Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
60001S226N
E.HIHI.. KADCL
Uä* i.
GRUNDRISS
DER
VERGLEICHENDEN ANATOMIE
VON
CARL GEGENBAUR,
o. ö. rmormmtm dkk axatomir umo dijie<*t«»s dkb axatumihohkn amstalt
Zt' mclOBLBKRO.
MIT 320 HOLZSCHNITTEN.
LEIPZIG,
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN.
1874.
Das Recht der Ueborsetzang in fremde SpracheD behalten sich
Verfasser und Verleger \or.
VORWORT.
Als mir vor längerer Zeit AnlasH ward die Herausgabe einer
dritten Auflage meiner Grundzttge der vergleichenden Anatomie in
Erwägung zu nehmen, konnte ich mir nicht verhehlen dass die
Anlage jenes Buches, wio sie sowohl in ausführlicheren Darstellungen
als auch in einem Eingehen auf Literaturangaben sich aussprach,
bei einer neuen Auflage einen viel bedeutenderen Umfang erfordern
würde. Ein in dieser Richtung bearbeitetes Werk würde aber vom
Zwecke der ersten Einführung in das 'Studium der vergleichenden
Anatomie sich sehr weit entfernt haben. Daher entschloss ich mich
zu einer kürzer gefassten Umarbeitung, die hiermit als »Grün driss
der vergleichenden Anatomie« vorliegt. Leider fand die schon
länger abgeschlossene Arbeit in ihrer Drucklegung durch meine
Uebersiedelung nach Heidelberg manche unliebe Verzögerung.
Indem ich in diesem Grundriss alle speciellen Bezugnahmen auf
die Literatur, sowie die Berücksichtigung zahlreicher Detailverhält-
nisse fem hielt und mich m«hr aufs Uebersichtliche beschränkte, war
es möglich eine compendiösere Form zu finden, und dabei das
Hauptgewicht auf die fundamentalen Erscheinungen und deren Zu-
sammenhänge legend, dem die manichfaltigen Organisationsbefunde
verknüpfenden Faden nachzugehen. Liegen doch gerade da die
bedeutendsten Aufgaben der vergleichenden Anatomie, die, je weniger
sie von den meisten gewürdigt werden um so dringender immer
wieder hervorgehoben werden müssen.
IV Vorwort.
In der äusseren Anordnung des Stoffes bin ich den Grundzügen
treu geblieben, jedoch mit manchen Aenderungen in der Eintheilung
der Organe, für welche das für die wissenschaftliche Anatomief allein
gültige morphologische Princip die Richtschnur abgab. Dass der
etwas schwerfällige Apparat der Koten wegblieb, bedarf mit Hinblick
auf den Zweck des Buches keiner besonderen Rechtfertigung. Die
Aufiiahme kurzer systematischer Uebersichten der Thierstämme und
ihrer Gliederung, schien mir dagegen zu einer ersten Orientirung,
die allein damit beabsichtigt ward, unerlässlich.
An die Stelle der GrundzUge zu treten ist ein »Lehrbuch«
bestimmt, welches, auf zwei Bände berechnet, bereits in der Vor-
bereitung begriffen ist. Möge mir die im stillen und doch geistig
so regen, Jena während langer Jahre stets reichlich zu theilgewordene
Arbeitsfreude auch hier nicht fehlen und zur Förderung jenes Unter-
nehmens wirksam sein.
Heidelberg, im November 1873.
C. Gegenbaur.
INHALTSVERZEICHNISS.
Patragrapb. Seit«.
< — 9. Einleitung <
Allgemeiner Theil.
Bau des Thierleibes 48
40. Von den Organen 4 3
Elenientarorgane (Piastiden) 48
41 — 48. Von der Zelle 44
44 — 45. Von den Geweben 48
46—47. Epitbelien 49
48 — 14. Bindesubstanzen 82
22. Muskelgewebe 26
28. Nervengewebe 28
24 — 86. Organe böberer Ordnung 29
84' Integument 88
82. Skelet 38
83—84. Muskeln . . ' 39
95 — 86. Nervensystem 44
37—89. Sinnesorgane 48
• 40. Respiratorische Organe des Integumentes 46
44. Excretionsorgane 47
42. Darmcanal 48
43. Respiratorische Organe des Darmes 50
44. Fortpflanzungsorgane 54
45—46. Gefösssystem 58
47. Ausbildung der Organe 55
48. Rückbildung 56
49. Correiation 57
50 — 54. Systematische Gliederung des Thierreiches 58
5t — 54. Vergleichung der Organe 62
35. Literatur 65
Specieller Theil.
Erster Abschnitt. Protozoon.
56. Allgemeine Debersicht <^9
57. Integument 74
60—62 Stützorgane 75
63 — 64. Ernährungsorgane 78
65 — 66. Fortpflanzungsorgane 8*
VI Inhaltsverzeichniss.
raragrtph. Seite.
Zweiter Abschnitt. Cölenteraten (Zoophyten).
67. Allgemeine Uebersicht 85
68—74. Körperform 87
75. Gliedmaassen 98
76. Integument 400
77—78. Skelet «02
79. Muskelsystem 4 05
80, Nervensystem 4 06
84. Sinnesorgane 4 07
8i— 89. Darmcanal «08
90—98. 'Geschlechtsorgane 44 7
Dritter Abschnitt. Wlirmer.
94. Allgemeine Uebersicht .4 22
95—99. Körperform 426
100—404. Gliedmaassen 433
402. Aeussere Kiemen 4 36
403. Integument «38
407. Skelet 4 44
408—409. Muskelsystem 444
440. Nervensystem 4 47
4 47. Sinnesorgane 455
Tastorgane 155
449—420. Sehorgane 457
424. Hörorgane 459
422—428. Darmcanal 460
429. Anhangsorgane des Darmes 4 69
431, Kiemenhöhle 171
413—486. Excretionsorgane 174
487 — 447. Geschlechtsorgane 481
♦*8 — 454. Leibeshöhle und Gefässsystem 195
Vierter Abschnitt. Echinodermen.
456. Allgemeine Uebersicht 205
4*6 — 459. Körperform 207
460. Gliedmaassen 212
1#4 — 465. Integument und Hautskelet 24 3
466. Muskelsystem 22d
467, Nervensystem 221
168. Sinnesorgane 223
469. Excretionsorgane 2<3
470. Darmcanal 224
473. Anhangsorgane des Darmcanals 228
♦14 — 475. Geschlechtsorgane 229
476. Leibeshöhle 232
4 77. Gefässsystem 233
178—79. Wassergefösse 234
Fünfter Abschnitt. Arthropoden.
480. Allgemeine Uebersicht 240
484. Körperform 247
182—483. Gliedmaassen 250
4»4— 485. Fusskiemen 254
485—488. Gliedmaassen der Trachcalen 257
189—494. Integument 260
492. Muskelsjstem ; .... 28»
193. Nervensystem 264
Iiib«ltov«n«iGKBiM.
vn
498.
198.
499.
201—202.
SOS.
204—207.
208.
209.
210.
211—224.
222.
223—225.
226—230.
234.
2.T2-236.
2:i7— 238.
239—240.
241—242.
243—245.
246.
247.
24 8—254.
232—254.
255.
255.
2.";6— 237.
258.
4 39—264.
i62— 266.
267.
268.
268.
269—274.
275.
276—280.
284.
282.
283—284.
283 — 286.
287—289.
290.
293—294.
295—304.
302—805.
806.
807.
808.
309—322.
323—326.
827.
328^334.
332—385.
386.
337-*889.
840.
344.
842^347.
Seit«.
Sionesorgaoe 273
Tastorgane 273
Hörorgane 274
Sehorgane 276
Excretionsorgane : 2Kf
Damicaoal 282
Anhangaorgane des Vorderdarmea 289
• » llitteldarmea 290
• • Enddarmes 204
Gescblechtoorgane 293
Leibeshöhle. Fettkörper 309
Tracheen 34 4
Gefäsj^svstem ' 345
Sechster Abschnitt. Molla^keD.
Allgemeine Ueberaichl 823
Körperform 326
Gliedmaasson 336
Integument 338
Schalenbildungen 344
Kiemen 346
Inneres Skelet ^ 3^^
Muskelsyatcm 353
NervenA\ Stern. Cenlralorgane und Körpcrnerveo 355
Eingeweidenerven 360
Sinnesorgane 865
Tnst- und Riechorganc 365
Sehorgane 366
Hörorgane 370
Excretionsorgane 873
Darmcanal 377
Anliäng.sorgane des Vorderdarmes 883
» » Mitteldarmes 384
» » Enddarmes 387
Geschlechtsorgane 387
Uibeshöhle .397
Geßl.sss\stem 398
Siebenter Abschnitt. WirbeltMer«.
Allgemeine Uebersicht 407
Körperform 44 4
GHedmaassen 445
Integument 449
Epidermoidalgebilde 424
Hautskelet 426
Inneres Skelet 430
Wirbelsttule 432
Rippen 444
Stemum 449
Episternam . 488
Kopfskelet 488
Schädel 456
Visceralskelet 482
Skelet der unpaaren GHedmaassen« * * . . 488
a » paarigen Gliedmaassen, Brustgürtel « 4 * . * • « «489
Vordere Extremitttt 498
BeckengUrtel 802
Hintere ExtremitHt 805
Huskelsystem 510
Hautmoskeln 5H
Muskulatur des Skeletes 512
Vin Inbaltsverzeichniss.
ParAgntph. Seite.
848. Elektrische Organe 520
849. Nervensystem 522
351—358. A. Centralorgane des Nervensystems 525
a. Gehirn 525
354. b. Rückenmark 582
855. Hüllen des Centralnervensystems 534
856. B. Peripherisches Nervensystem . ^ 555
357. a. Rückenmarksnerven 556
858. b. Himner>'en 557
864. c. Eingeweidenervensystem 545
865 — 366. Sinnesorgane 545
867. Riechorgane 548
868 — 370. Sehorgane 550
374. Hörorgane 557
877 — 380. Gxcretionsorgane 564
384. Darmcanal .570
882. Respiratorische Vorkammer (Kopfdarm) 571
383 — 386. Kiemen der Anamnia 572
487. Kiemenspalten der Amniota 577
388—389. Nasenhöhle 578
890. Mundhöhle 581
891—395. Organe der Mundhöhle 582
896. Eigentlicher Darmcanal (Rumpfdarm) 589
897—899. Vorderdarm 591
400-401. Mitteldarm 595
402. Enddarm 597
408—403. Anhangsorgane des Mitteldarmes 599
406. Pneumatische Nebenhöhlen 602
407. a. Schwimmblase 603
408—410. b. Lungen 605
411—422. Geschlechtsorgane 640
428. Leibeshöhle 628
424—425. Gefässsystem . .629
426 — 433. Herz und Arteriensystem ' . 684
484. Venensystem 646
440 — 442. Lymphgefässsystem . • 655
443. Thymus 659
444. Nebeanieren 660
Einleitong.
Bagrlff und Aatgab« der vwrgleielMndan Anatomi«.
Das Gebiet der Wissenschaft, welche die organische Natur sum
Gegenstande ihrer Untersuchungen hat, zerteilt nach den beiden orga-
nischen Naturreichen in zwei grosse Abtheilungen, in Botanik und in
Zoologie. Beide Disciplinen bilden die Bestandtheile einer Biologie,
und sind insofern enge mit einander verbunden, als die Erscheinungen
im Thier- wie im Pflanzenreiche auf gleichen Grundgesetzen beruhen,
und Thier und Pflanze bei aller Verschiedenheit der speciolleren Ein-
richtungen gemeinsame Anfänge besitzen und im Haushalte der Natur
in innigen Wechselwirkungen stehen. Innerhalb der beiden genannten
Disciplinen sind roebrüache Arten der Forschung möglich, aus denen
neue Disciplinen hervorgehen.
Indem wir das Gebiet der Botanik zur Seite lassen, wollen wir
jenes der Zoologie in seine ferneren Gliederungen verfolgen. Die
Erforschung der Leistungen des Thierleibes oder seiner Theile, die
ZarOckfUhrung dieser Functionen nuf elementare Vorgänge und die Er-
klärung derselben aus allgemeinen Gesetzen ist die Aufgabe der Phy-
siologie. Die Erforschung der materiellen Substrate jener Leistungen,
also der Formerscheinungen des Körpers und seiner Theile, sowie die
Erklärung derselben bildet die Aufgabe der Morphologie. Physio-
logie und Morphologie besitzen somit verschiedene Aufgaben, wie auch
ihre Methoden verschieden sind; für beide aber ist es nöthig, selbst
auf getrennten Wegen, sowohl einander als auch das gemeinsame End-
ziel im Auge zu behalten, welches in der Biologie gegeben ist.
Die Morphologie gliedert sich wieder in Anatomie und Ent-
wickelnngsgesohichte. Wie erstere den vollendeten Organismus
zum Untersuchungsobjecte hat, so besitzt letztere den werdenden Or-
ganismus zum Gegenstände der Forschung.
2 Einleitung.
Die Anatomie selbst kann in eine allgemeine und specielle getbeilt
werden. Die allgemeine Anatomie beschäftigt sich mit den Grund-
formen der thierischen Organismen (Promorphologie Hill], und den aus
jenen hervorgehenden Formerscheinungen. Die specielle Aüatomie
nimmt die organologische Zusammensetzung des Thierleibes zum Gegen-
Stande. Einen ihrer Zweige bildet die Histiologie, Gewebelehre, als
Lehre von den Elementaroi*ganen des thierischen Körpers.
Die Entwickelungsgeschichte erläutert aus dem Verfolge des
allmiihlichen Werdens des Organismus die Gomplicationen der äusseren
und inneren Organisation, indem sie dieselbe von einfacheren Zustanden
ableitet. Die Veränderungen der Organisation können aber sowohl im
Entwickelungsieben des Individuums als in der Reihenfolge der Organis-
men verfolgt werden. Auf ersteres erstreckt sich die gewöhnlich als
Entwickelungsgeschichte (Embryologie, Ontogenie Hkl) bezeichnete Dis-
ciplin, wifhrend letzleres als Aufgabe der Palaeontologie zufällt, die
dadurch zur Phylogenie (Hkl) wird. Sie ist die Entwickelungs-
geschichte der Organismenreihen in ihrer geologischen Aufeinanderfolge.
§ 2.
Indem das Feld der Anatomie in der Erforschung und Erklärung
des in der Entwickelung abgeschlossenen Baues des Thierleibes gegeben
ist, so ergeben sich je nach den die Untersuchung leitenden Gesicbts-
puncten wieder verschiedene Abstufungen. Ist die Zusammensetzung
des Körpers an sich, die Gestaltung und das gegenseitige Verbalten der
einzelnen Organe zur Aufgabe genommen, so verhttit sich die Anatomie
nur beschreibend, indem sie die Befunde der Untersuchung schil-
dert, ohne aus denselben weitere Schlüsse zu ziehen. Die anatomische
Thatsache ist Zweck der Untersuchung, die Anatomie verhält sich rein
empirisch. Durch die Beziehung zur Heilkunst, somit aus praktischem
Bedürfnisse, hat sich die beschreibende Anatomie für den menschlichen
Organismus hinsichtlich des Umfanges von Einzelerfahrungen zu einem
besonderen Zweige entwickelt, der als »Anthropotomie« der gleich-
falls beschreibenden »Zootomiet sich an die Seite stellt. Beide sind
nur durch das Object, nicht durch die Behandlung desselben verschieden,
beide verhalten sich analytisch. In demselben Maasse als beide sich
enthalten, aus ihren Einzelerfahrungen Schlüsse zu ziehen, und diese
zu Abstractionen zu verwerthen, entbehren sie des Charakters einer
Wissenschaft, da der letztere weder durch den blossen Umfang der Er«-
fahrunf;en, noch durch die Complicalion des Weges, auf dem solche
Binleiloiig. 3
gewonnen werden, bedingt wird. GUnzlich unlei^eorilnet für die Beur-
thcitang der wissentcharUicben Bfdeniang änd daher die äuneren
HiUmiittei der UnlerBuohung , die nur beettgliob des Auffindens oder
der Feetotdlong von Thalsacben in Beirachl kommen ktenen. Je mehr
die robesle Empirie — welche durch den Gebrauch der subtHslen Insini*
menle nicbi ausgeaofaloaien wird — sich als Wissenschafi darxuslellen
versuchl, desto nothwendiger wird es jenen Geg^nsats hervorsuheben.
Anders gestaltet sich die Anatomie, sobald ihr die Renniniss von
Thateachen nnr MiUcI ist, die aus einer Summe solcher Kenntnisse er-
sddossene Brkenntniss dagegen der Zweck, Indem sie die Thatsachen
der Eintelerseheinungen unter einander vergleicht, leitet sie daraus
WMsenschaiUiche Erfahrungen ab, und gestallet das auf dem Wege der
Induction Gefeigerte tu deductiven SchlUssen. Sie wird dadurch sur
vergleichenden Anatomie. Ihr Verfahren ist synthetisch« Die
Analysen der beschreibenden Anatomie (Anthropotomie wie Zootomie)
Uefero ihr die Grundlage, sie schliessen sich also nicht nur nicht von
der vergleichenden Anatomie aus, sondern wenlen recht eigentlich von
ihr urobsst und wissenschaftlich durchdrungen. Je sorgfilltiger die Sich-
tung der Thatsachen, um so sicherer wird der Boden für die Ver-
gleiGhang^ Die Empirie ist somit die erste Voraussetzung, wie die
Abstraction die aweite ist Wie die letttere ohne die empirische Vor-
aussetsung grundlos ist, so ist die Empirie an sich vom Wissenschaft-
liehen Gesichtspuncte aus nur eine Vorstufe sur Erkenntniss.
§ 3.
Die Aufgabe der vergleichenden Anatomie liegt in der
Bitterung der Formerscbeinungen in der Organisation des Thierleibee.
Die sor Lteung dieser Aufgabe dienende Methode ist die Veiigleichung.
Sie ist der Weg den die wissenschaftliche Untersuchung su geben hat,
und der gekannt sein muss, wenn nicht planloses Umherirren die Folge
sein soll. Die vergleichende Methode sucht in Reihen von Orga-»
nismen die morphologischen Befunde der Organe des Körpers su prüfen,
sielli als Ergebnias die gleichartigen Verhaltnisse susammen und sondert
die ungleichartigen davon ab. Dabei berücksicbtigt sie Alles, was beim
anatomischen Befund überhaupt in Betracht kommt : Lagerung su andern
Kttrpertbeilen, Zahl, Umfang, Structur und Textur. Sie erhalt dadurch
für die einzelnen Organe Reihen von Formsustttnden , in denen die
Extreme bis sur Unkenntlichkeit von einander verschieden sein können,
aber untereinander durch sahlreiche Mittelstufen verknüpft worden.
4 Einleitung.
Aus den niannichfachen Formenreihen eines und desselben Oiiganes
ergibt sich erstlich: dass der physiologische Werth in den verschiedenen
ZusUinden des Organes keineswegs derselbe ist, dass ein Organ unter
blosser Modification seines anatomischen Verhaltens, sehr verschiedenen
Leistungen vorstehen kann. Die ausschliessliche Berücksichtigung seiner
physiologischen Leistungen wird daher die in morphologischer Beziehung
zusammengehörigen Organe in verschiedene Kategorien bringen. Dar-
aus rcsultirt die untergeordnetere Beziehung der Leistung der Organe,
bei vergleichend-anatomischer Untersuchung. Der physiologische Werth
kann erst in zweiter Reihe in Betracht kommen, wenn es sich
darum handelt, für die Modification, welche ein Organ im Zusammen-
halt mit einem anderen Zustande desselben erlitten, Beziehungen zum
Gesammtorganismus herzustellen. Auf diese Weise liefert die ver-
gleichende Anatomie den Nachweis für den Zusammenhang ganzer
Organreihen, und innerhalb dieser Reihen treffen wir Veränderungen,
die bald nur im Kleinen sich halten, bald in grösserer Ausdehnung sich
darstellen ; sie betreffen den Umfang, die Zahl, die Gestalt und auch die
Textur der Theile eines Organes, und können sogar zu Aenderungen
der Lagcrungsbeziehungen führen. Der Ueberblick über eine solche
Reihe lehrt also einen Vorgang kennen, der in Veränderungen eines
und desselben Organs bei verschiedenen Thieren sich ausdrückt.
§ 4-
Das Bestehen eines gewissen Maasses von Gleichartigkeit in der
Organisation innerhalb gewisser grösserer oder kleinerer Abtheilungen
des Thierreiches ist von der Vererbung, als der Aeusserung der
Erblichkeit ableitbar. Die Vererbung besteht in der Uebertragung der
Organisation von einem Organismus auf die Nachkommenschaft des-
selben. Die Nachkommen wiederholen die Organisation des elterlichen
Organismus. Diese Erscheinung vermag aus der Fortpflanzung erkhirt
zu werden, deren Producte aus einem quantitativ sehr verschieden sich
verhaltenden Theilslücke eines Organismus als neue Organismen ent-
stehen. Der neue Organismus stellt also materiell die Fortsetzung des
alterlicbcn vor, und wird demgemMss mit letzterem übereinstimmende
Eigenschaften besitzen.
Das Maass der Gleichartigkeit oder der Uebereinstimmung in der
Organisation ist ein sehr verschiedenes. Wir erkennen Thiere die nur
durch geringfügige Merkmale von einander abweichen, dann solche die
durch bedeutende Unlerschiede von einander getrennt sind , wiederum
Einleitung. 5
andere, deren nassere oder innere Organisiilion die grössten Verschieden-
heiioD darbietcl. Und so findet sich die Uebereinstimmung wie die Ver-
schiedenheit in unendlichen Äbslufungdn vor. Wie man einander ahn-
Hebe, mehr oder minder gleichartig erscheinende- Dinge als »verwandU zu
bezeichnen pflegt, so wird bei der gleichen Erscheinung der Organismen
die gleiche Bezeichnung der gegenseitigen Beziehung, aber in des Wortes
voller Bedeutung, Platz greifen dürfen. Wir erklciren gleichartige Orga-
nismen für mit einander verwandt, indem wir das Gleichartige der Orga-
nisation aus gemoinsamer Ererbung ableiten. Der Grad dieser Gleich-
artigkeit wird aber den Grad der Verwandtschaft bestimmen müssen, die
wir aus jener ersohliessen. Die Verwandtschaft wird bei dem Bestellen
geringerer Versohiedefiheiten als eine nahe zu erkennen sein, während
sie bei grösseren Unterschieden als weiter in der Feme liegend sich
darstellen wird. Wir substituircn daher dem BcgrilTe der Uebcrein-
Stimmung oder der Gleichartigkeit der Organisation den der Verwandt-
schaft, indem wir die Uebercinstimmungen in der Organisation einer
Summe von Organismen als ererbte Eigenthümlichkeiten ansehen.
Auf das Gesetz der Vererbung gründet sich somit die Lehre von
der Verwandtschaft der Organismen, die. Abstammungslehre oder Phy-
logen ie. Die vergleichende Anatomie enthüllt also die innerhalb der
einzelnen Abtheil lingen des Thierreiches bestehenden Verwandtschafts-
verhältnisse, indem sie das Gleichartige wie das Ungleichartige nachweist.
[Ucber das höchst wichtige Vererbungsgesetz und seine Erschein«-
tingen findet sich Ausführlicheres in der scharfsinnigen Darstellung
lUcKKLS (Generelle Morphologie Bd. II. S. 470.)].
§ 5.
Durch die Vererbung werden dem Organismus Eigenschaften über-
tragen, die derselbe im f^aufe seiner individuellen Entwickelung (0n-
togenic] nach und nach zur Entfaltung bringt. Den einfachsten Or-
ganismen fehlt eine solche Entwickelung, indem die etwa durch Tbeilung
des mütterlichen Organismus entstandenen Jungen nur der Volums-
zunahme bedürfen, um dem mütterlichen Organismus gleich zu werden.
Die Entwickelung fällt also hier mit dem blossen Wacbsthum zusammen,
das sie vollständig deckt. "Je weiter ein Organismus von einem ur-
sprünglich einfachen Zustande sich entfernt hat, oder je grösser die
Summe der von den Vorfahren erworbenen und auf die Nachkommen
vererbten Eigenthümlichkeiten ist, desto weniger einfach ist auch die
Ontogenie, da sich während derselben mindestens ein Theil von jener
6 Einleitung.
den Vorfabi'üD erworbenen Einrichtungen wiederholt, und vom sich
entwickelnden Körper in einzelnen Stadien durchlaufen wird. Die Onlo-
genie repräsentirt also in gewissem Grade die paldontologische Ent-
wicklung in zeitlich verkürzter, d. i. zusammengezogener Weise. Die
von höheren Organismen ontogenetisch durchlaufenen Stufen entspredien
Zuständen, welche bei anderen die definitive Organisation vorstellen.
Jene Entwickelungszustände können also durch die Yergleicbung mit
ausgebildeten Zuständen niederer Organismen erklärt werden, indem man
sie als von solchen (niederen Zuständen) ererbte Bildungen deutet.
Von diesem Gesichtspuncte aus betrachtet erscheinen die sogenannten
»Larven zustände« mit ihren »provisorisdien«, weil vergänglichen,
nur auf frühere Lebensstadien beschränkten »Apparaten« als recht wich-
tige und bedeutungsvolle Formen. Ausser den functionellen Beziehungen
zum sie tragenden Organismus, durch welche jene Apparate als prak-
tische Einrichtungen sich erhalten, d. h. vererben konnten, lassen sie
solche lu niederen Zuständen erkennen, und enthüllen damit die Pfay-
logenie ihres Trägers. Das »Stadium larvatum« verkündigt also ganz im
Gegensatze zu seiner Bezeichnung, ganz offen die verwandtschaftlichen
Beziehungen. Zuweilen jedoch sind solche • Larvenorgane c nicht sowohl
von Vererbung als von Anpassungen ableitbar und dadurch wird die Be-
urtbeilung nicht wenig erschwert. Sicherer wird die Deutung solcher
Einrichtungen bei Organismen, die nicht sofort in den offenen Kampf
ums Dasein treten, sondern kürzere oder längere Zeit innerhalb der
Eihüllen sich entwickeln, und dadurch verändernden Einwirkungen von
Aussen minder ausgesetzt sind. Kommt es in diesen Fällen zu »pro-
visorischen Einrichtungen«, so sind diese mit grösserer Sicherheit als
ererbte, und damit als Wiederholungen niederer Zustände bestimmbar.
Die bei den Embryonen höherer Wirbelthiere auftretenden , aber nach
und nach wieder verschwindenden Kiemenspalten sind solche Bildungen.
Für sich betrachtet sind sie unerklärbar, denn es kommt an ihnen weder
jemals zur Bildung von[ Kiemen, noch werden sie — die vorderste
ausgenommen — zu definitiven Einrichtungen verwendet. Die Ver-
gleiohung zeigt uns nun bei einer grossen Abtheilung niederer Wirbel-
thiere diese Kiemenspalten als wichtige Athmungsapparate , und indem
wir auch solche Wirbelthiere kennen, deren Kiemenspalten^nur eine Zeit-
lang respiratorisch fungiren (Amphibien), um sich ^ter zu schliessen,
vermögen wir die Kiemenspalten der Reptilien, Vögel und Säugethiere
als durch Vererbung von niederen Zuständen empfangene Einrich-
tungen zu verstehen, die nach dem Verluste ihrer ursprünglichen Func-
tion sidi nur während des fötalen Lebens eine kurze Zeit erbalten.
Einleitung. 7
§ 6.
In der Summe von Eigenschaften der Organisation, welche die Ver-
erbung auf einen Organismus überträgt, finden sich dem vorhin Dar-
gelegten zufolge mehr oder minder solche Einrichtungen vor, welche
in den bleibenden, ausgebildeten Zustand des Organismus mit über-
treten, ohne dort eine erkennbare Function zu besitzen. Diese Theile
erscheinen in der Regel in mehr oder minder rttckgebildetem rudimen-
tären Zustande, den sie häufig erst während des Laufes der Ontogenie
erwerben. In frühen Stadieti der letzteren kommen sie mit den der'
Stammform, von der sie ererbt sind, zukommenden Einrichtungen am
meisten überein. Diese rudimentären Organe treten um so früh-
zeitiger die Rückbildung an, je frühzeitiger sie in palaeontologischem
Sinne ererbt wurden, und schwinden in dem Maasse Spät, als Uire Er-
erbung eine relativ neue ist. Die ausgebildete Form der rudimentären
Organe wird demgemäss für die ersteren nur bei entfernten, für die
letzteren dagegen bei näheren Verwandten anzutreffen sein. Diese Or-
gane bilden werthvolle Objecto, da aus ihnen selbst auf weitere Ent-
fernungen hin phylogenetische Beziehungen sich nachweisen lassen.
§ 7-
Die vergleidiende Anatomie ordnet sich die Ontogenie unter, indem
sie die im Laufe der individuellen Entwickelung der Thiere auftretenden
Organisations-Erscbeinungen nicht blos auf den vollendeten Zustand des
Organismus, sondern auf definitive Einrichtungen anderer Organismen
bezidit. Die vergleichende Anatomie erklärt die Erschei-
nungen der Ontogenie. Wenn letztere, für sich behandelt, nicht
Ober das Niveau einer beschreibenden Discipiin sich erhebt, und damit
je nadi der Genauigkeit ihrer Forschung nur den Werth von thatsäch-
lichem Material besitzt , so empfängt sie durch die Verbindung mit der
vergleichenden Anatomie wissenschaftliche Bedeutung. Ihre an sich un-
verständlichen, oder, weil nur auf die späteren Befunde der Organisa-
tion bezogen, nur in metaphysischem Sinne teleologisch erfassbaren
Thatsachen, stellen sieb durch die vergleichende Anatomie in Zusammen-
hang mit bekannten Erscheinungen anderer Organismen und sind da-
durch phylogenetisch erklärbar. Zeigt sich sa für die Ontogenie die
Nothwendigkeit genauer Kenntniss der vergleichenden Anatomie, so kann
die letztere ebensowenig der ersteren entbehren, denn aus ihr gewinnt
sie Licht für die niederen Zustände der Organisation. In demselben
8 Einleitung.
Miiasso und auf die gleiche Art wie die Onlogenie die Phylogenic l>e-
grUnden hilft, dient sie auch zur Förderung der vergleichenden Anatomie.
Man hat zuweilen der vei^leichenden Anatomie eine » vergleichende
Embryologie«, freilich zunifchst noch als blosse Aufgabe, gegenüber-
gestellt. Eii\e solche » vergleichende a Onlogenie wird ebenso wie jede
singulare Ontogenie die Organisation der ausgebildeten Zustande mit in
Betracht nehmen müssen, also ohne vergleichende Anatomie zu keinem
wissenschaftlichen Ziele führen.
§ 8.
Die Beziehungen jedes Organismus zu der Aussenwelt, in der er
lebt, von der er Stoffe entnimmt und an die er wiederum solche ab-
gibt, bedingen einen Einfluss der Aussenwelt auf den Organismus.
Dieser Einfluss erscheint wirksam in Veriinderungen des Organismus,
welche auf eine letzlerem inhcirirendc Veränderlichkeit rück-
schliessen lassen.
Die Yeründerlichkeit tritt als AnpassungsDihigkeit auf, welche in
ihrer Acusserung auf die ererbte Organisation modificircnd , ja umge-
staltend einwirkt.
Der Organismus verändert sich den Bedingungen gemäss, welche
auf ihn einwirken. Die hieraus enlstehenden Anpassungen sind
als allmähliche, atier slotig fortschreitende Veränderungen der Organi-
sation zu denken, welche während des individuellen Lebens der Or-
ganismen erzielt werden, sich durch Vererbung in Gcncrationsreihen
forterhalten und auf dem Wege der natürlichen Züchtung sich weiter
ausbilden. Das von den Vorfahren Erworbene wird für die Nachkommen
Ererbtes. Anpassung und Vererbung erscheinen dadurch in Wechsol-
äusscrung, die erstcre repräsenlirt das umgestaltende, die letztere das
conservalivc Princip. Die unendliche Mannicbfaltigkeit der Organisations-
Erscheinungen ist demgemäss von Anpassungen ableitbar.
Die Anpassung wird durch eine Veränderung der Leistung der Or-
gane eingeleitet, so dass also die physiologische Beziehung der
Organe hier die Hauptrolle spielt. Da die Anpassung nur der materielle
Ausdruck jener Veränderung der Function ist, wird die Modification der
Function ebenso wie ihre Aeusserung als ein allmählich sich vollziehender
Vorgang zu denken sein. Die Anpassung wird daher in ihren Bcsultaten
meist erst in langen Generationsreihen wahrnehmbar sein, während die
Vererbung an jeder Generation sich kund gibt. Entzieht sich damit
die Anpassung als Vorgang der direclon Beobachtung, so ist sie nicht
Einleitung. 9
•
mindei* 8H*ber i*rschliesa»l>ar durch tWv Vei'^JiMrluin^. Woiin >\ir %. B.
bei OeisclifresseDdii*!! Süu^ÜJiercn oine cmfiiche Ma(<oiibildun|; aniTHlcn,
bei Pflanzcofresseru dagegen coiupliciriere , besomlcrs bei jenen, dit*
grosse Massen FuUersloffe aufnehmen, wie i. B. die Wiederkäuer, so
werden wir die hier lieslehende Compliration der Magenstruclur als
eine durch die* Nahrung l>ediugle Veränderung, als eine Anpassung nn
die Ernährungsweise lieurlheilen , und wenn uns ferner die Onlogeuie
bei Wiederkäuern in frühen EnlwickelungssUidieu eine einfache, erst
allmähiich in den complicirtiTen Zustand sich unibildeude Magenforoi
enl^egeDlrilt , so besUitigl uns die Onlogenie die aus der Ver-
gleichung gewonnene Auffassung. In vielen Fidlen ist der Einfluss der
Anpassung auf die Organisation auch unmittelbar zu beobachtim, s. B.
bei manchen Amphibien erhalten sich die wsihrend des Jugendzustandes
ausgebildeten Kiemen auch spllter in Function, wenn dem Tliiere die
Gelegenheit fehlt aus dem Wasser zu gelangen, und umgekehrt gch(*n
die Kiemen bei solchen, deren nächste Verwandte im Wasser lelnMid
stets die Kiemen behalten, eine Rückbildung ein, wenn das Thier sim-
nen Aufenthalt im Wasser mit dem auf dem Lande vertauscht hat.
Dort ist die Ausbildung, hier die Rückbildung eine Anpassungs-Er-
scheinung.
§ 9.
Durch die allmiihliche Mmlificalion der Leistung eines Organes kann
dasselbe so umgestaltet werden, dass es in funclioneller Hinsicht ein
neues wird, und dann einer ganz anden*n physiologischen Organ-
kat^orie sich einreiht. Diese Thatsache ist von bedeutender Tragweite,
weil sie das Auftreten neuer Organe erklären hilft, und dadurch den
der Entwickelungsiehre gemachten Einwand beseitigt: dass ein neues
Organ doch nicht sofort in dem ganzen Umfange seiner Function er-
scheinen könne, dass es also bei allmählichem Entstehen in den ersten
Zuständen dem Organismus noch nicht dienen könne, und damit un-
denkbar sei. Jedes Organ, für welches dieser Einwand den Schein einer
Berechtigimg hat, ist nachweisbar mit einer von der späteren Function
verschiedenen Bedeutung aufgetreten. So ist z. B. die Lunge der Wirbel-
ihierc durchaus nicht als Respiralionsorgan entstanden, vielmehr hatte
sie bei den durch Kiemen athmenden Fischen einen Vorläufer ia der
Schwimmblase, die zu der Athmung anfanglich keine Beziehungen bc-
silzi. Seilest da, wo die Lunge als Athmungsorgan erscheint (Dipnoi,
viele Amphibien) , ist sie solches noch nicht ausschliesslich , sondern
40 Einleitung.
Uficilt jene Function mit den Kiemen. Das Organ ist also hier im Sta-
dium der Umwandlung zum Athmungsorgan begriffen, und verknüpft
die ausschliesslich respiratorischen Lungen mit den Schwimmblasen-
bildungen, die zunächst wohl in hydrostatischer Function verwendet
als Ausbuchtungen des Darmrohrs hervorgingen.
Die erste Function des durch Anpassung an neue Beziehungen ge-
änderten Organes ist meist eine niedere, fUr dein Organismus minder
wichtige, im Vergleiche zur erlangten neuen Function, so dass das
Organ damit auf eine höhere Stufe tritt. In anderen Fällen ei*scheint
der Werih der primären Function deshalb geringer, weil er von an-
deren gleichartigen Organen getheilt wird. Die Rückbildung eines
Theiles gleiohwertbiger Organe erhöht also den Werth der bestehen-
bleibenden, indem sie die höhere Ausbildung derselben bedingt.
Allgemeiner TheiL
Ban des Thlerlelbes.
Von den Organen.
§ <o.
Im lebenden Körper kommt eine Anzahl von Leistungen des ma-
teriellen Substrates in Betracht, durch welche die als Leben aufgefasste
Erscbeinungsreihe bedingt wird. Derselben liegen chemisch - physika-
lische Processe tu Grunde, die mit einer beständigen Umsetzung des
Materials einhergehen und daher den Stoffwechsel hervorrufen. Der
Körper ernifbrt sich, indem er das durch den Stoffwechsel verbrauchte
Material durch von aussen her aufgenommenes Neues ersetzt, indem er
dasselbe assimilirt. Die theils mit den Nahrungssloffen aufgenommenen,
theils durch den Stoffwechsel erzeugten, im Organismus nicht mehr
verwendbaren Substanzen werden nach aussen entfernt. Daraus re-
sültirt die excrelorische Thätigkeil. Wenn die Menge des assimiiirten
Materials jene des ausgeschiedenen überwiegt, geschieht eine Volums-
vergrösserung des Körpers, er wächst. Damit erfüllt er die erste Be-
dingung zur Production desjenigen Materials, aus dem ein neuer, ihm
gleichartiger Organismus hervorgeht, und eben dadurch steht mit der
Ernährung auch die Fortpflanzung .in engem Zusammenhange.
Mit der Aussenwelt ist der Körper zunächst durch seine Oberflüche
in Verbindung. Sie vermittelt ihm die Beziehungen zum umgebenden
Medium. Formvertinderungen der Oberfläche erscheinen als Bewegungen
und lassen die Locomotion entstehen. Und ebenso vermittelt die Ober-
fläche Wahrnehmungen der Aussenwelt, Empfindungen.
Die jenen Vorgängen vorstehenden Theile des Körpers sind die
Werkzeuge der Lebensäusserung , Organe. Der Körper wird durch
sie zum Organismus, und wenn wir auch solche Körper als Orga-
nismen bezeichnen an denen keine Organe im einzelnen gesondert be-
steben, so geschieht es, weil da die virtuelle Existenz von Organen
durch die thatsächlichen Lebensausserungcn vorauszusetzen ist. Der
Begriff Organismus wird also hier nicht im anatomischen, sondern im
physiologischen Sinne gebraucht.
Im einfachsten Zustande des Organismus sind die Lebens-Erschei-
nungen an die den Körper darstellende gleichartige Substanz geknüpft,
welche gleichmässig alle jene Einzelvorgiinge vcrmtttolt. Der Körper
repräsentirt daher nur potentin eine Summe von Organen, die erst auf-
44 Bau des Thierleibes.
treten, wenn die Einzelverrichtung nicht mehr von jedem TheÜe des
Körpers besorgt wird. Das Verhalten, welches in jener Beziehung die
einfacheren Organismen dauernd zeigen, besitzen compticirtere nur vor-
übergehend.
Die Complication des Organismus entsteht durch einen
Sonderungsvorgang der die physiologischen Leistungen des ursprünglich
gleichartigen Körpers auf einzelne Theile überträgt. Die Leistung wird
dann entweder von einer gjrosseren Zahl discreieri aber unter sich gleich-
artiger Theile vollzogen, oder die Einzeltheile gestalten sich unter sich un-
gleichartig. Im ersten Falle ist die Theilung der Arbeit eine quan-
titative, im letzteren wird sie qualitativ, und die Sonderung der
Einzeltheile entspricht auch einer Verschiedenartigkeit der Verrichtung.
Je nach dem Grade, in welchem sich die zuerst am indiSeranten Körper
auftretende Sonderung oder ArbeitstheHung an den Organen wiederholi,
entstehen fernere Compllcationen , die ein stufenweises Weiterscbreilen
erkennen lassen. Daraus leitet sich ein verschiedener Werth der Organe
ab, und es wird nothwendig an letzteren höhere und niedere Zustände
zu unterscheiden. Die aus dem ersten indifferenten Zustande des Kör-
pers bei*vorgehenden Organe können als Elementarorgane unter-
schieden werden. Es sind Organe niederer Ordnung jenen gegen-
Jlber, die sich aus ihnen weiter hervorbilden und zusammensetzen, und
die als Organe höherer Ordnung aufzufassen sind.
Elementarorgane (Flastiden HIckel).
Von der Zelle.
§ <<.
Die lebende Materie ersclieint in ihrer einfachsten Form als eine
eiweissbaliige, als Plasma oder Protoplasma bezeichnete Substani,
die mit unseren gegenwärtigen optischen Hilfsmitteln sich durchaus
gleichartig darstellt. Diese Materie tritt in Gestalt kleiner KIttmpcben
auf. In solchem Zustande treffen wir die einfachsten Oiiganismen, Wäh-
rend bei der gleichartigen Beschaffenheit des Protoplasma, in welchem
höchstens noch Kömchen als nicht assimilirte Theile bemerkbar sind, für
jene einfachsten Formen eine Abgrenzung nach aussen durch gesonderte
HüUbildungen nicht besteht, kommt auf einer weiteren Stufe eine Um-
httllung zu Stande, die aus einer chemisch-physikalischen Veränderung
4er äussersten Schichte hervorgeht. Dadurch wird das mit allen Lebens-
erscheinungen und somit auch mit Bewegung ausgestattete Protoplasma
von einer mehr oder minder starren Hülle umschlossen, welche die
Veränderlichkeit der Gestalt aufhebt, und eine bestimmte Form bedingt
Solche Gebilde kitoinen auch in die Zusammensetzung von Organismen
eingehen, wie dies bei vielen niederen Pflanzen dor Fall isL Form-
Vm der Zelle. 45
efeiBenle dieser Art sind fon HXgkbl als Cytoden bneiohiiei) attd dn^
diirdi von einer Mdem^ weiter gesonderten Abihdhiiig niii ReeiH ntiter^
soliieden nvorden.
Bei dieser IriU in Protoplasma ein scharf abgegreifBles festeres Ge-
bilde aof, das aoan als Kern (Nncleas) beteiohneU Es f^ das Product
«loa ersten Sonderan^svorganges des ProtoplaaaMi. Im Kern efisoheint
in der Regel ein Meines Kttrpercben (Nncleelos). Im Gegensatae tom
P»nta|ilasma ist der Kern ni<Ät contraotil, theilt übrigens niAt nur die
meisten Lebenseraobeinungen des .üin umgebenden Protoplasma, sondern
gibt aieh auch häufig als Regutator deraelben zn erkemieli, indem er
viele Rrscbeinungen einieitet. Solche mit einem »Kerne« versebene
ProtoplasmakNtonpeben nennt man Zellen (CeUvIae). Auch diese Ge-
bilde ktfmien in dieaem Zustande selbständige Organismen vorstellen,
man als »einzellige« beseiehnet. Indem die Zelien dnroh Yer-
»hmag Complexe bilden, geiran mehrzellige Organismen hervor. Deren
kleinste nicht weiter mehr in gleichariige Gebilde zerlegbare Theile sind
Zelien, die daher als Formeleroente jener Organismen erscheinen.
Dasselbe gilt auch von dem einfacheren Zustande, den Gyloden. WMh-
rend diese aber ein beschränkteres Vorkommen besitsen, Anden wir die
Zellen in grosserer Yerbreitong im Pflanzenreiche, und als die aua*
aehlieaalichen Formeleroeiite im Thierreiohe.
Im indiflerenten Znatande, d. i. so lange noch nicht zum Anfbaa
von bestimmten neuen Bildungen Veränderungen in bestimmter Ricb->
tung vor sich gingen, erscheinen die Zellen aller thierischen Oiganismen
von wesentlich gleicher Beschaffenheit. Wir unterscheiden an ihnen
eratlidi das die Hauptmasse des Körpers der Zelle darstellende Proto-
plasma, und zweitens das vom Protoplasma umgebene, von ihm dührente,
meiat featere Gebilde, den Zellenkem. Die Theilnahme des letaleren
an mannJehCachen Lebenaarscbeinmigen der Zelle itfsst ihn für einen
keineawegi unlargeordneten Theil des ZellenkOrpers anaehen. Zu di^
aao Thalien der ZeUe hat man — früher allgemein ^ noch eine Mem^
bran gerechnet, wehshe vom ftotoplaama als dem iZelleninhahe«, ver^
achiedeiif dasselbe umhüllen sollte, und daraus ist die Vorstellung van
der eBlaaebenform« der Zelle entstanden.
Wenn auch nicht in Abrede geatelli werden kann, dass bei vMen
Seilen vom Protoplasma diflerirende Umhüllungen vorkommen, so treftn
dieae Zaaiande sich doch niemals im frühesten Leben der Zelle, san^
dem sind immer das Resultat einer vorgeschriltenen Umwandlung and
einea Uebergangea der Zelle in die diSßrente Form.
Von den Lebenstfnsseruagen der Zeilen sind automatische Be-
wegungserseheinungen des Protoplasma der Zelle so vei%reitet,
daas sie sich immer bestimmter als eine Eigenschaft aller nicht weiter
1 6 Elemcntarorganc.
(lifferenzirteD, somit bezüglich ihres Protoplasma metamorphosirten Zellen
herausstellen. An freien, nicht von starren Membranen umschlossenen
Zellen bewirkt die Erscheinung eine Oitsveränderung der Zelle. Auch
an nicht frieien Zellen kann die Bewegung beobachtet werden, theils in .
einem Gestaltw'echsel der Oberfläche, theils an der Lageveränderung
im Protoplasma befindlicher fesler Körnchen. Dass dem Protoplasma
auch Eigenschaften innewohnen, die wir auf Empfindung deuten
können, geht aus vielen Versuchen und Beobachtungen, wie z. B. der
in nicht seltenen Fällen nachweisbaren Reaction gegen Reize hervor.
Ferner beobachten wir an der Zelle die Ernährung, zuweilen
sogar eine sichtbare Aufnahme von Stoflen ins Protoplasma, und als
Ausdruck der Ernährung gibt sich das Wachsthum der Zelle kund.
Diese allen noch indifferenten Zellen gemeinsame Erscheinung spricht
sich in der Vergrösserung des Protoplasmakörpers durch Assimilirung
von aussen her aufgenommener Stoffe aus. Das Wachsthum kann ein
gleichmässiges für die ganze Zelle sein, indem diese sich nach allen
Axenrichtungen vergrössert, und so trifft es sich regelmässig in den
Jugendzuständen der Zelle und lässt während dieser Zeit die Gestalt
der Zelle, wo nicht Bewegungserscheinungen oder äussere Einwirkungen
sie modificiren, unverändert in der sphärischen Form fortbestehen.
Andernfalls ist es ungleichmässig und wird dann bei der Vergrösserung
in der Richtung Einer Axe längliche oder bei der Vergrösserung in der
Richtung mehrerer Axen sternförmige Bildungen hervorbringen. Solche
ungleichmässige Wachsthumsverhältnisse sind in der Regel von Diffe-
renzirungen der Zelle begleitet, sie leiten daher zum Uebergang der
Zelle in Gewebe.
§ ^3.
Das Wachsthum der Zelle bereitet eine andere Erscheinung vor,
nämlich die der Fortpflanzung, und ist mit ihr unzertrennlich verbunden,
denn die Vermehrung ist nur ein tlber das Individuum hinausgehendes
Wachsthum. Die Vermehrung der Zellen kann auf mehrfache Art
vor sich gehen. Indem der Zellenleib einseitig auswächst, bildet sich
eine Sprosse, die durch allmähliche Volunizunahme und Ablösung vom
Mutterkörper zu einer neuen, freien Zelle wird. In der Zahl der an
einer Zelle hervorsprossenden jungen Zellen kann die Erscheinung va-
riabel sein, und nach dem Verhalten des Kernes der Mutterzelle Modifi-
caüonen aufweisen. Diese Vermehrung durch Sprossenbildung gehl
ohne scharfe Grenze in die am meisten verbreitete Art der Vermehrung,
nämlich jene durch Theilung über. Während bei der Sprossung das
Charakteristische darin liegt, dass die sich bildende Zelle bei ihrem
ersten Erscheinen bezüglich des Volums in einem Gegensätze zur Mutler-
zelle sieht, dor bei frühzeitiger Ablösung des Sprösslings gar nichl, liei
sp;iU?rer Trennuni; allmählich ausgeglichen wird, so sind die Prodiiclo
Von der Zell«. 47
der Tbeilang nahebei oder volIsUlDdif; einaoder gleich, so dass das
Fehleo einer aasgesprochenen Volumsdifferenz keinen Unterschied «wi-
schen beiden gestaltet. Es ist klar, dass in demselben Maasse als die
Grösseversdiiedenheit zwischen beiden Vennehningsproducten zunimmt,
die Theilong der Sprossenbildung nSber rttokt, und dadurch wird die
ganze Verschiedenheit zwischen Zellentheilung und Sprossung von der
Menge des Protqilasma bedingt, welches von einer Zellö in eine andere
aus dieser entstehende übergenommen wird. Der Unterschied tritt da*
durch mehr auf die quantitative Seite. Die Theilung wird durch eine
Theilung des Kernes eingeleitet, und in der Regel kann constatirt wer*
den, dass die einzelnen Phasen der Kemtheilung den entsprechenden
Theilungsstadien der Zelle, vorangehen. In manchen Pttllen jedoch
scheint eine Neubildung des Kernes zu bestehen.
Ausser der Vernaehrung durch Theilung oder durch Sprossenbildung
ist keine Fortpflanzungsform der thiensehen Zelle mit Sicherheit be-
obachtet, und ein grosser Theil der aufgestellten Arten der Zell Ver-
mehrung, wie die sogenannte endogene Zellbildung u. s. w. ist von
der Theilung ableitbar. — Was die freie oder spontane Zellbiidung
betrifft, so ist wohl soviel gewiss, dass ihre Verbreitung nicht in dem
früher angenommenen Maasse vorkommt.
Verbindet sich mit dem Wachsthum der Zelle eine Vermehrung des
Kernes, ohne dass eine Sonderung des Protoplasma in einzelne den
Kernen entsprechende Parthieen erfolgt, so kann das so entstandene
Gebilde nicht als ehfizelne Zelle mehr aufgefasst werden. Es ist aber
auch kein Complex von Zellen, da ein solcher die Existenz einer Mehr-
zahl discreter Zellen voraussetzen würde. Hxcul hat daher diesen
Zustand mit Recht als einen besonderen unterschieden und als Syncy-
tium bezeichnet. Derartige Gebilde kommen fast in allen Abtheilungen
der Thiere vor. Dasselbe Resultat wird erreicht durch die Goncrescenz
emer Anzahl von discreten Zellen, indem sie ihr Protoplasma in eine
contiouirliche Masse zusammentreten lassen, welche dann gleichfalls eine
Anzahl, von Kernen umschliesst.
Während das Protoplasma in der aufgeführten Erscheinungsreihe
keine wahrnehmbaren oonstitutionellen Aenderungen erleidet, spricht
sich durch eine andere Erscheinung eine Aendening im Protoplasma
aus, indem es in seiner chemischen Constitution enthaltene Stoffe ab-
scheidet. Dieser Process der Abscheidung bietet verschiedene Ver-
hältnisse dar. Einmal Andet der Sonderungsvorgang Im Innern des
ProtoplasmakOrpers selbst statt, dann treten im Innern der Zelle der
chemisch-physikalischen Beschaffenheit des Protoplasma fremde Theile
auf. Sie künnen der mannichfaltigsten Art sein, z. B. Fett, Farb-
stoffe etc., auch in verschiedener Form, als Kömchen, Tröpfchen, Kry-
stalle etc. vorkommen. In einem andern Falle geht diese Sonderung
auf der OberOädie des Proloplasma vor sich. Hier erseheint sie ent-
weder in flüssiger Form, \^ol>ei die ContinuitHt mit dem Protoplasma
U«fe«bAar, Omadri««. ^
1 8 Elcmcntarorgane.
verloren geht, oder sie findet in fester Form stcitt, und dann bleibt der
Zusammenhang mit dem übrigen unverSnderlen Protoplasma mehr oder
minder innig fortbestehen. Durch chemisch-physikalische Verminderungen
entweder der ganzen Oberflttche des Protoplasma einer Zelle oder auch
nur eines Theiles derselben entstehen vom Übrigen Protoplasma ver>
schiedene, diflerente Substanzen. Wir haben also hier Umwandlungen
des Protoplasma vor uns, die man als Sonderungen, Differenztrungen,
Abscheidungen des Protoplasma bezeichnet. Bei gleichartiger Bildung an
der Peripherie der Zelle geht daraus das bereits oben als Zellmem-
bran bezeichnete Gebilde hervor. Derselbe Vorgang führt aber auch
zur Herstellung anderer Einrichtungen , die wir unten näher ins Auge
fassen mtlssen.
Die Reihe von Lebensvorgängen, welche an einer Zelle sich äussern
können, stimmen im Wesentlichen mit denen aller übrigen Organismen
überein. Virtuell erscheint also auch die Zelle als Organismus. (Ele-
mentarorgnnismus; BaücKB).
Von den Geweben.
§ ^*.
Die Zelle stellt bei den von uns als Thiere betrachteten Organis-
men nur vorübergehend den gesammten Organismus vor, nämlich als
Eizelle, die von den anderen in keinem .wesentlichen Puncie sich
unterscheidet. Diese Thatsache, dass mehrzellige Organismen aus einem
einzelligen hervorgehen, lässt beide mit einander verknüpfen, indem sie
zugleich darauf hinweist, dass die einzellige Form für die andere den
Ausgangspunct bildete. Aus der Eizelle geht durch Tfaeilung ein Mui-
tiplum von Zellen hervor, welche die Anlage des Thierleibes bilden.
Diese besitzen nur in einem frühen Stadium der Entwickelung des
Organismus Gleichartigköit, und alle jene Eigenschaften, welche als für
den Begriff der Zelle von Bedeutung hervorgehoben wurden. In spä-
teren Zuständen bleibt nur ein Theil des von der Eiselle stammenden
Materiales den primitiven Verhältnissen der Zelle nahe, während die
Hehrzahl der Zellen sowohl formeil und materiell, als auch demgemäss
in den functionellen Aeusserungen sich ändert, und durchaus neue
Verhältnisse eingeht.
Die neuen aus Aggregaten von gleichartig umgewandelten Zellen
und ihren Derivaten gebildeten Compiexe stellen die Gewebe vor.
Der Entstehungsvorgang derselben beruht auf einem Verschiedenwerden,
einer Differenzirung. Da jedem different gewordenen Zellenaggre-
gate eine bestimmte, für den Organismus zu leistende Verrichtung zu-
kommt, die vorher, beim Zustande der Indiflferenz der Zellen, nicht an
räumlich abgegränzte Theile geknüpft war, in dem frühesten Zustande
des individuellen Organismus sogar nur durch Eine Zelle (Eizelle) be-
Von den Geweben. Bpithelien. 49
sorgt ward, so ist die Differenzirung eine Theilung der physio-
logische d Arbeit. Mit der anatomischeD Go«plication treten neue
Leistungen auf^ es spalten sich dje Functionen, indem die bei jeder
Uauptleistung IhätigeD Einielkrflfte von besonderen, vorzugsweise oder
auch ausacfaliassüeh dazu umgebildeten Theilen geäussert werden.
In allen Füllen geht die gewelilichc lüiferenzirung aus dem Proto-
plaMna der primitiven ZeUe vor sich. Weniger auflallend ist der Kern
hetheUigt, obsehon auch an ihm häufig Veränderungen wahrnehmbar
sind.
§ ^5.
Die Gewebe zerfallen nach dem Verhalten der Zellen in mehrere
grossere AbtheUungen, die ich als Epithelgewebe, Gewebe der
Bindesubstanz, Muskel- und Nervengewebe auflühre. Die
beiden ersteren bilden eine niedere Abtheilung, die man als vegeta-
tive Gewebe von den beiden anderen animalen Geweben unter-
scheideD kann. Der Unterschied beider Gruppen liegt in der Art der
Diflerenzintng, indem die DHTerenzirungsproducte der ersten sieh mehr
passiv zum Organismus verhalten, indess die der andern in die Aeusse-
rang der Lebensersoheinungen des Organismus selbstthlltig eingreifen.
Die vegetative Gewefasgruppe oder ihr analoge Gewebe finden ausser-
dem ihre grOsste Verbreitung im Pflanzenreiche, indess die aniroale in
letclerem fehlt und die für die Thiere charakteristischen Einrichtungen
liefert. Alle anderen sonst noch unterschiedenen Gewebe sind entweder
gar keine sebständligen Gewebe, sondern viel zusammengesetztere, aus
Theilen versehiedener Gewebe bestehende Bildungen, oder es sind den
enisehien oben aa%efQhnen Kategorien onlerzuordnende Gewebsformen
oder sogar blosse Bestandtheile von solchen. Bei der Herbeiziehung aus
wehwiren Geweben bestehender Gebilde, als »zusammengesetste* Ge-
webe« u. dergl. lost sich der Begriff des Gewebes auf.
^pitheUen.
§ «6.
Aneinandergelagerte Zellen, die in einfacher oder mehrfaoher Schich-
UNig Ofoerflttoben des KArpers bedecken, werden als »Epithelien« be-
seiebnet. Das Bpithelgewebe besteht somit einfach aus Zellen. Es
ist dadurch ven anderen unterschieden, dass bei ihm die Zelle ihre ur-
sprüngliehen VerhuHnisse wenigstens in Bezug auf die Anlagerung bei-
behält, und dass es sowohl die Ueberzüge der Husseren Körperoberflüche
bildet, wie auoh die Anskleidong der BinnenrSnme des Leibes. Die
Form der Bpikheltenen ist sehr mannichfaltig und bietet Anhaltepuncte
znr Unterscheidung vielartiger Bildungen.
20 Elementarorgane.
Das Protoplasma der Epithelzellen ist sehr hüußg nicht mehr gleich-
artig, sondern ist durch membranartige Verdichtung seiner aussersten
Schichte eine Differenzirung eingegangen. Diese zeigt sich an mehr-
schichtigen Epithelien vorwiegend in den oberflächlicheren Lagen, indess
in den tieferen die Membranlosigkeit der Zellen auf einen jüngeren Zu-
stand hinweist. Eine andere Differenzirung besteht darin, dass die
oberflächliche Schichte der Epithelzellen an der nach aussen oder gegen
einen Binnenraum des Körpers gewendeten Flüche feine, bewegliche Fort-
slitze entwickelt, welche, während des Lebens der Zelle in Schwin-
gungen begriffen, als Wimperhaare, Gilien, bezeichnet worden sind.
Die Haare an diesen Flimmer- oder Wimperzellen finden sich
bald einzeln, bald zu vielen beisammen, und entsprechen einer Diffe-
renzirung, da jene Bewegung nicht einfach von der bereits am Proto-
plasma bestehenden Gontractilität geleistet wird. Indem bei niederen
Organismen Wimperhaare vorübergehend sich bilden, um alsbald Wie-
der eingezogen zu werden, und ihre Substanz mit dem Protoplasma zu
verschmelzen, geben sie sich als Differenzirungen aus dem Protoplasma
kund, und lassen ihre Bewegungserscheinungen aus einer mit den Bewe-
gungen des Protoplasma gemeinsamen Quelle geflossen erkennen. Für die
differenzirteren Formen der WMmperhaare hat die Nachweisbarkeit dieser
Identität aufgehört, sie sind dem Protoplasma nicht mehr assimilirbar.
An den gleichen Flächen zeigen manche Epilheiien noch eine an-
dere Differenzirung. Wie die Membranbildung als eine in der gesammten
Peripherie der Zelle zu Stande kommende Veränderung der oberfläch-
lichen Protoplasmaschichte sich darstellt, so kann derselbe Vorgang, auf
einen bestimmten Theil der Zelloberfläche beschränkt, aber intensiver
entwickelt, zur Bildung einer partiellen Verdichtung der äussersten Pro-
topiasmaschichte führen. Ad der nach aussen gekehrten Fläche jeder
Zelle befindet sich dann eine verschieden dicke Lage einer vom Proto-
plasma difierenten Substanz, die aber meist ohne scharfe Grenze mit
demselben zusammenhängt.
Wenn die aus dem Protoplasma der Zellen in einer Schichte ab-
geschiedene Substanz sich noch weiter differenzirt , so dass der von
jeder Zelle gelieferte Antheil mit dem der benachbarten inniger zu-
samn)enhängt als mit der Zelle selbst, so entstehen daraus homogene
Membranen, Guticulae. Sie werden eine Schichtung erkennen lassen,
wenn ihre Absetzung eine ungleicbmässige ist, und wenn allmählich
noch weitere Veränderungen in ihnen stattfinden , so dass jeder neue
Ansatz sich so von dem vorhergegangenen unterscheiden lässt. Je ver-
schiedener der diese Guticularbildungen zusammensetzende Stoff vom
Protoplasma der Zellen ist, die ihn abgesetzt haben, um so weniger
wird man ein unmittelbares Eingehen des Protoplasma in ihn annehmen
können, und die Guticularbildung stellt sich damit um so schärfer in
die Reihe der Abscheidungen. Geht die Guticularbildung nicht gleich-
massig nn der OI)erfliiohe der einzelnen Zellen vor sich , so werden
Epithelien. 2i
von dor ahsondermicn Zcliscbicbic ProUplnsiuafortsitU« in die ahge-
sonderte Schichte einragen, welche von entsprechenden CaoUien (Po-
ren canalen) durchsetzt wird.
§ n.
Die absondernde Thätigkeit der Zellen ausgedehnter Epithelschicbten
kann auch tropfbarflUssige oder selbst gasförmige Stoffe liefern. Damit
treten die Epithelien in andere Beziehungen .zum Haushalte des Orga-
nismus, sie liefern nicht mehr zum Aufbaue des Organismus verwen-
dete Substanzen, und dadurch wird zugleich der Uebergang zu jenem
Zustande der EpHhelialbildungen vermittelt, in welchem Theile von Epi-
thelien als ein in bestimmter Richtung fungirendes Gewebe auftreten,
welches man als Drüsengewebe bezeichnet. Da zwischen den zu
Absonderungsorganen, Drüsen, verwendeten Zellencomplexen und den
Epithelien, immer ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben ist, der
entweder bestündig dauert, wie dies für diQ Mehrzahl der Drüsen gilt,
oder doch für die Anlage der Drüse vorhanden ist, so stellt das Drüsen-
gewebe nur eine durch Differenzirung entstandene Modifi-
cation des Epithelialgewebes vor, und besieht wie dieses stets
aus Zellen. ,Dic Summe der zu einer Drüse verwendeten Epitlielzellen
ist sehr variabel. In einer Epithellage können einzelne Zellen, von den
benachbarten ausgezeichnet, als Drüsenzellen fungiren, indem sie einen
Stoff bilden und absondern, der von den anderen nicht geliefert wird.
Daraus entstehen die einzelligen Drüsen. Vergrössert sich die ab-
sondernde Oberfläche, ohne dass das gesammle Epithel der Fläche dabei
holhoiligt ist, so geschieht das durch Wucherungen des Epithels unler
die von ihm eingenommene Fläche, und so entstehen räumlich vom Epi-
thel mehr oder minder sich entfernende Bildungen, Grübchen, Säckchen,
Blindschilf ucbe , die durch neue Wucherungen sich wieder compliciren
können. Des der ursprünglichen Epithelschichte unlerlicgende Gewebe
bildet, jenen Wucherungen folgend, Umhüllungen für dieselben, verhält
sich aber dabei, wie coroplicirt auch Verästelungen und dergl. jene vom
Epithel ausgehenden Wucherungen gestalten mögen, in demsell)en Sinne,
wie vorher zur ebenen Epithelschichte.
Die Drüse erscheint also in der einfachsten Form als eine Ein-
senkung des Epithels in das unter diesem liegende Gewebe. Bei den
ausgeprägteren Drüsenformen tritt an den in die Drüsenbildung' einge-
gangenen Zellen eine fernere Differenzirung ein. Dieselben scheiden sich
in solche, welche secerniren, somit eigentliche Drüsenzellen vor-
stellen, und in solche, welche den secernirenden Theil der Drüse mit
der indifferent bleibenden Epithelschichle verbinden, und im Gegen-
sätze zum secernirenden Abschnitte der Drüse, Epithelien derAus-
fahrgttnge vorstellen.
Das von den Drüsenzellen gelieferte Secret steht zu erstcren in
22 Elemenlarorgane.
sehr verschiedenen Beziehungen-. Es kann enlweder im Innern der Zelle
bleiben, und wird nur mit Zugrundegehen der Zelle in den Binnenraum
der Drüse entlecrl, oder es wird von den Zellen ins Lumen der Drüse
abgeschieden, ohne dass ein Bersten der Zellen dabei stalthat. Im ersten
Falle sind die Secrele entweder in Form von festen Concrementen oder
in Gestall von Körnchen und Tröpfchen in der Zelle aufgetreten.
BindeBUbetansen.
4
Die beim Epithelialgevvebe zur Bildung honM>gener Membranen füh-
rende Erscheinung kann durch die Ausdehnung über die ganze Peri-
pherie je einer Zelle, sowie durch fortgeselzle Wiederholung zu grösserer
Bedeutung gelangen. Indem die von dem Protoplasma einer Summe
von Zellen diflerent gewordene Substanz zwischen den mit unveründerlem
Protoplasma versehenen Zellen allmählich sich vermehrt, werden die
Zellen von einander geschieden, und es bildet sich ein Gegensatz aus
zwischen der Zolle, dem Bildenden, und der Intercellularsub-
stanz, dem Gebildeten. Eine Anzahl im Grossen sehr verschiedener
Gewebe zeigt jenes Gemeinsame im feineren Baue. Man bezeichnet sie
mit dem Namen der Bindesubstanzen, da die Mehrzahl ihrer For-
men zur Verbindung anderer Gewebe zu Organen oder Organsystemen,
verwendet wird.
Die Verschiedenheiten der hierhergehörigen Gewebe gehen Ibeils
aus dem Verhallen der Zellen an siqh, theils aus ihrem Verhältnisse zu
der Inlercellularsubstanz , theils aus der chemisch-physikalischen Con-
stitution der Incellularsubstanz hervor, sind aber nicht ül)erall gleich
scharf ausgeprägt. Der letztere, räumliche Uebcrgänge der einen Gewebs-
form in die andere erkenne» lassende Umstand, sowie die Thalsache,
dass auch zeitlich solche Uebergänge stattfinden, bilden einen wich-
tigern Anlass zur Vereinigung als das durch mannichfache Verschieden-
heiten wieder aufgewogene Gemeinsame des Baues. Die einzelnen hie-
her gehörigen Gewebe sind: 4) zeitiges Bindegewebe, 2j Gallertgewebe,
3] faseriges Bindegewebe, ij Knorpelgewebe, 5} Knochengewebe.
§ 19.
Dcis Bindegewebe ist in folgende Unterabtheilungen zu sondern.
1) Das zelligc Bindegewebe (blasiges Bindegewebe nach
Lbtdig) stellt die einfachste Form vor. Es wird aus rundlichen oder
länglichen Zellen gebildet, die nur durch spärHcho Intercellularsubstani
geschieden sind. Die letztere ersdicint häufig in Form von Zellmem-
branen, welche die auscinanderliegenden Zellen sich unter sich verbinden
lassen , indem sie benachbarten Zollen gemeinsam sind. In anderen
BiadeiiabslanBeii. 23
Fallen ist sie wieder reichlicher vorhanden, ohne dass sie gegen die
Zelten ▼orherrschl. Die Differensirung des ProtoplasRvi von der Inter-
oeliafairsahslans leigi sich auf verschiedenen Stufen. In grösserer Ver-
breüung findet sich dieses Gewebe bei Gliederihieren und Mollusken.
Bei Wirhellhieren setxt es die Chorda dorsalis susamnien.
^) Das Galle rlge webe (Schieinigewehe) seichnet sich durch die
weiche, gallerltge Beschaffonheii der Inlercelltilarsubstani aus, die meist
glasartig durchscheinend sich darstellt. In der lettlern liegen bald rund-
liche von einander völlig getrennte, bald spindelförmige oder verästelte
Zellen, welche häufig mit ihren Fortsätzen mit einander vereinigt sind.
Auch Stränge von Zellen kommen vor. So kommt ein feines, die Gal-
lerte durchziehendes Netzwerk zu Stande, dessen Balkehen in weiterer
Dillereasirung fester werden und sogar in feino Fasern zerfallen können.
Auch an der Intcrcellularsuhstanz tritt zuweilen eine solche Sonde-
rung auf.
3) Faseriges Bindegewebe stellt eine weitere Entwickelungs-
stufe der vorhergehenden Gewebsform vor. Die Formelemente erschei-
nen als längliche oder verästelte Zellen, die in eine aus Fasersttgen und
Btlodeln besiehende Interoellularsubstans eingebettet sind. Letztere ist
zum grossen Theil aus einer Sonderung von Seile der Zellen entstanden,
wie aus der Entwickelung des Gewebes hervorgeht. Auf dieselbe Weise
ist auch zu ersehen, dass ein Theil des Fortsätze aussendenden Proto-
plasma sieh unmittelbar in Fibrillen und Faserbttndel diflerenzirt, die
wieder von der frtther gebildeten mehr oder minder homogenen Inter- •
ceHularsubstanz sich gesondert zeigen. Die Faserung der Intercellular-
sabstans zeigt sowohl besttglich der Dicke ihrer Gebilde als auch der
Verlaufsriehtung viele Verschiedenheiten. Die Anordnung der meist
wellig gebogenen Fasern ist bald parallel, bakl netzförmig, und dem
entspricbi in den früheren Zuständen die Lagerung der Zellen und
ihrer Ausläufer.
Nach der Beschaflenheit der Intercellularsubstanz unterscheidet man
lockeres and straffes Bindegewebe, letzteres wird auch als »Sehnen-
gewebe« bezeichnet, wenn die Faserzüge dabei eine parallele Anordnung
darMelen. Ausser der Ditforenzirung in Fibrillen, die bei Behandlung
mit Säuren und Alkalien aufquellen, zeigt sich in der Intercellular-
substanz des faserigen Bindegewebes noch eine andere Faserform, welche
gegen jene Agentien grösseren Widerstand leistet, und wegen ihrer elasti-
schen Eigenschaft als »elastisches Gewebea bezeichnet wird. Das-
selbe ist wegen seiner Beziehung zur Intercellularsubstanz keine selb-
ständige Gewebsform, sondern nur eine Modification des Bindegewebes.
De, wie oben bemerkt, ein Theil der Intercellularsubstanz durch
spätere Differenzirung des Protoplasma der Zellen entsteht, so stellen
die iip ausgebildeten Bindegewebe vorhandenen Formelemente nur die
Beste der nf^mngliehen Zellen vor. Je nach der Menge des ver-
brauchten, in Fasergebilde UbergefOhrten und damit der Interoellular-
i4 Eicmenlarorgaae.
suhslanx einverleibten Protoplasma ist der Kern der Bindegewebszellen
von verschieden grossen Mengen Protoplasma umgeben, oder es ist alles
Protoplasma verschwunden, wie aus dem Vorkommen blosser Kerne in
den Faserzügen von Bindegewebe hervorgeht. Wo noch Protoplasma
sich sammt dem bezüglichen Kerne forterhält, wo also noch eine Zelle
nach dem oben aufgestellten Begriffe vorhanden ist, kann diese wieder
neue Veränderungen eingehen, die so vielartig sind, dass das Binde-
gowebe dadurch sich zu dem an DiflTerenzirungserscheinungen reichsten
Gewebe gestaltet.
§ 20.
4) Knorpelgewebe wird durch Zellen charakterisirt, die in eine
festere Intercellularsubstanz sich einlagern. Die Zellen besitzen nur in
selteneren Fallen Ausläufer, in der Kegel weichen sie von der runden
Grundform wenig ab, oder sind oval oder spindelförmig verlängert. Die
Intercellularsubstanz ist in verschiedener Menge vorhanden. Ihre grössere
Rigidität gibt einen Unterschied von jenen Formen 'des Bindegewebes,
die gleichfalls einfache Formelemente bei gleichartiger Intercellularsub-
stanz besitzen. Durch jenes Verhalten ist das Knoipelgewebe geeignet,
als StUtzappanU zu fungiren. Bei sehr spärlich vorhandener Intercellular-
substanz sind die Zellen vorherrschend, und erstero erscheint dann in
Form von dünnen Membl^anen, woraus sich ein unmittelbarer Anschluss
an das blasige Bindegewebe ergibt.
Nimmt die Intercellularsubstanz zu, so ist sie entweder gleichartig
(hyaliner Knorpel), oder sie ging ganz nach Art des Bindegewebes,
fernere Diflerenzirungen ein, die aber das Verhältniss zu den Zellen
wenig berühren. Ein Zerfallen der Intercellularsubstimz in Fasern liefert
den Faserknorpol , das Auftreten elastischer Netze in dersell)en lässt
elastischen Knorpel hervorgehen. Durch allmähliche Umänderun-
gen der Intercellularsubstanz sowie der Zellen geht das Knorpelgewebe
in faseriges Bindegewebe über und deutet so auf eine engere Zusammen-
gehörigkeit dieser Formen hin. Auch die Zellen bieten in einzelnen Fällen
iK^deulendere Modißcnlionen, indem sie verlängert sind, oder sternförmige
Ausläufer zeigen, welche mit benachbarten zusammenhängen (z. B. bei
manchen Selachiern oder, noch reicher entfaltet, bei manchen Gepha-
lopoden).
Die Intercellularsubstanz des Knorpelgewebes ist immer von dem
Protoplasma der in ihren Höhlungen liegenden Knorpelzellen unter-
schieden. Nichts destoweniger ist die letztere als ein Abscheidungs-
product der Zellen anzusehen, welches eben durch Sonderung aus dem
Protoplasma hervorging. Nicht seilen zeigt sich am hyalinen Knorpel
die von einer Zelle abgesonderte und mit dieser Diflferenzirung ausser-
halb des Organismus der Zelle liegende, somit intercelluläre Substanz
in Form einer die Zelle kapselartig umgebenden Schichte, die man früher
BiodetubAftaiixen. 25
als ein« xur Zelle g^örige Zellmembran ansah. Indem für ganze^ aus
Theilung Einer Zelle entstandene, mehrfache Generationen vorstellende
Gruppen von Zellen btfufig solche t Kapseln« nachweisbar sind, hat man
darin Mutter- und Tocbterzellen etc. erblickt, und die Erscheinung als
endogene Zellbildung gedeutet. In der That sind jene »Kapselsysteme«
nui* der Ausdruck von nicht homogenisirten Abscheidungen mehrfacher,
aus einander hervorgegangenen Zellengenerationen. • Der ganz allmäh-
liche Uebergang von Knorpelgewebe, weiches solche Kapseln erkennen
lässt, in Gewebe mit völlig homogener Inlercellularsubstanz lehrt, dass
wir es hier nur mit verschiedenen Differensirungszustanden einer und
derselben abgesonderten Substanz zu thun haben, bei der der erste
Zustand durch eine in zeitlichen Intervallen erfolgte, der zweite durch
eine gieichmässig ablaufende Abscheidungsthütigkeit der Zelle entstand.
In der chemischen Beschaffenheil des Knorpelgewebes scheinen sehr
diflerente Verhältnisse obzuwalten, und wenn man auch, z. B. fttr .den
Knorpel der Wirbolthiero »Ghondrin« als das Gonstituens der Inter-
cellularsubstanz aufstellen konnte, so entfernen sich die Inlercellularsub-
stanzen anderer Knorpel weiter davon und ntfhem sich mehr dem »Ghitin«.
5) Knochengewebe. Diese festeste Form der Bindesubstanzen
besteht aus einer mit Kalksalzen verbundenen organischen Intercellular^
Substanz, in welcher Zellen mit anastomosirenden feinen Ausläufern
vorhanden sind, oder sie wird durch eine feste, der vorigen gleiche
Grundsubstanz dargestellt, in welcher keine ganzen Zellen, sondern nur
deren Ausläufer vorkommen, die sie in Gestalt feiner Canälchen durch-
ziehen. \^ sind demnach zwei Form zustände des Knochen-
gewebes auseinander zu halten. In die Zusammensetzung des einen
gehen Zelten ein, die bei dem andern nur feine Fortsätze in die Poren-
canäle der festen Grundsut)stanz aussenden.
Das Gewebe mit Knoohenzellen ist das verl>rcitel5te ; es fmdet sich
in den Skeletbildungen aller Wirbelthierk lassen, während das Knochen-
):ewebe mit blossen Ganälchen im Skelete mancher Fische sich vor-
lindet, und sonst eine allgemeine Verbreitung nur in den Zahnbildungen
aller Wirbelthierabtheilungen hat.
Die Genese des Knochengewebes klärt die Beziehungen der Inler-
cellularsubstanz zu den Zellen auf. Die zelleneinschlicsscnde Form
kann auf eine zweifache Weise entstehen. Einmal durch Verknöche-
rung von Bindegewebe. Indem dessen Intercellularsubstimz durch Ver-
bindung mit Kalksalzen sklerosirt, werden die in orslerer vorhandenen
Zellen zu Knochenzellen, die sich mit ihren Auslaufen) durch Poren-
canäle in der Inlercellularsubstanz unter einander in Verbindung setzen.
Zweitens entsteht dasselbe Gewebe dadurch, dass indifferent erschei-
nende Zellen eine sklerosirendo Substanz abscheiden, die iamellenartig
26 E lementarorga ne .
gesehtcbtet sich ablagert, und in welche die absondernden Zellen feine
ProloplasmaforUälze einschicken. Indem einzelne der absondernden
Zellen ihre Thäligkeit sistircn , während die ihnen benach)>arkMi darin
fortfahren, kommen sie allmählich in eine Schichte von Intercellular-
Substanz zu liegen, die sie fernerhin umschliesst und sie so zu Knochen-
zollen umwandelt. Durch feine PorteUtzo stehen die Zellen der ab-
sondernden Schichte (Osteoblasten) mit den bereits eingeschlossenen
Zeilen (Knochenzellen) in continuirlichem Zusammenhange und dadurch
ist jede der ei*steren befähigt, zu einer Knochcnzelle zu werden.
Eine ganz analoge Entstehungs weise besitzt die andere Form des
Knochengewebes, soweit ihre Geschichte aus der Entwicklung des Zahn-
beines genauer bekannt ist. Auch hier sondert eine Zellenschichte eine
sklerosirende Substanz ab, in welche die Zellen zugleich Ausläufer sen-
den, welche somit wieder PorencanSIle durchziehen. Anstatt aber nach
und nach in diese extracelluUlre SubsUmz einzutreten, bleiben die Zellen
stets ausserhalb derselben , und stehen mit denselben nur dui'ch ihre
Auslüufer in Verbindung. Die abgeschiedene Substanz ist also von feinen
parallelen Ganülchen durchzogen (sogenannte Zahncan^lchen, da sie im
Zahnbein zuerst bekannt wurden). Diese Form des Knochengewebes
verknüpft sich trotz des difTerenten Vorhaltens der Erscheinung im spä-
teren Zustande doch sehr innig mit der ersten Form, indem sie wie
diese ihre Intoroellularsubslanz durch Abscheidung von Zellen entstehen
lüsst. Noch inniger wird die Verbindung, wenn man den ersten Vor-
gang ins Augo fasst. In beiden Fällen wird eine homogene durch Kalk-
verbindungen sklerosirende Substanz abgesondert, in welche die sie
liefernden Zellen ihre Auslaufer absenden. Schreitet dieser Vorgang in
gleicher Weise, wie er begonnen, weiter, so dass nie eine ganze Zelle
in die abgesondei*ten Schichten tritt, so fuhrt er zur Bildung von jenem
Knochengewebe, das nur von feinen Porencanälchen in meist parallelem
Verlaufe durchzogen ist. Bleiben einzelne der absondernden Zellen
allmählich in der abgesonderten Substanz zurück, so wird letztere zu
einer Knochenzellen umschliessenden Intercellularsubstanz, und bildet
so die andere Form des Knochengewebes.
MuBkelgewebe.
§ 2^.
Sowohl im Epithelialgcwebe wie in den Geweben der Bindesub-
stanzreihe ist das Differcnzirungsproduct des Protoplasma starr, oder
entbehrt doch des Gonlractilitütsvermögens. Mit* dem Auftreten einer
höher potenzirten- contractilen Substanz als einem Sonderungsproductc
des Protoplasma entsteht ein neues Gewebe, das als contractiles oder
Muskelgewebe bezeichnet wird. Die Contractilität äussert sich aber
nicht mehr automatisch, sondern nur auf Reize, die dem Gewebe vom
Moskelgewebe. 27
Nervensystem zufliessen. Dadurch sind die rontraeiilen Formelenienle
des Muskelgewebes van der indifferenten, durch ihr Protoplasma gleich-
falls contractiten Zelle wesentlich unterschieden. Sie setzen die
Existenz eines anderen Gewehes, des Nervengewebes
voraus, sowie dieses wiederum jenes bedingt.
HinsichlKch des spectellpren Verhallens scheiden sich die Form-
elemente des Muskelgewebes in zwei Abibeilungen. Die eine besteht
aus einfacher gestalteten Zellen, die andere wird durch Fasern darge-
stellt, welche entweder durch die Vereinigung einzelner Zellen, und so
aus ZeJIen-Aggregaten hervorgehen, oder bei denen eine Vermehrung
des Kernes auf die Bildung von Syncytien hinweist. In beiden ist das
indiflerent gebliebene Protoplasma in geringer Quantitllt und von unter-
geordneter Bedeutung fUr die Leistung des Formelements.
In jeder Abtheilung kann durch weitere DüTerenzirung der con-
tradilen Substanz ein hdberer Zustand der Faser sich ausbilden.
1) Die erste Form bilden zunächst die sogenannten glatten
Muskelfasern oder contractilen Faserzellen. Es sind spin-
delförmige, oft sehr langgestreckte und dann bandartig erscheinende
Zellen, an denen von dem indifferenten Protoplasma entweder gar nichts
mehr, oder nur ein in der f^^lngsaxe oder an der Periphi^rie der Zelle
liegender Best sieh forterhHit. In allen Fällen umschliessl der letztere
auch den Rem. Die contractile Substanz ist homogen und wird nusser-
lich von einer oft nur schwer darstellbaren Membran abgegrenzt. Die
Reaction dieser Muskelfasern auf den Nervenreiz erfolgt langsam.
Durch Differenzirung der contractilen Substanz in einfach und
doppelt lichtbrechende Theilchen erscheinen die Fasern quergestreift,
und daraus entsteht ein Theil des Gewebes, das man als querge-
streiftes Muskelgewebe bezeichnet. Zwischen diesem, so weil es aus
einfachen, je aus einer Zelle hervorgegangenen Fasern besteht, und dem
mehr homogenen Fasergewebe finden sich vielfache Uebergangsformcn.
%) In der andern Form des Muskelgewebes werden die Elementar-
theile aus Zellenaggregaten oder aus Syncytien gebildet. Sie entstehen,
wie es scheint, immer durch Auswachsen einer Zelle unter Vermehrung
des Kernes, so dass sie von einer fortgesetzten unvollkommenen Thei-
lung einer Zelle abgeleitet werden können. Es sind entweder Gebilde,
hei denen die oontruGlile Substanz in Gestalt eines Cylinders erscheint,
der aussen von einer homogenen Membran (dem Sarkolemma) umhüllt
wird, und in seiner Axe mehrfache Korne mit Proloplasmaresten um-
schliesst. Oder die contractile Substanz stellt einen soliden Cylinder
vor und dann Hegen die Kerne mit den Proloplasmaresten auf der Ober-
ftacbe, unn\ittelbar unter dem Sarkolemma. Diese Form Ihcilt sich wie-
der in zwei Zustünde, nach der mehr homogenen oder heterogenen Be-
schaffenheit der eontractilen Substanz.
Im ersten Falle reibt sich der Zustand an den der sogenannten
glatten Faseraellen an, von dem er nur dadurch verschieden ist, dass
2S E leinen tarorgane.
er, nüch den mührfachcn, der Faser angehörij^en Kernen, nichl eine ein-
fache Zelle, sondern ein Multiplum von Zellen vorstellt. Im zweiten
Falle schliesst er sich durch die Diffcrenzirung der contractilen Substanz
an die andere Forro der einfachen Fasern an, und stellt gleichfalls quer-
gestreifte Fasern vor. Diese entsprechen wieder Mehrheiten von
Zellen, wenn sie auch aus einer einzigen Zelle hervorgehen, und ihre
Länge durch Auswachsen dieser Einen Zelle erhalten. Die Reaction auf
Reize erfolgt bei den quergestreiften Fasern rascher als l)ei den glatten.
Nervengewebe.
§ 23.
JMit der Diflcrenzirung des Muskelgewebes im Thicrreiche erscheint
zugleich das Nervengewebe, welches durch seine Leistungen auch
in seinen niederen Zustünden von den übrigen Geweben sich auszeichnet.
Es empfängt und leitet Reize, setzt dieselben in Empßndungen um, und
erzeugt Wilienserregungen. Nach dem formalen Verhalten der Elc-
mentartheile sind zweierlei Zustünde zu unterscheiden, NerVbnfasern
und Nervenzellen; die ersteren kommen vorzugsweise dem peripheri-
schen Theile des Nervensystems zu und sind die leitenden Gebilde, die
letzteren stellen die centralen Elemente vor.
1] Die Nervenfasern treten in verschiedenen, als Diflerenzirungs-
Stadien anzusehenden Verhältnissen auf.
a) In der einfachsten Form erscheinen sie als langgestreckte homo-
gene, bandartige Ztige zusammensetzende Fasern, die so wenig von ein-
ander scharf abgegrenzt sind, dass sie nur in Form von Streifungen sich
darstellen. In solchen NervensUimmchen und deren Verästelungen ist
bei der Mehrzahl der Wirbellosen die Reziehung zu den hisliologischen
Formelementen noch nicht ausreichend ermittelt, selbst die Frage ist
noch nicht entschieden, ob die vielfachen Streifungen von NervcnstUmm-
chen der Ausdruck einer Zusammensetzung der letzteren aus Fasern
sind. Das Vorkommen von Kernen an diesen Bildungen ist das einzige
auf Beziehungen zu Zellen Uinlcitende. In anderen Fällen sind zu Bün-
deln vereinigte Fasern als Einzelbildungen unterscheidbar; die Faser be-
steht aus homogener Substanz, die oberflächlich durch eine zarte Hülle
abgegrenzt ist, unter welcher Kerne sich finden. Um die Kerne sind
zuweilen Protoplasma res te unterscheidbar, die den übrigen Theil der
Faser als eine ditrerenle Substanz erscheinen lassen. Dadurch stellt
sich der Bau der Nervenfaser mit der Muskelfaser auf eine hisliologisch
gleiche Stufe, und die Verschiedenheit liegt nur in der Qualit^it des
diffcrenzirten Protoplasma, das in dem einen Falle Muskelsubstanz, in
dem anderen Nervensubstanz hervorgehen Hess. Diese Fasern finden
sich ausser bei Wirbellosen noch bei Wirbelthieren verbreitet, bei denen
sie im Bereiche des sympathischen Nervensystems nllgomein vorkommen.
Nervengewebe. 29
b] Ein sweiler Zustand der Nervenfaser wird durch eine weitere
D^Mrensirnng gebildet. Die unter einer bald sehr sarten, bald stärkeren
Hülle liegende Nervensnbstans zeigt sieh nttmlich in einen die Axe der
Paser dnrcbsetxenden Strang, den Axency linder, und in eine diesen
umgebende fetthaltige Substanz gesondert. Die letztere, der Mark-
cylinder (Markscheide), verleiht der Nerventsser stark lichtbreehende
CoDturen , und kann vom Axencylinder nur künstlich getrennt werden.
Die den Markcylinder umgebende homogene Scheide — das Neurilemma
— zeigt Kerne als Reste von Zellen, aus denen die Faser hervorging.
Diese Form kommt, so viel bis jetzt bekannt, nur den Wirbelthieren
zu, mit Ausnahme von Anipbioxus und den Gyclostomen.
2) Das andere Formelement des Nervengewebes wird durch Zellen
dargestellt, die man, da sie vorzüglich in Anschwellungen des Nerven-
apparates (den Ganglien) vorkommen, als Ganglionzellen bezeichnet.
Ihre Substanz zeigt eine meist feinköraige Beschaffenheit, doch mit man-
chen hier nicht naher auseinanderzusetzenden Eigenthümlichkeiten. Der
in der Regel mit deutlichem Kernkörperchen versehene Kern liegt in-
mitten der granulirten Substanz, und diese letztere wird hSufig von
einer äusseren membranartigen festeren Schichte abgegrenzt. Eine diesen
Zellen zugelegte complicirtere Structur wird von jedem Beobachter in
wesentlich verschiedener Weise dargestellt, so dass diese Fragen vom
Abschlüsse noch weit entfernt scheinen.
Die Ganglienzellen besitzen Fortsatze, durch welche sie tbeiis unter
sich, tfaeils mit NervenfMem in Zusammenhang stehen. Sie bilden so-
mit die Ursprungsstellen der Nervenfasern. Inwiefern fortsatzlose, also
gSnzlich isoiirte GaagKensellen eine Verwendung finden, ist noch nicht
festzustellen. Thatsache ist, dass die Annahme solcher immer weiter
zurttckgedrttngt wird. Die Fortsetze der Nervenzellen bieten je nach
ihrer Zahl, sowie nach ihrem Verhallen zu den Fasern mehrfache Ver-
schiedenheiten, von welchen nur das hervorgehoben Werden soll, dass
bei der differenzirten Faser der Axencylinder es ist, der in die Sub-
stanz der Zelle sich fortsetzt, wlihrend der Markcylinder entfernter von
der Zelle aufhört oder vielmehr indiflerent wird. Auch das Verballen
des Axencylinders zu den Substanzen der Zelle erscheint mehrfabli ver-
schieden, und ist in vielen Puncten noch problematisch.
Organe höherer Ordnnng.
§ «4.
Ab Organe höherer Ordnung können jene aufgefasst werden, In
deren Zusammensetzung mehrere Organe niederer Ordnung, seien diese
entweder Zellen oder Zeiiendenvate , das ist Gewebe, eingehen. Die
auf dem Grunde der Arheilstheilung beruhende Differenzirung ist auch
I
I
30 Organe htfherer Ordnung. |
I
hier ein viele Mödificationeo und Utngestaltungen hervorrufendes Mo-
ment. Die einfachste Art besteht in der quantitativen Differenzirung,
wobei dieselbe Einrichtung sich mehrfach wiederholt, ohne dass den
einseinen eine von den anderen verschiedene Leistung zuküme. Die
Wiederholung kann entweder getrennt bestehen, oder sie kann an dem
Organe selbst sich bilden, und dasselbe dadurch auf eine höhere, weil
complicirtere Stufe bringen. Beispiele hieftlr können DrUsenorgano lie-
fern. Eine etwa vom Integument gebildete Drttse kann mehrfach vor-
kommen, so dass die Leistung der zuerst einfach vorhandenen Or-
gane auf eine ganze Gruppe von Oiiganen verlheilt wird. Im andern
Falle complicirt sich die Drttse, indem sie mehrfache der ursprünglich
einfachen Anlage gleiche Läppchen bildet. Jedes der letzteren hat
einen Theil der Gesammtfunction der Drüsen übernommen. In quali-
tativer Beziehung tritt eine Differenzirung durch Tbeilung der Function
in einander untergeordnete Functionen ein. Indem nur ein Theil der
Drüse secemirt, ein anderer nur den Ausführweg des von ersterem
gebildeten Secretes vorstellt, sind zwei verschiedenen Verrichtungen vor-
stehende Abschnitte in der Drüse entstanden. Bildet sich aus einer
Strecke des Ausftthrganges ein Reoeptaculum des Secretes, so ist eine
dritte entstanden, und so können noch fernere hervorgehen^ wenn der
seoernirende Abschnitt die Qualität des Secretes an den einzelnen
Strecken verschieden zeigt.
Eine Summe von gleichartig gebauten, wenn auch nicht immer
unmittelbar zusammenhängenden Einzelorganen stellt ein Organ Sy-
stem vor. Aus einer Summe anatomisch untereinander zusammen-
hängender Einzelorgane entsteht eine höhere Kategorie von Organen
die als Organapparate oder Organcomplexe aufgefasst werden,
wenn die Etnzelorgane von einander verschieden gebaut sind.
I
* § 25.
Der Differenzirung der Organe geht ein indifferenter und damit
niederer Zustand des Organismus voraus, der in einer grossen Abtbei-
lung von Organismen seine Verbmtung ündet und hier den definitiven
Zustand des Organismus repräsentirt. Solche niedere Organismen be-
stehen in der einfachsten Form nur aus Protoplasma und repräsentiren,
kernlos, den Zustand von Cytoden, wie die Moneren, oder der Proto-
plasmaleib dieser Organismen umschliesst einen Kern und stellt damit
das Aequivalent einer Zelle vor, wozu die Amoeben, Gregarinen und '
Diatomeen Beispiele abgeben. Ist hier auch schon durch die Entstehung
des Kernes eine Differenzirung, und damit Weiterbildung des einfacheren |
Cyloden-*Organismus aufgetreten, so fehlt es doch nach unserer Begriff-
slellung an höheren Organbildungen. Das gilt ebenso noch für jene
Organismen, deren Körper mehrfache Kerne umschliesst, und damit ein
Syncytium vorstellt, wie es bei manchen Rfeizopoden der Fall ist, oder
Organe äöherer Ordnung. n 3f
WO eine verschieden grosse Zahl von Zellen im Synoytium aulU'iU, wie
bei mancheo Radiolarien, oder sogar ausschliesdicb deo Organiamufi
ittsammensetzt, wie bei den Volvocmen unler den Flagellaten und
bei den Catallacten (Hkl.). Die Differenzirung besteht hier wesentlich
nur in einer Vermehrung der Zellen. Eine einfache Zelle theilt sich
nach beendetem Wachsthum in zwei, die wieder von neuem diesen
Proceas b^innen und ihn weiter führen/ bis der Organismus aus einer
in den einzelnen Gattungen verschieden grossen Zahl von Zellen zu-
sammengesetzt erscheint. Der Zerfall des Organismus in seine einzelnen
Zellen begründet die Vermehrung (Forlpflanzung) dieser Wesen, da
jede Zetle nach einer zeitweisen Einzelexistenz den erwähnten Kreis-
lauf der Erscheinungen von neuem beginnt. Diesen Organismen reihen
sieh auch die Infusorien an, insofern sie noch keine ge webliche Diffe-
renzirung zeigen, indem ihr Körper Einer Zelle homolog erscheint.
Air diese iodiSerenten Formen lebender Wesen, von denen ein
Theil bald dem Thier-, bald dem Pflanzenreiche zugewiesen wurde,
und manche noch keine Stellung fanden, bilden eine von Hxckbl als
Reich der Protisten bezeichnete, zwischen Thier- und Pflanzen-
reich zu stellende grosse Abthetlung der Organismen weit.
§ 26.
Von den Protisten bieten manche Abtheilungen durch das Verhalten
ihrer Lebenserscheinungen wie durch viele der an ihnen wahrnehm-
baren Einrichtungen nähere Beziehungen zu Pflanzen, wie z. B. die
Flagellaten zu niederen Algen, andere wieder ebenso zu specilisch thie-
rischen Formen, ohne dass jedoch daraus die Nothwendigkeit enisprüage
sie jenen beiden Reichen zuzutheilen.
Am meisten wird eine Aehnlichkeit mit thieriscber Organisation
bei den Infusorien hervorgerufen durch Sonderungsvorg^nge am Proto-
plasma des Leibes dieser Organismen. Indem an einer bestimmten Stelle
der Oberfläche die Nahrungsaufnahme erfolgt, scheint jene einen Mund
vorzustellen, indess die ins Protoplasma gelangenden Nahrungsmassen
die von ihnen eingenommenen Strecken einer Darmhöhle ähnlich er-
scheinen lassen. Rechnet man hiezu noch die relativ bedeutende Son-
derung der äussersten Körperschicht^ als Integument, sowie die bei
vielen Infusorien erkennbaren bandartigen Streifen, die durch ihre Gon-
tractilitätsausserungen Muskelfasern vortäuschen, so könnte hierauf das
Bestehen einer histiologischen Sonderung begründet werden, wenn nicht
der Mangel von Zellen in der Zusammensetzung jener Organismen jede
derartige Vorstellung als unbegrUndbar ausschlösse. Vielmehr scheint
hier ein eigenartiger, eine individuelle Zelle betreffender Diflerenzirungs-
process zu walten, der sowohlden Rem als auch den Protoplasmaleib
der Zelle auf eine höhere Organisationsstufe hebt, und speciell jene
»Muskclbänder« (wie auch den Vorticellensticl) als Streifen höher
32 OrgKoc höherer Ordnong.
diSerenzirten Protoplasmas erscheinea ISsst. Auch an den als einzellige
Organismen minder zn bezweifelnden Gregarinen isl jene Differenzirung
im Protoplasma beobachtel. (S. ualen § 59.)
§27.
Wahrend im Reiche der Protislen die Sonde rungs Vorgänge vor-
wiegend das Protoplasma einzelner Cytoden oder einzelner Zellen be-
treffen, leitet sich die thierische Differenzirung durch eine auf gleich-
artig umgewandollen Zellcotnplexon beruhende Organbildung ein.
Der thierische Organismus tritt damit Über jene im Prolislen reiche be-
stehenden niederen Zustande hinaus, in ihnen nur in einzelnen Stadien
derOntogenie vorübergehend verweilend, und damit die phylogenetischen
Beziehungen zum Protislenreidie beurkundend.
Den ontogenetisch niedersten Zustand des Thieres reprtlsentirt die
EiKelle (Fig. )) , in welcher der Organismus mit jenem vieler Pro-
f. lisl«n Übereinkommt, z. B. dem der ProUiplaslen
(Amshen) , welche diesen Zustand bleihend be-
sitzen. Die Eizelle ergibt sich in allen wesent-
lichen Puncten von anderen nicht verschieden,
wie auch immer ihr Volum vei^rössert sein mag,
und wie damit in Zusammenhang in ihrem Proto-
plasma besondere Theilcben — DoUerelemento —
aufgetreten sein mögen. Wenn durch letztore die
Eizelle ihren ursprunglichen Charakter als in-
differente Zelle aufgab, so verlor ^e damit noch nicht den Zellen —
Charakter, der dadurch ebensowenig altorirl wird, als durch die
Sonderung irgend welcher anderen Substanzen (ChlorophyllkOrner, Amy-
lum, PigmentkOrnchen etc.) im Protoplasma von Zellen die Zellbedeutung
fUr diese verloren gebt. Die Verilndeningen , welche die Eizelle ein-
geht, zeigen als Resultat eine Vermehrung. Die Zelle theill sich, Idsst
Fig. t. tig. s, Fig (. Fig, 1.
so iwei Zellen hervorgehen, die durch forlgesetzto Theilung t, 8, f6,
und schliesslich einen Haufen gleichartiger Zellen entstehen lassen. Die-
Fig. 1. Schcniittisohp DnrslollunK i^iner Eiiellc. a. Das kümerhallige Proto-
plafimB. h. Der Korn IlipimbIBschen) . c. DtiH KrrnkiiiTien-lieD (KeimDpck).
FiR. S— S, Einzpliic Stadien de« snepnnnnton Furchuiifisprocrs*?« (Theilung
OrKsne höherer Ordnung. 33
ser Voi^ng der Theiluog der Eizelle wird als »Dotlertbeilung«
oder iPurchuDg« bezeichaet, uod ist eine durchgreifende ErscbeinuDg,
die vielfache aber stels aas Anpassungen alileitbare, und damit erklär-
bare Hodificationen darbietet.
Die einzelnen Stadien dieses Theilungsprocesses zeigen sich wieder
in Ueberetnstimmung mit dem Verhalten mancher Protisten, z. B. der
Volvocioen und der Calallacten, in deren Entwickelungskreis ein gleich-
falls aus einer Summe ziemlich gleichartiger Zellen zusammengesetzter
Organismus gehtfrt. So durchlauft also der thierische Orga-
nismus gleich im Beginn seiner Ontogenie mehrfache im
Protislenreiche waltende FormzustBnde, und der Process
der Theilung der Eizelle erklärt sieb als ein aus früh-
zeitiger Vererbung Überkommener. Damit streift sich von ihm
der teleologische Nimbus ah, in welchem er ohne diese Beziehung, bei
exciusiver Verknüpfung mit dem künftigen aus der Furchung hervor-
gehenden Organismus erscheinen moss. Hit der Bildung eines Zellen-
baofens aus der einfachen Eizelle ist dem Organismus jedoch noch keines-
wegs ein speciBsch Ifaicrischer Charakter eingepritgl, dieser äussert sich
vielmehr erst im Verlaufe fernerer Sonderungs vorgange.
§ «8.
Der aus der allmifhliGh erfolgenden Zerlegung der Eizelle ent-
standene, am Schlüsse dieses Vorganges aus einer grosseren Anzahl
indifferenter Zellen zuaammengeselzle Organismus geht eine neue,
und zwar die erste orgimologische Differenzirung ein. Diese grtlndet
sich zunächst darauf, dass der äusseren, peripherischen Zellschichte
eine andere Rolle zukommen muss, als der von
dieser Schichte eingeschlossenen, mit einem umge- ^'8- '■
benden Medium nicht in Beziehung stehenden cen-
tralen Zellmasse (Fig. 6 dj. Sowohl l>ei Cülentera-
ten als bei Wtlrmem bildet sich im Innern des
Körpers eine primitive Darmhähle aus. Der ge-
sammte Organismus lasst dabei in den einfachsten
Fitllen eine ilussere und innere Zellenschichle er-
kennen, von denen erstere das Integmnent, lelz-
ipre die Auskleidung der Üarmhühle vorstellt.
Die Entstehung dieses Zustandes ist phylogenetisch von der Art
der Nahrungsaufnahme abzuleiten. Wenn die Aufnahme nicht mehr
an jeder beliebigen Strecke der KSrperoberfitlche besorgt wird , son-
dern nur an einer einzigen Stelle geschieht, von wo aus das Nahrungs-
malerial ins Innere des aus Zellen zusammengesetzten Körpers gelangt,
so wird bei der Weilerbildung dieses Verhaltens durch natürliche Zürh-
FiK. 6. Sonücrunft der auo iIit DoUerlheiluni; hervoncegnoRencii Zellmasse in
eine peripheruclie ;<'; und centrale Parlhie [d]. Sehe matisc lies Durehschiiitubild.
3i Or^ne hflfaerer Ordnung.
lung auf dem für den Organismus grüssere Vorlhsilp bielon<)en Wepe
der Arbeilstbeilung , die erst vorUbergelu'nd , al>er allinfthlich cvnstanl
dre verdauende Ciivimt begrenzende Zellscliirhte in .indere Vcrhilltnisse
Irelen als die oberfliich liehe Schichte des Ktirpere. Wührend eine an-
Tiinglich (ähnlich wie bei Hhizopoden unter den Prolisten) von jeder
Slelle der Kfirperoberfltiche her stattfindende Nahrungsaufnahme, und
dem enlspreehcnd die an jeder Stelle im Innern des KOrpers vor sich
gehende Verdauung der Ingesta eine Gleichartigkeit der Function aller
Theile des Oi^nismus voraussetzt, womit auch das hier bestehende
Hervortreten innerer Theile des Protoplasmaleilies an die Obcrßiiche, so-
wie dns Zurticktrelen itusserer Theile ins Inneie (bei der PseudnJKidiun-
bilduDg) harmonirt: so wird in jenem anderen Zustande eine Differen-
2irung der Leistungen des Körpers nicht zu verkennen sein. Ein Theil,
der innere, dient der Aufnahme und Verdauung der NahrungsslolTe, ein
anderer, der äussere, bildet als Integunient ein Schulzorgan des Kttrpers.
Bei des Protisten ist diese Arbeilstheilung in manchen Abtheilungen,
aber bei anderem Verhalten des Substrates, vollzogen. So bei vielen
Flagellaten und InfusorieD, wo eine bestimmte Stelle der Kfirpcri^r-
flilchc als Hund fungirt, von wo aus die nufgcnomnitonen Nahrungsslofle
ins Innere des Körpers gelangen. Von dem oben vorgeführten Ver-
hallen besteht der wichtige Unterschied, dass bei jenen Protisten der
ganze Vorgang entweder an einer pjnzelncn Zelle, oder doch am Aequi-
valente einer solchen stattfindet, indess er hier an einem Zellen complexe
vor sich geht und somit zugleich eine histiolo^^ischc Sondcning einleilel.
Die fundamentale Bedeutung der duixh jenen Vorgang entsiebenden,
in dem als »Planuln« hckannlon Larven zustande violer niederen
Thiere gegebenen Grundform bat in allseilig umfassender Weise zuerst
IIAckkl erkannt, und sie als »Gastrulaa untei'scbiedon (Kalk seh wfim nie
1. S. i64). Wir treuen also an der Gastnilaform als äusserste, das
Ectoderm (Fig. 7 ti}, dss Inlogument vorsleHentlf
'■8' ''- KUrperschichle und eine innere die verdauende Ca-
vitat b^i'enzende Schichte, das Entodcrm (r),
licide St^ichlen, aus Zellen zusammengesetzt, und
unmittelbar an einander gelagert, so dass an der
HundufTnung die eine in die andere llbenugeben
scheint. Wie die physiologische Leistung beider
Schichten verscbimlen ist, so erscheint auch das
spcciellcre Vorhallen der sie zusnmmonselienden
Formelemeole in beiden ziemlich diRerent, wo%on
hier nur auf die meist bedeutendere Grosse der
Zellen des ßnloderms gegen jene dos Ecloderma hin-
gewiesen sein soll.
FiR. 1, Schcmatischf- Dnrslpllung itt^r ersten DilTerenKirung iIpü Oncaniümu«
in Ecloüenn uiiil RnlmliTm, In Verbimlunu (■>■> i><^r BiMun^ eimr venlouenden
CaviUt. «. Uund. b. DnrinhölilF. r. Enlmlt'rm. d. BcliHl«rn>. Durrhscbniltsbild,
Organe höherer Ordnung.
35
Die Verbreitung dieser niedersten Form der organologischen Son-
dening des Thierleibes in den niederen Abtbeilungen lässt die Bedeu-
tung derselben durch einzelne unwichtige Modificationen nicht beein-
iräohiigen. Solche sind z. B. eine zuweilen sehr frühzeitig erscheinende
fernere Diflferenzirung des Ectoderms in mehrfache Schichten. Wenn
nach manchen Angaben die in die primitive Darmhöhle führende OefT-
nung spater die Afleröffnung vorstellen soll, so ist vorerst eine festere
Begründung dieser Angabe abzuwarten.
§ 29.
Die vorhin erwähnte Gastrulaform bietet als thierische Grundform
betrachtet den Ausgangspunct für die Entstehting der Haupt formen
des Thierreichs. Denkt man sich senkrecht durch die verdauende Ca-
vität eine Axe (Fig. SAB) gelegt, so wird der
eine der Mundöfihung entsprechende Pol den oralen
Pol, der entgegengesetzte den aboralen Pol vor-
stellen. Diese Axe [AB) isl die Hauptaxe des
Körpers. Bei gleichmüssig cylindrisch oder sphä-
risch gestaltetem Körper kann man senkrecht zu
dieser Hauptaxe beliebig viele Linien durch den
Körper gezogen denken, welche die Nebe n axe n
(a 6, c d) vorstellen. Sie werden unter obiger Vor-
aussetzung säromtlich unter sich gleichwerthig sein.
Die Nebenaxen sind damit unter sich indifferent,
und charakterisiren einen niederen Zustand.
Bei eintretendem Festsitzen des Organismus —
selbstverständlich am aboralen Pole — wird die
Ausbildung des Körpers in der Richtung einer be-
liebig grossen Anzahl von Nebenaxen unter dem
Fortbestehen ihrer Gleichwerthigkeit erfolgen kön-
nen, und dasselbe trifft sich bei vollständig freier
Bewegung im flüssigen' Medium. Die Ausbildung
des Organismus in der Richtung der Nebenaxen
kann entweder durch äussere Anhangsgebilde,
Tentakel u. dergl. oder durch DiRerenzirung der
Darmhöhle erfolgen. Dabei werden nicht mehr alle beliebig gezogenen
Nebenaxen einander gleich sein. Die, in deren Richtung Organe ge-
sondert sind, werden sich von den anderen unterscheiden. Daraus
ergibt sich die bei den Cölenteraten waltende duix^h mehr als zwei
Gegenstücke (Antimeren) charakterisirte oder radiäre Grundform
des Leibes. (Vei;gl. Fig. 9.)
Fig. 8. Scbematische Darslellung der Körperaxen. A, B, Havptaxe, a b, c d
Nebena&en. In der unU*ren Figur isl das Quergchnillsbild der oberen mit 2 Neben-
axen gegeben.
8»
36
Organe höherer Ordnung.
Fig. 4 0.
- -c
M
Entbehrt der Körper bei einem in der Richtung der (lauptaxe slall-
findenden Wachslhume der Befestigung am Boden, so wird sich, wenn
er letzterem der Lunge nach sich auflagert, und in dieser Weise die
Locomotion vollzieht, daraus
ein Causalmoment für eine
Aenderung der Bedeutung der
Axen ergeben. Die Hauptaxe
wird dieselbe bleiben, aber
die Nebenaxen werden nach
der Bedeutung der durch sie
verbundenen Flüchen diffe-
rent werden müssen. Bei
conslanter Beiilhrung der Bo-
denflilche miltels einer Flüche
des Körpers bildet diese zur
ventralen Flache sich aus, in-
dess die andere zur Rücken-
flUche sich gestaltet. Beide,
unter verschiedenen Bedin-
gungen stehende , müssen
verschiedenartig sich diffe-
renziren, sowie auch die bei-
den Seitenflächen — oder bei
flach ausgebreitetem Körper
die Seitenründer — von
Rücken- undBauchfliiche sich
verschieden verhalten müs-
sen. Hieraus entepringt die Ausbildung von nur zwei Nebenaxen
verschiedenen Werthes. Die eine verbindet Bauch- und Rtickenfldche
(Fig. 40 a 6), die andere die beiden Seilenflachen (c d) des Körpers.
Die den Polen der ersten oder senkrechten Axe entsprechenden Flächen
sind einander ungleichwerthig , indess jene der Pole der Queraxe ein-
ander gleichwerthig sind. In der Queraxe erhalt sich somit ein pri-
mitiver Zustand, der für die andere Nebenaxe durch die dorsoventrale
Diflferenzirung verloren ging. Diese zweite aus der Gaslrula ableitbare,
durch zwei Antimeren charakterisirte Form beginnt bei den Würmern und
waltet von da an durch alle höheren Abtheilungen. — Mit der Loco-
motion in der Richtung der Hauptaxe mit dem oralen Pole voran, steht
Fig. 9. Radiäre Grunürorm mit der Axenbezeichnung wie in voriger Figur.
Auf das untenstehende Querschnittsbild ist die vordere Ansicht des Körpers ein-
gezeichnet, um die in der Richtung von % Queraxen sich difTereniirenden Anhangs*
gebilde (Tentakel) darzustellen.
Fig. 10.« Schematische Darstellung der DifTerenzirung der Nebenaxen. In der
Hauptfigur Ist die Entstehung eines Kopftheiles durch ein dorsales Tentakelpaar
angedeutet. Die untere Figur stellt den Querschnitt der oberen unil damit die
beiden Nebenaxen dar.
Organe höherer Ordnuog. 37
auch die besonder« DiffiTeuzirung der dem letiteren entsprechendon
Kdq>eriheiie in Zusammen biing, der in allmählich höherer Ausbildung
den Kopf des Organismus vorslelli.
Diese Ehlwickeiung des Kopfes am oralen Pole (Fig. iO A) wird
in Abhängigkeit von der Bewegungsrichtuug vorwiegend durch die Eni-
faliung von Sinnesorganen eingeleitet, wühreud die Bewogungsrichtung
selbst wieder durch die Nahrungsaufnahme In^influsst erscheint. Somit
dürfte, wenn auch mittelbar, in der Lage der Mundöflnung das fUr die
Sonderung des Kopfes ursäcliHoh wirkende Moment sich erkennen lassen.
§ 30.
Die beiden, den Leib niederer Thierc während früher Stadien zu-
sammensetzenden Zellschichten, Kc toder m und Entoderni, lassen
zwischen sich eine intermediäre Schichte hervorgehen. Sie bildet das
M es oder m, an dessen Entstehung die beiden andern gleichen Anthoil
zu haben scheinen. Das Haass dieser Betheiiigung ist noch keineswegs
bestimmt, wie überhaupt die ersten Sonderungsvorgänge der Körper-
anlage vielfach genauer Untersuchung bedürfen. Diese drei Straten er-
scheinen in den auf den Theilungsprocess des Eies folgenden Stadien
selbst der höheren thierischen Organismen unterscheidbar, und zeigen
ihr Auftreten an die erste histiologische Differenzirung geknüpft. Man
bezeichnet sie als Keimblätter, da sie die erste Anlage des Körpers
zusammensetzen und da wie aus einem Keim der gesaromte Organismus
aus ihnen sich differenzirt.
Jene Anlage des Körpers bietet in den höheren Abtheilungen des
Tbierreiches zwar zahlreiche Modificationen , und lässt den in der
Gastntlaform repräsentirten Zustand um so weniger eriLonnen, je be-
deutender die Differenzirungen sind, welche der Organismus durchläuft,
allein in der Hauptsache besteht eine nicht schwer zu erkennende lieber-
einstimmung. Das äussere Keimblatt (Ectoderm) bildet die äussere
Gränzschicbte des Körpers, wie das innere (untere) Keimblatt (Darm-
drüsenblatt, Entoderm) die Darmanlage abgibt, und zwischen beiden
erscheint dann das mittlere Keimblatt (Mesoderm). Bestehen auch be-
züglich der Genese dieses stets etwas später auftretenden mittleren
Keimblattes noch keine sicheren Thatsachen, indem manche Beobachter
es vom äusseren, andere dagegen es vom inneren ableiten, und wieder
andere es aus beiden entstehen lassen, so ist doch die letztere Annahme
aus vergleichenden Gründen als die wahrscheinlichere anzusehen.
Wie Ectoderm und Entoderm die ersten gesonderten Organe sind,
so erscheinen auch die Keimblätter als solche Urorgane, die aus dem
frühesten Dtfferenzirungszustande des thierischen Organismus auf spä-
tere und damit höhere Zustände vererbt, nach dem Gesetze der Arbeits-
tbeilung Reihen neuer Organe aus sich hervorgehen lassen. Das That-
36 Orfiane häherer Ordnnng.
Entbehrt der Kjtrper bei einem in der Richtung der llfiupl-''**'''^'"
findenden Wachslhume der Befestigung am Boden, so wird sich, «^^
er letzterem der Ulnge nach sich auriagcrl, und in dieser Weiw
Locomotion vollzieiu, a»^^
ein Causalmonient f^r eme
Aenderung der Bedeulung der
Axen Blieben. Die HJiupia'e
wird dieselbe bleiben, af^r
die Nebenasen werden noc"
der Bedeutung der durch sie
verbundenen Flüchen diffe-
rent werden mtlssen. B«'
constanter BeiUhrung der ßo-
denfladie miltels einer Flache
des Körpers bildet diese zur
ventralen Flache sich aus, in-
dess die andere lur Rücken-
Hache sich gestaltet. Beide,
unter verschiedenen Bedin-
gungen stehende , müssen
verschiedenarüg sich diffe-
rcnziren, sowie auch die bei-
den Seitenflächen — oder bei
flach ausgebreitetem Körper
die Seilenränder — von
RUdien- und Bauchflachi- sirl
verschieden verhallen im
seo. Hieraus enlspringt die Ausbildung von nur iwei NeWr
verschiedenen Werthes. Die eine verbindet Bauch- und Rückt ■
(Fig. id a b), die andere die beiden Seilenflachen [c d) dis
Die den Polen der ersUtn oder senkrechten Axe entsprechcnl
sind einander ungleich werth ig , indess jene der Pole der '
ander gleichwerthig sind. In der Queraxe erhalt sich
mitiver Zustand, der fUr die andere Nebenaxe dtin-li
UifTi'ivnxirung verlore^^MMfiKsc zweite iius lU <
durrti zvvt'i Antimera^^^^^^^^Brle Form beginii'
svollet von da »ii^^^^^Hpren Ablbeili.
^taxe mit il.
KiR. 9-
auch die b«-Mond<-ri hiri- r*-ij
Körpenbeile in ZuAriniuH-i.ui
deo Kopf des OrSHiiisniu- i
Diese lint« irLi-iuu. o-
in AMiängi^eiL vuo Uc- Ifv
blUing von SiuiK^ir-rfn-'i «n
selbst wieder dunii ü<- 'V^t:-
dürfte, wcDU auch ii>ui'-iih.'
Sonderling des iLu]<l<-> un»- -.
Die beiden, d-'i. i-
sammenseUeDtk'O Z-li-j
iwiscben sidi etut inf-r
Hcsoderni, an d'-M^-,
lu haben sclieinoti li-
bcsliiunit, wie UIktimu
anläge vielfadi gLiuur'
scbeioen in des auf u-.
M'lbst der tuibcn» m
ilir Auflred-n «i die
lineieboot »e ab
aeo Ver-
,.^le l-'orni-
.11(1 crfwlKen
.iij; des Kör- -
. und welchen
^, Aiitbbcn), so
iili-l sich also nur
Üas Proloplasina
^^cgun)loo bcpvor,
ichcn Integuuienl-
1 den Bowegunfjcn
ilor Bewegung bo-
1 ebenso wenig uls
-slichum Sinne zu—
• Km sukonimciideu
[i Organismus voll-
ii; aufnähme.
it<!rschioden<ni con-
Kewogung au[, die
yelagcrlo Huskel-
X.TS (wie sie von
.lis eine Sonderung
l>lutte Fortit^ilie ab
Fasern,
ilieiligtc Kcloüerni-
it, der mit eineui
u Zelle lial souiit
l^iguuscbaften auf
38 Organe höherer Ordnung.
Sächliche der organologischcn DifFerenzirung der Keimblälier ist noch
zu geringen Umfanges, um für alle Organe den Nachweis der Genese
aufstellen zu können. Doch gestatten die wenigstens für einige Ah-
theilungen oiTenliegenden Thatsachen den Ditferenzirungsvorgang in den
ersten GrundzUgen vorzuführen. Aus dem Ectoderm gehen vorwiegend
die Organe hervor, welche den Organismus in Beziehung zur Aussen-
weit setzen. Schulz- und Stutzorgane, Organe der Empfindung (daher
sensorisches Blatt) und der Bewegung, während das Entoderm vor-
wiegend die Organe der Erhaltung des Individuums und der Art liefert,
(daher nutritorisches Blatt.)
a) Integument.
§ 31.
Das Ectoderm bildet als äusserste Köiperschichte den einfachsten
Zustand des Integuments thierischer Organismen. Während (km den
Protisten jegliches Integumeni entweder fehlt, da das den Körper dar-
stellende Protoplasnia in wechselnde Fortsülze (Pseudopodien) ausgezogen,
jeden inneren- Theii an die Oberfläche gelangen lassen kann, oder durch
die äusserste Schichte des Protoplasma einer einzelnen Zelle repräsen-
tirt wird, ist hier zum erstenmale eine zusammenhängende Zcllschichte
als gesondertes HUllorgan utM Bedeckung dos übrigen Organismus unter-
scheidbar. Es äussert die Function eines Schutzorganes, indem seine
Zellen eine in verschieden mächtiger Ausdehnung die Körporoberfläche
überziehende Substanz absondern, welche erhärtend entweder Gehäuse-
und Schalen bildungen hervorgehen lässt, oder einen continuirlichen
Ueberzug des Körpers bildet wie den Panzer der Arthropoden.
Mit der Entstehung eines Mesoderms nimmt der mit dem Ectodettn
verbundene Abschnitt desselben gleichfalls vielfach an der Function eine^
Schutzorganes Theil. Diese äussert sich in dem Auftreten von festen
kalkhaltigen Ablagerungen wie in dem compliciiteren Integumente der
Goralien und der Echinodermen.
Die Schutzgebilde des Körpers schaffende Thätigkcit des Ectoderms
zeigt sich noch bei den Wirbelthicren in der Production zahlreicher
anderer als Hüll- und Schuteorgane fungiiruder Theiie.
b) Bkelei.
Die mann ichfaltigen, vom Ectoderm gdiefertcn Schutzorgane fun-
gircn in vielen Fällen auch als StUtzorganc des Körpei*s, in dem Maasse,
als sie entweder an Mächtigkeit oder auch an Festigkeil zunehmen. Die
Verbindung anorganischer Substanzen, vornehmlich Kalksalzc, mit
lotegameot. Sketet. Muskeln. 39
einer organiscben Grundlcige spielt hier eine wiohlige Rolle. IHe SUMz-
fnnctiony welche hier vom Integtinienle geleistet wird, lässt zahireicfae
AnpassungeD hervorgehen. Die Vereinigung beider Fmiciioncn erscheint
als niederer Zustand im Vergleiche mit der Bildung innerer SkeletCi
welche einer höheren functionellen Differonzirung entsprechen. Solche
nehmen zwar anscheinend unabhängig vom Ectoderin ihre Entstehung,
und sind vom Mesoderm ableitbar. Da aber lelzteres tbeilweise dem
Ectodemi entstammt, liefert dieses wohl auch für jene das Material,
und es ist dann die Einlagerung in den Körper in keinem principieUen
Gegensatae mit den niederen Zuständen. Von völlig untergeordneter
Bedeutung ist hiefttr die Art der Ausbildung des inneren Skelels.
0} Muakeln.
§ 33.
Die Bewegung des Körpers äussert sich in ihrem einfachsten Ver-
ballen als eine durch die GontracUlitäi des Protoplasma bedingte Form-
Verminderung. Sind diese Fermvoränderungcn ausgiebiger und erfolgen
sie nach bestimmter Richtung, durch einseitige Verlängerung des Kör-
pers, durok Aussenden von Fortsätzen, die sich festheften, und welchen
allmäiilieb die ttbrige Körpermasse nachfolgt (Rhizopodon, Amöben), so
resultirt ans ihnen die Ortsbewegung. Diese untersdieidet sich also nur
graduell von der unbestimmteren Formveränderung. Das Protoplasma
ruft durch seine Contractilität auch da noch Ortsbewegungen hervor,
wo es sich bereits mit einer differenten aber noch weichen Integument-
schichte überkleidet hat. Diese Schichte folgt dann den Bewegungen
des von ihr umhüllten Leibes. Besondere Organe der Bewegung be-
slehen in diesen bei den Protisten verbreiteten Fällen ebenso wenig als
den Wimperhaaren diese Bedeutung in ausschliesslichem Sinne zu-
gesdirieben werden kann, da diese auch den Protisten zukommenden
Bildungen noch mancherlei andere Functionen für den Organismus voll-
ziehen, z. B. durch die Betheiligung an der Nahrungsaufnahme.
Erst n»it dem Erseheinen der als Muskelfasern unterschiedenen con-
tradilen Formelemente treten specifische Organe der Bewegung auf, die
ioB einCaohsten Falle als eine unter dem Ectoderm gelagerte Muskel-
scfaieble sich darstellen.
Die Genese dieser ersten Musculatur des Körpers (wie sie von
KLziNBNBBftG bei Hydra beobachtet wurde) ergibt sich als eine Sonderung
des Ectoderms. Von den Zellen des letzteren gehen platte Fortsätze ab
und fonniren eine continuirliche Schichte oontractiier Fasern.
Eine jede an der Bildung dieser Faserschichte betheUigle Ectoderm-
zelle repräsentirt dabei einen empfindenden Apparat, der mit einem
contractilen in unmittelbarer Verbindung steht. Die Zelle hat somit
zwei ursprünglich ihrem Protoplasma zukommende Eigenschaften auf
40 Organe höherer Ordnung.
verschiedene AbschniUe veriheilt. Während sie früher Sensibilität und
Contractilität vereinigte, ist ihr crstere geblieben, indess die letztere
in höherer Potenzirung einem vom Protoplasma different gewordenen
Fortsatze, nunmehr einem Anhangsgebilde der Zelle zukommt. Darin
erscheinen die ersten Anfänge der in höher differenzirten
Zuständen in dem Zusammenhang von Ganglienzelle,
Nervenfaser und Muskelfaser ausgesprochenen Einrich-
tung. Wenn wir annehmen, dass die in diesem Falle nur als Fortsätze
von Zellen erscheinenden Fasern allmählich einen Kern erhalten, indem
das Theilungsproduct des Kernes der Zelle auf die Faser gelangt, dass
femer die Ectodcrmzelle nicht mehr so unmittelbar, sondern durch einen
gesonderten Forlsatz mit der somit gleichfalls selbsUlndiger gewordenen
Faser sich verbindet, so ist damit ein üebergang zu jenem diflerenzir-
teren Zustande gegeben, Nerven wie Muskeln erscheinen von diesem
Gesichtspuncte aus als die Producte der Sonderung einer und derselben
Gewebsschichte des Kcloderms. Damit wird zugleich ein physiologisches
Postulat erfüllt; denn es ist völlig undenki)ar, dass Nerv oder Muskel
in ihren Elementen einmal von einander gesondert bestanden, und dass
der die Functionen beider bestinmiende Zusammenhang das Ergebnis«
einer späteren Verbindung sei.
Ob überall dem Auftreten einer Musculatur ein ähnlicher Vorgang
zu Grunde liegt, ist noch nicht ermittelt, er wird aber als in hohem
Grade wahrscheinlich gelton dürfen. Wenn die Difierenzirung bei
höheren Organismen diese Vorgänge nicht mehr erkennen lässt, so ist
daraus noch nicht eine urspiilnglich andere Art der Entstehung zu
folgern, da die Ontogenie die phylogenetischen Processe in ihrem vollen
Umfange nur selten zu wiederholen pflegt.
§ 34.
Ihrer Genese gemäss erscheint die erste Musculatur des Körpers
in enger Beziehung zum Integumente, von dem sie kaum getrennt wer-
den kann. Mit dem Integumente zusammen bildet sie einen mit dem
Auftreten einer Leibeshöhle die übrigen Organe umschliessenden »llaul-
muskeischlauch«. Die Anordnung der Muskelfasern bietet eine gewisse
Regelmässigkeit zumeist erst mit der Gliederung des Körpers in einzelne
hintereinander gelegene Abschnitte (Metamerenj, und mit der Entwickc-
lung von Stülzorganen zeigt sich eine Differenzirung der Musculatur in
einzelne Gruppen. Summen von Fasern bilden Bündel und diese setzen
wieder grössere Comploxe, Muskeln, zusammen. Die Gliederung der
Musculatur entspricht dann der Segmentirung des Körpers, und erseheint
in ihren einzelnen Abschnitten um so mannichfaltiger, je verschiedener
die Leistungen der einzelnen Metameren sind. Was beim Hautnmsket-
schlauch durch die in verschiedener Schichtung sich kreuzenden Fasern
erzeugt wird, nämlich die Verschiedenartigkeit der Bewegung, das wird
Nerveosyfttem. 41
bei differenxiiter Musculalur durch gegeiieiiuinder wirkende und eben
dadurch in lolo in ihrer Thäiigkcii harmonirende Muskelgruppen voll-
zogen.
Durch den Haulmuskelscbiauch und die aus ihm hervorgehenden
Differenrirungen wird die Locomotion durch Bewegung des gcsammten
Körpers bewerkslolligt, und das gesanimlc Integumenl isi an jener
Tbaligkeit betheiligl. Von da aus ßndel eine fernere Differcnzirunj;
«iaU, indem an beslimmlen Theilen des Körpers besondere Anhänge
als Gliedmaassen sich hervorbilden, die wie llebelamic l)eim Orts-
wechsel ihälig sind. Sie erscheinen bald als einfache weiciio Porlsälze
des Hauiniuskelschlauches (Ringelwürmer), bald als gegliederte Gebilde,
welche entweder vom Integumentc her (Arthropoden), oder von Seiten
innerer Skeletbiidungen (Wirbelthierc) eine Stütze erhalten. Die Com-
plicirung der Musculatur steht mit der Kntwickeiung von Stutzorganen
in engem Gonnexe, und beide bilden einen einzigen Bewegungsapparat,
von dem das Skdlet die passive Rolle übernimmt.
•
d) lEfervenflystem«
§ 35.
In den nieflersten Zuständen der thierischon Organisation ist das
Protoplasma der Zellen der Sitz der Empfindung wie der Bewegung,
ähnlich wie dies bei den Protisten der Fall ist. Mit der Differenzirung
der Mttskelschichte des Körpers ist das Ectoderm vorwiegend Empfin-
dungsorgan geworden. Aus der Fortbildung einer Strecke dieser Schichte
in dieser Richtung ergibt sich die Differenzirung eines Nervensystems,
für dessen ersten Zustand somit eine oberflächliche Lagerung am Körper
vorauszusetzen ist. Dieses Verhalten erscheint unter den Wirbellosen
in der ersten Anlage des Nervencentrums der Ascidien, und allgemein
an der Anlage des Centralorganea des Nervensystems der Wirbelthierc,
wo wir das dem Ectoderm homologe äussere Keimblatt mit einer Strecke
(der Medularplatte) jene Organe bilden sehen. Dieses an sich höchst
eigenthUmlicbe , an sich völlig unverständliche Verhalten wird also als
eine Vererbung aus einem primitiveren Zustande erklärbar, in welchem
das noch wenig differente Nervensystem durch die Zellschichto des
Ecloderms oder eines Abschnittes desselben vorgestellt ward. Die all-
mählich erfolgende Einbettung in das Innere des Körpers muss hiebei
als ein mit der fortschreitenden Differenzirung und der damit erlangten
höheren Potenzirung erworbener Vorgang gelten, durch den das für den
Organismus werth vollere Organ in das Innere des ersleren geliorgen wird.
Bezüglich der Form Verhältnisse des differenzirten Nervensystems
ist einmal das Centralorgan, vorwiegend aus Ganglienzellen zusammen-
{gesetzt, \oii den zu den Endappuralen verlaufenden, aus faserigen
Ktemcnten bestehenden Nerven (peripherisches Ncrvensystemj zu unter-
scheiden.
42 Organe hobercr -Ordnung.
§ 36.
Durch (las Aiiriret^^n mchi'ercr unter einander verbundener Ganglien
entstehen die ersten, nach sehr diiferenten Riclitungen sich w'eiter ent-
faltenden Complicirungen. Die das Centralorgan darsU>licnd« Ganglien-
masse sondert sich, meist in der Nähe des Einganges zum Darmcanale
gelagert, in mehrero unter einander durch Vcrbindungsfascm (Gominis-
suren) in Zusammenbang stehende Theile.
Bei den strahlig gebauten Thieren vermehrt sich die Zahi der Gan-
glien in einer den Radien entsprechenden Weise, und auch die peri-
phmsche Vertheilung der Nerven folgt gei^u diesen Yerhältoissen des
Baues. Hit der aus zwei Antimeren gebildeten Körperfoitn ordnet
sich aucb das Nervensystem nach dieser. Das Nervencentrum besteht
anfänglich nur aus einer oberen Ganglienmasse; das Hinzutreten einer
unteren scheint erst mit der Metamerenbiidung zu Stande zu kommeD.
Die Vereinigung zu einem Schlundrmg im vordersten Theile des Körpers
ist demnach ein secundärer Zustand. Man unterscheidet dann ein dor
sales und ventrales Ganglion, von denen jedes aus zwei seitlichen Ab-
schnitten besteht. Die verschicdengradige Ausbildung dieser Schlund-
ganglien steht in engstem Zusammenhange mit den davon abgehenden
Nerven. Mit der Ausbildung der Sinnesorgane zeigt sich auch das die
bezüglichen Nerven entsendende Ganglion von beträchtlichem Umfang,
sowie es mit der Verkümmerung derselben rudigebildet erscheint. Die
oberen Schlundganglien sind die in der genannten Beziehung wichtig-
sten, denn von ihnen entspringen in der Regel die Nerven der httheren
Sinnesorgane.
Aus dieser Form leitet sich unmittelbar eine andere ab, für welche
die deutlich ausgesprochene Metamerenbiidung des Körpers als das be-
dingende Moment erscheint. Während bei den ungegliederten, mit
Schlundring versehenen Thieren die ventralen Körpertheile durch die
voa den unteren Schlundganglioa entspringenden Nerven versorgt wer-
den, tritt mit der Abtheilung des gesanimten Körpers in hintereinander
gelegene Theile (Metameren) eine Vermehrung der ventralen Ganglien
ein. Durch die BiMung je eines Ganglienpaares für jedes GliedstUck
entsteht eine ventral gelagerte Reihenfolge von Ganglien, die, unter sich
durch Längscommissuren verbunden, eine Ganglienkette bilden, das
Bauchmark. RingeiwUrmor und Arthropoden sind Repräsentanten
dieser Form. Innerhalb derselben entstehen durch weitere Differenzi-
rung raannichfaitige Variationen. Erstlich wechselt das Volum der Gan-
glien nach der Verschiedenheit des Volums der mit Nerven zu ver-
sorgenden Körpertheile, und zweitens geht an ganzen Abschnitten des
Bauchmarks eine Verschmelzung der Ganglien in grössere Ganglion-
massen vor sich.
Aehnliche Diflerenzirungcn des centralen Nervensystems sind auch
Sinnesorgane. 43
bei einer exciusiv dorsalen Lagerung desselben, wie bei den Vertebraten,
gegeben. Mil der Ausbildung des vordersten Körperabschniltes zu einem
Kopfe entfaltet sich der vorderste Thcil des Ncrvcncenlralorganos zu
einem besonderen Abschnitte, dem Gehiru, weiches von dem übrigen
mehr gloichmässigen Medullarrohre, dem Rtlcken marke sich abgrenzt,
in weiterer Differenzirung gehen am Gehirn wieder verschiedenartig aus-
gebildeie Abschnitte hervor.
e) Sümeaoigane.
§ 37.
Die Sinnesorgane vermitteln dem Organismus Zustände der
Anssenweit. Ais Sitz der Empfindung niederster Art erscheint das
Protoplasma, weiches in' der indifferenten, die niedersten Organismen
cbarakterisirenden Beschailenheit , auf äussere Reize mannichfalUger
Art reagirt. Bei noch nicht vollzogener Abgrenzung der Körperoher-
fläcfae vom Innern des Organismus (Rhizopodcn j , wird jeder Protoplasm«!-
theil zur Vermittelung der Wahrnehmungen, freilich niedersten Grades,
verwendbar sein, und somit als Sinnesorgan niederster Ordnung fun~
giren. Bei bestimmter Abgrenzung der Körperoberflächc , (Infüsoiien,
Gregarinen) ist mit einer äussersien Körperschichte eine auch für sinn-
liche Wahrnehmungen wichtige DifTerenzirung aufgetreten.
Obgleich schon bei Infusorien einzelne SteHen der Köiperoberfläche
vorzugsweise als Sinnesorgane fungiren, so ist doch ei>ensowenig wie
in den noch tiefer stehenden Zuständen ein Sinnesorgan in anatomischem
Sinne vorhanden. Die Entstehung dieser ist an die Sonderung eines
^^vensystem8 gelmüpft, denn die Sinnesorgane sindEndoppa-
rate sensibler Nerven. Ihr Auftreten setzt daher jene Differenzirung
voraus, deren oben beim Nervensystem gedacht ward.
Wie die primitive Sondening des Nervensystemes aus dem Ecto-
derm durch ontogenetiscfae Zeugnisse als ein höchst wahrscheinlich
fundamentaler Vorgang sich darstellt, so ist auch fftr die Entstehung
der Sinnesorgane dieselbe äussere Körperschichte von grösster Bedeu-
tung. Fast alle Sinnesorgane 'sind aus ihr mittelbar oder unmittelbar
hervorgegangen, wie die bald bleibende, bald nur vorübergehend be-
stehende Verbindung dieser Organe mit dem Integumente beweist.
Für viele Sinnesoi^ane niederer Thiere ist die Deutung der functio-
nellen Qualität des Organs in hohem Grade unsicher. Dies gilt für
alle Organe, welche ausser der Reihe jener stehen, die desshalb ins
Bereich unserer Beurtheilung fallen, weil wir sie oder doch ihre Homo-
loga selbst besitzen, wodurch allein der Zusammenhang ihres Baues
mit ihrer specifischen Leistung prüf bar wird.
44 Organe höherer Ordnung.
§38.
Die Sinnesorgane theilen sich in niedere und höhere. Die er-
sleron sind die allgemeiner über das Inlegunienl vcrhreilelen, in ihrem
Baue einfacheren. Sie repriiseuliren den höheren gegenüber einen in-
diflcrenleren Zustand. ModiOcirle Zellen des Integumenles, die mcislens
der Epidermis angehörig, einerseits mil einer Nervenfaser in Verbindung:
stehen, andererseits mit einem verschiedenartig gestalteten, gegen die
Körperoberflüche gerichteten Fortsalze versehen sind, bilden die vcr-
breitetsle hieher gehörige Einrichtung. Man schreibt ihnen die Vor-
mittelung allgemeiner GefUhlswahrnehmungen zu, doch ist gerade bei
diesen Organen, besonders bei den im Wasser lel>endeu Thieren die
physiologische Leistung in hohem Grade unbestimmt, und es bleibt für
manche von ihnen die Annahme der Vermittelung specifischer Reize,
wodurch sie sich den höheren Sinnesorganen anschücssen würden,
möglich.
Etwas bestimmter tritt die Bedeutung dieser Einrichtungen hervor,
sobald sie sich mit besonderen Apparaten, beweglichen Fortsätzen des
Integumenles u. dergl., in Verbindung zeigen, und dadurch als Tasl-
Werkzeuge erscheinen. Ob solche Bildungen, besonders in den nie-
deren Abtheiluugen noch andere Wahrnehmungen als Tasteindrücke ver-
mitteln, bleibt fraglich.
Einseitig ausgebildet, und demgemäss nur in Einer Richtung fun-
girend, erscheinen die höheren Sinnesorgane, die als aus den
niederen hervorgegangen zu I)etrachten sind, und auch vielfach das
Wesentliche des Baues der niederen noch an sich tragen. Man unter-
scheidet Geschmacksorgane wie Riechorgane nut Sicherheit
erst in deti höheren Abtheilungen, und für die letztgenannten ist die
Function eigentlich erst bei den in der Luft lebenden Wirbelthieren
sicher gestellt, und bleibt zweifelhaft für die niederen Abtheilungen.
Aber auch für die Geschmacksorgane dürfte sich bezüglich der Deutung
die grösste Vorsicht empfehlen.
§ 39.
Als Hörorgane fasst man mit einem Fluidum gefüllte Bläschen
auf, in deren Wandung ein Nerv zur Endigung kommt. In der ein-
fachsten Form ist das Bläschen dem centralen Nervensystem unmittel-
bar verbunden, oder der Nerv tritt zum Bläschen heran. Fast regel-
mässig bergen diese Bläschen feste Concremente oder krystallinische
Bildungen, sehr häufig auch Krystalle kohlensauren Kalks. Ebenso fin-
den sich häufig haarförmige Verlängerungen der Endapparate, die ins
Lumen des Bläschens einragen. Diese bei den wirbellosen Thieren vor-
Sinnesorgaoe. 45
herrschende Form des Hörorgans compliciri sich bei den Wirbellhieren
durch Ausbuchtungen und Fortsatobildungen (Labyrinth). Durch schall-
leitende und schallversUIrkende Apparate werden neue Einrichtungen
eneugt, welche antenglich anderen Functionen vorstehend dem HOr-
Organe sich anschliessen.
Da das Labyrtnthblflschen der Wirbellhiere aus dem Integument
hervorgeht, so stehen auch die in seinen Wandungen sich diflerenziren-
den Endapparate des Hömerven In genetischem Zusammenhange mit
den im Integnmente liegenden Endapparaten der GefQblsnerven , und
können demnach als specifische Ausbildung eines niederen Sinnesorganes
angesehen werden. Ob dies für die einfacheren HOrblüschen der
meisten Wirbellosen gilt, ist zweifelhaft, vielmehr scheinen diese Or-
gane aus Differenzirungen der Nervencentren entstanden.
Auch fttr die Sehorgane wird ein mehrfacher Modus der Ent-
siehung gelten. Wenn wir die früher häufig als Augen bezeichneten
Pigmentflecke ansachliessen, und erst da ein Auge annehmen, wo eine
bestimmt geformte Nervenendigung unter oder an der Körperobcrfläche
als lichtperdpireiider Apparat erkannt werden kann, so treffen wir die
einOachste Form als eine mit Pigment umgebene Endigung eines Nerven.
Durch die lichtabsorbirende Eigenschaft des Pigmentes mögen unbe-
stimmte Vorstellungen von Hell und Dunkel erzeugt werden, oder es
erfolgen Erregungen, die von dem, was wir »Sehen« nennen, unendlich
weit abliegend, wohl nur durch die Wttrmestrahlen des Lichtes er-
zeugt sind.
Wenn die genannte Verwendung von Pigment eine mehr proble-
matische ist, so stellt sie sich in bestimmteren Beziehungen dar, wo sie
die stäbchenförmige Nervenendigung nur zum Theil umhflllt, so dass
das äusserste Ende desselben frei bleibt, und damit allein der Licht-
wirkung ausgesetzt ist. Durch Vereinigung einiger oder auch vieler
Nenenendigungen entstehen in verschiedenem Grade zusammengesetzte
Sehorgane, deren die LichtpercepUon vermittelnde Elemente (Stäbchen)
eine entweder oonvexe oder ooncave Schichte formiren. Eine andere
Complicatlon entsteht durch das Hinzutreten lichtbrechender Organe
(Linsen) , die wieder ausserordentlich mannichfaltige Verhältnisse dar-
bieten, immer aber, mittelbar oder unmittelbar, aus dem Integument
hervorgehen. Bei den Augen mit convexer Oberfläche der Stäbchen-
schichte sind sie in der Begel in einer der Zahl der percipirenden End-
gebilde entsprechenden Summe vorhanden, während den Augen mit con-
caver Stabchenschichte eine einfache Linse zukommt.^ Indess zu dem
Nervenapparate des Sehorgans noch andere, dessen Leistungsfilhigkeit
modifictrende oder erhöhende Einrichtungen hinzutreten, wird aus dem
Auge eines der complicirtesten Organe des Organismus.
Auch bezuglich der f^gerung des Sehorgans am Körper gibt sich
die Erscheinung der Differenzining zu erkennen, indem in den niederen
Abibeilungen die augentragenden Körperthetle sehr wechselnd sind, und
46 Organe höherer Ordnung.
auch die Zah} der Augen bedeutend schwankt. Daran schliesst sich das
Vorkommen einer grösseren Zahl von Sehorganen an dem zum »Kopfe«
sich ausbildenden vordersten Körperlheile , bis endlich an demselben
Tbeile nur eine auf zwei beschränkte Augenzahl sich findet. Wie diese
verschiedene Lagerung des Sehorganes eine gemeinsame Ererbung durch-
aus umschliesst, so spricht sie zugleich für die selbständige Differenz!-
rung der heterotopischen Organe aus einem indifferenten Apparate.
f) Respiratorische Organe des Integtunentes.
(Haai'Kiemen.)
§ 40.
Dem Integumente, und damit dem Ectoderm kommt eine wichtige
Rolle für die Bildung der Organe der Athmung zu. Vor der Bntr-
stehung derselben wird der Gasaustausch durch die gesammte Ober-
flüche des Körpers vollzogen und bei vielen niederen im Wasser lebenden
Thieren findet diese Athmungsweise statt. Theils durch die Ortsbewe-
gung des Körpers, theils durch besondere Organe, z. B. die Wimper-
haare, wird ein Wechsel des umgebenden Mediums bewerkstelligt, und
immer neue Mengen desselben mit der athmenden Fläche in Contact
gebracht. Ist dies auch nicht die einzige Art der Athmung niedfii*er
Thiere, da auch die Einfuhr von Wasser ins Innere des Leibes, so-
wie die BespUlung des Darmcanals mit Wasser^ gewiss nicht ohne Be-
deutung ist, so ist sie doch als Ausgang einer grossen Reihe von DifVe-
renairungen von hoher Wichtigkeit. Mit einer Localisation der Function
auf beschränktere Strecken der Körperoberfläche gewinnen diese in der
genannten Richtung eine besondere Ausbildung und gestalten sich in
Compensation der Beschränkung der Localität zu blulfUhrenden Fort-
sätzen, welche man als Kiemen bezeichnet. In vielen Fällen ent-
stehen diese aus einer Differenzirung der Gliedmaassen (Wttrmer, Gru-
staceen). Die fortgesetzte Ausbildung der Kiemen erscheint in einer
Oberflächenvergrösserung, die auf die mannichfaltigste Art erreicht wird.
Sie ist sehr häufig mit einer Reduction der Zahl der Kiemenbiidungen
im Zusammenhang zu finden.
Die Bedeutung dieser Organe für den Körper ruft mancherlei Schutz-
vorrichtungen der im niedersten Zustande frei auf der Oberfläche des
Körpers vorragenden Kiemen hervor. Indem benachbarte Integument-
theile sich zu deckenden Lamellen erheben, 'werden die Kiemen in
Höhlungen geborgen (Kieroenhöhlen) , für welche dassell>e Integument
wieder Zu- und Abflusscanäle des der Athmung dienenden Wassers
herstellt (Mollusken, höhere Gruslenlhiere) . So beeinflusst die Aus-
bildung dieser Alhmungsorgane auch andere Theile des Integumenies,
deren directe Beziehung zur Athmung längst verloren gegangen ist.
Encretionflorgane. 47
g) Excretionaorgane.
§ 4^
Wie in den Alhmungsorganen die gasrörmigen Auswurfstoffe aus
dem Ocganismus abgeschieden werden, so bestehen auch Einrichtungen
zur Ahsdieidnng fester oder tr<^>fbar flüssiger Stoffe, die für den
Of^anismus unbrauchbar geworden sind. Das Ectodenn leistet auch
diese Function bei niederen Organismen wohl in allgemeiner Verbreitang,
in beeren Lebensformen dagegen sind besondere Organe, Drüsen, dafür
Ihaiig. Von diesen .im Allgemeinen als Seoretionsorgane fungirenden
Einricblungen gehören nur jene speciell hieher, welche die Ausscheidung
der Auswurfsstoiffe besorgen, und die man ab Excretionsorganc
von denjenigen Drüsen unterscheidet, welche für den Organismus ver-
wendbare Stoffe absondern, und entweder selbständig oder mit be-
stimmten Organsystemen vereinigt sind, und dann als Differenzirungen
der letzteren sich darstellen.
Von den unter Betheiiigung des Ectoderms gebildeten Absonderungs-
organen wird die Excretnatur des Absonderungsproductes am wenigsten
bezweifelt werden dürfen, da letzteres mit der Entleerung der Drüse
auf direclem Miege aus dem Organismus entferat wird.
Unter mannichfialtigen, auf die Oberfkfche des Körpers ausmünden-
den Drüsenorganen erlangt eine Kategorie eine allgemeinere Bedeutung.
Sie umfasst die Nierenartigen Excretionsorganc, welche die
stidUtoffhaltigen Auswurfs&ffe aus dem Körper abscheiden. Wenn diese
Organe schon bei Würmern in ihrer scheinbar einfachsten Form weit
im Leibe des Thieres sich verbreiten, so ist ihre Genese doch nur von
Hautdrüsen ableitbar. Dies wird auch dadurch nicht geündiert, dass
in vielen Falten (Anneliden, Mollusken] das auch sonst sehr modificirte
Organ so zwischen der Leibeshöhle und dem umgebenden Medium einen
Verbindungsweg herstellt, der in maochen Abtheilungen (Mollusken)
sogar zur Einfuhr von Wasser benutzt wird. Bei anderen (Ringelwürmer)
sind diese Organe in röhrenartiger Gestalt der Geschlechtsfunction dienst-
bar und fungiren bei Ausleitung der Producte derselben. Aus der Wieder-
kehr dieser Function für einen Theil des primitiven excretorischen Appa-
rates (Umiere) der Wirbelthiere könnte auf eine Vererbung aus einem
niederen Zustande geschlossen werden. Dem stellt sich aber vorerst
die Verbindung jenes Apparates, nicht mit dem Integumente, sondern
mit dem üarmrohr entgegen, eine Thatsache die oinigermaassen nur
dadurch aufgewogen wird, dass die erste Anlage der Urniere (Umieren-
gang) nicht von dem Darm aus, sondern ganz selbständig und unab-
hüngig davon, von einer unmittelbar unter dem Ectoderm gelegenen
Parthie des Mesoderms her erfolgt. In wiefern darin etwa eine ur-
sprünglich gänzliche Trennung jenes Umierenganges vom Darme erkannt
werden kann, ist noch nicht bestimmbar.
48 Organe höherer Ordnung.
h) Darmcanal.
' § 42.
Die Aufnahme der Nahrungsstoffe in den Körper wird bei einem
Theile der niedersten Organismen durch endosmotische Vorgange ver-
mitlell, bei denen der Ktfrperoberflüche die Hauptrolle zukommt. Bei
anderen findet die Aufnahme fester Nahrung statt, indem das weiche,
Pseudopodien entsendende Protoplasma in die Nahe des Körpers ge-
langende Nahrungsstoffe umschliesst (Rhizopoden) . Die Bildung einer
bestimmten, zur Nahrungsaufnahme dienenden Stelle der Körperober-
flache ist zwar ein Schritt zur organologischen Sonderung (Infusorien),
aber indem von diesem oft sehr bedeutend differenzirten Munde aus die
Nahrungsstoffe wieder in das das Innere des Körpei*s vorstellende Proto-
plasma gelangen, liegt hier noch keineswegs die Sonderung eines Darm-
canals vor.
Erst mit der Differenzirung des Körpers in Zellenmassen bildet die
innere einen nach aussen geöffneten Hohlraum umgrenzende Lage als
Entoderm die Wandung einer gesonderten Verdauenden CaviUit.
In der einfachsten , in der Gastrula repräsentirten Form ist das Ento4prm
die einzige Wandung der primitiven Darmhöhle. Die Entstehung eines
Mesoderms lüsst zu dieser aus Zellen bestehenden Entodermschichte
noch andere Schichten von aussen hinzutreten, von denen eine Muskel-
schichte die wichtigste wird, denn durch sie wird der Darm zu selb-
ständigeren Actionen befähigt. Die in den Darmschlauch führende
Oeffnung dient — als Mund — zur Aufnahme der Nahrungsstoffe sowie
sie auch unverdauten Resten der Nahrung zur Auswurfsöffnung wird.
(Cölenteraten , viele Würmer). Das Auftreten einer Afteröffnung ruft
eine fernere Trennung der Functionen hervor, und verwandelt den blind
geendigten Darm in ein an zwei Enden offnes Rohr, dessen einzelne
Abschnitte verschiedene Verrichtungen übernehmen, und damit differente
Anpassungen eingehen. Der erste mit dem Munde zusammenhangende
Abschnitt bildet eine zur Einleitung der Nahrung dienende Speise-
röhre, denn erst der folgende meist erweiterte oder mit Blindsacken
ausgestattete Abschnitt bildet die eigentlich verdauende Cavitat, den
Magen, und der Endtheil des ganzen Apparates besorgt weitere Ver-
änderung der Nahrungsstoffe sowie Ausleitung der Speisereste, indem
er sich mit dem After nach aussen öffnet. Mit dieser Differenzirung
des Darmrohrejs in einzelne ungleich werthige Abschnitte ist die be-
deutendste Gomplication gegeben, welcher fernere Differenzirungen
untergeordnet sind. Ausser wechselnden und ausserordentlich mannich-
faltigen Grössenverhaltnissen der einzelnen Abschnitte entstc^hen am
Darmrohre noch verschiedene Vorrichtungen, die entweder auf besondere
neue Leistungen berechnet sind, oder nur eine fernere Arbeitstheilung
Darmcanal. 49
ausdrücken. Oi^^ane tum Ergreifen oder tum Zerkleinem der auf*
genommenen Nahrung — Kauwerkzeuge — verbinden sich mit dem
Munde, oder zeichnen einen Abschnitt der Speiseröhre aus. Auch im
iMagen sind solche Kauorgane zuweilen angebracht. Wo sie meist dicht
hinter der Mundöflnung im Anfange der Speiseröhre sich finden, wird
dieser Abschnitt häufig durch stärkere Musculatur ausgezeichnet, und
als Schlundkopf oder Pharynx unterschieden.
Die Vergrössening des Binnenraumes des Darmcanais bewirken
Erweiterungen oder blindsackförmige Ausbuchtungen. Im Verlaufe der
Speiseröhre entstehen Kropfbildungen, am Magen Blindsdcke,
am übrigen Darme Blinddärme (Coeca) in mannich faltiger Com-*
plieation in der Zahl und Anordnung. Uebertrifft die Ulnge des Darm-
canais jene des Körpers, so ordnet er sich in Form von auf- und ab-
steigenden Schlingea oder von Spiraltouren, und passt sich so dem
Umfange der ihn bergenden Leibeshöhle an. Für alle diese Verhältnisse
ist die aufgenommene Nahrung sowohl hinsichtlich ihrer Quantität als
Qualität von grösstem Einflüsse. Sie sind somit gleichfalls von An-
passungen ableitbar.
Zur Belhätigung des Verdauungsprocesses im Allgemeinen stehen
mit dem Darmcanale Absonderungsorgane in Verbindung, deren Fro-
ducte auf die Nahrungsstoffe lösend , chemisch veründemd einwirken.
Solche Drüsen sind bald über den ganzen Darmcanal verbreitet, bald
zeichnen sie nur bestimmte Abschnitte aus. In der einfachsten Form
sind sie von der Darmwand noch nicht differenzirt und dann häufig
keine selbständig abgegrenzten Theile. Die von der Darmwand ge-
sonderten werden vornehmlich in zwei Abtheilungen unterschieden.
Eine davon stellt die in die Mundhöhle oder in die Nähe derselben
ausmündenden Drüsen vor, die man als Speicheldrüsen bezeichnet.
Eine andere Gruppe findet sich an dem der Verdauung dienenden Ab-
schnitte, und wird als gallebereitender Apparat, Leber, angesehen.
Es ist wohl zu beachten, dass die Bezeichnungen solcher Organe mit
Namen, welche von den physiologisch genauer gekannten Organen höherer
Organismen hergenommen sind, nur als hypothetische gelten können,
da von einer physiologischen Erkenntniss der meisten Organe niederer
Thiere noch keine Rede ist. Das gilt vorzüglich von den meist gefilrbt
erscheinenden Epithelicn des Darmes, die man hitufig als »Leber« zu
bezeichnen pflegt. Mit der verdauenden Caviliit ist dieses Organ in
Form eines Epithels bei den Cölenteraten , manchen Würmern und
auch bei den Insecten verbunden, bis es sich auf bestimmte blindsack-
arlige Anhänge des* Darmcanais beschränkt, und somit den ersten Grad
von Selbständigkeit aufweist. Die Leber erscheint dann entweder in
Form zahlreicher dem Darmcanal in grösserer Ausdehnung besetzenden
Follikel, oder sie bildet grössere Drüsencomplexe, welche bald zerstreut,
bald vereinigt in den Darmcanal einmünden. Die DifTerenzirung der
Leber läuft also auf eine allmähliche Ablösung des Organes vom
50 Organe höherer Ordnung.
Darme hinaus, so dass es am Ende dieser Reihe nur durch seine
AusfUhrgünge mit dem Darmcanal verbunden ist (höhere Mollusken,
Wirbelthiere)
1) Besptratorische Organe dea Darmes.
Die sämmtlichen vorhin aufgeführten Differenzirungen des aus dem
Entoderm gebildeten primitiven Darmes betrafen nach dem Principe der
Arbeilstheilung entstandene, auf die Aufnahme und Verdauung der
Nahrungsstoffe bezügliche Organe, welche den Darm keine wesentlich
neue Verrichtung leisten lassen. Eine solche erscheint mit der respi-
ratorischen Bedeutung des Darmes. Ob diese bereits in der primitiven
Darmform bestehe, ist nicht festzustellen, doch bleibt es wahrschein-
lich, da das Entoderm ebenso vom umgebenden Medium bespült wird,
wie die äussere Schichte des Körpers. Bestimmter wird dieses Ver-
hältniss durch die Wahrnehmung eines regelmässigen Einströmens von
Wasser in den Enddarm wie bei manchen Würmern und Mollusken.
Diese Erscheinung weist einfach auf die respiratorische Function des
Darmes, hat aber direct nichts mit der Entstehung aus dem Darmrohr
sich sondernder Athmungsorgane zu thun.
Die Bildung eines Respirationsorganes erfolgt am vordersten Ab-
schnitte des Darmes, dessen Wände von seitlichen Oeffnungen durch-
brochen durch ihre Beziehungen zum Gefifsssystem respiratorische Be-
deutung empfangen. Diese schon in niederen Abtheilungen auftretende
Einrichtung wiederholt sich bei den Wirbelthieren. An den Wandungen
der Spalten dieses Vorraums des Darmes entstehen Fortsätze, und da-
mit bildet sich ein Kiemenbesatz an den Oeffnungen aus, durch
welche jener Raum nach aussen communicirt. Ein Theil des ursprüng-
lichen Darmrohrs wird dadurch zu einem besonderen Abschnitte um-
gewandelt und bildet eine respiratorische Gavität, an deren
hinterem Ende das ausschliesslich der Ernährung dienende Darmrohr
beginnt.
Eine andere Form von Athmungsorganen sondert sieh aus der Darm-
wand in Gestalt divertikelartiger Ausbuchtungen an einem vordem Ab-
schnitte des Darmes. Dieser Anhang des Darmes wird mit Luft gefüllt,
und hat bei den Fischen als Schwimmblase wohl nur eine hydrosta-
tische Bedeutung. Mit einer Veränderung der Kreislaufsverfaältnisse
allmählich zu einem Athmungsorgane umgewandelt' gehen daraus die
Lungen hervor, an deren Einführwegen in den höheren Abtheilungen
der Wirbelthiere wiederum neue Organe, jene der Stimmerzeugung
sich ausbilden.
FortpflaDzungsorgane. 5 t
k VortpllansiU3gaorgaii0.
§ 4*.
Die Erscheinung der Vermehrung des Individuums sieht Ursprung-*
lieb mit der Ernährung in engem Zusammenhange. Indem durch die
letztere das Wachstbum des Körpers und damit eine VolumvergrOsse-
rung bedingt wird, geht daraus ein Zustand hervor, in welchem der
Ollganismus das ihm in Ueberscfauss sugeftthrte Emahrungsmateriai:*
zum Hervorbringen eines neuen Individuums verwendet. Wie bei den
Elementarorgßnismen dieser selbe Process mit einer Sprossenbildnng
beginnt und mit einer Theilung des Körpers al)schliesst, so bilden
jene Vorgänge auch fttr die niederen Formen der Fortpflanzung ver-
breitete Erscheinungen. Je nach der Quantität des von einem be-
stehenden Organismus zur Bildung eines neuen verwendeten Biateriales
entstehen wieder mehr oder minder verschiedene Vermehrungsweisen»
Diese in den unteren Abtbeilungen des Wirbellosen sehr verbreitet
vorkommenden Vermehrungserscbeinungen der Sprossung, Knospung
und Keimbildung besitzen theilweise Beziehungen zur geschlechtlichen
Differrazirung, die bereits bei den Protisten auftritt. Sie leitet sich
von einem Zustande ab, in welchem zwei gleichartige Keimzellen zu
einem sich dann weiter entwickelnden Organismus verschmelzen. Aus
einem fernerhin ungleichen Verhalten der beiden sich verbindenden
Keimzellen entspringt die Sonderung beider in Eizelle und Samen-
zelle, welche durch das ganze Thierreich mit zahlreichen, besonders
die Samenzelle betreffenden Modilicationen die Formelemente der ge-
schlechtlichen Zeugu ngMtoffe vorstellen. Die geschlechtliche Fort-
pflanzung sieht also nur in einem scheinbaren Gegensatz zur un-
geschlechtlichen. Als Bildungsstätte der Zeugungsstoffe erscheint in dem
niedersten Zustande das Entoderm (Cöienteralen) , welches sich da-
durch in neuer Bedeutung zeigt. In den höheren Abtbeilungen liefert
das Mesoderm die Anlage, das Bildungsmaterial für jene Elemente,
und es bleibt vorerst noch fraglich, ob hierin ein fundamental neues
Verbalten zu erkennen ist, oder ob jene Beziehung nicht von der se-
cundären Natur des Mesodermsb sich ableitet.
Im einfachsten Falle bilden sich die beiden Zeugungsstoffe an be-
sonderen, aber noch nicht durch eigene Vorrichtungen ausgezeichneten
Körperstellen, die dann als Geschlechtsorgane fungiren. Diese
erscheinen meist in der Form von Drüsen (Keimdrüsen). Die samen-
erzeugenden Organe nennt man Hoden, die eierzeugenden Eier-
stocke, Ovarien. Einen Schritt weiter gehend, treffen wir die
Keimdrttsen noch mehr differenzirt; während im einfachsten Zustande
die Prodncte jener Organe entweder in den Darm oder in die Leibes—
52 Organe höherer Ordnung.
höhle des Thieres, oder auch unmittelbar nach aussen gelangen, wobei
sie sich blos von ihrer Bildungsstätte abzulösen hatten, so treten all-
mählich oft in sehr complicirter Weise gestaltete Ausfuhrwege hinzu.
Für die samenerzeugenden Organe bilden sich an den Ausfuhrgängen
(Samenleiter) Behälter, welche zur Ansammlung des Sperma dienen,
aus der Wand dieser Canäle dißerenziren sich DrUsen, welche eine dem
Sperma sich beimischende Flüssigkeit absondern, endlich entstehen Vor-
richtungen, welche das Sperma in die anderseitigen Apparate Über-
tragen, Organe der Begattung. Nicht minder verschieden stellen sich
die Differenzirungen des eibildenden Organes dar; der Ausfuhrgang
(Eileiter, Oviduct) des Eierstockes ist mit Erweiterungen ausgestattet,
in welchem die Eier bald besondere Umhüllungen erhalten, bald sich
weiter entwickeln. Man bezeichnet diese Abschnitte der Ausfuhrwege
als Uterus, Fruchthälter. Besondere DrUsen entstehen als »Dotterstöcke«
aus den Keimdrüsen und liefern bald eine vom Ei verwendete Sub-
stanz, bald blosses Hullmaterial. Anhangsgebilde nehmen den bei der
Begattung Übertragenen Samen auf, stellen Receptacula seminis vor,
und endlich dienen wieder andere Theile zur Aufnahme des Begattungs-
organes, oder zur Absetzung oder Aufbewahrung der Eier.
Das Verhalten der ei- und samenbereitenden Organe zu einander
zeigt sich sehr verschiedenartig, und muss gleichfalls vom Standpuncte
der Differenzirung aus bcurtheilt werden. In den unteren Abtheilungen
sind beiderlei Organe mit einander vereinigt, zuweilen sogar derartig,
dass zur Production von Samen und Eiern ein und dieselbe DrUse
(ZwitterdrUsej thätig ist. Auch die Ausfuhrwege sind vielfach ganz
oder theilweise gemeinsam. Bei anderen Zuständen ist die Keimstätte
nach beiderlei Producten getrennt, Hoden und Eierstöcke existiren
als discrete Organe, bei denen nur die ausfuhrenden Apparate auf
verschieden langen Strecken vereinigt sind , oder jeder von ihnen
besitzt seine besondere AusmUndung. Beiderlei Zeugungsorgane in sich
vereinigende Thiere bezeichnet man als Zwitter, Hermaphro-
diten. — Eine Trennung erscheint nicht selten in der zeitweise
wechselnden Tbätigkeit der Organe vorbereitet, indem bald nur die
einen, eibildenden, bald die andern, samenerzeugenden, in Func-
tion sind.
Da der hermaphroditische Zustand den niederen vorstellt, so ist
die geschlechtliche Trennung von ihm «us abzuleiten. Diese Aende-
rung erfolgt durch Verkümmerung des einen oder des anderen Appa-
rates', so dass die- Zwitterbildung fUr die Trennung der Geschlechter
die Unterlage abgibt. Diese Differenzirung durch einseitige Rückbildung
muss fUr die verschiedenen Ausbildungszustände statuirt werden, so
dass sie nicht blos fUr an sich niederstehende Organe auftritt. Die
Ontogenie zeigt nämlich an sehr hoch sich ausbildenden Apparaten
eine primitive Vereinigung von beiden Geschlechtsorganen und lässt
das Individuum auf einem gewissen Entwickelungsstadium mit herma-
Leibeshdhie und Gemtssyttem. 53
phroditischer Anlage erscheinen. Die geschlechtliche Trennung beein-
flassi mit ihrem Vollzuge den gesamoiten Organismus, indem sie fiir
jedes Geschlecht eine Reihe von Umlindeningen hervorruft, die selbst
bei nrsprttnglich der Geschlechtsfunction ferne stehenden Organen sich
kund geben.
Mit einer Vertheilung von beideriei Organen auf verschiedene In-
dividuen vollendet sich die geschlechtliche Differenzirung.
Es sind nunmehr behufs der FortpOanzung nicht nur zwei ditferente
Zeogungsstoffe , Samen und Eier, nicht blos zwei verschiedene, jene
bildenden Apparate erforderlich, sondern es sind zwei Individuen noth-
wendig, die man als männliche und weibliche unterscheidet.
