
Art und zugleich alle spanischen Geiseln in seine Gewalt kamen. ^) Besonders
emjDfindlich war für die karthagischen Finanzen der Verlust der Silberminen.
Bereits in der nächsten Zeit trat eine Anzahl iberischer und keltiberischer
Völker zu den Römern, die damit in Spanien eine feste Basis gewannen, über.
So überwanden die Römer allmählich die Krisis; dank ihrer zähen Tat-
kraft hatte der Krieg kulminiert, die Wagschale sich zu ihren Gunsten ge-
') In diesen Zusammenhang scheint das 1068 ff.
kleine Sosylosfragmeut auf Papyrus (vgl. ! *) Die supranaturalistischen Züge der
oben S. 99 A. 8) zu gehören. i landläufigen Tradition, den Götterapparat
2) Polyb. IX 22, 2 f. ' und die Visionen Scipios, hat Polybios
^) MoMMSEN hat sein Bild ganz ver- rationalisiert (cf. X 2) und so den großen
zeichnet. Eine gerechte Würdigung hat i Mann für vuiser Gefühl unversehens zum
erst U. Kahestedt in Meltzers Gesch. d. j Charlatau gestempelt.
Karth. III .502 ff. angebahnt und Ed. Meyer j ^) Vgl. die Analyse des polybianischen
auf Grund einer Analyse des Polvbios 1 Berichts durch R. Laqüeur, Hermes 56,
glänzend durchgeführt, SB. Berl.Ak. 1916, \ 1921, 131 ff.
124: Römische Geschichte.
neigt. Aber auch die Karthager haben Großes geleistet, nur daß ihre Bürger-
schaft kleiner, ihre Herrschaft nicht so konsolidiert war; auch mögen die
leitenden Kreise im Durchschnitt an ausdauerndem und opferfreudigem
Siegerwillen den Kömern, die über die besseren Nerven verfügten, nach-
gestanden haben. Doch noch waren diese nicht über alle Berge; im Jahr
210 V. Chr. verschlimmerte sich ihre Lage durch eine große Hungersnot in
Italien; eine römisclie Gesandtschaft mußte sich von Ptolemaios IV ägyp-
tisches Korn erbitten.') Aber ein starker Aktivposten war die Unterwerfung
Siziliens, die 210 v. Chr. durchgeführt wurde. Auch in Italien erzielte ßom
stetige Fortschritte, Hannibal sah sich immer mehr eingeengt. 210 v. Chr.
stand der Krieg hauptsächlich in Apulien, wo Cn. Fulvius {Centumalus)^)
Herdonea belagerte und dabei von Hannibal geschlagen wurde. Der Punier
drang sogar nochmals in Kampanien ein und verpflanzte von dort die Be-
wohner des ihm treu gebliebenen Atella nach Thurii.^) Doch im nächsten
Jahre (209 v. Chr.) wurde Tarent von Q. Fabius Maximus angegriffen; während
nun Hannibal sich gegen eine von Sizilien aus herübergeworfene Truppen-
schar nach Süden zu den Brettiern wenden und von Tarent entfernen mußte,
fiel diese Stadt durch Verrat an die Römer und erfuhr ein ähnliches Schicksal
wie Syrakus; denn auch Tarent wurde geplündert und mußte seine bis-
herige Autonomie gegen ein Untertanenverhältnis vertauschen, blieb jedoch
auch nach diesem Schlag die angesehene Griechenstadt.
Im Feld waren dem Hannibal auch jetzt noch taktische Erfolge be-
schieden; im Jahr 208 v. Chr. fiel gegen ihn in Lukanien der Konsul
M. Marcellus. Hannibal hatte des öfteren aus Karthago Verstärkungen er-
halten; aber um sich in Italien zu behaupten, bedurfte er durchgreifender
Hilfe. Diese ihm zu bringen, brach im Jahr 208 v.Chr. sein Bruder Hasdrubal
mit einem Heer aus Spanien auf, und hier kombiniert sich der italische
Krieg mit dem spanischen. Bei Baecula am Baetis in der Nähe von Castulo
trat ihm Scipio in den Weg und errang zwar einen bedeutenden taktischen
Sieg,^) konnte jedoch den Durchbruch Hasdrubals nicht verhindern. Im
nächsten Jahr erreichte Hasdrubal über die Alpen ^) Italien, wo er sich
durch gallische Hilfstruppen auf einige 30000 Mann'') verstärkte. Seine An-
kunft machte den Römern schwere Sorgen. Von allen Seiten, auch aus
Spanien und Griechenland wurden die verfügbaren Streitkräfte aufgeboten.
Gegen Hasdrubal entsandte man den Konsul M. Livius (Salinator), während
dessen Kollege C. Claudius (Nero) in Defensivstellung im Süden den Hannibal
beobachtete. Als aber Hasdrubal heranzog, beschloß Claudius, seinem Kol-
1) Polyb. IX 11 a (44). Ganz anders Li- verdient,
vius XXVII 4, 10. ^) Hyperkritik erklärte die doch von
^) Der Konsul des Vorjahres (211 v. Chr.). Polyb. überlieferte Schlacht für unhisto-
Ini Jahr "212 v. Chr. war ein anderer Ful- risch, weil Scipio sein strategisches End-
vier, der Prätor Cn. Fulvius (Flaccus), eben- ziel verfehlte. Enthusiastisch wird Scipios
falls bei Herdonea von Hannibal scliimpf- Strategie von Kahrstedt in Meltzers Gesch.
lieh besiegt worden. Kahrstedt in Melt- d. Karth. III 518 tf. beurteilt.
ZERS Gesch. d. Karth. III 500, 1 erklärt die '") Wohl über den Mont Genevre (vgl.
Schlacht von 210 für eine bloße Dublette Kahrstedt a. a. O. 521, 2 und Viedebantt,
zu dem Ereignis von 212. Hermes 54, 1919. 370 ff.).
^) Appian Hann. 49. dessen Bericht vor ^) Nach der Schätzung Kkomayers, Aut.
Livius XXVI 34. XXVII 3 den Vorzug ; Schlachtf. III, 1, 491 ff.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 21.) 125
legen mit einem Teil seines Heeres zu Hilfe zu kommen. So traten die
beiden Konsuln dem Eindringling am Metaurus, bei Sena Gallica mit über-
legenen Kräften entgegen. Hasdrubal wollte die Schlacht vermeiden und
an den Römern vorbeimarschieren, wurde aber gestellt und völlig geschlagen;
er kam selbst ums Leben. i) Hannibal, der seinem Bruder nach Apulien
entgegen gerückt war, aber keine sichere Kunde von ihm hatte, kehrte jetzt
ins brettische Gebiet zurück, auf dessen Behauptung er sich fortan be-
schränkte. Der Sieg am Metaurus brachte den Krieg zur Entscheidung, so-
wohl in Italien als in Spanien; denn auch hier konnten die Karthagersich
gegen die wachsende Macht Scipios nicht mehr behaupten. Im Jahr 206
\. Chr. erfochten die Römer bei Ilipa (etwas oberhalb von Sevilla) einen
Sieg, der ihnen auch das südliche Spanien erschloß. Sie stießen zwar in
den dortigen Städten, besonders in Astapa auf Widerstand; aber schließlich
mußte sich alles unterwerfen. Die Karthager gaben den Kampf auf; ihr
Feldherr Mago, Hannibals zweiter Bruder, räumte zuletzt die Inselstadt Gades
(Gadeira), um sich mit den Resten von Heer und Flotte nach Italien einzu-
schiffen; da Scipio seine Marine hatte eingehen lassen, so konnte er die Ab-
fahrt nicht hindern. Gades, die alte phönizische Kolonie, öffnete den Römern
die Tore und schloß mit ihnen ein Bündnis. So waren denn die Karthager
aus Spanien verdrängt. Zuletzt hatte Scipio noch mit einigen hartnäckigen
Widersachern und abtrünnigen Bundesgenossen, auch mit einer Meuterei im
eigenen Heer zu schaffen; er begnügte sich mit einer vorläufigen Beruhigung
des Landes und eilte nach Rom; noch 206 v. Chr. fuhr er von Tarraco
dorthin. Mago segelte zuerst nach den Balearen, überwinterte dort und
landete darauf in Ligurien, um von hier aus, von den Galliern unterstüzt,
den Krieg fortzusetzen (205 v. Chr.).
Nach den Erfolgen auf Sizilien, in Spanien und Italien faßte man in
Rom den Entschluß, nunmehr zum Angriff' auf Karthago überzugehen und
den Scipio, der sich unter allen Heerführern am meisten bewährt hatte,
mit diesem Unternehmen zu betrauen ; ihm war das Konsulat für 205 v. Chr.
zugedacht. Schon von Spanien aus war Scipio nach Afrika hinübergefahren
imd hatte den Numider Syphax, der schon mit seinen Vorgängern P. und
Cn. Scipio in Verbindung getreten war, für Rom gewonnen (206 v. Chr.).
Nach Antritt des Konsulats in Rom begab sich Scipio nach Sizilien, um
mit Hochdruck die Landung in Afrika vorzubereiten; bei den sizilischen
Griechen, deren Zuneigung er gewann, fand er Unterstützung. Von Sizilien
aus hatte er Gelegenheit, dem Hannibal Locri zu entreißen.
Noch ehe der Angriff auf Afi'ika zur Ausführung gelangte, fand der
Krieg gegen Philipp von Makedonien, der erste makedonische, sein Ende.^)
Mangels einer ebenbürtigen Flotte hatte Philipp in Illyrien gegen die Römer
') Polyb. X 37. XI 1, 2 ff. R. Oeblee, Der 1 ^) W.8cHOEN,Gesch.Griechenlands,Bonn
letzte Feldzug des Barkideii Hasdrubal 1 1833. 8. 178 f.; Hertzberg, Gesch. Griechen-
11. d. Schlacht am Metaurus (Berl. Stud. j lands unter den Römern I 21 f.; Gitjs.
für klass. Philol. u. Archäologie N. F. II 1),
Berlin 1897. Kokk. Lehmann, Die Angriffe
der drei Barkiden S. 190. Über die Topo-
graphie: Keomater a.a. 0.424 ff., abgelehnt
von Kahrstedt a. a. 0. 527, 1.
Clementi in den Stndi di storla antica pubbl.
da GiuL. Beloch I 49 f. Vinc. Costanzi bei
E. Pais, Sfiidi stor/ci 1 (1908) 31 f. Niese,
Gesch. der griech. u. makedon. Staaten
II 475 £f.
126 Römische Geschichte.
unter M. Valerius Lacvinus zunächst wenig Erfolg gehabt. Ein Handstreich
auf Korkyra schlug fehl, und vor Apollonia, das er belagerte, erlitt er eine
Niederlage (214 v. Chr.). Aber 213 v. Chr. eroberte er Lissos und Dimallos und
machte bedrohliche Fortschritte. Um so vorteilhafter war es für die Könicr,
daß sie bald nach der Eroberung von Syrakus im Herbst 212 v. Chr. den
ätolischen Bund zur Teilnahme am Krieg gegen Makedonien gewannen und
so den Schauplatz von Illyrien nach Griechenland verlegten. In einem Ver-
trag von Naupaktos verpflichteten sich die Römer, die Aetoler mit 25 Krieg-
schiffen zu unterstützen und ihr Territorium zu erweitern; von den eroberten
Städten sollte die bewegliche Habe den Kömern, der Grund und Boden den
Aetolern zufallen; die Kontrahenten verpflichteten sich, nur in gegenseitigem
Einverständnis Frieden mit Philipp zu schließen. Schon im nächsten Jahr
(211/10 V. Chr.) traten noch andere griechische Staaten, Elis, Messene und
Sparta, in den Kampf gegen Philipp ein; dazu gesellten sich die nördlichen
Feinde Makedoniens, Dardaner und Illyrier, sowie König Attalos von Perga-
mon, während dessen Nachbar, Prusias von Bithynien, und besonders die
Achäer sich zu Makedonien hielten. Philij^p, der sich von allen Seiten be-
droht sah, leistete zwar energischen Widerstand, mußte aber, was für Rom
das Wichtigste war, auf seine illyrischen Pläne vorläufig verzichten.
Der Krieg in Griechenland berührte die verschiedensten Teile des Landes.
Die Römer beteiligten sich mit ihrer Flotte und Seesoldaten, zuerst unter
M. Valerius, seit 211 v. Chr. unter dem Konsul P. Sulpicius (Galba). 212 v. Chr.
eroberten sie Zakynthos und Oiniadai in Akarnanien, im nächsten Jahr
Antikyra, 210 v. Chr. Dyme in Achaia und die Insel Aegina. Die Ereignisse
kulminierten 208 v. Chr., als auch Attalos eingriff und seine Flotte sich im
ägäischen Meere mit der römischen vereinigte, während dem Makedonen-
könig karthagische Schiffe zu Hilfe kamen. Damals eroberten die Römer
mit Attalos zusammen das euböische Oreos, konnten sich aber nicht halten ;
denn durch einen Angriff des Prusias wurde Attalos zur Rückkehr in sein
Land gezwungen und die römische Flotte verließ das ägäische Meer, um
im nächsten Jahr, als Hasdrubals Anmarsch die Römer zur Konzentrierung
in Italien veranlaßte, ganz auszubleiben. Makedonien erlangte das Über-
gewicht. Die Aetoler wurden durch einen Einfall Philipps im eigenen Land
heimgesucht, der achäische Bund unter Philopoimens Führung verbesserte
sein Kriegswesen, Machanidas, der Herrscher Spartas, wurde bei Mantineia
von Philopoimen geschlagen und getötet (207 v. Chr.). Unter diesen Um-
ständen neigten die Aetoler zum Frieden. Schon mehrmals hatten die neu-
tralen Mächte, Ägypten, die Republik Rhodos und andere Freistädte, denen
die römische Einmischung Unbehagen schuf, dem verderblichen Krieg ein
Ende zu setzen gesucht. Jetzt war ihre Vermittlung erfolgreich. Die Aetoler
sagten sich von den Römern los und machten mit Philipp Frieden (206
V. Chr.), womit der Krieg sich wieder nach Illyrien, von wo er ausgegangen
war, zog. Doch sollte er angesichts des Umschwungs der Lage nicht mehr
lange währen ; schon 205 v. Chr. schlössen die Römer und Philipp unter
epirotischer Vermittlung zu Phoinike in Epirus Frieden. Die Römer be-
haupteten ihre wichtigsten ill3a'ischen Posten, die griechischen Städte, nur
einen Teil ihrer festländischen Besitzungen mußten sie in den Händen
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der "Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 21.) 127
Philipps belassen. 1) Jetzt konnten sie sich mit voller Wucht auf Kar-
thago werfen.
Nach Abschluß der Eüstungen setzte Scipio mit einer zahlreichen Flotte
204 V. Chr. nach Afrika über und begann sogleich Utica zu belagern. 2) Die
Expedition war nicht gefahrlos; denn auf die Hilfe des Syphax war nicht
mehr zu rechnen, da der unzuverlässige Numider sich inzwischen den
Karthagern zur Verfügung gestellt hatte. Dafür warf sich dessen Rivale,
der numidische Abenteurer Masinissa,^) der nach ausgezeichneten, den
Karthagern in Spanien geleisteten Diensten von Syphax (um 205 v. Chr.)
aus seinem Stammland vertrieben worden war, den Römern in die Arme.^)
Aber Masinissa war nur ein machtloser Prätendent und Scipio sah sich
einem überlegenen feindlichen Heer gegenüber; er mußte die Belagerung
Uticas aufgeben, und seine Lage gestaltete sich noch schwieriger, als die
Karthager auch eine Flotte ausrüsteten. Sie kampierten unter Syphax und
Hasdrubal in zwei Lagern ihm gegenüber. Es kam unter Vermittlung des
Syphax im Winter 204/3 v. Chr. zu Friedensverhandlungen, wobei die Räu-
mung Italiens durch Karthago, diejenige Afrikas durch Rom ventiliert wurde.
Aber Scipio brach die von seiner Seite nicht ernst gemeinten Unterhand-
lungen ab und überraschte durch einen nächtlichen Überfall die ahnungs-
losen Gegner, deren Lager in Brand gesetzt und deren Heere zersprengt
wurden. Nach kurzer Verfolgung nahm Scipio die Belagerung Uticas wieder
auf. Die Karthager, inzwischen durch iberische Söldner verstärkt, erschienen
mit Syphax aufs neue im Feld, wurden aber auf den „großen Feldern"
{ueydXn jiföia) abermals geschlagen;^) im Anschluß an diesen Sieg konnte
Masinissa mit römischen Truppen unter dem Kommando des C. Laelius in
Numidien eindringen; Syphax wurde von Masinissa besiegt"^) und gefangen,
seine Hauptstadt Cirta erobert, sein Land in Besitz genommen. In Masi-
nissa besaßen die Römer von nun an einen äußerst brauchbaren Bundes-
genossen. Von solchen Schlägen getroffen, baten die Karthager um Frieden.
Scipio bewilligte einen Waffenstillstand, dessen Bedingung die Räumung
Italiens durch Mago und Hannibal bildete. Zugleich wurden die Friedens-
präliminarien mit dem karthagischen Verzicht auf Spanien aufgesetzt. Die
karthagischen Heere wurden also aus Italien abberufen.^) Hannibal, zuletzt
') Liv. XXIX 12. 13 f. E. Täubler, Imp. 10 ff. Liv. XXIX 29 ff. Bekannt ist die
Rom. 1 214 ff. Erzählung von der Gattin des Syphax, der
'-)ZiELiNSKi, Die letzten Jahre des zweiten Karthagerin Sophoniba, die den Syphax
pun. Krieges, Leipzig 1880. Konead Leh- I auf karthagischer Seite festhielt. Sie war
MANN, Der letzte Feldzug des hannibali- nach der Erzählung ursprünglich dem
sehen Krieges (N. Jahrb. f. Phil., Suppl. Masinissa bestimmt und fand, von diesem
21, 527 f.), Leipzig 1894. Matzat, Rom. Zeit- aufs neue begehrt, als Opfer der römi-
rechn. S. 160 ff. G. Veith in Kromayers ' sehen Politik das bekannte tragische Ende.
Ant. Schlachtfeldern III, 2 (1912), 575 ff. Liv. XXX 12 ff. Appian Lib. 26 flf. Diodor
Kahrstedt in Meltzers Gesch. d. Karth. XXVII7. Vgl.Polyb.XIVl,4. 7,6. G.Jung,
III 542 ff. Beiträge S. 24.
^) Die griechische zeitgenössische Na-
mensform ist Maaavväoag . Er war Sohn
des Gaia, wofür die Handschriften des Li-
vius irrig Gala schreiben. SIG 11^ nr. 652.
■*) Die Vorgeschichte Masinissas ist na
'") Gegen die topographische Fixierung
von Veith a. a. 0. 589 ff. : Kahrstedt a. a. O.
551, 1.
6) Nach späterem römischen Datum am
23. Juni (F7//. l-al. Julias). Ovid.fast.VI 769.
mentlich bei Livius großenteils fabulos. ' ') Nach Livius XXX 18, 5 starb Mago
Polyb. XXI 21, 2. Appian Iber. 37. Lib. auf der Überfahrt nach Afrika. Nach Nepos
]^28 Römische Geschichte.
auf Kroton, Thurii und Umgegend beschränkt, gab unbesiegt seine letzten
Positionen auf und verließ Kroton, in dessen Nachbarschaft, im Heratempel
auf dem lakinischen Vorgebirge er seinen Tatenbericht in Bronze hatte ver-
ewigen lassen.^) p]r landete bei Leptis an der kleinen Syrte, wo er den
Winter (203/2 v. Chr.) zubrachte.
Indes der Waffenstillstand, während dessen Dauer Senat und Volk von
Rom die Friedensbedingungen genehmigten, wurde durch einen Übergriff
der Karthager, denen die Rückkehr Hannibals Mut gemacht hatte, verletzt.
Sie brachten nämlich eine römische Proviantflotte auf, und als Scipio sich
in Karthago beschweren ließ, kam es sogar zu einem Angriff auf seine
zurückkehrenden Gesandten. Sogleich eröffnete Scipio den Krieg aufs neue
und brach verheerend in das karthagische Gebiet ein. Hannibal eilte von
Hadrumetum (heute Susa) herbei und traf den Gegner nicht weit von Zama,
fünf Tagemärsche westlich von Karthago. Ehe es z.ur Schlacht kam, hatten
die beiden Feldherren eine Zusammenkunft, in der Hannibal vergebens den
Frieden auf die früheren Bedingungen zu erlangen suchte. Nun hatten die
Waffen das Wort. Scipio nahm, verstärkt durch Masinissa, der kurz vor
jener Konferenz aus Numidien mit seinen Reiterscharen zu ihm gestoßen
war, die Schlacht an, die mit der völligen Niederlage der Karthager endete
(202 V. Chr.). Die Entscheidung gab, wie einst bei Cannae, so auch hier die
Reiterei, diesmal freilich zuungunsten Hannibals, den Scipio mit der ihm
selbst abgelauschten Taktik schlug.^)
Nach dieser Niederlage gab Karthago den Widerstand auf: auch Hannibal
soll nachdrücklich für den Frieden gewirkt haben, der im nächsten Jahr
(201 V. Chr.) unter weit ungünstigeren Bedingungen ratifiziert wuirde. Karthago
sah sich auf Afrika beschränkt, wo es zwar sein eigentliches Gebiet, seine
„Terrafirma" behielt, aber seine weitere Herrschaft einbüßte. Die früher
abhängigen und verbündeten Numider wurden selbständig und großenteils
dem Masinissa zugewiesen; unter diesem tatkräftigen und einsichtigen Fürsten
wuchsen sie bald zu einem ansehnlichen Staat zusammen. 3) Karthago mußte
sich verpflichten, außerhalb Afrikas überhaupt keinen Krieg zu führen, in
Afrika selbst nur mit Roms Zustimmung, 10000 Talente (etwa 47 150000 Gold-
mark) zu zahlen, Geiseln zu stellen, sämtliche Elefanten, sowie die Krieg-
schiffe bis auf 10 Trieren auszuliefern.^) Scipio führte sein Heer aus Afrika
{Hannib.8) hätte Mago aber noch 190 v.Chr. iiannt, bei Liv. XXX 29, 9 narcara, bezw. in
gelebt. Über seinen Tod gab es verschie- einer Handschrift naraggaj-a. Der Mode-
dene Erzählungen. Th. Friedrich, Bio- name ..Schlacht bei Naraggara" hat dem-
graphie des Barkiden Mago, Wien 1880. nach an der Überlieferung die denkbar
') Diese Inschrift hat Polvb. benutzt
(III 33, 18; 50, 4).
Das topographische Problem erörtert
schwächste Stütze. Gegen ihn und gegen
dieTopographieVEiTHS erklären sichlvAHR-
STEDT a. a. O. 563, 1 und Ed. Meyer, SB.
ausführlieh Yeith in Keomayers Ant. Berl. Ak. 1915, 942 f.
Schlachtf. III, 2, 599 ff. Da es in Nord- ^) Ein packendes Bild von Masiuissas
afrika zwei Städte des Namens Zama sab, Wirken für Einheit und Kultur des Nu-
so ist die Bestimmung des Schlachtfeldes miderreichs entwirft Kahrstedt in Melt-
vmistritten. Der numidische Ort Xarag- zers Gesch. d. Karth. III 578 flf. (Vgl. aber
gara, an den sich die Kombinationen von die Einwände von Kromayer, Gott. gel.
K.Lehmann, H.Delbrück und insbeson- Anz. 1917, 475 ff.)
dere Veith knüpfen, bliebe besser aus dem ■•) Polyb. XV 18. Vgl. H. Nissen, De pace
Spiel. Bei Polyb. XV 5, 14 ist als Ort der anno 201 a.Clu-. Carthagim'ensibusciata.Mar-
Schlacht das unbekannte Mügyaoo^' ge- bürg 1870. Täubler, Imp. Born. I 190 tf.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 21.) 129
zurück und zog im Triumph in Kom ein; seine großen Taten verbreiteten
seinen Ruhm in der ganzen Welt; er war in Rom der Held des Tages, und
man legte ihm den Ehrennamen Africanus bei; er ist der erste Römer, der
durch einen solchen Siegernamen ausgezeichnet wurde.
Der siegreich beendete Kampf mit Hannibal hat nicht nur die äußere
Machtstellung Roms durch den Gebietszuwachs in Spanien und Sizihen und
die gesteigerten Einkünfte gehoben, sondern auch die innere Entwicklung
und die Verfassung während seines Verlaufs und in seiner Wirkung be-
einflufst. Das Heerwesen der Römer wurde in Bewaffnung und Taktik auf
die Höhe gebracht,') zugleich die Abhängigkeit der itahschen Bundesgenossen
vergrößert, das Übergewiclit Roms verstärkt und das Gebiet der Bürger-
schaft vermehrt. Die Kriegführung auf mehreren Schauplätzen hatte vor
neue Aufgaben gestellt. Es wurden mehr Feldherren notwendig, als die Ver-
fassung vorsah; so mußten mitunter außerordentliche Kommanden geschaffen
werden, wie in Spanien, oder man behalf sich mit der Prorogation, der
Verlängerung des Feldherrnamtes auf zwei oder mehr Jahre, wie es künftig
zur Regel wird. Römern wie Italikern hat der lange Krieg schwere Opfer
an Gut und Blut auferlegt; viele Städte waren zerstört, ganze Landschaften
verwüstet. Doch ist Mittelitalien und das eigentliche römische Gebiet nur
vorübergehend in Mitleidenschaft gezogen worden, so daß der Krieg hier
kaum tiefere Spuren hinterließ. Anders in Unteritalien, das lange das Kampf-
objekt bildete, in Apulien, Lukanien und bei den Brettiern. In diesen
Gegenden, namenthch an der griechischen Küste, leitet der hannibalische
Krieg die Verödung und den Verfall ein.
Der itahsche Bund hatte die Belastungsprobe glänzend bestanden; mit
wenigen Ausnahmen sind die Itahker nur notgedrungen zu Hannibal über-
gegangen, und über Kampanien hinaus hat der Abfall, so viel wir wissen,
sich nicht erstreckt. Was sonst von Gärung und Unruhen verlautet, scheint
unerheblich geblieben zu sein. 2) Die Abtrünnigen haben zumeist noch während
des Krieges ihren Frieden mit Rom gemacht, wohl nicht ohne die verdiente
Minderung an Selbständigkeit und Besitz. Doch hat man diesen Elementen die
Rückkehr zu Rom nicht über Gebühr erschwert. Dagegen über diejenigen,
die bis zuletzt bei der karthagischen Sache ausharrten, erging das strengste
Gericht; sie wurden zu rechtlosen Untertanen hinabgedrückt. Dies Los traf
außer den Kampanern die Picentiner am tyrrhenischen Meere südlich von
Kampanien und die Brettier.^^) Das Gebiet von Capua und Nachbarschaft
wurde eingezogen und für Rechnung des römischen Ärars verpachtet, an
') Aus den spanischen Kriegen brach- Magos. Liv. XXVII 21. 24. XXIX 36, 10.
ten die Römer das gefürchtete spanische | Plut. Marc. 28; dazu vielleicht Polyb.fr. 171
Schwert mit. Polyb.A^I 23,6 u. fr. 179 (96). (183). Über Ursachen, Umfang und Ver-
Auch das pihtm scheint von den Spaniern ! lauf dieser Unruhen fehlt es, wie über-
(Iberern) entlehnt zu sein; vgl. A. Schui.- haupt über die Vorgänge innerhalb der
TEN, Rhein. Mus. 66, 1911, 573 ff. römischen Bundesgenossenschaft, an zu-
-) Die Erzählung von der Verweigerung verlässigen Nachrichten,
der Heeresfolge durch zwölf Kolonien 209 1 '') Die Brettier und Picentiner wurden
v. Chr. bei Livius XXVII 9 ff. XXIX 15 ! nicht mehr zum Heer ausgehoben, son-
ist legendär. Für das J. 208 hören wir dern nur zu untergeordneten Dienst-
von Abfallsgelüsten in etruskischen Städ- j leistungen verwendet. Vgl. Gellius N. A.
ten, namentlich Arretium, und noch- X 3, 19; Strabo V 251; Appian, Hanmb.61.
mals für das J. 204 nach der Landung
Handbuch <\m- klass. Altertnmswisspinschaft. TU, 5. 5. Aufl. "
j^3Ö Römische Geschichte.
der Küste in Liternuni, Volturnuin und Dikaiarcheia wurden römische Kolo-
nisten angesiedelt. Besonders die letztere Stadt kam dadurch rasch in Blüte.
Sie entwickelte sich, als römische Kolonie in Puteoli umgenannt, zu einem
bedeutenden Handelsplatz; bei der mangelhaften Anlage Ostias gab Puteoli
den eigentlichen Hafen Roms am tyrrhenischen Meer ab, wie Brundisium
am adriatischen. Weiterhin wurde im Land der Picentiner Salernum an-
gelegt, in Unteritalien erhielten Sipontum, Kroton, Pyxus (Buxentum) und
Temesa römische Bürgeransiedlungen, Thurii und Hipponion (Vibo) wurden
als latinische Städte neu gegründet und umbenannt, ersteres in Copia, Vibo
in Valentia.') Doch brachten es diese Gründungen nicht zu größerer Be-
deutung. Unsere Nachrichten lassen erkennen, daß die Römer überhaupt
nach dem großen Krieg und vielleicht schon während seiner Dauer sich
bestrebten, die Verluste an Menschenleben durch bevölkerungspolitische Maß-
nahmen, wie Verstärkung der vorhandenen Kolonien und Ansiedlung von
Veteranen möglichst auszugleichen.-) Sie blieben damit in den Bahnen ihrer
von früher bewährten Politik.
22. Kriege mit den östlichen Mäctiten. Die Römer haben die Ent-
scheidung des Krieges in Afrika beschleunigt, um Aktionsfreiheit im Osten zu
gewinnen, von wo man besonders gegen Makedonien ihren Beistand anrief.')
Der König Philippos hatte nach dem Frieden von Phoinike nach allen
Seiten um sich gegriffen und zunächst in Illyrien und Thrakien Eroberungen
gemacht. Weitere Unternehmungen verwickelten ihn in einen Krieg mit
seinen Nachbarn. Den Anlaß bot der Tod des Ptolemaios IV Philopator
von Ägypten, der unter Hinterlassung eines unmündigen Sohnes, Ptole-
maios V Epiphanes, 204 v. Chr. verstarb. Der Hof gab das Ableben des
Königs erst über ein Jahr später (203 v. Chr.) offiziell bekannt. Über den
inneren Wirren Ägyptens und dem beständigen Wechsel der Vormundschafts-
regierung geriet die äußere Machtstellung des Lagidenreichs in Verfall. So
war die Gelegenheit zu einer Beraubung Ägyptens günstiger denn je. In
dieser Absicht verständigte sich Philipp von Makedonien mit Antiochos III
dem Großen. Dieser hatte inzwischen in den Jahren 216 — 204 v. Chr. in
mehreren glücklichen Kriegen das Reich des Seleukos im ursprünglichen
Umfang fast ganz wiederhergestellt. Während nun Antiochos in Cölesyrien
einrückte (201 v. Chr.), in der Schlacht bei Paneion das ptolemäische Heer
schlug (200 V. Chr.) und sodann das ganze Land bis zur ägyptischen Grenze
eroberte, griff Philipp nach den ptolemäischen Besitzungen am Hellespont
und ägäischen Meer und begann 202 v.Chr. mit der Eroberung Lysimacheias,
Kalchedons und anderer hellespontischer Städte, wobei er an Prusias von
Bithynien einen Helfer fand; auch Thasos fiel ihm zu. Jetzt erklärten ihm
die Rhodier den Krieg, da sie sich als Beschützer der hellenischen freien
Städte betrachteten und nicht dulden wollten, daß der Hellespont, eine
») Nach Liv. XXXII 29. XXXIV 45. 53. Cales Liv. XXXI 49, 6. XXXII 2, 6. 7, 3.
XXXV 40 erstrecken sich diese Grün
düngen auf die J. 197—192 v. Chr. Vgl.
Strabo V 245. 251. 256. 263. Niese, Gesch.
d. griech. u. makedon. Staaten II 555 ff.
'■') Überliefert wird die Aussendung neuer
Kolonien nach Venusia, Narnia, Cosa und
Plut. Tit. 1. CIL 12 ij. 200 nr. XXXII. Vgl.
Liv. XXXI 4. 49, 4. XXXII 6, 6. 7, 3.
^) Vgl. Niese, Gesch. der griech. und
makedon. Staaten II 562 ff. Weitere Lite-
ratur unten S. 148.
5. Dritte Periode: Bis zvir Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 22.) 131
der wichtigsten Handelsstraßen, in die Gewalt Philipps gerate, mit dem sie
schon früher /Aisammengestoßen waren. Mit Rhodos vereinigte sich Attalos I
von Pergamon. Dessenungeachtet errang Philipp weitere Erfolge, eroberte
Samos und griff Pergamon an; er wurde zwar von den vereinigten Gegnern
bei Chios geschlagen, erfocht aber bei Lade über die Rhodier einen Sieg
und eroberte die rhodischen und ptolemäischen Besitzungen in Karien (201
V. Chr.). Im Winter kehrte er von da in sein Stammland zurück, um im
nächsten Jahr (200 v. Chr.) die ptolemäischen Plätze in Thrakien anzugreifen,
Maroneia, Ainos und die Städte des Chersones, die er der Reihe nach be-
zwang. Von hier ging er nach Asien hinüber und belagerte Abydos, das
erst nach erbitterter Gegenwehr kapitulierte (200 v. Chr.).
Damals wußte Philipp bereits, daß er eine römische Intervention zu ge-
wärtigen habe. Die Ägypter hatten sich an Rom gewandt, ebenso Attalos
und die Rhodier, endhch auch die Athener, die aus besonderer Ursache mit
Philipp in Konflikt gerieten. Zwar hatten die Römer keinen Anlaß zum
Krieg gegen Philipp, ') aber sie gedachten die Konjunktur zu benutzen, um
Makedonien zurückzudrängen und ihren Einfluß auf Griechenland aus-
zudehnen. Nachdem der Friede in Afrika geschlossen war, mischten sie sich
alsbald ein. Der Zeitpunkt war günstig, da Philipp durch den Krieg be-
deutende Verluste erlitten hatte. Roms Gesandte triifen den König 200 v.Chr.
vor Abydos und verlangten Einstellung der Feindseligkeiten gegen die
Griechen und Rückgabe der ägyptischen Besitzungen. Den Streit mit Attalos
und den Rhodiern sollte ein Schiedsgericht schlichten. Als Phihpp diese
Forderungen ablehnte, erklärte ihm Rom den Krieg.^) Noch im selben Jahr
(200 v. Chr.) fuhr ein römisches Heer unter dem Konsul P. Sulpicius (Galba)
nach Apollonia hinüber und eröffnete die Operationen durch einen Streif-
zug ins benachbarte lUyrien. Zugleich kam es vor Athen, das von römi-
schen, rhodischen und pergamenischen Streitkräften geschützt wurde, zu
Kämpfen. Die verbündeten Gegner Philipps überrumpelten von Athen aus
die makedonische Festung Chalkis auf Euboea, wo sie übel hausten, ohne
sich auf die Dauer halten zu können. Philipp rächte sich durch barbarische
Verwüstung Attikas und wandte sich dann zu den Achäern, um deren
aktive Beteiligung am Krieg er sich vergeblich bemühte.
Die Römer führten den Krieg im Verein mit Attalos und den Rhodiern
und suchten vor allem in Hellas Bundesgenossen zu werben, da sonst keine
Aussicht auf Erfolg bestand. Vorläufig schloß sich ihnen nur Amynandros,
1) Erst die späteren Historiker be- 1 gedrungen an die überseeischen Unter-
haupten, daß Philipp dem Haunibal nach i nehmungen herangegangen sei, ist mit
Afrika Truppen geschickt und römische den Tatsachen nicht vereinbar.
Bundesgenossen befehdet habe (Liv. XXX i ^) Die Kriegserklärung kann nicht, wie
26, 2 f. 42, 4 f. XXXI 1, 10). Aber dies ist Livius XXXI 6 f. erzählt, zu Anfang des
Erfindung. Im übrigen gehörte weder Konsulatsjahres 200 v. Chr. erfolgt sein
Ehodos, noch Athen, noch Ägypten da- (die Konsuln traten damals am 15. März
mals zu den römischen Bundesgenossen, an), sondern erst nach der Begegnung
sondern höchstens Attalos, der jedoch der römischen Gesandten mit Philipp vor
selbst die Offensive gegen Philipp eröflnet Abydos. Polyb. XVI 34. Livius berichtet
hatte. Auch haben die Römer damals dazu, die Komitien hätten den Knegs-
nicht erklärt, daß sie zur Verteidigung antrag des Konsuls zuerst abgelehnt und
ihrer Bundesgenossen das Schwert zogen. erst nach ernster Vermahnung in zweiter
Die Ansicht Mommsens, daß Eom nur not- Abstimmung angenommen.
9*
132 Römische Geschichte.
der Fürst der Athamanen, an, während die Aetoler zuwarteten. Da den
Römern ihr Interesse gebot, Makedonien zu isoheren und vor allem den
syrischen König Antiochos fernzuhalten, so vertraten sie Syrien gegenüber
die ägyptische Sache mit geringem Eifer. Ein Eingreifen des Antiochos zu-
gunsten Philipps unterblieb, war doch die Rivalität der beiden Herrscher
stärker als ihre opportunistische Freundschaft. Von Anfang an auf Roms
Seite stellten sich, als alte Feinde Makedoniens, der illyrische Fürst Pleu-
ratos und die Dardaner.
Im Sommer 199 v. Chr. fiel P. Sulpicius durch lUyrien ins obere Make-
donien ein, das er durchzog; am längsten verweilte er in der Lynkestis.
Philipp vermied eine entscheidende Schlacht mit dem stärkeren Gegner,
doch kam es zu einigen größeren Gefechten, in denen sich die Römer dank
ihrer schwereren und besseren Bewaffnung als die Überlegenen erwiesen.^)
Sulpicius kehrte noch vor Ablauf des Sonnners an die illyrische Küste zu-
rück, wo sein Nachfolger, der Konsul P. Villius (TajDpulus), den Oberbefehl
übernahm. Philipp hatte den Römern in Makedonien zuletzt das Feld über-
lassen müssen, um sich gegen die Angriffe der Illyrier, Dardaner und Aetoler
zu verteidigen. Denn die Aetoler hatten nach den ersten Erfolgen der
Römer ihre anfängliche Zurückhaltung aufgegeben, um am Kampf gegen
Philipp teilzunehmen; sie waren in Thessalien eingedrungen. Gleichzeitig
hatte sich die römische Flotte im ägäischen Meer mit Attalos und den
Rhodiern vereinigt, die makedonische Küste angegriffen und außer einigen
Inseln auch Oreos auf Euboea erobert.
Die unmittelbaren Ergebnisse des ersten Feldzuges waren recht dürftig;
nur die Oresten (am See von Kastoria) hatten sich in Makedonien dem
Sulpicius ergeben, und es hatte sich herausgestellt, daß Philipp von Illyrien
her schwer anzugreifen war. Aber ein Gewinn für Rom war der Eintritt der
Aetoler in die antimakedonische Koalition; und so konnten die Römer daran
denken, im nächsten Jahr in Hellas einzudringen, um von dieser Basis aus zu-
sammen mit den Aetolern den Gegner zu packen. Doch Philipp kam ihnen
zuvor und verlegte ilnien im Frülijahr 198 v. Chr. in einer befestigten
Stellung an den Engpässen des Aoos den Weg. 2) P. Villius lag ihm hier
untätig gegenüber, und auch sein Nachfolger, der Konsul T. Quinctius (Fla-
mininus), ein jüngerer, sehr befähigter Mann, konnte nichts ausrichten.
Friedensverhandlungen, die damals eingeleitet wurden, scheiterten, da Rom,
in der Rolle eines Protektors der Freiheit der Hellenen, von Philipp den
Verzicht auf alle griechischen Besitzungen forderte. Es gelang dann dem
Konsul mit Hilfe epirotischer Freunde, die makedonische Stellung zu um-
gehen und den Philipp durch einen unerwarteten Angriff zu vertreiben.
Dieser zog sicli auf den Tempepaß zurück, die Römer folgten, drangen
durch Epirus in Thessalien ein, reichten ihren griechischen Bundesgenossen
die Hand und wandten sich weiter gegen Philipps Besatzungen und Bundes-
genossen in Hellas, besonders die Phoker und Lokrer, während die ver-
bündete Flotte die euböischen Städte Eretria und Karystos eroberte und
hierauf Korinth, den wichtigsten Waffenplatz Makedoniens, angriff. Unter
') Kromayer, Ant. Sehlaohtf. II 9 ff. hat ' -) Über die Örtlichkeit vgl. J. Kromayer,
den Feldzug zu rekonstruieren versucht, t Ant. Schlachtf. in Griechenland II 36 ff.
5. Dritte Periode : Bis ziir Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§22.) 133
dem Druck der Lage und nicht leichten Herzens brach nunmehr der achäische
Bund die Beziehungen zu Makedonien ab und trat der Koahtion gegen
Phihpp bei. Die Achäer beteiligten sich alsbald an der Belagerung Korinths,
die indessen erfolglos verlief.
Im Hinblick auf seine verschlechterte Lage wünschte Philipp zum Frieden
zu kommen. Zu Beginn des Winters hatte er zu dem Behuf eine Zusammen-
kunft mit Flamininus und den Alliierten Roms bei Nikaia am malischen
Golf. Sie führte zu keinem Resultat, da Philipp sich seines griechischen
Besitzes nicht entäußern mochte. Eine Waffenruhe von zwei Monaten zum
Zweck neuer Unterhandlungen in Rom war alles, was Philipp erreichte.
Aber der Senat machte sich die Forderungen des Flamininus zu eigen, wo-
nach Philipp ganz Griechenland mitsamt den großen Festungen Korinth,
Chalkis und Demetrias, den makedonischen „Fesseln Griechenlands", auf-
geben sollte. Ehe er sich so tief demütigte, wollte Philipp doch noch ein-
mal das Glück der Waffen versuchen. Er umwarb den Gegner der Achäer,
den spartanischen König Nabis^) (seit 206 v.Chr. Nachfolger des Machanidas),
dem er als Köder Argos überließ. Trotzdem schloß sich Nabis den Römern
an, und selbst die Böoter, bisher mit Makedonien eng befreundet, traten,
halb gezwungen, zu ihnen über. Flamininus bot alles auf, um den Krieg
rasch zu beenden; er fürchtete, es möchte ihm sonst von Rom aus ein Nach-
folger geschickt werden. Aber auch Philipp suchte eine Entscheidung, da
seine Kräfte zur Neige gingen. So kam es denn bald nach Eröffnung des
nächsten Feldzuges im Sommer 197 v. Chr. in Thessalien bei Skotussa auf
der Hügelkette Kynoskephalai zur entscheidenden Schlacht. -) Völlig besiegt,
mußte Philipp Thessalien räumen. Gleichzeitig waren auch vor Korinth,
ferner in Akarnanien und der rhodischen Peräa die Waffen der Römer und
ihrer Verbündeten siegreich.
Fast unmittelbar nach der Schlacht kam der Friede zustande. Philipp
ging aller Eroberungen aus den letzten Kriegen verlustig; aus Griechenland
mußte er ganz weichen. Er hatte an Rom Geiseln zu stellen, darunter seinen
Sohn Demetrios, und mußte Kriegskosten zahlen und den Hauptbestandteil
seiner Flotte ausliefern.^) Die Einzelheiten regelte eine zehnköpfige Senats-
kommission im Einvernehmen mit Flamininus. Wie Rom die Räumung der
Griechenstädte Kleinasiens durch die makedonischen Garnisonen erwirkt
hatte, so erklärte diese neue Schutzmacht Griechenlands auch die bisher
von Makedonien abhängigen Hellenen Europas für frei und autonom; die
feierliche Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Flamininus bei der Isthmien-
feier 196 v. Chr. wurde mit stürmischem Jubel aufgenommen. Die wichtigen
Plätze Korinth, Demetrias und Chalkis hatte der Senat bis auf weiteres
für Rom zu behalten gedacht; aber auf Drängen der Aetoler wurden sie
^) Nabis wird amtlich als König be- | leuderverschiebung setzt P.Varese [Crono-
zeichnet; er betrachtete sich als legitimen [ Jogia Romana I 1908) die Schlacht ein Jahr
Herrscher. Wolters, Athen. Mitteil. XXII j später, in den Juni 196: dagegen K. J.Be-
(1897) 139 ff. Niese, Gesch. d. griech. u. ' loch, Klio 15, 1918, 382 ff". — Über den
makedon. Staaten II 563 f. Vgl. L. Homo Feldzug und die Schlacht s. Kkomayer,
in den Melanges Cagnat, Paris 1912. 31 E. Aut. Schlachtf. II 57 ff".
undinderiiVwe';»s/oW2«t'121,1916,241ff.; \ ^) Polyb. XVIII 44. Vgl. E. Täubler,
122, 1916, 1 ff". ' Imperium Rom. I 228 ff. 432 ff.
^) Auf Grund seiner Theorie der Ka- \
J^;J4 Römische Geschichte.
schließlich doch freigegeben. Den Aetolern wurde ihre Einbuße im ersten
makedonischen Krieg größtenteils zurückerstattet; die Achäer erhielten im
Peloponncs Heräa und Tripliylien, der Fürst Pleuratos die illyrischen Be-
sitzungen Philipps. Von einer Entscliüdigung der Ägypter war nicht die Eede,
Ein Nachspiel bildete (195 v. Chr.) der Krieg gegen Nabis von Sparta,
der sich weigerte, Argos den Achäern zurückzugeben. Von den Römern,
Acliäern, Rhodiern und Pergamenern zu Wasser und zu Land angegriffen,
mußte er sich nach tapferer Gegenwehr fügen. Er wurde zwar in seiner
Herrschaft belassen, erlitt aber empfindlichen Gebietsverlust; die meisten
der am Meer gelegenen lazedämonischen Periökenstädte wurden von Sparta
getrennt und den Achäern zugewiesen. Damit war der Krieg zu Ende,
194 V. Chr. räumte das römische Heer Griechenland, T. Quinctius Elamininus
feierte in Rom einen pomphaften Triumph. Die Griechen hatten ihrem Be-
freier sogar göttliche Ehren erwiesen.')
Ihre ganze griechische Politik führten die Römer nicht ohne mißtrauischen
Seitenblick auf Antiochos, der bedrohliche Fortschritte gemacht hatte. Er
hatte 198 v. Chr. Cölesyrien vollständig okkupiert und sich darüber mit
Ägypten verständigt. Im nächsten Jahr rückte er mit Heer und Flotte gen
Westen vor und eroberte die ägyptischen Plätze an der Südküste Klein-
asiens. Die Rhodier fürchteten ein Zusammengehen des Antiochos mit Philipp
und erhoben Vorstellungen, aber nach der Schlacht bei Kynoskephalai wurden
sie anderen Sinnes und einigten sich mit Antiochos; sie benutzten nun die
Gelegenheit, die ptolemäischen Besitzungen in ihrer Nachbarschaft teils zu
befreien, teils zu annektieren. Antiochos erwarb damals vor allem EjDhesos,
auch Abydos, ging 196 v. Chr. über den Hellespont, baute Lysimacheia wieder
auf, das nach dem Abzug der Makedonen von den Thrakern zerstört worden
war, und nahm die früher ägyptischen, zuletzt von Philipp eroberten thra-
kischen Küstenstädte in Besitz, über welche die Römer im letzten Frieden
bereits verfügt hatten. Auch hier ging sein Streben auf Wiederherstellung
der Seleukidenherrschaft im früheren Umfang.
Darüber geriet er in Konflikt mit Rom, als dessen Freund er sich bisher
betrachtet hatte. Überdies wurde die römische Hilfe von den Städten Lam-
psakos,-) Alexandreia in Troas und Smj'rna angerufen, die gegen Antiochos
ihre Freiheit wahren wollten. In Lysimacheia unterhandelten die Römer
zuerst mit dem König (196 v. Chr.) ; sie beschwerten sich über seinen Über-
griff nach Europa; umgekehrt verbat sich Antiochos jede Einmischung der
Römer in Asien. Auf die Nachricht vom Tod des jungen PtolemaiosV hin
brach Antiochos die Besprechungen ab und stach schleunigst in See in der
Hoffnung, den vakanten ägyptischen Thron besteigen zu können. Als er
auf der Fahrt erfuhr, daß die Todesbotschaft sich nicht bestätigte, gedachte
er sich für diese Enttäuschung an Kypros schadlos zu halten; aber ein
Sturm, der seine Flotte zerstörte, vereitelte diesen Plan. Die ausgesprochene
Expansionspolitik des Antiochos verfehlte nicht, bei den griechischen Frei-
städten, besonders aber in Pergamon Besorgnis zu erregen. Gerade um diese
Zeit (197 V. Chr.) war Attalos I von Pergamon, von jeher ein Freund des
*) Vgl. 0. Hirschfeld, Kl. Sehr. 475.
^) Vgl. die lampsakeuische Inschrift SIG 11^ ur. 591.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 22., 135
Seleukiden, verstorben, i) Sein Sohn und Nachfolger Eumenes II (197 — 158
V. Chr.) Avollte von Antiochos nichts wissen und suchte seinen Rückhalt an
den Körnern, die er gerne in Krieg mit Syrien verwickelt hätte. Aber wie
Antiochos hielten sich auch die Römer noch zurück, war doch ein solcher
Kampf für beide Parteien ein Wagnis. Zudem waren die Römer zur Stunde
mit der Unterwerfvmg der oberitalischen Gallier^) und mit einem Aufstand
in Spanien beschäftigt; so begnügte man sich mit ergebnislosen diplomati-
schen Verhandlungen, die in Rom (Winter 194,93 v. Chr.) und später bei
Antiochos geführt wurden. 3) Die Römer waren bereit, dem König in Asien
freie Hand zu lassen, forderten aber von ihm den Verzicht auf Europa.
Statt dessen hat Antiochos in einem zweiten Feldzug (194 v. Chr.) seine
thrakischen Besitzungen noch vermehrt. So rückte der Krieg immer näher;
der nächste Anstoß mußte ihn zum Ausbruch bringen.
Er kam von Griechenland, wo sich die Lage kritisch zugespitzt hatte.
Denn die Aetoler, die geradezu die Vernichtung Makedoniens angestrebt
hatten, fühlten sich von Rom enttäuscht und zurückgesetzt; den beanspruchten
Gebietszuwachs konnten sie trotz langwierigen Verhandlungen mit dem Senat
nicht erwirken. Gleich bei den ersten Besprechungen nach dem Sieg, an
dem sie erheblichen Anteil hatten, war ihr Gegensatz zu den Römern, be-
sonders zu Flamininus, zutage getreten, um sich mehr und mehr zu ver-
schärfen; die Aetoler mußten erkennen, daß Griechenland nur den Herren
gewechselt hatte, die Römer wiederum wollten den ätolischen Bund nicht
zu mächtig werden lassen. Die Aetoler suchten nun ganz Hellas gegen Rom
aufzuwiegeln und vor allem den Antiochos in den Krieg zu treiben. Von ihnen
angestiftet, schlug zunächst 192 v. Chr. Nabis los, um sich der lazedämo-
nischen Küstenstädte wieder zu bemächtigen; dann beschlossen die Aetoler,
Antiochos zum Schutz der hellenischen Freiheit herbeizurufen und ihn zum
Generalissimus ihres Bundes zu erwählen. Schon war es ihnen gelungen,
das wichtige Demetrias zu besetzen, während ihr Anschlag auf Chalkis und
Sparta keinen Erfolg gehabt hatte. In Sparta war inzwischen Nabis den
Achäern unter Philopoimen erlegen; er wurde kurz darauf von Aetolern,
die ihm als Hilfstruppen zugesandt waren, ermordet und Sparta überfallen.
Die Mörder wurden alsbald von den Spartanern vertrieben, Philopoimen
eilte herbei und gliederte Spai'ta dem achäischen Bund ein. Von Rom aus
erschienen T. Quinctius Flamininus und andere Gesandte, darunter M. Porcius
Cato; unterstützt von einer Flottenabteilung, wirkten . sie den Umtrieben
der Aetoler entgegen.
Antiochos war unvorsichtig genug, sich durch das Vorgehen der Aetoler
zu verfrühtem Eintritt in den Krieg hinreißen zu lassen. Seit 196 v. Chr.
weilte Hannibal, von seinen einheimischen Gegnern aus Karthago zur Flucht
') Die Nachricht des Livius XXXII 8, 9. | 15, 1913, 1 if. Auch P. Scipio Africanus
27, 1, daß Antiochos 199 v.Chr. den Attalos soll an einer der Gesandtschaften teil-
angegx-ifFen habe, ist erfunden. Niese, genommen haben (Liv. XXXV 14, 5 zum
Gesch. der griech. und niaked. Staaten 11 ; J. 193; vgl. Appian, Syr.9). Daranknüpft
607,4. Vgl. M. HoLLEAUX, Klio 8, 1908, 279. i sich die Anekdote seines Zusammen-
2) S. unten S. 149. i treffens mit Hannibal in Ephesos. Vgl.
^) Über dieVerhandlungen seit 200 v.Chr. { Holleaux, Hermes 48, 1918, 75 ff.
M. Holleaux, Revue des etudes anciennes \
136 Römische Geschichte.
genötigt, bei ihm.^) Er riet dem König, die Römer mit überlegener Macht
in Italien anzugreifen, sich zu dem Behuf mit Makedonien 7a\ verbünden
und dann auch Karthago mithineinzuziehen. Aber Hannibals Einfluß wurde
durch Anwandlungen von Eifersucht und Argwohn beim König und seinen
Ratgebern beeinträchtigt. So folgte denn Antiochos dem Ruf der Aetoler
und fuhr mit verhältnismäßig kleiner Macht und unzulänglich gerüstet nach
Griechenland hinüber (192 v.Chr.); nach der Landung bei Demetrias ver-
einigte er sich mit den Aetolern und eröffnete mit dem Überfall auf eine
römische Abteilung bei Delion die Feindseligkeiten gegen Rom. Aber der
erhoffte Zulauf blieb aus; nur die Aetoler mit ihrem Verbündeten Amy-
nandros gingen mit ihm zusammen. Es gelang ihm zwar, Chalkis und ganz
Euböa zu gewinnen, auch die Böoter und im Peloponnes Elis und Messene
auf seine Seite zu ziehen, ferner die meisten thessalischen Städte und, nach-
dem er in Chalkis überwintert hatte, im Frühjahr 191 v. Chr. einen Teil
Akarnaniens zu erobern, aber Athen und der Peiraieus hielten zu Rom,
und die Achäer hatten ihm gleich nach seiner Landung den Krieg erklärt;
ja sogar Philipp von Makedonien entsagte völlig der syrischen Freundschaft
und stellte sich den Römern zur Verfügung, die ihm als Gegenleistung den
Rest der Kontribution erließen, die Geiseln zurückgaben und territoriale
Vorteile verhießen. An einen Angriff auf Italien konnte Antiochos unter
diesen Umständen nicht mehr denken, zumal da er mit seinen Rüstungen
im Rückstand war und die Leistungen der Aetoler seinen Erwartungen
nicht entsprachen. Die Römer dagegen konnten außer ihren griechischen
und makedonischen Bundesgenossen auf die Karthager und Numider, auf
Eumenes und die Rhodier rechnen; denn auch die letzteren schlössen sich
wieder an. Ein konsularisches Heer sollte nach Griechenland geworfen
werden; im übrigen rechnete Rom mit einem Angriff des Antiochos auf
Italien, weshalb die Flotte unter dem Prätor C. Livius zunächst zurückblieb.
Als 191 V. Chr. ein römisches Heer unter dem Konsul M.' Acilius (Glabrio)
zusammen mit den Makedonen gegen Hellas anrückte, mußte Antiochos
Thessalien räumen und zog sich an die Thermopylen zurück; hier wurde
er von den Römern angegriffen und völlig geschlagen.^) M. Porcius Cato
nahm als Kriegstribun an der Schlacht hervorragenden Anteil. Antiochos
floh nach Chalkis und ging von hier nach Ephesos zurück; seine helleni-
schen Bundesgenossen unterwarfen sich. Nur die Aetoler mit Araynandros
verharrten im Widerstand. Aber nach dem Fall des wichtigen Ilerakleia
am Oeta baten sie um Frieden, umsonst, da sie sich nicht, wie die Römer
verlangten, auf Gnade und Ungnade ergeben wollten; so rückte denn der
Konsul durch Aetolien gegen den Hauptwaffenplatz Naupaktos vor; aber
diese feste Stadt erwehrte sich mit Ausdauer der römischen Belagerung,
') Appian Syr. 4. Nepos Hann. 7, 6. \ Li v. XXXIII 47; vgl. a. a. O. 584, 1). Für
Justin XXXI 1, 7 ff. Die Entwicklung in ! das livianische Datum (195) tritt auch
Karthago seit Friedensschluß und Hanni- M. Holleaux ein, Hermes 43, 1908, 296 ff.,
bals politische Haltung dabei sucht Kahr- ; 48, 1913, 82, 2. Niese, der es verwirft, er-
STEDT inMELTZERsGesch. d.Karth. III581 ff. klärt es aus der willkürlichen Absicht
zu pragmatisiei-en. Hannibals Sturz, an des Livius, den Hannibal als den wahren
dem Rom nicht luibeteiligt gewesen zu Anstifter des Krieges mit Antiochos hin-
sein scheint, und seine Flucht aus der zustellen.
Heimat setzt K. in das J. 195 v. Chr. (nach [ '^) Vgl. Kromayer, Ant. Schlachtf. II 134 ff.
5. Dritte Periode: Bis ziir Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 22.) 137
bis unter Vermittking des T. Quinctius Flamininus eine Waffenruhe zustande
kam; es folgten Friedensverhandlungen, abermals ohne Erfolg, da der Senat
unbedingte Ergebung verlangte. Gleichzeitig mit diesen Ereignissen hatte
Philipp in Thessalien eine Reihe von Städten erobert, besonders Demetrias und
die Landschaft Magnesia, und auch einige ätolische Landschaften okkujjiert.
Auch zur See waren die Römer erfolgreich. Nach der Schlacht an den
Thermopylen segelte die römische Flotte unter C. Livius ins ägäische Meer
und setzte auf die asiatische Seite über. Es war von Wert, daß außer den
Rhodiern die großen Inselgemeinden, Samos, Chios und Lesbos, sich den
Römern zur Verfügung stellten und der Flotte die nötigen Stützpunkte
boten. Vereinigt mit der pergamenischen Flotte und an Stärke der Schiffe
überlegen, 1) erfocht Livius bei Korykos der Insel Chios gegenüber einen
bedeutenden Sieg über Polyxenidas, den Admiral des Antiochos. Mehrere
der griechischen Städte des asiatischen Festlandes fielen gleich darauf von
Antiochos ab und die Gegner des Antiochos beherrschten die See.
In Rom herrschte über den Seesieg berechtigter Jubel. Nunmehr konnte
der Krieg nach Asien verlegt werden ; mit der Leitung betraute Rom seinen
besten Feldherrn, den P. Scipio Africanus. Da aber Scipio erst 191 v. Chr.
Konsul gewesen war, so hätte seine Wiederwahl nach so kurzer Frist gegen
die Verfassung verstoßen. Man half sich aus der Verlegenheit, indem man
seinen älteren Bruder, den unbedeutenden L. Cornelius Scipio, für 190 v.Chr.
zum Konsul wählte und ihm in außerordentlichem Auftrag als eigentlichen
Oberbefehlshaber den Publius mit gleicher konsularischer Gewalt, mit der
Bezeichnung Prokonsul an die Seite setzte. 2) Das Flottenkommando erhielt
der Prätor L. Aemilius (Regillus). Die neuen Befehlshaber nahmen be-
deutende Verstärkungen mit.
Es war Scipios Absicht, den Krieg gegen Antiochos durch einen Angriff
auf Asien rasch zur Entscheidung zu bringen. Als er zunächst in Griechen-
land erschien, fand er dort die Kämpfe mit den Aetolern wieder im Gange.
M.' Acilius hatte Lamia erobert und belagerte Amphissa, aber Scipio wünschte
Ruhe in Griechenland. Ein endgültiger Friede wurde zwar nicht erreicht,
aber unter athenischer Vermittlung nahmen die Aetoler behufs neuer Unter-
handlungen einen sechsmonatlichen Waffenstillstand an, und Scipio hatte
also den Rücken gedeckt und konnte sein Heer auf dem Landweg durch
Makedonien und Thrakien sofort gegen Asien in Marsch setzen. Auch von
den Achäern gingen Truppen hinüber; Flamininus hatte zwischen ihnen
und den Eleern und Messeniern einen Frieden vermittelt und den Eintritt
dieser beiden Stämme in den achäischen Bund veranlaßt; dadurch wurden
die achäischen Streitkräfte für römische Zwecke frei.
Der Übergang nach Asien war vorbereitet durch die Tätigkeit der ver-
bündeten Flotte, zu der die seetüchtigen Rhodier ein starkes und regsames
Kontingent gestellt hatten. Als Stützpunkt diente den Verbündeten Samos,
') KiioMAYER a. a. 0. 157, 4. ' (Polyb.XXI 8), wird vonPolyb.XXI 10,11
^) Nach Livius ist P. Scipio Legat seines als ävdvnatog bezeichnet und nennt sich
Bruders; dies entspricht der späteren selbst auf einer Dedikation auf Delos or^a-
staatsrechtlichen Auffassung. In Wirklich- i D^yog vjiaxog. SIG 11^ 588, Z. 102.
keit ist er gleichberechtigter Befehlshaber j
J3g Römische Geschichte.
von wo die feindliche Flotte in Ephesos überwacht wurde. Von hier aus
nahm man zunächst Sestos am Hellespont. Inzwischen hatte Antiochos seine
Marine bedeutend verstärkt, auch glückten ihm einzelne Unternehmungen;
aber das Übergewicht zur See blieb auf römischer Seite. Eine syrische Hilfs-
flotte, die Hannibal von Phönizier! nach Ephesos führen sollte, wurde fernab
vom Ziel an der pamphylischen Küste von den Rhodiern besiegt. Als dann
Antiochos trotz der ausgebliebenen Verstärkung eine Seeschlacht wagte,
erlitt er bei Myonnesos zwischen Ephesos und Kolophon eine vollständige
Niederlage.
Auch in Vorderasien war Antiochos nicht unbestritten Herr; seine An-
griife auf Eumenes und die Stadt Pergamon scheiterten, und sein Freimd
Prusias von Bithynien ließ sich von den Römern zur Neutralität bestimmen.
Immerhin hatte der Seleukide inzwischen aus allen Provinzen seines Reiches
ein großes Heer aufgeboten, wozu ihm auch seine vorderasiatischen Bundes-
genossen, die Galater, Paphlagonen, der lykische Bund und Ariarathes von
Kappadokien Zuzug leisteten. Er zog nur die Konsequenz aus seiner mari-
timen Schwächung, wenn er alle Kraft für die bevorstehende Entscheidung
auf asiatischem Boden konzentrierte, und auch Lysimacheia als nutzlos ge-
wordenen Außenposten aufgab.^) Ungehindert gelangten die Römer über
den Hellespont. Antiochos, der sich auf sein eigenes Gebiet nach Lydien
zurückgezogen hatte, knüpfte Unterhandlungen an; er erbot sich, den um-
strittenen Seestädten die Freiheit zu belassen und Europa aufzugeben; allein
die anspruchsvoller gewordenen Römer verlangten jetzt Abtretung aller
syrischen Besitzungen diesseits des Tauros, d. h. der vorderasiatischen Land-
schaften. Auf solche Forderungen konnte Antiochos nur mit den Waffen
antworten. Am Fluß Phrygios, nicht weit von Thyateira und Magnesia am
Sipylos kam es im Spätherbst 190 v. Chr. zu einer Schlacht, in der auf
römischer Seite Cn. Domitius an Stelle des erkrankten P. Scipio den Befehl
führte. Das große, aber bunt zusammengewürfelte Heer des Antiochos wurde
besiegt, seine Kerntruppe, die 16000 Mann starke Phalanx aufgerieben, ohne
überhaupt zum Angriff vorgegangen zu sein. 2) Entscheidenden Anteil am
Sieg bei Magnesia hatten die leichten Truppen und besonders die römisch-
pergamenische Kavallerie, die Eumenes führte. Unter dem frischen Eindruck
des Sieges öffneten die großen vorderasiatischen Städte, Ephesos, Sardes,
Magnesia u. a., den Römern ihre Tore. Antiochos verzichtete auf weiteren
Widerstand und verstand sich zu den nunmehr verschärften Bedingungen,
die Rom ihm stellte. Der König mußte über den Tauros zurückweichen
(an der Küste bis über Pamphylien hinaus), 15000 Talente (70731000 Gold-
mark) in zwölf Jahresraten zahlen und sich verpflichten, nur zehn größere
Kriegschiffe und keine Kriegselefanten mehr zu halten. Auch mußte er ver-
sprechen, hervorragende Römerfeinde, darunter den Hannibal, auszuliefern.
Diese Bedingungen wurden in Rom unter Anhörung der römischen Bundes-
genossen im Sommer 189 v. Chr. vom Senat näher bestimmt. Im Frühsoramer
1) Erst Kromayer, Ant. Schlachtf. II j ^) Über die Schlacht bei Magnesia s. Liv.
160 ff. hat die Kichtigkeit dieses von an- | XXXVII 38 ft"., AppiauSyr. 31 ft'., beide aus
tikeu und modernen Kritikern als kopflos | Polybios; vgl.KR0MAYERa.a.0.II15.iff.und
verurteilten Entschlusses erkannt. | über die Quellen im besonderen S. 213 ff.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 22.) 139
des nächsten Jahres kam der Friede zur Ratifizierung.^) Die von Antiochos
abgetretenen Landschaften, besonders Lydien, Phrygien und Karien, der
thrakische Chersones, zum Teil auch Pamphylien, fielen an Eumenes von
Pergamon, der damit den Löwenanteil davontrug; Karien südwärts vom
Mäander und Lykien kamen an Rhodos; die hellenischen Städte wurden
großenteils für frei erklärt, einige, vor allem Ephesos und mehrere helles-
pontische Plätze, erhielt Eumenes. Vor dem Friedensschluß hatte der Nach-
folger der Scipionen, Cn. Manlius (Vulso) mit pergamenischen Hilfstruppen
noch eine Expedition durch die Kibyratis und Pamphylien und von hier
nordwärts gegen die Galater unternommen. Die durchzogenen Landschaften
wurden gebrandschatzt, die Galater in zwei Schlachten geschlagen. 2) Sie,
wie die anderen Bundesgenossen des Antiochos, Ariarathes IV von Kappa-
dokien und die Paphlagonen, sahen sich genötigt, um Frieden zu bitten,
der ihnen bald danach in Ephesos gewährt wurde. Alle behielten ihre Ge-
biete im wesentlichen ungeschmälert. Ariarathes schloß sich auf Gedeih und
Verderb an Rom und Eumenes, seinen künftigen Eidam, an; die Galater
wurden der Aufsicht von Pergamon unterstellt. Nachdem alles geordnet
war, kehrte (188 v. Chr.) Manlius auf dem Landwege durch Thrakien und
Makedonien zurück. Unterwegs erlitt das beutebeladene römische Heer durch
thrakische Überfälle ziemliche Verluste.
Um dieselbe Zeit (190/89 v. Chr.) hatten in Griechenland die Aetoler die
Waffenruhe mit Rom benutzt, um den Makedonen einen Teil ihrer letzten
Eroberungen wieder zu entreißen und den vertriebenen Amynandros von
Athamanien in sein Land zurückzuführen. Vergebens bemühten sie sich
dann nach der Schlacht bei Magnesia um einen günstigeren Bescheid des
römischen Senats, der jedoch auf bedingungsloser Unterwerfung bestand; so
begann der Krieg im nächsten Jahr (189 v. Chr.) von neuem. Der Konsul
M. Fulvius Nobilior rückte mit Heer und Flotte vor Ambrakia, gleichzeitig
griffen die Makedonen und andere römische Bimdesgenossen das ätolische
Gebiet von mehreren Seiten an. Da sich aber Ambrakia gegen alle römi-
schen Angriffe zu halten vermochte, und überdies Rhodos und Athen ein
gutes Wort einlegten, so gewährte Nobilior den Bitten der Aetoler ge-
neigteres Gehör. Gegen Übergabe Ambrakias wurde auf unbedingte Er-
gebung verzichtet und ein Friede verabredet, der auch die Billigung des
Senates fand. Die Aetoler mußten auf alles, was ihrem Bund seit 192 v. Chr.
an Land und Leuten entfremdet war, verzichten, eine beträchtliche Kon-
tribution zahlen, Geiseln stellen und die Oberhoheit Roms anerkennen. 3)
Aus Ambrakia, der einstigen Residenz des Pyrrhos, wurden von Nobilior
viele Kunstwerke nach Rom entführt und auf Italien verteilt. "*) Der letzte
Akt des Krieges spielte auf Kephallenia, von wo aus die römischen See-
transporte des öfteren beunruhigt worden waren. Die Insel war vom äto-
lischen Frieden ausdrücklich ausgenommen. Auf die Landung des M. Fulvius
hin ergaben sich die Städte bis auf Same, das erst nach längerer Belage-
1) Polyb. XXI 17. 45. Über den Frieden
mit Antiochos vgl. Mommsen, Rom. Forsch.
II 511 ff.; Ed. Meyer, Rhein. Mus. N. F. 36,
1881, 120 ff. Niese, Gesch. der griech. u.
maked. Staaten II 745 ff., 757 ff.
^) F. Stähelin, Gesch. d. kleinasiatischen
Galater, Leipzig 1907^, 50 ff.
3) Polyb. XXI 32. Livius XXXVIII 11.
*) Livius XXXVIII 9, 13. CIL I^ 615 f.
ILS 16 f.
140 Römische Geschichte.
rung fiel. Die Insel wurde, wie kurz vorher Zakynthos, von den Römern in
Besitz genommen, als nicht unwichtiger Posten an den griechischen Küsten.
Das Ergebnis der beiden letzten Kriege war die Herstellung der Hege-
monie Roms im griechischen Osten. Die Überlegenheit der römischen Waffen
galt als unbestreitbare Tatsache. Die Römer fühlten sich als die Herren
der Welt, denen nichts zu widerstehen vermochte. Die Machtverhältnisse
der hellenistischen Staaten hatten sich völlig verschoben. Makedonien war
aus Hellas fast ganz verdrängt, die Seleukiden aus Vorderasien, Äg3^pten,
Roms Freund, hatte beinahe alle auswärtigen Besitzungen verloren außer
Kypros und Kyrene. Waren so die großen Staaten geschwächt, so wurden
die kleineren, besonders die Freistädte, vermehrt und vergrößert und fanden
an Rom einen Schutzherrn gegen ihre Bedränger, aber auch einen rück-
sichtslosen Gegner, sobald ihr Ehrgeiz zu hoch griff oder sie sich von Rom
nicht gängeln lassen mochten. Denn die Römer erhoben den Anspruch, daß
in dieser Umwelt nichts von Belang ohne ihr Zutun oder ihre Sanktion
geschähe, und ihre Staatskunst gipfelte in dem Bestreben, keine Macht zu
groß werden zu lassen und die Bildung von Koalitionen hintanzuhalten.
Diese Politik wurde durch die Betroffenen selbst erleichtert. Den Gedanken,
sich gegen Rom zusammenzuschließen, durchkreuzte der Widerstreit der Inter-
essen, allseitiges Mißtrauen und das Gefühl der Schwäche. Die hellenistischen
Staaten der Seleukiden und Ptolemäer entbehrten zudem der nationalen
Einheit und Geschlossenheit; auch das junge Königreich von Pergamon war
nicht fest gefügt. Nur die Militärmacht Makedonien hatte noch immer einen
gesunden Kern.
In Griechenland umfaßte der achäische Bund, der im letzten Krieg treu
zu Rom gehalten hatte, jetzt den ganzen Pelojionnes. Aber er lag in be-
ständiger Fehde mit Messene und Sparta, die ihm beide nur widerwillig
angehörten; fast Jahr für Jahr beschäftigten diese Händel den römischen
Senat. In Sparta und Messene tobten Partei- und Verfassungskämpfe, die
Römer wurden angerufen und schenkten auch den Gegnern der Achäer Gehör.
Von Rom aus ermutigt, sagte sich Messene von den Achäern los, worauf diese
zu den Waffen griffen. Damals fiel ihr siebzigjähriger Strateg Philopoimen
in die Hände der Messenier, die ihn im Gefängnis vergiften ließen (183 v.Chr.),
in demselben Jahr, in dem auch Hannibal und Scipio Africanus endeten.
Die Achäer unternahmen einen Rachezug gegen Messenien, wurden aber
schließlich nach langen Unterhandlungen trotz allem Widerstreben von Rom
gezwungen, die in Sparta und Messene gegen ihre Gegner getroffenen Maß-
nahmen aufzuheben oder zu mildern (178 v. Chr.). In diesem und in ähn-
lichen Fällen, so bei den Zwistigkeiten innerhalb des ätolischen Bundes,
spielten stets die Römer den Schiedsrichter. Es gab ja allenthalben in
Griechenland ehrgeizige Streber, die mit römischer Hilfe ihre politischen
Feinde zu beseitigen und selbst ans Ruder zu kommen hofften; diese ge-
wissenlosen Elemente waren den Römern in allem zu Willen. Im achäischen
Bund ist Kallikrates der Typus eines solchen Römlings.
Vorderasien war in eine Anzahl Staaten von etwa gleicher Stärke ge-
teilt, die sich vielfach befeindeten. Schon 186/85 v. Chr. kam es zum Krieg
zwischen Eumenes von Pergamon und seinem Nachbar Prusias von Bithy-
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 22.) 141
nien, in dessen Diensten damals Hannibal stand. Am Seleukidenhof infolge
des römischen Auslieferungsverlangens unmöglich geworden, hatte sich
Hannibal zunächst für einige Zeit nach Kreta begeben i) und von dort nach
Bithynien, wo er im Krieg gegen Pergamon in einer Seeschlacht seinen
letzten Sieg erfocht. Die Römer stifteten um 184 v. Chr. Frieden; bald da-
nach kam Flamininus in diplomatischer Mission zu Prusias und benutzte
die Gelegenheit, -die Auslieferung Hannibals zu verlangen; Prusias bewilligte
sie, worauf sich der Sieger von Cannae der Gefangennahme durch Selbst-
mord entzog (183 V. Chr.). 2) Langwieriger und bedeutsamer als der Krieg
gegen Prusias war ein Krieg des Eumenes und Ariarathes von Kappadokien
gegen Pharnakes, den König des pontischen Kappadokien, und seine Ver-
bündeten, dessen Anlaß in Galatien zu liegen scheint, wo sich Pharnakes,
der sich außerdem durch Überfall der freien Stadt Sinope bemächtigt hatte
{183 V. Chr.), einmischte. Auch die Pontusstädte, Armenien und die nörd-
lichen Anwohner des schwarzen Meeres wurden in den Kampf verwickelt;
selbst Seleukos IV von Syrien, der Nachfolger des Antiochos, machte An-
stalten, sich zugunsten des Pharnakes zu beteiligen. Wiederholt intervenierte
der Senat, aber mehr hemmend als fördernd; denn es lag nicht im römi-
schen Interesse, daß Eumenes zu mächtig wurde. Erst 179 v. Chr. wurde
der Kampf durch einen energischen Angriff des Ariarathes und Eumenes
zum Nachteil des Pharnakes beendigt und der Friede erzwungen. 3)
Das Reich der Seleukiden hatte zwar noch immer großen Gebietsumfang,
entbehrte aber der Konsolidierung auseinanderstrebender Teile. Das An-
sehen der Krone hatte durch die Niederlage im Ringen mit Rom sehr ge-
litten, die Provinzen östlich von Medien gingen wieder verloren, die Finanzen
des Reichs waren durch die römische Kriegskontribution schwer belastet.
Nicht lange nach dem Frieden, schon 187 v. Chr., wurde Antiochos III von
Aufständischen in der Elymais erschlagen. Ihm folgte sein Sohn Seleukos IV
Philopator (187 — 175 v. Chr.), ein schwacher Fürst, dem Schwierigkeiten im
Innern und nach außen ein Konflikt mit Ägypten zu schaffen machten.
Die Römer beobachteten die Seleukiden beständig mit Mißtrauen und taten
alles, um das Reich noch mehr zu schwächen, eine Politik, die durch Streitig-
keiten im Schoß der königlichen Familie erleichtert wurde.
Da zeigte Makedonien denn doch eine festere Struktur und auf diesen
Staat hatten die Römer ein besonders wachsames Auge. Denn der Bestand
Makedoniens bedeutete eine dauernde Gefahr für Roms Hegemonie in
Griechenland. Zum Dank für die gegen Antiochos geleisteten Dienste durfte
Philipp sein Gebiet besonders auf Kosten der Aetoler erweitern. Er nahm
Demetrias und eine größere Anzahl thessalischer Plätze, ferner das Land
der Doloper, mehrere Inseln und an der thrakischen Küste Ainos und
') Auch soll er für Artaxias von Groß- Der Verdacht, dafs mit absichtlichem Syn-
ai-menien den Plan der neuen Hauptstadt chronismus der Tod der drei Feldherrn in
Artaxata entworfen haben. Vgl. Ed. Meyer, das nämliche Jahr gesetzt wurde, liegt
Ursprung und Anfänge des Christentums : nahe, weshalb z.B. Lenschau.PW VII 2349 f.
II, 1921, 217, 2. I das angebliche Datum des Polyb. (182)
2) Nach Liv. XXXIX 50, 11 und Atticus | bezorziigt.
bei Nepos Hannib. 13, 1 starb Hannibal ^) Polyb. XXV 2 gibt den Friedens-
183 V. Chr., nach Polyb., wie wenigstens vertrag.
Nepos a. a. O. behauptet, erst 182 v. Chr. |
1^2 Römische Geschichte.
Maroneia. Aber die Römer duldeten diese Entwicklung nur mit Unbehagen
und wenn sie 189 v. Chr. den Aetolern glimpflichere Bedingungen gewährten,
so geschah es, um weitere Eroberungen Philipps zu unterbinden. Als dann
von den griechischen Feinden Philipps und von Eumenes Klagen gegen
ihn erhoben wurden, da zwangen die Römer den Makedonen in demüti-
genden Verhandlungen, einen Teil seiner griechischen Erwerbungen und die
thrakischen Küstenplätze zu räumen (185 — 188 v. Chr.). Philipp sträubte
sich lange, und sein Gegensatz zu Rom trat deutlich in die Erscheinung;
beinahe wäre es zum Krieg gekommen. Doch gelang es dem Philipp, den
Senat durch eine Gesandtschaft seines Sohnes Demetrios zu beschwichtigen.
Diesen Prinzen begünstigten die Römer nicht ohne Hintergedanken; sie
machten ihm Hoffnung auf die Nachfolge. Diese römisclien Intrigen be-
schworen eine Tragödie herauf: der ältere Bruder Perseus machte den
Demetrios, den er als Thronrivalen haßte, unschädlich (181 v. Chr.). Der
Vater Philipp hatte in dem erfolgreichen Bestreben, sein Land auf einen
neuen Krieg vorzubereiten, kein Mittel gescheut. Da ihm Griechenland ver-
schlossen war, so wandte er sich nach Thrakien; er erwarb hier in mehr-
jährigen, glücklichen Kämpfen eine bedeutende Macht und verbündete sich
weiter mit den Kelten jenseits der Donau, namentlich mit den Bastarnern.
Man schreibt ihm den Plan zu, durch einen keltischen Angriff die Römer
in Italien zu beschäftigen, um dann die Hegemonie in Hellas wieder zu er-
obern. Als er 179 v. Chr. starb, hinterließ er seinem Erben Perseus einen
festgefügten Staat mit geordneten Finanzen und einem schlagfertigen Heer.')
Perseus erneuerte zunächst seine Freundschaft mit Rom, schlug aber
dann andere Wege ein als sein Vater. Er suchte die Beziehungen zu den
Hellenen neu anzuknüpfen, und bald wirkte sich sein Einfluß um so stärker
aus, je lästiger man die Bevormundung durch das allmählich bestgehaßte Rom
empfand. Nach allen Seiten hin spann die Politik des Perseus ihre Fäden.
Er war verschwägert mit Prusias von Bithynien, Seleukos IV vermählte
ihm seine Tochter, selbst die Rhodier bekundeten ihre freundliche Gesinnung.
Bald nach seinem Regierungsantritt war, noch von Philipp veranlaßt, ein
bastarnisches Heer in Thrakien erschienen, um die Dardaner, die alten
Feinde Makedoniens, die Freunde Roms, zu vernichten, doch blieb dem Vor-
stoß der gewünschte Erfolg versagt. Die geängstigten Dardaner baten in
Rom um Hilfe und beschwerten sich über Perseus (176/75 v. Chr.). Auch
aus Illyrien und von den Thessalern und Aetolern kamen Klagen über
makedonische Umtriebe. 174 v.Chr. empörten sich dieDoloper, makedonische
Untertanen; Perseus unterwarf sie mit Waffengewalt und erschien bei dieser
Gelegenheit mit seinen Truppen in Delphi (er war seit einiger Zeit Mit-
glied der delphischen Amphiktionie), überall auf dem Durchmarsch freudig
begrüßt. Bei den Böotern waren seine Freunde in der Mehrheit; auch der
achäische Bund wurde von ihm umworben; wenn ihn auch das offizielle
Achaia abwies, so gewann er doch beim Volk Sympathien. Alle P^einde
Roms fanden an Perseus ihren Rückhalt und so ging durch ganz Griechen-
land die Spaltung in makedonische und römische Parteien; dabei hielten
') Niese, Gesch. der griech. u. makedon. Staaten III 19 ff.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangimg der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 22.) 143
die Oligarchen zu Eoni, die Demokraten zu Makedonien. In vielen Städten
tobten Parteikämpfe politischer oder sozialer Natur. Die Abneigung gegen
Kom zeigte sich in der Feindschaft gegen den Römerfreund Eumenes von
Pergamon, die sich bei den Achäorn, aber auch bei den kleinasiatischen
Hellenen bemerkbar machte. Durch solche Symptome über die Krisis be-
lehrt, in die ihre Hegemonie über Griechenland durch Perseus geriet, be-
schlossen die Römer, der Selbständigkeit Makedoniens ein Ende zu machen.
König Eumenes, der sich durch Perseus nicht minder bedroht fühlte,
brachte durch einen Besuch in Rom 172 v. Chr. diesen Entschluß zur Reife.
Ein Vorwand zu dem Krieg, den man wollte, war bald gefunden. Der
thrakische Dynast Abrupolis, von Perseus zur Strafe für einen Übergriff
auf makedonisches Gebiet aus seiner Herrschaft verjagt, hatte an den römi-
schen Senat appelliert, der sich nun nachträglich seiner annahm. Auch an
einem Attentat, dem Eumenes auf der Heimreise in Delphi beinahe zum
Opfer gefallen wäre, maß man in Rom die Schuld dem Perseus bei. Da
aber die Römer im Unterschied von Perseus zum Krieg noch nicht gerüstet
waren, so ließen sie, um Zeit zu gewinnen, den diplomatischen Apparat
spielen. Perseus ging in dem Wunsch, den Krieg zu vermeiden, auf die
Verhandlungen ein, zu jedem Entgegenkommen bereit, sofern nur seine
Selbständigkeit unangetastet bliebe. Die Waffenruhe, zu der er sich durch
den schlauen Unterhändler Q. Marcius Philippus bestimmen ließ, benutzten
die Römer, um den bereits für Makedonien gewonnenen böotischen Bund
zu sprengen, die Mehrzahl der böotischen Städte auf ihre Seite zu ziehen,
wie überhaupt die Griechen zu umgarnen. In Rom wurde der Friedens-
schritt des Perseus endgültig abgewiesen und 171 v. Chr. der Krieg eröffnet;
der Konsul P. Licinius (Crassus) setzte nach Makedonien über. Rom hatte
die Übermacht; alle früheren Bundesgenossen, vor allem Pergamon, aber
auch Rhodos und die Achäer stellten sich zur Verfügung. Perseus war fast
ganz isoliert und mußte den Römern die See völlig überlassen. Trotzdem ging
er nicht ohne Zuversicht in den Kampf. Die ersten Treffen waren für ihn
günstig; in einer großen Reiterschlacht bei Sykyrion in Thessalien wurden die
Römer besiegt; allenthalben brach die Sympathie für Perseus hervor. Aber
er wagte seine Erfolge nicht auszunutzen, suchte vielmehr erneut um Frieden
nach, den ihm Rom nur bei bedingungsloser Ergebung gewähren wollte.
Nach mehreren kleineren Gefechten räumte er Thessalien, wo die Römer
dann einige seiner Städte eroberten. Währenddessen lag die römische Flotte
vmter C. Lucretius in Chalkis, und von hier aus wurden die zu Makedonien
haltenden böotischen Städte Haliartos, Thisbe und Koroneia erobert und
zerstört. Aber auch Chalkis hatte zu leiden, wie denn überhauj^t die Römer
durch schlechte Disziplin der Truppen, Habgier der Führer und unnötige
Härte bei ihren griechischen Bundesgenossen Mißstände schufen, die der
Senat später abzustellen suchte.') Die Hellenen wurden mit Argwohn be-
handelt, ihren Kontingenten schrieb man die Schuld an der Niederlage bei
Sykyrion zu und einige Aetoler wurden zur Bestrafung nach Rom de-
portiert. Auf die weitere Hilfe der griechischen Bundesgenossen verzichteten
') Liv. XLIII 17, 2. Polyb. XXVIII 3, 3. Vgl. den Senatsbeschlufs für Thisbe SIG
11^ nr. 646.
144 Römische Geschichte.
die Kcimer; nur Eumenes und Prusias blieben aktiv beteiligt. Eumenes
griff Makedonien von Osten her an und fesselte dadurch einen Teil der
feindlichen Streitkräfte.
Der nächste Feldzug (170 v.Chr.) hatte keinen besseren Erfolg. Vergebens
versuchte der Konsul A. Hostilius zweimal in Makedonien einzudringen, auch
die Flotte unter L. Hortensius richtete außer der Eroberung Abderas nichts
Wesentliches aus. Dagegen drang Perseus, zu dem der epi rotische Stamm
der Molosser übergetreten war, in Illyrien vor und knüpfte mit dem König
Genthios, dem Sohn des Pleuratos, Verbindungen an, die im nächsten Jahr
zum Bündnis führten. Aus Epirus wurden die Römer vertrieben. Eine starke
makedonische Partei gab es auch bei den Aetolern, und beinahe wäre es
dem Perseus durch einen überraschenden Marsch gegen Stratos geglückt,
das ganze Volk auf seine Seite zu ziehen (Winter 170/69 v.Chr.). Erst der
Nachfolger des Hostilius, der Konsul Q. Marcius Philippus, entschloß sich
zu einem energischen Vorstoß, der ihn von Thessalien her über den Olymp')
nach Makedonien führte (169 v.Chr.); damit kombiniert war eine Aktion
der vereinigten römisch-pergamenisch-bithynischen Flotte, die an der make-
donischen Küste landete und sogar Thessalonike, Kassandreia und Demetrias
angriff. Aber bald kamen die Römer in Makedonien wieder zum Stehen;
Perseus behauptete sich in einer festen Stellung am Fluß Elpeios, und im
nächsten Winter (169/68 V. Chr.) konnte er sein Bündnis mit Genthios zum
Abschluß bringen. Der Illyrier sagte sich von Rom los, nahm eine römische
Gesandtschaft an seinem Hofe fest und rüstete sich zum Angriff auf die
römischen Besitzungen in Illyrien. Auch bei den Kelten jenseits der Donau
hatte Perseus mit dem Ergebnis werben lassen, daß ein großes Keltenheer,
besonders von Bastarnern, unter Klondikos den Strom überschritt und seine
Dienste anbot. Aber da Perseus in falscher Sparsamkeit am Sold herunter-
handelte, so kehrten die Barbaren schließlich wieder um. Noch schnöder
verfuhr Perseus mit Genthios, den er fast um den ganzen ihm versprochenen
Subsidienbetrag prellte.
Wenn sich auch Perseus die wertvolle Hilfe der Kelten hatte entgehen
lassen, so war doch die Lage Roms nicht die beste. Unerwartet erschien
im Frühjahr 168 v. Chr. eine makedonische Flotte im ägäischen Meer und
tat den Feinden mancherlei Abbruch. Auch fand Perseus mit seinen wieder-
holten Hilfs- und Vermittlungsgesuchen bei einigen Staaten Gehör; er wandte
sich an Antiochos Epiphanes, an Ägypten und an Rhodos, selbst bei Eumenes
scheint er sondiert zu haben. Die Ägypter waren nahe daran, ihm zu
willfahren,-) und jetzt (Anfang 168 v. Chr.) ließen sich die Rhodier auf An-
regung des Konsuls Q. Marcius Philippus wirklich dazu bestimmen, die
Friedensvermittlung zu übernehmen, nachdem sie schon vor Ausbruch des
Krieges (172 v. Chr.) im Gegensatz zu Eumenes für den Frieden zu wirken
versucht hatten. Die Römer boten noch einmal allem auf, um den Krieg
rasch zu beenden; sie sandten einen tüchtigen Feldherrn, den Konsul
L. Aemilius Paullus, ein Mitglied des Scipionenkreises und vornehmlich in
^) Diesen Zug machte Polybios mit ^) Niese, Gesch. der griech. u. makedon.
(XXVIII 12). Vgl. über den Ofympüber- Staaten III 145.
gang J. IvROMAYER, Ant. Schlachtf. II 267 ff.
5. Dritte Periode : Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v.Chr.). (§22.) 145
den spanischen Kärnj^fen bewährt, mit ansehnhchen Verstärkungen nach
Makedonien ab. Mit der von ihm gründhch reorganisierten Armee zwang
Aemihus Paulhis durch eine glückhche Umgehung den Perseus, seine feste
Stelkmg aufzugeben und sich bei Pydna zur Entscheidungsschlacht zu stellen.
Der Tag ist durch eine voraufgehende Mondfinsternis astronomisch genau
fixiert (22. Juni 168 v. Chr.).') Perseus' stolzes Heer wurde völlig geschlagen,
die bewegliche Manipulartaktik siegte über die starre Phalanx, das römische
Schwert über die makedonische Lanze. 2) Der König rettete sich in eiliger
Flucht nach Samothrake, wo er sich bald darauf dem Flottenprätor Cn.
Octavius mit zweien seiner Söhne ergab. Makedonien wurde in wenigen
Tagen von den Römern erobert, Widerstand fast nicht geleistet.
Schon vorher, in demselben Jahr hatte der Prätor L. Anicius den Krieg
gegen Genthios in dreißig Tagen glücklich beendigt. Der Illyrier wurde
geschlagen und in seine Hauptstadt Skodra zurückgedrängt; von vielen seiner
Untertanen im Stich gelassen, kapitulierte er vor den Römern.
Durch solche Siege wurde die letzte HoflPnung der Römerfeinde zunichte.
Behufs Neuordnung der Verhältnisse wurde dem Konsul eine Senatskommission
von zehn Mitgliedern beigegeben, die in Amphipolis ihre Maßnahmen traf. Das
Königreich Makedonien wurde aufgehoben und das Land in vier Teile zer-
schlagen, deren jeder einen Freistaat für sich bilden sollte; der politische Zu-
sammenhang dieser Distrikte untereinander wurde gelöst, die Hälfte der bisher
an den König zu entrichtenden Abgaben fiel als Tribut an die Römer. Das
Land wurde entwaffnet und in seiner wirtschaftlichen Freiheit eingeschränkt,
viele der angesehensten Makedonen mußten nach Italien übersiedeln. Auch
das illyrische Reich des Genthios wurde auseinandergerissen, und zwar in
drei Teile. Die griechischen Besitzungen des Perseus erhielten zum Teil
Autonomie. Die Inseln Lemnos. Imbros und Skyros und die böotische Stadt
Haliartos, ebenso Delos wurden den Athenern überwiesen. Zugleich erging
über die Hellenen, deren feindliche Gesinnung sich während des Krieges
gezeigt hatte, ein strenges Strafgericht. Hellas behielt zwar dem Namen
nach seine Freiheit, wurde aber in Wirklichkeit seiner Selbständigkeit be-
raubt und stark umgestaltet. Nicht nur die notorischen Römerfeinde wurden
bestraft und verfolgt, sondern auch die Verdächtigen und alle, welche ihr
Rückgrat vor Rom nicht beugen mochten. Bei der Auswahl ließen sich die
Römer von ihren eigenen Parteigängern, den politischen und persönlichen
Gegnern der Angeschuldigten leiten. Niemand wagte sich zu widersetzen
oder die Verfolgten zu schützen. Wohl am härtesten wurden die Aetoler
betroffen, bei denen Einheimische im Einvernehmen mit Rom die Exekution
ihrer makedonisch gesinnten Landsleute übernahmen; auch Deportationen
nach Rom fanden statt. Der ätolische Bund verlor einen großen Teil seines
damals noch ansehnlichen Bestandes und wurde im wesentlichen auf den
ursi^rünglichen Umfang beschränkt; die Akarnanen mußten Leukas abtreten.
') Liv. XLIV 37, 5. Plutarch Aemil. 17. I tember. DieFinsterniserwähntauchPolyb.
Justin. XXXIII 1,7. F. K. Ginzel, Spe- ! XXIX 16 [6], dessen Zeugnis durch Beloch,
zieller Kanon der Sonnen- u. Mondfinster- j Klio XV, 1918, 413 nicht entkräftet ist.
nisse, Berl. 1899, 192. Das julianische Da- I ^) Über den Verlauf der Schlacht s. Kko-
tuni entspricht nach dem damaligen rö- t mayek, Ant. Schlachtf. II 310 fF. und Ed.
mischen Kalender angeblich dem 4. Sep- | Meyer, SB. d. Berl. Ak. 1909, 780 ff.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 10
;[46 Römische Geschichte.
Aus fast allen griechischen Staaten wurden Verdächtige nach Rom verbracht,
die Achäer nicht ausgenommen. Dem achäischen Bund muteten die Römer
sogar ein generelles Todesurteil gegen die nicht einmal namhaft gemachten
Anhänger des Perseus zu, welch summarisches Blankoverfahren denn doch
abgelehnt wurde; schließlich wurden etwa tausend angesehene Achäer nach
Rom überführt, angeblich um sich dort zu rechtfertigen. Unter ihnen be-
fand sich Polybios, der Sohn des Lykortas, der spätere Historiker. Ohne
weitere Untersuchung wurden diese Achäer gleich den übrigen Unglück-
lichen aus Griechenland in den Städten Italiens interniert.
Zum Abschluß seiner Tätigkeit veranstaltete Aemilius Paullus in Amphi-
polis große Siegesfeste, zu denen er die griechischen Gemeinden in Europa
und Asien, sowie die befreundeten Herrscher einlud. Dann kehrten Heer
und Flotte, mit ungeheurer Beute beladen, nach Italien zurück (167 v. Chr.).
Auf dem Heimweg vollzog der Konsul bei den Molossern, die Anicius im
Vorjahr unterworfen hatte, das Werk der Vernichtung; es wurden siebzig
Städte zerstört und 150000 Einwohner in die Sklaverei verkauft. In Rom
feierten die siegreichen Feldherren prächtige Triumphe, zuerst Anicius, dann
Cn. Octavius, zuletzt Aemilius Paullus. Die eingebrachte Beute, darunter
der königliche Schatz Makedoniens, war so groß, daß das tributum, die
direkte Steuer, für die Bürger fortan auf lange Zeit in Wegfall kam.*)
Perseus, im Triumph mit aufgeführt, starb einige Zeit später (165 v. Chr.)
in Alba am Fucinersee, wo er mit seiner Familie in unwürdiger Gefangen-
schaft gehalten worden war.
Roms Rache an den Freunden Makedoniens beschränkte sich nicht auf
das griechische Festland, sondern griff auf die Inselwelt über. Die Delier,
die sich makedonischer Gesinnung verdächtig gemacht hatten, wurden aus
ihrer Heimat vertrieben, ihre Insel kam an Athen als Freihafen, der, zur
Stütze und Förderung des römischen Handels bestimmt, bald große Be-
deutung erlangte. Die Seerepublik Rhodos, Roms alte treue Bundesgenossin,
die sich auch an diesem Krieg beteiligt hatte, mußte für die makedonische
Gesinnung vieler ihrer Bürger und für den unwillkommenen offiziellen
Friedensschritt schwer büßen. Man hetzte in Rom sogar zum Krieg gegen
Rhodos. Schließlich gelang es, die Römer zu beschwichtigen; aber Rhodos
büßte den größten Teil seiner festländischen Besitzungen ein und geriet
in Abhängigkeit von Rom. 2) Der rhodische Seehandel litt sehr unter der
Konkurrenz des neuen Freihafens auf Delos. Da die Römer nicht ganz
ohne Grund argwöhnten, Eumenes habe sich hinter ihrem Rücken mit Per-
seus verständigen wollen, so rechneten sie auch mit ihm ab. Sie versagten
ihm jede Belohnung für seine Hilfeleistung und brüskierten ihn durch Ab-
lehnung seines Besuches in Rom; sie suchten seinen Bruder Attalos gegen
ihn auszuspielen und sogar die Untertanen aufzuwiegeln. Unmittelbar nach
der Schlacht bei Pydna geriet Eumenes in Krieg mit den Galatern, die von
Rom offen begünstigt Avurden. Zwar Avurden sie bald geschlagen (166 v.Chr.),
konnten aber dank der römischen Intervention ihre Unabhängigkeit behaupten.
^) Plut. Aemil. Pauli. 38. Marquardt, \ sich bis 166 v. Chr. hin. M. Porcius Cato
Rom. Staatsverwalt. 11^ 178. nahm sich der Rhodier in einer Rede an.
^) Die rhodische Angelegenheit zieht | Cato orig. fr. 95.
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v.Chr.). (§22.) 147
Während des makedonischen Kriegs war im Orient zwischen Ägypten
und Syrien ein Streit ausgebrochen. Auf dem ägyptischen Thron saß (seit
180 V. Chr.) der unmündige Ptolemaios VI Philometor. Die Vormundschafts-
regierung erneuerte nun den ägyptischen Anspruch auf Coelesyrien, worüber
es zum Krieg gegen Antiochos IV Epiphanes, den Bruder und Nachfolger
des Seleukos IV kam. Antiochos IV (175 — 164 v. Chr.) war ein energischer
Fürst, der die seleukidische Macht wieder zu Ansehen zu bringen wußte,
ein Freund der Hellenen und hellenischer Kultur, zugleich ein Bewunderer
Roms, wo er eine Reihe von Jahren als Geisel zugebracht hatte. Auch im
Krieg gegen Perseus hat er sich als dienstwilliger Freund der Römer ge-
zeigt. In dem Krieg mit Ägypten war die Überlegenheit auf seiner Seite;
er drang 169 v. Chr. siegreich in Ägypten ein und zwang den inzwischen
für mündig erklärten, aber nunmehr von ihm bevormundeten König zur
Nachgiebigkeit. Indes die Alexandriner revoltierten und so rückte Antiochos
168 V. Chr. ein zweites Mal in Ägypten ein und marschierte gegen Alexan-
drien. Der Hilferuf der Ägypter veranlagte den römischen Senat zur Ein-
mischung; man wollte den Seleukiden nicht zu mächtig werden lassen, und
der Sieg bei Pydna gab dem römischen Einspruch das nötige Relief. Erst
nach dieser Entscheidung erschien der römische Gesandte C. Popilius Laenas
in der Nähe von Alexandrien vor Antiochos, den er mit verblüffender Schroff-
heit zwang, Ägypten zu räumen und von dem ebenfalls erfolgreich be-
gonnenen Angriff auf Kypros abzulassen. Doch blieb Coelesyrien nach wie
vor im Besitz des Antiochos. Der einmal wachgerufene Argwohn der Römer
gegen den König wurde durch dessen Freundschaft mit Eumenes noch ge-
steigert; die Römer befürchteten eine Koalition der beiden. So atmete Rom
auf, als Antiochos 164 v. Chr. in Persis starb. Sein unmündiger Sohn An-
tiochos V Eupator mußte sich fügen, als die Römer durch eine Gesandt-
schaft die Einschränkung der seleukidischen Kriegsmacht verlangten. Aber
die Wut des Volks fand in der Ermordung des anmaßenden römischen Ge-
sandten Cn. Octavius ihren blutigen Ausdruck (163 2 v. Chr.). Bald darauf
(162 V. Chr.) wurde Antiochos Euj)ator durch seinen aus römischer Geisel-
haft geflüchteten Vetter Demetrios, den Sohn des Seleukos IV, gestürzt.
Mit Demetrios bestieg ein tatkräftiger Fürst den syrischen Thron. Er wußte
den noch immer recht bedeutenden Rest des Reiches zusammenzuhalten und
griff sogar nach Vorderasien über. Von ihm unterstützt, vertrieb 158 v. Chr.
der kappadokische Prätendent Orophernes seinen Bruder Ariarathes V und
bemächtigte sich Kappadokiens, wo er sich freilich nur zwei Jahre behaupten
konnte. Aber mochte sich Demetrios auch um die Gunst der Römer be-
mühen, er wurde doch als Feind betrachtet; von Rom ermutigt, bildete
sich eine Koalition seiner Nachbarn, der Ägypter und der Pergamener, der
Demetrios 150 v. Chr. erlag. Ein angeblicher Sohn des Antiochos Epiphanes,
Alexander Balas, wurde auf den Thron geführt, und damit beginnt für das
unglückliche Syrien eine Epoche von Thronwirren, die seine Macht unter-
gruben. Die Ägypter griffen zu und versuchten, sich im südlichen Syrien
festzusetzen, die östlichen Provinzen bis an den Euphrat fielen meist den
Parthern anheim, in Syrien errangen die großen Städte und einzelne Dy-
nasten, darunter die fürstlichen Hohenpriester der Juden aus der Familie
10*
248 Römische Geschichte.
der Hasmonäer in Jerusalem, immer größere Selbständigkeit. Die Römer
haben durch wiederholte Einmischung den Niedergang des seleukidischen
Königshauses tunlichst beschleunigt.
Ägypten war durch den Krieg mit Antiochos EpijDhanes zunächst stark
geschwächt. Dazu kam (seit 164 v. Chr.) der Zwist der feindlichen Brüder
Ptolemaios VI Philometor und Ptolemaios VIII Euergetes mit dem Über-
namen Pliyskon (d. h. Wanst), die seit der ersten Invasion des Antiochos
Epiphanes (170 v. Chr.) gemeinsam regierten. Philometor wurde vertrieben,
kehrte aber, von Rom protegiert, wieder zurück; auf Grund eines Teilungs-
vertrages wurde dem Physkon Kyrene überwiesen. Damit noch nicht zu-
frieden, verlangte er auch Kypros, und die Römer unterstützten sein Be-
gehr, um Ägypten noch mehr zu schwächen. Da sich aber Philometor dem
widersetzte, so blieb es bei dem ursprünglichen Abkommen, und Physkon
sah sich auf Kyrene beschränkt. Erst nach Philometors Tod (145 v. Chr.)
fiel auch Ägypten mit Kypros wieder an Physkon, in dessen Hand also der
ganze ptolemäische Besitz noch einmal zusammengefaßt war. Ägypten war
dank seiner territorialen Geschlossenheit, seiner fein organisierten Verwaltung
und der günstigen Finanzlage auch damals noch eine ansehnliche Macht.
Wenn Rom auch über den hellenistischen Osten nicht unmittelbar gebot
und hier nicht alles nach Wunsch ging, so war doch das Hauptziel seiner
Politik erreicht: in der unbestrittenen Rolle eines wachsamen obersten
Schiedsrichters konnte Rom das Entstehen eines kräftigen Staatsgebildes
im Keim ersticken und in seinem Interesse die Schwächung und Zersplitte-
rung der vorhandenen Gewalten befördern.
Wichtige Beiträge bei H. Nissen, Kritische Untersuchungen über die Quellen
der 4. und 5. Dekade des Livius, Berlin 1863. — Die griechisch -orientalische
Geschichte bei W. Schorn, Geschichte Griechenlands von der Entstehung des ätoli-
schen Bundes etc. — G. Hertzberg, Die Geschichte Griechenlands unter der Herr-
schaft der Römer I. — Flathe, Geschichte Makedoniens 2. Bd., Leipzig 1834. — Niese,
Geschichte der griech. und makedon. Staaten, Bd. II und III. — G. Colin, Rome et la
Grece de 200 a HO, Paris 1905, 53 ff. — Die Seleukiden: Bevan, The honse of Seleucus,
vol. II, London 1902. — E. Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu
Christi I' 165 ff. — Die Ptolemäer: Mahaffy, The empire of the Ptolem/efi, London 1895. —
M. L. Strack, Die Dynastie der Ptolemäer, Leipzig 1897. — A. Bouche-Leclercq, Histoire
des Lagides, vol. I — IV, Paris 1903 — 1907. — Zur Kriegsgeschichte: J. Kromayer, Antike
Schlachtfelder, 2. Bd., Berlin 1907.
23. Während die Römer im Osten die Hegemonie errangen, ohne eine
direkte Herrschaft auszuüben, blieb der Westen das eigentliche Fundament
ihrer Macht, das sie nach dem hannibalischen Krieg in vielen Kämpfen
befestigten und verbreiterten. Zunächst hatten sie mit den Galliern Ober-
italiens abzurechnen, vornehmlich den Bojern und Insubrern, die während
der ganzen Dauer des zweiten punischen Krieges auf Hannibals Seite unter
Waffen gestanden hatten. i) Die römischen Besitzungen, angeblich außer
Placentia und Cremona, müssen alle verloren gegangen sein. Genauere Nach-
richten fehlen; doch ist anscheinend noch im letzten Abschnitt des hanni-
balischen Krieges vielleicht im Anschluß an den Feldzug Magos (204 — 203
V. Chr.) hier gefochten worden. Neue Kämpfe begannen während des zweiten
makedonischen Krieges mit einem gallischen Angriff, dem wie es scheint
') Lauterbach, Unterss. zur Gesch. der LTnterwerfung von Oberitalien durch die
Römer, Diss. Breslau 1905.
5. Dritte Periode: Bis ziir Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 23.) 149
Placentia zum Opfer fiel (198 v. Chr.).*) Dies gab den Anlaß zur völligen
Unterwerfung der gallischen Stämme, die übrigens zum Teil mit Rom ver-
bündet waren. 197 v. Chr. waren beide Konsuln hier tätig, und schon im
nächsten Jahr wurden die Insubrer bezwungen. 2) Mit den Bojern wurde
man erst nach längeren Kämpfen etwa 191 v. Chr. fertig; sie wurden zum
großen Teil ausgerottet oder vertrieben.^) Auf dem freigewordenen Gebiet
wurden zahlreiche römische und latinische Kolonisten angesiedelt und neue
Städte gegründet, 189 v.Chr. die latinische Kolonie Bononia, 183 v.Chr. die
römischen Bürgerkolonien Parma und Mutina, dazu viele kleinere Nieder-
lassungen. Oberitalien, zunächst die Landschaft südlich vom Po, wurde in
kurzer Zeit ganz römisch und latinisch; die eingewanderte Bevölkerung ver-
mehrte sich rasch und bildet fortan einen wichtigen Bestandteil der römi-
schen Bürgerschaft, bezw. der latinischen Bevölkerung Italiens, während in
Unteritalien die oskischen und griechischen Elemente das römisch-latinische
überwiegen. Durch große Straßenbauten wurde das neue Gebiet mit Rom
und dem übrigen Italien verbunden. Bereits 220 v. Chr. hatte C. Flaminius
als Zensor die nach ihm benannte Flaminische Straße von Rom über den
Appennin nach Ariminum angelegt,^) die nun von M. Aemilius Lepidus,
Konsul 187 v. Chr., als via Aemilia bis Placentia weitergeführt wurde. Eine
weitere Verbindung — durch Etrurien — wurde durch die via Cassia her-
gestellt (171 v. Chr.). Nördlich vom Po erhielten sich gallische Stämme,
neben den Insubrern die seit langer Zeit den Römern befreundeten Ceno-
manen, ferner die Veneter. Aber auch hier war die latinische Bevölkerung
in raschem Vordringen, und das Keltentum wich an den Fuß der Alpen
zurück. Als äußerster Vorposten wurde im Nordosten Italiens, an der Grenze
der Veneter die Kolonie Aquileia gegründet (181 v. Chr.).^) Auch die be-
nachbarten illyrischen Stämme machten den Römern zu schaffen; so mußte
178 und 177 v. Chr. gegen die Istrer, 156 und 155 gegen die räuberischen
Dalmater gekämpft werden. An der illyrischen Küste entstanden schon
früh latinische Ansiedlungen, im Anschluß an die früheren hellenischen.
Die friedlichen Beziehungen, die zu den Alpenvölkern bestanden zu haben
scheinen, ermöglichten es dem italischen Kaufmann und Händler, tief in
ihr Gebiet einzudringen.
^) Polvb. XVIII 11 f. Nach Livius be- triebenen Bojer an der Donau an, was
ginnen die Kämpfe schon 201 v. Chr. mit nach Nieses Ansicht nicht deshalb be-
einem gallischen Angriff auf Placentia zweifelt werden sollte, weil Livius davon
und Cremona und setzen sich mit wech- schweigt. Vgl. Niese, Zeitschr. f. deutsches
selndem Glück in den beiden nächsten Altertum XLII (1898) 149.
Jahren fort. Ein Punier Hamilkar ist j *) Liv. per. 20. Nach Strabo V 217 hätte
dabei beteiligt. Das J. 198 v. Chr. verläuft erst der gleichnamige Sohn des Zensors,
ruhig. Vgl. Livius XXXI 2, 5. 10,21. 47,4; ' C. Flaminius, der Kollege des M. Aemilius
XXXII 7, 5. 8, 3. Vgl. XXXII 29 f. Diese Lepidus, Konsul 187 v. Chr., die via Fla-
Nachrichten, wie die verwandten bei Cas- minia angelegt, welche Nachricht Niese
siusDio(Zonaras), sind ganz unzuverlässig. akzeptierte. Vielleicht hat der Sohn das
-) Es verdient hervorgehoben zu wer- Werk des Vaters renoviert; vgl. Münzer,
den, daß die Insubrer wie die Cenomanen PW VI 2502. Über die Straßenbauten der
zu Eom seitdem in einem durch Vertrag beiden Konsuln von 187 v. Chr. s. Liv.
ifoedus) bestimmten Verhältnis standen. XXXIX 2, 6 u. 10.
Cic. 13. Balbo 32. : ^) Ob die Gründung der Kolonie mit den
'') Polyb. II 35, 4. Strabo V 213. Nach | oben S. 142 erwähnten Plänen des Königs
Strabo siedeln sich die aus Italien ver- Philip]) zusammenhängt, ist zweifelhaft.
250 Römische Geschichte.
Zum Teil gleichzeitig mit den Bojern und Insubrern wurden die Ligurer
unterworfen, zunächst die den Appennin bewohnenden nördlichen Nachbarn
der Etrusker. Zu erwähnen sind ferner die Feldzüge von 1(S7, von 186
und 180 V. Chr. Im letzteren Jahr wurde der Stamm der Apuaner von
P. Cornelius Cethegus und M. Baebius (Konsuln von 181 v. Chr.) überwunden
und nach Samnium in die Umgegend von Beneventum verpflanzt.') Bis
an den Ma-fcrae wurde das Land unterworfen; Pisa erhielt eine römische
Kolonie (180 v. Chr.) und bald darauf auch Luna (177 v. Chr.). Die west-
lichen Ligurer, die Ingauner u. a., fielen als Piraten lästig und störten den
Verkehr mit den spanischen Provinzen. Sie wurden vom Konsul L. Aemilius
Paullus empfindlich gezüchtigt (182 — 181 v. Chr.). Gegen die Statellaten 2)
focht M. Popillius 173 und 172 v.Chr. So wurden die Küstenbewohner bis
zum Massaliotischen Gebiet hin allmählich befriedet. Auf Sardinien blieb
das Innere noch lange unbezwungen, und mit den dort hausenden Völker-
schaften stand Rom dauernd auf Kriegsfuß ; die Sarden plünderten mitunter
sogar die nächstgelegenen Küsten Italiens. Ein größerer Feldzug nach Sar-
dinien (177/6 v.Chr.), den man auch als Sklavenjagd bezeichnen kann, brachte
viele Gefangene ein und scheint fürs erste Ruhe geschaffen zu haben. 3)
Ahnlich lagen die Dinge auf Korsika, wo 173 v. Chr. ein Krieg nötig wurde.
Auf der spanischen Pyrenäenhalbinsel war Roms Herrschaft zunächst
erst im Süden, in Turdetanien und den Küstenstrichen des Mittelmeeres,
gesichert; Tarraco, Sagunt, Neukarthago sowie das verbündete Gades waren
die Stützpunkte. Da die von P. Scipio Africanus getroffenen Maßnahmen
nur provisorisch waren, so bereiteten schon seinen unmittelbaren Nachfolgern
die neuen Untertanen und auch die verbündeten iberischen Könige, die man
für die Hilfe gegen Karthago mit Gebietserweiterung hatte belohnen müssen,
manche Sorge. Ernste Kämpfe verursachten die binnenländischen Stämme,
besonders die Keltiberer, die zunächst meist noch unabhängig waren. ^) An-
fangs scheint Spanien von den Römern nach dem Vorbild der Karthager
verwaltet worden zu sein. Von ihnen übernahmen die Römer auch den
Betrieb der ergiebigen Silberminen nicht weit von Neukarthago. Erst 197
V. Chr. richtete man eine regelmäßige Verwaltung ein, wobei Spanien in
zwei Provinzen, die diesseitige und die jenseitige, geteilt wurde. Die Grenze
bildete der saltiis Costidonensis (Sierra Morena), so daß Neukarthago noch
zum diesseitigen Spanien gehörte. Für jede Provinz wurde eine neue Prätur
geschaffen. Die normale Amtsdauer der spanischen Prätoren, die konsula-
rische Befugnis hatten, belief sich auf zwei Jahre. Nicht selten mußten in
kritischen Lagen die Konsuln die Kriegführung übernehmen.
Die erste Zeit nach dem zweiten punischen Krieg brachte keine größeren
Kämpfe. Aber dann erhob sich im Jahr 196 v. Chr. in der diesseitigen
^) Ihre Gemeinde trug noch in späterer : den Krieg geführt hat, muß nach Polyb
Zeit den Namen der Ligures Baehiani et
Cornelianl. Plin. h. n. III 105. Nissen, Ital.
Landeskunde II 814 f.
^) Deren Lage durch das spätere Aquae
XXV 4, Plut. Cato mai. 12 als zweifelhaft
erscheinen. Vgl. Strabo V 22-5.
■•) Die spanischen Verhältnisse sind vor
allem wegen der Unzuverlässigkeit der
Statiellae, heute Acqui in Piemont be- livianischen Nachrichten ziemlich dunkel,
zeichnet wird. Der ursprüngliche Umfang der römischen
') Liv. XLI 6. 8. 12. 17. Ob freilich, wie Herrschaft ist schwer festzustellen.
Livius angibt, Ti. Sempronius Gracchus ,
5. Dritte Periode : Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v.Chr.). (§24.) 151
Provinz ein so bedeutender Aufstand, daß für das nächste Jahr der Konsul
M. Porcius Cato dorthin entsandt werden mußte. Er schlug die Aufständi-
schen mit Hilfe keltiberischer Söldner und beruhigte rasch die ganze Provinz.
Als praktischer Mann sorgte Cato in erster Linie für seine Soldaten, doch
kam die persönliche Uneigennützigkeit seiner Verwaltung auch der Provinz
zugute. 1) Zur Zeit des Krieges mit Antiochos entstanden in der jenseitigen
Provinz größere Unruhen, die der Prätor L. Aemilius Paullus 191 — 189 v. Chr.
erfolgreich niederschlug; er siegte in zwei Schlachten und soll 250 Städte
unterworfen haben. ^) Im diesseitigen Spanien erhoben sich 181 v. Chr. die
Keltiberer in der Gegend von Complega. Ti. Sempronius Gracchus warf den
Aufstand nieder (179 und 178 v. Chr.) und bahnte durch neue Abmachungen
mit den spanischen Stämmen ein freundlicheres Verhältnis an, so daß längere
Zeit Ruhe herrschte. Früh setzt die Latinisierung Spaniens ein, die auf dem
altphönikischen Kulturboden des Südens am raschesten Wurzel schlug. Schon
Scipio Africanus hatte hier mit Soldaten seines Heeres Italica (bei Sevilla)
gegründet. Später (171 v.Chr.) kam es zu einer ähnlichen Gründung in Carteia
(bei Gibraltar). Der römische Handel erschloß sich alsbald das neue spanische
Absatzgebiet.
24. Grundzüge der inneren Geschichte. Im Gegensatz zu den Kriegen
und der äußeren Ausbreitung Roms ist über die gleichzeitige innere Ent-
wicklung von Staat und Volk nur wenig bekannt. Die zeitgenössische Über-
lieferung ist bis auf wenige Reste untergegangen, die spätere Geschicht-
schreibung ist unzuverlässig und anachronistisch und verschweigt die wich-
tigsten Dinge. Aber es versteht sich von selbst, daß der Aufschwung des
römischen Staats, die durch die großen Kriege ermöglichte Aufrichtung einer
auswärtigen Herrschaft neben der italischen Bundesgenossenschaft nicht ohne
innerpolitische Wirkung bleiben konnte.
Der Ausdehnung der Herrschaft entsprach ein Anwachsen der römischen
Bürgerschaft. Bis zur Eroberung Italiens waren beide Kurven parallel ver-
laufen; viele Bürger siedelten sich auf erobertem Gebiet an, und mit Er-
teilung des Bürgerrechts wurde nicht gekargt. Diese Politik wurde zunächst
fortgesetzt. Gleich nach dem Ende des ersten punischen Krieges richtete
man die beiden neuen Tribus Velina und Quirina auf sabinischem Gebiet
ein (241 v. Chr.), womit die Zahl der Tribus auf 35, die nicht mehr über-
schrittene Höchstzahl (S. 107), stieg. Bald darauf wurde der ager Galliens
an die Bürger aufgeteilt (233 v. Chr.). Als der zweite punische Krieg be-
endet war, wurden wieder viele Ansiedlungen geschaffen, teilweise in ünter-
italien (oben S. 130), besonders aber im gallischen Gebiet Oberitaliens, wohin
latinische und römische Einwanderer in Massen strömten (S. 149); diese
Siedlungspolitik sollte die Menschenverluste der Kriege möglichst rasch er-
') Die Berichte über Catos spanisches ' catonischen Heeres erwähnt auch Liv.
Kommando lauten sehr verschieden und XXXIV 43, 8, während er von dem spani-
illustrieren so die Unzuverlässigkeit der
jüngeren Überlieferung. Vgl. Plut. Cato
mai.lOf. NeposCato2. Appian. Iber. 39f.
Liv. XXXIV 8 ff. Nach Plut. soll Scipio
sehen Kommando des Scipio nichts weiß.
Niese behandelte es trotzdem als Tatsache.
-) Plut. Aemil. 4, der aus Polvbios schöpft.
Was Li vi US (XXXVI 2, 6; XXXVII 2, IL
Africanus den von ihm verdrängten Cato 46, 7) berichtet, weicht stark davon ab.
auf kurze Zeit in Spanien ersetzt haben. Aus der Prätur des Aemilius Paullus
Einen Senatsbeschlufs auf Auflösung des stammt die Inschrift ILS nr. 15.
152 Römische Geschichte.
setzen helfen. Dazu kam der allmähliche Aufstieg der Untertanen {cives sine
suffrar/io) zu römischen Vollbürgern, i) ein Prozeß, der freilich das städtische
Territorium nicht erweiterte. Durch die Verträge mit den Bundesgenossen
hatten sich die liömer selbst die Grenzen des in Italien für ihre Zwecke
verfügbaren Gebietes gesteckt, so daß eine weitere Ausdehnung des Bürger-
landes hier ausgeschlossen war. In den Pi'ovinzen kommen nur ausnahms-
weise auf Sizilien (in Akragas) und in Spanien römische oder latinische
Ansiedlungen vor. Wohl aber hatten sich als Nutznießer der römischen
Herrschaft viele einzelne Bürger zu Handels- oder Gewerbezwecken dauernd
in den Provinzen und bei den Bundesgenossen ansässig gemacht, wodurch
ihnen die Ausübung ihrer politischen Rechte und Pflichten in Rom faktisch
unmöglich wurde.
Als Zentrum des werdenden Reiches ist auch die Stadt Rom rasch ge-
wachsen, besonders wohl nach dem Sieg über Hannibal. So erscheint Rom
am Ausgang unserer Periode, bald nach 167 v. Chr., als Großstadt mit viel-
stöckigen Häusern und hohen Mietpreisen. 2) Die Kriegsbeute und die ge-
steigerten Einkünfte gewährten die Mittel, das Stadtbild zu verschönern
und für die Bequemlichkeit der Einwohner zu sorgen. Schon bald nach den
gallischen Kriegen wurde der Circus Flaminijfyus gebaut,^) eine Generation
später entstehen eine Reihe von öffentlichen Gebäuden, wie die Basilica
Porcia, ^) in derselben Zeit wurde die Straßenpflasterung in weiterem Umfang
durchgeführt, die von der Legende dem älteren Tarquinius zugeschriebene
große Kloake angelegt, die Hafenanlagen erweitert, eine steinerne Brücke
über den Tiber geführt;^) auch geschah viel für den Schmuck der Tempel
vnid der öffentlichen Plätze, wo die aus Griechenland entführten Kunstwerke
Aufstellung fanden. '') Auch an die großen Straßenbauten in Italien sei in
diesem Zusammenhang nochmals erinnert; zu den schon oben (S. 149) ge-
nannten kommt noch hinzu die Fortsetzung der appischen Straße über Capua
nach Brundisium und Tarent.
An der Verfassung Roms hat sich während der großen Kriege in der
Form wenig verändert. Natürlich erforderte die Ausdehnung des Staats und
der Geschäfte einen größeren Beamtenapparat. Gegen Ende des ersten puni-
schen Krieges (um 242 v. Chr.) wurde ein zweiter Prätor notwendig für die
Jurisdiktion zwischen Römern und Nichtrömern, es folgten die Provinzial-
prätoren für Sizilien, Sardinien (227 v. Chr.) und die beiden spanischen Pro-
vinzen (197 V. Chr.), so daß es nunmehr sechs Prätoren gab. Dazu traten
Präfekten, die als Vertreter des Prätors in entfernteren Teilen des städti-
schen Gebietes, namentlich in Kampanien die Jurisdiktion besorgten (S. 82).
Auch die Zahl der Hilfs- und Unterbeamten, die, den Magistraten und Kol-
legien beigegeben, als besoldete, im Amt verbleibende Gehilfen der jälirlich
wechselnden Vorgesetzten erhebliche Bedeutung gewannen, schwoll an. Da
*) Überliefert wird uns ein derartiger : ■•) 184 v. Chr. von M. Porcius Cato in
Fall, die Erteilung des Stimmrechtes an
die Orte Formiae, Fundi und Arpinum
188 V. Chr. Liv. XXXVIII 36, 7 ff.
2) Diodor XXXI 18, 2.
') Angeblich von C. Flaminius in seiner
Zensur 220/19 v. Chr. Liv. per. 20.
seiner Zensur errichtet. Liv. XXXIX 44, 7.
^) Der jt>o/(.s AemiUus, Liv. XL 51, 4 zum
J. 179 V. Chr. Vgl. XLI 27.
'^) 0. Richter, Topographie der Stadt
Rom 48 f.
5. Dritte Periode : Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§24.) 153
Rom nicht zu sparen brauchte, so gab man der ganzen staatlichen Organi-
sation einen Zug ins Große.
Während aber die Form des Staatslebens in der Hauptsache unverändert
blieb, haben sich Wesen und Inhalt gewandelt. Zu Anfang der Periode bis
zum zweiten punischen Krieg ist nicht der Senat, sondern das Volk, die
kriegerisch gesinnte, auf Expansion bedachte Bürgerschaft, der Träger auch
der auswärtigen Politik. Insofern mag man von einer Demokratie sprechen,
die einen besonders angesehenen Führer in C. Flaminius fand, dem Konsul
von 223 und 217, dem Zensor von 220 v. Chr. Dieser Mann hatte bedeu-
tenden Anteil an den gallischen Kriegen. Er hatte als Volkstribun (232
v. Chr.) die Aufteilung des ager GalUcus gegen den Willen des Senats durch-
gesetzt (oben S. 110). In seine Zeit gehört die demokratische Umgestaltung
der älteren servianischen Stimmordnung, wodurch die Centurien mit den
Tribus verschmolzen wurden und die Censusklassen gleiche Stimmen- oder
Centurienzahl (je 70) erhielten. Damit mag eine Ausdehnung der Dienst-
pflicht auf die minderbemittelten Klassen der Bürgerschaft') gemäß den
wachsenden militärischen Aufgaben zusammenhängen. Durch die Reform
der Stimmordnung wurde das Übergewicht der begüterten Klassen ein-
geschränkt. -) Das besitzlose hauptstädtische Proletariat und die Freigelassenen,
die auch nicht wehrpflichtig waren, erhielten zwar Stimmrecht, durften es
aber nur innerhalb der vier städtischen Tribus ausüben,^) wodurch sie prak-
tisch bedeutungslos blieben. Der timokratische Grundzug Roms war also
gewährt. Den Ausschlag gab der Besitz.
In der Bedrängnis des zweiten punischen Krieges kam die demokratische
Bewegung zum Stillstand. Maßgebend wurde der Senat, dessen Autorität
sich sowohl die Komitien wie die vom Volk gewählten obersten Beamten
zu beugen lernten. Diese Entwicklung war bedingt durch die zunehmenden
Schwierigkeiten, die das Regieren eines großen Staatswesens bereiten mußte
und denen die Volksversammlung je länger je weniger gewachsen war; so
wurde an Stelle des Volkes der Senat das Organ, das über die auswärtigen
Angelegenheiten und die Provinzialverwaltung bestimmte; aus dem Schoß
des Senats gingen die Beamten hervor, in ihn kehi'ten sie zurück. Dieser
Körperschaft verdankt Rom die Stetigkeit seiner Außenpolitik und die
Energie eines zähen Machtwillens. Nach innen wirkte der Senat als kon-
servatives Element und verhinderte jähe Änderungen und unvermittelte
Übergänge in der Verfassung. Im Senat saß die Nobilität, d.h. der Amts-
adel, der Träger stolzer Traditionen und reicher praktischer Erfahrung, ein
auch mit irdischen Gütern gesegneter Stand, der sich aus der Bürgerschaft
mitunter neues Blut zuführte. Der Mut, die Energie, die Geschäftskenntnis
') Wie es Polybios VI 19 darstellt. ' *) Diese Beschränkung, die aber ver-
^) Die Reform der Centurienverfassung mutlich zunächst nicht als solche beab-
kann erst nach AbschlufB der Tribuszahl sichtigt war, wird zuerst den Zensoren
(241 v.Chr.) stattgefunden haben; vgl. j von 304 v. Chr., Q. Fabius und P. Decius
MoMMSEN, Die röm. Tribus 113 f. Mommsen, zugeschrieben, was unbeglaubigt ist (Liv.
Staatsr. II 281 schrieb sie später den Zen- IX 46, 14), dann wahrscheinlich den Zen-
soren von 220 v. Chr. zu, L. Aemilius und soren von 220 (Liv. per. 20). endlich denen
C. Flaminius; das kann richtig sein, ist i von 168 v.Chr. (Liv. XLV 15). Vgl. Mommsen,
aber nicht zu erweisen. i Röm. Staatsr. I 434 f. Oben S. 85 A. 2. 86.
154 Römische Geschichte.
dieses regierenden Adels hatten Koni in erster Linie den Sieg verschafft.
Nachdem die Weltlierrschaft erkämpft war, zeigten sich freilicli auch die
Schattenseiten dieser Regierung; die herrscliende Schicht hielt sich nicht
frei von Auswüchsen des Eigennutzes und der Habsucht.') Innerhalb der
Nobilität bestanden heftige Gegensätze und Rivalitäten, und auch jetzt gab
es eine demokratische Richtung. 2) Die Komitien haben nicht etwa ihre alten
Rechte eingebüßt; ihnen steht nach wie vor die Wahl der Beamten, die
Genehmigung der Gesetze und Verträge und die oberste Gerichtsbarkeit zu.
Aber es fehlt ihnen der unmittelbare Einfluß auf die Geschäfte, die dem
Senat und den Magistraten überlassen bleiben. Die Demokratie aber hatte
kein großes Ziel, kein werbendes Programm; der Kampf ging nicht um
Lebensfragen der Nation; man stritt nur in persönlichem Ehrgeiz um die
Ämter, die an Bedeutung gewannen. Nachdem die von außen drohenden
Gefahren gebannt waren, regte sich Mißstimmung gegen die überragende
Stellung des P. Scipio Africanus und seiner Freunde, deren Tatkraft die
großen Kriege siegreich beendet hatte. Der namhafteste unter Scipios Gegnern
war M. Porcius Cato. Besonders der Krieg gegen Antiochos und die ex-
zeptionelle Beteiligung des P. Scipio an diesem Krieg scheint zu Angriffen
auf die Scipionen und ihren Anhang Anlaß gegeben zu haben. Zwar zu
einer eigentlichen Anklage ist es nicht gekommen, wohl aber sah sich der
Hannibalsieger veranlaßt, Rom und dem öffentlichen Leben den Rücken zu
kehren; er starb 183 v. Chr. in Liternum.^) Mehrere seiner Freunde, die
sich gegen Sitte und Recht vergangen hatten, wurden von Cato, als er
184 V. Chr. mit L.Valerius Flaccus die Zensur führte, zur Verantwortung
gezogen und bestraft. Bald darauf (180 v. Chr.) gelangte das Gesetz des
L.Villius {lex Villia aimalis) zur Annahme, das die öffentliche Laufbahn
durch Festsetzung bestimmter Altersgrenzen und der Reihenfolge der Amter
regelte^) und damit dem Ehrgeiz eine Schranke zog. Die unausbleibliche
Folge war, daß die unteren Amter nur noch als Durchgangsstufe zu den
höchsten galten und dementsprechend geringer bewertet wurden. Als un-
ermüdlicher und rücksichtsloser Kämpe stritt Cato gegen die Willkür der
aristokratischen Beamten; aus der Gegend von Tusculum stammend, war
er als liomo noviis in den Senat eingetreten und für seine Person der selbst-
1) Polyb. XVIII 35, 2 ff.
2) Plutarch. Tit. 18.
^) Über die sog. Scipionenprozesse vgl.
der nicht Prätor gewesen war, und daß
zur Priitur nur zugelassen werden solle,
wer die Quästur verwaltet hatte. Viel-
MoMMSEN, Rom. Forsch. II 417 ff. ; Niese, leicht waren auch zehn Dienstjahre {sti-
De annalihus Rom. observ. alterae (index lecf., pend/'a) als unerläßliche Vorbedingung für
Marburg Sommersem. 1888) p. IV f. Nicco- die Bekleidung einer Magistratur fest-
him, Eivista dt storiaanticaS (1898) S. 28 ff. gesetzt. Polyb. VI 19, 4. Vgl. Nipperdey,
Münzer, PW IV, 1475 ff. P.FnAccAno, Sind i Abhandl. d. k. Sachs. Gesellsch. d. Wiss.
storici IV, 1911, 217 ff. Unsere Kenntnis phil.hist. Kl. V (1865). Mommsen, Rom.
davon beruht allein auf einigen kurzen Staatsrecht I 505 f. In früherer Zeit gab
Notizen des Polybios XXIII 14, alles es derartige gesetzliche Beschränkungen
übrige, was Livius XXXVIII 50 f. und der Volkswahl nicht. Cicero Phil. V 47,
andere Annalisten bieten, ist spätere Aus- Tacit. ann. XI 22. Über die Verschlechte-
malung oder Erfindung. rung der Aussichten der patrizischen Be-
*) Bestimmte Angaben über den Inhalt werber durch die lex Villia atumlis s. F.
des wichtigen Gesetzes fehlen. Wahr- Münzek, Rom. Adelsparteien und Adels-
scheinlich war bestimmt, daß niemand | familien, Stuttgart 1920, 151, 207 f.
sich um das Konsulat bewerben dürfe, |
5. Dritte Periode: Bis zur Erlangung der Weltherrschaft (167 v. Chr.). (§ 24.) 155
bewußte Plebejer geblieben, der die Privilegien der Geburt nicht anerkennen
wollte; er starb 149 v.Chr.*) Einen Demokraten darf man ihn nur nennen,
sofern man sich bewußt ist, daß der römische öTj/iog, der die Komitien und
die Gerichte bildete, in dieser Zeit an sozialer Geltung etwa dem späteren
Ritterstand glich.
Die siegreichen Kriege hatten den Römern große Kapitalien zugeführt
und neue Einnahmequellen erschlossen; das Geld- und Bankwesen des
griechischen Ostens kam in Aufnahme; der römische Handel florierte. In
den Provinzen sowie bei den verbündeten und abhängigen Staaten genossen
die römischen Bürger vielfach Steuerfreiheit und andere Vorzugsrechte und
bei ihrem Talent für den Handel 2) wurden sie im Verein mit den Italikern
auf den fremden Märkten und Absatzgebieten rasch heimisch. Zum Teil in
friedlichem Wettbewerb mit den Griechen erschließen sie sich Spanien und
Numidien; bald tauchen römische Geschäftsleute auch im Osten, in Athen,
Argos und besonders auf Delos auf; ja bis hinüber nach Ägypten arbeitete
römisches Kapital, Die Hafenorte, welche den Verkehr mit Rom vermittelten,
Dikaiarcheia (Puteoli) und Brundisium, gewinnen große Bedeutung. Die
römische Bürgerschaft verliert ihren vorwiegend bäuerlichen Charakter; der
Bauer tritt zurück hinter dem neuen Typus des Unternehmers und Ge-
schäftsmanns der verschiedensten Kategorien; als Steuerpächter {pnblicani)
zu Gesellschaften zusammengeschlossen, übernehmen römische Kapitalisten
die Erhebung der Gefälle. Alle diese Geschäfte blieben dem Bürgertum
vorbehalten; dem Senator war der Großhandel und die Beteiligung an den
Pachtgesellschaften gesetzlich verboten. 3)
Die nähere Bekanntschaft mit dem Griechentum führte zu einer fort-
schreitenden Hellenisierung Roms auf allen Kulturgebieten, in Literatur,
Kunst, Philosophie, Religion, selbst im Recht. ^) Die Graecia capto, die nach
Horaz (epist. II, 1, 156 f.) den römischen Sieger ihrerseits überwand, ist in
Wirklichkeit der Hellenismus, der seine Hauptzentren in Athen, Pergamon,
Rhodos und Alexandrien hatte und nun durch unzählige Kanäle das römische
Wesen infiltrierte. Und wenn sich im Hellenismus bereits die Amalgamie-
rung des Griechentums mit orientalischen Kulturelementen vollzogen hatte,
so folgte in Rom auf die Rezeption griechischer Gottheiten der Einzug
der orientalischen; den Reigen eröffnet die phrygische Göttermutter, die
durch Vermittlung der Pergamener nach Rom kam.^) Eine Fülle von
Schöpfungen griechischer Kunst fand mit der Kriegsbeute den Weg nach Rom
und Italien; griechische Literaten, Musiker, Schauspieler, Künstler jeder Art
verdienten hier ihr Brot. Griechische Literaturwerke werden ins Lateinische
übertragen. Livius Andronicus übersetzt die Odyssee und bringt griechische
Tragödien in lateinischer Sprache zur Aufführung, Plautus und später
') Sein Leben beschreiben Plutarch und j ^) So wurde das rhodische Seerecht {lex
Cornelius Nepos. ] Rhodia) von Eom übernommen. Däreste,
^) Wir hören z. B., daß im zweiten make- Revue de phüologie 29 (1905) 1 ff.
donischen Krieg beurlaubte Soldaten Ge- ^) Wissowa, Religion und Kultus der
Schäftsreisen machten. Liv. XXXIII 29, 4. Römer, 1912^, 317 ff. Das von Livius XXIX
^) Durch eine lex Claudia, die angeblich 14, 13 gegebene Jahr der Einführung, 205
um 220 V. Chr. mit Unterstützung des C. [ v. Chr., erklärt Niese für „stark verfrüht".
Flaminius regiert wurde. Liv. XXI 63. |
156 Römische Geschichte.
Terentius bearbeiten griechische Komödien, Accius und Pacuvius Tragödien.
Und zugleich wagt man sich an eigene lateinische Dichtungen; der Kampaner
Naevius besingt den ersten punischen Krieg, und Q. Ennius, der Schützling
des Fulvius Nobilior, ein Halbgrieche aus dem messapischen Kudiae, stellt
als erster im Epos die ganze römische Geschichte in Hexametern dar.
Naturgemäß waren es die oberen Schichten der Gesellschaft, die von
der hellenischen Bildung am stärksten gepackt wurden.') Die römischen
Großen sind durchweg Philhellenen, Scipio Af'ricanus, Quinctius Flamininus,
Fulvius Nobilior, Aemilius Paullus und viele andere haben es durch die
Tat bewiesen, durch Stiftungen an griechische Heiligtümer und Teilnahme
an den griechischen Festen. 2) Mancher vornehme Römer hat sich selbst in
griechischer Literatur versucht. Im Gefolge der verfeinerten hellenistischen
Kultur hielten aber auch, als Zivilisationslaster, lockere Sitten, Luxus und
Verschwendung bei den Römern ihren Einzug; die Griechen, mit denen
man in Berührung kam, entpujDpten sich häufig als unwürdige Epigonen,
und so ist es verständlich, daß der Philhellenismus, wie er in der besten römi-
schen Gesellschaft Mode wurde, eine Reaktion des Römertums hervorrief,
das sich politisch den Graeculi weit überlegen fühlte. Der Wortführer dieser
nationalen Bewegung war der eigenwillige M. Porcius Cato, ein wirkungs-
voller Redner — er hat als erster Reden literarisch publiziert — und der
Schöpfer der lateinischen Prosaliteratur. Mit der griechischen Literatur war
er keineswegs unbekannt; für seine Origines (oben S. 16, 19) benutzte er
griechische Vorbilder und Quellen; aber mit berechtigtem Nationalstolz be-
tonte er den Ruhm der römischen Vergangenheit; sein Beispiel hat gewirkt.
Bei aller Empfänglichkeit für die hellenistische Kultur waren die Römer
doch nicht gewillt, ganz in ihr aufzugehen. Die übertriebene Graecomanie
wurde bald überwunden. Und wenn der Hellenismus auch auf das Staats-
und Rechtsleben Einfluß gewann, so nahm er doch römische Formen an
und das fremde Element assimilierte sich dem römischen Erbgut.
VI. Vierte Periode der Geschichte Roms: Bis zum Untergang
der Repubhk (28. y. Chr.).
Quellen^)
der Geschichte dieser Zeit sind zunächst die "Werke des Polybios, die Historien,
die bis 145/4 v. Chr. reichen, und ihr Anhang, die Geschichte des numantinischen
Krieges. Polybios hat zwei Fortsetzer gefunden, den Poseidonios und den Strabon.
Von ihnen scheint der ältere, Poseidonios, mindestens bis zur Diktatur Sullas
gekommen zu sein.*) Strabon, der unter Augustus in Rom lebte, dürfte etwa mit
') Wie sich das große Publikum zu grie- er noch überlebt. Die jüngsten Fragmente
chischen Kunstgenüssen verhielt, zeigt die jener Fortsetzung des Polybios bezielien
Beschreibung der Siegesfeier des Anicius sich auf den ersten mithridatischen Krieg.
167 v.Chr. bei Polyb. XXX 22. Dafs Poseidonios noch ein besonderes Werk
^) XiESE, Gesch. der griech. u. makedon. über Pompeius folgen liefj, wollte man
Staaten III 11. aus Strabo XI 492 schließen, wozu auch
^) Vgl. oben S. 15 ff., 99 f. Niese neigte: vgl. aber C.Wachsmuth, Einl.
■*) Poseidonios, der große Gelehrte und in das Studium der alten Gesch., 1895,
stoische Philosoph, geboren um 130 V. Chr. ü51, 4. Für die Fragmente s. C. Müllek,
im syrischen Apameia, ließ sich später FHG III 245 ff.
in Rhodos nieder. Das J. 60 v. Chr. hat
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). ((Quellen.) 157
dem Jahr 30 v. Chr. abgeschlossen haben.') Die uns erhaltenen Darstellungen aus
späterer Zeit mögen in der Hauptsache auf jenen zwei Werken beruhen, die ihrer-
seits die ältere zeitgenössische Literatur geringeren Umfangs absorbiert hatten. Zu
dieser Literatur gehörten auch einige Produkte römischer Herkunft, so die "Werke
des C. Fannius, Konsuls 122 v. Chr.,"'') und des P. Rutilius Rufus, der in der
Verbannung (nach 93 v. Chr.) die Geschichte seiner Zeit griechisch schrieb, die Schrift
des Q. Lutatius Catulus über sein Konsulat (102 v. Chr.), und namentlich die um-
fangreichen, griechisch abgefaßten Denkwüi-digkeiten des Diktators Sulla. Der mar-
sische Krieg und die folgenden Bürgerkriege haben mehrere Darstellungen hervor-
gerufen, wie die umfangreiche Geschichte des L. Cornelius Sisenna (Prätor 78
V. Chr.). Cicero hat die Geschichte seines Konsulats auf Griechisch geschrieben,
sowie eine Geheimgeschichte der catilinarischen Verschwörung. In politischer Ab-
sicht hat auch Caesar zur Feder gegriffen und in der anspruchslosen, scheinbar
rein sachlichen Form der commentarü (Tagebücher) eine Selbstapologie seiner galli-
schen Politik gegeben (51 v. Chr.) und in ähnlicher Weise auch den Bürgerkrieg zu
behandeln begonnen. Beide Werke, das bellum Gallicum und das helhim civile, wurden
nach Caesars Tod von A. Hirtius u. a. verbunden und ergänzt durch das 8. Buch
des gallischen Krieges, den alexandrinischen, afrikanischen und spanischen Krieg,
und so das uns erhaltene Corpus der caesarischen Schriften hergestellt. Ein Partei-
gänger Caesars war Sallustius, dessen Schriften auf die Nachwelt stark wirkten.
Nach Caesars Tod schrieb er zuerst zwei Monographien, nämlich die Verschwörung
Catilinas und den jugurthinischen Krieg (beides erhalten), zuletzt die verlorenen
Historien, Geschichte der Jahre 78—67 v. Chr., sein größtes Werk.^) Der bedeutendste
Historiker war wohl C. Asinius Pollio, ein bekannter Caesarianer und namhafter
Redner (gestorben 5 n. Chr.). Er stellte die Geschichte der Jahre 60 bis etwa 42 v. Chr.
zusammenfassend dar und ist viel benutzt worden. Als Verfasser einer Selbstbio-
graphie, die ba,ld nach 27 v. Chr. entstand, ist Kaiser Augustus zu erwähnen.
Unter den griechischen Historikern ist am bekanntesten Theophanes von
Mytilene, der Freund und Klient des Pompeius; er berichtete die Geschichte seines
Gönners, vornehmlich die mithridatischen Kriege. Für diese letzteren sind von
Wert die Auszüge des Photios (Bibl. cod. 224) aus Memnons Geschichte des pon-
tischen Herakleia. Über das nämliche Spezialthema soll dem Lexikon des Suidas
zufolge ein gewisser Timagenes, der schwerlich mit dem gefeierten, ebenfalls
historiographisch tätigen Literaten der augusteischen Zeit identisch ist,^) gehandelt
haben. Endlich sei Nikolaos von Damaskos erwähnt wegen seiner Biographie des
Augustus, deren Reste für die Zeit nach dem Tod Caesars von Interesse sind.
Unter der sonstigen Literatur sind vor allem die Schriften Ciceros wichtige
historische Quellen, seine Reden und vornehmlich seine Briefe, die uns in einzig-
artiger Weise in die Geschichte der Jahre 60 bis 43 v. Chr. intimen Einblick ge-
währen. Zu den Reden Ciceros sind noch einige wertvolle Stücke von den Ein-
leitungen und Erläuterungen des Grammatikers Q. Asconius Pedianus aus der
Zeit des Tiberius erhalten. Asconius benutzte die acta senatus populiqne Roman i, eine
amtliche Zeitung, die Caesar in seinem ersten Konsulat (59 v. Chr.) herausgeben ließ
') Strabo stamnite aus Amaseia im Pon- j ten, die zuletzt Maueenbkechee heraus-
tus, ist etwa 63 v. Chr. geboren und hat gegeben und erläutert hat. Aus Sallust
seine noch erhaltene Geographie 17 — 18 stammt das unbehilfliche Exzerpt des
n.Chr. geschrieben. Das letzte Bruchstück Julius Exuperantius (aus dem 4. oder
seiner Historien gehört dem J. 37 V. Chr. an.
^) Für die umstrittene Identifikation des
Historikers mit dem Konsul ist zuletzt F.
MtJNZER, Hermes 55, 1920, 427 ff. eingetreten.
^) Erhalten sind aus den Historien die
Reden und Briefe nebst vielen Fragmen-
5. Jahrh. n. Chr.), das hauptsächlich den
ersten Bürgerkrieg behandelt.
*) Niese hat die beiden offenbar zu-
sammengeworfen. Gegen ihre Identität:
O. Hirschfeld, Kl. Schriften 4 f.
158 Römische Geschichte.
und deren Veröffentlichung, wenn sie auch von Augustus eingeschränkt wurde, doch
bis in spätere Zeiten fortdauerte (oben S. 14).
Unter den uns erhaltenen späteren Darstellungen und Handbüchern ist am
ältesten Diodors Bibliothek, die bis 59 v. Chr. reichte und aus der wertvolle Ex-
zerpte vorliegen. Soweit ein Urteil erlaubt ist, hat Diodor aus Poseidonios geschöpft.
Zeitlich folgen die Fragmente und Auszüge des Livius, der mit dem Abbrechen
des polybianischen Werkes sich ebenfalls dessen Fortsetzer Poseidonios zugewendet
zu haben scheint. Nur wenig ergeben für unsere Periode die Fragmente der Historien
desNikolaos von Damaskos. Ertragreicher ist trotz seiner Kürze und Flüchtigkeit
der Geschichtsabriß des Velleius Paterculus (bis 30 n.Chr. geführt). Velleius wird
ausführlicher, je mehr er sich der eigenen Zeit nähert. Die Epitome des Justinus
ist vor allem für die Geschichte des Orients von Wichtigkeit. Dasselbe gilt von dem
jüdischen Historiker Flavius Josephus, der auf die Römer anläßlich ihres Zu-
sammentreffens mit den Juden zu sprechen kommt, sowohl in der Geschichte des
jüdischen Kriegs {bellum Judaicum), wie in der jüdischen Archäologie. Es folgen die
römischen Biographien Plutarchs, Ti. und Gaius Gracchus, Marius, Sulla, Sertorius,
LucuUus, Crassus, Pompeius, Cicero, Caesar, Antonius und Brutus. Plutarch scheint
die Historien Strabons benutzt zu haben. Die römische Geschichte Appians, und
zwar das iberische, lybische, illyrische, mithridatische, syrische Buch und besonders
die fünf Bücher der Bürgerkriege geben eine zusammenhängende, aber oft recht
flüchtige Darstellung der Ereignisse. Seine Quellen sind mit denen Plutarchs viel-
fach verwandt: vielleicht hat auch er den Strabon benutzt; doch ist das Quellen-
problem umstritten.*) Appian hat seine Quellen nicht immer getreu reproduziert,
sondern sich manche Abänderung gestattet. Die Geschichte des achäischen Krieges
erzählt im Zusammenhang der Perieget Pausanias VII 12 f. in einem stark ver-
kürzten, oft ungenauen Auszug, der vermutlich letzten Endes auf Polybios zurück-
geht. Dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert, wie Appian und Pausanias, mag
auch Granius Licinianus angehören, der Verfasser einer republikanischen Ge-
schichte, deren Reste sich auf die Zeit von den cimbrischen bis zu den mithridati-
schen Kriegen beziehen. Er scheint besonders den Livius ausgebeutet zu haben.
Endlich istCassiusDio mit seinen Ausschreibern, namentlich Zonaraszu nennen;
für uns beginnt seine vollständige Darstellung 67 v. Chr., auch er scheint haupt-
sächlich auf Livius zu beruhen.
Die Chronographie, eine Schöpfung der hellenistischen Wissenschaft, wird
durch das inschriftlich erhaltene Bruchstück einer griechischen Zeittafel ^) und durch
die Fragmente Phlegons,^) des Freigelassenen Hadrians, vertreten. Der Haupt-
stock der chronographischen Literatur liegt uns in der Chronik des Eusebios vor,
die weiterhin unter den Quellen der fünften und sechsten Periode (unter VI und VII)
noch zu erwähnen sein wird.
25. Befestigung und Erweiterung der römischen Herrsciiaft: Spa-
nische Kriege. ^) Nach längerer Ruhe (S. 151) brach um das Jahr 154 v. Chr.
m Spanien ein bedrohHcher Aufstand aus, der infolge der brutalen Methoden
der römischen Feldherren großen Umfang annahm, den Römern schwere Ver-
luste bereitete und eine Periode neuer Verwicklungen einleitete. Die Revolte
') Vgl. Ed. Schwaktz, PW II 216 ff. Aaszüsre aus Livius. Erwünschte Ergän-
2) IG XIV 1297.
3) FHG III (>02 ff.
*} Eine zusammenhängende Darstellung
zung bietet die neu gefundene Epitome
des Livius auf einem Papyrus aus Oxy-
rhynchos. Kornejiann, Klio, 2. Beiheft,
der spanischen Kriege gibt Appian, Iber. 99 ff. Vgl. oben S. 8 Anm. 2. — Über die
44 ff. Dazu kommen außer verstreuten Kriege Roms sresren die Kel tiberer vgl.
o"-o^
Notizen die spärlichen Reste des Polybios, A. Schulten, Numantia I, München 1914.
einige Exzerpte aus Diodor, endlich die
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§25.) 159
entstand bei den Lusitanern und zugleich bei den keltiberischen Stämmen
der Beller (im Quellgebiet des Tajo bei Segida) und Titter, die sich mit
den ebenfalls keltiberischen Arevakern (bei Numantia am Duero) verbanden.
In Rom hielt man es für geboten, einen der Konsuln, Q. Fulvius Nobilior,
mit der Leitung des Krieges zu betrauen. Bei dieser Gelegenheit wurde der
Antrittstag der Konsuln vom 15. März auf den 1. Januar verlegt (153 v.Chr.).
Nobilior holte sich vor Numantia mehrere Niederlagen, ^) und der Aufstand
griff weiter um sich. Sein Nachfolger M. Claudius Marcellus (Konsul von
152 v.Chr.) konnte zwar eine Verständigung anbahnen. Aber der Senat wollte
davon nichts wissen und bestimmte zur Fortsetzung des Krieges den Konsul
L. Licinius Lucullus (151 v. Chr.). Bei den neuen Rüstungen zeigte sich, wie
unpopulär der gefährliche Krieg war; denn die Aushebung machte Schwierig-
keiten; damals erwarb sich P.Cornelius Scipio Aemilianus,^) der Sohn des
Aemilius Paullus, das Verdienst, durch freiwillige Meldung seinen Mitbürgern
ein aufmunterndes Beispiel zu geben, das tiefen Eindruck machte. 3) Er be-
gleitete den Lucullus als Kriegstribun. Unterdessen hatte Marcellus die
Arevaker und ihre Bundesgenossen wirklich zur Ergebung gebracht, jedoch
der beutegierige Lucullus brach den Krieg aufs neue vom Zaun durch einen
Angriff auf die bis dahin befreundeten Vaccäer, die westlichen Nachbarn
der Arevaker, hatte aber geringen Erfolg und erregte auch durch seine
perfide Grausamkeit neue Unruhe.
Inzwischen wurde der Krieg gegen die Lusitaner von den Prätoren des
jenseitigen Spanien geführt. Den Römern brachten der feindliche Führer
Punicus und seine Nachfolger des öfteren empfindliche Schlappen bei. Die
jenseitige Provinz, selbst die afrikanische Küste wurde von den Lusitanern
heimgesucht (151: — 151 v. Chr.). Zuletzt (151 v. Chr.) wurde der Prätor Ser.
Sulpicius Galba geschlagen, vereinigte sich aber im nächsten Jahr mit dem
Konsul Lucullus zu gemeinsamem Angriff, der die Lusitaner zum Frieden
nötigte. Viele von ihnen, welche die Waffen niedergelegt hatten, liefs er
gegen sein gegebenes Wort niederhauen oder als Sklaven verkaufen. Er
wurde deshalb in Rom vor das Volksgericht gestellt, aber freigesprochen,
obwohl der alte Cato gegen ihn aufgetreten war (149 v. Chr.). Die Lusitaner
erhoben sich bald aufs neue und nahmen ihre Plünderungen wieder auf.
Der Prätor C.Vetilius^) erfocht zwar einen Sieg über sie, dann aber er-
koren sie sich (1-17 v. Chr.) in der Person des Viriathus '^) einen Führer von
hohen Qualitäten. Erst dessen umsichtige Leitung brachte System in den
Kampf gegen Rom. Vetilius wurde geschlagen, gefangen und getötet: wieder-
holt ei'lagen die Römer dem Viriathus, der sich acht Jahre lang erfolgreich
zu behaupten vermochte; seit 145 v. Chr. wurde statt der Prätoren jeweils
einer der Konsuln auf den gefährlichen Kriegsschauplatz entsandt, zuerst
Q. Fabius Maximus Aemilianus.*^) Dessen Adoptivbruder Q. Fabius Maximus
') Die erste an den Volcanalien (23. Au- vinz verwaltet zu haben,
gust) 153 V. Chr. *) A. Schulten, Viriatus, Neue Jahr-
2) E. LiNCKE, P. Cornelius Scipio Aemi- ; bücher 31», 1917, 209 ff.
lianus, Progr. Dresden 1898. Münzer, PW j ^) Die Keihenfolge der Befehlshaber im
IV 1439 ft\ ! jenseitigen Spanien ist nach Koknemann
3) Polyb. XXXV 4. ; folgende: Auf Vetilius (147,6 v. Chr.) folgt
*) Er scheint 147 — 146 v. Chr. die Pro- | C. Plautius, hierauf ein Claudius, bei-
\Q() Römisclie Geschichte,
Servilianus schloß 140 v. Chr. Frieden mit Viriathus, der als Freund des
römischen Volkes anerkannt wurde; aber sein Nachfolger Q. .Scrvilius Caepio,
der leibliciie Bruder seines Vorgängers, ließ sich vom Senat ermächtigen, den
Friedensvertrag zu ignorieren. Unterstützt vom Konsul M. Popilius Laenas,
der im diesseitigen Spanien befehligte, drang Caepio siegreicli in Lusitanien
ein, und Viriathus sah sich zur Unterwerfung genötigt. Während der Unter-
handlungen wurden von Caepio einige Verräter gedungen, die den Viriathus
durcli Meuchelmord beseitigten (139 v. Chr.). Empört über das an ihrem Helden
begangene Verbrechen, erhoben die Lusitaner abermals die Waffen; aber da
sie keinen dem Viriathus ebenbürtigen Führer fanden, brach der Widerstand
bald zusammen. Zu einem gewissen Abschluß wurde der Krieg gegen die
Lusitaner durch den Konsul D. Junius Brutus gebracht, der (138 — 136 v. Chr.)
mit Hilfe einer Flotte die Küste Lusitaniens unterwarf, bis an den Minius vor-
drang und zuerst die Kallaiker (im heutigen Galicia) bezwang; er empfing
den Siegernamen Callaicus. Von ihm wurde zuerst Olysipo (Lissabon) an
der Mündung des Tagus befestigt. Ein dauerndes Denkmal seiner Tätigkeit
ist die Stadt Valentia, die er 138 v. Chr. an der Mittelmeerküste mit ehe-
maligen Kriegern des Viriathus als latinische Kolonie besiedelte.
In den lusitanischen Krieg haben auch die Prätoren der diesseitigen
Provinz nicht selten eingegriffen, so C. Laelius (Sapiens) (145 v. Chr.). Aber
143 v.Chr. verbündeten sich die Arevaker und andere Keltiberer mit Viriathus
und entfesselten einen zweiten keltiberischen Krieg. Die Unterwerfung der
Arevaker durch den Konsul Q. Caecilius Metellus (Macedonicus) gelang nur
zum Teil (143 — 142 v.Chr.); Numantia und Termantia behaupteten sich.
Der zähe Widerstand dieser beiden Festen der Arevaker erklärt sich daraus,
daß der Senat auf bedingungsloser Kapitulation bestand. Da sie sich so
tapfer und erfolgreich verteidigten, so fehlte es ihnen nicht an Unter-
stützung durch die benachbarten stammverwandten Völker. Der Nachfolger
des Metellus, Q. Pompeius, erlitt von den Numantinern wiederholte Nieder-
lagen und suchte nach seinem militärischen Fiasko die Gegner auf dem
Verhandlungsweg durch vorgespiegelte Friedensaussichten zu überlisten.
Dem Pompeius folgte der Konsul M. Popilius Laenas, der sich zunächst an
den letzten Kämpfen gegen Viriathus beteiligte und später die Lusoner, die
östlichen Nachbarn der Arevaker, angriff, aber geschlagen wurde (139 — 138
V. Chr.). 137 V. Chr. übernahm der Konsul C. Hostilius Mancinus den Ober-
befehl und wandte sich wieder gegen Numantia; er erlitt mit dem demorali-
sierten Heer mehrere Niederlagen; auf dem Rückmarsch von den Numan-
tinern eingeschlossen, verschaffte er sich freien Abzug durch einen von den
römischen Offizieren eidlich bekräftigten Vertrag, der den Numantinern volle
Autonomie gewährleistete.') Gegen Recht und Billigkeit verwarf der Senat
das Abkommen und wollte zur Beschönigung dieses Vertragsbruchs den
Mancinus ausliefern, ein Anerbieten, von dem die geprellten Numantiner
keinen Gebrauch machten. An Mancinus' Stelle trat dessen Kollege M. Aemilius
genannt Unimammus (oder Unimanus), sul 141, endlich Q. Servilius Caepio, Konsul
dann Q.Fabius Maximus Aemilianus, Kon- 140 v.Chr. Etwas abweichend J.B.Cottino,
sul 145 V. Chr., hierauf ein Unbekannter, BoUeff hiodi filoloi/ia class. XIU,Juhheitl906.
weiter L. Caecilius Metellus, Konsul 142, ') Über den Vertraf? s. E. Täubler, Im-
ferner Q.Fabius Maximus Servilianus, Kon- , pcrium Bomanum I 1S8 ff.
. 6. Vierte Periode : Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§ 26.) 161
Lepidus, der mit D. Junius Brutus zusammen gegen den Willen des Senates
die Vaccäer angriff und Pallantia belagerte, aber eine schimpfliche Nieder-
lage erlitt, worauf er abberufen und zur Verantwortung gezogen wurde.
Auch der Konsul Q. Calpurnius Piso ließ sich 135 v.Chr. von denVaccäern
schlagen. Um das sinkende Prestige der römischen Waffen wieder zu heben,
schickte Rom endlich seinen einzigen großen Feldherrn, P. Cornelius S(;ipio
Aemilianus, den Eroberer Karthagos, als Konsul für 134 v. Chr. nach Spanien.
Sein Erstes war, die Truppen wieder an straffe Disziplin zu gewöhnen.
Dann wurden in methodischer Kriegführung mit möglichster Schonung der
Kräfte die aufständischen Völker niedergeworfen und erst zuletzt Numantia
in Angriff genommen. Da die Bewohner die bedingungslose Übergabe ab-
lehnten, so wurde ihre Stadt von Scipio durch Wall und Graben allmählich
völlig von der Außenwelt abgeschlossen. Der Hunger zwang die Belagerten
endlich zur Kapitulation (133 v. Chr.). Eine Kommission von zehn Senatoren
ordnete im Verein mit Scipio die Verhältnisse der Provinz, in der nunmehr
auf längere Zeit Ruhe herrschte.
Literatur: M. Hoffmann, De Viriathi Numantinorumque hello, Diss. Greifswald 1865. —
WiLSDOKF i. d. Leipziger Studien zur klass. Phil. I 65 f. — E. Kornemann, Klio, 2. Bei-
heft S. 96 ff. — A. ScHLLTEN, Numantia I, München 1914.
26. Untergang Karthagos. i) Seit 201 v. Chr. waren die Karthager
loyale Bundesgenossen und Freunde der Römer, denen sie bei allen Kriegen
und zuletzt gegen Perseus Hilfe geleistet hatten. Besonders seit dem Sturz
Hannibals bewegte sich die karthagische Politik im römischen Fahrwasser.
Wirtschaftlich begann ein neuer Aufstieg der Handelsrepublik Karthago,
deren für die Staatsfinanzen ertragreiches Gebiet sich im Osten bis an die
Grenze Kyrenes, also des ptolemäischen Reiches, erstreckte. Im Westen aber
hatte Karthago an König Masinissa von Numidien einen gefährlichen Nachbar.
Nach der Vernichtung der makedonischen Königsmacht (167 v. Chr.)
änderten die Römer ihre Haltung. Sie gelangten zur Überzeugung, daß
Karthagos Blüte ihren Interessen zuwiderlaufe, und brauchten jetzt keine
Rücksicht mehr zu üben. Der neue Kurs wurde offenkundig, als Masinissa
in seinem auf Karthagos Kosten gehenden Expansionstrieb unter dem Vor-
wand alter Ansprüche 2) die Emporien, das Südufer der kleinen Syrte bis
zur kyrenäischen Grenze, besetzte. Denn nun sprach Rom, von beiden Par-
teien angerufen, das umstrittene Land nach längeren Verhandlungen dem
Numiderkönig zu (161 v. Chr.). 3) Ahnliche Übergriffe Masinissas wieder-
') Die wichtigste Quelle für die folgen-
den Ereignisse sind die Bruchstücke des
Polybios aus dem 36.-39. Buch, ferner
die aus Polybios abgeleiteten Reste des
32. Buches Diodors. Eine vollständige Er-
zählung gibt Appian Lib. 67ff. ; sie ist
nicht aus Polybios selbst geschöpft, son-
dern aus einer jüngeren Bearbeitung.
Die livianische Überlieferung (außer den
Periochae 48—51 kommt auch die Oxy-
rhynchos-Epitome in Betracht, oben S. 8
3) Polyb. XXXII 2, der zugleich bemerkt,
daß die Okkupation der Emporien durch
Masinissa nicht lange vorher geschehen sei.
Livius dagegen datiert XXXIV 62 diesen
numidischen Vorstoß ins J. 193 v. Chr.
Dieses livianische Datum ist mit dem
polybianischen, das unbedingt den Vorzug
verdient, unvereinbar. Es ist wohl mög-
lich, daß Masinissa bereits in den neun-
ziger Jahren den Karthagern begründeten
Anlaß zur Beschwerde gab; aber sein An-
A. 2) ist wiederum in mehreren Stücken 1 griff auf die Emporien kann nicht vor der
verfälscht.
^) Auf Grund des Friedensvertrages von
201 V. Chr. Polyb. XV 18, 5.
Mitte der sechziger Jahre stattgefunden
haben. Bevor Makedonien unschädlich
gemacht war, durften die Römer nicht
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 11
]^(32 Römische Geschichte.
holten sich zur Zeit des keltiberischen Krieges (153 — 152 v.Chr.) und führten
wieder zu einem römischen Schiedsspruch, der abermals zum Nachteil Kar-
thagos ausfiel. An der Gesandtschaft, die aus diesem Anlaß von Rom nach
Karthago ging, nahm auch der alte M. Porcius Cato teil, und seitdem
er mit eigenen Augen die Blüte und den Reichtum Karthagos gesehen hatte,
vertrat er die Ansicht, daß die Existenz Karthagos eine Gefahr für Rom
bedeute. Deshalb beantragte er unentwegt die Vernichtung Karthagos im
Senat; ^) aber die Mehrheit, deren Wortführer P. Scipio Nasica^) war, wünschte
vor Göttern und Menschen einen gerechten Anlaß zum Krieg und damit
zur Vernichtungspolitik zu haben; und diesen Anlaß boten die Karthager
selbst den Römern.
Denn in Karthago kam infolge der letzten Ereignisse eine dem Masinissa
feindliche Partei ans Ruder, die zugleich Rom gegenüber die Selbständigkeit
der Stadt zu wahren bemüht war. Die Schwierigkeiten Roms in Spanien
mußten den Gegnern Mut machen. Die karthagischen Parteigänger Masi-
nissas wurden auf ewige Zeiten verbannt, worüber es zu einem neuen An-
griff des Numiderkönigs auf das karthagische Territorium kam. Aber dies-
mal setzte sich Karthago zur AVehr und stellte unter Hasdrubal ein Heer
ins Feld, das jedoch geschlagen wurde. Die besiegten Karthager wurden
von Masinissa umzingelt und kapitulierten schließlich. Gegen den Vertrag
wurden dann die abziehenden Reste der karthagischen Armee überfallen
und vernichtet (150 v. Chr.). Durch den ohne Genehmigung Roms geführten
Krieg hatte Karthago einen Paragraphen des Friedensinstruments vom Jahr
201 V. Chr. verletzt. Sofort benutzte Rom die ersehnte Gelegenheit, gegen
Karthago, dessen Lage angesichts der Bedrohung durch Masinissa und nach
dem Untergang des Heeres ganz verzweifelt war, vorzugehen. Vergebens
suchte sich Karthago durch die Preisgabe Hasdrubals, der zum Tod ver-
urteilt wurde, Roms Gnade zu erkaufen. Rom wollte keine Verständigung,
und schon fiel Utica von Karthago zu Rom ab. Beide Konsuln von 149
V. Chr., M.' Manilius und L. Marcius Censorinus, setzten mit Heer und Flotte
zunächst nach Sizilien über. Man drängte sich in Italien zur Teilnahme
an diesem Krieg, den man für einen militärischen Spaziergang hielt. Jetzt
faßten die Karthager den Entschluß, sich bedingungslos den Römern zu
überantworten, worauf ihnen der Senat Freiheit, Land, Besitz und Ver-
fassung garantierte. Sie mußten einstweilen Geiseln stellen und im übrigen
die Befehle der Konsuln abwarten. Diese landeten in Utica als dem ge-
gebenen Stützpunkt und ließen sich zunächst Waffen und Kriegsgeräte aus-
liefern. Nach Erfüllung dieser Forderung wurde den entwaffneten Kar-
thagern befohlen, ihre Stadt zu verlassen und sich an einer anderen Stelle,
achtzig Stadien (fünfzehn Kilometer) von der Küste entfernt, wieder anzu-
siedeln; denn die Stadt Karthago solle dem Erdboden gleich gemacht werden.
wagen, sich mit Karthago zu verfeinden, strativen Antrag auf Zerstörung Karthagos
indem sie den Raub Masinissas begün-
stigten. Vgl. Kahrstedt in Meltzers Gesch.
d. Karth. III 592 f.
') Dies ist das berühmte „ceterum censeo^
Catos, der im Senat bei jeder beliebigen
hinzufügte ; vgl. K. J. Neumann in der Welt-
geschichte des Ullsteinverlags I 442 und
Kahrstedt a. a. O. 641.
2) Dieser Nasica war ein Enkel des Cn.
Scipio, der 222 v. Chr. das Konsulat be-
Abstimmvmg seinem Votum den demon- | kleidete und 211 v. Chr. in Spanien fiel
6. Vierte Periode : Bis ziim Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§26.) 163
Diese Ungeheuerlichkeit weckte in der Bürgerschaft den Mut der Verzweif-
hnig. Mit Anspannung aller Kräfte wurde Karthago in Verteidigungszustand
gesetzt und vor allem die unentbehrlichen Waffen hergestellt. Hasdrubal,
der sich der Vollstreckung des Todesurteils durch die Flucht entzogen und
inzwischen ein stattliches Freikorps zusammengebracht hatte, wurde zurück-
gerufen und aufs neue zum Feldherrn gewählt. Die Konsuln, die gewonnenes
Spiel zu haben glaubten, hatten sich Zeit gelassen; als sie endlich mit Heer
und Flotte vor Karthago erschienen, waren sie baß erstaunt, die Stadt zur
Abwehr gerüstet zu finden.
Karthago bestand aus drei besonders befestigten Teilen, der Vorstadt
(Megara oder Magalia), der Altstadt mit der Burg (Byrsa) und der im Süden
gelegenen Hafenstadt mit dem Kriegshafen (Kothon d. h. Becher) und dem
Handelshafen. Die Stadt, durch gewaltige Mauern und an der Landseite
durch mehrfache Befestigungslinien geschützt, wies die römischen Angriffe
zu Wasser und zu Land erfolgreich zurück. ^) Das flache Land war größten-
teils in den Händen Hasdrubals, der die karthagische Feldarmee befehligte
und in Nepheris am Südufer des karthagischen Meerbusens 2) seine Basis
hatte. Nur wenige Orte gingen zu den Römern über; anders als in früheren
Kriegen blieb die Mehrzahl der untertänigen Städte den Karthagern treu.
Selbst Masinissa sah zu dem Angriff der Römer scheel, hatte er sich doch
selbst Hoffnung auf den Ervverb Karthagos gemacht. Das Belagerungsheer
wurde durch Seuchen dezimiert und die meisten Unternehmungen gegen
Hasdrubal schlugen fehl. Der einzige, der die römische Waffenehre rettete,
war P. Cornelius Scipio Aemilianus, der als Kriegstribun unter Manilius
diente. Während der Belagerung starb der neunzigjährige Masinissa, der
bis zuletzt von erstaunlicher Rüstigkeit gewesen war; der Sterbende hatte
seine Söhne an Sci^^io empfohlen, der nun in Cirta eintraf und als römi-
scher Kommissar Masinissas Erbe unter dessen drei Söhne aufteilte und
zugleich den Zuzug numidischer Kavallerie bewirkte (149 48 v. Chr.). Auch
der Abfall des Reiterführers Himilko Phameas, der mit einem Teil seiner
Truppe den Hasdrubal im Stich ließ und zu den -Römern überging, war
das Werk Scipios. Manilius' Nachfolger L. Calpurnius Piso, Konsul von
148 V. Chr., konnte ebensowenig den Krieg bewältigen, wie sein Vorgänger.
Seine Angriffe auf die libyphönikischen Städte hatten wenig Erfolg, Hippu-
akra wurde längere Zeit vergebens belagert, die Karthager konnten ver-
suchen mit dem Ausland, mit Makedonien und den Maurusiern Verbindungen
anzuknüpfen, einige Numider gingen zu ihnen über; die Kriegspartei er-
langte in der Stadt völlig die Oberhand. Hasdrubal, der bisher im Feld
gestanden hatte, übernahm nach dem von ihm herbeigeführten Sturz seines
Namensvetters, eines Enkels Masinissas, das Kommando in der Stadt, in
der er ein strenges Regiment führte. In Rom empfand man den unbefriedi-
^) Siehe die Beschreibung bei Tissot, den Mauerring und damit das Areal der
Geographie comparee de Vancicnne Afrique, Stadt stark einzuschränken. Dagegen J.
S. 565 f. Kährstedt in Meltzeks Gesch. Kromayek, Gütt. gel. Anz. 1917, i-iO ff., V.
der Karth. III 7 ff. sucht für die Topo- Gardthausen, Klio XVII 122 ff., R. Öhler,
graphie Karthagos den archäologischen 1 PWX2150Ö".
Befund, die Lage der Nekropolen, gegen | "•') "N^gl. G. A'eith in Kkomayers Antiken
den Bericht Appians auszuspielen und ] Schlachtfeldern III 2, 7Ü5 ff.
11*
1Q4: Römische Geschichte.
genden Verlauf des mit soviel Zuversicht begonnenen Kriegs um so pein-
licher, als auch andere auswärtige Verwicklungen eintraten. Die Bürger-
schaft entschloß sich daher zu dem ungewöhnlichen Schritt, für das nächste
Jahr (147 v. Chr.) den jungen Scipio Aemilianus, cbwolil er noch nicht das
gesetzliche Alter erreicht hatte, ^) zum Konsul zu wählen. Durch besonderen
Volksbeschlufa wurde er mit dem Krieg in Afrika betraut.
Mit ansehnliclien Verstärkungen aus der Bürgerschaft und von den
Bundesgenossen traf Scipio vor Karthago ein ; die verbündeten Könige und
Freistädte des griechischen Ostens stellten Kriegsschiffe.-) Scipio reformierte
zunächst die Armee, dann schloß er im Lauf des Jalires 147 v. Chr. Kar-
thago vollständig von der Außenwelt ab. Hierauf schlug er die karthagische
Feldarmee vor Nepheris entscheidend (Winter 147/6 v. Chr.). Die Karthager,
denen die Zufuhr ganz unterbunden war, litten immer stärker unter dem
Hunger; vergebens suchte Hasdrubal Schonung der Stadt von den Römern
zu erlangen. Nachdem die Vorstadt schon früher gefallen war, eröffneten
die Römer im Frühjahr (14(3 v. Chr.) den Sturrii auf die Altstadt und den
Kriegshafen. Die Eindringlinge arbeiteten sich unter erbitterten Straßen-
kämpfen allmählich bis zur letzten feindlichen Position, bis zum Tempel
des Eschmun (Asklepios) auf der Höhe der Byrsa durch. Hier behaupteten
sich die letzten Verteidiger, bis sie in den Flammen umkamen. Hasdrubal
hatte sich schließlich ergeben. Scipio begnadigte ihn. Die Stadt wurde ge-
plündert; unter der Beute befanden sich die von den Karthagern einst aus
Sizilien entführten Kunstwerke, die Scipio nunmehr den frühei-en Eigen-
tümern zurückgab. 2) Eine Kommission von zehn Senatoren entschied in
Gemeinschaft mit Scipio über das Schicksal der Besiegten. Karthago wurde
bis auf den letzten Rest zerstört und die Stätte, die unbewohnt bleiben
sollte, verflucht. Die karthagische Herrschaft wurde unter dem Namen Afrika
zur römischen Provinz gemacht, ausgenommen die östlichen an Kyrene gren-
zenden Stücke, die Emporien und die sjjätere Tripolis, d. h. die Städte
Sabrata, Oea und Groß-Leptis, die den numidischen Königen verblieben.
Den Einwohnern der Provinz wurde eine Kopfsteuer auferlegt, die wenigen
Städte, welche den Karthagern bis zuletzt treu geblieben waren, erlitten
dasselbe Schicksal wie die Hauptstadt. Utica, Hippo und andere libysche
und libyphönikische Städte erhielten zum Lohn für ihre Dienste die Frei-
heit und Teile des karthagischen Gebiets. Sehr bald siedelten sich in Afrika
viele Römer an. Nachdem Scipio seinen Sieg durch Festspiele gefeiert hatte,
kehrte er nach Rom zurück, wo ein glänzender Triumph seiner wartete.
27. Die Annexion Makedoniens und Grieclienlands.^) Li Makedonien
und Hellas herrschten nach dem Krieg mit Perseus vielfach höchst uner-
freuliche innerpolitische Zustände, die des öfteren eine Einmischung des
AufDrcängen der Bürgerschaft wur- 1 ^) Diodor XIII 90. 5; XXXII 25. Cicero
den die entgegenstehenden gesetzlichen ! Verr. II 86. IG XIV 315. G. Kaibel, Her-
Vorschriften durch ein besonderes Gesetz
für dies eine Jahr aufgehoben. Scipio
weilte gerade in Rom, wo er sich um die
Ädilität hatte bewerben wollen.
^) z. B. Mithridates V und Side in Pam- ' auf Polybios beruht. Oben S. 158
phylieu. Appian, Mithrid. 10, Lib. 123. |
mes XVIII, 1883, 156 f.
^) Quelle ist außer den Resten des Poly-
bios und Livius der Bericht des Pausanias
VII 12 f., der, wie es scheint, ebenfalls
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§27.) 165
Senats nötig machten. Die Römer hatten durch ihr herrisches Auftreten,
durch kleinliche Rache an ihren Gegnern und ungerechte Bevorzugung ihrer
Anhänger Haß und Erbitterung in der Griechenwelt erregt. Makedonien,
dessen Einheit so willkürlich zerrissen war, hatte unter den heftigsten in-
neren Gegensätzen zu leiden. Ein gewisser Andriskos, aus Adramytteion
in Mysien gebürtig, der sich Philippos nannte und sich als Sohn des Perseus
ausgab, hielt die Gelegenheit für günstig, sich zum Erben der makedoni-
schen Krone aufzuwerfen. Dem Prätendenten kam seine Ähnlichkeit mit
Perseus zustatten. Er versuchte sein Heil in Syrien bei Demetrios I, der
jedoch den angeblichen Verwandten den Römern auslieferte, die ihn in Italien
internierten. Doch der Abenteurer entkam und fand schließlich in Thrakien
Anhang, von wo er mit thrakischen Hilfstruppen in Makedonien einfiel.
Er besiegte das makedonische Aufgebot in zwei Treffen, und nun fiel das
ganze Land ihm zu. Thessalien mußte durch die Truppen des achäischen
Bundes geschützt werden. Zur Unterdrückung des Aufstandes sandten die
Römer zuerst unzureichende Kräfte, eine Legion unter dem Prätor P. lu-
ventius, der von Andriskos geschlagen und getötet wurde (149 v. Chr.).
Dieser Sieg brachte dem Pseudophilippos neuen Anhang; er konnte jetzt
auch Thessalien erobern. Nunmehr schickten die Römer ein konsularisches
Heer von zwei Legionen unter dem Prätor Q. Caecilius Metellus nach Make-
donien (148 V. Chr.). Mit Hilfe des Attalos II von Pergamon gelang die
Überwindung des Prätendenten. Bei Pydna geschlagen und von seinen
Anhängern aufgegeben, flüchtete Andriskos zu einem thrakischen Dynasten,
der ihn an Metellus auslieferte. Makedonien mußte für die Usurpation büßen ;
das Land ging auch des letzten Phantomes der Freiheit verlustig und wurde
unter Aufhebung der vier Distrikte zur römischen Provinz gemacht (148/7
v. Chr.).i) Epirus und das südliche Illyrien mit Apollonia und Dyrrhachion
wurden mit einbezogen, und so die neue Provinz bis ans ionische Meer
ausgedehnt. Eine neue Heerstraße, die Via Egnatia, stellte bald darauf die
Verbindung zwischen Dyrrhachion und Thessalonike, zwischen dem adria-
tischen und ägäischen Meer her. Übrigens trat nicht lange nach der Nieder-
lage des Andriskos abermals ein Pseudophilipp auf, dessen Umtriebe jedoch
im Keim erstickt wurden.
Griechenland war im Innern durch Parteikämpfe zerrissen, wobei die
Freunde Roms den Andersgesinnten allen denkbaren Abbruch taten. Auch
von Gemeinde zu Gemeinde gab es Zwistigkeiten. Berühmt ist der Streit
um das böotische Oropos, das die Athener, Roms besondere Günstlinge, für
sich beanspruchten. Dieser Handel zog sich mehrere Jahre hin und be-
schäftigte 155 V. Chr. auch den Senat, vor dem die Athener sich durch ihre
gefeiertsten Philosophen und Redner, Karneades, Diogenes und Kritolaos,
vertreten ließen. Diese Philosophengesandtschaft war für Rom ein Ereignis,
brachte sie doch die kulturelle Bedeutung des Griechentums zum Bewußt-
sein, aber freilich auch die der alten Römersitte drohende Gefahr. Schließ-
lich mußten die Athener das von ihnen ausgeplünderte Oropos wieder auf-
geben. Das ansehnlichste staatliche Gebilde in Griechenland war der achäische
') Mit diesem Jahr beginnt die makedonische Provinzialära. Kubitschek, PW 1 636 f.
166 Römische Geschichte.
Bund, dessen Gebiet nach 167 v. Chr., auf Kosten der Aetoler durch Hera-
kleia am Oeta und Pleuren sogar erweitert worden war. Aber noch immer
lastete auf den Achäern die Sorge um ihre in Italien internierten Lands-
leute und sie ließen nicht ab, in Rom für deren Befreiung zu wirken. End-
lich, im Jahr 150 v.Chr. erhielten die Überlebenden die Erlaubnis zur Heim-
kehr, darunter auch Polybios, der Historiker, dessen persönliches Schicksal
sich durch seine Seelenfreundschaft mit dem viel jüngeren P. Scipio Aemi-
lianus weit erträglicher gestaltet hatte als das der übrigen Deportierten.
Die römische Bevormundung, die namentlich anläßlich der ewigen Händel
mit Sparta sich geltend machte, wurde den Achäern überlästig. Der spar-
tanisch-achäische Gegensatz, den die alten Grenzirrungen zwischen Sparta
und dem im Bund so einflußreichen Megalopolis noch verschärften, kam
149 V. Chr. aufs neue in Rom zur Verhandlung und gab den Anlaß zu
schweren Verwicklungen. Neue Männer, die sich auf die Gunst der keines-
wegs römerfreundlichen Menge stützten, gelangten im Bund zur Herrschaft.
Ermutigt durch die römischen Schwierigkeiten in Spanien, durch den Aus-
bruch des dritten punischen Kriegs und die erfolgreiche Erhebung des Pseudo-
philipp, gedachten sie, sich der Aufsicht Roms zu entziehen. Ohne den
Spruch des Senats abzuwarten, eröffneten die Achäer unter dem Strategen
Damokritos die Feindseligkeiten mit einem Einmarsch nach Lakonien trotz
den Warnungen des Metellus, der damals in Makedonien stand (148 v. Chr.).
Der Senat beschloß, die Achäer für ihre Eigenmächtigkeit empfindlich zu
züchtigen, indem er einige wichtige, mit Hilfe Roms nach dem zweiten make-
donischen Krieg erworbene Städte vom Bund lostrennte, nämlich Sparta,
Korinth, Argos, das arkadische Orchomenos und Herakleia am Oeta. Diese
Maßregelung wurde den Achäern auf einer Versammlung in Korinth im
Sommer 147 v. Chr. durch eine Gesandtschaft eröffnet, nachdem Makedonien
bereits wieder bezwungen war. Ein Sturm der Entrüstung war die Ant-
wort; die anwesenden Spartaner wurden festgenommen und dabei nicht
einmal die Quartiere der römischen Gesandten, wo einige Zuflucht gesucht
hatten, respektiert. Trotzdem schien noch immer eine gütliche Verständigung
möglich zu sein, da die Römer in der Folge einen sehr gemäßigten Ton an-
schlugen in der Hoffnung, auf diplomatischem Weg mit den Achäern fertig
zu werden. Aber die achäischen Führer, namentlich Diaios und Kritolaos,
die um ihre eigene Existenz kämpften, deuteten die milde Form als Schwäche,
hervorgerufen durch die zweifelhafte Kriegslage in Spanien und Afrika; sie
waren willens, selbst auf die Gefahr eines Krieges die römische Einmischung
nicht zu dulden. Der Strateg Kritolaos brachte durch sein Auftreten die
Wiederaufnahme von Verhandlungen zum Scheitern und agitierte im Winter
147/6 V. Chr. aufs lebhafteste gegen Rom. Die Böoter, Phoker, Lokrer und
Euböer gingen mit den Achäern zusammen. Im Frühjahr 146 v. Chr. be-
schloß die achäische Bundesversammlung den Krieg gegen Sparta (und damit
den Bruch mit Rom) ungeachtet der Warnungen, die Metellus durch Ab-
gesandte übermitteln ließ. Sofort griff Rom zu den Waffen : mit dem Kom-
mando wurde der Konsul L. Mummius beauftragt; auch eine Flotte wurde
aufgeboten, außerdem leistete Attalos II von Pergamon Zuzug. Die Achäer
eröffneten den Krieg durch einen Angriff auf Herakleia am Oeta, das sich
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§28.) 167
inzwischen vom Bund losgesagt hatte. Doch schon eilte Metellus aus Make-
donien der belagerten Stadt zu Hilfe. Der achäische Feldherr Kritolaos zog
sich zurück, wurde aber in Lokris bei Skarpheia eingeholt und geschlagen;
er endete auf der Flucht. Die übrigen Kontingente des Bundes wurden
einzeln überwältigt, und ganz Mittelgriechenland bis an den Isthmos, auch
Theben und Megara, von Metellus rasch unterworfen. Dann traf Mummius
ein und übernahm den Oberbefehl. Die Achäer rüsteten zum Widerstand
bis aufs Messer. Sogar Sklaven wurden eingestellt. Ein Friedensschritt,
den Metellus kurz vor dem Eintreffen des Mummius unternommen hatte, war
tumultuarisch abgelehnt worden ; die Kriegspartei dominierte. Am Isthmos
bei Leukopetra kam es zur entscheidenden Schlacht. Die Achäer kämpften
tapfer, erlagen aber der Übermacht, An eine Fortsetzung des Kampfes
war nicht mehr zu denken. Das geschlagene Heer löste sich auf, der Strateg
Diaios, der Nachfolger des Kritolaos, beging Selbstmord; ohne Schwert-
streich zog das römische Heer am dritten Tag nach seinem Sieg durch die
offenen Tore von Korinth ein. Die Stadt wurde geplündert.
Auf Anordnung einer Kommission von zehn Senatoren wurde der achäische
Bund samt allen ähnlichen Vereinigungen der Besiegten aufgehoben und
die Verbindung der einzelnen Gemeinden miteinander gelöst. Die Schuldigen
wurden festgestellt und bestraft, ein strenges Gericht erging über alle Teil-
nehmer am Krieg; die demokratischen Verfassungen wurden durch das timo-
kratische System ersetzt; über Korinth verhängte ein besonderer Senats-
beschluß das furchtbare Schicksal Karthagos: die stolze Stadt wurde völlig
zerstört. Viele Kunstschätze wurden als willkommene Beute nach Italien
gebracht. Bei der Ordnung der griechischen Verhältnisse erwarb sich Polybios
als Vertrauensmann der römischen Kommissäre große Verdienste; er ver-
mittelte im Auftrag des Senats als ehrlicher Makler zwischen Rom und
seinen Landsleuten. Diejenigen Griechen, welche nicht am Krieg teil-
genommen hatten, wie die Akarnanen, Aetoler, Thessaler, Athener und
Spartaner blieben im früheren Bundesverhältnis zu Rom, während alle
anderen zu tributären Untertanen wurden. Ganz Griechenland wurde der
Aufsicht des makedonischen Statthalters unterstellt und bildete insofern
einen Teil der Provinz Makedonien, i) Schon nach einigen Jahren konnten
die Römer übrigens die Zügel lockern und die Strafbestimmungen mildern.
Literatur: Schorn, Geschichte Griechenlands 381 ff. — Thirlwall, History ofGreece
vol. VIII. — Hertzberg, Gesch. Griechenlands usw. I 220 ff. — Niese, Gesch. d. griech.
und makedon. Staaten III 312 ff. — G. Colin, Rome et Ja Grece (Paris 1905) 486 ff.
28. Die Erwerbung Asiens. 2) Auf die Eroberung von Makedonien und
Afrika durch Rom folgte die Festsetzung in Kleinasien, die friedliche Ein-
verleibung des pergamenischen Reichs. Als Nachfolger des Eumenes II von
Pergamon hatte dessen ältester Bruder Attalos II 159 v. Chr. den Thron
bestiegen ; dieser stets dienstwillige Freund Roms verstarb 188 v. Chr. ; ihm
folgte sein Neffe Attalos HI, der natürliche Sohn des Eumenes II und vom
^) Siehe Marquardt, Rom. Staatsverwal- waltungsbezirk.
tung I 321 ff. Administrativ gehört also -) Außer den Auszügen aus Li vius finden
Griechenland zur Provinz Makedonien. sich die Nachrichten bei Strabo XIV 643.
Erst Augustus machte Griechenland als j Justin XXXVI 4. XXXVII 1. VelleiusII4.
Provinz Achaia zum selbständigen Ver- 1 Valer. Max. III 2, 12.
168 Römische Geschichte.
Vater legitimiert, um die Dynastie zu erhalten.') Der neue König wird als
halbverrückter Sonderling geschildert. Er starb nach nur fünfjähriger Re-
gierung (Anfang 133 v. Chr.) ; testamentarisch hatte dieser letzte Attalide
sein Königreich und seinen gesamten Besitz dem römischen Volk vermacht,
jedoch den Städten, vor allem der Hauptstadt Pergamon, die Freiheit be-
stimmt. Rom nahm die Erbschaft an, konnte aber nicht sofort in deren
Besitz treten, weil Senat und Volk einander die Kompetenz streitig machten.
Erst Ende des Jahres erschien eine Senatskommission, um die pergamenische
Frage zu regeln. Aber bereits hatte sich ein anderer Erbe eingefunden,
Aristonikos, ein Bastard des Eumenes und Halbbruder Attalos' HI. Von
den Ephesiern in einem Seetreffen besiegt, fand der Prätendent doch im
Binnenland Anhang; aus Söldnern und befreiten Sklaven, die sich Helio-
politen nannten, bildete er sich ein Heer und nahm den ganzen südlichen
Teil des Reiches in Besitz, auch einige der griechischen Städte fielen ihm
zu, ja er griff sogar in die Nachbargebiete über. So mußten die Römer ihre
Erbschaft erst erobern. Die zunächst aufgebotenen Bundesgenossen, die be-
nachbarten Fürsten Bithyniens, Paphlagoniens und beider Kappadokien
richteten nichts aus. Dann wurde der Konsul des Jahres 131 v. Chr. P. Licinius
Crassus (Mucianus) mit Truppen nach Asien gesandt; bei der Belagerung
von Leukai von Aristonikos geschlagen, zog er der Gefangenschaft den frei-
willigen Tod vor. Erst seinem Nachfolger M. Perperna gelang es, den Usur-
pator zu besiegen und in Stratonikeia''') gefangen zu nehmen. Die Schätze
der Attaliden sandte er nach Rom (130/29 v. Chr.). Perperna wurde in
Pergamon vom Tod ereilt, noch ehe er seine Aufgabe ganz gelöst hatte.
Erst sein Nachfolger M.' Aquilius, Konsul des Jahres 129 v. Chr., vollendete
die Unterwerfung des Landes, das er, unterstützt von einer Senatskommis-
sion, als Provinz einrichtete. Er scheint erst im Jahr 126 v. Chr., also nach
längerem Wirken, heimgekehrt zu sein. Die neue Provinz, Asia genannt,
umfaßte alles, was den Römern durch das Testament des Attalos und den
letzten Krieg zugefallen war, nur die östlichen Teile wurden den verbün-
deten Königen überlassen, Großphrygien dem Mithridates V von Pontus,
Lykaonien den Söhnen des im Kampf gegen Aristonikos gebliebenen Aria-
rathesV. Aber diese Bewilligungen, angeblich durch Bestechungen erkauft,
wurden bald darauf rückgängig gemacht und die betreffenden Landschaften
zu der römischen Provinz geschlagen. Folgenschwer für die weitere Ver-
waltung wurde eine lex Sempronia des C. Gracchus vom Jahr 123 oder 122
V. Chr. ; durch dieses Gesetz wurde der Zehnte eingeführt, der wie die übrigen
Gefälle von römischen Steuerpächtern erhoben werden sollte, die nun mit
rücksichtslosem Egoismus die wehrlosen Provinzialen ausbeuteten (S. 176).
Mit der Erwerbung des pergamenischen Reiches faßten die Römer festen
Fuß auf asiatischem Boden; sie wurden unmittelbare Herren beider Ufer
des ägäischen Meeres und Nachbarn der asiatischen Königreiche. Die römische
Geschäfts- und Handelswelt hat zusammen mit den Gesellschaften der Steuer-
pächter, der Publikanen, die Provinz Asien in wachsende Abhängigkeit von
') Nach KoEPP, dem sich Wilcken, PW j der griech. u. maked. Staaten III 204, 4.