LeibeahShle und OelSM^ystam«
§ 45.
Die durch die Verdauung bereiteten, zur Emtthning des Körpers
dienenden Stoffe werden bei fien feste Nahrung aufnehmenden Abtheil-
ungen der Protisten von den verdauenden Hohlräumen aus einfach im
Protoplasma des Körpers vertheilt. Mit der Bildung eines discreten
Darmscblauches findet dieser Vorgang durch die Wandung des letzteren
direct in das Parenchym des Körpers statt, so dass vom Entoderm her
das Mesoderm und Ectoderm mit den von ihnen differenzirten Organen
ernährt werden. Diese Verhältnisse sind nur ftlr Gölenteraten und
einige Abthetlungen der Würmer charakteristisch. Bei vielen anderen
geht im Mesoderm eine Sonderung vor sich, die entweder durch das
Auftreten canalartiger Hohlräume, oder durch eine gänzliche Spaltung
des Mesoderms in eine äussere dem Ectoderm und eine innere dem
Entoderm sich anschliessende Platte sich ausspricht. Zwischen dieser
dermalen und gastralen Schichte des Mesoderms findet sich die Leibes-
höhle oder perienterische Höhle Cölom, IIäczcl), in der ein Fluidum,
das als ernährende Flüssigkeit anzusehen ist, sich ansammelt. Finden
sich Formelemente in derselben, so werden sie von Zellen des
Mesoderms abzuleiten sein. Diese Flüssigkeit dient noch nicht aus-
schliesslich der Ernährung, sie wirkt ebenso bei der Locomotion, indem
sie nach dem Willen des Thieres einzelne Theile des Körpers zu schwel-
len vermag. Dabei kommt auch dem in den meisten dieser Fälle von
aussen her in die Leibeshöhle aufgenommenen Wasser eine wichtige
Rolle zu.
Die Bewegung des Fluidums im allgemeinen Letbeshohlraume wird
anfänglich durch die Bewegungen des Körpers vermittelt. Contractionen
und Expansionen der Körperwand unterwerfen die vom Uautmuskel-
schlauch umschlossene Flüssigkeit einem beständigen Ortswechsel, der
als die niederste Form eines Blutumlaufs betrachtet werden kann.
Niedere Würmer bieten hiefür Repräsentanten. Die Bahn hat hier weder
54 Organe höherer Ordnung.
selbständige Wandungen, noch besitzt sie besondere den Umlauf re-
gulirende Vorrichtungen.
In manchen Abtheilungen bleibt es bei der Bildung dieser Leibes-
höhle (Bryozoän) ; bei anderen entstehen canalartige Höhlungen, die in
regelmässiger Anordnung als Gefässe erscheinen, und fernere Com-
plicirungen eingeben können. Ihr Inhalt stellt die Blutflüssigkeit vor
(Nemerlinen) . Tritt hiezu noch die Bildung einer perienterischen Höhle,
so ist das theilweise in sie eingelagerte Gefässsystem entweder voll-
ständig von letzterem abgeschlossen, (viele Anneliden] , oder es steht
mit ihr an einzelnen oder vielen Stellen im offenen Zusammenhang
(Mollusken, Arthropoden, Wirbelthiercj . Letzteres Verhalten wird vor-
aussetzen, dass die Gef^ssräume als Abschnitte der Leibeshöhle ent-
standen, während im ersteren Falle die Entstehung der Leibeshöhle erst
nach der Gefässbildung erfolgt ist. Die Bildung der Leibeshöhle ist
daher hier als ein secundärer Vorgang zu betrachten, und die Hohl-
raumbildung im Mesoderm ist in zweifacher Weise erfolgt, das erste
JiAal zur Entstehung der Blutgefässe, das zweite Mal zu jener der Leibes-
höhle hinführend..
§ 46.
Einzelne Abschnitte des die Blutbahn vorstellenden Hohlraum-
systems bilden sich durch Entwickelung von Musculatur in ihren Wän-
den zu contractilen Gefässen aus. Indem diese durch rhythmische
Thätigkeit das regelmässige Zu- und Abströmen des Blutes bewerk-
stelligen, entsteht der erste circula torische Apparat. Die Richtung des
Blutstroms ist damit noch keine constante, und derselbe kann bald nach
der einen, bald nach der andern Seite getrieben werden. Die durch
besondere Contractilität ausgezeichneten Abschnitte des Gefässsystems
sind bald in ausgedehnterem Maasse vorhanden, bald auf kürzere Stellen
beschränkt. Sie erscheinen als die Anfänge einer Herzbildung.
Das Heri ist somit ein aus der Blutgefässbahn diiferenzirtes
Organ, welches in der einfachsten Form einen Abschnitt der Ge-
fässe vorstellt, der nach beiden Richtungen seinen Inhalt fortbe-
wegen kann. Erst mit dem Auftreten von Klappen an den Ostien
des Herzschlauchs bildet sich eine Beständigkeit in der Richtung
aus, und dabei complicirt sich auch der Bau des Herzens, der
durch Theilung des Binnenraums in einzelne Abschnitte (Kammern
und Vorkammern) sich weiter vermannichfacht. Solche contractile Bil-
dungen erscheinen häußg als die einzigen diflerenzirten Theile des vom
Leibeshohlraume vorgestellten Blutgefässsystemes. Das Blut gelangt aus
dem Herzen entweder sofort in lacunenartige, zwischen den verschie-
denen Organen befindliche Abschnitte der Leibeshöhle, und von diesen
wieder zum Herzen (Arthropoden) , oder es sind vom Herzen ausgehende
bestimmte GefUsse vorhanden, welche bald an Stelle der Hohlräume
Ausbildung der Organe. 55
den Ktfrper durchziehen, bald nur iheilweise die lacunäre Bahn ver-
treten, indem sie nicht bis zum HerzcD zurück in Gefässe sich fort-
setzen, sondern unmittelbar in Lacunenbildungen übergehen. Der
letztere Fall zeigt den Leibeshohlraum noch als einen Abschnitt der
Blutbahn, die nur theilweise durch wahre Gefässe vorgestellt v^ird
(Mollusken]. Bei vollkommener Ausbildung der Gefässbahn in Ver-
bindung mit einer Differenzirung des Herzens gliedert sich das Getäss-
system in drei Abschnitte. Der vom Herzen ausführende, das Blut im
Körper verlheilende Abschnitt wird als der arterielle bezeichnet, die
Getsisse heissen Arterien. Der das Blut zum Circulationscentrum
zurückleitende Weg wird durch die Venen vorgestellt, und den zwi-
schen den zu- und ableitenden Gefflssen liegenden Bahnabschnitt bildet
ein Masebenwerk feinster Canälchen (Capillaren). Sehr häufig wird
dieser intermediäre Abschnitt durch ein Lacunensystem ersetzt, wobei
dann auch die venösen Bahnen zum grossen Theil der besonderen
Wandungen entbehren.
Ausbildung der Organe.
§ 47.
Der mit der fortschreitenden Differenzirung der einzelnen Organe
an diesen sich äussernde Zustand erscheint als eine Gomplication der-
selben, durch welche in einer ihrem Grade entsprechenden Weise das
Organ vom primitiven Zustande sich entfernt. Indem der letztere den
Di^em Zustand vorstellt, leitet die Differenzirung eine einem höheren
Zustande entsprechende Vervollkommnung ein. Diese erhellt aus
dem der Differenzirung zu Grunde liegenden, schon oben (S. 14) er-
örterten Principe der Arbeitstheilung, demzufolge eine Leistung um so
vollkommener geäussert werden kann, je exciusiver das Organ sich
dazu verhält. Je mehr ein Organ in einer einzigen Bichtung thätig ist,
desto günstiger sind für es die Bedingungen der Ausbildung in dieser
Richtung, weil von anderseitigen Anforderungen keine Goncurrenz be-
steht. Eine Gliedmaasse die zugleich Kieme ist, also locomolorische
und respiratorische Function in sich vereinigt, wird einen niederem Zu-
stand vorstellen als eine aus der Scheidung der beiden Functionen
hervorgehende Einrichtung, wo ein von der Gliedmaasse abgelöster
Thcil die Kieme, der übrige das Bewegungswerkzeug repräsentirt. Im
ersteren Falle ist die Locomotion für die Bespiration erforderlich, im
letzteren Falle dagegen bestehen beide von einander unabhängig, die
Respiration wird ohne Locomotion vollzogen, wobei besondere den
Wasserwechsel besorgende, somit die Locomotion in dieser Hinsicht er-
setzende Organe sich ausbilden. An beiden Organen ist damit die für
die einseitige Weiterbildung nöthige Selbständigkeit gegeben.
Der durch die Differenzirung auf die Ausbildung wirkende Factor
56 Organe höherer Ordnung.
muss in der im Kampfe ums Dasein gesteigerten oder modificirten Lei-
stung des Organes, also in Anpassung an äussere Lebensbedingungen
gesucht werden, wobei auch der Vererbung eine Bedeutung zukommt.
Durch letztere wird nämlich nicht blos eine Fortsetzung der erworbenen
Charaktere bedingt, sondern es vermag durch sie auch eine Steigerung
derselben erzielt werden.
Rückbildung der Organe.
Eine von der Differenzirung abhängige, weil sie voraussetzende
gesetzmässige Erscheinung ist die Rückbildung oder Reduction.
ihr Resultat ist an sich das Gegentheil des Resultates der DifTerenzirung.
Letztere liefert Gomplicationen des Organismus, die Reduction dagegen
Vereinfachungen, und lässt damit Organe oder Organismen wieder auf
relativ niedere Stufen zurücktreten, in Beziehung auf den Gesammt-
Organismus und das Verhalten desselben zu anderen , leistet die Re-
duction jedoch ähnliches wie die DifTerenzirung, indem sie zur Mannich-
faltigkeit der Formzustände beiträgt.
Sie kann entweder nur einzelne Einrichtungen des Körpers, oder
grössere Organcomplexe , oder endlich den ganzen Körper betreffen,
zeigt daher, wie die DifTerenzirung, sehr verschiedene Grade. Ver-
schieden ist sie wieder, je nachdem sie sich am Individuum, oder an
der Art, oder an der Gattung äussert. Dort wird sie als ein Proc^ss,
hier nur als^ein Zustand wahrzunehmen sein, welch' letzteren man nur
durch Vergleichungsreihen verwandter Formen in die einzelnen Stadien
eines Vorganges zerlegen kann. Hinsichtlich der ihr unterliegenden
Organe sind zweierlei Verhältnisse zu unterscheiden. Das der Rück-
bildung unterworfene Organ kann ausserhalb der Summe von Einrieb-
tungen stehen, welche dem bezüglichen ausgebildeten Organismus zu-
kommt, und besitzt dann nur eine vorübergehende, provisorische
Bedeutung. Solche im Verlaufe der Entwickelung liegende Reductionen
können an sich Vereinfachungen hervorbringen, indem aber die gleich-
zeitig an anderen Theilen stattfindende DifTerenzirung wieder neue höhere
Organe schaff, ist jene Rückbildung kein den Organismus niederhalten-
des Moment, vielmehr gibt sie für das Umsichgreifen einer anderen
Richtung der DifTerenzirung eine Bedingung ab. Hieher gehören die
Rückbildungen der Attribute gewisser Entwickelungszustände des In-
dividuums [Larvenorgane). (Vergl. § 5.)
Die andere Art der Rückbildung betrifll Organe, die dem ausge-
bildeten Organismus oder seiner Anlage angehören. Sowohl das be-
reits gebildete, in voller Function erscheinende, als das erst angelegte,
primär difTerenzirte Organ kann ihr unterliegen, und dadurch wird der
Rückbildungsprocess in verschiedenem Maasse deutlich. Wird nur das
Rückbildung der Organe. Correlalion. 57
angelegte Organ betrofien, 80 liegt der Vorgang oft schwer erkennbar
zwischen den am übrigen Organismus Platz greifenden Differenzirungs-
Processen. Dagegen muss der Process um so prägnanter erscheinen,
je mehr die Differenzirung bereits vorgeschritten oder vollendet war.
Die Reduction eines Organes steht in nolhwendigem Zusammen-
hang mit der Function, deren Aenderung als das die Rückbildung be*
dingende Moment gelten muss. Die Aussergebrauchstellung eines Or»
gans ruft dessen regressive Veränderung hervor, wobei man sich frei*
lieh die erstere ebensowenig als nur vort&bergehend , wie die letztere
als plötzlich oder rnsch aufnietend vorzustellen hat. Wenn auch durch
die Reduction im Ganzen eine Vereinfachung der Organe und damit
auch des Organismus hervorgerufen wird, so ist dadurch noch keine
den Organismus auf eine absolut tiefere Stufe fl&hrende £i*scbeinung
gegeben. Vielmehr kann die Reduction, ahnlich wie sie bei Entfernung
der Larvenorgane eine höhere Diflerenzirung möglich macht, auch für
ganze Reihen von einander abstammender Organismen höhere Formen
schaffen, indem sie das übrig bleibende sich selbständiger entwickeln
lasst. Hier gilt wieder die Reduction als Vorbereitung der Differenzi-
rung. Vorwiegend betrifft sie die Zahlenverhültnisse der Theile, die
mit der Verminderung sich individuell vervollkommnen.
Da die Rückbildung als ein allmählich sich äussernder Process er-
scheint, treten die davon betroffenen Organe uns in verschiedenen Sta-
dien entgegen. Diese rudimentären Organe werden für die ver-
gleichende Anatomie zu bedeutungsvollen Fingerzeigen für den Nachweis
verwandtschaftlicher Reziehungen, und lehren zugleich, wie ein Organ
auch ohne die ihm ursprünglich zukommende Function, ja sogar häufig
ohne eine für die Zwecke des Organismus verständliche Redeutung sich
noch längere Zeit forterhält. ehe es völlig verschwindet.
Die Rückbildung kann jedes Organsystem treffen, und an jedem
Bestandtheil eines solchen sich kundgeben. Sie äussert sich ebenso
an der Form wie am Volum und der Zahl der Theile, und triflX nicht
minder die Texturverhältnisse. Die Redingungen dazu sind zunächst
in Verhältnissen zu suchen, die ändernd auf den Organismus einwir-
ken. Je nach der Summe der betroffenen Organe wird die Reduction
mehr oder minder am ganzen Organismus sich kundgeben.
Correlatioü.
§ i9.
Die Differenzirung wie die Reduction bedingen in den ihnen zu
(«runde liegenden Causaimomenten eine neue Erscheinungsreihe, in wel-
cher wir die Kundgebung eines höchst wichtigen Gesetzes sehen. Wie
schon aus dem Regriffe des Lebens als der harmonischen Aeusserung
einer Summe gesetzmässig sich bedingender Erscheinungen hervorgeht,
58 Systematische Gliederung des Thierreiches.
kann keine Thütigkeit eines Organs in Wirklichkeit für sich bestehend
gedacht werden. Jegliche Art von Verrichtung setzt eine Reihe ande-
rer Verrichtungen voraus, und so muss auch jedes Organ innige Be-
ziehungen zu den übrigen besitzen und von den andern abh<ingig sein.
Dieses zuerst von Ccyier näher begründete, und als Gorrelation
bezeichnete Verhalten bahnt uns den Weg, auf welchem wir zu einer
richtigen Auffassung des thierischen Organismus gelangen können. Vor
Allem stellt sich hier obenan die Würdigung des Organismus als eines
individuellen Ganzen, das ebenso durch seine Theile bedingt ist, wie
ein Thell den andern voraussetzt. Die Correlation ist eben darum ein
nothwendiger Ausfluss dieser Auffassung.
Sowohl die Einrichtungen im Grossen, als auch die anscheinend
untergeordnetem Zustände der Organisation zeigen ihre Wechselbe-
liehung zu einander, und eine an einem Organsysteme gesetzte Ver-
minderung ruft gleichzeitig an einer verschieden grossen Anzahl anderer
Apparate Modificationen hervor. Diese sind also Anpassungen an
Veränderungen, die wieder aus*Anpassungen hervorgegangen sein kön-
nen. Sie sind jedoch secundärer Natur, während jene die primären
vorstellen, deren Quelle in der Aussenwelt zu suchen ist.
Man kann diese Wechselbeziehung oder Correlation in nähere und
entferntere theilen, davon die erslere an einem Organsystem oder
den damit functionell zusammenhängenden anderen Organsystemen sich
äussern, indess die letztere an den functionell weiter abstehenden Orga-
nen zur Erscheinung kommt. In der Beurtheilung der Correlation leiten
wesentlich physiologische Principien, es ist daher zu ihrer Erkenntniss
die Kenntniss der Leistungen der einzelnen Organe oder doch die
Schätzung ihres Werthes für die Oekonomie des Thierleibes unerläss-
lich. Ebenso ist von Wichtigkeit die Bekanntschaft mit den äusseren
Lebensverhältnissen des Thieres, weil aus dieser sich die ursächlichen
Momente ergeben, auf welche ganze Reihen von Beziehungen der OrT
gane sich stützen.
Indem so die bestimmenden Momente für die Veränderungen des
Organismus ausserhalb des letztern liegen oder doch zum grossen Theile
dort zu suchen sind, entziehen sie sich unserer Aufgabe.
Systematische Gliederung des Tliierreiclies.
§ 50.
In der Gesammtorganisation jedes Thieres erkennt man eine An-
zahl von Einrichtungen, welche es. mit einer verschieden grossen An-
zahl anderer Thiere gemeinsam hat. Diese Verhältnisse sind theils
allgemeiner Natur, betreffen die Lagerungsbeziehungen der wichtigsten
Organsysleme oder die Anordnung der letzteren selbst, theils finden
SyslMoatische Gliedcrnng des Thierrelches. 59
sie sich in specieller Aosftthrung der einzelnen Organe gegeben, und
fjbhen da bis zu UebereinslimmuDgen der Form-, Volum- und Zah-
lenverfafiJtnisse herab. Der ordnende Geist des Menschen hat für diese
Beziehungen der Organismen zu einander bestimmte Begriffe geschaffen ,
indem er die Summe aller sich im Wesentlichen gleich verhaltenden
Individuen als Art bezeichnete, die durch eine Anzahl von Einrichtun-
gen einander ahnlich erscheinenden Arten zur Gattung vereinigte
und endlieh diese wieder in grössere Abtheilungen, zu Fami-
lien, Ordnungen und Glassen verband. Daraus entstand das
zoologische System, welches auf Erkennung und Verbindung des
Debereinstimmendeii, Unterscheidung des Getrennten beruhend, sich
als der Ausdruck der Gesammterkenntniss des Thierreiches ergibt.
So Ittast sich das gesammle Thierreich in eine Anzahl von grosse-
ren Abtheilungen bringen, deren jede durch eine Summe von Eigen-
thtlmlichkeiten von der anderen verschieden ist. Der daraus resulti-
rende Gharackter zeigt sich durch alle Unterabtheilungen und lässt sich
selbst bei grossen Verschiedenheiten des Einzelnen noch erkennen.
Dies hat man als »Typus« bezeichnet. Typus bedeutet also eine
Somme am Organismus sieh äussernder Charaktere, die innerhalb einer
grössern Abtheilong des Thierreiches herrschend sind, indem sie so-
wohl im Laufe der Entwickelung als im ausgebildeten Zustande sich
aussprechen. Danach sind solch' grössere, von anderen durch gewisse
Gmndzüge der Organisation verschiedene Abtheilungen selbst als »Ty-
pen« bezeichnet worden.
Innerhalb jedes Typus bemerken wir an den ihn zusammensetzen-
den Abtbeilungen eine Variation der Einrichtungen, so zwar, dass nicht
selten gerade das für den Typus Charakteristische in einzelnen Formen
verloren zu gehen scheint. Dann ist es immer die Ontogenie, welche
den Zusammenhang der betreffenden Organismenformen mit dem »Ty-
pus« erkennen tüsst.
Wenn wir wissen, dass die Uebereinstimmung der Organisation
in verschiedenen Individuen sich aus der gemeinsamen Abstammung
erklärt, dass also jene Uebereinstimmungen auf einer Vererbung
beruhen, so werden wir entferntere Aehnlichkeiten auch auf Rechnung
einer entfernteren Verwandtschaft setzen müssen. Die einer Art (Spe-
cies) angehörenden Individuen betrachten wir somit als nilher unter
einander verwandt, als die Reprilsentanten verschiedener Arten, und
innerhalb der Art werden wieder die durch einzelne Besonderheiten
ausgezeichneten Individuen, die man als Unterart (Subspecies) zu ver-
einigen pflegt, gleichfalls von gemeinsamen Eltern abzuleiten sein.
Diese innerhalb kleinerer Kreise sich kundgebende Erscheinung,
dass die Eigenthünilichkeiten der Organisation sich durch Vererbung
auf andere Individuen fortsetzen, in dieser Weise anzuerkennen, tragt
Niemand Bedenken. Zum grossen Theil unterstellt sie sich sogar der
directen Beobachtung dadurch, dass sie uns die Nachkommenschaft den
"60 Systematische Gliederung des Thierreichs.
Eltern ähnlich zeigt. Indem wir diese Auffassung der Verwandtschaft
auch auf weitere Kreise übertragen, das Gemeinsame der Organisation
als die Folge der gemeinsamen Abstammung beurtheilend und die
Divergenz der Organisation von Anpassungen ableitend, stehen wir auf
dem Standpunkte der Descendenztheorie. (Vergl. §§. 4 u. 5).
Innerhalb eines Typus hat sich eine thierische Organisalionsfonn
nach den verschiedensten Richtungen hin entfaltet, die allmählich vom
Einfachen zum Gomplicirteren, vom Niederen zum Höheren hinleiteten.
Aus fortgesetzter Differenzirung lassen sich die Kategorien ableiten, die
wir als Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen, Classen unterschei-
den. Wenn die Verschiedenheiten der Classen, Ordnungen etc. von
einander so bedeutend sind, dass sie gänzlich unvermittelt sich dar-
stellen, so haben wir hiebei in Erwägung zu ziehen, dass in den
lebenden Formen uns nur die letzten Ausläufer grossartig verzweigter
Entwickelungsreihen von Organismen vorliegen, die in früheren Zeit-
räumen lebten und allmählich untergegangen sind. Zum Theil, wenn
auch nur zum allergeringsten, bezeugen dies die paläontologischen
Urkunden. Es sind die in den Erdschichten erhaltenen Reste unter-
gegangener Wesen, welche die Vorläufer, theilweise auch die Stamm-
eltern der später lebenden Organismen waren. Da die lebenden nur
einen kleinen Bruchtheil der gesammten Organismenwelt bilden, die
im Laufe der geologischen Entwickelungsperioden existirte, so können
wir nicht erwarten , dass weit zurückliegende Verbindungen überall
gleich deutlich hervortreten, dass überall die Uebergänge nachweisbar
und der genealogische Zusammenhang klar und ausser allem Zweifel sich
erkennen lasse. Wie oben dargethan, bilden diese Nachweise den
wichtigsten Theil der vergleichend-anatomischen Aufgabe.
Nach dieser Auffassung haben wir uns als Typus eine von einer
Urform ausgehende Entwickelungsreihe von Organismen vorzustellen,
die während der geologischen Entwickelung sich in viele Aeste und
Zweige differenzirte, von denen die meisten während verschiedener
Perioden zu Grunde gingen, während einzelne, wenn auch grössten—
theils verändert, bis heute sich lebend erhielten. Das in diesen viel-
fachen Differenzirungszuständen sich forterhaltende, von der Stamm—
form her mit Modificalionen sich vererbende Gemeinsame bildet das
Typische der Organisation.
§ 51.
Nicht für alle grossen Abtheilungen, die man als Typen aufzufassen
pflegt, ist gemeinsame Abstammung der zugehörigen Formen in glei-
chem Maasse nachweisbar. Für manche Abtheilung ist sogar eine poly-
phyletische Genese in hohem Grade wahrschehfilich, so dass andere als
genealogische Gründe die bezüglichen Organismen vereinigen lassen.
Solche Abtheilungen sind demnach nicht als Stämme zu beurtheilen.
Systematische Gliederung des Tbierreiches. 64
Dies gilt zunächst für die niederste Abtheilung, die der Pro-
tozoän, als welche ich einen Theil der von Hägkel zu einem be-
sonderen Reiche (dem der Protisten) vereinigten niedersten Organis-
men zusammenfasse. Auch für die Würmer ist eine monophy te-
tische Abstammung zweifelhaft und selbst für höhere Abtheilungen,
wie die der Arthropoden, bedenklich. Für andere dagegen ist die
Auffassung als Stamm besser begründbar. £s wird also geboten sein,
die grossen Abtheilungen als sehr ungleich w^erthige anzusehen.
Von solchen Abtheilungen unterscheide ich folgende:
1. Protozoen. 2. Cölentera ten. 3. Würmer.
5. Echinodermen. 5. Arthropoden. 6. Mollusken.
7. Vertebraten.
Der ungleiche Werth dieser Abtheilungen äussert sich nicht nur
in ihrer Zusammensetzung, sondern auch in dem Höhegrade der
Entfaltung der Organisation, wie im Verhalten der niedersten Zu-
stünde. Obwohl in jeder Abtheilung, oder in jedem Stamme und sei-
nen Verzweigungen eine vom Niederen zum Höheren fortschreitende
Differenzirung sich kund gibt, so ist doch der Grad der Organisations-
entfaltung ein sehr verschiedener, sowohl in den Zweigen eines und
desselben Stammes, als auch in den verschiedenen Abtheilungen oder
Stämmen unter sich. Durch die verschiedene Organisationshöhe der
Einzelzweige lassen sich diese innerhalb des Stammes in verschiedene
Rangordnungen bringen, und ebenso ergibt sich auch für die einzel-
nen Stämme eine bestimmte Rangordnung, je nach der Organisations-
stufe, in der der Stamm mit einem seiner Zweige culminii*t. Dadurch
können wir niedere und höhere Typen unterscheiden.
Ein drittes Verhalten bezieht sich auf die Anfänge d. i. die nie-
dersten Zustände der Typen, und dieser Punkt bereitet der näheren
Prüfung grössei*e Schwierigkeiten. Einmal existiren in manchen Ab-
tbeilungen mehrere Formen, die man als niederste oder Ausgangsfor-
men betrachten kann, und dann bieten diese eben durch die niedere
Organisationsstufe, auf der sie stehen, auch bezüglich der Verwandt-
schaft indifferentere Verhältnisse. Doch lässt sich aus diesen niederen
Formen in den höher organisirten Stämmen so viel mit Bestimmtheit
erkennen, dass sie auf gewisse Abtheilungen niederer Stämme bezo-
gen werden können. Somit besteht zwischen den einzelnen Stämmen
eine Verbindung und die Stämme oder Typen sind keine völlig isolir-
ten Abtheilungen, deren Anfänge selbständig und unabhängig von ein-
ander etwa durch Urzeugung hervorgingen. Durch diese erkennbaren
Verknüpfungen muss die von der CuviKR^schen Typenlehre her starre
Auffassung der Stämme bedeutend nachgiebiger werden, indem wir
die Beziehungen der Typen zu einander in keiner andern Weise treffen,
als die Abtheilungen innerhalb der Typen : in genealogischer Gliede-
rung. Die einzelnen Stämme sind weiter von einander entfernt, als
die sie zusammensetzenden Classen unter sich, und auch das Maass
62
Vergleich ung der Organe.
der Entfernung ist ein überall verschiedenes, eigenthUmlich für jedes
einzelne Yerhältniss. Das Verhalten der einzelnen grossen Abtheiiun-
gen zu einander lässt sich in folgendem Stammbaume darstellen.
Yertelirateu
(Leptocardier)
Mollusken
(Brachiopoden)
Arthropoden
(Cmstaceen) (tracheaten)
Echinodermen
(Asteriden)
(Tnnioaten) (Annulaten)
ürmer
Cölenteraten
(SpoBgien)
I
Protozoen
Die genauere Umgrenzung der einzelnen Abtheilungen wird in den
specielien Capiteln gegeben werden , ebenso die Motivirung der hier
nur angedeuteten verwandtschaftlichen Beziehungen.
Yerglelchung der Organe.
§ 5^
In jeder einen Thierstamm repräsentirenden Abtheilung kommt
eine Reihe von Organisationsverhaltnissen zur Erscheinung, die mit
der Entwickelung des betreffenden Typus eine bestimmte Richtung ein-
schlagen, aber alle auf einfachere Grundformen sich zurttckbeziehen, von
denen sie abstammen ; alle Organentfaltungen eines Typus stehen sonach
in einem genetischen Zusammenhang. Ein in dem einen Zu-
stande einfacheres Organ zeigt sich ohne Wechsel seiner allgemeinen
Beziehungen in einem andern Zustande auf einer höheren Stufe durch
Differenzirung umgebildet, hat neue Abschnitte, neue Organe aus sich
entfaltet. Wie bei der individuellen Entwickelung eine* unmittelbare
Fortsetzung der einzelnen Differenzirungszustände gegeben ist, so zeigt
sich auch bei jedem Typus (in verschiedenem Maasse deutlich] eine
Fortsetzung der sich differenzirenden Organe von einem Zustande in
den andern. Wo die ausgebildete Form durch eine weitere Kluft von
anderen Formen getrennt erscheint, da weisen die embryonalen Ein-
richtungen den Zusammenhang nach und füllen mehr oder minder die
VergtoichuDg der Organe. 63
Lttcken. Von der individuelleD Entwickelung unterscheidet sich die
Entfaliang der zu einem Typus geh<)rigen Formen dadurch, dass sie
nicht in einer einfachen Linie liegt. Von. allen Stadien aus bilden sich
Abzweigungen, die ihre eigene, das Wesentliche der Organisation zwar
fortvererbende aber zugleich vielfach modificirende Richtung einschla*
gen. Dadurch bleibt das Grundverhältniss der Organe unverändert,
und aus allen Graden der Modificaiion, sei es durch Differenzirung
oder durch Reduction, Idsst sich das verwandtschaftliche Verhältnisa
der gemeinsamen Abstammung erkennen.
Bei diesen morphologischen V'erdnderungen der Organe erleidet
auch die Leistung derselben Wandelungen, so dass ein und dasselbe
Organ in verschiedenen Formzustanden verschiedenen Verrichtungen
dient. Diese letzteren bleiben bei unserer Aufgabe untergeordnet, da
wir es nur mit dem morphologischen Verhalten zu thun haben. Dem-
gemäss unterscheidet die vergleichende Anatomie die morphologisch
gleichwerthigen Organe als Homologa von den physiologisch gleich-
bedeutenden Organen oder den Analoga. Homologie und Ana-
logie sind daher zwei scharf gesonderte Begriffe, von denen der eine
die Beziehung des Organs zu seiner Genese, der andere jene zu sei-
ner Verrichtung zum Objecte hat.
Der Bereich, in welchem Homologieen sich finden, wird in der Regel
meist durch die Grenze des Typus abgesteckt. Die Vergleichung be-
wegt sich ntu* innerhalb eines Typus auf festerem Boden. Darüber
hinaus trifft sie entweder nur Analogteen, da die Verwandtschaften der
Organe differenter Typen mehr auf die Aehnlichkeit oder Ueberein-
stimmung der Function begründet sind, oder die Homologie ist doch
minder sicher bestimmbar.
Wenn wir Körpertheile von morphologischer Uebereinstimmung als
Bomologa bezeichnen, so wird in Folge der verschiedenen Art dieser
Uebereinstimmung auch der Begriff der Homologie wieder in zwei
Hauptabtheilungen gespalten werden müssen. Wir unterscheiden eine
allgemeine und eine specielle Homologie.
§ 53.
i. Allgemeine Homologie besteht, wenn ein Organ auf eine
Kategorie von Organen bezogen wird, oder wenn ein damit vergliche-
nes Einzelorgan nur als ReprSisentant einer solchen Kategorie zu gel-
len hat. Die Kategorieen werden dann immer aus mehrfach im Kör-
per vorhandenen Organen oder Theilen bestehen. Wenn wir die Kor-
persegmente eines Gliederthieres, die Wirbel, die Gliedmaassen eines
Thieres etc. unter einander vergleichen, begründen wir allgemeine
Homologien. Diese löst sich wieder in Unterabtheilungen auf, nach
der Art der Organkategorie, die bei der Vergleichung diente.
4) Homotypie, an Organen, die sich als Gegenstücke zu ein-
64 Vergleichung der Organe.
ander verhallen, z. B. die Organe der beiderseitigen Körperhälften;
die rechte Niere ist der linken, das rechte Auge dem linken homotyp
u. s. w.
2) Homodynamie (die allgemeine Homologie Owbns, z. Th. auch
dessen Homologie der Reihe in sich begreifend), zwischen Körperlhei-
len bestehend, die auf eine allgemeine, durch Reihenfolge sich äussernde
Formerscheinung des -Organismus sich beziehen. Dadurch dass diese
Theile, den Typus des Organismus bestimmend, in der Liingsaxe
desselben angeordnet sind, unterscheidet sich die Homodynamie von
der nächstfolgenden Art. Homodyname Theile sind die Metameren,
also : die Segmente der Gliederlhiere, Wirbelabschnitte (Urwirbelj der
Vertebralen etc.
3j Homonomie. Sie bezeichnet das Verhältniss derjenigen Kör-
pertheile zu einander, die an einer Queraxe des Körpers, oder nur an
einem Abschnitte der Längsaxe gelagert sind. Die Strahlen der Brust-
und Bauchflosse der Fische, die einzelnen Finger und Zehen der höhe-
ren Wirbelthiere sind homonome Gebilde.
Ausser diesen Unterabtheilungen der allgemeinen Homologie sind
noch andere unterscheidbar, die jedoch von sehr untergeordneter Be-
deutung sind.
§ 54.
11. Specielle Homologie (Owkn), Homologie im [engeren
Sinne. Wir bezeichnen damit das Verhältniss zwischen zwei Orga-
nen gleicher Abstammung, die somit aus der gleichen Anlage hervor-
gegangen sind. Da das Aufsuchen der speciellen Homologieen genaue
Nachweise der verwandtschaftlichen Beziehungen erfordert, so ist die
Vergleichung innerhalb der unteren Stämme, meist nur auf die Organ-
systeme beschränkt; erst bei den Wirbelthieren vermag sie sich auf
engere Verhältnisse zu erstrecken. Wir können so z. B. unter den
Würmern oder bei den Mollusken kaum einzelne Abschnitte des' Darm-
rohres mit Sicherheit als homolog bezeichnen, indess wir bei den Wir-
belthieren sogar unansehnlichere Gebilde (z. B. die Cöcalbildungen
des Darmes, von den Amphibien an) mit Entschiedenheit als homolog
erklären können. Am bestimmtesten sind die Homologieen an Skelet-
theilen nachweisbar. Der Nachweis der speciellen Homologieen bil-
det einen grossen Theil der Hauptaufgabe der vergleichenden Anatonfie.
Die specielle Homologie muss wieder in Unterabtheilungen zertällt
werden, je nach dem Zustande der beztlglichen Organe, die entweder
in ihrem morphologischem Befunde wesentlich unverändert, oder in
demselben durch Hinzutreten oder Wegfall von Theilen geändert sein
können. Ich unterscheide daher:
Vergleich ttog der Organe. 65
4) Complete Homologie, wenn das bezügliche Organ, wenn
auch in Gestalt, Umfang und manchen anderen Beziehungen modificiri,
sich in Lage und Verbindung unverändert und vollstündig erhalten
hat. Diese Homologie findet sich meist innerhalb der engeren Abthei-
Jungen, seltener bei den weiteren Abiheilungen bis zu den Stämmen.
Complete Homologie zeigen z. B. die Oberarmknochen von den Am-
phibien bis zu den Säugethieren, das Herz der Amphibien und Rep-
tilien u. s. w.
2] Incomplete Homologie. Diese besteht darin, dass ein
Organ im V^erbdUniss zu einem andern ihm sonst völlig homol<^en
noch andere, jenem fehlende Theile mit umfasst, oder umgekehrt : dass
ein Organ im Verhältniss zu einem andern um einen Bestandthoil ver-
mindert ist. Als Beispiel mag das Herz der Wirbelthiere dienen. Von
den Cyclostomen an ist das Organ durch den ganzen Stamm homo-
log : die Homologie ist aber incomplet, denn bei den Fischen liegt noch
ein Theil des Venensinus ausserhalb des Herzens, der in den höheren
Abtheilungen ins Herz aufgenommen wird, und z. B. bei den Süuge-
thieren in den rechten Vorhof übergeht. Die Homologie zwischen
Fisch- und Säugethierherz ist also incomplet durch Zunahme. In
einem andern Falle kann sie durch Abnahme unvollständig sein.
Der umgekehrte vorige Fall könnte hier ebenfalls als Beispiel dienen,
wenn es gestattet wSre, das Fischherz als eine Reduclion aufzufassen.
Ein Beispiel bietet sich an den Brustflossen der Fische. Das Skelet
dieses Organs befindet sich bei den GanoYden oder Teleostiem durch
Reduction in incompleter Homologie zu jenem der Selachier. Hier sind
Theile verschwunden, die demselben Organe ursprünglich angehörten,
wie im ersterwähnten Beispiele Theile zu einem Organe hinzukamen,
die, obwohl anfänglich vorhanden, ihm doch nicht angehörten.
Literatur.
§ -^5.
För die wissenscheftliehe OrieatiruDg im Gesammtgebiete der Morphologie,
vornehmlich mit Hiosicht auf die in den vorhergehenden Paragraphen nur in
grösster Kärze behandelten Fragen ist als Hauptwerk zu sorgfältigem Studium zu
empfehlen :
Häcskl , E. , Generelle Morphologie der Organismen. Allgemeine Grundziige der
FormenwiSBenschaft , mechanisch begründet durch die von Cr. Dahwü« refor-
roirte Desc^odenztheorle. 8 Bde. Berlin 4866.
Ausserdem behandeln die Morphologie in fordernder Weise:
CAan, V.» System der thierischen Morphologie. 4 858.
BftON», Morphologische Studien über die Gestaitungsgesetze der Naturkörper. Leipzig
und Heidelberg 4858.
O^fenbaur« Grnndriffs. 5
66 Litejratur.
a. Von umfangreicheren Werken über das ganze Gebiet:
CuviER , G. , LcQons d'anatomie comparöe recueillies et publikes par Dumeril et
DcvERNOY. 5 vols. Pafis n99— <805. Unter dem Titel: Vorlesungen über
vergl. Anatomie, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von H. FRORlE^
und J. F. Meckel. 4 Bde. Leipzig 1809—10.
— Le^ons etc. , recueillies et publikes par Dumeril. Seconde edition. Tomes 8.
Paris 1835—46.
Meckel, J. f., System der vergleich. Anatomie. 6 Bde. Halle 1881—33 (unvoll-
endet, Geschlechtsorgane fehlen).
Milne-Edwards, H., Legons sur la physiologie et Tanalomie compar6e et l'homme
et des animaux. T. I— X. Paris 1857—72. Noch unvollendet.
Leydic, f., Vom Bau d. thierischen Körpers. I. Band. 1. Hälfte. Tübingen 1864.
b. Theile der vergleichenden Anatomie behandeln ausführlicher:
Huxlet, Th. H., Lectures on the Clements of comparatlve anatomy. (On the das*
sification of animals and on the vertebrate skull.) London 1864.
c. Als Lehr- und Handbücher der vergleichenden Anatomie.
Carus, C. G. , Lehrbuch der Zootomie. Leipzig 1818. Zweite Auflage als Lehr-
buch der vergl. Zootomie. 2 Bde. Leipzig 1884.
Waoner, R., Handbuch der vergleichenden Anatomie. % Bde. Leipzig 1834. Neue
Auflage als: Lehrbuch der Zootomie. 2 Bde. Leipzig 1843—48. (Zweiter
Band, die Anatomie der wirbellosen Thiere enthaltend , von H. Frey und
R. Leuckart.
V. Siebold und Stannius, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. 2 Bde. Berlin
1845. Zweite Auflage als Lehrbuch der Zootomie. Bis jetzt nur Bd. I Heft
1 — 2» Anatomie der Fische und Amphibien enthaltend, erschienen.
Schmidt, 0., Handbuch der vergl. Anatomie. Sechste Auflage. Jena 1871.
Owen, R., Lectures on the comparative anatomy and physiology of the invertebrate
animals. London 2. Auflage 1855. — Of the vertebrate animals P. I. Fishes.
London 1846.
Jones, Rymer, General outline of the Organisation of the animal kingdom, and ma-
nual of comparative anatomy. 4^. Edit. London 1871.
Harting, P. , Leerboek van de Grondbeginseien der Dierkunde in baren geheelen
Omvang. Deel I— III. Tiel 1864—72. Enthält auch die vergl. Anatomie.
d. Iconographische Darstellungen vom Baue der Thiere bieten:
Carus, C. G., und Otto, Erläuterungstafeln zur vergleichenden Anatomie. 8 Hefte.
Leipzig 1826—52.
Wagner, R., Icones zootomicae, Handatlas zur vergl. Anatomie. Leipzig 1841.
Schmidt, 0., Handatlas der vergl. Anatomie. Jena 1852.
Carus, V., Icones zootomicae. Leipzig 1857. Erste Hälfte. Wirbellose Thiere.)
Leydig, f., Tafeln zur vergl. Anatomie. Erstes Heft. Tübingen 1864.
e. Vergleichende Gewebelohre.
Leydig, F., Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankf. 1857.
Ausser diesen Werken ist auf zahlreiche Mono^raphieen zu verweisen, sowie
auf Abhandlungen und Aufsätze, welche die Schriften der Academieen und anderer
gelehrten Gesellschaften, sowie die Zeitschriften für Naturgeschichte, für Zoologie
und für Anatomie enthalten.
Specieller TheiL
Erster Abschnitt.
Protozoon.
AUc»in«ine XTebenioht.
§56.
Hieher zähle ich einige Abtheilungen jener Organismen, die durch
die Einfachheit ihrer Organisation die niederste Stufe der Lebensformen
beurkunden. Der Mangel an differenzirten Organen für die haupt*
sächlichsten Verrichtungen erscheint als das wesentlichste Merkmal. Aus
diesem negativen Charakter geht die Unzulänglichkeit der Abgrenzung
dieser Abtheilung hervor, an der etwas gemeinsam oTypisches«
weder in dem Verhalten des Körpers zu seinen Formelementen, noch
in der Organisation erkannt werden kann. Für keine der ihr beige-
zählten Gruppen ist in der Organisation etwas gegeben, was zwänge,
sie unbedingt als Thiere anzusehen. Vielmehr besteht in dem Fehlen
jeder geweblichen Differenzirung Grund, die hieher gerechneten Orga-
nismen mit anderen, die man als niedere Pflanzen zu betrachten pflegt|
als zwischen Thier- und Pflanzenreich stehende Lebensformen zu be-
trachten. Darauf gründet sich die Auffassung Häckbl*s, der die sämmt-
lichen niederen, weder den Thieren noch den Pflanzen zuzuzählenden
Organismen im Protistenreiche vereinigte, und damit die thatsäch--
lieben Verhältnisse in richtige Beziehungen brachte. In Anerkennung
dieser Auffassung scheint es unzulässig eine Abtheilung der Protozoon
zu bilden. Es ist aber die Kenntniss der im Protistenreiche waltenden
Organisationszustände für das Verständniss der thierischen Organismen
von 50 hohem Werthe, dass ein gänzliches Uebergehen der Protisten
dem Zwecke dieses Buches wenig entspräche. Dessbalb behielt ich
die Abtheilung der Protozoon hier bei, und führe in ihr eine Anzahl
von Formen auf, die geeignet sind von den einfachen Zuständen der
Organisation wie von dem geringen Grade der Sonderung ein Bild zu
geben.
Als einfachste Formen führe ich die Amöben [Protoplasten Hu.)
an, die aus einen oder auch mehrere Kerne führendem Protoplasma
70 Protozoon.
bestehen. Der Körper dieser Organismen zeigt bedeutende Formver-
änderungen als Lebenserscheinungen des Protoplasma. Nicht selten
treten diese Formveränderungen durch Aussenden und Einziehen von
Fortsätzen des Protoplasma auf (Pseudopodien).
^Is eine zweite Abtheilung betrachte ich die Rhizopoden, die
sich in zwei Unterabtheilungen, die Foraminiferen (Ac^ttaria Hkl.) und
Radiolarien, scheiden.
Bei ^den Foraminiferen bildet das Protoplasma den gesammten Kör-
per. Kernartige Gebilde fehlen entweder oder sind vorhanden, ohne
dass jedoch dadurch eine Verschiedenheit im Verhalten des Protoplasma
bedingt wäre. Ganz gleich verhält sich auch das Protoplasma der Aa-
diolarien, bei denen weitergehende Differenzirungen auftreten. Einmal
ist hier die im Innern des Leibes befindliche »Centralkapsel« anzuführen,
dann in dieser liegende oder sie umgebende Bläschen und Zellen. Diese
Theile erscheinen unzweifelhaft als Andeutungen eines zusammen-
gesetzteren Baues, allein das indifferente Protoplasma besorgt noch wie
sonst die Lebensverrichtungen. So eiftheinen die Radiolarien zwar
höher als die übrigen Rhizopoden differenzirt, aber gerade in den
wesentlichen Verhältnissen der Leibessubstanz (des Protoplasma) treffen
sie mit ihnen zusammen. Nehmen ^ir hiezu noch die in beiden Ab-
theilungen vorhandene Bildung von festen Stützgebilden, die Schalen
der Foraminiferen und die zierlichen Gerüste der Radiolarien, so sind
auch diese Einrichtungen nur geeignet, die Vorstellung einer ganz
anders gearteten Differenzirung des Rhizopoden - Organismus zu be-
gründen, und zugleich im Verein mit den übrigen Einrichtungen beide
Abtheilungen der Rhizopoden als divergirende Organismenreihen anzu-
sehen. Den Radiolarien stehen die Actinosphaeren (A. Eichhornii) am
nächsten.
Als eine dritte Abtheilung können die Gregarinen' gelten. Eine
äussere Abgrenzung des einen Kern uraschliessenden , und damit auf
der Stufe einer Zelle stehenden Körpers, fehlt nur in den frühesten
Jugendzuständen. Sie durchlaufen also den Zustand der Cytoden. Die
ausgebildeten Organismen lassen eine vom inneren Protoplasma diffe-
rent gewordene Hülle unterscheiden und bieten s(^ar in der darunter
liegenden Protoplasmaschichte noch Andeutungen höherer Differenzi-
rungen dar.
Die vierte Abtheilung bilden die Infusorien. Der gesammte
Organismus besteht auch hier wieder aus Protoplasma, das ein kem-
artiges Gebilde birgt. Die äusserste Schiebte des Leibes ist wie bei
den Gregarinen different, trägt aber in verschiedenem Maasse Cilien.
Ob der »Kema einen Zellenkem vorstellt, ist zweifelhaft, jedenfalls
kommt ihm eine höhere Bedeutung zu. Es ist daher ziemlich schwierig,
den gesammten Infusorienleib als das Aequivalent einer Zelle anzusehen,
an der alle Theile auf eine höhere Stufe der Differenzirung traten, und
damit Einrichtungen gewannen, die sie von dem Verhalten einfacher
Allgemeioe l'eb«rsicht. 71
ZeJIen entfernten. Andeutungen einer geweblichen Sonderung werden
nicht von dem fUr die Tbiere inaassgebenden Gesichtopuncte zu be*
urtheilen sein, denn da Zellen als Formelemente des Kdrpers hier
{änzlicfa fehlen, kann auch nicht von Geweben als Zellenderivalen die
Rede sein«
Die verwandtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Abtheilungen
der Prototote zu einander sind wenig sicher darzustellen. Höchst-
wahrscheinlich repräsentiren sie eine polyphyletische Gruppe.
Literatur.
Amöben: Ai-eibacr, C, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. VII.
Bhlacypoden : Duiakdir in Ann. sc. I. Hl. IV. — ScHttr», M. , Leber den
Organismus der Polythalamien. Leipzig 4854. — Carpbüter, W., Resear*
cbes on the Foraminifera. Phil. Tr. 4856. 59. — Introduction to the
study of the Foraminifera. London 4 86S. (R. S.) — HriLEv, Tr. H.,
Ueber Thalassicoila. Ann. nat. bist. 4 854. — Mille», J. , Abhandl. der
Berliner Acad. 4858. — HXckel, E., Die Radiolarien. Eine Monographie.
Beriin 486i.
Qragarinen: Stkiv, (}eber die Natur der Gregarinen. Arch. f. Anat. u. Pbys.
4848. — LiiBBUtHN, ^volut. des Gr^garines. Acad. Roy. de Belgiqup.
M6m. des Soc. 6trang^res T. XXVI. Ed. Va5 Beitede!« Rech, sur T^volut.
des Gr^garines. Bull, de TAcad. royale de Belgique tme $^r. T. XXXI. Sur
la Struct. des Gr^g. ibidem T. XXXIII.
Inftiflorien: Ehrerbeiig, C. G. , Die Infusionsthiere als vollkommene Organis-
men. Leipzig 4838. — Dijabdin , Hist. nat. des Infusoires. Paris 4841.
— Strih, Fb., Die Infusionsthiere auf ihre Entwickelung untersucht. Leipzig
4854. — ^ Der Organismus der Infusionsthiere. l. II. Leipzig 4859—66. —
CLAPABiDE» E., et Lachmann, Etndes sur les Infusoires et les Rbizopodes.
Genöve 4858—64. — Encelmann, Tb. W. , Zur Naturgeschichte der In-
fusionsthiere. Leipzig, Zeitschr. f. >^iss. Zool. XI.
Integument
Da der Kdrper der niedersten Organismen aus dem contraclilen,
IQ seinen Formzustttnden sehr veränderlichen Protoplasma gebildet wird,
80 fehlt mit einer bestimmten Abgrenzung des Körpers auch jegliche
Diflferenzirung eines Integumentes. Wir sehen den Körper der meisten
nicht mit einer Uttlle versehenen Protisten el>enso wie indiiferente Zellen
Fig. II.
72 IniBgumcnl,
höherer Organismen die Umrisse wechseln ; FortsaUe des Protoplasma
dehnen sich bald da bald dorthin aus, und lassen den übrigen Korper
nachfliessen. So liewegl sich der Körper mit slels wechselnder Ober-
fläche, an die jeder in dem einen Moment innen befindliche Substanz-
parliket in dem andern Moment mit der Bildung eines Fortsatzes her-
vortreten kann. Die ForisStie, Pseudopodien, erscheinen bald als
breite lappenartige Verlan gerungen [vergl.
Fig H) die durch wenig liefe Buchten
>on emandei getrennt sind, bald ei^iessen
sie sich als schmale StrOmchen, die nach
der Peripherie zu mimnichfach steh thei-
len, und damit vehtsiellc Ausliiufer vor-
stellen Sie charaklerisiren die Rhisopo^
den deren Protoplasma an allen gegen
die unmittelbare Körperoberflache gelan-
genden Stellen jene nScheinfUsschena aus-
senden kann ^vergl. Fig. H). fienacb-
barle Pseudopodien können in verschiedener Zahl an jeder Stelle
unter einander verschmelien big läx) oder auch netzartige Verbin-
dungen vorstellen. Dieses
^^' ' ' Verhalten des Protoplasma
wild durch im Innern zu
Stande gekommene Diffe-
renzirungcn (Skelelbil-
dungen elc.) nicht altenrt.
> Es ist der Ausdruck eines,
-^^- jeglicher peripherischen
Diirerenziruiig entbehren-
den Zustnndes der nieder-
sten lebenden Materie.
Durch Festerwerden der
■ ' ilussersten KCrperschichle
',■, '■''■'^'^^■: wird die allseitig sith jlus-
serndc Pseudopodienbil-
dung bcschriinkl. Mit der
chemisch - physikalischen
Veränderung der periphe-
rischen Theile bildet sich ein Gegensalz zu dem tlbrigen indifferent
bleibenden Protoplasma, welches zwar noch Beweglichkeit äussert, allein
durch die festere Rindenschichle in ansehnlicheren Excursionen gehemmt
Fi^. II. Eine Amölie in iwei verschiedetieo Momenten ihrer Bewegung dar-
geaietli. n Kern, i Aafgcnommcnc Nahrung. Auch einige Vacuoleo fiaA bemerkbar.
Fig. lä. Ein Bhiinport Foraminifcre — RolBlia; mit ausgestreclilcn Pscudo-
poitien, die aus den Poren der mehrknmmerlgcn Schale hervortreten. Bei x ist
ian peripherische Zusammen tliesscn mehrerer Pseudopodien ifargeslelll.
lotegumenl.
73
Fig «
wird. Dieser ZasUnd trifft sich unter den Prolisten bei deo Gregarinen,
woia die bei manchen AmOben vorkommenden Verhallnisse Ueber^nge
darbieten. Eine derbe, homogene, ivt-
weilen eine zarte Schichtung besitzende
Membran oberziehl hier den ganzen, nur
durch eine einzige Zelle gebildeten Kt(r-
per. Sie geht unmittelbar in die liefere
Schichte über, vor der sie als Difleren-
lirung Culicularbildung) erscheint. Wie
alle Cuticulae entbehrt sie der contrac- f /'j^
tilen Eigenschaft; sie ist dehnbar, ela- "^^j
slisch, und vermag so den Conlraclionen *\^^ 1
und Expansionen des Protoplasma lu
folgen.
Ausser dieser Sonderung der Cuti-
cularschichte besteht bei den Gregarinen
noch eine von den innem Theilen gesonderte Rindenschichte , welche
resistenter als das reichliche KOrnchen enthaltende Protoplasma erscheint,
und in ähnlicher Weise auch den .Infusorien zukommt.
§ 5«.
An die Sonderung des Körpers in eine tiussere Rindenschichte und
innere Psrenchymsubslans sdiliessen sich fernere Umbildungen der
Rindenschichle. Von diesen sind erstlich die Wimperhaare anzu-
führen, die bei den Infusorien in allgemeiner Verbreitung vorhanden
sind. Sie erscheinen als unmittelbare aber lebhaft bewegliche Verlän-
gerungen des Integuments. Entweder besetzen sie nur beschranktere
&itrperslelJen wie die sogenannte MundofTnung, oder sie sind über
grössere Strecken verbreitet, oder über den ganten Körper, huufig sehr
regelmässig, verlheilt. Dass sie UilTerenzirungen des Protoplasma sind,
gebtaus jenen im Bereiche anderer Protistengruppen vorkommenden Fäl-
len hervor, wo sie nur temporäre Gebilde vorstellen und nach Art der
Pseudopodien wieder ins Protoplasma des Übrigen KOipers eingezogen
werden können.
Modificationen der Wimperhasre sind die Geisseirdden sowie die
in der Nahe der Mundoffnung mancher Infusorien befindlichen undu-
lirenden Membranen. In anderer Art modificirt erscheinen die Wim-
perhaare als starre nur an der Verbindung mit dem Körper bewegliche
Gebilde, (Stylonychia) zuweilen sogar in plattenartigcr Verbreiterung.
Sowohl die Wimperhaare als die griffeiförmigen Forlsütte dienen
Fig. It. I. 1. Gregarinen aus dem Durmcnnale
< den mU ein«m »rüsgelarrigen« Fortsalze versehe
■ Vordertheit. b Hialerlheil <le« Körpers, c Kern.
Fig. i(. Gregirina Saenuridis. a b Zwei copulirle Individuen.
Opatrum sabuJosum, wovon
jüngeren Zustand dirstelli.
74 Integument.
als BeweguDgsorgane und lassen somil die/Locomotion ans In-
legem ent geknüpft erscheinen, wie sie l)ei der Pseudopodienbil-
düng mit der zeitweilig äusseren Körpersebichte verbunden war.
£ine andere in der Haut mancher Infusorien (z. B. Paramaecium)
beobachtete Erscheinung besteht in festeren, stUbchenartigen Bildungen,
die bei gewissen Einwirkungen einen feinen starren Faden hervortre-
ten lassen, Diese Gebilde liegen in senkrechter Stellung zur Längs-
axe des Körpers in der Rindenschichte. Sie erinnern an die Nesseln-
kapseln der Gölenteraten, ohne dass sie jenen gleich zu erachten wä-
ren, da sie nicht aus Zellen hervorgehen.
§ 89.
In der Rindenschichte des Leibes der Gregarinen und vieler Infu-
sorien erscheinen muskelähnliche Bänder oder Fasern. Bei den
Gregarinen sind diese Gebilde ringförmig oder auch spiralig angeord-
net und bilden eine dicht unter der Guticula gelegene Schichte, die
nur eine kurze Strecke weit auf den vom Körper meist durch eine
Einschnürung abgesetzten »Kopf« sich erstreckt, aber niemals in die
Scheidewand übergeht, welche jenen Theil vom Körper trennt.
Unter den Infusorien sind diese contraclilen Streifen vorzüglich bei
den grösseren Arten (der Gattungen Stentor, Prorodon, Spirostomum etc.)
erkannt. Bei anderen werden sie vermissl. Sie verlaufen bald longitu-
dinal, bald spiralig. Auch bei Vorticellinen kommen sie vor, und zwar
in Spiraltouren gegen das in den Stiel übergehende Köi^perende zu.
Dass diese Gebilde der Infusorien nicht die ausschliesslichen contractilen
Apparate des Körpers bilden, wird durch jene Infusorien erwiesen, die
bei dem Mangel dieser Streifen energische Contractionen des Körpers
auszuführen im Stande sind. Dass sie aber in der That contractu sind,
beweist Spirostomum, dessen Körperconlractionen nicht nach der Längs-
axe des Körpers, sondern in der Richtung des mehrere Spiraltouren
beschreibenden Streifen Verlaufes stattfinden.
In diese Reihe von Sonderungen aus dem Protoplasma gehört auch
der im Innern des Stieles der Vorticellinen verlaufende contract41e Strang
der bei Zoothamnium der Verästelung des Stockes gemäss verzweigt
erscheint, indess er bei Garchesium jedem Individuum des Stockes ge-
sondert zukommt. Obgleich dieser Strang mit der Muskelfaser über-
einstimmende Erscheinungen bietet, darf er anatomisch eben so wenig
wie die contractilen Streifen in der Rindenschichte des Leibes jenen
bistiologischen Formeleinenten gleichgestellt werden, da weder Zellen
noch deren Abkömmlinge an diesen Bildungen betheiligt sind.
Als SlOtiorgane des Körpers der ProtoiWn Tundren fesle Ge-
bilde, welche entweder als ein Gerüstwerk die weiche Körpersubslani
durchseUen, oder als Schalen und Gebüuse den Körper Ubersiehen.
Letzlere werden nach Naassgabe ihrer Ausdehnung und Resislens auch
als Schutiorgane sich verhalten.
Alle hier einzureihenden Gebilde sind mittelhare oder unmittel-
bare DiHerenzirungen des Protoplasma, entweder an der Oberfläche des
Leib^ oder im Parenchym gebildel. Je vollständiger diese Abschei-
dungen als Gehäuse den KOrper bedecken, deslo mehr treten sie der
freien Beweglichkeit entgegen, oder gehen wieder mit anderen conipen-
sirenden Einrichtungen einher [Foraminiferenj . Die lelzieren linden
sich bei inneren Gerüsten (Radiolarien vor, wenn nicht feslsiltende
Zustande vorliegen. Schalen und innere Gerüste treffen sich in grosser
VMi)reilang bei allen Abtheilungen niederer Organismen und zwar in
sehr verschiedenem Grade der Complicalion, der huufig zu jener des
Korpen in einem nmgek^rten Veriialtnisse steht.
Einfache, meist oval gestaltete, mit einer Oeffnung versebene Scha-
lenbildungen finden sich bei einer Abtheilung der Amöben (Difilugia,
Arcelta] . Die Schale ist bald weich, bald von grtfsserer Fesligkeil. Aehn-
Kche Schalenfonnen finden sich
auch bei Rhiiopoden vor, unter
denen sie die Einkam mengen
oder Honolhalamia cbarakterisi-
ren (Gromia, Lagj'nis;. Compli-
cirtere Formen entstehen bei den
Foraminiferen, indem sieh an ein
einfaches rundliches Gehäuse
neue Abschnitte anbauen, die
dann einzelne durch Oeffhungen
onter einander verbundene und
ebenso durch Poren nach aussen
hin communizirende Kammern
vorstellen, [s. Fig. 1 8, Fig. 1 S; .
Durch Kalk, seltener durch Kie-
Klerde, (Polymbrphina, Nonio-
Dioa] erhallen diese mehrkam-
merigen Schalen eine besondere Festigkeit und durch die Verschieden-
heil der gegenseitigen Lagerung , der Ausdehnung und Verbindungsweise
Flg. 4S. Durchschnitl einer Foraminirerenscliale Alveoliiia Quoü:,
cttm die Anordnung der einzeloen Kammern zu i-inander sichtbar if\
CuniTCi.)
76 Integument.
der Kammern entstehen mannichfaltige mit dem leichter gebauten inneren
Gerüste der Radiolarien an Formenreichthum wetteifernde Bildungen.
Durch Anlagerung in einer geraden Linie entstehen stabförmige,
oft knotig angeschwollene Gehäuse, deren einzelne als »Kammern« be-
zeichnete Abschnitte bald gleichgross, bald in verschiedener von einem
Ende gegen das andere hin zunehmender Grösse erscheinen (Nodosa-
riden). Eine spiralige Anordnung der Kammern, die in einer oder
in verschiedenen Ebenen lagern können, fuhrt zu Bildungen welche
Nautiiusschalen ähnlich sind (Fig. 12). Bedeutende Modificationen ent-
stehen durch Ueberlagerüngen der Spiraltouren, der Streckung oder
der Verkürzung der Spiralaxe etc. Die planorbisartigen Gehäuse der
Millioliden, bei denen stellenweise Einschnürungen die erste Spur 'einer
Kammerbildung aufweisen, stellen den einfachsten Zustand dieser For-
men vor. Durch ungleichartige Ansalze neuer Kammern wird die Spi-
ralform äusserlich aufgehoben (Acervulinen) , und ist nur in den ersten
Kammerbildungen zu erkennen. Gewöhnlich werden diese Gehäuse
mit äusseren Schalenbildungen zusammengestellt. Nur für wenige je-
doch erscheint dies passend. Uebcrall da, wo die Scheidewände der
sogenannten Kammern mehrfach durchbrochen sind, und wo zugleich
noch Porencanäle die Schale nach aussen durchsetzen, so dass also das
Protoplasma der Pseudopodien^ äusserlich die Schale bedecken kann,
erseheint die Schale vielmehr als ein inneres Gerüste. Wo die
Scheidewände nur durch mehrere einzelne, weite OetTnungen zwischen
sich lassende Säulchen oder Lamellen repräsentirt werden (Fig. 15),
und der Raum der Kammer selbst den mehrfachen Verbindungen zwi-
schen zwei Kammern an Volum sogar nachsteht, und wo endlich alle
benachbarten Kammerräume unter einander communiciren, und so das
ganze »Gehäusea von einem nach allen Richtungen communicirenden
Hohlraumsysteme durchsetzt wird : da ist der Charakter einer äusseren
Schale vollständig aufgegeben. Da aber in allen Fällen das Protoplasma
sich über die Aussenfiäche der Schale zu ziehen vermag, so ist, wie
Carpenter mit Recht erinnert, die Schalenbildung der Foraminiferen
als eine innere zu betrachten, und reiht sich darin den Gerüsten der
Radiolarien an.
§ 61.
Als ein allen Radiolarien gemeinsames, wenn auch weniger in die
Augen fallendes Stülzorgan muss die »Central kapsei« angeführt wer-
den. Es ist ein in der Mitte des Körpers gelagertes, in sehr verschiedener
Form auftretendes , kapselartig geschlossenes Organ , welches aus einer
chemisch dem Chitin nahe stehenden Membran gebildet wird. Es um-
schliesst ausser Fettkugeln und kleinen Bläschen regelmässig eine Quan-
tität Protoplasnia, welches wahrscheinlich durch feine Porencanäle mit
dem extracapsularen Protoplasma in Verbindung steht. Hiezu kommt
Inl^uoifnl.
77
nocfa bei den meisleo EUdiolarien ein gewohnlich aus Kieselerde he-
sleheodes Gerllste (es fehlt bei Tbalassicolla, Thalassolampe und Collo-
loon), welchA bei voIlsUlndifEer Ausbildung die Conlrslkapsel bis lur
HiUe durchseist. Id diesem Falle sind es mehrere von einem gemein-
saineD Hittelponkte ausstrah-
lende SlAcheln, die wieder '^
onler sich durch concen Irisch
geordnetes durchbrochenes
GitleroeriL verbunden sein
kSnnen (vei^l. Fig. 16 . Bei
ei n igen (Acantbomelriden)
wallet die organische Grund-
lage des Gerllsles vor, oder
die Kieselerde tritt erst all-
mählich an die Stelle der
oi^nisehen Substanz.
Einxdne lerslreute nadel-
fonnige Kieselstucke, welche
ausserhalb der Centralkapsel
frei im Protoplasma liegen,
bilden diL' ersten Andeutun-
gen dieses festen Skelcts bei
den Colliden und Polyzoön).
Bei Einzelnen gehen sie, ohne
fest verbunden zu sein, in eine radiäre Anordnung über. Durch Ver-
bindung der radialen Stächein in einer gleichen Entfernung durch
tangential veriaufende Stilbe entstehen kugelige, gilterförmig durch-
brochene Gerüste. Durch mehr unregeimilssige zwischen den Radiilr-
Elacheln liegende feinste Balkennetze kommen schwammförmige Gerüste
n Stande. Scheiben- und korbfOrmige Skelele Rowic endlich solch«,
bei denen eine spirnlige Anordnung gegeben ist, erhöhen den unend-
lichen Reichthum der Formen. So beul sich ein ausserordentlich com-
plicirter Sttltiapparat nuf, in welchem die weichen Kttrperlheile einge-
bettet sind, und für dessen einzelne Stücke das Protoplasma die Bil-
dungsstätte abgibt.
§ 62.
Diesen inneren Stützapparaten der Rhizopoden gegenüber bilden
die Gehäuse der Infusorien eine besondere Beihe von Einrichtungen
dadurch, dass sie nnr Abscheidungen der Oberditche des Leibes sind.
Die abscheidende Matrix ist somit hier ein nnaloniisch bestimmter Theil
Fig. 46. SicM pines HaiUolars {Actinnrnm
Irii^b anfcordnete dur('h1i>chFrte Schalen sind g
IMtcllt, Dnwiae driUe sichtbar lu machen. >Na
78 Intcgument.
des Körpers. Darin braucht jedoch keineswegs ein höherer Zustand
gesehen zu werden, vielmehr tritt in jenem Verhallen eine enge Ver-
knüpfung mit dem niedersten Zustande, der Zellenmemb^nbildung auf.
Die Gehäusebildung der Infusorien findet sich vorzüglich bei fest-
sitzenden Formen. Sie besteht in der Abscheidung einer anfänglich
weichen, allmählich erhärtenden Substanz, die becher- oder umen-
förmig den Thierkörper bis auf eine die Communicalion mit der Aussen-
weit zulassende offene Stelle umsibt. Von der blossen Guticularbil-
düng, die bei grösserer Festigkeit der differenzirten Schichte als Pan-
zerbildung erscheint, unterscheiden sich diese Gehäuse durch ihre Ab-
lösung von dem grösseren Theile ihrer Matrixfläche. Die Genese ist
jedoch für beide Gebilde dieselbe. Sie liegt auch Jer Gystenbildung
zu Grunde, die bei den Infusorien weit verbreiteter vorkommt. Bei
den Stielen der Vorticellinen und Acinetinen spielt sie ebenfalls eine
Rolle. Die unbeweglichen Stiele der Epistylis und die äussere Schichte
der contractilen Stiele von Vorticellinen und Carchesinen müssen als
solche Differenzirungen gelten. Die Gehäuse sind bald weich, bald
fester, membranös. Einige zeichnen sich durch Aufnahme von Fremd-
körpern, verkitteten Sandkörnchen elc. aus. Gehäuse besitzen die Gat-
tungen Vaginicola, Tintinnus u. a. Bei Stentor kommen sie in einzel-
nen Fällen vor. Auch gitterförmig durchbrochene Schalen sind be-
obachtet. Was die Panzerbildung betrifll, so ist dieselbe aus der glas-
hellen festen Gulicula entstanden bei Stylonychia, Euplotes, Aspidisca,
Spirochona, Coleps u. a. beobachtet.
§ 63.
Organe zur Aufnahme und Veränderung der Nahrung
fehlen den niedersten Organismen. Bei den Gregarinen geschieht die
iNahrungsaufnahme durch endosmotische Vorgänge von Seiten der Ober-
fläche und geformte Nahrungslheiie gelangen nicht ins Innere des
Körpers. Bei peripherisch nicht difl'erenzirtem Körper dagegen be-
steht eine directe Nahrungsaufnahme, die an jeder Körperstelle vor
sich gehen kann. So verhalten sich die Amöben und die Hhizopoden.
Die Nahrungsstofle werden hier von der weichen Körpersubstanz um-
flossen wie bei den Amöben, oder sie werden von den Fortsätzen des
Körpers, den Pseudopodien, umhüllt. Beiden Fällen liegt eine und
dieselbe Erscheinung zu Grunde. Jede Stelle im Protoplasma
kann durch Einschliessen und Ausziehen der Xahrungs-
stoffe als verdauende Cavität fungiren und an jeder be-
nachbarten Stelle der Oberfläche können die unverdauten Substanzen
wieder entfernt werden. — Auch bei Actinosphärium wird geformte
Nahrung ins Innere des Körpers aufgenommen, die Pseudopodien sind
hier jedoch nur mittelbar thätig, indem sie die Beute an den Körper
heranziehen und sie an Ix'liebiger Stelle in das aus einander wei^
Int«gument. 79
cbende Parenchym der Rindenschichte eintrelen lassen (Fig. 17), tod
wo sie to die centrale Korpersubslani grianfct. Im Vergleiche mit den
Rhizopoden besl«ht hier das Eigeoibtlm-
liche, dass der aurtun^mende Bissen
nicht von ungeformtem Protoplnsma der
Pseudopodien, umflossen wird, sondern
direct in dtfÜBreniirtere Leibestbeile tritt.
Die Infusorien zeigen bestimmlere Ein-
richlnngen. Die Art der Nahrungsauf-
nahme in den Kttrper ist tweifach ver-
schieden. In dem einen bei den Acine-
tinen gegebenen Falle fehlt eine Hund-
OITnuDg, und die strahligen die Hülle des
Kdrpers durchsetiendea pseudopodien-
■Ibnlic^en Fortsetze [Fig. 19] wirken wie
SeugrOssel. Unter nupEartiger Ausbreitung ihres Endes legen sie sich an
die in ihren Bereich genilhene Beute, die aus anderen Infusorien u. s. w.
besteht, und lassen die KSrpersubstanz derselben wie durch eine
Robre in continuirlichem Strome in ihren Ktirpor U berfli essen , wo sie
in Form von TiHpfchen das Leibesparenchym erfüllt. Das Voi4ommen
ähnlicher Fortsätze bei den Embryonen anderer Infusorien iHssl dieser
Brnührungsform eine grossere Ausdehnung beimessen. In der anderen
Form wird eine bßbere Stufe reprasentirt; es bestehen nicht nur be-
stimmt organisirte Stellen zur Aufnahme, sondern auch bestimmte
Stellen zur Auscheidung des L'nbrauchbaren. Ein Dannrohr fehlt je-
doch auch hier überall, und jene Di fferenzi rangen beschrünken sich
auf die Rindenschkhte des Kitrpers, so dass jenseits derselben die
NahrungsstofTe in weiches Parencbym, d. b. in den nicht ditTerenzirten
Protoplasmaresl des korpers gelangen, in welchem sie keine besoo-
ders umwandeten Wege mehr antreffen. Hier bilden sieb für die
.Vahrungsballen lemporüre Räume als verdauende Httblen, deren häufig
zu beobachtendes Zusammenlliessen wahrend der Bewegung des IVo-
toplasma ihre vorübergehende Existenz zu erkennen gibt. Es besteht
hier somit die L'f^bereinstimmung mit den Rhizopoden, dass ein Tbeil
des Emährungsapparates, nämlich die Stellen, an denen die Nahrung
verdaut wird, der organologischen Differenzirung entbehrt.
Die mit einer HundSffnung versehenen Infusorien besitzen diese
entweder in Form einer einfachen, oft nur während der Aufnahme
eines Bissens wahrnehmbaren Spalte, oder dieselbe zeigt sich nicbt
unmittelbar an der Oberlteche des Körpers, spndem im Grunde einer
sehr verschieden gestalteten, zuweilen auch die AuswurfsOfTnung auf-
Fig. n. Aelitiotpliäriiäm. a eio Bis-iea, cipr eben vom Tliicre in ilie weiclie
Corticalscbicht t eingedrückt als Nalining BufgFnommt-ii «ird. e cviitrale» Körper-
parenchym. d einige in IHiterrtn hrHndlicIiP NshrangiitHitlen. e Pwadopodien ikr
CorticalKhicbt.
80
Integument.
Fig. 4 8.
nehmenden Vertiefung (Vorhof), deren Umgebung (Perislom), meist
auch in der Form sich cnuszeichnot. Vom Munde aus erstreckt sich
häufig ein röhrenartiger Abschnitt als Schlund Fig. 48 b)
ins Körperparenchym (a), und von da aus beschreibt der
aufgenommene Bissen seinen Weg innerhalb der weichen
Substanz des ielzteren.
Die Lage und Form der Mundöffnung der Infuso-
rien ist ausserordentlich verschieden. In vielen Fallen
ist sie nur wiShrend der Aufnahme von Nahrung wahr-
nehmbar (z. B. bei Amphileptus, Loxophyllum) und
verschwindet sofort nach dem Eintritte des Bissens ins
Parenchym. An dem röhrenförmigen Schlünde trifft
sich zuweilen ein Wimperbesatz [Paramaecium aurelia
und bursaria; eine undulirende Membran bei Bursaria
flava) oder eine Auskleidung mit stabförmigen Zühnchen
oder feinen Liingsleisten. St<lbchenauskleidung des
Schlundes besitzen Prorodon, Chilodon, Nassula etc. in einer fischreusen-
förmigen Anordnung. Eine gleichmässige Verdickung der Schlundwand
ist bei Ervilia und Liosiphon beobachtet.
Von einer Auswurfsöffnung ist allgemeines Vorkommen noch kei-
neswegs ermittelt. Nur in wenigen Fällen stellt sie eine bleibend ab-
gegrenzte Oeffnung dar, die meislentheils nur während des Hervor-
tretens unverdauter Nahningsstoffe unlerscheidbar ist. Diese »After-
steile« findet sich in der Regel am hintern Köi*perende, doch im Gan-
zen vielfach wechselnd. Auch am vordem Körperende kann sie vor-
kommen, so liegt sie bei Stentor in der Nahe des Mundes und bei
Vorticellinen und Ophrydien im Voi'hofe. Im Ganzen genommen scheint
hier mehr die Localistrung einer Function als die Ausprägung eines Or^
gans zu bestehen. Die Auswurfstoffe treten an einer bestimmten Stelle
durch die differenzirte Rindenscbichte des Körpers, die dazu keine
besondere Organisation besitzt.
§ 64.
Der äussersten Körperschichte kommt bei allen Protozoon eine
respiratorische Bedeutung zu, da nur durch sie der Gasumtausch mit
dem umgebenden Medium vermittelt wird. Bei der durch die Pseu-
dopodien gegebenen Oberfljichenvei'grösserung des Körpers wird auch
dieses Verhältniss mit in Betracht zu ziehen sein. Von Bedeutung für
den Wasserwechsel sind die Wimperhaare der Infusorien.
Mit der bei vielen Protisten bestehenden Wasseraufnahme ins In-
nere des Körpers treten bestimmtere, auf die Athmung beziehbare Ein-
Fig. 18. Schemolischc Darstellung der verdauenden Cavltat bei Paramaecium.
a mit weichem Protoplasma gefüllter Leibesraum, in welchen die Nahrung aufge-
nommen wird. 6 MundöfTnung. c After, d contractile Hohlräume. Nucii I acumanv.
DifferenxiruDgdn des Protoplasma. 84
richiangen auf. Im Innern des Protoplasma erscheinen Hohlräume,
die mit einem Fluidum sich füllen und, nachdem sie d|s Maximum
ihrer Ausdehnung erreicht, sich unter allmählicher Contraction wieder
völlig entleeren, so dass sie in diesem Zustande verschwunden schei-
nen. Die Folge der Expansionen und Gontractionen ist häufig der
Systole und Diastole der Kreislaufcentren höherer Organismen ähnlich,
eine* regelmässige, rythroische. Dadurch unterscheiden sie sich von den
Vacuolen, welche in Zellen gewisser thierischer Gewebe (Entoderm der
Spongien) auftreten. Solche contractile Blasen ßnden sich, abge-
sehen von anderen Abtheilungen der Protisten, bei Amöben (Difflugia
und Arcelia) und in grosser Verbreitung bei den Infusorien. Sie werden
gleichfalls als Vacuolen bezeichnet.
Das in den Blasen sich sammelnde Fluidum stammt aus dem Kör-
perparenchym, und wird bei der Contraction der Blase entweder da-
hin zurückgetrieben oder nach aussen entleert. Letzleres ist durch
die Wahrnehmung feiner nach aussen gehender Communicationen wahr-
scheinlich geworden, es ist aber dabei auch die Aufnahme von Wasser
durch denselben Weg nicht mit Sicherheit abzusprechen. '
Bei den Infusorien liegen die Blasen in der Rindenschichte meist
dicht unter der zarten Guticula und zwar an constanten Stellen. Ist
nur eine contractile Blase vorhanden, so liegt sie entweder vom oder
hinten; bestehen zwei, so findet sich je eine nahe an einem Körper-
ende. Durch eine grosse Anzahl kleiner Blasen ist Trachelius ovum
ausgezeichnet. Besondere Membranen sind weder an der Wnnd der
Blase nodi der davon ausgehenden Ganäle unterscheidbar. Wie die
Blase 80 sind auch die Ganäle nur während des Zustandes der Füllung
erkennbar. Die Gontractionen der Blase und der Ganäle zeigen sich
in einem Wechselspiele. Bei Paramaecium erweitem sich die Ganäle
mit dem Beginne der Systole der Blase, und rücken mit der sich ver-
kleinernden Blase zusammen, so dass sie, wenn letztere auf dem Hö-
hepunkte der Systole verschwunden ist, eine sternförmige Figur bil-
den. Mit der Füllung der Blase erscheinen die Ganäle an ihr wie kleine
Ausbuchtungen, und erst bei der vollen Diastole tritt an ihnen wie-
der ein gleichweites Lumen auf. Die bei P. aurelia auf 8 — 10 be-
schränkte Zahl der Ganäle erhebt sich bei Bursaria flava auf 30 und
bei Cyrtostomum leucas steigt sie auf eine noch höhere Zahl. Der Ver-
lauf ist hier wellig gebogen und gegen das Ende zeigen sie Theilung.
Durch Zusammenfliessen einzelner mit Wasser gefüllter Räume auf
längeren Strecken bilden sich canalartige Züge, wie z. B. bei Stylo-
nychia (St. roytilus), die auf bestimmten Wegen gegen die contractile
Blase vorrücken und sich in sie entleeren. Daran schliessen sich die
gleichfalls nur zeitweise aber doch auf grösseren Strecken sichtbaren
Ungscanalbildungen, wie solche bei Spirostomum (Sp. ambiguuin) vor-
kommen.
89 Protozoon.
* § 65.
Der niederem Stufe der Organisation der Protisten entsprechend
findet bei den Protozoon die ungeschlechtliche Vermehrung eine reiche
Verbreitung. Bei den einen ist sie die ausschliessliche, bei den an-
dern erscheint sie mit einer mehr oder minder deutlichen geschlecht-
lichen Diflferenzirung. Die einfachste Form der ungeschlechtlichen Forl-
pflanzung, jene durch Theilung, scheint bei den nackten Amöben all-
gemein. In wiefern sie den Rhizopoden zukommt, ist noch unbe-
stimmt. Sehr allgemein findet sie sich dagegen bei Infusorien, bei
denen auch Sprossenbildung, wenigstens bei den festsitzenden Abthei-
lungen (z. B. bei Vorticeilinen) vorkommt. Die Sprösslinge lösen sich
vom Mutterthier ab und führen eine Zeitlang mittels Cilien umher-
schwimmend ein freies Leben.
Innere Sprösslinge, Keimkörner, scheinen unter den Rhiitopoden
bei den Acyttarien beobachtet zu sein. Genauer ergeben sich die
Fortpflanzungs Verhältnisse der Radiolarien, bei denen aus dem Inhalte
der Centralkapsel hervorgehende geisseltragende Körper (Schwürmspo-
ren) erkannt worden sind. £ine wichtige Form der Fortpflanzung bie-
ten die Gregarinen. Der hier beistehende Modus wird durch die Ver-
bindung — Conjugation oder richtiger Concrescenz — zweier
Individuen eingeleitet. Diese Erscheinung erfolgt bald sehr frühzeitig,
so dass die beiden Einen Körper bildenden Individuen, deren eines
mit seinem Vorderende dem Hinterende des anderen angefügt ist
(vergl. Fig. i 4j , noch längere Zeit hindurch wachsen , oder die
Conjugation tritt erst später an bereits ausgebildeten Formen ein. Dar-
auf erfolgt ein von Encystirung begleiteter Ruhezustand, wobei beide
Individuen einen rundlichen Körper vorstellen, an dem man noch einige
Zeit eine jene beiden trennende Scheidewand wahrnimmt. Nach-
dem diese geschwunden, löst sich die Körpersubstanz^ auch der Kern,
in eine formlose Masse auf, aus der allmählich zahlreiche Bläschen her^
vorgehen. In jedem der letzteren bildet sich eine Anzahl von Keim-
kömem, wegen ihrer Gestalt als »Pseudonavicellen« bezeichnet. Diese
füllen allmählich die ganze Cyste, und jeder der kleinen Körper lässi
einen nur aus Protoplasma bestehenden kleinsten Organismus entste-
hen, der, noch ohne Nucleus, einer Cylode entspricht.
Jedes dieser sich amöbenarlig bewegenden Gebilde differenziri
sich allmählich zu einem jungen Gregarine, nachdem sich im Innern
ein Kern gesondert, und äusserlich eine Rindenschichte abgegrenzt bat.
Obgleich diese Concrescenz für die Einleitung der erwähnten Vor^
gänge noch keine exclusive Bedeutung besitzt, da auch einzelne Gre-
gannen jenen Fortpflanzungsprocess in derselben Weise eingeben klei-
nen, so wird sie doch nichts weniger als gleichgültig sein. Sie deutet
wenigstens für die Fälle, wo sie besieht, die Nothwendigkeit zweier
lodividueD aa, wdobe fUr die FortpOaniung die VorausuUuog bilden.
Damit wird sie lu «iner vorberailendeo Erscheinung fUr die gGScfaleoht-
licfafl DiSerenurang.
Auch in den Fortpflanzungsverhallnissen der Infusorien kommt der
CoDcrescenz eine Rolle tu. Sie geht in der Regel der Bildung von
Geschlechtsproducten voraus. Hiehci ist der als Kern (Nucicus) und
ein daneben gelagertes meist klei- '
neres KOrpercfaen, der Nucicolus,
von besonderer Wichtigkeit. DerKcrn
[ng.19.n)isteinfesteres,zuweileneine
besondere Hulle besitzendes Gebilde
von sehr verschiedener Gestall. Er
liegt in der Rindensubslanz des Kör-
pers, oder ist, wenn tiefer ins In-
nere gebettet, doch vod einer Aus-
breitung dieser Substanz umgeben.
Er ist bald oval oder rund, oder
ersdietnt bandfOnnig- gebogen (Vor-
licellinen] oder auch sehr lang ge-
streckt mit regelmässigen EinschnU-
nii^D (Spirostomum) . Der Nucleo-
lus ist vom Nucleus anscheinend
nur durch geringere Grosse ver-
sdiieden , erscheint aber im Laufe
der Differenzining seiner Substanz
von anderem functionellem Werthe.
Der For^illanzuDgsact wird in der Regel eingeleitet durch völlige oder
theilweise Verschmelzung zweier Individnen, die bald von gleicher,
bald von verschiedener Grttsse sind und dadurch zur Verwechse-
lang mit Theilungszustanden oder mit Knospenbildung Anlass gaben.
Diese Goncrescenz gibt die Anregung zu Veränderungen der bezüg-
lichen Theile. Am Nncleus geht eine Theilung vor sich, welche
denselben in von einander getrennte Kugeln zerlegt. Diese sollen sich
zum Theil wieder untereinander vereinigen und ein Gebilde herstellen,
welches durch einen neuen Scheid ungsprocess die sogenannten >Km-
bryonalkugelna aus sich entwickelt, in deren Innerem ein neues Indi-
viduum entsteht. Auch der nicht allgemein vorkommende Nucleolus
erleidet mit der Goncrescenz Veränderungen ; er nimmt an Grosse zu
Fig. IB. Eine AciDcte mit «iaem Thell des Stieles, p PMndopodienHhn-
llcbe aber starre Tentakel. t> Vecuole. n Kern. » Ein bewimpertes Junge In der
rage Dann len Brothöh ie liegend.
8i Protozoon.
und entwickelt in seinem Innern feine faden- oder stäbchenförmige
Gebilde, die man nur functionell den Samenelementen gleichstellen
kann. Er ei^scheint somit als männliches Organ, während der Nucleus
das weibliche repräsentirt. Der Nucleolus ist immer nur einfach vor-
handen, wenn auch mehrfache Nuclei bestehen.
Die Einwirkung der aus dem Nucleolus sich entwickelnden Sa-
menelemente scheint durch eine unmittelbare Verbindung zu Stande
zu kommen, wenigstens hat Stein bei mehreren Infusorien (Pleuro-
nema chrysalis, Paramaecium aurelia. Prorodon teres und Encheliodon
farctus) »stabförmige Körperchen« im Nucleus beobachtet. Aus den
»Embryonalkugelna scheint sich bald nur je ein Embryo zu bilden,
bald gehen durch DifTerenzirung der einen festeren zapfenförmigen
Kern umgebenden Substanz mehrfache Embryonen hervor, so dass
die Einrichtung einem knospenbildenden Keimstocke ähnlich ist.
Obschon noch viele hier einschlagende Verhältnisse in Frage ste-
hen, so ist doch in der ganzen Einrichtung eine nicht blos relativ
hohe, sondern auch höchst eigenthUmliche Diflerenzirung ausgesprochen,
die mit höheren Organismen nur Analogien darbietet.
Zweiter Abschnitt
Cölenteraten (Zoophyten>
Al]c«iiii«ine Uebenlolit.
§ 67.
Mit dieser Abtheiliing beginnen die zweifellos als Thiere su be-
stimmenden Organismen, deren niederste Formen schon eine Sonderung
des Körpers in zwei differente Gewebe erkennen lassen. Die Anlage
des Körpers lässi zwei Zellenschichten, eine äussere als E Clo-
derm, und eine innere als Entoderm hervorgehen. Dabei
bleibt es bei den Spongien, indess bei den Acalephen noch eine
mittlere Schicht als Mesoderm auftritt. Der wesentlichste Cha-
rakter der in dieser Abtheilung vereinigten Thiere besteht in dem
Verhalten des Emährungsapparates. Dieser stellt einen in das Körper-
parenchym eingesenkten Hohlraum dar^ der sich entweder canalartig
vertheilt, oder in weitere Räume tibergeht. Diese verdauende Cavität
mit ihren Nebenräumen repräsentirt die einzige Hohlraumbildung im
Körper. Wo mehrere Individuen zu Colonien — Thierstöcken — ver-
einigt sindy ist das von der verdauenden Cavität ausgehende Canal-
system für alle gemeinsam, und setzt sich in die gemeinschaftliche
Substanz des Thierstockes — das Cönenchym — fort. Am Körper ist
entweder nur die Hauptaxe unterscheidbar, und Nebenaxen sind noch
iDdiflTerent, oder es bestehen Nebenaxen die unter sich gleich werthig
erscheinen.
1. Spongiae (Poriferi).
Myxospongiae.
Halisarca.
Fibrospongiae.
Ceraspongiae.
Ettspongia, Spongelia, Poleriam.
Halichondriae.
Axinella, SpoagUla.
86 Cöleiiterateu (Zoopbyten)
Corlicatae.
Tbethya.
Hyalospongiae.
Eoplectella.
Galcispongiae.
Ascon, LeucoD, Sycon.
II. Acalephae.
1. Hydromedusae.
Hyd riformes.
Medusiformes.
Sarsia , Bougainvillea , Lizzia,
Oceania ; — Eucope, Tbaumantias.
Trachynema; — Aegina, Cu-
nina ; — Liriope , Geryonia ; —
Aequorea.
Hydra; — Cordylophora ; —
Hydractinia ; — Coryne , Syn-
coryne, Eudendrium; — Tübu-
laria, Corymorpha; — Campa-
nularia, Sertularia, Plumularia.
Siphonophora.
Yelella, Porpita: — Dipbyes, Abyla; — Alhorybia, Agalma, Pbyso-
phora, Physalia.
2. Calycozoa.
Lucerna ria.
3. Medusae (Discophora).
Charybdea, Pelagia, Aurelia , Rbizostoma, Cassiopeia.
4. ÄDthozoa.
Tetractinia.
Cereanthus, Cyathophyllum.
Hexactinia.
Antipatbes, Fungia, Madrepora, Aslraea , Oculina^ Caryophyllia.
Octactinia (Alcyonaria).
Alcyonium, Pennatula, Virgularia, Verelillum, Renilla, Gorgonia, his,
Corallium.
5. Clenophora.
Beroe, Cydippe, Cestum, Eurhamphaea, Mnemia, Euchahs.
Literatur.
8iK>ngien: Grant, R. E, Observ. on the struct. and funci. ofSponges. Edinb.
New. phil. Journal. 4826. 4832. — Lieberkühn, Beitr. z. Entw. der Spon-
gillen. Arcb. f. Anat. u. Physiol. 4856. Zur Anal. d. Spongillon ibid. —
Derselbe, z. Anat. d. Spongicn, ibid. 4857. 4859. 4 863. — Scbcltze, M.,
Die Hyalonemen. Bonn 4860. — Schmidt, 0., Die Spongien des adriat.
Meeres. Leipzig 4862. Supplement 4864. Zweites Supplement 4867. Drittes
Supplement 4868. — Claus, über Euplectella Aspergillum. Marb. u. Leip-
zig 4 868. — Harting, P. , Sur le genre Poterium. Natuurkund. Verhan-
delingen, P. II, St. 2. Ulrecht 4870. — Hackel, Die Kalkschwämme, eine
Monographie. 3 Bde. Berlin 4872.
Acalephen: Cavolini, Memoric per servire alla storia dci polipi marini. Na-
poli 4785. (Deutsch von Sprengel. Nürnberg 4 84 8.) — Eschscboltz, Sy-
stem d. Acalephen. Berlin 4 829. — Lesson, Zoopbytes acalöphes. Paris
4843. (Suite ä Buffon.). -* Sars, Fauna littoralis Norvegiae I. 4846. <-
Frey u. Leuckart, Beiträge zur näheren Kenntniss wirbelloser Thiere.
Braunschweig 4847. — Jounstoü , A history of the british Zoopbytes. 2
vols. London 4847. — Huxley, on the anatomy and affinities of the fa-
mily of the medusae. Phil. Tr. 4 849. — Agassiz, L., Contributions to the
korperrorm. 87
Bat. hisi. of tho Acatopbac of N. Am. (Mem. of the Amcr. Acad. of ArU
and Sc. Cambridge 1850). — Agassiz, L., Contrib. to the nat. bist, of Ihe
tnited Stetes of North America. Vol. III. IV. 4860-^62.
Uydromedusen: Vav Bereoem, Möm. sur les Campanulairea de ta cAto
d*Osteodo. (Noav. M«m. de TAcad. royale de BiHEelles. T. XYII.) Rc-
cbercbea sur fembryog^nie des Tobulaires (ibtd.). — Köllikee, Die
Schwimmpolypen von Hessina. Leipzig 4868. ^ Ledceaet, R., Zur nttheren
Keniitniss der Siphonophoren von Nizza. Arch. f. Nat. 4 854. — Gegehbavh,
Beitr. zur näheren Kenntniss der Siphonophoren. Zeilschr. f. wiss. Zoologie.
Bd. V. — VoGZ, C, Sur les Siphonophores de la mer de Nice. M^m. de Tinst.
Gdn^vois 4854. — Claos, Geber Physophora hydrostatica. Zeitschr. fiir w.
Zoolog. Bd. X. Neue Beobachtungen ibid. Bd. XIII. — Hackel, E., Zur
Entwickelungsgesch. der Siphonophoren. Natuurkund. Verhandelingcn.
P. I. St. 6. Utrecht 4869. — Ulilet» Oceanic Hydrozoa. London 4 859.
(R. S.) — PoABESy Ed., a monograph of the british nakedcyed medusae.
London 4848. (R. S.) — HXcebl, Die Familie der Rüsselquallen. Je-
naiscbe Zeitschrift Bd. I. H. (Auch unter d. Titel : Beitr. zur Naturgesch.
d. Hydromadttsen 1. 4865. — Schulze, F. E. , Ueber den Bau und die
Entwickelung der Cordylophora lacustris. Leipzig 4874. — Kleirsübeec, N.,
Hydra, Leipzig 487S. — Allman, G. J. A., Monograph of the Gyronoblastic
or iubolarian Hydroids P. 1. u. II. London 4874. 7i. (R. S).
Calycozoi^D: Claek, H., Prodromus of tbe history etc. of the order Lucer-
naria Journ. of Bost. See. of Nat. bist. 4868.
Oiscophoren: Beaedt, Ausführl. Beschreib, der von H. Mertens auf seiner
Weltumsegelung beobachteten Schirmquallcn. (M^m. de l'Acad. de St. P6-
tersbourg. 4838.) — Ereenbeeg, Ueber Acalephen des rothen Meeres und
d. Organismus der Medusen der Ostsee. (Abhandl. der Berl. Acad. 4835.)
-^ Milhb-Edwaeos, Ann. sc. nat. III. ivi. — Wagwee, R.. Ueber den Bau
der Pelagia noctiluca und über die Organisation der Medusen. Leipzig 4 844.
— HÄceel, E., Ueber die Crambessiden. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XIX.
Anthozo<$n: Rapp, Ueber Polypen im Allgemeinen und Actinien im Besondorn.
Weimar 48i9. — Eheevbeeg, Die Corallentbiere des rothen Meeres. (Abb.
d. Berl. Acad. 488i.} — Hollard, Monographie anatomique du genre
aciinia. Ann. sc. n. III. xv. — HaiHe, J., M^m. sur le genre Cereantbus.
Ann. sc. n. IV. i. ^- Lacaze-Duthiers, Hist. naL du corail. Paris 4864. —
Lacaze-Duthiees, M^rooires sur les Antipathaires. Ann. sc. nat. V. ii. iv.
Ctcnophoren: Meeters, Beob. u. Untersuch, über die Beroeartigen Acalephen.
M^m. de TAcad. de St. Pölersbourg 4838. — Will, Horae tergcstinae.
Leipzig 4844. — Milne-Edwaeds, Ann. sc. nat. Ser. IV. vol. vii. Fol, U.,
Beitr. z. Anatom. Entwickl. einiger Rippenquallen. Berlin 4869.
§ 68.
Die KOrperfonn der Cölenleraten oder Zoophyton bietet nur in den
niedersten Zuständen der dieselben zusammensetzenden beiden grossen
Abtheilungen Übereinstimmende Verhältnisse dar, in jenem für einen
grossen Theil der Zoophyten als i^Planulaa bekannten Stadium nämlich,
das oben (S. 34) nach der Bildung der Darmhöble als »Gastrula« be-
leichuet ward. Diese Form repräsentirt einen Larvenzustand, bei dem
ein WiroperUeid als Bewegimgsapparat fungirt, und der wohl als ge-
meinsame Grundform der beiden ilauptablheilungen der Zöopbyten
88 Cölenteralen (Zoophytcn).
wird gellen dürfen. Für diese Form ist nur eine Axe, die Hauptaxe,
unterscheidbar, welche vom oralen Pole zum aboraien Pole sich er-
streckt.
Nebenaxen sind indifferent, da alle senkrecht durch die üaupt-
axe gezogenen, in beliebigen Winkeln sich kreuzenden Queraxen einander
völlig gleichwerthig sind. Dieser Zustand erhüit sich bei den Spongien
und geht bei den Acalephen in einen durch Differenzirung von Quer-
axen charakterisirten Befund über.
Unter den Spongien erlangt die aus der Piauula entstandene Ga-
strula mit der am aboralen Pole erfolgenden Anheftung ihre definitiven
Verhältnisse in der einfachsten Form als Olynlhus unter den Asconen.
Auch bei anderen Kalkschwümmeu finden sich jene einfacheren Körper-
formen noch vor, wenn auch in den inneren Verhältnissen bedeuten-
dere Umgestaltungen Platz gritlbn.
Die mächtigsten Veränderungen der Körperform gehen aus dtr
Stockbildung hervor. Durch Knospung oder auch durch unvollstän-
dige Theilung entstehen die man nichf altigsten Colonien (Cormij, deren
Personen auf die verschiedenste Weise unter einander verbunden
sind y und ebenso verschiedenartig iheilweise oder vollständig mit
einander verschmelzen können. Im letzteren Falle gewinnen solche
Stöcke nicht seilen den Anschein von Einzelthieren (Personen) , und
in dem Maasse als die äussere Form sich vereinfacht, wird die innere
Organisation complicirt.
Von nicht geringeren Einflüsse auf die äussere Gestaltung als diese
Concrescenz ist die Umbildung der Mundöfl'nungen der Colonie, die
gruppenweise oder auch sämmtlich sich vereinigen können, oder auch
vollständig verschwinden.
Der grosse, durch diese nur in der Kürze angedeuteten Verhält-
nisse bedingte Formenreiehthum dieser Abiheilung empfängt endlich
noch neue Momente der Modificalion in zahlreichen Anpassungen
topischer Natur, und nirgends im Thierreiche erscheint die Körperform
in so vollem Flusse als bei den Spongien, so dass selbst die Unter-
scheidung der grösseren Abtheilungen, geschweige denn die der Arten
von daher unmöglich wird, wie die höchst wichtigen Untersuchungen
Häcrel's an Kalkschwämmen uns lehren.
§. 69.
Für die Acalephen bildet der aus der Gastrulaform hervorgehende
Körper in fast allen Abtheilungen einen festsitzenden Zustand aus, mit
dessen Beginn die entstehende Magcnhöhlc den Organismus in wesentlich
demselben einfachen Verhalten erscheinen lässt wie wir ihn bei dem ent-
sprechenden Stadium der Spongien antrafen. An dem die Magenhöhle
bergenden Vordertheile des Leibes entstehen Fortsätze, Tentakel,
welche die ersle Andeutung einer Differenzirung von Nebenaxen dar-
Korperfomi. x 89
bieten, und damit ieilei sich die schürferc SondiTuug von den Spon-
gien ein.
Unter den Hydromedusen bilden die HydroYden, oder Hydro-
Ydpolypen, (Hydriformes) die niedrigste Stufe. Bei vielen stehen die
Tentakel unregeimflssig an dem den Magen uinschliessenden Körper-
tbeiie (Coryne, Syncoryne, Gordylophora) , oder die Tentakelzahl ist eine
unbestimmte selbst wenn diese Gebilde nur auf bestimmte Zonen des
Leibes beschränkt sind, und am vorderen Körpertheil die Nühc der
Mundöffnung im Kranze umstehen. (Uydractinia, £udendrium, Garn-
panularia). Die wechselnde Zahl der Tentakel verbietet auch hier noch
die Annahme bestimmt difTeredzirter Nebeuaxen. Nur bei einzelneu sind
letztere in der Tentakelstellung bestimmter ausgesprochen (Sl<mridium) .
Durch die Ausdehnimg des aboralen Körperendes in einen stiel-
artig den tentakelbesctzten freien Körpertheil tragenden Abschnitt, er-
scheint der letztere in grösserer Selbständigkeit, und wird häutig als
»Köpfchen«, auch als »Polyp« unterschieden.
Durch Sprossung entstehen aus dem Einzelthiere Colonien,
Tbierstöcke (Cormi). Die Sprossung kann entweder an jedem Theilc der
körperoberfläche erfolgen (Uydra) und auch mit Ablösung des Spröss-
iiogs endigen, oder sie Gndet nur an dem stielartigen Körpertheile
statt. Bilden sich von dessen Basaitheil her Ausläufer , weiche festge-
heftet von Stelle zu Stelle neue Thiere emportreten lassen, so gehen
daraus die kriechenden Cormi der Syncor\nen, liydractinien u. s. w.
hervor. Geht die Sprossung vom freien Theiie des Stieles aus, so
werden frei verzv\eigte Stöcke gebildet, welche in den mannichfaltigsten
Complicationen auftreten (Eudendrium, Campanularien} und sogar eine
regelmässige Art der Verzweigung eingehen (Sertularia, Plumularia) .
Die Stockbitdung ist fast beständig von der Bildung eines röhren-
förmigen Gehäuses begleitet, welches als eine Abscheid ung der Körper-
oherfläohe dem gemeinsamen Stamme sowohl wie dessen Verzweigun-
gen als Stütze dient, und in verschiedenem Grade auch auf die Per-
sonen des Stockes fortgesetzt ist.
§ 70.
Der Knospungsprocess der HydroYdpolypen liefert ausser der Ver-
grösserung des Stockes durch neugebildetc gleichartige Individuen (Per-
sonen} noch Bildungen andrer Art, deren differenzirtesle Formen sich
zu Medusen entwickeln.
Der Körper dieser durch Knospung entstandenen Thiere ist glocken-
oder scheibenförmig gestaltet (Fig. 21, m,) und lässt sowohl in seiner
inneren Organisation wie durch die am Bande der Glocke oder Scheibe
«nispringenden Tentakel neben der Hauptaxe meist zwei sich recht-
>^inkelig kreuzende Nebenaxen unterscheiden, die sich völlig gleichwer-
thig sind. In dieser Oi*ganisdtion spricht sich eine höhere Stufe aus, als
gO Coteiilcralon (Zoopliylcnj.
in jenuT der HydroTdpolypcn zur Entfallung gelangte. Dio Thiere be-
wegen sich durch Coulraclioncn der Glocke, deren Kand sich in rino
gleichfalls oontriictile Membran, das Ve-
tig. ID. liim, forlselzt. Diese Medusen gern men sind
Siels die Träger der Forlpflanzungsorganc,
aus ihren Eiern enlstehen wieder HydroTd-
polypen. {Generalionswechsel!)
Wahrend die einen Knospung frei-
werdender Medusen (Fig. 20, a — e; Fig.
21, a^e) auszeichnel, komnil es bei an-
deren HydroTdpolypen nur zur Äulagi^
einer Heduscngemnie , deren Organisation
nicht ganz jene hohe, das frei werden be-
dingende Slufe erreicht, und demgemäss
mit dem Stocke verbunden bleibt. Die
geschlechlliche Entwickeluog bleibt jedoch
auch hier nicht aus , und diese rudimen-
tären Medusen slellen »GeschlechlsknospenB vor, deren Producl« sich in
denselben Beziehungen wie jene der freien Medusen entwickeln.
Daran scbliessen sich noch einfachere Knospenformen an, die sich
endlich bis' zu solchen verfolgen lassen , deren Bau kaum etwas mit
einer Meduse gemein bal. Aber die bis hierher führende ßeihc ist
durch zahlreiche Vermilllungsformen votUtiJndig, so dass äussere, blos
Geschlechtsproducte enlhatlende Knospen, und relativ hoch organisirtc
Medusen, die erst längere Zeit nach der Ablösung vom HydroTden stocke
sich sexuell entwickeln , als zusamniengehdrige Formen , Endpuncte
einer Beihe, gelten müssen.
Diese Erscheinung wird durch die Annahme einer Arbeilslheilung
orklürl, bei der die Function der Ernährung des Stockes den sessil
bleibenden Individuen zutälll, indess andere sich ablösende die Besor-
gung der sexuellen Vermehrung übernehmen. Die als freiwerdende
Knospen auftretenden erlangen eine höhere Organisation, die wohl aus der
niederen ursprünglich mit den sessil bleibenden übereinstimmenden all-
mählich sich her vorbildete. Die Abltigung vom Stocke dUrfle demnach
fUr jene sexuellen Individuen als das erste, ihre Differcnzirung in der
medusolden Richtung bedingende Moment gellen, gleichwie das Sitzenblei-
ben der medusoYden Gemmen in den andern Fällen von einer Rückbil-
dung jener medusoTden Organisation begleitet ist. Wenn aber diese Orga-
nisation, wie wir oben annahmen, durch ein ursprüngliches Freiwerden
erlangt ward, so müssen die medusotden Gemmen nothwcndig nicht
etwa als in der Ausbildung stehen gebliebene, sondern vielmehr als i»
der Rückbildung begrißene Medusengemmen beurtheilt worden.
Fig. 30. Syncoryn», mit einer Anzahl daran kiio«ponder Uedusen auf ver-
schiedenen Stuten (a— «} der Entwickelung, (Nach D£aoa.}
Kdrfierforni.
91
Die Kooepung der Generaiions- Individuen, als welche die oiedusi-
fonaen Gemmen mit ihren Modificationen zu betrachten sind, findet sich
an verschiedenen LocaiiUiten. Da die Stockbildung ein secundärer
Vorgang ist, wird die Knospung am Leibe des Einzelthiers die ursprüng-
liche sein. Daselbst triOl sie sich auch in allen Abtbeilungen der ilydroYd-
poiypen. lieber die Leibesober-
fläche zerstreute Gemmen bieten ^>S* s^*
die Goryneenstöcke. Häufig sitzen
die Knospen zwischen den Ten-
takeln. Nach innen vom Tentakel-
kraDze finden sie sich bei Pen-
oaiia. An derselben Stelle bei
deo Tubularieo, wo sie immer zu
mehreren auf gemeinsamem Stiele
sitzen, zuweilen ansehnliche, trau-
ben- oder ährenfiMmige Gruppen
bildend. Die Knospung am Uy-
droYdenkörper ist in vielen Fallen
von einer Rüqlibilduig des letz-
teren begleitet. So bei manchen
Campanularien, Uydractinien u. a.
Das proliferirende Individuum gibt
seine Betheiiigung an der Ernah-
nmg des Stockes auf, was sich
ia einer Verktimmerung der Ten-
takel wie der Magenhdhle äussert.
Der Thierstock wird dadurch aus
Dutritorischen und proliferirenden
Personen zusammengesetzt, von denen letztere wieder die Gemmen
als Geschlechts -Personen tragen.
Die proliferirenden Personen lassen verschiedene Grade ihrer Rück-
bildung wahrnehmen. Im äussersten Falle bleibt nach Entwickelung
der Gemmen nur noch ein Rest des sie tragenden Individuums übrig,
;z. B. bei manchen Campanularien). Die vollständige Rückbildung der
proliferirenden Person lässt die Gemmen ohne eine Beziehung zu
einer HydroYdenperson von irgend einem Theile des gemeinsamen Stockes
entspringen. Wo mehrere Gemmen vereinigt in diesem Falle sich
finden wird die Ableitung derselben von einer rttckgebildeten proli-
ferirenden Person nicht schwer, hingegen ist das Vorkommen vereinzelt
vom gemeinsamen Stocke entspringender Gemmen (z. B. bei Euden-
drium ramosum Fig. S4) nicht sicher hiervon ableitbar, da die Mög-
Fig. 24. Jheü eioes Stockes eines Uydroidpolypen (Eudeodrium ramosum)
mit sprosseodea Medaseo. p, p, p Polypen mit dem Tentakelkranz. a, b, c, d, 0, f
verschiedene Differenziraogszostände der sprossenden Medusen, m m' freie Me-
dosen in verschiedenen Stellungen.
92 ^ Cölenteraten (Zoophyten).
lichkcit der Entstehung medusiforroer Gemmen am UydroYdenstammc
nicht ausgeschlossen ist. In den höheren Abtheilungeu der Medusi-
formcs sind die Beziehungen zu HydroYden aufgegeben. Wenn auch
die Fortpflanzung manche bedeutende Complicationen zeigt (s. unten
Geschlechtsorgane), so ist doch, soweit bis jetzt bekannt, eine Rückkehr
zur ElydroYdenform für die Trachynemiden, Aeginiden, wie Geryoniden
ausgeschlossen.
§ 71.
Die bei den HydroYdpolypcn wesentlich auf die nutritorische und ge-
neralive Function beschränkte Arbeitstheilüng der zu einem Thierstocke
vereinigten Personen ist bei den Siphonophoren auf eine grössere
Reihe von Verrichtungen ausgedehnt, und hat demgemitss eine bedeu-
tendere Mannichfaltigkeit der Gestaltung der Bestandtheile des Thierstocks
zur Folge. Die Arbeitstheilüng bedingt so einen Polymorphismus
der Personen. Diese folgen sümmtlich dem medusiformen Typus, der
wieder in verschiedefiem Maasse entfaltet ist. In den Füllen seiner
deutlichen Ausbildung waltet die bei den Medusengemmep der HydroYd-
polypcn herrschende Grundform vor, woraus sich eine gemeinsame
Abstammung beider Abtheilungen ableitet. Die Siphonophoren
erscheinen so als schwimmende Hydroidenstöcke , deren Personen
sHmmtlich die bei den UydroYdpolypen nur von den generativen Per-
sonen vollzogene Umwandlung in die Medusenform eingingen. Die
einzelnen Personen des Siphonophoren Stockes sprossen an einem gemein-
schaftlichen contractilen Stamme, der bei den meisten die Axe des Stockes
vorstellt, um welche die als Organe fUr den Gesammtstock fungircnden
Personen angeordnet erscheinen. Diese sind:
i. Locomotorische Personen, (Schwimmglocken), welche
am vollständigsten den Medusentypus zeigen, zu zweien (Diphyidcn)
oder in grösserer Anzahl zu einer Schwimmsäule vereinigt (Physo-
phoriden) das eine Ende des Stammes besetzend (Fig. 22. A. C. tu.
D.) , welches dadurch bei der Locomotion vorangeht und zum vor-
deren wird.
2. Nutritorische Personen finden sich am zweiten Abschnitte
des Stammes in Gestalt von Magenröhren (Magen, Saugröhren) ange-
bracht (Fig. 22. B. C. n). Ein Theil von ihnen gelangt in einzelnen
Fallen nicht zur Ausbildung, und stellt dann terminal geschlossene
SchlHuchc vor, die als »Taster« fungiren.
3. Protective Personen (DeckstUcke) lassen sehr häufig noch
den Medusenty^us deutlich, in andern Fällen sehr wenig deutlich wahr-
nehmen, und erscheinen als hyaline blattförmig gestaltete Stücke, unter
deren Schutz die sub 2. und 4. 5. aufgeführten Personen ange-
bracht sind.
4. Tentakuläre Personen bilden einfache oder in verzweig-
len BOflcbeln anftMmloete bedeutend verlHngerbarc Faden (Senkfilden) ,
welche tenninal mit eigenlb (Unlieben Nessolorganen ( Nessel batterieen)
ansgestattet «od. Die orsprQngliche Bfedusenform ist nur bei wenigen
dieser Gebilde io Sporen erkennbar.
5. Generative Personen bielOD wie bei den Hydro1dpoly}>en
niaDiiichfoltige AnsbildnngeiustHnde. Ohscbon sie nur in seltenen Fallen
Flg. 11. Einige Siplionophorenilöcke, A. Diphytt eampanulata. B Eint>
Gnipp« von Anbingsgebilden vom Stamme derselben Diphytt. C. PKyiophora
htroilatiea. D. ElmelnM SohwjmmslUck dertelben. £. Weibliche Ge»chiechls-
Inab« na Agtlma SartH. a. Slamm oder Axe der Coloaie. •' LuftbltM.
n. ScbwimmslUcke. c. HOhle In deoselben, von tiarr contractilen Uembran nti»-
etVIeidel. v. Canile in der Wand der SchwimmstiickbOhle. o. OefTnung des
SchwimmsUIck«. t. DeckitUcke (bei C in Tsator umgewandetl;. n. Magen, t. Senk-
fden. g. GeecfalechUar^ne.
94 Cölenteraten (Zoophyten).
zu freiwerdeDden Medusen sich umgestalten (Veleila — Chrysomitra),
so ist doch der medusiforme Typus an ihnen sehr allgemein ausgeprägt.
Meist sind sie, ähnlich wie bei den Tubularien in traubenförmiger
Gruppirung zu treffen.
Die Anordnung dieser einzelnen, sehr divergent differenzirten Per-
sonen des Siphonophorenstockes wechselt in den einzelnen Abtheilungen,
sowie auch die locomotorischen wie die protectiven Personen einzelnen
Gattungen gänzlich fehlen. Im Allgemeinen ist in der Anordnung und
Verlheilung der polymorphen Personen des Stockes innerhalb der
Gattungen und Arten eine grosse Gonstanz zu beobachten ; die Spros-
sung vom Stocke geht nur an Einer Seite derselben vor sich , die all-
seitige Gruppirung um den Stock erfolgt durch spiralige Drehung des
letzteren. Daraus resultirt die zwei- oder roehrzeilige Anordnung
der Schwimmglocken, sowie auch die Gruppirung der übrigen Bildun-
gen. Nutritorische, generative und tentaculäre Individuen sind meist in
Gruppen beisammen, so dass einer Gruppe derselben je ein Deckstück
zukommt. Wahrend bei den meisten Physophoriden diese Gruppen
sehr dicht stehen, finden sie sich bei den Diphyiden in grösseren Di-
stanzen angebracht. (Fig. 22. A, B,), und jede Gruppe aus einer be-
stimmten Personenzahl zusammengesetzt, die bei manchen vom Stocke
sich ablösend eine individuelle Bedeutung erlangen kann. (Eudoxien.)
Das durch die locomotorischen Personen ausgezeichnete Vorderende
des Stammes empfängt in manchen Abtheilungen eine selbständige
Ausbildung durch die Entwickelung eines luftführenden Sackes.
Dieser fungirt als hydrostatischer Apparat, und lässt das Vorder-
ende während der Ruhe des Stockes stets aufwärts gerichtet erscheinen
(Physophoriden). Er besitzt eine verschliessbare Oeffnung nach aussen,
durch die ein Entweichen der Luft beobachtet ist. Die bedeutendere
Ausbildung dieser bei den meisten Physophoriden ziemlich kleinen Blase
(Fig. 22. C. a) scheint eine Bückbildung der locomotorischen Gemmen des
Stockes zu bedingen. Diese fehlen z. B. bei Rhizophysa, bei der der
Luftsack vergrössert ist. Durch eine ansehnliche Ausdehnung zu einem
weiten Baume nimmt der Luftsack den grössten Theil des Stammes ein,
und bildet so den voluminösesten Theil der Colonie, deren Einzelstücke
wie einer Seite der Blase ansitzende Anhänge sich ausnehmen. Dieses
Verhalten ist bei den Physalien ausgebildet, und wird von einer VorkUr*
zung des Stammes begleitet. Ein anderer Zustand ist bei den Velel-
liden gegeben, deren Luftsack zum stark verkürzten Stamme eine ter-
minale Lage einnimmt, und sich unter ilächenartiger Ausdehnung zu
einer Scheibe vergrössert, deren knorpelartige derbe Wandungen durch
Scheidewandbildung den Binnenraum in zahlreiche Kammern theilen.
Im ersten Bildungszusiande stellt der Luftbehälter auch hier einen ein-
fachen Sack vor. Bei Porpita bleibt die Scheibe platt kreisförmig, bei
Veleila erhebt sie sich in einen schräg gestellten dünnen Kamm, in wel-
chen die Lufträume der Platte sich nicht fortsetzen. Die concenirisch
iCttrpertorpo.
d5
gelagerten KammeniliiDie de« Luftbehttiters stehen bei Velella unter sich
darch Oeffnungen in Verbindung. Nach aussen tfShen sie sich durch
eine Ansah! an der Oberflilche gelagerter Lttcher. Bei Porpita gehen
von der untern Fläche des Luftbebälters noch feine luftführende Ganüle
ab, welche verästelt in den die Emührungsindividuen tragenden Theil
des Stammes eindringen.
,(^^^
§ 72.
l>ie Verbindung der höher entwickelten freien Form mit der durch
einen festsitzenden polypenfOrmigen Körper reprüsentirten niederem,
herrscbt auch noch in der Abtbeilung der Medusen (Discophoren)
die durch ihre Organisation von den Hydromedusen in manchen Puncien
verschieden sind. Auch die Polypenform (Scyphostoma) erscheint
auf einer höhern Organisationsstufe als die Mehrzahl der HydroYdpoly-
pen^ und bietet nur mit einigen derselben (Corymorpha) Anknüpfungs-
pimcte. Sie entwickelt sich ebenso wie bei den HydroYdpolypen aus
einer erst freien dann sich festsetienden Planula (Fig. 23. 4, 2). Di^
Grundform des Körpers stimmt jedoch nicht blos mit manchen HydroYd-
polypen, sondern aueh mit
dem MedosensoBtande der- Fig. tt.
selben darin fiberein, dass
twei gleiohwerthige Neben-
axen die Hauptaxe kreusen.
Die Organe sind also nach der
Viersahl angeordnet, n. lassen
am Köqier vier Antimeren
unterscheiden. Aus dieser ^
1'olypenform entstehen die
Medusen wiederum durch
Sprossung, die aber nicht
wie bei den HydroYden eine
laterale, sondern eine termi-
nale ist. Der den Mund tra- _
gende Endabschnitt des Scy-
phostoma beginnt allmählich vom Übrigen Körper sich abxuschnttren
*Fig. 23. i.), und indem der Körper dabei fortwächst werden gegen den
aboralen Pol tu immer neue Abschnitte metamerenartig gesondert (Stro-
bila*; Fig. 93. 5.j, die sttmmtlich medusenähnlich sich ausbilden. Der
Polypenleib wird dadurch in eine oft bedeutende Anzahl von Medusen
zerlegt, diä allnUlfalicb sich ablösen (Ephyraform) , und frei geworden
eine weitere Ausbildung eingehen.
Fig. 23. Jugendzustlinde von Aurelia aurita. 4. Planulaform, sich festticRond.
t., t. üebergang in die Polypenform. 4. Beginn der MetamerenbiMong. S. Forf-
gesettle Metanwrenbildung (Strobils und Differeiixirung derselben.) (Nach 11. Saas.)
96 Cölenteraten (Zoophylen).
Dieser für Cephaeo, Aurelia und Cassiopeia bekannte Vorgang fehlt
bei Pelagia, deren Eier sich in schwimmende Pianulae verwandeln, die,
ohne ein pol ypen förmiges Stadium, zu Jungen Medusen werden. Die
Ontogenie der Pelagia ist also auf wenige Stadien zusammengezogen,
während sie bei den andern , über eine grössere Formenreihe ausge-
dehnt, mehr einer Wiederholung der paläontologischen Entwickelung
entspricht. Für diese wird der polypenförmige festsitzende Zustand
als Ausgangspunkt gelten müssen, woran sich zun^lchst die allmähliche
Umwandlung des Polypen in eine freiwerdende Meduse anschloss. Die
Gliederung des Scyphostoma in eine Mehrzahl von Medusen erscheint
unter jener Voraussetzung als ein secundärer Vorgang, der erst allmäh-
lich, nachdem nicht mehr der ganze Polypenkörper in die Meduse sich
umwandelte, zur Ausbildung kam. Aus dem beim Uebergange des Po-
lypen in die Strobila stattfindenden Wachsthume letzterer Form ist er-
sichtlich, dass den Ernährungsverhältnissen des Scyphostomazustandes
für die Entstehung der Strobilaform , d. h. für die Sprossung der Me-
dusen, eine wichtige Rolle zukommen muss, so dass die Entstehung
der ganzen Erscheinung mit der Ernährung des Scyphostoma in cau-
salem Zusammenhang steht.
Wie die Medusen durch die Scyphostomaform mit den HydroTdpo-
lypen in verwandtschaftlichem Verhältnisse stehen, so besitzen sie noch
nähere Beziehungen zu den Galycozoi^n, die wieder von der Scy-
phostomaform ableitbar erscheinen. Der mit einem kurzen Stiele fest-
sitzende Körper ist schirmartig verbreitert und kommt im Verhalten
seiner Axen mit den Scyphostomen und deren Abkömmlingen übercin.
In manchen Beziehungen bietet er auch eine nähere Verwandtschaft mit
den Anthozoön. Dadurch erscheint in den Galycozo<^n eine sehr wich-
tige Zwischenform, die aus der für mehrere grosse Abtheilungen der
Zoophyten gemeinsamen Stammform mit relativ wenigen Modificationen
sich fortgesetzt hat.
§ 73.
Für die Anthozoön ist die primitive Körperform mit jener an-
derer Zoophyten in vollkommener Uebereinstimmung , und auch die
ersten Zustände der sich festsetzenden Planula bieten keine wesent-
lichen Differenzen. Das Erscheinen von Tentakeln und die später
folgende innere Differenzirung lässt manche Verschiedenheiten auftreten,
zunächst in der Grundzahl der Nebenaxen des Körpers. Bei einigen
treten nur 4 Tentakel auf (Tetractinia), bei anderen 6, (Hexactinia) und
endlich bei noch andern 8 (Octactinia) . In den beiden ersten Abthei-
lungen bleibt es nicht bei dieser Zahl, vielmehr erscheint alsbald eine
Vermehrung der Tentakel der eine entsprechende Veränderung der
inneren Organisation parallel geht. Es wird damit am Organismus
eine grössere Zahl von Queraxen unterscheidbar, deren Grundzahl
Körperform. 97
in den meisten Fällen die snersi erschienene Zahl ist. Bei den Octac-
linieo dagegen persisliren die ersten vier Queraxen.
Der meist cylindrische Körper des jungen Thieres behält diese Form
nur in wenigen Abtheilungen (Cereantbus, Actinia). Bei den übrigen
kommt es wieder zu einer Stockbildung, welche für die äussere
Erscheinung dieser Zoophyten die grOsste Mannichfaltigkeit der Formen
bedingt. Die Stocke (Polyparien) entstehen entweder durch unvollstän-
dige Theilung oder durch Knospenbildung, beide zuweilen combinirt.
Die Theilung (Längslheilung} erweist sich in der Stockbildung bis zu
sehr verschiedenen Stufen ausgeführt. Bei manchen Fällen ist sie nur
durch ein Auswachsen in die Quere angedeutet, und es kommt zu gar
keiner Scheidung des Organismus, z. B. bei manchen Fungien. Andere
bieten die Theilung nur an der oralen Korperoberfläche, indess im Innern
ein continuirliches Verhalten fortbesteht. Durch die Fortsetzung dieses
Vorganges entstehen StOdLc mit zahlreichen Mundöffnungen, die in man-
nichfach gewundenen, am Rande mit Tentakeln besetzten Reihen ange-
ordnet sind (Maeandrina). Während auf diese Weise mehr Dache oder
rasenartig ausgebreitete Stöcke entstehen, treten durch die Gombina-
tion der'Theilung mit einem bedeutenden Längewachsthum der Per-
sonen verästelte Stöcke auf, die nicht blos verschiedene Ausdehnung,
sondern auch sehr mannichfache Formen der Verzweigung gewinnen
können. In ähnlicher Weise liefert die Sprossung complicirte Stock-
bildungen. Auf beiderlei Art entsteht eine dem gesammten Stocke
zugehörige, allen Personen gemeinsame Körperparthie (Coenosark, Coe-
nenchym). Von dieser entwickelt sich der basale Abschnitt bei den nicht
festsitzenden, sondern nur lose im Schlamm oder Sande steckenden
Stöcken der Octactinien zu einem der Sprossung entbehrenden stiel-
ähnlich geformten Theile des Stockes (Pennatulidenj.
§ 74.
In der von den übrigen Acalephen am meisten abweichenden Ab-
Ibeilung der Ctenophoren bildet sich aus der mit den anderen im we-
sendichen übereinstimmenden Larve alsbald die definitive Leibesform
aus. An dieser sind vier senkrecht auf die Hauptaxe gerichtete Ncben-
aien unterscheidbar, nach denen die wichtigsten Organe angeordnet
sind. Der Körper folgt damit im allgemeinen dem radiären Typus der
bei den BeroYden am meisten ausgeprägt ist. Dieser achlstrahligen
Form liegt jedoch höchst wahrscheinlich eine vierstrahlige zu Grunde
bei der jeder Radius sich in zwei getheilt hat. Je zwei aus einem
primitiven Radius entstandene Radien sind den gegenüberstehenden
Radien derselben Queraxe gleich. Die Ausbildung der Körperform er-
folgt nach den Polen einer der beiden primitiven Queraxen. Die in
dieser Richtung aufgetretene Dißerenzirung ist schon bei den Cydippi-
den deutlich, mehr ist sie bei den Mnemiden durch lappenartige
0«|evbmar, Gnindri«fi. 7
98 Ciüenteraten (Zoophyten).
gegen den Mundpo) gerichtete Fortsetze ausgeprägt, am meisten bei
Cestunj, dessen Körperform durch Auswachsen in der Riclitung ZAveier
congruenter Interradien in eine Bandform überging.
Glieämaassen.
§ 7S.
Als Gliedmaassen können die als Tentakel bezeichneten Fort-
satzbildungen des Körpers angesehen werden, welche den Spongien
fehlen, bei den Acalephen in grosser Verbreitung getroöen werden,
und ebenso von bedeutendem Einflüsse auf die äussere Form-
erscheinung dieser Organismen, als für die Gesammt- Oekonomie der-
sel)3en von hohem functionellen VVerlhe sind. Die meisten sind wie
die Leibeswand contractu, doch gibt es auch starre nur wenig beweg-
liche Formen (Trachynemiden). Die Tentakel sind der Sitz einer be-
deutenden Empfindlichkeit, und fungiren somit als Sinnesorgane; in
vielen Fallen sind sie Greifwerkzeuge, und endlich dienen sie durch
die ihnen eingefügten Nesselzellen als Waffen.
Den niedersten Befund bieten die Hydroldpolypen, deren Tentakel
in manchen Abtheilungen (Coryneen) über die Oberfläche des vordersten
(dem oralen Pole nächst gelegenen) Körperabschnittes zerstreut sind
(Fig. 20). Bei manchen macht sich eine regelmässigereVertheilung bemerk-
bar, die bei anderen in die Herstellung eines »Tentakelkranzesa ül)ergeht.
(llydractinia, Eudendrium, Campanularia) (Fig. 21). Letzterer ist meist
in einiger Entfernung von der Mundöfl'nung angebracht; durch ihn wird
der bezügliche Körpertheil höher potenzirt und erscheint einem Kopfe
analog, wie man daun die tentakeltragenden Körperlheile der UydroYden
auch als »Köpfchena zu bezeichnen pflegt.
Der höheren Differenzirung des gesammten Körpers der Tubularien
entspricht die Ausbildung eines zweiten Tentakelkranzes, der den Mund
direct umgibt. Der äussere Tentakelkranz ist mit der scheibenilhn-
lichen Ausbreitung des Köpfchens an den Rand desselben gerückt.
Es sind also hier Mundtentakel und Randtentakel unter-
scheidbar. Letztere erlangen bei den Ilydromedusen wie bei den Dis-
cophoren eine grosse Ausbildung.
Die Randtentakel, Randfäden, meist sehr bedeutend verlän-
gerte fadenartige Anhänge des Glocken- oder Schirmrandes der Hy-
dromedusen sind immer nach den Körperradien geordnet. Bei dem
Bestehen interradialer Tentakeln treten diese meist nach den radialen
auf, selbst wenn ihre Zahl eine bedeutende ist. Zuweilen stehen sie
in Büscheln (Lizzia) oder sind verzweigt (Cladonema). Der über die
Radienzahl hinausgehenden Vermehrung der Tentakel steht die Minde-
rung gegenüber. Nur zwei Tentakel besitzt Saphenia. Bei einigen
kommt nur Ein Tentakel zur Ausbildung (Stenstrupia).
[GliedmaaMeD. 99
Bei den Trachynemiden sind die Tentakel gleichfalls radial ange-
orünel, manche besitzen dazu wie die Aeginiden noch interradiale.
EigenthUmlich ist die Einfügung der Tentakel an den Körper, indem
das Stutzgewebe der ersteren einen oft ansehnlichen Portsatz in letz-
teren einschickt. Auch Reductionen kommen vor. Nur 2 Tentakel
besitzt A^nopsis. Bei den Geryoniden findet ein Wechsel der Ten-
takel statt, indem das junge lliier vergängliche Randfäden (Larven-
teotakel) von anderro Baue besitzt. Die unter den Hydromedusen
verbreiteten Mundtentakel entsprechen gleichfalls der Grundzahl der
Radien des Körpers. Bald sind sie einfach, bald verzweigt. Sie
bilden jedoch kein allgemeines Vorkommen und werden häufig durch
Ausdehnungen des Mundrandes ersetzt. Trachynemiden und Aeginiden
enthehren sie allgemein.
Unter den Siphonophoren entbehren alle medusiformen Personen
der Raodßlden, die nur als Rudimente, wie z. B. in den Nesselknöpfen
der Deckstücke, angedeutet erscheinen. Dieser Mangel eines für die
Oekonomie der Stöcke wichtigen Apparates wird durch die »Taster«
und die »Senkfäden« compensirt, welche aus Umbildungen medusifoniier
Personen sich erklären lassen (vergl. oben § 71;.
Den Discophoren fehlen die Randfäden in den Abthotlung^n der
Rbizoslomiden und Cyaneen, welch^ letztere vier ansehnliche von der
Unterflacbe des Schirmes entspringende Tentakel büschel besitzen, die
weder auf Randfäden noch auf Mundtentakel bezogen werden können.
Bei anderen kommen Randfäden bald nach der Radienzahl, bald auch
interradial verbreitet vor. Schon bei den CharybdeYden zeigt Charylv-
dea vier von pfeilerarligen Fortsätzen der Glocke getragene Tentakel,
die bei Tamoya (T. quadrumana) durch ebensovieie Büschel repräsen-
tirt sind. Eine Vermehrung findet sich bei den Pelagien, und eine
sehr grosse Anzahl feiner Randfäden zeichnet die Aurelien aus. Mund-
teniakel erscheinen als feine franzenartige Fortsätze an den Rändern
diT den Mund umstehenden Arme. Bei den Rhizostomiden sind sie
längs der zahlreiche Mundporen tragenden Rinnen vertheilt.
Bezüglich der Lucernarien ist ein doppeltes Verhalten der
Randfäden zu bemerken , indem sie bei einer Abtheilung (L. cyathi-
formis; ganz ähnlich wie bei Medusen den Rand des becherförmigen
Körpers besetzen, jedoch deutlich eine Scheidung in acht Gruppen er-
kennen lassen, indess sie bei anderen (L. auricula) ebensovieie auf die
Enden der vier vom Körper ausgehenden Zipfelpaare veriheille Büschel
bilden.
Die Tentakel der Anthozoen sind nach den grösseren Abthei-
iun^ verschieden. Acht blattförmige eingekerbte oder gefiederte Ten-
takel umgeben die MundöfTnung der Octactinien. Eine meist grössere
Anzahl cylindriscber Tentakel kommt den Hexactinien zu. Sie um-
stehen die Mundfläche des Körpers oder sind auf ihr zerstreut, zu-
weilen auch auf lappenförmigen Fortsätzen derselben angebracht.
100 Ctilenteraten (Zoophylen).
Bei den Gtenop hören sind ausser hin und wieder vorhandenen
unansehnlichen Fortsittzen am Rande der Mundöffnung in einzelnen
Familien (Calymniden, Galiianiriden} grosse in der Nähe des Mundes
sich erhebende lappenförmige Ausbreitungen des Körpers vorhanden,
dhß man mit den Tentakelbildungen zusammenstellen kann, obschon sie
diesen morphologisch fremde Gebilde sind. Ausser diesen bestehen in
einigen Gattungen (Gydippiden) den Randfäden der Medusen ahnliche,
den Polen einer interradialen Queraxe des Körpers entsprechende »Senk-
faden«, die zuweilen mit secundären Anhangen besetzt sind.
Integument.
§ 76.
Das Integument der Gölenteraten bietet die primitivsten Verhält-
nisse bei den Spongien, indem es aus dem nur wenig differenzirten
Ectoderm sich zusammensetzt, welches den mannichfaltigen Umgestal-
tungen des den Ernährungsapparat begrenzenden Entoderms folgt. Die
durch letzteres Verhältniss sich ergebenden Eigen thUmlichkeiten sind
weiter unten (§ 83] beilicksichtigt.
Die Zellen des Ectoderms erhalten sich seltener selbstständig, son—
dem stellen in der Regel Syncylien dar , die im Wechselspiel der Be-
wegung bedeutende Formveränderungen der Körperoberfläche bedingen.
Unter den Acalephen geht das Ectoderm sehr frühzeitige Dif-
ferenzirungen ein, so dass die ziemlich allgemein verbreitet« äusserste
Zeilenschicht, Epidermis, in den meisten Fällen nur einen Theil der
primitiven Ectodermschicht vorstellt. Die bei den Schwämmen nur auf
frühere Entwickelungsstadien beschränkte Wimperbekleidung des
Körpers erhält sich bei den Acalephen nicht blos während der soge-
nannten Larvenstadien, wo sie der I.ocomotion vorsteht, sondern geht
auch vielfach auf spätere Formzustände über, wobei sie meist auf ein-
zelne Theile, z. B. die Tentakel bildungen beschränkt wird.
Mit der Volumsvergrösserung des Körpers wird die Bedeutung der
Gilien für die Locomotion aufgegeben. Nur in einer einzigen Glasse,bei den
Ctenophoren, erhält sich diese Beziehung unter Zunahme des Vo-
lums der Gilien. Statt der allgemeinen Bewimperung der Larve bilden
sich den Körper in Längsreihen besetzende Gilien , welche durch Aus-
wachsen in die Länge und Breite in bewegliche Schwimm- oder
Ruderplättchen sich umgestalten. Die Plättchen sind mit der brei-
teren Basis dem Körper verbunden und nur an dieser Stelle äussert
sich die vom Willenseinfiusse des Thieres abhängige Gontractilität, wäh-
rend der übrige grössere Theil der Plättchen rigid erscheint. Meist sind
acht Reihen solcher Plättchen vorhanden, die als Ruderorgane thUtig
sind. Bei manchen treten nur 4 Reihen derselben auf, und auf diese
Zahl beschränken sich die Reihen bei Cestum. Als eigonthttmliche
IiUegumeDt.
101
Modificationcn der Epilhelelementc sind die bei allen Acalephen ver-
breiteten, wenn auch nicht ausschliesslich auf diese Abtheilung be-
schränkten Nesselkapseln anzusehen, feste in Zellen ent-
stehende Kapseln (Fig. $4. B) , welche in ihrem Innern Fig. 24.
einen elastischen, spiralig zusammengerollten Faden enthal-
ten (.4) , der meist bei Berührung der Kapsel als starres
Gebilde nach aussen hervortritt. Diese Nesselkapseln fin-
den sich bald einzeln bald in Gruppen, und zeigen zu-
weilen eine sehr regelmässige Anordnung. Oft geht diese
zu ausserordentlich complicirten Einrichtungen über, wie z.
B. an den Nesselknöpfen der Siphonophoren, bei denen die
Ncsselzellen häufig in spiralige Bänder angeordnet sind. Auf
der Oberfläche entstanden, erhalten diese oNesselbatterieen«
bei vielen eine besondere Umhüllung, indem sie von einer
hitegumentramelle umschlossen werden.
Obschon diese Zellen über die ganze Oberfläche des
Körpers verbreitet vorkommen, und auch im Entoderm und
dessen Producten nicht fehlen, so sind doch manche Körper-
theile ihr vorzüglicher Sitz. Das sind vor Allem die Tbn-
takelgebilde , oder andere Vorsprünge des Körpers. Die
Foroien der Nesselkapseln sowie der feinere Bau des Fa-
dens bieten bedeutende Verschieden heilen, und ergeben für
die einzelnen Abtheilungen charakteristische Befunde.
Die Epithelschichte besitzt auch eine secretorische
Thätigkeit, durch welche mehr oder minder den Körper
umschliessendo Gehäuse geliefert werden. Sie finden sich
unter den Hydro'idpolypen verbreitet, aus einer festen, dem
Chitin nahestehenden Substanz gebildet, häufig mit mannichfaltigen
Sculpturen, Leisten, Stacheln, Wülsten etc. versehen. Besonders bei
den in Colonieen vereinigten HydroYdpolypen finden sich solche röhren-
förmige Gehäuse, die bald nur auf den festsitzenden Theil des ge-
meinsamen Stockes beschränkt sind (Hydractinia) , bald sich über die
Verzweigungen des Stockes fortsetzen (Tubularia , Eudendrium , Pen-
naria) bald auch den einzelnen Personen zugetheilt sind (Gampanu-
laria, Sertularia). Dadurch vermag der weiche Polypenstock sich weiter
emporzuheben, es werden Stützorgane gebildet, die je nach ihrer Aus-
dehnung verschiedengradigen Werth besitzen und auch bei der Be-
festigung des Stockes von Belang sind.
Fig. 24. Verschiedene Formen von Nessclzellen. A Nesselzellen von Coryn-
actis, 1. mit dem spiralig aufgerolllen Faden, 2. mit ausgestrecktem Faden. BC
Nesselzellen von Siphonophoren mit ausgestrecktem, theilweise mit Häkchen be-
setztem Faden. D Nesselzcllcn von Medusen; Faden noch eingerollt, bei einer
noch nicht differenzirt.
Cölen lernten (2oopli)teii].
§".
Ausser den in den vorhinerwilhnten Gchüusehil düngen gegebenen
SlUlzoi^anen kommen den Cflicnleritten noch vielfache andere Skelet-
bildungen zu, die glcicbfails als Dilferenzirungcn des Ecloderms sich
darstellen.
Unter den Scbwümmon, von denen ein Theil [llalisarcina)
festerer Bildungen entbehrt, entstehen StUtzgebildc im Eetoderm ent-
weder in Gestalt fesUr Nadeln (Spicula] oder weicherer Fasern. Hie
erstcren sind entweder aus Kalk oder Kieselerde gebildet, wonach Kalk-
und Kicsclschwitmme unterschieden werden, iiinfacher verhalten sich
die Spicula der KalkschwJimme, indem sie hier nur als &li<bnadcln,
drei- oder vierstrahügu Nadeln vorkonmien, die in der Vertheilung
Kig. IB.
und Anordnung im Kürper bei zahlreichen Modihcalioncn des Einzel-
verhaltens eine grosse Regclmüssigkeit darbieten. Die vorstehende Figur
gibt eine Darstellung des Verhaltens der im Ectodcrm gelagerten Spicula
bei einem Kalkschwamm. Die aus Kieselerde bestehenden Hartgebtidc
bieten eine viel bedeutendere Mannichfalligkeit der Form, und ausser
den in zahlreichen Combinationen bis zu viel strahl igen Sternen verbun-
denen Nadeigebilden kommen noch manniehfaltige andere feste Thcilc,
Kig. iS. Ein Slück ifcr Körperobe mache oines Kalkschwammes (Sywltis per-
rorola) zur Darstellung der im Ecloderm iiegenilen drcislrahligen Spiculn. o Der-
mnl-Oslien, jeJes von einem Spiculokranze umgeben. {Nach Hxckel.I
^ Skelet. \ 03
X. B. Doppelscheiben (Amphidisken) vor. Die oft sehr lang gestreckten
kieselnadeln setzen zuweilen ausserordentlich zierliche Gerüste (Eu-
plectelta) zusammen, oder sie bilden niilchtige weil über den Körper
hinausragende Bttscbcl fadenförmiger Gebilde (Uyalonema). Bei den
ilomschwämmen endlich wird das Gerüste des Leibes durch netzförmig
verbundene Fasern gebildet, die aus einer dorn Chitin verwandten
Substanz bestehen.
Die Ablagerung anorganischer Substanzen im Ectodmni und seinen
Üerivalen führt auch bei den Acalephen zu zahlreichen Skelelbil-
dungen. Bei den Anthozoän bieten sie
voruehmlich die zu Stöcken vereinigten ^^K- **•
Fofiiien dar, und zwar sind es feist
ausschliesslich Kalksalze, welche die
Uar^ebilde zusammensetzen. Die Bil-
dung der letzteren erfolgt entwediM* in
liestimmt geformten - (Fig. 2(i\ , durch
die Wcichlheile des Körpers zerstreuten
Üepositionen (Fig. 33), od(*r es entstehen zusammenhiingende Massen, die
wieder je nach der Art ihrer Bildung mehrfach verschiedene Zustünde
darstellen. Die Kalkkörper Spicuhi) Ligcm inmier in dem bindegewebigen
Theiledes Parenchyms, und sind von mannichfaltiger (iestaltung. Sie l)e-
sitzen eine organische Grundlage, die nach Entfernung des Kalkes die
Fonn der Spicula wiedergibt. Die zusammenhMngenden Skeletbildungen
kommen entweder durch Vereinigung von Spiculis zu Stande, wol)ei
eine erhärtende organische Substanz die Verbindung besorgt, z. B. M
Corallium, oder sie entstehen durch unmittelbare Verkalkung einer in der
Axe des Cönenchyms liegenden abgesonderten Ilornsubstanz, ohne dass
Spicula vorhanden wären. Ist die organische Substanz vorwiegend, so
bilden sich hornartige Axcnskelete, wie bei den (iorgoniden ynd Anti-
[Kithiden. Diese Axenskolete l>eschränken sich bald nur auf den Stamm
der Golonie, wie bei den IVnnatuliden, wo sie im Schafte des Stockes
liegen, oder sie dehnen sich über alle Verästelungen des Stockes aus.
— An die Axenskelete schliesst sich eine andere Form an, die durch
allmähliche Verkalkung des Körperparenchyms entsteht, ohne dass die
.Abscheidung einer organischen Grundlage, die einen Träger der Ver-
kalkung abgibt, dabei besonders beiheiligt %\äre. Solche Skelete bil-
den die Kalkgerüste dcrFungien, Aslräen, Madreporcn, wie die der Tubi-
poren. In der ganzen Erscheinung dieser Gerüstbildung kann eine
Fortsetzung und Ausbildung der bei den Schwämmen getroncnen Ske-
lete erkannt werden.
Fig. t((. KalliApiculn von Alcyonium.
C6lentaratan (Zoopliytunj
§ 78.
Eine andere Art vod Stutzorganen kommt durch Cuticularbildungen
oder durch DilTercnzirungen resistonlorerBitidcsuhsUinzrn im Innrrn des
Körpers tu Stünde. Dem einfachsten Befund hiclon hier wieder die
Hydroidpolypen, bei denen zwischen Kcloderm und Enloderm eine
homogene Lamelle vorkommt, die als StUlzlamelle für die ihr angelagerten
weicheren Gewebe fungirt. Wahrend dieses Gebilde in seiner Bedeu-
tung als Stutzei^an bei einem Theilo der Ilydrolden durch die Bil-
dung äusserer Gehiluse beschränkt wird, iindct sich im Anschlüsse
hiervon bei den Tubularicn eine mächtige Schichte von SlUlzgewobc
in der dem freien , kttpfchenfönnigcn Thetlc des Thiercs zugehörigen
Körporwand. Hierin erscheint eine Vorbildung der bei den Medusen zu
höherer Bnlfallung kommenden Einrichtung der sogenannten Gal-
lertschcibe, die bei manchen derselben [Medusen von Clavatella,
dann Eleutheria) jioch eine geringe Ausbildung zeigt.
Die Gallertscheibe ist bei
Flg. S7, den Hydromcduscn bald völ-
lig homogen bald von fei-
nen Fasern durchsetzt, welche
vom Ectodenn zum Enlo-
derm sich fortsetzen. Sie
bildet eine die Körjwrform
bedingende , der aboralen
Flache des Kör |iers angehUrige
Scheibe (Fig. 27. /}, die bis
zur Glockcnform modificirl
sein kann, letzteres dadurch,
dass ihr Rand gegen die orale Flüche sich umbiegt. Der oralen Fläche
der Scheibe lagern die aus dem Kntoderm gesonderten Organe, also vor-
züglich das Gastralsyslem aus. Nach dieser Seile ist die Gallertscheihc
der Gcn'onien in einen Stiel ausgezogen, der den Magen trögt. (Vci^jt.
Fig. 35.' p.)
Wiewohl der Gallcrtschirm der Discophorcn Susserlich mit jenem
der Hydromedusen übereinstimmt , so ist er doch durch nicht unwich-
tige Verhtlltnisse davon unterschieden. Denn seine Substanz un>-
schKesst als gallertiges Bindegewebe mann ich faltige Forme leme nie,
und setzt sich oralwilrla auf den si^enannten Magenstiel fort, da-
Fig. 17. Sclicma oini^s Vcrticalschnittca durch eine erwachsene Cunina rho-
dodaclyln, rechts durch oinc radiale, links durch eine inlerradiale Verticaietwoe ge-
führt, b Randhltisvhcn. c Riii|icanal. g Zi'ugungHslofTe. A HanIcKpange. k Magen.
I Gallerticlielbc. r Radiallasche, tt Tcnlakel. Iw Tcntakelwurzel. c Volum. (Nach
E. H«c
L.)
Ilu9kels\stcin. 405
darch dass grossere Strecken des Gastrovascularsystems davon um*
schlössen werden.
Untergeordnetere Einrichtungen stellen die Stützgebilde der Ten-
takel vieler Hydromedusen dar. Sowohl bei Hydriformen wie liei
Medusen ^Tracbynemiden , Aeginiden] wird die Axe der Tentakel von
einer Zellenreibe gebildet, deren Elemente ähnlich den Knorpeizelleu
durch eine mehr oder minder mächtige homogene Membranschichli^ ab-
gekapselt erschienen. Die Zellenrcihen bieten dadurch eine gewisse
Rigidität. Ein ähnlich zusammengesetzter Ring (Ringknor|>el) finden
sich am Scheibenrande mancher Medusen (z. B. Geryoniden).
MuBkelBysteui«
§ 79.
Unter den Spongien ist die Existenz auf Muskeln beziehbarer
Fomieleuiente nicht mit Sicherheit erwiesen , ja bei den genauer ge-
kannten Kalkschwümmen fehlen sie sogar mit Bestimmtheit, und alle
ßcwegungserscheinungen des Thierleibes leistet das Protoplasma des
Ecto- und Entoderms.
Die erste Sonderung einer Muskelschichte ist bei den Hydrome-
dusen 'llydriformesj erwiesen, wo die Zellen des Ectoderms con-
iractile, bandartige AuslUufer besitzen, die unterhalb jener Zellenschichte
ein zusammenhilngendes Stratum bilden. (Vergl. §. 33). Diese
auch auf die Tentakel sich fortsetzende Schichte empfängt in einzel-
nen Theilen z. B. am Stamme der Siphonopborenslöcke , eine nUich-
tigere Ausbildung. Bei den Medusen ist sie auf die den Gastro vascular-
apparat tragende Fläche der Scheibe beschränkt, wo sie die »Suburobrella«
vorstellt. Vom Rande der Glocke oder der Scheibe geht sie auf einen ver-
schieden breiten membranösen Fortsatz über, das Velum, das wesent-
lieh aus Musketfasern besteht, und ebenso erstreckt sie sich auf die
Tentakelbildungen. Gomplicirter ist die Muskulatur bei den Disco-
phoren, von denen Manche auch mit einem Velum versehen sind
(Aurelia). Bei allen Medusen bieten die Pormelemente der Muskulatur
eine feine Querstroifung dar, die den gleichen Theilen der Hydri-
formen abgeht.
Unter den Ctenophoren sind sowohl- oberflächliche, den wimper-
tragenden i»Rippen« folgende MuskelzUge beobachtet, wie auch im Innern
des gallertigen Körpergewebes Muskelfasern vorkommen sollen.
Am reichlichsten erscheint die Muskulatur bei den Anthozoc^n
entwickelt. So wird bei den Actinien die festsitzende Sohle des Körpers
vorwiegend von Muskeln gebildet und am übrigen Körper sind Ring-
und Längsfaserschichten unterscheidhar, die auch auf den Tentakelappa-
rat sich fortsetzen. Bei den stockbildenden Anthozoön scheinen die
4 06 Colenteralen (Zoophylen).
Körper der Einzeltbiere gleichfalls Ring- und Längsmuskeln zu besitzen,
und auch das weiche Cönenchym wird contractu, indem die dasselbe
durchziehenden Canainetze des Gastrovascularsystems von Muskelfasern
begleitet sind.
Nervensystem.
§ 80.
Durch den Mangel aller auf besondere Organe der Knipfindung
beziehbaren Einrichtungen stellen sich die Spongien auf die niederste
Stufe thierischer Differenzirung. Fast unmittelbar reihen sich daran
die Acalephen , deren niedere Formen gleichfalls jene Organe noch
nicht gesondert zeigen. So erscheint bei den llydroidpolypen die Zel-
lenschichte des Ectoderms noch als indifferentes Empfindungsorgan.
Auf dasselbe einwirkende Reize lösen Rewegungen der mit jenen Zellen
zusammenhlingen Fasern der Muskelschichle aus (§ 33), und erst 1km den
Medusiformen sind gesonderte als Nervensystem zu deutende Thcile
erkennbar. Sie liegen an dem zugleich die Sinnesorgane traiienden
am meisten nach aussen entfalteten perioralen Körpertheile. Das Ner-
vensystem der Medusen bildet nämlich einen längs des Scheiben-
randes verlaufenden Ring , der aus einem faserigen (iewel>e gebildet,
in regelmässigen Abstiinden ganglionäre Anschwellungen mit zelligen
Elementen zeigt. Die Ganglien entsprechen in ihrer Lage den als
Sinnesorgane zu deutenden Bandkörpern und senden Fädchen ah,
welche theils zu den Tentakeln verlaufen, theils die Radiärcanäle Iwi-
gleitcn. Dieser durch die Untersuchungen llXcKeL^s bei Geryoniden am
genauesten bekannt gewordene Nervenring findet seine Stutze am Ring-
knorpel und liegt z>\ischen diesem und dem Ringcanale des Scheibeu-
randes. Die Anschwellungen des Nervenringes stellen centrale Organe
vor, welche durch die faserigen Abschnitte untereinander verbunden
sind. Minder genau ist unsere Kenntniss vom Nervensystem der Dis-
eophoren.
Auch das Nervensystem der Ctcnophoren ist bis jetzt nur wenig
sicher nachgewiesen. Die Centren desselben sollen als mehrere mit
einander verbundene Ganglien in der Nähe des aboralen Köiiierpoles
liegen und sowohl zu den unter den Schwimmplättchenreihen verlaufen-
den Radiärcanälen als auch 7.um Magen Nerven stänunchen entsenden,
welche indess von Manchen in Abrede gestellt sind. Für die übrigen
Acalephen sind keine hierher bezuglichen Organe auch nur mit einiger
Sicherheit bekannt.
Sinnesorgane. i 07
«
Blnnesorgftiie.
§ 8*.
Bei der Unvollkommcnhoit unserer Kenntnisse vom Nervensysteme
der Cdlenleraten kann auch über die als Sinnesorgane anzusehenden
Theile keineswegs ein definitives LVtheil abgegeben werden. Das gilt
sowohl für die Einrichtungen die man als dem Tastsinne vorstehend
betrachtet, als auch von den höheren Sinnesorganen, die man vorzüg-
lich als Ilör- und Sehworkzeugc unterschieden hat. Dem im Integu-
menle vorhandenen allgemeinen GefUhlssinne scheinen t)esondcre Fort-
sei tzbildungen des Körpers zu dienen, die oben (§ 75) als Tentakel
aufgeführt sind. Ob dagegen eigene Apparate Ix'stehen, muss für jetzt
dahingestellt bleiben, wenn auch das Vorkommen starrer Borsten an
den Tentakeln, auf gesondeile Tastorganc schliessen lilsst.
DifTerenzirtere , zu Sinneswahrnehmungen eingerichtete Organbil-
dungen ßnden sich in den sog. »Randkörpern« die bei den freileben-
den Medusen dem Rande des Schirmes angefügt und in zweierlei Zu-
sUinden zu unterscheiden sind. Einmal erscheinen sie als bläschenförmige
Tiehilde, und zweitens als Pigmentanhaufungen , die mit einem hellen
iichtbrechenden KörptT ausgestaltet sind, jenen Organen <ihnlich, die l>ei
den hohem Thieren als Endapparatc^ der Sehnerv'en sich herausstelleu. Die
ersleren oder Randblüschen sind entweder in die Substanz der Scheibe
eingebettet oder springen frei am Scheil)enrande vor. Sic bes(ehen aus
einer homogenen, mit Epithel ausgekleideten Kapsel und umschliessen
eine oder mehrere conceiitrisch geschichtete Concretionen oder kleine
Kryslalle. Die erstiTen sind mit der Blilschenwand in fester Verbin-
dung, indem sie von einem kugeligen Vorsprunge der Wand um-
schlossen werden. Da sie nicht im freien Räume des Bliischens liegen,
so schwindet die Aehnlichkeit mit den Gehörblaschen anderer niederer
Thiere um Bedeutendes, ohne dass jedoch möglich uilre, eine andere
Deutung bestimmter zu formuliren. Dass Sinnesorgane vorliegen er-
hellt nicht nur aus der Anlagerung der Bldschen auf dem Nervenringe,
sondern auch aus der engeren Verbindung mit letzterem, da von dem
unter jedem RandbiHschen gelegenen Ganglion ein doppelter das BUis-
eben umgreifender Faserzug ausgeht, der nach stattgefundener Ver-
einigung in die das Concrement enthaltende kugelige Zellenmasse ein-
irilt (Geryoniden] . Die Verbreitung dieser Randblüschen findet sich
vorzüglich bei den Europiden, Trachynemiden, Gerjoniden, Aeginiden.
Bei den Aeginiden Cunina) sind statt der rundlichen Concrement©
Krystalle vorhanden.
Die letztere Form der Randbl^schen bildet einen Uebergang zu
ähnlichen Gebilden der Discophoren. Die Randkörper erscheinen hier
Siels gestielt (Fig. 28. A B b) und liegen in einem Ausschnitte oder .
einer nischenförmigen Vertiefung des Scheibcnrandes, von Lamellen-
108
Cölentoralen (Zoophyten).
Fig. 28,
Vorsprüngen desselben schirmnrtig bedeckt. Einen grossen Theil des
Randkörpers bildet ein Hohlraum (Ampulle) (d) , der mittelst eines in
den Stiel übergehenden Ganales (c) mit dem Gastro vascularsysleme zu-
sammenbringt. Dieser Ampulle angelagert und das freie Ende des Rand-
körpers einnehmend findet sich ein mit Krystallen gefülltes BlUscben (e),
welches mit dem gleichen der Aeginiden übereinkommt. Die bedeu-
tendste Verschiedenheit von letzteren ist also nur durch den Mangel
der vom Gastrovascularapparat gebildeten Ampulle gegeben.
Organe anderer Art finden sich
bei den Hydromedusen. Sie schei-
nen in einem sich gegenseitig aus-
schliessenden Yerhciltniss zu den Rand-
bliischen zu stehen, denn sie kom-
men nur in jenen Familien (Oceani-
den) vor, welche der Bläschen entbeh-
ren. Als erste Andeutung erscheinen
Pigmentflecke an der Tentakelbasis,
die zwar in der Regel der licht-
in anderen Fällen dagegen mit Bil-
dungen ausgestattet sind, die an die KrystallsUibchen anderer niederer
Thiere erinnern. Bei den Discophoren combiniren sich diese Occili
mit den bereits erwähnten Randkörpem, sie zeigen bald nur Pigment,
bald solches als Umhüllung eines stark lichtbrechenden Körpers (Fig.
28 Bg).
Auch bei den Gtenophoren bestehen eigenlhümliche Sinnesorgane.
Vor allem gilt hier ein bläS'rhenförmiges , dem aboralen Pole des Kör-
pers angelagertes Gebilde, welches feste Concremente nach Art der
Ololithen in den Gehörbläschen anderer niederer Thiere enthält. Die
funclionelle Bedeutung auch dieses Oi^ans ist jedoch noch nicht sicher
gestellt, und ebenso unsicher ist die functionelle Bedeutung zweier zur
Seite der Otolilhenplatte gelagerter wimpernder Flächen, der Pol-
felder, die bei manchen von kurzen Forlsätzen umgränzt sind.
brechenden Medien entbehren ,
Darmcanal.
§82.
Mit der bei den Cölenteralen zuerst auftretenden Sonderung des Kör-
pers in eine Ectoderm- und Entodern)Schichte ist der niederst^^ Zustand
der Ernährungsorgane gegeben, indem das Entoderm einen nach aussen
Fig. 28. Randkörper von Discophoren. A von Pelagia noctiluca. B von
Charybdea marsupialis. a der freie Theil des Randkörpci^ zwischen den Rand-
ausschnitten der Körperscheibe gelagert. 6 Stiel, c Canal in demselben, d Am-
pulie. e Krystalisackchen. f Pigment, g Linsenartige Körper.
DtnnCBnal. 109
geOBheten Rsum, die erste discretc Bildung einer verdauenden Caviiat
Magenhohle] auskleidet. (Verj^l. oben § 2H.) In der Gi>strulaform
erscheint dieser Befund am einfuchsten , und geht von da aus in den
beiden Hauptabi betlungen der Cdlenleralen inblreiche Sonderungen ein.
Die UagenhOhle bleibt nUmlich nicht auf jenen einfachen Raum be-
schränkt, sondern wächst in mannicbfallige Hohlraumbildungen, Canüle,
Taschen etc. aus, welcbe im Organismus bald irregulyr, bald in be-
slimmter Anordnung sich vertheilen. In der Regel verknüpft sich da-
mit eine Arbeitstheüung , und nur ein bestimmter Abschnitt oder
mehrere solche fungiren als verdauende Caviut, indess die übrigen
Rilume mehr zur Vertbeilung des ernährenden Fluidums
[Cbymus) verwendet werden. Damit ist aber die Function dieses
Gastralsy Sterns nicht abgeschlossen. Es entspricht ohne Zweifel »uch
den Zwecken der Athmung, indem es mit der Nahrung aufgenommenes
Wasser im Körper verbreitet, und demselben besonders bei den Spön-
nen bedeutend grossere OberflUclien darbietet als die Musseren Kllrper-
lläcfaen. Endlich besitzt es wichtige Beziehungen zur Fortpflanzung,
indem die Zeugungsstofic in seinen Wunden entstehen.
§ f^-
Unter den Spongien bleibt jene einfachste Form auf frühe Knt-
nicfcelungBZustände beschrankt, und meist treten bedeutende Compli-
cationen auf. Die Enlodermschichte besteht aus deutlichen Zellen vnn
denen jede einen geisscl artigen Anhang trügt. Diese Wimperzellen
[GeisselzellenJ lassen zw iseben sich
temportlre Ltlcken entstehen, wel- Fig. 19.
che sich in gleichzeitig in der
Eclodermschichte auftretende
Lücken fortsetzen , so dass die
Darmcavität ausser durch die
MundfilTnung (Fig. 29 o) durch
bald da bald dort sich ttfTnendc
und wieder schliessende Poren
iiiil deui umgebenden Medium
in Verbindung steht. Uie Zahl
der somit eine dermale und eine
gaslrale Oeffnnng besitzenden Po-
rencanüle ist meist sehr gross und in Abbiingigkett von der Zahl der
von den Schenkeln der Spicula begrenzten Ittlume (vei^l. Fig. äüo).
Diese Befunde linden sich in den niedersten Formen der Kalkschwiimme,
bei den Asconen ausgeprägt (Olynthusj.
Fig. it. Bin auR t Personen (Individueo) Ixsteliender Asconntocii. Schema.
t Ectoderm. i Eiiloderm. o MuiidütTnong. g DamihOlile. Nseli G. HXctiL.
110
Cölenteralen iZoopliyien].
Eine iweile Form entsteht durch Bildung von Äusbuchlungen
der DnrinliJihlß, die sich m das cnUprechend verdickte Ecloderm hinein
forlsitlzon und darin mehr odor minder vcnweiglc Conille (Astcin.lle)
bildün, von denen wieder feine gleichfalls verzweiglo CaoUle niti Der-
malporen ausmünden. In dem Mnasse als sich die Sonderung der
Darmhöhle in verzweigte Caniile ausgeprügt hal, Verliert sie ihre Be-
deutung als Hagenhöhlc und
Fig. 30.
kieselschwdmm
zugleich die Enlodermaus-
kleidung, welche sich dann
auf die verzweigten Ga-
n.ile beschränkt. Die En-
todormschicfate bleibt aber
auch hier nicht allgemein,
sondern zieht sich endlich
sogar nur in Ausbuchtungen
jener Äslcantilc lurtlck,
welche dadurch die sogcs-
nannlen Wiinperkam-
mern vorstellen.
Die nebenslohendo Ab-
bildung (Fig. ;)0) stellt
letzteren Zustand vor, bei
dem das Entoderm nur noch
die Wimpcrknmmom (w]
auskleidet. Modiftcntioncn
dieses unter den Kalk-
schw Inmen heiderGruppe
der L uconen bestehenden
Virhiilo IS bilden sich durch
Veibmdungen der AstcanUle
wie dei Wimperkamnicm
untcrcininder , woraus
netiforn ige Canalsystcme
llom d w nu », schliessen sich diesem
I rvorg I I
fyi US in
I ine dr tie Form entsteht durch Bllui^ dichls lebender, radial zur
Hagenhühlc gerichteter C nlle welche m ihicn \ ci halten der einfcicheo
Asuinform ei Lprcrhen jcdoc) n ist nu lu ch Deraialporen nach
lUbscn conin unicircn Die prmttvt. Dirmlohle \ ilierl hier wie bei
Ln leucon n nit ihrer ( c sselzelknschicht (Lntod rmj die nutritive
Function WLlclie duf die liad Jrrührtn beschr nkt wird. Letztere bleiben
Fb ■
i rostrasi c
1 cne"
Leucon Dj jcus
0 M 1 (Tnun
B 1> r
ni \ f pD nak
IC e dun« vo
tctodP
m und En o Ipnn i
Darmcanal. 111
selten frei, sondern versdimelxen raeisi theilweise oder voUsUindig mit
ihren Wandungen zu einer mächtigen, die primäre Darmhöhle omgo-
benden Schichte. Bei nur theiiweisem Verschmelzen der RadiUrröhrrn
entsieht aus den Zwischenräumen ein System von CanHlen, welche
nar von Bcloderm ausgekleidet sind. Realisirt ist diese Form unter
den Kalkschwäromen bei den Syoonen.
- UnsähKge, bis auf individuelle Zustände herabreichende Modifica-
lionen bieten sich innerhalb der einzelnen Formen dar, weiche erst
durch HAgksl's Monographie in naturgemässen Zusammenhang gebracht
wurden. Die primäre Darmhöhle erleidet Aenderungcn durch Aus-
buchtungen sowie durch Entstehung von Septis oder Trabekeln von
Seite des Ectoderms, und kann ebenso mit der Entfaltung des von
ihr ausgehenden Canalsystems sich völlig rtickßilden, welche Erschei-
nung (Lipogastrie) bei Hom- und Kieselspongien nicht selten ist.
Eine gleiche Rückbildung kann auch die Mundöffnung eingehen (Lipo-
slomie) ohne dass die Magenhöhle sich daran betheiligt; die Dermal«-
poren übernehmen dann die Function einführender (lanäle, mier es
bestehen an der Stelle der Mundöft'nung zahlreiche kleine Lücken, wie
t>ei Euplectella.
In hohem Grade wird die Gestaltung des Gastralsystems durch
die Stockbildung beeinflusst, welche theils durch Concrescenz freier
Personen , theils durch Sprossung auftritt. Die Verbindung ruft dann
je nach dem Grade ihrer Ausbildung entweder eine blosse Communi-
cation der für die einzelnen Personen selbsUlndig bleib«»nden Mapen-
böhlen hervor (Fig. 29), oder führt zu einer völligen Verschmelzung jener
Cavitäten, wobei auch die Mundöffhungen Reductionen erleiden oder
sogar auf eine einzige sich rückbiklen, die gleichfalls schwinden kann.
Aus der Stockbildung entspringt femer ein besonderes, durch die
zwischen den nicht verbundenen Stellen der Personen, oder den ana-
stomosirenden Aesten des Körpers bestehenbleibenden Lücken gebildetes
System von Hohlräumen (Intercanalsystem), welches wie jenes oben für
die Syconen erwähnte nur vom Ectoderm begrenzt wird , und dadurch
sich vom Gastralsystem wesentlich unterscheidet. Er zeichnet sich
durch bedeutende Unregelmässigkeiten seiner Anordnung aus, und bildet
auch weitere Räume, die sogar eine Magenhöhle mit Mundöffnung vor-
täuschen.
Aus allen diesen Einrichtungen ergibt sich für die Spongien mit
dem Wandel der Formen auch ein bedeutsamer Wechsel der
Functionen der einzelnen Theile. Die physiologische Leistung der
verdauenden Cavität vertheilt sich nicht nur auf die von letzterer aus
entstandenen secundären Nebencanäle, sondern tritt auch auf diese
gianz über, oder beschränkt sich sogar nur auf ejpzelne Strecken der-
selben, wobei dann die ersleren functionell auf eine tiefere Stufe her-
H2 Cölenteraten (Zoopbyten).
absinken. Auf der anderen Seite kommt mit dieser Aendening den
ursprünglich untergeordneten Abschnitten des Canalsyst^ms eine Haupt-
rolle zu, und selbst die primitiven Oberflachen des Spongienleibes ge-
langen , zur Begrenzung des Intercanalsystems verwendet , zu einer
höheren Bedeutung. Alles lehrt deutlich, wie die Organisation der
Spongien nicht nur im grössten Flusse sich befindet, sondern auch wie
zu ihrem Verstündniss die schärfste Sonderung des physiologischen und
morphologischen Werthes der Organe unerlUssHch noth wendig ist.
In der ersten Anlage kommt die Bildung der Darmhöhle der A c a -
lephen mit jener der Spongien überein, aber im ausgebildeten Zu-
stande ergeben sich besonders durch die grössere Regelmässigkoit der
Anordnung des aus einem einfachen Hohlräume diflercnzirten Apparates
für die Acalephen bedeutende Eigen thUmlichkeiten. Die meist durch
Ausbildung accessorischer Theile in ihrer Umgebung ausgedehnte Mund-
Öffnung fuhrt in die verdauende Cavität, und dient auch als Aus^'urfs-
öffnung der unverdauten Stoffe. Der Hauptraum bleibt nur selten für
sich , sondern wächst in Nebenräume aus , die als Taschen oder Ca-
näle sich verhalten, und in der Regel auch eine functionelle Differen-
zirung ausdrücken, indem die in ihnen enthaltene Chymus-Flüssigkeit
durch sie im Körper der Person wie auch des Stockes zur Vertheilung
gelangt. Diese »Nebenräume« der verdauenden Gavität, mit letzterer
zusammen wieder ein Gistralsystem oder ein »Gastrovascular-
System« bildend, versehen damit die Function eines circulatorischen
Apparates, ohne dass sie morphologisch etwas anderes sind als Dif-
ferenzirangen einer primitiven Darmhöhle. In ihnen das anatomische
Aequivalent einer Leibeshöhle zu sehen, beruht auf einem gänzlichen
Verkennen des thatsächlichen Befundes.
§ 86.
Die einfachste Form des Gastrovascularsyslems findet sich bei den
HydroYden. Bei Hydra stellt es einen die Längs<ixe des Körpers
durchziehenden Raum vor, der mit einer Mundöffnung in Mitte des
Tentakelkranzes beginnt, und von dem darauffolgenden sehr erweite-
rungsfähigen Abschnitte, dem Magen, verengert in den dünneren Körper—
Iheil sich fortsetzt. Auch in die Tentakel erstreckt sich jener Raum.
Bei den coloniebildenden HydroTdpolypen verläuft der vorn Magen aus-
gehende Canal durch den ganzen Stock, und lässt das Gnstrovascular-
system allen Personen gemeinsam erscheinen. An den Stöcken der
Siphonophoren sind nur einzelne Personen zur Aufnahme von
Nahrung eingerichtet. Sie entsprechen in ihrem Baue den Magenröhren
von Medusen, und stellen sehr erweiterungsfähige Schläuche vor, die
DsnncaiisK f 1 3
in ihrem Grunde mit dem gemcinschaftnchen Hohlraumsystem des
Stockes xusaroroenhängen. Wir haben uns also hier vorzustellen, dass
diese Kategorie von Individuen die dem Medusenktfrper zukommenden
EinricbUiDgen bis auf den Magen verloren hat (vergl. § 7f). ZRhIreiehe
Yerscbiedenbeiten bietet das Gastralsyslem der Medusen (sowohl der
Hydrooiedusen wie der Discophoren) . Es nimmt stets die Concavität
der Gallertscheibe ein, und besteht aus einem in Mitte dieser Fläche
befindlichen Magen und den davon ausgehenden Hohlräumen. Der
erstere liegt entweder unmittelbar an jener Fläche, oder er sitzt auf
eiaeiD besonderen von doit vorspringenden oft
beträchtlichen Stiele. Dieses freie Vorragen eines ^^^' ^^'
sonst im Innern des Körpers geborgenen Organs
erklärt sich aus der Differenzirung des Magens
der Hydromedusen aus dem vordersten Körper*
tbeile der HydroYdpolypen, so dass er einen gan-
xea Leibesatechnitt repräsentirt. Die Mundöffnung
ist meist von tentakelartigen Gebilden oder zipfel-
förmigen Verlängerungen der Magenwand umfasst,
seltener fuhrt sie zunächst in einen Oesophagus-
artigen engeren Abschnitt. Bei den meisten
Hydromedusen ist der Magen von dem hinter
ihm liegenden Baume durch einen in seinem Grunde
vorspringenden Wulst geschieden, durch dessen
Contraction der Magenraum von dem tlbrigcn Gastrovascularsystem ab-
geschlossen werden kann. In der Gestalt und Ausdehnung des Magens
besteht grosse Verschiedenheit. Weit über den Band des glocken-
förmigen Schirmes vorragend erscheint er bei den Sarsiaden. Vom
Grunde des Magens oder von dem hinter diesem liegenden Baume ent-
springen die in der Subumbrella sich verbreitenden Hohlräume ent-
weder als engere Canäle oder als weite taschenförmige Ausbuchtungen.
Die engeren Canäle treten in radiärem Verlaufe 's. Fig. 31. 39) zum
Schimirande, entweder einfach oder unter regelmässigen Bamilir^itionen,
und münden dort in einen Bingcanal , der bei nianchon auch in die
Randtentakel Fortsätze abschickt. Auf ihrem Wege zum Bande können
die Radiärcanäie Ausbuchlungen darbieten , die mit dem Geschlechts-
apparate in functiöneller Verbindung stehen (s. § 9r. Bei den Aegi-
niden wie bei den Discophoren geht die Magenhöhle unmittelbar in die
radiären Erweiterungen über, welch' letztere von einfacheren (janälen
»ch ableiten. Zuweilen wechseln sogar engere Canäle mit weiteren
Rüumen ab. Die Canäle sind verästelt (Flg. 3?. gv, oder bilden, wie
hei den Rhisostomiden, ein peripherisches Netzwerk. Wie die Gallert-
substani des Sphirmes bei den Discophoren auch auf die Magenwand
Fig. Sl. EineThnnmantioAil von der Unterfltfche, B nuf dem DorchüchniUe
Sesehen. In der Mitte des Körpers heflndet sich der Ma^en, von dem die Radttfr-
tanaltt zum Ringen na U* ausstrahlt*»-.
Ocg«aW«r, 0r«fl4ritB. K
Il(
Cölentcralen iZoophylen) .
Fig 8»
sich foi'Uetzt, ist der Uagen vom übrigen Gastrovascularsystem nicht
sehr schürf geschieden. Seine Wandung setzt sieb immer in armartige,
in der ßegel in gefaltete Membranen »uslaufende Anhänge fort fHund-
arme), welche die Uundöffnung zwischen sich fassen. Theilungen dieser
Mundarme bedingen fernere Hodifi-
calionen die bis zu reich \enweiglen
Anhangsgebilden fuhren Dieser Ge-
staltung entsprechend leiten dann zahl-
reiche allmählich sich vereinigende
Binnen zum Hunde bin Bei den
Bhizostomiden bleibt der Hund nur
in einer frühen Penode offen, und
verscbliesst sich dann unter allmSb-
liebem \ernachsen der ihn begrenzen-
den Armeu an denen die Rinnen ver-
zweigte Candle bilden die an den En-
den der Arm Verästelungen mit vielen
feinen Oeffnungen mUnden. IPoly-
stomie )
Bei den Lucernanen sldheo
die Formzustande des Gastrovascular—
apparates denen der Hedusen sehr
nahe Ein von der concaven Flache
des Schirmes vorragendes , in vier
Ecken ausgez<^enes Magenrohr fuhrt
in einen weilen, in vier radiale Taschen fortgesetzten Baum, der in
vier in den Stiel eindringende Canäle sich verlängern kann. Die
vier Taschen enlsprecbea erweiterten RadialcanSlen der Hedusen,
und sind, wie dort, am Rande des Schirmes durch einen Bingcaoal
reprSsentirende OeShungeii unter einander in Verbindung. Dieses
Verballen ist bei anderen dahin modificiit, dass der Hagen sich röhren-
förmig in den Körper fortsetzt, und an seinem bis in den Stiel ragen-
den Ende in den Anfang der gegen den Scheibenrond erweiterten
Badialcanäle ü beigebt.
§ 87.
ber Hagen derAnthozoän erstreckt sich von der Mitte der ten-
takeltragendeit Kürperllache in den Korper, um dort in einen Raum
sich zu öffnen , von welchem aus Cnnttle seitlich am Hagen em-
porlaufen, um in die Hohlräume der Tentakel Überzugehen. Durch
Via. Si. Aurelia aurila, zur HKlhe von der UnlerspÜe gesehen, a RandkArper,
1 RendtcnUkel. b Mundarme, v Magentidhle. gv CanMle des Gastrovascuiar-
systenio, die Mch gegen den Rand hin verxwcigen und in einen Ringcanal lusam-
meiiflicsiien. chi Ovarien.
Darme« ml.
tt5
die Weit« dieser mit dem Hagen (Fig. 33. v] zuMmmMihjln^nden Ca-
nale erschflinl das Zwischeogeweb« in Forai von Scheidewänden («j,
die in radiärer Anordnunft von der KSrperwand lur Wand des Magens
verlaureo. Die Canäle (re-
Fig. 11-
teo dadurch als um dfn
Magen gelagerte Kammern
{c'i auf, die hinler dem
Hagen in eiora gamein -
Samen Cenlralraum (fi)
lusammenfliessen u. durch
diesen mit dent Hagen-
gninde cammuniciren. Die
Zahl dieser Kammern ist
bei den Octactinien acht,
bei den übrigen Antho-
Kia ist sie verscfaieden,
richtet sich aber nach
demselben Zafalengeselze,
welches auch in nnderen
Organisa tionsverhaitnissen,
wie I. B. in der Tentakel-
lahl sieb ansspricbt. Die Septa des Gastrovascularapparates setzen sich
l^wOhDlich noch eine Streclte weil hinter dem Nagen an der KSrper-
wand enllaog fort, um als bandförmige Streifen oder Wulste, im Grunde
der CentralbOble auszulaufen.
Bei den stock bildenden Anthoiocn setzt sieb die Centralbttble
jeder Person mii einem das COnencbym durchziehenden Canalsyslem
(Fig. 33) in Verbindung, wodurch also alle Individuen unmittelbar
unter sich zusammenhüngen. Dieses Canalsystcm bildet ein Netz-
werk von weiteren und engeren Rohren zur Verlheilung der er-
nährenden Flüssigkeit im Stocke. An den Stocken der Octactinien
Godel an einer Steile des gemeinsamen Stammes eine Vereinigung
lahlreicber CanSle zu einem weiteren Baume glatt, von dem eine
OeOiiung nach aussen fuhit, die wahrscheinlich zur Itegulirung der
Zu- und Abfuhr des den Gaslrovascularapparnt durchströmenden
Wassers dient [Pennalula, Benilla). Eine ähnliche OcfTnung isl auch
hei Cereantbus beobachtet; sie entspricht dorn Perus der Hydren, wie
dort am aboralen Kürperende gelagerl, und in den hinter dem
Magen gelegenen Raum führend ; es darf wobl ausdrücklich bemerkt
K^en, dass man diesen Perus keineswegs als Afler anzusehen hat.
Fig. 13. QuerschDlIt durch einen The II des Stockes von A lc>Dniun), «oln-i
iwei individoen A A oabe unter ihrer Einsendung in ilas Cttnencliytn ein drittes,
B tlwai tiefer durcbscbnitlen wurde. t> Hngennand. c Railialcanale (Kammerü
der LeibethOhle). t Septa. o Eier. Von dem von Cao&len durchiORenen COnen-
ctaym Ut ein Theil mit den Kalkkorpern dargestellt.
1)6
Colente raten (ZoophyUii)
Diese dem Gastrovaseularsystem die Bedeutung eines Wnssergefitss-
Systems veriethenden Eiurichtungen siod bei manchen Anlhozoen (Ko-
rallen) in Form von Teinen, Über die Oberfliiche der Stöcke zerstreuten
Poren vorbanden, die nur im Uomente ibrer Function — beim Aus-
lassen von Wasser — erkennbar sind. Aehnliche OeETnungen ßnden
sich aurb an den Tentakel spitzen mancher Actinien etc. Alle diese
Einrieb lunifen erinnern an die Dermalporen der Schwämme.
Bei manchen Pennatuliden erscheinen einzelne Personen eines
Stockes in minderer Ausbildung, und dtlrflen die Function der Nah-
rungsaufnahme verloren haben.
Kig. 8(,
Bei den Ctenophoren weicht das ernährende Hohlraumsystem
nur in Einzelheiten ab. Eine bei den BeroVden sehr weile, bei deD
llbrit;;en engere Hagenhcble senkt sich in den
Körper in der Hicblung von dessen Langsame ein
und geht mit einer durch Husculatur verschliess-
baren Oeffnung in einen als »Trichter" bezeich-
neten Kaum über, von dem aus das Cnnalsysteni
im Körper sich veriweigl (s. Fig. 31). Vom
Trichter entspringen radiüre, zu den die Wimper-
reihen tragenden »Rippen« verlaufende Canüle. Am
Mundende der BeroTden und Gallianiriden senken
sich diese Radialcanüle in einen Bingcanal ein.
Dieser nimmt auch bei den letzteren zwei an den
Seilen der Magenwand herab verlaufende Canülc
auf, die gleichfalls aus dem Trichter entspringen.
Bei den Cydippiden sind diese von ansehnlicher
Weite und geben den Anschein eines den Ma^en
umgebenden gemeinsamen Raumes. Endlich gehen
vom Tricht^^'r noch zwei kürzere Canale ah, die
mit verschliessbaren Oeffiiungen zur Seite der «Polfelder« (vergl. S. 10S)
ausmünden. Sie vermitteln eine zweite Oommunication des Gaslral—
Systems mit dem umgebenden Wasser.
Von dieser Anoi^dnung des Gastralsyslems bilden sich einzelne von
der Korperform beherrschte Modificalionen. Auch Verzweigungen ein-
zelner Canalgruppcn finden sich. So bilden die Radialcanüle seitliche
bei Berolden verästeile Ausbuchlungen, indess sie liei den anderen in
besrhrünkterem Vorkommen mit dem Geschlecht sapparate in Verbindung
stehen.
Fig. 3t. Ansicht äes GasIrovnstuliirappBrBles fiii>i>r Cydippe. A Von der Seile,
die UundöfTiiung nat-h oben gewendet. B Vom Mundpotc aus.
Gesell lechlsorgaof. 4 47
§ 89.
Einigen Abiheilungen der Acalephen kommen fadenförmige, in die
Centralhtthle des Gastrovascularapparates einragende Gebilde zu, die
als Hesenterialfilamenie bezeichnet werden. Sie finden sich bei
den Lucernarien, Anthozo^n und Discophoren; in den beiden ersten
Gruppen sitzen sie lAngs der vom Magenrohre aus in die Wand
der Gentralhöble sich fortsetzendeo freien Ränder der Septa. Bei den
Discophoren bilden sie an der Wand der CentralhöbJe sitzende Büschel.
Sie zeigen wurmartige Bewegungen und sind besonders bei den Acti-
nien reich mit Nesselkapsehi versehen. Ueber die Function dieser sehr
frühzeitig differenzirten Oi^ne liegen keine Thatsacben vor.
Obwohl drüsige Anhangsgebiide der verdauenden GaviUU *
bei den Cölenteraten nicht differenzirt zu sein scheinen, so besteht doch
eiDe bieher zu rechnende Einrichtung, welche als Andeutung eines
secemirenden Apparates — vielleicht der Leber anderer Thiere annlog
— angesehen werden darf. Es ist das die bei vielen Cölenteraten
vorhandene, durch verschiedene Färbung ausgezeichnete Kpitbelaus-
kleidung des Magens. Die pigmentirten Zellen sitzen in Liingsreihen,
meist auf den vorspringenden Faltungen der Magen wand bei Antbozo^n,
aucb bei Hydromedusen , und hier sogar in der Polypenform' (z. B.
bei Tubularien] ausgeprägt, bilden sie deutliche wulstartige Längs-
reiben im Grunde der verdauenden Cavität der Ernährungsindivi-
duen der Siphonophoren. Von besonderer Differenzirung erscheint
ein wohl dem einzigen grossen Magen der Volellcn zugehöriges
Netz von »Lebercanälen« , welches an der ünternilche der S<'heibe
sieb findet.
Oesohlechtsorgane*
§ 90.
Die geschlechüicbe ÜifiTerenzirung ist unter den Cölenteraten noch
nicht der ausschliessliche Factor der Fortpflanzung, da vielfache For-
men einer ungeschlechtlichen Vermehrung (s. oben § 68 - 7-H) bestehen.
Die Bildung von Geschlechtsproducten ist allgemein nachgewiesen,
knüpft sich aber noch nicht durchgehend an discrete Organe, sondern
erscheint als eine erst allmählich sich localisirende Function« Im Ali-
genseinen ist das Entoderm die Bildungsstätte der ZeuguogjStoffe^.
Wenn in manchen Fällen diese Beziehungen noch nicht sicher gestellt
sind, in andern wieder das Ectoderm jene Oertlichkeit abzugeben
scheint, so ist hiebei die mit der gescUeohtlichen Fortpflaniung sich
interferirende ungeschlechtliche Vermehrung mit ihren mannicbfachea,
oft schwer verständlichen Erscheiuungen als modi6cirender Factor mit
\ \S ^ Cölenteraten (Zoophyten).
JD Betracht zu nehmen, und die klnrliegenden Fälle werden bei der
Beurtbeilung des Ganzen den unsicheren vorzuziehen sein.
Am einfachsten verhallen sich die Spongien. Die vom Entoderm
ausgekleideten Theilc des Gastralsystems , also in gewissen Fällen nur
die Wimperkammem, liefern die Geschlechtsproducte. Einzelne Zellen
der Entodermschichte werden unter Verlust der Geissei bedeutend
grösser und rücken damit unter jene Schichte, oder sogar in das be-
nachbarlQ Ectoderm hinein. Es sind die Eizellen, welche in Ueber-
einstimmung mit den Befunden anderer Formbestandtheile des Schwamm -
Organismus amoebol'de Bewegungserscheinungen äussern. Die Elemente
des Sperma entstehen gleichfalls als Differenzirungen von Entoderm -
Zellen und erscheinen zwischen den Letztern als Häufchen kleinerer,
gleich den andern mit einem geisseiförmigen Anhang ausgestatteter
Zellen. Beiderlei Elemente entfernen sich somit in sehr geringem Grade
von den Formelementen des Entoderms und geben als Unterschiede
fast nur Grösse-Differenzen zu erkennen.
Die Acalephen zeigen die Bildungstätte der Geschlechtsstoffe
meist in der Wandung der verdauenden Cavität oder den davon diffe-
renzirten Hohlräumen. Wie eine Ausnahme erscheint das Verhalten
von Hydra, bei der die Geschlechtsproducte in äusseren knospenartigen
Bildungen, Sonderungen des Ecloderms entstehen. In wiefern hier
eine Rückbildung des bei den andern Hydro'iden bestehenden Befundes,
nämlich einer Betheiligung des Entoderms, vorliegt, muss dahin gestellt
bleiben. Sehr allgemein erscheint unter den Hydromedusen eine
Trennung der Geschlechter auf verschiedene Personen nicht nur, son-
dern auch auf verschiedene Stöcke, und nur bei den Siphonophoren
sind hermaphroditische Stöcke die Regel.
Die Geschlechtsproducte verursachen an den Körpertheilen an denen
sie sich bilden mehr oder minder bedeutende Anschwellungen, die
aber nur zur Zeit der Produclion jener Stoffe bestehen und somit als
temporäre Organe betrachtet werden können. In den Form Verhält-
nissen der die Geschlechtsproducte bergenden Theile ergeben sich be-
trächtliche, aber durch zahlreiche üebergänge verbundene Eigenthüm-
lichkeiten. Bei den freiwerdende Medusen erzeugenden Hydrotden-
slöcken (vergl. § 70) erscheinen die ersteren als die Träger der Ge-
schlechtsorgane; die Medusen stellen dieGeschlechtsthiere der betreffenden
Hydrotdpolypen vor, und bringen entweder an der Magenwand oder
an den Radialcanälen, oder endlich auch am Ringcanale Samen oder
Eier hervor. Bei einigen erfolgt diese Production erst lange Zeil nach
der Ablösung vom Hydro'idenstocke, bei anderen tritt sie früher auf,
und daran reihen sich endlich solche, bei denen die Bildung von Zeu-
Geschlecb tsorga ne. H 9
gungsstoffen noch wahrend des Fesisitiens am HydroYdenstocke statt
hat. Hieran reiben sich dann jene Zustande, wo es gar nicht mehr
zur Abidsung der Meduse kommt, die dann zugleich nicht mehr voll-
ständig sich ausbildet. Alle bei der freien selbständigen Lebensweise
in Function stehenden Organe, Mund, Magenböhle, Tentakel, Schwimm-
glocke etc. erscheinen in Stadien der Verkümmerung. Es sind medu-
soYde Knoq)en, in denen die Geschlechtsproducte entstehen. Bei An-
deren ging die medusoYde Gestalt gäntlich verloren und dann erscheinen
am HydroYdenstocke einfachere Gebilde als Geschlechtskapseln, in welche
httchstens noch ein Gaslrovascularfortsatz einragt. Diese Geschlechts-
gemmen entstehen wie die medusoYden Formen und die Medusen selbst,
bald am gemeinsamen Stocke, bald am Polypenkörper, oft nur an be-
stimmten Stellen des letztem, wie z. B. bei den Tubularien zwischen
äusserem und innerem Tentakelkranze. In den Fallen der Rückbildung
der proliferirenden Polypen werden die Geschlechtsknospen immer von
denselben Gehäusen umschlossen, wie sie für die Polypen selbst be-
steken. So Ittsst sich die Erscheinung der Sprossung von Medusen bis zu
einer Stufe zurUckverfolgen, auf welche der Spross wie ein blosses Gene-
rationsorgan des HydroYdenstockes erscheint. An diese letzten Stufen
der Rückbildung reiht sich wohl das Verhalten von Hydra an, bei der
der Zusammenhang der Differenzirung der Geschlechtsproducte aus
der Wandung des Gastrovascularsystems , d. h. aus dem Entoderm,
verloren ging.
Aehnlich den HydroYdpolypen verhalten sich die Siphonopboren,
bei denen die Bildung von geschlechtlich entwickelten Thieren nach
dem Medusentypus mit dem gleichartigen Bestehen anderer medusi-
formen Personen die als Generationswechsel bezeichnete Erscheinung
bei den HydroYden als eine Arbeitstheilung erklaren hilft. Bei einem
Tbeile der Siphonopboren bilden sich die Geschlechtsthiere zu freiwer-
denden Medusen aus, in deren Magenwand die Keimproducte entstehen
(Velella — Gbrysomitra] . Die meisten übrigen besitzen nur mednsi-
forme Gemmen in den verschiedensten Stadien der Rückbildung (vcrgl.
Fig. it. B. g. E.), Der Magen der Meduse wird allmählich nur durch
die Geschlechtsorgane reprflsentirt und die Schwimmglocke verkümmert
XU einer Umhüllung der Letzteren. So finden sie sich bald vereinzelt
(DiphyYden) , bald zu traubenartigen Büscheln gruppin (Pbysophoriden)
am Stamme des Stockes oder auch an bestimmten Personen desselben.
§ 9«.
Wie bei den Medusen der HydroYdpolypen und der Siphonophoren
die Wand des Gastrovascularsystems die Bildungsstätte der Keimstoffe
vorstellt, so triflt sich dasselbe auch bei jenen Medusen, die keine Be-
ziehungen zu HydroYden mehr besitzen. Meist sind es die Radiär-
canäle (Aequoriden) oder die taschenförmigen Ausbuchtungen des Magens
13Q CdlonK^roUD (Zoopliyt«!)!.
^Ai't{iiiiil(-ii;, an ilenen die Zcuguii^ssloirc cntsiehcn. Bei grösserer EtifLC
iler Caniilc bilden sie frei vorragende Ausltuchtungen, die, bedeulender
entwickelt, sogar krausen-
Ki^. SS. itrtige Fallen vorstellen. Blatt-
fürmige Ausbreilungen der
Radialcnnäle entstehen milder
Bildung der Zeugungsstoße bei
den Geryonidon. Bei allen
gibt die untere, dem Schirme
abgewendete Wand der Ca-
niile die Keimsltltle ab (Fig.
:{5. g). Die Entleerung der
Keimstolle erfolgt iheils durch
den Magen, theils eifolgt sie
durch eine Buptur des Ge-
Bei den Discopboren tre-
ten die Geschielt ISO rganc im-
mer in ganz gleichen Bezie-
hungen auf und ihre Lage-
rungs- und Formverbältnisse
sind viel weniger mann ichfach. Sie beslchen aus vier oder acht halb-
mondfürmig gebogenen und rosetlenartig auf der Unlerl1<tche des Schir-
mes angeordneten Krausen [s. oben Fig. 3S. ov), welche aus Ausbuch-
tungen des Gastro vHscularsyslcms hervorgehen. Sin liegen entweder in
Vertiefungen der Unterflache der Scheibe geborgen oder hüngen, oft in
vielfachen Fällungen, frei ber\'or.
Die Lucernarieu zeigen die Geschlechtsorgane in Form von
acht radiiir gestellten UingswUlstcn an dem der Subumbrella der Me-
dusen entsprechenden Kdrpeitbeile , von wo sie In die Taschen des
Gaslrovascularriiumes Vorsprlinge bilden. Sic repräsentiren dadurch
eine Millelform zwischen dem Verhalten der Hydromedusen und der
DiSGophoi'eii.
§ 93.
Die Geschlechtsorgane der Anthozoiin sind in ziemlicher liebet^
einsliramung im Zusammenhang mit dem F^ntoderui zu finden, so dass
die ZeugungsslofTc durch den Magen nach aussen gelangen. Am häu-
figsten fungiren die Si'ptJi der Gaslralriiunie, oder deren in deu Cen-
Kig. 3S. Schema eines radialen Verticaiscliniltcs durcli eine ßeschieclitsreif«
GeryoDiile (Carmarina lias(ala), rechln durch einen Radialcanal in seiner ^anicn
LSni^u, liriliA durch de» SeJt«nllu|^i.'l eiuvn UenitnIblalleE in oiaur inlorradialun
Ebuiic geführt, b RandlilatiL-hen. c Rinf:|{eruss. g Geschlcchlsprcductc, A Uaiilel-
spange. k Magen, i (iailertnianlel. p Ma^rnsMel. r Radi.iJcanDl. rl innere, rt
Süssere Wand desseltien uk Knorpelring. f Veium. Z Znngenarliger Kortsali
de« Mafienstiel«. INach E. HtCKCL.)
Gefchlechtaorgan
lei
.ä
tralraam sich forlseliende l.eisteTi als solche Oi^Hne, wie erstcrcs bei
den Aclinien, letzteres bei Alcyonnrien (Fi);. 3^1. B], aber auch bei
Heiactinien der Fall ist. Gewöhnlich sind auch hier die Geschlechter
getrennt, doch sollen auch ZwitlerhilduD);en vorkommen, wobei an der
einen Flache eines Septums münnliche, an der andern weibliche Zeu-
ßungsproducte entstehen.
Der peripherische Abschnitt des Gastro vasrularsystems reprüsenlirt
b«i den Ctenophoren die Keimstatte. Von den längs derSchwimm-
blititchen reihen verlaufenden Ca-
Dälen entwickeln sich seilliche, fi^- »■
blindsackartige Ausstülpungen in
denen Samen oder Eier entstehen.
Die eine Seite eines Radialcansls
ist mit Eifollikeln, die andere mit
Hodenlappchen besetzt; die Zwii^
lerbildnng wiederholt sich somit
fUr jedes radiale KOrpersegment.
Das Canalsysicm dient zur Aus-
leilUDg. Es ist also hier ein mit
einefn Tbeil der AnthoioSn vDlIig
übereinstimmendes Verhalten er-
kennbar, und indem man die zwi-
schen zwei Radialcanalen geJef;enp Leibessubslanz einem Seplum der
Antboioen ver^eicht, findet man auch die Vcrthrilun^; der Keimsiatlen
beiderlei Geschlechter unter denselben Beziehungen wie bei hermaphro-
dilisoben Antbozotm.
Die Eier der C0lenleml«n entbehren der besonderen Httllbildnngen,
und wie bei den Schwammen erscheint auch noch bei den Eiern mancher
Uydrofden {z. B. Hydra) ein Gesialiwechsel durch amoeboTde Be-
wegungen als Zeugniss der Endißerenz. Die aus einem Köpfchen mit
beweglichem Anhange bestehenden Samenelemente sind bei den Acs-
lephen bedeutend kleiner als die >Geisselzellen(i der Spongien und schei-
nen such mit dem Verlust des Kerns den Charakter als Zellen auf-
gegeben tu haben.
Fig. 16. Geschlscblsorgane von Beroo rufescens ib Ihrem Varballen lo
*"KT Strecke eiae.« Radialcaoals. a Ittngx dex Canals [d] verlaufeade Streifen (Uiu-
Ifln.) fr SameDerzengeode Seile, c Ovarialüeit« mit Eiern. (Nach Will.)
i^M
Dritter Abschnitt.
Würmer.
Allgemeine UeberBioht.
§ 94.
In der Abtheilung der Würmer vereinige ich eine grössere ÄnEahl
unter sicti nicht immer nahe verwandter Formen, welche den anderen
grossen Abtheiiungen nicht eingefügt werden können, ohne dort als
völlige Fremdlinge zu erscheinen. Durch die Verbindungen, welche
die Würmer, wenn auch entfernt, mit jenen anderen Abtheilungen auf-
weisen, erscheinen sie als eine Ausgangsgruppe. Neben grossen und
reichen, durch engere Verwandtschaft verknüpften Formreihen, finden sich
zahlreiche, oft nur auf eine einzige Gattung beschränkte, isolirt stehende
Formen, die nur auf weite Entfernungen hin Anschlüsse erkennen
lassen.
Im Allgemeinen besteht die eudipleure Grundform (bilaterale Sym-
metrie). Doch walten noch mancherlei niedere Formzustände, die
von einer niederen inneren Organisation, wie sie sich z. B. durch den
Mangel einer Leibeshöhle ausspricht, begleitet sind.
Die einzelnen Abtheilungen stelle ich in folgender Weise zusammen"').
I. Platyelminthes.
Turbellaria.
Rhabdocoela.
Mcnocelis, Vottex, Mesostomum, Proftomiim,
Dendrocoela.
Planaria, Leptoplana.
Trema toda.
Distoma, Monostotnum, Tristoma , Polystoma , ÄspidogasUr , IH^oMOon^
Gyrodactylus.
*) Dass ich aus der in der Reihenfolge der grösseren als Classen geltenden
Abtheilungen nicht zu vermeidenden Näherung einander sehr fremder Formen
keinen Verwandtschaftsausdruck gefolgert wissen möchte, sei ausdrücklich bemerkt.
Ailgeineina üebersichl. 123
Cesioda*).
CaryophyUaeiu, Ugula, Tomia, Tetrarhynchut, Bifthryoc0pkaUu.
Nemertina (Rhynchocoela).
BorUuia, PoUa, Nemeries,
ü. Nemathelminthes.
Nematodes.
Strimgylutf Ascarii.
Gordiacea.
Gordius, Mermii.
til Chaetognathi**).
SagiUa.
IV. Acanihocephali.
ßckimorhynehut,
V. Bryoioa***).
Pbylactolaema.
CristaUUa, McyoneUa» Uphoput, PimmeUUa.
Gymnolaema.
Oriiia, lhm$ra, Akyomämm, Flutira, Eichara, CWI«pora.
VL Rotatoria.
M9Uo0rta, FUaotiUuia, Braekiornui, Bydaima, NoIoiMiMla.
Vli. Enteropneusli.
Baianoglonus.
VIII. Tunicalaf).
Copelala.
Appenäieularia.
Ascidiae.
Ascidia, Phallutia, Cynthia, Clavelina, Boiryllus, Atnarueium.
Lociae.
Pyroioma.
Cyclomyaria.
DoUolmm.
Thaliada.
Salpa.
IX. ODychophora.
X. Gephyrea.
SferfMupu, Echiurui, ThaUuMmna, BoneUia, Priapulut, Siimmcmius.
*) Die Cestoden bilden mit den Trema toden eine nah verwandte, von den den-
drocoelen Pialiwürmern abgetweigte Gruppe, deren Formen durch Parasitismus
^hlreiche Anpassungszuslfinde erlangt haben. Eine selbsUlndige Stellung ver-
dienen sie nur dessbalb, weil der Ablauf Ihrer Ontogenie In einer von jener der
Trematoden verschiedenen Weise sich complicirt hat.
**) Die Sagitten mit den Nemathelminthen lu vereinigen halte Ich nicht für be-
srüQdbar. Ebensowenig finde Ich dieAcanthocephalen den Nemathelminthen verwandt.
***) Eine den Bryozo<3n verwandle, aber nicht ihnen unterzuordnende Abthei-
Inng reprttsentirt die Gattung Pedicellina.
fl Die von Vielen noch angenommene Verwandtschaft der Tunicaten mit den
Molloslien beruht nur in der weichen Beschaffenheit des Körpers! Die gesammte
Organisation der Tunicaten unterscheidet sie gründlich von allen Abtheilungen der
Siollasken.
424 Würmor.
XI. AniiuIaUi^^j.
liirudinea.
Haemopis, Sanguisuga, Nephelis, Clepsine, BranchiobdeUa.
Annelides.
Oligochaeta.
S coleina.
Lumbricus, Chaetogaster, Nais.
Haliscolecinn.
Polyophthalmus, Capitella.
Chaelopoda.
Vaga ntia.
Siphonostoma , . Arenicola , Glycera , Nephthys , Phyllodoce , Alciopa,
Syllis, Nereis, Eunice, Amphinome, Aphrodite, Polynoe.
Tubicolae. ^
Amphitrite, Hermeita ^ Terebelta, Sabella, Serputa.
Literatur.
0. F. Müller, Von den Würmern des süssen und salzigen Wassers. Kopen-
hagen im. — RuDOLPHi . lüntozoonim historia naturalis. 8 Bde. Amste-
* lodami ^808 — 40. — v. Baer, Beiträge zur Kenn tniss der niederen Thiere.
N. A. Acad. Leop. Caro). XIH. 4 826. — Ddjardiii, Histoire nat. des Hei-
minthes. Paris 4845. — Van Beneden, Memoire sur les vers intestinaux.
Paris 4 864. — Leuckart. R. , Die menschlichen Parasiten. Leipzig und
Heidelberg. 1. II. 4. 2. 4 863 — 68. — Claparede, Beobachtungen über
Anatomie und Entwickelungsgesch lebte wirbelloser Thiere. Leipzig 4 868.
Ueber einselne Claasen : Plattwürmer: Duges, Reche rches sur l'organi-
sation et les moeurs des Planaires. Ann. sc. nat. Sör. L T. XV. Auch:
Isis 4830. — Nordmann, A. v. , Micrographische Beiträge zur Naiur-
geschichte der wirbellosen Thiere. Erste» Heft. Berlin 4 882. — Qcatre-
FAGEs, A. de, Memoire sur quelques Planariäes marines. Ann. sc. nat. Ser.
3. T. IV. — Derselbe, sur la famille des Nömcrticns. ibidem. T. VI. —
Schmidt, 0.. Die rhabdocdicn Strudelwürmer. Jena 4 848. — Derselbe,
Neue Beiträge zur Naturgeschichte der Würmer. Jena 4 848. — Derselbe,
Ueber Rtiabdocölen. Wiener Sitzungsbericht. Math. Naturw. Classc. Bd. IX.
S. 23. — Derselbe, Ueber Dendrocölen. Zeitschr. f. wiss. Zoologie X. XI. —
Van Beneden, Les vers ccstoides. M^moircs de l'Academie deBruxellcs. XXV.
4 850. — Derselbe, Recherches sur la faunc littorale de Belgique, Tur-
bellari^s ibid. XXII. 4 860. — Leitckart , Mesostomum Ehrenbergii. Arch. für
Nat. 4852. S. 284. — Scbultze, M., Beiträge zur Naturgeschichte der Tu r-
bellarien. Greifswalde 4 854. — Derselbe, Ueber die Microstomeen. Arch. f.
Nat- 4849. S. 280. —Wagener, G., Die Entwicklung der Cestoden. N. A.
L. C. T. XXIV. Supplement 4 854. — Derselbe, Beiträge zur Entwickelungs-
*) Als Repräsentant einer besonderen Abtheilung, welche Nemertinen, Nema-
toden und Annulaten mit einander verknüpft, ist Polygordius (s. Schneider.
Archiv für Anatom, u. Phys. 4 868. S. 54) anzusehen. Bestimmter in die Unterclasse der
Anneliden gehörig, aber hier ebenfalls eine eigene Unterordnung der Chaelupodeo,
die der Gymnocopa repräsentirend, reiht sich Tomopteris. — Ich führe ausser
den Chätognathen, Enteropneusten und Onychophoren diese wenigen Beispiele von
vielen Fällen an, um daran zu zeigen, wie unter den Würmern zahlreiche kleine,
oft nur durch Eine Gattung oder sogar nur durch Eine Species vertretene Abthei-
lungen existiren , die auf eine sehr bedeutende Divergenz der Differenzirung hin-
weisen.
Literatur. 4 25
geschlchle der BingeweidewUriner. Haarlem 4857. — Stiida, Beitr. i.
Anat. V. BothryooephaliiS. Aicti. f. Anal. a. Phys. 4864. — Sommeb u.
Lahdois, Beilr. i. Anat. d. Plattwiirroer. Zeitschr. f. wiss. Zool. 4 872.
Kemathelminthen : Cloqubt, Anatomie des Vers intestinanx. Paris 4 824. —
EiiKTH, Untersuchungen über Nematoden. Leipzig 4868. — Schneidek,
Monographie der Nematoden. Berlin 4866. — Bastian, Monograpli on the
augaillolidae. Transact. Linn. 8oc. Vol. XXV. P. IL 4865. ~ GaiNAcn»,
Zur Analomie der Gattung Gordius. Z. t. w. Z. XVIIL S. 322. — Clads,
Ueber Leptodera appendiculata. Marburg und Leipzig 4869.
Chaetognathen : Krobh, Anatomisch -physiologische Beobachtungen über die
Sagilta bipunctata. Hamburg (4844). — Derselbe, Nachtrügliche Bemer*
kungen dazu. Arch. für Naturgesch. 485S. — Wilhs, Observaliones de
Sagitta. Dias. Berol. 4846.
Biyoaofin: Van Bencdbn, Recherches sur Tanatomie, la physiologie et Tembryo-
genie des Bryozoaires. M^moires de l'academie royale de Belgique. 4845
et snile. — Derselbe, Recherches sur les Bryozaires fluviatiles de
Belgique. ibid. 4847. — Dersell>e und Dcmobtieb, Histoire naturelle des
polypes compos^ d*eau douce. ibid. 4850. — Allhan, a monograph of
the freshwater Polyzoa. London 4856. (R. S.) — H. Nitscbe, B(*ilräge zur
Anatomie und Entwickelungsgescbichte der pbylactolämen Süsswasser-
bryozoän. Arch. f. Anat. u. Phys. 4 868. S. 465. Derselbe, Beitrüge z.
Kenntn. d. Bryozo^n. Zeitschrift f. wiss. ZooK XX. und XXL
Botatoria: Ebbenbbbg, Die Infusionsthiercben et€. — Litdi«, Zur Analomie
und Entwickelungsgescbichte der Lacinularia socialis. Zeilschr. f. wisa.
Zool. IIL S. 452. — Derselbe, Ueber Bau und systematische Stellung der
Räderthiere. ibid. VL S. 4. — Huxlet, Quart. Joum. of microsc. Sc. 4852.
— COHW, F., ZeiUchr. f. w. Zool. VIIL S. 484. IX. S. 284. XU. S. 427.
Entefopneiuten : Kowalewskt, Mömoires de l'Academie de St. Petersburg,
8er. 7. T. X. No. 8.
Tanicaten: Escbbicbt, Videnskab. Selsk. Afbandl. IX. 4842. — Derselbe,
Uodersdgelser over Salperne. KjObenhavn 4844. — Savignv, Memoire sur
les animaux sans verlibres. II. Paris 4816. — Scbalck, de ascidlanim
structuni. Halae 484 4. — Milne-Edwabds, Observations sur les ascidies
compostfes. Paris 4844. — Sabs, Fauna litoralis Norvegfae. I. — Hitxlbt,
Observations on the structure of Salpa and Pyrosoma. Pbilos. transaci.
4854. — Van Benboen, Memoire sur Terobryogcnie, l'anatomie et la Phy-
siologie des Ascidies simples. M^m. de l'arademie royale de Belgique.
T. XX. 4846. — C. Vogt, Recherches sur les animaux Inferieures de la
mediterran6e. IL M^rooires de l'lnstitut äe Gen^ve. 4852. — Krohn, Ueber
die Gattung Doliolum. Arch. Nat. 4852. — Gegbnbaub, Dollolum. Zeitschr.
f. wiss. Zool. 4854. — HfiBTWi«, 0., Ueber Bau und Entw. des Tunicaten-
mantels. Hebtwig, R., Zur Kenntnis» des Baues der Ascidien. Jenaiscbe
Zeitschr. Vit. — Fol., H., Eludes sur les Appendiculaires. Gen^ve 1872.
Gkphyreen:GRrBE, Versuch einer Anatomie de^Sipunculus nudus. Arch. f. A. u.
Phys. 4887. S. 287. — Kbobn, Ueber Thalassema. Arch. L Anal. u. I'hys.
4842. — QvATBEVA«B8, A. de, Memoire sur rEchiure. Ann. sc. oaL 8. Ser.
T. VIL — MtiLLEB, M., Observationes anatomicae de vermibus quibusdam
maritimis. Berolini 4852. — Schmabda, Zur Naturgeschichte der Adria.
Wien. Denkschriften math. Naturw. Gl. Bd. 3. 4n52. — LacazeD^thiers, H.,
Recherches sur la Bonellia. Ann. sc. nat. 4. S6r. T. X.
Onyeliopiioreii ; Gbcie, Ueber den Bandes PeripalusBdwardsU Arch. LA. Ph. 4858.
Anniüaten; Mobben, De lurobrici terreslris historia naturali, nee non anatoroia.
Bruxelles 4 829. — Audodin et Milne-Eowabds, Clasiification des Annelides
et descriplion des Celles qui habilenl les c6tes de la France. Ann. sc.
nat. T. XXVII--XXX. 4832—38. — Milnb - Bowabds' Artikel: Annelides
ii6 Würmer.
in Todd'8 Cyclopaedia. I. 4 835. — Gbube, De Pleione caninculaU. Regio-
monti 4887. — Derselbe» Zur Anatomie und Physiologie der Kiemen'wür-
mer. Königsberg 4838. — Derselbe, Die Familien der Anneliden. Arch. für
Naturgesch. 4 850. — Qdatrefagbs, Etudes sur les types införieures de l'em-
brancheroent des annäl^s. Ann. sc. nat. Ser. 3. Tomes X. XII. XIII. XIV.
XVIII. 4828—52. (Die Resultate sind in »Uistoire nat. des Annel^s« desselben
Autors wiedergegeben.) — Leydig, Zur Anatomie von Piscicola geometrica.
Zeitschr. für Zoologie. I. - Derselbe, Ueber Pbreoryctes Menkeanus. Archiv
f. microscopische Anatomie. I. — Buchbolz, Beiträge zur Anatomie der
Gattung Enchytraeus. Königsberger Physikal.-Oekonomische Schriften. III.
4862. — Clapakedb, Recherches anatomiques sur les Annälides etc. Ge-
n^ve 4864. — Derselbe, Recherches anatomiques sur les Oligochötes. Ge-
n^ve 4862. — Derselbe, Glanures zootomiques parmi les Ann6lides. Ge-
näve 4864. — Derselbe, Les Annölides Ch^lopodes du Golfe de Naples.
Gendve et Bäle 4 868. Supplement 4870. — Derselbe, Histolog. Unter-
suchungen über d. Regenwurm. Zeitschr. f. wiss. Zool. XIX.
Körperfomi.
§ 95.
Die bei dem grössten Theile der Gölenteraten bestehende Anlage
der Rörperform in der Richtung einer Uauplaxe und zweier oder meh-
rerer gleichartiger Nebenaxen ist bei den Wttrmern durch andere Ver-
hältnisse vertreten. Die auf die Hauptaxe des Körpers senkrecht ge-
stellten Nebenaxen sind ungleichwerthig geworden, indem eine Strecke
der KOrperoberfläche als Bauchflache fungirt. Dieser stellt sich sonait
eine Rückenflclche entgegen, und die beide Flächen verbindende
Nebenaxe erscheint von anderem Werthe als die andere Nebenaze,
welche zwischen beiden Seiten des Körpers gedacht wird. Es besteht
also eine Differenzirung der Nebenaxen, und zwar als Ausfluss einer
Anpassung an ein neues Verhalten des Körpers zur Aussenwelt. Höchst
wahrscheinlich bildet eine Aenderung der Ortsbewegung das bedingende
Moment zu jener Differenzirung, und zwar specieli die Locomotion auf
dem Boden im Gegensatze zur schwimmenden Bewegung (§ 29). Mit
dieser Differenzirung zerfällt der Körper in zwei Antimeren. Obgleich
in einzelnen Zuständen, z. B. bei der Scolexform vieler Gestoden jene
Sonderung der Nebenaxen nicht ausgesprochen ist, und daraus ein an
die Gölenteraten anschliessendes Verhalten gefolgert werden könnte, so
stehe ich doch nicht an jenen Zustand als einen in der Abtbeilung
der Gestoden erworbenen anzusehen, da die Gestoden erst von solchen
Formen sich ableiten lassen, die bereits wie die übrigen Plattwttrmer
die eudipleui*e Grundform besassen. Jene in gleichmässiger Ausbildung
der Nebenaxen beruhende Modification erklärt sich zugleich aus dem
Aufgeben der Locomotion und der Festheflung des Körpers mit einer
einem Pole der Hauptaxe entsprechenden Stelle des Leibes.
Das Auftreten einer ventralen Fläche verbindet sich mit der Dille-
renzirung der beiden Pole der Hauptaxe. Indem der dem einen bei
der Locomotion vorwärts gerichteten Pole entsprechende Körpertheil
kdrperibnii. 427
unter anderen liiiAsereo Einwirkongen slehendsicb in anderer Weise
gesiaUei als der entgegengeseUte, wird ein Vordereade des Körpers von
eiaem hinteren unterscbeidbar. Erstores gestaltet sich mit der Aosbil-
duDg von niandierlei Organen xum Kopfe, einem hier zum erstenmale
anterscbeidbaren Körperabschniite. Es verdient betont xu werden, dass
es wesentlich die constaot nach einer Richtung hin stetlfindende Ortsbe-
wegang sein wird, wdche die Ausbildung jenes Kopftheiles bedingt, sowie
jene Richtung wieder durch die Lage der Mundtfffiiung beherrscbi wird.
An diesem vordersten Ktfrpertheile sind es vorwiegend Sinnesorgane oder
soldie tragende Fortsätze des Leibes, weiche eine allmähliche Weiter-
bildung eingebend aur ferneren Differenzirung dieses Abschnittes führen.
Der Kopf bezeichnet den oralen Poi der Uauptexe, da an ihm die
in der Regel etwas ventralwttrts gerückte Munddffnung liegt. Am
meisten triSi sich die Entfernung der Mundtfffnung am Kopfe t)ei den
PlaUwttrmem, wo sie bei den Turbellarien sogar weit auf die Rauch-
Qäcbe rücken kann. Das dem oralen Pole entgegengesetzte (aborale)
Ktfiperende ist Trdger der Afteröfihung, die, wo sie besteht, in vor-
wiegend dorsaler Lagerung sich findet.
Bedeutende Modificationen erleidet die Körpefform bei den fest-
sitzenden Formen. Hier zeigt sich auch die Gehäusebildung von Ein-
fluss, wie bei den Bryozoön. Weitere Umgesteltungen bieten die
Tunicaten, deren niederste *Zus4Ande (Appendicularia) durch den
Besitz eines ventral angefügten Ruderschwanzes von der einfacheren
Ki^rperform der übrigen Würmer sich bedeutender entfernen. Diese
Divergenz spricht sich ebenso bei den Ascidien aus, und veriliuft, durch
Modificationen der Athemhöhle bestimmt, von den Gyclomyariem zu den
Saipen. (S. unten Darmcanal).
§ 96.
Eine andere innerhalb der Würmer zuerst auftretende Erscheinung
betrifft die Gliederung des Kürpers. Schon bei den Rotatorien
ist der hintere Leibesabachnitt in Anpassung an die Rewegung in eine
ÄDxahl von Segmenten zerfttllt. Darin ist die erste Spur eines in den
böhern Abtheilungen bedeutungsvollen Zustendes zu erkennen. Rei
den Cestoden trifft sich dieser weiter gebildet. Mit einem Wachs-
thnm des Körpers in der Richtung der Hauptexe äussert sich eine
Differenzirung. Vorder- und Hintertheil des Leibes umschliessen nicht
laebr die gleichen Organe. So enthält der hintere Leibesabachnitt der
Oaryophyllaeen ausschliesslich die Geschleditsorgane. Rei Ligula ist
dieser hintere Leibesabschnitt mit mehrfach sich wiederholenden Ge-
schlechtsapparaten bedeutender entwickelt. Rei den Tanien diffe-
reoxiren sich solche Geschlechtsapparate am hintern Kürperende in
einer reicheren Folge und jeder bezügliche Abschnitt bildet sich, auch
äusseriich allmählich abgegrenzt, zu einem Gliedstücke aus, das sich
za den übrigen als Metamer verhält (Fig. 37; . So entsteht die
ISA
Würmer
Bandwurmkelte, deren, lelzte Metameren (drp sogenannlen ProgloUiden)
je nach dem Grade ihrer Ausbildung sieb ablttsen, um als bald mehr bald
minder selbständige Individuen zu erscheinen (Fig. 3"). Dieser Vorgang
stellt sich somit als ein Sprossungsproccss dar, sein Pi-oduct ist die Band-
wurmketle, jedes einzelne Glied derselhen erscheint als ein Metamer mit
Bezug auf den Gesammtorganisnius der Kette, ist aber als Person zu be-
urtheilen, da es zu selbständiger Existenz befähigt ist, deren Bc-
schiünkung sich aus der an Parasitismus angepassten Lebensform erklärt.
Wahrend bei den Cestoden die
Fig. 37. Sprossung durch Ablösung der aus ihr her-
vorgehenden MetJimeren auf einen Vermeh-
rungsprocess hinvieist, so fuhrt derselbe
Vorgang bei den Annulaten zu einer Coni-
plication des Kßrpers. Aus der einheit-
lichen Larvenform entsteht ein geglie-
derter Organismus, indem der in der
Richtung der Hauplaxe auswachsende Kör-
per in eine Anzahl von Hetamei'en steh son-
dert. Anstalt der bei den Cestoden statt-
findenden Ablösung der Mctameren besteht
hier eine dauernde Verbindung derselben,
die nur in einzelnen kleinei'en Abtheilungen
(Sylliden, NaIdenJ durch einen neuen zur
Trennung führenden epigonalen Sprossungs-
process gelost wird. Wie an der Cestodenketle der vordere KOrpertbeil
(Amme ^ Skolex) und das letzte Metamer (Progloltis) die zuerst dilferen-
zirten Theite der Kette sind, so erscheinen auch bei einem Ringclwurm das
vorderste und das hinterste Metamer als die zuerst gesonderten, zwischen
denen die tlbrigen allnicthlich entstehen. Bei vielen ist dieser Sprossungs-
process zusammen gezi^cn (Hirudineen und andere RingctnUrmer) und die
Sonderung aller Heiameren geht gleichzeitig in der AnInge vor sich.
Die aus der Vergleicbung mit der Cestodenketle versUlndlicIie Be-
deutung der Metameren der Ringelwtlrmer äussert sich in. der Organi-
sation jener Theile, denen nicht blos ein Abschnitt des Dnrmcanals
und des Gefösssyslenis, sondern auch je ein Ganglion des Nervensystems
mit noch manchen anderen Organen gleicbmässig zukommt. Nicht immer
bleibt die melamere Oi^anisation üusserlich und innerlich im Einklänge.
Aeusserlich ist sie bei den meisten Hirudineen verloren gegangen. Das
was bei den Blutegeln als Leibesring bezeichnet wird, ist eine secundftre
Faltung deslnlegumentes. Bei manchen Anneliden tritt dagegen der meta-'
mere Charakter der inneren Organisation zurück. Auch die Gephyreen
lassen nur in wenigen Einrichtungen — üusserlich am meisten bei Stomas-
Kig. 37. 1. Bandwurm (Tclrarliyncbus) in der ungesclilirchlliclirn Form (Animo).
1. Dersell>e in Klicd^rbiidcndem Zu-^tandc, wol>ei die letzten Glieder jPcoiilnltiilpn)
einiein sieli nliKisen. iünch Van Beheben. i
Körperform. 1 98
pb — eine Helamerenbildung eiiiennen, sie darf aber wohl wie bei
den Onycbophoren vorausgeselzt werden, wenn sie auch nicltt so voll-
ständig wie bei den Anniilalen in der gesaminien Organisation sieb
aiusprichL
S 97.
Wahrend die vorhin gesihilderlen Vei'hultnisse die grosseren Abihei-
lungen der WUniier hoher i-scben , koinnil es innerhalb einzelner klei-
nerer Abiheilunf^en zu miinnichfaohen andern HodilicatiaDen, die be-
itonders bei entoparasiliscben PlaltwUrmem von Anpassungen an ver-
ündert« äussere Lebensbedingungen abzuleiten sind. Als die bedeutendste
dieser Hodiücalioncn isl die nBlasenrormu anzusehen, welche in den
Entwickelungsbreis derCcstoden ein-
geschaltet, und in phylogenetischer Be- fif is. fig. »».
lichung ebenso sicher aus einem Ein-
tritte des Organismus in ihm ursprüng-
lich fremde, alinornie Verhältnisse
aljiuleiten ist {v, Siiioi.n], wie der ge-
sauimte Parasitismus auf solche erst se-
cundar erlangte ZusUlnde zurUckfUhn.
Diese phylogenetische Beziehung stellt sich
»Iso in ihrer Begründung auf ursprUng-
lii'h abnorme , dem sich davün anpassen-
den Organismus jedoch lu normalen Le-
hensbedingungen werdende üusserc Verhitltnisse, nicht in einen exclu-
ii\en Gegensati: /um onlogenelischen Verhallen, welches die Blaaenfornt
;ils einen Befund des normalen Kiitwickelungskreises erwies (van Bii-
«M^), vielmehr drückt ersleresVerbtlltniss nur einen erworbenen Zustand
iius, der in allmählicher, beim Fortbestände gleicher Bedingungen ftir
ßleicbmässige Vererbung nach und nach zu einer geseiz massigen Erschei-
nung sich gestaltete. Die einzelnen Formen knüpfen an die ersten
Entwickeln ngszustHnde der Cestoden im Allgemeinen an. Der meist
mit 3 Hakenpaaren ausgestattete Embryo zeigt in seinem Innern die
Diflereniirung eines Cestodcnkltpfchens (Fig. 1)8 n], welches nach voil-
eadeter Ausbildung sich hervorstülpt, so diiss die anfilnglich Süssere
Umhüllung [Fig. 38 b] zu einem am KOpfchen sitzenden Körpertbeile
(Fig. 39] wird. Bei der Cy.sticercusform bildet sieh der Embryo lu
einer mit Fluidum gefüllten Blane um, an deren Wand das KQpfchen
(leo eingestülpten Zustand repiitsentirend gegen das Lumen der Blase
Fr|;. 18, JunRc Taenie mit einKeKlülptem Kupfp. a Kopr. b Hüll«, e die
«ccb« an einer Stelle der leltlerrn zurück gebliebenen Embryoniiliahchen. (Nscb
■>- SlUOLD.)
Fig. 39. DieHolbr Taenie in lieivoi^fstutplem Zuslandr. Bezeichnung wie
in voriger t'ifur Naib » SitwiLo.)
430 Würmer.
hervorsprosst. Hit der Ausstülpung des Köpfchens bildet die Blase
einen Endanhang des Körpers (Fig. 40).
Entsteht an der Blasenwand eine Mehrzahl von Knospen, an denen
hervorstulpbare Köpfchen sich differenziren , so bildet sich daraus die
Cönurusform aus. Im Falle der Ablösung der Knos-
••'»g ♦ö. pen ins Innere der Blase können sich dieselben zu
neuen Blasenbildungen gestalten, an deren Wand der-
selbe Knospungsprocess von Köpfchen sich fortsetzt und
zu Systemen ineinandergeschachtelter Blasen führt, deren
jüngste an ihren Innenwänden wieder Bandwurmköpf-
chen sprossen lassen. Dieser Zustand bildet die Echi-
nococcusform.
Diese Sprossungsvorgünge , welche sich ungeachtet
der Mannichfaltigkeit der Endproducle auf eine gemeinsame Grundform
zurückführen lassen, stehen im Bereiche der Plaltwürmer keineswegs un-
vermittelt da, indem bei nicht wenigen eine in manchen Puncten ähnliche
ungeschlechtliche Vermehrung Platz greift. Am verbreitetsten ist sie
unter den Trematoden, deren Embrjo einen als »Keimschlauch« be-
kannten ungeschlechtlichen Zustand hervorgehen lässt. Das Körper-
parenchym dieser Keimschläuche diiferenzirt sich meist wieder zu
gleichartigen Bildungen, in denen schliesslich die zur geschlechtsreifen
Form sich ausbildenden, als »Gercarien« bekannten Larven ent-
stehen. Die Verschiedenartigkeit der Formen der einzelnen Generationen
scheint in den meisten Fällen durch Rückbildungen in Anpassung an
die parasitische Lebensweise im Allgemeinen, wie im Speciellen an die
Beziehungen zu verschiedenen Wirthen entstanden zu sein, sowie jene
Lebensweise nicht minder die wieder als »Generationswechselw bezeich-
nete, damit freilich in keiner Weise erklärte, Gesammtei*scheinung
beherrscht.
§ 98.
Sprossungs Vorgänge sind auch unter den Bryozoi^n verbreitet und
führen zur Stockbildung. Die Sprossung geht wieder von der Leibes-
wand aus. Je nach dem der Spross lateral verbleibt und mit dem
Mutterthier den Boden theitt, oder bei Streckung des Körpers terminal
vom Boden sich abhebt, entstehen flächenhaft ausgebreitete oder in die
Höhe wachsende, ramißcirle Gormi. Am Bande der flächenhaft ausge-
breiteten Stöcke bilden die jüngsten Sprossen häutig die Anlagen für
mehrere Individuen (Personen) , die nach und nach sich von einander
sondern. Wie bei der Entwickelung aus dem Eie legt sich auch bei
der Sprossbitdung der vordere die Tentakelkrone tragende Körpertheil
im Inneren des das n Gehäuse a um sich bildenden hintern Körperab-
Fig. 40. Eine Finne (Cysticercus cellulosae) mit hervorgeslülptem Kopfe
(iiat. (ji*.). <i Die mit Fluidum geriillte Strhwanzbiase. c Der vordere Theil des
Körpers, d Das Küpfchen. (Nach v. Siebolü.)
KOrperfonu. 131
scboiUes an. Man hat darauf hin beide Abschnitte In sehr ungerecbt-
ferligter Weise als «Individuen« danuslellen versucht. Nicht alle Per-
sonen eines Bryoioenstockes gelangen eu gleich hoher Ausbildung.
Bei manchen entwickeln sich nur einzelne dem Gehäuse und der Uua-
kulalur angehitrige Theile, und daraus gehen die sogenannten Avicu-
larien, vogelkopfartif;en Organe, hervor, die für den Stock als Greiforgiine
fuDgiren. In einer ferneren Hodification entstehen die Vibracularien,
lange, Bewegungen vollführende pfriemenartige Gebilde. Endlich können
sogar eiozetne Personen nur cur Aufnahme von Eiern dienen, und so-
genannte Brutkapseln vorstellen.
§ 99-
In ^oAser Hannichfaltigkeit erscheint die Sprossung bei den Tuni-
caten, wo sie gleichfalls ThierstOcke schafft, aber auch tur Ent-
stehung discreler Individuen hinführt. Bei manchen Ascidien sondert
«ch die Embryonalanlage zu mehr als einer Person. So sprosst ent-
weder eine zweite Person aus der erst angelegten (Didemnum) mler
der Embryo sondert sieh gleich niüsstg in eine Hehrzahl von Personen
Flg. 4f.
(veifl. Pig. (I|, von denen jed« mit einer Summe von Organen aua-
geslattet wird. Alle bleiben aber mit einem gemeinsaroen Theile (der
Cloake) unter einander verbunden. Von da bis zu dem zu getrennten
Personen führenden Zustande kommen manche tlebei^änge vor, zu
denen auch die bei Pyrosoma bestehenden Verhaltnisse zahlen.
Am ausgebildeten Tfaiere kommt die Stockbildung durch prolife-
rirende Fortsätze zu Stande, die, mit dem GetUsssystenie im Zusammen-
hang, bald an verschiedenen Stellen des Kttrpers entstehen, bald auf
bestimmte LocalilSIlen beschrUnkt sind. Die geseiligen Ascidien (A.
sociales] liefern Beispiele. Ein besonderes Organ ist bei den Cyclo-
■nyaria und den Salpen als Keimslock (Stolo prolifer] ausgebildet.
Fig. tl. Entwickelunf! von Botryllus. 1. Ei am Ende der Dolterlheilung.
0 Hülle, t Doller. i. Aus der EmbryonalBnlsK^ hat »ich der Ruderschwani r
dilTereazirt. 3, Es »prussen einielne Personen iin Umfange der Embryuna Isnlage
hrrvorum eiiwD geinein«iain«Q Abschnitt (c) die Cluake. d Gemeinnchaniiche Hlille.
132
Würmer.
Bei Doliolum erscheint er als ein meist von <)er dorsalen Körper-
flürhe nühe an der AuswiirfsOiTnung ent/springetider Forlsalz; bei den
Salpeii wie bei Pyrosoina eniswhl er venlrat, und bietet nur an-
(ängiich Übereinstimmende Homenle dar, um, anslad nach aussen vor-
zusprossen, auf verseil iedenc Weise sicli innerhalb eines meist in der
Nilhc des Darines (gelegenen Hohlraumes zu lagern. Auch in seiner
Beziehung xur Knospung verhiJlt sich der Keiinstock der Salpen ver-
schieden von jenem bei Üuliolum. Bei lelKlereiii sprossen am keiui-
stocke reihenweise angeordnete, zuweilen sopar dimorphe Knospengene-
ralionen, welche mit dem Keimstoike durch kurze t'ortsillze im Zu-
sammenhang sieben. Bei den Salf)i>n onlslehen gleichfalls am Keimstocke
Sprossen, aber jede derselben umfassl mit ihrer Biisi.s die Hilifte des
l-ig. 42.
Kis. 43.
limfangs des crsteren, so dass hei der Bildung von zwei Reihen solcher
Sprossen, das Ualerial des Keims locke s selbst in den Körper der letzteren
Ubergeruhrt wird. Die Beife der ketlcnfOriiiig unler einander ver-
bundenen jungen Sprüsslinge (Fig. ii n] geht dem zufolge mit einer
Audösung des beireffenden KeimslockabsuhniUes einher.
Das Vorhallen dieser Hinrichtung führt wieder zu einem •Gene-
rationswechsel«, indem die niil solchen Keimstörken ausgestatteten For-
men Siels geschicchlshis bleiben. Man könnte ao den Keimsiock als eine
den Geschlechlsappiinit auch anatomisch compensirende, viellcieht aus
einem Kierslock hervorgegangene Einrithlung belracblcn, jedoch ergibt
KiK. tS. t]ii;;csch]cclilJiclic Form
au>isvn trt'tciidu liiiikrjonciikolle.
Ki).'. i3. lii->ulileclilli<'lii' Korin s
(lungszupreii. u liliigBiijjMiiriiuiit;. b X'
H Daurlifiirdie. r Lel>ri>'-Iil)iui'li. t
n [snIilEI
! Korinj. nNach
Kijii
»lIi I
III !JnlpH )iMii>iitii (ki-tlunturnV . t Verbiu-
swurfsuirnjai;. c liniiKlion, d kienie. /"Hen.
Im EiiiliTj'ü iiiil Kniliryoiialuriianen. ^Oeldc
GliedmasAMii. 433
sich in der That eine ganz andere ßeuriheilnng aus der Vergleichung,
welche in den KeimstOcken prolifcrirende Auslllufer, ähnlich wie bei
den Ascidiae sociales erkennen l^sst. Ein solcher Ausl£iufer ist auf eine
bestiiDmie Kdrpersteile localisirt, auf die ventrale FISiche des Körpers
bei Pyrosonia und Salpa, auf die dorsale bei Doliolum. Bei Pyrosoma
ist ein in den Mantel gerichteter Keimstock vorhanden, an dem je nur
eine einzige Knospe sich bildet; daneben bestehen noch Geschlechts-
organe. Es kann also nicht daran gedacht werden, dass der Keimstock
zum Geschlechtsapparat gehöre. Bei den Salpcn und Doliolum bilden
die Keimslöcke im Gegensätze zu Pyrosoma reiche Generationen von
Knospen. Damit trifft aber der Mangel des als rttckgebildet zu be-
Irachtenden Geschlechtsapparats zusammen. Diese sexuelle Bück-
bilduog ist aus der Entfaltung des Sprossungsprocesses am Keim-
stocke ableitbar. Bei den Salpen sind die Abkömmlinge der unge-
schlechtlichen Generation stets geschlechtlich entwickelt, und so entsteht
eine reine »alternatio generationis«, indess bei Doliolum die uiigeschlecht-
liebe Fortpflanzung erst nach mehrfachen keimstocktragenden Generatio-
nen erschöpft wird. Demnach nühert sich das Verhalten der Gyclomyarier
mehr der ursprünglichen Ascidienknospung, sowohl durch den ausser-
liehen Keimstock, als durch die Art der Verbindung der Sprossen mit
dem Keimstocke. Der innere Keimstock der Salpen dagegen entfernt
sich von dem Ausgangspunkte ebenso durch seine Lagerung wie durch
den Verbrauch des Kcimstockmalerials durch die Sprossen.
OUedmaasMii«
§ 400.
Die Gliedmaassen erscheinen als aciiv bewegliche Forlsatzbildungen
des Körpers, die je nach ihrer Beziehung zu letzterem und nach ihrer
specicllen Ausbildung zu den verschiedenslen Functionen in Verwen-
dung kommen können. An dem den Kopftheil vorstellenden Körper-
abschnitte treten Fortsatzbildungen schon bei den Turbellarien auf. So
entstehen bei vielen Planarien seitliche lappenartige Fortsittze als Ten-
takel oder Fühler, und bei andrren ist auch die RUckenOäche des
Körpers durch ähnliche Bildungen ausgezeichnet (Thjsanozoon).
Wie die parasitische Lebensweise der Trematoden , der Cestoden,
wie derNemathelminthen derartige Bildungen gHnzlich zurücktreten lässt,
so treffen sie sich unter den freilebenden Annulaten wieder bedeutend
entfallet^ und hier sind es besonders die ChUtopoden, deren Kopftheil
bald an den Seiten, bald auch median mit contractilen Tentakeln aus-
gestattet ist (Fig. 44. n*'). Diese sind entweder einfach, oder durch
Segmentirung weiter differenzirt, oder auch durch secundtlrc Fortsätze
ausgezeichnet. Durch Anpassung an die mannichfachsten Lebensver-
hältoisse in Gebilde mannichfaclier Art umgewandelt, dienen sie vie-
lerlei Verrichtungen, von denen die respiratorische die belangreichste ist.
431
Würmer.
Bei den rOhi'e übe wohnen den Clitilopoden, deren KoprUieil den mit
dem umgebenden Medium zuntlcbst in Deztehung Irelenden Körperab-
schnill vorslellt, sind die Fühler in müchtif^c Apparal« umgewandelt.
Sie bilden Büschel conlracUlvr Faden am Kopflappen, in einfachen oder
mehrfachen Reihen (Terebellen [vergl. unten Fig. 83. /] , Hermellen),
oder sie sind mil der Enlwickelung eines Innern GerUsteä (Knorpel) in
starre, auch mit secuoddren Aeslen besetzte federhusch artige Gebilde (Kie-
mentenlakel) übergegangen, die sowohl an der respiratorischen Function
sich betheiligen, als auch bei Bewegung des Gcsammtapparates fUr die
HerbeischaffuDg der Nahrung thütig sind (Scrpulitceen) . Bei einem Thcile
ordnen si'cb diese Kiemenfühler auf zwei fächerrormlg ausgebreitete
Gruppen. Kurze, einfache Fäden, neben denen noch zwei sie über-
ragende exquisite Fühler vorkommen, siclleu sie bei Siphonostoma vor.
Bei Andern zieht sich die Basis i)eidcr am Rücken getrennter Hüiflen
der Büschel in eine spiratig aufgerollte Leiste aus, auf welcher die ein-
zelnen Füden sich iiufrciben (Sabclla). Durch das Vorkommen von
Sebwerkzeugen an den einzelnen Faden der KiemenbUschel erscheint
für diese Organe eine neue Beziehung (Brancbiomma) .
Einzelne der Kienienfüdcu erleiden nocb andere ümwaudluDgen.
Ei» oder ein Paar der nnntn(;;licb glcicharligon Kiemententakel (Prolula)
Fig. *4. Kopf von Noreis Di
p Ftuiglutnmeln. pA ScblaDdkopf.
CL*P*lltDI.)
I a' Tflslei'. (, |i, P, t», H, 1& Fühler,
i Speiseröbre. gl Drüsen. iNacb
Glied oMassen. |35
besitzt bei einzelnen Sabellen bereits keine respiratomche Function und
wandelt sich bei anderen SabelUden in kolbenförmige Gebilde uni, von
denen eines mächtiger entwickelt als das andere als Deckel zum Ver-
schluss der vom Thiere bewohnten Röhre verwendet wird. Bei
Filigrana behält der Deckelstiel in seiner Piederung einen Theil seiner
ursprünglichen Eigenschaften. Die Fiederung Icann aber verloren
geben (Serpula) , und dann durchläuft die Entwickelung des Deckels
jene bei Andern bleibenden Zustände. An diesem durch Anpassung
entstandenen Apparate wird häufig noch eine verkalkte Schichte ab-
geschieden, welche das freie abgeplattete Ende scheibenförmig bedeckt.
In einzelnen Fällen nimmt der erweiterte Deckelstiel die Eier auf und
fuDgirt als Bruttasche (Spirorbis spirilluro) , so dass ein und dasselbe
Organ eine Reihe der mannichfaltigsten, von seiner ursprünglichen Be-
deutung weit abliegenden und durch gegebene äussere Verhältnisse er-
worbenen Beziehungen eingeht. Ausser den Fühlern finden sich bei
den Cbatopoden noch besondere kürzere, aber retractile Taster (Fig.
44. a) vor.
Diesen Gebilden reihen sich auch die Tentakel der Bryosoön an
als fadenförmige, von Cilien umsäumte und contractile Fortsätze einer
scheibenförmigen oder lappenartig ausgezogenen Ausdehnung des Integu-
mentes (Lophophor) am oralen Körperende. Die erstere Form des Lopho-
phor ist die verbreitetste. Die Mundöffhung nimmt dann die Mitte ein.
Im andern Falle ist der Lophophor in zwei eine Hufeisenform bil-
dende Fortsätze ausgezogen (s. Fig. 60. B. 6r.).
Einfacher verhalten sich die Tentakel von Pedicellina, die den
Rand einer scheibenförmigen, Mund wie After tragenden Körperfläche
besetzt hallen , und im Innern nicht hohl sind wie die Tentakel der
Bryozoön.
§ «Ol.
Eine andere Abtheilung bilden die bei den Ghätopoden aus-
gebildeten locomotorischen Gliedmaassen, seitlidie Fortsätze
der Metameren des Körpers, Fussstummeln oder Parapodien
(Fig. 45. A, ß. p). Sie treiTen sich stets paarig für jedes Segment, zu
zweien oder zu vieren. Im letztem Falle nimmt ein Paar den dor-
salen, ein anderes den ventralen Abschnitt der Seite des Körpers ein.
Sie tragen Borsten und häufig auch fadenförmige und mannichfaltig ge-
staltete Anhänge (Girren), welche die Parapodien an Volum übertreflen
können, oder bei deren Rückbildung sich ganz an die Stelle derselben
seUen. Auch die Kiemen sind als Modificationen von Girren oder doch
als damit zusammenzustellende Gebildet und als Anhänge der (dorsalen)
Parapodien anzusehen. Sie rücken bei vielen von diesen ab und erschei-
nen dann als selbständige Körperanhänge (§ 102). Zuweilen sind dorsale
und ventrale Parapodien jeder Seite einander sehr genähert, von wel-
cbem Zustande an alle Uebergange bis zur völligen Verschmelzung zu
-136 Wörmer.
einem einzigeo Paare sich kundgeben (Sylliden). Dieses nimmt dann
genau die Seite des Körpers ein, und trägt die sonst auf dorsale und
ventrale Parapodien vertheilten secundären Anhänge (Borsten und Girren).
Rückgebiidet erscheinen die Girren bei den Tubicolen.
Der Ausbiidungsgrad der Parapodien ist sehr mannichfach, und
wird durch Beziehung zu den Borsten gruppen complicirt. £ine Um-
bildung erfolgt durch eine Verbreiterung des Endes der einzelnen ge-
trennten oder auch verschmolzenen Parapodien oder vielmehr deren
Girren, woraus dann Ruderplatten hervorgehen (Phyllodoceen). Als
besondere durch Umwandlung dorsaler Girren entstandene Anhangs-
gebilde der Parapodien erscheinen die Elytren, • schuppenartige Lamellen,
welche über den Rücken hin sich über einander lagern, und alternirend
durch kurze Fortsätze vertreten sind (Aphrodileen) . Während die als
Locomotionsorgane thätigen Parapodien der Anneliden als die Anfcfnge
einer bei den Gliederthieren zu einer vollkommneren Entfaltung ge-
langenden Gliedmaassenbildung erscheinen , entbehren sie doch der
Selbständigkeit, insofern sie keinen eigenen Muskelapparat, wie die
Giiedmaassen der Arthropoden, besitzen, und vorzüglich durch die Be-
wegung der bezüglichen Metameren in Thätigkeit gesetzt werden.
Aeussere Kiemen (Hautkiexnen) .
§ 102.
Sowohl die am Kopfe wie die an den Metameren der Chätopoden
vorkommenden Anhangsgebilde erleiden mancherlei Umwandlungen in
Anpassung an die respiratorische Function. Wenn diese bei
dem grössten Theile der Würmer durch die gesammte Körperoberfläcbe
vermittelt wird, so erscheint sie bei den Ghätopoden auf bestimmte
Theile localisirt, die dadurch, wie aus ihrem Verhallen zum Gefäss-
apparat und aus ihrem sonstigen Bau zu ersehen, zu Kiemen sich um-
wandeln'
Diese trifTt erstlich die Kopftentakel (§ 100). Bei einigen
(Pectinaria, Terebella) führen diese Gebilde nur perienterische Flüssig-
keit, und erscheinen noch nicht sicher als Kiemen. Bestimmter ergeben
sie sich als solche bei den Pberuseen (Siphonostoma) , und bei den
Sabelliden sind sie in der oben angegebenen Ameise noch weiter dif-
ferenzirt und die einzelnen Kiemenfäden sind sogar mit secundären
Fiederchen besetzt.
Wie aus den Kopftentakeln durch weitere Ausbildung Kiemen her-
vorgehen, so erscheinen auch Kiemen als Anhangsge bilde der
einzelnen Körpersegmente durch Modificationen der den Piara-
podien angefügten, oder auch als besondere Anhänge sich darstellenden
Girren. Im einfachsten Zustande zeigen die Girren keine Umbildung,
ausser einer Fortsetzung der Leibeshöhle, so dass nur die perienterische
Aeussere Kiemen. 137
Flüssigkeit in sie eintreten kann. Das Vorkommen von Cilien ouf den
Girren ist fUr deren respiratorische Bedeutung von Belang. Indem die
Wand der Girren an einzelnen Stellen bedeutend dünner ist, werden
diese für das Zustandekommen des Gasaustausches bevorzugt. In der
Fig. 45.
Regel sind die dorsalen Girren zu Kiemen umgewandelt, welche diese
bestimmtere Beziehung zur Athemfunction durch den Eintritt von Blut-
gefassen empfangen, l^ic Kiemen bleiben entweder einfache Fortsetze,
zuweilen von blattförmiger Gestalt, oder sie zeigen Bamificationen in ver-
schiedenem Grade. Als sehr verlikngerte einfache Füden erscheinen sie
bei Girratulus. Die andere Form unifasst die exquisiteren Kiemen, die
entweder kammfdrmig gestallet (Kuniccen) (Fig. 45. A. br), oder auch
baumfbrmig verästelt (Fig. 82. br) (z. B. bei Amphinomeen) erscheinen.
Da nicht selten neben ihnen noch ein Dorsaicirrus vorhanden ist, so
stellen sie selbständigere Gebilde vor, sowie sie auch httufig von den
Parapodien entfernt dircct von der Rttckenflitche entspringen. Alle
diese mannichfachen Befunde sind durch Uebergänge verknüpft, die
zuweilen an demselben Thiere sich vorfinden.
Ihre Verbreitung über den Körper findet in verschiedenem Maasse
statt. Bald treffen sie sich an allen Körpersegmenten, gegen das Körper-
ende meist von geringerem Umfange (Eunicc sangulnea, Amphinome).
Bald sind sie auf eine Anzahl von Segmenten beschrünkt und gehen
gegen die kiemenlosen Segmente zu allmählich in rudimentäre Bildungen
Qber 'Arenicola, liermella). Bei den Höhrenbewohnem ruft die Le-
bensweise die Ausbildung vorderer, das Schwinden hinterer Kiemen
hervor. An drei vorderen Segmenten besitzen die Terebellen verästelte
Kiemenbilschel (Fig. Hi, br) , an zweien trägt Pectinaria karomförmigc
Kiemen, und einfache fadenförmige Anhänge sind an derselben Stelle
bei Branchiosabella und Sabellides vorhanden.
Auch in anderen Abtheilungen der Würmer ist die respiratorische
Function an Körperfortsätze geheftet. Das gilt von den Tentakeln der
Bryozo^n. Specielle Ausbildungen von respiratorischen Fortsätzen be-
stehen bei Gephyreen, wo das Hiuterleibsende von Sternaspis blui-
gefassfuhrende Anhänge trägU Endlich kommen selbst liei den Hiru-
Fig. 45, Schemata senkrechter Querdurchschnitte von Hingelwürmern, zur
Darstellung der Anhsngsgebilde. A Qucrdun'hsohnUt von Eunice. B von Blyria-
nida. p BavcbstnmiDet. p' Rückemlummel. br Kiemen, br' Girren.
4 38 Würmer.
dineen lamellenartige Ausbreitungen des Integuoientes in metamerer
Anordnung vor (Branchellion).
Integument.
§ 103.
Das aus dem Ectoderni gesonderte Integument der Würmer steht
in enger Verbindung mit der Muskulatur, durch die es sich bei man-
gelnder Leibeshöhle ins Körperparenchym fortsetzt. So verhalten sich
die meisten Plattwürmer und Hirudineen. Bei dem Vorhandensein
einer Leibeshöhle stellt das Integument mit der Muskulatur einen Haut-
muskelschlauch vor, wie er bei Acanthocephalen , Tunicaten , Gephyreen
und den meisten Annulaten besteht.
Wenn wir den Hautmuskelschlauch in die beiden ihn zusammen-
setzenden Theile zerlegen, so finden wir die Muskulatur in der Regel
als die bedeutendere, die als eigentliches Integument anzusprechende
Schichte als die relativ geringer entwickelte Lage.
Die eigentliche Hautsqhichte besteht in der Regel aus einer
Zellenlage, deren Elemente oft sowenig gesondert sind, dass sie ein
Syncytium vorstellen. Diese Schichte entspricht einer Oberhaut, Epi-
dermis. Bei dei^ Turbellarien ist sie überall mit WMmpern besetzt.
Bei vielen sitzen die Wimpern auf einer anscheinend homogenen
Schichte, die wie eine Cuticula sich ausnimmt. Aber selbst bei sol-
chen die, wie die Cesloden, später des Wimperkleides entbehren, ist
doch wührend der embryonalen Stadien ein Cilienüberzug vorhanden.
Auch Embryonen von Trematoden besitzen ihn. Bei vielen Anneliden
bestehen an verschiedenen Körpertheilen bewimperte Stellen, oder es
sind sogar grosse Strecken des Körpers mit Cilien bekleidet.
Die locomotorische Rolle dieses Wimperbesatzes tritt besonders für
die kleineren Formen hervor. Ausschliessliches Bewegungsorgan bleibt das
Wimperkleid daher meist nur In den Jugendzuständen. Durch Fortsatz-
bildungen des Körpers wird die wimpertragende Oberfläche vergrössert,
und daraus entspringt für die Cilien eine erhöhte Leistung für die
Locomotion. Aehnlich verhalten sich die Larven der Gephyreen und
der meisten Anneliden. Die Cilien ordnen sich auf leistenartige Vor-
sprünge, die bestimmte Strecken der Leibesoberfläche als Wimper-
schnur oder Wimperkranz umziehen, und in ihrer Anordnung
für die einzelnen Abtheilungen meist charakteristisch sind. Ein oder
mehrere Wimper kränze umgürten den Körper, darnach man die
Larven von Chätopoden in mesotroche , telotroche und polytro<;he unter-
schied. Wenn auch sonst die Körperoberfläche noch Cilien trägt, sind
die der Wimperreifen doch mächtiger entwickelt und ihr Schlagen för-
dert wesentlich die raschere Ortsbewegung. Von diesen Wimperreifen
ist einer (Fig. 46. C D v) beständiger als die übiigen, er tritt zugleich
Inl«4{niDeiit.
13
am frllbeslen auf, and theilt den Körper in «inen vordem und hinUrn
Abschoilt. Der erslere stelll den oberen Tbeil des spatern Kopfes des
Wurmes vor, wahrend aus dem andern Abschnill der ganze Übrige Loib
(ksThieres sich entwickelt. DerpnmitiveWinipcrkninzerbitltsich in einer
Ahlheilung der Würmer, bei den Raderlhieren. Indess der hin lere
Absdioill in einen mehr oder minder gegliederten Körper sich diffe-
reaiin, bildet sich der vordere auf einer wulstffirmigen Vcrdickun);
lange CiJien tragend zu einem besonderen Organe aus, welches für
Kig. t«.
diese Abtheilung charaklcristlücb wird. DicM's Rlldcrorgan — von der
Regung seiner Cllien so heieichnet — zeigt sieb in sehr verschie-
deoen Formzuständen. Es bleibt entweder einfach, mehr im Anschlüsse
an das primitive Verhalten, oder es breitet sich in lappenarlige Fort-
sätze aus [Tubicoloriii) oder bildet (entakelartige Verlängerungen {Ste-
pbanoceros) , die haulig nur in den Jugendzuständen der Orlst>owegung
dienen, indess sie später bei festsitzender Lebensweise des Thien-s
lur Zuleitung 'von Nahningsstoflen , durch den mittelst der Wim-
prraction erzeugten Strudel, In Vernondung stehen. Bei den BryozoOn
l)eslebt vor der Entfaltung der Tenlake) gleichfalls ein Wimperkranz,
innerhalb dessen die Tentakel hervorsprossen. Durch die Lagerung
iler HunditfTnuog entbehrt dieser Wimperkranz der Uebercin Stimmung
mil iler verbreiteleren Form, altein es l>estehen doch noch fUr einige
Ahibeilungen nahe Beziehungen z. B. mit den Gcphyrcen, deren
Urven gleichfalls einen das Mundfeld umgUrtendon Wimperkranz be-
iilien. Auch bei dem sonst mit Rund^^ü^mem ilbereinslimmenden
Polygordius kommt ein Wimperkranz vor, in welchem wir somit eine
t^inrichtung erkennen , die von einer vielen Ablheilungcn der Wurmcr
l^PDieinsanien Stammform aus sich fortvererbt hat.
Hg. tt, AnordnuDi; iler Wimprrsi^liiiur« hei EdiinuderiDen- {A
urmlirven [CD,, v vorderer, w biiil«rcr Wimperkranz. o Muni).
Fig. *1.
§ '04.
Beim Mangel von Cilien wird die Epidermisschicble von einer
sehr verschiedengradig cntwickellen Cuticula bedeckt, die >tls Abson-
deruügsproducl der epider-
malen Zellen- oder Prolo-
plasmaschichlo erscheint.
Diese Cuticula ist unter den
Plaltwtlrmem bei Treinato-
den und Cestoden als eine
dUnno oder doch weiche
Schichte vorhanden. In ähn-
licher Weise kommt sie auch
den Anneliden zu, wo sie
sogar eine besondere Milch-
tii^keit erreichen kann. (S.
Fig. il.c] Hit bedeutender
Verdickung dieser Schichte
treten Porencantile in ihr auf.
In der Classe der BundwUr-
nier ist sie am beträchtlich-
~~ stcn entwickelt und UbertriOi
die unl«r ihr liegende Matrix
mehrfach an Dicke. Sehr hüuiig litsst sie mehrere in ihrem nüheren
Verhalten von einander verschiedene Schichten wahrnehmen , deren
Substanz dein Chitin nahe verwandt eu sein scheint. Durch grössere
Derbheit einzelner Abschnitte des Cuticulnrtlbcrzuges kann bei Ringel-
vvUrmern eine Art von llaulskelet hervoi^ehen, welches, wenn auch
nicht von des Härte des Chilinpanzers der meisten Arthropoden , doch
morphologisch jenem völlig gleich kommt.
Vollkommene Uebereinstimmung mit dem Chitinskelct der Arthro-
poden bietet der Hautpanzer der Käderthicrc dar. Wenn er
auch nicht eine bedeutende Mächtigkeit erreicht, so verleiht ihm doch
die Higidität des vordersten Abschnittes sowie der folgenden durch
weichere Zwischenstücke verbundeneu Segmente, den Charakter eines
wahren Skcletes, welches Huskehi zur Urüprungssläite dient.
An die Cuticulai^cbilde reihen sich die Gehäuse der Bryozotfn,
die bald gallertartig ;Lophopus crystallinus) weich und biegsam, bald
durch Kalkcinlagerungen von bedeutender Härte erscheinen. Letstero
Fig. 17. Verlicaler Querschnitt durch das Inlcgumenl nioes Ringelwurons
(.Sphaerodornni). c Dicke Cullculersehtclilc mit weilen Porcncanalen. in Mnskel-
seliiclilc. m Munkeln des BorstenbUschcIs i, wcidics den cenlralcn KusMitummH
p einnimml, inde^s der dorsale d durch einen Drii»ea chlBuche umschlii'sscodvn
Knopf vorgestellt wird.
InUf^unieiil. 444
kommen bei den meisten Gymnolaemen vor. Durch die innige Ver-
bindung mit dem Körper unterscheiden sie sich von den Gehäusen
mancher Rotatorien sowie der tubicolen Anneliden, doch löst sich bei
manchen die Leibes wand vom hinteren Abschnitte des Gehäuses.
Die Ausbildung des festen Gehlluses erstreckt sich nicht über den
ganzen Körper. Es umfasst nur den hintern Abschnitt desselben und seUt
sich in eine schwächere den vorderen, tentakeltragenden Theil ttber-
kleidende Chitinschichte fort, die sogar häufig fehlt. Diese verschieden*
artige Differenzirung des Integumentes führt su einer verschiedengradigen
Beweglichkeit beider Körperabschnitte, und gestaltet eine Retractilttät des
vordem Theils, der sich in dem gehäusetragenden Hintertheile sammt
der Tentakelkrone £tt bergen vermag. In der Ausbildung) dieses Verhältr-
ni^ses bieten sich am Gehäuse niannichfache Differenzirungen.
Den Cuticularbildungen reiht sich entfernt das Integument der
Tunicaten an. Es bildet den sogenannten ßäussern Mantel«. Sehr
häufig erhält die als »Mantel« bezeichnete KörperhUlie das Ueberge-
^%icfat über alle andern Organe, und zeigt sich bei einer gewissen
Rijfidität auch als Sltttzorgan für die umschlossenen Theile. Die
Consistenz dieser Hülle variirt von gallertiger Weichheit bis zu knorpel-
artiger Härte. Sie ist meist glasartig durchscheinend, bei Ascidien
nicht sehen auf mannichfache Art gefiirbt. Das Gewebe des Mantels
wird in der Heftel durch eine den fiindesubslanzen zugehörige Form
vorgestellt, in der die sehr verschiedenartigen Zellen gegen die inter-
cellalarsuhstanz oft zurücktreten, dem entspricht auch die Genese, die
(Jen Mantel als das Product einer Zellenschichte (Kpidermis) kennen
lehrt, von der eine Intercollularsubstanz abgesondert wird, in welche
einzelne Zellen eintreten.
§ 405.
Von dem Integumente der Würmer geben eigenthümlicbe Bildungen
aus, die als Stacheln, Borsten, Haken u. s. w. im Haushalle
der Thiere oft eine wichtige Rolle spie-
len und als Ausscheidungen der Epider- ** *** ''***• *'•
mis aafzufassen sind. Diese ausseror-
(lentlicth mannichlaltigen Fonnationen ^Sij^
lassen sich nach ihren Beziehungen zur ||^^^
Oberfläche des Körpers in zwei Gruppen
(heilen. Die eine davon besteht aus ein-
fachen Erhebungen des Integumentes. Auf papillenförmigen Fortsätzen
bildet sich eine dickere Cuticularschichte , die in Form einer War/e,
Fig. 4S. Kopf von Toe Dia coe DU rus (Blasen furm: Coenurus cerebriliD) von
vorn gesehen. Sichtbar »ind die vier Saui^iiüpfe und der in Milte vuii diesen lie-
irende Hakenkiunz.
Tig. 49. a — e Verschiedene Htfkchen aus dem Hakenkranze von demselben.
iNach v/SieaoLD.)
4 42 Würmer.
oder, wenn langer ausgezogen, haar- oder borstenartig gestaltet sein
kann. Bei bedeutenderer Festigkeit stellt dieser Abschnitt der Cuticula
eine allerdings nur scheinbar selbständige Bildung vor. Hierher ge-
hören die derben Papillen und Stacheln , wie sie sich an der Haut
vieler Trematoden finden , und zuweilen den Vorderlheil des Körpers
in verschiedener Ausdehnung besetzen; ferner die Stacheln der Echi-
norbyncben , endlich die Haken der Cestoden , die bei manchen am
vordem Körperende zu einem Kranze zusamraengereiht sind (vergl.
Fig. 48. 49) oder in der Wandung von vier ausstülpbaren Schläuchen
silzen (Tetrarhynchusj . Indem diese, als Verdickungen der Cuticula
beginnend, mit ihrer Chitinisirung sich auch gegen die Matrix und noch
tiefer zu einsenken, bilden sie einen Uebergang zur zweiten Gruppe.
In dieser entstehen die Borsten oder Stacheln nicht mehr an der
Oberfläche, sondern in besonderen Einsenkungen , die recht trefTend
mit Drüsen verglichen werden. Die Ausscheidung geht von Zellen
(einer oder mehreren) oder von einem Syncytium aus, und geslaltel
sich unter allmählicher Chitinisirung in bestimmter Weise, in verschie-
denem Grade Über die Körperoberfläche hervortretend. In der Regel tritt
die Borstenbildung erst mit der Metamerie auf. In Volum und Form
sind diese Gebilde ausserordentlich wechselnd, und sogar bei den ein-
zelnen Gattungen und Arten vielfach verschieden. Die Hirudineen
ausgenommen sind sie bei den Annulalen allgemein verbreitet. Fast
immer flnden sie sich in Büscheln gruppirt (s. oben Fig. 47. 5), deren
jedem Metamer zwei oder vier den Parapodien zugetheilt zukommen.
Sie fungiren zum Theil als Locomotionsorgane, bei den Schwimmenden
(Vagantes) wie Ruder wirkend; bei einer Umbildung vermögen die
Haken als Haft- oder Khnnmerorgane thätig zu sein (Tubicolae). Ani
mächtigsten sind die Borstenbildungen bei den Aphroditeen entwickelt,
wo ein Theil der feineren zu einer den Rücken und die Elytren decken-
den Schichte verfilzt.
Wie einfach auch die das eigentliche Integument darstellende
Schichte, mag sie aus Zellen oder Syncylien bestehen, sich verhallen
mag, so zeigt sie sowohl durch die Difterenzirung der vorhin betrachte-
ten Gebilde, als auch durch die Complicirung mit anderen Theilen einen
höhern Grad der Ausbildung als bei den Cölenteraten. An diese
erinnert noch das Vorkommen von stäbchenförmigen Körpern
im Integumente bei Turbellarien sowie bei Anneliden, Organe die in
einzelnen Fällen den Nesselzellen verwandt scheinen.
An die vom Integumente aus entstandenen Diflerenzirungen kann ein
in seiner Function noch ziemlich räthselhaftes Organ angeschlossen wer-
den: der sogenannte Rüssel der Nemertinen. Er bildet einen über
dem Darm gelegenen in einer besonderen Scheide eingeschlosseneu hüufig
gewundenen Schlauch, der am vordem Körpertheil über dem Munde sicli
öffnet, und daselbst hervorgeslülpt werden kann. An diesem Schlauche
sind mehrfache Abschnitte unterscheid bar, deren einer in seinem Grunde
iDlegument. i 43
Stacheln irttgt, meist einen grössern in der Mitte und beiderseits in
besonderen Taschen einige kleinere, die bald als Reservestacheln, bald
als ausser Gebrauch getretene Gebilde gedeutet sind. Der hinter dem
Slachelapparate liegende Theil des Schlauches erscheint drüsiger Natur
und besitzt neben dem Stachel einen AusfUhrcanal. Am blinden Ende
des Schiauches befestigt sich ein von der Leibeswand entspringender
Muskel, der als Retractor aufzufassen ist. Manchen Nemertinen (Lineus,
Nemertes u. a.) fehlt der Stachelapparat.
Bei einigen ist der Schlauch von unansehnlicher Grösse (Polia involuta)
und verknüpft dadurch andere PlattwUrmern zukommende Gebilde,
Helche vielleicht als Anfangszuslände des bei Nemertinen hoch diflerenzir-
ten Rüssels gelten können. Diess sind die am vordem KOrperende der
Cercarien vorhandenen, zum Einbohren dienenden Stacheln, welche
entweder oberflächlich oder im Grunde einer tieferen, folükelartigen
Einbuchtung gelagert sind. Das Verhalten seitlicher Stacheln zu einem
medianen grösseren ist oft ganz ähnlich wie im Nemertinen -Rüssel, und
iässl auf eine ursprünglich einer grösseren Abtheilung der Plattwttrmer
zukommende Gleichartigkeit dieser Organisation schliessen.
§ 406.
Durch die Diflerenzirung von Drüsen, als besonderer Secretions-
mgane, nimmt das Inlegument der Würmer eine höhere Stelle ein.
Solche Oi^anc sind in fast allen Abtheilungen der Würmer nachgewiesen,
und finden sich bei den Annulaten sogar in grosser Verbreitung. Sie
scheinen in den meisten Füllen einzellig zu sein, und lagern bald
unmittelbar unter dem Integumente, bald in den tieferen Theilen des
K(>rpers, letzteres bei dem Mangel einer gesonderten Leibeshöhle.
Unter dem Piattwürmern sind einzellige Hautdrüsen bei den Trema-
toden bekannt geworden. Sie lagern meist in Gruppen am Vorder-
iheile des Körpers, und kommen auch am hintern Köipertheile in
Verbindung mit SaugnSpfen vor. Eine mitchtige Ausbildung besitzen
die Drüsen bei den Hirudineen, besonders bei den Blutegeln, wo sie,
im Körperparenchym zerstreut, mit langen Ausführgüngen zur Haut
treten. Gleichfalls einzellige Drüsen sind im Integument der Scole'i'neu
und zwar zwischen den Zellen der Matrix nachgewiesen. In manchen
Füllen rücken die Drüsen jedoch tiefer und lassen blos den Ausführ-
gang zwischen den Zellen hindurch treten.
Bei den Gephyreen sind Drüsenschläuche gleichfalls mit dem Inte-
gumente verbunden, und ebenso finden sie sich bei den Anneliden
[Fig. 47. (t). Eine Drüsenschichte entfaltet sich an einem Abschnitte
des Körpers der Lumbricinen als Sattel; der Bau dieser Gebilde
scheint jedoch nicht mehr so einfach zu sein, da die Schlauche ein
Itesonderes Epithel als Atiskteidung , und zuweilen auch eine gelappte
Form lk*sitzen. Sehr verbreitet finden sich unter den Cliiitopoden
444 Würmer.
Dfüsenschläucbe mit Massen von stäbchenförmigen Körpern. (Spio,
Aricia). Den Nemertinen kommen gleichfalls Drüsen, die ein schlei-
miges Secret liefern, zu. In vielen Fallen wird das Secret der Haut-
drüsen zur Bildung von Eihülien verwendet.
8ke le t.
§ <07.
Bei etwas festerer Beschaffenheit spielt das Integument in vielen
Ahtheilungen der Würmer eine bedeutende Rolle als Slützorgan, welcher
Beziehungen bereits oben gedacht ward. Bcachtenswerther sind die
Organe, welche jene Function ohne Nebenbeziehungen besitzen. Als
solche Stützorgane trifft man bei einer Anzahl von tubicolen Anneliden
im Kopfsegmente Knorpelslücke, von denen aus Fortsätze in die feder-
buschartigen Kiemen sich verzweigen, und dort bis in deren Fieder-
bliittchen als feine Streifen verlängert sind.
Während jener Kopfknorpel aus einer auf eine kleine Abtheilung
beschränkten Anpassung hervorging, treffen wir bei Tunicaten einen
Stützapparat anderer Art und von grösserer morphologischer Bedeutung.
In dem schwanzartigen Uuder der Appendicularien besteht nämlich
ein vom Körper des Thieres her sich fortsetzendes Axenorgan. Es
wird aus eigenthün>lich modificirten Zellen gebildet, die einen von
continuirlicher Scheide umgebenen Strang formiren. Dieses Axenorgan
erhält sich bei allen jenen Tunicatenlarven , welche den beweglichen
Ruderschwanz besitzen , somit bei Ascidien und Cyclomyariem. Mit
dem Schwänze geht es verloren. Seine Lagerungsbeziehungen lassen
in der Chorda dorsalis der Wirbelthiere ein Homologen erkennen.
Endlich muss noch als Stützorgan das Kiemenskelet der Entero-
pneusten hervorgehoben werden, welches aus einem Gitter werk von
homogenen Stäbchen (Cuticulargebildenj zusammengesetzt wird, und in
Anordnung wie in Genese mit dem Kiemenskelete des niedersten Wlrbel-
thieres (Amphioxus) grosse Aehnhchkeiten besitzt.
Muskelsyatem.
§ 108.
Die Muskulatur der Würmer liegt unmittelbar unter dem Inlegu-
mcnte, und bildet bei den meisten den mächtigsten Theil der die
inneren Organe umsch liessenden Hülle. In der allgemeinen Anordnung
der Fasern lassen sich mehrere Typen unterscheiden, die in folgender
Weise charakterisirbar sind.
1) Ripg-, Längs- und Radiarfasem bilden eine zusammenbäDgende
Muskelmasse, bei welcher die l>eiden ersteren in Schichten gesondert
und von den senkrechten Fasern durchsetzt sind. Die Ringfasem
Muskrifiy stein. liS
bilden eine üussere und eine innere Schichte, zwischen welchen die
■jtngsfaserscfaichte eingeschlossen liegt. Die senkrechten Fasern gehen
von den Binnentheilen des KDrpers f(cgen die Oberfbche ans. An den
S«tlenrändem des Körpers erstrecken sie sich unmittelbar von der
Rucken- Eur Bauchflaclie. fliese Anordnung der Muskulatur besitien
PialtwUrmer, dann Hirudineen und Onychophoren fPeripiitus) . Ünbei
kotnmen aher auch noch schr'.lK gekreuzte HuskelfaAern vor, die bei
lien Rundwürmern und rhnbdocfflen Turbetlarien fehlen.
?) Die Ltlngsfaserschicht4> bildet die ansRch Hess liehe Muskulatur,
im dun Nematoden, ChStof^nathen und l>ei Polygordius, wobei in der
Verlheilung der Fasern verschiedene Yerhitltnisse gegeben sind.
Bie Muskelfasern verlaufen entweder als flache, mit den Breit-
seiten an einander liegende Bänder, unmittelbar unter der Epidennis-
scbicble (Matrix der Ctilicula} , oder sie sind mit den Kanten gegen
einander, also mit den Flüchen je nach aussen und innen gerichtet.
In beiden Fcillen bieten sie EigenlhUmlichkeiten in der Gruppiriing.
Durch eine dorsale und ventrale von anderen Geweben eingenommene
Medianlinie werden sie in zwei seitliche Massen geschieden , die ans
unmittelbar aneinander liegenden Fasern bestehen '(jordius , Tricho-
cefifaalusj. Bei der Mehrzahl der Nemathelminlhen (ritt an beiden Seilen-
balften des Hautmuskel Schlauches durch /wischenlreten anderer Organe
eine weitere Differenzirung auf. Diese Seitenlinie (Fig. ^>0. A. r]
verbreitert sich bei sehr vielen Nematoden zu emein in verschiedenem
Grade eDlwickellen Seiteofelde, welches auch den ChStognathen
luLomml.
3] Die Muskulatur des KOrpers besteht aus einer äussern Ring-
und innem Langsfaserschichte. Beide sind bei den Gephyreen und
Vif. ta. QuefMbniU« tob Asciris lumbricoid«« A und HIrudo B. c
CcUcaUncUohte, « llu>lt«l»cbicM«, r Seitenlinie mit dem EicrelioiiMrgsn. pp
obere uad anlere llediinlinle. p' Quere Kssem. t> Darm, d dorsaler, t seitlicher
GrtaMilamm. t Blaue de« Eicretionsorgancs. n Bauchmark.
U6 Würmer
Acaiitbocephalen nicht in bestimmte Felder gesondert, obwohl bei den
ersteren die einzelnen LUngs- oder QuermuskelzUge häufig in Abstün-
den von einander gelagert sind. Dagegen besitzen die Anneliden durch
die Anordnung der LHngsmuskeln in zwei dorsalen und zwei venlraien
ZUgen ein deutliches Seilenfeldf die Längsfaserschichte ist die mächtigere.
Eine in der Regel durch einzelne BUndel vorgestellte Schichte trans-
versaler Fasern geht von der ventralen Medianlinie zu den Seitenfeldern.
Ausser dieser dem gesammten Körper zukommenden Muskulatur
sind noch einzelne Muskeln für besondere Organe vorhanden. Sie
werden wo es nöthig ist bei diesen berücksichtigt werden, und hier soll
nur der die Borstenbündel bewegenden Muskeln Erwähnung geschehen.
Besondere Diflerenzirungen des Hautmuskelschlauchs stellen die bei
Trematoden, Cestoden und llirudineen verbreiteten Saugnäpfc vor, die
im wesentlichen des Baues miteinander übereinstimmen.
§ 109.
Als äussere Ring- und innere Längsfaserschichte gibt sich die
Muskulatur der Bryozoi^n zu erkennen (Fhylactolaemen). Nicht sehen
ist die Ringmuskelschichte in einzelne Bänder gesondert. Am mäch-
tigsten ist die Muskulatur an der Verbindung des protraclilen Kör]>er-
abschnittes mit dem Gehäuse. Bei vorwiegend starren Wandungen des
letzteren sind die Ringbänder unterbrochen (Flustra) und stellen von
den Seitenwänden des Gehäuses zur oberen freien Fläche tretende
Züge dar. Einige davon inseriren sich an dem als Deckel fungirenden
Abschnitt des Gehäuses. Beim Bestehen einer Längsmuskulalur löst
sich ein Theil der Muskelfasern hinler dem invaginirten Abschnitte des
Körpers ab und tritt nach innen zur Duplicatur der Leibeswand, um
sich grösstentheils bis zur Tentakelbasis fortzusetzen. Sie bilden Rück-
zieher des vordem Körperlheils (Parielo- Vaginalmuskeln). Unter den
Tunicaten sind Muskeln als Längs- und Ringfasem entwickelt, wo
sie eine unter dem Mantel der festsitzenden befmdliche continuirliche
Schichte bilden, und um die Athem- und KloakenöfTnung einen Schliess-
muskel herstellen. Bei den schwimmenden Tunicaten ist diese Mus-
kulatur in einzelne, bald isolirt verlaufende (Gyclomyaria), bald theil-
wei^e zusammenhängende Reifen (Salpa) aufgelöst. Eine besondere
Muskulatur besitzt der Ruderschwanz der Appendicularien.
Im Baue der Formelemente des Muskelsystems bieten die Würmer
beträchtliche Verschiedenheiten. Die Muskelfasern ^ind längere o<ier
kürzere Gebilde, die in der Regel selbst da, wo sie eine beträchtliche
Ausdehnung besitzen, das Product einer einzigen Zelle sind, wie aus
dem Vorhandensein eines einzigen Kernes geschlossen \n erden muss.
Unter den Plattwttrmern besitzen die niedern Formen nur blasse oft
schwer unlerscheidbare Fasern, die auch Verästelungen darbieten. Bei
den hohem Plaltwürmern slellen sie Röhren vor, indem die contraclile
S'erveoiyHteni I it
Substanz einen hohlen Gylinder bildet, welcher indiflerentes Protoplasma
mit dem Kerne umscbliessi. Der contractile Tbeil der Faser Keigt zu-
weilen eine fibriilAre Streifang. Dieses Verhalten findet sich bei den
Onychopboren, Hirudineen, Acanihocephalen und Gc-
phyreen. In den beiden letzten Abtheilungen bilden die Fasern
jeder Schichte ein Netzwerk.
Unter den Nemathelminthen zeigt Gordius die einrachsien
Zustilode. Die Muskelfasern sind breite dünne mit den FiMchen an
einander gereihte Bünder. Bei andern sind besondere DifTerenzirungen
der Fasern bemerkbar, welohe rhomboYdale, hüufig auch in langgestreckte
Fasern übergebende Platten bilden. Die contractile Substanz ist
librillttr gestreift und liegt an der äusseren Seite der Faser, während
der gegen die Leibesböble gerichtete Tbeil der Faser aus indifferent
gebliebenem — einen Kern einschliessenden Protoplasma gebildet wird.
Daran reihen sieb eigenthümliche Umgestaltungen der Fasern in rinnen-
förmige oder auch platlcylindrische Formen. Jede Faser stellt eine sehr
tiefe, entweder als solche auslaufende oder gegen die Enden zu cylin-
drisch sich abschliessende Rinne vor, deren offener Theil immer gegen
die Leibeshöhle gerichtet ist. Die Wandungen bestehen aus contractilei*
Substanz mit fibrilterer Zerklüftung. Den schmalen Raun) der Rinne
füllt Protoplasma und von den Rändern setzt sich eine zarte Membran
in ein beuteiförmiges Gebilde fort, welches von jeder Muskelfaser aus
in die Leibeshöhlc einragt, deren grdsster Theil durch diese beutei-
förmigen Anhänge der Muskelfasern ausgefüllt wird. (Ascaris iumbri-
co'i'des. Yergi. Fig. 50. ^4.) Von den Beuteln verlaufen schrüge Stränge
[Querfasern) zu den Medianlinien. Sie zeigen nicht selten eine fibril-
bire Beschaffenheit, und sind als Nerven betrachtet worden. An
einzelnen Stellen findet man sie deutlich als Muskelfibrillen. Wo die
Beutel nicht entwickelt sind, treten diese Stränge an Fortsiitzo der
Muskelfasern, die häutig in seitlich plattgedrückte Röhren übt*rgehen.
Beiderlei Zustände linden sich übrigens nicht nur innerhalb gleicher
Gattungen, sondern sogar in allmählichem Uebergange an einem Indi-
viduum vor. Bei der letztaufgeführten Form der Muskelzellen liegt
^meist dne grössere Anzahl von Fasern im Muskelschlauche nel>en ein-
ander. Eine deutlich auisgespro^hene Qiierslreifung besitzen die Mus-
keliasem der Ghaetognatben wie jene der Tunicaten.
NervenBystem.
§ HO.
In der allgemeinen Anordnung des Nervensystems der Würmer
zeigt sich die enge Beziehung dieses Apparates zu der gesammten
Organisation. Cenlren und peripherische Theile verhallen sich einfach,
wo der Kör|>er nicht in Metameren gethellt ist, während sich bei einer
40»
US WUrmer.
Gliederung <]ea Kärpers diese Erscheinung fast regelmässig auch fUr
die Centraloi^ne des Nervensystems wiederholt. — Allen ist die
Lagerung der wichtigsten Centralorgane im vordem Ktfrpertheile meist in
der Nühe des AnfangsslUck^^s vom Darmcunal gemeinsam. Kine UilTe-
renzirung aus dem Ectodvnn ist wenigstens fflr mehrere Ablheiluttgen
nachgewiesen. Eine dorsale Medul larplalte sondert sich zu
einem allmtihlich ins Innere des KtSipers gelangenden
Nervenceiitrum, welches mit der A usbildung der hinteren
Körpertheile im vorderen Theile, dem Kopfe, gelagert
bleibt, und den Vorder-
Flg. 81.
darm unter sich hat. Es
versorgt stets die am
Kopfe entfalteten Sin-
nesorgane, und enisen-
detNervenstümme nach
der Peripherie des Kttr-
pers, welche jenachder
grOsaern od er geringern
Lange des Kfirpers eine
vet'schiedengradige Aus-
dehnung zeigen.
Nach dem näheren Ver-
halten dieser LSngsnerven-
sttimme lassen sieh zwei
Hauplformen des gesammlen
Nervens y sie ms unterscheiden .
Diese theilen sich wieder in
Untergruppen , je nachdem
den ÜIngsslitmmen centrale
Elemente in rege {massiger
Gruppirung eingelagert sind
oder nicht.
Die erste dieser Ablhei-
lungenwii-d durch die Pia It-
wUrmer VM'gestellt , die
znei grossere duivh ein«
Quercomniissur zusammen-
hangende Gangtienmassea im
vordem Theile des Kürpers
besitzen. Diese NÜirngan-
glien«. bilden mit zwei davon ausgehenden Uingsnerven stammen den
Hauptlheil des Nervensystems , von dem feinere Verzweigungen nach
Fig. S1. Kcipf einer NemerliDe (Oiuo>Bto|)leB albaj. g Cealrvles NiTveasysleai.
fl Seilenstdmme. o Augenlleckc. p p' p" Ru^»«!. pi Russelä<jheidP. ■ Darai. t Sei-
tenoi^n. d Dorsaler, I lateraler Gerassstiiinm. (Nach Carii. H'Irtosh.j
Nervensysl^m. 449
dem Hautmuskelschlauche, sov\ie nach iDoereo Organen verlaufen. Die
Lüngssiamnie folgen den Seilenrändern des Körpers und sind je nach
der Breite desselben näher an einander gelagert oder weiter aus
einander gerückt. Sowohl die dendrocölen Turbellarien als auch viele
Trematoden zeigen diese lateralen Längsstämme nur wenig entwickelt,
so dass sie von anderen , von den Hirnganglien entspringenden Nerven
oft kaum unterscheidbar siod. Bei den rbabdooöien Turbellarien
sind sie stärker, wenn audi nur auf kurze Strecken hin verfolg-
bar. £ndlich sind sie bei den Nemertin'en in der ganzen Länge
"des Körpers entwickelt, und stellen von den Ubiigien vom Gehirne aus-
gehenden Mervenzweigen leicht unterscheidbare Gebilde vor (Fig.
51. g). Dabei erhält auch das centrale Nervensystem eine bedeutendere
Entfaltung, indem an jedem der beiden Ganglien einzelne grössere Ab-
schnitte unterscheidbar werden. Die Gommissur zwischen beiden Hälften
des Nervencentrums wird von dem oben als Rtlssel bezeichneten Or-
^ne durchsetzt. Während diese Längsstärome bei der Mehrzahl in
ihrem Verlaufe genau dem Seitenrand des Körpers entsprechen (inner-
halb der Muskelscbichten gebettet), rücken sie bei andern (Oerstedia)
an der ventralen Fläche näher an einander, sind bedeutend stärker und
an den Abgangsstellen von Nervenzweigen durch Anschwellungen aus-
gezeichnet. Darin ergibt sich die erste Andeutung ventraler
Ganglienbiidungen. '
Am nächsten den PlattwUrmern stehen bezüglich des Nervensystems
die Räderthiere. Als Centralorgan erscheint eine dem Schlund auf-
liegende, aber ihn niemals umgreifende Ganglieomasse , die zuweilen
deutlich in seitliclie Hälften getrennt ist. Von diesem Gehirn ent-
springen die peripherischen Nerven. Da diese nicht in Längsstämme
gruppirt sind, so besteht hier die einfachste Form, die am meisten
jener der Turbellarien sich ansdiliesst.
Auf derselben niederen Stufe erscheint noch das Nervensystem von
Pedicellina, "welches dem Magen aufgelagert keine Schlundringbil-
dung eingeht.
Weiter gebildet hteIH das Nervensystem der Bryozoön sich dar,
dessen einzige Gentralmasse als ein einfacher Ganglienknoten zwischen
Mund und Analöffnung liegt und ausser starken Aesten an die Tentakel noch
zwei Nerven um den Anfang der Speiseröhre zur Bildung eines Schlund-
ringes entsendet. Wo das Nervensystem am genauesten bekannt ist,
^ie bei Alcyonella, ist der Schlundring zweifellos. Von dem seitlichen
Theile der centralen Nervenmasse tritt ein lappenartiger Fortsatz in den
Lophopbor und entsendet wie auch der übrige Scblundring Nerven zu
den Tentakeln.
Ausser diesem jedem Individuum zukommenden Nervensysteme ist
^50 Würmer.
noch ein dem Stocke zukommendes Colonialnervensystem er-
kannt worden, welches in neuerer Zeit wieder in Abrede gestellt wird-
Am Nervensystem der Tunicatcn findet sich wiederum ein dor-
saler Nervenknoten, bei den Ascidien zwischen Einj^angs- und Aus-
wurfsöffnung geiggort. Ein Paar zarter Nervenstammchen unifasst
Schlei fenförmig die Eingangsöffhung wie eine Schlundringcommissur.
Bei den schwimmenden Tunicatcn liegt das Nervencenirum, durch nicht
unbeträchtliche Grösse ausgezeichnet, zwar dorsal, aber entfernt von
der EingangsölTnung. Es Ulsst sich von jenem der Ascidien ablcilen,
sobald wir die gelinderte Körperform mit in Betracht ziehen. Denken
wir uns den bei Ascidien zwischen Eingangs- und Auswurfsößnung
liegenden Raum so vergrössert, dass beide Oeffnungen die Enden des
nunmehr cylindrischen Körpers einnehmen , so wird das Ganglion eiue
ähnliche Lage erhalten, wie bei den Salpen, Die peripherisclien Nerven
strahlen in symmetrischer Anordnung vom Gentralorgane aus, und lin-
den ihre Verbreitung im Mantel wie in den Muskelreifen.
In eigenthUmlicher Weise verhält sich das Nervensystem der N e -
ma thelmin then, soweit darüber bis jetzt die Thatsachen festgestellt
scheinen. Es besteht hier ehi dem Schlünde aufgelagertes und ihn
ringförmig umschliessendes Ccnlralorgan, von dem sowohl nach vorne
als nach hinten Nerven ausstrahlen. Dieser Vertheilung der Nerven
entspricht die Gruppirung der Ganglienzellen des Schlundringes. Die
von diesem nach vorne tretenden Nerven sind als sechs Faserzüge un-
terscheidbar. Zwei verlaufen in der Mitte der Seitenfeldcr und vier
in der Richtung secundärer Medianlinien. Sowohl am Ursprünge als
im Verlaufe (\er letzteren liegen Ganglienzeilen. Die nach hinten ver-
laufenden Nerven bestehen aus einem dorsalen und einem ventralen,
der entsprechenden Medianlinie entlang verlaufenden Stamme. Ausser-
dem gehen noch vom ventralen Theile des Schiundringes zwei nach
hinten convergirendo Stränge ab, die sich an einer Ganglienzellenmasse
(G. cephalicum) vereinigen. Der Verlauf der Mediannerven zieht sich
durch die Länge des Körpers. Beide schicken Fasern in die Matrix
des lutegumentes. Es ist ersichtlich, dass diese Anordnung zwar iui
Altgemeinen von den andern einfachen Formzuständen des Nerven-
systems der WUrmer eine Modißcation darbietet, die al>er so eigen-
thUmlich ist, dass jede speciellere Vergleichung vorläufig' ausge-
schlossen wird.
Nicht minder isolirt sieht das Nervensystem der Chätognalhen
in seinem Verhältniss zu dem der Nematoden, doch bieten sich hier
schon bestimmtere Beziehungen zu den Anneliden dar. Zwei im Kopfe
liegende Ganglien (Gehirnganglien) senden sowohl nach vorne Nerven-
stammchen ab, als auch nach der Seite einen langen Verbindungsstrang
Nervenftystem . 454
zu einem weit nach hinten he^^enden ventralen Nervenknoten ^Bauch-
^Dgiioni , von welchem zwei an den Seiten des Körpers nach hinten
verlaufende Nervenstüromchen entspringen.
Das Nervensystem der Gephyreen entfernt sich von dem der
Plattwtirmor durch den vorhandenen Schlundring, der mit einem ven-
tralen Litngsstammc in Verbindung steht. Letzterer nifhert sich dem
»Bauchmarkea der übrigen Annulaten. ist aber von diesem dadurch
nicht unwesentlich verschieden, dass er einen einzigen Strang bildet,
der eine Verschmelzung aus zwei gesonderten $>trangen niclit bestimmt
erkennen lifsst. Er liegt meist im Innern der l.elbeshöhle, soll al)er
bei einzelnen auch ausserhalb der Muskelschichtc dicht unter dem in*
tegnmente vorkommen fPrtapulus) . Der Schlundring besitzt eine dor*
sale Ganglienanschwellung, homolog dem »Hirn« der übrigen Würmer.
Dieses bei Sipunculus und Sternaspis vorhandene, Im»! erstorem deut-
lich in zwei liülften getheiltc Ganglion fehlt t)ei Priapulus und Ronellia,
wo vorwiegend faserige Elemente den Schlundring bilden. Dem Bauch-
Strange fehlen in der Regel gleichfalls Anhäufungen der Ganglienzellen
zu besondern, einer Metamerenbildung entsprechenden Anschwellungen,
nur h^i Echiurus sind solche allerdings schwach ausgebildet vorhanden,
und am Ende des Bauchstrangs ist in anderen Fitllen (Sipunculus,
Sternaspis) eine terminale, feine Fiidchcm aussendende Verdickung
l)eobachtet.
Der Bauchstrang sendet nach beiden Seiten zahlreiche, hauHg un-
regelmässig entspringende Fildchen als peripherische Nerven. Vom
Schlundnngc begeben sich solche^ auch auf den DarmcanaL
Bezüglich des Nervensystems der Acanthocephalen fehlt uns
nähere Kenntniss. Ein kleines am Grunde der Rüsselscheide gelagertes
'(langlion« sendet nach verschiedenen Seiten Aeste ab, l>e(lfirf aber
noch genauerer Untersuchung.
Aus (fem Nervensysteme der Plattwürmer leitet sich das der höheren
VVurmer ab. Wie dort bereits Annäherungen der beiden HanpIsUimme
gegen die ventrale Medianlinie stattfanden, so ist auch bei den Ringel-
wllrraern dieses Verh^ltniss, jedoch viel weiter entwickelt zu treffen.
IHe ventrale Nühenrog der beiden Uingsnervenstämme ist in verschie-
denem Grade ausgebildet, und durch die von der Metamerenbildung
heberrschte Einlagerung von Ganglienzellen in bestimmten Abschnitten
bebt sich der ganze Apparat zur Bedeutung eines Ontralorgans empor.
Ausser den oberen Schlundganglien haben wir also noch eine Reihe
in den Verlauf der ventralen Langsstämnie eingebetteter
452 Würmer.
0
Gaoglien, die auch durch Quercommtssuren mit einander verbunden
sind, als Geniraltheile des Nervensystems anzusehen. Diese stet« unter
dem Darmcanale verlaufende Folge von Ganglien bildet die » Bauch -
ganglienkettea, oder das ))ßa uchmark«. Der aus den oberen
Schlundganglien [Hirnganglienj hervorgehende Theil der primitiven
Nervenstränge wird zu einer Gommissur zwischen ersteren und der
ventralen Ganglienkette.
Die Ausbildung der einzelnen Abschnitte hinsichtlich des relativen
Volums entspricht immer jener der von Nerven versorgten Organe. Die
grösste Mannichfaltigkeit bieten in dieser Hinsicht die Hirngauglien dar.
Je nachdem ein Apparat von Tnstwerkzeugen oder anderen Sinnesorganen
vorhanden oder nur gering entfaltet ist, oder gänzlich mangelt, zeigen
sich auch die bezuglichen Ganglien als (Jrsprungsstätten jener Nerven
auf verschiedenen Stufen der Ausbildung oder der Verkümmerung.
Aehnliches gilt auch von den Ganglien der Bauchkette. Doch herrscht
bei den BingelwUrmern der meist nur geringen Verschiedenartigkeit
der Metameren entsprechend eine mehr gleichartige BeschatTenheit der
ganzen Ganglienkette vor.
Sehr nahe an dem der Plattwurmer steht das Nervensystem der
Onychophoren. Ein sehr entwickeltes eng verbundenes Paar oberer
Schlundganglien schickt um den Mund herum seitliche Nervenstränge
nach unten. Unterhalb des Schlundes sind sie einander genähert,
treten alsdann als breitere Bänder eine Strecke weit divergirend an der
Ventralfläche nach hinten, um den grössten Theil ihres Weges bis zum
Hinterleibsende weit von einander getrennt zu verlaufen. Eine Ver-
einigung dieser Nervenstränge findet am Ende statt. In der ganzen Länge
sind sie durch zahlreiche feine Quercommissuren, von denen, die vor-
dersten die deutlichsten sind, unter einander im Zusammenhang. An-
schwellungen der Bauchstränge fehlen , und wei^den durch eine mehr
gleichmässige Einlagerung von Ganglienzellen ersetzt. Damit entspricht
dieses Verhalten einem indiflerenteren Zustande der Bauchganglien-
kette, die aus einer Sonderung in den Längsstämmen vertheiller
Ganglienzellen auf einzelne den Metameren entsprechende Parthieen
hervorging.
Aebnliche wie bei Peripatus bestehende Querverbindungen der bei-
den Längsstränge der Bauchganglienkette werden für die Hirudineen
wie Anneliden zu einem beständigen Charakter. Unter den Hiru-
dineen macht nur Malacobdella eine Ausnahme, indem jedes der bei-
den Schlundganglien (Fig. 5*2. a) einen lateral verlaufenden Nerven-
stamm entspringen lässt, der nur am Körperende mit dem anderseiligen
durch eine Quercommissur sich verbindet. Da die Schlundganglien
durch eine einzige Gommissur unter sich in Verbindung stehen, so wird
damit ein an die Trematoden erinnernder Zustand ausgedruckt, indess
Nervensystem.
453
dorch EiolageruDg regelmässiger Ganglien (fr, b') in die Seitensiränge
der Anscbiuss an die übrigen RingelwUrmer bedingt ist. Andere
Hinidioeen scheinen nur in Jugendzustdnden dureh Enlfernung der
Uiagsstränge des Bauchmarks ausgezeichnet zu sein. Später lagern die
Fig. 53.
¥\^, 58.
>
Uiogsstränge sehr nahe an einander und erscheinen als ein einziger
Strang. Noch mehr genähert sind die Längscommissuren bei den
Scoleinen , und unter den Chütopoden bei den NereYden , Am-
phinomiden und Euniceen, doch ist in allen diesen Fällen keine wirk-
lidie Verschmelzung, sondern nur eine nahe Aneinanderlegung ge-
geben, die durch das beide Nervenstrange umhüllende Neurilemma
Doch inniger scheint.
Bei den tubicolen Anneliden erhalt sich die Trennung der ganglien-
tragenden Längsstämme und besonders bei den Serpulen sind die
Seitentheile der Ganglienkette vorne weit auseinandergerückt [vergl.
Fig. 52. Nervensystem von Malacobdeilagrossa. a SchlundgangHen. b
Erstes Ganglion der lateralen Nerven$tämme , ttquivalent dem unteren Schlund-
ganglion der übrigen Würmer. 6' Folgende Ganglien. (Nach Blamchard.)
Fig. 53. Nervensystem von Serpula contortu plicata, a Obere Schlund-
ganglien, b Untere Schlundganglien, b' Bauchslrang. n Nerven für Mundtheile.
t Aotennennerven.
Fig. 54. Nervensystem von Nerels regia, o Augen, dem oberen Schlund-
ganglion aufsitzend; die übrige Bezeichnung wie in Flg. 53, (Nach QuATaepAGEs.)
1 54 Würmer.
Fig. 53). Mehr genäherl sind die Stränge hei den Säbelten, ebenso
bei den Herniellen, wo sogar der vordere Abschnitt des Bauchmarks
viel kürzere Otiercommissuren besitzt als der hinlere. Daran schiiessen
sich endlich die Tcrebeilen^ bei denen nur am hintern Abschnitt noch
Qiiercommissuren zwischen den Ganglien deutlich sind, indess der vor-
dere die beiderseitigen Ganglien fast verschmolzen zeigt.
Bezüglich der Ganglien ist die Ausbildung und voluminösere Ent-
wickelung der oberen Schlund- oder Uirnganglien im Gegensatze zu
den niederen Würmern hervorzuheben. Sehr selten sind beide HiUflen
in einen einfachen Knoten verschmolzen , was z. B. bei Enchylraeus
als eine Rückbildung sich ausnimmt. Ein Zerfallen in einzelne lappen-
förmige Abschnitte, bei den Nemertinen in einfacher Weise angedeutet,
tritt in mannichfaltiger Gestaltung hervor, llaulig erscheinen die Lappen
als kugelige Vorragungen, zuweilen fast wie gestielt. Die Hirnganglien
sind dann Complexe kleinerer Ganglien. Ansehnliche Hirnganglien
zeigen die Nereiden, Aphrodilecn u. a. (Fig. 5i. a).
Auch an den Ganglien des Bauchstranges macht sich eine
theils durch voluminösere Ausbildung, theils durch Concrescenz auf-
tretende Differenzirung bemerkbar. Bei den Hirudineen ist das erste
(langlion meist sehr ansehnlich, immer die übrigen an Grösse über-
treffend, es entspricht einer grösseren Anzahl einzelner unter einander
verschmolzener Ganglien , wie sowohl aus den es zusammensetzenden
Abschnitten als auch aus den abtretenden Nerveniislen zu ersehen ist.
Ein ähnliches Verhalten kehrt am Ende des Bauchstranges der Hiru-
dineen wieder , wo das dort vorhandene grössere, den Saugnapf ver-
sorgende Ganglion durch Verschmelzung mehrerer primitiven Ganglien
(bis sieben bei Clepsine) hervorging, die ebensovielen den Saug-
napf bildenden Melameren entsprechen. Diese Erscheinung des Näher-
aneinanderrückens (durch Verkürzung der Langscommissuren) einzelner
Ganglien findet sich auch l)ei den Scoleinen, doch ist hier oft noch die
Selbständigkeit der Theile an den einzelnen Quercommissuren deutlich
erkennbar. Unter den ChUtopoden liefern die Hermellen ein Beispiel,
deren erste sieben Ganglien jcderseits unmittelbar an einander gerückt
sind. Die Ausdehnung der Längsconunissuren wie die Zahl der (langlien
steht mit der Metamerenbildung in Verbindung. Sehr dicht stehen sie
bei den schmalgeringellen Lumbricinen, so dass der ganze ßauchstrang
eine dichte Folge von Anschwellungen und Einschnürungen darbietet.
Noch mehr sind die Ganglien bei Glymene und bei Cirratulus an einan-
der gerückt.
Gehirnganglien lassen vorzüglich die Nerven der höheren Sinnes-
organe entspringen , und sind je nach der Ausbildung der letzteren
in verschiedenem Maassstabe entwickelt. Vor allem sind die Füblcr-
ncrven sowie jene der Sehorgane hervorzuheben.
Sinnesorgane. * Ta.Hlorf;ane. 1 55
Die von der Bauchkette entspringenden Nerven treten in der Regel von
den Ganglienansehwellnngen ab ; doch findet sich bei manchen Abihei-
lungen ein scheinbarer Ursprung von den L^ngscommissuren, wobei der
Nerv immer auf das nächst vorliegende Ganglion zurUckgeleitei worden
kann. Solche Verhältnisse kommen vor bei Scoleinen , bei Siphonosto-
men, bei Aphrodite, sowie bei NereVden (vergl. Fig. 5i) u. a. Sehr
häufig bilden die seitlichen Aeste des Bauchmarks kleine, meist an der Basis
der Farapodien gelagerte Ganglion , von denen aus feinere Nerven Ver-
zweigungen ihren Ursprung nehmen (z. B. bei Nereiden). Diese
Ganglien zeigen sich nicht selten unter einander durch Lüngsconiniissuren
in Zusammenhang und daraus entsteht ein ^lesonderer, dem Bauch-
nervensirenge coordinirter Abschnitt des Nervensystems {Fleione .
Eine ähnliche Difl'erenzirung bieten die Eingeweidenerven.
In de» niederen Abtheilungen der Würmer treten Nerven von den
oberen, einzigen Ganglien zum Darnicanale. Solche sind sowohl bei
Turbellarien hIs bei Tremalodeu beobachtet. Bei den Anneliden
erreichen diese Nerven nicht blos eine grössere Entfaltung, sondern
erlangen durch Einlagerung von neuen Ganglien einen gewissen Grad von
SelbstJIndigkeit. Diesen dadurch zu einem besonderen S)stenic von
Eingeweidenerven sich gestaltenden Apparat tlieilt man in einen vor-
deren und einen hinteren Absclinitl. Der erslere verbreitet sieh auf
den Mundlheilen, und ist besonders bei den mit pi-otractilem Rüssel
ausgestatteten ChUtopoden (Phyllodoce, («lycern u. a.) ansehnlich ent^
wickelt. Der hintere schwächere Abschnitt verlauft dagegen auf dem
Darmrohre, bis jetzt nur bei den Hirndineen als unpaarer Darroncrv
genauer bekannt» Beide Abschnitte müssen, uneraehiet ihrer Verbrei-
tung auf physiologisch zusammengehörenden Organen, aus einander ge
halten werden, denn der vordere Abschnitt verlauft zu willkürlich
beweglichen Theilen, wogegen nur der hintere einem ächten Darm-
nervensystem entspricht, und in physiologischer Besiehung als sym<-
palhisches Nervensystem bezeichnet werden kann.
Sinnesorgane.
Ta»iorgane.
§ 117.
Die Sonderung der Sinneswerkzeuge tritt bei den Würmern auf
eine höhere Stufe. Als Organe der Tastempfindung zeigt das
Integument theils besondere Fortsatzbildungen, theils feinere Textur-
niodi6cationen , mit welchen der peripherische Nervenapparat iii Ver-
bindung steht. Gebilde letzterer Art sind die eigentlichen Tastorgane,
Während die gri>l)eren Vorrichtungen , wie Fortsätze des Integu-
mentes, nur deren Träger sind. Das Wesentliche dieser Organe be-
sieht darin, dass sensible Nervenfasern mit roodificirten Zellen des
1 50 Würmer.
InteguDientes in Verbindung stehen, ^veiche letztere in der Regel mit
st<iiTen borstenähnlichen Fortsätzen (Tastborsten, Taststäbchen)
über die Oberfläche des Integunientes vorragen. Da ein grosser Theil
jener feinen stancn Fortsätze bereits in seinem Zusammenhange mit
Nerven erkannt ist (bei Räderthieren und Anneliden)^ dürfte es nicbt
allzu bedenklich sein, diese sehr verbreiteten Bildungen auch da als
Tastorgane anzusprechen , wo der Nachweis des Zusammenhanges mit
dem Nervensysteme noch nicht geliefert ist. Das trifft zumal für jene
Äbtheilungen, die auch der Erkeiuitniss der gröberen Verhältnisse des
Nervensystems Schwierigkeiten darbieten.
Eine grosse Verbreitung zeigen jene Tastborsten unter den Tur-
bellarien und Nemertinen . wo sie bald Über den ganzen Körper ver-
theilt sind, bald am Kopftheile des Körpers eine Stätte reichlicher Ver-
bindung finden. Sie trefl'en sich wieder bei Rotatorien; dann au den
Tentakeln der Bryozoön, und bei den Ännulaten; in besclnänktem
Maasse bei Uirudineen, von welchen einzelne wie z. B. Branchiobdella
solche Tastborsten am Kopfsegmente aufweisen ; ähnlich auch bei einigen
Lumbricinen ; in grösserer Verbreitung kommen sie bei den Chätopoden
vor. Als Sitz erscheinen bei den Chätopoden sowohl die eigentlichen
Fühler und Taster (Fig. 44) als auch die als Girren bezeichneten An-
hänge der Parapodien , sowie die aus Modihcationen dieser Cinen her-
vorgegangenen Gebilde (vergl. § 101.) Diese werden durch reichliche
Ausstattung mit jenen Endapparalen sensibler Nerven zu coraplicirteren
Tastorganen die durch ihre Beweglichkeit auf eine höhere Stufe treten.
Eine besondere Gomplication der Taststäbchen findet sich bei einigen
Hirudineen , wo Gruppen jener Gebilde im Grunde becherförmi-
ger Organe eingebettet sind. Solche fiuden sich am Kopfe in grösserer
Anzahl, vereinzelt an den hinteren Körperringen. Die Anordnung der
empfindenden Theile in Vertiefungen der Körperoberfläche begründet die
Meinung, dass man es hier keineswegs mit einem speciellen Tastap|>a—
rat, sondern mit einem Sinnesorgane allgemeiner Natur zu thun habe.
Einen geringeren Differenz irungsgrad als die Taststäbchen oder
Tastborsten darstellen, besitzen die Tastpapil len. Sie kommen da
zur Ausbildung, wo der Körper von einer stärkeren Cuticularschichte
bedeckt wird , und bestehen in konischen oder warzenförmigen Er-
hebungen der Cuticularschichte, welche hier von einem Forencanale
durchsetzt wird. In letzteren findet sich eine Nervenfaser eingebettet.
Wir finden solche Tastpapillen bei Nematoden theils in der Nähe der
Mundöffnung, theils um die GenitalöfTnung , meist in regelmässiger
Gruppirung.
Bezüglich ihrer Function wenig sicher bestimmbare, aber wohl
den Sinnesorganen beizuzählende Organe bilden wimpemtragende, oder
sonst durch Eigenthümlichkeiten des Epithels atisgezeichnete Stellen
Sehorgane. 4 57
des Körpers, wie die Ropfgruben mancher Nemertinen, die ühnlich
auch bei Polygordius vorkommen. Vielleicht darf auch der im Rttssel
von Balanoglossiis vorgestellte Apparat hierher gesohlt werden. Oh
diese Organe der Wahrnehmung von Zuständen des umgebenden
Mediums dienen und nach Analogie von Riechorganen fungiren, ist
ongewiss.
Sehorgane.
§ H9.
Die Sehorgane der Würmer liefern «ahlreicbe Beispiele für all-
mabliche Hervorbildung eines Organes aus indifferentem Zustande. Bei
vielen niederen Würmern: Turbellarien, Trematoden, Nemertinen und
Räderthieren finden wir an der Stelle, wo Andere deutlicher ent-
wickelte Augen besitzen, oft nur Pigmentllecke symmetrisch geordnet
entweder unmittelbar dem Gehirne aufsitzend, oder doch in der Nahe
desselben. Heber die Endigungs weise der Nerven dieser Organe ist nichts
bekannt, daher ist es ungewiss, ob solche »Augenflecke« als licht-
empfindende Apparate gedeutet werden dürfen.
Bestimmter gestaltet sich unser Trtheil für jene Fillle, wo das
Pigment für eigenthttmliohe Kndapparate sensibler Nerven nur eine Hülle
abgiebi. Diese Gebilde erscheinen als eigenihümlich modificirle Zellen,
die entweder einzeln oder in Gruppen das Pigment durchsetzen und
nach Analogie des Verhaltens derselben Gebilde im genauer gekannten
Arthropoden -Auge, wohl ohne Zweifel mit Ner\en in unmittelbarer
Verbindung stehen. Es sind die sogenannten Kr y stallst li beben,
oder Krystallkegel.
Solche Augen finden wir unter den Plattwürmern in ziemlicher
Verbreitung bei den Turbellarien , (Arten von Mesostomuro und Vortex)
io der Regel zu zweien »uf dei* oberen Fluche des Kopfes. Viele
Seeplanarien besitzen an derselben Stelle eine grössere Anzahl regel-
mässig angeordneter circurascripter Pigmentflecke, von denen ein Tbeil
gleichfalls einen Krystallkörper umschliesst. Sehr häufig zeigen sich
diese Augen frühzeitig beim Embryo als Pigmentflecke, und so erschei«-
Den sie auch bei vielen Trematodenlarven , deren manche jedoch
auch deutliche Krystallkttrper erkennen lassen (Amphistoma subclavatum,
Monostomnm mutabile). Bei den entoparasitischen Formen dieser Ab^
IbeUang gehen die Sehorgane verloren, indess sie bei manchen ekto*
parasitischen Trematoden (Dactylogyrus) fortbestehen. Den Cestoden
fehlen sie in jedem Zustande, wenn man nicht Einzelnen zukommende,
hinter den Saugnäpfen Kegende, rothe Pigmentflecke als Rudimente
solcher Organe ansehen will.
Bei den Nemertinen, wo Augenflecke nicht selten vorkommen,
sind wahre Augen pur in wenigen Fällen beobachtet (Polia coronata,
Nemertes antonina). Augenflecke und wahre Augen einfacher Form
i58 Würmer.
flnden sich bei frei lebenden Nematoden (Enoplus) auf dem Schlund-
ringe, indess sie den parasitischen bis auf wenige Ausnahmen mangeln,
so dass auch hier die Rückbildung der Sinneswerkzeuge mit dem
Parasitismus einbergeht.
In unmittelbarer Auflagerung auf dem Gehirne treffen wir die
Sehorgane bei den RUdortbieren. Zwei an einander gerückte Pig-
mentflecke enthalten je ein Krystallstilbchen , welches bei nicht selten
völliger Verschmelzung der Augen zu Einem einfach ist. Andere tragen
da nur einen Pigmentfleck. Solche Flecke linden wir auch bei Tuni-
caten, so z. B. bei vielen Ascidicn, wo sie an der Eingangs- und
AuswurfsölTnung als »Ocelli« gruppirt sind. Doch fehlt der Nachweis
einer Beziehung zum Nerven appa rate ebenso wie für die Pigmentflecke
am Nervencentrum der schwimmenden Tunicaten. Dagegen linden sich
bei manchen Ascidienlarven sehr entwickelte Sehorgane vor.
Durch eine grössere Anzahl von radiifr gesteinten Krystallkegeln ist
das complicirtcre Augenpaar von Sagitta ausgezeichnet, und damit
treffen sich schon Verhältnisse, die au die Annulaten erinnern.
Unter den Annulaten nehmen die Sehorgane der Hirudineen die
niederste Stufe ein. Die bei vielen vorhandenen Augen liegen wie
bei den Plattwürmern oberflilchlich am Kopftheilo des Körpers, und
sind, wie dort, meist in grösserer Anzahl symmetrisch vertheilt. In
ihrem Baue stimmen sie mit den bei den Tast-
organen erwähnten becherförmigen Gebilden so
merkwürdig überein , dass hier ein Zustand ge-
geben zu sein scheint, wo ein specifisches
Sinnesorgan sich aus den indifferente-
ren, im Integument entstandenen Em-
pfindungsorganen hervorbildei.
Unter den Anneliden finden wir die Augen
bei den G hü top öden meist unter dem Integu-
mento geborgen dem Gehirnganglion aufgelagert, zu
zweien oder zu vieren, selten kommt noch ein un-
paares Auge vor. Meist ist ein Paar ansehnlicher ausgebildet, das sweite
Paar hHufig auf einen Pigmenlfleck reducirt. In bedeutenderer Ent-
Wickelung treten diese Sehorgane mehr an die Oberflttche des Integu-'
mentes (Syltiden , Nereiden) (Fig. 55. a) und können eine grössere
Complication des Baues erreichen, durch die sie von den Augen Nächst-
verwandter weit sich entfernen (Alciopa). Wie die Mehrzahl der im
Dunkeln lebenden Scoleinen der Augen giinzlich entbehrt, so erleiden
diese Organe eine Rückbildung bei den Tubicolen unter den Chäto-
Fig. 55. Kopf mit den vordersten Segmenten einer Myrianida. a Au^en,
6 Küliler. c Unpnarer Slirnfiililer. d Girren.
Hörorganc. 4 59
podeD. Die bei den Larven oder auch noch später vorhandenen
Sehorgane schwinden niil dem Uebergange in die festsitzende Lebens-
weise, oder werden durch blosse Pigmentflecke reprüsentirt. Als ein
Anpassungszustand anderer Art ei'scheint bei gewissen Sabelliden (Bran-
chiomuia) die Ausbildung von Sohwerkzeugen an den Kienienbüscheln
des Kopfes, wo sie entweder in vielfacher Zahl die Fieder^te der
Kiemenfäden besetzen oder auch nur terminal angebracht sind. Eine
ähnliche von der ursprünglichen Stritte abweichende Lagerung findet
sich tlbrigens auch noch bei anderen Anneliden. Bei manchen sollen,
wie am Kopfsegniente , auch an dem Ilinterende des Körpers Augen
vorkommen, und endlich zeigt die Gattung Polyophthalmus ausser den
Augen am Kopfe noch je ein Augenpaar an jedem Metamer. In diesem
Verhalten liegt nicht blos ein ftir die Würdigung der Metaineren wich-
tiger Umstand, sondern es giebt daraus auch bei Würmern die geringe
Beständigkeit jener Sinnesorgane hervor, die bald da bald dort sich
differenziren, und auch in ihren ererbten Formen hüufig sich rtickhilden.
Hürorgane.
§ 121.
ALs Ilörorgane sprechen wir bei den Würmern Organe an, die
ähnlich wie bei den Cölentc*raten aus einer bkischenförmigen Kapsel
bestehen, in der ein festes grösseres Concrement, oder ein Haufen
kleinerer sich vorlludet. Nicht selten ist die Kapselwand mit Gilien
ausgekleidet, wie aus den zitternden Bewegungen der »Gehörsteinchentt
Otolitheny zu ersehen. Die Schwierigkeit des Nachweises von Nerven-
Verzweigungen bei niederen WUrmei'n — und gerade bei diesen sind
jene Organe an) meisten verbreitet — , hat den noLhwendigen Zu-
sammenhang dieser Organe mit dem Nervensysteme vielfach noch ver-
missen lassen.
Meist unpaar treten diese Gehörblüschen bei den Turbellarien
[Rhabdocölen) auf, Arten von Monocelis, Convoluia, Proporus, Dero-
stomum. Sie liegen meist dicht an den Hirnganglicn , und finden
sich in der Regel bei solchen Gattungen, die der Augen oder Augen-
flecke entbehren. Bei den Nemertinen sind sie nur in einzelnen
Fallen beobachtet (Oerstedia). Bei den übrigen Plattwürmern scheinen
solche Gehörbläschan nicht verbreitet zu sein, und ebenso fehlen sie
den Nematoden.
Erst bei den Anneliden finden sie sich wieder, und zwar
paarig, in der Regel an den Seiten des Gehirns. (Arenicola, Fabricia,
Aniphiglene u. a.). — Unpaar und in ;isymnietrischer Lagerung
kommt ein Hörhlnschen auch den Tunicnten 'Doliolum, Appen-
dicularia) zu.
§ 122.
Der Darmnanal der WUnntr bildet einen entweder in das Paren-
chyni des Körpers eingebetleten oder, bei vorhandener Loibeshöhle in
letzlerer gelagerten Schlauch, der sich im allgemeinen der Leihesform
angepasst zeif^t. Die Munditffnung liegt in der Reget am Vorderende
des Körpers, immer an der ventralen Flüche. Wo ein
FiR. 57. After vorhanden, ist dieser meist am hinteren Körper-
theite, und zwar bald ventral bald dorsal angebracht.
Eine l)i Heren zirung des Darmrohrs in mehrere ver-
schieden fungirende Abschnitte ist durchgehend nach-
zuweisen, sowie auch hüulig noch Hilfsapparate zur
Bcwitltigung der Nahrung nin Kin^ange der verdauen-
den CaviUit hinzulrelen. Die drei hier zum ersten Male
vorhandenen und als Vorder- oder Munddarn),
Mitteldarm und Knddarm unterschiedenen Ab-
schnitte sind um den letzten hei fehlendem After ver-
mindert.
Die primitive Darmform knüpft an die in
derGastrulnform(§2R) gegebenen Verhaltnisse
an, Sie erscheint bei Allen in der embryo-
nalen Anlage des Organismus, unterdennie-
deren Würmern auch bleibend, mit nur we-
nigen Complicationen <lurch eine hlind-
sackartigeHöhlung gebildet, dienuraneiner
Stelle auf die Oberfläche sieh »ffnet. Diese
Oeffnung dient zur Aufnahme der Nahrung, aber auch
zur Kntfernung der unverdaulen Resie, ist also Mund
und After zugleich. Diese Einrichtung findet sich
unter den Platt wtlrmern verbreitet , wo sie bei
den Tremaloden das ausschliessliche, bei den Turbel-
larien das vorherrschende Verhallen bildet. Die rbab-
docUlen Turbellarien zeigen den Darmcana) als
einen nur in seinem vorderem Ahschnitte deutlich gesonderten, durch
den Körper sich erstreckenden einfachen Blindschlauch. Die einfache
Hundöflnung bietet eine ver;inder liehe Lage, sie kann am vorderen
KOrpertheiie oder gegen die Mitte der BauchOache hin, endlich sogar am
hinlern Abschnitte angebracht sein und führt in einen, nur wenigen
Kig. S7. Prorhynchus lluviililU, 0 Mund, oe Schlund, rlt>Mlartif[
vorslreckbar. i Darm, i/l Drüsen, die in den Darm niünden. c Wiiupergruben.
m Stachel in dem Über dem Schlünde gelegenen Organe , das bei v blindsackarUg
eodel. 00 Ovariuin, nach vorn tu mit einigen auf verschiedenen En I Wickel ungs-
Hladleo lie endlichen Eiern.
OarmcBiMl.
tct
rphlcndfn muskuläsen Schlandkopf (SrhiioRtompcn} , der in
vielen Fitllen protraclil prschrinl. ICs l)il<)ft den nm dculljchslen aus-
gepr^Klen in vielen ModifKii<tun<>n durch die nwislen Ahtlieiliingi-n
iler Wurmer v^rfnlitbaren Abnchnilt lU's Dnrmsclilnuehes.
KiK.
§ I3:i.
Bei den dendroenlen Turhel l.irinn iül der Dami der breiten
Korftefform nn^epnKSl. Die MundillTnunf; fl'i;;. 57. n) ]afifrl venlrnl
oft nahe nn der Mille. Der miiAkumso Schlund (/)) leij;! sieb hau(i{?
in ein rü»(elfttnnr};eR Gebilde von bedeiilender Ausdehnun(;sßlhiKkeit
iiin^ewanib-ll. Kr fubrt in eine, die Mitlc des Kürpers einnehmende
IWmhithb' '»-), die sieh in vielfnche p'fien den Binid des pUtlen Kfiqiers
seriaufende Aesle »erKwcigt, durch deren Vcrbindiinj^en unter einander
fin fdnnliches Ha<tchenwerk enUU^hen kann (Thy.sanozoon) . Durch
die offene CommunicDlinn der Zweise iiiil der (lenlralhßhle wird der
l'hyintis im Kttrper verlheill, und damil Irill der DanncmHl in die
Function eines (iefössyslems Ober.
Eine ähnliche Verxwei|{unf; des Darni-
schlauches ist bei vielen Trema toden vor-
bnden. Der Darm beginnt mil einer meist
am lordem Rörpertheilc pelai^erli'n MundüfT-
nunp, nn welcher hitufifi Sau^napriiildiingen
vorkommen (Fig. 58. s, , und darauf folpl
niederuni ein muskutits<'r Sehlundkopf [h],
von welchem der eigentliche Darm eni-
springi. Dieser besteht in der einfachsten
Korni als ein Blindsack (Aspidogasler, Gasle-
rnslomum; und enlspricht darin einer niederen
Bildungsstufe, welche bei vielen Tremnloden
führend gewisser Stadien ihres Rntwicke-
lungscyclus (in der Itadienfomil vurwidlel.
Bi-i weiterer Differenzirun^ theill sich der
llxrm hüufig in zwei Aeste, die nach hin-
ten verlaufend entweder wieder mit zahlreich gelheillcn Z\vcit|;en in
den Körper ausslmhlen (Distoma he[>aticum) oder einfache Blimlsilckc
(f) vorstellen 'Distoma flavesccns, I), lanceolalum). Durch eine zweite
Vereinigung der beiden Darmiisle kommt eine Bildung zu Stande, wie
sie auch bei einigen Planarien be«il<^hl. Dass auch bei den Trematoden die
Wntwcigung des Darms nur auf eine Verbreitung des Tractes im Kiiriwr
und nicht auf die Bildung hel^Tonomer Abschnitte hinausllluft, ist sowohl
VenUouniiiuppnrnl vi
p MnfH-K' OP Veriwfi
4 62
Würmer.
Fig. 58.
aus dem gleichartigen ßaue wie aus den gleichartigen Contentis er-
sichtlich.
Gänzliche Rückbildungen des Darmes erkli^iren sich aus Anpassungen
an bestimmte Lebensverhältnisse, wobei dann die Ernithrung wohl auf
endosmotischem Wege durch das Integument erfolgt.
Diese durch den Parasitismus eingeleitete Erscheinung
erreicht in der Sporocystenform den höchsten Grad. Der
Mangel des Darmcanals wird endlich bei den Gestoden
zur Regel, wo der Darm selbst nicht einmal vorüber-
gehend erscheint. Auf ähnliche Weise — durch Para-
sitismus — ist wohl auch den Acantbocephalen
der Darm gänzlich verloren gegangen.
Den durch den Mangel einer AfteröfTnung als
niedere ZusUinde sich kundgebenden Formen des Darni-
rohrs stellen sich durch den ßesitz eines Afters aus-
gezeichnete Formen schon unter den Plattwürmem
gegenüber. Hieher gehören von den rhabdocölen
Turbellarien die Micro stomeen, dann die Ne-
mertinen, deren Darmrohr in ziemlich gleich-
milssiger Gestaltung mit einer länglichen, hinter dem centralen Ner-
vensysteme liegenden venlralen Mundöffnung beginnt. Ein muskulöser,
meist nur wenig entwickelter Schlund führt in den seitlich vielfach aus-
gebuchteten Darmschlauch. Dieser füllt zum grössten Theile die Leibes-
höhle, an deren Wandungen er durch Muskelfäden befestigt wird.
Seitliche Ausbuchtungen des Darmrohrs besitzen zuweilen eine regel-
mässige, auf Beginn einer Metamerenbildung deutende Anordnung.
§ 424.
BeidenNema thel minthen kommt zu den unter den PluttwUrroern
unterschiedenen Darmtheilen l)ei dem Vorhandensein eines Afters noch
ein dritter Abschnitt, der Enddarm, hinzu. Entsprechend der Körper-
form bildet der Darmcanal ein langes, den Körper durchziehendes Rohr,
das in der Mitte des. vordem Körperendes mit dem Munde beginnt,
und näher oder entfernter vom Schwanzende mit einer ventral gelegenen
Analöffnung abschliesst. Am Schlünde treffen wir mehrfache Difleren-
zirungen. Der vorderste Abschnitt (Mundhöhle oder Speiseröhre) stellt
einen engen Ganal vor, dessen Wände nach hinten allmählich in einen
dickwandigen Schlundkopf (Fig. 59) übergehen. Dieser ist vom übrigen
Darme deutlich abgesetzt, und durch eine Muskulatur ausgezeichnet,
die ihn als Saugapparat wirken lässt. Die vom Munde her diesen
Abschnitt auskleidende Chitinschichte bildet nicht selten leistenfönnige
Fig. 58. Darmcanal von Di Stoma flavescens. o Mundöffnung von einem
Saugnapfe s umgaben, s' Bauchuapf. c Muskulöser Absclinitl des Oesophagus, ab
Pliaryiix erscheinend, c Gabelförmig getlieiller Darmschlauch.
Darmcanal.
4 63
Vorsprünge oder zahnartige Gebilde. Der auf den Schlund folgende
Mitteldarm (Ghylasmagen) , in der Regel der ansehnlichste Abschnitt,
zeigt einfache, h$lu6g nur durch eine Zellenschichte gebildete Wandungen
die bei einzelnen (Hetcrakis vesicularis, Oxyuris vennicularis) stellen-
weise mit einem Muskelbeleg von Ringfasernetzen versehen ist. Eine
Fig. 59.
Cuticularschichte lagert ziemlich allgemein aussen auf dem Epithel, und
auch eine innere von Porencan21len durchsetzte Culicula scheint ver-
breitet zu sein. Bei manchen bildet der Mitteldarm an seinem vorderen
Abachn'iUe eine blindsackartige Ausbuchtung. Durch seitlich verlaufende
Faserstränge wird dieser Darm an die Leibeswand, in der Regel lUngs
den Seitenlinren befestigt. Der aus dem Mitleidarm hervorgehende
Koddami ist der kürzeste Theil des gesammten Canals, vom vorher-
.gebenden Abschnitte auch durch grössere Enge unterschieden.
Bei den Gordiaceen ist der Darmcanal nur in den endopara-
silischen Jugendzustünden ausgebildet, und erliegt mit der Ausbildung
der Geschlechtsorgane einer regressiven Metamorphose. Bei Gordius
soll sogar die Mundöffnung schwinden.
Die Ghätognathen reihen sich bezüglich des Darmcanals in
manchen Puncten an die Rundwürmer an, allein die Verbindung des
Darms mit der Leil)eswand geschieht auf eine andere Weise, nttmlich
in der dorsalen und ventralen Medianlinie. Borstenartige reihenweise
zur Seite der Mundöffnung stehende Haken dienen als Greiforgane.
§ 13^-
Mit einer scharfen Sonderung in die drei primitiven Abschnitte
verbinden sich bei den Bryozoi*n höchst einfache Zustande der Er-
nährungsorgane. Die von den Tentakeln umstellte, oder doch in Mitte
des dieselben tragenden Lappen gelagerte Mundöffnung wird bei einer
Abtheilung (Phylactolaemata) von einem beweglichen Vorsprunge —
dem Epistom — überragt. Von da fuhrt sie gerade abwärts in ein
Munddarmsiück (Fig. 60. A. oe] , welches bei einigen erweitert, oder
auch an einer Stelle durch Bildung zahnarliger Vorsprünge in einen
Kaumagen umgewandelt ist (Bowerbankia, Vesicularia) . Von dem noch
Fig. 59. Darmcanal eines Nematoden (Si'beiiia).
44*
iMn.sithnUrun^ als MiUeldnn
Fifi. 60.
) 6i Würmer.
milCilien lioklpidelcn Munddarm seUi sich der zwciUs Abschnitt durch eine
1') ah. Dieser fun^irl als Hapten, und hildel
einen meist weil in die Leibeshöhle
hinabsteigenden Blindsack. Einganfis-
und Aust^HngRUfTnuDg dieses Haptens
liefen meist nahe bei einander. Aus
einer Verengung des etwas liefer ge-
legenen Pylonislheiles setzt sieh der
Enddarm, neben dem Munddarm em-
por sleigend, zum After [B. «) foi1, der
zwar der Mundßffnung nahe, alwr im-
mer unter nnd ausserhalb des Ten-
t^ikelkranzes gelagert isl. Zuweilen
bietet auch der Rnddarm noch eine Er-
weiterung dar (Flustraj.
Als accessorische Organe der Er-
nlihrung fungiren die wimpemden Ten-
takel, durch welche den feslsilzenden
^' Thieren mil dem wechselnden Wasser
Nahriins; zugefllhrt wird. '
Bei den Pedicellinen sind dieselben
Absfrhnitte unterscheidbar, wie beiden
äehten Bryozoen , allein der ll»gen
entbehrt des Blindsackes.
Der Darmcanal der Räderthiere
bietet cineslhcils noch Anschlüsse an
niedere Zuslilnde, indem er l>ei feh-
lendem Enddarm [bei Arten von No-
tomnialaj nur aus dem Mund- und
Miltetdarm besteht, andrerseits werden
aber auch Einrichtungen getroffen, welchen wir eine höhere Stellung
einiüumen müssen. Uer Munditarin isl niimlich an seinem vorder-
sten Abschnitte durch den Besitz von Kauwerkzeugen ausgezeichnet,
welche durch seitlich gegeneinander gerichtete mit Zahnleisten u. denfl.
versehene Chitinbildungen vorgestellt sind (Fig. 68. m). Er beginnt mit
dem unter dem Wimpcrscgel liegenden Munde, und ist von dein (ge-
wöhnlich als "Magen» bezeichneten) Hilletdarm durch geringere >X'eil)'
unterschieden. Wo aus dem Mitleldarra noch ein Enddarni sich fort-
setzt, begiebl sich dieser zur DorsalflUche dos Körpers, um in einen
Pik. 60. Ort;(imsalion vnn Rryoiüt>n. A Pluniatclla frnlicosa. BV»-
hiHiuella Rli rc II bergi. 6r Tcnlakclförini|(n KiüDicn. oe MundJarni. r HaRen.
r EndilBrm. o Aflprötfnung. i Klirprrliilllc {UctiiiiiRi-) . j; llintei'er, x' viirJeriT
Stranft, nn deren Insertion an der KürperwRml itie r.esrliloclilsprndurle sieh phI-
wickeln. I Hoden, o nvnrium. m Rück ziel im U4kt>l dp« vorderen Absclmillps der
Kfirperhülie mr HauptrüokxietiniiKikel. {Nndi Hiiihn.I
Darmcanal.
165
mit der AusmUndung des Excretions- und Geschlechlsapparates ge-
Dieinschaft liehen Raum, die Gloake, sich zu ötTnen , eine EigenthUmlich-
keil, welche wenig Anschlüsse an andre Abiheilungen darbietet.
§ <26.
Die Melamerie des KöqH^rs der höheren Würmer lieeinOussl das
Verhalten des Darmrohrs, doch zeigen sich hier auch manchorlei andere
Differenzirungen, die aus Anpassunj^en an eine veränderte Lebensweise
hervorgingen. Die erste Anlage des Darmcanals ist eine blindsack-
förmige Einstülpung. Der after-
Fig. 62
lose bei den meisten PtattwUr- Fig. ti.
niero persistente Zustand wird also
hier in einem frühern £ntwicke-
loagssladium durchlaufen. In enge-
rem Anschlüsse an die Plattwür-
mer erscheint der Darmcanal der
Onychophoren, an dessen
Schlundstück zwei Abschnitte, ein
vorderer weiterer und ein hinterer
engerer, ausgebildet sind. Der
Milteldarm bildet ein einfaches, in
einen kurzen engen Enddarm fort-
gesetztes Rohr. So verhält sich der
Mitleldarm auch bei manchen U i r u -
d i D e e n (Malacobdelia) , während
der bei einigen protractile Schlund
grössere Complicalionen ergibt, hei
ifodem in Bewaffnung des Einganges
inilGhilinleisten, Anfänge vonKiefer-
bildungen aufweist. Bei der Mehrzahl dagegen ist <ler Milteldarm mit
l^sclienartigen , hei Clepsino sogar verzweigten Ausbuchtungen besetzt
^Fig. Gl), von welchen die beiden letzten zuweilen als längere Blind-
Nclilüacho (Fig. Gl. c) au dem engern Enddarme bis ans Körperende
bioablauien (Clepsino, Uaemopis). Diese sind die einzigen Cöcalbil-
iluagen am Darme von Aulacoslomuin. Bei anderen sind die Blindsäcke
nur durch Einschnürungen angedeutet. In allen Fallen entsprechen
diese Einrichtungen der auch am Nervenstränge ausgedrückten Mc-
lauierenbiidung.
Fig. 61. Darmcanal von Sanguisuga. o Schlund, c hinteres Blinddarm-
paar, a AnalofTnung.
Flg. 6i. Darmcanal von Apliinditc. o vorderer Theil. 6 mittlerer (mus-
Ulöscr; Theil des Munddarmes, r verzweigte Cöcalanhänge des Miticldarms.
'1 AnalofTnung.
Eine Trennung des Munddarms in mehrere oft scbr verschiedene
Abschniltc herrscht fast durchgehcnds bei den Anneliden. Ein min-
ierer AlischnilL niachl sieb durch stärkeren Muskelbeleg bemerkbar,
und wird vom Hitteldarnf durch ein bald iüngeres, bald kürzeres SlUck
getrennt. Unter den Scoleinen ist der auch als nMuskelmagen« oder
muskulöser Abschnitt des Pharynx bezeichnete Theil sehr mächtig ent-
wickelt (Lunihricus). Er nimmt hier das Ende des Munddarmes ein.
Weiter gegen die Mitte des letzteren findet er sich bei den meisten
Chätopoden, häufig mit einecn Besatz von Zahochen, die wie Kiefer
gegen einander wirken. Bald ist nur ein Paar solcher KieferstUcke
vorhanden ;Fig. Ü. m], bald bestehen mehrere
v..^ Paare, die wieder im Einzelnen sehr von einan-
der verschieden sind, und einen complicirlen
Apparat (Fig. 63) zusammensetzen. Sehr mächtig
ist dieser Abschnitt bei den Aphroditcen ent-
wickelt. Er kann wie bei noch vielen anderen
Baubanneliden (Phyllodoce , Glycera u. a.) her-
voi^estreckt werden , wobei der vordere sich
umstülpende Abschnitt an die Aussenlläche des
uRUsselsK EU liegen kommt.
Der vordere muskulöse Abschnitt des Mund-
darms ist, wo er hervorsireckbar ist, durch
Lunge ausgezeichnet. Die ganze Einrichtung
ist rUckgebildet bei den Tubicolen, wozu bereits Arenicola den Ueher-
gang zeigt. Der dritte Abschnitt des Munddarms ist hei den Scoleinen
wenig ausgebildet, mehr bei den Chütopoden, bei denen er hilutig mit
ein paar Blinddärmen besetzt erscheint (Syllis, Arenicola).
Der Hitleidarm bildet den grOssten und auch den {gleich massigsten
Abschnitt des gcsauimten Darmrohrs. Er verlituft meist ganz gerade,
seltener in Windungen oder Schlingen gelegt. Indem von der Leibes-
wand her muskulöse Lamellen oder auch einzelne Faden von der
Grenze der einzelnen Metameren an ihn herantrelin, wird er nicht nur
dadurch befestigt, sondern auch in einzelne den letzteren entsprechende
hQuIig ausgebuchtete Abschoitt« gegliedert. Solche Ausbuchtungen
sind in der Familie der Aphroditcen, ähnlich wie bei den Hirudineen,
zu grosseren Anhängen entwickelt, die sogar wiederholte Verzweigungen
darbieten können (Fig. 62. c).
Einen meist kurzen, nur bei Tubicolen und bei Arenicola ansehn-
licheren Abschnitt stellt der Enddarni vor, der selten eine mittlere Er-
weiterung besitzt und meist ohne scharfe Grenze aus dem Mitteldarme
sich zur AnalöGTnung fortsetzt.
Mit dem Verhalten des Anneliden-Darmrohrs stimmt das von My-
r Eunicoe (Lysiüicc;. a-.« Paare von Kielertheiien.
Darrocanal. 167
■ ostomü Uherein. Der Miinddarm wird durch pincn Innftcn protrac-
tilen Rilssel vorßpstellt, der in einen erweilorton MilU'ldnni) leitet, von
welchem «ua sich ein engerer Enddarm zur AfUrOfTnung be{^ibt. Ver-
Hsloll« Blindsäckc sind von beiden Seiten dos Hitleidarms nus durch
dra Leib verbreitet.
»"ig. '
§ <87.
Bei den Gcphyrecn erscheinen die drei für den DarmcAnnl dttr
Würmer wicfatiiien Abschnitte meist nur während der Jugendzuständt;
deutlich; bei einzelnen auch noch .spilter
Priapulus], wührend bei nndercn mit dem
Auswachsen des Darmrohrs in die Lilnge
ilio Sondening weniger bemerkter ist. Es
bildet dann meist ein den Körper niehi^
fach an Länge UhertrefTendes Rohr, niii
nur geringen Versdiicdenheiten des Durch-
messers. Es ist entweder in mehrfnche
mm Theil spiralig gewundene I.Hngs-
st'hlingen gelegt, und dann findet sich der
Afler an der RUckenfl.lche des Thiercs
Sipunculus, Phascolosomal , oder der D>iriii
Kig. 64. (j steigt ohne bedeutende Liiiigs-
srhlingen mit vielen kürzeren Windungen
tum Hinterleibsende hinab, um in den
doi-i befindlichen After überzugehen (Echi-
iiruK, Boncllia). Wührend die letzteren durch
dif aborale Lage des Afters mit den
meisten übrigen WUrmern übereinstimmen,
ücheinen die Sipunculiden sich weiter da-
von lu entfernen. Es liegt aber in der
Tbat hier nur eine Weiterbildung der
üuch sonst bei Wurmern verbreiteten dorsalen Afterlage vor, welche
die iiomolc^e des Darmes mit jenem anderer Würmer in keiner Weise
beeinträchtigt.