II 2175 anschließt, wäre Attalos III der | ^) d. h. Stratonikeia am Kaikos in My-
Sohn Attalos II; dagegen Niese, Gesch. | sien, das spätere Adrianupolis.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§29.) 169
ihrem Kapital gebracht. Diese Eroberung des asiatischen Marktes durch
Rom verurteilte das nicht mehr konkurrenzfähige Griechentum zu wirt-
schatthchem Siechtum und Tod.
Literatur: Waddington, Fastes des provhices Askitiques I 19 f. — P Fodcart Jn
formatwn de la in-mince Romaine d'Asie (Memoires de nittltut national de F^Zte Aca
StraJefinSff^^'^'M ' ^''''^ f.^ö-.) N:ksk, Gesch. der griech. und makedon
öiaaten lii öbi ti. -— Marquardt, Rom. «taatsverw. I 335.
29. Beginn der inneren Unruhen. Die Gracchen. Die stürmische Ex-
pansion der römischen Herrschaft konnte nicht ohne Rückwirkung auf die
innere Struktur von Staat und Gesellschaft bleiben; das politische und wirt-
schaftliche Leben geriet in neue Bahnen. Die Reichtümer Makedoniens,
Asiens, Korinths und Karthagos häuften sich in der Siegerstadt an. Die
gestiegenen öffentlichen Einkünfte erlaubten die Einrichtung des Staats-
wesens in großem Stil, die reichliche Ausstattung der Beamten, Feldherren
Legaten und sonstigen Funktionäre. Die Römer waren ein reiches Volk ge-
worden; ihr Kapital und ihr Handel beherrschte immer weitere Gebiete
Aber aller äufserer Glanz und wirtschaftlicher Aufschwung konnte über die
beginnende innere Zersetzung nicht hinwegtäuschen. Das römische Herren-
gefuhl wurde von keiner sittlichen Hemmung mehr gezügelt; skrupellos
sezte sich Rom über Verträge und feierliche Abmachungen hinweg, sobald
solcher Treubruch in seinem Literesse lag; für diesen StaatsmacchiaveUismus
bietet der spanische und der dritte punische Krieg drastische Beispiele. Wohl
gab es Manner, die wie der vom Geist griechischer Humanität berührte
Scipio Aemihanus auf persönliche Integrität, auf Treu und Glauben hielten.
Doch das waren seltene Ausnahmen. Ln allgemeinen wurde es zur Regel
die Macht, namentlich in den Provinzen, zum eigenen Vorteil zu mißbrauchen;'
Bestechungen, Erpressungen, Übergriffe aller Art wurden immer häufiger
und so ergab sich die Notwendigkeit, die Bundesgenossen und Untertanen
gegen die Mißwirtschaft, die habgierige und ungerechte Beamte übten, zu
schützen. Da aber weder die Zivil- noch die Volksgerichte ausreichten, so
ernchtete man ständige Gerichtshöfe für die Klagen der Bundesgenossen
und Untertanen gegen die Erpressungen römischer Magistrate und Senatoren,
die erste quaesfio perpetua de peciinm repetimdls, die, 149 v. Chr. durch eine
vom Volkstribun L. Calpurnius Piso rogierte lex Ccdpurnia begründet, einen
Markstein in der Geschichte des römischen Gerichtswesens bedeutet. Dies
Gesetz zog bald andere nach sich.
Von den Vorteilen der Herrschaft hatte gerade diejenige Schicht der
romischen Bürger, die das militärische Rückgrat des Staates bildete, keinen
Genuß, nämhch die freie Bauernschaft, i) Die Bauern hatten die Hauptlast
der Kriege zu tragen, während die Stadtbevölkerung, der wohlhabende, er-
werbstätige Mittelstand weniger, das von der Wehrpflicht gesetzlich befreite
Proletariat samt den Freigelassenen überhaupt nicht betroffen wurde. In der
Periode überseeischer Eroberungspolitik war nun jene Last weit drückender
als zuvor. Die Kriege, auch wenn sie siegreich beendet wurden, kosteten
viel Blut, so zuletzt noch die Kämpfe in Spanien.^) So mancher bäuerliche
u 2lSmr;h^p''w^f^''1:-f/*^'''''^T°'''^'' I Agrargeschichte, Stuttgart 1891, kommt
S06 D^s Buch vo^mA^^^^^^ *"" i'' Tatsächliche kaum in Betracht.
1 JUb. i^as Buch V on Mas V, eber, Die röm. | ^) Zählt man die bei Appian Iber. 78 ff
170 Römische Geschichte.
Soldat sah die heimische Scholle nie wieder; aber auch die Zurückkehrenden
waren durch die lange Abwesenheit von Haus und Hof schwer geschädigt.
Nicht so sehr durch die Konkurrenz des aus den Provinzen zu niederem
Preis eingeführten Getreides,^) als vielmehr durch das einheimische, im
Großgrundbesitz sich investierende Kapital wurde der Kleinbauernstand in
seiner Existenz bedroht. Schon nach dem hannibalischen Krieg, der nament-
lich Unteritalien auf weite Strecken verödet und den Bauernstand dezimiert
hatte, war die Konjunktur für die Bildung von Großgrundbesitz günstig.
Das Land war billig und das Kapital griff' zu. Anstatt des wenig rentablen
Ackerbaus wurden Reben- und Olivenkulturen angelegt oder Viehzucht und
Weidewirtschaft in großem Maßstab betrieben. Dem Anwachsen dieses sog.
Latifundienbetriebs entsprach der Rückgang der freien Kleinbauernschaft,
deren Lage immer schwieriger wurde. 2) Der Großgrundbesitz arbeitete mit
den billigsten Arbeitskräften, mit Sklaven, wie sie besonders seit dem Fall
von Korinth und Karthago herdenweise nach Italien gebracht wurden. Der
Handel mit dieser Menschenware hatte auf Delos, der heiligen Insel Apolls,
seine Zentrale. Die Sklavenmärkte wurden von Piraten, aber auch von
römischen Steuer^^ächtern in Asien, die den Menschenraub in den Nachbar-
gebieten der Provinz betrieben, 3) mit Ware versorgt.
Die Gefahren der Sklavenwirtschaft offenbarten sich in verschiedenen
Aufständen der Unglücklichen in Italien, auch in Attika und auf Delos
namentlich aber in dem großen Sklavenkrieg, der um 136 v. Chr. auf Sizilien
entstand.^) Hier war das Latifundiensystem sehr verbreitet und die Aus-
beutung der unfreien Landarbeiter durch ihre — vielfach römischen —
Herren besonders schlimm. Auf den Gütern eines Großgrundbesitzers, des
Damophilos, bei Henna kam es zu einer Erhebung der Sklaven, die einen
ihrer Leidensgenossen, den Syrer Eunus, zum Führer wählten; dieser nannte
sich Antiochos und nahm den Königstitel an. Henna wurde überrumpelt.
Mit Eunus vereinigte sich eine zweite Schar, die sich unter dem Kiliker
Kleon bei Akragas gebildet hatte; große Teile Siziliens waren den Plünde-
rungen der Sklaven ausgesetzt. Die Empörer, deren Zahl schließlich auf
200000 angewachsen sein soll, bestanden siegreiche Kämpfe mit mehreren
prätorischen Aufgeboten.^) Einige feste Städte, darunter Tauromenion, fielen
in ihre Hände. So mußten sich die Römer entschließen, im Jahr 134 v.Chr.
den Konsul C. Fulvius Flaccus mit Truppen nach Sizilien zu schicken, aber
weder er noch sein Nachfolger L. Calpurnius Piso wurde mit den Sklaven
fertig; erst P.Rupilius, der Konsul von 132 v.Chr., warf den Aufstand nieder,
in den Kriegen von 1.54—134 v. Chr. aus- ^) Vgl. J. Kromayer, Neue Jahrbücher
drücklich bezifferten Verluste der Eömer 33, 1914, 145 ff.
zusammen, so kommen 46 100 Mann heraus,
wovon dann mindestens die Hälfte auf
die Bundesgenossen entfällt. Dies ist aber
3) Strabo XIV 668 f. Diodor XXXVI 3, 1.
*) Poseidonios fr. 15. Diodor 34 35 c.2f.
Liv. per. 56. 58. 59. Oros. V 9. Florus II 7.
nur ein Teil der wirklichen Verluste. (In- Vgl. Holm, Geschichte Siziliens III 104 ff.
des verdienen diese Zahlen nicht den Bücher. Die Aufstände der unfreien Ar-
Glauben, den Niese ihnen schenkt. Vgl. heiter, Frankfurt a. M. 1874, 121 ff. Wilms,
A. Rosenberg, Einl. und Quellenkunde zur N. Jahrb. f. Philol. 151 (1895) 209 flf. G.
röm. Gesch., Berl. 1921, 208.) Bathke, De Botnanonmi bellis serrilibus capita
') Vgl. J. Kromayer in der von L. M. seh'cta, Berl. 190i. Münzer, P\VVI1143ff.
Hartmann hrsg. Weltgesch. III, Gotha 1 ■') Florus II 7, 7 nennt vier besiegte
1919, 90. Prätoren.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§29.) 171
indem er Tauromenion, dann Henna eroberte und den Eunus gefangen nahm.
Rupilius hat dann eine vollständige Neuordnung Siziliens durchgeführt.
Rom war nicht blind gegen die Gefahr, die in der Abnahme der freien
ländlichen Bevölkerung lag. Schon begann taugliches Soldatenmaterial knapp
zu werden und es ist bezeichnend, daß Scipio Aemilianus für den numan-
tinischen Krieg keine neuen Rekrutierungen vornehmen durfte. Man ver-
suchte dem bedrohten Kleinbauerntum aufzuhelfen durch Verordnungen über
das Gemeindeland, soweit nämlich darüber verfügt werden konnte, i) Bei
der Eroberung Italiens war den besiegten Feinden viel Land abgenommen
worden, das entweder an einzelne Bürger oder an ganze Kolonien aufgeteilt
oder verkauft bzw. verpachtet wurde. Was übrig blieb, wurde gegen eine
mäßige Abgabe den Bürgern und Bundesgenossen und zwar besonders dem
Kleinbesitz zur Bebauung und Nutznießung überlassen, als j)OSsessio, wie
der technische Ausdruck heißt. Dieses Verfahren sollte dazu beitragen, die
Zahl der freien Landbevölkerung zu vermehren. Aber auch dieser Teil des
(((/er pubUcus, der Staatsdomäne, geriet größtenteils in den Besitz der Reichen.
Um diese Entwicklung einzudämmen, wurde, wahrscheinlich einige Zeit nach
dem zweiten punischen Krieg,-) durch Gesetz das erlaubte Maß dieser Pos-
sessionen auf 500 Jugera festgesetzt. Aber das betreffende Gesetz wurde
bald außer acht gelassen, da gerade die herrschenden Stände aus dem un-
sozialen Treiben ihren Vorteil zogen. Unter diesen Umständen war der Rück-
gang der freien Kleinbauernschaft und damit zugleich des kriegstüchtigsten
Elementes der Nation unvermeidlich, während die städtische Bevölkerung
Roms, und zwar sowohl der Mittelstand als auch das Proletariat, zunahm.
Im Interesse des schwer bedrohten Bauernstandes versuchte C. Laelius
{Konsul 140 V. Chr.), der Freund des Scipio Aemilianus, eine Erneuerung
des Ackergesetzes, wich aber dann vor der Opposition seiner Standesgenossen
im Senat zurück, ein Opjaortunismus, der dem bekehrten Reformer den Bei-
namen Sapiens eintrug. Doch damit war das Problem nicht aus der Welt
geschafft; die senatsfeindliche Demokratie griff es auf und erzwang eine
Entscheidung.
Obwohl diese Partei seit Catos Tod (149 v.Chr.) keinen namhaften Ver-
treter besaß, hatte sie doch Fortschritte zu verzeichnen, so die Einführung
der schriftlichen statt der mündlichen Abstimmung bei den Wahlen und
den Volksgerichten durch die leges tabellariae, Gesetze der Volkstribunen
Q. Gabinius (139 v. Chr.) und L. Cassius (137 v. Chr.). Demokratischen Geist
atmet auch der übrigens von C. Laelius und anderen Optimaten vereitelte
Versuch des Tribunen vom Jahr 145 v. Chr. C. Licinius Crassus, die Be-
stellung der Priester statt der herkömmlichen Kooptation von selten der
einzelnen Kollegien den Komitien zu übertragen. Aber ein Programm und
einen Führer erhielt die demokratische Bewegung erst, als Ti. Sempronius
^)Appianb.civ.I7. PlutarchTi.Gracch.8. des Ullsteinverlags I 454 und bei Gekcke-
2) Über die Zeit dieses Gesetzes, das ge- j Nokden, Einl. in die Altertumswiss. III^
wohnlich zu den licinisch-sextischen vom 1 479 datiert das Gesetz ins J. 196 v. Chr.,
J. 3P>7 V. Chr. gerechnet wird (oben S. 64 j in welchem Jahr allerdings ein Licinier
A. 4), vgl. Niese, Hermes XXIII (1888)
410 if. Sie läf3t sich nur annähernd be-
stimmen. K. J. Neümann in der Weltgesch.
Volkstribun war. Gegen die Hj^pothese
Neümänns erklärt sich M. Gelzer, Die
Nobilität der röm. Eepublik, 1912, 16.
172 Römische Geschichte.
Gracchus, für das Jahr 133 v. Chr. zum Volkstribun gewählt, sich des not-
leidenden Landvolks erbarmte.
Ti. Gracchus entstammte einem der angesehensten Häuser der plebeischen
Nobilität; sein gleichnamiger Vater hat zweimal, 177 und 163 v. Chr., das
Konsulat bekleidet, zwei Triumphe gefeiert, die Zensur (im Jahr KiO) ver-
waltet und besonders in der auswärtigen Politik eine Eolle gespielt; seine
Mutter war Cornelia, die jüngste Tochter des älteren Africanus, eine der
edelsten Frauengestalten Roms und die erste, in deren Seele uns einige
Briefzeilen einen Blick tun lassen. Nach dem Tod des Gatten widmete sich
die hochgebildete und hochgesinnte Frau, die als Witwe die Hand eines
Ptolemäers (wohl des Ptolemaios VHI Physkon) ausgeschlagen haben soll,
ganz der Erziehung ihrer Kinder, von denen nur drei, Tiberius, Sempronia,
die nachmalige Gattin des P. Scipio Aemilianus, und Gaius zu Jahren kamen.
Als Lehrer und Ratgeber ihres Altesten wirkten zwei Träger griechischer
Bildung, der Rhetor Diophanes von Mytilene und der Stoiker C. Blossius
von Kyme. Im Staats- und Kriegsdienst tat sich Tiberius mehrfach hervor;
als Quästor des Konsuls Hostilius Mancinus hatte er den rettenden Vertrag
mit den Numantinern (S. 160) vermittelt und mitbeschworen, aber dann in
Rom sein Wort nicht einlösen können, eine politische und mehr noch mora-
lische Niederlage, die den Bruch mit der Senatsmajorität, zu der auch sein
Schwager Aemilianus gehörte, einleitete und ihm den Entschluß erleichterte,
ohne Rücksicht auf seine Kaste sich der Sache des Volkes anzunehmen.
Zum Volkstribun gewählt, erneuerte er, unter dem Beirat erfahrener Ge-
sinnungsgenossen, nämlich seines Schwiegervaters Ap. Claudius und der
beiden Brüder P. Mucius Scaevola und P. Crassus Mucianus das Gesetz, das
als Höchstmaß des in Nießbrauch genommenen uger puhUcus 500 int/era
(Morgen) für den einzelnen possessor bestimmte mit dem Zusatz, daß für
zwei erwachsene Söhne je noch weitere 250 iugera freigegeben sein sollten,
so daß also das Maximum für eine Familie 1000 iugera (über 250 ha) be-
trug. Die gesetzlich zulässigen 500 bzw. 1000 iugera sollten in das volle
Privateigentum der bisherigen Nutznießer übergehen, weitere Possessionen
unterbleiben. Für Betriebseinrichtungen und Meliorationen, die auf dem über
das Höchstmaß hinausgehenden und deshalb einzuziehenden Domanialland
getroffen w^aren, scheinen zunächst Entschädigungen in Aussicht gestellt
worden zu sein. Der in Kraft dieses Gesetzes zu konfiszierende Teil des
ager publicus sollte an arme Bürger gegen eine geringe jährliche Abgabe
als unveräußerliches Eigentum (gewissermaßen auf Erbpacht) in Parzellen
zu je 30 iugera aufgeteilt werden. Mit diesem keineswegs radikalen Gesetzes-
vorschlag fand Gracchus beim Volk den stärksten Anklang, stieß aber zu-
gleich auf den erbitterten Widerstand der herrschenden Klasse, in deren
Interesse sein Kollege M. Octavius in der Volksversammlung hartnäckigen
Einspruch erhob; um trotzdem die Abstimmung zu ermöglichen, ließ Gracchus
schließlich den Widerspenstigen durch das Volk seines Amtes entsetzen,
worauf das Ackergesetz in verschärfter Form durchging. Mit seiner Aus-
führung wurde ein alljährlich neu zu wählendes Kollegium von drei Männern,
III riri agris dandis adsignandis iudicandi.s betraut. Gewählt wurden in
diese Ackerkommission Tiberius, sein Bruder Gaius und sein Schwiegervater
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v.Chr.). (§ 29.) 173
Ap. Claudius. Sie hatten die Aufgabe, den Umfang des arjer puhUcus und
seine vielfach unsicheren Grenzen zu bestimmen, in Streitfällen die Juris-
diktion zu üben, den gesetzwidrigen Überschuß an Domanialland einzuziehen
und den Bedürftigen zuzuweisen. Man ging sofort an die Ausführung des
Gesetzes, die Tiberius durch das damals an Rom fallende pergamenische
Erbe (S. 168) zu fördern gedachte. Im Kampf um das Ackergesetz hatte
sich der Gegensatz der Parteien sehr verschärft, besonders durch die höchst
anfechtbare Amtsentsetzung des Tribunen Octavius.^) Hatte Gracchus bereits
diesen Schritt mit der nicht so sehr römischen als vielmehr griechischen
Tlieorie der absoluten Volkssouveränität zu rechtfertigen gesucht, so ging
er auf dieser Bahn weiter, indem er dem Volk auch die Verfügung über
das Vermögen des letzten pergamenischen Königs vindizierte und beantragte,
daß es zu Beschaffungsbeihilfen für das nötige Inventar an die Inhaber der
neuen Bauernhufen verwendet v/erde. Dieser Eingriff in die längst zum
Gewohnheitsrecht gewordene Finanzverwaltung des Senats entfesselte einen
Kompetenzstreit, der den Antritt der Erbschaft verzögerte (S. 168). Aber
noch einen dritten bedenklichen Schritt wagte der revolutionäre Tribun;
da seine Widersacher ihn sofort nach Ablauf der Amtszeit zur gerichtlichen
Verantwortung zu ziehen und damit seine Agrarreform zu gefährden drohten,
so bewarb er sich, um seine Person und sein Werk sicher zu stellen, auch
für das nächste Jahr um das Volkstribunat, indem er zugleich weitere popu-
läre Anträge verhieß. 2) Gegen die beabsichtigte unmittelbare Wiederwahl,
die dem Herkommen und dem Geist der Verfassung zuwiderlief, setzten
seine Feinde alle Hebel in Bewegung. Sie bezichtigten den Tiberius des
Strebens nach der Monarchie und bereiteten einen Gewaltakt vor, worauf
der Tribun Gegenmaßnahmen zur Verteidigung traf; da aber die Mehrzahl
seiner Gefolgschaft nach Annahme des Ackergesetzes auf die ländliche
Scholle zurückgekehrt war, so besaß er in Rom nicht mehr, wie zuvor, das
Übergewicht. Bei der Wahlhandlung auf dem Kapitol spielten sich höchst
turbulente Szenen ab und schließlich wurde Gracchus von rasenden Senatoren,
an deren Spitze sich der Pontifex maximus P. Cornelius Scipio Nasica Serapio
gestellt hatte, erschlagen. Gegen die Anhänger des Toten eröffneten die
Konsuln des nächsten Jahres ein summarisches Ausnahmeverfahren.
Aber die Gesetze des Ti. Gracchus blieben zunächst unangetastet und
die Ackerverteilung, bei der auch ein Gegner des Tribunen mithalf, 3) nahm
^) Die ahrogatio des Tribunen ist völlig j dehnung des Provokationsrechtes und
verschieden beurteilt worden. Nach Nie- | Übertragung der Gerichte vom Senat auf
BUHR, Vorträge über röm. Gesch. II, 1847, | die Ritter. Plut. Ti. Gracch. 16, 1. Cass.
279, handelte Ti. Gracchus „gegen den Dio fr. 83, 7. Macrob. III 14, 6 f. Nach
Buchstaben, aber im Geist derVerfassung". Velleius II 2, 3 hätte Gracchus „ganz Ita-
Als „Revolution gegen den Geist und 1 lien" das Vollbürgerrecht versprochen,
gegen den Buchstaben der Verfassung" ^) Grenzsteine der Kommissionen haben
bezeichnet Mommsen in der Röm. Gesch. \ sich erhalten. CIL I^ 689 ff. ILS nr. 24 ff.
11^ 95 den Akt, während seine spätere, In einer Inschrift des p. Popilius Laenas,
imRöm. Staatsrecht 1^630 vertretene Auf- Konsuls von 132 v. Chr. (CIL I^ 638. ILS
fassung sich auf die Formel „gegen den I nr. 23) rühmt sich selbst dieser Wider-
Geist, aber nicht gegen den Buchstaben | sacher des Ti. Gracchus, der auch die
der Verfassung" bringen läßt. Vgl. R. ; Untersuchunggegen die Gracchaner leitete
V. PöHLMANN a. S. 178 a. 0. 143 ff. und E.
Stern a. S. 178 a. 0. 248 ff.
") Erwähnt werden Anträge auf Aus-
(Cicero Lael. 37) : 2)rimus fecei, ut de agro
poplico aratoribus cederent imastores.
174 Römische Geschichte.
iliren freilich durch große Schwierigkeiten gehemmten Fortgang. Zu neuen
Konflikten kam es, als die Triumvirn M. Fulvius Flaccus und C. Papirius
Carbo im Jahre 131 v. Chr. das Ackergesetz auch auf das von den italischen
Bundesgenossen okkupierte Domanialland anwenden wollten. Die Bundes-
genossen fanden an Scipio Aemilianus einen Kückhait. Scipio war 132 v.Chr.
aus Spanien zurückgekehrt, und obschon er gegen die Notwendigkeit von
Reformen nicht blind sein mochte,') mif^billigte er doch das revolutionäre
Ungestüm seines Schwagers, ja hieß sogar dessen Ermordung gut. Jetzt
warf er sich zum Anwalt der in ihrem Besitz bedrohten italischen Bundes-
genossen auf und erwirkte 129 v. Chr. einen Volksbeschluß, der den Triumvirn
ihre wichtigste Kompetenz, die Gerichtsbarkeit über strittiges Land, entzog,
die nun dem Konsul C. Sempronius Tuditanus übertragen wurde. Der neue
Gerichtsherr zog bald darauf gegen die lUyrier ins Feld und so geriet die
Durchführung der Ackergesetze immer mehr ins Stocken. Scipio hatte sich
durch seine antidemokratische Haltung viele Feinde gemacht und als er
mitten in der Konfliktszeit im Alter von 56 Jahren plötzlich verstarb, mun-
kelte man von Meuchelmord; auch C. Gracchus und Fulvius Flaccus, ja
sogar seine Gattin Sempronia und deren Mutter Cornelia wurden der Tat
verdächtigt.^) Die Trauer um den großen Mann, den größten seiner Zeit, war
allgemein und übertönte für den Augenblick den Lärm des Parteikampfes.
Die Reformbewegung zog weitere Kreise und griff auf die italischen
Bundesgenossen über. Um diese zu gewinnen, machte der Gracchaner Fulvius
Flaccus (Konsul 125 v.Chr.) den Vorschlag, sie in die römische Bürgerschaft
aufzunehmen oder ihnen wenigstens das Recht der Provokation zu verleihen.
Man dachte ferner daran, römische Bürger außerhalb Italiens anzusiedeln
und mit Land zu versorgen. Flaccus mußte bald darauf Rom verlassen, um
gegen die Ligurer zu kämpfen. Aber das Fiasko der Bestrebungen des
demokratischen Konsuls brachte die Italiker in Wallung, Asculum (Picenum)
imd Fregellae am Liris revoltierten offen gegen Rom. Das abtrünnige Fre-
gellae, eine der bedeutendsten latinischen Gemeinden, wurde von dem Heer
des Prätors L. Opimius zerstört. Auf dem Gebiet von Fregellae, soweit es
nicht den Nachbarn zufiel, wurde im folgenden Jahr die Kolonie Fabrateria
nova angelegt.
In dem Jahrzehnt seit dem Tod des Ti. Gracchus hatte im wesentlichen
die Reaktion das Feld behauptet; das Blatt wandte sich, als der neun Jahre
jüngere Bruder Gaius im Jahr 123 v. Chr. als Volkstribun die politische Arena
betrat in dem Entschluß, Vendetta für den Mord des Bruders zu üben und
dessen Werk weiterzuführen. Gaius war eine dämonische Natur, auch er
nicht frei von schwärmerischer Ideologie, aber an leidenschaftlichem Macht-
willen und hinreißender Beredsamkeit dem Älteren noch überlegen. Nach
*) Über seine politische Eichtung ist Münze genommen werden,
wenig bekannt; ergalt als Volksfreund i 2) ygijyiüjfzER, PWIVI458f. E.v. Stern
(Plut. Aemil.38), war aber mit der Acker- a. S. lt8 a. 0. 268, 1. Die antike Tradition
gesetzgebung nicht einverstanden. Im zieht alle Möglichkeiten in Betracht, sogar
ganzen mag er ähnlich gedacht haben den Selbstmord. Ein natürlicher Tod ist
wie Polybios. Die Aufserungen, die ihm i keineswegs ausgeschlossen, läßt sich aber
Cicero in den Büchern de re publica in sowenig beweisen, wie das Gegenteil,
den Mund legt, dürfen nicht für bare !
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§29.) 175
dem tragischen Ende des edlen Bruders hatte sich Gaius mit Rücksicht auf
seine Jugend zunächst zurückhalten müssen, um erst allmählich in seine
Rolle hineinzuwachsen. Zwei Jahre, 126/25 v.Chr., bekleidete er in Sardinien
die Quästur. Nach seiner eigenmächtigen Rückkehr wurde er für das Jahr 123
trotz dem Widerstand der Senatspartei zum Volkstribun gewählt. Er er-
öffnete seine Tätigkeit mit einem Antrag, der die auf Anregung des Senats
von den Konsuln gebildeten außerordentlichen Gerichtskommissionen mit
rückwirkender Kraft als ungesetzlich brandmarkte, was auf das Ausnahme-
verfahren gegen die Gracchaner nach dem Tod des Tiberius gemünzt war.
In einer Rede de legibus promulgatis stellte dann Gaius ein umfassendes
Reformprogramm auf.^) Vorj seinen Gesetzen scheint die lex agraria eine
verbesserte und ergänzende Redaktion des Ackergesetzes des Tiberius ge-
bracht zu haben.-) Aber nicht nur für das Landvolk, wie sein Bruder,
sondern auch für das hauptstädtische Proletariat wollte Gaius sorgen und
zwar durch eine lex frumentaria, die nach griechischem Muster^) den Bürgern
Brotkorn zu billigem Preis verschaffte und dadurch die Staatskasse erheb-
lich belastete. Seine lex ■inilitaris beschränkte die Strafgewalt der Heerführer
und gewährte den gemeinen Soldaten Erleichterungen und Vorteile, Von
größter politischer Tragweite war das Richtergesetz {lex iudiciaria), das die
Macht des Senats, der bisher alle wichtigeren Gerichtshöfe, besonders die
für Repetundenprozesse zuständigen Quaestionen, mit seinen Mitgliedern be-
setzt hatte, stark beschränkte; die senatorischen Richter hatten sich in letzter
Zeit durch einige anstößige Freisprechungen hochgestellter Angeklagter dis-
kreditiert, und nach heftigen Kämpfen ging der Antrag des Gracchus durch,
der die senatorischen Richter zum mindesten von den Repetundenprozessen
ganz ausschloß und durch Ritter ersetzte, d.h. durch die Vertreter der be-
güterten Bürgerschaft, die nach der Censusordnung die achtzehn Ritter-
centurien ausmachten. Vorbereitet war dieses Gesetz bereits durch ein anderes,
das die Zusammensetzung der Rittercenturion modifizierte.^) Diese Ritter-
centurien hatten ihre militärische Bedeutung längst eingebüßt und waren
die Stimmabteilungen der höchsten und reichsten Schicht der Bürgerschaft,
vor allem der Senatoren geworden. Jenes Gesetz aber entzog den Senatoren
mit dem Ritterpferd auch die Zugehörigkeit zu den Rittercenturien. Da seit-
dem kein Senator mehr Ritter sein durfte, so bildeten nunmehr die Ritter
einen besonderen Stand im Staat, den zweiten neben dem ersten der Senatoren.
Den Ritterstand als politischen Faktor gegen den Senat auszuspielen, das
war die Absicht, die C. Gracchus mit dem Richtergesetz verfolgte.^)
') Die Mehrzahl der Forscher setzt diese \ Bezug.
Eede erst in das zweite Tribunat; dagegen ^) Vgl. die Inschrift von Samos, ver-
E. V. Stern a. S. 178 a. 0. 274 f. Auch die i öffentlicht von U. v. Wilamowitz und Th,
Verteilung der einzelnen Gesetze des C. | Wiegand, Sitz.ber. der Berl. Akad. 1904,
917 ff. H. Francotte, Mt'langes Nicole 133.
■*) Dieses Gesetz scheint nach Cicero de
rep. IV 2 bald nach 129 v. Chr. gegeben
Gracchus auf die beiden Tribunatsjahre
ist kontrovers. Die antiken Zeugnisse
finden sich bei Plutarch C. Gr. 5 ff. Appiau
bell. civ. 121 f!L. Diodor fr. XXXIV — XXXV zu sein, kann aber auch älter gewesen
20, Velleius II 6, die moderne Literatur
s. unten S. 178.
^) Die lex agraria vom J. 111 v. Chr.
(CIL I- nr. 585 = Brüns' nr. 11) nimmt
nämlich nur auf das Gesetz des Gaius
sein (S. 173A. 2). Denkbar ist auch, daß
es einen Teil des gracchischen Kichter-
gesetzes ausmachte.
^) In betreff des Inhalts des Richter-
gesetzes schwankt die Überlieferung. Nach
176 Römische Geschichte.
Mit Vorliebe nahm Gaius die Ausführung seiner Gesetze in eigene Regie,
was seine Macht nicht wenig hob. Die Tatkraft, mit der er in die ver-
schiedenen Verwaltungszweige eingriff — er hat sogar Straßen gebaut und
Kornspeicher errichtet — imponierte auch den Gegnern im Senat, der sich
zur Mitarbeit entschließen mußte. Von nachhaltiger Wirkung war das Gesetz
des Gaius über die Konsularprovinzen, demzufolge der Senat bereits vor
der Konsulwahl zu bestimmen hatte, welche Provinzen den zukünftigen,
also noch unbekannten Konsuln als Wirkungskreis zugewiesen werden sollten.
Manche der Gesetze des Tribunen machten große laufende Ausgaben not-
wendig und so hat Gaius auch der Finanzgebarung sein Augenmerk zu-
gewendet. Er erhöhte die Zölle und zog vor allem die Provinzen heran.
In diesen Zusammenhang gehört die damals zum Abschluß gelangte Neu-
ordnung der Provinz Asia.i) Wie schon bemerkt (S. 168), legte er der neuen
Provinz einen Zehnten auf, der mit den übrigen Gefällen durch die römi-
schen Steuerpächter erhoben werden sollte, eine Einrichtung, die in der
Folge auch für andere Provinzen getroffen wurde. Der römischen Geschäfts-
welt, die sich vor allem aus dem Bitterstand rekrutierte, wurden dadurch
große Vorteile zugewendet; die Provinzialen aber erniedrigte das gracchische
Gesetz zum Ausbeutungsobjekt der skrupellosen römischen Kapitalisten und
ihrer Organe.
Der Tribun hatte eine so überragende Stellung erlangt, daß er auch für
das nächste Jahr, offenbar ohne sich überhaupt beworben zu haben, wieder-
gewählt wurde. Die Kontinuierung des Amtes war inzwischen durch ein
Gesetz gestattet worden. 2) In seinem zweiten Tribunat befürwortete Gaius
die Gründung neuer Kolonien, besonders in Capua und Tarent:^) noch wich-
tiger war die Wiederaufnahme des Antrags des Fulvius Flaccus, den Italikern,
namentlich den Latinern, das römische Bürgerrecht zugänglich zu machen.
Zum erstenmal wurde auf Vorschlag des Tribunen Rubrius die Anlage einer
außeritalischen Kolonie und zwar auf afrikanischem Boden beschlossen.^)
Der Zufall des Loses betraute mit dieser Aufgabe den Gaius selbst, der
die Kolonie auf der bisher verfehmten Stätte Karthagos ansiedelte und
Junonia benannte. Der Senat änderte nunmehr seine Taktik; in unlauterem
Wettbewerb suchte er den Tribunen zu übertrumpfen und beim Volk aus-
zustechen. Ein Kollege des Gracchus, der vornehme und angesehene M.Livius
Appian hell. civ. 1 22 und Diodor fr.XXXI V/V
25 wären die Senatoren als Richter über-
haupt ausgeschaltet worden. Nach Plut-
') Auf Asia bezieht sich wohl auch die
lex Aufeia, gegen die C. Gracchus in einer
Rede sich wandte (Gellius N. A. XI 10).
arch C. Gr. 5, 1 hätte C. Gracchus die Ge- j '^) Nach 131 v. Chr., in welchem Jahr
schworenenschaft aus 300 Senatoren und i eine dahin gehende Rogation des Papirius
ebensoviel Rittern gebildet, während Li- Garbo am Einspruch des Scipio Aemilianus
vius per. 60 die Zahl der betreffenden gescheitert war. Cic. Lael. 1>G. Liv. per. 59.
Ritter mit 600 angibt. In dem Repetunden- ^) Tarent wurde tatsächlich römische
gesetz des M.' Acilius Glabrio vom J. 123 Kolonie und heifst als solche Neptunia.
oder eher 122 v. Chr. (CIL I^ nr. 583 = Aufserdem wurde in Unteritalien Minervia
Bruns'^ nr. 10) werden 450 Richter vor- 1 an Stelle von Skylletion (Scolacium) an-
geschrieben, von denen keiner Senator gelegt. Velleius I 15, 4. Marqüakdt, Rom.
oder Sohn eines Senators sein darf. Dafs
aber die Geschworenenschaft für alle
Gerichte lediglich aus Rittern bestanden
habe und Senatoren nirgends mehr als
Richter fungierten, ist eine Übertreibung,
Staatsverw. I'^ 39.
") Nach Velleius II, 6, 3. 7, 7 hat C. Grac-
chus noch weitere Kolonien außerhalb
Italiens angelegt oder geplant.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§29.) 177
Drusus, gab sich zum Werkzeug dieser heuchlerischen Pohtik her und bluifte
die urteilslose Menge, indem er gleich ein ganzes Dutzend Kolonien be-
antragte. So wurde dem Gaius, dessen fast monarchische Machtfülle vielen
ein Dorn im Auge war, die zelmwöchige Abwesenheit in Afrika zum Ver-
hängnis; bei seiner Eückkehr nach Eom fand er die Lage zu seinen Un-
gunsten verschoben. Auf der Tagesordnung stand die Abstimmung über die
noch unerledigten Anträge,^) besonders über die Aufnahme der italischen
Bundesgenossen in die Bürgerschaft, weshalb viele Italiker nach der Haupt-
stadt strömten. Aber nun schlug sich ein früherer Freund des Tribunen,
der Konsul C. Fannius, dem Gaius zum Konsulat verholfen hatte, auf die
Seite des Senats und wies die Bundesgenossen aus, ohne daß ihr Protektor
sie zu schützen vermochte; die Abstimmung wurde durch den Einspruch
des Tribunen Livius Drusus vereitelt. Auch mit seinen übrigen Kollegen
überwarf sich Gaius. Er wurde nicht wiedergewählt, wohl aber wurde einer
seiner erbittertsten Widersacher, der ausgesprochene Reaktionär L. Opimius,
Konsul. Gleich nach dessen Amtsantritt (121 v. Chr.) begannen die Opti-
maten den Angriff auf einige der gracchischen Gesetze, die kassiert werden
sollten; auch die Gründung von Junonia sollte rückgängig gemacht werden,
wofür schlimme Zeichen den Vorwand liefern mußten. C. Gracchus und seine
Anhänger, unter denen Fulvius Flaccus das treibende Element war, be-
schlossen, den Kampf um Sein oder Nichtsein aufzunehmen. Aber auch
Opimius rüstete. An dem zur Abstimmung über das Schicksal von Junonia
festgesetzten Tag wurde ein Bürger von den Gracchanern erschlagen; unter
dem Eindruck dieses blutigen Zwischenfalls übertrug der Senat dem Konsul
Opimius diskretionäre Gewalt.^) Der Konsul rief die Bürgerschaft unter die
Waffen. Die Gracchaner hatten den Aventin besetzt; nach ergebnislosem
Parlamentieren befahl der Konsul den Sturm auf den Aventin, wobei auch
kretische Bogenschützen unter D. Brutus eingesetzt wurden. Die Leute des
Gracchus wurden zersprengt; er selbst, auf dessen Kopf ein Preis gesetzt
war, ließ sich auf der Flucht von einem treuen Sklaven den Todesstoß
geben; auch Fulvius Flaccus fand sein Ende. Die Reaktion hatte gewonnenes
Spiel: an 3000 Gracchaner sollen in der Folge durch Sondergerichte zum
Tod verurteilt worden sein. Die mit Bürgerblut befleckte Stadt, in der die
Ruhe eines Friedhofs herrschte, wurde feierlich entsühnt und Opimius weihte
der — Concordia einen Tempel.
Von den Gesetzen des C. Gracchus blieben die wichtigsten, das Richter-
und Ackergesetz, in Kraft. Die Kolonie Junonia wurde aufgehoben, doch
beließ man den Kolonisten ihr Land; zum Ersatz für Junonia ging im Jahr
118 V. Chr. eine andere Kolonie außer Landes, in die neue gallische Provinz
nach Narbo. Die Ackergesetze wurden in Bälde stark modifiziert; zuerst
') Vielleicht gehört dazu auch der nur
von Sallust ad Caesarem senem de re publ.
II 8, 1 erwähnte Antrag, das Vorstimm-
recht der ersten Steuerklasse bei den
Centuriatkomitien aufzuheben.
capiat. Dieser Senatsauftrag verlieh dik-
tatorische Befugnisse; die so geschaffene
Quasidiktatur entspricht etwa der Ver-
hängung des Belagerungszustandes. Ge-
faßt hat der Senat einen solchen Beschluß
^) Durch das sog. senatus consultum nlfi- I zum erstenmal im J. 133 gegen Ti. Grac-
mum, dessen Formel ursprünglich lautet i chus, jedoch damals ohne praktische Wir-
uti consules rempublicam defendant, später i kung. Vgl. G. Plaumänn, Klio XIII, 1913,
videant consules ne quid respubJica detrimenti j 321 ff.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft, IH, 5. 6. Anfl. 12
178 Römische Geschichte.
kam die Unveräufscrlichkeit der durch Assignation geschaffenen Bauernhufen
in Wegfall; dann wurde durch die lex Tlioria^) weitere Assignation verboten
und den derzeitigen poasessorcs ihr Anteil am ar/er pxblicus als Eigentum
gegen eine regelmäßige Abgabe zugesprochen. Unter Verzicht auf diese Ab-
gabe erklärte schließlich ein drittes Gesetz, etwa aus dem Jahr 111 v.Chr.,
sowohl das assignierte wie das okkupierte Domanialland für volles Privat-
eigentum.-) Dabei hatte es bis auf weiteres sein Bewenden. Indem die
Gracchen den bedrohten Kleinbauernstand schützten und mehrten, haben
sie in wirtschaftlicher und bevölkerungspolitischer Hinsicht .segensreich ge-
wirkt.^) Jedoch ein durchschlagender und dauerhafter Erfolg blieb den vom
besten Willen beseelten Brüdern versagt. Dadurch aber, daß sie ihre wohl-
gemeinte Sozialreform mit revolutionären Mitteln durchzusetzen suchten,
haben sie Geister gerufen, die erst nach einem Jahrhundert und nachdem
Ströme von Bürgerblut geflossen waren, sich wieder bannen ließen. Es war
ein verhängnisvoller Irrtum, wenn sie glaubten, die auf dem Boden der
griechischen Polis gewachsene demokratische Theorie für Rom in die Praxis
umsetzen zu können. Wohl hat C. Gracchus den Kitterstand in den Sattel
gehoben; aber der von ihm vermittelte Bund zwischen den kapitalkräftigen
Rittern und dem hauptstädtischen Proletariat mit der gemeinsamen Front
gegen den Senat konnte nicht von Bestand sein. Senatoren und Ritter haben
gemeinsam gegen die Gracchaner die Waffen erhoben, als Konsul Opimius
sie rief. Daß dieser Konsul sofort nach Ablauf seiner Amtszeit, wenngleich
ohne Erfolg, in Anklagezustand versetzt werden konnte, ist ein Beweis
dafür, daß die demokratische Partei die Katastrophe ihres größten Führers
überlebt hatte. In weiten Schichten der Bevölkerung blieb eine tiefe Er-
bitterung zurück über das brutale Vorgehen der Reaktion gegen die Gracchen
und ihren Anhang.
Literatur: K. W. Nitzsch, Die Gracchen und ihre nächsten Vorgänger, Berlin
1847. — C. Neumann, Geschichte Roms während des Verfalles der Republik, hrsg. von
E. GoTHEiN, I, Breslau 1881. — W. G. C. Bijvanck, Studia in TL GraccJii historiam. Leiden
1879. — Ed. Meyer, Untersuchungen zur Geschichte der Gracchen, Kleine Schriften.
Halle a/S. 1910 [1891] 381 ff. — H. Klimke, Beiträge zur Geschichte der Gracchen,
Px'ogr. Sagan 1893. — E. Koknemänn, Zur Geschichte der Gracchenzeit, Klio, 1. Bei-
heft 1903. — R. V. PöHLMANN, Tiberius Gracchus als Sozialreformer, Aus Altertum
und Gegenwart, Neue Folge, München 1911. 118 ff. — W. Judeich, Die Gesetze des
Gaius Gracchus, Hist. Zeitschr. 111, 3. F. 15, 1913, 473 ff. — E. v. Stern, Zur Beurteilung
der politischen Wirksamkeit des Tiberius und Gaius Gracchus, Hermes 56, 1921, 229 tf.
30. Auswärtige Kriege. Die Kriege dieser Zeit sind zwar militärisch
nicht von besonderer Bedeutung, hielten aber doch die Römer fast ohne
M Appian bell. civ. I 27. Cic. de orat. ten, die lex Thoria.
II 284. Brut. 136. Das Gesetz wird von , *) Die überlieferten Zensuszahlen zeigen
MoMMSEN ins J. 119, von C. Neumann und j zwischen 131 und 125 v. Chr. ein starkes
Kornemann ins J. 114 v. Chr. datiert. Vgl. j Anschwellen der Bürgerschaft: 136 v.Chr.
R. Maschke, Zur Theorie und Gesch. der 317933 Köpfe, 131 v.Chr. 318823. 125 v.Chr.
röm. Agrargesetze, Tübingen 1906. 84 ff. ' 394736, 115 v.Chr. 394336 (Liv. per. 56.
'-) Appian a. a. 0. Vgl. Mommsen zu CIL 59. 60. 63). Viele Tausende von bisherigen
I' nr. 200 ( -^ CIL I^ nr. 585 und Bruns' I Proletariern waren durch die Assiguatio-
nr. 11). sowie Ges. Sehr. I 68 ff. Die ge- neu mit Land versorgt worden und konn-
nannte Inschrift gibt wahrscheinlich den [ ten also in die Censuslisten eingetragen
fragmentierton Wortlaut jenes dritten Ge- werden, in denen sie bisher nicht geführt
setzes (vom J. 111) wieder und nicht, wie wurden. Vgl. E. v. Stern a. unten a. 0.244 f.
schon SiGONius und später Rudorff glaub-
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). {% f^^l) 179
Pause in Atem, da fast immer an irgendeiner Stelle des großen Reiches
gekämpft werden mußte. In Italien gab die Nachbarschaft unabhängiger
Stämme in den Alpen und im nahen Illyrien Anlaß zu wiederholten Kämpfen.
Nach Norden hin scheint das Verhältnis zu den Alpenvölkern überwiegend
friedlich gewesen zu sein, ein starker Verkehr muß sich in das Alpengebiet
hinein erstreckt haben, i) doch kam es auch hier zu Störungen der Ruhe.
143 V. Chr. führte der Konsul Ap. Claudius Pulcher Krieg gegen die Salasser
(beim heutigen Aosta im Tal der Dora Baltea), die einträgliche Gold-
wäschereien besaßen, 118/17 v. Chr. Q. Marcius Rex gegen die ligurischen
Stöner westlich vom Comersee, 115 v. Chr. M. Aemilius Scaurus gegen die
Karner (in Kärnten), Taurisker und andere keltische Völker der Ostalpen.
Für die römischen Feldherren boten diese Kriege mitunter eine willkommene
Gelegenheit, Beute zu machen und billige Triumphe zu verdienen. Die Li-
gurer an der italischen Seite der Alpen hatte Rom allmählich unterworfen
und zu dienstpflichtigen Bundesgenossen gemacht. 2) Die Durchdringung und
Erschließung des nördlichen Italiens wird durch folgende Straßenbauten
illustriert: die via Postum ia, die der Konsul Sp. Postumius 1-18 v. Chr. von
Genua nach Cremona, vielleicht sogar bis Aquileia führte, und die via
AemiUa, die von Pisa über Genua an der Küste bis nachVada Sabatia und
von da über den Appennin bis Dertona ging, ein Werk des Zensors M. Aemilius
Scaurus (109 v.Chr.). 2) Kriege mußten im nördlichen Illyrien geführt werden,
129 V. Chr. gegen die Istrer, Japuden und vielleicht auch Taurisker,*) 119
— 117 V. Chr. gegen Japuden und Dalmater. Von den kriegerischen und un-
ruhigen Nachbarn der Provinz Makedonien, von Thrakern, Illyriern und
Kelten, erlitten die römischen Prätoren nicht selten ernste Niederlagen.
Schon 141 v. Chr. wurde mit den Skordiskern an der Save unglücklich ge-
kämpft; andere Kriege werden 135 und 117 v. Chr. erwähnt.^) Auch auf
Sardinien gab es noch immer keinen dauernden Frieden, so kämpften dort
z.B. die Konsuln L. Aurelius Orestes (126— 123 v. Chr.)^) und M. Caecihus
Metellus (115 — 112 v. Chr.); nur die Küste war in sicherem Besitz der Römer.
Erwähnenswert ist die Unterwerfung der Balearen durch Q. Caecilius Metellus
(123 und 122 v. Chr.).') Die Inseln wurden künftig vom diesseitigen Spanien
aus verwaltet und auf der größeren (Mallorca) mit römischen Kolonisten
aus Spanien die Städte Palma und Pollentia gegründet.**)
1) Polybios bei Strabo IV 207 berichtet, (1908) 321 ff.
daß die norischen Taurisker eine Gold- '") Appian Illyr. 10 f. G. Zipfel, Die
miue bei Aquileia kurze Zeit gemeinsam | römische Herrschaft in Illyrien 129 f.
mit Italikern ausbeuteten, dann aber die Livius epit. Oxyrh. 54 (vgl. S. 8 A. 2). E.
Fremdlinge verjagten, um sich das Mono- KoRNEMANN,Klio, 2. Beiheft 1904, 61. 93. Aus
pol zu sichern. | dem Ehrendekret für M. Annius SIG 11^
^) Vgl. den Schiedsspruch der Minucier j nr. 700 ergibt sich, daß iui J. 117 v. Chr.
zwischen Genuaten und Veituriern von unter dem Prätor Sex. Pompeius Make-
117 V. Chr. CIL I^ 584. ILS II nr. 5946. donien von GalHern und Mädern auge-
3) Strabo V 217. CIL V 2, 827 f. griffen wurde.
■*) Durch den Konsul C. Semprouius ^) Orestes triumphiert nach den Trium-
Tuditanus. Von einer Ehreninschrift aus , phalakten am 8. Dezember 122 v. Chi'.
Aquileia, die aus diesem Anlaß dem Kon- CIL I^ p. 49. 176.
sul gesetzt wurde, sind Reste gefunden. ■") Metellus triumphiert 121 v. Chr.
A. V. Premerstein, Österr. Jahreshefte 10 j ^) Strabo III 167 f. Diodor V 17.
(1907) 264 ff. BücHELER, Ehein. Mus. 63 |
12*
]^8Q Römische Geschichte.
Folgenreicher wurde der Krieg gegen die westlichen Ligurer. Diese be-
unruhigten oft das Gebiet Massalias, das die Küste etwa von Monaco bis
nahe an die Pyrenäen umfaßte; sclion 154 v. Chr. hatten die Kömer zum
Schutz ihrer Verbündeten einen Feldzug gegen die ligurischen Dekieten und
Oxybier unternommen und sie zur Unterwerfung genötigt. Aus ähnlichem
Anlaß kam es 125 v. Chr. zu einem Krieg gegen die Sallyer (Salluvier) und
Vokontier, der in den Jahren 125 und 124 v. Chr. von M. Fulvius Flaccus,
128 und 122 v.Chr. von C. Sextius Calvinus geführt wurde. ^) Die Sallyer
wurden zurückgedrängt; ein Teil ihres Gebiets fiel an die Massalioten. 122
v. Chr. wurde in dieser Gegend als erste römische Niederlassung das Kastell
Äqnae Sextlae angelegt. Der Krieg mit den Ligurern führte zu Verwick-
lungen mit den benachbarten Kelten.
Die kriegerischen und reichen Stämme der transalpinischen Kelten, 2)
denen die Massalioten bereits ein gewisses Maß griechischer Zivilisation
übermittelt hatten, zerfielen in zwei feindliche Gruppen. Damals hatten im
südlichen und mittleren Gallien die Arverner die Vormacht, deren Klientel
sich von den Pyrenäen bis an den Ozean und den Rhein erstreckte; ihnen
standen die Aeduer mit ihrer Partei gegenüber. Im Verlauf des ligurischen
Krieges stießen nun die Römer, wie es scheint, zuerst mit den Allobrogern,
bei denen der vertriebene König der Sallyer Zuflucht fand, und hierauf mit
den Arvernern zusammen. Die Aeduer dagegen schlössen als erste unter allen
Transalpinem mit Rom ein für die Zukunft wichtiges Freundschaftsbündnis.
Der weitere Verlauf der Ereignisse war etwa folgender: 3) Der Arverner
Bituitus, Sohn des mächtigen Luerios, verwendete sich bei den Römern für
den verjagten Fürsten der Sallyer, wurde aber abgewiesen, weshalb er die
Allobroger gegen die Römer unterstützte; aber die vereinigten Allobroger und
Arverner wurden vom Nachfolger des Sextius, von Cn. Domitius Ahenobarbus,
Konsul 122 v. Chr., bei Vindalium an der Mündung des Sulgas (Sorgue) in
die Rhone geschlagen. Nun bot Bituitus seine ganze Macht auf, während
die Römer den Q. Fabius Maximus Aemilianus (Konsul 121 v. Chr.) mit einem
neuen Heer nach Gallien schickten mit dem Auftrag, zusammen mit Domitius
den Krieg fortzusetzen. Durch Fabius Maximus erlitt Bituitus mit den Allo-
brogern an der Mündung der Isere eine vernichtende Niederlage (8. August
121 V. Chr.),^) worauf die Allobroger klein beigaben. Die Beendigung des
Krieges fiel dem Domitius zu, der die Arverner zum Frieden zwang, den
König Bituitus und dessen Sohn als Gefangene nach Rom sandte und aus
den zunächst gelegenen gallischen Stämmen, den Volcae mit der Stadt Tolosa
und den Allobrogern, eine neue gallische Provinz bildete; zugleich erbaute
er die via Duiitifia von den Pyrenäen bis an die Rhone. Er trium^Dhierte
*) Sextius triumphiert 122 v. Chr. ganger, wie Nachfolger des Fabius Maximus
^) Zuerst hat über sie berichtet Posei- war. Mommsen (II 163) setzt die Schlacht
donios. Vgl. Poseid. fr. 23 ff. (FHGIII 259ff.). an der Isere vor die am Sulgas. Vgl. außer
DiodorV24. StraboIV 195ff. Vgl. Camille den Auszügen aus Livius 61, Oros.VlSf.,
JuLLiAN, Histoire de la Gaule vol. I— III, Eutrop. IV 22, Florus I 37 noch Strabo IV
Paris 1908 f. 185. 191. Velleius 1, 15, 4: II 10, 2. Valer.
^) Die Geschichte des folgenden Krieges Max. IX 6, 3. Diodor XXXIV/XXXV 23.
ist nur dürftig und unsicher überliefert, j Appian Keltik.l2. Steph.Byz. s.v..J/^ot'ö<o(,
Zu beachten ist, daß von den beiden rö- 'Aoöeorm, 'Paßia.
mischen Feldherren Domitius sowohl Vor- 1 ^) Plinius n. h. VII 166.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§ 3U.) 181
120 V. Chr.') Schon 118 oder 117 v. Chr. wurde die alte keltische Stadt Narbo
mit römischen Bürgern besiedelt, und bald ergoß sich ein Strom italischer
Kaufleute und Einwanderer in die neue Provinz. Von hier aus traten die
Römer auch mit den übrigen gallischen Stämmen in Verkehr; das Bündnis
mit den Aeduern gab ihnen den nötigen Rückhalt.
Entscheidenden Einfluß auf die innere Politik gewann der Krieg gegen
den Numider Jugurtha (111 — 105 v. Chr.), weil während seines Verlaufs die
wachsende Korruption der herrsehenden Schicht grell beleuchtet wurde.
Das Königreich Numidien umfaßte damals die Küstenlandschaften Nord-
afrikas von der Grenze der Kyrenaika bis zum Fluß Muluccha mit Aus-
schluß der Provinz Afrika; es war das Reich des Masinissa. Dieser Fürst
hatte sich um sein Land und Volk große Verdienste erworben,^) den Acker-
bau gefördert und die Einwohner seßhaft gemacht. Die Grundlage der numi-
dischen Kultur war punisch, aber bereits Masinissa hatte sich auch für
griechisches Wesen interessiert und Griechen und Italiker ins Land gezogen ;
sein Sohn und Nachfolger Micipsa war Philhellene und ein halber Gelehrter.^)
Als Micipsa 118 v.Chr. starb, hinterließ er, ähnlich wie sein Vater, das Reich
zu gemeinsamer Verwaltung dreien Erben, nämlich seinen Söhnen Adherbal
und Hiempsal und seinem Neffen Jugurtha, den er adoptiert hatte. Jugurtha
war ehrgeizig und energisch, auch im Krieg erprobt; vor Numantia hatte
er sich an der Spitze eines numidischen Hilfskorps die Sporen verdient und
übrigens auch Beziehungen zur römischen Aristokratie augeknüpft. Sein
Ziel war, sich die Alleinherrschaft über Numidien anzueignen. Schon bald
nach dem Tode Micipsas entzweiten sich die Erben und teilten das Land
in drei Teile. Bald darauf wurde Hiempsal von Jugurtha vertrieben und
getötet; auch Adherbal wurde verjagt und suchte Zuflucht bei den Römern;
Jugurtha nahm das ganze Reich in Besitz; seine römischen Freunde sorgten
dafür, daß er straflos ausging; eine Senatskommission teilte Numidien
zwischen den beiden Erben, wobei an Jugurtha die fruchtbarere, stärker
bevölkerte Westhälfte fiel (117 v.Chr.). Wenige Jahre später wurde Adherbal
von Jugurtha erneut angegriffen, geschlagen und trotz römischen Protesten in
der Residenz Cirta belagert ; er kapitulierte schließlich gegen Zusicherung von
Leben und Freiheit. Der wortbrüchige Jugurtha ließ ihn jedoch zu Tode
martern. Auch die wehrhaften Bewohner von Cirta, darunter nicht wenige
Italiker, mußten sterben (112 v. Chr.). Diese Bluttat entfesselte in Rom beim
Volk einen Sturm der Empörung. C. Memmius, der Tribvm des nächsten
Jahres, machte sich zum Wortführer der öffentlichen Meinung, unter deren
Druck auch der Senat in die Kriegserklärung gegen Jugurtha willigen mußte.
Konsul L. Calpurnius Bestia, ein Optimat vom reinsten Wasser, setzte im
Jahr 111 V. Chr. mit einem Heer nach Afrika über. Aber Bestia und seine
Legaten, besonders der einflußreiche M. Aemilius Scaurus, ließen sich be-
stechen und verabredeten mit Jugurtha einen mehr als glimpflichen Frieden,
ohne daß eine entscheidende Waffentat vorausgegangen wäre. Der plötzliche
*) In dasselbe Jahr etwas vorher fällt ^) Diodor XXXIV 3-5. Über Masinissas
der Triumph des Fabius Maximus. Verbindung mit Delos und Athen vgl.
^) Vgl. Kähkstedt in Meltzers Gesch. i SIG 11^ nr. 652.
der Karthager III .578 ff. ,
182 Römische Geschichte.
FriedensschluE^ erregte beim römischen Volk größtes Befremden. C.Memmius
verhinderte die Ratifikation und setzte die Vorladung Jugurthas durch. Der
König erschien vor der Volksversannnlung, wußte sich aVjer dem Verhör
mit Hilfe eines käuflichen Tribunen zu entziehen. Jugurtha hatte sogar die
Stirn, einen in Kom weilenden Enkel Masinissas, den Massiva, der als numi-
discher Prätendent in Frage kam, aus dem Weg räumen zu lassen. Auf
dieses neue Verbrechen hin wurde Jugurtha vom Senat aus Italien aus-
gewiesen, was zugleich die Wiederaufnahme des Krieges bedeutete. Ober-
befehlshaber wurde jetzt Konsul Sp. Postumius Albinus (110 v. Chr.). Die
Wahlen riefen ihn aber bald vom Kriegsschauplatz nach Rom zurück, wo
er lange festgehalten wurde. Sein von ihm mit dem stellvertretenden Kom-
mando betrauter Bruder A. Postumius wagte mitten im Winter einen ver-
geblichen Angriff auf die Feste Suthul. Auf dem Rückzug wurde er von
Jugurtha überfallen und geschlagen. Aus verzweifelter Lage rettete Aulus
sein Heer durch ein schmachvolles Bündnis mit Jugurtha und das Ver-
sprechen, binnen zehn Tagen Numidien völlig zu räumen (109 v. Chr.).
Dieses Abkommen wurde vom Senat ohne weiteres verworfen. Der Volks-
tribun C. Mamilius Limetanus hatte schon früher eine gerichtliche Unter-
suchung über die Vorgänge im jugurthinischen Krieg beantragt. Jetzt wurde
ein Untersuchungsausschuß gebildet, der unter anderen vornehmen An-
geklagten auch den beim Volk besonders verhaßten L. 0]3imius, den Führer
der ersten Senatskommission, verurteilte. Mit der Fortsetzung des Kriegs
wurde Konsul Q. Caecilius Metellus beauftragt (109 v. Chr.). Metellus war
wällens, dem Treiben Jugurthas ein Ende zu bereiten; in der Wahl seiner
Mittel war der Römer genau so skrupellos wie sein Gegner. In zwei Feld-
zügen (108 und 107 v. Chr.) hat Metellus Erfolge errungen. Die Doppel-
schlacht am Muthul,') einem Nebenfluß des Bagradas, wo Jugurtha die ge-
trennten römischen Streitkräfte mit Geschick angriff, aber dann doch ge-
schlagen wurde, die vergebliche Belagerung von Zama (Regia), die Eroberung
der Feste Thala durch die Römer bilden die Hauptereignisse. In dem
zwischen den Campagnen liegenden Winter wurde unterhandelt, ohne Re-
sultat, da Jugurtha die bedingungslose Übergabe ablehnte. Die Proviant-
frage war für die Römer um so schwerer zu lösen, je länger der Krieg sich
hinzog. Einer entscheidenden Schlacht aber wich Jugurtha aus, belästigte
jedoch die Römer mit seiner überlegenen Kavallerie und den beweglichen
Leichtbewaffneten. Der von seinen Landsleuten opferfreudig unterstützte
Numider fand überdies 107 v. Chr. Bundesgenossen an den Gätulern und
an seinem Schwiegervater Bocchus von Mauretanien, den die Gleichgültig-
keit Roms gegen sein Bündnisangebot verstimmt hatte. Rom hegte den
dringenden Wunsch, den Krieg zu gutem Ende zu bringen, um die in
Afrika engagierten Streitkräfte frei zu bekommen. Da auch Metellus mit
Jugurtha nicht fertig wurde, so gab man ihm einen Nachfolger in dem
hämo uorus C. Marius. Dieser demokratisch gesinnte, aus dem Ritterstand
hervorgegangene Mann hatte seine Laufbahn unter Scipio vor Numantia
begonnen. Als Prätor hatte er das diesseitige Spanien verwaltet und sich
1) R. Gehler, Jahreshefte des österr. arch. lustit. XII, 1909, 327 ff., XIII 257 ff.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§31.) 183
zuletzt als Legat des Metellus im numidischen Krieg ausgezeichnet. Dem
schlichten, aber ehrgeizigen Marius schenkte das Volk das Vertrauen, das
sich die adligen Offiziere verscherzt hatten, und so wurde er denn trotz
allen Hindernissen, die ihm die Optimaten und sein Vorgesetzter, Metellus,
in den Weg legten, für 107 v. Chr. zum Konsul gewählt. Ein besonderes
Gesetz übertrug ihm das Kommando in Numidien.
Marius brachte ansehnliche Verstärkungen mit. In seinem ersten Feld-
zug (106 V. Chr.) verdrängte er durch methodische Operationen den Feind
fast ganz aus dem Land, und als Jugurtha und Bocchus einen neuen An-
griff wagten, wurden sie zweimal geschlagen (Herbst 106 v. Chr.). Diese
Niederlagen machten den Bocchus geneigt, seinen Eidam preiszugeben, was
Marius bisher vergeblich angestrebt hatte. Nach längeren Unterhandlungen,
die im Auftrag des Marius sein Quästor L. Cornelius Sulla führte, ließ sich
Bocchus bereit finden, den Jugurtha den Römern in die Hände zu spielen
(Frühjahr 105 v. Chr.). Mit der Gefangennahme Jugurthas war der Krieg
zu Ende; es galt nur noch, die Verhältnisse Numidiens und Afrikas neu
zu ordnen, was im Lauf des Jahres 105 v. Chr. geschah. Numidien kam an
einen Enkel Masinissas, Gauda, den Sohn Mastanabals; abgetrennt wurde
die Landschaft der Tripolis, die zur Provinz Afrika geschlagen wurde, sowie
das westliche Drittel des Königreichs, mit dem Bocchus belohnt wurde,
nachdem bereits vorher Jugurtha zu dessen Gunsten darauf verzichtet hatte.
Gegen Ende 105 v. Chr. kehrte Marius nach Rom zurück, wo er am
1. Januar 104 sein zweites Konsulat antrat und am selben Tag den Jugurtha,
der dann im Kerker hingerichtet wurde, im Triumph aufführte.^)
31. Die Zeit der kimbrischen Kriege. Das Gebiet nördlich der Alpen,
das heutige Süddeutschland und die angrenzende Donaulandschaft, war da-
mals von keltischen Stämmen bewohnt, die mit Griechen und Römern schon
seit langem in Handelsverkehr standen. Zwischen Main und Rhein saßen
die Helvetier mit ihren vier Gauen, und weiter östlich im heutigen Böhmen
und Mähren die Bojer, ebenfalls ein mächtiger Stamm mit großer Klientel. 2)
Diese Gegenden wurden um die Zeit des jugurthinischen Kriegs durch ein
wanderndes Kriegsvolk heimgesucht, durch die germanischen Kimbern, die
vermutlich aus Nordalbingien stammten, wo es auch später noch Kimbern
gab.^) Die Kimbern stießen zuerst auf die Bojer; von ihnen abgeschlagen.
') Über die Chronologie des jugurthini- Über die Wohnsitze und den Namen der
sehen Kriegs vgl. Mommsen, Rom. Gesch. I Kimbern, Progr. des Luisengymnasiums,
11^ 149 Anm. G. Meinel, Zur Chronol. des Berlin 1904. Den besten Bericht über die
jugurth. Krieges, Progr. Augsburg 1883. Wanderung der Kimbern gibt Strabo VII
"■^) Tacitus Germ. 28. ' 293 nach Poseidonios. Vgl.Plut.Mar.il. Da
') Von der großen Literatur über die ' im späteren römischen Sprachgebrauch,
kimbrische Wanderung seien genannt besonders bei Caesar, die Kimbern und
Kaspar Zeuss. Die Deutsclien und ihre Teutonen stets zusammen genannt zu
Nachbarstämme. Müllenhoff, Deutsche werden pflegen, so hat man ihnen auch
Altertumskunde 1476 f. II 112 f. Rud.Müch, eine gemeinschaftliche Heimat gegeben.
Deutsche Stammsitze (aus den Beiträgen ! Nach Müllenhoff sind die Teutonen eine
zur Gesch. der deutschen Sprache und keltische Bezeichnung der Germanen an
Litteratur), Halle 1892. J. F. Makcks. Bonner ; der Nordseeküste In Wahrheit werden
Jahrb. 95, 32 ff. G. Zippel, Die Heimat der ! in den älteren Quellen zuerst nur Kim-
Kimbern, Festschrift des kgl. Friedrichs- | bern genannt; die Teutonen sind, 'wie
Kollegium, Königsberg 1892. Fr. Matthias, i auch Much ausführt, dieselben wie die
184 Römische Geschichte.
kamen sie an die Donau, zogen abwärts bis zu den Skordiskern im nördlichen
Illyrien und wandten sich von hier gegen die Taurisker in Noricum, die
jüngst mit den Römern Freundschaft geschlossen hatten. Der Konsul Cn.
Pajjirius Carbo, der die Alpenpässe zu decken hatte, veranlagte die Ein-
dringlinge zur Räumung des Gebietes der Taurisker. Die gutwillig Ab-
ziehenden griff der Konsul bei Noreia treuloserweise an, holte sich aber
eine schwere Niederlage. Ein Unwetter bewahrte das römische Heer vor
völliger Vernichtung (113 v. Chr.).
Nach diesem Sieg hätten die Kimbern in Italien einfallen können, aber
statt nach Süden wandten sie sich nach Westen; so gelangten sie zu den
Helvetiern, deren zwei Gaue, die Teutonen (Toygener) und Tiguriner sich
ihnen anschlössen, und zu den drei Völkern trat als viertes, wir wissen
nicht wann, die Ambronen, ein keltischer oder germanischer Stamm un-
bekannter Herkunft. Um 111 v. Chr. überschritten die Kimbern und ihre
Genossen den Rhein, vielleicht von den Sequanern zu Hilfe gerufen,') und
setzten bei den Galliern, und zwar meist jeder Stamm für sich, ihr kriege-
risches Wanderleben fort. Auch im Süden Galliens, in der Nähe der römi-
schen Provinz, tauchten die Kimbern auf, wobei es zu einem neuen Zu-
sammenstoß mit den Römern kam. 109 v. Chr. wurde Konsul M. Junius
Silanus von ihnen besiegt. Die Sieger schickten sogar Gesandte an den
Senat und erbaten Land zur Besiedlung, wurden aber abschlägig beschieden,
worauf der Krieg seinen Fortgang nahm. Konsul L. Cassius Longinus holte
sich von den Tigurinern, denen er auf dem Rückzug unvorsichtig folgte,
im Gebiet der Nitiobrogen^) an der Garonne eine Niederlage; er selbst fiel
und sein Heer mußte kapitulieren (107 v. Chr.). Jetzt übernahm Q. Servilius
Caepio den Krieg, ein stolzer Optimat (106 v. Chr.). Er brachte das ab-
trünnige Tolosa wieder in seine Gewalt und entführte dabei die ungeheuren
Schätze des keltischen Nationalheiligtums, das aurum Tolosanuin, angeblich
150000 Talente (= 707 Millionen Goldmark). 3) Im nächsten Jahr (105 v.Chr.)
erschien außerdem Konsul Cn. Mallius Maximus mit frischen Truppen im
Feld. Auch die vier Barbarenstämme scheinen sich wieder vereinigt zu
haben. Am 6. Oktober 105 v, Chr. wurden bei Arausio die beiden römischen
Heere kurz nacheinander vernichtend geschlagen. Die Römer sollen an
von Strabo IV 183 und VII 293 genannten die Poseidonios sogar mit den Kimmeriern
Toygener {TcovyEvoi), also ein Gau der Hei- zusammengebracht hatte, unter den ger-
vetier. Hierzu stimmt der bei Milten- manischen Stämmen an der Nordseeküste,
berg am Main gefundene Grenzstein mit die dem Kaiser huldigten, genannt (Strabo
der Inschrift infer Toutonos (CIL XIII 2, 1 I VII 293. Bes gestae divi Aug. p. 104 Momm-
nr. 6610), aus der sich ergibt, daß noch : sen); nach Müllenhoffs unbeweisbarer
später sich ein Rest dieses Gaues an Annahme hätten die germanischen Kim-
seinem alten Wohnsitze erhalten hatte. bern, deren Namen er für keltisch hält,
Die Identität der Toygener (Tougener) mit nicht an der Unterelbe, bezw. in Jütland,
den Teutonen vertritt auch Ed. Meyer, sondern weiter südlich an der mittleren
Sitz.ber. der Berl.Ak. 1921, 750 ff., erblickt ' Elbe gesessen.
aber in ihnen im Gegensatz zu Poseidonios ') Velleius II 8, 3. Strabo IV 192.
bei Strabo keinen helvetischen Stamm, '^) Nicht bei den Allobrogern, wie man
sondern Germanen von der friesischen früher nach einer unbeglaubigten Lesart
Nordseeküste, von wo sie wie die Kim- : bei Livius per. 65 annahm. Vgl. Mommsen,
bern und Ambronen durch verheerende Rom. Gesch. 11^ 178.
Sturmfluten vertrieben worden seien. Zur ^) Strabo IV 188. Justin. XXXII 3, 9 ff.
Zeit des Augustus werden die Kimbern, |
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (*? 31.) 1^5
60000 Mann^) verloren haben. Die Hauptschuld an dieser Katastrophe trugen
persönliche Antipathien, die ein Zusammenwirken der beiden Feldherren un-
möglich machten. Wenn auch der befürchtete Einfall der Sieger unterblieb,
so war doch die nationale Sorge in dem trauernden Italien schwer genug;
sie zu bannen, wählten die Bürger gegen das Gesetz den Mann des all-
gemeinen Vertrauens, den Marius, der soeben den jugurthinischen Krieg er-
folgreich beendet hatte, bereits wiederum für das Jahr 104 v. Chr. zum
Konsul und übertrugen ihm den Kimbernkrieg.
Marius traf umfassende Rüstungen, zu denen alle Verbündeten, auch die
Könige, herangezogen wurden. Die zahlreichen Niederlagen der letzten Zeit
verraten den Verfall und die Unzweckmäßigkeit des römischen Heerwesens.
Schon im dritten makedonischen Krieg zeigen sich die ersten Symptome.
Der kriegerische Geist der römischen Bürgerschaft war mit dem Eindringen
des Hellenismus und der Veränderung der wirtschaftlichen Struktur ge-
sunken, die Disziplin der Truppe hatte sich gelockert. Auch die allgemeine
Dienstpflicht liefs sich nicht mehr wie früher durchführen; die besitzenden
Klassen genossen eine bevorzugte Stellung, viele Bürger lebten dauernd
im Ausland, und neben der Aushebung nahm der Aufruf Freiwilliger immer
größeren Umfang an. Die jährliche Neubildung der Heere war bei den
langen Kriegen außerhalb Italiens nicht mehr möglich, die Soldaten mußten
jahrelang bei der Fahne bleiben und wurden ganz von selbst zu Berufs-
kriegern. Diesen Umständen trug Marius mit seiner Heeresreform Rechnung.
Schon im jugurthinischen Krieg nahm er die Soldaten aus den untersten,
unbemittelten Klassen der Bürgerschaft; -) daraus, daß der Kriegsdienst aus
einer bürgerlichen Ehrenpflicht zu einem Handwerk wurde und der alt-
gediente Soldat nach der Entlassung von seinem General eine Zivilversorgung
beanspruchte, ergaben sich neue politische und soziale Probleme, sowie neue
Versuche zu deren Lösung. Auch nach der taktischen Seite hat Marius
das Kriegswesen zeitgemäß reformiert. Er wird es gewesen sein, der an
Stelle der alten Manipularordnung der Legion die Kohorte zur Kampf-
einheit machte, was sie bei den bundesgenössischen Kontingenten von jeher
gewesen war. Marius gilt als Schöpfer der Kohortenformation, die ein
beweglicheres Manövrieren auf dem Schlachtfeld ermöglichte.^) Auch die
Bewaffnung hat der große römische Kriegsmeister verbessert.
Die Kimbern waren nach Spanien gezogen, die anderen Stämme werden
sich in Gallien zerstreut haben. So gewann Marius Zeit in Südgallien, sein
Heer auf den bevorstehenden Kampf gründlich vorzubereiten (104 und 103
V. Chr.). Da die Verbindung mit Italien zur See aufrechterhalten werden
sollte, so wurde zur Erleichterung der Schiffahrt der Rhone ein neuer
Mündungskanal gegraben,^) die fos^a Mariana. Die teilweise verlorenen
gallischen Landschaften suchte Marius zurückzugewinnen. 5) Durch geschickte
Wahlmanöver wußte er sich das Konsulat auch für das Jahr 102 v. Chr. zu
1) Diodor. XXXVI 1 ; vgl. Granius Licin. kunst I^ 435. Daß es Marius war, der die
p. 17, ed. Bonn. j Kohortentaktik einführte, ist mit großer
-) Plut. Mar. 9; vgl. Sallust. Jug. 84. j Wahrscheinlichkeit zu vei'muten.
') Marqüardt, Eöm. Staatsverwaltung j ^) Strabo IV 183.
II- 435 ff. Delbrück, Gesch. der Kriegs- | ^) Plutarch Sulla 4.
186 Römische Geschichte.
verscliaffen. Dann kehrten die Kimbern aus Spanien zurück und alle vier
Barbarenstämme vereinigten sich an der Rhone mit dem Kriegsplan, ge-
trennt in zwei großen Heerlinuf'en in Italien einzufallen, die Teutonen und
Ambronen durch das ligurische Küstengebiet, die Kimbern und Tiguriner
auf dem Umweg über Noricum. Marius eilte von Rom aus zum Heer, An
der unteren Rhone schlug er ein befestigtes Lager, von wo aus er die
Gegner überwachte. Sein Kollege Q. Lutatius Catulus übernahm den Schutz
der Nordgrenze Italiens. Nachdem die Teutonen und Ambronen das Lager
des Marius vergeblich berannt hatten, zogen sie daran vorüber, um den
Vormarsch nach Italien anzutreten. Marius folgte dem Feind; bei Aquae
Sextiae (Aix-les-Bains) kam es zu einem Zusammenstoß mit den Ambronen,
die den Kürzeren zogen. Zwei Tage später besiegte Marius die Teutonen
und die Ambronen in einer großen Schlacht und nahm auch ihr Lager; ')
die Barbaren wurden getötet oder gefangen; letzteres Schicksal erlitt auch
Teutobod, der König der Teutonen. Das fünfte Konsulat war der Dank
des Volkes an den Sieger Marius. Inzwischen hatten im Herbst 102 v. Chr.
die Kimbern unter König Boiorix Oberitalien erreicht. Catulus mußte die
Abwehrstellung an der Etsch aufgeben und sich auf die Polinie zurück-
ziehen. Marius begab sich nach dem Sieg bei Aquae Sextiae nach Rom
und stieß dann mit seinen aus Gallien zurückgekehrten Truppen zu Catulus.
Auf den raudischen Feldern bei Vercellae wurden am 30. Quinctilis (Juli)
101 V. Chr. auch die Kimbern vernichtend geschlagen. 2) Die in den Alpen
zurückgebliebenen Tiguriner vereinigten sich nach der Katastrophe der Kim-
bern wieder mit den übrigen Helvetiern, die bald darauf ihren früheren
Wohnsitz verließen und sich in der Westschweiz zwischen Rhein und Jura
festsetzten. Marius, als Retter des Vaterlandes und zweiter Romulus ge-
priesen, feierte mit Catulus einen prächtigen Triumph.
Gleichzeitig mit dem Kimbernkrieg war auf Sizilien ein neuer großer
Sklavenaufstand ausgebrochen. 3) Anläßlich der Rüstungen des Marius kam
die skandalöse Tatsache ans Licht, daß römische Steuerpächter aus ver-
bündeten Staaten Asiens viele Menschen entführt und als Sklaven verkauft
hatten, wodurch die Rekrutierung der bundesgenössischen Kontingente be-
einträchtigt wurde. Der Senat verfügte die Freilassung der Unglücklichen,
von denen viele nach Sizilien verschleppt worden waren. Die Sklavenhalter
wußten aber die weitere Ausführung des Senatsbeschlusses zu hindern, und
nun rotteten sich viele Sklaven beim Heiligtum der Paliken (am lago di
Maffia bei Palagonia) zusammen;^) mehrere Aufstände waren die Folge
der Sklavenbewegung. Der erste im Westen der Insel nahm bald ein Ende.
Eine zweite Erhebung in der Gegend von Henna gewann größere Aus-
dehnung; es sammelten sich an 20000 bewaffnete Sklaven: zum Führer
') Michel Clerc, La hataille d'Aix, äudes
C7-Üiques snr la campagne de Marius en Pro-
vence. Paris 1906.
'-) Plutarch Mar. 25 f. Der Bericht über
die Schlacht geht teilweise auf die Me-
moiren des Sulla zurück, der das Ver-
dienst des Catulus auf Kosten des auch
sonst von der Überlieferung benachteilig-
ten Marius vergröf3erte.
n Diodor XXXVI 3 f. Vgl. Holm, Gesch.
Siziliens III 114 f. Auch in Kampanien
entstand um dieselbe Zeit ein Sklaven-
aufstand unter Führung des römischen
Ritters T. Vettius. Diodor XXXVI 2.
••) Das Palikenheiligtum war für Schutz
suchende Sklaven besonders bestimmt.
Holm, Gesch. Siziliens I 75. Macrob. sat.
V 19, 15.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§31.) 187
wurde ein gewisser Salvius gewählt, der Morgantine belagerte und den zum
Entsatz heranziehenden römischen Prätor schlug, worauf er unter dem Namen
Tryphon den Königstitel annahm und sieh in Triokala eine Eesidenz baute.
Ein zweiter Führer, der sich bei Lilybaeum erhob, der Kiliker Athenion.
ein Mann von Einsicht und Mäßigung, nannte sich ebenfalls König, ordnete
sich aber dann dem Try2:>hon unter, um nach dessen Tod (102 v. Chr.) die
Leitung des Aufstandes zu übernehmen. Zur Unterdrückung der Revolte
ging 103 V. Chr. L. Licinius Lucullus mit ansehnlicher Macht nach Sizilien:
er schlug zwar das Sklavenheer in offener Feldschlacht, konnte aber Trio-
kala nicht nehmen. Noch weniger richtete sein Nachfolger C. Servilius aus:
Athenion konnte ganz Sizilien durchziehen und hätte sich beinahe Messanas
bemächtigt. Erst nach Beendigung des Kimbernkrieges gelang es dem Kol-
legen des Marius, dem kriegskundigen Konsul M.' Aquillius, den Athenion
in der Schlacht im Zweikampf zu töten und dann die Empörung nieder-
zuwerfen (101/100 v. Chr.).
Die Bedrängnis Roms durch die Kimbern machte sich auch in den Pro-
vinzen fühlbar, am unmittelbarsten in Spanien, das unter den Raubzügen
der Barbaren jahrelang zu leiden hatte, ohne von Rom geschützt zu werden.
Nur die Keltiberer vermochten die Eindringlinge zurückzuschlagen. In der
Folge machten den Römern Keltiberer und Lusitaner zu schaffen. Bemerkens-
wert sind die mit brutaler Grausamkeit geführten Kämpfe des Prokonsuls
T. Didius gegen die Arevaker und andere Keltiberer (97 v. Chr.); auch sein
Nachfolger, C. Valerius Flaccus, hatte noch mit ihnen zu tun.^) In der
jenseitigen Provinz regten sich die Lusitaner; P. Licinius Crassus, Konsul
97 v.Chr., hat 93 v. Chr. über sie triumphiert. 2) Von geringer Bedeutung
war ein Krieg des Konsuls L. Licinius Crassus gegen die Alpenvölker (95
V. Chr.). 3) Weit ernster waren die Angriffe, denen die Provinz Makedonien
von den thrakischen und gallischen Stämmen, besonders den Skordiskern
und Mädern, ausgesetzt war; auch lUyrien hatte von den Skordiskern viel
zu leiden.^) Das Aufgebot der Provinz genügte nicht und so mußten die
Römer des öfteren Truppen dorthin detachieren. 11-1 v. Chr. erlitt C. Por-
cius Cato, als er die Skordisker in ihrem Land aufsuchte, eine schimpfliche
Niederlage; erst 112 v. Chr. erzwang M. Livius Drusus durch einen sieg-
reichen Angriff den Frieden.-'') Mit ähnlichem Erfolg kämpften die Kon-
suln C. Caecilius Metellus in Thrakien (113 v. Chr.) und M. Minucius Rufus*^)
gegen Thraker und Skordisker (110 und 109 v. Chr.). Hervorhebung ver-
dient der Feldzug des T. Didius, der (um 101 v. Chr.) einige Teile Thrakiens
dauernd erworben und zur Provinz geschlagen haben mufs.'') Trotzdem gab
es keine Ruhe: 97 v. Chr. wurden Mäder und Dardaner bekriegt, und be-
sonders heftig waren die Angriffe der Barbaren in den Jahren 92 — 88
V. Chr., in deren Verlauf sie sogar in Griechenland eindrangen und das
^) Appian Iber. 99 f. ^) Ein Siegesdenkmal des Minucius aus
^) Vgl. Strabo III 176.
') Cic. de invent. 11 111: in Pison. 62;
Val. Max. III 7 6.
r) Strabo VII 318. 327. Vgl. oben S. 179.
'=) Er triumphierte am I.Mai 110 v.Chr.
CIL 12 49. 177.
Delphi SIGII^nr, 710. Minucius hat trium-
phiert. Vell. Pat. II 8. 3.
') F. Münzer, PW V 407 f. Dazu eine
delphische Inschrift, von der in den
Comptes rendus de Vacademie des hiso-. vom
7. Oktober 1904 p. 5-32 f. berichtet wird.
188 Römische Geschichte.
Zeusheiligtum von Dodona') plünderten. Nur mit Mühe erwehrte sich ihrer
der Prätor C. Sentius Saturninus.^) Im Osten machten sich seit längerem
die Seeräuber lästig. Sie waren im Taurosgebiet beheimatet, im westlichen
Kilikien und im benachbarten Pisidien und I^imphylien, Landschaften, die
einst zum pergamenischen Reich gehört und dann von Rom die Freiheit
erhalten hatten. Die Piraten verlegten sich vor allem auf den höchst ein-
träglichen Menschenraub, fanden sie doch auf dem Sklavenmarkt in Delos
stets Absatz für die von den Römern begehrte Ware.-^) 102 v. Chr. wurde
der Prätor M. Antonius beauftragt, gegen die Seeräuberplage einzuschreiten;
er züchtigte die Piraten; seine Eroberungen bildeten den Grundstock der
späteren Provinz Cilicia.^)
Die unfähigen und gewissenlosen Feldherren, deren Schuldkonto der
jugurthinische und der kimbrische Krieg so schwer belastete, waren durch-
weg aus den Reihen der Optimaten, der Gegner der gracchischen Partei,
hervorgegangen. Da war es kein Wunder, wenn das Ansehen der herr-
schenden Aristokratie sank, während die Popularpartei sich erholte; dals
der Retter Roms, Marius, ihr angehörte, steigerte ihre politische Stofekraft.
In zahlreichen Prozessen wurden die Feldherren, die im jugurthinischen,
kimbrischen und sizilischen Krieg versagt hatten, zur Rechenschaft gezogen.
Die heftigsten Angriffe richteten sich gegen Q. Servilius Caepio, der als
eifriger Optimat in seinem Konsulat (106 v. Chr.) ein für den Senat vorteil-
haftes Richtergesetz durchgebracht hatte. Nach der Niederlage bei Arausio,
an der er die Hauptschuld trug, wurde er durch Volksbeschluß zunächst
aus dem Kommando, später auch aus dem Senat entfernt. Als dritter
Schlag traf ihn eine Anklage auf Unterschlagung des tolosanischen Goldes;
das Urteil in diesem Sensationsprozeß lautete auf Verbannung und Ver-
mögenskonfiskation (103 V. Chr.).^) Mehrere optimatenfeindliche Gesetze
wurden angenommen, so die eben auf Caepio gemünzte lex Cassia, laut
deren ein vom Volk verurteilter oder abgesetzter Beamter für immer seines
Senatssitzes verlustig ging (104 v. Chr.), und die lex Doinifia, durch welche
für die Pontifices und Augures an Stelle der bisher üblichen Kooptation
die Volkswahl trat.*') Der Antragsteller, Cn. Domitius, wurde selbst der
erste gewählte Pontifex maximus. Als Wortführer der Popularpartei tat
sich L. Appuleius Saturninus hervor, ein ebenso beredter, wie gewalttätiger
Demagog, der schon in seinem ersten Volkstribunat 103 v. Chr. die Wieder-
wahl des Marius betrieben hatte. '^) Als dann dieser sein Parteifreund nach
Rom zurückkehrte und für das Jahr 100 v. Chr. sein sechstes Konsulat er-
hielt,^) kam es zu Unruhen. Man erwartete von Marius wichtige Reformen.
') Cass. Dio fr. 101, 2 (I p. 344: ed. Boiss.).
'') G. ZippEL, Illyrien unter röm. Herr-
schaft S. 142 f.
familien, Stuttgart 1920, 288 ff.
«) Ascon. p. 78. 81. Velleius II 12, B,
vgl. oben S. 171.
') Strabo XIV 668. ') F. von der Muehll, De L. Appuleio
■*) Liv. per. 68. Auf die Seeräuber be-
zieht sich die S. 187 Anm. 7 erwähnte
delphische Inschrift, ein Senatsbeschluß
aus dem sechsten Konsulat des Marius
100 V. Chr.
Satitrnino tr. pl., Diss. Basel 1906. F. W.
Robinson, Marius Saturninus u. Glaucia,
Jenaer bist. Arbeiten III. Bonn 1912. Ne-
ben den Berichten der Historiker kommt
Ciceros Eede pro Rahirio § 18 1X. als Quelle
'"•) MoMMSEN, Rom. Gesch. II 182 Anm.; in Betracht
F. Münzer, Röm. Adelsparteien u. Adels- \ >*) E.Bapdey, Das 6. Konsulat des Marius,
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§31.) 189
Saturninus, der abermals für Marius agitiert hatte, wurde ebenfalls für das
Jahr 100 v. Chr. zum Volkstribun gewählt, nachdem einer seiner Mitbewerber
im Wahlkampf erschlagen worden war. Sein gleichgesinnter Genosse C. Ser-
vilius Glaucia wurde Prätor. Im Einvernehmen mit dem politischen Neu-
ling Marius brachte Saturninus eine Reihe von Anträgen ein, in denen er
die gracchischen Gesetze kopierte, so ein Getreide- und ein Ackergesetz; M
letzteres verfügte naiverweise über das von den Kimbern vorübergehend
überflutete Gebiet freier gallischer Stämme, das zwar von Marius gesäubert,
aber keineswegs erobert war; avifaerdem waren Kolonien in Sizilien, Achaia
und Makedonien in Aussicht genommen. Der eigentliche Zweck dieser An-
träge war die Versorgung der Veteranen des Marius; neben den Bürgern
sollten auch die Bundesgenossen berücksichtigt werden. Die besitzenden
Schichten der Bürgerschaft, vor allem die Ritter, bildeten diesmal mit dem
Senat und den Optimaten eine gemeinsame Front gegen die demagogischen
Uto]3ien des Saturninus. Aber da die Radikalen um Appuleius, vor allem
die Veteranen des Marius, mit ihren Fäusten die Volksversammlung be-
herrschten, so gingen die Gesetze, wenn auch auf höchst tumultuarische
Weise, durch. Das Ackergesetz enthielt eine heimtückische Klausel, der-
zufolge jeder Senator auf dieses Gesetz vereidigt werden sollte. Nur Q. Cae-
cilius Metellus (Numidicus) hatte die Zivilkurage, diesen Schwur zu ver-
weigern, worauf er verbannt wurde. Appuleius wurde seinem Wunsch
gemäfs auch für das folgende Jahr wiedergewählt; sein KumjDan Glaucia
kandidierte für das Konsulat; beim Wahlakt wurde sein Rivale C. Mem-
mius kurzerhand erschlagen. Dieser Terrorismus veranlagte den Senat, durch
das solutus consultum ultinnim den Belagerungszustand zu verhängen. Jetzt
mu&te Marius als Vertreter der Regierungsautorität gegen seine Partei-
freunde die ordnungsliebenden Elemente der Bürgerschaft zu den Waffen
rufen. Saturninus und Glaucia wurden mit ihrer extremen Gefolgschaft nach
einer förmlichen Schlacht auf dem Forum auf das Kapitol zurückgeworfen,
zur Ergebung genötigt und schließlich von fanatischen Gegnern gelyncht
(10. Dezember 100 v. Chr.). Marius hatte seine Freunde nicht retten können.
Die Gesetze des Saturninus, von denen nur ein Bruchteil zur Ausführung
gelangt war, wurden kassiert;^) die Wiederaufnahme der Ackergesetze durch
Sex. Titius, den Tribunen des Jahres 99, blieb ohne Wirkung. Gegen die
Anhänger des Saturninus wurde in der Folge ein Prozeßkrieg eröffnet;
sogar die Verurteilung Caepios suchte die Reaktion zu rächen. Metellus
wurde durch Volksbeschluß aus dem Exil zurückgerufen (99 v. Chr.). 3) Der
als Politiker unmöglich gewordene Marius entzog sich der peinlichen Lage
EostockerDiss., Brandenburg 1884, betont, 18. Jahrh. gefundenen Bronzetafel von
daß die Tradition über die Unruhen des ! Bantia (CIL I^ nr. 582 = Bruns^ S. 53 ff.),
J. 100 zu Ungunsten der Populären gefärbt i was viel für sich hat. Vgl. A. Rosenberg,
ist. Aber daß Saturninus und Glaucia Ge- ' Einleitung und Quellenkunde zur röni.
walt anwandten und sich dadvu'ch viele
ihrer Anhänger entfremdeten, bleibt be-
stehen.
') R. Masohke, Zur Theorie u. Gesch.
der röm. Agrargesetze 1906, 105 ff. identi-
fiziert die lex agraria des Saturninus mit ' bell. civ. I 33
dem lateinischen Teil der gegen Ende des
Geschichte 30. 33.
2) Vielleicht ist die Gründung der Ko-
lonie Eporedia, modern Ivrea (100 v. Chr.,
Vell. I 15, 5), durch sie vei'anlaßt.
3) Diodor fr. XXXVI 16; vgl. Appian
190 Römische Geschichte.
durch eine Gesandtschaftsreise nach Asien, wo er besonders mit Mithridates
zu unterhandeln hatte. Die Optimaten hatten auf der ganzen Linie gesiegt.
32. Das Tribunal des Livius Drusus und der Bundesgenossenkrieg.
Der ]>lock, don Senat und iiitterstand gegen das revolutionäre Treiben des
Saturninus gebildet hatten, zerschellte an dem Widerstreit der Interessen.
Die Ritter trieben nämlich mit dem Richtoramt nicht weniger egoistischen
Mißbrauch als zuvor die Senatoren; dadurch, daß diese parteiischen Richter
sich stets auf die Seite ihrer Standesgenossen, der Steuerpächter, schlugen,
wurden die senatorischen Statthalter so eingeschüchtert, daß sie zu der Be-
drückung der Provinzialen schweigen lernten. Am skandalösesten offen-
barte sich die Parteilichkeit der Rittergerichte in dem Fall des Konsulars
P. Rutilius Rufus, der als Legat seines Freundes Q. Scaevola sich in Asien
der Provinzialen angenommen hatte. ^) Die Steuerpächter rächten sich durch
eine grundlose Anklage gegen Rutilius wegen angeblichen Unterschleifs,
und trotz notorischer Unschuld wurde der verdiente Mann verurteilt (92
V. Chr.); er ging ins Exil nach Smyrna, wo er die Geschichte seiner Zeit
schrieb. Sein Neffe, der schwerreiche M. Livius Drusus, 2) der für das Jahr
91 V, Chr. zum Volkstribunen gewählt war, wagte einen energischen Vor-
stoß gegen die Rittergerichte, die von Q. Servilius Caepio, dem Sohn des
bei Arausio geschlagenen Prokonsuls, und L. Marcius Philippus verteidigt
wurden. Livius Drusus schlug vor, die Gerichtsbarkeit dem Senat zurück-
zugeben, diesen aber durch die Aufnahme von 300 Rittern auf die Normal-
zahl von 600 Mitgliedern zu ergänzen. Ein zweiter Antrag stellte die Be-
stechlichkeit der Richter unter Strafe und forderte für die einschlägigen
Fälle einen besonderen Gerichtshof (quaestio). Um sich für seine Entwürfe
die Stimmen der unteren Klassen zu sichern, beantragte der Tribun in
agitatorischer Absicht außerdem ein Getreide-, ein Acker- und ein Kolonie-
gesetz. Überdies verbündete er sich mit den italischen Bundesgenossen, die
ja seit der Gracchenzeit mehrfach in die innerpolitischen Kämpfe Roms
mitverwickelt worden waren. Sie waren vor einigen Jahren (95 v. Chr.)
durch ein Gesetz der Konsuln L. Licinius Crassus und Q. Mucius Scaevola
[lex Llcinla Mucia de civihus reginidis)^) betroffen, das vielen von ihnen das
römische Bürgerrecht verschloß und eine Reihe von Prozessen hervorrief.
Mit Ausnahme der Umbrer und Etrusker verbanden sich die Italiker auf
Gedeih und Verderb in eidlich bekräftigtem Freundschaftsvertrag mit Drusus.^)
Der Tribun verhieß ihnen das Bürgerrecht und fügte diesen Antrag den
übrigen hinzu. Unter harten Kämpfen setzte er seine Vorschläge durch;
er vereinigte nämlich die verschiedenen Anträge, was gesetzlich verboten
war, zu einem Gesetzesstrauß, über den en bloc {per saiurain) abgestimmt
wurde. Den Widerstand der Gegner brach er mit Gewalt. Aber die Mehr-
heit des Senats unter Führung des Konsuls L. Marcius Philippus, und unter-
stützt von anderen Tribunen, wandte sich gegen ihn. Seine Gesetze wurden
') Diodor XXXVII 5. ■•) Ihr Eid bei Diodor XXXVII 11. Die
') Sein Vater war der oben S. 176 f. ge- i von Mommsen bezweifelte Echtheit der
nannte Gegner des C. Gracchus. Konsul ; Formel wird von W. Steehl, M. Livius
I
112, Zensor 109 v. Chr. Vgl. F. Münzer,
Rom. Adelsparteien 299.
') Asconius p. 67. Cicero pro Balbo 48.
Drusus, Diss. Marburg 1887, 31 ff. und
0. HmscHFELD, Kl. Sehr. 288 ff. verteidigt.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). *§ 32.) 191
vom Senat für ungültig erklärt, er selbst, der letzte der großen Tribunen,
endete noch vor Ablauf seines Amtsjahres durch Meuchelmord.^) Auf An-
trag des Tribunen Q. Varius ging man gegen die unruhigen Bundesgenossen
und ihre Freunde in Rom mit Untersuchungen und Strafen vor. Der Tod
ihres Anwalts Drusus gab den Italikern das Signal zum Abfall: der Bundes-
genossenkrieg brach los.^)
Auch abgesehen von den Staatsverträgen standen die Italiker zu Rom und
seinen Bürgern in den mannigfachsten Beziehungen ideeller wie materieller
Natur. Man hatte zusammen gekämpft und Geschäfte gemacht, Freund-
schaften und Heiraten geschlossen. Wie sich viele Bundesgenossen in Rom
ansiedelten, so wohnten in italischen Städten römische Bürger. Von den
Gemeinden der Italiker standen nicht wenige in Blüte; man partizipierte
an den wirtschaftlichen Vorteilen der Weltherrschaft; italische Kaufleute,
mit den Römern zusammen als Italici bezeichnet, machten sich in den aus-
wärtigen Handelsplätzen, auf Delos, in Asien usw. heimisch und genossen
dieselben Vorrechte wie die römischen Bürger. Rascher als die Römer er-
schlossen sich die Italiker griechischer Sitte auch im öffentlichen Leben,
und mit griechischen Gemeinden bestand freundschaftlicher Verkehr. In
politischer Hinsicht waren sie freilich den Römern gegenüber im Nachteil.
Sie mußten das größere Kontingent zu den Heeren stellen und wurden
bei der Verteilung der Beute nicht dementsprechend berücksichtigt; der
Löwenanteil an den Früchten der Weltherrschaft blieb den cives Romanl
vorbehalten. Unter der Willkür römischer Beamter hatten die Italiker
gelegentlich zu leiden ; ^) doch waren sie solchen Übergriffen nicht schutzlos
preisgegeben; denn sie fanden einen Rückhalt an dem persönlichen Ver-
hältnis der Gastfreundschaft und Klientel, in dem viele angesehene Fami-
lien zu vornehmen Häusern Roms standen.
Durch die gracchischen Agrargesetze wurden die Bundesgenossen in die
innere Politik Roms hineingezogen, zuerst von Scipio Aemilianus (oben
S. 174); etwas später hatten Fulvius Flaccus und C. Gracchus die ernst-
liche Absicht, ihnen ganz oder teilweise den Zutritt zum römischen Bürger-
recht zu eröffnen oder doch zu erleichtern. Ihre alte und feste Verbindung
mit den Römern gab ihnen politischen Einfluß auf die Bürgerschaft, und
sie fanden sich daher bei wichtigen Abstimmungen mitunter zur Mitwirkung
ein. Auch die Optimaten bedienten sich ihrer Hilfe;'*) denn die Bestrebungen
der Bundesgenossen deckten sich keineswegs mit dem Programm der römi-
schen Popularpartei; die Ausführung der Ackergesetze drohte sie eher zu
benachteiligen, und wenn sie die Agrarpläne des Drusus unterstützten, so
geschah es nur in der Hoffnung auf das ersehnte Bürgerrecht. Aber weite
Kreise der römischen Bürger wollten von einer Gleichstellung der Italiker
') Die mangelhafte Überlieferung er- Dazu komzneu wichtige Auszüge aus Dio-
schwert das Urteil über Charakter, Mo- j dor, die Beste der livianischen Erzählung,
tive und Ziele des Livius Drusus. Vgl. Velleius und einzelne Beiträge in Plutarchs
P. A. Seymour, Erujl. liistorical revieio 24, i Biographien, außer gelegentlichen Notizen.
1914. 417 ö'. Vgl. oben S. 158.
-) Die einzige erhaltene Darstellung des : ^) Beispiele aus einer Rede des C. Grac-
Bundesgenossenkrieges im Zusammen- chus bei Gellius N. A. X 3.
hang findet sich bei Appian b. civ. I 39 ff. | *) Sallust Jug. 40, 2.
192 Römische Geschichte.
nichts wissen. Als nun der Tod des Drusus jene Hoffnung vernichtet hatte
und auf Grund des Varischen Gesetzes die Untersuchungen in den italischen
Gemeinden begannen, verständigten sich die Italiker über eine gemeinsame,
mit den Waffen zu führende Gegenaktion. Der eigentliche Aufstand be-
gann mit der Ermordung eines römischen Untersuchungsbeamten in Asculum
Picenum. Die wehrhaften und volkreichen Stämme Mittelitaliens, Marser,
Picenter und Paeligner fielen zuerst ab, und die Marser haben dem nun-
mehr beginnenden Krieg, dem bellum Marsiciini, den Namen gegeben; auch
Unteritalien schloß sich an. Die Aufständischen forderten zunächst vom
Senat das Bürgerrecht; als dies abgelehnt wurde, erklärten sie den Abfall
und richteten sich einen Bundesstaat ein, zu dessen Mittelpunkt Corfinium,
eine Stadt im Land der Paeligner, bestimmt wurde. Die Geschäfte leitete
ein Senat von Fünfhundert, aus dem wiederum ein Ausschuß gebildet wurde;
als Jahresbeamte fungierten zwei Konsuln oder Imperatoren und zwölf Prä-
toren. Diese Verfassung, die an griechische Vorbilder, wie den ätolischen
oder böotischen Bund, erinnert, gibt für Italien das erste Beispiel eines
Repräsentativsystems, da in dem Senat Vertreter aller von Rom abgefallenen
Gemeinden saßen. Die Italiker schlugen Münzen nach römischem Fuß mit
lateinischer oder oskischer Aufschrift.^) Fast ganz Mittel- und Unteritalien
befand sich im Aufstand, besonders das Gebiet der sabellischen Stämme.
Es war ein Glück für Rom, daß die latinischen Städte im ganzen treu
blieben, ebenso die griechischen Städte Unteritaliens und der gesamte Norden,
sowohl das ehemals gallische, jetzt römische oder latinische Gebiet, als auch
Etiairien und Umbrien.
Die Streitkräfte der beiden Parteien, die sich jetzt in einem erbitterten
und verlustreichen Kampf von gewaltigem Umfang maßen, waren annähernd
gleich. Das Heerwesen in allen Einzelheiten war bei den Bundesgenossen
längst nach römischem Muster geregelt. Die Römer geboten über die reicheren
Mittel: die Provinzen und die auswärtigen Verbündeten standen zu ihrer
Verfügung. Sie boten Gallier und Numider auf und Kriegsschiffe aus dem
griechischen Osten ; ^) Rom beherrschte die See. Die Insurgenten dagegen
scheinen zunächst besser vorbereitet gewesen zu sein; an kriegerischer
Tüchtigkeit waren sie den Römern gewachsen und es gebrach ihnen auch
nicht an erfahrenen Führern, die unter Marius das Kriegshandwerk gelernt
hatten. Ihre Imperatoren, der Marser Q. Pompaedius Silo und der Samnite
C. Papius Mutilus, machten sich einen großen Namen. Auf römischer Seite
übernahmen neben den Konsuln Marius und die Feldherren seiner Schule
die Leitung.
Im Jahr 91 v. Chr. war der Aufstand ausgebrochen; im folgenden Jahr
begann der eigentliche Krieg mit Rom. Silo befehligte die Heere nördlich
vmd östlich von Latium, während Mutilus im Süden kommandierte. Gegen
jenen stand der Konsul P. Rutilius Lupus im Feld, unterstützt von Marius
und mehreren anderen Legaten : auf dem südlichen Kriegsschauplatz operierte
der Konsul L. Julius Caesar, zu dessen Legaten L. Cornelius Sulla gehörte.
n Strabo V 241. Diodor XXXVII 2, 4. \ (Kgl. Museen zu Berlin) III 1. 57.
Appian b. civ. I 39 f. Über die Münzen •') S. C. de Asclepiade CIL I^ .588 =
vgl. Beschreibung der antiken Münzen { Brüns' nr. 41, Memnou p. 230 a SOBekker.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§32.) 193
Die Hauptstadt Rom war bedroht; ihre Mauern und Tore mußten besetzt
werden; zum Schutz von Latium wurden zum erstenmal auch Freigelassene
ausgehoben. Der Konsul Caesar versuchte von Kampanien aus Samnium
und Apulien zu unterwerfen, erlitt aber in Samnium eine Niederlage und
mußte sich zurückziehen. Nun schwebte Kampanien in unmittelbarer Ge-
fahr, die Osthälfte der wichtigen Landschaft, Nola mit Umgebung fiel an
Mutilus, der Acerrae längere Zeit belagerte und den Konsul bis nach Tea-
num (Sidicinum) zurückdrängte. Der andere Konsul, Rutilius, kämpfte im
Norden gleichfalls unglücklich, erlitt eine schwere Niederlage am Tolerus
oder Liris und fiel selbst (11. Juni 90 v. Chr.). Die Stimmung in Rom war
gedrückt; die Wahl eines neuen Konsuls an Stelle des gefallenen unter-
blieb. Aber es gelang der methodischen Kriegführung des Marius, die
römische Sache zu behaupten; zusammen mit Sulla erfocht er über die
Marser einen bedeutenden Sieg. Gleichzeitig spielten sich an verschiedenen
Punkten Kämpfe ab; mehrere den Römern treu gebliebene Städte, wie
Aesernia und Pinna, wurden von den Italikern eingeschlossen und fielen
nach zähem Widerstand. Von Wichtigkeit war der Krieg in Picenum, wo
Cn. Pompeius Strabo nach anfänglichem Mißerfolg die Aufständischen nach
Asculum trieb und dort einschloß.
Bisher waren die Umbrer und Etrusker in der Hauptsache dem Auf-
stand fern geblieben, doch jetzt machten auch sie Miene, sich anzuschließen.
Um die dadurch drohende Gefahr einer Abschnürung Roms von Oberitalien
zu beschwören, verstand man sich zur Nachgiebigkeit. Auf Antrag des
Konsuls Caesar beschloß das Volk, den bisher loyal gebliebenen Bundes-
genossen das Bürgerrecht zu verleihen {lex Julia). Dann folgte (Anfang
89 V. Chr.) das Gesetz der Tribunen M. Plautius Silvanus und C. Papirius
Carbo {lex Plauüa Fapiria), worin diese Vergünstigung auf alle Föderierten
Italiens südlich des Po ausgedehnt wurde, sofern sie sich binnen einer Frist
von sechzig Tagen meldeten. Zur Ergänzung diente das Gesetz des Cn.
Pompeius Strabo, Konsuls von 89 v. Chr., das den Transpadanern zwar
nicht das römische Bürgerrecht, aber die Rechte der bisherigen latinischen
Gemeinden übertrug, i) Den Neubürgern sollten zunächst nicht sämtliche
Tribus offenstehen; nach der einen Version hätte man sie nur in acht von
den 35 Tribus aufnehmen wollen, nach der anderen, vielleicht besseren
wären für sie zehn neue Tribus geschaffen worden, die dann freilich bald
wieder verschwunden sein müßten.^) Die gemachten Zugeständnisse ver-
hüteten den Abfall der Umbrer und Etrusker; die Widerstandskraft der
Insurgenten erlahmte allmählich, und wahrscheinlich haben viele Italiker
die Waffen niedergelegt. Doch nahm der Krieg seinen Fortgang und zog
sich auch ins Jahr 89 hinein. Die Italiker erzielten noch immer Erfolge,
der Konsul L. Porcius Cato blieb in einer Schlacht gegen die Marser. Aber
') Derselbe Cn. Pompeius Strabo hat im propagatione, Wien 1882, S. 61 f. Mommsen,
Feldlager von Asculum spanische Reiter Ges. Schr.V 262 flf. Im Anschluß an Canta-
der tiirma Salluitana für ihre Tapferkeit ldpi sucht Fereero, Größe u. Niedergang
auf Grund der lex lulia mit dem Bürger- Roms I 103 den Widerspruch zwischen
recht belohnt, ILS III 2, nr. 8888. Velleius und Appian aufzuheben durch
-) Velleius II 20, 2. Appian 149. Kubit- die Annahme, daß beide Vorschläge ge-
SCHEK, De Romanorum tribtmm origine ac macht wurden.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 13
194 Römische Geschichte.
die Bewegung hatte kulminiert: Rom gewann das Übergewicht: in Piccnum
wurde Asculum von Cn. Pompeius Strabo endlich erobert, und erfolgreich
kämpfte L. Sulla in Kampanien, wo er die Gegner wiederholt schlug, die
meisten verlorenen Städte, wie Nuceria und Pompeji, zurückgewann und
die Hirpiner unterwarf; große Teile von Samnium und Apulien fielen gleich-
falls wieder an Rom. Ende 89 v. Chr. war der Aufstand in Mittelitalien
fast ganz erloschen. Nur in Nola, einem Teil von Samnium, bei den Lu-
kanern und Brettiern behaupteten sich noch die Aufständischen. Anfang
88 V. Chr. mußten sie den Sitz ihrer Bundesregierung von Corfinium nach
Aesernia verlegen. Damals traten sie mit Mithridates in Verbindung, der
ihnen nach der Eroberung Asiens Hilfe versprach, aber der Moment war
verpaßt; von allen Seiten sahen sie sich angegriffen; die Marser wurden
von Pompeius Strabo völlig unterworfen, in Samnium verlor Pompaedius
Silo, Schlacht und Leben, Apulien wurde erobert, und Sulla, für 88 v. Chr.
zum Konsul gewählt, begann mit der Belagerung von Nola. Aber ein neuer
Zwischenfall, der Ausbruch des Bürgerkrieges in Rom, verzögerte diesen
letzten Akt des brudermörderischen Kampfes.
Der Bundesgenossenkrieg schafft eine Zäsur in der Entwicklung Roms.
Sein prinzipielles Ergebnis ist der Eintritt der Italiker in die römische
Bürgerschaft, auch in die herrschenden Stände. Das bedeutet eine Aus-
weitung des Organismus und eine neue Mischung seiner Säfte. War schon
bisher das römische Stadtgebiet unverhältnismäßig angewachsen, so entstand
jetzt ein von römischen Bürgern besiedeltes Territorium, das sich nicht als
stadtrömisches Kommunalgebiet zentralistisch verwalten ließ. Noch weniger
als früher war die so weit verstreute Bürgerschaft in der Lage, sich am
öffentlichen Leben der Stammgemeinde Rom zu beteiligen. Die zahlreichen,
teilweise bedeutenden Städte Italiens konnten nicht einfach in Rom auf-
gehen und von den Beamten Roms verwaltet werden, sie mußten vielmehr
ihre kommunale Selbständigkeit behalten. Ihre Einwohner sind zwar zu
römischen Bürgern mit römischem Recht geworden; aber die Gemeinden
bleiben autonome Körperschaften und werden als municlpia clvium liomanoruin
nach römischem Muster, doch unter Schonung berechtigter Eigenart') gesetz-
lich konstituiert.^) Munizipien römischer Bürger hatte es bereits gegeben
innerhalb des römischen Staatsgebiets; aber jetzt wurde das Munizipal-
system neu gestaltet und auf ganz Italien ausgedehnt. Fortan ist das Ge-
biet der römischen Bürgerschaft ein Konglomerat einzelner Gemeinden,
denen das römische Volk einen großen Teil seiner Rechte übertragen hat;
Rom hat aufgehört, die einzige Stadt der römischen Bürger zu sein, und ist
statt dessen zur Hauptstadt geworden. Dadurch verändert sich das Wesen
des römischen Bürgerrechts. Durch die Aufnahme der italischen Stämme
und Städte in die römische Bürgerschaft wird die Verschmelzung mit dem
Latinertum begünstigt, durch die Aufhebung der politischen Unterschiede
die Bildung eines national geschlossenen Einheitsstaates angebahnt.
') Wie z. B. Neapolis die griechische schaft von einzelnen Personen ausge-
Sprache und anderes beibehielt. arbeitet wurden, ist das tarentinische
2) MoMMSEN, Rom. Staatsrecht III 773 ff. wohl das älteste. Mommsen, Gesammelte
Unter den erhaltenen Munizipalgesetzen, Schriften 1 146 if. XLS II ur. 6086, Bkons"
die im Auftrag der römischen Bürger- j nr. 27.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§ B3.) 195
Zunächst freilich hatte erst ein Teil der Italiker das Vollbürgerrecht
erreicht; noch standen viele gegen Rom unter Waffen und die inzwischen
mit Gewalt Bezwungenen wurden gewiß nicht mit dem Bürgerrecht be-
schenkt, sondern als rechtlose Unterworfene betrachtet. Es blieb der nächsten
Generation vorbehalten, die Gegensätze auszugleichen und auf der bereits
betretenen Bahn bis zum Ziel, bis zur nationalen Einigung Italiens, fort-
zuschreiten. Das Tempo haben die auswärtigen Kriege beschleunigt.
Literatur: W. Strehl, M. Livius Drusus, Volkstribun 91 v.Chr., Marburg 1887. —
J. AsBACH, Das Volkstribunat des jüngeren M. Livius Drusus, Bonn 1888. — Erich
Marcks, Die Überlieferung des Bundesgenossenkrieges 91 — 89 v. Chr., Marburg 1884. —
A. Kiene, Der römische Bundesgenossenkrieg, Leipzig 1845. — P. H. Kaptejn, Disser-
tatio piiilologico-historica de hello Marsico, I^eiden 1864. — Krebs, Reliquiae Jibri XXXVII
bibliothecae Diodori Siculi, Weilbui'g 1862. — J. Beloch, Der italische Bund unter Roms
Hegemonie, Leipzig 1880.
33. Der erste mithridatische Krieg und Sullas Diktatur. Im Orient
waren nach der Einverleibung Makedoniens und Asiens mancherlei Ver-
schiebungen des Gleichgewichts eingetreten, die auch für die römische Ge-
schichte von Bedeutung sind. Die fortschreitende Zersetzung der hellenisti-
schen Staaten beschäftigte auch die auswärtige Politik Roms.^)
In Ägypten war die Regierung des Ptolemaios VIII Physkon (oben
S. 148) von Konflikten mit seiner Schwester und Mitregentin Kleopatra
und von inneren Unruhen fast ganz avisgefüllt. Der Streit spielte auch nach
Syrien hinüber, wo die Macht des Königtums durch unaufhörliche Thron-
wirren immer tiefer sank. Alexander Balas (150 — 146 v. Chr.) wurde zwar
von Demetrios II, einem Sohn des Demetrios I, gestürzt ; aber als Antiochos VI
wurde der Sohn des Usurpators von Diodotos Tryphon, einem früheren
Strategen seines Vaters, auf den Schild gehoben. Dieser Diodotos hat
mehrere Jahre (145 — 137 v. Chr.) zuerst im Namen seines Schützlings, dann
in seinem eigenen regiert, in stetem Kampf gegen Demetrios II und seinen
Bruder und Nachfolger Antiochos VII. Diese Bürgerkriege in Syrien gaben
den Parthern Gelegenheit, die Hände nach den östlichen Satrapien des
Seleukidenreichs auszustrecken. Als Demetrios II diese Übergriffe abzu-
weisen suchte, wurde er von den Parthern in Medien geschlagen und ge-
fangen genommen (139 v. Chr.). , Sein Bruder Antiochos VII Sidetes hat
noch einmal durch Beseitigung Tryphons (137 v. Chr.) die königliche Macht
wiederhergestellt, aber er fiel 129 v. Chr. im Kampf gegen die Parther, die
nunmehr ihre Herrschaft bis an den Euphrat vorschoben. Sein Bruder
Demetrios II kehrte aus der Gefangenschaft auf den Thron zurück; ihm
wurde alsbald von Ägypten aus ein Rivale auf den Hals gehetzt, Alexander
Zabinas, der sich in Syrien bis 123/2 v. Chr. behauptete. Schon 125 v, Chr.
fand Demetrios ein gewaltsames Ende, ihm folgte sein Sohn Antiochos VIII
Grypos, der nach dem Sturz des Zabinas mehrere Jahre unbestritten regierte,
dann aber in seinem Halbbruder Antiochos IX Kyzikenos einen Prätendenten
erhielt, mit dem er fast zwanzig Jahre lang in Fehde lag. Grypos starb
96 v. Chr., im nächsten Jahr Kyzikenos; ihre Söhne setzten den Streit der
Väter fort, so daß das unglückliche Land aus dem Chaos nicht herauskam.
') Über Ägypten und die Seleukiden | gides vol. IL Bevan, The house of Seleucus
vgl. J. P. Mahapfy, The empire of the Ptole- i vol. IL Niese, Geschichte der griech. und
mies. Bouche-Leclercq, Histoire des La- j makedon. Staaten, Bd. III.
13*
196 Römische Geschichte.
Diese ewigen Kämpfe untergruben die Autorität der Krone, und das
Reich löste sich in seine Bestandteile auf. Die großen Städte erlangten die
Freiheit, selbständige Herrschaften bildeten sich, unter denen im südlichen
Syrien die jüdischen Hohenpriester aus der Familie der Hasmonäer^) und
die Fürsten der nabatäischen Araber am bekanntesten sind. Auch das west-
liche rauhe Kilikien machte sich unabhängig. Diodotos Tryphon hatte hier
im Kampf gegen Demetrios II das Piratentum begünstigt,^) das künftig in
den Tauroslandschaften seine breitere und sicherere Basis hatte (oben S. 188).
Auch die Parther griflPen über den Euphrat nach Syrien über. Doch wurde
ihre Stoßkraft durch Thronstreitigkeiten und durch die Angriffe ihrer nord-
östlichen, skythischen Nachbarn gehemmt, vor allem aber durch die Er-
starkung des früher von den Seleukiden, dann von. den Parthern abhängigen
Armeniens. Der Aufstieg Armeniens begann mit der Regierung des Königs
Tigranes (seit etwa 96 v. Chr.). 3) Tigranes einte Armenien und entzog sich
der parthischen Suzeränität. Er schob die Grenzen seines Reichs gegen
Mesopotamien vor, drängte die Parther vom Euphrat ab und wurde so un-
mittelbarer Nachbar der Seleukiden.
In Ägypten starb 116 v. Chr. Ptolemaios VIII; sein Nachfolger wurde
sein Sohn Ptolemaios X Lathyros; nur das Gebiet von Kyrene ging auf
dessen Bruder, Ptolemaios Apion, über. Apion hinterließ bei seinem Tod
(96 V. Chr.), wie einst Attalos III von Pei'gamon, seinen Besitz den Römern,
die das Erbe annahmen, aber den griechischen Gemeinden der Kyrenaika
die Freiheit gewährten; da jedoch Unruhen und Bürgerkriege ausbrachen,
wurde das Land schließlich als römische Provinz eingerichtet (74 v. Chr.).
Ptolemaios Lathyros war infolge von Zwistigkeiten mit seiner Mutter und
Mitregentin Kleopatra und seinem Bruder aus Ägypten verjagt und durch
letzteren, der als Ptolemaios XI Alexander den Lagidenthron bestieg, ersetzt
worden (107 v. Chr.). Lathyros mußte sich mit der Herrschaft über Kypros
begnügen, gewann aber im Jahr 88 die Pharaonenkrone zurück und regierte
über das durch ihn wieder mit Kypros vereinigte Reich bis zu seinem Tod
(80 V. Chr.). Die langwierigen dynastischen Kämpfe hatten das ptolemäische
Königtum verhängnisvoll geschwächt; Kyrene w^ar für immer abgetrennt;
bald sollte sich auch die Insel Kypros losreißen (80 v. Chr.).
Rom förderte den Zersetzungsprozeß des seleukidischen und ptolemäischen
Königtums. Von den Parteien angerufen, mischten sich die Römer ein, aber
nicht als ehrliche Makler, sondern lediglich auf den eigenen Vorteil bedacht.
Gegen Dynasten, die ihnen unbequem wurden, begünstigten sie Rebellen
und Usurpatoren.*) Berühmt ist die Gesandtschaft, auf der 139 v. Chr.
Scipio Aemilianus zusammen mit Sp. Mummius und L. Caecilius Metellus
den Osten bereiste, um in Äg3'pten, Syrien und anderswo Wirren beizulegen
und die befreundeten Könige aufzusuchen.^) Die Römer verloren den Orient,
') Die Selbständigkeit der Juden läßt Timarchos und besonders die aufständi-
man gewöhnlich mit Simon 141 v. Chr. sehen Juden. Die erste Gesandtschaft der
beginnen; aber wirklich unabhängig wurde Juden war 161 v. Chr. zur Zeit des Judas
erst Johannes Hyrkauos (135 — 104 v.Chr.). Makkabaios in Rom anwesend. Niese, Ge-
2) Strabo XIV 668. schichte der griech. und makedon. Staaten
') Die Zeit nach Plutarch Luculi. 21. III 247. 254.
•*) Wie den babylonischen Satrapen ^) Über diese Gesandtschaft und ihre
6. Vierte Periode : Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§ 33.) 197
WO sie SO viele Bundesgenossen besaßen und wichtige Interessen wahr-
zunehmen hatten, nie aus den Augen.
Das gilt vor allem von Vorderasien, wo ihre Provinz Asia lag. Das Ge-
setz des C. Gracchus hatte die bedauernswerte Provinz den römischen Steuer-
pächtern überantwortet; sie litt aufs schwerste unter dem Druck des römi-
schen Regiments. Viele Römer und Italiker machten sich in dem reichen
Land ansässig, das sie in ihrer bevorzugten Stellung rücksichtslos ausbeuteten.
Die habgierigen und brutalen Publikanen scheuten sich nicht, auch die be-
nachbarten Stadtrepubliken und Fürstentümer heimzusuchen, und ihr Treiben
erregte wachsende Erbitterung bei den Einheimischen. Der Bestand der
vorderasiatischen Staaten war ziemlich unverändert geblieben : es gab außer
den Provinzen Asien und Pamphylien die freien Städte, wie Kyzikos,
Rhodos, die Inseln Lesbos, Chios, Samos, Kos und andere; auch der lykische
Bund mit dem angrenzenden Gebiet von Kibyra gehört hierher; des weiteren
vier Königreiche, Bithynien, Paphlagonien und die beiden Kappadokien.
endlich in ihrer Mitte die Galater, eine Vereinigung dreier Stämme mit
aristokratischer Stammesverfassung, sie alle mit Rom verbündet, aber unter-
einander vielfach verfeindet.
Unter diesen politischen Gebilden erhob sich das nördliche, am Schwarzen
Meer gelegene Kappadokien, nach späterem Sprachgebrauch Pontos genannt,
zu ansehnlicher Macht. Hier regierten Fürsten, deren Selbständigkeit
281 V. Chr. beginnt und die sich wie auch andere kleinasiatische Könige
auf der einen Seite von den persischen Achämeniden, auf der anderen von
Seleukos ableiteten. Sie sind Orientalen, aber nicht unberührt von helleni-
scher Kultur, die vornehmlich von den griechischen Städten der pontischen
Küste ausstrahlte. Der erste bedeutende Regent war Pharnakes, der Sinope
eroberte und mit Eumenes Krieg führte (oben S. 14:1). Dessen Sohn Mithri-
dates V Euergetes, der Freund und Bundesgenosse der Römer, i) erwarb die
Küstenlandschaft bis Amastris und wui'de für den gegen Aristonikos ge-
leisteten Beistand mit Großphrygien belohnt. Aber als er um 120 v. Chr.
ermordet wurde, zogen die Römer Phrygien wieder ein (oben S. 168). Sein
Sohn und Nachfolger war Mithridates VI Eupatpr,^) der zunächst wie auch sein
Bruder Mithridates Chrestos mehrere Jahre unter der Vormundschaft seiner
Mutter Laodike stand. Alleinherrscher war Mithridates seit etwa 111 v. Chr.
nach der Beseitigung seiner Mutter und seines Bruders. Der hochbegabte
und tatkräftige Fürst war ein erklärter Philhellene; er hat die Griechen-
städte begünstigt und neue angelegt.^'') Sein erstes auswärtiges Unternehmen
war die Erwerbung der blühenden Stadt Chersonesos auf der taurischen
Halbinsel, der Krim; von den Skythen belagert, hatte sie seine Hilfe an-
gerufen. Mithridates befreite sie durch seinen Feldherrn Diophantos, und
Zeit vgl. F. Marx, Studia Luciliana 81 ff. 1 gleichzeitigen Inschriften und Münzen
Münzer, PW IV 1452 f., Nikse, Gesch^ der 1 Mi&gad(ui]g. Mithradates ist also die kor-
griech. u. maked. Staaten III 269 f. K. Ci- : rekte Form des Namens.
CHORius, Rhein. Mus. 63, 1908, 197 ff. ^} Ed. Meyer, Gesch. des Königreichs
') Er leistete nach Appian Mithr. 10 | Pontos, Leipzig 1879; Th. Reinach, il/zY/j;-/-
den Römern im dritten punischen Krieg dcite Eupator roi du Pont, Paris 1890; davon
Hilfe, muß also damals schon regiert haben. eine deutsche Übersetzung mit Berich-
'-) MidQtddiijg schreiben die Texte der tigungen und Nachträgen des Verfassers
Schriftsteller fast ohne Ausnahme, die , von A. Goetz, Leipzig 1895.
198 Römische Geschichte.
im Anschluß daran wurde auch das Königreich der Bosporaner, d. h. die
Städte am Kimmerischen Bosporos mit Tlieodosia in mehreren Feldzügen
unter seine Oberhoheit gezwungen (etwa 110 — 106 v. Chr.). Fast das ganze
nördliche Pontosufer bis zur Donau, ja noch darüber hinaus wurde ihm
botmäßig; von hier aus trat er neben den Skythen mit den Bastarnern
und Thrakern in Freundschaft und Bündnis.') Durch die Einverleibung
von Kleinarmenien und Kolchis wurde Mithridates zum eigentlichen König
vonPontos, d.h. der Uferlandschaften des Schwarzen Meeres; der NamePontos
ist dann später aufsein Stammland, das nördliche Kappadokien übergegangen.
Das Nordufer des Pontos lag damals noch außerhalb der römischen
Machtsphäre; diese wurde erst tangiert, als Mithridates seine Hand gegen
die kleinasiatischen Nachbarn ausstreckte. Er versuchte, sich in dem damals
erledigten paphlagonischen Königreich, sowie in Galatien festzusetzen (um
102 V. Chr.); mit besonderer Zähigkeit strebte er nach dem Erwerb von
Großkappadokien, auf das schon sein Vater Ansprüche erhoben hatte. Nach-
einander beseitigte er den Ariarathes VI (11.2 v. Chr.) und dessen Sohn
Ariarathes VII (um 100 v. Chr.); in jene Zeit fällt die diplomatische Mission
des Marius (S. 189 f.), endlich vertrieb er um 95 v. Chr. Ariarathes VIII, den
letzten seines Geschlechts. Aber die Römer traten allen diesen Anschlägen
entgegen und duldeten keine Eroberungen in Vorderasien, In Kappadokien
wurde auf Bestimmung des Senats ein König Ariobarzanes gewählt, mit
dem eine neue Dynastie beginnt. Ihn betrachtete Mithridates als seinen
Feind, den er beständig bekämpfte, wobei er mit Tigranes von Armenien
(oben S. 196) gemeinsame Sache machte. Als sein Verbündeter vertrieb
Tigranes den Ariobarzanes und setzte einen Anhänger des Mithridates auf
den kappadokischen Thron. Aber im Auftrag des Senats führte der Prätor
von Pamphylien, L. Cornelius Sulla, den Ariobarzanes wieder zurück
(92 V. Chr.). Bald darauf griff Mithridates in Bithynien ein. Nach dem Tod
seines Widersachers, Nikomedes II, vertrieb nämlich Mithridates den neuen
König Nikomedes III und führte dessen Halbbruder Sokrates mit dem Bei-
namen Chrestos auf den bithynischen Thron. Da Rom damals in den italischen
Bundesgenossenkrieg verwickelt war, mochte Mithridates hoffen, unbehelligt
zu bleiben. Aber die Römer intervenierten doch; der König mußte sich
fügen, und die beiden vertriebenen Fürsten — denn auch Ariobarzanes war
wiederum verjagt worden — wurden in Kappadokien und Bithynien von
einer römischen Gesandtschaft unter M.' Aquillius restituiert (90/89 v. Chr.). 2)
Diese Gesandten veranlaßten nun den Nikomedes zu einem Raubzug ins
pontische Reich und verweigerten dann jede Genugtuung für diesen Über-
fall, worauf sich Mithridates zum Krieg entschloß. Er setzte sich auch mit
den Aufständischen in Italien ins Benehmen (oben S. 19-1). Mithridates war
besser gerüstet als die Römer; er hatte ein zahlreiches Landheer, zu dem
auch Bastarner und Skythen ihre Kontingente stellten, und eine überlegene
Flotte von dreihundert Kriegsschiffen; dazu verfügte er über bedeutende
Einkünfte. So gelang es ihm, sich in raschem Anlauf fast ganz Vorderasiens
zu bemächtigen. Seine Feldherren rückten in Kappadokien ein; er selbst
■) Niese, Ehein. Mus. N. F. XLI 559 f.
2) Über die Zeit s. Waddington, Fastes des Provinces Asiatiques, 38.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§33.) 199
wandte sich gegen Nikomedes, schlug ihn und vertrieb die von den Körnern
aufgebotenen Provinziahnilizen. Er besetzte Bithynien und die Provinz Asien,
wo man ihn an vielen Stellen als Retter begrüHste. Die ganze Provinz mit
Ausnahme des Südens brachte er in seine Gewalt, während seine Flotte die
Inselwelt des Agäischen Meeres beherrschte. Nur Rhodos widersetzte sich.
Von Ephesos aus erließ Mithridates an die Satrapen der eroberten Gebiete
und an die Magistrate der freien Städte den Blutbefehl, alle Italiker, deren
man habhaft werden konnte, an einem und demselben Tag zu ermorden;
in einem grauenhaften Pogrom, dem Tausende und Abertausende zum Opfer
fielen, entlud sich der fanatische Haß der Bevölkerung gegen die fremden
Bedrücker (88 v. Chr.). In den besetzten Landschaften richtete sich der
König zu dauernder Herrschaft ein; Pergamon machte er, gewissermaßen
-als Nachfolger der Attaliden, zur Residenz.
Durch den Haß gegen Rom, der die kleinasiatische 'Vesper' diktiert hatte,
fühlte sich der pontische Halbbarbar mit dem griechischen Element ver-
bunden; auch am jenseitigen Gestade des Agäischen Meeres wollte er die
Rolle des Befreiers spielen. Zu dem Behuf marschierte noch im Jahr 88
V. Chr. ein Landheer, geführt von einem pontischen Prinzen, durch Thrakien
gegen Makedonien und segelte eine Flotte unter Archelaos über das Agäische
Meer. Noch ehe sie erschien, war Athen zu Mithridates übergetreten. Nicht
lange zuvor hatte der römische Senat in die Verfassungskämpfe der Athener
■eingegriffen und die Demokratie abgeschafft; darüber erbittert, neigte die
Bürgerschaft zum Anschluß an Mithridates. i) Zu Athen gehörte damals
Delos, das die Römer nach dem Abfall Athens besetzten; dann eroberte
Archelaos die Insel, wobei viele Bewohner, darunter die ganze römisch-
italische Kolonie, hingemetzelt wurden; von dieser Katastrophe hat sich
Delos nie wieder erholt. Ganz Griechenland, außer Aetolien und Thessalien,
mußte sich dem Mithridates unterwerfen. Der Prätor von Makedonien C.
Sentius Saturninus mit seinem Quästor Bruttius Sura war fast machtlos,
zumal da auch noch Gallier und Thraker auf Veranlassung von Mithridates
die Provinz heimsuchten und bis Griechenland vorstießen (89 und 88 v. Chr.)
(oben S. 187 f.); überdies war das pontische Heer im Anmarsch.
Während ihnen so die asiatischen und griechischen Provinzen verloren
gingen, hatten die Römer bei sich zu Haus den Bürgerkrieg. Schon während
des Bundesgenossenkrieges war es zum Konflikt zwischen der Ritterpartei
und dem Senat gekommen. 2) Die Beschwerden über die richterliche Praxis der
Ritter verdichteten sich 89 v.Chr. zu einem Gesetz des Volkstribunen M.Plautius
Silvanus, das die Richter vom Volk, fünfzehn aus jeder Tribus, wählen ließ.^)
Neue Unruhen wurden durch die Geldnot hervorgerufen, die der Krieg er-
zeugte. Die bedrängten Schuldner zogen alte Wuchergesetze ans Licht und
bedrohten die Gläubiger mit Anklagen, worauf die Geldleute sich zusammen-
rotteten und den Prätor A. Sempronius Asellio, der den Schuldnern Gehör
') Vgl. Poseidonios fr. 41 bei Athenaeus | sisch) S. 225if. Ferguson. Klio IV, 1904, 1 ff.
'V211E; Hertzberg, Gesch. Griechenlands ; -) Appian b. civ. I 54f. Livius per. 73.
unter den Eömern I 148; Wächsmuth, Die Plutarch Sulla 6 f. Marius 34 f. Velleius
Stadt Athen im Alterthum 1655 f.; Niese, i II 10 f. Diodor XXXVII 2.
Ehein. Mus. N. F. XLII 574 f. Shebeleff, ^) Asconius in Cornel. 71.
Aus der Geschichte Athens 229—31 (rus- ;
200 Römische Geschichte.
gab, erschlugen. Schlierslicli führte die auswärtige Politik, der Angriff des
Mithridates, zu einer schweren Krisis. Das einträgliche Kommando in Asien
wurde von mehreren Bewerbern begehrt; der Senat hatte es dem Her-
kommen gemäß dem Konsul L. Cornelius Sulla bestimmt, aber Marius trat
dazwischen. Bisher hatten sich die beiden ungleichen Männer vertragen;
Sulla hatte sich im jugurthinischen wie im kimbrischen Krieg unter dem
Oberbefehl des Marius bewährt; im Bundesgenossenkrieg wuchs freilich
Sulla über den alternden Marius hinaus. Aber Marius war noch immer von
brennendem Ehrgeiz erfüllt; in seiner Eifersucht gönnte er dem Sulla keine
neuen Lorbeeren; er wollte sich selbst den Oberbefehl gegen Mithridates
sichern. In dieser Absicht verband er sich mit dem Tribunen P. Sulpicius
Rufus, einem feurigen und beredten Demagogen der Ritterpartei. Dieser
stellte zunächst den Antrag, die italischen Neubürger und zugleich die Frei-
gelassenen in alle Tribus gleichmäßig aufzunehmen, was er auch unter
Anwendung von Gewalt gegen den Widerstand des Senats und der Kon-
suln durchsetzte. Durch einen zweiten Volksbeschlufs wurde der Krieg
gegen Mithridates dem Marius übertragen. Der benachteiligte Sulla fügte
sich dem nicht und fand an seinem Heer, das bei Nola stand, den nötigen
Rückhalt. Er marschierte mit seinen ihm ergebenen Truppen gegen Rom,
das er überrumpeln konnte. Durch Beschluß von Senat und Volk wurden
Sulpicius, Marius mit seinem Sohn und zehn andere der Gegner für
Staatsfeinde erklärt und geächtet. Sulpicius wurde auf der Flucht ge-
tötet, Marius entkam mit seinem Sohn und einigen Freunden nach Afrika,
wo er schließlich in Mauretanien Aufnahme fand. Die Gesetze des Sul-
picius wurden kassiert, und durch neue Gesetze beschränkte Sulla die Macht
der Volkstribunen. Die Beschlüsse der Komitien wurden von der Ge-
nehmigung des Senats abhängig gemacht; die gesetzgebende Gewalt wurde
allein den Centuriatkomitien übertragen und vielleicht statt der reformierten
Stimmordnung (oben S. 153) die alte des Servius Tullius wiederhergestellt.')
Es wurde ferner beschlossen, den Senat durch dreihundert neue Mitglieder
zu verstärken und den Veteranen Kolonien anzuweisen. Doch war die Bürger-
schaft dem Sulla keineswegs gewogen; die ungesunden und verworrenen
Zustände illustriert drastisch der Fall des Konsuls Q. Pompeius, dem das
Heer des Cn. Pompeius Strabo und ein Kommando in Italien übertragen
worden war. Strabo wiegelte seine Soldaten gegen den Konsul auf, der
denn auch beim Antritt des Oberbefehls im Lager ermordet wurde, worauf
Strabo ohne weiteres an seine Stelle trat. Sulla selbst ging nach Ablauf
des Konsulates 87 v. Chr. nach Griechenland hinüber, um zunächst die
pontischen Heere zu vertreiben.
Die besiegte Partei, die sich noch während Sullas Anwesenheit bemerkbar
machte und die Rückberufung des Marius forderte, brachte sich nach seiner Ab-
reise bald wieder zur Geltung. An ihre Spitze trat der eine der Konsuln von 87
V. Chr., L. Cornelius Cinna, der die sulpicischen Gesetze sogleich erneuerte und
dadurch blutige Kämpfe in Rom hervorrief. Cinna erlag allerdings seinem
Kollegen Cn. Octavius ; er verließ mit seinen Anhängern Rom, worauf er
') Appian I 59. Mommsen, Rom. Staatsrecht III 270 Aum. 1.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v.Chr.). (§33.) 201
seines Amtes entsetzt und L. Cornelius Merula statt seiner zum Konsul ge-
wählt wurde. Allein die Truppen, die Nola belagerten, stellten sich hinter
den Exkonsul ; so konnte Cinna die Rückkehr nach Rom vorbereiten; er
berief den Marius und die übrigen Verbannten zurück; Marius landete mit
einer Schar in Etrurien, sammelte Truppen um sich, vereinigte sich mit
Cinna und übernahm die Leitung des neuen Bürgerkriegs. Er gewann auch
den Beistand der noch aufständischen Italiker, besonders der Samniter.
gegen die damals Q. Caecilius Metellus Pius kämpfte. Pius erhielt vom
Senat den Auftrag, mit den Samnitern Frieden zu schließen, aber diese
verlangten die Rückgabe ihrer Güter und das Bürgerrecht für sich und die
bei ihnen befindlichen Überläufer, Forderungen, die dem Senat zu weit
gingen. Marius dagegen erfüllte die Wünsche der Samniter, worauf Metellus
Pius nach Rom zog, um bei der Verteidigung zu helfen. Auch Pompeius
Strabo erschien mit seinen Truppen vor der Stadt; nach längerem Schwanken
entschied er sich für die Regierung, wurde aber noch während des Krieges
vom Blitz erschlagen. Der Angriff auf Rom wurde von Marius geschickt
geleitet, die Verteidigung versagte. Von verschiedenen Seiten rückten die
Marianer heran, die Stadt wurde von jeder Zufuhr abgeschnitten und immer
enger umklammert ; Seuchen lichteten die Reihen der Verteidiger, von denen
viele zu den Revolutionären überliefen. So mußte der Senat sich zur Kapi-
tulation entschließen, Cinna als Konsul anerkennen und dem Marius die
Rückkehr gestatten. Sullas Gesetze wurden aufgehoben, und eine blutige
Rache traf die Regierungspartei. Unter den Opfern waren die Konsuln
Octavius und Merula, ferner Q. Lutatius Catulus, einst der Kollege des
Marius im Konsulat, und der Redner M. Antonius. Sullas Vermögen wurde
eingezogen, sein Haus zerstört. Dem wilden Treiben der marianischen
Banden wurde erst nach dem Tod des Marius durch Cinna und Q. Sertorius
ein Ziel gesetzt. Marius trat zusammen mit Cinna aus eigener Macht-
vollkommenheit am 1. Januar 86 v. Chr. sein siebentes Konsulat an, über-
lebte aber die Erfüllung dieses sehnlichen Wunsches nur um wenige Tage;
am 13. Januar 86 starb der Mann, der einst Rom vor den Barbaren ge-
rettet hatte, zuletzt aber durch Ströme A^on Bürgerblut gewatet war. Zum
Nachfolger bestellte Cinna den L. Valerius Flaccus, dem an Stelle Sullas
der Krieg gegen Mithridates übertragen wurde.
Viele Optimaten flüchteten zu Sulla, der nach seiner Landung in Epirus
rasche Erfolge erzielte; die meisten griechischen Gemeinden waren nur der
Not gehorchend zu Mithridates übergegangen und kehrten bereitwillig zu
Rom zurück. Archelaos wurde nach einer Niederlage in Böotien auf Athen
und den Piraeus zurückgedrängt; nach langer Belagerung, die den ganzen
Winter 87/86 v. Chr. dauerte, wurde zunächst das von Aristion verteidigte
Athen erstürmt (1. März 86), hierauf der Piraeus mit Ausnahme der Burg
Munichia erobert. Athen wurde verwüstet, die Akropolis geplündert; im
Piraeus wurden damals die großartigen Hafenanlagen aus Athens Blütezeit
zerstört, die der Stadt bei allem Verfall noch immer eine gewisse maritime
Bedeutung verliehen hatten. Aber Sulla wollte den Hafen für die pon tische
Flotte unbrauchbar machen. Inzwischen hatte das Landheer des Königs
Makedonien erobert, war dann durch die Thermopylen nach Griechenland
202 Römische Geschichte.
vorgedrungen und hatte sich mit Archelaos, der von seinem Hauptquartier
Chalkis aus die See beherrschte, vereinigt. Sulla erwartete den Feind an
der Grenze von Böotien und Phokis, bei Ghaironeia, und brachte dem an
Zahl weit überlegenen, aber schlecht geführten pontischen Heer eine ver-
nichtende Niederlage bei.^) Solche Erfolge stärkten die Stellung Sullas
seinen politischen Gegnern in der Heimat wie seinen Soldaten gegenüber.
Der zur Ablösung Sullas eingetrofPene Valerius Flaccus vermochte nichts
auszurichten, ja seine Vorhut ging sogar zu Sulla, der ihm ins südliche
Thessalien entgegengezogen war, über. Eine Begegnung der beiden
rivalisierenden Feldherren unterblieb, es ist sogar möglich, daß ein Ver-
gleich zustande kam, der für Sulla um so erwünschter war, als gerade
jetzt ein starkes, neues Heer des Mithridates unter Dorylaos auf Euböa
landete und in Böotien eindrang. So zog ein jeder seines Wegs, Valerius
Flaccus nach Norden, Sulla nach Süden gegen Dorylaos, der sich mit
Archelaos vereinigte und bei Orchomenos in Böotien Stellung nahm. Er
wurde von Sulla angegriffen und geschlagen. Das pontische Heer wurde
aufgerieben (86 v. Chr.). 2) Damit war Griechenland zurückgewonnen. Nur
Euböa nebst einigen Seeplätzen war noch in der Hand des Mithridates, der
auch die Seeherrschaft behauptete; seine Kriegsschiffe hatten sogar das
Ionische und Adriatische Meer unsicher gemacht und die anliegenden Küsten
angegriffen. Sullas Heer überwinterte in Thessalien (86/85 v. Chr.).
Flaccus eroberte Makedonien zurück und zog unter Kämpfen mit den
Thrakern an den Bosporus, wo er die Brückenköpfe Byzanz und Kalchedon
besetzte. Bei der zuchtlosen Soldateska war sein Legat C. Flavius Fimbria,
der ihr alles nachsah, weit beliebter. Die beiden entzweiten sich: aber die
Truppe nahm für den gemaßregelten Legaten Partei. Der Konsul floh, wurde
aber in Nikomedeia in Bithynien von den Häschern Fimbrias ereilt und ge-
tötet. Fimbria riß den Oberbefehl an sich, schlug die pontischen Truppen bei
Miletopolis an der Propontis und drang siegreich nach Süden vor, so daß '
Mithridates Pergamon räumen mußte. Fimbria führte ein wahres Schreckens-
regiment in dem eroberten Land; auch Bion wurde erstürmt und geplündert.
Durch die Siege Fimbrias geriet Mithridates in eine schwierige Lage,
um so mehr als es dem L. Licinius Lucullus, Sullas Quästor,^) gelungen
war, bei den Seestaaten des Ostens eine ansehnliche Flotte zu requirieren,
■die 85 v. Chr. im Agäischen Meer erschien und die Inseln befreite. Auch
war schon nach der Schlacht bei Chaironeia in Asien ein Stimraungs-
umschwung eingetreten; Ephesos^) und mehrere andere Städte sagten sich von
Mithridates los, desgleichen die Galater, wodurch sich der nervös gewordene
König zu strengem Vorgehen gegen alle unsicheren Kantonisten veranlaßt
sah. Unter diesen Umständen knüpfte er schon nach der Schlacht bei Orcho-
menos durch Archelaos Verhandlungen mit Sulla an. Da beide Parteien
den Frieden wünschten, gelangte man rasch zur Einigung. Es wurde ver-
') Vgl. Leake, Travels in Northern Greece Jahr gehört wie die Einuahnie Athens
II 194 flf. J. Kromayer, Antike Schlacht- und die Schlacht bei Chaironeia.
felder II 353 ff. ■^) Lucullus war im Winter 87 86 v. Chr.
'-) Es kann keinem Zweifel unterliegen, von Athen aus in den Orient entsandt
•daß, wie Th. Eeinach richtig erkannt hat, worden,
■die Schlacht bei Orchomenos in dasselbe ■•) Vgl. SIG 11=* nr. 742.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§33.) 203
abredet, daß der König die vorderasiatischen Eroberungen dieses Krieges,
nämlich Großkappadokien, Paphlagonien, Galatien, Bithynien und Asia, auf-
geben, 2000 (oder 3000) Talente Kriegskosten zahlen und an Sulla von
seiner Flotte siebzig oder achtzig Schiffe für die Rückkehr nach Italien ab-
treten sollte. Ein Waffenstillstand trat sofort ein; Archelaos mußte dafür
seine Schiffe ausliefern und die letzten pontischen Besatzungen aus Europa
entfernen. Während der Verhandlungen rückte Sulla nach Makedonien und
züchtigte die Skordisker, Dardaner, Mäder und andere Völkerschaften, von
denen die Provinz in den letzten Jahren wiederholt belästigt worden war.
Der Abschluß des Friedens verzögerte sich, weil Mithridates, in der Hoff-
nung durch den Hinweis auf Fimbria günstigere Bedingungen zu erlangen,
Schwierigkeiten machte. Als aber Sulla sich zum Angriff auf Asien an-
schickte, gab er nach. Zu Dardanos wurde dann bei einer persönlichen Zu-
sammenkunft Sullas mit dem König der Friede endgültig geschlossen (85
V. Chr.).^) Nikomedes HI und Ariobarzanes kehrten unter dem Schutz
römischer Soldaten in ihre Königreiche zurück.
Der Krieg hatte noch ein kurzes Nachspiel, Sullas Abrechnung mit
Fimbria, seinem politischen Widerpart, den die pontische Diplomatie gegen
ihn auszuspielen gesucht hatte. Die Fimbrianer standen bei Thyateira, wo
Sulla sie einschloß und zum Eintritt in sein Heer zwang. Fimbria selbst
nahm sich im Tempel des Asklepios bei Pergamon das Leben. Sulla blieb
längere Zeit (85/84 v. Chr.) in Asien, wo er die treu gebliebenen Städte
belohnte, über die abtrünnigen strengstes Gericht hielt; 2) die ganze Provinz
mußte für ihren Abfall schwer büßen und Quartierlasten und hohe Kon-
tributionen (20000 Talente = 94308000 Goldmark) tragen; auch war der
Tribut für 5 Jahre nachzuzahlen; um diese Summen aufzubringen, mußte
sich die Provinz tief in Schulden stürzen. Aber Sulla füllte rücksichtslos
seine Kassen, mußte er doch für die Rückkehr nach Italien auch in finanzieller
Hinsicht mobilisieren. Im Jahr 84 v. Chr. 3) setzte Sulla nach Griechenland
über, wo er überwinterte und seine Rüstungen vollendete. Griechenland
hatte in dem Krieg, dessen Kosten es mit bestreiten mußte, dauernden
Schaden genommen: die pontische Flotte hatte die Küsten verheert; Sulla
hatte die ehrwürdigen Kultstätten in Delphi, Olympia und Epidauros ihrer
Reichtümer beraubt, überall gebrandschatzt,*) Böotien und Attika ver-
wüstet und entvölkert.
Inzwischen herrschte in Italien und den westlichen Provinzen die
marianische Partei; sie hat den Bundesgenossenkrieg vollends beendet und
den Ausgleich mit den Italikern durchgeführt. Als nun 85 v. Chr. der
Friede mit Mithridates geschlossen war und Sulla in einem Schreiben an
^) Dieses Jahr ergibt sich unzweifelhaft mithridatischen Krieges vgl. Empekiüs,
aus Appian b. civ. I 76 und 77. De temporum belli MitJu-idaticl prhm ratione,
2) Nach Memnon p. 232 a 18 hat Sulla Göttingen 1829; H. Beknhakdt, Über die
versprochen, die zu Mithridat übergetre- Chronologie der mithridatischen Kriege,
tenen Städte nicht zu bestrafen, aber sein Marburg 1896. und das oben zitierte Werk
Versprechen nicht gehalten. Dies ist ge- i von Th. Reinach.
wiß gute Überlieferung. Die Überwinte- ^) Ein lehrreiches Beispiel liefert eine
rung Sullas in Asien bezeugt Tacit. annal. Inschrift aus Gytheion. SIG 11^ nr. 748.
IV 56. Vgl. Asconius p. 75, 8 Scholl.
^) Über die Zeitrechnung des ersten
204 Römische Geschichte.
den Senat seine Rückkehr ankündigte, begannen die damaligen Konsuln
L. Cinna und Cn. Papirius Carbo eifrige Rüstungen zu Wasser und zu Land.
Die Allgemeinheit war freilich dem Kampf abgeneigt; der Senat schickte
Gesandte an Sulla, und dieser lehnte einen Vergleich nicht ab; erforderte
Rückkehr der Vertriebenen und seine eigene Restituierung. Allein die
marianischen Parteihäupter vereitelten das Abkommen, Cinna und Carbo
usurpierten ohne rechtmäßige Wahl das Konsulat für das nächste Jahr
(84 V. Chr.), rüsteten weiter und planten den Übergang über die Adria, um
Sulla in Makedonien aufzusuchen. Aber die Truppen meuterten und er-
schlugen den Cinna. Nach seinem Tod hintertrieb Carbo die Wahl eines
Ersatzmannes und blieb alleiniger Konsul. Schon begannen einzelne Partei-
freunde Sullas auf eigene Faust mit Werbungen, so Q. Metellus Pius und
der junge Cn. Pompeius, der Sohn Strabos, der in seiner Heimat Picenum
zwei Legionen aufstellte. i) Das große Ereignis der Rückkehr Sullas warf
seine Schatten voraus.
Ln Frühjahr 83 v. Chr. landete Sulla mit sechzehnliundert Schiffen und
vierzigtausend Mann bei Brundisium, das ihm sofort seine Tore öfPnete.^)
Metellus Pius und Cn. Pompeius stießen zu ihm. Die Italiker wurden von
Sulla beruhigt; in besonderen Verträgen bestätigte er ihnen die erworbenen
Rechte, besonders den schon im Jahr 87 v. Chr. bewilligten Zutritt zu allen
Tribus.3) So gewann er ansehnliche Verstärkungen und konnte in Kam2:>anien
eindringen. Am Berg Tifata erfocht er über den Konsul C. Norbanus den
ersten Sieg; dessen Kollege L. Cornelius Scipio ließ sich auf Unterhand-
lungen ein und sah sich darüber von seinem Heer verlassen, das zu Sulla
überging. In Rom wurde um diese Zeit (am 6. Juli 83 v. Chr.) der kapi-
tolinische Tempel ein Raub der Flammen. In der adriatischen Küsten-
landschaft machten Sullas Parteigänger gleichfalls Fortschritte, besonders
Pompeius und M. Licinius Crassus, welch letzterer während der Herrschaft
der Marianer in Spanien ein Asyl gefunden hatte. ^) Den Marianern fehlte
das Vertrauen in ihre Sache und der rechte Führer, der Abfall breitete sich
aus.^) Da eine Versöhnung auch jetzt nicht zustande kam, so ging im
nächsten Jahr (82 v. Chr.) der Krieg weiter. Im nördlichen Italien, am
Adriatischen Meer stand der eine Konsul, Carbo, mit seinen Genossen den
Legaten Sullas gegenüber, dem Metellus Pius, Pompeius, L. und M. Lucullus
und anderen; auch die Flotten traten in Aktion. Nach verschiedenen
kleineren Erfolgen erlangten die Sullaner durch einen Sieg des Metellus
Pius bei Faventia die Oberhand. Sulla selbst drang in Latiuni ein und be-
siegte den einen Konsul, den jüngeren C. Marius, in einer großen Schlacht
bei Sacriportus unweit Signias. Der Übertritt einiger Kohorten zu Sulla
gab die Entscheidung. Die Geschlagenen warfen sich nach Praeneste, wo
sie eingeschlossen wurden. Marius mußte Rom aufgeben, nachdem er zuvor
einige Optimaten, darunter Q. Mucius Scaevola, hatte hinrichten lassen.
') Plutarch Pomp. 5. Exuperant. 4. Liv. per. 84. Mommsen, Rom.
') Vgl. zum folgenden E. Linden, De. hello Staatsrecht III 179 f.
civili Sidlano, Diss. Freiburg i. B. 1896. *) Plutarch Crassus 4.
^) Dieser war schon 87 v. Chr. bewilligt ' ") Plutarch Sertor. 6.
und gelangte 84 v. Chr. zur Ausführung. 1
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§33.) 205
Rom fiel an Sulla, der nun weiter gegen Carbo nach Etrurien, der Hoch-
burg der Marianer, vorrückte. Carbo wurde nach mehrfachen Niederlagen
von vielen seiner Anhänger verlassen und floh mit der Flotte nach Afrika.
Die Reste seines Heeres in Italien vereinigten sich mit den Samnitern und
Lukanern, die unter C Pontius Telesinus und M. Lamponius zunächst
Praeneste zu entsetzen versuchten. Da sie den Zernierungsgürtel nicht
durchbrechen konnten, versuchten sie einen Handstreich gegen Rom. Aber
Sulla eilte noch rechtzeitig herbei und gewann am 1. November 82 v. Chr.')
am collinischen Tor einen blutigen, für die Gegner vernichtenden Sieg, an
dem M. Crassus ein hervorragendes Verdienst hatte. Praeneste mußte bald
darauf kapitulieren, Marius nahm sich das Leben, und die Einwohner
wurden hart bestraft. Den letzten Widerstand in Italien brachen die Legaten
Sullas. Am längsten hielten sich Norba und das etruskische A^olaterrae,^)
das erst nach zwei Jahren, 79 v. Chr., erobert wurde.
Nach dem Sieg in Italien fielen auch die westlichen Provinzen in die
Gewalt Sullas und seiner Heerführer. Sardinien wurde noch im Jahr 82
V. Chr. besetzt. Nicht einmal in den spanischen Provinzen konnten sich die
Marianer behaupten. Nach Sizilien sandte Sulla den Cn. Pompeius, der dort
auf keine Gegenwehr stieß. Carbo war nach der Insel Cossura entflohen;
er wurde aufgehoben und nach Lilybaeum vor Pompeius gebracht, der ihn
hinrichten ließ. Von Sizilien setzte Pompeius nach Afrika über; dort hatte
der Marianer Cn. Domitius Ahenobarbus im Verein mit dem numidischen
Prätendenten Hiarbas eine ansehnliche Macht gesammelt. Pompeius schlug
den Domitius und nahm Hiarbas gefangen; der rechtmäßige König Hiempsal
erhielt sein Reich zurück. In nur vierzig Tagen war Afrika gewonnen. Von
allen Gehilfen Sullas war der junge Pompeius der erfolgreichste und be-
liebteste; 2) er, der überhaupt noch keine ordentliche Magistratur bekleidet
hatte, der nicht einmal Senator, sondern nur Ritter war, ertrotzte von Sulla,
der ihn bereits durch den Ehrennamen Magnus ausgezeichnet hatte, auch
noch den Triumph über Afrika, den er am 12. März 79 abhielt. Sulla selbst
hatte bereits am 27. und 28. Januar 81 unter großem Gepränge über Mithri-
dates triumphiert. Durch Feste und Schauspiele, bei denen Künstler aus
Griechenland auftraten, sollte die Bevölkerung Roms über die Not der Zeit
hinweggetäuscht werden.
Die marianische Partei traf die Rache des Siegers, die nicht einmal vor
dem Grab des Marius Halt machte und ihre Opfer in ganz Italien fand.
Wer nach den Unterhandlungen mit L. Scipio (83 v. Chr.) noch die Waffen
getragen hatte, wurde straffällig. Die anfängliche Milde Sullas schlug nach
dem Sieg in brutale Härte um. Die prominenteren Gegner wurden in der
neuen Form der Proskription geächtet, indem nämlich Sulla ihre Namen
„proskribieren", d. h. durch öffentlichen Anschlag bekannt machen ließ.
Diese Proskribierten hatten auf Grund eines besonderen Gesetzes nicht nur
Leben und Vermögen verwirkt, sondern werden auch noch in ihren Söhnen
und Enkeln bestraft, indem diese ihre Nachkommen für die Ämterlaufbahn
') Das Datum bei Velleius II 27, 1; vgl.
Marquardt, Staatsverwaltung III 585.
-) Strabo V 228.
^) Cn. Pompeius war geboren am 29. Sep-
tember 106 V. Chr. Plin. h. n. XXXVII 13.
Velleius II 53, 5. Dkumann-Groebe IV 332 f.
206 Römische Geschichte.
disqualifiziert wurden. Rund 40 Senatoren und gegen 1600 Ritter hat Sulla
proskribiert; ^) gerade der Ritterstand war dem Sulla besonders verhaßt.
Die Gesamtzahl der Opfer war noch weit höher. Mancher Sullaner benutzte
die Gelegenheit zur Befriedigung persönlicher Rachsucht und zur eigenen
Bereicherung; denn Sulla liefa seine Anhänger in dieser Hinsicht gewähren.
Von den Italikern erging es den Etruskern und Samnitern am schlimmsten. 2)
Viele verloren ihr Leben, viele mußten in die Verbannung gehen; die ein-
gezogenen Güter wurden verkauft oder verschenkt. Die großen Landstrecken,
die zur Einziehung kamen, wurden zu ausgedehnten Ansiedlungen und
Kolonisationen benutzt, wie sie Sulla schon früher beabsichtigt hatte. Ein
gewaltiger Besitzwechsel vollzog sich. Gegen 150000 Veteranen wurden mit
Land versorgt, zumeist in Samnium, Kampanien und Etrurien. Hierdurch
wurde der Menschenverlust der letzten italischen Kriege wenigstens zum
Teil ersetzt und zugleich die Latinisierung der Osker und Etrusker be-
schleunigt, deren Nationalität vollends ausstirbt. Ein Beispiel bietet Pom-
peji in Kampanien, das zu den von Sullas Veteranen besetzten Städten
gehört: das Inschriftenmaterial illustriert hier den Sieg des Lateins über
das Oskische. Der mit dem Bundesgenossenkrieg einsetzende Prozeß der
nationalen Einigung Italiens wurde so durch Sullas Maßnahmen beschleunigt.
Svüla war unumschränkter Herr im Staat; da beide Konsuln tot waren,
so wurde zunächst ein Interrex ernannt, und dieser, L. Valerius Flaccus,
kreierte Ende 82 v. Chr. auf Grund eines besonderen Gesetzes den Sulla
auf unbestimmte Zeit zum didator reipublicae constituendae behufs Neuord-
nung der Verfassung; alle bisherigen Verfügungen Sullas wurden für gültig
erklärt. 3) Im Besitz dieser diskretionären Gewalt hat Sulla eine umfassende
gesetzgeberische Tätigkeit entfaltet und dabei vor allem die Interessen seiner
eigenen Partei, der oligarchischen, wahrgenommen; als Produkt einer sena-
torischen Restaurationspolitik sind seine Gesetze bald angefochten worden.
Aber darüber hinaus hat Sulla auch notwendige und längst gewünschte Re-
formen und Verbesserungen der Verwaltung und Rechtspflege vorgenommen
und Bestimmungen von Dauer und von normativer Bedeutung für die Zu-
kunft getroffen.*) Zunächst erneuerte Sulla die in seinem ersten Konsulat
ergangenen Beschränkungen der legislativen Gewalt der Komitien und der
Volkstribunen;^) ein anderes Gesetz verschloß den Volkstribunen den Zu-
tritt zu den übrigen Magistraturen. Die Gerichte wurden dem Ritterstand
entzogen und den Senatoren zurückgegeben. Zugleich wurden die Quä-
stionen, d. h. die Kriminalgerichtshöfe, weiter ausgebaut. Unumgänglich war
eine Vermehrung der Magistrate, deren geringe Zahl der Ausdehnung des
Reichs und der Häufung der Geschäfte nicht mehr entsprach. Sulla vermehrte
die Prätoren von sechs auf acht, die Quästoren brachte er auf zwanzig. Auch
die Mitgliederzahl der Priesterkollegien wurde erhöht, ihre Bestellung durch
') Appian b. civ. 1 95 ; die höheren Zahlen | uer des römischen Freistaates, Heidelberg
bei Appian b. civ. I 103 sind auf die Opfer 1834; Th. Lau, L.Cornelius Sulla, eine Blö-
des Bürgerkrieges überhaupt zu beziehen; grapliie, Hamburg 1855. J. Lengle. Unter-
vgl. MoMMSEN, Rom. Gesch. 11^ 344 Anm. suchungen über die sullan. Verfassung,
2) Strabo V 249. Diss. Freiburg i. B. 1899.
^) Appian b. civ. I 99. j ^) M. Sunden, De tribunicia potestate a
*) Zachariä, L. Cornelius Sulla als Ord- l L. Sulla imniinufa, Uppsala 1897.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§34.) 207
Volkswahl (oben S. 188) abgeschafft und die frühei'e Ernennung durch Ko-
optation wieder hergestellt. Besonders wichtig sind Sullas Bestimmungen
über die Intervallierung und Reihenfolge der Amter und über die Provinzial-
verwaltung. Er machte es zur Regel, daß die Konsuln und Prätoren wäh-
rend ihres Amtsjahres in Rom blieben und erst nachher mit prorogiertem
Imperium in die Provinzen gingen; wenigstens für die Prätoren gilt dies
fast ausnahmslos. Der Senat wurde durch Volkswahl aus den Rittern um
dreihundert Mitglieder vermehrt, also auf sechshundert gebracht, ein Pairs-
schub, der ebenso dem erweiterten Geschäftsbereich dieser Körperschaft wie
dem Schwinden der durch die letzten Kriege gelichteten Aristokratie Rech-
nung trug. Die alljährliche Ergänzung des Senats regelte sich weiterhin so,
daß immer die gewesenen Quästoren in ihn eintraten: die Zensoren, deren
Amt überhaupt seinen Charakter geändert hatte, wurden dadurch für die
Ergänzung des Senats überflüssig. Noch mehr als früher fiel die Staatsgewalt,
die eigentliche Regierung, an den Senat, womit die Konsequenz gezogen war
aus der bisherigen Entwicklung, aus der Vergrößerung des Reichs und aus
der neuen Struktur der Bürgerschaft, die nicht mehr unmittelbar in die
Geschäfte eingreifen konnte. Ein Reich von solchem Umfang konnte nicht
durch die plebs iirhana in öffentlichen Versammlungen regiert werden und
auch die Marianer hätten sich wohl oder übel des Senats bedienen müssen.
Die Neuordnung des Gemeinwesens erforderte große Geldmittel, die von
der Staatskasse nicht aufgebracht werden konnten; denn die Kriegsbeute
wurde meist verschenkt oder verschleudert, wobei der Staat das Nachsehen
hatte. Um die Kosten zu decken, mußte selbst Tempeleigentum verkauft
werden, auch die Provinzen, die verbündeten Städte und Könige wurden
herangezogen. Auch das reiche Ägypten dachte Sulla zu schröpfen. Er führte
nach dem Tod des Ptolemaios Lathyros den jungen Ptolemaios Alexander II,
der sich unter seinen Schutz gestellt hatte, ^) auf den ägyptischen Thron.
Aber sein Schützling wurde schon neunzehn Tage nach der Thronbesteigung
vom alexandrinischen Mob erschlagen, worauf zwei illegitime Söhne des
Ptolemaios Lathyros zur Regierung kamen, der eine in Ägypten, der andere
auf Kypros.
Nach Ordnung des Staates legte Sulla, der ungekrönte König, 79 v. Chr.
die Diktatur freiwillig nieder. Auch als Privatmann blieb er eine Macht:
im Senat dominierten seine Parteifreunde; seine Veteranen aber und die
zehntausend Cornelier, die von ihm freigelassenen »Sklaven der Proskribierten,
verbürgten seine persönliche Sicherheit. Schon im nächsten Jahr (78 v. Chr.)
erlag er im Alter von sechzig Jahren einem Blutsturz. Seinen letzten Lebens-
abschnitt hatte er heiterem Daseinsgenuß gewidmet, den dieser Vorläufer
Petrons allem Machtkitzel vorzog. Er hat umfangreiche Aufzeichnungen
in griechischer Sprache (vTio/uv/juaTa) hinterlassen, von denen in den Bio-
graphien Plutarchs noch Reste erhalten sind.
34. Unruhen nach Sullas Tod. Sozusagen am Scheiterhaufen des mit
fürstlichen Ehren beigesetzen Diktators entzündete sich die Fackel einer
^) Er war Sohn des Ptolemaios Alexan- in die Hände fiel. Später entfloh er zu
der I (oben S. 196) und wurde auf Kos Sulla. Appian Mithrid. 23; bell. civ. 102.
erzogen, wo er 88 v. Chr. dem Mithridates i
203 Römische Geschichte.
neuen Revolution. Alle durch Sullas Gesetze Benachteiligten drängten un-
gestüm auf Änderung. Der Marianer M. Aemilius Lepidus, mit Q. Lutatius
Catulus im Jahr 78 v. Chr. Konsul, rüttelte gegen den Widerstand seines
Kollegen an Sullas Verordnungen. Er suchte zunächst durch ein Getreide-
gesetz der hauptstädtischen Plebs wohlfeiles Brot zu verschaffen und betrieb
weiter die Rückkehr der Verbannten und die Restitution der durch die
sullanischen Assignationen vertriebenen Italiker. Es brachen damals Un-
ruhen in Etrurien aus, zu deren Unterdrückung die Konsuln Truppen auf-
boten. Schon damals wäre es zwischen Lepidus und Catulus zum Krieg
gekommen, wenn nicht der Senat vermittelt hätte. Aber nach Ablauf des
Amtsjahres griff Lepidus zu den Waffen. Er besetzte das ihm als Provinz
bestimmte cisalpinische Gallien und rückte auf Rom los, um ein zweites
Konsulat zu erzwingen; denn für 77 v. Chr. hatten die Wahlen wegen der
Unruhen noch nicht stattlinden können. Der Senat erklärte den Lepidus
in die Acht und beauftragte Catulus und Pompeius mit dem Krieg gegen
ihn. Pompeius überwältigte die Truppen des Lepidus in Oberitalien, nahm
deren Führer M. Junius Brutus i) in Mutina gefangen und ließ ihn hin-
richten. Lepidus selbst wurde vor Rom auf dem Marsfeld von Catulus
zurückgeschlagen, erlitt eine neue Niederlage in Etrurien und schiffte sich
von Cosa nach Sardinien ein, wo er bald darauf verstarb. Die Reste seines
Heeres wurden von M. Perperna nach Spanien geführt, dem einzigen Land,
wo die marianische Partei unter einem hervorragenden Führer, dem Q. Ser-
torius, sich behauptete.
Sertorius^) war einer der ersten und treuesten Anhänger Cinnas und
der Populären; als solchem war ihm 83 v. Chr. mit der Prätur das dies-
seitige Spanien als Provinz bestimmt worden. Da er bei dem Verlauf des
Krieges in Italien Sullas Endsieg voraussah, so ging er schon 83 v. Chr.
in seine Provinz ab, wurde aber zwei Jahre später durch die sullanischen
Statthalter verdrängt; daraiif wandte er sich nach Mauretanien, das zu den
Marianern hielt, trat in den Dienst eines dortigen Dynasten und machte
sich durch siegreiche Kämpfe einen Namen. •^) Dann leistete der römische
Exulant einem Ruf der gegen Rom rebellierenden Lusitaner mit einem
Stamm römischer Truppen und mauretanischen Reitern Folge (80 v. Chr.)
und schuf ein weniger für die Feldschlacht als für die Guerilla geeignetes
Heer. Er fühlte sich durchaus als Römer und ließ sich nicht etwa in die
Stellung eines Condottieres der Lusitaner hinabdrücken. Schon im ersten
Jahr hatte er bedeutende Erfolge: er schlug den Proprätor des jenseitigen
Spaniens, Fufidius, und setzte sich auch in der diesseitigen Provinz fest.
Von Rom mußten Verstärkungen nach Spanien geschickt werden ; in die
jenseitige Provinz, den wichtigeren Kriegsschauplatz, sandte Sulla den be-
währten Q. Metellus Pius (Konsul 80 v. Chr.) ; die diesseitige übernahm
M. Domitius Calvinus. Doch konnte Metellus gegen Sertorius, der sich ihm
entgegenstellte, nichts ausrichten; zwar drang er in Lusitanien ein, aber
') Er ist der Vater des Caesarmörders. 90 v.Chr. verwaltete er als Quästor Ober-
2) Sertorius war in Nursia im Sabiner- Italien. Plutarch hat seine Biographie ge-
land geboren und hatte mit Auszeichnung , schrieben.
gegen die Kimbern, dann in Spanien, zu- ^) Er eroberte z. B. Tingis, das heutige
letzt im Bundesgenossenkrieg gedient; i Tanger.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§ 34.) 209
sein Gegner wich einer Feldschlacht aus und nötigte das römische Heer
durch seine Überlegenheit im Kleinkrieg zum Rückzug. Noch unglücklicher
kämpfte in der diesseitigen Provinz Calvinus: vom Quästor des Sertorius,
L. Hirtuleius, geschlagen, fand er den Tod. Metellus war gezwungen, den
Statthalter des benachbarten narbonensischen Galliens, L. Manlius, zu Hilfe
zu rufen. Aber auch dieser erlitt in der Ebrogegend eine Niederlage und
mußte unter starken Verlusten in seine Provinz zurückkehren (78 v. Chr.).
Ein großer Teil des diesseitigen Spaniens bis an den Fuß der Pyrenäen
fiel an Sertorius, der auch an der Mittelmeerküste bei Dianium Fuß faßte.
Sertorius wurde der in Rom herrschenden Partei namentlich dadurch
gefährlich, daß er das Banner der Marianer wieder aufpflanzte und sein
Lager zum Asyl für die Vertriebenen und Heimatlosen Roms machte. Er
betrachtete sich als rechtmäßigen Statthalter seiner Provinz; alle Offiziers-
stellen besetzte er mit Römern; römisch war auch die Verwaltung, und aus
den Häuptern der Emigranten bildete er einen förmlichen Gegensenat. Die
iberischen Stämme unterwarfen sich ihm teils freiwillig teils gezwungen,
bei den Lusitanern, den Keltiberern und in der Ebrolandschaft lagen die
starken Wurzeln seiner Macht. Die iberischen Stämme mußten ihm Geiseln
stellen, Kinder aus vornehmen Häusern, die er in Osca (heute Huesca) in einer
Art Ritterakademie nach römischer Weise griechisch und lateinisch unter-
richten ließ. Seine Tapferkeit, Gerechtigkeit und Leutseligkeit verschafften ihm
weithin Ansehen und Anhang; er wußte sich auch einen religiösen Nimbus
zu verleihen. Die Befürchtung war nicht unbegründet, daß es ihm gelingen
könnte, ganz Spanien zu gewinnen und von dieser Basis aus Italien anzugreifen
und die sullanische Partei zu stürzen, zumal nachdem Perperna in Spanien
aufgetaucht war. Um diese Gefahr zu bannen, sandte der Senat nach der
Besiegung des Lepidus dem Antrag des L. Marcius Philippus gemäß den
Pompeius mit prokonsularischem Imperium ins diesseitige Spanien, wo er
zusammen mit Metellus Pius den Sertorius bekämpfen sollte. Ein derartiges
Kommando einem Mann, der noch kein reguläres Amt bekleidet hatte, zu
übertragen, war freilich ohne Beispiel. Aber Pompeius hatte die Macht, sich
eine Ausnahmestellung zu erzwingen; er stand nach dem Sieg über Lepidus
vor den Toren Roms, ohne sich, um die Aufforderung des Senats, sein Heer
zu entlassen, zu kümmern. Der Senat mußte sich fügen. Den Durchzug
durch die Alpen erkämpfte sich Pompeius mit dem Schwert; er bahnte
eine neue Straße über die kottischen Alpen ^) und traf Ende 77 oder An-
fang 76 v. Chr. mit etwa vierzigtausend Mann in Spanien ein, 2) wo sich
alsbald einige iberische Stämme ihm zuneigten. Auf die Ankunft des Pom-
peius hin wurde Perperna von seinen Truppen veranlaßt, sich dem Ober-
befehl des Sertorius unterzuordnen. Noch immer hatte Sertorius das Über-
') Die seitdem viel benutzte Heerstraße, ■ über diese und andere Streitfragen Bien-
die vom heutigen Turin über Segusio(Susa) • kowski, Wien. Stud. XIII 129 f.: Mauren-
und den Mont Genevre an die Durance brecher, SalJusti hist. I 20. II 226 und die
führt. Strabo IV 179. Pompeius hat bei dort angeführte Literatur, dazu Güilelmus
dieserGelegenJieit in der narbonensischen ^ Stahl, De hello Sertoriano, Diss. Erlangen
Provinz Anordnungen getroffen. Caesar ; 1907. Drumann-Groebe IV 372 und 377, 1.
b. civ. I 3.5, 4. Auch Ciceros Rede pro Fonteio kommt für
2) Die Zeit der Ankunft ist strittig. Vgl. die Chronologie in Betracht.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5 5. Aufl. 14
210 Römische Geschichte.
gewicht; Pompeius konnte nicht einmal seine Bundesgenossen wirksam
schützen, wie sich bei der Belagerung von Lauron zeigte, das Sertorius
unter den Augen des Pompeius eroberte (76 v. Chr.)J) Dagegen gelang es
im selben Jahr dem Metellus, den Hirtuleius, der sich zu einer Feldschlacht
verleiten ließ, bei Italica gänzlich zu schlagen und dem Pompeius Hilfe
zu bringen. In der Küstenlandschaft südlich vom Ebro kam es nun zu
heftigen Kämpfen. Pompeius besiegte im Jahr 75 den Perperna bei Valentia,
erlitt aber eine Niederlage am Sucro, als er, ohne die Ankunft des Metellus
abzuwarten, dem Sertorius eine Schlacht lieferte. Nachdem dann Pompeius
sich mit Metellus vereinigt hatte, wurde bei Saguntum am Turia ohne Ent-
scheidung gekämpft. Trotz gelegentlichen Mißerfolgen zeigte sich Sertorius
so überlegen, daß Pompeius aus dem Winterquartier dringende Bitten um
Verstärkung an den Senat richtete.
Es fiel dem Senat schwer, frische Truppen nach Spanien zu senden, da
gleichzeitig im Osten die Kämpfe mit Mithridates, den Thrakern und Kelten
und den Seeräubern die militärischen Kräfte Roms in Anspruch nahmen.
Aber der Senat mußte dem Drängen des Pompeius schließlich doch nach-
geben. Denn Sertorius stand damals auf der Höhe seiner Macht, sein Ruhm
ging durch die Welt. Er trat in Verbindung mit den kilikischen Piraten
und auch mit Mithridates, der ihm ein Bündnisangebot gemacht hatte. Im
Namen Roms, als dessen rechtmäßigen Vertreter er sich betrachtete, schloß
Sertorius mit dem König einen Vertrag ab und schickte ihm Soldaten und
Offiziere, deren vornehmster als Statthalter der Provinz Asien mit jji'ätori-
fechen Insignien im Gefolge des Königs erschien. Unter diesen Umständen
war die Niederwerfung des Sertorius eine Sache des Prestiges der römischen
Regierung. Auch unterstützte der Konsul von 74 v. Chr., L. Licinius Lu-
cuUus, das Gesuch des Pompeius mit Nachdruck, um den Rivalen in Spanien
festzuhalten. Pompeius erhielt also die geforderten Reserven. Ohne daß
entscheidende Schlachten geschlagen wurden, gewann er denn auch in den
Jahren 74 und 73 v. Chr. allmählich immer mehr Boden. Um den Abfall
zu verhindern, zog Sertorius die Zügel straffer an; durch die Quertreibereien
seiner anmaßenden und brutalen römischen Genossen wurde die Lage ver-
schärft. Aber nicht von den Einheimischen, sondern von seinen eigenen
Landsleuten unter Führung des eingebildeten Perperna ging die Verschwörung
aus, die im Jahr 72 v. Chr. dem Sertorius das Leben kostete. Der eigen-
artige Mann, der nicht bloß Soldat, sondern auch Politiker und Kultur-
pionier war und der niemals seinen Römerstolz verleugnet hatte, wurde bei
einem Gastmahl feig9 ermordet, ^j Der Oberbefehl ging auf Perperna über.
Dieser nahm die ihm von Pompeius angebotene Feldschlacht an, wurde aber
völlig geschlagen, gefangen und getötet. Nunmehr konnte Spanien rasch
beruhigt werden. Pompeius ließ Milde walten. Am längsten widerstanden
^) Plut. Sertor. 18. Noch in das J. 77 des Dianium (Artemision) gesetzt.
gehörtdieEroberung von Contrebia durch ^) Nachdem der Krieg acht Jahre ge-
Sertorius. worüber ein Liviuspalimpsest dauert hatte. Liviusper.96. Appian b. civ.
aus dem 91. Buch berichtet. Li vius vol. IV 1 108. In die zehn .lahre des Orosius V 23, 13
p. 227 Hertz. Lauron wird in die Küsten- sind die Jahre der ersten Statthalterschaft
landschaft südlich von Sucro in die Nähe ; der Sertorius mit eingerechnet.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§34.) 211
einige Plätze in der Ebrogegend, besonders Calagurris. Im Jahr 71 v. Chr.
kehrte dann Pompeius mit seinem siegreichen Heer nach Italien zurlick.
Noch ehe der sertorianische Krieg zu Ende war, entstand in Italien ein
gefährlicher Sklavenkrieg. ^) Sein Herd war Capua, wo viele Sklaven in
Gladiatorenschulen für ihr blutiges Handwerk abgerichtet wurden, zumeist
Kriegsgefangene, darunter Leute von guter Herkunft. Von hier brach 73
V. Chr. eine Schar aus, meist Gallier oder Germanen und Thraker; ihre
Führer waren die Gallier Krixos und Oinomaos und der Thraker Spartacus.
Sie setzten sich zuerst am Vesuv fest, ihre Zahl wuchs und nach einem
Sieg über den Prätor C. Clodius Pulcher zogen sie durch Kampanien nach
Lukanien und Unteritalien, wo sie viel Zulauf fanden. Ein römisches Heer
unter dem Prätor P. Varinius wurde geschlagen; im Winter 73 72 v. Chr.
war die Zahl der aufständischen Sklaven auf gegen 70000 angeschwollen.
Sie teilten sich in zwei Heerhaufen, einen gallisch-germanischen unter Krixos
und einen thrakischen unter Spartacus. Im nächsten Jahr (72 v. Chr.) mußten
beide Konsuln gegen sie zu Felde ziehen, L. Gellius und Cn. Cornelius Len-
tulus. Gellius schlug den Krixos in Apulien am Berge Garganus; Spartacus
hatte sich nach Norden gewandt, um sich in seine Heimat durchzuschlagen.
Von beiden Konsuln bedrängt, besiegte er sie nacheinander; gegen den
Willen ihres Führers beschlossen die Sklaven nunmehr in Italien zu bleiben,
um ihren Sieg auszubeuten, und marschierten auf Rom. Die Konsuln er-
litten in Picenum nochmals eine Niederlage; doch konnte Spartacus Rom
nicht erreichen, sondern ging nach Unteritalien zurück, wo er sich bei Thurii
festsetzte. Für das folgende Jahr 71 v. Chr. betraute der Senat nicht die
Konsuln, sondern in außerordentlichem Auftrag den M. Licinius Crassus
mit dem Krieg gegen die Sklaven. Crassus hob die Disziplin seiner Truppen
und drängte dann den Spartacus in den äußersten Süden Italiens, wo er
ihn einschloß. Damals versuchte Spartacus, einen Teil seines Heeres nach
Sizilien hinüberzuwerfen, aber die kilikischen Seeräuber, die er für den
Transport angeworben hatte, ließen ihn im Stich. Doch glückte der Durch-
bruch durch die Linien des Crassus; Spartacus errang nochmals über einen
unvorsichtigen Unterfeldherrn des Crassus einen Erfolg; bald danach teilte
sich sein Heer, und nachdem der eine Teil von Crassus in Lukanien ver-
nichtet war, wurde auch der zweite schließlich in Apulien zur Schlacht
gezwungen und ebenfalls besiegt; Spartacus fiel. Die Flüchtigen wurden
abgefangen und vernichtet, sechstausend Gefangene ans Kreuz geheftet.
Eine Abteilung von fünftausend Mann schlug sich bis Oberitalien durch, wo
sie dem zurückkehrenden Pompeius in die Hände lief. Crassus hatte alles
aufgeboten, um aus eigenen Kräften mit den Aufständischen fertig zu werden,
damit der Ruhm, den Krieg beendet zu haben, nicht anderen zufiel; denn
schon nahten Pompeius aus Spanien und M. Lucullus aus Makedonien. In
sechs Monaten hat Crassus sein Ziel erreicht. Er traf nach dem Sieg zu Anfang
des Winters mit Pompeius vor Rom zusammen; beide waren entschlossen,
sich für die guten Dienste, die sie geleistet hatten, belohnt zu machen.
') ScHAMBÄCH, Der italische Sklavenauf- Berlin 1904. Irrig läßt Schämbach den
stand 74 — 71 v.Chr., Berlin 1872. G.Rathke, , Sklavenkrieg schon 74 v.Chr. beginnen.
De Romanonim bellt's sej-vilibus capita selecta, \
14*
2]^ 2 Römische Geschichte.
Literatur: W. Drumann, Goschichte Roms in seinem Übergange von der republi-
kanischen zur monarchisclien Verfassung, Königsberg 1834—1844, in neuer Bearbeitung
von P. Groebe, Bd. I, II, III, IV, V. C. Nbumann, Geschichte Roms, Bd. 2. Besonders
wichtig sind die Fragmente des Sallust und ihre Ausgaben von Kritz und neuer-
dings Maurenbrecher {Salhisti historiae, Leipzig 1891. 1893), der wertvolk; Beiträge zur
Geschichte dieser Zeit gibt.
35. Konsulat des Pompeius und Crassus. Zustand des Reiches. Der
Sieg über Lepidus liatte die Herrscliaft des Senats gefestigt. Die Regierung
war in seinen Händen, auch die Komitien standen unter seinem Einfluß.
Er übte sogar das Recht, von den Gesetzen zu entbinden, ein Recht, das
nicht selten zu egoistischen Zwecken mißbraucht wurde. Innerhalb des
Senats, der kaum je vollzählig zusammentrat, führten einige wenige das
Wort. Zu diesen Optimaten gehörten Q. Lutatius Catulus, C. Scribonius
Curio, L. Licinius Lucullus und sein Bruder Marcus. Eine gewichtige Stimme
hatte auch P. Cornelius Oethegus, ein ehemaliger Marianer, der rechtzeitig
zu Sulla übergegangen war. Es war ein ausgesprochen oligarchisches Re-
giment, dessen moralisches Ansehen durch die bedenklichen Elemente, die
daran teilhatten, stark beeinträchtigt wurde. Dabei erschwerten die wach-
senden Schwierigkeiten der Außenpolitik dem Senat die Abwehr des Sturms
auf die sullanischen Gesetze, den einige Tribunen, wie Cn. Sicinius (76 v. Chr.),
Q. Marcius (74), C. Licinius Macer (73) i) als Vertreter der senatsfeindlichen
Popularpartei liefen. Es glückte diesen Vorkämpfern der demokratischen
Bewegung in der Tat, Mißstände abzustellen und gehässige Privilegien zu
beseitigen. Aber einen großen Erfolg erzielte die Popularpartei erst, als
die bewaffnete Macht sich mit ihr verband. Das geschah im Jahr 71 v, Chr.
Pompeius und Crassus lagen mit ihren Heeren vor Rom und wollten für das
Konsulat kandidieren. Die Bewerbung des Pompeius vertrug sich nicht mit
der Verfassung und auch Crassus stieß auf Schwierigkeiten. Um sie zu über-
winden, schlössen die beiden Männer, indem sie die gegenseitige Rivalität
hinter die gemeinsamen Interessen zurückstellten, einen Bund, in den die
demokratische Partei mit aufgenommen wurde, Crassus tat den ersten Schritt
zu dieser eigenartigen Koalition, Die beiden Feldherren versprachen die
vollständige Restituierung des Volkstribunats; ihre Truppen behielten sie
unter den Waffen; durch diesen Druck schüchterten sie den Senat ein und
erzwangen ihre Wahl als Konsuln, Während des Amtsjahres gab es frei-
lich viele Unstimmigkeiten und erst zuletzt näherten sich die Konsuln wieder
einander, Ihre den Demokraten gemachten Zusagen lösten sie ein. Die
sullanischen Beschränkungen des Tribunats wurden aufgehoben und durch
ein Gesetz des Prätors L. Aurelius Cotta {lex AureJia) erfuhr die Besetzung
der Gerichte eine Neuordnung im Sinn des demokratischen Programms;
die Richter wurden fortan zu gleichen Teilen aus dem Senat, dem Ritter-
stand und den tribuni aerarli bestellt; diese letzteren sind Angehörige der
unmittelbar auf die Ritter folgenden Censusklasse.^) Im Konsulatsjahr des
Pompeius und Crassus wurde nach längerer Pause wieder ein Census ab-
gehalten, bei dem die Zensoren 64 übel beleumundete Kreaturen des Sulla
>) Dies ist der Historiker (oben S. 16). '^) Ursprünglich scheinen die tribuni
Sallust hat ihm in den Historien eine aerarli Beamte der Tribus gewesen zu
noch erhaltene Rede in den Mund gelegt. sein, die mit der Umlage und Erhebung
Sallust ed. Jordan S. 119. der direkten Abgaben befaßt waren.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§35.) 213
aus dem Senat stießen. Die erste Bresche in die sullanische Verfassung
war also gelegt und zwar von denen, die sie einst hatten aufrichten helfen.
Es folgte ein neuer Ansturm der marianischen Partei, die nicht eher ruhte,
als bis sie die ihr mißliebigen Gesetze sämtlich abgeschafft hatte. Auch die
auswärtige Politik erhielt neue, stark imperialistische Impulse durch ehr-
geizige Heerführer; sie betraten die Bahn, deren Endziel die Monarchie war.
Es war eine Zeit der Krisen nach außen wie nach innen, auf militärischem
und auf finanziellem Gebiet und die Regierung versagte diesen Schwierig-
keiten gegenüber. Immer klarer stellte sich die Unmöglichkeit heraus, mit
dem App:.rat der damaligen Verfassung die Geschicke des Weltreichs zu
lenken und seinen Bestand zu sichern, i)
In Italien hatten sich die sozialen und wirtschaftlichen Nöte, die zu den
gracchischen Reformen den Anlaß gaben, noch verschlimmert. Während
in den Provinzen, besonders in Afrika, Spanien und Gallien infolge der
Expansion der römischen Bürgerschaft und der fortschreitenden Romani-
sierung neues Leben pulsierte, verkümmerte das Mutterland. Der Bundes-
genossenkrieg, die Bürgerkriege und der Sklavenaufstand hatten den Wohl-
stand Italiens zerstört, die freie Bevölkerung dezimiert und der Latifundien-
wirtschaft mit Sklavenbetrieb Vorschub geleistet ; die von Sulla angesiedelten
Veteranen waren kein vollwertiger Ersatz für die alten, an die Scholle an-
hänglichen Besitzer. Gerade die Kolonisationen Sullas und außerdem die
Gewaltmaßnahmen des Siegers im Bürgerkrieg hatten viele Existenzen ruiniert,
die nun das hauptstädtische Proletariat vermehrten. Diese jilebs urbana schrie
immer lauter nach Versorgung aus Staatsmitteln. Seitdem die Armee sich
aus der unteren Schicht der Bürger ergänzt, wird sie zimi Asyl für die
Armeren; an die Stelle des Demagogen tritt der Heerführer, dem seine
Soldateska zu Ruhm und Macht verhilft und der als Gegenleistung ihre
materielle Sicherstellung übernimmt.
Dem zunehmenden Pauperismus der Vielen entsprach der Mammonis-
mus der Wenigen. Der ausgeprägteste Typus dieser neuen Plutokratie ist
M. Licinius Crassus, der den Grundstock zu seinem Riesenvermögen bei
Gelegenheit der sullanischen Proskriptionen gelegt hatte. Crassus verstand
es, mit seinen Pfunden zu wuchern. Er organisierte einen kapitalistischen
Großbetrieb und schuf sich aus intelligenten und handfertigen Sklaven einen
Stab von Gehilfen. Auch machte er sich überall Freunde mit dem un-
gerechten Mammon und sein Kapital wurde zum Faktor des politischen
Lebens und das um so mehr, als die herrschende Aristokratie im allgemeinen
in zerrütteten Vermögensverhältnissen steckte; denn der Luxus der Lebens-
haltung und die Beteiligung am öffentlichen Leben verschlang Unsummen ;
die Kosten der Bewerbung um die Amter stiegen mit der Vergrößerung
der Bürgerschaft. Die Zeiten waren vorbei, in denen der erste Stand zu-
gleich der reichste gewesen war; jetzt machte die Geschäftswelt des zweiten
und dritten Standes, deren wirtschaftlicher Ehrgeiz weit größer war als
der politische, das Rennen. 2)
^) H. Nissen, Der Ausbruch des Bürger- T. Pomponius Atticus (geb. 110, gest. 32
krieges 49 v. Chr. Hist. Zeitschr. 45, 409 flf. v. Chr.), den wir aus Cicero und der Bio-
2) Ein bekanntes Beispiel ist der Ritter , graphie des Cornelius Nepos kennen, ein
214
Römische Geschichte.
Groß und weit verbreitet war die Not in den römischen Provinzen; sie
waren durch die Bürgerkriege und die sullanische Restauration ausnahmslos
in Mitleidenschaft gezogen.') Schädlich wirkte der häufige Wechsel der
Statthalter; denn fast jeder neue Statthalter war darauf bedacht, seine durch
die Unkosten der Wahlkämpfe zerrütteten Finanzen zu sanieren. Wenn es
auch nicht ganz an gewissenhaften Beamten fehlte,^) so überwogen doch
die unerfreulichen Gegenbeispiele. Was auf dem Gebiet der Ausbeutung
der Untertanen mitunter geleistet wurde, geht in drastischer Weise aus dem
durch die Publizistik des Anklagevertreters Cicero berühmt gewordenen
Prozeß gegen C. Verres hervor, der von 73 — 71 v. Clir. als Prätor die Geißel
Siziliens war.^) Es wurde Sitte, daß die Provinzen ihren Statthaltern per-
sönliche Zuwendungen machten. Viel böses Blut schuf das Treiben der
römischen Geschäftsleute, die alle Provinzen als Steuerpächter, als Grund-
besitzer, als Kaufleute und Händler überschwemmten und ausbeuteten. Sie
fanden an den römischen Beamten, von denen nur wenige gegen ihre Über-
griffe einzuschreiten wagten, zumeist einen sicheren Rückhalt; es kam auch
vor, daß reiche Provinzialen mit den römischen Blutsaugern unter einer
Decke steckten. Die Gemeinden waren tief verschuldet, namentlich in den
Ländern mit entwickelter Geldwirtschaft, so besonders in der Provinz Asien. ^)
Sizilien lag schon lange darnieder, und selbst der Grundbesitz war über-
wiegend in römischen Händen; Griechenland hatte im mithridatischen Krieg
schwer gelitten. Aber auch die verbündeten freien Städte und Königreiche
waren nicht in rosiger Lage. Ihre Wünsche konnten sie in Rom nur mit
Korruptionsgeldern durchsetzen und jede Einmischung der römischen Kon-
trollinstanz war mit schweren Opfern verbunden. Dagegen lastete auf den
Gebieten mit primitiverer Wirtschaftsform die römische Herrschaft nicht so
schwer wie auf den hochzivilisierten. Ln Westen waren die Zustände im
ganzen nicht so trostlos wie im Osten, auch deshalb, weil sich im Westen
eine größere Zahl römischer oder latinischer Gemeinden befand.