§ 128.
In eigen thUmliche Beziehungen tritt der Tractus intestinalis der
ileropneustcn und der Tiinicaten. Die wohl bei vielen Wur-
l''ig. ti. Uarmcansl von BoneUia. Der Riissel des Thier«» i»! lo mehmra
Windun^pn fielr|(t. &» danK pr nicbl vollkommen sichtbar i>l. p Vorderende des
Kusseis. I, t' Ru$.'*e1 rinne, t i Danncanal. n> HeaenleriBl laden (nur am vorderen
Th«lle Ars Darmes ({Bleich nel) . g EicretionboruBDe. e Cloake. u Uterus. INach
Ltctzt-DciniEts )
i 08 Würmer.
mera ibeilweisc mit dem|^Darm verbundi'ne rej>|>ir8torischc Funclion
localisirt sich hier an dessen vurdersleni Abschnitt und ist an ein
hochgradig difterenzirles, einen grossen Theil des Darmrohres ein-
nehmendes Organ geknüpft.
Dieser Theil der Darmhöhle wird dadurch zur Kiemen- oder
Athemhöhle, und soll in dieser Beziehung in § 131 näher vor-
geführt werden.
Die Differonzirung der vorderen Theile des Darmrohrs zu einer
Kiemenhöhlo gehl nicht allerseits gleichmässig von Stallen ; 1)ei Balano-
glossus wird jener Abschnitt durch laterale Vorsprünge (Kig. 65. A *^
in zwei llalbriniien geschieden, davon die eine, die ich als obere
betrachte, die respiratorische, die andere untere dagegen die nutri-
torische vorstellt. Die letztere führt direct zum Anfange des aus-
/s
schliesslich als Darm fungirenden Theiles des gesammten Tractus in-
leslinalis. Bei den Tunicaten sind hieher bezügliche VerhJiltnisse
nicht weniger zu verkennen, und finden sich in Zusammenhang mit
der Einrichtung von Balanoglossus , wenn man eine bedeutendere
Entfaltung des respiratorischen llalbcanals (Fig. (35. B, r) , und eine
geringe Ausbildung ^des nutritorischen statuirl. Der respiratorische
Theil bildet einen bedeutend weiteren Abschnitt, indess der nutri-
torische eine schmale^ an letzterem ventral wUrts hinziehende Furche, die
sogenannte Bauch rinne oder Bauchfurche der Tunicaten vorstellt
(vergl. Fig. 65. B. n]. Bei den Enteropneusten wie bei den Tunicaten
fördert der VVimperbesatz der ventralen Rinne die Nahrungsstoffe zu dem
am Ende der Rinne beginnenden eigentlichen Darm, und bei den Tu-
nicaten wird die geringe Weite der Rinne durch die Mächtigkeit der
Wimperhaare compensirt, welche ^von einer^ den Boden der Rinne aus-
kleidenden leistenförmigen Zellschicht sich erheben.
FiR. 65. Schematisclie Darstellung des Verhaltens der Kiemenhölilc zur Baucli-
rinne auf dem Quorsclinitte, bei Bolaiioglossufl A und den Tunicnten B. r respira-
torischer Abschnitt, n nutritorischer Abschnitt der Cavilät.
Anhangsorgane des DarmcanaU. 169
Was den am Ende des theiiweiüe als Athetiihöhle fun^irenden Ab-
sehoiUes entspringenden Darm anseht, ^o veriüufl derselbe bei Balano-
glossus gebuchtet durch die Lunge des Leibes, indess er bei allen Tuni-*
calen die drei schon vorbin unterschiedenen Üarmabschniite ausgeprägt
zeigt und davon den Mitteidann fast immer als eine Erweiterung zu er-
kennen gibt. Der Enddarm tritt nur bei den Appendicularien direct zur
Körperoberfläche, bei den flbrigen Tunicaten öflhet er sich in eine Aus-
wurfshöhie (Gloake) (z. B. bei den A^idicn), oder in den einer solchen
entsprechenden Abschnitt der Athemhöhle (Salpa, Doiiolum). Bei den
zusammengesetzten Ascidien (Ascidienstöctkenj sind die Auswurfs-
Öffnungen einer Anzahl von Kinzelthieren unter einander zu einer ge-
meinsamen Gloake vereinigt. Diese Einrichtung erkUiri sich aus dem
eigenthttmlichen, während der Entwickeln ng aus dem Eie auftretenden
Sprossungsprocesse , der eine Mehrzahl von niemals vollständig sich
trennenden Individuen hervorgehen iässt (vergl. § 99].
AnhangBorgane des Darmcanala
Der Darmcanal der WUrmer steht mit mancherlei Drttsenapparaten
in Verbindung, welche als Differen^irungcn der Darmwand,
speciell des Darmcpithels zu gelten haben. Einzelne Zellen oder Zell-
gruppen erscheinen in einem von benachbarten Zellen difierenten Ver-
halten, und geben sich damit als besondere Organe kund, die durch
ihre Lagerung in der Damiwand oder endlich ausserhalb derselben,
und dann durch Ausftthrgänge mit dem Darmiumen verbunden, ver-
schiedene Grade der Selbständigkeit besitzen. Nach ihrer Beziehung
zu den einzelnen Abschnitten des Darms werden sie wieder genauer
unterschieden werden mtlssen.
In den Munddarm dicht hinter dem muskulösen Schlünde ein-
mündende kleine Gruppen einzelliger Drflsen sind bei den^ rhabdocölen
Turbellarien vorhanden. Bei den Trematoden sind ähnliche
Gruppen im Vorderende des Leibes gelagerter, in der Nähe des Mundes
mündender Zellen gleichfalls als MunddarmdrUsen angesehen worden.
Bei den Nematoden sind im sogenannten^Schlundkopfe drüsige Bil-
dungen beobachtet worden, sowie auch deutliche DrUsenzellen in der
Nähe der Mundöffnung.
Bei den Annnlaten sind es besonders die histologisch genauer
durchforschten Hirudineen, bei welchen eine grossei^ Anzahl ein-
zelliger Drüsen, bei den mit einem Rttssel versehenen in diesem, bei
den mit Kiefern ausgestatteten auf letzteren ausmünden. Bei den An-
neliden sind derartige Drüsen nicht bekannt. Dagegen findet sich
am letzten Abschnitte des Munddarmes dicht hinter dem muskulösen
\ 70 Würmer.
Theile bei den mit Schlundkicfern ausgerüsteten Nereiden u. a. ein
Paar gelappter DrUsenschläuche vor (vergl. Fig. 44. gl) , welche Mo-
dificationen der bei Sylliden vorhandenen einfacheren Schläuche vor-
stellen. An derselben Stelle sind auch die Rüde rlhiere mit DrUsen-
anhängen versehen.
§ 130.
Wie man diese in sehr mannichfaltigen Functionsverhültnissen sich
darstellenden Drüsen als »Speicheldrüsen« bezeichnet, so pflegt man die
mit dem Mitteldarme verbundenen Drüsenorganc als gallebereitendc
oder als »Leber« anzusehen. Man muss sich hüten, in diesen Bezeich-
nungen etwas anderes als ein Hilfsmittel zur bequemeren Unterscheidung
zu suchen. Gesonderte Drüsen fehlen dem Mitteida rmc der Würmer
fast durchgehend, dagegen ßndet sich das Epithelium meist derart von
den Epithelien der anderen Darmabschnilte ausgezeichnet, dass eine
secrelorische Bedeutung nicht unwahrscheinlich ist. Einmal ist dies
durch eine hüufig vorhandene körnige BeschaHenheit der Zellen, und
dann durch eine verschiedene Fiirbung des Zelleninhaltes angedeutet.
Letzterer Umstand dürfte vielleicht grösseres Gewicht l)esitzen als der
erstere, da dieser ebenso durch die absorbircnde Function des Darm-
epithels hervorgerufen sein kann. Durch dieses Verhalten ist der
Mitteldarm bereits bei den Bry\)zoön ausgezeichnet, und auch bei den
Räderthieren macht sich die Sonderung der Epithelschichte be-
merkbar. Einen höhern Grad erreicht dieses Verhalten bei den Plalt-
würmern (Planarien, manche Trematoden), deren Darm Verzweigungen
(vergl. Fig. 57) vorzugsweise der Sitz jener Eigenthümlichkeit sind, so
dass sie als secretorische Anhangsgebilde betrachtet werden dürfen.
Noch mehr können in den seitlichen Anhitngen des Mitteldarms der
Aphroditen (vergl. Fig. 62) selbständige Drüsen erkannt werden, die
durah allmähliche Verengerung und Verlängerung der bei Verwandten
dieser Gattung bestehenden einfacheren Darmanhänge sich bildeten.
Endlich sind hier noch die schlauchartigen Darmanhänge von Balano-
glossus zu erwähnen, die den ganzen Darmcanal vom respiratorischen
Abschnitte an dorsal besetzen und nach den Körpersegmenten grup-
pirt sind.
Dem Enddarme, und zwar meist in der Nähe der Analöffnung, ist
in einigen Ordnungen eine dritte Abtheilung von Drüsen angefügt. Sie
sind am genauesten bei den Nematoden bekannt, bei denen sie zur
Verwechselung mit Ganglienzellen Veranlassung gaben. Den Anne-
liden scheinen solche Drüsen zu fehlen. Dagegen finden sich in
oft ansehnlicher Enlfidtung Drüsenorgane am Enddarme der Gephyreen
vor, welche wir jedoch einem andern Organsysteme (den Excretions-
organcn) zuweisen müssen.
Bei den Tuuicaten erkennt man die einfachsten nur durch einen
Kiemenböble. \ 7 i
Drttsenzellenbelegdes MiUeldarms ausgedrückten ZusUlndo bei Appendicu-
laridy wie bei deu meisten einfachen Ascidien, doch bestehen noch an-
dere discrete mit dem Danue verbundene Organe. Unter den zu-
sammengesetzten Ascidien werden sie z. B. bei Amaurucium durch eine
Reihe von Schläuchen gebildet, die eine Darmstrecke aussen besetzen,
ahnlich auch bei BotrylloYdes. Bei den Salpen wird die Leber wohl
durch einen blindsackartigen Anhang neben dem Magen vorgestellt, der
zuweilen auch paarig vorkommen kann, aber wie alle Darm-Adnexa
der Tunicatep noch der genaueren Prüfung bedarf.
Kiemenhohle (Darmkiemen).
§ <34.
Der bei Balanoglossus und den Tunicaten als Respirationsorgan
fongircnde vorderste Abschnitt des primitiven Darmes besitzt vielfache
hierauf bezügliche Differenzirun;;en. Bei Balanoglossus wird der ge-
sammte Abschnitt der Lfinge nach in zwei übereinander liegende, in
der Medianlinie communicirende Räume geschieden, welche somit
Halbrinnen vorstellen. Die dorsale Halbrinne tragt in ihrer Wan-
dung ein zierliches Gerüste mit Epithel überkleidcter Chitinlamellcn
als Kiemengertlste, Zwischen den Kiemenbogen, sowie den
sie bildenden mehrfachen Lamellen finden sich Spalten, welche je-
derseits zu einer Reihe von OefTnungen (Spiracula) fuhren und mit
diesen auf der Ktfrperoberfläche ausmünden. Am Kiemengerüste ver-
lireitet sich ein Gefilssnetz. Durch die Mundöffnung aufgenommenes
Wasser strömt durch die obere, respiratorische Rinne in jenen
Kiemenapparat und gelangt durch die Reihe der Spiracula wieder nach
aosaen.
Diese Lttngstheilung der Vorderdarmhöhle ist, wie be-
reits oben (S. 168) dargelegt, in gleicher Weise auch bei den Tuni<*
caten vorhanden, der respiratorische llalbcanal ist jedoch zu einem
Sacke ausgebildet, dem der nutritorische wie eine secundilre Diffen*n-
zirong eines Theiles der Wandung angefügt ist. Au den Wan-
dungen dieses Hohlraumes findet die Respiration statt, im Grunde des-
selben beginnt der der Nahrungsaufnahme dienende Theil des Tractus
intestinalis.
Diese Einrichtung erleidet in den einzelnen Abtheilungen der Tu-
nicaten sehr bedeutende Modificationen. Die der Stammform der
Tunicaten am nächsten stehende muss bei den Ascidien und Appen-
dicularien gesucht werden. Bei den letzteren finden wir die ein-
fachsten Einrichtungen, die jedoch nicht in Allem an die weiter diffe-
renzirlen Zustände Anschlüsse bieten. Der kurze Athemsack besitzt
niimlich in seinem Grunde zwei rundliche, wimperumsäumte Oeffnungen,
17^
Würmer.
Fig. 66.
die zur Eingangsötfnun^ des Darincanals symmetrisch gelagert sind.
Diese Spiracula stellen kurze, trichlerfönnige Röhien vor, welche neben
der Analöifnung nach aussen münden. In
der hei den Larven der festsitzenden As-
cidien gebildeten Aihenihöhie findet sich
einige Zeit lang ein ganz ähnliches Spal-
tenpaar, welches aber weder direct nach
aussen, noch in die Leiboshöhle, sondern
in einen den Athemsack umgebenden
Binnenraum führt. Nach und nach treten
zu dem ersten Spaltenpaare neue hinzu
und so bildet sich allmählich die ganze
Wandung der Athemhöhlc zu einem Git-
terwerk um, dessen feine in Reihen ge-
ordnete Spalten mit Wimpern umgeben
sind. In den Stuben des Gitterwerks
verlaufen die Bahnen des respirirenden
Blutes. Das durch die Eingangsöffnung
einströmende Wasser tritt durch die Spal-
ten in den um den Athemsack befind-
lichen Raum, von wo es zur gemein-
schaftlichen Auswurfsöfl'nung geleitet wird.
Bei den zusammengesetzten Ascidien sind
die Auswurfsöifnungen einer Anzahl von
Individuen zu einer gemeinsamen Llöble
vereinigt , so dass jede dieser Thier-
gruppen eine einzige im Centrum gelegene
von (Ion Athemsacköffnungen rings um-
gebene AuswurfsöfTnung besitzt.
Der Eingang in die Athemhöhle wird
besonders bei den Ascidien von Tentakelbildungen umgeben, die ^o^cn
die Oeffnung gerichtet werden können. Das Gitterwerk der Kieme
bietet theils in der Anordnung der es zusammensetzenden Stä}>e, theils
in der Form und Zahl der Spaltenreihen ausserordentliche Versehit»-
denheiten, sowie auch Vorsprungsbildungen mannichfacher Art, die bald
leistenförmig, bald in Form von Papillen von ihm ausgehen, und neue
Complicationen hervorrufen. Am auffallendsten sind die bei Ascidie-n
vorkommenden zungenförmigen Fortsätze (»Languets«) , welche in einer
dorsalen Lilngsreihe stehen. Ihnen gegenüber liegt die bereits ol)en
(S. 16S) geschilderte »Bauchrinne«. Unter der Bauchrinne liegt
ein stabförmiger, aber gleichfalls meist rinnenarlig ausgehöhlter Körper,
»Endostyl«, welcher die Function eines Stützapparates der Bauchrinne
Fig. 66. Schematischc Darslellunj; einer einfachen A sei die. v Kiuganps-
öfTnung in den Athemsack. frr Athemsack. iDarmcanal. a AflerölTnung. i4 Cloake.
m Mantel.
Kiemenboh)«. 173
zu besKten scheint. Eine Karle wimpernde Leiste umkreist hei allen
Tunicaten den Eingang der Aihemhtfhie und lauft zum Anfang der
Bauchrinne und dazu treten noch manche andere in der Entfaltung
von Sinnesorganen bestehende EigenthUmlichkeiten.
§ 432.
Die stockhildenden Pyrosomen theilen die Einrichtung derAthem-
höhle mit den übrigen Ascidicn. Bei den anderen Tunicaten kleidet
der respiratorische Apparat nicht mehr die ganze Alhemhöhle aus,
sondern ist nur an einer beschrankten Flache angebracht. Auch in ia
kann als Uebergangsform betrachtet werden. Der der Athemhöhle der
Ascidien entsprechende weite Raum birgt hier in seinem Grunde die
Kieme, die nur zwei Qnerspaltreihen trttgt. Zwi.schen beiden Reihen
ßndet sich der Eingang in den Darmcanal, welch* letzterer dicht unter
der Kieme seine einfache Schlinge bildet. Die Kiemenspalten fuhren
aus der Athemhöhle direct in die Cloake, die hier der Athemhöhle
gerade gegenüber liegt, nur durch Kieme und Darm davon getrennt.
Die letzteren bilden so eine Art Scheidewand zwischen zwei Binnen-
räumen, davon der eine die Eingangs-, der andere die Auswurfs-
öffnung tragt. Da nun diese l^eiden Oeffnungen nicht mehr wie bei
den Ascidien nahe bei einander, sondern einander diametral gegenüber
liegen, kann man beide Räume als einen einzigen nur von der Kieme
durchsetzten Raum ansehen. Ganz ahnlich verhalt sieh Pyrosoma,
in den Jugendzustanden, indess spater die Kieme eine relativ bedeu-
tendere Ausdehnung erhalt. Eingangs- und Auswurfsöffnung stehen
sich aber auch hier gegenüber und die letzlere mündet in den
Binnenraum des vom Stocke gebildeten Zapfens aus. Femer schliesst
sich hier Doliolum an. wo derselbe noch mehr in die Lange gezogene
Raum noch einheitlicher sich darstellt, indem der l>ei Anchinia und
Pyrosoma mehr in das Septum eingebettete Datm, sich naher an die
Wandung lagert. Das Septum wird demnach fast ausschliesslich von
der Kieme gebildet. Daraus lassen sich die bei den Salpen vorhande-
nen Einrichtungen ableiten. Die weite Athemhöhle verhalt sich wie
hei den vorigen, mit einer vordem Eingangs- (Fig. 84. «) und hintern
Aus Wurfsöffnung [h) versehen, allein die Kieme bildet keine Scheide-
wand mehr, sondern stellt einen von vorne und oben nach hinten und
unten ziehenden Balken (Fig. 84. br) vor, der nur an den Enden mit
der Wand der Kiemenhöhle verbunden ist. Zu beiden Seiten des
Kiemenhalkens stehen beide Abschnitte der Athemhöhle unter einander
in offener Communication. Somit sind denn mit dieser Ablösung der
Kieme von der Wand der Athemhöhle die letztere zusammensetzenden
heiden Räume vollständig zu einem vereinigt. Der vordere Abschnitt
bietet in dem Besitze der Bauchrinne und des Endostyls charakteristische
Merkmale für die Erkennung der Homologie mit dem Athemsacke der
474 Würmer.
Ascidien, sowie auch ilie Mundi^ffnung in ihm gelagert ist, indess der
hintere Abschnitt aus der ursprünglich als Gloake erscheinenden Gavität
hervorging.
Diese Trennung ider Kieme von der Wandung der Athemhöhle
bedingt eine grössere Selbständigkeit des Organs, welches anfänglich
nur durch die Wand eines Abschnittes des Darmcanals dargestellt ward
und diese Beziehung nur noch an den beiden Befestigungsstellen auf-
recht erhält.
Ezcretionsorgane.
§ 133.
Eine grössere Anzahl hier zusammengefasster Organe ist in functio-
neller Beziehung noch völlig unaufgeklärt, bei einem andern Theile
dagegen ist sicher, dass ihr Secret dem der Nieren höherer Thiere im
Wesentlichen ähnlich ist. Allen aber kommt eine Summe gemeinsamer
Verhältnisse zum Organismus zu, die selbst da noch von Gewicht sind,
wo die Verbindungen dieser Organe sich so diflerent verhalten , dass
der Nachweis einer vollkommenen Homologie noch nicht geführt werden
kann. Die Vereinigung hat daher als eine provisonsche zu gelten.
In seinen entwickelteren Formen tritt uns der Excretionsapparat
als ein System einfacher oder verzweigter Ganäle entgegen, welches
an der Oberfläche des Körpers nach aussen mündet und bei deutlich
gesonderter Leibeshöhle auch mit inneren Mündungen versehen ist,
während im gegentheiligen Falle die Enden der Röhren oder die feinsten
Verzweigungen der Ganäle geschlossen sind. Bei ungegliedertem Körper
ist der Apparat zu einem Paare vorhanden, mit der Metamerenbildung
tritt er dieser entsprechend auf. Ein paar vom Integumente her
gesonderter, und damit aus dem Ectoderm stammender Blindschläuche
stellt den indifferenten Zustand der Excretionsorgane vor. Solche
hinter dem Kopfe ausmündende Gebilde sind bei den Nemertinen be-
kannt, bedürfen jedoch bezüglich eines etwa von ihnen fortgesetzten
Ganalsystems näherer Untersuchung. Genauer sind die Verhältnisse
der hier- häußg als Wassergefasssystem gedeuteten Ganäle bei den
übrigen P 1 a 1 1 w ü r m e r n ermittelt. Bei den Trematoden und
Turbeüarien verzweigen sich zwei auf die Seiten vertheilte Excre-
tionscanäle im Körper, indem von den Hauptstämmen feine, das Körper-
parenchym durchsetzende Aeste ausgehen. An der Wand der feinen
C.mäle finden sich vereinzelt lange Gilien. Die meist etwas erweiterten
Hnuptstämme münden bei manchen noch am Vordertheile des Körpers
aus (Trisloma papillosum). Am häufigsten trifil man die Mündung
(Porus excretorius) gegen das hintere Körperende verlegt (Fig. 67. p],
wobei beide Gefässstämme sich einander nähern , und zu einer ge-
meinsamon Oeffnung sich vereinigen. Daraus bildet sich eine für beide
R IC retioMorf a oe .
175
Hg. «7.
CanSle gemeinsame Endstrecke aus, die meist erweitert, als coniractile
Blase sich dai'steili. Solche filasen kflonen auch ao den getrennt aus-
mündenden Stammen entstehen. Sie bilden einen
dritten Abschnitt des Apparates.
Bei den Cestoden ist das, wie es scheint, bei
den anderen Plattwarmem erst «rwoibene Ver-
hAltniss der Verschmeliung der ExcretionscanUle zu
emem einzigen am Ende des Skolexkttrpers gelege-
nen Porus excretorios typisch geworden. Eine con-
tractile Blase bildet meist den Sammelpunct. Die
HaupUtSnime bestehen in der Regel in grosserer Zahl,
Dämlich vier, sechs oder »cht, die vorn im üopfe
entweder scblingenftfrmig in einander Übergehen
oder auch nur umbiegen , um wieder nach hinten
tretend sich zu verästeln, wobei im specielleren
Befunde ähnliche Verhältnisse wie bei den andern
PlaUwUrroern sich ergeben. Hit dum KintritUr der
Heiamerenbildung an der Skolo:ifarm wird der
terminale Abschnitt dieses Canalsyslenis der itllesten
Progloltide zugegelheill , die fulgendon Progloitiden
erhalten nur Theilstücke der Canüle, Über deren
nähere Beziehungen bis jetzt sehr divergente An-
gaben bestehen.
Der aus den feinsten Canillen bestehende Abschnitt dieser Organe
enthalt nur wasserklare Fltisaigkeit. Bei Bandwiirmern dagegen linden
»ich an erweiterten Stellen KalkcDncreniente \or, die als K^crelinns-
produrte zu deuten sind. Solche Conireinente sammeln sich liei
Tremaloden in den HauplsUinmen, treten durcli Coiilractionen derselben
in die Endblase Über und werden von dieser durrh den Porus excre-
tnrins entleert.
Nicht selten lässt sich an den feinsten HaniiKcationen der Canale
sowohl bei Cestoden als Trematoden (Uiston)a dimorphum), eine Ana-
stomosenbildung wahrnehmen, die auf die grttsseren Stämme tlbergeiien
kann, und dieselben entweder einfach verbindet zu einem Ringe bei
bistoma rhachiaeuni,. mit rt^gelmüssig sich folgenden Quercaniilen bei
inaachen Cestodenj oder zu einem reidion Haschenetze sich um-
wandelt, in welchem dann die Ilauptsliinmie aufgegangen sind.
unter einfacheren Verhältnissen ei:scheinen bei den Nemathel-
minthen die Excretionsorgane, welche wioder von einem Blindscblauche
ableitbar sind. Sie werden aus SchlUuchen oder CanUlen vorgestellt,
welche in die Seitenfeider eingebettet längs des Körpers verlaufen.
Fig. •?. ExcretioDsorgao von Aspidi>K*8ter coocliicola. p torus ei-
creloriu. c, c Die iMiileD contraclilen HaupttUmme. c' Nach vorne verlaurende
"uod uiabi«g«ade Caoble. e" Deren rücLwdrtii laufuoder und sieb venwi-igeuder
Kodibscboilt. » Baucbtcheibe.
176
Würmer.
(Fi);. SO. A. r). In der Gegend des Munddarms hiefien die beidersei-
tigen Conülo gegen einander und vereinigen sich in einen kürzeren oder
lungeren gemeinsamen Abschnitt, der niil einem in der Bnuclilinie ge-
legenen Porus ausmündet. Zuweilen ist der Vcrliiuf dieser CnnAle
geschlängelt, und auch in Beziehung auf die Verbindungsweise vor
der AusniUndung linden sieh mnnnichriiche Variationen. Bei den Gor-
dinceen scheint dieser Apparat rudimenUlr zu sein, hei Mermt.i niimlich
wird er nur dnreh eine Heihe von Zellen repriisentirl, und Onrdiiis
be.siUt mit dein Mangel der Seitenfelder gar kein bestimmt hietier
(»ezUgliches Organ. Ob die bei den Acanthocephalen im vorderen
Ktirperabschnille vorkommenilen als "l.emnisci" bezeichneten Organe
den I<)xcretians')rganen zugehören, ii^t zweifelhaft. Sie liiklen zwei lüng-
liehe Lamellen ohne Lumen, al>er mit Gefüssverzweigungen, zwischen
denen dunkle KOrnermnssen sieh vorlinden.
Fr 6N
§ 4:U.
Mit dem Entstehen einer Leibeshöhle ist das Verhalten der Kxcre-
tionsorgane derart geändert, dass die Ganüle mit er.Merer in offene
Communicatinii gelangen , und ihre inne-
ren Mündungen mit einem Wimperlie.salx
versehen zeigen . Dieser neue Zustand
mu.ss um somehr als eine blosse Modi-
(icalion des terminal geschlossenen Canal-
S)stems gelten, als er bereits bei Platl-
wtirutern vermittelt wird. Bei Larven von
Trematoden sind innere MUndungen beob-
achtet. Sie oharakterisiren das eicreiorische
Canalsy.stem der Rilderthiere, welches
nach derselben Weise wie hei den Ti-e-
mal^den angelegt ist. Das in der Lcihes-
hflhle lagernde, oder von der Kttrperwand
her in sie einragende Canalsystem setzt
sich aus zwei grossen Stitmnien zusammen
(Fig. 68. c) , die durch seilliclie Zweige
in der Regel offen in die Leibeshöhle
ausmünden. Die beiden sich vielfach schlan-
gelnden llauplcanüle vereinigen sich ent-
weder an der Cloake und ülTnen sich durch
diese nach aussen , oder sie gehen vorher in eine contractile Käse
(Fig. CR. 1') über, die man, das ganze Canalsystem nur für einen
Fi^. (19, Orfianisstion eines Brn Pili (in US, n WimpuriKtc Kopfsrlieil>e, iSipho.
m KauorRiinc. t l)r(isent)Oli'K ntn Ma-ren, o Ovnriiim-, u tltpru*. ein Ei brrpcnil.
o' Eier, an der Basis des Schwanze-i lirtrHli^l, e Exiretiunsr-Btiale r ConIncUrr
Kndlilasi',
BicretiDOMrgiDc
(77
Wasseigefässapparat ansehend, und ihm damit eine ausschliesslich
Kspintoricbe Fonolion luscbreibend, als •Respirationsblase« bezeichnet
ha. Sowohl die ioDeren Mündungen der Canalverxweigungen , als
aucti das Lumen der beiden llauplstäuiine sind von Stelle zu Stelle
mil Uogen, geisselfOrmigen WimperhaareD beaelit, die eine zitternde
Bewegung äussern. Die WJinde selbst geben eine exquisit drüsige
Beubaffenbeit tu erkennen, die entweder Über die gesammte Länge
eiuM Canala sich ausdehnt oder auf bestimmte Abschnitte beschrtlnkt
erscheint. In diesem leUleren Verhllltnisse mttohle eine nicht unlte-
UAchtliche Weilereotwickelung des bei den Plnimarmern einracheren
Vertulteoa zu erkennen sein, welche zugleich eine ndhere Verwandl-
sdull mit den RingelwUrmern darl>iel«'t.
Fig, 69.
§ I3.").
Bei den Gephyreen milssrn zwei dilTi'rente Oi^ane als cxcre-
lorische untci-schieden werden. Obwohl beide in der Regel zugleich
vorhanden sind , so vertheilen sie sich
doch functionell derart, dass immer nur
ilaj eine mit excrelorischen Functionen
Mraut ist, indess das andere zu an-
<lemi Ordnen in Beziehung tritt.
Die eine Form dieser Organe schliesst
die Gephyreen an niedere ZusUlnde an,
indem ihr Verhalten mit der nicht aus-
i;ehildeten oder nur äusserlich entwiokel-
it>n Heia merenbil düng zusammenhünf^t.
Diese Organe werden durch ScfalHudie gü-
hildet, welche in das Ende des Darmes
mQnden (Fig. 64. g], und wenigstens da,
wo sie »m genauesten gekonnt sind (Bo-
nellia), mit zahlreichen in die Lriheshßhie
!!cat!nelen Wimpertriditern nusgesUitlet
sind. (Fig. £9. a). In anderen Fitllcn
st^heinen die Ramificationen mit inneren
Mdndungen zu fehlen (Echiurus) und wic-
«ItT bei anderen ist eine völlige RHckbil-
ilung eingetreten. Da auch bei Echino-
dermen iihnlichc Einrichtungen vorkommen , so erscheint diese bei den
Gpphjreen vorhandene Form der F.xcrctionsorgane einem grOssern Kreise
Kenieinsam, von Einer Stiimmform ableitbar, von wo aus sie auf
«lie Rchinodermen eben so wie auf die Gephyreen sich fortgesetzt hat.
Pig, M. Stück eines Zwi-iRps iIpi Ei
WiEoiieriHle Hündnnfcon. (Nach LtcAiE I
<78 Würmer.
0
Eine Verschiedenheit (1er Function dieser Organe darf aus dem Baue
abgeleitet werden. Die exeretorische Verrichtung scheint nur bei Bo-
nellia sicherer, indem hier die Wandungen der Verästelungen eine drü-
sige Beschatfenheit besitzen.
Die andere Form besteht aus paarigen, an der Bauchfläche aus-
mündenden Schläuchen, die von der paarigen bei Plattwürmern be-
stehenden Form derselben Organe ableitbar sind. Sie finden sich
entweder nur zu einem Paare (Sipunculus) oder zu wenigen Paaren
(Thalassema, Sternaspis, Echiurus) vor, und entsprechen darin der
gering entfalteten Metamerenbildung. Innere Mündungen in die Leibes-
höhle sind mit Gewissheit nur bei Einigen bekannt; sie liegen dann
nahe an der Insertion der Schläuche in die Leibeswand, und stehen
bei mehreren im Dienste der Geschlechtsfunction , indem sie die Aus-
führwege der Geschlechtsproducte darstellen. Der grösste Theil des
Schlauches, nämlich das hinter der inneren Oeffnung befindliche blinde
Endstück scheint bei den Sipunculiden die exeretorische Function zu
behalten, und ist in der Regel durch bräunliche Färbung ausgezeichnet.
Bei anderen fungirt der ganze Schlauch für den Geschlechtsapparat,
indem nach vielen übereinstimmenden Angaben Geschlechtsproducte
sich in ihm vorfinden. Während bei den meisten ein gleichartiges,
der einen oder der anderen Richtung dienendes Verhalten dieser Organe
besieht, findet sich in vereinzelten Fällen eine Arbeitstheilung ausge-
bildet (Sternaspis), indem das hintere Schlauchpaar zur geschlecht-
lichen, das vordere zur excretorischen Function in Beziehung steht und
dadurch die sonst nur in den einzelnen Gattungen auftretende Man-
nichfaltigkeit der Leistungen schon im Individuum zum Ausdrucke
kommen lässt.
§ 136.
Unter den Ringelwürmern treten hinsichtlich des Baues der
excretorischen Organe wenig neue Einrichtungen auf. Die Organe
entsprechen der Metamerie des Körpers, indem sie fast in allen Se-
gmenten des letzteren regelmässig auf beide Seiten vertheili sind.
Sie bestehen aus einem zusammengeknäulten oder schleifenartig auf-
gereihten Ganale (Schleifencanal) , welcher eine innere, oft eigenthttm-
lich gestaltete und stets bewimperte Mündung i>esitzt, und am andern
Ende auf der Oberfläche des Körpers sich öfl*nct. Dieser Caoal ist
zuweilen in seiner ganzen Ausdehnung gleichartig, oder bietet nur
geringe Diflerenzirungen dar, häufig lässt er mehrfache Abschnitte
unterscheiden, welche im Allgemeinen den schon bei PlattwUrmern
und Räderthieren hervorgehobenen entsprechen. Der innerste, die
Mündung in die Leibeshöhle tragende Abschnitt ist in der Regel
der mächtigste und durch ein trichterförmiges, auch rosettenartig ge-
staltetes Mundstück ausgezeichnet (s. Fig. 70] . Am darauffolgenden
Abschnitte ist ein drüsiger Bau der Wandung zu erkennen. Der leUle,
EicrelionsorRfine. 179
luneileo emeilerle Abschnitt besitzt häufig finen Muskelbclef; : seine
AHSuaDdung find«l sich fast immer an der Seite der Ventralflache.
IHe VerricbtUDg dieser Organe ist ebenso wenig wie bei den übrigen
WUmom eine rein excretoriscbe , denn wir
finden sie nioht ult«n mit mannich fachen Fig. 70.
lodern Functionen betraut.
Diese Oi^aoe besitien bei Hirudineen
itire Vorläufer im Embryonalstadium , wo,
uubiMlogig von den später enlalehenden,
drei Paare von Schleifencanälen an der hin-
teren lUlfle der BauchOSche vorkommen. Sic
b«sj(ien einen ahnlichen, sb<T einfacheren
BaD wie die bleibenden, und gehen nach
EntwJck«lung der letsteren zu Grunde. Diese
kachfit wichtige Thatsache weist dnrauf hin,
dass die Schleifencanale der RingelwUrmcr
nicbt ohne weiteres als die Ilomologa der Ex-
«flionsorgane der niederen Wflrmer ange-
sehen werden dürfen, und zugleich entsteht
dielYage, ob dieSchleifencanale jener Ringel-
wQrmer, welche keine derartigen primordialen Bildungen aufweisen,
den definitiven Schlei fencan Kien der Hirudineen, oder nur den pri-
Dtordialen vergleichbar seien. Auch hiefdr wird nur die Knlwickelungs-
^eschichle eine I.Ssung bringen.
Im speciellercn Verhallen ergibt sich schon bei den Hirudineen
Hne betracbüiche Mannichfaltigkeit, indem die SclileifencnnSlo bei einer
Ahibeilung der innem MUndung enthehren. Statt derselben beginnen
sie mit einem geschlossenen Abschnitt, der in Form einer Schleife
{gestaltet, ans lahlreichen labyrinthnrlig unter einander verbundenen
Canalen besteht (Hirudo). Aus diesen Schleifenorganen lOst sich ein
isolirter Caoal ab, der mit einer blasenfOrmigen Erweiterung an der
Oberfläche des Körpers ausmOndet (s. oben Fig. !iO. B .1]. Elei anderen
(Clepsine, NepheHs) ist der labyrinthfBrmige Abschnitt gleichfalls vor-
handen, aber es besteht dabei eine innere, in die seitlichen Blut-
sinusse des Ktfrpers einragende Mündung. Dieser Altschnitl ist bei anderen
(Branchiobdella) sehr reducirt und der grössere Theil jedes Organes
nird von einem eine Doppel schlinge darslellenden Canale gebildet. Indem
Aie innere HUndung in die vom Bluige^ssystem abgeschlossene Leibes-
höhle ragt, ergehen sich Anschlüsse an die Seoleinen.
Bei diesen ist die Abiheilung der l.imicolen durch zweierlei Zu-
stände der ScbleifencanBle t>emerkenswerth. In dem einen besl^'hl
ein vielfach geschlangelter, meistentbeils in einer gemeinschaftlichen
Fig. 70. Inoere Mündung eine» nl» Snmpnlpiter fungirfnilen Rchli-ifpnronals von
iM Wünner.
Zellmasse verlaufender Canal, der ziemlich cleicharüge Cftliberverhall-
nisse bielet. Uil dem die innere Hündung tragenden Ende dtircli-
brechen die CanUle immer das je vor ihnen liegende Dissepiment ; je
ein Schleifencanalpaar hat daher Beziehungen zu iwei Leibessegmenten.
In einem liegt der nach aussen führende Abschnitt, im anderen die
innere MUndung. Diese flber den grüssten Theil der Segmente in
gleichem Verhalten verbreitete Form fehlt an den vom Geschlechts-
apparat eingenommenen Strecken. An der Stelle der einfachen
SchIcifencanUle findet man complicirlere und in viel grösserem Haassslab«-
entfaltete Gebilde, welche in ihrem Baue das Verballen der ersleren
wiederholen, aber als Ausftlhrungsorgane des Sperma thütig sind:
Schleifencanüle sind zu Samenleitern umgebildet.
Bei den Lumhricinen fehlen Umwandlungen, denn auch in den
Genitalsegmenten sind die Schleifencanttle denen der Übrigen gleich. Da-
gegen hat sich der Apparat durcbdeuUiche
|,-lg 7f Ausprügun^ der einzelnen Abschnitte,
wie durch die Anordnung seiner Schlii^n
complicirt. Jeder Canal stellt mehrere
neben cinandei- auf- und absteigende,
innig untereinander verbundene Schleifen
dar, welche von einem dichten Geßiss-
netze umsponnen werden. Verschie-
dene Abschnitte tragen ebenso ver-
schiedene Bedeutungen. Zu innerst lin-
den wir den der tricbterfSrmig erwei-
terten Mündung (Fig. 74. a] folgenden
Abschnitt Ib. b. 0) mit dünnen Wan-
dungen versehen und an einzelnen
Strecken mit Cilien ausgekleidet. Nacli
mehH'acher Schleifenbildung geht dieser
Theil durch eine Veränderung seiner
Wandungen in einen andern Abscbnilt
[c] über, dessen Lumen erweitert (d) und
von feinkörnigen Inhalt führenden Zellen
umwandet ist. Auch dieser Theil ver-
lauft sc hl ingenartig (tf) und gebt in
I einen weiteren, mit muskultfsen Wan-
/, düngen versehenen über {«) , welcher
nach einfacher UmbicgUDg an die KOr-
penvand tritt {$') und hier seine Aus-
mUndung findet.
Fig. 71. Bin Schlrirencanal von Lumhricu.t miissig vpi^röasert. a Innere
MilnduiiR. b, b, b Heller, in zwoi Doppclselileifcn aurKcroihler Csnnlabschnitt. r. r
Enfterer Abscbnill mit Drüsenwünilen. d Erweilericr Theil, iler in d' «iPiler««KPr
wird und bei d" in den muskulusen Absriinill r sirh rortM'lit. e' Aeusnere .Uündanft.
Geschlech tsorgan e . ' 181
Einfachere Formen derSdileifencanälc walten bei den ChSilopoden
vor, deren eiaxelne Canäie bald knäuelfdrmige K»r|)er bilden, bald
weniger Windungen darbieten. Die l>ei vielen nachgewiesene trichter-
förmige Binnenmündnng verhilli sich bei einigen (AIciopa) ganz ähnlich
zd den Septis der Leibeshtfhie wie bei den Scoleinen. Auch die Be-
ziehung zum Geschlechtsapparate ist bei vielen in ähnlicher Weise
erkennbar.
Ausser den mehr secundären Beziehungen, welche die Schleifen-
canäle der BingelwUrmer bald nur an bestimmten Loealitäten, bald in
grösserer Ausdehnung zum Geschlechtsapparate bestUcn, wird ihre
Beziehung zur Excretion, sowie zur Ein- oder Ausfuhr von Wasser
in Betracht kommen mtlsseo. Zur Excretion stehen die Organe in
einem Migen Verhältnisse durch den drüsigen Beleg ihrer Ganalwan-
dttogen oder auch durch direot in sie einmündende Drüsen. Dadurch
kommen sie den Hauptstämmen der Excretionsorgane bei den Trema-
loden gleich. Die Beziehung der perienterischen Flüssigkeit zum
umgebenden Medium, entweder durch Ausleitung der ersteren oder
Einlass des letzteren, wird durch die innere Mündung der Schleifen-
canäle hergestelit. Aus der in den Ganillen oder an den inneren
Mündungen in beinahe allen Fällen nach aussen gehenden Richtung
der Wimperbewegung wird wahrscheinlich, dass auch Stoffe nur
nach dieser Richtung bewegt werden. Doch bedarf es zur Sicher-
stellung einer solchen Annahme noch eingehender Untersuchung.
Qoaohlechtsorgane.
In der geschlechtlichen Differenzirung der Würmer be-
gegnen- uns zahlreichere Stufenfolgen als in jeder andern Abtheilung.
Die niedersten Zustände bieten wieder hemiaphroditiscbe Einrichtungen,
die aber nicht selten mit grossen Complicationen sich verbinden , wo-
durch sie weit über die viel einfacher sich verhaltenden Einrichtungen
der getrenntgeschlechtlichen Würmer sich erheben.
Am einfachsten verhalten sich die Bryozoän, deren Geschlechts-
producte sich entweder an der Innenflache der KOrperwandung aus
einfachen Zellenhaufen entwickeln, welche entweder Samenelemente
oder Eier aus sich hervorgehen lassen ; oder sie entstehen an einem
vom Darmcanale zur Innenwand des Körpers verlaufenden Strange
(Funiculus). (Fig. 60. x.) Die reifen Zeugungsstoffe gerathen in die
Leibesböhle und werden von hier aus durch eine Communications-
öffnung in das umgebende Wasser entleert. Beiderlei Geschlechter
sind meist in einem Individuum vereinigt, und nur die Keimstätten
sind von einander getrennt.
Bei allen phyiactolämen SUsswasser-Bryozoen entwickeln sich in
18
Würmer.
dfC Leibeswanil an den Stellen, an welchen Rier pnlslehen, ei^en-
IhUmlicIie aus einem Zellena^r?gate bestehende KOrper (SUtloMa-
slcnj , die, nie <iio Eier, sich ablösen und frei-
fig. 'ti. »erdende Sprossen vorstellen. MHnnichrache Differen-
zirun};en lassen com|iltcirlo Scbalengcbildc an ihnen
enlslehen.
Die bei den Tiinicaten verbreitclen ZwiUerliil-
dun^en lassen sich zum Theil gleichfalls noch auf sohr
niederer Stufe erkennen. Namenilich bezüglich der Aus-
(Uhiwege mangeln Oomplicirungeii und die Zeugungs-
stolFe werden in die Cloake entleeil. Die milnnlivhen
Oriiane repriiseiilirl ein sameii erzeugen der BItndsch tauch,
der bei Dolioluni , auch bei manchen Ascidien , in
dieser einfachen Form sich crbüll, bei Pyrosoma in eine
rosellenarlig gestalleto Form Ubci^ehi, indess er l>ei
den mi'islen Ascidien wie bei den Salpen in Veräste-
lungen sich forlsctzt und daniil eine An von gelappter
DrUse bildet. Auch die Ovarien besitzen eine derartige
Gestalt, wenigstens boi vielen Ascidien, bei anderen
werden sie nur durch eine Gruppe auf verschiedenen
Ausbildungssl ufen stehender Eier gebildet, deren jedes
von einer Arl vun Kiijiscl umgelien wird. Bei man-
chen zeigen sich nur wenige solcher, schliesalidi mit
einem gemeinsamen Stieb verbundener Eier, und bei
den Salpen ist gar nur ein einziges Ei vorhanden,
dessen Stiel aber nur während früher Stadien besieht, um sich all-
niithlich zu verkürzen. Das Verhältniss der Ausfllhrgiinge stellt sich
hIs ein sehr mannich faltiges dar. Den Ovarien seheinen sie meist
ganz abzugehen, hüufigcr sind sie bei den Hoden beobachtet.
§ 138.
Der Hormaphroititismus erhall sich auch bei den PlallwUrmern
verbreitet (Turbelhirien, TrematodoD, Gesloden). Beiderlei Gescblucbls-
organe sind in der Itegel an einer gemeinsamen AusinUiiduiig vereinigi,
im übrigen getrennt von einander iui Körperparencliym eingcbeltel.
Am einfachsten verhalten sich die meist wenig voluminösen Keini-
dillsen (Hoden und Ovariuni). Ausfuhrwege und damit verbundene
UrUscnorganc, »>uwie au den ersleren vorhandene Ausbuchtungen oder
Ui sehen förmige Anhange, die als Enlwickeiungsstjillen der befruchteten
tig. lt. OrgBOisulion einer Ascidio [Amarocium prolifeniai), i& Kiemen-
rk. t' Magen, i Uaru). c llert. l lloiten, vd AusrührgBn;^ des Hodens, o
nrium. o' Eier in der Lcilicsliohlc. Die (■rdle bcilfiitun die Strumung des
■s-ii'it. Uli il -n Körpt'rtiflnuiigen. (Nadi Milkk-I^dharus.;
Geschtechisongaiie. 1 83
Eier, oder als AurhewHhrungsort^ dos Samens fungiren, haben an der
Complication d^r Apparate den bei weitem grCtosien Antheil.
Was den männlichen Apparat bctrifll, so sind die an ZahJ variabeln
Hoden meist undeutlich abgegrenzte Bildungsstätten des Samens, der
durch enge Samenleiter zu einem gemeinsamen Ausführwege gelangt.
Ein erweiterter Abschnitt des letzleren fungirt als Samenblase, und
sein Ende erscheint in ein hervorstreckbares oder ausstuipbares Organ
umgewandelt, welches als P^nis dient.
Der weibliche Apparat hat seinen wichtigsten Bestandtheil im
Eierstock. Mit dem Ausfühi^ngc desselben verbindet sich ein
meist weit verzweigtes Organ, der Dotterstock, in dessen Drüsen-
iäppchen eine Zelienproduction stattflndet. Die Zellen des Dolterstockes
werden zum Aufbau des Embryo verwendet, indem je eine Quantität
derselben mit einer Eizelle ein £i formirt. Die Entstehung des Dotter-
stockes resultirt wahrscheinlich aus der Arbeitstheilung eines primitiv
sehr ansehnlichen Eierstockes, von dem nur ein Theii als solcher sich
forterfaielt, während die Zellen des andern ihre Bedeutung als Eikoime
verloren, indem sie von den Eizellen resp. deren Theilungsproducten
umwachsen und so in den künftigen Embryonalleib aufgenommen werden.
Die Ausführgähge des Ovars (Eileiter) und des Dotierstocks vereinigen
sich zu einem verschieden langen Canale , der je nach der Menge der
sich entwickelnden Eier, bald von ausserordentlicher Länge ist, bald
ganz kurz, einfach, oder mit Aussackungen besetzt. Diese Räume
werden als Uterus bezeichnet , da in ihnen das Ei nicht blos von
einer Schale umschlossen wird, sondern auch in der Regel seine erste
EntwickeluDg zum Embryo antritt. Eine besondere meist in der Form
einer gestielten Blase auftretende Ausbuchtung der weiblichen Aus-
ftthrwege nimmt bei der Begattung das Sperma auf (Roceptaculuni
seminis) , eine zweite jedoch nicht allgemeiner verbreitete ist mit der
ersteren zuweilen verbunden, und dient wahrscheinlich zur Aufnahme
des männlichen Begattungsorganes (Bursa copuiatrix).
§ 139.
Im speciellen Verhalten dieser Geschlechtsapparate ergeben sich
ausserordentlich man nichfaltige Formzustände. Der männliche Ab-
schnitt besteht bei den rhabdocOlen Turbellarien in der Regel aus
zwei langgestreckten Hodenschläuchen, aus denen je ein Vas deferens
hervoqgeht. Bei den Trematoden sind gleichfalls nur einige meist
rundliche oder gelappte Testikel (Fig. 74. /) vorhanden, indess sie bei
den dendrocölen Turbellarien, sowie bei mehreren rhabdocölen (z. B.
Macrostoma] und Gestoden durch eine oft sehr beträchtliche Anzahl
kleinerer im Leibesparcnchym zerstreuter Follikel repräsentirt werden,
die durch lange Ausführgänge sich vereinigen. Die Ausftthrgängc bilden
entweder ein geni^iasames Vas deferens, oder treten fUr sich verlaufend
Fig. 73.
1 84 Würmer.
ZU einem EDdabsrtniiltc , der in du» BegaUuii{;sorgan sich forlseul.
Der geincinäaiiio Ausfuhrweg bildel die Samenblase , welche seltener
durcli Erweiterungen der einzelnen Vasa defe-
i-cntia ersetzt wird. Das Begatlungsoi^an (Fig.
73. p. Fig. 74. p') erscheint meist als ein an-
sehnliches, muskulöses Gebilde, an welchem
die Samenblase hijufig wie ein ihm Eugebttriger
Anliang erscheint. Es liegt in einem besondereu
zum Genilalporus .rührenden Kaunie [Pcnisscheidc
der Planaricn, Girrhusheutcl der Cesteden und
Tremaloden) und zeigt zuweilen eine Verbindung
mit Drüsen (Planarien). Das Begattungsoi^n ist
in der Regel prolraclil, oder kann umgesttllpl
werden, wobei ein beim cingeiogencn Oi^nc
innen sich findender Besatz von mancherlei Stacheln
oder Haken an die ObcrQächc zu liegen koromt.
Eine solche Ausstattung des Penis kommt mit
Ausnahme der Planaiien den meisten Platt-
vllFinern zu, und scheint einer innigeren Copula
zu enUiprechen.
§ HO.
Grössere Verschiedcnheilcu bieU't der weibliche Apparat. Die
Ovarien erscheinen in der Hegel als 1 — S längliche, an Volum sehr
unansehnliche Schläuche (Pig. TS, 74. n), in denen die Bildung der
Eikeime staltlindet. Wenn sie einfach vorhanden sind, setzt sich der
Oviduct als ein bald kürzerer, bald längerer Canal, unter Aufnahme
accessorischer Theile zur GeschlechtsOfl'nung fort. Mehrfache vereinigen
sich zu einem gemeinsamen Oviduct (Fig. 73. v). Am einfadisten
ergeben .sich diese Organe bei den Bothryocephalen , wo das Ovar
continuirlich in einen Schlauch sich fortsetzt, der in demselben Haasse
sich ausdehnt, als er sich von seinem Grunde her mit Eiern füllt.
Bei den meisten Hhabdocülcn, wie auch bei Cestoden und Trematoden
bleibt der Ausfuhrgang bei doppelten Ovarien einfach. Am kürzesten
ist er bei den Rhabdocülen , die wie die meisten Ci-slodon eine er-
weiterte Stelle als Heccptsculum seminis erkennen lassen. Indem
dieses Oi^an als einseitige Ausbuchtung des Oviducles erscheint, crbült
es einen selbsUindigeren Charakter. Noch deutlicher tritt dieser hervor,
wo es als ein gestielter Anhang bald dem Grunde des Eileiters (Fig.
73. rs), bald dem Verlaufe desselben (Fig. 74. bs) angefügt ist. Einen
doppelten Eileiter besitzen die Planaricn, bei welchen in der Regel
nur ein ganz kurzer gemeinsamer Abschnitt, als Scheide fungirend,
Fig. 13. GoschleL-hlsapiwrat von Vtirtox viridis. J, t lloicn. vd Vos«
drfprcnlifl. v> Samen 1)1 »so. p Hprvorsliiipbores BcgHttuiifiturgnii. iio Ovarien, gc
«Diillci-8luul,c". rt Rect'placuluiu bcmiiiis. v StLciJi!. u UU-rus. [Nach M. Scbultie.)
GcMhlecli tao^B ne .
18!
Kig. 7*.
\orkoinmt. — Die mil dem Oviduck> veHiundenen uDotlerBtttckeu
werden därch »wei oder vier baumförnii}; veritstelte oder gelappte Or^ne
voT^eslellt (Pig. 7:1. </v) , welche im Lcihosparenchym sich verlheilen.
Besondere Abscbnitle des Oviduclcs rimgiren als Ulcrus, mil
welcfaem Namen raorphologiach sebr verschiedene Theile bezeichnet
werden. Im Allgetiicinen lassen sich drei verschiedene Arten solcher
vom Oviducle ausgehenden ülcrusbildungcn
UDterscbeiden. Einmal ist der Eileiter selbst
hiezQ verwendet und erscheint dann nicht
hios erweitert, sondern auch beträchtlich in
die Lange gestrebt , so dass er sich als ein
Aea KSrpcr mehrfadi diircbiiehender, ge-
wundener Schlauch prtlscntirt. Dieses Ver-
halten zogt sich bei den Tremaloden (Pig.
74. u) , Uhnitch unter den Cesloden (Triaeno-
phorus , Ligula) . Wesentlich roodificirt ist
dies Verhalten bei Botbryocephalns , wo der
viefoch gewundene Uterus unterhalb des
Sinns genitalis mil einer seibstHndigenOeffnung
ausmündet. Eine zweite Form wird durch
seitliche Ausbuchlungen oder loschenartige
Anhange im Verlaufe dos Eileiters dar-
ßeslellt; sie findet sich bei wenigen Rhab-
doctflen , in complicirterer Weise bei den
meisten BandwQrmem. Ein vom Eileiter in
der Nahe der Einmündung der Dotterst«cke
ansgehender Schlauch erslreckt sich bei den TSnien durch die Mittellinie
einer gescblechtsreifen Proglotüs , und bildet nach Haassgabe der in ihn
gelangenden Eiermassen beiderseits reiche dendritische Verästelungen.
Endlich wird eine dritte Art durch Anhänge vorgestellt, welche erst am
Kode desOvidnctes oder vielmehr an dem beiderlei Organen gemeinsamen
Vorhof, dicht am Genitalporus, sich Bndel. Solches zeigen die meisten
Turbellarien , (Fig. 73. u] and zwar finden sich bei den RhabdocOlen
in der Regel zwei solcher Uterustaschen, die sich ansehnlich aasdehnen,
ja sogar wieder verzweigen können , wenn sie zur Aufnahme einer
ertfssem Anzahl von Eiern dienen. Bei den Dendrocfllen besteht ent-
weder nnr Ein sol^er Uterus, der in den hier sehr ausgedehnten Vor-
bof tnündel, oder er fehlt vollstHodig, und dann tlbemehmen die beiden
Oviduete seine Punction (Leptoplana) . Die GrOsse und Zahl der gleich-
leilig reifenden und ihre Umhüllung erhaltenden Eier steht Überall mit
Fig. 74. GescfalecbtupparBt «on Distoma globiporum. t, I Hoden.
d Aoddbrgaage dar Uodeo. de Verbioduag iwiscbeo einem Hoden und den welb-
Mbd Organen, p Rulhenschlauch. p' Ruths, o Dvarium. bi SamenlBScbo [Ro-
':*P<iciüoni leminis). u, « Vterus. v Schetde. gl Ansßlbrgllnge der acceMorischeD
»itteo (DoUerstOcke). [Sacb v. Suiold.J
1 86 Würmer.
dem Zustande des als Uterus fungirenden Gebildes in engem Zu-
sammenhange.
Ein letzter Abschnitt des Eileiters diflerenzirt sich gleichfalls häufig
zu einem besonderen als »Scheidea bezeichneten Canalc, und ist in
einzelnen Fallen noch mit einem als »Bursa copulatrix« fungirenden
Anhange verschen.
§ m.
Das Verhallen des hcrnKiiphroditischen Apparats bei der Begattung
ist zum grossen Theile noch unbekannt. In dieser Beziehung können
drei verschiedene Fälle bestehen. Einmal wird die Copula eine wechsel-
seitige sein können, so dass jedes Individuum in männlicher und weib-
licher Function sich verhält, dann kann zweitens die Verrichtung
altemiren, indem ein Individuum als Männchen oder Weibchen fungirt,
endlich kann auch Selbstbefruchtung bestehen , wie dies bei den
Cestoden beobachtet ist. Diese kann auch auf eine mehr unmittelbare
Weise auf einem Verbindungswege der inneren Geschlechtsorgane statt-
ßnden, indem bei einigen Distomen ein von einem der Hoden aus zum
Oviducte (Fig. 74. de) , oder einem dort befindlichen Receptaculum
seminis (Vesicula seminalis interior} (bs) leitender Canal besteht.
Die Lage des Genitalporus ist in den einzelnen Abtheilungen der
PliitlwUrmer verschieden. Am häufigsten münden die Geschlechts-
organe in der vc^ntraien Medianlinie aus, bald weiter nach vorne, dicht
hinter dem Mundsaugnapfe, wie bei vielen Trematoden [Distoma, Gyro-
dactylus u. a.), bald näher dem Ilinterleibsende (Turbellarienj. Unter
den Cestoden ist die ventrale Lagerung gleichfalls häufig (Ligula, Bothryo-
cephalusj ; in der Mehrzahl der Fälle ist der als eine flache Ausbucht-
ung erscheinende Genitalporus an dem Seitenrande der Proglottiden
anzutrefl'en, und zwar kann bald der eine, bald der andere Seitenrand
dadurch ausgezeichnet sein. Für die Bourtheilung dieser übrigens
auch bei einzelnen Trematoden (Tristoma) bestehenden Asymmetrie ist
die Thatsache wichtig, dass bei einigen Cestoden (Taenia elliptica, T.
cucumerina) zwei symmetrisch gelagerte Geschlechtsapparate jeder Pro-
glottide zukommen. Dieses vereinzelte Verhalten kann als der Rest einer
ursprünglich allgemeinen Einrichtung angesehen werden, so dass erst
allmählich der Apparat der einen Seite über den der anderen die Ueber-
macht gewann und zu dem gegenwärtig verbreitetsten Verbältniss,
nämlich der einseitigen Entwickelung des Genitalapparates, hinführte,
woraus allmählich die mediane Lagerung des einzigen Apparates und
schliesslich seine oft symmetrische Vertheilung im Körper hervorging.
Während bei den rhabdocölen Turbellaricn , mit wenigen Aus-
nahmen, nur ein einziger Genitalporus besteht, zu welchem männliche
und weibliche Organe hinfuhren, wird bei den dcndrocölen durch die
Ausbildung eines Vorhofes eine Trennung der Ausmündung angebahnt.
Bei den meisten Seeplanaricn ist diese Trennung vollzogen , und es
Geschlechtsorgaoe. f87
besteht eine doppelte Genilalöffnun^s, die mlinnlicbe vor der weihlichen
gelagert. Die meisten Trevialoden tragen die AusmUndungen der Ge-
schlechtsorgane gleichfalls getrennt, wenn auch dicht aneinander ge-
lagert. Eine ähnliche Erscheinung kommt bei den Cestoden vor.
Schon in jenen Fallen, wo Girrhusbeulel und Scheide in einen Genital-
ponis münden, ist der letitere nur eine flache, vom Inlegumente walU
artig umxogene Grube. In anderen Fällen münden beide, wenn auch
dicht neben einander, unmittelbar an der Oberfläche aus. Endlich
besteht noch eine fernere Trennung, indem nur der männliche Apparat
an dem Seilenrande, der weibliche dagegen auf der Fläche der Pro-
glottis ausmündet.
Die Ausbildung von beiderlei Apparaten in einem und demselben
Individuum ist zuweilen ungleich , und besonders bei Rhahdocölcn
zeigt sich eine Scheidung der Geschlechter nach den Indi-
viduen darin, dass bei den einen der weibliche , bei den andern der
männliche Apparat vorwiegend entwickelt, der andere Apparat stets ru-
dimentär erscheint (Convoluta). Diese h(k;hst wichtigen Fälle lassen ver-
stehen, wie bei fortschreitender Verkümmerung des einen Orgnnes aus
hermaphroditischen Organismen getrennt geschlechtliche (diOcische) her-
voff;ehen. Der hier in statu nascenti beobachtete Vorgang ist bei anderen
Turbellarien vollendet. Getrennt grschU*chtlich sind die Microstomeen,
auch einige Planarien und Trematoden. Eine Vereinfachung des Ge-
srhlechtsapparates trifll sich fUr die fast durchaus getrennt geschlechtlichen
Nemertinen. Die mannichfachen Abschnitte der Ausführwege, sowie
die aeoessorischen Organe fehlen hier. Hoden und Eierstöcke sind die
einzigen bestimmt unterschiedenen Theile. Bei SUsswassemcmertinen
;Prorhynchus) kommen diese Organe nur einfach in jedem Individuum
vor (Fig. 57. et') , und erinnern dadurch an rhabdocöle Turbellarien.
Die Seenemertinen dagegen besitzen sie in mehrfacher Zahl als )>eider-
seits vom Darmcanal gelagerte Follikel, die unter sich in keinem un-
mittelbaren Zusammenhange stehend durch regelmässige paarweise
Anordnung in der Länge des Körpers eine Metamerie andeuten.
§ U2.
Bei den Nematoden ist das Bestehen einer Zwitterbildung seltene
Ausnahme (Leptodera). Trennung der Geschlechter ist die Regel. Bei-
derlei Organe bestehen aus röhreufbrmigen , in die Leibeshöhle einge-
betteten und auf der Oberfläche ausmündenden Schläuchen. Das
blinde Endstück der Geschlechtsrohre fungirt als Ovdl*ium oder Hoden,
der übrige Theil als Ausleiteapparat, in den einzelnen Abschnitten ver-
schiedenen Verrichtungen angepasst und verschieden dificrenzirt.
Die männliche Geschlechtsröhre ist ein einfacher, an der ven-
tralen Seite des Enddarms ausmündender Schlauch, der bei den grösseren
Arten mehrfache Windungen bildet. Nur durch den Epithelialbeleg
i'ili. 75.
1 8H Würmer.
uiit«rscbi'idei sich das fils Hodun zu dculende, meist lange Endstück
vom Ausfuhrgiiiig, an den zuweilen eine erweiterte Stelle nls Sanien-
hlasc an den Ductus ejacutatorius sich anreiht. Zwei in dem CloakcD-
Alischnitte des Knddarms entwickeile, tlUnnc, zuweilen sebr lange
Chitin stA beben (Spicuta) dienen als Be{;attungsoi^ne.
Die weiblicbon Gescblecbts röhren sind in der Begel dop)>elt
vorhanden, entweder bis zur AusniUndung getrennt oder am ieuten
Abscbnitle in ein gemeinsames Stück vereinigt. Je noch der Lange
bilden die Bohren mehr oder weniger Windungen. Der Endabscbnitt
ist als Ovarium zu betrachten (Fig. 75. od) , aus welchem meist ein
weiterer Abschnitt (Eileiter d. o) in einen
ßls Uterus (u) bezeichnelon Cana) fuhrt,
welcher durch eine enge Scheide ausmün-
det. Die weibliche GcschtechlsölTnung liegt
immer vcu'.ral, vor dem Äfler, meist nahe
au der Mitl« der Körperlänge. Durch eine
Vermehrung der weiblichen Geschlechts-
röhren bis auf fünf, aber auch durch Rtlck-
bildung einer der beiden ursprUngUch an-
gelegten , entsteht in der Gestaltung des
Apparates eine Hannichfalligkeit, die,
gleichwie bei den männlichen Organen,
durch Verschiedengrad ige Differenzirung der
einzelnen Abschnitte gesteigert wird.
Von den Uordiaceen scblies&l sich
wenigstens Merniis an die Übrigen Rund-
würmer hinsichtlich der Geachlechtsoi^anc
an. Bei Gordius vereinigen sich in beiden
Geschlechtern die Ausfuhi^cinge der paarigen
Keimdrüsen mit dem Enddarm, wie dies
bei den Nematoden nur für den maim-
liehen A|)parat.der Fall ist.
Ziemlich abweichend verhallen sich
die Chatognathen (Sagitta). Sowohl
die bestehende Zwitlerbildung , wie auch die Lagerung der Oi^aoe,
macht eine Beziehung auf den Apparat der Nematoden vorläufig un-
möglich, männliche und weibliche Geschlechtsdrtlsen li^en seitlich
am üinterendc, vorne die Ovarien und hinter diesen die Hoden,
mit denen der Körper des Thieres abscbliesst. Die letzleren öffnen
sich in einen kurzen , vorwärts gerichteten , über die Leibesober-
ÜUcbc etwas verlängerten Ausftlhrgang, der hüulig mit Samen-
massc prall gefüllt erscheint, und so zugleich als Samenblase fungirl.
Die Ovarien springen je nach dem Entwickelungszuslande ihr^ Contanla
.scBrls lombricoldes, oe Ova-
Gesichleohtflorgane.
489
verschieden stark in die Leibesböhle des Thieres vor. Sie verlaufen
von vom nach hinten, und öffifien sich mit einer gleichfalls vorstehen*
den kursen Röhre nach aussen, mit welcher ein neben dem Ovariuni
gelagertes Recepiaculum seminis vereinigt ist.
FiK. 76.
§ 443.
Weniger im Anschlüsse an die Organisation anderer Würmer
stellen sich die Acanthocephalen dar, deren Trennung der Ge«
schlecbler auch hier einen höher entwickelten
Zustand ausdrückt. Ein die Leibeshöhle durch-
ziehender, vielleicht als Darmrudimenl zu deu-
tender Strang (Ugamentum Suspensorium) trügt
bei den Männchen samen-, bei den Weibchen
eierbereitende Organe. Die Hoden erscheinen
als zwei rundliche, übereinander liegende Drüsen,
von denen je ein vas deferens sich zum Hin-
terleibe begibt, am dort mit den Ausfuhr-
gangen einer Anzahl schlauchförmiger Drüsen
in das BegaUungsorgan zusammen zu münden.
Das letztere besteht aus einem saugnapfartigen
Gebilde , in dessen Mitte ein konischer Portsatz,
der Penis liegt. Dieser Apparat kann vorge-
steckt und zurückgezogen werden. Er um-
fasftt bei der Begattung das »hnlich gestaltete
Hialerieibsende des Weibchens, dessen Eier sich
in einem mit der strangfbrmigen Axe (Fig. 76 . s)
verlaufenden, bald ihr angelagerten, bald von
ihr theslweise umschlossenen Ovarium ent-
wickeln (o) . Sie gerathen in die Leibeshöhle und
werden durch die Mündung eines glockenfik--
migen Organes (j) angenommen, welches vom
Hinterleibsende aus nach innen vorspringt, und
in den kurzen, durch eine enge Scheide ausmün-
denden Uterus führt.
Nicht minder eigenartig verhalten sich die
Gesehlechtsorgane der Onychophoren, deren
mäonlicbe Organe als gewundene und ramificirte
Schbiucbe erscheinen, welche den Darmcanal
theilweise bedecken, und zwei weitere Canflie
nadi vorne treten lassen. Diese gelangen am
Fig. 76. Hinterer Abi^chnitl des weiblichen Gcsc hlechUapparaU von Echi-
norhynclioA. o Ovariam. # Ligamontam su«pensorlum. g Glockenförmiges
Orgi«. I Triohtor. I' BndabRchniU der Oviducte. Die Pfeile deuten den We« der
Eier aa, um von der Leibeshöhle nach aussen lo gelangen. (Nach GaEBFF.^
190
Würmer.
ersten klauenlosen Fusspaar zur Ausrattndung. Den weiblichen, mit
dem männlichen in einem Individuum vereinigten Apparat bilden
zwei an der Bauchfläche des Darras verlaufende Schläuche, welche am
vorletzten Körpersegmente zu gemeinsamer Mündung vereinigt sind.
Fig. 77.
§ U4.
Die Hirudineen bieien in der Anordnung ihres Geschlechts-
apparates unter allen gegliederten Wtlrmem die nächsten verwandt-
schaftlichen Beziehungen zu den Plattvvürmern, besonders zu Trematoden
und dendrocölen Turbellarien. Dies beurkundet nicht blos ihr Herma-
phroditismus , sondern auch die Duplicität der meist synmietrisch ver-
theilten Keimdrüsen, sowie die Ausmündung des gerammten Apparates in
der ventralen Medianlinie. Die Lage der männlichen Geschiechtsöffnung
vor der weiblichen wiederholt das bei den Seeplanarien bestehende
Verhalten. Für die männlichen Organe (Fig. 77) besteht immer eine
grössere Anzahl (5 — 12 Paare) von Keimdrüssen [t) , die einer Anzahl
von Metameren entsprechend als rundliche Körper zu
beiden Seiten aufgereiht sind. Von jedem führt ein
Ausfuhrgang zu einem lateral verlaufenden Vas de-
ferens (vä) , welches vor dem ersten Hodenpaare unter
Erweiterung seines Lumens mehrfache Windungen bil-
det (vs). Aus diesem meist knäuelförmigen Abschnitte
setzt sich ein mit dem der anderen Seite zusammen-
laufendes Endstück gegen die Geschlechtsöffnung fort.
Reichliche Drüsen schlauche (g) vereinigen sich mit den
vereinigten Ausführgängen, und stellen nicht selten,
ähnlich wie bei Planarien, eine ansehnliche acinösc
Masse dar (Ciepsine). Als Begattungsorgane fungiren
entweder die beiden Endstücke des Vas deferens, die
sammt einem Theile der sie umgebenden Drtlse in
Gestalt einer Blase aus dem Körper hervortreten
(Ciepsine , Piscicola) , oder es ist ein besonderes Be-
gattungsorgan vorhanden, welches die Enden der Sa-
mehblase aufnimmt. In diesem Falle (Sanguisuga,
Haemopis u. a.) entwickelt sich der aus der Vereini-
gung der beiden Samenleiter gebildete Abschnitt zu einem stark mus-
kulösen Gebilde (//) dessen dünneres Ende in der Regel gegen den
Anfangsthcil umgebogen einen kurzen Penis vorstellt. Wie bei Pla-
narien und Trematoden liegt dieser in einer an der Genitalöffhung
mündenden Penistasche geborgen, aus der er bei der Begattung ber-
vorgeslreckt wird.
Fig. 77. Geschlechtsorgane eines Egels, t Hoden, vd Vas deferens com'
mnne. vs Gewundener Theil des Samenleiters, einer Samenblasp analog, p Pento.
g Drüsen, o Ovarien, u Scheide.
Geschlechtsorgane.
i9\
Auch der weibliche Apparat der Hirudineen zeigt vielfache An-
schlösse an das Verhalten mancher Plattwttrmer (Seeplanarien). Die
dort im Körper vertheilten Eierstöcke haben sich in iwei bald rund-
iidie, bald schlauchartige oder gelappte Organe (o) concentrirl, die nahe
der Mittellinie des Körpers, hinter dem männlichen Ausleiteorgane
liegen. Sie münden bei einigen ohne oomplicirtes Verhalten mit kurzem
Oviducte an der weiblichen Geschlechtsöffnung aus (Rttsselegel). Bei
anderen vereinigen sich die engen Oviducte zu einem längeren gemein-
samen Abschnitte (Hirudo). Der von einer Drttsenschichte in mehreren
Windungen zusammengehaltene gemeinsame Eileiter erweileit sich
dann in dem Endstück (t/) der Ausftthrwege zu einer Scheide. —
Diese Organisation des Gescblechtsapparates gilt übrigens nicht für alle
Hirudineen. Bei Branchiobdella entbehren die Keimdrüsen noch des
unmittelbaren Zusammenhanges mit den AusfUhrwegen , und letztere
werden, wenigstens für das Sperma, durch Schleifencanäle repräsen-
tirt, und ergeben dadurch mit einem Theiie der Scoleinen im Einklänge
stehende Einrichtungen.
§ U5.
Bei den Scoleinen liegen die Organe in vorderen Segmenten,
meist die Strecke vom 8 — I5ten einnehmend. Zwei verschiedene
Fig. 78.
Typen des Geschlechtsapparates sind auseinanderzuhalten. Der eine
findet sich bei den Terricolen ausgeprägt, und hat seinen wesentlichsten
Fig. 7S. Geschlechtsorgane des Regen-wurmes. Der diese Organe enthal-
^nde Kdrperabschoitt ist von oben her geöffnet und die Wände seillich ausge-
breitet dargestellt, das VIII— XVle Segment umfassend, ti Bauchganglienkette,
s <' s" Ausbuchtungen der Hoden, vd Ausführgttnge derselben, o Bierstock, ad
Eileiter, n Receptaculom seminis. (Nach Hiamo.)
1 92 Würmer.
Charakter in der Selbständigkeit der Ausführorgane. Den männlichen
Theil des Apparates der Lumbricinen bilden zwei Hodenpaare, welche
mit weiten Säcken in Zusammenhang stehen, in denen die Elemente
des Samens sich weiter entwickeln. Jedes Hodenpaar besitzt eine
solche (Fig. 78. s' s"), quer über die Medianlinie sich hinwegziehende
und wieder mit seitlichen Aussackungen versehene Samenblase. In
jeder liegen zwei trichterförmig gestaltete, seitlich in den Samenleiter sich
fortsetzende Organe. Die beiden Samenleiter jeder Seite vereinigen
sich zu einem gemeinsamen nach hinten ziehenden Gange (vct) , der
jederseits gesondert an der Bauchfläche ausmündet. An demselben
Segmente finden sich zwei vorstülpbare, aus Modißcationen von Borsten-
follikeln hervorgegangene Gopulationsorgane. Vom weiblichen Theil des
Geschlechtsapparates sind die Ovarien (o) die wenigst voluminösen
Gebilde. Sie liegen hinter dem zweiten Hodenpaare, zu beiden Seilen
des Bauchmarks. Hinter ihnen finden sich zwei mit weiten abdomi-
nalen Ostien beginnende an ein Dissepiment befestigte £ileiter [ad], welche
mit kurzem Canale an dem vor der Ausmündung der männlichen Apparate
befindlichen Segmente nach aussen führen. Hiezu kommen noch meh-
rere Paare (meist zwei) in der Nähe der Hoden liegender Samentaschen
(Receplaculn seminisj (rs) , grosse rundliche Organe , die ohne innere
Beziehungen zum männlichen Apparat mit einem kurzen Gange aus-
münden. — Das paarige Verhallen der Geschlechtsöffhungen , die
Lagerung der weiblichen vor der männlichen, endlich der Verbindung
der beiderseitigen Hoden unter einander, bilden eine unter den gegen-
wärtig lebenden Verwandten, soviel bis jetzt bekannt, nichts Aehn-
liches bietende Einrichtung.
Schon bei den Limicolcn bestehen andere Organisationen. Beiderlei
auch hier in einem Individuum vereinigte Geschlechtsorgane entbehren
der eigentlichen Ausführgänge. Man kann annehmen, dass die bei
Lumbricinen vorhandenen Oviducte, wie Samenleiter und Samenblasen
nicht zur Ausbildung kamen, so dass nur Ovarien, Hoden und Re-
ceptacula seminis bestehen. Einige der als Schleifencanäle bekann-
ten, bei den Lumbricinen dem Geschlechtsapparate fremd bleiben-
den Excretionsorgane (vergl. S. 180) bilden die Ausführorgane der
ZeugungsstofTe , und gehen dieser Function entsprechende Umwand-
lungen ein. Als Keimdrüsen fungiren Stellen der Dissepimente , an
denen die Entwickclung der Zeugungsstoffe meist unpaarige sackartige
Ausbuchtungen bildet, welche weit in den Raum der Leibeshöhle cin-
ragen, häufig auch durch mehrere Segmente sich hindurch erstrecken.
In der Regel finden sich mehrere (bis zu 4) Hoden in verschiedenen
Segmenten. Von Eierstöcken ist meist nur ein Paar vorhanden. Da
diese seillich gelagerten Organe sich wie die Hoden, bei reichlicher
Entwickelung ihrer Producte durch mehrere Segmente hindurchdrängen,
scheinen sie die unpaaren Hoden zu umschliessen (Tubifex). Die
ZeugungsstofTe gelangen nach ihrer Ablösung von den Keimstätten in
Geschlechtsorgane. 493
die Leibeshohle. Bei einigen (Enchytraeus) lösen, sich Klumpen von
Eikeünen ab, von Vielehen immer Einer sich zur Reife entfaltet.
Die Ausftthrwege des Samens bestehen aus den bereits erkühnten
Schleifencanalen , deren in der Regel ein Paar, wie bei Branchiobdella
unter den Hinidineen, mehrfache grösstentheils im Volum sich äussernde
Modificationen zeigt. Die trichterförmige innere Mündung liegt wie
die anderer Schleifencanäle in dem nächst vorgehenden Segmente. Der
mit ihr beginnende, durch reichliche Wimperung ausgezeichnete
Canal windet sich in vielen Touren zu dem nach aussen mündenden
Endstücke, welchem eiil ansehnliches gelapptes DrUsenorgan eingefügt
ist. Das Endstück bildet vor seiner Ausmündung eine Ampulle, in welche
es eine Strecke weit einragt, und sich von hier aus umstülpend, zugleich
ein Begattungsorgan darstellt. Die Ausfühni^egc der Eier sind entweder
eigene, gleichfalls aus modificirten Schleifencanalen entstehende Oviducte,
oder sie sind functionell mit den Samenleitern verbunden. In diesem
Falle besteht das erweiterte Endstück der letzteren aus einer Doppel-
röhre; die innere ist die Fortsetzung des Samenleiters, die äussere,
diese umgebende, fungirt als Oviduct.
§ 446.
Die Chütopoden stehen der letzterwähnten Abtheilung der Scolei-
Den hinsichtlich des Geschlechtsapparates sehr nahe. Bei wenigen
jedoch erhält sich die Zwitterbildung, und ge-
schlechtliche Trennung ist mit der freieren Lc- Kig. 79.
bensweise Regel geworden. Die Keimstoffe ent-
stehen an den Wandungen derLeibeshöble, worin
sich die Gephyreen im Anschlüsse finden
lassen. In der Regel sind die als Keimstätten
der Eier oder des Sperma erscheinenden Stellen
einzig durch diese Producte ausgezeichnet [Fig.
79. 0) und entf>ehren der besonderen Vorrich-
tungen, daher sie nur zur Zeit ihrer Function
unterschetdbar sind. Sie halten bei den ein-
zelnen Gattungen oder Arten die gleiche Localitäl
ein; so finden sie sich z. B. bei Eunice seitlich
vom Banchmarke. Eine Beschränkung auf eine
geringe Anzahl von Segmenten, wie sie noch bei
den Scoleinen bestand , kommt nur in einzelnen
Fällen vor. Die an der Körperwand entstandenen Geschlechtsproducte
lösen sich mit ihrer Reife ab, oder werden seihst in unreifem Zustande
frei und gelangen in die Leibeshöhle (Fig. 79.) , wo sie in letzterem
Fig. 79. Ein Parapodiam von Tomopteris. S9 Schoppenartige Bildungen
des iDtegoments, welche an zwei, einem ventralen und dorsalen Parapodium an-
alerer Anneliden homologen Fortsätzen enstpringen. 0 Ovariuro , als ein Haufen
▼on Zellen, von denen die Eibildung ausgebt.
i|94 Würmer.
Falle sich noch weiter bilden. Als Ausführwege sowohl für männliche
als weibliche Zeugungsstoft'e werden auch hier die Schleifencanäle ver-
wendet, doch sind es gerade diese Puncl«, welche noch genauerer
Untersuchung bedürfen. Auch für dieGephyreen dienen, wie oben
(S. 478) bemerkt, die nur in geringer Zahl bestehenden liomologa der
Schleifencanale als Hilfsorgane der Geschlechlsfunction, und bieten noch
bedeutendere, jedoch einer genaueren Piilfung harrende Modificationen.
Eine selbständige Stellung muss dem Geschlechtsapparate der
Räderthiere eingeräumt werden. Mit dem der Chätopoden hat er
nur das diöcische Verhalten gemeinsam und unterscheidet sich, wie
von dem Geschlechtsapparate aller Annulaten, durch das einmalige
Vorkommen der bezüglichen Organe. Die Geschlechter sind nicht blos
durch die Organe der Fortpflanzung verschieden, sondern auch durch
ihre übrige Organisation. Ausser durch geringere Grösse sind die
Männchen durch Rückbildungen verschiedener Organsysteme, vorzüglich
des Darmcanals ausgezeichnet. Der Hoden besteht aus einem einfachen,
am Hinterleibe ausmündenden Schlauche, dem zuweilen noch accesso-
rische Drüsenschlüuche verbunden sind. Beim weiblichen Geschlechte
nimmt das platte Ovarium, eine ventrale Lage ein und mündet mit
kurzem Oviducte in die Cloake. Der Oviduct zeigt erweiterte, zur
Aufnahme von Eiern dienende Abschnitte, und stellt damit einen
Uterus vor, in welchen bei gewissen Arten die Eier ihre Entwickelung
zum Embryo antreten.
Die Geschlechtsproducte der Würmer besitzen für die meisten
Abtheilungen übereinstimmende Formen. Das Ei wird durch eine
in verschiedenem Maasse modificirte Zelle repräsentirt. EigenthUmlich
verhält sich die Entstehung der Eier bei den Nemathelm inthen
durch Sprossung von einem gemeinschaftlichen kernhaltigen Protoplas—
mastrange, dem Inhalte der röhrenförmigen Ovarien. Bei gleichzeitiger
Bildung einer grösseren Menge von Eiern erscheint der Rest des Pro-
toplasma als eine die Röhre durchziehende Axe (Rhachis), die ringsum
mit keilförmig gestalteten Eiersprossen besetzt ist. Die Eier bilden
bei allen jenen , welche Dotterstöcke besitzen , nicht das einzige zum
Aufbau des Embryo verwendete Material, vielmehr wird dieses durch
die Producte der Dotterstöcke — Dotterzellen — vervollständigt (Vergl.
§ 138j. Das als Ei erscheinende Gebilde besteht also aus einem
Gomplexe von Zellen, von denen nur eine in dem Werthe einer Eizelle
sich tprterhalten hat. Fast allgemein empfangen die Eier Umhüllungen
sehr mannichfacher Art. Bald ist es nur eine Ei Weissschichte , bald
eine solche mit einer festwerdenden Schale. Die Formelemente des
Sperma sind aus einem rundlichen oder länglichen Körper gebildet,
von dem ein feiner beweglicher Geisselfaden sich fortsetzt. Abweichend
hieven verhalten sich wieder die Nematoden , deren Samenelementc
UibMhdble. 4 96
ühnJich den Eiern von einer Rbachis sprossen. Die so entstehenden
Zellen vermehren sich weiter, und stellen xellenflhnliche Körper vor,
die wohl amdboYde Bewegungen vollführen, aber es nicht sur Geissel-
biUung kommen lassen.
Die Samenfaden werden bei vielen RingelwUrmem in besonderen
Abschnitten der münnlichen Ausfuhrwege in bestimmt geformte Massen
vereinigt — Sperroatophoren — die als solche in den weiblichen
Apparat fibertragen werden. Solche aus nur verklebten Samenfaden
geformte Spemiatophoren besitzen manche Scoleinen. Mit einer Äussern
Cmhüllung versehene Spermatophoren kommen bei Hirudineen vor.
Lelbeshöhle.
Die erste Sonderung eines zwischen Darmschlauch und Integument
gelegenen, zur Bildung eines Gefasssystems führenden Hohlraumsystems
gesdiieht bei den Würmern mit der Entstehung einer Leibeshohle.
Die Verbreitung des durch den Darm gewonnenen Nabrmaterials im
Organismus erfolgt dann nicht mehr wie bei den Cölenteraten mit
continuirlicher von der Darmwand ausgehender Durchtränkung der
Gewebe, sondern es sammelt sich die ernährende Pltissigkeit
in einem perienteriscben Baume und vermag hier sowohl mit vom Darm-
canal als vom Integumente aus differenzirten Organen in Beziehung
IQ treten.
Mit Hinsicht auf die erste Anlage des Leibes ist es das Meso-
derm, in welchem die Leibeshöhle erscheint.
Bei einer grossen Anzahl von Würmern fehlt jener perienterische
Raam (COloma nach IUckil) entweder vollständig, oder er ist nur
in einzelnen Spuren vorhanden. Die Mehrzahl der Flattwürmer gehört
hieher, dann die Nematbelminthen, auch einzelne Andere wie Pedicellina.
Ausgebildet ist das Gölom bei Rüderthieren , Bryozoön, und fast allen
Annulalen. Einen Qontinuirlichen , meist sehr weiten Raum bildet es
bei den Bryozo^n; auch bei den Tunicaten besteht es, ebenso als
weiter Raum bei den Gephyreen. Bei den Annulaten entspricht das
Verhalten der Leibeshöhle der Metamerie des Körpers, was bei den
Anneliden am meisten ausgesprochen ist. Von der Leibeswand er-
strecken sich Scheidewände (Dissepimente) zum Darmrobr und bilden so
eine Folge einzelner, je einen Darmabschnitt etc. enthaltender Kammern.
Mit der Reduction der Dissepimente auf einzelne Strange fliessen die
Kammern mehr oder minder vollständig zusammen, und so geht bei
vielen bald auf einzelnen, meist am Vordertheile des Körpers ge-
legenen Strecken bald in der ganzen Länge eine Auflösung der Einzel-
kaounem und die Bildung eines einzigen, meist noch von Dissepiment-
496
Würmer.
Resten in Gestalt von Fäden oder Faserzügen durchsetzten Leibes-
raumes hervor.
Die perienterische FJüssigkeit ist meist wasserklar und führt bei
den meisten Formelemente, zuweilen in reichlichem Maasse: Bei Commu-
nication des Gefässsystems mit der Leibeshöhie ist das Contentum der
letzteren mit jenem des ersteren gemeinsam. Die Bewegung der
Flüsigkeit ist von den Actionen der Körperwand abhängig, somit
vollzieht die Locomotion bei vielen zugleich einen Umtrieb der er-
nährenden Flüssigkeit und damit erscheint die niederste Form einer
Circulation.
Die Leibeshöhie steht durch mancherlei Einrichtungen in Com-
munication mit dem umgebenden Medium, dem Wasser. Hieher zählt
der Excretionsapparat mit seinen inneren Mündungen (vergi. § 433),
aber auch noch besondere Oeffnungen sind bekannt. So bei den
Bryozoön , wo jene Oeffnung zugleich zur Ausfuhr der
Kijj. 80. Geschlechtsproducte dient, dann bei den Rotatorien,
deren Oeffnung meist in eine Röhre (Sipho) ausgezogen
ist (vergl. Fig. 68. s). Auch für die Anneliden ist das
Vorkommen ähnlicher Oeffnungen erwiesen.
GefSsaBystem.
§ U9.
In den im Mesoderm sich sondernden Hohlraum-
bildungen ist der Anfang für die Entstehung eines
complicirteren Canalsyslems zu sehen , welches alimäh-
lich besondere Wandungen empfangend in Blut-
gefässe übergeht. Längscanäle bilden die ersten Haupt-
slämme, wie zuerst bei den Ncmertinen er-
sichllich ist. Von den drei Hauptstämmen nehmen
// )) zwei (Fig. 80. / /) einen lateralen Verlauf; ein dritter
(d) liegt dorsal in der Mittellinie. In der Kopfgegend
bilden die Seitengefässe mehrfache, in der Regel das
Gehirn umziehende Windungen, und verbinden sieb mit
dem Rückengefässe, sowie weiter nach vorn zu unter-
einander. Am hintern Körperende stehen alle drei Stämme
auf einfachere Weise unter sich in Verbindung. Mit
diesen drei Gefässstämmen stehen bei einigen Gattungen
noch andere in Zusammenhang, indem dünne Quer-
gef^sse Rückengefäss und Seitengcfäss in regelmässigen
Abständen anastomosiren lassen. Dadurch zeigt die
ganze Einrichtung eine Art von Gliederung und ent-
spricht der auch sonst angedeuteten Metamerie.
[\
Fi^. 80. Schcniii des GeHisssystems der Ncmertinen. d dorsaler Längsstamoi.
/, { SiMlengefasse. Die Pfeile bedeuten die Richtung des Biutslrotus.
GeDlMsystein. 497
Unentschieden bleibt fUr jetzt, ob das bei den Acanthoee-
phaien durch zwei im Hautmuskelschlauch verzweigte LängssUioinie
sich darstellende Canalsystem, weldies auch mit den Canilien der Lern-
nisci (S. 476) sich verbindet, hier angereiht werden kann.
§ 450.
Das Gefässsystem der Annulaten kntlpft sich an jenes der Ne-
mertinen in allen wesentlichen Verhältnissen an. Fast bei allen bestehen
dorsale und ventrale oder auch lateral verlaufende Längsst^mme durch
Queranastomosen unter einander verbunden, sowie vorne und hinten
in einander Übergehend. Das dorsale, Über dem Darm verlaufende
Ungsgefäss bietet die constan testen Verhaltnisse ; es ist stets contractu,
und der Blntstrom bewegt sich in ihm von hinten nach vorne zu.
Es entspricht dem dorsalen Mediangefösse der Nemertinen, sowie die
beiden Lateralstamme des letzteren dem ventralen Gelasse der Annu-
laten entsprechen dürften. Diese GefUsse sind nicht bei allen Annu-
laten abgeschlossen, vielmehr stehen sie auch mit weiteren Räumen in
Znsammenhang, die eine Leibeshöhle repräsentiren. Das gesammte
Geftsssystem ist also hier nicht vollständig gesondert. Die Leibeshohle
persistirt in offner Verbindung mit dem Gefässsystem bei den llirudi-
neen, wie daraus hervorgeht, dass Organe, die sonst in ersterer liegen,
in blutführende Rflume eingeschlossen sind. Solcher Sinusse bestehen
gewOhnlidi dreL Ein mittlerer, den Haupttheil der Leibeshöhle dar-
stellender halt bei Glepsine und PIscicola den Darmcanal und das Bauch-
mark umschlossen, vielleicht auch einen Theil des Dorsalgeßlsses, wo
nicht, wie bei Piscicola. ein besonderer dasselbe bergender Sinus be-
steht. Zwei pulsirende laterale Gef^sse (s. oben Fig. 50. B l) stehen
theils mit dem Mediansinus, theils unter sich durch Queranastomosen
in Verbindung. Bei Hirudo und Verwandten erscheint der Mediansinus
nur am Kopftheile in seiner früheren Besiehung, indem er den Schlund-
ring umgibt. Am übrigen Körper ist er nur ventral entwickelt, und
hält des Bauchmark (s. oben Fig. 50. B n) umschlossen. Dieses
Schwinden des grossen Sinus ist auf Rechnung der Ausbildung eines
feinen Geftonetzes zu setzen, welches an seiner Stelle sich entwickelt
hat, und ahnlich auch die Querverbindungen der Langsstamme betriOl.
Aus den auf den Darm sich vertheilenden Gelassen bilden sich neue
Uingsstamme. Wahrend hier durch Combination der primitiven Median-
stämme mit einem aus Lacunen der Leibeshöhle sich sondernden Canal-
systeme ein complicirter Apparat sich ausbildet, kann durch völliges
Verschwinden jener Mediansiamme das ganze Gefilsssystem sich ein-
Eacher darstellen. Solches ist bei Nephelis der Fall, wo ein weiter
Mediansinus und zwei Lateralgefilsse vorkommen.
Dieser aus einem lacunären System hervorgegangene Getessapparat
bat hei den Hirudineen nicht blos seine Entstehung, sondern auch sein
19:
WUrtner.
Ende gefunden, denn bei den Anneliden ist die Scheidung dea Ge-
füsssysteais von der Leiboshßhie fast durchgehend entwickelt. Wo sie
fel)lt, sind nicht Weiterentwickclungen, wie sie die DiCTerenzirung der
l.eibeshöhle der Hirudincen bot, sondern Rückbildungen im Spiele. '
Das RUckengef^ss (Fig. 81. d) lagert in der Regel
- Fig. 84. dem Darmcanal unmittelbar auf, und erscheint bauGg
;ai in einer denselben bekleidenden Schichte eingebettet.
/i\Ji' Ausser den vorderen und hinteren Verbindungea fin-
[(f^]^[ den noch seitiicho, den Metameren entsprechende stall.
Sic ttieilcn sieh in solche, die den Darm unmittelbar
umfassen und in dessen Wand oft ein reich entwickeltes
CapillarnelK herstellen [viscerale Geisse) und in solche,
welche in die Leibeshöble ragen, entweder zu den
Wandungen derselben , oder zu den Anhangsgebilden
gehen (parietale Gefüsse). Bei den Scolelnen ist das
Verballen der Anordnung meist gleiebmässig durch den
ganzen Körper. Als pulsirende Theile erscheinen ausser
dem dorsalen Längsstaaime häufig noch die Querge-
„ iL-^ fasse, die dann zu einem oder mehreren Paaren be-
wit^-^ trachtlich erweitert sind [Fig. 81, c). In dieser Diffo-
Irj, renzirung eines Abschnittes des Gel^sssystems ist der
Qh'-Iv Anfang zur Ausbildung eines Ceatraloi^ns für den
Kreislauf, eines Herzens, zu erkenneo, die am hliu&g-
Jj f sten vom dorsalen Stamme, oder den Querästen ihren
S/' Ausgang nimmt. Sehr selten ist das Bauchgef^ss con-
tractu. Durch Eatwickelung feiner Geßiss netze , wie
solche z. B. bei Lumbricus als Capillaren im Ktfrper weit ver-
breitet sind, entstehen neue Complicationen des Baues. Von den Hi-
mdineen schliesst sich Branchiobdella im Gefässsystem an die ein-
facheren Befunde der Scolefnen an.
§ 1^^-
Von umgestaltendem Einflüsse auf dieVerlheilung und Differencirung
des Blulgefilsssy Sterns ist die Entwickelung der Athmungsorgane. Bei
den Scolelnen sind solche nicht als disorete Organe vorbanden, und
es kommt entweder der gesammten Kärperoberflilche, oder der Leibes-
bfible durch Wasseraufnahme eine Bedeutung fUr die Athmung zu. Wir
sehen daher keine belangreichen Verschiedenheiten des Gcfossap parates
an den einzelnen KOrperahschnitten, und nur bei einigen im Schlamme
des SUsswasscrs lebenden, z. B. Lumbriculus, deren Hinterleib bei der
Fig. 81. Vorilerer Abschnrti des BIntgefässBjstems ainer jangen Suenuris
vnriegsta. d EMraalgettsB. v VentralgoUss. c Hcriarlig cnA'fliterta Qoeraai-
stamose. Die Pfeile deuten die Ricliluug des Blutstroins an.
G«fli88iiy8tefn. 4 99
Respiration vorwiegend betheiligt ist, zeigen die parietalen Gefäss-
schlingen eine mächtigere Entfaltung.
Auch unter den Chat op öden sind noch jene einfacheren Ver-
hältnisse vorhanden, doch wird die grössere Dißerenzirung des Kopfes
sowie des Munddarmes von einigen Aenderungcn des Geßisssystems bo-
gleitet. Mit dem Auftreten von Kiemen setzt sich der parietale Gefass-
apparat in diese fort, indem im einfachsten Verhalten eine Gefässschlinge
in den als Kieme fungirendcn Anhang tritt. Dabei ergibt sich die Andeutung
einer allmählichen Trennung in einen arteriellen und venOscn Abschnitt.
Dieser Zustand wiederholt
sich mit der Vertheilung Fig. 89.
von Kiemen über eine grosse ^ , ^
Anzahl von Metameren, wie '*i:^A^^I
solches z. B. bei Eunice, -^. Vi,!*?'^
auch noch bei Arenicola, '' "^^r-^-li
besteht. Vom Dorsalstamme
gehen hier ausser zum
Darme, noch Gefässe zu den
seitlich sitzenden Kiemen,
von denen wieder je ein
Gefäss in den Bauchstamm zurückfahrt. (Vergl. Fig. 88.) Aehnlich
verhalten sich die Hermellen, deren Kiemen nur ei&en einzigen cen-
tralen Hohlraum besitzen, so dass keine anatomische Scheidung für das
ein- und austretende Blut besteht. Bei Arenicola findet sich dies Ver-
halten nur an der hintern Körperhälfte. Für die vordere Hälfte der
Kiemen tritt das eine Kiemengef^ss zum Hauptbauchstamme, das an-
dere zu einem visceralen Ventralgcfässe.
Mit der Beschränkung der respiratorischen Anhänge auf eine klei-
nere Körperstrecke, wie solches z. B. bei Tubicolen der Fall ist, ver-
bindet sich eine grössere Ungleichheit in der Ausbildung einzelner Ge-
fässabschnitte. So erweitert sich bei den Terebellen (Fig. 83) das
Dorsalgefäss [v d) über dem muskulösen Munddarme in einen ansehn-
lichen Schlauch, der nach den Kiemen (br) sich in Aeste vertheilt,
und somit als »Kiemen herzu fungirt. Aus den Kiemen kehren rück-
führende GefiSsse zum Ventralgcfäss. Die Function eines Centralorgans
geht bei manchen, wie bei den ScoleYnen, auf Queranastomosen über.
Eine solche vom ventralen Darmgefäss zum RUckengef^ss leitende ist
auch bei den Terebellen vorhanden und bildet functionell einen Tbeil
des herzartigen Abschnittes des Rückengefässes. Dieser verbindet sich
Fig. 8S. Schema tisch«r Querschnitt durch die hintere KOrperhälfte von
Arenicola zur Darstellung des Verhaltens der Gefösse. D Hucken-, V Bauchseite,
n Baachmark. i Darmhöhle, br Kiemen, v Bauchgefiissstamro. a, b Kiemen-
gefitsse. d Räckengeftissstamm. h Don Darmcanal umfassender Ast. v' Ventrales
Danngeföas.
300 Würmor.
hei Arenicola mit zwei mäcbligcr erweilerlen Querger^ssen , die zum
Bnuchstammo Irelcn.
Die bei einer spärlicheren Vcrlheilung von Blulgefüssen conslaolerc
Anordnung löst sich in jenen Abthcüungcn auf, die reiche Gefass-
verzweigungeo am Darme
Fig. 83. und an der Körperwand
besitzen. Wie die Kiemen-
bildung eine Auflösung der
.«a.,». USf-^l IT* IKft Jfcs paiielalen Queranastomosen
^^OffT^'f /"/r--l henorrufl, so tritt diese
^r\ ))M auch an den LiingssUmmen
''«^^\^v '^'"' weiche dann streckeo-
~ ^"^ - ^velse durch ein Gefass-
nelz dargcsUllt sind, aus
dem neue Bahnen sich
her vorbilden Die emen
Collateral Kreislauf iidden-
den Lrscbemungen niUssen
der Beurlheilung auch die-
ser Verhaltnisse zu Grunde
gelegt werden. So ist bei
Polyophthalmus der dorsale
Median stamm längs des
Uitleldarms aufgelöst. Zwei
dorsale und zwei ventrale
Slämme gehen aus den
vorne wie hinten einfachen
Median gefiissen bei den Her-
metlon hervor , und bei
Eunicc ist das vrnlrnie, bei
Nephthys das dorsale Ge-
filss paarig vorhanden.
Rtlckbil düngen des ge-
sanimten Gerdsssystemes
kotnnicn bei Polynoß vor und fuhren bei Aphrodite ^u einem völligen
Mangel desselben, der auch in anderen Abtheilungen (Glycera, Capi-
tellaj u. a. beobachtet ist.
Eine Verbindung dos bei den Anneliden bestehenden Typus des
Gefilsssystems mit jenem der Nenicriinen kann man bei Balano-
glossus erkennen. Sie beruht in dem Vorhandensein medianer und
lateraler Liingsstänime, deren viscerale Aeste jedoch theilweisu dioKiemen-
t'ig. SS. Gerässsyslem vnu Terebolla nebuJoSH Idns Thier ist vom RüoIud
lior gcitlTiiet). t Tentakel (nur zum Tliuil dni'gcitcillj. br Drui Kiemenpeare. ph
Hluükulliser Abschnitt des Uunddarmg [PbarinxJ. t> Darm. t'iJ RuukonBufäaii. w
BaucbgelUss. jNacti MiLNE-EDWikiiDs.;
GeOiaMyslem. SOf
gebssd TorsleUeD, und damit eine von mehreren Würmern sehr ab-
weichende Bildung eingehen (vergl. § 4.34).
§ 152.
Das Gefilsssyslem der Gephyreen bietet nicht blos in seinen Be-
liehongen zum Circulationsapparate anderer Würmer, sondern selbst
für die Veiigleichung der einzelnen Befunde unter einander nicht leicht
versländliche Verhfiltnisse, zumal auch noch manche bedeutende Lücke
in der Kenntniss der anatomischen Thatsachen besteht. Vor Allem be«-
iriffl das den Zusammenhang der Rnume des Gcfüsssystems mit der
Leibeshöhle, der nur durch die Beschaffenheit der perienterisohen Flüssig-
keit wahrscheinlich gemacht wird.
Die wesentliche Anordnung des Gefässverlaufes findet sich in zwei
Längsstämmen ausgedrückt, weiche den bei den Anneliden vorgeführten
Hauptstämmen entsprechen. Der ventrale verläuft längs der Leibes-
wand, indess der dorsale sich an den Darincanal hält, und ihn auf
seinen Windungen und Schlingen begleitet. Die Richtung des Blut-
stroms ist dieselbe wie im Rücken- und BauchgefUss der Anneliden.
Am. einfachsten ergeben sich beide Gelasse in Jugendzuständen
der Sipunculiden. Beide scheinen um den Mund mit einander in
Verbindung zu stehen und communiciren dort mit den Hohlräumen der
Tentakel. Am hinteren Körperende hängt mit dem Rückengefässe eine
Anzahl lebhaft sich contrahirender Blinddärme zusammen. Diese treten bei
Stemaspis in einer anderen Bedeutung auf; indem sie auf zwei Gruppen
vertheilt nach aussen büschelförmig vortreten, stellen sie Kiemen vor«
Bei den Sipunculiden sind ähnliche, aber innere Anhänge längs des
glänzen RücÄengelässes vertheilt. Das Rückengeftiss zeigt sich in seinem
Verlaufe gewunden bei Stemaspis, Bonellia und Echiurus. Wo die
Tentakel fehlen, geht es durch eine zuweilen in feinere Gcf^sse aufge-
llte, den Mund umfassende Gcfässschlingc ins Bauchgef^ss über. Durch
die mächtige, aus der langaasgezogenen Oberlippe entstandene Rüsselbii-
dung der Bonellien wird der vordere Abschnitt des Gef^ssapparates sehr in
die Länge gestreckt. Das Rückengcßiss setzt sich hier bis zum Ende
des Rüssels fort und theilt sich in zwei, die Rüsselrinne umfassende
Zweige, die unterhalb der Mundöffnung im Körper wieder zusammen-
treten. Bei Echiurus fehlt mit dem Rüssel auch diese Bildung. Das
aus der Vereinigung der beiden Gefässschlingen sich bildende Bauch-
gefäss verläuft bei Echiurus und Stemaspis unter Abgabe vieler seit-
liehen Aeste nach hinten. Bei Bonellia theilt es sich kurz nach seiner
Bttdong hinter dem Munde, wird aber dann wieder einfach. Sowohl
bei Ecbiuras als bei Bonellia entsendet es viscerale Gefässe, die mehrfech
bei Echiurus vorhanden, im Mesenterium ihren Verlauf nehmen. Das
vorderste dieser Gefässe bildet bei Echiuras am Darme eine ansehn-
liche Erweiterang, von der ein ventrales DarmgefUss abgeht, und zwei
den Darm umgreifende Anastomosen zum Rückengefäss. In diesem Ver-
202 Würmer.
halten ist eine Verbindung zwischen Rücken- und Bauchgefäss ersichtlich
wie solche bei den Anneliden in vielfacher Wiederholung sich triffl.
liier ist diese Einrichtung auf eine Stelle beschränkt, oder doch da
vorwiegend ausgebildet. Das von dem Annelidentypus Abweichende
wird durch die Entfernung des Darmrohrs von der ventralen Median-
linie bedingt, in Folge dessen die Anastomose nicht sogleich paarige
sondern als einfaches Gefäss vom VentralgefJsse hervorgeht. Bei
Bonellia sind weitere Umbildungen bemerkbar. Die Queranastomose zu
dem längs des Darmes verlaufenden Rttckengefäss entwickelt sich
jederseits am Darme zu einem ansehnlichen Schlauche, aus dem nach
vorne zu das Rtickengeßiss zu entspringen scheint, da sein hinterer
Abschnitt entweder fehlt, oder gegen den erweiterten vorderen bedeu-
tend zurtlcktritt. Auch in diesem Verhalten sind entfernte Beziehungen
zu Anneliden ausgedrückt. Der wichtigste Unterschied besteht also in
der Beschränkung der den Darm umgreifenden Queranastomosen auf
eine einzige, die zudem in eigenthümlicher Weise umgewandelt ist
und somit wieder ein der rudimentären Hetamerie entsprechendes
Verhalten äussert. Als Organe der Blutbewegung dienen beschränktere
oder ausgedehntere Gefössstrecken , die in den einzelnen Formen sehr
verschieden sind.
§ 153.
In den bisher betrachteten Formen des Blutgefässsystems war die
Rolle des Centralorgans auf die mannichfaltigsten Abschnitte übertragen,
und es bot sich in dieser Hinsicht, nicht minder wie in der Zabl der
vorwiegend contractilen Strecken eine grosse Mannichfaltigkeit. Dadurch
entsteht ein Gegensatz zu den Tun icaten, bei denen das Gef^ssystem,
wenigstens in den wichtigsten Puncten übereinstimmend, abweichende
Verhältnisse bietet. Diese sprechen sich vor allem in dem Vorhandensein
eines He rzens aus, welches aus einer Strecke des ventralen
Längsstammes hervorgegangen sein muss. Auch da, wo es
den einzigen Abschnitt der Blutbahn bildet, hat es eine ventrale Lage.
Es erscheint allgemein als rundlicher oder länglicher Schlauch, in der
Regel von einem dünnwandigen Pericardium umgeben, zwischen den
Eingeweiden und der Kieme angebracht. So nimmt es bei den Appen-
dicularion das frei in der Leibeshöhle circulirende Blut auf und
giebt es wieder ab, ohne mit Gefässen in Verbindung zu stehen, so
dass die Blutbewegung im Ganzen wenig regelmässig ist. Kino höhere
Stufe nehmen die A seidien ein. Das langgestreckte Herz derselben
liegt in der Nähe der Verdauungs- und Geschlechtsorgane und biegt
sich an beiden Enden in je ein Gefäss um, von welchen das eine
mit den in der Darmwand entwickelten Blutgefässen in Verbindung
steht, indess das andere sich in Canäle fortsetzt, die ventralwärts ver-
laufen und mit den Gefässen der Kieme zusammenhängen. Wie die
Geflls»yst0iii.
203
dorsalen Kiemeogetesfie, sowie die im Integament verbreiteten, oTi
reiche Netze bildenden Canäle mit dem Hersen in Verbindung stehen,
ist Dicbi sieber ermiitelt, ebenso fehlt es an bestknmien Angaben Ober
den Zusammenhang des Gefässsystems mit der Leibeshöhie.
Bei den Salpen ist der kurze, dünnwandige, meist durch Ein-
schnürungen abgetheilte Herzschlauch (Fig. 84. c) an einem Ende mit
einem grossen an der Bauchseite verlaufenden Gefttsscanale (t;) in Ver-
bindung, sowie er an dem andern Ende sich gleichfalls in einen Ge-
^canal fortsetzt; der letztere geht bei den mit einem sogenannten
Nucleus (rt) versehenen Formen in ein diesen durchziehendes Hohl-
maschcnsystem über, welches die Darmgefässe der Ascidien roprösentirt.
Bei den übrigen Salpen soll er
sich in mehrere, nach dem
Rücken verlaufende Zweige thei-
len die in einen Längscanal sich
fortsetzen. Dieses Rttckengeföss
'v'] steht durch eine Anzahl
vielfach unter einander anasto-
mosirender QuercanSle (v") mit
dem Bauchstamme in Verbin-
dung. Zwischen dem vorderen
Theile des Rückengefösses und dem hinteren aus dem Herzen hervor-
kommenden Gefässe besteht noch eine directe Communication, die durch
mehrere die Kieme durchziehende und dort sich verzweigende Gefässe
hergestellt wird.
Allen Tunicaten eigenthümlich ist die wechselnde Richtung
des vom Herzen in Bewegung gesetzten Blutstromes, der
bald nach der einen, bald nach der andern Seite hin bewegt wii*d, so
dass also von einem arteriellen oder venösen Abschnitte der Biutbahn
nicht wohl die Rede sein kann. Wenn das Herz eine Reihe von Pul-
sationen nach der einen Richtung hin vollführt hat, so tritt plötzlich
ein Moment des Stillstandes ein und es beginnen die peristaltischen
Bewegungen des Herzschlauches nach der entgegengesetzten Richtung.
Auch diese Erscheinung entspricht einer unvollkommenen Ausbildung
des Circulationsapparates.
§ 454.
Den Inhalt >der Leibeshöhle wie des Gefdsssystems bildet die er-
nährende Flüssigkeit, deren Formbestandtheilc meist wenig diffe-
Fig. 84. CirculationssysteiD vonSalpa maiima. a Eingangsöffoung. ft Aus-
warfsöffDang. hr Kieroenbalken. br' Ansatz der Kieme an der oberen Körper-
«and. vi Eingeweideknttuel (Nucleus). c Herz, v BauchgefKssstamm. v' Rttcken-
gel^ssstamm. v'' Verbindende Quergeräss^ttfmme. (Die feineren Verästelungen der
Gefiisse sind nicht angegeben.) * (Nach Mani-EDWAiuM.)
204 Würmer.
renzirto Zellen sind. Bei bestehender Sonderang des Gefässyslcms
von der Leibeshöble wird das Contentum des ersteren als Blut be-
zeichnet. Farblos sind dessen Formelemente bei vielen Anneliden
wie bei allen Tunicaten. Bei manchen Nemertinen erscheint eine
rothe Färbung der Blutzellen (Borlasia) , auch bei vielen Anneliden
ist die Blutflüssigkeit geförbt, seltener grün, häufiger roth, wobei in
mehrfachen Fällen die Formelemente als Träger des Farbstoffes sich
ergeben. Doch besteht bestimmt auch eine Färbung des Plasma
z. B. bei Lumbricinen. Die Sonderung des Getässsystems lässt den
Inhalt der Leibeshöhle meist auf einem indifferenteren Zustande, so dass
dann ausser dem Blute noch eine stets ungefärbte Perivisceralflüssigkeit
(auch als Chylus bezeichnet) vorkommt. Bei rückgebildetem Geßlss-
systeme erscheint das die Leibeshöhle füllende Fluidum nicht selten, in
Uebereinstimmung mit dem Blute anderer, in rother Färbung (Glycereen).
Dritter Abschnitt
Echlnodermeii.
▲ llgemoin» Uebersioht.
Eine durch Ausprägung eines besonderen Typus sich enger ab-
greDsende, und damit selbständiger darstellende Gruppe bilden die
Echinodermen. Die Sonderung des Darmcanals unter Bildung einer
Perivisceralhöhle unterscheidet sie von den Cölenteralen, sowie die Ver-
kalkung der jene Leibeshohle umscbliessenden Integumentschicbte (Peri-
som) im Zusammenhalte mit der radiären aus mehr als swei An-
timeren bestehenden Körperanlage eine gegen die hdher stehenden
Abtheilungen siemlich scharfe Grenimarke abgibt. Diese Untersohei-
duog der ausgebildeten Echinodermenform von anderen Typen ist in
den Larvenzuständen noch nicht vorhanden, daher auch an diesen vei^
wandtschaftliche Beziehungen mit anderen Typen zu erkennen sind.
Diese sind um so mehr hervorzuheben, als der actinoYde Typus der
Echinodermen Veranlasung gab, sie mit den Cölenteraten zu einem
grossen Kreise, jenem der Radiaten oder Strahlthiere, zusammenfassen,
welche Verbindung bei genauerer Prtlfung nicht zu rechtfertigen ist.
Diese spricht sich in der Erkenntniss der Verwandtschaft mit den
Würmern, besonders mit Anneliden und Gephyreen, aus. Sowohl die
innere Organisation der Echinodermen, als auch die äussere in der
Melan)erenbildung sich kundgebende hat diese Vorstellungen fester be-
gründet. Daraus entwickelte sich endlich die durch Häckkl aufgestellte,
den Echinodermen-Organismus erklärende Hypothese, der zufolge diese
Theile aus Stocken wurmartiger Organismen sich hervorbildeten.
In der Larvenform der Echinodermen zeigt sich eine völlige lieber-
einstiromung mit den Larven von Würmern. Wie bei manchen der
letztem legt sich auch hier im Innern des Larvenleibes ein neuer Or-
ganismus an. Die auftretende Knospung lässt die DifTerenzirung einer
Mehrzahl von Individuen wahrnehmen, und damit tritt die Erscheinung
in eine bereits genauer gekannte Reihe ein. Die einzelnen Sprossen
sondern sich allmählich bis zu einem gewissen Grade von einander,
206 Echinodermen.
um jedoch niemals völlig sich zu trennen, so dass ihnen eine Anzahl
von Organen, oder einzelne Abschnitte von Organsystemen gemein-
sam angehören. Die knospenden , zu einem einzigen Organismus
verbunden bleibenden Individuen verlieren dadurch ihre Selbständig-
keit und sinken zur Bedeutung von Körpertheilen (Antimeren) herab.
So bildet sich durch eine eigenthUmliche Ontogenese ein beson-
derer Thierstamm, der die Würmer voraussetzt, da er von ihnen sieb
ableitet, und desshalb über sie geordnet werden muss.
Die einzelnen Abtheilungen der Echinodermen ordnen sich in fol-
gende Uebersicht:
I. AsteroYda*).
Asterida.
AsteracanUiionf Sokuter, AstTttpedeUf Luidia.
Brisingida.
Brisinga.
Ophiurida.
Ophiodemia, Ophiolepis, Ophiolhrijo, Ophiocotna.
Euryalida.
AstrophyUm.
H. CrinoYda.
Brachiata.
Penlacrinus, Comatula.
iil. EchinoYda.
Desmosticha (Hkl.).
Cidarida.
Cidaria,
Echinida.
Bchinus, Echinometra.
Petalosticha (Hkl.).
Spatangida.
SpaUmgiu,
Clypeastrida.
Clypeasler, Laganum, Sculella.
IV. Holothuroida.
Eupodia.
Holothuria, Molpadia, Pentacta, Psolus. Cuvieria.
Apodia.
Synapta, Chiroäota.
Literatur.
TiBDBiiAiiN, Anatomie der Röhrenholothurie, des pomeranzenfarbigea Seesteriies
und Steinseeigeis. Laiidshut 4816. — Agassis, Monographie d'Echino-
*) Weil die ältesten Echinodermen umfassend, und auch bezüglich der Or-
ganisation den Stammformen am nächsten stehend , müssen die Asteroiden voran
gestellt werden. In ihnen beizuzählenden fossilen Formen erscheinen zugleich mi(
der folgenden C lasse (Crlnoiden) verwandte Zustände.
KOfp«r(MiD.
«07
Aerme» vivaM et foMlte*. Nmifschttel (SSI— 41. Dana vonttgllcfa dj«
■eitle LiefeniaB: •V*Liiitin, l'AnatiMnifl du genre Eehinu» «lUMLtepd. —
Sbak»«, Art. Echinodermala in Fodb Cyclopaedli 11. — Komei, Ed., A
history o{ britisb Slarflahes. London 18U. — I. HtbLtk und Tmichel,
System der AslaridoD. Brtunschwelg 4St). — Onintiricii, Aiwtomie der
Syaapta Duvarna««. Ann. m. nat. II. ivin. — i. UIller, Ueber deo Bau dM
PeDlacriuuB capal laeduue. Abb. d. Berl. Acad. tS4i. — J. Uvllik, Aob-
tomiscbe Studien Überdie Echinodennen. Archiv f. Amt. u. Pbys. 4S5D. —
Derselbe, Die Erzeugung von Schnecken in Holothurien. BeHin 1 »St.— Der-
selbe, Heber den Baa der Eehlnodermen. A. B. )8BI. — BiU», Beilrige
(ur Naturgeschichte der Synapta digitals. N. A. L. C. XXXI. — Sabi,
Overaigt of Nor^a Echinadermer. Cbrittlaala 4SSI, — W. TnoHM», Un
Ihe embryogeny a[ AutedoD rosaceus Phil. Trans. ltl*S. U. — CiarHi»,
ttesearches oa glniclare etc. oF Auledon rosaceus. Phil. Transact. UM. —
SiM, Memoire pour servir a la cunnaissance des Crinoidea vivants. Chrisliania
tBSS. — C. K. HoFraAnn im NlederlHod. Archiv f. Zoologie. IB1I, 71.
Von gleich power Bedeutung sind die Schriften über Entwlckelung
der Echioodennen : J. UUll». Bieben Abbaodlungeo über die Larven
und UclaiDorphoMn der EcblnodermeD in den Abhandlungen der ftertiner
Academie. 1848—». — Agamii, Embryology of Ihe SUrflsli. Coutrib. to
Ihe nat. bist, of D. S, Cambridge ls«t.
§ 196.
Die morphologischen BezielmD^^en der verscliiedencn Echinodermrn-
Ablheilungen zu einander wie zu den niederen Fumien, sind vorzUg-
lieh durch die Entwickelting verstjindlich. Die nus dem Ei hervor-
gegaogene Lai^e besitzt nur zwei Antimeren (bilaterale Symmetrie) und
Fig. 85.
Stimmt in allen wesentlichen Puncten mit den Larven von Ringel-
wünnern tlbcrein. Eine Wimperschnur umgibt entweder die den
Bund tragende orale Flache (vergl. Fig. 85. A] oder sie ist in zwei
Fig. RS. Larvenformeo In seillicher Ansicht. A Larve einer Holothurie. B
Lirte eine« Seesiemes (Bipinnarien typus). CD Wunnlarven. o Mund, t Hagen,
a 4[ter. v Praeorale Wimperschnur In 0, C, D selbständig, in A ein orales Petd
urpiaiiinend.
«08
EchinoderroeD.
Fig. 86.
Kränze gesondert, davon einer ein prseorales, der andere ein poslorales
Feld umschliesst (Fig. 8-^. ß). Die erslere Larvenform findet sieb bei
Hololhurien, die zweite bei Asteriden. Diese Formen liegen auch den
Larven anderer EchiDodermen zu Grunde, wobei jedoch bei Opbiuren
und Seeigeln eine Anzahl von Fortsiitzen sich ausbildet (Fig. 86.], auf
welche die Wimperschnur gleichfalls übergebt. In vereinzelten aus
Anpassungen erklärbaren Fitllen wird die Lrirvenforin übersprungen
und der Organismus des Ecbinodernis gebt ohne jenes ZwiscbensUtdium
aus dem durchfurchten Eie hervor.
Die AnInge des Rchinodermenkürpers erfolgt um den Darm der
Larve. Bei den AsloroTden sprossen aus einer gemeinsamen Anlage
fünf oder mehr Theile hervor, die
künftigen üArmeu oder nSlrablenic des
Seoslernes (Fig. 86. Aj. Das freie
Ende des Strahls erscheint zuerst
selbsUlndig, das andere Ende bleibt
mit der gemeinsamen Masse verbun-
den. Diesel entspricht dem Vorder-
thcilc, das freie Radienende dem llin-
Icrlheile eines WurmkOrpers. indem
die Anlage jedes Armes wuchst, er-
scheinen an ihm Gliedslücke (Ueta-
mcren) zwischen Basis und Spitze.
Jedem Arme eines Seesternes kommt
ein gewisses Uaass von selhst<indiger
Organisation zu ; seine Organe, wie
Darm, Nerven- und Geßlsssystcm,
auch Geschlechtsorgane, stimmen in
ihren Lager ungsbc^iehun gen genau mit den homologen Oi^ancn von
RingelwUrmern übercin. Ninmit man von da aus einen Beweggrund, jeden
der sprossenden Arme mit einem wuimnrligcn Oi^anismus zu ver-
gleichen, so wird man den aus dem Sprossungsprocoss hervorgebenden
Seeslern alseinemMullipluni solcher Organismen entsprechend bcurtheileri
müssen, und in der ganzen Erscheinung einen ähnlichen Vorgang sehen,
wie er bei andern niedern Thieren Platz greift, z. B. bei den zu-
sammengesetzten Ascidien (vergl. oben §. 90). Es ist ein Sprossungs-
process mehrfacher Einzelthiere , der nicht zu einer vollsltlndigcn
Trennung der letzleren hinführt, sondern dieselben zu einem Indivi-
duum höherer Ordnjing verbunden bleiben lUsst.
Dass in Folge der Unvollstündigkeit der Sonderung nicht blos
!tusscrlich ein Zusammenhang der Sprossungsproducle besteht, sondern
dass iiucb eine gewisse Summe innerer Organe verbunden, und daher
Hpros.suiKtcn
r Upliiurc (Pluleiisform). A AnInge d«8 Ecbinodernis mit
i' t' Vorlslilze des I.nrvcnktirpors rail dem Reriisle von
K6rperforfD.
909
fttr deD Gesammtorganismus gemeinsam bleibt, scheint nicht schwer
zu versleben.
§ «57.
Wir sehen also einen Organismus entstehen, dessen Antimeren in
den radiär angeordneten »Armena sich darstellen, deren jeder ursprüng-
lich den Werth einer Person besitzt. Aus der Concrescenz derselben
entsteht ein Individuum höherer Ordnung, ein Thierstock. An jedem
der Arme des Seesterns wird eine orale und ahorale FUiche untcr-
scfaeidbar. Die Verbindungsstelle siinimtlicher Arme bildet den ge-
meinsamen Körper, der die Mundöffhung trügt. Diese liegt an der
ventralen Fläche, welche dadurch als orale erscheint und sich der
aboralen entgegenstellt. Sie ist an den Armen durch Reihen von schwell-
baren und beweglichen Fortsätzen — AmbulacralfUsschen ~ aus^
gezeichnet , die an einer längs des Armes laufenden Vertiefung (Ambula-
cralrinne) angebracht sind. Sie entsprechen einer auch an andern
Tbeilen ausgedruckten Metamerenbildung der Arme. 4 Reihen finden sich
bei Asteracanthion, 2 Reihen bei der Mehrzahl der übrigen. Ob diese
Gebilde mit den Parapodien der Würmer nahe verwandt sind, ist un-
bestimmt. Die ventrale Flüche wird nach ihnen als ambulacrale be-
zeichnet. Ambulacrale und antiambulacrale (dorsale) Fldcben besitzen
gleiche Ausdehnung.
Das Maass der SelbstUndigkeit der Arme im Vergleiche zum ge-
meinsamen Körper ist sehr verschieden , und bei nicht wenigen zeigt
sich eine VerkUnung derselben zu Gunsten der Körperscheibe, und
lässt dadurch in gleichem Grade (Oreaster, Pteraster, Goniodiscus,
Fig. 87. Drei Formen von Seeslerncn ABC, an denen die Concre%cenz und
damit das Aufhören der Selbständiglceit der Arme sich allmählich vervollständigt.
Alle drei sind von der oralen Körperfläclie dargestellt, welche zugleich die am-
bnlaerale ist. Die Ambnlacra sind durch Punctreihan dargestellt, o MundttfTnung.
V Radien (Arme), ir Interradien.
G«C«nbftiur, OreadriM. 44
S 4 0 Echinodermen .
Asteriscus) die Vorstellung der ursprünglich individueHen Bedeutung
der Arme verloren gehen. Die Vergleichung der drei umstehenden
Formen von Seesternen (Fig. 8T, A, B, C) gibt das deutlich zu ver-
stehen. Auch die Zahl der Radien steht bei den Seestemen nicht
fest. Sie ist bei einzelnen Gruppen derselben variabel, steigt bei
Solaster auf 4 4 , bei Asteracanthion kann sie in einzelnen Fallen auf 4
sinken, doch bilden sich bei der Mehrzahl fünf Radien typisch aus,
und lassen dadurch auf eine gemeinsame Abstammung der bezüg-
lichen Abtheilungen schliessen.
§ 458.
Von der für die Seesterne geltenden Form leiten sich die Ver-
hältnisse der übrigen Echinodermen ab, und zwar nach zwei divergenten
Richtungen. In beiden kommt es zu einer grösseren Centralisation
des Organismus, aber auf verschiedene Weise. In der einen Richtung
ergibt sich eine grössere Entfaltung der Arme unter stufenweise aus-
geprägtem Verlust der Beziehungen derselben zu den inneren Organen.
Bei der andern Richtung spricht sich ein
Fig. 88. vollständiges Aufgehen der Arme in den ge-
meinsamen Körper aus. Die Fünfzahl der
Radien erscheint constant. Die erstere Er-
scheinung findet sich bei Brisinga und
den Ophiuriden, deren Leib in einen schei-
benförmigen centralen Theil (Fig. 88. s) und
davon ausgehende, aber scharf abgesetzte
Arme (r) gesondert ist. Die Arme bethei-
ligen sich nur in geringem Grade an der
Bildung der Leibeshöhle, welche fast aus-
schliesslich auf die Körperscheibe beschränkt
ist. Den Ophiuren fehlt die Ambulacralfurche, die Anibulacra sind
aber noch längs der Arme ausgedehnt.
* Durch dichotomische vielfach wiederholte Theitungen sind die
Arme der Euryaliden bedeutender ausgebildet. Eine flache Rinne
setzt sich auf die Theilungen fort. Die in früheren Perioden in grosser
Verbreitung und bedeutendem Formen reichth um erscheinenden, gegen-
wärtig nur in einigen Gattungen vertretenen GrinoYden sind unter Ver-
lust der freien Ortsbegung in festsitzende Zustände übergegangen.
Bei der die lebenden Formen mit umfassenden Abtheilung der Brachiata
hat sich vom antiambulacralen Theile des kelchförmigen Körpers aus
ein oft mächtiger, gegliederter, durch Verzweigungen und Anhangs-
gebilde ' complicirter Stiel entwickelt , der zur Befestigung dient. Die
nicht immer in der Fünfzahl, häufig zahlreicher vorhandenen Arme
Fig. 88. Scbematische Darstellung der Körperform einer Ophiure. o Mund,
$ Körperscheibe, r Arme.
I KOrperform. . Sil
•
bieten in der Regel eine bedeutende Aasbildung durch Theilungen
oder secundflre Anhange. Die Ambulacralrinne erslreckl sich auf die
Arme und IHssI die AmbulacralfUsschen als tentakelartige Gebilde her-
vortreten. Der festsitzende Zustand ist bei einigen auf die Jugend
beschränkt, und sp£lter löst sich der anntragende Körper vom Stiele
(Antedon, Comatula).
§ 159.
Die andere Reihe der Modificationen der Körperform fuhrt zu den
EchinoYden. Die Armbildungen sind als selbständige Theile gttnx-
lieh zurückgetreten. Der bei den Höhten Seeigeln (Desmosticha) mehr
oder minder kugelförmige Körper zeigt die Ambulacralbildung über den
grössten Theil der Oberfläche
ausgedehnt. Die Ambulacral- Fig. 89.
felder bilden fünf vom Mund-
pole (Fig. 89. A. o) bis zum
entgegengesetzten Pole (Fig.
89. B, q) ziehende Streifen,
die durch ebensoviele der
Saugftlsscben entbehrende
Felder (Interambulacra] von
einander getrennt sind. Das
aborale Polfeld (Apicalpol)
^ird von der in hohem Grade beschränkten antiambulacralen Fläche
eingenommen. Die bei den Seesternen ziemlich gleichmässige Ver-
tbeilung von ambulacraler (oraler) und antiambulacraler (aboraler;
Oberfläche des Körpers ist also hier vollständig umgeändert, indem
die erstere das Uebergewichl über die andere erhielt. Denkt man sich
also eine Seeslernforni, deren Arme ganz in den gemeinsamen Körper
übergingen (vergl. Fig. 87. C\ , so wird eine Rückbildung der an-
tiambulacralen Fläche und eine daran geknüpfte Ausbildung der am-
bulacralen, zur Seeigelform hinüberführen.
Diese Einrichtung erscheint bei den Petalostichen theils durch Ver-
änderung der Lagebeziehungen von Mund und Afteröffhung, theils
durch die Ambulacral felder modificirt. In letzterer Beziehung ist die
Beschränkung der Ausdehnung jener Felder von Belang. Sie bilden
eine auf der Dorsalfläche befindliche fünfblättrige Rosette, von deren
Blattenden bei den Clypeaslriden noch Spuren einer Fortsetzung der
Felder bis zum Munde verfolj^bar sind.
In noch höherem Maasse als bei den Seeigeln gehen die Spuren
der ursprünglichen Bildung des Eohinodermenkörpers aus einem Multi-
Fig. 89. Scbematische Dar$tcllung| eines Seeigels. A von der oralen Fläche.
A in seitlicher Ansicht. Ambulacra durch Puncireihen dargestellt, r Radien.
<> Interradien. o Mund, a AfteröfTnung. Letztere von deren antiambulacraler
FtSche umgehen.
242 Bcbinodermen.
plum von Individuen bei den HolothuroYden verloren. Der walzen-
förmige Körper kann aber von den regulären Seeigeln abgeleitet
werden, wenn man sich letzteren gestreckt vorstellt. Orale und aborale
Pole beider entsprechen sich, ersterer durch die Mundöffnung, letzterer
durch den After ausgezeichnet. Die antiambulacrale Fläche ist ver-
schwunden. Bei den ächten Holothurien (Eupodia) wechseln ambula-
crale und interanobulacrale Felder vom Munde bis zum After ziehend.
In verschiedener functioneller Verwendung können jedoch einzelne der
Ambulacralf^lder eine Ausbildung, andere eine Rückbildung eingehen.
So erhalten sich drei Ambulacralfelder an einer als ventralen oder Sohl-
fläche fungirenden Fläche bei Psolus, indess die beiden übrigen der als
Dorsalfläche fungirenden Strecke der Körperoberfläche zugehörigen riXck-
gebildet sind. Bei Cuvieria ist dieses Verhalten zu einer scheinbaren
Auflösung der drei ventralen Ambulacra weitergeführt.
Die Rückbildung der Ambulacra erscheint allgemein, bei den
Synapten und damit ist auch äusserlich die in der Vertheilung der
Ambulacra ausgesprochene radiäre Organisation aufgelöst, nachdem schon
bei den AsteroYden die Radien zu Gunsten eines sich centralisirenden
Organismus die auf sie vertheillen Organe abzugeben begannen.
QUedmaassen.
§ 160.
Nicht so mannichfach als bei den Würmern^erscheinen die An-
hangsgebilde des Integumentes, welche als Giiedmaassen sich betraditen
lassen. Von solchen Theilen müssen die Saugfüsschen, Am-
bulacralfüsschen, voran gestellt werden, da sie die verbreitetste
Einrichtung bilden, die, oiTenbar aus gemeinsamer Stammform ent-
sprungen, zum Typischen der Echinodermen - Organisation gehört. Es
sind schlauchförmige, meist cylindrische Fortsätze der Leibeswand, die
sowohl durch ihre Anordnung in Reihen (der Metamerie der Radien
gemäss) wie auch durch das Wesentlichste des Baues mit den Para-
podien der Anneliden überein kommen, aber im Ganzen sich doch
einfacher verhalten, als diese. Der grösseren Gleichartigkeit ihres Baues
entspricht die mindere Verschiedenheit der Function.
Dais freie Ende dieser röhrenförmigen Gebilde ist entweder abge-
plattet und mit einem saugnapfartigen Ende ausgestattet (Seeigel] ; oder
es ist konisch zugespitzt oder abgerundet (Seesteme) , zuweilen auch
noch mit einer knopfartigen Anschwellung versehen. Andere besitzen
seitliche Einkerbungen oder secundäre Fortsätze (Ophiuren und Cri-
noYden), und diese bilden dann den Uebergang zu jenen Formen der
Ambulacralgebilde , die nicht mehr locomotorisch sind, sondern als
Ambulacralkiemen oder auch als Ambulacraltaster (fühlerartige Bil-
dungen} erscheinen.
Durch die Anfüllung mit Flüssigkeit gerathen die Füsscben in den
GliedmaaMen. Ü 3
Zustand der Schwellung und werden in Folge dessen erigiri, so dass
sie sich mehr oder minder weil ausstrecken. Ihre Ausdehnung richtet
sich nach der Lange der starren Integumentanhänge, so dass man die
längsten SaugfUsschen bei den langstacheligen Seeigeln antrifft. Beim
Strecken heftet sich das Ende fest, und das Pttsschen vermag nun,
sich contrahirend , den Körper des Thieres nach der Anheftungsstelle
hin fortzuziehen, eine Art der Ortsbewegung, die namentlich bei See-
igeln oft ziemlich behend ausgeführt wird. Bei der Bewegung be-
theiligt sich immer eine ganze Gruppe von FUsschen, durch deren Zu-
sammenwirken eine gewisse Energie ermöglicht wird. Die Vertheüung
dieser Gebilde über den Körper ist in den vorhergehenden §§ berück-
sichtigt, und ihrer Beziehungen zum Gefösssysteme wird bei diesem
Erwähnung geschehen.
Bei den GrinoYden übernehmen um den Mund stehende Saug-
füsscben die Rolle von Tentakeln, weiche Bedeutung in manchen
andern Fällen mit der locomotorischen Function '^ich combinirt. Da-
durch treffen sich auch selbständiger differenzirte Tentakelbildungen
mit jenen Organen verknüpft, nämlich die Tentakel in der Nähe der
Mundöflhung bei HolothuroYden (vergl. Fig. 404. 7). Sie erscheinen
bald gefiedert, bald verzweigt, und sind meist vollständig einziehbar.
Bei manchen Synaptcn tragen sie Saugnäpfe (S. duvernaea). Ihr Binnen-
räum steht mit demselben Gef^sssystem wie die Ambulacraifüsschen in
Gommunication.
Verschieden hiervon sind die sogenannten Uautkiemen, welche
auf der antiambulacralen (dorsalen) Körperfläche der Seesleme ver-
breitet sind, und bei den Echiniden als fünf Paare contractiler Bäum-
chen in der Nähe des Mundes stehen. Sie communiciren mit der
Leibeshöhle.
Ihtegument und Hautakelet.
§ <64.
Bei den Echinodermen erscheint derselbe Uautmuskelschlauch, wie
bei den Würmern, allein das Integument ist von der Muskulatur schärfer
gesondert. Letztere bildet grösstentheils eine die Leibeshöhle begren-
zende Schichte, der das Integument aussen auflagert. Dieses wird durch
einen besonderen Zustand ausgezeichnet, indem die Beweglichkeit des
Körpers durch Einlagerung von Kalk in die mit der Muskulatur zum
»Perisom« verbundene Integumentschichte mehr oder minder beein-
trächtigt wii*d.
Diese Erscheinung tritt bereits selbständig in der Larve auf, er-
reicht aber hier nie ein bedeutendes Volum, vielmehr bietet sie durch
stabförmige Bildungen einer reichen Entfaltung von Fortsätzen eine
festere Stütze. Auf den Fortsätzen ziehen sich saumartig wimperndc
3U
Echinodarmen.
Wulsl« hin, welche, in vurschiedon complicin«r Anordnung, den loco-
motorischen Apparat der Larve vorslclleti {s. Fig. H6. d, d' e]. Der
Vcrlhcitung der Cilicn auf die leistenftlrniigcn VorsprUnge der söge-
nannl£ii Wimperschntlro gebl eine allgemeine Bcwimpemng dos Kör-
pers voraus, die auf den indilferentcsten Zustand der Larve be-
schränkt ist.
Diese Bewimperung erhult sich auch spHtcr an vielen Stellen der
weichen das Kalksketet übe rk leidenden Uautschichlc ; so ist sie z. B.
sehr entwickelt an den bei den Spalangeii zum Uunde eiehcnden Wim-
perbahnen (Semitae).
An anderen Stellen wie an den Hautkienien (s. oben S. 213)
scheint die Bewimperung mit der lespiralorischen Function
des Integuments in Verbindung zu stehen, an der übrigens auch die
AmbulacralfUsschen betheiligt sein werden.
Der Grad der Verkalkung ist sehr verschieden. Bald sind die
Kalktheilchen in grösseren Abschnitten unter einander vereinigt, und
stellen entweder beweglich oder fest mit einander verbundene Platten
vor, ein Verhalten, welches theils über den ganzen Kärper verbreitet,
tfaeils auf bestimmte Strecken der Kürperobcrllache beschrankt ist. Bald
erscheinen die Kalktheilchen wieder zerstreut und gcsl+illenmannich-
fache Formveränderungen des Körpers. In diesem Falle geht auch in
der übrigen Ot^nisalian ein
r Theil des Echinodermco-
charakters verloren , so dass das
Schwinden der Hautverkalkung
ein Auslaufen des Typus bezeich-
net, und die ganze Erscheinung
der mangelhaften Kalkablagerung
nicht als ein Anfangszusland der
Formenreihe, sondern als deren
Ende sich herausstellt.
Durch die Verkalkung wird
das Integument Stutzorgan des
Korpers, Hautskelet, welches
in manchen Fallen auch ForW-
Sätze ins innere des Körpers al>-
sendet. Durch letztere entstehen
verkalkte Bitdun^^en, die als in-
nere Skelete sich mit dem äusse-
ren combiniren. Die Verkalkung
ergreift nie die ganze Dicke des Perisoms. Immer bleiben die ver-
kalkten Tbeile sowohl innerlich, als auch an der Oberflache mit einer
Fig. 90. Ansicht des Kstknclzes aus einer Plolle des Haulskclets eines See-
igels (Cidaris). b Durchschnitte senkrecht auf das horizontale Netx gericbleler
Balken, (MHüsig starke Verg rosse rung.]'
Flg. »0.
• • • • •
^»^|W
Integament und Haiitokelet. 245
dünnen, weichen Uautochicbte ttbertogen, die sieh jedoch an einzelnen
Tbeilen frtthieitig aMtfsl, so* dass die verkalklen Parthieen zu Tage kom-
mea, wie dies z. B. an den slachelfbmiigen Gebilden, sowie an an-
deren Voreprttngen des Kalkskeleis regelmässig geschieht.
Die Ablagerang des Kalks in die Integunienischichte geschieht im-
mer in regelmässiger Form. Es entstehen zierliche giUer- oder netz-
förmige Stractoren (vergl. Fig. 90) , in deren Zwischeorttumen weiche
or^nisobe Substanz sich forterhält. Auch die solidesten Skeletatttcke
werden so yod Weichgebilden durchzogen, und da, wo die Bildung
des Kalkskelets nur durch vereinzelte mikroskopische Einlagerungen
repräsentirt wird, erscheinen die.se meist in bestimmter Gestalt, cha-
rakteristisch für Gattungen und Arten.
Das Kalkskelet der Larven bildet einen meist aus einem Gerüste
lierlicb zusammengefügt«', zuweilen gilterförmig durchbrochener Stäbe
gebildeten Stützapparat. Es findet sich in den Classen der EchinoYden
und Ophiuren verbreitet, sowie auch bei den Larven der HolothuroYden
Kalkgebilde vorkommen. In dem Vorhandensein eines Kalkskelets bei
den Larven ist zwar das beim Echinoderm sich ausprägende Verhalten
im Allgemeinen gegeben, allein dabei ist nicht zu übersehen, dass
jenes Larvenskelet der Form der Larve entspricht und nicht jener des
Echinoderms, wie denn auch kein Tbeil von ihm bleibend in die Echi-
Dodermanlage übergeht.
Beztlglich des speciellen Verhaltens des Uautskelets ist für die
Asteroiden das Vorkommen beweglich unter einander verbundener
Stücke an der Ambulacralfläche der Arme charakteristisch. Vom Munde
bis zur Armspitze besteben ' quergelagerte Paare sich aiimähiich ver-
jüngender Kalkstücke, und bilden die Grundlage einer Furche,
der Tentakelrinne. Die einzelnen StUcke bedingen durch Gelenkver-
bindungen eine Gliederung und zwischen den soliden Gliedern treten
die SaugfUssoben hervor. Daher werden diese Kalkstücke als Ambu-
lacralplatten bezeichnet. Da aber in dieser Furche noch bestimmte
Weichtheile (Ambulacralcanal und Nerven) eingebettet sind, so er-
scheinen die bezüglichen Gliedstücke nicht als reine ilautskelettheile.
An den Seitenrändern der Furche steht das Skelet mit dem den Rücken
der Arme überkleidenden Hautskelete in continuirlicher Verbindung,
und hier zeigen sich häufig Tafeln oder Schilder in einfachen oder
mehrfachen Längsreihen. Diese auch durch Höcker vertretenen Bil-
dungen setzen sich zuweilen auf das Integument der Antiambulacral-
fläche des Körpers fort, oder dieses ist durch netzförmige Kalkablage-
rungen, und kleinere durch unverkalkte Perisomtheile getrennte Tu-
berkel ausgezeichnet. Im Baue der Arme, namentlich durch den Besitz
einer Ambulacralfurche schliesst sich Brisinga an die Seesterne an.
216
Ecbinodermea.
Den Rand der Arme bilden inaDuicbfalti^e grössere PlaUenstUcke,
ßaadplallen, die bäuHg durch Slacbeln und andere Fortsätze ausge-
seichnet sind.
Die Inlegumentbildung der Ophiureo schliesst sich an die der
Asterien an. Selten zeigt die antiambulacrale Fläche eine ausgedehnle
Entwickelung von Kalkplatlcn, die hier in der Regel nur gegen die
Basis der Arme zu stehen. Ebenda sowie um die Hundspalle zeigt
auch das ambulacrale oder ventrale Integumenl Ttlfelung [Fig. 91). Das
feste Gerüste der Arme dagegen entfernt sich in mehreren Sttlckeo von
jenem der Seesteme. Die den
'■'''■ *'■ Ambulacralplatten der letilern
homologen Stücke bilden eine
dichte, den Arm fast vollstän-
dig füllende Reihe, und lassen
gegen die DorsalOäche nur einen
engen Canal, auf der ventralen
Fluche eine lur Aufnahme der
Nerven und des Ambulacml-
canals dienende Kinne tlbrig.
Die Leibesh&ble mit ihren Gon-
tentis erstreckt sich daher nicht
in die Arme. Sie wird durch
den erwHhnlen Dorsalcanal r©-
praseniirl, der, wie der ganze
Arm, von der Integum entSchichte
tiberkleidet wird. An Stelle des
bei den Seesternen weichen
üeberiugs der Ambulacralfurclie
' wird bei den Ophiuren eine
Reihe fester Kalkschilder (Fig.
91. f) gefunden, zu denen noch
andere seitliche Fortsätze mann Ich faltiger Art hinzutreten.
Auch bei den Euryaliden bii^t die lederartige Kttrperbedcckung
eine von ihr ausgehende und wie bei den Ophiuren und Seesternen
der oralen KörperDüche angehörige Skeletbildung aus wirbetartig an-
einander gereihten Kalktsfe leben, die vom Mundrande her auf die Radien
bis in deren feinste Ramificationen forlgcset^t sind. Auch hier stellt
dieses Skelet den Boden der Ambulacraliinne vor. Auf der aboralcn
Flache wird die Körperscheibe von der nur mit KalkkCroern impräg-
nirten Haut umschlossen , welche von da auf die Arme Übergeht und
dieselben bis an den Rand der ventralen Rinne Uberkieidet.
Fig. 91. Kürporscheibe einer Oph iure (Ophiolhrix fragilis) von der oralen
Fläche , mit deu Basen der 5 niil älachelii besetzten Arme. C KCrperscheibc.
B Arme, t KslkpJallen, welche den der Tentskelrinne der Seeslerne entspreciien-
den Caoal bedecken, g Geoitalspalten. d kauplatten.
IntagoiDeol und Haotskelet. 947
In grosser Verbreiiuog finden sich höcker- und stacbelartige Fort-
Sätze des Inlegamentes, welche der mannicbfaltigslen Art sein können.
Auch in der Gruppining dieser Gebilde wallet grosse Verschiedenheit.
Eine eigenthümliche bei Seestemen verbreitete Form sind Bttndei be-
weglicher Stachehi auf gemeinsamem Stiele (Paxillen). Bezüglich der
Pedicellarien siehe § 464.
§ 463.
Eine bedeutende Modification dieser Hautskeletbildong tritt bei den
GrinoYden auf. Das dorsale Integument sieht sich in einen Stiel
aos, mit dessen Ende die Thiere festsitzen. Regelmässige auf einan-
der liegende Kalkpldttchen bilden das Stielskelet, und verbinden sich
mit plafttenfttrmigen BasaistOcken, an welche andere Kalktafeln zur Um*
grenzung des Kdrpers sich anschliessen. Diese Kalkplatten fehlen nur
den Comatulen, bei denen ein einfaches knöpf Ittrmiges Stück die Ver-
bindung des Stielskelets mit dem Körper vermittelt. — Sowohl auf
den durch Dichotomie verzweigten Aesten der Arme (Pentacrinus), als
auch an den alternirend an den Armen stehenden seitlichen Anhangen
(Pinnuiae der Comatula) verlttuft die Ambulacralfürche und erstreckt
sieh mit der des Nachbararmes verbunden an der ventralen Fläche des
kelchförroigen Körpers bis zum Munde bin. Der auch hier das Skelet
aberziehende weichbleibende Theii des Integuments zeigt überall Ein-
lagerungen von Kalktafelchen. Das bei den Seestemen mit der Bil-
dung der Ambulacralrinne auftretende innere Skelet erlangt mit der
grosseren Diflerenzirung der Arme das Uebergewicht über das äussere^
welches sich nur an der Dorsalflfiche des Körpers selbständig forterhält
und in der Bildung des GrinoYdenstiels eine einseitige Entfaltung er-
reicht. Es verbindet sich jedoch unmittelbar mit dem äusseren, in-
dem die Leibeshöhle sich nicht mehr in die Arme fortsetzt, oder vielmehr
nur durch einen feinen Ganal repräsentirt wird.
§ «64.
Die Vei^nderung des Hautskeletes der EchinoYden, und damit
auch deren Körperform, im Vergleiche mit den Ästenden besteht der
Hauptsache nach in Folgendem: Zunächst findet sich eine Verkalkung
des oralen (ventralen) Perisoms, nämlich des die Ambulacralrinne und
die darin gelegenen Weichtheile deckenden, bei den Seestemen weich
bleibenden Ascbnittes. Statt der beweglich verbundenen, Metameren
darstellenden Gliedstücke sind äusserlich verkalkte Platten in verschie-
dener Art der Verbindung vorhanden.
Bei den sogenannten regulären Seeigeln (Desmosticha) erscheint
der dem dorsalen oder aboralen Perisom der Seesteme homologe Ab-
schnitt als eine unansehnliche, durch kleine, locker mit einander ver-
bundene Kalkplättchen ausgezeichnete Fläche, auf der excentrisch der
i\ 8 Ectiinoclermen.
After (Fig. 9*. x) galagerl ist. Dies« die Miilu des st^enaüiiien Api-
calpols der Seeigel eiDnehmende Flüche isl von grosseren, die Aus-
münduog der Gcscblechlsorgane tragenden Kiilliplaiteii, deu Genital-
platleo (^j, um^ben , davon eine als Madroporeuplalte (m) bezeichnet
wird. An diese, zum Thcil sich zwischen sie einschiebend, reihsn sich
wieder fünf Stucke (Inlergenitalplatten) {ig], und von' diesen ausziehen
runf Reihen von Platl«npaaren zur Mundpolflilciie , von feinen OefT-
Qungen durchbohrt, durch welche die SaugfUsschen nach innen com-
municiren. Es sind die AmhulacralplatUin (a), welche die Ainbulacral-
felder zusammensetEcn. Die Anibulacra treiben des verkalkten Perisoms
der Seeigel sind homulo}; dem bei den Seeslerncn weich bleibenden
Perisoni, welches die Anibutacralfurche der Arme an der Venlralfläche
deckt. Die zwischen den Ambuiücralfeldorn liegenden und urcb bohrten
Piatt«nreihen — lnt«rambulacralf eider (Fig, 92. i] — sind den Band-
platten der Seeslem-Amic homolog. Wie die Ambulacralplalten , so
bilden iiuch die Interambulacralplalten
*'i8> 9>- paarige Reiben. Bei Seeigeln früherer
Perioden ist die Zahl der letzteren eine
grossere gewesen ; es sind solche mit 3,
5 , bis 7 Reihen in einem Inlerambula-
crslfelde bekannt.
Die Verbindung der Platt«nstUcke
unkri' einander bietet verschiedene Ver-
hältnisse dar. Wie bei den Seesl«rnen
die Kalkplatten des Perisoms durch be-
wegliche Verbinilungen Form Verände-
rungen des Körpers gestatten, so bestand
auch In-I den Seeigeln ein iihnlieher Zu-
stand, wie schuppenartigtt Ptatlen.slUcke fossiler Seeigel scbliessen
lassen. Diese bilden ein reales Zwischenglied zu hypothetischen zur
Seesternform fuhrenden Zustünden.
Von der regulären Form des llautskelels der FlchinoYden bilden
sich mehrere wichtige, nicht mehr unmittelbar mit dem hei den See-
stemen gegebenen Verhalten vergleichbare Modilicationen , welche von
einem Verschwinden des Bestes des primitiven Dorsal- Perisoms be-
gleitet sind und sich im L'ebergange der Badiürform in andere Formen
ausdrucken. Die Ambulacralfelder erstrecken sich nicht niehr gleich-
müssig vom Munde zum Blicken ; sie bcsclirünkea sich bei Spatan-
Fig. Sl. Apicalptrf der Schale eines Ecliiiius mit den obsren Enden der
Plaltenreiben. a Ambulserairelüer. i IiileremüulacrBlfeldcr. ^ tienilalplatlon. igUt-
IcrKonilalploltcn. m Kino ala Ma(lreporcn[ilulle (^rschcinciitlu Genital [ilalto. x Aflcr-
ölTniing In dem von den Gcnitalplatlcn uojgobencn Apicairddi;. — Diu llOtker der
Planen sind aar auf einem hiluiambulacrslfeldu und ciavm Ambulacral Felde ffi-
zBicbnel, auf lelzlerem sind auch die Poreo angedeutet, auf den dbrigea vieren
weggelassen.
Ifitegument und Htutokelet. 249
^iden uod Clypeastriden auf eine nur auf der Dorsaiflüche gelagerte
fünfbläiterige Rosette (Ambulacra petalotdea). Damit verbindet sich
zuQieisl eine Yermindeniiig der bei den regulären Seeigeln noch sehr
zahlreichen Platten, sodass bei geringerer Zahl viel grossere Plattenstücke
vorkommen.
Die bei den Se^temen durch das Skelet der Arobulacralrinne vor-
gestellte innere Skeletbildung wird bei den EchinoYden durch Fortsätze
der Ambulacralplalten reprüsentirt. Solche, namentlich bei Cidaris
ausgebildete Portsätze umfassen sowohl Nerven als Anibulaoralcanal,
und zeigen damit jene Verwandtschaft. Als eine hievon unab-
hängige Einrichtung ist das den Echiniden und Clypeastriden zukom-
mende Skelet des Kauapparates anzuführen, welches, den Anfangstheil
des Darmes umgebend, aus einer Anzahl gerUstartig zusammengefügter
kalksUlbe besteht.
Mit dem Inieguroente der Seeigel aind wie bei den Seesternen
stachelartige Fortsätze verbanden, die jedoch eine grossere Selbstän-
digkeit erreichen, da sie beweglich sind. Sie articuliren auf beson-
deren Proiuberanzen der Kalkplatten und besitzen einen besonderen
Muskelapparat. Form und Volum der Stacheln ist sehr verschieden,
bald sind sie haarartig fein (Spatangen) , bald keulenförmige Gebilde
(Acrociadia) oder lange Spiesse (Cidaris}.
Andere Hautorgane eigenthttmlioher Natur sind diePedicellarien,
die sowohl den Seesternen als den Seeigeln zukommen. Sie besteheD
aus einem stielartigen, muskulösen Integumentfortsatze , der gegen das
Ende durch ein feines Kalkskelet gestützt wird und in zwei bis drei
zangenartig gegen einander bewegliche Klappen
ausläuft. Diese besitzen gleichfalls ein Kalkskelet. Fig. 93.
Bei den Echinofden herrschen die dreiklappigen,
bei den Ästenden die zweiklappigen Formen vor.
Sie finden sich über den ganzen KOrper zerstreut,
bei den Seestemen besonders an der Basis der
Stacheln, bei den Seeigeln vorzüglich auf dem
den Mund umgebenden Perisom vertheilt.
Diese KOrper dürfen als derart modi6cirte
Stachelbildungen gelten, dass der nicht vollständig verkalkende Stiel
der Pedicellarie. dem Stiele einer Asteriden - Paxilla entspräche,
das auf letatlLerer befindliche Büschel von Stacbelchen aber durch die
Arme der Pedicellarie dargestellt wird, die ähnlich durch Muskehi
bewegt werden, wie dies bei Echinidenstacheln der Fall ist.
§ 165.
Bei den HoIothuroYden verliert das Integument seine Bedeu-
tung als Uautskelet. Unzusammenhängende Kalkeinlagerungen in die
Fig. 9a. Pedicellarien von Echinus saxalilia. A Eine Pedicellarie mit
offeaeo Zangenarmen. B Mit geachlosaenen ZaügeaarmeQ. (Nacti Ekdl.)
220 Ecbinodermen.
derbe Hautschichte stellen die Kalkplalten der übrigen Ecbinoder-
men vor.
Die • Kalkeinlagerungen der Haut ergeben bestimmte , meist sehr
regelmässige Formen, die bei den Synapten wie bei den üolotburien
charakteristisch sind. Zuweilen bilden sie grössere feste Theile,
wie die schuppenartigen Gebilde, welche bei Guvieria die der Sohl-
fläche enlgegengesetzte Bttckenfläche des Körpers bedecken, und
welche, wenn auch viel kleiner, aber allseitig
verbreitet in der Haut von Echinocucumis vor-
kommen.
Bei den Holothurien erreicht die lederartige
Bindegewebsschichte eine ansehnliche Mächtigkeit.
Becht schwach ist sie bei den Synapten. Auch
hier lagern Kalktheile in ihr und zwar sind es
häufig solche von bestimmter Form, wie die Kalk-
rädchen der Chirodoten, oder die durchbrochenen
Plättchen (Fig. 94. B] , weiche die Basen ankerförmiger Uakenstücke
(A) eingefügt tragen. Letztere ragen aus dem Integumente bervor
und bedingen das klettenartige Haften der Synaptenhaut.
Auch den Hololhuriden kommt eine vom Hautskelet ausgebende
innere Skeletbildung zu. Sie besteht aus einem den Schlund um-
gebenden Kalkringe, der den Körpermuskeln als Insertion, ancleren
Organen als Stütze dient. Aus 10 gesonderten Stücken besteht er bei
den Holothurien, 12—15 besitzt er bei den Synapten. Bei den ersteren
alterniren fünf grössere Stücke mit ebenso vielen kleineren und sind
mehr oder minder beweglich mit einander verbunden. Sie sind den
Fortsätzen homolog, die bei den Seeigeln vom Mundrande der Schale
aus nach innen treten. Wie diese bieten sie bei Synapten Oeffhungen
zum Durchlasse von Neiden- und Ambulacralcanälen , die bei den Ho-
lothurien durch gabelförmige Fortsätze hervortreten.
Muskelay Btem .
§ 166.
Die Muskulatur der Ecbinodermen ist wie bei den Würmern mit
dem Integumente und den davon ausgehenden Bildungen. verbunden.
Auch die Anordnung der Muskulatur ist im Wesentlichen von der Ent-
faltung des Hautskelets abhängig, so dass sie nur da, wo der Körper
durch Gelenkverbindungen der einzelnen festen Stücke (AsteroYden
und GrinoYden), oder beim Bestehen unzusammenhängender Kalkab-
lagerungen im Integumente, (Holothurien) eine Veränderung seiner
Form zulässt, zu einem Systeme von Körpermuskeln entwickelt ist.
Flg. 94. il Kalkanker. BKalkplaite, ersterem zur Befestigang dienend ; aus dem
Integumente von Synapta Lappa. (Nach J. Müller.)
MuAkelsystein. Nervensystem. 2S4
Bei den AsteroYden und GrinoYden ist die an den Armen
sieb vertbeilende Muskulatur wie diese selbst gegliedert, indem sie
die Zwischenräume der soliden Theile des Grundes der Ambulacral-
rinne ausfüllt. Bei den GrinoYden, deren Armskelettheile elastisches
Gewebe verbindet, lagern die bezüglichen Muskeln auf der ambula-
cralen oder Bauchflilche des Thiers, und dienen vorzugsweise zur
Beugung, indess das elastische Zwischengewebe der Gliedstücke streckend
wirkt. In den Pinnulae der GrinoYden besteht dieselbe Einrichtung.
Den EchinoYden, deren Perisom zu einer festen aus unbeweg-
lich verbundenen Stücken bestehenden »Schale« erstarrt ist, ist jene
Muskulatur rudimentär geworden , und wir finden hier nur einzelne
Muskeln auf der Schale zur Bewegung der Stacheln oder stachelartigen
Fortsätze, die sowie die im Innern des Körpers vorhandenen nur zur
Bewegung bestimmter Organe dienen, wie s. B. die Muskeln des Kau-
apparales der Seeigel.
'Diesem entgegengesetzte Verhaltnisse bieten die Holothurien
dar, bei denen der Mangel grosserer Skeietstücke eine gleichmlissige
Entwickelung der Muskulatur gestattet. Die Verbindung mit dem
Integumente besteht in ausgesprochener Weise. Unter der Bindege-
Wehsschichte der Haut liegt eine Ringmuskclschichte , auf welche nach
innen zu fünf durch verschieden breite Zwischenräume getrennte mus-
kulöse, zuweilen getheilte Längsbänder fFig. 104. m) folgen, die sich
vorne an dem bereits ijhen beschriebenen Kalkringe [R) inseriren. Die
Verbindung findet an den fünf zum Durchlasse der Nerven- und
Ambulacralgefösse durchbohrten Stücken satt. Die Ringschichte ist
nur bei den Synapten continuirlich , und besitzt bei den Holothurien
radiale Unterbrechungen, so dass sie eigentlich nur aus interradialen
Qoerfaserfeldem besteht.
n ervenajvcani»
§ 467.
Das Nervensystem der Echinodermen wird in seinen Haupttheilen
aus einer der Zahl der Antimeren des Körpers entsprechenden Summe
von Stammen dargestellt, die radial verlaufend und ventral gelagert, um
den Sdilund durch Gommissuren verbunden sind. Diese Gommissuren
entstehen dadurch, dass jeder der die Ambulacralgefiisse begleitenden
Nervenstämme sich in der Nähe des Mundes in zwei Hälften theilt, die nach
beiden Seiten gehend , mit den ihnen von den nächsten Nervenstämmen
entgegenkommenden Strängen verbunden sind. Dadurch entsteht ein den
Schlund umgebender Ring, der jedoch nach der Art seiner Bildung
nicht mit dem Schlundringe der Würmer verglichen werden darf.
Jeder der radialen Nervenstämme entspricht vielmehr der ventralen
Ganglienkette oder dem Bauchmarke der Annulaten, die Gommissuren
xwischen mehreren solchen Stämmen sind also Verbindimgen des Bauch-
282 Echinodermen.
markSy die aus der Goncrescenz mehrerer unvollstfindig gelrennier
Personen hervorgehen.
Von den NervensUimmen entspringen jederseils zahlreiche, vor-
züglich für die verschiedenartigen Ambulacralgebiide bestimmte Zweige.
Bei den Crino'rden und Asteroiden liegen die radialen Nerven-
stämme ausserhalb des Ambulacralskelets der Arme, und zwar bei
den ersteren unter der von Weichtheilen gebildeten und nur von
Kalkplattchen gestützten Ambulacrairinne, wo sie am Ursprünge jeder
Pinnula eine kleine Anschwellung zeigen. Von den Bauchschildem
der Arme verdeckt verlaufen die Nervenstämme der Ophiuren,
während sie bei den eigentlichen Seesternen in die nur von Weich-
theilen ausgekleidete Ambulacralrinne sich einbetten.
Bei den letzteren entspricht das Verhalten des Nervensystems der
mindest veränderten Form.
Das Nervenpentagon der Echinol'den ist bei der mit einem
Rauapparate versehenen Gruppe, dem letzteren eng angelagert. * Bei
Echinus liegt es (Fig. 95) über dem Boden der Mundhöhle, zwischen
dem Oesophagus und den Spitzen der Stücke der Kauapparates, und
wird durch fünf Bandpaare in dieser
Fig. 95. Lage befestigt. Die Nervenstämme (c) he-
geben sich von den Ecken des Pentagons in
die Zwischenräume der Pvramidenstttcke,
und verlaufen von hier aus über die
Mundhaut hinweg zu den Ambnlacralfel-
dern. In der Mitte ihres Verlaufes zeigen
sie eine starke Verbreiterung, und eine
Medianfurche theilt sie in zwei Seitenhälften.
Die von den Hauptslämmen abgehenden
Seitenäste begleiten die Aeste der Ambu-
lacralgefässe. Aehnlich ist die Anordnung
des Nervensystems der Spalangen, doch
bildet der Mundring ein ungleichschenkliges Pentagon.
Der Nerven ring der Holothurien liegt dicht vor dem Kalkringe,
etwas nach innen von ihm, und wird nach vorne von der Mundhaut
begrenzt (Fig. 401. n). Da er — verschieden von dem Nervenringe
der Seesteroe und Seeigel — stärker ist als jeder der aus ihm her-
vortretenden fünf Nervenstämme (Fig. 401. n'), so mag ihm mit grosserer
Bestimmtheit die Bedeutung eines Gentralorganes zukommen, und darin
einige Aehnlichkeit mit dem ganglionären Schlundringe anderer Thiere
zu erkennen sein. Dass mit solchem jedoch keine Spur einer wahren
Fig. 95. Nervensystem von Echinus lividus, der Kauapparat ist entfernt.
a Qaerdurchschnittener Oesophagus, b Die Commissuren der Nerveostämme» einen
pentagona ien Schlundring darstellend, c Die nach den Radien verlaufenden Nerven-
sUmme. d Bänder, welche die Spitzen der Pyramiden des Kauapparates aneinan-
der heften. (Nach Krohv.)
Sinnesorgane. Bxcretionsorgane. £28
Homologie besteht, wird aus der oben bei den Seesternen aDgefÜhrteo
Genese des Echinodermen- Schiandringes verständlich. Die periphe-
rischen Mervenstämme treten dnrch OeShungen der fünf grosseren
Stucke des Kalkringes, und verlaufen dann breiter werdend und mit
eioer Mediaofurche versehen auf den Langsmuskelbflndern , unter Ab*
gäbe feiner Zweige bis zum Hinterieibsende, wo ihre Breite in der
Gegend der Cloake wieder abnimmt. Ausser diesen radialen Stammen
sendet der Mundring auch Tentakelnerven ab.
fifameaorgane.
§ 468.
Bestimmte Tbeile des Integumentes erreichen auch hier eine beson-
dere Bedeutung für den Tastsinn. Ausser den mit dem Wasserge-
fäissysteme in Verbindung stehenden Saugfüsschen können noch die
Tentakelgebilde als Tastorgane hieher gesahlt werden, denen mit
der Beschränkung des Ambulacralsystems bei den Uolothurien, be-
sonders bei den Synapteo, eine voluminösere Entfaltung, und dadurch
eine höhere Bedeutung sukommt.
Als GehOrwerkseuge sind bei Synapten fünf Bläschenpaare
beschrieben worden, die an den Ursprüngen der radialen Nervenstämme
gelagert sind. Sie sind ebenso problematische Sinnesorgane, wie die
sogenannten Augenflecke dieser Gattung.
Sehwerkzeuge wurden nur bei den Asteriden näher bekamit,
während bei den übrigen Echinodermen blosse Pigmentanhäufungen als
Augen oder »Augenfleckec gedeutet werden. Die Augen der Seesteme
lagern an der gewöhnlich aufwärts gebogenen und damit dem Lichte
zugekehrten Spitze jedes Armes auf einer polsterartigen Erhebung des
Endes der Ambulacralrinne. Sie bestehen aus sehr vielen oberflächlich
sphärischen KOrpem (Krystallstäbchen?), deren jeder von einer Pigment-
hülle umgeben ist, die auf einer kugeligen oder halbcylindrischen
Markmasse eis der Grundlage des Augenpolsters ruht; zu diesem
tritt das Ende des Ambulacralnerven« Das ganze Aug^ bedeckt eine
Epitheilage mit einer Cuticula. Es bestehen also hier Augenformen^
welche nach Analogie der einzelnen Würmern und den Gliedertbieren
zukommenden als zusammengesetzte zu betrachten sind.
Sxoretlonaorffane.
§ 169.
Die unter cien Ringelwürmem verbreiteten Einrichtungen der Se-
gmentsdorgane oder Schleifencanäle kommen bei den Echinodermen nicht
mehr vor, dagegen 6ndet sich wenigstens in einigen Abtheilungen der
224 Gchinodermen.
letzteren eine Reihe von Organen , welche vielleicht auf die bei man-
chen Gephyreen bestehenden, wahrscheinlich excretorisch fungirenden
Organe bezogen werden dürfen, und wie diese mit dem Darme ver-
bunden sind. Obschon eine Yergleichung zwischen beiderlei Organen
keineswegs unmöglich erscheint, so ist sie doch bei der bis jetzt noch
sehr wenig genauen anatomischen Kenntniss der wesentlichsten Puncte
jener Theile vorläufig noch zurückzuhalten.
Ich zog daher vor jene Organe mit dem Darmcanal aufzuführen,
dessen Endabschnitt sie angefügt sind (vergl. § 173). Uebrigens darf
es auch für höchst wahrscheinlich gelten, dass dem sogenannten Wasser-
gefässsysteme zugerechnete Einrichtungen ursprünglich excretorische
Organe waren, in Uebereinstimmung mit jenen der Würmer.