Die militärische und materielle Hilfe der Provinzen und der Verbündeten
wurde von Rom bei jedem größeren Krieg auf den verschiedensten Schau-
plätzen in Anspruch genommen, wobei der griechische Osten in der Regel
KriegsschiflPe stellen mußte. Diese Pflichten wurden um so drückender emp-
funden, als die Römer ihrerseits ihrer Schutzpflicht nicht immer genügten.
Seit langer Zeit war Makedonien, wie erwähnt, den Überfällen der kelti-
schen und thrakischen Völker im Norden ausgesetzt, der Mäder und Dar-
daner, der Skordisker und Bastarner. Sullas Feldzug gegen sie (oben S. 203)
hatte keine nachhaltige Wirkung. Bald nach seinem Abzug fielen die Skor-
disker und Mäder sogar in Griechenland ein und plünderten das delphische
Heiligtum, ö) Dem L. Cornelius Scipio (Konsul 83 v. Chr.) gelang es, wenig-
Mann, der mit Angehörigen der verschie-
densten Parteien Freundschaft hielt und
seinen großen Reichtum gut anwendete.
') Appiau bell. civ. I 102. Plutarch com-
par. Sullae et Lys. 3. Cic. de off. III 87.
2) Vgl. was Diodor XXXVII 8 von L.
Asyllios (oder Syllios, vielleicht Suillius),
dem Prätor Siziliens, berichtet.
3) Der Prozefs fand 70 v. Chr. statt, der
Angeklagte ging noch vor der Urteils-
fällung ins Exil.
■') Vgl. die Inschrift bei Dörppeld, Troja
und Ilion II 454 flf.
5) Plutarch Num. 9. Appiau lUyr. 5.
Euseb. chron. II 133 Schöne (unter 82/81
V. Chr.), PoMTOw, Rhein. Mus. 51, 364 ff.
Vgl. IIiLLER V. Gäektkingbn, PW IV 2577.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§35.) 215
stens die Skordisker zu züchtigen (81 v. Chr.). Ap. Claudius Pulcher (Konsul
79 V, Chr.), der seit 77 v, Chr. Makedonien verwaltete,') hat am Rhodo]3e-
gebirge gekämpft, aber auch die Skordisker in ihren Wohnsitzen aufgesucht.
Er starb in der Provinz. Um dieselbe Zeit unterwarf C. Cosconius in zwei-
jährigem Krieg (etwa 78 und 77 v. Chr.) die aufständischen Dalmater und
eroberte Salonae. Nachfolger des Ap. Claudius wurde C. Scribonius Curio,
der während seiner Statthalterschaft (von 76 — 74 v. Chr.) namentlich die
Dardaner besiegte und wie sein Vorgänger bis an die Donau vordrang. Ihn
löste der Konsul M. Terentius Varro Lucullus ab.^) Während sein Bruder
L. Lucullus gegen Mithridates ins Feld zog, führte er 73 — 71 v. Chr. einen
erbitterten Krieg gegen die mit Mithridates verbündeten thrakischen Stämme,
besonders gegen Besser und Mäder. Er nahm Uscudama (Adrianopel) und
andere Plätze, ferner griechische Städte der thrakischen Küste, so Apol-
lonia, Kaliatis, Tomi, Istros, die vermutlich ebenfalls mit Mithridates im
Bunde standen. Diese thrakischen Feldzüge, die demnach in den Rahmen
des mithridatischen Krieges fallen, führten jedoch nicht zu dauernder Unter-
werfung oder Beruhigung Thrakiens. Damals entstand jenseits der Donau
als neues politisches Gebilde das Reich der Geten (oder Daker). Die ein-
zelnen getischen Stämme wurden durch ByrebistaSj^) dem ein Prophet De-
kaineos zur Seite stand, geeinigt. Diese religiös nationale Einheitsbewegung
hob die Stoßkraft der Geten. Sie griflPen über die Donau hinüber und ge-
fährdeten Makedonien.^)
Die Sicherheit des Meeres und der Küsten war durch die Seeräuber
aufgehoben; sie wurden während des Kriegs von Mithridates unterstützt
und nach dem Krieg fanden viele Provinzialen Asiens bei ihnen eine Zu-
flucht vor Sullas Rache. Die Inseln und Küsten des ägäischen Meeres waren
ihnen preisgegeben; mit ganzen Flotten kreuzten die Piraten auf der See.
Unter den Augen des noch in Asien weilenden Sulla trieben sie ihr ein-
trägliches Gewerbe (85/84 v. Chr.); sie plünderten z. B. Samos und das reiche
Heiligtum auf Samothrake. Tigranes von Armenien, der um 83 v. Chr.
Syrien eroberte, überließ ihnen die westlichen Teile Kilikiens. Noch bei
Sullas Lebzeiten mußte ein neuer Krieg gegen sie geführt werden, mit
dem P. Servilius betraut wurde (78 v. Chr.). Er eroberte zunächst die Städte
Phaseiis, Attaleia, Olympos und andere, und machte große Beute. Es han-
delt sich um die Herrschaft des Zeniketes, eines Dynasten, der sich den
Königstitel beilegte.^) Des weiteren unternahm Servilius einen Krieg gegen
die Isaurer, überschritt den Tauros, erstürmte die Stadt Isaura und er-
') Wenn er mit dem bei Sallust orat. 149 f. Byrebistas kam in den Tagen Sullas
Philipp! § 21 erwähnten Interrex des Xa- empor und muß kurz vor Caesars Tod
mens aus dem Anfang 77 v. Chr. identisch (44 v. Chr.) gestorben sein. Die Yernich-
ist, so kann er erst in diesem Jahr in die tung und Vertreibung der Bojer durch
Provinz abgegangen sein. ihn geschah einige Zeit vor 58 v. Chr.;
^) Leiblicher Bruder des L. Lucullus, denn damals taten sich ihre Reste mit den
von M. Terentius Varro adoptiert. Dru- Helvetiern zusammen (Caesar bell. Gall.
männ-Groebe IV 189. i I 5, 4). Vgl. Niese, Zeitschr. für deutsches
^) Die früher zweifelhafte Schreibung Altert. 42, 156 ff. Müllenhoffs Ansichten
des Namens ist durch eine Inschrift ge- über Geten, Daker usw. können nicht ge-
sichert. SIG 11^ nr. 762. i billigt werden.
^) StraboVII298.303f. Jordanes Get. 67. s) Strabo XIV 671. Benndokff, Festschrift
3IiJLLENH0FF, Deutsclie Altertumskunde III zu 0. Hirschfelds 60. Geburtstage S. 83 f.
216 Römische Geschichte.
weiterte die Grenzen der Provinz Pamphylien und Kilikien. 74 v. Chr.
kehrte Servilius, der den Beinamen Isauricus annahm, nach Rom zurück, i)
Aber an der Wurzel hatte er das Übel nicht gepackt, tauchten doch die
Seeräuber, Kiliker genannt, gleich darauf im Mittelmeergebiet, an den Säulen
des Herakles, in Spanien bei Sertorius, auf Sizilien bei Verres, in Italien
bei Spartacus auf. Kreta schloß mit ihnen ein Bündnis; unter geschickten
und verwegenen Führern bildeten sie eine Art Gemeinwesen und fühlten
sich als kriegführende Macht. Die meisten altberühmten Kultstätten Griechen-
lands wurden von ihnen heimgesucht, die Inseln geplündert, angeblich vier-
hundert Städte erobert. Es fehlte ihnen nicht an Sympathien, waren sie
doch die einzigen, die den verhaßten Römern zu trotzen wagten und sie
zum Gespötte machten. Der neue Krieg des Mithridates vergrößerte den
Aktionsradius der Seeräuber. 2)
Vgl. die am Schluß des vorigen Paragraphen (§ 34 S. 212) angeführte Literatur.
36. Mithridates und Pompeius. Der Friede von Dardanos war eigent-
lich nur ein Waffenstillstand, den Sulla notgedrungen geschlossen hatte,
weil er nach Italien zurückstrebte; es ist bezeichnend, daß Mithridates in
Rom trotz wiederholten Bemühungen niemals die schriftliche Ausfertigung
des Friedensinstruments zu erlangen vermochte;^) er konnte also über die
Gesinnung der Römer nicht im Zweifel sein. Schon bald nach dem Frieden
kam es zu einem neuen Krieg. Zwischen Mithridates und Ariobarzanes
von Kappadokien schwebten noch Gebietsstreitigkeiten, auch rüstete Mithri-
dates, um die abtrünnigen Kolcher und Bosporaner wieder zu unterwerfen.
Der Nachfolger Sullas in der Provinz Asien, L. Licinius Murena, hatte
also einen Vor wand, den Krieg, von dem er sich Ruhm und Beute ver-
sprach, vom Zaun zu brechen. 83 v. Chr. fiel er plündernd ins pontische
Gebiet ein; als er jedoch im nächsten Jahr (82 v. Chr.) trotz den Vor-
stellungen des Mithridates und den Mahnungen des Senats seinen Angriff
wiederholte, wurde er am Halys von den Pontikern zurückgewiesen. Auf
ein Machtwort Sullas hin, bei dem sich Mithridates beschwert hatte, wurde
der Friede wieder hergestellt, und auch der Konflikt mit Ariobarzanes bei-
gelegt. Zu Beginn seiner Verwaltung hatte Murena die Seeräuber bekämpft
und das Fürstentum Kibyra, das Moagetes als letzter Sproß eines Räuber-
geschlechtes beherrschte, der Provinz Asia einverleibt bis auf die Teile, die
an den lykischen Bund fielen.-*) Ein Nachspiel des von Murena provozierten
Kriegs gegen Pontos war die Eroberung Mytilenes, das besonders energisch
für Mithridates und gegen Rom Partei genommen hatte, ^) durch M. Minucius
Thermus, den Nachfolger Murenas. Die Stadt mußte sich nach längerer
Belagei'ung ergeben und verlor ihre Freiheit (80 v. Chr.).
Mithridates, der die Hände gegen die abtrünnigen Untertanen wieder
frei hatte, befestigte und erweiterte seine Herrschaft am nördlichen Pontos-
^) H. Jordan, De Sallustn historiarum
reliquils quae ad bellum plrat. Servil, per-
tinent, Index lect. aest. Königsberg 1887.
^) Cicero de imp. Cn. Pomp. § 31 f.
Plutarch Pomp. 24. Cass. Dio XXXVI 20.
') Über Mithridates und die Kriege gegen
ihn vgl. die oben S. 197 A. 3 angeführte
Literatur. Dazu kommt noch Mauren-
BREOHER, Sallusii histortae.
*) Strabo XIII 631.
^) Die Mytilenäer hatten dem König
den Legaten M.' Aquillius und andere
Römer ausgeliefert. Velleius II 18, 1.
3. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§36.) 217
ufer. Auch sein Freund Tigranes von Armenien hatte inzwischen sein Reich
bedeutend vergröfaert und auf Syrien ausgedehnt. Hier hatte seit dem Tod
des Antiochos Kyzikenos (oben S. 195) eine endlose Fehde der seleukidischen
Thronanwärter das Land und die Städte in Parteien gespalten; Araber und
Juden benutzten die Gelegenheit, um im Trüben zu fischen. Um endlich zur
Ruhe zu kommen, wandten sich die großen hellenischen Stadtgemeinden Xord-
syriens an Tigranes, der sich nicht lange bitten ließ. Sein Erscheinen bereitete
der seleukidischen Herrschaft ein Ende (83/82 v. Chr.). Nur in wenigen Plätzen
konnten sich die überlebenden Mitglieder der Dynastie behaupten. Tigranes
wurde mit einigen Ausnahmen in Syrien sowie im ebenen Kilikien als Oberherr
anerkannt und legte sich den Titel König der Könige bei. Bald nach Sullas Tod
überzog er im Einvernehmen mitMithridates wiederum Groß-Kappadokien mit
Krieg. Von hier und aus Kilikien entführte er viele Bewohner, darunter auch
Griechen, und siedelte sie in seiner neuen Hauptstadt Tigranokerta an, einer
großzügigen Schöpfung nach griechischem Muster, i) Auch das südliche Syrien
bis zur ägyptischen Grenze bnxchte er bald darauf zur Unterwerfung.
Die Feindschaft zwischen Mithridates und den Römern wurde akut, als
der König von Bithynien, Nikomedes III Philopator starb (74 v. Chr.) 2) und
sein Reich den Römern vererbte. Aber Mithridates erhob im Namen eines
von Philopator übergangenen Sohnes Ansprüche auf Bithynien in der Ab-
sicht, den Römern die Erbschaft zu entreißen. Er war besser gerüstet als
früher und die Gelegenheit erwies sich als günstig, da damals Sertorius auf
der Höhe seiner Macht stand und Rom von allen Seiten mit Kriegen be-
droht war. Mithridates schloß mit Sertorius ein Bündnis und versprach ihm
Schiffe und Geld (oben S. 210); Sertorius sandte ihm einige höhere Offiziere
und bewilligte ihm im Namen Roms Paphlagonien, Bithynien, Galatien und
Groß-Kappadokien, während er die römische Provinz als unantastbar be-
zeichnete. Mithridates verband sich auch mit den Piraten und mit Kreta;
sein Bündnis mit den Thrakern war noch in Kraft; überdies zählte er auf
Tigranes. Man stand also am Vorabend großer Ereignisse und in Rom fehlte
es nicht an Kandidaten für den Oberbefehl im kommenden Krieg. Der
Konsul von 74 v. Chr. L. Licinius Lucullus,^) einer der angesehensten Opti-
maten, ein Freund Sullas, verschaffte sich das wichtige Kommando; be-
zeichnenderweise versprach er, im Interesse der Staatskasse seine Rüstungen
tunlichst zu beschränken. Lucullus erhielt die Provinzen Kilikien und Asien
und den Oberbefehl gegen Mithridates, sein Kollege M. Aurelius Cotta
Bithynien und das Flottenkommando. Zugleich wurde der Prätor M. An-
tonius mit dem Krieg gegen die Piraten und gegen Kreta beauftragt.
Im Frühjahr 74v. Chr.^) rückte Mithridates mit seiner Hauptmacht, deren
Kern bastarnische, skythische und thrakische Mannschaften bildeten, in
^) Die Lage von Tigranokerta ist viel j für 7.5 v. Chr. entschied sich Niese im Au-
umstritten; vgl. C. F. Lehmann-Haupt, Ar- Schluß an Maurenbrecher, Sal/ust. histor.
menien einst und jetzt I, Berlin 1910, 381 flf., reJiquiae II 228. Die Chronologie des Krie-
der sich gegen Kiepert, Mommsen und ges gegen Mithridates ist kontrovers; vgl.
Sachau für Farkin nordöstlich von Amida H.Bernhardt, Chronol.dermithrid. Kriege
(Diarbekr) entscheidet. und Drumann-Geoebe IV 142, 15.
-) Vgl. über das Todesjahr (74 v. Chr.) ^) Drumann-Groebe IV 1-34 ff.
Eeinach-Götz, Mithradates Eupator, Leip- ^) Nach Reinach-Götz a. a. O. 317, 1 ein
zig 1895,813,5, Dkumann-Groebe IV 139, 12; Jahr später.
218 Römische Geschichte.
Bithynien ein; die Flotte begleitete ihn. Die Freistadt Herakleia bewies
ihr wohlwollende Neutralität. Cotta nahm, ehe LucuUus von Asien her zu
Hilfe kommen konnte, vor Kalchedon den Kampf auf. Er wurde zu Wasser
und zu Land geschlagen und in der Stadt eingeschlossen. Seine ganze
Flotte hatte er eingebüßt. Andere pontische Heere besetzten Galatien und
das benachbarte Phrygien und drangen bis nach Pisidien und Isaurien vor;
die Flotte sollte die Verbindung mit Kreta und sogar mit Sertorius in
Spanien herstellen. Mithridates rückte in die Provinz Asien ein und be-
setzte namentlich die ganze hellespontische Küste; nur die stark befestigte
Freistadt Kyzikos leistete ihm hartnäckigen Widerstand, der König belagerte
sie von der See- und von der Landseite. Aber Lucullus eilte zum Entsatz
herbei, und es gelang ihm, den Belagerern die Zufuhr zu Land abzuschneiden.
Die Winterstürme (74/73 v.Chr.) erschwerten auch die Verproviantierung auf
dem Seeweg und so wüteten Hunger und Seuchen unter dem grofsen pontischen
Heer. Mithridates mußte die Belagerung aufheben; dem abziehenden Heer
brachte Lucullus besonders beim Übergang über den Aiseposfluß schwerste
Verluste bei. Mithridates wandte sich über Byzanz nach Nikoraedeia; seine
Überlegenheit im Feld war gebrochen. Ein Teil Bithyniens fiel den Römern
wieder in die Hände; besonders wichtig war es, daß Lucullus mit Schiffen,
die er bei den griechischen Bundesgenossen requiriert hatte, in zwei See-
treffen, an der troischen Küste und bei Lemnos, die pontische Flotte zu
schlagen vermochte (73 v. Chr.). Dann kehrte er sich gegen Mithridates,
der Bithynien nicht mehr halten konnte und sich in Nikomedeia einschiffte.
Auf der Fahrt verursachte ein Seesturm neue Verluste; aber dann wurde
dem König durch Verrat Herakleia in die Hände gespielt. Er ließ dort eine
Garnison zurück. Die Römer besetzten ganz Bithynien und schritten zum
weiteren Angriff'. Während Cotta sich zur Belagerung Herakleias anschickte,
marschierte Lucullus in die pontische Küstenlandschaft ein, wo er über-
winterte (73/72 V. Chr.). Die befestigten Plätze, besonders Sinope und Amisos,
schlössen ihm ihre Tore, und Lucullus begann mit der Belagerung. Iva
Frühjahr 72 v. Chr. stieß er von der Küste aus ins Binnenland vor und
stand bei Kabera^) am Lykos dem mithridatischen Heer unter kleineren
Gefechten von wechselndem Erfolg eine Zeitlang gegenüber. Die Stärke der
Pontiker lag in ihrer überlegenen Kavallerie. Als diese aber bei einem
größeren Unternehmen geschlagen wurde, entschloß sich Mithridates, seine
Stellvmg zu räumen. Da die Römer nachsetzten, artete der Rückzug in
Flucht aus; als König ohne Land rettete sich Mithridates über die armenische
Grenze. Lucullus ging nun an die Unterwerfung des von seinem Herrscher
aufgegebenen Reiches; das gab eine schwere und langwierige Arbeit; die
Städte wurden von ihren Besatzungen, die zum Teil aus Piraten bestanden,
mannhaft verteidigt und mußten von Lucullus oder seinen Legaten nach-
einander erobert werden. Zuerst (71 v. Chr.) fielen Kabera und Amisos.
Inzwischen war Herakleia von Cotta belagert worden, ließ sich aber erst
bezwingen, nachdem die Flotte des Lucullus unter C. Triarius das ägäische
Meer von den Resten der pontischen Marine gesäubert hatte. Von Cotta
') Die Form Kahera ist durch Münzen besser beglaubigt als Kabeira.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§36.) 219
gerufen, schloß Triarius Herakleia von der See ab; nun kapitulierte nach
zweijähriger Gegenwehr die Garnison auf freien Abzug; die Stadt wurde
von den Römern schonungslos geplündert. Nachdem Triarius auch Amastris
und Tios gewonnen hatte, betrachtete Gotta seine Aufgabe als gelöst und
kehrte nach Rom zurück (70 v. Chr.). Lucullus hatte im Jahr 70 endlich
auch das feste Sinope erstürmen können, nachdem der Vizekönig des kim-
merischen Bosporos, Machares, der die Belagerten bisher mit Proviantflotten
unterstützt hatte, von seinem Vater Mithridates abgefallen und zu Lucullus
übergetreten war. Bald darauf fiel auch das letzte Bollwerk des pontischen
Reiches, Amaseia. Im Winter 70/69 v. Chr. weilte Lucullus in seiner Pro-
vinz Asien, deren Finanzen durch die Manipulationen der römischen Gläubiger
und Steuerpächter völlig zerrüttet waren. Lucullus legte diesen Wucherern
das Handwerk; dank seinen Maßnahmen konnte die Provinz ihre Schulden
in vier Jahren tilgen. Die Provinzialen atmeten auf; die römischen Kapi-
talisten aber sannen auf Rache.
Tigranes von Armenien, in dessen Reich sich sein Schwiegervater Mithri-
dates geflüchtet hatte, war bisher noch nicht in Konflikt mit Rom geraten.
Als dann die Eroberung des Pontos ihrem Abschluß entgegen ging, forderte
Lucullus von Tigranes, der sich in Syrien aufhielt, in schroffster Form die
Auslieferung des Mithridates (71/70 v. Chr.). Nunmehr nahm sich der Ar-
menier des vertriebenen Königs an;M er plante einen Einfall nach Kilikien
und Lykaonien. Aber Lucullus kam dem zuvor. 2) Nach der Unterwerfung
des Pontos ging er 69 v. Chr. bei Melitene über den Euphrat, marschierte
auf Tigranokerta, warf die ihm entgegengesandten Truppen zurück und
schloß die Stadt ein. Tigranes zog mit einem großen Heer zum Entsatz
herbei, wurde aber von der weit geringeren Macht des Lucullus am 6.
Oktober 69 v. Chr. völlig geschlagen. Tigranokerta wurde mit großer Beute
erobert. Eine Folge des Sieges war die Losreißung Syriens von Armenien. 3)
Der Seleukide Antiochos XIII, mit dem Beinamen Asiatikos,*) konnte zurück-
kehren und ließ sich von Lucullus als König bestätigen. Lucullus über-
winterte in Gordyene; er trat in Unterhandlung mit dem Partherkönig
Phraates, als er aber merkte, daß der Parther sich auch mit Tigranes ver-
ständigte, gedachte er ihn ebenfalls zu bekriegen, zu welchem Behuf er die
im Pontos stehenden Truppen an sich ziehen wollte. An deren Gehorsams-
verweigerung scheiterte der Plan des Partherzugs. Im nächsten Jahr (68
V. Chr.) drang Lucullus von Süden her in Armenien ein: sein Ziel war
Artaxata. Er erfocht am Arsanias einen Pyrrhussieg über Tigranes und
Mithridates; als die Strapazen des Vormarsches bei Beginn der schlechten
Jahreszeit in dem unwirtlichen Gebirgsland immer größer wurden, erzwangen
die Soldaten die Umkehr. Ohne Artaxata erreicht zu haben, mußte Lucullus
^) Mithridates hat nach Memuonp. 238 b 5 Diese Zahl ist besser beglaubigt als die
ein Jahr acht Monate nach seiner Flucht siebzehn Jahre des Justinus (XL 1, 4), die
ganz zurückgezogen gelebt. vielleicht nur ein Schreibfehler (X TT/ für
-) K. Eckhardt. Die armenischen Feld- XIIII) sind.
Züge des Lukullus, Klio IX (1909), 400 flf. ■*) Ein Sohn des Antiochos X Eusebes,
X 72 if. 192 ff. der wiederum Sohn und Nachfolger des
') Tigranes hat Syrien nach Appiau Antiochos IX Kyzikenos war, oben S. 195.
(Syr. 70) vierzehn Jahre lang beherrscht.
220 Römische Geschichte.
nach Mesopotamien zurück. Er eroberte hier Nisibis und bezog dann Winter-
quartiere (68/67 V. Chr.). Aber die Tage seines Kommandos waren gezählt.
An eine dauernde Behauptung seiner Eroberungen war nicht zu denken; sein
Heer, dessen Kern die Legionen Fimbrias (S. 208) bildeten, hatte er nicht mehr
in der Hand; die Soldaten, durch unzufriedene Offiziere verhetzt,') begehrten
nach Hause.''') Lucullus war nie populär gewesen, weil er die Soldateska in
Zucht hielt vmd keine Ausschreitungen gegen die friedliche Bevölkerung dul-
dete. Auch der neue demokratische Kurs in Kom (oben S. 212 f.) wurde ihm,
dem ausgesprochenen Optimaten, verhängnisvoll. Von der Provinz Asien aus
intrigierten die von Lucullus in ihren schmutzigen Geschäften gestörten Kapi-
talisten. In Rom wurde behauj)tet, daß Lucullus den Krieg über Gebühr
ausdehne und so wurde denn im Jahr 67 v. Chr. Konsul M'. Acilius Glabrio
zu seinem Nachfolger bestellt. Lucullus wurde angewiesen, die altgedienten
Leute zu entlassen, die übrige Mannschaft dem Glabrio zu übergeben.
Mithridates war nicht müßig geblieben. Nach der Schlacht am Arsanias
hatte er die Wiedereroberung seines pontischen Reiches versucht. Daher
ging Lucullus 67 v. Chr. wieder in den Pontos, aber noch ehe er eintraf,
wurde sein Legat C. Triarius bei Zela von Mithridates geschlagen. Zwar
wich der König vor Lucullus zurück, aber der römische Feldherr konnte
weder ihm folgen noch das benachbarte Kappadokien gegen Tigranes ver-
teidigen. Seine Soldaten verweigerten jede Offensive und verstanden sich
nur dazu, an Ort und Stelle zu bleiben, um das Land nicht ohne Schutz
zu lassen. Mithridates behauptete sich im östlichen Teil des Pontos, Tigranes
fiel plündernd in Groia-Kappadokien ein, und als der Sommer zu Ende war,
löste sich das Heer des Lucullus zum größten Teil auf.
Während des mithridatischen Krieges hatte das Unwesen der Piraten
weiter um sich gegriffen. Sie setzten sich zeitweilig auf Sizilien fest und
machten sich selbst in Italien bemerklich. M. Antonius, dem der Krieg gegen
sie 74 V. Chr. übertragen war, richtete wenig aus.^) Er erlitt durch die mit
den Seeräubern verbündeten Kreter eine Niederlage und schloß mit ihnen
einen förmlichen Friedensvertrag, der aber in Rom verworfen wurde; der
Senat bestand auf bedingungsloser Übergabe.^) Antonius starb während des
Krieges auf Kreta. Besser bewährte sich sein Nachfolger Q. Caecilius Metellus
(Creticus), dem es in den Jahren 69/67 v. Chr. gelang, die Kreter nach
tapferem Widerstand zu unterwerfen und ihre Führer Lasthenes und Panares
gefangen zu nehmen. Auf die Piraten machte der Fall Kretas keinen Ein-
druck. Sie wagten sogar in Kampanien zu landen und Menschen aufzu-
greifen und fuhren selbst in den Hafen von Ostia ein, wo sie plünderten
und die Schiffe zerstörten. Der ganze Seehandel war gelähmt und die Ge-
treidezufuhr Roms geriet ins Stocken ; eine Teurung war die unausbleibliche
Folge. In dieser Bedrängnis richteten sich die Blicke auf Pompeius.
') Der Haupthetzer war des Lucullus Athenodoi'os die Insel Delos. Triarius be-
Schwager, P. Clodius. festigte dieverödeteStadt mit einer Mauer;
^) Wenn die Firabrianer, wie anzu- aber das schon im J. 88 schwer getroffene
nehmen, 87 v. Chr. ausgehoben waren, so Delos erholte sich nie wieder. Phlegon
hatten sie jetzt, nach 20 Dienstjahren, ein fr. 12 (FHG III 606).
Eecht auf Entlassung. | ••) Appian Sikel 6. Diodor XXXIX 1.
^) Noch 69 V. Chr. plünderte der Pirat j
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§30.) 221
Er war wie Crassus nach seinem Konsulat (S. 212) in Rom geblieben;
auf eine Provinz hatte er verzichtet; in ungestilltem Ehrgeiz strebte er
nach höheren Zielen. Seine bisherigen Leistungen, seine Persönlichkeit und
einwandfreie Lebensführung erwarben ihm Vertrauen und Ansehen. An-
fang 67 V. Chr. stellte nun der Volkstribun A. Gabinius beim Volk den An-
trag, einem Mann den Krieg gegen die Seeräuber mit großen Streitkräften
auf drei Jahre zu übertragen und ihm für alle Küstenprovinzen bis zum
50. Meilenstein landeinwärts unumschränkte Gewalt zu verleihen. Gegen
denWiderstand des Senats, der befürchtete, daß aus einer solchen „Nauarchie"
sich die Monarchie entwickle, ging der Antrag durch und Pompeius, auf
den er gemünzt war, wurde gewählt. Ein riesiges Aufgebot bis zum Maxi-
mum von 500 Kriegsschiffen und 20 Legionen wurde ihm bewilligt. Pom-
peius machte sich sofort an die große Arbeit, die er, unterstützt von 24
Legaten, mit Organisationstalent streng methodisch bewältigte, i) Zunächst
befreite er in vierzig Tagen das westliche Mittelmeerbecken .von der See-
räuberplage; dann wandte er sich über Rom nach dem Osten; er trieb alle
Piraten nach Kilikien zusammen und gewann in kurzem ihre festen Plätze,
die sich fast alle freiwillig ergaben, so auch die Seeräuberburg Korakesion, wo
sich die Verwegensten eine Zeitlang verteidigt hatten. Pompeius ließ Milde
walten; alle, die sich ergaben, blieben an Leben und Freiheit ungekränkt.
Um den Heimatlosen eine Existenz zu schaffen, siedelte Pompeius viele der
ehemaligen Piraten an, so im kilikischen Soloi (Pompeiopolis), in Dyme in
Achaia usw. 2) Auch die von Q. Metellus bedrängten Kreter wandten sich
an ihn, und Pompeius machte gegen Metellus sein höheres Imperium geltend,
das dieser nicht anerkannte. Der Kompetenzstreit hätte zum offenen Kampf
und also zum Bürgerkrieg geführt, wenn Pompeius nicht durch eine neue
Mission abgelenkt worden wäre. Metellus wurde nicht weiter behelligt-; er
unterwarf Kreta und machte die Insel zur Provinz.
Anfang 66 v. Chr. beantragte der Volkstribun C. Manilius, dem Pompeius
auch die Provinzen Bithynien und Kilikien und den Krieg gegen Mithri-
dates und Tigranes mit umfassender Vollmacht^) zu übertragen. Befürwortet
von den Populai-en, übrigens auch von dem Prätor M. Tullius Cicero, ging
das Gesetz trotz den Gegenbemühungen der extremen Optimaten durch.
Man erwartete von Pompeius die rasche, glückliche Beendigung des Krieges,
und er ging sofort mit gewohnter Umsicht ans Werk. Zuerst betrat er den
diplomatischen Weg, aber Mithridates lehnte seine Forderungen ab. .Dann
setzte sich Pompeius mit den Parthern ins Benehmen; sie versprachen, den
Tigranes zu beschäftigen und werden dafür gewisse Zusicherungen erhalten
haben. Pompeius ließ seine Flotte ins Schwarze Meer einlaufen. Er selbst
traf in Galatien mit Luculius zusammen ; die beiden überwarfen sich völlig.
Pompeius machte die Anordnungen des Luculius rückgängig und zog den
größten Teil seines Heeres zu sich herüber. Dann rückte er in 'den Pontos
ein. Mithridates hielt sich in der Defensive und suchte den Krieg hinzu-
ziehen, wurde aber genötigt, nach Kleinarmenien auszuweichen und ging
zuletzt bei Dasteira in Stellung. Pompeius, der Verstärkungen erhielt,
^) Vgl. P.Groebe, Klio X, 1910, 374 ff. 1 räuber angesiedelt. Sueton. fr. S. 306 Roth.
2) Auch in Unteritalien wurden See- | ^) Appian b. civ. I 97.
222 Römische Geschichte.
schloß ihn ein. Doch es glückte dem König, bei Nacht unbemerkt durch
die feindlichen Linien hindurch abzuziehen. Aber Pompeius holte das
flüchtige Heer ein und zersprengte es nicht weit vor Euphrat durch einen
nächtlichen Angriff'. i) Mithridates rettete sich aus der Katastrophe; von
Tigranes abgewiesen, floh er nach Kolchis und Dioskurias, wo er den
Winter zubrachte. Von hier aus ging er im folgenden Jahr (65 v. Chr.) an
den kimmerischen Bosporos.
Der Sieg des Pompeius war entscheidend. Tigranes, der mit seinem
gleichnamigen Sohn und mit den Parthern in Krieg lag, ergab sich dem
Sieger. Er erhielt sein Königtum zurück und wurde als Bundesgenosse an-
erkannt. Die Römer überwinterten (66/65 v. Chr.) im nördlichen Armenien.
Im nächsten Jahr (65 v. Chr.) unterwarf Pompeius die mit Mithridates und
Tigranes verbündeten Kaukasosvölker, zuerst die Iberer am Kyros unter
dem König Artokes, von hier zog er nach Kolchis hinab und traf an der
Küste mit seiner Flotte zusammen; darauf wandte er sich gegen die Albaner
am kaspischen Meer, die unter ihrem Fürsten Oroizes im Winter die ver-
streuten römischen Truppen in ihren armenischen Quartieren zu überfallen
versucht hatten. Die Legaten des Pompeius waren inzwischen teilweise für
Tigranes in Armenien und Mesopotamien tätig, wobei sie schon mit den
Parthern zusammenstießen; doch ließ Pompeius es hier nicht zum Krieg
kommen; den Parthern wurden gemäß den früheren Versprechungen auf
Kosten des Tigranes Gebietserweiterungen, insbesondere die Euphratgrenze
zugestanden. Gleichzeitig wurde das Stammland des Mithridates nicht ohne
schwierige Kämpfe und erst nach tapferem Widerstand vollständig zur
Unterwerfung gebracht und durch Pompeius 64 v. Chr. von Amisos aus
vorläufig als Provinz eingerichtet.
Pompeius unterbrach diese Tätigkeit, um sich zu einer neuen Erwerbung
nach Syrien zu wenden, wo seine Legaten schon vorher erschienen waren
und wo jetzt seine Anwesenheit erforderlich wurde. Den Antiochos Asia-
tikos der sich nicht einmal in der Hauptstadt Antiocheia zu behaupten ver-
mochte, erkannte er nicht an. So herrschte denn wieder Anarchie, und die
gegenseitigen Kämpfe der verschiedenen Machthaber hatten zum Schaden
der griechischen Stadtgemeinden überall aufs neue eingesetzt. In Cölesyrien
war vor allem Aretas mächtig, der Fürst der nabatäischen Araber, daneben
das jüdische Königtum, um dessen Besitz sich damals zwei Brüder, Söhne
des Alexander Jannaios, Hyrkanos und Aristobulos, seit 67 v. Chr. stritten.
Durch den Beistand des Aretas hatte zeitweilig Hyrkanos das Übergewicht
erlangt; aber M. Aemilius Scaurus, der Legat des Pompeius, hatte die Herr-
schaft dem Aristobulos zugewendet.
Pompeius betrachtete Syrien als früheren Besitz des Tigranes und so-
mit nach Kriegsrecht als römische Beute; in der Absicht, das Land für
Rom einzuziehen, begab er sich nach Antiochien, wo er den Winter 64/63
V. Chr. zubrachte. Im nächsten Frühjahr zog er weiter gen Süden, stellte
') Über diesen Feldzug vgl. "W. Fabri- nisse sind vielfach unklar. Dasteira lag
cius, Theophanes vonMytilene und Q. Del- nach Strabo XII 555 nicht weit von Niko-
lius als Quellen der Geographie des Strabo, polis (heute Enderes), das Pompeius zum
Straßburg 1888, 94 f. Reinach-Götz a. a. O. Gedächtnis seines Sieges gründete.
380 ff. DEUMANN-GROEBElV443ff. DieEreig-
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§36.) 223
die Ruhe her und beseitigte mehrere Tyrannen und Dynasten. In Damaskos
entschied er den Streit zwischen den beiden jüdischen Fürsten zugunsten
des Hyrkanos. Da Aristobulos und seine Partei, sich diesem Spruch nicht
fügten, so rückte Pompeius gegen Jerusalem. Die Stadt ergab sich sogleich,
aber der Tempel, den die Anhänger des Aristobulos besetzt hielten, wurde
erst nach längerem Widerstände erstürmt. Judäa wurde der Provinz Syrien
einverleibt, Hyrkanos erhielt das Priestertum und die Vorstandschaft über
die Juden. Alle Eroberungen der früheren jüdischen Fürsten mußten heraus-
gegeben werden, namentlich die umliegenden griechischen Städte, die durch
die jüdischen AngriflPe viel gelitten hatten. Pompeius stellte ihre kommunale
Selbständigkeit wieder her, wie er sich auch sonst als Philhellene erwies. ^)
Mit den Nabatäern wurde bald die Sprache der WafPen, bald die der
Diplomatie geführt, ohne daß eine Unterwerfung des Aretas zustande-
gekommen wäre.
Schon auf dem Weg nach Jerusalem hatte Pompeius die Nachricht vom
Tod des Mithridates erhalten. Mithridates hatte sich 65 v. Chr. von Dios-
kurias an den Bosporos durchgeschlagen und hier die Herrschaft wieder
angetreten; sein abtrünniger Sohn Machares beging Selbstmord. Noch ein-
mal versuchte der König zu unterhandeln; er bot seine Unterwerfung an;
da aber Pompeius verlangte, daß er sich persönlich stelle, so brach er die
Verhandlungen ab ; mit unermüdlicher Energie schuf er sich nochmals Heer
und Flotte, indem er den letzten Mann und die letzte Drachme aufbot,
aber seine Macht hatte längst kulminiert. Die Flotte des Pompeius unter-
band den bosporanischen Handel, die Untertanen stöhnten unter dem Druck
der Rüstungen, des Königs Umgebung verlor den Mut. Phanagoreia gab
das Signal zum Abfall; Theodosia, Chersonesos und andere Griechenstädte
folgten. Der phantastisch großartige Plan, eine Offensive gegen Italien an
der Spitze der Barbaren des Nordens, der Sarmaten, Bastarner und Donau-
kelten zu unternehmen, scheiterte an der Unlust des Heeres. In Pantikapaion,
der Residenz des Mithridates, empörte sich sein Sohn Pharnakes; die Truppen
gingen zu ihm über, und der alte König, von allen verlassen, entzog sich
durch freiwilligen Tod der äußersten Schmach. Pharnakes machte sogleich
mit den Römern Frieden.
Pompeius kehrte noch im Jahr 63 v. Chr. aus Syrien nach Vorderasien
zurück, wo er den Winter verbrachte. Er führte die Neuordnung der Land-
schaften durch, belohnte seine Freunde, bestrafte die Gegner. Das Erbland
des Mithridates wurde mit Ausnahme der östlichen Teile unter dem Namen
Pontes mit Bithynien vereinigt zur römischen Provinz. Pharnakes mußte
sich mit dem bosporanischen Gebiet begnügen. Ariobarzanes von Kappadokien
erhielt territorialen Zuwachs, Paphlagonien wurde wiederhergestellt, die
Stammesgenossenschaft der Galater, die den Römern nützliche Dienste ge-
leistet hatten, in drei Fürstentümer geteilt. Armenien verblieb dem Tigranes,
aber mehrere kleinere Fürstentümer wurden abgetrennt. Östlich vom Pontos
(z. B. in Kolchis) und im rauhen Kilikien bestanden einige Territorien unter
') Eine Eeihe von Städten an beiden j die spätere Kaiserzeit gilt. Kubitschek,
Seiten des Jordan fängt mit Pompeius i PW I 649 f. Vgl. Bull, de correspond. hell.
(63 V. Chr.) eine neue Ära an, die bis in | 1897, 47. 64 ff . •
224 Römische Geschichte.
ihren besonderen Dynasten weiter. Kleinarmenien und die angrenzenden
Küstenstriche wurden dem galatischen Fürsten Deiotarus übergeben, einem
besonders verdienten Anhänger des Pompeius.^) Bemerkenswert sind im
Pontos die zahlreichen Städtegründungen des Pompeius, der damit an die
Kulturpolitik des Mithridates anknüpfte. Pompeius schaltete in alle dem
ganz nach eigenem Ermessen. Im Jahr 02 v. Chr. trat Pompeius die Heim-
reise an. Er ließ sich Zeit, 2) um die überschwenglichen Huldigungen, die
man ihm darbrachte, auszukosten. 3)
Literatur: Siehe die am Schluß des §34 (S. 212) angeführten Werke.
37. Innere Kämpfe. Catilinas Verschwörung. Pompeius verdankte
seinen Aufstieg zu höchsten Erfolgen dem Pakt mit der Popularpartei ;
seine Gegenleistung war im Jahr 70 v. Chr. die völlige Wiederherstellung
des Volkstribunats und die Befreiung der Gerichte aus der ausschließlichen
Gewalt des Senats gewesen. In den folgenden Jahren waren die Demokraten
mit Erfolg bestrebt, die Macht des Senats einzudämmen, die sullanische
Verfassung abzubauen und die einstigen Handlanger des Diktators zur
Rechenschaft zu ziehen.'^) Ein aufstrebender Parteigänger der Populären
war C. Julius Caesar (geb. 13. Quinctilis 100 v. Chr.),°) zwar Sproß eines
patrizischen Geschlechts, aber auch Eidam Cinnas und durch die Ehe seiner
Tante Julia mit Marius dessen Neffe. Sulla ächtete den Jüngling, in dem
er mehr als einen Marius witterte, hat ihn aber schließlich begnadigt. So-
lange Sulla noch lebte, leistete Caesar, fern von Rom, Kriegsdienste in
Asien. 6) Nach Sullas Tod in die Hauptstadt geeilt, erregte er bald in der
politischen Arena Aufsehen durch seinen redegewandten Prozeßkrieg gegen
zwei namhafte Sullaner. Als der aus Spanien zurückgekehrte Pompeius
sein Herz für die Populären entdeckte, schloß Caesar sich ihm an. Als
erstes kuruhsches Amt verwaltete er (68 v. Chr.) die Quästur im jenseitigen
Spanien. Eindruck machte seine Ädilität (65) durch großartige Spenden
und Spiele und vor allem, weil er Statue und Trophäen des Marius wieder
aufzurichten wagte. Beziehungen zu Crassus, der mit den Führern der
Optimaten in Fehde lag^) und durch den Pakt mit den Populären die eigenen
Pläne förderte, stärkten seinen finanziellen Kredit. Aber nicht nur bei den
1) Vgl. Niese, Rhein. Mus., N. F. XXXVIII p. 56 (50 Scholl).
567 f. Stähelin, Gesch. der kleinasiatischen ^) Auf dieses .lahr führen die Angaben
Galater^ 88. der Alten; aber Mommsen, Rom. Gesch. III
2) Unterwegs besuchte er Mytilene, dem 16 Anm. zieht statt dessen das J. 102 vor,
er die Freiheit zurückgab. IG XII 2. 140 flf. weil Caesar im J. 59 das Konsulat be-
202. Theophanes von Mytilene,-der Histo- kleidete, für welches Amt das 43. Lebens-
riker, stand bei ihm in Gunst und ge- jähr das normale ist. Der Ansicht Momm-
hörte zu seiner Umgebung. Auf Rhodos sens neigt sich Ed. Meyer zu, Caesars
machte er dem großen Philosophen Posei- Monarchie und das Prinzipat des Pom-
donios seine Aufwartung. Auch Athen pejus, 1918, 58, 2.
wnirde besucht und beschenkt. Plut. Pomp. «) Er nahm an der Belagerung von
42. Drumänn-Geoebe IV 485 ff. Mytilene unter M. Minucius Thermus teil
^) Vgl. die Inschrift von Miletupolis, und diente dann unter P. Servilius Isauri-
Journ. of hell. sUul. XXVII (1907) 64. Dazu 1 cus. Oben S. 215 f.
Diodor fr. XL 4. ') 65 v. Chr. war Crassus rnit Q. Luta-
*) Hierher gehören die Anträge des tius Catulus Zensor, konnte sich aber mit
C. Cornelius, der 67 v. Chr. Mißbräuche ihm nicht einigen, so daß zuletzt beide
des senatorischen Regiments abstellen Zensoren abdankten,
wollte: s. Ascönius zu Ciceros Corneliana
6. Vierte Periode : Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§37.) 225
Populären, sondern auch bei den Sullanern gab es Unzufriedene, adlige
Schuldenniacher oder unruhige Streber, die durch die Zensur des Jahres
70 V. Chr. ihren Senatssitz eingebüßt hatten, sich aber nicht für immer
kaltstellen lassen wollten. i) Zu diesen gefährlichen Elementen gehörten die
für 65 V. Chr. gewählten Konsuln P. Autronius Paetus und P. Cornelius
Sulla. Wegen Wahlunterschleifs verurteilt, hatten sie ihr Amt nicht an-
treten können. Daraus entstand ein Komplott mit dem Zweck, die in-
zwischen nachgewählten Konsuln zu töten und den verurteilten doch noch
zum Konsulat zvi verhelfen. Die Ausführung übernahmen zwei verwegene
Männer, die dabei auch auf die eigene Rechnung zu kommen hofften, Cn.
Calpurnius Piso und L. Sergius Catilina. Catilina, ein heruntergekommener
Patrizier, hatte sich als Helfershelfer Sullas bei den Proskriptionen be-
sonders anrüchig gemacht. Auch er hatte bei den Konsulwahlen für das
Jahr 65 vergeblich kandidiert, ohne sich durch diesen Mißerfolg von weiteren
Bewerbungen abschrecken zu lassen. Das geplante Attentat wurde ruchbar
und konnte vereitelt werden. Die eigentlichen Drahtzieher dieser ersten
catilinarischen Verschwörung des Winters 66/65 v. Chr. waren Crassus und
Caesar, die so schon jetzt den abwesenden Pompeius mattzusetzen trachteten.
Piso ging in aufserordentlichem Auftrag nach Spanien, wo er bald darauf,
wie man munkelte auf Anstiften des Pompeius, erschlagen wurde. Gestützt
auf Caesar und Crassus setzte Catilina sein Streben nach dem Konsulat
fort, Avurde aber in einen Repetundenprozeß verwickelt.^) Freigesprochen,
konnte er doch erst für das Jahr 63 v. Chr. im Verein mit dem gleich-
gesinnten C. Antonius wieder kandidieren. Catilina fiel durch; gewählt
wurden Antonius und M. Tullius Cicero.^) Cicero war 106 v. Chr. geboren
und stammte aus einer schlichten Ritterfamilie. Militärische Neigungen
gingen ihm ab; er machte seine Laufbahn als Sachwalter und Redner; als
solcher überflügelte er seinen Hauptkonkurrenten Q. Hortensius, der auf dem
rechten Flügel der Optimaten stand. Die Amter bekleidete Cicero in nor-
maler Reihenfolge: 75 v. Chr. war er Quästor auf Sizilien, 69 Adil, 66
Prätor. Er hatte sich von jeher auf die Seite der gemäßigten Optimaten
und des Senatsregiments gestellt;-^) damit vertrug sich seine Verteidigung
des Sex. Roscius gegen eine Kreatur Sullas (80 v. Chr.), wie seine Anklage
gegen den erpresserischen C. Verres (70 v. Chr.; oben S. 214). Gegen die
^) Für das Nachfolgende vgl. John, X. -) Über seine angebliche Verteidigung
Jahrb. f. Philolog. Suppl. VIII 703 ff.; E. durch Cicero vgl. Ascon. p. 85 Or., p. 76
y. Stern, Catilina und die Parteikämpfe Scholl. Der Plan hat bestanden; Cicero
in Eom der Jahre 66—63 v. Chr., Dorpat war also damals kein unbedingter Geg-
1883. Ed. ScHWARTZ, Hermes XXXII 554 ff. i ner Catilinas. Vgl. Ed. Meyer, Caesars
Gaston Boissier, La conjnration de Catilina, Monarchie, 22, Anm. 2.
Paris 1905. Dkumann-Groebe V 401 ff. Als ^) Unter im ganzen 7 Kandidaten war
Quellen kommen außer Sallust im Cati- der aus dem Ritterstand hervorgegangene
lina, Plutarch und Cassius Dio besonders Cicevo der einzige homonoms; Ascon. p. 73
in Betracht Ciceros catilinarische und Scholl; vgl. Drumann-Groebe V 431 f.
andere Reden, sowie Asconius zu Ciceros <) R.Heinze, Ciceros polit. Anfänge, Abh.
Rede in toga Candida. Der Caesarianer , der Sachs. Ges. der Wiss. 27, 1909, 947 ff.
Sallust hat unter der Maske des ob- hat gezeigt, daß Cicero niemals Demokrat
jektiven Historikers eine politische Ten- war und daß er also nicht erst mit der
denzschrift geliefert. Irrig läßt er die Bewerbung um das Konsulat zu den Opti-
eigentliche Verschwörung des Catilina maten überging,
schon 64 v. Chr. beginnen.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 15
226 Römische Geschichte.
extreme Oligarchie befürwortete er als Prätor die Übertragung des mithri-
datischen Krieges an Pompeius in einer Rede vor dem Volk. Für 63 v. Chr.
erhielt er, der homo iiovas, der Mann ohne kurulische Ahnen, das Konsulat,
da ihn die Optimaten gegen den gefährlichen Catilina unterstützten. Ciceros
Ehrgeiz hatte ein hohes Ziel erreicht; aber eine Führernatur war er nicht.
Ihm fehlte die große Linie des echten Staatsmannes. Seine wahre Leistung
liegt auf geistesgeschichtlichem Gebiet. Er wurde der sprachgewaltige Meister
der lateinischen Kunstprosa, der emsige Vermittler griechischer Bildungs-
elemente. Durch seine Reden, weiter durch seine rhetorische und philo-
sophische Schriftstellerei in engster Anlehnung an griechische Vorbilder, hat
er auf Mit- und Nachwelt aufs stärkste gewirkt und bleibende Werte ge-
schaffen. Politisch ein Dilettant, menschlich nicht ohne Schwächen, war er
eine Großmacht des römischen Geistes.
Ciceros Konsulat (63 v. Chr.) wurde durch heftige politische Kämpfe er-
schüttert.^) Die bevorstehende Rückkehr des Pompeius warf ihre Schatten
voraus. Zu Anfang des Jahres beantragte der Volkstribun (^. Servilius Rullus
ein Ackergesetz. Eine auf fünf Jahre zu wählende Kommission von zehn
Männern sollte über den gesamten ager public us und sonstige Einkünfte
innerhalb und außerhalb Italiens verfügen, um aus deren Erlös das arme
Volk mit Land zu versorgen. Das Gesetz zielte wahrscheinlich vor allem auf
die Befriedigung der Veteranen des Pompeius ab ; von Caesar und anderen
Populären empfohlen, von Cicero bekämpft, kam der Antrag schließlich zu
Fall. 2) In einer anderen Sache siegten die Populären: der Pontifex maximus
war verstorben und nun wurde auf Antrag des Volkstribunen T. Labienus
die Besetzung wieder durch Volkswahl gemäß der von Sulla beseitigten lex
Domitia (oben S. 188, 206 f.) vorgenommen. Aus heißem Wahlkampf, besonders
gegen den Obmann des Senats, Q. Lutatius Catulus, ging Caesar als Sieger,
als neues Haupt der römischen Staatskirche hervor. Wiederum bewarb sich
Catilina mit allen Mitteln um das Konsulat für das nächste Jahr. Aber
Cicero und die Optimaten bekämpften ihn erfolgreich, und bei den Wahlen,
die etwa im Juli ^) stattfanden, erlitt er abermals eine Niederlage. Jetzt ent-
schloß er sich, den Weg der Gewalt zu betreten; er konspirierte in dieser
Absicht mit einer größeren Anzahl von Gesinnungsgenossen verschiedener
Stände, unter denen der Prätor P. Cornelius Lentulus Sura und C. Cornelius
Cethegus die vornehmsten waren. 4) Die Verschwörung erstreckte sich weit-
hin über Italien ; besonders unter den unzufriedenen sullanischen Kolonisten
fand Catilina Anhänger, namentlich in Etrurien, wo C. Manlius in Faesulae
seine Sache vertrat. Alle erhofften von Catilina die Befriedigung ihrer
') Die Kämpfe spiegelten sich in Ciceros Kede pro Rabirio perduellionis gehalten,
konsularischen Reden, die er in seinem ') Die früher auch von Niese vertretene
Brief ad Attic. II 1, 3 aufzählt. Meinung, dafs die Wahlen in den Oktober
"-) Von Ciceros Kampfreden sind noch verschoben worden seien, ist nicht^haltbar.
drei de lege agraria vorhanden. Es gelang Zwar fand eineVerschiebuug der Komitien
den Optimaten auch, die von Caesar unter- statt (Cicero pro Mur. 51), doch kann es
stützte Anklage gegen den Ritter C. Ra- sich dabei nur um einige Tage handeln,
birius zu hintertreiben, der 100 v. Chr. •*) Andere Namen bei Sallust Catil. 17.
den Tod des Volkstribunen Saturninus Neben den Genannten gerieten Caesar und
(oben S. 189) verschuldet haben sollte. Crassus in den unerwiesen en Verdacht,
Cicero hat in dieser Angelegenheit seine auch diesmal hinter Catilina zu stehen.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§37.) 227
Wünsche, sei es nun nach Ämtern und Provinzen, oder nach Bauernhufen
und Schuldentilgung. 1) Man einigte sich zuletzt auf den Plan, Rom in Brand
zu stecken, die Konsuln und andere einflußreiche Gegner zu ermorden und
mit Hilfe eines durch Catilina in Italien zu sammelnden Heeres die Gewalt
an sich zu reißen. Man erhoffte Beistand aus den Provinzen. Das Heer
Catilinas sollte die Revolution in Rom erleichtern. Aber diese hochverräte-
rischen Absichten blieben nicht verborgen, der Senat konnte Gegenmaß-
nahmen treffen. Der Konsul Antonius ließ sich von Catilina abziehen, als
ihm Cicero seine Provinz, das einträgliche Makedonien abtrat. 2) Als Ende
Oktober Unruhen in Etrurien, Picenum und anderen Gegenden Italiens be-
gannen, erteilte der Senat den Konsuln Vollmacht, die Ordnung wieder her-
zustellen ; in die gefährdeten Gebiete gingen Truppen ab. In der Nacht vom
8. auf 9. November verließ Catilina Rom 2) und begab sich nach dem Mittel-
punkt der Insurrektion, nach Faesulae; unterwegs hatte er die Abzeichen
eines Konsuls angelegt. Der Senat ächtete ihn und beauftragte den C. An-
tonius mit dem Krieg gegen den Hochverräter. Die Mitverschworenen Cati-
linas, die in Rom geblieben waren, beschlossen nach längerem Zaudern an
den Saturnalien (17. Dezember) loszuschlagen. Aber auch diese Absicht
wurde ruchbar; dj? Verschworenen hatten eine in Rom weilende Gesandt-
schaft der Allobroger eingeweiht, in der Hoffnung, durch deren Vermittlung
Zuzug von gallischen Reitern zu erhalten; durch die Allobroger in Kenntnis
gesetzt, ließ Konsul Cicero die Catilinarier verhaften, und am 5. Dezember
faßte der Senat in einer stürmischen Sitzung über deren Schicksal Beschluß.
Der erste Antrag lautete auf Todesstrafe, dagegen machte Caesar für einen
milderen Spruch Stimmung; dem widersetzte sich M. Porcius Cato, ein eigen-
williger Politiker, der sich schon verhältnismäßig früh — er ist 95 v. Chr.
geboren — durch Charakterfestigkeit und Uneigennützigkeit bei seinen opti-
matischen Parteifreunden, aber auch bei den Gegnern in Respekt zu setzen
wußte. Entschlossen griff er auf den ersten Antrag zurück und verhalf ihm
zum Sieg. Das Todesurteil wurde alsbald vollstreckt. Inzwischen hatte Catilina
ein Heer gesammelt; er gedachte sich, nachdem die Revolution in Rom im
Keim erstickt war, ins jenseitige Gallien durchzuschlagen. Aber der Weg
wurde ihm verlegt; er stellte sich nunmehr dem von Süden heranrückenden
Antonius bei Pistoria zur Schlacht und fiel mit der Mehrzahl seiner Gefolg-
schaft (Anfang 62 v. Chr.). Gegen seine Anhänger wurden, wie früher in
ähnlichen Fällen, Untersuchungen eingeleitet.
Das Fiasko der Verschwörung kam der Autorität des Senats und der
Optimaten zugute; aber Cicero sollte des Sieges über den Umsturz nicht
') Man darf Catilina nicht als sozialen
Reformer in modernem Sinn ansprechen.
Catilina agitierte nicht nur unter dem
eigentlichen Proletariat, sondern vor allem
auch unter den tief verschuldeten Be-
dürftigen [egentes) der höheren Schichten.
zu treffen. Die sonstigen Berichte stimmen
im wesentlichen damit überein.
^) Cicero tauschte dafür von Antonius
das cisalpinische Gallien ein, hat aber
später auf die Provinz verzichtet.
3) Seinem Abzug geht am 8. November
Dabei verfolgte Catilina nur sein eigenes i die erste catilinarische Rede Ciceros voran,
Ziel, die Gewinnung der Macht für seine in welcher der Konsul in Gegenwart Cati-
Person. Die Schilderung Ciceros (Catil. 2 | linas dem Senat Bericht erstattete. Die
§ 17 ff.) scheint im ganzen, wenn man Absicht Catilinas, Rom zu verlassen, stand
die Übertreibungen abzieht, das Richtige bereits fest.
15*
228 Römische Geschichte.
froh werden. Sein Vorgehen wurde als ungesetzhch scharf kritisiert; noch
vor Ablauf des Anitsjahres sah er sich von dem Volkstribunen Q. Metellus
Nepos, dem bisherigen Legaten des Pompeius, angegriffen. Nepos beantragte,
dem Pompeius das Konsulat und die Niederwerfung der catilinarischen Un-
ruhen zu übertragen; der Antrag wurde durch die Optimaten unter Catos
Führung nach tumultuarischen Auftritten zu Fall gebracht. Nepos und Caesar,
damals Prätor, wurden sogar von ihren Amtern suspendiert; Nepos verließ
Kom unter Protest und begab sich zu Pompeius; Caesar wurde nach kurzem
rehabilitiert. Nach der Prätur erhielt er als Provinz das jenseitige Spanien.
Nicht ohne Bangen sah man in Rom der Rückkehr des Pompeius ent-
gegen ;i) viele fürchteten in ihm einen neuen Sulla. Pompeius verließ Asien
im Sommer 62 v. Chr. und kam Ende des Jahres in Brundisium an, wo er
wider Erwarten sein Heer verabschiedete. Im Januar 61 v. Chr. war er vor
Rom eingetroffen; 2) am 28. und 29. September des Jahres feierte er einen
pomphaften Triumph, der ihm ohne Zögern bewilligt worden war. Sein
Hau]3tanliegen war die Erfüllung anderer Forderungen, die Versorgung seiner
Veteranen mit Land und die Bestätigung seiner Maßnahmen in Asien durch
den Senat. In beiden Punkten opponierten die Optimaten, die ihm wegen
seiner Verbindung mit den Populären nicht trauten. L. Lucullus verlangte
Berücksichtigung seiner von Pompeius umgestoßenen Anordnungen. Pompeius
war außer stände, dem Senat seinen Willen aufzuzwingen. Nicht einmal das
von Pompeius veranlaßte Ackergesetz des Tribunen L. Flavius, eine mildere
Redaktion der lex Servilia vom Jahr 63,3) ging durch, obwohl sich die
Popularpartei dafür einsetzte (60 v. Chr.). Die Senatspartei verharrte in ihrer
Abneigung gegen jedes Ackergesetz und trieb den Widerstand auf die Spitze,
so daß Pompeius nachgeben mußte. Pompeius war vollkommen isoliert;
Crassus verleugnete seine persönliche Abneigung je länger desto weniger:
Cato zeigte ihm die kalte Schulter; auf den Kompromißpolitiker Cicero
war kein Verlaß; der Senat mißtraute ihm; kurz, Pompeius Magnus erfuhr
eine Enttäuschung und Demütigung nach der andern. Darüber kehrte Caesar
(etwa im Juni 60 v. Chr.) aus seiner Provinz zurück. In siegreichen Kämpfen
mit Lusitanern und Kallaikern hatte er militärische Erfahrungen gesammelt.
Er hatte die Schuldenlast des jenseitigen Spaniens erleichtert und zugleich
die Gelegenheit wahrgenommen, seine eigenen Gläubiger zu befriedigen.*)
Nun wartete er vor den Toren Roms auf den Triumph und wollte sich
überdies für das Jahr 59 v. Chr. um das Konsulat bewerben.
Er hätte keine günstigere Konstellation antreffen können. Der ver-
einsamte Pompeius begrüßte ihn als Bundesgenossen. Auf den Triumph
mußte Caesar allerdings verzichten; denn da ihn der Senat von der per-
sönlichen Bewerbung ums Konsulat nicht dispensierte, so blieb ihm nichts
übrig, als Rom selbst zu betreten, womit dem Herkommen gemäß die Anwart-
schaft auf den Triumph verwirkt war. Aber seine Kandidatur für das Kon-
sulat, von Pompeius und auch von Crassus gefördert, hatte Erfolg. Die ihm
*) Crassus traf Anstalten zur Flucht.
Plut. Pomp. 42.
*) Cicero ad Att. I 12 f. Mit dieser Zeit
etwa beginnt die erhaltene Korrespondenz
Ciceros.
3) Cicero ad Att. I 19, 4.
■•) Sueton Jul. 18. 54. Plut. Caes. 12.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v.Chr.). (§ 37.) 229
abholde Senatspartei mußte sich damit begnügen, als Kollegen Caesars ihren
Kandidaten, den M. Calpurnius Bibulus, durchzudrücken. Es glückte dem
Caesar, Pompeius und Crassus zu versöhnen; die drei Männer schlössen eine
zunächst noch geheim gehaltene private Interessengemeinschaft, das sog.
erste Triumvirat, i) also lediglich eine coitio, d. h. einen inoffiziellen Bund
zum Behuf gegenseitiger politischer Förderung. Mit Recht bezeichnete Cato
diese Abmachung als den Anfang vom Ende der freien Republik. Caesar
spielte in diesem Triumvirat fürs erste eine ziemlich bescheidene Rolle; der
eigentliche Machthaber Avar Pompeius. Der nächste praktische Zweck der
Vereinigung, nämlich die Befriedigung der Wünsche des Pompeius, wurde
im Konsulatsjahr Caesars (59 v. Chr.) erreicht; gegen die Einheitsfront der
drei Männer unterlag der Senat, der sich zudem die Kapitalisten des Ritter-
standes entfremdet hatte. 2) Übrigens trugen die Machthaber kein Bedenken,
nötigenfalls mit Gewalt ihren Willen durchzusetzen.
Nachdem sich Caesar vergeblich bemüht hatte, die Mitwirkung des Senats
zu erreichen, wandte er sich unmittelbar ans Volk und beantragte nachein-
ander zwei Ackergesetze für die Veteranen des Pompeius und die bedürftige
Plebs; in dem zweiten wurde auch die bisher geschonte kampanische Domäne
zur Aufteilung an kinderreichere Familien bestimmt. Die Gesetze wurden
unter Nichtachtung der üblichen Formen auf tumultuarische Weise durch-
gebracht, der Widerspruch des Konsuls Bibulus und der Optimaten verhallte
wirkungslos.^) Nach diesem Sieg beherrschten die Triumvirn das Feld. Bibulus
ließ sich in der Öffentlichkeit nicht mehr blicken, tobte sich aber in pam-
phletistischen Edikten gegen seinen Kollegen aus, viele angesehene Senatoren
verhielten sich gänzlich passiv. Die Anordnungen des Pompeius in Asien
bestätigte der Senat in Bausch und Bogen. Die Triumvirn schalteten nach
Belieben. Von den weiteren Gesetzen, die im Konsulatsjahr Caesars ein-
gebracht wurden, ist besonders wichtig die umfangreiche lex Julia de re-
petufidis, durch welche die Verwaltungstätigkeit der Provinzialstatthalter
in humanem Geist neu geregelt wurde. Wie modern Caesar dachte, das
zeigt die von ihm geschaffene „Zeitung", die der amtlichen Publikation der
acta senatus et populi Iionuüü, der Protokolle der Verhandlungen des Senats
und der Volksversammlung, diente. Für seine eigene Zukunft war ent-
scheidend der Antrag des P. Vatinius, durch den das Volk ihm das cisalpi-
nische Gallien und Illyricum mit drei Legionen auf fünf Jahre als Provinz
übertrug, wozu der Senat noch das transalpinische Gallien mit einer vierten
Legion fügte. Das Konsulat des nächsten Jahres (58) fiel an den Günstling
des Pompeius A. Gabinius und an L. Calpurnius Piso, den Vater von Caesars
junger Gattin Calpurnia. Das .Jahr 59 hatte auch zwischen Pompeius und
Caesar verwandtschaftliche Bande geknüpft: Pompeius führte die einzige
Tochter Caesars aus erster Ehe, -Julia, heim.
') Zu seiner Geschichte s. Cicero ad Att. hatte. Caesar versprach, die Ermäßigung
11 .3, 3. durchzusetzen, und bewirkte in der Tat
'^) Die Kapitalisten erbaten eine Er- als Konsul die Bewilligung des Gesuchs,
mäßigung der Pachtsumme für die asia- Drumann-Gboebe III 192 ff.: V 174.
tischen Gefälle, was der Senat, auf Catos ! ^) Etwa Ende April müssen beide Ge-
Betreiben, abschlug. Die Sache stand mehr- setze bereits vollzogen sein. Cicero ad
mals, 61 und 60 v. Chr., im Senat zur De- Att. II 16.
230 Römische Geschichte.
Nach Ablauf des Konsulats verweilte Caesar mit dem für die Provinzen
bestimmten Heer noch drei Monate in der Nähe Roms, um nötigenfalls in
den Gang der inneren Politik eingreifen zu können. Es handelte sich um
die Unschädlichmachung des Cicero und des Cato. Cato war ein gefährlicher
Gegner; auch Cicero war den Triumvirn unbequem; er hatte sie durch seine
scharfe Zunge gereizt i) und lehnte jede Teilnahme an ihrer Politik ab. Die
drei Machthaber bedienten sich der Hilfe des P. Clodius, eines routinierten
und gewissenlosen Demagogen. Clodius war Ciceros Todfeind ;=^) im Jahr 59
V. Chr. war es ihm unter Beihilfe von Pompeius und Caesar gelungen, seinen
schon seit längerem betriebenen Übertritt vom Patriziat zur Plebs zu bewerk-
stelligen; hierauf war er zum Volkstribunen gewählt worden. Er begann
seine Tätigkeit mit einigen unverfänglichen Rogationen im Sinn der Fopular-
partei, um dann zum Angriff auf Cicero vorzugehen. Er beantragte die
Ächtung gegen jeden, der einen Bürger ohne Urteil und Recht habe hin-
richten lassen. Das war auf Cicero, dem das Todesurteil gegen die Catilinarier
zur Last gelegt wurde, gemünzt; Cicero hoffte zunächst auf Pompeius, der
ihn aber fallen ließ, worauf Cicero freiwillig in die Verbannung ging, unter
der er seelisch aufs schwerste litt. Er wurde in der Tat geächtet, sein Ver-
mögen konfisziert. In ehrenvollerer Form wurde Cato aus Rom entfernt;
auf Antrag des Clodius betraute ihn das Volk mit der Einziehung der Insel
Kypros, womit die ägyptische Frage endlich einen vorläufigen Abschluß fand.^)
Nach dem Ende des Ptolemaios Alexander II (S. 207) war das ptole-
mäische Reich an zwei Söhne des Ptolemaios Lathyros gekommen, in der
Weise, daß dem einen, Ptolemaios XIII Auletes, Ägypten zufiel, dem anderen,
der auch Ptolemaios hieß, Kypros. Aber die Legitimität der beiden Könige
war angefochten, und nach römischer Version soll Ptolemaios Alexander als
letzter legitimer König das römische Volk zum Erben eingesetzt haben.
Möglicherweise war das Testament apokryph;*^) aber der Appetit auf den
fetten Bissen war geweckt und die Populären forderten die Einziehung
Ägyptens. Im Jahr 63 hatten sich Crassus und Caesar gegen die Optimaten
dafür eingesetzt. Aber auch Ptolemaios Auletes blieb nicht untätig; er be-
mühte sich um die Anerkennung des Senats; seit 70 v. Chr. schwebten die
Verhandlungen. Schließlieh gewann Ptolemaios Auletes den Beistand des
Pompeius ; ihm zulieb veranlaßte Caesar als Konsul (59 v, Chr.) die Bestäti-
gung des Auletes durch den Senat ;^) ein Jahr später aber wurde, wie erwähnt,
Cato mit der Einziehung von Kypros beauftragt. Der König von Kypros
entzog sich der drohenden Schmach durch Selbstmord; Kypros wurde als
römische Provinz mit Kilikien vereinigt. Als Cato 56 v. Chr. nach Erledigung
') Beim Prozeß des C. Antonius, den ! Cicero, früher mit ihm befreundet, hatte
Cicero verteidigte. Antonius hatte Make- gegen ihn Zeugnis abgelegt. Plut. Cic. 28 f.
donien schlecht verwaltet und von den ^) Zum folgenden vgl. Boüche-Leclercq,
Bastarnern und Dardanern eine Nieder- Histoh-e des Lagides II 122 ff.
läge erlitten. Er wurde verurteilt und ■*) Die Echtheit des Testaments verficht
ging in die Verbannung. V. Chapot, Les Romains et Ci/pre, in den
^) Die Feindschaft datierte vom Anfang Melanges Cagnat 1912, 59 ff.
des J. 61 V. Chr. Clodius war wegen Re- ') Caesar erhielt von Auletes eine hohe
ligionsfrevels belangt, weil er sich beim Summe zugesagt, ist aber erst im J. 48
Fest der Bona Dea, au dem nur Frauen zu seinem Geld gekommen,
teilnehmen durften, einsreschlichen hatte.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§38.) 231
seiner Mission — er hatte überdies byzantinische Verbannte zurückführen
müssen — in Rom eintraf, fand er eine neue Lage vor. Die Dreistigkeit
des Tribunen Clodius hatte zum Bruch mit Pompeius geführt, der sich nun
wieder den Optimaten näherte; so konnte zuletzt der Widerstand des Clodius
gegen die besonders von dem Tribunen T. Annius Milo betriebene Rück-
berufung Ciceros gebrochen werden. Am -4. September 57 v. Chr. zog Cicero,
freudig begrüßt, in Rom ein."^) Pompeius brauchte ihn und die Optimaten,
um sich ein neues außerordentliches Mandat, die Oberaufsicht über die Ge-
treideversorgung, zu sichern. Unter Ciceros Mitwirkung erhielt Pompeius
das gewünschte Amt auf fünf Jahre für den gesamten Bereich der römischen
Herrschaft mit eigener Armee und Flotte und einer den Provinzialstatthaltern
übergeordneten Befehlsgewalt. Überdies wünschten die Triumvirn die Bei-
legung der ägyptischen Wirren in ihrem Sinn. In Alexandrien hatte die
Einverleibung von Kypros, das als ägyptischer Besitz galt, böses Blut ge-
macht. König Ptolemaios Auletes, dem man die Schuld beimaß, mußte sich
nach Rom flüchten (58 v. Chr.). Pompeius nahm sich seiner an. Aber auch
die Alexandriner ließen sich in Rom vertreten ; doch wußte der skrupellose
Auletes, von Pompeius gedeckt, ihre Gesandten teils zu beseitigen, teils für
sich zu gewinnen. Die Wiedereinsetzung des Königs vermochte aber Pompeius
nicht durchzusetzen; denn seine Gegner beriefen sich auf einen warnenden
sibyllinischen Spruch; so verlief die Angelegenheit schließlich im Sande. Rom
hallte damals von innerpolitischen Kämpfen wider, in denen sich Clodius
gegen Pompeius, Cicero und Milo und auch gegen Cato, den er in der
kyprischen Sache des Unterschleifs verdächtigte, unrühmlich hervortrat.
Hinter Clodius stand Caesar, dessen Macht durch die in Gallien errungenen
Erfolge gestiegen war. Schon war Caesar der bestgehaßte" Mann bei den von
Cato geführten Optimaten, deren Selbstgefühl sich durch den bisherigen
Verlauf der ägyptischen Affäre sehr gehoben hatte.
38. Caesar in Gallien 58 — 56 V. Chr. 2) Seit Erwerbung der narbonensi-
schen Provinz und den Cimbernkriegen hatten die Römer ihre Einflußsphäre
') Cic. ad Att. IV 1, 5. niatoren des Livius und bei Cassios Dio
-) Hauptquelle für die Geschichte der | (vgl. J. Melbek, Die Berichte des Dio Cass.
Unterwerfung Galliens durch Caesar sind j über die gall. Kriege Caes., Progr. Mün-
dessen Kommentarien de hello Gall/co, ent- i chen 1893) vorliegen. Um so interessanter
standen 52/1 v. Chr. in 7 Büchern, denen sind die Ergänzungen, die diese Werke
A. Hirtius ein achtes hinzufügte. Unter gelegentlich, wohl meist auf Grund der
der scheinbar streng sachlichen Form einer i Historien des Asinius Pollio, bieten. Vgl.
Art von Dienstbericht verbirgt Caesar eine I T.R.Holmes (s.u.). Auch in seiner skizzen-
apologetische Tendenz: seine Kriege sollen haften Darstellung des Bürgerkriegs, im
dem Publikum als notwendig hingestellt j bellum civile, hat sich Caesar nicht streng
werden. Dabei fehlt es nicht an Über- an die Wahrheit gehalten. Vgl. über die
treibungen, Lücken und Flüchtigkeiten; gallischen Kriege W. Rüstow, Heerwesen
auf solche Mängel hat schon der Zeit- und Kriegführung C.Julius Caesars, Gotha
genösse Asinius Pollio hingewiesen (Suet. 1853; A.v.Gölee, Caesars gallische Kriege,
Jul. 56, 4). Die Kommentarien müssen also zwei Teile, 2. Aufl. ; Napoleon III, ifis^o/z-e
mit Kritik benutzt werden. Sie bleiben ! de Jules Cesar, 2 vol., Paris 1866. G. Veith,
aber die wichtigste, meist sogar die ein- ] Geschichte der Feldzüge C. Julius Caesars,
zige Quelle; denn aus ihnen schöpfen in Wien 1905 (mit Einschluß des Bürger-
der Hauptsache die späteren Darstel- | krieges). Für die Einzelliteratur sei auf
lungen, deren Reste bei Strabo, in Plut- die Literaturgeschichten von Schanz und
archs Caesar, bei Appian in den Frag- Teüffel, sowie auf die Jahresberichte des
menten der Keltike, bei Sueton, den Epito- philologischen Vereins in der Zeitschr. f.
232 Römische Geschichte.
über das freie Gallien, wo sie mit manchen Stämmen Freundschaft schlössen,
ausgedehnt. Gallien war ein großes, fruchtbares, stark bevölkertes Land.
Die zahlreichen Stämme teilte man in verschiedene Gruppen. i) Im Süden
zwischen der Garumna und den Pyrenäen saßen die mit iberischen Elementen
untermischten Aquitanier; die Stämme der Mitte, die im Norden bis an die
Sequana (Seine) und Mosel reichten, werden als die eigentlichen Gallier
oder Kelten bezeichnet; den Norden zwischen Sequana und Rhein nahmen
die Beigen ein, die auf ähnlich niedriger Kulturstufe standen wie ihre Nach-
barn, die Germanen, von denen sie angeblich abstammten. Die Bewohner
der Küstenlandschaft Britannien gegenüber nannte man die Aremoriker,
d. i. Küstenleute. Die Gallier waren sich ihrer völkischen Zusammengehörig-
keit, wie sie in Sprache und Religion zum Ausdruck kam, von jeher bewußt,
bildeten aber keine politische Einheit. Die Gesamtheit wie die einzelnen
Stämme waren durch Parteiungen in zwei feindliche Heerlager geschieden.
An der Spitze der einen Partei standen die Aeduer, die sich Brüder der
Römer nannten und ihre ältesten Freunde waren (oben S. 180), die Gegen-
partei führten die mit den benachbarten Aeduern verfeindeten Sequaner an,
während früher die Arverner dominiert hatten.'^)
Eine neue Lage wurde in Gallien geschaffen durch das Eindringen der
Germanen. Als nämlich die Helvetier ihre frühere Heimat zwischen Main
und Oberrhein verlassen und die heutige Westschweiz zwischen Bodensee,
Genfersee und Jura in Besitz genommen hatten (oben S. 186), waren Ger-
manen, vornehmlich Sueben, ihnen nachgerückt und an den Oberrhein vor-
gestoßen. Von den Sequanern gegen die Aeduer zu Hilfe gerufen, über-
schritten suebische Scharen unter einem Heerkönig Ariovistus, wie einst die
Kimbern und Teutonen, den Rhein (vielleicht 72 v. Chr.) 3) und besiegten nach
längeren Kämpfen die Aeduer (vielleicht 60 v. Chr.).*) Ariovistus siedelte
sich in einem Teil des Gebietes der Sequaner (im Elsaß) an, bald folgten
neue germanische Scharen. Die Aeduer mußten sich unterwerfen, Geiseln
stellen und geloben, Rom nicht um Beistand anzugehen. Trotzdem verließen
vornehme Aeduer, darunter Divitiacus (Diviciacus), das Land, um in Rom
Hilfe zu suchen, worauf der Senat zugunsten der Aeduer intervenierte.
Ariovist stellte die Feindseligkeiten ein und wurde zum Dank unter Caesars
Konsulat (59 v. Chr.) als befreundeter und verbündeter König anerkannt. Die
Herstellung des Friedens im freien Gallien lag um so mehr im Interesse der
römischen Politik, als gleichzeitig weitere Gefahren drohten. Schon früher
(61 V. Chr.) hatten sich in der Provinz die Allobroger empört und wurden
von C. Pomptinus wieder unterworfen; in demselben Jahr beschlossen die
Helvetier auszuwandern und sich in Gallien weiter westlich neue Wohnsitze
d. Gymnasialwesen (Sokrates) von Meusel jedoch diese Einteilungen derWirklichkeit
hingewiesen. Grundlegend ist T. R. Hol- entsprechen, ist zweifelhaft. Verdächtig
j'iES, Caesar's Conquesf of Gaul, Oxford 1911-, ist der dabei gemachte Unterschied zwi-
wo auch die ethnographischen Fragen be- sehen Galliern und Kelten,
handelt sind. Vgl. E. Desjardins, Geo- -) Caesar bell. Gall. I 31, 3. VI 12. VII 8, 2.
f/raphie historiquc et administrative de la ') Nach Caesar bell. Gall. I 36, 7. Doch
Gaule Bomaine, Paris 1876 ff"., vol. IL erlaubt diese Stelle keine sichere Zeit-
') Nach der Einteilung Caesars bell. Gall. bestimmung.
I 1, die auch Strabo IV 176 f. wiedergibt. ••) Cic. ad Att. I 19, 2. 20, 5.
Eine ältere gibt Diodor V 32. Inwieweit
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§38.) 233
zu erobern. 1) Der Beweggrund der Helvetier ist nicht klar zu erkennen.
Möglicherweise hat die Katastrophe der Bojer in Böhmen und Mähren den
Stein ins Rollen gebracht. Diese wurden bald nach 63 v. Chr. von den durch
Byrebistas geeinten Geten vernichtet oder vertrieben, vielleicht mit Beihilfe
germanischer Stämme. 2) Da auch die Taurisker in den Untergang der Bojer
hineingerissen wurden, so war das Keltentum in diesen Gegenden schwer
getroffen. Ein Teil der Bojer rettete sich zu den Helvetiern, ihren früheren
Nachbarn, und es kann sein, daß deren Ankunft den Anstoß zu der neuen
Wanderung der Helvetier gab, die in Rom Besorgnis erregte.^) Zunächst
wurde das Unternehmen durch Unruhen innerhalb des Stammes verzögert,
aber 58 v. Chr. machten sie sich samt den Bojern auf den Weg. Durch ihren
Aufbruch sah sich Caesar veranlaßt, in Gallien einzugreifen; ein Entschluß
des Augenblicks, aber in seinen Folgen von welthistorischer Tragweite, wurde
doch damit die Unterwerfung der freien Gallier, die Aufrichtung der römischen
Herrschaft auch im nördlichen Europa eingeleitet. Den Vorwand zu der
kiihnen Initiative lieferte ihm der allgemeine Auftrag des Senats, die römi-
schen Bundesgenossen, in diesem Fall also die Aeduer, zu stützen. Caesar
hatte sich eine unvergleichliche Gelegenheit geschaffen, der Welt zu zeigen,
was er als Feldherr und Staatsmann vermochte.
Auf die Meldung, daß die Helvetier sich in Bewegung setzten,"*) eilte
Caesar von Rom an die Nordgrenze seiner Provinz, sammelte seine Truppen
und hob in Oberitalien eigenmächtig zwei neue Legionen aus; er verlegte
den Helvetiern den Weg durch die Provinz, und als sie nunmehr eine andere
Straße durch das Land der Sequaner und Aeduer einschlugen, rückte Caesar
mit verstärktem Heer in das freie Gallien ein. Bei den Aeduern brachte
er die Römerfreunde ans Ruder, führte den Divitiacus zurück und empfing
zahlreiche gallische Hilfstruppen. Sein Legat T. Labienus konnte einen der
vier helvetischen Gaue, die Tiguriner, beim Übergang über den Arar (Saöne)
einholen und zersprengen.^) Die übrigen setzten ihre Wanderung fort bis
in die Nähe von Bibracte (Mont Beuvr.ay bei Autun). Hier stellten sie sich
dem Caesar,^) wurden aber geschlagen und zur Umkehr gezwungen. Die
^) Man vermutet den Druck der Ger- Gesamtvolk sich auf die "Wanderschaft be-
manen oder einen gallischen Hilferuf gab, gegen Delbrück u. a., die einen bloßen
gegen Ariovist als Anlaß. Nach Caesar j Heereszug annehmen und Caesars stati-
b. Gall. I 10, 1 war das Land der Santoui
(nördlich der Garonnemündung, heute
Saintes) ihr Ziel.
-) Es scheint, daß der Fall des Mithri-
dates zur Stärkung der getischen Macht
viel beigetragen hat. Vgl. Niese, Zeitschr.
stische Angaben über die Kopfstärke ver-
werfen.
^) Caesar bell. Gall. 1 12 verschweigt den
Namen seines Legaten und schreibt sich
selbst den Sieg über die Tiguriner zu. Aber
er stand am anderen Ufer der Saöne;
f. deutsches Altert. 42, 152 ff. vgl. Plutarch Caes. 18, Appian Celt. fr. 15.
^) Cicero ad Att. I 19, 2. I Es scheint, daß Caesar aus der Provinz
■*) Über das Folgende vgl. H. Kauchen- j über die Ehöne zu den Aeduern ging,
STEIN, Der Feldzug Caesars gegen die ! während Labienus ins Land der Sequaner
Helvetier (Diss. von Jena), Zürich 1882. einmarschierte, um den Helvetiern zu
H. Bikcher, Der Feldzug Caesars gegen folgen, wobei er die Tiguriner erreichte,
die Helvetier, Frauenfeld 1894. Bibracte, | Caesars Bericht gibt nur eine „verkürzte
Aaraul904. F. Fröhlich, Die Glaubwürdig- , Projektion" (A. v. Mess, Caesar 1913, 107);
keit Caesars in seinem Bericht über den ' vgl. Rauchenstein a. a. 0.
Feldzug gegen die Helvetier, Aarau 1903. *') Das Schlachtfeld bei Toulon-sur-Ar-
A. Klotz, Neue Jahrbücher 35, 1915, 609 ff. j roux ist durch Stoffel gesichert,
verteidigt Caesars Darstellung, wonach das |
234 Römische Geschichte.
Helvetier schlössen mit Rom ein Bündnis') und kehrten dann in ihre alten
Sitze in der Schweiz zurück; die Bojer wurden bei den Aeduern angesiedelt.
Hieraufwandte sich Caesar, nach seiner eigenen Darstellung auf die dringenden
Bitten seiner neuen gallischen Bundesgenossen hin, sogleich gegen Ariovist,
um auch ihn, den er früher selbst als Freund Roms anerkannt hatte, zu
verjagen; auch die Sequaner traten auf Caesars Seite, der ihre Hauptstadt
Vesontio (Besan^^on) besetzte. Da Ariovist die römischen Forderungen ab-
lehnte, so griff Caesar an, ehe die erwarteten germanischen Verstärkungen
eingetroffen waren; er besiegte den Suebenkönig im heutigen Elsaß 2) und
warf ihn über den nahen Rhein zurück. Die am linken Rheinufer bereits
angesiedelten germanischen Stämme, Vangionen, Triboker und andere, blieben
unbehelligt; dem weiteren Eindringen der Germanen suchte Caesar einen
Riegel vorzuschieben. Er betrachtete sich jetzt als Herrn im Lande. Die
Stämme des mittleren Galliens bis an die Seine und Mosel verbündeten
sich mit Rom ^) und leisteten Caesar in den späteren Kämpfen wertvolle
Dienste. Die Beigen und Aremoriker dagegen, die tapferen Bewohner des
nördlichen und nordwestlichen Galliens, schlössen sich zur Abwehr zusammen
mit Ausnahme der belgischen Remer (um Reims), die von Anfang an mit
besonderer Treue zu Rom hielten. Caesar verstärkte sein Heer durch zwei
neue Legionen aus Oberitalien und rückte im Frühjahr 57 v. Chr. zum Schutz
der Remer an die Axona (Aisne), wo starke belgische Kontingente sich zu-
sammenzogen.*) Aber ihr Angriff auf die römische Stellung scheiterte, und ihr
großes Aufgebot zerstreute sich, so daß Caesar nacheinander die belgischen
Gaue einzeln unterwerfen konnte, die Suessionen (bei Soissons), Ambianen
(Amiens) und Nervier. Die Nervier brachten ihn allerdings zunächst durch
einen überraschenden Angriff am Sabis (Sambre) in ernste Gefahr, wurden
aber zuletzt geschlagen und fügten sich der römischen Herrschaft, wie auch
die Aduatuker, deren Hauptstadt erobert wurde. Nach Unterwerfung der
Beigen begab sich Caesar nach Illyricum. Sein Legat Ser. Sulpicius Galba
zog zu Beginn des Winters gegen die räuberischen Alpenstämme des oberen
Rhönetals östlich vom Genfersee im heutigen Wallis, die Sedunen und
Veragrer, konnte sich aber nicht behaupten, sondern mußte seine Winter-
quartiere wieder räumen.
Die Stämme der gallischen Küstenlandschaften, die Aremoriker, waren
schon im Jahr 57 v. Chr. durch Caesars Legaten P. Crassus wenigstens zum
Teil besiegt, aber unterstützt von den Briten vereinigten sie sich im nächsten
^) Cicero pro Balbo 32 bezeugt aus- Ariovistische Kampfplatz, Mülhauseu i. E.
drücklich, daß die Helvetier ein Bündnis (Selbstverlag) 1907. Die Lage des Schlacht-
ifoedns) mit Rom hatten. Es kann also felds ist umstritten. Stoffel, dem sich
kaum richtig sein, daß sie sich auf Gnade Delbrück anschließt, sucht es bei Rappolts-
und Ungnade ergeben haben, wie Caesar weiler. Stolle bei Arcey, 10 km östlich
I 27 berichtet. von Mömpelgard, also nicht mehr im
^) Stoffel, Guerre de Cesar et d'Ärioviste Elsaß, Winkler in der Gegend von Epfig
et premieres Operations de Cesar en Van 702 im Unterelsaß, ebenso Veith, v.Göler bei
u. c, Paris 1891. Wiegand, Die Schlacht Mülhausen.
zwischen Caesar und Ariovist [Bulletin des ') Cicero pro Balbo 32. Tacit. histor.
momiments historiqiies d'Alsace), Straßburg IV 67. Ammianus Marc. XV 12, 6.
1893. Revue archeol.SS (1898) S. 21 fif.: F. *) Über die Örtlichkeit vgl. K. Lehmann.
Stolle, Wo schlug Caesar den Ariovist? Klio VI, 1906, 237 flf.
Straßburg 1890. C. Winklee, Der Caesar- j
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§38.) 235
Jahr, an der Spitze die Veneter (in der Bretagne), zum Widerstand, wozu
sie eine starke Flotte aufbrachten. Da sie nur zur See bezwungen werden
konnten, ließ Caesar Kriegsschiffe bauen, mit denen bei der Loiremündung
den Feinden eine erfolgreiche Seeschlacht geliefert wurde. Gleichzeitig ope-
rierten Caesars Legaten im übrigen Küstengebiet; namentlich unterwarf
P. Crassus die Aquitanier. Den Schluß dieses Feldzuges machte ein ziemlich
ergebnisloser Angriff auf die Moriner und Menapier an Scheide und Nieder-
rhein. Alles in allem war die Unterwerfung Galliens so weit gediehen, daß
man in Rom bereits für die Einrichtung der Provinz zehn Legaten bestimmte.')
Caesar eilte nach Oberitalien, wo seine Anwesenheit notwendig war, wie er
auch sonst den Winter südlich der AljDen zuzubringen pflegte, um das poli-
tische Treiben der Hauptstadt nicht aus dem Auge zu verlieren. Seine Siege
erregten in Rom Freude und Bewunderung: die Reichtümer, die ihm und
seinen Kriegsgefährten aus Gallien zuflössen, steigerten seine Macht; 2) aber
dieser Aufstieg weckte auch Besorgnis und Eifersucht sowohl im Lager der
Gegner als bei Pompeius.
Indes machten die Fortschritte der Senatspartei eine Auffrischung des
Triumvirats ratsam. Denn Pompeius konnte allein die Lage nicht meistern
und auch Caesar brauchte einen Rückhalt. Nach einer Vorbesprechung Caesars
mit Crassus in Ravenna vereinigten sich auf einer Konferenz in Luca alle
drei Machthaber zu neuem Bund, diesmal in aller Öffentlichkeit. Caesar sah
sich hier von über 200 Senatoren umworben. Es wurde verabredet, daß
Pompeius und Crassus im Jahr 55 das Konsulat führen sollten, um dann
wichtige Provinzen auf fünf Jahre zu übernehmen ; dementsprechend sollte
auch Caesars gallisches Kommando verlängert werden. Die gefaßten Be-
schlüsse wurden unverzüglich in die Tat umgesetzt. Die gesetzliche Melde-
frist für die Bewerbung um das Konsulat war bereits verstrichen; deshalb
hintertrieben Pompeius und Crassus die ordentlichen Wahlen. Infolgedessen
begann das Jahr 55 v. Chr. mit einem Interregnum. Die übrigen Kandidaten
waren zurückgetreten bis auf L. Domitius Ahenobarbus, der aber mit Gewalt
vom Wahlplatz entfernt wurde. Die terrorisierte Versammlung wählte Pom-
peius und Crassus, die sofort ihr Amt antraten. Durch Volksbeschluß wurden
auf Antrag des Volkstribunen C. Trebonius dem Pompeius die beiden Spanien
mit vier Legionen, dem Crassus Syrien verliehen und Caesars Kommando
um fünf Jahre verlängert, alles unter dem Protest der Gegner. Pompeius
vollendete als Konsul sein Theater, das erste massive Bauwerk dieser Art
in Rom, und weihte es durch prächtige Spiele ein. Nach Ablauf des Amts-
jahres blieb er in Italien; Spanien ließ er durch seine Legaten verwalten,
von denen ein bisher noch nicht unterdrückter Aufstand der Vaccäer und
ihrer Nachbarn niedergeschlagen wurde.
Während also Spanien zu ernsteren Sorgen keinen Anlaß bot, standen in
Syrien, das dem Crassus zugefallen war, die Dinge recht bedrohlich. Bei
den unfertigen Zuständen der Provinz, unter dem ungewohnten Druck
') Cicero ad fam. I 7, 10. Cassius Dio und besonders der von Catull angegriffene
XXXIX 25, 1. Außerdem wurden bedeu- Mamurra. Cic. ad fam. VII 7, 6. Catull 29.
tende Geldsummen für Caesar bewilligt. Catulls Gedichte spiegeln die Stimmung
*) In Gallien bereicherten sich Labienus der Gegner Caesars.
236 Römische Geschichte.
des römischen Regiments und der Mißwirtschaft der Steuerpächter bildete
sich gefährhcher Zündstoff. Der jüdische König Aristobulos und sein Sohn
Alexander, die Pompeius nach Rom entführt hatte, entkamen aus der Ge-
fangenschaft und erregten in Judäa mehrere Aufstände; auch die Araber
machten zu tun.^) Eine weitere Gefahr bildeten die benachbarten Parther, die
nach dem Sturz des Tigranes Mesopotamien und die Euphratgrenzen zurück-
gewonnen hatten. Über sie regierte damals der tüchtige Orodes (oder Hyrodes),
Sohn des Phraates, der durch Unterwerfung abtrünniger Vasallen die Macht
des Königtums gehoben hatte. Pompeius war einem Zusammenstoß mit den
Parthern ausgewichen, A. Gabinius dagegen, der damalige Statthalter "von
Syrien, machte Miene zum Krieg. Einige vornehme Parther hatten bei ihm
Zuflucht gesucht, und er traf Anstalten, sie zurückzuführen. Da jedoch der
Senat Einspruch erhob, 2) so gab er seinen Plan auf; statt dessen übernahm
er die^Wiedereinsetzung des Ptolemaios Auletes, den Pompeius an ihn em-
pfohlen hatte ; Pompeius bediente sich des Gabinius, um seinerii ptolemäischen
Schützling allen Widerständen zum Trotz doch noch auf den Thron zu -v'^r-
helfen. Gabinius rückte in Ägypten ein, besiegte und tötete Archelaos, den
Gemahl der damals regierenden Königin Berenike, eroberte Alexandrien und
setzte den Ptolemaios wieder zum König ein (Anfang 55 v. Chr.), natürlich
nicht ohne sich für diesen Liebesdienst teuer bezahlen zu lassen. Da Gabinius
mit seiner ägyptischen Expedition gegen den erklärten Willen des römischen
Volkes verstoßen hatte, wurde er zur Rechenschaft gezogen, aber von käuf-
lichen Richtern freigesprochen. Dagegen unterlag er in einem Repetunden-
prozeß, worauf er ins Exil ging. 2)
Crassus, der an Stelle des Gabinius Syrien übernahm, begab sich noch
im Jahr 55 v. Chr., vor Ablauf seines Konsulats, in diese seine Provinz. Er
war zum Krieg gegen die Parther'*) entschlossen, wiewohl kein unmittelbarer
Anlaß vorlag. Aber ihn trieben Habsucht und Ehrgeiz und der Wunsch,
es seinen Rivalen Caesar und Pompeius gleichzutun. In überraschendem
Vorstoß (54 V. Chr.) eroberte er mit leichter Mühe einige Plätze jenseits des
Euphrats; die dort ansässigen Griechen begrüßten ihn als Befreier vom Parther-
joch. Im nächsten Jahr (53 v. Chr.) traf Crassus in Mesopotamien auf ein
starkes, hauptsächlich aus Reitern bestehendes Partherheer, das der Surenas,
der Inhaber der erblichen Kronfeldherrnwürde, befehligte: ein gleichzeitiger
Angriff des Parterkönigs Orodes auf den Armenier Artavasdes, den Sohn
des Tigranes, hinderte diesen Verbündeten des Crassus an der Unterstützung
der Römer. Crassus' Ziel war Seleukeia am Tigris; dorthin wollte er durch
die Ebenen Mesopotamiens marschieren. Aber südlich von Carrhae wurde
er plötzlich vom Feind gestellt und mußte unter ungünstigen Bedingungen
schlagen; das römische Heer wurde besiegt und zersprengt, ein großer Teil
gefangen.^) Mit dem Rest rettete sich Crassus, dessen tapferer Sohn nach
') Josephus Bell. Jud. I 159 ff. Antiq. Mannes. Ein dritter, wegen öwZ'/Yhs seh we-
XIV 80 ff". bender Prozeß kam nicht mehr zur Yer-
^) Strabo XII 558. handlung.
') Bei beiden Prozessen war Cicero be- ■*) Über Crassus' Partherkrieg vgl. K.
teiligt, beim ersten nur als Zeuge, beim Regling, Klio VII, 1907, 357 ff., Dkumann-
zweiten auf Wunsch des Pompeius als Groebe IV 108 ff.
Verteidiger des ihm persönlich verhaßten ") Die Schlacht fand am 9. Juni 53 statt
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§39.) 237
verzweifeltem Kampf freiwillig den Tod gesucht hatte, nach Carrhae, von
wo er nach Armenien zu entkommen suchte; aber der Surenas holte ihn
ein und trug ihm nach kurzem Kampf eine Unterredung an, die Crassus
unter dem Druck seiner erschöpften Soldaten annahm; er war in eine Falle
gelockt und wurde mit seinem Gefolge niedergemacht. Mesopotamien er-
oberten die Parther zurück; aber den Euphratübergang verteidigte der Quästor
des Crassus, C. Cassius Longinus, der auch in Syrien die Ruhe aufrecht
erhielt. Doch geriet der ganze Orient in Gärung; vielfach erhoffte man von
den Parthern die Befreiung von der römischen Herrschaft. Artavasdes hatte
sich den Parthern angeschlossen; kleinere Aufstände am Amanosgebirge
waren das Vorspiel zu einer parthischen Offensive, die erst 51 v. Chr. mit
der Überschreitung des Euphrats eröffnet wurde. Die Parther holten sich
zwar in der Nähe Antiochiens von C. Cassius eine Schlappe, blieben aber auf
syrischem Boden, so daß mit einem erneuten Angriff auf Syrien oder Kappa-
dokien gerechnet werden mußte. Der Nachfolger des Crassus, M. Bibulus,
verhielt sich passiv; durch die Parthergefahr fühlte sich auch Cicero, der
51/50 V. Chr. Kilikien verwaltete, beunruhigt.^) Man dachte daran, Pompeius
oder Caesar gegen die Parther zu senden; doch es geschah nichts; der zwischen
den beiden ausbrechende Konflikt hielt Rom und den Senat in Atem. Un-
ruhen im Partherreich veranlagten dann im Jahr 50 v. Chr. die Eindringlinge
zum Abzug aus Syrien.
39. Pompeius und Caesar. Die Verlängerung seines Kommandos im
Jahr 55 v. Chr. ermöglichte es dem Caesar, die Eroberung Galliens zu voll-
enden. Im Winter zuvor hatten die germanischen Stämme der Usipeter und
Tenkterer, von den Sueben vertrieben, in der Gegend der Menapier den
Rhein überschritten in der Absicht, sich in Gallien niederzulassen. Caesar
zog ihnen entgegen, bemächtigte sich durch schnöde Hinterlist ihrer Häupt-
linge und vernichtete dann das führerlose Heer durch einen plötzlichen
Überfall unweit der Mündung der Maas in den Rhein; 2) die zufällig ver-
schont gebliebene germanische Reiterei nahmen die Sugambrer auf dem rechten
Rheinufer auf; dadurch sah sich Caesar zu einer militärischen Demonstration
veranlaßt; auf einer eigens geschlagenen Brücke 3) führte er seine Truppen
auf das rechte Ufer, wo die zwischen Lahn und Sieg ansässigen Ubier seine
Verbündeten waren. Die Sugambrer und Sueben flüchteten in den Schutz
ihrer Wälder; nach achtzehntägigem Verweilen ging Caesar über den Strom
zurück, um nun gegen die Moriner zu kämpfen, die auch diesmal nicht völhg
gebändigt wurden. Vom portus Itins aus^) fuhr Caesar mit zwei Legionen
(P. Geoebe, Hermes 42, 1907, 315 flf.). Die dagegen überschritt Caesar den Rhein zwi-
Gefangenen wurden nach Antiocheia Mar- sehen Weißeuturm u. Urmitz ; vgl. Nissen-
giane (östlich vom Kaspischen Meer) ver- i Koenen, Caesars Rheinfestung, Bonn 1899.
schleppt, Pliuius h. n. VI 47. *) Wahrscheinlich Boulogne und nicht
>) Cicero ad fam. XV 1— 4; ad Att.VlS j Wissant. Vgl. über die Kontroverse Haver-
und 20. Cass. Dio XL 28 ff. ! pield. PW IX 2368 ff. Über Caesars Ex-
2) Nach Caesars ziemlich vager Angabe , peditionen nach Britannien s. das Spezial-
(bell. Gall. lA" 15, 2) ; vgl. Cass. Dio XXXIX werk von T. R. Holmes, Ancient Britain
47. Plutarch Caes. 22. Appian. Celt. 1, 4. and the invasions of JtiL Caesar, OydoTCfH^Ol.
Dbumann-Groebe III 260, 3. Holmes, Cae- t Das Datum der Abfahrt bestimmt Heller,
sars conquest of Gaul » 680 ff. 1 Philol. 26, 1867, 670 ff. auf den 27. August
^) Bei Neuwied nach v. Göler. Im J. 53 55 julianischer Rechnung.
238 Römische Geschichte.
nach Britannien hinüber, wo er in der Nähe von Dover landete. Er hegte
den Wunsch, die keltische Insel und ihre Bewohner, die so oft die Stammes-
brüder in Gallien im Kampf gegen Rom unterstützt hatten, aus eigener An-
schauung kennen zu lernen. Mehr als eine solche Rekognoszierung wurde
auch nicht erreicht. In Rom freilich machte die Kunde von der Landung
in Britannien, über dessen Lage und Größe man phantastische Vorstellungen
hatte, Sensation. Nach Züchtigung der Moriner und Menapier legte Caesar
seine Truppen in belgische Winterquartiere; Anfang 54 v. Chr. begab er sich
nach Oberitalien, wohin ihn seine Statthalterpflichten riefen. In Illyricum,
wo dalmatische Pirusten geplündert hatten, sorgte er für Sühne und Schaden-
ersatz. Eine zweite, größere Expedition nach Britannien wurde für das Jahr 54
vorbereitet. Nach Gallien zurückgekehrt, mußte Caesar zunächst Unruhen
bei den Treverern unterdrücken. Dann setzte er im Sommer 54 mit fünf
Legionen und 2000 gallischen Reitern nach Britannien über. Die Landung
verlief ungestört. Einige britische Stämme unterwarfen sich ; aber ein großes
Heer leistete unter dem Oberbefehl des Cassivellaunus Widerstand, der erst
gebrochen wurde, nachdem die Römer die Themse überschritten hatten.
Caesar eroberte den Hauptort des Cassivellaunus und zwang ihn zum Frieden.
Die Briten stellten Geiseln und versprachen auch Tribut, der aber nie ent-
richtet wurde. Von einer Eroberung Britanniens konnte nicht die Rede sein.
Die gemachte Beute, die fast nur aus Kriegsgefangenen bestand, blieb hinter
den Erwartungen weit zurück, i)
Schon bei Gelegenheit des Zuges gegen die Briten hatten sich bei den
Galliern Symptome wachsender Unzufriedenheit gezeigt, namentlich bei den
Treverern, wo Indutiomarus das Haupt einer römerfeindlichen Partei war.
Caesar hatte kurz vor der zweiten Expedition nach Britanien zugunsten
des römischen Parteigängers Cingetorix eingegriffen. Aus Sicherheitsgründen
bestimmte er eine große Zahl vornehmer Gallier als Geiseln zur Teilnahme
an dem britischen Unternehmen, darunter den Aeduer Dumnorix, der jedoch
vor der Abfahrt die Flucht ergriff, aber eingeholt und niedergemacht wurde.
Die Gallier litten unter der Fremdherrschaft, unter dem Zwang des Kriegs-
dienstes und der Kontributionen, unter der einseitigen Bevorzugung der
Römerfreunde. 2) Caesar hatte bisher nur mit den belgischen, aremorischen
und aquitanischen Stämmen Krieg führen müssen, die übrigen, der Kern
des mittleren Galliens, waren ihm verbündet. Aber diese Verbündeten
wurden nicht minder vom Geist der Auflehnung angesteckt als die Unter-
worfenen. Zunächst kam es zu Anfang des Winters 54 53 v. Chr. bei den
belgischen Stämmen zur Empörung: die Eburonen unter Ambiorix über-
fielen die bei ihnen überwinternden fünfzehn Kohorten unter Q. Titurius
Sabinus und L. Aurunculeius Cotta. Die belagerten Römer nahmen den
von den Galliern angebotenen freien Abzug an, wurden aber vor dem Lager
überfallen und vernichtet. In einem anderen Winterlager geriet der Legat
Q. Tullius Cicero, der Bruder des Redners, durch die Nervier in schwerste
') Pluiarch Caes. 23. Cicero ad Att. IV '-) So hatte Caesar 57 v. Chr. bei den
16, 7. 18, 5. Über die zweite britannische Carnuten den Römling Tasgetius zum
Expedition vgl. F.Vogel, N. Jahrb. f. Philol. König eingesetzt. Caes. bell. Call. V 2b.
153 (1896) 269 ff.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§39.) 239
Bedräxignis ; auch die Treverer erhoben sich. Caesar, der schon die Reise
nach Galha cisalpina angetreten hatte, kehrte schleunigst um, besiegte die
Aufständischen und befreite den Cicero ; den Winter über Wieb er im nörd-
hchen Galhen. Im nächsten Frühjahr (53 v. Chr.) ergänzte er sein zusammen-
geschmolzenes Heer durch zwei neu ausgehobene Legionen und eine dritte
von Pompeius entliehene, so daß er im ganzen über zehn Legionen ver-
fügte. Die Nervier, Menapier und andere Insurgenten wurden von Caesar,
die Treverer von Labienus niedergeworfen. Da suebische Krieger den Tre-
verern zu Hilfe gekommen waren, so demonstrierte Caesar durch einen er-
neuten Übergang über den Ehein, ohne daß es zu Kämpfen mit den Sueben,
die sich ins Landesinnere zurückgezogen hatten, gekommen wäre. Zur War-
nung ließ Caesar diesmal die etwas stromaufwärts der früheren geschlagene
Brücke teilweise stehen und durch einen starken Brückenkopf mit einer
Besatzung sichern. Ein strenges Gericht erging über die Eburonen. Nach-
dem Caesar auf einer Häuptlingsversammlung in Durocortorum (Reims) noch
einzelne Römerfeinde bestraft hatte, begab er sich in dem Wahn, die Ruhe
wiederhergestellt zu haben, nach Oberitalien. In Wirklichkeit warteten die
Gallier nur auf eine Gelegenheit, um erneut loszuschlagen. Sie wußten,
daß die Tage von Caesars Kommando gezählt waren und daß in Rom
Krisenluft wehte.
Nach dem Konsulat des Crassus und Pompeius (55 v. Chr.) traten in
Rom anarchische Zustände ein, hervorgerufen durch die Umtriebe der
Demagogen und die Wahlagitation der Ämterjäger, geduldet, ja gefördert
durch Pompeius, der die bedrängte Senatsregierung als den unfreiwilligen
Schrittmacher seiner persönlichen Herrschaft betrachtete. P. Clodius stand
wieder in seinen Diensten; aber auch die Gegner, die von Cato geführten
Optimaten, rührten sich, wie schon die Machtprobe in den Prozessen gegen
A. Gabinius, die Kreatur des Pompeius, gezeigt hatte. Ihre Geschäfte be-
sorgte T. Annius Milo ganz nach der GeAvaltmethode des Clodius. Monate-
lang gab es im Jahr 53 v. Chr. weder Konsuln noch kurulische Magistrate;
nur die Volkstribunen fungierten. Man schlug vor, wie einstens Konsular-
tribunen (S. 63) zu bestellen; ein anderer Antrag forderte die Diktatur
des Pompeius. Auf Ersuchen des Senats ermöglichte Pompeius zuletzt die
Wahl der Konsuln für den Rest des laufenden Jahres (53); als dann für
das nächste Konsulat Milo, P. Plautius Hypsaeus und Q. Caecilius Metellus
Scipio kandidierten, kam es zu Wahlkämpfen in des Wortes voller Be-
deutung; die bewaffneten Banden der Bewerber machten Rom unsicher
und lieferten sich förmliche Schlachten. Die Komitien konnten nicht statt-
finden ; ohne Konsuln und Prätoren mußte das neue Jahr (52 v. Chr.) an-
getreten werden.
Die Dauer dieser Anarchie wurde durch das Ende des Clodius abge-
kürzt. Am 18. Januar 52 v. Chr. wurde dieser Todfeind Milos von dessen
Leuten auf der Appischen Straße erschlagen. Der aufgehetzte Pöbel ver-
brannte die Leiche des Volksbeglückers in der Kurie, die bei dieser Gelegen-
heit in Flammen aufging, und tobte sich dann tagelang mit Mord und
Plünderung aus. Dem Senat blieb nichts übrig als dem Pompeius die Her-
stellung der Ordnung zu übertragen; den seit Sulla ominösen Titel Diktator
240 Römische Geschichte.
vermied man und bestellte im Schaltmonat 52 v. Chr.') den Pompeius zum
alleinigen Konsul {consul sine collega).
Nach dem Erlaß strenger Strafgesetze gegen Gewalttaten, Wahluratriebe
und Bestechung und einer Revision der Richterliste begannen unter dem
Schutz pompeianischer Truppen zahlreiche gerichtliche Verhandlungen gegen
die Urheber der letzten Unruhen. Milo wurde trotz Ciceros Verteidigung
verurteilt und verbannt. Vom Senat ließ sich Pompeius sein spanisches
Kommando um fünf weitere Jahre verlängern; die Kosten für sein Heer
hatte die Staatskasse zu tragen. Jetzt glaubte Pompeius sich stark genug,
um auf Caesar keine Rücksicht mehr zu nehmen; der Tod der Julia (54
v. Chr.) hatte das verwandtschaftliche Band zerschnitten; doch hatte Pom-
peius noch im Jahr 53 die Gefälligkeit, seinem früheren Schwiegervater
Caesar eine Legion zur Verfügung zu stellen (S. 239). Nachdem Crassus
durch den Tod aus dem Bund der Machthaber ausgeschieden war, spitzte
sich die Lage immer schärfer auf den Endkampf zwischen Pompeius und
Caesar zu. In Rom hatte sich die Lage zuungunsten Caesars und seiner
Freunde verschoben. Mehrere Caesarianer wurden verurteilt, ohne daß Pom-
peius einen Finger für sie rührte, während er seine eigenen Anhänger vor
ihren Richtern schützte, wie z. B. den Q. Caecilius Metellus Scipio, mit dessen
Tochter Cornelia er sich inzwischen vermählt hatte.-) Eben diesen seinen
neuen Schwiegervater und nicht den früheren, Caesar, hat sich dann Pom-
peius als Kollegen im Konsulat beigesellt. Daß Caesar durch Volksbeschluß
ermächtigt wurde, sich abwesend um das Konsulat bewerben zu dürfen, war
alles, was seine Vertreter in Rom für ihn erreichten.
Caesar, der sich über die Abkehr des Pompeius im klaren war, mußte
die Dinge zunächst gehen lassen wie sie wollten; denn auf die Nachricht
von den Wirren in der Hauptstadt war in Gallien ein Aufstand losgebrochen,
der ihn nötigte, noch im Winter, Anfang 52 v. Chr., über die Alpen zurück-
zueilen. Gerade die bisherigen Verbündeten Roms rebellierten; überall kamen
Römerfeinde ans Ruder. Die Arverner und Carnuten gaben das Signal, an
die Spitze der Arverner trat Vercingetorix, Sohn des Celtillus, eine be-
deutende Persönlichkeit aus königlichem Geschlecht;^) er brachte eine Reihe
anderer Stämme zum Abfall, selbst die Aeduer wurden unsicher, die Pro-
vinz von Narbo war durch die Aufständischen bedroht, Caesar von seinen
Truppen weit getrennt.
Caesar sorgte zunächst für den Schutz der Provinz, unternahm einen
kühnen Streifzug über die schneebedeckten Cevennen ins Land der Ar-
verner, erreichte sodann von Vienna aus die Lingonen (Plateau von Langres)
und sammelte dort seine Legionen, Von hier marschierte er gegen die Car-
nuten, nahm ihre Hauptstadt Cenabum (Orleans) und ging über die Loire
') Ascon. in Milon. p. 37 Or. p. 31 Scholl:
V Kai. Mart. mense intercaJario. Das Datum
entspricht dem S.Februar des julianischen
Kalenders.
'"') Den hochpolitischen Hintergrund
dieser Ehe hat erst F. Münzer, Rom. Adels-
parteien u. Adelsfamilien, Stuttgart 1920, 1 1903
317 erkannt: „Pompeius, der als Nachfolger [
der großen Seipionen und in höherem
Maße als sie herrschen und gebieten wollte,
meinte ein Recht darauf zu gewinnen
durch die Hand ihrer Erbin" (der Cornelia).
^) Camille Jullian, Vercingetorix, Paris
1901. Deutsch von Sieglerschmidt, Glogau
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§39.) 241
gegen die Biturigen an, deren Hauptort Avaricum (Bourges) er nach längerer
Belagerung eroberte. Vergebens hatte Vercingetorix den wichtigen Platz zu
retten versucht. Nachdem Caesar bei den Aduern Verstärkungen an sich
gezogen hatte, sandte er die eine Hälfte des Heeres unter T. Labienus gegen
die Parisier und deren Nachbarn an der Seine, während er selbst gegen die
Arverner zog und auf Gergovia (etwas südlich von Clermont) rückte, wo
ihm Vercingetorix gegenüber lagerte. Ein Angriff Caesars auf das gallische
Lager schlug fehl, und dieses Mißgeschick, sowie der Abfall der Aduer
zwang die Eömer zum Abzug. Der Aufstand wurde allgemein. In Bibracte
hatten sich fast alle gallischen Stämme der Führung des Vercingetorix
unterstellt. Die römischen Heere waren in Gefahr, von der Provinz ab-
geschnitten zu werden; Caesar wandte sich nach Norden und vereinigte sich
bei den Senonen (bei Sens) mit Labienvis, der inzwischen mit den Auf-
ständischen an der Seine erfolgreich gekämpft hatte, jetzt aber gleichfalls
zurück mußte. Durch das Gebiet der Lingonen und Sequaner, die noch zu
Koni hielten, eilte das vereinigte römische Heer nach Süden, um die Pro-
vinz und Italien zu decken, wurde aber unterwegs bei den Lingonen nahe
an der Grenze der Sequaner von Vercingetorix angegriffen. Die Stärke der
Gallier lag in ihrer zahlreichen Reiterei, die aber von Caesar geschlagen
wurde, wobei germanische Reiter, die er damals in größerer Anzahl in
Sold genommen hatte, die besten Dienste leisteten. i) Vercingetorix zog sich
hierauf nach Alesia im Land der Mandubier (Alise Ste. Reine im Departe-
ment Cöte d'or) zurück, wo er von Caesar eingeschlossen wurde. Die Gal-
lier boten ein großes Entsatzheer auf, aber ihr Angriff auf Caesars starke
Linien mißlang nach langen und schweren Kämpfen; sie wurden geschlagen,
und der Hunger trieb den Nationalhelden Vercingetorix endlich zur Über-
gabe (52 V. Chr.). Das Bündnis der gallischen Stämme löste sich auf. Der
entscheidende Sieg wurde in Rom mit Dankfesten begangen.
Die Hauptarbeit war getan, wenn auch die völlige Unterwerfung der
Aufständischen sich unter mannigfachen Kämpfen Caesars und seiner
Legaten noch bis in den Sommer 51 v. Chr. hineinzog. Besonders zäh war
der Widerstand der Bellovaker (bei Beauvais) und ihrer Nachbarn. Das
letzte größere Unternehmen war die Belagerung und Eroberung von Uxello-
dunum^) im Lande der Cadurker. Den folgenden Winter (51/50 v. Chr.) ver-
brachte Caesar wie den vorigen im transalpinischen Gallien bei den Atre-
baten (Arras), bereiste dann die cisalpinische Provinz und hielt endlich im
Gebiet der Treverer als Schlußakt des Krieges eine Heerschau über alle
seine Truppen ab (50 v. Chr.). Wenn auch noch vieles unfertig blieb, das
Hauptwerk, die endgültige Eroberung der gallischen Landschaften am linken
Rheinufer war im wesentlichen vollendet. Die Einzelheiten der Einrichtung
der neuen Provinz sind nicht bekannt; die Rechtsstellung der gallischen
Stämme, von denen nicht wenige zu Rom im Bundesverhältnis standen,
^) Caesars Bericht bell. C4all. VII 66 £f. 1 ^) Uxellodunum ist wahrscheinlich Puy
ist dürftig. Vgl. Plutarch Caes. 26. Über d'Issolu bei Vayrac an der Dordogne. Au-
dio germanischen Eeiter vgl. bell. Gall. dere haben sich für Luzech am Lot west-
VII 65, 4. Caesar hatte schon von Anfang lieh von Cahors entschieden. Vgl. Holmes,
an germanische Reiter bei sich, bell. Gall. ! Caesar's conquest of Gaid'^ 489 ff.
VII 13, 1. i
Handbuch der klacs. Altertnmswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 16
242 Römische Geschichte.
war verschieden abgestuft. Die Gallier waren zur Kriegshilfe verpflichtet;
außerdem legte ihnen Caesar eine feste Abgabe {stipendium) auf.') Die ver-
söhnende Politik des milden Siegers hat das Land auch moralisch erobert;
die reichen Hilfsmittel Galliens standen ihm von nun an zur Verfügung.
Aber es war auch höchste Zeit, daß Caesar mit seinen politischen Gegnern
in Kom abrechnete.
Während der großen Insurrektion jenseits der Alpen hatte für die Sicher-
heit der cisalpinischen Provinz und Illyricums nichts geschehen können.
Wiederholt griffen die dalmatischen Stämme die Küstenplätze an; 52 v. Chr.
wurde Tergeste von den Istrern überrumpelt. Erst im nächsten Jahr konnte
Caesar eine Legion nach Gallia cisalpina entsenden. 2)
Nachdem der gallische Aufstand niedergeworfen und die Gefahr, in der
auch Italien geschwebt hatte, gebannt war, wurde die Frage der Nachfolger-
schaft Caesars im gallischen Kommando brennend. >^) Bei den Optimaten
hatte Caesar längst Besorgnis erregt. »Sein Kriegsruhm und sein Geld —
er ließ auf seine Kosten Rom und die Provinzen durch Bauten verschönern —
warben ihm viele Anhänger. Daher setzten seine Gegner alle Hebel gegen
seine bedrohliche Machtstellung in Bewegung. Je mehr sich Pompeius den
Optimaten näherte, desto schärfer wurde der Gegensatz zwischen ihm und
seinem einstigen Bundesgenossen Caesar. Dieser hatte ja durch ein Plebiszit
die Erlaubnis erhalten, sich abwesend, also noch im Besitz von Heer und
Provinz, um das Konsulat zu bewerben, und gedachte für das Jahr 48
V. Chr. zu kandidieren; es fragte sich, ob dieses Privileg unangetastet
bleiben sollte.*) Inzwischen war der Modus der Besetzung der Statthalter-
schaften abgeändert w^orden, zuerst durch ein Senatskonsult vom Jahr 53,
dann im folgenden Jahr endgültig durch ein Gesetz des Pompeius;^) diese
lex Pompeia verfügte, daß die Magistrate nicht wie bisher gleich nach Ab-
lauf ihres städtischen Amtsjahres die Verwaltung einer Provinz übernehmen
sollten, sondern erst fünf Jahre später. Damit war aber die Möglichkeit
gegeben, für Caesar unmittelbar nach dem Endtermin seiner Statthalter-
schaft (1. März 50 V. Chr.)^) und noch vor der Bewerbung um das Konsulat,
^) 40 Millionen Sesterzen (reichlich 7 Mil- Konsul M. Claudius Marcellus beantragt
liouen Goldmarkl nach Sueton Jul. 25. worden. Vgl. dagegen O.Hikschfeld a.a.O.
■■') Caes. bell. Gall. YIII 24, 3. ^) Das Ende von Caesars galHschem
^) Zum Folgenden F. Hofmann, De ori- Kommando war nach dem Zeugnis der
gine heUi. civilis Caesariam, Berlin 1857. — Zeitgenossen dadurch bedingt, daß nach
Th. Mommsen, Die Rechtsfrage zwischen dem Gesetz des J. 55 v. Chr. nicht vor dem
Caesar und dem Senat (1857). Ges. Sehr. 1. März 50 v.Chr. im Senat über die Nach-
lY 92 ff. — H. Nissen, Hist. Zeitschr. 46, folgerschaft verhandelt werden durfte.
18S1.48ff. — O.Hikschfeld, Kl. Sehr. 310 tf., Nach der früheren Ordnung der h'x Sem-
324 ff. — L. Holzapfel, KHo III 213 tf. IV prouia (oben S.176) hätte Caesar de facto
327ff. V107tf. — DEüMÄNN-GROEBElII720ff. noch das ganze J. 49 über seine Provinz
— W. Judeich, Rhein. Mus. 68, 1913, 1 ff . — behaupten können, da erst einer der Kon-
Ed. Meyer, Caesars Monarchie usw. 157, 1. suln von 49 als Nachfolger in Betracht
— R. Laqceür, Neue Jahrbücher 45, 1920, gekommen wäre. Das Gesetz des Pom-
241 ff'.. 47. 1921, 233 ff. peius aber schuf eine neue Lage. Denn
■•) In der Tat wurde dieses Privileg von nunmehr konnten gleich nach dem I.März
M. Claudius Marcellus, Konsul 51 v. Chr., 50 einem der zur Verfügung stehenden
angefochten. Livius per. 108. Konsulare aus früheren Jahren die galli-
'") Cass. Dio XL 56. Mommsen, Staatsr.
11^ 241 ist der Meinung, das Gesetz sei
erst ein Jahr später, 51 v. Chr., durch den
sehen Provinzen überwiesen werden. Pom-
peius war nur zu dem Zugeständnis bereit,
die Frist für Caesars Verbleiben im Kom-
6. Vierte Periode : Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). i,§ 39.) 243
einen Nachfolger zu bestellen. Für Caesar aber war die Beibehaltung seiner
Provinz bis zum Antritt eines neuen Amtes, des Konsulats, geradezu eine
Lebensfrage, da nur die Kontinuierung seiner Amtseigenschaft ihn gegen
gerichtliche Angriffe, denen er als Privatmann nicht hätte entgehen können,
immun machte. Nur als Konsul war er in der Lage, seine Veteranen zu
belohnen und die in der Provinz getroffenen Verfügungen bestätigen zu.
lassen, so z.B. die bisher umstrittene Anerkennung des Bürgerrechts der
Transpadaner. ^)
Das Problem der Abberufung Caesars aus Gallien beschäftigte die Ge-
müter seit 51 V. Chr.; schon damals bekannte Pompeius Farbe: statt in seine
Provinz zu gehen, wie er sich zuweilen den Anschein gab, verblieb er in
Italien, um seinen Einfluß gegen Caesar geltend zu machen. Beim Volke
war übrigens Caesar der Beliebtere. Seine Sache vertrat geschickt und
skrupellos der von ihm gekaufte Tribun des Jahres 50, C. Scribonius Curio,
der verlangte, daß beide Rivalen, Pompeius nicht minder wie Caesar, Pro-
vinzen und Heer aufgeben sollten. Diese friedliche Lösung, die jedoch Curio
nur aus taktischen Gründen empfahl, wäre auch nach dem Sinn der Senats-
mehrheit gewesen, die keineswegs mit Pompeius durch dick und dünn gehen
mochte. Wie der Senat, so zitterte auch das Landvolk und die Geschäfts-
welt Italiens vor den Schrecken eines neuen Bürgerkriegs. Aber Pompeius
und die extremen Optimaten wollten die Macht Caesars ein für allemal
brechen. So scheiterten alle Vermittlungsversuche: die Kluft war unüber-
brückbar. Es erschien als Symptom der nahenden Krisis, daß unter dem
\ orwand des parthischen Kriegs dem Caesar zwei Legionen entzogen wurden,
die aber in Italien blieben. Caesar ersetzte diesen Verlust sofort. Doch war
er zu dem Kompromiß erbötig, sein Heer größtenteils zu entlassen und das
transalpinische Gallien abzugeben, sofern er die cisalpinische Provinz und
einige Truppen bis zum Antritt des Konsulats behalten durfte. Da die
Gegner darauf nicht eingingen, blieb nur noch der Appell an die WaflPen;
Caesar ließ seine Legionen marschieren; er selbst begab sich etwa im De-
zember 50 V. Chr. ins diesseitige Gallien, wo er sich in Ravenna nahe an der.
Grenze Italiens aufhielt. Er war wohl gerüstet und konnte sich auf die
Ergebenheit und die Schlagkraft seiner geschulten Armee verlassen. Aber
auch Pompeius war zuversichtlich; als er gegen Ende des Jahres in Neapel
erkrankte, bezeigte ihm ganz Italien seine Teilnahme; über die Stimmung
der Truppen Caesars kursierten ungünstige Gerüchte. Es kam endlich soweit,
daß der Konsul C. Claudius Marcellus auf die falsche Kunde von Caesars
maiido bis zum 13. November 50 zu ver- queuk sucht diese schon von Napoleon III
längern (Caelius, Cic. ad fam. VIII 11, 3; ! geäußerte Ansicht, „wohl die unmöglichste
vgl. 0. Hirschfeld, Kl. Sehr. 316 f.). Der von allen" (Hieschfeld a. a. O. 314), mit
1. März 50 V. Chr. scheint ursprünglich • neuen, aber nicht durchschlagenden Ar-
als gemeinsamer Endtermin für alle drei
Triumvirn, Crassus, Pompeius und Caesar,
festgelegt worden zu sein (Ed. Meyer, s.
Anm. 3). A. Laqueue (s. Anm. 3) will das
Konsulatsjahr Caesars (59 v. Chr.) vom
gumenten zu begründen.
') Schon in den Anfängen seiner Lauf-
bahn, im J. 68, hatte Caesar den Trans-
padanern das Vollbürgerrecht versprochen
(Suet. Jul. 8). Im J. 65 wollte Caesars
ersten Tag an zugleich als erstes Jahr Bundesgenosse Crassus die Transpadaner
seiner Statthalterschaft zählen und erklärt j in die Censuslisten der Bürger eintragen.
demgemäßdenletztenDezember50 v.Chr. j Cass. Dio XXXVII 9, 3.
als Endpunkt der zweimal fünf Jahre. La- |
16*
244 Römische Geschichte.
Anmarsch hin im Senat die Erklärung des Kriegszustandes beantragte und
dem Pompeius auf eigene Faust das Kommando der beiden in Capua liegenden
Legionen übertrug:') auch begann man mit Aushebungen.
Am 1. Januar 49 v. Chr. traten zwei Gegner Caesars das Konsulat an,
L. Cornelius Lentulus und C. Claudius Marcellus, ein Vetter seines gleich-
namigen Amtsvorgängers. Sie brachten die Sache sofort zur Entscheidung.
Nach langen Verhandlungen vom 1. bis 7. Januar wurde beschlossen, Caesar
habe bis zu einem bestimmten Tag das Heer zu entlassen und seine Pro-
vinzen zu räumen. Um den Einspruch der caesarianischen Volkstribunen
M. Antonius und Q. Cassius zu beseitigen, wurde der Belagerungszustand
verhängt. Vorschläge zur Verständigung kamen nicht zur Geltung: Cicero,
der am 4. Januar aus der Provinz Kilikien vor Rom ankam, hat nochmals
zu vermitteln versucht, aber vergebens; die Führer der Optimaten, auf deren
Kosten ein gütlicher Ausgleich gegangen wäre, drängten zum Bruch ; auch
Pompeius wollte den Krieg. Die caesarianischen Tribunen flohen zu Caesar.
Man übertrug dem Pompeius den Oberbefehl, verfügte über die gallischen
Provinzen ^) und machte in ganz Italien mobil.
40. Der Bürgerkrieg.") Caesar hätte den Bürgerkrieg am liebsten ver-
mieden; er hat wiederholt die Hand zum Frieden geboten. Als er sich aber
von der Unversöhnlichkeit seiner Gegner überzeugt hatte, riß er die Initiative
an sich: mit der Legion, die er gerade zur Hand hatte, überschritt er den
Rubico, das Grenzflüßchen seiner Provinz, um als Feind in das eigentliche
Italien einzumarschieren: der Würfel war gefallen. Im ersten Anlauf über-
rannte er die Städte von Ariminum bis Ancona und gewann auch Arretium,
den Schlüssel zu Etrurien.'^) Diese überraschende Bedrohung Mittelitaliens
veranlaßte den Pompeius, die Magistrate und den Senat, Rom schleunigst
zu verlassen (17. und 18. Januar); die Staatskasse ließ man zurück. Pompeius
erkannte die augenblickliche militärische Überlegenheit des Gegners: er faßte
daher den Entschluß, schlimmstenfalls Italien ganz zu räumen, jedoch möglichst
viele Truppen mit sich zu nehmen, um später das Land von allen Seiten
anzugreifen und wieder zu erobern. Dieser strategisch richtige Gedanke
wurde aber nicht von allen seinen Parteigängern begriffen. Die Schnellig-
') Vgl. C. Bardt, Hermes 45, 1910, 337 ff. maneheTatsachen entstellt, wie aus Ciceros
-) Das jenseitige Gallien fiel dem L. Do- Briefen hervorgeht. Als Quelle kommt
mitius Ahenobarbus zu. auch das Epos des Lucanus. Pharsalla,
^) Vgl. A. V. GöLEE, Caesars gall. Kriege in Betracht, das ohne Zweifel auf Livius
Bd. 2. Hifttoire de Jules Cesar, (/uerre ci- zurückgeht und historisch Wertvolles ent-
vih, par Je colonel Stoffel, Paris 1887. hält. Dazu die alten Schollen. Scholia in
Gloede, Über die Quellen des Pompejan. Lucani hell. civ. ed. H. Usexer I, Leipzig
Bürgerkrieges!, Kiel 1871. O. Basinek, 1869. Vgl. L. Wilhelm, Livius und Caesars
De hell. civ. Caesariano, Moskau 1883. Ferner j bell, civ., Diss. Straßburg 1901.
NissENS S. 242 A. 3 zitierten Aufsatz. O. E. *) Der entscheidende Senatsbeschluß
Schmidt, Der Briefwechsel des M. Tullius wurde am 7. Januar gefaßt, am Abend
Cicero von seinem Prokonsulat in Cilicien dieses Tages reisten die beiden Tribinien
bis zu Caesars Ermordung (Leipzig 1893) zu Caesar ab, den sie schon in Ariminum
und W. Judeich, Caesar im Orient (Leipzig antrafen, also nach Überschreitung des
1885) 51 ff. Caesars eigene Darstellung Rubico. Es ist daher wahrscheinlich, daß
im fef//«»« f/r/7<? ist eine tendenziöse Selbst- Caesar den Rubico überschritt, ehe er
apologie. Vor allem liegt ihm daran, seine von dem Senatsbeschluß des 7. Januar
Milde und Friedensliebe hervorzuheben. Kenntnis hatte, anders als er selbst (bell.
Er will zeigen, daß er nur gezwungen civ. I 7) es darstellt.
zu den Waffen gegriffen habe, und hat
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§40.) 245
keit Caesars, dem während des Vormarsches wiederholt Verstärkungen zu-
gingen, störte die Mobihnaehung in Mittelitalien. Caesar besetzte Umbrien
und Picenum; Unterhandlungen, die inzwischen angeknüpft wurden, hatten
kein Ergebnis. Man verlangte von ihm, daß er die besetzten italischen
Plätze aufgeben und in seine Provinz zurückgehen solle, wozu er sich nicht
verstand. Denn dadurch hätten die Gegner Zeit für ihre Rüstungen gewonnen.
Vielmehr nutzte Caesar seinen Vorsprung nach Kräften aus. In Corfinium^)
versuchte L. Domitius den Caesar aufzuhalten, in der Hoffnung auf die Hilfe
des Pompeius. Aber Pompeius setzte seinen Abzug fort, und Domitius, der
sich auch von den eigenen Truppen, die zu Caesar übergingen, im Stich
gelassen sah, hatte sein gewagtes Spiel verloren, Caesar setzte dem Pompeius
bis Brundisium nach; er schlofs die Stadt ein, vermochte aber die Einschiffung
des Gegners nicht zu verhindern. Am 17. März fuhr Pompeius mit dem
letzten Truppentransport nach Illyrien hinüber. Das caesarianische Heer war
seinem Führer treu geblieben; nur der tüchtigste seiner Legaten, T. Labienus,
war gleich zu Beginn des Krieges auf die Seite des Pompeius getreten. Der
rasche Erfolg gab ganz Italien in die Hand Caesars. Ein großer Teil der
gegnerischen Truppen war gefangen genommen. Caesar reihte sie in sein
Heer ein und unternahm selbst umfangreiche Aushebungen in Italien.^) Auch
Sizilien und Sardinien konnten von den Pompeianern nicht behauptet werden.
Die Provinz Sizilien war dem Cato zugefallen, wurde aber ohne Widerstand
geräumt und in Caesars Auftrag von C. Scribonius Curio besetzt.^)
In Rom war das bei der Flucht der Magistrate eingetretene Justitium
bereits aufgehoben, und noch ehe Caesar hier eintraf, fungierten einige
Magistrate; auch ein Teil der Senatoren fand sich ein. Schon am 11. März
w^urde ein Gesetz eingebracht,^) das den Transpadanern das Bürgerrecht
verlieh. Caesar, der seine vornehmen Gefangenen ohne weiteres freiließ,
hatte sich durch die Milde, die er übte, beliebt gemacht, während über
den Drohungen der Pompeianer sogar deren Freunde Furcht vor ihrer sieg-
reichen Wiederkehr beschlich. In Rom selbst stieß Caesar zunächst auf
Schwierigkeiten; er brauchte Geld und wünschte dringend die Anerkennung
des Senats; indes der Volkstribun L. Metellus protestierte und widersetzte
sich der Öffnung des verschlossenen Ärars, bis er gewaltsam entfernt wurde.
Der Senat beschloß eine Friedensgesandtschaft an Pompeius, die jedoch nicht
zur Ausführung kam. Übrigens verweilte Caesar zur Erledigung der not-
Avendigsten Geschäfte nur kurz (sechs bis sieben Tage) bei der Stadt, um
sich dann mit den in Gallien gebliebenen Truppen gegen die kriegsgeübten
Heere des Pompeius in Spanien zu wenden, sieben Legionen unter L. Afranius,
M. Petreius und M. Terentius Varro. Unterwegs wurde er dadurch auf-
gehalten, daß die Republik Massalia ihm die Tore verschloß und sich für
neutral erklärte. Mit der Neutralität wollte Caesar sich nicht begnügen;^)
') G. Veith, Klio XIII, 1913. 1 ff. ab. Cicero ad Att. X 16, 3.
•-) Vgl. Cicero ad Att. IX 18, 4: A. v.Doma- ') Cicero ad Att. IX 1, 2. 12, 3. Mommsen,
szEWSKi, N. Heidelb. Jahrb. 4 (1Ö94) 1.57 ff. ; Ges. Sehr. I 184 ff.
^) Sardinien und Sizilien wurden erst °) Caesars Behauptung (bell. civ.I 34 ff.),
nach der Abreise Caesars von Rom be- die Massalioten hätten durch Verletzung
setzt. Cato fuhr am 23. April {= 3. März j der Neutralität, nämlich durch Aufnahme
des julianischen Kalenders) aus Syrakus des Domitius, den Angriff Caesars heraus-
246 Römische Geschichte.
er begann sogleicli mit drei Legionen die Belagerung, die er selbst über
einen Monat lang leitete. Inzwischen waren seine Legaten in Spanien ein-
gerückt, wo bei Ilerda (Lerida) nördlich vom Ebro sechs caesarianische Legionen
fünf pompeianischen gegenüberlagen. ') Caesar bot nach seinem Eintreffen
sofort die Schlacht an, erlitt aber eine Schlappe und geriet überdies durch
Hochwasser infolge der Schneeschmelze in Bedrängnis. Aber bald wandte
sich das Blatt, Caesar erhielt aus Gallien Reserven und Proviant, und die
Pompeianer beschlossen den Rückzug nach Süden hinter den Ebro, ver-
mochten jedoch den Flußübergang bei Octogesa nicht zu erreichen; Caesar
holte sie ein und erzwang schließlich ihre Kapitulation (2. August 49 v.Chr.).-)
Darauf mußte auch Varro, der im jenseitigen Spanien für Pompeius rüstete,
sich ergeben. Die pompeianischen Truppen blieben, sow^eit sie nicht entlassen
wurden, in Spanien, aber in Caesars Diensten. Nach Unterwerfung der
spanischen Provinzen ^) eilte Caesar nach Italien zurück. Wieder vor Massalia
angelangt, fand er die Stadt reif zur Übergabe ; seine Flotte hatte inzwischen
die Massalioten zweimal besiegt und von der See abgeschnitten : auch zu Land
hatten die Belagerer Fortschritte gemacht.^) Nun ergab sich die Stadt dem
Caesar. Sie mußte Schiffe und Waffen ausliefern, eine Kontribution zahlen
und eine Besatzung aufnehmen: sie verlor ihre Selbständigkeit und über-
dies später den größten Teil ihres Gebiets; erst nach einiger Zeit wurde
ihr die Freiheit wieder geschenkt.
In Afrika war den caesarianischen Waffen das Glück nicht hold. Dort
hatte^ sich der Pompeianer P. Attius Varus festgesetzt, unterstützt vom nu-
midischen König Juba. Curio fuhr im Sommer 49 v. Chr. mit zwei Legionen
von Sizilien nach Afrika hinüber, um sich der Provinz zu bemächtigen. Seine
Truppen, die früheren Pompeianer von Corfinium, waren unzuverlässig, und
er hatte keine leichte Aufgabe. Gleichwohl war er anfangs siegreich und
begann Utica zu belagern, mußte aber, als Juba mit starker Macht heran-
zog, auf seine frühere befestigte Stellung zurückgehen. Er ließ sich dann
verleiten, die Numider unter ungünstigen Umständen am Fluß Bagradas
anzugreifen und fand mit seinem Heer den Untergang. Nur wenige ent-
kamen, darunter C. AsiniusPollio, der nachmalige Historiker der Bürgerkriege.
Inzwischen hatte Pompeius in Makedonien sein Hauptquartier auf-
geschlagen. Thessalonike wurde Sitz des Senats, in Beroia befand sich das
Heerlager; die Streitkräfte des ganzen Orients wurden ^dorthin entboten. Es
kamen neun römische Legionen zusammen, dazu die zumeist berittenen
Hilfstruppen der verbündeten Völker und Könige. Selbst der Gete Byrebistas
stellte solche in Aussicht.-^) Von den Seestaaten des Ostens gestellt, sammelte
sich eine große Flotte im adriatischen Meer, besetzte die epirotischen und
gefordert, ist wahrscheinlich eine absieht- treffen bei Ilerda in 40 Tagen vollzogen,
liehe Entstellung der Wahrheit. Domitius ■•) Der Bericht Caesars (bell. civ. 134 ff.
ist wohl erst in Massalia eingetroffen, nach- .56 ff. II 1 ff".) von der Belagerung Massalias
dem Caesar den Angriff schon eröffnet ist verfälscht. Vgl. Cassius Dio XLI 19. 25.
hatte. Sueton. Nero 2. i Beachtung verdient Lucanus (Pharsal. III
') R.Schneider. Ilerda, ein Beitrag zur j 300 ff.); einzelne Nachrichten bieten die
röm. Kriegsgeschichte, BerUn 1886. Scholien zu v.37ö.381.453.524. Vgl.FROEH-
^) Am 10. Juni des Julian. Kalenders.
') Nach Caesar bell. civ. II 32, 5 hat sich
die Eroberung Spaniens nach seinem Ein-
NER. Benie archroJ. 3 me sf^r. 18 (ISm) 321 ff'.
°) SIG ir ur. 702. Z. 32 ft'. Vgl. Cicero
ad Att. IX 10, 3.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§40.) 247
illyrischen Küstenplätze und Inseln und vertrieb unter M. Octavius und
L. Scribonius Libo die Caesarianer aus dem nördlichen Illyrien. Caesars
Legaten P. Cornelius Dolabella und C. Antonius, konnten sich nicht be-
haupten. Ersterer mußte weichen, und Antonius, der ihm zu Hilfe kam,
wurde auf der Insel Schwarz-Korkyra (Curzola) eingeschlossen und mit
fünfzehn Kohorten gefangen genommen. Der größte Teil der illyrischen
Küste fiel den Pompeianern zu.
Caesar, der durch den Prätor M. Lepidus zum Diktator ernannt worden
war, traf in Rom ein, wo er für das Jahr 48 v. Chr. sich selbst zusammen
mit P. Servilius Isauricus zum Konsul wählen ließ. Daß er kein einseitiges
Parteiwesen, sondern ein gerechtes Regiment des sozialen Ausgleichs an-
strebte, zeigte er durch die besonnene Art, wie er den Geldmarkt und die
Schuldverhältnisse regulierte. Viele Verbannte ließ er zurückrufen. Auch
diesmal blieb er nur wenige Tage in Rom, dann legte er die Diktatur nieder
und begab sich noch vor Ende 49 v. Chr. nach Brundisium. Unterhandlungen
mit Pompeius zerschlugen sich. Obwohl die Flotte der Pompeianer die Adria
beherrschte, war Caesar doch gesonnen, möglichst bald nach Makedonien
überzusetzen, um einem Angriff des erstarkten Gegners auf Italien zuvor-
zukommen. Er konnte sich auf sein schlagfertiges Heer verlassen, nachdem
er kürzlich an der meuternden neunten Legion ein Exempel statuiert hatte.
Pompeius dagegen hatte viel ungeübtes Rekrutenmaterial und war durch
die Rücksicht auf seine vornehme Gefolgschaft gehemmt.
Am 6. November 49 v. Chr. i) schiffte sich Caesar mit sieben Legionen
in Brundisium ein, 2) landete unbemerkt an den Akrokeraunien 3) südlich von
Orikos und besetzte diesen Ort, sowie das benachbarte Apollonia; von hier
marschierte er auf Dyrrhachion : aber dieses sein Arsenal konnte Pompeius
rechtzeitig decken; beide Heere gingen südlich von Dyrrhachion am Apsus-
fluß in Stellung, wo sie sich lange fast untätig gegenüberlagen. Caesar
wartete mit Schmerzen auf den Rest seiner Truppen; aber die feindliche
Flotte, die jetzt auf der Hut war, verhinderte die Überfahrt. Eine Abteilung,
die Gabinius auf dem Landweg heranführen wollte, wurde von den Illyriern
aufgerieben. Endlich glückte dem M. Antonius mit vier Legionen die Landung
in der Nähe von Lissos und darauf die Vereinigung mit Caesar. Da Pompeius
eine Feldschlacht ablehnte, so kam es zwischen Dyrrhachion und dem neuen
Lager des Pompeius bei Asparagion zu einem großartigen Stellungskrieg,
wobei Caesar versuchte, den Gegner durch ein System von Schanzlinien
einzuschließen. Aber nach vielen kleineren Gefechten erlitt Caesar eine
empfindliche Niederlage, die ihn zur Räumung seiner Linien zwang: er ging
nach Apollonia zurück und wandte sich von hier nach Thessalien. Pompeius
folgte. Auf das Drängen seiner Umgebung wagte Pompeius bei Pharsalos
^) Dieses Datum des julianisehen Kalen-
ders entspricht dem 4. Januar des J. 706
der Stadt.
2) Über den illyrisch -makedonischen
Feldzug vgl. Heuzey et Daümet, Mission
ctfchf'oJogique de Macedoine 347 ff. (PI. H).
zug von Dyrrhachium zwischen Caesar
und Pomp., Wien 1920. Über Orikos und
Apollonia C. Patsch, Das Sandschak Berat
in Albanien (Kais. Akad. d. Wiss. zviWien.
Schriften d. Balkankommission. Antiquar.
Abteil. III), Wien 1904.
L. Heuzey, Les Operations militaires de Jules ^) Bei Palaeste nach Lucan V 460. Bei
Cesai-, Paris 1886. Stoffel. Histoire de Jules \ Caesar bell. civ. III 6, 3 ist der Name -durch
Craa;- 1, 349 ff. PI. 12 f. G.Yeith, Der Feld- j eine Textkorruptel entstellt.
248 Römische Geschichte.
die Schlacht (7. Juni 48 v, Chr.).') Das mehr als doppelt so starke Heer
des Pompeius wurde völlig geschlagen.'-^) Der besiegte Feldherr floh über
Mytilene zu Schiff nach Osten. Er dachte daran, sich nach Afrika oder zu
den Parthem zu begeben, entschloß sich aber nach einigem Zaudern, bei
dem König von Ägypten, dem Sohn seines Schützlings Ptolemaios Auletes,
Zuflucht zu suchen. Aber bei der Landung in Pelusion wurde der un-
gebetene Gast im Alter von 58 Jahren ^) auf Befehl des jungen Königs
ermordet.
Caesar hatte sich nach dem Sieg sogleich zur Verfolgung des Pompeius
aufgemacht und ging über den Hellespont zunächst nach Asien, wo er einige
Zeit verweilte. Er nahm die Unterwerfung der Provinz entgegen und hat
sie bei dieser Gelegenheit durch Verbesserung der Steuerverfassung entlastet.'*)
Sowie er vernahm, wohin Pompeius sich gewandt hatte, eilte auch er nach
Ägypten. Aber als er in Alexandrien eintraf, war sein Gegner schon eine
Leiche. Caesar mischte sich in den ägyptischen Thronstreit ein.^) Ptolemaios
Auletes, gestorben 51 v. Chr., hatte vier Kinder hinterlassen, zwei Söhne
und zwei Töchter, und die beiden ältesten, Ptolemaios XIV und Kleopatra
zu gemeinsamer Regierung als Thronerben eingesetzt.*^) Aber die beiden Ge-
schwister hatten sich entzweit und Kleopatra war von den Alexandrinern ver-
jagt worden. Caesar beanspruchte im Namen des römischen Volkes das Schieds-
richteramt und benutzte die Gelegenheit zur Eintreibung einer alten Ehren-
schuld des Ptolemaios Auletes (oben S. 230 Anm. 5). Überhaupt war er während
des ganzen Krieges bestrebt, auch seine finanzielle Rüstung nach Möglich-
keit zu verstärken. Den jungen König brachte er in seine Gewalt und nahm
sich der vertriebenen Kleopatra an, die er heimlich nach Alexandrien zurück-
rief; die pikante Levantinerin wußte den für weibliche Reize nicht unempfäng-
lichen Römer für sich zu gewinnen. Die Alexandriner waren von Anfang
an durch die Herrengeste, mit der Caesar sich über ihre Selbständigkeit
hinwegsetzte, verletzt; die Rückführung der Kleopatra steigerte die Er-
regung. Doch konnte Caesar, der nur wenige Truppen bei sich hatte, die
Alexandriner dadurch beschwichtigen, daß er Ptolemaios und Kleopatra
feierlich zu Königen Ägyptens proklamierte und zugleich dem jüngeren
Ptolemaios und seiner Schwester Arsinoe die Insel Kypros zurückgab.'') Aber
') Es war der 9. Sextilis des unberieh- ] •') Vgl. Judeich, Caesar im Orient 57 tt".
tigten römischen Kalenders.
2) Über Ort und Verlauf der Schlacht
vgl. außer den schon zit. Schriften Leake,
Heinr. Jung, Caesar in Ägyi>ten 48/47 v.Chr.,
Progr. d. Gymn. zu Mainz 1900. Der Be-
richt Caesai-s (bell. civ. III 103 ff.) und seine
Travels in Northe?-n Grcece lY 4:70 fi'. Hevzey \ Fortsetzung im BeUum Alexandrhuun ist
a.a.O. 91 ff. Kkomayek, Antike Schlacht- retuschiert und muß durch Plutarch,
felder II 401 ff'. Appian, Cassius Dio und die liviani;
') Cass. Dio XLII .5. Velleius II 53, 3. sehe Überlieferung berichtigt und ergänzt
Nach Plutarch, Pomp. 79 hat er 59 Jahre werden.
erreicht. Auch der Todestag wird nicht *) Die beiden Geschwister wurden nach
übereinstimmend überliefert. Nach Vel- ägyptischer Sitte zugleich miteinander
leius starb er einen Tag vor seinem Ge- vermählt. Kleopatra, geb. 69 v. Chi-., war
burtstag, der auf den 29. September fiel älter als Ptolemaios, der damals erst drei-
(Plin. hist. nat. 37, 13), nach Plutarch einen zehn Jahre zählte. M. L. Strack, Die
Tag später, nach Cass. Dio am Geburts- Dynastie der Ptolemäer S. 210 f.
tag selbst. Vgl. Dkumann-Groebe III 470. ') Cass. Dio XLII 35, 5. Aus guten Grün-
*) Cass. Dio XLII 0, 3. Plut. Caes. 48. j den schweigt Caesar davon.
Ein Jahr später nach Appian bell. civ. II 92. j
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§40.) :249
die Partei des Ptolemaios ^ gab sich damit nicht zufrieden, sondern wollte
den Römer aus Ag3'pten vertreiben. Das ptolemäische Heer unter Achillas
rückte von Pelusion in Alexandrien ein, und Caesar, der auf die Königs-
burg und ihre Umgebung beschränkt war und sich hier befestigte, mußte
sich in täghchen Kämpfen mit den Feinden messen. Er hefs sogar die Kriegs-
flotte und die Schiffshäuser in Brand stecken, damit sie nicht den Ale-
xandrinern in die Hände fielen ; damals wurde auch die berühmte Bibliothek
ein Raub der Flammen. Caesar beherrschte die See, und so konnten ihm
Vorräte und einzelne Verstärkungen zugehen. Aber die Macht der Angreifer
wuchs; Arsinoe entkam aus dem Palast und wurde zur Königin ausgerufen,
durch sie wurde Achillas beseitigt und der Eunuch Ganymedes mit der
Leitung des Krieges beauftragt; der neue Befehlshaber machte Caesar auch
die See streitig. Caesars Versuch, die Insel Pharos zu nehmen, wurde mit
schwerem Verlust zurückgeschlagen, wobei er selbst in Lebensgefahr geriet.
Aber jetzt nahten die von Caesar aufgebotenen Kontingente; Mithridates
von Pergamon, ein Sproß des galatischen Fürstenhauses, führte aus Kilikien
und Syrien ein Heer heran und eroberte Pelusion. Nunmehr suchten die
Alexandriner um Frieden nach, und Caesar entließ auf ihre Bitte den jungen
Ptolemaios aus der Haft. Mit ihrem König an der Spitze zogen die Ale-
xandriner dem Mithridates entgegen. Aber schon hatte sich Caesar mit
seinem Bundesgenossen vereinigt; in einem Treffen am Nil erlagen ihm die
Alexandriner. Ptolemaios ertrank auf der Flucht. Der Krieg war zu Ende.
Alexandrien mußte sich dem Sieger ergeben (27. März 47 v. Chr.). 2) Kleopatra
wurde mit ihrem jüngei-en Bruder Ptolemaios XV vermählt und als Herrscherin
in Ägypten und Kypros anerkannt. Caesar verbrachte den Rest des Winters
an ihrer Seite unter rauschenden Festen; sie gebar ihm später einen Sohn,
den (Ptolemaios) Kaisarion. Ln Frühjahr 47 v. Chr. verließ Caesar nach im
ganzen neunmonatlichem Aufenthalt das Nilland, um sich zunächst nach
Vorderasien zu begeben. Die allzu ausgedehnte Schäferstunde Caesars mit
Kleopatra war den Gegnern zustatten gekommen. Sie hatten sich erholt von
der erschütternden Wirkung der Katastrophe des Pomj)eius.
Die Schlacht bei Pharsalos hatte nicht nur das Heer des Pompeius ver-
nichtet, auch seine Flotte, die vorher die italischen und sizilischen Küsten
beunruhigt hatte, zerfiel, die bundesgenössischen Kontingente kehrten meist
in die Heimat zurück und nahmen die Partei des Siegers. Das Hauptquartier
auf Korkyra, wohin sich nach der Niederlage ein Teil der Führer rettete,
löste sich auf. Manche, darunter Cicero, machten ihren Frieden mit Caesar,
die übrigen, wie Cato, Metellus Scipio, Afranius, Labienus, begaben sich auf
die Flucht. Die nächste Folge war, daß die pompeianischen Erwerbungen
in Illyrien wieder verloren gingen. M. Octavius hatte hier nach dem Sieg
über Dolabella und C. Antonius im vorigen Jahr das Übergewicht erlangt,
sich mit den Dalmatern verbündet und die Caesarianer auf wenige Plätze
beschränkt. Nur mit Mühe behauptete sich Q. Cornificius, Caesars Quästor;
Salona, wohin sich Gabinius geflüchtet hatte, wurde belagert. Nach dem
Sieg bei Pharsalos aber kam in Caesars Auftrag P. Vatinius mit Heer und
') Der Eatgeber des jungen Königs war j '^) CIL I^ p. 314. Nach dem julianischen
der Eunuche Potheinos. 1 Kalender am 15. Januar.
250 Römische Geschichte.
Flotte von Brundisium herüber, Octavius, von seinen Leuten im Stich ge-
lassen, erlitt eine Niederlage und mußte mit dem Rest seiner Schiffe ab-
^iiehen, worauf die illyrischen Städte wieder an Caesar fielen; auch die dal-
matischen Stämme wurden vorläufig gebändigt.') Griechenland hatte sich
dem Legaten Caesars, Q. Fufius Calenus, ohne Widerstand gefügt; nur Megara
muFste mit Sturm genommen und bestraft werden. Nach einiger Zeit räumten
die Pompeianer auch Patrae. Schon hatten sie den ganzen Osten verloren;
aber dafür setzten sie sich im Westen fest und Caesars ägyptisches Aben-
teuer verschaffte ihnen eine willkommene Atempause.
Inzwischen nahm der bosporanische König Pharnakes, der Sohn des
Mithridates von Pontos, das väterliche Reich wieder in Besitz. Er hatte
schon vor der Schlacht bei Pharsalos, vielleicht im Einvernehmen mit Pom-
peius, damit den Anfang gemacht und Sinope erobert; während des ale-
xandrinischen Krieges holte er weiter aus: er besetzte Kleinarmenien und
griff Kappadokien an. Cn. Domitius Calvinus, der als Caesars Legat Asien
verwaltete, wurde von ihm bei Nikopolis in Kleinarmenien geschlagen:
Pharnakes nahm Amisos und besetzte sogar Bithynien. Caesar war es seinem
Prestige schuldig, zunächst mit Pharnakes abzurechnen; er verließ Ägypten
und belohnte auf dem Durchzug durch die syrische Provinz die Verdienste,
die man sich dort um ihn erworben hatte; damals wurde Hyrkanos als
Hohepriester und Ethnarch der Juden anerkannt; gegen Mitte Juli befand
sich Caesar in Antiochien,^) das er besonders auszeichnete. Pharnakes wollte
Verhandlungen anknüpfen, denn mittlerweile hatte sich bei den Bosporanern
sein Statthalter, Asandros, gegen ihn empört: aber Caesar rückte unauf-
haltsam weiter und besiegte ihn am 2. August 47 v. Chr. 3) bei Zela. In fünf
Tagen hatte Caesar den eigentlichen Feldzug beendet und so versteht man
das berühmte veni, vidi, viel, mit dem er den raschen Erfolg einem seiner
Getreuen nach Rom meldete. Pharnakes zog sich nach Sinope und von da
an den Bosporos zurück, wo er bald darauf durch Asandros sein Ende fand.
Caesar begnügte sich mit einer vorläufigen Ordnung Kleinasiens, die er
von dem bithynischen Nikaia aus vornahm. Mithridates von Pergamon er-
hielt für seine wertvolle Hilfe außer einem Teil Galatiens die östlich an den
Pontos grenzenden Bezirke, ein Stück von Kleinarmenien und den kimmeri-
schen Bosporos mit dem Königstitel. Dann eilte Caesar nach dem unruhigen
Rom, wo seine Anwesenheit dringend nötig war. Der Bürgerkrieg und die
Wirren der Gegenwart hatten eine Geld- und Wirtschaftskrisis hervorgerufen.
Schon Ende 49 v. Chr. hatte Caesar als Diktator durch gesetzliche Maßnahmen
die Lasten der Schuldner und Mieter erleichtert. Nicht viel später (Anfang
48 V. Chr.) stellte der Prätor M. Caelius Rufus, ein enttäuschter Parteigänger
Caesars, im Widerspruch mit seinen Kollegen den demagogischen Antrag,
einen Zahlungsaufschub von sechs Jahren zu verordnen; die Rechtsprechung
übte er einseitig im Interesse der Verschuldeten; er entfesselte dadurch
^) Die illyrischen Ereignisse sind un- : ^) Cicero ad Att. XI 20: nach juliani-
klar und widerspruchsvoll überliefert. ' schem Kalender Anfang Mai. wozu stimmt,
Schwierigkeiten macht vor allem der Be- daß nach antiochenischer Überlieferung
i'icht des Bellum Ah.randrimim 42 ff. Vgl. Caesar am 23. Artemisios (Mai) in Antio-
ZipPEL, Die röm. Herrschaft in lUyrien i chien einzog. Joh.Malalas p. 216 ed.Bonn.
205 ff. W. JüDEicH, Caesar im Orient 158. | ^) Am 21. Mai nach Julian. Eechnung.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§40.) 251
längere Unruhen, liis ihm der Konsul P. Servilius Isauricus, damals Caesars
Vertreter, auf Beschluß des Senats die Amtsführung untersagte. Caelius trat
dann in Verbindung mit Milo, der eigenmächtig aus der Verbannung zurück-
kehrte und in Kampanien und Unteritalien einen Aufstand versuchte. Beide
Gesinnungsgenossen nahmen ein gewaltsames Ende. Noch bedrohlicher ge-
stalteten sich die Dinge im nächsten Jahr (47 v. Chr.); da die Wahlen bis
auf Caesars Ankunft vertagt worden waren, so hatte Rom weder Konsuln
noch Prätoren; als magister equituin Caesars, der Ende 48 v. Chr. zum zweiten-
mal Diktator geworden war,^) vertrat M. Antonius die Staatsgewalt. Zu
blutigen Bandenkämpfen führte der Gegensatz der Volkstribunen P.Cornelius
Dolabella und L. Trebellius. Dolabella nahm nämlich die Sozialrevolutionären
Bestrebungen des Caelius wieder auf. Antonius schritt mit den Waffen gegen
Dolabella ein, ohne die Ruhe ganz herstellen zu können.
Der Einfluß der Pompeianer in den Nachbarprovinzen wirkte auch auf
Rom und Italien, wo sie noch immer Sympathien besaßen. Einen zweifel-
haften Besitz Caesars bildeten die beiden spanischen Provinzen, besonders
die jenseitige, deren Besatzung aus vormals pompeianischen Truppen be-
stand. Hier machte sich der caesarianische Statthalter Q. Cassius Longinus
durch Härte und Willkür verhaßt. Als er im Jahr 48 zum Krieg gegen Juba
nach Afrika übersetzen wollte, meuterte ein Teil der Truppen; Cassius wvu'de
von den Aufständischen unter Führung seines Quästors in einer Bergstadt
eingeschlossen; erst die Vermittlung des Statthalters der diesseitigen Provinz
und die Ablösung des Cassius durch C. Trebonius (Anfang 47 v. Chr.) ent-
spannte die Lage. Aber Cassius hatte die Sache Caesars schwer geschädigt.
An einen Angriff auf Afrika von der spanischen Basis aus war nicht mehr
zu denken und so konnten sich auf afrikanischem Boden ansehnliche Reste
der pompeianischen Macht sammeln. Metellus Scipio, der Schwiegervater
des Pompeius wurde als Oberbefehlshaber anerkannt; seine Gefährten waren
die Söhne des Pompeius, Gnaeus und Sextus, sowie M. Petreius und T. Labien us.
Zu ihnen gesellte sich auch Cato, der von Korkyra über Griechenland Kyrene
und von dort auf dem Landweg die Provinz Afrika erreichte. In Utica
bildete sich eine Art Senat. Während König Juba von Numidien die Pom-
peianer unterstützte, schlugen sich die Könige von Mauretanien Bocchus
und Bogud auf Caesars Seite, ebenso der alte Catilinarier P. Sittius, der
sich seit 64 v. Chr. in Mauretanien als Freibeuter eine selbständige Macht
geschaffen hatte. 2) Alles in allem aber war Afrika die Hochburg der Pom-
peianer, die von hier aus Streifzüge gegen Sizilien und Sardinien unter-
nahmen und sogar Italien zu bedrohen schienen.
Die Unruhe in Italien wurde durch die Haltung der caesarianischen
Truppen gesteigert. Schon Ende 49 v. Chr. hatte Caesar eine Meuterei in
Placentia in eigener Person unterdrücken müssen. Im Jahr 47 empörten sich
die in Kampanien für den Feldzug nach Afrika versammelten Soldaten. Im
Bewußtsein ihrer Unentbehrlichkeit verlangten sie stürmisch die ihnen ver-
sprochenen Belohnungen und die Entlassung und wiesen jeden Beschwichti-
gungsversuch zurück. Es war also hohe Zeit, daß Caesar zurückkehrte. Sep-
') Über den Zeitpunkt dieser zweiten t -) Mommsen, Ges. Sehr. Y 470 flf.
Diktatur Caesars s.Drümann-Geoebe I404ff. 1
252 Römische Geschichte.
tember 47 v. Chr. traf er unvermutet früh in Italien ein. In Rom legten
sich sofort die Unruhen; aber die Soldaten verharrten im Aufstand und
rückten vor die Stadt. Mit einem einzigen Wort, mit der Anrede „Quiriten"
(„Zivilisten"), führte der Menschenkenner Caesar seine Kriegskameraden zum
Gehorsam zurück. Die Ämter der Republik besetzte Caesar mit seinen
Anhängern, wobei er die Zahl der Prätoren von acht auf zehn erhöhte. Der
wirtschaftlichen Not sollte durch zeitweilige Beschränkung der Zins- und
Mietzahlung und durch feste Einschätzung des immobilen Besitzes ge-
steuert werden. Das Vermögen derjenigen Optimaten, die noch unter den
Waffen standen, ließ Caesar einziehen. Aber er verschmähte Proskriptionen
nach sullanischem Muster. Um die Pompeianer, die sich im Winter keines
Angriffs versahen, zu überraschen, setzte Caesar noch vor Ablauf des Jahres
nach Sizilien und von hier nach Afrika über.^)
Am 28. Dezember 47 v. Chr. 2) landete Caesar unerwartet an der afrika-
nischen Küste nahe bei Hadrumetum (Susa) und schlug bei Ruspina (Monastir)
sein Lager auf, wo ihm sein einstiger Legat Labienus eine empfindliche
Niederlage beibrachte; durch die überlegene Zahl seiner Gegner, besonders
durch die starke Reiterei, sah er sich in die Defensive gedrängt: seine
Stellung bei Ruspina baute er zur unangreifbaren Festung aus. Zum Glück
für Caesar wurden die numidischen Streitkräfte teilweise durch Sittius ge-
bunden. Nachdem Caesar weitere Truppen an sich gezogen hatte, entschloß
er sich zu offensivem Voi'gehen; aber vor Uzita entwickelte sich ein neuer
Positionskrieg, den Caesar schließlich abbrach, um weiter nach Süden vor-
zustoßen; als er gegen Thysdrus nichts auszurichten vermochte, kehrte er
wieder um und bedrohte nun die Seefeste Thapsus, die Scipio zu decken
suchte. Hier erzwang er, des vorsichtigen Operierens müde, mit kühnem
Wagemut die Entscheidung, die am 6. April 46 v. Chr. 2) fiel. Die Pompeianer,
unter denen die erbitterten Legionare Caesars ein furchtbares Blutbad an-
richteten, wurden vernichtend geschlagen. Ungefähr gleichzeitig hatte P. Sittius
den König Juba besiegt und Numidien gewonnen. Juba kam auf der Flucht
mit Petreius nach Zama (Regia); da sie keinen Einlaß fanden, gaben sie
sich im Zweikampf den Tod; andere Pompeianer, wie Metellus Scipio und
Afranius, fielen dem Sittius in die Hände. Alle Gemeinden der Provinz
ergaben sich dem Sieger, auch Utica. Cato, der Kommandant von Utica,
bemühte sich aufopfernd um die Rettung seiner Parteifreunde und ging dann
freiwillig in den Tod, um die Republik nicht überleben zu müssen. Der
Sieger Caesar räumte unter seinen Gegnern gründlich auf; die Zeit der be-
rechnenden Milde war vorbei, viele angesehene Gefangene mußten sterben
und wenn Caesar auch nicht zu Proskriptionen schritt, so war doch die
Zahl seiner Opfer groß. Jubas Königreich wurde als Africa nova zur Provinz
gemacht. Am 13. Juni (15. April jul.) schiffte sich Caesar von Utica nach
Sardinien ein. Am 25. Juli (26. Mai jul.) traf er vor den Toren Roms ein.
Ein pomphafter, vierfacher Triumph über Gallien, Ägypten, Pharnakes und
Juba beschloß den Krieg. In diesem Triumph wurde auch Vercingetorix
*) Über den afrikanischen Krieg s. G. j '-) Am 12. Oktober Julian. Zählung.
Veith in Keomayebs Ant. Schlachtf. III 2, ' ^) 7. Julian. Februar.
1912, 761 ff.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§41.) 253
aufgeführt und dann getötet. Caesar, der seine Veteranen entließ und be-
lohnte, konnte sich als Alleinherrscher betrachten; er begründete gleich nach
seiner Ankunft in einer Rede an das Volk den Anspruch, den er auf die
Leitung des Staates erhob.
41. Caesars Diktatur. Die monarchische Gewalt, die sich Caesar er-
obert hatte, übte er teils als Inhaber des Konsulats,^) teils unter dem Titel
eines Diktators aus. Caesar, der schon in den Jahren 49 und 48 v. Chr. die
Diktatur übernommen hatte, wurde nach dem Sieg bei Thapsus im Jahr 46
zum Diktator auf zehn Jahre ernannt, dann im Jahr 44 auf Lebenszeit. 2)
Er begann jetzt eine umfassende gesetzgeberische Tätigkeit, die den Bedürf-
nissen des Staates und seinen eigenen politischen Literessen entsprach. Zu-
nächst versorgte er die große Menge seiner Veteranen — er hatte sein Heer
im Krieg bis auf 52 Legionen gebracht 3) — mit Land: nicht nur nach
Italien, sondern auch in alle Provinzen gingen seine Kolonisten, nach
Spanien, Südgallien, *) Makedonien, Asien und Afrika. Es wurden gegen
80000 Bürger über See geschickt; Korinth und Karthago, Arelate und
Arausio, vielleicht auch das pontische Herakleia und Lampsakos wurden
durch Caesar besiedelt. Um den Zustrom arbeitsscheuen Gesindels nach Rom
einzudämmen, fixierte er die Zahl der zum unentgeltlichen Getreideempfang
auf Staatskosten Berechtigten statt der 320000, die er antraf, auf 150000.
Zugleich wurden die von Clodius 58 v. Chr. geschaffenen Vereine der Plebs,
die unter religiös-sozialem Deckmantel den bedenklichsten politischen Zwecken
dienten, aufgehoben.
Zur Erleichterung der Geschäftsführung und auch um eine größere Zahl
seiner Anhänger zu befördern, hat Caesar die Beamten und die Priester
erheblich vermehrt, die Quästoren von zwanzig auf vierzig, die Adilen von
vier auf sechs, die Prätoren von acht auf zehn, vierzehn und sechzehn. Der
Senat wurde auf etwa neunhundert Mitglieder gebracht; Caesar machte viele
neue Männer, viele seiner alten Soldaten zu Senatoren. Die zusammen-
geschrumpfte Zahl der Patrizier wurde aus den Reihen der Plebejer auf
Grund eines besonderen Gesetzes ergänzt. Die Dauer der Provinzialstatt-
halterschaften wurde gesetzlich beschränkt, die Zahl der Provinzen ver-
mehrt.^) Ein Luxusgesetz {lex sinnptuaria) schritt gegen übermäßigen Auf-
wand ein, die Kriminalgesetzgebung und Gerichtsverfassung wurden ver-
bessert, die Gerichte zwischen Senat und Ritterstand geteilt; die Arar-
tribunen schieden aus. Erhalten ist noch die Städteordnung für Italien, die
lex lulia niunicipcdis.'^) Ein großes Verdienst erwarb sich Caesar durch seine
Reform des Kalenders, der durch unterlassene Schaltungen verwirrt war.
Caesar rezipierte das ägyptische Sonnenjahr unter Beseitigung des Schalt-
monats. Wie groß die Verwirrung geworden war, zeigt der Umstand, daß
') Das Konsulat bekleidete er im ganzen ^) Mommsen, Ges. Sehr. IV 169 fF.
fünfmal, in den J. 59, 48, 46, 45. 44 v. Chr,
■') Mommsen, Eöm. Staatsr. II 703 f. CIL
I^ 40 f. Deumänn-Gkoebe III 785 ff.
^) A. V. DoMASzEwsKi, Neue Heidelberger
Jahrb. 4 (1894) 157 ff.
_ ■*) Wo das eingezogene Gebiet der Massa- i Mommsek, Ges. Sehr. I 194 ff.
lioten zur Verfügung stand.
. «) CIL 12593, Bküns' nr.l8, ILSIInr.6085.
Ähnlicher Art ist die ebenfalls noch von
Caesar herrührende Verfassung der Ko-
lonie L^rso in Südspanieu, die lex coloniae
Geuetivae luliae. CIL I- 594. ILS nr. 60S7.
254 Römische Geschichte.
im Übergangsjahr 46 v. Chr. (708 der Stadt) nicht weniger als neunzig Tage
eingeschoben werden mußten. i)
Caesar entfaltete eine Tätigkeit von staunenswerter Vielseitigkeit und
bewährte seine gewaltige Arbeitskraft; das ganze so lange vernachlässigte
Gebiet der öffentlichen Wohlfahrt zog er in den Bereich seiner Entwürfe,
wobei er kein Vorurteil schonte und nur das Zweckmäßige erstrebte. Er
erweiterte und verschönerte die Stadt: ein Forum, ein Theater, eine Bibliothek
und andere öffentliche Gebäude waren unter seinen Plänen, weiter die Regu-
lierung des Tiber, der Ausbau des Hafens von Ostia, die Trockenlegung
der pomptinischen Sümpfe und des Fucinersees, der Durchstich des Isthmos
von Korinth. Caesar brach mit dem traditionellen, aber in vielem überholten
und rückständigen Altrömertum und drängte das öffentliche und kulturelle
Leben energisch weiter auf der Bahn des Hellenismus. Über seiner um-
fassenden Regententätigkeit fand der Unermüdliche auch noch Zeit und
Spannkraft zu schriftstellerischer Betätigung, ^j
Indes waren Ruhe und Friede noch nicht überall im römischen Reich
eingekehrt. Zur Zeit des afrikanischen Krieges brachte in Syrien der Pom-
peianer Q. Caecilius Bassus, ermutigt durch die Nachrichten von Caesars
Bedrängnis in Afi'ika, von Tyros aus die Legionen zum Abfall, tötete den
Statthalter Sex. Caesar, einen Verwandten des Diktators, und besetzte
Apameia, wo er sich zunächst mit arabischer und parthischer Hilfe erfolg-
reich behauptete, dann aber von Caesars Truppen unter Q. Marcius Crispus
und L. Staius Murcus eingeschlossen und belagert wurde. ^) Ernstlicher waren
die Unruhen in Spanien, wo Pomj)eius von jeher viele Anhänger besessen
hatte. Die Trupj^en in der jenseitigen Provinz setzten sich mit den Pom-
peianern in Afrika in Verbindung, und von da wurden Cn. und Sex. Pompeius
nach Spanien geschickt. Sie besetzten zunächst die Balearen und gingen
nach der Schlacht bei Thapsus auf das Festland hinüber, Labienus, Attius
Varus und andere Flüchtlinge des afrikanischen Heeres stießen zu ihnen.
Sie fanden Zulauf; der Statthalter C. Trebonius wurde vertrieben, Lusitaner
und Keltiberer schlössen sich ihnen an, und sie brachten ein großes Heer
zusammen. Die Legaten Caesars, Q. Fabius Maximus und Q. Pedius, waren
nicht imstande, sie zu überwältigen; nur die Flotte unter C. Didius war
siegreich. So entschloß sich Caesar Ende 46 v. Chr. mit seinen Kerntruppen
selbst nach Sj)anien zu gehen. Im Dezember nach siebenundzwanzigtägiger
Reise langte er an der Grenze der Baetica an. Nach längeren winterlichen
Kämpfen, die sich vornehmlich um das zu den Feinden übergegangene
Corduba und die Nachbarstädte drehten, zwang Caesar durch einen Angrijßf
auf Munda die Gegner zur Schlacht. Nach hartem Kampf wurden die drei-
zehn Legionen der Pompeianer von den acht caesarianischen geschlagen
(17. März 45 v. Chr.).^) Corduba wurde gleich darauf erobert und ebenso die
übrigen Plätze der Pompeianer. Cn. Pompeius wurde auf der Flucht er-
^) Vgl. Drümanx-Geoebe III 755 fF.
-) Abgesehen von den unvollendeten
Kommentarien de hello civiU und C4edichten
3) Cass. Dio XLVII 26 f. Appian III 77 f.
IV 58 f. Josephus bell. Jud. I 216: Ant.
Jud. XIV 268. Strabo XVI 752 f. Cicero
verfaßte er damals den Anticato als Gegen- ad fam. XII 17 u. 18: ad Att. XIV 9, 3.
schriftaufCicerosLobschrift aufCato. Vgl. j *) A.Klotz, Die Schlacht von Munda,
Caesars fragm. p. 762 Nipp., p. 145 Kübler. ! Neue Jahrbb. 23, 1909, 560 ff.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Repiiblik (28 v. Chr.). (,§41.) 255
griffen und getötet: auch Labienus und Attius Varus fanden damals ihr
Ende. Sex. Pompeius dagegen entkam in das nördhche Spanien, wo er bald
wieder sein Banner aufpflanzte. Nach dem Sieg verweilte Caesar noch einige
Monate in Spanien, erschien im September wieder vor Rom und feierte
dann nochmals einen Triumph (Oktober 45 v. Chr.). i)
Der neue Sieg vollendete Caesars monarchische Stellung. Der Senat,
der schon nach Pharsalos und Thapsus mit Auszeichnungen nicht gekargt
hatte, überbot sich in Huldigungen vor dem allmächtigen Diktator. Man
bewilhgte ihm äußere Abzeichen seiner Hoheit, wie das Triumphalgewand,
den Lorbeerkranz, den goldenen Amtsstuhl. Zu diesen irdischen Ehren
traten göttliche: 2) die Statue Caesars wurde unter die Götterbilder eingereiht,
er selbst als Hypostase des obersten Staatsgottes, als Jupj)iter Julius, gefeiert;
man gewöhnte sich beim Genius Caesars zu schwören. Sein Geburtsmonat,
der Quinctilis, erhielt nach ihm den Namen Julius. Die Magistrate legten
beim Amtsantritt den Eid auf Caesar und seine Verordnungen ab. Caesar
genoß den Schutz der tribunizischen Unverletzlichkeit, Als ständiger Im-
perator führte er den Oberbefehl über das gesamte Heer. Für die Besetzung
der Ämter war sein Vorschlagsrecht von Bedeutung. 3) Auch über die Staats-
kasse hatte er allein zu verfügen und auf Münzen erschien sein Porträt.
Kurz, der absolute Monarch war fertig bis auf den Titel eines solchen,
mochte die Vogelstrauiapolitik des Senats den Caesar auch als „Befreier''
bezeichnen und der Libertas einen Tempel weihen.^) Neben den Reformen
und Kolonisationen beschäftigten den Diktator die auswärtigen Angelegen-
heiten. Rom hatte damals mit zwei Feinden abzurechnen, den Geten und
den Parthern. Die ersteren hatten ihre Herrschaft über Thrakien ausgedehnt
und beunruhigten die Provinzen Makedonien und lUyrien schon seit längerem
(oben S. 215); daher rüstete Caesar gegen sie; aber um diese Zeit°) wurde,
so scheint es, Byrebistas ermordet, und nach seinem Tod zerfiel das getische
Einheitsreich. Die Geten bedeuteten jetzt keine unmittelbare Gefahr mehr. 6)
Den Revanchekrieg gegen die Parther betrachtete Caesar als eine Ehren-
pflicht, der er sich nicht entziehen durfte. In Makedonien und Griechen-
land sammelten sich sechzehn Legionen und 10000 Reiter für den Krieg,
dessen Dauer auf drei Jahre veranschlagt war; für diese Zeit wurden die
wichtigeren Magistrate in Rom im voraus bestimmt. Aber kurz vor der
Ausre'ise, am 15. März 44 v. Chr., wurde der ungekrönte Monarch in der
Kurie des Pompeius von den Dolchen seiner fanatischen Gegner getroffen.
Die Mörder gehörten einer Verschwörung an, die sich im Schoß des
Senats gebildet hatte. Der Senat war von Caesar seiner bisherigen Macht-
stellung entkleidet worden und empfand diese Depossedierung um so schmerz-
licher,^) als Caesar sich auch in der Form immer unverhüllter als Herrscher
gebärdete. Er ließ gelegentlich die dem Senat gebührende Rücksicht außer
Acht, während er Respektwidrigkeiten gegen seine eigene Person streng
') Velleius II 56, 3.
-) Vgl. A. V. DoMAszEWSKi, Abhandlgg.
zur röm. Eeligion. 1909, 193 ff. H. Heinen,
KlioXI, 1911. 129 ff.
3) Suet. Jul. 41, 2.
*) Cass. Dio 43, 44. 1.
») Strabo VII 298. 304.
''j Vielleicht haben sie um Frieden ge-
beten. Vgl. Niese, Zeitschr. f. deutsches
Altert. 42. 1-56 ff.
') Die Stiniuiuug der Optimatenkreise
spiegelt sich in Ciceros Korrespondenz.
256 Römische Geschichte.
ahndete. 1) Bei aller Milde und Nachsicht gegen seine Freunde erlag Caesar
doch mitunter den Wallungen seines leidenschaftlichen Temperaments und
Widerspruch vermochte er nicht zu ertragen. Mit der Verfassung, namentlich
mit den Ämtern, schaltete er nach Willkür und ohne Rücksicht auf das Her-
konunen.''^) Schon spielten seine Anhänger mit dem von ihm gutgeheißenen
Plan, ihn zum König auszurufen; am 20. Januar 44 v. Chr. bei der Rück-
kehr vom Albanerberg wurde er in Zurufen aus der Menge zum erstenmal
als solcher begrüßt. Die schwerlich grundlosen Gerüchte, daß Caesar Ale-
xandrien oder Ilion zum Mittelpunkt seines hellenistisch- römischen Welt-
reichs zu machen gedenke, trugen zur Beunruhigung der in ihrem Vorrang
bedrohten Hauptstadt bei.-^)
Auch unter den Caesarianern gab es Enttäuschte und Unzufriedene. Aber
nur aus idealistischen Beweggründen können alte Waff'engefährten Caesars
wie C. Trebonius und D. Junius Brutus Albinus,*) denen ihr Herr und Meister
alle Wünsche erfüllte, sich der von dem Pompeianer C. Cassius Longinus,
dem „letzten Römer", angezettelten Verschwörung angeschlossen haben. Für
den von ihm als Akt legitimistischer Notwehr aufgefaßten Tyrannenmord
ließ sich auch M. Junius Brutus gewinnen, der angebliche Nachkomme des
mythischen Stifters der Republik, ein Neffe Catos und Freund Ciceros, zu
dem er in literarischen Beziehungen stand. Dieser hochangesehene Republi-
kaner war nach Pharsalos zu Caesar übergegangen, der ihm seine Zuneigung
schenkte.^) Im ganzen wußten etwa sechzig Senatoren um das Komplott,
das nach längerem Hin und Her an den Iden des März 44 v, Chr. zur Aus-
führung kam in einer Senatssitzung, in der die Königsfrage hätte entschieden
werden sollen. Cassius und Brutus, die als Prätoren hierzu hätten Stellung
nehmen müssen, konnten die Aktion nicht mehr verzögern.
42. Die Parteien nacli Caesars Tod. Der mutinensische Krieg.«)
Caesars Amt war rein persönlich, von einer Succession konnte staatsrechtlich
keine Rede sein, für den Fall seines Todes hat er keine Vorkehrung ge-
troffen: mit seinem Leben war also auch seine Monarchie zu Ende. So
') So an dem Volkstribunen Pontius
Aquila und etwas später an Epidius Ma-
rullus und Caesetius Flavus.
^) Böse Zungen behaupteten, er sei ein
natürlicher Sohn Caesars, des Freundes
seiner Mutter Servilia. Durch Adoption
Sueton Jul. 76. i erhielt Brutus den offiziellen Namen <^.
^) Suet. Jul. 79, 3. Wer mit Niese diese
Gerüchte als „abenteuerlich" abtut und in
den Caesar zugeschriebenen Eroberungs-
plänen im Orient (Plut. Caes. 58. comp.
Dion. et Brut. 4. Nicol. Dam. vita Caes. 26
FHG III p. 446) nichts als nachträglich
Caepio Brutus (Cicero, Phil. 10. 25. IG VII
383; vgl. F. Münzer, Rom. Adelsparteien
336 ff.). — Dkumann-Groebe IV 21 ff.. Gel-
ZEK, PW X 973 ff.
^) Unter den Quellen haben die Briefe
Ciceros und seine philippischen Reden als
aus dem Vergleich mit Alexander d. Gr. zeitgenössische Dokumente den höchsten
herausgesponnene „Phantasien" erblickt, Wert. Gutes Material enthalten ferner
verkennt das Wesen von Caesars Monar- die Reste der Biographie des Augustus_von
chie, die „ihrer Idee nach die Wieder- ! Nikolaos von Damaskos (FHG III 427 ff.),
aufnähme und volle Durchführung der j ebenso Plutarch im Cicero, Brutus und
Weltmonarchie Alexanders" ist und deren ' Antonius. Die anderen Historiker, in-
„ Voraussetzung und Rechtfertigung" eben i Sonderheit Appian und Cassius Dio müssen
die „Welteroberung" bildet (Ed. Meyer, i streng geprüft werden; namentlich bei
Caesars Monarchie 466 ff"., 513 f.). j Appian finden sich neben wertvollen
*) B.C. BoiivvTtA^T, Decinms Junius Bru- Nachrichten Verschiebungen und Ent-
ius, a hlstorical stndij. Diss. universal/ of \ Stellungen. Vgl. Ed. Schwartz, Hermes
Chicago, 1907. " i 33, 1898, 185 ff.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§42.) 257
folgte auf seinen Tod zunächst allgemeine Verwirrung, bis zwei Tage später,
am 17. März, nach einer Senatssitzung im Tempel der Tellus zwischen den
Caesarmördern, auf deren Seite sich die Mehrheit des Senats stellte, und
den caesarianischen Machthabern, dem Konsul M. Antonius und M. Aemilius
Lepidus, dem magister equitum Caesars, i) und ihrem Anhang, der Plebs,
den Veteranen und Kolonisten Caesars, die zahlreich in der Stadt anwesend
waren, ein Ausgleich zustande kam. Antonius brachte, nachdem die Lage
sich geklärt hatte, das Heft in seine Hand, setzte sich in den Besitz des
Schatzes und der Papiere Caesars und spielte den Vermittler zwischen den
rachedurstigen Caesarianern und den Verschwörern, die Caesar als Tyrannen
brandmarkten und seine Anordnungen kassiert wässen wollten. Die Mörder
wurden amnestiert und in ihren Amtern bestätigt, zugleich wurden aber
auch die Anordnungen Caesars en bloc für gültig erklärt mit Einschluß des
Testaments und se;ner noch unveröffentlichten Verfügungen; ein Begräbnis
auf Staatskosten wurde für ihn beschlossen. Lepidus, der als Vertreter der
extremen Caesarianer der Versöhnung eine Zeitlang Aviderstrebte, ließ sich
durch die bald verwirklichte Aussicht, an Caesars Stelle Pontifex maximus
zu werden, beschwichtigen. Indes bei der Beisetzung des Ermordeten, dem
der Konsul Antonius die Leichenrede hielt, entlud sich der von dem Redner
geschickt geschürte Haß gegen die Attentäter in tumultuarischen Szenen:
die Leiche wurde auf dem Forum verbrannt und bestattet. Weitere Un-
ruhen folgten, und die Verschworenen sahen sich genötigt, Rom zu verlassen;
einige begaben sich in die ihnen zugeteilten Provinzen, D. Brutus ins cis-
alpinische Gallien, C. Trebonius nach Asien, M. Brutus und Cassius hielten
sich als beurlaubte Prätoren in der Nähe Roms auf; Antonius konnte in
Rom nach Belieben schalten und walten.
Der Konsul Antonius war vor allem bestrebt, seine eigene Zukunft zu
sichern. Als Kollegen ließ er sich nunmehr seinen bisherigen Gegner, den
Eidam Ciceros, P. Cornelius Dolabella, gefallen, den Caesar als seinen Ersatz-
mann im Konsulat in Aussicht genommen hatte. Gemeinsam verfügten die
beiden über den Schatz und die politischen Papiere Caesars. Antonius suchte
Fiihlung mit dem Senat, ja sogar mit Brutus und Cassius. Die Umtriebe
eines angeblichen Enkels des Marius, der sich unter starkem Zulauf zum
Rächer Caesars aufwarf und dem Toten auf dem Forum einen Altar er-
richtete, wurden von Antonius niedergeschlagen, der Betrüger hingerichtet.
Unter Vermittlung des Lepidus, dem das diesseitige Spanien zugewiesen
war, knüpfte Antonius Unterhandlungen mit Sex. Pompeius an; nach Cae-
sars Tod hatte nämlich Sex. Pompeius im jenseitigen Spanien den offenen
Krieg wieder aufgenommen und den caesarianischen Statthalter Asinius
Pollio geschlagen. Jetzt verhieß ihm Antonius durch Lepidus die Erlaubnis
zur Rückkehr nach Italien, sowie Vermögensentschädigung. Dem juristischen
Erben Caesars dagegen, dem jungen Oktavian, zeigte er die kalte Schulter.
Dem Antonius lag vor allem daran, sich eine Provinz und ein Heer zu
verschaffen. Er ließ also Anfang Juni 44 durch Volksbeschluß sich selbst
die beiden gallischen Provinzen (mit Ausnahme der Narbonensis) und seinem
') Das Amt des magister equttnm erlosch eigentlich automatisch mit dem Tod des
Diktators.
Handbuch der klass. Altertuniswissensehaft. III, 5. 5. Aufl. 17
258 Römische Geschichte.
Kollegen Dolabella Syrien und den Partherkrieg bewilligen, beides auf fünf
Jahre mit prokonsularischeni Imperium und den erforderlichen Truppen. i)
Noch vor Ablauf ihres Amtsjahres gedachten die Konsuln, ihr neues Kom-
mando anzutreten, und da Antonius von dem derzeitigen Inhaber des dies-
seitigen Galliens, D. Brutus, Widerstand zu gewärtigen hatte, so ließ er die
ihm bewilligten Legionen aus Makedonien nach Italien kommen, wo sie
Anfang Oktober in Brundisium landeten. Antonius hat als Konsul eine
Anzahl Gesetze veranlaßt, so Acker- und Kolonialgesetze, sowie ein Richter-
gesetz. Gesetzlich festgelegt wurde auch die Abschaffung der Diktatur für
ewige Zeiten. An seinen beiden Brüdern, dem Prätor Gaius, dem Volks-
tribunen Lucius Antonius, hatte der Konsul Marcus nützliche Gehilfen.
M. Brutus und Cassius waren in der Nähe Roms geblieben; in die Stadt
zurückzukehren, hielten sie nicht für rätlich; die zunächst wenigstens äußer-
lich freundliche Haltung dem Antonius gegenüber schlug bei ihnen und ihren
Gesinnungsgenossen ins Gegenteil um, sobald dessen Absichten zutage traten.
Als Provinzen wurde dem Brutus Kreta, dem Cassius wahrscheinlich Cyrenaica
für das nächste Jahr (43 v. Chr.) zugewiesen. 2) Einstweilen übertrug ihnen
der Senat (5. Juni) für das laufende Amtsjahr unter anderem die Getreide-
besorgung in Asien und Sizilien. Aber sie hatten keine Lust, sich diesem
wenig ehrenvollen Geschäft zu unterziehen, sondern beschlossen im Ein-
vernehmen mit ihren Freunden, die Pläne des Antonius zu durchkreuzen,
dem Dolabella zuvorzukommen und sich im Orient festzusetzen. Nach den
nötigen Vorbereitungen gingen sie im September, um die Zeit, da die Truppen
aus Makedonien erwartet wurden, nacheinander in den Osten ab.
Aber zwischen die Mörder des Diktators und seinen einstigen Marschall
Antonius schob sich als dritte Macht der Erbe Caesars, der neunzehnjährige
C. Octavius.^) Als Sohn des gleichnamigen Vaters und der Atia, der Schwester-
tochter Caesars, war er der nächste männliche Verwandte des Diktators, den
er schon 45 v, Chr. nach Spanien begleitet hatte und an dessen Seite er
auch den parthischen Feldzug hätte mitmachen sollen. Caesar hatte ihn zu
weiterer Avissenschaftlicher und militärischer Ausbildung nach Apollonia in
Illyrien vorausgeschickt. Auf die Nachricht von dem Attentat kehrte er
alsbald nach Italien zurück, wo er erfuhr, daß der Großoheim ihn in seinem
Testament adoptiert und ihm die freilich mit Legaten an die römischen
Bürger schwer belastete Erbschaft seines großen Vermögens vermacht hatte.
Er entschloß sich, dieses Erbe mit allen seinen Rechten und Pflichten an-
zutreten und nannte sich nun nach seinem Adoptivvater C. Julius C. f. Caesar,
Caesar den Sohn.*) Der frühreife Jüngling hat mit bewundernswerter Energie
und Geschicklichkeit die schwere Aufgabe in Angriff genommen, vor die
er sich plötzlich gestellt sah. Er hatte wahrlich keinen leichten Stand.
Antonius begegnete dem unwillkommenen Rivalen mit kaum verhüllter
Feindseligkeit; Vermittlungsversuche, die gemeinsame Freunde machten,
') Vorher war dem Antonius Makedonien köpf, Hermes 47, 1912, 321 ff., bes. 357 flf.
zugewiesen worden; die lex de permiifa- 2) Vgl. Sternkopf a. a. 0. 381 ff.
fione provinciarum (Livius per. 117), die den ^) Geboren am 28. September 63 v. Chr.
Tausch mit den gallischen Provinzen ver- ■*) Oetavianus hat er sich selbst nie ge-
fügte, ist identisch mit dem im Text er- nannt. Doch haben ihn schon die Zeit-
wähnten Volksbeschluß; vgl. W. Stern- genossen gelegentlich so bezeichnet.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§42.) 259
führten zu keinem Ergebnis; die caesai'ianische Partei trennte sich also in
zwei Lager. Als sich am 9. Oktober 44 v. Chr.i) Antonius nach Brundisium
begab, um die makedonischen Legionen zu übernehmen, hielt es auch Oktavian
für geboten, sich eine bewaffnete Macht zu sichern, wozu er als Privatmann
freilich nicht befugt war. Um die Wette warben die beiden namentlich
unter den von Caesar angesiedelten Veteranen ; Oktavian hatte das Glück,
mit Hilfe seiner Freunde-) eine persönliche Garde zusammenzubringen und
sogar dem Antonius zwei Legionen und andere Truppen auszuspannen.
Damit war ein militärisches Gegengewicht gegen Antonius geschaffen und
nun konnte die Mehrheit des Senats gegen den Konsul auftreten, der nach
vorübergehendem Aufenthalt in Eom die Hauptstadt Ende November oder
Anfang Dezember verließ, um sich des cisalpinischen Galliens zu bemächtigen.
Der Wortführer der republikanischen Senatspartei, der Feinde des Antonius,
war Cicero. Er hatte bereits vor Antonius nach Griechenland flüchten wollen,
war aber unterwegs bei Ehegion umgekehrt, als er hörte, daß Antonius auf
Schwierigkeiten stieß. Er eröffnete den parlamentarischen Kampf gegen
den Konsul schon am 2. September mit der ersten philippischen Rede und
stellte seine Beredsamkeit ganz in den Dienst seines Hasses; 3) er hat den
Verlauf der Dinge nicht unwesentlich beeinflußt. Indem er den „Knaben"
Oktavian gegen Antonius auszuspielen suchte, merkte er zunächst nicht,
daß er selbst für diesen geborenen Politiker und Diplomaten nur ein Stein
in dessen Brettspiel war.
Antonius konnte seine Provinz nicht ganz in Besitz nehmen. D. Brutus,
vom Senat ermutigt, leistete Widerstand und setzte sich in Mutina fest, wo
er von Antonius belagert wurde. In Rom schritt man zu seiner Befreiung.
Mit dem Antritt der neuen Konsuln, der Caesarianer A. Hirtius und C. Vibius
Pansa (1. Januar 43 v. Chr.), v/ar im Senat das Übergewicht der Gegner des
Antonius gesichert, vermittelnde Vorschläge des Antonius wurden abgelehnt,
und man beschloß, gegen ihn mit Gewalt vorzugehen. Doch konnten es
Cicero und Genossen nicht durchsetzen, daß der letzte Schritt getan und
Antonius zum Feind erklärt wurde; denn dieser hatte noch immer Anhang
im Volk wie im Senat, wo Q. Fufius Calenus und andere seine Sache gegen
Cicero vertraten. Aber der Krieg mußte beginnen. Oktavian, dem prä-
torisches Kommando und konsularischer Rang und damit die Legitimierung
seiner widerrechtlichen Werbungen vom Senat zuerkannt war (7. Januar),
und der Konsul Hirtius marschierten aus; von Spanien und Gallien wurden
die dortigen Statthalter, M. LejDidus, C. Asinius Pollio und L. Munatius
Plauens ebenfalls gegen Antonius aufgeboten. Dieser war zuerst im Vor-
teil, als aber Pansa dem Oktavian und Hirtius zu Hilfe kam, wandte
sich das Blatt. Antonius griff den heranrückenden Pansa am Iq». April bei
Forum Gallorum^) an, ehe er sich mit Hirtius vereinigt hatte, und schlug
') Cic. ad fam. XII 23, 2. v. Chr., die 6. am 4. Januar, die übrigen
2) Es werden hier M. Vii^sanius Agrippa in der folgenden Zeit, und zwar die 10.
und C. Maecenas zuerst genannt. vor der Abreise des Pansa um den 1. März,
^) Von den philippischen Reden Ciceros die 14. und letzte wenige Tage nach dem
ist die 2. eine Streitschrift in Form einer Treffen bei Forum Gallorum (15. April)
Rede, die 3. und 4. sind am 20. Dezember •*) Cic. ad fam. X 30. Der Ort ist an der
44 V. Chr. gehalten, die 5. am 1. .Januar 43 via Aemilia nicht weit von Mutina gelegen.
17*
260 Römische Geschichte.
ihn in einem blutigen Treffen. Pansa wurde schwer verwundet; aber durch
den herbeieilenden Hirtius wurde auch Antonius besiegt und zum Kückzug
genötigt. Wenig später (etwa am 27. April) kam es vor Mutina zu einer
zweiten Schlacht, in der zwar Hirtius den Tod fand, aber Antonius mili-
tärisch den Kürzeren zog. Er sah sich infolgedessen gezwungen, die Ein-
schließung der Stadt aufzugeben; über den Appennin wandte er .sich ins
jenseitige Gallien und erreichte die ligurische Küste, wo ihm bald darauf
Lepidus entgegentrat. Da beide Konsuln ihr Leben eingebüßt hatten, so
betraute der Senat mit Übergebung des Oktavian den D. Brutus mit dem
Oberbefehl.
Die Autorität des Senats war also wiederhergestellt und nun wurde
Antonius durch Senatsbeschluß zum Feind erklärt, während Sex. Pompeius,
der sich schon vorher durch Vermittlung des Lepidus mit dem Senat ver-
glichen hatte, zum Admiral und zum praefedus orae maritimae ernannt
wurde. Brutus und Cassius, die sich zu Herren des Orients gemacht und
große Heere aufgestellt hatten, wurden in ihrem Besitz bestätigt und mit
dem Oberbefehl {imperlum malus) über den ganzen Osten ausgestattet. Man
hoffte auf ihre baldige Rückhehr. Allein gerade die Erfolge der Caesar-
mörder mußten die Caesarianer mit Besorgnis erfüllen, und alle Statthalter
der westlichen Provinzen waren Caesarianer. Nur ungern waren sie in den
Krieg gegen Antonius eingetreten; jetzt sahen sie nicht nur die Gesetze
des Antonius, sondern auch Caesars Anordnungen, sowie ihre eigene Stel-
lung bedroht. Gegen diese Gefahren schlössen sie sich wieder mit Antonius
zusammen; am Fluß Argenteus an der ligurischen Küste vereinigte der
unselbständige Lepidus nach einigem Schwanken sich und sein Heer mit
Antonius (29. Mai 43 v.Chr.),') worauf D. Brutus dessen Verfolgung auf-
geben mußte und über die Alpen zu Munatius Plauens zog. Lepidus und
seine Genossen wurden zwar (am 30. Juni) vom Senat ebenfalls geächtet,
doch blieb die Acht nicht lange in Kraft.
Oktavian war nicht gewillt, sich nach geleistetem Dienst einfach bei-
seiteschieben zw lassen. Statt sich also, wie der Senat ihm ansann, dem
D. Brutus unterzuordnen, verständigte er .sich mit Antonius und Lepid-us
und erleichterte dem ersteren den Rückzug in das jenseitige Gallien. Vom
Senat verlangte er das Konsulat und einen Triumph und für sein Heer
die versprochene Belohnung; aber der Senat, der auf Brutus und Cassius
rechnete, lehnte .seine Forderungen ganz oder teilweise ab. Vergebens ver-
suchte er, Oktavians Truppen zu sich herüberzuziehen; das Heer blieb
seinem Führer treu, der nunmehr kurz entschlossen gegen Rom marschierte.
Der Senat versuchte zwar Widerstand; aber die aus Afrika eingetroffenen
Truppen gingen zu Oktavian über, der in Rom einzog und in einem außer-
ordentlichen Wahlverfahren am 19. Sextilis (August) mit Q. Pedius zum
Konsul gewählt werden mußte. Sein Erstes war, daß er durch ein beson-
deres Gesetz [lex Fedia) einen Gerichtshof zur Verfolgung der Caesarmörder
einsetzte, die verurteilt und geächtet wurden. Dann vollendete sich die
Einigung der Caesarianer. Die gegen Antonius und Lepidus ergangenen
') Cic. ad fam. X 23, 2. Der Argenteus mündet bei Forum Julii (heute Frejus).
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v.Chr.). (§43.) 201
Beschlüsse wurden aufgehoben, Asinius Pollio und Planeus gingen zu An-
tonius über, D.Brutus versuchte vergebens sich durchzuschlagen: von seinem
Heere verlassen, wurde er auf der Flucht in Gallien bei den Seciuanern
aufgegriffen und getötet.^)
V. Gaedthaüsen, Augustus und seine Zeit II. II 1. — O. E. Schmidt, Die letzten
Kämpfe der röm. Republik, 1. Teil, Jahrb. für Philol. u. Päd. XIII. Suppl. 663 ff. —
MoMJtsEN, Ges. Sehr. TV 16i» ff. — Ed. Schwartz. Hermes 33, 185 ff. — P. Gkoebe, De
legibus et se>iatHS cousultis cnini 710, Diss. Berlin 1893. — A. v. Hagen, De hello Miitmensi
quaestiones criticae, Marburg 1886. — E. Becht, Regeste über die Zeit von Caesars Er-
mordung bis zum Umschwung in der Politik des Antonius, Diss. Freiburg i B. 11)11.
43. Das Triumvirat.-) Antonius und Lepidus zogen nun mit ihren
Heeren nach Italien. Von Rom kam ihnen Oktavian entgegen, und bei
Bononia auf einer Insel des Rhenus trafen sich die drei Männer, um sich
zu einer politischen Koalition zusammenzuschließen. Ihre Versöhnung ent-
sprach den Wünschen der caesarianischen Partei. Oktavian, Antonius und
Lepidus teilten sich zunächst in die Provinzen des Westens, Antonius er-
hielt die ihm durch Volksbeschluß zugewiesenen beiden Gallien, Lepidus,
der das diesseitige Spanien mit der narbonensischen Provinz bereits ver-
waltete, nahm das jenseitige Spanien hinzu, an Oktavian fielen Sardinien,
Sizilien und Afrika. Zugleich verabredete man die Verteilung der Amter
an die Freunde, die Belohnung der Truj^pen und die Vernichtung der Gegner.
Am 27. November 43 v. Chr. wurden die drei Machthaber durch die lex Tltia
des Tribunen P. Titius vom Volk als triuinviri reipublicae constituendae offi-
ziell anerkannt und als solche mit unumschränkter Gewalt auf fünf Jahre
bekleidet. Nun erging ihr Strafgericht in der brutalen Form der Pro-
skription; unter den zahlreichen Opfern war eines der ersten Cicero, dessen
Kopf sein Todfeind Antonius forderte. Nicht wenige der für vogelfrei Er-
klärten entzogen sich dem Untergang durch die Flucht zu Sex. Pompeius,
der mit seiner Flotte das Meer beherrschte, oder zu Brutus und Cassius.
Die Proskriptionen, die mit Einziehung der Güter verbunden waren, hatten
zugleich den Zweck, den Triumvirn die Mittel zu liefern, die sie zum Krieg
gegen die Caesarmörder und zur Befriedigung der Truppen brauchten. Den
Veteranen sollten achtzehn der blühendsten Städte Italiens preisgegeben
werden, für jede Legion eine; hohe, direkte Abgaben wurden der Bürger-
schaft, namentlich den Begüterten, auferlegt, ä)
Der Zusammenschluß der drei Caesarianer war eine politische Notwendig-
keit angesichts der Macht, die sich die Caesarmörder schon seit Ende 44:
V, Chr. mi Orient erworben hatten. Brutus und Cassius^) hatten, als die
^) Die letzten Schicksale des D. Brutus | die von den Triumvirn auferlegte Ab-
sind dunkel. Vgl. Appian b. civ. III 98. gäbe wesentlich anderer Art gewesen zu
Cass. Dio XLVI 53. Velleius II 64, 1. Liv. j sein. Übrigens wurden schon zu Anfang
per. 120. Oros. VI 18, 7, ferner die oben 43 v. Chr. zur Zeit des mutinensischen
S. 256 A. 4 zitierte Schrift Bondürants. j Krieges ähnliche Kontributionen einge-
^) Quellen: Appian b. civ. IV. Cass. Dio 1 fordert. Appian b. civ. III 66. Cass. Dio
XLVII 1 f. Plutarch Cic. 47 f. Anton. 20 f. XLVI 31. Plut. Aemil. 38.
Brutus 22 f. ■*) Als Quellen kommen aufser den Hi-
^) Appian b. civ. IV 31 ff. Cass. Dio XLVII storikern besonders Cic. ad fam. XII8f.
16. Man betrachtete diese Auflage als eine | und die Brvitusbriefe in Betracht, deren
Erneuerungdesalten, seit 167 v.Chr. nicht Echtheit früher zu Lairecht angefochten
mehrerhobenen/;-/iM<«w. MARQUARDT,Röm. [ wurde.
Staatsverwaltung II'^ 178. Doch scheint
262 Römische Geschichte.
Herrscherabsichten des Antonius offenkundig wurden, im September 44
V. Chr. Italien verlassen und sich zunächst nach Griechenland eingeschifft.
In der Absicht, dem Antonius von Osten aus Paroli zu bieten, wollten sie
sich der Provinzen Makedonien und Syrien mit den dort stehenden Heeren
bemächtigen.^) Cassius ging nach Asien hinüber und gelangte mit Unter-
stützung des C. Trebonius nach Syrien. Brutus verweilte zuerst in Athen,
wo er unter der dort studierenden römischen Jugend erfolgreich warb. Er
ging dann nach Makedonien, dessen Statthalter Q. Hortensius sich ihm
bereitwillig unterordnete; auch P. Vatinius in Illyricum mußte sich fügen
und ihm seine TrujDpen übergeben.^) So fand C. Antonius, dem Makedonien
zugewiesen war, diese seine Provinz bereits besetzt. Er wurde an der illyrisch-
epirotischen Küste südlich von Apollonia besiegt und gefangen (Anfang 43
v.Chr.), später, nachdem die Triumvirn ihre Proskriptionen verhängt hatten,
ließ ihn Brutus hinrichten. Bis zur Niederlage des M. Antonius bei Mutina
hielt sich Brutus an der illyrischen Küste, um im Notfall in Italien ein-
greifen zu können. Er brachte acht Legionen zusammen, darunter zwei,
die sich aus Makedonen rekrutierten, und gewann auch Thrakien, wo er
einige Kämpfe zu bestehen hatte. Von hier ging er nach Einsetzung des
Triumvirats nach Asien hinüber, 3) um sich auch dieser Provinz zu versichern
und seine Rüstungen zu vollenden.
Inzwischen hatte Cassius Syrien erreicht und gewonnen. Er fand den
Caecilius Bassus in Apameia von Marcius Crispus und Staius Murcus noch
immer belagert (oben S. 254); aber sowohl Belagerer wie Belagerte schlössen
sich ihm an (Anfang März 43 v. Chr.), ebenso vier Legionen unter A. AUienus,
die für Dolabella aus Ägypten kamen. Dolabella kam zu spät. Er hatte
noch im Herbst 44 v. Chr. Italien verlassen, um Syrien, die ihm bestimmte
Provinz, in Besitz zu nehmen. Zunächst überfiel und tötete er in Smyrna
den Trebonius (Anfang 43 v. Chr.) und brachte die Provinz Asien in seine
Hand. Hier sammelte er eine Flotte und versuchte dann in Syrien ein-
zudringen, konnte aber gegen Cassius nicht mehr aufkommen. Sein An-
griff auf Antiochien scheiterte, und er mußte sich auf Laodikeia an die
Küste zurückziehen. Nachdem sich aber Cassius eine überlegene Flotte ge-
schaffen hatte, konnte sich sein Gegner auch dort nicht mehr halten. Cassius
nahm die Stadt durch Verrat, worauf Dolabella seinem Leben ein Ende
machte. Der Senat hatte ihn nach dem Tod des Trebonius geächtet, auch
dem Brutus und Cassius die besetzten Provinzen bestätigt und ihnen beiden
ein höheres Imperium über den ganzen Osten erteilt, kraft dessen sie als
') Nach Florus (II 17. 4) und Apj^ian hätte Dresden 1891, 5 f., Ed. Schwartz, Hermes
bereits der Diktator Caesar dem Brutus 33, 1898, 226 f., W. Sternkopf. Hermes 47,
und Cassius Makedonien und Syrien als 1912, 340 ff . S. auch die Edikte des An-
Provinzen bestimmt. Diese Yersjon ist toniusbeiJosephus, Ant. Jud.XIY316.820.
eine apologetische Fälschung zugunsten 2) InDyrrhachion. das damals zur illyri-
der beiden Republikaner. Aus Cicero Phil. sehen Provinz gehört haben muß.
XI 27 ff. geht unzweideutig hervor, daß ') Nach Cass. Dio XLVII 24 f. ist Brutus
sich nicht das geringste formale Recht schon vorher einmal, bald nach dem Tod
aul die betreffenden Provinzen für die des Trebonius in Asien gewesen, aber
beiden Republikaner geltend machen ließ. wieder nach Makedonien zurückgekehrt.
Vgl. E. Schelle, Beiträge zur Gesch. des Vgl. Plutarch Brut. 26 f.
Todeskampfes der röm. Republik, Progr.
6. Vierte Periode : Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§ 43.) 263
unbeschränkte Herren i) schalteten und Truppen, Schiffe und riesige Geld-
mittel zusammenbrachten ; ^) sie brandschatzten die Bevölkerung aufs rück-
sichtsloseste; wer sich widersetzte, wie z. B. Tarsos in Kilikien, mußte büßen.
Mit den Parthern schloß Cassius Freundschaft. Er schickte sich an, auch
Ägypten anzugreifen, dessen Königin Kleopatra die Caesarianer unterstützte:
doch mußte er das Unternehmen aufgeben, da eine Offensive der Triumvirn
drohte und Brutus ihn nach Kleinasien berief. Dieser hatte mittlerweile Asia
und die benachbarten Provinzen und Königreiche in seine Gewalt gebracht
vmd eine starke Flotte zusammengestellt. In Smyrna trafen sich die beiden
Republikaner (42 v. Chr.). Sie wandten sich zunächst gegen zwei Gemein-
wesen, die ihre Neutralität erklärten und Heeresfolge verweigerten, die
Republik Rhodos und den lykischen Bund. Rhodos wurde von Cassius nach
längerer Belagerung erobert und gezüchtigt, '^) den Krieg gegen die Lykier
übernahm Brutus. Als Xanthos nach verzweifelter Gegenwehr gefallen war,
fügten sich die übrigen Städte. Auch der König Ariobarzanes IH von
Kappadokien wurde um diese Zeit von Cassius beseitigt. In Sardes ver-
einigten sich dann Brutus und Cassius, die übrigens nicht im besten Ein-
vernehmen standen, um von da aus an den Hellespont und nach Europa
hinüber den Triumvirn entgegenzuziehen. Eine Musterung an der thraki-
schen Küste ergab eine Streitmacht von 19 Legionen, etwa 80000 Mann
römischer Truppen, dazu die Kontingente der Verbündeten. Im Bund mit
Sex. Pompeius zur See unbedingt überlegen, hätten die Republikaner durch
eine Blockade Italien und Rom auf die Knie zwingen können; aber man
wählte den Landkampf, der allerdings eine raschere Entscheidung versprach
und den römischen Traditionen angemessener war. Nur eine Flottille unter
Staius Murcus kreuzte in der Adria.
Im Westen hatte sich unterdessen Oktavian in den Besitz der beiden
afrikanischen Provinzen gesetzt. Der Statthalter der alten, Q. Cornificius,
schloß sich dem Brutus und Cassius an, dagegen blieb in Africa nova T. Sex-
tius auf caesarischer Seite. In dem Krieg, der sich zwischen beiden ent-
spann, hatte anfangs Cornificius die Oberhand, aber mit Hilfe des numidi-
schen Dynasten Arabio trug zuletzt Sextius den Sieg davon; Cornificius
wurde bei Utica geschlagen und getötet. Dagegen konnte sich Oktavian
der anderen ihm zugewiesenen Provinzen nicht bemächtigen. Sex. Pompeius
hatte zuerst Sardinien erworben und sich sodann, nach seiner Proskription
durch die Triumvirn, mit seiner Flotte auch auf Sizilien festgesetzt; der
Statthalter A. Pompeius Bithynicus gewährte ihm Aufnahme (Ende 43 v. Chr.).
Oktavian ließ ihn im nächsten Jahr durch Q. Salvidienus Rufus angreifen,
jedoch ohne Erfolg. Dringender war die Abrechnung mit Brutus und Cassius
und dieser Aufgabe wandten sich nun die Triumvirn zu. Während Lepidus
in Rom blieb, setzten Oktavian und Antonius nach Makedonien über.
') Wenn Brutus sogar Münzen mit I ä) Die Bürgerschaft mußte ihren ganzen
seinem Porträt schlagen Heß, so darf man
darin nicht, wie zumeist gescliieht, eine
monai'chische Velleität erblicken. Vgl.
M. Gelzek, PW X 1007 f.
2) Vgl. z. B. Josephus bell. Jud. I 218 f.
Ant. Jud. XIV 270 f.
Bestand au Geld und Edelmetall im Ge-
samtwert von SOOO Talenten (etwa 37 ^'4
Millionen Goldmark) ausliefern. Über die
Haltung der Rhodier vgl. Cic. ad fam.
XII 14 und 15.
264 Römische Geschichte.
Ihre Vorhut, acht Legionen unter Decidius Saxa und C. Norbanus Flaccus,
war schon Mitte 42 v. Chr. über das Meer gegangen und liatte Makedonien
und die thrakischen Küstenpässe besetzt, wurde aber jetzt von Brutus und
Cassius, die vom Hellespont anmarschierten, umgangen und genötigt, sich
auf Amphipolis zurückzuziehen. Den Übergang derTriumvirn über die Adria
hatte die Flotte des Murcus nicht zu verhindern vermocht. In AmphipoHs
vereinigte sich ilir Heer mit Norbanus. Brutus und Cassius hatten bei
Philippi an der Heerstraße nach Asien eine strategisch ideale Stellung be-
zogen, von der aus sie auch mit der See und dem Gros ihrer Flotte in
Verbindung standen.*) Sie gedachten das kampfgeübte Heer der Caesarianer
ohne Schlacht im Stellungskampf mattzusetzen. Aber über den Versuchen
des Antonius, die Gegner von der See abzuschneiden, kam es zu einer merk-
würdigen Doppelschlacht: Cassius wurde von Antonius, Oktavian dagegen
von Brutus besiegt. Während also beide Parteien einen Teilsieg erfochten
hatten und die Entscheidung nicht gefallen war, hatte sich doch die Lage
der Bepublikaner durch den übereilten Selbstmord des Cassius, der nach
seiner eigenen Niederlage am Sieg verzweifelte, erheblich verschlechtert.
Einige Wochen später suchte Brutus auf das Drängen seiner Truppen die
Entscheidung in einer zweiten Schiacht, die mit dem völligen Sieg der
Triumvirn endete; Brutus entzog sich der Gefangennahme durch frei-
willigen Tod (Hei'bst 42 v. Chr.). Nach der Auflösung des Landheeres gab
die republikanische Flotte den Kampf noch nicht völlig auf; Murcus stellte
seine Schiffe dem Sex. Pompeius zur Verfügung, während sein Genosse
Cn. Domitius Ahenobarbus den Kreuzerkrieg auf der Adria auf eigene Faust
fortsetzte.
Die Sieger Antonius und Oktavian nahmen eine neue Verteilung der
Provinzen vor und zwar über den Kopf des in ihrem Bunde kaum noch
geduldeten Lepidus hinweg, der für den ihm diktierten Verzicht auf Spanien
und die Narbonensis mit Afrika abgefunden wurde. Die spanischen Pro-
vinzen fielen an Oktavian, Gallia cisalpina hörte als Provinz auf und wurde
zu Italien geschlagen, wo Antonius und Oktavian dieselben Rechte hatten.
Die Narbonensis fügte Antonius seinem gallischen Besitz hinzu. Nach dem
Sieg mufäten vor allem die den Soldaten gemachten Versprechungen er-
füllt werden. Antonius ging in den Osten, um dort die nötigen Geldmittel
aufzubringen, während Oktavian in Italien die Veteranen mit Land ver-
sorgen sollte. Damals genoß Antonius, der eigentliche Held von Philippi,
weit höheres Ansehen als Oktavian, der nie ein großer Feldherr war. Nach
einem Besuch in Athen begab sich Antonius im Frühjahr 41 v. Chr. nach
Kleinasien; er wurde als Gott auf Erden, als neuer Dionysos begrüßt und
schaltete mit souveräner Willkür in den schon von Brutus geschröpften
Landschaften, die nun aufs neue ausgesogen wurden. Nach Tarsos entbot
er die Königin Kleopatra von Ägypten, die ihre Politik während des Krieges
rechtfertigen sollte, was der einstigen Freundin Caesars ein Leichtes war.
Auch Antonius erlag dem eigenartigen Zauber dieser geborenen Herrscherin;
während in den asiatischen Provinzen seine Legaten zurückblieben, ver-
') Zur Schlacht bei Philippi s. Heuzey et Daumet, Missio)i arclu'oJoffique en Macf'-
doine (Paris 1876), S. 97 f. pl. A.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chi-.). (§43.) 265
brachte er den Winter 41/40 v. Chr. an der Seite der letzten Lagidin in
der ägyptischen Residenz, in der man sich nicht langweilte.
In derselben Zeit hatte Oktavian in Italien einen schweren Stand. Rund
100000 Veteranen ') galt es mit Land zu versorgen; die für diesen Zweck
bestimmten achtzehn Städte, von denen übrigens zwei, Rhegion und Vibo,
mit Rücksicht auf den bevorstehenden Krieg mit Sex. Pompeius ausgenommen
werden mußten, reichten längst nicht aus. Um für die Veteranen neue
Bauernhufen zu schaffen, schritt man zur Zwangsenteignung, und wenn
auch die Expropriierten Anspruch auf Geldentschädigung hatten, so machte
doch diese gewaltsame Bodenreform zugunsten der Söldner unter der fried-
lichen Bevölkerung viel böses Blut; 2) die Mifsstimmung in Italien wurde
gesteigert durch den Steuerdruck und die Piraterie des Sex. Pompeius, der
mit seinen Kapern die Kornzufuhr unterband. Oktavian sah sich zunächst
durch Krankheit und sodann durch die Umtriebe der Antonianer gehemmt,
an deren Spitze der Konsul L. Antonius, der Bruder, und die energische
Fulvia, die Gattin des Triumvirn, standen. Sie hetzten und wühlten gegen
Oktavian, dem sie in agitatorischer Absicht die volle Verantwortung für
die doch mit M. Antonius vereinbarten Expropriationen beimaßen. Auch
die Legaten des Antonius in Gallien, Q. Fufius Calenus und C. Asinius Pollio,
verhielten sich feindselig. Da die Antonianer eine Versöhnung ablehnten,
so mußten die Waffen entscheiden. Auf kurze Zeit nahm L. Antonius Rom
in Besitz; dann eilte er nach Norden, um sich mit den Truppen seines
Bruders zu vereinigen. Aber Oktavians Feldherren verlegten ihm den Weg;
in Perusia wurde er eingeholt und belagert. 2) Nach langem Widerstand
zwang ihn Ende Februar 40 v. Chr. der Hunger zur Kapitulation. Oktavian
sandte ihn später als einen seiner Statthalter nach Spanien. Die übrigen
Antonianer hatten inzwischen Italien verlassen; Fulvia reiste ihrem Gatten
nach dem Osten entgegen; sie traf mit ihm in Athen zusammen und ist
bald darauf in Sikyon gestorben ; ^) andere Parteigänger des Antonius flüch-
teten zu Sex. Pompeius. ö) Asinius Pollio blieb in Oberitalien, wo er sich
mit Cn. Domitius Ahenobarbus vereinigte, der jetzt unter Vermittlung des
Asinius mit seinen Schiffen zu Antonius überging. Auch nach dem Sieg
blieb das Glück dem Oktavian treu; ohne Schwertstreich gelangte er in
den Besitz der gallischen Provinzen, die ihm der Sohn des plötzlich ver-
storbenen Q. Fufius Calenus, des Statthalters des Antonius, in der ersten
Bestürzung mit elf Legionen übergab. Auch in Afrika war während des
^) Nach Appian b. eiv. V 5, 21 in der ; Autononius vgl. E. Groag, Klio XIV, 1915,
Ansprache an die asiatischen Griechen 43 ff.
über 170000; diese Zahl, die der Sollstärke ; ••) Vgl. über Fulvia als die „erste Für-
von 28 Legionen entspricht, wii-d von ' stin Roms" das gerechte Urteil von F.
J. Kbomayer, Neue Jahrbb. 33, 1914, 161, Münzee, PW VII 281 ff. Sie ist besser als
auf die obige Ziffer reduziert. ihr — sehr schlechter — Ruf.
2) Bekannt ist der Fall des Dichters Ver- *) Unter ihnen Ti. Claudius Nero, der
gilius, der das väterliche Gut nur durch j Unruhen in Kampanien angestiftet hatte,
die Fürsprache hoher Gönner rettete. W
S. Teuffels Gesch. der röm. Lit. IP § 224
^) Weshalb dieser Krieg, der in ver
schiedenen Teilen Italiens spielte, .den
und nun mit seiner Gattin Livia, der spä-
teren Kaiserin, und seinem zweijährigen
Sohn, dem nachmaligen Kaiser Tiberius,
nach SiziUen flüchtete und von dort weiter
Namen des per US in i sehen führt. Über nach Griechenland. Velleius II 75. Suet.
die notgedrungene Zurückhaltung des M. Tib. 4. 6.
266 Römische Geschichte.
perusinischen Krieges gestritten worden. Der Antonianer T. Sextius hatte
den von Oktavian in Africa nova eingesetzten Statthalter Chi. Fuficius Fango
angegriffen und überwunden ; bis nach Spanien griff dieser Krieg hinüber,
um erst aufzuhören, als Lepidus, von Oktavian mit Truppen ausgerüstet,
die afrikanischen Provinzen übernahm. Eine Folge des Konflikts mit den
Antonianern war ein Annälierungsversuch Oktavians an Sex. Pompeius.
Damals löste Oktavian seine Josephsehe mit Clodia, der Stieftochter des
M. Antonius, und ging eine neue politische Konvenienzehe mit der alternden
Scribonia, einer Verwandten des Sex. Pompeius ein.
Inzwischen hatten im Osten die Parther die Offensive ergriff'en; Pakoros,
der Sohn des Orodes, überschritt (40 v. Chr.) den Euphrat. Bei den Par-
thern weilte als Vertreter des Brutus und Cassius Q. Labienus, der Sohn
des einstigen Legaten Caesars T. Labienus. Q. Labienus übernahm den Be-
fehl über ein parthisches Heer, wobei er die nationale Würdelosigkeit so-
weit trieb, sich Parthicus Imperator zu nennen. ^) Von den Truppen des
Antonius gingen viele zu ihm über und dessen Statthalter Decidius Saxa
wurde erst in Syrien, dann in Kilikien geschlagen und schließlich getötet;
ganz Syrien außer Tyros kam in parthische Gewalt. Labienus ging über
den Tauros und eroberte mit seinem parthisch-römischen Heer einen großen
Teil Vorderasiens, selbst die Provinz Asia geriet bis auf die Küste und
einige feste Plätze in seine Hände.
Um die orientalischen Provinzen zurückzuerobern, brauchte Antonius
Verstärkungen, die er nur in Italien rekrutieren konnte; eine Auseinander-
setzung mit Oktavian war unvermeidlich und so kehrte denn Antonius nach
dem Westen zurück ; er war auf das Schlimmste gefaßt. Brundisium sperrte
ihm die Einfahrt, worauf er die wichtige Hafenstadt zu blockieren begann ;
Oktavian zog heran; schon kam es zu Feindseligkeiten und ein neuer Bürger-
krieg drohte auszubrechen. Gleichzeitig unternahm Sex. Pompeius, mit dem
sich Antonius verständigt hatte, einen Angriff auf Thurii und Consentia
in Unteritalien. Aber die Freunde der Triumvirn, Maecenas, Asinius Pollio
und L. Cocceius Nerva brachten (Herbst 40 v. Chr.) einen friedlichen Aus-
gleich, das sog. foedtis Brundisinum^) zuwege. Diese Übereinkunft lag im
beiderseitigen Interesse. Denn zum Endkampf hatte die Stunde noch nicht
geschlagen; Antonius verfügte zwar über eine starke Flotte, aber nicht über
genügend Soldaten, während Oktavian zur See nichts ausrichten konnte und
seines gewaltigen Landheeres nicht vollkommen sicher war. Den Pakt der
beiden Triumvirn sollte wiederum ein Ehebündnis besiegeln; der soeben
verwitwete Antonius verlobte sich mit Octavia, der ebenfalls verwitweten
Schwester Oktavians. Aufs neue teilten die Triumvirn die Welt: Oktavian
erhielt den lateinischen Westen, Antonius den hellenistischen Osten; die
Demarkationslinie zwischen den beiden Machtsphären lief über das illyrische
Scodra (Skutari); Afrika verblieb dem Lepidus. Italien galt nach wie vor
als neutraler Boden. Im nächsten Jahr wurde auch mit Sex. Pompeius
Friede geschlossen. Dieser hatte bereits durch seinen Kapitän Menas dem
') Es gibt von ihm Münzen mit der | 81 f. Mommsen, Eöm. Gesch. V 359.
Aufschrift Q. Labienus Parthicus imp. Vgl. ^) Vgl. J. Kromayer, Hermes 29, 1894,
A. V. Sället-Regling, Die antiken Münzen, | 556 ff.
6. Vierte. Periode : Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§ 43.) 267
Oktavian die Insel Sardinien entrissen und bedrohte Eom mit Hungersnot,
indem er die Getreidezufuhr mit seiner Flotte lahm legte; trotzdem war
der Sohn des großen Pompeius in Italien noch immer populär; unter dem
Druck der öffentlichen Meinung und auf Wunsch des Antonius mußte sich
Oktavian zu einem Ausgleich mit dem „Seekönig" bequemen. Bei Kap
Misenum hatten die beiden Triumvirn mit Sex. Pompeius eine Zusammen-
kunft (Sommer 39 v. Chr.). Sex. Pompeius wurde durch den Vertrag von
Misenum als Herr der See und der Inseln Sizilien, Sardinien und Korsika
anerkannt, weiterhin wurde ihm die Provinz Achaia und das Konsulat in
Aussicht gestellt, sowie eine Entschädigung für das eingezogene väterliche
Erbe; auch sollten seine Anhänger bei der Amterverteilung berücksichtigt
werden.*) Sextus hat eine eigenartige Stellung, er betrachtet sich als Rechts-
nachfolger und Rächer seines Vaters, in dessen Spuren er wandeln will;
deshalb legte er sich den Beinamen Plus zu. Er war übrigens ein Mann
von autokratischen Neigungen; seinen Genossen aus dem Senatorenstand
traute er nicht; den Pompeius Bithynicus, mit dem er zuerst die Herrschaft
über Sizilien teilte, und den Staius Murcus, der mit seinen Schiffen zu ihm
übergegangen war, räumte er aus dem Weg. Dagegen gab er, ähnlich wie sein
Vater, viel auf seine Freigelassenen; nur von diesen seinen Kreaturen ließ
er seine Flotte kommandieren; deshalb hielten nur wenige Männer von Rang
bei ihm aus. Für die Sicherheit Italiens und des ganzen Westens bedeutete
er eine ständige Gefahr. Flüchtlinge, Seeräuber, entlaufene Sklaven fanden bei
ihm Zuflucht, mehrere Inseln und Küstenplätze Italiens bis nach Kampanien
hin waren in seinem Besitz, in Rom hatte er noch immer seinen Anhang. 2)
Während Antonius nach dem Frieden von Misenum zum Partherkrieg
abging, begab sich Oktavian zunächst nach Gallien, wo an der germanischen
Grenze und in Aquitanien Aufstände ausgebrochen waren. M. Agrippa über-
nahm es, die Ruhe wieder herzustellen. Bei dieser Gelegenheit überschritt
er den Rhein (38 v. Chr.) und siedelte die Ubier, um sie zu schützen, auf
dem linken Rheinufer an mit dem späteren Köln als Mittelpunkt. 3) Durch
einen großen Sieg brachte Agrippa auch die Aquitaner zur Unterwerfung
(38 V. Chr.). Oktavian war inzwischen nach Italien zurückgekehrt, wo sich
bald neue Feindseligkeiten mit Sex. Pompeius entspannen, nachdem Oktavian
sich durch den verräterischen Flottenführer des Sextus, Menas, die Insel
Sardinien hatte in die Hände spielen lassen, womit er den Vertrag von
Misenum verletzte, an den sich auch Antonius, der Achaia nicht herausgab,
und Sex. Pompeius nicht kehrten. Schon 38 v. Chr. nahm der Krieg wieder
seinen Anfang trotz dem Abraten des Antonius, der damals von Griechen-
land aufs neue bei Tarent erschien, dann aber zum Partherkrieg in den
Orient eilte. Den Winter 39/38 v. Chr. hatte Antonius an der Seite seiner
Gattin Octavia in seiner Lieblingsstadt Athen zugebracht und einstweilen
') Sein Legat L.PliniusRufus bezeichnet ; au Stelle des Praeuomens.
sich in einer Inschrift als designierten ' ^) Vgl.DRUMANN-GEOEBE IV 563ff. Dorn-
Prätor. Sextus selbst wird dort Magnus Seiffen, De Sexfo Pompeio Magno Magni
Pompeius Magni filius Pins genannt. ILS '' filio, Utrecht 1846: Hitze, De Sex. Pompeio,
III 2 ur. 8891. K. Mras, Wien. Stud. 25, ' Breslau 1883.
1903, 288 flf. Sex. Pompeius führt also hier \ ^) Strabo IV 194.
das vom Vater ererbte Cognomen Magnus
268 Römische Geschichte.
den Partherkrieg seinem Legaten P. Ventidius übertragen. Ventidius .schlug
den Labienus aus Asien hinaus; Labienus mußte flüchten und fand den
Tod; die Parther wurden in zwei Treffen, am Tauros und Amanos, ge-
schlagen und die verlorenen Provinzen zurückerobert (39 v. Chr.). Noch
einmal erneuerte im nächsten Jahr Pakoros den Angriff und überschritt
unerwartet den Euj^thrat, wurde aber bei Gindaros in der Kyrrhestike ge-
schlagen und getötet, angeblich an demselben Tag, an dem fünfzehn Jahre
vorher Crassus von den Parthern getötet worden war (oben S. 236) (38 v. Chr.).
Syrien und überhaupt der ganze römische Orient wurden Avieder unter-
worfen, nur einige Landschaften verharrten noch im Aufstand. Der König
Antiochos von Kommagene, der sich nicht unbedingt hatte fügen wollen,
Avurde in seiner Hauj^tstadt Samosata (am Euphrat) belagert, und hier traf
nun Antonius ein. Aber Antiochos setzte wider Erwarten den Widerstand
mit solcher Zähigkeit fort, daß Antonius die Belagerung aufheben und dem
König weit glimpflichere Bedingungen gewähren mußte, als dieser selbst
zuvor dem Ventidius vorgeschlagen hatte. Den Winter 38/37 v. Chr. ver-
brachte Antonius wieder in Athen. Der Krieg blieb seinen Legaten über-
lassen. P. Canidius Crassus gewann Armenien und focht von hier aus mit
Erfolg gegen Iberer und Albaner (37 36 v. Chr.). C. Sosius bezwang Syrien
vollends ganz; er nahm Arados und unterwarf Judaea. Nach fünfmonat-
licher Belagerung wurde Jerusalem von Sosius im Verein mit dem Idumäer
Herodes im Jahr 37 v. Chr. erobert. Der von den Parthern in Jerusalem
zum jüdischen König eingesetzte Antigonos, ein Sohn des Aristobul (S. 223),
wurde gefangen und auf Befehl des Antonius in Antiochien enthauptet.
Mit ihm endete die Dynastie der Hasmonäer, deren Thron in Jerusalem
Herodes bestieg, der Sohn des Antipatros, des Majordomus des von den
Parthern abgesetzten königlichen Hohenpriesters Hyrkanos H. Herodes
hatte sich 40 v. Chr. vor den Parthern nach Rom geflüchtet und war von
den Triumvirn und vom Senat als König der Juden anerkannt worden,
konnte aber erst nach längeren Kämpfen mit Antigonos die Herrschaft
endgültig antreten.')
Antonius wollte nun endlich mit dem Rachekrieg gegen die Parther und
also mit der Ausführung von Caesars letztem Entwurf Ernst machen. Dazu
brauchte er Truppen aus Italien, die er aber nicht ohne weiteres bekam.
Denn inzwischen war das Einvernehmen der Triumvirn von beiden Seiten
gestört worden, vor allem durch Sex. Pompeius. Schon 38 v. Chr. hatte
Oktavian, für den der Besitz Siziliens eine Lebensfrage war, die Feind-
seligkeiten gegen den „Seekönig" wieder aufgenommen. Von zwei Seiten,
auf dem tyrrhenischen und dem ionischen Meer, wurde der Angriff geführt;
nach einem unentschiedenen Seegefecht bei Cumae rückte Calvisius Sabinus
im tyrrhenischen Meer gegen Sizilien vor, während Oktavian von Tarent
aus in See stach, aber nach einem unglücklichen Treffen in der Straße von
Messina so schwere Havarie erlitt, daß er von seinem Unternehmen zu-
') Vgl. Walter Otto, PW, Suppl. II 1 if . v. Chr.; über das richtige Datum (Juli 37
( = Herodes. Beitr. z. Gesch. d. ]üd. Königs- v. Chr.) s. Otto a. a. O. 31, Aum. (Herodes
hauses). — Cass. Dio XLIX 22 setzt den ) S. 33**).
Fall Jerusalems fälschlich in das J. 38
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§43.) 269
nächst abstehen mufäte. Da Antonius die Hilfe gegen Sextus abgelehnt
hatte, so wurde ihm, als er 37 v. Chr. in Brundisium einfahren wollte, von
Oktavian der Hafen gesperrt. Trotz diesem Akt offener Feindschaft gelang
es der Vermittlung der Octavia, nochmals eine Versöhnung anzubahnen. Bei
einer persönlichen Begegnung der beiden Triumvirn bei Tarent wurde ein
neues Abkommen getroffen, in das sie auch den Lepidus mit einbezogen.
Das Triumvirat wurde auf weitere fünf Jahre verlängert.') Antonius ließ
den Sex. Pompeius ganz fallen: Oktavian und Lepidus versprachen dem
Antonius für den Partherkrieg eine ansehnliche Truppenmacht, als Gegen-
leistung stellte er für den Kampf mit Sextus Schiffe zur Verfügung. Auch
Lepidus erklärte sich bereit, am Krieg gegen Sextus teilzunehmen, und nun
ließ Oktavian alsbald durch M. Agrippa, der damals (37 v. Chr.) Konsul war,
umfassende Vorbereitungen zum sizilischen Krieg treffen. Der Lukrinersee
beim Golf von Neapel wurde damals mit dem Meer verbunden und in einen
großen Kriegshafen {portus Julius) umgewandelt. Sextus rüstete sich zum
Widerstand, seine Hauptmacht sammelte sioh in Messana und Lilybaeum.
Am 1. Juli 36 v, Chr. stachen drei Flotten mit Kurs nach Sizilien in See,
und zwar das Gros unter Oktavian und Agrippa von dem neuen Hafen
bei Puteoli aus, die von Antonius geliehenen Schiffe unter Statilius Taurus
von Tarent, diejenigen des Lepidus von der afrikanischen Küste aus. Lepidus
konnte in Sizilien landen und die Belagerung von Lilybaeum beginnen, da-
gegen wurde Oktavians Flotte durch Stürme derart beschädigt, daß eine
längere Verzögerung einti-at. Doch setzte Oktavian alles daran, den Ver-
lust, den ihm die Elemente zugefügt hatten, wieder auszugleichen: die Flotte
wurde wieder seetüchtig gemacht und lichtete einen Monat später von neuem
die Anker. Agrippa errang bei Mylae einen Seesieg; dann glückte es dem
Oktavian, einige Truppen unter L. Cornificius nach Tauromenion überzu-
setzen, die zwar von Sextus aufs äußerste bedrängt wurden, sich aber doch
behaupteten, bis es dem Agrippa gelang, Verstärkungen hinüberzuwerfen.
Agrippa nahm Tyndaris, voll Westen her zog Lepidus heran, und Sextus
mußte eine Entscheidungsschlacht annehmen. Bei Naulochos errang Agrippa
am 3. September 36 v. Chr. einen Seesieg, in dem der Kern der pompejani-
schen Flotte vernichtet wurde. Sex. Pompeius gab Sizilien ohne weiteren
Kampf auf und flüchtete mit wenigen Schiffen nach Kleinasien, ohne sich
um sein Landheer zu kümmern. Messana, das sein Legat L. Plinius be-
hauptete, wurde von Agrijspa und Lepidus eingeschlossen. Die pompejani-
schen Truppen ergaben sich dem Lepidus, der ihnen über den Kopf des
noch abwesenden Oktavian hinweg die Stadt zur Plünderung preisgab und
sie in sein Heer einreihte. Ja, Lepidus machte sogar Miene, Sizilien für
sich zu behalten; aber Oktavian war nicht der Mann, sich um den Sieges-
preis prellen zu lassen. Es wäre zu einem neuen Krieg zwischen den beiden
Triumvirn gekommen, wenn nicht die kampfesmüden Truppen des Lepidus
es vorgezogen hätten, zu Oktavian überzugehen. Von seinem Heer im Stich
') Appian bell.civ.y 95, Illyr.28. J. Keo- Daß auch der Vertrag von Tarent durch
MAYEK, Die rechtliche Begründung des Volksbeschlußbestätigt wurde, wird gegen
Triumvirats, Straßburger Diss., Marburg Mommsen (Staatsrecht 11^ 718, 3) von Keo-
1888, 8. Die ursprüngliche Frist war schon mayer und W. Kolbe, Hermes 49, 1914,
am 31. Dezember 38 v. Chr. abgelaufen. 276 ff. mit guten Gründen verfochten.
270 Römische Geschichte.
gelassen, mußte sich Lepidus der Gnade Oktavians anvertrauen. Oktavian
nahm ihm seine Provinzen ab und entkleidete ihn seines Amtes, beließ ihm
aber die Würde eines jxjntifex maximus, die ihm erst der Tod raubte.')
Der Sieg über Sex. Pompeius und die Beseitigung des Lepidus sind
Ereignisse von einschneidender Bedeutung, machten sie doch Oktavian zum
alleinigen Herrn des Westens. Die Sicherheit des Meeres konnte wieder
hergestellt, Italien vom Banditenunwesen gesäubert und die Hauptstadt, in
der Sextus nicht wenige Anhänger gezählt hatte, beruhigt werden. Die
Versorgung Koms und Italiens mit sizilischem und afrikanischem Korn war
sichergestellt. Die aufatmende Bevölkerung konnte wieder ungestört ihren
friedlichen Geschäften nachgehen. Viele Veteranen wurden entlassen und zu-
meist in Kampanien angesiedelt. Bei der Rückkehr nach Rom war Oktavian
mit großen Ehren empfangen worden. Ein Volksbeschluß verlieh ihm im
Jahr 35 v. Chr. die tribunizische Gewalt auf Lebenszeit und schützte damit
seine Person; sein Stern war im Steigen.
Sein Rivale Antonius war nach dem Tarentiner Abkommen zum Parther-
krieg in den Orient abgegangen. 2) Hier erneuerte er sogleich seine Ver-
bindung mit Kleopatra, die er (37/36 v. Chr.) zu sich nach Antiochien berief,
wo er sich mit ihr vermählte und ihr als „Morgengabe" größere Teile Syriens
sowie die Insel Kypros mit Annexen an der kilikischen Küste überließ. 3)
Im Jahr 36 v. Chr. trat dann Antonius den Partherzug an. Bei den Par-
thern waren kurz zuvor (37 v. Chr.) nach der Thronbesteigung des Phraates II
und dem Tod des Orodes Unruhen ausgebrochen, die sich Antonius zunutze
zu machen gedachte. Er suchte den Phraates durch Unterhandlungen zu
täuschen und hoffte ihn zu überraschen; daher ging sein Angriff nicht gerade-
wegs über den Euphrat, sondern auf einem weiten Umweg zog er durch
Armenien in das atropatenische Medien ein.^) Jedoch nach vergeblicher
Belagerung einer festen Stadt ^) mußte er einen gefahrvollen Rückzug an-
treten, beständig von den Parthern verfolgt. Er bewährte in dieser gefähr-
lichen Lage seine kriegerischen Tugenden in Vollem Maß und schlug sich
nach Armenien durch; aber er hatte von rund 100000 Mann über ein Drittel
eingebüßt, und der mit großen Mitteln begonnene Feldzug endete mit einem
Fiasko, das seinem Ansehen nicht wenig schadete. Um jene Zeit tauchte
Sex. Pompeius auf der Flucht in Asien auf; zuerst fand er Aufnahme in
Mytilene, dann bemächtigte er sich der Stadt Lampsakos und setzte sich
') Lepidus ist vor dem 6. März 12 v.Chr. V. Gardthaüsen, Neue Jahrbb. 37, lUlT,
gestorben, an welchem Tag Oktavian als , 158 ff. bestreitet, daß Antonius vor der
sein Nachfolger zum jjontifex max'nmis ge- Scheidung von Octavia eine förmliche Ehe
wählt wurde. mit Kleopatra ein-ging. — Über Kleopatra
-) Octavia begleitete ihn nur bisKorkyra. s. M. L. Strack, Hist. Zeitschr. 115, 3. F. 19,
^) Vgl. MoMMSEN, Res gestae divi Aug. 118 1916. 473 flF.
und Additam.; ScHUREli, Gesch. des jüd. *) Vgl. über diesen Feldzug Bürcklein,
Volkes P 316: Kromayer. Hermes 29, 1894, Quellen und Chronologie der röm -parth.
571. Josephus b. Jud. I 859 f. Antiq. XV Feldzüge i. d. J. 713 bis 718 d. St., Diss.
88 f. Da sich Antonius erst 32 v.Chr. von Berl. 1879. Kromayer, Hermes 31, 1896, 70f.
Octavia scheiden liefs, so lebte er 4 Jahre =) Phraata bei Plutarch Anton. 38,
lang, von 36 — 32 v. Chr., nach unseren Praaspa bei Cass. Dio XLIX 2-5, Vera bei
Begriffen in Bigamie. Nach römischer Strabo XI 523. Dies ist nach Rawlinsox
Rechtsanschauung war allerdings die Ehe das heutige Tachti Suleiman; vgl. Gardt-
mit der Ausländerin Kleopatra nichtig. haüsen, Augustus I 295 f. II 153 f.
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v.Chr.). (§43.) 271
in Bithynien fest; er erhielt großen Zulauf. Ermutigt durch das Mißgeschick
des Antonius, suchte er sich mit dem Partherkönig ins Benehmen zu setzen,
wobei ihm die Rolle des Q. Labienus vorschwebte. Aber in Phrygien ereilten
ihn die Truppen des Antonius unter M. Titius, C. Eurnius und dem Galater-
könig Amyntas. Er wurde als Gefangener nach Milet gebracht und dort
hingerichtet (35 v. Chr.). Zur Feier der Besiegung des Sex. Pompeius ließ
Oktavian für Antonius durch den Senat hohe Auszeichnungen beschließen.
Oktavian wandte sich nunmehr gegen die nördlichen und östlichen Nach-
barn Italiens in den Alpen und in Illyrien, die während der Bürgerkriege
Italien zu Wasser und zu Lande oft genug beunruhigt hatten, i) In Illyrien
waren die Dalmater und andere Stämme überhaupt nie ganz unterworfen.
Schon zur Zeit der gallischen Kriege Caesars ließ die Sicherheit an der
dortigen Küste viel zu wünschen übrig (oben S. 242), die späteren Bürger-
kriege machten manche Völkerschaften ganz unabhängig und verhalfen ihnen
zu Waffen, Beute und Geld. Einzelne Inseln wurden zu förmlichen Raub-
nestern, und auch die italischen Küsten scheinen heimgesucht worden
zu sein. Unter dem Diktator Caesar hatte P. Vatinius (45 44: v. Chr.) in
Illyrien zvi kämpfen, später 39 v. Chr. Asinius Pollio, beide ohne viel
auszurichten. Oktavian wollte hier ganze Arbeit tun. Sein letztes Ziel,
die Donau, sollte er freilich nicht erreichen. Er wandte sich zuerst gegen
das nördliche Ilh^rien, überwand nach heftigem Widerstand die Japoder,
drang weiter zu den Pannoniern vor und eroberte Segestike oder Siscia
(Sziszek) an der Save und Kulpa; damit hatte er den wichtigsten Stütz-
punkt für weitere Operationen gegen die Geten und Bastarner gewonnen.
Doch drang er in der Folge nicht weiter gegen Norden vor, sondern wandte
sich im nächsten Jahr (34 v. Chr.) gegen die Dalmater; der schwierige Krieg
wurde durch den Winter hindurch unter persönlicher Teilnahme Oktavians
ins nächste Jahr hinein bis zur Unterwerfung der Feinde und Sicherung
der Küstenlandschaft fortgesetzt. Kurz vorher (34 v. Chr.) hatte M. Valerius
Messalla Corvinus das Alpenvolk der Salasser bezwungen.
Antonius bereitete sich in dieser Zeit auf einen neuen parthischen Feldzug
vor. Er trat mit dem König des westlichen, atropatenischen Medien, einem
parthischen Vasallen, in Verbindung 2) und legte die Hand auf Armenien,
dessen König Artavasdes das Mißlingen des parthischen Feldzuges ver-
schuldet haben sollte. Nach einem ersten Versuch im Jahr 35 v. Chr. rückte
Antonius im nächsten Jahr unerwartet gegen Armenien, nahm den Arta-
vasdes bei einer Unterredung gefangen, besetzte das Land und entführte
den König mit sich nach Alexandrien, wo er über ihn einen Triumph feierte.
In Armenien entstanden darüber Unruhen und Empörung, ein Sohn des
Artavasdes, Artaxes (oder Artaxias), wurde von den Parthern ins Land
geführt, und Antonius mußte abermals in Armenien eingreifen. 33 v. Chr.
stand er am Araxes und brachte das Bündnis mit dem Mederkönig zum
Abschluß. Selbst mit den feindlichen Nachbarn der Parther, den Indo-
1) Appian lUyr. 16 f. Cass. Dio XLIX 35. Oct. in Illyrien, Schriften der Balkan-
Strabo VII 313 f. Zippel, Illyrien unter kommission VII, Wien 1914.
röm. Herrschaft 226 f. Kromayek, Hermes ; -) Wie der armenische König führte
33, 1898, 1 ff. G. Veith, Die Feldzüge des auch dieser den Namen Artavasdes.
272 Römische Geschichte.
skythen, die damals Indien beherrschten, trat er in Verbindung. Er hegte
großartige Erol)erungspläne, die an Alexander den Großen anknüpften.
Bei ihrer Ausführung hätte er die Unterstützung Oktavians nicht ent-
behren können, nun aber kam es gerade jetzt zum völligen Bruch und
weiter zum offenen Krieg. Den Anstoß gab, abgesehen von der natürlichen
Rivalität der beiden Machthaber, der Sturz des Sex. Pompeius und des
Lepidus sowie die steigende Macht Oktavians, der sich in den Alleinbesitz
Italiens und seiner militärischen Hilfsquellen setzte und seinem Kollegen
den ihm zukommenden Anteil nicht gönnte, ja ihm nicht einmal die im
Vertrag von Tarent versprochene Hilfe gegen die Parther geleistet hatte.
Um daher seinen Anspruch auf Italien nötigenfalls mit Gewalt zu erzwingen,
schritt Antonius zu Rüstungen, die schon 35 v. Chr. ihren Anfang nahmen.
Der Gegensatz wurde noch verschärft durch die Verbindung des Antonius
mit der Königin von Ägypten, als deren „Prinzgemahl" er sich seit Anfang
36 V. Chr. gerierte. Seine Ehe mit Kleopatra war nicht nur eine persön-
liche Beleidigung für seinen Schwager OktaA'ian, sondern auch ein Ereignis
von größter politischer Tragweite; denn im Bund mit Kleojjatra verfügte
Antonius über das reichste Land des Orients. Nach dem parthischen Fehl-
schlag hatte die edle Octavia dem pflichtvergessenen Gatten nochmals die
Hand zur Versöhnung entgegengestreckt, wurde aber schroff zurückgewiesen
(35 V. Chr.). Die Verbindung des Römers mit der Ägypterin gab in Rom
viel Ärgernis. Nicht weniger Anstoß erregte dort die Unbekümmertheit,
mit der Antonius über die asiatischen Landschaften verfügte, wozu er frei-
lich durch die ihm vom Senat übertragenen Vollmachten befugt war. Außer
Judäa erhielten Galatien und Kappadokien neue, dem Antonius ergebene
Fürsten. In Galatien und den südlich angrenzenden Landschaften Avurde
Amyntas König, Archelaos in Kappadokien. Mit den östlichen Teilen der
Provinz Pontos wurden Söhne des Pharnakes und später ein vornehmer
Grieche, Polemon von Laodikeia in Phrygien, ausgestattet. Besonders reich
wurde Kleopatra bedacht. Schon Anfang 36 v. Chr. ^j verlieh Antonius ihr
einzelne syrische Landschaften; nach dem Triumph über Artavasdes (34:
v. Chr.) — auch das eine Ungeheuerlichkeit, denn nur am Tiber und nicht
am Nil ist für römische Begriffe ein Triumph denkbar — wurde in feierlicher
Versammlung in Alexandrien Kleopatra zur Königin der Könige [ßaoi/j^
ßaoikecov) ausgerufen mit einem den Arsakiden entlehnten Titel. Ägypten,
Kypros, Kyrene, Teile Kilikiens und selbst Kretas wurden ihr überlassen:
so war nahezu das ptolemäische Ägypten zur Zeit seiner höchsten Macht
wiederhergestellt. Kaisarion (Ptolemaios XVI), den Antonius als Sohn Caesars
anerkannte, wurde ihr Mitregent: ihre und des Antonius Söhne wurden als
Könige der Könige mit Herrschaften ausgestattet, der eine mit Phönike.
Syrien und Kilikien, der andere mit Armenien, Medien, Parthien; eine
Tochter mit Kyrene.-) Von den römischen Provinzen im Orient blieben nur
Asien und Bithynien unangetastet. In den Augen der Römer bedeuteten
^) Vgl. über die Zeit Walter Otto a.
S. 268 A. 1 a. O. 43 (45) Anm.
^) Kleopatra schenkte dem Antonius
drei Kinder, ein Zwillingspaar, Alexan- | Dio XLIX 41.
dros und Kleopatra, und einen Sohn Ptole- [
maios, beigenannt Philadelphos. Die Toch-
ter Kleopatra heiratete später den Juba
von Mauretanien. Plut. Aut. 54. 87. Cass.
6. Vierte Periode : Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chr.). (§ 43.) 273
diese Schenkungen eine Minderung des Reiches, und selbst die Freunde
des Antonius konnten sein Verlialten nicht rechtfertigen. Vielen unter ihnen
war die Verbindung mit der ägyptischen Königin und die Förderung der
ptolemäischen Großraachtspolitik ein Dorn im Auge, und nicht wenige gingen
zu Oktavian über.
Die das römische Nationalgefühl verletzenden Vorgänge in Alexandrien
veranlaßten den Oktavian, mit Anklagen gegen Antonius öffentlich hervor-
zutreten, woraus sich ein Federkrieg der Triumvirn entwickelte, der von
den Parteigängern auf beiden Seiten lebhaft weitergeführt wurde. Antonius
beschwerte sich seinerseits über die Absetzung des Lepidus und verlangte
Halbpart von allen Erwerbungen Oktavians, sowie die Hälfte der italischen
Rekruten. Die Antwort Oktavians, der die nicht unbegründeten Ansprüche
glatt ablehnte, ging dem Antonius 33 v. Chr. in Armenien zu; er setzte
hierauf sein Heer sofort gegen Westen in Marsch; der Krieg gegen die
Parther war damit aufgegeben. Dann fiel die Entscheidung zu Anfang 32
v.Chr., als in Rom zwei Antonianer, Cn.Domitius Ahenobarbus und C. Sosius,
das Konsulat antraten. In einem Schreiben an den Senat erklärte sich An-
tonius bereit, das Triumvirat, dessen zweite Periode damals ablief, nieder-
zulegen und die alte Verfassung wieder in Kraft zu setzen. Die Konsuln
stellten sich in den Dienst des Antonius. Oktavians Lage war höchst kritisch.
Seit dem 1. Januar 32 v. Chr. ist er nur noch amtloser Privatmann. Wäh-
rend sein Rivale als Prinzgemahl der ägyptischen Königin den Verlust des
Triumvirates leicht verschmerzen kann, hat Oktavian den legalen Boden
seiner Macht unter den Füßen verloren. Aber mit einem Staatsstreich, i)
gestützt auf die Schwerter seiner Soldaten, terrorisierte er den Senat. Vor
der Gewalt räumten seine Gegner, an ihrer Spitze die Konsuln, das Feld.
Oktavian gewann sein gewagtes Spiel durch Veröffentlichung des Testaments
des Antonius, das ihm der Verrat zweier Überläufer zugänglich machte und
durch dessen Inhalt die nationale Würdelosigkeit des Antonius aufgedeckt
wurde. Der Abtrünnige wurde durch Volksbeschluß seiner Ämter entsetzt
und an Kleopatra der Krieg erklärt. Jetzt erst löste Antonius in aller
Form seine Ehe mit Octavia, die sich durch ihre würdige Haltung allgemeine
Sympathie erworben hatte. Die öffentliche Meinung erblickte in Oktavian
den Vertreter der nationalen Sache, den Anwalt des populus Eomanus.
Vergebens versuchte Antonius in Italien gegen ihn Stimmung zu machen.
Trotz den neu aufgelegten Kriegssteuern blieb mit wenigen Ausnahmen
alles ruhig; die Mehrheit des Senats erklärte sich für Oktavian. Volk und
Senat leisteten ihm den militärischen Treueid. Der Staatsstreich war ver-
gessen und vergeben.
Antonius und Kleopatra vereinigten sich zur Eröffnung des Feldzuges
schon im Herbst 33 v. Chr. in Ephesos und weilten dann, während die Flotten
imd Heere sich sammelten, längere Zeit auf Samos und später in Athen. ^)
Alle Dynasten des Ostens brachten ihre Kontingente, aus dem Westen er-
') W. KoLBE, Hermes 49, 1914, 273 ff.
leugnet den Staatsstreich Oktavians, da
nach seiner Ansicht (vgl. Appian Illyr. 28)
117, 3. F. 21, 1917, 11 ff. und bes. E. Kokne-
MANN, Mausoleum und Tatenbericht des
Aug., Leipzig-Berlin 1921, 96 ff.
das Triumvirat erst Ende 32 v. Chr. ab- ^) Zum folgenden vgl. Kkomayer, Hermes
lief. Dagegen A. Bauer, Hist. Zeitschr. 34, 1899, 1 ff.
Handbuch der kl ass. Altertumswissenschaft, lU, 5. 5. Aufl. 18
274 Römische Geschichte.
schien König Bogud von Mauretanien, dessen Reich Oktavian 38 v. Chr.
nach dem Tod des Bocchus eingezogen hatte; auch die Geten versi)rachen
Hilfe. Antonius hatte mit seinen Rüstungen einen erhebhchen Vorsprung;
er konzentrierte seine Hauptmacht, etwa 10000(/ Mann mit 12000 Reitern
und eine Flotte von 500 Kriegsschiffen, an der Westküste Griechenlands
und versuchte einen Vorstoß gegen Italien, mußte aber auf eine Landung
verzichten, da er keinen Stützpunkt fand und Oktavian alles zur Verteidi-
gung vorbereitet hatte; bei Korkyra kehrte er um und nahm sein Haupt-
quartier in Patrae, während Heer und Flotte am Meerbusen von Ambrakia
bei Actium überwinterten (32/31 v, Chr.). Die Verpflegung war schlecht
organisiert, die Flotte litt Mangel und verlor viele Leute, Griechenland
mußte Ersatz liefern und wurde überhaupt erbarmungslos geschröpft.
Oktavian hatte sich zunächst im ganzen Westen auf die Verteidigung
eingerichtet, ging aber dann nach Vollendung seiner Rüstungen im Früh-
jahr 31 V. Chr. mit etwa 80000 Mann und 400 Kriegsschiffen zum Angriff
über, die Vorhut führte Agrippa, dem sogleich einige kühne Streifzüge zur
See glückten. Gegenüber den Antonianern sammelte sich das ganze Heer
im südlichen Epirus und lagerte hier längere Zeit. Antonius wurde durch
Erfolge der Gegner, durch die Eroberung von Leukas, Patrae und Korinth
immer mehr eingeengt, seine Flotte war in der Bucht von Ambrakia fest-
geklemmt. Sein Heer litt Mangel, schon begann in seinen Reihen der Ab-
fall zu Oktavian. Antonius mußte eine Entscheidung suchen und beschloß
auf Rat der Kleopatra, sich mit der Flotte den Durchbruch zu erkämpfen.
So kam es am 2. September 31 v. Chr. bei Actium zu einer großen See-
schlacht. Der Durchbruch gelang nicht; während der Kampf noch tobte,
entfernte sich Kleopatra mit ihrem Geschwader, Antonius folgte ihr, aber
die übrigen Schiffe, etwa zwei Drittel der Flotte, blieben zurück und wurden
nach tapferem Widerstand überwältigt. Das Landheer des Antonius, 19 Le-
gionen, hätte unter Canidius Crassus den Rückzug nach Makedonien an-
treten sollen, wurde aber umstellt und kapitulierte, verlassen von seinem
Führer, der heimlich nach Ägypten entwich. Der Sieger Oktavian, dem
ganz Griechenland zujubelte, begab sich nach Athen und von da nach Samos,
wo er den Winter verbrachte (31-30 v. Chr.). Gleich nach dem Sieg hatte
er einen großen Teil des Heeres entlassen. Unter den Entlassenen entstand
in Italien eine schwere Meuterei, so daß Oktavian selbst im Winter nach
Italien über die stürmische See mußte, um die Veteranen zu beruhigen. Dann
eilte er w^ieder nach Osten, um den Krieg gegen Antonius zum Abschluß zu
bringen. Dieser war von Actium über Tainaron nach Kyrene geflohen, und
hatte dann Alexandrien erreicht. Die meisten seiner Bundesgenossen ver-
ließen ihn, auch die Legionen, die bei Kyrene standen, fielen von ihm ab. Den
Winter über schwankte Antonius zwischen Furcht und Hoffnung, Selbst-
behauptung und Verzweiflung, Lebensgenuß und Menschenscheu. Unter-
handlungen mit Oktavian, der keine Milde walten lassen mochte, zerschlugen
sich. Im Sommer 30 v. Chr. rückte der Feind von zwei Seiten heran,
Oktavian von Syrien, Cornelius Gallus von Kyrene her. Ägypten wurde
ohne Schwierigkeit erobert; vor Alexandrien versuchte Antonius nochmals
Gegenwehr; allein vergebens; seine und der Kleopatra Streitmacht, zuerst
6. Vierte Periode: Bis zum Untergang der Republik (28 v. Chi-.). (§ 43.) 275
die Flotte, dann das Landheer, ging zu Oktavian über, und am 1. August
30 V. Chr. fiel die Hauptstadt. Antonius stürzte sich in sein Schwert.
Kleopatra hatte noch immer gehofft, Ägypten für sieh oder ihre Kinder
zu retten; aus diesem Grund hatte sie zuletzt den Widerstand selbst ge-
hemmt; als ihre Hoffnung zuschanden wurde, nahm sie sich das Leben.')
Ihr ältester Sohn, Ptolemaios Kaisarion, wurde auf der Flucht eingeholt
und getötet, ebenso Antyllos, der älteste Sohn des Antonius; die übrigen
Kinder des Antonius und der Kleopatra wurden begnadigt und wie die
Kinder der Oetavia zur caesarischen Familie gerechnet. Ägypten wurde von
Oktavian eingezogen, wodurch das Land zwar zu einer Provinz des römischen
Weltreichs wurde, jedoch ausschließhch der eigenen Verwaltung Oktavian s,
der sich durch einen Präfekten vertreten ließ, vorbehalten blieb. 2) Der
Sieger fand in Alexandrien eine Beute, die ihm für die Versorgung der
Veteranen und die sonstigen Bedürfnisse seiner Herrschaft von unschätz-
barem Wert war. Oktavians Politik der Kleopatra gegenüber war von dem
Bestreben geleitet, den ägyptischen Königsschatz unversehrt in seine Hand
zu bringen, was in der Tat gelang; auch sonst wurden dem Nilland hohe
Kontributionen auferlegt. Ägypten hat die Hauptkosten des Krieges be-
zahlen müssen. Die Steuern wurden dauernd erhöht. Die anderen Pro-
vinzen und Königreiche des römischen Ostens blieben wie sie waren; nur
einige besonders eifrige Parteigänger des Antonius wurden bestraft. Den
Winter 30 29 v. Chr. brachte Oktavian in Asien zu. Damals fanden auch
mit den Parthern Verhandlungen statt. Antonius hatte den verbündeten
Mederkönig gegen die Parther mit Truppen unterstützt, dann aber im Krieg
gegen Oktavian ihm die Hilfe entziehen müssen. Nun war der Meder von
den Parthern überwältigt worden, und Medien wie Armenien ging dem
römischen Einfluß verloren. Aber die Parther wurden durch Thronstreitig-
keiten zwischen Phraates und Tiridates gehemmt. Beide Prätendenten wandten
sich an Oktavian, der die Gelegenheit benutzte, die Arsakiden in eine ge-
wisse Abhängigkeit zu bringen und dadurch den Frieden zu sichern. Die
Gebietsverhältnisse blieben hier vorläufig unverändert.
In Rom waren dem Oktavian vom Senat nach den Siegen die höchsten
Ehren dekretiert Avorden; das Andenken des Antonius wurde verflucht.
Einige asiatische Gemeinden huldigten dem Sieger schon damals durch den
Bau von Tempeln und die Einrichtung eines Kultes. Bei Actium, an der
Stätte, wo das oktavianische Lager gestanden hatte, wurde eine neue helle-
nische Freistadt, Nikopolis, gegründet und mit akarnanischem, ätolischem
und epirotischem Gebiet ausgestattet. Penteterische Wettspiele, die Aktien,
sollten dort nach dem Muster der Olympien alle vier Jahre von den Hel-
lenen gefeiert werden. Über Korinth kehrte Oktavian nach Italien zurück
') Während NöLDEKE die Hypothese auf- Adoptivsohn die einfachste Lösung aller
stellte, Oktavian habe die Kleopatra um- Schwierigkeiten.
^^\^^^^^ ä^^^^^' "in;^'«* E. Groag, Klio XIV, . ^) Vgl. U. Wilcken in Mitteis- Wilcken,
1915, 5/ ff. an, daß Augustus der noto- Grundzüge u. Chrestomathie der Papyrus-
rischen Selbstmordabsicht der Königin ' künde I. 1, 1912, 28 f.. A. Stein Unters
durch lässige Überwachung Vorschub lei- zur Gesch. U.Verwaltung Ägvptens Stutt-
stete. Ohne Zweifel war der Tod der gart 1915, 79 ff.
einstigen Freundin Caesars für dessen
18*
276 Römische Geschichte.
lind beging mit außergewöhnlicher Pracht einen dreifachen Triuni])li (18.
bis 15. August 20 V. Chr.). Er war jetzt Alleinherrscher.
Literatur: Dkumann-Uroebe, Gesch. Roms. bos. Bd. I (Antonü), IV (Octavii). —
V. Gardthausen, Augustus u. soinoZoit, I. Thoil. l.Bd. II. Thoil, l.Bd., Leipzig 1891. —
L. Ganter, Die I'rovinzialvorwaltung der Triumvirn, Diss. Straßhurg 1892. — Mommsen,
lies gestae (livi Attgtisti)'' Berlin 1883.
VII. Fünfte Periode der Geschichte Roms: Die Kaiserzeit
bis auf Diokletian.
Quellen:
Von der reichen geschichtlichen Literatur in lateinischer und griechischer Sprache,
wie sie namentlich das erste Jahrhundert der Kaiserzeit hervorbrachte, ist nur wenig
erhalten, vieles ganz verschollen. Es fügte sich von selbst, daß die Anfänge der
neuen Epoche mitunter mit der Geschichte der Bürgerkriege verknüpft wurden, so
schon von Livius, dessen Annalen bis 9 v. Chr. reichten, also die erste Hälfte der
Zeit des Augustus mit umfaßten. Ein gleiches galt von den Historien des Nikolaos
von Daniaskos (S. 17). Ebenfalls in die Übergangszeit gehörte die Autobiographie
des Augustus (S. 157), benutzt von Nikolaos von Damaskos in seiner offiziösen Bio-
graphie des Augustus, von der beträchtliche Fragmente erhalten sind,') sowie die
Memoiren des M. Valerius Messalla Corvinus,^) des M. Agrippa (gestorben 12
v.Chr.) und des C. Maecenas (gestorben 8 v.Chr.). Während diese interessanten
documents humains leider verloren sind, besitzen wir fast vollständig ein authenti-
sches Selbstzeugnis des ersten Kaisers, den knappen index rernm gestarnm, den Be-
richt über Ämter und Ehren {honores), Aufwendungen für das Gemeinwohl {impensae)
und Taten {res gestae), den Augustus bei seinem Tode hinterließ und der dann vor
seinem Mausoleum auf dem Marsfeld seinem Willen gemäß auf zwei ehernen Pfeilern
eingraviert der Öffentlichkeit übergeben wurde. Von den provinzialen Kopien dieses
Textes (in lateinischer Sprache nebst griechischer Übersetzung) haben sich bedeutende
Inschriftenreste in Ankyra (Angora) in Galatien (daher spricht man vom Monumentiim
Ancyranuni) sowie kleinere Fragmente in Apollonia und Antiocheia in Pisidien ge-
funden. Das Monumentum Ancyranum, diese „Königin der Inschriften", ist eine Quelle
ersten Eangs für die Zeit des Augustus.') Manches Wertvolle besonders auch für
die Provinzialgeschichte bieten die uns erhaltenen 17 — 18 n. Chr. in Rom abgefaßten
rscoygaqipcä des Strabon aus Amaseia.
') FHG III 427 ff. der Inschrift des Duodezfürsten Antiochos
2) Er gab nach der Schlacht bei Philippi von Kommagene. Vgl. Mommsen, Ges. Sehr,
die Sache der Republik, für die er tapfer IV 247 ff. Die successive Entstehung des
gekämpft hatte, auf und ging zu den sieg- Textes sucht E. Kornemann, Mausoleum
reichen Triumvirn über. Im J. 31 v. Chr. und Tatenbericht des Augustus, Leipzig-
war er Konsul, 27 v.Chr. triumphierte er; Berlin 1921, im einzelnen nachzuweisen
kurz vor Augustus, etwa 13 n.Chr., scheint von einem 'Urmonument' aus dem Ende
er gestorben zu sein. Vgl. PIE III 363 ff., des J. 29 v. Chr. bis zur letzten Redaktion
nr. 90. des Augustus 6 oder 7 n. Chr. und den
') Klassische Ausgabe von Th. Mommsen, notwendigen Ergänzungen durch Tiberius
Res gestae divi Augusti, Berlin 1883'' mit nach dem Tod seines Stief- und Adoptiv-
einem Kommentar, der eine Fundgrube vaters. — Der einzige sichere terminxs
für die Geschichte des Avigustus bedeutet. ante quem für die Arbeit des Augustus
Die Inschrift ist nicht als Grabschrift zu ist der 3. April 13 n. Chr., an welchem Tag
fassen, wie besonders E. Bokmann, Mar- der greise Kaiser den Index mit seinem
burger Rektoratsprogramm 1884, wollte. Testament und anderen Dokumenten bei
Als Rechenschafts- oder Tatenbericht ist den Vestalinnen deponierte (Suet. Aug.
sie vielmehr eine Gattung für sich, hat 101, 1 u. 4).
aber im Osten gewisse Parallelen, so in
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (Quellen.) 277
Noch unter Augustus schilderte A. Creniutius Cordus den Untergang der
Republik und die Anfänge der Monarchie mit einem Freimut, der ihm unter Tiberius
eine Anklage vor dem Senat zuzog. Der Verurteilung gewiß, ging er freiwillig in
den Tod. Ein anderer Historiker dieser Übergangszeit war Aufidius Bassus, an
den C. Plinius der Ältere unmittelbar anknüpfte, indem er 31 Bücher u fine Äufidil
i^ass/ vermutlich bis herab zum Jahr 71 n. Chr. verfaßte. Zuvor hatte Plinius eine
breite Monographie über die germanischen Kriege geschrieben.^) Weiter sind als
Annalisten der Kaiserzeit zu nennen der Konsular M Cluvius Eufus, der am
Hofe Neros eine Rolle gespielt hatte und unter Vespasian schrieb, sowie Vipstanus
Messalla und Fabius Rusticus, die Zeitgenossen der Flavier. Neben dieser im
einzelnen nicht mehr faßbaren Kaiserannalistik gab es eine reiche Memoirenliteratur.
Daran sind beteiligt Kaiser Tiberius, die jüngere Agrippina, Cn. Domitius Cor-
bulo, sowie Vespasian. Mehrere Darstellungen galten den Bürgerkriegen nach
Neros Tod. Aber alle diese Originalwerke sind verloren, erhalten ist nur der kurze
Geschichtsabriß des C. Velleius Paterculus ad M. Vhiicium libri duo, bis auf das
Jahr der Abfassung, 30 n. Chr., herabgeführt. Der loyale Verfasser ist ein begeisterter
Verehrer des Tiberius, unter dem er als Offizier gedient hatte, und huldigt sogar
dem Seian.^) Über den jüdischen Aufstand (66 — 70 n. Chr.), der mehrere Geschichts-
werke hervorrief, liegt uns noch das Buch des Flavius Joseph us vor, eines Juden,
der während des Aufstandes (67 n. Chr.) in römische Gefangenschaft geriet, im römi-
schen Heerlager die Belagerung Jerusalems mitmachte und sich später als Frei-
gelassener Vespasians in Rom aufhielt, wo er zwischen 75 und 79 n.Chr. seine Ge-
schichte des jüdischen Krieges in griechischer Sprache verfaßte. Als Einleitung
schildert er die Schicksale der Juden seit der makkabäischen Erhebung. Später,
93/94 n. Chr., ließ er seine jüdische Archäologie folgen, eine Geschichte der Juden
von der Schöpfung bis zum Ausbruch des Aufstandes 66 n. Chr. Die späteren Bücher
(15^20) sind für die allgemeine Zeitgeschichte von Wert. Eingehend ist z. B. der
Tod des Caligula und der Regierungsantritt des Claudius erzählt.^) Von der bio-
graphisch, orientierten Kaisergeschichte von Augustus bis Vitellius, die Plutarchos
von Chaironeia^) vielleicht unter Domitian verfaßte, sind nur die Biographien des
Galba und Otho auf uns gekommen.
Wenn von der reichen römischen Kaiserannalistik sich nichts erhielt, so liegt
das an der überragenden Leistung des Cornelius Tacitus,^) die alle Vorgänger
verdrängte. Erst unter dem toleranten Nerva im Jahr 98 n. Chr. begann Tacitus
seine historische Schriftstellerei mit zwei kleineren Schriften, der enkomiastischen
Biographie seines Schwiegervaters Cn. Julius Agricola und der sog. Germania {de
origine et situ Germmiorum), gewissermaßen einem vorausgeschickten ethnographischen
1) Vgl. Ed. Nokden, Die german. Ur- •*) Diese beiden Kaiserbiographien, die
geschichte in Tacitus Germania, Leipzig- mit den ßioi .laoalhf/Mt nichts zu tun haben,
Berlin 1920, 207 fi". machten auf Mommsen „den Eindruck eines
^) Velleius war 15 n.Chr. Prätor. Er Anfängerwerkes" (Ges.Schr.VII 226). Über
hegte den unseres Wissens nicht verwirk- ihre Eigenart vgl. F.Leo. Griech.-röm. Bio-
lichten Plan, in einem ausführlichen Ge- graphie, Leipzig 1901, 156 f.
Schichtswerk vor allem den Tiberius zu ^) Die Familie des Tacitus gehörte dem
verherrlichen. Vell. 1196,3; 99,3; 103,4; Ritterstandan. Er selbst schlug die sena-
114, 4. torische Laufbahn ein. Geboren etwa 55
^) Vgl. E. ScHÜREK, Gesch. des jüd. Volkes n. Chr., wurde er im Jahr 88 Prätor, im
I^ 74 flf.. Niese, Hist. Zeitschr. 76, N. F. 40, I Jahr 97 Konsul, zuletzt Prokonsul von
1896, 193 flf. HöLSCHEK, PW IX 1934 flf. i Asia. Tacitus galt als der berühmteste
W.Weber, Josephus u. Vespasian, Stuttg. Redner und Sachwalter seiner Zeit; seine
1921. Höchst scharfsinnig, aber nicht un- Freundschaft mit dem jüngeren Plinius
bedenklich sind die Aufstellungen von , bezeugt dessen Briefwechsel. Vgl. außer
R. Laqueür, Der jüd. Historiker Flavius den Literaturgeschichten (S. 19) Schwabe,
Josephus, Gießen 1920. PW IV 1566 ff.
278 Römische Geschichte.
Exkurs zu seinem folgenden Gescliichtswerk.') Von diesem erschienen zunächst
zwischen 104 und 109 n.Chr. die Historien, die mit dem I.Januar 6'.* n. Chr. ein-
setzten und mit Domitians Tod schlössen. Erhalten sind von im ganzen wohl zwölf
Büchern nur Buch 1—4 und der erste Teil des fünften, umfassend das Jahr 69 n. (Jhr.
und einen Teil des folgenden. Der ursprüngliche Plan, auch noch die Regierungen
Nervas und Traians zu schildern, wurde nie verwirklicht. Den Anschluß nacli oben
gewann Tacitus mit den sog. Annalen, den — wohl 18 — Büchern ab cxcessu divl
Auf/usti, die vom Tod des Augustus bis zum Ende des Jahres 68 reichten und nun
zusammen mit den Historien ein großes Annalenwerk vom Jahr 14 n.'Chr. bis zum
Jahr 96 n. Chr. bildeten. Erhalten sind von den Annalen die Bücher 1 — 6 (mit einer
Lücke, die große Stücke des 5. und 6. Buchs verschlang) sovpie, zu Anfang und am
Ende verstümmelt, Buch 11 — 16; mitten im Satz bricht die Erzählung des Jahres 6(>
n.Chr. ab. Die Annalen müssen zwischen 115 und 117 n. Chr. vollendet worden sein.
Seine Absicht, auch die Geschichte des Augustus zu behandeln, hat Tacitus nicht
mehr verwirklicht. Als Schriftsteller ist Tacitus unerreicht, namentlich in der drama-
tischen Komposition liegt seine Stärke. Forscher in unserem Sinn war er nicht;
ihm genügte es, den von anderen überlieferten Stoff künstlerisch zu formen. Seine
})olitischen Ideale wurzeln in der republikanischen Vei-gangenheit; durchaus sena-
torisch gesinnt, frondierte er doch nicht gegen das monarchische System, von dessen
Notwendigkeit er sich resigniert überzeugt hat. Von Standesvorurteilen nicht frei,
hat er aber die kaiserliche Politik nicht immer gerecht beurteilt und besonders den
Tiberius völlig verkannt. Die Frage nach den Quellen des Tacitus ist für die An-
nalen nicht zu lösen. Dagegen zwingt ein Vergleich des Anfangs der Historien mit
Plutarchs Galba und Otho zur Annahme einer dem Griechen und dem Römer ge-
meinsamen Quelle, auf deren Benennung man lieber verzichten wird.^j Lehrreich
ist jener Vergleich vor allem dadurch, daß er einen Blick in die Werkstatt des
Historikers gewährt: es zeigt sich, daß Tacitus, unbeschadet seiner Originalität, ge-
wisse Pointen wörtlich seiner Vorlage entlehnte. Für militärische Dinge hat Tacitus
geringes Verständnis und um die Provinzen kümmert er sich sowenig wie möglich.
Sein Horizont ist der des Stadtrömers: die Idee einer wirklichen Reichsgeschichte
ist ihm nie aufgestiegen. Ein jüngerer Freund des Tacitus war der Neffe und Adoptiv-
sohn des älteren Plinius, C. Plinius Caecilius Secundus.'^) Sein im Jahr 100
n.Chr. von ihm als Konsul gehaltener Panegyricus auf Kaiser Traian, ferner der
Briefwechsel mit seinen Freunden, von 97 — 109 n. Chr. von ihm selbst herausgegeben,
und endlich die offizielle Korrespondenz mit dem genannten Kaiser, als dessen Ver-
trauensmann er die Provinz Bithynien und Pontus etwa 111—113 n. Chr. verwaltete,
sind von hohem Nutzen für die Kenntnis seiner Zeit.
Etwa zwanzig Jahre jünger als Tacitus war C. Suetonius Tranquillus, ein
namhafter Philologe und Grammatiker.^) Er hat mit seinen Caesai-es, den Viten der
') MoMMSEN, Reden und Aufsätze. 144 ff. berühmte Abhandlung von Th. Mommsen,
Ed. Norden, Die german. Urgeschichte in Zur Lebensgeschichte des jüngeren Pli-
Tac. Germania, Leipzig-Berlin 1920. nius. Ges. Sehr. IV 366 ff. ist überholt durcli
■•') Unmöglich kann, was auch behauptet die gleichbetitelte von Walter Otto, Sitz.-
wurde, Plutarch aus Tacitus geschöpft Ber. der Bayer. Akad. 1919, 10.
haben. Mommsen, Ges. Sehr. VII 224 ff. •*) Sueton war unter Hadrian Vorstand
sieht die gemeinsame Quelle in Cluvius der kaiserlichen Kanzlei {a/> i'jjisfulLs). Da
Rufus, Nissen, Rhein. Mus. 26, 427 ff. in die Caesaves. deren Anfang verloren ging,
dem älteren Plinius. Vgl. Ph. Fabia. Les demPrätorianerpräfektenSepticiusCIarus
sonrces de Tacite, Paris 1893. S. die Ge- gewidmet waren, der gleichzeitig mit Sue-
schichte der Frage bei Schanz, Gesch. d. ton entlassen wurde {rita Hadrinni 11. 3)
röm. Litt. II, 2, 1913', 317 flf. Auch bei und zwar wahrscheinlich im J. 122 n.Chr.,
Sueton und Cassius Die finden sich Spuren so dürften sie vor jenem Zeitpunkt ent-
des betreifenden Autors. 1 standen sein.
') Geb. etwa (i2. gest. um 114 n.Chr. Die
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (Quellen.) 279
Hei-rscher von Caesar bis Doniitian, die römische Kaiserbiographio begründet und
damit Schule gemacht. Denn diese neue literarische Gattung, obwohl ursprünglich
nur gedacht als Ergänzung der annalistischen Geschichtschreibung, hat diese, wenig-
stens im lateinischen Sprachgebiet, fast völlig verdrängt. Sueton verfügte über ein
teilweise ausgezeichnet^es Material, das er in geistloser Weise nach einem festen
Schema verarbeitete. Er hat aber auch den übelsten Klatsch mit aufgenommen und
auf ein psychologisch entwickeltes Persönlichkeitsbild verzichtet.
Die Folgezeit ist — besonders in lateinischer Sprache — arm an ernsteren histo-
rischen Leistungen, und Tacitus hat einen irgendwie ebenbürtigen Nachfolger zu-
nächst nicht gefunden, mag es auch an Fortsetzern nicht ganz gefehlt haben. Die
Hauptarbeit verrichteten die Griechen, unter denen Flavius Arrianus aus Niko-
medien hervorragt. Er wurde unter Hadrian Konsul und Statthalter. In seinen
noch von Photios im l». Jahrhundert gelesenen IlagöiyA beschrieb er die Parther-
kriege Traians.^) Sein Zeitgenosse war Appianos aus Alexandrien, der erst in
seiner Vaterstadt höhere Ämter Verwaltete, dann Ritter wurde und in Rom die
Beamtenlaufbahn einschlug. In der Muße des Alters verfaßte er — um 16U n. Chr. —
die schon erwähnte (oben S. 18) römische Geschichte, deren letzte Bücher ('ExaTcnia-
FTi'a, Aaxixt), 'Aodßtog), woran sich noch eine IlaQßty.rj und eine Übersicht über die
Provinzialverwaltung und die militärischen und finanziellen Mittel des Reiches an-
anreihen sollten, den Eroberungen der Kaiserzeit galten. Leider ist davon nichts
auf uns gekommen.''*) Dann hat der Partherkrieg unter Marc Aurel eine Hochflut
von wertloser „historischer" Tagesliteratur hervorgerufen.^) Die Zeit steht unter
der Herrschaft des Klassizismus, und gerade in jenen Geschichten des Partherkrieges
hat die manierierte Nachahmung der klassischen Stilmuster die absonderlichsten Ein-
tagsblüten getrieben. Ein für den geistigen Tiefstand bezeichnender Typus ist der
archaisierende Rhetor M.Cornelius Fronto (Konsul 143 n.Chr.), der Lehrer und
Freund der Kaiser Marc Aurel und L. Verus. Sein zum großen Teil erhaltener Brief-
wechsel mit diesen seinen Zöglingen ist in der Form geziert und inhaltlich wenig
ergiebig.
Ein Historiker von Rang war der Grieche Cassius Dio Cocceianus,*) ein
Landsmann Arrians. Sein großes Hauptwerk ist die 'Pco^imx)] torooia von der Gründung
der Stadt bis auf die eigene Zeit in 80 Büchern, wobei die Regierung des Severus
Alexander bis 229 n. Chr. nur noch knapp skizziert ist. Das mehr oder minder voll-
ständig Erhaltene beschränkt sich auf die Geschichte der Jahre 68 v. Chr. bis 46 n. Chr.
(Buch 36—60) und den Schluß, Teile des 79. und 80. Buches; im übrigen sind wir
auf die konstantinischen Exzerpte, sowie auf die Auszüge der Byzantiner Xiphilinos
und Zonaras und andere späte Reflexe Dios angewiesen. 5) Stilistisch spielt Dio den
1) Vgl. Müller, FHG III 586 ff.. Ed. Dio von Prusa (Chrysostomos) irgendwie
ScHWARTZ, PW II 1230 ff. In den dreißiger verwandt. Sohn eines Senators, trat er
Jahren des 2. Jahrh. war er kaiserlicher selbst im J. 180 n. Chr. in den Senat ein;
Legat der Provinz Kappadokien. In dieser 194 bekleidete er die Prätur; später war
Eigenschaft bereiste er das Küstengebiet er Konsul und Prokonsul von Afrika. Zu-
des Pontus, worüber er in dem erhaltenen sammen mit Kaiser Severus Alexander
.TFoL-T/.ov; Er$8irov IlniTov in Form eines wurde er 229 n. Chr. zum zweitenmal
Briefes an Hadrian berichtete. Im Ruhe- Konsul. Im selben Jahr schied er aus
stand widmete er sich ganz der Literatur. dem Staatsdienst aus. Vgl. Ed. Schwartz,
Lange lebte er in Athen, wo er noch im PW III 1684 ff.
J. 171/ 72 n. Chr. als Prytane nachgewiesen . '■') Xiphilinos exzerpierte auf Befehl
werden kann. des Kaisers Michael Dukas (1071 — 1078
2) Vgl. Ed. Schwartz, PW II 216 If. j n. Chr.) den Dio vom 36. Buch an: schon
3) Wir kennen sie aus Lucians Satire | in seinem Dioexemplar fehlten aber die
.Twc ÖfT ioTogkn' ovyyodf/fn: Geschichte des Antoninus Pius und die
*) Oben S. 18. Dio stammte aus Nikaia ersten Jahre Marc Aureis. Zonaras. der
in Bithynien und war mit dem Redner gegen Mitte des 12. Jahrh. seine Welt-
280 Römische Geschichte.
Thukydideer; als geschultor Rhetor hat er zahlreiche, mitunter recht lange Reden
eingelegt, von denen die dem Maecenas für die Monarchie in den Mund gelegte in-
sofern interessiert, als sie Dios eigene Reformgedanken zum Ausdruck bringt.') Unter
den Quellen Dios befindet sich Livius, dagegen nicht Tacitus und schwerlich Sueton.
Auf die griechische Reichshälfte hat Dio nachhaltig gewirkt-, er wurde „der Livius
für Byzanz" (Wilamowitz). Wohl sein Zeit- und Standesgenosse war Marius Maxi-
mus,'^) der Fortsetzer und Xachahiner der Kaiserbiographien Suetons. Er behandelte
die Kaiser von Nerva bis Elagabal in lateinischer Sprache, wahrend sonst das Grie-
chische vorherrscht.
Auf Dio folgt zunächst Herodianos, vermutlich aus Antiocheia,') mit seiner
noch erhaltenen griechisch geschriebenen Geschichte der Jahre 180 bis 238 n. Chr.
in acht Büchern. Herodian ist rhetorisch beeinflußt. Die Chronologie wird ver-
nachlässigt. Ü^ber die Vorgänge im Osten zeigt er sich gut unterrichtet; für die
Prätendentenkämpfe zwischen Septimius Severus und Pescennius Niger ist er unsere
beste Quelle. Eine Geschichte des tausendjährigen römischen Reiches — also bis
zu dem Jubiläumsjahr 248 n. Chr. — in 1.5 Büchern verfaßte in ionischem Dialekt
Asinius Quadratus, der auch über die Partherkriege schrieb.^) Die Geschichte
der Gotheneinfälle vom Jahr 238 n. Chr. bis auf Aurelian schrieb unter dem Titel
Zy.v&ixä P. Herennius Dexippus,*) der selbst im Jahr 267 n.Chr. seine Vaterstadt
Athen gegen die barbarischen Heruler verteidigt hatte. Eine Chronographie {Xowiy.a)
desselben Verfassers ging bis zum Jahr 269/70 n. Chr. Wenn von diesen Werken
kaum die Umrisse kenntlich sind und also die zeitgenössische Tradition für die letzten
beiden Drittel des 3. Jahrhunderts versagt, so sehen wir uns auf die noch zu er-
wähnenden Historiker der späteren Zeit angewiesen, auf Ammianus Marcellinus
und Jordanis, auf Eunapios, den Fortsetzer der Chronik des Dexipp, Zosimos,
Petrus Patricius, Johannes von Antiochien, sowie auf die dürftigen lateinischen
Kompendien des Eutropius und des Rufius Festus, die knappen Caesares des
Aurelius Victor und die ähnlich geartete sog. Epitome de Caesafibus. Aus den
eben genannten Kompendien läßt sich als deren Quelle eine uns verlorene, bio-
graphisch orientierte, lateinisch geschriebene Kaisergeschichte erschließen.*)
Ein Teil der Überlieferung fand gegen Ende des 4, Jahrhunderts seinen Nieder-
schlag in dem Corpus der sog. scriptores historiae Augustae,'') den Biographien der
Kaiser von Hadrian bis auf Carus und dessen Söhne, angeblich von sechs verschie-
denen Verfassern unter Diokletian und Konstantin geschrieben.^) Wie zahlreiche
Anachronismen und Anspielungen beweisen, gehören aber diese Viten erst der theo-
dosianischen Zeit an. Der Anfang der Sammlung, die auch sonst Lücken aufweist,
Chronik verfaßte, hat von Nerva ab nicht II 1603 f.
mehr den Dio im Original, sondern den ^) FHG III 666 ff. Ed. Schwartz, PW V
Xiphilinos benutzt. — Eine abschließende 288 ff.
Ausgabe Dios mit Zusammenstellung aller ") Vgl. A. Enmann, Philol. IV. Suppl.bd.
Reste verdanken wir Ph. U. Boissevain, 1884, 337 ff.
3 Bde., Berlin 1895 — 1901. ') Diese Bezeichnung, die in einer der
^) Vgl. Paul Meyer, De Maecetiatis ora- Viten dem Tacitus beigelegt wird, hat
tione a Dione ficfa, Diss. Berlin 1891. sich erst seit dem Beginn des 17. Jahrh.
*) Denn die Identität des Kaiserbiogra- eingebürgert. Der handschriftliche Titel
phen mit L. Marius Maximus Perpetuus vitae diversorum priticlpum et tyrannomm
Aurelianus, der im J. 223 n. Chr. zum a divo Hadriano usque ad Xnmerkinmn a
zweitenmal Konsul war, ist und bleibt diversis conpositi (sie) ist in dieser Fassung
wahrscheinlich. Vgl. PIR II 346 f., nr. 233. nicht antik.
^) Er hat — trotz Borghesi, Oeuvres III ^) Sie heißen Aelius Spartianus, Aelius
120, vgl. V 228 — nichts zu tun mit dem
Legaten Siziliens Ti . Claudius Herodianus ;
s. PIR I 380, nr. 710.
*) FHG III 659 ff. Vgl. Ed. Schwaktz, PW
Lampridius, Julius Capitolinus, Vulcacius
Gallicanus, Trebellius Pollio und Flavius
Vopiscus.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian, ((^uellon.) 281
ist offenbar verloren; sie muß ursprünglich spätestens mit Nerva begonnen haben,
womit der Anschluß an Sueton hergestellt war. Unter den Quellen ist vor allem
Marius Maximus zu nennen; auch Dexippos wird zitiert und Ilerodian ist stark
benutzt. Daneben finden sich auch reine Schwindelzitate, wie überhaupt die Bio-
graphien, besonders diejenigen der späteren Kaiser und der Usurpatoren oder „Ty-
rannen" von albernen Erfindungen und plump gefälschten Aktenstücken wimmeln.
Doch steckt auch manches Korn unter der Spreu, und namentlich der erste Teil
des Corpus enthält wertvolles Material. Auf jeden Fall ist den Angaben der Historia
Augusta gegenüber stets kritische Vorsicht geboten.')
Auch für die Profangesehichte wertvoll ist die Kirchengeschichte {toTogia iy.xhpuL-
arixtj) des gelehrten Bischofs Eusebios von Caesarea in zehn Büchern, beginnend mit
dem apostolischen Zeitalter, endend mit der Befreiung der Christen durch Konstantin
den Großen. Der Tod des Licinius (325 n. Chr.) wird noch erwähnt. '■') Endlich ist
noch der Chronographien zu gedenken, die unseren Geschichtstabellen entsprechen
und regelmäßig fortgesetzt wurden. Bekannt sind die Olympiaden des Ph legen
von Tralles,'') eines Freigelassenen Hadrians, der seine nach Olympiaden geordneten,
recht ausführlichen Zeittafeln bis Olymp. 228, d. h. 137 n. Chr. herabführte. Schon
genannt wurde die ebenfalls umfangreiche Chronographie des Dexippos. Gleich-
zeitig hat der bekannte neuplatonische Philosoph Porphyrios, der Gegner der
Christen, eine mit 270 n. Chr. schließende Chronographie herausgegeben. Diese
Literaturgattung wurde von den christlichen Apologeten übernommen. Ihr erster
namhafter Vertreter ist Julius Africanus.*) Seine uns nicht erhaltene Chronik
reichte in fünf Büchern bis 221 u. Chr. Ihm folgt der oben erwähnte Eusebios,
Bischof von Caesarea, mit seiner kurzgefaßten Chronik in zwei Büchern, von denen
das erste, die eigentliche Chronik, Königsverzeichnisse und andere Listen enthält,
das zweite, die Kanones, synchronistische Tabellen der wichtigen Ereignisse bis
325 n. Chr. Auch dies Werk ist im Original nicht erhalten, sondern nur in späteren
Auszügen und Bearbeitungen, sowie in der armenischen Übertragung. Die Kanones
hat Hieronymus, der bekannte christliche Schriftsteller, übersetzt, erweitert und
bis zum Jahr 378 n. Chr. fortgeführt. Unter den späteren byzantinischen Werken
ist zu nennen das sog. Chronicon Paschale, eine von der Erschaffung der Welt bis 629
n. Chr. reichende Chronik, die bald nach dem Endjahr verfaßt worden ist.^) Mehr
bietet für unsere Periode die um 810 n. Chr. verfaßte Chronographie des Georgios,
beigenannt Synkellos.*) Seine kurze Chronographie [ixkoyi] xQ'^'^oygaqriag) beginnt
') Bahnbrechend war die Untersuchung \ und wird demnächst ersetzt: vgl. E. Hohl,
von H. Dessau, Hermes 24, 1889, 337 ff., Klio XIII, 1913, 258 flf., 387 ff.
in der zuerst die Spuren der theodosiani- ^) Eusebios, bekannt als Freund Keu-
schen Zeit aufgedeckt wurden. Während stantins d. Gr., war gemäßigter Arianer.
nach Dessau das ganze Corpus erst da- Die Kirchengeschichte ist nach der Chro-
mais entstand, hielt Mommsen, Ges. Sehr. nik geschrieben, die bis 325 n. Chr. reichte;
VII 302 flf. an dem diokletianisch-konstan- Eusebios starb 340 n. Chr. Vgl. Ad. Har-
tinischen Grundstock fest, gab aber eine nack, Gesch. d. altchristl. Litt. I 551 ff.,
Überarbeitung in theodosianischer Zeit zu. II 2, 106 ff.
Inzwischen ist Dessaus einst heiß um- i ') FHG III 602.
strittene Hypothese durch zahlreiche Ar- "•) Julius Africanus lebte unter den Gor-
beiten verschiedener Forscher bestätigt ' dianen in Palästina und Ägypten. Vgl.
worden. Vgl. E. Kornemann bei Gercke- H. Gelzer, Sex. Julius Africanus und die
Norden, Einl. in die Altertumswiss. III- byzantinische Chronographie, 2 Tle.,Leipz.
1914, 255 f., E. Hohl, Bursians Jahresber. 1880—1898.
CLXXI, 1915, 95 flf., A. Rosenbkrg, Einl. u. *) Kbumbacher, Gesch. der byzantin.
Quellenkunde zur röm. Gesch., 1921, 281 flf. Litteratur^ 337.
Ein Sachkommentar, wie ihn Mommsen '') Er war 784 — 806 n.Chr. öi'r;'ir£A/.o?, d. h.
schon 1890 forderte, ist noch immer ein Gehilfe des Patriarchen Tarasios und ging
dringendes Desiderat. Die Textausgabe dann ins Kloster. Krumbacher a. a. O. 339.
von H. Peter, 2 Bde., 1884■^ ist veraltet
282 Römische Geschichte.
mit dor Schöpfung und sehlioüt mit Diokletian (284 n. (Jhr.). (iroüenteils unter Ver-
mittlung späterer Chronographen hat er aus Africanus und Eusebios geschöpft. Weit
tiefer steht die populäre Chronik des Antiocheners Johannes Malalas (oder Ma-
Iclas), eine mit romanhaften Elementen durchflochtene Geschichtserzählung, die aber
auch Splitter guter Tradition enthält.') Von den knappen chronistischen Aufzeich-
nungen in lateinischer Sprache sind zu nennen der .sog. Chronograph von 854
n.Chr., wichtig vor allem für die Stadt Rom, und die Chronik des Cassiodorus.-)
Die Geschichte der Kaiserzeit ist besonders für das 2. und 8. Jahrhundert nur
unzulänglich überliefert. Um so wertvoller sind die Aufschlüsse, die sich aus In-
schriften, Münzen und Papyri ergeben.
44. Das Kaisertum. Durch seinen Sieg über Antonius beendete Oktavian
die Leidens- und Sehreckenszeit der Bürgerkriege, die in zwei Generationen
das ganze Reich in den Grundfesten erschüttert hatten. Aus der schweren
Krisis ging ein neues, anders gestaltetes Rom und Italien hervor. Nicht
nur daß die alte Aristokratie furchtbar dezimiert war und neue Männer
aus Italien oder der Provinz emporkamen, auch die Struktur der Bürger-
schaft und der übrigen Bevölkerungsschiehten hatte sich infolge der Kriege,
Pi'oskriptionen und Kolonisationen gewandelt. Unsäglich hatten die Pro-
vinzen, vor allem im Osten, leiden müssen. Griechenland, Makedonien und
Asien waren durch die mithridatischen Kriege, durch die Seeräuber, durch
dreifachen Bürgerkrieg, sowie durch Einfälle barbarischer Nachbarstämme
verheert, geplündert, gebrandschatzt; viele Städte und Landschaften waren
verarmt und entvölkert. Was die gepeinigte Welt brauchte und ersehnte,
das war der Friede, den ihr dann endlich Oktavian brachte. Er ist der Friede-
fürst, der nun als Erlöser, als Wohltäter und Weltheiland, als Gott auf
Erden gefeiert wird. 3) Das Friedenswerk war die beste Legitimation seiner
Herrschaft; dem Reich den Frieden zu erhalten, betrachtete er als seine
vornehmste Aufgabe.'')
Nach Rom zurückgekehrt, machte sich Oktavian alsbald an die Wieder-
herstellung des- Gemeinwesens, die er in seinem sechsten und siebenten
Konsulat 28 und 27 v. Chr. vollendete. Er entließ die Truppen bis auf
18 Legionen, versorgte die Entlassenen und straffte die in den Bürgerkriegen
gelockerte Disziplin des Heeres. Die Parteigänger des Antonius wurden
amnestiert. Dann gab er, wie er es schon nach der Besiegung des Sex. Pom-
peius verheißen hatte, dem Gemeinwesen die Freiheit zurück und legte seine
triumvirale Gewalt nieder, die er 15 Jahre innegehabt hatte. ^) Er erhielt
^) Vgl. Krumbaoher a. a. O. 325 f. Joh. ^) Davon geben griechische Inschriften
Malalas (Malalas bedeutet Prediger) lebte Zeugnis. Vgl.P.WENOLANo, Soter,Zeitschr.
im 6. Jahrh. n.Chr. und hat seine Chronik f. d. neutestamentl. Wiss. V 1904, 335 ft'.
wahrscheinlich bis 565 n.Chr. geführt. Das H. Lietzmann, Der Weltheiland, Bonn
\Yerk, das nicht vollständig erhalten ist, 1909, 13 ff.
bietet noch manche Probleme. Mittel- ■*) Diesen Gedanken symbolisiert die 13
punkt der Erzählung ist Antiöeheia. Der v. Chr. beschlossene ara pacis Augustae.
Verfasser ist nicht zu verwechseln mit Gardthausen, Augustus I «52 ff. E. Peter-
dem noch zu erwähnenden Historiker Jo- sen, Ara pacis Augustae, Wien 1902.
hannes von Antiochien. ^) Das Triumvirat war zunächst auf
-) Beide jetzt hrsgg. v. Th. Mommsen, in fünf Jahre befristet, wurde dann im Ver-
den Chronica mlnora [Monumenta Germaniae trag von Tarent (Frühjahr 37 v. Chr.) auf
histoKica,auctoresantiquissimi,\o\.IXu.XI). weitere fünf Jahre verlängert und lief
Über Cassiodorus vgl. unten. mit dem Jahr 33 v.Chr. ab. Eine weitere
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§44.) 283
darauf von Volk und Senat wichtige Befugnisse 7Airück, das Kommando über
die Heere und die prokonsularische Gewalt über die Provinzen, ferner die
Verwaltung der militärisch wichtigen Provinzen Syrien und Gallien und des
noch- nicht völlig befriedeten diesseitigen Spaniens. Die übrigen Provinzen,
von denen nur in Afrika Truppen standen, fielen an den Senat zurück.
Nach offizieller Auffassung war damit die Republik wiederhergestellt. Der
dankbare Senat verlieh dem Reorganisator am 16. Januar 27 v. Chr. den
Weihenamen Ävgustus {l'eßaoTÖg).^) Diese Ehrung bezeichnet den äußeren
Abschluß der Neuordnung.
Man mag immerhin den 16. Januar 27 v. Chr. als den Geburtstag des
römischen Kaisertums betrachten, sofern man sich bewußt bleibt, daß der
monarchische Gedanke längst auf dem Marsch war. Nicht ohne Berechti-
gung ließ schon die Antike mitunter die Reihe der Kaiser mit Caesar, dem
ersten Monarchen de facto, beginnen. Die Prinzipienfrage Monarchie oder
RejDublik hatte schon er zugunsten der ersteren entschieden. Um das poli-
tische Erbe Caesars entbrannte aufs neue ein Kampf, der sich nach dem
Untergang der letzten Republikaner zuspitzte auf die Personenfrage An-
tonius oder Oktavian. Diese Frage wurde vorläufig bei Actium und end-
gültig in Alexandrien gelöst. Der Sieg Oktavians war zugleich der Sieg
eines Systems. Mit ihm triumphierte der lateinische Westen über den
hellenistischen Osten, der römische Bürger über den Kosmopoliten, der
künftige Princeps über den Despoten, der Konstitutionalismus über den
Despotismus. Dem Urteil der Zeitgenossen entspricht es am besten, wenn
man den Abschluß der gesetzlosen Übergangsperiode des Triumvirats und die
gesetzliche Konstituierung der imperatorischen Stellung als einer dauernden
unentbehrlichen Institution neben dem alten Gemeinwesen als den Anfang
des Kaisertums betrachtet. 2)
Die Staatsordnung des Augustus ist ein Kompromiß der republikani-
schen Verfassung mit der unvermeidlich gewordenen Monarchie. In den
schweren Kämpfen, besonders im Endkampf gegen Antonius konnte Oktavian
den Beistand der Aristokratie, der Anhänger des alten Systems, die das
Ende der unbeschränkten triumviralen Willkür herbeisehnten, nicht missen.
Er selbst hatte sein Wort verpfändet, und so durfte er nicht, wie sein
Vater Caesar, eine diktatorische Gewalt als dauernde Einrichtung schaffen,
sondern mußte die gesetzlichen Organe der Republik wieder in Tätigkeit
setzen. Daher hat er auch später die Diktatur oder ein fortwährendes
Konsulat oder eine unbeschränkte gesetzgeberische Gewalt konsequent ab-
gelehnt, als ihn Volk und Senat zuerst 22 v. Chr., dann 19, 18 und ip l
V. Chr. aus Anlaß von Unruhen und Mißständen dazu drängten. Wohl aber
stellte er neben die Verfassung sein eigenes persönliches Mandat, das ihm
durch Senatsbeschluß und Gesetz und stets aufs neue befristet übertragen
wurde ;^) ein langes Leben gab ihm die Möglichkeit, sein Amt zu be-
Verlängerung wurde nicht verfügt; die j cus vorgeschlagen (Yelleius II 91, 1). Er
letzten fünf Jahre waren also usurpiert, bezeichnet den Gottgeweihten, Ehrwür-
weshalb Augustus im Monumentum An- digen.
cyr. sie nicht mitzählt. Vgl. oben S. 269. ^) Mommsen, Rom. Staatsr. II 723 f.
') Der Name wurde von Munatius Plan- ^) Also durch Volksbeschluß. Von dem
284 Römische Geschichte.
festigen und auszubauen und die Zeitgenossen an eine Institution zu ge-
wöhnen, die ihrem staatsrechthchen Wesen nach gewissermaßen kündbar
war, in Wirkhchkcit sich als historische Notwendigkeit durch Juhriiunderte
fortpflanzte und weiter entwickelte.')
Der Kaiser ist der erste Bürger, der princeps: *) praestiti omtiibu.'< di<jnitate,
sagt Augustus von sich;') in seiner Hand ruht die res publica, die Bürger-
schaft wie die Provinzen;^) er vertritt sie nach außen, hat das Recht, über
Krieg und Frieden zu entscheiden und Bündnisse zu schließen.^) Doch nur
einen Teil des Gemeinwesens verwaltet er selbst, das übrige wird unter
seinem Schutz von Volk und Senat verwaltet. Es ist das außerordentliche
prokonsularische Kommando der letzten Zeit der Republik, ^j vereinigt mit
der höchsten Gewalt in der Stadt, was den Kern der kaiserlichen Macht
bildet. Anfangs übernahm Augustus jährlich das Konsulat; dann aber ver-
zichtete er im Jahr 23 v. Chr. auf die dauernde Bekleidung dieses Amtes,
Seine magistratische Stellung in Stadt und Bürgerschaft fand fortan ihren
Ausdruck in der tribunizischen Gewalt, die ihm schon nach Besiegung des
Sex. Pompeius auf Lebenszeit übertragen worden war, jetzt aber zum in-
tegrierenden Bestandteil des kaiserlichen Amtes wird; alljährlich erneuert,
dient sie zur Zählung der Regierungsjahre. Außerdem ist der Kaiser Mit-
glied aller großen Priesterkollegien, seit dem 6. März 12 v. Chr. als Nach-
folger des Lepidus auch Fontifex maximus. Im Lauf der Jahre erhielt
Augustus noch weitere Rechte und Pflichten zugewiesen, da sich in jeder
Not die Augen des Volkes auf ihn als den alleinigen Helfer richteten.
Im übrigen teilte er seine Gewalt mit den Organen des Gemeinwesens,
besonders mit dem Senat, den er in wiederholten lediones (28, 18 und 11
V. Chr.) reinigte und von mehr als 1000 Senatoren auf die frühere Zahl
von 600 reduzierte.') Der Senat behielt seine Rechte, z. B. die Verfügung
für Vespasian bestimmten Bestallungs- principes viri zu benamsen. Nun wird
gesetz ist uns in der bekannten lex de princeps zur Bezeichnung des Kaisers,
/wi2:)eHo Fes^asia»/ noch ein Stück erhalten. jedoch nicht zum amtlichen Titel. Die
CIL VI 930. ILSInr. 244. Bruns" nr. 56. Ideengeschichte des Prinzipates hat R.
') Mit einem Schein des Rechtes kann Reitzenstein, Nachr. d. Gott. Ges. d. Wiss.
sich Augustus rühmen, die Freiheit wieder 1917, 399 If., 481 ff. aufgehellt,
hergestellt zu haben {Res gestae d. Aug. \ ') Res gest. div. Aug. VI 21.
VI 13 p. 144 ff.); vgl. seine Münze von 28 *) Daher ihm der Eid geleistet wird,
V. Chr. mit der Aufschrift lihertatis populi was schon anläßlich des Krieges gegen
Romani vindex. Die griechischen Zeit- Kleopatra geschehen war {Res gestae div.
genossen bezeichnen ihn unbefangener Aug. 5, 3 p. 98. Mommsen oben S. 273). Vgl.
als Monarchen. Strabo XVII 840 t) JiuToig die in Paphlagonien gefundene Eides-
fjTETQEipsv avrcö xtjv :nonaraniav Tfjg t]yef(oriag formel von 3,2 V. Chr. ILS II nr. 8781.
xal jioksfiov xal slqr'p')]? xareoit] xvoiog 8iä ßiov, ^) Man findet die wichtigsten kaiser-
vgl. VI 441. Die Ansicht Ed. Meyers, Kl. liehen Rechte zusammengestellt im oben
Sehr. 441 ff., Augustus habe ernstlieh die S. 283 A. 3 erwähnten Bestallungsgesetz
Absicht gehabt, die alte Verfassung wieder für Kaiser Vespasian.
in Kraft zu setzen, ist nicht zu billigen. ^) Vgl. J. Kromayer, Gott. gel. Anz. 1919,
Die Tatsachen lehren, daß er seine Ge- 420 ff.
walt doch immer als lebenslänglich auf- ') Mommsex, Res gestae divi Aug."^ 35 hat
faßte und sie in seiner Familie zu ver- mit Unrecht angenommen, daß die drei
erben gedachte. Vgl. E. Kornemann bei lectiones senatns mit den drei Census des
Gercke-Norden, Einl. in die Altertums-
wiss. III2 274 ff.
^) Princeps heißt der Erste. Man pflegte
die Konsulare als principes civitatis, bezw.
Augustus zusammenfielen, was nur für
die erste lectio zutrifft. Vgl. Ed. Meyer,
Kl. Sehr. 475 A. 1.
7. Fünfte Periode : Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 44.) 285
über das Aerarium und die Verwaltung der ihm zugewiesenen Provinzen.
Die Magistrate und die in den liöheren Stellen der Provinzialverwaltung imd
des Heeresdienstes tätigen Legaten gingen aus ihm hervor. In der Reihen-
folge der Amter blieb die hauptsächlich von Sulla begründete bisherige
Ordnung bestehen, und auch die kaiserliche Verwaltung bequemte sich ihr
an. Aber der princeps hat sich neben und über die alte republikanische
Verfassung gestellt und deren weitere Entwicklung unterbunden. Die besten
Stützen der kaiserlichen Macht sind die Plebs und das Heer, beide dem
Einfluß des Senats entzogen.
Als Avigustus nach dem Sieg über Antonius die Ordnung des Gemein-
wesens in Angriff nahm, knüpfte er vielfach an die Entwürfe Caesars an.
Die Sicherheit wurde in Rom, Avie in Italien hergestellt; Rom erhielt in
den cohortes urbanae eine Garnison und seit dem Jahre 6 n. Chr. versahen
sieben cohortes vigilum den Sicherheits- und Löschdienst, auf sieben Stationen
verteilt, für je zwei Regionen eine; denn die Stadt war in vierzehn Regionen
eingeteilt worden. Eine der ersten Sorgen des Kaisers galt der Ergänzung
der Priesterschaften und der Wiederherstellung der alten Heiligtümer und
Gottesdienste, welch' frommes Werk er schon 29 und 28 v.Chr. durchführte.^)
Zahlreich waren die Neubauten, mit denen Augustus, sowie Freunde und
Angehörige des kaiserlichen Hauses, namentlich M. Agrippa, die Stadt
schmückten: das Forum des Augustus, der Tempel des palatinischen Apollo,
die Thermen des Agrippa, der Porticus der Octavia und das Theater des
Marcellus belebten und verschönten das Stadtbild. Erst jetzt begann die
Welthauptstadt mit den glanzvollen hellenistischen Großstädten in Wett-
bewerb zu treten. 2) Die Versorgung der ärmeren Bürger wurde nach dem
Vorgang Caesars (oben S. 253) unter Festlegung der Zahl der Getreide-
empfänger gehandhabt. Als es 22 v. Chr. zu Brotkrawallen kam, übernahm
Augustus das Getreideamt, später auch die Wasserleitungen und die öffent-
lichen Arbeiten Roms. In Italien wurden die Brücken und Wege, vor allem
die ein Flaminia, in Stand gesetzt und bald darauf der kaiserlichen Ver-
waltung unterstellt. Getreu der römischen Verwaltungstradition nahm sich
der Kaiser auch in den Provinzen des Straßenbaues an. 3)
In Einlösung der schon von den Triumvirn gemachten Zusagen siedelte
Augustus die entlassenen Soldaten in Italien oder in überseeischen Kolonien
an. Damit kam die Umgestaltung der Bevölkerung Italiens, wie sie mit
dem Bundesgenossenkrieg eingesetzt hatte, vorläufig zum Abschluß. Die
früheren Bewohner wurden, soweit sie nicht an Ort und Stelle blieben,
entschädigt; viele wurden in die Provinzen verpflanzt.*) Die Ansiedlung
^) Dazu gehört auch die Ergänzung
der Patrizier auf Grund eines besonderen
Gesetzes, der lex Saenia. Res gest. d. Aug.
2, 1 p. 34. Tacit. ann. XI 25. Die Patrizier
waren zur Besetzung der alten Priester-
tümer unentbehrHch, und auch die spä-
teren Kaiser haben das Recht der Er-
nennung im Bedarfsfall geübt. Die Kaiser
gelbst sind Patrizier oder wurden bei
Heiter, De patriciis gentihtis qnoe imperii
Rom. saec. I. IL III. fuerint, Diss. Berl. 1909.
^) Strabo V 235 f. Mommsen, Res gest. d.
Äug. p.78. Gardthädsen, Augustus 1 2, 955 f.
Richter, Topographie d. Stadt Rom.^ 58.
^) Die Wiederherstellung der via Fla-
minia fällt 27 V. Chr. Mommsen, Rest. gest.
p. 86. Unter anderem hat Augustus auch
die Küstenstraße von Vada bis Spanien
ihrem Amtsantritt dazu gemacht. Momm- ausgebaut CIL V 2, 827 f.
SEN, Rom. Staatsr. II 765. 1046. Vgl. C. *) Augustus hat nach eigenen Angaben
2S() Römische Geschichte.
der Veteranen wurde systematisch fortgesetzt. In Italien hat Augustus
28 Kolonien angelegt, darunter Ariniinuni, Bononia, Augusta Taurinorum
(Turin), Beneventuni; nicht geringer ist die Zahl der in den Provinzen ge-
gründeten. Zu nennen sind Panormos und Thermae auf Sizilien, Karthago
in Afrika, Augusta Emerita (heute Merida) und Caesaraugusta (Saragossa)
in Spanien, Aquae Sextiae (Aix) in Gallien, Dyrrhachion und Philippi in
Makedonien, Patrae in Achaia, Berytos in Syrien.') Schon der erste Census
des Kaisers (28 v. Chr.) ergab eine ansehnliche Zunahme der römischen
Bürgerschaft: die Kurve blieb unter Augustus im Steigen.
Augustus war bestrebt, durch gesetzgeberische Maßnahmen besonders
des Jahres 18 v. Chr. die höheren Stände zu erhalten und dem Sittenverfall
und der Verschwendungssucht zu steuern. Auch die Literatur suchte er
für seine Reform des Römertums zu gewinnen und der Dichter Horaz stellte
sich mit einem patriotischen Odenzyklus in den Dienst der nationalrömischen
Tendenzen des Kaisers. 2) Die Aristokratie wurde zur Teilnahme an den Staats-
geschäften angehalten. In das öffentliche Leben griff am tiefsten die vom
Kaiser eingebrachte lex Julia (18 v. Chr.) ein und ihre Ergänzung, das Ge-
setz der Konsuln M. Papius und Q. Poppaeus {lex Fapia Foppaea) vom
Jahr 9 n. Chr., durch welche den mit Kindern gesegneten Bewerbern der
Zutritt zu den Amtern erleichtert wurde. Bereitwillig förderte Augustus
das Studium der römischen Vergangenheit, deren Denkmälern er lebhaftes
Interesse entgegenbrachte:^) die Anbringung der Konsularfasten an der
Wand der Regia auf dem Forum (um Sß v. Chr.), ebenda die Triumphalfasten,
die Statuenreihe aller berühmten Römer, mit der er sein Forum schmückte,
dokumentieren den Sinn des Kaisers für die große Vergangenheit Roms.
Den Altertumsforscher Verrius Flaccus nahm er als Lehrer seiner Enkel
in sein Haus; die antiquarischen Gedichte des Properz (5. Buch) und Ovids
Fasten sind unter Augustus entstanden, und als der Rhetor T. Livius zur
Verherrlichung der Geschichte Roms sein großes Annalenwerk verfaßte,
bekundete der Kaiser diesem gemäßigten Republikaner eine nicht ganz un-
berechnete Teilnahme. Bei der Wiederherstellung der Gottesdienste spielten
antiquarische Neigungen keine geringe Rolle. Alte verschollene Priester-
tümer, wie die sodales Tifii und die Arvalbrüder (fratres arvales) wurden
wiederbelebt und auch sonst ältere Zeremonien zeitgemäß erneuert.^) Augustus
wollte das Nationalgefühl der Römer heben, der Gegenwart die Großtaten
der Vergangenheit vorhalten und zugleich die lateinische Literatur konkurrenz-
etwa 500000 Bürger als Soldaten in seinem und Aufsätze l(i8 ft'.
Dienst gehabt und weit über 300000 in ^) Er ließ sich dabei von Atticus (oben
Kolonien deduziert oder in die Heimat , S. 16) beraten. Nepos Attic. 19 f. Atticus
entlassen. Beim aktischen Triumph er- war mit Augustus verschwägert. Seine
hielten etwa 120000 Kolonisten dasTrium- Enkelin Vipsania, Tochter des M. Agrippa,
phalgeschenk von je lOOO Sesterzen = war die erste Gattin des späteren Kaisers
250 Drachmen; die an frühere Besitzer Tiberius.
gezahlten Entschädigungen bezift'ert der ^) Wie bei den Säkularspieleu des J. 17
Kaiser auf 600 Millionen Sesterzen — v. Chr., zu denen Horaz das carnien sae-
105240000 Goldmark. Res gest. div. Aug. '.ulare schrieb, und von denen wir noch
I 3. III 15 f. einen Teil der Akten haben. Mommsen,
') MoMMSEN, Ges. Sehr. V 203ff. Res gest. Epheni. epigr. 8, 22f) ff. und Reden u. Auf-
fUv. Äug. 121 f. Sätze 351 ff.
'*) Carm. III 1 ff. Vgl. Mommsen, Reden
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 4-i.) 287-
fähig mit der griechischen machen. Daher forcierte er zusammen mit seinen
Freunden die römischen Dichter und Scliriftsteller; das von Vergil ganz
nach dem .Herzen des Kaisers geschaffene Nationalepos, die Aeneis, hat
er gegen den letzten Willen des frühverstorbenen Dichters für die Nach-
welt gerettet. Aber auch die griechisclie Literatur ging nicht leer aus; die
öffentlichen Bibliotheken, die palatinische und die im Porticus der Octavia
hatten neben der lateinischen eine griechische Abteilung. Nächst Alexan-
drien wurde Rom zum bevorzugten Sitz der griechischen Literatur, die hier
in allen ihren Zweigen vertreten war. Die bekanntesten Schriftsteller der
Zeit, z. B. die Historiker Dionysios von Halikarnaß, Nikolaos von Damaskos
und Strabon schrieben in Rom.i) Auf allen Gebieten suchte Augustus dem
Wohl Roms und der Kulturmenschheit zu dienen. Es war und blieb sein
schönster Ruhm, daß er die Welt von den Greueln der Bürgerkriege er-
löste und eine Ära des Friedens und der Ruhe heraufführte.
Die von Augustus angestrebte Vereinigung der alten Verfassung, der
Senatsherrschaft, mit dem Prinzipat, also die Dyarchie, um den von Mommsen
geprägten Ausdruck zu gebrauchen, war in Wahrheit eine Verbindung un-
vereinbarer Gegensätze. Als Restitution der Freiheit kann man Augustus'
Werk nur bezeichnen im Hinblick auf die Bürgerkriege und das Trium-
virat, nicht im Vergleich mit den Glanzzeiten der Republik. Augustus selbst
hat freilich alles getan, um das republikanische Empfinden zu schonen und
seine tatsächliche Monarchie zu verschleiern; er wollte seine Vorstandschaft
nicht einmal als dauernd betrachtet wissen, sondern nur als zeitweilig; seine
Gewalt wurde zuerst auf zehn Jahre erteilt, dann weiter verlängert, so
noch zuletzt kurz vor seinem Tod. 2) Jede monarchische Benennung wurde
vermieden und die kaiserliche Kompetenz war lediglich eine Kumuliei'ung
republikanischer Amtsbefugnisse. 3) Augustus verbat sich in Rom und Italien
von Seiten der römischen Bürger die göttliche Verehrung seiner Person in den
Formen des hellenistischen Herrscherkultes, den er nur in den Provinzen,
zuerst in Asien, und auch da nur mit Einschränkungen zuliefs;*) die Freunde
und Getreuen des Augustus wie M. Agrippa, Statilius Taürus und andere waren
sozusagen stille Teilhaber an dem Regiment, das er ihrer Hilfe mitverdankte.
Doch trat der monarchische Charakter des Prinzipates noch unter seinem
ersten Träger je länger desto mehr hervor. Der Wirkungskreis des Senates,^)
dem ein groiaer Teil der Verwaltung zurückgegeben worden war, wurde von
Augustus erweitert, indem er ihm die Gerichtsbarkeit über die eigenen
Mitglieder übertrug und ihn zum höchsten Kriminalgerichtshof für Italien
^) A. HiLLSCHEK, Hom>>inm litteratoruni Imperatoniamen als vou seinem Adoptiv-
Graecortim ante Tiber ii mortem imirbe Roma vater ererbt betrachtete; vgl. den ana-
commoratorum hlst. crit., Jahrb. f. Philol. logen Fall des Sex. Pompeius, der das
Suppl. 18 (1892) 358 ff. Cognonien seines Vaters ebenfalls als
^) 13 n. Chr. Cass. Dio LVI 28. Praenomen verwendet; s. A. Rosenberg,
ä) Princeps ist, wie schon oben S. 284 PW IX 1144 f.
A. 2 bemerkt, kein Amtstitel. Am ehe- *) Vgl. E. Koknemann, Klio I 95 ff. H.
sten könnte /wyM'r«/o;- als kaiserlicher Titel Keinen, Klio XI, 1911. 139 ff.
gelten. Augustus führte ihn zum Unter- *) Th. A. Abele, Der Senat unter Augu-
schied vom früheren Gebrauch seit 40 stus, Paderborn 1907 (Stud. z. Gesch. u.
V. Chr. dauernd an Stelle des Vornamens Kultur d. Altertums I 2).
Gfdän?,: Imperator Caesar Vlüw., vfohe'i^T den
288 Römische Geschichte.
und die Senatsprovinzen machte. Die gegen Senatoren gerichteten politi-
schen Prozesse kamen in der Folge vor das Forum des Senats. Seit Tiberius
wurden ihm auch die Walilen, die Komitien übertragen; aber letzten Endes
hatte der Princeps das entscheidende Wort, wo immer es ihm beliebte.
Der Senat bedeutete am meisten als Stand, er behielt im Dienst des Kaisers
den wichtigsten Anteil an der Reichsregierung; die höchsten Amter waren
ihm vorbehalten.
Den veränderten Verhältnissen entsprechend verloren die städtischen
Magistraturen ihre eigentliche Bedeutung; sie dienten, wie das schon von
Sulla angebahnt worden war, hauptsächlich als Vorstufe für die wichtigeren
Verwaltungsämter. Ein Versuch, die Zensur zu erneuern, schlug fehl;')
nur der Kaiser selbst konnte die zensorischen Geschäfte durchführen. Die
Volkstribunen treten in den Hintergrund, seitdem die tribunizische Gewalt
auf den Kaiser übergegangen ist. Es werden aus ihnen, Avie aus den Prä-
toren und Adilen alljährlich die Vertreter der städtischen Regionen erlost. 2)
Das Konsulat hörte auf jährig zu sein; denn in der Regel sah ein und
dasselbe Jahr nach den beiden consules ordinarii noch ein oder mehr Paare
von Suffektkonsuln. Durch gesetzliche Vorschriften, durch Festsetzung eines
Census, durch genauere Bestimmung der Altersstufen und Amterfolge wurden
die Rechte und Pflichten des senatorischen Standes umgrenzt. Dem Senat
in früherer Weise die Regierung zu überlassen, vertrug sich weder mit dem
Prinzipat noch mit den Bedürfnissen des Reiches. Immer mehr bewahr-
heitete sich die schon vor Caesars Diktatur lautgewordene Überzeugung,
daß nur ein einzelner das Reich zu leiten vermöge; die große politische
Rolle des Senats war im wesentlichen ausgespielt. Zugleich verlor die Stadt
Rom ihre Stellung als herrschende Gemeinde, seitdem die Regierenden nicht
mehr aus freier Wahl der Komitien des römischen Volks hervorgingen;
denn auch auf die Wahlen gewann der Kaiser entscheidenden Einfluß: er
hatte das Recht der Empfehlung zu den Amtern, und ein großer Teil der
Stellen, auch das Konsulat, wurde tatsächlich von ihm besetzt. 5) Übrigens
blieb das Wahlrecht auf die alten republikanischen Magistraturen beschränkt;
für die neugeschaffenen Amter hatten die Kaiser das Ernennungsrecht.
Auch über den Staatshaushalt und die Finanzgebarung wurde eine Aus-
einandersetzung zwischen Kaiser und Senat notwendig. Die alte Staats-
kasse, das Aerarium, war auf Italien und die Senatsprovinzen als Einnahme-
quellen angewiesen, während die Einkünfte aus den kaiserlichen Provinzen
dem Princeps zuflössen,^) dem überdies der Ertrag seines großen Privat-
vermögens zur Verfügung stand. Eine kaiserliche Zentralkasse gab es zu-
nächst noch nicht, wohl aber einzelne kaiserliche Kassen; erst unter Claudius
entsteht der Fiskus als kaiserliche Hauptkasse. ^) Aus seinen Einkünften
') Im J. 22 V, Chr. wurden nämlich zum
leiztenmal Zensoren gewählt und zwar
L. Munatius Plancus und Paullus Aemilius
Lepidus, die jedoch versagten. Cass. Dio
hat der Kaiser faktisch die Ernennung.
MoMMSEN, Staatsrecht 11^ 877 ff.
*) Daneben hatte der Kaiser auch in
den Senatsprovinzen Einkünfte.
Liy 2. ILS I nr. 886. ^) Vgl. O. Hirschfeld, Die kaiserlichen
') 7 V. Chr: Cass. Dio LV 8, 7. Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian,
^ ^) Unter Augustus und Tiberius ist das 2. Aufl., Berlin 1905, S.l ff. Fiscus bedeutet
Konsulat von der Kommendatiou an- den Geldkorb,
scheinend noch ausgeschlossen, später
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§44.) 289
bestritt der Kaiser die Kosten seiner eigenen Verwaltung, vor allem den
Heeres- und Flottenetat. Der kaiserliche Fiskus war weit leistungsfähiger
als die Senatskasse, das Arar, dem schon Augustus wiederholt Zuschüsse ge-
währen mußte. Augustus hat anscheinend in allen Provinzen die Steuern er-
höht, und auch die römische Bürgerschaft wurde dauernder Besteuerung
unterworfen. Nur so konnten die Ausgaben für die Verwaltung, besonders
für das kostspielige stehende Heer, das Augustus unterhielt, gedeckt werden.
Das Heerwesen war das wichtigste Stück der kaiserlichen Verwaltung. M
Die Verfügung über die Armee stand beim Kaiser. Er allein hatte als
ständiger Imperator das Recht der Aushebung und Formierung, sowie die
oberste Befehlsgewalt in Krieg und Frieden. Bei seiner Heeresordnung
trug Augustus den militärischen Verhältnissen, wie sie sich in den Bürger-
kriegen herausgebildet hatten, Rechnung. Das Landheer setzte sich wie
früher aus den Legionen und den Kontingenten der Bundesgenossen und
Untertanen, den Auxilien, zusammen. Die letzteren wurden hauptsächlich
aus den unverbrauchten kriegerischen Stämmen des Reichsgebiets ausgehoben;
ihre taktische Einheit ist wie bisher die Kohorte und für die Reiterei die
Ala.2) Nach der Schlacht bei Actium blieben zunächst nur 18 Legionen
unter den Fahnen; später wurde das Heer auf 25 Legionen gebracht. Die
Bedingungen des Dienstes wurden gesetzlich geregelt; nachdem eine frühere
Ordnung 3) sich nicht bewährt hatte, wurde die aktive Dienstzeit der Le-
gionare auf 20 Jahre festgesetzt ; die Ausgedienten hatten Anspruch auf eine
Zivilversorgung mit Land und Geld; für diese Zwecke gründete Augustus
6 n. Chr. einen besonderen Fonds, das aerarium inilitare, das durch die
Erträgnisse der neu eingeführten Erbschafts- und Auktionssteuer gespeist
wurde.*) Die Legion besteht wie früher aus römischen Bürgern; doch war
dies Prinzip in den Bürgerkriegen bereits tatsächlich durchbrochen worden,
und auch Augustus nahm den Ersatz der Legionen vielfach aus Provinzialen,
die mit dem Eintritt in die Legion das römische Bürgerrecht erhielten und
später als Bürger entlassen wurden.^) Es wurden dabei bestimmte Pro-
vinzen bevorzugt. So wurde der Heeresdienst zu einem wichtigen Faktor
für die fortschreitende Romanisierung der Provinzen.
Die privilegierte Stellung einer Gardetruppe nahmen die prätorischen
Kohorten ein, die dem Kaiser in seiner Eigenschaft als Imperator zustanden, c)
neun an der Zahl, je 1000 Mann stark. Sie waren durch kürzere, 16jährige
Dienstzeit und höheren Sold ausgezeichnet und wurden von zwei Präfekten
kommandiert. Augustus hielt nur einen kleinen Teil in Rom oder sonst
in seiner unmittelbaren Umgebung, die übrigen wurden auf die benach-
barten Munizipien verteilt. Sie rekrutierten sich aus Freiwilligen und zwar
') Über die kaiserliche Heeresordnung i Sueton. Aug. 49.
und ihre Wirkungen handelt A. v. Domä- *) Marqüakdt, Eöm. Staatsverwaltung
szEwsKi, N. Heidelb. Jahrb. X 221 flf. und \ II^ 305.
Die Rangordnung des röm.Heeres (Bonner { ^) Mommsen, Ges. Sehr. VI 20 ff.
Jahrb. Heft 117, 1908). *) Seit Scipio Aemilianus (Festus s. v.
2) EinVerzeichnisderAlen und Kohorten [ jiraetorin coJiors) bildeten die Feldherren
gibt CicHOKius, PW I 1224 ff. IV 231 ff. i zu ihrer Bedeckung aus erlesenen Mann-
') 13 V. Chr. wurden die Prätorianer schafteu eine Kohorte [cohors praetoria),
auf 12, die Legionare auf 16 Dienstjahre die während der Bürgerkriege zu einer
verpflichtet. Cass. Dio LIV 25, of. ; vgl. j größeren Truppe anwuchs.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. 111,5. 5. Aufl. 19
290 Römische Geschichte.
aus römischen Bürgern Italiens; denn Italien war von der gewöhnlichen
Aushebung befreit; doch griff' man bald auch über Italien in die roniani-
sierten Provinzen hinaus.
Während die Mannschaften des Reichsheeres den verschiedensten Natio-
nalitäten angehörten, waren die Offiziere der Legionen wie der Auxilien
durchweg italischer Herkunft, wie es auch nur eine Kommandosprache, die
lateinische, gab. Die Einheitlichkeit des Offizierstandes gewährleistete den
Zusammenhalt der Armee. Die höchsten Führerstellen in den Legionen
blieben dem Senatorenstand vorbehalten, in den Auxilien den römischen
Rittern. Auch eine ständige Kriegsmarine hat Augustus als erster geschaffen.
Misenum und Ravenna waren die beiden großen Flottenstationen Italiens.
Eine dritte befand sich in Forum Julii (Frejus) in Südgallien ; später erhielten
auch das Schwarze Meer und andere Gewässer eigene Flotten. Es entsprach
dem geringeren Ansehen des Seedienstes, daß die Flottenmannschaften aus
den untersten Schichten der freien Bevölkerung genommen wurden.
Der Kaiser versieht die ihm von Senat und Volk übertragenen Befug-
nisse innerhalb der res publica in den von früher überkommenen Formen.
In den Provinzen und im Kommando der Heere läßt er sich durch Legaten
senatorischen Standes vertreten, und hier gilt die in den republikanischen
Amtern übliche Rangordnung. Ägypten und andere selbsterworbene Terri-
torien verwaltet er dagegen durch persönlich Beauftragte, Präfekten und
Prokuratoren, die dem Ritterstand angehören. Die Ritterschaft wird der
zweite, der kaiserliche Beamtenstand; ihre Mitglieder finden in die Staats-
verwaltung und besonders in die Armee Eingang, und es bildet sich in den
ritterlichen Amtern nach Analogie der republikanischen Ordnung eine be-
stimmte Rangfolge heraus, deren untere militärische Stufen dieselben sind
wie bei der senatorischen Laufbahn. Aus den Rittern und ihren vier De-
kurien wurden jetzt auch die Gerichtshöfe gebildet; dem Ritterstand ge-
hörten zumeist die rechtsgelehrten Berater an, die den Kaiser bei Ausübung
seiner Gerichtsbarkeit unterstützten. Den Stand, dem er so wichtige Auf-
gaben zuwies, säuberte Augustus von unwürdigen Elementen und unterzog
ihn regelmäßigen Musterungen.') Die Ritter bildeten eine zweite Aristo-
kratie, die an tatsächlicher Bedeutung den Senatorenstand allmählich er-
reichte, wo nicht überflügelte. Die Verwaltung des kaiserlichen Haushalts
und der kaiserlichen Einkünfte war persönliche Angelegenheit des Monarchen,
der die einschlägigen Geschäfte durch einen Stab von Vertrauensmännern
und Dienern erledigen ließ; zu diesen Hofbeamten gehörten neben Rittern
auch Freigelassene und Sklaven. Namentlich Freigelassene sind in den Haus-
und Hofämtern zu höchst einflußreichen Stellungen gelangt, freilich noch
nicht unter Augustus und Tibeiüus; Augustus wählte seine Berater und
Freunde aus den höheren Ständen; aber unter den Nachfolgern wurden
die für die Reichsregierung wichtigsten Posten am Hof von kaiserlichen
Freigelassenen eingenommen, bis dann diese großen Hofämter auch formell
zu Staatsämtern gemacht und mit Rittern besetzt wurden.
') Die Musterung war mit dem von der travectio, verbunden, die am 15. Juli
Augustus wieder eingeführten Festzug, j stattfand. Mommsen, Staatsrecht III 489.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§44.) 2*.>1
Auf den Grundmauern der republikanischen Verfassung und aus lauter
alten Werkstücken hat Augustus einen originalen Neubau aufgeführt und
seinen Nachfolgern hinterlassen.') Wenn auch die privilegierte Stellung
der römischen Bürgerschaft unangetastet blieb, so haben die Reformen des
Augustus doch dazu beigetragen, den Unterschied zwischen Herrschern und
Beherrschten, zwischen Rom und den Provinzen auszugleichen und ein all-
gemeines Reichsbürgertum anzubahnen. Als Friedenskaiser hat Augustus
den erschöpften Provinzen die Möglichkeit geschaffen, sich zu erholen und
neu zu beleben. Städtisches Wesen und städtische Kultur verbreiten sich
über das ganze Reich; im Osten längst heimisch, durchdringen ihre Seg-
nungen nunmehr auch den Westen.
Die Achillesferse der kaiserlichen Verwaltung war das Finanz- und Heer-
wesen, das sich als unzulänglich erwies und doch immer schwerer auf den
Leistungspflichtigen lastete. Auch unter der kaiserlichen Regierung hat die
Bedrückung der Provinzen durch- habsüchtige vnid unredliche Magistrate
nicht ganz aufgehört. Schon unter Augustus und seinen nächsten Nach-
folgern wird über die Höhe der Steuern geklagt.^) Im Heerwesen hat be-
sonders die von Sparsamkeitsrücksichten diktierte Ausdehnung der Dienst-
zeit sowie die ungleichmäßige Verteilung der militärischen Lasten Mißstände
ergeben. Die Vorherrschaft der städtischen Verfassung führte zu einer starken
Bevorzugung der städtischen vor der ländlichen Bevölkerung, die finanziell
und militärisch die Hauptopfer bringen mußte. Die Provinzen machten eine
ähnliche Entwicklung durch wie einst Italien; auch in ihnen dehnten sich
die Latifundien aus, das freie Landvolk schmolz zusammen und die später
auch noch durch Angriffe von außen erschütterte Lebenskraft begann all-
mählich zu versiegen.
Die Periodisierung der Kaisergeschichte wird bedingt durch die innere
Entwicklung des Kaisertums. Mit Recht macht man beim Regierungsantritt
des Diokletian (285 n. Chr.) eine tiefe Zäsur; denn mit ihm beginnt die
absolute Monarchie, der Dominat an Stelle des Prinzipats, und die gänz-
liche Beseitigung der alten Verfassung und des Senates durch eine neue,
rein monarchische Verwaltung.^)
Darstellungen der Kaisergeschichte: Über die Werke Tillemonts und Gibbons
siehe oben S. 1 f. Dazu: Merivale, ä histonj of the Romans under the empire, London
1862. — Hertzberg, Geschichte des röm. Kaiserreichs (in der ONCKEN'schen Samm-
lung), Berlin 1880. — K. Hück, Röm. Geschichte vom Verfall der Republik bis zur
Vollendung der Monarchie unter Constantin, 1. Bd. in 8 Abt., Braunschweig 1841 —
1850 (bis zum Tode Neros). — H. Schiller. Geschichte der röm. Kaiserzeit, 1. Bd. in
2 Abt. (bis Diokletian), Gotha 1883; 2. Bd. (bis zum Tode Theodosius d. Gr. (Gotha
1887. — DuRüY, Geschichte des röm. Kaiserreichs, deutsch von G. F. Hertzberg. 5 Bde.,
Leipzig 1885—1889. — Th. Mommsen, Röm. Geschichte, 5. Bd., Die Provinzen von Caesar
bis Diocletian, Berlin 1885. — Julius Asbach, Röm. Kaisertum und Verfassung bis
auf Traian, Köln 1896. — Mommsen, Rom. Staatsrecht, 2. Bd. 2. Abt., Leipzig 1887,
3. Aufl. (gibt eine Darstellung des Prinzipats). — 0. Hirschfeld, Die kaiserl. Vei*-
waltungsbeamten bis auf Diocletian, 2. Aufl., Berlin 1905. — E. Kühn, Die städtische
>) Vgl. die von Augustus offiziell aus- II 42, 54. III 40. IV 46.
gesprochene Hofi^nung mansura in vestigio ') Welthistorisch macht freilich erst die
suo fundanienfa reip. quae leccro (Suet. Aug. I Alleinherrschaft Konstantins und der Sieg
28, 2). I des Christentums Epoche, vgl. K. J. Neu-
'^) z. B. in Achaia und Makedonien, Asien, i mann, Hist.Zeitschr.117, 3.F.21, 1917,379f,
Syrien, Judäa und Gallien. Tacit. ann. I 76. I
19*
292 Römische Geschichte.
und bürgerliche Verfassung des röm. Reiches Ijis auf die Zeiten Justinians, 2 Bde.,
Leipzig 1864. 1865. — L. Fkiedländek, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms
in der Zeit von Augustus bis zum Zeitalter der Antonine, 9. u. 10. Aufl. besorgt von
G. WissowA, 4 Bde. 1919,21. — A. v. Domaszewski, Geschichte der röm. Kaiser, 2 Bde.,
Leipzig 1909. — R. v. Pöiilmann in Bd. I der Weltgeschichte des Ullsteinschen Ver-
lags, hrsg. von J. v. Pflugk-Harttung, Berlin o. J. (1909). — E. Koknemann in 'Ein-
leitung in die Altertumswissenschaft', hrsg. von Gekcke-Norden, Bd. III, Leipzig und
Berlin 1914'^, 210 ff. — O. Hirscjifelo, Zur Geschichte der röm. Kaiserzeit in den ersten
drei Jahrhunderten, Kleine Schriften, Berlin 1913. 901 ff. — Sammlungen von Einzel-
untersuchungen: SiEVEus, Studien zur Geschichte der röm. Kaiser, Berlin 1870. —
BüDiNGER, Untersuchungen zur röm. Kaisergeschichte, 'S Bde., Leipzig 1870. — Zur
Chronologie: H. F. Clinton, Fasfi Romani (vom Tode des Augustus bis zum Tode
Justins II 578 n. Chr.), 2 Bde., Oxford 1845. 1850. — Joseph Klein, Fasti consulares
inde a Caesaris nece unque ad imperUtm Diocletiani, Leipzig 1881. — W. Liebenam, Fasti
consulares impeiii Romani von 30 v. Chr. bis 565 n. Chr., Bonn 1909. — Numismatik:
EoKHEL, Doctrina numornm veterum, vol. VI — VIII. — H. Cohen, De.^cription historique
des monnaies frappees sons I'emjnre romain, 8 Bde., Paris 1880/92^. — Ein wichtiges
Repertorium ist die Pro.HopograpJiia imperii Romani saec. I. IL III von H. Dessau,
E. Klebs und P. v. Rohden, 3 Bde., Berlin 1897. 1898.
45. Das römische Reich unter Augustus. In der auswärtigen Politik
mahnte den Augustus die allgemeine Friedensseimsucht ebenso wie die be-
schränkte militärische und finanzielle Leistungsfähigkeit des Reiches zur
Vorsicht; aber schon die Sicherung und Abrundung der Grenzen, die Au-
gustus als seine Hauptaufgabe betrachtete, machte zahlreiche Kriege not-
wendig, die zugleich den traditionellen Waffenruhm Koms erhalten und
mehren sollten. Gelegentlich hat der Friedenskaiser in imperialistischer An-
wandlung auch Eroberungspolitik getrieben, so mit der arabischen Expedition
vom Jahr 25 v. Chr. und Germanien gegenüber.^) Die Avichtigsten Provinzen
hat Augustus selbst auf längere Zeit besucht, einige zu wiederholten Malen.
Gleich nach dem Abschluß des Verfassungswerks (27 v. Chr.) begab er sich
nach Gallien und von hier noch in demselben Jahr nach Spanien, wo er bis
Anfang 24 v.Chr. verweilte; 22 — 19 v.Chr. bereiste er Sizilien, Griechen-
land und den Orient; überall hat er durch Neuordnungen und Gründungen
dauernde SjDuren seiner Anwesenheit hinterlassen. Seine Erfahrungen in
der auswärtigen Politik veranlagten ihn schließlich, seinem Nachfolger als
politisches Testament den Rat zu vermachen, die Grenzen des Reiches nicht
zu erweitern.
Eine dringende Notwendigkeit war der Schutz der Nordgrenze Italiens
und Makedoniens, die während des Bürgerkriegs ganz unsicher geworden
war. Sobald die Umstände es gestatteten, wurden zu dem Behuf die Alpen-
landschaften einverleibt. Der erste Schritt geschah mit der Vernichtung der
Salasser am Kleinen St. Bernhard, die schon früher mehrmals, zuletzt 34
V. Chr. (oben S. 271) unterworfen, immer wieder ihre Freiheit zu behaupten
wußten. 2) Als sie sich 26 v. Chr. aufs neue rührten, ließ der Kaiser sie
durch A. Terentius Varro Murena ausrotten oder verpflanzen und auf ihrem
Gebiet die Militärkolonie Augusta Praetoria (Aosta) anlegen (25 v, Chr.).
Später gab ein Angriff der Pannonier und Noriker (Taurisker) auf die
istrische Küstenlandschaft den Anstoß zur Annexion von Noricum durch
') Vgl. U. WiLCKEN, Über Werden u. Ver- Plauens zu vereinigen (oben S. 260), mußte
gehen der Universalreiche, Bonn 1915, 24 f. er von ihnen den Durchmarsch erkaufen,
^) Als 43 V, Chr. D. Brutus durch ihr indem er für jeden Mann einen Denar
Gebiet über die Alpen zog, um sich mit erlegte. Strabo IV 205,
7. Fünfte Periode : Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 45.) 298
P. Silius Nerva (16 v. Clir.).^) Bereits im nächsten Jahr schloß sich die
Unterwerfung der Räter und Vindeliker an, die in einem einzigen Feldzug
durch die Stiefsöhne des Augustus, Ti. Claudius Nero und Nero Claudius
Drusus, vollendet wurde. Tiberius drang von Gallien aus vor, schlug die
Vindeliker auf dem Bodensee (1. August 15 v. Chr.) und erreichte das Quell-
gebiet der Donau, während Drusus von Süden her über den Brenner kam
und den Sieg des Bruders vervollständigte. Der Bau einer Heerstraße über
die Alpen sicherte das Werk der Waffen. Die Reichsgrenze wurde bis an
die Donau vorgeschoben. Es handelte sich dabei um die unumgängliche
Ergänzung der Unterwerfung des großen Galliens, das bisher nur lose mit
Italien zusammenhing. Die Befriedung der übrigen Alpenstämme erforderte
noch weitere Kämpfe, die erst 6 v. Chr. ihr Ende fanden. Ein Sieges-
denkmal, am Südfuß der Alpen errichtet, die tropaea Äuyusti (heute la
Turbie bei Monaco), zählte die unterworfenen Völkerschaften auf. 2) Die neu-
erworbenen Gebiete, auch Rätien und Noricum, wurden von kaiserlichen
Prokuratoren oder Präfekten, gelegentlich auch von einheimischen Fürsten
verwaltet. Ein solcher war M. Julius Cottius, der in Segusio (Susa) resi-
dierte und nach dem die kottischen Alpen ihren Namen erhalten haben. 3)
Am Unterlauf der Donau waren seit längerem die Geten (Daker) und
die mit ihnen verbündeten Bastarner die vorwiegende Macht und unbequeme
Nachbarn der Provinz Makedonien. Sie griffen, wie schon früher bemerkt,
nach Thrakien und Illyrien über, die an Noricum grenzenden Pannonier
Avaren ihnen verbündet, jinsehnliche Teile ihres Volkes, wie die Moser, hatten
sich am südlichen Donauufer niedergelassen, die griechischen Städte am
thrakischen Pontosufer waren teilweise in ihrer Gewalt. Augustus hatte den
Krieg mit ihnen bereits in seinem illyrischen Feldzug von 35 v. Chr. (oben
S. 271) ins Auge gefaßt und ist beinahe während seiner ganzen Regierungs-
zeit mit der Erledigung dieser Aufgabe beschäftigt gewesen. Erleichtert
wurde sie durch die Zersplitterung der Geten,*) die nicht mehr wie unter
Byrebistas eine Einheit bildeten, sondern sich in mehrere Stämme getrennt
hatten. Zuerst wurde der Krieg von Makedonien aus geführt. Schon 30
und 29 V. Chr. hatte M. Licinius Crassus, der Statthalter Makedoniens, einen
Angriff der Bastarner und Geten auf die thrakischen Stämme siegreich
zurückgeschlagen und die Eindringlinge bis an die Donau verfolgt, wo er
die Moser zum Teil unterwarf. Diese Kämpfe sollten sich des öfteren wieder-
holen; einzelne römische Heerführer haben die Donau überschritten und
sind bis an den Tyras (Dniestr) gelangt. 5) Auch die Thraker mußten sich
unterwerfen ; sie wurden unter römischer Klientel dem odrysischen Fürsten
Kotys und seinem Haus zugeteilt.*^) Manche Stämme jedoch, vor allem die
Besser, wollten sich nicht fügen, und mehrfach, namentlich 16 und 11 v.Chr.,
>) ZipPEL, Illyrien 121 f. P. Groebe, Klio *) Zur Zeit der Schlacht von Actium
V 104. war ein Teil des Volkes mit Antonius
ä) Plinius h. n. III 136. CIL V 7817. verbündet, ein anderer hielt zu Oktavian.
G. Obekziner, Le guen-e di Augnsfo contro | ^) Strabo I 14, der auch berichtet (YII
i popoli Alpini, Roma 1900. 303), daß Sex. Aelius Catus über die Donau
^) Cottius führt den Titel Präfekt. CIL j ging und 50000 Geten zur Ansiedlung in
V 7231. ILS nr 94. Erst unter Nero hörte Mösien auf das südliche Ufer führte, nach
der kleine Staat zu existieren auf. Mar- > v, Premerstein 16 v. Chr.
QUARDT, Staatsverwalt. I'^ 280. ^) Vgl. Mommsen, is^/u'wer. «'j;/5'>-. II 250ft'.
204 Römische Geschichte.
mußten die Römer zu den Waffen greifen, bis es ihnen gelang, ihre Herr-
schaft bis an die Donau vorzuschieben und auch Thrakien zu beruhigen,
ein Ergebnis, das von der illyrischen Seite her gefördert wurde durch die
Unterwerfung der Pannonier, die auf die Eroberung Noricums, Rätiens und
Vindeliciens unmittelbar folgte. M. Agrippa und M. Vinicius (Konsul 19
V. Chr.) nahmen den früheren Versuch des Augustus 14 v. Chr. auf,') nach
mehrjähriger Arbeit wurde die Aufgabe von Tiberius, der 12 — 9 v, Chr.
das Kommando führte, zu Ende gebracht. Die Geten kamen den Pannoniern
zu Hilfe, wurden aber zurückgeworfen, und auch in dieser Gegend konnte
die Grenze zunächst etwa bis an den Dravus (Drau)^) vorgerückt werden.
Die unterworfenen Pannonier wurden zunächst zu lUyricum geschlagen,
und auch die Landschaft Mösien bildete anfangs vielleicht einen besonderen
Bezirk dieser Provinz, während weiter unterhalb das eroberte Gebiet an
den thrakischen Klientelstaat fiel, der sich bis an die Donau ausdehnte und
auf dieser Strecke den Grenzschutz übernahm. 3)
Bei weitem die wichtigste und größte Provinz des Westens war das
von Caesar eroberte Gallien, die sog. Gallia roiiiafn, aber hier war noch
alles im Stadium der Unfertigkeit und Gärung. Unruhig waren besonders
die an die Pyrenäen und den Niederrhein grenzenden Stämme; Agrippa
hatte im Jahr 38 v. Chr. am Rhein wie bei den Ac{uitanern gekämpft (oben
S. 267), um das Jahr 29 v.Chr. standen die Treverer unter den Waffen;
M, Nonius Gallus warf sie nieder; im nächsten Jahr (28 v. Chr.) durfte
C. Carrinas einen Triumph über die Gallier feiern, weil er die Moriner,
das nördlichste Küstenvolk, geschlagen und überdies eine Suebenschar über
den Rhein zurückgeworfen hatte; denn am Rhein griffen die germanischen
Stämme fortwährend nach Gallien über und kamen jedem Aufstand zu
Hilfe, und Ahnliches gilt von den Kelten Britanniens, die mit den galli-
schen Stämmen des Festlands in regem Verkehr standen. Über die Aqui-
taner erfocht M. Valerius Messalla Corvinus 28 v. Chr. einen Sieg; sie fanden
an den noch unabhängigen spanischen Nachbarn jenseits der Pyrenäen einen
Rückhalt. Augustus begab sich nach der Neuordnung des Staates 27 v. Chr.
zuerst nach Gallien und legte den Grund zur Organisierung; er hielt einen
Census ab und legte den Galliern feste Abgaben auf, darunter eine Ein-
gangssteuer von fünf Prozent {viceslnia Galllaruiii). Die langwierige Durch-
führung der Besteuerung machte viel böses Blut. Bei einem zweiten Auf-
enthalt in Gallien (16 — 13 v. Chr.) teilte Augustus das Land in drei Distrikte,
Aquitania, Lugdunensis und Belgica, die zusammen 60 (später 64) Stämme
[civitates] umfaßten. Die alte narbonensische Provinz wurde vom übrigen
Gallien abgetrennt und 22 v. Chr. dem Senat überwiesen ; ihre Latinisierung
') Nach einer von A. v. Premerstein ^) Welche Stellung Mösien anfänglich
behandelten und ergänzten Inschrift ist einnahm, ist zweifelhaft, vgl. A. v.Pkemer-
Vinicius über die Donau gegangen und stein. .Jahreshefte des österr.-archäol. In-
hat die Bastarner, Kotiner, Anartier und stituts I (18il8) Beibl. 140 ff. und weitere
andere Stämme geschlagen. Jahreshefte Literatur bei Gardthausen, Aug. II 786.
des österr.-archäol. Instituts? (1904) 215 ff. Als Provinz scheint die Landschaft erst
") Nach Augustus selbst {lies gest. dir. in den letzten Jahren des Augustus. nach
Aug.hjiifi'.) ist die Donau zur Grenze von dem pannonischen Aufstand, eingerichtet
Illyricum gemacht; doch trifft dies nur zu sein. Sicher nachweislich ist sie erst
teilweise zu. MARQUARDT.Staatsverw. 1^291. unter Tiberius (Tacit. ann. 1 80).
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§4.").) 295
machte unter Augustus weitere Fortschritte. Die drei Landschaften des
übrigen Galliens, die tres Galliae, bildeten eine Einheit; sie hielten einen
gemeinsamen Landtag {conreutus) ab, der in der 43 v. Chr. gegründeten ^)
römischen Kolonie Lugudunum zusammentrat; dort wurde auch von den
vereinigten gallischen Stämmen ein gemeinsamer Gottesdienst der Roma
und des Augustus eingerichtet an der ara Bomae et Augusti (geweiht am
1. August 12 V. Chr.).^) Die drei Gallien wurden durch einen Statthalter
verwaltet, der für jede von ihnen einen Legaten hatte; erst seit Tiberius
bildet jeder Distrikt eine Provinz für sich. Von Natur reich gesegnet,
wurde Gallien durch sein wirtschaftliches Gedeihen und die Stärke seiner
Bevölkerung bald die wichtigste Provinz des Reiches. 3) Daher war Augustus
wiederholt persönlich anwesend (z. B. 8 v. Chr.), oder er übertrug das Kom-
mando einem seiner Nächsten, so seinem Jugendfreund und Schwiegersohn
M. Agrippa (20^19 v. Chr.), der von Lugudunum aus das Straßennetz Galliens
ausbaute,^) später seinen Stiefsöhnen Drusus und Tiberius. Die Gallier fanden
sich mit dem römischen Regiment und besonders mit den Steuerlasten nur
widerstrebend ab. Des öfteren kamen die Germanen über den Rhein und
unterstützten Aufstandsbewegungen. Schon 25 v. Chr. hatte M. Vinicius die
Germanen zurücktreiben müssen. Einige Jahre später (16 v. Chr.) erlitt
M. Lollius von den Sugambrern und ihren Bundesgenossen eine schimpf-
liche Niederlage, was den Kaiser veranlagte, selbst nach Gallien zu gehen
und den Frieden wiederherzustellen. Als dann 12 v. Chr. ein neuer Angriff
des Sugambrers Maelo erfolgte, beschloß Augustus im Interesse der Be-
friedung Galliens die Unterwerfung der Germanen jenseits des Rheins. Wie
die Gallier zur Zeit Caesars bildeten die Germanen keine politische Ein-
heit, sondern zerfielen in verschiedene Stämme, die sich oft untereinander
befehdeten. Schon seit längerer Zeit hatten die Römer in Germanien Ver-
bindungen angeknüpft.
Der germanische Krieg wurde dem Stiefsohn des Kaisers, Nero Claudius
Drusus übertragen, der zugleich für den Schutz der Provinz sorgte und die
Rheinlinie durch ein System von befestigten Lagern und Kastellen sicherte,
dessen Mittelpunkt zur Verteidigung wie zum Angriff die Legionslager bei
Cdstra Vetera°) und Mainz bildeten. Er trieb zunächst die Sugambrer zurück
und drang über den Rhein in ihr Gebiet ein; dann legte er einen Kanal
vom Rhein nach dem damals noch geschlossenen Zuydersee an, brachte auf
diesem Weg seine Flotte in die Nordsee und unterwarf die dort ansässigen
germanischen Küstenstämme, vornehmlich die Bataver und Friesen. Die
Bataver und ihre Stammverwandten wurden römische Bundesgenossen und
stellten ihre Krieger in römischen Dienst. Unter mannigfachen Kämpfen
gelangte Drusus bis an die Ems und Weser. Im nächsten Jahr (11 v. Chr.)
stieß er zu Land wiederum bis zur Weser vor; 6) es kam ihm zustatten, daß
die Sugambrer gerade mit den Chatten in Fehde lagen. Gegen den Winter
') Cass. Die XL VI 50. . i ^) Vgl. Josephus bell. Jud. II 371 f.
■') Strabo IV 192. Über die Einrichtung •*) Strabo IV 208.
Galliens vgl. Marquardt, Staatsverw. I'^ i °) Fürstenberg bei Birten nahe bei
267 f.; MoMMSEN. Ges. Schriften VII 183.
O. HiRscHPELD, Kl. Schriften, Berlin 1913,
112 ff., 186 ff.
Xanten. CIL XIII 2, 2.
8) G. Kropatscheck, Der Drususfeldzug
11 V. Chr., Bonner Jahrbb. 120, 1911, 19 ff.
:2i)6 Römische Geschichte.
zog sich Drusus zurück, hatte aber auf dem Marsch noch einen heftigen
Kampf mit den Germanen, die ihm den Weg verlegten, zu bestehen. Auf
den gewonnenen Gebieten, auch an der Nordseeküste, legte Drusus eine
Anzahl fester Stationen an, namentlich Aliso an der Lippe ') und ein Kastell
am Taunus. 2) Der nächste Feldzug (10 v. Chr.) war gegen die Chatten und
Sueben gerichtet. Im folgenden drang Drusus noch tiefer in Germanien
ein; nach siegreichen Kämpfen gegen Chatten, Sueben und Cherusker über-
schritt er die Weser und erreichte die Elbe. Hier mußte er auf Befehl des
Kaisers Halt machen; er scheint dann eine Strecke die Saale hinauf und
von hier auf Mainz zurückgegangen zu sein. Aber unterwegs verunglückte
er durch einen Sturz vom Pferd und starb bald darauf im Alter von dreißig
Jahren. Er wurde noch im Tod hoch geehrt und erhielt den Namen Ger-
manicus, den sein Sohn von ihm ererbte. Der Kaiser ging jetzt selbst wieder
nach Gallien, den Krieg übernahm an Drusus' Stelle Tiberius; dieser erreichte
in einem neuen Feldzug (8 v. Chr.) abermals die Elbe, brachte das Land
zur Unterwerfung und kehrte im nächsten Jahr, als neue Unruhen drohten,
nochmals an den Rhein zurück. Eine größere Schar Sugambrer und andere
Germanen unterwarfen sich damals dem Kaiser und wurden am linken
Rheinufer auf gallischem Boden angesiedelt.
Auch von Süden, von der Donau her, wurde die Eroberung Germaniens
betrieben. L. Domitius Ahenobarbus hat, während er an der Donau be-
fehligte, dem suebischen Stamm der Hermunduren an der römischen Grenze
Wohnsitze verschafft und sie in die römische Freundschaft aufgenommen.
Er hat sogar als erster Römer die Elbe überschritten. Später komman-
dierte er am Rhein; er unternahm einen Zug gegen die Cherusker, jedoch
ohne den gewünschten Erfolg. 3) Andere Verwicklungen ließen dann die
Germanenfrage eine Zeitlang zurücktreten, bis Tiberius, der sich inzwischen
einige Jahre von den Staatsgeschäften ferngehalten hatte, nach der Rück-
kehr aus dem selbstgewählten Exil und nunmehr von Augustus adoptiert
den Krieg wieder aufnahm. Im Jahr 4 n. Chr. ging er über den Rhein
und bezwang mehrere Völkerschaften, z. B. die Cherusker; damals über-
winterte erstmalig das römische Heer auf germanischem Boden an der Lippe.
Im nächsten Jahr (5 n. Chr.) kam Tiberius bis zur Elbe; zugleich lief die
römische Flotte in den Strom ein und vereinigte sich mit dem Landheer.
Die Langobarden fügten sich, und mehrere Stämme des jenseitigen Eibufers,
wie die Kimbern und Semnonen, suchten die Freundschaft des Augustus nach.^)
') Bei Haltern an der Lippe haben Aus- j und dazu A. v. Domaszewski, Korrespon-
grabungen eine römische Anlage augu- | denzblatt d. Westdeutschen Zeitschr. 1903,
steischer Zeit aufgedeckt, die mit Wahr- J 212 ff. Das Kastell am Taunus ist nicht
scheinlichkeit als Aliso angesprochen wer- etwa die heutige Saalburg; v. Domaszewski
den darf. Ein weiteres Staudlager wurde setzt es nach Friedberg in der Wetterau ;
stromaufwärts bei Oberaden festgestellt. andere rücken es näher an den Rhein und
Vgl. über das Alisoproblem F. Koepp, Die ' wollen es in den Resten der, Kastells von
Römer in Deutschland 1912-, 16 ff., H. Hof heim bei Höchst am Main erkennen.
Dragendorff, Westdeutschland zur Römer- Vgl. Archäol. Anzeiger 1900, 102.
zeit, 1912, 12 ff. Problematische Aufstel- =) Cass. Dio LV 10 a (vol.II 494f. Boiss.).
lungen auf Grund desPtolemaeus (II 11, 13) Tacit. ann. I 63.* IV 44.
macht A. Schulten, Bonner Jahrbücher 124, { *) Res gest. die. Aug. Y 14: S.lOi. Ob die
1917, 88 ff. römische Flotte damals, wie man an-
^) Cass.Dio LIV33,4. vgl.FIorusII30, 16 nimmt, bis Skagen kam, hielt Niese für
7. Fünfte Pei'iode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§45.) 2S)1
Wenn auch die Unterwerfung ganz provisorisch bheb, so galt doch Germanien
bis zur Elbe als erobertes Land; in der Stadt der Ubier (Köln) entstand
nach gallischem Vorbild ein Kult des Augustus mit einem germanischen
Priester. ^) Außer den genannten Kastellen wurden noch andere errichtet,
Stra&en gebaut (z. B. die Lippe hinauf), der Rhein überbrückt. 2) Germanische
Edelinge traten in römischen Dienst; die Römer hatten bei einzelnen Stämmen
Freunde und Parteigänger.
Das Werk sollte vollendet werden durch die Zertrümmerung des Sueben-
reiches des Marbod (Maroboduus), der seit einiger Zeit an der Donaugrenze
eine bedeutende Herrschaft gegründet hatte. Marbod war früher in Rom
gewesen und hatte vielleicht in römischen Diensten gestanden.'^) Dann hatte
er seinen Stamm, die Markomannen, zusammen mit anderen Völkerschaften,
vielleicht bei Gelegenheit der Feldzüge des Drusus in dem ehemaligen Land
der Bojer, dem heutigen Böhmen und Mähren, angesiedelt. Von hier machte
er seine nördlichen Nachbarn am östlichen Eibufer Untertan und schuf sich
ein Reich, das sich durch straffere monarchische Leitung von den lockeren
Stammesverbänden der übrigen Germanen zu seinem Vorteil unterschied.
Um die Gefahr, die von der wachsenden Macht des Markomannenkönigs
drohte, zu brechen, ehe es zu spät war, bereitete Tiberius von Carnuntum
an der Donau aus einen Angriff vor, an dem sich C. Sentius Saturninus
vom Rhein her beteiligen sollte. Aber während des Aufmarsches der Heere
flammte 6 n. Chr. in Illyricum bei den über den römischen Steuerdruck
erbitterten Pannoniern und Dalmatern ein Aufstand^) auf, zu dem die für
den Krieg gegen Marbod vorgenommenen Aushebungen den äußeren An-
stoß gaben. Zuerst schlugen die pannonischen Breuker und die dalmatischen
Daesitiaten los, beide geführt von einem Baton. Die Aufständischen, die
wohl gerüstet waren, griffen die römischen Festungen an und konnten zu-
nächst nicht überwältigt werden, da gleichzeitig Mösien von Dakern und
anderen Nachbarn heimgesucht wurde. So breitete sich der Aufstand weit
aus; es hieß, daß über 200000 Insurgenten unter Waffen stünden. Make-
donien, ja selbst Italien war gefährdet. Es mußten neue Truppen aus-
gehoben werden; wahrscheinlich sind damals acht neue Legionen gebildet
worden, teilweise sogar aus Freigelassenen; aber die Rekrutierungen und die
deshalb nötigen neuen Steuern^) erregten in Italien lebhafte Mißstimmung.
Der Krieg mit Marbod mußte aufgegeben werden; Rom schloß mit ihm
einen förmlichen Frieden.^) Drei Jahre verstrichen unter schweren Kämpfen,
ehe der pannonische Aufstand niedergeschlagen war. Von allen Seiten
wurden Truppen herangezogen, so daß sich die von Rom eingesetzte Streit-
macht schließlich auf fünfzehn Legionen und zahlreiche Auxiliarkohorten,
recht zweifelhaft. Müllenhoff, Deutsche Augustus, Berlin 1875; O. Hirschfeld, Kl.
Altertumskunde II 285 f. Schriften, Berlin 1913. 387 flf.
M Tacit. ann. I 57. ^) Damals wurde die Erbschaftssteuer
^) FlorusII 30, 26. Nach diesem Zeugnis eingeführt und das aei-an'uni militare be-
lagen sogar an der Weser und Elbe rö- gründet. Im nächsten Jahr 7 n. Chr. folgte
mische Kastelle und Besatzungen. ' eine Verkaufssteuer, die quinquagesima ve-
3)Vgl.VelleiusII10Sf. StraboVII290er- , nalmm mancipiorum. Cass. Dio LY 25 f. 31.
zählt, Augustus habe ihm Gutes erwiesen. | Oben S. 289.
*) Abraham, Zur Geschichte der ger- *) Vgl. Tacit. ann. II 46.
manischen u. pannonischen Kriege unter |
298 Römische Geschichte.
iin ganzen etwa auf 150000 Mann belief. Tiberius, unterstützt von Ger-
manicus, dem Sohn des Drusus, führte den langwierigen Krieg methodisch
zu Ende. 8 n. Chr., nach einem Sieg des Tiberius am Fliifa Bathinus. unter-
warfen sich die Pannonier, im folgenden Jahr die Dalmater. Pannonien,
vorher ein Teil von Illyricum, wurde nunmehr als eigene Provinz eingerichtet.
Die Germanen östhch vom Rhein verhielten sich während der panno-
nischen Wirren ruhig. Erst in deren letztem Jahr (9 n. Chr.), nachdem
P. Quinctilius Varus das Kommando in Germanien übernommen hatte ^} und
römische Rechtspflege und Verwaltung einzuführen begann, entstand ein
weitverzweigter Aufstand, zu dem sich die mächtigsten Stämme, vor allem
die Cherusker und Chatten zusammenschlössen. Die Führung hatten die
Cherusker, an deren Spitze die Fürsten Arminius und Segimer standen;
ersterer hatte im römischen Heer gedient und war römischer Ritter.-) Der
unvorsichtige Varus ließ sich überlisten und wurde, als er aus seinem Sommer-
lager mit drei Legionen, drei Alen und sechs Kohorten zurückmarschierte,
im Teutoburger Wald überfallen; in viertägigen Kämpfen ging das römische
Heer, dessen Führer sich selbst den Tod gab, zugrunde.^)
Noch war in Rom der Jubel über das Ende des pannonischen Aufstandes
nicht verklungen, als die Hiobspost aus Germanien neuen Schrecken ver-
breitete; man fürchtete einen Zug der Germanen über den Rhein und eine
Erhebung Galliens; eilends wurden Sicherheitsmafanahmen getroffen; aber
der erwartete Offensivstofit der Germanen blieb aus. Den Oberbefehl am
Rhein übernahm Tiberius (10 n. Chr.). Er sicherte Gallien, wo wirklich
Unruhen entstanden waren, befestigte die Grenze und drang in zwei Feld-
zügen (10 und 11 n. Chr.) unter Mitwirkung der Flotte wieder in Germanien
ein. Zwar erzielte er einige Erfolge, aber eine eigentliche Wiedereroberung
wurde nicht versucht.^) Nur die Küstenvölker, Bataver, Friesen undChauken,
hielten noch zu Rom, im übrigen gingen die Eroberungen in Germanien
verloren, und statt der Elbe bildete der Rhein die Grenze; doch blieb ein
Streifen am rechten Rheinufer in römischen Händen und wurde durch eine
') Vgl. E. KoRNEMANN, Neue Jahrbb. 49, Osnabrück (so Knoke) oder in der Um-
1922, 42 ff. gebung von Detmold in derDörenschlucht
■^) Die Annahme, daß Arminius sein (H. Delbrück). Die Literatur seit 1820
römischer Name sei und der germanische s. bei V. Gardthausen, Augustus II, 3 (1904)
anders gelautet habe, ist nicht wahr- 808 ff., sowie Bibliographische Nachträge
scheinlich. Allerdings kommt Arminius i hierzu S. 29 f. Einen Überblick über den
als römischer Familienname vor, doch Stand der Forschung im Jubiläumsjahr
ist nicht abzusehen, wie der germanische bieten E. Wilisch, Neue Jahrbücher 33,
Fürst gerade zu diesem gekommen sein 1909, 322 ff. und H. Dragendorff, 5. Be-
sollte. Vgl. V. RoHDEN, FW II 1190 f. rieht der röm.-germ. Kommission 1909,
^) Vgl. Cass. Dio LVI 18 ff.; Velleius II 73 ff. Vgl. auch F. Knoke, Die Kriegszüge
118 ff.; Florus IV 12, 29 ff., sowie Tac. ann. des Germanicus in Deutschland, Berlin
I 60 ff. Das topographische Problem ist 1922^, 71 ff. Das genaue Datum der Kata-
angesichts der vagen Angaben der Quellen strophe ist nicht zu ermitteln. Gegen
bis heute nicht mit Sicherheit gelöst. den Vorschlag von Zangemeister, West-
MoMMSEN, Ges. Sehr. IV 200ff. [1885] identi- deutsche Zeitschr. VI, 1887, 234 ff. (2. Au-
fizierte den saUus Teutoburgiensis mit dem gust, Jahrestag von Cannae) vgl. O. Hirsch-
Wiehengebirge und verlegte aulGruud von feld, Kl. Sehr. 397 Anm. 3. Verfehlt ist
Münzfunden das Schlachtfeld in die Ge- dieVerlegungder Schlacht ins J. 10 n.Chr.,
gend von Barenau östlich von Bramsche. dagegen Mommsen, Rom. Gesch.V 43 Anm.l.
Andere Forscher bevorzugen den Osning , ■*) Velleius II 121. Sueton Tib. 18. Cass,
und suchen den Schauplatz der Kata- 1 Dio LVI 23 ff.
strophe entweder im Habichtswald bei |
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 45.) 299
Linie, den liines, nach außen begrenzt. Das römische Germanien beschränkte
sich in Zukunft auf die dem Rhein benachbarten Gegenden, so daß also
die Niederlage im Teutoburger Wald letzten Endes in der Tat einen Wende-
punkt der Weltgeschichte bedeutet, indem sie Germanien vor dem Schicksal
Galliens, vor der Romanisierung bewahrte. *) Tiberius weilte auch 12 n. Chr.
nochmals in Gallien, später übernahm Germanicus, der Sohn des Drusus,
die Leitung der Provinz.
Zweimal, 34 und 27/26 v. Chr., hat Augustus an einen Feldzug gegen
Britannien gedacht, jedoch mußte eine solche Wiederaufnahme der Politik
seines Adoptivvaters hinter dringlichere Aufgaben zurückgestellt werden;
der Kaiser begnügte sich mit den Huldigungen, die einzelne britische Häupt-
linge ihm und dem kapitolinischen Juppiter darbrachten. 2)
Spanien war zur Zeit, als Augustus die Regierung übernahm, immer noch
nicht ganz befriedet; im Nordwesten des Landes behaupteten die Kantabrer
und Asturer ihre Unabhängigkeit, zuweilen im Bund mit den Aquitanern.
Noch unter dem Triumvirat war gegen sie Krieg geführt worden ; 29 v. Chr.
hatte Statilius Taurus mit den benachbarten Vaccäern zu kämpfen. Augustus
begab sich 27 v. Chr. in die Provinz, wo er die beiden folgenden Jahre ver-
brachte; in Tarraco wurde er auf ein langes und schweres Krankenlager
geworfen. Während seiner Anwesenheit brach ein Krieg gegen die Kan-
tabrer und A sturer aus, der zwei Jahre dauerte. Beide Völker wurden von
den Legaten C. Antistius und T. Carisius mit Hilfe einer Kriegsflotte unter
bedeutenden Schwierigkeiten unterworfen. 3) Anfang 24 v. Chr. verließ der
Kaiser Spanien, aber noch in demselben Jahr erhoben sich die Besiegten
abermals, und erst 20 — 19 v. Chr. gelang dem M. Agrippa nach längeren
Kämpfen die völlige Unterwerfung. Ein Teil der Kantabrer wurde trans-
plantiert. Seitdem herrschte Ruhe in Spanien. Rasch verbreitete sich in der
ganzen Provinz römisches Bürgerrecht und römische Gemeindeverfassung.
Während im Westen Augustus allenthalben Kriege führen und die Grenzen
des Reiches erweitern mußte, war im Osten das römische Gebiet, seitdem
die Grenzen der Parther erreicht waren, im wesentlichen abgeschlossen. Hier
galt es, das Erworbene zu erhalten und auszubauen, das Zweifelhafte zu
sichern. Der Kaiser selbst reiste 22 v.Chr. in den Orient, verweilte 21 v. Chr.
in Griechenland, überwinterte 21/20 und 20/19 v. Chr. auf Samos und be-
suchte in der Zwischenzeit die asiatischen Provinzen. In den Jahren 23 — 21,
17 — 13 V. Chr. war Agrippa, mit höherem Kommando ausgestattet, im Orient
anwesend; später (1 v. Chr.) sandte der Kaiser seinen Enkel und Adoptiv-
sohn C. Caesar. Die Ostgrenze wurde zum großen Teil von einer Anzahl
abhängiger Königreiche eingenommen, die ihre Existenz meist dem Antonius
') Zwei amerikanische Gelehrte, W. A. I Winterlagern im Lippetal bei Haltern
Oldfathek und H. V. Canter, The defeat of \ uiid Oberaden, vereinigen. Vgl. F. Koepp,
Varus and fhe Gennan frontier polkif of I Neue Jahrbb. 35, 1915, 673 ff. M. Gelzer.
Aug., Univ. of Illinois studies IV, 1915,' be- ' Hist. Zeitschr. 115, 3. F. 19, 1916, 601 tf.
streiten die Bedeutung der Schlacht und , ^) Cass. Die XLIX 38, 2. LIII 22, 5. 25, 2.
behaupten, Augustus habe aus Germanien Strabo IV 200. Mommsen, Re.^ gestae divi
nie eine Provinz, sondern nur einen Puffer- Aug. 138.
Staat machen wollen. Diese These läßt ^) Auf ihrem Gebiet wurden die Kolo-
sich weder mit den Quellen noch mit nien Bracara Augusta (Braga) und Au-
dem archäologischen Befund, den soliden gusta Asturica (Astorga) angelegt.
30() Römische Geschichte.
verdankten. Galatien und seine südliche Nachbarschaft stand unter Amyntas,
wurde aber nacli seinem Tod bereits 25 v. Chr. einge/.ogen und zur Pro-
vinz gemacht; später (G v. Chr.) wurde auch das paphlagonische Fürstentum
der Provinz Galatien einverleibt. Die östlichen Teile des Königreichs Pontos
mit Kleinarmenien verwaltete Polemon, der Sohn des Zenon, mit seiner
Gattin Pythodoris, die ihn lange übei'lebte. Seine Dynastie hat sich bei
wechselndem territorialem Bestand noch lange gehalten.') Kappadokien stand
unter Archelaos, dem der Kaiser 20 v. Chr. auch Kleinarmenien und das
rauhe Kilikien überwies, so daß sein Gebiet fast vom Schwarzen Meer bis
zum Mittelmeer sich erstreckte. Zwischen Kappadokien und Syrien schob
sich am Euphrat das Königreich Kommagene ein mit der Hauptstadt Samo-
sata, unter Fürsten, die sich von den Seleukiden und den persischen Achä-
meniden ableiteten. Endlich lag im Süden der Provinz Syrien der jüdische
Staat unter Herodes,^) dem Augustus schon nach der Schlacht bei Actium,
später nochmals im Jahr 20 v. Chr. ansehnliche Gebietserweiterungen zu-
wandte. Herodes war seinen Untertanen ein gestrenger Herr, zugleich aber
ein umsichtiger Regent, der sich nach Art der hellenistischen Fürsten durch
Städtegründungen ein dauerndes Verdienst erworben hat. 3) Als er 4 v. Chr.
starb, wurde sein Reich unter drei seiner Söhne verteilt. Archelaos, der
das eigentliche Judäa erhalten hatte, wurde aber schon 6 n. Chr., weil er
seine Untertanen bedrückte, abgesetzt und sein Land mit der Provinz Syrien
vereinigt; die übrigen Fürstentümer blieben vorläufig bestehen. Später ist
dann noch mancher Wechsel eingetreten. Zu den Klientelstaaten gehörte
seit Antonius auch das Gebiet der Bosporaner, bei denen längere Unruhen
und Thronstreitigkeiten ausbrachen, so daß Agrippa einschreiten mufste; er
unternahm 14 v. Chr. einen Feldzug dahin; der von ihm zum Fürsten ein-
gesetzte Polemon von Pontos fand einige Jahre später im Kriege gegen einen
sarmatischen Stamm sein Ende. Eine neue Dynastie trat an seine Stelle.^)
Den springenden Punkt in der Orientpolitik des Augustus bildet die
Partherfrage. Noch immer waren die Niederlagen des Crassus und des An-
tonius ungesühnt und Prestigerücksichten geboten die Einlösung dieser natio-
nalen Ehrenschuld; römische Gefangene und Trophäen waren in parthischen
Händen. Augustus bemühte sich, einen Revanchekrieg zu vermeiden und
statt dessen die Scharte mit den friedlichen Mitteln der Diplomatie aus-
zuwetzen. Die im Arsakidenhaus üblichen Thronwirren leisteten einer Ver-
ständigungspolitik Vorschub. So gelang es in der Tat, im Jahr 20 v. Chr.
von König Phräates IV die Rückgabe der Feldzeichen und Gefangenen
zu erwirken, ein unblutiger, von Dichtern und auf zeitgenössischen Denk-
mälern viel gefeierter Erfolg. Etwas später, etwa 9 v. Chr., verstand sich
') Über die Schicksale dieser Dynastie alte Samareia richtete er unter dem Na-
vgl. MoMMSEN, Ges. Sehr. VIII 264 ff., H. men Sebaste neu ein. Josephus Ant. Jud.
Dessau, Ephem. epigr. IX 691 ff. 696 ff. \ XV 296. XVI 136. Bell. Jud. I 403. 408 ff.
^) E. ScHÜREK, Geschichte des jüdischen
Volkes im Zeitalter Jesu Christi I' 360 f.
Walter Otto, PW Suppl. II 1 ff.
^) Er gründete vornehmlich an Stelle des
früheren Stratonsturms (3o«rw)o,- ni-oyog) dargebracht (Leipzig 1894) S. 127.
die Hafenstadt Caesarea (12 v.Chr.). Das
) A. V. Sallet, Beiträge zur Geschichte
und Numismatik der Könige des kimm.
Bosporos, Berlin 1866; M. v. Voigt in den
griechischen Studien, Hermann Lipsius
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§45.) 3(>1
Phraates sogar dazu, vier seiner Söhne als Geiseln zu stellen. Der eigent-
liche Zankapfel zwischen Rom und Parthien war Armenien,^) das beide
Mächte als Interessensphäre beanspruchten. Während des Krieges von Actiuni
war Armenien, das durch seine geographische Lage zum Festun gsglacis ge-
macht wurde, unter die Botmäßigkeit der Parther geraten (oben S. 275).
die dem Artaxes, einem Sohn des Artavasdes, dort auf den Thron ver-
halfen. Im Auftrag des Kaisers setzte 20 v. Chr. Tiberius einen anderen
Sohn des Artavasdes, Tigranes, als König von Armenien ein; aber dieser
regierte nicht lange; seine Nachfolger neigten wieder zu den Parthern, und
die römische Partei hatte das Nachsehen; die Mehrheit der Armenier war
parthisch gesinnt. Eine Zeitlang schien ein ernster Konflikt bevorzustehen.
Zur Wiederherstellung des römischen Einflusses sollte 6 v. Chr. Tiberius
abermals in den Orient gehen; aber er lehnte ab und zog sich nach Rhodos
zurück. Erst 1 v. Chr. wurde C. Caesar mit der Mission im Osten betraut:
der Prinz setzte in Armenien einen neuen König, den Atropatener Ario-
barzanes, auf den Thron und erneuerte in einer Zusammenkunft mit dem
Partherkönig Phraatakes das gute Einvernehmen. Doch mufate C. Caesar
schon nach kurzem in Armenien zugunsten seines Schützlings mit den Waifen
einschreiten ; bei der Belagerung der Veste Artagira (2 n. Chr.) brachte ihm
ein feiger Attentäter die Wunde bei, an der er nach langem Siechtum am
21. Februar 4 n. Chr. verstarb. In Armenien wechselte bald darauf aber-
mals die Herrschaft und eine dauernde Eindämmung des parthischen Ein-
flusses, der vielmehr noch im Steigen war, erwies sich als unmöglich. Eine
Mittelstellung zwischen den beiden großen Mächten, Rom und Parthien,
nahm Atropatene (Medien) ein, dessen Geschicke mit denjenigen des armeni-
schen Nachbarlandes eng zusammenhingen. Einen Gewinn für Rom be-
deutete der Anschluß der Iberer am Kaukasos. Neue Streitigkeiten inner-
halb der parthischen Dynastie führten eine für Rom günstige Wendung
herbei; Phraatakes wurde vertrieben und es kam schließlich so weit, daß
Augustus den der Unruhen überdrüssigen Parthern auf deren Ansuchen
einen der Söhne des Phraates, Vonones, als König zusandte (vor 9 n. Chr.).
Im Hinblick auf das Partherproblem legten die Römer Wert auf freund-
schaftliche Besiehungen zu den Indern oder Indoskythen, mit denen schon
Antonius angeknüpft hatte. Mehrmals hat Augustus indische Gesandtschaften
empfangen können. Damals kam der unmittelbare Handelsverkehr mit In-
dien, der mit Benutzung der Monsune in regelmäßigen Fahrten von Ägypten
zu den indischen Häfen führte, lebhafter in Gang. 2) Ägypten war auch der
Ausgangspunkt des einzigen Eroberungszuges, den der Kaiser im Orient ver-
suchte, des Vorstoßes gegen das südliche, sog. glückliche Arabien, wo man
große Reichtümer vermutete. Der frühere Präfekt von Ägypten, Aelius
Gallus, leitete (24 — 23 v. Chr.) die Expedition, konnte aber das Ziel nicht
erreichen; vor Marsyaba, der Stadt der Rhambaniten, die er vergeblich be-
.lagerte, mußte er nach harten Strapazen und schweren Verlusten wieder
umkehren. 2) Auf den arabischen Feldzug folgte ein Krieg gegen die süd-
1) MoMMSEN, Res gest. dlv. Aug. 109. f. 135 f. ; ^) Strabo XVi 780 ff. Vgl. Tkac, PW I a
A. V. GuTSCHMiD, Gesch. Irans 102 f. 1343 ff.
■') Strabo II 118. |
302 Römische Geschichte.
lieh an Ägypten grenzenden Äthiopen unter der Königin Kandake, mit
denen schon der erste Präfekt von Ägypten, C. Cornelius Gallus, der Vor-
gänger des Aelius Gallus, gekänijjft hatte.') Während der Abwesenheit
des Aelius Gallus überschritten die Äthiopen die Grenze, C. Petronius, der
Nachfolger des Gallus, schlug sie zurück, eroberte Premnis und drang weit
in Äthiopien ein. Kandake bequemte sich zum Frieden (21 v. Chr.) und
mußte einige Grenzplätze abtreten.
In Afrika wurde das von dem Diktator Caesar eingezogene Numidien 2)
zeitweilig dem gleichnamigen Sohn des numidischen Königs Juba (oben
S. 246) überlassen, der in Italien erzogen war und sich an Oktavian an-
geschlossen hatte. Der junge König Juba II, ein wissenschaftlicher Dilettant
und gelehrter Polyhistor, trat durch seine Vermählung mit Kleopatra Selene,
einer Tochter des Antonius und der Königin Kleopatra, in Beziehungen
zum Kaiserhaus. Als 25 v. Chr. Numidien wieder zur römischen Provinz
gemacht und als solche mit Afrika vereinigt wurde, erhielt Juba Maure-
tanien, das schon 38 v. Chr. an Oktavian gefallen war. Die Provinz Afrika
wurde durch die benachbarten nomadischen Wüstenstämme, namentlich
die Gätuler, vielfach beunruhigt; die Wirkungen der Bürgerkriege zeigten
sich auch hier. Auch dem Juba machten die Gätuler zu schaffen. 6 n. Chr.
mußte der Prokonsul von Afrika Cossus Cornelius Lentulus ihm zu Hilfe
kommen. Sein glücklicher Krieg gegen die Gätuler verschaffte ihm den
Beinamen Gaetulicus. Außerdem inußte gegen die Garamanten und Mar-
mariden, die Nachbarn Kyrenes, unter Augustus mehrmals Krieg geführt
werden. 3) Nach Süden hin waren die Grenzen der römischen Herrschaft
ganz unfertig und konnten erst allmählich in langsamer Arbeit gesichert
und erweitert werden.