DarmoanaL
Das bei den ausgebildeten Echinodermen sehr verschiedenartige
Verhalten des Nahrungscanais besitzt im primitiven Darmrohr der
Larvenform eine einfachere für alle Echinodermen übereinstimmende
Vorbildung. Dass auch jene, deren Entwickelung zusammengezogen
ohne den typischen Larvenzustand verläuft, nicht hieher gezählt werden
können, wird begreiflich sein.
Die erste Anlage des Darmes erfolgt als eine Wucherung der den
Körper der jungen Larve überziehenden peripherischen Zellscbichte.
Daraus geht allmählich ein in den Körper eingesenkter Blindschiauch
hervor, dessen Wände das Entoderm bildet, während die äussere
Zellschichte das Ectoderm repräsentirt. Eine Oeffnung dient als Mund
und After. Bald wächst gegen das blinde Darmende von einer Seite
des Körpers her eine zweite Einbuchtung aus, die sich mit dem Darme
vereinigt, hohl wird, und so mit dem erstgebildeten Stücke ein
Gontinuum bildet. Die letztgebildete Abtheilung soll den Mund und
den damit zusammenhängenden Oesophagus vorstellen, die erstge-
bildete den Mittel- und Enddarm. Der spätere After und der darak
verbundene Darmtheil wäre somit das vom gesammten Darme suersi
Gebildete.
Der Larvendarm setzt sich aus drei Abschnitten zusammen. Eine
weite MundöiTnung führt in eine in der Längenaxe des Körpers liegende
contractile Röhre, die als Schlund oder Oesophagus bezeichnet wird.
Dieser Abschnitt bildet den Munddarm. Darauf folgt ein weiterer Theil,
der Mitteldarm oder der Magen, der sich in ein engeres, retortenförmig
gekrümmtes Rohr auszieht, welches als Enddarm sich zum After
begibt. Diese drei Abschnitte entsprechen genau der primitiven Gliede-
rung des Darmes, die bei fast allen Wt^rmem unterscheidbar ist. (Vergl.
Fig. 85. A B.) Mund und After liegen anfänglich auf verschiedenen
Flächen des Larvenkörpors. Mit der Differenzirung der Körperfomi,
DarmcMitL {25
besonders durch Ausbildung der Wiroperschnur, kommen sie scheinbar
auf eine und dieselbe Fläche, die sogenannte Vorderseite, zu liegen.
Es ist jedoch leicht ersichtlich, dass die Wimperschnur zwei Körper-
flachen deutlich trennt: eine beschranktere Mundflache, und eine aus-
gedehntere, gegen erstere umgeschlagene Afterfl^che.
Bei der Bildung des Echinodermenleibes in der Larve und theil-
weise aus ihr, geht der Larvendarm nicht vollst^tndig in ersteren über.
Das entstehende Perisom umwächst zunächst dessen Mittelslück, und
nimmt bei den Seestemen nur dieses und den Enddarm in sich auf.
Bei den Seeigeln scheint auch der After neu gebildet zu werden.
Endlich soll bei den Holothurien, deren Darmanlagc bei der vollsUin-
digen Umwandlung der I«arve in das Echinoderm ganz in den Darm
des letzteren übergeht, gleichfalls eine Neubildung des Mundes vor
sich gehen.
Die Verdauungsorgane lagern später in einer oft weilen Leibeshöhle
und, ergeben in ihrer Differenzirung verschiedene im Allgemeinen an
das Verhalten des Perisoros sich anschliessende Stufen. Eine Trennung
in einseloe Abschnitte fehlt zwar nie, ist aber im Ganzen wenig anders
markirt, als durch Verschiedenheit des Lumens. Der Mund besitzt
eine centrale Lagerung auf der ventralen Körperfläche. (Vergl. Fig.
87. 88. 89. A o] bietet jedoch mit anderen Umbildungen des Leibes
zusammenhängende mannichfache Lageveränderungen dar.
Bei den Seesternen besitzt die MundöflTnung eine radiäre Gestalt,
indem interradiale Vorsprünge gegen sie einragen. Harte, vom Perisom
gebildete Papillen und Stacheln sind gegen die Mundöfl'nung gerichtet
und fungiren als Kauwerkzeuge. Sie sind besonders bei den
Ophiuren, meist in mehreren übereinander liegenden Reihen ausge-
bildet (Fig. 94. d). Das Hautskelet liefert also hier die Organe zur Zer-
kleinerung der Nahrung. Vom Munde beginnt eine kurze weite Speise-
röhre, die sich in einen die Mitte des Körpers einnehmenden weiten
Magen fortsetzt.
Ein blind geschlossener Sack bleibt der Magen bei den Ophiuren
und einer Abtheilung der Ästenden (Astropecten , Luidia) , denen eine
Afteröffnung fehlt. Doch zeigt er bei allen AsteroYden Ausbuchtungen,
und vor allem blindsackartige Anhänge, die bei den Ophiuren durch
radiäre Einschnürungen angedeutet sind. Die Magenblindsäcke der
Seesteme erstrecken sich paarweise in die Arme, als dünnwan-
dige dicht mit seillichen, zuweilen wieder ramificirten Anhängen be-
seUte Schläuche (Fig. 96. A) , die in der Regel vor der Einmündung
in den Mag^n paarweise zu einem Ganale vereinigt sind. Diese Strecke
repi^sentirt einen unpaaren Abschnitt des jedem Antimer (Arm) des
Seestemes zukommenden Darmantheiles, von dem die Blindschläuche
286
Ecbinodeni
den paarigen Abschnill vorstellen. Hütt man die Vorstellung von der
oben |§ 1ä6j vorgeiragcnen Eotslehung des Echinodermentypus aufrecht,
so wird in diesen deo Seesternen zukommenden Darmtheilen der
primitive Üaim des Organismus lu sehen sein, der mit andern gleich-
artigen an der Larve sprossle und mit jenen wie bei einem Thier-
stocke verbunden blieb.
Eine fernere Modilication besitzt das Darmrohr der Crinolden
(Comatulf)], indem der um eine in die l.eibeshtthle ein regende Kai kspiodel
gewundene Magendarm, von einer an letzlerer vorspringenden Leiste eine
Strecke weit derart eingestülpt wird, dass sein Lumen in zwei tiber
einander gelegene , jedoch
PI gg nicht völlig getrennte Ab-
schnille sich theilt. Der Darm
beschreibt so eine Spiralt«ur
und geht mit seioem engeren
kurzen Endstücke in die in
der Nithe des Hundes inier-
radial gelagerte, rtihrenfOrmig
vorragende Aflerötrnung Über.
Dieses durch die Winduog
scheinbnr sehr abweichende
Verhalten wiederholt d»s bei
jungen Seesternen gegebene.
Die Windung des Darmrohrs
ist hier zum bleibenden Zu-
stande ausgebildet, wtthrend
bei den Ästenden sie Dar
wtthrend der Enlwickelung
des Echinoderms vorübergehend bestand. Die Ausbildung des Darms
nach der Badiärform desKürpers ist auch bei allen übrigen EchiDodermeo
aufgegeben, und so harmoniren diese Verhältnisse mit der Verschmel-
zung der Antimercn zu einem einheitlichen Organismus.
Radiär verlaufende Käsern befestigen den Darm an die Kttrper-
wnnd. Eine besondere Verbindung mit derselben Kitrperwand be-
sitzen die radialen ßlinddiirme der Seeslenie durch eine ISngs jedes
derselben sich hinziehende sogenannte Peritonealduplicalur.
Bei den EchinoTden ist die HundttfTnung gleichfalls mit Kau-
werkzeugen ausgestalte), die aber entfernter von der Oberfläche in
Kig. 9«. Asloriscus veri
t Roseltenrormig erweilarler Dar
Darms, g GeoltaldrUsen,
jculalus, von der DorsBlflache geölTnet. a After.
1 [Magen), h Schlauchrormige Radialaabange des
Darmcanal.
227
— l- U- I
t ***
m
die Leibestohle eingelagert sind. Sie stellen dort einen bei Clypeastriden
aus fünf Paar dreieckigen KalkstUcken gebildeten, bei den Cidariden
nod Echiniden viel oomplicirteren Apparat vor. Fünf gegen einander
gerichlete Stücke tragen eine xahnartige Spitze und sind mit mehr-
fachen andern zu einem als Laterne der Aristoteles bezeichneten
Coroplexe vereinigt, durch weichen der Oesophagus hindurchtritt. Das
Darmrohr beschreibt immer mehrere Windungen, ber engere Mund-
darm geht in einen weiteren den längsten Darmtheit vorstellenden Ab-
schnitt über. Er besitzt
bald wenig deutliche Aus- Fig. 97.
buehtungen (Echiniden) ,
bald wirkliche Blindsacke
(Clypeastriden), welche (z.B.
bei Laganum) in die von
den Stutzpfeilern der Kalk-
schale abgegrenzten Leibes-
hohlräume einragen. Längs
des ganzen gewundenen
Darmes verlaufen bei den
Seeigeln »Mesenterialfasern«
zur Leibes wand.
Bei den Holothurien
bildet das Darmrohr, den
Körper an Lange übertref-
fend, eine Doppelschlinge,
wahrend es bei den Syn-
apten (mit Ausnahme der
Cbirodoten) sich mit vielen
Ausbuchtungen gerade durch
die Leibeshohle erstreckt.
Als eine besondere DifTeren-
zining ist ein auf den
Oesophagus folgender mus-
kulöser Darmabschnitt zu
beachten , der besonders bei
Synapten ausgedehnt, als Muskelmagen zu fungiren scheint. Ange-
deutet ist dieses Verhalten auch bei den Soesternen, deren Oesophagus
gieichfalla eine stärkere Muskelwand als der übrige Darm besitzt. Dem
Magen der Seesteme entspräche somit l>ei den Holothurien der hinter
dem muskulösen Abschnitte gelegene Darm. Das Darmende geht bei
den Holoihurien in eine Erweiterung über, die obwohl als Cloake be-
Fig. VI. Darmcanal und baam form ige Organe einer Hololhurie. o Mund.
t Dannrobr. d Cloake. a Afler. c Verastelter Sieincana), p Poli'sche Blase. ^
rr Baumförmige Organe, r* Vereinigung derselben an der Einmündeslelle in die
Gioake. m Längamasknlalur des Körpers.
4 5»
228 Echinodermen.
zeichnet, doch nur dem Enddarme der Astenden entspricht, und zwei
oder mehrere baumartig verzweigte Organe aufnimmt.
Eine siebförmig durchbrochene Lamelle befestigt den Darm an die
Leibeswand. Einfacher ist dieses Mesenterium bei den Synapten mit
geradem Darmcanale, während es sich bei Ghirodota nach den Slrecken
der Darmschlinge in drei je einem interradialen Abschnitt der Leibes-
wand zukommende Theile gesondert hat.
Anhanffsorgane des Darmcanals.
§ 473.
Als solche durch einen am primitiven Darm auftretenden Son-
derungsvorgang entstandene Gebilde konnten die schon oben aufge-
führten radialen Blindschläuche der Seesterne gelten, wenn dieselben
nicht in phylogenetischer Hinsicht anders zu beurtheilen wären. Ich
rochne daher bei den Seesternen nur andere, interradiale Blind-
schläuche hieher, die in sehr verschiedener Ausbildung vorkommen.
Bei den afterlosen Seesternen fehlen sie, oder sind auf Sl reducirt
(Astropeclen) , dagegen sind sie bei den anderen oft sehr ansehnlich
ausgebildet. Archasler zeigt fünf gegen das Ende zu sogar getbeilte
Blindsäcke, und bei Culcit^ ist die Theilung noch weiter vorgeschritten,
so dass jeder Ast einen traubig gelappten Schlauch vorstellt.
Dadurch erscheinen diese Anhänge in der Gestalt von Drüsen,
und gewinnen einen Zusammenhang mit einer bei Holothuriden ver-
breiteten Einrichtung.
Diese wird mit dem als »Cloake« bezeichneten Endabschnitte des
Darmcanals in Verbindung getroffen, und besteht in der Regel aus zwei
auf einer kurzen Strecke verzweigten Hauptstämmen , die sich durch
die ganze Länge der Leibeshöhle nach vorn erstrecken (Fig. 97. r) und
mit zahlreichen ramificirten Blindschläuchen besetzt sind. Wenn auch
die Function dieser früher als »Lungen« bezeichneten und als innere
Athemorgane gedeuteten Organe von der def interradialen Blindschlauche
des Seeslerndarmes verschieden ist, so kommen sie doch wohl morpho-
logisch diesen gleich und erscheinen als eine Weitcrentwickelung der
bei den Asterien meist einfacheren Schläuche.
Die Function dieser Organe ist keineswegs sicher gestellt. Ihrer
Auflassung als Athmungsorgane stellt sich die Thatsache entgegen,
dass nur eines derselben Zusammenhang mit dem BlutgefUssnets er-
kennen liess, indess das andere nur an die Körperwand befestigt in
die Leibeshöhle ragt. Immerhin jedoch ist die Thatsache, dass von
diesen Organen Wasser aufgenommen und vorzüglich unter BethUlfe
der stark muskulösen Wand des Enddarms wieder ausgestossen wird,
von Wichtigkeit.
Aohangflorgane des DarmcaoaU. Geschlechtsorgaoe. 229
Die reichen Veiüstelungen dieser Organe reduciren sich bei einzel-
nen Holothurtden. Bei fusslosen Gattungen, wie Molpadia (H. borealisj,
sind sie nur streckenweise mit verästelt«i filindschlttuchen besetzt,
¥vährend bei anderen wieder eine Vennehrung vorkommt. So ist bei
M. chilensis nicht nur einer der Bänme gctbeilt, sondern der End-
dann tiügl auch noch eine Anzahl kleinerer Bilumchen. Noch einfacher
erscheinen sie bei Echinocucumis (B. typicus) , wo sie lange , dttnne,
mit nur einem kurzen Aste versehene Schläuche vorstellen.
Den Synapten fehlen die baumartigen Organe der Uolothuricn,
dagegen findet sich eine bis jetzt nur sehr unvollständig erkannte Ein-
richtuiig, die vielleicht von jenen Organen abgeleitet werden darf. Es
sind längs der Mesenterialinsertion vorhandene in Längsstämme führende
Ganäle, die mit trichterförmigen bewimperten Mündungen in die Leibes-
höhle sich öffnen, und darin auch mit Excretionsorganen der
Annolaten übereinkommen.
Ausser den baumartigen Organen kommen dem Enddarme der
Holothurien noch drttsentthnliche Organe zu. Diese CtviBii'schen Organe
zeigen verschiedene Formen, und erscheinen bald als blinddarmförmige,
unverzweigte Röhren, die einzeln oder in reichen Büscheln inserirt sind
(Bohadschia u. a.), bald als traubige, aus zahlreichen, mit einem Stiele
verbundenen Bläschen bestehende Gebilde [Molpadia) , und endlich
fadenförmige Canäle, die wirtelartig mit gelappten DrUsenbUscheln
besetzt sind (Pentacta und Muelleria) . Bei den ächten Synapten scheinen
sie zu fehlen und die der Holothurien bedürfen genauerer Unter-
suchung.
Geaohleohtsorgane.
§. 174.
Die bei den Würmern so verbreiteten ungeschlechtlichen Vermeh-
rungsweisen sind bei den Echinodermen zurückgetreten, nachdem der
Thierstamm selbst das Product einer Sprossung vorstellt. Eine An-
deutung dieser Zeugungsform hat sich noch bei den Ästenden erhalten,
freilich in ganz anderer Bedeutung : als Regeneration verloren gegange-
ner Antiroeren (Arme).
Auch in der geschlechtlichen Differenzirung findet sich ein Fort-
schritt angebahnt.
Fast alle Echinodermen — nur einige sind ausgenommen — sind
getrennten Geschlechtes und zeigen in der Anordnung der Organe eine
(Jebereinstimmung mit der radiären Körperform. Männliche und weib-
liche Organe zeigen dieselben einfacheren Form Verhältnisse, und sind
nur zur Zeit der Reife d^r Geschlechtsproducte leicht unterscheidbar,
indem die Ovarien meist durch lebhaftere Färbung der Eier, gelb oder
roth, vor den fast immer weiss erscheinenden Hodenschläuchen aus-
gezeichnet sind. Die Formelemente des Sperma smd ziemlich überein-
230
Echinodermen.
Fig. 98.
slimiDcnd fiidcnrurmigc mit einem Köpfchen versehene Gebilde. Der
Bau der Apparale isl einfach. Complicattonen der AusfUhrw^e fehlen,
und ebenso Begaltungsorganc , so dass das umgebende Wasser bei der
Befruchtung die VermiltelungsroUe spielt. Im Ganzen besteht eine
grosse UehereiDstiramung mit den bei WUrmem vorhandenen Bildungen
In Zahl, Anordnung, wie auch im specielleren Verhalten der Organe
bieten sich die niedersten Zustände bei den Asterofden dar. Hoden
oder Eierstocke erscheinen als röhrenförmige oder gelappte DrUsen-
schlauche, welche bei einigen in zwei Reiben angeordnet eine der Me-
tamerie der Arme angemessene Vertheilung zeigen (Ophidiaster, Ar-
chaster). Bei anderen treSen auf jeden Arm nur zwei Gruppen, die
sich aber längs der ganzen Armcavität ausdehnen können, endlich er-
scheinen sie auf den Interradialraum beschränkt (Fig. 96. g). Uie Ver-
gleichung dieser Verhiiltnisso lehrt also eine allmähliche Heduction der
Anzahl der Keimdrüsen kennen , die der bereite bei den Seest«rnen statt-
findenden allmählichen Contra lisation des Organismus entspricht. Bei den
afterlosen Seesternen entbehren die Schläuche der AusfuhrAfTnungen, und
die Zeugungs Stoffe werden in die KOrperhühle entleert. Auf welchem
Wege sie nach aussen gelangen, isl noch unermittelt. Bei anderen
Seeslernen öffnen sich die Keimdrüsen auf besonderen, durch feine
OefTnungen ausgezeichneten Platten (Sieb-
platten) in den Inlerradien des Rtlckens
nach aussen, oder sie zeigen einen
einfachen AusfUhrgai^ mit einer spall-
förmigen Oelfnung (Pterastor).
Die Anordnung und der Bau der Ge-
schlechtsoi^ane der Ophiuren ist jenen
der Seestemc iihnlich. Hermaphrodi-
tische ZustJInde sollen vereinzelt vorkom-
men (Ophiurasquamata). Die Geschlechts-
drüsen (Fig. 98. g) , zu zweien in jedem
Inlerradialraum , sind auf die Körper-
scheibc beschränkt, und scbeioeo ihre
Producte auch hier in die LeibesbOble
zu entleeren, von wo sie wohl durch die an den Interradien der Bauch-
fläche beljndlichen spaltartigenOeffnungen (vergl. Fig. 9i y) nach aussen
gelangen. Bei den lebendig gebärenden Ophiuren gibt sich in der
Grösse dieser Spalten ein Anpassungszustand kund. Wie sich bei den
Ophiuren die Organe von den Armen auf die KOrperscheibe zurückge-
zogen haben, so erscheinen sie, gleichfalls aus dem bei den Seestemeo
gegebenen noch indifTcrenl«D Verhalten ableitbar, bei den Crinolden
auf die Arme vertheilt. Sic nehmen hier die Pinnulae der Arme ein
Kig. 9B. Gcichlculilsnrgone cinpr 0 ph i u ro (Opbioderma iongicauda).
Ruckciiintcguiiient und Vcrdnuungsorgano sind enirernl. r Arme, g Ovaritl-
[raubcn.
ODd entsprecbeo dainit in ihrer Verbreitung wieder der Hetamerie.
Ihre ^iJeeniDg gegchiebl durch Dehiscenz.
Die bei AsteroVden jedem Radius paarig lukommeDden Geschlecbts-
drOseo sind bei den EohinoTden unpaare (iebilde geworden, womit
eine TefDere CenlralisBlion
ausgedruckt ist. Die Besie-
hnDg zum urspninglidien
Zustande ist nur noch aus
der inlerradialen Venheilung
erkennbar, so dasa jedes
Orgao aus iwei radialen ent-
standen gedacbtwerden kann.
Sie stellen reich verflsleite,
meist weit in die I^ibeshHble
auf die Inleramhulacrairelder
vorragende Drüsen (Fig.
99. g] vor, die auf den Ge-
nitalplatlen [Fig. 92. g) aus-
münden. Eine der fUof fUr
die Echintden typischen Ge-
schlechtsdrüsen verkümmert
bei den Spatsngen , dem
eotsprecbend ist eine der GeniUilplaUen, die zugleich H ad reporen platte
war, auB&cfaliesslicb lur Hadreporenplatt« umgebildet.
Verschieden von den bisher aufgeführten Einrichtungen verhallen
sich die Geschlechtsoi^ane der Holotburien. Hoden odor Eierstock
bilden Büschel reicb venwoigter Rohren, diu sieb zu einem gemein-
samen Ausfahrgange vereinigen (Fig. 102. <i]. Des letzteren HUndung
findet sich in der Nähe des Hundes, meist iwischcn den Tentakeln. Die
Beliebungen lu den Radien sind also hier aufgegeben, die sonst vlt-
tbeiltflD Orgape sind su Einem vereinigt, und durch den Ausfuhrgang
wird die bereits bei den Seeigeln gegebene habere Stufe festgehalten.
Bei den Synapten bestehen nach dem liei den Holothurien ge-
{i^ebenoi Typus geformte Zwitterorgane. Die einzelnen schlauch-
fermigeD Drüsen vereinigen sich lu einem gemeinsamen Ausfübrgange,
der aber dem Kaikringe nach aussen sich OiTnet. lu jedem Schlauche
(bei S. digital») entwickelt sich das Sperma auf der lnnenfl>iche, indcss
die Eier darunter entstehen und bei voller Entwickelung ins Schlauch-
lumen vorspringende Längsatreifen vorstellen. Für beiderlei Producte
Fig. <>- GeiChlechUorgano eines Seei fi^ 1s [Echinus ncnpalilanus]. Etwas
mehr als die veolrale Halfle der Schale Ut wcggetiommen. a Aaipullon der Am-
balicrea. > Letztes Darmatücli. g OvarJaltrauben.
232 Echinoderroen.
dient ein gemeinsamer Äusführweg. Wenn dieser Zustand als ein
niederer angesehen werden muss, aus welchem im Allgemeinen die
getrenntgeschlechtlichen Verhältnisse hervorgingen, so ergibt sich für
die Synapten die interessante Erscheinung, dass sich bei ihnen der
primitive Bau mit der primitiven Function der Keimdrüse erhalten hat,
indess sowohl in der Beschränkung der Zahl als in der Complication
mit einem Äusführgange für den Gesammtapparat grosse Umbildungen
stattfanden.
Leib^^ohle.
§. 176.
Die vollständige Sonderung der Leibeswand von der Darmwand
bedingt die Bildung einer Leibeshöhle, welche wie deb höheren Wdrmern
auch allen Echinodermen zukommt. Je nach dem Grade, iler Concres-
cenz der den Eehinodermenleib zusammensetzenden Personen, besteht
sie aus den letzteren zukommenden Gaviläten , oder ist einheitlicher
aus dem Zusammenfliessen jener einzelnen Räumlichkeiten gebildet.
Die Seeslerne liefern auch hier wieder in den mannichfaltigen Stufen
des Individualitätswerlhes ihrer »Armeu maassgebende Beispiele. Rück-
bildungen des auf die Arme entfallenden Theiles der Leibeshöhle ent-
stehen mit der Sonderung einer Körperscheibe bei den Ophiuren oder
des jener enlsprechendon »Kelchesa der Grinol'den, doch sind hier
überall, soweit den Armen Gefäss- und Nervenstämme zugetheilt sind,
Spuren eines letztere umschliessenden Hohlraumes erkennbar.
Vollkommen einheitlich wird der Leibeshohlraum bei den Seeigeln
und Holothurien, wenn auch bei ersteren mannichfache, besonders in der
Abtheiiung der Petalostichen entwickelte , solide Fortsatzbiidungen vom
verkalkten Integumenle her eine secundäre Sonderung in untergeord-
nete Räume hervorrufen. Der besonders bei Seeigeln nachgewiesene
WimperUberzug sowohl an den Wandungen wie an den in der Leibes-
höhle liegenden Organen ist von Bedeutung für die functionellen Be-
ziehungen des Raumes, sowie darin nicht minder ein an die wimpem-
den Wandungen der Leibeshöhle vieler Anneliden sich anschliessendes
Verhalten erkannt werden darf.
Von der Leibeshöhle ist allgemein ein Gefässsystem gesondert,
welches jedoch an einzelnen Stellen mit der ersteren in Communicaüon
zu stehen scheint, denn der Inhalt der Leibeshöhle ist eine mit dem
Inhalte der Gef^sse übereinstimmende Flüssigkeit die als Blut bezeichnet
werden darf. Dass für die Leibeshöhle ähnlich wie bei Würmern auch
Communicationen nach aussen bestehen, die somit eine Zumischung von
Wasser zur Blutflüssigkeit gestatten , ist in manchen Fällen erweisbar,
bedarf jedoch noch vielfach genauerer Feststellung.
Gefiussyitem. Blatgemsse. 233
Oefas 8 System.
Blutgefässe.
Die ernährende Fittssigkeil besteht bei den Echinodennen aus einem
klaren oder leicht opalisirenden, seltener getrübten oder auch gefärbten
Fluidum, welches höchst wahrscheinlich mit von aussen eingeführtem
Wasser vermischt ist In dieser FlüssiglLcit enthaltene Formelemente
sind einfache Zellen.
Als Blutbahn dient erstlich ein besonderes Gaoalsystem, dann aber
auch der die Eingeweide umschliessende Leibeshohlraum, der auf eine
noch nicht ermittelte Weise mit den Gelassen in Verbindung steht.
Eine vollständige Erkenntniss des die Kreislauforgane bildenden
Canalsystems ist bis jetit noch nicht ermöglicht, und besonders be-
ittglich des Zusammenhanges mit dem sogenannten Wassergefttss-
Systeme besteht noch manche ungelöste Frage.
Der ganze radiär angelegte Apparat wird vorztlglich von .einem
den Anfangstbeil des Darms (Mund oder Speiseröhre) umkreisenden
Gaoale dargestellt, der theils vom Darme kommende Gefässe aufoimmt,
theils mit einem anderen Blutgefässringe in Verbindung steht. Dieser
Verbindungscanal erscheint als ein pulsirender Schlauch, der als »Herz«
fangirt. Von den Ringcanälen treten radiäre Aeste ab. Da die Be-
ziehungen des Blutgefässsystems zu Athmungsorganen keineswegs fest-
gestellt sind, so kann von einer Scheidung in eine arterielle und eine
venöse Bahn keine Rede sein ; die ganze Einrichtung scheint vielmehr
darauf zu zielen, die vom Darm aus gebildete Ernährungsflttssigkeit in den
übrigen Körper Überzufahren und sie dort zu vertheilen, wo zugleich
für die Vermittelung des Gasaustausches überall Anordnung getroffen ist.
Die Zartheit der Wandungen dieses Gefösssystems erschwer^ die
Einsicht in die Verbreitungsweise, namentlich die Beziehungen zum
sogenannten Wassergefasssysteme,. und wenn man früher die
beiden GefAsssysteme als scharf von einander geschieden annahm, so
besteht gegenwärtig wieder Grund zu entgegengesetzter Meinung. Der
Zusammenhang beider Systeme stellt sich als immer wahrscheinlicher
heraus.
Bei den Asteroiden steht ein den Mund umziehendes dicht am
Nervenring befindliches Ringgefäss mit einem unter dem dorsalen Peri-
som uro den After laufenden Ringcanale durch ein schlauchförmiges
Herz in Verbindung. Von den Ringgefässen treten Canäle sowohl an
den Darm, als zu den Armen.
Fttr die Echinotden verläuft der als Mundgetessring bezeich-
nete Canal dicht mit dem entsprechenden Wassergeßtss am Ende des
Kauapparates. Von ihm erstreckt sich ein schlauchförmiges Herz zum
234 EchinodermeD.
Anal ringe, der dicht am Skelete gelagert ist. Von beiden Ringen aus
gehen Aeste zum Darmcanal.
Von den Blutgefässen der Holothurien sind nur solche, die den
Darm begleiten, mit Sicherheit erkannt, während das Ringgefäss um
den Schlund in ein Gefässnetz aufgelöst zu sein scheint. Die Darm-
gefässe verlaufen an entgegengesetzten Flächen und können in ein dor-
sales und ein ventrales gesondert werden. Das ventrale verzweigt sich
in Aeste für eine der sogenannten Lungen, und daraus gehen in einen
andern Abschnitt des Bauchgefässes einmündende Gefässe hervor. Beim
Mangel von Beziehungen zu den baumförmigen Organen bestehen ein-
fache directe Verbindungen zwischen den verschiedenen Abschnitten
des an den Darmschlingen auf- und absteigenden Bauchgefässes.
Dasselbe gilt auch für die Synapten, bei denen durch den häufig
einfacheren Verlauf des Darmcanals, sowie durch den Mangel bäum-
förmiger Organe eine noch weitere Reduction des Gefösssystems gegeben
ist. Dass damit eine Aehnlichkeit des Gefässsystems mit jenem mancher
Würmer, besonders der Gephyreen, auftritt, ist mehrmals erkannt
worden, aber ebenso bestimmt wird auch behauptet werden dürfen,
dass es bei jener Aehnlichkeit sein Bewenden hat. Gegen eine Homo-
logie spricht der Mangel eines vom Darme unabhängigen Ventralstammes,
der bei den Gephyreen wie bei den Annulaten vorhanden ist. Ob die
beiden Längsstämme des Darmes die einzigen sind, ist ungewiss, sicherer
ist ihre functionelle Wichtigkeit, denn sie sind contractu und haben die
Bedeutung vom Herzen.
Wassergefasse.
§ <78.
Bei der Darstellung der Ambulacra (§ 160) ist eines »Wasser-
gefässsystcmsa gedacht worden, welches von aussen her Wasser
aufnimmt, und dasselbe den ambulacralen Gebilden zuleitet, um sie
in den Zustand der Erection zu versetzen. Ausser den bei der Looo-
motion betheiligten Gebilden werden von diesem Canalsystem noch
andre Organe geschwellt, die wir oben als Modificationen der Ambula-
cralfüsschen deuteten. Dass dieses Canalsystem einen Theil des Blui-
gefässsystems ausmache , ward bereits als wahrscheinlich dargestellt.
Inwieweit jedoch die Bahnen beider vielleicht erst secundär vereinigt
sind, bedarf noch der Feststellung. Jedenfalls ist eine selbständige
Betrachtung des Wassergefässsystems für jetzt noch geboten, zuma( ihm
durch die Ehtwickelung eine solche Stelle gesichert ist, und ein ihm
zugehöriger bedeutsamer Theil (Steincanal etc.) als ein demCircula-
tionsapparat ursprünglich völlig fremdes Gebilde erscheint.
In den Larven der Echinodermen erscheint das Wassergefässsystem
als ein glasheller, an seiner Innenfläche wimpernder Schlauch, der auf
dem Rücken der Larve mit einem wulstig gerandeten Perus ausmündet.
WaMergetllHe.
235
Fig.
Er enUleht (bei Asleriea] aus iwei sm Darmcanal der I^^rve sich
iHldendeD Anlagen, die ein paarig lur Seite des Larvenraagens ge-
lagertes Gebilde voratelIeD , das durch Verschmelzung heider Anlagen
auf dem Rucken der Larve einheitlich wird. Httufig zeigt sich eine
UDgleicbe Ausbildung beider Hälften des Scblsurhes, der bei Manchen
durch einen einfachen Blindsack dargestellt wird, immer liegt er
mit seioer HaupUuasse in der Nahe des Larvenmagens , wenn er auch
luweileo, wie bei gewissen Seestemlarven (Bracbiolaria) , sich mit
lipfelfQrm^n Verlangerangen in Forlsälte des Larvenkflrpers hinein
erstreckt. In diesem Zustande hat das Organ grosse Aehnlichkeit mit
d«D Excretionsoi^ne mancher Wurmlarven (Sipunculiden) , und lässt
auch von dieser Seite her die Sonderung des WassergefJsssystcins
aas einem ursprünglich escretorischen Apparate nicht unwahrscheialich
erscheinen.
Mit der Anlage des Echinoderms (Fig. 100. Aj wird der Schlauch
allmSblidi vom Perisran umwachsen ^ und itndcrt dann seine Form,
indem er in eine fUnfstrahlige Rosette (Fig.
100. i) auswdcfast. Durch «limitbliche
l^gerungsveranderungen kommt dieser im-
mer noch mit dem RUekcnporus nach
aussen mündende Abschnitt auf die ven-
trale FlBcbe des Ediinoderms zu liegen,
und nun entwickelt sieb jedes Blalt der
Rosette in einem gestreckten, mit seitlichen
Ausstülpungen besetzten Canal, der einem
Fiederblalte gleicht und die Anlage des
auf ein Ambutacrum treffenden Wasser-
getäss- Abschnittes vorstellt. Bei den Ho-
lothurien bildet die gleiche roseltenftirmigc
Anlage die Hundlentakel, deren Beziehung
zum Ambulacrsl System dadurch unzweifel-
haft wird (§ <60). Die ferneren wich-
tigen Verenge betreffen den centralen
Theil der Rosette, an welchem die CanSle
der fünf Blatter zusammen münden. Dieser
wandelt sich in einen Ringcanal um , der auch ferner als Centraltbeil
des Apparates fortbesteht , indcss die in den Blattern der Rosette an-
gelegten Canäle radiär Auswachsen, ui>d sich unter Vermehrung ihrer
Seilenaste Über die gleichfalls grosser werdenden Ambulacren erstrecken.
Von diesen wahrend der Entwickelung des Echinodermenkttrpers
sich bildenden Einrichtungen lassen sich die Zustände des Erwachse-
Fig. 140. Aalerienlarve (Bjplnnari e| mit kDospendemEchinodertn. e t" 4' g g'
VortMtie des Körpers, jenen homolog, die in Kig. SB gleiche Bezeichnurtg tragen.
h Hnod, 0 AÜer der Larve. A Anlage des Echinodermii. h Winiperoder Schlsuch.
I Ambulacralrosette [Anlage der •Wnssorgefassc'') . (Nach J. HI'llbh.)
S36 Ecbinoderroen.
Den uDmiUelbar ableiten. Aus dem primiltven Wimperschlauche hat
sich ein verzweigter Gel^ssapparat (Fig. 101) entwickelt, dessen Eodeu
mit dem Saugrtlsschen (p) und anderen uhnlicbea Fortsätzen in directer
Verbindung stehen. Die radialen HauptsUtinme dieses Systems coromu-
niciren mit einander duixih den Bingcana) (c), und dieser selbst wieder
steht mit dem umgebenden Medium in Verbindung. Eine Verbindung
des den Hund umgebenden Wasser-
gcltlssringes mit einem DsrmgefSsse
ist neuesten» fUr Spalangus aufge-
stellt worden, so dass bei der Gleich-
artigkeit des Inhaltes von beiderlei
Canalsystemen nicht blos deren Com-
municütion, sondern auch deren Zu-
sammen gehdrigkeit sehr wahrschein-
scheialich ist.
Anders verhält es sich mit der
Verbindung nach aussen , die auf
verschiedene Weise zu Stande kommt.
Bei Difierenzining des Echinoderms
in der Larve bleibt jener Tbeil der
Anlage des Wassei^efässsystems, der
vom EcbinodermenkOrper aufgenom-
W/^ r"%V "^" men wird, an einer Steile mit dem
7/ J,Z , Perisom in Verbindung und dort ent-
„MM " wickelt sich eine pordse Kalkplatte
^Br — die Hadreporenplatte imj,
welche mit dem Lumen des ver-
bindenden Canalabschniltcs in Communicalion steht. Der von der
Hadreporenplatte zum Ringcanale fuhrende Gang (ni'j , gleichfalls ein
Stuck des primitiven Wassergefösssystems , besitzt häufig kalkige Ein-
lagerungen und wird demgemäss als Stcincanal bezeichnet. Durch
die siebfOrmig durchbrochene Hadreporenplatte wird Wasser in den Stein-
canal, von da in das Binggefass cin^^efuhrt. Auch mit der Leibes-
höble werden von da aus Verbindungen angei^eben.
Das Verhalten der Hadreporenplatte zum primitiven Wasser-
gefdsssystem ist sehr verschieden, je nachdem ein grösserer oder ge-
ringerer Theil des letzteren in das Echinodcrm mit übergenommen
wird. Auch der ganze primitive Apparat kann ins Echinodenn Uber-
t^ehen, und dann wird die Madreporenplallc nahe am RUckenponis der
Larve entstehen, oder dieser selbst gehl in sie Über.
Fig. 104. Schemetische Darslellung de^i WassirKcrssssj slcniB eine« Sf*-
slernes. c Ringcanal. ap Poli'schc Blasen, tn Madrcportupiatte. m' SlDincaual.
r Radiär aogeordnele Hauptsiammc (AmbulDcralcenale). r' Scitlicho VerzweiKanpeo.
p SaugfüsschcD. a Ampullen dersetbeo. (Die Ambulacraicanäle mit ihren Anbangeo
sind nur zum Theil gexeicbnetj.
Wttterg^fliwe. |37
Der dem Sieincanal entsprechende Abschnitt verbindet sich nicht
in allen Fällen mit dem Perisom. Bei den Holothurien Itet sich die
Verbindung nahe am Rückenponis der Larve ; letzterer schwindet, und
der Steincanal hängt frei in die Leibeshöhle, und nimmt von hier aus
durch einen sehr complicirten porösen Endapparat Wasser auf.
Diesen Grundztigen der Einrichtung des Wassergefässsystems müssen
noch Complicationen begefügt werden, die durch contracüie Ausstülpun-
gen der Wassercanäle gegen die Leibeshöhle zu entstehen. Diese sind
mehrfacher Art, und zwar grössere bimförmige Blasen (Fig. 404. ap)
am Ringcanale (Poli'sche Blasen), dann an dem Uebergange der Ambu-
lacraleanäle in die Saugfüsschen kleine, immer in die Leibeshöhle
ragende Ampullen (Fig. 404. o) , die als Erweiterungen oder Aus-
stülpungen der Ambulacralcanalflste genommen werden können. Sie
besitzen einen cavemösen Bau. Beiderlei Gebilde dienen als Behälter
für das in den Ganälen strömende Fluiduro, und sind aus Anpassung
an die Function dieses Gefässsystenis ableitbar, derart, dass bei einer
Einziehung der Saugfüsschen immer deren Ampullen sich füllen, sowie
bei einer Ausstreckung derselben zunächst der Inhalt der Ampullen
sie schwellt. Was die Ampullen für die einzelnen Saugfüsschen sind,
leisten die Poli'schen Blasen des Ringcanals für das gesammte Ganal-
System, so dass hierdurch eine viel rascher erfolgende Action der
Ambolacralgebilde , sei es Schwollung oder Retraction, möglich ist, als
wenn das zur Erection jedes einzelnen Füsschens nothwendige Flüssig-
keitsquantum bei jeder Ausdehnung erst von aussen her durch den
Steincanal oder die Madreporenplatte eingenommen werden müsste. —
Diese Thätigkeit der Ampullen der Saugfüsschen und der Poli'schen
Blasen des Ringcanals liesorgt die Gontractilität ihrer Wandungen, in
denen eine Muskelschicht nachgewiesen ist. Ausserdem sorgt ein überall
im Wassergef^sssystem verbreitetes Flimmerepithel für die Vertheilung
und den steten Wechsel des Wassers, und dient damit gewiss auch
der respiratorischen Function.
Das vorhin Auseinandergesetzte hat am vollständigsten seine Gel-
tung für die Seesterne. Bei diesen inserirt sich der Steincanal
immer an einer Madreporenplatte, die in der Regel auf der Dorsalseite
in einem Interradius des Körpers liegt. Auch eine Mehrzahl von
Madreporenplatten i2 — 5) sowie eine dem entsprechende Vermehrung
des Steincanals, kommt in einzelnen Fällen vor, doch wechselt dies
Verkältniss selbst bei den Arten einzelner Gattungen. — Der Steincanal
verläuft immer in der Nähe des herzartigen Schlauches. Die Kalkab-
lageningen bilden an ihm ein feines Netzwerk, und sind von denen
des Perisoms nicht verschieden. Sie sind ringweise angeordnet, im
Innern tritt eine Längsleiste vor, von der zw^ei eingerollte dünnere, eben-
238 Ecbinodermen.
falls verkalkte Lamellen entspringen. Die Ambulacralcanäle laufen
über dem Skelete der Arme in die Ambulacraifurche eingesenkt, und
senden hier ihre Aeste an die zwischen den seitlichen Fortsätzen der
Gliedstucke des Ambulacralskelets entspringenden FUsschen, wilhrend
die Ampullen der letzteren durch die Spalten zwischen den Glied-
stUcken hindurchdringen und so ins Innere des Armes zu liegen kommen.
Die Anzahl der Poli'schen Blasen variirt, zuweilen sind sie vermehrt,
bilden traubige Büschel (Astropeeten aurantiacus) oder sie fehlen auch
gänzlich.
Bei den Ophiuren inserirt sich der Steincanal an einem der den
Mund umgebenden Plattenstucke, welches jedoch nicht als Madreporen-
platte gebaut ist, so dass der Steincanal nurFluidum aus der Leibeshöhle
aufnimmt. Am Ringcanale erweitert sich der Steineanal ampuUenartig,
und fügt sich einem interradialen Abschnitt ein. Den Saugfüsschen
fehlen die Ampullen. Aehnlich wie bei Asteroiden scheinen sich aach
die G r i n 0 Y d e n zu verhalten.
Im Anschlüsse an die Seesterne stehen die EchinoYden. Die
Madreporenplatte liegt immer am aboralen Pole; entweder ist eine der
Genitalplatten, (Fig. 92. m) oder deren mehrere, oder es ist auch noch
eine Intergenitalplatte zur Madreporenplatte umgewandelt, oder diese
stellt eine besondere Platte vor (Clypeastriden). Der Steincanal er-
scheint bald weich (Echinus) , bald mit festen Wandungen versehen
(Gidaris). Der mit fünf Poli'schen Blasen (sie fehlen den Spatangen)
versehene Ringcanal liegt bei den Seeigeln an der Basis des Kauappa-
rates und sendet die Ambulacralcanale abwärts, von wo sie dann an
die Ambulacren ausstrahlen. An der Innenseite der Schale, elneni
jeden Ambulacralfelde entlang verlaufend, vertheilen sich die Aeste der
Ambulacralcanale an die Poren und versorgen, querliegende ampullen-
artige Erweiterungen (Fig. 99. a) bildend, die hier entspringenden
Saugfüsschen oder deren Aequivalente.
Durch die Loslösung des später als Steincanal fungirenden Ver-
bindungsstückes vom Perisom der ins Echinoderm übergehenden Larve,
wird bei den HolothuroYden ein von den übrigen Echinodennen
abweichendes Verhalten erreicht. Die Wände des frei in die Leibes-
höhle hängenden Steincanals sind bald weniger, bald mehr verkalkt
und bilden im letzten Falle eine starre Kapsel. Gewöhnlich zeichnen
die Verkalkungen die porösen Stellen des Canals aus, und wieder-
holen so die Bildung der Madreporenplatte im Innern. Bei Vertfsle-
lungen des Steincanals tragen die Enden jedes Astes jene port^n
Stücke, und so entstehen durch Vervielfältigung traubenförmige Ge-
bilde, die einer Summe um den Steincanal gruppirter Madreporenplatten
nur functionell gleichwerthig sind. Wie die Einrichtung der einzelnen
Steincanäle verschieden ist, so wechselt auch ihre Zahl. Häufig ist
nur einer vorhanden, in anderen Fällen, vorzüglich bei Synapten,
kommen deren zahlreiche vor, die am Umfange des Ringcanals ver-
WssserHeUuM,
239
theilt sind. Ebenso wechselt die Zahl der auch hier nichc fehlenden
Poli'schefi BlaseD (Fig. 102. p) , deren Holothuria und Molpadia eine,
Synapta Beselii gegen 50,
Gladolabes gegen 100 be- Kig. loa.
sitst.
Die vom Ringeana) (C)
abgehenden Canäle verlau-
fen innertialb des Kalkringes
(B) nach vome, und treten
sich verzweigend zu den
Mundtenlakeln (7*), wo mit
jedem eine den Ampullen
der Saugfusschen entspre-
cfaeude blindsackortige Ver-
längerung in Verbindung
sieht. Diese ist nnsehnlicb
bei den Holothurien, und
liegt nach aussen vom Kalk-
ring, nur wenig entwickelt
ist sie bei den Synapten
(vei^l. Fig. 102). Hit den
zu den Tentakeln tretenden
Fortsätzen des Hingcanals
sfMiesst das Wasserge^sfr-
system der Synapten ab,
wibread bei den Hblothu-
rien noch radiale Stamme *"'
zu den Ambulacren verlau-
fen. Sie zeigen jedoch schon bei den Holpadien Rückbildungen, in-
dem bei einzelnen der Ambulacren entbehrenden Gattungen nur blind-
geendigle Portsatze ins Integutnent sicherstrecken, die endlich bei an-
dern gar nicht mehr zur Ausbildung kommmen. Andere Veränderungen
bieten die nur mit einer Anzahl der Ambulacra su.sgestatteten Holo-
Ibnrien (PsoIua) bei denen zwei Wawergefbssstflmnie die Verbindung
mit Saugftisschen verloren haben.
Fig *ti. LaogendurchsctiDiU des vordem KörpertheiU der Synepla di|;i-
tata. AR' Kalkring, r Davon susgehende Muskeln luni Schlünde, o HundOIT-
nong. D ttarmrohr. C RlngcaDal. I Canttle lu den Tentakeln T. p Poll'sche
Blaa«. « NervenriDg. %' Radial n«rveB»l»ni m , den KalkrlDg fV durchsetiend. m
Lii^snnskelMader. G AusfUhrgaoge der GeschlecbtsorgeDe. (Nacb Baur.)
Fünfter Abschnitt.
Arthropoden.
Allgemeine Uebersicht.
§ 480.
Der Körper der in dieser Abtheilung vereinigten Thiere besteht
aus einer für die einzelnen Gruppen nieist bestimmten Zahl in der Regel
verschiedenartig differenzirter Metameren. Diese Ungleichartigkeit äussert
sich nicht allein in der Verschiedenheit der äusseren Gestaltung und
des Volums, sondern ebenso auch in der Dififerenzirung der innem
Oi^ane. Eine Anzahl unter sich mehr oder minder gleichartiger Me-
tameren verbindet sich zu grösseren Abschnitten und kann verschmolzen
die Selbständigkeit der einzelnen völlig aufgeben. Bald besteben noch
Andeutungen einer solchen Zusammensetzung grösserer Körperab-
schnitte aus einer Summe von Metameren , bald sind auch diese ver-
schwunden, oder doch nur in frühen Entwickelungsstadien erkennbar.
Aus diesem Verhalten resultirt eine Umgliederung des Leibes.
Dass wir es hier mit einer den Würmern entsprossenen Abtheilnng
zu thun haben, geht sowohl aus der Metamerenbildung, als aus der
Uebereinstimmung der Beziehungen der einzelnen Organsysteme hervor.
Aber es ist zweifelhaft, ob diese Abstammung gemeinsam ist, da
manche Gründe bestehen für die Branchiaten und Tracheaten geson-
derte Stammformen anzunehmen. Wie bei den Annulaten bildet das
Nervensystem einen mit einer ventralen Ganglienkette verbundenen
Schlundring, und ebenso hat das Conlralorgan der Kreislauforgane eine
dorsale Lagerung. Auch bezüglich der Leibesanhänge gibt sich die
Abzweigung des Arthropodenstammes von jenem der WtU'mer kund.
Die am meisten verbreiteten ventralen' Anhänge stellen als Gbarakte-
risticum der ganzen Abtheilung gegliederte Bildungen vor. Daneben ist die
Zusammenziehung des vieltheiligen Organismus in einen einheitlichem
Allgemeine Ookwrsichl. ili
mehr hervortretend. Bei den Würmern für jedes Segment sich wieder-
holende Organe kommen bei den Arthropoden dem ganzen Körper
gemeinsam zu, und selbst bei äusserer GfeichaHigkeit der Metameren
zeigt häufig die innere Organisalion, dass die Melamerenbilduqg nicht
mehr den Gesammtorganismus beherrscht, sondern von Gen trat isations-
be^rebungen überwunden ist.
Bezüglich der Systematik der Arthropoden gebe ich folgende
[Jebersicbt :
A Branchiata.
I. Crustacea^).
a] Entomostraca.
4. Cirripedia^;.
Balanw, Coremulüf Lepoi.
Rhizocephala^).
SüccuUna, Mtogaster.
2. Copepoda.
Cyclops, Cyclopsina, Corycaeus, Sap^^irina.
Siphonostoma*}.
Caligus, ErgasUuSt DiehtUttham, Chimäracaitthus , Acktheres,
Lernaea, Lemaeocera, Peneita.
8. Ostracoda^}.
Oyprii, Cypridina.
k. BranchiopodaC).
Cladocera^).
Daphnia, Sida, Polyphemus, Evadne.
Phyllopoda.
Branchiptu, Apus, Limnadia.
4 ) An den einzelnen Körpersegmenten erhalten sich die Glledmaassen am voll-
sündigsten, wenn aocb in vielen darch Anpassung hervorgerufenen Modiflcatlonen.
Sie fungiren entweder direct als Athmung9organe, oder letztere sind doch mit
ihnen in engster Verbindung. Als Grundform hat die Naupliusform zu gelten, die
Tür die meisten sonst sehr weit divergenten Abtheilungen den ersten Entwickc-
lungsznstand bildet, und selbst in jener Abtheilung beobachtet ist, deren meiste
Glieider diesen Zustand Überspringen.
t) Eine den Körper vom Rücken her bis auf eine ventrale Oeffnung um-
schliessende DupKcator des Integumentes ist durch harte Schalenstttcke ausge-
zeichnet.
3) Eine durch Parasitismus umgestaltete Untere blheilung.
4) Ein auf den verschiedensten Stufen sich zeigender Parasitismus lisst eine
grosse Anzahl von Familien in diese besondere ünterabtheilung bringen, welche
man den übrigen frei lebenden Copepoden gegenüberstellen kann.
5) In der die zweiklapptge Schale vorstellenden Mantelduplicatur geben sie
sich mit Entwickelungsstadien drr.Cirripcdien verwandt.
6) Diese Abtheilung erscheint als die unmittelbarste Fortsetzung der Nauplius-
form, insofern sie durch einfache Metamerenbildung aus jenem Stadium hervor-
geht, und an den Glledmaassen zuweilen sogar nur sehr geringe Verttnderungen
erleidet.
7; WesenUich durch geringere Vermehrung der Metameren von den Phyllo-
poden unterschieden.
0«SeBlw«r, OrnndrisB. 46
242 Arthropoden.
b) Malacostraca *).
4. Podophthalma (Thoracostraca).
Schiz opoda.
Mysis, Euphausia, Thysanopus.
Carida«).
Crangon, Alpheus, Palaefnon, Hippolyte, Penaeus.
Decapoda^j.
Macrura.
Astacus, Nephrops, Paiinurus, Pagurus, Galaihea.
Brachyura.
Carcinus, Maja, Hyas, Dromia, Homola, Dorippe.
Stomapoda).
Squilla.
Tanaida*).
Tanais,
2) Hedriophthalma*^). (Arthrostraca.)
Isopodn.
Bopyrus, Cymolhoa, Sphaeroma , Oniscus , Ligia , AseUus,
Idolhea.
A iDphi poda.
Gammarus, OrchcsHa, Hifperia, Phronyma.
LaciDodipoda.
Caprella, Cyamus.
C u m n c 0 a «) .
Cuma.
II. Poecilopoda ').
L i m u I u .s.
4} Mit den vorhergehenden Ablheilun^en durch das hei Penaeus vorkommende
NaupUusstadium der Larvenforni verknüpft Kisst die Al)tbeilun^ eine enlschiedene
Weiterbildung durch das Auftreten eines zweiten Entwickclungsstadiums (Zo^aform)
in der Ontogenese erkennen.
2) Bilden zwischen Schizopoden und Decapoden eine vermittelnde Abtheilang.
3) Die zwischen Macruren und Brachyuren gestellten Anomuren lassen sieb
als Uebergangsformen diesen beiden Gruppen einordnen.
4) Die Scheerenasseln bilden eine Mittelform, die durch bewegliche Augen
und Zoija- Athmung ebenso den Podophthalmen , wie in ihrer übrigen Organi-
sation den sitzäugigen Krebsen verwandt ist und damit der Urform der Mala-
costraca nahe steht.
5) Bei den Hedriopbthaimcn sind die einzelnen Entwickelungsstadien völlig sa-
sammengezogen , und es ist weder Nauplius- noch Zoenstadium vorhanden» doch
sollen für das letztere Andeutungen vorhandpn sein.
6) In der Gliederung reihen sich die Cumnceen an die Schizopoden, mit denen
auch die Gliedmaassen übereinkommen, indess die Organisation den anderen
Hedriophthalmeo nahe steht, und die Enlwickelung besonders mit jener der Asseln
übereinstimmt. Man kann sie als sitzäugige Schizopoden ansehen, wie man die
Scheerenasseln als stieiängige Isopoden betrachten kann.
7} Stehen durch die fossilen Belinuren mit der paläontologisch sehr frühzeitig
entwickelten Abiheilung der längst untergegangenen Trilobiten in genealogischem Zu-
sammenhang. Durch ihre Ontogenie wie durch viele Verhältnisse ihrer inneren
und äusseren Organisation lösen sie sich von den Crustaceen ab, denen man sie
bisher beizählte, und erscheinen vielmehr als ein selbständiger Seitenzweig der
Gliederlhiere.
Ailgemeioe Cebersicbi. 243
B. Tracheatal).
I. Arachnida.
Pseudarachnae Hkl. >).
Tardigrads.
MacrotrioiMS.
Pycnogonida.
Pycnogomumf Nymphen.
Autarachnae Hkl.^).
Arthrogastres IIel.
Galeodea.
GaUodei.
Scorpionea.
Scarpio.
Phrynida.
Telypkomm, PkrywuM,
Pseudoscorpionea.
OieUfer.
Opilionea.
Phalangium, OpiUo. *
Aranea.
SaUicut, Thomina, Argyroneta, Tegenaria, Mygale.
Acarina^;.
Acarui, Argot, Ixodes, Gamasut, Aiax, Thrombidium.
Linguatulina.
PentastomwH.
II. Myriapoda.
Cliilopoda.
Scoiopendra^ Uihobius.
Chilognatha.
G/omtrif, Polydesrnta, Juhts,
1} Dass die Kiemenaihmung den früheren, die Tracheenathroun^ den spttteren
Zasland vorstellig ist zweifellos ; daraus ergibt sich die Auffassung der Tracheaten
als einer spttteren Korm, die aber desshalb noch nicht von einer der Branchiaten-
formen, wie sie in den Cnistaceen vorliegen, abgeleitet zu werden braucht.
2) Diess sind wahrscheinlich Repräsentanten rUckgebildeter Formen, die von
dem Stamme der Gliederthiere viel früher als die Tracheaten sich abgezweigt
haben, und von denen die Tardigraden vielleicht ganz von den Arthropoden ent-
fernt werden dürften.
3) Für die ächten Arachniden ergibt sich bei vielem Gemeinsamen die be-
deulendste Verschiedenheit in dem Verhalten der Ktfrpersegmenle, und in den
dorch Verschmelzung einer Anzahl derselben hervorgehenden grosseren Abschnitten.
Wir werden jene, in der mehrere solcher Abschnitte besteben , die zugleich noch
ihre Zusammensetzung aus Metameren erkennen lassen, als die minder verttnderien,
der Urform näher stehenden zu betrachten haben.
4) Dass hier Rückbildungen vorliegen, scheint unzweifelhaft, und wird noch
durch den für die meisten Familien bestehenden Parasitismus erlttotert, der in der
Familie der Linguatuliden sogar zu einer bedeutend abweichenden Gestaltung des
Leibest führt.
4«»
$44 Arthropoden.
III. Insecta.
1) Pseudoneuroptera^).
Am ph ibiot ica.
Ephemerida.
Ephemera^ Chioe,
Perlida.
Perla, Nemura.
Libellutida.
Libellula, Agrion, Aschna,
Corrode n tia.
Psocina.
Psocus, Trovles.
Embida.
Etnbia.
Termitida.
Termes.
Thysanoptera.
Tbri pida.
Thrips.
Thy sanura.
Podurida.
Podura^ Sminlhurus, Desoria.
Lepi.smida.
Lepisma, Machilis.
2) Neuroplera.
Planipenn ia.
Panorpina.
Panorpa, BiUacus.
Sial ida.
Rhaphidia, Sialis.
Herne robida.
HemerobiuSy Chrysopa, Myrnieleon.
Trichuptera.
Phryganida.
Phryganea, Limnophilus.
Stre psiptera.
Styiopida.
StylopSt Xenos.
3) Orthoplera.
Ulonata.
Cursoria.
Blatta, Manlis, Phasma.
Sa Itator ia.
GryUi4S, Gryllotalpa, Acridium, Locusta.
1) Als Tocoptera hat Häceel die der gemeinsamen Staromform der Insekten
am nächsten stehenden ersten drei Ordnungen zusammengefasst, welche durch
eine sehr bedeutende Divergenz der Süsseren wie inneren Organisation, auf ur-
sprünglich grossen Formenreichthum schliessen lassen. Auch die geringe, oft auf
wenige Gattungen beschränkte Ausdehnung der einzelnen vorhandenen Familien
spricht im Zusammenhalte mit dem vorigen Pnncte für die Auffassung dieser
Formen als vereinzelte Ausifiufer. Von den Pseudoneuropteren werden die mit im
Wasser lebenden Larvenformen die ältesten Formen repräsentiren.
Literalur. 245
Labidura.
For/ÜMte.
4j Coieeptera.
Cicindela, Carabus, Hydrophilus, StaphylinuSf Silpha, tuMUM, Me-
MüHlKa, ScarabanUf iipalrum, Tenebrio, Lyila, HieMy Chryso-
meta, CooekmeUa, Cerambyx, Lampyris, Blaler , BuprosUs, Bo-
siriehut, Curculio,
5) ilymenoptera.
Formica, Bambus, ApUj Vespa, Sphex, Chrysis, Strex, TcnUirain^
Ichneumon, Cynipt.
6) Hcmiptera.
Homoptera.
Cicadiua.
TeUig<mia, Cercopis, Membraois, Fulgora, Civada.
Phytophthire».
Apkis, Chermet, Cocct».
Heteroptera.
NoUMScta, Nepa, Hydromelra, HeduviuSt CimeaB, Capius,
LygaeuSf Pßniatoma, ScuieUera.
Pediculioa.
P0diculus, Phthirim,
7) Diptera.
Nemocera.
Tipula, Bibio, SimuUa, Chironomus, Cvretkra, Culex,
Bracbyura.
Oesirus, MutoQ, TacfUna, Syrpkut, LepUs, Anthrax, Bombylius,
Asyluif Tabanuf.
Pupipara.
Melcphttgui, Uippobosca.
Aphaniptera.
Pulex.
8) Lepidoptera.
Helerocera.
Plerophanu, Tinea, Toririx, Geometra, Psyche, Nociua, Cossus,
Bombyx, Sphinx, Smerynthus, Zygaena.
Rhopalocera.
Hesperia, Pieris, Vanessa, CoHas, Popifio.
Literatur.
Crustaceen: 0. F. Müllbb, Entomoalraca. 4785. — JuaiaK, Ui«loire des
Mooocles. 4820. — NoaoMAiiN, Mikrographische Beiträge, Hefi 11.
1832. — Martin St. Anoe, M<^m« aur rorgaoisation des Cirripödes.
1835 — Milne-Edwards, Hist, nat. des Cruslac^s. 111. Vol. 4834— 18A0.
— Derselbe, »Crastacea« in der Cyciopaedia of analomy. Vol. 1. —
Rathj^e, de Bopyro et Nereide Comm. Rigae et Dorpati 4887. — Zad-
DACH, Do Apodis caocriformis anatome. 4844. — GauaB, Bemerkungen
über die Pbyllopodea. Arch. f. Nat. 4 853. — Lktoio, Uebcr Argnlus fo-
liaceus, Zeitscbr. f. wiss. Zool. Bd. II. Ueber Arieroia salina und Bran-
cbipus stagnalis ibid. Bd. III. — Derselbe, Naturgeschichte der Daphniden.
Tübingen 4 860. — Daewih, A Monograph o( (bo Subclass Cirripedia. Vol. I. II .
4854. 4853. — W. ZsaKEB, Anatomisch-systemat. Stodien über die Krebs-
Uiiere. Archiv f. Nat. 4854. — Van Bkhkdbii, Rechercbes aar la faune
246 Arthropoden.
liiioralc de Bclgiquc. Crustac^s, Acad. Bruxelles. 4864. — Claus,
Die frei lebenden Copepoden. Leipzig 4863. — Derselbe, Ueber den
Bau und die Entw. parasitischer Cruslaceen. Cnssel 4 858. — Der-
selbe, Beiträge zur Kenntniss der Entomostraken. Merburg 4860. — Der-
selbe/ Ueber einige Schizopoden. Zeitscbr. f. wiss. Zool. XIII. — Ders..
Beobacht. üb. Lernaeoceia etc. Marburg u. Leipzig 4868. — Derselbe,
Beiträge zur Kenntniss der Ostracodon. Marburg 4868. Die Metamorphose
der Squilliden. Gott. 4874. ~~ Derselbe, Zur Kenotn. d. Baues u. d.
< Entwickl. von Branchipus stagn. u. Apus cancriform. Gott. 4878. —
Fh. MOller, Für Darwin. Leipzig 4 86A.
Foeoilopoden: Van der Hoeven, Rech, sur l'hist. nal. et raualomie des
Limules, Leyden 4838. — Packard, A. S. , The developraent of Limulus.
Mem. Boston Soc. Nat. hisl. Vol. H.
Arachziiden: Treviranus, G. R. , Ueber den inneren Bau der Arachniden.
Nürnberg 4 849. — Duges, Recherches sur l'ordre Acariens. Ann. sc.
nat. 11. I. II. 4834. — Derselbe, Sur les Arandides ibid. II. vi. 4 856.
— DoYEBE, Sur les Tardigrades. Ann. sc. nat. II. z. 4840. — Tulk
(Opilioniden) , Ann. nat. hisl. 4843. Fror. Not. Bd. SO. — Newport, on
the nervous and circulatory System in Myriapoda and macrourous Arach-
nida. Philos. Transact. 4848. — Qvatrepages, Organisation des Pycnogo-
nides. Ann. sc. nat. III. iv. 4845. — Vau Bbnboen (Linguatula) , Acad.
Bru&elles. 4849. — Leuckart, Bau und Entwickelungsgesch. d. Pentasto-
men. Leipzig u. Heidelberg 4 860. — L. Dufour, Hist. anatomique et phy-
siologiquo des Scorpious. Acad. d. Sciences (Savans ^trangers) XIV. —
Derselbe, Anat. physiol. et hist. nat. des Galdodes. Acad. des sciences
(Savans ^trangers) XVII. — Kittary, Anat. Unters, v. Galöodes. Bull.
de la soc. imp. des Naturalistes de Moscou. 4848. Auch in Froriep's
zoolog. Tagesberichten Nr. 408.
Myxiappden : Treviranus, G. R. (Scolopendra und Julus), Vermischte Schriften.
II. Bremen 4847. — Ddfour, L., Recherches anatomiques sur le Lithobius
forficatus ei le Scotigera lincata. Ann. sc. nat. II. 4 824. — Miller, J.,
Zur Anat. der Scolopendra morsitans, Isis 4 829. p. 549. — Brandt, Bei-
trüge zur Kenntniss des inneren Baues von Glomeris marginata. AT A. Ph.
4837. — Jones, R.. »Myriapoda« in der Cyclopaedia of onatomy and phy-
siology. Vol. III. 4842. — Newport, On de organs of Reproduclion and
the development of the Myriapoda. Philos. Trans. 4 844. — Derselbe,
On the structure, Relations and devclopniont of the nervous and circula-
tory Systems in Myriapoda and macrourus Arachnida. Philos. Trans. 4843.
Inseoten: RAaumur, M^moirespourservir äl'histoiredes Insects. 4734 — 42. Paris.
6 Vols. — Swammkrdam, Bibel der Natur. 4752. — Lyonet, Trait<^ anatomique
de la Chenille qui ronge le bois de saulo. I^ Haye. 4762. — Suckow, Ana-
tomisch-physiologische Untersuchungen der Insecten und Kruslenthiere.
4848. — Strauss-Dürciheim, Considöratlons sur Tanatomic compar^e des
animaox articnl^s, anxquelles on a Joint Panatomie descriptive da roelo-
lontha vulgaris. 4828. — Burmeister, Handbuch der Entomologie. Bd. I.
Berlin 4833. — Newport, »Insecta« in: Cyclopaedia of anatomy and pby-
siology. Vol. II. 4839. — Dufour, L., Recherches anatomiques el pbysio-
logiques sur les Hämipt^res. M6m. Acad. des sc. (Sav. dtrangers.] IV.
4833. — Derselbe, Sur les Orthopt^res, les Hymenopt^res et les Nearop-
tferes.. ibid. VII. 4844. — Derselbe, Sur les Dipt^res ibid. XI. 4854.
Ausserdem zahlreiche Monographien, besonders in den Ann. des sc. na-
turelles. — Pictbt, Recherches pour scrvir ä l'hist. et ä l'anatomio des
Phryganides. G^n^vo 4834. — Nicolet, Rech. p. servir ä rhisloirc des
Podurelles. Neuchatel 4844. — Leuckart, die Fortpflanzung u. Entw. der
Pupiparen. Halle 4858. — Lubbocx, J., Notes on the Thysanura, Lian.
KörpeKorm. 247
Transact. XXI H. Arbeiten von Loew in verschiedenen eniontiologucben
Zeitschri/len. — Lstdig's xablreiche Untersuchungen über den feineren
Bau der Inseclen. — Wcissmakh , Dio Eulwickelung der Dipteren. Leipzig
186*. — KowALEWSKi, A., EmbryoloR. Studien on Würmern und Arthro-
poden. Mdm. Acad. St. Petcrsbourg. 1. XVI. No. 4t.
K&rp6vfomi«
Der Arihropo<loi)körper beginnt in seinen einfachsten Zustünden
mit einer ungegliederten, im N a u p I i u s s t a d i u m der Crustaceen reprä-
sentirten Form (Fig. <0ü), wodurch dieser Tbicrslanun mit sehr lief stehen-
den Formen sich verknüpft zeigt. Wahrend bei einem grossen Theilc der
Krustentbiere (den Kntomostraken) aus der Naupliusfomi durch allmählich
erfolgende Sprossung Glied um Glied sich anfügt, und damit den ])hyIo-
genetischen Entwickeln ngsgang ontogcnetisch reproducirt, ei*scheint bei
den andern Krustenthieren (Malacostraken) die Knlwickelung der Leibes-
form mehr in zusammengezogener Weise, und nur aus einzelnen Füllen
wird beslinmibar, dass auch hier Anknüpfungen an jene niedere Form
bestehen. Der die zeitliche Folge der Metamerenbildung zusammen-
gezogen darstellende Entwickelungsvorgang ist lx*i Poecilo{)oden wie
bei allen Tracheaten allgemein, und begründet für die monophyletische
Abstammung der Gliederthiero Bedenken die durch andere Erwitgungcn
bedeutend gestHrkt werden.
Wie auch die erste Sonderung der Leibesform vor sich geht,
so erscheint der Leib bei allen cihnlich wie bei den Annulaien aus
einer Anzahl beweglich verbundener Gliedstücke (Metamcren) zusammen-
gesetzt, welche ihre ursprüngliche Gleichartigkeit im ausgebildeten
Organismus in verschiedenem Maasse aufgeben. Durch Ausbildung
einzelner, Rückbildung anderer, sowie endlich durch Concrescenz von
Metamerensummen, entsteht eine bedeutende Mannichfaltigkeit der Äussern
Gestaltung. Im Allgemeinen herrscht die Gleichartigkeit der Metameren
in frühen Jugendzustitnden vor, und lilsst dadurch die Abstammung
von solchen Formen erkennen , deren Metameren gleichfalls noch nicht
different waren. Die aus verschmolzenen Metameren entstandenen ein-
heitlichen Abschnitte des Leibes geben ihre Entstehung in den an
ihnen vorkommenden Gliedmaassen kund.
Die Concrescenz trifft am beständigsten die vordersten Metameren.
Daraus entsteht ein die Munddffhung und höhere Sinnesorgane, vor-
nehmlich die Augen und Fühler tragender Abschnitt, der Kopf. Er
bildet den einzigen aus mehrfachen Metameren bestehenden Abschnitt
bei den Myriapoden, bei manchen Krustenthieren (Isopoden) und Larven
von Insecten. Die übrigen Differenzirungsverhaltnisse spielen in den
einzelnen Abtheilungen verschiedene Rollen. Bei den Crustaceen ver-
bindet sich mit dem Kopfe eine Anzahl der folgenden Metameren zu
einer Kopfbrust (Cephalothoraxj . Die übrigen Metameren trennen sich
818
Arthropoden
li'dufijj wieder itt z"ei Absihiullc. insofern die iiitf den Cephalolhoia^ fol-
genden von den hinlcrslcn zuweilen versehieden sind. Darnach stellen
sie ein Abdomen und ein Poslabdomen dar. Die Segmente des Al)-
doniens versclimi'lzen bei Limulus, dessen Postabdomen dui'cli den
Schwanzslachel repritsentirt wird.
Durch duplicaturartige Ausdehnung des Inlegumentes einzelner
Körperregionen erhallen diese besondere Schutzvorrichtungen für ihre
AnhRngsgebilde. Indem bei den Decapoden das llaulskelot der Kopf-
brust seitlich auswüchst, deckt es die Kiemen, und bddel jcderscils
einen besonderen mit dem umgebenden Medium communicirendeu
Raum, die Kiemenhühlc. Vergl. S. 2.J5.
Solehe, mehreren primilivcn Körpersegmcnien angehOrigc Entfal-
tungen des llaulskclets kttnnen sich nueh über andere Körper» bscbDÜlc
erstrecken, und für diese eine »Schale« herstellen. Die Branchiopoden
zeigen hiezu in der schild'irtig verbreiteten Kopfbrust die ersten Anfange
bei den Phyllopoden {Apus). Eine Wci-
Fig. 103. tercutwickelung beider Hillften dieses Ge-
bildes fuhrt zur Herstellung einer zwei-
klsppigen Schale (Fig. f03. tf} (l.imnaJJaj.
Auch bei den Daphniden ist derselbe
Theil in eine den ganzen Hintcrtlieil lies
Körpers deckende Schale umgeslallet, und
bei den Ostracoden sind die beiden Ucilf-
ten dieses Gebildes ahnlich wie bei man-
chen Phyllopoden, am Kücken beweglich
mit einander verbunden. Die Kluppen der
Schote ci'slreckcn sich hier auch über den
Vordertbeil des Körpers , unisehliessen
somit das ganze Thier.
An diese Gebilde reihen sich die
höchst eigenlhümlichen Modißcationen des
Integuments der Cirripcdicn. Üic bei den
Ostracoden zur zweiklappigcn Schale ge-
staltete Duplicatur erscheint bei den Cir-
ripedien wührend eines Jugendtuslan-
des. Indem das Tbier mit den Antennen
sich festsetzt, entwickelt sich der dor-
sale Theil des Inte.guiiienles zu einem weiten den Korper umschliessen-
den Sacke oder Mantel (l-'ig. 104. de f), der nur in der Kopfregion
mit dem letzteren continuirlich zusnmmenbmgt. Der die ursprüng-
liche Anheftungsstelle tragende Abschnitt dieses Sackes bleibt entweder
Fig. 103. Oiierschnitle von CruslBcecri. A tiiies Pliyllopodun (LImncli»)
(nach GmvbeI, B vonSqailla (nach Milne-Edwards). c Hcre. i Derni. « Bsuch-
mark. 6r Kiemen, d Dupticatur des rtorsulen InloeumeateB, in A eiae Schale
vorstcPlend.
Körperfonn. %iQ
«eirh und dehnt sich in ein slielffinnigrs Gi-bildc «us (l.e|Mdiden i , oder
er gestallet srch zu einer breilcn Urundllüclic (Balauiden). Bei niiini-hen
Cimpedien (Alepas) bcliüli der günxu HatiU-l «ine weiche BeschaHeobeil.
Den Qieislen dagegen kommen feslc, durch Verkalkung enUtiindene
ScfaalenstUcke su , die in der
äusseren Lamelle des Hnnlels sich Fig. i>i.
Mldnii. in diesen tbeilweisc ein _ '
Grhiliise darstellenden Mantel ein-
jirhullt li^t der Uhrigo Körper mit
dem mtl RankenfUssen beseltlen
Poslabdoinen und steht durch eine
verst^liessbare Spillte mit dem
umgebenden Medium in V<>rbin-
dunfE.
Dieselbe manlelorlige lllille
bildet bei den Rhiiocephalen
einen äusserlich bald glalteii r d y « f
Seblauch, bald eine zu symme-
trisdien tappen gebuchlelc Scheibe. Kiiic enge OefTnung, die der in
die Hantelhftble der Cirri|>edien führenden S|Ktl(« gleich kommt, leitet
in einen jener MantelhOble entsprechenden Ruum, der nis Rnithöhle fun-
girt. Withread bei den Cirripedien noch ein Tbeil des glifrimaaGscn-
tngenden Krustenthierleihes mit der Hanlelduplicatur verbunden und
in sie eingesenkt fortbesteht, scheint bei den Hhizoeephtilen der gc-
sanimle Gliederleib in den Mantel Uberg^angon zu sein.
Hit dieser ßtlckbildung der Köt-perlorm verbindet sich eine andere aus
iler Art des Parasitismus entstandene Erscheinung, mdem nämlich von
der in den Leib des Winhes eingesenkten Stelle des Kopfes her zahl-
reiche Röhrchen sich bilden, welche zum Theile in netzartigen Durch-
llechtungcn anaslomosirend zum DaiTucanal des Wirthes treten und
diesen auf weite Strecken umspinnen. Daraus gestaltet sich ein unmittel-
bar vom Darm des Wirthes ernährende Flüssigkeit beziehender, dieselbe
dem Schmarotzer zuführender Apparat.
Ausserdem bietet der Parasitismus noch viele andere Beispiele
seiner rllckbiidenden Einwirkung wie aus der mann ichfaltigen Gestal-
tung der Siphonostomen hervorgebt.
Unter den Trachealen besitzen die Hyriapodcn im Bestehen gleich-
artiger discreter Hetamercn den indifferentesten Zustand. Hannich-
fücher differcnzirt erscheint die Leihesform hei den Arachniden. Die
Gnleoden besitzen von diesen die nictistc GÜedcining. Ein Kopf ist
von 3 Tborakalmelameren gesondert, von denen wieder ein aus dis-
Fig. lOt. DurchsctiiiillilBrslGlIung eines DalanuK, a Hund des Tliicrus. hb'
Zu ranke arorm igen Gebilden umgeslallcle Glicdmensscn. c Kopnhcil des Ihlercs.
A Minlelartifw UBhüllung. s « Bewegliche Klappen lam VervcblusBe des Ge-
liüU!«!. (f AeuMre Schale, m Haskeln. iNacb Daiwir.)
250
Arthropoden.
\
creten Metameren gebildetes Abdomen getrennt ist. Die Scorpionc
zeigen dagegen Kopf- und Brusimelanieren zu einem Abschnitte ver-
einigt, und vom gegliederten Abdomen noch ein Postabdomen differen-
zirt. Das Abdomen setzt sich schärfer von der Kopfbrust bei den
Phryniden ab, die darin mit den Araneen übereinstimmen, während
die vollständigere Concrescenz der Abdominalsegmentc für letztere einen
Unterschied von ersteren bildet. Die Selbständigkeit der Metameren
ist endlich bei den Milben völlig verschwunden und der Kdrper be-
sitzt keine Spuren einer Gliederung mehr.
Bei reicherer Gliederung waltet am Körper der Insecten eine
grössere Gleichartigkeit in der Vertheilung der Metameren auf die ein-
zelnen Abschnitte. Ausser dem aus mehreren (3) Metameren gebildeten
Kopfe bestehen allgemein drei Thorakalsegmenl« (Pro-, Meso- und
Metathoraxj , die entweder inditferenter sind, wie bei vielen Pseudo-
neuropteren, wo sie nur durch die Anhangsgebilde sich auszeichnen, oder
alle drei bilden zusammen einen sowohl von Kopf wie von Abdomen sich
scharf absetzenden Abschnitt (Neuroptera, Hynienoptera, Diptera, Lepidop-
tera) , oder es ist nur das erste Thorakalsegment bedeutender modi-
ficirt, während das zweite und dritte an das Abdomen sich anfügt.
Dies Verhältniss ist bei Orthopteren (Saltatoria) angedeutet, bei Käfern
ausgeprägt.
Das Verhalten des Abdomens wird von den vorhin berührten Be-
ziehungen zum Thorax theilweise boeinflusst. Seine Segmente erhalten
sich immer selbständig, und eine Rückbildung betritt meist die letzten,
von denen mehrere zum Geschlechtsapparate gezogen sind.
Gliedmaassen.
Fig. 4 05.
§ ^82.
Als Gliedmaassen erscheinen bei den Arthropoden paarige,
gegliederte Anhangsgebilde, die mit den Metameren verbunden als
dorsale und ventrale zu unterscheiden
sind. Die Vorbereitung zu dieser Ein-
richtung ist schon bei den höheren
Ringelwürmern in dem Vorkommen von
Fussst ummein ausgedrückt. Bei den Ar-
thropoden ist diese Fortsatzbildung einer-
seits durch die Gliederung dieser Anhänge
(s. Fig. 105. p)y andererseits durch die,
einer Verschiedenheit der Function ent-
sprechende Mannichfaltigkeit der Form auf eine höhere Differenzirungsstufe
Fig. 105. Quordurchsclinitt durch eine Assel mit einem Fusspaare. pji' Ab-
domiiialanhänge zur Bildung eines Brustbehälters. (Nach Lereioui.let.)
GliedmaasMii. 251
getreten, und nur in der Gleichartigkeit der ersten Anlage
spricht sich der niedere Zustand aus.
Wie die niedere Bildung der Parapodien der Anneliden auch durch
ihre gleichartige Reihenfolge ausgesprochen ist, so zeigt sich dasselbe ebenso
in den niederen Typen der Arthropoden, wie z. B. bei den Myria-
podon und bei vielen Crustaceen [Phyllopoden u. a.). £s geben sich
ferner bei diesen Körperanhiingen der Gliederthiere zwei Erscheinungen
kund, mit der Tendenz, den vieltheiligen , dem der Ringelwttrmer
abolieben Organismus in einen mehr einheitlichen umzubilden. Dadurch
schwindet bei den Arthropoden der unter den WUmiem noch vielfach
in hohem Grade deutliche Werth der Melameren als seibsISndiger auf
eine Erzeugung von Individuen abzielender Bildungen (vergl.obenS. \21],
Die erste dieser Erscheinungen ist die Metamorphose der
Glied maassen zu einer Reihe manuichfalliger den verschiedensten
Functionen dienender Gebilde. Wir sehen homologe An hangsgc bilde
von den niederen Abtheilungen zu den höheren allmählich aus einem
schwankenden Zustande in eine feste Gestalt Übergehen, und bei der
Veränderung der Function zeigt die Gliedmaasse ihre Umänderung der
neuen Leistung angepasst.
Die zweite Erscheinung ist die Beschränkung der Zahl der
Körperanhänge in den höheren Abtheilungen, gleichlaufend mit der
grösseren Ausbildung heteronomer Segmente oder mit der Entstehung
von grosseren Körperabschnitten durch Verschmelzung einzelner Seg-
mentgruppen.
§ 483.
Die einfachsten Verhältnisse der Gliedmaassen bietet die Nauplius-
form der Krustenthiere. Am ungegliederten Körper erscheinen erst
zwei, dann drei Paare gegliederter Anhänge. Alle fungiren als Loco-
motionsorgane [SchwimmfUsscj, und sind mit Borsten, oft in mächtigen
Büscheln besetzt. Das erste Paar dieser
Gliedmaassen (Fig. 106. a) ist einfach, das Fig. 406.
zweite und dritte Paar gabelig getheilt, und
diese Gabeltheilung erscheint an allen
folgenden Gliedmaassen der Krusten-
thiere. Die beiden ersten Paare unter-
scheiden sich von dem dritten und den diesem
später folgenden durch das Verhalten zu Nerven.
Sie empfangen ihre Nerven vom obem Schlund-
ganglion während das dritte wie alle folgen-
den von untern Ganglien versorgt wird. Daran
knüpft sich eine Scheidung der Function,
indem die beiden vordem Paare vorwiegend zu Antennen sich
ausbilden. Beide bleiben bei Gopepoden noch vielfach als Bewegungs-
Fig. 406. Naupliiu eines Gopepoden (Gyclops). abc Gliedmaaiwen.
252
Arthropoden.
Organe in Function. Am volisUlndigsten bei den Ostracoden. Auch
die Gladoceren besitzen die zweite Antenne noch als Ruderorgan aus-
gebildet, und bei den Phyllopoden erhült sich dieser Zustand durch
eine liingere Enlwickelungsperiode. Bei den Malacostraken sind beide
Antennenpaare ausser Beziehung zur Ortsbewegung, wie auch immer
ihre Gestaltung erscheinen mag. Gewöhnlich ist das hintere Paar
(Fig. <08. at'] in lateraler Stellung zum vorderen (o/) , und übertrifll
letzleres oft bedeutend an Volum (vergl. auch Fig. 4H. a' a").
Die übrigen Gliedmaassen sind ausschliesslich ventral. Sie schliessen
sich mit der beginnenden Metamerenbildung an das vorhin beim Nau-
plius erwähnte erste Schwimmfusspaar an und vertheilen sich paarig
auf die einzelnen Segmente. Wie jener Sch\^immfuss und das zweite
Antennenpaar laufen sie in zwei Aeste aus, welche meist ungleich-
artige Differenzirungen eingehen , indem der eine Zweig mächtiger sich
ausbildet und zum Hauplstücke der Gliedmaassen wird, indess der
andere mehr ein Anhangsgebilde vorstellt. Durch Beziehungen zur
respiratorischen Function kann jedoch auch dieser Theil der Glied-
maassen bedeutende Ausbildung erfahren. In der Function iheilen
sämmtliche Gliedmaassen sich in verschiedene Verrichtungen, denen
entsprechend sie umgestaltet sind.
Die vorderen dieser ventralen Gliedmaassen wer-
den, soweit sie in der Nähe der MundöfiFnung liegen,
zu Mundorganen umgebildet, entweder ausschliesslich
als Kiefer, oder nur theilweisc, als KieferfUsse.
Bei den Branchiopoden sind nur einige Paare zu Mund-
organen verwendet, und die übrigen bei den Phyllopo-
den meist sehr zahlreichen Gliedmaassen verhalten sich
ziemlich gleichartig als SchwimmfUsse. Aehnliches
bieten die Ostracoden, Copepoden und Cirripedien, deren
hintere Gliedmaassen jedoch in die charakteristischen
RankenfUsse umgebildet sind [Fig. 104. bb']. Am be-
deutendsten ist die Veränderung der Gliedmaassen bei
den Malacostraken, für welche der Befund bei einem
Decapoden näher betrachtet werden soll. Hier treffen
sich G Gliedmaassen paare zu Mundorganen gestallet,
an welchen sich die Form des Pbyllopodenfusses wenig
verändert fort erhielt. Auf ein Paar derber Kiefern
(Fig. 107. md) folgen zwei Paar Kinnladen (Maxillen
[mx^ mx') , denen drei Paare von KieferfUssen (w//,
//»/>', mp") sich anschliessen. Durch die letztern ßndel
ein allmiihlicher Uebergang zu den locomotorischen Glied-
maassen statt. Von diesen sind noch fünf Paare P' — /*»'•
am Cophalothorax angebracht, den sie mit den Kiefer-
Fig. 4 07. Miinduliedmaassen von Astacus fluviatilis md Mnndibel. mx Ei*8>lt\
mx' zweite Maxille. mp, mp', mp" kieferfüssc. c Anhang.
THje
ItUMT
«S3
fDssen Dod Kiefern aus ebenso viel Melameren entstanden beurkunden
helfen. Ad den Endgliedern der meisten dieser SchreitfUsse kommt durch
bedeutende Ausdehnung des vorletzten tlber das lelite die Scheeren-
bilduDg tu Stande, die meist am ersten Fusspanre Uberwie(;end ent-
öltet als Waffe dient. Wie die KieferfUss^ besitzen »uch die Selireit-
fUsse Kiemenb tischet als Anhange.
Am Abdomen sind endlich fünf Kir. las.
Füsspaare in schwache Schwimm-
fUsse umgewandelt, davon das erste
bä den Männchen als fiegatlungs-
oi^n fungirl, bei den Weibchen
mcLgebildet ist. Bei den letitera
tragen die l Übrigen (Fig. 108. p^
— p^] die Eier. Am bedeutendsten
endlich ist das letzte Glied nuasspaar
verschieden, indem es (;>^) mit dem
Endsegmenie des Körpers zusammen
eine krüftige Schwanzflosse herstellt,
deren seitlichen Theil es bildet.
A n d ere Halacoslrakenabth e i I u n ge n
ze^en hiervon mehr oder minder be-
deutende Verschiedenheiten je nach
der Zahl der Mundorgane oder der als
LocoiDotioD Solana verwendeten und
diesen Functionen angepassten Glied-
maassen. So sind z. B. bei den
Asseln i Gliedmaassen in Hundtbeile
verwandelt, die folgenden 8 er-
scheinen als Gebftlsse, und die letzten
vier endlich bilden der Athmung die-
nende PIatt«n.
Die Verknüpfung der Athnmng
mit der Locomotion , wie sie sich in
der Umwandlung der Gliedmaassen
in Kiemenblätlcben oder in der Son-
derung von Kiomen dei' verschiedensten Gestalt nn den Glied-
maassen ausspricht, trifft sich als eine tiefgehende Erscheinung.«
|s. Kiemen.)
Flg. 408; riHedmaawen von Aslacuu fluviatilis, vod der BaucblUche Reseheo.
Ol vordere, at hinlere Antenne, mt' Uandlbelsllick. mp'' drilter Kiererruss, all«
übrigen Jlondglieilmaaiiscn bedeutend, f— /* Schreitfusse. p'— f"' Scliwiiinm-
(Ume de« Abdomens, jfi KlossenruKs. a AflcrüfTnung. o Mündunf- des Oviductes
am BtMtgliede des drillen Schreitfuucs.
25 i Arthropoden.
Kiemen.
Die an den Gliedmaassen der Crustaceen bestehende Spaltung
macht diese Gebilde bei Verbreitung ihrer GliedstUeke ebenso zur
respiratorischen Function geeignet, wie sie es zur Locomotion sind.
Mit einer Verdünnung des Integumentes an bestimmten Abschnitten
entstehen den Gasaustauch zwischen dem im Innern der Gliedmaassen
circulirenden Blute und dem umgebenden Medium fdixlernde Einrich-
tungen, welche bald die gesammte Gliedmaasse bald nur ein Gabel-
stück derselben als Respirationsorgan erscheinen lassen.
Eine fernere Differenzirung führt dann zu einer Vermehrung der
respiratorischen Lamellen einer Gliedmaasse oder zu fadenförmigen
Umbildungen derselben. Die Verbreitung von Kiemenbildungen mit
den Gliedmaassen der Würmer lässt darin eine Vorbildung der bei
Crustaceen weiter entwickelten Einrichtung erscheinen, die hier
typisch ward.
Die allmähliche Ausbildung der Kiemen lässt sich von Stufe zu
Stufe durch die Reihe der Krustenthiere verfoken, und die Functionen
der Athmung und der Ortsbewegung sind häufig so innig mit einander
verbunden, dass es schwer ist zu entscheiden, ob gewisse Foimen
der paarigen Körperanhänge als Kiemen oder als Füsse oder als beides
zugleich gellen dürfen. Nicht selten ist diese Umwandlung der Loco-
motionsorgane in Athmungswerkzeugc in der Reihenfolge der Glied-
maasen eines und desselben Individuums wahrnehmbar. Die kiemen-
tragenden Metameren sind sehr verschieden, so dass man sagen kann,
die Gliedmaassen jedes Segmentes seien befähigt, Kiemen vorzustellen,
oder aus einem ihrer beiden primitiven Aeste Kiemengebilde entwidielnd,
als Träger derselben aufzutreten. Wie der Ort, so wechselt auch die
Zahl und die specielle Structur dieser Athmungsorgane.
Wo die Füsse selbst Kiemen vorstellen , erscheinen sie als breite,
dünne Lamellen (vergl. Fig. 103. i4 6r), deren Oberflächen der W^eehsel-
wirkung zwischen dem in ihnen kreisenden Blute und dem umgeben-
den Wasser günstig sind. Solche Gebilde zeigen sich verbreitet bei
den Branchiopoden, bei denen meist eine grössere Anzahl von
Fusspaaren als Kiemen erscheint und noch besondere beutelfbrmige
Anhänge als vorzugsweise mit jener Function betraut unterscheiden
lässt. Als Kiemenblätter erscheinen auch die Bauchfüsse der Isopoden.
Bei den Amphipoden sind die Kiemen schlauchförmige Anhänge der
Thorakalsegmente , die in der Regel an den Basalgliedern der Füsse
befestigt sind. Dagegen tritt bei den Stomapoden eine aus der
Grundform hervorgegangene andere Bildung auf, indem die fünf
Schwimmfusspaare des Abdomens an ihrer Basis ein median gerichtetes
Büschel verzweigter Kiemenfiiden tragen (Fig. 403. Bhr.).
Kiemen. 255
Eine conlinuiriiche Reihe von den einfachsten zu den oomplicir-
testen Yerhältnissen führt von den Schizopoden zu den Decapoden.
Ersteren fehlen gesonderte Kiemen nicht selten (Mysidenj , oder sie
erscheinen als verästelte Anhänge der Gliedmaassen des Cephalothorax,
trei nach aussen flottirend (Thysanopodenj . Allmählich entwickelt sich
eine Duplicaior vom Hautskelete des Cephalothorax her und bildet eine
den seitlichen Raum über den BrustfUssen bedeckende Lamelle (S. 248).
In diesen Raum lagern sich die von den BrustfOssen oder von der Körper-
wand entspringenden Kiemen, er wird dadurch zur seitlich geschlosse-
nen Kiemenhohle (Decapoden) , welche durch eine vom freien Rande
jener Lamelle und der Basis der FUsse begrenzte Spalte mit dem um-
gebenden Medium in Verbindung steht. Indem sich die DedLlamelle
der Kiemenhohle ventral enger an den Körper anlegt, wird die an-
fiinglich einfache, Einlass gebende LUngsspalte in zwei Abschnitte zer-
legt, und es bildet sich so eine grössere hintere und eine weiter nach
vorne gelegene kleinere Oeffnung, durch welche das durch die grössere
eingetretene Wasser, nachdem es die Kiemen bespült hat, wieder nach
aussen gelangt. Die Kiemen können sich theilweise von der Fussbasis
entfernen und von der Wand der Kiemenhöhle entspringen, entsprechen
aber dann noch häufig in ihrer Zahl den Gliedmaassen. Bei den meisten
Decapoden ist jedoch die Zahl der Kiemen beträchtlich vermehrt,
indem die vordersten Fusspaare mit mehreren Kiemen versehen sind
und überdies noch einige Paare der Kieferfüsse an dieser Einrichtung
iheilnehmen. Eine schärfere Sonderung der respiratorischen Glied-
niaassen drückt sich bei den Pöcil op öden aus, deren vordere Glied-
maassen der Anhangsgebilde entbehren, indess die dem Abdomen
angefügten 5 f usspaare in breite Platten umgewandelt eine bedeutende
Anzahl von Kiemenlamellen tragen.
§ 485.
Ein rascherer Wasserwechsel um den Kienien.npparot wird auf
mannichfache Weise bewerkstelligt. Am einfachsten sind diese Ver-
hältnisse da, wo die Gliedmaassen selbst als Kiemen fungiren, oder
wo die Kiemen, wenn auch als besondere Organe, den Schwiminfüssen
angeheftet sind. Die Action der Gliedmaassen ruft hier einen bestän-
digen Wasserwechsel um die Organe hervor, und bringt die Respiration
mit der Ortsbewegung in directe Beziehung. Die Gliedmaassen der
Branchiopoden und die Schwimmfüsse der Stomapoden können
a)s Beispiele fUr diese Einrichtung angeführt werden. Bei anderen
besorgt den Wasserwechsel ein besonderer aus den modißcirten After-
fUssen gebildeter Deckapparat der Kiemen, wie dies bei den Pöcil o-
poden und bei den Asseln der Fall ist. Durch die stete Bewegung
dieser Deckplatten ist auch im ruhenden Zustande der Thiere eine be-
ständige Erneuerung des Wassers ermöglicht.
Sie
Arlhropodeii.
Die Bildung einer Kiemenliöhle bedingt die Sonderung neuer Vor- -
richlungen, durch welche der Wasserwechsel besorgt wird. Bei den
mit KienienhOhlen vm-sehoiicn Dcc.ipoden bestehen jedcrseils be-
sondere Strudelorgane (Fingella], (Fig. lOft. f), welche über süroml-
tiche Kiemen als schmale und dUnne
Fol tsiii^e sich hinweg ei-slrccken und
an die Basis eines Kieferfusses ge-
heftet, von diesem in bestandige
Bewegung gesetzt werden. (Brach;-
Von respiratorischer Bedeutung
müssen die Lamellen des Integu-
ments gellen, welche bei vielen Eni»-
mostraken die Triiger der Schalen-
bildungen sind. Diese Beziehung
zur Alhmung wird dadurch ver-
stiindlich, dass diese Mantellamellen
ein nicht unbedeutender Blutslrom
durchkreisl, und durch die Dudq-
wimdigkeit des Ot^ans fUr den Gas-
auslausch günstige Bedingungen ge-
f geben erscheinen, dass femer durch
die Schwimnibewegungen derGlieri-
maassen ein energischer Wasserwechsel an der- Innenfläche des Mantels
besorgt wird. Hit einer Ausdehnung der Mantellamellen (Limnndia-
ceen) wird diesen auch ein grösseres Gewicht bei der Vermiltelung der
Athmung zufallen, welches sich in dem Maasse noch erhöhen muss,
als die Gliedmaassen an Zahl reducirl, und nur von geringen Blut-
mengen durchströnil, an respiratorischer Bedeutung verlieren, wie dies
bei den Osiracoden, dann auch hei den Daphniden der Fall ist.
WHhrend in diesen Fallen der Mantel keine besonders hervor-
tretende Organisation als Kiemenorgan besass, erscheint eine solche
bei den Cirripedien, Bei den Balauiden erheben sich von der Innen-
fläche der Hanlelhohle, zvtischen der Settenwand und der Basis, ge-
fältele als Kiemen fungirende Lamellen und zeigen damit die Differen-
zirung eines besonderen Organes.
Flg. 10). Kiemen eines Rrachyuren. Dos Kücken in legument des grüsste*
Tbeils des Cephatothorai ist eotrernt. In der HItle ist die LelbeEliöliIe mit dem
vom Kaumagen v kommcDdcn Darme sichlbsr, seitlich davon Ist die Kiemeahöhlc
gcülTnet, rechts finden sich die Kiemen in seclisRIatlerreihen, links find vier der-
selben nbgeschnittcn, ebenso tins Fla^ellum f, um den unter den Kiemen liegenden
SIrud olapparat f f sichtbar zu machen, o Augen. A Fühler, ar Eine einieltie
Kieme, bei r# abj^eschnitten.
GK«diDaM0en. 257
Gliedmaassen der Tracbealen.
§ 186.
Die Gliedonaassen der Tracbeaten unliTscbeiden sich von jenen
der Krustenthiere durch den Mangel der Gabeltbeiiung, so dass sie aus
einer einfachen Reibe von GliedstUcken sich zusammensetzen. Alle
Tradiealen zeichnet ferner ein einziges Antennenpaar aus, worin
auch die Pöcilopoden ihnen sieb anschliessen. Diese Antennen sind bei
den Pöcilopoden wie bei den Arachniden den Mundorgmen zugetheilt,
bei den Soorpiooen als Scheerentaster (Scheerenkiofer), bei den Spinnen
als KieferfUhler (KlauenfUhler) bezeichnet. Ungeachtet dieser Bezieh-
ungen sind diese Gebilde den Antennen der Myriapoden und Inseoten
homolog, indem sie wie diese ihre Nerven vom oberen Schlundganglion
empfangen. In Anpassung an zahlreiche Leistungen im Dienste mit
ihnen verbundener Sinnesorgane bieten sie bei den Insecten höchst
DiaDnicbfaltige Ausbildung dar.
Ventrale Gliedmaassen erscheinen gleichartig angelegt und
lassen damit die auftretende Sonderung als eiiirn später erworbenen
Zustand erkennen , mit dem sie verschiedenen Leistungen gemäss in
verschiedene Formzustände treten. Vorderen Metameren angehörige
Gliedmaassen gehen wieder in Mundorgane über, hinteren zugetheiite
in Ftlsse, und an den letzten Metameren erleiden die Gliedmaassen voll-
ständige Rückbildung und treten oft nicht einmal in der Anlage auf.
Im Ganzen ist die Zahl dieser Gliedmaassen viel beschränkter als bei
den Krustenthieren , und innerhalb der Glassen hält sie sich stets in
feststehenden Grenzen, und die Zahl der Mundgliedmaassen , wie die der
Füsse ist constant. Den Arachniden kommt nur ein einziges Paar solcher
Mundgliedmaassen zu. Es stellt bei den Spinnen die einen mehrglied-
rigen Taster tragenden Kinnladen vor, die bei den Scorpionen den
Scheerenftlssen, bei den Phryniden den mit einem mächtigen Ilaken be-
waffneten »Tastern« entsprechen. Die Milben besitzen die beiderseitigen
Stucke zu einer rinnenförmigen Unterlippe verbunden, in welcher die
stiletförmigen Kiefergebilde geborgen sind. Die vier übrigen Glied-
maassenpaare stellen Füsse vor , deren erster bei den Phryniden geissei-
förmig gestaltet ist.
Bei den Myriapoden stimmen die Mundgliedmaassen mit denen der
hisecten ttberein. Von drei Paar Anhängen bildet das erste meist
»larke zangenartig gegeneinander wirkende Kiefer, das zweite stellt
bei den Chilopoden ein Maxillenpaar vor^ indess das dritte zu einer
Unterlippe sich verbindet. In diese geht bei den Cbilognathen auch
das erste Maxillenpaar ein. Alle übrigen Gliedmaassen stellen Füsse
dar, die zuerst in drei Paaren auftreten, hinter welchen dann neue
hinzukommen, so dass jedem Leibesmetamer ein Paar Füsse — bei
den Cbilognallien mil Ausnubmc der vorderen HelamereD — sogar je i
Fusspaare — zukommen (Diplopoden).
§ *87.
Aus der ursprünglich gleichartigen Glicdmaassenanlage (vergl.
Fig. f f 0. A) sondern sich bei den Insectcn Anlennen, Hundorgane und
Ftlsse {Fig. 110. B). Die Mundorgane bilden gegeneinander wirkende
Kiefertheile , von denen die beiden hinleren Paare [Mamillen] in be-
wegliche, dem ersten Paare fehlende
Anhänge, Tasler, forlgesetzt sind. Sie
stellen Kauorgane vor. Durch das Ver-
wachsen des Eweiten Haxillenpaares lu
eincrl'nierlippe, dnrdieTasleralsLippcn-
laster Einsitzen, entstehen fernere Hodifi-
cationen. Die Verschmelzung ist unvoll-
ständig bei den meisten Pseudoneurop-
Icren, z. B. bei den Libellen, den
Heuschrecken, oder sie ist vollkommen
wie bei den Coleoptercn.
Noch bedeul^-nderc Hodißcationen ent-
stehen an diesen Theilen mit der An-
passung ihrer Function an eine andere
Art der Nahrungsaufnahme, mittels
Saugen. DieHymenoptem, deren Hund-
theile in beiderlei Richtung fungiren
können, zeigen die Organe noch in
ziemlich derselben Form wie andere fn-
sectenmit Kauor^anen, aber dieHaulIen
sind bedeutend verlängert und ebenso die Unterlippe mit ihren Tastern.
Auf ihrer g<^en die Hundäffnung gerichteten Fläche ist ein Vorsprung,
die Zunge, entstanden, der an seiner Basis noch zwei seitliche An-
hänge, Kebenzungen. zeigt. Bei Hanchen kommt den letzteren eine der
Zunge Sthntiche Ausdehnung zu.
Minder leicht sind die Hundtbeile der ausschliesslich sauenden
Insecten von den Kauwerkzeugen ableitbar. Hemiptera und Diplera
besitzen die Handibeln und Ha\illen in Borsten umgestaltet, von denen
die Ha Villen borsten Ltei vielen Dipteren rudimentjir sind. Die Unterlippe
bildet fnr diese Borsien eine bei Memipleren gegliederte, bei Dipteren meist
weiche Scheide, welche noch die Lippenlasler oder deren Rudimente
tri»;.:!. An der kürten OtH'Hippe sitzt ein den Hemipleren feblendesZungen-
rudinH'Ot. Die Hundorgnne der Schniellerlinse sind in einer andern
t'tf. II», EtitWK-ti^luii^sslatli.'n vou H>drv>philus pic«uj ia ventraler Aniiclil.
.»Ein IniliiTrs. B «-m sp.ii.T^ SiUi.tmm. tt Ol-^ri^i-p* at AnteDoe, md ersles
llunif^<iM<ni»sMMi|M.ir VaiKlit'rl . mx Zwi-iit-s Pnjr tkUitlle'. U Drill«* Pur
itolrTliiipr . f' f" f'" Kus»». ,N»cfa ko«u.E<«iKi.'
GliediDMswn. 259
Riobtang differenzirt. Hier bilden die rinnenförmig gestalteten, zu einer
Röbre verbundenen Maxillen einen meist beträchtlich langen, spirah'g
einrollbaren Rüssel, an dessen Basis kleine Rieferlaster sich vorfinden,
die von den meist grossen Tastern der kurzen rudimentären Unterlippe
bededLt sind.
Wttlirend die Mundgliedmaassen den zum Kopfe verschmelzenden
Melamaren zugetheilt sind, erscheinen die folgenden Gltedmaassen als
Fttsse, als Anhangsgebilde der drei nächsten oder thorakalen Metameren.
Die an ihnen auftretende Gliederung ei^ibt sich bei ihrer Ueberein-
Stimmung als eine gemeinsam ererbte und nur an den der Anpassung
zugangticfaeren Endabscbnitten sind bedeutendere Differenzen wahr-
nehmbar. Andere EigenthUmlichkeiten stellen sich als Ausdruck man-
Didifaltiger Anpassungen an modificirte Verrichtungen dar.
Obwohl direi Fnsspaare constant sind, so ist doch bei vielen In-
secten eine grössere Zahl in der Anlage erkennbar, woraus auf eine
Abslammang von mehrfttssigen Formen geschlossen werden kann.
Von diesen hinter den drei Tborakalfüssen befindlichen Fussrudimenten
erlangen einzelne eine bedeutendere Entfaltung und werden, wenn
auch nidil so hochgradig wie die vorderen ausgebildet, doch wtthrend
gewisser Entwickelunggstadien in locomotorische Function gestellt, wie
die sogenannten Afterfttssc der Schmetterlings- und Blattwespenlarven,
oder sie stellen nicht locomotorische Anhange vor, wie bei manchen
Käferlarven oder ausgebildeten Zuständen der letztem.
§ 188.
Ausser den Antennen treten dorsale Gliedniaassen unter den
Tracheaten nur bei den Insecten auf. Da sie stets den hinter dem
Kopfe befindlichen Metameren zukommen, empfangen sie — wie sdmmt-
liehe ventrale Gliedmaassen — ihre Nerven vom Bauchstrange. Ob
sie mit den bei Crustaceen sich nicht selten von den Füssen entfer-
nenden und selbständig den Metameren angefügten Kiemen verwandt
sind, ist in hohem Grade zweifelhaft, und schwerlich dürften sie von
jenen her sich ableiten, woraus eine selbständige Behandlung dieser
Organe sich rechtfertigt.
me dorsalen Gliedmaassen erscheinen als blatt- oder fadenförmige,
zuweilen in Büscheln gruppirte Fortsätze der Metameren im Wasser
lebender Larven der Ephemeriden, Perliden, Phryganiden u. a. Diese
Anhangsgebilde besitzen respiratorische Function, und werden wegen
der in sie eintretenden Tracheen, als Tracheen-Kiemen bezeich-
net. Sie besetzen den Körper meist in grösserer Ausdehnung. Die
blattartig verbreiteten Formen werden in einer für den Wasserwechsel
wichtigen Bewegung getroffen, ähnlich den respiratorischen Gliedmaassen
der Phyllopoden, ohne dass sie jedoch locomotorische Beiiehungen
erkennen liessen.
S60 Arthropoden.
Mit den blattförmigen Tracheenkiemen müssen die Flügel homolog
gelten, die sowohl in der Anlage, wie in der Verbindung mit dem Körper
und in ihrem Bau viele Ueberstimmung zeigen. In ihrer Beschrönkung
auf das Site und 3te Thorakalsegment wUixien sie Reductionen der
Zahl der Kiementracheen vorstellen. Die Nothwendigkeit der Voraus-
setzung, dass der Flügel nicht als solcher* entstand, sondern aus einem
in anderer Function stehenden Organe sich hervorbildete, gibt bei der
Vergleichung mit den Kiemen tracheen gleichfalls einen Factor ab. In
manchen Fällen gibt sich die Gliedmaassennatur der Flügel in einer
Gliederung kund, die nur als Anpassung gelten kann. Sie findet sich
an dem einschlagbaren 2ten Flügelpaare der Goleopteren und der Forfi-
culiden, in beiden Fällen mit der Umwandlung des ersten Paares in
Flügeldecken zusammenfallend.
Beide FlUgelpaare besitzen die gleichartigsten Verhältnisse bei den
Pseudoneuropteren. In den übrigen vierflügligen Ordnungen' sind sie
grösseren Differenzirungen unterworfen. Ausser Grössenverschieden-
heitcn, die schon bei liymenopteren und Lepidopteren meist in einem
Uebcrwiegen des ersten Paares sich zeigen, ergeben sich noch Modifi-
cationen im Bau, wodurch ein geänderter funclioneller Werth sich
ausspricht. Bei den Orthopteren erscheint das erste Flügelpaar häufig
nur als Deckorgan des zweiten , deutlicher bei den Käfern , deren
zweites Paar häufig rudimentär wird. Die Flügeldecken sind dann zu
Schutzorganen des unter ihnen geborgenen Abdomens geworden. Die
Hemipteren bieten eine ähnliche Differenzimng. Nur das vordere
Flügelpaar besitzen die Dipteren, bei denen ein hinteres Paar noch
spurvveise in den sogenannten Schwingkölbchen (Halteren) sich fori-
erhält. Dagegen besteht nur das hintere, am dritten Thorakalseg-
mente befestigte Flügclpaar bei den Strepsipteren.
Intesument und Hautskelet.
§ 189.
Das Integument der Arthropoden erscheint selbständiger und un-
abhängiger von der Muskulatur und lässt stets zwei Lagen unterscheiden.
Die von einer Zellschichte oder einem Syncytium abgesck^edene
Guticularschichte überzieht im Anschlüsse an die bei vielen Würmern be-
stehenden Befunde die gesammte Oberfläche des Körpers, und setzt
sich an den Oeffnungen innerer Organe als Auskleidung letzterer fort.
Durch ihre Mächtigkeit bildet sie den bedeutendsten Theil des lotegu—
mentes, an Dicke und Festigkeit ausserordentlich wechselnd. Weich
und biegsam ist sie zwischen den Körpersegmenten, wo dieselben be-
weglich mit einander verbunden sind , fester dagegen zumeist an den
Metameren selbst, sowie an den Gliedmaassen ; im Allgemeinen bew^
sich ihre physikalische Beschaffenheit innerhalb einer grossen Breite,
Intagum«oi nod HtoUketet. 164
and voD der weichen K<}rperhtt11e der Spinnen und der meisten In*
seetenlarven, finden sich alle Uobergänge zu dem starren Panzer , der
den Körper der meisten Krustenthiere, der TausendfUsse, der Scorpione
und unter den Insecten vorzuglich jenen der Küfer u. s. w. bedeckt.
Der verschiedene Grad der Festigkeit hiingt nicht blos von der Dicke
der Guticula, sondern vorzüglich von der Chitinisirung der Schichlen
derselben ab. Im neugebildeten Zustande erscheinen auch dicke Lagen
noch weich, um erst mit dem Platzgreifen jener chemischen Veränderung
an Resistenz zu gewinnen. Zur Erhöhung der Festigkeit dieses Chitin-
panzers trügt bei vielen Krustenthie ren, wie auch bei My riapoden
die Ablagerung von Kalksalzen bei. Dieses Starrwerden der Cuticula setzt
der Ausdehnung des Körpervolums beim Wachsthum eine Glänze, und
daraus entspringt in jenen Fallen für die Zeit der Fortdauer des Wachs-
thams ein in Intervallen wiederkehrendes Abwerfen der Cuticula — die
Häutung — .
Gemäss ihrer Entstehung zeigt die Cuticularschirhte Qberall deut-
liche Laoiellen. In der Regel werden sie von Porenranülen durchsetzt ,
in welche Fortsütze der Matrix sich einsenken.
Die relativ dünne Matrix der Cuticularschichte ist homolog der Epi-
dermis anderer Thiergroppen. Obgleich sie in manchen Fallen (C'rusta-
ceenj Pigmente einschliesst , ist sie in der Regel doch farblos, denn
die Färbung der Gliederthiere rührt meist von Pigmentablagerungen in
der äusseren Ghitinhülle her. Unter dieser eigentlichen Epithelschichte
(die auch als Hypoderm unterschieden wird] kommt noch eine Rinde-
gewebsscbichte vor, welche jedoch im Vergleiche zur Cuticularschichte
wie zur Matrix meist wenig entwickelt ist.
§ 490.
Durch erhöhte Festigkeit der abgesonderten Chitinschichten treten
diese id eine neue Function und werden zu einem Hautskelete,
welches nicht blos ein Schutzorgan für .die in den Leibesraum gebette-*
ten Organe vorstellt, sondern auch zum Stützapparat wird, und
der Leibesmuskulatur Ursprungs - und Insertionsstellen darbietet. Diesos
Verhältniss erstreckt sich vom Körper auf dessen Gliedmaassen , deren
Integument ebenfalls als Skelet fungirt.
Die Entstehung grösserer ungleichartiger Abschnitte wirkt in mancher
Beziehung umgestaltend auf das Hautskelet, indem sie Differenzirungen
hervorruft. Solche sind durch Vorsprünge und Fortsatzbiidungen des
Hantskelets nach innen zu gegeben, welche sich besonders an den
die als Mundwerkzeuge oder als Organe der Ortsbewegung fungirenden
Gliedmaassen tragenden Abschnitten treffen und hier einen Zusammen-
hang mit der Mächtigkeit der Ausbildung letzterer nicht verkennen
lassen. Sehr entfaltet sind diese Fortsetze an der Kopfbrust der höhe-
ren Krustenthiere. Auch fehlen sie nicht bei den übrigen Classen in
den Gliedmaassen tragenden Ahschnilten dos Körpers. Sie finden sich
$612 Arthropoden.
besonders im Kopfe und Thorax bei manchen Insectenordnungen (Käfer,
Hymenopteren, Orthopteren), wo ihr Complex als Endothorax bezeich-
net ward. Diese Theile bilden häufig einen Stützapparat für das Ner-
vensystem und können dasselbe sogar auf einzelnen Strecken um-
schliessen. Ihre Bedeutung läuft auf eine Yergrttsserung der Muskel-
ursprUnge tragenden Binnenfläche des Hautskelets hinaus.
Als Skeletbildungen sind ferner die Schalen von Bedeutung, welche
aus der Chitinbedeckung der Mantelduplicaturen mancher Branchiopoden
sowie der Ostracoden hervorgehen, ebenso gehören hieher die Ciehfiuse
der Girripedien. Bei aller Verschiedenheit ihrer Form und Grösse bilden
sie constante Einrichtungen. Zwei Paar Leisten oder Platten umsdiliessen
den Eingang in die Mantelhöhle, und bilden einen beweglichen Deckel-
apparat. Bei den Balaniden entwickeln sich unter den Lepadiden nur
angedeutete Schalenstücke zu einem zusammenhängenden starren Ge-
häuse (Fig. 104. f f]^ an welchem nur der den Eingang zur Mantelhohle
verschliessende Deckelapparat beweglich bleibt.
Verlängerungen oder Fortsätze des Inlegumentes erscheinen mannich-
fach als Stacheln, Borsten oder haarähnliche Bildungen, die bei Kruste n -
thieren, Arachnidcn und Inseclen in unendlich vielen Modifi-
cationen vorkommen und bald innig und unbeweglich mit dem Ghitin-
panzer verbunden sind, dessen Auswüchse sie darstellen, wie die
Borsten an gewissen Körpertheilen der Krusteuthiere , die Haare der
Spinnen , Raupen u. s. w. , bald im ausgebildeten Zustande nur lose
dem Körper ansitzen, wie die Schuppen der Schmetterlinge. In beiden
Fällen steht die Ghitinbekleidung des Forlsatzes mit dem übrigen Inte-
gumente in continuirlichem Zusammenhang. An den beweglichen An-
hangsgebilden dieser Art findet sich an der Verbindungstelle ein weicherer
Abschnitt der Ghitinlage, während die Cuticula gleichartig auf die
starren Fortsätze sich erstreckt. — Auch zu Stimmorganen werden
Integumentgebilde , wie Zähnchen und Leisten bei manchen faisecten
(Heuschrecken, Cicaden) verwendet.
Dem Integumente gehören Drüsenorgane an, welche aus Modi-
ficationen der Epidermisschichte sich ableiten. In geringerer Ver-
breitung treffen sie sich bei den Krustenthieren, häufiger bei Insecten.
Der secemirende Theii der Drüse besteht entweder nur aus einer ein-
zigen Zelle, oder aus einer geringen Anzahl derselben, und der Aus-
führgang wird grossentheils von Porencanälen der Cuticularschichte
dargestellt. *
Eine ansehnliche Entwickelung bieten die Hautdrüsen bei wacbs-
bereitenden Insecten an gewissen Körperstellen. Bei den Aphiden,
mehr noch bei einzelnen Hyraenopleren sind Gruppen von Hautdrüsen
in wachsabsondernde Apparate umgewandelt. Fernere Differenzirungen
Miiskeiftystom. 863
voo Hantdrttflen stellen die SpinndrOsen der Araneen vor. Im Abdomen
lagernde, auf mehreren Paaren unterhalb der AfteröfTnung angebrachter
Waraen (Spinnwarxen) ausmttndende Drüsen liefern ein Secret, welches
an der Luft su einem Chitin faden erstarrend den Faden des Gewebes
der Spinnen bildet.
Ein durch die Beschaffenheit seines Secretes Uhnlicher Apparat
findet sich bei den Larven vieler Insecten. In den Larven von
SchmeUertingm , manchen Käfern und llymenopteren liegt neben dem
Darme ein Paar langer, meist gewundener DrttsenschlHuche , deren
dfinne AusfUhiigange an der Unterlippe vereint sich öffnen. Ihr Secret
liefert den Seidenfaden der Gespinnste dieser Larven. Vor dem Ein-
iriUe des ruhenden Puppenzustandes bieten die »Spinngef^sse« [Serie-
tarien) den höchsten Grad ihrer Ausbildung dar; nach der Fertigung
des Gespinnstes erliegen sie einer Rückbildung.
Andere Drüsen erscheinen endlich durch ihr Secret als Gift-
drüsen, X. B. bei Spinnen am KlauenfUhler mündend, bei Scorpionen
am Schwanzstachel, und vergrösseru den Reichthum der aus dlem
Drüsenapparat des Integumentes gestalteten Differenzirungen.
Muskelaystem.
§ 49«.
Die Muskulatur bietet bei den Arthropoden nicht mehr jenes
gleichartige Verbalten einzelner Rings- oder LUngsfaserschichten wie
am Uaiitmuskelschlauche der Würmer. Vielmehr ist eine Sonderung
eingetreten, und wir treffen discrete Bündel aus einer verschieden
grossen Summe quergestreifter Muskelfasern. Der Hautmuskelschlauch
hat sich zu einem Complexe einzelner Muskeln umgebildet, die zusam-
men ein Muskelsystem vorstellen. Da das Skelet der Arthropoden
ein äusseres ist, nehmen di^ Muskeln Ursprungs- und Ansatzstellen
im Innern der Uohlcylinder oder Gylinderabschnitte, als welche sich
sowohl die Körper- wie die Gliedmaassensegmente darstellen. Sowohl
in der Zahl der einzelnen Muskeln als in der mannichfachen Anordnung
derselben bietet das Muskelsystem eine hohe Entwickelungsstufe , die
immer der verschiedenartigen Bedeutung der Körpersegmente und der
verschiedengradigen Ausbildung derselben entsprechend sich verhalt
und in gleicher Weise von der Muskulatur der Ringelwürmer differirt,
wie diese durch die mehr homonome Metamerie von der heteronomen
der Arthropoden sich unterscheiden.
Bei einer Gleichartigkeit der Metameren ist auch die Muskulatur
derselben gleichartig, sowie durch die ungleichartige Entwickelung ein-
zelner Metameren, sei es durch die Verschmelzung einiger oder meh-
rerer derselben zu einem grösseren Körperabschnitte oder sei es , dass
durch Rückbildung eine entsprechend ungleichartige Anordnung der
264 Arthropoden.
betrefiPenden Muskeln zu Stande kommt. Einen bedeutenden Einfluss
auf die Entfaltung der Muskulatur besitzt die Ausbildung der Glied-
maassen. Die zur Bewegung derselben (Füsse oder FlUgel) dienenden
Muskeln inseriren siel) häufig an besondere, von den betreffenden Theilen
der Ghitinhülle jener Qliedmaassen nach innen gerichtete Fortsätze.
welche sowohl als Verlängerungen der Hebelarme erscheinen , als auch
zur Vergrösserung dor Insertionsfläche dienen.
Das Zahlenverhyjtniss der Muskeln sowie ihre Anordnung erleidet
bei den einer Metamorphose unterworfenen Arthropoden oft betracht-
liche Veränderungen. Dies gilt sowohl für die progressive als für die
regressive Form. Bei der ersteren ist die Veränderung eine DiflFeren-
zirung in ungleich werthige Gruppen ; bei der letzteren eine Rückbil-
dung grösserer Partieen, wie solches bei den parasitischen Cnislaceen,
auch bei festsitzenden Formen derselben, sich triflt.
Ifervensystem.
§ 193.
Das Nervensystem der Arthropoden leitet sich von jenem der
Würmer ab, indem es in seinen Grundzügen mit diesem vollständig
im Einklang sich findet. Eine über dem Schlünde lagernde Ganglien-
masse erscheint als Kopfganglion oder Gehirn, von welchem zwei
Commissuren den Schlund umgreifen, mit einem ventralen Ganglienpaare
sich tum Nervenschlundring verbindend. Von den untern Gan-
glien aus erstreckt sich eine durch Längscoromissuren verbundene Reihe
von Ganglien längs der ventralen Innenfläche des Leibes, die Bauch-
ganglienkette. Das Uebergewicht des Kopfganglions über die ven-
tralen Ganglien, schon bei Ringelwürmem vielfach wahrnehmbar, wird
bei den Arthropoden im Allgemeinen noch ausgeprägter, und dieser
zum Theile durch die Beziehungen zu hßher entfalteten Sinneswerk-
zeugen bedingt« Umstand lässt es begreifen, wenn man in der dorsalen
Schlundganglienmasse etwas dem Gehirne der Wirbelthiere Aehnliches
hat erkennen wollen. Von einer ähnlichen Anschauung geleitet, ver-
glich man dann auch die Bauchganglien, als Bauchmark, mit dem
Rücken marke der Vertebralen, und hat diese Bestrebungen sogar noch
weiter auszuführen gesucht. Diese Versuche ignoinren die gänzliche
Verschiedenh(?it des bei Arthropoden und Wirbelthieren sich ausprägen-
den Typus und müssen als verfehlte bezeichnet werden. Wenn wir
daher das obere Schlundganglion als »Gehirn« bezeichnen , so soll da-
mit keine exclusive Vergleichung mit dem so benannten Theil des
Nervensystems der Vertebraten ausgedrückt sein, denn es ist wie jenes
der Würmer dem gesammten Centralnervensystem der Vertebraten ho-
molog.
Die Massenentfaltung des Gehirns steht, wie oben angedeutet, in
Nenren0yst«n. f65
diredem Zasammenhang mit der Entwicketong dor höheren Sinnes-
organe, besonders der SehwerkEeuge, und zeigt ihre Medificationep zum
grossen Tbeile von diesen abhängig. Auch die fiauchganglienkeiie er-*
leidet wesentliche Modificaiionen, bei denen sich aber überall eine ge-
setzmassige Abhiingigkeit von dem Zustande der Metameren des Kör-
pers nicht verkennen Uisst. Das Vorhandensein gleichartiger Metameren
(bei vielen Rrustenthieren , den Myriapoden und Insectenlarven) be-
dingt die Gleichartigkeit der Ganglien des Bauchstranges und eine
gleichmSissige Folge derselben. Bei- vorwiegender Ausbildung einzelner
Metameren triflfl sich auch eine bedeutendere Entfaltung der bezüg-
lichen Ganglien, sowie bei Concresccnz von Metameren (höhere Cr usta-
ceen, Arachniden, Insecten) , auch an dem Bauchstrange des
Nervensystems eine Annäherung einzelner Ganglien -Gruppen bemerk-
bar ist, die nicht selten zur völligen Verschmelzung in mehrere grössere
Ganglien oder zur Bildung einer einzigen grossen Bauchmarkmasse führt.
Die Ganglien der Bauchganglienkette sind ursprünglich paarig,
durch eine Quercommissur verbunden , wie bei den Ringel wUrmem.
Durch Verkürzung dieser Quereommissuren tritt eine Annäherung und
endlich eine jedoch mehr üusserliche Verschmelzung ein.
Das peripherische Nervensystem entspringt aus den durch
Ganglienzellen ausgezeichneten Anschwellungen des centralen, ntfmiich
des Gehirns und der Bauchkette. Die Nerven treten entweder un-
mittelbar aus dem ganglion^lren Abschnitte heraus, oder sie verlaufen
noch eine Strecke weit mit den LUngscommissuren, um erst von diesen
abzugehen.
Die höheren Sinnesnerven entspringen in der Regel von dem Ge-
himganglion. Das gilt vorzüglich für die Nerven der Augen und der
Antennen, nicht jedoch für die ttiannichfaltigen Hörorgane, welche bei
sehr verschiedenartiger Lagerung mit verschiedenen Nerven verbunden
sein können.
Neben den für die Muskulatur und das Integument bestimmten
Nerven gibt es noch solche für die Eingeweide, von denen die Darm-
nerven am genauesten bekannt sind. Sie schliessen sich zum Tbeil
an die bei den Anneliden bestehenden Einriebtungen an. Da ihrem
Verlaufe eigene Ganglien eingebettet sind, stellen sie ein in gewissem
Grade selbstiindiges Nervensystem vor, das man als »Mundmagennerven-
systema bezeichnet. Ein besonderes, vorzugsweise bei den Insecten
bestehendes Eingeweidenervensyslem nimmt seine Wurzeln von den
Ganglien des Bauchmarks, und ist als sympathisches Nervensystem
bezeichnet worden.
Für die im vorigen § aufgeführten Erscheinungen bieten sich am
Nervensystem der Grustaceen zahlreiche Beispiele dar. Die Aus-
bildung des Gehirnes in Ahhiingigkeit von der Entfaltung der Seh-
2«6
Arthropodau.
Werkzeuge zeigt sich sowohl hei den Thoracostraken , wie unter den
Arthrostraken bei den grossaugtgen Hyperiden (Pbronima), deren Seb-
n<Tven aus besonderen, übrigens auch bei den Asseln unlorscbeidbaren
Lappen hervoi^ehen. Eine Sonderung der Gehirnmasse in eini^oe
Gsugliengruppen tritl im Allgemeinen
als Ausdruck höherer Differenzirung
auf. Diesem Verhalten slclleo sich
die Rückbildungen gegenüber, welche
das Gehirn bei einer Reduction oder
gänzlichem Verluste der Sehorgane
erleidet, womit meist auch ein Schwin-
den der Antennen verbunden ist.
Sowohl bei den parasitischen Cope-
poden wie hei den Cirripedien (Fig.
1(2. B. gs) finden sich solche Zu-
stände, denen zufolge das Gehirn in
einzelnen Fällen nur durch eine Com-
missur reprilsentirt erscheint.
Was die Baucbgangiien betrifit,
so ist das vorderste derselben durch
eine sehr verschieden lange Commissur
mit dem Gehirne in Zusammenhang.
Die Lunge dieses Stranges erscheint
von der Lagerung des Hundes in Be-
zug auf die Gehirnganglien (resp. zu
den Augen und Antennen) ahhiingig.
Sehr bedeutend ist die Länge bei den
Maiacostraken (Fig. tll. c, Fig. 112.
A], auch bei manchen niederen Kru-
sUtnthieren , z. B. Cirripodieo (Fig.
111. B. c] , während bei anderen
wieder eine so bedeutende Verkür-
zung besteht, dass Gehirn- und
Baucbganglien eine einzige, vom Oeso-
phagus durchsetzte Nervenmassc bil-
den (z. B. bei CorycaeYden).
Die Vertheilung der Ganglien der Bauchkette nach den einzelnen
Hetameren erscheint am gleichmSssigstcn bei den Phyilopoden, die darin
am wenigsten von primitiven Verhältnissen sich entfernt haben. Der
Bauchstrang wird hier aus einer grossen Anzahl von Ganglienpaaren
Fig. III. Nervensystem von Squilla. 0 Augen, a' Erstes, a" zweilfs
Antennenpaar, p Kangfüsse, mit eiDschlsglwren Endgliedern versehen, p' Ruder'
tUsse, das letzte Paar der russartigen Anhange gehl io die Scli wen i flösse nbildung ein.
m Muskeln, g i Obenia Schi und ganglion. c CominissurstrAoge. g' Thors kalgiiiigUaa.
g" g" g'" BaucbgaDglien.
NerreMystan.
«67
(ca. 60 bei Apas) zuwfnniengeKlit , di« «iter allnillhlicher AbDahme
der Quer- wie der LangscomniUsureD sich folgen, iadeu bei den D»pb-
niden entsprechend der geringeren HeUmerenaebl auch nur wenige
aber sonst sich ähnlich verballende Ganglien vorkoromea.
Unter den Tboracostraken erscheioen die Ganglien des Bauch-
slnnges lam grossen Theile gleichfalls noch discret, allein der Goo-
(TMcenz vorderer Hetameren zu einem mehr oder minder Ausgedehnlen
Cepbalothorax entspricht eine Verachmeliung der vorderen Ganglien-
niassen, die in sehr verschiedenem Maass« ausgeführt erscheint. So bilden
die bei den 8tofnapoden (Pig.
IIS) die vorderen HnndfUsse Flg. ni.
«iedieiiaubftlBse (p) versorgen-
deo Ganglien einen grosseren
Complei [jf') , an den eine
wjbsiandiger sich verhaltende
biszam Schwanzsegmenl sieb-
ende Ganglienreihe {3", g'",
j|*j sich snschliesst. Unter
den langscbwänzigen Decspo-
den scheinen in den 6 auf den
Cephalotborax treffenden Gan-
glifnpaaren gleichfalls Concre-
sconien vorzuliegen, wilbrend
die 6 kleineren Ganglien des
Abdomens noch vollsWndig den
Hetameren entsprechen, was
bei ersleren nicht der Fall ist.
Weiler« Verschmelzungen kom-
men bei einzelnen Hscniren
ttn den Brustganglien zum Tor-
schein (Pabnunis], und beiPa-
garus sind in Anpassung an
die Verkümmerung des Abdo-
mens, die Ganglien dieses Abschnittes nur durch ein einziges vorge-
stellt. Daran reihen sich die Brachyuren, bei denen die gesammte
Fifl. HS. A Nervensystem einer Krabbe (Carcinn* meenm). gt GeKirn-
^nglien. o Augen- , a Atilennennarv. e Schlundcommisiar. f QoerverhindanK
der SchlundcommiMur. gi Verschmolienes Baachmark. [Nach Hani-EDWjtaDi.)
B Nnvensyslem eines Cirripeden (Coronola diadama], von der BanchtUcbfl ge-
Mheo. ff, t, gi wie in A. a Anten neu ner van , die sich Über den llanl«! ver-
llKileD. Zwischen Ihnen liegt dos mit dem Gebirn vert)Undene «Augen gang Don«.
B Nerv lum Mafien, t Eingc«eidenerv, der sich mit einem vom vordem Theil
des ScftkmdringH kommenden zweiten Singe weldenerv i" In einem Geflecble s" ver-
bindet. Ans den BanchüBnfihea entspringt vnne der Nerv TUT den er«t«a Baatan-
(us, hinten die Nerven («cj lUr die Übrigen. (Nach Duwni.)
968
Arlhropoden
Bnuchgnnglienkellfl sofiar zu einem einzigen Ganglion verschmolzen er-
scheinl (Fig. <12. A. g. i.).
Solche Reductionen finden sich auch in anderen Abtheilungen der
Kriistenthiere und sind wieder g^rossentlieils als Anpassungen an Ver-
ilndemngen der Leibesform nitchweisbar. Wir treffen jene Coocen-
iration unter den Copepoden, bei denen die Calaniden eine aus 7 Gan-
glien gebildete Baucbketle besitzen , die bei den Corycnefden zu einer
sogar dem Gehirne angeschlossenen Masse zusammengezogen ist. Ebenso
besteht bei den Cirripedien unter den I.epadiden eine Reihe von 4 — 5
Ganglien im Bauchstrang, den ht-i den Bnlaniden eine einzige Ganglien-
masse reprHsenlirt [Fig. H2. ß. gi], Unter den Arthrostraken zeigen
sich ilhnliehe Erscheinungen, doch ist das Bestehen einer grösseren
Gnnglienzahl (tO—ii bei Amphipodcn, 7—13 hei Isopodenj die Regel.
§ 193.
Hehr noch als bei den CrusUiceen trefTen sich bei den Arach-
niden Reductionen und Verschmelzungen der Bauchganglien. Die
Arachniden haben sich somit von der Urform der Gliederlbiere weiter
entfernt als die meisten Crustaceen, Für alle ist die enge Verbindung
der Gebimgnnglicn mit dem Bauchmarke
durch ausnehmend kurze Commissuren
charaklerislisch. Diese Annäherung der bei-
den Abschnitte des Nervensystems bedingt
zuweilen eine Form, in der das gesammte
Nervensystem wie durch eine einzige vwn
Oesophagus durchsetzte Ganglienmässe ge-
bildet scheint.
Am reichsten ist die Gliederung des
Nervensystems der Scorpione. Das wenig
entwickelte Kopfganglion sendet zwei kurze
Commissuren zur Bauchkette, die aus 8
Ganglien besteht. Das erste davon ist durch
seine Grösse ausgezeichnet und erscbeiat
dem einzigen grossen Ganglion im Cephalo-
thorax der Spinnen homolog. Es gibt, wie
dort, den Fussnerven den Ursprung und
muss somit ebenfalls als aus mehrere ver-
schmolzen gedacht werden. Die drei nach-
folgenden Ganglien sind noch in Cephalo-
thorax gelagert und die vier letzten, weit
auseinander gerückten, treffen für die Seg-
mente des Schwanzes.
Fig. HB.
Fig. 143. Nervensystem von Thelyphoni
r Bauch gan gl ion. 0 Augen, p Palpen, p' — p>v
artiger Körpernnhang. (Nach B(.akcr«hd.J
S caudatus. s Gehimganglion.
Füsse. Ir Lungeo. e Schwan«-
NenrentYttem. 969
Bei den Galeoden und Phryniden wie bei den Araneen ist die
Ganglienkeiie durch ein grosses Baucbganglion vertreten, welches
(Fig. 113. i) besonders bei den Spinnen von strahliger Gestalt die
Nerven der ventralen Gliedmaassen und ausserdem noch xwei ins Ab«
dornen verlaufende, bei den Galeoden nach den Segmenten des Ab-
domens verzweigte Nervenstflmme entsendet.
Bei allen diesen Abtheilungen gibt das meist deutlich paarige, und
bei den Galeoden (Fig. H3. s) besonders ansehnliche Gehirnganglion
die Nerven für die Augen ab, und dicht neben den Sehnerven ent-
springen bei den Spinnen die Nerven der Klauenrtlhler, deren Bedeu-
tung als metamorphosirte Antennen damit hervortritt.
Eine vollkommene Goncenlration aller Centraltheile des Nerven-
systems zeichnet die A(5arinen aus, bei denen die meist nur wenig
entwickelten Gehirnganglien sogar nur durch eine Commissur vertreten
sein können. Das ansehnliche, einen einzigen Knoten bildende Bauch-
mark zeigt noch manchmal Spuren einer Gliederung in der Vertheilung
der Ganglienzellen und faserigen Elemente und schickt ringsum
Nerven ab.
Auf Verminderung der GanglienzabI in Folge einer Reduction der
Körpersegmente beruht das einfache Verhalten des Ncrvcnsystemes der
Pycnogoniden , deren Gehirn durch kurze Gommissuren mit dem
ans vier Ganglienpaaren gebildeten Bauch marke verbunden ist.
§ 496.
Einfachere Verhältnisse bietet das Nervensystem der Myriapoden,
deren Baochstrang fast vollkommen gleichartig die Liinge des EOrpers
durchzieht, und seine Ganglien genau den Metameren entsprechend
vertheilt zeigt. Das erste, die Mundgliedmaassen versoi^gende Ganglion
zeigt zuweilen deutlich seine Zusammensetzung aus einer Ganglien-
summe. Die folgenden sind je nach dem Ausbildungsgrade der Glied-
maassen mehr oder minder voluminös, in regelmassigen Abständen auf-
gereiht, und bei den Diplopoden zu je zweien sich folgend. Unter Ver-
kürzung der Ldngscoromissuren stellen sie dicht gereihte Anschwellungen
dar (Juliden). Eine solche zur Concrescenz leitende Näherung findet
sich allgemeiner an den letzten Ganglien auch bei sonst deutlicher Iren*
nung. Die Zahl dieser Ganglien entspricht der Metamerenzahl , und
kann so bis zu 140 (Geophilus) steigen.
Bei den Insecten erscheint eine der ursprünglichen gleichartigen
Gliederung des Körpers entsprechende Form im Anfange des Entwicke-
luDgsganges, und alle späteren Bildungen des Nervensystems sind aus
dieser entstanden. Der Bauchstrang durchzieht mit gleichmässig von
einander entfernten Ganglien in der Begel die ganze Lunge des Thieres,
so dass sein letztes Ganglion im letzten Körpersogmente liegt. Dies
Verbalten entspricht der in diesen Stadien vorhandenen Gleichwertbig-
«70
Arthropoden
keit der Hetameren. Der niedere Zusland des NervcDsyslems , wie er
bei WürmerD , manchen Cnislacecn und den Hyiiapoden bleibend ge-
IrofTen wird , charaktcrisirt also bei den Insecten eine niedere Ent-
wickelungsperiode. Erst bei dem Uebei^ngo des Insecls aus dem
Larvenzustande in den vollkommenen treten Aenderungen auf. Die
vorwi^ende Ausbildung einzelner Hetameren, die innige Vereinigung
anderer zu grosseren einheitlichen KOrperabschnitten, die bedeutendere
Entfaltung der nur an wenigen Hetameren fortbestehenden Gliedmaassen
und die daselbst entstandene mächtigere Huskulatur, sowie zahlreiche
.untergeordnetere Einrichtungen, müssen mit den Umwandlungen des
Nervensystems in Wechselwirkung gedacht werden. Der VerminderuDg
der Ganglienzahl durch Verkürzung der Langscommissuren und die
damit auftretende Verschmelzung einzelner Ganglien ruft eine Verktlr-
zung des gesammten Bauchstrangs hervor. Bei der Selbständigkeit,
welche der Kopf des Insecls den tlhrigen Segmenten gegenüber beball,
bleibt auch das erste in den Kopf gebettet« ursprünglich aus dreien
bestehende Ganglion (unteres Schlundganglion (Ganglion infraoesopha-
geum] des Bauchmarks ausser Betbeiligung bei den die Übrigen Ganglien
betreffenden Concrescenzen, und nur in selteneren Fallen — bei durch
Parasitismus verkümmerten Insecten — findet eine Vereinigung auch
dieses Ganglions mit dem Übrigen Bauchmarke statt.
Pig. m. Nervensystem von InsecleD, A voa Termes {nach Lespcs). B
eiaes KHfera |Dytiscus). C einer Fliege (nach BtAiccuABn). gt Olwres Sclilnnd-
ganglion (GehirngangtioD) , gi Unteres ScIiiundgaDBlion. gr g* gr> Verschmolicoe
GangliDn des Bauchmarks. o Augen.
Nervennystein . 871
Das GehirngaDglton (Fig. H 4 A BC gs) ceigl fast hnmer deuilicbe
Scheidung auf swei Häiftan, deren jede wieder aua einseinen kleineren
oft oomplicirt gebauten Ganglienmassen sich zusammensetst. Die
ursprangKch paarigen Ganglien des Bauchmarks gehen meist innige
Verbindungen ein. Dagegen erhalten sich die Längsoommissuren, auch
bei dichter Aneinanderlagerung, doppelt. Eine Scheidung des Bauch-
Stranges in einen oberen und unteren Abschnitt entspricht einer func-
tionellen Differenzirung.
Das erste Ganglion des Bauchmarks entsendet Faden für die
Mundorgane. Die darauf folgenden drei im sogenannten Thorax liegen-
den Ganglien geben vorzugsweise die Nerven für die Gliedmaassen —
Fttsse und FIttgel — ab, und ergeben sich dcmgemUss von bedeuten-
derer Grösse. Dagegen sind die folgenden Ganglien in der Begel un-
ansehnlich, und nur dais letzte macht eine Ausnahme, indom es ent-
sprechend seiner Beziehung zu dem Geschlechtsapparate grösseren
Umfanges ist.
Bezttglidi der einzelnen Ordnungen ist hervorzuheben, dass die
Pseudoneuroptera die geringsten Veränderungen darbieten. Ihr Bauch-
mark durchzieht die Lange des Körpers, und ausser den drei Thorakal-
ganglien sind noch 5 — 9 Abdominalganglien vorhanden. (Vergl. Fig.
4U. A.) Daran schliesson sich die Orthopteren mit 5 — 7 Abdominal-
ganglien. Grosse Verschiedenheit bieten die Coleopteren dar. Bei
den einen erstreckt sich das Bauchmark bis zum Ende des Abdomens,
zuweilen mit 8 einzelnen Ganglien z. B. bei Cerambyciden, Carabiden
u. a.), bei anderen dagegen sind nicht blos die 3 Ganglien des Brust-
abscbnittes durch zwei dargestellt, indem das zweite und dritte ver-
schmolzen, sondern es sind auch die abdominalen Ganglien zu einer
Masse verbunden, die dem vorhergehenden Ganglion unmittelbar folgt
(Curculioniden und Lamellicomier). Zwischen diesen die Extreme
reprttsentirenden Zustanden finden sich bei anderen Familien vielerlei
Verbindungsglieder vor. Bei den Uymenopteren treffen wir meist
eine Reduction der Thorakalganglien auf zwei, wogegen der abdominale
Theil des Bauchstranges häufig fUnf oder sechs getrennte Ganglien
aufweist. Diese reduciren sich jedoch bei vielen auf 4 — 3 , ja sogar
bis auf eines. Der abdominale Theil des Bauchmarks rUckt bei den
Hemipteren in den Thorax und wird hier durch eine Ganglienmasse
dargestellt, die mit den gleichfalls einfachen Thoracalganglien bald durch
eine ktlrzere, bald durch eine längere Commissur verbunden ist. Die
für das Abdomen bestimmten Nerven nehmen demnach einen längeren
Verlauf und bilden zwei vom letzten Ganglion entspringende Längs-
stämme. Eine ähnliche Verschiedenheit der Ganglienzahl des Bauch-
raarks wie bei den Käfern und Hymenopteren herrscht bei den Dip-
teren, wo die Abdominalganglien bis auf 6 sich erheben, aber auch
bis auf eines reducirt sein können (Fig. H4. C). Daran schliesst sich
die völlige Verschmelzung des Bauchmarks zu einem einzigen länglichen
872
Arthropoden.
Knoten bei den schmarotzenden Pupiparen. Aebnliches bietet sich bei
den Strepsipleren dar. Was die Lepidopteren belrifil, so be-
steht hier grössere Einförmigkeit, indem sowohl bei den Larven eine
constante Ganglienzahl sich trifft , wie auch bei der Umwandlung in
den Schmetterling der gleiche Modus der Verschmelzung im Wesent-
lichen überall zu herrschen scheint. (Vergl. Fig. 121, 122, 123. n.)
Kig. H5.
§ <97.
Das Eingeweidenervensystem der Arthropoden lässt in der
grossen Mannichfaltigkeit der einzelnen Bildungen doch manche gemein-
same Einrichtungen wahrnehmen. Unter den Cruslaceen sind es von
der Schlundcommissur zum Darme tretende Nervenfädchen, die dort meist
unter Gaoglienbildung verschmelzen, oder es ist das Bauchmark, von
dem ein Nerv zum Darmcanal tritt. (Bei Astacus aus dem letzten
Ganglion des Bauchmarks, j
Auch bei den Arachniden ist es nur theilweise erkannt. Vom
Gehirn ausgehende Nerven treten auf den Oesophogus , und bilden zu-
weilen dort ein Ganglion, und von Baucbgan-
glien der Spinnen und Opiiioniden ausgehende
Nerven verlaufen auf den hinteren Theil des
Darmes, sowie zu den Geschlechtsorganen, bei
Opiiioniden mit zahlreichen Ganglien ausgestattet.
Bei den Insecten und Myriapoden zerfallt
das Eingeweidenervensystem in mehrere Ab-
schnitte. Der eine bildet das sogenannte paarige
System, welches aus zwei vom Gehirnganglion
nach hinten zur Seite des Oesophagus verlaufen-
' den Stammchen besteht, durch die jederseits
eine einfache Ganglienkelle (Fig. 115. ä' s") ge-
bildet wird. Die Zahl dieser Ganglien wechselt,
und es ist wegen ihrer plexusartigen Ver-
bindung mit dem unpaarigen Systeme oft schwer
zu entscheiden, welche davon dem einen oder
dem anderen Systeme angehören. Das unpaarige
System (Fig. 115. r r') hat seinen Ursprung in einem vor dem Kopf-
ganglion (Gehirn) liegenden Ganglion, welches mit letzterem in ein-
oder mehrfacher Verbindung steht. Von erwähntem Ganglion aus ver-
lauft ein stärkerer Nerv (r) rückwärts über den Oesophagus bis tum
Magen herab und bildet mit den Zweigen des paarigen Abschnittes ein
Fig. 4 45. Oberes Schluadganglion nebst Eingeweidenervensyslem eines
Schmetterlings (Bombyx Mori). gs Oberes Schlundganglion (Gehirn), a Fühler-
nerv, o Sehnerv, r Unpaarer Stamm des Eingeweideuervensystems. r' Dessen
Wurzeln aus dem oberen Schlundganglion, s Paariger Nerv mit seinen Ganglien-
anschwell ungen s* s". (Nach Brandt.}
SinDMorgan«. Tsstorgiae.
273
Geflechte, aus dem die benachbarten Tbeile, v(>r2ll(;licfa jene des Ver-
ilauuDgsapparates, versorgt werden, lo raancbea losecten bildet jener
^rv (N, reciuTens) ein einxiges Ganglion (Käfer und Orthopteren), bei
ooderen mehrere [Schmetterlinge).
Hit diesen GeOechtrn steht noch ein anderes Syst«m von Nerven-
sumiDcben in Verbindung, wddies voriUglich ftlr die grosseren Tracheen-
3sle und die Huskublur der Stigmen bestimmt ist. Diese Einrichtung
kommt durch ein auf der OberflSche der Bauchkette verlaurendes
Nervenßldcben eu Stande, welches sich vor jedem Ganglion gabel-
lomiig in zwei Aeste spaltet (Nervi Iransverai accessorii). Die AesI«
nehmun von dem oberen Strange der Bauchkette Nervenzweigc auf
und verlaufen theilweiso nach aussen zu den Tracheenstämmen und
<lrr H uskulalur der Stigmen , theilwoise nach hinten , wo sie dann in
derHitle zusammenlreflen, um am nächsten Ganglion wieder in gleicher
Weise sich zu verhalten.
Sinnaaorsftne.
§ 198.
Die Sinnesorgane der Arthropoden schliessen sich grttssIcDtheils
an jene der Würmer an. Nur wenige lassen keine solche Verbindung
erkennen und sind als erst innerhalb
dieser Ablboilung zu Stande gekommene
F.inrichtungen anzusehen. Die panxcrartige
Kürperdecke der meisten Arthropoden ruft
lur Vemiilteinng der Tastempfindung be-
sondere Apparate hervor, deren Formele-
rnente mit Ganglienzellen verbundene aUkb-
clienfOrmige Nervenendigungen vorstellen.
An den verschiedensten Stellen des
Körpers verbreitet, bilden diese Endorgane
indifferente Sinnes werk zeuge, die an be-
sü'mmien Theilen sich zu Tastappa-
ralen gestalten. Vci^l. Fig. 116. Solche
Oi^ane sind im Allgemt-incn vorzüglich auf
Furlsaubildungcn des Körpers verlheilt,
und lassen dort stabcbcnritrmig vorragende
EndiguDgen erkennen (Liidig). Die Glied-
maassen, und von diesen wieder die An-
tennen sind im Allgemeinen der vorzugs-
weise Sitz dieser Organisation.
Fig. (<6. Nervenendigung mit TasleUil>chen vom RUsscl einer Plicfte. n Nerv,
9 GanglioDtire ADSchwellonK' f TasIstHbchen. e Feine HUrchen dfr Culicula. (Nnch
J
274 Arthropoden.
In der Abiheilung der Grustaceen sind diese Tasisittbcben in
grosser Verbreitung erkannt worden, und zwar nicht blos an Antennen,
besonders der niedern Grustaceen, sondern ebenso auch an andern
Anhangsgebilden des Körpers. Bei Myriapoden und Insecten sind
Taststäbchen an den Antennen, bei den letzteren auch an den Tarsal-
gliedern der Fttsse anzutreffen. Ausser diesen Tastsläbcben finden
sich an den Antennen von Krustcnthieren und Insecten noch besondere
den TastsUibchen iihniiche Gebilde, zuweilen von bedeutender Aus-
dehnung vor, die auf dieselbe Weise wie die Taststäbchen mit Nerven
versorgt werden. Bei den Grustaceen finden sie sich nur an dem
inneren (vordem) Antennenpaare. Bei den Insecten sind sie weit
kürzer und von konischer Gestalt. Die Localitäten ihres Vorkommens,
sowie der Umstand, dass sie von längeren indifferenten Borsten Über-
ragt werden, oder in Vertiefungen sitzen, macht es wahrscheinlich,
dass diesen Organen eine andere Verrichtung zukommt, und es liegt
nahe, an die Gcruchswahrneh mung zu denken, oder doch an
eine dieser nahe stehende Empfindung. Somit würden also die An-
tennen durch Differenzirung besonderer Nervenendigungen eine mehr-
fache Function verrichten, und nicht blos dem Tastsinne vorstehen.
Hürorgane.
Hörorgane sind bei den Arthropoden nur in beschränkter
Weise bekannt geworden, indem man bei den Myriapoden und
Arachniden jede Spur davon vermisste, bei Krustenth ieren und
Insecten dagegen nur in einigen Abtheilungen solche Organe nach-
weisen konnte, die zur Schallempfindung geeignet erscheinen.
Es sind vorzüglich zwei Organformen, welche sich streng nach
dem Medium, in dem die Thiere leben, vertheilen. Die eine Form findet
sich bei Krusten th ieren und besteht aus einem sackartigen, durch
eine Einstülpung des Integumrntes gebildeten Räume, der bald offen
bleibt, bald sich schliesst. Durch den Zusammenhang mit dem Inte-
gumente sind diese Vorrichtungen von den Hörorganen anderer wirbel-
loser Thiere verschieden. Diese Horb lasen liegen bei den meisten
höhern Krustenth ieren am Basalgliedc der inneren Antennen. So bei
Leucifer, Sergestes und anderen Malacoslraken. Sie können auch an
anderen Körpertheilen vorkommen. So liegen sie bei den Mysiden in
den beiden inneren Lamellen des Schwanzfiichers. In den Hörblasen
finden sich feste Gebilde vor, Otolitlien, welche bei den geschlossenen
Hörblasen (bei Mysis und, Hippolyta) aus einem Concremente bestehen,
welches von feinen , in regelmässiger Weise angeordneten Härchen («)
fosigehallen wird. Bei den offenen, unter denDecapoden sehr verbreiteten,
aber auch den Scheerenasseln (TannisJ zukommenden Hörblasen finden
sich mandie Complicationen in der AusmttnduDg. Die Stelle der Oto-
lithen wird hier durch von aassen eingebrachte Sandkörachen vertreten,
welche von bestiniroten von der Hörbiasenwand entspringenden Haaren
io regelmässiger Weise befestigt werden. (Hiffssfr.) Diese sind andern
Haaren des Integumentes ähnlich, aber dadurch ausgezeichnet, dass
ihr Schaft nur indirect mit dem Boden der Uörblase verbunden ist,
indem er grtfssentheils auf einem larten membranösen Vorsprunge steht,
zu welchem Endigungen von Nerven treten. Sie stimmen dadurch
mit den Btabchenf(k*migen Portstttzen flberein, welche bei den Mysiden
den OtoUthen tragen, denn auch zu diesen tritt der Nerv. Der HOmerv
ist bei den Vorgenannten ein Zweig der innem Antennenerven, wo
die Hörblase der inneren Antenne eingebettet ist. Beide Gebilde stellen
somit Endapparate von Nerven vor, welche durch Erschtttterungen des
von ihnen getragenen festen Körpers (Otolithen) in Schwingungen ver-
setzt werden, und dadurch eine Nervenerregung vermitteln.
Die Gesammteinrichtung dieser merkwürdigen Apparate lehrt uns,
wie die HOrorgane aus einer Difierensirung indifferenter, mit dem Inte-
guroente verknüpfter Empfindungsorgane hervorgehen. Die Hörhaare
sind nur Modificationen anderer, Nervenendigungen bergender »Haare«
des Integuments, wie sie auch an freien Körperstellen vorkommen
können (Taststäbchen). Die Bildung der ungesdilossenen Hörblasen
oder der »Höif ruben« repräsentirt dann eine zweite Stufe jener Diffe-
renzirung, und in der Umwandlung in eine geschlossene Blase ist für
diese Erscheinung ein weiteres Stadium ausgedrüdit.
§ 200.
Die andere Form von Hörorganen besteht bei Insecten, wo sie
allerdings nur bei einer kleinem Anzahl nachgewiesen ist. Vorzüglich
sind es die auch mit Stimmorganen begabten Orthopteren, die ein
Organ zur Aufnahme von Schalleindrücken erkennen lassen. Die all-
gemeine Einrichtung besteht in einer trommelfellartig an einem festen
Chitinring ausgespannten Membran, mit der einen Fläche nach aussen,
mit der anderen nach innen gekehrt. An der Innenfläche lagert eine
Tracheenblase, und auf dieser oder auch zwischen ihr und dem >Tym-
panvmc findet eine ganglionäre Nervenausbreilung statt, von welcher
eigeothttmlich modificirte Nervenendigungen in Gestalt von kleinen
keulenCärmigen Stäbchen mittelst feiner Fäden entspringen. Sowohl
das Tympanum als die Traoheenblasen dienen als sohallleitende Organe.
Die perdpirenden Organe werden durch die In bestimmter Anordnung
gelagerten Nervenendigungen vorgestellt. Bei den Acridiem liegt das
Or^o im Metalhorax dicht Ober der Basis des dritten Fusspaares und
empfängt seinen Nerv vom dritten Brustganglion. Die Locustiden und
Acheüden besitzen das Organ in den Schienen der beiden Vorderfttsse
verborgen. Bei den ersteren liegt auf beiden Seiten des genannten
48»
276 Arthropoden.
Fusses ein Tympanum, entweder oberflächlich oder im Grunde einer
Höhlung, die vorne mit einer einzigen Oef^ung ausmündet. Den Raum
zwischen beiden Tympanis nehmen zwei Tracheenstitmme ein, von
denen einer den Nervenendapparat in Gestalt einer Leiste trägt. Bei
Locusta wird diese Horieiste von einer Reihe gegen das eine Ende zu
allmählich kleiner werdender Zellen gebildet, deren jede ein ent-
sprechend grosses »Stäbchen« umschliesst. An der äussern Seite der
Vorderbeinschienen liegt das Typanum der Achetiden.
An diese in ihrem ganzen Baue als Hörwerkzeuge sich darstellen-
den Organe reihen sich andere, deren Natur minder sicher bestimmt
ist; doch lUsst das Vorkommen derselben stiftartigen Körper als En-
digungen von Nerven diese Organe wenigstens den Hörapparaten bei-
zählen, sowie auch in der ganglionären Ausbreitung der bezüglichen
Nerven längs eines Tracheenstammes eine Verwandtschaft ausgespi*ochen
ist. Die Nervenenden richten sich gegen das Integument, dessen
Chitinschichte anstatt eines Tympanums stets dichte Gruppen von
feinen Porencanälen besitzt. Solche Organe sind bis jetzt in der Wurzel
der Hinterflügel von Käfern, sowie art der Schwingkolbenbasis von
Dipteren nachgewiesen.
Beide Formen von Gehörorganen der Arthropoden sind zwar im
Einzelnen ihrer Ausführung von einander bedeutend verschieden, allein
es besteht dennoch ein Zusammenhang, indem in beiden Füllen die chiU-
nogene Zellenschichte die Trägerin abgibt für die eigenthümlicben
Endorgane, welche bei den Crustaceen mit Fortsätzen des Integuments,
den Hörhärchen, in Verbindung treten, indess sie bei den Insecten,
zu jenen Stiftchen umgebildet und damit in anderer Richtung difle-
renzirt, innerhalb des Hautskelets und ohne Beziehungen zu Fortsätzen
desselben verharren. Aus der Verschiedenheit der Localität dieser
Organe geht der Mangel einer Homologie derselben hervor, aber auch
ein neuer Beweis für die Entstehung complicirterer Organe aus einer
allgemein im Integumente verbreiteten Anlage.
Sohorgone.
§ äOi.
Die Sehwerkzeuge der Arthropoden erscheinen theils in der-
selben Beschafienheit wie bei den Würmern, theils stellen sie weiter
vorgeschrittene Bildungen vor, die sich aus wesentlich denselben
aus dem Integumente (Ectodcrm) hervorgehenden Elementen zusammen-
setzen. Wie bei den Würmern ist die Lage der Augen am Kopfe:
nur ganz selten tragen auch andere Körpertheile Sehorgane, z. B. bei
manchen Krebsen (Euphausia). Wir unterscheiden am Auge den perripi-
renden theilweise von Pigment umgebenen Apparat, dann als äussere
Umhüllung einen häufig zu einem lichtbrechenden Organe modificirien
Theil des Inlegumentes.
Sehi»rg8ne. 277
Der percipirAde Apparat bestellt wieder aus st^bchenartigen Ge-
bilden, die in Form einer Keule, eines Kegels oder eines mehrseitigen
Prisma's sieb darstellen (Fig. 4 47. Cr) und mit den Endfasem des
Sehnerven in Zusammenhang stehe». Sie erscheinen dadurch als End-
apparate. Die Beschaffenheit dieser vKrystallstflbchen« ist an den ein-
zelnen Abschnitten verschieden. Am vorderen freien, derAussenwelt zu-
gewendeten Ende erscheinen sie stark lichtbrechend, und gegen ihr inneres
centrales Ende nehmen sie allmählich die Eigenschafien der Nervenfasor
ao. Der Zusammenhang des centralen Tbeiles mit dem peripherischen
wird jedoch sehr verschieden aufgefasst. Ausserdem finden sich an und in
ihnen noch manche andere DiUßrenxirungen vor. Eine körnige Pigment-
schiebte bildet fast immer die äussere UUlle, welche schcidenförmig
die Stabchen umlasst und nur das vordere, in der Regel gewölbte
Ende des Krystallkegels frei Iflssl.
Ein besonderes lichtbrechendes Organ wird durch das Intogumcnt
gebildet. Dasselbe geht in allen Fällen pigmentfrei über das Auge
hinweg, ist daher hell und durchscheinend, so dass es die Stelle einer
üComea« vertritt. In vielen Füllen seigt diese Schichte eine beträchtr-
liehe nach innen convexe Verdickung, wodurch sie zum lichlbrechen-
den Organe wird, und dies in höherem Grade in jenen Fällen, wo
sie auch nach aussen sich hervorwölbend, einer Linse ähnlicher ge-
staltet erscheint. Möglich ist, dass die lichtbrechende Eigenschaft des
perif^riscben Endes der Kryatallstäbchen hier glcicbblis in Betracht
kommt.
Als Accomodationsapparat sind sowohl bei Kruslenthiei*en als
Insecten beobachtete Muskelfasern zu deuten, welche längs der Krystall-
Stäbchen verlaufend, ohne Zweifel auf letztere einwirken können.
Aus den verschiedenen Graden der Betheiligung der vorerwähnten
Gebilde an der Zusammensetzung eines Auges entstehen manniohfaltige
CombinatioDen, aus welchen ich die Ilauptformen hervorhebe:
I. Augen ohne lichtbrechendc Cornea.
4] Einfaches Auge. Jodes Auge wird nur von Einem KrysUiU-
Stäbchen gebildet, welches in eine Pigmentmasse eingesenkt und immer
vom Integumente sich entfernt hat. Zwei solcher meist unmittelbar
dem Gehirne aufsitzender Augen sind für die Larven (Naupliusformj
der Entomostraken charakteristisch und kommen auch noch mit com-
plicirteren Sehorganen vor.
2) Zusammengesetztes Auge. Mehrere Krystallstäbchen treten
zur Bildung eines Auges zusammen, ohne dass* das über das Auge
wegziehende Integument Verbindungen mit diesem eingebt, oder direct
sich am Sehapparate betbeillgt. Niedere Crtistaceen Irieten diese Augon-
form dar, die ebenfalls bei Wttrmern (Sagitta) ihr Vorbild hat.
II. Augen mil Cornea.
i) Einfaches Auge. Der pcrcipircndc Apparat wird nur durvb
ein einziges, meist belrücliUich grosses KryslallsUI heben vorgestellt, vor
welchem ein oatsprechender AbsohnitL der Culicularschichle des Into-
gumentes eine linsonarlige Bildung eingeht. (Corycaiden.)
2] Zusamniungcselztes Auge.
a. Hit einfacher Cornea. Hehrere Kryslallstübchen ver-
eioigen sich zu einem Sehorgane, welches von einer ItnsenfBrmig ge-
wölbten Cornea überzogen wird. Die letztere ist dem gesammleo per-
cipirenden Apparate gemeinsam. (Aradiniden. )
b. Mit mehrfacher Cor-
nea. IMeist zahlreiche, um die gan-
glionitre Seh nerven anschwcJlung radiär
geordnete KryGUlisläbchen (Fig. H7./Irj
sind zu einem oberflächlich gewSlbteo
Sehorgane vereinigt, Ubur welchem die
Chitinhillle den einielnen KrystallsUib-
chen entsprechende Facetten bildet (B),
die nach innen couvex vorspringend
{Cc) , fUr jedes Krystallsiaböhen ein
lichtbrechendes Organ herstellen. (Fa-
cetlirtes Auge der Kruslenthicre und Insecten.j Die FaoeUirung ist
entweder nur innerhalb bemerkbar, und die OberHSche des Auges
erscheint glatt (Crustaceen) , oder sie drückt sich auch auf der Ober-
Ga"he ans.
Hei diesen zusammengesetzt«» Augen mnss jedes einzelne Krystall-
stäbchen einem einfachen Auge (11. 1.) analog gelten, and in gleicher
Weise verhalleu sich auch die Theile des sub 1. 2 beschriebenen Auges
zu dem gänzlich einfachen Auge 1. 1. Die zusamuiengeseUten Augen
erscheinen somit als Aggregate der einfachen. Die Zahl der bei Bildung
eines zusammengesetzten Auges concurrirendcnj KryslallsUbchcn ist
äusserst verschieden , von zweien an bis zu mehreren Tausenden variirend.
Bei allen zusammengesetzten Augon bildet der Sehnerv vor seinem
Eintritte ins Auge ein Ganglion [Fig. H7. A g) , welches mit dem
hinteren Ende der Stäbchen so enge verbunden ist, dass diese wie iii
das Ganglion eingesenkt sichjausnchmen. Indem die eine oder die
andere Art dieser Sehwerkzeuge für sich allein vorkommt, oder neben
einer andern besteht, ergeben sich fUr den Sebapparat der einzelnen
Fig. 417. A Scbemaliscber Dorchschnitt durch eio loMmmeogesctitea Ar-
thropode na ogo, n 9«hiier*. g GaaglienanBchwcllucg dcMolbeo. r KrystaltsUlH^he«
aus dem GangliOQ bervortrclend. c Facettirto CorneB. vom loleguincnl gebiklel, .
wobei jedo t'acclte durch Convexiläl nacb innen als lichtbrechondes Or){aD (LiDse]
erscheint. B Eint)je HorDheutfacctlon von der KIBctic gesehen. C Krystallstabchco
{r| mit dOD entsprochenden Comealiasen [c) sui dem Auu« eines lutrers.
Seboigane. 279
Arthropoden- AbtheiluDgen iiiannichfaciie Verschiedenheiien. Nicht ge-
ringere Eigenihttmlichkeitcn* entstehen durch die Umbildungen der Seh-
organe; gewisse Formen berrsoben in den ersten Entwickelungszu-
ständen, um später nach dem Aurtreten anderer, btfher differenzirter
Sehorgane »u sebwinden, oder in rudimentärer Gestalt fortsubestehen.
§ SOS.
Die zuerst erwähnte einfache Augenform herrscht bei den Ento-
mosireken. Beide Augen sind dicht aneinander gertlckt, durch das
zusammenhUngende Pigment su Einem Organe verschmolzen; wo sie
nicht dem Gehirn selbst aufsitzen, trägt sie ein von diesem ausgehen-
der medianer FiMrtsatz. Die Cirripedien und Rhizocephalen besitzen sie
während des Larvenzustandes und verlieren sie später. Sic finden
iiich ferner bei den Gopepoden, Ostracoden und Bmnchiopodon. Bei
vielen frei lebenden Gopepoden ist das Auge bald mehr, bald minder
deutliob in zwei gosohiedon. Das Vorkommen mehrerer Krystallstäb-
chen in jedem Auge bildet einen Uebergang zur zusammengesetzten
Augenform, und indem sich das über dem einfachen Augenpaar befind-
liche Integument in zwei den Krystallslttbchen entsprechende Facetten
verdickt, knüpft sich schon hier die Bildung von Comealinson an.
Neben dem medianen, zuweilen durch einen blossen PigmentQeck
darge^llten Auge besitzen die Gladooera und Pbyllopodcii noch zwei
zusammengeaetite Augen, welche bei (Fig. 4 49. oc) den ciiiieren
in versohiedenem Grade untereinander verschmolseo sind und von be-
sondern Muskeln bewegt werden.
Durch die Beweglicbkeit und die unmittelbare Lagerung unter dem
Chitinpanter bilden die Augen der Braochiopoden Uebergäoge zu jenen,
wo der Ghilinpanser sich am optischen Apparate unmittelbarer belbeiligt.
Auch bietet die Einlagerung des Auges in einen stielartigen Fortsatz
(Artemia und Braochipus) eine Anknüpfung an die stieläugigen Malacu-
straken dar. Eine Facettirung der vom Ghitinpanzor gebildeten Cornea
ist nur an der lonenflttebo bemerkbai*. Sie fehlt den gleichfalls zu-
sammengesetzten Augen der Lämodipoden, dagegen sind die aus Uaufen
oder Gruppen von Eioselaugen dargestellten Sehorgane der Asseln mit
Coroealinaen ausgtstatteU
Aus zahlreichen Krystallstttbchen zusammengesetzte Augen mit
facettirtem Uebersuge besitzen die Thoracostrakeo (Podopbtbalmata}, bei
denen jedes Auge von einem durch Muskeln bcwegliohen, vor den Antennen
eingelenkten Stiele getragen wird ; damit erreichen die seitlichen Augen
ihre höchste Entfaltung und der in den nie<lern Ableitungen der Kru-
stentUere noch fungirende mittlere Theil des primitiven Schapparates
das Enlomostrakenauge) , ist entweder nur in Larvenzustünden vor-
handen, oder entwickelt sich gar nicht mehr. Gegenüber der grossen
MannichfalUgkeit , welche Zusammensetzung und Anordnung der Seh-
iSO Artbropoden.
oi^ane bei den Ciuslacecn (»ictel, IritU sieb bei den Tracheaten eio
l^leicharligeies Veibaltcn.
Die Augon der Hyriapodoti scblicssen sieb an die der Isopo-
dcQ an. Ihre jederscits am Kopfe in einer oder zwei Reihen anj^e-
ordnelen einfachen Augen zeigen wechselnde Zahlenverballnisse [i — 8).
Bei den Arachniden herrscbl die
Flg. HS. Form der zusammengesetzlen Augen mit ein-
facher Hornhaut, die eine nach aussen wie in-
nen gewülbl« Linse (Fig. HS. L) vorstellt.
Ausgezeichnet sind die Augen der Ara-
neen durch die entwickelte Pigmenlscbichte
(;)] , welche sich theils zwischen den Kry-
stallsläbchen verbreitet, theils sich seitlich
bis en die Cornealinsc fortsetzt und dort
sogar einen irisähnliehL'U Ring bildet. In
diesen sind circulifrc HuskclfaRom «ingebeltel,
'■ welche eine Verengerung des Pigmenlringes
bewerkstelligen. Bei vielen Spinnen zeigt das
Auge in seinem Inneren einen lebhaften Hetallglanz, der durch eine
den Augengrnnd tlborziehende Körn ersch ich i« (Tapetum) bewirkt wird.
Sowohl in Lage als in Zahl dieser Augen ergeben sich mandte
Kigentbümlidikciten. Zwei grosse Augen sind bei den Scorpionen ein-
ander sehr nahe gerückt, und jedcrscits lagert noch eine Gruppe
(3 — 5} kleinerer Augen. Bei den Spinnen und Phryniden finden sicli
in der Regel 8, seltener 6 Augen am Vordertheilo des Cephaiothorax
symmetrisch vcrlheilt, meist auch an Grfisse verschieden, während die
Opilioniden an derselben Stelle nur drei oder vier tragen, von denen
die grösseren auf einer Erhabenheil des Cephalolhorax stehen. Aucb
I>ei den Pycnogoniden nehmen vier Augen eine ähnliche Stelle ein.
Dag^en reduciren sie sieb bei vielen Milben auf zwei, ebenso bei den
Tardigraden , und sind bei manchen parasitischen Milben voUstSodig
verschwunden.
Die Sehorgane derlnsecten mtlssen ihrer Structur nach in iwci
Gruppen gesondert werden, die eine bilden die facettirtcn Augen, welche
meist durch ihre GrUsse ausgezeichnet an der Seite des Kopfes stehen,
die andere wird durch sogenannte Nebcnaugen (Ocelli, Stemmata,
Punctaugen) dai^estellt. Letztere stellen bei den meisten LarvoD die
einzigen Sehoi^ne vor , in verschiedcoer Zahl seitlich am Kopfe
angebracht. Bei grösserer Anzahl trifll man sie in Gruppen vcr-
lheilt, oder in regelmässige Reihen geordnet. Jedes dieser Augcu
beslehl nur aus einem oder einer geringen Anzahl Kryslallsütbchen,
über welchen das Integument eine Comea-Linse bildet. Bei manchen
Kig. 118. Auge einer spinne. X Coroea-ÜDBa voo der Chili dscIi ich te {e;
des IntegumuiKc» gebildet. * KryslalUlBbcbon. g GangUeniellen. j> Ptgmeiil.
(Nach Lkidiü")
E xcreUoniiorga ne 281
Inseclen persisUrI diese Form der Sehorgane; so sind sie nur zu zweien
vorhiaDden als eine Eigen thümlichkeil durch Parasitismus rUckgebildeter
Uemipteren. (Pediculiden , Cocciden eio.) Eine andere Form dieser
eiDfacberen Augen findet sich bei vielen Insecten mit den zusammen-
{gesetzten; sie sind zwischen diesen meist zu zweien oder dreien auf
der Stirnfläche angebracht und unterscheiden sich von den vorhin
erwähnten durch die Zusammensetzung aus einer grösseren Anzahl
KrystallsUibchen, welche wie am Arachnidenauge, eine einfache Cornea-
iiose überdeckt.
Die facetlirten Augen kommen mit den gleichen, schon bei den
Crustaceen näher beschriebeneu ttberein, uiannichfaitige Zustände
des Volums und der Lagerung darbietend.
Sxcretionaoxgane.
§ 203.
Zu dem aus dem Integumente gesonderten DrUsenapparat, dessen
Diannichlaltige Gebilde grosscntheils bereits oben (§ 19t) Erwähnung
fanden , geboren noch Organe , welche durch grosse Verbreitung untc^r
den Crustaceen als ererbte erscheinen und nähere Beziehungen dieser
Ahtheilung zu den Würmern vermittehi.
Das eine besteht aus einem gewundenen, unter dem Integumente des
Kopfes gelegenen Schlauche, der an der Basis des zweiten (äusseren)
Antennenpaares ausmündet. Bei den Entomostraken ist dieses Organ
auf das Larvenleben beschränkt, und da in den meisten Abtheiiungen
nachgewiesen. Vielleicht erhält es sich jedoch bei den Girripedlen in
den sogenannten »Cementdrttsen«, welche bei den Lepadiden im Stiele
lagern und am untern Stielende münden, bei den Balaniden zu einem
in vieler Beziehung der genaueren Untersuchung bedürfenden Drüsen-
eoniplexe umgestaltet sind. Persistent ist das Organ bei den Po-
dophthalmen, als »grüne Drüsea beim Flusskrobs bekannt.
Ein zweites hieher gehöriges Drüsenorgan besteht gleichfalls bei
den Entomostraken, fehlt aber den höheren Krusten thieren. Es liegt
in der mantelartigen DupUcatur des Integumentes als ein mehrfach
schleifenibrmiger, heller Canal, der unter dem Mantel ausmündet (vergl.
Fig. 419 9). Durch die Lagerung unter der Schale wird das Organ als
Schalendrüse beseichnel.
Es bestehen demnach bfti den Krustenthieren zweierlei schleifen-
förmige Drüsenorgane, deren Homodynamie jedoch zweifelhaft erscheint.
Das zweite Organ dürfte den schleifenförmigen Excretionsorganen der
Würmer homolog sein, und so von einer gemeinsamen Stammform her
sich fortgesetzt haben, mit Aufgabe seiner metameren Bedeutung.
Diese in ihren functionellen Beziehungen noch nicht sicher zu be-
urtbeilenden Organe, von denen nur die grüne Drüse bestimmter als
283 Arthropoden. •
nieronarti(;es Excrolionsorgan sich dai^slellt, werden bei den Trachealen
verinisst. Die Function der Excreiion wird hier von Organen über-
nommen, welche aus dem Darmrohr sich sondern und daher mit diesen
ihre anatomische Darstellung ßnden müssen.
DarmoanaL
§ 204.
Die Sonderung des Darmcanals der Arthropoden schliesst sich zwar
im Allgemeinen an die hei Würmern sich treffenden Verhältnisse an,
allein es bestehen durch die grössere Vollständigkeit der während des
embryonalen Lebens erlangten, durch reicheres, dem £ie zugetheiltes
Dottermaterial bedingten Ausbildung mancherlei Eigen thümlichkeiten,
welche als Anpassungen an jenes Verhalten erklärbar sind. Diesen
Verhältnissen entsprechend umschliesst das Entoderm das bei der
ersten Differenzirung nicht verbrauchte Dottermaterial, welches mit der
allmählichen Weiterentwickelung resorbirt wird. Mund und After ent-
stehen durch secundäre Vorgänge. Mit der vollständigen Diffi^ren-
zirung der Darmwand trifft sich der Nahrungscanal als ein die Länge
der Leibeshöhle durchsetzender, seltener auch Anpassungen an die
Metamcren des Leibes bietendes Rohr, das mit der ventral am Kopf
gelegenen Mundöffnung beginnt und zu der in der Regel im letzten
Metamer gelagerten Aftcröffnuug hinzieht. Der iiussere Ghitinüberzug
des Leibes setzt sich auch in den Darmcanal fort. Um die Mundöff-
miQg gruppiren sich die zu Kauwerkzeugen und anderen Apparaten
umgewandelten Gliedmaassen (s. §§ i83. 187), wozu noch ein vom
integumente gebildeter Voi-sprung als Oberlippe tritt.
Die drei bei den Würmern unterschiedenen Abschnitte des Darm-
robrs sind auch bei den Arthropoden nachweisbar, und erscheinen in
zahlreichen durch Anpassungen an das Nahrungsmaterial verständlichen
Modificationen.
§ 205.
Der Darmcanal der Crustaceen ist sowohl durch seinen geraden
Verlauf, wie durch die geringe Gomplication seiner Abschnitte aus-
gezeichnet. Die Mundöffnung befindet sich in ventraler Lagerung
häufig weit nach hinten gerückt, so dass der von ihr beginnende Mund-
dann erst eine Strecke nach vorne verläuft, um mit kniefönniger Um-
biegung sich rückwärts zu wenden. Der Endabschnitt des in der he^
engen , als Schlund oder auch als Speiseröhre bezeichneten Munddamis
stellt einen meist erweiterten Theii des Darmrohrs vor, der sidi vom
folgenden Stücke, dem Mitteldarm, scharf absetzt und bei vielen einen
zapfenartig in letzteren einragenden Voi*sprung bildet. Die Wandungen
dieses Abschnittes sind gewöhnlich stärker, und die InnenQäohe ist
hinfig durch ein Festes ChitingerOsle ausgezeichnet, welches xahturtig
gegeneinaDder gerichtete und durch Husksln bewegliche VorsprUngc
darbietet, die als Leislon, Zacken, Stacheln, Boraten von grosser
Complioatioii erscheinen und aus der den Tracius intestinaiia tum
grossen Thei) auskleidenden Chilinhaut hervorgehen. Sie bilden einen
tur Zerkleinerung der Ingcsta dienenden Apparat, daher dieser Ab-
schnitt als Kaumagen bezeichnet wird. In der Regel ist der Kau-
magen betrHchllicbcD Umfangs und orhult durch sein fesloa Gerüste
eine regelmässige Gcslalt. Am ansehnlichsten ist er bei den Decapoden
untwickelt (Fig. 109. v). Bei den Gntonioslrakcn ist er wenig oder
gar nicht au^ebildet, dagegen beaitien unter den Anhroslraken die
bopodea in dem kleinen Kaumagen ein ziemlich complicirtes GorUste,
von welchem auch bei Amphipoden (Gammanis) Andeutungen bestehen.
Der Hitteldarm [Fig. 119. i) bildet den an Ungo beträchtlichsten
Theil des Darmrohrs, in welchen meist ansehnliche AnhangsdrUsen
einmünden (Fig. 119. A) , sowie an ihm auch in Beziehung auf die
Weile und die Bildung von blindsackarügcn Ausbuchtungen eine grosse
Hannicfafaltigkeit besteht. In manchen Füllen ist er von gleichmUssigem
Caliber, in anderen cradicint er vorne oder in der Hiltc etwas erwei-
tert (iCbylusmagen*) , oder die Erweiterung ist über den gesammten
Mitloldann ausgedehnt (>Chylusdarmii der Isopoden).
Am Beginne des Hitleldarms finden sich bei Crustaceen aller Ord-
nungen blindsackartige Ausbuchtungen vor. Sie entstehen als paarige,
seilen unpaare COca [Fig. 126. h]. Unter den Copepoden, nur in we-
nigen Gattungen vorhanden, sind sie bei den Branchiopoden verbrei-
teter, bald als ein einfaches Paar kurzer Blindschläuche [Fig. 119. h]
Fig. H*. OrgwiiuUon einer Dapbnia. a Taslantonoe. gt Gebivn. oc Auge.
■ ttarmcinal (MiUeltUrm). k BlIndschlauchD am Anfang dcueltwo. g Schalcn-
driuo. e U«ri. I OberDpp«. ov Eierstock. 0 Ein Gi in dem iwlschon KOrjwr
uDd Hantel gebildetoo Brulranme (/ beBndlioh. (Nach Liyi»io.)
284 Arthropoden.
auftretend (Daphniden), bald reicher verästelt (Ärgulus, Hedessa),
oder in grösserer Anzahl vom Darme ausgebend und am Ende in
drüsige Bildungen diflcrenzirt (Apusj. Dieselbe Erscheinung der Um-
wandlung von genau an derselben Stelle gelagerten Darmcöcis in
secrelorische Apparate treffen wir bei den Malacostraken. Die nie-
deren Abtheilungen derselben (Schizopoden) bieten jene Anhänge als
einfache, meist zu mehreren Paaren geordnete Blinddärme. So treten
sie auch bei den Phyllosomen auf, und haben hier die aus einem
Blinddarmpaare hervorgehende allmühliche Verästelung erkennen lassen.
Aus ihnen gehen bei den höheren Malacostraken entschieden drüsige
Bildungen hervor, die wahrscheinlich als »Leber« fungiren (s. unten
§ 209).
Der Enddarm bildet den kürzesten, meist engeren Abschnitt des
Tractus intestinalis. Seltener ist er in seiner Mitte erweitert, und nur
bei wenigen mit blinddarmartigen Anhängen verschen.
Die Function des Darmcanals beschränkt sich nicht bei allen
Grustacecn auf die Verdauung. Bei einigen (Astacus, Limnadia, Daph-
nia) ist am Enddarme fast rhythmisch erfolgendes Aufnehmen und Aus-
stossen von Wasser beobachtet worden, so dass diesem Abschnitt noch
eine respiratorische Thätigkeit zuzukommen scheint.
Bei manchen niederen Crustaceen erliegt der Darrocanal einer
Rückbildung. Er schwindet bei den vcrkünmiertcn Männchen der
parasitischen Copcpoden, wie einiger Girripedien und allgemein bei
den Rhizocephalen, wo die Ernährung durch andere Einrichtungen
besorgt wird. (Vergl. oben S. 249.)
§ 206.
Das Darmrohr der Arachniden besitzt mit Ausnahme rück-
gebildeter Formen eine reichere Gliederung. Der enge Munddann
(Fig. iSIO. oe) führt in einen meist langgestreckten Mitteldarm, dessen
vorderster Abschnitt [v] in seitliche Blindsäcke ausstrahlt, die bei den
Phryniden und Scorpionen fehlen sollen. Bei den Araneon erstrecken
sie sich zu fünf Paaren {v') nach der Basis der Beine und Taster. Vier
Paare, davon die beiden letzten gabelig getheilt, laufen bei den Gale-
öden bis in die Gliedmaassen (Füsse, Scheei*enfühler und Palpen), bei
den Pycnogoniden sich sogar fast durch die ganze Länge der Glied-
maassen erstreckend. Der Binnenraum des Magens erhält durch diese
Anhänge eine ansehnliche Vergrösserung.
Dieselben Blindsäcke treffen sich bei [den Milben auf den Körper
beschränkt, meist sind es deren acht, doch wird eine Minderung der
Zahl häufig durch Verästelung der Göca compensirt. Eine viel grössere
Anzahl (gegen 30) besitzen die Opilioniden in mehreren Reihen ge-
ordnet, in denen ein mittleres Paar noch sccundäro Anhänge trägL
Der dem Magen folgende bald längere, bald kürzere Abschmtt des
HiUddanns erweitert sich im ersleren Falle meist gegen sein Ende su
und wird durch eine EinschnUruDg von dem fast immer erweilerten
Enddami abgeseilt. Lelzlei-er ist von ansehnlicher Lunge bi-i den
ScorpioDen, kürzer bei Galeodcs, wo er einen Blindsack trägt. Auch
bei den Anincen ist der Enddarm (Fig. <20. r) von
anselinlicher Weile, desgleichen bei den Milben.
Die Hyriapoden bieten In der Einrichtung
ihres Verdauungsapparates einfache Verhältnisse dar.
Der kurze Hunddarm fuhrt in einen langen meist
.gerade verlaufenden Hitleidarm, aus dem der gleich-
falls gerade verlaufende kürzere, meist eine Er-
weiterung aufweisende Enddarm hervorgeht.
§ 807.
Das Verhallen des Darmcanals der Insecten
bietet im Specielleren eine nUbere Verwandlschafl
mit dem Darm der Hyriapoden. Die ausser-
ordentliche Haanichfaltigkeil in den FormverhBlt-
nissen der einzelnen Abschnitte lassl sich hier-
durch zwar einer morphologischen Reduction unter-
ziehen, da aber in der Untersuchung der Vorrich-
tungen der einzelnen Abschnitte, ihrer Erweiterungen oder Anh&ngs-
UldoDgen und der Beziehungen dieser einzelnen Dißerenzirungen zu den
drei primitiven Darmabscbnitlen kaum die ersten Anfange gemacht sind,
so bleibt die Herstellung einer einheitlichen Auffassung dieser Bildungen
ein Desiderat. — Von bedeutendstem Einflüsse auf die allgemeine G&~
slaltung des Darmcanals erscheint auch hier die Lebensweise, und es
ist, vrie sonst noch vielfach im Thierreiche, bei den Pflanzenfressern
iiäußg eine grossere Lange des Darmrohrs vorhanden, als bei jenen,
die von animalischeo SloOen sich nUhren. Ein anderes, in Betracht
kommendes Homent bietet noch die BeschafTenbeit der NahrungssloiTe,
wir trefiea demnach einfachere Darmbildungen bei Insecten, die von
Flüssigkeiten sich nOhren , während feste Substanzen Terzehrende
eine grossere Complication bieten.
Diese Verhälinisse treten am auffallfndslon boi der Vergicichung des
Darmrohrs von Insectenlarven mit jenem ausgebildeter Insecten hervor,
wir sehen z. B. eine Baupe (Fig. ii\) mit einem weiten, den Körper ge-
r.ide durchziehenden Darmrobr ausgestaltet, und diese biinrichlung der
Ungeheuern Hasse täglich verzehrten Haleriales angepasst, während der
Flg. 120. V«rdBDungsorg«oe einer SplDDc. m Oesophagus, c Obore Soblnnd-
KinKlien (Geli(ro). u Hagen, v* SeiUicbe l'orWIUe desselbea. t>" Nach obon g»-
richwie Anbaitge. i HltleMarm. r CloBkensrtig enveilerteH Endstück des Darms.
h h Sinmiindungen der Leber in den Darm, e Harnctnüle. iNich Doeti.)
nur weni); und flüssige Nahrung aurnchmende Paller ein iwar lUngere
aber viel schmächtigeres Darnirohr besitzt (Fig. HZ).
Ausserdem beruht die Verschiedenheit des
Darmes des ausgebildeten Insecls zum Darme
seiner Larve in einer Aendorung der Verhültnisse
der einzelnen Darm abschnitte. Wahrend derHiltel-
darm im Larvenzuslande in der Regel der müch-
tigste Abschnitt ist, tritt er allmUhlich zurtlck,
und in demselben Maasse gewinnt der Enddann
an Lunge. Dabei ändert sich der gerade Verlauf
des Darmrohrs. Das Lüngerwerden der einzelnen
Abschnitte ruft Krümmungen des die Lunge der
Leibeshßhic tlbertreffenden Darmrobrs hervor, die
bis zu vielfachen Windungen führen kennen. Diese trelTeD auf Hittol-
Fig. 111. Larve eines Schroetlerlings (Spliiox liguslri) in sciilictier Ansicbl
mit Iterslellung der tnnercii OrganiHalioit.
Fig. Ui. Puppe dessellien.
Fig. las. iniago denelben. i Kopf. 1, t, i. ThoracnlsegineBte. 5 — II. kh-
doininalsegmenle. l' Vordenlarm. IT Uittelünrm. E Gnddarm. Gi Gekirngkoglin«.
gi nnler«g Sclilundganglion, n Baachgan)(licn. Ctn MALPiGHi'sche GerasM, C Hen,
G Geschleclitsorgano, (Ntcli NEwronTi.
DarmcaMl.
287
aod Eoddarm, indess der Vorderdarm am beständigsten den ursprüng-
lichen Verlauf behalt. (Vergl. Fig. 424. 122. 423.)
Mit diesen Differenzirungen verbinden sich neue an den einzelnen
Abschnitten und verwischen htlufig die Grenzen der letzteren. Der
Mitteldarm unterscheidet sich vom Munddarm durch seinen Drdsen-
besaiz, und wo letzterer Anhänge oder Ausbuchtungen zeigt, dienen
sie zur Aufnahme und zur ferneren Zerkleinerung der Nahrung, im
letsteren Falle die Bildung eines Kaumagens wiederholend. Der End-
darm cbarakterisirt sich endlich durch die in seinen Anfang ausmttnden-
d^ MALPicHii'scben Gefiisse.
Deo einfadisten, von der Larvenform am wenigsten sich entfer*
nenden Zustand bietet der Darm der meisten Pseudo-Neuropteren dar,
von denen nur einige (Panorpa) eine Erweiterung am Ende des Vorder-
darmes als Kaumagen besitzen. Ein solcher (Fig. 424. A r) zeichnet
auch die Orthopteren ans und trägt auf seiner Innenfläche Längsreihen
von festen Chitinplatten. Er kommt femer bei Goleopteren (Carabiden,
Cicindeleny Dytisoiden etc.) vor, Borsten und leistenariige VorsprUnge
tragend. Audb manche Hymenopteren (Formica, Cynips) besitzen ihn,
ja sogar Larven von Dipteren.
Eine andere Differenzirung des bei manchen (Hemipteren) tlberaus
kurzen Vorderdarmes besieht in einer Erweiterung desselben, die bald
allseitig, bald nur einseitig vorkommt.
Sie dient bei einer Betheiligung der
ganzen Circumferens des Oesophagus
als Kropf (Juglnvies) (i*) , der sich
bei vielen Käfern und bei Orthopteren
vorfindet. Eine ähnliche Ausbuchtung
des Vorderdarmes triffi sich bei Hyme-
nopteren (Wesp^, Bienen) verbreitet,
fungirt ab^ hier als ein Saugapparat
und leitet damit zu einer Bildung
ttber, die sich bei anderen Insccten
als Saugmagen verbreitet findet.
Derselbe stellt einen dem Verlaufe
oder dem Ende des Munddarmes an-
gefügleo bJasenfOrmigen , dttnnwan-
digen Anhang voi*, der bei Lepidop-
teren unmittelbar (Fig. 423. v') , bei
Dipteren mittelst eines ktti*zeren oder
längeren Stieles ausmündet (Fig. 424. B, VyS). Auch bei den Hyme-
»opteren trifft sich die Bildung eines selbständigen, gestielten Saug-
magens (Grabro), Bei den Hemipteren scheint derselbe durch eine oft
Fig. 424. A Verdauungscanal der Feld grille» B einer Fliege. o$ Oeso«
phagQ». i Kropfartige Anschwellung desselben, t; Magen, c Anlittnge desselben,
r Erweitertes Ende des Enddarmes, vm MALPiOBi'sche Canttie.
Fig. 4SI.
288 Arthropoden.
mehrfach ausgebuchlete Erweiterung des Munddarms vertreten zu sein
(Wanzen).
Der Mitteldarm (»Chylusmagen«] bietet nicht minder mannich-
fallige Zustünde. Bei vielen Küfern ist er in seiner ganzen Länge odei
auch an einzelnen Abschnitten mit kurzen Schlauchen besetzt, die man
als »DrUscna bezeichnet. An seinem Anfange treffen sich zuv\eilen
blindsackartige Ausstülpungen besonders bei Orthopteren, auch bei ein-
zelnen Familien der Dipteren. Bei den letzteren ist er meist einer
grösseren Länge entsprechend in Windungen gelegt (Fig. 424. B r).
Dasselbe zeigt sich an dem langen Mitleidarm einiger Käfer (z. B. Me-
lolonthaj, der Bienen und Wespen unter den Hymenopteren und vieler
Hemipleren, bei denen neue Abschnitte an ihm sich sondern.
In manchen Füllen ist der Milteldarm blind geendigt und entbehK
des Zusammenhangos ^mit einem Enddarm. Dies trifft sich bei den
Larven der Bienen und Wespen, der Ichneumonen und mancher Dip-
teren u. a. m.
Der Enddarm bildet bei den Inseclcn mit gerade verlaufendem
Darme den kürzesten Theil desselben. Er zeigt sehr häufig eine Tren-
nung in zwei Abschnitte, von denen der zweite erweitert ist (»ReclunKcj
(Fig. Mi. Ä B r). Bei Käfern (z. B. Dytiscus) erscheint der engere
Vordertheil des Enddarmes von beträchtlicher Länge, auch bei manchen
Orthopteren, wo sich eine grössere Anzahl von verschieden weiten Ab-
schnitten wahrnehmen lässt, am längsten endlich ist er bei den Ci-
caden, bei allen diesen in Windungen gelegt. Da bei manchen die
sonst in den Enddarm mündenden MALPiGui^schen Gefässe dem letzton
Abschnitte des* Mittel da rmes zugetheilt sind, scheint ein Uebergang
eines Theiles des ersteren in den letzteren stattzufinden, und die
scharfe Abgränzung des Enddarmes wird verwischt.
Das erweiterte Endstück dieses Darmtheiles wird bei einer grossen
Anzahl von Insecten durch papillenartig nach innen vorspringende
Wülste ausgezeichnet, in denen reiche Tracheen Verästelungen statt-
finden. Bei den im Wasser lebenden Larven der Libellen bietet der-
selbe Abschnitt zahlreiche in Längsreihen geordnete Blätter mit dichten
Tracheenverzweigungen. Die Lamellen fungiren bei dem durch Oeffnen
und Schliessen des Afters erfolgenden Ein- und Ausströmen von Wasser
als Athemapparat. Zwischen diesen Tracheenkiemen und den papiUen-
artigen Vorsprüngen des Enddarmes kommen mehrfache Uebergaogs-*
formen (bei Phryganeenlarvenj vor, so dass hier homologe Bildungen
zu erkennen sind. Diese Einrichtungen leiten zur Annahme der
frühem Existenz gleicher Larvenzustände auch für solche Insecten, die
gegenwärtig gar keine Beziehungen zu einer Lebensweise im Wasser
zu besitzen scheinen, und begründen damit die für die Entstehung des
Tracheensyslems weiter unten voi^etragene Auffassung.
Aohangsorgane de« Darmciinals. 280
AnhangBorgane des Barmcanala.
i) Anbaogsorgane dos Munddarms.
§ 208.
Am Darmcanale der Arthropoden sind an verschiedenen Abschnitten
Drüsenorgane gesondert. Die in den Vorderdarm fahrenden Speichel-
drüsen sind bei den Grustaceen nur wenig aasgebildet. Ein-
zellige in der Nahe des Mundes liegende Drüsen sind bei niederen
Kmstenthieren (Copepoden, Daphniden) als Speichelorgane gedeutet.
Von den übrigen sind solche Organe nicht mit Sicherheit bekannt ge*
worden. Dag^en finden wir sie in grosser Verbreitung bei den
Tracheaten, bei denen sie sogar differente Functionen besitzen können.
Unter den Arachniden bieten die Scorpione zwei Paar gelappte, in
den Oesophagus einmündende Drüsen, die bei den Galeoden zum Theil
knäuelfbrmig gewundene Schläuche darstellen, und bei den Araneen
scheinen solche Organe gleichfalls nicht zu fehlen. Sehr entwickelt
sind die Speicheldrüsen bei den Milben, die deren mehrere verschieden
gebaute Paare besitzen, und ihr Secret wahrscheinlich theilweise als
Giftstoff verwenden.
Bei den Myriap öden sind einfache schlauchförmige (Julus) oder
gelappte (Lithobius), sogar traubig verästelte Drüsen (Scolopendra) als
Speicheldrüsen gedeutet.
In sehr mannichfaltiger Ausbildung sind die Speicheldrüsen bei
den Insecten vorhanden, sowohl was Zahl, Form und feinere Structur
betrifft. Es wird daher gewiss auch ihre Function sehr verschieden-
artig sich verhalten.
Nur Wenigen scheinen sie gänzlich zu fehlen wie den Ephe-
meriden, Libellen und Aphiden, oder sie sind nur gering entwickelt,
wie bei Myrmeleoniden und Sialiden. Bei den Uebrigen erscheinen
sie bald als lange gewundene Röhren, bald als gelappte oder man-
nichfach verzweigte Gebilde, die häufig den Darmcanal eine Strecke
weit begleiten. Häufig kommen zwei, nicht selten auch drei Paare
vor, die in ihrem Baue sehr wechselnde Verhältnisse darbieten. Was
die äusseren Formen und die Vertheilung derselben auf die verschie-
denen Insectengruppen angeht, so erscheinen sie als ein Paar längerer
Schläudie bei den Käfern, dann bei Fliegen und Schmetteriingen. Ver-
ästelte, traubenförmig gestaltete oder gelappte Formen herrschen in den
Ordnungen der Hemtpteren und Orthopteren, finden sich auch mehr-
fach bei Käfern. Wo mehrere Speicheldrtlsenpaare vorhanden sind
(Hemipteren) , treten zu den verästelten noch einfach schlauchförmige
in einem oder in mehreren Paaren hinzu.
Oefenbftiir, OniBdriii. 49
§ 209.
Eine andere Gruppe von Drüsenorganen mündet in den HiUet-
darm aus. Sie stellen die Leber vor. Zwei durch die Verbindungs-
stelle mit dem Darme verschiedene Or^ne müssen hier aus einander
gehalten werden. Das eine davon verbindet sich mit dem vordersten
Absclinilte, in Gestalt einfacher oder verdslelter Schläuche, wel^e bei
reichlicherer Entwickclung allmählich in einen zusammengesetzten
DrUsenapparat übergehen (vergl. § 205). Die Enden dieser Schlüuche
erscheinen als secretoriscbe Organe, die Ausfuhrgänge dagegen bilden
durch ihr weites Lumen dem Darme zugehörige B3ume. Das Organ
hat sich also noch nicht vollständig vom Dnrme dißerenxirL Die
Branchiopoden , und unter diesen besonders die Phyllopoden , weisen
diese Einrichtung auf; einige besitzen jederseils einen einfachen oder
verilslellen Blindsehlauch (Fig. 119. h], andere zeigen ihn in eine Lebei'
umgewandelt (Limnadia, Apus) , die vorwiegend im Kop&childe ihre
Ausbreitung nimmt. Aehn-
Fig. las liebe Organe besitzen die
ß Cimpedien Bei den Ar-
^^•^^ ihrostraken sind diese
-^ -^ ^ BlmdschUuche (Fig 425.
A hj hnge, nach hinten
vcriauftnde Oi^ane von
j verschiedener Zahl \er-
' W^' Jstelungen fehlen, werden
aber durch Ausdehnung
in die LJnge compensirl.
Unter den Thoracoslraken
erscheinen sie bei man-
chen Schizopoden jenen
Jihnlich, bei den meisten
dagegen, wie bei allen
Decapoden , stellen sie
ein Paar den Cephatolhorax ausfüllende, in bUscbelOlmiige Gruppen
vertheilte DrUsenmassen (Fig. 125. B. h) vor. Da sie bei den Larven
der Decapoden als einfache Ausstülpungen der Diüsenwand erscheinen
ist zweifellos, dass sie nur weiter entwickelte Stadien jener bei vielen
Enlomoslraken einfacheren Schläuche sind.
Eine zweite Form dieser Leberorgane ist von der ersten durcli
grössere Anzahl der EinzeldrUson und durch die weiter nach hinten
verlegte Einmündung in den Mitleldarm mUerschieden. Andeutunjten
Vif. 4ari, DnrmcnnAl und Leber von Crustiicnon. A von Onlscas, B van
Hlilllosoni.1, r h.iumai!Pti. i Chyrusmanen. a Alii-r. A Loberechluwfh*.
Anhangsorgane des Darmcanals. 291
hierfür bestehen bereits bei Copcpoden in mehrfachen auf einander.
folgenden Ausbuchtungen des Mitteidarms. Wir finden sie ausgebildet
bei einzelnen Isopoden (Bopyrus) , wo sie den gansen Mitteldarm als
pa<')rweise angeordnete, verzweigte DrUsenbüschel besetzen. Aehnlich
besteht auch bei den Stomapoden eine grössere Anzahl (10 Paare) ge-
lappter DrUsenbüschel an der ganzen Länge des Mitteldarms.
Beide Formen können nicht direct von einander abgeleitet werden,
da in der zweiten die bei der ersten Drüsen tragende Stelle derselben
eolbehrt. In einer gemeinsamen Stammform mögen beiderlei Organe
vereinigt gewesen sein. Wir können uns in dieser den ganzen Mittel-
darm mit Aussackungen besetzt denken , von wo aus zwei DrUsen-
reihen sich entwickeln ; bei der einen kommt nur das vorderste Drüsen-
paar zur Ausbitdung, bei der andern bleibt das vorderste Paar unter-
drückt und es entwickeln sich die hinteren in verschiedener Anzahl.
Diese hintern Drüsen zeichnen als zwei Paare verzweigter Büschel den
Milleldarm der Pöcilopoden aus.
Beide Formen von Darmausstülpungen liegen den Darmanhiingen
der Arachniden zu Grunde. Die vorderen entwickeln sich jedoch
nicht allgemein zu Drüsenorganen, sondern beharren als mehr oder
minder weite Taschen und Schlauche, wie dieselben bereits als Magen-
biindsacke des näheren geschildert sind (§ 206). Nur bei den Opilio-
niden kommt denselben eine drüsige Bedeutung zu und die Magen-
säcke fungiren zugleich als Leberorgane. Bei den Scorpionen und
Araneen münden in den hinteren Theil des Mitteidarms gesonderte
Drüsenbüschel ein. Zwei bis drei Paar sind es bei den Araneen
Fig. 425. A), fünf Paare bei den Scorpionen.
Den Myriapoden wie den Insecten fehlen diese Anhange des
Mitteidarms, doch kann in den bei manchen vorhandenen BlindsUcken
eine in andere Verwendung gezogene Umbildung der ersten Form dieser
Anhänge gesehen werden.
3) Anhangsorgane des Enddarms.
§ 210.
Bei der meist nur geringen Lange des Enddarms werden mit ihm
(gesonderte Drüsen kaum noch Secrete liefern, die für die Verdauung oder
für die Aufsaugung von Bedeutung sind. Ihr Sccret wird sich mehr in
die Reibe der Auswurfsstoffe stellen. Da auch der chemische Nachweis
geliefert ist, dass diese Stoffe den Harnausscheidungen der Wirbelthiere
an die Seite zu stellen sind, dürfen wir die bezüglichen Organe als
Excretionsorgane bezeichnen, womit jedoch ihren Beziehungen zu
andern Functionen, die sie in einzelnen Fallen besitzen, kein Eintrag
geschehen soll.
Bei den Crustaceen finden sich am Enddarme in einzelnen
49*
I
292 Arthropoden.
Fällen Blindsackbildungen vor, so z. B. bei Gopepoden - Larven , doch
kann weder über ihre morphologische noch über ihre funclionelie Be-
deutung ein sicheres Urlheil abgegeben werden. Dagegen sind bei
den Tracheaten ganz allgemein excrelorische Drüsenorgane in Ver-
breitung, die als Ausstülpungen der Darms entstehen, und als lange,
einfache oder verzweigte Ganüle erscheinen, die oft vielfach gewnnden
oder schleifenfömiig am Darmcanale aufgereiht sind^ und in den letzten
erweiterten Abschnitt des Darmcanals, fast immer hinter dem Mitleldarme,
ausmünden. Sie werden nach ihrem ersten genauem Beobachter als
Malpighi'sche Gefässe bezeichnet, mit Beziehung auf ihre Function
werden sie liarncanäle benannt.
Unter den Arachniden sind sie bei den Scorpionen einfache,
zwischen den Leberlappen verlaufende GanSile, von denen ein Paar
Verästelungen besitzt. Sie münden in den Anfang des Enddanns.
Vielfach verästelt und zu einem Netze verbunden, sind die Hamcanäle
der Araneen, bei denen sie sich in zwei gemeinsame AusfUhrgänge
(Fig. 120. e) vereinigen und mit diesen in den weiten Enddarm oder
den Blindsack desselben ausmünden. Zwei lange und vielfach gewundene
Ganäle stellen sie bei den Opilioniden vor, und ähnlich erscheinen sie
bei den Milben, zuweilen mit Verästelungen versehen.
Eine ebenfalls geringe Anzahl einfacher Harngefässe kommt bei
den Myriapoden vor, ein Paar bei den Juliden und zwei Paare bei
den Scolopendem. Sie schliessen sich nicht nur durch ihre Zahl und
einfache Bildung, sondern auch durch ihre Anordnung am Darmcanale
den entsprechenden Organen vieler Insectenlarven an.
Die grösste Mannicbfaltigkeit in Zahl, Anordnung und specieller
Bildung herrscht bei den Uarngefässen der Insecten. Unter den
Thysanuren fehlen sie allen Poduriden, sind dagegen bei Lepisma in
der Vierzahl vorhanden. Die Function der Hamcanäle ist namenl-
lieh bei den Insecten, mit vollkommener Verwandlung während des
Larvenzustandes eine gesteigerte, wie sich nicht allein aus der mäch-
tigen Ausbildung dieser Organe (Fig. 121. vm), sondern auch aus der
während des Puppcnzustandes sich massenhaft im Enddarme ansammeln-
den Ilarnmenge ergibt. Diese Erscheinung entspricht also gerade jener
Periode, in welcher mit der Ausbildung des vollkommenen Körpers die
intensivste plastische Thäligkeit im Organismus zur Aeusserung kommt.
Dass die Function der Malpighi^schcn Ganäle der Insecten nicht aus-
schliesslich in der Harnabsonderung zu suchen ist, dass vielmehr eine
ältere Annahme, die in ihnen galleabsondemde Organe erblickt, nicht
ganz unberechtigt ist, ist durch das Vorkommen verschieden gebauter
Strecken dieser Ganäle, sowie durch die Vei*schiedenheit des Secretes
an jenen Strecken begründbar. (Leydig.)
Die Uarncanäle geben sich meist durch ihre braungelblicbe oder
auch weissliche Färbung leicht zu erkennen, welches Golorit von den
in den Zellen der Ganalwand abgelagerten Stolfen herrührt und um si>
GescfalechtsorgaD«. S93
iolensiver erscheint, je reichlicher die Secreiion von Statten ^eht, und
je mehr auch das Lumen der Candle mit Secretmasse gefüllt ist Was
die Zablenverbälinisse angeht, so kann Folgendes darüber bemerkt
werden: Am verbreitetsten finden sich vier, paarweise mit einander
verbundene Uarncanüle bei den meisten Dipteren (Fig. 424. B vm) und
Hemipteren; sechs trifft man bei Schmetterlingen, bei vielen Netzflüg-
lern, sowie bei manchen Pseudoneuropteren (Termiten) an; vier bis
sechs sind bei den Kflfem vorhanden ; eine grosse Anzahl kurzer Harn-
canüle zeichnet die Hymenopteren aus, so dass bei diesen, sowie auch
bei vielen Orthopteren (Fig. 424. Avm) Hunderte von Uamcanülen
Gielroffen werden. Verästelungen kommen im Ganzen selten vor; da-
gegen 6nden sich hau6g schlingenförmige Verbindungen zwischen den
landen* der einzelnen. Die Ausmttndung findet je nach der Liinge des
Knddarms an scheinbar sehr verschiedenen Stellen statt. Sehr weit
nach vorne münden sie bei den Cicaden, Fliegen und Sebmctlerlingen
Auch bei den Hymenopteren ist die Mündung dicht hinter dem Magen.
Am Ende dagegen fügen sie bei verschiedenen wanzenartigen Insecten
sich ein.
Oesohlechtsorgane.
§ 2<<.
Die Fortpflanzung der Arthropoden wird aus8chlies»slich durch den
Gescblechtsapparat besorgt, und was man hier als ungeschlechtliche Ver-
mehrungsweise bezeichnet, wie die Erscheinungen der Parlhenogenesis
und des Generationswechsels geht in allen Füllen aus geschlechtlicher
Differenzirung hervor und darf mit den Vermehrungsweisen durch Thei-
luDg, Sprossung oder Knospenbildung nicht verknüpft werden.
Die bei den Würmern nur in einzelnen Abtheilungen vorhandene
Yertheilung der Generationsorgane auf verschiedene Individuen ist iiei
den Arthropoden zur Regel geworden, und nur bei wenigen hat sich
die bermaphroditische Bildung erhallen. Die geschlechtliche Diflbren-
zirung erstreckt sich bei vielen auch auf Uussere Theile, auf Umfang
und Beschaffenheit des Körpers.
Die Keimdrüsen sind stets gesonderte Organe, die nicht mehr auf
die Metameren vertheilt, und entweder einfach oder doch in nur einem
Paare vorhanden sind. Die Centrdlisation des Organismus ist hierin
eine vollständigere geworden. An den Keimdrüsen wie an deren Aus-
fubrwegen drücken sich zahlreiche Gomplicationen aus, vor Allem durch
Verlängerung der Ausführwege und durch Differenzirung derselben in
einzelne verschieden fungirende Abschnitte. Endlich werden bei voll-
koDtmenerero Grade der Arbeitstheilung einzelne Abschnitte in acces-
soriscbe Organe umgewandelt, die nicht mehr blosse Theile der Aus-
ieilegänge, sondern selbständige Anhangsgebildc vorstellen.
^94 Arthropoden..
Für die weiblichen Organe treffen wir einen immer erweiterten
Abschnitt der AusfUhrwego in der Function als Uterus. In demselben
gewinnen die Eier eine weitere Ausbildung, und werden in der Regel
auch noch mit einer Umhüllung, der Schale, versehen. Der letztere
Umstand steht mit einer drüsigen Structur der Wandung im Ztisammen-
hang, und kann zurSonderung drüsiger Anhangsgebiide dieses Abschnittes
hinführen. Die Befruchtung erfolgt mit Ausnahme der festsitzenden
Cirripedion durch Begattung. Dem entsprechend findet sich näher
oder entfernter vom Endabschnitte ein Raum zur Aufnahme des
Sperma (Receptaculum seminisj durch eine Ausbuchtung einer Strecke
der Ausfuhrwege vorgestellt, die zu selbständigeren Anhangsgßbilden
sich umgestaltet.
Wo die Eier nicht frei abgesetzt, sondern wie das häufig der Fall,
entweder untereinander oder an andere Gegenstände befestigt werden,
sind am Ausführgange noch Kitlsubstanz liefernde Drüsen gesondert, so-
wie endlich beim Vorhandensein besonderer Begattiuigsorgane des
Mannchens, RUume des weiblichen Apparates zur Aufnahme derselben
ausgebildet sind. Ausnehmend mannichfach sind die Organe, welche
zum Bergen und zum Schutze der bereits aus dem Körper getretenen
Eier verwendet werden. HUußg ist ein Theil der Gliedmaassen , be-
sonders bei Krustenthieren, in dieser Richtung, umgebildet. Aber auch
ganze Körperregionen können zu Brutbehältern umgewandelt sein.
Aus diesen Beziehungen entspringt ein grosser Theil der Verschieden-
heit weiblicher und männlicher Individuen. ^Endlich ist noch als ein
auf alle Theile des weiblichen Apparates modificirend wirkender Um-
stand die Quantität der producirten Eier in Anschlag zu bringen,
indem aus einer beträchtlichen Vermehrung nicht blos Erweiterungen
der ausleitenden Räume, sondern auch vielfältige Umänderungen aller
ai'cessorischen Organe abzuleiten sind, die wieder in der Volumzunahme
des Weibchens sich aussprechen.
Dem weiblichen Apparat gegenüber verhält der männliche sich
einfacher. Erweiterungen des Ausführweges [vas deferens) dienen als
Behälter für das abgesonderte Sperma (yesicula seminalis) , die Wan-
dungen der Ausfuhrwege oder daraus gesonderte Drüsen mischen dem
Sperma besondere Secrete zu, deren Bedeutung nur dann erkennbar
ist, wenn dadurch die Samenelemente in Massen vereinigt und als
Samenpaquete (Spermatophoren) , an oder in die weiblichen Organe
übertragen worden. Wo nicht das ausstülpbare Ende der Ausführ-
wege zur Begattung dient, finden sich besondere Copulationsorgane,
an deren llerstellung bald die Gliedmaassen (Krebse) , bald ganze
Leibessegmente (Insecten) sich beiheiligen. Den Gliedmaassen kommen
überdies noch manche andere Beziehungen zum Gcschlechtsapimrale
zu, indem sie als Organe zum Einfangen und Festhalten der Wcil^-
chen dienen, und damit in Verbindung stehende Umbildungen auf-
weisen.
G eschlechlsoiigaDe .
295
§ 212.
Unter den Crustaceen treffen wir bei einem Theiie der Cirri-
pedien ZwilterbiMongen. Hoden wie Eierstöcke sind vielfach ver-
astdle, äusserlicb nur durch ihre Lagerang unterschiedene Schläuche.
Die Ovarien liegen bei den Lcpadiden in dem durch eine Ausstülpung
des Mantels gebildeten Stiele verborgen und senden jederseits ein
Oviduct zur Mantelhöhle. Bei den Balaniden sind sie in den Mantel
eingebettet. Die männlichen Zeugungsdrilsen sind in beiden Familien
um den Tractus intestinalis gelagert und vereinigen sich an jeder Seite
zu einem Vas deferens, welches, den Enddarm begleitend, mit dem
der andern Seite vertianden am Ende des Postabdoraens mündet.
Bei den übrigen getrennt geschlechtlichen Crustaceen bietet die
Ciorichtung von beiderlei Apparaten einen hohen Grad der Uoberein-
stimmung dar. Nach dem
paarigen oder un paaren Ver- Flg. i%%.
halten der Keimdrüsen lassen
sich zwei verschiedene For-
men des Geschlechtsappa-
rates unterscheid^, die jedoch
durch Verbindung zweier
Keimdrüsen zu einem äusser-
lich unpaaren Organe unter
einander verknüpft sind.
Ünpaare Keimdrüsen treffen wir bei den freilebenden Cope-
poden. Ovariuro oder Hoden (Fig. 126. t) liegt in der Medianlinie
dem Mitteldarm (t;) auf. Das Ovar sendet jederseits einen Eileiter
ab, der entweder einfach nach hinten verlauft, oder an seinem End-
abschnitte mehrfache als Uterus fungirende Windungen bildet (parasi-
tische tlopepodcn} , oder auf seinem ganzen Wege mit vielfachen Aus-
buchtungen (Fig. 127. B) zur Aufnahme der Eier besetzt ist (Gorydtiden) .
Der kurze Endabschnitt ist entweder in seinen Wandungen drüsig, oder
es sitzt ihm eine besondere KittdrUse an. Eine Erweiterung des End-
abschnittes fungirt als Receptaculum seminis, welches auch in vielen
Fallen , z. B. bei den Parasiten, einen zur Aufnahme der Sperma mit
selbständiger Mündung versehenen besonderen Abschnitt vorstellen kann.
Bei vielen parasitischen Copepoden ist das Ovarium doppelt; beide
Ovarien sind aber häufig einander genähert. Aehnliches bietet sich
hei den männlichen Copepoden, von denen die freilebenden einen ein-
fachen, bei den Cerycäiden in zwei Hälften getrennten Hoden besitzen,
Fig« 4t6. Darm und männlicher Geschlechtsapparat von Pleuromma. Seil-
liche Ansicht, oe Munddarro. v Milteldarm. k Unpaarer Blindsack, i Enddarm,
c Herz. I Hoden, vd Gcwondenes Vas deferens. (Nach Claus.)
296 Arthropoden.
der jederseils in ein besonderes Vas dcfcrens übergehl. Bei manchen
Familien ist der rechte Samenleiter rUckgebildet. Das häufig gewun-
dene Ende des Samenleiters (Fig. 126. vd) dient als Samenblase, in
der die Bildung der Spermatophoren geschieht.
Bei den Branchiopoden liegen die Keimdrtlsen als getrennte
Schläuche zur Seite des Darmcanals. Einfach sind sie bei den G la-
de ceren, wo sie sich unmittelbar in den wenig veränderten Aus-
führgang fortsetzen, der sowohl bei männlichen als weiblichen Organen
nahe am Körperende mündet. Daran reihen sich die Phyllopoden.
Hoden oder Eierstöcke nehmen bald nur den hintern Theil der Leibes-
höhle ein, und senden dann von ihrem vorderen Ende einen rück-
wärts umbiegenden Äusführgang ab (Artemia , Branchipus) , oder sie
beginnen weiter vorne und lassen den Ausführgang am hinteren Ende
oder nahe daran hervorgehen (Holopedium). Ein erweiterter Abschnitt
des Oviductes dient bei ersteren als Uterus, ähnlich wie am Samen-
leiter eine Anschwellung die Samenblase bildet. Diese einfachere Form
der Geschlechtsorgane geht bei den meisten Phyllopoden durch Yer-
grösserung der Keimdrüsen Modificationen ein. Das Ovarium von
Limnadia ist mit kurzen taschenartigen Ausbuchtungen besetzt, die bei
Apus durch weiter gehende Verästelungen eine gelappte Drüse von be-
deutender Ausdehnung herstellen. Dies Organ dient auch als Behälter
(Uterus) für die bereits reifen Eier. Formell ähnlich verhält sich der
Hoden.
Unter den Arthrostraken waltet eine Trennung der beider-
seitigen, meist auch getrennte Ausmüudungen besitzenden Geschlechts-
organe vor. Die weiblichen Organe bestehen bei den Amphipodeil aus
einfachen, in der Regel an der Basis des fünften Thoracalsegments aus-
mündenden Schläuchen. Bei den isopoden (Fig. 127. C) sind diese
Schläuche sowohl nach vorne als hinten blindgeendigt und der Aus-
führgang entspringt im Verlaufe derselben. Als eigentliche Keimdrüsen
sind die Enden der Schläuche anzusehen, indess der übrige grösste
Theil einem l^^rus gleichkommt. Die männlichen Organe kommen
damit überein, doch trifft sich für die Isopoden eine Eigenthümlichk«it,
indem jederseits mehrere Uodcnschläuche (Fig. 128. B) sich zu einem
besonderen Abschnitte vereinigen, aus dem ein engerer häufig gewun-
dener Ausführgang entspringt. Dieser nimmt entweder seine eigene
Ausmündung, oder ist vor der Mündung mit dem der anderen Seite
vereinigt.
§ 213.
Unter den Malakostraken bieten die Schizopoden (Mysis) die
einfacheren Geschlechtsorgane. Die weiblichen Organe (Fig. 127. A)
bestehen aus einer unpaarcn Keimdrüse (o] , an die sich seitlich Aus-
führwege, zu einem nach vorne zu blindsackarlig fortgesetzten Uterus
GucblecbUor^ane. 297
ePA'eJtert, anscbliessen , und aD ihrem binleren Ende einen iLunen
Gang (od) xar GeschlechlaOffnuDg abscoden. Diese VerbinduDg beider-
seiliger Oi^ne besteht
Fig. w.
aDch fOr den Hoden.
¥.T wird aus einer Dop-
pelreihe von DrUseorol-
likeln gebildet, welche
in einen suhliDgenfOnnig
verlaufenden Canal lu-
satnmentrelen , der den
einracfaen an der Basis
des leUlcn Fusspaares
mundenden AusfUhrgang
bildet.
Die UescfalechlstH^ne
der Dccapoden reihen
sich durch die gleichfalls
bestehenden Median Verbindungen an jene von Mysis an, und er-
scheinen durch inannichfacbe DiffercoEirungen weitergebildet. Die
weiblicboD Organe werden durch zwei lange nach vorne und nach
hinlen ausgesogene und unter einander quer verbundene Röhren vor-
gestellt, die theils als Keimdrüse, aber auch zum grossen Theilc als
Eileiter und Uterus ftingiren. Beim Flusskrebs sind die beiden vor-
deren Abochnitte als künere Lappen gestaltet, indess die beidcfl
hinteren tu doem unpaaren Stücke verschmolzen sind. Ein kurzer
AuatUbrgang begibt sich jederaoits zur Gcschiechlsoffnung, die bei den
Caridinen wie bei den Sdiizopoden gelagert, bei den Macruren an
den Basalgliedorn des dritten Fosspaarcs, bei den Brachyuren dagegen
an dem dieses tragenden Kürpersegmente angebracht ist. Die Brachy-
uren sind überdies noch durch eine tascbenartigo, als Samentascbe tu
belrschlendo Erweiterung des AusfUbrganges ausgoteichnet. Der mUnn-
liche Apparat zeigt die Hoden aus zwei vielfach gewundenen vorne der
Quere nacb nnler einsudcr verbundenen Schlauchen dargeslollt, die,
wie auch die weiblichen Organe, mcistentheils im Cephalothorax lagern
und nur bei Pagurus ins Abdomen sich einbetten. Sie ontsonden bei
den leUtercD zwei lange, eng gewundene, allmilhlidi sich erweiternde
AnsfubrgSi^. Daran schliossen sich die meisten übrigen Decapoden
an, doch ergeben sich mannichfache Eigenthumliohkeiten theils in der
Ausdehnung der durch die Windungen des Samencanals gebildcloh
Lappen, theils auch in der Bildung des unpaaren, beiderseitige Drüsen
vereinigenden Stückes. Vollständiger ist die Vereinigung der Keim-
ilrtisen bei Astacus. Ein langgewundenes Vas derorons tritt an. jeder
Seite zur äusseren Geschlechtsoffnung, die in der Begel am Basalglicde
Fig. IIT. Weibliche Geschloubtsorgaiie vonCruftaceep. .d von Uysis. 0 von
StpphiriiM. C von Oal«cus. o Ovariam. od Ofidoct. «i Utems,
des leuten Fusspaares angebracht, bei den kunschwaniißen Krebsen
jedoch am Endo eines, aus einer umgewandelten Gliedmaasse hervor-
gegangenen , doppellcn Penis sich findcl. Es erball sich also nur fUr
den münnlichcn Apparat die
gleiche AusniUndung wie bei
den Schizopodcn , wahrend
die weibliche OetTnung weiter
nacli vorne gei'Uckt ist.
Eigenlhümlich verhalt sich
der Geschlechtsapparat der
Slomapoden, der nicht in
der gleichen Weise wie jener
der Decapoden mit den Or-
ganen der niederen Krusten-
tbierc in Zusammenhang ge-
bracht werden kann. Die
Ovarien werden bei Squilia
aus zahlreichen die Seite des
Abdomens einnehmendenDrU-
sensdilauchen gebildet, die
sich in ein den Darm um-
lagerndes HitlelslUck ver-
einigen. Vom Vorderende
desselben treten drei Paar AusfUhi^ange zur Bauchdache herab, und
verbinden sich in der Medianlinie unter Bildung von Erweiterungen
zu einem Längscanale, der weit vorne zu einer auf einem Vorspränge
gelegenen einfachen GcnitalöD'nung tritt. Vom männlichen Apparate
verhalten sieb nur die Keimdrüsen dem weiblichen gleich, indess die
beiden aus den Hoden hervoi^ehenden Vasa defcrentia in zwei an der
Basis der beiden letzten FUsse vorragende Begatlungsorgane tlborgeheo.
Eine Vereinigung der beiden in der Abtheilung der Crustaceen
reprüsenlirten Formen bietet sich bei den PAcilopodcn. Von der
einen Form ist die Medianverbindung der beiderseitigen Apparate, von
der andern sind die mehrfachen Keimslälten vorhanden , als welche
die feinen Endüste des die (>eschlechtsorgano zusammensetzenden Neli-
wcrkcs sich darstellen. Die weiteren Strecken dienen zu Ausfuhr—
wegen, bei den Weibchen zur Ansammlung grosser Eiermassen bc-
trüchlljch erweitert, und jederseits in einen selbständigen AusfUhrgaDg
forlgesetzt.
flg. las. MMnnllche Gcschlochlsorgane. A von Hon
OiiiNcus. tl Flodei). t* d Vss deforeiis. t> ( Saraenblascn.
^clb«a, p Bcg.-it[ungsorgun.
Geschlechtsorgane. 299
§ 2U.
Bei den Arachniden siod beiderlei GeschleehlsdrUsen in der
Regel unpadr oder, wenn paarig, doch transversal verbunden, und mit
vereinigten oder getrennten Ausftthiigängen weit vorne an der Bauch-
flücbe ausmündend. Ausser accessorischen Drttsenorgancn oder beson-
deren, zur Aufbewahrung und Aufnahme der 8amenmassen oder der
ICier dienenden Erweiterungen der Ausfuhrgänge, kommen noch Süssere
Apparate zur Ausleftung der Geschlechtsproductc vor, je nach den
Geschlechtern als Ruthen oder LegerOhren bezeichnet. Die männlichen
Organe wiederholen mit geringen Verschiedenheiten den Typus der
weiblichen. Die Verbindung der beiderseitigen Genitaldrüsen und der
daraus hervorgehende unpaare Abschnitt des Apparates erinnert an
ähnliche Verhältnisse bei den Brancbiaten, vorzüglich den Pöcilopoden.
Bei den Scorpionen stellen die Ovarien drei an ihrem hinteren
Ende bogenförmig in einander übergehende und ausserdem noch durch
vier Queranastomosen mit einander verbundene Längsröhren vor, in
deren oft schlauchartig ausgebuchteten Wandungen die Eier entstehen.
In den queren, jederseits vier weite Maschen erzeugenden Verbindungen
spricht sich eine durch ihre Lage genau jener des Abdomens folgende
Gliederung des Organs aus. Aus den beiden äusseren Längsschläuchen
gehen spindelförmig erweiterte Oviducte hervor, die wegen des von
ihnen aufgenommenen Sperma als Receptacula seminis fungiren, und
an der Basis des Abdomens ausmünden.
Auch die Hoden der Scorpione erscheinen als ein Paar schleifen-
ibrmiger Canäle mit quer verlaufenden Verbindungen. Zwei auf beide
Seiten vertheilte Röhren lassen eine vollkommene Duplicität bestehen.
Das vorne aus jedem lioden hervorkommende Vas deferens mündet,
mit dem der andern Seite vereinigt, an derselben Stelle, an der beim
Weibchen die Geschlechtsöffnung sich findet, nach aussen. Zu dem
Vas deferens treten jederseits noch accessorische Organe, in der Regel
in Form von zwei Paar verschieden langen Blindschläuchen, die theils
als Drüsen theils als Samenblasen fungiren.
Die Trennung der beiderseitigen Reimdrüsen ist bei den Galeo-
den und Araneen in beiden Geschlechtern vollständig. Die Ovarien
stellen zwei Schläuche vor, an deren Aussenfläche sich die Eier und
zwar bei den Spinnen auf stielartigen Fortsätzen entwickeln. Aus der
Vereinigung der beiden zur Ausleitung der Eier dienenden Ovarial-
röhren bildet sich ein zuweilen erweiterter Scheidencanal (Galeodes),
der an seinem Ende mit einer oder zwei Samentaschen besetzt ist.
Die männlichen Organe lassen sich bei den Galcoden von den Scorpionen
her ableiten, indem die aus jederseits paarigen Längsschläuchen ge-
bildeten Iloden ohne Querverbindungen sind. Bei den Spinnen endlich
sind diese Längsschläuche auf zwei reducirt.
§ 215.
Sowohl bei den OpJlioniden iils hq'i den Milben ist in der
herrschenden Bingforni der Keinidrtlsen eine gemeinsame l£inrichluDg
gegeben , die sich von der bei den Scorpionen gegebenen Querver-
bindung der Ovarien ableitet. Bei den T)pilionidän (Fig. 1S9. Bo] ist
diese Ringfonn am voll-
Fiß. 189, ständigsten. An der Ober-
flüche des Ringes bilden sich
die Eier, wie bei den Spin-
nen und Scorpionen, in ge-
stielten Ausbuchtungen, von
wo sie in das Innere der
Ovarialröhro und von da in
den Au»rtlhrgang gelangen,
der eine betriichlJicbe Er-
weilerung (ii) [Uterus) be-
sitzt. Eine enge gcw un-
dene Fortsetzung desselben
fuhrt zur aussUllpbaren
LegerShre (Oviposilor) [op].
Den Ovarialring vertritt bei den Münnchcn ein Bingcanal, von dem nur
ein Abschnitt (Fig. 1 39. A t] den Hoden vorstellt, dessen beide Enden
in die den Ring abschliessenden AusfUhi^ünge [vd] Übergehen. Diese
vereinigen sieb tn einen knüuelförmig gewundenen Abschnitt aus dem
ein erweiterter Canal als Samenblase entspringt und sich an ein der
Legeröhre ähnliches und ebenso hervorstuipbares Gebilde, den Penis
fügt, mit dessen Ende noch zwei mUcbtigo Büschel acccssoriscber Drüsen
(gi) sich verbinden.
Bei den Acarinen ist die Bingform der Keimdrüsen bei vielen
□och vollstilndig erhalten. Im weiblichen Apparate wird der grössere
Theil des Ringes durch Beschränkung der Eibildung auf einen kleinen
Abschnitt, dem AusfUhrappardle zugethcilt. Am ausgesprochensten ist
das bei Penlasloinum , dessen Ovarium einem Riugc;inal angefügt ist.
Von den Ausfuhrwegen sind die in den unpaaren Abschnitt über-
gebenden Theile des Ringes hilufig zu einem zweihörnigen Uterus
erweitert, oder dieser wird ausschliesslich vom unpaaren Abschnitte
vorgestellt. Letzleres ist auch bei Pentaslomum der Fall wo der tlleni'a
einen bedeutend langen gewundenen Canal bildet. Am männlichen
Apparat ist der letztere meist sehr verkürzt, und die beiden in ibm
sich vereinigenden Theile des Ringes sind zu Samenblasen erweitert.
Klg. 129. 6e»chlcuhlsorgane von Ptialangium o|iMiu. A Uutinlkho Or-
gane. I Hnden. v d Vos dofcrcns. p Penis, i» Rolracloron ilcssoHien. gi Au-
hangsdrüscn. (Nach Krouk.] B Weibliche Organe, o Eierülock u Uterus, op Lego-
rübre. m Retracloren dorsclbeo. '
GoschlechUorgane. 301
Mit dem unpaaren Abschnitte verbinden sich in beiden Geschlechtern
Anhangsdrttsen, die wiederum bei den Männchen ausnehmend umfang-
reich sind. Die verschiedenartige Verlheilung der Functionen an dem-
selben Ringcanale führt zu einer Trennung des Ringes in zwei Genital-
schlflache, wenn in der Mitte des keimerzeugenden Abschnittes des
Ringes eine sterile Partie auftritt. Die beiden Hälften des Ringes
vertheilen sich dann, in einzelnen Fällen noch durch einen Canal oder
durch indiGferentes Gewebe verbunden, nach beiden Seiten, und so gehen
Organe hervor, die nur an den Mündungen oder an einem damit zu-
sammenhängenden unpaaren Abschnitte vereinigt sind (Ixodes).
Ganz unabhängig von diesen Einrichtungen verhalten sich die
hermaphroditischen Geschlechtsorgane der Tardigraden. Sie be*
stehen aus einem unpaaren Ovarium, und zwei zu Seiten des Darm-
canals liegenden Hoden , welche ihren Ausführgang in einem Samen^-
bebalter einfügen, und meist mit besonderen Drüsen sämmtlich in eine
Cloake ausmünden.
Ebenso eigenthümlich verhalten sich die Pycnogoniden deren
Geschlechtsproducte an der Wand der Leibeshöhle entstehen , und
durch besondere bald an allen, bald an nur einem Pusspaarc vor-
handene Oeffnungen entleert werden, damit an niedere bei Annulaten
bestehende Befunde erinnernd.
§ 846,
Die Geschlechtsorgane der Myriapoden stehen in Form und An-
ordnung jenen der Arachniden am nächsten und münden zum Theil
wie jene, weit vorne am Körper, nämlich am dritten Leibessegmente
aus. Nur die Geschlechtsöflnung der Scolopender ist am Hinterleibes-
ende angebracht. Bei den Weibchen sind die Geschlechtsdrüsen ent-
weder äusserlich einfach, einen langgestreckten Schlauch vorstellend,
an dessen Innenfläche die Eier Vorsprünge bilden, [Juliden, Scolo-
pendriden und Glomeriden) ; oder sie erscheinen doppelt (Graspedo-
soma) und vereinigen sich dann an ihrem vorderen Ende, woraus
wiederum zwei besondere Oviducte hervorgehen, die nach bogenfbr-
migem Verlaufe von einander getrennt münden. Bei den Scolopendem
ist ein einfacher Oviduct als Fortsetzung des einfachen Ovarialschlauches
die Regel , doch ist im Allgemeinen die Duplicität dieser Organe nicht
nur durch die weit verbreiteten doppelten Oviducte, sondern auch
durch die beiderseits im einfachen Ovarialschlauche stattfindende Eibil«
düng ausgesprochen.
Die accessorischen Organe werden aus zwei Paaren, zuweilen in
die Oviducte , meistens direct in die GeschlechtsOflhung ausmündender
Gebilde dargestellt (Fig. 130. glj. Ein Paar davon erscheint in Form
gestielter Bläschen, die nach ihrem Inhalte als Receptacula seminis zu
302
Arthropoden.
deuten sind, während ein anderes, zuweilen noch verdoppeltes Paar
sich als »Kittdrüsen« kundgibt.
Die Duplicität der männlichen Organe ist gleichfalls häufig auf die
Ausfuhrgänge und accessorischen Apparate beschränkt. Doch sind
manche Glomeriden und Juliden mit einem doppelten Hodenschlauche
versehen , der in ein gemeinsames Yas deferens übergeht und nicht
selten auf seiner ganzen Länge durch zahlreiche Querverbindungen
zu einem Organe vereinigt erscheint. Wo nur Ein Hodenschlauch
existirt, da ist er häufig mit rundlichen 'oder länglichen Follikeln
besetzt (Fig. 431. 1 1), Das Yas deferens bleibt selten einfach (einige
Scolopendriden, Fig. 431. v), son—
Fig. 430.
Fig. 431.
(lern theilt sich in der Regel,
gleich dem Oviducte, in zwei ent-
weder je auf einer kurzen Pa-
pille ausmündende (Juliden, Glo-*
meriden) oder sich vereinigende
. Aeste, die in einen am Hinterleibs—
ende angebrachten kurzen Penis
übergehen (Scolopendriden) . Der
letzte Abschnitt der Ausführgänge
ist häufig mit Erweiterungen oder
Ausbuchtungen versehen, die zu
Ansammlung des Sperma dienen
(Fig. 131. v'). Dicht vor der Aus-
mündung inseriren sich noch meh-
rere Drüsenpaare (Fig. 431. gl)y
unbestimmter Function. In dem
Gesammtverhalten des Geschlechts-
apparates sind in den getrennten
Mündungen ausgedrückte Annähe-
rungen an die Krusten thiere, durch
die Bildung ringförmiger Abschnitte
Aehnlichkeiten mit den Arachniden unverkennbar.
Die bei den Cruslaceen bestehende Umbildung von Gliedmaassen
in Begattungsorgane besieht bei den Arachniden nur unter den Spinnen
und zwar sind es hier die Palpen, welche bei den Männchen als com-
plicirt gestaltete Organe die üebertragung des Sperma auf die weib-
liche GenitalöfTnung vornehmen. In wiefern die in lieiden Geschlechtem
der Scorpione vorkommenden kammförmigen Anhänge des Genitalseg-
ments hierher bezogen werden können, ist noch nicht bestimmbar.
Fig. 480. Weibliche Geschlechtsorgane von Scolopendra complanata.
ov Ovarium. gl Drüsen. (Nach Fahre.)
Fig. 13^. Männliche Organe von derselben. ( Hoden, v Yas deferens. v' Als
Spermatophorenbehälter functionirender Abschnitt des Voß deferens. * Samenblasc.
gl Accessorische Drüsen. (Nach Fabre.)
Geschlechtsorgane. 303
Bei grösserer Mannichfaltigkeii untergeordneter Verbäitnisse lassen
die Geschlechtsorgane der Insccten im Ganzen einheitlichere Zustande
erkennen. Die Organe liegen mit ihren accessorischen Apparaten fast
immer im Abdomen, und münden meist unterhalb der AnalOfTnung am
letzten Abdommalsegmente aus. Nur bei den Strepsiptem ist wenig-
stens die weibliche Genitaltffifhnng weit nach vorne gerückt. Die Keim-
drüsen erscheinen immer paarig angelegt, wenn auch im Laufe der
nachembryonalen Entwickelung Annäherungen und Verschmelzungen
eintreten. Jede Keimdrüse setzt sich aus einer verschieden grossen
Zahl einander gleichwerthiger Abschnitte zusammen, die meist röhren-
förmig gestaltet, büschelartig gruppirt sind, und a^u gemeinsamen Aus-
ftthrgUngen sich vereinigen. Die in jedem Abschnitte der Keimdrüse sich
findenden gleichen Verhältnisse tragen durch Wiederholung zur Mannich-
faltigkeit der äusseren Erscheinung des Gesammtapparates nicht wenig
bei. Die Ausführgänge beider Keimdrüsen verbinden sich nach ver-
schieden langem Verlaufe und nehmen schon vorher, aus Difleren-
zirungen eines Abschnitts der Wandung entstandene accessorische
Organe auf. Bei den weiblichen Individuen sind diese Anhangsorgane
der Attsführwege, bald durch laschen- oder blasenartige Theile gebildet,
die entweder zur Aufnahme des männlichen fiegattungsorganes während
der Gopula dienen (Bursa copulatrix), oder als Drüsenorgane verschie-
denster Art und auch zur Bewahrung des Sperma (Keceptaculum
seminis) in Verwendung kommen. Beim männlichen Geschlechte be-
sitzen paarige Anhangsdrüsen der Ausführwege bedeutende Ausbildung.
Ausser diesen finden sich noch als Samenblasen (Vesiculae seminales}
fungirende Anhänge.
Mit dem Ende der Geschlechtawege stehen äussere meist durch
Umgestaltung der letzten Metamei*en entstandene Organe in Verbindung,
die bei den Männchen als Begattungsorgane erscheinen, bei den Weib-
chen in verschiedener Form, zur Ausleilung der Eier und zum üeber-
tragen derselben auf oder in verschiedene Gegenstände verwendet
werden (Legeröhren, Legestachel etc.).
Am weiblichen Apparate ergeben sich die bedeutendsten Modi-
ficationen an dem gewöhnlich als »Ovarient aufgefassten Gomplexe
der Eiröhren.
Die Beziehungen dieser Röhren zur Bildung der Eier sind von
den sonst angetroffenen Verhältnissen etwas abweichend. Jede einzelne
Eiröhre (Fig. 432] ist an dem einen Ende unter allmählicher Erweite-
rung an dem »Oviducle« inserirt, während das entgegengesetzte Ende
zumeist dünn, häufig sogar in einen feinen fadenförmigen Fortsatz
304
Arthropoden.
Fig. 432.
m
ausläuft. Bei dem Bestehen zahlreicher fiiröhren werden die freien
Enden unter einander verbunden angetroffen. Die Biidungstätte der
Eier trifll sich in jenen Endfäden, deren Zellenmassen die Eikeime
vorstellen, welche von hier aus allmählich unter fortschreitender Diffe-
renzirung der Eiröhre abwärts rücken. Das Ei ist zwar als Zelle
bereits in der eigentlichen Bildungsstätte unterscheidbar, aber es
nimmt allmählich mit der Eiröhre an Grösse zu, und man trifll dem-
nach die grössten Eier am entferntesten von der Bildungsstätte und
am nächsten dem Oviducte gelagert, während von hier aus immer
kleinere , jüngere Formationen bis gegen das vorhin erwähnte blinde
Ende der Eiröhre sich hinter einander
reihen. Die Länge einer Eiröhre steht
also im Zusammenhange mit der Zahl
der in ihr befindlichen Eier, welche
' sie in entsprechende Abschnitte oder
Kammern theilen. Das allmähliche
Herabsteigen der Eier ist nicht nur
mit einem Wachsthume verbunden,
sondern es erleidet auch die Dottersub-
stanz mannichfache Veränderungen,
und jedes Ei erhält, besonders im
letzten Abschnitte der Röhre, eine
äussere cuticulare Umhüllung, deren
Bildung von der Epithelschicbte der
Eiröhre ausgeht.
Bei diesen Voi^ängen muss mit
jedem Uebertritte eines Eies ins so-
genannte Oviduct ein Tbeil der Ei-
röhre sich wieder rückbilden, wo-
diirch das nächst vorhergehende Ei dem
Oviducte genähert wird. Die in den
blindenEnden der Eiröhren befindlichen
Zellen gehen , da die Eizellendifferen-
zirung zugleich mit einem terminalen
Wachsthume der Röhre verbunden ist,
auch in die Epithelien der Eiröhren
über. Bei manchen Insecten differen-
zirt sich für jede Eizelle ausser der sie
umgebenden Epithellage noch eine Gruppe von Zellen, die den als Keimlager
hinter der Eizelle (Fig. 432. B a) befindlichen Abschnitt [b] der Kammer
[o) vorstellt, aber von der wachsenden Eizelle allmählich verbraucht wird.
Fig. 132. A Eiröhre des Flohes, o Ei. g Keimblöschen. B Eiröhre eines
Kttfet's (Carabus violaceus). o Eierfach, in zwei Abschnitte gesondert, davon a die
Eizelle, 6 das Keimlagcr bezeichnet. Das Ei des letzten Faches ist entleert, die
Ei röhren Wandung collabirt. (Nach Lubbock.)
'<r^
^
lv<?J
.^..®
V^
{
Gesohlachtoorgane. 305
Eine Eiröhre oder eine Summe derselben entspricht also keineswegs
einer blos keimbereitenden ZeugungsdrUse , ist kein ausschliessliches
Ovarium , sondern erscheint als ein mit einer viel grösseren Functions-
reihe betrautes Organ, von dem nur das blinde Ende einem Ovarium
analog ist.
Die LüDge oder Kürze der Eirtfhren steht mit der Anzahl der Eier
in Zusammenhang. Am wenigsten zahlreich sind die Kammern bei
den meisten Dipteren, wo nicht selten nur eine, häufiger zwei bis
drei Torhanden sind. Auch bei vielen Käfern und Hemipteren kommen
nur wenige Kammern vor. Lünger erscheinen die EirOhren der meisten
Hemipteren und Uymenopleren , und die grtfsste Kammerzahl ergibt
sich bei den Neuropteren, Orthopteren und endlich bei Schmetter-
lingen, deren 4 Eiröhren durch zahlreiche Kammern perlschnurartig
erscheinen.
Gleich .grosse Verschiedenheiten wie in der Kammerzahl ergeben
sich in der Anordnung der Eiröhren, die am sogenannten Oviducte sich
vereinigen. Bald sind sie in Büscheln vereinigt, bald in Gruppen auf-
gelöst, bald reihenweise angeordnet.
Von den Eiern (Ova) hat man die sogenannten Pseudova unter-
schieden, welche Bildungen theilweise durch den Mangel eines Keim-
fleckes eharakterisirt sind, wie die Producte der weiblichen Geschlechts-
drüse gewisser Generationen der Aphiden und Cocciden. Da die Organe
dieselben sind wie jene, in denen wirkliche Eizellen entstehen, und
da dasselbe Individuum Pseudova und wahre Eier zu verschiedenen
Zeiten hervorbringen kann, ist es zweckmässig, die Kluft zwischen
beiderlei Producten des Eierstocks nicht für so gar tief zu erachten.
Jene Gebilde gehören als Glieder in eine bei den Insecten sehr ver-
breitete Ersobeinungsreihe, die mit dem als Parthenogenesis bezeich-
neten Verhalten beginnt, und bis zu einem scheinbaren Generations-
wechsel hinfuhrt. Die Gesammterscheinung beruht in einer Emanci-
pation des Eies von der Einwirkung des männlichen ZeugungsstoOes.
im einfachsten Falle besteht an den Eiern keine anatomische Verschie-
denheit, ein Theil derselben entwickelt sich ohne vorhergegangene
Befruchtung, indess die andern der Befruchtung bedürfen. Die Par-
tlienogenesis der Bienen, Wespen und vieler anderer Insecten gehört
bieher. Weiter sondert sich das Verhältniss, indem dasselbe In-
dividuum nicht mehr zur selben Zeit jene Eier producirt, und dann
sind die emancipirten Ovarialproducte meist different zusammengesetzt
(Pseudova) . Noch weiter vertheilt sich die Bildung jener Eier auf ver-
schiedene Individuen , indem ganze Generationen der Einwirkung des
Samens auf ihre ZeugungsstoOe entbehren können (Blattläuse) , und
dabei zugleich auf eine tiefere Organisationsstufe sinken. Endlich ent-
stehen diese Gebilde in einem noch früheren Enlwickelungsstadium
der Tbiere aus der indifferenten Keimdrüse, und dann ist der Fall
bei Cecydomjia gegeben, der also ebenso wie die anderen, an die
fp (inmitlpll».-ir sirh nnschlicssl,
zj'runp ableitl)ar ist.
von einpp ppschifchllirhpn DilTpren-
§ 9)9.
Die b('i<l«n ineisl sehr kurzen Oviduclc (Fig. 1:13, of) vereinigen
sieh /a einem in der Respl ervvHtPrten Ausfllhi^ange, der »Scheide«,
mit welcher »ccessorisehe
Ot^ne, RecepUiculum se-
/ minis (Fig. (33. r sj und
Bursa copulntrix f6r) ver-
hunilen sind. Die nur
selten fehlende Samen-
lasche wird durch ein ge-
slieltes Bitjschen darge-
stellt, welche» nicht seilen
paarig [Cic«den und
manche Orthopteren), oder
sogar dreifoch (Dipteren;
vorhanden ist. HUufig ist
das Receptaculum seminis
als gleichmüssig weiter,
gewundener Blindschlauch
gestaltet und zuweilen noch mit einer Anhangsdrüse versehen.
Als zweites unmittelbar mit der Scheide verbundenes Organ ist
die BegalEungstaschc (Bursa copulatrix) anzuführen, ein weiter, wie
eine Ausstülpung der Scheiden wand erscheinender Blindsack (Fig.
1.1.3. bc). Die Verbreitung dieses Oi^nnes findet sich nur in einzelnen
Orilnunfien und auch da nicht allgemein. Am beständigsten und nicht
selten von sehr betrlichllicher Ausdehnung erscheint die Bursa copulatrix
der Küfer, bei denen sie zumeist noch einen engeren VerbinduDgscanal
besitzt. Auch bei den Schmetterlingen mündet sie mit engem Ganite
in die Scheide, verhalt sich aber dadurch eigenthüiidich , dass sie
ausserdem noch einen weiteren Ausfühi^ng unter die vreibliche Ge-
schlechtsblfnung sendet und ihn getrennt von jener dort ausmünden
lüsst. Die|, Begattung der Schmetterlinge geschieht durch diesen Canal,
wührcnd der Ueberlrilt der Spermatozoon aus der Begnitungstasche in
das Ree<>placulum seminis durch den vorhin erwlihnten Verbindungs-
gang mit der Scheide vermittelt wird. Die Einmündungen beider
Tlieile in der Scheide liegen einander gegenüber.
Die ncccssori sehen Drüsenapparale der Scheide bieten gleichfalls
mannichfache Form- und S t ruc tu r Verschiedenheiten. Sie bestehen
entweder aus einem Paar einfacher und dann meist lang gewundener
Kig. 03. Wei btk hu Geschlechts« rgnni! von llyürobius Tuscipes. o Ei-
ruhrt^ii. Ol' OvitJjRt luil Ui-üseiiatihüiiKCii hi-selil. [/l.Sctibuchriirinige Driiseo-
V Scheiiie. &<.■ Bi-gallunüslasche. rs RpwptnciiUiiii seminis. [Nach Steib.)
Geichlechtoorgane.
307
CanHio (Schmetterlinge, viele Dipteren), oder aas wenigen kurzen Blind-
schlauchen (Wanzen), die auch unpaarig vorkommen können (Cicaden).
Andererseits bieten sie reiche Verästelungen und sind dann paarweise
Vorhanden (Ichneumoniden und Tenthrediniden). Das Secret dieser
Organe dient theils zur besonderen Umhüllung der £ier, die dadurch
untereinander verklebt oder in eine gemeinsame, an der Luft meist
erhärtende Gallerimasse eingebettet werden , theils wird es zur Be-
festigung der Eier an andere Gegenstände verwendet.
MH der weiblichen Genitalöffhung stehen in der Regel noch einige
wie Klappen erscheinende meist dem neunten Segmente des Abdomen
zugehörige Integumentstücke in Verbindung, die in ihren Sculpturen
immer genau dem männlichen Begattungsapparate angepasst sind; zu-
weilen sind sie zangenartig gestellt und bestehen aus seitlich gegen-
einander wirkenden Fortsätzen.
§ 220.
Die männlichen Geschlechtsorgane der Insecten wieder-
holen in ihrer Anlage sehr häufig die Formen der weiblichen Organe,
so dass auch die einzelnen Abschnitte in beiden nicht seilen einander
entsprechen. Die immer paaricen, seilen zu Einem Organe verschmol-
Fig. 434.
Fig. 435.
r»"..v
zenen Hoden werden ganz nach Art der Ovarien aus Blindschläuchen
zusammengesetzt, die wiederum in verschiedener Zahl und Grösse,
sowie in mannichfaltiger Anordnung sich unter einander verbinden
(Fig. 4.34. 135. /). Häufig ist die Vereinigung der beiderseitigen Hoden
bei Si^hmellerlingen. Beide sind aber hier in frClheren Enlwickelungs-
zuständen gelrennt, sogar in mehrere Ablheiiungen unUTScheidbar, und
Fig. 414. Hoden und deren AusfUhrgttngo von Acheta campeslris. I Ho-
den* « Ya» deferen.4. g Samenblam.
Fig. 4 35. Mttonliche Geschlechtsorgane von Melolonthn vulgaris. / Ho-
den, vd Vas defercns. m Erweiterter Abschnitt desselben, gl Gewundene An-
hangsdrüsen.
«0»
308 Arthropoden,
erst mit der voIlsUSndigen Ausbildung findet die allroHhIiche Vereinigung
slall. Zwei einfache, längliche und immer gelrennte Hodenschliiuche
besitzen die Dipteren und Sirepsipleren, sowie auch manche Neu-
ropl^'ren. Auch bei manchen Küfern stellt jeder Hoden einen langen,
knäuelförmig zusammengewundenen Blindschlauch dar, der dann von
einer besondern Membran umgeben wird (Laufkäfer). Aus zahlreichen
Schläuchen sind die Hoden der übrigen Insecten zusammengesetzt. So
erscheint jeder Hoden der meisten Hemipteren bald aus mehreren,
unter einander zu einem fächerförmigen Organe verbundenen, bald aus
vielen getrennten Schläuchen bestehend; und diese Form findet auch
bei einer grossen Anzahl von Käfern Vertretling. Aus dicht anein-
andergereihten und so eine einzige Masse darstellenden Schläuchen oder
auch aus runden , traubenförmig gruppirten Bläschen ))es(ehen die
Hoden der meisten Orthopteren, und ähnliche Bildungen sind auch bei
den Hymenopteren vorhanden.
Die Ausfflhrgänge der einzelnen Hodenschläuche verbinden sich zu
Samenleitern und diese jederseils zu einem Vas deferens (Fig. 434. r,
Fig. 135. v(i] , welches bei enger vereinigten Schläuchen unmittelbar
aus letzteren hervorgeht. Die Längenentfaltung beider Samenleiter ist
zwar im Allgemeinen nur gering, doch wird sie in manchen Fällen
sehr beträchtlich, und dann fungiren die knäuelförmig zusammenge-
wundenen Canäle streckenweise erweitert auch als Samenbehälter
(Fig. 135. vs). Aus der Vereinigung beider Samenleiter geht ein ge-
meinsamer Ausfuhrgang (Ductus ejaculatorius) hervor^ der gleichfalls
bedeutenden Längeverschiedenheiten unterworfen ist, und nicht minder
stellenweise zur Ansammlung des Sperma dient.
Die accessorischen DrUsenorgane , in der Regel paarig, erscheinen
wie jene des weiblichen Apparates entweder als lange, gewundene
Canäle (Fig. 135. gf) oder als kürzere büschelförmig gruppirte oder
verästelte Schläuche, an verschiedenen Stellen den Ausfuhrwegen
angefügt.
Die männlichen Begattungsorgane der Insecten sind den weib-
lichen ähnlich und werden aus sehr mannichfaltlg gestalteten, die
GeschlechtsöfTnung umfassenden chitinisirten Leisten und klappenartigen
Vorrichtungen, die grossenlheils aus den letzten metamorphosirten Ab-
dominalsegmenten hervorgehen, zusammengesetzt. Sie theilen sich in
solche, welche nur zu einer äusseren Copula dienen, und andere,
welche mit einer Buthe vergleichbar, die Immissio vollziehen. Die
letzteren Bildungen werden entweder durch eine äusserlich angebrachte
oder von innen aus hervorstreckbare Röhre dargestellt, in welche der
Ductus ejaculatorius sich fortsetzt, und die an ihrem Ende häufig noch
zangenähnliche Organe trägt. Bei den Käfern ist dies Begattungsorgan
von einer im Abdomen verborgenen dickwandigen Chitinkapsel um-
schlossen , welche häufig eine beträchtliche (>rösse und zu ihrer Her-
vorstreckung und Einziehung besondere Muskelapparate besitzt.
Leibesb«blr. Feltkttrper. 309
Die Satneneleinenlc der Crustaceen zeigen bei grosser Mannieh-
falligkeil der Gestali eine Uebereinsltmmung in der Unbeweglichkeil,
wovon die Samenfüdcn der Giriipedien eine Ausnahme machen. Faden-
förmige, aber unbewegliche Samenelemente besitzen ferner die Isopoden,
die Amphipoden, auch die Oslracoden, bei letzteren sogar von ver-
hältnissroässig ausserordentlicher LMnge. Unter den Schizopoden bestehen
(wenigstens bei Mysis) fadenförmige, und zwar gegen das eine Jünde
zu hakenartig umgebogene Gestalten. Zellenariige Körper sind die
verbreiietsten Formen unter den Decapoden und bilden durch Fortsätze
mancherlei Eigenthümlichkeiten aus, von deneiydie radiäre Gestaltung
die bemerkensweriheste ist. Auch die Samenfaden mancher Arach-
niden sowie der Myriapoden scheinen unbeweglich zu sein, wenn auch
bei den ersteren die Beweglichkeit innerhalb der weiblichen Geschlechts-
organe erlangt wird.
Die Forrobesiandtheile des Sperma stellen bei den Insecten beweg-
liche Faden vor, die meist nach beiden Enden in einen Fortsatz aus-
laufen. Eigenthttmlich ist die Verbindung dieser Fuden zu Btlscheln,
oder ihre zweizeilige Aufreihung an ein stäbchenförmiges Gebilde,
wodurch ein sperraatophorenartiges Verhalten entsteht. Diese Gebilde
sind besonders bei Orthopteren beobachtet.
Das Ei wird allgemein durch eine Zelle vorgestellt in deren Proto-
plasma eine meist sehr reichliche Differenzirung von Dotlerkömchen
staüfindet, durch welche die Hauptmasse des Eies gebildet wird. Das
Ei empfängt ziemlich allgemein eine feste derbe Htllle, die bei den
Insecten häufig besondere Sculpturen besitzt und an gewissen Stellen
von Porencanälen (Micropylcn) durchbrochen ist.
• Fettkörper.
§ 222.
Mit der Differenzirung dos embryonalen Körpers entsteht wie bei
den höheren Würmern im Mesoderm ein zwischen Darm und Leibes-
wand sich ausdehnender Hohlraum, die Leibeshöhle, welche den
Arthropoden aligemein zukommt. Obschon von mannichfachen Thcilen
durchsetzt, ist doch die bei den Annulaten aus der lietamerie des
Körpers entspringende Dissepimentbildung gänzlich verloren gegangen,
und lässt auch dadurch den Arthropodenorganismus in grösserer Gen-
tralisalion erscheinen.
In allen Fällen bildet die Leibeshöhle einen Abschnitt des Blut-
gefässsystems ; die l)ei vielen Würmern vorhandene Perivisceralflüssig-
keii wird daher bei den Arthropoden vom Blute repräsentirt.
Von dem weder dem Ectodeiiu — zur Bildung der Leibe$wand, —
34 0 Arthropoden.
noch dem Entoderm — zur Bildung der Darmvvand — zugetbeilten
Formelement^n des Mesoderms erhält sich bei den meisten Arthropoden
eine Summe von Zellen , welche nicht zu bestimmten Organen ver-
wendet wird. Solche Zellenmassen bleiben an verschiedenen Stellen
der Leibeshöhle forlbestehen und finden sich häufig wie andere Binde-
Substanz der Arthropoden zwischen den einzelnen in die Leibeshöhle
gebetteten Organen.
Bald bleiben alle diese Zellen auf indifferentem Zustande, bilden,
indem sie unter einander Verbindungen eingehen, Stränge oder Netze.
In der Regel gehen jedoch in diesen Zellen Diflerenzirungen vor sieb.
Es entstehen in ihnen Fetttröpfeben, welche entweder die Zellen gleich—
massig ausfüllen, oder in grössere Tropfen zusammenfliessen, daher
man diese Zellen als Fettkörper zusammenfassL Zuweilen besitzt
dieses Fett eine bunte (gelbe oder rothe) Färbung. Solche fettropfen-
haltige Zellen sind bei Krustenthieren beobachtet, besonders bei
Entomostraken , wo sie zuweilen im Verbältniss zur Körpergrösse des
Thieres recht ansehnlich sind, und eine constante, regelmässige Ver—
theilung im Körper besitzen. Letzteros gibt der Vcrmuthuog RauiD|
dass diesen Fetttropfen auch eine hydrostatische Bedeutung zukomme.
Am mächtigsten sind diese Fettablagerungen bei den Insecten
entwickelt, wo der Fettkörper, namentlich in den Larvenzuständen,
aus ansehnlichen mit Ausläufern unter einander verbundenen Zellen
besteht, die besonders den Darm umgebend einen grossen Theil der
Leibeshöhle ausfüllen. Dieser Feltkörper bildet die Ablagestätte von
Material, welches während des Puppenstadiums zum Theile vei*brauchi
wird, da es beim ausgebildeten Insecte spärlicher vorbanden ist. Die
Art der Verbindung der Zellen ist sehr verschieden. Sie kann eine
innige sein, so dass der Fettkörper Lamellen bildet, oder zusammen-
hängende Lappen, welche mit Verzweigungen des Tracheensystemes
in Verbindung stehen; oder die Verbindung der Zellen ist lose, und
im äussersten Falle können die Zellen auch frei in der Leibeshöhle
vorkommen, wo sie nicht mit den um vieles kleineren und indifferent-
teren Blutzellen verwechselt werden dürfen.
Die Zeilen des Fettkörpers der Tracheatcn dienen noch zur Ab->
lagerung von Excretionsstoffen, die sich als harnsaure Salze
bestimmen Hessen. Diese bilden Goncremente von krystallinischer
Beschaffenheil, sowohl grössere an die Nierenconcremente der Mollusken
erinnernde Kugeln, als kleine Körnchen. Sie sind unter den Arach—
niden bei Milben, ferner bei Myriapoden (Julus^ Polydesmus, Glomeris)
und sehr verbreitet bei Insecten getroffen worden. Auch bei Crusta—
ceen scheint dieses Verhältniss nicht ganz zu fehlen, indem Aehnliches
bei der V^asserassel l)eobachtet ward. (LEVDia.)
Eine eigenthümliche Modificatiou bietet der Fettkörper in den
Leuchtorganen der Lampyriden. Diese werden aus Platten von
ZclJeu gebildet, zu denen sowohl reiche Tracheen Verästelungen als
Tneli«en.
31t
such Nprvenvei'zw«4;titt)wn t^chen, und Merdcn nach innen vun andern
nicht lpuchu>nden Zelirn llbtrlaKerl , die von rcichlichitn llarnconcre-
meolen durchsctxl sind. Dio olwrlliichlicbo Uigeniii(! der Leuob1|ilnllon
begrOodet die Annahaio, dass sie mehr der K[)idcmiis angehören, so
das8 die gange Einrichtung aus cintr Vereinigung des leUlerun mil dem
cigenüicbeo PeUkOrpor sich zusauimcoselzt.
Kiß. IM.
Trachean.
§ S2;l.
Die Luibesliüble der Ainchniden, Alyria[H>den und Inseclen durch-
liebt ein luflfuhrendes Rahrensysleni, wolchos in seinen niederen Zu-
stünden keine Beziehung zur Ktfrpcroiwrillcht.' hcsilzt. Seine erste
Anlage ist nicht vdilig sicher gekannt. Der Bau dieser lufimhrenden
RöfarcD oder Tracfaecn ist selbst in den verschiedensten Modilicalionon
übereinsUniniend. Sie besleben aus einer üusscren BindosubstaDESchicbt
(F^ 136. u] , die innen von einer
mil dem ttusscreu InteguiDontc in Zu-
sammenhang stehenden Ghitinbaul
ausgekleidet wird. Die Cbitinscbichtc
ist die wesentUchfilfl Bedingung der
Ebfiticim, imd bietet hei Zunahme
der leliteren betrttchtlicho Verdick-
ungeo, in Form eines ins Tracbeen-
lumen Torspriogeoden Spiralfadens.
An einzelnen Stdlen bilden die Tra-
cheen sackförmige Erweiterungen, dann
ist jene spiralig angeordnete Verdick-
ungsscbiobte unterbrochen, d. b. ihre
Ablagerung ist nur an einzelnen un-
zusammenbängenden Stellen erfolgt.
Die Uusseren Oeffnungen (SUg-
Diata] der Tracheen sind paarig zu
lieiden Seiten des Ktfrpers in wech-
selnder Zahl gelagert und können an
jedem Karpersegmente vorhanden
sein. Jedes Stigma stellt eine
ovale, von ringförmiger Verdickung
des äusseren Chitinskelets umgebene
Spalte vor, die durch Klappenvor-
richtungen geöffnet oder gL:sdito.ssen werden kann. Bi-sondere, am An-
fang des Tracheenatammes inserirle Huskeln dienen zur Bewegung der
Vig. <)<. J Stttck eines Trecheenatammm mit Vertwelgun^n B, C, D. Von
342 Arlbropoden.
Klappen. Jeder Tracheenslamm lösl sich früher oder später in ein
Büschel kleineier Aesle auf, aus denen wieder feinere, die Organe
mit einem dichten Netze umspinnende Zweige hervoi^ehen. Die Art
der Verzweigung wie die I^nge und Stärke der Aeste ist sehr ver-
schieden. Durch Verbindung einzehier Tracheenstämme unter einander
kann ein längs oder quer gerichtetes Röhrensystem den Körper durchs-
ziehen, aus dem erst secundär feinere Verzweigungen entspringen.
Durch die Tracheenverbreilung im Körper werden die Albmungs-
verhäUniss.e der Tracheaten von denen der Branchiaten wesentlich ver-
schieden gestaltet. Das zu respirirende Medium wird im ganzen
Organismus verlheiit, und nicht nur die überall die Tracheen umspülende
Blutflüssigkeit kann den Gasauslausch vollziehen, sondern selbst an
den Geweben kann ein unmittelbarer Athmungsact stattfinden , da die
Tracheen verlheilung bis in diese hineindringt und sogar zu den Form-*
eiementen in Beziehungen tritt. Während bei den Kiemen das Blut
die Atbmungsorgane aufsucht, so suchen bei den Tracheen, wie Cutibr
bezeichnend sich ausdrückte, die Atbmungsorgane das Blut auf. Das
gilt jedoch nicht für alle Fälle, indem durch eine Reduction der Tra-
cheen eine Beschränkung und engere Begrenzung der respiratorischen
Stellen stattfindet und damit die diffuse Athmung zu einer localen
wird. Das Blut hat dann , wie bei den Kiemen, die Atbmungsorgane
aufzusuchen. In dieser Weise beeinflusst das Verhalten der Tracheen
den Kreislauf^ dessen Organentfaltung besonders bezüglich der peri-
pherischen Bahnen zu den Athmungsorganen im Verhältnisse der Ab-
hängigkeit steht. Ausser der Athmung dient das mit Luft gefüllte
Röhrensystem der specifischen Erleichterung des Körpers und ist in
dieser Beziehung bei den im Wasser lebenden Zuständen der Insecten
von nicht minderem Belange als bei jenen, die des Fluges sich er-
freuend, durch besondere Vorrichtungen eine Vermehrung oder Min-
derung des Luftvolums im Tracheensystem bewerkstelligen können.
§ 224.
In dem speciclleren Verhalten des Tracheensystems ergeben sich
zwei' wesentlich differente Befunde. Den einen respräsentirt ein ge-
schlossenes Röhrensystem; im anderen commuuicirt dasselbe mittelst
der Stigmen nach aussen.
Das geschlossene Tracheensystem findet sich in den im
Wasser lebenden LcH-venzust^inden vieler Insecten, vorzüglich aus den
Abtheilungen der Pseudoneuropteren, der Neuropteren und der Dipteren.
Zwei Längsstämme bilden die Grundlage. Sie verzweigen sich
sowohl an beiden Enden, wie auch mit Aesten, die sie auf ihrem Wege
den Bfetameren entsprechend entsenden. Sowohl die Leibeswand als die
in der Leibeshöhle liegenden Organe, vorzüglich der Darm, werden
von diesen Tracheen Verzweigungen versorgt. Mit der Entstehung der
Trachecnkiomen (§188) bilden sich in diese Anhänge reiche Tracheeo-*
313
TennpigODgen und lassen dieselben als den vornugsweisen SiU der
Athmuog erscheinen, fUr welche die bei der Blatte he nform jener Kiemen
sUllffndendcn Bewegungen in FOrdernng des Wasserwechsels von
Wirfcung sind. Bei Ausbildung der Traoheenvenweigung am Knddiirme
enUlohen auch da Ober-
JlacheovergritftseniDgcn, wie Hg. lil.
hei den Larven der Libellen, A C 3
wo lahlrviche in Längsreihon
aii|;eordncte Lamellen eine
bedeutendeCoroplicalron her-
slellen. Durch die Beweg-
ungen einer Klappvorrichtung
SD der AnaltllTnung werden
diese inneren Tracheenkie-
men beständig uiit Wasser
hespult. Dieses gegenwar-
tig liemlicli isolirt stehende
Verhaltniss scheint der Resl
eines ursprünglich viel ver-
breHeterenZoslandesiDsain,
wie die im Enddarme vieler
Insecten vorkommenden als
Rndimenle von Tracheen-
kiemen zu deutenden Vor-
sprUnge andeuten (vergl.
§ 207).
Ke grosse Verbreitung '
des geschlossenen Tracheen-
syslems wie daran in Anschluss die auch bei andern Inseclen häufig
vorkommenden LdngsstOmme lassen die vorbin geschilderte Anordnung
als einen primitiven Zustand, and das geschlossene Tracheen-
System als den Vortüufcr des offenen erscheinen. BetUglich
des Uebei^nges des ersteren in das Letstere verweise ich auf meine
in den Grundlagen S. Aul). S. iH ausgeführte Hypothese.
Mit dem Auftreten der Stigmen werden Umänderungen in der An-
ordnung der StSmme bemerkbar. Die Lüngsstamme sinken zu Vcr-
bindungscanälen zwischen den von den Stigmen entspringenden Stim-
men, und einzelne Verzweigungen wandeln sich in Querstämme um,
Fig. 137. J Hinlertheil des Kurper« der I.arvi; von Eplicmcra vulgalH.
a LdDgsIraclicensUmme. 6 Darmcanal. c Trachcenkiemon, d gelioderlH ScliwHnz-
anbtnge. B Larve von Aeschna graadU. Der donwle Thell dei Integumenls
ist eolforst, s Obere Ungstrachcciislamine. b Vordsre« Ende dertelbeo. c tltP'
>«rer, aut dea Eoddartn sich venweigender Abschoitl. o AugsD. Die miltlerc
Kigur stell! den Darmcanal derselben Larve von der Seite dar. d Unterer Hcil-
licherTrschccnitnmm, « Comtounication mit dem oborcii Stamme, abc wie io S,
314 Artbrofraden. *
dio oft eine regelmässige Anordnung besitzen. Auch die Zahl und Lage
der Stigmen ist für die Anordnung der Tracheen von grossem Einfluss.
Sehr wechselnd sind dio Stigmata besonders bei den im Wasser leben-
den Larven vieler Dipteren. Manche l)esitzen deren nur zwei, am
llinterleibsende zuweilen auf einer »Athemröhre« angebracht. Bei an-
deren kommen noch zwei vordere (am zweiten Metamer) dazu. Bei
den meisten übrigen Larven ist eine grössere Anzahl auf die Meta-
meren vcrtheilter Stigmen vorhanden. Beim ausgebildeten Insect
lagern die Stigmen meist in der weicheren Membran zwischen zwei
Körpersegmenten, am Abdomen zuweilen so weit aufwärts gerückt, dass
sie von den Flügeln bedeckt werden (Käfer). Fast immer zeigen sich
bedeutende Verschiedenheiten von der Anordnung im Larvenstadium.
An Zahl reducirt sind sie bei den im Wasser lebenden Ueinipieren,
wo nur ein hinterstes zuweilen in lange Ilalbrinnen fortgesetztes und
damit eine Athemröhre bildendes Paar besteht (Nepa, Ranatra).
Die von den Stigmen meist an einem gemeinsamen kurzen Stamme
entspringenden Tracheen verlaufen entweder als blindgeendi^ unver-
zweigte Canale, oder sie bilden Verästelungen. Sowohl auf Strecken
der Hauptstänune wie der Aeste und Zweige können sie die oben-
erwähnten Tracheen blasen bilden, deren Entfaltung mit der Aos->
bildung des Flugvermögens in Causalnexus steht. In ausserordentlicher
Anzahl findet man sie bei Käfern (Lamellicornier) , minder zahlreich,
aber umfänglicher treten sie bei Schmetterlingen, Hymenopteren und
Dipteren auf, bei letzteren zuweilen durch ein grosses, fast das Ab-
domen füllendes Blasenpaar repräsenlirt.
§ 225.
Mit den Insecten theiten die Myriapoden die allgemeine Ein-
richtung des Tracheensystems. Die entweder an der Baucbfldche oder
mehr seitwärts gelagerten Stigmata führen in Tracheenstämme, die in
der Regel nach der Zahl der Meta meren vertheilt sind. Am cinfachslen
verhaken sich dio Tracheen bei Julus. Von jedem Stigma gehl ein
Tracheenbüschel ohne jede Verzweigung zu den Eingeweiden. Bei
Glomoris dagegen bieten die Tracheen Verzweigungen , und Ijei den
Chilopoden gehen sie sowohl Längs- als Queranastomosen ein, und
erreichen damit die gleiche Anordnung wie bei vielen Insecten.
Unter den Arachniden schliessen sich die Galeoden bezttglidi des
Trac^eensystems am meisten an die Insecten, indem die einzelnen
Tracheen durch seitliche Längsstämme verbunden sind. Durch nur
drei Stigmenpaare wird andererseits die Verwandtschaft mit den übrigan
Arachniden -Abtheilungen kundgegeben. Eine bemerkenswerthe Um—
bildung erleidet das Trachccnsystem durch die baldige Theilung eines
von einem Stigma entspringenden Tracheenstammes in eine grosse
Anzahl kurzer, lamellenartig ubgellachter und wie Blätter eines Buchen
GetttMystom. 345
an einander liegender Aeste, wodurch das ganze Organ auf einen
kleinen Ranm beschrankt wird. Solche Blättertracheen hat man
als »Lungen« beieichnet. Vier Paare derselben münden bei denScorpionen
auf der Venlralfläche des Abdomens aus. Zwei Paare besitzen die
Geiflselscorpione (Fig. 443. tr) und die Vogelspinnen. Bei den übrigen
Spinnen ist nur ein Paar ausgebildet, dessen Stigmen am Vordertheil des
Abdomens ventralwilrts liegen. Ein zweites Stigmenpaar führt bei man-
chen Spinnen nahe hinter dem ersten gelagert in Tracheen, die in zwei
terminal mit feinsten Rohrchen besetzte Hauptrbhren endigen (Argyroneta,
Dysdera, Segestria). Bei anderen ist dieses Stigmenpaar verschmolzen
und liegt vor den Spinnwarzen. Meist gehen von der Stigmahdhio vier
Röhren aus, die entweder verzweigt (Thomisus) oder einfach verlaufend
endigen (Tegeneria, Clubiona, Lycosa, Epeira).
Nur ein Stigmenpaar besitzen die Opilioniden, deren Tracheen
durch reiche Verzweigung sich auszeichnen. Ebenso reducirt ist die
Stigmenzahl bei den Milben, von denen viele (z. B. Sareoptes, Pen-
tastomnm) des Tracheensystems gänzlich entbehren, womit auch die
Pycnogoniden übereinstimmen.
GefSsasystem.
§ 226.
Dieses bei den Würmern zu einer hohen Ausbildung gelangte
Oi^ansystem erscheint bei den Arthropoden in manchen Beziehungen
auf einer niederen Stufe, vor allem dadurch, dass die Leibeshöhle all-
gemein einen Abschnitt der Blutbahn bildet. Es liesteht daher auch
keine Verschiedenheit zwischen dem Blute und einer perienterischen
Ftttssigkeü.
Bedeutendere Ausbildung bietet meist nur ein dorsal gelager-
ter Gefllssstanm, der als Herz fungirt und dem dorsalen Blui*
gefatosstamm der Würmer homolog zu sein scheint, von welchem ein-
zelne Streeken gleichfalls als Herzen fungiren. Eine Verschiedenlieit
gibt sich m der gelösten Verbindung mit dem Darme kund. Durch
den Herzschknich wird das Blut entweder nach vorne zu bewegt, oder
nach beiden Enden des Körpers. Diesem dorsalen Herzschlauche der
Arthropoden fehlen jedoch zuleitende* Geftlsse , und das in ihn ein-
tretende Blut nimmt seinen W^eg durch spahartige venöse Ostien,
so dass, wie sehr auch in einzelnen Abtheilnngen eine peripherische
Bltttbaho, sei es durch Fortsetzungen und Verzweigungen arterieller
Getose, sei es durch Sonderungen gef^ssartiger Ganttle aus Strecken
der LeibesböMe, ausgebildet erscheinen mag, dicht am Herzschlalichc
eine aus einem Abschnitte der Leibesböhle entstandene Sinusbildung
zu Stande kommt. Dieser Pericarcttalsinns erscheint damit als der Rest
oiDcr ursprttnglicb weiter ausgedehnte Blutsinusse darstellenden Leibes«
316 Arthropoden.
höhle, und lässt die bei vielen Arthropoden herrschende geringe Ent-
Wickelung der Blulbabn nicht als eine Rückbildung aus dem volikom-
nicnen Zustande, sondern als einen auf geringe Ausbildung sich beziehen-
den niederen Zustand erscheinen. Wie nun die einfache Form des Ge-
fässapparals mit den bei Würmern realisirlen Einrichtungen zu ver-
binden ist, kann für jetzt noch nicht festgestellt werden.
Complicationen der Blutbahnen gehen aus der Localisirung der
Athemfunction hervor. Wo immer gesonderte Gefässwandungen an den
Blutbahnen fehlen, geschieht die Strömung des Blutes doch stets in be-
stimmter, genau eingehaltener Richtung.
Die Blutflüssigkeit der Arthropoden ist in der Regel farblos,
nur bei einigen Insecten erscheint sie durch Färbung des Plasma grün-
lich oder roth gefärbt. Die geformten Bestandtheile des Blutes sind
indiflerenle farblose Zellen von sehr veränderlicher Form und Grösse.
Manchen (niedern Crustaccen) fehlen sie. Die Blutzellen der Insecleo
sind häufig durch ihren Reichthum an feinen Fettroolecülen ausgezeich-
net, dürfen jedoch mit den oftmals gleichfalls freien Zellen des PeU^
körpers nicht verwechselt werden.
§ 227.
Als einfachste Form eines Kreislaufapparates besteht bei den
Krustenthieren ein kurzes schlauchförmiges Herz (vergl. Fig. 4 49. c
von Daphnia) , welches über dem Darmcanale im Vordertheile des
Körpers gelagert, durch zwei seitliche Oeflnungen Blut aufnimmt, und
durch einen vorderen kurzen Gefässslamm den Kopforganen , speciell
den Gehirnganglien zuleitet. In regelmässigen Strömen vertbeilt sich
die Blutmasse durch den Körper, und gelangt an den vorzugsweise
der Athemfunction dienenden Theilen vorbei wieder zum Herzen, um
durch dessen Spaltöffnungen aufgenommen zu werden. Diese Form
des Circulationsorgans charakterisirt Copepodcn und Daphniden, komml
aber auch den Larvenzuständen der höheren Ordnungen zu, und findet
sich selbst mit wenigen Modificationen bei Entwickeiungszuständen der
Decapoden. Der Kreislauf ist ein rein lacunärer, und ausser dem
Ansätze zu einem nur selten mehrfach verzweigten, vorderen Arterien-
stamme existiren keinerlei Gefässe.
Eine weitere Entwickelung »zeigt das Herz bei den Pbyllopoden.
Es erscheint als längerer Schlauch , der eine mehrfache Wiederholung
des einfachen Herzens der Daphnien bildet, indem er eine Mebreahl
von venösen Ostien (bis zu 20 Paaren bei Artemia) besitzt. Der Herz-
schlauch ist somit in einzelne Kammern gegliedert, diese entsprechen
aber nicht genau den Metameren, vielmehr trifft eine grössere Ansahl
der letzteren auf je eine Kammer. Die Gliederung erscheint damit hIs
eine selbständige, was vielleicht als eine spätere Einrichtung aasu-
sehen ist. Nur an dem vordersten Ende geht ein Arterieiistaaiai
hervor und übergibt das Blut der Lacunenbabn der Leibeshohle. Ras
Herz der Arthrostraken durchzieht einen grossen Theil der LUnge
des Körpers bei den Amphipoden und Isopodon , bei ersteren in den
auf den Kopf folgenden Melameren gelagert , bei letzteren weit nach
hinten gerttckt. Entweder wird nur ein vorderes Gefüss, oder auch
noch ein hinteres entsendet. Verzweigungen kommen nur dem ersteivn
zu und sind auf die Kopfgegend beschrankt. Die Zahl der Oslien ist
bei Amphipoden sehr verschieden (Phroniroa hat 3, Caprella 5, Gam~
maiiis 7 f^are).
Einen einfachen Herzschlauch mit nur zwei seitlichen Ostien be-
sitzen die Larven der Thoracostraken. Aus ihm geht allmählich eine
complicirtere Form hervor, die nach zwei Richtungen hin auslauft. Die
eine davon repräsentiren die Stomapoden, deren Herz sich in die Lunge
streckt, und unter Vermehmng der venösen Ostien anfänglich nur nach
vom und hinten einen Arterienstamm absendet. Da nur die vordere
Arterie sich verüstelt, die hintere dagegen eine weite offene Mündung
besitzt, so wird dadurch eine Wiederholung der bei den Arthrostraken
vorhandenen Einrichtung gegeben, bis spüter nicht blos die voitiere
und die hintere Arterie reichlichere Verzweigungen bilden, sondern
auch vom Herzen selbst eine grössere Anzahl seitlicher ArteriensUimm-
eben abtreten.
Den zweiten Typus bieten die Schizopoden und Decapoden. Das
Herz bat auch bei dem Besitze mehrerer Ostienpaare eine concentrirtere
Gestalt, und eine Theilung des Binnenraumes in auCeinander folgende
Kammern ist nicht mehr unterscheidbar. Die anfilngliche Glie-
derung ist in eine einheitlichere Bildung übergegangen.
Auch in der Lagerung der mehrfachen Spalten ist dieses Verhalten
ausgedrückt, da ihre Paare nicht mehr gleichmässig sich folgen, son-
dern verschiedenartig gruppirt sind. Das Herz der Larven tritt jinioch
als ein dünnwandiger Schlauch nur mit einem Spaltenpaare auf, und
setzt sich nach vorne und hinten in einen einfachen Gefässstamm fort.
Der vordere theilt sich in drei Aeste, die l)ei Verkürzung des Stammes
auch unmittelbar vom Herzen entspringen, der hintere bleibt einfach.
Das Herz erscheint entweder nur vorübergehend langgestreckt, oder es
tritt sogleich in einer mehr gedrungenen Form auf. Seine Lage hat es
sowohl bei Sehisopoden als Decapoden im hinteren Theile des Ce-
phaiothorax.
Auch an der arteriellen Blutbahn bilden sich neue Abschnitte,
während der ganze venöse Theil nur durch Lacunen vertreten wird. Auf
dieser Stufe bleibt das Gefasssystem der Schizopoden stehen (Mysis),
während die Decapoden die einzelnen Stadien der Schizopoden ontoge-
netisch durchlaufen. An der ausgebildeten Form eines langschwänzigen
Decapoden finden wir den muskulösen HerZvSchlauch ;Fig. 138. c) von
einem deutlich ausgebildeten Pericardialsinus [pc) umgeben, aus welchem
das Blut durch drei Paaresymmetrisch vertheiiter Spaltöffnungen in ersteren
318
Artbropoden.
Iritt. Votn HerEen enlspriniiPt
bin(«rer Stamm. Der vorJei
FiK. las.
drei vordere Arlerienstämme unrf ein
i ittitllere (in) verDluft ohne bedeulendp
VerKweif^ung auin Gehirn und
zu den Alicen (o) , die bei-
den seitlichen (aa) verliieileii
reichliche Aest« an tie-
.schlechteorgnne , Leher und
Antennen. Der vom hini«ren
Knile des Hertens abgehende
ArterionsUimm theill sich in
zwei über einander liegende
Aest4>, die auch getrennt vom
Herten entspringen können.
Der dorsple [ap] versengt bei
Brachyuren gabelfünnig ge-
spalten die Muskulatur des
Rückens und Schwanzes. Der
andeiv, ventrale Ast {a] wen-
det sich sogleich nach seinem
Ursprünge abwUris, und
theill sich in einen nacli
vorne und einen nach hinien
laufenden Zweig, welch' beide
vorzüglich ftir die GlJed-
maassen bestimmte Ver-
zweigungen absenden. Ausser
dem hinhören medianen Ar-
terienslamnie linden sich zu-
weilen noch zwei kleinere
vor. Das sehr entwidtelU'
Capillarsystem geht allnitllt-
lich in rückrabrende Can»lf
^Körpervenen) über, welche
sich zunächst auf der ven-
tralen Seite in mehrereStümnie
sammeln, und damit [v) , in
einen weiten an der Kiemen-
basis (im sogenannten Sternalcanal) gelegenen Ventralsinus sich ver-
einigten. Jede Kieme [br] erhillt von da aus ein zuftihrendes Gefis!^
'Kiemenarterie). Nach dem Kreisläufe durch die Kiemen gelang) das
FiK. *SS. Schemalische Darslellang üen Circulatioiisap)iinte« vom Uummor.
o Auiiu. o« Aeusserc Fühler, ai Innero Fühler, br Kiemen, c Uera. pc l*eri-
carJium. ao .Mittlere vordere KürperBrleiie. oa Lulierarteric. ap Hirilere 'Körper -
arlerie, a Slnmni der Bnui'liarleric. av \oiiiere Bniidiarlerie. v Veitlrelcr Veiiea-
^inu'^. v br Kiemcnveneii, — Die Pfeile deulen die Riclilung der DlutsIrOuic an.
GeftsMyaUin. 849
Blot in austeilende CSanSle (Kiemen venen) (vbr;, deren jederseits 6 — 7
tum I^ftnca^dialsinu8 emporsteigen und dort hüufig trichterförmig er- -
weilen nllnden.
Als besondere Differeniirungen des Herseos sind die Klappen der
vendsen Ostien anzusehen, die an den langgestreckten Herzformen zur
Scheidung in einzelne Kammern beitragen.
Mehrere dieser verschiedenen Formzuslände vereinigt der Circu-
lationsapparat der POcilopoden, deren laoggeslreclctes Herz in einem
Pericardialsinus liegt, und von daher durch 7 Ostienpaare Blut em-
pfängt, aber nicht blos vorne und hinten, sondern auch seitlieli Arterien-
sUimme entsendet. Durch letztere Einrichtungen v^erden Verbindungen
mit den Tracheaten hergestellt.
§ 228.
Die Kreislauforgane der Tracheaten zeigen mit jenen der Crustaceen
mit langgestrecktem vielkammerigem Herzen einige Uebereinstimmung,
und die Verschiedenheiten begründen sieh mehr auf den Grad der
Entwickelung eines vom Herzen ausgehenden GefiSsssystems. An diesem
macht sich wiederum eine Beziehung zu den Athmungsorganen geltend,
indem eine Beschränkung der letzteren auf kleinen Raum von einer
Voilkommneren ßntfaltung von Blutgefiissen begleitet wird, indess die
Verlheilung von respiratorischen Organen im ganzen Körper mit ge-
ringerer Ausbildung der Arterien sich verbindet.
Bei den Arachniden treffen wir die Scorpione mit dem complicir-
testen Circulationsapparate ausgestaltet. Das von einem Pericardialsinus
umgebene Herz erscheint im Einklänge mit der Leibesform der Thiere
beträchtlich in die Länge gestreckt und in 8 Kammern getheill, die
dordi seitliche Muskeln {Flügelmuskeln) befestigt werden. In jede
Kammer fuhrt ein Paar dem Rücken zugewendeter Spalten (venöse Ostien),
die durch nach innen vorspringende Klappen verschliessbar sind. Vorne
wie hinten gehen arterielle Gefässe als directe Verlangerungen des
Herzens ab, wovon das vordere Gefäss, die Kopfarterie, in den Cepha-
lothorax eintritt, indess das hintere zum Schwänze verläuft. 'Ausser-
dem entspringt noch eine Anzahl lateraler Arterien dicht an den venösen
Ostien und vertheilt sich an die benachbarten Oi^ane. Von den zahl*-
reichen, der Kopfarterie entstammenden Aesten stellen zwei einen den
Oesophagus umgebenden Gefiissring dar, von welchem sich eine rück-
laufende Arterie (Arteria supraspinalis) auf dem Bauchmark bis zu
dessen Ende unter Abgabe reichlicher Zweige erstreck^ Das venöse
Blut sammelt sich ähnlich wie bei den höheren Crustaceen in einem
der Bauchfläche dicht aufliegenden Behälter und wird von diesem aus
zu den Athmungsorganen geführt. Ehe das Blut von daher in das
Herz gelangt, passirt es den Pericardialsinus.
Bei den übrigen Arachniden erscheint der mehrkammerige Herz-
3S0
Arthropoden
schlauch in rcducirUr Form. Er liegt sIpIs im Abdomen, bei den
Araneen und Opilionidpn mit drei Paaren seitlicher Oslien, durch die
er in Kammern geschieden wird. Von der vordersten Kan>mer s*U(
sich eine Arterie in iJen Cepliajolhorax fori, welche hei l.ycosa sich
in üwei Aesle spaltet (Fin- 139) und von jedem derselben Zweige für
die Augen und Tür die filiedma.nssen enlsprinnen iHssl. Die hintersie
Kammer öffnet sich am Rnde des Abdomens, der hier sich entiessende
Blutstrom entspricht demjenigen, welcher hei den Scorpionen durch
die Caudainrierie verthcjll wird. Bei i)em Mnngel eines Pericardinl-
.linus findet das ßlul sowohl auf dem Weiie lu den Alhemorf^nnen, hU
auch von diesen zum Herzen nur lacuniive Bahnen vor.
Unter den Pycnogoniden ist dieser Apparat nur auf ein drei-
kammeriges Her/ heschrünkl , zu welchen) zwei Oslienpnnn- fuhren,
und bei den Milben scheint sr^nr das Herz nicht zur Knlwickelunii
zu kommen.
§ 289.
Am Herzen der Myriapoden äussert sich durch die gleicharti)»-
Au»idehnung in der ganzen Kfirperlflnge und die beirachlliche Vermeh-
rung der Kammerzahl der Zusammenhang der äusseren (jliederung des
Fifr. 139. CireulalitinsoDiiine von Lyi^cMn. A Un<: Tt>ii>r von oben, B ip seih -
lic^her Ansicht, o AuRpn. I a S ( 5 6 lilii'ilniaiKiirn. P BIHIlPrlraihppn. C Hm.
ov Venä?ie Osticn des Herten*. Die Pfeile deulen die Richlunf; des Blulstrons m.
(Nach CLArARtDE.j
GeQlMsyaton.
3S1
Ktfrpers mit der ioneren Organisatioo. Die Kammern [P^. 140, K)
sind wiMler durch Klappen an den eioielnen venitsen Osiien, (o) von
einander abgegrenzt, und werden durch ansehnliche FlUgelmuskeln (m)
befestigt. Von jeder Kammer i^bea paarige besonders bei Scolopen-
(lern ausgebtldele Anerienitümuie
fUr die betreffenden KOrpeneg- Fi«, itt.
mente hervor. Sie entspringen fast
in gleicher Htdte mit den venIMen
Ostien. Bei den Juliden sind diese
Arterien doppell, da jede Kammer
aus zwei ursprünglich getrennten
veischmilzt. Aus der vordersten
Kammer entspringen drei SlSmme,
deren mittlerer (e] sieb im Kopf-
segmente verbreitet, wUhrend die
beiden seitlichen [6] den Oeso-
phagus umbssen. Aus ihrer Ver-
ein^ng bildet sich ein grosserer,
dem Baucbmarfce aufli^nder
Summ, der wie bei den Scorpionen
bis inm letzten Ganglion der
BaucbkeUe verlauft und zahlreiche
Aeste absendet. Von einemVenen-
systeme scheint keine Spur vor-
handen zu sein . und in dem
Mangel eines Pericardialsinus zei^jt sich an «lern ganzen Appanil« eine
Nischfonii des unler den Aravhni<len auf Scorplone und Araneen ver-
lb«tlen Verhaltens.
§ 230.
Der Circulalionsapparal der Insecien zeigt im Ven;Ieiche mit den
andern Tracheaten die grtissle Reduction. Er beschrilnkl sich nur auf
das als RUckengefüss bezeichnete Herz und eine davon ausgehende
y^rlüngerung als Ktirperarlerie. Das im Abdomen liegende Herz wird
durch FlUgelmuskeln (Pig. lil. m] an die l.eiheswnnd, zuweilen auch
bei Husciüenlarven} an Tracheen bt'fesligl. Es l>esitzt eine bei Larven
iiusserlicfa oft sehr wenig deutliche Theilung in Kaniinerabschnitle mit
■netamercr Bedeutung, theils durch die Anordnung jener Hudeln, thells
durch die Lagei'ung der spnllßirmigen venüsen Osiien ausgedrückt. Die
Fig. 1(0. Kopt und iwel Kürper^tngmpnlc van Scolopendrn roll dem vur-
■lersten AbHchnitlc iles BlulKe(Biig8ysl«ms. C Knpf. G Olit-re» Sclilundfiantdion.
0 Augen. M Unndilieln. A Anlennen. A' Kiinimern des Hmens, ui FlÜttel-
nutkeln, o VenöM Ostleo. a Laterale Arterieo, b Arlerien bogen, c Kopftiieri«.
.NKb NiwroKT.)
a«f(mkHr. OnidriM. S1
sts
Arthropoden
SchwanVungfn in der Zahl dieser Knmnirm sind nicht sehr hotiputfiid,
ht^i den mmton stellt sie sich nuf nebt, sehr seilen sich darüber er-
hehend, hliuß^cr' darunter sinkend. Das durch die
vi„ III Ostien in den HerEschlauch aurgenominene Blut wird
durch die Knmtnersystole nnoh vorn gotriehon, ^e-
langt somit von Kammer xu Kammer, und von der
vord&rsl«n in die Korpnrartorie, wobei die als Klappen
fun^irenden tn sehen form igen Einstülpungen der Ostien-
riinder den Rücktritt verhindern.
Die KOrpemrterie (Fig. Hl. a) ist die unmittel-
bare Fortsetzung des Herzens und besilst einen mit
diesem gleichen Bau wenigstens an ihrem hinteren Ab-
schnitte. Sie verlüuft gerade nach vorn gegen das
Gehirn und ist von da an in ihrem nüheren Verhallen
noch keineswegs genau bekannt. Ob eine für ein-
zelne Insecten angegebene Verzweigung des Vordereodes
eine allgemeine Erscheinung ist, bleibt unentschieden.
Jedenralls durchlüuft das Blut sehr bald eine laounüre
Bahn zwischen den- einzelnen Oi^nen in regel-
milssigen Strömen , wie an durchsichtigen Inaecten-
larven leidit zu hcobaclilen ist, und sammeil sich
wieder in der Nühe des Herzens zum Eintritte in die venOsen Ostien an.
Auf diesem Wege sind die einzelnen Bahnstrecken zuweilen so acbarf
abgegrenzt, dass z. B. in den Gliedmaassen, geßlssartige Baume zu ent-
stehen scheinen.
Indem die FlUgelmuskeln nicht unmittelbar an die Herzwand,
sondern an besondere dieser aufliegende Zellen sich anselien, und sich
zugleich in ein das Merz umgebendes Maschenwerk verflechten, ent-
steht darunter ein Hohlraum, der einem Pericardialsinus ^ihnlich isl.
t'ifl. U<. Herz von Melolontlia. a Artei-it
enlsprioKend. ni Flügelniuskeln. [Nach BuRiirisiei
I der vordersten Kanuner
Sechster Abschnitt.
MoUnaken.
Allgsmeine Uebersieht.
§ 234.
FQr den Stamm der Mollusken bietet sich im allgemeinen Ver-
balten des Körpers wie seiner Organe eine scharfe Begrenzung dar.
Durch den Mangel einer deutlich ausgesprochenen Melamerie erscheint
der Körper einheitlicher als hei Arthropoden und bei Annulaten unter
den Würmern, wenn auch in mancherlei Organen noch erkennbare
Spuren einer Zusammensetzung aus mehrfachen gleichwerthigen Ab-
schnitten bestehen. Die Lagerung des centralen Nervensystems über
dem Schlünde und seine Verbindung mit einem unterhalb des letzteren
liegenden Ganglion, welches niemals in eine Ganglienkette aufgelöst
ist. ergänzt im Zusammenhalte mit einem, wenn vorhanden stets dorsal
gelagerten Herzen den typischen Charakter dieser Abtheilung, wozu
endlich noch die allgemein verbreitete Entfaltung von Schalenbildungen
kommt.
Der Mangel engerer Verknüpfung mit anderen Thierstämmen sowie
die selbst zwischen den einzelnen hier vereinigten Classen bestehende
Kluft, findet in dem palaeontologisch frühzeitigen Auftreten der meisten
CLissen der Mollusken zureichende ErklHruno;, welche zugleich die
gegenwärtig lebenden Weichthiere als einen ausserordentlich kleinen
Bruchtheil des formenreichen nur in wenigen Abtheilungen fortge-
setzten Thierstammes erscheinen lässt. So ist die Phylogenie der
Mollusken keineswegs klar und nur die auf eine Metamerie des Körpers
sich beziehenden Verhältnisse der inneren Organisation lassen eine
Abstammung von gegliederten Organismen erkennen, deren lel>ende
Niichkommen anderntheils unter den Würmern zu suchen sind.
Die einzelnen noch existirenden Zweige des Molluskenstammes
lassen sich in folgender Weise darstellen:
324 Mollusken.
I Brachiopo(Ja^).
E Card i n es.
Ungulfi,
Teslicar#4inos.
Terebrdtula, Orbicula, Crama.
II. La inellibranchinta.
Asiphon ia.
Oslrea, Anomia, Peclen, Mytilu^, Area, Anodonta, Unio
Siplinnia ta.
Chama, Cardium, Cyclas, Venus, Tellina, Macira, Solen, Pholas, Teredo
111. Ceplialophora.
Scaphopoda.
Dentalium.
Pleropotla.
Th ecosoma la.
Hyalea, Cleodora, Chreseis, CymhuUn, Tiedemannia.
Gymn OSO mala.
Pneumodermon, Clio.
(i a slropoda.
H e l o r o p o d a -) .
Atlanta f Carinaria, Plerotrachea.
Opisihnbranchiata.
Bulla, GasleropleroHy Aplysia, Pleurobranchus, Polycera, Doris, Tri-
lonia, Tergipes, Glaueus, Aeolis, PhyUirhoe.
Pi'osobranchia ta.
Cyclobranchiata^).
Patella, Chiton,
C tenob ra nchiata.
Puludina, Valvala, Nerilina, Buccinum, Nassa, Dolium, Purpura,
Cassis, Murex, Tritoniwn, Fusus, Voluta, Mitra, Conus, Olim,
Strofnbus, Sigarelus, Haliolis.
Pulmonata^).
Lymnaeus' Physa, Planorbis, Ancylus, Auricula, Peronia, Helix,
Bulimtts, Clausilia, Limax, Ar ton.
1) Die Brachiopoden bilden die divergenteste Abtheilung der Mollusken, die
sehr frühzeitig sich abzweigte, ihre reichste Formen tfallung in der SÜurzeit be-
sass und vielleicht am besten ganz von den Mollusken getrennt wird, um entweder
als selbständige Abtheilung betrachtet , oder den Würmern zugewiesen werden.
Eine Entscheidung hierüber ist von der genaueren Kenntniss ihrer Ootogenese
zu erwarten.
2) -Die Ilcteropoden reihen sich duix^h viele Verhöltnisse ihrer inneren Orga-
nisation den Ctenobranchiaten an, und können nur unter der allerdings begründ-
baren Voraussetzung, dass auch die Opislhobranchiaten aus den Kammktemern
nahe stehenden Formen sich differenzirten , als eine selbstöndige Gastropoden-
gruppe betrachtet werden.
3) Die beiden als Cyclobranchiatcn vereinigten Gattungen sind streng genom-
men Repräsentanten selbständiger Gruppen, von denen die Chitonen sogar den
Frosobranchiaten gleichwcrthig gelten müssen.
4) Die Pulmonaten erscheinen als die am spätesten von den kiementragendeo
'iiastropoden abgezweigten Formen, deren Organisation unter Verlust der Kiemen
der Luftathmung sich anpasste.
Uleratnr. 3^5
IV. Cephalopoda i).
Tetrabraiichiata'fi.
Dibranchiata'j.
Decapoda.
Spiruia, Sefia, Sepiola, Loligo.
Octopoda.
OclopuM, Tremociopus, Eledone, Argonauta.
Literatur.
Kür verschiedene Abiheilungen: Cuvier, Mdmoircs pour .servir ü I'his-
toire et ä Tanatomie des» Mollusques. Paris 1817. ~ Van Bemkokn, Exer-
cices zootomiques. Fase. I. II. Bruxellcs 4 889. — Qooy und Gaimard,
Yoyagc de J'Aslrolabe. Zoologie. — Delle Cuiaje, De!>criziono e notomia
degli animalt invertebrali della Sicilia citcriore. Napolt 484 4 — 44.
Bnushlopoden; Owsn, On the anatomy of the Brachiopoda. Transacl. soolog.
soc. Vol. I. 4835. — C. Vogt, Anatomie der Lingula anatina in den
Denkschr. der schweix. Gesellsch. f. d. gesammle Natui*wiss. Bd. VII.
4842. — UuzLET, Ann. and Mag. Nal. hist. 4854. — Gratiolet, Jounial de
Conchyliologie 4857. 60. -> A. Hahcoce, Phil. Transact. 4858. — Lacaze-
DuTHiBRs, Sur la Thecidie. Ann. sc. nal. IV. xv.
Lamellibrancliiaten: Poli, Teslacca ulriusque Siciliac eurumque hi.sioria et
anatome. III Tom. 4794 — 4795. — Bojamus, lieber die Alhem- und Kreis-
laufwerkzeoge der iwetschaligen Mu^eheln. Isis 4849. 4 8S0. 4827. —
Deshatbs, Art. Conchifera in Todd's Gyclopaedia. Vol. I. 4836. — Gaeree,
On the anatomy of the lamellibranchiate Conchifera. Transact. zooIog.
Soc. London. Vol. 11. 4844, — Quateefages, Anatomie von Teredo. Ann.
des sc. nat. Itl. zi. — Lov£n, S., Bidrag tili kännedomen om utveck-
lingen of Moll, acephala. Kongl. Votenak. Acad. Handt. Stockholm 4850.
— Kebee, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Weichlhiere. 4 854.
— Davaihe, C.y Sur la gönörat. des Huitros. Paris 4853. — Duveenoy,
Sur le Systeme nerve ux des Moll. acAphBles. M^m. Acad. des sc. T. XXIII.
— v. llESfLiKG, Die Perlmuscheln. Leipzig 4859. — Lagaze-Dutuiees,
Anatomie von Anomia. Ann. sc. nat. IV. ii. — L. Vaillant, Sur la
fam. des Tridacnides. Ann. sc. nat. V. iv.
Cephaloj^liorexi: Noedmann, Monographie des Tergipes Edwardsii. M^m. del'Acad.
Imperiale de St. Pötersbourg. IV. 4848. — Quateefages, Memoire sur les
4} In manchen Organisationsverhältnisaen geben die Cepbalopoden eine Ver-
waadlschafl mit den Pteropoden kund, doch kann diese nur als eine sehr ferne
aafgefasst werden.
3) Den nur durch eine noch lebende Galtung repräsenllrten vierkiemigon Ce-
phalopoden gehört die Mehreahl der fossilen Formen an, und zwar jene, welche als
die ititesten ersdieinen (Gambrisehe Schichten). Die Gallongen: Orthoceratites,
Lttnites, Clymenia, Goniatites, Ceratiles, Amroonites, Turrilites sind als Repräsen-
tanten dieser ausnehmend reich enlfallelen Abiheilung hervorzuheben.
8) Die später entwickelten Dibranchiaten umfassen die höheren Formen, denen
die überwiegende Mehrzahl der lebenden Cephalopoden angehört. Fossile Formen
reprttsentinsn die Belemnitiden.
326 Mollusken.
Gasleropodes phlebenl^res. Ann. sc. nai. III. i. 1854. Ferner iv. 4843.
— Aldkr and H.^ncock, Monograph of the brilish Nudibranchiale Mol-
liiska. Ray Soc. I— VII. 1845 — 55. — Hamcock and Emblkton, On the ana-
tomy of Eolis. Ann. and. Mag. of nat. bist. XV. 4845. — Dieselben, On the
anatomy of Doris. Philos. Transacl. 4852. T. 11. — Hancock, Analomy of
Doridopsis. Transacl. Linn. Soc. XXV. — v. Middendobfp, Anat. von Cbi(ou.
M^in. Acad. de St. P^tersbourg. VI. vi. 1849. — Lkydig, Ueber Paludioa
vivipara. Zeitscbr. f. wiss. Zoo!. II. — Uuiley, On the morphology of ce-
phalous Mollusca. Phil. Transacl. 4 853. — Gegenbaur, Untersuchungen über
Pleropoden und Ueleropodcn. Leipzig 1855. — Souletet, Voyage de la Bo-
nite. Zoologie. T. II. 4853. — Bergu, Bidrag til cn Monographi of Marsenia-
derne. Kongl. dansk. Vidensk. Sclsk. Skrifter. 4858. — Derselbe, Ana-
tomisk Undersögelsc of Piona allantica. Vidensk. Meddelclser for 4857.
— Derselbe, Anatomisk Bidrog til Kundskab ora Aeolidierne. Danske
Videnskab. Selskabs Skrifter. 4864. — Derselbe, Bidrag til en Monogmphi
of Pleurophyllidicme. Nalurhisl.iTidsskrift. 3 Räkke. 4 Bind. 4866. —
Derselbe, Bidrag til en Monographi of Phyllidierne ebend. 5 Bind. 4869.
— Claparede, Anatomie und Ent^ickelungsgcsch. der Neritina fluviatilis.
Arch. f. Anal. 4857. — Derselbe, Beitrag zur Anal, des Cyclostoma elc-
gans. ibid. 4 858. — Lacaze-Duthiers, Hisfoire de Torgantsation et du de-
veloppement du Dcnlale. Ann. sc. nat. IV. vi— vii. 4 856 — 4857. — Der-
selbe, Anatomie du Pleurobranche. Ann. sc. nat. IV. xi. — Dei^clbe,
Anat. et rEnibryog^nie des Vermets. Ann. sc. nat. IV. im.
Cephalopoden : Grant, lieber Loligop.^is. Transacl. zool. Soc. 4835. —
Kerussac et d^Orbigny, llisl. nat. generale et pari, des Moll. Cephalopodes.
Paris 4886—4848. — Owf.n , Memoir on the Pearly Nautilus. London
4 83S. — Derselbe, Art. Ccphaiopoda in Todd's Cyclopaedia. I. 4836. —
Valerciehnes, Nouvciles recherches sur lo Nautile flamb^. Archive» du
Museum. 1844. — Peters, Anatomie der Scpiola. Arch. f. Anat. 4S43. —
Milne-Edwards, H., et Valenciennes, Nouv. obs. sur la circul. chez les
MoUusques. M^m. Acad. des sc. T. XX. — Van der Hoevek, Bijdragen
tat de Ontleedkuodige Kennis aangaande Nautilus pompilius. Amster-
dam 4866.
Korperform*
§ 232.
Die Gestaltung des Molluskenkörpers ist durch den Einfluss der
von den Schalenbildungen beherrschten Lagerungsverhitllnisse vieler
Organe auf die Körperform als eine so sehr uiodificirle zu belrachten,
dass eine den Äusgangspunct darstellende Grundform nur aus der Vor-
gleichung früher Embrypnalzustände mit manchen ausgebildeten Formen
erkannt werden kann. Für die ersten drei Glasson ei^ibt sirb die
Bildung einer wurmartigen Larvenform, die bei Brachiopoden sogar
eine mehrfache Segmentirung besitzt, und l)ei manchen Pieropoden
durch mclirfache Wimperkranzc eine Uhnlicho äussere Metamerie be-
urkundet. Lamellibranchiuten und Gephalophoren (der Mehrzahl nach]
lassen an einem der späteren Oberflliche des Kopfes entsprechenden
Abschnitte einen mächtigen Wimperkranz auftreten, der späler voii
Körparform. 327
eiDem besooderen symiiietribrh gcslallclen iappenailigen ForUatz, dem
VeluiQ, getragen wird. Ob diesem Wimpcrsc^cl der Muscheln und
Schnecken ein bei Brachtopodenlarven beobachtetes , auf einem den
Mund tragenden Fortsatze angebrachtes Wimperorgan homoJog ist, be-
darf noch der Feststellung. Immerhin geht aus der Verbreitung des
Wimpersegels in zwei sonst divergenten Abtheilungen dessen primi-
live Bedeutung zur GenUge hervor, und ist von um so grösserer Wich-
ligkeii als wir in diesem Velum den auch bei vielen Würmern die
gleiche Stolle des Körpers umsUuniendon Wimperfcranz erkennen (vor^.
§ 103}. Das Volum der Mollusken darf demnach als ein aus einem
niederen Zustande ererbtes Organ heurtheilt werden.
Unterhalb des Volums entsteht die Anlage des zur Darmhöhle führen-
den Mundes, und unter diesem sondert sich ein Körpertheil zu dem
in den einzelnen Abtheilungen eine verschiedene Rolle spielenden
Fusse. Er charakterisirt die Ventralflifche, wie das Velum den Vorder-
thoil der dorsalen Fläche ausgezeichnet. Bei den Lamellibranchia-
ten tritt die Bildung einer dorsalen Schale der Fortsetzung des Darm-
rohrs zum aboralen Körperpole nicht entgegen, da die Schale sammt
der sie tragenden Duplicatur des Integumentes , dem Mantel, eine
vorwiegend laterale Ausbildung nimmt. Es wird daher eine vom Mund-
pole bis zum Afterpole ziehende Hauptaxe unterscheidbar, welche von
zwei verschieden differcnzirten Nel)enaxen gekreuzt wird: der dorso-
ventralen, und der transversalen oder Queraxe. Dem Körper kommt
demgemdss dieselbe eudipleure Grundform zu , die bei Würmern und
Gliederthieren herrscht.
Anders gestalten sich diese Verhältnisse bei den Gephalopboren,
deren dorsale, mützeniihnlich geformte . Schale allmSIhlich den grössten
Theil des Körpers umschliossl, und ansser Kopf und Fuss nur eine
kleine Strecke der Oberfläche des Leibes zu Tage treten Icisst. Daraus
gehen vor allem asymmetrische Formen des Körpers hervor und der
aborale Körperpol trägt nicht mehr den After, der in Folge einer durch
die Gehäusebildung bewirkten Krümmung des Darmes eine laterale
Lagerung gewinnt. Von da aus können alle die mannidifachen von
der symmetrischen Grundform abweichenden Formdifferenzen des
Cephalophorenkörpers beurthoilt werden.
In manchen Abtheilungen der Cephalophoren kommen einzelne
der vorhin geschilderten Vorgänge nicht zur Realisirung, so z. B. bei
den Pulmonaten, wo die Anpassung an veränderte äussere Lebensbe-
dingungen manche von den andern durchlaufene Stadien ausfallen Hess,
bei den Gephaiopoden ist sogar die gesaihmte Ontogenie zusammen-
gezogen und es erfolgt sofort die Anlage der definitiven Körperform,
an der keine directen Beziehungen zu einer Grundform mehr erkannt
werden können. Es ist daher nur die Vergleichung der bereits differen-
zirten Theile mit denen der andern Mollusken, woraus typische Ueber-
einstiiuniungen ableitbar sind.
328
Mollusken.
In der verschiedengradig ahgeslufton Ausbildung des ursprünglich
ein Velum tragenden Kopftheiles des Körpers, sowie des Fasses und
des mit der Schale verbundenen Mantels liegen die Facloren für die
Mannichfaltigkeil der Forinerscheinungen des Molluskenleibes.
Fig. 4 48.
§ 2A3.
m
Unter den Brachiopoden ist mit der Ausbildung zweier vom
Körper sich fortsetzender mit Schalen bedeckter Manteliamellen
eine von den übrigen Mollusken in so fern abweichende Einrichtung
gegeben als diese Lamellen anscheinend als dorsal und ventral sich
darstellen. Beide dürften jedoch als ur-
sprünglich dorsale gelten, von denen die
eine sich über den Vordertheil, die an-
dere über den Hinlertheil des Körpers
sich ausdehnte. Orales und aborales Kör-
perende sind dadurch nahe an einan-
der gerückt, dass die Ausdehnung des
Körpers in der dorsalen Richtung vor sich
gegangen. Diese bedeutende Modificalion
steht mit der durch einen stielartigen Fort-
satz bewirkten Festheftung der Tbiere ioi
Zusammenhang.
Eine zweite Eigen thümlichkeit beruht
in der Ausbildung der Arme, für welche
die Differenzirun^ aus einem velumartigen
Gebilde bis jetzt nur eine auf das Bestehen wimpcrnder tenlakelarligpr
Fortsätze zur Seite der Mundöffnung gegründete Annahme ist. Diese
bei Larven in geringer Zahl vorhandenen Fortsätze erscheinen iui aus-
gebildeten Zustande des Thiers als zahlreiche Fäden auf spiralig einroll-
bare Stiele gereiht, welche beiderseits an der MundöQnung angebracht
sind, im eingerollten Zustande werden diese Arme vorn in der Mantel--
hoble geborgen, und ihre Ausstreckung scheint durch eine Schwellung
zu erfolgen. Sowohl durch die mächtige Ausbildung dieser Arme wie
durch die Entfaltung der Mantellamellen wird der übrige Körper auf
einen geringem Umfang reducirt, zumal sonst im Uaupttheile der Leibes-
höhle lagernde Organe in die Mantelräume sich einbetten können. Durch
faltenartige Oberflächen vergrösserung der inneren Blätter der Mantel-
duplicatur, gewinnt der Mantel eine respiratorische Bedeutung und
fungirt zugleich als Kieme (Ecardines).
Fig. 4 47. Schema tisch er Mediaoschnitt durch einen Brachiopodon. d Dor-
sale, r ventrale Mantelhälfte. mh Mantelhöhle, s Stiel, o MundöfTnung. v Magen.
N Obere Scblundganglicn. Die die Montclhohle ausfüllenden Arme sind, weil nicht
OUf die Schnitlflöche fallend, weggeblieben.
KörpcrfopiD .
389
'%3
^y
§ 234.
Eine untergeordnete Rolle kommt dem Velum der Lamelli-
branchiatcn zu, bei denen es zwar eine Zeit lang bedeutender aus-
gebildet als Locomotionsorgan fungirt, jedoch keine sc>lbständige Ent-
Wickelung gewinnt und frühzeitig sich rilckbildct, was wohl mit dem
nidimentitr gewordenen Kopfe in dieser auch als »Acephalen« benannten
Abtheilung in Verbindung steht.
Dagegen erlangen zwei von der DorsalflUchc her leleralwiirts sich
fortsetzende Duplicaturen als Mantel eine bedeutende Ausbildung,
umschliessen den KOrper und sondern auf sich die Schalengebilde ab,
welche in Form und Umfang den Mantellamcllen entsprechen.
Zwischen den Rändern des Mantels gelangt man in die als Athem-
höhle fungirende Mantelhöhle, in welche die von der Körperwand ent-
springenden Kiemen vorragen ^
(Fig. U3. A. br]. Bei einer Fig. 44S.
kleinen Zahl von Muschel thieren
Asipbonia) ist dieser Eingang
in die Mantelhöhlo eine ansehn-
liche Spalte, durch welche
Wasser ein- und austritt und
damit Nahrungsstoflfe zuführt und
Attswurfsstofle entfernt. Bei den
meisten Moschelthieren bestobt
eine Verwachsung der beidersei-
tigen Mauleirttnder,* wodurch sowohl ein mehr oder minder vollkommener
AbschlubS des die Kiemen umgebenden Hohlraumes, wie auch eine
grossere R^elmässigkeit der ein- und austretenden Wasserströnie
erreicbt wird (Sipboniata).
Der geringste Grad der Verwachsung ISsst eine vordere grössei*e
und hintere kleinere Oeünung entstehen (Mytiliden), von denen erstere
zum Durchtrilte des Fusses dient und den Eintritt von Nahrungsstoflen
gestattet, iodess letztere, ihrer Lage entsprechend, die Fäcalmassen
entführt, sowie das Wasser welches der Athmung gedient hat. Bei
anderen (Ghamaceen) liegen hinter der vorderen grossen, den Fuss
durchlassenden Spalte noch zwei besondere OefFnungen, welche sich
in die Zu-* und Ableitung des Wassers thoilen, eine Einrichtung, die
bei einer anderen Abtheilung der Muscbelthicre einen höheren Ent-
wickelungsgrad erreicht. Der die bezüglichen Oeffhungen umgebende
Manteltbeil verlängert sich nUmlich in förmliche Röhren (Siphonen) und
geht damit, ausser der Verwachsung, noch andere ModiGcationen ein. Die
Athemröhren können suweilen durch getrennte Mantelparthieen dai^c-
Fig. U3. Schematische Darstellung dos Verhaltens von Mantel und Fuss auf
senkrechtem Querschnitte. A Bei Lamellibrancbiaton , B bei Cephalopboren.
m Blantel. p Fuss. br, Kiemen.
330 Hollusken.
slelll wcrdtn ; oder es bcslelit eine üusserlirh einfache Alberoröhre,
welche nur innerlich durch eine Scheidcwiiiid in £wci CHnüle gelrcnnl
wird (Kig. Jil. Ir] ; odur beide Zustünde üiiid combinirl; endlich kommeo
zwei vollsUindiggelreniilti Röhren vor, eine obere, an ihrer inncrcD MUn-
dung der Aflerötl'nunj^ gctjentlber gclagerle, zur Enllcerung des Wassers
dienende, und eine untere, welche die Einfuhr von Wasser besorgt. KUr
die Regclmüssigkeit der Zu- und Ableitung dicnl die Winipoi-uuskleidung.
Durch diese Formen hindurch gelangen wir zu jenen, bei donen
der VcrschlusE der Athcnihifhle iini vollständigsten und die Rtibren-
bildung des Mantels am meisten entwickelt ist. Dies wird von einer Ver-
kleinerung der dem Fussc zum Austritt dienenden Hantcispall« b<%)«tet.
Die letztere ist betrilchtlich enger geworden und eine ziemlich weil« Stracke
von den AtbomrOhron entfernt, so dass der grdsste Theil des Mantel-
randcs verwachsen ist, und der Köritcr des Thieres demzufolge sack-
förmig ersclicint [Bohrmuscheln]. Die Oeffnung zum Durchtritlo des
Fusses belindt'l sich am vorderen Ende, die beiden Athoniröhren sind
am on (gegen gesetzten KOrperthotle angebracht, und setzen sich in beson-
dere Abtfaeilungen der Hanlelhtthle fori, welche durch eine, einen oberen
kleineren und unteren grösseren Haum trennende Scheidewand gebildet
werden. Das dem letzteren duitth die einleitende Rttbre zugefUhrte Wasser
durchströmt die Kiemen und tritt durch deren Spaltöffnungen in die
KiemenfScher oder den Intraforanchialraum, aus welchem es in die obere
Abiheilung der Hantelhohle gelangt, in welche auch der After sich Öffnet.
Der Mantelrand ist haulig der SiLz besonderer Differenzirungen, die
vorzüglich in Gestalt von tentakelartigen Fortsützen auftreten, und tu-
weilen von ziemlicher HüchUgkeit sind.
Die zweite Sondurung des Lamellibranchiatenkfirpera tindet ao der
ventralen Fläche statt und ftlbit zur Ausbildung eines muskullsen vom *
übrigen Kfirper in verschiedenem Maasse gesonderten Fusses (Fig.
143. A p, ^i^. p), der aus der Manlelspalle, bei einigen in bedeuten-
der Lunge hervorgeslreckt werden kann. Er ist dünn beilfürmig oder
keuleniihnlich gestallet und fungirt als Locomolionsorgan. Die beiden
Fig. Itt. SeiUicbe Ansicht der Hantelhähle einer Uactra oach Enirernaog
der rechten Haiilellamelle. br, br' KiuinenblHtler. I Tentakel, la, Ir Slphoaeo.
mt Vorderer, mp blDtorer Schlicsamuskel. f Kuiis. c Sctilo»s der S^alc.
Körperform.
331
von der Seite kooimenden Flüchen des Fusses laufen gewöhnlich in
eine mediane Kante aus, doch besteht bei einigen an letzterer Stelle
eine ebene Fläche als Sohle.
Viele Muscbolthiere leben unter Verhältnissen, welche eine Benutzung
dieses Organs ausschliessen und deuigeniäss es sich rttckbilden lassen,
wie die festsitzenden Austern und Anoniien , oder die Kamniniuscbeln,
den*n Looomotion durch Actionen des Blantels und seinen Schalen ausgeführt
wird. Andere Modiflcatioucn erleidet der Fuss bei den Bohrumschcln.
§ 235.
Das Velum erlangt die grös8te£ntEallung bei den Cephalophoren
und fehlt nur jenen, deren erste Jugendzuslände einer freien Lehens-
weise entzogen sind, z. B. die Pulmonaten. Bei den meisten Pteropoden,
und Gastropoden gestaltet es sich zu einem ansehnlichen, nicht selten
in symmetrische Lappen ausgedehnten Organe (Fig. 145. ABCv],
welches bei einzelnen Ctenobranchiaten sogar noch längere Zeil fort-
besteht und dem Körper damit die Fortdauer der Schwimmbewegung
sichert (Maogillivraya).
Mit der Ausbildung eines Volums verbindet sich die Sonderung
eines Kopfes, an dessen oberer Fläche das Velum sich entfaltet, und
d^r nur unter den Pteropoden bedeutende Rückbildungen eingeht.
Der Mantel erhebt sich wie bei den I^niellibranchialcn als eine
die Dorsalfläche umsäumende Falle und lässt auf seiner Oberfläche die
Schale hervorgehen. Indem dieses von der Mantelduplicatur umsäumte
porsalfeld des Körpers mit der zum Gehäuse sich ausbildenden Schale
immer weiter sich ausbuchtet, stellt es allmählich einen Blindsack vor,
der nach und nach den grOsslcn Thcil der Eingeweide beherbergt
'Eingeweidesack] , und dieselben somit unter den dirccten Schutz des
Gehäuses gelangen lässt. Mit weiterer Ausbildung hebt sich die Mantel-
duplicatur freier vom Körper ab, und lässt unter sich einen weiteren,
Fig. 449. Lanren voo Cephalophoren. A von einem Gasteropoden.
B Späteres Stadium. C von einem Pteropoden (CymbaliaJ. v Velum. c Schale,
p Fttsa. Dp Deckel, I Tentakel.
333 Mollusken.
die hervorsprossenden Kiemen bergenden Raum entstehen , homolog
der Kienienhöhle .der Muschelthiere (vergl. Fig. 113. AB), Diese
Kiemenhöhlc der Cephniophoren und die mit ihrer Genese zu-
sammenfallende Cntrallung des Mantels schlägt sehr divergente Rich-
tungen ihrer Ausbildung ein. Den einfachsten Befund bieten die Cyclo*
branchiaten, deren Kiemenhöhle durch eine seichte auf i>eiden Seiten des
Körpers gieichmässig entwickelte Mantelfurche reprüsentirt wird*. Die
Ausdehnung des Dorsalfeldes mit der Entwickelung des Gehäuses ver-
bindet sich mit einer Vertiefung der Kienienhöhle, welche nicht mehr
gleichmüssig in der Mantelfurche liegt, sondern sich an einer bestimmten
Stelle weiterbildet und gleichfalls unter den Schutz des Gehäuses ge-
langt. Diese Stelle liegt bald unter einem hinteren bald unter einem
vorderen Abschnitte des Mantels; ersteres bei Pteropoden (Fig. 445. C),
letzteres bei den meisten Gasteropoden (Fig. 145. B) wie bei den Ueto*
ropoden. Die durch das Auftreten von Gehäuse- Windungen bedingte
Asymmetrie gibt der Kiemenhöhle der Gasteropoden eine meist einseitige
Lagerung, welche als eine Anpassung an die durch den bezüglichen Tfaeii
der Schale gebotene grössere Räumlichkeit sich darstellt. In vielen Fällen
ist für diese einfache Kiemenhöhle die Entstehung aus einer paarigen auf
beide Körperseiten vertheiilen Räumlichkeit nachzuweisen, wodurch
Verknüpfungen mit dem erst erwähnten Zustande möglich sind.
Von diesem Verhallen leiten sich sowohl Reihen von Rückbildungen
wie auch Reihen von Ausbildungen ab. Die letzlern sind grossen
Theils DifTcrcnzirungen des Mantelrandes, die mit der Function der
Kiemenhöhle in Connex stehen. Ein Thcii des Mantelrandes wächst
in eine der Zuteilung von Wasser dienende Rinne aus, und kann durch
Uebereinanderschlagen der Ränder in eine Röhre sich umwandeln, wie
wir sie als Sipho bei vielen meerbewohnenden Kammkiemen an-
treßcn (Buccinum, Dolium, Harpa, Tritonium, Murex u. a.). Ein auf
ähnliche Art gebildeler zweiter Sipho von geringerer Ausdehnung be-
steht meist am entgegengesetzten Ende der Kiemenhöhle und ist zur
Ausfuhr des Wassers bestimmt. Mancherlei andere Fortsatzbildungen
(z. B. bei Strombus, Pterocera) sowie tenttikelartige Anhänge bedingen
neue Gomplicationen.
Rückbildungen des Mantels ergeben sich wieder im Zusammen-
hange mit Rückbildungen der Schale. Am meisten greifen sie in der
Abiheilung der Opislhobranchialen Platz, von denen ein Theil mit
sehr verschiedcngradig rudimentären Schalen ausgeslattet ist, ein
anderer, wie z. B. die Aeolidier, derselben im ausgebildeten Zustande
vollständig entbehrt. Da bei allen diesen schalen tragende Larvenstadien
vorkommen, der Verlust der Schale also sogar erst während der Onto-
genese erworben wird, so müssen auch die später nackten Opistho-
branchiaten von schalentragenden Formen abzuleiten sein. Die Larven-
schale und die damit wenn auch gering ausgebildete Mantelfidte stellen
somit als rudimentäre Organe dun nackten Opisthobr^nchiaten ein Zeug-
Kdffflvfom« 333
niss für die mit den Prosobranehiaten gemeinsame Abstammung aus.
Wo solche Scbalennidimente auch dem ausgohildcten Thiere noch zu-
kommen, werden sie in ähnlicher Weise zu beurtheilen sein, als
rQck^bildele, und nicht als erst in der Ausbildung begriffene Gehäuse,
denn wieder die Vergleiohnng mit den Larvenformen Ifisst da das
GehSose in viel höherer Bedeutung erkennen als es im Rudimente des
ausgebildeten Zustandes jener Organismen erscheint, und ebenso trifft
sich die Lage des Afters wie der Kiemen in einem nur aus einer
mächtigeren Gehausebildung erklärbaren Verhältnisse.
Die Reihe der Rückbildungen zeigt sich auch innerhalb kleinerer
Abtheilungen, so bei den Heteropoden, unter denen Atlanta mit aus*
[i;ehildeler Schale und entwickeltem Hantel erscheint, die beide bei
Carinaria rudimentär, und bei Ptei*otrachea völlig geschwunden sind.
Aehnliche Reihen von Rückbildungstadien finden sich auch bei den
Pulmonalen repräsentirt.
Bedeutend umgestaltend auf die Kürperform wirkt die diver*
gente Ausbildung des Fusses ein. Derselbe erscheint bei den Larven
der Pteropoden und der Ga*
steropoden unterhalb des Mun* Fig. U6.
des als ein kurzer konischer
Fortsau (Fig. U5. A. pj, der
sich meist etwas verbreitert und
dann auf seiner hintern dorsalen
Fläche einen die Mündung des
Gehäuses verschliessenden Deckel
als sdialenartiges Abscheide-
prodttct trägt. Unter Volums-
zunahme besonders in aboraler
Richtung, gestaltet er sich bei Gasteropoden zu eiAem meist mit breiter
Sohlfläche ausgestatteten Gebilde, von welchem die Bezeichnung Fuss ent-
nommen ward (Fig. 445. B). Bald ist er mehr in die Länge gestreckt,
bald mehr scheibenfbnnig gestaltet. Bei den meisten Gasteropoden
kommt dem Fusse nur an seinem Sohlenrande eine scharfe Umgrenzung
zu. Die darüber befindliche KOrperoberfläche zieht sich bei manchen
Prosobranchiaten (Fig. 167. p) und vielen Opisthobranchiaten in einen
sauniartigen Rand aus (Epipodium) , der schon dadurch, dass er auch
den Kopf mit umlasst, vom Hantel verschieden sich darstellt. Selbst-
ständiger sondert sich am Fusse der Heteropoden ein Abschnitt der
als senkrecht stehende Flosse die Bauchseite des Tbieres einnimmt.
Dieser »Rielfussa repräsentirt den vorderen und mittleren Abschnitt
(Pro- und Hesopodium) jener Strecke, welche bei den meisten Gaste-
ropoden zum Fusse umgebildet ist, indess der hintei'ste (Metapodiumj
Fig. 446. Schematische Daratellung des Verhaltens von Mantel und Fuss auf
MDkrecbtem Qaerdurchachnilt. A bei LjimeinbraDckiialen, B bei Cephalophoren.
m Manlel. p Fuss. br Kiemen.
3S4
. HollHtfcen.
Theil Aoa finslfropodcnfuNses dem tlbrifton Kiirper der Holeropoden sich
aDBchlicsst und bei Atlnnlü auch einen Deckel Iritftl. Die mtuknlOiie Sohle
des Gasleropodenfusses ist dubei auf ein sau^^napftirliges Gebilde reducirt,
wdlohe.s bei den Plerotracbeen nur dem männlichen Gesclilechte zukommt.
Noch bedeutender sind die Uodificnlionen des Fusses der Plnv—
poden. Der in den ersten l.nrvenstndien in derselben Weise wie l>ei
den flbrigen Cephalophoren nn^elef^le Fuss enLwickelt bei den Cym-
bulioen und Hyaleen einen medianen und zwei lal«rnle Tfaeile (vergl.
Fij^. 145. C. pp) , von denen der er$Iere dem Fussende der Gastero-
poden, die letzteren dagegen dem vordem und milllem Fussabschnilte
der Gasteropoden oder der Flosse der Keteropoden entsprechen. Wah-
rend der mediane Abschnitt bei den Hyaleen sich rUckhildet, ent-
wickeln sich die lateralen Lappen zu zwei grossen, den rudimentären
Kopf wie Flügel umfassenden Flossen, und bei den Cymbulieen ftehl
auch der mediane Lappen eine Weiterbildung ein. Er verschmilzt bald
nur an der Basis (Cymbulia), bald in der ganzen Lunge iTiedemanniaj
mit den beiden seillichen, und daraus gehen die ansehnlichen Flossen
dieser Thiere hervor.
§ 236.
Bei den Cephalopoden erscheint die bedeutendere Ausbildung des
Kopfes als eine wichliiie F.iftenlhUmlichkeit der KUrperform, bei wel-
cher der Mantel allgemein in anderen
Beziehungen zu der von ihm umschlosse-
nen Mantelhohle, als bei den meisten Ce-
phalophoren siebt. Wie bei den Pteropoden
nimmt die von einer Manlelduplicnlur übei'-
wölbte CaviUK den hinteren Tberl des
Rückens ein, bildet also Jene KSi-peiparlie,
die gewöhnlich als Bauchfläche beieichnol
wird. Um diese Verhältnisse sich zu ver-
anschaulichen , muss man das Thier in einer
Stellung sich denken, in welcher das ab-
orale Ende aufwärts, der Kopf dagegen
nach vorne und abwärts gerichtet ist.
;\'en{l. nebenstehende Fig. 147.) Der j£(^
sammle Über dem Kopfe beßndliche Kör-
per wird dann dem Rücken der Cepliiilophoren entsprechen. Der Hantel
setzt sich vom Kopfe bald durch eine ringsum laufende Falte ab (Sepjn^
bald geht diese Manlelfalle an der Seite des Nackens glatt ins Inle-
gumenl des Kopfes Ober (Octopus; , so dass der Mantel nur .soweit er
die Hantelhithle überragt, ols eine Duplicatur sich darstellt. Seilliehe
FiR. 1(7, Schi'mn tische DnistelliinK für dns Verlisllei) iles Manlfls. A l>ei
Pleropiiden und B bri Ceplialopodi^n. c Kopf, p Uediiner Tliell des Fb^sm-
tr DarDtcanal. br Kienion. p' Tricliler. Bei A Andeuloogen das KoptlMea, be*
ff AndeuluDKen der Arme.
Vif.. 1*7.
Körporform,
335
FiR. 149.
Fig. 450.]
Forts^tie dieses Mantels^ bei Fig. 448.
den Sepien meist schmal, aber
in der. ganzen lünge vorhan-
den, bei den Loliginen brei-
ter, jedoch nur aufs hintere
[resp. aborale) Ktirperende be-
schränkt, fungiren als Be-
wegungsorgane (Flossen).
Sowohl die Bildung der
Mantelhöhle als auch die Lage
des Afters lässt schliessen, dass
diese Gestaltung aus dem ur-
sprünglichen Besitz einer den
ganzen Mantel bedeckenden
Schale hervorging, wie denn
auch die gehüusetragenden Ce-
phalopoden allgemein als die
älteren Formen sich darstellen,
und in der ausserordentlichen
Divergenz der Gehijuseformen
eine sehr weit zurückliegende
Entstehung dieses Gebildes an-
nehmen lassen.
Weniger deutlich als der
Mantel lassen sich einem
Fusse homologe Theile nach-
weisen. Vielleicht dürfen die
den Kopf der Cephalopoden
auszeichnenden Gliedmaassen
hieher zählen (Ten takel. Arme),
die aus einem Abschnitte der
Embryonalanlage hervorgehen,
der in seiner Lagerung zu an-
deren Körpertheilen einem Ce-
phalophorenfusse entspricht.
(VergL Fig. U8 — 152.)
Fig. 448 — 459. Entwickelungsstadten von Sepia. (Nach Kölliier.)
Fig. 448. Embryonalanlage auf der Keimsclieibe. a Augen, 6 Kiemen, /Trichtcrwulst.
Fig. 4 49. Etwas älterer noch auf dem Dotter aufliegender Embryo von vorne, ge-
rieben. 0 Mund, a hinterer Kopflappen mit dem Auj?e o'; /'vorderer Kopf läppen ; r Dotier.
Fig. 4 50. Späteres Stadium in fteillicher Ansicht; 4—4 Anlagen von 4 Armen,
♦ Trichlerknorpel.
Fig. 454. Noch späteres Stadium von vorne. 5' Fünftes Paar der hier all-
mählich nach vorne gerückten Arme (vergl. hierzu vorige Figur.)
Fig. 453. Aelterer Embryo in seitlicher Ansicht. Der Körper hat sich bedeu-
tender vom Dotter abgehoben, und die Trichterhälften haben sich vereinigt.
Fig. 454.
Fig. 4 52
336 Mollusken.
Ein zweites wenigstens in seiner Lagerung am Körper einige
Verwandtschaft mit dem Cephalophorenfusse ergebende Organ ist
der Trichter. Bei Nautilus wird es aus zwei von der Venlral-
llaehc unter dem Kopfe entspringenden f.ameilen gebildet, die ttber
einander gerollt eine aus der Mantelhöhle vorragende Röhre vorstellen
(Fig. 154. /]. Bei den Dibranchiaten erscheint dieses Organ nur in
der Anlage (Fig. 148 — 152. f) aus zwei seillichen Abschnitten zu-
sanunengesetzt, die in dem Räume zwischen Mantel [m] und Armanlagen
auftreten. Durch Gegcneinanderwachsen und allmähliche Goncrescenz
entsteht eine ähnliche aber abgeschlossene Röhre [Fig. 153. t, 457. g).
Diese muskulösen Trichlerbildungen stehen bei der Ortsbewegung
in Function, indem der gleichfalls muskulöse Mantel sich dann an den
Umfang des Trichters legt, und durch krüftige Gontractionen das
zwischen Trichter und Mantelrand in die Mantelhöhle tretende Wasser
austreibt, wird durch den ausgestossenen Strom ein das Thier in aboraler
Richtung forlbewegender RUcksloss hervorgebracht.