Das von Augustus geschaffene System verträgt seinem cjuasirepublikani-
schen Charakter nach keine feste Successionsordnung. Und doch gipfelt
die Politik des Princeps in dem Bestreben, eine Dynastie zu gründen und
sein Amt innerhalb der eigenen Familie'*) zu vererben, w^ie er selbst sich
als den Rechtsnachfolger Caesars betrachtete. Ganz wie ein Monarch hul-
digte Augustus dynastischen Velleitäten; die wichtigsten Posten pflegte er
mit den Mitgliedern seines engsten Kreises zu besetzen. Zu diesen gehörten
besonders M. Vipsanius Agrippa und C. Maecenas,'') die Getreuen, die ihm
schon bei seinem ersten Auftreten zur Seite gestanden hatten. Maecenas
') Cornelius Gallus hatte auch als lyri- liehen Familie zu gehören, der Ehre des
scher Dichter einen Namen. Als Präfekt Triumphs teilhaftig wurde. CILI^p. 50.
von Ägypten wegen Majestätsbeleidigung *) Das dynastische Prinzip wird offen-
abgesetzt, wurde er vom Senat zur Ver- kundig in der Formel des Treueides, der
bannung verurteilt, worauf er sich das nicht nur auf den Kaiser, sondern auch
Leben nahm (26 v. Chr.). Cass. Dio LIII auf dessen Kinder und Kindeskinder ab-
23, 5. Th. Mommsen, Reden und Aufsätze gelegt wird. ILS II nr. S7S1.
449 ff., Sitz.-Ber. der Berl. Ak. 1896, 469 ff. ">) P. S. Fkandsen, M. Vipsanius Agrippa,
U. WiLCKEN, Zeitschr. f. ägypt. Sprache Altena. 18S6; \aü Eck, Quaestioneshistoricae
XXVI ff. Stein, PW IV 1342 ff. de M. Vips. Agrippa, Leiden 1842: P. S.
■^) Unter dem Namen ^/>-/ca novo. Oben Frandsen, C.Cilnius Maecenas, Altona 1843.
S. 252. Übrigens führte Maecenas nicht das Gen-
') Die Garamanten besiegte L. Gerne- tile Cilnius sondern nannte sich nur C.
lius Baibus, Prokonsul von Afrika. Er Maecenas. Vgl. Bormann, Quaestiones epi-
triumphierte 19 v. Chr. und ist der letzte, graphicae, Marburg 1886.
der ohne Kaiser zu sein oder zur kaiser-
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§45.) ;^();^
ist der gefeierte Gönner der Literaten und Dichter. Er, der Sprofs etrus-
kischer Könige, trat nicht in den Senat ein, sondern bliel) dem Rang nach
einfacher Ritter; er hat für den Kaiser die wichtigsten Aufträge erledigt
und mehrmals, wenn dieser Rom verließ, zuletzt während des kantabrischen
Kriegs, für ihn die Stellvertretung geführt; später ging freilich die alte
Freundschaft in die Brüche, und Maecenas verschwand von der politischen
Bühne; 8 v. Chr. ist er verstorben. Agrippa, ein Mann ohne Ahnen, war
der Heerführer des Kaisers, dem er in vorbildlicher Treue diente, wofür
er mit den höchsten Ehren und Auszeichnungen belohnt wurde; seit 18
V. Chr. ist er Mitinhaber der tribunizischen Gewalt. Eigene Söhne blieben
dem Augustus versagt. Seine erste rein politische Ehe mit Clodia, der Stief-
tochter des Antonius,^) löste er 41 v.Chr. zur Zeit des perusinischen Kriegs
und heiratete hierauf, wiederum aus politischen Gründen, die Scribonia, eine
Verwandte des Sex. Pompeius, die ihm eine Tochter, Julia mit Namen,
schenkte (oben S. 266). Nachdem auch diese zweite Ehe geschieden war,
führte Augustus 38 v. Chr. die schöne und kluge Livia Drusilla heim,'-^) die
Gattin des Ti. Claudius Nero, die ihm die Söhne ihres ersten Gatten, den
Ti. Claudius Nero und den Nero Claudius Drusus, als Stiefsöhne zubrachte.
Zur kaiserlichen Familie wurden auch die Kinder der Octavia, der Schwester
des Augustus, gerechnet. Dem Sohn der Octavia, seinem Neffen M. Mar-
cellus,^) gab Augustus die Hand seiner einzigen Tochter Julia und damit
eine gewisse Anwartschaft auf den Thron. Aber der junge Marcellus ver-
starb nach zweijähriger kinderloser Ehe (23 v. Chr.) und Agrippa, der Jugend-
freund des Kaisers, trat als neuer Gatte der Julia an dessen Stelle. Aus
dieser Ehe sind im ganzen fünf Kinder hervorgegangen. Die beiden ältesten
Söhne des ungleichen Paares wurden gleich nach der Geburt von ihrem
Großvater Augustus adoptiert und nach Agrippas Tod (12 v. Chr.) als Thron-
folger in Aussicht genommen; beide starben jedoch in jungen Jahren, zu-
erst (2 n. Chr.) Lucius, dann (4 n. Chr.) Gaius."») Da auch des Kaisers Stief-
sohn Drusus schon 9 v. Chr. gefallen war, so trat einstweilen der ältere Sohn
der Livia, Tiberius, in den Vordergrund; er mußte seine Gattin Vipsania,
die Tochter Agrippas. entlassen und die Witwe Agrippas, Julia, heiraten;
schon 6 V. Chr. erhielt er die tribunizische Gewalt. Indes litt Tiberius see-
lisch aufs schwerste unter der ihm aufgezwungenen Ehe mit der zügellosen
Julia; auch fand er es seiner nicht würdig, den Platzhalter für seine Stief-
söhne Gaius und Lucius, die beiden Caesares, zu spielen. Er überwarf sich
mit seinem Stief- und Schwiegervater Augustus und zog sich von jeder
Teilnahme an den Staatsgeschäften zurück, um auf Rhodos in freiwilliger
Verbannung zu leben; erst im Jahr 2 n. Chr. durfte er heimkehren, aber
nur als amtloser Privatmann; doch nachdem der Tod der Caesares die Hoff-
nungen des Augustus vernichtet hatte, wurde Tiberius am 27. Juni 4 n. Chr.
zusammen mit M. Agrippa Postumus, einem nachgeborenen Sohn Agrippas,
vom Kaiser adoptiert und damit als Nachfolger gekennzeichnet. Tiberius
') Fulvia, die Gattin des Antonius, war Berlin 1911.
in erster Ehe mit dem bekannten P. Clo- ') Octavia war in erster Ehe mit C.
dius vermählt. Claudius Marcellus vermählt.
') Vgl. H. WiLLKicH, Livia, Leipzig u. *) ILS I nr. 139.
304 Römische Geschichte.
seinerseits mußte seinen Neffen Germanicus, den Sohn seines Bruders Drusus,
adoptieren; Germanicus war mit Agrippina, der Enkelin des Kaisers, der
Tochter des Agrippa und der Juha, vermählt und stand neben Tiberius
dem Thron am nächsten.
Wie es sich für den Princeps geziemte, hielt Augustus, verständnisvoll
unterstützt von Livia, die Ehre und das Ansehen seines Hauses hoch, das
allen Römern zum Vorbild dienen sollte. Um so tiefer war sein Schmerz
über das ausschweifende Leben seiner Tochter Julia ') und seiner gleich-
namigen Enkelin, der Gattin des L. Aemilius Paullus; unnachsichtlich schritt
Augustus gegen sein eigen Fleisch und Blut ein und ließ die schvddigen
Prinzessinnen mit lebenslänglicher Verbannung büßen. 2)
Es versteht sich von selbst, daß es dem Kaiser nicht an politischen
Gegnern fehlte. Eine republikanisch gesinnte Fronde machte sich nament-
lich in der ersten Hälfte seiner Regierung noch sehr bemerklich. Zu denen,
die das neue Regiment ablehnten, gehört auch der einflußreiche Historiker
C. Asinius Pollio. Jedoch die Mehrzahl innerhalb der führenden Schichten
stellte sich bereitwillig unter der Leitung des Princeps in den Dienst des Staats.
Auf ernsteren Widerstand, der seiner Herrschaft hätte gefährlich werden
können, ist Augustus kaum je gestoßen. Allerdings werden mehrere Fälle
von Auflehnung gegen die kaiserliche Autorität und von Anschlägen auf
das Leben des Kaisers berichtet, wie die Verschwörung des Fannius Caepio
und des L. Licinius Varro Murena (22 v. Chr.), des M. Egnatius Rufus (19
V. Chr.), des Julius Antonius, eines Sohnes des Triumvirn, der 2 v. Chr.
wegen seiner Buhlschaft mit Julia, sowie wegen hochverräterischer Pläne
hingerichtet wurde. ^) Alles in allem hatte Augustus die Monarchie fest be-
gründet, als er am 19. August 14 n. Chr. kurz vor Vollendung des 76. Lebens-
jahres nach über vierzigjähriger Regiei'ung zu Nola in Kampanien die Augen
für immer schloß. Seine Asche wurde in dem längst erbauten Mausoleum
auf dem Marsfeld beigesetzt; der Senat erklärte den toten Kaiser zum Reichs-
gott; aus dem divl plius wurde so der divus Augustus; als erste Priesterin
des neuen Kaisergottes fungierte die Kaiserinwitwe.
MoMMSEN, Res gestae divi Äugusti, 2. Aufl., Berlin 1883. — Gakdthausen, Augustus
und seine Zeit, 1. und 2. Teil, 2. und 3. Bd., Leipzig 1896. 1904. — Fitzler und Seeok,
PW X 275 ff.
46. Die Julischen Kaiser nach Augustus.^) Dem Augustus folgte sein
Stief- und Adoptivsohn Ti. Claudius Nero als Ti. Caesar Augustus. 0) Der
') E. Geoag, Studien zur röm. Kaiser-
gesch., Linz 1918, 39 ff.
'^) Die ältere Julia wurde 2 v. Chr. nach
unterdrückte Verschwörung des M. Lepi-
dus, eines Sohnes des Triumvirn. Velleius
II 88. Appian. b. civ. IV 50.
Pandateria verbannt, später durfte sie *) Hauptquellen sind Tacitus' Annalen,
nach Rhegion übersiedeln, wo sie 14 n.Chr. in denen jedoch die Geschichte des Gaius
verstarb. Ihre zur jeunesse doree gehören- und der ersten Jahre des Claudius (bis
den Liebhaber wurden teils getötet, teils 47 n. Chr.) nicht mehr erhalten ist. Zur
verbannt. Diejüngere Julia mußte 8 n.Chr. Ergänzung dienen Suetonius und die
auf eine Insel an der apulischen Küste in Reste des Cassius Dio, dazu einige Stücke
die Verbannung gehen. Ihr Gatte wurde des Josephus, besonders in der Archäo-
wegen Hochverrats hingerichtet. Näheres logie Buch XVIII bis XX und in den
bei Gakdthausen, Augustus und seine Zeit entsprechenden Teilen des jüdischen Krie-
1 1095 ff. 1253 f. Fitzler, PWX 896 ff. 906 ff. ges. Über die allgemeine Literatur s.
^) Noch vor die Aufrichtung des Prinzi- , oben S. 291 f.
pats, 31 V. Chr., fällt die von Maecenas ' ^) Tiberius führt das praenotnen impera-
7. Fünfte Periode : Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 40.)
305
Thronwechsel vollzog sich reibungslos, ein Beweis, wie fest der Prinzi2:)at
bereits gewurzelt war. Der neue Kaiser, fast 55 Jahre alt, hatte sich als
Staatsmann und Heerführer vielfach bewährt und, gestützt auf die tribuni-
zische Gewalt, sowie zuletzt auf ein prokonsularisches Kommando, *) an der
Reichsverwaltung entscheidenden Anteil genommen. Doch war bei seiner
geringen Popularität seine Stellung begreiflicherweise zu Anfang nicht so
fest wie die seines Vorgängers. Er trat daher mit Vorsicht und Zurück-
haltung auf und lehnte im Senat die Übernahme der kaiserlichen Gesamt-
kompetenz anfänglich ab, was peinliche Debatten zur Folge hatte. Aber
Tiberius gewann sein Spiel : indem er sich vom Senat die Übernahme der
höchsten Gewalt förmlich aufdrängen ließ, verschaffte er sich eine Art von
Vertrauensvotum. Augustus hatte den so ganz anders gearteten Stiefsohn
ursprünglich nicht zum Thronerben bestimmt gehabt, aber allmählich unter
dem Zwang der Verhältnisse und angesichts der unbestreitbaren Tüchtigkeit
des Tiberius seine Abneigung überwunden; in diesem Sinn wirkte für den
Sohn auch die Mutter Livia oder, wie sie seit dem Tod des Augustus, der
die Gattin testamentarisch adoptiert hatte, mit dem sie über alle Frauen
emporhebenden Namen und Ehrentitel genannt wird, Julia Augusta. Ob-
wohl Tiberius der Mutter viel verdankte, war er doch nicht gesonnen, ihr
Anteil an der Herrschaft zu gewähren. Neben Tiberius standen die Bluts-
verwandten des Augustus, die ebenfalls ein gewisses Erbrecht geltend machen
konnten, an ihrer Spitze Germanicus, der mutmaßliche Thronfolger, mit
seiner Gattin Agrippina, der Enkelin des Augustus. Der degenerierte und
doch nicht ungefährliche Agrippa Postumus, den Augustus verbannt hatte,
wurde alsbald aus dem Weg geräumt.
Von Anfang an war Tiberius dem Senat gegenüber auf der Hut, konnte
doch ein etwaiger Rivale nur aus dieser Körperschaft hervorgehen. 2) Gegen
einzelne hervorragende Mitglieder des Senats, die sich verdächtig gemacht
hatten, mußte er einschreiten. Majestätsprozesse wegen Vergehens gegen
die Person des Kaisers waren unter Tiberius keine Seltenheit, ^j Anderer-
seits war der Kaiser ernstlich bestrebt, die politischen Rechte des Senats
und das Ansehen des senatorischen Standes zu wahren, wie er auch be-
dürftige Senatoren zu unterstützen pflegte. Eine seiner ersten Regierungs-
handlungen war die Abschaffung der Komitien und die Überweisung der
Beamtenwahlen vom Volk an den Senat; aufs gewissenhafteste hielt er auf
die Beobachtung der verfassungsmäßigen Formen,^) ohne aber vom Wesen
der kaiserlichen Gewalt irgendetwas preiszugeben; unbeschadet der nomi-
nellen Mitherrschaft des Senats führte der Kaiser tatsächlich das Regiment.
Gleich beim Regierungsantritt des Tiberius entstand eine gefährliche
Meuterei der drei in Pannonien stehenden Legionen. Die Truppen be-
schwerten sich über ungesetzliche Verlängerung ihrer Dienstzeit und andere
Härten und benutzten den Thronwechsel, um ihre Forderungen durchzu-
toris, das Augustus sich beilegte, in der
Regel, nicht, Sueton Tib. 26, 2.
') Über das imperium j))-oconsulare mains
des Tiberius vgl. H. Dieckmann, Klio XV,
1918, 339 ff.
■') Tacit. ann. I 13.
^) Hierher gehört auch die Verurteilung
des Cremutius Cordus wegen einiger po-
litisch bedenklicher Stellen seines Ge-
schichtswei-ks (25 n.Chr.). Tacit. ann. IV 34.
"*) Vgl.L. Levy, Qno modo TL Claudius Nero
erga senatum se gesserit, These, Paris 1901.
Handbuch der klass. Altertnmswissenschaft. III, 5. 5. Aufl.
20
;^Qß Römische Geschichte.
drücken.!) Auch am Niederrhein empörten sich vier Legionen, die bei den
Ubiern (um Köln) lagerten. Sie stellten ähnliche Forderungen wie die pan-
nonischen Truppen und versuchten ihren Feldherrn, den Germanicus, zur
Übernahme der höchsten Gewalt zu zwingen. Aber die Loyalität des Ger-
manicus widerstand der Versuchung. Allmählich ließen sich die Rebellen
beruhigen. 2) Die Rädelsführer mußten büßen; das Los der übrigen wurde
gebessert. Gleichsam zur Sühne unternahm dann die Rheinarmee einen neuen
Feldzug gegen die Germanen. Der junge Germanicus ergriff mit Feuereifer
die Gelegenheit, seiner bisherigen Untätigkeit ein Ende zu machen und die
varianische Niederlage zu rächen; er war willens, auf den Spuren seines
Vaters Drusus kriegerischen Ruhm zu erwerben. ^j Denn noch immer befand
sich Rom im Kriegszustand mit den germanischen Stämmen, die sich einst
gegen Varus zusammengeschlossen hatten. Schon im Herbst 14 n. Chr. er-
öffnete Germanicus die Feindseligkeiten mit einem Streifzug gegen die Marser
(zwischen Ruhr und Lippe). Da bei den Cheruskern zwischen Arminius und
seinem Widersacher Segestes eine Fehde entstand, so hoffte man auf die
Zersplitterung der Feinde. Im nächsten Jahr drang Germanicus von Mainz
her nordwärts ins Land der Chatten ein und kam bis über die Eder, während
der Legat A. Caecina vonVetera aus gegen Marser und Cherusker vorrückte.
Germanicus machte weiter einen Vorstoß gegen die Cherusker, entsetzte den
von Arminius belagerten Segestes und nahm ihn und seine Familie mit sich
zurück, darunter Thusnelda, die Tochter des Segestes und Gattin des Arminius.
Dann erfolgte der Hauptangriff. Die Legionen begaben sich teils zu Land,
teils auf dem Seeweg an die Ems;^) die Brukterer wurden besiegt, das Land
zwischen Lippe und Ems verwüstet, Chauken und Friesen leisteten den
Römern Beistand. Germanicus besuchte von hier aus den Schauplatz der
Varuskatastrophe im Teutoburger Wald und wandte sich zuletzt gegen den
inzwischen im Feld erschienenen Arminius. Die Rückkehr des römischen
Heeres erfolgte von der Ems aus auf demselben Weg wie der Anmarsch.
Der Heeresteil unter Germanicus, der den Seeweg wählte, erlitt durch eine
Springflut an der Nordseeküste einige Verluste. Caecina nahm mit den
übrigen Truppen seinen Weg über die pontes longi, einen von L. Domitius
Ahenobarbus (S. 296) angelegten Bohlenweg durch ausgedehntes Sumpf-
gebiet.^) Aber die Cherusker unter Arminius und Inguiomerus waren zur
Stelle und brachten das römische Korps in schwere Bedrängnis. Als jedoch die
') Die Meuterei kam zuerst in Nau- 11. Erg.-Heft), Trier 1902.
portus (bei Laibach) zum Ausbruch. *) Da die Ems schwerlich über die Mün-
^) Nach Pannonien wurde Drusus, der düng der Hase hinaus schiffbar war, so
eigeneSohndesTiberius, geschickt. Durch wird sich Landheer und Flotte etwa in
eine Mondfinsternis (am 26. September 14 der Gegend des heutigen Meppen ver-
n. Chr.), die der Aberglaube der Soldaten einigt haben.
als göttliche Warnung deutete, wurde die ■"•) Tacit. ann. 1 13. Die pontes lonc/i, wahr-
kritische Lage entspannt. scheinlich teils Aufschüttung teils Bohlen-
3) Tacit. ann. I 49 f. 55 f., II 5 f. Strabo ; weg, mögen etwa, wie O. Dahm a. a. 0. 64 ff.
VII 290 f. Strabos Nachrichten lassen er- vermutet, in der Richtung von Emsbüren
kennen, daß bei Tacitus eine stark ver- auf Bentheim verlaufen sein. Jedenfalls
kürzte Erzählung vorliegt. Vgl. F. Knoke, hat man anzunehmen, dafs Caecina von
Die Kriegszüge des Germanicus in Deutsch- der Ems, etwa von Meppen aus den Rhein
land, Berlin 1922'^ O. Dahm, Die Feldzüge bei Wesel erreichen wollte,
des Germanicus (Westdeutsche Zeitschr.,
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian, (§46.) 307
beutelustigen Germanen gegen den Reit des Arminius das römische Lager zu
stürmen suchten, wurden sie geschlagen und dem Caecina gliickte der Durch-
bruch. Den Auftakt zum Feldzug des nächsten Jahres (16 n. Chr.) bildete
ein Einfall des Legaten C. Silius ins Land der Chatten und ein Zug des
Germanicus selbst an die Lippe, wo ein belagertes Kastell entsetzt und die
Strecke zwischen Aliso und Rhein neu befestigt wurde. Hierauf brachte eine
Flotte von tausend Schiffen das gesamte Heer (acht Legionen und Hilfs-
truppen) durch den Drususkanal in den Ozean, um dann in die Emsmün-
dung einzulaufen. Mit den ans Land gesetzten Truppen marschierte Ger-
manicus an die Weser, wo Arminius mit den Cheruskern und ihren Bundes-
genossen sich zeigte. Germanicus überschritt die Weser und schlug den Feind
auf dem Feld Idistaviso;i) auch in einer zweiten blutigen Schlacht am Grenz-
wall zwischen dem Land der Angrivarier und Cherusker-) waren die Römer
im Vorteil; der Stamm der Angrivarier mußte sich unterwerfen. Doch das
Ende der guten Jahreszeit nötigte den Germanicus zur Umkehr. Den größten
Teil seines Heeres führte er wieder zu Schiff zurück; dabei erlitt er auf
der Nordsee durch Flut und Stürme abermals schwere Verluste ; gleich nach
der Rückkehr wurden noch demonstrative Vorstöße gegen Marser und Chatten
in Szene gesetzt.
Germanicus gefiel sich in der Hoffnung, daß nach den letzten Siegen
ein einziger Feldzug genügen würde, um ganz Germanien bis zur Elbe zu
unterwerfen ; allein der Kaiser, weniger optimistisch als der junge Drauf-
gänger, untersagte die Fortsetzung des Krieges, der Rom schon recht teuer
zu stehen gekommen war. Realpolitische Erwägungen rechtfertigen diesen
Entschluß des Tiberius vollkommen, mag auch eine tendenziöse Überlieferung
Eifersucht und Übelwollen des Kaisers gegen den Neffen und Adoptivsohn
als treibendes Motiv bezeichnen. Die römischen Heere hatten bedenkliche
Verluste erlitten, die nicht leicht zu ersetzen waren, wie die Erfahrungen
der früheren Jahre lehrten. Am meisten wurde Gallien in Mitleidenschaft
gezogen, und man mag sich in Rom gesagt haben, daß dieser großen und
zu Unruhen neigenden Provinz nicht zu viel zugemutet werden dürfe. Zu-
dem war das tatsächliche Ergebnis der Offensive des Germanicus durchaus
problematisch; denn Arminius behauptete sich nach wie vor im Feld, und
der Bund der Germanen war nicht gelockert. So berief denn der Kaiser
den Prinzen ab ; Germanicus feierte am 26. Mai 17 n. Chr. einen pomphaften
Triumph, in dem auch Thusnelda mit ihrem kleinen Sohn aufgeführt wurde,
und ging noch im selben Jahr, ausgestattet mit einem außerordentlichen
Kommando für die überseeischen Provinzen, nach dem Osten ab, wo aller-
hand Aufgaben, vor allem die Regelung der armenischen Angelegenheiten
seiner harrten. Für die gallischen Provinzen bedeutet die Abberufung des
Germanicus einen wichtigen Einschnitt. Die administrative Einheit, die sie
bisher mit Germanien gebildet hatten, hört jetzt auf. Die drei Gallien wurden
jede eine besondere, von einem prätorischen Legaten des Kaisers verwaltete
') Etwa bei Bückeburg oder Hameln, ^) Vielleicht am Steinhuder Meer (vgl.
nach Dahm weiter aufwärts gegenüber Mommsen, Rom. Gesch. V 49 A. 1) oder bei
Rehme, nach Knoke bei Eisbergen. Vgl. Leese, nach Dahm nicht weit von Minden.
Räppaport, PW IX 903 ff.
20*
308 Römische Geschichte.
Provinz. Das militärische Kommando am Rhein wurde abgetrennt und unter
dem Namen Ober- und Untergermanien zwei neue Bezirke geschaffen,') in
denen künftig konsularische Legaten den Oberbefehl führten. Die freien
Germanen überließ Tiberius sich selbst; getreu dem politischen Testament
des Augustus^) leistete er auf weitere Eroberungen Verzicht.
Der Widerstand der Germanen war also nicht vergeblich gewesen. Es
darf als historische Leistung gewertet werden, daß Arminius imstande war,
der starken römischen Armee zwei Schlachten zu liefern, ohne eigentlich
besiegt zu werden ;S) sein Organisationstalent wußte die Streitkräfte der
verbündeten Germanen nicht nur aufzubieten, sondern auch zusammen-
zuhalten. Übrigens hatten die Barbaren von der römischen Kriegskunst
schon viel gelernt. Aber der Zusammenschluß der Germanen begann sich
zu lösen, sobald von Rom keine unmittelbare Gefahr mehr drohte. Zunächst
gerieten bald nach dem Abzug des Germanicus (17 n. Chr.) Arminius und
seine Gefolgschaft in Krieg mit Marbod, in dessen Bereich sie eingriffen.*)
Es kam zu einer Schlacht, die zwar unentschieden blieb, aber doch für
Marbod in ihren Folgen einer Niederlage gleichkam. Der Markomannen-
könig zog sich mit seinem Heer zurück, seine Herrschaft geriet ins Wanken,
und 18 n.Chr.^) wurde er von dem Gothen Katualda gestürzt, worauf er als
Flüchtling auf römisches Gebiet übertrat. Tiberius, dessen Sohn Drusus seit
17 n. Chr. von Illyricum aus im römischen Interesse wirkte, hatte die Hand
mit im Spiel. Aber auch Katualda konnte sich nicht lange halten ; von den
benachbarten Hermunduren vQrjagt, nahm er gleichfalls zu den Römern
seine Zuflucht. Er wie Marbod hatte viele Gefolgsleute mitgebracht, die nun
östlich der March unter dem Quaden Vannius angesiedelt wurden. Vannius
dehnte sein Reich bald weiter aus und trat in gewissem Sinn das Erbe
Marbods an.'') Er war römischer Bundesgenosse. Nicht lange nach dem
Sturz des Marbod fand sein Gegner Arminius den Untergang. Der Cherusker
hatte sich mit seinen Volksgenossen entzweit, die ihn des Strebens nach
der Königsherrschaft bezichtigten; im Alter von 37 Jahren erlag der Be-
freier Germaniens der Hinterlist seiner eigenen Sippe (19 oder 21 n. Chr.).
Dem Kaiserthron am nächsten stand, wie erwähnt, Germanicus. Aber
das persönliche Verhältnis zwischen dem Kaiser und dem Prinzen war nicht
das beste, doch hat Germanicus sich stets dem Willen des kaiserlichen
Oheims und Adoptivvaters gefügt, so schwer es ihn mitunter ankommen
mochte.'') Den vorzeitigen Tod, von dem Germanicus während seines Kom-
') Grenze ist der Vinxtbach zwischen | 1915^^).
Andernach und Remagen. ®) Vgl. über das regnum Vannianum
') Tacit. anii. I 11 consilium coercendi Mommsen a. a. O. 196 A. 1.
hitra terminos imperii. ') Der Gegensatz zwischen Tiberius
^) proeliiii amhigtms, hello von victus sagt und Germanicus, zwischen dem pflicht-
Tacit. ann. II 88. j getreuen Monarchen und dem von helle-
*) Die Langobarden und Semnonen nistischen Ideen angekränkelten Prinzen
schlugen sich auf die Seite des Arminius, trat z. B. anläßlich der programmwidrigeu
während der Cherusker Inguiomerus, des Vergnügungsreise des Germanicus nach
Arminius Oheim, zu Marbod überging. Ägypten, über die einPapyruslund neues
Tacit. ann. II 44. | Licht verbreitet, in die Erscheinung. Vgl.
^) Mommsen, Rom. Gesch. V 55; über die ! ü. v. Wilamowitz-Moellendorff und F.
Chronologie (18 oder 19 n. Chr.) vgl. Nipper- Zucker, Zwei Edikte des Germanicus, Sitz.-
DfiY-ANDRESEN ZU Tacit. auu. II 62 (Berlin Ber. der Berl. Akad. 1911, 794 ff., E. Hohl,
7, Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 46.) 309
mandos im Osten in Daphne, der Vorstadt von Antiochien, am 10. Oktober
19 n. Chr. ereilt wurde, empfand man als schweren Schlag für das Reich
und die Dynastie. Der Prinz war der Liebling des Volkes, der Abgott der
Armee gewesen. Diese Popularität übertrug sich auf seine Kinder. Man
glaubte allgemein, Germ*inicus sei von Cn. Calpurnius Piso, dem kaiserlichen
Legaten von Syrien, vergiftet worden,') ein Verdacht, der sich nicht be-
stätigte. Allerdings hatte sich Germanicus mit Piso völlig überworfen, so
daß der Legat schließlich seine Provinz Syrien verließ; nach dem Tod des
Germanicus wagte Piso den vergeblichen Versuch, sich Syriens gewaltsam,
unter Bruch des Landfriedens, zu bemächtigen. Seinen Richtern in Rom
entzog er sich durch Selbstmord. Nach dem Hinscheiden des Germanicus
entstand ein unheilvoller Konflikt im Kaiserhaus; die verwitwete Agripj)ina
war im Fanatismus ihres Schmerzes davon überzeugt, daß Tiberius am Tod
ihres Gatten nicht unschuldig sei. Auch war sie gesonnen, ihren Kindern
die Herrschaft zuzuwenden, während nach Germanicus' Tod zunächst Drusus
Caesar, der Sohn des Kaisers, als Thronanwärter galt. Doch als Drusus
23 n. Chr. starb, rückten in der Tat Agrippinas Söhne Nero und Drusus in
die vorderste Reihe. Der Gegensatz zu Tiberius verschärfte sich noch nach
dem Tod der greisen Augusta (29 n. Chr.), die bis zuletzt zu vermitteln ge-
sucht hatte; seit dem Hingang der einflußreichen Mutter hat Tiberius seine
Politik in mehr als einem Punkt geändert. Eine Verständigung mit der un-
versöhnlichen Agrippina erwies sich als Unmöglichkeit; sie mußte schließ-
lich ebenso wie ihr Altester, Nero, in die Verbannung, in der beide ver-
starben, der Sohn 31 n.Chr. die Mutter zwei Jahre später; im nämlichen
Jahr wie Agrippina (33 n. Chr.) endete auch ihr zweiter Sohn, Drusus, in
strenger Haft.
Eine verhängnisvolle Rolle spielt in der Geschichte des Tiberius der
praefectKS i)raetorio h. Aelius Seianus,^) der als erster sämtliche Prätorianer-
kohorten (oben S. 289) in einem festen Lager im Weichbild Roms kaser-
nierte. 3) Gestützt auf die Schwerter seiner Prätorianer, wurde Seian der
mächtigste Mann nächst dem Kaiser, der ihm und nur ihm unglücklicher-
weise blindlings vertraute. So konnte der gewissenlose Intrigant den Zwist
innerhalb des Kaiserhauses zur Förderung seines maßlosen Ehrgeizes be-
nutzen. Er hetzte und wühlte beim Kaiser gegen Germanicus und dessen
Familie ; den Sohn des Tiberius, den Thronfolger Drusus, dessen Gattin er
zu verführen wußte, räumte er durch Gift aus dem Weg (23 n.Chr.): den
zweiten Sohn des Germanicus, Drusus, suchte er gegen den älteren Bruder
Nero einzunehmen, um zuletzt beide Prinzen ins Verderben zu stürzen.^)
Nach dem Tod der Julia Augusta erreichte Seians Macht ihren Höhepunkt.
Ein röm. Prinz in Äg., Preuß. Jahrbücher Seian entstammt einer reichen etruski-
182, 1920, 344 ff. — Über Germanicus zu- sehen EitterfamiHe aus Volsinii und war
sammenfassend M. Gelzee. PW X 435 ff. mit dem römischen Hochadel verschwä-
') Germanicus teilte diesen Glauben. 1 gert; vgl. Cichoriüs, Hermes 39, 1904, 461 ff.
Tacit. ann. II69. 71. Vgl. Josephus Ant. i ') Seit 23 n.Chr. Tacit. ann. lY 2. Hier
XVIII 54. ' lagen auch die cohortes urbaiiae.
^) Er war der Sohn des angesehenen *) Den kläglichen Ausgang des Drusus
Ritters L. Seius Strabo. In der Präfektur schildert Tacit. ann. VI 23 f. Vgl. Suet.
der Prätorianer anfangs Kollege seines Tib. 54.
Vaters, wurde er später alleiniger Präfekt, \
310 Römische Geschichte.
Er erliielt eine Stellung ähnlich der des Agrippa unter Augustus,') wurde
Konsul (^U n. Chr.)''') und trat durch seine Verlobung mit Julia, der Enkelin
des Tiberius, in die kaiserliche Familie ein. 3) Schon wollte er nach der Krone
selbst greifen, als Tiberius, im letzten Augenblick von seiner Schwägerin
Antonia, der Witwe des älteren Drusus, gewarnt, ium vernichtenden Schlag
ausholte. Am 18. Oktober »U n.Chr. büßte der Präfekt seine Verbrechen mit
dem Tod. In seinen Sturz wurden viele seiner Anhänger mit hineingezogen.
Seians Nachfolger in der Präfektur Naevius Sertorius Macro hat die Macht-
fülle seines Vorgängers nicht erreicht; doch blieb das Amt eines der ver-
antwortungsvollsten des Kaisertums. Seine Inhaber gingen aus dem Ritter-
stand hervor.
Die zweite Hälfte der Regierung des Tiberius erhielt ihr Gepräge durch
die Abwesenheit des Herrschers aus der Reichshauptstadt, die er im Jahr
26 n. Chr. verließ, um sie nie wieder zu betreten. Infolgedessen wurde die
wichtige praefectura urhls zu einer ständigen Einrichtung; der Stadtpräfekt,
der Regel nach ein Konsvilar, vertrat den Kaiser in Rom; er hatte weit-
gehende richterliche und polizeiliche Befugnis und galt als der erste Beamte
der Stadt und ihrer Umgebung. Die städtischen Kohorten waren ihm unter-
stellt. Tiberius verweilte anfangs in Kampanien, später mit Vorliebe auf
dem schönen Felseneiland Capri, wo er in weltferner Abgeschiedenheit das
Leben eines menschenscheuen Sonderlings führte.^) Mit zunehmendem Alter
wuchs die Menschenverachtung des vom Leben mißhandelten Monarchen:
seine Entschlußkraft war erlahmt, sein Interesse abgestumpft.^) Die zahl-
reichen Opfer seines Argwohns brachten seine Regierung in Verruf, und
besonders Tacitus hat den Kaiser ebenso künstlerisch wirksam wie historisch
unwahr als völlig entarteten Tyrannen gezeichnet.'') Der künstlerische Bann
des Tacitus ist heute gebrochen^) und man bemüht sich mit Erfolg um ein
gerechteres Bild des hervorragenden Herrschers. Seine Regententugenden
sind unbestreitbar: bei dem hauptstädtischen Pöbel konnte der sparsame,
dem höfischen Prunk und den blutigen Gladiatorenspielen abholde Kaiser
freilich nicht beliebt sein; um so dankbarer empfanden die Provinzialen
den Segen einer gewissenhaften Verwaltung.*) Tiberius hat in seinem Wesen
') In den höchsten Tönen wird Seian Senat (Tacit. ann. YI6. Suet. Tib. 67, 1).
vonVelleiusinseinemSOn. Chr. verfaßten ^) Daß Tacitus seinem Tiberiusporträt
Geschichtsabriß (II 127 ff.) gepriesen. Züge Domitians einverleibte, hat schon
2) Die Inschrift ILS II nr. 6044 erwähnt A. v. Gutschmi© (Kl. Sehr. V 1894 [1863], 6)
inprobae comitiae auf dem Aventin, durch vermutet.
die Seian Konsul wurde. Die literarische ') Schon Napoleon I hat die Verun-
Überlieferung schweigt von diesem re- glimpfung des Tiberius durch Tacitus er-
volutionären Akt. (Vgl. Mommsen, Rom. kannt. Vgl. B. G. Niebuhr, Vorträge über
Staatsr.III 348 A.2.) Wie erwähnt, hatte röm. Gesch. III 173. Aber erst G. R. Sie-
Tiberius die Volkswahlen abgeschafft. vers übte an der allzulange als kanonisch
') Diese Julia, die Tochter des Drusus geltenden Darstellung des Tacitus metho-
Caesar, hatte 20 n. Chr. den Sohn des dische Kritik (Progr., Hamburg 1850. 1851,
Germanicus, Nero, geehelicht. abgedruckt in den Studien zur Gesch. der
*) Es kursierten die tollsten Gerüchte röm.Kaiser,1870, Iff.). Ad. Stahr, Tiberius,
über angebliche Perversitäten des kaiser- Berlin 1863. L. Freytag, Tib. u.Tac, Berlin
liehen Einsiedlers. 1870. W. Ihne, Zur Ehrenrettung des Kai-
■') Die seelische Zerrüttung des Tiberius sers Tiberius, übersetzt von W. Schott,
spiegelt sich in den authentischen Ein- j Straßburg 1892. M. Gelzer, PWX478ff.
gaugsworten eines Schreibens an den ; ^) Tiberius ließ die Statthalter mit Vor-
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 46.) 311
etwas Altrömisches; dieser stolze, steifnackige Claudier ist weit mehr Römer
als sein modern gerichteter Vorgänger. Er gehört zu den tragischen Figuren,
die zu spät geboren sind.^)
Tiberius verstarb am 16. März 37 n.Chr. 2) und hinterließ den Thron
seinem Adoptivenkel Gaius Caesar, dem sog. Caligula, dem einzigen noch
lebenden Sohn des Germanicus und der Agrippina.^) Sein leiblicher Enkel
Tiberius Gemellus, der Sohn des Drusus, mußte hinter Gaius zurückstehen
und wurde bald ganz beseitigt. Die Thronbesteigung des fünfundzwanzig-
jährigen Gaius wurde allgemein mit hochgespannten Erwartungen begrüßt;
die Welt atmete auf von dem Druck, der in den letzten Jahren des Tiberius
auf ihr gelastet hatte. Dem Sohn des Germanicus flogen die Herzen der
Untertanen entgegen.^) Der neue Kurs begann mit einer Reaktion gegen
Tiberius, die sich in Begnadigungen, Steuererleichterungen, Wiederherstellung
einiger Klientelkönigreiche, vorübergehender Wiederaufnahme der Wahlen
durch die Komitien, Auszeichnungen des Senats und Schenkungen doku-
mentierte; durch Freigebigkeit erhielt sich Gaius seine Beliebtheit bei Volk
und Heer bis an sein Ende. Einige notwendige Maßregeln, die Tiberius
immer wieder aufgeschoben hatte, wurden zur Ausführung gebracht. Gaius
restituierte das Andenken seiner Mutter und Brüder; seine Schwestern ließ
er an den kaiserlichen Ehren teilnehmen.^) Der junge Kaiser war keines-
wegs unbegabt; er verfügte über beißenden Witz und ein natürliches Rede-
talent, auch hegte er literarische Interessen; aber ihm fehlte es an Pflicht-
gefühl, Ausdauer und Willenskraft. In maßloser Selbstüberschätzung setzte
er sich bald über Recht, Gesetz und Sitte Roms hinweg. Bekanntlich wird
Caligula vielfach als Typus des sog. Caesarenwahnsinns'') betrachtet und
wenn alle die pathologischen Züge, die von ihm berichtet werden, Glauben
verdienten, so stünde seine geistige Erkrankung außer Zweifel. In Wirk-
lichkeit ist das Bild des sicherlich nervös überreizten Kaisers stark karikiert;')
manche die Römer befremdende Anwandlung erklärt sich aus den helle-
nistischen Tendenzen des absolutistischen Herrschers. In diesem Sinn forderte
er die göttliche Verehrung seiner Person.*) Durch seine Verschwendungs-
liebe lang im Amt. Tacit. ann. I 80. Jo-
sephus Antiq. Jud. XVIII 170 ff.
') Vgl. Gelzer a. a. O. 534.
{eig <PXäxxov) und die Gesandtschaft an
Gaius {jTEQi dgeTcor ycai jTQeaßelag jtqoq ratbi-).
*) Vgl. das Dekret der Panhellenen, durch
Nach Tacit. ann. VI 50 hätte man dem ' das ihm hohe Ehren erwiesen werden.
Gaius bereits huldigen wollen, als der für j IG VII nr. 2711 f. ILS II nr. 8792.
tot gehaltene greise Kaiser noch einmal
das Bewußtsein erlangte, worauf Macro
so viel Decken auf ihn werfen ließ, daß
^) Auch an der göttlichen Verehrung
hatten die Schwestern teil. Vgl. Sueton
Calig. 15. Ephemer, epigr. V 154. Bull, de
der Tod durch Ersticken eintrat. Über corr. hellen. XII 305. IG IV nr. 1400.
das Ende des „Tyrannen" liefen noch ^) Der Ausdruck ist von G. Freytag
andere, ebenso unkontrollierbare Ver- \ geprägt. Der Caesarenwahnsinn ist übri-
sionen um; vgl. Suet. Tib. 73, 2. Josephus | gens nicht etwa eine „Berufskrankheit",
Antiq. Jud. XVIII 205 flf. sondern nur die durch die Ausnahme-
^) Caligula ist ein Kosename, den die Stellung des Betroffenen bedingte Form
Soldaten der Rheinarmee dem kleinen i einer geistigen Erkrankung. Vgl. K. J.
Prinzen, den seine Eltern in eine Miniatur-
uniform gesteckt hatten, beilegten („Kom-
mißstiefelchen"). Interessante Beiträge
zur Geschichte des Gaius enthalten zwei
Schriften eines Zeitgenossen, des alexan-
drinischen Juden Philon: gegen Flaccus
Neumann, Deutsche Lit.-Ztg. 1917, 534 ff.
') Vgl. H.W^iLLEicH, Klio III, 1903, 85 ff.,
288 ff., 397 ff'. M. Gelzer, PW X 381 ff.
^) Er hat zuerst an seinem Hof ein
orientalisch anmutendes Zeremoniell ein-
geführt. Seneca de benef. II 12, 1.
312 Römische Geschichte.
suclit hatte er in Jiälde die von Tiberius gefüllte Staatskasse geleert und
mußte nun, um sie wieder zu fidlen, die Steuerschraube aufs schärfste an-
ziehen; auch Prozesse und Konfiskationen dienten diesem Zweck. Um auch
die reichen gallischen und spanischen Provinzen zu plündern, begab er sich
89 n.Chr. nach Gallien, wo er einige Zeit in Lugudunum verweilte.') Moti-
viert wurde die plötzliche Abreise des Kaisers aus Rom durch einen Krieg
gegen die Germanen, wozu er ein großes Heer zusammenzog. Doch Ernst
wurde damit nicht gemacht; Gaius überschritt zwar den Rhein, kehrte aber
bald ins Innere Galliens zurück und überließ alles Weitere seinem Legaten.^)
Dann wandte er sich gegen Norden. Er plante nämlich einen Angriff auf
Britannien, von wo aus sich ein britischer Königssohn, Adminius, zu ihm
geflüchtet hatte. Doch begnügte sich Gaius mit einer bloßen Demonstration
an der Küste der Moriner. Nach Rom zurückgekehrt, feierte der Kaiser den
kleinen Triumph, die oratio.'^) Es war kein Wunder, wenn die wachsende
Abneigung der Senatsaristokratie gegen den despotischen Monarchen sich
zu Anschlägen, die auf seinen Sturz abzielten, verdichtete. Schon in Gallien
wurde 39 n. Chr. eine Verschwörung entdeckt, deren Haupt Cn. Cornelius
Lentulus Gaetulicus, der langjährige Legat Obergermaniens,*) war und in die
auch einer der Intimen des Kaisers, der Gatte seiner unlängst verstorbenen
Lieblingsschwester Julia Drusilla, M. Aemilius Lepidus, verwickelt war. Die
Verschwörer wurden hingerichtet und die beiden ebenfalls verdächtigen
Schwestern des Kaisers, Julia Agrippina und Julia Livilla, verbannt.^) Nach
der Rückkehr des Kaisers aus Gallien bildete sich in den Kreisen von Sena-
toren und Rittern ein neues Komplott unter Leitung des L. Annius Vini-
cianus; auch einige Tribunen der Prätorianer, vor allem Cassius Chaerea hatte
man gewonnen. Am 2-1. Januar 41 n. Chr. stieß Chaerea den Kaiser während
der zum Gedächtnis des Augustus gefeierten palatinischen Spiele nieder.^)
In der allgemeinen Verwirrung, die auf das Attentat folgte, griffen einige
Söldner den Oheim des Ermordeten, den Ti. Claudius Germanicus, auf, um
ihn in das Prätorianerlager zu bringen, wo der um sein Leben Bangende
zu seiner größten Überraschung von der Garde als Imperator begrüßt wurde. ^)
') Hier trat er 40 n. Chr. sein drittes ^) Am 27. Oktober 39 n. Chr. brachten
Konsulat an. die Arvalbrüder in Rom ein Dankopfer für
2) A. Riese, Neue Heidelb. Jahrb. VI die Rettung des Kaisers. CIL VI 2029 d 6 ff.
152 ff. vermutet, der gallische Feldzug sei *) Eine Rettung Caligulas unternahm
durch die gleich zu erwähnende Ver- H. Willbkh, KlioIII (1903) S. 85ff., 288ff.,
schwörung des Lentulus Gaetulicvis und 397 ff. Niese hat diesen Versuch schroff
den Abfall der germanischen Heere ver- I abgelehnt, und in der Tat schießt die
anlaßt worden. Dieser Vermutung steht | Apologie Willrichs, der den sprunghaften
entgegen, daß die Verschwörung erst ent- j und widerspruchsvollen Kaiser zu einem
deckt wurde, als Gaius schon in der Pro- | bedeutenden Politiker stempeln möchte,
vinz Germanien war. Sueton Claud.9. Vgl. über das Ziel hinaus. Aber Willrichs Hin-
G. Teuber, Beiträge zur Geschichte der ' weis auf hellenistische, besonders ägyp-
Eroberung Britanniens durch die Römer tisch-ptolemäische Einflüsse und Vorbilder
(Breslauer Studien z. Gesch. Bd. III, 1909) \ ist ebenso dankenswert, wie sein Bestre-
S. 2ff. 82 ff. Vgl. zum Germanenkrieg E.
Ritterling, Röm.-germ. Korrespondenz-
blatt VI, 1913, 1 ft'.
') Sein Einzug in Rom fällt nach Sueton
Calig. 49 auf den 31. August 40 n. Chr.,
seinen Geburtstag.
*) Vgl. über ihn Tacit. ann.VI 30.
ben, die z.T. geradezu burlesken Elemente
der Überlieferung auszuschalten. Ein vor-
sichtigabwägendes Urteil überCaligula hat
neuerdings M.Gelzer gefällt, PW X 417 ff.
') H. Lehmann, Claudius und Nero und
ihre Zeit, 1. (einziger) Bd., Gotha 1858.
Groag, PW III 2778 ff., K.Vivell, Chronol.-
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ t6.) 313
Inzwischen debattierte der Senat über die Frage „Republik oder Monarchie",
bis er sich durch jenen Gewaltstreich der kurzentschlossenen Prätorianer
vor eine vollendete Tatsache gestellt sah. Es blieb dem Senat nichts übrig,
als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und auch seinerseits den Claudius
als Princeps anzuerkennen. Der neue Kaiser verdankte seine Würde ledig-
lich dem Zufall und seiner erlauchten Geburt. Die kaiserliche Familie hatte
den mehr als beschränkten Prinzen geflissentlich zurückgesetzt; am Hof
seines Neffen Gaius wurde er als komische Figur behandelt; mit historisch-
antiquarischen Studien tröstete sich der schrullenhafte Sonderling über seine
unwürdige Rolle, i) Als Regent hat sich Claudius nicht ungünstig eingeführt.
Gewitzigt durch die Katastrophe seines Neffen versprach der neue Kaiser,
die Rechte des Senats zu achten, und war bemüht, die* Willkürakte seines
Vorgängers wieder gut zu machen, 2) So unzulänglich seine Geisteski-äfte
waren, an gutem Willen gebrach es ihm nicht. Von Natur schlicht und gut-
mütig, geriet er in völlige Abhängigkeit von seiner Umgebung, von Frei-
gelassenen und Frauen; er war leicht einzuschüchtern und ließ sich dann
zu Schritten drängen, die er nachträglich bereuen mochte. Auch geschah
manches in seinem Namen, ohne daß er davon wußte. Dies zeigte sich schon
bald nach seinem Regierungsantritt bei Gelegenheit einer Empörung, die von
Annius Vinicianus ausging und als Nachspiel zum Sturz des Gaius gelten kann
(42 n, Chr.). Der Legat von Dalmatien, Furius Camillus Scribonianus, empörte
sich mit seinen Truppen und fand in Rom in den Kreisen des Senats viele
Anhänger. Aber der Rebell sah sich von den Legionen sofort im Stich ge-
lassen, als er die Wiederherstellung der Republik proklamierte; er wurde auf
der Flucht getötet. Über seine Parteifreunde erging ein strenges Gericht.^)
Im Gegensatz zu dem exzentrischen Gaius lenkte Claudius wieder in
die Bahnen des Augustus und Tiberius ein; die Provinzen hatten sich be-
sonderer Fürsorge zu erfreuen. Der Kaiser war in der Verleihung des Bürger-
rechtes an die Provinzialen weit freigebiger als seine Vorgänger.^) Im Jahr
48 n. Chr, erhielten die Gallier und zwar zunächst die Aeduer das ins honorum
und damit die Möglichkeit, in den Senat einzutreten. &) Dies geschah kraft
der Zensur, die Claudius 47 n. Chr. übernahm, wobei er den Senat ergänzte.
Der Census der römischen Bürgerschaft (47 — 48 n. Chr.) ergab gegen den
letzten des Augustus eine Zunahme von mehr als einer Million.^) Auch für
krit. Unters, z. Gesch. des Kaisers Cl., nebst ^) Wie er z.B. die Maßregeln des Gaius
einem Versuch zu Regesten dieses Kaisers, gegen die Juden zurücknahm, Josephus
Heidelberger Diss., Freiburg i. B. 1911. ; Ant. Jud. XIX 278 ff.
') Als Zensor (47 n. Chr.) bereicherte j ^) Damals ging auch Caecina Paetus
der Kaiser das lateinische Alphabet um mit seiner heldenmütigen Gattin Arria
drei neue Zeichen, die auf gleichzeitigen (Cass.DioLX 16) in den Tod. Der Sohn des
Inschriften auftauchen, um bald wieder
zu verschwinden. Claudius liebte es auch,
seine antiquarischen Kenntnisse auszu-
kramen und auf alte Gebräuche und For-
Camillus machte sieh später (52 n. Chr.)
ebenfalls verdächtig; er mußte in die Ver-
bannung, wo er bald danach starb.
*) In der Apokolokyntosis (Seneca ludus
mein zurückzugreifen. Eine Probe gibt c. 3) wird er deshalb versi^ottet.
seine Rede über das ins honorum der Gal- i ^) Von der Rede, in der Claudius im
Her i^CIL I nr. 212; vgl. das Edikt ebenda Senat die Aufnahme der Gallier befür-
nr. 206). Auch das Referat des Tacitus wortete, sind noch Stücke auf einer in
(ann. XII 61) über den Inhalt einer Rede Lyon gefundenen Bronzetafel erhalten.
des Claudius für die Koer ist in dieser ILS I nr. 212.
Hinsicht lehrreich. *) Der Abschluß des Census, das /«s<r»»j,
324 Römische Geschichte.
die Stadt Rom und für Italien ist viel geschehen; zu erwähnen sind die
teilweise Trockenlegung des Fucinersees (52 n. Chr.) und die gewaltigen
Hafenanlagen in Ostia (begonnen 42 n. Chr.), die diesen für die Getreide-
zufuhr wichtigen Stapelplatz den gesteigerten Bedürfnissen anpaßten. Bei
den Regierungsgeschäften ließ sich der Kaiser von sachkundigen Männern
beraten, so von L.Vitellius, seinem Kollegen in der Zensur. Entscheidenden
Einfluß gewannen die kaiserlichen Freigelassenen, besonders Callistus, Nar-
cissus und Pallas, die als selbstbewußte und energische Inhaber der großen
Hofämter tatsächlich das Reich regierten und ihre einzigartige Stellung nicht
selten mißbrauchten. Auch die Gemahlin des Kaisers, die durch ihre Zügel-
losigkeit sprichwörtlich gewordene Valeria Messalina, besaß große Macht,
war aber ohne politische Aspirationen. Manche Mitglieder der Gesellschaft,
Männer wie Frauen, fielen ihren Ränken zum Opfer. Die Ausschweifungen
Messalinas blieben dem Claudius lange verborgen, bis sie zuletzt eine förm-
liche Ehe mit ihrem ehrgeizigen Liebhaber C. Silius einging, eine Tollheit,
die den kaiserlichen Hahnrei auch politisch unmittelbar bedrohte. Die Tat-
kraft des Narcissus rettete den Kaiser; das hochverräterische Paar wurde
mit anderen Schuldigen hingerichtet (48 n. Chr.). Trotz den schlimmen Er-
fahrungen mit Messalina, die übrigens bereits seine dritte Gattin w^ar, ver-
mählte sich Claudius in vierter Ehe mit seiner Nichte Julia Agrippina, der
letzten Tochter des Germanicus. Unter der Regierung ihres Bruders Gaius
hatte Agrippina einst mit ihren beiden Schwestern bei Hof geglänzt, bis
sie 39 n. Chr. ins Exil mußte, aus dem sie der neue Kaiser, Claudius, zurück-
rief. Messalina ließ aber die Nichte ihres Gatten nicht aufkommen. Aber
durch ihre Ehe mit dem kaiserlichen Oheim Claudius (49 n. Chr.) näherte
sich die herrschsüchtige Frau dem Ziel ihres Ehrgeizes. Schon im Jahr
50 n. Chr. erwirkte sie die Adoption ihres Sohnes aus erster Ehe, des
L. Domitius,!) durch seinen kaiserlichen Stiefvater und für sich selbst den
Titel Augusta. Dieser ihr Sohn, der einzige männliche Nachkomme des
Germanicus, drängte den Leibeserben des Claudius aus dessen Ehe mit Messa-
lina, Ti. Claudius Caesar Britanniens, 2) in den Hintergrund. Mit der Hand
seiner Stiefschwester, der Kaisertochter Octa via, erhielt der Sohn der Agrippina
eine gewisse Anwartschaft auf den Thron (53 n. Chr.). Agrippinas Machen-
schaften im Interesse des Sohnes gipfelten schließlich in dem Verbrechen
des Gattenmordes. Sie ließ den Claudius vergiften, weil sie einen Umschwung
zugunsten des im Purpur geborenen Britanniens befürchtete (54 n.Chr.). 3)
Der Sohn der Agrippina, Nero Claudius Caesar, 4) wurde glatt als Kaiser
anerkannt (13. Oktober 54 n. Chr.). Der Mutter verdankte der junge Kaiser
fand 48 n. Chr. statt. Die Gesamtzahl der ^) Über ihren Helfershelfer, den Leib-
Bürger betrug fast sechs Millionen. arzt Xenophon von Kos, vgl. R. Herzog,
') Sohn des Cn. Domitius Ahenobarbus, Hist.. Zeitschr. 125, 3. F. 29, 1922, 216 ff.
Enkel des L. Domitius, Konsuls 16 v. Chr., Claudius empfing nach seinem Tod die
Gemahls der jüngeren Antonia. Tacit. Apotheose. Aus diesem Anlaß verfaßte
ann. IV 44. 75. [ Seneca eine boshafte Satire, die sog. Apo-
*) Der ursprüngliche Beiname des 41 j kolokyntosis, die „Verkürbissung", den
n. Chr. geborenen Prinzen, Germanicus, | ludu^ de morte Claudii. Vgl. A. P. Baxl,
wurde nach dem britannischen Feldzug The satlre of Seneca on the apotheosis of Cl.,
seines Vaters Claudius (43 n. Chr., unten New York 1902.
S. 318) durch Britannicus ersetzt. *) H. Schiller, Gesch. des röm. Kaiser-
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 46.) 315
die Krone. Die herrschsüchtige, von vielen gehaßte') Frau gedachte sich
als Regentin aufzuspielen. 2) Aber der Sohn wußte sich allmählich ihrem
Einfluß zu entziehen. In dem Ringen um die Macht zwischen Mutter und
Sohn fand der letztere Bundesgenossen in seinen Ratgebern, dem Prätorianer-
präfekten Sex. Afranius Burrus und dem gefeierten Modephilosophen L. An-
naeus Seneca, seinem Erzieher. 2) In ihrer Verblendung suchte die Kaiserin-
mutter sogar ihren Stiefsohn Britanniens gegen Nero auszuspielen, mit dem
Ergebnis, daß der Kaiser den unglücklichen Knaben durch Gift aus dem
Weg räumte (55 n. Chr.). Vergeblich machte Agrippina verzweifelte An-
strengungen, um den Sohn an sich zu fesseln: ihr Bann war und blieb ge-
brochen. Schließlich kam es so weit, daß der entmenschte Kaiser die ihm
noch immer unbequeme Mutter ermorden ließ (März 59 n. Chr.). Erst nach
diesem scheußlichen Verbrechen, das ihn von jeder Bevormundung befreite,
fühlte sich Nero ganz als sein eigener Herr. Mitschuldig an dem Unter-
gang der Agrippina ist die schöne und maßlos ehrgeizige Poppaea Sabina,*)
die den Kaiser seit dem Jahr 58 n. Chr. in die Bande einer wachsenden
Leidenschaft verstrickte. Das Ziel, dem sie in kalter Berechnung zustrebte,
war der Thron. Schon war Agrippina, die sich ihr in den Weg gestellt
hatte, beseitigt. Im Jahr 62 n. Chr. folgte der Sturz der Kaiserin Octavia.
Nero ließ sich von Octavia scheiden und als das römische Publikum für
die unglückliche Dulderin Partei nahm, wurde sie verbannt und bald dar-
auf hingerichtet. Kurz nach der Scheidung hatte Nero die Ehe mit Poppaea
geschlossen. Schon drei Jahre später (65 n. Chr.) starb die neue Kaiserin,
ohne Kinder zu hinterlassen.^)
Wenn die ersten Regierungsjahre Neros als glückliche Zeit gelten düi'fen,^)
so ist das ausschließlich das Verdienst der beiden tatsächlichen Reichsleiter,
des Seneca und des Burrus. Sie haben noch einmal mit der Dyarchie des
Augustus Ernst gemacht und dem Senat vollen Anteil an den Geschäften
gewährt. Die Verwaltung der Stadt und der Provinzen und das Finanz-
und Steuerwesen wurden verbessert. Die Wendung zum Schlimmen, für die
auch die wieder einsetzenden Majestätsprozesse bezeichnend sind, brachte
das Jahr 62 n. Chr., das Todesjahr des ausgezeichneten Prätorianerpräfekten
reichs unter der Kegierung des Nero, führte den Namen ihres mütterHchen
Berlin 1872. B. W. Hendekson, The life ' Großvaters. Zuerst war sie mit dem Ritter
and principate of the emperor Nero, London Rufrius Crispinus vermählt, dem sie der
1903 und 1905. E. Hohl, PW Suppl. III spätere Kaiser Otho entführte. Bei seinem
349 flf. Freund Otho lernte Nero sie kennen.
') Unter Claudius haben durch Agrip- j Tacit. ann. XIII 45 f. Vgl. über Poppaea
pina mehr Mitglieder der römischen Ge- auch Ph. Fabia, Revue de pJüloloqie nouv.
Seilschaft den Tod gefunden als durch j ser. XXII (1898) 383 flf.
Messalina. [ *) Poppaea hatte 63 n. Chr. eine Tochter
*) Vgl. U. Kahrstedt, Klio X, 1910, 297. \ geboren, die aber nur wenige Monate
F. Sandels, Die Stellung der kaiserl. Frauen lebte und als Diva Claudia konsekriert
aus dem jul.-claud. Hause, Gießener Diss., ' wurde. Noch dem Tod Poppaeas hat sich
Darmstadt 1912. Nero in dritter Ehe mit Statilia Messalina
ä) Seneca war auf Betreiben der Mes- I vermählt, die ihn überlebte. Sueton Nero
salina nach Korsika verbannt worden, von 35, 1. Otho 10, 2. PIR III 266 f. IG IV
wo er dank der Fürsprache Agrippinas 49 nr. 1402.
n. Chr. zurückkehren durfte. Tacit. ann. \ ®) Vgl. das hohe Lob, das Kaiser Traian
XII 8. j dem (^jtm^Memim/xiV^pron/s gespendet haben
^) Tochter eines Ritters T. Ollius; sie soll, Aur. Vict. Caes. 5, 2. Epit. 5, 2.
31() Römische Geschichte.
Burrus, der mit Seneca in vorbildlicher Weise zusammengearbeitet hatte.
Seneca, der bisher sozusagen den dem Senat verantwortlichen Minister gespielt
hatte, sah sich kaltgestellt. In Ofonius Tigellinus, ') dem einen der beiden
Nachfolger des Burrus, fand Nero einen skrupellosen Höfling, der jeder
Laune des Kaisers bereitwillig Vorschub leistete. Einen besonderen Hang
hatte Nero für agonistische Vorstellungen jeder Art. Schon f)() n.Chr. wurden
in Rom nach griechischem Vorbild die Neronien gestiftet, periodische Wett-
spiele für musische Künste. Der Kaiser, der auch in der Dichtkunst dilet-
tierte, gierte nach Künstlerlorbeeren. Er trat sogar in eigener Person als
Wagenlenker und Kitharöde auf, zuerst in geschlossenen Privatvorstellungen,
seit dem Jahr 64 n. Chr. vor der Öffentlichkeit. In dem genannten Jahr legte
eine riesenhafte Feuersbrunst einen großen Teil der Hauptstadt in Asche. 2)
Um einen zweckmäßigen Wiederaufbau hat sich die kaiserliche Regierung
sehr bemüht; das Stadtbild wurde verschönert und Nero benutzte die Ge-
legenheit, eine gewaltige Palastanlage, die berühmte domus aurea, deren
Areal sich vom Palatin über die benachbarten Stadtquartiere erstreckte, zu
schaffen. Zu den Kosten dieses Luxusbaues^) mufäten Italien und die Pro-
vinzen beitragen. Da das Gerede, daß der Kaiser das Feuer, das seinen
Bauplänen zu paß kam, habe anlegen lassen, nicht verstummen wollte, be-
zichtigte Nero, um den wahrscheinlich grundlosen Verdacht'*) von sich ab-
zulenken, die neue Sekte der Christen, deren Name hier zum erstenmal in
der Geschichte begegnet, der Brandstiftung. Viele Mitglieder der jungen
Christengemeinde der Hauptstadt wurden qualvoll zu Tode gemartert. Dieser
wilde Exzeß Neros gegen unschuldige Christen blieb auf Rom beschränkt;
eine allgemeine Christenverfolgung fand nicht statt. Im Jahr 66 n. Chr.
unternahm der kaiserliche Dilettant mit großem Gefolge eine Kunstreise nach
Griechenland, um bei den altberühmten Agonen in Olympia und Delphi
aufzutreten. In Korinth verlieh er allen Gemeinden Griechenlands (der
Provinz Achaia) Freiheit und Selbstverwaltung;^) mit diesem Danaergeschenk,
das schon Vespasian wieder zurücknehmen mußte, gedachte er den Flamininus,
den einstigen Befreier Griechenlands, zu überbieten. Erst zu Beginn des
Jahres 68 n. Chr. kehrte der mit Siegerkränzen überhäufte Kaiser nach
Italien zurück.
Nero setzte sich durch sein Tun und Treiben in schroffen Gegensatz
zu den überlieferten römischen Begriffen von Anstand und Würde und zog
durch seine Verschwendungssucht das ganze Reich in Mitleidenschaft. Die
wachsende Mißstimmung in den höheren Schichten konnte dem Kaiser nicht
entgehen. Um sich zu sichern, machte er jeden unschädlich, ' der seinen
') Ofonius nicht Sofonms ist die richtige in der Nacht vor dem Brand Vollmond
Namensform, s. PIR III 250. Boissevain eingetreten war, ein Umstand, der gegen
zu Cass. Die LIX 23, 9 vol. II p. (544. eine Brandstiftung spricht.
-) Der Brand entstand in der Nacht ^) Ende Nov. 67 n. Chr. SIG II' nr. 814.
vom 18. zum 19. Juli 64 n.Chr. und wütete ILSII nr.8794. cf.Plut. Tit. 12. Suet.Nero
zunächst sechs Tage lang und dann, nach 24. Pick, Zeitschr. f. Numatismatik XVII
kurzer Pause, noch drei weitere Tage. 180 f. CxvYAmAS, FottiUes d'Epidanre S. 67
^) Vgl. F. Weege, Archäol. Jahrb. 1913, I u. 203 f. (= IG IV nr. 9.34 f.). Den Auf-
127 ff. j enthalt in Olympia bezeugt die Inschrift
■*) Gh. Yivi.sv.^, Ame7-ic. Journal ofarcheo- SIG II' nr. 815. Athen und Sparta wur-
logy XIII 1909, 4-5, wies darauf hin, daß den nicht besucht. Cass. Dio LXIII 14, 3.
7, Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§46.) ^^17
Argwohn erregte. Es zeigten sich in der Tat ernste Symptome einer gegen
den Kaiser gerichteten Bewegung. Im Jahr 65 n. Chr. wurde eine weit-
verzweigte Verschwörung gegen sein Leben aufgedeckt, an deren Spitze
C. Calpurnius Piso stand. Schon 62 n. Chr. hatte Piso, der sich verdächtigt
wußte, beschlossen, den Kaiser zu beseitigen; er fand viele Gleichgesinnte,
darunter den Präfekten Faenius Kufus und andere Gardeoffiziere. Man
wollte Nero ermorden und Piso zum Kaiser machen. Jedoch kurz vor der
Ausführung wurde der Anschlag verraten (18. April 65 n. Chr.). Erst der
Verlauf der sofort eingeleiteten Untersuchung belehrte den Kaiser über den
Umfang des Komplotts und die Größe der Gefahr, in der er geschwebt
hatte; unter den zahlreichen Mitwissern oder Verdächtigen fand auch der
Dichter Annaeus Lucanus den Tod, sowie dessen Oheim Seneca,^) der wahr-
scheinlich fälschlich denunziert war und seit seinem Sturz jedem politischen
Ehrgeiz entsagt hatte. Selbst auf die an der Verschwörung unbeteiligte
Gesinnungsopposition, auf republikanisch denkende Stoiker wie P. Clodius
Thrasea Paetus und Barea Soranus, erstreckte sich die Rache des Kaisers
(66 n. Chr.). Eine zweite Verschwörung 2) kam ebenfalls vor der Zeit ans
Licht. Aber bald nach Neros Rückkehr aus Griechenland (März 68 n. Chr.)
erhob sich der Statthalter von Gallia Lugdunensis, C. Julius Vindex; ein
großer Teil der gallischen Stämme, durch den Steuerdruck erbittert, schloß
sich ihm an. Vindex sagte sich von Nero los und vereidigte seine An-
hänger auf Senat und Volk.^) Nero bot Truppen auf, raffte sich aber zu
keinem energischen Entschluß auf und besiegelte dadurch seinen Untergang.
Denn inzwischen hatte sich auch der Legat des diesseitigen Spaniens, Ser.
Sulpicius Galba, ein vornehmer und angesehener Mann, dem Vindex an-
geschlossen; das Gleiche taten die Statthalter von Lusitanien und Afrika.
Allerdings erlag Vindex den Legionen Obergermaniens unter Verginius Rufus
bei Vesontio, worauf er sich entleibte. Aber die siegreichen Truppen selbst
fielen von Nero ab und gedachten den Verginius zum Kaiser zu machen :
doch dieser lehnte ab und überließ die Wahl dem Senat. Nero sah sich
"von allen verlassen, zuletzt auch von den Prätorianern, denen der Präfekt
C. Nymphidius Sabinus ein hohes Geldgeschenk {donativum) versprach, um
sie für Galba zu gewinnen, den sie denn auch zum Kaiser ausriefen ; auch Volk
und Senat erklärten sich für Galba. Nero verbarg sich auf einem Landgut
in der Nähe Roms und ließ sich hier durch einen Getreuen den Tod geben, als
er seine Achtung durch den Senat erfuhr (9. Juni 68 n. Chr.).'*) Mit ihm stai'b
der letzte Nachkomme des Kaisers Augustus. Beim gemeinen Volk und bei
den Griechen blieb der sonderbare Philhellene noch lange in gutem An-
gedenken; dreimal fanden im Orient Schwindler in der Maske Neros Zulauf.
Die auswärtigen Angelegenheiten wurden unter Tiberius, Claudius und
Nero im ganzen gleichmäßig behandelt. Das gegebene Ziel der Politik war
') Tacit. ann. XV 48 flf. j setzung Neros und die Ernennung eines
-) Die sog. coniurafio Viniciana. Sueton [ anderen Kaisers durch Senat und Volk
Nero 36. ! handle. Mommsens These wird auch von
') MoMMSEN, Ges. Sehr. IV 333 ff. 347 ff.
Vindex dachte jedoch schwerlich daran,
die Republik wiederherzustellen, wie
MoMMSEN meint; mit Recht bemerkt Fabia
(Klio IV 49), daß es sich nur um die Ab-
E. KoRNEMANN bei Gekcke-Nokden, Eiul. in
die Altertumswiss. tJI^ 278 ff. widerlegt.
*) Über das Datum vgl. L. Holzapfel,
Klio XII, 1912, 484 flf.
;318 Römische Geschichte.
die Erhaltung des Besitzstandes, nicht dessen Vermehrung. Besondere Sorg-
falt erheischten die gallischen Provinzen, wo das römische Reich an die
germanische und die britische Welt stieß. Die gallischen Stämme hatten
sich noch nicht völlig mit der römischen Herrschaft abgefunden. 21 n. Chr.
brach infolge des Steuerdrucks und anderer Mißhelligkeiten eine Empörung
aus, die fast in allen Stämmen der drei Gallien Teilnehmer zählte und
zuerst recht gefährlich aussah. Der Aeduer Julius Sacrovir und der Tre-
verer Julius Florus standen an der Spitze. Sacrovir brachte ein großes
Heer zusammen und besetzte Augustodunum (Autun); doch wurde er von
den germanischen Legionen geschlagen und der Aufstand rasch unterdrückt.
Eine Eroberung hat im Westen nur Claudius gemacht. Er verwirklichte
endlich den Plan Caesars und löste eine alte Ehrenschuld der auswärtigen
Politik ein, als er von einigen vertriebenen Häuptlingen gerufen, 43 n. Chr.
ein Heer unter A. Plautius nach Britannien schickte, um die Insel zu unter-
werfen. Nach der Landung und den ersten Erfolgen fügten sich zunächst
die südlichsten Stämme der Briten ohne bedeutenden Widerstand oder
schlössen sich freiwillig an; die übrigen, namentlich die Trinovanten, sam-
melten sich hinter der Themse. Plautius überschritt den Fluß, der Kaiser
selbst eilte mit Verstärkungen herbei, und unter seinen Augen wurde ein
entscheidender Sieg über die verbündeten Briten errungen. Der Kaiser
kehrte darauf nach Rom zurück und feierte einen Triumph. Plautius hat
noch einige Jahre (bis 47 n. Chr.) das Kommando geführt und die britischen
Stämme nordwärts etwa bis an den Humber oder vielleicht noch darüber
hinaus unterworfen. Er durfte den kleinen Triumph (die ovatlo) feiern. Die
unterworfenen Stämme wurden tributpflichtig und mußten Truppen stellen.
Einige, namentlich im Norden die Briganten, behielten bis auf weiteres ihre
einheimischen Könige. Auf dem eroberten Gebiet wurde (50 n. Chr.) in
Camulodunum (Colchester) eine Veteranenkolonie gegründet. Bald siedelten
sich viele römische Bürger und Untertanen in Britannien an, vor allem in
dem wichtigen Handelsplatz Londinium an der Themse. Doch war die Unter-
werfung noch sehr unvollkommen; die Briten haben ihre Freiheit tapfer
verteidigt und den Nachfolgern des Plautius viel zu schaffen gemacht; die
Erwerbung Britanniens kostete erhebliche Opfer. Vornehmlich die Stämme
des gebirgigen Westens, des heutigen Wales und Cornwallis, Silurer und
Ordoviker, leisteten noch längere Zeit hartnäckigen, oft erfolgreichen Wider-
stand. An ihre Grenze wurden die meisten Truppen gelegt und in Lagera
oder Kastellen untergebracht. Bei den Silurern fand der vertriebene Trino-
vante Caratacus eine neue Herrschaft, bis er 51 n. Chr. nach einer ver-
lorenen Schlacht ausgeliefert und nach Rom verbracht wurde. 59 n. Chr.
übernahm C. Suetonius Paulinus, einer der tüchtigsten Soldaten des damaligen
Roms, das britische Kommando. Während er die Insel Mona (Anglesea)
eroberte, brach, hervorgerufen durch die Mißstände der römischen Ver-
waltung, bei den Unterworfenen, besonders den Icenern und Trinovanten,
ein gefährlicher Aufstand los, dessen Führerin die Königin Boudicca') war.
M Sie war Gattin des Prasutagus, Kö- \ toren aufs schändlichste mißhandelt und.
nigs der Icener, und war mit ihren beiden beraubt worden.
Töchtern von den kaiserlichen Prokura-
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 46.) 319
Suetonius, der von Mona herbeieilte, konnte den Aufständischen zunächst
nicht die Spitze bieten, Camulodunum und Londinium wurden ihnen preis-
gegeben und viele Römer fanden den Tod. Erst nachdem Suetonius seine
Macht gesammelt hatte, konnte er den Briten südlich der Themse eine
siegreiche Feldschlacht liefern und die Kraft des Aufstandes brechen (60
n. Chr.). Boudicca nahm sich das Leben; allmählich kehrte wieder Ruhe
ein. Rom war bestrebt, die Verwaltung zu verbessern. i)
Den Germanen gegenüber beschränkt sich seit Tiberius die kaiserliche
Politik darauf, etwaige feindliche Angriffe abzuweisen und die Grenze zu
sichern. Zum besseren Schutz der natürlichen Stromgrenze wurde auf dem
rechten Rheinufer, das die Germanen hatten räumen müssen, ein Grenz-
streifen (limes) gezogen, der nicht bebaut werden durfte. Am Niederrhein
entstand bei den Ubiern in der Colonia Agrippina (Köln), gegründet 50
n. Chr., ein neues städtisches Gemeinwesen, wichtig auch für den friedlichen
Verkehr mit den Germanen, der übrigens ständig kontrolliert wurde. Denn
die Germanen waren unruhige Nachbarn. Unter Tiberius (28 n. Chr.) rebel-
lierten die Friesen und behaupteten sich gegen den römischen Angriif;
Tiberius, allen größeren Unternehmungen abgeneigt, ließ sie gewähren. Die
Friesen und ihre Nachbarn, die Chauken, machten sich in der Folgezeit
durch Seeraub lästig, schon 41 n. Chr. wurden sie bekriegt, aber erst Cn.
Domitius Corbulo trat als Legat von Untergermanien energisch auf (47 n. Chr.).
Die Friesen kehrten damals unter die römische Oberhoheit zurück, als jedoch
Corbulo die Chauken ebenso gründlich unterwerfen wollte, fiel ihm Kaiser
Claudius in den Arm. Sogar die rechtsrheinischen Besatzungen mußten
zurückgenommen werden, wohl infolge der gesteigerten Anforderungen, die
damals der britannische Krieg an die Wehrkraft des Reiches stellte. Als
bester Schutz der Grenze erwies sich die leidige Zwietracht der germani-
schen Stämme, die schon Tiberius in Rechnung gestellt hatte. Die Römer
fanden immer wieder Anhänger. Der mächtigste und angesehenste Stamm
der Germanen waren zunächst die Cherusker, aber nach dem Tod des Ar-
minius zerfleischten sie sich weiter in inneren Kämpfen. Ihr königliches
Geschlecht fand den Untergang; 47 n. Chr. sandte ihnen auf ihre Bitte
Claudius als neuen König den in Rom aufgewachsenen Neffen des Arminius,
Italicus,2) der sich nur mit Hilfe der Langobarden durchzusetzen vermochte.
Größere Bedeutung gewannen die Chatten, die römischen Grenznachbarn,
denen der Feldzug des Gaius galt. Einer ihrer Gaue, die Mattiaker, traten
in römischen Schutz und wurden am rechten Rheinufer Mainz gegenüber
(im Rheingau und beim heutigen Wiesbaden) angesiedelt, wo sie den Grenz-
schutz übernahmen. 2) Der betreffende Landstrich bleibt römischer Besitz.
Als 50 n. Chr. die Chatten über den Rhein hinüberstreiften, wurden sie von
') Über die Eroberung Britanniens vgl. ' dien zur Geschichte Bd. III), Breslau 1909.
Cass. Dio LX 19 f., 30. Sueton Claud. 17. F. Sagot, La Bretagne romaine, Paris 1911.
Tacit. ann. XII 31 f., XIV 29 f. Agrie. 13. | '-) Er war Sohü des Flavus und einer
HüBNEE, Herrn. XVI 513 ff. ; Panzer, Histor. j chattischen Fürstentochter. Flavus, der
Untersuchungen, Arnold Schäfer gewid- Bruder des Arminius, stand in römischen
met (Bonn 1882) 116 ff.; Asbach, Analecta
histor. et epigr. (Bonn 1878) 8 ff. G. Teubek,
Beiträge zur Gesch. der Eroberung Bri-
tanniens durch die Römer (Breslauer Stu-
Diensten.
') Diesen ager Mattiacus erwähnt Tacit.
ann. XI 20 (47 n. Chr.).
;^20 Römische Geschichte,
römischer Seite mit Erfolg angegriffen und bequemten sich zum Frieden,
zumal da sie damals mit den Cheruskern in Fehde lagen. Einige Jahre
später (58 n. Chr.) hatten sie mit ihren östlichen Nachbarn, den Hermunduren,
einen Grenzstreit au szu fechten, wobei der Sieg den Hermunduren zufiel.')
Übrigens gab es auch bei den Chatten römische Parteigänger.
Friedlicher waren die Zustände an der Donaugrenze, wo die Römer an
den Hermunduren gute Freunde hatten. Die wichtigste römische Nieder-
lassung war Augsburg {Auf/usta VindeUciim), wahrscheinlich bald nach der
Eroberung entstanden, Straßenknotenpunkt und Handelsplatz für die Her-
munduren. Der König des angrenzenden Suebenreichs Vannius (oben S. 808)
wurde nach dreißigjähriger Herrschaft von seinen Schwestersöhnen Vangio
und Sido mit Unterstützung der Hermunduren und anderer Nachbarn ge-
stürzt (50 n. Chr.). Er flüchtete zu den Römern, die ihm ein Asyl ge-
währten, aber nicht intervenierten. Vangio und Sido, die sich in die Herr-
schaft teilten, fügten sich ihrerseits der römischen Oberherrschaft. Die an-
schließende Landschaft zwischen Donau und Theiß, das einstige Grenzland
zwischen Bojern und Geten, fiel bald nach dem Tod des Augustus an die
Jazygen, einen sarmatischen Stamm, der ebenfalls in ein friedliches Ver-
hältnis zu den Römern trat.
An der unteren Donau wurde die Grenze teils durch Mösien gebildet,
das nach dem großen pannonischen Aufstand (oben S. 297 f.) als eigene Pro-
vinz eingerichtet worden war, teils durch das thrakische Königreich. Letz-
teres wurde nach dem Tod des Königs Rhoimetalkes noch zu Lebzeiten des
Augustus unter seinen Sohn Kotys und seinen Bruder Rhaskuporis geteilt.
Unter Tiberius gelang es dem Rhaskuporis, seinen Neffen zu beseitigen und
sich das ganze Reich anzueignen. Er wurde in Rom vom Senat abgesetzt
und schließlich in Alexandrien getötet; sein Sohn und ein Sohn des Kotys
erhielten die thrakischen Fürstentümer, aber unter römischer Vormundschaft
(18 oder 19 n. Chr.). An diese Wirren schloß sich ein Aufstand der Thraker
an (21 n. Chr.), der sich einige Jahre später (25 n. Chr.) in größerem Um-
fang wiederholte, veranlaßt durch drückende Aushebungen; die Rebellen
wurden erst nach tapferem Widerstand bezwungen. Unter Claudius nahm
der thrakische Klientelstaat ein Ende; der nördliche Teil kam zu Mösien,
das sich nun bis an das Schwarze Meer erstreckte, der südliche bildete eine
prokuratorische Provinz (46 n. Chr.). Dem Legaten von Mösien war künftig
die Grenzwehr bis zu den Donaumündungen anvertraut; vielleicht waren
schon damals einzelne Punkte am nördlichen Donauufer besetzt. 2) Alles
in allem herrschte Friede. Unter Nero hat Plautius Silvanus mehr als
100000 Transdanuvianer südlich von der Donau angesiedelt. 3) Auch der
Schutz des nördlichen Pontosufers, besonders des bosporanischen König-
reichs, lag dem mösischen Legaten ob. Am kimmerischen Bosporos kam
es unter Claudius zu ernsteren Unruhen. Der 41 n.Chr. daselbst eingesetzte
*) Es handelte sich um den Besitz der ') Vgl. die Inschrift des Legaten von
Salinen entweder bei Salzungen an der Moesien Ti. Plautius Silvanus Aelianus
Werra oder bei Kissingen au der frän- ILS I nr. 986. Nach S. E. Stout, The go-
kischen Saale. vernors of Moesia, Diss. Princeton 1911,
*) Dies läßt sich aus Tacit. liist. III 46 I 12 ff., verwaltete der Genannte die Pro-
schließen, vinz etwa in den Jahren 60 bis 67 n. Chr.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§46.) 321
König Mithridates wurde bald wieder entfernt und durch seinen Bruder
Kotys ersetzt. Er versuchte nun mit Hilfe benachbarter sarmatischer Stämme
zurückzukehren, wurde aber geschlagen und gefangen nach Rom geschickt
(49 n. Chr.). Später hat der schon erwähnte Plautius Silvanus das von den
Skythen belagerte Chersonesos befreit.')
Im Brennpunkt der Orientpolitik stehen die Beziehungen zu den Par-
thern, ^) mit denen die Römer, wie erwähnt (S. 301), vornehmlich um die
Oberherrschaft über Armenien stritten. Auch hier war die kaiserliche Re-
gierung bemüht, einen Krieg nach Möglichkeit zu vermeiden. Bald nach
dem Tod des Augustus mußte der von ihm eingesetzte Partherkönig Vonones
vor seinem Nebenbuhler Artabanos III nach Syrien flüchten (16 n. Chr.).
Da Artabanos auf Armenien Anspruch erhob, so schien ein Krieg bevor-
zustehen. Damals ging Germanicus in den Orient, um die schwebenden
Streitfragen an Ort und Stelle zu lösen (S. 307). Er setzte einen neuen
König Zenon, den Sohn Polemons, unter dem Namen Artaxias auf den
armenischen Thron (18 n. Chr.). Kappadokien und Kommagene, wo die
Könige Archelaos und Antiochos vor kurzem (17 n. Chr.) gestorben waren,
wurden römische Provinzen. Mit Artabanos traf Germanicus ein gütliches
Abkommen; Vonones mußte Syrien verlassen. Als später Artaxias starb
(um 34 n.Chr.), versuchte Artabanos seinen ältesten Sohn Arsakes an dessen
Stelle zu setzen. Aber Arsakes erlag einer Palastintrige, die Mithridates
aus dem Stamm der am Kaukasos ansässigen Iberer angestiftet hatte. Im
Einverständnis mit Tiberius bestieg dann Mithridates den armenischen Thron,
auf dem er sich gegen einen parthischen Angriff behauptete. Zugleich stellte
Tiberius in der Person des Tiridates einen Prätendenten gegen Artabanos
auf, und wenn Tiridates auch nur kurzen Erfolg hatte, so sah sich' doch
Artabanos schließlich zum Einlenken genötigt; in einer Zusammenkunft mit
dem syrischen Legaten L. Vitellius am Euphrat wurde 37 n. Chr. das Ein-
vernehmen mit Rom wieder hergestellt,^) das unter Gaius und in den ersten
Jahren des Claudius erhalten blieb. Dann brach der Streit um Armenien
von neuem aus. Doch wurde zunächst die Handlungsfreiheit der Parther
durch Thronwirren gehemmt, bei denen die Römer die Hand mit im Spiele
hatten, bis dann der tüchtige Vologases (um 51 n. Chr.) zur Regierimg kam
und sein Königtum auf eine festere Basis stellte. Ein gewaltsamer Thron-
wechsel in Armenien gab ihm Gelegenheit zur Einmischung. Mithridates
war durch seinen Neffen und Eidam Radamistus vertrieben und getötet
worden, ein Vei'brechen, dem das pflichtwidrige Verhalten der römischen
Grenzposten Vorschub leistete. Vologases verjagte den Usurpator und führte
seinen Bruder Tiridates nach Armenien, wo ihm die Mehrheit der Bevöl-
kerung zuneigte. Die Römer hielten sich, solange Claudius regierte, zurück,
aber nach Neros Thronbesteigung entschloß man sich zu einer tatkräftigeren
Politik; Domitius Corbulo, ein erprobter Soldat, wurde nach Kappadokien
') Vgl. die S. 320 A. 3 zitierte Inschrift unter Tiberius, nicht erst unter Gaius
und RosTOwzEw, Klio II SO ff . stattfand (Josephus Ant. XVIII 102 gegen
2) Vgl. A. V. GuTSCHMiD, Gesch. Irans, ' SuetonCalig.l4, Vitell.2. Cass.DioLIX27),
Tübingen ISSS, 119 tf. I vgl. E. Täubler, Die Parthernachrichten
") Über diese Zusammenkunft, die noch | bei Josephus, Diss. Berlin 1904, 39 ff.
Handbuch der klats. Altertnmswissenscliaft. III. 5. 5. Aufl. 21
;^22 Römische Geschichte,
gesandt, um zusammen mit dem syrischen Legaten nötigenfalls den Krieg
zu führen (55 n. C/hr.).') Fürs erste ruhten die Waffen noch; Vologases, dem
ein Eivale den Thron streitig machte, räumte Armenien und stellte Geiseln,
Corbulo benutzte die willkommene Pause, um sein Heer zu reorganisieren.
Bald brachen in Armenien neue Unruhen aus; Tiridates wurde dorthin zurück-
gerufen, und so war denn der Krieg um Armenien (58 n.Chr.) unaufschiebbar.
Tiridates konnte sich um so weniger halten, als Vologases durch einen Auf-
stand der Hyrkaner verhindert war, ihm beizustehen. Corbulo eroberte die
beiden Hauptstädte Armeniens, zuerst Artaxata (58 n, Chr,), darauf Tigrano-
kerta (59 n.Chr.); Tiridates wurde aus Armenien verdrängt. Ein von Nero
ernannter König Tigranes V, Urenkel des Herodes von Judäa und des
Archelaos von Kappadokien, zog in Armenien ein (60 n. Chr.), sah sich aber
bald von Tiridates, dem nunmehr sein Bruder, der Partherkönig Vologases
seine Hilfe lieh, verdrängt; die Römer, die auch jetzt einen großen Krieg
lieber vermieden hätten, unterstützten ihren Schützling nur lässig. Ver-
handlungen, die teils von Corbulo, teils in Rom geführt wurden, brachten
keine Einigung und der Krieg begann aufs neue. L. Caesennius Paetus, der
neue Statthalter von Kappadokien, fiel in Armenien ein, wurde aber von
Vologases mit überlegener Macht in Randeia am Arsanias eingeschlossen.
Durch einen demütigenden Vertrag verschaffte er sich freien Abzug. Cor-
bulo, der damals Syrien verwaltete, kam zur Hilfe zu spät (62 n. Chr.);
er erreichte nur, daß auch die Parther Armenien räumten. Nach der Kapitu-
lation von Randeia ging eine parthische Gesandtschaft nach Rom ab; die
dort gepflogenen Verhandlungen verliefen im Sande. Corbulo wurde von
der Verwaltung Syriens entbunden ^) und als Generalissimus mit außerordent-
lichen Machtbefugnissen an Stelle des abgesetzten Caesennius Paetus mit
der Wiederaufnahme der militärischen Operationen betraut. Er rückte bei
Melitene über den Euphrat nach Armenien ein, und nun gaben die Parther
klein bei. Auf einer Zusammenkunft mit Tiridates in Randeia kam es zu
einem friedlichen Vergleich (63 n. Chr.). Die Römer ließen ihren Schützling
Tigranes fallen und erkannten den Tiridates als König von Armenien an
unter der Bedingung, daß er das armenische Diadem vorläufig niederlegte
und sich bereit erklärte, das Königsabzeichen in Rom aus des Kaisers Hand
entgegenzunehmen. Erst im Jahr 66 n. Chr. traf Tiridates in Rom ein.
Nero krönte den Parther unter großem Gepränge zum König von Armenien.
Damit war die armenische Frage bis auf weiteres gelöst. Mit dem Ergebnis
(Armenien parthische Sekundogenitur unter römischer Suzeränität) konnten
sich beide Parteien zufrieden geben. Corbulo, dem Rom den Erfolg ver-
dankte, behielt sein Kommando in Kappadokien: aber dann schöpfte Nero
während seiner Künstlertournee Verdacht und lockte ihn nach Griechenland,
Der tapfere General entzog sich der von Nero befohlenen Exekution durch
das eigene Schwert (67 n. Chr,).
Die Provinz Syrien umfaßte immer noch eine Anzahl von Klientel-
königreichen wechselnden Bestandes. Am bekanntesten sind die jüdischen
')Ygl.EGLiinBüDiNGERS Untersuchungen in libris XI — A'T7 enarratis, Bonn 1875.
1307 f.; Lauffenberg, Quaestiones chrono- *) Die Provinz Syrien tiel damals dem
logicae de rebus Parthicis Ärmeniisque aTacito C. Cestius Gallus zu. Tacit. ann. XY 25.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 46.) 328
Fürsten, die Erben des Herodes. Judäa mit Jerusalem, das nach der Ent-
fernung des Archelaos (6 n. Chr.) zur Provinz geschlagen, aber einem be-
sonderen kaiserlichen Prokurator unterstellt wurde, übergab Claudius dem
Agrippa, einem Enkel des Herodes (41 n. Chr.), nach dessen Tod das Ge-
biet wieder mit der Provinz vereinigt wurde (44 n. Chr.). Der gleichnamige
Sohn Agrippas wurde mit einem anderen Fürstentum abgefunden. Im Volk
der Juden waren unter dem Druck der römischen Herrschaft, zugleich unter
dem Einfluß einer starken und eigenartigen religiösen Erregung und fanati-
scher Sektiererei schon oft Unruhen entstanden. Unter Nero bewirkten
schließlich die Übergriffe der kaiserlichen Prokuratoren, besonders des Gessius
Florus, eine Erhebung des ganzen jüdischen Volkes, zu der ein Streit der
Juden und Hellenen in Caesarea den äußeren Anlaß bot (66 n. Chr.).^) Die
römischen Besatzungen in Judäa wurden niedergemacht; der Legat von
Syrien, C. Cestius Gallus, der Jerusalem besetzen wollte, erlitt eine em-
pfindliche Niederlage (Herbst 66 n.Chr.); die Empörung breitete sich jetzt
über das ganze jüdische Gebiet aus. Von Achaia aus sandte Nero als Nach-
folger des inzwischen verstorbenen Cestius Gallus den T. Flavius Vespasianus,
einen Konsular, der sich namentlich in Britannien ausgezeichnet hatte, in
die aufständische Provinz. Es gelang dem Vespasian, mit ansehnlichen Streit-
kräften zunächst im Jahr 67 n. Chr. Galiläa wieder zu unterwerfen und im
nächsten Jahr den größten Teil Judäas außer Jerusalem, der Hochburg der
Insurgenten. Indes der Sturz Neros und die nachfolgenden Unruhen machten
fürs erste die völlige Unterwerfung unmöglich.
Kurz vor seinem Ende hatte Nero für einen Feldzug gegen die Kaukasos-
völker gerüstet. Auch von einem Krieg gegen die Athiopen, die Nachbarn
Ägyptens, war die Kede; schon waren Truppendetachements nach Alexan-
drien eingeschifft. Der Tod des Kaisers vereitelte jene Pläne. ^)
Afrika und das Königreich Mauretanien wurden unter Tiberius längere
Zeit (17 — 20 n. Chr.) durch die Streifzüge eines kühnen Freibeuters, des
Numiders Tacfarinas heimgesucht. 21 n. Chr. mußten stärkere Streitkräfte
gegen ihn aufgeboten werden, und der Prokonsul Junius Blaesus bekriegte
ihn erfolgreich. Doch brach 24 n. Chr. der Krieg nochmals aus, um erst
durch P. Cornelius Dolabella beendet zu werden. Tacfarinas konnte sich
nicht mehr halten und nahm sich das Leben. Nunmehr trat Euhe ein.
Das Königreich Mauretanien hat Kaiser Gaius aufgehoben, der den letzten
König, Ptolemaios, Jubas Sohn, im Jahr 40 n. Chr. an den Hof nach Rom
entbot und dann unter Einziehung von Land und Vermögen hinrichten ließ.
Aber die Einverleibung ging keineswegs glatt von statten; Aidemon, ein
Freigelassener des Ptolemaios, rächte seinen Herrn durch einen Aufstand,
der erst unter Claudius von Suetonius Paullinus und Hosidius Geta nieder-
gerungen wurde. Suetonius ist der erste Römer, der mit einem Heer den
Atlas überschritt (42 n.Chr.). 3) Wahrscheinlich im Zusammenhang mit diesen
') Josephus Bell. Jud. II 284. Der Aus- jüd.Yolkes im Zeitalter Jesu Christi IH18 f.
bruch erfolgte im Monat Artemisios (Mai | ^^ pu^ j^jgt nat.VI40. ISlf. Tacit.histor.
bis Juui) 66 n.Chr. Die Geschichte des jüdi- 131.70. Cass.DioLXIII 8, 1 (III p.73Boiss.).
sehen Aufstandes erzählt Josephus Bell. ') Plin. bist. nat. V 14 f. Er kam bis an
Jud. II 280 ff. Vgl. E. Schürer, Gesch. des den Fluß Ger.
21*
ß04 Römische Geschichte.
Unruhen liatte bald darauf (44 45 n. Chr.) der spcätere Kaiser Sulpicius Gall>a
als Prokonsul von Afrika in Numidien Krieg zu führen. Mauretanien wurde
in zwei prokuratorische Provinzen zerlegt {Maiin-fcnna Tinijitcnia und Caet-a-
riensis). Die Nomadenstämme südlich vom Atlas blieben unter einheimi-
schen Fürsten.
In der Verwaltung der Provinzen machte sich der persönliche Einfluß
der Regenten weit weniger geltend als in der Hauptstadt selbst; man blieb
im ganzen den von Augustus und Tiberius aufgestellten Grundsätzen treu.
Die Provinzen wurden auch von den Friktionen, die der Gegensatz zwi.schen
Senat und Kaiser hervorrief, nicht berührt, sondern fanden im Gegenteil
bei der kaiserlichen Gewalt nicht selten Schutz gegen die Mißwirtschaft der
senatorischen Beamten, sowie Hilfe in besonderen Notlagen. Nur die Ab-
gaben und der Heeresdienst wurden als drückende Last empfunden, die noch
wuchs durch die brutalen Methoden, deren man sich zu bedienen pflegte.
Schon unter Augustus und Tiberius kamen aus verschiedenen Provinzen
bewegliche Klagen, i) und in den letzten Jahren Neros verschlimmerte sich
die Lage. Aber eine große Wohltat war der Friedenszustand, der allent-
lialben im Reich herrschte und eine neue Blüte zeitigte. So söhnten sich
die Provinzialen mit der römischen Herrschaft allmählich aus. Römisches
Bürgerrecht breitete sich in allen Provinzen immer mehr aus, im griechi-
schen Osten und namentlich im Westen. Hier im Westen war städtisches
Wesen und damit die griechisch-römische Kultur in siegreichem Vordringen.
47. Der Bürgerkrieg^) und die flavischen Kaiser. 3) Nach Neros Ab-
setzung wurde in Rom der schon betagte Ser. Sulpicius Galba,^) der vor-
nehmste unter den frondierenden Statthaltern, zum Kaiser ausgerufen und
fand, freilich nicht ohne Widerstreben, im ganzen Reich Gehorsam. Der
Legat in Afrika, L. Clodius Macer, der ihm die Anerkennung verweigerte,
wurde beseitigt, auch andere Exekutionen erfolgten. Galba zeigte sich seiner
schwierigen Lage nicht gewachsen; durch Ungeschick und unangebrachte
Strenge verscherzte er sich viele Sympathien. Die germanischen Legionen
hatten sich ihm von Anfang an nur ungern angeschlossen, und da er auf
ihre Stimmung keine Rücksicht nahm und sie beispielsweise durch Be-
günstigung der Anhänger des Vindex verletzte, so sagten sich schon am
1. Januar 69 n. Chr. die Legionen Obergermaniens, zuerst die Garnison von
Mainz, von ihm los und forderten einen neuen Kaiser, dessen Auswahl sie
dem Senat, dem sie Treue schworen, überlassen wollten. °) Am folgenden
Tag proklamierten die untergermanischen Legionen ihren Führer, A.Vitel-
lius,''^) der dann von der ganzen germanischen Armee anerkannt wurde, zum
Kaiser. Auch die Prätorianer in Rom hatte sich Galba völlig entfremdet.
Die Zerrüttung der Finanzen nötigte zur Sparsamkeit, und so versagte denn
') Vgl. oben S. 291. ! *) Er führte zeitweilig den Vornamen
*) Vgl. B. W. Hendekson, Civil irar and
reheJIion in the Roman empire a. d. 69 — 70,
London 1908.
^) Vgl. A. Chambalu, De magistratibus
Flavionim, Diss. Bonn 1881. Derselbe, Fla-
Lucius; als Kaiser nannte er sich, wie an-
fänglich, Servius. Sueton Galb.4. Momm-
SEN, Ges. Sehr. IV 399, Anm. 3.
») Vgl. hierüber die Untersuchung von
Ph. Fabia, Klio IV (1904) 42 ff.
viana im Philologus XLIV 106 ff. 502 ff.; ' «) Sohn des L. Vitellius, des Vertrauten
XLV 100 ff.: XLVII .569 ff. des Kaisers Claudius (oben S. 314).
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§47.) 325
Galba unklugerweise den Pratorianern das ihnen in seinem Namen ver-
heißene Donativ, womit er überdies gegen einen im Fall eines Thronwechsels
üblich gewordenen Brauch verstieß. Auch seine Hinfälligkeit und die Ab-
hängigkeit von seiner Umgebung, besonders von dem übel berufenen T. Vinius,
schadeten seinem Ansehen. Die schlimme Kunde aus Germanien veranlagte
ihn, den L. Calpurnius Piso Licinianus zu adoptieren und zum Nachfolger
zu bestimmen. Aber M. Salvius Otho, früher der Kumpan Neros, dann Statt-
halter von Lusitanien und bisher einer der ersten und eifrigsten Anhänger
Galbas, hatte sich Hoffnung auf die Adoption gemacht. Da er sich ge-
täuscht sah, gewann er die unzufriedenen Prätorianer, die ihn am 15. Januar
69 n. Chr. zum Kaiser ausriefen und den Galba mit seinem Adoptivsohn
Piso auf dem Forum erschlugen. Otho fand auch die Anerkennung des
Senats, mußte sich aber alsbald gegen Vitellius verteidigen, dessen Heer in
zwei Abteilungen unter A. Caecina Alienus und Fabius Valens sich noch
im Winter 69 n.Chr. gegen Italien in Maj-sch setzte, i) Vitellius selbst folgte
nach. Gallien, Spanien und Britannien fielen ihm zu, während die östlichen
Provinzen sich für Otho erklärten. Caecina überschritt ungehindert die Alpen.
Erst an der Polinie setzten sich die Othonianer mit Erfolg einem weiteren
Vordringen entgegen und wiesen bei Bedriacum einen Vorstoß des Caecina
siegreich zurück; die illyrischen Legionen waren zu ihrer Unterstützung
unterwegs. Aber noch ehe sie eintrafen, befahl Otho, der auf eine rasche
Entscheidung drängte, weil er seinen Feldherren mißtraute,-) einen Angriff
auf dieVitellianer, die sich bei Cremona vereinigt hatten. Hier erlitten die
Othonianer eine bedeutende Niederlage und wurden auf Bedriacum zurück-
geworfen. Der Kaiser, der sich in Brixellum aufhielt, gab sich zwei Tage
nach der Schlacht (am 16. April) den Tod; seine Truppen mußten zu Vitellius
übertreten, der jetzt auch in Rom bestätigt wurde (19. April). Vitellius traf
bald selbst ein; seine Truppen überfluteten Italien und Rom. Vitellius zeigte
sich als maßvollen Sieger, er suchte auch Mißbräuche abzustellen, wie er
z. B. die Freigelassenen im kaiserlichen Dienst durch Ritter ersetzte ; in
Rom war er nicht unbeliebt. Aber den Aufgaben seines verantwortungs-
vollen Amtes vermochte der Kaiser, der die Freuden der Tafel mehr liebte
als die Geschäfte, nicht zu genügen; gegen den aufreizenden Übermut der
zuchtlosen Soldateska, die ihn auf den Thron erhoben hatte, war er machtlos.
Die Heere des Orients, besonders Syriens, Judäas und Ägyptens, hatten
sich zunächst abwartend verhalten; Otho wurde als Kaiser anerkannt^) und
anfangs auch Vitellius. Dann einigten sich die Führer, unter denen der Legat
von Syrien, der vornehme C. Licinius Mucianus, den Ausschlag gab, und
am 1. Juli 69 n. Chr. wurde zuerst in Alexandrien der Feldherr des jüdischen
Krieges, T. Flavius Vespasianus, zum Kaiser ausgerufen; die Legionen in
') Vgl. Hagge, Bemerkungen zum Feld- nicht abgeneigt, das Blutvergießen zu
zuge des Vitellius und Otho nach der beenden und sich über einen Kaiser zu
Darstellung des Tacitus, Kiel 1864; Th. verständigen und zwar, wie Otho be-
MoMMSEN, Die Schlachten von Betriacum, fürchten mochte, auf dessen Kosten.
Ges. Sehr. IV 354 ff. ; Gerstenecker, Der ') Vgl. die dem Otho gewidmete In-
Krieg des Otho und Vitellius in Italien schrift aus der Gaulanitis im Bulletin de
im Jahre 69, München 1882. ; corresp. hellen. 1897, 47.
-) Die beiden feindlichen Heere waren
,'JO(j Römische Geschichte.
Judäa und die syrischen unter Mucianus folgten in den nächsten Tagen,
bald darauf^) auch die Truppen in Illyricum und Mösien, zum Teil Otho-
nianer, die den Vitellius nur gezwungen anerkannt hatten. Die pannonischen
Truppen rückten unter dem verwegenen und elirgeizigen M. Antonius Primus
sogleich zum Angriff" gegen Italien vor; Mucianus folgte nach. DieVitellianer
waren schlecht gerüstet, ihre umzuformierenden Truppenkörper standen weit
imter Sollstärke, da nach dem Sieg viele Leute entlassen waren, die Heer-
führer, Caecina und Valens, rivalisierten. Caecina sann auf Verrat. Zuerst
trat auf sein Anstiften die Flotte in Ravenna zu Vespasian über: die Le-
gionen des Vitellius, die sich am Po gesammelt hatten, blieben treu und
setzten den treulosen Caecina fest, wurden aber dann in einer mörderischen
Doppelschlaclit hei C'remona von den Flavianern aufgerieben. Valens, der
zu spät kam, geriet in Gefangenschaft, und nun zog die gegen Vitellius ge-
richtete Bewegung weitere Kreise. Antonius Primus marschierte unaufhaltsam
auf Rom und hatte bereits den Appennin überschritten. Gleichzeitig wurden
Unterhandlungen angeknüpft, und Vitellius erklärte sich bereit abzudanken,
allein seine Truppen zwangen ihn auszuhalten (18. Dezember). Jetzt erhoben
sich in Rom ^ie Flavianer unter Flavius Sabinus, Vespasians Bruder, imd
besetzten das Kapitol, wurden aber von den Vitellianern überwunden; Flavius
Sabinus wvirde gefangen und hingerichtet. Damals ging das Kapitol in
Flammen auf (19. Dezember). Schon am nächsten Tag erschien Antonius
Primus vor den Toren der Hauptstadt, die er in blutigem Kampf eroberte.
Vitellius fiel (20. Dezember 69 n. Chr.), ebenso kurz darauf sein Bruder Lucius.
Die Reste derVitellianer ergaben sich. Bei der Einnahme Roms hatten sich
grauenhafte Szenen abgespielt. Vespasian wurde jetzt vom Senat und im
ganzen Reich anerkannt. 2) Er traf im Frühjahr 70 n. Chr. von Ägypten in Rom
ein. Von dem früheren Herrschergeschlecht übernahm er, wie schon Galba,
für sich und seine Söhne den Namen Caesar, der also zum ständigen Prädikat
des jeweils regierenden Hauses und zu einer Art Amtsbezeichnung wird.
Der neue Kaiser hatte keinen leichten Stand: die Disziplin der Soldaten
war erschüttert, und die benachbarten Barbaren machten sich den Bürger-
krieg zunutze. Ln Pontos entstand 69 n. Chr. eine Erhebung zugunsten des
Vitellius,^) die Sarmaten und Geten gingen über die Donau und brand-
schatzten Mösien (69 und 70 n. Chr.); auch in Britannien und selbst in Afrika
gärte es; in allen Teilen des Reichs waren die Wehen und Nachwehen des
unheilvollen Jahres 69, des Dreikaiserjahres, zu verspüren. Besonders wichtig
sind die Ereignisse am Rhein. ^) Hier entstand unter Julius Civilis eine Em-
pörung der Bataver und Cannenefaten, die einen bedrohlichen Umfang annahm.
Civilis gehörte zum Fürstengeschlecht seines Stammes und besaß römisches
Bürgerrecht. Der Aufstand begann bei Gelegenheit der von Vitellius gegen
Vespasianus angeordneten Aushebungen. Civilis wurde von Antonius Primus
') Etwa im August. Sueton Vit. 15. machte eine Zeitlang die See und das
^) Von dem Gesetz, das seine kaiser-
Land unsicher. Tacit. histor. III 47 f.
liehe Gewalt bestimmt, ist noch ein Teil *) Ed. Meyer, Der Freiheitskampf der
erhalten CIL VI 930. ILS I nr. 244. Bruns^ Bataver unter Civilis. Progr. des Johan-
nr. 56. neums, Hamburg 1856. E. Stein. PW X
^ ^) Aniketos, Freigelassener des letzten 550 ff,
Königs Polemon, besetzte Trapezunt und ;
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§47.) 327
bei dessen Angriff auf Italien zur Empörung anfgefordert, um so die vitel-
lianischen Truppen in Gallien festzuhalten; demgemäß gebärdcte er sich
als Parteigänger Vespasians, dem er in der Tat gute Dienste geleistet hat.
Die erprobten batavischen Kohorten, die zum Heer des Vitellius gehörten,
gingen zu ihm über, Friesen und andere Germanen leisteten Zuzug, die ver-
streuten römischen Besatzungen wurden überwältigt. Auch nach dem Sieg
Vespasians verharrte Civilis im Aufstand, ja die Bewegung griff' um sich,
da nun auch römische Truppen, die vitellianisch gesinnt waren, meuterten,
ihren Legaten Hordeonius Flaccus und andere Führer erschlugen und sich
an Civilis anschlössen. A^eiter folgte nach dem Tod des Vitellius ein Auf-
. stand der benachbarten gallischen Stämme, der Treverer, Lingonen und
eines Teils der Beigen unter Führung der Treverer Classicus und Julius
Tutor und des Lingonen Julius Sabinus. Man gedachte ganz Gallien von
Rom loszureißen und ein selbständiges linperium GaUianim aufzurichten.
Die römischen Legionen traten fast alle den Insurgenten bei und leisteten
den Eid auf das „gallische Reich". Die Besatzung von Vetera mußte sich
nach langer Einschließung dem Civilis ergeben und wurde beim Abzug
niedergemacht. Civilis zerstörte alle Legionslager und Kastelle außer Mainz
und Vindonissa (Windisch bei Basel); Köln mußte sich dem gallischen Im-
perium fügen. An den Kämpfen beteiligten sich auch die rechtsrheinischen
Germanen, Chatten, Tenkterer und Brukterer, bei denen die Seherin Veleda
eine auch politisch bedeutsame Rolle spielte. Man wollte die Grenze nach
Gallien öffnen. Allein die große Mehrheit der gallischen Stämme hielt an
Rom fest, und schon hatte sich im Auftrag Vespasians Q. Petillius Cerialis
mit ansehnlichen Streitkräften in Bewegung gesetzt, den Aufstand zu unter-
drücken. Die Treverer wurden bei Bingen besiegt; die römischen Truppen
gingen alle zu Cerialis über, auch Civilis wurde geschlagen, Gallien wieder
unterworfen; Cerialis setzte nach der Insel der Bataver über und vertrieb
den Civilis aus seinem Stammland. Doch war damit der Krieg noch nicht
beendet: Cerialis, der noch nicht aller Schwierigkeiten Herr geworden war,
willigte gerne in ein friedliches Abkommen, zu dem Civilis und die Germanen
die Hand boten. Civilis wurde begnadigt (Herbst 70 n. Chr.). Cerialis begab
sich dann in seine Provinz Britannien. Die germanischen Kohorten verloren
fortan ihre einheimischen Führer und wurden disloziert.
Um dieselbe Zeit beendigte Vespasians Sohn Titus den jüdischen Krieg,
der während der Bürgerkriege eingestellt worden war. Titus führte aus
Ägypten Verstärkungen herbei und begann im April 70 n. Chr. die Ein-
schließung und Belagerung des dreifach befestigten Jerusalems, wohin die
Aufständischen zusammengedrängt waren. Es war keine leichte Arbeit, die
volkreiche, von fanatischen Kriegern verteidigte Stadt zu erobern. Nachdem
die erste und zweite Mauer genommen waren, leisteten die Verteidiger in
der Altstadt und auf dem Tempelberg erfolgreichen Widerstand. Erst nach
harten Kämpfen und nachdem die Belagerten durch Hunger zum Äußersten
gebracht waren, wurde am 29. August (10. Loos) der Tempel erstürmt und
in Brand gesteckt^) und am 26. September (8. Gorpiaios) die Oberstadt. Jeru-
*) Nach Josephus bell. Jud. VI 236 f. ist 1 angezündet worden. Dem steht aber das
der Tempel gegen den Willen des Titus j wahrscheinlich aus Tacitus abgeleitete
328 Römische Geschichte.
salem wurde dem Erdboden gleichgemacht; die Juden im ganzen Reich
hatten künftig eine Kopfsteuer zu entrichten. Titus ging nach Rom zurück
und feierte 71 n. Chr. mit dem Kaiser einen Triumph. Völlig beendet wurde
der Aufstand erst mit dem Fall von Masada, der Veste am Toten Meer
(2. Mai 72 n.Chr.). Judäa wurde als besondere Provinz von Syrien abgezweigt
und mit starker Truppenmacht belegt.
Vespasians Regierung wurde mit Recht als „Restitution" empfunden. Die
Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, suchte sie zu heilen; das stolzeste
Wahrzeichen der Reichshauptstadt, das Kapitol, ließ sie aus der Asche neu
erstehen; die Armee wurde reorganisiert, i) die Veteranen entlassen und an-
gesiedelt. Die letzten Unruhen und Grenzkriege gaben Anlaß zur Befesti-
gung und Sicherung der Grenzen, zunächst an der Donau in Mösien und
Pannonien, wo der Kaiser die festen Lager beiVindobona und Carnuntum
anlegte. Am Rhein wurden die Befestigungen erneuert und vermehrt; das
Legionslager in Straßburg (Argentorate) verdankt demVespasian seine Ent-
stehung.^) Gegenüber am jenseitigen Ufer ließ der Kaiser einen größeren
Landstrich okkupieren. Das Land zwischen Rhein und Donau, das Dekumaten-
land {agri deciimates)^) wurde in den Reichsverband einbezogen und meist
von Gallien aus besiedelt. Der kaiserliche Legat Cn. Pinarius Cornelius
Clemens eroberte das Neckargebiet, durch das eine neue Straße die kürzeste
Verbindung zwischen Straßburg und Rätien herstellte (74 n, Chr.).^) Auch
am Niederrhein, wo der Aufstand des Civilis nachwirkte, war Krieg zu
führen. Die Germanen wurden vom rechten Stromufer zurückgedrängt und
die nächstgelegenen dem römischen Einfluß unterworfen.^) Auch im Orient
sorgte man für Sicherung der Grenzen; römische Posten wurden an das
Ostufer des Schwarzen Meeres vorgeschoben, und die Iberer im Kaukasos
erhielten eine römische Besatzung.'') Der Kaiser war mit dem Bürgerrecht
freigebig; die spanischen Gemeinden erhielten durch ihn sämtlich die La-
tinität (75 n.Chr.). Die wichtigste Aufgabe war -die Sanierung der Finanzen,
die infolge der neronischen Mißwirtschaft und der Bürgerkriege ganz im
Argen lagen.'') Neue und drückende Abgaben waren nötig, in Rom wie in
Zeugnis des Sulpicius Severus (chi-on. II [ '•>) Von den Vorgängen am Niederrhein
30, 6) entgegen, daß Titus die Zerstörung ! weiß mau nicht viel. Etwa 77 n. Chr.
gewollt habe. Dasselbe bezeugt Orosius | bemächtigte sich der Legat C. Rutilius
VII 9, 5 f. und, wie es scheint, auch Cass. Gallicus in einem Krieg mit den Bruk-
Dio LXVI 4. Vgl. J. Bernays, Die Chronik terern der Seherin Veleda, die als Ge-
des Sulpicius Severus, Berlin 1861, 48 ff. fangene nach Rom kam. Statius silv.
(Gesammelte Abhandlungen II 159 ff.). : I 4, 89 f. Tacit. Germ. 8. Möglich ist, daß
') Es wux'den z. B. die meuterischen auch die von Tacit. Germ. 33 und Plin.
germanischen Legionen zum großen Teil ■ epist. II 7, 2 erwähnten Ereignisse, die
aufgelöst und neue Formationen gebildet. mit dem Untergang der Brukterer endeten,
■■') Die erste Befestigungsanlage in Straß- in diese Zeit gehören. Vgl. PIR III 4U9.
bürg scheint allerdings noch älter zu sein. A. v. Domaszewski, Mainzer Zeitschr.V 184.
Westd. Zeitschr. XXIV (1905) 330. «) CIL III add. 6052 S. 974. Vgl. Jose-
^) Der Name wird sich daraus erklären, phus bell. Jud.II366. ILS II nr. 8795. Den
daß die Ansiedler für das ihnen zugeteilte Anlaß zur Sicherung der Pontosküste gab
Land den Zehnten entrichten mußten. '• wohl der Aufstand des Aniketos. S.326A. 3.
*) Zangemeistee. Neue Heidelb. Jahrb. 3 ') Vespasian veranschlagte die Bedürf-
(1893) 1 f. ; 246 f. E. Herzog, Bonner Jahrb. nisse des Staats auf 40 Milliarden Sesterze,
102 (1898) 89. E. Fabricius, Die Besitz- etwa 8> 2 Milliarden Goldmark. Sueton
nähme Badens durch die Römer 36. ILS Vesp. 16, 3.
I nr. 990. 991. 997. 1992.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. ($47.) 329
den Provinzen; die Skrupellosigkeit des Kaisers in Geldsachen, die durch das
berühmte „non ölet" illustriert wird, machte ihn begreiflicherweise nicht
beliebter. Für gemeinnützige Zwecke scheute er trotz aller Sparsamkeit auch
große Ausgaben nicht. In Rom wie in den Provinzen übte er eine rege
Bautätigkeit aus; er richtete den kapitolinischen Tempel wieder auf, baute
den Tempel der Pax (75 n. Chr.) und das große flavische Ampliitheater, das
heutige Coliseo (eingeweiht 80 n. Chr.); er war der erste, der in Rom grie-
chische und lateinische RhetOren fest besoldete. Aus finanziellen Gründen
wurde der Provinz Achaia die von Nero verliehene Freiheit wieder ent-
zogen (72 n. Chr.). Auch der lykische Bund und die noch vorhandenen auto-
nomen Freistädte, wie Rhodos und Byzanz, verloren ihre Selbständigkeit.
Die meisten Klientelfürstentümer hobVespasian auf, um sie den Provinzen
einzuverleiben, so auch das Königreich Kommagene, in welchem Fall er
nicht ohne Härte vorging.*) Ausschlaggebend war dabei die Sicherung der
Grenze, sowie das — übrigens durchaus freundliche — Verhältnis zu den
Parthern. Der Partherkönig Vologases hatte dem Vespasian bei seiner Er-
hebung sogar Hilfe angeboten.
Dem Senat gegenüber hatte es Vespasian, der aus dem Ritterstand hervor-
gegangen war und keine vornehmen Ahnen besaß, 2) zunächst nicht leicht.
Viel vermochte in den ersten Regierungsjahren Mucianus, dem Vespasian
zu Dank verpflichtet war; denn Mucianus hatte in Rom den Kaiser bis zu
dessen Ankunft vertreten und es verstanden, die siegreichen Feldherren,
wie Antonius Primus, sowie den machtlüsternen Sohn des Kaisers, den
Domitianus, und andererseits den Senat in Schranken zu halten. Der Senat
versuchte zunächst sich größere Selbständigkeit zu erringen und die ver-
haßten sog. Delatoren, die dem Nero Denunziantendienste geleistet hatten, zur
Rechenschaft zu ziehen. Der Wortführer der Opposition war der Schwieger-
sohn des Paetus Thrasea, Helvidius Priscus, damals Prätor, der seinen re-
publikanischen Männerstolz gegen den Kaiser aufs provozierendste hervor-
kehrte und deshalb nach Ablauf seines Amtes zum Tod verurteilt wurde.
Im Anschluß daran wurden die Philosophen, namentlich die einflußreichen
Stoiker, denen Helvidius angehörte, aus Italien verwiesen, weil ihre Lehren
die Interessen der Monarchie gefährdeten (72 n. Chr.). Alles in allem hat
Vespasian dem Senat Achtung und Wohlwollen entgegengebracht. 73 n.Chr.
übernahm er zusammen mit seinem Sohn Titus das Amt des Zensors und
ergänzte in dieser Eigenschaft die in dem Bürgerkrieg stark gelichtete
Körperschaft. Schon unter den julischen Kaisern hatte sich die Zusammen-
setzung des Senats stark verändert; die Geschlechter der alten Nobilität
waren bis auf wenige erloschen, und so rekrutierte sich der Senat haupt-
sächlich aus dem neuen Amtsadel. Des Kaisers treuester Gehilfe war sein
älterer Sohn Titus, der bald Mitregent und, ein ungewöhnlicher Fall, jjrae-
fectus praetorio seines Vaters wurde und des Kaisers Person und Amt kraft-
') Josephus bell. Jud. A'II 319 ff. Momm- | Er selbst war bei Reate in der Sabina
SEN, Sitz.-Ber. der Berl. Akad. 1900. Kom- j geboren am 17. November 9 n. Chr. Der
magene wurde 73 n.Chr. eingezogen. Beiname Vespasiaaus stammt von seinem
■•') Sein Vater T. Flavius Sabinus war mütterlichen Grofsvater A'espasius her.
Zollpächter in der Provinz Asia gewesen.
33Q Römische Geschichte.
voll zu schützen wußte.i) Als Vespasian am 24. Juni 7*.> n. C'iir.^) starb,
bestieg Titus als Imp. Titus Caesar Vespasianus Augustus den Thron.
Anders als man nach seinem Vorleben befürchtet hatte, erwies sich Titus
als milder Kegent, und seine kurze Regierung gilt der Nachwelt als Zeit
des Glückes, obwohl sich schlimme Katastrophen ereigneten. So wurden die
kampanischen Städte Pompeji, Herculaneum und Stabiae durch einen Vesuv-
ausbruch zerstört und verschüttet, wobei der ältere Plinius, damals Flotten-
präfekt zu Misenum, sein Leben einbüßte (25. August 79 n.Chr.).'^) Ein
weiteres Unglück war ein dreitägiger Brand, der grofäe Teile Koms in Asche
legte (80 n. Chr.). Titus starb am 13. September 81 n. Chr. und hinterließ
die Herrschaft seinem ganz anders gearteten Bruder Domitianus.*) Der neue
Kaiser, Imp. C/aesar Domitianus Augustus (geboren am 24. Oktober 51 n. Chr.),
hatte schon in den Tagen der Thronbesteigung seines Vaters — er war im
Jahr 70 n. Chr. städtischer Prätor — Beweise eines gefährlichen Ehrgeizes
gegeben, weshalb er in der Folge geflissentlich hinter seinen loyalen Bruder
Titus. den er haßte und beneidete, zurückgedrängt wurde. Zur Herrschaft
gelangt, entfaltete der hochbegabte Domitian ein unleugbares Herrscher-
talent. Anfangs bewegte er sich in den Bahnen seiner Vorgänger; er zeigte
sich milde und gewissenhaft, sorgte für Verwaltung und Rechtspflege, übte
strenge Aufsicht über Magistrate und Provinzialstatthalter und wachte über
die Erfüllung der religiösen Vorschriften durch die Priester. Seit 85 n. Chr.
nahm er als Censor perpetinis die zensorische Gewalt dauernd wahr und be-
stimmte die Zusammensetzung des Senats, ein Vorrecht, das den Kaisern
verblieb, während Titel und Amt des Zensors verschwanden. In Rom setzte
Domitian die begonnenen großen Bauten fort und vollendete den neuen
kapitolinischen Tempel; auch in den Provinzen ließ er viel bauen. Er wandte
auch den Hellenen seine Fürsorge zu und hinterließ in Griechenland monu-
mentale Denkmäler seiner Freigebigkeit.^) Ein lebhaftes Interesse hegte er
für die Literatur: 86 n. Chr. stiftete er nach dem Muster der Neronien die
vierjährigen kapitolinischen Spiele, bei denen auch literarische Erzeugnisse
griechischer und lateinischer Zunge in Wettbewerb traten.
Mit Glück kämpfte unter ihm Cn. Julius Agricola^) in Britannien. Hier
hatte zunächst nach Vespasians Thronbesteigung Petillius Cerialis die auf-
ständischen Briganten unterworfen und sein Nachfolger Sex. Julius Frontinus
die Silurer bezwungen. Dem Frontinus folgte (Sommer 77 n. Chr.) Agricola
nach. Er eroberte zuerst von neuem die Insel Mona, führte dann in sechs
weiteren Feldzügen Krieg gegen die nördlichsten Stämme, besonders die
Kaledonier, und schob die römische Herrschaft bis an die Tava (Tay) vor.
') Er ließ z. B. den A. Caecina Alienus '') Für Domitians Geschichte sind wich-
uiedermachen, der in den Verdacht einer tig die Dichter Statins und Martialis. Vgl.
Verschwörung kam und bei den Soldaten j Fribdländer, Sittengesch. Eoms 11^ 241 f.
viel galt. Sein Komplize war der be- ' Über Domitian s. St. Gsell, Essai sur Je
kannte Redner T. Clodius Eprius Mar- | re(/7ie de Vempereur Domiticn, Paris 1894.
oellus: dieser wurde im Senat verurteilt, i Weynand, PW VI 2541 ff.
worauf er sich die Kehle durchschnitt '• s) Er baute z.B. in Delphi und in Megalo-
{79 n. Chr.). Cass. Dio LXVI 16, 3 f. polis. In Athen war er Archon. BuUetin
•^) Vgl. L. Holzäpfel, Klio XVII, 1921, 74 ff. de corr.JieUm. 2(K Hoff.; 22, 152f.; 30,314.
ä) Phn. epist. VI 16 ff'. Vgl. S. Herrlich, «) Siehe Tacit. Agricola. Literatur bei
KlioIV209ff., dazu Wolters, ebdas.V 333. Gaheis, PW X 142 f.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§47.) 381
Auch mit den Bewohnern Irlands trat er in Verbindung. Ein Ereignis war
der Sieg, den er im siebenten und letzten Feldzug am Berg Graupius nörd-
lich von Clota {ßrth of Clijde) und Bodotria {firtli of Forth) über die ver-
einigten Kaledonier unter Calgacus erfocht (83 n. Chr.). Seine Flotte um-
segelte damals ganz Schottland und stellte mit dieser Fahrt die Inselgestalt
Großbritanniens fest. Zu einer vollständigen Unterwerfung der Kaledonier
kam es indes nicht; im nächsten Jahr wurde Agricola zurückgerufen, der
Krieg, der recht bedeutende Verluste verursacht hatte, war aufgegeben;
Rom begnügte sich mit dem bisher Erreichten, eine Zurückhaltung, die ver-
ständlich Avird, wenn man bedenkt, daß auch anderswo die Kräfte des Reichs
in Ansj3ruch genommen wurden. So am Rhein, wo es zu einem Krieg gegen
die Chatten kam (83 n. Chr.). Wenn auch große Schlachten nicht geschlagen
wurden, so hat doch Domitian ein neues Stück der rechtsrheinischen Ufer-
landschaft dem Reich hinzugewonnen. Von Mainz aus hat er die Grenze
weiter vorgeschoben, die Chatten zurückgedrängt, die heutige Wetterau be-
setzt und am Oberrhein die Erwerbungen seines Vaters, dessen Politik er
fortsetzte, gesichert. Die erste Grenzbefestigung wird auf Domitian zurück-
geführt. *) Gegen die Chatten leisteten die Cherusker Beistand, auch mit
den Semnonen jenseits der Elbe und den Lugiern (in Schlesien) schlössen
die Römer Freundschaft. Für die Donaugrenze bedeutete die Einigung der
getischen oder dakischen Stämme unter Decebalus, der sogar den Strom
überschritt, eine ernste Gefahr. Der mösische Legat Oppius Sabinus wurde
besiegt und fiel, die ganze Provinz war bedroht. Domitian zog selbst ins
Feld, aber sein Gardepräfekt Cornelius Fuscus, der über die Donau nach
Dakien eindrang, erlitt eine Niederlage, bei der er selbst den Tod fand, 2)
Doch dessen Nachfolger Tettius Julianus siegte über Decebalus. Nun aber
geriet Domitian auch mit den Sueben (Markomannen) und Sarmaten (Jazygen)
in Feindschaft; eine Legion wurde in Pannonien vernichtet, und weitere
Unfälle folgten. Unter diesen Umständen schloß Domitian mit Decebalus
Frieden; er bewilligte ihm Jahresgelder und andere Vergünstigungen und
feierte einen Triumph (um 89 n. Chr.). 3) Auch mit den Markomannen scheint
ein Friede zustande gekommen zu sein. Noch während des dakischen Krieges
fiel in Obergermanien der Statthalter L. Antonius Saturninus mit zwei Legionen
ab und verbündete sich mit germanischen Völkerschaften. Aber seine Ver-
') Frontin strat. I 3, 16. Vgl. Chambalu, sein. C, Cichorius, Die röm. Deukmäler
Philologus N, F. I (47) 571 f. Ritterling, in der Dobrudscha, Berlin 1904. Anders
Westdeutsche Zeitschr. XII (1893) 263 f. A. Fuktwängler, Abhandl. der k. b. Akad.
Korrespondenzblatt 1897 (16) 60 ff. Neue i zu München, phil. Kl. 22 (1903) 455 flf.
Heidelb. Jahrb. X 218. 226. Limesblatt | ^) Diese Begebenheiten und ihre Zeit
1897 nr. 23 S. 617 ff. Archäolog. Anzeiger
1900, 87 ff. H. ViEZE, Domitians Chatten-
krieg, Jahresbericht der 8. städt. Real-
schule, Berlin 1902.
'^) Auf die Niederlage des Cornelius
Fuscus beziehen sich wahrscheinlich die
Denkmäler bei Adamklissi in der Do-
brudscha, ein großes Grabmal mit den
Namen der Gefallenen vind ein besonderes
für Fuscus. Adamklissi würde also der
Ort der Niederlage sein und Fuscus nicht
nur einmal, sondern zweimal geschlagen
sind nur ungenügend bekannt; vgl. Tacit.
Agric. 41, histor. I 2. Sueton Domit. 6.
Cass. Dio LXVII 6. Petrus Patric. fr. 4.
JordanisGet. §76 ff. Die ungünstige Wen-
dung fällt ohne Zweifel erst später als die
Rückkehr Agricolas nach Rom (84 n. Chr.)
und wird 86/87 n. Chr. zu setzen sein.
Vgl. MoMMSEN, Sitz.-Ber. d. Berl. Akad.
XXXIX (1903) 817 und Ritterling in den
Jahresheftendes österr, Instituts VII Bei-
blatt S. 23.
332 Römische Geschichte.
bündeten konnten ihm keinen Zuzug leisten, da im Winter (88/89 n. Chr.),
als sie den /Aigefrorenen Rliein überschreiten wollten, das Eis aufbrach.
Saturninus wurde, wie es scheint, von den untergermanischen Truppen bald
überwältigt und getötet.') An der Südgrenze der Provinz Afrika kämpfte
(yn. Suellius Flaccus gegen die Nasamonen mit Erfolg (85 oder 8(> n. Chr.).
Der Kaiser hatte ein ausgeprägtes Majestätsbewufstsein und ließ sich
offiziell Herrn und Gott {dominum et deus) nennen. 2) Er wußte zu repräsen-
tieren und liebte kostbare Spiele und Bauten; auch der Sold der Truppen
wurde erhöht,^) und da die beabsichtigte Verringerung des Heeres sich als
unzweckmäßig herausstellte, so mußte die Steuerschraube angezogen werden,
was in einigen Teilen des Reiches Unruhen hervorrief. Sein geringes Kriegs-
gliick machte den Kaiser eifersüchtig auf die Lorbeeren seiner Feldherren;
er bangte um die kaiserliche Autorität und zeigte sehr unerfreuliche Charakter-
eigenschaften. Sein Mißtrauen wuchs nach der Empörung des Saturninus,
auf die eine Reihe von Untersuchungen und Hinrichtungen folgten. So geriet
Domitian, besonders in seinen letzten Jahren (94 — 96 n.Chr.), mit der Senats-
opposition in einen Kampf, dem viele angesehene Männer zum Opfer fielen,
wie Herennius Senecio, Junius Arulenus Rusticus und der jüngere Helvidius
Priscus. Damit im Zusammenhang steht die erneute Vertreibung der Philo-
sophen aus Rom und Italien.-*) Die eigenen Verwandten wurden nicht ver-
schont; seine Vettern T. Flavius Sabinus und Flavius Clemens ließ er hin-
richten; der letztere wurde mit seiner Gattin Flavia Domitilla der Hin-
neigung zum Christentum beschuldigt; Domitilla ging in die Verbannung.^)
Aber mit dem Schreckensregiment, das er ausübte, besiegelte der Kaiser
den eigenen Untergang. Da selbst seine Gemahlin Domitia^) und die Hof-
beamten sich nicht mehr sicher fühlten, so reifte der Plan eines Attentats^.
Nachdem man sich in der Person des Konsulars M. Cocceius Nerva einen
Nachfolger gesichert hatte, schritt man zur Tat und ließ den Kaiser am
18. September 96 n. Chr. ermorden.
48. Nerva, Traianus, Hadrianus und die Antonine. Der neue Kaiser
M. Cocceius Nerva (als Kaiser Imperator Nerva Caesar Augustus), zählte bereits
66 Jahre.'') Seine Regierung begann mit einigen unvermeidlichen Rache-
akten;^) Domitians Andenken verfiel durch die f/f//«;/((//'o nteinorioe, die der
•
') Ritterling, De legionc Rom. X gemina j polis auswandern. Gellius N. A. XV 11, 4.
(Diss. Leipzig 1885) 74 f. Westdeutsche ! '•') Die Anklage lautete auf Gottlosigkeit
Zeitschr. XII 203f. 218f. Der Besieger des und Judaismus. Auch andere sind unter
Saturninushießwohl nicht L.Appius Maxi- dieser Beschuldigung verfolgt worden.
musNorbanus(vgl.GR0AG,PW,SupplJ112), Sueton Domit. 15. Cass. Dio LXVII 14.
sondern Lappius Maximus. A. v. Doma- Euseb. hist. eccles. III 18, 4. Domitilla
szEwsKi,Sitz.-Ber. der Heidelb. Akad. 1918, wurde bekanntlich als eine der ersten
6. Abh., 7 f. unterscheidet ihn von dem christlichen Märtyrerinnen verehrt,
nachmaligen Prätorianerpräfekten Demi- «) Sie war eine Tochter des Domitius
tians Norbanus, mit dem ihn die Epit. de Corbulo.
Caes. 11, 10 zusammenzuwerfen scheint
2) Vgl. K. J. Neumann, PW V 1307 f.
^) Nach dem Chattenkrieg. Sueton Domit.
12,1.
••) Sie geschah 94/95 n. Chr. durch ein
GiESEN, De imp. M. Coccei Nervae vita,
Bonn 1865. A. Stein, PW IV 133 ff. Er
ist geboren am 8. November 30 n. Chr.,
s. BoissEVAiN zu Cass. Dio LXVIII 4, 2 und
L. Holzäpfel, Klio XVII, 1921, 82 tf.
Senatskonsult. Vgl. Walter Otto, Sitz. -Ber. 1 ^) Vgl. Plin. epist. IX 13, der hier von
der Bayer. Akad. 1919, 10. Abh. 45 ff. 48. 50. , seiner Rache an Publicius Certus berichtet,
Damals mußte Epiktet von Rom nach Niko- j dem Ankläger des Helvidius Priscus.
7. Fünfte Periode : Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 48.) 333
Senat verfügte, der Achtung; aber allzu weit konnte die Reaktion gegen den
Vorgänger, der unter den Prätorianern viele Anhänger gehabt hatte, nicht
getrieben werden; es kam zu einer großen Meuterei, und Nerva sah sich ge-
zwungen, der Garde die beiden Hauptanstifter des Attentats auf Domitian
preiszugeben. Um seine Stellung zu befestigen und die Nachfolge zu sichern,
adoptierte der kinderlose Greis den Statthalter von Obergermanien, M. Ulpius
Traianus (97 n. Chr.). Eine bemerkenswerte Maßnahme gegen die Entvölkerung
Italiens traf Nerva mit den sog. Alimentationen, einer großen Stiftung, die er
zur Versorgung bedürftiger, kinderreicher Bürger mit Land und zum Unter-
halt armer Bürgerkinder bestimmte. Die späteren Kaiser, zunächst Traian,
aber auch Privatleute haben diese soziale Einrichtung weiter ausgebaut.')
An der Grenze machten den Römern neue Unruhen bei den Germanen
am Niederrhein zu schafFen; von Pannonien aus wurden die Sueben mit
Glück bekriegt (97 n. Chr.), und Nerva konnte den Titel Germanicus an-
nehmen. Er starb schon am 27. Januar 98 n. Chr. und hinterließ den Thron
seinem Adoptivsohn Traianus, der aus Italica in Spanien gebürtig, sich
schon unter Domitian als Heerführer ausgezeichnet hatte 2) und zum Re-
genten väe geschaffen war. Er nannte sich als Kaiser Imperator Caesar
Nerva Traianus Augustus. In Köln trat er sein Herrscheramt an. Seine
erste Handlung war die Bestrafvmg der meuterischen Prätorianer, deren
Rädelsführer er nach Germanien kommen ließ. Zunächst blieb er am Rhein,
um die Ordnung der germanischen Angelegenheiten durchzuführen und die
Grenze zu schützen. Die Colonia TJlpia Traiana (heute Xanten) bei Vetera
und Ulpia Noviomagus (Nymwegen) sind von ihm gegründet. Ferner hat er
die Erwerbungen der Flavier, die Taunuslandschaft, Wetterau und Neckar-
gebiet abgerundet, militärisch gesichert und durch Straßenanlagen erschlossen.
Er baute die Heerstraße von Mainz nach Baden und verband die Donau-
und Rheingrenze unmittelbar miteinander.^) Auch an der Donau, wo er den
Winter 98/99 n. Chr. zubrachte, befestigte er die Grenze, beendigte den
Krieg gegen die Sueben und schloß mit den Germanen Verträge. Dann
begab er sich nach Rom, wo er 99 und 100 n, Chr. verweilte und mit aller-
hand Reformen beschäftigt war. Vor allem rüstete er zu einem neuen Krieg
gegen Decebalus; denn der Friede Domitians wurde als Schmach empfunden,
und bereits Nerva scheint an einen Dakerkrieg gedacht zu haben. Schon
im nächsten Jahr (101 n. Chr.) eröffnete der Kaiser die Feindseligkeiten. 4)
1) Cass. Dio LXVIII 2. Epit. de Caes.
12, 4. Inschriften s. ILS II nr. 6278. 6509.
6675. Lanckoeonski, Städte Pamphyliens
und Pisidiens I 176 f. Vgl. Makquardt,
Staatsverwalt. II 137; Hirschfeld, Die
kaiserlichen Verwaltungsbeamten^ 212 ff.
') Aurel. Vict. 13, 3, Mommsen, Rom.
Gesch. V 189. Ebenso hat er die links-
rheinische Heerstraße von Mainz abwärts
gebaut. Vgl. den in Koblenz gefundenen
Meilenstein im Korrespondenzblatt der
Westdeutschen Zeitschr. 18 nr. 4f. S. SOflf.
Mommsen, Staatsrecht II 955. Kubitschek, I *) Die Dakerkriege Traians sind nur
PW I 1485. B. Laum, Stiftungen in der
griech. u. röm. Antike, Leipzig-Berlin 1914,
1112 ff.
2) Geb. am 18. September 58 n. Chr. Vgl.
über ihn Dierauer in Büdingers Unter-
mangelhaft bekannt; die Werke, die ihn
erzählten, darunter Traians eigene Dar-
stellung (H. Peter, Hititoric. Born, fragm.
828), sind verloren, auch der Bericht des
Cassius Dio (Buch 68) ist nur in Splittern
Buchungen II f.; Mommsen, Ges. Sehr. IV erhalten. Einen gewissen Ersatz für dies
366 ff. passim. Wichtig für seine Zeit Versagen der literarischen Überlieferung
sind die Briefe und der Panegyrikus des | bietet eine große bildliche Darstellung, die
jüngeren Plinius. \ Reliefs der Traianssäule, die nach Fröhner
;jßj. Römische Geschichte.
üecebalus war ein tapferer Gegner; er hielt sein Volk in guter Zucht, hatte
von den Rihnern die Kriegskunst gelernt und fand bei den Nachbarn und
selbst auf römischem Gebiet Helfer. Docli dem methodischen Angriff Traians
vermochte er nicht zu widerstehen. Das Heer des Kaisers drang in drei
Abteilungen in sein Land ein, Decebalus erlag in einer blutigen Schlacht,
und als im folgenden Jahr (1<)2 n. Chr.) die römischen Heere sich von allen
Seiten der Hauptstadt Sarmizeget^ifusa (Värhely) näherten, unterwarf er sich.
Er mußte Waffen und Kriegsmaschinen ausliefern, ebenso die ihm von
Domitian gestellten Handwerker, einen Teil seines Landes abtreten und
sich zur Heeresfolge verpflichten. Traian nahm den Namen Dacicus an und
feierte einen Triumph. Um den Übergang über die Donau zu sichern, ließ
er bei dem heutigen Turn-Severin eine feste Brücke bauen. Decebalus hielt
nicht lange Frieden; schon 105 n.Chr. brach der Krieg wieder- aus, der mit
der Vernichtung der dakischen Selbständigkeit endete. Ein Teil des Volkes
fügte sich den Römern, und die früher mit Decebalus verbündeten Nach-
barn traten auf römische Seite über. Traians Angriff, der lOB n. Chr. er-
folgte, führte daher zu einem vollkommenen Sieg. Die Hauptstadt des Dece-
balus (nicht Sarmizegetjl^isa) wurde erobert. Decebalus nahm sich auf der
Flucht das Leben. Viele Daker wanderten aus, viele wurden ausgerottet
oder weggeführt, Dakien zur Provinz gemacht und mit Veteranen und anderen
Kolonisten, vornehmlich aus Kleinasien, i) besiedelt. Sarmizegetjfusa wurde
römische Kolonie {colonia Ulpia Traiana)^) Die Provinz erhielt eine Be-
satzung. Sie war ein vorgeschobener Außenposten, der vielen Angriffen und
Beunruhigungen ausgesetzt war, aber die übrigen Donauprovinzen, besonders
Mösien, schützte. Auch diese Landschaften, die seit längerer Zeit stark ent-
völkert waren, wurden von Traian mit befestigten Lagern, mit Städten und
neuen Bewohnern versehen und dadurch bald ganz romanisiert. Pannonien
wurde (107 n. Chr.) geteilt. Die Donaulinie ist seit Traian bei weitem am
besten mit Festungen und Besatzungen ausgestattet, während die Rhein-
grenze, die bis dahin am stärksten besetzt war, entlastet werden konnte. 3)
In ähnlicher Weise hat Traian in Afrika und im Orient die Grenzen
befestigt und vorgeschoben. Das östliche Pontosufer Avurde gesichert, die
Iberer unterworfen und auch die gelockerte Oberlierrlichkeit über die Bospo-
raner wieder hergestellt. Um die Zeit des zweiten Dakerkrieges (106 n.Chr.)
wurde das nabatäische Königreich, d. h. die Landschaft von Bostra und Petra,
von A. Cornelius Palma erobert und zur Provinz Arabia gemacht.
C. CicHOKius (Die Reliefs der Traianssäule, n. Chr., dessen Erklärung im übrigen um-
2. u. 3. Textbd., 1. u. 2. Tafelbd., Berlin stritten ist. Vgl. Tocilesco, Benndokf und
189(1 1900) hrsg. und interpretiert hat. Niemann, Monument von Adamklissi.Wien
Freilich ist die Erklärung dieses monu- 1895. Cichorius, Die röm. Denkmäler in
mentalen Bilderbuches, wenn keine Nach- der Dobrudscha, BerHn 1904, und die dort
richten zu Hilfe kommen, sehr schwierig zitierte Literatur. Oben S. 331 A. 2.
und führt oft nur zu unsicheren Ej-geb- ') Ein Kolonist aus Mytileue. IG XII 2,125.
nissen. Die Meinungen gehen daher stark ^) Über Dakien vgl. J. Jung, Fasten der
auseinander. Vgl. E. Petersen, Traians Prov. Dacien mit Beiträgen zur römischen
dakische Kriege, Leipzig 1899. 1903. Ein Verwaltungsgeschichte, Innsbruck 1894,
zweites Denkmal hat sicli erhalten in der O. Hirschfelo, Kl. Sehr. 744 ff.
Stadt Tropaeum Traiani beim heutigen ^^ js^oya^gi^ui (j^eufj) wird seit 105 n.Chr.
Adamklissi in der Dobrudscha mit dem ^ als befestigtes Lager aufgegeben. Nissen,
dakischen Siegeszeichen aus dem Jahr 109 | Bonner Jahrbücher 111/112 S. 85. 92.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 4y.) 335
Der Kaiser war in erster Linie Soldat und Feldherr; tiiclitige Heerführer,
wie Lusius Quietus, Laberius Maximus, Licinius Sura, A. Cornelius Palma,
Marcius Turbo, standen ihm zur Seite. Er besaß die allgemeine Bildung
seiner Zeit,^) war aber ohne tiefere literarische Intei'essen. Dieser Mann der
Tat war ein pflichttreuer Regent, der allen Zweigen der Regierung seine
Aufmerksamkeit schenkte. Von dem sachlichen Ernst der Geschäftsführung
gibt die uns erhaltene Korrespondenz des Kaisers mit seinem Legaten, dem
jüngeren C Plinius, während dessen Statthalterschaft in Bithynien (111 —
113 n. Chr.) einen guten Begriff. Seine kraftvolle Regierung hat einen Zug
ins Große. Großartig ist auch die Bautätigkeit, die er in Rom wie in den
Provinzen entfaltete;^) zum Schönsten, was Rom besaß, gehörte sein Forum,
113 n. Chr. erbaut, mit der hvmdert Fuß hohen Säule, auf welcher der Daker-
krieg dargestellt ist.^) Dem Senat begegnete der Kaiser mit Rücksicht und
respektierte dessen Rechte, ohne seiner monarchischen Befugnis das Geringste
zu vergeben; er wurde mit dem Beinamen Optlinus ausgezeichnet.'*)
Gegen Ende seiner Regierung (114 n. Chr.) brach ein Krieg mit den
Parthern aus, als der Partherkönig Osroes eigenmächtig seinen Brudersohn
zum König in Armenien einsetzte. Traian ergriff den Anlaß und erklärte
den Krieg; er hofftie, die Parther jetzt demütigen zu können, zumal da sie
durch innere Wirren geschwächt waren. Mit Unterstützung der Kaukasos-
völker unterwarfen die römischen Heere 114 n. Chr. Armenien und Teile
Mesopotamiens. Als der Kaiser eintraf, fand er hier nicht mehr viel zu tun.
Er wandte sich 115 n. Chr. gegen Osroes selbst, der dem überlegenen Angriff
nur schwachen Widerstand entgegensetzen konnte. Den Winter 115/16 n.Chr.
brachte der Kaiser in Antiochien zu, das um jene Zeit (13, Dezember 115
n. Chr.) von einem Erdbeben heimgesucht wurde. 0) 116 n. Chr. ging der
Kaiser über den Tigris, eroberte Adiabene und Babylonien, besetzte Ktesi-
phon, wo er seinen Thronkandidaten Parthamaspates mit dem parthischen
Diadem schmückte, und drang bis an den Persischen Meerbusen vor. Die
Landschaft Mesene mit Spasinu Charax fiel in seine Gewalt; er dachte schon
an einen Zug nach Indien; Mesopotamien und Assyrien wurden römische
Provinzen. Aber Traian konnte seine Erwerbungen nicht behaupten; in
Mesopotamien entstand eine Empörung, die ihn zur Umkehr nötigte. Die
Empörer wurden zwar besiegt; aber Hatra wurde von Traian vergeblich
belagert, und der vertriebene Osroes gewann in seinem Stammland wieder
Boden. Als kranker Mann kehrte der Kaiser nach Antiochien zurück. Gleich-
zeitig war (115 n. Chr.) ein blutiger Aufstand der Juden in Kyrene los-
*) Er hat die Geschichte seines Dakar- der Senat den Kaisern den Wunsch zu-
krieges selbst geschrieben. j zurufen 'felicior Augnsto, melior Traiano',
2) Sein Baumeister war Apollodoros von Eutrop VIII 5, 3.
Damaskos. Vgl. Fabricius,PW 12896. Vgl.
über Traians Bautätigkeit PausaniasV 12,6.
^) Auch die schönen Bauten vonThamu-
gadi (Timgad) in Afrika rühren von Traian
her. Ballu, Ruines de Ti)ngad. 2 voll. Paris
1897. 1903.
••) Zwischen dem 10. Dezember 113 und
dem 1. September 114 n. Chr. Mommsen,
CIL III 7086. Vgl. W.Weber a. S. 336 A. 2
a. O. 7. Noch im 4. Jahrh. n. Chr. pflegte
^) A. V. DoMASZEwsKi, Abhandlungen zur
römischen Religion 40 ff. vermutet, das
Erdbeben habe schon im Winter 114,15
n.Chr. stattgefunden. Überhaupt ist Über-
lieferung und Chronologie des traianischen
Partherkrieges vielfach unsicher. Vgl.
DiEEAUER a. a. O. I 167. A. v. Gütschmid,
Geschichte Irans 140 ff. Boissevain zu
Cassius Dio vol. III p. 209.
ßß(5 Römische Geschichte.
ge))roclien, der sich ü])er Ägypten und Kypros') ausdehnte und nur mit
einoni Aufgebot gröfserer Streitkräfte unterdrückt werden konnte. Auch die
Juden in Mesopotamien nahmen an (heser i]mi)örung teil. Traian selbst
wurde auf der Reise nach Rom in Selinus an der kihkischen Küste vom
Tod ereilt, August 117 n. Chr.
Ihm folgte sein Verwandter und Landsmann P. Aelius Hadrianus (Im-
perator Caesar Traiamis Hadrianus Augustus),^) dem Traian das Kommando
der syrischen Legionen anvertraut hatte. Ob der todkranke Traian den von
ihm bisher nicht besonders bevorzugten Hadrian zuletzt noch adoptiert und
dadurch zur Thronfolge bestimmt habe, oder ob die Adoption lediglich von
Plotina, der Gemahlin Traians, vorgetäuscht sei, ist eine alte, angesichts
des Widerspruchs der Zeugnisse unlösbare Streitfrage. 3) Die erste Handlung
Hadrians galt der Beendigung des Partherkriegs. Fast alle Eroberungen
wurden zurückgegeben «nd der status quo ante im wesentlichen wieder her-
gestellt; Armenien wurde römischer Klientelstaat unter einem arsakidischen
Herrscher. Das Reich brauchte den Frieden; es ist wohl kein Zweifel, daß
Traians kriegerische Expansionspolitik über die Ki-äfte des Staates ging. Auch
auf anderen Gebieten mußte erst Ruhe geschaffen werden. Der Aufstand
der Juden war noch nicht niedergeworfen, die Mauren empörten sich, und
in Dakien, an der Donau und in Britannien kam es zu Zwischenfällen an
der Grenze. Der neue Kaiser begab sich von Antiochien, wo er die Re-
gierung am 11. August 117 n. Chr. angetreten hatte, zunächst nach Mösien
und Dakien, befestigte die Grenze,*) beruhigte die Nachbarn und erschien
dann 118 n. Chr. in Rom, wo ein Anschlag gegen sein Leben, an dessen
Spitze Nigrinus und andere vornehme Männer standen, noch vor seiner An-
kunft entdeckt und vom Senat geahndet worden w^ar.^) Hadrian hatte näm-
lich unter den einstigen Gehilfen Traians manche Feinde, und seine Nach-
folge wurde vielfach ungern gesehen. Der neue Kaiser führte sich mit
Akten der Milde ein, namentlich mit einem großen Nachlaß rückständiger
•) Siehe U. Wilcken, Hermes XXVII | Laufbahn bei Dessau, ILS I nr. 308. Vgl.
(1892) 464 flf., MiTTEis-WiLCKEN, Grundzüge j PIRIlOf. A. v. Domaszewski, Jahreshefte
und Chrestomathie der Papyruskunde I ' desösterr. Instituts II (1899) 178. E. Groag,
1,64 f. 12, 27 ff. I Mitteil, des deutscheu archäol. Instituts
■') F. v.Gregokovius, Der Kaiser Hadrian, | in Rom XIV (1899) 268.
3. Aufl., Stuttgart 1884. Otto Th. Schulz, I *) Von Hadrian rührt die Befestigung
Leben des Kaisers Hadrian, Leijjzig 1904. j der Alutalinie im heutigen Rumänien her,
E. Kornemann, Hadrian und der letzte
große Historiker von Rom, Leipzig 1905.
W. Weber, Untersuchungen zur Gesch.
des Kaisers Hadrianus, Leipzig 1907.
2) Hadrian war in Italica am 24. Januar
76 n. Chr. geboren. Er war Traians Mündel
Gr. G. Tocilesco, Fouüles et recherches ar-
cheologiques en Boumauie, Bukarest 1900..
'") Die Verschworenen beabsichtigten,
wie es heißt, den Kaiser beim Opfer oder
auf der Jagd umzubringen. Ihr Haupt war
Nigrinus (vermutlich C. Avidius Nigrinus,
gewesen; seine Gattin Sabina war die vgl. PIR 1 188 f.) ; er und andere Mitwisser,
Enkelin der Marciana, einer Schwester wie Cornelius Palma, Publilius Celsus und
Traians. Es gab eine beachtenswerte Tra- Lusius Quietus, wurden auf Befehl des
dition, der zufolge die Adoption Hadrians Senats hingerichtet, wie Hadrian behaup-
nicht mehr von Traian vorgenommen, tete, ohne sein Wissen. Vita Hadr. 7. Nach
sondern von Plotina gefälscht sei, die den Cass. Dio LXIX 2, 5 f. Avar die Verschwö-
Tod des kaiserlichen Gemahls einige Tage rung nur ein Vorwand für die Beseitigung
verheimlicht habe. Vgl. Cass, Dio iLXIX 1. der dem neu(Mi Kaiser unbequemen Män-
W. Weber a. a. O. 87 ff. Über die Rechts- ner. Vgl. A. v. Premerstein, Das Attentat
frage bei der Adoption vgl. St. Brassloff, der Konsulare auf Hadrian, Klio 8. Bei-
Hermes 49, 1914, 590 ff. Hadrians frühere heft 1908.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§48.) 337
Steuern für Italien und in geringerem Umfang für die Provinzen. In be-
wußtem Gegensatz zu seinem kriegerischen Vorgänger wollte er ein Friede-
fürst heißen. Unter Verzicht auf jede Vez'größerung des Reiches, die bei
dem Stand der Finanzen und des Heerwesens bedenklich erschien, begnügte
er sich mit der Defensive, mit dem Schutz der Grenze; Gi*enzkriege wurden
unter ihm z. B. in Dakien und Britannien geführt. Mit großem Eifer be-
handelte er die Verwaltung; auf diesem Gebiet hat er und zwar besonders
im Finanzwesen neue Wege gewiesen. Unermüdlich bereiste er alle Pro-
vinzen des Reiches, um Land und Leute aus eigener Anschauung kennen
zu lernen und selbst nach dem Rechten zu sehen. ^) Nach der Durchführung
einer zweckmäßigen Heeresreform wurde von Hadrian die erste große Reise
angetreten, die von 121 — 125 n. Chr. währte. Sie führte ihn über Gallien
an die germanische Grenze, wo er die Sicherung der rechtsrheinischen Be-
sitzungen durch einen Palisaden wall (limes) in der Hauptsache vollendet zu
haben scheint, 2) dann weiter nach Britannien; dort ließ er zum Schutz gegen
die Kaledonier eine Grenzmauer vom Busen von Solway bis zur Mündung
des Tyne qvier über die ganze Insel ziehen.^) Über Gallien und Spanien
begab er sich dann nach Afrika; in der Kyrenaika gründete er Kolonien,
er besuchte ferner Vorderasien und die Balkanhalbinsel, besonders Griechen-
land, wo er 124 n. Chr. eintraf. Seine Lieblingsstadt war Athen, wo er schon
im Jahr 112 n. Chr. Archen gewesen war; als Kaiser hat er die alte Theseus-
stadt Athen durch die neue Hadriansstadt erweitert;^) auch Delphi und
andere Heiligtümer, sowie die verarmten und verödeten Städte des Pelo-
ponnes hatten sich seiner Fürsorge zu erfreuen.^) Über Sizilien kehrte er
im Lauf des Jahres 125 n. Chr. nach Rom zurück. 128 n. Chr. war er aufs
neue in Afrika und inspizierte die Provinz und die Truppenlager,*') 128 n.Chr.
trat er eine zweite Reise in den Orient an, über Griechenland — den Winter
verbrachte er in Athen — nach Kleinasien, Syrien und Ägypten. An Stelle
Jerusalems gründete er die Kolonie Aelia Capitolina, worüber es noch
während seiner Anwesenheit im Osten zu dem letzten großen Aufstand der
Juden unter Simon (Barkochba), dem König, und Eleazar, dem Hohen-
priester, kam (132 — 134 n. Chr.). Jerusalem wurde von den Aufständischen
besetzt und mußte wieder erobert werden. Erst nach schweren Kämpfen
konnte die Empörung niedergeworfen und Aelia neu gegründet werden.'^)
Seine Herrscherpflichten hat der kosmopolitisch angehauchte Kaiser in rast-
') J. DüKK, Die Reisen des Kaisers Ha- j 1839 ff. Den Korinthern hat er ein Bad und
drian, Wien 1881. und das S. 336 A. 2 | eine Wasserleitung gestiftet. Pausan. II
zitierte Buch Webers. \ 3,5; VIII 22, 3. Auch S^iarta hat er be-
'^)Hadr.l2,6. InschriftlicheBelegeseiner j sucht CIG I 1348, vgl. 1346. Auch sonst
Anwesenheit und Tätigkeit in Germanien: | gibt es zalilreiche inschriftliche Zeugnisse,
Korresp.-Bl. d.Westd. Ztschr. 15 (1896) 196; z. B. IG IV 1406. 1051 f., die von Weber a.
19(1900)33. Limesl)lattl896 nr.20S.549f. j S. 336 A. 2 a. 0. verwertet sind.
^) Von ihm rührt die Brücke über den **) Er war im Legionslager zu Lambaesis;
Tyne her, der Poxs Aelins, an der Stätte vonderdortanil.Julil28n.Chr.gehaltenen
des heutigen Newcastle. I „Man<)verkritik"sindgror3eResteiiTschrift-
■*) C. Wachsmuth, Die Stadt Athen im lieh erhalten. Vgl.CANTARELLi(<S'^«rf/e(iorH-
Alterthum I 686. | nienfi rli sfoiu'a e diriffo, vol. 19, Roma 1898).
'•') In Delphi war er zweimal Archon. CIL VIII suppl. 18042. Heron de Ville-
richtete auch die Amphiktionie neu ein. 1 fosse, in der Festschrift zu 0. Hirschfelds
Bidl. de (■orresp.hen>'n.XX722 ff. iJber seine 60. Geburtstag, 1903, 192 ff.
Anwesenheit in Thespiae IG VII 1828. | ') Schürer, Gesch. d.jüd.VolkesI^ 562 ff.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 22
338 Römische Geschichte.
loser Tätigkeit vorbildlich erfüllt, wenngleich dieser antike Typus der „Reiz-
samkeit" nicht frei war von selbstherrlichen Anwandlungen. Dem Senat
gegenüber hielt er sich mit wenig Ausnahmen in den von Traian vor-
gezeichneten Bahnen der gesetzmäfäigen Monarchie. Wie sein Vorgänger hat
er in Rom und anderswo viel gebaut und restauriert.') Der Philhellene
Hadrian, der erste Kaiser mit dem griechischen Philosoi^henbart, hatte Sinn
für Literatur, Kunst und antiquarische Studien, und widmete den großen
Männern der klassischen Vergangenheit eine aufrichtige Verehrung, ^j Den
Geschmack der Zeitgenossen hat der an Widersprüchen reiche Kaiser mit
seinen barocken Launen nachhaltig beeinflußt; er hat der archaistischen
Richtung zum Sieg verholfen. Gelehrte und Literaten von Ruf befanden
sich in seiner Umgebung; er hat sich auch selbst literarisch betätigt.^)
Hadrian hatte keine Kinder. Als ihn eine unheilbare Krankheit befiel,
nahm er, um die Nachfolge zu sichern (136 n. Chr.), den L. Ceionius Com-
modus unter dem Namen L. Aelius Caesar an Sohnes Statt an, und zog
sich bald in seinen prächtigen Landsitz bei Tibur zurück. Aber der prä-
sumptive Thronerbe starb vor ihm, woi-auf der Kaiser den T. Aurelius Anto-
ninus durch Adoption zum Nachfolger erkor; der Thronanwärter mußte in
Ermanglung eigener Söhne, um die Nachfolge weiter zu sichern, seinerseits
gleichzeitig den M. AnniusVerus und den hinterlassenen Sohn des Ceionius
Commodus, L. Aelius Verus adoptieren (Februar 138 n.Chr.). Wenige Monate
später erlöste der Tod den Hadrian von qualvollem Siechtum (10. Juli 138
n. Chr.) in Bajae, und T. Aurelius Antoninus (nach der Thronbesteigung Imp.
T. Aelius Caesar Hadrianus Antoninus Augustus Pius genannt) übernahm die
Regierung. Er hielt, obwohl von anderer Wesensart als sein Vorgänger, doch
unentwegt an dessen friedlicher Politik fest.^) Gegen aufständische Unter-
tanen und unruhige Grenzvölker hat er Kriege geführt, in Britannien durch
Q. Lollius Urbicus gegen die nördlichen Nachbarn (142 n. Chr.) ; er ließ nörd-
lich vom hadrianischen Grenzwall einen neuen zwischen Clota und Bodotria
(Clyde und Firth of Forth) errichten. In Mauretanien machte (etwa zwischen
144 und 149 n.Chr.) ein größerer Aufstand ernstliche Kämpfe nötig, in dessen
Verlauf die kaiserlichen Heere tief in das Atlasgebiet eindrangen. An der
unteren Donau von Mösien aus war Olbia am Borysthenes gegen Skythen-
angriffe zu schützen; die Alanen wurden in die Schranken gewiesen; ein
Aufstand der Juden und eine Empörung in Achaia und Ägypten werden
1) Das Pantheon in Rom hat seine heu- ; archäol. Instituts, 3. Erg.bd.), Berlin 18i>5.
tige Gestalt unter ihm erhalten.
'^) Wie er z. B. auf das Grab des Alki-
biades in Melissa in Phrygien ein Denk-
*) Vgl. SiEVERS. Studien zur Gesch. der
röm. Kaiser 173 ff. ; Bossakt und Müller
in BüDiNGERS Untersuchungen 11 290 flf.;
mal setzte, oder die Stätte, von der aus G. Lacour-Gayet, Äntonin le pieux et son
einst die Zehntausend Xenophons bei temps, Paris 1888. E. C. Bryant, The reü/n
Trapezunt das rettende Meer begrüßt ! of Anfoiiimis Pius. Cambridge hisiorical esfai/s
hatten, durch Altäre weihte. Athen. XIII VIII. P. v. Rohden, PW II 2493 ff. Wir
574 f. Arrian. peripl. Pont. Eux. 1. j sind über seine Zeit nur mangelhaft unter-
^) Vgl. die o.S. 337 A. 6 angeführte Schrift j richtet, da uns auch die Auszüge aus
von Cantarelli. Die Ruinen seiner Villa ! Cassius Dio im Stich lassen. Denn die
zu Tibur (Tivoli) lassen noch heute den j Regierung des Antoninus Pius war in dem
barocken Geschmack des kaiserlichen Bau- von Xiphilinos benutzten Exemplar des
herrn erkennen. Vgl. H. Winnefeld, Die j Cassius Dio ausgefallen. Oben S. 279 A. 5.
Villa des Hadrian bei Tivoli (Jahrb. des
7, Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§48.) 339
erwähnt. Die Hauptsorge des Antoninus Pius galt der Verwaltung; bei aller
Sparsamkeit hat er doch nicht gekargt; den Lehrern der Redekunst und
Philosophie in den Provinzen setzte er Gehälter aus; in Rom, Italien und
den Provinzen hat er viel gebaut und gestiftet,') bei öffentlichen Unglücks-
fällen die Not der Gemeinden gelindert. Streng sah er auf eine gereclite
Justiz; bewährte Beamte pflegte er lange in ihrer Stellung zu belassen.
Seine Redlichkeit, Milde und Pflichttreue verschafften ihm das Vertrauen
der Untertanen, und er Avufete seine selbst bei fremden Völkern wirksame
Autorität und den Bestand des Reichs zu wahren. So soll er den Parther-
könig Vologases III lediglich durch Briefe von der Eroberung Armeniens
abgehalten haben.-) Anders als Hadrian, hat Antoninus Pius während seiner
Regierungszeit Italien nie verlassen; am 7. März 161 n.Chr. verschied er eines
sanften Todes avif seinem Landgut Lorium bei Rom. Das Reich hinterließ er
seinem Adoptivsohn M. Aurelius Antoninus.^) Dieser erhob sogleich seinen
Adoptivbruder L. Aurelius Verus*) zum Augustus und gab damit das erste
Beispiel einer gemeinsamen Herrschaft („Samtherrschaft", wie Mommsen
sagt) ; aber das Verantwortungsgefühl des echten Herrschers konnte M. Aure-
lius seinem leichtlebigen Mitkaiser nicht einimpfen und so hat er kraft seines
moralischen Übergewichts den Kurs der Regierung allein bestimmt: wie sein
Vorgänger, aber im Unterschied zu dem Adoptivbruder, hat M. Aurel seine
Pflichten ernst genommen; seiner philosophisch vertieften Lebensanschauung,
von der das unvergängliche Büchlein „Selbstgespräche" [tä eig eavrov) des
kaiserlichen Autors Zeugnis ablegt, ist er auf dem Thron treu geblieben.
Dem Senat brachte er wie Antoninus Pius stets die größte Rücksicht entgegen.
Man pflegt die Zeit von Nerva bis M. Aurel als die glücklichste Epoche
des römischen Reichs zu betrachten, vor allem die Regierung Traians, unter
der ein Tacitus sein schriftstellerisches Genie ungehemmt entfalten konnte
und die der Panegyrikus des jüngeren Plinius verherrlicht. Diese Auf-
fassung ist berechtigt vom Gesichtswinkel des Senats aus, der von einem
schweren Druck aufatmete. Denn die Kaiser seit Nerva respektierten den
Senat und ließen das Vorrecht des Senators, nur vor das eigene Pairsgericht,
nicht vor das Gericht des Kaisers gezogen zu werden, unangetastet. Aber
andererseits zeigen sich gerade unter Nerva und seinen Nachfolgern die ersten
deutlichen Symptome des Verfalls: zunächst in Italien die Verarmung des
Volkes, die zu dem Alimentationensystem Nervas und Traians den leidigen
Anlaß bot (oben S. 333). Über die Höhe des Steuerdrucks war im ganzen
Reich schon früher geklagt worden. Ein bedenkliches Zeichen ist der große
Steuernachlaß Hadrians (oben S. 336 f.), den Antoninus Pius und M. Aurel °)
') Er baute in Eom z. B. das Grabmal und (138 n. Chr.) den Namen M. Aelius Aurelius
den Tempel Hadrians. Vita Anton. Pii 8. Verus Caesar.
-) Vita Anton. Pii 9, 6. Daß Antoninus ■*) Er war, wie oben erwähnt, Solm des
Pius nach Syrien reiste und mit dem von Hadrian adoptierten L.CeioniusCom-
Partherkönig eine Zusammenkunft hatte, modus und führte nach seiner Adoption
wie (nach dem Vorgang von Waddington durch Antoninus Pius den Namen L. Aelius
und A. V. Gütschmid) auch Niese noch an- Aurelius Commodus.
nahm, ist unwahrscheinlich. Vgl. P. v. Roh- ^) Über M. Aureis Steuernachlässe vgl.
DEN, PW II 2508. die spanische Inschrift Ephemeris epigr.
^) Ursprünglich M. Annius Verus ge- VII 385 f. aus dem J. 176,77 n.Chr.
nannt, führte er nach seiner Adoption
340 Römische Geschichte.
wiederholten. Finanzielle Schwierigkeiten, die durcli die Art der Steuer-
erhebung vermehrt wurden, versetzten auch der Selbstverwaltung der Ge-
meinden den Todesstoß, in Italien wie in den Provinzen. Die Kaiser hatten
den guten Willen, zu helfen, konnten aber nicht viel ausrichten. Schon
begannen die Bürger, sich den lästigen und kostspieligen Gemeindeämtern
nach Möglichkeit 7a\ entziehen. Sehr drückend war für viele Provinzen die
Aushebung; Feuersbrünste und Erdbebenkatastrophen verschlimmerten die
Lage der Gemeinden. In Literatur und Kunst meldet sich die allmähliche
Erschlaffung. Die schöpferisclie Kraft droht zu versiegen; an geistloser Nach-
ahmung und gekünsteltem Archaismus findet die griechische, besonders aber
die immer tiefer sinkende lateinische Literatur ihr Genüge. Die griechischen
Klassizisten, die auf lange hinaus den Ton angaben, hatten immerhin noch
beachtenswerte Leistvmgen aufzuweisen ; einem Herodes Atticus, Aristeides,
Arrianos, Appianos, Lukianos und Pausanias konnte die lateinische Prosa
keine ebenbürtigen Vertreter gegenüberstellen. Ein unselbständiger Klassi-
zismus wurde auch in der bildenden Kunst Mode.
Die ungestörte Ruhe des Reiches während der quietistischen Herrschaft
des Antoninus Pius war nur die Stille vor dem Sturm, der unter M. Aurel
losbrach. Schon im zweiten Jahr seiner Regierung fielen die Chatten ins
benachbarte römische Gebiet ein, auch in Britannien entstanden Unruhen.
Und schon war auch das parthische Gewitter, das sich in dem armenischen
Wetterwinkel längst zusammengezogen hatte, zur Entladung gekommen.
Der Legat von Kappadokien, P. Aelius Severianus Maximus, erlitt in Ar-
menien eine Niederlage von den Parthern, die darauf in Syrien einfielen,
wo sie einen zweiten Erfolg errangen. Der Kaiser L. Verus ging nun (162
n.Chr.) mit frischen Truppen nach dem Kriegsschauplatz ab,') überließ aber
das tatsächliche Kommando seinen Legaten, unter denen Avidius Cassius
hervorragte. Es gelang 163 n. Chr. Armenien zu erobern und die Parther
aus Syrien zu verdrängen; der Eviphrat und später auch der Tigris wurden
überschritten, Seleukeia und Ktesiphon genommen (165 n. Chr.). Doch auf
dem Rückzug dezimierten Hunger und Pest das römische Heer. So ent-
schloß man sich zum Frieden, in dem Armenien behauptet und die nächst-
gelegenen Landschaften am linken Euphratufer, Osroene und Carrhae, ge-
wonnen wurden. Beide Kaiser feierten 166 n. Chr. einen Triumph. Aber
die heimkehrenden römischen Truppen schleppten die Pest ein, die dann
durch das ganze Reich ihren mörderischen Siegeszug antrat. Inzwischen
war an der Donaugrenze ein gefährlicher Krieg ausgebrochen. Lange Zeit
hatte dort, seitdem Traian und Hadrian die Grenze befestigt hatten, mit
wenigen Ausnahmen Ruhe und friedlicher Verkehr geherrscht; die Ursachen
des überraschenden Umschwungs lassen sich nur vermuten. Es haben sich
wahrscheinlich nach dem Tod des Pius jenseits der Grenze bedeutendere
Wanderungen und Verschiebungen der Völker vollzogen, in deren Aus-
wirkung jetzt in Noricum und Pannonien ein schwerer Krieg entstand, unter
dessen Druck der Friede mit den Parthern beschleunigt werden mußte.
Der Krieg ging von den Markomannen, Quaden und Sarmaten (Jazygen)
') Vgl. dazu Ritterling. Rhein. Mus. LIX (1904) 186 f.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§48.) 341
aus, aber auch andere Stämme, wie die Hermunduren, Vandalen und Lango-
barden beteiligten sich zeitweise, und die benachbarten Provinzen, vornehm-
hch Dakien, wurden in Mitleidenschaft gezogen. *) Solange Rom noch mit
den Parthern zu tun hatte, konnte an eine energische Kriegführung nicht
gedacht werden, so daß die Barbaren Gelegenheit hatten, einen verheerenden
Einfall ins Reich zu unternehmen. Die Landschaften am oberen und mitt-
leren Lauf der Donau wurden bis nach Italien hinein überrannt und Tau-
sende von Gefangenen hinweggeführt (167 n. Chr.). Der schlechte Stand
der Finanzen und die Folgen der Pestepidemie erschwerten die Verstärkung
der Heere. Beide Kaiser gingen (168 n. Chr.) zum Krieg an die Donau ab;
während desselben starb L. Verus in Altinum (169 n. Chr.). Erst nach langen,
wechselvollen Kämpfen — es kam sogar zu neuen Einfällen der Barbaren
nach Italien — glückte es dem Kaiser M. Aurel durch zielbewußte Ausdauer
erst die Markomannen (172 n. Chr.), dann die Quaden und Sarmaten (175
n. Chr.) zur Unterwerfung zu bringen, ihnen einen Grenzstreifen abzunehmen
und die Stellung von Truppen zu erzwingen. 2) Gefangene Germanen wurden
auf römischem Gebiet zwangsweise angesiedelt und zu Ackerbau und Kriegs-
pflicht genötigt. Die Überwältigung der Donauvölker war um so schwieriger,
als es gleichzeitig an anderen Stellen des Reichs zu kämpfen gab. Die
maurischen Stämme erhoben sich aufs neue und plünderten die spanischen
Küstenlandschaften, in Gallien entstand eine Empörung; besonders gefähr-
lich war in Ägypten der nationale Aufstand der sog. Bukolen, der räuberi-
schen Bewohner des Bukolia (Rinderweide) genannten Nildeltas östlich von
Alexandrien, unter Führung eines Priesters Isidoros. Die Aufständischen
schlugen die römische Legion und hätten beinahe Alexandreia erobert, Sie
wurden erst durch den syrischen Legaten Avidius Cassius überlistet.
Derselbe Mann wurde gegen seinen Willen in die Rolle des Rebellen
gegen M, Aurel hineingedrängt. Die Kaiserin Faustina soll nämlich ihm,
dem angesehensten Statthalter und General des Orients, 3) für den Fall des
Todes ihres erkrankten Gemahls ihre Hand und damit den Thron in Aus-
sicht gestellt haben. Auf die falsche Nachricht vom Tod des Kaisers ließ
sich Avidius Cassius alsbald zum Kaiser ausrufen und fand vielen Anhang.
Die meisten asiatischen Provinzen und Ägypten^) erkannten ihn an. Der
Kaiser beschleunigte den Friedensschluß mit den Jazygen uikI eilte selbst
in den Orient, Der Usurpator, der nicht mehr zurück konnte, wurde schon
') Die Überlieferung ist wiederum sehr (174 n. Chr.) ereignete sich das berühmte,
dürftig und fragmentarisch; vieles muß j auch auf der Marcussäule dargestellte
der Vermutung überlassen bleiben. Neben j Regen wunder. Die Römer, von den Fein-
die literarischen Nachrichten treten die i den bedroht und von Wassermangel heim-
Reliefs der Marcussäule als monumentale gesucht, werden durch ein Gewitter mit
Illustration der Ereignisse. Vgl. Petersen, ' Platzregen errettet, nach christlicher Ver-
V. DoMASZEwsKi Und Calderini, Die Marcus- 1 sion auf das Gebet der christlichen Sol-
säule auf Piazza Colonna in Rom. 128 Tafeln ; daten (der leglo fidminata). Euseb. bist, eccl,
mit Text, München 1897. (Mit Beiträgen j V 5. Vgl. Mommsen, Ges. Sehr. IV 498 ff.
von Th. MoMMSEN.) Ferner Conrad, Mai'c Au-
reis Markomanenkrieg, Neu-Ruppin 1889.
V. DoMASZEWSKi, Rhein. Mus. XLV 20. Neue
Heidelb. Jahrb. V 107. Serta B«ftelia>ia 8,
^) 172 n. Chr. nahm der Kaiser den
Namen Germanicus an. Bei den Quaden
Harnack, Sitz.-Ber. der Akad. zu Berlin
1894, 835 flf.
3) Vgl. P. V. RoHDEN, PW II 2378 ff.
*) U. WiLCKEN, Ostraka I 801 : II nr, 939,
F, G. Kenyon, Arch, f, Papyrusforschung
VI, 1920, 213 f.
342 Römische Geschichte.
nach dreimonatlicher Herrschaft von seinen Anhängern verlassen und ge-
tötet (175 n. Chr.)J) Der Kaiser, der auch Athen V^esucht hatte, kehrtf
wieder nach Kom zurück, wo er Ende 176 n. Clir. einen glänzenden Triumph
üher die Germanen und Sarmaten feierte. Gleichzeitig erhob er seinen Sohn
C'onnnodiis zinn Mitregenten. Schon 178 n. Chr. begab er sich, begleitet
von (*ommodus, wieder an die Donau, wo die hart gezüchtigten Markomannen
und Quaden von neuem zu den Waffen griff'en. Sie wurden vollständig
bezwungen; aber die Absicht des Kaisers, ihr Land zur römischen Provinz
zu machen, wurde durch den Tod vereitelt. Am 17. März 180 n. Chr. ver-
schied M. Aurel zuVindobona, kurz vor der Vollendung des 59. Lebensjahres.
Sein Sohn und Erbe Commodus^) (M.^) Aurelius Commodus Antoninus)
führte zunäclist den Krieg weiter, schloß aber bald, ohne das Ziel seines
Vaters festzuhalten, auf mildere Bedingungen Frieden mit den Markomannen
und Quaden und begnügte sich mit einer Unterwerfung, die nicht von Dauer
sein konnte. Schon 180 n. Chr. kehrte er nach Rom zurück. Trotz sorg-
fältiger Erziehung führte der unreife Commodus ein unwürdiges Leben; er
war das gerade Gegenteil seines pflichttreuen *\^aters. Der Ehrgeiz des jungen
Kaisers, der sich mit dem Namen und den Attributen eines römischen Her-
cules schmückte, erschöpfte sich in dem Tagesruhm der Arena, wo er als
Gladiator und Athlet zu glänzen suchte. Wie er die Politik des Marcus
preisgegeben hatte, so schob er auch die bewährten Ratgeber und Kriegs-
gefährten des Vaters, z. B. Ti. Claudius Pompeianus, beiseite. Der Garde-
präfekt Perennis gewann großen Einfluß, den er durch die Beseitigung
seines Kollegen Tarrutenus Paternus noch zu steigern vermochte. Mit dem
Senat wußte sich Commodus nicht zu stellen. Ein Anschlag gegen sein Leben,
dem seine Schwester Lucilla und seine Gattin Crispina nicht fernstanden,
gab Anlaß zu zahlreichen Verfolgungen und Hinrichtungen angesehener
Männer (183 n. Chr.). Das Bvihlen des haltlosen Kaisers um die Gunst der
Soldateska untergrub die Disziplin. Den Perennis mußte Commodus den
meuternden Soldaten opfern (185 n.Chr.).*) Die Macht des Perennis erbte
Cleander, ein ehemaliger Sklave, der später bis zum Gardepräfekten auf-
stieg.^) Auch diesen Günstling gab Commodus preis; er wurde 189 n. Chr.
bei einer Hungersnot durch einen Volksaufstand gestürzt, und nunmehr
teilten sich der Kämmerer Eclectus und die kaiserliche Mätresse Marcia,
die sich übrigens der Christen annahm, in die Gunst des Commodus. Nach
außen hin herrschte im ganzen Ruhe; die Erfolge des Marcus wirkten noch
nach. Größere Grenzkriege wurden gegen die Mauren (182 n. Chr.), in
Dakien (183 — 184 n. Chr.) und gegen die Kaledonier in Britannien geführt;
') Allgemeine Anerkennung hat Avidius rische Wert der vita Comniodi. Philologus,
Cassius auch in Asien nicht gefunden; Supplem. IX, 1901, 1 ff.
der Legat von Kappadokien, P. Martius *) Vor der Thronbesteigung führte er
A'erus, erklärte sich gegen ihn und hat den Vornamen Lucius,
vielleicht sein Ende veranlaßt. Ritterling, •*) Vgl. A. Stein, Hermes XXXV. 1900.
Rhein. Mus. N. F. LIX (1904) 196 ff. Die Teil- 528 ff.
iiehmer an der Erhebung wurden vom
Kaiser mit möglichster Schonung be-
handelt.
*) J. Zürcher, in Büdingers Unter-
suchungen I 221 f. Bossart und Müller
ebeudas. II 287 ff. J. M. Heer. Der histo- Dio LXXII 12
) Cleander war bestechlich und betrieb
einen schwunghaften Ämterschacher. So
konnte es geschehen, daß es im J. 189
n. Chr. 25 Konsuln gab, darunter der nach-
malige Kaiser Septimius Severus. Cass.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian, (j? 49.) 348
die letzteren waren in die Provinz eingefallen und hatten eine römische
Heeresabteilung vernichtet, wurden dann aber durch den tiichtigen und
strengen Legaten L. Ulpius Marcellus zurückgetrieben. Eine Meuterei der
britannischen Truppen wurde durch Zugeständnisse, die der eingeschüchterte
Commodus machte — damals überließ er den unbeliebten Perennis der Rache
der Soldaten — , gedämpft. In Dakien wurden Erfolge erzielt und eine
größere Zahl Unterworfener angesiedelt. Persönlich war der Kaiser feige und
ein Feind jeder Anstrengung; gelegentlich erkaufte er den Frieden dvirch
Tribute an die Grenznachbarn, i) Auch im Innern herrschten schlimme Zu-
stände; in Italien bildeten sich Räuberbanden, auch Gallien wurde von
Banden heimgesucht, den sog. desertores, Heimatlosen, die sich aufs Räuber-
handwerk verlegten. Durch seine sinnlose Verschwendungssucht und seine
Leidenschaft für öffentliche Spiele leerte der Kaiser die Staatskassen. Er
produzierte sich selbst als Gladiator, nahm in der Gladiatorenkaserne Woh-
nung und gedachte von hier aus in Fechtertracht am 1. Januar 193 n. Chr.
das Konsulat anzutreten. Vergebens suchte ihn seine Umgebung zurück-
zuhalten; der Gardepräfekt Q. Aemilius Laetus, der sein eigenes Leben ge-
fährdet sah, ließ im Bund mit Marcia und Eclectus den verächtlichen Kaiser
in der Neujahrsnacht ermorden, 31. Dezember 192 n. Chr.
49. Septimius Severus und sein Haus. Aemilius Laetus erhob nach
dem Tod des Commodus einen Konsular von schlichter Herkunft, aber be-
währter Tüchtigkeit auf den Thron, den Stadtpräfekten P. Helvius Pertinax,
der sich unter Kaiser Marcus im Markomannenkrieg, später in Britannien
ausgezeichnet hatte. '^) Er fand beim Senat 3) und im Reich*) Anerkennung.
Pertinax entfaltete sofort eine wohlgemeinte Reformtätigkeit; seine Haupt-
sorge galt der Ordnung der Staatsfinanzen, deren trostloser Zustand ihn
zur Sparsamkeit nötigte. Die Soldaten und besonders die Prätorianer waren
mit dem Kaiser, der auf straffe Zucht hielt, höchst unzufrieden. Der Prä-
fekt Aemilius Laetus machte mit den Prätorianern gemeinsame Sache und
so wurde Pertinax schon am 28. März 193 n. Chr. von ihnen ermordet.^)
Die Garde in Rom erhob nun den M. Didius Severus Julianus, der die Krone
von ihr meistbietend ersteigerte, ß) Aber Didius Julianus vermochte sich
') Dieses Mittel, die Ruhe zu erhalten, *) Über die — sehr verspätete — Landes-
haben freilich auch bessere Kaiser nicht feier für das neue Kaiserhaus s. den Pa-
verschmäht. pyrus bei Mitteis -Wilcken, Grundzüge
-) Fluss, PW Suppl.bd. III 895 if. Vgl. u. Chrestomathie der Papyruskunde I 2
zum Folgenden O. Th. Schulz, Beiträge nr. 490. Übrigens lehnte Pertinax den
zur Kritik unserer litt. Überl. für die Zeit Augustatitel für seine Gemahlin ab, woran
von Comm.' Sturze bis auf den Tod des sich indes die Provinzialen nicht kehrten.
. . . Caracalla, Diss. Leipzig 1903. Die von Vgl. nächste Anm.
A. V. DoMASZEWSKi (Rhein. Mus. 53, 1898, '=) Sein gleichnamiger Sohn heißt auf
689) geäußerte, von Schulz weiter aus- Inschriften und Münzen Caesar (z. B. ILS
geführte Vermutung, daß von den Ver- j I nr. 410) gegen den Wunsch des zurück-
schwörern gegen Commodus Septimius
Severus von Anfang als Kaiser in Aus-
sicht genommen worden sei, wurde von
Niese abgelehnt, aber von J. Hasebroek,
LTnters. z. Gesch. des Kaisers Sept. Sev.,
Heidelberg 1921, 17 akzeptiert.
^) Vgl. das Senatsprotokoll vita Com-
modi 18 f., ein echtes Stück unter den zahl-
losen Fälschungen der Historia Augusta.
haltenden Vaters (Cass. Dio LXXIII 7, 2),
dessen Sturz er überlebte, um erst von
Caracalla beseitigt zu werden, Herodian
IV 6, 3.
^) Um die Wette mit ihm bot T. Flavius
Sulpicianus, den sein kaiserlicher Eidam
Pertinax zum Stadtpräfekten gemacht
hatte.
;^44 Römische Geschichte.
nicht einmal in der Hauptstadt überall durchzusetzen, geschweige denn bei
den Heeren in den Provinzen. In Antiocheia wurde der Legat von Syrien,
C. Pescennius Niger, der auch in Rom Anhänger hatte, auf den Schild ge-
hoben, in Carnuntum der Statthalter von Oberpannonien, L. Septimius
Severus, ') der aus Lei:)tis in Afrika stammte, übrigens aus einem längst romani-
sierten und in die Senatslaufbahn eingetretenen Geschlecht. Septimius Severus
marschierte unverzüglich gegen Kom, indem er sich zum Rächer des Pertinax
aufwarf. Mit dem Inhaber des dritten großen Kommandos, mit D. Clodius
Albinus, dem Statthalter Britanniens, konnte sich Septimius Severus dadurch
verständigen, daß er ihn adoptierte und ihn unter Verleihung des Caesartitels
zum Nachfolger designierte.''') Ohne Mühe bemächtigte sich Severus der Reichs-
hauptstadt; die Prätorianer wagten keinen Widerstand. Didius Julianus wurde
vom Senat zum Tod verurteilt und hingerichtet (I.Juni 193 n.Chr.). Dann
huldigte der ohnmächtige Senat dem Septimius Severus, der sich nun mit
seiner ganzen Land- und Seemacht gegen Osten wandte, um mit Pescennius
Niger abzurechnen. Versuche, einen Vergleich zwischen den Rivalen herbei-
zuführen, waren gescheitert; so wurde denn der Bürgerkrieg unvermeidlich.
Niger war in allen asiatischen Provinzen, sowie im Nilland 3) anerkannt.
Nach anfänglichem Zaudern griff er nach Europa hinüber, wo sein Feldherr
Asellius Aemilianus Byzanz besetzte. Weiterem Vordringen gebot der An-
griff des Severus Halt. Sein Heer setzte nach Kyzikos über, wo es zur
Schlacht kam. Aemilianus wurde besiegt und getötet. Durch den Erfolg
gewann Severus bereits manche Anhänger in Asien, und nachdem auch
Niger selbst in einer zweiten Schlacht den Generalen des Severus erlegen
war, fiel diesem ganz Vorderasien bis zum Taurus zu. Endlich wurde Niger
nochmals in einer großen Schlacht bei Issos geschlagen und auf der Flucht
zu den Parthern ereilt und getötet (Herbst 194 n. Chr.). Jetzt unterwarf
sich der ganze Osten des Reichs dem Severus,'*) der über die Parteigänger
des Besiegten strenges Gericht ergehen ließ. Das feste Byzanz konnte jedoch
erst Ende 195 n. Chr., im dritten Jahr der Belagerung, zur Übergabe ge-
zwungen werden. Syrien wurde nach Nigers Sturz in zwei Provinzen zerlegt.^)
An den Kampf gegen Niger schloß Severus einen Krieg mit den Par-
thern an, die seinen Nebenbuhler unterstützt hatten. Der Euphrat wurde
überschritten und das nördliche Mesopotamien bis zum Tigris erobert (195
n. Chr.). Die wichtige Stadt Nisibis diente als Basis für weitere Operationen,
die indes eingestellt werden mußten, da Clodius Albinus dem auf die Dauer
unmöglichen Einvernehmen — Severus hatte bereits ein Attentat auf seinen
Caesar versucht — ein Ende machte. Albinus legte sich den Augustustitel
bei und setzte mit den britannischen Legionen nach Gallien über, wo er
in Lugudunum seine Residenz aufschlug. So war abermals der Bürgerkrieg
da. Aus dem Orient marschierte Severus durch die Donauprovinzen'') auf
^) Vgl. die S. 343 A. 2 zitierte Arbeit ^) U. Wilcken, Griech. Ostraka aus Äg.
von Hasebroek. u. Nubien I, Leipzig 1899, 803.
^) Vgl. O. HiRscHPELD, Kl. Sehr. 411 ff. ^) In Ägypten wird schon am 21. Fe-
Albinus blieb Statthalter von Britannien. bruar 194 n. Chr. nach Severus datiert.
Gegen Hirschfelds Annahme (a.a.O. 418), ^ Wilcken, Griech. Ostraka I 803.
es sei ihm überdies ein „Oberaufsichtsrecht ! '") S. unten S. 362.
über Gallien und Spanien" verliehen wor- j ^) InViminacium an der Donau ernannte
den, erklärt sich Hasebroek a. a. 0. 27. | er im Frühjahr 196 n. Chr. seinen ältesten
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§49.) 3-15
kürzestem Weg nach dem Westen, wo sich in Gallien und Germanien be-
reits manche Truppenteile und Bezirke auf seine Seite schlugen.') In zwei
Schlachten maßen sich die Gegner; in der zweiten, bei Lugudunum, erlitt
Albinus nach wechselvollem Kampf schließlich eine völlige Niederlage, die
er nicht überleben mochte (19. Februar 197 n. Chr.). Der Sieg machte den
Severus zum Herrn auch des Westens. Zahlreiche Parteigänger des Albinus,
darunter auch Senatoren in Rom, büßten mit dem Tod. Konfiskationen großen
Stils wurden in Gallien und sonst im Reich vorgenommen. Anfänglich hatte
Severus den Rächer des Pertinax, dessen Namen er vorübergehend führte,
gespielt: aber schon im Jahr 195 n.Chr. führte sich der Emporkömmling
durch fiktive Adoption in das erlauchte Haus der Antonine ein; er nannte
sich Sohn des Marcus, Bruder des Commodus.^)
Nach dem Bürgerkrieg kommen wieder die äußeren Feinde, die Parther,
an die Reihe (zweiter Partherkrieg 197 — 199 n. Chr.). Ihr König Vologases IV
hatte die Kampfpause zu einem Angriff auf Mesopotamien, Armenien und
Syrien benutzt. Jetzt trieb Kaiser Severus die Parther zurück und brachte
dem von ihnen belagerten Nisibis Entsatz. Severus setzte den Fuß auch
über den Tigris. Seleukeia ergab sich, Ktesiphon wurde erstürmt (Ende 197
n. Chr.). Dagegen scheiterte ein zweimaliger Vorstoß gegen Hatra. Schließ-
lich bequemten sich die Parther zu einem Friedensschluß, in dem sie zu
Roms Gunsten auf Mesopotamien verzichteten, das künftig wie Ägypten
von Statthaltern aus dem Ritterstand verwaltet wurde. 3) Severus verweilte
noch längere Zeit im Orient; er besuchte auch Ägypten, wo Unruhen aus-
gebrochen waren. Erst im Jahr 202 n. Chr. betrat der Kaiser die Reichs-
hauptstadt wieder.
Wie Vespasian hatte auch Septimius Severus die schwere Aufgabe, das
durch Mißwirtschaft des Vorgängers und blutige Bürgerkriege zerrüttete
Reich wiederherzustellen. Dazu bedurfte es großer Geldmittel, die er durch
die erwähnten Konfiskationen aufbrachte; die Anhänger des Niger und des
Albinus mußten die Niederlage ihrer Herren teuer bezahlen. Severus war
ein tatkräftiger Herrscher von starkem Pflichtgefühl. Seine Regierung macht
in mehr als einer Hinsicht Epoche. Er hat die monarchische Gewalt stärker
betont und die Vorrechte des Senats zugunsten der Ritter namentlich im
Heeresdienst eingeschränkt. Den Soldaten, denen er ja den Thron verdankte,
galt vor allem seine Gunst; er erhöhte den Sold, hob ihre soziale Stellung
und gestattete ihnen z. B. die Ehe; aber einem weniger energischen Herr-
scher konnte die verwöhnte und immer stärker barbarisierte Soldateska leicht
über den Kopf wachsen. Die prätorischen Kohorten hat Severus gleich
nach seinem Einzug in Rom (193 n. Chr.) aufgelöst; an ihre Stelle trat eine
Garde, die sich aus zuverlässigen Leuten aller Truppen ohne Rücksicht auf
die Nationalität rekrutierte; damit warder italische Charakter der Garde preis-
gegeben, wie auch die Italiker ihrer militärischen Vorrechte verlustig gingen."*)
Sohn, den achtjährigen Bassianus zum ; a. a. O. 89 ff.