Qliedmaaaaen.
§ 237.
Die Entfaltung eines Kopftheiles steht auch l)ei den Mollusken mit
der Sonderung von tc>ntakelai-tigen Gliedmaassen in engem Zusammen-
hange, und wenn auch bei den Brachiopoden mit der Entfaltung von
Mantel und Schale ein Kopf keine Rolle mehr spielt, sind doch
während des Larvenstadiums die spUter so miichtig entfalteten Arme
als Anhangsgebilde eines Kopftheiles aufgetreten. Sie stellen die ein-
zigen Gliedmaassen vor, die jedoch bei dem Festsitzen der Thiere
keinerlei locomotorische Bedeutung haben, sondern vielmehr theils zum
Herbeischaffen der Nahrung theils als Kiemen für die Respiration in
Function stehen.
Bei den Lamellibranchiaten sind lappenförmige Anhange
(Fig. H4. /; (sogenannte Mundlappen} am völlig rudimentären Kopfe
angi!)ra(lit, vielleicht den bedeutender entfalteten Tentakeln homolog,
welche bei den Cephalophoren den Kopftheil auszeichnen'. Wie bei
vielen PlaltwUrmern stellen sie im einfachsten Zustande wenig vor-
ragende, aber bedeutende Differenzirungen eingehende Körperfortsittze
vor. Bei den Prosobranchiaten sind sie wie bei den Ileteropoden
meist auf zwei beschränkt, und nehmen ihre Entstehung auf der vom
Velum umsHumten Flüche (vergl. Fig. 145. B.f). Bei vielen liegt das
Auge an der Fühlerbasis, die sogar zu einem besonderen Fortsalze sich
ausbilden kann. Daran schliessen sich die Pulmonalen, deren Seh-
organe bei vielen gleichfalls auf einen von den Tentakeln sich son-
dernden Augensliel tritt, der mit dem Erlangen grösserer Selbstündigkeit
bei Helix , Limax u. a. wie ein zweites Tentakelpaar sich darstellt
GliedmaaMen. 837
Ein besonders hoch entwickeltes Fühlerpaar zeichnet die Opisthobran-
chiaten aus (Fig. 155. / /) , aber dazu treten noch neue tentakelartige
Kopfanhange y welche für die einzelnen Unterabiheilungen in Zahl und
Anordnung charakteristisch sind.
Unter den Pteropoden erscheint eine bedeutende Tenlakelentfaltung
bei den Gyronosomalen von denen Pneumodermon sogar noch Saug-
näpfe an seinen zwei retractilen TentakeJn Ir^gt. Grosse Rückbildungen
gehen bei den Thecosomaten vor sich, indem die hier zu Flossen um-
gebildeten Theile des Fusses weit über den rudimentären Kopf ausge-
dehnt die Entfaltung von Fühlern verhindern oder nur auf unansehn-
liche Fortsätze beschranken. Ganzlich fehlen sie liei Chitonen.
§ 238.
Für die Cephalopoden sind zahlreiche jederseits in reihen-
weisen Gruppen auf lappenartigen Fortsätzen sich erhebende Tentakel
am Kopfe der Telrabranchiaten bemerkenswerth. Von diesen Gebilden
scheinen weniger die Tentakel selbst als die sie tragenden Platten den
Armen der Dibranchiaten homolog zu sein, wobei dann die Tentakel
den auf den Dibranchiaten -Armen entwickelten Saugnapfbildungen
entsprachen. Zehn Arme zeichnen die Loliginen , Sepien , Spirulen
aus. Zwei längere, auch sonst von den andern verschieden gebaute
Anne stehen dabei ausserhalb des von den andern acht gebildeten,
den Mund umstellenden Kreises, und treten aus dem Grunde seitlich
am Kopfe sich herabsenkender Taschen hervor. Die bei Octopoden
nur zu acht vorkommenden Arme sind wie die acht gleichartigen der
Decapoden an der Basis durch eine saumartige Membran Verbunden
mit Ausnahme des der Trichterseite nächsten Paares. Diese Verbindung
erstreckt sich bei einigen Octopoden weiter, bald nur auf eine Anzahl
von Armen (vier bei Tremoctopus) bald auf alle [Ilistioteutbis, vollständiger
bei CirroteuthiS; um sich in ganzer Lange derselben fortzusetzen. Beson-
dere Bildungen an den Cephalopoden - Armen erscheinen als Saugnapfe,
welche meist in zwei Reihen (eine Reihe bei Eledone) die orale Flache
besetzen, nicht selten von Stielen getragen. Ihr freier Rand besitzt
häufig eine cuticulare Verdickung in Form eines zuweilen gezahnelten
Chitinringes. Unter machtiger Ausbildung eines einzelnen Zahnes tritt
der Saugnapf selbst zurück, und seine Stelle wird durch einen Haken
vertreten. Solche hakenbesetzte Arme besitzt Onychoteulhis.
Einzelne Arme der Cephalopoden erleiden bei vielen besondere
Umbildungen, indem sie bei dem Begattungsgeschafte in Function
stehen, die schon bei Nautilus durch die Tentakel besorgt wird.
Der zum Begattungswerkzeuge umgebildete Arm ist* unbeständig,
in der Regel ist es einer von den der Bauchseile des Thieres ange-
hörigen. Die Art der Umwandlung tritt in den einzelnen Abtheilungen
in sehr verschiedenen Graden auf. bald erscheint sie blos in einer
0*ft»ti««r, Orandrit«. 9S
Vei^ndening eioer Stelle an der Basis des Anns, die beträchtlich ver-
breitert ist und nur spärliche SaugnSpfe nufweist (Sepia), bald beruht
sie in seiner Veränderung der Saugnapfbrm
auf grösserer oder geringerer Lunge, oder
die Spitze des betreffenden Armes ist mit
einer IttlTelartig ausgehöhlten Bildung ver-
sehen fOclopus, Eledone).
Der höchste Grad dieser aus einer An-
passung hervorgegangenen Umformung äussert
sich sowohl durch eine ansehnliche Ver-
grösserung des bezüglichen Armes (Fig. <53. h)
als auch durch eine differente innere Organi-
sation (Argonauta und Tremoctopus) . Ein
solcher Begallungsarm entwickelt sich nicht
wie die andern frei hervorsprossend, sondern
er entsteht in einer Blase zusammengewunden,
aus der er sich erst nach erlangter Ausbil-
dung Ittst. Eine ähnliche blase nfürmi'/e
Umhüllung besitzt das vtetfach zusammen-
gewundene geissei form ige Knde des Amis
(Fig. 1S3. y), welches ernt bei der Begattung
frei wird. Dieser Anhang samint der um-
htlllenden Membran [x] entspricht dem mo-
diücirten Armende von Eledone und Octopos.
Die höher differenzirien Begnltungsarme ver-
minen nach ihrer Ablösung in der Hantel-
höhle des Weil>chens noch lungere Zeil fort-
zuleben, so dass man solche abgerissene Arme früher für parasitische,
den Tremaloden verwandte Organismen hielt, und als »Hectocolyli«
bezeichnete.
Integument.
§ SS9.
Die Kürperbedeckungen der Weiohthiere werden von einer weichen
Hautschichte dargestellt, die in der Hegel so innig mit der dArualer
liegenden Muskulatur verwebt ist, dass, wie bei den Würmern, eine
Art von Hautmuskelschlauch entsteht, dessen Gestalt die Form des
ganzen Thieres bedingt, Durch vorwiegende Ausbildung der Üiiaku-
latur an gewissen Stellen des Körpers, somit durch Differenzirung ein-
Flg. ISS. Männchen von Tremoctopus Carenac. |i Oberes, P xweilM
Armpaar. fi Dritter linker Arm. t* Unteres Arnipaar. h Hecloootylvg-Ann.
X Bndblase desselben, y Kadcn förmiger Anhang des Armes aus der Bodblase |e-
löst. ( Trichler.
Integvmant. 339
zelller Tbeile des Hautmuskelschlauches entstehen die Organe der
Ortshewegung.
In den meisten Abiheilungen der Mollusken , so bei den Lamelli-
branchiaten und Cephaiophoren , besieht während der ersten Larven-
zustände eine Wimperbekleidung, welche auch später noch
den Körper oder Theile desselben ttbersiehfc. Die bedeutendste Aus-
bildung eropCangen die GiUen an dem das Velum (s. § t,\t) umsflomen-
den WimperiLraDze. Am meisten verbreitel kommen sie sonst an den
Alhoniiigs-Organen vor. Auch bei den Cephalopoden besteht während
der Entwickelung eine Winiperbedeckung der Oberfläche an last allen
Stellen der Keimscheibe (mit Ausnahme der Kiemen; und später er-
scheint auch am Dottersack Wimperepitbel.
Bei den meisten Mollusken ist das Integument deutlich in Epider-
mis und Cutis trennbar. Eine elgenthUmliche Modificalion empfangt
das integmnent bei manchen Heteropoden (Garinaria, Plerotrachea), bei
den^d eine mSchCige glashelle Bindegewebeschichte dem Körper nur
einen geringen Grad des Gestaltwechsels erlaubt. Bei den übrigen
Mollusken wird einer Formveränderung des Körpers vorzüglich durch
die vom Integumente ausgehenden Gehäusebildungen eine Schranke
gesetzt.
Färbungen des Körpers finden sich durch Pigment- Einlagerungen
in die Cutis bedingt. Von diesen Gebilden sind die eigenlhUmlichsten
die bei manchen Pteropodcn, wie bei allen Cephalopoden vorhandenen
"Chromatophoren«. Dies sind in verschiedenen Tiefen der Haut liegende
rundliche Zellen, mit körnigem Pigmente erfüllt und in ihrer Peripherie
mit radiären Muskelfasern ausgestaltet, deren Contraction eine flächen-
hafle Ausdehnung der Zelle und dadurch eine Yertheilung des Pigment-
inhaltes hervorruft,* so dass sie als grössere, häufig sternförmig ver-
ästelte Flecke dem Auge leicht wahrnehmbar werden. Das wechselnde
Spiel dieser mehrfachen Chromatophorenschichten ruft jene Farbenpracht
hervor, die man an der Haut lebender Tintenfische bewundert.
Von andern Einlagerungen in das Integument sind solche von
kohlensaurem Kalk sowohl im Mantel von Brachiopoden vorhanden als
auch allgemein bei den Gasteropoden verbreitet und finden sich
bald als einfache Körnchen oder grössere rundliche Concrelionen, bald
als stäbchenförmige gezackte oder auch verästelte Formen, die oft in
beträchtlicher Masse ein wahres Kalknetz darstellend vorkommen können.
So treffen wir sie bei Opisthobranchiaten z. B. bei Doris, Polycera u. a.,
hei welchen die einzelnen Arten durch eine besondere Anordnung oder
Gruppirung, sowie auch durch eigenthümliche Formation der einzelnen
Kalkstäbchen ausgezeichnet sind.
Als Hautgebilde eigenthümlicher Art erscheinen die den Mantel-
rand der Brachiopoden besetzenden Borsten. Sie entstehen zwar
ähnlich wie die Borsten der Würmer in besonderen Einsenkungen,
340 Mollusken.
unterscheiden sich aber von jenen durch ihre Textur. Aehnliche Borsten
finden sich auch am Mantel der Chitonen vor.
§ S40.
Als Differenzirungen der Epidermis erscheinen Drüsen, die sich
zum Theile an die bei Würmern vorhandenen Gebilde anreiben. In
der einfachsten Form finden sich diese Organe als Modtficationen von
Epidermiszcllen , zwischen anderen Zellen gelagert , aber durch den
feinkörnigen Inhalt, sowie durch eine Müi^dung ausgezeichnet (Becher-
zellen). Sie kommen sowohl den Muschelthieren wie den Cephalo-
phoren zu. Bei Cephalopoden finden sie sich mehr gruppenweise an-
geordnet, und dehnen sich mit ihrem blinden Ende unter das Niveau
der Epidermis. In weiterer Entfernung von der Oberfläche sind sie
bei Gasteropoden — besonders bei Landpulmonaten — zu treffen, wo
sie tiefer ins Int'Cgument eingesenkt sind. Immer erscheinen diese
Gebilde somit als einzellige Drüsen. An einzelnen Körperstellen
gehen dieselben verschiedenartige Modificationen ein. Hierher gehören
z. B. die am Mantelrande beschälter Gasteropoden vorhandenen, eine
kalkhaltige Flüssigkeit absondernden Drüsen, mit denen auch farbstoff-
liefernde vorkommen. Bei Apiysia entleeren die Hautdrüsen eine dunkel-
rothe Flüssigkeit. Bei Murex und Purpura besteht in der Mantel-
höhle zwischen Kieme und Enddarm eine als Drüse fungirende Epithel-
schichte, die aus grossen, auf der Oberfläche wimpernden Zellen
gebildet wird, deren Secret den als »Purpunc bekannten Stoff liefert.
(Lacazb-Duthibrs.j
Eine Eigenthümlichkeit einiger Opisthobranchiaten (z. B. Aeolidiaj
bildet das Vorkommen von Nesselkapseln in den drüsig gebauten
Enden der Rückenpapillen.
Selbständiger entwickelte Drüsenorgane des Integumentes sind femer
die Byssusdrüse der Lamellibranchiaten, ein Organ, dessen Auftreten
von Modificationen des Fusses begleitet ist. Derselbe erscheint näm-
lich zu einem zungenförmigen , an seiner ventralen FlUche mit einer
Rinne ausgestatteten Forlsatze verkümmert. Die Rinne verläuft gegen
eine an der Basis des Fusses befindliche Vertiefung, in deren Grund
eine Drüse die als »Byssus« bekannte Substanz absondert. Ein solches
Organ findet sich bei Pecten, Lima, Area, Tridacna, Malleus, Avicula,
Mytilus verbreitet, wird jedoch als allgemeiner vorkommend gelten
dürfen, da es auch bei den Embryonen der Najaden, sowie bei CycJas
vorübergehend besteht. Bei den Cephalophoren findet sich in ein-
zelnen Abtheilungen gleichfalls eine im Fuss gelegene Drüse (Reli-
cinen, Limacinen) , die sich vorne unter dem Munde öffnet. Auch
die Kiemenhöhle vieler Gasteropoden trägt die Mündung eines ansehn-
lichen Drüsenorgans.
^ ScbaleDbIMuQgen. 341
Sohalenbllduiigen.
§ 244.
Eine besondere Wichttgkcil erlangt die Uautbedeckung durch die
Abscheidung fester, in Schichten sich > lagernder Substanzen, aus
welchen die mannichfailigen für den Motluskenstanim charakteristischen
Gehäuse und Schalen hervorgehen. Somit sind die in dieser Abtheilung
getroffenen HartgebiJde durch die Art ihrer Entstehung von jenen
anderer Thierclassen wesentlich unterschieden. Es sind vom Körper
ausgeschiedene, nach aussen hin abgelagerte Producte, die als Stütz*
and Schutzorgane für die betreffenden thierischen Organismen von
grosser Bedeutung sind, und bezüglich des sie bildenden Vorganges
der Genese des Chitinskelets der Arthropoden sich anreiben. In beiden
ist die AeusseiUng einer und dei*selben secretbildenden Thätigkeit der
äusseren Hautschichtc zu erblicken. W('nn auch die äusseren Schichten
dieser Gebilde häußg, besonders bei massiven Schalen, dem Organis«
mus sich entfremden, so stellen sie doch immer Tbeite desselben vor,
und an manchen Stellen, z. B. da, wo Muskeln den Schalen inscrirt
sind, besteh! beständig ein unmittelbarer Zusauimenhang.
Die Beziehung des Mantels zur Schalen bildung ist eine sehr innige,
der Mantel entsteht mit der Schale, und wu letztere sich nicht ent-
wickelt, oder sich rückbildet, erleidet auch er Rückbildungen, wenn
nicht in der Lebensweise den Mangel Jenes Scbutzorgancs compensirende
Einrichtungen bestehen (Bohrmuscheln). Dieser Zusammenhang lässl
)m erkannter Homologie des Mantels auch in den Schalen- und Ge-
häosebildungen eine Uebereinstimmung wahrnehmen, wie sehr sie
auch formal von einander verschieden sind. So wird die zwciklappige
Schale der Brachiopoden in eine dorsale und ventrale oder vielleicht
besser in eine vordere und hintere geschieden, indess die Schale der
Lamellfbranchiaten aus einer rechten und linken Klappe be-
steht. Diese Schalen stimmen in ihrer BildungswQJse, wie in ihrer Textur
vielfach mit einander überein. Im einfachsten Falle bieten sie nur
gleichartig geschichtete Lamellen dar. Diese compliciren sich durch
das Vorkommen von Schichten schräg und senkrecht gerichteter Pris-
men, sowie durch das Auftreten von Porencanälcn.
Das Flächenwachsthum der Schalen geht am freien Rande vor sich
und erfolgt hier durch schichtenweise Ablagerungen von Seite des
Mantels, die sich auf der Oberfläche der Schale als concentrische Ringe
zu erkennen gehen. Die Vei'üickung der Schale wird an der ganzen
Innenfläche von der Aussenfläche des Mantels besorgt. Durch diesen
verschiedenen Modus der Bildung entstehen verschiedene Structurver-
liältnisse der fertigen Schale, deren innerer Theil aus zahlreichen,
über einander liegenden und gefalteten Schichten besteht, aus denen
der Perlmutterglauz sich ableitet. Auf die Perlmutterschichte folgt die
339 Mollusken.
die hervorsprossenden Kiemen borgenden Raum entstehen, homolog
der Kiemenhöhle ,der Muschellhiero (vcrgl. Fig. U3. AB). Diese
Kiemenhöhlc der Cephalophoren und die mit ihrer Genese zu-
sammenfallende Entfaltung des Mantels schlägt sehr divergente Rich-
tungen ihrer Ausbildung ein. Den einfachsten Refund bieten die Cyclo-
branchiaten, deren Kiemenhohle durch eine seichte auf beiden Seiten des
Körpers gleichmässig entwickelte Mantelfurche reprUsentirt wird'. Die
Ausdehnung des Dorsalfeldes mit der Entwickelung des Gehäusen ver-
bindet sich mit einer Vertiefung der Kiemenhöhle, welche nicht mehr
gleichmüssig in der Mantelfurche liegt, sondern sich an einer bestimmten
Stelle weiterbildet und gleichfalls unter den Schutz des Gehäuses ge-
langt. Diese Stelle liegt bald unter einem hinteren bald unter einem
vorderen Abschnitte des Mantels; ersteres bei Pteropoden (Fig. 445. C),
letzteres bei den meisten Gasteropoden (Fig. 145. B) wie bei den Uetc-
ropoden. Die durch das Auftreten von Gehäuse- Windungen bedingte
Asymmetrie gibt der Kiemenhöhle der Gasteropoden eine meist einseilige
Lagerung, welche als eine Anpassung an die durch den bezüglichen Theil
der Schale gebotene grössere Räumlichkeit sich darstellt. In vielen Fällen
ist für diese einfache Kiemenhöhle die Entstehung aus einer paarigen auf
beide Körperseiten vertheilten Räumlichkeit nachzuweisen, wodurch
Verknüpfungen mit dem erst erwähnten Zustande möglich sind.
Von diesem Verhalten leiten sich sowohl Reihen von Rückbildungen
wie auch Reihen von Ausbildungen ab. Die letztern sind grossen
Theils DifTcrenzirungcn des Mantel ra ndes , die mit der Function der
Kiemenhöhle in Gonnex stehen. Ein Theil des Mantelrandes wächst
in eine der Zuleitung von Wasser dienende Rinne aus, und kann durch
Uebereinanderschlagen der Ränder in eine Röhre sich umwandeln, wie
wir sie als Sipho bei vielen moerbewohnenden Kammkiemen an-
treffen (Ruccinum, Dolium, Hai*pa, Tritonium, Murex u. a.). Ein auf
ähnliche Art gebildeter zweiter Siphe von geringerer Ausdehnung be-
steht meist am entgegengesetzten Ende der Kiemenhöhle und ist zur
Ausfuhr des Wassers bestimmt. Mancherlei andere Fortsatzbilduogen
(z. R. bei Strombus, Pteroccra) sowie tentakelarlige Anhänge bedingen
neue Complicationen.
Rückbildungen des Mantels ergeben sich wieder im Zusammen-
hange mit Rückbildungen der Schale. Am meisten greifen sie in der
Abtbeilung der Opislhobranchiaten Platz, von denen ein Theil mit
sehr verschiodengradig rudimentären Schalen ausgestattet ist, ein
anderer, wie z. R. die Acolidier, derselben im ausgebildeten Zustande
vollständig entbehrt. Da bei allen diesen schalentragende Larvenstadien
vorkommen, der Verlust der Schale also sogar erst während der Onto-
genese erworben wird, so müssen auch die später nackten Opistho-
branchiaten von schalentragenden Formen abzuleiten sein. Die Larven-
schale und die damit wenn auch gering ausgebildete Mantelfalte stellen
somit als rudimentäre Organe dun nackten Opisthobr^nchiateu ein Zeug-
Kdr^erfom. 333
niss fflr die mit den Prosobranchiaten geroeinsame Abstammung aus.
Wo solche Schalenradimente auch dem ausgebildeten Thiere noch zu-
kommen, werden sie in ahnlicher Weise zu beurtheilen sein, als
rückgebildele, und nicht als erst in der Ausbildung begriffene Gehäuse,
denn wieder die Vergleiohung mit den Larvenformen Ifisst da das
Gehäuse in viel höherer Bedeutung erkennen als es im Rudimente des
ausgebildeten Zustandes jener Organismen erscheint, und ebenso trifft
sich die Lage des Afters wie der Kiemen in einem nur aus einer
tnsiditigeren Gehausebildung erklärbaren Verhältnisse.
Die Reihe der Ruckbildungen zeigt sich auch innerhalb kleinerer
Ahtheilungen , so bei den Heteropoden, unter denen Atlanta mit aus*
gebildeler Schale und entwickeltem Mantel erscheint, die beide bei
Carinaria rudimentär, und bei Ptemtrachea völlig geschwunden sind.
Aehnliche Reihen von Rückbildungstadien finden sich auch bei den
Pulmonalen reprSsentirt.
Bedeutend umgestaltend auf die Körperform wirkt die diver-
gente Ausbildung des Fusses ein. Derselbe erscheint bei den Larven
der Pteropoden und der Ga-
sleropoden unterhalb des Mun- Fig. 446.
des als ein kurzer konischer
Fortsatz (Fig. 445. A. pj, der
sich meist etwas verbreitert und
dann auf seiner hintern dorsalen
Fläche einen die Mündung des
Gehäuses verschliessendenDeckel
als sdialenartiges Abscheide-
prodttct tragt. Unter Volums-
zunähme besonders in aboraler
Richtung, gestaltet er sich bei Gasteropoden zu eirtem meist mit hreiler
Sohlflache ausgestatteten Gebilde, von welchem die Bezeichnung Fuss ent-
nommen ward (Fig. 445. B). Bald ist er mehr in die Lunge gestreckt,
bald mehr scheibenförmig gestaltet. Bei den meisten Gasteropoden
kommt dem Fusse nur an seinem Sohlenrande eine scharfe Umgrenzung
zu. Die darüber befindliche Körperoberfläche zieht sich bei manchen
Prosobranchiaten (Fig. 467. p) und vielen Opisthobranchiaton in einen
saumartigen Rand aus (Epipodium) , der schon dadurch, dass er auch
den Kopf mit umfasst, vom Mantel verschieden sich darstellt. Selbst-
ständiger sondert sich am Fusse der Heteropoden ein Abschnitt der
als senkrecht stehende Flosse die Bauchseite des Thieres einnimmt.
Dieser »Kielfussa reprilsentirt den vorderen und mittleren Abschnitt
tPro- und Mesopodium} jener Strecke, welche bei den meisten Gaste-
ropoden zum Fusse umgebildet ist, indess der hintei*ste (Metapodium)
Fig. 446. Schemaiische Darstellung des Verhaltens von Mantel und Fuss auf
fienkrecbtem Querdurchiichiiilt. A bei La melli brauch taten, B bei Cephalophoreir.
Dl Mantel, p Fuss. br Kiemen.
3(i
MollMken.
treffen wir das tihnlich wie bei Nnulilus constniirtc, in seinen Win-
dungen jedoch nicht zusanrniPHSchliessendL' Gehüuse von Spirula und
den Uchcrgang von den volisUlndig nur vom Mantel nmhulllen Schnlen
zu jenen, die im Hantel verborgen sind, bilden die Gebltuse der fossilen
Belemniten. Dieser Vermiltelimg wogen sind die Reste dieser wabr-
scheinlich zum grossen Theile inneren Schalenformationen von grosser
morphologischer WirhtigkeiL. Die Kammcrbildung erscheint hier nur
auf einen kleinen kegelförmigen Theil, den sogenannten Phrsgmoconus,
beschrynkt, dessen einzelne, wie horizontale Kegelschnitte Über einan-
der geschichtete Kammern auch hier durch einen Sipho untereinander
in Verbindung gesetzt waren. Der ganze Phragmoconus wird von Ver-
dick ungssch ich len umhüllt, die sieb jedoch nicht glcichmtlssig über ihn
ausdehnen, sondern hinler seiner Spitze einen mächtigen soliden Fort-
satz (Rostrumj darstellen. Der nach vorne über die Basis des Phrag-
Kig. |j4. Nnutilus mit ilcm M r et ianduirli schnitt der Schale, t Tricbicr.
1 Tenlakel. c KnpnH|>|>Gn. o Aijiie, 0 Dorsaler Mantel läppen. II Verbindunf»^-
slelle des Msniets mit diT Schnlc. i Ein Mückcheii der Schale, welchea mit dem
rechten Manlelmaskel im Zusamuenhaog geblieben Ist. a MsdUI. t Sipho.
(' Siphocana) der Schale. (Nach Owek.)
Sobalenblldungen. 345
moconus sich hinaus erstreckende lamellenartig ausgebreitete Abschnitt
der Verdickungsscfaicbten bildet das »Hornblatt«. Der Phragmoconus
ist das Homologen der gekammerten Schalen der anderen Cephalo-
poden, während die von ihm ausgehende f^melle, das ebengenannte
Hornblatt, wie eine Verlängerung der vordersten Kammerwand sich
darstellt und das massive, von der ganzen Schale zumeist am voll*
ständigsten erhaltene Rostrum von einfachen, von dem umgeschlagenen
Mantel gebildeten Verdickungsschichten abzuleiten ist.
Eine völlig im Mantel verborgene, nicht selten mit einer hinteren
Spitze hervorragende und dadurch schon an die Schalenbildung der
Belemniten erinnernde flache Schale stellt das als »Os Sepiae« bekannte
Gebilde der Sepiden vor. Es besteht aus mehrfachen an organischer
Substanz reichen Schichten, welche durch Schichten von Kalkablage-
rungen von einander getrennt sind, und es somit aus über einander ge-
lagerten Blättern zusammengesetzt erscheinen lassen. Die äusserste, der
sogenannten Rückenoberfläche desThieres zugewandte Lamelle ist von be-
sonderer Festigkeit, sie zieht sich direct in die hintere Spitze aus und
bildet die Grundlage für die blättrigen Ablagerungen , die sich auf der
Innenfläche der schwach gewölbten Schale oft bis zu beträchtlichem Durch-
messer erheben. Diese Schalen lassen sich unmittelbar von jenen der
Belemniten ableiten, besonders wenn man jene Sepiensohalen, die wie
S. Orbigniana in eine slarke, freie Spitze auslaufen, in Betracht zieht.
Die solide Spitze entspricht dem Rostrum der Belemniten, während die
Alveolarhöhle der letzteren, sowie das vom Rücken derselben aus-
gehende Hornblatt dem ganzen übrigen Th'eil der Sepionschale homo-
log ist. Die in der Alveole der Belemniten die Kammern des Phrag-
moconus darstellenden Scheidewände sind in der Sepienschale durch
die flach oder nur wenig concav angesetzten Lamellen repräsentirt.
Anstatt von einander getrennte Kammern zu bilden, folgen die Schichten
unmittelbar auf einander, und so tritt die complicirte Schale der Be-
lemniten durch Reduction in der Sepienschale auf eine niedere
Stufe. Noch mehr reducirt ist die Schale der Loliginen, welche
nur durch ein langgestreccktes , biegsames, im Rückentheile des
Mantels verborgenes Hornblatt (Calamus) dargestellt wird. Seiner
Mitte entlang veriäufl ein nach aussen vorspringender Kiel , der
oben am stärksten, nach unten zu abnimmt und an den Seiten sich
continuirlich in die Ränder des Hornblattes fortsetzt. Dieses Schalen-
nidiment entspricht dem äusseren gewölbten und an organischer
Substanz reicheren Theile einer Sepienschale und ist damit auch dem
Homblatte eines Belemnitengehäuses homolog. — Endlich findet man
in der Gattung Octopus, deren Mantel im Nacken nicht mehr vom
Kopfe abgesetzt ist, ein Paar dünne, dem Rückenintegumente einge-
lagerte Plättchen als die letzten Ausläufer einer vom Mantel ausgehen-
den Schalenbildung, welche sich jener bei Gephalophoren beschriebenen
somit vollständig parallel verhält.
346 Mollusken.
Als etwas von all* diesen durch eioe streng durchführbare Homo-
logie erfassbaren Gehäusen Verschiedenes ist die Schale von Argonauta
anzusehen, die nicht vom Mantel, sondern von einem lamellils ver-
breiterten Armpaare secemirt wird. Es ergibt sich daraus, dass auch
noch andere pberOächen - Strecken des Körpers zur Schalenbildung
geeignet sind, wie denn bei den Cephalopoden etwas Aehnliches in der
Bildung des sogenannten »Deckels« erscheint, welcher auf der EückeD—
fläche des Metapodiunis vieler Prosobranchiaten auftritt, dem ins Ge-
häuse zurückgezogenen Thiere zum Verschlusse dienend.
Kiemen.
§ 243.
Dem Aufenthalt der Mollusken im Wasser entspricht die Art der
bei ihnen verbreiteten Athmungsorgane , der Kiemen, die sämmüich
Differenzirungen des Integumentes sind, und demgemäfis
ursprünglich eine oberflächliche Lagerung besitzen, wenn sie auch durch
Duplicaturen anderer Hautregionen (Mantelbildungen} überdeckt, und
so in besonderer Höhlung — der Kiemenhöhle — geborgen sind.
Bei den Branchiopoden fungircn die Arme als Kiemen, und
zwar sind es zunächst die tentakelartigen Fädchen, welche zur Ver-*
roittelung der Athmung günstige Verhältnisse darbieten, und mit den
die Arme durchziehenden Blutsinussen in Communication stehen. Doch
sieben diese Gebilde mit den übrigen Kiemenbildungen der Mollusken
in keinem morphologischen Zusammenhange.
Diese Kiemen der Mollusken sind seitlich am Körper befindliche
Fortsätze, die im wenigst veränderten Zustand zwischen Mantel und
Fuss entspringen. (Vergl. Fig. HQ. A, B. br.) Sie bieten sowohl an
Ausdehnung des ganzen Apparates als auch in Bezug auf Zusammen-
setzung aus einzelnen Fortsätzen eine lange Reihe vielartiger Modifica-
tionen. Unter den Lamellibranchiaten stellen sie blattartige Gebilde
dar, die zwischen Mantel und dem mit dem Fuss endigenden Einge-
weidesack entspringend , in die vom Mantel beiderseits umschlossene
Höhle einragen (Fig. 155. 6r, br'). Ihr freier Rand ist gegen in Ven-
tralfläche gerichtet.
Fast alle Muschelthiere besitzen zwei Paare solcher Kiemen,
ein inneres, mediales und ein äusseres, lateral gelagertes Paar. Das
ersiere ist häufig das grössere. Mit Ausnahme von Anomia, bei der
durch Anpassung auch zahlreiche andere Modilicationen der OrganisaiioQ
entstanden sind, ist die Anordnung der Kiemen symmetrisch. Jedes
Kiemenblatt entwickelt sich aus einer Reihe neben einander hervor-
sprossender Fortsätze, die bei vielen (z. B. den Arcaceen) auch femer
isolirt bleiben, und einzelne parallel neben einander gelagerte Kiemen-
faden vorstellen. In dieser Art des ersten Auftretens wird der Anschluss
aa die KiemcnbildungeD der andern Abtheiluni^en eriianol. Bei der
Hebnahl dagegen gebt die Kieme aus jenem embryoaalen Zustande in
eiura audem Über, indem die Kie-
men (Sden sich unlcreinander ver-
binden. Die Vereinigung der abge-
jilalteten oiil der FÜcbe gegen ein-
ander gerichteten Faden oder BlHlUrhcn
zu einem »Kiemen blaltea geschiebt
bald nur durch Verkleben der Fäden,
bald auch durch Verwachsung, in-
dem von jedem Kiemenfaden aus
wulslartige Vorsprünge in rcgol-
niässigen Abständen gegen einander
Irelen und verschmelzen. Da zwi-
schen diesen VerbinduDgen feine, das
Wasser durcblasseude Spalten tjbrig
bleiben, erhält jedes Kiemenblall eine
gitter form ige Beschaffenheit. Jeder
Kiemenfaden bildet gleich von seinem
ersten Auftreten an keine einfache
und solide Verlängerung, sondern vielmehr eine Schleife, uod um-
schliesst damit einen Baum (Intrabranchialraum) , der mit dem Ver-
wachsen der KiemenßdeD das ganze Kiemenblalt durchiit^t und durch
die twischen den Fäden bleibenden Spalten nach aussen commuoicirt.
Das durch letztere ciatretende Wasser sammell sich in einem an der
Befestigungsstelle des tüemeublattea befindlichen Canal, durch den es
am hinteren Kürperende wieder austritt.
Jedes Kiemenblattcben umscbliesst neben den blulführenden CanHlen
einen Stützapparat, der aus kurzen hinter einander gereihten Chitin-
stabeben besteht, die somit in jeder Kiemenlamelle mehrfache Quer-
reiben UldeD.
Die Oberfläche sämmllicher Kiemen Uberfcleidet ein Wimperepithel.
Beihen grosser Cilien ziehen sich der Lange nach an den leistenartigen
VorsprUngen der Kiemen herab, und dicht stehende feinere Cilien
ordnen ncfa dazwischen und vollenden den zur Unterhaltung einer
beständigen WasserstrOmnng thHtigen Apparat. Am freien Bande
jedes Kiemenbtattea besteht eine durch Einbuchtungen jedes einzelnen
Kiemenbiatlcbens gebildete, mit lungeren Cilien ausgekleidete Binne,
in der eine zum Hunde fuhrende und damit auf die Nahrungszufuhr
gerichtete Wasserslrfimung erzeugt wird.
Bedeutende Hodificationen enislehen durch Verwachsung der
Kiemen, welche bei einer Ausdehnung der letzteren Über den Ein-
Fig. 4B5. Senkrechter QiierMinitt durch eine An od nnie. (nMnnlcl. ftr UiisserM,
br' innere» KiemeiibliU. f Fus». v Herikaminvr. ■ Vorhof. p p' P«ricorillalhtAle.
348 Mollusken.
gew(!idesack stattfindet, und entweder durch eine unmittelbare
Vereinigung, oder durch eine besondere die beiderseitigen Kiemen
verbindende Membran zu Stande kommt. Am meisten ist diese
Verwachsung bei den sichelförmig gekrümmten Kiemenblättem von
Anomia ausgeprägt, wo der ganze Kiemenapparat von dem sehr redu-
cirten £ingeweidesacke sich entfernt bat, und nicht mehr auf die Seiten
vertheiit erscheint.
Durch die Einlagerung der Kiemen in die Manlclhöhle wird die
letztere zur Athemhöhle, woraus für den Mantel mannichfache , als
Anpassungen erklärbare Umgestaltungen entspringen (vcrgl. oben §234).
§ 244.
Der Kiemenapparat der Cephalophoren bietet bei noch grösserer
Mannichfaltigkeit der einzelnen Vorrichtungen im Allgemeinen dieselben
Verhaltnisse wie bei den Muschel thieren dar, indem er in seiner typischen
Form aus parallel aneinander gereihten Blättchen oder auch mehr cylind-
rischen Fortsätzen besteht, die von der Oberfläche des Körpers vor-
ragen, und damit vom umgebenden Medium, dem Wasser, umspült
sind, während ein Blulslrom ihr Inneres durchzieht. Noch mehr wird
diese Uebereinstimmung durch die Lagebeziehungen zum Mantel aus-
gedrückt, zu welchem sie in denselben Verhältnissen wie bei den
Laniellibrnnchiaten getroffen werden (vergl. Fig. 146. B. br). Sowohl
in der Zahl als in der Ausdehnung ergeben sich gegen die Muschel-
thiere bedeutende Beschränkungen und dasselbe gilt auch vom Baue,
der gegen jene bedeutend einfacher ist. Niemals existiren in deut-
licher Weise mehr als zwei Kiemen an der Slelle der vier Kiemen-
blätter der Lamellibranchiaten. Eine beiderseits gleichmässige Anord-
nung der Kiemen in der ringsum laufenden Mantelfalte besitzen die
Cyclobranchiaten. Dieses noch am meisten an die Anordnung bei den
Muschelthieren erinnernde Verhalten besteht ähnlich auch bei Phyllidia.
Bei den meisten übrigen ist es verloren gegangen; Fissurella und
Emarginula besitzen noch zwei seitliche Kiemen in der Mantelhöhle,
aber bei Haliotis liegen beide Kiemen schon auf einer Seite, und
so bildet sich das bei den Ctenobranchiuten auch sonst allgemein wal-
tende Verhältniss aus, dass in Anpassung an die von der Schale
abhängige Asymmetrie der Kiemenhöhle eine (die linke) Kieme verküm-
mert und die der andern Seite eine grössere Ausbildung darbietet.
Die verkümmerte Kieme rückt meist nahe an die andere heran, und
tritt in asymmetrische Lagerung, die von der Bildung des wiederum
mit der Entwickelung einer Schale in Zusammenhang stehenden Mantels
abhängig erscheint.
Hinsichtlich des Baues erscheinen die Kiemen bald als einfache
Falten des Integuments (z. B. bei Pteropoden) , oder sie treten als
blättrige, ein kammförmiges Organ darstellende Fortsätze auf, die wieder
Kkemen. .^(9
seeuodUre Fallen oder leisleoartige ErtiehuDf;en lrs|;pn können. An die
Clenobrancbialcn schliessen sich die Heleropoden nn, bei denen unter
Rttckbildung der Schale und des Mantels t-s sof^r zu einem Schwin-
den der Riemen kommen kann [FiroloYdes) .
Wenn die Kiemen schon anfünglich unter dem Hantel gelagert er~
scheinen, so treten sie mit der von letzterem ausgehenden Bildung einer
Kieinenhtihle in nocli nühcre Beziehung zu demselben, wie dies schon
hei den Apiysien und Pleurobranchen , mehr bei Bulliden , volislHn-
diger bei den Prosobrancbialen der Fall ist. Die Hanteihtthle oder ein
-besonderer Absrhnitl dersellicn hat sich hier zur Kiemenhahte um-
gestaltet, zu welcher meist nur durch einen als «Athemloch« bezeich-
neten Ausschnitt am Rnnde der Zugang gestattet ist. Indem dieser
Theil des Hantelrandes in einen rinnen förmigen Fortsatz auswacbst,
bildet sich ein Zuleiteapparat fUr das der Athmung dienende Wasser,
analog den Siphonen der Huscbeltbiere (vergl. oben § ?3ö).
An diese Einrichtuni^en schliessen sich Aendeningen der Lage und
Anordnung der Kiemen bei einem Theile der Opislhobrancbiaten, der mit
der Schale zufileich den Hantel verloren hat. Hier finden sich als
Kiemen blalirurmige oder büschelartige ramili-
cirte Anhangsgcbilde bald in der Nabe des Af- f„ ,gg
ters Doris) , l>ald reihenweis Über den Körper
verlheilt (Tritonia , Scyliaea). Wenn man in
ricbiiiier WUrdigimg der Thatsache, dass die Be-
sobalung der I.ar^'en aller Opisthobranchinlen die
Ableitung dieser Cephalophoren von schalen-
tragenden Formen nothwendig macht, anch fUr
die Kiemeri eine ursprüngliche Lagerung in einer
Hantelhßble annehmen muss , so wird man in
BerUck-sichligung der gleichfalls in der Mantel-
hohle befindlichen AflerttfTnung die Anordnung
der Kiemen hei den Doriden als eine im We-
sentlichen von jenem Zustand her eiT\orbene be-
trachten dürfen. Von da an ergeben sich nun
mannichfache L'ebei^angsformen zu einer grUsse-
ren Vertheilung der Kiemen über den Rucken
des K(lq>crs, zugleich Hodificationen der Kiemen
selbst, die, wie auch ihre specielle Gestalt sein
mag, immer mehr blossen Haulfortsaiien Uhnlich
erscheinen. Ebenso wichtig als diese febergangs formen sind jedoch die
Beziehungen jener Organe zum circula torischen Apparate, woraus fUr
dieselben die völlige Uebereinslimmuog mit Kiemen hervon;eht. In
ihren weitest dtfTeFenxirlen Formen erscheinen die Kiemen dann
Ober den ganzen Ruckentheil des Körpers verbreitet, jederseits in ein-
Fid. fS6. Ancula iPolyccrn) crUlala von der HöckeofllichB. a Afler-
ötToung. br Kiemen. ( Tenbiliel. [Nach Aide* uod Hiircoci.}
350 Mollusken.
fachen oder mehrfaehen Reihen von Papillen oder zoltenartigen Fort-
sätzen, die sogar wieder Verüslelungen darbieten können (Aeolidier).
Der Verlust des Gehäuses gestaltet also eine grössere Ausbreitung der
Kiemen, sowie die Entstehung und Ausbildung jenes Sohutzorgans
auf eine Beschränkung der Lage der Kiemen wirkt.
Bei manchen Opisthobranchiaten kommt es zu einer Rückbildung
dieser Kiemen, wo bei dann wieder das gesammte Integument die respi-
ratorische Function Übernimmt (Phyllirhoö, Elysia, Pontolimax).
Die andere aus der zuerst vorgeführten Einrichtung des Athmungs-
apparates hervorgehende Modification gründet sich auf die Entwickelung
des respiratorischen Canalsystems in der Wandung der Mantelhöhle.
Bei manchen Kiemenschnecken verbreitet sich jenes Netzwerk von Ca-
nälen auch über die Kiemen hinaus in benachbarte Theile der Kiemen-
höhle, die dadurch an der Athmungsfunction sich betheiligen kann.
Durch einen solchen von der Manlelhöhle gebildeten und von einem
respiratorischen Canalsysteme begrenzten Hohlraum bildet sich der
Uebergang zu einer andern Art der Athmung, der Luftathmung. Die
Mantelhöhle oder vielmehr ein Theil ihres vom übrigen gesonder-
ten Raumes wird zur Lunge. Ein solches den für das Leben im
Wasser organisirten Mollusken ursprünglich fremdes Organ ist in einzelnen
Fällen mit Aenderung der Lebensweise entstanden, und als eine durch
Anpassung erworbene Bildung anzusehen. Zugleich mit einer Kieme
findet sich eine Lunge bei AmpuUaria , wo sie einen parallel mit der
Kieme gelagerten, mit contractiler Mündung versehenen Sack vorstellt.
Ganz verloren gegangen ist die Kieme bei der landbewohnenden Gat-
tung Cyclostoma, welche wie AmpuUaria im Baue mit Kiemenschnecken
übereinstimmt.
Endlich treffen wir einen Theil der Mantelhöhle in eine Lunge
umgewandelt bei den das Land l)ewohnenden oder im SUsswasser
lebenden Pulmonaten; die Luftathmung ist hier die ausschliessliche.
Als Lunge erscheint eine vom Mantel überwölbte Cavität, welche durch
eine seitlich am Mantelrande befindliche, durch stark entwickelte Mus-
kulatur verschliessbare Oefinung mit der Aussenwelt communicirt. Ein
Theil der Decke dieser Mantelhöhle wird von einem reichen leisten-
förmige Vorsprünge bildenden Gefrlssnetze durchzogen, und in diesem
sammeln sich rUckführende Canüle zu einem zum Vorhofe des Her-
zens führenden Geßissstamme.
Die Glasse der Cephalopoden bietet in dem Verhalten der Kiemen
wieder engern Anschluss an die Mehrzahl der übrigen. Die Kiemen
nehmen ihre Entstehung zwischen Mantel und Fuss (Fig. 147. 150. b)
in gans ähnlicher Weise, wie sie bei manchen Gasteropoden dauernd
erscheinen. Erst mit der Entwickelung des Mantels rücken sie in die
Kiemen.
3S1
Tiefe, und lagera dann in einer MantelhOble, die nicht, wie bei den
meisten Cephaioplioren vome, sondern wie hei den Pleropoden, an der
Iwi Vergleicbun); des Thiers mil den Cephalopboren der Hinlerscite
gleich zu setienden Flache sich älfael (siehe Flg. 117. A. B. br]. Itei
Flg. tn.
allen sind die Kiemen symmetrisch angeordnet, vier sind bei Nautilus,
bei allen tlbrigen lebenden Cophalopoden nur twei vorbanden.
Jede Kieme bietet meist eine pyramidale Gestalt dar, mit der
SpiUe nach aussen gerichtet, mit der Basis nach innen (Fig. 157. Br).
Fi«. tB7. Manlelhöhl« und Trichter von Sepia ofticinalis. Die Mantel-
büble IM ijurch einen Uedisn»chnill iler Lange nach gcfiffnet. Man sieht darin In der
Mitte den liinge werde sack vnrnigpn, hinter dem zytei Muslielpfeiler fn emporsteigen,
in Trichter und Kopf, Zwischen diesen Pfeilen) liegt die Schale nur von einer
dthiafln Membran bedeckt, Ar Kieme, v br Kiemenvene. t> br' Bulbugarllge Er-
weHenng denelben. I Tlotenbeulel. r Mündung dei Eicretlonlorganea, welches
rachteneilg gedffnet dargestellt Ut und in R die Venenanhlngo srblicken lllsat.
g Genltalpapille. a Arier. J Trichter, durch einen medianen Laogsschnill geölT-
nel. I ZungenfOrmtgcs Organ, e VerlleFung lur Aufhahme des am Hanlelrande
liegeaden Vorsprunges ( Hantel sc hlou| c'. C Kopf. P Flosaeo.
Sie besieht entweder aus dicht .ineinander liegenden, sich allmählich
(;egen die S|>ilxe hin verjüngenden Bbttchcn (Nautilus und die meisten
Loliginen], oder aus vielfach gewundenen Hautfaltengruppen, welche
zwischen den beiden am Kiemenrande sich hinziebenden Kiemengefäss—
sUimmen ihren- tirspnmg nehmen (Oclopoden).
Der Athmungsmechanismus comhinirt sich auch hier mit der Orts—
bewegung der Thiere. Bei jedesmaliger ErsehlaiTung der Muskulatur
des Hanteirnndes strflmt Wasser in die Kiemenhühle durch deren
Spalte, namentlich zu beiden Seiten des Trichters, ein und wird nach
BespUlung der Kieme durch die Contractionen des Mantels wieder aus-
getrieben. Dabei schliesst sich die Spalte der AthemhOhle, so dass
nur noch der Trichter als Ausweg besiebt, der dem Wasser zum
Durchtrittc dient und sich beim Ausstossen desselben activ hetheiligt.
ImiarsB BkelBt.
§ 2tfi-
Bei der Hehrzahl der Weichthiere wird der Mangel eines inneren
Skelels aufgewogen durch die in § 311 beurlheillnn Schalen und Ge-
hüuse, die häufig auch zu inneren SlHtzen werden können. So sind
die unter den Bradiiopoden bei den Terebratuliden vorkommenden
festen, die Arme tragenden Gerllste nur Jnnere Fortsetzungen der
äusseren Schale und deshalb nicht als wahre innere Sketete anzu-
sehen. Dieser Apparat wird bei Tei'cbratuia durch zwei von der dor-
salen Schale ausgehende Leisten gebildet, die, nachdem jede mit einer
anderen, vom Boden der Schale kommenden Leiste sich vereinigt hat,
nach vorne verlaufen,, um dann hogen-
"" '**' förmig sich nach hinten zu wenden,
und in der Mitte mit einander sich zu ver-
einigen (vergl. Fig. 1 59| . Andere
Gattungen bieten zahlreiche Hodifi-
cationen dar.
Anders verhallen sich innere StUU-
organe bei den Cophalophoren. Im
Kopfe dieser Thiere liegen , von Jer
Muskulatur des Pharynx umschlossen,
zwei oder zuweilen auch vier mehr oder
minder innig mit einander verbundene
KnorpelslUckchcn, die für die Reibplalle
und ihre Adnexa einen Stützapparat bilden und fur einen Theil der
Pharynsmuskulatur, besonders für die Muskeln der Reibplalle, In-
sprtionsslellen darbieten.
lilus. A von bilden. B von voroe. (Nach
MttskelKyslein. 3ft3
Reiohliciier entwickell treH'en wir knorpelige SiflUorgane bei den
Cephaiepoden. Des bedeulendsto lierselben liegt im Kopfe und dient
ak H9Ue der Nervenoentren , als Stütce der Seh- und llörorgane , so-
wie als UrspnmgMtelle mner reichen Muskulatur. Boi Nautilus wird
dieser Koprkooqie] durch cwei median verschmolzene, vorne, wie hinten
in FortsMIae ausgezogene Stücke dargestellt (Fig. 458], welche den
Anfeiigslbeil der Speisertfhre mmCassen. Um vieles mehr entwickelt ist
der Kopfknorpel der DIbranchiaten. Er 'besteht aus einem mittleren,
vom Oesophagus durchbohrten Tbeile und zwei Seitenflügeln, welche
hald nur als flache Ausbreitungen ersobeineo und dann zur Bildung
von Orbilen mit accessorisohen Knorpelplttttchen versehen sind, bald
in höherer Ausbildung auch nach oben in Fortsiltze übergehen und
die Orbita vollständiger umsohliessen. In dem vom Oesophagus durch-
setzten Theile des Kopfknorpels lagert das centrale Nervensystem.
Ausser dem Kopfknorpel besitzen die DIbranchiaten noch andere
knorpelige Skeletstdcke. Ein Rttokenknorpel ist der verbreitetsle. Der-
selbe liegt bei den Sepien afe ein haibmondfbnniges Stück im vordem
Doraaltheile des Mantels, und setzt sich seitlich in zwei schmale Ifclmer
fortf die bei Octopus, wo das Mittelstack geschwunden, selbständig
fortbestehen.
Dazu kommt noch ein Knorpelstück im Nacken, sowie cwei Knorpel
an der Trichlerbasis , die Schlossknorpel. Sie sind weniger conatam
als die an der Basis der Flossen liegenden Knorpelstttcke, die bei allen
mit Flossen versehenen Dibranohiaten zur Befestigung der Floasenmusku-
latur bestehen.
Muakftlayatem.
§ 247.
Aus dem Vorkommen eines mit dem Integumentc verbundenen
Hantoiuskelschlauches, sowie der im Ganzen, trotz der vielgestaltigen
Modißcationen doch einförmigen Bildung äusserer Stützapparate wird
die geringe Entfaltung gesonderter Muskelbildungen verständlich. Eben
dahin wirkt der Mangel innerer Stutzorgane in den unteren Ab--
tbeilungen, oder deren geringe Entwickelung in den höheren Classen.
Die MttsknlaUir besteht ans bandförmigen Fasern , an denen Andeutungen
von Querstneilien nicht selten auf eine höhere Difierenzirung hinweisen.
Ausser der unmittelbar dem Hautmuskelschiauche angehorendan
Muskulatur, wie jene des Mantels und der Arme, findet sich bei den
Bracbiopoden eine Anzahl von selbständigen, die Leibeshohle durofa^
setzenden Muskeln (vergl. Fig. 159), welche zum Oeffnen und Schliessen
der Schale, sowie zu Drehbewegungen dienen. Da, wie oben ge-
zeigt, die Schalen der Bracbiopoden von jenen der Lamellibranchiaten
verschieden sind, so hat die innere Muskulatur mit jener der letzteren
morphologisch nichts gemein.
OtfBBbaQr, GntndriM. t8
351 Holinsken.
Bei den Lamellihranchialen sind vorzüglich Scbliessmuskeln enl^
wickeil, die quer oder schräg durch den KOrper von einer Schslen-
klappe zur andern ziehen. Sie sind entweder
auf zwei weit von einander liegende Gruppen —
eine vordere (Fig. 14i, 46i. ma), und eine hinlere
Imp) — verlheitl und bilden zwei getrennle Mus-
keln (Unio, Anodonta], oder beide Muskeln nahern
sich einander und treten endlich zu einer ein-
zigen, die Mitte der Schale einnehmenden Masse
zusammen (Austern). Zum Rückziehen des Fusses
wirken gleichralls besondere dem Inlegument
verwebte Muskeln , die vom Rucken der Schale
entspringen und zuweilen in mehrere Paare
Diese Hetractoren finden sich wieder bei den ge-
1 Cepfaalopboren . Sie bilden hier meist einen einfachen,
im Grunde des Gehüuses enUpringenden Muskel, der sich, an Umfang
zunehmend, zu den vordem Körperi heilen begibt. Bei den Pleropoden
strahlt er in die Flossen aus. Bei den Gasleropoden versorgt er ausser
dem Fuss noch den Kopf mit dem Anfang des Darmrohrs (Schlund'
köpf). Er gibt besondere BUndel an andere hervorstreckbare Theile,
so an die Tentakel und das Bcgallungsorgan nb. Von der Spindel des
Gehäuses entspringend und auch in seinem Verlaufe ihr anliegend,
wird er als M. columellaris bezeichnet. Auch bei den Heteropoden ist
er vorhanden und hat seine Endausbreitung im Rielfusse. Ausser
diesen Muskeln finden sich noch einzelne zu den Eingeweiden tretende
BUndel.
Durch das Bestehen eines entwickelten inneren Skeletes wird die
Muskulatur der Ccphalopoden difTerenziner. An den Kopfknorpel be-
festigen sich hei Nautilus zwei müchtige Relracloren, die seitlich in der
Wohnkammer der Schale entspringen (Fig. I^i. s). Bei den mit innerer
Schale versehenen Dibrancbiaten (l)ecapoden) nehmen dieselben Muskeln
ihren Ursprung Ton der Wand des Schalentlberzuges und bei den Orto-
poden von einem dort liegenden Knorpel. Von diesen beiden Muskeln
zweigen sich zwei Züge fUr den Trichter ab. Ein anderes mtichtigeres
Muskelpaar enUpringt im Nacken des Thieres und trill breit zur Ven-
Iralflache in den Trichter. Auch im Mantel ordnet sich die Muskulatur in
gesonderte Lagen, und die Flossenmuskeln zeigen ebenso deutlidi ge-
trennte Schichten. Die Muskulatur der Arme entspringt cum Theil
vom Kopfknorpel, und umschliesst einen in der Armaxe verlaufenden
Canal.
Fig. ISO. Muskulatur von Terebralnla. ab Die beiden SchalenhttiriM.
c Da* ArmgerüBte. d Der Stiel, e f g h Uuskulalur zum OeCTaen und Schli«Hrn
der Schale. (Nacb Owen.)
Nerveosyttom. 355
IVorvonsyston«
Centralorgane und Kdrpernerven.
§ 848.
Auch für dieses Organsysiem können wir bei den Würmern An-
knapfungen nachweisen. Der gesammte Gentralapparat scheidet sich
nämlich in eine obere dem Anfang des Darrorohrs aufliegende Ganglien-
masse, die oberen Schlundganglien, und eine ventral gelagerte, durch
Commissuren mit der ersteren verbundene Nasse, die unteren Schlund-
ganglien. Beide sind paarig und setzen sich wieder aus einzelnen
mehr oder minder deutlich abgegrenzten Gangliencomplexen zusammen.
Vom Nervensystem der ungegliederten WUrmer unterscheidet sich das
Nervensystem der Mollusken durch das Vorkommen einer unteren
Scblundganglienmasse, und von jenem der gegliederten Würmer wie
auch der Arthropoden ist es durch den Mangel einer Wiederholung
derselben untern Ganglienpartie verschieden. Der letzteren Form steht
es aber dennoch am nächsten, da in den unteren Schlundganglien eine
der Bauchganglienkette oder doch dem ersten Ganglion derselben ho-
mologe Einrichtung besteht. Die Thatsache, dass untere Ganglien bei
Würmern meist mit einer Metamerenbildung auftreten, mag auch für die
Mollusken dahin verwerthet werden, im Zusammenhalte mit andern
Organisationsverhitltnissen (siehe Circulattons- und Excretionsorgane) die
Andeutung einer Metamerie zu erkennen. Demnach ist die Bildung der
untern Scblundganglienmasse nicht etwa als eine Verlegung sonst in
obern Ganglien enthaltener Apparate nach der ventralen Seite, aber
auch nicht als eine nur durch die Ausbildung der ventralen Körper-
theile (vorzüglich des Fusses) erworbene Neubildung zu erklären, son-
dern auf demselben Wege, auf dem auch bei Würmern die DiflTeren-
ziroDg ventraler Ganglien erscheint.
Der so gebildete Schlundring erleidet eine Reihe von Modifi-
cattonen, die sich vorzüglich in der Lagerung der Ganglien, sowie in
einer feineren Differenzirung dieser Theile kund geben. Die Ganglien
können in ihrer Masse bald oben oder unten, bald auch mehr seitlich
präponderiren , je nach der Entfaltung der sie verbindenden Faser-
massen (Commissuren). So können die unteren zur Seite rücken und
sowohl unter sich als auch mit den oberen durch lange Commissuren
verbunden sein; oder sie können sich mit den oberen derart verbin-
den, dass eine untere Ganglienmasse zu fehlen scheint, und nur ein
Commissurstrang den Schlundring an der ventralen Seite vervoll-
ständigt. Zum Theile leitet sich hieraus die Verschiedenheit der Ur-
spnmgsstellen der Nerven gewisser Sinnesorgane ab. Die wechselnde,
fast an allen Theilen des Schlundringes stattfindende Lagerung der
Ganglien lehrt zugleich, dass in vielen Fallen die Annahme eines
18*
356
Molliuken.
absoluten Mangels einzelner Abschnitte des Ganglien Systems eine un-
gerechtfertigte ist, so dass wir also da, wo z. B. nur ein einiiges
Ganglion oben oder unten an einem Schlundringe vorkommt , dasselbe
nicht blos einem oberen oder blos einem unteren Schlundgan^ion
aequivalent ansehen dürfen, sondern es muss solches als der ganieo
Summe von Ganglien, die in entwickelteren Verhaltnissen am Scblund-
ringe sich finden, homolog gelten.
Das peripherische Nervensystem entspringt aus den Centralheilen
des Schlundringes und vertbeilt sich an den KUrpcr, häufig unler Ver-
bindung mit kleineren Gan-
glien. Milden oberenSchlund-
ganglien (seltener mit den
unteren) steht gleidifalis eine
Anzahl andererGanglieo durch
verschieden lange Commissa-
ren in Verbindung, die wir
samint den von ibneo aus-
gehenden Nerven als ein
sympathisches oder Einge-
weidenervensystem ansehen.
In der allgemeinen Anlage
entspricht dasselbe jenem bei
den Würmern und den Glie-
derLbieren voi^eführten und
zerfällt wie dort in einen
vorderen und hin*eren Ab-
schnitt.
Das Nervensystem der
Brachiopoden wird ans
Ganglien massen zusammenge-
setzt, die inderNahe des Oeso-
phagus [Fig. *60. d) lagern.
Solch' ein grosseres Ganglifm
(n) liegt [bei Terebratuliden;
dicht am Oesophagus und schickt um denselben zwei zu kleineren
Ganghen tretende Commissui'en, die einen Schlundring herstellen. (In
der Fig. 160 ist derselbe nicht angegeben und muss um den OeBo~
phagus (d) verlaufend gedacht werden.) Die Hauptüsle des grossen,
Fig. <60. Nervensystem von Waldhcimia von der dorsalen Fläcbe aus.
Die dorsale Schalenklappe ist entrcrnl, ebenso die linke Hättle des dorselea Han-
(els D, der somit auf der rochlen Seite sichtbar (st. V Linke HWfle der ▼enlralet«
Mantellsinelle, P Stiel, d Oesophafus, durchschnitten. (Ein Paar vor dem Oeso-
phagus liegender Ganglien , die durch dünne fttdclien mit dem Ganglion « ver-
bunden sind, sind nicht angegeben ) n Vorderes, n' hinterfs Oesophngalgaiigliun.
gg Geschlechtsorgane, m Occlusor-Mnskel. m' Divarialor. m" Ventraler Adjnslor.
m'" Accessoriscfaer Divarialor. (Nach A. Hancock.)
NervoiMiyslein.
357
unter dem Oesophagus liegenden Ganglion treten nach Bildung einer
AiMchwdliing (n') zum Stiele. Von diesen Anschwellungen ti*eten
reMk Terzweigte Nerven zur veiHralen Mantellamelle ab, wahrend
die dorsale ihre Nerven unmittelbar Tom Hauptganglion empfängt.
Siehl man nun, wie oben (§ 223) erörtert wurde, die beiden Schalen
aamMBi den bezttgKeheti ManteUanellen als dorsale und ventrale, so
Tverden die kleineD, dem Oesophagus aufjgelagerten Ganglien den Hini-
ganglien anderer MoHosken entsprechen, und ihre geringe Ausbildung
von dem Mangel höherer Sinnesorgane ableitbar sein.
§ 2^9.
Bedeutende Ueberetnstimmungen bietet das Nervensystem der
beeren Mollusken, indem bei Allen ein Schlundring vorhanden ist, der
seine mannichfaltigen Modificationan tbeils au& Difforenzirungen , theils
aus Bückbildungen ableiten lasst.
Die relaliv geriage Entwickelung der oberen SchlundgangKen ist bei
den Laroetlibranchiaten aus dem Mangel eines mit Sinnesorganen
irersebenen Kopfea abzuleiten. Die oberen meist dicht über der Mund-
ilfinung geiegßnen Ganglien (Fig. 4 64. a) treten häufig so zur Seile,
daas zwischen ihnen eine längere Conunissur besteht (Lucina, Pano-
paea, Anodeota, Unio, Mytilus^ Area, Cardium, Pholas u. a.). Diese
obern ScbtundgangUen geben ausser ansehnlichen nach hinten ver-
laufenden Verbindungsstrüngen zu einem dem Eingewetdenervensystem
angehiMigen Ganglion nur einige klei-
nere Zweige ab. Die unteren Schlund-
ganglien haben den Verbreitungsbezirk
ihrer Nerven im venflralen Theile des
iUrpers besonders im Fusse, daher sie
als Fussganglien (ganglia pedalia) be-«-
aMchnet werden. Sie lagern an der
Wurzel des Fusses zuweilen auch tiefor
in ihn eingebettet. Je nach der Ent-
wickelung des Fusses und der Entfer-
mmg desselben vom vorderen Theile
des Körpers sind die Commissurstränge
von verschiedener Lttnge. Bei wenig
ausgßbildetem Fusse, oder wenn der-
selbe sehr weit nach vorne gerUckt ist,
ktenen obere und untere Schlundgan-
gjien einander beträchtücli genöhert sein
^Solen, Mactra). Sogar eine Aneinan-
Hg. 4Sf. Nervensystem yod Lamellibranchiaten. A von Teredo, B von
Anod»»la, C von Pecten. a Obere Schlundganglien (GehirngangHen). 6 Un-
tere SehittadgaAslieo (Fussiaaglien). c Kiemen* oder EtogeweidegaagUeo.
358 Mollusken.
derlageruDg kann staltfioden, wie dies bei Peclen sieb trifft (Fig.
161. Cj, wo die durcb eine weilgespaoote Bogeneomniissur verbundenen
oberen Ganglien (a) die kleineren Fussganglien (b) zwischen sich nebmen.
Die voluminöse Ausbildung der Fussganglien hängt von der Entwicke-
lung des Fusses ab. Sie sind in der Regel, ohne ihre Selbständi^eii
aufzugeben, innig mit einander verbunden. Die peripherischen Nerven
der oberen Schlund- oder Gehirnganglien haben ihre vorzdgiiche Ver^
breitung in den dem Munde zunäch3t. gelegenen Körpertheileo und
senden auch Aeste zum Mantel. Bei einigen erscheinen diese Mantel—
nerven (Fig. 164. /') als zwei starke Stämme, die dann anS Rande des
Mantels mit anderen, dem Eingeweidenervensystem angehörigen Acsten
sich verbindend entweder einen einfachen stärkeren Randnorven, oder
ein förmliches Nervengeflechte darstellen helfen.
§ 250.
Die Ausbildung eines Kopfes und die Entfaltung von mehrfachen
oft sehr hoch differenzirtcn Sinnesorganen in demselben lässt das Nerven—
System der Cephalophoren von jenem der vorigen Abtheiiungen
vorzüglich durch die grössere Ausbildung der Gehirnganglien ausge—
zeichnet erscheinen. Es besteht nicht allein eine grössere Anzahl ein-
zelner Ganglienpartieen , sondern auch eine innigere Verbindung der
Ganglien unter einander, wodurch ein höherer Gentralisationsgrad aus-
gedrückt ist. Ein Fehlen der oberen Schlundganglien oder vielmehr
eine Vereinigung derselben mit den anderen unterhalb des Schlundes,
so dass nur eine einfache Gommissurschlinge über den Oesophagus hin-
weg läuft, ergibt sich bei den schalentragenden Pteropoden und erin-
nert an die bei Lamellibranchiaten gesehene Bildung. Doch dürfte
hierin mehr^ eine mit der aus dem Fusse hervorgehenden Flossen—
bildung zusammenhängende Bückbildung zu erkennen sein. Von den
Ganglien massen gehen starke Nerven tfaeils zu den Flossen, theils seit-
lich an den Mantel, sowie auch einige weniger bedeutende Fäden rück-
wärts an die Eingeweide zu verlaufen scheinen.
Eine andere aus der typischen Form ableitbare Bildung spricht
sich in der Trennung der unteren Ganglien aus, zwischen denen eine
verschieden lange Commissur sich entwickelt. Wenn nun in dem-
selben Maasse die seitlichen Gommissuren Verkürzt werden, so nähern
sich die Fussganglien den Gehirnganglien und können endlich ihnen
dicht angelagert sein. Dieses Verhalten ist bei sehr vielen Opistho—
branchiatcn ausgesprochen, doch kann auch hier eine Annäherung der
Fussganglien unter sich und an die oberen Ganglien stattfinden, so dass
der Schlundring, mit Zurücktreten der Commissurstränge , aus einer
zusammenhängenden Ganglienmasse gebildet wird (z. B. Doridopsis).
Die einzelnen Ganglien, vornehmlich die oberen, sind immer in
mehrfache aus ilaufen von Ganglienzellen gebildete Gruppen gesondert,
NervcDvyaleni. 3S9
von deDflD bestimmle Nerven hervorgehen, so dass sie nach dem
fuDctionelleD Wenhe der lelsleren bestimmt werden kOanen. So gehen
ans dem tnedialen Gai^lienpaare unter
aadern die TentakeJnerveu hervor, und p^ ^g,
mu) hat es, um so mehr als es auch
durch Grdsse sieb ausseiebnet, als Hirn-
ganglioD benannt. Ein hinter diesem ge-
legenes Ganglienpaar sendet Nerven lu
dmi Kiemen oder lU Visceral ganglien, und
wird als Kieraenganglion der obern Schlund-
nervenmasse unterschieden. Dieser Ab-
schnitt ist besonders bei den Opistho-
braodtiaten entwickelt, und soll das
Kiemenganglion vorslellen , welches bei
den anderen Gepbalophoren wie bei den
Lamellibranchiaien nur durch lange Coinmissuren mit den oberen
Schlundganglien in Verbindung siebt. Während die Fussganglien in
d«o oben erwähnten Abtheilungen zu den oberen Ganglien empor-
rUcken, bleiben sie bei andern einander genähert, so bei den meisten
Prosobranchiaten und bei den Pulmonaten. Ihre Beziehung zum Fussc
geben ue durch ihre Lagerung bei den Heleropoden zu erkennen, in-
dem sie hier, durch lange Gommissuren mit den Gefaimganglien im
Zusammenhange, an die Basis der Flosse gerückt sind. Die beide
Pussganglien vereinigende Quercommissur [Fig. 1 ü2. e) , welche den
Scblundring ventral abscbliesst, kann bei dem Aneinanderrücken der
beiden Fussganglien sich vor viel fältigen, oder es besteht zwischen den
Kiemenganglien eine besondere den Oesophagus umgreifende Coni-
uissur, wie s. B. i>ei Aeolidiem (Fig. 162. e').
Von den peripherischen Nerven nehmen die lUr die Sinnesorgane
aus den oberen Sdilundgnngtien ihren Ursprung. Ansehnliche Stamm-
eben treten zu den Kepflenlakeln , in denen sie in der Regel eine
Gangltenbildung eingehen. Aucfa^ fUr Seh- und Hdrorgane treten
Nerveo ab. Die nnleren Scblundganglien versorgen den Fuss, der
bei vollständiger Ansbildnng zwei starke Stamme cmpläogt. Ausser-
dem gehen noch Zweige an andere Theile dos Uautmuskelscblauchs.
§ 251.
Im Anschlüsse an die bei den Cophalopfaoren gegebenen Verbslt-
niase steht das Nervensystem der Cepbalopoden. Die centralen Appa-
Fig. tSl. Centrates Nervensysleoa einer Aeolidie (Fiona allsnlica). J Obere
Seblttnds*nglt«nii>*Me, bub den vorderen oder Cerebral- und hlaleren oder söge-
oanntCD Bnncblal-Ganglien bestehend. B Fussganglivi. C DuccalgaDglien. D Ga-
ütro-Mopbagealgsnglien. a Nerv lu den oberen (hlnlcrenj Tentakeln, b Nerv lu
den nniereo Tentakeln, e Nerv in den GeschlecliUoi^enco. d Fassnerven.
« ComtnlsHDr der Kassganglien. «', Comtnlssur der Brancbialganglien. {Nach
R. BEBttU.,
3G0 Hollualutn.
rat« bilden hier einen Schlundring mit so kurzen Comniissnreii , dass
die gan^ioQären Partieen sich dicht aneinander drängen. Die Gesamml-
masse des Scfalundringes wird sum grBsslen Tbeit von der kDorpelipBB
Schadeikapsct aufgenomnion, so dass nnr der vonlere und untere Tbeil
davon unbedeckt bleibt und stall dessen eine besondere Hembno fris
Hülle besitzt. Dieser Verschluss ist unvoItatUndig bei den TeUv-
branchiaten , vollsUindig bei den Dibranchialen , bei Aattn die vom
S<^lundringe eoUspiingenden Nci-ven durch Löcher im Knorpet ihren
Auslrill nehmen. Weiter ist der Ring bei Nautilus, eng^ lusanwien-
gertlckl sind seine einzelnen Theile bei den Dibranchialen.
Die obere Partie des Schlundringes isl die minder betrUchlKche.
Sie wird entweder durch ein quer liegendes Doppelganglion dargesteHt
(Nautilus, Fig. 163. a. a}, oder durch mehrer«
(lg. 163. kleine, hinter einander liegende GanglieBwaatn
(Octopoden). Bei den Decap«den sind diese
mehr concentrirt, so dass sie fast wie eine ein-
zige Hasse erscheinen. Diese setzt sich, anr
eine kleine zum Durcbtritl der Speiserdlire
dienende OefTnung umfaseend, seillicb in die
untere, beträchtlich grossere iort, an welefeer
immer mehrere symmetrische GaagKenparticen,
mehr oder minder innig mit einander verbun-
den sind und vielerlei Deutungen erfuhren.
Vier solche Ganglienmassen , jedersals m\
den oberen Ganglien zusammenh&ngcDd , sind
bei Nautilus vorhanden. Das vordere Paar [b]
entsendet Nerven zu den Tentakefat (f), soch
zu einem Ganglien-Paare [t] , welches ilen Lippen-
Icntakeln Zwe^c abgibt. DashintereGanglieopaar
gibt vielo Nerven (mj zu den grossen SchateiHDB»-
kein, ferner Verbindungen zu den EiBgeweM»-
ganglieo (lüemenganglien) . Coocentrirter er>-
scheinen diese zwei Paar Ganglien bei den Di-
bninchialon, bei denen zugleich die Verbmdung
n>it den oberen Ganglien so innig wird, dass alle zusamaaen fast eine
einzige Nenenmasso bilden. Die Scheidung der unteren in einen vor^
dem und einen hintern Absehnilt ist aber auch hier noch deuüidi,
wenn sie auch nicht mehr durch eioen Zwischenraum getrenDt sind.
Von dem hinteren Theile treten ausser Nerven zum Hastel uad den
zur Verbindung mit den Eingew eidegnngliün btslimmten Nerven, noch
ein Paar Stammchen nach der Seile zu zwei im lUanLel gelagerten G»d-
glien (G. slellataj, von welchen noch allen Seiten Nerven fUr den Hantel
Fii;. fSS. NcrvcosyNtem von Nnutilus pompilius. a Obere, b unUre
Gani^lion des SchlundriDHS, c hintere Ganglieo lUangl. slellets). d Ein^weMe-
ganglien. m Mantclncrven. tf Tentakel nerven. tNadi Owik.)
BingiveMenerven. 364
avsstraMen. SmuI werden diese bei den TelrftbraDebiateD fehknden
G«igKen ron der hinleren Parlie der «Dteren Schiunditervemiuefle er-
seilt. Die Armnerven entspringen gleich den Tentakelnerven von Nau-
tikss, sie sind nichl selten von ihrem Ursprünge an eine Strecke weit
vifoinlgt, und ISsen sidi erst dann divergirend ab. Auch die HOr-
nerven geben von den mileren Ganglien ab, die Sehnerven dagegen
nebflseii von den Gebimganglien ihren Ursprung und jeder bildet dicht
bimer dem Ange ein ansebnliches Ganglion.
Pllr eine genaue Vergidchung der Centralorgane der Gepbalöpoden
mü jenen der Gef»hal<^>boren fehlen bis jetzt noch feste Anhaltepuncte,
und es isi nur als wahrsebeinlich anzuführen, dass die bei den ersteren
norbandene reicUiehere Entwickelung der ventralen Ganglien dem
primitiven Zustande nttier steht, so dass nicht blos die von den Tetra-
bianchialen auf die Mbrsnefaiaten sich fortsetzende Erscheinung der
Gfiiiiralisinnig der unteren Schlundganglienmassen, sondern auch noch
eine das ¥olum betrsffisnde Reduction dem bei Ccphalopboren bestehen-
den Verhaken jener Ganglien zu Grunde liegt.
BiBgeweidenerven.
§ 858.
Die um den Schlund gpruppirten GangUenmassen und die davon
ausgdienden Nerven bilden ein Körpernervensystem, mit dem sich
ein die Eingeweide versorgendes^ besondere Ganglien besüsendes Ein-
geweidenervensystem auf ähnliche Weise wie be^ den WUrmem
und Arthropoden verbindet.
In ausgesprodiener Weise tritt es in den höheren Classen anf und
bsst die schon bei den niedem Typen aufgeftthrten aUgemeinen Ver-
batanisse wahrnehmen. Wie dort, ist auch hier ein zweifacher Abschnitt
vocbanden, nftmlich ein vorderer , dessen Verbreitungsbesirk sieb auf
die Mundorgane und den Anfangstheil des Darmcanals bensfarttuki;
dann ein hinterer , der den übrigen Th^l des Nafarungscanals, die
Aibmungs-, KreislauC- und auch Genitalorgane mit Nerven versoig^
Beide Absehnille können mit einander vorkommen ; doch ist der hintere
am meisten verbreitet. Beide haben ihre Wurzeln im Schlundringe>
esAweder in den oberen eder in den unteren Nervenmassen nnd sind
anf ihrem Verlaufe mit eigenen Ganglien ausgestattet.
Der vordere Absehnitt des Eingeweide -Nervensystems ist bei
den Lamellibranehiaten nur durch wenige Nerven&dcben vertreten.
Um so entwickelter ist der hintere Theil, dessen centrale Partie von
detn grtfssten GsngKon des gesammten Nervensystems dargestellt wird.
Es ist dies der dem hinteren Schliessmnskel angelagerte Nervenknoten
(Flg. I6f. c, Fig. 464. c], welcher durch lange Commissuren mit den
Gehirnganglien in Verbindung steht. Dieser Umstand, sowie die be*
ti^chllichc Grösse des Ganglions hat manche Anatomen veranlasst, es
dem aniroalen Systeme einzureihen, wührend doch gerade die besagte
Verbindung, sowie seine Lage
Fig. 164. es als Homolt^on eines bei den
M. t Cephalophoren unzweifelhaft
dem LiDgeweidenervensystem
ingehungen Ganglions erschei-
nen lässt Das Ueberwiegen
an Grösse über die anderen
Ganglien kann hierbei nur eiD
unwesenlUchcr Umstand sein,
welcher der belrSchthchen
Enlwickelung der lu ver-
sorgenden Theile parallel läuft
Han vermag an diesem Gaa—
gtion zwei durch kurze Com—
missuren verbundene Hälften
zu erkennen, die sich ver~
schieden nahe rücken und zu-
letzt einen einfachen vier-
eckigen Knoten vorstellen, je
nachdem die beiderseitigen Kiemen dieser Tbierc frei oder mit einan-
der verwachsen sind. Schon aus diesem Umstände geht die Beziehung
dieses Ganglions zu den Kiemen hervor; noch deutlicher wird sie
duix^ die starken, aus Jenen hervortretenden und die Kiemen versoi^en-
den Nervensiammc. Diese Verhültnisso begründen seine Bezeichnung als
Ganglion branchiale. Ausser Zweigen zu den benachbarten Partieen
des Mantels gibt es noch zwei starke Nerven ab, die bei vielen
Lamellibranchialen an den Hantelrand verlaufen und dort entweder
mit den von den Gehimganglien entgegenkommenden Nerven ver-
schmelzen oder in eine längs des ganzen Manlelrandes verbreitete
Plexusbildung übergehen.
Bei vorhandener Siphonenbildung treten von dem besagten Gan-
glion starke Nerven ab und verzweigen sich nicht nur auf der ganzen
Lange der AthmungsrOhren, sondern gehen auch noch eine besondere,
an der Basis der Siphonen gelegene Ganglienbitdung ein (Fig. 164. d].
Solche Siphon alganglien finden sich bei Solen, Hacira, Hya, Lutraria,
Cytherea u. a. Bezüglich der vom Branchialganglion tu den äusseren
Oi^anon gehenden Nerven ist nur wenig bekannt. Dei^loichen sind
beobachtet bei Pinna, Anomia, sowie bei Area und Solen, wo sie
Kig. löt. Nervensystem von Cylherea Chione. a Obere Schlund- (Ge-
birn-) Ganglien, b Fussganglien. c- Eingeweide- oder FussganglioD. d Gaagtlen
der Alliem rühren (SiphonalgangUen',. ma Vurdercr, mp hinterer ScIiUessmusltcl der
Sclislc. p Fuss. l Mauleirniid. 1' Mantuliaiidnerv. br kicme. i Uurnional.
A Leber, r Eoddaroi. tr Alhemsipho. ta Ctoakenslpho. (Nach HavuNoi.)
E i Dgawetdener ven . 3 g3
entweder vom Ganglion sdbst oder von dessen Coniniissurstrangeo
faervorgdiflii.
§ 253.
Nil der EntwidieluDf; des Kopftheiics und oomplicirter HuDdorgane
IhU bei den Cephalophoren der vordere Abschnitt des Eingeweide-
Dervensystoms in Belba(äDdiRer Ausbildung hervor. Nur hei den
KbalenUagenden Pteropoden scheint er ruditnentHr sn sein. Sonst wird
er aus einem oder mehreren Paaren von Ganglien gebildet, die dem
Schlundkopf aufgelagert, mit dein oberen Ganglion des Schlundrings
in Zusammenhang stehen. Diese Bnccalganglien (Fig. 468. c) sind in
der Regel durch eine ventrale Commissur vereinigt und kttnnen auch
IQ ein Einsiges zusammenOiessen, oder durch mehrfache vertreten sein.
Die von ihnen entspringenden Nerven versorgen die Hundorgane, Irelen
Fig. ItS. Nerveasyslem voo Hallolis. Das Thier ist nach EnlferoeD der
Schale vom Rücken geitttael. t Tentakel, o Aagcii. br Kieme, p Penis, r Aus-
miinduDg der Niere, a After, ov GeschlechlsOFTnunR. p Epipüdiam. m Haolel-
riQd. pf Obere Schiundgaaglien. gi Untere Schlundginglien. c Schlundriagconi-
niwnraa. gbr gbr" KiemengaDKlioD. gc GanKlioo anale. (Nacb Licaii-Dutui»!.)
364 Mollusken.
VOR i\fk auch auf den Oesophagus, bei den Pulnoonaien sogar bis zum
Magen. Aehnliches findet sich auch bei Opisthobrancbiaien (x. B.
bei Doris) vor. —
Der hintere Abschnitt des Eingeweidehervensystems weist gleich-
falls mehrere Ganglien auf. Bei den Abranchiaten wird er durch
feinere Nervengeflechfe gebildet, welche am Darmeanal verbreitet sind.
Bei den meisten Qbrfgen Cephalopfaoren Kegt em, zuweilen auoh ver-
schmolzenes GapgKenpaar an der Basis der Kiemen und versorgt diese,
sowie auch die Eingeweide mit Nervenzweigen. Dieses Ganglion zeigt
sich besonders da, wo es dur^ Commissuren mit den obere» Schlund—
ganglien in Zusammenhang steht, z. B. bei Aplysia, als das Homologon
des Branchialganglions der Muschel thiere. Wo es in zwei Ganglien
(Fig. 165. br br') aufgelöst ist, sind diese unler einander in Verbindung
und können an der Gommissur noch ein drittes verschiedene Organe ver~
sorgendes Ganglion (Fig. f65. yc) besitzen, wie bei Haliotis, oder es
schliessen sich noch mehrere Ganglien daran. Die Verbindung dieser
Ganglien mit dem Schlundringe wird dann gewöhnlich von Nerven
besorgt, die einem Pftmie der unteren Ganglien entspringen. Bei Cyclo—
Stoma gehen sie aus ungleichen Anschwellungen der seitlichen Com-
missuren des Schlundrings hervor. Der rechte Nerv verläuft nach der
linken Seite, und der linke nach rechts, so dass sie unterwegs sich
kreuzen. Dieser Verlauf, sowie die ganze Asymmetrie der Anordnung
dieses Nervensystemabschnittes steht mit der asymmetrischen Lagerung
der Kiemen sowohl, wie auch des Herzens im Zusammenhang, ist
al^o eine secundäre Anpassung.
§ 254.
Unter den Cephalopoden scheint den Tetrabranchiaten der vordere
Abschnitt des Eingeweidenervensystems als gesonderter Theil zu fehlen,
indem die betreffenden Nerven direct aus der Ganglienmasse des
Schlundrings hervorkommen. Der hintere, ebenso mächtig entwickelte
Abschnitt entspringt mit anein oder zwei starken Stämmen von der
hinteren Peripherie der unteren Schlundringmasse. Die Stämme bilden in
der Nähe des Herzens ein Ganglion, welches zwei starke Zweige an die
Kiemenherzen sendet und dort wiederum eine Ganglienbildung ein-
gehen lässt. Ein hieraus entspringendes Nervenstämmcfaen mainil
unter reichen Verzweigungen längs der Kiemenarterie seinen Verlauf.
Bei den Dibranchiaten wird der vordere Abschnitt aus einem oder
zwei oft ansehnlichen Buccalgnnglien gebildet, die entweder didit der
oberen Nervenmasse anlagern (Octopoden), oder entfernter davon dem
Pharynx aufliegen und durch Nervenstränge mit der oberen Nerven—
masse verbunden sind (Loliginen). Häufig steht damit durch seilliche
Gommtssoren noch ein unteres, aber ziemlich grosses Ganglion in Ver-
bindung, welches auch mit der unteren Nervenmasse des Sohiundrings
ooiniDmHcii*i. Von allen diesen Ganglien gehen leine Zweige an die
benachbarten Mundibeile, und ein starker, ioi unteren Bnocalkiwlen
wurzelnder Nerv lauft (bei Omma8ti<ephes) in iwei parallele Sittromehen
gespalten längs des Oesophagus znm Magen, um hier ein aaaehnliehes
Ganglion darzustellen, welches auch noch mit der hinleren Akthetlung
des sympathischen Systems in Verbindung steht. Die hiervon ans*
strahlenden Nerven verlaufen zu Magen, Blinddarm und Leber.
Die hintere Abtheilung des Eingeweidenervenaystens wurzelt im
hinteren Theil der unteren Ganglienmasse des Schlundrings, und sohickt
ausser klemen Fäden zwei stärkere längs des grossen Venenatammes
herab. Diese vereinigen sich entweder hier in ein GanglioBi aus dem
neben Verbindungen zum Magenganglion Nerven für die Kiemen ab-
gehen, oder die letzteren gehen unmittelbar aus den Haleren Schlund*-
ganglien hervor und treten an der Kiemenbasis in den Kiemengaoglien
anderer Mollusken homologe Gailglien über (Fig. 465. d dj j deren
Nerven längs der Kiemen verzweigt sind.
Sinneaorgane.
Tast- und Riechorgane.
§ 255.
In dem Verhalten der Sinnesorgane acUieaaen sioh die Mollusken
eage an die Würmer an. Den Gefühlssinn UneffiNi wir überall , wo
nicht Hartgebilde bestehen, an der Körperoberfläohe verbreitet, und als
anatomische Vorrichtungen trifft man an verschiedenen Körperstellen
in verschiedener Vertheilung feine, borslenartige Verläag^rungen von
Zellen, die wenigstens theilweise im Zusammenhange mit Nerveu erkannt
sind. Diese Gebilde finden sich am bestandigsten an specäeil als
Tastorgane fungirenden KOrpertheilen , die meist von ansehnliehen
Nerven versorgt, als Fortsätze des Inlegamentes , Tentakel, sich
darsteilen.
Die in einer Doppelreihe die Arme der Brachiopoden besetzenden
Padchen dürfen vielleicht hieher gezählt werden. In grosser Ver-
breitung bietet auch der Mantelrand der LameUibraachiaten , bald in
seinem ganzen Umfange, oft in mehreren Rettien angebracht (z. B. bei
Mactra, Lima, Pecten u. a.) , bald nur auf gewisse Stellen beschränkt
solche Tentakelbildungen, die auch nicht selten an den Siphonen vor-
banden sind, und in beiden Fällen zur Controlirung der mit dem
Wasser in die Mantelhöhle gelangenden Theile verwendet werden. Diese
Gebilde zeigen eine beträchtliche Conlraclilität und erhalten Fädchen
vom Randnerven des Mantels.
Auch die Fortsatzbildungen am Mantelrande vieler Cephalophoren,
sowie nicht minder die Girren am Rücken vieler Opistobrancbiaten
können als solche Organe thätig sein.
366 Mollusken.
Ob das bei den Muschellhieren den Mund seitlich beaeizende
Lappenpaar hierher gerechnet werden darf, ist zweifelhaft, dagegen
finden wir an den in fast regelmässiger Verbreitung hei den Gephalo—
phoren sich findenden Kopftentakeln jene Tastorgane in grösserer Menge
angebracht. Sehr häufig kommen ihnen noch besondere Differen—
zirungen an den die Endapparate tragenden Strecken zu.
Wenn es nicht sehr schwer ist, den vorhin aufgeführten Oiiganen
eine Function in der Wahrnehmung von Tasteindrucken zuzuschreiben,
so ist es fast unmöglich, eine Reihe anderer Organe physiologisch zu
bestimmen, die gleichfalls mit dem Integumente verbundene Sinnes-*
Organe sind. Es sind grösstentheils wimpertragende Stellen, zu denen
ein Nerv verläuft, der häufig dort Anschwellungen bildet. Welche
Qualität des umgebenden Mediums auf diese Organe erregend wirkt,
ist unsicher, und es geschieht hur auf eine sehr entfernte Analogie
hin, wenn man sie als Riechorgane auffasst.
An die Nähe der Athmungsorgane sind sie bei den Gephalophoren
gebunden, wo ich sie bei Heteropoden und Pteropoden in allgemeiner
Verbreitung auffand. Bei den nackten Gattungen dieser Abtheiiungen
Hegt oberflächlich, dicht an den Riemen ein solches Wimperorgan,
welches bei Pneumodermon radförmig gestaltet ist. Die schalentragen—
den besitzen es in der Mantelhöhle. Bei den Pteropoden lagert es als
eine quere Leiste an dem Theile der Mantelhöhlenspalte, durch welchen
das Wasser seinen Weg zu den Kiemen nimmt.
Bei den Opisthobranchiaten soll das hintere Tentakelpaar die Rolle
eines Riechorganes spielen und besitzt dieser Function gemässe Umge-
staltungen höchst variabler Art, wobei eine Oberflächenvergrösserung
durch Leisten und mannichfache andere Vorrichtungen erkennbar wird«
Ein Wimperbesatz scheint nie zu fehlen. Wenn man beachtet, dass
hier die Athmung grösstentheils in Organen vollzogen wird, die dem
Rücken des Thieres entspringen, so erscheint die Beziehung der als
Riechorgane fungircnden Tentakel ähnlich wie jene der vorerwähnten
Apparate, und damit mag auch die zuweilen weit nach hinten ge-
rückte Stellung dieser Tentakel in Zusammenhang stehen.
Die Cephalopoden zeigen Riechorgane in bestimmterer Form. Es
sind zwei hinter den Augen liegende Grübchen oder auch flach stehende
Papillen, welche mit Wimperhaaren überkleidet sind. Zwischen den
wimpertragenden Zellen treten die Fortsätze der tiefer gelegenen Riech—
Zellen empor. Ein neben dem Sehnerven entspringender Nerv ver-
sorgt sie.
Sehorgane.
§ 256.
Sehorgane kommen allen freierer Bewegung sich erfreuenden Ab-
theilungen der Mollusken zu. Sie sind dagegen, wie auch sonst^ bei
Sehorgane. 867
den festsitzenden Formen rückgebildet /j wenn sie auch wahrend des
Larvenlebens vorhanden waren. Id diesem Falle finden sich Brachio--
poden , , deren Larvenform in einem dem Nervencenlrum aufgelagerten
PigmentOeckenpaar Andeutungen von Augen besitzt.
Solche dem Nervencentrum angelagerte und dem Kopfe zugetlieille
Gebilde sind bei den Lamellibranchiaten gleichfalls nur im Larvenzu-
Stande beobachtet, sogar mit einem lichtbrechenden Körper versehen,
und erliegen später der Rückbildung.
Anders verhalt es sich mit den Organen, die meist in hoher Aus-
bildung am Mantelrande vieler Blattkiemer sitzen, und von besonderen
Augenstielen getragen werden (Area, Pectunculus, Tellina, Pinna u. a.)
und bei manchen (Pecten, Spondylus) durch ihren von einem im Augen-
grunde gelegenen Tapetum herrührenden smaragdgrünen Farbenglanz
schon den alteren Forschem aufgefallen waren. Obgleich in dem Baue
dieser Augen manches Eigenthümliche besteht, so stimmen sie doch
im Wesentlichen mit den Sehorganen anderer Mollusken überein. Die
Nerven empfangen sie von den am Mantelrande verlaufenden Stammchen.
In der Ausbildung dieser Organe herrschen manche Verschiedenheiten,
und zuweilen werden sie durch blosse Pigmentflecke vertreten. Diese Ein-
richtung muss von dem bereits früher hervorgehobenen Gesichtspuncte
aus beurtheilt werden, nach welchem Differenzirungen von Sinnesorganen
aus einfachen Nervenendigungen an jeder Stelle des Integumentes
ni^lich sind, so dass diese Augen des Mantelrandes nur functionell
den sonst am Kopfe liegenden Sehorganen vergleichbar sind und mor-
phologisch eigenartige, wie ahnliche Organe bei den Würmern, aus An-
passung entstandene Bildungen vorstellen.
Die Augen der Gephalophoren wie der Cephalopoden zeichnen
immer nur zu einem Paare vorhanden den Kopftheil des Thieres aus.
Sie werden bei den ersteren häufig durch blosse dem oberen Schlund-
ganglion aufgelagerte Flocke vertreten, und sind bei dem Verluste freier
Ortsbewegung verschwunden (Dentalium, Vermetus). Auch bei Chiton
fehlen sie, wie den meisten Pteropoden. In der einfachsten Form lagert
das Auge unter dem Integumente (z. B. bei vielen Opisthobranchiaten).
Bei anderen Ist es in den Hautmuskelschlauch eingebettet, und erhalt
damit eine oberflächliche Lagerung, wodurch zugleich die Bildung eines
langem Sehnerven bedingt wird. Die das Auge tragende Ktfrperstelle
findet sich dann in der Regel an der Tentakelbasis (Prosobranchiaten,
Süss wasserpul monaten) , die sich zu einem besonderen Augenstiele
(Ommatophor) umbilden kann. Oder es steht das Auge auf einem
vom Tentakel entspringenden Fortsatze (Strombus, Pterocera) , oder dieser
Portsatz ist vom Tentakel entfernt und damit selbständig geworden
(Landpulmonaten] . Durch den Augenstiel erhalt das Auge Beweglich-
keit, die bei den Hcteropoden dadurch gegeben ist, dass der Augen-
bulbus von einer weiten Kapsel umschlossen (Fig. 466. o) und durch
Muskeln an jene befestigt wird. Durch die Thatigkeit der letzteren
368 MolNiefceo.
vermag der BuIImis seine Stellung eu ändern. Die Gestalt des feulb«s
ist meist rundlich oder oval, sehr eigenihüfnlich bei den Heteropoden
(Flg. 466).
Der Bulbus besitzt eine dünne äussere UnUittllung, die nach vorne
in die vom Integumente gebildete Cornea (Pelluoida) übergeht.
An dem hinteren Unifenge
Fig. 466. des Bulbus lagert eine gun—
gliooartige Ansdiweltung fr}
des Sehnerven. Nadi innen
folgt die Netshaut mii den
EndapparaUen des Sehner-
ven , die in einer gegen 4efi
Bionenraum des Auges ge^
richteten Stäbcheoschiohte
angebracht, von der äussern
Netzhautschichte durch eine
Pigmentiage getrennt sind.
Eine dicht hinter der Cornea gelagerte und nach hinten von einer Glas—
körperschichte umgebene Linse (/) füllt den Binnenraum des Auges.
§ 257.
In engem Anschlüsse an das Auge der Gephalophoren findet sich
das Cephalopoden-Auge. Bei Nautilus bildet jeder von einer Art
Augenstiel getragene Bulbus eine seitliche Vorragung (s. oben Fig.
454. o) j die bei einigen Dibranchiaten angedeutet ist, wahrend der
Bulbus sonst von Fortsäl/zen des Kopfknorpels eine Stütze empfängt,
und wie in einer Orbitalhöhle lagert. Die Kapsel des Bulbus geht bei
Nautilus in den Augenstiel über, bei den Dibranchiaten legt sie skh
an die knorpelige Orbita an, und umschliesst daselbst eine Ganglien—
bildung des Sehnerven (Fig. 170. go) , die bei Nautilus durch eine
den Bulbus in weiterer Ausdehnung überkleidende Schichte vorge-
stellt wird. Vorne bildet die Augenkapsel einen dünnen als Cornea
bezeichneten Ueberzug (c), hinter welchen die lichtbi^echenden Medien
des Bulbus lagern. Diese Cornea fehlt bei Nautilus, bei dem auch
eine Linse vermisst wird. Die Augenkapsel setzt sich daher vorae
unmittelbar in eine mit dem Integumente des Augenstieles zosam-
menhüngende Membran fort, die eine pupillenartige ins Innere des
Bulbus fuhrende Oeffnung trägt.
Diese directe Communication des Binnenraums des Bulbus mit
dem umgebenden Medium ist bei den Dibranchiaten durch das Vor-
Fig. 466. Obere Schlundganglien and Sinnesorgane von P terotrachea.
gs Obere Schlundganglien ;Gchirn). c Commissuren. o Augenkapsel. / Linse.
ch PfgmeDtschichte (Chorioidea). r Ganglion-Atisbreltung des Sehnerven, a Hsr-
organ.
Sehorgane.
369
kommen einer Lmse (L) aufgehoben , da aber der durchscheinende
Theil der Augenkapsei bei nianchen [Loligopsis, Elisliotheutis etc.) ganz
fehlt oder von einer OelTnung durchbrochen ist [Sepia, Ixligo, Octopusj,
wird die vordere Flache des von der Kapsel umschlossenen BuHnis
noch von Wasser bespUlt. Dieser nach aussen communicirende Raum
setil sich nicht nur durch das Sehloch zur Linse fort, sondern dehnt
sich auch in verschiedenem Haasse um den Bulbus. Bei Vielen bildet
(las [ntegument nur im Umkreise der Cornea Falten, die als »Augen-
liden bald an bcschr<inkter Stelle vorkommen, bald im ganzen Um-
kreise sich erheben, und dann mit Schliessmuskeln ausgeslallet tu einem
Schutz Apparate des Auges werden.
Kig. 167.
Die Grundlage des Bulbus bildet eine knorpelige Kapsel [Fig.
167. k), welche in dem die Pupille um seh li essenden Abschnitt des
Bulbus als Irisknorpel (ik) auftritt. Ausserhalb dieses Au(;fnknoipels
lagert hinten das Sehnervenganglion, in dessen Umkreis ein bald sehr
weit nach vorne ragendes, bald )>eschrünktes wcisslicbes Organ [w]
Fig. IfiT. HorinmlalichniU durch das Auge von Sepia (Schema). ££ Kopf-
kaoi~pel. C Cornea. L IJnsc. ci CiliarkOrper der Linse. A Innere Schichte der
l^eUna. Be Aeussere Schichte der RelJna. P Pigmrntschichle der Retina, o Seh-
netv. go Sehnervengaoglion. Ar Augapfelhnorpel. ik Ihstinorpel. w Weisser
kürper ae Argenlea exlerua. (Nacli Hekiem.)
.Ot|*iita«r. Unsdii». 3(
:\T(i Mollusken.
sich findet. Darauf folgt eine LUngsfaserschichte von Muskeln, sowie
endlich eine bis zum Pupillenrande sich fortsetzende silberglänzende
Membran, welche als Argentea externa [ae) den Ueberzug des Bulbus
gegen den vorerwähnten Raum bildet. Nach innen von ihr li^t eine
zweite ähnliche Membran (Argentea interna). Am hinteren Umfange
der knorpeligen Kapsel {k) treten aus dem Ganglion {go) kommende
Nervenbündel durch mehrfache Oeffnungen des Knorpels zur Netz-
haut, welche nach innen von der Knorpelkapsel sich bis nahe an den
Rand eines die Linse tragenden Organes fortsetzt. Sie besteht im
Wesentlichen aus denselben Schichten wie die Retina der Gephalo-
phoren, indem sie eine innere [Ri] den percipirenden Apparat ent-
haltende, von einer äusseren [Re] durch eine Pigmentlage (P) geschie-
dene Schichte wahrnehmen lässt. Von der Muskelfaserschichte aus
setzt sich eine Bindegewebsiamelle nach innen zur Linse (L) fori,
welche sich am Rande der letzteren einsenkt und sie in zwei durchaus
getrennte Theile spaltet, einen vordem kleineren und einen hinteren
grösseren, beide zusammen einen ovalen Körper vorstellend, dessen
LUngsaxe der Augenaxe entspricht. Sowohl auf der vorderen als auf
der hinteren Flache jener Bindegewebsiamelle lagern epitheliale Ver-
dickungen, die zusammen ein am Rande der Linse in letztere umbiegen-
des Lamellensyslem vorstellen und als Ciliarkörper (c/) (Corpus epiliie-
liale nach Hensen) bezeichnet werden. Der Raum hinter der Linse
wird von einer Flüssigkeit ausgefüllt.
Hürorgane.
§ 258.
Die als Hörorgane bezeichneten Theile sind von den bei Würmern
bestehenden Bläschen ableitbar, in denen feste Goncretionen oder auch
krystallinische Gebilde (Otolithen) enthalten sind. Zu der Blilschen-
wand tritt der Nerv, der in den genauer untersuchten Fällen mit einem
Theile der die IlörbUischen auskleidenden Zellen in Verbindung steht.
Den Brachiopoden kommen nur im Larvenstande
Fi.u. 4 68. Ilörorgane zu, als zwei dem Nervencentrum angelagerte
Blüschen , die bei festsitzenden Thieren rückgebildet zu
sein scheinen.
Die Lamellibrnnchiaten besitzen die HOrbiHschen
dem Fussganglion angelagert. Das Innere des Hilischens
wird von einem Wimperepilhel (Fig. 468. e) ausge-
kleidet, und umschliesst einen kugeligen Otolithen (o\
Zuweilen rücken diese BUischen von den Ganglien ab, und sind nur
mit einem Nerven im Znsanunenhang (Flussmusrhein) oder sie liegen
Fig. t68. Hürorgan von Cyclas. -c Gehörkap^el. e Wiroper tragende Epi-
Ihelzellen. o Ololitb. (Nach Leydig.)
hörorgane. .^7^
liefer im Pusse (Gytbera). — Auch bei den Cephcilophoren liegen sie
bald in der NMhe der oberen Schlundganglien und dann sind sie mit
diesen durch einen kui*zen, den Hörnerven repräsentirenden Stiel ver-
bunden (Heteropoden, viele Opisthobranchialen] , bald finden sie sich
den unteren Schlundganglien benachbart, in welchen] Falle der gleichfalls
von den oberen Ganglien entspringende Hörnerv bedeutend verlängert
ist, und meist einen vom BUtschen her sich fortsetzenden Canal um-
schliesst (Prosobranchiaten, Pulmonaten).
Die Verhältnisse der Otolithen sind im Ganzen wechselnder als in
der vorigen Classe; bald sind sie zahlreich vorhanden, bald grösser und
dann in geringerer Zahl, bald endlich nur von einer einzigen, kugel-
runden, concentrisch geschichteten Concretion gebildet (Ileteropoden)
(Fig. 166. a). Eine Wimperauskleidung der Hörblase scheint regei-
müssig vorzukommen. Manchmal (Heteropoden) sind die Gilien durch
starre, nur au der Ursprungsstelle bewegliche Haare vertreten, die um
so mehr als Hörhaare bezeichnet werden dürfen, als mit den sie tragen-
den Zellen Nerven in Zusammenhang zu stehen scheinen. Sie können
<iann den Hörhaaren anderer Thiere functionell an die Seite gesetzt
werden, doch erübrigt noch der allgemeinere Nachweis des Zusammen-
hanges der Epithelzellen mit dem Nervenapparate, auf den übrigens
die Sonderung des Epithels in verschiedene Zellformen hinweist (Pul-
monaten).
In der Form der Hörwerkzeuge der Gephalopoden lässt sich eine
wesentliche Verschiedenheit von den Hörbläschen der andern Mollusken
insofern erkennen als die Bläschen aus Differenzirungen des Ectoderms
entstehen, und bei vielen auch später noch durch einen feinen Ganal
mit der Köiperoberfläche in Verbindung bleiben. Bei Nautilus liegen die
Ixnden Hörbläschen dem Kopfknoi*pel an. Bei den Dibranchiaten da-
gegen sind sie in den Knorpel selbst eingetreten , so dass sie auch
nach aussen von demselben umschlossen sind. Damit ist ein häutiges
und ein knorpeliges Labyrinth unterscheidbar, das zu den betreffen-
den Theilen der Vertebraten ein Analogen abgibt.
Die Form der Hörbläschen ist einfacher bei den Octopoden, durch
Ausbuchtungen und Vorsprünge bei den Decapoden complicirter.
Zugleich ist die Verbindung mit dem Knorpel inniger, während das
llörbläschen der Octopoden ziemlich lose in seiner Höhle liegt. Der
in einer wässerigen Flüssigkeit befindliche Otolith ist verschieden ge-
staltet, bald flach, bald rundlich, und kann in kleinere, nadeiförmige
Stucke zerfällt werden. Die Endigungen der Hörnerven unterscheidet
man an Verdickungstellen des Epithels als »Hörplatte« , an der
die Zellen haarförmige Fortsätze (ilörhaare) aussenden (Sepiaj , und
dann als eine meist gebogen verlaufende »Uörleistea , die ebenfalls
modificirtes Epithel trägt.
Wie die Genese dieser Organe sie in der Abtheilung der Mollusken
als selbständige Gebilde darstellt, so sind sie auch von jenen der
14*
372 Mollusken.
Verlebraton gllnzlich verschieden, da der Ilörnerv vorn unlern Schlund-
ganglion seinen Ursprung nimmt.
Exoretionsorgane.
§ 259.
Ausser den mancherlei bereits bei dem Integumente aufgeführten
Organen, welche der Excretion dienen, bestehen noch andere auf der
Oberflöche des Körpers mündende Organe, die eine viel wichtigere Rolle
spielen.
Diese typischen Exoretionsorgane der Mollusken sind
den unter den Würmern verbreitet getroffenen Organen
homolog, die dort als nierenartige bezeichnet werden,
und bei den Annulaten als Schleifencanäle erscheinen.
Wir ßnden sie bei den Mollusken mit einer äusseren Oeffnung be-
ginnen und auf kürzerem oder längerem Wege in die Leibeshöhle
ausmünden. Die innere Mündung ist meist durch besondere Vorrich-
tungen , am häufigsten, vielleicht allgemein, durch Wimperbesatz aus-
gezeichnet. Schon durch diese Vermittelung einer Gommunication der
Binnenräume des Körpers mit dem umgebenden Medium vermögen sie
der Wassereinfuhr in den Körper zu dienen, sowie sie auch sonst wie
ihre Homologa bei den Würmern noch anderen Verrichtungen vor-
stehen können. Zu diesen gehört die Beziehung zu den Geschlechts*
Organen , die bei einem Theile der Lamellibranchiaten noch nach-
weisbar ist, und auch bei den Cephalopoden die hypothetische Ansicht
begründet, dass die Ausführwege der Geschlechtsproducte aus solchen
Excretionsorganen entstanden, ihre Beziehung zur Excretion ist daher
keineswegs beständig. Wo die letztere ihnen zugetheilt ist, treffen
wir an den sonst einfacheren Canälen Umbildungen, besonders hin-
sichtlich der Wandungen, an denen ein ditlsiger Bau sich erkennen
lässt. In solchen Fällen können sie zufolge der chemischen Constitution
ihrer Producle als »Nieren« betrachtet werden. Die mikroskopische
Untersuchung weist dann immer Sccretionszellen nach, mit einem aus
granulären oder concentrisch geschichteten Goncrementen gebildeten
Inhalt, wie solche auch in den Harnausscheidungen anderer Thiergruppon
eine grosse Rolle spielen.
Am wenigsten modificirte Verhältnisse besitzen die Brachiopoden,
deren Organe entweder zu zwei Paaren oder nur in einem Paare vor-
handen sind. Im ersteren Falle [Rhynchonellaj gehören zwei Canälo
der sogenannten dorsalen , zwei der ventralen Hälfte an , woraus tu-
gleich wieder ein Grund zur Unterscheidung der letzteren in vordere
und hintere, entspringt. Die dorsalen fehlen bei Lingula und den Tere-
bratuliden. Die meist in der Nähe der Armbasis nach aussen geöff-
neten Ganäle münden nach bogenförmigem Verlaufe in die Leibeshöble
Eicretionsorgane. 373
mit einer durch radiale Fällungen ausgezeichneten irichterfbrmigen Er-
weiterung. Diese Mündung durchsetzt das Ileoparietalband und \%ird
dadurch gegen den Pericardialraum gerichtet. Das Ileoparietalband
steht damit zur inneren Mündung in einem mit einem Dissepimente
▼OD Würmern übereinstimmendem Verhalten (vergl. oben §. 136}.
Obgleich die Wandungen dieser Ganüle durch Vorsprünge, zotten-
artige Fortsätze oder Faltungen eine drüsige Besch«inV*nheit zu besitzen
scheinen, so ist bezüglich ihrer Function nur ihr Verhällniss zu den
Geschlechtsorganen bekannt, welche sie als Oviducte erscheinen l<lsst.
§ 860.
Bei den höheren Mollusken bietet das Excretionsorgan in allen
wesentlichen Beziehungen mit den Brachiopoden Uebereinstimmung ;
aber es erleidet zahlreichere Modificationen , so dass nur noch die
Verbindungen, die eine nach aussen, die andere nach
innen gegen den Pericardialsinus, also die beiden Enden
des ursprünglichen Canals, unverändert übrig bleiben,
indess der Canal selbst in Umfang und Wandungen mo-
dificirt ist. In der Function erscheint es am häufigsten von excre>
torischer Natur, und darf als Niere bezeichnet werden, wenn es auch
noch anderen Verrichtungen vorsteht.
Bei den Lamellibranchiaten ist es unter dem Namen des Bo-
janus 'sehen Organ es bekannt und liegt als eine stets paarige, zu-
weilen in der Mittellinie zu einer Masse verschmolzene Drüse an der
Rückseite des Körpers, der Kiemenbasis zunächst. Seine Substanz
wird von einem gelblich oder bräunlich geßfrbten schwammigen Gewebe
gebildet, dessen Maschenräume häufig zusammenfliessen und meist
einen grösseren centralen Hohlraum darstellen. Aus diesem führt
jederseits eine Oeffnung in den Herzbeutel, eine andere stellt den Aus-
führgang vor. Dieser liegt entweder in der Nähe der Geschlechtsöff-
nuog, oder ist mit der GeschlechtsöfTnung gemeinsam, oder es öfl'nen
sich die Geschlechtsorgane in das Bojanus'sche Organ, so dass die
Geschlechtsproducte durch letzteres nach aussen entteert werden (Pecten,
Lima, Spondylus). Vereinigte Ausführgänge besitzen Area und Pinna.
Getrennte Oeffnungen für Excretions- und Geschlechtsorgan zeigen
Cardium, Chama, Mactra, Pectunculus, Anodonta, Unio u. a. Die faltig
vorspringenden Wände oder das maschige Balkengewebe des Organes
besitzen einen dichten Beleg von Secretionszellen, welche die erwähn-
ten, bis jetzt freilich des charakteristischen Auswurfsstoffes der Harn-
säure in vielen Fällen entbehrende Goncremente abscheiden. Das sein
Inneres durchströmende Blut ist jenes, welches aus dem Eingeweide-
sacke, theilweise auch aus dem Mantel zurückgekehrt ist, um sich in
einen venösen Blutsinus an der Kiemenbasis zu sammeln.
374 Mollusken.
In grösserer Mannichfaltigkeil crschcinl das Excretionsorg^n bei den
Ccphalophorcn, Ein paariges, den Vorläufer der hieibenden Niere
bildendes Excretionsorgan besitzen die Landpulnionaten. Am ausge-
bildeten Tbiere ist das Organ fast stets unpaar, auf einer Seile vor-
handen, doch bleibt es bei Dentalium paarig, und verbindet damit
Einrichtungen, die an jene der Lamellibranchiaten erinnern. Die Rück-
bildung des einen Organs scheint mit Rückbildungen anderer poriger
Organe, z. B. der Kiemen, in Verbindung zu stehen. Soweit nähere
Untersuchungen vorliegen, mündet es mit einer Oelfnung in den Peri-
cardialsinus , mit einer andern nach aussen. Bei der Mehrzahl der
(lasteropoden ist in dem Organe Harnsäure nachgewiesen worden. Das
gilt besonders von den Pulmonaten, deren zwischen Herz und Lungen-
venen gelagerte Niere durch die meist weissliche oder gelbliche Färbung
sich leicht zu erkennen gibt. Sie besitzt einen blättrigen oder schwam-
nn'gen Bau und die sie zusammensetzenden Lamellen oder Balken tragen
einen Beleg von grossen Secretionszellen , in denen sich verschieden
geformte feste Concretionen bemerkbar machen.
Bei den Prosobranchiaten liegt die Niere zwischen Kieme und Herz,
eine ähnliche Lage besitzt sie bei einem Theile der Opisthobranchier.
Ein Ausführgang läuft in der Regel nach vorne und begleitet den
Enddarm, neben welchem er häufig nicht weil hinter der Analöffnung
ausmündet.
Bei manchen. Opislhobranchiaten (z. B. bei Polycera] scheint die
excretorische Bedeutung zurückzutreten, oder es findet eine Abschei-
dung in üüssiger Form statt. Die Niere erscheint hier (auch bei Phyl-
lirhoü, Aclaeon etc.) in Gestalt eines länglichen glashellen Schlauches,
der nahe am Rücken in der Mitte des Köi'pers gelegen, sich vom Herren
aus ziemlich weit nach hinten erstreckt, eine mit Wimpern besetzte
Ocfl'nung in den Pericardialsinus und eine andere, contractile, auf der
Oberüäche des Körpers besitzend. Ganz ähnliche Verhältnisse bieten auch
nackte Pteropodcn dar. Bei den schalentragenden Pteropoden, ebenso
wie bei den Heleropoden, theill die Niere, abgesehen von der Ueberein—
Stimmung ihrer beiden vorerwähnten Mündungen, mit jenen der Proso-
branchiaten die Eigenthümlichkeil eines spongiösen Baues. Unter don
Heleropoden ist sie bei Garinaiia mit einem deutlichen Belege von
Secretionszellen versehen, der bei den anderen durch eine heile Zellen—
schichte vertreten wird. Das Balkengerüste der Niere erscheint starr,
während es sowohl bei AlIanlaNals bei den Firolen conlractil ist, und
energische, Schluckbewegungen ähnliche Aclionen vollführt. Auch
unter den beschallen Pteropoden ist die Niere in dieser Richtung thätig,
z. B. bei Ghreseis (Fig. 169. r).
Da im Falle des Mangels concremenlhalligcr Secretionszellen die
drüsige Natur dieses Organs zweifelhaft ist, darf um so grösseres
(iewichl auf seine Beziehungen zur Einfuhr von Wasser gelegt werden,
die in diesen Fällen am bestimmtesten beobachtet ist. Die vom Organe
einem OelTnen und
nWeiierlrciben des
Eicrelionsprgane.
ausgefUbrt«D Bewegungen bestehen dann nichl nur
SchliesscQ des äusseren Osliums, sondern auch in eil
Rufgenommenen Wassers und Mischung
desselben mit dem aus dem Körper-
kreisläufe zu den Athmungsoi^anen
ruckkehrenden Blule , in dessen Strom-
gebiete das Organ immer seine Lage
hat. Wenn die Wasseraurnabme durch
das Ex(M%tioDsorgaD nur bei den en-
tführten Cephalopboren direct beob-
iichtet ward , so ist dadurch noch
nicht ausgeschlossen, dass sie bei den
uhrigen im Wasser lebenden Kiemen-
scbnecken nicht ebenfalls bestehe-
Nur bei den Landpulmonaten durfte
das Verhaltniss ein anderes sein, doch
besitzt die Niere auch hier ganz ahn-
licbe Beziehungen zum BlulL-anal-
syslem, da eine Entleerung von Blut-
flüssigkeit durch die Ausmtlndung der
>'iere erweisbar ist.
§ 261.
Die bedeutende Verschiedenheit
des specielleren Verhaltens des Es-
creüonsorganes der Ccphalophoron lasst
es nicht befremdend erscheinen, wenn
liasselbe Organ bei den Ccphalo-
poden wieder mit anderen Modifi-
catiooen auftritt. Bei allen Cephalo-
poden bestehen io den Eingeweidesack
eingeschlossene Sadie, welche in der
Hanleihtthle ausmünden. Da die Aus-
fUhrw^e der Gescblechlsproducte durch
die Verbindung ihres die Keimdrüsen umschtiessenden Abschnittes mit
der Leibesh&hle sich in Uebereinstiroroung mit E.Tcretiflnscanalen zeigen,
wird die Entstehung dieser Austubrwege aus ursprunglichen Excretions-
oi^anen wahrscheinlich, so dass dann den Ccphalopoden eine grossere
Kig. ISS. OrganiMlion von Cbreseis. pp Die Kopfflusscn (oidit voll-
ütdndig gcieicbnet). oe SpetwrOhre. v Hsgrn , mit Andeutung der nich innen
vontpHngenden Ksuleisl«D. r Enddarm, in die MantclhOhIo ausmündend. A Le-
ber, o Vrriiof. e Herakammer. re Niere, x Deren OeFTnung in den Pericardiai-
sinus. x" Oeffnung in die ManteibOhio. b Schildrttrmiges Wimperorgan In der
MaDtelhOhle. g Zwttlerdrüsc, g' Gemeinacbanilcber Ausführgang. g" Rulben-
lasche. m Hinteres Ende des Rüokiiehoiuskels des KOrpers.
376
Uolluskcn.
Anzahl dieser Organe zukommen mussU', von denen nur ein Theil in der
primitiven Bedeutung sich forterhioll. Von den letzleren linden sich vier
hei Nautilus, zwei bei den Dibranchialen , bei denen die HUndungstelle
zuweilen auf einem papitlen form igen Vorsprunge (Fig. 157. r) liegt. In
diese Säcke ragen die grossen
Fig. 170. Kiemengerdsssiamme ein,
wodurch die Wandungsver-
hällnisse sieb unregelmässig
gestalten. Die Wandungs-
liüchen dieser GerJsse mUssen
aber, soweit sie in die ^ckc
einrageu, als der Wand der
letzteren zugehörig betrach-
tet werden. An den Kic-
nienarterien bietet die Wand
jedes Sackes zahlreiche ins
Lumen der letzteren vor-
springende ramißcirtc An-
hange [vergl. Fig. 157. H,
Fig. 170. re], welche durch
blindgeendigte Ausbuch-
tungen des Gefässes, und
einen darauf liegenden DrUscnbeleg gebildet sind. Bei Nautilus sind
diese Anhünge der vier Kiemenvenen mit schlauchförmigen DrUsen
bekleidet, die in den betrelTenden Sack geöffnet sind. Wie die an
anderen in den Pericardialsinus ragenden Blutgefässen vorkoromendcD
Anhiingc aufzufassen sind , ist noch r^thselbaft. Da jener Sinus indess
mit der Mnnlelhöhte communicirt, stellen sie vielleicht ebenfalls excrc-
lorische Oi^'ine vor. Die Dibranchiaten lassen die Venenanhänge von etwas
anderen Baue erscheinen. Vorwiegend aus phosphorsaurem Kalk gebildete
Concremcntc sind als die Producte dieses Apparates zu betrachten, der
besonders bei den Sepien (Fig. (70) eine bedeutende Ausdehnung, auch
auf kleinere Wurzeln der Kiemenvenen, besitzt. In dieser Einrichtung
zeigt der Secretionsapparat Beziehungen zu dem zu den Kiemen Irelen-
dcn venösen Btutstrom und erscheint damit in derselben Weise wie das
Kxcretionsoi^n der Lamellibianchiaten und Cepbalophoren.
Weniger sicher ist eine innere Communication der die excrclo-
rischcn Venenanhange bergenden Säcke. Wahrend einige Autoren
Fig. 1T0. Circulalions- und Eicrolionsorgane von Sepia. 6 r Kiemen, c Ueri.
a Vurdcre K(trperar(«rie (Aorta), a' Hinlure KOrperarterie. v EmeilornngcD der
Kiemenvenen, Vorbote des Hcnens darstellend, i'' Kiemeiivene, an der Kieme
entlaiit; verlaufeDd. ve Vordere grosse Hohlvcne. rc' Die KiemenartcricD (Aesle
der Holilvcncn). t'c" Hiulere Hohlvcoeii. r« Schwammige Anhänge der Hoh1~
vencnüsle. x Ausstülpungen derselben. Die Pfeile deuten die Hicbtung des Dlat-
slromes an. (Nach J. Hintu.)
eioe solche mit dem Blutgefösssystem, speciell mit dem Pericardialsinus
suUiireo, wird diess von andern in Abrede gflslelU.
§. 262.
Die Mollusken haben nill den nicislon WUrmern und allen Arthro-
poden die vollständige Trennung der Wandung des Darmcanals von
der Ktirpcnvand gcmuin, so dass eine, ernilfarendc t'IUssigkeil führende
Lcibeshtfhlc Überall vorkommt, aber die Lagerungsverh.lltnisse des
Darmrohrs in dieser Lcibesböhle bieten abweichende Verhältnisse dar.
Der Darmcanfil durchzieht nicht mehr allgemein den Körper in geradem
Verlaufe, so dass das aborale Kdrpercndo zugleich das anale ist, son-
dern bildet meist Sehlingon oder bei Itlngerer Ausdehnung Windungen,
wobei sein Ende vom aboralen Körperendc entfernt liegt. Wenn wir
tinnehmen, dass eine synmietrisehc Anordnung auch fUr den Darm das
ui'sprUnglicbe Verhalten bietet, so dass also jene Lageveründeruiig der
AnalütTnung eine nach und nach erworbene ist, so muss dieses Ver-
hatten in einer sehr weit zurückliegenden Periode sieb getroffen haben,
da es auch ontogenetiseb nicht mehr besteht. Das Causalmoment
dieser LageverQnderung muss in der allgemein verbrei-
teten Gohäusebildung gesucht worden. Die Entfaltung des
dorsalen Mantels mit der Schale und die
Itei den Meisten asymmetrische Ausbildung Vi%. Ilt.
beider macht jenen Einfluss ebenso Ver- /f ^
sländlich, wie die Tbatsache, dass bei
symmetrischem Verhalten des Mantels und -
der Schale die Lagerung des Afters am
wenigsten modilicirt ist, wie auch immer
das Dartnrohr in seinem Verlaufe sich
verballen mag (Lamelliliranchiaten). Bei-
spiele, wo die Analoffnung des Körpers
der Mundaffoung genähert erscheint, bie-
ten die Gepbalopoden und Pten^odon
dar. {Vergi. Fig. M\. A B tr.)
Die Sonderung des Darmrohrs in ein—
»eine Abschnitte sowio mit diesen ver-
bundene Anbangsorgane schliesst sich vttDig an die besonders bei
Wflrmern bestehenden Einrichtungen an.
Fig. I7t. SchematiscIlC Dnrgluilung des VpriiHltcns des DamlI^ana1s A liei
Pteropodon und B bei Cephalopodcn. c Kopf mit den aus ModificBlinnen
des Koshs hervorgegangenen Flossen bei A und Ann«R bei B. p Trfciitor. br Xieroe.
tr Dimonal.
378
Mollusken.
Fig. 172.
Bei den Brachiopoden beginnt das Dannrohr mit der in der Manlel-
höhle zwischen den betdon Armen gelagerten MundölTnung, von wo es
als ein meist kurzer Canal in den erweiterten meist als Magen be-
zeichneten Milteldarni sich fortsetzt. In denselben (Fig. 472. r') mün-
den drüsige Organe ein. Der hieraus hervorgehende Enddarm verläuft
bei den Ecardines in eine zur rechten
Seite umbiegende Darmschlinge aus,
welche mit dem in der Mantelhöhle ge-
legenen After endet. Dieses letzte Darm—
stück ist bei dem Testicardines rückgebil-
det, und endet mit einem gegen die
ventrale Schalenklappe zu verlaufenden
Blindsack, von dem zuweilen noch ein
solider Strang, vielleicht als obliterirter
Darmrest fortgesetzt ist.
Als eine besondere Eigenthümlichkeit
ist die Befestigung des Darms zu erwähnen,
indem eine zur KOrperwand verlaufende
Lamelle, das Gastro -parietalband, von
dem Mitteldarm ausgeht, wodurch zu-
gleich eine Art von Scheidewand in der Leibeshöhle gebildet wird.
Ich möchte darin ein Dissepiment erkennen, welches auf die bereits
oben berührte Metamerenbildung hinweist. Eine andere Verbindung
betrifft den Enddarm, der jederseits durch eine andere Lamelle (Iteo-
parietalband) befestigt wird.
§ 263.
Der Darmcanal der Lamellibranchiaten bietet eine grössere
Gomplicirung vorzüglich durch bedeutendere Längenentfaltung.
Der Mund liegt als eine Qucrspalte zwischen dem Fusse und dem
vordem Schliessnmskel (Dimyarier) und wird von zwei paarigen nur
selten fehlenden gelappten Fortsätzen umfasst, die vielleicht zur Zu-
leitung der Nahrung dienen, wohl auch als Tastorgane fungiren können.
Für ersteres macht sie ihr Besatz mit Wimperhaaren besonders
geeignet.
Die Mundöffnung führt in ein kurzes Darmstück, die Speiseröhre,
die von dem nur als eine erweiterte Stelle erscheinenden Hagen kaum
unterschieden werden kann , so dass die Blattkiemcr wie durch die
rudimentäre Entwickelung eines Kopftheiles auch durch geringe Ent-
faltung des vordersten Abschnittes des Darmcanals charakterisirt werden.
Fig. 172. Sclicmalischcr Mediaiischnill eines Brachiopoden. d Dorsale, r vfo*
tralc Manleltamelle. tnh Mantelhöhle, s Stiel, n Oberes SchlundgangUon. v Maod-
Öffnung, V Magen.
Darmcnnal. 379
In diesen als Magen bezeichneten Mittcldarm- Abschnitt münden die
AusfUhrgüoge der Leber. Bei vielen Blattkiemem ist der Magen an
seinem Pyioruslheile durch eine blindsackartige, oft beträchtliche und
durch eine Klappe verschliessbare Ausstülpung ausgezeichnet. In den
Blindsackbildungen, oder, wo solche fehlen, im Darmcanale selbst, wird
hex Vielen ein eigenthümliches Gebilde getroffen, welches unter dem
Namen Kr ystall stiel bekannt und als eine von dem Darmepithelium
gebildete Absonderung zu betrachten ist. Der bei weitem den grtfssten
Abschnitt des gesammten Tractus bildende Enddarm tritt nach ein-
facher oder mehrfacher Windung gegen den Rücken des Thieres und
ist in der Regel von gleichem Durchmesser, doch auch zuweilen in
engere und weitere Strecken gesondert. Er ist dicht von anderen
Organen (Leber, Geschlechtsdrüsen) des Eingeweidesackes umlagert,
verläuft mit seinem Endstück unter dem Schlossrande der Schale zum
Hintertheile des Körpers und durchbohrt auf diesem Wege bei einer
grossen Anzahl von Blaltkiemern Herzbeutel und Herz, um dann hinter
dem hinteren Schliessmuskel auf einer verschie^len langen, frei in die
Mantclhöhle ragenden Papille am aboralen Körperende sich zu öffnen
^Fig. 464. r).
§ 264.
Bei den Cephalophoren wie Cephalopoden ist mit der Entwickeln ng
des Kopfes zugleich der vorderste Theil des Darmcanals bedeutend
differenzirt und wird als Schlundkopf bezeichnet. In ihm haben die
zur Aufnahme und Verkleinerung der Nahrung dienenden Apparate
ihre Lagerung und werden durch Muskeln in Bewegung gesetzt. Die
in diesen Organen vorhandenen chemisch dem Chitin nahe verwandten
llartgebilde sind säromtlich Abscheidungen von Zellen und damit den
CulicuIarbUdungen anzureihen. Dieser Apparate lassen sich dreierlei
in bald vereinigtem, bald getrenntem Vorkommen unterscheiden.
1) Senkrecht auf einander wirkende Kiefer werden bei den Cepha-
lophoren meist durch ein bogenförmiges, zierlich ausgeschweiftes, häufig
am Rande gezäbneltes Stück vorgestellt. Dieser unpaare, besonders bei
den pflanzenfressenden Landgasteropoden entwickelte Kiefer lagert der
oberen Schlundwand an und kann beim Fressen mehr oder minder
weit nach vorne bewegt werden. Ein unteres Stück fehlt. Dagegen
treffen wir beide bei den Cephalopoden als zwei starke, einem Pa-
pageischnabel vergleichbare, mit scharfen Riindern versehme Stücke
(Fig. 473. C), von denen das untere (m'j über das obere (m) hinweg-
greift. Beide Kiefer sind vorne an der Mundöffnung gelegen und werden
nur an ihrer Wurzel von den weichen Lippcnründern bedeckt.
2) Horizontal gegen einander gerichtete, seitlich an der Schlund-
wand angebrachte Kieferbildungen, bald nur plattenartig gestaltet, bald
mit scharfen Randern ausgestattet oder auch in Spitzen ausgezogen
und somit den Kiefern der Ring<?lw(irnier an die Seile zu slelleo,
haben ihre grSssUi Enlwickelung bei den lleischfressenden Opislho-
brunchiaten und bei den Prosobranchisicn. Indem beide Kiefer oben
einander sich nähern , können sie einen Uebergang zu der bei den
Lungenschnecken beziehenden unpaaren Kieferform vorstellen.
;f| Ein unpaares , von der unteren Wand des Schlundkopfes in
die Schlundhöblc ragendes Organ trägt eine Reibplatte (Radula). Ein
innerer Stutzapparat wird von Knorpelstücken (Fig. 473. B k] gebildet,
deren schon oben bei dem inneren Skelele gedacht worden ist. Auf
seiner Oberfläche liegt eine derbe Platte {A.rB.r]. auf der sich rück-
wärts gerichtete und in Querreihen angeordnete Zähnchen erheben.
Die Anordnung der Zähnchen oder Häkchen [Fig. ^^^. abcdj, ihre
l'orni und ihre Zahlen Verhältnisse sind ausserordentlich mannichfallig
und wechseln nicht allein nach den grosseren Abtheilungen, sondern
auch nach den Ordnungen, Familien, bis auf die Ai-ten herab, doch
so, dass die Verwandlächafts Verhältnisse auch in der Bildung dieser
Theile ausgesprochen sind. In der Hegel ist eine mediane Lüngsreihe
Kig. ITI. A Schlundkopf eines Gasl«ropoden iPlourobr enchus; ; senk-
rechter LätigsdurchschDlIl. B Quersclinill des Seh lundLopfes en <[cr in ,A durch
eine senkrechte Linie aii);edeiilcten Stelle, oe Oesophagus, i Lippe, r Reibplilt«-
k Knni'pcl, C Schiundknpf eines Cephalopudcn (Loiigo), scokrecbter ijiogs-
gchnilt. I .\rme. m Oberes, m' unteres üielerstUck. t Lippe. 7 Zunge, r Reib-
pUtl«. oe Oesophagus.
Darmcanal. 381
{(i) vorhanden, an welche seitlich symmelrische Zahnchen (bcd) sich
anschliessen. Das aus der Summe dieser Häkchen gebildete Organ fungirt
vorzüglich beim Einziehen der Nahrungssioffe. Es ragt bei Manchen
(Turbo, Patella] von der sackartig ausgedehnten, durch Ausstülpung der
Schlundwand gebildeten Scheide
umschlossen weit in die Leibes- Fig. 474.
höhle und kann sogar die Länge
des Körpers übertreffen. Bei den
Pleropoden ist die Reibplatte
wenig ausgebildet. Bei den Ga-
steropoden ist sie bald mehr in die
Breite, bald mehr in die Länge
gedehnt, und bei Heteropoden
zeigt sie insofern eine höhere Bil-
dungsstufe, als die äusseren der
in Querreihen angeordneten Häkchen nicht allein von beträchtlicher
Länge, sondern auch beweglich eingelenkt sind. Sie können so beim
llcrvorstrecken der Reihplatte, sich aufrichten, um beim Zurückziehen,
sich zangenartig zusammenschlagend, als Greiforganc zu wirken. Auch
bei den Cephalopoden wird die Reibplatte (Fig. n3. Cr) angetroffen.
Aus dem Schlundkopf erstreckt sich bei den Cephalophoren ein
meist langer Munddarm nach hinten und bildet an seinem ersten Ab-
schnitte eine Speiseröhre, und darauf einen weiteren Abschnitt, den
Magen, von welchem der Mitteldarm häufig in Form einer einfachen
Schlinge den Eingeweidesack durchsetzend , zu dem wenig scharf ab-
gesetzten Endstücke verläuft. Die AfteröBhung findet sich bei den
meisten Prosobranchiaten und Pulmonaten in der Mantelhöhle nahe an
den Aihmungsorganen , bei den Opisthobranchiaten entweder rechter-
Süits vorne am Körper oder auf der Mitte des Rtk^kens.
Als Modificationen bestehen Erweiterungen einzelner Abschnitte
der Speiseröhre und führen zur Bildung eines besonderen als Kropf
fungirenden Stückes. Dieser bildet entweder einen spindelförmigen
Abschnitt, (sehr lang bei den Heteropoden) den auch viele Proso-
branchiaten und Pulmonaten besitzen, oder er erscheint als eine ein-
seitige Ausbuchtung, die sich zu einem blindsackartigen Anhang aus«
bilden kann (Lymnaeus, Planorbis, Buccinum).
Modificationen ergeben sich nicht minder an dem an einen meist
erweiterten Abschnitt umgebildeten Mitteldarm , sowohl was seine Ge-
stalt betrifft, als auch hinsichtlich seiner Differenzirung in einzelne
Theile. Häufig sind es Abschnitte des Munddarms, die als »Magen«
Fig. 474. Eine Reihe Ztthnchen von der Reihplatte von Llttorina littorea.
o Mittlere, bed seitliche Zfihnchen.
382 Moltuskei).
bezeichnet werden. Wenig ausgezeichnet erscheint derselbe bei den
Pulmonaten. Bei andern kommt es zur Bildung eines Magenblind-
sackes, wobei dann Cardia und Pylorus einander sich nähern und
dieses ist die häufigere Form.
Durch Theilung kann der Magen in mehrere Abschnitte zerfallen.
So wird häufig Cardial - und Pylorusabschnitt durch eine in den Magen
vorspringende Längsfalte geschieden (bei Littorina), quere Einschnürun-
gen bilden hinter einander gelegene Magenabtheilungen. Diese Son-
derung entspricht sehr deutlich einer Theilung der Leistung, wie aus
der verschiedenartigen Beschaffenheit der Cuticularbildungen der ein-
zelnen Abschnitte hervorgeht. So besitzt Aplysia einen Abschnitt mit
pyramidal geformten SlUcken von knorpelartiger Härte besetzt, einen
anderen mit festen Ilornhäkchen ausgestattet. Solche Hakenbildungen
finden sich auch im einfachen Magen von Tritonia, ein breiter Gürtel
scharfeckiger Platten in jenem von Scyliaea, sowie feste Reibplatlen
auch im Magen der mit rudimentären Mundtheilen versehenen Ptero-
poden vorhanden sind.
Von Eigenthümlichkeiten des übrigen Darmrohrs ist eine dem End-
darm häufig zukommende Erweiteining anzuführen. Bedeutendere Mo-
dificalionen erleidet der ganze Darm bei den Aeolidiern, wo er in dem-
selben Maasse Rückbildungen erfiihrt, als die Leber in seine Function
überlritt und damit die bedeutende Verkürzung compensirt (siehe
darüber unten).
Mit der Analöllhung mancher Gasteropoden sind Drüsen verbun-
den, die zuweilen ziemlich ansehnlich (Murex, Purpura) in ihrer Be-
deutung aber noch nicht erkannt sind.
§ 266.
Bei den Cephalopoden geht aus dem Schlundkopf (Fig. 4 84. ph)
eine enge Speiseröhre hervor, die nach ihrem Durchtritt durch den
Kopfknorpel entweder gleichmässig zum Magen herabläuft (Loliginen),
oder auf ihrem Wege noch mit einer oft ansehnlichen kropfartigen Er-
weiterung versehen ist Nautilus, Octopoden). Der Magen ist (Fig.
175. r) oval oder rundlich, meist von beträchtlicher W^eite und be-
sonders bei Nautilus, aber auch bei Octopus, mit starken Muskel wän-
den versehen. Auf jeder der beiden Seiten findet sich eine radiär
verlaufende Muskelschichte, in deren Mitte eine besonders bei Nautilus
bemerkliche, sehnige Platte angebracht ist.
Der neben der Cardia gelegene Pylorus führt in den gleich an
seinem Beginne mit einer blinddarinarligen Ausstülpung versehenen
Milteldarm, der anfänglich auf seiner Innenfiäche gleichfalls noch Längs*
faltung zeigt und sich meist in geradem Verlaufe (wenig gewunden ist
er nur bei Nautilus und den Octopoden) nach vorne wendet (Fig. 175. i),
um im Anfange des Trichters sich nach aussen zu iißiien. Um die After-
AnhaDgsoriQinc itra DarmconflU.
um
Fig. ns.
Öffnung sind bei vielen Cephalopoden zwei bis drei Klappen oder doch
klappenäbniicbe VorsprUnge, durch entwickelle Huskulalur ausgezeich-
net, vorhanden.
Blindsackbildungen (Fig. n5. c] om Eteginnc
des Hilleldarnies zeigen sowohl in ihrer äusseren
Form, als auch in der BescbaOenheil der Innen-
fkicbe verschiedene Verballnisse. Der Blinddarm isl
enlneder rundlich (Nautilus, Rossia, J.oligopsis],
oder in die Länge gedehnt und dann oft spiralig
gewunden; so bei Sepia, Oclopus. Bei gi'Osserer
Lilnge kommen mehrere Spiral Windungen zu
Stande (Pig. 175. eej (Loligosagillala). Seinelnnen-
fktcbe zeigt bald blatterartig angeordnete Vor-
sprUnge [Nautilus) , oder auch circulürc, der
SpiraUorm folgende Fall«nbildungen. Zwei der
grässlen Falten nehmen die Ausfuhrgange der
Leber auf und sind gegen das Darmlumen zu be-
trächtlich ausgebildet, so dass sie einen klappen-
artigen Verschluss herstellen können. Bezüglich
dt^ Function dieses Blinddarmes isl wahrschein-
lich, dass er eine secrelorische Bolle spielt, wie
er denn such bei einigen, z. B. hei Loligo vul-
garis, der Palten entbehrend in seinen Wan-
dungen reichliche Drtlsen birgt.
Anbangaorsuie dea Darmoanala.
§267.
Von den mit dem Darmcanal verbundenen Drtlsen oi^nnen ßnden
sich Speicbeldrttsen nur bei Cephalophoren und Cephalopoden ver-
bratet, so dass ein Zusammenhang dieser Gebilde mit der Ausbildung
von Hundorganen erkannt werden kann. Sie sind liei den Cephalo-
phoren stets an beiden Seiten des Vorderdarms gelagert und münden
in den Pharynx aus. Nicht selten erscheinen sie als kurze Blindsrbtiluclii-
Pteropoden), die sogar in der Masse des Schlundkopfs verbonten sein
künnen (manche Opisthobranchiaten). In weiterer Entwickclung ver-
längert sich der AusfUhrgang, so dass der seceniirende Abschnitt weiter
nach hinten zu liegen kommt, und da bald dem Oesophagus, bald auch
dem Hagen angelagert ist. Die Drüsen bilden dann rundliche, läng-
liche, meist abgeplattete Schlauche (Pulmonaten, Prosobranchiat^n), die
Fig. 47S. Verdauungsapparat von Loligo aaKi'la'a- ob Sp^isei'OlirB. v Der
yagea, der LHngr nach getilTnet. x Eine duroh den Pylorua hindurclig^rührte
Sonde, c Aobng den Blinddarms, e t Spiralijier Theil de«3elt>«n. ■ Enddarm.
a Tinleobeutel. b EiomUndung des'4ell>en in das Kecluio. (Nach Hohe )
384 Mollusken.
sogar wieder in einzelne Abschnitte zerfallen können, oder auch als
ramificirte Organe erscheinen, wie die dem Magen aufliegenden Drüsen
von Pleurobranchus. Nicht selten finden sich auch doppelte Paare, von
denen entweder die AusführgJInge immer gelrennt erscheinen, oder
jene des hinteren Paares sich mit einander vereinigen. Auch bei nur
einem vorhandenen Paare ist oft die Verschmelzung in eine einzige
Masse zu beobachten, wobei die Duplicität durch die Ausführgänge be-
stimmt wird. Eine functionelle Differenzirung bieten die Speichel-
drüsen mancher Ctenobranchiaten (Dolium , Cassis , Gassidaria , Tri-
tonium), bei denen ein Abschnitt in seinem Secrete freie Schwefelsäure
erkennen liess. Aehnliches zeigen die vollständiger gesonderten Drüsen
einiger Opisthobranchiaten (Pleurobranchus, Doris).
Doppelte Speicheldrüsen, ein vorderes und ein hinteres Paar, sind
bei den Cephalopoden verbreitet. Die hinteren liegen seitlich vom
Oesophagus, hinter dessen Durchtritt durch den Kopfknorpel. Sie sind
entweder glatt oder gelappt und lassen ihre Ausführgänge in der
Regel innerhalb des Kopfknorpels zu einem einzigen Gange sich ver-
einigen, der vor dem Zungenwulste in die Schlundhöhle einmündet
[Fig. 484. gls i). Bei Octopus, Eledone und anderen sind ausser den
hinteren noch zwei vordere als kurze, dicht hinter dem Pharyhx
liegende Drüsenmassen vorhanden, aus denen ein die Pharynxwand
durchbohrender Ausfuhrgang hervorgeht (Fig. 484. gls s), der sich vor
der Ausmündung mit dem der andern Seite vereinigt. Bei Nautilus
fehlen die hintern Drüsen vollständig, und die vordem werden durch
eine noch innerhalb des Schlundkopfs gelegene paarige Drüsenmasse
ersetzt.
Anhangsorgane des Mitteldarms.
§ 268.
Am Mitteldarm sind bei den Mollusken Anhangsgebilde in allge-
meiner Verbreitung zu treffen; sie repräsentiren die »Leber«.
Diese erscheint bei den Brachiopoden in der Form verästelter
Schläuche, die bei den Angellosen bald mit vielen Mündungen (Grania),
bald in mehrere (4) Ausführgünge vereint (Lingula) in die oben als
Magen bezeichnete Darmerweiterung oder auch hinter derselben ein-
münden, indess sie bei den Angelschaligen mächtiger entwickelt auf
zwei seitliche Drüsengruppen vertheilt sind, welche den Magen um-
geben und von jeder Seite meist mit mehreren Ausführgängen in ihn
einmünden.
Als eine den Magen und einen grossen Theil des übrigen Darmes
umgebende Drüse tritt die Leber der Lamellihranchiaten auf. Sie
bildet zahlreiche in grössere Lappen vereinigte Acini die an verschie-
denen Stellen, theils in den Magen, theils in den folgenden Darm-
abschnitt münden.
Anhangsorgaoe des Mitteldarmes. 385
Eine Dicht minder aosehDlich entwickelte Drüse stellt sie bei den
Cephalopboren vor. Bei den beschälten Gasteropoden nimmt sie den
grössten Theil des im GehHuse geborgenen Eingeweidesackes ein, im-
mer aus mehreren grössern Lappen zusammengesetzt und den Darm auf
verschieden langen Strecken umlagernd. Die aus den Lappen hervor-
tretenden Gallengänge münden bald getrennt, bald vereinigt in den
Anfang des Mitteldarms, zuweilen auch in die Magenerweiterung.
Die Zahl der gesonderten Leberpartieen ist wie ihre relative Grösse
sehr verschieden. Doch lässt sich im Allgemeinen bei Vermehrung des
Lebervolums eine mehr einheitliche Bildung erkennen, indessen die
einzelnen getrennten Lappen um so kleiner sind, je zahlreicher sie vor-
kommen. Bei den Pteropoden ist die Leber in eine grosse Anzahl
kleiner Blindschläuche aufgelöst. Solche sitzen bei Pncumodermon in
verästelten Gruppen dicht beisammen und die weiten Mündungen ihrer
Ausfuhrgange durchbohren fast siebförmig die Magenwand. Einfachere
Acini besetzen einen Abschnitt des Darmes der übrigen Pteropoden und
bilden eine dicht geschlossene Masse, durch weiche der Darm hiu-
durchtritt (Fig. 469. h).
Dieses Verhältiiiss der Vertheilung der Leber auf einen grösseren
Abschnitt des Darmcanals führt bei einer Abtheilung der Opistho-
branchiaten zu Veränderungen jenes Darmstückes. Indem die Aus-
fuhrgänge der einzelnen Leberlappen sich erweitern, bilden sie Aus-
buchtungen des Magens und es entsteht an der InnenfliTche des letzteren'
l)ei einer grösseren Anzahl von Leberschläuchen ein reticuläres Aus-
sehen [Doris, Doridopsis) . Durch diese Umgestaltung der Ausführgänge
der Leber zum Darmlumen erscheint der drüsige Theil der Leber wie
ein Beleg jener unregelmässigeni Ausbuchtungen.
Hieraus geht der oben (§ 265) berührte Zustand des Verdauungs-
apparates der Aeolidier u. a. hervor, und die Leber erscheint in Ge-
stalt von weiten blind geendigten Anhängen, die von dem als Magen
bezeichneten Hitleidarm (Fig. 476. m) entspringen. Die Verbindung
ist entweder eine unmittelbare und die Anhänge münden direct in den
Mitteldarm oder sie ist mittelbar, wenn nämlich noch weite Ausbuch-
tungen des Mitteldarms vorkommen (Fig. 476), die übrigens gleichfalls
aus Umbildungen eines Abschnittes der Leber bervoi^egangen sein
können. Diese Anhänge durchsetzen die Leibeshöhle und dringen beim
Besteben von Rückencirren in diese mit blinden Endigungen ein. Je
nach der Anzahl der Anhänge bilden jene Fortsätze mehr oder minder
reiche Verästelungen, welche sogar unter einander anastoniosiren können.
Sowie die Zahl und die allgemeine Gestaltung der Darmanhänge
wechselt, so sind auch ihre Dimensionen verschieden, so dass sie bald
nur wie Ausstülpungen des Darmes sich darstellen und durch weite
OelTnungen mit letzterem in Communication , auch Spoisemassen auf-
zunehmen im Stande sind, bald nur als enge Canälc erscheinen, die
an der Nahrungsaufnahme sich nicht direct hetheili^en. Zwischen
38r> Hollnskon.
diesen Extremen finden sicli Uebergangsformen vor. PUr die Auf-
fassung dieser Darmhitdun^ ei'scheini ein nie fehlender drüsiger Bele^
von grosser Wichligkeil. Dadurch stellen
sich die Verilstelungen nicht blos als phy-
siologische Aequivalente einer Leber heraus,
sondern wir müssen sie auch als Hodifi-
calionen der Leber selbst betrachten , die
hier durch Erweiterung der Lumina ihrer
Canäle sieb an der VergrOsserung dos
Darmcanals betheiligl hat. Dasselbe Oi^an,
welches bei den anderen Gasteropoden als
Leber erscheint, tritt bei den Aeotidiem in
den Darm mit über, und behält nur an
seinen Wandungen oder doch an einem
Theile derselben seine ursprüngliche Bedeu-
tung bei. Auch in anderen Abtfaeilungen
der Opisthobranchialen erscheint die Leber
in Form weiter Schlauche i. B. bei Phyl-
lirhof, Limaponlia etc. Dass in allen diesen
Bildungen kein Anfangszustand der ersten
Dilt'erenzirung einer Leber, sondern eine
Art Bückbildung gefunden werden darf,
geht aus der Phylogenese der Aeoüdier her-
vor, die von seh atent ragen den Gasteropodenfornien sich ableiten.
Die Leber der Cepbalopoden ist immer eine ansehnliche, meisl
compacte Drüse, die hei Nautilus aus vier locker verbundenen Lappen
besteht. Jeder derselben entsendet einen Ausfuhrgang. Bei den Di-
liranchiaten finden sich nur zwei Lappen vor, die entweder deutlich
getrennt (Sepia), oder nur theilweise vei-hunden sind (Rossiaj. Eine
engere Vereinigung beider Lappen besieht bei Sepiola und Ai^onauta,
und bei den Loliginen und Oclopoden stellen sie eine einzige vom
Oesophagus durchsetzte Masse dar. In allen Fallen treten aus der
Leber nur zwei Ausfühi^l4nge hervor, welche auf die beiden ursprüng-
lichen Lappen hinweisen, und ebenso wie bei Nautilus, stets in das
Rnde des Blinddarmes ausmünden.
Sowohl an der Mündungsslelle in den Blinddarm, als auch inner-
halb der Leber selbst tragen die Ausfuhrgilnge noch einen Besfflz be-
sonderer Drüsen läppchen , deren Bau von den Acinis der l,cber ver-
schieden ist. Man hat diese bald nur an der einen, bald an der
andern der genannten Stellen vorkommenden Drüsen für eine Bauch-
speicheldrüse erklärt, wobei man jedoch den Mangel j^licher
nilheren VerwnndUschafv mit dem gleichnamigen Organ der Wirbcl-
Fig.
176. Darmcnnat von Acnlidj
I (Ipii l.cbcranhänßcn h , ilercn
Endilflrm. an After. (\nch Al
Eriti'
pillo-<ia. pA Srhlunitkopf. m Mitt«l-
cigunttcn nicht mit dargpi-lelll
und llAKCOtt.J
Anhangftorganc des Enddarines. 387
thiere beachten muss. Auch bei Gasteropoden (Aplysi<i, DoriSi hat
man in der NHhe der Leber noch besondere Drtlsen beobachtet.
Anhangsorgane des Enddarroes.
Als bieher su zählende Gebilde finden sich mancherlei erst bei den
Cephalophoren vorkommende Drttsenorgane von unbekannter Bedeutung.
Bei den Ccpbalopoden wird der unter den Dibranchiaten verbreitete
Tintelbeutel hier angeschlossen werden können, der bei manchen
mit dem Enddarm ausmündet (Loliginen) und desshalb vielleicht als ein
vom Enddarme her entstandenes Gebilde sich herausstellt, wenn er
auch bei anderen Cephalopodeo seine Mündung neben oder hinter der
Analöffnung trägt. Er stellt einen iänglidien, mit contractilen, lameliüs
ins Innere vorspringenden Wänden versehenen Sack vor (Fig. 457. ^),
rler die bekannte schwarze Flüssigkeit absondert und seinen Ausfuhr-
gang zum Enddarme treten lässt.
Qeaohlechtsorgane.
§ 270.
Die Vermehrung findet bei den Mollusken niemals in einer jener
ungeschlechtlichen Formen statt, die man bei den Arthropoden auf
dem Boden geschlechtlicher Diflerenzirung entstanden sieht. Sie ist
ausschliesslich an die Function von beiderlei Geschlechtsorganen ge-
knüpft.^ Diese Organe bieten für die einzelnen Glassen der Mollusken
ziemlich selbständige Einrichtungen, so dass die Ableitung von einer
Allen gemeinsamen Grundform nur dann möglich wird, wenn letz-
lere auf einer sehr niederen Stufe der DilTerenzirung gesucht wird.
Bei einem Theile der Brachiopoden sind die Geschlechtsorgane
hermaphroditisch angelegt, so dass die Trennung der Geschlechter zu
den Ausnahmen zu gehören scheint (Thecidium). Die Organe bilden
bei den ersteren vier Drtlsenmassen , zwei bei Thecidium. Bei den
Ecardines lagern sie in der Leibeshöhle, theilweise den Darm und die
Muskeln umgebend, bei den Angelschaligen sind sie als wulstförmige
Massen in die Räume l>eider Mantellappen verthelll (Fig. 162. 9), in beiden
Fällen an die Verhältnisse der Geschlechtsproducte der Anneliden und
Gephyreen erinnernd. Bei den getrennt- geschlechtlichen sind diese
in dem einen Falle Ovarien, im andern Hoden. Auf welche Weise die
ei- und samenbildenden Stellen bei den hermaphroditischen sich zu
einander verhalten, ist unbekannt.
Beztiglich der Ausführwege kommen die oben bei den Excrelions -
Organen aufgeführten Bildungen (§ Vo9] in Betracht, so dass auch hier ein
«5»
388 Mollusken.
ursprünglich fremder Apparat als Oviduct wie als Samenleiter fungirend
die Geschlechtsorgane mit bilden hilft.
Die Vereinigung beider Geschlechter in einem Individuum findet sich
bei den Lamellibranchiaten nur auf einzelne^ von einander ziem-
lich eiilfernle Gattungen, oder auch einzelne Arten beschrcinkt, welche
dadurch den Ueberrest eines vordem der ganzen Classe zukommenden
Verhaltens reprHsentiren. Bei den Austern besteht sogar noch ein
Uebei^ang in die geschlechtliche Trennung darin, dass die bezüglichen
Organe eines Individuums nicht gleichzeitig sondern altemirend bald
nur als männliche, bald nur als weibliche thätig sind. Die Keimdrüsen
sind paarig, auf beide Seiten verlheilt, münden auch getrennt von ein-
ander aus. Meist nehmen sie einen grossen Theil des Leibeshöhle
ein, oft innig andern Organen verbunden.
In dem Verhalten von beiderlei Keimdrüsen unter den Zwittern
geben sich stufenweise Verschiedenheiten zu erkennen, den Weg be-
zeichnend, auf welchem die Trennung der Geschlechter vor sich ging.
Bei einigen (z. B. bei Ostrea) ist die Keimdrüse Zwilterorgan im voll-
sten Sinne des Wortes. Ei- und samenbildende Follikel sind mit ein-
ander vereinigt, und die Ausführgänge für beiderlei Producte gemeinsam.
Auch bei Pecten (P. varius) besteht noch das letztere Verhalten, allein
die Keimdrüse selbst ist in einen männlichen und einen weiblichen
Abschnitt gesondert. Ersterer liegt vorne und oben, letzterer hinten
und unten. Indem endlich bei andern (Pandora) die getrennten Keim-
drüsen getrennt ausmündende Ausführgänge besitzen, ist die Differen-
zirung auf einer höheren Stufe angelangt.
Die Ausführgänge der Keimdrüsen sind wenig entwickelt und
häufig sitzen die Drüsenläppchen noch nahe an der gemeinsamen
Mündung. Somit fehlen auch alle accessorischen Oi-gane. Die jeder-
seitige Ausmündung findet auf verschiedene Weise statt. Bald vereinigt
sich der Genitalcanal mit dem Excretionsorgane , erscheint damit als
eine von letzterem ausgehende Differenzirung und die Geschlechtspro-
ducte werden durch dieses nach aussen entleert (z. B. Pecten, Lima,
Spondylus); bald vereinigt sich der Genitalcanal erst mit der Mündung
jenes Organes (z. B. Area, Mytilus, Pinna] , bald endlich mündet der
Genitalcanal für sich auf einer besonderen Papille (z. B. bei Ostrea,
Unio, Anodonta, Mactra, Ghama).
Aus den hei den Brachiopoden bestehenden Thatsachen im Zusammen-
halte mit jenen , die bei den, Lamellibranchiaten erkannt sind , ergibt
sich, dass der excretorische Apparat auch bei den Mollusken für die
Herstellung der Ausführwege der Geschlechtsproducte eine bedeutungs-
volle Rolle spielt. Bei den Brachiopoden, deren Excretionsorgane noch
im wesenllichen das für die Würmer typische Verbalten zeigen, ist die
Verbindung mit den Geschlechtsorganen nur eine physiologische, indess
sie bei den Lamellibranchiaten zu einer anatomischen sich ausgebildet
hat. Der ins Excrotionsorgnn mündende Genitalcanal erscheint dal>ei
Geschlechtsorgane. 389
als eine zu den Keimstötten dor Zeugungstoffe ausgedehnt« Differenz
zining und die stufenweise erfolgende Trennung des Genitaicanals vom
Excretionsorgane drückt eine weiterschreitende Sonderung au^ welche
zu einer vollständigen Ablösung des Genitatcanals, und damit der Ge-
schlechtsorgane vom Excretionsorgane führt. Dieses bei den höhein
Mollusken idigemein vorliegende Verhalten, wird also von einer primi-
tiven, funclionellen Verbindung der Geschlechtsorgane mit den Excre-
tionsorganen abzuleiten sein, welche Beziehung endlich nur in einer
benachbarten Lagerung der ilusseren Mündungen dieser Organe sich
sporweise angedeutet zeigt.
Indem die Mollusken die Wege zeigen, auf denpn die Ditferen-
zirung der Ausführg^nge der Geschlechtorgane geschah, entfernen sie
sich nicht so gar weit voA den Würmern, von denen ein Theil noch
ähnliche Beziehungen aufweist, indess eine andere mit grossen und
anscheinend selbständigen Complicationen der Ausführapparatc ausge-
stattete Gruppe {Plattwürmer) die Lösung jener Frage vorerst nur in
grösserer Entfernung zeigt.
Die Geschlechtsorgane der Gephalophoren bieten eine in mehr-
facher Weise fortgeschrittene Differenzirung dar. Besteht auch eine
i^Zwitterdrüse« in grosser Verbreitung, so ist doch der Apparat l)cträcht-
lieh complicirt, und veii>indet sich in der Regel sogar noch mit Begat-
tungsorganen. Femer erscheint der Geschlechtsapparat immer unpaar, in
asymmetrischer Lagerung und Ausmündung, so dass im Vergleiche «u
den Lamellibranchiaten eine einseitige Rückbildung angenommen werden
muss. Nur bei Chiton erhält sich die Duplioität an den AusfUhr-
gjftngen, von welchen jederseits einer von der unpa^^ren Keimdrüse zu
den seitlich und hinten gelagerten Genitalöffnungen führt.
Die Verhältnisse der Zwitterdrüse sind mannichfaltiger Art. In
allen Fällen setzt sie sich aus zahlreichen Läppchen (Fig. 4 77. A) zu-
sammen, welche an ihren äussersten blinden Enden Eikcimc bilden [a],
indess entfernter vom Ende Samenmassen entstehen (b). Diese Steilen
sind jedoch nicht von einander getrennt, vielmehr ist der gemeinsame
Hohlraum eines Läppchens die Bildungsstätte der verschiedenen Pro-
dnete. Somit sind es von Epithelialbildungen ableitbare Zellen, welche
an der einen Stelle zu Eiern sich gestalten, an der andern Samen-
fäden hervorgehen lassen. Diese doppelte Production scheint in der
Regel keine gleichzeitige zu sein, so dass dasselbe Läppchen oder
dieselbe Drüse in dem einen Falle Eier, in dem anderen Sperma her-
vorbringt.
Eine Differenzirung gibt sich an den Läppchen dadurch zu er-
kennen, dass die eibildenden Theile Ausstülpungen vorstellen (Fig.
i 77. B, a) , welche dann an dem samenerzeugenden mittleren Theile
.190
Mollusken.
B ,?L
f
[h] rose llcn form ii; gruppirl sind und so immer wie secundäre Acini
sich verhallen. Die Vereinigung der einzelnen Läppchen unter ein—
• ander begründet verschie-
Kig. 177. dene Formverhällnisse der
Zwitierdrüse ; so kann jedes
Läppchen seinen eigenen
Ausführgang besitzen und
die gesammie Drüse er-
scheint als ein reich ver-
ästeUes Organ JOpistho-
branchiaten) ; oder die Acini
münden , reihenweise ge-
stellt, an einer Seite eines
Ausfübrganges, wie bei ei-
nigen Pteropoden (Cymbulia,
Tiedemannia) ; oder sie jiruppiren sich in tra üben förmige oder lappige
DrUsenmasscn , die entweder in Mehrzahl auftreten (PhylürhoC), oder
eine einzige mehr oder minder compacte Drüse vorstellen (einige Ptero-
poden , wie Pneumodermon , Hyalea , dann die meisten Opisthobran-
chiaten und Pulmonaten).
Hinsichtlich der Ausführgänge bestehen bei den hermaphroditischen
Ccphalophoren folgende verschiedene Einrichtungen:
1j Es besteht ein gemeinschaftlicher Ausführgang für Samen und
Eier, der somit Vas deferens und Eileiter vorstellt und von der Zwitier-
drüse an bis zur GeschlechtsOffnung beiderlei Producte führt. Als
Uterus erscheint nur eine blindsackartige Ausbuchtung, welche auch
zur Aufnahme des Begattungsorganes dient. An der GeschlechtsOffnung
tritt der Samen entweder direct auf das daneben liegende Begattungs-
organ über, oder er wird bei entfernterem Ursprünge des letzteren
durch eine wimpernde Rinne diesem zugeleitet. Alle Pteropoden, dann
einige Opisthobranchiaten sind mit dieser Einrichtung versehen.
'i] Der Ausführgang der Zwitierdrüse ist nur eine Strecke weil
gemeinsam, dann erfolgt eine Theilung und jeder Canal nimmt seinen
besonderen Weg zur GeschlechtsOffnung. Dabei kann er sich noch rail
Nebenapparaten ^n Verbindung setzen, oder auch einfachere Differen-
zirungen durch Kalibermodificalionen eingehen. Letzleres Verhallen
bietet auch der gemeinsan^e Ausführgang vor seiner Trennung. Sehr
häufig erscheint er bei Opisthobranchiaten auf einer grösseren Strecke
erweitert, und kann damit für die ausführenden Zeugungsstoffe als
Behälter dienen. Bei den Pulmonaten (Fig. 478) besteht am gemein-
4
Fig. 477. Zwitterdrüsenfollikel von Gasteropodcn. A Vod llclii
hortensis. Die Eier a, a entstehen an der Wand des Follikels, nach innen zu
die Samcnnnassen b. B Von Acolidia. Die samenbereitende Abtheilung [h,
eines Follikels ist ringsum mit Eiorsäckchen [a] besetzt, c Gemeinschaftlicher Aus-
führgang.
Geschlechtsorgane.
391
Fig. ns.
samen Aasführgaoge eine Trennung in zwei Abschnille. Wahrend der
obere (ve) aus der Zwitterdrüse (a) kommende einfach ist, erscheint
der untere auf einer ansehnlichen Strecke der Liinge nach in zwei
RHume geschieden, davon der eine engere den
weitern wie eine Halbrinne liegleitend zur Aus-^
bildung des Sperma dient, indess der weitere
(n) dem weiblichen Apparate angehört. Er ist
bei den Landpulmonalen mit Ausbuchlungen
besetzt und empfängt an seinem oberen Ende
eine eiweissabsondernde Drüse [Hd). Man
l)ezcichnet ihn als Uterus, in dessen Ausbuch-
lungen die Eier ihre Umhüllung empfangen.
Da der andere Canal gegen diesen Uterus zu
nicht völlig abgeschlossen ist, besteht somit
eine nur Iheilweise Trennung. Erst am Ende
des Uterus setzt sich das Vas deferens als
selbständiger Canal [vd) zur Ruthe (p) fori.
Die letzte Strecke des Canals liefert bei
manchen eine die Samenmassen zu einem
Somenschlaucbe (Spermatophor) vereinigende
Substanz. Aus dem Uterus geht endlich ein
als »Scheiden bezcielmetes Endstück des weib-
lichen Canals hervor, der zur gemeinsamen
Gescblechtsöflnung seinen Verlauf nimmt, und
noch mehrfache Anhange (Fig. 478. ps. d) tragen
kann. Von den letzleren ist (bei den Helicinen)
ausser einem Receptaculum seminis (Fig. 178. Hx) eine Gruppe von
grösseren DrüsenschlSluchen [d] zu erwiihnen, die mit einem dick-'
wandigen Schlauche {ps) in Verbindung stehen. Letzterer ist^um-
stttlpbar und enthält ein wie ein Abguss dqs Rinnenraumes erscheinen-
des spitze« Concrement (Liebespfeil).
Rei andern Zwitlersehnecken findet die Trennung von beiderlei
Wegen in der Regel schon früher statt, und der gemeinsame Canal ist
nur unbedeutenden Modificationen unterworfen. Sehr roannichfallige
Modißcationen bieten die getrennt verlaufenden Canale, von denen bei
den meisten Opislhobranchiaten das Vas deferens eine ansehnliche Länge
besitzt und demgemäss in zahlreiche Windungen gelegt ist. Ehe es
zum Regattungsorgan tritt, verbindet es sich häufig mit einer zuweilen
weiter oben angebrachten Drüse. Eine geringere Länge besitzt der
Oviduol, dem nur selten beträchtliche Erweiterungen zukommen. Da-
gegen treten am Ende des weiblichen Ausführapparaies mehrfache
Fig. 178. Geschlechtsapparat von Hclix hortensis. s Zwitlcrdrüso, r« Gc-
meinschafllicher Ausführgang, u Uterus. £<i Eiweissdrüsc. d, d Getheiltc Au-
hangsdrüsen. pc PfeUsack. R s Receptaculum seminis. vd Ausführgang des Sn<
mens, p Ruthe. ß Peitscheafürmiger Anhang derselben.
392 Mollusken.
Differenzirungen als accessorische Gebilde auf. Die JMUndung von
beiderlei Ausfühnvegen liegt entweder in einem gemeinsamen, immer
seitlich am Körper, meist rechlerseils nahe am Vordertheile befindlichen
Haum (Geschlechtscioakc), oder beide Oeffnungen münden in eine wenig
liefe Buchtung oder auch getrennt von einander unmittelbar auf die
Oberfläche des Körpers.
Die mit den AusfUbrgängen verbundenen Organe sind entweder
blosse Ausbuchtungen, oder blindsackartige Bildungen der Wandung,
wie wir schon vorhin den Uterus anführten; sie haben die Func-
tion die Zeugungsstoffe in sich anzusammeln oder aufzubewahren.
Andere Anhangsgebilde sind drüsiger Natur und liefern ein bei den
Geschlechlsverrichtungen zu verwendendes Secret. Diese Organe stehen
auf verschiedenen Ditferenzirungsstufen , und da, wo in einem Falle
nur ein drüsiger Beleg der Wandung erscheint, treffen wir in andern
Fällen ein discretes Drüsenorgan.
§ 272.
Die Anhangsgebilde des Genitalapparates können nach
ihrer Zugehörigkeit in weibliche und männliche unterschieden werden.