Caesar, vita Severi 10,3. ^) Über diese Partherkriege vgl. A.v.Gut-
') O. Hirschfeld, Kl. Sehr. 426 ff.
2) ILS I nr. 422. 423. Folgerichtig er-
zwang Severus zugleich die nachträgliche
Konsekration desCommodus, s. Hasebroek
scHMiD, Gesch. Irans 151 ff'.
••) Oben S. 289 f. A. v. Domaszewski, Die
Rangordnung des röm. Heeres, Bonner
Jahrbücher 117, 1908, 88.
:U6
Römische Geschichte.
Überdies wurde in nächster Nähe Roms, auf dem Albanerberg, ein Legions-
standlagcr errichtet. Es war das Programm des Kaisers, die Privilegien
Roms und Italiens zu beseitigen und den Provinzen die volle Gleichberech-
tigung zu gewähren.!) Um Rom ganz zu seiner Stadt, zur Kaiserstadt zu
machen, entfaltete er dort eine lebhafte Bautätigkeit; er ließ auch einen
neuen Stadtplan aufnehmen, von dem Reste erhalten sind. 2) Auch litera-
rische Interessen hegte der Kaiser, der selbst seine Memoiren aufzeichnete. 3)
Die von Pertinax angebahnte Trennung des kaiserlichen Privatvermögens
(res privata) von dem unter kaiserlicher Verwaltung stehenden Staatsgut
hat Severus durchgeführt.*) Als der nächste am Thron schaltete lange Zeit
mit einer Machtvollkommenheit, die an die Tage Seians erinnert, der Prä-
torianerpräfekt C.FulviusPlautianus, der mit zur kaiserlichen Familie zählte.
Der älteste Kaisersohn war sein Eidam und dessen Intrige fiel er schließ-
lich zum Opfer (Anfang 205 n. Chr.).^) Der eine Nachfolger Plautians wurde
der große Rechtslehrer Aemilius Papinianus. 208 n. Chr. begab sich der
Kaiser mit seinen beiden Söhnen nach Britannien, um die Grenzvölker im
Norden, die Kaledonier und Maaten, von denen die Provinz viel zu leiden
hatte, zu unterwerfen. In mühseligen Kämpfen wurden die Barbaren be-
zwungen und die hadrianische Grenzsperre erneuert. Aber bald erhoben
sie sich abermals. Über neuen Rüstungen überraschte den gichtleidendeu
Kaiser der Tod in Eburacum (York) am 4. Februar 211 n. Chr.
Er hinterließ die Herrschaft seinen beiden Söhnen, dem M. Aurelius
Antoninus,'') dem früheren Bassianus, der den Übernamen Caracalla^) führte,
und dem ebenfalls noch bei Lebzeiten des Vaters zum Caesar und Imperator
ernannten P. Septimius Geta. Der Druck der Umgebung und des Heeres
zwang Caracalla, dem Willen des toten Vaters gemäß den jüngeren Geta
als gleichberechtigten Augustus neben sich zu dulden. Der Krieg in Bri-
tannien wurde schleunigst liquidiert; noch im Jahr 211 n.Chr. kehrten die
kaiserlichen Brüder nach Rom zurück. Von Kindesbeinen an hatten sie
sich gehaßt und ihre Zwietracht spaltete den Hof und die Hauptstadt in
zwei Lager. Die feindlichen Brüder sollen an eine förmliche Teilung des
Reichs gedacht haben. Eine Versöhnung war unmöglich und schon Anfang
212 n. Chr. ließ Caracalla den Bruder in den Armen der Kaiserinmutter,
der Syrerin Julia Domna, von gedungenen Centurionen erschlagen. Auf den
Brudermord folgte die Hinrichtung zahlreicher Freunde Getas; unter den
Opfern war auch der Prätorianerpräfekt Papinianus. Von dem Mitregenten,
dessen Andenken der Acht verfiel, befreit, überließ sich Caracalla zumeist
seinen unwürdigen Passionen; einen großen Teil der Regierungsgeschäfte
führte seine Mutter, die schon bei ihrem Gatten Severus viel vermocht hatte. 8)
') O. HiESCHFELD, Die kaiserl. Verwal-
tungsbeamteu- 480 ff".
^) H. Jordan, Forma urbis Romae, Berlin
1874. EiCHTER, Topographie der Stadt
Rom 1. 61.
^) H. Peter, Historie. Romanorum fragm.
329 f.. Historie. Romanornm reJiquiae II
p. CLXXVIir, 118.
••) O. HiESCHFELD a. 3. O. 20 ff.
*) Nach dem Chronic. Paschale am 22. Ja-
nuar 203. in Wahrheit zwei Jahre später.
Vgl. E. Bormann. Bull. deW institnto 1867,
218 f. und Hasebroek a. a. O. 136 ff".
6) Vgl. P. V. Rohden, PW II 2484 ff.
') earncaUa heifät der gallische Umhang
mit Kapuze, den — in veränderter Form —
der Kaiser mit Vorliebe trug und auch
beim Heer einführte.
s) Sie führt seit 195 n. Chr. den Ehren-
namen mater ca.itrorimi. ILS I nr.425 f. Sie
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. i'§ 49.) 347
Caracalla warb vor allem um die Gunst der Soldaten. Ihren Sold erhöhte
er auf Kosten der Steuerzahler. Die militärische Disziplin wurde unter-
graben. Weder als Heerführer noch als Regent hat Carucalla sicli be-
währt, i) Bald herrschte wieder das alte Finanzelend, und es geschah nicht
zum wenigsten im Interesse des Fiskus, wenn Caracalla mit einem Feder-
strich das römische Vollbürgerrecht allen freien Reichsangehörigen verlieh
(212 n. Chr.). Denn nur die Bürger, deren Zahl sich so mit einem Schlag
vermehrte, durften zur Erbschaftssteuer herangezogen werden. Zugleich
brachte diese sog. Constitufio Antotntiiana den schon von früheren Kaisern
eingeleiteten Nivellierungsprozeß zu einem gewissen Abschluß. Italien hatte
vor den Provinzen nichts mehr voraus. 2)
213 n. Chr zog Caracalla ins Feld an die Donaugrenze, wo sich die Nach-
barn wieder regten. Am Oberrhein erscheint damals zuerst der neue Völker-
bund der Alamannen. Der Kaiser drang 213 n. Chr. über den rätischen
Limes in Germanien ein und kämpfte gegen Alamannen und Chatten. 3)
Doch bald schloß er einen Frieden, den er durch Geschenke und Jahrgelder
erkaufte.*) Im nächsten Jahr 214 n. Chr. finden wir ihn an der unteren
Donau im Krieg mit den dortigen Grenz Völkern.^) Von da begab er sich
in den Orient, wo ihn die Armenier und die Parther beschäftigten. Da
die beiden Söhne des Partherkönigs Vologases V, Vologases VI und Arta-
banos V, sich gegenseitig den Thron streitig machten, so schien der Augen-
blick für ein Eingreifen Roms günstig zu sein. Caracalla träumte davon,
den Osten völlig unter römische Botmäßigkeit zu bringen. Ihm schwebte
die Siegeslaufbahn Alexanders des Großen vor, mit dessen Andenken er
einen förmlichen Kult trieb und den er selbst in Tracht und Haltung nach-
äfPte. Den Winter 214/15 n. Chr. verbrachte er in Nikomedien '^) und zog
dann durch Asien weiter.'') Als er in Antiochien erschien, fügte sich Volo-
hatte schöngeistige Interessen ; auf ihren [ callo in Germania et Sarmatia gestis, Diss.
Wunsch schrieb Philostratos das Leben t Breslau 1866 ;B. Bockhoff, De eT^<;(??Y/OHi&?<s
des Apollonios. Philostr. vit. Apoll, p. 4, 2 l M. Aurelil Äntonini CaracaUi, Diss. Münster
ed. Kaysek. Vgl. Mary Gilm. Williams, 1868; Alkuin Holländer, Die Kriege der
AmericatiJourn. of arcJieoIog)/Yl,1902,2b9ff. Alamannen mit den Römern im dritten
Über die ihr in Athen erwiesenen Kult- Jahrh.n.Chr., Karlsruhe 1874. Carl Schnei-
ehren s. A. v. Peemerstein, Jahreshefte des der, Beiträge zur Gesch. Caracallas. Diss.
österr. archäol. Instituts XVI, 1913, 249 ff. Marburg 1890. Für einen germanischen
^) Eine „Rettung" Caracallas versucht Sieg Caracallas opferten die Arvalbrüder
O. Th. Schulz, Der römische Kaiser Cara-
calla, Leipzig 1909.
^) Die gekürzte griechische Übersetzung
am 6. Oktober 213 n. Chr. in Rom. Ada
fratrum arvalium ed. Henzen p. 193. ILS I
nr. 451. Limesblatt von 1897 nr. 25 S. 688 ff.
des betreffenden Ediktes, der constitutio ■*) Man behauptet, daß die Jahrgelder,
Antoniniana, hat sich auf einem Gießener . die er den Grenznachbarn zahlte, ebenso
Papyrus gefunden. Alle freien Reichs- ; hoch gewesen seien, wie der Sold der
angehörigen mit Ausnahme der — sehr Truppen. Cass. Dio LXXVIII 17, 3.
zahlreichen — dediticü erhalten das rö- [ ^) Es werden die Karpen genannt, die
mische Bürgerrecht. Unter den dediticü 1 damals zuerst in derGeschichte erscheinen,
sind die Kopfsteuerpfliehtigen zu ver- A. v. Domaszewski. Korresp.-Bl. d. Westd.
stehen. Vgl. P. M. Meyer in den Griech. Zeitschr. XIX (1900) 146. Rhein. Mus. N. F.
Papyri zu Gießen Bd. I nr. 40, S. 29 ff. 164 f. LVII (1902) 506 ff.
Mitteis- WiLCKEN, Grundzüge u. Chresto- ^) In seinem Gefolge befand sich der
mathie der Papyruskuude I 1, 55 ft\ II 1, Senator Cassius Dio, der in seinem Ge-
288 ff*. II 2 nr. 377. P. M. Meyer, Juristische
Papyri, BerHn 1920, nr. 1.
^) P. NiSLB, De belHs ab Antonino Cara-
schichtswerk LXXVII 17 das Treiben des
Kaisers schildert.
') Bull, de corr. /?c//<'«. X 406. 417; XI 92,
348 Römische Geschichte.
gases den römischen Forderungen. Der Krieg wurde also aufgegeben, und
der Kaiser wandte sich nach Ägypten (215 n. Chr.), wo er die Alexandriner,
die sich ihm schon früher als Anhänger Getas verhafat gemacht hatten,
seinen Zorn fühlen ließ. Eine Revolte wurde im Blut erstickt und Alexan-
dreia nach grausamem Kriegsrecht l^ehandelt.') Bereits im nächsten Jahr
ist Caracalla auf einem neuen Kriegszug gegen Armenien und die Parther
begriffen. Inzwischen hatte Artabanos überVologases obgesiegt; der römische
Kaiser begehrte die Hand der Tochter des neuen Partherkönigs in der Ab-
sicht, durch dieses Heiratsprojekt beide Reiche in seiner Hand zu vereinigen.
Als Artabanos dieses Ansinnen zurückwies, eröffnete der verschmähte Eidam
kurzerhand die Feindseligkeiten,''^) und da die Parther nicht vorbereitet waren,
so drang Caracalla, ohne auf Widerstand zu stoßen, über den Tigris in Adia-
bene und die Landschaft von Arbela ein (216 n. Chr.). Aber die Parther
sammelten jetzt ihrerseits ein großes Heer. Als der Kaiser im nächsten
Jahr aus den Winterquartieren in Mesopotamien gegen die parthische Über-
macht ins Feld ziehen w^ollte, wurde er am 8. April 217 n. Chr. auf dem
Weg von Edessa nach Carrhae ermordet.^)
Den Mord hatte der Gardepräfekt des Kaisers M. Opellius^) Macrinus
angestiftet. Er hatte um sein eigenes Leben gebangt und war deshalb dem
Kaiser zuvorgekommen. Drei Tage nach der Tat wurde er zum Imperator
ausgerufen und in Rom und bei den Heeren anerkannt.^) Wie er sein Amt
als Präfekt mit Redlichkeit und Umsieht verwaltet hatte, so bekundete er
auch auf dem Thron den besten Willen. Er ist der erste Kaiser aus dem
Ritterstand; seinen erst neunjährigen Knaben M. Opellius Antoninus Dia-
dumenianus erhob er zum Caesar.*^) Macrinus brachte zunächst den Parther-
krieg, für den Rom nicht genügend gerüstet war, zum Abschluß. Wenn
auch die Parther die ihnen gebotene Hand fürs erste ausschlugen und Waffen-
erfolge erfochten, so ließen sie sich doch schließlich gegen ansehnliche Geld-
zahlungen zu einem Frieden herbei, der keine wesentlichen Gebietsverände-
rungen brachte. Auch an der dakischen Grenze sicherte Macrinus durch
Nachgiebigkeit den bedrohten Frieden. Innerpolitisch versuchte er einige
') Vielleicht hatten die Alexandriner den 1 ') Über Caracallas Ermordung vgl. A.
kaiserliehen Zorn auch dadurch heraus- | v. Domaszewski, Rh. Mus. LVII(1902)506ff.
gefordert, dafs sie sich der beabsichtigten [ *) Opellius (nicht Opilius) ist die richtige
Aushebung widersetzten. Herodian IV durch Inschriften und Münzen gesicherte
9, 4 ff. Man kann ferner einen Zusammen- Form dieses Namens. Er stammte aus
hang mit den in Ägypten damals herr- Mauretanien und war als Präfekt, wie es
sehenden Mißständen vermuten. Die ge- scheint, Nachfolger des Papinianus.
plagte und bedrückte bäuerliche Bevöl-
kerung der yMoa, der „Provinz", entzog
sich nämlich ihrem harten Los nicht selten
^) Die Vermutung von B. Keil, Nachr.
der Gott. Ges. der Wiss. 1905, 321 ff., daß
die fälschlich dem Aristides zugeschrie-
durch die Flucht nach der „Stadt'', nach bene Rede «cjöV/ö«-^.«« auf Macrinus gehalten
Alexandrien. Die Ausweisung dieser Ele- sei, ist von E. Groag, Studien zur röm.
mente, der „wahren Ägypter", verfügte Kaisergeschichte, Linz 1918, 13 ff. wider-
Caracalla in einem Erlaß, dessen Wort- legt. Groag bezieht die Rede auf Philippus
laut durch einen Gießener Papyrus be- Arabs,
kannt wurde. Mitteis -Wilcken, Grund-
züge u. Chrestomathie der Papyruskunde
I 1, 61. I 2 nr. 22.
^) F. W. Drexler, Caracallas Zug nach
In Ägypten wird nach Vater und Sohn
datiert. Greek papijri of fhe Brit. Mus. p. 93.
Preisigke, Griech. Papyri der kais. Univ.-
Bibl. Straßburg I 14. Macrinus führt den
dem Orient, Diss. Halle 1880. Beinamen Severus.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§49.) 349
Reformen: er hob dinickende Steuern auf und reduzierte die von Caracalla
bewilligten Solderhöhungen. Dadurch entfremdete er sich die Soldaten, auf
deren Huld er doch angewiesen war; unter den Legionen Syriens begann
es zu gären. Noch lebten dort Angehörige des severischen Hauses. Zwar
hatte Julia Domna, die Witwe des Severus, nach dem Tod ihres Sohnes
Caracalla ihren politischen Sturz nicht überleben mögen ; aber deren Schwester
Julia Maesa lebte noch im Genuß eines großen Vermögens in Emesa. wohin
sie von Macrinus verwiesen war. Von den beiden Töchtern der Maesa,
Soaemias und Mamaea, besaß die ältere, Soaemias, aus ihrer Ehe mit Varius
Marcellus einen vierzehnjährigen Sohn, Varius Avitus Bassianus. der damals
Priester des Sonnengottes Elagabal in Emesa war; dieser Jüngling wurde nun
auf Betreiben eines gewissen Eutychianus von den Soldaten als M. Aurelius
Antoninus zum Kaiser ausgerufen (16. Mai 218 n. Chr.) und fand bald allent-
halben Geltung. Vergebens suchte Macrinus sich zu behaupten; er wurde
vor Antiochien geschlagen (S. Juni 218 n. Chr.) und auf der Flucht in den
Westen in Kalchedon ergriffen und getötet: sein Sohn Diadumenianus, der
sich zu den Parthern begeben wollte, erlitt das gleiche Schicksal. Der
Thronwechsel war in einigen Provinzen, namentlich in Ägypten, von Un-
ruhen begleitet.
Der neue Kaiser, der sich nur auf die Soldaten stützte, zog durchVorder-
asien und die Donauprovinzen nach Rom, wo er 219 n. Chr. eintraf; der
weichliche Orientale, eine Sultansnatur, der jeder Begriff von römischer
Würde abging, führte ein bizarres und ausschweifendes Leben.') Er brachte
den Kultus des Sonnengottes mit und nannte sich selbst sacerdos a^nplissi-
mus dei invicti Solls Elagabali; so erklärt sich sein Beiname Elagabal. Die
Regierungsgeschäfte führte die ehrgeizige Großmutter des Kaisers, Julia
Maesa, die, zur Augusta erhoben, das Ziel erreichte, das einer Agrippina
vorgeschwebt hatte; sie nahm offiziell an den Senatssitzungen teil. Das
skandalöse Treiben ihres Enkels ging sogar der von ihm verwöhnten Solda-
teska zu weit und gefährdete die Dynastie; deshalb mußte Elagabal im
Jahr 221 n. Chr. seinen allgemein beliebten, nur um wenige Jahre jüngeren
Vetter Alexianus oder Bassianus adoptieren, den Sohn der Mamaea, der
unter dem Namen M. Aurelius Alexander zum Caesar und Mitregenten er-
hoben wurde. 2) Elagabal, der den ihm verhaßten Mitregenten gerne beseitigt
hätte, wurde schließlich selbst von den Soldaten erschlagen, erst achtzehn
Jahre alt (März 222 n. Chr.).^) Nunmehr trat der junge M. Aurelius Severus
Alexander die Regierung allein an.^) Er zählte noch keine vierzehn Jahre,
hatte eine sorgfältige Erziehung genossen und war eifrig bestrebt, seine
Pflicht zu tun und die Fehler seiner Vorgänger gut zu machen; aber die
Aufgaben, vor die er sich gestellt sah, gingen weit über die Kräfte des
') Der Kettungsversuch, den J. S. Hay,
The amazing emperor. Heliog., London 1911,
unternahm, ist nicht geglückt.
2) Den Augustustitel, der auf Papyrus-
urkunden ihm beigelegt wird, hat er da-
mals noch nicht erhalten. Abusiver Ge-
brauch des Titels läfst sich auch bei Cara-
calla, Geta und dem Sohn des Maximinus
Thrax nachweisen. Vgl. Thiele a. Anm.4
a. 0. 57 und Hönn A. 118.
*) Vgl. Cass. Dio LXXIX 39, 1 ; LXXX
3, 3. Ettore Calligabi, yota cronologica '
quando ahhia comhiciafo a regnare Älessandro
Sevcro, Padova 1896.
*) W. Thiele, De Serero AJe.raudro itnp.,
Berlin 1909. K. Hönn, Quellenunters, zu
den Viten des Heliog. u. des Sever. Alex.,
Leipzig u. Berlin 1911.
;}5(J Römische Geschichte.
wohlmeinenden, aber unselbständigen Jünglings, dei* sich auch in späteren
Jahren niclit von weiblicher Bevormundung, wie sie eine Zeitlang noch
seine Großmutter Julia Maesa") und beständig seine Mutter Mamaea aus-
übten, zu befreien vermochte; letztere war Mitregentin und erhielt dieselben
Ehren und Titel wie früher Julia Domna. Mit besonderer Auszeiclinung
wurde der Senat behandelt; sechzehn seiner Mitglieder bildeten als Rat-
geber des jungen Kaisers einen besonderen Regentschaftsrat und auch in
dem juristisdi tätigen consiliuni principh (Staatsrat) war das senatorische
Element vertreten;-) die maßgebende Rolle in diesem Staatsrat, dem sie
als Prätorianerpräfekten angehörten, fiel den großen, aus dem Ritterstand
hervorgegangenen Rechtsgelehrten, dem Domitius Ulpianus, dem Lehrer des
Herennius Modestinus, und dem Julius Paulus zu. Der Krebsschaden war
die Zuchtlosigkeit der Soldaten, die Caracalla großgezogen hatte. Es scheint,
daß unter Severus Alexander die militärischen Ausgaben eingeschränkt
wurden, was bei den Truppen viel böses Blut machte. Es kam mehrfach
zu gefährlichen Meutereien, in den Provinzen wie in Rom, wo der wegen
seiner Strenge verhaßte Ulpian von seinen Prätorianern unter den Augen
des Kaisers ermordet wurde. Durch hohe Donative suchte Severus Alexander
die Empörer zu besänftigen. Die Truppen, die der Staatskasse so teuer zu
stehen kamen, leisteten nur wenig und mißhandelten überdies die Unter-
tanen. Dabei herrschte Mangel an Soldaten; ihm durch die Ansiedlinig von
Barbaren auf römischem Boden abzuhelfen, w^ar ein gefährliches, aber un-
entbehrliches Mittel. Rom brauchte ja ein starkes Heer, um seine Grenzen
zu decken.
Denn besonders im Osten geriet der Bestand des Reiches in ernste Ge-
fahr, als im Partherreich eine neue kriegerische Dynastie emporkam. 3) Die
Arsakiden, längst durch unauf hörhche Thronstreitigkeiten geschwächt, mußten
einem neuen Fürstengeschlecht weichen. Ardaschir (Artaxerxes), Sohn des
Pabak,*) Fürst im eigentlichen Persien, stürzte nach längeren Kämpfen den
letzten Arsakiden Artabanos und machte sich zum Herrscher des Reichs;
er gründet die Dynastie der Sasaniden (224: oder 227 n. Chr.).^) Die Arsa-
kiden behaupteten sich nur in Armenien. Mit dem Aufstieg der Sasaniden
war ein nationaler und religiöser Umschwung verbunden; die Religion
Zarathustras wurde in vermeintlich alter Reinheit wiederhergestellt, und
der Hellenismus der Parther durch den „Iranismus" verdrängt.*') Unter den
neuen Herrschern entfaltete das Reich ein höheres Maß von Stoßkraft als
früher, und die Selbständigkeit der. einzelnen Landschaften trat hinter der
zentripetalen Bewegung zurück. Die Sasaniden bedrohten alsbald die römi-
') Maesa starb um 226 n. Chr. Vgl. Thiele Th. Nöldeke, Tabaris Gesch. der Araber
a. a. O. 67. und Perser zur Zeit der Sasaniden, Leyden
^) Der Senator Cassius Dio, 229 n. Chr. 1879. Aufsätze zur persischen Geschichte
Mitkonsul des ihm geneigten Kaisers Seve- " (Leipzig 1887) SiS f.
rus Alexander, legt in seinem Geschichts- *) Daher der Beiname Babekan.
werk (LH l-l ff.) dem Maecenas seine eige- '") Benannt nach Sasan, dem Vorfahren
uen Ideen über eine Reform der Monarchie des Ardaschir. Sasan war Priester. Vor-
in den Mund. Vgl. P. Meyer, De Maecenatis steher des Feuertempels der Anaitis bei
oratione a Diane fcta, Diss. Berlin 1891. Persepolis (Istachr).
Ed. Schwartz, PW III 1719 f. ^) Vgl. E. Korxemann bei Gercke-Norden,
^) Vgl. A.v. GuTscHMiD, Gesch. Irans 156; Einl. in die Altertumswiss. III"'' 298 ff.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ •")().) 35^
sehen Grenzen; man wollte Mesopotamien zurückerobern und dachte sogar
an eine Wiederherstellung des alten persischen Reiches. J]s gelang den
Persern, die zuchtlosen, zum Teil verräterischen römischen Truppen aus
Mesopotamien zu verdrängen; sie rückten weiter sogar in Syrien und Kappa-
dokien ein (231 n. Chr.), Severus Alexander mußte selbst gegen die Perser
zu Felde ziehen. Die Berichte über seinen Feldzug sind ungenügend und
widerspruchsvoll. 1) Die Römer drangen mit drei Heeren vor, deren mitt-
leres der Kaiser selbst befehligte (232 n. Chr.). Wenn es auch gelang, den
Angriff der Perser zurückzuwerfen und sie in ihre früheren Grenzen zu
verweisen, so w^aren doch die Verluste der Römer sehr schwer, und da zu-
gleich andere Gefahren drohten, 2) so mußte Severus Alexander den Perser-
krieg einstellen. Vor allem war es geboten, den Angriffen der Germanen
auf die Rhein- und Donaugrenze zu begegnen. Ohne daß ein formeller
Friede mit den Persern zustande gekommen wäre, kehrte Severus Alexander,
der sich immerhin als Sieger betrachten konnte, nach Rom zurück; dann
begab er sich nach sorgfältiger Rüstung an den Rhein (234 n. Chr.), wo er
sein Hauptquartier in Mainz aufschlug. Nach verschiedenen Unternehmungen
mit wechselndem Erfolgt) wurden (Winter 234/35 n. Chr.) Unterhandlungen
angeknüpft, um den Frieden mit den Germanen wiederherzustellen; wie es
schon unter Caracalla geschehen war, hat man dabei mit Geschenken nicht
gespart. Dies Paktieren mit den Barbaren untergrub das Ansehen des un-
kriegerischen Kaisers. Auch seine Sparsamkeit und die Abhängigkeit von
der Mutter erregten das. Mißfallen der Soldaten. Ein beliebter und bewährter
Troupier, C. Julius Verus Maximinus, wurde zum Imperator ausgerufen und
als solcher von der ganzen Armee anerkannt. Maximinus ließ den Kaiser
und dessen Mutter Mamaea ermorden (Februar oder März 235 n. Chr.).^)
Mit Alexander erlosch die severische Dynastie. Die Usurpation des Maxi-
minus führte über das Reich eine Periode endloser Wirren herauf.
50. Kaisertum, Reich und Provinzen. Hier sei zunächst ein kurzer
Überblick über das Kaisertum vind seine Leistungen, über Bestand und
Lage der Provinzen wie des Reichs eingeschaltet.
Der Prinzipat, das kaiserliche Amt hatte sich seit seiner Begründung
durch Augustus immer mehr zur eigentlichen Monarchie entwickelt.^) Man
hatte sich an die Alleinherrschaft, die mit Recht als Notwendigkeit em-
pfunden wurde, längst gewöhnt; Volk, Heer und Provinzen wollten von
einer Wiederkehr der Senatsherrschaft nichts wissen; seit dem Ende des
Gaius ist daher die Monarchie nicht mehr in Frage gestellt worden. Nach
dem Sturz des julisch-claudischen Kaiserhauses haben die Flavier, vor allem
1) Herodian VI 5 f. Zonaras XII 15. Vita j für die Thronbesteigung Maximins ergibt
Alexandri Severi 55 ff. G.Krebs, De Seren' die Inschrift CIL VI 2001, Z. 13, aus der
Alexandri hello contra Persas gesto, Düssel-
dorf 1847.
*) Dazu gehört die Seeräuberplage im
Mittelländischen Meer. A. v. Domaszewski.
Rhein. Mus. LVIII 381.
^) Auf einer in Beuel gefundenen In-
schrift wird ein römischer bieg erwähnt.
hervorgeht, daß der neue Kaiser am 25.
März 235 n. Chr. in Rom anerkannt war.
Das Andenken Alexanders und seiner
Mutter wurde geächtet, ihr Name auf
den Denkmälern getilgt.
") MoMMSEN, Rom. Staatsrecht II 2. O.
Hirschfeld, Die kaiserlichenVerwaltungs-
NissEN, Bonner Jahrb. 103 S. 110. i beamten bis auf Diocletian, 2. Aufl. Berlin
*) Einen sicheren termiuus ante quem 1905.
352
Römische Geschichte.
Domitian, später die Severer den monarchischen Charakter des Regiments
mit wachsendem Nachdruck betont. Der Senat, der einstige Mitrogent und
Teilhaber der „Dyarchie", sah sich in Verwaltung und Heerwesen allmäh-
lich mehr und mehr zurückgedrängt; sogar auf seinem eigensten Gebiet
war der Einfluß des Senats im Schwinden begriffen; ohne Zweifel haben
sich selbst die sog. Senatskaiser, ein Nerva, ein Traian und deren loyale
Nachfolger, die den Senat an den Regierungsgeschäften Anteil nehmen
liefsen, weit monarchischer gebärdet, als vordem Augustus oder Tiberius.')
Auch der äußere Umfang des vom Kaiser verwalteten Reichsgebiets hat
zugenommen; die kaiserlichen Provinzen übertreffen die senatorischen an
Zahl wie an Ausdehnung. Wenn auch der Senat als Körperschaft, als Re-
präsentant der obersten sozialen Schicht, sowie als Träger einer Jahrhunderte
alten Überlieferung und besonders als das stabile Element der Verfassung
den w^echselnden Herrschergestalten gegenüber eine nicht zu unterschätzende
Bedeutung besitzt, so mufs er sich doch wohl oder übel als gefügiges Werk-
zeug in den Dienst des Kaisertums stellen, gegen das er nicht regieren
kann. Immer mehr macht sich die kaiserliche Gewalt und Gerichtshoheit
selbst in Rom, Italien und den Senatsprovinzen geltend. Seit Septimius
Severus, der zuerst eine Legion als Besatzung in die Nähe Roms gelegt
hat, nennen sich die Kaiser auch in Italien Prokonsul, 2) während nach
älterem Recht die prokonsularische Gewalt sich nur auf die Provinzen er-
streckt. Der titulare Ausdruck der Monarchie wird bestimmter; durch
Hadrian wird der Name Caemr^ bisher das allgemeine Prädikat der ganzen
regierenden Familie, auf den Mitregenten und designierten Nachfolger als
solchen ausschließlich übertragen, womit der Begriff Caesar seinen besonderen
staatsrechtlichen Inhalt bekommt. 3)
Der Kaiser übt seine Gewalt aus durch eine zahlreiche Berufsbeamten-
schaft, deren Gliederung während der ersten anderthalb Jahrhunderte in
Anlehnung an die von der Republik übernommenen senatorischen Amter
durchgeführt wurde. Die kaiserlichen Amter werden in der Hauptsache
Privileg des Ritterstandes. Dies gilt auch von den Haus- und Hofämtern,
deren Wichtigkeit für die Reichsregierung zuerst unter Claudius deutlich in
die Erscheinung trat. Sie wurden anfangs von den kaiserlichen Freigelassenen
eingenommen, fielen aber allmählich den Rittern zu und verloren so den Cha-
rakter des persönlichen kaiserlichen Dienstes. Epochemachend war für die
Entwicklung des römischen Reichsbeamtenstandes die Regierung Hadrians.
Nach Rang und Gehalt abgestuft bildet sich parallel der längst bestehenden
senatorischen eine ritterliche Ämtercarriere mit der Präfektur von Ägypten
und der Prätorianerpräfektur an der Spitze. Der Prätorianerpräfekt ist der
Stellvertreter des Kaisers und wird insonderheit mit der Ausübung der
höchsten Gerichtsbarkeit betraut. Der Ritterstand findet auch in die Offiziers-
stellen des Heeres Eingang; das Legionskommando bleibt allerdings mit
einigen Ausnahmen noch längere Zeit den senatorischen Legaten vorbehalten ;
erst Septimius Severus hat mit diesem Vorrecht des Senatorenstandes ge-
*) Der jüngere Plinius redet in seinen Tiberius ein Unding gewesen wäre.
Briefen an Traian den Kaiser in der Regel 2) Vgl. E. Stein, Klio XII, 1912, 392 flf.
mit domine an, was unter Augustus oder *) Mommsen, Rom. Staatsrecht II, 1082 ff.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 50.) 353
brocken: aber schon unter den ersten Kaisern treten neben die Offiziere
der senatorischen Kangklasse solche aus dem Kitterstand.
Unter den Ländern, die das Reich ausmachen, i) nimmt ItaHen als Sitz
der herrschenden Bürgerschaft eine bevorzugte Stellung ein. In Form der
Gemeindeverfassung sollte Italien sich selbst verwalten, unter Aufsicht des
Senats und des Kaisers. Erst Augustus hat die Grenzen Italiens endgültig
festgesetzt; das cisalpinische Gallien wurde in sie einbezogen; nach Westen
bildete der FIuFb Varus die Grenze, gegen Osten wurde Istrien bis Pola
noch hinzugerechnet: Augustus hat auch das gesamte Gebiet mit Ausnahme
der Stadt Rom in elf Bezirke oder Regionen geteilt, die Vorläufer späterer
Provinzen. 2) Seit Augustus kann Italien fast ohne Einschränkung als latei-
nisches, national in sich geschlossenes Territorium gelten. Die Wurzeln
seiner Kraft ruhen gerade in den jüngsten Annexen, in dem oberitalischen,
einst überwiegend gallischen Gebiet. Hier und in den angrenzenden Strichen
Mittelitaliens ist die Bevölkerung am dichtesten, sind die Städte am zahl-
reichsten; neben Mediolanium, Ticinum, Cremona, Verona nimmt in der
früheren Kaiserzeit Patavium durch Reichtum und Einwohnerzahl den ersten
Platz ein. Das schon seit langem entvölkerte Unteritalien wieder zur Blüte
zu bringen, blieb den Kaisern trotz allen Bemühungen versagt.^) Selbst
die Umgegend Roms war verödet, nur Kampanien mit Neapel behauptete
seinen früheren Stand; im übrigen waren in der augusteischen Zeit unter
den alten griechischen Städten nur Rhegion und Tarent noch von einiger
Bedeutung. Die Freiheit der italischen Gemeinden war durch das kaiser-
liche Aufsichtsrecht über die Landstraßen von Anfang an eingeengt. Aber
auch sonst ließ sich die Selbstverwaltung nicht aufrecht erhalten; es rissen
seit Nerva namentlich in der Finanzverwaltung und der Rechtspflege Miß-
bräuche ein, die schließlich unter M. Aurelius im Jahr 163/164 n. Chr."*)
zu der Institution der iuridki führten; diese iuridici sind vom Kaiser er-
nannte Richter im Zivilprozeß; allmählich erweiterten sich ihre Befugnisse
zu einem Aufsichtsrecht auf Kosten der Selbstverwaltung der Gemeinden
ihres Sprengeis.
^) Zum Folgenden vgl. vor allem Momm- tannischen, Bd. 3 mit Supplement die öst-
SENS Eömische Geschichte Bd. V. Das sta- licheuProvinzeumitEinschluß der Donau-
tistische Material mit den Belegen und landschaften (bis Eätien), Bd 8 mit Sup-
der neueren Literatur findet sich bei Mar- I plement die afrikanischen.
QUARDT, Rom. Staatsverwaltung I'^ 216 ff", i ^) Plinius hist. nat. III 46. Zu welchem
Einzelne Teile behandeln Camille Jullian,
Les tra)isfor))iations politiques de l'ItaJie sous
les emperews Bomains, Paris 1883; E. Hüb-
NEK, Rom. Herrschaft in Westeuropa, Berlin
1890; J. Jung, Die romanischen Land-
schaften des röm. Reiches, 2. Aufl., Inns-
Zweck diese Einteiknig ursprünglich ge-
trofi^en wurde, ist unbekannt. Vielleicht
sollte sie der Aushebung dienen.
^) Die Ansiedlungen von Veteranen
hatten keine rechte Wirkung. Über die
Erfahrungen, die man in Tarent und An-
bruck 1886. Als Quellen kommen in Be- tium machte, vgl. Tacit. ann. XIV 27. In
tracht die Geograiihie Strabons und die j Italien muß es an unbebautem Land nicht
geographischen Bücher des Plinius hist. gefehlt haben. Das beweisen die Ansied-
nat. III — V, sowie die Geographie des ! lung von Kriegsgefangenen durch Marcus
Ptolemaevxs. Reiches Material bieten die | Aurelius (S. 341) und noch deutlicher die
verschiedenen Bände des CIL. Bd. 2 mit i Verordnung des Pertinax, der das un-
Supplement enthält die spanischen In- | bebaute Land jedem in Kultur zu nehmen
Schriften, Bd. 12 die der narbonensischen \ gestattete. Herodian. II 4, 6. Vgl. auch
Provinz, Bd. 13 umfaßt die drei Gallien ] Sueton. Domit. 9.
und die beiden Germanien, Bd. 7 die bri- *) Vgl. Rosenberg, PW X 1148.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 23
354 Römische Geschichte.
Erst in der Kaiserzeit wurde Kom zu der imposanten Weltstadt, von
deren Glanz und Pracht nocli lieute die Kuinen zeugen. Nach dem Vorbild
der hellenistischen Großstädte des Ostens haben (he Kaiser die Reichs-
hauptstadt um die Wette mit kostspieligen Luxus- und Nutzbauten, mit
Tempeln, Thermen und anderen Anlagen geschmückt. Nach den Schöp-
fungen des Augustus gaben große Brände') z.B. unter Nero und Titus
(64 und 80 n. Chr.) Anlaß zu großzügiger Bautätigkeit. Die Flavier, ferner
Traian, Hadrian und seine Nachfolger ließen viel bauen, ebenso Septimius
Severus und seine Dynastie. Die Grenzlinie der Stadt im engsten Sinn, das
Pomerium, wurde wiederholt, so von Claudius und Vespasian vorgerückt. ''')
Die Verwaltung der Haupt- und Residenzstadt wird überwiegend kaiserlich.
Der vom Kaiser bestellte Stadtpräfekt {praefectus urhi) wurde bald die maß-
gebende Instanz; mit der Polizei geht die Kriminalgerichtsbarkeit auf ihn
über. Die republikanischen Amter verändern ihr ursprüngliches Wesen;
schon unter Augustus beginnt eine Entwicklung, in deren Verlauf die Volks-
tribunen und Adilen zu hauptstädtischen Beamten werden: unter Severus
Alexander gehen die genannten Amter tatsächlich ein, und es bleibt nur der
Titel. Auch die Prätoren verlieren viel von ihren früheren Befugnissen: sie
haben die hauptstädtischen Spiele auszurichten, während sie die Gerichts-
hoheit zum großen Teil dem Kaiser und seinen Beamten überlassen müssen.
Die Bevölkerung der Weltstadt ist aufs bunteste zusammengewürfelt; selbst
die römische Bürgerschaft, die nach den fünfunddreißig Tribus gegliederte
plebs Bomaiia, Avird von fremden Elementen durchsetzt; beständig strömen
nach Rom aus allen Provinzen Ausländer, von denen die Juden schon früh
ein ansehnliches Kontingent stellen.
Die Provinz Sizilien, die früher ganz griechische Insel, ist nach der Be-
siegung des Sex. Pompeius durch Augustus infolge von späteren Koloni-
sationen in der Hauptsache lateinisch geworden, hat sich also an Italien
angeglichen. Sardinien und Korsika waren noch unter Augustus und Tiberius
nicht völlig beruhigt:^^) unter kaiserlicher Verwaltung machte die Befriedung
der Einheimischen im Innern der beiden Inseln Fortschritte. Durch An-
siedlung von Kolonisten wurde das italische Element und die lateinische
Sprache gefördert.
Die spanischen Provinzen der Pyrenäenhalbinsel hat, wie schon er-
wähnt (S. 299), erst Augustus endgültig dem Reich einverleibt und für die
Dauer beruhigt. Noch unter diesem Kaiser wurde von den beiden schon
vorhandenen Provinzen als dritte Lusitanien abgezweigt.^) Die spanischen
Stämme wurden zum Heeresdienst stark herangezogen. In denjenigen Ge-
bieten, die schon lange römisch waren, namentlich in der jenseitigen Provinz,
der Baetica, haben sich frühzeitig Italiker niedergelassen und lateinische
Sprache und Zivilisation verbreitet. Schon zu Caesars Zeit hatten sich viele
römische Bürger dort seßhaft gemacht. Die Stadt Gades, der Caesar das
') P. Werner, De incendiis urhi.-i Romae (>. Hirschfelds 0(h Geburtstag 221 f. Die
aetate hnperatonmi, Diss. Leipzig 1906. Bildung einer besonderen Provinz Lusi-
'')RicHTER,Topographied. Stadt Rom 53 flf. tanien hat sich schon unter der letzten
3) Tacit. ann. II 85. Strabo V 224 f.
*) E. KoRNEMANN in der Festschrift zu
Verwaltungsära des Pompeius vorbereitet.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ öO.) 355
Bürgerrecht verlieh, ist in augusteischer Zeit wohl die gröfjte aul^eritalische
römische Stadt mit fünfhundert Bürgern von Ritterrang. i) In der dies-
seitigen Provinz haben schon Sertorius und Pompeius als Pioniere der Latini-
sierung gewirkt, später hat Augustus in ganz Spanien diese Kulturarbeit
in zukunftsreichen Gründungen methodisch fortgesetzt vmd rascli vollzieht
sich des weiteren die Bildung städtischer Gemeinwesen. Schon Vespasian
war in der Lage, sämtlichen spanischen Gemeinden das latinische Recht
zu bewilligen. Die Zahl der ländlichen Stammverbände war in rascher Ab-
nahme begriffen.^)
Unter den gallischen Provinzen nimmt die älteste, die Narbonensis. eine
Sonderstellung ein.^) Schon Caesar hat sie von dem übrigen Gallien los-
getrennt, und diese Scheidung wurde definitiv, als die Narbonensis 22 v. Chr.
im Austausch gegen Illyrien vom Kaiser auf den Senat überging. Gleich
nach der ersten Eroberung hatte die Latinisierung begonnen, der die Koloni-
sationen des Diktators Caesar und des Augustus kräftigen Vorschub leisteten.
Neben dem alten Narbo wurden die Kolonien Arelate, Forum Julii (Frejus),.
Aquae Sextiae (Aix) u. a. gegründet, dazu Gemeinden latinischen Rechtes,,
wie Nemausus (Nimes), und das gallische, rasch latinisierte und zur Kolonie
erhobene Vienna. Von dem städtischen Leben, das hier aufblühte, legen
noch heute erhaltene Bauwerke Zeugnis ab. Jene Gründungen geschahen
zum Teil auf Kosten des alten Massalia, das sich von der Katastrophe der
Eroberung durch Caesar niemals erholt hat. Augustus hat die ehrwürdige
Stadt wenigstens einigermafsen entschädigt: sie bewahrte als eine Pflegstätte
höherer griechischer Kultur und feinerer Bildung ihren Rang, der sie über
die von ihr beeinflußte gallische Umwelt emporhob.
Wesentlich anders ist die Gliederung des großen Galliens, nämlich der
drei gallischen Provinzen, die zusammen eine besondere Einheit bildeten
(oben S. 295).^) Hier ist nach der augusteischen Ordnung nicht die Stadt-
gemeinde, sondern der Stamm {cirifas) die Grundlage der Provinzialverwal-
tung. Wohl gab es auch hier Städte und zwar recht ansehnliche, aber sie
waren dem Stamm untergeordnet. Natürlich hat die römische Regierun,«-
die großen Klientelverbände aufgelöst und die früher mächtigen Stämme
geschwächt, die schwächeren von der Abhängigkeit befreit.") Die Gegen-
sätze und Streitigkeiten der Stämme untereinander überdauerten indes noch
lange die römische Eroberung und wurden nicht selten akut. Aus der
Stammverfassung erklärt sich die Erscheinung, daß die Hauptorte in vielen
Fällen ihren eigenen Namen verloren und den Stammnamen annalimen, wie
') Strabo III 109. 1876—1893. Fustel de Coülanges, Ulstoive
2) Dies zeigt der Vergleich der Statistik des instihdions poJit!que.'< de Vancienne France,
der tarrakonensischen Provinz bei Plinius revue par C. Jüllian I (Paris 1891) 65 If.
{III 18 ff.) und Ptolemaeus (Geogr. II 5). Zu den nationalen Eigentümlichkeiten der
Die 114 ländlichen Gemeinden des Plinius drei Gallien gehört auch das Wegemaß,
sind bei Ptolemaeus auf 27 zusammen- die leuga: sie mißt 1' 2 Milien oder 2,22 km.
geschrumpft. 5) Damit wird zusammenhängen, daß der
3) L. Herzog, (ialJiae Xarbonensis pro- frühere Hauptort der Aeduer. Bibracte,
vinciae hi^toria.descr/ptio etc. Leipzig 1864. verschwindet und durch das neue Augu-
O. HmscHFELu, Kl. Sehr. 19 ff. stodunum ersetzt wird, und ähnlich bei
^) E. Desjardins, Geographie historlque et den Arvernern Gergovia durch Augusto-
administrative de la Gaule Romaine, Paris nemetum. O. Hirschfeld. Kl. Sehr. 186 ff.
23*
356
Römische Geschichte.
/,. B. die alten Städte Lutetia (oder Lukotokia), Durocoitoruni und Samaro-
briva die Namen der Parisier, Anibianen und Remer eintauschten. i) Nur
wenige römische Städte wurden hier gegründet; die bedeutendste ist die
48 V. Chr. auf dem Gebiet der Segusiaver an der Mündung des Arar in die
Khöne angelegte Kolonie Lugudunum,^) wo am 1. August 12 v. Chr. die am
Hoinae et AiH/iisfi als religiöser Mittelpunkt der gallischen Provinzen ein-
geweiht wurde. Alljährlich versammelten sich hier am Stiftungstag die Ver-
treter der sechzig (oder später vierundsechzig) gallischen Stämme unter einem
gewählten Priester zur gemeinsamen Festfeier. Lugudunum galt als die
bevorzugte Zentrale der drei Provinzen; dieses „Rom des Nordens" war
kaiserliche Münzstätte und Garnisonsort einer der stadtrömischen Kohorten.
Das römische Bürgerrecht verbreitete sich in Gallien durch einzelne Ver-
leihungen wie durch den Heeresdienst rasch, und bereits Claudius konnte
zunächst wenigstens den Aduern das iuf> liojionnn verleihen (oben S. 818).
Es bildeten sich größere städtische Ansiedlungen, die nun zu Brennpunkten
der griechisch-römischen Gesittung wurden. Die Gallier erwiesen sich als
sehr empfänglich für die Segnungen einer höheren Kultur und glichen sich
verhältnismäßig rasch ihren Besiegern an. Gallien hat seinerseits dem Reich
viel gegeben. Frühzeitig tritt sein Adel in die römische Aristokratie, den
regierenden Stand, ein; das romanisierte Gallien ist als die wichtigste Pro-
vinz des Westens zu bezeichnen.
Weniger günstig lagen die Dinge in der britannischen Provmz. Es dauerte
lange, bis sie vollständig unterworfen war, und auch nachdem Hadrian
und Antoninus Pius die Nordgrenze befestigt hatten,^) war sie des öfteren
den Einfällen der nördlichen Nachbarn, der kriegerischen Kaledonier und
anderer, ausgesetzt. Septimius Severus hat nach dem Ende des Clodius
Albinus die Provinz in zwei Teile (superior und inferior) geteilt und zu-
gleich den südlicheren, den hadrianischen Wall als Grenze gesetzt. Trotz
den vielen kriegerischen Unruhen haben die Römer auch hier die Grund-
lage der Zivilisation und des städtischen Lebens gelegt. Auf die Eroberung
folgte eine starke Einwanderung; Londinium wurde schon damals ein be-
lebter Handelsplatz.^)
Gallien, mit Ausschlufs der Narbonensis, bildete unter Augustus ein ein-
heitliches Kommando, das sich auch über den Rhein zu den Germanen er-
streckte. Jedoch die Abberufung des Germanicus durch Tiberius 10 17 n.Chr.
(oben S. 307) beendete diesen Zustand. Von nun an gab es drei gesonderte
gallische Provinzen; das militärische Kommando der Rheinarmee wurde ab-
getrennt und mit der Verwaltung der an den Rhein grenzenden links-
rheinischen Landstriche verbunden, die nunmehr die Provinzen Ober- und
Untergermanien ausmachten.^) Das rechtsrheinische Gebiet mit seinen schon
») Heute Paris, Reims und Amiens. Aber ^) E. Krügek, Die Limesanlageu im uördl.
zuweilen behaupten sich die alten Namen; England. Bonner Jahrb. Bd. 110 (1903) 1 ff.
Yesontio ist noch heute Besan(,-on. *) F. Havekfield. TIh- Eomauization of
2) Cass. Dio XLVI 50. O.Hikschfeld, Kl. Roman Britain, 3. Aufl., Oxford 1915.
Sehr. 133 ff. Sonst nur noch das gleich- *) Ob die beiden Germanien eine Pro-
zeitig angelegte Raurica oder Augusta vinz im vollen Sinn bildeten, ist zweifel-
Rauracorum (Äugst bei Basel) und Novio- haft. In finanzieller Hinsicht scheinen sie
dunum (Nyon). Marquärdt a. a. O. I'^ 267. zu Gallien (zur Belgica) gehört zu haben.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 50.) 357
vorhandenen Ansiedlungeni) ging verloren und wurde am Niederrhein dauernd
aufgegeben, nur behielten sich die römischen Besatzungen einen Grenz-
streifen unbebauten Landes vor, auf dem sie keine germanischen Siedler
duldeten: 2) übrigens hatten die Römer nicht selten Gelegenheit, auch in
das freie Germanien einzugreifen. In Obergermanien blieb Mainz gegenüber
auf dem rechten Ufer beim Chattenland, beim heutigen Wiesbaden etwa
bis Frankfurt hin, ein Landstrich als eine Art Glacis in römischen Händen
(oben S. 319), und später sind die Flavier auf dem rechten Rheinufer als
Eroberer aufgetreten. Schon erwähnt ist, daß Vespasian die Neckarland-
schaft unterwarf (S. 328) : Domitian brachte diese Erwerbung zum Abschluß :
derselbe Kaiser drängte von Mainz aus die Chatten zurück, besetzte die
Wetterau und zog eine durch Posten gesicherte Grenzlinie, die den Main
beim heutigen Kesselstadt erreichte und sich südlich vielleicht über den
Odenwald fortsetzte (S. 331). Die späteren Kaiser bis zu Caracalla haben
das Werk weitergeführt:^) unter Antoninus Pius wurde die Befestigungs-
linie weiter nach Osten vorgeschoben: der Main, der bei Groß-Krotzenburg
(bei Hanau) erreicht wurde, bildete bis Miltenberg die Grenze, die dann
schnurgerade südwärts bis Lorch an die Rems, einen Nebenfluß des Neckars,
läuft, um von hier als rätischer Limes nach Osten umzubiegen, bis sie bei
Kelheim oberhalb Regensburg die Donau berührt.-^) Entsprechend wvu'de
von Rätien aus schon durch Vespasian die Reichsgrenze vorgerückt. Die
Grenze war zunächst nur durch einen Limes, den Grenzweg, bezeichnet.
Hadrian befestigte sie durch Pfahlwerk und eine Reihe von Kastellen : in
Rätien wurde später Mauerwerk errichtet. Die Kastelle waren untereinander
und mit dem Hinterland durch Straßen verbunden: den nötigen Rückhalt
boten die großen Legionslager der Rheinlinie, in deren Bereich sich das
Leben einer römischen Provinz entwickelte. In Untergermanien wird die
ehemalige Stadt der Ubier, die Colonia Agrippina (Köln), ein wichtiger
Platz, andere städtische Ansiedlungen entstehen bei den Legionslagern von
Bonna und Novaesium (Neuß),"*) weiter rheinabwärts die Gründungen Traians,
beiVetera die Kolonie LTlpia Traiana (Xanten) und Ulpia Noviomagus (Nym-
Avegen). Die Rheinmündungen, durch Kastelle und Besatzungen geschützt,
wurden der Ausgangspunkt eines regen Handels, der seine Fäden nach
Britannien und dem Norden spann.*') In Obergermanien ist am linken Rhein-
^) Wozu die römische Niederlassung bei Kastelle vuid Anlagen vgl. Sarwey und
Haltern an der Lippe gehört. Hettner (Sarwey und Fabriciüs), Der ober
^) Tacit. ann. XIII 54 ff. germanisch-rätische Limes des Römer
^) Über Hadrian vgl. vita Hadriani 12, (>. reiches. Heidelberg 1894 if., undzurOrien
*) Diese Befestigung nennt man den tierung Westdeutsche Zeitschrift IX 1 tf.
limes, d. h. eigenthch die Grenzlinip und Xllllff.: 134.219: XVIII IflP. E.Fabricius
Grenzstraße. DerLimes verläßt den Ehein Die Entstehung der röm. Limesanlagen
bei Rheinbrohl, zieht an den Taunus, läuft Trier 1902. Vgl. die folgenden Anm.
ostwärts auf der Höhe weiter, schließt '") H. Nissen, Novaesium, Bonner Jahrb.
Butzbach und Friedberg ein und geht ' 111/112, 1904.
dann an den Main. Das berühmteste der ") Der wichtigste Hafen scheint Fectio
Kastelle, die Saalburg bei Homburg (vgl. gewesen zu sein, heute Vechten bei Ut-
L.Jacobi, Das Römerkastell Saalburg, Hom- recht, ein anderer bei Domburg auf Wal-
burg 1897. 2 Bde.), ist zuerst unter Domi- cheren. CIL XIII 2, 2 p. 630 flf. Erwähnens-
tian gegründet, später weiter ausgebaut wert ist eine Inschrift aus Beetgum bei
und unter Antoninus Pius vollendet wor- Leeuwarden in Friesland, die Widmung
den. Über den Limes und seine einzelnen von Fischereipächtern an die dea Hludana
358 Römische Geschichte.
ufer die Stadt der Trcverer (Trier) einer der ältesten und wichtigsten Plätze. i)
Andere städtische Niederlassungen bilden sicli hei den Legionslagern von
Mainz und Strafahurg (Argentoratej, bei Worms (Borhetomagus) und sonstwo.
Das rechte Rheinufer ist wahrscheinlich zum großen Teil von Gallien aus
neu bevölkert worden; wenigstens ist dies bei dem sog. Dekumatenland
der Fall. Schon früh entstand eine Stadtanlage in Aqiiae Mattiacae, dem
heutigen Wiesbaden, 2) später bei Frankfurt in der cifitas l^ninensium bei
Hcddernheim,3) weiter südwärts in Lopodunum (Ladenburg bei Heidelberg),*)
bei den Arae FUiviue (Rottweil) und in Sumelocenna (Rottenburg), an den
Bädern von Badenweiler und Baden-Baden {aquae Aurciuie). Die römische
Zivilisation schlägt hier ebenso Wurzel wie auf dem linken Rheinufer in
(Tullien.^)
In der Provinz Rätien und Vindelicien, die sich an der Donau bis nach
Castra Batava, dem heutigen Passau, erstreckte, wurde eine größere römische
Ansicdlung in AugustaVindeliccBinu, dem heutigen Augsburg, gegründet.*^)
Weit früher und stärker wurde das benachbarte Noricum romanisiert. Es
hatte wahrscheinlich einen großen Teil seiner keltischen Bewohner, der
Taurisker usw., verloren und wurde durch Einwanderer aus Italien neu be-
völkert und zivilisiert. Schon unter Claudius empfing Noricum italisches
Recht. Die angrenzenden Germanen verhielten sich ruhig; deshalb lagen
weder hier noch in Rätien römische Legionen, sondern nur Auxiliarkohorten,
wie denn auch beide Provinzen zunächst bis auf Antoninus Pius und M. Aurelius
nicht Legaten, sondern ritterlichen Prokuratoren unterstellt waren. '')
Donauabwärts schließt an Noricum Pannonien an, das ursprünglich zu
lUyricum gehörte und erst nach dem Ende des pannonischen Aufstandes
(1) n. Chr.) als besondere Provinz eingerichtet wurde. Die Provinz scheint
zunächst nur etwa bis zur Draulinie gereicht zu haben; erst seit den Flaviern
a.a.O. nr. 8830 = ILSInr. 322. DieseGegend künde und die Xeuen Heidelberger Jahr-
geliörte also noch zum römischen Reich. bücher zu verweisen.
') Als Augnsta schon von Mela III 20 '5)AugsburgsAnfänge sind dunkel. Wahr-
erwähnt. Kolonie bei Tacit. bist. IV 62. 72. scheinlich ist die Stadt von Augustus ge-
■^) E. Ritterling, Das Kastell Wiesbaden, gründet. Plinius erwähnt sie noch nicht,
Heidelberg 1909. dagegen wird sie ohne Zweifel von Ta-
^) Der Hauptort dieser Civitas, dessen citus als splendidissima Itat-fiae coJonia be-
Reste bei Heddernheim und Praunheim zeichnet (Germ. 41). Später ist Augsburg
liegen, verdankt seine Gründung vielleicht Municipium: der Beiname Aella läßt auf
dem Traian. Vielleicht war sein Name Verleihung des Stadtrechts durch Hadrian
Nida. CIL XIII 2, 1 p. 425. G.Wolff, Die schließen. Mommsen, CIL III 2 p. 711.
Römerstadt Nida, Frankfurt a. M. 190b. ') Vgl. über die römische Herrschaft im
•*) Lopodunum war (nach Zangemeister, heutigen Süddeutschland : Haug und Sixt,
Neue Heidelb. Jahrb. III 1893, 1 ff.) die Die röm. Inschriften und Bildwerke Würt-
Stadt der Neckarsueben {Suehi Nicretes). tembergs, Stuttgart, 2. Aufl. 1914. F. Ohlen-
^) Zur Orientierung vgl. F. Koepp, Die schlagee, Römische Überreste in Bayern,
Römer in Deutschland, Bielefeld u. Leipzig. 1. Heft, München 1902, und Abhandf. d. k.
2. Aufl. 1912. E. Fabkicius, Baden in der bayer.Akad. d.Wiss. bist. Kl. 1886, Bd. 17,
Römerzeit, Heidelberg 190-5, und Histor. philos.-philol. Kl. 1890, Bd. 18. Der röm.
Zeitschr. 98, 1906, 1 ff . E. Hübner, Röm. Limes in Österreich, 10 Liefer., Wien 1900
Herrschaft in Westeuropa 71 f. Im ein- — 1909. F. PicHLER,.4».s/rwi?o»iff/(a(W.SiEG-
zelnen ist vornehmlich auf die West- lin, Quellen und Forschungen zur alten
deutsche Zeitschrift, die Jahrbücher des Geschichte und Geographie, Heft 2, 3, 4).
VereinsfürAltertumsfreundeindenRhein- Mary B. Peaks, Ciril and militari/ admiui-
landen (Bonner Jahrbücher), die Annalen stration of Noricum and Facfia. Chicago 1907.
des Nassauischen Vereins für Altertums- Vgl. Anm. 5.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 50.) 359
umfaßt sie das ganze Donauufer: infolgedessen fiel dann das bisher zu
Noricum gehörige Carnuntuni, wie auch das benachbarte Vindobona an Pan-
nonien und wurde der Hauptwaffenplatz. Die Landschaft, die zur Zeit der
Eroberung von verschiedenen Stämmen teilweise nur diinn bevölkert war,
erhielt erst durch die römische Herrschaft städtische Ansiedlungen, die wie
gewöhnlich sich zunächst an die Truppenlager anschlössen. Aufaer den schon
genannten sei die älteste Kolonie Julia Aemona (Lail^ach) erwähnt, ferner
Poetovio (Pettau) und Aquincum (Ofen). Zur Zeit der Dakerkriege Traians,
zwischen 102 und 107 n. Chr., wurde Pannonien in Ober- und Unterpan-
nonien geteilt.
An der Mündung der Save in die Donau beginnt Mösien, das, wie schon
bemerkt, zuerst unter Tiberius als eigene Provinz vorkommt und unter
Claudius (46 n. Chr.) durch die nördliche Hälfte des Königreichs Thrakien
erweitert wurde. Domitian teilte die Provinz in Moesia superior und inferior.
Um die Befestigung der Grenze und die Besiedlung der ganzen Donau-
landschaft, einschliefalich Pannoniens, hat sich vor allem Traian verdient
gemacht. In Anbetracht ihrer starken Gefährdung wurde die Donaugrenze
mit besonderen Sicherungen versehen. Den ganzen Unterlauf des Stromes
entlang von Singidunum (Belgrad) bis Trösmis (Igiitza) zog sich ein Gürtel
von festen Plätzen;^) zahlreiche Kolonisten kamen ins Land, das sie in
weitem Umfang romanisierten. Auch die binnenländischen Städte verdanken
der römischen Herrschaft ihre Entstehung. Der Provinz Mösien gehörten
ferner die in einem besonderen Verband konstituierten griechischen Pontos-
städte an, Tomi, Mesambria, Odessos und Apollonia. Die Befugnisse des
mösischen, später des niedermösischen Legaten erstreckten sich noch über
die Donaumündungen hinaus. Namentlich unterstehen ihm die griechi-
schen Städte an der nördlichen Pontosküste, die sich der römischen Ober-
hoheit unterwarfen, T^-ras,^) Olbia, Chersonesos (auf der Krim), und die
Bosporaner.
Ein grofaer Teil Mösiens wurde später durch die neue Provinz Dacien
gedeckt, deren Neubesiedlung und Romanisierung Traian gleich nach der
Eroberung eingeleitet hatte; es entstanden dort im Lauf der Zeit mehrere
Städte mit lateinisch redender Einwohnenschaft, wie Napoca (Klausenburg)
und Aj^ilum (Weifsenburg oder Karlsburg). Die Provinz wurde von Hadrian
in zwei, später, um die Mitte des 2. Jahrhunderts,^) in drei Bezirke geteilt,
vmd war wegen der unsicheren Grenzen und der kriegerischen Nachbarschaft
ein sehr prekärer Besitz.
Es versteht sich von selbst, daß der Einflufs der Römer sich auch über
die Grenzen hinaus erstreckte, und daß mit den barbarischen Nachbarn und
ihren Häuptlingen oft in weite Ferne Beziehungen verschiedener Art be-
standen; Handel und Politik konnten an der Reichsgrenze nicht Halt machen.
') Die quer durch die Dobrudscha von der sehen Erdwall, eine grolse römische Wall-
Donau nach Osten zum Schwarzen Meer linie, die vermutlieh Domitian anlegen
verlaufenden dreifachen sog. Traianswälle ließ, und einen viel späteren Steinwall,
gehen nicht auf Traian zurück und bilden ^) Seit 56/57 n.Chr. dem Reich angehörig,
kein einheitliches System. C. Schuchhardt, ILS I ur. 423.
Abhdlgg. der Borl.Äkad.d.Wiss. 1918nr. 12 ') Nach A. v. Pkemersteix im Wiener
unterscheidet einen kleinen prähistori- Eranos 190'.». 25Hif. im .T. 1-58 1.59 n.Chr.
,'5(50 Römische Geschichte.
weder am Ozean nocli an der Donau ') noch am Rhein. Im Westen gehörte
die Insel Irland zwar nicht zum nimischen Reich, wohl aber zur Zone des
römischen Handelsverkehrs, der hauptsächlich über die gallischen Häfen des
Atlantischen Ozeans ging und den Iren die Erzeugnisse der mittelländischen
Kultur übermittelte. 2) Über den Rhein und die Donau hinüber unterhielten
die Römer nicht nur mit den zunächst benachbarten Germanen Verbindungen,
die nunmehr in einem langen Frieden vermehrt und befestigt wurden, son-
dern sie schlössen auch mit weiter entfernten Völkern Freundschaft. Unter
Nero machte ein römischer Ritter die Reise von Carnuntum in das Bern-
steingebiet der Ostsee. 3) Auch die Ostgermanen traten in den Gesichtskreis
Roms; Domitian befreundete sich mit den Lugiern und Senmonen in Schlesien
und Brandenburg. Der römische Handel und seine Produkte drangen weit
nach Norden vor.^) Die geographischen Kenntnisse nahmen zu; von Strabo
bis auf Plinius, von diesem zu Tacitus und weiter zu Ptolemaeus (in der
Zeit der Antonine) ist der Fortschritt unverkennbar. s)
Thrakien, das früher niemals eine politische Einheit gebildet hatte, wurde,
wie oben S. 293 bemerkt, zunächst als ein einheitliches Vasallenkönigreich
eingerichtet, womit die römische Provinzialverwaltung sich vorbereitete, die
im Jahr 45 n. Chr. tatsächlich eintrat.^) An der Spitze der Provinz stand
anfangs ein ritterlicher Prokurator, dann seit Traian ein senatorischer Legat.
Die Küste mit ihren griechischen Städten war schon längst römisch. Der
Widerstand der kriegerischen Bewohner des Binnenlandes gegen Rom konnte
gebrochen werden; gerade Thrakien bildete künftig ein unerschöj)fliches
Truppenreservoir für das Kaiserreich. Städte gab es daselbst nur wenige; die
römische Regierung fand daher Gelegenheit, Neugründungen vorzunehmen.
Neben Claudius und den Flaviern hat sich auch hier Traian als Städte-
gründer ein dauerndes Andenken gesichert.")
In Illyrien ^) beschränkte sich zur Zeit, da Augustus den Prinzipat über-
nahm, der römische Besitz im wesentlichen auf die Uferlandschaft. Das
Hinterland, erst durch die pannonischen Kriege wirklich erworben, bildete
nach Abtrennung Pannoniens mit der Küste zusammen die Provinz Dal-
matia.^) EntsjDrechend der Beschaffenheit des Landes haben sich Städte von
^) Vgl. die Inschrift des Ti. Plautius nordischen Geschäfts gewesen sein muß.
Silvanus, Legaten von Mösien unter Nero. Montelius, Sveriges Hednafkl 179. 294 flF.
ILS I nr. 986. Oben S. 320. Friedländer, Zeitschrift für Ethnologie
2) Vgl. Tacit. Agric. 24 und die Aus- IV (1872) ir)2. M('m. de Ja soctVfr roi/ale des
führungen von H. Zimmer, Sitz.-Ber. der antiq. du Nord, /(o«r. s/^'r. 1872— 1877, 269 flf.
Berl. Akad. 1909, 363 ff. Zimmer weist mit SoPHUsMüLLER.NordischeAltertumskunde,
Recht darauf hin, daß der Geograph Ptole- deutseh von Jiricek II 81 ff.
maeus (II 2) gute Nachrichten über Irland ") z. B. die von Eratosthenes sauktio-
gehabt haben muß. i nierte Vorstellung, wonach das Kaspische
^) Plinius hist. nat. XXXVII 45. Meer mit dem Oceanus in Verbindung
■*) Eine nicht geringe Bedeutung hatten stehe, wurde damals widerlegt,
für den Handel die Häfen der Rhein- ^) Vgl. A. Stein, Rom. Reichsbeamte der
mündungen. Vgl. H. Willers, Neue Unter- Provinz Thracia, Sarajevo 1920. Vermut-
suchungen über die röm. Bronzeindustrie lieh sind die Strategien, die sich in der
von Kapua und vom Niederrhein, Han- Provinz finden, eine königliche Bezirks-
nover u. Leipzig 1907. Zu den Zeugnissen einteilung.
des Handels gehören vor allem die römi- '•) Die Städte Traianopolis, Plotinopolis
sehen Münzen, die im Ostseegebiet häufig und Marcianopolis stammen von ihm her.
gefunden werden, am meisten auf der ^) CIL Bd. III p. 271 ff. 1472 ff.
Insel Gothland. das eine Art Zentrum des **) K. Patsch. Archäolog.-epigr. Unter-
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 50.) 361
erheblicher Bedeutung nur an der adriatischen Küstenlandschaf't und auf
den vorgelagerten Inseln gebildet. Die ansehnlichsten, wie Salona, Jader,
Narona, hat das Kaisertum schon vorgefunden. Sie hatten bereits eine latei-
nisch redende Bevölkerung; allmählich wurde die ganze Provinz gründlich
romanisiert.
Makedonien behielt als Provinz im wesentlichen die Grenzen, die es bei
der ersten Konstituierung 148 v. Chr. empfangen hatte, mit Einschluß Thes-
saliens und eines großen Teils von Epirus. Auch der Bestand an städtischen
Gemeinden, wie ihn die Römer übernommen hatten, erfuhr keine wesentliche
Veränderung: doch wurde, z. B. in Philippi und Pella, eine beträchtliche
Zahl von Kolonisten angesiedelt. Die Hauptstadt war Thessalonike. Die
Provinz bildete einen ganz sicheren Besitz Roms; sie hat sich der römischen
Herrschaft völlig akkommodiert. Obwohl eigentlich Senatsprovinz, ging
Makedonien zur Erleichterung der Steuerlast mit dem benachbarten Achaia
zeitweilig (von 15 bis 44 n. Chr.) in kaiserliche Verwaltung über.')
Seit dem Diktator Caesar war das alte Hellas als Provinz Achaia von
Makedonien losgetrennt. 2) Der freilich längst verblaßte Glanz einer großen
geschichtlichen Vergangenheit verschaffte den Griechen das wohlwollende
Entgegenkommen der kaiserlichen Regierung. Augustus hat das ausgesogene
und entvölkerte Land neugeordnet, Territorien zusammengelegt und teilweise
anders abgegrenzt, sowie die delphische Amphiktionie umgestaltet.^) Auch
kamen römische Ansiedler nach Griechenland. Außerdem wurden durch
Caesar in Korinth, durch Augustus in Patrae bedeutende römische Kolonien
angelegt und reichlich ausgestattet; überdies gründete Augustus die Frei-
stadt Nikopolis, der jedoch die ei'hoffte Blüte versagt war. Zu den auto-
nomen Städten gehört Sparta, dessen Tyrann C. Julius Eurykles'^) fast als
einziger Hellene auf Oktavians Seite bei Actium gefochten hatte. Eurykles
wurde der erste Mann in Griechenland und auch nach seinem Sturz blieb
die reiche Familie durch Generationen hindurch in Sparta eine wirtschaft-
liche Macht. Sparta wurde mit Gebietszuwachs und Einkünften begabt. Auch
Athen war frei und bewahrte seinen alten Ruf als Musenstadt. Augustus
allerdings grollte den Athenern als einstigen Parteigängern seines Rivalen
Antonius : er entzog ihnen Gebietsverleihungen des Triumvirn wieder. Dauernd
geschadet hat die kaiserliche Ungnade den Athenern nicht. Wie den übrigen
Griechen wandte ihnen der Kaiserhof seine Huld zu.^) Der Phantast Nero
gewährte der ganzen Provinz Achaia Freiheit und Immunität, ein Danaer-
geschenk, das Vespasian alsbald wieder zurücknehmen mußte, im eigenen
Interesse der Beschenkten, die es verlernt hatten, frei zu sein. Nach ihm
hat Domitian wieder manches für das Land getan. Am meisten förderte
der tatkräftige Philhellenismus Hadrians die Griechen (oben S. 337), aber
auch Antoninus Pius, M. Aurelius und die späteren Herrscher erwiesen sich
suchungen zur Gesch. der röm. Provinz ^) Pausanias X 8.
Dalmatia (Wissenschaftl. Mitteilungen aus ■*) Über ihn E. Kjellberg, Klio XVII,
Bosnien IX). ^ 1921, 44 ff.
1) Tacit. ann. I 76—80; V 10. i *) Germanicus besuchte Athen (Tacit.
^) G. F. Hertzberg, Gesch. Griechenlands ann. II 53) und siegte in den olympischen
unter d. Herrschaft d. Römer. Shebeleff. Spielen (Inschr. v. Olympia nr. 221 S. 335
Achaika, St. Petersburg 1903 (russisch). = SIG 11^ nr. 792).
:^ß2 Römische Geschichte.
als Gönner des Griechenliims, das ja damals du ich den Klassizismus die
geistige Mode beherrschte. Schon unter Augustus schlössen sich die Pelo-
ponnesier unter dem Namen der Achäer zu gemeinschaftlicher Festfeier
zusammen; sie erweiterten sieh dann zu Panachäern und Panhellenen, welch
letztere von Hadrian eine neue Organisation mit dem Mittelpimkt in Athen
erliielten. Über bloläe Festfeiern iialjen es die Panhellenen nicht hinaus-
gebracht, und alle kaiserlichen Gunstbeweise konnten den Verfall des Landes
nicht aufhalten; abgesehen von einzelnen größeren Städten ist Griechenland
schon in der ersten Kaiserzeit menschenleer und verarmt.
Was die asiatischen Provinzen betrifft, so boten sie bei Beginn des
Kaisertums in ihrem regellosen Durcheinander ein äußerst buntes Bild. Der
Kern der römischen Besitzungen war die Provinz Asia, dazu kam die kleine
kilikisch-pamphylische Provinz, ferner Bithynien und Pontes, endlieh Syrien
jnit dem ebenen Kilikien und der Insel Kypros. Daneben und dazwischen
gab es eine Anzahl von Klientelkönigreichen und Freistaaten, die außer-
halb des Provinzialverbandes standen. Mit diesen Besonderheiten hat das
Kaisertum etwa in den ersten hundert Jahren seines Bestehens aufgeräumt.
Galatien und die damit vereinigten Stücke von Phrygien, Pisidien und
Lykaonien wurden bereits 25 v. Chr. beim Tod des Königs Amyntas ein-
gezogen, und 6 V. Chr. das gleichfalls erledigte Königreich Paphlagonien
damit vereinigt. Kappadokien wurde nach dem Tod des Archelaos von Ger-
manicus eingezogen, ebenso Kommagene (S. 821), das jedoch Kaiser Gaius
restituierte. Die polemonische Herrschaft, d. h. der "östliche Teil des ehe-
maligen Pontes mit Kleinarmenien wurde unter Nero vakant und von ihm
zur Provinz gemacht.') Was in Vorderasien noch von Klientelkönigreichen
übrig war, hat in der Hauptsache Vespasian aufgehoben, vor allem Komnui-
gene. Er hat auch der Autonomie der Insel Rhodos und dem lykischen
Bund ein Ende 'bereitet und diesen mit Pamphylien zu einer neuen Provinz
vereinigt (74 n. Chr.). Etwas länger hielten sicli in Syrien einzelne Fürsten-
tümer; während Judäa schon seit dem Tod des Herodes Agrippa endgültig
an die Provinz Syrien gefallen war, erlosch das Fürstentum seines Sohnes
ebenso wie die arabischen Dynastien im Libanon erst unter Domitian. Den
letzten Schritt tat Traian mit der Eroberung des nabatäischen Königreichs
(S. 334), das man vorher in gewissem Sinn den Klientelstaaten zurechnen konnte.
Syrien war später geteilt. Nach dem Ende des jüdischen Aufstandes
(70 n. Chr.) wurde Judäa mit Zubehör (als Palästina) eine besondere Provinz,
ebenso Arabien, endlich nahm Septimius Severus nach dem Sturz des Pes-
cennius Niger eine Teilung des noch übrigen Syriens in eine nördliche {Sf/i'la
roch') und südliche Hälfte {Si/ria r/iooüce) vor. Der unruhigste Teil blieb
Judäa, von wo auch nach dem großen Aufstand unter Hadrian (S. 387)
wiederholt Empörungen gemeldet werden.
Zu Syrien trat nachmals Mesopotamien hinzu. Die Erwerbung dieser
Landschaft wurde eingeleitet durch den Partlierkrieg des M. Aurelius und
vollendet durch Septimius Severus. Ahnlich wie Dacien war das neue Ge-
') Der Pontus Polemoniacus wurde zu- als diese Provinz einen eigenen kaiser-
erst zu Galatien. später seit Vespasian liehen Legaten erhielt. Marqüardt. Staats-
und Traian zu Kappadokien geschlagen. vorw. I- 8fi7.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ :>0.) ßßß
biet ein sehr umstrittener Besitz, bildete jedoch für Syrien eine wichtige
Schutzzone gegen die Angriffe der Parther und Perser.") "^ Die kappadokische
Grenze hatte in Armenien ihr Vorland, das zwar nur unter Traian und auf
wenige Jahr dem Reich einverleibt war, aber doch stets zu Roms Interessen-
sphäre gehörte und zeitweilig römische Besatzungen beherbergte. Für den
Grenzschutz war es förderlich, daß seit Vespasian die Iberer und andere
Kaukasosvölker ganz unter römischem Protektorat standen. 2) Die räuberi-
schen Neigungen der kaukasischen Küstenvölker machten auf dem Schwarzen
Meer eine strenge Seepolizei nötig, die von der Pontosflotte versehen wurde.
In Asien sind die Römer die Erben und Nachfolger hellenistischer Könige.
Sie fanden viele große und blühende Stadtgemeinden vor, teils alte helle-
nische Städte, teils Gründungen der Seleukiden, Pergamener oder der kappa-
dokischen Herrscher. Die großen Städte werden als Zentren des provin-
ziellen Lebens von den Kaisern vielfach gefördert. Ephesos, die Hauptstadt
Asiens. Milet, Sardes u. a. zeigen noch in ihren Überresten die Spuren
kaiserlicher Bautätigkeit. Nikomedeia und Nikaia in Bithj-nien,' Caesarea in
Kappadokien, das alte Mazaka, Antiocheia in Syrien und viele andere haben
in der Kaiserzeit ihre Bedeutung nicht nur erhalten, sondern noch gesteigert.
Doch existierten nicht in allen Landschaften Städte; in manchen Teilen
Kleinasiens gab es deren nur wenige; da haben nun die Römer das Werk
ihrer hellenischen Vorgänger ergänzt. Pompeius hat begonnen, was die kaiser-
liche Verwaltung dann fortsetzte. Das binnenländische Phrygien, Lykaonien
und Isaurien verdankt den Römern einen großen Teil seiner Städte; nament-
lich die letztgenannten Landschaften erschlossen sich erst in der Kaiserzeit
einer höheren Zivilisation. Das Gleiche gilt von den östlichen Teilen der
Provinz Syrien und von Arabien. An der Karawanenstraße zum unteren
Euphrat wurde Palmyra das große Emporium und Gemeinwesen, 2) das sclion
etwa unter Claudius unter römischen Schutz kam und etwa seit Traian dem
Reich angehörte. In der Provinz Arabien zeugen noch heute monumentale
Reste von den Leistungen der kaiserlichen Verwaltung, die durch Städtebau
und Bewässerung diese Gegenden auf einen Stand gebracht hat, von dem
sie in späteren Jahrhunderten herabsanken, um ihn nie wieder zu erreichen.*)
Die Grenze war hier, wie in allen asiatischen Provinzen, nicht selten gefährdet
und mußte in ähnlicher Weise wie im Westen je nach den Umständen durch
Garnisonen, Militärposten, Kastelle und Limesanlagen gedeckt werden.
Hier möge Ägypten^) angefügt werden, das die besondere Domäne des
Kaisers blieb, der es durch seinen Präfekten verwalten ließ. Dieser aus
') V. Chapot, La front ih-e de I'Eupin-ate rener konnten sich und ihre Habe reclit-
de Pompee a Ja conqiivte arabe {Bibliotheque zeitig über den Euphrat flüchten. Appian.
des ('coles franc. d'Athhies et de Eonie XCIX), bell. civ. V 1), 37 f.
Paris 1907. ■*) Literatur bei J. Jung, Grundriß der
2) Marquakdt, Staatsverw. I' 370 f. Über Geographie von Italien usw., 2. Aufl., S.148.
die Kaukasosvölker berichtet Arrian im Vgl. R. E.Bkünnow und A. v. Domaszewski,
PeripL Ponti Euxini 1 ff. Provincia Arabia, 2 Bde., Straßburg 1!>04.
■^) Der Triumvir Antonius wollte im Alois Musil, Arahia Petraea, Wien 1907.
J. 41 v. Chr. das schätzereiche Palmyra, '") J. G. Milne, A histonj of Egypt iiiider
das bei dieser Gelegenheit erstmalig in Roman ride. A. Stein, Üntersuchgg. zur
der Geschichte erwähnt wird, durch seine Gesch. u.Verwaltg. Äg.s unter röm. Herr-
Reiter plündern lassen. Aber die Palniy- schaff. Stuttgart 1915.
3(J4 Römische Geschichte.
dem Ritterstand hervorgegangene „Vizekönig" besaß prokonsularische Be-
fugnis und führte auch den Oberbefehl über die in Ägypten stehenden
Legionstruppen. Der Senat war von jeder Einmischung in die ägyptischen
Angelegenheiten grundsätzlich ausgeschlossen; kein Senator durfte das Land
ohne kaiserliehe Erlaubnis betreten. i) Wenn demnach für Ägypten die sonst
doch geflissentlich gewahrte Eiktion der Dyarchie niemals in Kraft trat,^)
so erklärt sich dieser Ausnahmefall sehr einfach aus der strategischen und
wirtschaftlichen Bedeutung des ertragreichen Nillandes, das der Kaiser fest
in der Hand haben mußte, schon um die Getreideversorgung Roms aus dieser
wichtigsten Kornkammer des Reichs sicherstellen zu können. Ägypten be-
hielt im Prinzip seine alte Verfassung; nur trat jetzt an die Stelle der ptole-
mäischen Könige als ihr Rechtsnachfolger der römische Kaiser, der sich
durch seinen Statthalter, den Präfekten, vertreten ließ. Augustus erhöhte
die Steuern, stellte den in den letzten Zeiten der Lagidenherrschaft ein-
gerissenen Schlendrian in der Verwaltung ab und straffte deren herkömmliche
Zentralisierung. Die ptolemäische Residenz Alexandrien war als Griechen-
stadt von der landesüblichen Gauverfassung von jeher eximiert gewesen;
sie besaß ihre eigenen Rechte und galt staatsrechtlich als außerhalb Ägyptens
gelegen [Alexandria ad Aegijpfum). Ihre Einwohner waren die typischen
Großstädter, betriebsam und verwegen, selbstbewußt und respektlos.^) Re-
volten waren keine Seltenheit; namentlich mit der ansässigen Judenschaft
lag das griechische Element der Landeshauptstadt in ewiger Feindschaft,
die sich mitunter in blutigen Straßenkämpfen entlud.'*) Das übrige Ägypten
war mit Ausnahme der alten Griechenstädte Alexandrien, Naukratis und
Ptolemais, sowie der Schöpfung Hadrians, Antinoopolis,^) ohne städtische
Gemeinwesen; erst Septimius Severus hat bei Gelegenheit seines Besuches
202 n. Chr. den Gaumetropolen, die staatsrechtlich bisher nur Dörfer ge-
wesen waren, vermutlich im fiskalischen Literesse Stadtrecht verliehen.'')
Die Bevölkerung war schwer belastet; nicht nur Augustus, sondern auch
Vespasian haben die Steuerschraube angezogen, und mehrmals gab es Em-
pörungen, mit denen sich gelegentlich Einfälle der südlichen und östlichen
barbarischen Nachbarn verbanden. Die Grenze stand dauernd unter mili-
tärischer Bewachung.
Weit über die Grenzen des Reichs hinaus erstreckte sich auch im Osten
der Einfluß Roms und sein Handel. Schon Augustus hatte indische Ge-
sandte empfangen (oben S. 301), und zugleich begann von Ägypten aus der
direkte Handelsverkehr mit Indien, der einen lebhaften Aufschwung nahm;
') Tacit. arm. II 59. Daß Germanicus im ^) G. Plaumann. Ptolemais in Oberägyp-
J. 19 n. Chr. sich mit seinem Besuch in ten, Leipziger histor. Abhdlgg.. Heft 18,
Alexandrien eigenmächtig über jenes ge- Leipzig 1910. E. Kühn, Antinoopolis, Leip-
nerelleVerbot des Augustus hinwegsetzte, ziger Diss., Göttingen 1913. Antinoopolis
wurde von Kaiser Tiberius offiziell gerügt. wurde von Hadrian im J. 130 n. Chr. zum
Vgl. oben S. 308 A. 7. Andenken an seinen im Nil ertrunkenen
-) Mitteis -WiLCKEN, Grundzüge und Liebling Antinoos gegründet.
Chrestomathie der Papyruskunde I 1.28 f. ß) U. Wilcken, Griech. Ostraka I 430 ff.
') MoMMSEN, Rom. Gesch. V 582 ff. F. Preisigke. Städtisclies Beamtenwesen
■*)Vgl. über den „alexandrinischenAnti- im röm. Äg., Diss. Halle 1903, 6. Mitteis-
semitismus" und dessen literarische Doku- Wilcken, Grundzüge u. Chrestomathie der
mente U. Wilcken, Abhdlgg. der Sachs. Papvruskunde I 1,41 f.
Ges. der Wiss. XXVII, nr. 23, 1909.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian, (ij ÖU.) 3()5
Barygaza (heute Barodsch) südlich der Indusniündungen war der wiclitigste
indische Stapelplatz. Übrigens drang der römische Kaufmann nocli weiter
bis Ceylon {Taprobane) und darüber hinaus vor, lernte Hinterindien kennen
und kam auch in Berührung mit dem uralten Kulturvolk der Chinesen.')
Der indische Handel schlug auch andere altgewohnte Straßen ein; er ging
zum Teil über den Persischen Meerbusen und Palmyra, zum Teil über Land
an die Pontoshäfen, wie denn auch eine Verbindung mit China auf dem
Landweg bestand und den Seidenhandel vermittelte.^) Der Handel auf dem
Roten Meer erschloß die Bekanntschaft mit den afrikanischen Staaten und
Völkern südwärts von Ägypten in beträchtlicher Ausdehnung und ließ in
späterer Zeit namentlich mit Äthiopien Beziehungen anknüpfen.
Die mit Numidien vereinigte Provinz Afrika^) hatte in dem zuerst von
Caesar, dann von Augustus (29 v. Chr.) erneuerten Karthago ihre alte Haupt-
stadt zurückerhalten. Die Provinz, zunächst die alte, wurde in weitem Um-
fang romanisiert, wenn auch die punische Sprache und Kultur keineswegs
verschwand. Afrika war Senatsprovinz und unterstand als solche einem
Prokonsul, dem einzigen senatorischen Statthalter, der noch eine Zeitlang
ein militärisches Kommando innehatte, bis Kaiser Gaius den Oberbefehl
über die dortigen Truppen einem besonderen kaiserlichen Legaten übertrug.
Die Südgrenze war noch lange unsicher; allmählich wurden die Legions-
lager und Militärposten in den Zeiten von Augustus bis Traian bis an und
in den Atlas vorgeschoben. Namentlich Hadrian und nach ihm Septimius
Severus und Caracalla haben sich um den Straßenbau verdient gemacht.^)
Am Fuß des Gebirges, dort wo wichtige Pässe mündeten, entstanden feste
Städte, die miteinander durch ein Straßennetz verbunden wurden. Es haben
sich hier besonders stattliche Reste der römischen Herrschaft bis auf den
heutigen Tag erhalten; zu nennen sind Theveste, das 100 n. Chr. von Traian
erbaute Thamugadi,^) das afrikanische Pompeji, und Lambaesis, das Hadrian
besuchte und zum Hauptlager machte. Zur Provinz Afrika gehörte auch
die Tripolis und ihr Hinterland, wo die Garamanten hausten, gefährliche
Nachbarn der zivilisierten und friedlichen Provinz. Unter Augustus wurden
sie zurückgeworfen; römische Heere drangen bis nach Cidamus (Ghadames)
und Garama (in Fezzan) vor, unter Domitian sogar noch weiter (S. 302. 332).
') Die liierdurch gewonnene bessere ^) Ch. Tissot, Geographie comparee de la
Keimtnis der Küstenlandschaft des in- province Romaine d'Afrique, 2 Bde., mit
dischen Ozeans ist niedergelegt in dem Atlas, Paris 1884. 1888. K. Cagnat, L'arnu'e
wohl gegen Ende der Regierung Domi- ', Bomaine d'Äp-ique et Voccupation militaire
tians verfaßten Pcriplus maris Eri/tlit-aei ' d'Afrique soiis les empereurs, Paris 1913-.
{CW\ii,hs^,Geo(iraphi graeci miiwresl2hl1S.; ' Ad. Schulten, Das röni. Afrika, Leipzig
über die Entstehungszeit vgl. E. Kokne- , 1899. Al. Gkaham, Roman Africa, London
MANN in der Festschrift für Lehmann- 1902. Aug. Audollent, Carthage Ro»iai>u'
Haupt, Janus I, 1921, 55 ff.) und beim Geo- | 146 av. Jesus-Christ — 698 ap. Ji'sus-CJirist
graphen Ptolemaeus (s. A. Hekrmann, Die {BibliotJdque des ecoJes fran(^aises d'Aihines
alten Verkehrswege zwischen Indien und et de Rome fasc. 84), Paris 1901. Walthek
Südchina nach Ptol., Zeitschr. der Gesell- Barthel, Zur Gesch. der röm. Städte in
schalt f. Erdkunde 1913, 771 ff.). Die Chine- Afrika, Diss. Greifswald 1904. Weitere
sische Überlieferung weiß von einer römi- Literatur bei J. Jung, Grundriß der Geo-
schen Gesandtschaft des J. 166 n. Chr. zu ' graphie von Italien, 2. Aufl., S. 81.
berichten. Richthofen, China I 509. 512. { •*) O. Hirschfeld, Kl. Sehr. 729.
A. V. GuTscHMiD, Gesch. Irans 150. ^) CIL VIII p. 259. Ballu, Ruines de
■') Ptolem. Geogr. 111. | Timgad, 2 Bde., Paris 1897. 1902.
l>{\{f Römische Geschichte.
Einzelne Händler und Reisende gelangten über die Sahara hinaus bis an
den Niger. 1) Die (istlich an Afrika angrenzende Landschaft, Kyrene und
seine Nachbarstädte, die Pentapulis, bildete zusammen mit Kreta eine eigene
senatorische Provinz: auch hier muE^te zuweilen gegen unruhige libysche
Anwohner eingeschritten werden.
Weniger erfolgreich als in der Provinz Afrika waren die römischen
Assimilationsbestrebungen in Mauretanien, das seit der Absetzung des Königs
Ptolemaios (oben S. -V2S} eine zweigeteilte prokuratorische Provinz bildete.
Bei (lelegenheit der Unterwerfung drang Suetonius Paulinus weit nach Süden
vor; auch die Gätuler wurden wenigstens teilweise unterworfen und heeres-
pflichtig gemacht. Städtische Ansiedlungen gab es hier nur ausnahmsweise,
und die Unabhängigkeit der Stämme, besonders des westlichen Mauretaniens,
war viel größer; einzelne, wie die Mauren des heutigen Rif, entzogen sich
dauernd der Botmäßigkeit Roms; sie belästigten gelegentlich ihre Nachbarn
und die gegenüberliegende spanische Provinz.
Alle Reichsprovinzen hat das Kaisertum zu einem Ganzen vereinigt. Es
lag in der Natur der Sache, wenn die Regierung sich dabei von der Ten-
denz leiten ließ, die Unterschiede zwischen Bürgern, Bundesgenossen und
Untertanen allmählich nach Möglichkeit zu verwischen. Schon die Republik
hatte mit diesem unvermeidlichen Nivellierungsprozeß den Anfang gemacht;
aber das Reich, wie es Augustus übernahm, bildete noch ein regelloses Kon-
glomerat der verschiedensten Eigenarten und Rechte, gemäfs der Vergangen-
heit der einzelnen Völker und Gemeinden und entsprechend den Umständen,
unter denen sie sich mit Rom vereinigt hatten. Erst die kaiserliche Re-
gierung fand Zeit und Gelegenheit, den Ausgleich vorzunehmen. Wie die
Klientelkönigreiche eingingen, so verloren auch die freien Städte ihre Sonder-
rechte; nicht anders als in Italien gerieten auch in Asien die Gemeinden in
finanzielle Schwierigkeiten; dadurch wurde seit Nerva das Eingreifen kaiser-
licher Korrektoren nötig, deren außerordentliches Amt sich zu einer regel-
mäßigen Institution auswuchs, was praktisch die Aufhebung der städtischen
Autonomie bedeutete. 2) So verscliwanden die Sonderrechte der Gemeinden.
In fast allen Provinzen dringt überdies die Munizipalverfassung und das mit
ihr verbundene Steuersystem ein. Dazu kommt die durch Kolonisationen
und Verpflanzung beförderte Vermischung der verschiedenen Volksstämme
und der ausgleichende Einfluß des Heeresdienstes, der die Angehörigen der
Legionen alle zu Römern machte. Durch das Heer wurde das Bürger-
recht in den Provinzen weit verbreitet, die provinziellen Eigentümlichkeiten
schliffen sich ab und der Partikularismus des Stammesgefühls wich dem
Begriff eines universalen Reichsbürgertums. Die Aristokratie der Provinz
fand Aufnahme in den römischen Ritterstand und Eingang in den Senat;
nicht nur Gallien erhielt das ins honorum, sondern auch die Hellenen: seit
Hadrian begegnen vornehme griechische Kleinasiaten wie Flavius Arrianus
in hohen römischen Ämtern. Die constitutio Äntoniuiana, durch die Caracalla
mit einem Federstrich allen freien Reichsangehörigen das Bürgerrecht ver--
') Ptolem. Geogr. I 8. Römische Münzen 2) Mommsen, Rom. Staatsrecht II' 858
sind durch den Handel bis an den Kongo 1086.
verschleppt worden.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian, (tj öo.) 3()^
lieh, bildet den folgerichtigen Abschluf^ einer langen Entwicklung. Der
römische Kalender in der von Caesar reformierten Gestalt wird in den Pro-
vinzen eingeführt') und vor allem das römische Recht, das individuellste
und wertvollste Erzeugnis des römischen Wesens, das allerdings die ein-
heimischen Nationalrechte nicht zu verdrängen vermochte.
Das römische Recht 2) verdankte seine Ausbildung den hohen Aufgaben,
die der Rechtsprechung durch die Weltherrschaft gestellt wurden. Als die
Römer grof.^e Provinzen in Besitz nahmen, mußten sie sich den Rechts-
anschauungen ihrer Bundesgenossen und Untertanen anbequemen und be-
sonders die weit entwickelteren Formen des hellenistischen Rechts berück-
sichtigen.^) Dabei konnte eine Wirkung auf das eigene Recht nicht aus-
bleiben, das nunmehr über den engen Horizont eines Stadtrechts hinaus-
wuchs und sich zum Reichsrecht erweiterte. Das Vehikel dieser Entwicklung
war das prätorische Edikt, ■*) das der Prätor in Rom wie in der Provinz bei
Antritt seines Amtes bekannt gab, ein kontinuierliches, aber stets wandlungs-
fähiges Gesetz, das in festem Anschluß an die Judikatur der prätorischen
Amtsvorgänger und doch beständig erneuert, sich den dringenden Bedürfnissen
der Gegenwart, des Handels und Wandels spielend anpaßte und, wo es
zweckmäßig erschien, fremde Rechtselemente sich zu eigen machen konnte.
Auf diese Weise vermied das römische Recht die Gefahren einer starren
Kodifikation und fand für jedes juristische Erfordernis das geeignete Mittel:
dieses Recht war gleichzeitig konservativ, was die Tradition, und elastisch,
was die Weiterbildung der Normen anbetrifft. Ein großes Verdienst gebührt
den Rechtskundigen, die schon frühzeitig in Ansehen standen; denn mit Vor-
liebe suchten die römischen Politiker ihren Ruhm in einer genauen Kenntnis
und Anwendung des Rechts, Schon die Republik hat hervorragende Juristen
hervorgebracht, aber ihre eigentliche Blüte hat die Jurisprudenz erst unter
den Kaisern entfaltet: seit Augustus hat sie unter dem fruchtbaren Streit
zweier Schulen und entgegengesetzter Rechtsanschauungen, ^) zugleich nicht
ohne Einwirkung der Philosophie, ihre Grundsätze entwickelt und sich zu
einem wissenschaftlichen System ausgebildet. Der Kaiser (mit dem Senat)
wird der Inhaber der höchsten Gerichtsbarkeit und nimmt rechtsweisende
Befugnis in Anspruch. Ihm zur Seite, als Beisitzer und Berater, stehen die
Juristen. Der Verwalter der kaiserlichen Jurisdiktion wird der Präfekt der
prätorischen Kohorten, der in der Regel aus den namhaftesten zeitgenössi-
schen Juristen ausgewählt Avird. Unter Hadrian und den Antoninen hat
die richterliche Tätigkeit des Kaisers ihren Höhepunkt erreicht. Das römische
Recht erlangt eine universelle Bedeutung.
') Zueist, wie es scheint, und zwar schon u. Leipzig 1917''^.
unter Augustus in der Provinz Asia. Die ^) Vgl. R. Mitteis, Reichsrecht u.Volks-
eiuheimischen Monatsnamen bleiben; das ^ recht, 1891.
Wesentliche ist, daß das julianische Sy- *) O.IjEnel, Das edicf um ijeipefuurn, heil)'
stein durchdringt. Dittenbergek, Orientis zig 1883.
(iraeci inscr. sei. II nr. 458. ^) Ein solcher Gegensatz der Anschau-
^) G. F. PocHTA, Kursus der Institutio- ungen bestand in betrefl' des Verhältnisses
nen,hrsgg. von P.Krüger. 1. Bd. Karlowa, der Freigelassenen und Sklaven zu ihrem
Rom. Rechtsgeschichte, 2 Bde., Leipzig Herrn. Tacit.ann.XIIl 26f. 32; XIV 42ff.
1885. Paul Krüger, Gesch. der Quellen Der Senat vertrat hierbei das strengere,
und Litteratur des röm. Rechts, Leipzig der Kaiser das humanere Prinzip, welch
1888. R. SoHM, Institutionen, München letzteres sich schließlich durchsetzte.
ßßg Römische Geschichte.
Wie die Bevölkerungen, so vermischten sich auch die Kehgionen, wobei
die SkLiverei und der Skhivenhandel eine nicht unwichtige Rolle spielten:
denn der Sklave bringt seine Religion mit und überträgt sie in das Land
und das Haus des Herrn. Vor allem waren es orientalische Kulte und Kult-
gebräuche, die in den Westen wanderten, nachdem sie sich in Hellas und
in Afrika schon vorher eingebürgert hatten. Die ägyptische Isis und die
Mysterien des persischen Mithras fanden in weitestem Umkreis ihre Gläu-
bigen; Mithras wurde namentlich von den Soldaten verelirt. ') Die Kaiser
des 1. Jahrhunderts, ein Augustus, Tiberius, Claudius, Domitian bemühten
sich vergeblich, die fremden Kulte von Rom fernzuhalten: diese drangen
doch ein und wußten sich die amtliche Anerkennung zu verschaffen. Zu-
gleich deuteten die einheimischen Religionen der Untertanen ihre lokalen
Sondergötter in die Begriffe der griechisch-römischen Mythologie um, so
daß man in allen Provinzen wenigstens auf den ersten Blick den gleichen
Göttern zu begegnen glaubte. Der öffentlichen Ordnung zuwiderlaufende
Religionsübungen wurden unterdrückt. 2) Als eine Art einheitlicher Reichs-
religion war der nach dem Vorbild der hellenistischen Monarchien ge-
schaffene Kaiserkult gedacht, der überall in den Provinzen in ähnlicher
Weise eingerichtet wurde: zur Verehrung des Kaisergottes pflegten sich die
Vertreter der Provinzialstädte Avie eine Amphiktionie in gemeinsamer Fest-
feier zu vereinigen. 3)
Eine in der Hauptsache gleichartige Zivilisation, das auf römischen Boden
verpflanzte Kulturgut des Hellenismus hat auf friedlichem Weg alle Pro-
vinzen erobert. Im Osten herrschte das Griechische vor, um sich durch die
römische Herrschaft weiter über Gegenden zu verbreiten, die ihm bisher noch
verschlossen waren. Der Westen war von Italien abhängig, und hier domi-
nierte die lateinische Sprache: doch rissen auch vereinzelte Fäden nach dem
Osten nicht ab, wie z. B. die Griechenkolonie Massalia die angestammte
Verbindung aufrecht erhielt. Der Inhalt der Kultur in beiden Sprachgebieten
ist dem Wesen nach so ziemlich derselbe: aber lokale Einflüsse und die
Verschiedenheit der Bedürfnisse bedingten den individuellen Unterschied und
die jeweilige Färbung. Die Weltstadt Rom selbst trägt einen Januskopf ; ein
gut Teil der Bewohner ist griechisch, die oberen Stände und die Literaten
sind zweisprachig. Im Reich schlagen die griechische und die lateinische
Literatur verwandte Bahnen ein; aber das Griechische marschiert an der
Spitze und erweist auch jetzt seine größere schöpferische Kraft.
Das römische Reich bildet damals, in der Zeit der Antonine und Severer,
noch keineswegs eine vollkommene Einheit, ja nicht einmal ein in sich ge-
schlossenes Wirtschaftsgebiet: denn noch sind die Provinzen durch Zoll-
schranken voneinander getrennt. Aber alles in allem ist doch, gemessen
an der früheren Zersplitterung und dem Umfang des Riesenreichs ein be-
trächtlicher Grad von äußerer und innerer Einheit erreicht worden; die
folgenden Generationen haben sich bemüht, diese Einheit weiter auszubauen,
^) G. WissowA, Religion und Kultus der religion wegen ihrer Grausamkeit verbot.
Römer, 19122. 87 ff. 348 ff. F. Cümont, Die Sueton. Claud. 20, 5.
Mysterien des Mithra, deutsch von G. Geh- ^) E. Beürliek. Le culte Impn-ial. sonhi-
RiCH, Leipzig 1911^, 36 ff . stoij-e etc., Paris 1891. E. Koknemank, Klio
■'') Wie Claudius die gallische Druiden- I 95 ff. O. Hikschfeld. Kl. Sehr. 471 ff.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ ")1.) 369
bis die Kräfte der alt und müde gewordenen Kulturwelt des Imperiums
schließlich versagten.
51. Auflösung und Wiederherstellung des Reiches. Nach dem Tod des
Severus Alexander (235 n. Chr.) wurde Maximinus vom Senat und in den Pro-
vinzen als Kaiser anerkannt; i) seinen Sohn C. Julius Verus Maximus erhob er
nach einiger Zeit zum Caesar. Der neue, von der Pike auf gediente Soldaten-
kaiser stammte aus Thrakien oder Mösien ^) und hatte zuletzt unter Severus
Alexander hohe militärische Kommanden innegehabt, jedoch nie ein senatori-
sches Amt bekleidet. 3) Den Germanen brachte Maximin eine schwere Nieder-
lage bei; seinen Germanensieg, den er mit persönlicher Bravour erstritt, be-
trachtete er als die beste Rechtfertigung der Usurpation des Kaiserthrones.
Des weiteren machten ihm Sarmaten und Daker zu schaffen; die .Sieger-
titel auf Inschriften und Papyrusurkunden Sarmaticus maximus und Dacicus
maximus lassen auf gewisse Erfolge in diesen Kämpfen im Donaugebiet
schließen.*) Den senatsfreundlichen Kurs des Severus Alexander hat Maximin
nicht eingehalten. Dieser rauhe, halbbarbarische Krieger wollte von den vor-
nehmen Herren des Senats nichts wissen; er fühlte sich nur wohl inmitten
seiner Armee. Die Keichshauptstadt Rom hat Maximin als Kaiser überhaupt
nicht betreten. Er ging auf in seinem militärischen Pflichtenkreis. Auch
religionspolitisch stellte sich Maximin in scharfen Gegensatz zu seinem Vor-
gänger; gegen den Klerus der Christen, denen Severus Alexander wohlwollte,
ist er von Staats wegen eingeschritten.^) Die rücksichtslose Art, mit der
Maximin für die steigenden Heeresausgaben die nötigen Geldmittel eintreiben
ließ, machte ihn immer verhaßter. Als daher 238 n. Chr. bei Gelegenheit einer
Empörung in Afrika der hochbetagte Prokonsul der Provinz, M. Antonius
Gordianus, zum Kaiser ausgerufen wurde und seinen gleichnamigen Sohn
zum Mitregenten annahm, fielen Rom und Italien und mehrere Provinzen von
Maximin ab.^) Zwar wurden die beiden Gordiane in Afrika von den Truppen
Maximins unter dem treugebliebenen Statthalter von Numidien Capelianus
rasch beseitigt, aber der Senat setzte den Widerstand gegen Maximin fort;
er bestellte zuerst zur Verteidigung Italiens eine Kommission von zwanzig
») Vgl. für Rom oben S. 351 A. 4. *) Vgl. A. v. Domaszewski, Rhein. Mus.
2) Er war nicht etwa, wie Jordanis N. F. LVIII, 1903, 538 ff. Herodian, unser
Getic. XV 83 behauptet, ein Gothe. bester Gewährsmann, schweigt hierüber.
3) Maximinus hat im J. 232 n. Chr. in Auf den Inschriften erscheint zuerst der
Ägypten als praefectus legionis gestanden, : Siegertitel Germanicus maximus, wozu spä-
wenn U. Wilcken, Philölog. 53, 1894, 95 ter die im Text genannten Ehrennamen
den Pariser Papyrus (bei Mitteis-Wilcken, kommen (z. B. ILS I nr. 488 ff.). Der Sohn
Grundzüge u. Chrestomathie der Papyrus- Maximus partizipiert an diesen Titeln
künde I 2 nr. 41, S. 63) richtig ergänzt hat, seines Vaters.
was sehr wahrscheinlich ist. Dann scheint *) Vgl. K. J. Neomann, Der röm. Staat
er Präfekt von Mesopotamien geworden und die allgem. Kirche bis auf Diocletian
zu sein (A. v. Domaszewski, Neue Heidelb. I, Leipzig 1890, 210 ff. und unten S. 392.
Jahrb. IX, 1899, 161 f.). Zuletzt war er am ^) Über die folgenden Ereignisse siehe
Rhein praefectus tironihm des gesamten O. Seeck, Rhein. Mus. XLI 161 ff. Preuß.
Feldheeres für den Germanenkrieg und Jahrb. 56 (1885) 267 ff. (= Populäre Sehr.,
als solcher für die Ausbildung der Re- Berlin 1898, 191 ff.). Über die Chronologie
kruteu verantwortlich (M. Bakg, Hermes s. Eckhel, X>oc^r«>ia nHW(.VII293. P. v. Roh-
41,1906,304). Über Maximinus und seinen den, PW I 2621 ff. Vgl. R. Ferwer, Die
Sohn Maximus vgl. E. Hohl, PW X 852 ft\ politischen Wirren des röm. Reiches von
368 ff. Maximin bis Decius, Neisse 1875.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. ^4
^70 Römische Geschichte.
Senatoren M und wählte dann nacli dem Tod der Gordiane — der jüngere war
in einer Schlaclit bei Kartliago gegen Capelianus gefallen, der Vater hatte
durch Selbstmord geendet — aus den Zwanzig gegen den heranrückenden
Maximin zwei Gegenkaiser, M. Clodius Pupienus Maximus 2) und D. Caelius
Calvinus Balbinus; auf Verlangen der Truppen und des Volks wurde so-
dann der dreizehnjährige Enkel Gordians i, der Schwestersohn Gordians II.
M. Antonius Gordianus (III) zum Caesar erhoben.'^) Maximin war im An-
marsch gegen Italien; aber bei der langen und beschwerlichen Belagerung
von Aquileia empörten sich seine Truppen, erschlugen ihn samt seinem
Solm und gingen zum Senat über.
Inzwischen hatten sich während der Thronwirren die auswärtigen Feinde
Roms geregt; die Gothen und Karpen waren in Mösien eingefallen und die
Perser hatten Mesopotamien angegriffen. Maximus und Balbinus schickten
sich daher an, ins Feld zu ziehen. Aber sie standen untereinander in keinem
guten Einvernehmen und entfremdeten sich die haujjtstädtischen Truppen^
die für ihre Privilegien fürchteten. So kam es, daß sie vor dem Auszug
bei den kapitolinischen Spielen 238 n. Chr. in Rom nach etwa dreimonat-
licher Regierung erschlagen wurden ;'^) Gordianus III wurde so alleiniger
Herrscher. Aber der hilflose Knabe war zvi einer selbständigen Regierung
noch nicht fähig. Aus den ersten Jahren nach der Thronbesteigung ist fast
nichts bekannt; 240 n. Chr. wurde in Numidien ein Empörer Sabinianus
überwunden. Im nächsten Jahr vermählte sich der Kaiser mit Furia Sabinia
Tranquillina, der Tochter des C. Furius Timesitheus; von seinem kaiserlichen
Eidam zum Prätorianerpräfekten gemacht, riß Timesitheus die eigentliche
Führung der Geschäfte an sich.^) Da die Perser (unter Sapor I) nach der
Eroberung Mesopotamiens (241 n. Chr.) Syrien bedrohten, so unternahm Gor-
dian mit großer Heeresmacht einen Feldzug gegen sie (242 n. Chr.). Unter-
wegs trieb er die Gothen und Karpen zurück, die über die Donau vor-
gedrungen waren. Die Perser wurden in einer großen Schlacht bei Resaina
in Mesopotamien geschlagen und das Verlorene zurückerobert. Aber während
des Feldzugs raffte eine Krankheit den Timesitheus hinweg (243 n. Chr.).
Sein Nachfolger in der Präfektur, der Araber M. Julius Philippus, machte
bei den Soldaten Stimmung für sich und gegen den schwachen Kaiser, und
als dieser sich des illoyalen Präfekten zu entledigen suchte, holte Philippus
zum Schlag aus und ließ den Gordian, zu dem man kein Vertrauen hatte,
') Vgl. A. V. DoMASZEwsKi, Eheiii. Mus. dicwits Sempronlanus Romamis Africanus{d9v
LVIII 538 ff. Vater und der Sohn). Vgl. ILS I nr. 493.
2) Über seinen Namen vgl. Mommsen, Bereits am 11. Mai 238 n. Chr. waren die
Zeitschr.f.NumismatikVIII26. A.v.Doma- drei Kaiser Maximus, Balbinus und Gor-
szEwsKi, Festschr. f. Th. Gomi^erz 233. | dian III im Amt. CIL VI 816.
^) S. den Stammbaum bei P. v. Rohden, *) A. v. Domaszewski, Rhein. Mus. LVII
PW 12(519 f. Es. ist bezeichnend für den (1902)509.
Stand unserer Überlieferung, daß latei- '") Seine Ämterlaufbahn und sein voll-
nische Autoren, wie Aurelius Victor und ständiger Name (C. Furius Sabinius Aquila.
Eutrop nur zwei Gordiane kennen; das Timesitheus) ist durc-h die Lyoner In-
Richtige haben die Griechen, deren Zeug- schritt ILS I nr. 1380 bekannt. Vgl. A.
nis durch die Monumente bestätigt wird. v. Domaszewski, Rhein. Mus. N. F. LVIII
Lanckoronski, Städte Pamphvliens u. Pisi- (1903) 218 ff. Kkaüss ebdas.630. Rühl ebda
diens I 168. Die beiden ersten Gordianc LXII (1907) 4 ff. A. Stein, PW VII 364 ff..
heifsen vollständig: Marcus Antonius Gor-
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ •■)!.) i]~l
244 n. Chr. bei Zaitha am Euphrat auf dem Marsch nach Ktesiphon ermorden
und sich selbst zum Kaiser ausrufen. Der neue Herrscher i) kam rasch zum
Frieden mit Persien. In Rom fand er erst nach einigem Schwanken An-
erkennung; gegen ihn erhoben sich mehrere Prätendenten, darunter Jota-
pianus in Kappadokien oder Syrien, der sich bis in die Anfänge der Re-
gierung des Decius behauptet zu haben scheint.^) Seinen gleichnamigen Sohn
nahm Kaiser Philippus zum Mitregenten an. Die Ironie des Schicksals hat
es gefügt, dafs unter den beiden Kaisern arabischen Geblüts Rom das pomjD-
haft gefeierte Jubiläum seines tausendjährigen Bestehens beging (248 n. Chr.).
In Wirklichkeit war die Zeit nicht eben zu frohen Festen angetan: ge-
rade unter den Philippi beginnt sich das Unglück des Reiches zu häufen:
die Schwächung des kaiserlichen Ansehens durch Usurpationen, die Unzu-
verlässigkeit der Armee, der finanzielle Ruin, der harte Steuerdruck, die
Einfälle der Grenzvölker und verheerende Krankheiten, das alles wirkte
verhängnisvoll zusammen. Bei den Nachbarn und nicht nur bei den Persern
(S. 350) waren bedeutsame Veränderungen eingetreten. An den germani-
schen Grenzen hatten sich die einzelnen Stämme zu größeren Völkerbünd-
nissen zusammengeschlossen. Wo die Germanen mit den Römern in Be-
rührung kamen, erwiesen sie sich als deren gelehrige Schüler besonders in
militärischer Hinsicht. Am obergermanischen Limes tauchten schon unter
Caracalla die Alamannen auf, am Mittel- und Unterrhein die Franken und
östlich von ihnen an der Nordsee die Sachsen, die zu Schiff die gallischen und
britischen Küsten heimsuchten. 2) Ostgei-nianische Stämme, die Gothen mit
ihren Verwandten, denVandalen, Langobarden u.a., hatten sich in Bewegung
gesetzt,'^) die Gothen hatten den Pontos erreicht und wurden an der unteren
Donau Nachbarn des Reichs.^) Sie eroberten, wahrscheinlich unter Severus
Alexander, Tyras. Beim Sturz des Maximinus (238 n. Chr.) gingen sie mit den
Karpen, einem dakischen Stamm, über die Donau und nahmen Istros ein.
Auf dem Weg nach dem Orient v/arf sie Gordianus III zurück, bewilligte
ihnen aber zugleich Jahrgelder (242 n. Chr.). Philippus hat 245 — 247 n. Chr.
teils selbst, teils durch Legaten siegreich mit ihnen gekämpft. 248 n. Chr.
erneuerten sich die Angriffe der Gothen, wobei ihnen die Usurpation des
') Vgl. über ihn E. Stein, PWX755ff. ! wird vermutet, daß sie mit den Semnonen
Sein Christentum ist legendär. zusammenhängen, die früher östlich der
-) Jotapianus rühmte sich der Zuge- Elbe wohnten. Müllenhoff, Deutsche
hörigkeit zum Haus Alexanders, womit Altertumskunde lY 523 f.
Severus Alexander gemeint sein dürfte. ■*) Das erste Stadium der Wanderung
Aurel.Vict. Caes. 29, 2. Ein anderer Gegen- ist schon zur Zeit der Markomannenkriege
kaiser ist Julius Aurelius Sulpicius Ura- ! des M. Aurelius vollendet. Damals sind
nius Antoninus, der sich in Syrien erhob, Vandalen und Langobarden bereits den
nach dem Zeugnis der Münzen das Mil- Donauvölkei-u benachbart,
lennium feierte und noch das J. 253/254 5) KaspakZeuss, Die Deutschen und ihre
n. Chr. erlebte. Indes setzt ihn die litera- Nachbarstämme, 1837, 401 f. L.Schmidt,
rische Überlieferung schon unter Severus Gesch. der deutschen Stämme bis zum
Alexander (Zosim. I 12, 2. Syncell. p. 674 ; Ausgange der Völkerwanderung I 1 (bei
ed. Bonn.), weshalb Mommsen vermutet, es ' Sieglin, Quellen u. Forschungen z. alten
habe zwei Prätendenten mit Namen Üra- Gesch. u.Geogr., Heft 7, Berlin 1904). Das
nius gegeben. Vgl. PIR II 170 nr. 125. Werk von Zeuss ist grundlegend für die
^) Die Sachsen {^ä^orec) nennt als öst- \ germanische Stammesgeschichte. Vgl. Ed.
liehe Nachbarn der Chauken schon Ptole- Norden, Die germanische Urgeschichte in
maeusGeogr. 1141,7. Von den Alamannen Tacit. Germania, Leipzig-Berlin 1920, 1 f .
24*
l^-jo Römische Geschichte.
Ti. Claudius Marinus Pacatianus, des Legaten von Pannonien und Mösien,
der sich zum Kaiser ausrufen ließ, zu statten kam. Zur Beruhigung und
Sicherung der Provinz schickte Philippus den angesehenen Senator C. Messius
Quintus Traianus Decius mit starkem Aufgebot nach Mösien. *) Er wurde
von den Soldaten mit dem Purpur geschmückt, worauf er sein Heer nach
Italien in Marsch setzte. Philippus fiel gegen ihn in einer Schlacht bei
Verona (249 n. Chr.), der jüngere Philippus, der in Rom zurückgeblieben
war, nahm im Prätorianerlager ein gewaltsames Ende.
Der neue Kaiser Decius stammte aus Unterpannonien, und mit ihm be-
ginnt die Reihe der illyrischen Kaiser. Wie üblich, bestellte er seine Söhne
Q. Herennius Etruscus Messius Decius und C. Valens Hostilianus Messius
Quintus zu Caesaren und damit zu Thronerben. Decius ist der erste, der eine
allgemeine systematische Verfolgung der Christen anordnete, die dann Valerian
fortsetzte. 2) Zunächst mußte Decius einen Aufstand in Gallien dämpfen;
hierauf wandte er sich gegen die Gothen, die inzwischen unter Kniva Mösien
und Thrakien überflutet hatten. Unsere dürftigen Berichte über seine Kämpfe
mit den Barbaren lassen erkennen, daß der Erfolg wechselte, ^j Die Gothen
belagerten Nikopolis und eroberten nach einem Sieg über den Kaiser sogar
Philippopolis, das ihnen L. Priscus verriet, der mit ihrer Hilfe das Imperium
zu erlangen hofPte. Decius sammelte neue Streitkräfte und nötigte die Feinde
zum Rückzug. Es scheint nun, daß Decius ihnen im Verein mit dem Statt-
halter Mösiens C. Vibius Trebonianus Gallus den Weg verlegen wollte. In
den sich entspinnenden Kämpfen erlitt zuerst der kürzlich zum Augustus
erhobene jüngere Decius und dann auch der tapfere kaiserliche Vater bei
Abrittus in Niedermösien, also auf römischem Reichsboden, den Heldentod
(spätestens Anfang Juni 251 n. Chr.).-^) Verrat von Seiten des Gallus soll bei
der Katastrophe mit im Spiel gewesen sein. Das verwaiste Heer rief den
Gallus zum Kaiser aus. Hostilianus, der zweite Sohn des Decius, blieb Mitkaiser
und wurde der Adoptivsohn des neuen Augustus, der seinen leiblichen Sohn
Gallus Volusianus zum Caesar machte. Die Gothen erhielten freien Abzug
und die Bewilligung von Jahrgeldern; aber die schmählich erkaufte Ruhe
war nicht von Bestand; denn bald drangen die Barbaren von neuem über
die Donau vor und setzten sogar nach Kleinasien über. Unter Trebonianus
Gallus hielt vom Orient her die Pest ihren Einzug, um fünfzehn Jahre lang
die Bevölkerung heimzusuchen; unter ihren zahllosen Opfern befand sich
auch Kaiser Hostilianus.'') Ein Sieg über die Gothen führte den Statthalter
Mösiens, M. Aemilius Aemilianus, auf den Thron; Gallus und Volusianus
') Vielleicht schon 248 n. Chr. : denn Vgl. P. M. Meyer, Abhandlgg. d. Berl. Akad
dieses Jahr wird in einigen Inschriften als 1910. W. Schubaet, Einführung m die
das erste des Decius gerechnet: Mommsen, Papyruskunde, Berlin 1918, 363. 370.
BhU. deir instit. 1865 p. 27 ff.; vgl. PIR II
368 nr. 373 und W. Liebenam, Fasti con-
sulares imp. Rom. 113.
^) Der Verfolgung entging, wer das von
') Ammian. XXXI 5, 15 ff. : Jordanis Get.
101; Zosimos I 21 ff. ; Zonaras XII 20. De-
xippos fr. 16 a. Aurel. Vict. 29. B. Rappa-
poRT. Die Einfalle der Goten in das röm.
allen Bürgern geforderte Opfer leistete Reich (Leipzig 1899) 38 ff.
und sich diesen Akt behördlicherseits ! •*) Über das Datum vgl. Che. Hülsen,
bescheinigen liefs. Solche Opferausweise j Röm. Mitteilungen 17, 1902, 167 ff.
{hbeUi; daher die Bezeichnung liheUaiici \ ^) Nach anderer Version (Zosim. I 25, 3)
für abtrünnige Christen) sind neuerdings j wäre Hostilianus von Gallus beseitigt
in Ägypten auf Papyrus gefunden worden. \ worden.
. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis aixf Diokletian, (i; •")l.) ;>~3
wurden, als der Gegenkaiser sich Rom näherte, bei Interanina von ihren
Truppen verlassen und erschlagen (253 n. Chr.). Aber noch in demselben
Jahr ereilte den Aemilianus nach wenigen Monaten seiner Kaiserherrlich-
keit dasselbe Geschick; denn in Rätien machten die Legionen einen neuen
Kaiser, den Konsular P. Licinius Valerianus; schon in einer Inschrift vom
22. Oktober 258 n. Chr.') erscheint er mit seinem Sohn P. Licinius Egnatius
Gallienus als Lnperator. 2) Der ältere Sohn des Gallienus, P. Licinius Cor-
nelius Valerianus, 2) wurde bald darauf zum Caesar und Mitregenten ernannt.
Unter Valerianus und Gallienus brach von allen Seiten das Unheil über
das Reich herein: Alamannen und Franken überschritten den Rhein; die
Küsten wurden von den Sachsen verheert; in Mauretanien erhoben sich die
Gebirgsstämme, die sog. Quinquegentiani, und fielen (258 — 259 n. Chr.) ins
benachbarte Numidien ein;*) die Gothen und ihre Nachbarn zogen wiederum
plündernd über die Donau, erreichten Makedonien vmd die Grenzen Achaias
und hätten fast Thessalonike erobert; Dacien ging größtenteils verloren
(etwa 257 n.Chr.). Ln Osten machten die Perser einen Vorstoß; sie brachten
Armenien in ihre Gewalt und bedrohten die römischen Provinzen; 256 n. Chr.
nahmen sie Antiochien. Die beiden Kaiser teilten sich in die Arbeit; Gallienus
ging nach Gallien und führte, im Bund mit germanischen Stämmen, den
Krieg an der Rheingrenze. °) Valerianus begab sich in den Orient, um die
asiatischen Provinzen zu schützen. Antiochien gewann er wieder zurück
(etwa 257 n. Chr.) und wandte sich dann gegen die Perser, die Edessa in
Mesopotamien belagerten. Hier erlitt Valerian eine Niederlage und geriet
selbst in Feindeshände (260 n. Chr.);^) in der schmachvollen Gefangenschaft
der Perser ist der römische Kaiser verstorben. Den Orient überfluteten die
Perser, die Antiochien, Tarsos und Caesarea in Kappadokien eroberten.
Die Gefangenschaft Valerians machte bei Freund und Feind den tiefsten
Eindruck; die Grenzvölker griffen nun mit verdoppeltem Eifer an. Gallienus
war nicht mehr in der Lage, das Reich zu schützen, die Provinzen waren
oft auf sich selbst angewiesen; bei der Ohnmacht der Regierung und der
Zerrüttung der Disziplin wurden häufig in den Provinzen Gegenkaiser auf-
gestellt, zumeist Kriegsleute, deren Schutz man sich anvertrauen wollte.
Es ist die Zeit der sog. dreißig Tyrannen,') wobei unter Tyrann der nicht
1) ILS I nr. 5S1. Lehner, Westdeutsche Zeitschr. XV 260 f.
2) Zur Geschichte des GalHenus vgl. Nissen, Novaesium (Bonner Jahrb. 1904
A. V. DoMASZEwsKi, Eheiu. Mus. LVII (1902) Bd. 111/112 S. 96. 251).
510 ff. L.Homo, liemie historique HS, li)lS, ^) Der Hergang wird sehr verschieden
1 a: 225 ff". erzählt. Zosinios I 36. Zonaras XII 22.
3) Er wird nicht selten mit seinem Zvir Chronologie vgl. Sadee, De imp. Ro-
jüngeren Bruder Saloninus (P. Licinius manorum tertii p. Chr. saecuU temporibns,
Cornelius Saloninus) verwechselt. PIE II Bonn 1891. W. Liebenam, Fasti consulares
272 f. (nr. 123f.). irnj). Rom. lU.
••) Zusammen mit den C^uinquegentia- ') Vgl. H. Peteb, Die i'ömischen sog.
nern werden die Bahares genannt. R. Cag- dreißig Tyrannen, Abhandlgg. der Sachs.
nat, L'ai-mce Romaine d'Äfrtque, 55 f. ILS Gesellsch. derWiss. 27 nr. 6, Leipzig 1909.
I nr. 1194. Der Name beruht auf einem albernen
'=) Valerianus und Gallienus nehmen den Einfall der Hisioria Äugusta ; er ist geprägt
Tiiei Germanicus Maximus Siii. Von Gallie- nach der — historisch in keiner Weise
nus rührt die Befestigung von Köln und zutreffenden — Analogie der „Dreißig"
wohl auch von Trier her. Auch Novaesium in Athen. Die i//«ioria J.4<//us/a bezeichnet
(Neuß) wurde damals wieder Festung. mit iijrannns den Usurpator, den Gegen-
;}7 1 Römische Geschichte.
legitimierte Usurpator verstanden werden muß. Dacien wurde erobert, die
Donauprovinzen waren den Verheerungen der Gotlien und anderer Barbaren,
<lie bis nach Achaia vorstießen, preisgegeben. Der obergermanisclie und
rätische Limes hielt niclit stand, die Befestigungen wurden zerstört,*) die
rechtsrlieinischen Besitzungen gingen verloren. Von Rätien her brachen die
Alamannen in Italien ein (261 n. Chr.), und der Senat mußte Truppen auf-
bieten; Gallienus eilte aus Gallien herbei, wo er seinen Sohn, den Cae.sar
Cornelius Valerianus zurückließ, imd besiegte die Eindringlinge bei Mailand.
Damals sagte sich Ingenuus, der Befehlshaber Pannoniens, von Gallienus
los; er ist der erste unter den Tj-rannen. Gallienus eilte herbei und schlug
-den Rebellen bei Mursa: ein Nachfolger erstand dem Ingenuus in Rega-
lianus, der in einem blutigen Krieg ebenfalls niedergeworfen wurde. ^) Aber
inzwischen, seitdem Gallienus den Westen verlassen hatte, ergossen sich
die Franken über das Land, kamen bis nach Spanien und setzten sogar
über das Meer. M. Cassianius Latinius Postumus, der eine plündernde Schar
besiegt hatte, wurde von seinen Truppen zum Kaiser proklamiert: der C'aesar
Valerianus wurde in Köln gefangen und getötet. 3) Es gelang dem Postumus,
Gallien wieder von den Feinden zu säubern. Auch Spanien und Britannien
fielen ihm zu, und umsonst versuchte Gallienus, ihn zu verdrängen. Postumus
fand an den Franken Bundesgenossen und konnte sogar einen wenn auch
vergeblichen Angriff auf Gallienus gegen Italien unternehmen: er hat zehn
Jahre regiert (258—268 n. Chr.). Ihm schwebte nichts Geringeres vor als
die Gründung eines unabhängigen gallo-germanischen Reiches.'*)
Im Orient konnten sich die Perser auf römischem Boden nicht behaupten:
sie wurden von einzelnen Heerführern bald wieder verdrängt. Besonders ist
zu nennen Septimius Odaenathus von Palmyra,^) der den Sapor zum Rückzug
über den Euphrat nötigte, Mesopotamien zurückeroberte und den Persern
schwere Verluste beibrachte. Aber auch hier standen Gegenkaiser auf. Zwei
Brüder, T. Fulvius Junius Macrianus und T. Fulvius Junius Quietus, Söhne
des M. Fulvius Macrianus, wurden im Jahr 260 zu Kaisern ausgerufen und
eine Zeitlang im ganzen Kleinasien, auch in Ägypten anerkannt.'') Macrianus
und sein Vater gingen sogar nach Europa hinüber: als aber Aureolus, der
kaiser, ein später Sprachgebrauch. Die i jüngeren Sohn, Saloninus, zum Caesar.
„Biographien" der tijranni irlginta, eine *) Vgl. Ed. Norden, Die germanische Ur-
Zahl, die in Wirklichkeit nie erreicht geschichte in Tacit. Germania, Leipzig-
wurde, sind historisch wertlos. Mehrere Berlin 1920. 177 ff.
der Tyrannen existieren nur in der Phan- '") Vgl. A. v. Sallet, Die Fürsten von
tasie des Biographen, der sich Trebellius Palmyra, Berlin 1866. PIRIII2lof. nr.339.
Pollio nennt und z. B. einen Tyrannen Odaenathus war Ratsherr (decurio) von
Trebellianus frei erfindet. Palmyra und besaß den Rang eines römi-
') 259 oder 260 n.Chr. ist das Kastell sehen Konsulars, wie aus einer griechisch-
Niederbieber (bei Neuwied) zerstört wor- syrischen Inschrift hervorgeht (Lebas-
den (vgl. E. Ritterling, Bonner .Jahrb. 120, Waddington, Voi/cif/e archeologique III nr.
1912, 276). Die Besatzungstruppen, die 2602). Vgl. Mommsen, Rom. Gesch. V 427
vielfach ansässig waren, mögen mitunter Anm. -4.
geblieben sein und sich mit den Eroberern «) Vgl. PIR II 94 f. nr. 371 u. 372. A. Stein
verschmolzen haben. PW VII 253 ff. 257 f. Die Daten ägyptischer
^) Seine Gemahlin war vielleicht die Papyrusurkunden ergeben eine minde-
nur durch pannonische Münzen bekannte stens einjährige Dauer des Regiments der
Kaiserin Sulpieia Drvantilla. PIR III 290 beiden Usurpatoren. S. die Belege bei
"r. 741. ■ Stein a. a. O. 254 f.
') Hierauf ernannte Gallienus seinen
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ 51.) 375
Peldherr des Gallieniis, ihnen entgegentrat, wurden sie von ihren Soldaten
verlassen und getötet. Nunmehr vermochten sich auch Quietus und sein
praefectus j)metorio Ballista in Syrien nicht mehr zu halten ; sie wurden von
Odaenathus in Emesa belagert und nahmen ein gewaltsames Ende. Odae-
nathus spielte noch immer den loyalen Anhänger des Kaisers Gallienus,
der ihm in Anerkennung seiner Verdienste nach der Vertreibung der Perser
imter dem Titel dux orlentis den Schutz der asiatischen Provinzen und
Ägyptens übertrug.
Des Reiches Bedrängnis wurde gesteigert durch große Seezüge der Pontos-
völker, der Boranen, Gothen, Heruler und anderer, die sich der Häfen des
nördlichen Pontosufers bemächtigten und noch unter Valerian die Küsten
des Schwarzen Meeres und besonders die bithynischen Städte heimsuchten
(256 und 258 n. Chr.).^) Später, seit etwa 262 n. Chr., 2) erzwangen sie sich
■den Durchzug durch die Meerengen und brandschatzten die Küsten Asiens
und Griechenlands. 263 n. Chr. wurde Ephesos erobert und verwüstet, 3) um
264 n. Chr. gelangten sie bis nach Galatien und Kappadokien, 266 n. Chr.
fiel bei einem neuen Angriff auf Bithynien das pontische Herakleia in ihre
Gewalt. Besonders schlimm hausten die Barbaren auf ihrem Raubzug von
267 n. Chr., Athen und ein großer Teil Griechenlands, Korinth, Argos und
Sparta wurden von den Herulern erobert und geplündert. Ein entschlossener
Athener, Herennius Dexippus, der bekannte Geschichtschreiber, rieb damals
eine Schar von Plünderern auf; aber die mutige Tat blieb ohne Wirkung.
Schließlich erschien eine römische Flotte im Ägäischen Meer; Gallienus selbst
brachte Hilfe und schlug einen auf dem Rückzug befindlichen Barbaren-
haufen in Thrakien am Nestos. Allenthalben herrschte Not und Verwüstung;
zu allem Unglück setzte auch noch die Pest ihr Vernichtungswerk fort.
Auch die afrikanischen Provinzen hatten zu leiden;^) sie wurden von den
schon genannten Maurenstämmen der Quinquegentianer überfallen ; besonders
gefürchtet war der Rebell Faraxen, der aber um 260 n. Chr. gefangen ge-
nommen und hingerichtet wurde. ^) Auch dort vermehrten Gegenkaiser, wie
der Maure Memor, die allgemeine Verwirrung. Mitten in diesem Chaos hielt
Gallienus, dem es an Tatkraft nicht gebrach,*^) wenigstens in seiner Person
die Einheit des Reiches aufrecht. Die meisten Prätendenten wurden von
ihm niedergeworfen; aber die Grenzen konnte er nicht mehr schützen. Er
war ganz Soldatenkaiser und nahm auf den Senat wenig Rücksicht; die
Senatoren schloß er vom Heer grundsätzlich aus.'') Man wirft dem Gallienus
') Vgl. die oben S. 372 A. 3 zit. Schrift welclien Tag die Grabsehrift seines Be-
Kappapokts. Siegers datiert ist, ILS I nr. 2767 (vgl.
^) 262 n.Chr. vor der Feier der Decenna- noch nr. 1194). Cichorius, Leipziger Stu-
lien war Gallienus in Byzanz anwesend, dien X 319. A. Stein, PW VI 1998.
wo eine Meuterei der Truppen beseitigt ®) K.J. Neumann, Deutsche Lit. Ztg. 1917,
wurde, wenn die rifa Gall. 7, 4 recht hat. ! 566, möchte den Gallienus allerdings zum
^) Jahreshefte des österr. archäol. In- „Typus des Neurasthenikers" stempeln im
stituts I (1898) Beiblatt 59 f. 72 f. Widerspruch gegen das günstige Urteil,
■') Auch hier wurde eine Grenzbefesti- , das A. v. Domaszewski (Gesch. der röm.
gung eingerichtet. Am Limes Tripolitanus Kaiser II 305; vgl. Rangordnung des röm.
hat Gallienus 264 n.Chr. ein Kastell er- Heeres,BonnerJahrbb. 11 7, 196) gefällt hat.
baut. Comptes rendus de Vacademie des in- ^) Einen Anfang in dieser Richtung hatte
Script. 1902, 1 S. 821 ff. schon Septimius Severus gemacht. Vgl.
'=) Vor dem 25. März 260 n. Chr.. auf oben S. 345. C. W. Keyes. The rise of the
p^~ß Römische Geschichte.
vor, dafe er über der großen Not der Zeit die Vergnügungen der Haupt-
stadt nicht vergaß und sich in seinen letzten Jahren einem wüsten Genuß-
leben hingab. Das sind wohl tendenziöse Übertreibungen, zu denen der
Haß des zurückgesetzten Senats gegen den militärischen und politischen
Reformer verf'ülirte. Der hocligebildete Kaiser, der verständnisvolle Ver-
ehrer des neuplatonischen Philosophen Plotin ') ist besser als sein Kuf in
der parteiisch gefärbten antiken Überlieferung.
Während des Gothenkriegs sagt sich einer der angesehensten Heerführer,
Aureolus, der gegen Postumus im Felde stand, von Gallienus los. Der Kaiser
mußte deshalb die Abrechnung mit den Gothen anderen überlassen, um
sich selbst gegen Aureolus zu wenden, den er schlug und in Mailand ein-
schloß. Hier kam es, vielleicht im Einvernehmen mit Postunms, zu einer
Verschwörung der höheren Offiziere, die den Kaiser zu beseitigen und einen
aus ihrer Mitte, den M. Aurelius Claudius, auf den Thron zu setzen ge-
dachten. Gallienus wurde bei einem falschen Alarm hinterrücks ermordet;
der neue Kaiser fand die Anerkennung des ganzen Reiches mit Ausnahme
von Gallien und Britannien (2(58 n. Chr.).^)
Claudius (II) hat Italien vor den Alamannen geschützt und sich vor
allem das Verdienst erworben, einen wuchtigen Angriff der Gothen zurück-
zuweisen; die Gothen hatten Athen abermals erobert und die Küsten und
Inseln des östlichen Mittelmeers bis nach Kypros hin verheert. Claudius
schlug die Barbaren bei Naissus (Nisch) und machte viele Gefangene, die
er als Kolonen auf dem entvölkerten römischen Gebiet ansiedelte oder ins
Heer einstellte (269 n. Chr.). Er verdiente sich durch seinen Erfolg den
Beinamen Gothiciis max'uniis.^) Aber schon 270 n. Chr. erlag der Gothen-
sieger, ehe er zu weiteren Schlägen ausholen konnte, im Heerlager zu Sir-
mium der Pest. Nur auf wenige Wochen erbte sein Bruder Quintillus den
Thron, von dem ihn der Erwählte der Heere, L. Domitius Aurelianus
verdrängte (etwa März 270 n. Chr.). Aurelianus,^) ein hervorragender Feld-
herr, setzte zunächst das nationale Rettungswerk des Claudius fort; er ver-
trieb nämlich die Alamannen (Juthungen) aus Rätien, die Gothen und Van-
dalen aus Pannonien, und als die Alamannen von neuem bis nach Umbrien
verheerend in Italien einbrachen, schlug er sie in einer Reihe von Gefechten
wieder zum Land hinaus (271 n. Chr.). Um für die Zukunft vorzubeugen,
wurde beschlossen, Rom und andere Städte Italiens neu zu befestigen. Die
Riesenarbeit einer Ummauerung Roms wurde von Aurelian unter Heran-
ziehung der Einwohnerschaft geschickt organisiert, gelangte aber erst unter
seinem Nachfolger zur Vollendung. Dacien wurde ganz aufgegeben und den
inzwischen dort angesiedelten Barbaren überlassen, die in der bisherigen
Provinz ansässigen Römer wurden nach Mösien verpflanzt. Eine gothische
equites in the third Century of the Roman
empire. Diss. Princeton 1915. Über die
Wichtigkeit der Reformen des Gallienus
vgl. R.Grosse, Rom. Militärgeschichte von
Gallienus bis zum Beginn der byzantin.
Themenverfassung, Berlin 1920, 1 ff.
^) Vgl. M.WuNDT, Plotin, I.Heft, Leipzig
1919, 36 flf.
2) Henze, PW II 245Hlf. L. Homo, De
Claudio Gothico, These, Paris 1903.
=>) 269 n. Chr. hat Claudius auch die Be-
festigung von Nikaia in Bithynien wieder
hergestellt. Letronne, Renteil I 221 f.
*) F. GöRRES, De primis Aureliani pri)i-
cipis t empor ibus, Diss. Bonn 1868. L.Homo,
Essai sitr le reqne de Vempereur Aurelieny
Paris 1904. E. Groag, PW V 1347 ff.
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§51.) 87/
Schar, die über die Donau vordrang, wurde geschlagen und vertrieben. Als
seine Hauptaufgabe betrachtete Aurelian die Wiederherstellung der Reichs-
einheit. In dieser Absicht wandte er sich zunächst nach dem Orient, wo
nach dem Tod des Odaenathus (266 oder 267 n.Chr.) dessen Witwe Zenobia')
(Bathzabbai mit einheimischem Namen) mit ihrem Sohn Vaballath (Atheno-
doros) herrschte. Zeitweilig (269 n. Chr.) nahm die Herrin von Palmyra
auch Ägypten in Besitz und erwarb sich im Nilland viele Anhänger: auch
ein großer Teil Vorderasiens gehörte ihr. Aurelian hatte sie, wie sein Vor-
gänger Claudius, zunächst anerkennen müssen, 2) geriet aber nunmehr um den
Besitz Bithyniens mit ihr in Krieg. Der Kaiser verdrängte die Gegnerin aus
Kleinasien, schlug sie bei Emesa und schloß sie in Palmyra ein. Bei einem
Fluchtversuch wurde Zenobia gefangen, worauf Palmyra kapitulierte. Zenobias
Leben schonte der Kaiser, der die Gefangene in Rom im Triumph aufzu-
führen gedachte. Ihre Hauptratgeber, darunter der Philosoph Longinus,
mußten sterben (272 n. Chr.). Bald darauf empörte sich Palmyra aufs neue;
Aurelian, schon auf der Rückkehr begriffen, kehrte schleunigst um und
eroberte und zerstörte die Stadt unbarmherzig. Damit war die künstliche
Blüte Palmyras für immer geknickt. Auch in Ägypten rebellierten Partei-
gänger der Zenobia und leisteten dem Kaiser längeren Widerstand. Alexan-
drien wurde deshalb von Aurelian streng bestraft; die Stadt verlor die Mauern
und einen Teil ihres Gebietes (273 n. Chr.).^)
Unmittelbar nach Unterwerfung des Orients wurden auch die gallischen
Provinzen wieder mit dem Reich vereinigt. Hier war um 268 n. Chr. Postumus
bald nach Beseitigung eines Nebenbuhlers C. Laelianus von meuterischen Sol-
daten erschlagen worden. Angeblich nur zwei oder drei Tage soll die Usur-
pation eines ehemaligen Waffenschmiedes, des M. Aurelius Marius, gewährt
haben. Nach dessen Sturz warf sich M. Piavonius Victorinus zum gallischen
Gegenkaiser auf, um sich etwa zwei Jahre lang (um 268 — 270 n. Chr.) zu
behaupten. Seine einflußreiche Mutter Victoria, die Zenobia des Westens,
wußte nach der Ermordung des Sohnes die Legionen zur Proklamation des
damaligen Statthalters von Aquitanien, C. Esuvius Tetricus, dessen gleich-
namiger Sohn Caesar wurde, zu bestimmen. Tetricus regierte noch gleich-
zeitig mit Claudius Gothicus, also seit etwa 270 n. Chr.*) Er hatte bei der
') Vgl. über Septimia Zenobia PIR III Imperatoren kann nur mit Hilfe der Nu-
217ff. nr. 355. F. Müller, Studien über mismatik einigermaßen aufgehellt werden.
Zenobiau.Palmyra,Diss. Königsberg 1902. Vgl. J. de Witte, Eecherches sur les em-
') Vaballath herrscht in Ägypten eine pereurs qui ont regne dans hs Gaules au
Weile (Daten vom 31. März bis 17. Nov. 3«^ siede, Lyon 1868, dazu den Bericht
271 n. Chr.) neben Aurelian ; sein viertes über einen Münzfund in Trier im Korresp.-
und fünftes Jahr entspricht dort dem er- Blatt der Westd. Zeitschr. XVIII (1899)
sten und zweiten Aurelians. Er hat sich S.54f. Von Marius gibt es zahlreiche Mün-
nämlich in Ägypten nachträglich vor- zen; er kann also nicht allzu kurz regiert
datiert und unmittelbar an Gallienus an- haben. Es gibt ferner Münzen, auf denen
geschlossen. Sein voller Name und Titel Tetricus und Postumus, ferner Tetricus
lautet: Vir clarissimus rex imperator dux Bo- und Victorinus zugleich erscheinen, end-
manorum lulius Aurelius Septimius Vaballa- lieh auch solche mit Tetricus und Clau-
thus Athenodorus. Wessely in den Papyrus dius (Eckhel VII 455; Cohen VI 115). Man
Rainer IV 55. PIR III 215 nr. 347. Prei- könnte daraus schließen, daß Tetricus
siGKE, Papyrus Straßburg IIS. 32 flf. noch mit Postumus zusammen geherrscht
') Ammianus Marceil. XXII 16, 15. hätte, de Witte setzt Postumus in die
■•) Die dunkle Geschichte der gallischen J. 258—267, Victorinus 265—268, Marius
.737(S Römische Geschichte.
Unbotmäßigkeit der Soldateska, sowie infolge von Unruhen unter dem Land-
volk keinen leichten Stand; in seiner l^edrängnis ging der Usurpator schliefs-
lich insgeheim den legitimen Kaiser Aurclian um Hilfe an. Dieser ließ sich
nicht lange bitten; er zog nach Gallien und in der Schlacht bei Chiilons
ging Tetricus '/a\ ihm über; Aurelian besiegte die führerlosen Truppen und
gewann Gallien und Britannien wieder für das Reich zurück. Ein imposanter
Triumph krönte seine im Orient wie im Okzident gegen die Keichsfeinde
verrichteten Waffentaten (274 n. Chr.). Wie nach außen, so war Aurelian
auch im Inneren bemüht, die aus den Fugen gegangene Welt wieder ein-
zurenken, und so ist sein Ehrenbeiname restitiitor orbis keine hohle Phrase.
Er verbesserte z. B. die sehr verschlechterte Münze, was einen Aufstand
iler Münzarbeiter (inonetarä) in Kom zur Folge hatte, der in Blut erstickt
wurde. Aurelian hatte ein stark entwickeltes Herrscherbewußtsein, das er
•auch darin zum Ausdruck brachte, daß er sich mit dem Diadem nach orien-
talischer Königssitte schmückte. Vereinzelte Münzlegenden bezeichnen den
Kaiser geradezu als dens et dominus nattis. Wie einst Elagabal, so hegte
auch Aurelian eine besondere Vorliebe für den Sonnengott, den sol invictus,
dem er in Rom einen prächtigen Tempel errichtete imd dessen Kult er von
Staats wegen rezipierte.
Aber selbst diesen machtvollen Herrscher traf schließlich der Mordstahl
seines kriegerischen Gefolges. Auf einem neuen Feldzug, wohl gegen die
Perser, begriffen, wurde Aurelian im Jahr 275 n. Chr. auf der Straße nach
Byzanz getötet.^) Ausnahmsweise war es der Senat, der den Nachfolger
bestimmte, und zwar in der Person des M. Claudius Tacitus, eines bejahrten
Konsulars. 2) Der Senatskaiser schlug die Gothen zurück und kämpfte in
Asien gegen die Pontosvölker, die von neuem das Land überschwemmten:
aber schon nach kurzer Regierung wurde er 276 n. Chr. von seinen Truppen
zu Tyana in Kappadokien erschlagen. Ein Teil des Heeres wählte an seiner
Stelle den Gardepräfekten M. Annius Florianus,^) der in Rom Anerkennung
267, Tetricus 268 — 273 n.Chr. Abweichend - sehen Kaisermünzeu, Berlin 1870; ILS I
W. LiEBENAM, Fastl considares 115 f. Au- nr. 581. B. Rappaport a. a. O. 75. Das Da-
gustodunum, die Hauptstadt der Aeduer, tum der vita Taciti 3, 2 für die Wahl des
schloß sich an Claudius an und wider- Tacitus in Rom ist, wie die meisten der-
stand dem gallischen Herrscher sieben [ artigen Angaben der Historia Augusta,
Monate lang. Claudius wurde zu Hilfe ganz ohne Gewähr.
gerufen, konnte aber nicht abkommen. ^) Vgl. E. Hohl, Klio XI, 1911, 284 flf.
Panegyr. Lat. V (VIII) 2, 5. 4, 2. Damit Nach dem Tod Aurelians soll ein halb-
steht im Einklang, daß laut einer Inschrift jähriges Interregnum eingetreten sein,
aus Cularo (Grenoble) im J. 269 n. Chr. bis schließlich auf den Wunsch der Sol-
Claudius wenigstens einen Teil der Nar- daten der Senat den Tacitus wählte, eine
bonensis beherrschte. CIL XII 2228. Den \ Version, die der ENMANNSchen Kaiser-
Anfängen der Regierung des Aurelian ge- geschichte (vgl. S. 280) entstammt. Dagegen
hört ein anderer durch einen Münzfund berichtet Zonaras XII 28, daß Tacitus vom
bezeugter gallischer Imperator an, Domi- Heer gewählt und vom Senat bestätigt
tianus. A. Stein in den Wiener Studien ' worden sei. Über die Daten der Papyrus-
XXIV (1902) 339 ff. PW V 1311 f. Urkunden vgl. Klio a. a. 0. 323 f. Daß der
') Aurelian muß nach dem 29. August Kaiser Tacitus ein Nachkomme des Hi-
275 n. Chr. gestorben sein, wie aus den storikers Tacitus gewesen sei, ist eine
ägyptischen Münzen hervorgeht, die sein läppische Erfindung der Historia Augusta.
siebentes Jahr zählen. Auch sonst ist ') Florian ist nicht etwa der Bruder
sein siebentes Jahr unzweifelhaft bezeugt. des Tacitus, wie Aur. Vict. Caes. 36, 2 in-
A. V. Sallet, Die Daten der alexandrini- folge einerVerwechslung mit dem Bruder-
7. Fünfte Periode: Die Kaiserzeit bis auf Diokletian. (§ öl.) 879
fand. Auch er hatte gothische Streifscharen in Kleinasien zu bekriegen.
Aber die syrischen Legionen erhoben ihrerseits den M. Aurehus Probus,')
der aus Sirmium stammte, also wieder, wie Aurehan, „Illyrier" (im weiteren
Sinn) war. Daraufhin wurde Florianus, noch ehe es zum eigenthchen Kampf
mit dem Rivalen kam, von seinen Leuten aufgegeben und beseitigt.
Probus vollendete in gewissem Sinn, was (Claudius und Aurelian be-
gonnen hatten. Er vertrieb unter blutigen Kämpfen die nach Aurelians
Tod in Gallien eingefallenen Alamannen und Franken und stellte die Rhein-
grenze wieder her. Zur besseren Verteidigung wurden die gallischen Städte
mit neuen Befestigungen versehen ^) und am rechten Rheinufer feste Posten
eingerichtet (277 n. Chr.). Aus Rätien schlug Kaiser Probus die Burgunder
und Vandalen hinaus (278 n. Chr.); den Stamm der Bastarner und zahlreiche
Germanen siedelte er auf römischem Boden an und verstärkte aus ihnen
sein Heer. 3) In Asien wurden die Isaurer bezwungen, die seit Gallienus
sieh unabhängig gemacht hatten; den letzten Widerstand leistete das feste
Kremna (279 n. Chr.). Gleichzeitig unterdrückten die kaiserlichen Feldherren
einen Aufstand in Oberägypten, den die räuberischen Grenznachbarn, die
Blemyer, unterstützt hatten. Die von den Eindringlingen besetzten Städte
Koptos und Ptolemais wurden zurückgewonnen. Aber Probus hat nicht
nur Kriegstaten, sondern auch Friedenswerke aufzuweisen; er machte sich
um die Landwirtschaft verdient und förderte den Weinbau in Gallien und
Pannonien. Unter den Soldaten, die er, wenn sie militärisch nicht gebraucht
wurden, zu produktiver Kulturarbeit verwendete, hielt er gute Zucht. Er
betrachtete das Heer so wenig als Selbstzweck, daß er in Kürze dessen
völlige Entbehrlichkeit verhieß, eine pazifistische Hoffnung, die freilich trüge-
risch war. Mit Aurelian verglichen, erscheint er als der Mildere; auch er-
wies sich Probus entgegenkommender gegen den Senat, dessen gestrenger
„Pädagog" sein Vorgänger gewesen war. Unangefochten sollte auch seine
Herrschaft nicht bleiben; in Syrien wurde Saturninus mit dem Purpur ge-
schmückt (279/80 n. Chr.), im Westen erhoben sich Bonosus und Proculus,^)
in Britannien rebellierte der Statthalter. Aber diese Unruhen ließen sich
rasch unterdrücken. Doch machte sich Probus bei den Soldaten, die er aller-
dings nicht verwöhnte, so unbeliebt, daß sie den Prätorianerpräfekten M. Au-
relius C^arus zum Kaiser ausriefen. Probus wurde in Sirmium nach sechs-
jähriger Regierung erschlagen (282 n. Chr.). Carus erhob seine beiden Söhne
Carinus und Numerianus zu Caesaren und übertrug, während er selbst zu-
nächst in Pannonien gegen die Sarmaten Krieg führte, dem Carinus den
paar Claudius-Quintillus angibt, ein Irr- kische Schar wußte sich Schiffe zu ver-
tum, den sich die schwindelhafte Historia schaffen und machte sich auf den Heim-
Augusta bereitwilligst zu eigen macht; weg, landete plündernd in Griechenland,
vgl. E. Hohl, Klio XI 310 f. Sizilien und Afrika und erreichte glück-
*) 'B.Böhm, De M. Aur. Probo imp. Romano, lieh wieder die Heimat, die Eheinmün-
Diss. Breslau 1867. E. Dannhäuser, Unter- düngen. Zosim. I 71.
such. z. Gesch. des Kaisers Probus, Diss. ■•) Auf einer Inschrift aus Tarraco vom
Jena 1909. J. 280 n. Chr. ist der Name des Probus
'^) AdkienBlanchet, Li's enceintes Romaities eradiert (CIL II 3738. ILS I nr. 597). Wenn
rfc/rtGa?</e, Paris 1907. In diesen Zusammen- dies, wie wahrscheinlich, mit dem Auf-
hang gehören auch die Befestigungen von stand des Proculus und Bonosus zu-
Trier und Köhi. Oben S. 373 A. 5. sammenhängt, so kann derselbe frühestens
■') Eine in Thrakien angesiedelte frän- 280 n. Chr. gesetzt werden.
^^^0 Römische Geschichte.
Grenzschutz in Gallien, das nach Probus' Tod aufs neue bedroht war. Dann
mußte sich Carus den Persern zuwenden, gegen die sclion Aurelian und
später Probus einen Feldzug vorbereitet hatten; Carinus wurde zum Augustus
befördert ^) und blieb als Regent im Westen zurück. Carus drang über den
Tigris bis Ktesiphon vor, schlug die Perser, kehrte mit großer Beute zurück
und sicherte den Besitz Armeniens und Mesopotamiens. Aber er sollte sich
seines Erfolges nicht lange erfreuen : vor Abschluß des Feldzuges wurde
er am Tigris in seinem Zelt vom Blitz erschlagen (283 n. Chr.).^) Der Caesar
Numerianus, der den Vater begleitet hatte, führte das Heer zurück, wnirde
aber schon dreißig Tage später unterwegs vom Gardepräfekten Aper er-
mordet, der sich selbst Hoffnung auf den Thron gemacht hatte: aber nach-
dem der von Aper verheimlichte Tod Numerians ans Licht gekommen war,
wählte das Heer bei Nikomedien den C. Valerius Aurelius Diocletianus
(17. September 284 n. Chr.). 3) Inzwischen hatte in Rom Carinus das Imperium
übernommen. Er wird als roher, gewalttätiger Mensch geschildert. Einen
Nebenbuhler Sabinus Julianus (M. Aurelius Julianus), der sich nach dem
Tod des Carus in Oberitalien erhoben hatte, beseitigte er bei Verona. Dann
zog er dem Diokletian entgegen, mit dem er am Margus in Mösien zu-
sammenstieß; in der Schlacht, die anscheinend für ihn siegreich war, wurde
Carinus von seinen eigenen Leuten niedergemacht. Diokletian behauptete
das Feld (285 n. Chr.).
Literatur: Jakob Burckhakdt, Die Zeit Constantins d. Gr., 2. Aufl., Leipzig 1880,
1. Abschn. — Th. Bernhardt, Politische Geschichte des röm. Eeiches von Valerian
bis zu Diokletians Regierungsantritt, Berlin 18<>7. — J. Oberdick, Die römerfeindliche
Bewegung im Orient, Berlin 1869. — B. Rappaport, Die Einfälle der Goten in das
Römische Reich bis auf Konstantin, Leipzig 1899.
Vni. Sechste Periode der Geschichte Roms: Die Kaiserzeit
Ijis zum Ende der ostgothischen Herrschaft in Itahen.
Quellen:
Die zusammenhängende Geschichtschreibung knüpft an die Darstellungen der
früheren Periode an und setzt sie ihrerseits fort. Das umfassendste Werk, das den
gröfsten Teil auch der vorhergehenden Epoche behandelte, sind die Res gestae des
Antiocheners Ammianus Marcellinus, ^) der unter Constantius II im kaiserlichen
Heeresdienst stand, sich dann, im Jahr 360 n. Chr., ins Privatleben zurückzog, dessen
Muße er nur noch einmal durch seine Teilnahme an dem Perserzug Julians unter-
brach. Ammianus, der den großen Wurf einer Fortsetzung des Tacitus wagte, begann
demgemäß mit Nerva (96 n. Chr.) und schloß mit dem Untergang des Valens (378
n. Chr.) ; er schrieb in Rom um 39U n. Chr. und in den folgenden Jahren. Erlialten
sind nur die Bücher 14 — 31, in denen der Autor die eigene Zeit von 353 — 378 n. Chr.
schildert; also muß die vorausgehende Geschichte verhältnismäßig knapp erzählt
worden sein. Der Verfasser, von Geburt Grieche, fühlte sich sozusagen als Wahl-
rümer, wie er sich dema auch der lateinischen Sprache bediente, was ihm nicht
*) IG IX 2 nr. 222. die Feier der Vicennalien im November
'^) Nach anderer Version wäre er er- 303 n. Chr. die Erhebung Diokletians auf
mordet worden. den 17. November 284 n. Chr.
^) Das Datum nach Chron. Pasch. I p. 510 ■*) Vgl. W. Klein, Studien zu Ammian.
ed. Bonn. O. Seeck, Zeitschr. für Numis- Marcell.. Klio, 13. Beiheft, 1914.
matik XII 131 datiert mit Rücksicht auf
8. Sechste Periode: Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrsch, in Italien. (C^uellon.) 381
eben leicht fiel; er war Heide, stand aber dem Christentum tolerant gegenüber.
Ammian ist ein warmer Verehrer Julians, den er jedoch mit Objektivität beurteilt
und dessen Fehler er nicht verschweigt. Die Darstellung ist, dem Zeitgeschmack
entsprechend, stark rhetorisch und mit mannigfaltigen Exkursen, besonders geo-
graphischen Inhalts, durchsetzt. Alle anderen zeitgenössischen Quellen übertrifit
Ammian an Wert und Unparteilichkeit bei weitem; wo sein Werk aufliört, da be-
ginnt ein starkes Nachlassen unseres geschichtlichen Wissens. Im übrigen ist die
eigentliche Geschichtschreibung fast ganz in den Händen griechischer Schriftsteller,
von denen die hervorragendsten genannt seien. So schrieb Eunapios von Sardes,
ein berühmter Rhetor, Verehrer Julians und Widersacher der Christen,') nach 414
n. Chr. in 14 Büchern die Geschichte der Jahre 270—404 n. Chr. und zwar in Fort-
setzung des Dexippos: doch war die Zeit vor Julian nur in kurzem Überblick ge-
geben. An ihn schloß sich Olympiodoros an, ein Ägypter aus Theben, der in
22 Büchern die Zeit von 407—425 n.Chr. eingehend darstellte; er widmete sein Werk
dem zweiten Theodosius. Vornehmlich Eunapios und Olympiodoros sind, wie sich
aus ihren Exzerpten ergibt, von Zosimos benutzt worden, dessen noch erhaltene
Neue Geschichte {foTogia vm) nach kurzer Einleitung die Jahre 270 — 410 n. Chr.
darstellt. Der Schlafs fehlt. Wie seine beiden Vorgänger war auch Zosimos ein An-
hänger der alten Religion und Gegner der Christen; er scheint gegen 450 n. Chr.
geschrieben zu haben; doch ist die Zeit strittig. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts
lebte der Rhetor Priskos, der die Geschichte seiner Zeit, namentlich der Hunnen
und des Attila, schrieb; wir besitzen daraus für die Jahre 433 — 468 n. Chr. noch
umfangreiche und sehr wertvolle Fragmente.^) Wahrscheinlich nach dem Tod Kaiser
Zenons schrieb Malchos von Philadelpheia in Syrien die Geschichte von 474—480
n. Chr.,3) ferner schilderte der Isaurer Candidus die Zeit der Kaiser Leon und
Zenon (457—491 n. Chr.). Ein kürzerer Abriß der allgemeinen Geschichte bis zum
zwölften Jahr des Anastasios stammte aus der Feder des Syrers Eustathios von
Epiphaneia."*) Unter den Kaisern Anastasios I, Justinus I und Justinianus lebte
Hesychios von Milet, der in seiner Chronik ebenfalls die ganze Weltgeschichte
von Anbeginn bis zum Tod des Anastasios (518 n. Chr.) zusammenfaßte. Bedeutender
war der Patrizier Petros (Petros Patrikios), Staatsmann und hoher Beamter im
Dienst Justinians. Er hinterließ eine Geschichte der Kaiser bis etwa Julian und
hat vielleicht auch den Cassius Dio fortgesetzt. Der Historiker der justinianischen
Zeit ist Prokopios von Caesarea in Palästina, ein im Staatsdienst vielfach be-
schäftigter Mann, Begleiter und Beirat des Belisarios im vandalischen, gothisehen
und persischen Krieg. ^) Sein großes Werk {iotooihöv) in acht Büchern erzählt die
Geschichte des vandalischen, gothisehen und persischen Krieges, mit einem achten
Buch als Supplement. Der Hauptteil ist 550/51 n. Chr. abgefaßt, das achte Buch 554
n. Chr. oder etwas später. Es wird ergänzt durch die Anekdota. auch hisforia arcana
genannt, eine gegen Justinianus und Theodora gerichtete Sehmähschrift. Sein drittes
Werk ist die für die Kenntnis der Zeit sehr wichtige Geschichte der Bauten Justi-
nians (jiegi xriojimwv, de aedificiis). Prokopius ist Klassizist, Nachahmer besonders des
Thukydides. Er ist als Zeitgenosse ein Quellenschriftsteller von unschätzbarem Wert;
für die vor seiner Zeit liegenden Ereignisse muß er jedoch mit Vorsicht benutzt
') Die erste Auflage enthielt solche Aus- j *) So nach Photios bibl. cod. 78 und
fälle gegen die Christen, daß man später i den erhaltenen Exzerpten. Nach Suidas
■eine neue Ausgabe {>'sa sxdoaig) veran- i schrieb er von Konstantin bis Anastasios.
staltete, in der die anstößigen Stellen •») Das Werk hatte zwei Teile, der eine
gestrichen waren. | gab die Sagengeschichte bis zum Fall Tro-
•-) Priskos begleitete den Marcellinus | jas, im zweiten folgte die historische Zeit,
auf einer Gesandtschaft an den Hof^des j ") Felix Dahn, Procopius von Caesarea,
Attila. 448 n. Chr. Berlin 1865.
l>^-2 Römische Geschichte.
werden. Sein Furtsctzer uikI jiinjjcrcr Zeitgenosse ist Agathias von Myrina, der
in seinem Werk über .Justinian (.Tfol rT/g 'lovnTirtavov ßanÜFiag) die Gescliichte der .Jahre
.%2 -.558 n. Chr. liinzugegeben hat. Endlich sind wichtige Nachrichten erhalten in
der Weltchronik des Johannes von Antiochien, der im 7. .Jahrhundert aus nam-
haften Vorgängern, unter denen sich auch Cassius Dio und die obengenannten .S<-liritt-
steller befinden, seine vielgelesene Weltgeschichte kompiliert hat, von der noch be-
tleutende Reste übrig sind.')
Die lateinische liistorische Literatur dieser Periode steht, abgesehen von Am-
mianus Marcellinus, der griechischen an Mannigfaltigkeit und Wert weit nach. Es
sind meist nur knappe Kompendien erhalten, die trotz aller Dürftigkeit in Ermanglung
eines Besseren dennoch von Wert sind, so die Caesarea des Sex. Aurelius Victor,')
d. i. ein biographischer Abriß aller Kaiser von Augustus bis Constantius II, unter dessen
Regierung der Autor schrieb (360 n.Chr.); ferner die mit den Caesares zugleich über-
lieferte epüonie de CaesarUms, die bis Theodosius I geht. Verwandter Art ist das dem
Kaiser Valens gewidmete breviarlum der ganzen römischen Geschichte von E u t r o p i u s ,
das bis zum Tod Jovians (364 n. Chr.) geht; und die Schrift adversus paganos des spani-
schen Priesters Paulus Orosius, im Jahr 417 n. Chr. dem Augustinus zugeeignet
und bis auf die eigenen Tage hinabgeführt, eine Widerlegung der heidnischen Be-
hauptung, als sei alles Unheil jener Zeit durch den Abfall vom alten Götterglauben
verschuldet. Die Zeit von der Abdankung Diokletians bis zum Tod Konstantins
(337 n. Chr.) und die Geschichte Odoakars und Theoderichs (474 — 526 n. Chr.) be-
handeln zwei ganz heterogene Exzerpte, das erste betitelt oi-iyo Constantinl itnperatoris;
beide pflegt man unter dem Namen des Anonymus Valesianus zusammenzufassen,
weil sie von Valesius im Anhang seiner Ammianausgabe (1636) erstmalig zum Ab-
druck gebracht wurden.') Sonst hat sich die lateinische Geschichtschreibung wesent-
lich nur in kurzen Chroniken fortgesetzt, die so für die letzte Zeit des Kaiserreichs
besondere Bedeutung gewinnen.^) Im Anfang steht die bis 325 n. Chr. reichende
griechische Chronik des Eusebios (vgl. oben S. 281 A. 2) und ihre Übersetzung und
Fortsetzung (bis 378 n. Chr.) durch Hieronymus. Hieronymus wird, jedoch in
anderer Form, von dem Aquitaner Prosper Tiro wiederholt und in der zweiten
Bearbeitung bis 455 n. Chr. fortgesetzt, um welche Zeit der Verfasser in Rom schrieb.
Eine Fortsetzung Prospers bis 581 n. Chr. gab Marius, Bischof von Aventicum, eine
andere bis zum Jahr 489 n. Chr. und weiter ist erhalten in einer Kopenhagener
Handschrift. An Hieronymus schließen sich an die oströmischen Annalen des Mar-
cellinus Comes zuerst bis 534, später bis 566 n. Chr. fortgesetzt. Hierzu kommt
die Chronik der Jahre 379 — 468 n. Chr. des Sj^aniers Hydatius (Idacius). Hydatius
war Bischof von Aquae Flaviae in Gallaecien und erzählt die Ereignisse von 427
n. Chr. ab als zuverlässiger Zeitgenosse. Endlich seien noch erwähnt die anonyme
Chronik der Jahre 47 v. Chr. bis 539 n. Chr., der sog. Anonymus Cuspiniani, der
namentlich zur Geschichte der Jahre 455 — 496 n. Chr. wertvolle Beiträge gibt, und
die bis 519 n.Chr. reichende Weltchronik des Cassiodorus Senator, sowie die
etwas anders geartete Chronik des Sulpicius Severus. die bald nach 400 n. Chr.
geschrieben, bis nahe an die Abfassungszeit heranreicht. Die Chroniken sind häufig
mit den Listen der Konsuln verbunden. Eine vollständige Konsulliste vom Anfang
') Über die Person des Johannes sind niinora I (Mouumenfa Germaniae hisfon'ca
wir nicht unterrichtet. SeineWeltchronik auctor. anticpüss. vol. IX 1).
reichte bis Phokas (610 n. Chr.). ••) Früher zusammen mit Hieronymus
-)AureliusVictor verwaltete hoheStaats- j hrsg. von Thom. Roncallius, Vefnsfiora la-
ämter. Julianus machte ihn 361 n. Chr. tinorwn so-iptorum chronica, 2 voll. Padua
zum Vorsteher von Pannonia secunda, 1787, jetzt von Th. Mommsen, Chronica mi-
später (389 n. Chr.) war er Stadtpräfekt. nora I und II.
^) Jetzt auch bei Mommsen in den Chronica
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Hei rsch. in Italien. ((Quellen.) 8(Svi
der Republik bis 4tv) n. Chr. bieten die «lein Hydatius zugeschriebenen Fasten, denen
in den späteren Teilen auch historische Notizen beigeschrieben sind. Auch in grie-
chischer Sprache fehlt es nicht an solchen Chroniken. Hier ist nochmals zu nennen
die phantastische Weltchronik des Johannes Malalas, die bis zum Ende Justinians
(565 n. Chr.) ging, und das Werk des Theophanes Confessor. Dieser, ein Freund
des Georgios Synkellos (S. 281 f.), setzt dessen Chronographie fort, beginnt also mit
Diokletian und geht bis auf die eigene Zeit, bis 813 n. Chr. Er schrieb zwischen 81« ►
und 815 n. Chr. Unter den übrigen ist besonders wichtig das schon S. 281 erwähnt»»
Chronicon Paschale. verfaßt 629 n. Chr. und bis auf diese Zeit herabgeführt.
Auch die großen germanischen Stämme, die zu einer herrschenden Stellung
aufstiegen, fanden ihre Chronisten, zuerst die Gothen in Ablabius, dem später
Magnus Aurelius Cassiodorus Senator folgte, der berühmte Zeitgenosse Theo-
derichs.^) Sein Werk, 12 Bücher gothischer Geschichte {Historia Gothica) ist nur in
der halbbarbarischen Verballhornung und Kürzung des Jordanis, der seine Getica
551 n. Chr. herausgab, erhalten. Die Geschichte der Franken bearbeitete nach ver-
schiedenen Vorgängern Gregorius von Tours (gest. 594 n. Chr.) ; er gibt einige für
die Schlußepoche des weströmischen Reiches wichtige Nachrichten. Endlich seien
noch die Historiker der Briten und Angelsachsen. Gildas (gest. 570 n. Chr.) und
Beda (geb. 673 n. Chr.) und der Geschichtschreiber der Langobarden Paulus Dia-
conus^) erwähnt. Mit der Vorgeschichte der Langobarden berührt Paulus noch das
Ende unserer Periode. Für die Beziehungen der Römer zu den Persern liegen
uns die persischen, zum Teil sehr phantastischen Überlieferungen in der späteren
arabischen Chronik des Tabari vor.')
Angesichts der großen Dürftigkeit der profanhistorischen Überlieferung und der
Bedeutung, die seit Diokletian die christliche Kirche für die Reichsgeschichte be-
anspruchen kann, haben auch die Bearbeitungen der Kirchengeschichte eine
besondere Wichtigkeit für die allgemeine Geschichte; auch hier behauptet die grie-
chische Literatur durchaus ihre L'berlegenheit. Auf L'^nparteilichkeit kann man aller-
dings bei den Kirchenhistorikern namentlich für die Zeit des Kampfes und der dog-
matischen Streitigkeiten nicht rechnen. Die erste der erhaltenen Schriften ist das
etwa 318 n.Chr. abgefaßte, mit Wahrscheinlichkeit dem Lactantius Firmianus^)
zu vindizierende Buch f/f mortibus pe)-secutorum, in dem die Christenverfolgung unter
Diokletian vuid seinen Nachfolgern und das Ende der Verfolger von Nero an dargestellt
wird. Das interessante Dokument der Stimmung der Christen nach errungenem Sieg
ist rhetorisch gefärbt und enthält tendenziöse Entstellungen und Übertreibungen, wes-
halb es nur mit kritischer Vorsicht benutzt werden darf. Apologetischen Zwecken
dient die höchst wertvolle, bis 325 n. Chr. geführte Kirchengeschichte des als Chrono-
graph bereits erwähnten Bischofs Eusebios (vgl. oben S. 281 1. Derselbe Kirchenvater
schrieb nach dem Tod Konstantins cl. Gr. ein Leben des Kaisers {ßloc: KoroTan/rov),
eine Lobschrift, die den Kaiser als das Ideal eines christlichen Fürsten hinstellt und
von seiner Person wie von seinem Leben ein ziemlich retuschiertes Bild entwirft.^)
Eusebios' Kirchengeschichte wurde von Rufinus ins Lateinische übertragen und
fortgesetzt, hat aber auch selbständigere Nachfolger gefunden, zuerst den Arianer
Philostorgios, der unter Theodosius II lebte und die Zeit von 320—425 n.Chr. dar-
^) Cassiodor stand bei Theoderich und arabischen Chronik des Tabari übersetzt
seinen Nachfolgern in hohen Ehren und von Th. Nöldeke, Leiden 1879.
Ämtern, war 514 n. Chr. Konsul und starb ■•) Lactantius war ein Schüler des Arno-
um 575 n. Chr. im Kloster. bius; zuletzt wurde er Lehrer des Caesar
'^) Geschrieben nach 787 n.Chr. Das Werk Crispus, des Sohnes Konstantins d. Gr.
ist unvollendet und geht bis 744 n.Chr. ''')Cni\i:i,i.vcci, Delhi fede storica diEusebio,
^) Tabari, Geschichte der Perser und Livorno 1888. O. Seeck, Briegers Zeitschr..
Araber zur Zeit der Sasaniden. Aus der für Kirchengesch. XVIII 321 flf.
;^^4: Römische Geschichte.
stellte; dieses Werk ist nur in kurzem Exzerpt') überliefert. Vollständig erhalten sind
die zeitgenössischen Kirchengoschichten zweier Anhänger der orthodoxen Richtung,
des Sokrates, der unter Theodosius II die Kirchongescliichto von :>(M) — 431* n.Chr.
weiterführte, und dos gleichzeitigen Sozomonos; dos letzteren mindorwortigos Mach-
werk (erzählt die Geschichte von 324 — 415 n.Chr., und etwas nach ihm (443 — 450 n.Chr.)
der Bischof Theo-doretos die Zeit von 325 — 429 n.Chr. An Sokrates und Theodoret
schließt sich an die Kirchengeschichte des Euagrios, die bis 598 n. Chr. herabgeht.
Endlich sei noch die nur teilweise erhaltene syrisch geschriebene Kirchengeschichte
des Johannes von Ephosos erwähnt, eines jüngeren Zeitgenossen Justinians.-')
Überhaupt bieten die kirchlichen Schriftstoller wertvolles Material, wie einzelne
Schriften des Athanasios,') Gregorios von Nazianz,*) Johannes Chryso-
stomos, des Hieronymus, Ambrosius und Augustinus.^) Ein Gleiches gilt
von der Geschichte der vandalischen Verfolgung durch Geiserich und seinen Sohn
Hunerich von Victor von Vita (geschrieben um 487 n. Chr.), dem Leben des hei-
ligen Severinus von Eugippius und den Schriften des Bischofs Ennodius von
Ticinum, eines Zeitgenossen des Ostgothen Thoodorich. Endlich kommen noch die
Redner und Dichter auch für den Historiker in Betracht; unter den Griechen die
Schriften des Kaisers Julianus, die Reden und Briefe des Themistios, des Zeit-
genossen der Kaiser Constantius II, Julianus, Valentinianus und Theodosius, und des
Antiocheners Libanios, der unter den Kaisern von Constantius bis Theodosius I
blühte.") Unter den Lateinern treten die Panegyriker hervor, Eumenius und Na-
zarius, Zeitgenossen Diokletians und Konstantins, Mamertinus, der Lobrodner
Julians, und Pacatus, der Theodosius d. Gr. verherrlichte, zuletzt Merobaudes
mit seiner Rede auf Aetius. Beachtung verdienen auch die Reden und Briefe des
älteren Symmachus, die sich auf die Zeit des Valentinian und Theodosius beziehen.
Was die Dichter betrifft, so gewinnen sie einen eigenen historischen Wert, vor allem
Claudius Claudia nus, der talentvolle Hofdichter des Honorius und Stilicho, und
SidoniusApollinaris, Bischof der Arverner (Clermont), Schwiegersohn des Kaisers
Avitus, Zeitgenosse und Lobredner der letzten weströmischen Kaiser. Zuletzt sei
genannt die Johannis des Afrikaners Corippus, eine Darstellung der Maurenkriege
■des Feldherrn Johannes unter Justinianus, abgefaßt 559 oder 560 n. Chr.
Authentisches Quellenmaterial für die Kenntnis von Geschichte und Verfassung
liefern die erhaltenen Gesetzessammlungen, namentlich der auf Veranlassung Theo-
dosius II 438 n. Chr. veröffentlichte Codex Theodosianus, der die kaiserlichen Konsti-
tutionen von Konstantin d. Gr. (312 n. Chr.) bis Theodosius enthält, dazu die novellae,
d. h. die später von Theodosius und den nachfolgenden Kaisern bis Anthemius er-
lassenen Konstitutionen,') und der spätere 529 und 534 n.Chr. herausgegebene Codex
1) Bei Photios bibl. cod. 40. 1 esse. Ambrosius warzuersthoherStaats-
2) I. P. N. Land, Johannes Bischof von ' beamter, wurde 374 n. Chr. Bischof von
Ephesos, der erste syrische Kirchenhisto- Mailand und starb in höchstem Ansehen
riker, Ley den 1856. 1 397 n. Chr. Augustinus ist 354 n.Chr.
^) Zur Geschichte des Athanasios vgl. j in Tagaste in Afrika geboren, ließ sich
Ed. SoHWARTZ, Nachrichten der Gesellsch. \ durch Ambrosius in Mailand zum Christen-
dor Wiss. in Göttingen 1904, 333 f.; 1905, tum bekehren und starb zur Zeit des
164 ff. 257 ff.
■•) Gregorius lebte unter der Regierung
dos Kaisers Julian, gegen den er schrieb.
Kurze Zeit (381 n. Chr.) war er Bischof
von Konstantinopel.
Vandalenoinfalls 430 n. Chr. als Bischof
von Hippo. Auch Ambrosius und Augu-
stinus haben Briefe hinterlassen, die von
erheblichem historischem Wert sind.
^) G. R. SiEVERS, Das Leben des Libanios,
) Hieronymus geb. um 310 n. Chr. i Berlin 1868. Otto Seeok, Die Briefe des
in Stridon in Dalmatien, gest. 420 n. Chr. ; Libanius, Berlin 1906.
Seit 386 n.Chr. weilte er in einem Kloster
Hrsg. mit klassischem Kommentar
bei Bethlehem. Unter seinen vielen Schrif- von Gothofkedus, Lyon 1655, später von
ten sind die Briefe von besonderem Inter- Hänel, Bonn 1842, jetzt von Mommsen und
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (§ 'y2.) 385
JnsthiiriHHs, der die älteren Sammlungen in sicli zu vereinigen bestimmt war. Für
die Zeit der Gothenherrschaft in Italien haben ähnliche Bedeutung die Variae des
Cassiodorus, die Sammlung der von dem Verfasser entworfenen, zum großen Teil
wirklich erlassenen amtlichen Schreiben aus der Zeit des Theoderieh und seiner
Nachfolger (etwa 507—538 n.Chr.).') Das Schema der späteren Verwaltungs- und
Beamtenordnung ergibt sich aus der in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts ver-
faßten Nof/tia diguitafum.'^) Was Inschriften und Münzen angeht, so ist auf die oben
S. 7 ff. angeführten Werke zu verweisen.
Nähere Nachweise über die Quellen dieser Periode außer der oben S. 19 zitierten
Literatur bei C. Müller, Fragmenta hisforiconwi Graecoi-Jim. Bd. 4. Dindorf, Historici
graeci mhwres, Bd. I. Th. Mommsen, Chronica minora I — III. W. v. Christ's Geschichte
der griechischen Litteratur, bearb. von W. Schmid (Bd. VII dieses Handbuchs) II, 2,
5. Aufl., München 1913. K. Krxjmbacher, Geschichte der byzantinischen Litteratur
(Bd. IX, 1. Abteil, dieses Handbuchs), 2. Aufl., München 1897. Wättenbäch, Deutsch-
lands Geschichtsquellen im Mittelalter. 1. Bd.. 7. Aufl., Stuttgart 1904. Die kirchliche
Literatur bei 0. Babdenhewer. Patrologie, Freiburg 1894. Die juristische Literatur
in den Darstellungen der römischen Rechtsgeschichte, besonders P. Krüger, Gesch.
der Quellen und Litteratur des röm. Rechts, Leipzig 1888.
52. Diokletian und das Haus Konstantins des Großen. Mit Diokletian
beginnt staatsrechtlich eine neue Epoche: er gilt als der Begründer der
Monarchie im strengen Sinn, die in der Person des Monarchen den Staats-
begriff ausgedrückt hndet und die ganze Regierung in einer Hand vereinigt,
des Dominats im Gegensatz zum Prinzipat; der Senat hört auf, Teilhaber an
der Herrschaft zu sein. Dem entspricht die Einführung eines strengen Hof-
zeremoniells und die Bekleidung des Monarchen mit dem Diadem und mit der
prunkhaften Herrschertracht der orientalischen Könige. Der Kaiser wurde seit
Diokletian dauernd als Dominus bezeichnet. Das sind Änderungen, die schon
von früheren Kaisern vorbereitet und angebahnt waren und nun durch Dio-
kletian zum Gesetz wurden. Diokletian war wie die meisten seiner nächsten
Vorgänger ein Illyrier, aus Dalmatien gebürtig. Er war von niedriger Herkunft 3)
und ist aus dem Heer hervorgegangen, später gelangte er in den Senat und
hatte es bis zum Konsulat gebracht. Er zeigte sich sogleich als ein Herrscher
von überlegener Einsicht und Begabung. Bemerkenswert ist seine Milde
gegenüber den Anhängern des Carinus, die er sogar in ihren Amtern beließ.*)
Seine Aufgabe war ihm durch die Geschichte der letzten Generation
in den Hauptlinien vorgezeichnet; es galt die Erhaltung und Verteidigung
P. M. Meyer, 2 Bde., Berlin 1905. 1906. toreri Freigelassener des Senators Anu-
„Die chronologische Kritik des Theodo- linus. Ob der CIL VIII 10615 genannte
sianus hat O.Seeck zu 'Regesten der Kaiser t Centurio Vahrius Diodetianus der spätere
und Päpste für die Jahre 311— 476 n.Chr.' j Kaiser ist, läßt sich nicht ausmachen.
(Stuttgart 1919) ausgestaltet." Unter Probus muß Diokletian schon eine
') Cassiodori Senatorin variae reo. Th
Mommsen {Monum. Gei-maniae Jn'st. auctores
■antiqnissimi XII), Berlin 1894.
^) Mit reichem Kommentar hrsg. von
E. BöcKiNG, Bonn 1839—1858. Neuer Text
von O. Seeck, Berlin 1876.
^) Die Vorgeschichte Diokletians ist fast
höhere Stelle eingenommen haben und
scheint zuletzt, ehe er mit Carus in den
Orient zog, in Mösien befehligt zu haben.
Eutrop. IX 10. Epitom. de Caes. 39. Zona-
ras XII 31. Syncell. I p. 725, ed. Bonn.
A. V. DoMASZEwsKi (Bouner Jahrb. 117 S. 191)
vermutet, der im CIL V 856 f. genannte
ganz unbekannt, wie überhaupt die Tra- [ Licinius Diodetianus sei der spätere
■dition über ihn vielfach versagt, nicht Kaiser. Vgl. zur Geschichte Diokletians
zuletzt weil in den Handschriften des
Zosimos seine Regierung ganz ausgefallen
ist. Der Kaiser soll früher Diokles ge-
heißen haben und war nach einigen Au-
G. Costa in Ruggieros Dizionario epigraßco
II 1793 ff.
■•) Dies gilt namentlich von dem praef.
praet. Aristobulus. Aurel.Vict. Caes. 39, 14.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl.
^^^ Römische Geschichte.
des Vorhandenen zu sichern, nicht aber neue Eroberungen zu machen. Dio-
1<letians Bestreben mußte es sein, das Reich wieder aufzurichten, die An-
griffe der Barbaren zuriickzuweisen, der Zuclitlosigkeit der Soldateska und
dem die Reichseinheit unterwühlenden Unwesen der Usurpationen ein Ende
zu bereiten und die Ordnung im Staatshaushalt, sowie die Ruhe in den
Provinzen wieder herzustellen. Für die Bewältigung dieser Herrscherpfhchten
schien es ihm rätlich, sich einen Gehilfen an die Seite zu stellen; so wählte
er denn schon bald nach dem Untergang des Carinus 285 n. Chr. seinen
Freund M. Aurelius Valerius Maximianus zum Caesar und Mitregenten ^) und
übertrug ihm die Ordnung zunächst der gallischen Provinzen, wo unter
Carinus ein gefährlicher Aufstand der Bauern, der Bagauden (oder Bakauden)
ausgebrochen war, die sich in Aelianus und Amandus eigene Kaiser gesetzt
hatten. Auch die Germanen störten wiederum die Grenzen. Schon im nächsten
Jahr rückte Maximianus zum Augustus auf. Diokletian blieb zunächst in der
Osthälfte des Reiches; er war an der Donaugrenze mit den Alamannen be-
schäftigt (285. 287 n.Chr.), drängte am Euphrat die Perser zurück, setzte seinen
Schützling Tiridates in Armenien auf den Thron (287 n. Chr.) und vertrieb die
Syrien plündernden Sarazenen (290 n. Chr.). Er war rastlos tätig und weilte
bald hier, bald dort; 2) mit besonderer Vorliebe kehrte er in dem bithvnischen
Nikomedien ein, das er mit prächtigen Bauten schmückte. Mittlerweile hatte
Maximianus im Westen zu tun ; er unterwarf die Bagauden (285 n. Chr.)
und fiihrte gegen Franken, Alamannen und Burgunder Krieg (286 — 288
n. Chr.), wobei er gelegentlich durch Kämpfe der Germanen untereinander
(291 n. Chr.) unterstützt wurde. Nahe an der Grenze, in Trier, nahm er
seine Residenz. Zahlreiche Germanen, besonders Franken wurden von ihm
im nördlichen Gallien angesiedelt. Zugleich aber mußte er sich mit einem
Usurpator abfinden, dem Menapier Carausius,^) den er mit dem Schutz der
Küste gegen das Piratentum der Franken und Sachsen betraut hatte. Carau-
sius empörte sich, bemächtigte sich Britanniens und ließ sich zum Kaiser
ausrufen (286 oder 287 n. Chr.). Da Maximians Versuch, ihn zu unterwerfen^
fehlschlug (290 n. Chr.), so blieb nichts anderes übrig, als ein gütliches Ab-
kommen zu treffen. Auf seinen Münzen erscheint der Gegenkaiser als gleich-
berechtigter Augustus neben seinen „Brüdern" Diokletian und Maximian;
er hat sieben Jahre Britannien beherrscht vmd hier den Frieden aufrecht
erhalten. Außerdem hatte er an der gallischen Küste Besitzungen, nament-
lich Gessoriacum oder Bononia (Boulogne) und Rotomagus (Ronen), und be-
herrschte das Meer; Franken und Sachsen standen mit ihm im Bunde.
Im Interesse des Reichs und um zugleich die Nachfolge zu sichern und
der Usurpation vorzubeugen, beschloß Diokletian sich und dem Maximianus
zwei Caesaren beizugesellen. Am 1. März 293 n.Chr. bekleidete er in Niko-
medien den C. Galerius Valerius Maximianus mit dem Purpur; an demselben
Tag ernannte Maximianus in Mailand den M. (oder C.) Flavius Valerius
Constantius (Chlorus) zum Caesar. Beide waren erprobte Krieger und Heer-
M Daher zählt Maximianus in den Prä- -) Vgl. Mommsen in den Abhandlungen
Skripten der Erlasse ein Jahr weniger der Berliner Akad. von 1860. 349 ff.
als Diokletian, der immer der älteste und ^) Vgl. Evans und Webb, Niimisniatic:
vornehmste Augustus bleibt. chronicle 1907. O. Seeck. PW III 1570 f.
8. Sechste Periode: Die Kaiserzeit b. z. Ende d.ostgoth. Herrschaft in Italien. (^ r)2.) 387
führer, beide in den illyrischen Provinzen beheimatet, i) Die Caesaren wurden
von den Augusti adoptiert, und alle vier Regenten wurden Glieder einer
Familie. Constantius vermählte sich mit Theodora, der Tochter Maximians,
Galerius mit Valeria, der Tochter Diokletians, während die beiden Augusti
sich als Brüder betrachteten ; 2) sie hatten schon vorher (288 n. Chr.) gött-
liche Beinamen angenommen; Diokletian nannte sich Jovius, Maximianus
Herculius. Das Reich wurde in der Weise verteilt, daß Diokletian die asiati-
schen Provinzen mit Thrakien und Ägypten sich vorbehielt; Galerius über-
nahm die übrigen Landschaften der Balkanhalbinsel mit den anstoßenden
Donauprovinzen, Maximianus Italien mit Rätien, Spanien und Afrika, Con-
stantius die gallischen Provinzen. Übrigens war mit dieser Anordnung
durchaus nicht etwa eine Teilung des Reichsganzen beabsichtigt, sondern
alle vier Regenten galten als Herrscher der Gesamtheit, eine Auffassung,
die sich auch darin dokumentiert, daß die Reichsgesetze im Namen aller
vier ergingen. 3) Aber die Caesaren waren den Augusti unterstellt und hatten
mindere Befugnisse. Unter den beiden Augusti hatte wiederum Diokletian
als der ältere ein merkbares Übergewicht: er genoß die höchste Verehrung.
Diokletian gedachte ein neues System der Thronfolge einzuführen; nach
dem Plan, wie er ihm vorschwebte, sollten die Augusti nach einer gewissen
Zeit abdanken, die Caesaren alsdann zu Augusti aufrücken und gleichzeitig
für sie die Nachfolger bestimmt werden, die von den neuen Augusti zu
Adoptivsöhnen zu machen waren, ein schematisches Verfahren, das die
Kaiserwürde gleichsam als letzte und höchste Staffel der regelmäßigen Amter-
reihe erscheinen läßt. Die Teilung der Gewalt war zwar nicht als Teilung
des Reiches gedacht, aber sie bildete doch eine Vorstufe dazu.
Die Kaiser setzten nunmehr die zur Herstellung der Reichseinheit un-
vermeidlichen Kämpfe fort. Constantius, von Maximianus unterstützt, wandte
sich gegen die Franken und gegen Britannien, wo vor kurzem (293 n. Chr.)
das Imperium des Carausius ein Ende genommen hatte. Carausius war von
seinem Präfekten Allectus beseitigt worden, und dieser nahm gleichfalls
den Kaisertitel an.*) Nachdem es schon 293 n. Chr. geglückt way, Gessoria-
cum, den Brückenkopf der Briten auf dem Kontinent, wieder zu erobern,
konnte 296 n. Chr. Constantius zum unmittelbaren Angriff' auf Allectus vor-
gehen. Zu dem Behuf setzten zwei Flotten über den Kanal, die eine ge-
führt von Constantius selbst, die andere von seinem Prätorianerpräfekten
Asclepiodotus; der Usurpator Allectus wurde geschlagen und getötet, Bri-
tannien wieder mit dem Reich vereint. Alamannenscharen, die bald darauf
in Gallien einfielen, wurden durch einen Sieg bei den Lingonen (Langres)
vertrieben. °) Um dieselbe Zeit hatte Maximianus in Afrika zu kämpfen.
') Die angebliche Verwandtschaft des ^) Wie die Eingaiigsformeln der Gesetze
Constantius mit Claudius Gothicus ist eine lehren, z. B. des Ediktes de pretiis. ILS I
spätere Fiktion. Vgl. H. Dessau, Hermes j nr. <)42. Vgl. die Urkunde bei Gkenfell ik:
24, 1889, 340 ff. Hunt, Thi'0.vj/rh;/nchtis pam/rl, I p. 94. 118.
-) Auch Carausius bezeichnet sich als
Bruder der beiden anderen Kaiser. Die
Münzen mit seinem und der beiden an-
deren Augusti Bildnis tragen die Auf-
schrift Carcmsiufi et fi-atres sui. Webb, Xum.
*) über Allectus vgl. Webb, Num. chroyiicle
1906, 127 ff.
'") Zuerst wurde Constantius überrascht
und genötigt, in der Stadt Zuflucht zu
suchen, aber noch an demselben Tage
chronicie 1907, 414. , wandte sich das Blatt und er trug einen
388 Römische Geschichte.
Schon früher (um 292 ii. Chr.) war Nuiiiidien und Mauretanien durch einen
Prätendenten Juhanus und durch die Angriffe der Quinquegentianer und
anderer Stämme beunruhigt worden. Wenn sie auch damals erfoh'eich be-
kämpft wurden,') so erneuerten sie doch jetzt ihre Angriffe, und deshalb
ging Maximianus selbst nach Afrika hinüber, warf die Quinquegentianer
nieder (297 n. Chr.) und sicherte die afrikanischen Provinzen. Im Auftrag
Diokletians bekämpfte Galerius die Jazygen (294 n. Chr.) und Karpen (296
n. Chr.); die letzteren wurden auf römisches Gebiet verpflanzt. Überall, am
Hhein wie an der Donau und in Afrika, wurden die Grenzen neu befestigt.
Auch Ägypten wurde von ernsten Unruhen betroffen teils durch die An-
griffe der Blemyer, teils durch die Erhebung des Achilleus oder, wie er
offiziell heißt, L. Doniitius Domitianus.^) Diokletian eilte durch Syrien herbei,
belagerte und eroberte Alexandrien 3) und bestrafte die Aufständischen mit
großer Strenge, um alsdann Ägypten neu zu ordnen. Es beginnt dort mit
Diokletian eine neue Ära.^) Der Kaiser begab sich auch an die Südgrenze
des Landes, die er neu befestigte. Er hat mit den Blemyern ein Abkommen
getroffen und den benachbarten Nubiern unter der Verpflichtung des Grenz-
schutzes einen Landstrich südlich von den Katarakten eingeräumt. Noch
während des ägyptischen Feldzuges rückten die Perser unter ihrem König
Narses in Armenien und Mesopotamien ein, Galerius, der ihnen zuerst ent-
gegentrat, wurde bei Nikephorion geschlagen (297 n. Chr.), erfocht aber bald
daravif, nachdem ihm Verstärkungen zugegangen waren, in Armenien einen
großen, entscheidenden Sieg über Narses, während Diokletian gleichzeitig
Mesopotamien wieder besetzt hatte. Es kam zum Abschluß eines Friedens,
in dem Armenien vergrößert und Mesopotamien gesichert wurde; zur Grenze
bestimmte der Friedensvertrag den oberen Tigris, wobei übrigens auch einige
transtigritanische Distrikte^) noch an Rom fielen. Die räuberischen Isaurer
wurden damals zwar nicht überwältigt, aber durch eine Befestigungslinie ein-
geschlossen. So gelang es, den Frieden im ganzen Reich wieder herzustellen.
Durchgreifend war die von Diokletian geschaffene Reform der Ver-
waltung, deren Prinzipien schon die Verteilung der Reichsgebiete an die
Mitregenten beherrschten. Die Provinzen wurden verkleinert, erheblich
vermehrt und zugleich zu größeren Verwaltungsbezirken, den Diözesen,
zusammengelegt, deren es zwölf gab,^) während man 101 Provinzen
großen Sieg davon (298 n. Chr.). Eutrop. ' den in Rede stellenden Usurpator bezog,
IX 23. Zonar. XII 31. sind längst als Fälschungen entlarvt (Eck-
1) Nach CIL VIII 9324; ILS I nr. 627. ! hel, Doctr. num. IV 96) — drängt sich auf
628 hat sich Aurelius Litua, der Befehls- und wird von O. Seeck, PW I 245 yer-
haber in Mauretania Caesariensis dabei fochten. Vgl. W. Kubitschek, Numisni.
ausgezeichnet. Zeitschr. 44, N. F. 4, 1911, 164 f.
2) Die literarischen Quellen nennen den ^) Die Belagerung endete nach Eutrop.
ägyptischen Rebellen durchweg Achilleus. 1X23 etwa im achten Monat.
Dagegen erscheint auf Münzen ein sonst ■*) Sie beginnt am 29. August, mit dem
nicht bekannter L. Domitius Domitianus ägypt. Neujahrstag (1. Thoth), 284 n. Chr.
als Kaiser. Auch eine Papyrusurkunde ") Ammian XXV 7, 9. Petrus Patr. fr. 14.
{Pap. de Thf'adeJphie hrsg. voii P. Jouguet, , «) Es wurden folgende Diözesen gebildet:
Paris 1911, 141, nr. 26) ist nach lo//mo? zlo//(- ' 1. Oriens, wozu Ägypten mit der Kyre-
Tiuröc: J^FßaoTÖ; datiert (13. Sept. 296 n. Chr.). naike, Syrien, Arabien, Mesopotamien ge-
Die Identifikation der beiden Personen — hört, 2. P o n t i k a , 3. A s i a n a , 4. T h r a c i a
Münzen mit L. Epidius Ach/'Ueus, die z.B. (mitUntermösien), S.Moesiae (mitMake-
TiLLEMONT, Hist. dcs empereuvs IV 21 auf donien, Achaia,EpirusundKreta), 6. Pan-
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (§ 52.) -^89
zählte.') Das bisher bevorrechtete Italien wurde den übrigen Provinzen völlig
gleichgestellt, auch in Hinsicht der Steuern, während es früher von der
Grundsteuer befreit gewesen war. Diokletian führte auch die Trennung
von Zivil- und Militärgewalt systematisch durch, der Oberbefehl über die
Truppen wurde von der Provinzialverwaltung losgelöst und eigenen Beamten,
den (htces, anvertraut. An die Spitze der Zivilverwaltung und der Rechts-
pflege der Reichsteile treten die pruefecti praetorlo und ihre vicarii, die Vor-
steher der einzelnen Diözesen.^) Der Senat geht seiner Privilegien und seines
legitimen Anteils an der regierenden Gewalt gänzlich verlustig, der Unter-
schied zwischen senatorischen und ritterlichen Beamten verschwindet; es
gibt nur eine einzige, rein kaiserliche Beamtenschaft, die, nach Rangstufen
streng gegliedert, mit bestimmten Titeln und Prädikaten ausgestattet, in
den hohen Hofämtern, zuletzt im Kaiser ihre Spitze findet. Mit der Aus-
schaltung des Senats hängt es zusammen, daß Rom aufhörte, die Residenz
der Kaiser zu sein ; ^) denn der Augustus des Westens, Maximianus, resi-
dierte nicht in Rom. sondern in Mailand, das er prächtig schmückte, und
er wie Diokletian haben Rom immer nur auf kürzere Zeit besucht. Rom
blieb eine privilegierte Stadt mit dem Senat, den alten Beamten und Priester-
schaften ;^) Vorsteher der Stadt mit Umgegend und des Senats ist jetzt der
Stadtpräfekt [praefedus iirbi), die Senatoren werden kaiserliche Beamte, sie
behalten ihre persönlichen Prärogativen, der Senat wird gelegentlich um
Rat befragt, er ist keineswegs bedeutungslos, aber Mittelpunkt der Reichs-
regierung ist er allerdings nicht mehr. In der Folge wurde die Isolierung
dadurch verstärkt, daß Rom und besonders der Senat zum guten Teil dem
alten Väterglauben treu blieb, während das Reich sich immer mehr christiani-
sierte. Ein Verzeichnis sämtlicher Militär- und Zivilbehörden und damit
einen Begriff von der Organisation der Verwaltung gibt die notitia digni-
tatuiii aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Dieses „Staatshandbuch"
zeigt allerdings nicht den durch Diokletian geschaffenen Zustand, sondern
die Verhältnisse, wie sie sich in späteren Generationen unter Konstantin
und seinen Nachfolgern durcli systematischen Ausbau gestalteten. Aber die
eigentlichen Fundamente hat bereits Diokletian gelegt, der seinerseits das
von seinen Vorgängern begonnene Werk fortsetzte.^)
noniae (mit Dalmatien und Noricum), ruhender vorausgelieuden Zeit ein dauern-
7. Italien (mit Rätien), 8. Yiennensis der Aufenthalt des Kaisers in Rom zur
(etwa der iiarbonensisclien Provinz ent- Ausnahme wurde. So ist denn auch die
sprechend), *J. Galliae (den tres Galliae Zahl der stadtrömischen Inschriften der
entsprechend), 10. Britanniae, 11. Hi- Kaiser für die Zeit von Caracalla bis Dio-
spaniae, 12. Afrika. kletian auffallend gering.
') Am vollständigsten und besten auf- ■*) Diokletian ließ auch in Rom viel
geführt im Veroneser Verzeichnis, das bauen und den durch einen großen Brand
MoMMSEN herausgegeben hat (1862), jetzt unter Carinus angerichteten Schaden aus-
Ges. Schr.Y 5<>1 fl".: vgl. Riese, Geographi bessern. Sein Hauptwerk sind die großen
latini tiiin. 127. Später sind mancherlei Thermen, die jedoch erst kurz nach seiner
Änderungen eingetreten. Vgl. E. Korne- Abdankung (305/30G n. Chr.) unter Dach
MANN, PW V 727 ff. kamen. ILS I nr. 646.
■^) Unter Diokletian gab es zwei prae- '"■) Vgl. oben S. 385, ferner E. Kuhn, Die
fecfi 2}raetorio, für jeden Augustus einen. städtische und bürgerliche Verfassung des
MoMMSEN, Ges. Sehr. VI 284 ff. röm. Reiches, Leipzig 1864. 1865; Schiiler,
^) Diese Depossedierung Roms wurde Geschichte der römischen Kaiserzeit II 22.
dadurch vorbereitet, daß infolge der Un- Th. Mommsen, Abriß des römischen Staats-
;3<J0 Römische Geschichte.
Auch das Heer erf'ulir eine Umwandlung seiner Organisation, sowie eine
starke Vonnehrung. Man .scheidet jetzt grundsätzh'ch zwischen den fest
angesiedelten Grenztruppen und der eigentlichen Feldarmee. Für die Ver-
stärkung der Armee bildete die Sanierung der zerrütteten Reichsfinanzen die
unerläßliche Vorbedingung. Eine Reform des schon seit Neros Zeiten in
fortschreitendem Maß deroutierten Münzwe.sens war nicht zu umgehen. i)
Diokletian hat die Abgaben bedeutend erhöht, die Besteuerung im ganzen
Reich nach Möglichkeit ausgeglichen und nach einheitlichen Grundsätzen
geregelt, ebenso wie die Verteilung der für den Staat zu übernelmienden
Leistungen und Lasten, Die Pflichtigen bildeten Genossenschaften, die für den
Gesamtbetrag der Steuern und Lasten zu haften hatten ; das gilt vor allem
von den Gemeinden und ihren Vorstehern, außerdem wurden die schon früher
bestehenden gewerblichen Verbände herangezogen. Die neue Staatsordnung,
die der Verwaltung einen straff zentralistischen Zug verlieh, ist in ihrer
Art eine großartige Leistung. Freilich fehlen die Schattenseiten nicht. Denn
ein System, das folgerichtig in dem Bestreben gipfelte, alles und jegliches
den Interessen des Fiskus und der Verw^altung dienstbar zu machen, öffnete
der Willkür der Beamtenschaft Tür und Tor, lähmte die Freiheit der Kom-
munen wie der Individuen und hat dadurch alles in allem doch wohl mehr
Schaden als Nutzen gestiftet. Die starre kastenmäßige Abgrenzung bestimmter
Gewerbe und Stände wird durch dieses System mitbedingt. In dieser Hinsicht
bildet einen besonders wichtigen wirtschaftlichen Faktor der sog. Kolonat.
d. h. die an die Scholle gebundene, der Kopfsteuer, Naturallieferung und
der Verpflichtung zum Kriegsdienst unterworfene, persönlich freie Land-
bevölkerung. Der Ursprung dieser Einrichtung, die man früher entweder mit
der Ansiedlung gefangener Barbaren auf römischem Boden seit M. Aurelius
oder mit der Entwicklung der Kleinpacht auf den Latifundien der Kaiser-
zeit in Zusammenhang brachte, ist in Wirklichkeit weit älter und gar nicht
rein römisch; 2) vielmehr gaben die hellenistischen Reiche des Orients das
Beispiel, das dann die römische Verwaltung in den ihr eigentümlichen Formen
nachahmte.
Ein lehrreiches wirtschaftliches Experiment machte Diokletian mit seinem
im Jahr 301 n. Chr. erlassenen edlctum de pretiis venalium renim, von dessen
Text an verschiedenen Orten griechische und lateinische Inschriftenbruch-
stücke erhalten sind; 3) es handelt sich um den Versuch, dem Wucher zu
rechts 347 ff. A. W. Hunzinger, Die dio- kaiserlichen Domänen in Afrika habe sich
kletian. Staatsreform, Diss. Rostock 1899. der spätere Zustand vollkommener Ge-
Uber das Verhältnis Diokletians zu Kon- bundenheit zuerst ausgebildet. Dazu ist
stantin Mommsen, Ephemeris epigraph. V zu bemerken, daß schon die Kolonisten
137 f. Im einzelnen sind die Ordnungen der gracchischen Zeit an die Scholle ge-
Diokletiaus vielfach unklar. bunden wurden; sie durften ihr Land
^) Marquardt, Rom. Staatsverwaltung nicht verkaufen und mufäten Zins ent-
II 31. MoMMSBN, Gesch. des röm. Münz- richten. Die hellenistischen Wurzeln des
Wesens 832. Hultsch, Griech. und röm. Kolonats hat mit Hilfe des Inschriften -
Metrologie 320 ff. 332 ff. und Papyrusmaterials für Ägypten usw.
-) Vgl. Ad. Schulten, Der röm. Kolonat, aufgedeckt M. Rostowzew, Studien zur
Hist. Zeitschr. N. F. 42 (1897) 1 ff. O. Seeck, Gesch. des röm. Kolonates. 1. Beiheft zum
PW IV 483 ff., wo auch sonstige Literatur Archiv für Papyrusforschung, 1910.
zitiert wird, und H. Bolkestein, De colo- ') Mommsen und Blümner, DerMaximal-
natu Romano eiusque origine, Amsterdam tarif des Diokletian. Berlin 1893. Seit dieser
1906. Schulten glaubt, auf den großen Publikation sind jedoch mehrere neue
8. Sechste Periode: Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (4^ 52.) 391
steuern und Höchstpreise für die Lebensbedürfnisse und die Arbeit fest-
zustellen. Das Edikt zeigt uns den Kaiser als einen fürsorglichen Regenten,
dem das Wohl und Wehe der Untertanen am Herzen liegt, aber sein Tarif
erwies sich nicht als ein geeignetes Mittel, die Teuerung zu beseitigen. Das
wohlgemeinte Edikt, dessen Wirkung den von seinem Urheber gehegten Er-
wartungen nicht entsprach, hatte viele Bestrafungen zur Folge und mußte
als praktisch undurchführbar bald wieder aufgehoben werden.
Von grofser Tragweite waren die Maßregeln, die Diokletian durcii ein
Edikt vom 23. Februar 303 n. Chr. gegen die Christen ergehen ließ und
mit denen er die Unterdrückung des christlichen Kultes beabsichtigte. Die
C'hristen wurden aus dem Heer und den Amtern entfernt, ihr Gottesdienst
untersagt, ihre Versammlungshäuser zerstört und das Vermögen der Ge-
meinden eingezogen. 1) Das Christentum war nämlich nach der decianischen
Verfolgung (S. 372) sehr erstarkt.^) Anfangs bildeten die Christen eine reli-
giöse Gemeinschaft, die neben anderen hellenistisch-orientalischen Mysterien-
kulten in der synkretistischen Strömung der Kaiserzeit auftauchte. Rasch
breiteten sich die Christen aus, und schon unter Traian gab es in den ver-
schiedenen Provinzen ihrer viele. 3) Sie ließen es sich angelegen sein, ihren
Glauben zu propagieren und in ein System zu bringen, ihre Gemeinde-
verfassung auszubilden und die in ihrer Mitte zahlreich sich bildenden, ab-
weichenden Meinungen und Sekten zu bekämpfen oder auszugleichen. Die
römische Staatsgewalt nahm ihnen gegenüber keine konsequente Haltung ein.*)
Wie gegen die Juden, mit denen sie anfangs zuweilen zusammengeworfen
wurden, 5) erhob man auch gegen die Christen, weil sie die Götterverehrung
verschmähten, den Vorwurf der Gottlosigkeit, und besonders ihre Weigerung,
am Kaiserkult teilzunehmen, erregte Befremden und brachte sie in den
Geruch der Illoyalität.'^) Der erste Christenverfolger unter den römischen
Kaisern war Nero; aber mit Religionspolitik hat seine übrigens lokal auf
Rom beschränkte Verfolgung eigentlich nichts zu tun; denn nicht so sehr
als Christen, wohl aber als angebliche Brandstifter Roms mußten die Un-
schuldigen büßen für eine Katastrophe, die vermutlich der Zufall herauf-
geführt hatte. Es scheint, daß Domitian die Zugehörigkeit zum colleg'uDn
Stücke gefunden worden. Die Fragmente ' I — III, 5. Aufl., Tübingen 1914.
stammen alle aus der östlichen Reichs- ^) Der bekannte Brief des Plinius {ad
hälfte Diokletians, und es scheint, daß der 1 Traian. 96) zeigt es für Bithynien u. Pontos.
Tarif nur in dieser wirksam geworden ist. ! ■») K. J. Neumann, Der röm. Staat und
')O.HüNziKER, Zur Regierung U.Christen- die allgemeine Kirche bis auf Diokletian,
Verfolgung des Kaisers Diokletian u. seiner Bd. I, Berlin 1890. A. Linsenmayek, Die
Nachfolger in Büdingers Unters. II 115 f. Bekämpfung des Christentums durch den
^) Es ist hier nicht der Ort, die frühere | röm. Staat, München 1905. R. Heinze, Ter-
Geschichte des Christentums und seiner tullians Apologeticum, Berichte der Sachs.
Ausbreitung darzustellen. Zur Orientie- Ges. der Wiss. Bd. 62, 1910.
rung möge dienen Weizsäcker, Das apo- *) Doch ergibt sich aus dem bekannten
stolische Zeitalter der christlichen Kirche, Zeugnis des Tacit. ann. XV 44 und ebenso
3. Aufl., Tübingen 1902. Renan, Histoire aus Plinius, daß man sie von den Juden
des angines du citri st ianisme vol. VI. VII. sehr bestimmt unterschied.
A. v. Harnack, Die Mission u. Ausbreitung *) Dieses Moment darf allerdings nicht
des Christentums in den ersten drei Jahr- überschätzt werden und wird von Eu.
hunderten,3.Aufl.,Leipzig 1915. W.Möller, Schwartz, Kaiser Constantin und die
Lehrbuch der Kirchengeschichte, 1. Bd., christliche Kirche, Leipzig-Berlin 1913, 36
2. Aufl. von H.v. Schubert, Tübingen 1902. so gut wie ganz ausgeschaltet.
A. V. Harnack, Lehrb. der Dogmengesch. i
392 Römische Geschichte.
illicitiim der C/irist 1(1)1 i bei Todesstrafe verbot; jedenfalls wurden in den letzten
Jahren seiner Kegierung mehrere Mitglieder der stadtröniischen Christen-
gemeinde zum Tod verurteilt.') Auch unter Traian und M. Aurelius, später
unter Septimius Severus waren die Christusgläubigen in einzelnen Provinzen,
in Gallien, Asien und Ägypten, verschiedenen Verfolgungen ausgesetzt. Im
übrigen blieben sie, soweit sie nicht hervortraten, unbehelligt; einzelne
Kaiser, wie Commodus, Severus Alexander und Philippus Arabs, waren ihnen
sogar gewogen. Dem religiösen Suchen der Zeit, dem Hang zum Mystizis-
mus, dem Erlösungsbedürfnis der leidenden Menschheit konnte das Christen-
tum seiner ganzen Wesensart nach wohl genügen. Die Christen zählten zu
den Ihrigen Literaten, Schriftsteller und Denker, die es mit jedem aufnehmen
konnten, Männer wie Clemens von Alexandrien, Origenes und im lateini-
schen Westen Tertullianus. Nach dem prinzipiell wichtigen, in seiner prak-
tischen Wirkung jedoch ziemlich bedeutungslosen Vorgehen des Kaisers Maxi-
minus (Thrax), der den christlichen Klerus und damit das Riickgrat der Kirche
zu brechen gedachte (oben S. 369), war es der von Reformideen erfiillte
Kaiser Decius, der im Jahr 250 n. Chr. eine systematische Verfolgung der
Christen dadurch inszenierte, daß er von allen Untertanen das heidnische
Opfer forderte (oben S. 372); diese massive Politik wurde von den Kaisern
Gallus und Volusianus fortgesetzt, von Valerian jedoch dahin modifiziert,
daß er in erster Linie gegen den Klerus und die vornehmeren Laien ein-
schritt, um so die Organisation der Kirche zu sprengen.^) So groß die Zahl
derjenigen Christen war, die ihren Glauben verleugneten, so hat doch die
Kirche als Ganzes den Sturm überstanden. Der Sohn Valerians, Gallienus,
hat dann jede Verfolgung eingestellt und seitdem nahm* das Christentum,
zu dessen Anhängern seit früher Zeit auch Mitglieder der höheren Schichten
gehörten, stark zu. Obgleich das heidnische Element zahlenmäßig noch
immer bei weitem überwog und namentlich im Heer dominierte, so waren
doch die Christen eine nicht zu unterschätzende Macht infolge ihres Glaubens-
eifers, ihrer reinen Lebensführung vmd nicht zuletzt ihrer Organisation,
durch die alle Gemeinden des Reichs und deren Vorsteher, die Bischöfe,
miteinander in Verbindung standen. Die Verehrung der alten Götter war
unverkennbar im Rückgang begriffen ^) und aus diesem Grund scheint Dio-
kletian den Entschluß gefaßt zu haben, die christliche Religionsübung aufs
neue zu unterdrücken. Der besondere Anlaß seines gegen die Christen ge-
richteten Ediktes ist im übrigen nicht bekannt. Aber wir wissen, daß der
Kaiser überhaupt eine Regeneration des altrömischen Wesens, auch der
Religion anstrebte. Rein persönliche Motive sind bei ihm schwerlich anzu-
nehmen; denn lange genug haben sich Christen unbehelligt am Hof des
Kaisers befunden. Galerius war der eigentliche Scharfmacher. Die Verfolgung
wurde durch den Widerstand der Bekenner noch verschärft, und viele, be-
') Oben S. 332. Domitian ließ seinen mutet Ed. Schwartz a. S. 391 A. 6 a. O. 3.5.
Vetter Flavius Clemens hinrichten und -) Ein Opfer dieser Verfolfjung war der
dessen Gattin Flavia Domitilla verbannen. bekannte Schriftsteller Cyprianus. seit 248
Cass. Dio LXVII 14. Er war um die rö- n. Chr. Bischof von Karthago. Er erlitt
mische Religion und deren Erhaltung 25.5 n. Chr. den Märtyrertod.
eifrig bemüht. Daß Domitian es war, der ^) Dies bemerkt schon der jüngere Plinius
jenes durch die Pliniusbriefe als vor- epist. ad Traian. 96.
traianisch gesicherte Verbot erließ, ver-
8. Sechste Periode : Die Kaiseizeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (§ 52.) 39^^
sonders Bischöfe, fanden den Märtyrertod, Als besonders eifrige Verfolger
betätigten sich Maximian us Herculius iind Galerius, während Constantius
Chlorus die Edikte Diokletians mit Milde ausführte; die Verfolgungen dauerten
mit Unterbrechungen bis zum Emporkommen Konstantins d. Gr. Ihre Be-
deutung liegt darin, daß das Christentum von nun an als politischer Faktor
erscheint. Aus dem blutigen Krieg, den der Staat ihr angesagt hatte, sollte
die Kirche schließlich mit gesteigerter Macht als Siegerin hervorgehen.
Am 1. Mai 305 n. Chr. legten Diocletianus und Maximianus nach zwanzig-
jähriger gemeinsamer Herrschaft — Diokletian hatte schon im November 303
zu Rom sein Regierungsjubiläum, die Vicennalien gefeiert — ihr Amt nieder:
Galerius und Constantius wurden Augusti; Galerius trat in gewissem Sinn
als Oberkaiser an Stelle Diokletians i) und ernannte für die Diözesen Italien
und Afrika den Flavius Valerius Severus, für die Diözese des Orients ^) den
Galerius Valerius Maximinus Daia (oder Daza) zu Caesaren. Das Gebiet des
Constantius wurde durch Spanien und die gegenüberliegenden westlichen
Striche Mauretaniens vergrößert. Die alten Kaiser zogen sich als seniores
ÄiKjusti ins Privatleben zurück, Diokletian nach Salona in Dalmatien, Maxi-
mianus nach Lukanien.
Doch schon nach kurzem sollte die künstliche Regelung der Succession,
wie sie Diokletian getroffen hatte, ^) durch das urwüchsige und allgemein
verständliche Prinzip des Erbrechts durchbrochen werden. Denn als im
Jahr 306 n. Chr. der Augustus Constantius Chlorus in Eburacum (York) nach
einem eben glücklich beendeten Feldzug gegen Pikten und Skoten verstarb,
machte das Heer kurzerhand dessen ältesten Sohn aus erster Ehe, Flavius
Valerius Constantinus, zum Nachfolger des Toten (25. Juli 306 n. Chr.).*^
Es scheint, daß Konstantin schon früher für die Würde eines Caesars in
Aussicht genommen war, dann aber zurückstehen mußte. ^) Er wurde als-
bald von Galerius wenn auch nicht als Augustus, so doch wenigstens als
Caesar anerkannt.*^) Das Beispiel der britannischen Armee machte Schule in
Rom, das durch die Neuordnung der Dinge seinen alten Vorrang als Reichs-
hauptstadt eingebüßt hatte. Als nämlich Galerius durch seinen Caesar Severus
die bisher privilegierte Stadt der allgemeinen Besteuerung unterwerfen lassen
wollte, da schlössen sich die erbitterten Bürger und Garnisonstruppen zu-
sammen und riefen ebenfalls einen Kaisersohn, den M. Aurelius Valerius
Maxentius, den Sohn des Maximianus Herculius zum Augustus aus (28. Oktober
306 n. Chr.). Auch der alte Maximianus ließ sich bewegen, die nur ungern
') Wobei aber zu bemerken ist, daß ersten christlichen Kaisers ist frühzeitig-
rechtlich die beiden Augusti sieh ganz Gegenstand romanhafter Bearbeitung ge-
gleich standen. worden.
■-) Oben S. 388 A. 6. '=) Dies darf man der Schrift de niort/'h.
=*) Die vier Kaiser zusammen mit den persecutor. 18 f. glauben. Es wird bestätigt
beiden aeniores Auyusti erscheinen in der durch die Münzen, auf denen Konstantin
Inschrift der Diokletiansthermen in ILS schon vor seiner Erhebung erscheint. Vgl.
I nr. 646. Ebenso in nr. 645. Schiller, Kaiserzeit II 168 ff., sowie die
■*) Constantius hatte sich 293 n. Chr., als Ausführungen des Grafen v. Westphalen,
er die Theodora ehelichte (S. 387), von Revue numismaf. 1887 (X) 26 f.
seiner ersten Frau Helena, der Mutter •') Die Anerkennung geschah im Ver-
Konstantins, geschieden. Die legitime Ge- lauf des ägyptischen .Jahres 306/307, vor
burt Konstantins ist nicht zu bezweifeln. dem 28. August 307 n. Chr.
Die Jugendgeschichte Konstantins als des
;>94 Römische Geschichte.
niedergelegte Gewalt wieder aufzunehmen und sich mit seinem Sohn zu ver-
binden. Gegen diesen gewaltsamen Bruch des diokletianischen Systems mußte
mit den Waffen eingeschritten werden; im Auftrag seines Augustus, des
Galerius, zog Severus, der selbst zum Augustus befördert wurde, gegen
Maxentius; aber Severus sah sich bei Rom von seinen Truppen verlassen
und mußte nach Ravenna fliehen, wo er sich dem Maximianus ergab; er
wurde später von Maxentius beseitigt. Maximianus und Maxentius ver-
bündeten sich ihrerseits mit dem Caesar Constantinus, der gleich nach seiner
Erhebung am Niederrhein Angriffe fränkischer Stämme .siegreich zurück-
gewiesen hatte. Maximianus begab sich zu ihm, vermählte ihm seine Tochter
Fausta und erhob den Schwiegersohn zum Augustus (80H n. Chr.). Auch
dem Galerius selbst gelang es nicht, den Sturz des Maxentius herbeizuführen.
Als er gegen ihn auf Rom marschierte, zwang ihn die unzuverlässige Stim-
mung seiner Truppen zur Umkehr. Maxentius blieb also Herr in Italien
und fand auch in Spanien Gehorsam. Schon nach der Niederlage des Severus
hatte er sich den Augustustitel beigelegt. Galerius wußte keinen anderen
Ausweg, als die Hilfe Diokletians anzurufen, den er zu sich nach Carnuntum
zu einer Zusammenkunft entbot. Hier erschien auch Maximianus, der sich
inzwischen mit seinem Sohn überworfen und im Reichsteil seines Eidams
Konstantin gelebt hatte. Durch keine Bitten war Diokletian dazu zu be-
wegen, die Last der Regierung abermals auf seine Schultern zu nehmen;
doch vermochte er wenigstens seinen Kollegen Maximianus Herculius dazu,
sich der kaiserlichen Gewalt freiwillig wieder zu entäußern (307 n. Chr.).^)
An Stelle des Severus ernannte Galerius den Valerius Licinianus Licinius
zum Augustus und übertrug ihm die illyrischen Provinzen (11. November
308 n. Chr.). Aber trotz seiner erneuten Abdankung konnte der greise
Maximianus nicht Ruhe halten. Aus Italien, wo er sich nochmals als
Augustus geltend zu machen suchte, vertrieb ihn Maxentius. Er begab
sich wieder nach Gallien und versuchte hier, als Konstantin gegen Franken
und Alamannen ins Feld zog, sich aufs neue der kaiserlichen Gewalt zu
bemächtigen, konnte sich aber ebensowenig behaupten. Beim Herannahen
Konstantins mußte er sich nach Massalia zurückziehen, wo er als Gefangener
in die Hände seines Schwiegersohnes fiel, um wenig später — nach der offi-
ziellen Version durch Selbstmord — zu enden (310 n. Chr.). Inzwischen hatte
nach der Erhebung des Licinius auch Maximinus Daia sich den Augustustitel
angemaßt; Galerius sah sich genötigt, diese Eigenmächtigkeit anzuerkennen
und gestand nunmehr auch dem Konstantin den gleichen Rang zu. Es gab
also vier legitime Augusti, dazu den Maxentius.
Galerius starb im Mai 311 n. Chr. Kurz zuvor hatte dieser hitzigste
Widersacher der Christen noch durch Edikt vom 30. April gemeinsam mit
Konstantin und Licinius den seither Verfolgten ihr Bekenntnis zum Christen-
tum und die gottesdienstlichen Versammlungen zugestanden und damit die
vorläufige Kapitulation des Staates vor der Kirche vollzogen. 2) Sein Erbe
war Licinius; aber Maximinus Daia versuchte diesen zu verdrängen; doch
') Ein weiteres Ergebnis der Konferenz *i Euseb. bist. eccl. VIII 17, 3. Lactant.
war, daß für 308 n. Chr. Diokletian und de mort. persec. 34.
Galerius das Konsulat übernahmen. 1
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien, (i? ~>'2.) 895
ließ sich der Krieg wider Erwarten durch ein güthches Abkommen ver-
meiden, durch das Maximinus alle asiatischen Diözesen erhielt. Maximin war
als überzeugter Heide ein Feind der Christen, denen er nur widerstrebend
eine beschränkte Duldung gewährte:*) er versuchte den alten Gottesdienst
zu befestigen und besser zu organisieren. Konstantin hatte sich bei Leb-
zeiten des Galerius einer klugen Zurückhaltung befleißigt; er war überdies
auch durch Grenzkriege am Rhein und in Britannien in Ansprucli genommen :
das war eine gute Schule für sein wachsendes Heer. Über verschiedene
fränkische und alamannische Stämme erfocht Konstantin im Jahr 310 n. Chr.
einen großen Sieg. 2) Seine Residenz nahm er, wie schon sein Vater Con-
stantius, in Trier, das er mit prächtigen Gebäuden und Anlagen schmückte.
Nach Galerius' Tod geriet Konstantin in einen kriegerischen Konflikt
mit Maxentius, der allgemein als Usurpator betrachtet wurde und in un-
serer Überlieferung als brutaler Tyrann, auch als Gegner der Christen in
ungünstigstem Licht erscheint. Aber Maxentius verfügte nun einmal tat-
sächlich über Rom und Italien und besaß außerdem die spanische Diözese,
die früher zum Gebiet des Constantius gehört hatte. In seinem Sohn Romulus
setzte er sich einen Caesar und Nachfolger; 3) in Rom machte er sich durch
Bauten einen Namen ; er gerierte sich überhaupt als den Beschützer und Hüter
der alten Rechte und Traditionen Roms. Er unterwarf durch seinen Garde-
präfekten auch Afrika, dessen Statthalter (vicarius) L. Domitius Alexander
sich um 808 n. Chr. zum Kaiser hatte ausrufen lassen. Der Usurpator wurde
mit leichter Mühe überwunden und dann getötet (310 n. Chr.). Die Provinz,
besonders die Städte Karthago und Cirta, mußten für den Abfall schwer
büßen.*) Anscheinend machte Maxentius den Versuch, sich auch Rätiens
zu bemächtigen, worüber es zum Krieg gegen Konstantin kam. Dieser ver-
bündete sich mit Licinius, während Maxentius sich mit Maximinus ver-
ständigte, so daß also ein allgemeiner Kampf der Regenten bevorzustehen
schien. Konstantin, der am besten gerüstet war, rückte in Italien ein, be-
siegte die Heere des Maxentius in mehreren Treffen, zuletzt bei Verona,
brachte das nördliche Italien in seine Gewalt und marschierte auf Rom.
Kurz vor der Stadt, nicht allzu weit von der mulvischen Brücke (heute
Ponte Molle) stellte sich ihm Maxentius entgegen, wurde aber geschlagen
und fand mit vielen der Seinigen im Tiber ein klägliches Ende (28. Oktober
312 n. Chr.), da die Schiffbrücke dem Andrang der zurückflutenden Flücht-
linge nicht Stand hielt. ^) Der Sieger Konstantin nahm Rom und Italien,
') Ein Zeugnis dafür bietet eine lykische xander zuletzt behauptet; bei der Er-
luschrift des Jahres 311/312 n.Chr., worin oberung wurde die Stadt großenteils zer-
Maximinus gebeten wird, die Christen- stört und später von Konstantin unter
Verfolgung zu erneuern. Th. Mommsen, dem Namen Constantina neu aufgebaut.
Archäol.epigraph. Mitteilungen aus Öster- Aurel. Vict. Caes. 40, 19. 28.
reich XVI (1893) 98 ff. DiTTENBERGER,Or/(?>i//.s ^) Die Topographie des Schlachtfeldes
ffraeci inscriptiones sehctae II nr. 569. ist umsti'itten. Die Entscheidung fiel bei
2) Ob dies der CIL VI 5565 erwähnte Sieg Saxa Rubra: die Verfolgung ei'streckte
vom 27. Juni 310 n. Chr. ist, wie Schiller sich bis an den Tiber. Vgl. F. Töbelmann,
II 181 und andere annehmen, wird von Der Bogen von Malborghetto, Abhand-
MoMMSEN mit guten Gründen bezweifelt. lungen der Heidelb. Akad. der Wiss., 2,
^) Romulus starb vor dem Vater. 1915, 22 flf. Die dürftige Überlieferung
^) Vgl. Revue numisniatique 1902, 222 flf., (Zosim. II 16) duldet jedoch keine zuver-
wo das Ende Alexanders auf 311 n. Chr. lässige Rekonstruktion des Hergangs,
bestimmt wird. In Cirta hatte sich Ale-
ggg Römische Geschichte.
Spanien und Afrika in Besitz, In Mailand kam er mit Licinius zusammen
und vermählte ihm seine Schwester Constantia. Hier erließen die beiden
Kaiser das berühmte Toleranzedikt, das den Christen Duldung und Gleich-
berechtigung mit den Anhängern der alten Religion gewährte und für ihre
Verluste Entschädigung versprach.') Inzwischen griff" Maximinus Daia den
Licinius an; er setzte nach Europa über und traf zwischen Adrianopel und
Herakleia auf den Gegner. Nach vergeblichen Friedensverhandlungen kam
es hier zu einer Schlacht, in der Licinius siegte (L Mai 818 n. Chr.); damit
war der Orient für ihn gewonnen; der geschlagene Maximinus floh bis nach
Tarsos, wo ihn eine Krankheit hinwegraff'te. Von Nikomedien aus ließ Licinius
sofort auch für den Orient das Toleranzedikt für die Christen publizieren
(18. Juni 318 n. Chr.). Die Mitglieder der augusteischen Familien, Valeria, die
Gemahlin des Galerius, Tochter Diokletians, ihr Sohn Candidianus, und der
Sohn des Severus, Severianus, die damals dem Licinius in die Hände fielen, 2)
wurden von ihm aus dem Weg geräumt. Wenige Jahre später (316 n. Chr.)
verstarb fern der Welt in der Abgeschiedenheit seines Palastes zu Spalato
der greise Diokletian, der sich nach einigen Berichten, weil er sich von
Konstantin und Licinius bedroht glaubte, das Leben genommen haben soll.
Die Eintracht der beiden siegreichen Kaiser hielt nicht lange vor. 3) Schon
814 n. Chr. brach ein Konflikt zwischen ihnen aus. Es scheint, daß Gebiets-
streitigkeiten den Anlaß dazu gaben. Denn Licinius hatte auch die pan-
nonische und mösische Diözese in Besitz, beherrschte also ein größeres Ge-
biet als Konstantin, der eine neue Teilung beantragte und seinen Schwager
Bassianus als Caesar mit den illyrischen Landschaften ausgestattet wissen
wollte. Allein Bassianus ließ sich durch das Intrigenspiel des Licinius um-
garnen und wurde daraufhin von Konstantin beseitigt; dieser Zwischenfall
löste den Krieg aus. Konstantin rückte in das Gebiet seines Widersachers
ein und errang bei Cibalae in Unterpannonien (8. Oktober 314 n. Chr.) einen
Sieg. Aber nach einer zweiten Schlacht in Thrakien, die unentschieden
blieb, entschlossen sich die beiden Imperatoren zu einem gütlichen Vergleich ;
Licinius mußte die Diözesen Pannonien und Mösien abtreten und seinen
während des Krieges ernannten Caesar Valens fallen lassen. In Europa
verblieb dem Licinius nur die thrakische Diözese mit den anstoßenden Donau-
landschaften.
Mehrere Jahre dauerte nun die gemeinsame Regierung der beiden. Kaiser.
Gemeinsam führten sie an der Donaugrenze Krieg gegen die Sarmaten,
Gothen und Karpen und stellten die Grenzbefestigungen wieder her (315
n. Chr.). 4) Gemeinsam ordneten sie die Nachfolge und ernannten (1. März
317 n. Chr.) ihre Söhne, Flavius Julius Crispus, Flavius Claudius Constantinus
') Euseb. hist. eccl. IX 9, 12. Lactant. ; war Konstantin 313 n. Chr. wieder an den
de niort. pers. 48. Die von O. Seeck (Zeit- Rhein gegangen, wo ihm die Franken zu
schritt für Kircliengeschichte XII 181. 457. schaffen machten.
Benjamin, PW IV 1018 f.) gegen die Exi- ^) Hierher gehört die Wiederherstellung
stenzder Mailänder Konstitution geäußer- der Stadt TropaeJTTraiani und vielleicht
ten Zweifel haben sicli nicht bewährt. des Monuments von Adamklissi. Bokmann,
■') Maximinus wollte die Valeria zur Archäol.epigr. Mitteilungen aus Osterreich
Ehe nehmen; da sie sich weigerte, hatte XVII 108. Cichokius, Philol. hist. Beiträge
er sie gefangen gesetzt. CurtWach.smuth zum 60. Geburtstag über-
^) Nach der Zusammenkunft in Mailand reicht (Leipzig 1897) 13.
8. Sechste Periode: Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (§52.) 397
und Licinianus Licinius zu Caesaren. Doch schon einige Jahre später (324
n. Chr.) kam es zwischen ihnen zu einem neuen Zusammenstoß, dessen Ur-
sachen nicht bekannt sind.^) Vielleicht hat die verschiedene Haltung der
beiden Kaiser den Christen gegenüber zur Verschärfung ihres Gegensatzes
beigetragen; denn die Christen neigten sich im ganzen Reich dem Konstantin
zu, während sich Licinius in den späteren Jahren von ihnen ab wandte, ihre
Religionsübung einschränkte und sie aus seiner Umgebung entfernte. 2) Kon-
stantin betrachtete sich als den Oberkaiser; seit 316 n. Chr. residierte er
nicht mehr in Trier, sondern an der Ostgrenze seines Gebiets in Mösien;
als der Sarmatenhäuptling Rausimod mit seinem Stamm in Tlirakien ein-
brach, rückte Konstantin eigenmächtig in seines Kollegen Gebiet und trieb
die Eindringlinge zurück, und darüber entbrannte abermals ein Krieg, den
übrigens beide Kaiser auch mit gothischen, bezw. sarmatischen Hilfstruppen
führten. Licinius wurde (3. Juli 324 n. Chr.) in der Gegend von Adrianopel
geschlagen und zog sich nach Byzanz zurück. Inzwischen war der Caesar
Crispus mit einer starken Kriegsflotte zum Angriff auf Asien vorgegangen
und vernichtete bei Kallipolis am Hellespont die Flotte des Licinius. Dieser
räumte nunmehr Byzanz, die orientalischen Provinzen sagten sich zum Teil
von ihm los und nach einer neuen Niederlage bei Chrysopolis (18. September
324) suchte er, in Nikomedien eingeschlossen, die Gnade des Siegers nach,
der ihm Schonung zusicherte und ihn nach Thessalonike sandte, wo er jedoch
bald darauf (325 n. Chr.) umgebracht wurde. Dasselbe Schicksal erlitt sein
von ihm während des Krieges zum Augustus ernannter Hofmarschall {niagister
officiorum) Martinianus,
Konstantin beherrschte somit das ganze Reich, das ihm nicht mehr streitig
gemacht wurde, s) Auch jetzt hatte er, um die Grenze zu schützen, viele
Kriege zu führen. Den Schutz der Rheingrenze übertrug er zunächst dem
Crispus, der siegreich gegen die Franken kämpfte; der Kaiser selbst behielt
sich die Wacht an der Donaugrenze vor, die er weiter befestigte. Er baute
328 n. Chr. eine neue steinerne Brücke über den Strom. Erfolgreich kämpfte
er gegen die Gothen, Als diese ihrerseits die Sarmaten angriffen, kam der
Kaiser den letzteren zu Hilfe, schlug die Gothen (20, April 332 n, Chr,) und
nötigte sie zum Frieden. Sie verpflichteten sich gegen eine jährliche Geld-
zahlung Truppen zu stellen und traten von jetzt an mit den Römern in
friedlichen Verkehr. Sarmaten wurden in den Donauprovinzen und in Italien
angesiedelt, den von den Gothen bedrängten Vandalen Wohnsitze in Pan-
nonien gegeben. Uberhauj)t ist die Gunst bemerkenswert, die der Kaiser
den Barbaren zuteil werden ließ; schon zu Anfang seiner Regierung in
Gallien nahm er fränkische Krieger und Heerführer in seinen Dienst. Unter
Konstantin begann namentlich das germanische Element in steigendem Maß
*) Zur Datierung s.o. Seeok, Rhein. Mus. ! den; vgl. P. Joügüet, Papyrus de Theo-
62, 1907, 493 ff. 517 ff., dens., Regeste der I deljihie, 1911, nr. 50 u. 58, dens., Melanies
Kaiser .und Päpste 173. Seecks Ansatz • Cagnat, 1912, 407 &.
(324 n. Chr.) ist zwar von Mommsen. Ges. ^) p_ Görres. Die Religionspolitik des
Sehr. VI 331 ff. 340 ff. und Ed. Schwartz, • Kaisers Licinius, Philolog. 72 (N. F. 26)
Nachrichten der Göttinger Ges. der Wiss. , 1913, 250 ff.
1904, 540 ff., die beide für das J. 323 n.Chr. ^) Die Erhebung eines gewissen Kalo-
eintreten, bestritten worden, fand aber kairos auf der Insel Kypros (um 335 n.Chr.)
seine Bestätigung durch Papyrusurkun- war, wie es scheint, ohne Bedeutung.
898
Römische Geschichte.
in die höheren Stellen des Dienstes einzudringen, ein Prozeß, der für das
Heerwesen und die Geschicke des Reiches von größter Tragweite war. In
der Verwaltung baute Konstantin auf den von Diokletian gelegten Funda-
menten weiter; aber Konstantin ist kein bloßer Fortsetzer, sondern ein
Neuerer mit eigenen Ideen.') Anders als Diokletian, der sich in erster Linie
als Beamten betrachtete, l)ehandelte Konstantin das römische Hecht in aus-
geprägt absolutistischem Geist, indem er als erster der römischen Kaiser
seine Erlasse zu gesetzgeberischen Akten stempelte. 2) Dem praefedus prae-
torio, der noch in der diokletianischen Ordnung die oberste Militär- und
Zivilgewalt in sich vereinigt hatte, entzog Konstantin das militärische Kom-
mando, um es besonderen Generälen, dem maghter peditum bezw. efpätuin
zu übertragen. Die Organisation des Heerwesens der späten Kaiserzeit geht
auf Konstantin zurück. Er vermehrte die eigentliche Feldarmee und ver-
ringerte die Grenztruppen {Umitanei).^) Auch dem Münzwesen wandte er
seine Fürsorge zu; er hat es einheitlich für das ganze Reich systematisiert.*)
Einen entscheidenden Schritt tat Konstantin, als er das Christentum
und namentlich die christliche Hierarchie dem Staatswesen eingliederte und
sich in gewissem Sinn zu ihrem Haupt machte. Der christliche Kultus wurde
freigegeben und mit dem heidnischen mindestens auf die gleiche Stufe ge-
stellt; die Geistlichen wurden von den drückenden Gemeindelasten befreit;
der Kirche wurde gestattet, Erbschaften anzunehmen (Dekrete von 313 und
319 n.Chr.); die Jurisdiktion der Bischöfe fand Anerkennung.^) Die Ver-
einiglmg der Kirche mit dem Staat führte von selbst dazu, daß der Kaiser
sich bemühte, die kirchliche Einheit herzustellen und die Glaubensstreitig-
keiten zu bannen. Denn sobald der Druck der Verfolgung aufgehört hatte,
begannen auch schon die verschiedenen christlichen Lehrmeinungen und
Sekten den erbittertsten Kampf miteinander. Konstantin nahm in diesen
Streitigkeiten nicht selbst und unmittelbar Partei, sondern legte sie den
kirchlichen Synoden vor, um alsdann durch eigenes Eingreifen deren Be-
schlüsse zur Ausführung zu bringen. So geschah es schon bei den um 311
n. Chr. beginnenden donatistischen Streitigkeiten in Afrika, die mit ernsten
Unruhen verbunden waren. ß) Der Kaiser verbannte den Bischof Donatus,
') Im einzelnen sind die Neuordnungen zum Beginn der byzantinischen Tlieraen-
Konstantins nicht mit Sicherheit von Verfassung, Berlin 1920, 59 ff.
denen Diokletians oder der Nachfolger zu
unterscheiden. Aber z. B. die vier Prä-
fekturen der notitia dignifatum gehören der
späteren Zeit an. Bei Konstantins Tod
gab es nur drei praefecti praetoi-io. Momm-
SEN, Ges. Sehr. VI 284 ff.
^) Ed. Schwartz, Kaiser Constantin und
Makquardt, Staatsverw. 11"^ 27 ft'.;
Schiller, Gesch. der röm. Kaiserzeit II 222.
Die Grundlage der Währung ist der Gold-
solidus von ','-2 Pfund Gewicht. J. Maurice,
Numismatique Co)i$tanti>üenne, Paris 1908 ff.
5) Vgl. Cod. Theodos. XVI 2, 1. 2,7. Zu
bemerken ist, daß auch den jüdischen
die christl. Kirche VII. 91, ders. in „Mei- Kultusbeamten Vergünstigungen zuteil
ster der Politik" I, 1922, 196 f. j wurden. Cod. Theodos. XVI 8, 2. 4.
^) Die sog. comitnteniies hatte schon Dio- 1 ") Anlaß des Streites war die Wahl des
kletian als Kaisergarde an Stelle der zu Caecilianus zum Bischof von Karthago;
einer hauptstädtischen Garnison degra- diese Wahl wurde von den Donatisten
dierten Prätorianer gegründet. Konstan- angefochten. Die Donatisten sonderten
tili hob die Prätorianertrui^pe endgültig sich durch strengere Disziplin und Lehre
auf und schuf sich aus der Elite der von den Katholiken scharf ab und wollten
comitatenses eine neue Garde des Feld- sich den Besclilüssen der Synoden nicht
heeres, die sog. palatini; vgl. R, Grosse, ' fügen. Die Bewegung- hat einen provin-
Röm. Militärgeschichte von Gallienus bis ziellen Charakter. Es bildeten sich Scharen
8. Sechste Periode: Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (§ .V2.I ;399
das Haupt der Sekte, und verhängte andere Strafen, ohne jedoch viel zu
erreichen. Ahnlieh vei'liielt er .sich im Streit um die Trinitätslehre. der
sich durch Areios (318 n. Chr.) von Alexandrien aus über die ganze christ-
liche Welt verbreitete. Zur Schlichtung des Streites berief Konstantin das
erste Reichskonzil nach Nikaia: am 20. Mai 325 n. Chr. eröffnete der Kaiser
in eigener Person diese allgemeine Synode. Unter der aktiven Teilnahme
des Kaisers brachte ihre Tagung das Ergebnis, daß das arianische Bekenntnis
verworfen und die namentlich von Athanasios verfochtene orthodoxe Lehre
angenommen wurde (am 19. Juni). Areios mußte in die Verbannung gehen.
Später jedoch entschied sich Konstantin unter dem Einfluß des Bischofs Eusebios
zugunsten der Arianer und gestattete dem verbannten Areios die Rückkehr
nach Alexandrien. Dies führte zu einem langen Streit mit dem Bischof Atha-
nasios, der vorläufig mit dessen Verbannung nach Trier endete (335 n. Chr.).
Die Verbindung der kaiserlichen Gewalt mit der Kirche bleibt inskünftig be-
stehen, und dadurch haben fortan die Glaubensstreitigkeiten auf die Politik der
Kaiser und die Geschicke des Reiches einen tiefgehenden Einfluß ausgeübt.
Die Motive, die eine Herrschernatur wie Konstantin zum Christentum
hinführten, dürften überwiegend staatsmännischen Charakter getragen haben.
Aber man darf darum den Kaiser, dessen universale Tendenzen sich mit
der einheitlichen Organisation der Kirche berührten und verflochten, nicht
etwa einer seichten Opportunitätspolitik oder gar der Heuchelei zeihen. Erst
im Angesicht des Todes ließ sich Konstantin durch die christliche Taufe in
die eigentliche Gemeinde der Glälibigen aufnehmen; gegen den heidnischen
Kult verhielt er sich tolerant; nur die schlimmsten Auswüchse wurden be-
schnitten; aber es erging kein allgemeines Verbot gegen den Polytheismus:
namentlich blieben die stadtrömischen Priestertümer unangetastet: durch
seine Begünstigung der Christen bereitete Konstantin den endgültigen Sieg
des Christentums vor; auch seine Söhne ließ er im christlichen Bekenntnis
erziehen. Seine Mutter Helena war eifrige Christin, i)
Eine welthistorische Tat Konstantins war auch die Gründung der neuen
Hauptstadt Konstantinopolis an der Stelle von Byzanz. Die Stadt wurde
am 11. Mai 330 n. Chr. unter halb heidnischen halb christlichen Riten feier-
lich eingeweiht. 2) Konstantinopel war als eigentliche Reichshauptstadt ge-
von begeisterten Schwärmern, den sog. tins d. Gr. zum Christenthum, Zürich
CircumceHionen, die sich selbst Heilige 1862; Th. Bkieger, Konstantin d. Gr. als
nannten, im Land umherzogen und Un- Eeligionspolitiker, Gotha 1880; P. Monod,
ruhen erregten. La politiqxie religieuse de Constantiu, Mon-
') Konstantins Verhältnis zum Christen- tauban 1889; F. M.Flasch, Konstantin d.Gr.
tum wird sehr verschieden beurteilt. Nach als erster christl. Kaiser, Würzburg 1891.
der von Eusebios begründeten Meinvmg, Schiller II 204 ff. Ed. Schwaktz, Kaiser
der auch Seeck und andere Gelehrte fol- Constantin u. die christl. Kirche, Leipzig-
gen, hat sich Konstantin seit seinem Sieg Berlin 1913.
über Maxentius für den Christengott ent- '^) Th. Preger, Hermes XXXVI, 1901,.
schieden. Allerdings wurde noch im J. 333 336. 457 ff. Der Anfang zur Erweiterung'
n. Chr. der Stadt Hispellum in ItaHen die von Byzanz Avar schon früher, November
Errichtung eines Tempels für das kaiser- 328 n. Chr. (nach anderen Angaben 326-
liehe Geschlecht gestattet (ILS I nr. 705). n. Chr.), gemacht worden. Die neue Stadt
Heidnische Eeminiszenzen behaupten sich wurde der Tyche geweiht. Eine Säule
auch auf den Münzprägungen. Vgl. außer mit einer Statue, die den Konstantin als.
J. ßüRCKHARDT (Die ZeitCoustantius d. Gr., Sol invictus darstellte, wurde errichtet.
345): Th. Keim, Der Übertritt Constan-
j/vTi Römische Geschichte.
dacht, als die rm ^f'<''>i<ih ^^^^ Neurom am Bosporos, das als Zentrum des
Weltreichs an die Stelle der Tiberstadt treten sollte und allmählich mit
allen Rechten und Privilegien des alten Roms versehen wurde. Auch ein
zweiter Senat wurde in kurzem hier eingerichtet; eine Anzahl Senatoren
siedelten von Rom über nach der neuen Gründung, die zur starken Festung
ausgebaut und mit prächtigen Gebäuden, I^ibliotheken, Zirkus, Bädern usw.
geschmückt wurde. Das Reich mußte zur Ausstattung der neuen Haupt-
stadt beitragen, 1) und viele Kunstschätze aus Rom und insbesondere aus
den griechischen Städten wurden hierher entführt, um der Kaiserstadt, in
der nunmehr der Schwerpunkt des Reiches ruhte, ein repräsentatives Aus-
sehen zu verleihen. Für seine Schöpfung hat Konstantin keine Ausgabe
gescheut und den Staatsschatz schwer belastet. Überhaupt fühlte Konstantin
als absoluter Monarch die Verpflichtung zur Prachtentfaltung; er hatte auch
eine offene Hand und förderte die Literatur, soweit es seinen Zwecken
dienlich war. In den letzten Regierungsjahren Konstantins wurden Klagen
laut über den Steuerdruck, die Willkür der Beamten und die Nachsicht,
die der Kaiser seinen Günstlingen zuteil werden ließ.
Konstantin starb am 22. Mai, Pfingstsonntag, 337 n. Chr. während der
Vorbereitungen, die er zu einem Krieg gegen die Perser, die nach längerer
Friedenszeit unter Sapor II Armenien und Mesopotamien angriffen, traf.
Von seinen Söhnen war der älteste, Crisi^us, der längere Zeit den Westen
verwaltete, 326 n. Chr. hingerichtet worden, während der Kaiser in Rom
weilte; Konstantins Gemahlin, die Kaiserin Fausta, die mit der Katastrophe
ihres Stiefsohnes Crispus in innigen Zusammenhang gebracht wird, 2) mußte
bald darauf selbst sterben. Ebenso wurde der Caösar Licinianus Licinius
damals beseitigt. Seine übrigen Söhne hatte Konstantin nacheinander zu
Caesaren ernannt und ihnen einzelne Reichsteile übergeben, dem Konstantin
(Caesar seit 317 n. Chr.) den Westen, dem Constantius (Caesar seit 323 n. Chr.)
die asiatischen Provinzen mit Ägypten, dem Constans (Caesar seit 333 n. Chr.)
Italien, lUyricum und Afrika. Dazu kam 335 n. Chr. Delmatius, sein Bruder-
sohn, dem er in seinem Testament Thrakien, Makedonien und Achaia be-
stimmte, während ein zweiter Neffe HannibalianusS) mit dem Titel König
der Könige {Hex Eegum) zum Fürsten Armeniens und des benachbarten
Pontosufers ernannt wurde. Allein das kaiserliche Testament erlangte nicht
vollständige Geltung: Delmatius, Hannibalianus und andere Verwandte des
verstorbenen Kaisers wurden noch im Sommer 337 n. Chr. in Konstantinopel
durch einen blutigen Militäraufstand beseitigt; Constantius ließ die Mörder
gewähren; er war auf die Nachricht von der schweren Erkrankung seines
Vaters aus Mesopotamien herbeigeeilt, hatte ihn aber nicht mehr als Lebenden
angetroffen. Die nächsten Vertrauten seines Vaters überlieferte Constantius
ebenfalls dem Tod. Das Gebiet der beiden Ermordeten fiel ihm zu. Von
^) Die Grundbesitzer der Diözesen Asien ed. MoiyiMSEN.
und Pontos mufsten nach Konstantinopel 2) Die näheren Umstände beim Sturz
ziehen oder sich dort wenigstens Häuser des Crispus sind dunkel,
bauen. Erst später durch eine Verordnung ^) Delmatius und Hannibalianus waren
der Kaiser Theodosius II und Yalenti- Söhne des Flavius Delmatius. eines Halb-
nians III (9. Mai 488 n. Chr.) wurde der bruders des Konstantin.
Zwang aufgehoben. Novell. Theodos. V 1
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (§ ")2.) 401
den drei Kaisern geriet Konstantin mit Constans um Italien und Afrika
in Streit; er wurde bei Aquileia von den Truppen seines Bruders Constans
überfallen uud getötet (840 n. Chr.). Constans bemächtigte sich nun auch
des Anteils seines toten Bruders und erlangte dadurch über Constantius
eine Überlegenheit, die sich in den damals wieder heftig entbrannten Lehr-
streitigkeiten zwischen den Arianern und Orthodoxen bemerklich machte;
Constans, Anhänger des Athanasios, verhinderte den Sieg der Arianer im
Orient und setzte durch, daß der zum zweitenmal verbannte Athanasios
als Bischof nach Alexandrien zurückkehren konnte (346 n. Chr.). Während
seiner Regierung herrschte im Westen, abgesehen von einem Einfall der
Franken und Unruhen in Britannien, längere Zeit Frieden. Da sich Constans
durch Roheit und Laster verhaßt machte, so wurde er (am 18. Januar 350
n.Chr.) in Gallien durch seinen Heermeister [nwgister niilitum), den Franken
Magnus Magnentius, gestürzt und dann auf der Flucht umgebracht.
Magnentius bemächtigte sich zunächst des Westens und besiegte unter
vielem Blutvergießen den Nepotianus, einen Schwestersohn Konstantins des
Großen, 1) der auf kurze Zeit in Rom zum Augustus ausgerufen wurde. Auch
in Illyricum hatten die Heere sich von dem Herrscherhaus losgesagt und
auf eigene Faust einen Imperator erhoben, den greisen Vetranio (1. März
350 n. Chr.). Constantius war während dieser Zeit (seit 338 n. Chr.) in einen
langen und schweren Krieg mit dem Perserkönig Sapor II verwickelt. Das
Kampfobjekt bildete Armenien und Mesopotamien; die Römer erlitten mehr-
faches Mifageschick. Constantius mußte jedoch diesen Krieg seinen Feld-
herren überlassen, um die Herrschaft seines Hauses im Westen wieder-
herzustellen. Ein Abkommen mit den verbündeten Usurpatoren lehnte er
ab, aber er wußte sie zu trennen; Vetranio traf mit ihm einen Ausgleich
und legte bei einer Zusammenkunft in Serdica den Purpur ab (Anfang 351
n. Chr.). Magnentius wurde nach vergeblichen Unterhandlungen 351 n. Chr.
in Pannonien bei Mursa in einer blutigen Schlacht besiegt, aber erst zwei
Jahre später auch von seinen letzten Anhängern aufgegeben. Constantius,
der sogar die Germanen zu einem Vorstoß über den Rhein angestiftet hatte,
besiegte den Magnentius in Gallien: der Usurpator stürzte sich, von allen
verlassen, in Lyon in das Schwert; auch sein Bruder Decentius, den er
zum Caesar ernannte, endete freiwillig (353 n. Chr.).
Constantius vereinigte also das ganze Reich wieder in seiner Hand. Er
blieb zunächst im Westen; nachdem er mit den Alamannen Frieden ge-
schlossen hatte, begab er sich nach Mailand (354 n. Chr.) und besuchte von
da Rom. 2) Unter ihm spielen die kirchlichen Streitigkeiten, in die er selbst
eingrifp. eine wichtige Rolle. Er war ein Gegner des nicänischen Bekennt-
nisses und des Athanasios, den er nur ungern hatte zurückkehren lassen;
in dem Bestreben der anderen, der arianischen Richtung den Sieg zu ver-
schaffen, setzte er die Verurteilung des Athanasios auf einem Konzil zu
Mailand (355 n. Chr.) durch; er ließ den Athanasios aus Alexandrien ver-
treiben, was nicht ohne Unruhen abging (356 n. Chr.). s) Der Arianismus er-
hielt durch die Gunst des Kaisers Constantius einen neuen Impuls.
') Sohn der Eutropia, einer Stief- | "") ILS I nr. 731—736.
Schwester des Kaisers. ' ^) Über Athanasios vgl. Ed. Schwaktz,
Handbuch der klass. Altertnmswissenschaft. III. 5. 5. Aufl. 26
402 Römische Geschichte.
Da der Kaiser keine Leibeserben besafö, so ruhte die Dynastie auf seinen
/.wei Vettern, Gallus und Julianus, den Söhnen des Julius Constantius, eines
Bruders Konstantins d. Gr. Der ältere von ihnen, Gallus,') war zur Zeit
des Zuges gegen Magnentius als Caesar in den Osten nach Antiochien ge-
schickt worden; aber er machte sich dem mißtrauischen Kaiser rasch ver-
dächtig, worauf er abgesetzt und 354 n. Chr. hingerichtet wurde. Während
des letzten Bürgerkrieges hatten die gallischen Provinzen nach längerer
Ruhe wiederum verheerende Einfälle der Franken, Sachsen und Alamannen
erleiden müssen; viele Städte lagen in Trümmern. Das kaiserliche Ansehen
war noch nicht wiederhergestellt, und leicht konnten neue gefährliche Neben-
buhler sich erheben. 2) Daher entschloß sich Constantius, nunmehr seinen
zweiten Vetter, den Stiefbruder des Gallus, Flavius Claudius Julianus, ^) zum
Caesar zu erheben und nach Gallien zu entsenden (855 n.Chr.). Dem Julianus
gelang es, die Alamannen, die den Constantius gegen Magnentius unter-
stützt und sich am linken Rheinufer niedergelassen hatten, zu demütigen
und Gallien wieder zu schützen. Er schlug die Alamannen in der großen
Schlacht bei Straßburg (857 n. Chr.)^) und ging dreimal, 357, 358 und 359
n.Chr. über den Rhein. Auch gegen die Franken führte er glückliche Kriege,
räumte aber zugleich 358 n. Chr. den salischen Franken am linken Rhein-
ufer Wohnsitze ein. Constantius war inzwischen in Rätien und Pannonien
mit Kämpfen gegen die Quaden und Sarmaten beschäftigt (358 n.Chr.);
dann rief ihn ein neuer Angriff des Persers Sapor II, der 359 n. Chr. mit
überlegener Macht über den Tigris zog, in den Orient. Der Kaiser ver-
langte von Julianus die Stellung von Hilfstruppen in beträchtlicher Stärke
aus Gallien; aber dieses Ansinnen war nicht nach dem Geschmack der
Armee, die sich offen dagegen auflehnte.'') Im Winter 360 n. Chr. erhoben
die Aviderspenstigen Truppen in Paris den Julianus auf den Schild und riefen
ihn zum Augustus aus. Julianus hatte sich durch energische Kriegführung
Nachr. der Gott. Ges. der Wiss. 1904 — 1908. panien CIL X 6945 genannte Imperator
Auch der Streit zwischen den römischen Claudius Silvanus kann, wie Mommsen zu
Bischöfen Liberius und Felix II gehört der Stelle bemerkt hat, mit dem hier ge-
in diesen Zusammenhang. Liberius wider- nannten nicht identisch sein; er ist ander-
setzte sich dem Willen des Kaisers, worauf weitig nicht bekannt.
er 355 n. Chr. verbannt und durch Felix ') A. Mücke, Flavius Claudius Julianus,
ersetzt wurde. Später aber fügte er sich 2 Teile, (xotha 1867. 1809; Sieveks, Studien
und kehrte nach Rom zurück (358 n. Chr.), 225 ff. : Wilh. Schwaez, De rita et scriptis
woraus ein neuer Konflikt mit Felix ent- Julian l imi^eratoyis, Bonn 1888: H. Heckek,^
stand. Letzterer mußte schließlich wei- Zur Gesch. des Kaisers Julian, Progr. von
chen und in die Verbannung gehen. Eine Kreuznach 1886; Neue Jahrb. für Philol.
spätere Nachwirkung dieses Schismas ist 1889,59ff.; P. Allard, Ju/Zc/; /'«/)o.s<ftf, 3 Bde.,
366 n. Chr. die Doppelwahl der Bischöfe Paris 1900—1903. W. Koch, Jahrbb. für
Ursinus und Damasus, die zu blutigen klass. Philol. Supplem. 25, 329 ff. G. Negri,
Kämpfen führte, bis Valentinianus I ein- L'impercttore Giuliano VApostata, Mailand
gi-iff und den Ursinus vertrieb. Ammian. 1902^ J.Geffcken, Kaiser Julianus, Leipzig
XXVII 3, 12 f. 9, 9. Mommsen, Deutsche 1914.. E. v. Borkies, PW X 26 ff.
Zeitschr. für Geschichtswissenschaft N. F. j ^) Über die Alamannenschlacht s. Wie-
I 167. I GAND, Beiträge zur Landes- u. Volkskunde
') Offiziell heißt er Fl. Claudius Con- ' von Elsaß-Lothringen 3, 1887; vgl.Westd..
stantius Caesar. ILS I nr. 737. Zeitschr. VI 319, VII 63 f., XII 242. Del-
'^) 355 n. Chr. nahm der Befehlshaber in brück, Gesch. der Kriegskunst II 272 f.
Köln, Silvanus, den Purpur, wurde aber *) Ein Teil der Truppen durfte vertrags-
rasch beseitigt. Ammianus Marc. XV 5. , mäßig nicht jenseits der Alpen zur Ver-
Der auf einer Inschrift aus Atella in Kam- ' wendunsr kommen. Ammian. Marc. XX 4, 4..
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien, i ?; ."n'. i _^{)->
und gewissenhafte Verwaltung in Achtung gesetzt: er strebte selbst nach
der kaiserlichen Gewalt; von Constantius erbat er jetzt die Anerkennimg
des Geschehenen und die Überlassung der westlichen Provinzen, besonders
der gallischen Diözese. Constantius unterbrach weder den Krieg gegen die
Perser, noch bewilligte er Julians Forderung. So eröffnete denn Julian die
Feindseligkeiten und rückte donauabwärts gegen Constantius vor. An der
Grenze von Illyricum erreichte ihn die Botschaft vom Tod des Constantius,
der, im Begriff ihm entgegenzuziehen, in Kilikien vom Tod überrascht
worden war (3. November 361 n.Chr.). Auf dem Totenbette hatte er seinen
unbotmäfäigen Vetter Julianus zum Nachfolger bestimmt, und so war denn
ein Bürgerkrieg, dessen Ausgang zum mindesten zweifelhaft war, im letzten
Augenblick glücklich vermieden; Julianus fand als Nachfolger des Con-
stantius die Anerkennung des ganzen Reichs.
Der neue Kaiser unternahm den Versuch, den alten heidnischen Kultus,
der allmählich abzusterben drohte, neu zu beleben ;i) eingedrungen in die
religionsphilosophische Ideenwelt des Neuplatonismus, wollte Julian nach
der praktischen Seite hin die heidnische Priesterschaft dem Muster des
christlichen Klerus entsprechend organisieren. Die staatliche Duldung des
Christentums konnte der heidnische Reaktionär zwar nicht mehr rückgängig
machen, aber er setzte die Christen geflissentlich zurück und erlegte ihnen
die Restituierung der alten Göttertempel auf. Den Klerikern entzog er die
ihnen seit Konstantin gewährte Steuerfreiheit. Als besonders schweren Schlag
empfanden die Christen das selbst von Heiden als unbillig betrachtete
Verbot des Jugendunterrichts durch christliche Rhetoren und Sophisten.
Zwischen den verschiedenen Sekten machte Julian keinen Unterschied: die
Maßregeln z, B. gegen die Donatisten in Afrika wurden aufgehoben und
verfolgte Sektierer begnadigt. Julian hatte eine christliche Erziehung ge-
nossen, war aber dann in den Bannkreis der Neuplatoniker geraten. Abel*
noch als Caesar in Gallien hatte er den öffentlichen Gottesdienst der Christen
mitgemacht. Der religiöse Abfall des sog. „Apostaten", des Abtrünnigen
vom Christentum hängt mit seiner politischen Rebellion gegen Kaiser Con-
stantius aufs engste zusammen. Romantisch angehaucht wie er war, lebte
Julian ganz in den klassischen Reminiszenzen der Vergangenheit; ein Studien-
aufenthalt in Athen, dem Sitz der heidnischen Philosophie, hatte einst be-
stimmend auf die empfängliche Seele des Jünglings eingewirkt. Julian hat
auch die Feder gegen die Christen geführt. 2) wie er auch sonst sich litera-
risch zu betätigen liebte. Mit den angesehensten Tagesgrößen der Literatur
stand er in enger Verbindung. 3) Nicht ganz frei von Eitelkeit und Ruhm-
sucht, war Julian im Grund ein ehrlich strebender Mensch und ein wohl-
meinender, humaner Regent, der die Schäden seiner Zeit erkannte und zu
heilen bemülit war. In seiner kurzen Regierung hat er viel Gutes gestiftet,
Mißbräuche abgestellt, die Finanzen verbessert. Seine Erlasse gegen die
1) Vgl. J. Geffcken, Der Ausgang des ligionsphilosophie Kaiser Julians, Leipzig
griech.-röm. Heidentums, Heidelberg"l920, u. Berlin 1907.
115 ff, ' 3) Dip Eedner Libanios und Himerios.
2) kaza XQioziaviöv. Vgl. K. J. Neumänn, auch der bekannte medizinische Schrift-
Juliani hnp. Uhrorum contra Christianos qnae steller Oreibasios gehören dazu. Orei-
supersnnt, Leipzig 1880. G. Mau, Die Re- , basios wurde Leibarzt des Kaisers.
26*
404
Römische Geschichte.
Christen sollten ihn nicht üherdauern vnid verfehlten ihre Wirkung; wohl
aber entfesselte Julian durch seinen „Kulturkampf" einen fanatischen Ha6,
der sein Andenken dauernd verunglimpfte. Seinen Bestrel)ungen, den re-
ligiösen Eifer der Heiden wachzurufen, war kein P]rfblg gegönnt.
Von seinem Vorgänger übernahm Julian den Krieg gegen die Perser;
Constantius hatte noch 3(>0 n. Chr. am Euphrat gekämpft, ohne da(.3 es ihm
gelungen wäre, die Eindringlinge aus Mesopotamien wieder zu vertreiben.
Nach sorgfältigen Rüstungen eröffnete Julian im Frühjahr 863 n. Chr. einen
neuen Feldzug. Verhandlungen mit dem Erbfeind Persien lehnte er ent-
rüstet ab. Das Andenken an Alexander d. Gr. begleitete ihn bei seinem
Unternehmen. Die Perser wnirden in zwei Abteilungen, die durch Armenien
bzw. durch Mesopotamien zogen, angegriffen. Julian überschritt siegreich
den Tigris und gelangte bis unter die Mauern der Hauptstadt Ktesiphon;
den ihm angebotenen Frieden schlug er aus; Julian wollte nach Norden
in das Binnenland vordringen, mußte aber dann zum Tigris zurück. Die
Perser setzten dem abziehenden Heer mit ihren Angriffen immer stärker
zu. Bei einem Gefecht fand der tapfere Kaiser am 26. Juni 363 n. Chr. den
Tod.i) Sein vom Heer erwählter Nachfolger Jovianus sah sich von Sapor
zu einer Kapitulation genötigt und mußte fast alle Erwerbungen Diokletians,
nämlich die transtigritanischen Provinzen und Nisibis in Mesopotamien ab-
treten. Die Römer verpflichteten sich, Armeniens Unabhängigkeit an-
zuerkennen und sich dort nicht einzumischen. Jovianus war Christ, An-
hänger des nicänischen Bekenntnisses; alle Beeinträchtigungen der Christen
wurden sogleich aufgehoben, Athanasios kehrte mit kaiserlicher Erlaubnis
auf den Bischofssitz von Alexandrien zurück. Doch Jovianus starb schon
im nächsten Jahr (in der Nacht vom 16. zum 17. Februar 364 n. Chr.) in
einem bithynischen Nest eines plötzlichen Todes, worauf die in Nikaia ver-
sammelten Spitzen des Heeres und der Beamtenschaft den Flavius Valenti-
nianus zum Nachfolger erwählten. 2)
Th. Preuss, Kaiser Diokletian und seine Zeit, Leipzig 1869. — Otto Hüsziker in
BüDiNGERS Untersuchungen II p. 113 ff. — J. C. F. Mänso, Leben Constantins d. Gr.,
Breslau 1817. — J. Burckhakdt. Die Zeit Constantins d. Gr., 2. Aufl., Leipzig 1880. —
O. Seeck, Gesch. des Untergangs der antiken Welt, Bd. I^ Berlin 1910, Bd. II— IV,
Berlin 1901—1911 (mit Anhängen). — Sievers, Studien zur Gesch. der röm. Kaiser
225 ff. — Heinrich Richter, Das weström. Reich besonders unter den Kaisern Gratian,
A^alentinian II und Maximus, Berlin 186.5.
53. Die valentinianische Dynastie. Die Teilung der Herrschaft galt
so sehr als Gebot der Notwendigkeit, daß Valentinianus gleich bei seiner
Erhebung vom Heer aufgefordert wurde, einen zweiten Kaiser zu ernennen.
Er wählte bald darauf (28. März 364 n. Chr.) in Konstantinopel seinen Bruder
Flavius Valens zum Augustus und übergab ihm die Verwaltung des Orients.
Die beiden Kaiser teilten sich in das Imperium mit gleichen Rechten; doch
blieb das Übergewicht, die eigentliche Leitung bei Valentinianus. Dieser
übernahm das Imperium des Westens, der wiederum von verschiedenen
') Vgl. Büttner -Wobst, Philologus LI gearbeitet hatte. Der Sohn war gleich-
561 ff. falls durch das Heer gegangen und zu-
2) Valentinianus war der Sohn des Gra- letzt von .Julian zum Tribunen der kaiser-
tianus, der sich von unten auf durch den liehen Leibwache gemacht worden.
Heeresdienst zu hohen Ämtern empor-
8. Sechste Periode: Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (5? ')'.'>.] -4.05
Seiten her bedrängt war; er hatte zunächst Galhen gegen die Einfälle der
Alamannen zu schützen, mit denen er seit 367 n. Clir. glücklich kämpfte,
unterstützt von den Burgundionen, ihren östlichen Nachbarn : zweimal. 36S
und 371 n.Chr., überschritt er den Rhein und 374 n. Chr. schloß er hier
Frieden. Dann wandte er sich 375 n. Chr. gegen die Quaden, die mit den
Sarmaten Pannonien und Mösien verwüstet hatten. Sein Feldherr Tlieodosius
wies inzwischen in Britannien die Einfälle der Nachbarvölker, der Pikten,
ferner der irischen Skoten^) und der Sachsen zurück (368 — 370 n. Chr.). In
Afrika Avurde die Tripolitana von den benachbarten Stämmen, den Austu-
rianern, wiederholt verheert und ausgeplündert, 2) ohne daß sie genügend
geschützt werden konnte, namentlich 370 n. Chr., und wenig später kam
es in Mauretanien zur Empörung des Firmus, die zum guten Teil von den
römischen Beamten verschuldet war.'^) Firmus ließ sich zum Augustus aus-
rufen und fand weithin Anhang, namentlich durch die Unterstützung der
in Afrika so zahlreichen Donatisten. Nach längeren Kämpfen gelang es
dem Theodosius, ihn zu überwinden und zum Selbstmord zu treiben.
Schon im Herbst 375 n. Chr. starb Valentinianus im Feldlager zu Brigetio.'*)
Ihm folgte sein bereits 367 n. Chr. zum Augustus ernannter Sohn Gratianus,
der in Trier residierte. Zugleich rief das Heer Gratians jüngeren Bruder,
den vierjähi'igen Valentinianus II, zum Augustus aus; Italien und Afrika
wurden ihm untergeordnet. Während Valentinian I sich im Streit zwischen
den christlichen Parteien der Arianer und Athanasianer, sowie den Heiden
gegenüber unparteiisch gezeigt hatte, erwies sich Gratianus auch in der Re-
gierung als eifrigen Christen und Athanasianer; er ist der erste, der den
Titel eines pontife.v niaxinnis, diesen integrierenden Bestandteil der Kaiser-
würde seit Augustus, ablegte. Gegen die Häretiker und zugunsten des Klerus
wurden 376 und 377 n. Chr. Edikte erlassen. Durch eine Verordnung vom
Jahr 382 n. Chr. wurde schließlich dem heidnischen Kult und seinen Dienern
die Unterstützung aus Staatsmitteln entzogen. Der Kaiser stand ganz unter
dem Einfluß des christlichen Klerus, vor allem des Bischofs Ambrosius von
Mailand, der damals im Westen der angesehenste Kirchenfürst war.
Der Imperator des Ostens, Valens, war redlich bemüht, ein gerechtes
Regiment zu führen und die schwer gedrückte Landbevölkerung zu ent-
lasten; gemeinnützige Arbeiten und Bauten wurden unter ihm in Angriff
genommen. Da der Perserkönig Sapor sich an den mit Jovianus geschlossenen
Friedensvertrag nicht länger binden mochte, so mußte Valens zu einem
neuen Krieg rüsten. Während dessen ließ sich in Konstantinopel Prokopios,
ein Verwandter Julians, zum Kaiser ausrufen (28. September 365 n. Chr.).
Dieser Sproß des konstantinischen Hauses fand Gefolgschaft; aber als dann
Valens aus Kleinasien mit größerer Macht heranzog, wurde der Usurpator
') Schon unter Constans und später 359 scheu Diensten gestanden. Von seinen
und 360 n. Chr. unter Julian hatten die Brüdern haben sich zwei, Gildo und Mas-
Pikten und Skoten die Provinz Britannien cizel. später einen Namen gemacht. Seine
beunruhigt. Ammian. XX 1. Geschichte erzählt Ammianus XXIX 5.
2) Ammian. Marc. XXVIII 10 ff., dessen Vgl. Seeck, PW VI 2383 f.
Erzählung die damals herrschende Miß- *) Fr. Reiche. Chronologie der letzten
Wirtschaft grell beleuchtet. sechs Bücher des Ammianus Marcellinus,
^) Firmus war der Sohn eines mauri- Liegnitz 1889.
sehen Fürsten und hatte früher in römi-
406 Römische Geschichte.
von seinen Truppen verlassen, durch \'errat dem Kaiser überantwortet und
^uf dessen Befehl hingerichtet (27. Mai 'MW) n.Chr.). Zahlreiche Hochverrats-
prozesse folgten auf den Sturz des Unglücklichen. Ein weiteres Nachspiel
der Usurpation war ein längerer Krieg des Valens gegen die gothischen
Stännne (867 — 369 n. Chr.), die dem Prokopios Zuzug geleistet hatten. Durch
einen Frieden, den Valens in einer persönlichen Zusammenkunft mit dem
Gothenfürsten Athanarich schloß, wurde das frühere Verhältnis wieder her-
gestellt. Valens war eifriger Arianer und begünstigte auf seinem Gebiet
das arianische Bekenntnis. Durch seine Vermittlung fand nun auch bei den
Gothen und ihren Nachbarn das Christentum und zwar der Arianismus
Eingang, wenn auch nicht ohne auf Widerstand zu stoßen. Im Orient
machten sich die Isaurer, die sich schon unter Constantius geriihrt hatten,
aufs neue lästig; zu diesen Unruhen kamen ernstliche Streitigkeiten um
Armenien und das anstoßende Iberien mit den Persern. Um die Perser
einzuschüclitern und Armenien wieder unter römische Oberhoheit zu bringen,
rückte Kaiser Valens an den Tigris (376 n. Chr.). Verhandlungen mit König
Sapor II zerschlugen sich; aber Valens konnte den Kampf mit den Waffen
nicht aufnehmen, weil um diese Zeit die Donaugrenze durch neue, gefähr-
liche Völkerbewegungen bedroht war.
Es erschien damals ein neues Volk auf dem Schauplatz der Geschichte
(375 n, Chr.), das große Reitervolk der Hunnen, die ursprünglich aus der
Mongolei stammten und sich von da allmählich weiter westwärts bewegt
hatten.^) Das Auftreten der Hunnen ist das Ereignis, das man als Beginn
der Völkerwanderung zu bezeichnen pflegt. Die Hunnen warfen sich auf
Alanen und Ostgothen oder Greuthungen ^) und rissen sie mit sich fort.
Dann fielen sie über die Westgothen (Thervingen) her. Auch sie mußten
weichen und erbaten nun von Valens, der damals im Orient weilte, Auf-
nahme im römischen Reich (376 n. Chr.). Valens nahm sie auf als Unter-
worfene, die ihre Waffen ablegen mußten. Aber infolge der Willkür römi-
scher Beamten empörten sich die Gothen, ergriffen bei Marcianopel die
Waffen und verwüsteten nach einem Sieg über die Römer Thrakien bis
über den Balkan hin (377 n. Chr.). Gleichzeitig brachen die Alamannen aufs
neue in Thrakien ein; Gratianus besiegte sie 37S n. Chr. in der Schlacht
bei Argentaria (südlich vom heutigen Straßburg) und eilte dann dem Valens
gegen die Gothen zu Hilfe. Ehe sein Neffe eintraf, griff Valens die Feinde
an, wurde aber bei Adrianopel am 9. August 378 n. CUir. vernichtend ge-
schlagen. Kaiser Valens selbst fiel nach tapferem Kampf. Die siegreichen
Gothen, im Bund mit anderen Völkerschaften, überschwemmten nunmehr
Thrakien und die Nachbarprovinzen.
In dieser Not ernannte Gratianus einen erprobten Krieger, den Spanier
Theodosius, zum Augustus (19. Januar 379 n. Chr.) und überwies ihm den
^) In der klassischen Literatur erschei- J. J. M. i>e Gkoot, Die Hunnen der vor-
nen sie zuerst bei Dionysios dem Perie- christl. Zeit I, Berlin 1921.
geten (v. 730), also zur Zeit Hadrians, als ^) Die Ostgothen reichten östlich bis an
Anwohner des Kaspischen Meeres. Vgl. den Dniepr. Es ist zu beachten, daß die ein-
Kasp. Zeuss, Die Deutschen u. die Nachbar- gebürgerte Bezeichnung Ost- und West-
stämme, 700 If. Chinesische Urkunden zur gothenfür diese Zeit nicht korrekt ist. Am-
früheren Geschichte der Hunnen s. bei mianus Marcellinus kennt sie noch nicht.
8. Sechtse Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (i$ öJi.) 4( )"/
Orient mit dem gröfsten Teil von lUyricum. Theodosius war der Sohn des
gleichnamigen Feldherrn {contes), der in Britannien und Afrika siegreich
gefochten hatte (oben S. 405),- später aber (876 n. Chr.) in Ungnade ge-
fallen und hingerichtet worden war. Der neue Kaiser, der sein Hauptquartier
in Thessalonike aufschlug, erzielte rasch einige Erfolge; er reorganisierte
das Heer, nahm die eigenen Landsleute der Gothen in römischen Sold und
befreite schliefalich Thrakien von den Barbaren. Aber bald erfolgte ein
neuer Vorstoß der Gothen und ihrer Verbündeten, die unter ihren Führern
Fritigern, Saphrax und Alatheus ihre Züge bis nach Epirus und Achaia
ausdehnten (380 n.Chr.). Nun brachte Gratianus, der inzwischen die Ala-
mannen wieder bekämpft hatte, aus dem Westen Hilfe, worauf es gelang,
die Hauptmasse der Barbaren, besonders die Gothen, zu beruhigen (380
n. Chr.). Die ungestümen Fremdlinge wurden am Südufer der Donau, in
Dacia ripuaria und in Mösien angesiedelt, erhielten bestimmte Getreide-
tribute bewilligt und mußten sich verpflichten, dem Kaiser Kriegsdienste
zu leisten als sog. foederati (382 n. Chr.). Sie bildeten als solche fortan einen
wichtigen Bestandteil der kaiserlichen Streitmacht. Freilich blieben auch
jetzt noch manche Streifscharen zurück, und die Donaugrenze und die Donau-
provinzen blieben nach wie vor unsicher: 286 n. Chr. versuchten die Greu-
thungen unter Odotheus den Strom zu überschreiten, wurden aber von der
römischen Grenzwehr unter Promotus verlustreich zurückgewiesen. Theo-
dosius war nach Abwendung der akuten Gothengefahr in Konstantinoi)el
mit der Schlichtung kirchlicher Händel beschäftigt. Auf einem ziemlich schwach
besuchten Konzil zu Konstantinopel kamen die Zwistigkeiten über die Be-
setzung der Bistümer Konstantinopels und Antiochiens zum Avistrag und
fand, was bedeutsam war, die athanasianische Dreifaltigkeitslehre allgemeine
Anerkennung (381 n. Chr.). Theodosius war im Gegensatz zu Valens ein
eifriger Anhänger dieser Lehre, die im Westen des Reiches herrschte und
durch ihn auch im Osten triumphierte. Die Arianer und andere Sekten
wurden überall zurückgedrängt, und daneben die noch immer ansehnlichen
Reste des Heidentums bekämpft, die Kulthandlungen verboten und die
Tempel zerstört. Tiefen Eindruck machte allgemein die Zerstörung des
großen Sarapisheiligtums in Alexandrien (391 n. Chr.).
Gratianus, der in Trier residierte, fiel bald einer Empörung zum Opfer:
er entfremdete sich dui-ch die offensichtliche Bevorzugung des germanischen
Elements im Heer einen großen Teil seiner römischen Truppen. Der Statt-
halter Britanniens, Magnus Clemens Maximus, ein Spanier, wurde zum Kaiser
ausgerufen und landete in Gallien, während Gratianus gegen die Alamannen
zu Feld zog. Gratianus wandte sich gegen den Rebellen, wurde aber bei Paris
von der Mehrzahl seiner Soldaten verlassen und auf der Flucht in Lugudunum
getötet (25. August 383 n. Chr.). Maximus mit seinem jugendlichen Sohn
Victor wurde jetzt von Valentinianus und Theodosius als Augustus in Gallien,
Spanien und Britannien anerkannt. Seinen Eifer für das orthodoxe athana-
sianische Dogma erhärtete Maximus durch die blutige Verfolgung der Sekte
der Priscillianisten.i) Umgekehrt nahm der junge Valentinian II als Arianer
') Es war eine in Spanien und Gallien tuug, die an gnostische Lehren anknüpfte.
weitverbreitete Sekte asketischer Rieh- Ihren Führer, Priscillianus, ließ Maximus
4Q8 Römische Geschichte.
unter dem Einfluß seiner Mutter Justina seine ketzerischen Glaubensgenossen
in Italien in Schutz und gewährte ihnen freie Religionsübung (Edikt vom
28. Januar 386 n. Chr.). Diese Toleranz stieß auf den zum Äußersten ent-
schlossenen Widerstand des Bischofs Ambrosius von Mailand, des Hauptes
der abendländischen Hierarchie. Diese kirchlichen Wirren mußten den An-
schlag des orthodoxen Maximus auf Italien erleichtern. Unerwartet überfiel
er das Land, das er fast ohne Schwertstreich eroberte. Valentinian hatte
sich mit seinen Angehörigen zu Schiff in den Reichsteil des Theodosius ge-
flüchtet (887 n. Chr.). Theodosius, der sich um jene Zeit mit Valentinian
verschwägerte, versagte dem Gewaltstreich des Maximus seine Billigung.
Er forderte den Räuber des italischen Thrones auf, den verjagten Valen-
tinian, der sich jetzt vom arianischen Bekenntnis abwandte, wieder einzu-
setzen. Theodosius hatte 38-4 n. Chr. mit dem Perserkönig Sapor III Frieden
und Freundschaft geschlossen ; ^ ) die Grenzen waren gesichert und so konnte
er seine ganze Macht gegen den Usurpator kehren, 2) als dieser sich weigerte,
auf Italien zu verzichten. Maximus wurde zu Wasser und zu Land an-
gegriffen. Nach zwei verlorenen Schlachten gaben die Truppen die Sache
des Maximus auf. Bei Aquileia wurde der Usurpator gefangen genommen
und hingerichtet. Theodosius' Heerführer Arbogastes ging weiter nach Gallien,
beseitigte den Victor und sicherte die inzwischen bedrohte Grenze durch neue
■Verträge mit Franken und Alamannen. Die beiden Kaiser blieben in Italien;
gemeinschaftlich besuchten sie im Jahr 389 n. Chr. Rom. Bald darauf (390
n. Chr.) entstand in Thessalonike ein Aufruhr, den Theodosius durch einen
grausamen Blutbefehl sühnte.^)
Theodosius begab sich im Jahr 391 n. Chr. zurück in den Orient, der
auch jetzt noch durch Züge plündernder Barbaren heimgesucht wurde, wäh-
rend Valentinianus in Vienna in Gallien Residenz nahm. Als seinen Berater
hatte ihm Theodosius den selbstherrlichen Franken Arbogast beigegeben ;
Arbogast terrorisierte den jungen und schwachen Kaiser und trieb ihn schließ-
lich in den Tod (15, Mai 392 n. Chr.). Dann erhob er einen Nichtmilitär, den
ehemaligen Rhetor Eugenius, der zuletzt einer der Hofkanzleien vorgestanden
hatte, auf den Thron. Eine wichtige Rolle spielte der italische pracfccfuH
praetorio Virius Nicomachus Flavianus, ein begeisterter Anhänger des alten
Glaubens. Eugenius fand im ganzen Westen und auch in Italien Gehorsam.
Er wandte dem Heidentum seine Gunst zu und gestattete z. B. die Wieder-
herstellung des Altars der Göttin Victoria in der Kurie zu Rom. Dieses alt-
ehrwürdige Symbol einer stolzen Vergangenheit hatte Constantius (357 n. Chr.)
hinrichten. Die Sekte hat ihren Stifter Milde walten ließ. Siehe Libanios, Orat.
noch um Jahrhunderte überdauert. 19 — 22. 34. Joh. Chrysost. vol. II homil.
') Sapor II hatte bei Gelegenheit der 1 — 21. A. Hug, Antiochia und der Auf-
gothischen Kriege noch einmal einen Ein- stand im J. 387 n. Chr., Winterthur 1863.
bruch in Syrien und Kappadokien unter- ^) Die Soldaten erschlugen im Zirkus
nommen; aber nach seinem Tod (379 angeblich 7000 Zuschauer. Theodosius be-
n. Chr.) gerieten die Nachfolger in innere reute seinen Befehl und unterzog sich
Schwierigkeiten, die sie nach außen hin auf die Vorstellungen des Bischofs Am-
lähmten. brosius in Mailand der üblichen Kirchen-
'■') In diese Zeit (387 n. Chr.) gehört der büße. Über diesen berühmten, vielfach
durch die drückende Steuerpolitik her- übertrieben dargestellten Vorgang vgl.
vorgerufene Aufstand im syrischen An- H. Koch, Histor. Jahrbuch XXVIII. 257 tf.
tiochien, bei dessen Bestrafung der Kaiser
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. ^§ 54.) 409
entfernen lassen; unter Julian war das Wahrzeichen abermals im Sitzungs-
saal des Senats aufgerichtet worden, um von Gratian erneut beseitigt zu
werden. Theodosius verweigerte dem Eugenius seine Anerkennung und setzte
die Heere des Orients gegen Itahen in Marsch. In der blutigen Schlacht
am Frigidus (Wippach zwischen Laibach und Aquileia) ^) wurde der Usur-
pator geschlagen, gefangengenommen und getötet (6. September 394 n. Chr.).
Zwei Tage später endete auch der Kaisermacher Arbogast auf der Flucht
durch Selbstmord. Theodosius hatte durch seinen Sieg den Westen wieder
unterworfen, sollte sich jedoch dieses Triumphes nicht lange erfreuen. Schon
am 17. Januar 895 verschied der Kaiser in Mailand.
Literatur: Sievers, Studien etc. 273 f. — H. Richter, Das weström. Reich besonders
unter den Kaisern Gratian. Yalentinian II und Maximus (375—388), Berlin 1865. —
V. WiETERSHEiM, Gescli. der Völkerwanderung, 2. Aufl. von F. Dahn, 2. Bd., Leipzig
1881. — GüLDENPENNiNG uiid Ifpland, Der Kaiser Theodosius d. Gr., Halle 1878. —
Q. Aiirelil Sijmmachl quae supersioit ed. Otto Seeck, Berlin 1883, praef. p. XXXIX ff. —
G. Rauschen, Jahrbücher der christl. Kirche unter dem Kaiser Theodosius d. Gr., 1897. —
O. Seeck, Gesch. des Untergangs der antiken Welt, V. Bd., Berlin 1913 (mit Anhang).
54. Ende des weströmischen Kaisertums. Ein Rückblick auf die
dargestellten Ereignisse zeigt allenthalben die wachsende Bedrängnis und
die unverkennbaren Symptome eines allgemeinen Verfalls der Kräfte. Die
Grenzen können nicht mehr geschützt werden, die Grenzprovinzen bevölkern
sich mit fremden Ansiedlern. Daß sich die Zeitgenossen selbst ihrer Not
vollauf bewußt sind, beweisen bewegliche Klagen, die sie anstimmen. Welche
Ursachen den fortschreitenden Zersetzungsprozeß hervorbringen, läßt sich
nicht leicht mit einem Wort sagen. Denn hier hat gar vieles unheilvoll
zusammengewirkt und die destruktiven Kräfte, die Elemente der Dekompo-
sition reichen mitunter bis zurück in die Tage der Republik oder sie sind
bedingt teils durch die Eigenart antiken Lebens und Denkens überhaupt,
teils durch die Natur des römischen Staatswesens im besonderen. Träger
der höchsten Staatsgewalt ist die Person des Kaisers, dessen Wille Gesetz
ist; seine ausführenden Organe in der Rechtspflege, in der Verwaltung und
im Heerwesen sind die nach einer festen Rangordnung gegliederten Beamten,
deren Bestechlichkeit, Willkür und Unredlichkeit den Regierten immer wieder
Grund zur Unzufriedenheit gab. Wohl fehlte es nicht an rühmlichen Aus-
nahmen ; aber alles in allem scheint die Korruption weit verbreitet gewesen
zu sein und gegen ihr Unwesen waren auch vom besten Willen beseelte
Monarchen auf die Dauer ohnmächtig; die Beamten bildeten ja zugleich
auch den Hofstaat vmd der Kaiser war auf ihre Hilfe angewiesen, sofern
er nicht auf die Ausführung seines Willens verzichten mochte. Die Beamten-
schaft zerfiel in einzelne Faktionen, die sich je nachdem unterstützten oder
bekämpften, und zwar nicht nur am Hof, sondern auch in den Provinzen.
Nicht selten verdankten die Kaiser ihre Würde der Gunst einer bestimmten
Clique, die dann von der angeblich unbeschränkten kaiserlichen Gewalt die
entsprechende Gegenleistung erwartete, die um so weniger verweigert werden
konnte, als die Herrscher mangels fester Erbfolge und unbestreitbarer Legiti-
mität zumeist nicht allzu fest auf dem Thron saßen. Diese Unsicherheit
illustrieren die häufigen Usurpationen, durch die einzelne Glieder des Reichs
') Vgl. O. Seeck u. G. Veith, Die Schlacht am Frigidus. Klio XIII, 1913. 454 ff.
410 Römische Geschichte.
sich schon auf" kürzere oder längere Zeit vom Gesamtkörper losgelöst hatten
Diese Usurpationen haben zuweilen in höfischen Parteiungen ihren Ursprung.
Eine Quelle schwerer Leiden war das herrschende Steuersystem, das
nach rein fiskalischen Grundsätzen eingerichtet und nur darauf zugeschnitten
war, dafa die auferlegte Steuersumme unter allen Umständen einging (S. 890).
Das ganze Leben der Untertanen hatte sich den Bedürfnissen des unerbitt-
lichen Fiskus anzupassen. Die besitzenden und erwerbenden Stände wurden
in Korporationen geteilt, in der jeder einzelne seinen Platz, den er nicht
verlassen durfte, auszufüllen hatte: dabei war alles von Staatswegen aufs
genaueste reglementiert und so herrschte denn bei dieser Knebelung der
individuellen Freiheit ein fast unerträglicher Zwang, der am schwersten auf
der ländlichen Bevölkerung lastete, auf den bedauernswerten coloni, die
den Ackerbau besorgen, Frondienste leisten i) und den Heeresersatz stellen
mufaten. Die Abgaben, so vielgestaltig und hoch sie waren, reichten doch
nicht aus, um den tatsächlichen Bedarf zu decken. Die unaufhörlichen
Kriege und Empörungen, die Unredlichkeit der Beamten, auch die Ver-
schwendung des Hofes hatten trotz erhöhten Steuern immer neue Geld-
knappheit zur Folge.
Auch die Armee konnte von Mißständen nicht unberührt bleiben. Sie
war zu schwach, um die langgestreckten Grenzen allseitig zu schützen und
sie verlor allmählich den inneren Zusammenhalt. Schon überwog das bar-
barische Element unter macht- und geldgierigen Führern. Die Disziplin der
Soldaten lieia schon früher viel zu wünschen übrig; sie waren durch ihre
Ausschreitungen gelegentlich zu einer Plage für die Untertanen geworden. 2)
Die Mifsbräuche mußten sich aber häufen, wenn die Truppen, wie es oft
geschah, schlecht gehalten und bezahlt wurden, wenn die Offiziere den Sold
unterschlugen und die Truppen die Bauern ausplünderten. 3) Verheerten
dann auch noch die Einfälle von Grenznachbarn das Land, so war es kein
Wunder, wenn ganze Gegenden verarmten und sich entvölkerten, wenn
die Landbewohner ihre Scholle verliefsen und sich zu Räuberbanden zu-
sammenrotteten oder gar zu den Feinden übergingen.
Ein Moment der Schwäche lag auch in der Weiterentwicklung des Christen-
tums, das seit Konstantin d. Gr. am Hof und in der Beamtenschaft immer
mehr zur Herrschaft gelangte. Denn es wirkte zentrifugal und zersetzend
auf das Reich durch die leidigen Glaubensstreitigkeiten, die mit dem größten
Fanatismus geführt wurden. Nachdem Staat und Kirche eine Union ein-
gegangen hatten, verstand es sich von selbst, daß die Staatsgewalt an der
Einheit des Glaubens interessiert war und demgemäß die von der katholi-
schen Kirche abweichenden Lehrmeinungen mit Gewalt zu unterdrücken
suchte. Die Folgen dieses in der Regel doch vergeblichen Gewissenszwanges
waren höchst verderblich. Es blieb eine tiefgehende Erbitterung gegen das
Reichsregiment zurück, und oft wurden die eindringenden Barbaren von
der dissentierenden Minderheit als das geringere Übel willkommen geheißen.
') Sie hatten z. B. die Landstraßen zu aus der Zeit des Claudius (49 n. Chr.) und
erhalten, für den Staatsdienst Fuhrwerk Gordiaus III bei Dittenberger, Orientis
zu stellen und den Truppen Quartier zu graeci inscr. seled. II nr. 665 und SIG II'
geben. j nr. 888.
2) Vgl. das Zeugnis zweier Inschriften ' ^) Themist. orat. X |). 135 D. 138 B.
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. I^öl.i 411
Bei diesem Zustand des Refchs war der Tod des Theodosius I, der das
Ganze noch einmal zusammengehalten hatte, ein verhängnisvolles Ereignis.
Die Nachfolge war allerdings nicht bestritten; die beiden Söhne des Theo-
dosius Avaren bereits als Augusti anerkannt, aber beide waren jung, un-
erfahren und ohne höhere Begabung und Tatkraft. Sie waren völlig al>-
hängig von ihrer Umgebung und nur ein Spielball der feindlichen Parteien,
die sich an ihrem Hof gegenseitig den Rang abzulaufen suchten. Der ältere.
Flavius Arcadius, seit 883 n. Chr. Augustus, war in Konstantinopel zurück-
geblieben unter Leitung des praefectus lyraetorio Rufinus, eines Galliers. Der
jüngere, Flavius Honorius, 393 n. Chr. zum Augustus ei'hoben, war von dem
Vater kurz vor seinem Tod nach Mailand berufen worden und übernahm
jetzt die westliche Reichshälfte unter der Leitung des Heermeisters {magisfer
mUitu)n) Stilicho. eines Vandalen: Theodosius hatte den hochgewaclisenen
Halbbarbaren mit seiner Lieblingsnichte Serena vermählt und ihn auf dem
Totenbette dem Honorius als Ratgeber empfohlen. Eine Reichsteilung war
nicht beabsichtigt, wie ja auch früher die Teilung der kaiserlichen Gewalt
die Einheit des Reiches nicht hatte aufheben sollen; aber nun geschah es.
daß Stilicho mit der durch seinen alten Gegner Rufinus vertretenen Re-
gierung des Arcadius in Feindschaft und Zwist geriet, und dieser Zwist
machte die Teilung der Regierung zu einer Teilung des Reiches und ver-
anlagte zugleich einen verstärkten Ansturm der umwohnenden Barbaren.
Abgesehen von dem persönlichen Gegensatz der beiden leitenden Männer
wurde der Konflikt dadurch hervorgerufen, daß Stilicho auf Grund einer
letztwilligen Verfügung des verstorbenen Kaisers die mösische Diözese, die
auch Makedonien und Griechenland umfaßte und seit der Erhebung -des
Theodosius I dem Ostreich angehörte, für das Westreich in Anspruch nahm,^)
ein Begehren, das in Konstantinopel abgelehnt wurde.
Zunächst gaben der Tod des Theodosius und die Abwesenheit des orien-
talischen Heeres im Westen das Signal zu einem verheerenden Einfall der
Hunnen in den Orient bis nach Kappadokien und Syrien hinein. Gleichzeitig
erhob sich noch im Winter eine Schar föderierter, in Ilhn-icum angesiedelter
Gothen unter dem Häuptling Alarich,^) um in Verbindung mit Völkern von
jenseits der Donau Thrakien und Makedonien heimzusuchen (395 n. Chr.). 3)
Stilicho, der sich aufgemacht hatte, um das östliche Illyricum zu besetzen und
das orientalische Heer zurückzuführen, lagerte den Eindringlingen in Thes-
salien ein halbes Jahr lang gegenüber, mußte aber schließlich auf Arcadius'
Befehl die beanspruchte Provinz räumen und den orientalischen Heeresteil
unter dem Gothen Gainas und Timasius dem Arcadius zusenden. Zur Be-
grüßung gingen der Kaiser und sein Präfekt Rufinus den Truppen entgegen,
^) Olympiodoros cap. 2 (FHG IV 58). Er hatte unter Theodosius gegen Eugeniu.s
Vgl. MoMMSEN, Hermes XXXVIII (1903) gedient, aber nicht die erwartete An-
101 ff. Für die Kenntnis der Zeitereig- erkennung gefunden, sondern war nach
nisse sind wichtig die Gedichte des Clau- Haus entlassen worden. König ist er
dianus. Vgl. den historischen Kommentar nie gewesen. Vgl. Seeck, PW I 1286 ff.
dazu von Th. Birt. Clandii Claudiant Car- ^) Beide Einfälle werden sicher zu Un-
mina p. XXIV flf. iMonunienta Germaniae recht dem Rufinus zur Last gelegt. Dieser
historica aiicf. antiqnissimi vol. VIII.) trat allerdings mit den aufständischen
^) Alarich gehörte zu den südlich der Gothen in Verhandlung, was aber nichts
Donau angesiedelten föderierten Gothen. für seine Schuld beweist.
412 Römische Geschichte.
und l)('i »lieser Gelegenheit ließ Gainas im geheimen Auftrag Stilichos den
Rufinus von den Soldaten einkreisen und niederhauen. Inzwischen war die
umstrittene Provinz den Pliinderungen des Alarich schutzlos preisgegeben,
der Peloponnes wurde furchtbar verheert, auch Athen erobert. Stilicho, der
sich auf kurze Zeit nach Gallien und an den Rhein begeben hatte, um dort
die Ruhe herzustellen, unternahm mit einer starken Flotte eine Expedition
nach Griechenland; schon hatte er die Gothen Alarichs im arkadi.schen Berg-
land in die Enge getrieben, als ihnen der Durchbruch nach Epirus glückte.
Unverricliteter Dinge kehrte Stilicho nach Italien zurück. Arcadius aber
fand sich gütlich mit Alarich ab, indem er ihn und seine Gothen unter
günstigen Bedingungen in römischen Sold nahm. Stilicho wurde vom ost-
römischen Hof zum Feind erklärt und es trat Kriegszustand zwischen Ost-
und Westrom ein. In Konstantinopel hatte der Hof'eunuche Eutropius die
politische Erbschaft des Rufinus angetreten, und seine frühere Verbindung
mit Stilicho allmählich gelöst. Indes im Zusammenhang mit einer Empörung
des Tribigild, der in Phrygien eine Schar Greuthungen befehligte, wurde
Arcadius von Gainas, der zu Stilicho hielt, genötigt, den Eutropius un-
schädlich zu machen (399 n. Chr.). Aber auch gegen Gainas und den gothi-
schen Einfluß kam es in Konstantinopel zu einer Erhebung. Gainas mußte
zuletzt über die Donau fliehen und fand bei den Hunnen sein Ende (400
n. Chr.). Über die größte Macht am oströmischen Hof verfügte zunächst
die Gemahlin des Arcadius, die Kaiserin Eudoxia, bis dann nach ihrem Tod
(404 n. Chr.) der Präfekt Anthemius den maßgebenden Einfluß erlangte, den
er nach dem Tod des Arcadius (1. Mai 408 n. Chr.) auch auf die ersten sieben
Regierungsjahre seines unmündigen Sohnes und Nachfolgers Theodosius II
ausdehnte. Sehr lebhaft waren die kirchlichen Streitigkeiten in Konstantinopel,
infolge deren der Bischof Johannes Chrysostomos von dem Patriarchensitz
weichen mußte (404 n.Chr.): auch die abendländische Kirche mischte sich
ein und erklärte die Absetzung des Johannes für ungültig (406 n. Chr.).
Nach außen hin herrschte in den östlichen Provinzen in dieser Zeit leid-
liche Sicherheit, wenn schon die Isaurer ihre Plünderungen fortsetzten und
die Gegend von Kyrene ') wie früher so auch jetzt von den benachbarten
Barbaren heimgesucht wurde (403 — 404 n.Chr.); mit den Persern wurde
Friede und Freundschaft geschlossen (408 n. Chr.). Dagegen hatte die West-
hälfte des Reiches unter den schwersten Kriegsnöten zu leiden, wozu die
Feindschaft des Hofes von Konstantinopel ohne Zweifel das Ihrige beitrug.
Zunächst sagte sich schon im Jahr 397 n. Chr. in Afrika, dieser als Korn-
kammer für Rom und Italien wichtigen Provinz. Gildo, ein Bruder des
Firmus (S. 405), von Honorius los und ging zu Arcadius über. Er verwaltete
seit 385 n. Chr. Afrika ganz selbständig, und wiewohl er sich dem Usur-
pator Eugenius nicht anschloß, hatte er doch auch den Kaiser Theodosius
im Krieg gegen ihn nicht unterstützt. Erst Stilicho setzte dem Treiben
Gildos ein Ziel, indem er dessen feindlichen Bruder Mascizel mit einem
kleinen Aufgebot nach Afrika hinübersandte; noch ehe Stilicho selbst mit
') Nachrichten über Kyrene, seine Vater- nachmaligen christlichen Bischofs von
Stadt, enthalten die Schriften des Syne- Ptolemais (seit 409 n. Chr.).
sios, des neuplatonischen Philosophen und
8. Sechste Periode. Die Kaiserzeit b.z. Ende d.ostgoth. Herrschaft in Italien. ($54.1 413
dem Gros gelandet war. erlag Gildo dem Schicksal. Sein großes Heer, so-
weit es nicht Holi. trat zu Mascizel über; Gildo selbst ging flüchtig, wurde
aber gefangen und nach längerer Haft erdrosselt (31. Juli 39S n.Chr.).')
Drei Jahre später wurde Italien von den Barbaren bedroht: Alarich unter-
nahm einen Kaubzug dorthin (November 401 n.Chr.); er drang mit seinen
Gothen plündernd in Oberitalien ein und belagerte Mailand. Nach zwei
Treffen bei Pollentia (6. April 402 n. Chr.) und bei Verona .schloß Stilicho
mit ihm ein Abkommen und versicherte sich seiner Hilfe gegen Ostrom zum
Zweck der Erwerbung des östlichen lUyricums, wohin Alarich zurückging.
Auch einen neuen Einfall verschiedener Kriegsvölker, derVandalen, Alanen
luid Gothen unter Radagaisus wehrte Stilicho mit Erfolg ab; ein Teil wurde
bei Faesulae geschlagen, ein anderer schloß mit Stilicho Abkommen und
Bündnis. Stilicho wollte sich schon anschicken, das von ihm begehrte Ost-
illyricum mit Gewalt zu erobern, als er seine Absicht aufgeben mußte, weil
der ganze Westen, Gallien und Spanien, verloren zu gehen drohte.
Zunächst überschritt im Jahr 406 n. Chr. ein Heerhaufen verschiedener
germanischer Völker, der Vandalen, Burgunder, Sueben, Alanen den Rhein
und verheerte die gallischen Provinzen, denen der schwache Kaiser Honorius
keinen Schutz gewähren konnte, standen doch seine besten Truppen in
Italien. Gallien blieb also sich selbst überlassen. Auch Britannien fiihlte
sich bedroht, und hier schritt das britannische Heer zur Selbsthilfe, indem
es kurz nacheinander drei Kaiser erhob; die beiden ersten, Marcus und
Gratianus, wurden nach kurzem von den Soldaten wieder beseitigt; der
dritte, Flavius Claudius Constantinus, behauptete sich und setzte über den
Kanal nach Gallien über: die gallischen Provinzen fielen ihm zu, und er
verteidigte sich mit Erfolg gegen die Truppen des Honorius (407 n. Chr.).
Auch Spanien brachte er anfangs in seine Gewalt; doch wurden er und
sein Sohn Constans, den er zum Caesar machte, hier bald durch die Partei-
gänger des Honorius in schwierige Kämpfe verwickelt. Da überdies hier sein
bester Feldherr Gerontius rebellierte, so konnte Konstantin die in Gallien
einbrechenden Barbaren, die er anfangs zurückgeschlagen hatte, nicht mehr
im Schach halten. Vandalen, Alanen, Sueben und Burgunder drangen ein
und setzten sich in Gallien fest. Damals trennten sich Britannien und das
gegenüberliegende Aremorica zuerst vom Reich ab und suchten sich aus
eigener Kraft ihrer Bedränger, der Sachsen und anderer Seevölker, zu er-
wehren. Die Kämpfe, die sich zwischen Konstantin und Gerontius ent-
spannen, erleichterten es den Vandalen, Alanen und Sueben, auch in Spanien
Eingang zu finden (409 n. Chr.). Unter Verheerungen durchzogen sie die
Pyrenäenhalbinsel, um sich dann an verschiedenen Orten niederzulassen, die
Alanen, Sueben und ein Teil der Vandalen im Nordwesten und Westen
ein anderer Teil der Vandalen in Baetica.
Inzwischen nahm der Streit zwischen West- und Ostrom eine neue Wen-
dung. Alarich, der sich als Feldherrn des Honorius betrachtete, setzte seine
Gothen abermals in Marsch; er rückte durch Pannonien und Noricum der
Grenze Italiens bedrohlich nahe und forderte die Riesensumme von vier-
') Den Krieg gegen Gildo hat der Dichter Claudianus zum Stoff eines — nicht
Tollendeten — Epos gemacht.
414
Römische Geschichte.
tausend ITiiiid (Jold. Stilicho, der den Gothen ^egen den gallischen Usur-
pator Konstantin zu verwenden gedachte, setzte im Senat die Bewilhgung
dieser erpresserischen Forderung Alarichs rhirch. Als um jene Zeit Kaiser
Arcadius verstarb (1. Mai 408 n. Chr.) und seinem unmündigen Sohn Theo-
dosius n die Krone Ostroms hinterheß. hatte Stilicho den Wunsch, nach
Konstantinopel zu gehen, um dort die Vormundschaftsregierung zu über-
nehmen und seine unioni-stischen Pläne zu fördern. Doch wie jüngst in
Konstantinopel gegen Gainas und seine Gothen, so machte sich jetzt auch
in Italien eine antigernumische Strömung bemerkbar. Diese vor allem gegen
den Halbgermanen Stilicho gerichtete Bewegung, die von dem nationalisti-
schen Senat unterstützt wurde, ergriff' auch die römischen Soldaten, die sich
hinter die Gothen zurückgesetzt fühlten. In Ticinum erschlugen die Sol-
daten unter den Augen des hilflosen Kaisers Honorius einige der höchsten
Würdenträger, die ihnen als Kreaturen Stilichos verha&t waren. Bald darauf
wurde Stilicho selbst auf Befehl seines kaiserlichen Schwiegersohnes Honorius
in Ravenna hingerichtet.') Seine Anhänger wurden gerichtlich verfolgt. Sein
Sohn Eucherius, der Verlobte der Galla Placidia, der Tochter des Theodosius,
mußte sterben. Das Ohr des Kaisers gewannen die Gegner Stilichos, Olym-
pius und dessen Genossen. Als Honorius sich unter dem Druck der am
Hof herrschenden Stimmung weigerte, die — inzwischen reduzierten — For-
derungen Alarichs zu erfüllen, ließ der Gothe marschieren. Bald stand sein
Heer unter den Mauern Roms. Die Hauptstadt mußte sich von ihrem Be-
dränger durch eine ungeheure Kontribution loskaufen. Da Honorius noch
immer Alarichs Forderungen, nämlich Wohnsitze in Noricum, Ernennung
ziuii römischen Heermeister, Versorgung des Heeres mit Korn, ablehnte,
so zog er ein zweites Mal gegen Rom und brachte die Stadt aufs neue in
seine Gewalt. Um mit einem anderen Kaiser sein Ziel zu erreichen, zwang
Alarich den römischen Senat, den Stadtpräfekten Priscus Attalus zum Kaiser
zu wählen und führte dann mit ihm gegen Honorius Krieg (409 n. Chr.).
Honorius konnte sich unter dem ewigen Ränkespiel seiner Umgebung mit
Hilfe der Oströmer in dem festen Ravenna, das damals zur kaiserlichen
Residenzstadt wurde, behaupten. Dagegen war Alarich nicht imstande, die
Absichten, die er mit Attalus hegte, zu verwirklichen; Attalus konnte sich
nicht entschließen, die Eroberung Afrikas den Gothen zu übertragen; der
schwächliche Versuch, den Attalus machte, um die wichtige Kornkammer zu
erwerben, wurde von Heraclianus, einem Getreuen des Honorius, abgewiesen.
Alarich entkleidete den Attalus des Purpurs wieder und setzte sich aufs neue
mit Honorius in Verbindung; da aber ein Einvernehmen wiederum nicht er-
zielt wurde, so wandte sich Alarich zum drittenmal gegen Rom, das furchtbar
unter Hunger zu leiden hatte. Am 24. August 410 n. Chr. drangen die Be-
lagerer ein und plünderten drei Tage lang. 2) Dann führte Alarich sein beute-
beladenes Heer gen Süden, um Sizilien und Afrika zu nehmen ; aber der
Versuch mißglückte, und Alarich starb in Unteritalien an einer Krankheit.
') Er wurde beschuldigt, daß er den ' besonders aus den unteren Ständen. Ein
Theodosius II stürzen und seineu eigenen Teil der Stadt ging in Flammen auf. Das
Sohn Eucherius zum Kaiser machen wollte. Asylrecht der Basiliken der Apostel Petrus
'■') Obwohl Alarich das Blutvergießen und Paulus wurde übrigens gewissenhaft
verboten hatte, gab es doch viele Opfer, respektiert.
8. Sechste Periode: Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien, l«; ö-t.i 415
•
Den Oberbefehl über das gothisclie Heer übernahm der Schwager Alarichs^
Athaulf, der, um zum Ziel zu kommen, wieder den Weg der Verhandhuigen
mit Honorius betrat, aber sowenig erreichte wie sein Vorgänger. Athaulf
scheint Rom nochmals besetzt zu haben. Honorius konnte sich jetzt gegen
Konstantin wenden: er hatte den Gegenkaiser notgedrungen eine Zeitlang
anerkannt, bis dieser den Frieden brach und in Italien einzudringen suchte.
Der Usurpator, den inzwischen Gerontius in Arelate eingeschlossen hatte,
wurde dort von Constantius, dem inagisfer miliium des Honorius, überwunden
und gefangen (411 n.Chr.); Constantius war jetzt der maßgebende Staats-
mann des Honorius. Auch Athaulf zog nach Gallien (412 n. Chr.). zunächst
um bei Jovinus, einem vornehmen Gallier, der sich neben Konstantin zum
Imperator aufgeworfen hatte, Dienste zu nehmen. Doch trat Athaulf bald
zu Honorius über und half den Jovinus und dessen Bruder Sebastianus be-
seitigen (413 n. Chr.). Während also Honorius sich in Gallien wieder durcli-
setzte, gelang es ihm, auch einen anderen Abtrünnigen zu überwinden, den
Heraclianus.i) der sich in Afrika empörte und sogar mit einer Riesenflotte
einen Angriff auf Italien unternahm. Aber der Angreifer erlitt nach dei"
Landung eine Niederlage und wurde auf der Flucht in Karthago getötet
(41o n. Chr.). Der lebhafte W\insch des Athaulf, mit Honorius zu einer
Einigung zu kommen, ging nicht in Erfüllung; vielmehr ergaben sich neue
Mißhelligkeiten, in deren Verlauf der Gothe sich in Südgallien festsetzte
und Narbo eroberte (413 n. Chr.). Auch verweigerte er die Auslieferung der
Galla Placidia, der Schwester des Honorius, die sich seit der Eroberung
Roms (410 n. Chr.) als Gefangene im Gothenlager befand. Im Jahr 414
n. Chr. vermählte sich Athaulf in Narbo mit Placidia. Aber wenn er gehofft
hat, sich jetzt leichter mit Honorius, seinem nunmehrigen Schwager, ver-
ständigen zu können, so hatte er sich getäuscht. Honorius begnügte sich
damit, den Gothen Aquitanien als Siedlungsgebiet zuzuweisen. Aber damit
war ihnen nicht gedient; denn sie mochten nicht den Acker selbst bestellen,,
sondern begehrten mühelosen Anteil an der afrikanischen Getreideernte.
Die Gothen verliehen ihrer Mifastimmung dadurch Ausdruck, daß sie aber-
mals den Attalus als Gegenkaiser aufstellten, was den Krieg bedeutete.
Nun aber wurde Athaulf von Constantius aus Gallien nach Spanien ver-
drängt, wo er bald darauf (415 n. Chr.) ermordet wurde. Erst sein Nach-
folger Valia verständigte sich mit Honorius; er schickte ihm die Placidia
zurück, 2) trat in kaiserlichen Dienst und drängte die Vandalen, Alanen und.
Sueben, die sich übrigens auch untereinander befehdeten, erfolgreich zuriick.
Nach einigen Jahren bewilligte Honorius den Gothen einen Teil Aquitaniens,
die Gegend von Tolosa bis an den Ozean (418 n. Chr.). Einige Jahre zuvor
(413 n. Chr.) hatten die Burgundionen am linken Rheinufer um Mainz W^ohn-
sitze erhalten. AVährend in Gallien zeitweise eine gew'isse Beruhigung ein-
trat, dauerte in Spanien der Kampf zwischen den Römern und den ein-
gedrungenen Völkern fort. 422 n. Chr. versuchte der Heermeister Castinus
') Er war der Mörder des Stilicho und in die Gefangenschaft des Honorius, der
hatte zum Lohn das Kommando in Afrika ihn 416 n. Chr. in Rom im Triumph auf-
erhalten, führte.
2) Den Attalus gab man preis; er fiel
^jfj Romische Geschichte.
mit gothisclior Hilfe die Vandalon aus SiKJspanicii zu vertreiben, erlitt aber
eine Niederlage.
Placidia mußte widci- iliicn Willen 417 n. Chr. mit CJonstantius eine neue
p]he eingehen; Honorius erhol) im Jahr 421 n.Chr. diesen seinen Schwager
zum Augu.stus und Mitregenten, ohne dafür die Zustimmung des oströmisclien
Hofes unter Theodosius H zu finden. Der Widerstand des Ostreichs hätte bei-
nahe zum Krieg geführt: doch gab Theodosius im letzten Augenblick seinen
Einspruch auf, der übrigens durch den friihen Tod des Constantius ohne-
hin gleich darauf gegenstandslos geworden wäre. Die abermals verwitwete
Placidia entzweite sich völlig mit ihrem Bruder: sie flüchtete mit ihren beiden
Kindern nach Konstantinopel. Honorius selbst verschied am 15. August 428
n. Chr. ohne Leibeserben. Da ein Nachfolger im W^esten nicht vorhanden
war, so wurde ein hoher Zivilbeamter Johannes in Rom mit dem Purpur
bekleidet.!) Der neue Kaiser fand jedoch in Konstantinopel keine und im
Westreich nur beschränkte Anerkennung; Bonifatius, der selbstherrliche
Befehlshaber in Afrika, hatte die Partei der Calla Placidia ergriffen und
leistete den Truppen des Johannes, die sein Machtgebiet hätten erobern
sollen, erfolgreichen Widerstand. Auch Theodosius nahm sich der Placidia,
die er zur Augusta erhob, und ihres Söhnchens Valentinianus IH an und
ließ sie mit Heeresmacht auf den weströmischen Thron führen unter der
Bedingung, daß Westrom auf seinen Anspruch auf die Präfektur lUyricum
verzichte.-) Johannes konnte rasch überwältigt werden; die hunnischen
Scharen, die ihm zu Hilfe zogen, ließen sich zur Umkehr bewegen. Valen-
tinianus in (geboren 419 n. Chr.) wurde zum Augustus ausgerufen und
regierte unter Vormundschaft der Placidia. Diese Regierung war abhängig
von den Parteien, die sich schon unter Honorius bekämpft hatten, und deren
Ränkespiel das Reich in immer größere Schwäche versetzte.« Einer der mächtig-
sten Männer war der schon erwähnte Bonifatius, der Afrika verwaltete und
Placidia und Valentinianus gegen Johannes unterstützt hatte. Gegen ihn stand
Flavius Aetius,^) ein ehemaliger Parteigänger des Johannes, für den er ein
hunnisches Hilfsheer angeworben hatte; Johannes war schon tot, als Aetius
mit den Hunnen in Italien eintraf; unter der Bedingung, daß er die Hunnen,
mit denen es schon zu Kämpfen gekommen war, zum Abzug bewege, er-
hielt er Amnestie und ein Kommando. Bonifatius geriet mit dem Hof in
Konflikt; als er nach Italien berufen wurde, weigerte er sich zu erscheinen,
eine Auflehnung, die von der Regierung in Ravenna mit Krieg beantwortet
wurde (427 n.Chr.). Als der^vierte römische Feldherr mit gothischen Söld-
nern gelandet war, faßte Bonifatius den verhängnisvollen Entschluß, sein
Gebiet den Barbaren zu öffnen, indem er sich mit den Vandalen einließ,
um sich mit deren Hilfe in Afrika zu behaupten. Schon seit 420 n. Chr.
hatte sich dieses Barbarenvolk'') im südlichen Spanien niedergelassen und
') Castinus, der als Feldherr des Heeres 1914, 344 flf.
in Ravenna viel galt, hat die wohl vom ^) Hansen, De vifa ÄHii. Diss. Dorpat
Senat vorgenommene Wahl wenn nicht 1840. Freemas, The E>i(/Iish hisforiccd revieir
begünstigt, so doch jedenfalls geduldet. 11(1887)4171". MoMMSEN,Ges.Schr.IV531fF.
^) Bei der Vermählung des Valentinia- O. Seeck, PW I 701 ff. G. Lizerand, Aetius,
nus III mit Eudoxia i'Sl n. Chr. wurde These Paris 1910.
dieser Verzicht erneuert. Cassiod. Var. XI *) Und zwar die asdingischen Vandalen.
1, 9. Vgl. E. Stein. Wiener Studien 36, Ihre Stammesgenossen, die Silingen, hat-
8. Sechste Periode: Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien, (i? .>i.) 417
sieh durch Piratenzüge berüchtigt gemacht. Verbunden mit den Alanen, im
ganzen etwa 80000 Köpfe stark, setzten die Vandalen im Jahr 429 n. Chr.
unter ihrem Fürsten Geiserich ') nach Mauretanien über und brachten einen
grol.^en Teil Afrikas und der benachbarten numidischen Provinz in ihre Ge-
walt. 2) Durch immerwiederkehrende Unruhen sowie durch religiöse Streitig-
keiten und durch die Einfälle der Mauren Avar hier einer feindlichen P]robe-
rung der Boden schon lange bereitet.
Da Bonifatius mit der Kaiserin Placidia inzwischen seinen P'rieden ge-
macht hatte, so brauchten die Vandalen in Afrika keinerlei Rücksicht mehr
zu üben; aus Bundesgenossen wurden sie zu offenen Feinden, die Bonifatius
vergeblich mit gothischen Söldnern aus Italien und mit Hilfstruppen aus
Konstantinopel bekämpfte (430/31 n. Chr.), bis ihn Galla Placidia an ihren
Hof berief (432 n. Chr.). Die Kaiserin ernannte ihn zum Heermeister an
Stelle des ihr zu mächtig gewordenen Aetius. Zwischen den beiden Rivalen
brach ein förmlicher Krieg aus; Bonifatius besiegte zwar den Aetius in einer
Schlacht bei Ariminum, erlag aber bald darauf den Folgen einer Verwundung.
Aetius suchte Zuflucht bei seinen Freunden, den Hunnen. An der Spitze
einer Horde des wilden Volkes konnte er die Kaiserin so einschüchtern,
daß sie ihn aufs neue in das Amt eines Oberbefehlshabers einsetzte (433
n. Chr.). In dieser Eigenschaft war er der mächtigste Mann im Westreicli.
Den Hunnen wurde damals Pannonien überlassen. Mit hunnischer Hilfe hielt
Aetius im Westen unter den Völkern, die ganze Striche von Gallien besetzt
hatten, den Franken, Gothen und Burgundern, die kaiserliche Autorität
nach Möglichkeit aufrecht. Auch nach Spanien griff er hinüber. Er verstand
es, die verschiedenen Stämme gegeneinander auszuspielen. Sie waren durch
Verträge den Römern zu Diensten verpflichtet, gingen aber unbedenklich
zu Feindseligkeiten über, zumal wenn bei der Bedrängnis der römischen
Finanzen die vertragsmäßigen Leistungen nicht erfüllt wurden. 428 n. Chr.
führte Aetius mit den Franken Krieg, 430 und 431 n. Chr. focht er in Rätien
und Noricum, 432 n. Chr. zog er wiederum gegen die Franken, die sich
über das nördliche Gallien immer weiter ausdehnten. 435 n. Chr. schlug er
die Burgunder, die bald darauf auch den Hunnen erlagen und sich erst
später wieder erholen sollten. 436 — 439 n. Chr. wurde mit den Gothen um
Tolosa ein Krieg geführt, der nach einer Niederlage des römischen Feld-
herrn Litorius durch einen Friedensschluß beendet wurde. Zugleich spielten
Bauernaufstände in Gallien (435 — 437 n. Chr.) und in Spanien (441, 443
n. Chr.).^) Eine vollständige Unterwerfung oder Beschützung der westlichen
Provinzen war ein Ding der Unmöglichkeit. Britannien mußte aufgegeben
werden; vergebens baten die Briten den Aetius um Schutz gegen die Pikten
und Skoten (446 n.Chr.); sie mußten sich, wie die kaiserliclie Regierung
selbst, an fremde Völker, an die Angeln und Sachsen wenden, die nunmehr
übers Meer fuhren und sich auf der Insel heimisch machten. Von den Ein-
ten früher in der Baetica gesessen, waren ^) L. Schmidt in Seeligers historischer
aber von Valia (S. 415) vernichtet worden. Vierteljahrsschrift II (1899) 449 ff.
1) Diese Form, lat. Geisericus (auch Gai- ^) Der Name der Bakauden (Bagauden)
sericus), griech. /> Cf of/oc oder Ftt^egt/og, ver- erscheint hier nochmals. Chronica min. II
dient als die am besten beglaubigte vor j p. 24 Mommsen.
Gensericus den Vorzug.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. III, 5. 5. Aufl. 27
^■j^g Römische Geschichte.
dringlingen vertrieben, setzte sich ein Teil der britischen Bevölkerung an
der gegenüberliegenden Küste der Areniorica fest und trug den Namen
Britannien auf den Kontinent hinüber.
Ein Versuch, die Kornprovinz Afrika den Barbaren wieder zu entreiLien^
wurde vom weströmischen Hof nicht gemacht. Vielmehr räumte Valen-
tinianus III durch einen Vertrag vom Jahr 435 n. Chr. den Vandalen des^
Geiserich einen Teil der afrikanischen Diözese als Wohnsitz ein. Vier Jahre
hielt der energische Vandalenkönig Ruhe; dann brachte er durch einen Hand-
streich Karthago in seine Ge>valt (19. Oktober 439 n. Chr.). Jetzt konnte
er sich als den Herrn von Afrika betrachten. Er gründete auf dem romani-
sierten Boden ein kriegerisches Gemeinwesen und schuf sich eine ansehn-
liche Seemacht, mit der er die gegenüberliegenden Küsten immer wieder
angriff. Geiserich war überzeugter Arianer und war bestrebt, in seinem Be-
reich sein Bekenntnis mit roher Gewalt zur Herrschaft zu bringen; die
Katholiken waren unter ilnn und seinen Nachfolgern ') vielfachen Verfol-
gungen ausgesetzt.^) Gleich nach der Einnahme Karthagos verheerte er
Sizilien und bedrohte Italien (440 n. Chr.). Im Jahr 441 n. Chr. sollte er von
den Römern beider Reichshälften mit vereinten Kräften angegriffen werden,
Theodosius II hatte nach Sizilien eine starke Flotte entsandt, die aber im
nächsten Frühjahr, ehe sie gegen Afrika etwas ausgerichtet hatte, zurück-
berufen wurde. Die Hunnen waren nämlich über die Donau in Mösien und
Thrakien eingefallen (441 und 442 n. Chr.), und auch die östlichen Provinzen
wurden von Persern und Hunnen bedroht; Valentinianus, der ohne die ost-
römische Hilfe sich zu einer Offensive zu schwach fühlte, sah sich genötigt^
mit Geiserich Frieden zu schließen und ihm aufs neue die von ihm besetzten
Provinzen, Afrika und Numidien außer einigen Teilen, einzuräumen (442
n. Chr.). Geiserich sicherte jährliche Kornlieferungen zu und stellte seinen
Sohn Hunerich als Geisel. Die Ruhe des Reichs hat er nicht mehr gestört.
Günstiger als im weströmischen Reich war die Lage in Ostrom, das
unter der langen Herrschaft des zweiten Theodosius eine weit stetigere Re-
gierung hatte; der oströmische Kaiser erscheint als der eigentliche Träger
der einheitlichen Regierungsgewalt. Valentinianus III verdankte dem Theo-
dosius II seinen Thron und war deshalb von ihm abhängig; auch verwandt-
schaftliche Bande wurden geknüpft; im Jahr 437 n. Chr. reiste Valentinian
nach Konstantinopel, um sich mit Eudoxia, der Tochter des Theodosius,
zu vermählen. 3) Eine bedeutsame Rolle spielte am oströmischen Hof die
Schwester des Kaisers, die jungfräuliche Pulcheria. Ein Krieg gegen die
Perser, der nach längerem Frieden im Jahr 421 n. Chr. ausbrach, wurde
schon im nächsten Jahr siegreich beendigt. Im übrigen machten außer den
Hunnen die stets unruhigen Isaurer Schwierigkeiten. Wieweit man vom
inneren Frieden entfernt war, das beweisen die von dem übereifrigen Bischof
') Die Reihe der vandalischen Könige ^) Bald darauf, 438 n.Chr., erfolgte die
ist: Geiserich (bis 477), Hunerich (477 — Publikation des Codex Theodosianus durch
484),Guntaniund(484— 496),Thransamund die beiden Kaiser, die Sammlung der
(496—528), Hilderich (523—530), Geilamir kaiserlichen Konstitutionen seit Konstan-
oder Gelimer (.530—534 n. Chr.). tin d. Gr. ; seit 429 n. Chr. war an diesem
^) Worüber die Schrift des Victor von großen Werk gearbeitet worden.
Vita de persecutione Vandalica handelt. j
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. HeiTscliaft in Italien, (i? -")4.l 41i)
Kyrillos beeinflufken Händel zwischen Juden und Christen in Alexandrien
(414 n. Chr.); der Fanatismus der Anhänger des alexandrinischen Bisehofs
entlud sich schließlich in der bestialischen Ermordung der heidnischen Philo-
sophin Hypatia, der Tochter des Mathematikers Theon (415 n. Chr.). Auch
in christlichen Kreisen hatte die bedeutende Frau, die Freundin des Bischofs
Synesios, in Ansehen gestanden. Viel Staub wurde aufgewirbelt durch die
kirchlichen Streitigkeiten, die über der Lehre des Xestorius, des Patriarchen
von Konstantinopel, entstanden. Der unerquickliche Kampf für und wider
störte auch den Frieden des Kaiserhofs. Der römische Papst Caelestin er-
klärte sich im Jahr 430 n. Chr. gegen Xestorius, der im folgenden Jahr auf
dem Konzil von Ephesos zum Ketzer gestempelt und als Patriarch abgesetzt
wurde. Bald entspannen sich neue dogmatische Händel zwischen dem un-
gebildeten Abt Eutyches und dem Patriarchen von Konstantinopel. Flavianus.
Vom Kaiser begünstigt, errang die Partei des Eutyches im Jahr 449 n. Chr.
auf der um ihres gewalttätigen Verfahrens willen sog. Räubers^^node von
Ephesos den Sieg. Vergeblich protestierte der römische Papst Leo. Aber
kurz darauf, 450 n. Chr., starb der schwache Kaiser Theodosius II; die
Schwester des Kaisers, die Augusta Pulcheria, übernahm als einzige in Kon-
stantinopel anwesende Vertreterin der Dynastie das Regiment und erhob
den in kirchlichen Fragen unbefangenen Marcianus zum Gemahl und damit
zum Kaiser. In der Folge unterlagen die Eutychianer auf der Synode von
Kalchedon; die früher vom Papst Leo an Flavianus gerichtete epistula dog-
iNOflca diente der Mehrheit der Bischöfe zur Richtschnur (451 n. Chr.).
Der größte Machthaber jener Zeit war der Hunnenkönig Attila, der Sohn
des Mundiuch.') Im Jahr 434 n. Chr. der Nachfolger des König Ruas^) ge-
worden, teilte sich Attila zunächst in die Herrschaft über die Hunnen mit
seinem älteren Bruder Bleda, den er aber später ermorden ließ (um 445
n. Chr.). Unter seiner Herrschaft vereinigte nunmehr Attila die hunnischen
Stämme insgesamt, die damals das heutige Ungarn, Rumänien und Süd-
rußland besaßen: das einheitliche Regiment erhöhte die ungestüme Stoß-
kraft dieser wilden Völker um ein Beträchtliches. Einen großen Teil der
benachbarten skythischen und germanischen Stämme, vornehmlich die Ost-
gothen und Gepiden, hatte Attila unterworfen, seine Oberhoheit erstreckte
sich bis an den Rhein. Die Hunnen besetzten Stücke der Provinzen Pan-
nonien und Mösien; das Ostreich unter Theodosius II hatte mehrere ver-
heerende Invasionen der Hunnen zu erdulden (441 — 443 und 447 n. Chr.).
Der Kaiser, mit dem Attila auf gleichem Fuß verhandelte, mußte sich zu
Tributzahlungen herbeilassen, wobei man sich schamhaft der Fiktion eines
Gehalts für den zum maglster militum ernannten Hunnenkönig bediente.
Die guten Beziehungen, in denen Westrom besonders durch die Vermittlung
ihres alten Freundes, des Aetius, zu den Hunnen gestanden hatte, trübten
sich und auch mit Ostrom geriet Attila in Konflikt, weil Marcianus die
Weiterzahlung des Tributes verweigerte. Von Valentinian III verlangte Attila
die Hand seiner Schwester Honoria und dazu die Hälfte des Westreichs
als deren väterliches Erbe: in der Tat hatte Honoria sich dem Hunnen-
') Oder Mundzuk. | ^) Audi Rugas oder Rugila genannt.
4J0 Römische Geschichte.
kcinig oi^eniiiäclitiu imyctratfen. war ahcr dann von ihrem Bruder zu einer
anderen Ehe ge/.wungen worden. ALs Valentinian die Wünsche Attihi.'^ nicht
erfüllte, machte sich der ilunnenkrtnig mit einem groL^en Heer zum Angriff
auf Gallien auf: dorthin rief ihn ohnehin ein Streit unter (]en Franken;
ein fränkischer Königssohn, der den durch den Tod seines Vaters erledigten
Thron ))ean.spruchte, bat um Attilas Hilfe gegen Aetius, den Gönner des
jüngeren Bruders; überdies wünschte Geiserich seinen Beistand gegen den
Westgothenkönig Theoderid. Unter großen Verwüstungen fiel Attila mit
seinen Hunnen im Jahr 451 n. Chr. in Gallien ein. Aetius trat ihm ent-
gegen mit den Hilfsvölkern des weströmischen Reiches, den Westgothen,
Franken, Burgundern und Sachsen, Ostgothen und Gepiden fochten auf
Attilas Seite; ein hunnischer Angriff auf Orleans wurde zurückgeschlagen.
Dann maßen die beiden Heere ihre Kräfte auf den katalauni.schen Feldern
bei dem Ort Mauriacum Avestlich von Troyes in einer höchst blutigen Schlacht,
die nach erbittertem Ringen schließlich unentschieden blieb; besonders her-
vorgetan hatten sich die Westgothen, deren König auf der Walstatt blieb.
Attila verzichtete auf einen neuen Kampf und ging über den Rhein zurück,
um im nächsten Jahr (452 n. Chr.) nach Italien einzufallen; die Hunnen
eroberten das feste Ac^uileia und verheerten, ohne auf Widerstand zu stoßen,
die Poebene. Eine Gesandtschaft vornehmer Römer, darunter Papst Leo,
beredete den Attila zum Rückzug über die Donau. Schon waren Hunger und
Krankheit in seinem Heer eingekehrt und überdies bedrohten die Truppen
des Kaisers Marcianus das Heimatgebiet.
Attila hatte die Absicht, mit Ostrom abzurechnen, als er eines jähen
Todes verstarb (453 n. Chr.). Sein Reich löste sich bald auf, da seine Söhne
in Zwist gerieten und die unterworfenen Stämme sich unabhängig machten.
Attilas ältester Sohn fiel in einer Schlacht gegen die Gepiden, die sich nun
in Dacien niederließen. Verschiedene gothische Haufen wurden südlich der
Donau angesiedelt, die Ostgothen noch unter Marcianus in Pannonien. Sie
stehen als Föderierte unter einheimischen Führern im Dienst des Kaisers,
empfangen Sold und Lieferungen und leisten dafür Grenzschutz und Kriegs-
dienste. Aber sie sind anspruchsvolle Bundesgenossen; nicht selten geraten
sie mit dem Kaiser in Streit, namentlich wenn die Besoldung ausbleibt. In
diesem Fall halten sie sich durch Plünderung schadlos. Immer beschämender
wurde die Abhängigkeit der hilflosen kaiserlichen Regierung von den wenig
oder gar nicht zivilisierten fremden Truppen, unter denen neben den Germanen
Isaurer und Hunnen die Hauptrolle spielten. Die Hunnen blieben auch in
Zukunft unbequeme Nachbarn; noch unter der Regierung des Kaisers Leo
wagten sie einen Einfall nach Thrakien, wurden aber wieder verjagt (466
n.Chr.). Auch siJäterhin machten sie sich des öfteren unliebsam bemerklich:
doch ihre eigentliche Macht hatte mit dem Tod Attilas kulminiert.
Bald nach der Hunnenepisode ließ sich Valentinianus III von den Wider-
sachern des Aetius dazu bestimmen, diesen überlegenen Mann mit eigener
Hand zu töten (454 n. Chr.). Der übel beratene Kaiser hatte die beste Stütze
seiner eigenen Herrschaft gefallt und schon ein Jahr später, am 16. März
455 n. Chr. traf ihn die Rache der Gefolgsleute des Ermordeten : auf dem
Marsfeld in Rom wurde Valentinian erschlagen. Unter den drei Thron-
8. Sechste Periode: Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (J< :>4.t 421
bewerbern ging schon am nächsten Tag der hochangesehene und reiche
Senator Petronius Maxinius als Sieger hervor. Der neue Kaiser ernannte
seinen Sohn Palladius zum Caesar. Aus dynastischen Gründen nötigte er
die Kaiserinwitwe Eudoxia kurzer Hand zur Ehe und vermählte überdies
deren Tochter seinem eigenen Sohn. Aber bald erschien, von Eudoxia ge-
rufen, mit Heer und Flotte Geiserich, der nach Valentinians Ableben sich
durch die mit ihm geschlossenen Verträge nicht mehr gebunden fühlte, und
landete bei Rom. Maximus Avurde, als er aus Rom fliehen wollte, nach nicht
einmal dreimonatlicher Herrschaft vom Volk gelyncht; Geiserich besetzte
Rom, plünderte die Stadt und zog mit reicher Beute und vielen Gefangenen
ab; darunter befand sich auch die Kaiserin Eudoxia mit ihren beiden Töch-
tern. Den Kaiserthron bestieg nun Avitus, ein vornehmer gallischer Ar-
verner,!) einer der Genossen des Aetius und jüngst von Maximus zum Heer-
meister ernannt. Die Nachricht vom Ende des Maximus erreichte ihn in
Tolosa, wo er das Bündnis mit den Westgothen erneuerte. Im Einvernehmen
mit dem Gothenkönig ließ er sich in Arelate vom Heer als Kaiser begrüfäen
(9. Juli 455 n. Chr.). Mit gothischen und burgundischen Truppen begab er
sich nach Rom und fand auch in anderen Provinzen Anerkennung, jedoch
nicht in Ostrom. Als seine Verbündeten rückten die Westgothen in Spanien
ein, unterstützt von den Burgundern, die 443 n. Chr. feste Wohnsitze am
linken Rhöneufer erhalten hatten und jetzt (456 n. Chr.) ilir Gebiet er-
weiterten. Die Sueben wurden besiegt (456 n.Chr.); einen grofsen Teil Spa-
niens nahmen die Gothen in Besitz. Über Geiserich, der den Krieg fort-
setzte und die Friedensbedingungen des Marcianus und Avitus ablehnte,
errang die römische Flotte unter Flavius Ricimer bei Sizilien einen Sieg.
Aber die Kaiserherrlichkeit des Avitus, der zunächst nach Gallien zurück-
gekehrt war, sollte nicht lange währen; Ricimer, der Heermeister, erhob
sich gegen ihn, schlug ihn bei Placentia und nötigte ihn zur Abdankung
(Oktober 456 n.Chr.); Avitus ließ sich zum Bischof weihen. Er ist bald
darauf gestorben. Sein Besieger Flavius Ricimer, der Sohn eines suebischen
Vaters und einer gothischen Mutter, der Tochter des Königs Valia, besaß
im Westreich eine Machtstellung, die an Stilicho erinnert.
Auch in Konstantinopel trat um jene Zeit ein Thronwechsel ein. Auf
Marcianus folgte Kaiser Leo, der seine Würde dem einflußreichen Gothen
Aspar verdankte (7. Februar 457 n. Chr.). Als erster Kaiser ließ sich Leo
von einem Bischof krönen. Auf den Thron des Westreichs wurde bei Ra-
venna Julius Valerius Maiorianus erhoben (L April 457 n.Chr.) und von Leo
wenigstens als Caesar anerkannt. Wie Avitus, so hatte auch Maiorianus
einst unter Aetius gedient. Maiorianus wandte sicli zunächst gegen die West-
gothen, die Freunde des gestürzten Avitus: er befreite das von ihnen be-
lagerte Arelate und nötigte sie, das alte Bündnis zu erneuern: auch in
Spanien schränkte er sie ein. Ein Feldzug, den er hernach von Spanien
aus gegen Geiserich vorbereitete, blieb in den Anfängen stecken: ja der
1) Sein vollständiger Name lautet wahr- ist ungenügend beglaubigt und schwer-
scheinlich Eparchius Avitus. De Rossi, In- lieh echt. Vgl. 0. Seeck, PW II 2395. Der
Script. Christ. I79Ö. Mommsen, Chronica min. Schwiegersohn des Avitus war Sidonius
I 491. Eine Münze mit der Aufschrift M. Apollinaris, der bekannte Bischof, Redner
MaecH. Acithiis (EcKUEL, Doct num. Y11119S) \ und Schriftsteller.
422 Römische Geschichte.
Kaiser muüte sicli zu einem wenig günstigen Frieden mit dem Vandalen-
könig bequemen (460 n.Chr.). Schon am 2. August 401 n.Chr. bemächtigte
sich Ricimer der Person des Kaisers imd ließ ihm fünf Tage später den
Kopf vor die Füße legen. Zum Nachfolger bestellte er den Libius Severus.
der aber außerhalb Italiens kaum noch Anerkennung fand. Die eigentliche
Regierung lag nach wie vor in Ricimers Händen. In Gallien griffen die
Westgothen um sich; 462 n. Chr. erwarben sie Narbo. Ihrem Vordrängen
nach Norden erwehrte sich siegreich der mit den Franken verbündete Aegi-
dius, ein Anhänger des Maiorianus, der von Severus nichts wissen wollte.
Als aber Aegidius im Jahr 463 n. Chr. starb, breiteten sich die Gothen auch
nach Norden weiter aus. Italien wurde von Geiserich bedrängt, der von
Afrika aus alljährlich die Küsten und die Inseln heimsuchte und sich Sar-
diniens bemächtigte; Sizilien war eine Zeitlang von Marcellinus, dem Befehls-
haber in Dalmatien, geschützt worden, wurde aber nach dessen Rückkehr
ebenfalls das Ziel der Piratenzüge der Vandalen. Mit Ostrom machte Gei-
serich seinen Frieden; er lieferte die Witwe Valentinians, Eudoxia, an Leo
aus (462 n. Chr.), nachdem er eine ihrer Töchter, die Eudokia. seinem Sohn
Hunerich zur Gemahlin gegeben hatte. Die andere Kaisertochter heiratete
den vornehmen Römer Anicius Olybrius, dem Geiserich das westliche Kaiser-
tum verschaffen wollte. Der Tod des Severus (15. August 465 n. Chr.) machte
den Kaiser Leo zum Alleinherrscher des ganzen Reichs; doch behielt Ricimer
im Westen die Leitung der Staatsgeschäfte. Da Geiserich avif seinen Piraten-
fahrten auch die griechischen Küsten, vornehmlich den Peloponnes, unsicher
machte, so wurde beschlossen, ihn von Italien und von Konstantinopel aus
zu bekriegen. Leo sandte Anthemius, den Eidam des Kaisers Marcianus,
nach Italien; auf dem Weg nach Rom riefen die Truppen den Anthemius
zum Augustus aus; den bisher allmächtigen Ricimer suchte der neue Kaiser
dadurch zu versöhnen, dafs er ihm seine Tochter zur Ehe gab. Mit großen
Streitkräften wurden im Jahr 468 n. Chr. die Vandalen zu Wasser und zu
Land angegriffen, Sardinien und Tripolis ihnen entrissen. Das Gros, die
kaiserliche Flotte unter Basiliskos, dem Schwager des Kaisers, erschien vor
Karthago, wurde aber durch eine Kriegslist Geiserichs fast völhg vernichtet:
damit war das Schicksal des Feldzugs in der Hauptsache besiegelt; der An-
griff wurde eingestellt. Schon die Zeitgenossen führten das Fiasko auf den
Verrat des Admirals Basiliskos zurück ; Basiliskos habe den Vandalenfreund
Aspar für sich gewinnen wollen, indem er die Katastrophe Geiserichs ver-
hütete, i) Man munkelte auch von Bestechung des Basiliskos durch Geiserich
und nannte sogar die Summe. Die Macht des Vandalenkönigs stand nach
der gescheiterten Offensive, bei der zum letztenmal das Gesamtreich mit-
gewirkt hatte, fester denn je.
In Konstantinopel, wo sich verschiedene Parteien um die Macht stritten,
wußte Aspar es durchzusetzen, daß sein Sohn Patricius von Leo zum Caesar
ernannt und mit einer Tochter des Kaisers vermählt wurde. Aber das Volk
'i In der kaiserlichen Regierung zeigten lien aus den Angriff auf Karthago wieder-
sich auch sonst tiefe Gegensätze. Der von holen wollte, wurde, wohl auf Ricimers An-
Ricimer unabhängige Marcellinus, der stiften, ermordet. Tillemont VI 33(>f. 400.
nach der Eroberung Sardiniens von Sizi-
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. HeiTschaft in Italien. (§ 54.) 423
von Konstantinopel nahm gegen Patricius Partei und verbat sich durch eine
Deputation die Thronfolge des als Arianer mißliebigen Patricius. Aspar
wurde schließlich ermordet (471 n. Chr.). Sein schärfster Gegner, der Haupt-
schuldige an seinem Tod, war der Isaurer Zenon, der Gemahl der Ariadne.
der älteren Tochter Leos. Der Sturz Aspars hatte einen Aufstand der föde-
rierten Ostgothen zur Folge, den erst im Jahr 473 n. Chr. eine Erneuerung
des friiheren Bündnisses beendete. Leo ernannte in diesem Jahr seinen gleich-
namigen Enkel, den Sohn Zenons, zu seinem Nachfolger und starb kurz
darauf im Februar 474 n.Chr. Der jüngere Leo nahm seinen Vater zum Mit-
regenten, und da er ebenfalls bald mit Tod abging, so blieb Zenon als
alleiniger Augustus übrig. Er mußte freilich zunächst dem Basiliskos weichen
(Anfang 475 n. Chr.), Dieser wurde nämlich von seiner Schwester Verina.
der Witwe Leos, und ihrem Anhang auf den Thron gesetzt, auf dem er
sich nicht behaupten konnte. Verina in Gemeinschaft mit einflußreichen
Truppenführern, dem Isaurer lUus und anderen, entschied sich für Zenon.
der als Kaiser zurückkehren durfte. Basiliskos verhungerte im Gefängnis
(477 n.Chr.).!)
Inzwischen hatten in Westrom die Inhaber der höchsten Gewalt rasch
gewechselt. Schon im Jahr 470 n. Chr. hätte das gegenseitige Mißtrauen, das
zwischen Ricimer und dem Kaiser Anthemius bestand, beinahe zum Bürger-
krieg geführt. Zwei Jahre später (472) rebellierte Ricimer offen und stellte
den Olybrius als Gegenkaiser auf. Anthemius wurde in Rom auf dem Palatin
l)elagert und am 11. Juli 472 n. Chr. getötet. Ricimer sollte seinen Sieg nicht
lange überleben und noch im selben Jahr verschied auch Olybrius (2. No-
vember 472 n. Chr.). Als sein Nachfolger ließ sich mit Unterstützung des
Gundobad, eines Neffen Ricimers, in Ravenna (3. März 473 n. Chr.) Glycerius
zxuu Kaiser proklamieren; aber Kaiser Leo entschied sich statt seiner für
Julius Nepos, einen Verwandten der Kaiserin Verina. Als Schwestersohn des
Marcellinus hatte Nepos die Herrschaft seines Oheims über Dalmatien geerbt.
Glycerius wurde gefangen genommen und abgesetzt (im Juni 474 n. Chr.).
Aber jetzt empörte sich der Patricius Orestes und vertrieb den Nepos aus
Ravenna nach Dalmatien, wo er sich noch bis 480 n. Chr. behauptete; Orestes
ließ sein Söhnchen Romulus zum Augustus ausrufen (31. Oktober 475 n. Chr.):
im Namen des unmündigen Sohnes, den die Schriftsteller Augustulus nennen,
während er auf Münzen als Romulus Augustus pius felix Augustus erscheint, 2)
regierte Orestes selbst. Aber nun erhoben sich die germanischen Söldner,
Heruler, Skiren und Turcilingen, deren Führer Odoakar war. 3) Wie in den
Provinzen die Kriegsvölker feste Wohnsitze erhalten hatten, so forderten
sie die gleiche Vergünstigung für sich in Italien, und da Orestes sich ihnen
versagte, so kehrten sie die Waffen gegen ihn. Odoakar wurde von den
Truppen zum König ausgerufen (23. August 476 n. Chr.), Orestes in Placentia
') Vgl. MoMMSEN, Ges. Sehr. IV 561 ff. gehörte zum Stamm der Skiren, die nach
-) Daß Romulus als Kaiser den Namen Attilas Ende von den Gothen geschlagen
Ävgustns erhielt, beweist der doppelte Ge- und zerstreut worden waren. Er war im
brauch des Wortes, erst als Name, dann Dienst Ricimers emporgekommen. Auch
als Titel, auf den Münzlegenden. Vgl. sein Vater Edeko und sein Bruder Onulf
O. Seeck, PW ja 1105 f. hatten sich einen Namen gemacht.
^) Odoakar {Odovacat- auf den Münzen)
424 Römische Geschichte.
überwältigt und got(")tei iiiul etliche Tage .spätei' auch sein Pn-iulei- Paiihis
in Ravenna. Des Komuhis erbarmten sich die germanischen S/Udner: man
warf dem Entthronten eine Jahresrente aus und verwies ihn auf ein Land-
gut in Kampanien. Die germanischen Söldner erhielten Wohnsitze in Italien ;
ein Drittel des Landes mußte ihnen überlassen werden. So hatte denn Italien
das Schicksal der übrigen Provinzen des Westreichs zu teilen.
A. GüLDENPENNiNo, Gesch. des oström. Reiches unter den Kaisern Arkadius und
Theodosius II, Halle 188."). — Sievers, Studien etc. p. 419 ff. — J. B. Bury, A histori/
of the luter ItonHoi enipv-e. front Arcadius to Irene, 2 Bde., London 1889. — K.Hopf, Art.
Griechenland in Erscli u. Grubers Enzyklopädie der Wissenschaften I, Bd. 85. 86. —
K. Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstänuue, München 1837. — E. v. Wieters-
heim, Gesch. der V()lkerwanderung, 2. Aufl. von F. Dahn, 2 Bde., Leipzig 1880. 1881. —
Felix Dahn, Die Könige der Germanen, Bd. 1, München 1861. — R. Pall.mann, Gesch.
der Völkerwanderung, Gotha 1863, 2. Teil, Weimar 1864. — Georü Kaufmann, Deutsche
Gesch. bis auf Karl d. Gr., 2 Bde., Leipzig 1880. 1881. — H. v. Sybel, Entstehung des
deutschen Königtums, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1881. — Ludwig Schmidt, Allgemeine
Gesch. der gernianiselien Völker bis zur Mitte des 6. .Jahrhunderts, München u. Berlin
1909. — F. Papencokdt, Gesch. der vandalischen Herrschaft in Afrika, Berlin 1837. —
L. Schmidt, Gesch. der Vandalen, Leipzig 1902. — Junghans, Gesch. der fränkischen
Könige Childerich und Chlodowech, Göttingen 1857. — .Jahn, Gesch. der Burgun-
dionen, Halle 1874. — Binding, Das burgundisch-romanische Königreich, Leipzig 1868.
— 0. Seeck, Gesch. des Untergangs der antiken Welt, Bd. VI, Stuttgart 1920, Anhang
1921. — .J. Sundwall, Weström. Studien, Berlin 1915.
55. Die ostgothische Herrschaft in Italien und Justinian. Die Er-
hebung des Barbaren Odoakar zum König in Italien gab zwar dem west-
römischen Kaisertum, das ja schon seit der Ermordung Valentinians III unter
der tatsächlichen Herrschaft von Heerführern germanischen Blutes nur noch
ein Scheindasein gefristet hatte, den Gnadenstoß; aber staatsrechtlich hat
das Imperium ßomanum auch nach dem Ende der Schattenkaiser, nach der
Absetzung des ßomulus Augustus (476 n. Chr.) und der Ermordung des
letzten abendländischen Kaisers, des Julius Nepos, der sich jenseits der Adria
in Salona in Dalmatien vier Jahre länger hielt, fortbestanden, i) nur daß das
kaiserliche Amt in Westrom fortan auf den oströmischen Herrscher — da-
mals regierte Zenon — überging. Bei Zenon suchte eine Gesandtschaft des
römischen Senats die Bestätigung des Reichs verwesers Odoakar nach. Nach
einigem Zögern erfüllte Ostrom diese Bitte und Odoakar erhielt vom Kaiser
den Rang eines Patricius. Er herrschte an Kaisers Statt und in dessen Auf-
trag dreizehn Jahre lang in Italien und sicherte dem Land den Frieden
nach außen. Mit Geiserich schloß er ein Abkommen; gegen einen jährlichen
Tribut behielt Odoakar den größten Teil von Sizilien; auch mit den West-
gothen verständigte er sich. Seine Herrschaft beschränkte sich auf Italien,
was zur Folge hatte, daß in den übrigen Provinzen des weströmischen
Reiches die kaiserliche Autorität fast nichts mehr bedeutete. In Spanien
und Südfrankreich breiteten sich die Westgothen unter dem tüchtigen König
Eurich,2) dem Sohn des Theoderid, weiter aus; schon Anthemius hatte ihnen
vergebens einen Riegel vorzuschieben gesucht. Vor dem Jahr 470 n. Chr.
eroberte Eurich einen großen Teil Spaniens und vergrößerte dann sein Ge-
biet im südlichen Gallien. Nach längeren Kämpfen mit dem Römer Ecdicius,
') Über die Fortdauer der Reichseinheit -) Eurich regierte von 466— 48-'J n. Chr.
unter Odoakar und Theoderich vgl. Momm- Vgl. O. Seeck, FW VI 1289 ff.
SEN, Ges. Sehr. VI 3.S4 ff".
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Endo d. ostgoth. Herrschaft in Italien . i § .jö.) _j.o_"^
dem Sohn des Kaisers Avitus, den die Britannier in Aremorica und die
Burgunder unterstützten, schoben die Westgothen ihre Herrschaft bis an
die Loire und Rhone vor; dann schlofs Eurich mit Kaiser Nepos einen Waffen-
stillstand (4^74 n. Chr.). Einige Jahre später fielen sogar Massalia und Arelate
in die Gewalt der Westgothen (um 477 n. Chr.). Nur ein Teil des nordwest-
lichen (lalliens um Soissons verblieb unter Syagrius, dem Söhn des Aegidius,
in den Händen der Römer, bis diese den Franken erlagen. Die verschiedenen
Stämme der Franken einigte in jenen Tagen der Begründer der fränkischen
Macht Chlodwig, indem er seine Mitkönige beseitigte. Er überwältigte den
Syagrius und nahm den letzten Rest der römischen Herrschaft für sich und
sein Volk in Besitz (486 n. Chr.). Auch die zur Diözese Italien gehörigen
Donauprovinzen Rätien und Noricum fielen mit dem größten Teil der Alpen-
landschaften den Alamannen, Thüringern und anderen Stämmen anheim.
In Konstantinopel gefährdete den Kaiser Zenon die Empörung eines
seiner höchsten Beamten, des lUus, der sich zusammen mit der Kaiserin-
witwe Verina erhob und den Leontios zum Kaiser ausrufen ließ (484 n. Chr.).
Aber nur für kurze Zeit fand der Prätendent im Orient Anerkennung; Illus
mußte sich bald nach Isaurien zurückziehen und wurde hier samt Leontios
nach längerer Belagerung von den kaiserlichen Truppen gefangen und ge-
tötet (488 n. Chr.). 1) Da Odoakar, den Illus um Hilfe angegangen hatte, in
den Verdacht geriet, den Aufrührer tatsächlich unterstützt zu haben, so
stiftete der Kaiser, um sich zu rächen, die damals nördlich von der Donau
wohnhaften Rugier zu einem Angriff auf Noricum an. Daraufhin rückte
Odoakar an die Donau vor, wo er die Rugier schlug und verdrängte: aber
er vermochte Noricum nicht zu behaupten und nahm deshalb einen großen
Teil der römischen Bevölkerung mit sich nach Italien, um sie dort anzu-
siedeln (487 n. Chr.).
Mit dem Kaiser scheint Odoakar sich wieder verständigt zu haben. Ein
gefährlicherer Feind erstand ihm in dem kaiserlichen Heerführer, dem Gothen
Theoderich. 2) Dieser Sproß aus dem Geschlecht der Amaler gehörte zu den
Ostgothen, die nach Attilas Tod als Föderierte in Pannonien Wohnsitze
gefunden hatten. Schon sein Vater Thiudimer zählte zu den Führern seines
Stammes. Theoderich hatte in seiner Jugend jahrelang als Geisel am kaiser-
lichen Hof gelebt. Als Nachfolger des Vaters an die Spitze seiner Stanniies-
genossen getreten, hatte er unter wechselnden Umständen, bald als Bundes-
genosse, bald als Gegner des Kaisers seinen Gothen immer höhere Jahrgelder,
neue Wohnsitze in Mösien und feste Plätze, wie Singidunum (Belgrad), ver-
schafft. Er selbst stieg zur Würde eines kaiserlichen Adoptivsohnes, Patricius
und Konsuls (484 n.Chr.) auf. 3) Zuletzt war er zum Krieg gegen Illus nach
') Vgl. MoMMSEN, Ges. Sehr, VII 713 ff. mächtiger Nebenbuhler, zugleich Vor-
-) Die richtige Namensform ist Theo- wandter und Namensvetter war Tlieodc-
derich: die Griechen schreiben ßsvöioiyog. rieh Strabo, Sohn des Triarius. Führer
^) Die wechselvolle Laufbahn des Theo- einer anderen gothischen Kriegerschar,
derich erzählt im Zusammenhang .Jor- Schwager Asjjars und Förderer des Basi-
danis Get. § 268 ff. Die eigene Tätigkeit liskos (oben S. 422 f.). Bei den verschie-
des Theoderich beginnt im .J. 471 n. Chr., denen inneren Wirren stützte sich der
als er, ISjährig, von Kaiser Leo seinem Kaiser bald auf den einen, bald auf den
Vater wieder zurückgesandt wurde, bei anderen der beiden Namensvettern. Erst
Gelegenheit des Sturzes Asi)ar.s. Sein als Theoderich Strabo 481 n. t!hr. starb.
42() Römische Geschichte.
Kleinasien gesandt, aber, da der Kaiser lluii nicht traute, zurückgerufen
worden. Er nötigte nunnielir durch einen Zug gegen K«»nstantino])el den
Kaiser Zenon, ihm den Auftrag mi erteilen, Odoakar, seinen persönlichen
Feind, aus Italien zu verdrängen, ein Ziel, das er schon lange erstrebt hatte.
Er sammelte also zu diesem Zweck seine gotbischen Scharen; andere Kriegs-
völker ^) schlössen sich an, und im Winter 488 89 n. Chr. setzte sich Theo-
derich in Marsch. Die Gepiden an der Save, die den Weg sperrten, wurden
überwältigt. Odoakar wurde an der Grenze Italiens, am Isonzo, geschlagen
(28. August 489 n.Chr.); nach einer zweiteii Niederlage bei Verona zog er
sich in seine Hauptstadt Ravenna zurück : ein Teil seines Heeres, auch Rom
und andere Landschaften Italiens fielen von ihm ab. Aber dann trat ein
Rückschlag ein; die Abgefallenen kehrten teilweise wieder zu Odoakar zurück,
doch behauptete Theoderich mit Hilfe der Westgothen das Übergewicht: am
Addua erfocht er einen neuen Sieg (11. August 490 n. Chr.), worauf er
den Odoakar in Ravenna einschloß. In diesem festen Platz verteidigte sich
Odoakar mehr als zwei Jahre lang unter mannigfachen Kämpfen: erst nach-
dem Theoderich sich eine Flotte verschafft und Ravenna von der Seeseite
eingeschlossen hatte, mußte er kapitulieren. Es kam ein Vergleich zustande,
demzufolge Odoakar und Theoderich gemeinsam regieren sollten: nachdem
aber Theoderich in Ravenna eingezogen war (5. März 493 n. Chr.), wurde
Odoakar umgebracht ; seine über Italien verstreuten Leute mußten mitsamt
ihren Familien das Los ihres Königs teilen.
Der Sieger Theoderich konstituierte seine Herrschaft in Italien, mit Ein-
schluß Siziliens, das ihm auf Grund eines Abkommens mit den Vandalen
schon im Jahr 491 n. Chr. zugefallen war. Den gotbischen Stämmen, die mit
Weib und Kind eingezogen waren, mußte ein Drittel des italischen Bodens
y.ur Ansiedlung und zum Unterhalt überlassen werden. Mit dem Grund und
Boden ging der zugehörige Teil des lebenden und toten Inventars, auch die
Kolonen, auf die neuen Besitzer über. Die Gothen wurden vorzugsweise
in den nördlichen und nordöstlichen Landesteilen angesiedelt. Sie betrachten
sich als Herren des Landes; sie sind der Krieger- und Wehrstand, ver-
mischen sich nicht mit den Römern, 2) haben ihren eigenen Gerichtsstand und
ihre eigene Kirche; sie sind Arianer, während Italien im übrigen orthodox
ist. Theoderich wird ihr König: nach dem Ableben des Kaisers Zenon
{9. April 491 n. Chr.) war er vor Ravenna vom Heer zum König ausgerufen
worden. Zugleich herrscht er im Namen und Auftrag des Kaisers über die
Römer. Allerdings verstrichen Jahre, bis der Kaiser Anastasios, der Nach-
folger Zenons, ihm die formelle Anerkennung gewährte, die 497 n, Chr.
erfolgt zu sein scheint. Theoderich führt den kaiserlichen Familiennamen
als Flavins Theodericiis rex und übt im Bereich seiner Herrschaft als Be-
auftragter des Kaisers die kaiserliche Gewalt aus. Italien wurde unter ihm
nach dem römischen Recht und in den hergebrachten Verwaltungsformen
regiert. Römische Beamte, unter ihnen Boethius und Cassiodorus standen
gewann der Amaler Theoderich für seinen läge durch Odoakar zu Theoderich ge-
Ehrgeiz freie Bahn. Er wurde für 484 rettet hatte,
n. Chr. Konsul. i •') Ehen zwischen Gothen und Römern
M z.B. eine Schar Rugier, die sich unter j waren verboten,
ilirem P^irsten Friedrich nach der Nieder- '
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (§ ")•'». i 4^7
dem Herrscher zur Seite. Theoderich zeigte sich als einsichtigen und milden Ke-
genten, der auch seine Gothen in Schranken zu halten wußte; zugleich nahm
er sich der römischen Untertanen an, ließ Bauten und andere niitzliche Ar-
beiten ausführen und beschützte trotz seiner eigenen Unbildung Künste und
Wissenschaften; vor allem aber gewährte er dem Land die Segnungen einer
langen Friedenszeit.
Die kaiserliche Regierung erblickte in Theoderich immer den Usurpator.
Deshalb suchte der Ostgothe einen Rückhalt an den übrigen germanischen
Stämmen; schon 492 n. Chr. heiratete er des Frankenkönigs Chlodwig Tochter,
Audefleda, und verschwägerte sich mit dem Burgunder Gundobad, der von
nun an die früher geübten Feindseligkeiten gegen Italien einstellen mußte.
Der Vandalenkönig Thransamund vermählte sich mit Theoderichs Schwester
Amalafrida. die mit ansehnlichem Gefolge nach Karthago kam und dem
Gatten Lilybaeum auf Sizilien als Mitgift zubrachte. Auch mit den Alamannen
und Thüringern schloß Theoderich Freundschaft. Am engsten verband er
sich mit den Westgothen; Eurichs Sohn Alarich II wurde sein Eidam. Nicht
zuletzt durch diese seine dynastische Politik sicherte sich Theoderich im
ganzen Westen einen weitreichenden Einfluß, der ihn gewissermaßen zum
Erben des weströmischen Kaisers machte. Er durfte es wagen, in das Ge-
biet Ostroms überzugreifen, gegen seine Feinde, die Gepiden, zu Feld zu
ziehen und sich durch die Eroberung von Sirmium an der Donau festzu-
setzen, worüber es zu einem ernstlichen Zusammenstoß seines Heeres mit
oströmischen Streitkräften kam (504 n. Chr.). Theoderichs Macht beruhte auf
seinem Heerwesen, das er auf der Höhe zu halten wußte, sowie auf einer
wohlgeordneten Verwaltung, die beträchtliche Überschüsse abwarf, während
die kaiserliche Regierung unter chronischer Finanznot litt.
Das politische System des Theoderich, das auf die Eintracht und das
Gleichgewicht der avif weströmischem Gebiet angesiedelten Germanen ein-
gestellt war. wurde gestört durch die Ausbreitung der Franken. Durch einen
großen Sieg erwarb Chlodwig die Oberherrschaft über die Alamannen (49<)
n. Chr.) und trat hierauf zum Christentum über, und zwar nicht zum ariani-
schen Bekenntnis, sondern zum orthodoxen Glauben; er schloß sich also
der kirchlichen Gemeinschaft der gesamten römischen Bevölkerung an. Da-
durch gewann er ein moralisches Übergewicht über die arianischen Gothen.
die von ihren Untertanen durch die Kluft konfessioneller Spaltung getrennt
waren, und sicherte sich bei seinen Unternehmungen den Beistand und die
Sympathie seiner katholischen Glaubensgenossen. Zunächst machte er die
burgundischen Könige von sich abhängig und griff dann die Westgothen
an, deren König Alarich II bei Vougle (bei Poitiers) Schlacht und Leben
verlor (507 n. Chr.); die Westgothen wurden fast ganz aus Gallien verdrängt.
Chlodwigs Vorgehen hatte den Beifall des Kaisers Anastasios, der mit Theo-
derich in Feindschaft geraten war und in dem Franken einen natürlichen
Bundesgenossen begrüßte; ^) eine oströmische Flotte griff 507 n. Chr. die
unteritalischen Küsten an. Theoderich hatte den Angriff" der Franken nicht
hindern können, kam aber jetzt den Westgothen zu Hilfe. Er verl)ündete
') Zum Zeichen seines Einvernehmens übersandte Anastasios dem Chlodwig die
konsularischen Insisjnien, 509 n.Chr.
428 Römische Geschichte.
sich mit dem König der Tlüiringer, Herminafrid, dem NachUarn der Franken,
und ließ sein Heer in die Narbonensis einrücken. Das fränki.sch-hurgundisciie
Heer, das Arelate belagerte, wurde geschlagen (508 n. Chr.): die Burgunder
wurden verdrängt; wenigstens die südgallischen Küstenland.schaften mit Ein-
schluß Avignons entriß Theoderich den Franken und Burgundern, um sie
in eigene Verwaltung zu nehmen. Zugleich ordnete er bei den Westgothen
die Thronfolge ; er vertrieb den Gesalich, einen Sohn Alarichs H, und setzte
dessen jüngeren unmündigen Sohn, seinen Enkel Amalaricli. auf den Thron.
Er selbst übernahm bei den Westgothen die Regierung (510 n. Chr.). Mit
den Franken muß sich Theoderich verständigt haben: iiinen blieb der größte
Teil Aquitaniens. Nach Chlodwigs Tod ') beteiligte er sich sogar mit dessen
Söhnen an dem Kampf gegen die Burgunder, denen er die südlichsten Teile
ihres Gebietes abnahm (523 n. Chr.).
Unterdessen war auch das Zerwürfnis mit dem Kaiser beigelegt und das
äußere Einvernehmen wiederhergestellt worden (510 n. Chr.). Anastasios
hatte in seinem eigenen Gebiet mit äußeren und inneren Schwierigkeiten
zu kämpfen; er mußte also den Westen dem Theoderich überlassen. Nach
dem Abzug der Ostgothen beginnen seit 493 n. Chr. die Einfälle der Slawen
und besonders der Bulgaren, die fast alljährlich wiederkehren. Es wurde
nötig, zum Schutz der Hauptstadt und ilirer Umgebung eine lange Mauer
quer über das Land zu ziehen (507 n. Chr.). In Kleinasien empörten sich die
Isaurer (492 — 497 n.Chr.); ein mehrjähriger, vmentschiedener Krieg mußte
mit den Persern geführt werden (502 — 50(5 n. Chr.). Dann brachen innere
Wirren aus, die aus einer von Anastasios tolerierten Abweichung vom ortho-
doxen Dogma erwuchsen. Anastasios geriet darüber in Konflikt mit dem
Patriarchen von Konstantinopel wie mit dem römischen Papst Hormisdas.^)
Im Jahr 511 n. Clir. entstand in der Hauptstadt ein großer Aufruhr, und
in den Jahren 514 und 515 n. Chr. erhob sich Vitalianus an der Spitze eines
Heeres zum Schutz der Orthodoxie und zwang den Kaiser, einzulenken.
Vitalianus revoltierte ein drittes Mal im Jahr 518 n. Chr. ; da verstarb Ana-
stasios eines plötzlichen Todes. Unter Hintansetzung der Verwandten riefen
die hauptstädtischen Truppen den Justinus zum Kaiser aus (10. Juli 518
n. Chr.). Justin 3) steuerte seinen Kurs in entgegengesetzter Richtung; diesem
erklärten Orthodoxen lag viel daran, die Glaubensunion und das Einvernehmen
mit dem römischen Papst wiederherzustellen. Desgleichen erstrebte er ein
gutes Verhältnis zu Theoderich und gewann so auch in Italien Einfluß.
Ein nicht unwichtiges Ereignis war die Besteigung des vandalischen
Königsthrones durch Hilderich. den Sohn Hunerichs und der Eudokia. den
Freund Justins, im Jalir 523 n. Chr. nach dem Tod König Thransamunds.
Auch er schlug andere Balinen ein als seine Vorgänger, Die Verfolgung der
Orthodoxen, die Geiserixih und besonders Hunerich betrieben hatte, hörte
auf. Hilderich lehnte sich an den Kaiser an : Amalafrida, die Königinwitwe,
und ihr gothisches Gefolge, die Stützen der früheren Politik und des ost-
gothischen Bündnisses, wurden aus dem Weg geräumt. Um die an seiner
Schwester und ihren Leuten begangenen Frevel zu sühnen, bereitete Theo-
') Chlodwig starb 511 n.Chr. keit des Papstes dem Kaiser gegenüber.
2) Theoderich schützte die Selbständig- =) Vgl. E. Stein, PW X 13U ff.
8. Sechste Periode : Die Kaiseizeit b. z. Ende d. ostgotb. Herrschaft in Italien. (^ "»•J-) 420
derich einen Zug nach Afrika gegen Hilderirli vor. Um die nämliche Zeit
wurden in Italien hoeliverräterische Umtriebe des vornehmen römiscjien
Elements gegen Theoderich ruchbar, die zur Verurteilung und seldief.ilich
zur Hinrichtung des magii<ter officioriim Boethius und des jüngeren Sym-
machus (524 und 525 n. Chr.) fiihrten. Auch der konfessionelle Gegensatz
der Römer zu den arianischen Gothen machte sich unter dem Druck der
orthodoxen Bestrebungen des Justinus fühlbarer. Tlieoderich verwendete
sich bei Justinus zugunsten der Arianer im oströmischen Reich und erreichte
in der Tat einige Milderungen.
Den von Tlieoderich beabsichtigten Angriff auf die Vandalen vereitelte
der Tod, der ihn am 30. August 526 n. Chr. aus seinen Plänen herausriü.
Zum Nachfolger hatte er ursprünglich Eutharich, den Gemahl seiner Tochter
Amalasuntha, ausersehen gehabt. Aber Eutharich war vor ihm gestorben,
und so wurde denn unter der Zustimmung des Kaisers Eutharichs zehn-
jähriger Sohn Athalarich auf den Thron gesetzt unter der Vormundschaft
seiner Mutter Amalasimtha. Der Thronwechsel war von wichtigen Folgen
begleitet. Der Krieg gegen die Vandalen wurde aufgegeben; die Vereinigung
der Ost- und Westgothen ging alsbald in die Brüche. Bei den Westgothen
übernahm Amalarich das Königtum, Spanien löste sich wieder von Italien.
Die Franken griffen erneut um sich. Amalarich wurde im Jahr 531 n. Chr.
von ihnen geschlagen und verlor Thron und Leben. Dann wandten sich
die Franken gegen den Thüringer Herminafrid, Theoderichs Verbündeten
und Verwandten; sie schlugen ihn und zertrümmerten seine Herrschaft: er
selbst fiel. Ferner griffen sie Burgund an und bedrohten den ostgothischen
Besitz in Südgallien; im Jahr 534 n.Chr. nahmen sie Burgund in Besitz
und wurden unmittelbare Nachbarn Italiens. In Italien selbst geriet die
königliche Autorität ins Wanken. Zwar nahm die Regierung zunächst in
der bisherigen Weise ihren Fortgang, aber die nach Rom und Konstantinopel
orientierte Politik der Regentin Amalasuntha erweckte eine starke gothische
Opposition, gegen die sich die Bedrohte durch Konspirationen mit Kaiser
Justinianus,!) dem Neffen und Nachfolger des im Jahr 527 verstorbenen
Justinus, zu decken suchte.
Die Regierung Justinians macht in der Geschichte des römischen Kaiser-
tums Epoche. 2) Dieser Kaiser hat sicli in der Rechtsgeschichte durch die
neue Sammlung und Bearbeitung der Rechtsquellen, der Konstitutionen, der
Digesten und Institutionen, die in den Jahren 529 — 533 n. Chr. vollendet
und an Gesetzes Statt veröffentlicht wurde, einen unsterblichen Namen
gemacht. Er war ein Herrscher, der große Entwürfe gefaßt und ausgeführt
hat; einen bedeutenden Einfluß auf die Regierung, ja geradezu die Mit-
regentschaft, übte seine ungewöhnlich kluge und energische Gemahlin Theo-
dora,3) die trotz ihrer dunkeln Vergangenheit ihre neue Rolle als Augusta
virtuos spielte und ungescheut ihre eigene Politik machte.^) Prachtliebend
wie er war, ließ er im ganzen Reich glänzende Bauten aufführen, nament-
') Am 1. April 527 n. Chr. wurde Justi- zeitung 1917, 387 ff.
nianus zum Mitregenten ernannt, schon 1 ^) ILSInr. 831.
am 1. August starb Justinus. ^) ^ie starb 548 n. Chr.
2)Vgl.K J.Neümann, Deutsche Literatur- |
4;]() Römische Geschichte.
licli Kiiclicii, mitei' denen die Sophienkirche in Konstantinopel not-li heute
zeigt, auf welcher Höhe das technische Kr)nnen der Architekten und Bau-
meister stand. In seinem Eifer, die kirchliche und dogmatische Einheit her-
zustellen, schreckte Justinian auch vor Gewaltmitteln nicht zurück; er ver-
folgte die Häretiker, vor allem die Arianer, wie die Heiden oder Hellenen.
Indem er die Schliefäung der Universität Athen verfügte (529 n. Chr.), be-
raubte er die heidnische Intelligenz ihrer letzten Zufluchtsstätte. Die besonders
in Kleinasien noch zahlreichen Heiden wurden bekehrt. In die äußerste
Gefahr geriet Justinians Kegierung im Jahr 532 n. Chr. durch den von den
vereinigten Zirkusparteien unternommenen sog. Nikaaufstand, der halb Kon-
stantinopel in Asche legte. Die Aufrührer hatten bereits einen Neffen des
Anastasios, Hypathios, zum Kaiser ausgerufen und nur das mannhafte Auf-
treten der Theodora rettete dem schon zur Flucht entschlossenen Gemahl im
letzten Augenblick die Kaiserkrone. Die Revolution wurde im Blut erstickt.
Justinians vornehmstes Streben galt der Wiederaufrichtung des kaiser-
lichen Imperiums über den Westen und dieser Absicht waren die äufseren
Umstände nicht ungünstig, nachdem ein Perserkrieg der ersten Regierungs-
jahre zu einem „ewigen" Frieden geführt hatte (532 n. Chr.). Die Aktions-
freiheit, die er damit gewann, benutzte der Kaiser zunächst gegen die Van-
dalen. Den Anlaß zu einer Intervention bot ein gewaltsamer Thronwechsel.
Der Römerfreund Hilderich, dessen schwächliche Politik den Unwillen der
Vandalen erregte, war entthront und durch Geilamir (Gelimer) ersetzt worden. ')
Justinian mischte sich zugunsten des Gestürzten ein; als er auf diploma-
tischem Weg für seinen Schützling nichts erreichte, griff er zu den Waffen.
Die Herrschaft der Vandalen stand auf recht schwaclien Füßen: die kirch-
lichen Streitigkeiten, die Verfolgungen der Orthodoxen hatten die römischen
Untertanen erbittert; die vandalische Herrenschicht war durch verlustreiche
Kämpfe gegen die Mauren geschwächt. Auf die Kunde von dem bevor-
stehenden Angriff' Ostroms fielen Tripolis und Sardinien von Geilamir ab.
Mit der Führung des Krieges betraute der Kaiser einen bewährten Heer-
führer, seinen engeren Landsmann Belisarios. Amalasuntha förderte das
Unternehmen und gewährte der Expedition einen Stützpunkt in Syrakus,
von wo Belisarios mit verhältnismäßig geringer Macht nach Afrika übersetzte;
das Heer der Vandalen wurde in zwei Schlachten besiegt (533 n.Chr.), Geilamir
als Gefangener mit zahlreichen Vandalen nach Konstantinopel geschickt.
Die afrikanischen Provinzen kamen zum guten Teil wieder unter kaiser-
liche Verwaltung; 2) freilich blieben beide Mauretanien zum größten Teil
in den Händen der einheimischen Stämme, und Afrika mit Numidien wurde
durch die Einfälle der Mauren und durch wiederholte Meutereien der Truppen
oft genug beunruhigt. 3)
') Der Name Geilamir wird durch die von Sizilien aus einschreiten, und später,
Münzen wie durch den Dichter Corippus .544: n.Chr., entstand nochmals durch einen
bezeugt. Aufstand der Mauren ein längerer Krieg,
2) Der Patricius Solomon wurde nach den der Feldherr Johannes Troglita über-
der Eroberung mit der Verwaltung der 1 wand ; diesen Krieg schildert die Johannis
Provinzen beauftragt. Procop.Vand.il 8 f. des Corippus in epischem Stil. Yg\. Cor ippl
ILS I nr. 831. libri qui supersunt rec. J. Paktsch (Monnm.
^) Belisarios mußte schon 536 n. Chr. Genn. hist. auct. antiquiss. III 2, 1879).
8. Sechste Periode: Die Kaiserzeit b. Z.Ende d.ostgoth. Herrschaft in Italien, (ij ö.").) _j.;^j
Die Zertrümmerung des vandalisehen Königtums bildete den Auftakt
zur Eroberung Italiens. Die Vandalenmacht hatte bisher als erwünschtes
Gegengewicht gegen Ostrom gewirkt, weshalb der Ostgothenkönig Tiieoderich
auf eine möglichst enge Verbindung bedacht gewesen war und es auch ver-
standen hatte, die guten Beziehungen im ganzen aufrecht zu erhalten. i) Um
so schärfer wurde die Unterstiitzung, die seine Tochter Anuilasuntha dem
Belisarios zuteil werden ließ, von den Gothen in Italien gemilabilligt. Die
Gothen hatten sich nach der Überwältigung der Vandalen auf Sizilien in
den Besitz von Lilybaeum gesetzt und dadurch dem Kaiser einen will-
kommenen Kriegsvorw^and geliefert.
Den Ausbruch der Feindseligkeiten verursachten dynastische Wirren in
der königlichen Familie. Nach dem Tod des von jeher kränklichen Königs
Athalarich (2. Oktober 534 n. Chr.) erkor sich Amalasuntha zum Mitregenten
den unwürdigen Theodahad, der seine Gönnerin schon nach kurzem (Früh-
jahr 535 n.Chr.) gefangen setzen und umbringen ließ. Auf dieses Verbrechen
antwortete Justinian in der Rolle des Rächers mit dem Krieg: den Ober-
befehl übertrug er wiederum dem Belisar; die Rüstung der Gothen war
mangelhaft; unter Amalasuntha seheint das Kriegswesen gelitten zu haben
und Theodahad entbehrte der Führereigenschaften. Die Lage der Gothen
wurde noch dadurch verschlechtert, daß das römische Element, besonders
die besitzende Schicht und die Kirche, mit dem kaiserlichen Heer sym-
pathisierte. Schon im Jahr 535 n. Chr. Avurden Dalmatien und Sizilien rasch
erobert. Von Sizilien aus ging Belisar, nachdem er vorher eine Meuterei
in Afrika unterdrückt hatte, nach Unteritalien hinüber. Die Herrschaft über
die See verlieh ihm das Übergewicht; er drang vor bis Neapel, das er be-
lagerte und eroberte. Theodahad, der in Rom stand, wurde vom gothischen
Heerbann abgesetzt; an seiner Stelle riefen die Krieger den Vitiges zum
König aus; der neue König beeilte sich, die Tochter der Amalasuntha^
Mathesuentha, zu ehelichen, um der Wahl ein dynastisches Relief zu geben.
Aber er hatte nicht hindern können, daß Rom dem Belisar die Tore öfPnete
(9. /IG. Dezember 536 n. Chr.). Vitiges zog alle verfügbaren Streitkräfte zu-
sammen; er sicherte sich vor den Franken durch die Abtretung Südgalliens^
und versuchte mit überlegener Macht Rom wieder zu erobern; aber nach
einer langen und verlustreichen Belagerung mußte er abziehen (März 538
n. Chr.) und sich auf Oberitalien beschränken, wo die Hauptmasse der Gothen
ansässig war. Hier wurden noch längere Kämpfe ausgefochten, an denen
sich auch die Franken in den Jahren 538 und 539 n. Chr. zugunsten der
Gothen beteiligten, allerdings als Bundesgenossen zweifelhaften Wertes,
schlugen sie doch dem Vitiges geradezu eine Teilung Italiens vor. Seit
Ende 539 n. Chr. wurde Ravenna zu Wasser und zu Land belagert und
mußte sich nach längeren Unterhandlungen dem Belisar ergeben (540 n. Chr.).
Vitiges wurde nach Konstantinopel verbracht, wo er bald darauf starb.
Doch waren die Gothen noch nicht endgültig bezwungen. Im Jahr 539
n. Chr. entstand im Orient ein neuer Krieg mit den Persern, der mit einem
Einbruch des Königs Chosroes in Syrien einsetzte, hierauf bis 545 n. Chr.
') Nur einmal war eine Mifshelligkeit entstanden, als die Vandalen sich in Spanien
einzumischen versuchten.
482
Römische Geschichte.
in Mesopotamien weitergel'ülut \viii(k- mul sicli sclilief.^licli am Kaukasos
noch bis 551 n.Chr. hinzog: erst im Jahr 5()2 n.Chr. beendete den Kriegs-
zustand ein fünfzigjähriger Friede, in dem sich Justinian gegen gewisse
Zugeständnisse der Gegenseite zu einer jährlichen Geldzahlung verpflichtete.
Belisar war zu dem persischen Krieg schon 540 n. Chr. mit seinen besten
Truppen nach dem Orient entsandt worden; nach seinem Abgang rührten
sich in Oberitalien die Gothen aufs neue. Besonders hervor tat sich in ihren
Reihen ein tapferer und umsichtiger Krieger namens Totila,') der 541 n.Chr.
von den gothischen Heerscharen zum König ausgerufen wurde, jedoch auch
bei der niederen Bevölkerung Italiens Anklang fand. Totila besetzte fast
ganz Italien, eroberte Neapel (543 n. Chr.) und nach langer Belagerung
sogar Rom (17. Dezember 540 n. Chr.). Belisar, der 544 n. Chr. als kaiser-
licher Generalissimus wieder nach Italien zurückgekehrt war, vermochte
nicht viel auszurichten; ein Handstreich brachte allerdings das verödete
Rom wieder in seine Gewalt, aber die Unzulänglichkeit seiner Truppen
und die Zwietracht unter den kaiserlichen Feldherren unterband nach-
haltige Erfolge; schlielslich wurde Belisar al)berufen (549 n. Chr.), worauf
Totila sich des Faustpfandes Rom aufs neue bemächtigte. Totila schuf sich
auch eine Flotte, mit deren Hilfe er einen großen Teil Siziliens eroberte
und vorübergehend selbst Korsika und Sardinien gewann. Nur Ravenna
und andere feste Seestädte verblieben den Kaiserlichen.
Erst 550 n. Chr., als der Perserkrieg sich seinem Ende zuneigte, hatte
Justinian die Möglichkeit, einen Feldzug größeren Stils auszurüsten. Zu-
nächst wurde Sizilien zurückerobert (551 n. Chr.). Den Angriff auf Italien
sollte von Norden her der Neffe des Kaisers, Germanos, der Gatte der
Mathesuentha, der Witwe des Vitiges, führen; aber ehe er Italien betreten
konnte, wurde der Prinz von einer Krankheit hin weggerafft; das Kommando
iibernahm als sein Nachfolger der Eunuche Narses, der schon den ersten
Feldzug Belisars mitgemacht hatte. Dieser zielbewußte Feldherr sammelte
zunächst eine stattliche Armee, in die er neben anderen Barbaren auch
langobardische Soldtruppen einstellte. Auf dem Landweg drang Narses in
Italien ein, erreichte Ravenna und zog von hier auf Rom. Totila trat ihm
bei Busta Gallorum (bei Tadinae in Umbrien) entgegen, erlitt aber eine
Niederlage und fiel (552 n. Chr.). Narses konnte in Rom einziehen. Doch
auch nach dem entscheidenden Waffenerfolg der Kaiserlichen leisteten ein-
zelne gothische Scharen noch immer Widerstand. Sie erhoben in Ticinum
den Teia auf den Schild; dieser drang nochmals weit vor in Unteritalien,
bis er in der Schlacht am Sarnus in Kampanien ein Ende fand (553 n. Chr.).
In seinen letzten Zuckungen währte der Kampf noch bis 555 n. Chr. In
<len Schlußakt des Krieges griffen auch die Franken ein, deren Beistand
sich schon Totila dadurch erkauft hatte, daß er ihnen ein Stück vonVene-
tien überließ. Fränkisch-alamannische Scharen unternahmen im Jahr 554
n.Chr. einen verheerenden Einbruch nach Italien und gelangten bis in den
äußersten Süden; doch wurden viele dieser Eindringlinge auf dem Heimweg
aufgerieben.
') Auf Münzen und in Chroniken [Chronica viin. II 236. 238 Mommsen) heifst er
Jiaduila.
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. (§ 55.) 433
Das erschöpfte Italien, das zwanzig Jahre hing den Kriegsschauplatz
hatte abgeben müssen, wurde von Narses wieder als kaiserliche Provinz
eingerichtet und in Verwaltung genommen. 1) Die Grenzen reichten bis in
die Alpen hinein, im Norden etwa bis Brixen, im Nordosten bis Friaul.
Aber über den Kamm der Alpen erstreckte sich das kaiserliche Gebiet
nicht, die Donauprovinzen waren und blieben verloren; Pannonien hatte
Justinian den Langobarden eingeräumt, Südgallien war mit seiner Ein-
willigung den Franken anheimgefallen. Es gelang dem Kaiser bei Gelegen-
heit eines westgothischen Thronstreites von Afrika aus auch noch in Spanien
wieder Fuß zu fasfeen {554 n.Chr.); doch beschränkte sich der tatsächliche
Besitz auf einige Plätze und Landschaften des südlichen Spaniens, wie
Corduba, Neukarthago und Malaca nebst den Balearen. Den Westen in
weiterem Umfang wieder zu erobern, dazu reichte die Macht Ostroms nicht
aus. Schon die Unterwerfung Italiens und Afrikas hatte gewaltige An-
strengungen gekostet und schwer lastete der Steuerdruck auf den Unter-
tanen. Die unangenehmen Folgen seiner nach Westen gerichteten Ex-
pansionspolitik hatte Justinian selbst zu verspüren und mehr noch seine
Nachfolger. Die Donaugrenze konnte nicht genügend geschützt "werden.
Mehrmals, z.B. ." iO und 559 n.Chr., drangen plündernde Horden, Bulgaren
lind Slawen, tief in die Balkanhalbinsel ein. Die Avaren, die sich damals
nördlich von der Donau ansiedelten, nahm der Kaiser gegen Jahrgelder
in seinen Dienst.
In der zweiten Hälfte seiner Regierung war Justinian mit kirchlichen
Angelegenheiten beschäftigt. Ein Vorläufer des Caesaropapismus, wünschte
der autokratische Kaiser die Kirche nicht weniger zu beherrschen wie den
Staat, und seine Gesetzgebung befaßt sich auch mit kirchlichen Angelegen-
heiten. Sein Bestreben war darauf gerichtet, die Einheit der Lehre nicht
nur im Osten, sondern auch im Westen herzustellen und namentlich die
im Orient zahlreichen Monophysiten'^) mit den Orthodoxen durch eine Ver-
mittlungsformel auszusöhnen, die er denn auch auf einem Konzil zu Kon-
stantinopel zur Annahme brachte (553 n. Chr.). Auch der Bischof von Rom,
der durch den Untergang des gothischen Königtums unter die kaiserliche
Botmäßigkeit geraten war, mußte sich fügen. Aber seinen Zweck sollte
Justinian nicht erreichen; im Westen erhob sich sogleich lebhafter Wider-
spruch, und auch im Osten entbrannte der Glaubensstreit von neuem und
führte unter den Nachfolgern zu Unruhen, die den inneren Frieden des
Reiches untergruben.
Am 14. November 565 n. Chr. starb Justinian; schon sein Nachfolger
Justinus II konnte die Erwerbungen des Vorgängers nicht behaupten: Italien
ging zum großen Teil an die Langobarden verloren, die, einst mit Narses
gegen die Gothen verbündet, jetzt ihre Wohnsitze in Pannonien verließen,
in Italien einw\anderten (568 n. Chr.). In wenigen Jahren okkupierten sie
Oberitalien und ganze Striche Mittelitaliens und beschränkten die kaiser-
liche Herrschaft auf Unteritalien, auf Ravenna und auf Rom und seine Um-
') Ein Zeugnis der Verwaltung des Narses 2) -pj^podora begünstigte offen die Mono-
iii Italien ist die Inschrift an der neuen physiten.
Aniobrücke bei Kom. ILS I nr. 832.
Handbuch der klass. Altertumswissenschaft. 111,5. 5. Aufl. 2o
^34 Römische Geschichte.
gebung. Diese ungebetenen Gäste ließen sicli nicht wieder vertreiben; sie
unterbrachen dauernd die Verbindung zwischen Ostrom und dem ferneren
Westen. Dadurch daß bald darauf (seit 581 n. Chr.) die Bulgaren und Slawen
sich südlich von der Donau seßhaft machten und namentlich der ganze
Nordwesten der Balkanhalbinsel, das illyrischc Dreieck, den heidnischen
Slawen zur Beute fiel, verloren die beiden Hauptteile der damaligen christ-
lichen und zugleich zivilisierten Welt, der lateinische Westen und der grie-
chische Osten, ihren unmittelbaren Zusammenhang; mit Justinian beginnt
die endgültige Hellenisierung Konstantinopel.s; die lateinische Sprache ver-
schwindet aus dem amtlichen Gebrauch.
In den euroi^äischen Provinzen Westroms waren überall die Germanen
eingedrungen und zur Herrschaft gelangt. Dieses Ergebnis hatte sich schon
lange vorbereitet. Namentlich seit Konstantin d. Gr. waren in wachsender
Zahl Germanen und andere Fremde in den römischen Staats- und Heeres-
dienst eingetreten; so konnte sich das barbarische Element ganz allmählich
der römischen Kultur assimilieren und römische Staats- und Rechtsbegriffe
erlernen. Vor allem die Gothen hatten durch die Berührung mit dem römi-
schen Reich schon ein beträchtliches Maß von Zivilisation empfangen. Sie
eigneten sich die griechische Schrift an; die Bibelübersetzung des Vulfila
schenkte ihnen eine Schriftsprache. Die griechisch-römische Bildung der Zeit
haben sich viele Gothen er^yorben. Unter diesen Umständen bedeutete
der Übergang der Herrschaft auf die gelehrigen und anpassimgsfähigen Ger-
manen keineswegs eine gänzliche Zerstörung der antiken Kultur und wenig-
stens keinen jähen Bruch mit der Vergangenheit. Die organische Entwick-
lung neuer Gebilde aus dem Alten wurde durch das Christentum erleichtert^
dem die fremden Völker mit ihrer Aufnahme ins römische Reich sich hingaben.
Allerdings schlössen sie sich zumeist dem verketzerten Arianertum an, so
die Gothen und Vandalen; aber durch die Preisgabe ihres Heidentums hatten
sie sich auf religiösem Gebiet trotz abweichendem Bekenntnis den Römern
genähert; es ist bezeichnend, daß bei den Plünderungen Roms unter Alaricli
und Geiserich die Barbaren Kirchen und Priester schonten.
Die innere Einheit des römischen Reichs, das Bewußtsein der Zusammen-
gehörigkeit ging nicht restlos verloren, nachdem das staatliche Band zer-
schnitten war. Noch immer wirkte das Kaisertum, dessen oströmischer In-
haber über Teile Italiens herrschte, als Idee von unverwüstlicher Lebenskraft.
Das Gefühl einer ideellen Einheit des Imperiums wurde durch die recht-
liche und kirchliclie Gemeinschaft verstärkt. Der römische Papst, als der
ersle der Bischöfe anerkannt, trat in mancher Hinsicht das Erbe des west-
römischen Kaisers an; selbst mit entlegenen, dem Reich längst entfremdeten
Bezirken, wie Britannien, hielt die geistliche Macht in Rom die Verbindung
aufrecht. Das Einheitsbewußtsein überdauerte den Ausgang des Altertums ')
und manifestierte sich in der Erneuerung des weströmischen Kaisertums
durch Karl d. Gr.
Literatur: L. M. Hartmann, Gesch. Italiens im Mittelalter, 1. Bd., Das italienische
Königreich, Leipzig 1897. — Mänso, Gesch. des ostgoth. Reiches in Italien, Breslau
*) Die Grenzen zwischen Altertum und Mittelalter sind fließend. Vgl. A. v. Gut-
soHMiD, Kl. Sehr, y 393 tf.
8. Sechste Periode : Die Kaiserzeit b. z. Ende d. ostgoth. Herrschaft in Italien. i§ öö.) J.35
1824. — Gregorovius, Gesch. der Stadt Rom im Mittelalter, 1. Bd. 4. Aufl., Stuttgart
1886. — MoMMSEN, Ostgoth. Studien, Ges. Sehr. VI o(J2 ff. — Cassiodori Senatorts Variae
rec. Th. MoMMSEN {Monum. Gerntaniae hisfor. aiict. antiquissiui! XU), Berlin 1894. — Hertz-
berg, Gesch. Griechenlands seit dem Absterben des antiken Lebens bis zur Gegen-
wart, Gotha 1876 — 1878. 3 Bde. — Charles Diehl, Justinien et la civilisation hyzantine
au 6. siech', Paris 1901. — W. G. Holmes, The äffe of Justinian and Theodora, 2 Bde.,
London 1905 u. 1907. — J. Sundwall, Abhandl. zur Gesch. des ausgehenden Römer-
tums, Helsingfors 1919. — E. Stein, Studien zur Gesch. des byzantinischen Reiches
vornehmlich unter den Kaisern Justinus II und Tiberius Constantinus, Stuttgart
1919. — Dazu die S. 424 angeführten Werke.
Berichtigungen.
S. 58, Z. 2 lies Rh o mos st. Romos.
S. 75, Z. 2 lies Volci st. Vulci.
S. 86, Z. 33 f. lies conscripti st. consripfi.
S. 105, Z. 11 lies Thermae st. Therma.
S. 116, Z. 2 lies Druentia st. Druentias.
S. 150, Z. 7 lies Macra st. Makras.
S. 152, Z. 19 lies Circus Flaminius st. Circus Flamininus.
S. 173, Anm. 3 lies P. Popilius Laenas st. C. Popilius Laenas.
S. 259, Z. 2 von unten lies 14. April st. 15. April.
S. 277, Z. 8 ist das Praenoraen M, bei Cluvius Rufus zu tilgen.
S. 334, Z./In,18 und 21 lies Sarmizegetusa st. Sarmizegethusa.
S. 358, Z. 15 lies Augusta Vindelicum st. Augusta Vindelicorum.
S. 396, Anm. 4 lies Tropaeum Traiani st. Tropaea Traiani.
28*
Alphabetisches Register.
Dioromischen Vornamen sind in der übliclien Weise abgekürzt, also: A. Aulus Ap. — Appins, C. = Gains
Cn. — Gnaeus, I). = Decimus, L. = Lucius, M. = Marcus, M. Manins, P. — Publius, Q. = Quintus, Ser. ;-
Servius, Sex. = Sextus, .Sp. - Spurius, Ti. = Tiberins, T. = Titus. Sonst sind folgende Abkürzungen verwendet:
COS. — Konsul. Fl. = Fluß. G. Gatte, Gattin. Hist. = Historiker. Kol. = Kolonie. Fr. = Prütor. Pjov. =
Provinz. «. = Sohn. St. = Stadt. Si-hl. ^ Scblaclit. T. - Tochter.
(Die Ziffern bezeichnen die Zahl der Seiten und Anmerkungen.)
A.
Abdera 144.
Abella, Kolonie von Kyme
212.
Ablabius, Hist. 383.
Aboriginer 35.
Abrittus in Mösien 872.
Abrupolis. Thraker 143.
Abydos 131. 134.
Accius, Dichter 15().
Acerrae in Kampanien 57.
193.
— in Oberitalien 111.
Achäer in Italien 21.
— in Hellas, achäischer
Bund 8<S. 109 f. 113. 126.
131 ff.; verbündet 135.
137. 140. 142 f. 146; unter-
worfen 165 ff.; Festge-
nieinschaft 362.
Achämeuiden 197. 300.
Achaia, Prov. 167'. 267.
329. 338. 361. 373 f.; vgl.
Griechenland.
Achillas 249.
Achilleus, Gegenkaiser 388.
Achradina in Syrakus 121.
M'. Acilius Glabrio. cos.
191 V. Chr. 136 f.
— cos. 67 V. Chr. 220.
Ackergesetze, licinisch-
sextisches 64*, 171: grac-
chische 172 f. 175. 177;
spätere 189. 190 f. 226.
228 f. 258.
Acta se>wius popuh'qxe R. 14.
157 f. 229.
Actium, Schi. 274 f.
Adamklissi,Monument3312,
3334 3964_
Addua, Fl. 111: Schi. 426.
Adel 153 f.; s. Nobilität,
Patrizier.
Adherbal, Karthager 106.
— Numider 181.
Adiabene 335. 348.
Adminius, Britte 312.
Adria. St. s. Atria.
Adrianopel 396 f. ; Schi. 406 ;
vlg. Uscudama.
Aduatuker 234.
Aedilen, plebeische 59; ku-
rulische64; vermehrt 253 :
in der Kaiserzeit 288. 354.
! Aeduer 180 f. 232 ff. 240 f.
I 313. 318. 356.
Aegatische Inseln, Schi. 107.
Aegidius in Gallien 422. 425.
Aegina 126.
Aegypten 126. 130. 134. 140.
! l4l. 144. 147 f. 195 f. 207.
j 230 f. 236. 248 ff". 263 ff.
272 f.; unter den Eümern
275. 290. 301 f. 308". 325 f.
336ff.341.344. 348 f. 363 ff.
375. 377; Aufstand 379.388.
Aelia Capitolina = Jerusa-
lem 337.
Aelianus, Gegenkaiser 386.
L. Aelius Aurelius Com-
modus 339*; s. L. Aure-
lius Verus.
M. Aelius Aurelius Verus
Caesar 339='; s. M. Aure-
lius Antoninus.
L. Aelius Caesar = L. Ce-
ionius Commodus 338.
Aelius Catus 293'.
Aelius Gallus 302.
P. Aelius Hadrianus, Kaiser
336 ff. ; s. Hadrianus.
T. Aelius Hadrianus An-
toninus Pius 338; s. An-
toninus Pius.
Aelius Lampridius. Bio-
graph 280».
L. Aelius Seianus 309 f.
P. Aelius Severianus Maxi-
mus 340.
Aelius Spartianus, Biogr.
280^.
Q. Aelius Tubero, Hist. 16.
L. Aelius Verus = L. Au-
relius Verus 339.
Aemilianus (Asellius Aemi-
lianus), Heerführer Nigers
344.
— Kaiser 372 f.
Aemilische Brücke 152';
Straße 179.
L. Aemilius, cos. 366 v. Chr.
97.
M. Aemilius Aemilianus,
Kaiser 372 f.
Q. Aemilius Laetus 348.
M. Aemilius Lepidus, cos.
187 V. Chr. 149.
— cos. 137 V. Chr. 160 f.
M. Aemilius Lepidus, cos. 78
V. Chr. 208.
— Caesarianer 257; Trium-
vir 259 ff. 269 f. ; abgesetzt
270.
— S. des vor. 304'.
-- unter Kaiser Gaius 312.
Paullus Aemilius Lepidus
288'.
Aemilius Papinianus, Jurist
346.
L.Aemilius(Papus) 111.153^
— (Paullus) COS. 216 v. Chr.
114. 118.
— COS. 168 V. Chr. 144 ff.
150 f. 156.
— unter Augustus 304.
— (Regillus). Pr. 190 v.Chr.
137.
M, Aemilius Scaurus cos. 115
V. Chr. 179. 181.
— Legat des Pompeius 222,
Aeneas 29.
Aequer. Volk 27 : Kriege mit
Rom47ff. 53; vernichtet71.
Aera, kapitolinische 85*. 91 ;
des Pompeius 223'; Dio-
kletians 388.
Aerarium288; aerarium mi-
liare 289. 297^
Aerartribunen s. Tribunen.
aes rtide 46.
Aesculapius, in Rom 90; vgl.
Asklepios.
Aesernia 71; Kol. 82. 193 f.
Aethiopen, südlich von Ae-
gypten 302. 323. 365.
Aetius (Flavius Aätius)
416 f. 419 f.; endet 420.
Aetoler (Aetolischer Bund)
88. 109 f. 114: Verbündete
126. 1.32 ff. 134; Krieg mit
Rom 135 ff'. : unterworfen
139. 142 f. 145. 199.
L. Afranius 245. 249. 252.
Afranius Burrus 315 f.
Afrika 104. 125. 127 f.; rö-
mische Provinz 164. 200.
205. 246. 251 f. 261. 263 f.
266. 302. .323 f. 326. 3.32. 334.
337. 365. 369. 375. 387 f.
395 f. 405. 412. 415; wird
vandalisch 416 ff. : kaiser-
lich 430.
Alphabetisches Register.
437
Afrika, Diözese 388«.
Africa nova 252. 263. 266.
3022.
Africanus, Beiname 129: s.
Cornelius.
Agathias, Hist. 382.
Agathokles von Syrakus in
Italien 76 ff. 88.
ager Gallicus 74. 86«. 110. 151.
■ 153.
aqerpHblicus{Ge\ü.eh\dQ\2ind)
'86. 171flf. 226.
agri decumates (Dekumaten-
land) 328. 358.
Agricola s. Julius.
Agrippa s. Vipsanius.
Agrippa (Herodes Agrippa),
Vater und Sohn 323.
M. Agrippa Postumus 303.
305.
Agrippina die ältere 304 f.
809. 311.
— Julia Agrippina 277. 314 f.
Agron, Illyrier 109.
Agylla (= Caere) 23. 41: s.
Caere.
Aidemon, Maure 323.
Ainos, St. 131. 141.
Aisepos, Fl. 218.
Akademie in Athen auf-
gelöst 430.
Akarnanen, Akarnanien
136. 145. 167.
Akragas(Agrigentum)21.79,
karthagisch 101 ; römisch
103. 105. 120 f.; Kolonie
152. 170.
Akrokeraunien 247.
Aktia, Spiele 275.
Aktion s. Actium.
Ala in der Eeiterei 289.
Alalia (Aleria) 24.
Alamannen347.371; Einfälle
ins Reich 373 f. 376. 379.
386. 387. 394. 401 f. 405.
406 ff. 425. 427; fränkisch
427. 432.
Alanen 338. 406. 413; in
Spanien 413. 415 ; inAfrika
417.
Alarich I 411 f. 413 ff.
— II 427.
Alatheus, Gothe 407.
Alba Fucens, St. 71 f. 146.
Alba Longa 28. 31. 35. 38. 43;
albanische Familien 43;
Könige 29. 97.
Albaner im Kaukasos 222.
268.
Alesia 241.
Alexander Severus s. Seve-
rus Alexander.
Alexandreia in Aegypten 88.
147. 231. 236. 248 f. 256.
271 ff. 274 f. 341.348. 364;
aufständisch 377. 388:
alexandrin. Krieg 248 f.
Alexandreia in Troas 134.
Alexandros der Große 256^
272. 347. 404; Verhältnis
zu Rom 89.
— der Molosser 68'. 75. 77.
89.
— S. des Pyrrhos 77. 80^.
88-
— Balas 147. 195.
— Zabinas 195.
— .Jannaios 222.
— Jude, S. des Aristobulos
236.
— S. des Antonius 272*.
— Polyhistor 29^ 972.
Alexianus = Severus Ale-
xander 349.
Alimentationen 333. 339.
Aliso 296. 307.
Alkibiades 338-.
Allectus, Gegenkaisev 387.
Allia, Fl., Seh. bV.
A. Allienus 262.
Allobroger 115. 180. 227. 232.
Alpen, Uebergang des Han-
nibal 115 f. : des Pompeius
2091.
Alpenvölker 149. 179. 187.
234. 271. 292 f.
Alphabet, latein. 39. 313».
Altertümer (Antiquitäten)
10.
Amalafrida, Gothin 427 f.
Amalarich, Westgothe 428 f.
Amalasuntha 429. 431.
Amaler, Gothen 425.
Amandus, Gegenkaiser 386.
Amanos, Gebirge 237. 268.
Amaseia, St. 219. 276.
Amastris, St. 197. 219.
Ambarvalien 37.
Ambianen 234. 356.
Ambiorix 238.
Ambrakia 139.
Ambrouen 184. 186.
Ambrosius, Bischof 384.405.
408.
Amiens 356'.
Amisos 218. 222. 250.
Ammianus Marcellinus 280.
380 f.
Amphiktionie , delphische
142 337 ^ 361.
Amphipolis 145. 264.
Amphissa 137.
Amphitheater, flavisches
329.
Amtsakten 13 f.
Amynandros , Athamane
131 f. 136. 139.
Amyntas, Galater 271 f. 300.
362.
Anagnia 27. 71. 78.
Anaitis, Gottheit 3.50^.
Anarchie in Rom 64; fünf-
jährige 93.
Anaren, Gallier 111.
Anartier, Kelten 294'.
Anastasios, Kaiser 426 f. 430.
Ancona 24. 50. 244.
Andriskos (Pseudophilip-
pos) 165.
Aneroestos 111.
Angeln in Britannien 417.
Angrivarier 307.
L. Anicius. Pr. 168 v. Chr.
145 f. 156'.
Aniensis, Tribus 72.
Aniketos, Empörer 326'.
3286.
Anio, Brücke 433'.
Ankyra, St. 276.
Annaeus Lucanus, Dichter
317.
L. Annaeus Seneca315f. 317.
Annalen in Roml2 f. ; annales
uiaximi 13.
— des Cn. Flavius 85^
Annibalianus.Caesar s.Han-
nibaliauus.
M. Annius, Quästor in Make-
donien 179^
M. Annius Florianus. Kaiser
378 f.
T. Annius Milo 231.239.251.
M. Annius Verus(M.Aurelius
Antoninus imp.) 338 f.
£. Annius Vinicianus 312 f.
Anonymus Cuspiniani 382:
Valesianiis 382.
Ansiedlung von Barbaren
350.376. 379.386.388.390.
397.402. 407.415. 420 f.: in
Italien 423 f. 426.
Antemnae, St. 31. 38.
Anthemius, Präfekt 412.
— Kaiser 422 ff.
Anticato Caesars 254^.
Antigonos Gonatas 80. 88.
— Doson 109. 113f.
— jüdischer Fürst 268.
Antikyra, St. 126.
Antinoopolis, St. 364.
Antiocheia am Orontes 222.
237. 250. 262. 268. 270. .309:
Erdbeben 335. 336. 347.
349. 363. 402 : von den Per-
sern erobert 373: Aufstand
408 -.
— Margiane 236^.
Antiochos von Syrakus,
Hist. 19. 303. 673.
^ I König von Syrien 77.
— III 130. 132. 134; Krieg
mit Rom 134 ff. 141.
— IV Epiphanes 144. 147 f.
— V Eupator 147.
— VI 195.
438
Alphabetisches Register.
Antiochos VII Sidetes 195.
— VIII Grvpos 195.
— IX Kyzikenos 195. 217.
219^
— X Eusebes 219 ^
— XIII Asiatikos 219. 222.
— = Eunus im Sklaven-
kriog auf Sizilien 170.
— I von Koiiimagene 268.
— III von Komniagone 321.
Antipatros, Idumiior 268.
Antiquarische Studien in
Rom 286.
Antiquitäten 10.
C. Antistius 299.
Antium, St. 38. 47; Seeraub
55. 89 ' ; unterworfen 56,
353^
Autonia, die Aeltere 310.
Antonia,. die Jüngere 314'.
Antoninus Pius (T. Aelius
AureliusAntoninus)338f.
357 f. 361.
C. Antonius cos. 63 v. Chr.
225. 227. 230'.
— Bruder des Triumvirn
M. Antonius 247. 249. 258.
Julius Antonius, S. des
Triumvirn 304.
L. Antonius 258. 265.
M. Antonius, Redner 188.
201.
— Pr. 74 V. Chr. 217. 220.
— der Triumvir 244. 247.
255. 257 ff. 259 ff. 262 f.
265 flf. 299 f. .363 =*: seine
Gesetze 258; Ende 274 f.
M. Antonius Gordianus I,
II, III 369 ff.
Antonius Primus 326. 329.
L. Antonius Satui*ninus, Le-
gat in Germanien 331 f.
Antyllos, S. des Triumvirn
M. Antonius 275.
Anulinus, Senator 385 3.
Anxur (Tarracina) 48.
Aoos, Fl. 132.
Apameia amOrontes254.262.
Ai>er, Praefectus praet. 380.
Aphrodite, Göttin 29.
Apokolokyntosis Senecas
3143.
Apollodoros von Damaskos
3352.
Apollon in Delphi 90 ^
Apollonia in Illvrien 88-.
109. 126. 165. 247. 258.
— in Thrake 215. 359.
Appia aqua 85.
Appisehe Straße [Appia via)
85. 152. 239.
Appianos, Hist. 100. 109'.
158. 279. 340.
L. Appius Maximus s. Lap-
pius Maximus.
L. Appuleius Saturninus
188 f. 262 2.
Apuaner, Ligurer 150.
Apuler. Apulien 22. 70. 75.
78. 118. 129. 193f. 211.
Apulum, St. 359.
aqua Appia 85.
Aquae Anreliae (Baden) 358.
Aquae Mattiacae 358.
Aquae Sextiae 180. 186; Kok
Aquae Statieilae 150*.
286. 355.
Aquileia 149.179.401. 408 f.;
von Attila erobert 420.
M'. Aquillius cos. 129 v. Chr.
168.
— COS. 101 V. Chr. 187. 198.
216 5.
Aquincum 359.
Ac[uitaner, Aquitanien 232.
235. 267. 294. 299 ; gothisch
415; fränkisch 428.
a>-a ma.rima in Rom 30. 43.
ara liomae et August i 295. 356.
Araber, Arabien 236. 362;
nabatäisches222. 334. 362 ;
Prov. 334. 362 f.; glück-
liches 301.
Arabio, Numider 263.
Arados 268.
Arae Flaviae 358.
Arar, FL 233. 356.
Arausio, Schi. 184 f.; Kol.
253.
Araxes, Fl. 271.
Arbela, St. 348.
Arbogastes 408 f.
Arcadius(FlaviusArcadius),
Kaiser 411 f. 414.
Archelaos, Mithridats Feld-
herr 199. 201 ff.
— in Aegypten 236.
— König von Kappadokien
272. 300. 321 f. 362.
— in Judäa 300. 323.
Archidamos, Spartaner 55".
75.
Archimedes 120f.
Ardaschir (Artaxerxes) 350.
Ardea 38; Kol. 48. 113 2.
Areios, Priester 399; Ari-
aner, Arianismus 399. 401.
406. 407. 418. 427. 429if.
Arelate 253. 355. 415. 421.
425. 428.
Aremoriker. Aremorica 232.
234. 413. 418. 425.
Aretas, Araber 222.
Arevaker in Spanien 159 f.
187.
Argeerkapellen in Rom 36.
Argentaria, Schi. 406.
Argenteus, FI. 260.
Argentorate (Straßburg)
328. 358.
Arges im Peloponnes 133 1.
166. .375.
Argyrippa (Arpi), St. 76 '.
Ariadne, T. des Kaisers Leo
423.
Arianer s. Areios.
Ariarathes IV König von
Kappadokien 138f. 141.
; — V147. 168.
— VI, VII, VIII 198.
Aricia, St. 38.
Ariminum, Kol.82. 111. 117.
149. 244. 286. 417.
AriobarzanesI, Kappadoker
198. 203. 216. 223.
— III 263.
— von Armenien 301.
Ariovistus 231 f. 234.
Aristeides, Redner 340. 348 K
Arlstion 201.
Aristobulos. jüdischer Fürst
222. 236. 268.
— Praefectus praet. 385^.
Aristodemos Malakos. Ty-
rann 32. 471.
Aristonikos. Prätendentl68.
197.
Aristoteles 29. 51.
j Armenien 141. 196. 218.
223. 268. 270ff. 275. 301.
1 .307. 321 f. 335. 339 f. 345.
347 f. 350. 363. 373. 380.
386. 388. 400 f. 404. 406;
Kleinarmenien 198. 221.
224. 250. 300. 362.
Arminius 298. 319 *: Ende
308.
Arnensis, Tribus 53.
Arpi (Argyrippa) 76*. 119.
Arpinum 71. 152 '. 225.
Arretium 24'. 70*. 74. 1292.
I 244.
I Arria. G. des Caecina Paetus
3133.
Arrianos s. Flavius Arri-
anus.
j Arsakes, Parther 321.
Arsakiden. parthisches Kö-
nigshaus 275. .300 336.350.
Arsanias, Fl. 219. 322.
Arsinoe, T. des Ptolemaios
Auletes 248.
Artabanos III 321.
— V 347. 3.50.
Artagira, St. 301.
Artavasdes, Armenier 236 f.
271 f. 301.
— Atropatener 271 2.
Artaxata 141». 219. 322.
Artaxes (Artaxias) 141'. 271.
301.
— früher Zenon 321.
Artokes, Iberer 222.
Arulenus Rusticus 332.
Arusini canipi 80*.
Alphabetisches Register.
439
Arvalen (fratresarralesj 286.
Arverner, Gallier 180. 232.
240 f.
As (von Kupfer) 90.
Asandros, Bosporaner 250.
Asclepiodotus, Präfekt 387.
Q. Asconius Pedianus 157.
Asculum in Picenum 81.
174. 192. 193.
Asdingen, Vandalen 416 *.
Asellius Aemilianus, Feld-
herr des Niger 344.
Asien, Prov. 167 ff. 176. 197.
198 f. 203. 214. 217 f. 219.
248. 262 f. 266. 272. 275
282. 362: Diözese 388«.
C. Asinius PoIIio, Hist. 157.
2312. 246. 257. 259. 261.
265 f. 271. 304.
C Asinius Quadratus, Hist.
280.
Asklepios (Aeseulapius) in
Rom 90 : in Karthago 164 ;
in Pergamon 203.
Aspar (Flavius Ardabur
Aspar) Gothe 421. 425 s.
Aspis {= Clupea) in Afrika
104.
Assyrien, Prov. 335.
Astapa, St. 125.
Asturer 299.
L.Asyllios (Suillius?) 214^.
Atella, St.l24; Atellanen 90^
Athalarich, Ostgothe 429.
431.
Athamanen 132. 139.
Athanarieh, Gothe 406.
Athanasios, Bischof 384. 399.
401. 404: Athanasianer
405. 407.
Athaulf, Gothe 415.
Athen, Athener, Attika,
Beziehungen zu Etrurien
23; zu Rom 40. 88. 110.
131. 136. 137. 139. 145 f.
165.167.170.199.203: von
Sulla erobert 201. 224 2.
262. 264. 267 f. 316 5. 337.
342. 361: von den Heru-
lern erobert 375; von den
Gothen 376; von Alarich
412; verliert die Aka-
demie 430.
Athenion, Sklavenführer
auf Sizilien 187.
Athenodoi'os, Pirat 220^.
— Palmyi-ener (Vaballath)
377.
Atia, Mutter des Augustus
258.
C. Atilius (cos. 225 v. Chr.)
111.
M. Atilius (Regulus) 104. 105^
Atintanen 110.
Atlas, Gebirge 324. 338.
Atrebaten 241.
Atria, St. 23.
Atropatene (Medien) 270.
301.
Attaleia, St 215.
Attalos I, Pergamener 126.
131. 134.
— II 146. 165f. 167.
— III 167 f.
Attalus (Priscus Attalus),
Kaiser 414 f.
Attika,Sklavenaufstandl70;
s. Athen.
Atticus s. T. Pomponius
Atticus.
Attila 419 f.
P. Attius Yarus 246. 255.
Audefleda, T.Chlodwigs 427.
Aufidius Bassus, Hist. 277.
Augsburg 320. 358.
Äugst (bei Basel) 356 2.
Augures 46. 84. 188.
Augusta, Name der Livia
305. 309.
Augiista Asturica 299^.
Augtcsta Emerita 286.
Augiista Praeton'a 292.
ÄugutiUi Emiracorum 356 2.
Äiigusta Taurinorum 286.
Augusta YhideJiciwi 320. 358.
Augustalen 304.
Augustinus, Bischof von
Hippo 384.
Augustodunum 318. 355 °.
' 377^.
! Augustus s. C. Julius Caesar
' Octavianus.
j Q. Aulius 70.
Aurelianus (L. DomitiusAu-
relianus), Kaiser 376 ff.
C. Aurelius (cos. 252 v. Chr.)
1061.
M. Aurelius Antoninus (=^
I M. Annius Verus), Kaiser
338 ff. 353. 353 ^ 358. 361 f.
j .390. 392.
M. Aurelius Antoninus (Ca-
racalla) 346 ff.
M. Aurelius Antoninus (Ela-
gabalus) 349.
T. Aurelius Antoninus Pius
338 f.
M. Aurelius Carus, Kaiser
379 f.
M. Aurelius Claudius (Go-
thicus) Kaiser 376.
M. Aurelius Commodus
Antoninus, Kaiser 342f.;
s. Commodus.
L. Aurelius Cotta, Pr. 212.
M. Aurelius Cotta (cos. 74
V. Chr.) 217 ff.
M. Aurelius Julianus (Sa-
binus Julianus), Gegen-
kaiser 380.
Aurelius Litua in Afrika
388'.
M. Aurelius Marius, Gegen-
kaiser 377.
M. Aurelius Maxentius, Kai-
ser 393 ff.
L. Aurelius Orestes 179.
M. Aurelius Probus, Kaiser
379.
M. Aurelius Severus Ale-
xander, Kaiser 349 ff. ; s.
Severus Alexander.
M. Aurelius Yalerius Ma-
ximianus, Kaiser 386 ff.
L. Aurelius Verus (L. Aelius
Aurelius Commodus) Kai-
ser 399 ff.
Aurelius Victor, Hist. 17.
280. 382.
Aureolus, Gegenkaiser 374 f.
876.
anrnm Tolosanuni 184.
Aurunci (Ausoner) 21. 26:
unterworfen 55f. 57.
L. Aurunculeius Cotta 238.
Ausculum in Apulien 78.
Ausoner s. Aurunci.
Austurianer in Afrika 405.
Autaritos, Gallier 108.
P. Autronius Paetus 225.
Auxilien 289.
Avaren 433.
Avaricum 241.
Aventinus, Berg 35. 60. 86*.
177.
Avidius Cassius, Gegenkai-
ser 340 ff.
C. Avidius Nigrinus 336».
Avignon, St. 428.
Avitus (Eparchius Avitus),
Kaiser 421. 425.
Axona (Aisne), Fl. 234.
B.
Babares in Afrika 373'*.
Babekan, Beiname des Ar-
daschir 350*.
Babylonien 335.
Baden-Baden 333. 358.
Badenweiler 358.
Baduila = Totila 432'.
M. Baebius 150.
Baecula, Schi. 124.
Bagauden (Bakauden) in
Gallien 386. 4173.
Bagradas, Fl. 246.
Bajae 338.
Balbinus, Kaiser 370; s.Cae-
lius.
Balearen 101. 125: römisch
179. 254. 433.
Ballista. Präfekt 375.
Bantia, St. 189'.
Barea Soranus 317.
Barenau 298^.
440
Alphabetisches Register.
Barkochba (Simon) 337.
Barygaza, St. 365.
Basilica Porcia 152.
Basiliskos, Feldherr 422;
Gegenkaiser 423. 425'.
Bassianus, Name des Cara-
calla 346.
— Name des Severus Ale-
xander .349.
— Caesar 396.
Bastarner 142. 144. 198. 214.
217. 230>. 271. 29.3. 294';
angesiedelt 379.
Bataver 295. 298; Aufstand
326 f.
Bathinus, Fl. 298.
Bathzabbai (Zenobia) 377.
Baton, Illyrier 297.
Bauernaufstände, s. Bagau-
den.
Beamtenverzeichnisse 12 f.
Beaüfort 2.
Beda, Hist. 383.
Bedriaeum, Schi. 325.
Beetgum in Friesland 357 8.
Beigen 2,32. 234. 238.
Belgica 294. 356 \
Belgrad (Singidunum) 359.
425.
Belisarios 430 fif.
Beller, Keltiberer 159,
Bellovaker, Gallier 241.
Beneventum, Schl.80<; Kol.
82. 150. 286.
Berenike, Königin von Ae-
gypten 236.
St. Bernhard, kleiner, Paß
115 f.
Bernstein 360.
Beroia in Makedonien 246.
Berytos, Kol. 286.
Besan(?on (Vesontio) 356'.
Besser, Thraker 215,
Beuel bei Bonn 351 ^
Bibracte, St. 233. 241. 355^
Bibliothek in Eom 254, 287 ;
in Alexandrien verbrannt
249.
Bingen 327.
Bischöfe 393. 398; Bischof
von Rom (Papst) 419, 433.
434.
Bithynien 197 f. 203. 217 f.;
Prov, 221. 223. 250. 271.
272. 335. 362. 375. 377.
Bituitus, Arveruer 180.
Biturigen 241.
Bleda, Hunne 419.
Blemyer 379. 388.
Blossius von Kyme 172.
Bocchus, Mauretanier 182.
— desgleichen 251. 274.
BOCHAKT, Säm, 2.
Bodensee 293.
Bodotria 331. 338.
Böoter (Böotien)" 1,33. 136.
142 f. 166. 203.
Bo<ithius 426. 429.
Bogud, Mauretanier 251.274.
Bojor in Italien .50. 74. IIOIF.
115.149f.;inBöhmenl49'.
183. 215^ 2.33. 297: in
Gallien 234.
Boiorix 186.
Bola, St. 53.
Bonifatius, Feldherr 416 f,
Bonna, St. 357.
Bononia (Felsina) 23: Kol.
149. 261. 286.
— in Gallien (Boulogne) 386.
Bonosus, Gegenkaiser 379.
Boranen 375.
Borbetomagus (Worms) 358.
Bogeiyoroi (Aboriginer) 35'.
BOEGHESI 6.
Bosporos (kimmerischer),
Bosporaner 198. 216. 219.
222 f. 223. 2,50 f. 300. 320 f.
359.
Bostra 334.
Boudicca 318 f.
Boulogne 237''. 386.
Bracara Augusta 299^.
Brandenburg. Prov. 360.
Brenner, Paß 293.
Brennus, Gallier 51'.
Brettier (Bruttier, Brittier)
26. 75 f.: Verhältnis zu
Rom 77. 81. 110\ 119. 129.
194; bei Alexander d. Gr.
89.
Breuker in Pannonien 297.
BriganteninBritannien318,
330.
Brigetio. St. 405. '
Britannien. Briten 234. 237 f.
294. 299. 312; römische
Prov. 318 f. 325.326. 330 f.
337. 338. 340. 342 f. 346 f.
356. 374. 379. 395. 401. 405.
407; vom Reich gelöst
413. 417 f. 425. 434; britan-
nische Kaiser 386 f.
Britanniens, S. des Claudius
314 f.; s.Ti. Claudius Brit.
Brixellum 325.
Brixen 4.33.
Brukterer 306. 327. 3285.
Brundisium 130. 152. 155.
204. 228. 245. 247. 259.
266. 269.
Bruttier s. Brettier.
Bruttius Sura 199.
Bückeburg 307'.
Bürgerrecht. Bürgerschaft,
erweitert 85. 151 f. 194 f.
213. 289. 328. 347. ,366 f.
Bukolen in Aegvpten 341.
Bulgaren 428. 433 f.
Bundesgenossen, italische
82 f. 110. 118 fr. 129. 174.
189. 190 f; Bunde.sgenos-
senkrieg in Italien 191 ff. ;
in Hellas 114. 121.
Burgunder (^Burgundionen)
379. 386. 405 413: in Gal-
lien 415 417. 420 f. 425;
fränkisch 427. 429.
Busta Gallorum. Ort, Schi.
432.
Butzbach ,357^.
Buxentum (Pyxus), Kol.1.30.
Bvrebista.s, Gete 215. 23.3.
'246. 255. 293.
Bvrsa in Karthago 163.
Bvzanz 88. 202. '218; ein-
■verleibt329: erobert 344.
375^ 378. 397; wird Kon-
stant! nopel 399 f.
C.
'S. auch unter K)
Cadurker, Gallier 241.
Caecilianus, Bischof 398«.
Q. Caecilius Bassus 254. 262.
C. Caecilius Metellus, cos.
113 V. Chr. 187.
L. Caecilius (Metellus), cos.
251 V. Chr. 105.
L. Caecilius Metellus, cos.
142 V. Chr. 159«. 196.
— Yolkstribun 245.
M. Caecilius Metellus cos.
115 V. Chr. 179.
Q. Caecilius Metellus Balea-
ricus 179.
Q. Caecilius Metellus Numi-
dicus 182 f. 189.
Q. Caecilius Metellus Creti-
cus 221.
Q. Caecilius Metellus Mace-
donicus 160. 165 f. 167.
Q. Caecilius Metellus Nepos
228.
Q. Caecilius Metellus Pins
201. 204. 208 ff.
Q. Caecilius Metellus Scipio
239 f. 249. 251 f.
A. Caecina 306 f.
A.CaecinaAlienus325f.,330'.
Caecina Paetus 313',
Caelestin. Papst 419.
Caelius, Hügel 33.
M. Caelius Rufus 2.50.
D. Caelius Calvinus Bal-
binus, Kaiser 370.
Caelius Vibenna (Vivenna)
33 f. 40.
Caenina, St. 31. 38.
Caere (Agylla), Caeriten 23.
32. 41; mit Rom befreun-
det 48. 499. 51.74; unter-
worfen 54. 82.
Caesar, kaiserlicher Name
326. '3,52; Mitregent .386 f.
Alphabetisches Register.
441
Caesar s. C. Julius Caesar.
Caesaraugusta, Kol. 286.
Caesarea in Palästina 303^
323.
— in Kappadokien (= Ma-
zaka) 363; von den Per-
sern erobert 373.
L. Caesennius Paetus 322.
Caesetius Flavus 256'.
Calagurris in Spanien 211.
Calatia, St. 71.
Cales, Kol. 57. 130=.
Caligula (Gaius Caesar) 311 f.
Callaicus 160.
Callistus,Freigelassener314.
Calpurnia, Caesars G. 229.
L. Calpurnius Bestia 181.
M. Calpurnius Bibulus 229.
237.
C. Calpurnius Piso, Gegner
Neros 317.
Cn. Calpurnius Piso, Freund
Catilinas 225.
— Gegner des Germanicus
309.
L. Calpurnius Piso, cos. 148
V. Chr. 163.
— cos. 133 V. Chr. 169 f.;
Hist. 16.
— cos. 58 V. Chr. 229.
Q. Calpurnius Piso 161.
L. Calpurnius Piso Licinia-
nus, Caesar 325.
Calvisius Sabinus 268.
Camalodununi s. Camulo-
dunum.
Camars angeblich = Clu-
sium 73^
Camerinuni, Canierter in
Umbrien 73.
Camillus s. Furius.
Camulodunvim, Kol. 318 f,
Candidianus, S. desGalerius
396.
Candidus, Hist. 381.
P. Canidius Crassus 268. 274.
Cannae, Schi. 118. 121.
Cannenefaten , Germanen
326.
Canusium wird römisch 70.
Capelianus 369.
Capitolium s. Kapitol.
Capri, Insel 310.
Capsa in Afrika 106 ^
Capua, samnitisch 25: rö-
misch 57. 70. 78: Abfall
119.122. 129: Kol. 176. 201.
211.
Caracalla (M. Aurelius An-
toninus) , Kaiser 346 ff.
365. 366 f. 371.
Caratacus, Brite 318.
Carausius, Kaiser 386 f.
Carinus, Kaiser 379 f. 389^
T. Carisius 299.
Carnuntum, St. 297. 328.
' 359 f. 394.
Carnuten 2.38'^. 240.
Carrhae. Schi. 237: römisch
340. 348.
C. Carrinas 294.
Carsioli 71 f.
Carteia, Kol. 151.
Carus (M. Aurelius Carus),
Kaiser 379 f.
Sp. Carvilius 73.
Casilinum, St. 119. 122.
Caftsia via 149.
M. Cassianius Latinius Po-
stumus 374. 377.
Cassiodorus (Magnus Aure-
lius Cassiodorus Senato'r),
Hist. 282. 382. 385. 426.
L. Cassius, Tribun 137 v. Chr.
171.
Sp. Cassius 38 f. 63.
Cassius Chaerea 312.
Cassius DioCocceianus.Hist.
18. 100. 1091. 158. 279 f.
3476. 350-.
L. Cassius Hemina, Hist. 16.
C. Cassius . Longinus, der
Caesarmörder 237. 256.
257 f. 260—264.
L. Cassius Longinus, cos.
107 V. Chr. 184.
Q. Cassius Longinus, Caesa-
rianer 244. 251.
Cassivellaunus, Brite 238.
Castinus 415 f. 416'.
Castra Bafara 358.
Ccisfra Vefera 295. 327.
Castrum, Kol. 82^
Castulo, St. 124.
Catilina s. Sergius.
Catullus, Dichter 235^
L. Ceionius Commodus 338.
339 4_
Celtilliis 240.
I Cenabum, St. 240.
Cenomanen (Genomanen),
Gallier 50. 111. 149.
Census (Zensoren) 40. 60 f.
84 f. 153. 178». 207. 286.
288. 313. 329 f.
C. Centenius 117 f.
Centurien des Heeres 65 f.
87; Stimmkörper 45. 65.
153: Centuriatkomitien
45. 84. 177'. 200.
Ceres, Göttin 39.
C. Cestius Gallus 323.
Cevennen 240.
Ceylon 365.
Chaironeia, Schi. 202.
Chalkis auf Euboea 131. 133.
135 f. 143. 202; Chalkidier
in Sizilien und Italien
20 f. 23. 39. 47.
Chalons s.M. (Catalauni) 378.
Chatten 295 f. 298. 306 f. 319 f.
327. 331. 340. 347. 357.
Chauken 298. 306. 319. 37P.
Chersonesos in Thrake 131.
139.
— St. auf der Krim 197.
223. 321. 359.
Cherusker 296. 298. 306 f.
319. 331.
China 365. 406'.
Chios 88. 131. 137. 197.
Chlodwig, König der Fran-
ken 425. 427 f.
Chosroes I 431.
Christen 316. 332. 369. 391 ff. :
Christentum im Staat
398 f. 405. 410. 434; Ver-
folgung unter Decius 372 :
unter Diokletian 391 ff. ;
beendet 394. 397: unter
Julian 403 f.: christliche
Literatur 383f. ; Glaubens-
streitigkeiten und kirch-
liche Händel 407 f. 410.
412. 419. 428. 433.
Chronicon Paschale 281. 383.
Chronograph von 354 n. Chr.
282.
Chronographien 158. 281 f.
Chronologie, römische 9 f.
30. 90 fi-.
Chrvsopolis, Schi. 397.
Cibalae, Schi. 396.
Cicero s. Tullius.
Cidamus in Afrika 365.
C. Cilnius Maecenas 302^;
s. Maecenas.
Cimbern s. Kimbern.
L. Cincius Alimentus, Hist.
151. 97.
Cingetorix, Gallier 238.
Circei (Circeji) 27. 49.
Circumcellionen 398*.
Circus Flaminius 152; Ma-
ximus 31.
Cirta in Numidien 127. 163.
181. 395; Constantina ge-
nannt 395*.
t'ives sine suffragio 51 .82. 1Ö2.
Clason 3.
Classicus, Gallier 327.
classis beim Census 65.
Clastidium, Ort 111.
> Claudianus, Dichter 384.
411'. 413'.
Claudier, Geschlecht {gens
Claudia) 43. 44.
Ap. Claudius, Decemvir60'.
— Zensor 310 v. Chr. 672.
79. 84 f.
— COS. 264 V. Chr. 103.
— Schwiegervater des Ti.
I Gracchus 172.
1 Ti. Claudius Bi*itannicus
I 314 f.
442
Alphabetisches Register.
NeroClaudiusCaesar,Kaiser
293''. 314—317. 320. 321 f.
360. 361 f.
Nero Claudius Drusus, Stief-
sohn des Augustus 293.
295 f. 303.
Ti. Claudius Germanicus,
Kaiser 312—314. 319. 320.
321. 323. 354. 356. 358. 360.
363.
Claudius Gothicus (M. Auro-
lius Claudius) Kai.ser 376.
387».
Claudius Claudianus s. Clau-
dianus.
C. Claudius Marcellus. cos.
50 V. Chr. 243 f.
— cos. 49 V. Chr. 244.
— G. der Octavia 3031
M. Claudius Marcellus, cos.
222v. Chr. 111. 119 ff.: fällt
124.
— cos 152 V. Chr. 159.
— cos. 51 V. Chr. 242*- K
— S. der Octavia 303.
Ti. Claudius Marinus Paca-
tianus, Gegenkaiser 372.
C. Claudius Nero, cos. 207
v.Chr. 124 f.
Ti. Claudius Nero, G. der
Livia 2655. 303.
— S. des vorigen 265^. 277.
2861 293—296. 298 f. 301.
303 f.; Kaiser 304 ff. 317.
319. 320 f. 368.
Ti. Claudius Pompeianus
342.
Ap. Claudius Pulcher, cos.
143 v. Chr. 179.
— cos. 79 V. Chr. 215.
Q. Claudius Quadrigarius,
Hist. 16.
M. Claudius Tacitus. Kaiser
378.
Claudius Uuimaniinus 159^.
Cleander, Präfekt 342.
Clemens von Alexandrien
392.
Clodia, G. Oktavians 266.
303.
P. Clodius, cos. 250 v. Chr.
105 f.
— Demagog 220^. 230 f. 239.
253. 303'.
D. Clodius Albinus 344 f. 356.
T. Clodius Eprius Marcellus
3301.
L. Clodius Macer, Legat in
Afrika 324.
C. Clodius Pulcher. Pr. 73
V. Chr. 211.
M. Clodius Pupienus Maxi-
mus, Kaiser 370.
P. Clodius Thrasea Paetus
317.
Clota (Clyde) in Britannien
331. 338.
Clüver 1.
Clupea (Aspis), St. 104.
Clusium, St. 24>; Rom be-
befreundet 51. 74. 111;
angeblich Camars 73^.
Clusius, Fl. 111.
Cluvius Rufus, Hist. 277.
278"-.
L. Cocceius Nerva 266.
M. Cocceius Nerva. Kaiser
332 f. 339.
codex Justiviauus 384 f. 429.
— Theodosianus 384.
Cölesyrien 130. 134. 147. 222.
L. Coelius Antipater, Hist.
16. 99 f.
cognomina, römische 43^. 47^.
Colchesters.Camulodunum.
Collinisches Tor, Schi. 205.
Colonia Agrippina s. Köln.
comitatenses, Truppen 398^.
co»2/^m(Volksversammlung)
45. 66. 84. 153. 200. 206;
abgeschafft 305. 311.
Commodus (M. Aurelius
Commodus Antoninus),
Kaiser 342 f. 345. 345-. 392.
Concordiatempel 177.
conscriptt, Senatoren 67. 86.
Consentia, St. 266.
Constans I, Kaiser 400 f. 405 ^
— Caesar, S. des Constan-
tinus III 413.
Constantia, G. des Licinius
396.
Constantina , St. 395'': s.
Cirta.
Constantinus I d. Gr. (Fla-
vius Constantinus) 393
bis 400. 434.
— II (Flavius Claudius Con-
stantinus) 396. 400 f.
— III (FlaviusClaudius Con-
stantinus) in Gallien 413.
415.
Constantius Chlorus (M. [C]
Flavius Valerius Constan-
. tius) . Kaiser 386 f. 393.
395.
Constantius II 400—403.408.
Constantius III 415 f.
co>istifufio Antoniniana 347'^.
366 f.
Contrebia, St. 210».
conuhium zwischen Patri-
ziern und Plebejern 44. 63.
Copia (Thurii), Kol. 130.
Corduba 254. 433.
Corfinium 192. 194. 245.
Corippus, Dichter 384. 430'.
430'.
Cornelia, Mutter der Grac-
chen 172. 174.
Cornelier, Freigelassene
Sullas 207.
C. Cornelius, Volkstribun
224^
L. Cornelius Baibus 3023.
C. Cornelius Cethegus, An-
hänger Catilinas 226.
P. Cornelius Cethegus, cos.
181 V. Chr. 150.
— Optimat 212.
L. Cornelius Cinna 200 f.
204. 224.
A. Cornelius (Cossus), cos.
428 V. Chr. 48.
P. Cornelius Dolabolla, Cae-
sarianer 247. 251. 257 f. 262.
— Procos. in Afrika 323.
M. Cornelius Fronto 279.
Cornelius Fuscus 331.
C.Cornelius Gallus 274. 302.
Cn. Cornelius Lentulus, cos.
72 v.Chr. 211.
Cossus Cornelius Lentulus
302.
L. Cornelius Lentulus, cos.
49 V. Chr. 244.
Cn. Cornelius Lentulus Gae-
tulicus, unter Caligula
hingerichtet 312.
P. Cornelius Lentulus Sura
226.
L. Cornelius Merula 201.
Cornelius Nepos, Hist. 16.
93. 99.
A. Cornelius Palma 335. 336^.
P. Cornelius (Rufinus), cos.
277 V. Chr. 801
Cn. Cornelius Scipio, cos.
222 V. Chr. 112. 162''; in
Spanien 117. 123.
L. Cornelius Scipio (Asia-
ticus), COS. 19Ö V. Chr. 137.
— COS. 83 v.Chr. 204 f. 214 f.
L. Cornelius Scipio Barbatus
73.
P. Cornelius Scipio. cos. 218
v.Chr. 114. 116 f.' 123. 125.
P. Cornelius Scipio Aemi-
lianus 15. 159; vor Kar-
thago 163 f.; vor Numantia
161;166. 169. 171.172. 174.
191. 196. 2896.
P. Cornelius Scipio Atriea-
nus 123 f. ; in Afrika 127 ff. :
gegen Antiochos 137 f. ;
151. 151'. 154. 156.
P. Cornelius Scipio Nasica
162. 173.
L. Cornelius Sisenna, Hist.
157.
L. Cornelius Sulla 183. 192.
194. 198. 200 f.; Krieg gegen
Mithridates 201 ff'.; Dik-
tator 205 ff. 215 : Memoiren
157 ; 207 f.
Alphabetisches Register.
448
P. Cornelius Sulla 225.
Cornelius Tacitus, Hist.
277 f. 280. 310.339. 378^.
Q. Cornificius 249. 263.
L. Cornificius 269.
Cornwallis 318.
cort-ecfores s. Korrektoren.
Cortona 24 >. 70^
Cosa, Kol. 1302. 208.
C. Cosconius 215.
Cossura 205.
Cottius 293. 2933.
Cremera, Fl. 48.
Cremona, Kol. 112. 117. 148.
179. 353; Schi. 326.
Cremutius Cordus277. SOö^.
Crispina, G. des Commodus
342.
Crispus (Flavius Julius Cris-
pus), Caesar 396 f. 400,
Crustumerium, St. 38. 45*.
Crustumina (Clustumina),
Tribus 45-'.
Cularo (Grenoble) 377*.
Cuniae 268; vgl. Kyme.
Cupra, St. 23.
M'. Curius (Dentatus) 73.
80. 84.
Cyprianus, Bischof 392-.
Cyrenaica s. Kyrene.
D.
Daesitiaten, Illyrier 297,
Daker (oder Geten), Dakien
215. 233. 255. 271. 274.
293 f. 297. 326. 331 ; unter-
worfen 333 f. ; Prov. 334.
336.341.342.348.359.369:
geräumt 373 f. 376. 420;
Dada ripnaria 407.
Dalmater (Delmater) 109.
149. 179. 242. 250. 271.
297 f. : Dalmatia Prov. 360.
422 f. 431.
Damaskos 223.
Damastes, Hist. 29. 67'.
Damasus, röm. Bischof 401'.
Damokritos Achäer 166.
Damojjhilos von Henna 170.
Daphne, St. 309,
Dardaner, Illvrier 126. 132.
142, 187. 203. 214. 230».
Dardanos, St., Friede 203.
216.
Dasteira, St. 221.
Daunier 22.
Decebalus 331. 333 f.
decemviri sacris fac. 84'^, 90,
Decemvirn, Gesetzgeber 60
bis 63. 95.
Decentius, Caesar 401.
Decidius Saxa 264. 266.
Decius, Kampaner 57'. 78.
Decius (C. Messius Traianus
Decius); Kaiser 372. 392.
P. Decius Mus, cos. 340 v.Chr.
56*. 736.
— COS. 295 V. Chr. Zensor,
73«. 85'-. 153'.
— COS. 279 V. Chr. 73^, 78.
Deiotarus 224.
Dekaineos, Gete 215.
Dekieten, Ligurer 180.
Dekumatenland 328. 358,
Delatoren 329.
Delion, Ort 136.
Delmatius, Caesar 400.
Delos. athenisch 145 f. : Han-
delsplatz 170. 188. 191. 199.
220',
Delphi, Orakel 90. 143. 203.
214. 337.
Demaratos, Korinther 31 f,
Demetrias, St. 133 f. 136 f.
141. 144.
Demetrios Poliorketes 88 f.
— Vater Philipps V 109.
— S. Philipps 133. 142.
— von Pharos 109 f. 114.
— I von Syrien 147. 165.
— II von Syrien 195.
Demokratie in Rom 58 f. 83.
85 f. 153 ff. 171. 175. 188.
212. 224.
Denarius, Münze 90.
Dertona, St. 179.
desertores 343.
Dexippos, Hist.280f. 375.381.
DE Sanctis 6,
Diadumenianus,Caesar348f,
Diaios, Achäer 166 flf,
Diana, Göttin in Rom 38. 40.
Dianium (Artemision) in
Spanien 209. 210'.
dicfafor Lafinus 38.
C. Didius 254.
T. Didius 187.
M. Didius Severus Julianus,
Kaiser 343 f.
Dienstpflicht 65.
Dikaiarcheia (Puteoli) 25:
Kol. 130. 155.
Diktator, Diktatur 44 f. ; Sul-
las 206. 239 f. ; Caesars 253 ;
abgeschafft 258. 283: Dik-
tatorenjahre 95.
Dimallos, St. 114. 126.
Dio Cassius s. Cassius Dio.
Dio von Prusa (Chrvsosto-
mos) 279*.
Diocletianus(C.[M.]Valerius
Aurelius Diocletianus),
Kaiser 380. 385 ff.; Yer-
fassung388ff.: verfolgt die
Christen 391 ff, ; dankt ab
393; 394. 396. 404.
Diodoros. Hist. 15. 67 f. 99.
158; Chronologie 92 ff.
Diodotos Tryphon 196.
Diözesen (Bezirke) 388«.
Diogenes, Athener 165.
Diokles, .später Diocletianus
385'.
Dion, Syrakusior 26.
Dionysios, Tvrann von Si-
zilien 24, 26. 51. 52^ 66.
— S. des vorigen 26. 52-. 55'.
— vonHalikarnaß, Hist. 15.
17, 23, 30, 92 ff-. 96. 287.
— Perieget 406'.
Diophanes von Mytilene 172.
Diophantos, Feldherr Mi-
thridats 197.
Dioskurias, St. 222 f.
Divitiacus 232 f.
Dniepr, Fl. 406^.
Dobrudscha 359'.
Dodona 188.
Dörenschlucht 298'.
Doloper 141 f.
Domburg 357«.
Dominat 385.
Domitia lex 188: via 180.
Domitia, G. Domitians 332.
Domitianus, Kaiser 329. 330
bis 332. 333. 352. 357. 357*.
360. 362. 365. 368. 392'.
— Gegenkaiser 388^
Domitilla (Flavia Domitilla)
332.
Cn. Domitius 138.
Cn. Domitius Ahenobarbus
COS. 122 V. Chr. 180.
— Marianer 205.
— Antonianer 264 f. 273.
— Vater Neros 314'.
L. Domitius Ahenobarbus,
cos. 54 V. Chr. 235. 244«.
245 245^.
— COS. 16 V. Chr. 296. 306.
314'.
— der spätere Kaiser Nero
s. Nero.
L. Domitius Alexander, Kai-
ser in Afrika 395.
L.DomitiusAurelianus, Kai-
ser 376—378.
Cn. Domitius Calvinus, Cae-
sarianer 250.
M. Domitius Calvinus 208 f.
Cn. Domitius Corbulo 277.
319. 321 f. 332«.
L. Domitius Domitianus,
Gegenkaiser 388^.
Domitius ülpianus 350.
doitius aurea Neros 316.
Donatisten 398 f. 403. 405.
Donatus. Bischof 398 f.
Donau 2i5. 293; Brücke 334.
397; Grenze 293 f. 333 f.
336.341. 347. 360. 396 f.
Dorier auf Sizilien 21. 40.
Dorvlaos. Feldherr Mithri-
dats 202.
Dover in England 238.
444
Alphabetisches Register.
Dravus (Drau) 294.358..
Dreißig Tyrannen in Athen
62"; sog. Dreißig Tyran-
nen (Gegenkaiser) 373'.
Drepana auf Sizilien 105 ff.
108.
Drucntia, Fl. s. Durance.
Druiden 368^
DuUMANN 3 f.
Drusilla. T. des Germanicus
312.
Drusus (Nero Claudius Dru-
sus), Stiefsohn des Augus-
tus293.295f. 299.306 310;
Drususkanal 295.
Drusus Caesar, S. des Tibe-
rius SOe-''. 308 f.
- S. des Germanicus 309.
C. Duilius 104.
Dumnorix, Gallier 238.
diioviri navales 72.
Durance, Fl. 115 f.
Duris, Hist. 68. 73.
Durocortoruni 239. 356.
DUKUY 5.
dux orienfis 375.
dux, Amt 389.
Dyarchie 287. 352.
Dyme, St. 126. 221.
Dyrrhachion (Epidamnos)
110. 165. 247. 2622. 286.
E.
Ebro 112 f. 115. 209. 210:
Sclil. 122 f.
Eburacum, St. 346. 393.
Eburonen 238 f.
Ebusos, Insel 101.
Ecdicius 424 f.
Eclectus 342.
Edeko, Vater Odoakars 423'.
Eder, Fl 306.
Edessa in Mesopotamien 348.
373.
edictum de pretiis Diokletians
390 f.
Egeria, Gottheit 31.
Egnatische Straße {vin Eg-
natia) 165.
M. Egnatius Rufus 304.
Eid (Treueid) 273. 284*. 302*.
Eigennamen, röm. 43.
Eknomos, Ort, Sohl. 104.
Elagabal, Gott, Beiname des
Kaisers M. Aurelius An-
toninus 349.
Elbe, Fl. 296 f.
Elea (Hyele, Velia), St. 21.
26. 40. 75. 81. 119.
Eleazar, Hoherpriester 337.
Elefanten im Krieg 77. 104.
138.
Elis, Eleer in Hellas 126.
136. 137.
Elpeios, Fl. 144.
Elymer auf Sizilien 21.
Emesa, St. 349. 375 ; Schi. 377.
Emporien in Afrika 161. 164.
Ems, Fl. 295 f. 306.
Q. Enniu.s, Dichter 79'. 156.
Ennodius, Redner 384.
Enzyklopädien 11.
Eparchius Avitus, Kaiser
421.
Ephesos, St. 134. 136. 138. 139.
202. 273.363.375: Svnode
419.
Ephoros, Hist. 19.
Epidamnos s. Dyrrhachion.
Epidauros. St. 203.
L. Epidius Achilleus 3882.
Epidius MaruUus 256'.
Epipolae bei Syrakus 121.
Epirus 109 f. 144. 165. 361.
407. 412.
Eporedia 189^
Eprius Marcellus, Redner
3301.
Eratosthenes 29*. 89. 360^.
Erbschaftssteuer 289. 297*.
Eretria auf Euboea 132.
Eryx auf SiziHenlOSf. 108.
C. Esuvius Tetricus, Kaiser
377 f.
Etrusker (Tyrrhener) 20. 22
bis 25. 27. 30. 31. 32. 41.
89 ; Verhältnis zu Rom 32.
36. 40 f. 46 f.; Kriege mit
Rom 48. 50. b2\ 53 f. 70 f.
73 — 75; unterworfen 74 f.
190. 193; Untergang 206;
Etrurien 35. 192. 205. 208.
226 f.
Euagrios, Hist. 384.
Euandros 30.
Euboea, Euböer 136. 166. 202.
Eucherius 414.
Eudokia, T.ValentiniansIII
422. 428.
Eudoxia,G.desArcadius412.
— T. des Theodosius II 416^.
418. 421 f.
Eugenius, Kaiser 408 f. 41P.
412.
Eugippius, Hist. 384.
Eumenes II, Pergamener
135 f. 138 f. 140 ff. 143 f.
146. 167 f. 197.
Eumenius, Redner 384.
Eunapios, Hist. 280. 381.
Eunus oder Antiochos, Skla-
venführer auf Sizilien
170 f.
Euphrat 195 f. 340. 344;
Grenze 222. 236. 404.
Eurich, Westgothe 424. 427.
Eurykles (C. Julius Eury-
kles), Spartaner 361.
Eusebios von Caesarea, Hist.
158. 281. 382. 383.
Eusebios von Nikomedien
399.
Eustalhios von Epiphaneia,
Hist. 381.
Eutharich, Cstgothe 429.
Entropia 401'.
Eutroj.iu.s, Hist. 17. 280.382.
— Hofcunuche 412.
Eutyche.s, Eutychianer 419.
Eutychianus 349.
Exuperantius (.Julius Exu-
perantius), Hist. 157'.
F.
Fabier, Geschlecht 43; an
der Cremera 48.
Q. Fabius Maximus, Legat
Cae.sars 254.
Q. Fabius Maximus Aemi-
lianus, cos. 145 v. Chr. 159.
159«.
Q. Fabius Maximus Allo-
brogicus 180.
Q. Fabius Maximus (Cunc-
tator) 692. ng. 124.
Q. Fabius Maximus (Rullia-
nus), cos. 310 V. Chr. 69^.
70 f. ; Zensor 85^. 153^
Q. Fabius Maximus Servi-
lianus 159 f. 159«.
Q. Fabius Pictor, Hist. 15.
68. 96. 99.
Fabius Rusticus, Hist. 277.
Fabius Valens 325 f.
Fabrateria, Kol. 174.
C. Fabricius 76. 78. 81-. 84.
Faenius Rufus 317.
Faesulae, St. 24 1. 117. 226 f.;
Schi. 413.
Falerii (Falisker), St. 21 2. 27.
49. 54; zerstört 107.
Falerna, Tribus 72.
Falernisches Feld {ager Fa-
lernus) 118.
Falisker s. Falerii.
Familienchroniken 13.
C. Fannius, Hist., cos. 122
V. Chr. 157. 177.
Fannius Caepio 304.
Faraxen 375.
fasti, Kalender 85 : fasti Capi-
foliiii 1. 12. 305. 95 f. 2H6;
fnumphales 12 f. 100. 107».
286.
Fausta, G. des Konstantin I
394. 400.
Faustina, Kaiserin 341.
Faventia 204.
Fectio, Ort 357«.
Felix II. Bischof von Rom
401 ^
Felsina 23.
Fenestella, Hist. 17.
feriae Latinae 56.
Festi, Ort 37.
Alphabetisches Register.
445
Festus, Grammatiker 17.
— Rufius, Hist. 280.
Ficoronische Cista 90'.
Fidenae, St. 48 f.
Fimbria s. Flavius.
Firmum, Kol. 82.
Firmus, Maure 405. 412.
Fiskus 288 f.
Flaminische Straße {vi'aFla-
minia) 149. 285.
C. Flaminius, cos. 217 v. Chr.
llOf. 117f. 118\ 149. 149^
152'. 153'^.
— cos'. 187 V. Chr. 149^.
Fla via Domitilla 332. 392 1.
Flavianus, Bischof 419.
Flavier. Kaiserhaus 325 tf.
351 f. 357. 358 f. 360.
Cn. Flavius, Adil 85.
L. Flavius, Tribun 228.
Flavius Aetius 416 f.
Flavius Arcadius, Kaiser
411 f.
Flavius Arrianus, Hist. 279.
366.
Flavius Claudius Constan-
tinus II 396. 400 f.
— III 413. 415.
Flavius Claudius Constan-
tius, Caesar = Gallus 402.
Flavius Claudius Julianus,
Kaiser 380 f. 382 2. 402—
404. 4042. 405^
Flavius Clemens 332. 392'.
Flavius Delmatius 400.
C. Flavius Fimbria 202 f. 220.
Flavius Honorius, Kaiser
411—416.
Flavius Josephus. Hist. 158.
277.
Flavius Julius Crispus, Cae-
sar 396 f. 400.
Flavius Sabinus,Vespasians
Vater 329^.
— Vespasians Bruder 326.
— S. des vorigen 332.
T. Flavius Sulpicianus 343«.
Flavius Valens, Kaiser 404
—406.
Flavius Valentinianus, Kai-
ser 404 f.
M. (C.) Flavius Valerius Con-
stantius (Chlorus), Kaiser
386 f. 393. 395.
Flavius Valerius Severus,
Caesar 393.
T. Flavius Vespasianus 323;
Kaiser 325—330. 354. 357.
361 f. 364; Memoiren 277.
Flavius Vopiscus, Biograph
280S.
Flavus, Cherusker 319^.
Florianus (M. Annius Flo-
rianus), Kaiser 378 f.
Florus, Hist. 17.
Flotte, römische 72. 104, 290.
326. 363.
Föderierte, Italiker 82 f.;
fremde Hilfstruppen 407.
411^. 420.
foedns Brundisinum 266.
Formiae, St. 57. 152'.
Forum Caesars 254 ; des Au-
gustus 285. 286; Traians
335.
Forum Gallorum, Ort 259.
Forum Julii (in Gallien) 290.
fossa Mariana 185.
fossa Quirülum 31.
Franken 371; Feinde Roms
373 f. 379.3793. 386 f. 394 f.
397; nach Konstantin 401f.
408.417.420.425; salische
402; seit Chlodwig 427 f.
431 f.
Frankfurt 357 f.
fratres Arvales 286.
Fregellae, St. 55. 57. 69 f.;
zerstört 174.
Freigelassene in Rom 85.
153. 193. 200. 297. 367»;
im kaiserl. Dienst 290. 314.
325. 352.
Freinsheim 1.
Frentaner 26. 71.
Friaul 433.
Friedberg, St. 296=. 357^
Friedrich, Rugier 426'.
Friesen, Germanen 295. 298.
306. 319. 327.
Frigidus, Fl., Schi. 409.
Fritigern, Gothe 407.
Frusino, St. 27.
Fucinersee 27. 254. 314.
Fürstenberg bei Birten [Ca-
sfra Veiera) 295'.
Cn. Fuficius Fango. 266.
Fufidius, Pr. 208.
Q. Fufius Calenus 250. 259.
265.
— S. des vor. 265.
Fulvia 265 f. 303'.
Cn. Fulvius, cos. 229 v. Chr.
109.
— COS. 211 v.Chr. 124.
C. Fulvius Flaccus, cos. 134
V. Chr. 170.
M. Fulvius Flaccus. Grac-
chaner 174, 176. 180. 191.
Fulvius Macrianus, Gegen-
kaiser 374.
M. Fulvius Nobilior 139, 156,
Q, Fulvius Nobilior 159,
C. Fulvius Plautianus, Prä-
torianerpräfekt 346.
Fulvius Quietus, Gegen-
käiser 374,
Fundi, St, 57. 152',
Furia Sabinia Tranquillina,
Kaiserin 370,
M, Furius Camillus 49. 53.
64. 66 -^
L. Furius Camillus 55'.
Furius Camillus Soribonia-
nus 313: dessen S. 313».
C. Furius Timesitheus 370.
C. Furnius 271.
G.
Gabii, St., zerstört 57'.
Q. Gabinius 171.
A. Gabinius 221. 229. 236.
247. 249.
Gades (Gadeira) wird rö-
misch 125. 150. 354 f.
Gäsaten 110 f. 11 1^
Gätuler 182. 302. 366.
Gaia, Vater Masinissas 127^.
Gainas, Gothe 411 f.
Gaius Caesar (Caligula) 31 If.
313. 321. 362. 365.
Gala s. Gaia.
Galater, Galatien (in Asien I
138 f. 141. 146. 197 f. 202 f.
217 f. 223. 250. 272; Prov.
300. 362. 362'. 375.
C. GaleriusValerius Maximi-
anus, Kaiser 386 ff. 39-3 f.
Galerius Valerius Maximi-
nus Daia,Kaiser 393 ff. 396.
Galiläa 323.
Gallien. Prov., cisalpinisches
208. 229. 242. 243. 257. 258.
259. 264; transalpinisches
231 ff. 241 f. 243. 257. 261.
264 f. 267 ; narbonensi-
sches209. 264. 294 f. 355;
unterCaesar237ff. : unter
den Kaisern 294 f. 307 f.
312. 313. 318. 325. 327. 341.
343. 345. 355 f. 379 f. 386.
402. 405. 406 ff. 412 f. 417.
420 f. 424 f.; fränkisch
427 f. 4.33; Diözese 388«;
Imperium Galliarum 327 :
gallische Kaiser 374. 377 f.
413. 415.
Gallienus (P. Licinius Egna-
tiusGallienus), Kaiser 373
—376, 379, 392.
Gallier (Kelten), Wohnsitz
50; in Italien 50; nehmen
Rom 51 f. 93 f. : Kriege 54 f.
110 ff. 115. 119; unter-
worfen 148 f, 192; an der
Donau (Donaukelten) 142.
144. 179. 199. 214. 223;
transalpinische Kelten
180 f.
Gallus (Flavius Claudius
Constantius), Caesar 402.
Gallus Volusianus, Kaiser
372 f.
Ganymedes, Alexandriner
249.
446
Alphabetisches Register.
Garama 3ß5.
Garamanton 302. 365.
Garganus, Berg, Schi. 211.
Gauda, ^fumido^ 183.
Gaurus, Berg, Schi. 56.
Geilamir (Gelimer),Vandale
418>. 430.
Geiserich, Vandale 417 f.
420 ff. 424. 428: nimmt
Rom 421. 434; zurNameiis-
form 417'.
Gela, St. 21.
Geld, römisches 46. 89 f.
A. Gollius 18.
Cn. Gellius, Hist. 16.
L. Gellius. COS. 72 v. Chr. 211.
Gemeindeland s. ager piibli-
cus.
Genomanen = Cenomanen
50.
f/entes s. Geschlechter.
Genthios, Illyrier 144 f.
Genua, Genuaten (Ligurer)
179. 179^
L. Genucius 65.
Georgios Synkellos, Hist.
281 f. 383.
Gepiden 419 f. 426 f.
Gergovia, St. 241.
Gerichte 173'-. 206; Gerichts-
verfassung 253.
Germanen 11 1^ 211. 232. 234.
237.241; Kriege mit Rom
295 ff. 298 f. 305 ff. 307 f.
312. 319 f 331 f 333. 337.
347. 351. 360. 369. 371. 401.
420; angesiedelt 341; im
Reichsdienst 397 f 420.
434; Ostgermanen 360.371.
Germanicus Caesar, S. des
Drusus 298 f 304 f. 306 f;
im Orient 307 ff. 311. 314.
321. 356. 36P. 364'.
Germanion, Prov. 308. 356 flf.
Germanos, Feldherr 432.
Gerontius, Feldherr 413. 415.
Gerunium, St. 118.
Geryoneus .30.
Gesalich, Westgothe 428.
Geschlechter (gentes) in Rom
43.
Gesetze, aufgezeichnet 14.
Gessius Florus 323.
Gessoriacum(Bononia) 386 f.
Geta, Kaiser 346. 348.
Geten s. Daker.
Getreidegesetze 175.189.190.
208. 228; Getreideversor-
gung Roms 253. 258. 270.
285.
Gewerbe in Rom 46.
Gibbon 1 f.
Gildas, Hist. 383.
Gildo, Maure 405'. 412 f.
Gindaros, Schi. 268.
Gladiatorenspiele 41; Gla-
diatorenaufstand 211.
Glaubensstreitigkeiten s.
Christen.
Glycerius, Kaiser 423.
Goldwäschereien der Sa-
lasser 179: in den Alpen
1791.
Gordianus (M.AntoniusGor-
dianus) I und II 369.
— III 370 f. 371.
Gordyone 219.
Gothen 370 f.; Einfalle ins
Reich 370—375. 397 ; unter
Valens 406; Schrift 434;
Westgothen 406^; ange-
siedelt 406. 411; in Aqui-
tanien 415; in Spanien
421. 424; in Gallien 422.
424; mit Theoderich 426.
427. 429; Ostgothen 406.
406'-. 419; in Pannonien
420. 423. 425; in Italien
426 flf.
Gothland, Insel 360^.
Gottesdienste(Götter),frem-
de in Rom 155. 368.
Graecostasis in Rom 39.
Granius Licinianus, Hist.
158.
Gratianus, Vater Valenti-
nians I 404^.
— Kaiser 405—407. 409.
— in Britannien 413.
Graupius, Berg 331.
Gregorios von Nazianz 384.
Gregorius von Tours 383.
Grenzwall Hadrians 337.346.
356; des Antoninus 338.
Greuthungen, Ostgothen
406 f. 412.
Griechen (Hellenen) in Ita-
lien 20f: Einflufsauf Rom
39 f 90. 155 f ; Griechische
Flotte bei Latium 55;
freie Hellenen 88; Sprache
verbreitet 368.
Griechenland (Hellas), be-
freit 133. 142 f 145. 165;
im mithrid. Krieg 201 ff. ;
250. 274. 282. 299 ; Freiheit
unter Nero 316; wieder
aufgehoben 329; unter
Domitian 330; unter Ha-
drian 337; Zustand 361 f. ;
verheert 375. 407. 412;
vgl. Achaia.
Groebe 4.
Große Felder, Schi, in Afrika
127.
Groß-Krotzenburg 357.
Groß-Leptis 164.
Gründung Roms 28 flf. 89;
Gründungsjahr 29*. 92 f.
95 ff.
Gundobad, Neflfe Ricimers
428.
— Burgunder 427.
Guntamund, Vandale 418'.
Gytheion, St. 203*.
H.
Habrupolis s. Abrupolis.
Hadria, Kol. 74.
Hadrianus (P. Aelius Hadri-
anus), Kaiser 278^ 336—
338. 339. 352. 354. 356.358«.
359.361. 365. 366 f; Grab-
mal 339'; Villa .338^• Ha-
drianswall .337. 346. 356.
Hadrumetum 128. 252.
Haliartos 143. 145.
Haltern a. d. Lippe 296». 357 1.
Halvkos, Fl. 101.
Halys, Fl. 216.
Hameln 307'.
Hamilkar, Punier 149'.
Hamilkar Barkas 106 f. 108;
in Sj^anien 112 f. 114^.
Handel Roms 46. 89. 155. 301.
357. 359 f 364 f; Handels-
verträge mit Karthago
102.
Hannibal, karthag. Admiral
104.
— S.Hamilkars 113f ; Alpen-
übergang 115 f. ; in Italien
117 flf. ; Räumung Italiens
128; aus Karthago ver-
drängt 136'. 161; in der
Verbannung 135 f ; 138.
141.
Hannibalianus, Caesar 400.
Hannon, Karthager 106. 108.
1143.
— auf Sizilien 121.
Hasdrubal, Feldherr auf Si-
zilien 105.
— in Spanien 112 f 114^
— (Hannibals Bruder j 115.
123. 124 f
— in Afrika 127.
— im 3. pun.Krieg 162—164.
Hasmonäer 147 f. 268.
Hatra, St. in Mesopotamien
335. 345.
Hauschroniken 13.
Heddernheim 358.
Heerwesen in Rom 40. 65 f.
87. 110 f 129. 185. 213:
initer den Kaisern 289 f.
337. 345 f.; Reform des
Gallienus375"; unter Dio-
kletian 390: unter Kon-
stantin 398; Spätzeit 410.
420.
Heidentvim, unterdrückt
407. 430.
Heiliger Berg 59*.
HeirkteaufSizilienl06.1062.
Alphabetisches Register,
u:
Hekatompylosin Afrika 106.
Helbig, W. 27.
Helena. Mutter Konstantins
393^ 399.
Helenos, S. des Pvrrhos 77.
80.
Helike in Spanien 112^
Heliopoliten, Sklaven in
Asien 168.
Hellanikos, Hist. 22. 29. 673.
Hellas,HeIlenen s. Griechen,
Griechenland.
Helvetier. Gallier 183 f. 186.
215*. 232—234.
Helvidius Priscus der ältere
329.
— der jüngere 332. 332^.
P. Helvius Pertiuax, Kaiser
343. 3533.
Helvius Pertinax. S. des vor.
3435.
Henna. St. auf Sizilien 170 f.
186.
Hera Lakinia, Göttin 128.
Heraclianus 414 f.
Heräa. St. im Peloponnes
134.
Herakleia in Italien 81. 122.
— am Oeta 136. 166.
— amPoutos88.218f.; Kol.
253. 375.
— in Thrake 396.
Herakleides Pontikos 51. 89.
Herakles s. Herkules.
Herculaueum, Ort 330.
Herculius, Beiname des
Maximianus 387.
Herdonea in Apulien 124.
Ap. Herdonius, Sabiuer 63*.
P. HerenniusDexippus 375:
Hist. 280 f. 381.
Q. Herennius Etruscus De-
cius 372.
Herennius Modestinus 350.
Herennius Senecio 332.
Herkules i Herakles) inEom
30. 36. 39. 40'. 43; Com-
modus als römischer Her-
kules 342.
Herminaf rid,Thürin!i'er 428.
429.
Hermodoros vonEphesos 62.
Hermunduren 296. 308. 320.
341.
Herniker,Volk 27; mit Rom
verbündet 39; unterwor-
fen 71.
Herodes I von Judäa 268.
300. 322 f.
Herodes Agrippa, Vater und
Sohn 323. 362.
Herodes Atticus 340.
Herodianos, Hist. 280.
Herodotos, Hist. 22. 50.
Heruler 375. 423.
Hesvchios von Milet. Hist.
381.
Hiarbas 205.
Hiempsal, Numider. S. des
Micipsa 181.
— König 205.
Hieron I von Syrakus 24.
Hieron II 81 ^ 102 f. 106 f.
115. 120.
Hieronymos, Tyrann von
Syrakus 120.
— von Kardia, Hist. 68.
Hieronymus, Chronist 281.
382. 384.
Hilderich, Vandale 418'.
428 ff.
Himera, St. 21.
Himerios, Redner 403^.
Himilko Phameas 163.
Hinterindien 365.
Hippo in Afrika 164.
Hippokrates, OffizierHanni-
bals 120 f.'
Hipponion (Vibo) 130.
Hippuakra, St. 163.
Hirpiner 194.
A. Hirtius, Hist. 157. 23r-.
259 f.
L. Hirtuleius 209 f.
Hispaniae s. Spanien: Diö-
zese 388«.
Hfstaria Aiu/usta 280 f. 373'.
Historische Poesien in Rom
14.
Hludana, Göttin 357^.
Hörige (Klienten) 42 f. 44.
Hofheim 296^
Homerisches Epos u. Italien
20.
Honoria 419 f.
Honorius (Flavius Houo-
rius). Kaiser 411 — 416.
Horatius, Dicliter 286.
M. Horatius, cos. 509 v. Chr.
323
— COS. 449 V. Chr. 61.
Hordeonius Flaccus 327.
Hormisdas, röm. Bischof 428.
L.Hortensius, Pr. 170 v.Chr.
144.
Q. Hortensius, Diktator 84.
— Redner 157. 225.
— S. des vorigen 262.
Hosidius Geta 323.
Hostilianus, Kaiser 372.
A. Hostilius 144.
TullusHostilius. König 30 f.
36. 43.
C. Hostilius Mancinus vor
Numantia 160. 172.
Humber. Fl. 318.
Hunerich, Vandale 418 '. 422.
428.
Hunnen 406. 411 f. 417 f.
419 f.
Hydatius(Idacius), Chronist
382 f.
Hyele s. Elea.
Hypathios, Gegenkaiser 430.
Hypatia 419.
Hyrkauer, Volk 322.
Hyrkanos, Hoherpriester I
1961.
— II 222 f. 250. 268.
Hyrodes s. Orodes.
I. J.
Jader, St. 361.
.Janiculus bei Rom 31. 84.
Japoder (.Japuden) in Illv-
rien 179. 271.
lapvger. lapvgia 22. 25. 26:
Herkunft 27.
Jazvgen ( Sarmaten) 320. 331.
340 f. 388.
Iberer s. Spanien.
— im Kaukasos 222. 268.
301.321.328.334.363.406.
Icener, Briten 318.
Icilia lex 60. 86^
leilius. Volkstribun 60.
Idacius (Hydatius) 382 f.
Idistaviso, Schi. 307.
Jerusalem 148. 323; ei'obert
223. 268. 327 f.: wird Aelia
Capitolina 337.
Iglitza = Trösmis in Mösien
359.
Ihxe 5.
Ilerda. St. 246.
IHci(Helike) inSpanien 112*.
IHon 202. 256.
Ilipa in Spanien, Schi. 125.
Illus, Isaurer 423. 425.
Illyrien. Illvrier 109 f. 113 f.
121 f. 126. 132. 142. 144:
unterworfen 145. 165. 174.
179. 187; Provinz Caesars
229. 234. 238. 242. 247.
249 f. 262. 271: kaiserlich
355. 360 f. 401. 416; vgl.
Dalmatia.
imagiuum tituli 14.
Imbros 145.
hnpcfinm 45.
impcriiim Gallianim 327.
Inder. Indien 272. 301. 335,
364 f. : Indoskvthen 271 f.
301.
Indutiomai'us, Gallier 238.
Ingauner, Ligurer 150.
Ingenuus, Gegenkaiser 374.
Inschriften 7 f.; älteste la-
teinische 14'.
Insignien der Magistrate 41.
Insubrer 50. 50^ llOff. 115.
149.
Interamna am Liris. KoL
70. 72. 373.
Johannes. Kaiser 416.
448
Alphabetisches Register.
Johannes Antiochenus 280.
382.
Johannes Chrysostomos 384.
412.
Johannes vonEphesos, Hist.
384.
Johannes Hyrkanos 196'.
Johannes Malalas 282. 383.
Johannes Troglita 430'.
Jo.sepl)us, Hist. 158. 277.
Jotapianus,Gegenkaiser371.
Jovianus, Kai.ser 404.
Jovinus, Gegenkaiser 415.
JoviuSjBeiname Diokletians
387.
Irland 331. 360.
Isara (Isere), Fl. 115. 180.
Isaura, St. 215; Isaurcr.
Isaurien215. 218. 363.379.
388; seit Valens 406. 412.
418. 420. 425. 428.
Isidoros, Ägypter 341.
Isis, Gottheit 368.
Isonzo, Fl., Schi. 426.
Issa, St. 1092. 110.
Issos, St., Schi. 344.
Isthmos von Korinth, Schi.
167; Durchstich geplant
254; Isthmien 110. 133.
Istrer, Istrien 149. 179. 242.
353.
Istros, St. -215. 371.
Italer, Volk 21.
Italica in Spanien 151. 210.
333. 336*.
Italiens, Cherusker 319.
Italien, Italiker, Name 20 f. ;
Anfänge 19 tf. 25. 27; und
Pyrrhos 77; unter Eoni
81 ff. HO f. 190 f. 199: auf-
ständisch 192 ff. 198; im
Heer 290. 345 ; unter den
Kaisern 353; Prov. 389;
Diözese 388". 408. 424;
unter Odoakar und Theo-
derich 424. 425 ff.; kaiser-
lich 431. 433; langobar-
disch 4.33 f.; vgl. unter
Bundesgenossen.
Jtius portus 2S1*.
Juba I, König von Numi-
dien 246.
— II 2722. .302; als Hist. 17.
100.
Judäa, römisch 223. 236. 268.
300. 323. 326; Prov. 328.
362.
Judas Makkabaios 196*.
Juden 147. 196. 196*. 250.
313^; aufständisch 323.325.
327 f. 337. 338. 362; in
Alexandrien 364; Stel-
lung 391. ,398'.
Jugurtha 181—183.
Julia, T. Caesars 229. 240.
Julia, T. des Augustus .303 f.
— Enkelin des Augustus
304. 3042.
— = Livia 305. 309.
— T.desDrususCaesar310'.
Julia Aemona, Kol. 359.
Julia Agrippina, Mutter Ne-
ros 312. 314 f.
Julia Domna .346. 349 f.
Julia Drusilla 312.
Julia Livilla 312.
Julia Maesa 349 f.
Julianus, Gegenkaiser 388.
— Flavius Claudius Julia-
nus, Kaiser 380 f. 382''.
402—404. 4042. 4051.
Julius, Monat 255.
Julius Africanus, Chronist
281.
Cn. Julius Agricola 277. 330.
Julius Aurelius Sulpicius
Uranius Antoninus, Ge-
genkaiser 371 ■-.
C. Julius Caesar 224 flf. ; cos.
228 f.; in Gallien 231 ff.;
im Bürgerkrieg 244 ff.;
Diktator 247. 253 ff.; Welt-
reich 256': Ermordung
256. 283. 355. 361; Hist.
16. 157. 2312. 244^ 245=.
246^- •*. 248»- '. 2542. .
C. Julius Caesar, d. S. (Oc-
tavianus) 12. 17. 95. 257.
258 ff. ; Augustus genannt
283; Kaiser 283—304. 355 f.
361 f. 364. 368; Selbstbio-
graphie 157. 276; Taten-
bericht 276.
C. Caesar, Enkel des Augu-
stus 299. 301. 303.
L. Caesar, Enkel des Augu-
stus 303.
L. Julius Caesar, cos. 90
V. Chr. 192 f.
Sex. Julius Caesar in Svrien
254.
Julius CapitolinuSjBiograph
280«.
Julius Civilis 326 f.
Julius Constantius, Bruder
Konstantins I 402
M. Julius Cottius 293.
C. Julius Eurykles 361.
Julius Florus, Gallier 318.
Sex. Julius Frontinus 18.
330.
Julius Nepos, Kaiser 423 ff.
Julius Paulus, Jurist 350.
M. Julius Philippus, Kaiser.
Vater und Sohn 370 f.
Julius Sabinus 327.
Julius Sacrovir 318.
Julius Tutor 327.
Julius Valerius Maiorianus,
Kaiser 421.
C. .Julius A^erus Maximinus,
Kai.ser 351. 369 f. 371. 392.
C. Julius Verus Maximus,
S. des vorigen 369 f.
C. Julius Vindex 317. 324.
Julius Antonius 304.
iuniores 65.
Junius Arulenus Rusticus
332.
Junius Blaesus .323.
L. Junius Brutus, erster
Konsul 13. 13"'. 32. 45^
M. Junius Brutus, Freund
des Lepidus 208.
— S. des voi-igen. Caesar-
mörder 208'. 256. 257 f.
260-264.
D. Junius Brutus Albinus,
Caesarmörder 256 — 261.
2922.
D. Junius 9rutus Callaicus
160 f. 177.
L. Junius (Pullus), cos. 249
V. Chr. 106.
M. Junius Silanus, Kollege
des Scipio Africanus in
Spanien 123.
— COS. 109 V. Chr. 184.
Junouia = Karthago 176 f.
Jui3piterCapitolinus35.299;
Latiaris 38.
iuridici, Beamte 353.
Jurisprudenz 367.
ins honorum 313. 356. 366.
Justina 408.
Justinianus, Kaiser .381 f.
384 f. 429—433.
Justinus, Epitomator 17 f.
68. 99. 158.
— I, Kaiser 428 f.
- II 433.
Juthungeu (Alamannen)
376.
P. Juventius, Pr. in Make-
donien 165.
K.
Kabera, St. 218.
Kaisarion (PtolemaiosXVI)
249. 272. 275.
Kaisertum 283 ff. 351 ff. ; seit
Diokletian 385 ff. ; Kaiser-
titel 2842. 287^; Kaiser-
kult 287. 295. 297. 311. 368.
Kalabrer in Italien 22.
Kaiehedon, St. 130. 202. 218.
349; Synode 419.
Kaledonier 330. 337. 342 f.
346. 356.
Kalender in Rom 61^. 85;
Reform 253 f. 367.
Kallaiker in Spanien 160.
228.
Kallatis, St. 215.
Kallias, Hist. 19. 35'. 76.
Alphabetisches Register.
Kallikrates, Achäer 140.
Kallipolis am Hellesnont,
.Sohl. 397.
Kalokairos, Rebell 3973,
Kanipaner, Kampanien 25 f.
35; etruskisch 24\ 40;
Verhältnis zu Rom 4l!
55 f. 57 f. 90. 119. 129:
Landschaft 1861 193. oq^'
2ÜB. 220. 229. 251. 270. 353.'
Jvandake; Athiopenkönigin
302. ^
Kantabror, Iberer 299.
Kapitel, kapitolinischer Hü-
gel 35. 51; Tempel 31.35.
85 ' ; Brand 204. 326 ; Wie-
deraufbau 328 f 330; kapi-
tolinische Ära So*. 91-
Fasti 1. 12. 305. 95 f_ 286-
Spiele 330. 370.
Kappadokien. beide 88. 197;
pontisches (Pontos) 197 f.;
großes 147. 197 f. 203. 217
22U. 223. 263. 272. 300,'
röm. Provinz 321. 351,362,
362'. 371. 375. 408'. 411
Karien 131. 139.
Karl der Grofse 434.
Karlsburg 359.
Karneades, Philosoph 165.
Karner. Kelten 179.
Karpen. Volk 347\ 370 f. 388.
396.
Karpetaner, Iberer 113.
Karthago. Karthager 20. 24.
76. 81^. 89. 99M0üflf,; Ver-
träge mit Rom 41. 79. 102.
102'. 112 f.; Kriege mit
Rom 103 ff. 114-129. 162
— 164; Söldnerkrieg 108;
gegen Antiochos 136 ; Kol
176 f. 253. 286. 365. 395:
vandalisch 418. 422.
Karystos, St. 132.
Kaspisches Meer 360\
Kassandreia, St. 144.
Kassische Strafse (r/a Cas-
sia) 149.
Kastor, Gottheit 39.
Katalaunische Felder, Schi.
420.
Katualda 308.
Kaudinische Pässe 56. 69.
Kaukasos, Kaukasosvölker
321. 323 385. 363. 432.
Kelten s. Gallier.
Kel tiberer 150 f 159 160.187
209 254.
Kephallenia, römisch 139 f.
Kephaloidion, St. 105.
Kesselstadt 357.
Kibyra, St. 197. 216.
Kilikien 188. 196. 215; Prov
188 216:217.221 230 237
244. 249. 272. 300.
Kimbern 183ff.l88 208'.296
Kineas, Thessaler 77 f 87
Kinna (?), Schi 70.
Kirchengeschichte 383 f.
Kirchliche Streitigkeiten s.
Christen.
Kirke 29.
Kissingen 320'.
Klagformeln (legis actiones)
85.
Klassen (im Census) 45.
Klausenburg 359.
Kleinarmenien 198.221 224
250. 300. 362.
Kleitarchos, Hist. 89-.
Kleon. Sklavenführer auf
Sizilien 170.
Kleonymos, Spartaner 72 f.
75 f.
Kleopatra. G. des Ptole-
maios VIII 195 f.
— T.desPtolemaiosAuletes
248f. 263 ff.; G. des Anto-
nius 272—275.
— Selene, T. der vorigen
272-. 302.
Klienten, Hörige 42 f. 44.
Kloake (doaca maxima) 31.
152.
Klondikos, Kelte 144.
Kniva, Gothe 372.
Köln, St. der Ubier 267.
297. 306; Colonia Agrip-
pina 319 327. 357. 373^
374. 3792. 402-'.
Könige, Königtum in Rom
30 ff. 42; Ende 32 f.; Cae- '
sars Plan 256; Königs-
geschichte 90.
Kohorten 87. 185. 289; prä-
torische 289 f. 309. 345; ,'
städtische {coli, nrhanae)
285.309^356; ri(iilv.m2Sb.
Kolchis. Kolcher'l98. 216
222. 223.
Kollegien, stadtrömische 31.
46. 253. I
Kolonen. Kolonat 376. 390. |
410. 426.
Kolonien Roms 83. 174. 176
189. 200. 206. 253. 258; '
Zwölf Kol. 129'-: kaiser- i
^ liehe 286. 334 337. 359. j
Kommagene, Königreich
268. 300; röm. Provinz
321. 329. 362.
Konkolitanos, Gallier 111.
Konstantinopel (Bvzanz)
399f. 405: Konzil 407. 433.
Konsuln, Konsulat 32. 42.
44. 64 f. 207. 240: unter
den Kaisern 288 : Antritts-
tag 91. 159; Verzeichnis
12 f. 18. 286. 382 f.: Kon-
sulartribunen 63 f. 239.
449
Koptos, St. 379.
Korakesion. St. 221.
Korinth 110; belagert 132 f.;
166: zerstört 167: Kol. 253.'
274. 275. 316. 337^ 361. .375.
Korkyra 76: römisch 109
126. 249. 251.274 ;Sch\varz-
Korkyra 247.
Koroneia, St. 143.
Korrektoren , kaiserl. Be-
amte 366.
Korsika, etruskisch 24. 54;
karthagisch 101: römisch
^ 104. 108. 150. 354. 432.
Korykos in .Jonien 137
Kos 197. 313' 3143.
Kothon, karthagischer Ha-
fen 1'63.
Kotiner, Kelten 294'.
Kottische Alpen 50. 209. 293
Kotys. Thraker 293.
— desgl. 320.
— Bosporaner 321.
Kremna, St. 379.
Kreta. Kreter 177. 216. 217f
220; Prov. 221. 258. 272.
366; in Italien 22.
Kriegstribunen s. Tribunen.
Kriegswesen s. Heerwesen.
Kritolaos, Athener 165.
— Achäer 166 f.
Krixos, Gallier 211.
Kroton, St. 21. 76; römisch
80; 119. 128; Kol. 130.
Ktesiphon. St. 335. 340. 345
371. 380. 404.
■ Kulpa, Fl. 271.
Kurie in Rom verbrannt
239; Kurien 31. 37. 45:
Kuriatkomitien 45.
Kyme in Italien 32: Grün-
dung 21. 23. 24 : wird kam-
panisch 25; 39: römisch
57; vgl. Cumae.
Kynoskephalai, Schi. 133.
134.
Kypros, Insel, ägvptisch 87.
134. 147 f. 196. '207. 248 f.
270. 272 ; römisch 230. 336.
362. 376.
Kyrene (Cvrenaica) 87. 148.
196.251.258.272.274 302
335 f. 337. 366. 412.
Kyrillos, Bischof 418 f.
Kyzikos, St. 88. 197. 218. 344.
Handbuch der klass. Altertumswissensfliaft. III, 5. 5. Aufl.
Labici, St. 47.
Q Labienus 266. 268.
T. Labienus. Volkstribun
226: Legat Caesars 233.
235''. 239. 241. 245. 249
251. 252. 255. 266.
Lactantius Firmianus, Hist.
383.
29
450
Alphabetisches Register.
Lade, Schi. 131.
Ladenburg (Lo])odunum)
358.
0. Laelianus, Gegenkaiser
377.
C. Laelius 123 127.
— Sapiens 160. 171.
Laibach (Aemona) 359.
Lakodaimon s. Sparta.
Lakinion, Vorgebirge 76.128.
Lambaesis in Afrika 337".
365.
Lampridius (Aelius Lam-
pridius), Biograph 280».
M. Lamponius 205.
Lampsakos, St.l34 : KoL 253.
270.
Lanassa, G des Pyrrhos 77.
Landbevölkerung291; Land-
wirtschaft 170.
Langobarden 296. 308^. 341.
371. 432; in Pannonien
433; in Italien 433 f.
Laodike, Mutter des Mithri-
dates 197.
Laodikeia am Meer 262.
Lappius Maximus 332'.
Lasthenes, Kreter 220.
Latifundien 170. 213.
Latiner, Latiuni 25. 27. 35;
Verhältnis zu Rom 31 f.
36. 38 f. 55; Bund 38 f.
56 f.; unterworfen 53 f
56 f. 72. 83; lat. Fest 38.
56; lat. Kolonien 58. 83;
192 f.
Latinisierung (Latein) 206.
354 ff. 368. 434.
laudationes (Leichenreden)
14.
Laurentum, St 38.
Lauron, in Spanien 210.
Lautulae, Schi. 70.
Leese 307^.
Legion 87. 289 f.
leffes s. lex.
legis actiones 85.
Leichenreden 14.
Lemnos 145. 218.
Leo I, Kaiser 421—423. 4253.
— II 423.
— röm. Bischof 419 f.
Leontini 120.
Leontios, Gegenkaiser 425.
Leptis 128 344.
Lesbos 137. 197.
leuga 355*.
Leukai in Kleinasien 168.
Leukas 145. 274.
Leukopetra, Schi. 167.
Lewis 5.
lex Aufeia 176^
— Aurelia 212.
— Calpnrnia 169.
— Cnmtleia 63.
lex Cassia 188. 1
— Claudia 155'.
— coloniae Genetivae 253*. '
— curiata 45.
— Domitia 188. 226. i
— frumentaria 175.
leges Gemiciae 65.
lex Hortensia 84.
— Icilia 60. 86'.
— deimperio Vespasiani28S^.
— iudiciaria des C.Gracchus
175
— Julia 193.
— Julia de maritandis ord.
286.
— Julia municipalis 253.
— Jtdia de repetundis 229.
— Licinia Mucia 190.
leges Liciniae Sextiae 64*.
lex Maenia 84'.
— militaris des C. Gracchus
175.
— Papia Poppaea 286.
— Plautia Papiria 193.
— Pontpeia 242.
— PuhUlia 84*. 84*.
leges regiae 60.
lex Ehodia 155*.
— Saenia 285 ' .
— Sempronia 168 176. 242^.
^- Servilia 226. 228.
— SHinptuaria 253
leges tabellariae 171.
lex Tarpeia Aternia 60.
— Tlioria 178.
leges Valeriae Horatiae&l. 84*.
lex Villia annalis 154.
Libanios, Redner 384. 403'.
Liber und Libera, Götter 39.
Liberius, röm. Bischof 401'.
Libius Severus, Kaiser 422.
libri lintei, libri magistratuuni
12.
Libyer 101. 106. 108; Liby-
phöniker 101 . 108. 163 ; vgl.
Afrika
Licinianus Licinius, Caesar
397. 400.
Licinius (Valerius Licinia-
nus Licinius), Kaiser 394
-397.
P. Licinius Cornelius Salo-
ninus, Caesar 373'.
P. Licinius Cornelius Vale-
rianus, Caesar 373 f.
C. Licinius Crassus, Volks-
tribun 171.
L. Licinius Crassus, cos. 95
V. Chr. 187. 190.
M. Licinius Crassus, Sulla-
ner 204 f. 211 f. 213. 224 f.
226*. 229. 230; Triumvir
235; Ende 236 f.
— Legat von Makedonien
293.
P.Licinius Crassus, cos. 171
V. Chr. 143.
P. Licinius Crassus, cos. 97
V. Chr. 187.
— Caesars Legat 235.
P. Licinius Crassus Mucia-
nus, COS. 131 V Chr. 168.
Licinius Diocletianus 385'.
P. Licinius Egnatius Gallie-
nus, Kai.ser 373—376.
L. Licinius Lucullus, cos
151 V. Chr. 159.
— ' auf Sizilien 187.
— Sullaner 202. 204. 210.
212 215 217; Krieg gegen
Mithridates 217— 220.221.
228.
M. Licinius Lucullus (M.
TerentiusVarro)204. 211 f.
215.
C. Licinius Macer, Hist. 16.
212. 212».
C. Licinius Mucianus 325 f^
329
L. Licinius Murena 216
L. Licinius Stolo, Volkstri-
bun 64*; licinisch-sexti-
sches Gesetz 171^.
Licinius Sura 335.
P. Licinius Valerianus, Kai-
ser 373.
L. Licinius Varro Murena
304.
Ligurer 25. 27 f. 50: Kriege-
mit Rom 110'. 150. 174.
180; Ligures Baebiaiii et
Corneliani 150'.
Lilybaeum, St. 79. 105 f. 108.
205. 269; vandalisch 427.
431.
Limes 299. 319. 347 357. 357*.
374; Tripolitanus 375*.
limifanei, Truppen 398.
Lingonen in Gallien 240 f.
327. 387.
Lipara, St . erobert 105.
Lippe, Fl. '296 f. 306 f.
Liris, Fl. 193.
Lissos, St. 110. 126.
Liternum, Kol. 130. 154.
Litorius 417.
Livia Drusilla, G. des Augu-
stus 265*^.303; Julia Augu-
sta genannt 305. 309.
Livilla s. Julia.
C. Livius, Pr. 191 v. Chr. 137.
M. Livius Salinator, cos. 207
V. Chr. 124 f.
Livius Andronicus, Dichter
155.
T. Livius, Hist. 13. 15. 17. 68.
99 f. 158. 276. 2S6; Chrono-
logie 92 ft\: Kritik 242. 602.
60 f. 69^ 72'. 73*. 109L
112'. 1143. 116. 161'.
Alphabetisches Register.
451
M. Livius Drusus, cos. 112
V. Chr. 176 f. 187. 190^.
— Volkstribun 91 v. Chr.
190 f.
Locri, St. 77. 80. 119. 125.
Loire, FL, Schi. 235.
Loki-er in Hellas 132. 166;
in Italien 21.
M. Lollius 295.
Q. Lollius Urbicus, Legat in
Britannien 338.
Londinium (London) 318 f.
356.
Longinus, Philosoph 377.
Lopodunum 358.
Lorch (in Württemberg) 357.
Loriuni, Villa 339.
Luca, St. 235.
Lucaiius (Annaeus Luca-
nus), Dichter 317.
Licceres, Reitercenturie 31 f.
36 f.
Luceria,Kol.70.72; Schi. 73.
Lucianus s. Lukiauos.
Lucilla, T. des M. Aurelius
312.
Lucius Priscus 372.
Lucretia 32.
C. Lucretius, Pr. 171 v. Chr.
143.
Lvierios, Arverner 180.
Lugier, Germanen 331. 360.
Lugudunum, Kol. 295. 312.
344. 356. 407; Schi. 345.
Lukaner, Lukanien 26. 70.
72 f. 75 f. 77. 80. 81. 89.
129. 194. 205. 211.
Lukianos. Schriftsteller
279^ 340.
Lukrinersee 269.
Luna, Kol. 150.
Luperkalien 43.
Lusitanerl59f. 187. 208 f. 228.
254; Lusitanien, Prov. 354.
Lusius Quietus 335. 336°.
Lusoner, Keltiberer 160.
C. Lutatius, cos. 242 v. Chr.
106.
Q. Lutatius Catulus, cos. 102
v.Chr. 186. 201; Hist. 157.
— cos. 78 V. Chr. 208. 212.
224'. 226.
Lutetia (Lukotokia) = Paris
356.
Lydien 139.
Lykaonien 168. 362 f.
Lykien, Lykier, lykischer
Bund 138 f. 197. 216.263;
Prov. 329. 362.
Lykophron, Dichter 35*.
Lykortas, Achäer 146.
Lynkestis in Makedonien
132.
Lysimacheia, St.130.134.138.
Lysimachos, König 77.
M.
Machanidas, Spartaner 126.
133.
Machares, S. Mithridats 219.
223.
Macra, Fl. 23. 150.
Macrianus (Fulvius Macri-
anus), Gegenkaiser 374 f.
Macrinus (M. Opellius Ma-
crinus), Kaiser 348 f.
Macro (Naevius Sertorius
Macro) 310. 311^
Maaten, Briten 346.
C. Maecenas 259^. 266. 302.
304'. 350- ; Memoiren 276.
Maecia, Tribus 57.
M. Maecilius Avitus, angeb-
licher Name des Kaisers
Avitus 421'.
Mäder, Thraker 179\ 187.
203. 214 f.
Sp. Maelius 63.
Maelo, Sugambrer 295.
Magalia (Megara) in Kar-
thago 163.
mag ister equitum 45. 257 '.398.
magister militum 401. 419.
magister pedltum 398.
magister populi 44.
Magnesia am Mäander 138.
— am Sipylos, Schi. 138.
— in Hellas 137.
Magnus Clemens Maximus,
Kaiser 407 f.
Magnus Magnentius, Kaiser
401.
Mago, Karthager, Admiral
79.
— Hannibals Unterfeldherr
119.
— Hannibals Bruder 123.
125. 127. 127'. 129^ 148.
Majestätsprozesse 305. 315.
Mailand (Mediolanium) 50.
112. 353; Schi. 374. 376;
Residenz 389. 396. 401. 409.
413.
Mainz (Mogontiacum) 295.
306. 324. 327. 331. 333. 351.
357 f.
Maiorianus (Julius Valerius
Maiorianus), Kaiser 421 f.
Makedonien 85. 109. 113 f.;
erster Krieg mit Rom 121.
125—127. 134; zweiter 130
— 134. 136. 139 f.: dritter
141—145. 163; Prov. 165.
187. 199. 201 ff. 214 f. 246 f.
258 '.262.282. 293. 361. 411.
Malaca, St. 433.
Malchos, Hist. 381.
Maleventum (= Beneven-
tum) 80«.
Cn. Mallius Maximus 184.
Mallorca, Insel 179.
Mamaea, Kaiserin 349 ff.
Mamertincr auf Sizilien 78
—81. 101 ff.
Mamortinus, Redner 384.
C. Mamilius Limetanus,
Volkstribun 182.
Mamurra 235*.
C. Manilius 220.
M'. Manilius, cos. 149 v.Chr.
i(;2 f.
Manipchi 87; Manipular-
ordnung 185.
C. Manlius, Catilinarier 226.
Cn. Manlius (Vulso) 139.
L.Manlius.Pr. in Gallien 209.
M. Manlius (Capitolinus) 64.
T. Manlius Torquatus, Zwei-
kampf 54'-': COS. 340 v.Chr.
56.
Mantineia, Schi. 126.
Mantua 23.
Marbod (Maroboduus) 297.
308.
Marcellinus, Staatsmann
3812. 422. 422'.
— Comes, Chronist 382.
Marcellus s. unter Claudius.
Marcia.Konkubine des Com-
modus 342 f.
Marciana,SchwesterTraians
3363.
Marcianopolis 360^. 406.
Marcianus, Kaiser 419 f. 421.
Ancus Marcius, König .30 f.
36.
Q. Marcius, Volkstribun 212.
L. Marcius Censorinus, cos.
149 V. Chr. 162.
Cn. Marcius Coriolanus 47.
63.
Q. Marcius Crispus 254. 262.
L. Marcius Philippus 190.
209.
Q. Marcius Philippus, cos.
169 V. Chr. 144.
Q. Marcius Rex, cos. 118
V Chr. 179.
Marcius Turbo 335.
Marcus, Gegenkaiser in Bri-
tannien 413.
— s. M. Aurelius Antoninus.
Marcussäule 341'. 341^
Mariuus Pacatianus, Gegen-
kaiser 372.
Marius (M. Aurelius MariusI,
gallischer Kaiser 377.
C. Marius, der Vater 182 f.
185 f. 188 f. 192 f. 198. 200 f.
224; sein angebl. Enkel
1 257; fossa Mariana 185.
' — der Sohn 200. 204 f.
I Marius Aventicensis, Hist.
' 382.
L. Marius Maximus, Bio-
\ graph 280-.
28*
452
Alphabetisches Register.
Markion, Ort 53.|
Markomannen 297. 331;
Kriof; mit M. Aurel 340 ff.
Marmaridon 302.
Maroneia. St. 131. 142.
Marruciner 26. 70; mit Kom
verbündet 71.
Mars, Kriegsgott 28.
Marser in Italien 26; mit
Rom verbündet 71. 87^;
marsischer Krieg 192 ff.
— Germanen 306 f.
Marsyaba, St. 301.
Miirtinianus, Cae.sar 397.
P. Martins Verus 342'.
Marzabotto 23».
Masada in .Judäa 328.
Mascizel, Maure 405'. 412 f.
Masinissa, Xumider 127 ff.
161. 163. 181.
Massalia, Massalioten, mit
Rom verbündet 40. 115.
123. 180: von Caesar er-
obert 245 f. 260 ; kaiserlieh
355. 368. 394. 425.
Massiva, Numider 182.
Mastanabai, Numider 183.
Mastarna, Etrusker 33.
Mathesuentha, Gothin 431 f.
Mathos, Libyer 108.
Mattiaker in Germanien 319.
Mauren, Maurusier 163. 336.
341f. 417.430; Mauretanien
200. 208. 251. 302; Prov.
323 f. 366. 373. 388. 405. 417.
Mauriacum 420.
Mausoleum des Augustus
276. 304.
Maxentius (M. Aurelius Ma-
xentius), Kaiser 393 ff.
Maximianus Herculius (M.
Aurelius Valerius Maxi-
mianus), Kaiser 386 ff.
393 f.
Maximinus Daia (Galerius
Valerius Maximinus), Kai-
ser 393 ff. 396.
Maximinus Thrax (C.Julius
Verus M.), Kaiser 351. 369 f.
Maximus (M. Clodius Pupie-
nus Maximus), Kaiser 370.
— Magnus Clemens Maxi-
mus 407 f.
— Petronius Maximus 421.
Mazaka ( = Caesarea), St. 363.
Med er, Medien (atropateni-
, sches) 270 f. 272. 275.
Mediolanium s. Mailand.
Megalopolis inArkadien 166.
Megara in Hellas 167. 250.
— in Karthago (Magalia) 163.
Melissa in Phrygien 3382.
Melitene am Euphrat 219.
322.
Melpum, St. 23. 50=. b2K
C. Memmius 181 f. 189.
Memnon, Hist. 157.
Memor, Gegenkaiser 375.
Menapier, Gallier 235. 237 f.
2.39.
Menas, Admiral des Sex.
Pompeius 267.
Meppen 306^.
Merobaudes, Redner .384.
Mesambria, St. 359.
Mesene, Landschaft 335.
Mesopotamien 196. 220. 222.
236 f. ; Prov. 335 f. 345. 351 .
362. 369^. 370 f. 380. 388.
400 f. 432.
Messalina (Valeria Messa-
lina) 314.
Messana auf Sizilien 78. 101 ;
wird römisch 103. 187. 269 ;
vgl. Mamertiner.
Messapier (Sallentiner) 22.
75. 77; römische Bundes-
genossen 81.
Messene im Peloponnes 126.
C. Messius Traianus Decius,
Kaiser 372.
Metapoution, St. 21. 122.
Metaurus, Fl. 125.
Meyer, Ed. 5.
Micipsa. Numider 181.
Milet, St. 271. 363.
Miletopolis 224^; Schi. 202.
Milon, Feldherr des Pyrrhos
80. 81-.
Miltenberg 357.
Minervia, Kol. = Skylletion
176».
Minius, Fl. 160.
Minucier, Schiedsrichter
179-.
M. Minucius, Diktator 118.
M. Minucius Rufus 187.
M. Minucius Thermus 216.
Minos 22.
Misenum 267.
Mithras, Gottheit 368.
Mithridates V Euergetes,
König des Pontos 164^.
168. 197.
— Chrestos 197.
— VI Eupator 190. 194. 197.
207'. 210. 215. 2332; er-
ster raithridatischerKrieg
198 ff. 201 ff.; zweiter 216;
dritter 217 ff. 221 ff.
— von Pergamon 249 f.
— Bosporaner 321.
— Iberer 321.
Moagetes, Kibyrate 216.
Moser 293 ; Mösien 294 ; Prov.
2943. 297. .320. 326. 328. 334.
336. .359. 370. 372. 405. 407.
418 f. 425: Diözese 388«.
396. 411.
Mogontiaeum s. Mainz.
Molosser 144. 146.
MOMMSEN. Tu. 4 f.
Mona, Insel 318 f. .3.30.
Mondfinsternis 145. 306*.
monetaril in Rom 378.
Mongolei 406.
Monophysiten 433.
Mt. Cenis, Paß 116. 116*.
Mt. Genevre 116. 116*. 1245.
2091.
montanl in Rom 36.
Monte Castellaccio u. Monte
Pellegrino auf Sizilien
1062; vgl. Heirkte.
Monutnenttcm Ancyranum 276.
Morgantine, St. auf Sizilien
187.
Moriner in Gallien 235. 238.
294. 312.
Mucianus s. Licinius Mu-
cianus.
P. Mueius Scaevola 13. 172.
Q. Mueius Scaevola 190. 204.
Mülhausen im Elsaß 234^.
Müller, K. O. 33.
Münzen. Münzwesen Roms
8 f. 46. 89 f. 378. 390. 398.
Muluccha, Fl. 181.
Mulvisehe Brücke, Sehl. 395.
L. Mummius 166 f.
Sp. Mummius 196.
L. Munatius Plancus 259 ff.
283'. 2881.
Munda in Spanien, Schi. 254.
Mundiuch (Mundzuk),
Hunue 419.
Munichia in Athen 201.
Munizipien 82. 194. 253;
Munizipalverfassung 366.
Mursa, Schi. 374. 401.
Muthul. FI. 182.
Mutina. Kol. 112. 149. 208.
259 f.; mutinensischer
Krieg 259 f.
Muttines s. Myttones.
Mylae, Schi. 104. 269.
Mvonnesos, Schi. 138.
MVtilene. St. 216. 2242. 224«.
248. 270. 334".
Myttones, Karthager 121.
N.
Nabatäer (Araber) 196. 222;
Prov. 334. 362.
Nabis, Spartaner 133 — 135.
Naevius, Dichter 156.
Naevius Sertorius Macro.
Präfekt 310. 31P.
Nageleinschlagung am Ka-
pitol 94-.
Naissus, Sehl. 376.
Napoca in Daeien 359.
NaraggarainNumidien 128^.
Narbo, Kol. 177. 181. 355.
415; westgothisch 422.
Alphabetisches Register.
453
Narcissus. kaiserl. Freigelas-
sener 314.
Narnia, Kol. 72. 180^
Narona in Dalmatieu 361.
Narses. Perserkönig 388.
— Feldherr Justinians 432 f.
Nasamouen in Afrika 332.
Naulochos, Schi. 269.
Naupaktos 121. 12«. 136.
Nauportus in Pannonien
3061.
Naxos (Tauromenion) auf
Sizilien 21.
Nazarius, Redner 384.
Neapolis in Kampanien 21;
wird römisch 69. 78. 119.
194'. 243 353. 431 f.
Neckarlandschaft 328. 333.
357.
Neckarsueben (Suebi yicre-
tes) 358^.
Nemausus (Nim es) 355.
Nepet, Kol. 53.
Nepheris in Afrika 163 f.
Nepotianus, Gegenkaiser
401.
Neptunia{Tarent), Kol. 176^
Nequinum (Narnia), St. in
Umbrien 72.
Nero Caesar, S. des Ger-
manicus 309. 310^.
— Kaiser (Nero Claudius
Caesar 29.33. 3i4_3i7. 320
—323. 360. 361 f. 391 ; fal-
scher Nero 317.
Neronien, Wettspiele 316.
Nerva (M. Cocceius Nerva),
Kaiser 332 f. 339. 352. 353.
366.
Nervier in Gallien 234. 238 f.
Nestorius, Bischof 419.
Nestos, Fl., Schi. 375.
Neukarthago in Spanien 1 12.
123. 150. 433.
Neuß s. Novaesium.
Nicomachus Flavianus 408.
Nida in Germanien 358^.
NiEBüHR, B. G. 2 f. 33.
Niederbieber, Kastell 374'.
Niger, Fluf3 366.
Nigrinus (Avidius Nigrinus)
336^
Nikaaufstand 430.
Nikaia, St. in Bithynien 250.
363. 404; Konzil 399.
— an den Thermopylen 133.
Nikephorion, St., Schi. 388.
Nikolaos von Damaskos,
Hist. 17. 157. 276. 287.
Nikomedeia, St. 202. 218. 347.
363. 380. 396: Residenz
386.
Nikomedes II, König von
Bithynien 198.
— III 198. 203. 217.
NikopolisbeiActiuni275 361.
— in Kleinarmenicn 222'.
250.
— in Mösien 372.
Nisibis, St. 220. 345. 4U4.
I Nissen, H. 1. 11 f.
Nitiobrogen in Gallien 184.
NiTzscH, K. W. 5. 11. 13. 34.
, Nobilität 86. 153 f.
j Nola, St. in Kampanien 21-.
i 25. 25^; römisch 57-*. 70.
119. 193 f. 200 f. 304.
Nomentum, St. 31.
M. Nonius Gallus, Legat des
Augustus 294.
Norba, St. 205.
Norbanus 332 1.
C. Norbanus, cos. 83 v. Chr.
204.
C. Norbanus Flaccus 264.
Noreia, Schi. 184.
Noriker 292; Noricum 184;
Prov. 292f. 340. 358. 413 f.
417 : von Barbaren besetzt
425.
Nofifia äiqnitattim 385. 389.
Novaesium (Neuß) 334'. 357.
373^
Noviodunum (Nyon) 356^.
Noviomagus (Ulpia Novio-
raagus) 333. 357.
Nubier 388.
Nuceria Alfaterna in Kam-
panien 25. 57^ 194.
Numa Pompilius, König 30 f.
36. 46. 471.
Numantia in Spanien 159;
numantinischer Krieg
160 f. 172.
Numerianus, Kaiser 380.
Numider (Nomaden). Numi-
dien 101. 104. 106. 112.
123. 128. 136. 161 : numid.
Krieg 181—183. 192. 205.
252; Prov. 302. 365. 369.
373. 388; vandalisch 418.
Nursia, St. 208^
Nymphidius Sabinus, Prä-
torianerpräfekt 317.
Nymwegen s. Noviomagus.
O.
Ocriculum, St. 72=*.
Octavia. Schwester Okta-
vians266f. 269. 270». 272 f.
303; ihr Porticus 285.
— T. des Claudius 314 f.
Octavianus s. C. Julius Cae-
sar Octavianus.
C. OctaviuSjVater Oktavians
258.
— der spätere Kaiser Au-
gustus 258.
Cn. Octavius, Fr. 168 v. Chr.
145. 146 f.
Cn. Octavius, cos. 87 v. Chr.
200 f.
M. Octavius, Volkstribun
133 V. Chr. 172.
— Pompejaner 247. 249 f.
Octogesa, St. 246.
Odaenathus (Septimius
Odaenathus) 374 f. 377.
Odenwald 357.
Odessos, St. 359.
Odoakar 423 f. 424«. 425 f.
Odotheus. Gothe 407.
Odysseus 29; Ody.ssee 20.
Oea, St. 164.
Ofen (Aquincum), St. 359.
Ofonius Tigellinus, Prä-
torianerpräfekt 316.
Cn. und Q. Ogulnius, Volks-
tribunen 84; Ädilen 28.
Oiniadai, St. 126.
Oinomaos, Gallier 211.
Oinotrer, Oinotria 21.
Olbia am Borvsthenes 338.
359.
Olkaden in Spanien 113.
T. Ollius, röm. Ritter 31 5^
Olybrius 422; Kaiser 423.
Olympia 203. 316^ 361\
Olympiaden 91 f.
Olympiodoros, Hist. 381.
Olympius, Stilichos Gegner
414.
Olympos, St.inlsaurien215.
Olysipo in Lusitanien 160.
Onulf, Skire 423».
M. Opellius Antoninus Dia-
dumenianus, Caesar 348 f.
' M. Opellius Macrinus,Kaiser
348 f.
Opiker, Osker 21. 26.
! L. Opimius. cos. 121 v. Chr.
174. 177. 182.
Oppius Sabinus 331.
Orchomenos in Arkadien
166.
— in Böotien, Schi. 202.
; Ordoviker, Briten 318.
Oreos auf Euboea 126. 132.
I Ofesten in Makedonien 132.
Orestes, Patricius 423 f.
Oriens, Diözese 388*^.
j Origenes, Schriftsteller 392.
origo Constanthu 382.
Orikos in Illyrien 247.
; Orleans {AurenxH!). St. 420.
i Orodes (Hyrodes). Parther
236 f. 266. 270.
Oroizes, Albaner 222.
Orophernes. Kappadoker
147.
Oropos, St. 165.
Orosius (Paulus Orosiust,
Hist. 17. 382.
Ortygia in Syrakus 121.
Orvieto (Volsinii) 82^
454
Alphabetisches Register.
Osca in Spanien 20y.
Osker 21. 206; osk. Sprache
26 206.
Osroi'He, Landschaft, rri-
misch 340.
Osrors, Partherkönig 335.
Ostgothen s. Gothen.
Ostia bei Rom 31. 38. 220.
254; ausgebaut 314.
Ostsee 360.
Otlio, Kaiser, s. SalviusOtho.
Oufentina, Tribus 72.
Ovidius, Dichter 17. 286.
Ovinium phbiscitian 67.
Oxybier, Ligurer 180.
P.
Pabak, Perser 350.
Pacatus. Redner 384.
Pacuvius, Dichter 156.
Päligner 26. 56'-; römische
Bundesgenossen 71. 83^
192.
Pästum(Poseidonia),Kol. 81.
Paetus Thrasea (P. Clodius
Thrasea Paetus) 317. 329.
pagani in Rom 36.
Pais, E. 5 f.
Pakoros, Parther 266. 268.
Palaepolis bei Neapolis 69'.
Palaeste, Ort 247^
Palästina, Prov. 362.
Palatium, Palatinus in Rom
30. 35 f. 316.
Paliken, Götterpaar 186.
Palladius, Caesar 421.
Pallantia in Spanien 161.
Pallantion in Arkadien 30.
Pallas, kaiserl. Freigelasse-
ner 314.
Palma, St. 179.
Palmyra 363. 365. 374; er-
obert 377.
Pamphvlien 138 f.; Prov.
188. 216. 362.
Panaehäer, Hellenen 362.
Panares, Kreter 220.
Pandateria, Insel 304^*.
Paneion, Schi. 130.
Panhellenen, Festgemein-
schaft 311^. 362.
Pannonier 271. 293 f.; Auf-
stand 297 f.; Prov. 298. 305.
306-^ 308. 334. 340. 358 f.
379. 397. 402. 405; hunnisch
417. 419; ostgothisch420;
langobardisch 433; Diö-
zese 388«. 396.
Panormos auf Sizilien 105;
Kol. 286.
Pantikapaion, St. 223.
Paphlagonien 138 f. 197 f.
217. 223; Prov. 300. 362.
Papinianus (Aemilius Papi-
nianus), Jurist 346. 348''.
C. Papirius Garbo, Graccha-
ner 174. 1762.
— Volkstribun 89 v.Chr. 193.
Cn. Papirius Garbo, cos. 113
v.Chr. 184.
— Marianer 204 f.
L. Papirius Cursor, Diktator
692.
— COS. 294 v. Chr. 73'.
C. PapiusMutilus, Samniter
192.
Papyri 8.
Parisier 241. 356; Paris 402.
407.
Parma, Kol. 149.
Parthamaspates, parthi-
scher König 335.
Parther 147. 196. 219; Ver-
hältnis zu Rom (Kriege)
unter Pompeius 221 f. 236.
248; Crassus 236 f. 254;
Caesar 255. 258; Cassius
I 263: Antonius 267 ff. 270.
272. 275; Augustus 275.
, 299 ff. 321 ; Nero 321 f. ;
I Vespasian 329; Traian 335;
! Hadrian 336; Antoninus
Pius 339; M. Aurel 340;
Septimius Severus 344 f. ;
Caracalla347f.; Sturz350.
Parthiner, Illyrier 110.
Passau [Castra Batava) 358.
Patavium, St. 353.
Patrae in Achaia 250. 274;
! Kol. 286. 361.
Patres, der alte Senat 31. 43.
45. 67. 86 f.; maiontm und
minorum gentium 32. 43;
patnim auctorttas 45. 84.
Patricius, S. Aspars, Caesar
422.
Patrizier 43 f. 46'; Kämpfe
mit den Plebejern 58 f.;
Vorrechte 84. 86; ver-
mehrt 253. 285'.
Paulus Diaconus, Hist. 383.
Pausanias, Perieget 100. 158.
340.
Pax, Tempel 329 ; Altar 282^.
pecnnia 46,
Q. Pedius, cos. 43 v. Chr. 254.
260; lex Pecfia 260.
Peiraieus, Hafen Athens
136. 201.
Pelasger in Italien 22. 30. 35 ;
tyrrhenische 22.
Pella in Makedonien, Kol.
361.
Peloponnes, verwüstet 412.
422.
Pelusion, St. 248 f.
Pentapolis (Kyrene) 366.
Peräa der Rhodier 133.
Perennis, Präfekt des Com-
modus 342.
Pergamon, Pergamener 88.
131. 1.34 f. 138 f. 140 f. 143.
147. 188; römisch 167 f.
199. 202 f.
perinchae des Livius 17.
Periökenstädte in Lakonien
134 f.
Periplus des Roten Meeres
365'.
Perizoniüs 2.
M. Perperna, cos. 130 v. Chr.
168.
— Marianer 208 ff.
Persepolis 350"\
Perser (Neuperser) .3.50 f.;
Perserkriege 351. 373. 374.
378. 380: Diokletians 386.
388; Konstantins 400; des
Con.stantius 401 ; .Julians
404; 406. 408'. 412. 418 f.
428; Justinians 430. 431 f.
Perseus, König von Make-
donien 142. 165; Krieg
mit Rom 143—145; Ende
146.
Pertinax, Kaiser (P. Helvius
Pertinax) 343. 353^.
— Beiname des Septimius
Severus 345.
Perusia, St. 24'. 70*. 117;
perusinischer Krieg 265.
C, Pescennius Niger, Kaiser
344,
Pest im römischen Reich
.340. 372. 375.
Petelia, St. 119.
Peter, Carl 5.
Q. Petillius Cerialis 327. 330.
Petra, St. in Arabien 3.34.
M. Petreius 245. 251 f.
C. Petronius, Präfekt von
Ägypten 302.
Peti'onius Maximus, Kaiser
421.
Petros Patrikios, Hist. 280.
.381.
Peuketier 22.
Phanagoreia, St. 223.
Pharnakes. König von Pon-
tos 141. i97.
— II, Bosporaner 223. 250;
seine Söhne 272.
Pharos, Insel vor Ägvpton
249.
— in Illyrien 114.
Pharsalos, Schi. 247 f.
Phaseiis, St. 215.
Philinos von Akragas. Hist.
99.
Philippi. St.. Schi. 264; Kol.
286, 361,
philippische Reden Ciceros
259,
Philippopolis 372.
Philippos V, König von Ma-
Alphabetisches Register.
455
kedonieii 85^. 114. 121 f.
125 ff. 130— 134. 136 f. 138.
141 f. 149\
Philippos, falscher (Andris-
kos) 165.
Philippus Arabs (M. Julius
Philippus), Kaiser, Vater
und Sohn 37U ff. 392.
Philistos, Hist. 19. 522.
Philon, Jude 31 1^
Philopoimen, Achäer 126.
135. 140.
Philosophen aus Eom ver-
trieben 329. 332.
Philostorgios, Hist. 383 f.
Philostratos, Schriftsteller
34«3.
Phintias, St. auf Sizilien 106.
Phlegon, Hist. 158. 281.
Phönike, Landschaft 272.
Phöniker 20 f.
Phoinike, St. in Epirus 109.
126. 130.
Phokäer in Italien 21. 23 f.
Phraata (Praaspa, Vera), St.
in Medien 270^.
Phraatakes. Parther 301.
Phraates I, Parther 219. 236.
— II 270 275.
— IV 300 f.
Phrygien 139. 218.362f.412;
Großphr-N gien 168. 197.
Phrygios, Fl., Schi. 138.
Physkon (Ptolemaios VIII)
148. 172. 195 f.
Picenum,Picenter26; unter-
worfen 72. 74. 81. 118. 192.
193 f. 204. 211. 227. 245;
Picentiner ana tvrrhen.
Meer 129.
PlGHIÜS 1.
Pikten in Schottland 393.
405. 417.
Pinarier, Geschlecht in Rom
43.
Cn. Pinarius Cornelius Cle-
mens 328.
Pinna, St. 193.
Piraten s. Seeräuber.
Pirusten, Illyrier 238.
Pisa in Etrurien 23. 111;
Kol. 150. 179.
Pisidien 188. 218. 362.
Piso s. Calpurnius.
Pisonische Verschwörung
317.
Pistoria, St., Schi. 227.
Pithyusen, karthagisch 101.
Placentia, Kol. 112. 117. 149.
251. 423; Schi. 421.
Placidia (Galla Placidia)
416 ff.
Plautianus (C. Fulvius Plan-
tianus), Prätorianerprä-
fekt 346.
A.Plautius erobert Britan-
nien 318.
, C. Plautius, Pr. in Spanien
I 1596.
I P. Plautius Hypsaeus 239.
M. Plautius Silvanus,Volks-
tribuu 193. 199.
Ti. Plautius Silvanus Aelia-
nus, Legat von Mösien 320.
360».
C. Plautius Venox,Zensor85.
Plautus, Dichter 155.
Plebejer, Plebs 31. 42. 44.
46'; Streit mit den Patri-
ziern 58; erhalten das
Konsulat 64 f.; gleich-
berechtigt 83 f. 85 f. ; spä-
tere plebs 354 ; plebiscita 84.
Plestia in Umbrien 118».
Pleuratos, Illyrier, Vater
Agrons 109.
— Vater des Genthios 132.
134. 144.
Pleuron. St. 166.
C. Plinius (der ältere) 17. 19.
277. 278-. 330.
C. Plinius Caecilius Secun-
dus (der jüngere) 278. 335.
339. 352».
L. Plinius Rufus 267'. 269.
Plotina, G. Traians 336.
Plotinopolis in Thrakien
360'.
Plotinos, Philosoph 376.
Plutarchos, Hist. 18.100. 158.
277.
Po, Fl. 111.
Poedikuler (Peuketier) 22.
Poesien, historische 14,
Poetovio (Pettau), St in Pan-
nonien 359.
Pola, St. 353. 402.
Polemonvon Laodikeia, Dy-
nast 272. 300. 321; sein
Nachkomme 326^; pole-
monischer Pontos 362.
Pollentia, St. in Italien 413.
— auf den Balearen 179.
Pollitium,St.derMarruciner
70.
Pollux, Gottheit 39.
Polybios, Hist. 15 f. 30. 68.
99 f. 109». 1.56; Chrono-
logie 93 f.; in Rom 146.
166; in Hellas 167.
Polyxenidas, Admiral des
Antiochos 137.
Pomerium 35* ; erweitert
354.
Q. Pompaedius Silo, Marser
192. 194.
Pompeji, St. 194. 206; ver-
schüttet 330.
Pompeiopolis (Soloi) in Ki-
likien 221.
Q. Pompeius, cos. 141 v.Chr.
160.
— COS. 88 V. Chr. 200.
Sex. Pompeius, Pr. in Make-
donien 179^
A. Pompeius Bithvnicus263.
267.
Cn. Pompeius Magnus 204 f.
208; in Spanien 209—211.
355; Konsulat 212; gegen
die Seeräuber und Mithri-
dates 221. 223 f. 225. 228.
363; Triumvirat 229. 230 f.
235 f. 239. f. ; gegen Caesar
242 ff. ; Ende 248.
Cn. Pompeius, S. des vorigen
251. 254 f.
Sex. Pompeius, S. des Mag-
nus 251. 2541. 257. 260 f.;
264 ff. 267. 269 f.; Ende
270 f.
Cn. Pompeius Strabo 193 f,
200 f, 204,
Pompeius Trogus, Hist, 17 f.
68, 99.
Numa Pompilius30f. 36. 46.
47',
T, Pomponius Atticus, Hist,
16, 95 f. 213-. 286».
Pomptina, Tribus 53.
Pomptinische Sümpfe 254.
C. Pomptinus 232.
Pons Aeliiis (Newcastle) 337^
Pons Aemilius in Rom 152^.
pontes longt in Germanien
306.
Pontia, Kol. 72.
pontifices in Rom 46. 84. 171
gewählt 188. 206 f. 226
Pontifex maximus 13.226
270. 284; hört auf 405
Pontifikaltafel 13. 93 f. 95
C. Pontius (Telesinus) 205
Pontius Aquila.Volkstribun
256'.
Pontos, Kappadokien am
Pontos 141. 197 f.; Prov.
222. 223. 272. 300. 326. 400;
polemonisoherPontos362 ;
Diözese3886: Pontosstädte
141 ; Pontosküste 198. 328.
334. 359: Pontosvölker
375. 378.
C. Popilius Laenas in Ägyp-
ten 147.
M. Popilius (Laenas), cos. 173
V. Chr. 150.
M. Popilius Laenas 160.
P. Popilius Laenas, cos. 132
V. Chr. 1733.
Poppaea Sabina, G. Neros
315.
Populonia, St. 24'.
C.PorciusCato,cos.ll4v.Chr.
187.
456
Alphabetisches Register.
L.Porcius Cato, cos. 89 v.Chr.
193.
M. Porcius Cato 135 f. 146";
COS. 195 V.Chr. 151 ; Zensor
152^ 154; 155. 156. 1.59.
162; Hist. 16. 19. 29.
— der jüngere 227 f. 231.
235. 239. 245. 249. 251. 2.56;
Ende 2.52.
Porphyrios, Chronograph
281.
Porsenna, König von Clu-
sium 33^ 33«. 40.
Porticus der Octavia 285.
portiis Itins in Gallien 237.
Poseidonia (Pästum), St. 75.
81.
Poseidonios, Hist. 16. 156.
183'. 224^
possessio 171.
Postumische Straße [via Po-
stumia) 179.
Postumius, Seeräuber 55.
A. Postumius (Tubertus) 48.
— im jugurthiuischen Krieg
182.
L. Postumius, cos. 229 v.Chr.
109 f.
Sp.Postumius, cos.148v.Chr.
179.
Sp. Postumius Albinus, cos.
110 V. Chr. 182.
Postumus (M.Cassianius La-
tinius Postumus), Kaiser
374. 377.
Potheinos, Ägypter 249'.
Potitier, Geschlecht in Rom
43.
POUILLY, DE 2.
Praaspa (Phraarta, Vera), St.
in Medien 270^.
praefecti iure dicundo, Prä-
fektureu 82. 152; praef.
orae maritimae 260; kaiser-
liche Prätekten 289 f. 293;
PräfektvonÄgypteu363f. ;
praefecfus praetorio 289.
309 f. 329. 352. 367. 389.
389^. 398; praefectus urbi
310. 354. 389.
Praeneste, St. 54. 57. 78; er-
obert 204 f.
prae)ioiiie)i 43-.
Prätor = Konsul 44 ; ein-
gesetzt 64; vermehrt 108.
150. 152. 206 f. 253; unter
den Kaisern 288. 354 ; ita-
lische Pr. 192; prätori-
sches Edikt 367.
Prätorische Kohorten, Prä-
torianer 289 f. 309. 333.
343. 345.
Prasutagus, Brite 818'.
Praunheim 358'.
Premnis in Aethinpien 302.
Priester, Priesterschaften
46. 171. 206 f. 2.53. 284.
Princeps 284. 302.
Prinzipat s. Kaisertum.
j)risci Latini 58.
Priscillianus 407'; Pris<il-
lianisten 407.
Priscus Attalus, Kaiser 414.
Priskos, Hist. 381.
Privernum, St. 57.
Probus (M.AureliusProbus),
Kaiser 379.
Proculus. Gegenkaisor 379.
Prodiktatur 118^
Prokonsularische Gewalt
255. 352.
Prokopios,Gegenkaisor405 f.
— Hist. 381 f.
Prokuratoren, kaiserliche
290. 293. 32Ö. 323. 358. 360.
366.
Promotus, Feldherr 407.
Propertius, Dichter 17. 286.
Prorogation 129. 207.
Proskriptionen 205 f. 261.
Prosper Tiro, Chronist 38^.
Provinzen, Zustände 214.
324; Verwaltung 176. 207.
229. 253 ; unter Diokletian
388 f.
Provokation 59. 60. 1732. 174.
Proxenos, Hist. 68.
Prusias von Bithvnien 126.
130. 138. 140 f. 142. 144.
Pseudophilippos (Andris-
kos) 165.
Ptolemäer in Ägypten 87.
Ptolemaeus, Geograph 296 ^
353'. 360 ^
Ptolemaios Keraunos 77 f.
Ptolemaios II Philadelphos
89
— IV 124. 130.
— V 130. 134.
— VI 147 f.
— VIII 148. 172. 195 f.
— X 196. 207. 230.
— XI Alexander 1 196. 207 '.
— XII Alexander 11207.230.
— XIII Auletes 230 f. 236.
248.
— XIV 248 f.
— XV 249.
— XVI Kaisarion 249. 272.
275.
— Philadelphos, S. des An-
tonius und der Kleopatra
2722.
Ptolemaios Apion, König
von Kyrene 196.
Ptolemaios von Kypros 230.
— von Mauretanien 323. 366.
Ptoleniais. St. in Ägvpten
364.379.4122.
Publicius Certus 332».
Publikanen s. Stoucrpäch-
ter
Publilia. Tribus 53
Publilius Celsus 3.36^
Pulcheria 418 f.
Punicus, Lusitaner 159.
Punier = Phöniker 101 ;
erster punischer Krieg
103 ff.; zweiter 114 129;
dritter 162 164.
Puteoli, Kol 130. 155.
Pydna, Schi. 145. 165.
Pyrenäen 115.
Pvrrhos, König von Ej>irus
'77—80. 139.
Pythodoris, Königin 300.
Pyxus(Buxentum), Kol. 1.30.
Q.
Quaden, Germanen 3(>8.
340 ff. 402. 405.
Quaestionen, Gerichtsliöfe
169. 175. 190 206.
Quästoren, Quästur einge-
setzt 66; vermehrt 86.
206 f. 253.
Quietus (Fulvius Quietus),
Gegenkaiser 374 f.
Quinctilii, Geschlecht 43.
Quinctilis, Monat = Julius
255.
P. QuinctiliusVarus298. 306.
L. Quinctius (Cincinnatus)
48.
T. Quinctius, Diktator 54'.
— Flamininus, im zweiten
makedonischen Krieg
132 flf. 135. 137. 141. 156.
qiiinquagesima venalinm re-
rum, Steuer 297*.
Quinquegentianer in Afrika
373. 375. 388.
Quintillus, Kaiser 376.
Quirina, Tribus 107. 151.
Quirites 37. 252; fossa Quiri-
tium 31.
R.
C. Rabirius 226^.
Eadagaisus 413.
Radamistus, Iberer 321.
Räter, Rätien 22«. 293. 358.
374.379.387.395.402.417;
barbarisch 425.
Ramnes, Ramneiises 31 f. 36 f.
Randeia 322.
Raxke, L. V. 6.
Rasenna, Etrusker 22.
Raudische Felder 186.
Raurica [Augusta Rauraco-
no») 356*.
Rausimod, Sarmate 397.
Ravenna. St. 235. 243. 326.
394 : kaiserliche Residenz
414. 423. 426. 431.
Alphabetisches Register.
457
Recht, i'ömisches 367;
Rechtsquellen •129.
Regalianus, Gegenkaiser
374.
Regen wunder bei den Qua-
den 341^
Regia am Forum 42. 286.
Regillus, See, Schi. 38.
Regionen Roms 285. 288;
Italiens 353.
Rehme, Ort 307'.
Reichsteilung 411.
Reiter (Ritter), Reiterei 37.
45. 6B. 87.
Religion, römische 46. 90;
in der Kaiserzeit 368.
Remer (Reims), Gallier 234.
239. 356.
Remus 28 f.
Repetunden 229.
Resaina am Euphrat 370.
fes gestae divi Angusti 276.
res privata des Kaisers 346.
rex sacrorum 42.
Rhambauiten, Araber 301.
Rhaskuporis, Thraker 320.
Rhegion. St. 21. 77 f. 80; er-
obert 81; 119.265.304^353.
Rhein, von Caesar über-
schritten 237. 239; von
Agrippa 267 ; überbrückt
239. 297: Grenze 298 f.
337.379. 397. 412 f.; Mün-
dungen 357.
Rheinbrohl 357*.
Rheingau 319.
Rhetoren, besoldet 329. 339.
Rhizon in Illyrien 110.
Rhodope, Gebirge in Thra-
kien 215.
Rhodos, Rhodier 88; mit
Rom verbündet 89. 126.
130 f. 133. 136 ff. 144. 146.
197. 199. 2242; von Cassius
erobert 263 ; Aufenthalt
des Tiberius 301. 303 ; ein-
gezogen 329. 362.
Rhoimetalkes, Thraker 320.
Rhome, Troerin 29.
Rhomos 29. 58.
Rhone (Rhodanus), Fl. 185 f. ;
Hannibals Übergang 115.
Richter, Richtergesetze 175.
177. 188. 190. 199. 206. 212.
258. 290.
Ricimer 421. 423.
Rif in Mauretanien 366.
Rittercenturien 31 f. 175;
Ritterstand 173^. 175f. 178.
189. 190. 199f.206.212. 229.
253. 290. 345. 352 f.
Rollin 2.
Rom, Lage und Ursprung
35 f.; Bevölkerung usw.
152. 286 f. 354 368: Bauten
285. 329. 335. 338. 354;
Brände 316. 354. 389*;
Stadtmauer 31 f. 53. 376;
Stadtplan 346: seit Dio-
kletian 389; unter Maxen-
tius 393 f. 395: Bischöfe
40P; 408 f : geplündert
414.421; 431 f.; West- und
Ostrom 411 ff.
Romulus,GründerRoms28f.
30 f. 38. 48.
— S. des Maxentius .395.
— Augustulus 423 f.
Sex. Roscius aus Ameria 225.
Rotes Meer 365.
Rotomagus (Rouen) 386.
Rottenburg 358.
Rottweil 358.
Ruas (Rugas,Rugila).Hunne
419. 4192.
Rubico. Fl. 244. 244*.
RUBINO 3.
Rubrius, Volkstribun 176.
Rudiae, St. 156.
Rufinus, Hist. 383.
— Präfekt 411 f.
Rufrius Crispinus 315*.
Rugas s. Ruas.
Rugier, Germanen 426'.
P. Rupilius, cos. 132 v. Chr.
170 f.
Rusellae, St.inEtrurien24^
Ruspina, St. in Afrika 252.
C. Rutilius Gallicus 328^.
P. Rutilius Lupus, cos. 90
v. Chr. 192 f.
P. Rutilius Rufus, Hist. 157.
190.
i s.
I Saalburg 296^. .357*.
! Saale, Fl. 296.
; Sabatina, Tribus 53.
Sabeller = Samniter 25. 25'^.
27; Einfluß 41: 192.
Sabina, G. Hadrians 336^.
Sabiner 25; in Rom 36;
unterworfen 73 f. 86'" 2.
Sabinianus , Gegenkaiser
370.
Sabinus Julianus (M. Aure-
lius Julianus), Gegen-
kaiser 380.
Sabis (Sambre), Fl. 234.
Sabrata, St der Tripolis 164.
Sachsen, Einfälle ins Reich
371.373. 386.402.405.413.
417. 420.
Sacriportusin Latium. Schi.
204.
Säkularspiele 286*.
Saguntum (Zakantha) in
Spanienll3f. 123. 150.210.
Salarta via 46-.
Salasser. Alpenvolk 179. 271.
292.
Salernum, Kol. 130.
Salinen bei Kom 31. 38. 46.
462; in Gormanien 320'.
Sallentiner (Messajiier) 22.
81.
Sallustius, Hist. 16. 157.
Sallver (Salluvier), Ligurer
180.
Salmantika (Salamanca) 1 13.
Salona in Illvrien 249. 361.
393. 424.
Saloninus (P. Licinius Cor-
nelius Saloninus), Caesar
373=*. 374^
saltiis Castulonensis 150.
Q. Salvidienus Rufus 263.
Salvius (od. Tryphon), Skla-
venführerauf Sizilien 187.
M. Salvius Otho, Kaiser 315*.
325.
Salzhandel 462.
Salzungen 320'.
Samareia (Sebaste), St. 300».
Samarobriva 356.
Same auf Kephallenia 139.
Samniter (Samnium) 25: =
Sabeller 25'^: mit Rom
verbündet 54': im Krieg'
55 f. 68 ff. 73 f. 75. 77. 80;
unterworfen 81. 192ff. 201.
205: Untergang 206.
Samos 131. 137. 197. 215.
274. 299.
Samosata am Euphrat 268.
300.
Samothrake 145. 215.
Sancus, Gott 36.
Santoni in Gallien 233".
Saphrax, Gothe 407.
Sapor I, Perser 370. 374.
— II 400 f. 402. 406. 408'.
— III 408.
Sarapistempel 407.
Sarazenen 386.
Sardes, St. 138. 26.3. 363.
Sardinien, karthagisch 101.
104: römisch 108. 121.150.
175. 179. 205. 208. 245.
251 f. 261. 263. 267. 354:
vandalisch 422; kaiserlich
430. 432.
Sardonia, Kol. (unbekannt)
53*.
Sarmaten ( Jazygen) 320.326.
331. 340. 369. 379. 396 f.
402. 405.
Sarmizegetusa 334.
Sarnus, Fl., Schi. 432.
Sarsinateu, Umbrer 81.
Sasan 350^; Sasanideu 350.
Saticula 70; Kol. 72.
Satricum 49: Kol. 53.
Saturninus s. Appuleius.
— Gegeukaiser 379.
Saxa rubra 395=.
458
Alphabetisches Register.
Scaptia, Tribus 57.
Schlegel, A. W. v. 2 f.
Schlesien 331.360.'
Schottland 331.
Schuldgesetze 199. 2.Ö0.
Schwarz-Korkyra (Curzola)
247.
SCHWEGLER, A. 3.
Scipio s. Cornelius Scipio.
Scipionenprozesse 154'.
Scolacium (Minervia), Kol.
176».
Scribonia, G. Oktavians 266.
303.
CScriboniusCurio der ältere
212. 215.
— Caesarianer 243. 245. 246.
L. Scribonius Libo 247.
scriptores historiae Axc/iistae
280 f.
Sebaste (Samareia), St. 300'.
Sebastianus 415.
secessio -plehis 59'. 84.
Sedunen, Alpenvolk 234.
Seei'aub, Seeräuber 25. 55.
170. 188. 210. 211. 217 f.;
Seeräuberkrieg 215 f. 220f.
267. 3512.
Segesta (Egesta) auf Sizilien
103 f.
Segestes, Cherusker 306.
Segestike (Siscia) in Pan-
nonien 271.
Segida, St. in Spanien 159.
Segimer, Cherusker 298.
Segusiaver in Gallien 356.
Segusio (Susa), St. in den
Alpen 209'. 293.
Seidenhandel 365.
L. Seius Strabo 309^
Seleukeia am Tigris 236. 340.
345.
Seleukiden,Dynastie88. 141.
147 f. 195 f. 300; Ende 217.
Seleukos I 197.
— IV 141. 142.
Selinus auf Sizilien 21.
— in Kilikien 336.
Scllasia, Schi. 114.
Semnonen, Germanen 296.
308-'. 331. 360. 37P.
Sempronia, G. des Scipio
Aemilianus 172. 174.
P. Sempronius, cos. 304 v.
Chr. 71.
A. Sempronius Asellio, Pr.
199.
CSempronius Gracchus 168.
172:Volkstribunl74— 177.
191. 191'.
Ti. Sempronius Gracchus,
cos. 213 V. Chr. 12^1
-cos.177v.Chr.150M51.172.
— S. des vorigen. Volks-
tribun 172 f.
Ti. Sempronius Longus, cos.
218 v.Chr. 115. 117.
C. Sempronius Tuditanus
174. 179^
Sena Gallica, Kol. 74; Schi.
125.
Senat, Entstehung und Bil-
dung 31. 43. 45. 85; patri-
zisch-plebeisch 67. 86 f ;
Bedeutung 153. 173'. 175.
200. 206 f. 212; vergrößert
253; 255; kaiserlich 284 f.
287 f. 290. 305. 315. 329.
335. 338. 339. 345. 350.
351 ft".; beschränkt 364;
367^. 375. 378 f.; .seit Dio-
kletian 385. 389. 409. 414.
416'; Beschlüsse und Pro-
tokolle 14; in Konstan-
tinopel 400.
seniorcs in der Centurien-
ordnung 65.
Senonen in Italien 50. 74.
— in Gallien 241.
Sentinum, Schi. 73.
C. Sentius Saturninus, Pr. in
Makedonien 188. 199.
— in Germanien 297.
Septicius Clarus 278'.
P. Septimius Geta, Kaiser
346.
Septimius Odaenathus, Pal-
myrener 374 f. 377.
L. Septimius Severus, Kaiser
342ä. 344—346. 352 f. 354.
356. 362. 364. 375". 392;
Tod 346; Selbstbiographie
346.
Septimontium in Eom 36.
Sequaner, Gallier 184. 186.
232. 233. 234. 241. 261.
Serdica, St. 401.
Serena. G. des Stilicho 411.
414. ■
L. Sergius Catilina 225—227.
Q. Sertorius 201. 208—210.
216. 217. 218. 355.
Naevius (vielleicht Gnaeus)
Sertorius Macro, Präfekt
310. 3112.
Servilia Mutter des Brutus
256^.
C. Servilius, Pr. auf Sizilien
187.
Cn. Servilius, cos. 217 v. Chr.
117.
P. Servilius, cos. 252 v. Chr.
106'.
Q. Servilius Caepio, cos. 140
V. Chr. 159«. 160.
— cos. 106 V. Chr. 184. 188.
190.
— S. des vorigen, Gegner
des Livius Drusus 190.
C. Servilius Glaucia 189.
P. Servilius Isauricus, cos.
79 v.Chr. 215 f. 224«.
— COS. 48 v. Chr. 247. 251.
Q. Servilius Rullu.s, Volks-
tribun 226. 228.
Servius Tullius, König .30.
32—34. 45. 66. 200; ser-
vianische Stimmordnung
abgeändert 153
Sestertius, Münze 90.
Sestos, St. 138.
Setia, Kol. 53.
Severianus, S. des Kai.sers
Severus 396.
Severus (Flavius Valerius
Severus), Kaiser .393 f 396.
— (Libius Severus) 422.
Severus Alexander (M. Au-
relius Severus Alexander),
Kaiser 349—351. 354. 369.
371. 371«. .392.
L. Sextiu.s, Volkstribun 64^;
cos. 366 V. Chr 97.
T. Sextius in Afrika 263. 266.
C. Sextius Calvinus, cos. 123
V. Chr. 180.
Sibylle, sibyllinische Orakel
39. 231.
L Siccius 60^
Cn. Sicinius, Volkstribun
212.
Side, St. in Pamphylienl642.
Sidiciner 26. 55. 57.
Sido, Suebe 320.
Sidonius Apollinaris 384.
421'.
SlGONIÜS 1.
Sikaner 20'. 21.
Sikeler auf Sizilien 20 \ 21.
30; in Italien 21. 27»; in
Latium 35 ^
Sikelos 67'.
Silarus, Fl. 26.
Silawald der Brettier 81*.
Silberminen in Spanien 123.
150.
Sileuos, Hist. 99.
Silingen, Vaudalen 416*.
C. Silius 314.
P. Silius Nerva 293.
Silurer in Britannien 318.
330.
Silvanus, Gegenkaiser 402*.
Silvier, Könige von Alba
Longa 97.
Silvium, St. 71.
Simon Hoherpriester 196'.
Simon Barkochba 337.
Singidunum (Belgrad) 359.
425.
Sinope, St. 88. 141. 197; wird
römisch 218 f. 250.
Sinuessa, Schi. 56.
Sipontum, Kol. 130.
Siris. St. und Fl. 21. 77.
Alphabetisches Register.
459
Sirmium in Pannonien 369.
376. 379; ostgothisch 427.
Siscia (.Segestike) in Pan-
nonien 271.
P. !-ittius 251 f.
Sizilien, besiedelt 20 f. 40.
76.79f. 101; römischeProv.
107 f.; im zweiten puni-
schen Krieg 120f. 124 f.; im
Sklavenkrieg 170f. 1861".;
sullanisch 205; 214. 214^.
245. 251. 261. 263. 267.
268 f.; unter den Kaisern
354. 414. 418. 422. 424. 426.
431 f.
Skagen in Jütland 296^.
Skarpheia in Lokris. Schi.
167.
Skiren, Germanen 423.
Sklaven, Sklaverei, Sklaven-
handel 168. 170. 188. 213.
367^: Sklavenkriege auf
Sizilien 170f. 1861".; in Ita-
lien 211.
Skodra (Skutari) 145. 266.
Skordisker, Gallier 179. 184.
187. 203. 214.
Skoten in Irland 393. 405.
417.
Skotussa, St. 133.
Skylax, Geograph 19. 50.
Skylletion (Scolacium, Mi-
nervia), Kol 1763.
Skymnos, Geograph 19.
Skyros, Insel 145.
Skythen 196. 197. 217. 338.
Slawen im röm. Reich 428.
433 f.
Smyrna 134. 190, 263.
Soaemias, Kaiserin 349.
socii navaJes 83. 110*.
sodales Titii 286.
Söldnex'krieg der Karthager
108.
Soissons (Suessionen) 425.
Sokrates, Kirchenhist. 384.
Sokrates Chrestos. Präten-
dent 198.
solitudo magistratmim (Anar-
chie) 93.
Soloi (Pompeiopolis) in Ki-
likien 221.
Solomon, Patricius 430 -.
Solus auf Sizilien, römisch
105.
Sonnengott Elagabals 349;
Aurelians 378.
Sophienkirche 430.
Sophoniba, Karthagerin
127^
Sora, St. 70 f.
Sosistratos 79.
C. Sosius, Antonianer 268.
273.
Sosylos, Hist. 99.
Sozomenos, Kirchenhist.
384.
Spanien (Hispanien, Iberer,
Iberien), karthagisch 101.
112 f.; im 2. punischen
Krieg 114f. 120. 122f. 125;
Pi'ov. geteilt 150; Kriege
150 f. 158 ff. 169. 185 f. 187.
205 ; unterSertorius 208 ff. ;
228. 235. 240. 245 f. 251.
254f. 261. 264; ganz unter-
worfen 299; 325. 354 f.
374. 413. 415 f. 417. 424.
4.33; Diözese 388«. 393.
Sparta, Spartaner 126. 133 f.
135. 140; Streit mit Achä-
ern 166; 167. 361; unter den
Kaisern316\337 -.361.375.
Spartacus, Thraker 211. 216.
Spasinu Charax an der Eu-
phratinündung 335.
Spendios, Kampaner 108.
Spina, St. 23.
Spoletium, St. 118^.
Stabiae verschüttet 330.
Stadtpräfekt {praefectus urbi)
von Rom 310. 354. 389.
L. Staius Murcus 254. 262.
263 f. 267.
Stammbäume (imaginum
tituli) 14.
Statellaten, Ligurer 150.
Statilia Messalina 315\
StatiliusTaurus 269. 287. 299.
Steinhuder Meer 307^
Stellatina, Tribus 53.
Steuern, Steuerwesen 66.
289. 291. 294 f. 297. 315.
318. 328 f. 332. 3.36 f. 339 f.
343. 347. 349. 364. 366.
390. 410; Erlaß 336 f. 339 f.
Steuerpächter [publican i)
155. 168. 176. 186. 190. 197.
214. 219. 236.
Stilicho 411—414. 415'.
Stimmordnung, serviani-
sche 32. 34. 66; refor-
mierte 343. 153. 200.
Stöner, Ligurer 179.
Stoiker, ausgewiesen 329.
Strabon, Geograph und Hist.
16. 19. 156 f. 158. 276. 287.
306 ^
Straßburg (Argentorate)
328. 358. 406; Schi. 402.
Stratonikeia in Mysien 168.
Stratonsturni in Palästina
3003.
Stratos. St. 144.
Sucro, Fl. 210.
Sueben 232. 237. 239. 294.
296 f. 320. 331.333; Suehi
Nicj-efes 358'*; in Gallien
413.
Cn. Suellius Flaccus 332.
Sue.ssa Aurunca, Kol. 57. 72.
Suessionen, Gallier 234.
Suessula, Schi. .56.
C. Suetonius Paulinus 318f.
323. 366.
C. Suetonius Tranquillus,
Biograph 278 f
Sugambrer 237. 295 f.
SulpiciaDryantilla,Kaiserin
374 ^
Sulpicianus (T. Flavius Sul-
picianus) 343'.
P. Sulpicius (Galba), cos.
211, 200 v.Chr. 126. 131 f.
Ser. Sulpicius Galba, Pr. 151
V. Chr. 159.
— Caesars Legat 234.
— Kaiser 317. 324 f.
P. Sulpicius Rufus, Volk.s-
tribun 200.
Sulpicius Severus, Chronist
382.
Sumelocenna (Rottenburg)
358.
Surenas, Parther 236 f.
Suthul in Numidien 182.
Sutrium, Kol. 53. 71.
Syagrius 425.
Sybaris 21.
Sykyrion, Schi. 143.
Symmachus der ältere 384.
— der jüngere 429.
Synesios 412'.
Synkellos (Georgios Syn-
kellos) 281 f.
Syphax 123. 125. 127.
Syrakus, Svrakusaner 21.
24 f. 79. 101. 102 f.; er-
obert 120 f ; 422.
Syrien 147. 195 f.: unter Ti-
granes217.219;Prov.222f.
235 f. 250. 254. 258. 262.
266. 268. 270. 272. 340. 345.
351. 362 f. 363. 370 f. 408'.
411; Sgria coele und Phoe-
nice 362.
T.
I Tabari, Hist. 383.
j Tacfarinas, Numider 323.
Tacitus (M. Claudius Taci-
I tus), Kaiser 378.
— (Cornelius Tacitus), Hist.
I 277 f. 280. 310. 339. 378^.
Tadinae in Umbrien 432.
Tagaste, St. 384^
; Taprobane 365.
Tarasios, Patriarch 281^.
I Tarchu 33'.
Tarcna in Caere 32*.
I Tarentum (Taras), St. 21 f.
69'; tarentinischer Krieg
72. 75ff.; römisch 81.81*.
103-. 119. 122; erobert 124.
j 152: Kol. 1763. 1942. 267 f.
353. 353'.
460
Alphabetisches Register.
Tarquinier, Geschleclit 33.
40 ^ 42 ^
Tarciuinii, St.24'. 31.33. 332.
42^. 54. 70^.
Cn. Tar<iuinius 33'.
L. Taniuinius Collatinus32.
L. Tarquinius Priscus 30.
31 f. 45.
L. Tarquinius Superbus 30.
31. 32. 40.
Tarracina 38.
Tarraco, St. 123. 150. 299.
Tarrutenus Paternus 342.
Tarsos, St. 263 f.; von den
Persern erobert 373; 396.
Tasgetius, Gallier 238^.
T. Tatius, Sabiiier 36. 47'.
Taunuskastell 296; Taunus-
landschaft333 ; civitasTau-
iiensinm 358.
Tauriner 111'. 116.
Tauriskerlll.179. 179'. 184.
233. 292. 358.
Tauromenion 79. 170 f. 269.
Tauros, Gebirge 138. 188.
215; Schi. 268.
Teanum Sidicinum 57 2. 193.
Teia, Gothe 432.
Telamon, Schi. 111.
Teraese (Tempsa) 20'; Kol.
130.
Tenkterer 237. 327.
P. Terentius (Afer), Dichter
156.
C. Terentius Varro, cos. 216
V. Chr. 118.
M. Terentius Varro 245 f.;
Schriftstellerei 16 f. 95 f.
M. Terentius Varro Lucul-
lus (M. Licinius Lucul-
lus) 215.
A. Terentius Varro Murena
292.
Teretina, Tribus 72.
Tergeste, St. 242.
Termantia, St. 160.
Terremare 20. 27.
Tertullianus 392.
Tetricus (C. Esuvius Tetri-
cus), Vater und Sohn,
Kaiser 377 f.
Tettius Julianus 331.
Teuta, Königin 109 f.
Teutobod 186.
Teutoburger Wald 298. 306.
Teutonen (Toygener) 184.
186.
Thala in Numidien 182.
Thamugadi, St. 335 ^ 365.
Thapsus, Schi. 252.
Thasos 130.
Theater in Rom 235. 254. 285.
Theben in Böotien 167.
Themistios, Redner 384.
Themse, Fl. 238. 318 f.
Theodahad 431.
Theoderich der Große {Fla-
vitis Theodet-icus) 425 — 429.
431.
Theoderid, Westgothe 420.
424.
Theodora, T. des Maximia-
nus 387. 393<.
— G. des Justinianus 429 f.
4332.
Theodoretos, Kirchenhist.
384.
Theodosius, comes 405. 407.
Theodosius I 406—409. 411.
4112. 412.
— II 412. 414'. 416. 418 f.; co-
dex Uieodosianus 384. 418'.
Theologie, etruskische 41.
Theon, Mathematiker 419.
Theophanes von Mytilene
157. 2242.
— Confessor 383.
Theophrastos 54.
Theopompos, Hist. 51.
Thermae auf Sizilien 105;
Kol. 286.
Thermen des Agrippa 285;
des Diokletian 389*.
Thermopylen, Schi. 136 f.
Thervingen, Westgothen
406.
Thespiae, St. 337^.
Thessaler, Thessalien 136 f.
141 f. 143. 165. 199. 202.
247. 361. 411.
Thessalonike, St. 144. 246.
361. 373. 397. 407; Auf-
stand 408.
Theudosia, St. 198. 223.
Theveste, St. lOö^. 365.
Thisbe, St. 143.
Thiudimer, Gothe 425.
Thoinon. Syrakusaner 79.
Thraker, Thrakien 131. 134 f.
139. 142. 165. 187. 198.
202. 211. 214 f. 217. 262.
293 f.; Königreich 293 f.
320. 359 f.; Pro v. 359. 360.
396. 406. 411. 418. 420;
Diözese 388«. 396.
Thransamund,Vandale418'.
427. 428.
Thüringer 425. 427 f. 429.
Thurii, St , Verhältnis zu
Rom 40. 75 f. 122. 124. 128;
Kol. (Copia) 130; 211. 266.
Thusnelda 306.
Thyateira, St. 203.
Thysdrus 252.
Tiberis, Fl. 27. 35. 254.
Tiberius, Kaiser, s. Ti. Clau-
dius Nero.
Tiberius Gemellus, Enkel
des vorigen 311.
Tibur, St. 38. 57. 338. 338='.
Ticinum (Pavia), St. 353.
414. 432.
Ticinu.s, Fl., Schi. 117.
Tifata, Berg, Schi. 204.
Tigellinus (Ofonius Tigelli-
nus) 316.
Tigranes I, von Armenien
196. 198. 215. 217. 219 f.
221 f. 223.
— V 322.
Tigranokerta 217. 219. 322.
Tigris, Fl. 335. 340. 345. 348.
380. 388. 402. 404.
Tiguriner 184. 186. 233.
TiLLEMONT 1.
Timaios, Hist. 19. 35'. 68.
97. 101'.
Timagenes, Hist. 157.
Timarchos in Babvlonien
196*.
Timasius 411.
Timoleon 55.
Tingis 2083.
Tios, St. 219.
Tiridates, Parther 275.
— Bruder des Vologases
321 f.
— Armenier 386.
Tities (2'itienses), Reitercen-
turie 31 f. 36 f.
Tita, sodales 286.
M. Titius, Antonianer 271.
P. Titius, Volkstribun 261.
Sex. Titius, Volkstribun 189.
Titter, Keltiberer 159.
Q. Titurius Sabinus 238.
Titus Caesar, Sohn Vespa-
sians 327 ft". ; Kaiser 330.
Titus Tatius, Sabiner36.47'.
Tolerus, Fl. 193.
Tolosa, St. 180. 184. 415. 417.
421 ; anruni Tolosannm 184.
188.
LarTolumnius,Vejenter48'.
492.
Tomi, St. 215. 359.
Totila (Baduila), Gothe 432.
Toufoiii (Teutonen) 183'.
Toygener 184.
Traianopolis 360'.
Traianus (M. Ulpius Traia-
nus\Kaiser333 — 336.336 f.
339. 352. 354. 358'. 359. 360.
362 f. 365. 391 f.: Traians-
säule 333*. 335; Tropaeum
Trakt ni 333*. 396*.
Transalpiner, Kelten 51 2.
73. 110.
Transdanuvianer 320. 411.
Transpadaner 112. 193. 243.
245.
Transtigritanische Provinz
388. 404.
Trapezunt, St. 326'.
Alphabetisches Register.
401
Trasimenischer See, Schi.
117.
fravi'cfio der Ritter 290'.
L. Trebellius, Volkstribun
2.Ö1.
Trebellius Pollio, Biograph
280«.
Trebia, Fl.. Schi. 117.
Trebonianus Gallus (C. Vi-
bius Trebonianus Gallus),
Kaiser 372 f. 392.
C. Trebonius 235. 251. 254.
256 f. 262.
Trerus, Fl. 27.
tres viri capitales 86*.
Treverer. Stamm 237 ff. 241.
294. 318. 327: Stadt (.4m-
(lusta) Trier 358. 373^ 379^:
Residenz 386. 395. 399. 405.
407.
Triarius, Gothe 425'.
C. Triarius 218 ff. 220^
Tribigild 412.
Triboker 234.
Tribunen, Volkstribunen
[tn'huni plebis) 59.84; ein-
geschränkt 200. 206; her-
gestellt 212; unter den
Kaisern 288. 354; tribu-
ni zische Gewalt Caesars
255; Oktavians 270; des
princeps 284; des Tiberius
303.
— Kriegstribunen [tribuni
iiiiJifitm) 63. 87; consukiri
pntestate 63 f. 239.
— Aerartribunen {tribuni
aei-arii) 212. 253.
Tribus 32. 43. 45. 59. 153. 204;
vermehrt 53. 57. 72. 86. 107.
151.193; städtische 32. 86.
1 53 ; Stammtribus 36 f. 36- ;
Tributkomitien 59. 84.
tributnm 66. 146. 26P.
Trier s. Treverer.
Trifanum, Schi. 56^.
Trinitätslehre und -streit
399. 401. 405. 407.
Trinovanten 318.
Triokala auf Sizilien 187.
Triphylien, Landschaft 134.
Tripolis in Afrika 164. 183.
365. 405. 422. 430; limes
T/-ipolitani(s 375"'.
Triumphalfasten 12 f. 100.
1073. 111^ 286.
Triumvirat, erstes 229. 235.
— zweites 262. 269. 273. 282^
Triumvirn für Ackervertei-
lung 173.
Trösmis, St. 359.
Trogus Pompeius, Hist. 17 f.
68. 99.
Troia 29^ 491
Tiopaea August i 293.
Tropaeum Traiatü 333*. 396*.
Tromentina. Tribus 53.
Troyes. St. 420.
Trvphon (oder Salvius) auf
Sizilien 187.
M. Tullius Cicero 221; cos
225-228: verbannt 230
in Kilikien 237. 240. 244
249.256: gegen Antonius
259; Ende 261; Schrift
stellerei 16. 19. 157.
Q. Tullius Cicero 238 f.
Ser. Tullius, König 30. 32.
33 f. 45. 66. 200.
Tullus Hostilius, König 30 f.
36. 43.
Turcilingen, Germanen 423.
Turdetanien 150.
Tursa (Etrusker?) 22«.
Tusculum 32«. 38. 47. 53. 154.
Tvana. St. 378.
Tyndaris. St. 105. 269.
Tyne. Fl. 3373.
Tyrannen. = Gegenkaiser
373 f. 373'.
Tvrannis in Rom 63 f.
Tyras, Fl. 293: St. 359. 371.
Tyros, St. 101. 266.
Tyrrhener s. Etrusker.
Tyrrhenische Pelasger 22.
U.
Ubier 237 ; bei Köln 267. 297.
306. 319. 357.
Ulpia Noviomagus (Nym-
wegen) 33.3. 357.
Ulpia Traiana, Sarmizege-
tusa 334.
— Xanten 333. 357.
L. Ulpius Marcellus 343.
M. Ulpius Traianus 333; s.
Traianus.
Umbrer (Umbrien) 25; vei'-
drängt 50. 52': Verhält-
nis zu Rom 72. 190. 192 f.
245.
Uraiiius (Julius Aurelius
Sulpicius Uranius Anto-
ninus), Gegenkaiser 37 1'*.
Urkunden 14.
Urmitz am Rhein 237'.
ürsinus. röm. Bischof 401'.
Urso, St. 2536.
Useudama (Adrianopel) 215.
Usipeter 237.
Utika 127. 162. 164. 246. 251 f.
263.
Uxellodunum. St. 241.
Uzita, St. 252.
Vaballath (Athenodoros). S.
der Zenobia 377.
Vaccäer, Keltibei-er 113. 159.
161. 235. 299.
VadaSabatia inLigurienl79.
Vadimo, See. Seid. 74.
Valens, Caesar 396.
— Flavius Valens, Kaiser
404-406.
C.Valens Hostilianus, Kai-
ser 372.
Valentia(ViboValentia) 130.
— Kol. in Spanien 160. 210.
ValentinianusI (FlaviusVa-
lentinianus), Kaiser 404 f.
— II 405. 407 f.
— III 416. 418—420.
Valeria, T. Diokletians 387.
396.
Valeria Messalina 314.
Valerianus ( P. LiciniusVale-
rianus), Kaiser 372. 373.
375. 392.
— (P. Licinius Cornelius Va-
lerianus), Caesar 373 f.
L. Valerius, cos. 449 v. Chr.
61.
Valerius Antias, Hist.16.99 f.
C. Valerius Aurelius Diocle-
tianus, Kaiser 380. 385 ff.
Valerius Corvus 54'.
Valerius Diocletianus, Cen-
turio 385'.
C. Valerius Flaccus in Spa-
nien 187.
L. Valerius Flaccus. Zensor
184 V. Chr. 154.
— cos. 86 V. Chr. 201 f.
— Interrex 206.
M. Valerius (Laevinus), cos.
210 v.Chr. 121 f. 126.
P. Valerius (Laevinus). cos.
280 V. Chr. 77.
Valerius Licinianus Lici-
nius. Kaiser 394—397.
Valerius Maximus 16*. 18.
M. Valerius Messalla Corvi-
nus 271. 294; Memoiren
276.
M. Valerius Muttines (vgl.
Myttones) 121'.
Valia, Westgothe 415. 416*.
421.
Vandalen 341. 371; fallen
ins Reich ein 376. 379. 397.
413; in Spanien 413. 415;
in Afrika 416 fl'. : Ende 430.
Vangio, Suebe 320.
Vangionen, Germanen 234.
Vannius. Suebe 308. 320.
P.Varinius. Pr. 73 V. Chr. 211.
Q. Varius. Volkstribun 91
v.Chr.l91 ; sein Gesetz 192.
Varius Avitus Bassiauus =
Elagabal 349.
Varius Marcellus 349.
Varro s. M. Terentius Varro.
Varus, Fl. 353.
Varus s.P.Quinctilius Varus.
462
Alphabetisches Register.
Varusschlacht 2983. 306.
P.Vatinius 229. 249 f. 262.271.
Vechten (Fectio) Hafen 357«.
Veji, Vojenter 24>. 40. 48;
fällt 49; 51. 53'. 901 97.
Veiturier, Ligurer 179'-.
Veleda 327. 328^
Velia, St. (Elea) 21. 75.
Velina, Tribus 107. 151.
Velinus, See 74.
Velitrao, St. 47 f. 49.
C. Velleius Paterculus, Hist.
18. 158. 277. 310'.
Veneter in Italien 25 50. 51;
werden römisch 111. 149.
— in Gallien 235.
P.Ventidius 268.
Venusia, Kol. 73. 130^
Vera i l'raaspa, Phraata), St.
in Medien 270^.
Veragrer 234.
Vercellae 186.
Vercingetorix 240 f. 252 f.
Verfassungsgeschichte, Be-
glaubigung 3 18. 58.
Vergilius 17. 265^. 287.
Verginius Rufus 317.
Verina, Kaiserin 423. 425.
Verona 353. 372. 380. 395.
413. 426.
C. Verres 214. 216. 225.
Verrius Flaccus 17. 286.
Verträge, aufgezeichnet 14.
Verzeichnis der Beamten
12 f. 14.
— der Konsuln 12 f. 14. 18.
286. 382 f.
Veseris, Schi. bG*.
Vesontio (Besan<;on) 234.
317. 3561.
Vespasianus s. T. Flavius
Vespasianus.
Vespasius 329-.
Vestiner 72.
Vesuvius 211. 330.
Vetera {Castra Vetera) am
Rhein 295. 306. 327. 333.
C. Vetilius, Pr. in Spanien
159. 159«.
Vetranio, Gegenkaiser 401.
T. Vettius 1863.
Vetulonia, St. 24'.
via Aennlia 179.
— Äppia 85. 152. 239.
— Cassia 149.
— Domitia 180.
— Egnatia 165.
— Flaminia 149. 285.
— Postumia 179.
— Salaria 46^.
C. Vibius Pansa 259 f.
C. Vibius Trebonianus Gal-
lus, Kaiser 372 f.
Vibo Valentia (Hipponion)
130. 265.
vicarii 389.
vicesima Galliarum 294.
Vico 2.
Victor, S. des Maximus,
Caesar 407 f.
~ Vitensis, Hist. 384. 418^.
Victoria, Altar in der Kurie
408 f.
— Mutter des folgenden 377.
Victorinus (M. Piavonius
Victorinus) 377.
Vienna, St. in Gallien 115*.
240; Kol 355. 408; Vien-
nensis, Diözese 388«.
L. Villius, Volkstribun 154.
P.Villius, cos. 199 v.Chr. 132.
Viminacium 344«.
Vindalium, Schi. 180.
Vindeliker,Vindelicien 293.
358.
A^indobona 328. 342. 359.
Vindonissa 327.
Viniciana coniuratio 317^*.
M. Vinicius, cos. 19 v. Chr.
294 f.
— cos. 30 V. Chr. 277.-
T. Vinius 325.
vinuni, Lehnwort 40.
Vinxtbach 308'.
Vipsania 286 ». 303.
M. Vipsanius Agrippa 259".
267.269.274.276 285. 286».
287. 294 f. 299 f. 303.
Vipstanus Messalla, Hist.
277.
Virdumarus 111.
Virginia 6t i^
Viriathus 159 f.
Virius Nicomachus Flavia-
nus, Stadtpräfekt 408.
Vitalianus 428.
A. Vitellius, Kaiser 324 ff.
L.A^itellius, Zensor 314. 321.
324«.
— S. des vorigen 326.
Vitiges, Ostgothe 431.
Völkerwanderung, Beginn
406
Vokontier 180.
Volaterrae, St. 24'. 205.
Volcae, Gallier 180.
Volci, St. 24'. 75.
Volkstribunen s. Tribunen.
Volksversammlung s. co-
mitia.
Vologases I 321 f. 329.
— III 339.
— IV 345.
— V 347 f.
Volsinii, St. 24 1. 49. 74 f.;
verlegt 82.
Volsker 27. 47 f. 49. 53; unter-
worfen 55. 57.
Volturnum, Kol. 130.
Volu.sianus (GallusVolusia-
nus), Kaiser 372 f.
Vonones, Parther 301. 321.
Vougle {campiis Vogladenfiis),
Schi. 427.
Vulcacius Gallicanus 280®.
Vulfila, Gothe 434.
W.
Wahlen 66; unter den Kai-
sern 288. 305. 311.
Wales in Britannien 318.
Wehrpflicht 65 f.
Weinbau von Probus ge-
fördert 379.
Weißenburg in Sieben-
bürgen (Apulun)) 359.
Weser, Fl. 295 f. 307.
Westgothen s. Gothcn.
Weströmisches Reich. Ende
424.
Wetterau, römisch 331. 333.
357.
Wiesbaden (aquae Mattiacae)
319. 357 f.
Wippach, Fl. 409.
Wissant 237*.
Wölfin, eherne 28.
Worms (Borbetomagus) 358.
Wuchergesetie 199.
X.
Xanten ( Ulpla Traiana) 295^.
333. 357.
Xanthippos, Spartaner 104.
Xanthos, St. 263.
Xenophon, Hist. 338-.
Xenophon von Kos 314*.
Xiphilinos, Hist. 279.
York s. Eburacum.
Z.
Zaitha am Euphrat 371.
Zakantha s. Saguntum.
Zakynthos 1 13M26; römisch
140.
Zama, Schi. 128.
Zama Regia 182. 252.
Zankle (Messana), St. 21,
Zehnte, Abgabe 168. 176.
Zeitrechnung 9 f. 90 ff.
Zeitschriften 7. 11.
Zela, Schi. 220. 250.
Zeniketes, König 215,
Zenobia 377.
Zenon, Laodikeer 300.
— Artaxias, König von Ar-
menien 321.
— oström. Kaiser 423. 425 f.
Zonaras (Johannes Zonaras)
158 279.
Zosimos, Hist. 280. 381. 385'.
Zwölf Kolonien 129-.
Zwölf Tafeln 61 f.
Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft
in systematischer Darstellung
Begründet von IWAN v. MÜLLER, fortgesetzt von ROBERT v. PÖHLMANN
In neuer Bearbeitung herausgegeben von
Dr. WALTER OTTO
0. Professor der alten Geschichte an der Universität München
Inhalt der einzelnen Bände:
I. Band: Einleitende und Hilfsdisziplinen. Dritte, vollkommen neu bearbeitete Auflage,
Erschienen sind:
S.Abteilung: Kritik und Hermeneutik. Abriß des antiken Buchwesens von F'rofessor Dr. Theodor
Bin (Marburg). 1913. 25'.. Bogen Lex. 8'. Grundpreis geh. .M 9.50, geb. M 13.—
S.Abteilung: Griechische Epigraphik von Professor Dr. Wilhelm Larfeld (Remscheid). Dritte,
völlig neubearbeitete Auflage. 1913. 34' 4 Bogen Lex. 8". Grundpreis geh. M 12.50, geb. M 17.—
II. Band, L Abtlg. : Griechische Grammatik (Lautlehre, Stammbildungs- und Flexionsichre
U.Syntax) von Prof. Dr. Karl Brugmann (Leipzig). 4.Aufl.,bearb. von Prof. Dr.A.Tliumb
(Straßburg). Mit einem Anliang über Griechische Lexikographie von Prof. Dr. Leo-
pold Cohn (Breslau). 1913. 49 V^ Bg. Lex.8«. Grundpreis geh. M 19.—, geb. M 24.—
II. Band, 2. Abtlg.: Lateinische Grammatik (Laut- und Formenlehre, Syntax und Stilistik)
von Professor Dr. Friedrich Stolz (Innsbruck) und Gymnasialdirektor J. H. Schmalz
(Freiburg). Mit einem Anhang über Lateinische Lexikographie von Professor
Dr. Ferdinand Heerdegen (Erlangen). 4. Auflage. 1910. 50 Bogen Lex. 8°. (Vergriffen.)
II. Band, 3. Abtlg. : Rhetorik von Dr. Richard Volkmann, weiland Gymnasialdirektor in
Jauer. Neubearbeitet von Gymnasialrektor K. Hammer (Würzburg) und Metrik nebst
einem Anhang über die Musik der Griechen von Professor Dr. H. Gleditscii (Berlin).
3. Auflage. 1901. 22 Bogen Lex. 8». (Vergriffen.)
III. Band, 1. Abtlg., 1. Hälfte: Geographie und Geschichte des alten Orients von Prof.
Dr. Hommel (München). 1. Hälfte: Ethnologie des alten Orients. Babylonien und
Chaldäa. Nebst provisorischem Register. 2. Auflage. 1904. 25 Bogen Lex. 8" mit Ab-
bildungen und 1 Karte. Grundpreis geh. M 9.50
III. Band, 2. Abtlg., 2. Teil: Topographie von Athen von Professor Dr. Walter Judeich
(Jena). 26 '/4 Bogen Lex. 8" mit 48 Textabbildungen, einem Stadtplan im Maßstab von 1 : 5000,
einem Plan der Akropolis im Maßstab von 1 : 1000 und einem Plan des Peiraieus im
Maßstab von 1 : 15000. 1905. Grundpreis geh. M 18.-, geb. M 23.—
III. Band, 3. Abtlg., I.Hälfte: GrundrißderGeographievonItalien unddemOrbisRomanus
von Prof. Dr. J. Jung. 2. Aufl. Mit Register. 1897. 12 Bogen Lex. 8". Grundpreis geh. M 4.50
III. Band, 3. Abtlg., 2. Hälfte: Topographie der Stadt Rom von Gymnasialdirektor Prof.
Dr. Otto Richter (Berhn). 2. Auflage. 1901. 26 Bogen Lex.8o. Mit 32 Abbildungen,
18 Tafeln und 2 Plänen des antiken und des modernen Rom. Grundpreis geh. M 16. —
In Halbfranz gebundene Exemplare der vollständigen 3. Abteilung des III. Bandes:
Geographie von Italien und Topographie der Stadt Rom sind zum Grundpreise
von M 25.50 zu beziehen
IIL Band, 4. Abtlg.: Griechische Geschichte nebst Quellenkunde von Prof. Dr. Robert
von Pöhlmann (München). 5., umgearbeitete Auflage. 1913. 24'/8 Bogen Lex.8".
(Vergriffen, neue Auflage im Frühjahr 1923.)
III. Band, 5. Abtlg.: Grundriß der römischen Geschichte nebst Quellenkunde von ProL
Dr. Benedictus Niese. 5. Auflage, neubearbeitet von Professor Dr. E Hohl (Rostock).
Soeben erschienen.
IV. Band, 1. Abtlg., I.Hälfte: Griechische Staatskunde von Prof. Dr. G.Busolt (Göttingen).
3., neugestaltete Auflage. Erster Hauptteil : Allgemeine Darstellung des griechischen Staates.
1920. 40'/h Bogen Lex.8". Grundpreis geh. M 15—, geb. M 20.—
IV. Band, 1. Abtlg., 2. Hälfte: Die Griechischen Privataltertümer von Professor Dr. Iwan
vonMüller(München). Die Griechischen Kriegsaltertümer von Professor Dr. A.Bauer
(Graz). Mit 16 Tafeln. Mit Register. 2.Auflage. 1893. 32 '/2 Bogen Lex. 8». Grundpreis
geh. M 12.—, geb. M 16.—
Die angeführten Preise sind Grundpreise. Der Ladenpreis ergibt sidi aus der Vervielfältigung mit der vom
Börsenverein der deutschen Buchhändler je nach dem Stand des Geldwerts bekanntgegebenen Schlüsselzahl.
Die jeweils gültige Schlüsselzahl ist in jeder Buchhandlung zu erfahren.
C. H. Beck' sehe Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München
Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft
IV. Band, 2. Abtlg., I.Teil: Die Römischen Staats-, Rechts- und Kriegsaltertümer
von Professor Dr. Schiller. Mit 4 Tafeln. Römische Privataltertümer und Kultur-
geschichte von Professor Dr. Moritz Voigt. 2. Auflage. 1911. (Vergriffen.)
IV. Band, 2. Abtlg., 2. Teil: Die Römischen Privataltertümer von Professor Dr. Hugo
Biümner (Züricli). Mit 86 Abbildungen und Register. 1911. 43 Bogen Lex. 8'^. Grund-
preis geh. M 16.—, geb. M 21.—
V. Band, 1. Abtlg., 1. Teil: Geschichte der antiken Philosophie, von Prof. Dr. Windel -
band (Heidelberg). S.Auflage neubearbeitet von Professor Dr. Bonhöffer (Stuttgart).
Mit Register. 1912. 22 Bogen Lex. 8". Vergriffen, neue Auflage in Vorbereitung.
V.Band, 2. Abtlg.: Griechische Mythologie und Religionsgeschichte, von Professor
Dr. O.Gruppe (Berlin). 2 Bände. 1897—1906. 121 Bogen Lex.8«. (Vergriffen.)
V. Band, 3. Abtlg.: Die Griechischen Kultusaltertümer von Prof. Dr. P. Stengel (Berlin).
3. Aufl. Mit 5 Tafeln. 1920. 17 ^'s Bogen Lex.8". Grundpreis geli. M 6.50, geb. M 10.—
V. Band, 4. Abtlg. : Religion und Kultus der Römer, von Professor Dr. G. Wi s s o w a (Halle).
2. Auflage. 1912. 39 Bogen Lex.8". Grundpreis geh. M 14.50, geb. M 19.50
VI. Band: Handbuch der Archäologie. In Verbindung mit zahlreichen Gelehrten heraus-
gegeben von Professor Dr. Heinrich Bulle (Würzburg)
1. Lieferung: A. Wesen und Methode der Archäologie (von Dr. Heinrich Bulle . B.Geschichte der
Archäologie (von Dr. Bruno Sauen. C. Untergang und Wiedergewinnung der antiken Denkmäler
(von Dr. Theodor Wi egand). 184 Seiten Lex. 8'^ mit 8 Abbildungen. Grundpreis geh. M 4.50
VII. Band: Griechische Litteraturgeschichte von Wilhelm von Christ. In Verbindung
mit Prof. Dr. Otto Stähiin (Erlangen) neubearb. von Prof. Dr. W. Schmid (Tübingen)
LTeü: Die klassische Periode der griechischen Litteratur. 6. Auflage. 1912. 50 Bogen Lex. 8°.
Grundpreis geh. M 19.—, geb. M 24.—
IL Teil, I.Hälfte Die nachklassische Litteratur von 320 v. Chr. bis 100 n. Chr. 6. Aufl. 1920. 42',2Bg.
Lex. 8". Grundpreis geh. M IB.—, geb. M 21.—
IL Teil, 2. Hälfte: Die nachklassische Periode der griechischen Litteratur von 100 bis 530 n. Chr.
S.Auflage. 1913. Mit aiphabet. Sachregister und einem Anhang von 45 Porträtdarstellungen, aus-
gewählt und erläutert von J. Sieveking. 50' , Bogen Lex. 8'. (Vergriffen, neue Auflage im Krüh-
janr 1923.)
Vill.Band: Geschichte der römischen Litteratur von Martin Schanz
1. Teil, 1. Hälfte: Von den Anfängen der Litteratur bis zum Ausgang des Bundesgenossen-
krieges. Mi Register. 3. Auflage. 1907. 23 Bogen Lex.8". Grundpreis geh. M 8.50.—, geb. M 12.5Ü
I. Teil, 2. Hälfte: Bis zum Ende der Republik. Mit Register. 3. Auflage. 1909. .33 "<* Bogen Lex.8".
Grundpreis geh. M 12.50, geb. M 17. —
IL Teil, 1. Hälfte: Die augustische Zeit. Mit Register. 3. Auflage. 1911. 38' 2 Bogen Lex. 8». Grund-
preis geh. M 14.50, geb. M 19.50
li. Teil, 2. Hälfte: Vom Tode des Augustus bis zur Regierung Hadrians. Mit Register. S.Auf-
lage. 1913. 38'.. Bogen Lex.8". Grundpreis geh. .H 14 50, geb M 19.50
III. Teil: Die römische Litteratur von Hadrian bis auf Constantin (324 n. Chr.), 3., neubearbeitete
Auflage von Carl Hosius und Gustav Krüger. Mit Register 1922. XVI, 474 Seiten Lex.8''.
Grundpreis geh. M 12.—, geb. M 16.50
IV. Teil: Die römische Litteratur von Constantin bis zum Gesetzgebungswerk Justinians.
1. Hälfte: Die Litteratur des 4. Jahrhunderts. Mit Register. 2., vermehrte Auflage. 36'4 Bogen
Lex 8". Grundpreis geh. M 13.50, geb. M 17.50
IV. Teil, 2. Hälfte: Die Litteratur des 5. und 6. Jahrhunderts. Von Martin Schanz, Carl Hosius
und Gustav Krüger. Mit Register und einem Generalregister des Gesamtwerkes nebst einem
Bildnis von Martin Schanz. 43^4 Bogen Lex.8''. Grundpreis geh. M 17 — , geb. M 22.—
Die Geschichte der römisdien Litteratur ist mit Band IV. 2 abgesdilossfn.
IX. Band, 1. Abtlg. : Geschichte der byzantinischen Litteratur von Justinian bis zum
Ende des oströmischen Reiches (527 — 1453) von Professor Dr. Karl Krumbacher.
2. Auflage bearbeitet unter Mitwirkung von Professor Dr. A. Ehrhard (Straßburg) und
Prof. Dr. H. Geiz er (Jena). 1897. 75^/4 Bogen Lex. 8°. Vergriffen, neue Auflage in Vor-
bereitung.
IX. Band, 2. Abtlg.: Geschichte der lateinischen Litteratur im Mittelalter von Professor
M. Manitius (Radebeul)
I. Teil: Von Justinian bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts. Mit Register. 1911. 49 Bogen Lex. 8".
Grundpreis geh. M 18.50, geb. M 24.—
(II. Teil erscheint 1923 -
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München
C. H. Beck'sche Buchdruckerei in Nördlingen.
DG Niese, Benedictus
209 Grundriss der romischen
N7 Geschichte nebst Quellen-
1923 künde . 5. Aufl., neubearb.
PLEASE DO NOT REMOVE
SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO
LIBRARY
>^ .
-*K>-
Isi* ..:>-^V'
rt
-*': -JS. t
A<?-.
'>^'.
sf •-
1^*
' ^fli?i,