Von den weiblichen nimmt das Receptaculum seminis eine hervor-
ragende Stelle ein. £s bildet eine rundliche oder birnförmige, mit
hohlem Stiele der Scheide inserirte Blase, welche bei der Befruchtung
den Samen aufnimmt (Fig. 478. R s). Dieses bei den hermaphrodi-
tischen Schnecken sehr verbreitete Organ modificirt sich durch die
Erweiterung seines Stieles zu einer nicht blos das Sperma, sondern
auch die Begattungsorgane während der Göpula aufnehmenden Tasche,
wie dies bei Pteropoden (Hyaleen) der Fall ist. Zuweilen sind Ewei
solcher Anhänge vorhanden (Pleurobranchus), die dann auch entfernter
von der Scheide am engern Oviductd vorkommen können (Doris). Bei
den Pteropoden und den Opisthobranchiaten besitzt die Scheide eine
weite mit faltigen Drüsenwandungen versehene Ausbuchtung, die als
Uterus fungirt. Wie die Eiweissdrüse der Pulmonaten, so mündet
auch hier ein besonderes drüsiges Organ in ihn ein, das in der Ver-
richtung der Eiweissdrüse wohl gleich kommt. Wo letztere fehlt,
scheint die Uteruswand sie functionell zu vertreten. Endlich bestehen
noch mancherlei andere, meist nur auf engere Gruppen beschränkte
Gebilde, die in ihrer Bedeutung grösstentheils unerkannt sind. —
Aehnliche Organe wie am weiblichen Theil des Geschlechtsapparaics
kommen auch dem männlichen zu, und erscheinen in der einfachsten
Form als erweiterte Stellen oder Blindsackbildungen zur Aufnahme
des Sperma. Die bereits oben erwähnle Verlängerung des Vas defe-
rcns wird functionell als eine zur Ansammlung einer grösseren Samen-
menge dienende Einrichtung hieher lu rechnen sein. Sowohl bei
Gasteropoden als Pteropoden ^sind dergleichen Zustände verbreilel.
Geschlechtsorgane. 393
Ferner geboren hieher die dem Vas deferens angelagerten DrUsenorgane,
die man als Prosiatadrttsen zu bezeichnen pflegt.
Der milnnliche Apparat steht endlich mit einem Begattungs-
organe in Verbindung, welches entweder das modificirto und aus-
sittipbare Ende des Samenleiters ist, und im Ruhezustände in die
Leibesböhle ragt, oder es ist ein besonderes des directen Zusammen-
hanges mit dem Vas deferens entbehrendes und dann in einer Tasche
geborgenes Gebilde, das vom Uautmuskelschlauche sich sonderte. Die
Oeffhung, aus welcher sich die Ruthe hervorstUlpt , liegt zumeist in
der Nähe der weiblichen Geschlechtsöfihung, wie bei den Hyaleon unter
den Pteropoden, deren Penis als ein beträchtlich grosses, aus der Ruthen-
lasche hervorstttipbares Organ neben der Scheiden()ffnung zu finden
ist. Bei Pneumodermon wird es durch eine conische Papille vorge-
stellt, die noch innerhalb der Geschlechtsöffhung liegt. Durch die ge-
meinsame Ausmündung von beiderlei Geschlechtsorganen wird eine
Geschlechtscloake gebildet. Eine solche ist bei vielen Pulmonaten und
Opisthobranchiaten meist rechterseits , nicht selten dicht hinter dem
Fühler angebracht. *Weil von der gemeinsamen Genitalöffnung entfernt
mündet der Penis bei einem Theile der Opisthobranchiaten (Apiysia,
Bulla, Bullaea u. s. w.) , und hier leitet eine wimpemde Rinne den
aus der Geschlechtsöffnung hervortretenden Samen zum Begattungs-
organe. Die Form des letzteren ist nach dessen Beziehungen zu dem
Vas deferens eine verschiedene. Bald stellt die Ruthe einen einfachen
Cyiinder vor, oder erscheint gekrümmt, am freien Ende mit einem
Kopfe versehen, oder auch spiralig gewunden. Im Innern ist sie ent-
weder vom Vas deferens durchsetzt, oder ihre Hohle steht mit dem
Leibescavum in offener Verbindung, in welchem Falle dann die Her-
vorslüfpung und die mit dieser stattfindende Ercclion zum Theile durch
die Blutflüssigkeit, zum Theile durch HuskelthSItigkcit zu Stande kommt.
§ 273.
Bei vielen Zwitterschnecken ist ein Altemiren der Function der
Reimdrüse nachweisbar, so dass sie bald als männliches, bald als
weibliches Organ sich darstellt. Darin lässt steh die Andeutung einer
Trennung der Geschlechter wahrnehmen, welche bei den meisten
Ctenobranchiaten und den diesen nahestehenden Heteropoden voll-
zogen ist.
Die Geschlechtsorgane der männlichep und weiblichen Individuen
zeigen bei diesen eine grosse Uebereinstimmung in dem allgemeinen
Verhalten, so dass oft nur das Vorkommen von Begattungsorganen bei
den Männchen gröbere Unterschiede bildet. Milnnliche wie weibliche
Keimdrüsen liegen, wie auch die Zwitterdrüse vieler hermaphroditischcr
Schnecken, zwischen der Leber versteckt, oder doch in der Nabe
derselben.
394 Mollusken.
An den weiblichen Organen entspringt aus dem Eierstocke ein
in der Regel gewundener Eileiter, der sich gegen den Enddarni wendet,
um dort unter buchtiger Erweiterung einen Uterus darzustellen. Von
diesem geht dann eine kurze Scheide zu der in der Nähe des Afters
befindlichen Gescblechtsöffnung. — Accessoriscbe Organe sind bei den
gotrenntgeschlechtlichen Gephalophoren nur wenig verbreitet. Unter
den Ctenobranchiaten sind sie nur bei einigen (Paludina) genauer be-
kannt und bestehen aus einer langgestreckten Samentasche, die in das
Ende des sackartigen Uterus einmündet, mit welchem der Ausfuhrgang
einer EiweissdrUse verbunden ist. Bei den Heteropoden ist nur die
Samentasche vorhanden, entweder dem Ende des Uterus angefügt
(Atlanta), oder vor dem Uterus mit der Scheide vereinigt (Pterotrachea; .
Bei den männlichen Organen verläuft der Ausführgang (Vas deferens)
entweder einfach zum Penis, oder er ist mit einer Anschwellung ver-
sehen, und fungirt als Samenblase. Diese einfachen für die meisten
getronntgeschlechtlichen Kammkiemer geltenden Verhältnisse treffen sich
auch bei den Heteropoden. Das Ende des Vas deferens mündet ent-
weder auf der Oberfläche des Körpers rechterseits nach aussen und
ist dann durch einen auf der Oberfläche des Körpers eine Strecke weil
verlaufenden flimmernden Halbcanal mit dem Begattungsorgane ver-
bunden, oder es setzt sich direct auf das Begattungsorgan fort, bald
die Länge desselben als geschlossener Canal durchsetzend (Buccinum),
bald an der Basis des Begattungsorganes sich öffnend, von wo aus dann
eine Halbrinne sich über letzteres hinzieht (Dolium, Harpa, Slrombus).
Das Begattungsorgan stellt häufig ein einziehbares Gebilde vor,
gleich dem Penis der Zwitterschnecken. In der Regel besieht es aus
einen) Fortsatze des Hautmuskelschlauches und bildet einen massiven,
breiten, häufig an der Spitze gekrümmten Körper, welcher rechter-
seits am Leibe, oder auch am Kopfe an der Basis des rechten Fühlers
doch auch zuweilen (Heteropoden) in grösserer Nähe der Aftoröfl'nung
angetroffen wird.
§. 271.
Die bei den Gephalophoren noch nicht allgemeine geschlechllicbc
Trennung ist bei allen Gepha lopoden durchgeführt. Männliche und
weibliche Organe zeigen in der allgemeinen Anordnung mehrfache
Uebereinstimmung , und unter diesen ist das Wesentlichste, dass die
Keimdrüsen nicht unmittelbar in ihre Ausführgänge sich fortsetzen, ein
Umstand, der desshalb von Wichtigkeit ist, weil aus ihm wieder
die Verwendung eines den Genitalorganen ursprünglich
fremden Apparates hervorgeht (vergl. oben § 270). Wenn die
Umgebungen der Keimdiilsen mit blutführenden Bäumen in Veibiodung
stehend erkannt sind, so darf daraus ein neuer Grund für die Ent-
stehung des Ausfuhrwegs aus ursprünglich excretorischen Canälen ge-
schöpft werden. Bei den Telrabranchiaten sind sogar die Ausfuhr—
Geschlechtsorgane.
395
gängc noch nicht vollkommen conlinuiiiich. £ileitor wie Samenleiler
fuhren in einen weiteren Raum, aus welchem von neuem eine Fort-
setzung jener Wege beginnt.
Von den weiblichen Organen wii*d der Eierstock durch eine ge-
lappte DrUse gebildet, die von einem besonderen Sacke umhüllt und
nur an einer Stelle mit demselben verbunden ist. Der Ausftthrgang
Eileiter) ist in der Regel nur einfach vorhanden. Nur bei den Octo-
poden und bei Loligo sagittata findet er sich doppelt [Fig. 484. odad)^
weist somit auf eine ursprungliche Duplicität hin, die bei den Übrigen
— selbst bei Nautilus — durch Verkümmerung des einen Oviductes
verloren ging. Der Eileiter entspringt aus der Ovarialumhüllung, die
Eier gelangen also erst aus letzterer in den Ausftthrgang. Die Aus-
mündung des Eileiters findet sich in der Regel im Anfange des Trich-
ters; nur bei denen, deren Mannchen mit einem Begattungsarme ver-
sehen sind,' liegt sie weit hinten in der Kiemenhohle. Der Oviduct
besitzt an einer Stelle (Octopoden) einen wuistartig gestalteten, ring-
förmigen Drüsenbeleg aus radial zur Axe des Eileiters gestellten
Schlauchen. Dieselben Drüsen sind bei Nautilus in grösserer Aus-
dehnung vorhanden, bis nahe an die Hündung verbreitet. Wo sie
fehlen, werden sie durch ahnliche dicht an der Mündung gelagerte Se^
cretionsapparate ersetzt.
Als accesflorische Organe des weiblichen Apparates erscheint ein
Paar »Nidaroentaldrüsen« benannter Drüsen, die aus länglichen laniellOs
gebauten Schläuchen bestehen, welche auf der
Vorderseite des Thieres gelagert, ihre kurzen
Ausführgange zur Seite der GeschlechteOfiiiung
münden lassen. Ihr Secret scheint zum Zusam-
menkitten der Eier zu dienen, welche bei den
meisten Cephalopoden in traubenfOrmige Gruppen
vereinigt werden. Vor den NidamentaidrUscn
triSfl man noch ein Paar kleinere , aus dicht ge-
wundenen Schlauchen bestehende Drüsenorgane,
die mit den vorigen wohl eine ähnliche Function
besitzen.
Eine ähnliche Peritonealkapsel (Fig. 179. c),
wie sie um das Ovarium sich findet, um-
schliesst auch den Hoden (/') , der aus mehr-
fach verästelten zu einem Büschel vereinigten
BUndschläuchen sich zusammensetzt. Diese sind
gleichfalls an die Kapselwand befestigt, so dass
auch hier die Keimstoffe erst in die Kapsel ge-
langen, um in das aus letzterer sich fortsetzende
Flg. 179. Männliche Geschlechtsorgane von Octopus. (' Hoden, c geöfTncte
llodenkapsel. ve Ausfiihrgant?. re' Erweiterung als SnmtMiblase dienend, g An-
hang!»drii$e. b iV Needham'sche Tasche.
Kig. 179.
396 Mollusken.
Vas deferens überzugehen. Das Vas deferens ist ein vielfach ge-
wundener, anfänglich enger, dann weiter werdender Ganal (re) , der
damit eine Samenblase vorstellt. In die Wandungen seines erweitorlen
Abschnittes sind Drüsen eingebettet und in manchen Fällen wird
ein Theil der Wand zu einem grösseren DrUsenorgane umgestaltet,
so dass diesem Abschnitte noch eine andere Function wird. Bei ver-
schiedenen Octopoden finden sich noch ein oder zwei discretc
Drüsenanhänge (g). Alle diese drüsigen Differenzirungen der Wan-
dung des Vas deferens, liefern ein dem Sperma sich beimischen-
des, zur Herstellung der eigcnthümlichen Samenschläuche verwendetes
Sccret. Aus dem Ende des drüsigen Abschnittes oder nach Verbindung
mit den erwähnten Drüsen nimmt der Samenleiter noch ein ansehn-
licheres Anhangsgebilde auf (Fig. 179. bN,) , welches entweder deut-
lich von ihm abgesetzt ist (Octopus) , oder als eine Erweiterung und
einseitige Ausbuchtung des Samenleiters erscheint (Sepia, Loligo) und
dadurch wieder als Modification eines Abschnittes des Vas deferens
sich darstellt. Diese »Needham'schc Tasche« dient als Behälter fUr die
im drüsigen Theil des Samenleiters gebildeten Samenschläuche: Sper-
matophoren. Der übrige Theil des Ausführganges setzt sich in meist
gleichmässiger Weise entweder in einen papillenförmigen, linkerseits
in der Mantelhöhle gelagerten Vorsprung fort (Fig. 457. ^) , oder
mündet an der Basis einer solchen Papille nach aussen. In welcher
Weise bei vielen Gephalopoden einzelne Arme in functionclle Verbin-
dung mit dem Geschlechtsapparate treten, ist oben (§ 238) erwähnt.
Die bei den Gephalophoren , wie bei andern AbtheiUmgen meist
vereinzelt vorkommende Erscheinung der Sp erma top höre nbildung,
ist bei der ganzen Glasse der Gephalopoden die Regel geworden und
erreicht hier ihren vollkommensten Grad. Im Allgemeinen stellt ein
solcher Samenschlauch ein langes cylindrisches Gebilde vor, an wel-
chem mehrere Hüllen zu unterscheiden sind. Der Inhalt wird nur
zum Theile aus Samenmasse gebildet, denn in jedem Spermatophor
findet sich noch eine eigenthümliche , den hinleren Abschnitt einneh-
mende Substanz, die wir als explodircndc Masse bezeichnen können.
Das Sperma wird schlauchförmig von einer besonderen Hülle umgeben
und findet sich im vorderen Abschnitte des Spermatophors. Dahinter
liegt das vordere, stempeiförmige Ende eines langen, spiralig aufge-
wundenen Bandes, welches einen grossen Abschnitt des Spermatophors
durchzieht und am hinleren Ende in die äusseren Hüllen übergeht.
Die Substanz dieses Spiralbandes wird aus der vorhin erwähnten
explodirendcn Masse dargestellt. Mit Wasser in Berührung gekommen,
beginnt nämlich das Spiralband sogleich sich zu strecken und treibt
den samenumschliessenden Abschnitt zum Vorderendc des Spermato-
phors hervor.
Leib«8höble. 397
laeibeshöble.
§ 275.
Das Auftreten einer Leibeshohle gebort zu den frühesten Sonde-
rungsvorgängen des MolluskenkOrpers , so dass das zuerst auftretende
Oi^an, der Darmcanal, zum grOssten Theile in jenen Raum eingebettet
erscheint. Werden schon durch die Windungen des Darmcanals und
die von seiner Wandung sich difTerenzirenden Anhangsorgane Com-
piicirungen der Leibeshohle hervorgerufen, so steigern sich diese mit
dem Auftreten anderer Organe, vorzüglich des Geschlechtsapparates,
so dass die Höhlung später in zahlreiche, weitere und engere Abschnitte
zerlegt erscheint. In der Regel erstreckt sich die Leibeshohle auch
in die Fortsatzbildungen des Körpers, so in die Mantellamellen der
Rrachiopoden, Lamellibranchiaten und Cephalophoren, v/ie in die Arme
der ersteren. Auch untergeordnetere KOrperanhttnge bieten meist einen
Zusammenhang mit der Leibeshohle dar.
Allgemein erscheint ein offener Zusammenhang des Gefiissystemes
mit der Leibeshohle, die somit einen Abschnitt der Rlutbahn
vorstellt. Dieses Verhalten tritt in verschiedenen Abstufungen auf,
und je nach der Ausbildung des Gefässsystemes sind es weitere oder
engere Räume, welche von der Leibeshohle vorgestellt werden. Wenn
bei dem Zusamngienhange der weiteren Räume der Leibeshohle mit dem
Gefässsysteme jene Strecken der Blutbahn als Lacunen erscheinen, so
gehen sie bei fortgesetzter Theilung, sei es durch eingelagerte Organe,
oder durch die Wandungen verbindende Gewebszüge in enge oft ge*
Hissartige Canäle über, welche vielmals eine regelmässige Anordnung
aufweisen. Bei Lamellibranchiaten und Cephalophoren finden sich
hiefUr vielfach abgestufte Beispiele, indess bei den Cephalopoden
das sehr vervollkommnete Blutgefässsyslem rein lacunäre Räume
grOsstentbeils auf den Eingeweidesack beschränkt bestehen lässt.
Durch die Excretionsorgane (§ 259) communicirt die Leibes-
hohle wie bei vielen Würmern mit dem umgebenden Medium,
worauseineAufnahme von Wasser und Zumischung desselben
zum Blute entspringt. Solches ist sowohl bei Lamellibranchiaten
(Mactra, Cardium, Solen), wie bei Cephalophoren mit Sicherheit
nachgewiesen. Ausser den durch die Excretionsorgane vermittelten
Verbindungen nach aussen, bestehen noch besondere direcle Commu-
nicationen durch Oeffnungen amFusse bei Huscbelthieren und
Cephalophoren, wodurch der Auslass von Leibesbohlenflüssigkeit
besorgt wird. Dadurch empfiingt die letztere eine besondere Bedeu-
tung für die Locomotion, indem das Thier durch Wassereinlass
seinen ROrper zu schwellen im Stande ist. Zurückgezogene Theile ver-
mögen dadurch hervorgestreckt, schlaffe in den Zustand der Erection
gesetzt zu werden, und die gesammte Muskulatur der Leibeswand, vor-
398 Moltuskcn.
Züglich jene des Fusses vermag in grössere Wirksamkeit zu trelen. Die
Hervorstreckbarkeit gewisser in die Schale zurückgezogener Theiie, be-
sonders des Fusses, beruht auf diesen Beziehungen, die für Lamelli-
branchiaten und Cephalophoren genauer gekannt sind, indess die Ein-
fuhr von Wasser in die Blutbahnen bei Brachiopoden nur aus dem
Verhalten der Excretionsorgane verniuthet werden darf und bei den Ce-
phalopoden gleichfalls noch nicht völlig sicher ist.
Gtofässsystem.
§ 276.
Das Gefösssystem der Mollusken bietet für die drei höheren Ab-
theilungea in allen wesentlichen Puncten eine übereinstimmende An-
ordnung dar, und nur bei den Brachiopoden kommen eigenthüm-
liehe Einrichtungen vor, die mit dem Gefässsysteme der anderen wenig
harmoniren. Als Herz wird ein sackartiges über dem Magen liegendes
Organ angesehen, welches einen von vorne über der Speiseröhre ver-
laufenden Gefässstamm empfängt und seitliche Stämme absendet. Der
erslere wird als zuführendes Gefüss (Vene) betrachtet. Es scheint das
Blut aus Lücken zu sammeln, welche um den Darmcanal sich vorfinden.
Die beiden vom Herzen hervorgehenden seitlichen Gefässe sind bei den
Testicardines (Waldheimia) eine kurze Strecke weit vereinigt. Bei den
angellosen (Lingula) treten sie erst später aus einem medianen , auf
dem Darme nach hinten verlaufenden Längsstamme hervor. Beide Ar-
terienstämme, die man als 'Aorten bezeichnet hat, theilen sich bald in
zwei Aeste, davon einer nach vorne, der andere nach hinten seinen
Weg nimmt. Der vordere stellt die dorsale Mantelarterie vor, die in
einen medianen und einen lateralen Zweig gespalten, den Mantel und
in ihm liegende Organe versorgt. Vom lateralen Zweige gehen kleinei^
in den Mantellacunen zum Rande verlaufende und nach mehrfachen
Theilungen dort mündende Arterien ab. Der hintere Ast der Aorta
spaltet sich gleichfalls in zwei Arterien. Die eine verläuft medianwörts
und bildet, mit der gleichen Arterie der anderen Seite sieb ver-
einigend, einen zum Stiel gelangenden Arterienstamm. Die andere Arterie
wendet sich bald nach vorne, um wieder in zwei Zweige getheilt im
ventralen Mautellappen auf ähnliche Weise wie die dorsale Mantelarterie
sich zu verästeln. An den beiden Mantelarterienpaaren findet sieb je
ein beuteiförmiger Anhang, der als accessorisches Herz angesehen wird.
Aus den Enden der Arterien scheint das Blut in weitere , sowohl im
Mantel als zwischen den Eingeweiden, und um die Muskeln befind-
liche, an erslerer Stelle ganz regelmässig verzweigte Laeunen zu
gelangen, welche mit einem complicirten , die Arme durchziehenden ,
in einen zuführenden und rückführenden Abschnitt getheiltan Canal-
System zusammenhängen.
Gefässsystem. 399
Das geroeinsanieVerhalten des Geßisssystems der Lamellibran-
cbialen, Cephalophoren und Cephalopoden besieht erstlich in dem Vor-
kommen eines dorsalen LUngsstammes, an dem ein Abschnitt zu
einem Centralorgan (Herzkammer) ausgebildet ist. Zweitens stehen mit
dem Längsstamme Querge fasse in Verbindung, welche bei dem Vor-
kommen lateraler Kiemen von diesen das Blut zum Herzen fuhren und
gleichfalls zu Organen der Blutbewegung differenzirt sind , indem sie
zur Herzkammer sich als Vorhöfe verhalten. In dieser dorsalen
Entfaltung der Haupttheile des Circulationssystems ist eine üeberein-
siimmung mit dem Gefässapparale der Würmer zu sehen (Vergl. S. 198).
Fig. *80.
* 1/ I l
Die symmetrische Anordnung der Vorkammern bei den einander
sonst sehr ferne stehenden Abtheilungen der Lamellibranchiaten und
Cephalopoden zeigt, dass darin eine tiefer begründete Eigentbümlich-
keit gesucht werden muss, und durch das Bestehen von zwei Paaren
hinter einander in die Kammer mündender Vorkammern (bei den tetra-
branchiaten Cephalopoden) gibt sich sogar eine Metamerenbildung '
des Gefllssapparates zu erkennen, wie sie bei den gegliederten
Würmern durch die mehrfachen Querstitmme ausgedrückt wird. Diese
Gefasse besitzen hier sogar noch soviel ihrer ursprünglichen Natur, dass
man sie nicht als Vorhttfe des Herzens, sondern als Kiemenvenen
bezeichnet hat.
Aus der Homologie der zwei Vorhofpaare mit zwei QuersUimmen
eines Dorse^lgefässes (Fig. 480. A und B) ergibt sich ein primitiver
Zustand, der, die Nautiliden charakterisircnd, auch mit den palaeonto-
logischen Beziehungen derselben zu den übrigen lebenden Cephalopoden
vollkommen im Einklang steht. Das Vorkommen nur eines Vorhofs-
paai*s erscheint dagegen als Bückbildung (dibranchiate Cephalopoden
•
Fig. 480. Schemaliscbe Darstellung zur Vergleichung der Modificationen der
Circulationscentren bei den Mollusl^cn. Ä Tbeil des DorsalgefttssstammcH
und der Querstfiimme eines Wurnnes. B Herz und Vorhöfe von Nautilus.
C Herz und Vorhöfe eines Lamellibranchiaten oder LoUginen. D Die-
selben Organe eines Octopus. E Herz und Vorhof eines G aste ropo den.
t^ Herzkammer, a Vorkummer, ac Arteria cepbalica. ac Artcria abdominalis. Die
Pfeile deuten die Richtung des Btutstroms an.
400 Mollasken.
und Lainellibranchiaten) , welche der Reduction der Kiemen ent-
spricht. So finden wir also den Schlüssel zum Verständniss der Kam-
mer- und Vorhofsbildungen bei den Mollusken, durch die Vergleichung
mit einem indiflerenteren Apparate. Wie ein Abschnitt des Dorsal-
gefässes zur Herzkammer umgewandelt ist, so bilden die davon aus-
gehenden Fortsetzungen Arterienstamme, die man da, wo sie ihren
ursprünglichen Verlauf behalten haben, als vordere und hintere Aorta
(Aorta cephalica und Aorta intestinalis oder abdominalis] unterscheidet
(siehe Fig. 180. B C). Eine wichtige Lagerungsveränderung erscheint
bei einem Theile, der Cephalopoden, den Octopoden (/)), w^o dA* Stamm
des Dorsalgefüsses eine schlingenartige Krümmung vollführt bat, so
dass beide arterielle Abschnitte {ac und ai) noch eine Strecke weit
nach einer Richtung verlaufen. Dadurch nähern sich ihre Ursprungs-
stellen aus der Kammer, und es wird verständlich, wie aus einer ähn-
lichen Einrichtung der Circulationsapparat der Cephalophoren hervor-
gegangen sein muss, bei denen der Ursprung eines einzigen Arterien-
Stammes aus der Herzkammer charakteristisch ist (E). Dieser Eine
Arterienstamm theilt sich in zwei in ihrem Verbreitungsbezirke genau
den beiden Arterienstämmen entsprechende Aeste {ac und ai)^ die bei
den Cephalopoden aus den beiden Enden der Kammer hervorgehen.
Erstere dürften somit aus den beiden ursprünglich in einer Axe ge-
lagerten Arterienstämmen entstanden zu betrachten sein. Auch für
eine paarige Vorhofsbiidung^ als Repräsentant des niedern Zustandes
bieten die Cephalophoren Beispiele. Die Verschmelzung zu Einem
Raum ist durch die Modification der Arterienstämme bedingt, indem
durch die Verbindung des hinteren mit dem vorderen eine Vereinigung
beider Vorhöfe an der Uebergangsstelle zur Kammer nothwendig Platz
greifen muss (vergl. D mit E).
In dem von diesem Gesichtspuncte aus beurtheilten Circulations-
apparat der Mollusken treten die phylogenetischen Beziehungen dieses
Thierstamms deutlich hervor, und machen die paläontologischen ~That-
sachen verständlicher, als die übliche Auffassung les vermag.
§ 277.
Das Herz der Lamellibranchiaten (Fig. 181. v) liegt stets in
der Medianlinie des Körpers dicht unter dem Rücken von einem Peri-
cardium umhüllt und von zwei seitlichen Vorhöfen [o] Blut empfangend,
während vorne und hinten die oben erwähnten arteriellen Gefässslämnie
aus ihm entspringen. Bei den meisten Muschel thieren^ spaltet sich das
Herz in zwei den Enddarm (tj umfassende Schenkel, die nach ihrer
Vereinigung die vordere Körperarterie (Aorta) hervorgehen lassea.
Dieses Durchbohrtsein vom Enddarm steigert sich bei Area zu einer
Duplicität des Herzens, indem es durch zwei vollständig von einan-
der gelrennte Kammern, jode mit einem Vorhofe versehen, dar-
GeftsasysItMn.k
401
Mg. 481.
j^eslellt wird. Jede Kammer entsendet eine Aorta, die sich vor einer
ferneren Verzweigung mit der nndersettigen vereinigt, so ilass also
dennoch ein einfacher Artorien-Haupistainm enl«l«ht. Dasselbe gilt
auch von dem binleren Arterienstamme.
Von den beiden ArterienstHminen verliliifl der vordere bis in die
liegend des Hundes , um hier unter Verzweigungen sich in weile Blut-
räume zu Ofiben. Auch der hintere Arterienstamm , dessen Längen-
cntwickelung von der Ausbildung der hinleren die Siphonen darstellen-
den HaBtellheile abbHngig ist, geht schliesslich in Blulrüume oder La-
cunen Über:
Besonderer Wandungen entbehrende Rüume verzweigen sich nicht
allein im Hantel, sondern Tmden sich auch zwisi-hrn den Kingeweiden.
Je nach der Weite dieser RUunie sind
grossere odei* kleinere Blutbefaülter
unterscheidbar , welche sowohl ein
Capillar-, als ein Venensyslem ver-
treten. In regelmässigem Vorkommen
bestehen solche grossere Sinusse an
der Kiemenbasis, und ein mittlerer
unpnarcr, die Venenritunie des Fusses
sammelnder, dehnt sich der Ijlnge
nach zwischen den beiden Schliess-
inuskein aus. Alle diese Blutrllume
stehen unler sich im Zusammenhange
und bilden ein in den verschiedenen
Theilen verschieden weites Haschen-
werk. Die beiden seitlichen Räume
communiciren auch noch mit den]
Bojanus'schen Oi^ane (§ 247).
Verfolgt man die Bahn, welche
das aus den Arterien in die I.acunen ergossene Blut zurücklegt, so trifTl
man einen Theil davon auf dem Wege zum Mantel , einen andern
Theil zu dem Eingeweidesack. Von da strUnil ein Theil des Btules
in die Kiemensinusse und von hier aus entweder direct in die
Kiemen, oder erst auf Umwegen durch die Boj an us'sche Drüse zu den
Athmungsorganen. Dieser letztere Weg ist der von der Hauptmasse des
Blutes passirle. Da aber zwischen den Blutbeüällern an der Kiemenbasis
und den Vorhttfen des Herzens auch noch eine direct^ Communication
besieht, so wird ein, wenn auch kleiner Theil des Blutes, ohne in die
Kiemen gelangt zu sein, zum Herzen zurückkehren. Hierzu kommt
noch das Blut aus dem Mantel, welches gleichfalls direct in die Vor-
httfe eintritt, jedoch wegen der respiratorischen Function der Hantel-
lamellen nicht absolut als Venenblut betrachtet werden kann. Da in
Fig. 181. Spnlirwhler Quenlumlischnill
a \oT\iOle.. p p' Pericardialliähte. i Hoddnrni.
OapBWiu, anaiiiit.
I' Henitaniiner.
irni«n. f Fnsi.
idi Mollusken.
die Vorhöfe auch alles aus den Kiemen kommende Blut aufgem
wird, so gelangt die ^anze Blutmasse auf verschiedenen Wegen wieder
zur Herzkammer zurück.
Bemerkenswerlh ist das VerhülUiiss des Kreislaufs zu den Bojanus'-
sclien Drüsen. Diese Absonderungsorgane sind dem in die Kiemen
trclenden, somit venCsen Blule in den Weg gelegt, so dass durch sie
eine Art Pfortaderkreislauf sich einleilel, was um so wichtiger ist, als
wir in anderen Abiheilungen der Mollusken, namenllicb bei Cephalo-
poden, ganz homologe Einrichtungen antretfen, ,
§ 278.
Bei den Cephn] opborcn wird das gleichfalls von einem Peri-
cardium umschlossene Herr, aus einer meist rundlichen Kammer (Fig.
18ä. r) und einer Vorkammer gebildet. Die RUckenlage des Herzens
ist durch die asymmetrische Enlfallung des Eingoweidcsackes modi6cirt;
immer findet es sich den Alfamungs Organen benachbart, gegen welche
die dünnwandige Vorkammer gerichtet ist. Die bei Lamellibranchialeit
besiehende Beziehung zmii Rnddarme findet sich hei manchen Gastero-
poden wieder [Turlio, Nenlj), Nerilinn), und geht sogar in eine Thei-
lung der Kammer über (Chiton, linliotis, Fissurella, Kmai^inula).
Fig. <83. Orgonisalion vnn Patiiüina vipiparo, c Kopf. ( TenUkrtn.
p Fusi. op Op«rculuni. o Auge, a Horor^nn. n Gehirn, n' llntores .Schlond-
gangiion. n" Kiemen(!nnglioti. n"' BuccalisanKliün. ph Pliaryni. 00 Speiseröhre.
br Kiemen, r Niire, 1 Venöser Sinus, tb Venöser Sinus an dur Kiemenbaüts.
f Kieuienarlerie. at Vorhof des Herzens, c Heritaiumer. op Hinlere Arterie
iEin^u«eiüearleiie). aa Vordere Arterie. (Nach Levdic.]
GefUsssyslem.
403
Von der Kamoier enlspringt eine Körperarterie, die eine rückwärts
verlaufende Eingeweidearterie [ap) abgibt, während der Stamm als
Aorta cephalica [aa) sich fortsetzt. Diese verläuft gerade zum Vorder-
theile des Körpers und sendet meist einen starken Ast zum Fusse, der
zuweilen als Fortsetzung des llauplstammcs erscheint. Ausserdem gibt sie
auf ihrem Wege häutig noch Aeste zum Magen, zu den Speicheldrüsen
u. s. w. und endet entweder einfach oder unter wiederholten Ver-
zweigungen in der Nähe des Pharynx. Bei sehr entwickeltem Kopfe
Irilt sie noch durch den Schlundring; so bei den Heteropoden , bei
denen sie eine beträchtlich grosse Fussarterie aligibt. Einen grössern
Verbreitungsbezirk hat sie bei den Pleropoden, bei welchen sie im
Kopfe in zwei grosse Endäste sich spaltet und diese in reichlicher Ver-
zweigung in die Flosse eintreten lässt. Die der hinteren Arterie der
Lamellibranchiaten entsprechende Kingeweidearterie zeigt bei. den Ptero-
poden und niederen Gastropoden nur geringe Verästelungen und löst
sich dann, wie die Kopfarterie in grössere Bluträume auf. Sehr ent-
wickelt und vielfach an die Eingeweide verzweigt erscheint sie bei den
Prosobranchiaten und Pulmonaten.
Die rUckführenden Wege sind nach der Zahl, Form und Lagerung
der AthmuTigsorgane verschieden. Bei «ien Opisthobranchiaten mit
rückgebildeten Kiemen sanmielt sich das Blut aus der Körperhöhle in
der Nähe des Vorhofs, um von hier aus vom Herzen wieder aufge-
nommen zu werden. Bei den übrigen, mit distincten Athmungsorganen
versehenen Cephalophoren bestehen bestimmte Canäle oder sogar mit be-
sonderen Wandungen versehene Gefässe, welche das
Blut aus den venösen Bahnen zu den Athmungs-
organen hinfuhren. Von diesen tritt es im ein-
fachsten Falle, wie bei manchen Opisthobran-
chiaten, ohne Dazwischentreten von Kiemenvenen,
zum Vorhofe des Herzens über. Dies ist auch bei
den meisten Pteropoden und Heteropoden der Fall.
Mit einer grösseren Entwickelung der Kiemen sam-
melt sich das rUckkehrende Blut in besondere Ve-
nenstämme, welche einzeln oder vereinigt in den
Vorbof münden. Die Anordnung dieser Kiemen-
venen ist immer genau der Ausdehnung wie der
Lagerung der Athmungsorgane angepasst.
Bei vielen Opisthobranchiaten, z. B. Aeolidia,
Scyllaea, Tritonia, gehen von den Kiemenorganen
wirkliche Gefässe ab, welche sich nach und nach
in grössere Stämme vereinigen und so einen mitt-
leren oder zwei seitliche Kiemenvenenstämme her-
Fig. 4S3. Ein TheÜ der Circulattonsorgane von Tritonia. s Venensinusse,
geöffnet dargestellt. Die Wand ist von Oeffnungen durchsetzt, in welche Kiemen-
venen einmünden, t; Herzkammer mit der aus ihr entspringenden Arterie.
Fig 483.
404 . Mollusken.
Stellen , die sich mit dem Vorhofe des Herzens verbinden. Bei Verthei-
lung der Kiemen über eine grössere Körperoberflilche ist dies rück-
ftthrende Kiemengefüsssystem ausgedehnt, bei beschränkter Locali-
sation dagegen reducirl (Doris, Polycera). Ersteres Verhalten ergibt
sich z. B. bei Tritonia (Fig., 183), bei der zwei laterale Kiemen-
venenslümme (ss) durch einen Querslamm zum Herzen führen. Der
Quercanal bildet eine Art von doppeltem Vorhof (a) , der jedoch
nur mit einem Oslium in die Kammer [v] mündet. Die Wege, auf
welchen das Blut zu den Kiemen gelangt, sind immer auf einem
grössern oder kleineren Abschnitt lacunür. Bei manchen Opisthobran-
chiaten sammelt es sich aus der Leibeshöhle in Canöle, die im Integu-
menle verlaufen , von wo es in die Kiemen verlheilt wii'd. Dabin
gelangt jedoch nicht alles Blut, ein Theil wird, nachdem er in der
Haut sich verlheille, zum Herzen zurückgeführt.
Was die Lungenschnecken betrifft, so findet sich insofern eine
weitere Complicalion als die in die Athemhöhlenwand tretenden Blul-
rSume, also schon das den Athmungsorganen zuführende System, eine
Differenzirung in gefässartige Canäle besitzen. Diese lösen sich hier
in ein reiches Gefilssnetz auf, aus welchem mehrere grössere, be-
stimmter abgegrenzte Stamme hervorkommen und sich zu einer in den
Vorhof tretenden Lungen vene vereinigen. Man kann sich das Netz der
Lungengefüsse auch als einen grossen, in der Lungen wand ausgedehn-
ten Blutsinus vorstellen , der von Stelle zu Stelle von Substanzinseln
unterbrochen wird.
§ 279.
Das Herz der Gephalopoden liegt im Grunde des Eingeweidesackes,
durch eine rundliche oder quer -ovale Kammer gebildet (Fig. 470. r,
Fig. 184. c), welche ebenso viele Kieinenvenen aufnimmt, als Kiemen
vorhanden sind. Bei Nautilus münden demnach vier, bei den übrigen
Gephalopoden zwei Kiemenvenen in die Herzkammer. Vor der Ein-
mündung zeigen die Kiemenvenen zumeist eine betrilchtliche Erweite-
rung (Fig. 184. v.br, Fig. 170. f i, die als Vorkammer gedeutet werden
muss. Vom Herzen enfspringen regelmässig zwei Arterienstiimme :
ein stärkerer, der gerade nach vorne verläuft, die Arteria cephalica
(Fig. 170. a, Fig. 184. u] und entfernter davon ein meist nach hinten
gerichteter kleinerer Stamm, die Arieria abdominalis (vergl. Fig. f84. «' >
Aus dieser allgemeinen Anordnung geht die Uebereinslimmung mit den
beiden anderen Glassen klar hervor (vergl. oben § 276) und es be-
steht namentlich zu jenen Mollusken ein engerer Anschluss, welche
durch die Duplicität der Vorkammern sich auszeichnen.
Die Arteria cephalica gibt vor Allem starke Aeste an den Mantel,
einige Aeste an den Traclus intestinalis, sowie an den Trichter; im
Kopfe angekommen, enlsendet sie die Augenarlerien, versorgt die Mund-
theile und spallel sich nach der Anzahl der Arme in grössere Aeste. Bt»i
G«OUaiyilaiii.
(05
«ioigen Gcphalopodeo gehen die ArmarterieD aus einem um den An-
faogstbeil der Speiserühre gebildeleo Ringgefüsse bervor. Die Arteria
abdominalis bietet grossere Verschiedenheiten; wtthrend sie bei den
Sepien (Fig. 170. a') und Loligincn der Arieria cephalica gegenüber
eolspringl, und damit ganz ähnliche Bezicliungen besitzt wie die Ein-
geweidearterie der Lamellibranchialen, tritt sie bei den Oclopoden
neben der Aorta vom vordem Umfange des Jleiiens hervor (Fig. 1S4),
und verlheill sieb sehr bald in mehrere Aoste TUr das Darmrohr und
die Gescblechtsworkzeuge. Boi den ersteren dagegen gibt sie noch zwei
Aeste für die Flossen ab, an
welchen bei Ommastrephes Fig. 1S4.
noch eine besondercErweite-
rung (vielleicht ein Hilfs-
organ des Kreislaufs) beob-
achtet wurde.
Ucr Uebergang der letzten
Arterien Verzweigungen in
Venen wird durch ein Ubernll
reichlich entwickeltes Capil-
larsysteni hergestellt. Dieses
vertritt wenigstens im grOss-
len Tbeile des Körpers die
bei den Anderen verbreitete
lacun<ire Blulbahn, und er-
scheint als eine weitere Uif-
ferenzirung derselben.
Die aus den Capillaren
bervoi^ehenden Venen wur-
zeln s^^melnsicb in grössere
Stamme, welche t>alü als '
virkliche Venen erscheinen,
bald in niüchlige Räume aus-
gedehnt sind und so den
Uebergang zu blossen La-
cunen bilden. Bezüglich der
specielleren VerhälLnisse des
Venensystems ist die Ver- " * "
etnigung der Armvenen in
einen im Kopfe gelegenen Ringsinus anzuführen ; dieser nimmt auch be-
nachbarte kleinere VenonsUlnime auf und sendet einen grossen Blutcanal,
Kig. ist. Anatomie \oa Oclnpuü. Manlelliöhle und Eiagoweidetack von der
Bruchteile geöfTnel. ph Schiundkop/'. glt. t Obtro Spcicheldrilsen. gt 1 1 Unten
Speiclieldriisen. o Aujfe. i Trichter, br Kiemen. ov-Ovarium. od Eileiter, c Herz.
D. br Kiemeavcnen. a Arlerin cephalica, ic HahJvcnen. a ti Vencnaiihunj^e. (Niich
406 Mollusken.
(Vena cephalica, auch als grosse Hohlvene bezeichnet) (Fig. 470. vc), ab-
wärts in die Gegend der Kiemen. Hier theilt er sich bald (bei den Di-
branchiaten] gabelförmig in zwei, bald (bei den Tetrabranchiaten) in vier
Venenstämme (Kiemenarterien), welche nach Aufnahme anderer, vom
Mantel und den Eingeweiden kommender Venen (rc") sich zur Kiemen-
basis begeben. Bei den meisten Cephalopoden bildet sich an den Kiemen-
arterjen, durch Hinzukommen eines Muskel bei eges , ein contractiler
Abschnitt, das Kiemenherz (Fig. 159. vc') y welches durch rasche
Pulsationen als Hilfsorgan des Blutkreislaufs sich bemerklich macht.
Vor diesem , den vierkiemigen Cephalopoden fehlenden Kiemenherzen,
sind an der Kiemenarterie noch besondere Anhangsgebilde angebracht,
Ausstülpungen der Kiemenarterie, welche von dem in die Kiemen
tretenden venösen Blute in gleicher Weise bespült werden, wie die
Bojanus^schen Drüsen der Muschelthiere (s. Excretionsorganfe § 248).
Wenn man auch in den erwähnten venösen Blutbehältern ein mit
geschlossenen Wandungen versehenes Venensystem erkennen möchte,
so fehlen doch auch wirkliche Blutlacunen nicht. Sie zeigen sogar eine
Verbreitung, ähnlich wie bei den übrigen MoUuskenclassen. Einen
solchen Blutraum stellt die Leibeshöhle vor, in der sämmtliche einge-
lagerte Organe vom Venenblut gebadet werden. In diesen Blutraum
münden verschiedene Venen ein, und ausserdem steht er durch zwei
Canäle mit der grossen Hohl veno (Vena cephatica) in Verbindung.
§ 280.
Die Blutflüssigkeit der Mollusken ist in der Regel farblos,
häufig mit einem bläulichen oder opalisirenden Schimmer. Doch spielt
sie bei manchen Cephalopoden ins violette oder grüne, und einige
Gasteropoden (Planorbis) besitzen rothes Blut, dessen Färbung vom
Plasma herrührt.
Die Formbestandtheile der Blutflüssigkeit sind in allen Fällen färb-»
los , erscheinen als indifferente Zellen , deren amoeboYde Bewegungen
bei Muschelthieren und Schnecken mancherlei pseudopodienartige Port-
satzbildungen auftreten lassen.
Siebenter Abschnitt.
Wlrbelthlere.
Allgemeine Uebereiolit«
§ 281.
Der Besitz eines die Liingsaxe des Körpers durchsetzenden Skelets
sowie die Gliederung des Körpers in eine Mehrzahl von Meiameren
(Urwirbel) bildet die unterscheidenden Charaktere der Wirbelthiere.
Durch letzteres Verhalten, scheiden sie sich von den Tunikaten, mit
denen sie die Skeletanlage nicht nur, sondern auch die sämmtlichen
Primitivorgane in grösster Ucbereinstimmung besitzen, und durch das
in der Chorda doirsalis repräsentirte Axenskelet ergeben sich wichtige
Unterschiede von allen übrigen Wirbellosen.
Das Axenskelet scheidet zugleich einen dorsalen und ventralen
Körpertheil. Ersterer birgt das centrale Nervensystem, letzterer um*-
schUesst den aus einer respiratorischen Vorkammer sich fortsetzenden
Nahrungscanal , der sammt den von ihm aus differenzirten Organen,
in eine Leibeshöhle eingebettet ist. Damit sind zwei längs des Körpers
ausgedehnte Gebiete unterscheidbar, ein oberes, neurales, und ein
unteres oder gastrales, welch letzterem auch das Canalsystem für
die ernährende Flüssigkeit in seinen Hauptstömmen zugetheilt ist.
Die einzelnen Abtheilungen ordnen sich in folgender Uebersicht:
A. Acrania.
Leploc^rdii.
Amphioxus.
B. Craniota.
I. Cyclostomata ^) (Monorhina, Hackel).
Myxinoidea.
Bäellosioma, Myxine.
Petromyzontes.
Petromyzon,
4} Die Cyclostoroen verdieoen nach Hackel*« Vorgange vollsUndig den übrigen
Crenioten gegenüber gestellt zu werden. Abgesehen von zahlreichen Singularilaien
ist der Mangel des bei den Gnalhoslomen eine wichtige Rolle spielenden inneren
Visceralskeleles, und damit in Zusammenhang der Mangel des Kieferapparales wie
auch wohl der Oliedmaassen von grosser Bedeutung.
408 Wirbelthiere.
II. Gnathostomata (Amphirhina Hkl.).
a) Anamnia.
4) PIsccs.
Selachii.
Squali.
Hexanchus , Heptanchus, Acanlhias, Scymnus, Galeus,
Scyllium, Squatina.
R »j a e.
Rßja, Torpedo, Trygon.
Ilolocepbali.
Chimaera.
Dipnoi.
MoDopneumones.
Ceratodus.
pipneumones.
Prolopterus, Lepidotiren.
Ganoidei^).
Sturiones.
Acipenser, Spatularia.
Polypterini.
Polypterus.
Lepidosteini.
Lepidosteus.
Amiadiui.
Amia.
Teleostei.
Physo€tomi.
Abdominales.
Clupea^ Salmo, E$ox, Cyprinus, Silurus, Mormyrut,
Apodes.
Muraena, Conger, Gymnotus.
Physociysti.
Anacanthini.
Gadus, Pleuronectes.
Pharyngognalhi.
Betone, Hemirhamphus, Chromis, Labrus,
Acantbapteri.
Perca, labrax, Trigla, Scropaena, Anabas, Mugil,
Scomber, Zeus, Trachypterus, Gobius, Cyclopterus,
Blennius, Lophius.
Plectognatbi. >^
Ostracion, DiodoHf Orthagorisctu.
Lophobrancbii.
Syngnathus, Hippocampm.
4) Jede der aufgeTührten Ganoiden - Abtheilungen betrachte ich als eine sehr
selbständige. Sie stellen die letzten Ausläufer sehr divergenter Formenreiben vor,
von denen die der Polypterini manches Verwandle mit den Dipnoi besitzt, die Amia-
den dagegen als nächste Verwandte der Teleostior (Clupeiden) sich darstellen. Den
Selachiern zeigen sich die Störe am meisten verwandt.
Die Selachier selbst muss ich als die der Stammform der gnathostomen Wirbel-
thiere am nächsten stehende betrachten. Davon erscheinen sowohl die Holocepbali,
Dipnoi und Ganoiden abgezweigt, während die Teleostier wieder eine Abzweigung
vom Ganoidenaste vorstellen.
Allgemeine Ceberslcbt. 409
9) Ampbibiat).
Urodela.
Perennibranchiata.
Siredan, Mmabranchus, Proteus.
Caducibrancbiata.
Derolremata.
Cryplol>ranch%tM, Menopoma.
Salamandrina.
Triton, Salamandra,
Anura.
Pelobates, BomtHnalor, tiyla, Ceratophrys, Hana, Bufo.
Gymnophiona.
Coecüia,
b) Amniota.
i) Reptilia^}.
Cbelonii.
Sphargis, Trionyx, Cftelcmia, Chßlys, Chelydra, Bmys,
Teslwh,
Saarii.
Ascalabola.
PkUyäactylus, Hemidaclylus.
Rbyncbocepbala.
Sphenodon,
Lacertina.
Iguanüt Calotet, Draco, Phrynosotna, Vromatlix^ lacerta.
Ameiva,
llonitores.
Monitor, Ptammotaurut,
Sciocoidea.
Scincus, SepSf Anguis.
Cbaicidea (Ptycbopleura).
ChalciSt Z*munu.
Cbamaeleonida.
Chamaeleo.
. Arophisbaeiiida (Annulala).
JmpAij6a«fui, Lepidostemum.
4} Die lebenden Ampbibien bilden eine nur sehr kleine in vielen Stücken be-
deutende Rückbildungen aufweisende Gruppe, der mit Sicherheit auch nur wenige
fossile Formen beizuzählen sind. Die paläontologischen Urkunden sind für den
Amphibienstamm in höchstem Grade lückenhaft. Bestehen auch manche Gründe,
ihnen die Archegosaurier beizuzählen, so besitzen diese doch wieder vieles, welches
an Reptilien Anschlüsse bietet.
S) Die einzelnen Abtbeilungen dieser Ciasse erscheinen als sehr divergente
Endzweigc eines in der Vorzeit überaus reich verzweigten Astes der Vertebraten.
Blanche der zu den Reptilien gerechneten fossilen Abtheilungen, wie die Enalio-
Saurier, .scheinen sich jedoch schon vor den Ampbibien vom Yertebratenstamm
abgezweigt zu haben. Andere, wie die Dic>nodonten und die Plerodactylen, stellen
den Ordnungen der lebenden ebenbürtige Abtheilungen dar, und endlich liegen bei
noch anderen, wie den Dinosauriern, manche zum T>pus der Vögel führende Ein-
richtangen vor.
410 Wirbelthiere.
Ophidiii).
Eury Stoma ta.
Phyton, Boa, CoitAer, Tropida^us, Dryophis, Dt-
psaSf Hydrophis, Crotalus, Trigonocephalus, Vipera,
Stenostomata.
TyphlopSj UropelUt,
Crocodiliili.
Alligator, Crocodilus, Ramphottoma,
2) Aves2).
Ratiiae.
Slruthio, Dremaeut, Apleryx.
Carinatae.
Gallinaceae.
Megapodius, Penelope, Crax, Crypturus, Lagopus, Tetrao,
Pavo, Numida, Gallus, Ph(uianus.
Columbae.
ColumlM.
GraUatores.
OUs, Dicholophtis, Psophia, Grus, Ibis, Ardea, Ciconia,
Vanellus, Charadrius , Numenius, Scolopax, FuUca,
Gallinula, Rallus,
Natatores (Palroipedes).
Procellaria, Stema, Larus, Phaeton, PMus, Pelecanus,
Carbo, Mergus, Anser, Anas, Cygnus, Phoenicopterus,
Mortnon, Uria, Alca, Aptenodytes.
Passeres (Insessores) .
Fringilla, Alauda, Turdus , Sylvia, Motacilla, Sitta,
Parus, Muscicapa, Lanius, Sturnus, Garrulus, Conus,
Hirundo; Certhia, Trochüus, Upupa, Merops, Cora-
cias, Alcedo, Buceros.
3) Mammalia.
Ornithodeipbia (Monotremata).
Omithorhynchus, Ethidna.
Dideiphia^) (Marsupialia).
Botanophaga.
Halmaturus, Dendrolagus, Phascohmys, Phascolarctus,
Phalangista.
4] Die Ophidier stellen eine den Sauriern zunächst stehende, von diesen
abslammende Abiheilung vor, die mit diesen zusammen den Schildkröten oder
den Crocodilen gleicliwerthig ist; wie sie denn von Slannius als Streptostylica
zusammengefasst wurden.
2] Die aus replilionartigen Formen hei vorgegangene Classe der Vögel bildet
eine in den wichtigsten Verhältnissen der Organisation in sehr wenig divergente
Gruppen sich theilende Classe, denn die Charaktere jener Onterabtheilungen be-
treffen viel unwesentlichere Merkmale im Vergleiche zu jenen anderer Verle-
bralen-Gruppen.
3) Die Ahtlicilung der Marsupialia fasse ich als eine den monodclpben Säuge-
thieren dcsshnlb gleichwerlhige auf, weil nicht nur in ihr Repräsentanten der
meisten Ordnungen der Monodclpben sich finden, sondern weil auch für die Mono-
delphen mehrfache Andeutungen bestehen, die auf eine Entstehung aus didelpheo
Formen hinweisen. Die Marsupialia, oder mit den Monotreroen zusammen, die
Implacentalia, stellen sich damit als die Vorläufer der Placentalia heraus.
Allgemeine üebersicbl. 4H
Zoopha^a.
PerameleSf Dasyurus, Thylacinus, EHdelphit, Chironedes.
Mono-delphia (Placentalia).
Edentatai).
Myrmecophaga , Manis, Chlamydophorut , Dasypus^
Bradypus.
Indeciduata-).
(Ungulata).
ArUodacty la.
Sus, Dicotylei, Moschus^ CameloparäaliSf Cer-
vtu, Antüope, Caprüt Ovis, Bos.
Tylopoda.
Camelut, Auchenia.
Perissodactyla.
Tapirus, Hhinoceros, Equui.
Sirenia.
ManattUf Halicore.
Cela'cea^).
Mphinut, PhyseUr, Balaenopißra, Balaena.
Dccidoata^).
Prosimiae.
Slenopt , Lemur , OtoUcnus, Tarsitu, GaleopithecuSf
Chiromys.
Rodentla.
Sciurus, SpermophituSt ArctomyM ; Mus, Hypudaeus,
Cricetus, Georhychus, Spalax , Pedetes, Dipus ;
Lagoslomus, MyopolamuSf Casior, Hystrix, Erethiion,
Cölogenys, Cavia, Lagomys, Lepus.
Proboscidea.
ElepKas.
Lamnungia.
Hyrax.
i) Die bedeutende Verschiedenheit, welche die PlacenlarverhfiUnisse der ein-
zelnen Edentaten darbieten, lässt diese Ordnung nicht unter eine der beiden
grossen Gruppen der übrigen placenlalen Säugethiere bringen, in denen die einzelnen
Ordnungen durch übereinstimmendes Verhalten der Placenta ausgezeichnet sind.
9) Die Indociduata bilden eine vom gemeinsamen Saugethierstamm ziemlich
weit entfernte Gruppe, deren Glieder mehr durch das negative Moment des Fehlens
der Decidaa zusammengehalten werden als durch irgend einen positiven Charakter.
3) Wenn die Cetaceen duroh fossile Formen (Zeuglodon u. a.) mit den Pinni-
pedien unter den Decidaaten zu verknüpfen sind, so ist daraus ein Verwandt-
schaftsgrad zu folgern, und die Cetaceen mttssten derogemüss von den Indecidualen
getrennt werden. Allein die Organisation der Walthiere bietet so viel mit Ungu-
laten übereinstimmendes, dass ihre Stellung bei den Indeciduaten für jetzt noch ge-
rechtfertigt ist, zumal auch die Bildung der Ei hüllen auf diese Abtbeil ung verweist.
4) In der Reihenfolge der Deoiduaten> Ordnungen stehen die Prosimiae voran,
weil sie ähnlich wie die Beutollhiere den Placenlalen gegenüber eine Anzahl von
Formen omfassen, die in den übrigen Ordnungen selbständigfer sich darstellen. Als
solche erscheinen die Nager, Inseclenfresser und Raubthiere, ebenso die Primaten.
Die Proboscidea und Lamnungia bieten verwandtschaftliche Verhältnisse mit den
Rodentien, wie die Cbiroptera mit den Insecllvoren.
4 1 2 Wirbelthiere.
Insectivora.
Chrysochlorit, Talpa, Sorex, Myogale, Erinaceus.
Chiroptera.
Pteropus, Hhitwlophus , Glossophiiga , Vespertilio, Ves-
perugo.
Fera.
Carnivora.
Felis, Hyaena, Proteles, Canis, Herpestes, Viverra,
Lutva, Mustela, Meles, Nasua, Procyon, Ursus.
Pinnipodia.
Phoca, Otaria, Trichechus.
Primates.
Hapale, CalUthrix; Ateles , Mycetes , C^bus; Cynoce-
phalus, InuuSf CercopUhecus ; Troglodyies, Hylobaies,
Pilhecus; Homo.
Literatur.
Wirbelthiere im Allgemeinen: Cuvier, Recherchcs sur les Ossemens
fossiles. 4. Edil. 10 vols. av. Atlas. Paris 1834 — 36. — Owen, R., Od
the Anatomy of Verlebrales. Vol. I — III. London 1866 — 68. — Huxlev,
Th. H., A Manual of thc anatomy of vertohrüto«! anlmnls. London 1871.
— Gegbnbaijr, Untersuchungen z. vergl. Anat. d. Wirbelthiere. I — III. Leip-
zig 1864—72. — Parker. W. K., Shoulder girdle and Stemum. London
1868. Ray Soc.
Leptooardier: J. Müller, Ueber den Bau und die Lebenserscheinungen
des Branchiostoraa lubricum. Abhandl. d. Berl. Acad. 1844. — Goodsir,
Transact. Royal Soc. of Edinburgh. T. XV. i. — Quatrefages, Ann.
sc. nat. III. IV. — KowALEWsKY , A. , Entwickl. . des »Amphioxus. M^m.
Acad. imp^r. des sc. de St. Petersbourg. Ser. VII. T. XI.
Cydostomen: J. Miller, Vergl. Anatomie der Myxinoiden. Abhandl. d. Berl.
Acad. 1835—45. — Derselbe, üeber den Bau und die Grenzen der Ga-
nojden. Ebend. 1846. — Rathke, Bemerkungen über den inneren Bau der
Pricke. Danzig 1825. — Derselbe, Ueber den Bau des Querderg. Beitr.
z. Gesch. der Thierwelt IV. Halle 1827.
Fische: A. Monro, The structure and physiotogy of fishes. Edinburgh 1785.
Deutsch von Schneider 1787. ~ Cuvier et Valenciennes , bist. nat. des
poissons. XXII vols. 1828 — 48. — Agassiz, Recherchcs sur tes poissons
fossiles. 5 vols av. Atlas. 1833 — 43. ^ Agassiz et Vogt, Anatomie des
Salmones. Ncufchatcl 1845. — Leydig, Beiträge zur mikroskop. Anatomie
und EntwickeUuigsgeschichte der Rochen und Haie. Leipzig 4 852. —
Owen, Description of Lepidosiren annectens, Transact. Linn. Soc. XVIH.
— BiscuoFF, Lepidosiren paradoxa. Leipzig 1840. — Hyiitl, Lepidos.
parad. Abhandl. der böhm. Ges. d. Wiss. 1845. — Pkters, Lepidosiren.
Arch. f. Anat. und Phys. 1845. — Günther, Ceratodus, Pbilos. trans-
act. 1871.
Amphibien: CrviER, in Rccueil d'ohservations de Zoologie et d'Anat. comp. 1.
1805. — RuscoNt et Configliachi, Del Proteo anguinoo di Laurent! mono-
grafia. Pnvia 1818. — Doi*selbe, Hist. naturelle, developpement et me-
tamorphose de la Salamandre terrestro. Pavie 1854. ^ J. Müller, Bei-
trüge zur Anatomie der Amphibien. Zeitschr. f. Physiol. IV, 1832. —
DrcES , Recherchcs sur l'ostöologie et la myologie des Batraciens. Paris
1834. — Mayer, Zur Anatomie der Amphibien. Analecten f. vergleichende
Literatur. kiZ
Anatomie. Bonn 4895. — Calobi, Salla Anatotoia del Axolotl. Mem. della
Accademia delle sc. dell' istituto di Bologna IH. 4854. — Rathke (Coe-
cilia annulata). Arch. f. Anatom, u. Phys. 4 852. S. 334. — Leydig, llnler-
sucbungen über Fische und Reptilien. Berlin 4853. — L. Yaillant (Siren
lacertina). Ann. sc. nat. IV. xviii. — V. Van der Hoeven, Ootleed-en
deerkundige Bijdragen tot de Kenniss von Menobranchus. Leyden 4887.
BeptUien: Tibokmahh, Anat. u. Naturgesch. des Drachen. ^Nürnberg 4844. —
BojANUs, Anatomie iestudinis europaeae. Vilnae 4849. — Schlegel, Essai
sur la Physiognomie des serpens. Amsterdam 4837. — Dcmeril et
BiBRON, Erp^tologie generale. Paris 4834 — 54. — Dcvebnot (Serpens). Ann.
sc. nat. I. XXX. — Rathxe, Entwickelungsgescb. der Natter. Königsberg
4837. — Derselbe» Entwickelung der Schildkröten. Braunschw. 4848. ^
Derse)t>e. Ueber die Entwickelung und den Körperbau der Krokodile.
Braunschw. 4 866. — Calori (Uromastix) , Mem. della Accad. delle sc.
dell'ist. di Bologna III. ii. 4 863. — (Unther .Halteria), Phil. Tr. 4 867. 11.
— Letdig, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen 4872.
Vögel: TiEDEMAHN, Anatomie und Naturgesch. der Vögel. Heidelberg 4840 — 44.
Owen, On the anatomy of the southern apleryx. Transact. Zool. Soc.
II. 111. — Derselbe, Art. Aves in Todds Cyclopaedia 1.
Bäagethiere: Floweb, Osteology of the Mammalia. London 4870. ^ Mecxsl,
J. Fr, Ornithorhynchi paradoxi dcscriptio anatomica. Ups. 4 826. —
Vrolik (Dendrolagus) , Verhandel. d. Kon. Acad. Amsterd. V. — Gublt,
Handb. d. vergl. Anat. der Haassäugetbiere. 4. Aufl. Berlin 4 860. —
Fbamck, L., Anatomie der Hausthiere. Stuttgart 4874. — Bbakdt (Lama),
M6m. Acad. St. Petersbourg 4844. — Oweh ^GirafTe), Transact. Z. Soc, II.
Derselbe (Rhinoceros) , Transact. Zool. Soc. IV. ii. — Milne-Edwabdb,
Alph. (Mosch iden ; , Ann. sc. nat. V. ii. — Camper, Observations sur la
siructure intime et le Squelette de Cetac^es. Paris 4820. — Rapp, die
Cetaceen, Stuttg. und Tübingen 4837. — Vbolik, Natuur- en ontleedkund.
Beschouwing van den Hyperoodon. Haarlem 4848. — Eschbicut, Unter-
such, über die nordischen Walthiere. Leipzig 1849. — Rapp, Analom.
Untersuchungen über die Edentaten. 2. Aufl. Tübingen 4852. — Owen
(Myrmecophaga jubata), Tr. Z. Soc. IV. — Htbtl (Chlamydophorus Iran-
catus), Denkschr. d. Wiener Acad. IX. 4855. ~ Pallas, Nov. spec. qua-
drup. e glirium ordine. Erlangen 4778. — Campeb, descript. anat. d'un
Elephant mdle. Paris 4802. - Fischer, Anatomie der Maki. Frankf. 4804.
BüRMEisTEB, Beiträge z. nöhern Kenntniss der(jattung Tarsius. Berlin 4 846.
— Vholib (Stcnops) , Nieu>\e Verhandel. Acad. Amsterd. X. — Vau deb
HoETEif (Stenops), Verband, d. Acad. Amst. Vllt. — Owen, Monograph od
the Aye-Aye. London 4868. — Petebs (Chtromys) , Abhandl. d. Berliner
Acad. 4865. ^ Tvsoif, Anatomy of a Pygmy. London See, edit. 4754. —
Vbolib, Rech, d'anat. comp, sur le Chimpanse. Amsterdam 1841. — Dir-
CEBNOY, G. L., Caract. anat. des grands singes. Archives du Museum VIII.
— Für die Anatomie des Menschen \^'ird auf Handbücher verwiesen.
Körporfonn*
In den allgemeinsten Verhältnissen sehliessen sieh die Wirbel-
thiere an die niederen Abiheilungen des Thierreiches, vorzüglich an die
der Würmer an, wie denn auch die niederste Form (Amphioxus) noch
Zustände ontogenetisch durchliUift, welche mit den ersten Entwickehings-
4U Wirbelthiere.
Stadien der Würmer Übereinstimmen (Gas trula form), bei den Craniolen
jedoch nicht mehr zur Ausprägung gelangen. Die Ontogenie bietet
überdies bei den letzteren zahh'eiche auf das Bestehen einer tieferen
Kluft hinweisende Verschie<lenheilen. Unter liusserlichem Zurücktreten
der Metamerie sind dorsale und ventrale Flüchen allgemein unlerscheid-
bar, dem vordem Pole der Längsaxe des Körpers nahe liegt die Ein-
gangsöfTnung des Nahrungscanais in ventraler Stellung, und ebenso
ventral aber vom aboralen Pole mehr oder minder weit entfernt findet
sich die Auswurfsöffnung. Von grösseren Körperabschnitlen sind drei
auch in den niedersten Abtheilungen unterscheidbar. Der vordere eine
respiratorische Vorkammer des Nahrungscanais bergende und demgemäss
durch seitliche Durchbrechungen des Leibes wand ausgezeichnete Ab-
schnitt trägt die höheren Sinnesorgane und lässl bei den Granioten
durch Concrescenz und Differenzirung den Kopf entstehen.
Der zweite Abschnitt, bei Amphioxus mit dem vorhergehenden
noch ziemlich gleichartig, und am dorsalen Theile sogar ohne jede
Gränze an jenen sich anschliessend , bildet den die Leibeshöhle mit
ihren Contentis bergenden Rumpf, der wiederum nur durch die Anal-
öffnung vom letzten oder caudalen Theil des Körpers abgegränzt wird.
In dem Maasse als durch jene Oeffnung nur an beschränkter Stelle
eine Gränze geboten wird, ist der caudale Abschnitt des Körpers als
wenig gesondert zu betrachten.
Mit der Entstehung des Kopfes und der in ihm und an ihm diffe-
renzirten Organe empfängt der Wirbel thierkörper ein ihn von den
Wirbellosen auch äusserlich schärfer sonderndes Attribut, dessen WVrth
schon aus der beträchtlich grösseren Zahl in ihm aufgegangener Meta-
meren hervorleuchtet und dem hohen Differenzirungsgrad seiner Oi^ane
entspricht. Fernere Sonderungen treten mit der Bildung der paarigen
Gliedmaassen auf, denn wie bei den Cyclostomen mit dem Fehlen der-
selben Rumpftheil und Schwanzlheil äusserlich wie bei den Acrania
nur durch die Analöffnung unterscheidbar sind, so bilden die Hinler-
gliedmaassea bei den Gnathostomen für jene Abschnitte eine schärfere
Begränzung, und das Gleiche wird für den Kopf und Rumpf durch
die Vordergliedmaassen geleistet.
Die Ablösung der Vordergliedmaassen vom Kopfe, wie sie unter den
Fischen bereits bei Selachiern ausgeführt ist, sondert vorn Rumpfe
einen llalsabschnitt als Verbindungsglied mit dem Kopfe, welchem Ver-
halten wir von den Amphibien an begegnen. Die Verbindung der Vor-
dergliedmaassen mit einem Abschnitt des Rumpfes lässt diesen als Brust-
theil vom dahinterliegenden Lun)1)altheile sondern. Der bei den Fischen
noch einheitliche Rumpf zerfällt somit bei den Amnioten in eine Hals-,
Brust- und T^endenregion, die in den einzelnen Abtheilungen eine ver-
schiedene Ausdehnung besitzen.
Auch der Caudalabschnitt des Leibes unterliegt einer allmählichen
Differenzirung. Bei Fischen kaum abgegränzt schliesst er sich bei
ICttrperform.
H5
Amphibien (Urodelenj iiod Beplilien (Eidechsen, Crocodile), Ewar durch
die ilinlergliedniaassen vom Rumpfe geschieden, doch durch bedeuten-
deres Volum an letiteren enger an, und empfilngt, nachdem er bei den
Vi^ln aich rtlckgebildet zeigt, ersl Iwi den Sttugelhieren , durch be-
deutende Hinderunfi; seiner SUirke selbst Im ansehnlicher Lunge den
Charükter eines KOrperanhangcs der damit zugleich im Gegensätze zu
den untern Abtheilungen (Urodelen, Saurier, Crocodile) grossere Schwan-
kungen seiner Laogsdimension eingeht.
In allen grosseren Abiheilungen entstehen auf Anpassungen zu-
rUckfUhrbare Modificationen , von denen die mit der Rückbildung der
Gliedroaassen verbundenen auf die KOrperform am auflillligsten lu-
rUcknirken.
GU«dma«asen.
§ 883.
Die vom Körper der Wtrbelthiere ausgehenden vorwiegend als
Bewegungsorgane fungirenden GUedmaassen mtlssen wir in paarige
und unpaarige sondern. Die unpaaren entstehen aus einer senk-
rechten, den Kürper vom Kopfe bis zum After umziehenden Membran,
die als eine Fortsalzbildung des Inleguinentcs erscheint. Indem in
dieser Membran feste Gebilde und beKondere Muskeln auftreten , ge-
staltet sich der blosse Hautsaum zu einem coniplicirlrn Apparate, den
man als Flosse bezeichnet. Dipses Gebilde behalt entweder die
ursprüngliche Conlinuitllt der Anonlnung hei, oder sondert sich durch
Rückbildung einzelner Strecken und fernere Ausliildung der bestehen
bleibenden in mehrfache Abschnitte. Die daraus entstehenden unpaafen
flössen werden nadi ihrer Lagerung in Rucken-, Schwanz- und
Afterflosse unterschieden. Sie fungiren vorwiegend als Sieuerruder
und nur der Schwanzflosse konnnt insofern auch eine activ loeomolo-
Fi^ (RS. Ein Tetroslipr (Saimo hocho) lar Dsrslullnnf; der l'lossen. (Noch
IIkul IHid Khe«)
416 Wirbeltbiere.
rische Bedeutung zu als aiit ihr der Schwanztheil des Körpers endigt,
welcher durch seitliche Aclionen hei der Orlsbewegung eine wichtige
Rolle spielt. Wahrend diese Gebilde den Fischen allgemein zukommen,
sind sie bei den Amphibien nur in frühen Entwickelungsstadien ver-
breitet, ohne dass jedoch in ihnen Stützapparate auftreten. Solche
fehlen auch jenen Amphibien, welche noch im ausgebildeten Zustande
die unpaare Hautflosse besitzen, wie die Mehrzahl der Urodelen.
Bei den Reptilien sind nur noch Andeutungen des senkrechten
Hautsaumes wahrnehmbar, den meisten fehlt die Einrichtung gänzlich,
wie sie denn ebenso bei den höheren Classen nicht wieder zu finden
ist, denn das bei manchen r4elaceen erscheinende senkrechte Flossen-
gebilde ist auf keinen Fall von jenem Flossensaum ableitbar, sondern
als eine ei'st innerhalb der Ordnung erworbene Organisation zu be-
urtheilen, was auch von der horizontalen Schwanzflosse dieser Säuge-
thiere gilt.
Im Gegensatze zu vielen Abtheilungen der Wirbellosen, deren
paarige Glied m aas sen entweder auf Alle oder doch auf eine gro!>se
Zahl von Melameren sich vi*rlheill finden, trifll sich bei den Wirbel-
thieren eine bis jetzt ausnahmslose Beschränkung dieser Gliedmaassen
auf zwei Paare, die als vorderes und hinleres zu unterscheiden sind.
Auch sie cnjpfangen einen vom Stamme des Körpers in sie übertreten-
den Stützapparat, dem eine besondere Muskulatur angehört.
Sie geben sich als ursprünglich vollkommen homodyname Organe
zu erkennen, die jm Einklänge mit der Verschiedenartigkeit der an sie
geforderten Leistungen sich allmählich verschieden gestalten und in
demselben Maasse die Homodynamie verhüllen, die nur durch strenge
Vergleichung der einzelnen Theile nachweisbar bleibt.
Den Acrania wie den Cyclostomen fehlen sie günzlich, dagegen
sind sie bei den Gnathostonien allgemein, und wie auch immer inner-
halb einzelner grösserer oder kleinerer Abtheilungen derselben Rück-
bildungen beider Gliedmaassen oder auch ein äusseres Verschwinden des
einen oder des andern Paares Platz greift, so ist dieses stets als ein
secundürer, den vollkommen entwickelten Zustand voraussetzender
Befund zu beurtheilen. Das bezeugen nicht bios die mannicbfachen
Stadien der Verkümmerung sondern auch deutlich sprechende Spuren
die selbst beim gänzlichen äussern Mangel noch an den Verbindungs-
stellen mit dem Stamme erkennbar sind.
Der bei den Fischen bestehende niedere Zustand Idsst die Glied-
maassen als ein einheitliches, der äusseren Gliederung in einzelne
grössere Abschnitte entl)ehrendes Ganze erscheinen, dessen Oberfläcben-
entfaltung hei der Ruderfunction des Organes von Bedeutung ist.
Vorder- und Hintergliedmaassen die hier als Brust- und Bauch-
GliedmaaMeD. 417
flössen unterschieden werden, besitzen im Wesentlichen überein-
stimmenden Bau, doch hat in der Regel die Brustflosse in Zusammen-
bang mit ihrer Lagerung an dem voluminöseren Theile des Kör()ers eine
bedeutendere Grösse, und zeigt einen kraftigeren Bau, der uns aus
der den vordem Gliedmaassen zukommenden Initiative und dem darin
liegenden Uebergewicht gegen die Hintergliedmaassen erklärbar wird.
Entsprechend einer gleichartigen Bewegungsweise im Wasser kamen
auch die Gliedmaassen der fossilen Enaliosaurier, wie uns die Skelet-
reste lehren, mit den Flossen der Fische wenigstens durch den Mangel
einer queren Gliederung Uberein.
Unter den Amphibien tritt uns vor Allem eine quere Gliederung
der Gliedmaassen entgegen, indem nunmehr einzelne Abschnitte scharf
von einander getrennt sind. Wir unterscheiden an der vordem
Gliedmaasse Oberann, Vorderarm und Hand, denen Oberschenkel,
Unterschenkel und Fuss an der Hintergliodmaasse entsprochen. Diese
Scheidung steht mit der grössern Lilngenentfaltung der beiden ersten
Abschnitte in Verbindung, wodurch die einzelnen Abschnitte zu ein-
ander ip das Verhältniss von Hebelarmen treten und damit eine Winkel-
slellung gegeneinander eingehen.
Zu der in der Abschnittbildung sich aussprechenden Sondemng
tritt eine Diflerenzirung des Endabschnittes, an dem von nun an eine
auf 5 beschrankte Zahl von Endgliedern in den Fingern und Zehen
unterscheidbar wird. Da ihr am meisten nach aussen ragender
Köi*pertheil stets in höherem Grade modißcirenden Einwirkungen aus-
gesetzt ist, so finden zahlreiche Anpassungen hier einen fruchtbaren
Boden der Modification, und wenig Körpertheile bieten so mannichfache
Veränderungen als jene Endabschnitte der Gliedmaassen: Hand und Fuss.
Die primitive Vereinigung an Fingern und Zehen in eine durch
Hand und Fuss reprüsentirte Ruderplatte besteht hiiufig durch eine Ver-
bindungsmembran (Schwimmhaut) fort und erhält sich auch bei
manchen Reptilien, bei vielen Vögeln an der Hintergliedmaasse und
sogdr bei einer Anzahl von Sflugethieren, immer in Anpassung an die
Function der betreffenden Gliedmaassen als Ruderorgane.
Die mit der Ortsbeweguug auf dem Lande erlangte, aber bei der
Locomotion im Wasser noch vielfach verwendete Winkelstellung ge-
staltet sich allmählich für beiderlei Extremitäten verschieden, der Ver-
schiedenheit der Function entsprechend, welche Vorder- und Hinter-
extromilUt bei der Bewegung auf dem Boden besitzen.
Bei den Amphibien (B) sind diese Verhältnisse bereits deutlich
wahrnehmbar, aber die Verschiedenheit der Stellung zwischen Ober-
und Unterarm, Ober- und Unterschenkel, ist minder beträchtlich.
Oberarm und Oberschenkel sind fast gleichartig nach aussen gerichtet,
und daran fügen sich Unterarm und Unterschenkel in einem median ge-
öffneten Winkel. Der Scheitel des Winkels liegt nach aussen, für die
Vorderextremität etwas nach hinten, für die llinlerexlremilät etwas nach
^
418 Wirbeltbtere.
vorne zu. Letzteres Verhalten prägt sich bei den Reptilien (C) weiter
aus , und erreicht l)ei den Saugcthieren eine noch höhere Stufe^ in-
dem die Ebenen, in denen die
Fig. 4g6. Winkelstellung beiderseitiger Glied-
^ maassen stnttßndet, zur senkrech-
ten Medianebene des Körpers eine
parallele Stellung nehmen. Daraus
entspringt eine grössere Selbständig-
„ keit der Gliedmaassen, die nunmehr
zu Stützen des Körpers ge-
worden sind, indem, sie ihn vom
Boden erheben. Durch jene Aende-
rung in der Stellung der Ebene,
in welcher der von der Extremität
gebildete Winkel liegt, kommt für
die SHugelhiere [D) eine totale Ver-
schiedenheit der Winkel zwischen
den gleichwerthigen Abschnitten zum
Ausdruck, und diese verhalten sich
^ an Vorder- und Hinlerextremilüt
in umgekehrtem Sinne. Der Winkel
zwischen Ober- und Unterarm ist
nach vorne, jener zwischen Ober-
und Unterschenkel nach hinten
offen. An allen diesen Verän-
derungen nehmen die Skelettheile,
welche die Stutzorgane der Gliedmaassen tragen, den innigsten
Antheil.
Innerhalb des Rahmens dieser allgemeinen Modißcationen der
Gliedmaassen finden auf engere AbtheiUingen beschränkte, aus der
speciellen Verschiedenheit der physiologischen Leistung erklärbare Ver-
änderungen statt. Die Hinlergliedmaasse übernimmt in überwiegender
Ausbildung die complicirlere Function eines Sprungorganes, wie bei den
Fröscheii, oder sie kann sich zu einem vorwiegenden Stützorgane des
Körpers gestalten , so dass dadurch dir- Vorderglied maasse, wenigstens
für die Orlsbewegung auf dem Boden eine untergeordnetere Rolle
spielt oder in dieser Richtung ganz ausser Function tritt. Dieses Ver-
hältniss fuhrt sich nach manche^^ei bei fossilen Reptilien erkannten
Flg. <86. Schemalisclie Darstellung der DifTcronzirung und der vehinderteo
Axenrichtiing der Gliedmaassen der Wirbellhiere. A Fisch. B Arophibinm
(die zum Vergleiche mit den Andern nolhwendigc Seitendorstellong gibt den An-
schein einer Erhebung des Körpers, eben.so wie in der nächstfolgenden Kigur. Ohne
Oberarm und Oberschenkel in allzu bcdculendcr Verkürzung darzustellen, war eine
anficre Darslollung nicht ausführbar^ C Reptil. D Stiugetbier. a Schuller-
giirlel. |) DeckengUrlel.
IntegumeDt. 419
vorbereitenden Stufen bei den VOgeln ein, deren Vordergliedmaasse
unter den €arinaten die Bedeutung eines Flugorganes gewinnt.
So und noch in ausserordentlich vielen, hier keine Stelle der Be-
rücksichtigung findenden Pillen »ussert sich die Wechselbeziehung der
Giiedmaassen xu einander und zeigt sich zugleich an jeder derselben
der Einfluss der von äussern Bedingungen abhiingigen Leistung, welcher
stets die bezügliche Aendierung der Organisation der Gliedmaassen
entspricht.
•
Intefl;ament
§ 285.
Im primitiven Zustande erscheint als Körperhülle auch bei den
Wirbeiihieren eine Zellschichte, welche als Uusseres Keimblatt —
Ectoderm — aus den ersten Sonderungsvorgllngen der den Keim
darstellenden Ktfrperanlage hervorgeht, und ausser den schon in den
unteren Abtheilungen sich aus ihr diflferenzirenden Organen noch manche
neue Einrichtung ent3tehen iHsst. Mit der weiteren Entwicklung wird
der Zellenscbichte noch eine aus dem mittleren Keimblatte entstandene
Bindegewebschichte zugetheilt, und beide zusammen reprHsentiren
nunmehr das Integument der Wirbellhiere, und sind gleichmässig am
Aufbau und der Ausbildung verschiedenartiger Organe betheiligl.
Diesem Integumenlo (Cutis) kommen seiner Genese gemihis zwei
Straten zu: ein oberflächliches, den Epithelialbildungen der Wirbel-
losen homologes als Oberhaut (Epidermis), welche der unmittel-
bare Abkömmling des Ectoderms ist, und eine tiefer liegende Binde-
gewebsschichte , die Lederhaut (Gorium) , die mit ihren tiefsten,
lockeren Lagen das Unterhautbindegewebe vorstellt. Mittels Durch-
flechtung der Faserzüge wird der Lederhaul eine Acvhe Beschaflenheit.
In ihr verbreiten sich die Blutgefässe , ebenso die Nerven der Haut,
die mit mannichfaltigen Sinnesorganen und in den Drüsen endigen.
Häufig ist die Lederhaut der Sitz von Pigmenten, welche in ver-
schieden gestalteten Zellen eingelagert sind. Sowohl an Dicke als in der
feineren Textur bietet sie zahlreiche Verschiedenheiten. Von diesen ist
eine laroellöse Schichtung in der Haut der Fische, Amphibien und Bep-
tilien bemerkenswerth , wobei senkrechte FaserzUge die Schichten in
regelmässigen Abständen durchsetzen. Als eigenthümliche Bildungen er-
scheinen warzenartige Erhebungen ihrer OberflUche, die von niedrigen
HUgelcben bis zu langen konischen oder auch fadenförmigen Fortsätzen
variiren. Diese Haulpapillen werden in den einzelnen Abthei-
lungen der Wirbelthiere zum Ausgangspuncl einer Beihe complicirterer
Organe.
Contraetile Formelemente (glatte Muskelfasern) finden sich gleich-
falls ha der Lederhaut bei Vögeln und Säugethieren vor. Eine andere
Nodificdtion der Cutis geht durch Texturveränderung vor sich, indem
«7*
420 Wirbelthiere.
sich Theile derselben durch VerknOcherung in Hartgebilde um-
wandeln, entstehen in die Haut eingebettete Knochenplatten der ver-
schiedensten Form und setzen ein Hautskelet zusammen. Endlich
stehen mit der Cutis DrUsenorgane in Verbindung, die jedoch von
der Epidermis her gebildet werden und deshalb den Epidermolklal-
organen beizuzählen sind.
§ 286.
Die Epidermis besteht aus mehrfachen Zellschichten, welche die
Lederhaut mit allen ihren Erhebungen und Einsenkungen Uberkleiden.
Als ein Erbstück aus niederen Zuständen tritt auch noch bei Wirbel-
thieren ein Wimperepithel auf, beschränkt sich aber auf Embryonal-
stadien bei Fischen, und kommt bei Amphibien nur im Larvenzustande
an gewissen Körperstellen vor. Von den einzelnen Schichten er-
scheinen die unleren, der Lederhaut näher liegenden, als jüngere,
welche in den oberflächlichen Schichten verloren gegangene Theile
wiederersetzen. Die Zellen dieser tieferen Schichten bieten meist in-
differente Formen dar, und lassen die aus ihi^n zusammengesetzle
Partie häufig, namentlich bei Säugethieren, von der oberen deutlich sich
abgrenzen (Stratum Malpighii). In der Consistenz, der Verbindungs-
weise und der Form bieten die Epidermiszellen zahlreiche Verschieden-
heiten. Pigmentführende Zellen sind, zuweilen von ansehnlicher Grösse
zwischen den andern verlbeilt. Durch die Bewegungserscheinungen
ihres Protoplasma vermögen sie zuweilen einen Farbenwechsel zu ver-
ursachen, und scheinen als Chromalophoren bei Fischen wie bei Am-
phibien verbreitet zu sein. Bei den im Wasser lebenden Anamnia [Fische
und Amphibien) ist die gesammte Epidermis locker, und die Weich-
heit ihrer Eleniente verleiht der ganzen Schichte häufig eine gallertartige
Beschdf!'enheit, so dass sie sogar lange Zeit für eine von Drüsen secer-
nirte Schleimschichte gehalten ward.
Dem Zustande der Epidermis im Wasser lebender Wirbelthiere
stellt sich ein anderer gegenüber, der in den höheren Abtheilungen auf-
tretend durch Verhornung der Epidermiselemente charakterisirt isL
Dieselben bilden dann resistente Plättchen oder auch Fasern, die, in-
einander geschoben, in verschiedenem Maasse abgegrenzte, feste Theile
vorstellen. Der Verhorn ungsprocess betrittl immer nur die oberfläch-
lichen Epidermisschichlen, die tieferen bleiben auch hier indifferent.
Mit stärkerer Verdickung der verhornten Schichten entstehen niannich-
faltige Formationen von Platten, Höckern und schuppenartigen Gebilden,
wie solche bei den Reptilien verbreitet sind. Die Lederhaut nimmt
jedoch an diesen Gebilden Antheil, indem sie fast immer jenen Epider-
misformationen entsprechende Erhebungen besitzt, die aus vergrösserten
Papillen entstanden. Die Schuppen von Eidechsen und Schlangen sind
somit Fortsätze der gesammten Cutis. Dieser verhornte Ueberxug hat
sich bei den Vögeln nur an beschränkteren Körpertheilen erballen, an
EpidermoKdalgebilde. 42 \
den Kiefern als Schnabelscheide, wie an den Fttssen in Form von Tafeln,
Plättchen, Höckern u. s. w. In Verbindung mit einem knöchernen
Hautskelete finden sich grössere Hornplatten bei den Schildkröten wie
unter den Säugethieren in einzelnen Famih'en der Edentaten (Dasypus,
Haois, Chlamydophorus). Die in einzelnen Abtbeilungen oder in noch
engeren Kreisen vorkommenden Hornbildungen der Epidermis sind
nicht dlred auf die bei Reptilien bestehende Organisation zu beziehen,
sie sind vielmehr immer nur aus Anpassungen an bestimmte iiussere
Verbültnisse hervorgegangen. Dagegen treffen wir an einzelnen Körper-
steilen Homgebilde der Epidermis, die bei ihrer grossen Verbreitung
und Beständigkeit als vererbte Einrichtungen gelten n)Ussen. Es sind
die Nägel und Klauenbildungen an den Enden der Gliedmaassen. Schon
bei den Amphibien (Salamander) finden sich Andeutungen bieftlr; bei
Reptilien und Vögeln erscheinen sie allgemein , selbst an einzelnen
Fingern der zum Flugorgan verwendeten Hand der Vögel haben sich
nicht selten solche Nagel erhalten. Durchgehend finden wir sie bei
jenen Säugethieren , wo sie mit der bedeutenderen Ausbildung ein-
zelner Finger oder Zehen in der Hufbildung eine voluminösere Entfal-
tung erlangen. Nur bei vollständiger Umwandlung der Extremitäten
gehen diese Hombedeckungen der Endphalangen verloren, wie an
drei ode* vier verlängerten Fingern der Hand der Fledermäuse oder
an der Hand der Celaceen.
Epidermoidalgebilde.
Ausser den vorhin erwähnten Horngebilden gehen noch andere
Differenzirungen aus der Epidermis hervor, von denen Federn und
Haare tbeils durch ihre Verbreitung in den beiden oberen Ab-
theilungen der Wirbelthiere , theils auch durch ihre eigenthtlmliche
Erscheinung eine hervorragende Stelle einnehmen. Man pflegt beide
als sehr nahe verwandte Bildungen anzusehen, da sie sowohl in ihren
Beziehungen zur Haut als auch in äusserlichcn Verhältnissen manches
lebereinstimmende bieten. Dennoch ergeben sie sich bei Beachtung
der genetischen Verhältnisse als divergente Organe. Die erste
Anlage für die Feder stellt einen böckerförmigen Vor-
sprung (Fig. 187. A) vor, jenen Erhebungen ähnlich, wie sie bei
Reptilien verbreitet sind, so dass darin eine Ankntlpfung an die nian-
nichfaltigen Höcker- und Schuppcnbildungen besteht. Jene Höcker
wachsen in papillenfbrmige Fortsätze [B) aus (Federzotten) und diese
erscheinen aus einer äusseren Epidermislage [Ce] und einer dar-
unter befindlichen Papille [f) zusaitimengesetzt. Auch die Anordnung
dieser ersten Federanlagen in bestimmt abgegrenzte Felder (Federfluren,
Pterylien) verweist auf Verhältnisse, die bei den Reptilien in der An-
iii Wirbelthiere.
nrdnunfi der grösseren und kleineren Schuppen beslehen. Die Feder
isl in jenem einfücben Zuslinde somit ein blosser Fortsatz der Epider-
mis und der ditrunler lie^i ndcn Cutis Die Einsenkung der die Cults-
pipillo tragenden Federanlage
in die Haut und die damit
entstehende Bildung eines
FederfoUikelsB ist eine spatere
Erscheinung ebenso wie die
Difleicnzirung dei Feder in
Schaft und tahne Diese
Trennung erfolgt erst nach
Äbstossung einer aus der
ersten Anlage slaninienden
Lpiderniisschichio (Feder-
sclieide) In den Forui\er-
lidltnissen der Fider ergeben
sich je nach der Ausbildung
des Schaftes oder der Fahne
zahlriichL unseren /wecken
fern erstehende \ erscbieden-
hciten
Die bti der Federeut-
WRkelung erst spJt auftre-
Icndt Bildung, eines Follikels
der in die Cutis eingesenkt
df-U hK Spule« bezeichneten
Absebnitt des Schaftes der
Feder und die in denselben
sich \ erlangernde geßissreiche
f Papille umschliessl, charalL-
terisirt das erste Auftreten des
Haares, für welches eine papillen artige Epidermis verdickung ein sehr
frühe und rasch vorübergehender ZusUnd ist. Vergleicht man -die
Entwickelung des Haares mit jener der Feder, so IrifH man den ersten
Zustand der Feder beim Haare nur angedeutet und in seiner Weiter-
bildung übersprungen ; denn das Haar legt sich nicht in jener vor-
übergehenden Erhebung, sondern immer in einem von der Epidermis
aus in die Cutis oingewucherten Follikel (vergl. Fig. 187. D E F) an,
Fig. 187. A Erste Anlage der Feder als papillenarlign Erhcburig. eEpiJer-
misschichle. B (''cderzoltc. C Querschnitt durch eine solcbe , wobei im Innern
der Papille die Lumina einer durclischnillenen GcCHsascblinge sichlbar sind. « Epi-
dormiBScbicbte. /" Geraüshaltige Coriumschiclile. D Erste Anlage des ifaarfol-
likels. e Epidormigpapille. E Weiler eini;esGnktGr llaarrallilici. t' Differcniirung
desselben, f Faserbülle des Follikels, i llaaraulagc. p llaarpapillc. G Entwickel-
ter Haarfollikel, f und p wie vorhin, a Haerschan. r Haarwurecl. a Aousserc,
■ inoero Wurzelscheide, gl Talgdrüsen.
Epidermo'idalgebilde. 423
iD dessen Grund gleichfalls eine Guiispapille [P.p) sich erhebt. Aus
der eingewucherlea Epidermis differenziren sich sowohl der Schaft des
Haares, an welchem die betreffenden Zellen einen Yerhornungsprocess
erleiden, als auch Theile des Follikels (die Wurzelscheiden Fig. 487.
G. t. a). In der Regel bildet sich in jedem Follikel je ein einziges
Haar, doch kommen auch Follikel mit Ausbuchtungen vor, welche
Büschel von Haaren aussenden. Dieses Verhalten verknüpft sich mit
dem ersteren dadurch, dass beim Haarwechsel die Anlage des jungen
Haares in einer Wucherung des neuen Follikels entsteht.
Die verschiedenen Formen der Haare, ni(^en sie als W^ollhaare
oder Borsten oder Stacheln erscheinen, sind nur Modificationen eines
und desselben Zustandes der ersten Anlage.
§ 988.
Der Epidermis gehören femer die Drüsen der Haut an.
Die einfachsten Zustände ergeben sich bei den Fischen in Modi-
ficationen einzelner Zellen, deren Protoplasma in feine Körnchen sich
sondert, die nach aussen entlecit werden. Diese zwischen den andern
Epidermiszellen vertbcillen Schleimzellen — bei bestimmter Ge-
stalt auch als Becherzellen erscheinend — stellen einzellige Drüsen
vor. Sie finden sich auch noch bei Amphibien, bei denen bereits
complicirtere Drüsenorgane verbreitet sind. Diese erscheinen als flaschen-
förmige über das ganze Integument verbreitete Schläuche, die in
mehreren Formen unterscheidbar sind, la, vielen Fallen erreichen sie
eine bedeutende Grösse und bilden höckerförmige die Haut rauh oder
warzig gestaltende Hervorragungen (z. B. bei Kröten und Salamandern}.
Bei denselben erscheinen grössere Massen von Hautdrüsen gehäuft und
werden für bestimmte Körperstellen charakteristisch, wie z. B. die
hinter dem Kopfe gelegenen sogenannten Parotiden.
In geringerem Grade sind Hautdrüsen bei Reptilien verbreitet.
Bei den Eidechsen führen nur die sogenannten .»Schenkelporen« in
Drüsen, welche als zusammengesetzte Scliiäucho erscheinen, dtren
Secret aus erhärtenden Zellen bestehend das Lumen der Drüsen ausfüllt.
Bei den Vögeln ist das Vorkommen von Hautdrüsen in hohem Grade be-
schränkt. Ein Aggregat von Drüsen stellt die besonders bei den
Schwimmvögeln sehr ansehnliche BürzeldrUse [Glandula uropygii) vor,
deren Secret zum Einölen des Gefieders dient. Bei den Säugethieren
scheiden sie sich in zwei scharf gelrennte Gruppen : Schweiss- und Talg-
drüsen, die vielfach mit den Haarfollikeln verbunden sind, indem nicht
nur die Talgdrüsen fast regelmässig, sondern auch die Schweissdrüsen
häufig ihre Ausführgänge in die Haarbälge einsenken. Beiderlei Drüsen
sind mehr durch die anatomische Beschaffenheit als durch die Qualität
des Secretes, welches nur für einzelne Fälle näher bekannt ist, zu
unterscheiden, wie denn eine und dieselbe Drüsenform an verschiede-
424 Wirbeltbiere.
nen LocaliUUen verschiedene Verrichtungen besorgt. Als Schweiss-
drUsen werden einfachere, terminal gewundene Schläuche bezeichnet,
während die Talgdrüsen mehr gelappte Bildungen vorstellen. Häufig
vereinigen sich mehrere derselben an einem Haarbalg, und können
sogar im Verhdltniss zu letzterem so ansehnlich entwickelt sein, dass
der Haarbalg als ein Anhang «der Drüse sich darstellt. Ausserordent-
lich zahlreiche Modific-alionen erleiden die Talgdrüsen in Form, Zahl,
Grösse, wie auch in der Qualitllt des Secreles. Sehr verbreitet liefern
beide Drüsenapparate specifische Riechstoffe verschiedener Art, die in
der Oekonomie der Thiere eine bedeutende Rolle spielen. Einzelne
besonders ausgebildete Hautdrüsengruppen sind folgende: die Kopf-
drüsen der Antilopen, die Klauendrüsen, sowie die sogenannten Thränen-
drüsen der Wiederkäuer, die Seitendrüsen der Spitzmäuse; die Anal-
drüsen der Raubthiere, u. a. die besonders bei den Mustelinen sehr
ausgebildet, am meisten bei den Viverren entw ickelt sind , bei denen
sie die Zibethdrüsen vorstellen ; ferner die Leistendrüsen der Hasen,
Cruraldrüse der männlichen Monotremen u. a. mehr.
§ 289.
Die wichtigste Differenzirung von Hautdrüsen erfolgt bei allen
Säugethieren in der Bildung von Milchdrüsen, die zur Geschlechts-
function in Beziehung treten. Sie ßnden sich regelmässig an der ven-
tralen Körperfläche meist in symmetrischer Lagerung. Jede »Milch-
drüsea besteht aus einem Complexe einzelner Drüsenschläuche, die
entweder getrennt bleiben, oder ihre Ausführgänge vereinigen.
Bei den Monotremen treten diese Organe noch wenig aus der, Reihe
anderer Hautdrüsen. Jede der beiden hier bestehenden »Milchdrüsen«
wird durch eine Gruppe von Schläuchen gebildet, die einzeln die Haut
durchsetzen. Das die Mündungen tragende Feld ist nur durch mangelnde
Behaarung ausgezeichnet und liegt bei Ornithorhynchus in der Ebene
des benachbarten Integumentes. Bei Echidna dagegen findet es sich
in jfe einer taschenförmigen Einsenkung, die zur Aufnahme des Jungen
zu dienen scheint.
Bei den übrigen Säugethieren treten in der Bildung der Zitzen
besondere, wohl durch das Säugegeschäft allmählich ausgebildete Vor-
richtungen auf, welche den Jungen eine günstigere Verbindung mit
dem Milchdrüsenapparat gestatten, und zugleich jeden einzelnen Müch-
drüsencomplex äusserlich unterscheidbar machen.
Für die Bildung der Zitzen ergeben sich zwei sehr verschiedene
Zustände. Für beide erscheint vor der Entstehung der Zitze ein gleich-
massiges indifferentes Stadium [Fig. 188. A.) , indem ein ziemlich
flaches Drüsenfeld (b, an seinem Boden die einzelnen in die Lederhaut
wachsenden Drüsen aufweist, und durch eine ringförmige Erhebung
(a) vom benachbarten integumenle sich abgränzt. Dieser Wall entspricht
E pidermoldi lg«bi Id«.
125
der die tascheDfOrmige Verlierung bedingenden Haulfalte bei Echidna. Bei
der HebfzabI der Ssugelhierc besteht er nur vorübergehend, vielmehr
flacht er sich frühzeitig ab
und das Drüsenfeld erhebt Klg. I8s.
sich in seiner die DrUsen- ^ A _
mUndangen tragenden Mitte
[Fig. tS». B\. Diese Er-
hebung stellt die Papille
oder Zitze vor, auf deren
Spitze stets eine Anzahl von
DrllsengHngen aosmUndet.
Die Deciduata bieten diesen
Befund.
Die andere Einrichtung
entsteht durch fortgesetzte
Erhebung des Drüseuwplles,
dessen Auswachsen das
Drjlsenfeid immer tiefer tre-
ten lasst, bis er schliess-
lich dje Zilze selbst vor-
stellL Auf dieser Pseudo-
Zilze mündet dann ein
einbcher Canal , der zum Drüsenfeld hinfUhrt (Fig.
Verhallen ist bei einem TTieile der Indeciduaten (Wiederkäuer, Pferd)
beobichtel. Ucbcrgangsformen zwischen beiden Befunden der Bil-
dung der Zitze lassen sich bei Beutellhieren (Halmaturusj , auch bei
Nagern (Hurina) wahrnehmen.
Die Zahl der durch die Zitzen unterscheidbaren Milchdrüsen ist für
die einzelnen Abiheilungen verschieden. Sie entspricht im Allgemeinen
der Zahl oder doch dem Maximum der Zahl der gleichzeitig erzeugten
Jungen. Sie schwankt selbst innerbnib einzelner Ordnungen: bei den
Nagern von 8 (Cavia) bis 12, hüchstens 1i {Dasyprocla) ; auch die
Lagerung ist sehr verschieden. In der Begel bilden sie zwei Reihen,
die bei grosserer Zahl von der Inguinal- bis zur Pectoralregion reichen
(i. B. Camivoren, Schweine). Bei manchen Didelphen sind sie kreis-
förmig am Abdomen angeordnet. Bei geringer Zahl nehmen sie ent-
weder eine abdominale Stellung ein, wie bei manchen Didelphen, oder
sie sind nur in der Leistengegend vorhanden (Einhufer, Wiederkäuer,
Celaceen) , oder endlich sind sie auf die Pecteralregion beschränkt
(Elepfaant, Sirenen, manche Halbaffen, Chiropleren und Primaten).
Beim Vorkommen von mehr als einem Zittenpaar werden häufig einige
Hg. 188. SchemaliNcbo Danlellnng der Zilze nbildnogen eu( leukrechteD Schnit-
ten. A Indifferenter Zimland bei fast ebenem Drilgonrelde. S Erhebunü dos
DiliMDteldes zur Zilze. C Erhebung des Drüsenreldwslles zor Pseadoiilie. a
Walt des DfUüenreldes. h DrUseDfeld. gX Drttseo.
C).
Dieses
426 Wirbellbiers.
Drüsen abortiv, so dass neben den ausgebildeten und fuootioDsßibigeD
Dillsen, nicht fungirendo, rllckgebildete Oi^ne bestehen, die durch
die rudimentären Zitzen erkennbar sind. Ächn lieberweise rUckgebildet
ist der ganze Apparat bei den Männchen.
Als eine Anpassung des Integumenles an die durch Milchdrüsen
geleislele Ernährung der Jungen sind die bei Beutelthiereo be-
stehenden Hautduplicaturen tier von u beben, durch welche ein die iitz«i-
tragcnde Flüche desAbdomens umschliessender Sack, das Marsupium,
(gebildet wird. Seine Ausbildung scheint zu dem Grade der Reife der
neugeborenen Jungen im umgekehrten Vorbältuisse zu sieben , was
wiederum dem Ausbild ungsgr^de des Uterus entspricht.
§ 290.
Durch Erzeugung von Hartgcbilden erhöht sieb die Leistung des
Integumentes als Schulzorgan für den Körper, und bei voluminitserer
Gestaltung jener Tbeile kann es sogar einen äusseren Stützapparat,
ein Hautskelet hcrvoi^ehen lassen. Die hier in Betracht kommenden
Gebilde sind zwar in vielen Fällen bezüglich
ihrer Genese nur unvollständig erkannt,
allein sie dürren doch alle den knöcbemen
Bildungen beigozählt werden , denen sie in
den höheren Abtheitungen sogar volUtSndig
entsprechen. '
Den Ausgangspunkt fUr die maonieh-
fachen Formen bieten die Selachier, von
denen die Haie eigenthümliche, meist kleine
Knochcnplnilchen dem Intcgumenl« eingeftlgt
besitzen. Man unterscheidet an diesen «Pla-
cold Schüppchen' eine der Lederbaul inserirte
%M faw y» (
fm
VV4Fi%TJ^Qk*£l!M meist rhomboidal gestaltete Basis und einen
^•■\^U'\^Si/'^^y' tla""«"' sich erhebenden meist in schräg ge-
'■ "OvT 'Lt\ '■^tVi '' richtete Spitzen auslaufenden Abschnitt, der
' Vr" Vfy ■•\h'.<\'^ ^'on der Epidermis überkleidet wird {Fig.
' ^T 'a^ i89). An einzelnen Stellen, wie z. B, am
~^r\ Vr/ Kopfe besitzen sie häufig eine gewölbte Ober-
f
Oächo und li^en unregelmässig , indess sie
am Rumpfe nicht selten in ganz regel-
mässigen schrägen Reihen sich vorfinden. Sic entstehen auf Papillen der
Lederhaut, tlber welchen eine besondere von der Epidermis gelieferte
Zelle nschtchte sich hinwcgzioht, die auf dem voi-springcnden Tbeil der
Papille eine scbmelzarlige Schichic abscheidet, indess der Körper der
Kig. 1BB. Placojiie Schuppe he D VC n Ccnlrophoras catceus [KbwKhe Ver-
grOsserung).
Haatokelet. .^%^'
Papille voD der Spitze her ossificirt. Bei den Rochen sind diese Ge-
bilde entweder ganz verloren gegangen (Zitierrochen) oder sie werden
durch grössere Gebilde vertreten, die in Form von Stacheln oder grösseren
Knochenzilbnen gehäuft oder vereinzelt vorkommen (Stachelrochen).
Die PlaooYdschUppchen der Haie sind bei den GanoYden ziemlich
allgemein in grössere Knochenpia Iten umgewandelt, die bei den Rhombi-
feren am Körper nicht nur die gleiche Anonlnung, sondern auch einen
im wesentlichen Ubereinstinmienden feineren Bau besitzen. Grössere
Knocbentafeln mit kleineren wechselnd finden sich bei den Stören.
Sie besitzen meist noch vollständig die Rhombenform , die bei einem
anderen Theile der GanoYden — den Cycliferen — verloren ging und
diese an die Teleostier sich anschliessen lässt. Obwohl die meist
flachen und dttnnen Schuppen der letztem von den GanoYdschuppen
ableitbar sind, erscheinen sie doch durch mancherlei verschieden, und
repräsentiren ein durch die MannichfaUigkeit der Formen charakteri-
sirtes Auslaufen des bei den GanoYden bestehenden, von den Selachiern
her ableitbaren Typus. Meist stellen sie scheibenförmige Plättchen dar,
die theilweise in eine Tasche der Lederhaut eingefugt, theil weise frei
unter der, wie auch bei GanoYden und Selachiern bäußg verloren-
gehenden Epidermis liegen. Dieser letztere Theil der Schuppe bietet
in einer Abtheilung der Teleostier kleine stachlige Fortsätze (GtenoYd-
schuppen).
Bei vielen Telcostiem erleidet die Beschuppung eine Rückbildung,
die zu einem gänzlichen Schwinden fuhren kann. Andererseits ent-
stehen wieder von der Schuppenbildung sehr weit abliegende knöcherne
Theile, wie die Platten und Stacheln der Plectognathen, bei denen es
unter festerer Verbindung der Platten zu einer zusammenhängenden
Panzerbildung kommen kann (Ostracion, Lophobranchier).
Von den Schuppen verschiedene, aber doch vielleicht von ihnen
ableitbare Stücke erscheinen in dem die Gliedmaassen überziehenden
lotegumente bei GanoYden und Teleostiern. In Compensation des im
Vergleiche zu den Selachiern rUckgebildeten inneren Skeletes der Glied-
maassen sind im Integumente gleichartig aneinander gereihte Knochen-
stückchen entstanden, welche reiche, terminal oft mehrfach dichotomisch
verzweigte Strahlen zusammensetzen und dann einen Stützapparat der
Flossen bilden (Secundäres Flossenskelet) . Häufig ist der den Vorder-
rand der Flosse einnehmende Strahl massiver, oder stellt einen mäch-
tigen, sogar mit dem innern Skclete verbundenen Slachelstrahl ^or,
der nicht blos die übrigen Radien überwiegen, sondern auch, wie bei
den Panzerwelsen sogar die gesammte Brustflosse repräsentiren kanui
Von besonderer Wichtigkeit werden die Ossifikationen des Integu-
mentes an jenen Körperstellen, wo Theile des inneren Skeletes an die
tS6 Wirbelthiere.
Oberfläche treten. Den Knorpeloberflachen des inneren Skeictes lagern
sich daselbst Ossißcationen auf, welche ganz wie KnochenlafelD an an-
deren Stellen der K(»rperoberfläche
in der Haut entsl«hen. Solche
Knochen bilden sich bei den Sela-
ctiiern an den StUlzknorpeln der
Ruckenflossen, wo sie im vordersten
Knorpel jeder Flosse aurireleud zu
stachligen Bildungen auswachsen
(Dornhaie) , die in Ubnlicber Weise
auch bei Rochen vorkommen. Wäh-
rend diesen Bildungen eine nur auf
eine Abtheilung der Fische be-
schränkte Bedeutung zukommt, be-
sitzen andere einen höheren Werth :
es sind unter bestimmter Anordnung
rrscheinende Knoclienplatten, die be-
sonders am Kopfe mit Bestündig-
keil auftreten und dort die Anfänge
des knöchernen Schädels, zunächst
des Schädeldaches vorstellen (vergl.
Fig. <90). Diese Hautknochen
gehen duruh Vererbung auf
alle mit knöchernem Schädel
versehenen Wirbeltbiere Über
und verbinden sich mit später
selbständig an) Knorpelscbä-
del auftretenden Ossificationen. So trifH, es sich zuerst bei
den Stttren. Neben den grossen Knochentafeln , die theüweise schon
bei den Teleostiem ihre oberflächliche Lagerung einbUssen , Boden
sich zahlreiche kleinere vor, von denen der grttsste Theil nicht typisch
wird und schwindet. Die speciellercn Verhältnisse werden wegen dieser
Beziehungen zum inneren Skelete bei letzterem auseinandergoselzl
werden. Uebrigcns sind es nicht Schädelknocben allein, welche aus
Ossificationen dos Integumenles hervorgehen, auch andere Skeleltheil^
(z. B. die Clavicula) besitzen einen ähnlichen Ursprung.
§ 892.
Hautknochcngebilde treflen wir auch in den hüheren Classen; für
die Amphibien sind die fossilen Arthcgosaurier anzuführen, bei
denen Hautknochen in GcsUill von schildförmigen Tufeln verbreitet
Klß. 19». Kopf von Acipcnsor sturio von oben. Das knorpolige Cranium isl
durch den schrafürlen Thoil der Figur angegeben, welchen) die integumeDlfiien
Knochen Schilder in Umrissen aurgexelchnet sind.
Hautskelet. 429
waren. Auch hier scheinen die Beziehungen zu den Deckknochen des
Schadeis noch fortzubestehen, indem sich an letzteren dieselben Sculp-
turen wie an den Rumpfschildern vorfinden. Nur in ganz rudimen-
Uirer Form finden wir solche Hautknochen vereinzelt bei lebenden Am-
phibien : Geratophrys, Brachycephalus. Bei ersterer liegt ein Knochen-
schild in der Haut des Rückens, bei letzterer Gattung sind drei mit
mehreren- Wirbeln verbunden. Ganz ausserhalb der Reihe dieser
Gebilde stehen die unter den Cöcilien ziemlich allgemein verbreiteten
kndchernen Schuppen, die in tascBenartige Vertiefungen eingesenkt sind.
Ausgedehnter sind sie bei Reptilien vorhanden, die sich hier^
durch dem alten Ampbibienstarome nUhern. Bei den fossilen Teleosauriern
wie bei den lebenden Crocodilen slellen über das ganze Integument ver^
breitete Hautknochen eine Art Panzer vor imd auch bei manchen Ei-
dechsen (ScincoYden) finden sich anemanderschliessende knOcberne
Platten im Integumente in allgemeiner Verbreitung. Solche Haütossifi-
cationen bilden bei den Schildkröten durch ihre Verbindung mit inneren
Skelettheilen eine einseitig entwickelte aber sehr vollständige Form des
Hautskelets, sowohl an der dorsalen Flache des Körpers als Bücken-
schild, wie an der ventralen als Bauchschild (Plastron] . Am Rücken-
schilde ist eine mediane Reihe von Knochenplatten aus den verbrei-
terten Wirbeldornen entstanden. Lateral folgen grossere mit rippen-
artigen Gebilden in verschiedenem Maasse verschmolzene Platten, wozu
noch rings um den Rand jdes Schildes besondere Marginalplalten kom-
men. Diese fehlen bei Trionyx. Am Plastron sind meist 4 paarige
und ein unpaares Stück untorscheidbar. In der Verbindungsweise der
einzelnen Stücke des Rücken- und des Bauchschildes sowohl unter
einander als (bei ersteremj mit inneren Skeleltheilen ergibt sich für die-
Familien der Schildkröten eine fast continuirliche Stufenfolge.
Wahrend die bei allen Reptilien bestehenden Hautknochen wahr-
scheinlich als eine Forlsetzung des Knochenpanzers, der Fische gelten
dürfen, müssen wir die in einigen Abtheilungen der Saugelhiere (Eden-
laten] vorkommenden Ossificationen als selbständige aus Anpassungen
hervorgegangene Einrichtungen beurtheilen. Schon aus dem Umstände,
dass dieser Panzer sich auch über den Kopf fortsetzt, wahrend bis zu
den Reptilien die Bepanzerung des Schadeis mit der Deckknochen-
bildung auf dem Primordialcranium zusammenfallt, geht hervor, dass
hier die Integumentbildung ursprünglich mit jener der übrigen Sauge-
lhiere im Allgemeinen gleichartig war, und dass erst secundar Knochen-
platten sich bildeten.
Inneres Bkelet.
§ 893.
Von viel grösserer Bedeutung als die vom Integumente gelieferten
Skelet- Gebilde ist das innere Skelet Iheils wegen seines höheren
functionellen Werthes, theils wegen des typischen Verhaltens, welches
430 Wirbelthiere.
sich in bestimmt«n. allgemein im WirbeilhlerBtHmm vererbten Ein-
richtungen lu erkennen gibt. Von Seite der Wirbellosen bieten nur
die Tunicnlen (vergl. oben S. H4) Ankntlpfunpspuncie an die nie-
derste Skelelform der Wirbellhiore, indess nlle übrigen inneren Slttlz-
Vorrichtungen , wenn sie nuch ^oweblich mit der Skelelsubstanz der
Wirbelthiere übereinkommen, hei letzteren keine Spur vnn lloniolt^ie
mit den Skelelen der Wirbellosen besitzen.
Als erster Zustand erscheint das innere Skelet in Form eines die
Lange des Körpers durchziehenden slahförmigen Gebildes, in einfachster
Weise aus indifferenten Zellen zusammen {gesetzt und umgeben von einer
aus Abscheidung dieser Zellen hervorgegangenen HUlle, die demnach
eine Cuticularhildung ist. Wir l>ezeichnen diesen pri-
mitiven ■ Stützapparat des Wirbel ihierkörpers als
'^' Rllckensaite (Chorda dorsalis, Nolochord) , die
von ihr gebildete Hülle als Chorda scheide (es).
Üic erste Anlage der Chorda tindet unmittelbar
unter dem centralen Nervensysteme statt, und scheint
wie dieses aus dem äusseren Keimhiatte (Ectoderm)
gesondert, welches also auch noch bei den Wirbel-
thieren an der Bildung der Stützoi^ne betheiligt ist.
Das einheitliche, jeder Gliederung entbehrende Ver-
halten der Chorda spricht für die Abstammung dieses
Organes aus einem ungegliederten Zustande des Oi^a-
nismus, womit auch sein frühzeitiges Auftreten har-
monirt.
Die Chorda besitzt constanle Lagerungsbeziehungen zu den wichtig-
sten übrigen Organen. Ueber ihr liegt das centrale Nervensystem,
unter ihr findet sich die Lcil>cshöhle, in welcher der Nahrungscanal
und die mit ihm zusammenhangenden Nelienapparate eingebettet sind.
Ebenso hat das Blutgefüsssystem mit seinen I)auplsU4mmen unterhalb
der Chorda Platz genommen. Zur Umschliessung des bezeichneten dor-
salen und ventralen Raumes erstrecken sich von dem die Chorda um-
gehenden Bindegewebe aus Fortslltzc um beide RSume und senken sieh
zugleich in die Körpermuskulatur ein, die dadurch in eine Anzahl hinter
einander liegender A"bschnitte getheilt wird.
Der niedere Zustand des durch die Chorda reprSsentirten Axen-
sketets bleibt hei den (.eptocanüern bestehen , eigenihUmliehe geweb-
liche Hodificationen aufweisend, bei allen Übrigen Wirbellhieren er-
scheint er nur in den ersten Enlwickelungsstadien, und wird durch
neue Differenzirungen modißcirt. Solche treten zunächst an der Chorda
Fig. 191, Senkreohler Durchschiiill durch die Caudalregion des prin)itiTt-n
Axenskclets cincü Embryo von Saimo salnr, zur ErlauleruuH der Beziehung der
Skel Dil lullenden Schiclitc zur Cliorda (cftl und deren Scheide [ci]. z Acuf&erste
epilheiartigo Schichle des Chordajtcwelies, n Rüctcgrnlcnnal, h Cnudnlciinil.
ft Knorpel in den oiwren und unlcren Dogen.
Inneres Skelel. 434
selbst, und dann in dem diese umgebenden Gewebe auf, welches man
wegen seiner Beziehungen zum späteren Skelete als »skeletogene Schichte«
oder als »skeletbildendes Gewebe« bezeichnet. Von der ersteren
sind Veränderungen der Ghordazellen und der Chordascheide
hervorzuheben. Die Chordazellen stellen ein dem Knorpel ahnliches
Gewebe dar, und die Chordascheide gewinnt durch Verdickungen ihrer
Schichten eine selbständigere Bedeutung für die Stützfunction.
§ 294.
Durch gewebliche Differenzirung der aus dem mittleren Keimblalte
(Mesoderm) stammenden skeletogenen Schichte entsteht um die Chorda
Knorpelgewiebe (Fig. 194. k) und damit tritt die vorher nur angedeu-
tete Gliederung des Axenskelets in einzelne als Wirbel bezeichnete
Abschnitte auf, welche als der am Axenskelete erscheinende
Ausdruck einer Metamerenbildung des Gesa mmtkörpers
sich darstellen und durch ihre Reihenfolge die Wirbelsäule bilden.
An jedem Wirbel unterscheiden wir den die Chorda umscbliessenden
Abschnitt als Körper und mittelbar oder unmittelbar davon aus-
gehende, den dorsalen und ventralen Binnenraum des Leibes um-
scbliessende Spangenstücke als Bogen. Die letzteren unterscheiden wir
nach ihren Beziehungen zu jenen beiden Räumen als obere und un-
tere Bogen.
Mit der Gliederung des Axenskeletes in eine W'irbelsäule geht bei
den Cranioten am vordersten Abschnitte ein bestimmt abgegrenztes
Stück nicht in einzelne discrete Wirheisegmente über. Dieser Ab-
schnitt umschliesst den vordersten Theil des primitiven Rückgratcanals
und das in demselben gelagerte aus DifTerenzirung des vordersten Ab-
schnittes des centralen ^fe^vensystenls hervoi^egangene Gehirn und be-
sitzt eingebettet oder angelageit die höheren Sinnesorgane : Riech-,
Seh- und Htfrorgane.
Daraus entsteht das primitive Cranium, mit dem ein unteres
Bogensystero in Verbindung steht, welches den vordersten als Ath-
roangsorgan fungirenden Abschnitt des Tractus intestinalis umschliessend
als Kiemen- oder Visceralskelet unterschieden wird. Cranium
und Visceralskelet bilden zusammen das Skelet des Kopfes, welches
den vordersten Abschnitt des gesammten Skelets vorstellt. Die an das
Kopfskelet sich anschliessenden übrigen Skelelbildungen werden
durch die mehr oder minder gleichartig bis zum Schwanzende des
Körpers verlaufende Wirbelsäule repräsentirt , deren obere Bogen in^
inniger Verbindung mit den Korpem fortbestehen, indess die unteren
Bogen neue Sonderungen eingehen. Auf der die Leibeshöhle um->
schliessenden Strecke gliedern sieh die unteren Bogen an ihrer Ver-
bindung mit dem Wirbelkörper zu besondern beweglichen Spangen
ab, welche die Rippen vorstellen.
432 Wirbelthiere.
Dazu kommen endlich noch Skelettheile der Gliedmaassen,
die durch besondere Apparate, den Brust- und den BeckengUrtel,
dem Rumpfskelete sich verbinden. Ob diese wirkliche Neubildungen
oder nur besondere Dißerenzirungen bereils im Rumpfskelete gelegener
Elemente sind, kann gegenwärtig noch nicht festgestellt werden.
Der knorpelige Zustand des primitiven Skeletes wiederholt sich
zwar allgemein auch in den höheren Abiheilungen, spielt aber hier nur
eine vorübergehende Rolle, indem Knochengewebe an seine Stelle tritt.
Aber auch bei den knöchernen Skelettheilen kommt für gewisse Wachs-
thumsverhültnisse dem Knorpel noch eine grosse Bedeutung zu, z. B.
beim Lrfngewachsthum. Von Belang ist auch eine durch Kalkeinlagerung
bedingte Modification des Knorpels, weiche nicht blos der Ossiciation
knorpelig angelegter Skelettheile vorausgeht, sondern auch, als meist
oberflächliche Verkalkung an den Knorpelskeleten niederer Wirbeltbiere
(Selachier] eine definitive Einrichtung bildet.
Wirbelsäule.
§ 295.
Die Trennung des Rückgrates in Schädel und Wirbelsäule hat sich
bei den Leptocardiern noch nicht vollzogen ; das gesammte Axenskelet
ist gleichartig. Bei den höbern Wirbellhieren — Cranioten — ist die
Scheidung eingetreten. Die niedersten Verhaltnisse des Rückgrates
bieten Cyclostomen, deren weiterentwickelte Chorda sammt ihrer Scheide
den Hauptlheil der Wirbelsi&ule reprUsentirt. Um die Chordascheide
findet sich knorpelartiges Gewebe, welches sich sowohl in seitliche
Leisten , als auch in die Wand des dorsalen Canals fortsetzt. Dieses
Gewebe ist eine Diflerenzirung der continuirlichen skeletogenen Schichte
und darf nicht mit den die Wirbelsegmente begründenden Knorpeln
zusammengeworfen werden. Somit besteht hier, streng genommen,
noch keine Trennung des Rückgrates in einzelne Wirbel , nur Spuren
hiervon finden sich bei Pelromyzon , bei welchem die W^and des dor-
salen Canals am vorderen Abschnitte einzelne, oberen Bogen ent-
sprechende Knorpclstücke umschliesst, wie bei demselben auch An-
deutungen unterer Bogen vorkommen.
Auch bei den Chimären und den DipnoY persistirt die Chorda in
ihrem ursprünglichen Verhalten. Bei den Chimären bilden ringförmige
Verkalkungen der ansehnlichen C^hordascheide die Andeutung einer
Segmenlirung des Chordarohrs, allein sie entsprechen keineswegs
Wirbelsegmenten, da sie in viel grösserer Anzahl als letztere vorkommen.
Diese werden nur durch der Chordascheide aufgesetzte Bogenslücke
vorgestellt, welche am vordersten Abschnitte die Chorda umwachsen,
und auch unter sich verschmolzen, ein grösseres einheitliches StUck
an der Wirbelsäule hervorgeben lassen.
Wirbetual« 433
fiei den DipnoT bildtrt sieb um die piimilive Cliordascbeide noch
ein besoDderes, aus der sketetogenen Schichic hervorgegangenes Rohr,
wdchedi die knorpeligen, oberflüchliche OssiHcalionen zeigenden Bc^cn-
siUcke aufgeselzt sind.
In hohem Grade weiU^r ausgebildet erscheint das Asenskelet der
Selacbier. Um die Chorda treten die Anlagen oberer und unterer
Knorpelbogen auf, welche die Chorda umwachsen, und damit knorpelige,
liierst einfach ringförmig gcsLaltete WirbelkOrper berslellen. Der die
Chorda direcl umschliessende Theil des Knorpels sondert sich von dem
peripherischen in die Bt^en sich fortsetzenden, und reprnsentirl damit
ühnlich wie bei den DipnoK eine Art von knorpeliger Chordascbeide
(skelelogene Chordascheide), welche der primitiven angelagert ist.
Bedeutende Verschieden heilen im Baue der Wirbetsäuie der Sela-
Flg. 19«.
r
chier gehen aus der Art des W»chsthunis der Chorda und ihrer Scheide
hervor. Bei an nttcn Theilen gleichmassigem Wnchslhum stellt die
Chorda bestündig ein cylindrisches Bohr vor, an welchem die Wirbel
nur durch die Bogensttlcke und die ringförmigen Abschnitte der
skMetogenen Scheide angedeutet sind. Im anderen Falle beginnt meist
Vig. \91. Scb« malische Darstellaoft der V^rttnäerunRcn der Chordi durch die
tleleiUldende Schichte. (I.Bni;endurch schnitt.} c Chorda, ci Chordascheide.
I Slielclbildcnde Schichie. v Wirbeikiirper. iv Interverlebrale Partie, g Inter-
vrrtebrale Geienkbildung.
A GleichmBssIg eotwiclieltes Cliordarohr mil-skelelbtldender Schichte (Fische.)
B Wirbelsäule mit inlerverlebralem Wachstbum der Chorda. Bildung bicon-
caver Wlrbelfcörper [Fische].
C Intervertebrale Einscbnttrung der Chorda durch Knorpel, mit Erballung
eines verleliralen Chordaresles [Amphibien),
D IntcrvertebralB BinsctinitrunR der Chorda (Reptilien, Vönel).
E Vertehrale Eioschnüning der Chorda mit Rrhallung eines intervertebralen
KeUes (Sangfllhiere).
a>t*>^ai> Onadri». II
434 Wirbelihiere.
schon sehr frühzeitig ein interverte1)rales Wachsthum der Chorda
(Fig. 4 92. B)^ welche da, wo mit der Entstehung der Bogenstücke
der Wirbel [v) sich zuerst um die Chorda angelegt hat, auf dem
früheren Umfange bestehen bleibt. Aus diesem Verhalten geben ähn~
lieh wie in B dargestellt, biconcave Wirbelkörper hervor, deren Ver-
tiefungen von der intervertebrnlen Chorda ausgefüllt werden. Hierdurch
sind zugleich die für den Bau der Wirbel fast aller übrigen Fische
maassgebenden Verhaltnisse angebahnt. Untergeordnete ModificatioDcn
bildet bei den Selachiern Knorpel Verkalkung, die in mannichfaltiger
Weise im Innern der Wirbelkörper erscheint.
§ 296.
Bei den GanoYden seh Hessen die niedersten der sehr mannich-
fachen Zust^fnde der Wirbelsäule an die einfachste Organisation der
Selachier sich an. Ausser den oberen mit den Wirbelkörpern zu-
sammenhangenden Bogen betheiligen sich bei den Stören wie bei Sela-
chiern und Chimären noch besondere Schaltknorpel.
Die Chordascheide bildet bei den Stören bedeutend verdickt ein
ansehnliches Bohr, an w^elchem eine Scheidung in Wirbel nur durch
die aufsitzenden Bogenstücke angedeutet wird. Einige der letzteren
stellen am vorderen Rumpftheile der Wirbelsäule einen zusammen-
hängenden, sogar mit dem Schädel verbundenen Abschnitt vor. Von
dieser niedersten Form wird die Wirbelsäule der übrigen GanoYden
durch eine weitere Kluft getrennt. Bei Amia sitzen ursprünglich
gleichfalls getrennte knorpelige Bogenstücke der Chorda auf. Diese
wird aber sammt den Bogen von einer Knochcnschichte umwachsen,
woraus nicht blos knöchere Bogen , sondern auch knöcherne Wirbel-
körper hervorgehen. Wie bei den Selachiern , kommen biconcave
Wirbelkörper durch interverlebrales Wachsthum der Chorda zu Stande,
in ähnlichem Verhallen erscheinen die Wirbel von Polypterus, während
aber bei Amia an den Verbindungsstellen der Bogen mit dem Körper
ein Rest des primitiven Knorpels sich erhält, gehen die Knochen-
schichten bei Polypterus vom Wirbelkörper auf die Bogenstücke über.
Am meisten verschieden zeigt sich Lepidosteus, bei welchem nicht
nur ein die Bogen aussendender Knorpelbeleg um die Chorda besieht,
sondern auch intervertebraleF) in schnürungen der letzteren zu
Stande brintjt. Die Chorda erhält sich auf diese Weise im Innern des
Wirbelkörpers (vertebral) länger als intervertebral, an welch* letzterem
Orte eine Gelenkfläche sich bildet, so dass die opisthocölen Wirbel-
körper mit einander articuliren. Hierin bietet sich ein Anschluss an
die Amphibien ;Salamandrinen) , doch geht der vertebrale Chordarest
später verloren und durch Verknücherung des Knorpels bildet sich
ein knöcherner, mit den oberen Bogen continuirlich verbundener
Wirbel körper aus.
Wirbolxaule. 435
An (jcr Wirbelsaule der Toleoslicr spiell das Knorpelgewebe eine
unk'rgeonlnele Bolle und nur in selieoeo Fälion wird der primordiale
Wirbelköi-per von ihm gebildet, so dass im Vergleiche mit den GanoT-
tlen, eine Bcduclion der knorpeligen Anlage charakteristisch wird.
Diese Heduction ist als eine allmähliche nachweisbar und sognr an
•■ioer und derselben Wirbelsäule lüsst sich die von vorne nach hinten
vor sich gehende Abnahme der Koorpelanlage in gewissen Eniwickc-
lungssladien erkennen. In der Regel erscheint an der Chorda die
Aolage von vier, oberen und unleren Bogen luge-
hflrigen KnorpelslUcKen, die sich jedoch in verschie-^
(lencni Haasse an der Bogenbildung beiheiligen. Nur
seilen werden vollsttlndige obere Bogen durch sie
bergestelll. Hit dem Aurireten von Knochensub-
sMnz werden diese Knoqiel meist ins Innere des
Wirbelkih'pers eingeschlossen und stellen dann auf
srnkrechtemQuerschnitte ein schriig stabendes Knorpel-
kreuz vor (vergl. Fig. 193. k k'], dessen Schenkel
gegen die knöchernen Bogen gerichtet sind. Immer
ßndel sich intervertebrales Wachslhum der Chorda,
wodurch der WirbelkOrper eine biconcave Gestatl em-
ptüngl.
§ «9T.
Die WirbelsHule der Fische bietet nur eine vordeiv, dem Rumpfe
entsprechende, und eine hintere oder Schwanzre^ion dnr. Beide sind
durch das verschiedene Verhallen der untern Wirbelforlsiil/e ausge-
zeichnet, während die oberen Bogen in Verbindung mit der Wirbel-
säule ihr gleichartiges Verhalten beibehalten, und meist durch mediane
Rrht'bungen, Dorn fori Sil Iz e , »usgeze lehnet sind. Die untern Bogen
MTid am Bumpflheile in Rljipen, und meist auch noch in diese tra-
gende Stucke, QuerforLsitliie rPurapophysen) gegliederl, die am Schwanz-
theile bei Selachiern und Gano'rden noch auf indiflerenler Stufe stehend
nul dem Wirbelktirper continnirlich verbundene Theile vorstellen,
und nie die oberen B(^en in DomfortsiUze auslaufen.
Bei den TeleuslieiTi gehen die rippen tragenden Querfortsätie
(Parapophysen) unter allmühlicher Convei^enz am Ca u da labschnitte der
Wirbelsäule in unlere Böge nbildun gen Über und umschliessen den
Caudalcanal.
Das Ende der Sehwanzwirbetsaule, welche bei den Cyclostomen
Fig. 191. Senkrechter OuerscbniU dun.-h die MiUe eines Wirbel« von Etiox
luciuti. ck Chorila. et Clinrda scheide, k k' Arme ilett Knorpelkreuzes, dnvon k
den oberen, k' den unteren BoKenanlaiten entspricht, h KnOcberner unterer Bogen,
it Ruckfirslcansl. dnriiber ^tricbfnll» Knorpel »\i Resl eioer medisnen Verbindung
der <^reD Bogeo.
i36
Wirbeltbiere.
wie bei den Dipnol, bei Polyptcnis und vielen Teleosliern unter
gleichmassiger Verjüngung ausläuft, zeigt bei den meisten fischen be-
deutende aus der Entfaltung der ScbwanzQosse erklärbare Hodifi-
cationen. Diese betreifen zunttchst die unteren Bogenslticke, welche bei
den Haien in terminal bedeutend verbreiterte DornfortsHlze auslaufen,
denen die voriUglich ventral enlwickelle Schwanzflosse angeheftet ist,
Wtihrend dieses Schwanzskelet bei den meisten Rochen wie hei Ghi-
mtlren sich rUckbildet, geht es schon bei manchen Haien, mehr aber
noch bei GanoTden (Sltire) eine sehr ungleiche Differeniirung ein. Die
mächtigere Ausbildung der unteren DornfortsHlze ist nämlich von einer
Rückbildung der obern Dornfortsatze wie der oberen Bogen der lelzlen
Caudalwirbel begleitet, woraus eine Aufwilrtskrllmmung des Caudal-
endes der Wirbelsäule resultirt. Der bei den Haien untere Lappen der
Schwanzflosse empfangt damit eine terminale Stellung.
Bei den übrigen Gnno'iden tritt noch eine Verkümmerung des
Axeniheiles der Wirbelsäule hinzu, indem eine Aniahl jler lelxten
WirbelkOrper mit ihren oberen Bogen sieb unvollst^indig oder gar nicht
mehr entwickelt, indess deren untere Bogenslücke erhalten bleiben,
niuss die Aufwürtskrümmung nicht nur fort)>esleben, sondern sie wird
in demselben Müasse sich steigern, als Zahl und Volumsentfaltung der
unteren BogenslUcke über die oberen das Ueliergewicht gewinnt. Dieser
Zustand erscheint auf viele Teleostier vererbt (Fig. 194) und setzt sich
hier noch weiter fort, indem eine grossere Anzahl vqd Wirbelkürpern
sich rückbildet, und nur noch
durch unlere BogenstUcke vertre-
ten wird (Pbysostomen).
Endlich verschwinden die Wirbel
völlig und die ansehnliche senk-
rechte Platten vorstellenden Reste
der unU-ren Rogen des Scbwanz-
theiles verbinden sich, meist auch
in der Zahl reducirt, mit «nem
einzigen das Ende der Wirbel-
säule darstellenden Wirbel, von
dem ein aiifwitrts gcrich teter grifl'el-
fOrmiger Fortsatz (llrostyl) das Ende der Chorda aufnimmt. Für diese
weitere Redurtion liefern die Acanthopleri viele Beispiele, bei denen das
allmiihlichc Schwinden der unteren Bogen und das schliesslicbe Aufgehen
der letzteren in eine dem letzten Wirbel angefügte senkrechte Enocben-
platte in verschiedenen Stadien nachgewiesen werden kann,
Kig. )9(. Knde der Sf^hwaiiiwirbelstiulp eines jungen Cyprinoiden. fWirbel-
kOrper. n Ober«, h tinlere Bogen (die knorpeligen Theile sind dureh Punctiranfi
nusgeieichnel). c Ende der Chnrd». d Dirkeode Konchenlamelle. r Knwlien-
Slrahlen der Schwanzltossc nur tlieilweise dargestelPI,
Fig. tu.
§ 298.
Bei den Amphibienwirbeln umwacbsl die knorpelige Anlage
die Chorda, und bildet durch intervertebrale Wucherungen Ein-
schnUruDgeu der Chorda (Fig. t92. C), die bei vielen an diesen Stellen
endlich zergifirt wird. Bei den Anuren persistirt die Chorda zwischen
den intcrverlebrslen , zu Grunde g^angenen Al>scbnitlen, somit in
Hitle des Wirbolk Uppers, wovon nur jene eine Ausnahme bilden, deren
WirbelkOrper sich auf der Cborda entwickeln, so dass die lelitere nicht
io die Wirbel eingeschlossen, atimählich vüllig sich rUckbildet (Hyla, Bom-
hinator, Pelobales etc.). Aus^em inlcrveitebraJcn Knorpel gehen mit dem
Auftreten von Gelenkflachen zwischen den Wirbel kUrpom die Gelenk-
enden der letzleren hervor. Nur unvollständig sind diese Inlerverte-
hralgelenkc bei den Urodelen, deren Wirbelkürper bei den Salaman-
drinen eine procOle Form besitzen wie auch bei Pipa unter den Anuren.
Bei den Derotremen und Perennibranchiaten
erhält der inlerverlebrale Knorpel nur eine ge-
linge Enlwickelung, so dass die Chorda von ihm
nur wenig oder auch gar nicht cingeschntlrt
wird. Sie erhalt sich damit in der ganzen Lunge
der Wirbelsäule und bietet abwechselnd einge-
scbnUfte und erweilerle Stellen dar i. B. bei
Henobranchus , Siredon , Henopoma. Bei den
letzteren tritt die Beiheiligung des Knorpels am
Aufbau der Wirbel beträchtlich zurück und es
lasst sich eine bei den Salamandrinen begin-
nende bis . zu Proleus hinführende Reibe nach-
weisen , in welcher der Intervertebralknorpcl
allmählich rtlckgebildel wird. In demselben
Maasse als diese Rückbildung stattfindet, wird
der Wirbel ähnlich wie bei den Knodienfischen
durch Ablagerungen von knöchernen Schichten
dargestellt, so dass er nur in geringem Maasse
knorpelig angelegt ist. Bildet der intervertebrale Knorpel nur eine
schmale Zone, so lagern die Knochenschichl^'n des Wirbelkörpers un-
mittelbar der Chorda auf, welche Erscheinung, so sehr sie auch
an ihrem Bndpuncte durch das, bironcavc WirbelkOrper herstellende
intervertebrale Chorda wachslhum an den gleichen Voi^ang bei Knochen-
fischen erinnert, doch nicht von diesen her abzuleiten ist. ^ie er-
weist sich vielmehr als eine Ruckbildung, und die mit knorpeligen
Wirbelanlageo ausgestatteten Anuren besitzen den primitiven Zustand
viel vollständiger, wenn man erwogt, dass solche Verhältnisse bereits
438 Wirbelthiere.
hei den Ganolden (Lepidosteus) vorkommen, und die knorpelige Wirbel-
anlage ein schon hei Selachiern verbreitetes Verbältniss ist.
Die Verkümmerung des hinteren Endes der Wirhelsäulc bei den
Anuren Ulsst eine geringe Wirbelzahl zur Entwickelung kommen.
Mit dem Verschwinden des Schwanzes bildet sich dann aus einigen
Wirbelanlagen ein langes, dolchförmiges, gewöhnHch als Stcissbein be-
zeichnetes Knochenstück (Fig. 195. c) , so dass mit diesem höchstens
zehn Wirbelsegmente unterscheidbar jsind. In viel grösserer Zahl er-
scheinen sie bei den Urodcien : bei Amphiuma bis über 100, Meuoponia
48, Salamandra 4i, und bei den Cöcilien gegen 230.
Von den Fortsätzen der Wirbel sind die Querfortsätze [tr) , be-
sonders bei Anuren beträchtlich entwickelt, während obere üornfort-
sätze nur rudimentär sind. Gelenkverbindungen der Bogentheile der
Wirbel kommen an paarigen Gelenk fortsätzen in allgemeiner Ver-
breitung vor.
Durch die Verbindung des BeckengUrtels mit der Wirbelsäule
trennt sich nicht nur der Caudalabschuitt schärfer vom Rumpftheile,
sondern es wird noch ein Sacralabschnitt durch einen Wirbel repräsen-
tirt, der meist durch mächtigere, bei manchen sogar, eine bedeu-
tende Breite erlangende Querfortsätze sich auszeichnet (Pipa).
§ 299.
Um die Chorda dorsalis bildet sich bei den Reptilien und Vögeln
die Anlage der Wirbelsäule, ähnlich wie bei den Amphibien. Knor-
pelige Wirbelkörper senden eben solche Bogenstücke aus, die den RUck-
gratcanal abschliessen. Auch die intervertebrale Einschnürung der
Chorda besteht (vergl. Fig. 192. />) , doch geht die ganze Chorda zu
Grunde. Eine Ausnahme bilden die Ascalaboten, deren Rückgrat von
der in vollständiger Länge erhaltenen Chorda durchsetzt wird. Die
Trennung der continuirlichen Anlage in einzelne Wirbelkörper geschieht
bei Eidechsen und Schlangen durch die Trennung des Intervertebral-
knorpels in einen hintereit Gelenkkopf und eine vordere Pfanne. Bei
Crocodilen und Vögeln dagegen werden die zwischen den Wirbelkörpern
des Halses liegenden Knorpelpartieen der Anlage zu einem besonderen in-
tervertebralen Apparate verwendet, welcher der übrigen Wirbelsäule
abzugehen scheint.
Die Ossification der knorpeligen Wirbelsäule ergreift Bogen und
Wirbelkörper getrennt, beide bleiben bei Crocodilen und Schildkröten
von einander gesondert, entsprechend der langen Forldauer des Körper-
wachsthums; bei den sehr frühe ihre definitive Grösse erreichenden
Vögeln jedoch tritt eine baldige Verschn»elzung ein. Von den oberen
Bogen erstrecken sich Gelenkfortsätze zu den nächst vordem und hinteren
Wirbeln. Sie sind sehr entwickelt an der llafswirbclsäule der Schihl-
kröten. Dornfortsätze dieser Bogen finden sich meist in verschiedenei»
Wirbelsäule. 439
Maasse, besonders an den Rumpfwirbeln, bei den Grocodilen und vielen
Eidechsen auch noch an den Schwanzwirbeln vor. Querfortsäize
nehmen entweder vom Wirbelkörper selbst, odef doch dicht an diesem
ihren Ursprung. Sie sind an det Rumpf- und Schwanzwirbelsäule
der Crocodile ansehnlich entfaltet, ebenda auch bei den Sauriern indess
sie bei den Schildkröten nur dem Caudaltheile zukommen.
Rippen sind bei Reptilien und Vöf^eln längs des ganzen Rumpf-
theiles der Wirbelsäule vorhanden, und fehlen nur der Halswirbelsäule
der Schildkröten. Die bei den übrigen Reptilien beweglichen Halsrippen-
rodiroente verwachsen bei den Vögeln (Fig. 196. co) mit den Wirbeln
und bilden mit Wirbelkörper wie mit Querfortsatz in Verbindung ein
Foramen transversarium.
Untere Bogen ßnden sich am Caudaltheile der
Wirbelsäule bei Eidechsen, Schildkröten und Grocodilen, Fig. 190.
wo sie sich immer zwischen zwei Wirbelkörpern be-
festigen und zur Herstellung eines Caudalcanals bei-
tragen. Rudimentär sind sie bei den Vögeln vorhan-
den. Als ganz verschiedene Gebilde müssen die von
den Wirbelkörpern ausgehenden sogenannten unteren
Dornfortsätze gelten, die bei den Sehlangen an den meisten
Rumpfwirbeln vorkommen und auch bei Eidechsen und
Vögeln vorhanden sind.
In Vergleichung mit den Amphibien tritt an der Wirbelsäule der
Reptilien und Vögel eine reichere Gliederung hervor. Durch die Ver-
bindung einer Anzahl von Rippea mit einem Brustbein , sondert sich
sowohl ein Halstheil der Wirbelsäule schärfer, wie auch ein Lenden-
theil, der,» die vor den Sacralwirbeln liegende mit nur kurzen Rippen
ausgestattete Wirbelgruppe umfassend, bei Eidechsen und Grocodilen deut-
lich wird. Die mangelnde Stemalverbindung der Rippen bei Schlangen
iässt hier die Sonderung von Brust- und Halsabschnitt ebenso zurück-
treten, wie weiter nach hinten auch eine Lendonregion nicht unterscheid-
bar ist. Auch bei den Schildkröten bieten die Wirbel des Rumpfes
ein gleichartiges Verhalten dar. Die DitTerenzining jener Abschnitte
ist jedoch bei alledem keine scharfe, insofern bei Eidechsen und
Grocodilen wie bei Vögeln die letzten Rippen des Halstheiles nur wenig
an Länge von den nächstfolgenden an das Sternum gelangenden ver-
schieden sind. Aehnliches gilt vom Lendenlheile der Eidechsen, der
bei den Vögeln sogar mit dem eigentlichen Sacra labschnitt sich ver-
bindet. Zu dem bereits bei Amphibien bestehenden Sacralwirbel tritt
mindestens noch ein zweiter ^Fig. 197. a. h) (Eidechsen, Grocodile,
Schildkröten), indess schon bei fossilen Sauriern (Pterodactylen, Dino-
saurier und anderen) eine grössere Anzahl Beckenwirbel sich vor-
findet. Diese Einrichtung steigert sich bei den Vögeln, indem zu den
Fig. 196. Habwirbel von Vultur cinereus. c Körper, p Bogenstücke.
s Dornfortsatz, vv Rippenrudiment.
440
Wirbeltblere.
fr>
i.r
iwei ächten Sacralwirbeln (Fig. 198. a. b) noch eine grössere Anzahl
prHsacraler und postsacraler Wirbel mit dem Darmbein Verbindungen
eingeht. Im sogenannten Sacrum der Vögel sind sowohl ihorakale als
lumbale wie caudalo Wirbel zu erkennen , welche die Gesammtzahl
bis auf 23 (bei Strup-
pig. 497. Fig. 498. thionen) erheben. Die
beiden ächten Sacral-
Wirbel sind bei Hühner-
vögeln, vielen Schwimm-
vögeln, auch bei Raub-
vögeln sehr deutlich
unierscheidbar, am we-
nigsten bei Sing- und
Kletter vögeln.
Die schwankendsten
Verhaltnisse bietet der
Caudalabschnitt dar, an
welchem sowohl * bei
Schildkröten als Vögeln
eine im Vergleich zu
Eidechsen und Groco-
dilen bedeutende Re-
duction sich ausspricht.
Unter den Schildkröten
ist jener AbschniU bei
verhältnissmässig wenig
geringerer Wirbelzahl bei den Chelonien dem Volum nach am meisten
verkümmert. Noch mehr reducirt sich die Zahl und auch das Volum
der Wirbel bei einem Theil den Flugechsen (Pterodactyli) , während
ein anderer älterer noch eine bedeutende Schwanzlänge besass (Rham-
phorhynchi) .
£ine parallele Erscheinung bieten die Vögel dar, deren gegen-
wärtig lebende Formen durch eine Rückbildung dieses Abschnittes
charakterisirt sind. Ausser der Reduction der Zahl tritt bei den
Carinaten auch eine Verschmelzung von 4 — 6 discret angelegten Wirbeln
ein, woraus der letzte ein grösseres Stück darstellende, gewöhnlich als
»Steissbeina bezeichnete Abschnitt der Wirbelsäule hervorgeht, der in
Anpassung an die durch Entwicklung der Steuerfedern bedingten
Verhältnisse, meist in eine senkrechte Platte sich auszieht.
Fig. 197.' Sacrallheil der Wirbelsäule eines Reptils mit den benachbarten
prae- und postsacralen Wirbeln.
Fig. 198. Sacraltbeil der Wirbelsöule eines Vogels.
Beide schematische Figuren sind von der ventralen Fläche dargestellt and
zeigen linkerseits die Nervengeflechte. Für beide Figuren : a erster Sacralwirbel,
b zweiter Sacralwirbel. 1, 2, 8, 4 . . . Präsacral Wirbel. 4', 8', 3', 4' . . . . Posl-
sacralwirbel (Caudalwirbel).
WirbelMoto. 441
§ 300.
Bei den Süugetbieren bietet die knorpelige Anlage der Wirbel-
säule durch ihre Beziehung zur Chorda dorsalis eine bedeutende Ver-
schiedenheit, indem die Chorda je an den einem Wirbclkörper ent-
sprechenden Stellen eingeschnürt wird, sich also intervcrtebral länger
erhält (vergl. Fig. 493. E). Aus dem sie inlervortebral umgebenden
Knorpel bildet sich ein Zwischenknorpel (Intervertebralknorpel) aus,
in welchem der Chordarest mit mehrfachen Modificationen als Gallert*'
kern fortbesteht. Die Zwischenknorpel sind ursprünglich Theile des aus
der skeletogenen Schichte entstandenen continuirlichen Knörpelrohrs.
Von den VVirbelkörpem aus erstreckt sich der Knorpel continuirlich in
die obenan Bogen, so dass die Anlage, des knorpeligen \Virl)els ein
Ganzes darstellt. Sowohl im Wirl)elkörper als an den Bogen entstehen
selbständige Ossi6cationcn und die von da aus verknöchernden Stücke
verschmelzen erst nach Abschluss des Wachsthums. Bei der Ver-
knöcherung der Bogen erstreckt sich der Process von da aus auf einen
nicht unbeträchtlichen Theil des Wirbelkörpers, so dass man den
knöchernen Wirbelkörper beiderseits von einem Theile des Bogens ge-
bildet betrachten muss.
Die Bogen bilden au den meisten Wirbeln Dornfortsätze. Bei den
ianghaisigen Ungulaten (Giraffe, Kameel, Pferd) fehlen sie an der Hals-
Wirbeisäule, sind dagegen am Bumpftheile bedeutend entwickelt.
Letzteres gilt auch von den Cetaceen , an deren Caudaltheil sie sogar
noch ansehnlicher sind. Allgemein bestehen Gelenkfortsätze, ähnlich
wie bei den Beptilien, und nur bei den Cetaceen haben sie Rück-
bildungen erlitten. Als Qüerfortsätze pflegt man sehr verschiedenartige
Bildungen zu bezeichnen, die bald von den Wirbelbogen, bald von
den Körpern entspringen. Den einfachem Zustand bieten diese Pro-
cessus transversi an der Hals- und Brustregion. An erstcrer erleiden
sie eine Complication durch die Verbindung mit Rippenrudimenten, die
mit ihnen verwachsend ein Foramen transversarium umschliessen helfen.
An der Brust tragen sie gleichfalls Rippen, die ihnen ventralwärts ange-
schlossen sind. Doch können sie auch terminal Rippen tragen, wie
die hinteren Brustwirbel der Cetaceen. Beim Uebergang der Brust-
wirbel in den Lumbaltheil der Wirbelsäule erscheint in grosser Ver-
breitung eine Differenzirung der Querfortsätze in drei besondere Fort-
sätze. Nach vorne gerichtete, zuweilen sehr ansehnlich werdende
Höcker bilden die Processus uia miliar es, die auch auf die Wurzel
der vordem Gelenkfortsätze rücken können. Nach hinten und aufwärts
gerichtete Fortsätze stellen die Proc. accessorii vor, und ein dritter
Fortsalz ist iatt^ral, häufig auch abwärts gerichtet, und bildet die
Proc. transversi der Lendenwirbel.
Die einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule sind bei den Säuge-
thieren schärfer als bei den Reptilien und Vögeln difTerenzirt. Vornehm-
442 Wirbelthiere.
lieh ist es die HalsregioD die, durch den constanten Besitz von 7 Wirbeln
ausgezeichnet, von dem Brustabschnitte sich beslimmter abgrenzt, indem
ihre Rippen rudimenle zu den Brustrippen keine allmählichen lieber-
gänge darbieten. Eine Vermehrung der Halswirbel bei Bradypus auf
8 oder 9 erklärt sich aus dem Uebergange von Brustwirbeln in den
Haisahschnitt, ebenso wie eine Verminderung auf 6 bei Gholoepus
und dem australischen Manati aus einer vollständigeren Entwickelung
der Rippe des siebenten Halswirbeis ableitbar ist.
Auch eine durch den Mangel beweglicher Rippen ausgezeichnete
Lendenregion Irilt deutlicher hervor. In der Sacralregion findet sich
meist nur ein das Darmbein tragender Wirbel , dem sehr häufig noch
ein zweiter sich ähnlich verhält. Seilen erstreckt sich die Darmbein-
verbindung noch auf einen dritten Wirbel, indem diese untereinander
verschmelzen und noch einen oder einige Gaudalwirbel mit sich
verwachsen lassen, bildet sich ein einheitlicher Abschnitt als »Os
sncruma aus, an welchem wir also die ächten Sacralwirbei von den
unächten aus Caudalwirbeln entstandenen zu unterscheiden haben.
Auch dadurch wird die Zahl der Sacralwirbei vermehrt, dass mit
der Wirbelsäule die Sitzbeine sich verbinden , die in der Regel davon
ausgeschlossen sind. Auf diese Weise entsteht eine beträchtliche Ver-
längerung des Sacraltheiles (bis auf 8 — 9 Wirbel) bei den Edenlaten.
Der Schwanztheil der Wirbelsäule ist auch bei den Säugethieren
er variabelste, und bietet innerhalb der meisten Abtheilungen sowohl
Zustände grosser Entwickelung, als auch bedeutende Rückbildungen
dar. So erhebt sich die Wirbelzahl bei den Affen bis auf 30, um bei
einigen selbst unter die Zahl zu sinken, welche noch beim Menschen
im sogenannten Steissbeine sich erhalten hat. —
Wie sich dadurch der letzte Abschnitt dem vordersten oder Hais-
iheil entgegensetzt, so ist der zwischen inne liegende bezüglich
der Zahlenverhällnisse minder constant als der Halsabschnilt, aber auch
minder schwankend als der Caudaltheil der W^irbelsäule. Die Zahl der
Dorsolumbalwirbel stellt sich sehr hoch beiden Halbaffen (23 — 24 bei
Lemur), bei Gholoepus (27), bei Einhufern (24) u. a., am höchsten bei
Hyrax (29). (leringer ist sie bei den übrigen Abtheilungen.
Innerhalb der grösseren Abtheilungen spricht sich die gemeinsame
Abstammung der einzelnen Gattungen in einer ziemlich vollständigen
Uebereiustimmung der Gesammtzahl der Dorsolumbalwirbel aus. Für
die Bcutellhiere und Artiodactylen ei*geben sich durchgehend 19; und
ebenso viel oder 20 (21 bei Paradoxurus und Procyon) herrschen bei
den meisten Nagern, den Raubthieren und der Mehrzahl der Primaten,
während sie bei einigen der letzteren auf 18 oder M sinkt, woroil
zugleich die meisten Ghiropleren übereinstimmen.
Wie bei gleichbleibender Gesammtzahl der bezüglichen Wirbel-,
Brust- oder Lendenregion in verschiedenem Grade sich ausdehnen, je
nachdem Rippen bestehen oder fehlen , möge folgendes Beispiel zeigen.
Wirbelüllule. 443
Die Zahl der rippen tragenden Brustwirbel beträgt bei den Gattungen
Felis und Ganis Ti, Lendenwirbel 7
bei Mustela und Ursus t i, » 6
bei Phoca und llyaena crocuta 15, » 5
t>ei Uyaena striata 16, » 4
Also dürfen wir sagen, dass beim Hunde in Vergleich zu den Hyänen
Rippen verloren gingen und die Zahl der Lendenwirbel dadurch auf
Kosten der Brustwirbel sich vermehrt hat.
§ 304.
Bei allen Diflerenzirungen der Wirbel treffen sich die dadurch
entstehenden EigenthUmlichkeiten in der Regel über grössere Strecken
ausgedehnt, und wenn sie auch oft scheinbar scharf begrenzt sich dar-
stellen, so fehlen doch die vermittelnden Glieder nicht vollständig. Nur
an den beiden vordersten Wirbeln prägt sich eine ausschliess-
lich auf diese beschränkte Einrichtung aus, die aus der Verbindungs-
und Bewegungsweisc des Schädels an dem RUckgrate hervorgeht.
Bei den Fischen bestehen bei allen mannichfaltigcn Modific^tionen
des vorderstim Abschnittes des Rückgrates keine auf die berührten
Verhältnisse direct bezüglichen Bildungen. Erst bei den Amphibien
beginnt jene Modificalion am ersten Halswirbel. Derselbe ist einfach
ringförmig, indem er gewöhnlich der Querfortsätze entbehrt, die nur
bei Verschmelzung mit dem folgenden Wirbel (z. B. bei Pipa) vor-
kommen. Dieser erste Wirbel wird als Atlas bezeichnet. Bei den
Reptilien bleibt der Körper des Atlas, vor jenem des zweiten, als
Epistropheus unterschiedenen Wirbel gelagert, von seinen Bogen-
stücken getrennt, und verbindet sich enger mit dem Körper de^ Epi- .
stropheus als mit letzteren. Dabei entsteht unter diesem Körper ein
besonderes, die Bogenstücke ventral vereinigendes Stück, und bei den
Croc^ilen ßndet sich noch ein dorsales SchlussslUck des Bogentheils.
Bei den Schlangen verwuchst in der Kegel der dem Körper des Atlas
entsprechende Theil mit dem zweiten Halswirbel , und bildet vorne •
dessen Zahnfortsatz und ebenso bei den Vögeln, bei denen zugleich
die ventrale Bogenverbindung im Vergleich ^zu jenem »Processus odon-
totdes« eine bedeutendere Grösse erreicht.
Das Verhalten bei den Reptilien repräscntirt bei den Säugethieren
einen embryonalen Zustand, der bei den Monotrcmen länger währt,
als bei den'Uebrigen, und selbst bei Beutel thieren häufig durch Tren-
nung des Atlaskörpers vom Epistropheus fortbesteht. Sonst verschmilzt
der Körper des Atlas vollkommen mit dem Epistropheus, und lässt
seinen vordersten Theil als den Zahnfortsatz des letzteren erscheinen.
Die untere Vereinigung der Bogen wird bei Marsupiaten nur durch
ein Ligament hergestellt oder es entsteht an dessen Stelle ein distincter
Knochen, der bei den Monodelphen als knöcherne Spange die beiden
Bogenhälflen ventral verbindet.
444 Wirbelthiere.
Rippen.
§ 302.
Als RippeD bezeichnet man SkelcUheile, die aus den untern Bogen-
stücken der Wirbel hervorgingen, vorübergehend oder dauernd mit der
Wirbelsäule beweglich verbunden sind , und einen unter der Axe der
Wiri)elsüule befindlichen Raum (s. Fig. 199] spangenartig umziehen.
Dieser Raum zerfällt in zwei, sowohl nach dem Umfange, als nach
den eingelagerten Organen differenle Abschnitte, von denen der vordere
als Leibeshöhle bezeichnet wird. Er birgt den Nahrungscanal und alle
damit zusammcnhUngcnden , oder von ihm aus entstandenen Organe,
sowie den Urogenilalapparat. Der hintere Abschnitt setzt sich in den
als Schwanz unti>rschiedcnen Körperlheil fort und bildet den engen,
zuweilen in zwei übereinander verlaufende Theile geschiedenen Caudal-
canal. So sehen wir die Vorh^iltnisse bei den Fischen, bei denen
auch in der Gliederung der Körperregionen die indißerentesten Zustände
wallen, so dass wir diese Abtheilung auch hier zum Ausgangspuncte
nehmen müssen.
Eine Vergleichung der Gontenta der beiden Abschnitte eines subverte-
bralen Raumes lüsst eine zeitliche Verschiedenheit ihrer Volumzustflnde
wahrnehmen. Wahrend im Gaudalcanal Blulgefässe ihren Weg nehmen,
oder höchstens noch Theile der Nieren eingelagert sind, in allen Fällen
Organe deren Volum nur wenig schwankt^ werden an den Organen
der Leibeshöhle bedeutende, häufig in regelmässiger Folge von Füllung
und Entleerung sich äussernde Umfangsscliwankungen wahrnehmbar.
Demgemäss muss auch der Umfang der Leibeshöhle ein veränderlicher
sein. , Diesem Verhalten ent<sprechen die an den unteren Bogen wahr-
nehmbaren Einrichtungen. Diese Bogen erscheinen als unmittelbare
Fortsätze der Wirbel am caudalen Abschnitt, un4 sind unbeweglich;
dagegen erscheinen sie am abdominalen Abschnitte in Anpassung
an den veränderlichen Umfang des von ihnen umspannten
Raumes von den Wirbeln abgegliedert und mehr oder minder beweg**
lieh den Wirbel körpern oder davon ausgehenden Fortsätzen angefügt.
Die letzteren scheinen gleichfalls dem Bogensjstem anzugehören. Wir
unterscheiden sie aber nicht mehr als »Rippen«, gemäss der oben ge-
gebenen Definition. (Vergl. auch § i94.)
Somit betrachten wir die Rippen als Differensirungen
des unteren Bogensys tems, von welchem nach der ^Ausdehnung
des Leibeshöhle längs der Wirbelsäule eine verschieden grosse Zahl
von Bogenslücken in die freiere Rippenform überging. Diese die
Genese der Rippen erklärende Auflassung lässt dann die nach Art der
Rippen sich verhaltenden, aber nicht mehr die Leibeshöhle umschliessen-
den unteren Bogenbildungen nicht als primitive Gebilde beurtheilen,
sondern als solche die einmal Rippen waren und somit eine bedeuten-
dere Ausdehnung der Leibeshöhle voraussetzen.
Rippen.
445
Von diesen dem unteren Bogensysteme angßhOrtgen Gebilden
sind also drei verschiedene Zustände auseinander zu hallen: 4) indiile-
rente unlere Bogen, die nur in der Schwanzregion von Gyclosiomen,
Selachiern, GanoYden vorkommen, 2) Rippen am Rumpfabschnitte der
Wirbelsäule der meisten Fische wie der höheren Wirbelthiere , 3) aus
Rippen entstandene untere Bogen am Caudalabschnitte der höheren
Wirbelthiere.
§ 303.
Nachdem die indifferenten unteren Bogen bereits hei der Wirbel-
säule ihre Beachtung fanden, liegen uns hier nur die Rippen und ihre
Derivate vor. Sie fehlen nur den Leptocardiern und Cyclostomen voll-
ständig, auch den Chimären. Bei den übrigen Wirbelthierabtheilungen
treffen wir sie bald in rudimentärer Form, bald ausgebildet und dann
von den Amphibien an zu einem ventralen Abschlüsse gelangend,
welcher durch ein besonderes SkeletstUck, das Stern um, zu Stande
gebraclit wird.
Säramlliche Wirbel können Rippen tragen , worin sich ebenso die
Zusammengehörigkeit ausspricht wie durch die häufige Verschmelzung,
und die stets eingehaltene gleichmässige metamere Yertheilung.
Meist ganz gleichartig erstrecken sie sich bei den Fischen von den
ersten Rumpfwirbeln bis zur Gaudalregion. Niemals geben sie untere
ventrale Verbindungen ein, denn \^o sie hier mit andern Skelettheilen
zusammenhängen, gehören diese dem Hautskelet an (GIupeYden). Rudi-
mentär treffen wir sie bei den Selachiem, meist nur durch kurze Knor-
pelstttckchen vorgestellt, ansehnlicher sind sie bei den Stören (Acipenser).
Sie sind entweder unmittelbar am Wjrbelkörper oder an besonderen
Querfortsätzen befestigt.
Die GanoYden mit knöchernem Skelete besitzen die Rippen in voll-
ständiger Ausbildung. Am Caudalabschnitte der Wirl>elsäule gehen sie
allmählich in untere Bogen Über,
die anfangs auf dieselbe W*eise
wie vorher die ächten Rippen
mit den W- irbelkörpern verbun-
den sind , gegen das Ende zu
jedoch Verwachsungen eingehen.
Der allmählicher Uebergang der
Rippen in primäre untere Bogen
ist hier unzweifelhaft.
Bei den Knochenfischen
bieten sich bezüglich der Rippen
ausserordentlich variable Ver-
haltnisse dar. Häufig sind sie
Fig. 199. Verschiedenes Verhalten der Rippen und der Querfortstttze bei Te-
leostiern. e Wirbel körper. o Obere Bogen, ti QuerfortsMtze. r Rippen.
446 Wirbelthierc.
rudimenUlr oder fehlen voIlstUndig (Lophobranchier, Gyniuodonlen u. a. m.).
Da die unleren Bogen der Teleostier (Fig. 1 99. uj , wie oben bereits her-
vorgehoben, selbsländii^e Fortsetze der Schwanzwirbel sind, die aus einer
Lageveränderung der weiter vorne Rippen tragenden Querfortsütze her-
vorgehen, so ist erklärlich, dass auch diese unteren Bogen Rippen
tragen können , wie solches bei vielen Teleostiern der Fall ist (Fig.
4 99. C). In einzelnen Abtheilungen der Physostomen erleiden die
vordersten Rippen Umbildungen, indem aus ihnen mit der Schwimm-
blase sich «verbindende Knochen hervorgehen, die sogar eine zum Ge-
hörorgane leitende Kette formiren (Cyprinoiden).
Unter den Amphibien bieten die Gymnophiona die vollkommenst
entwickelten Rippen, die nur dem ersten und dem letzten Wirbel ab-
gehen. Rudimentär treten sie bei i\en Urodelen auf, meist kurze, den
Querfortsätzen beweglich angefügte SlUckchen vorstellend. Auch der
Querfortsatz des Sacralwirbels trügt ein solches Rippenrudiment, welches
die Verbindung mit dem Becken vermillell. Bei den Anuren sind sie
meist vollst4indig verloren gegangen.
§ 304.
Eine Verbreitung der Rippen an allen Rumpfwirbeln besieht bei
den Reptilien, mit Ausnahme der Schildkrölen, denen am Halse Rippen-
rudimente zu fehlen scheinen, indess in Brust- und Luuibalregion
querforlsalzahnliche Rippen vorkommen die von den Platten des Rücken-
schildes umwachsen werden ^S. 429.;. Den Eidechsen und Schlangen
fehlt die Rippe des Atlas. Während bei den erstem ein Theil der
Rumpfrippen mit einem Slernum verbunden ist und dadurch eine grössere
Scheidung der rippenlragenden Abschnitte der Wirbelsäule bedingt, ver-
halten sich die Rippen der Schlangen vom zweiten Halswirbel an bis
zum Rumpfende in ziemlich gleichartiger Weise. Alle zeichnen sich
durch sehr bewegliche Verbindung mit der Wirbelsäule aus.
Die mit dem Sternum verbundenen Rippen der Eidechsen sind
immer in mehrere Abschnitte gesondert, von denen meist nur der
oliere, verlebrale, vollständig ossificirt. Die sternalen Enden bleiben in
der Regel knorpelig und fügen sich nur zu wenigen Paaren direet dem
Sternum an. VAno grössere Anzahl verbindet sich nicht selten luit
einem dem hinteren Slernalende angefügten Knorpel bogen». Die Trennung
einer Rippe in zwei Stücke konmil schon an den letzten Halsrippen
vor und bildet damit einen Uebergang zu dem Verhalten der Brust-
rippen. Bei den Crocodilen und Eidechsen ist diese Differenziruug
durch Theilung des Slernocoslalstückes in zwei Abschnitte noch weiter
gediehen.
Die Verbindung der Malsrippenrudimente mit der Wirbelsäule führt
bei den Vögeln zwar an dem giössten Abschnitt der Halswirbelsäule
zu einer völligen Verwachsung, dagegen ist die Verbindung an den
Rtppeo.
4*7
teilten Halswirbeln freier, so d»ss sich aucfa hier derselbe nllmüliliche
IVher^ng zu den dns Slernum erreichenden Bnisirippeo darsl^lll.
Die letzleren treffen sich wie bei den Eidothsen in geringerer Anzahl
und sind gleicblalls in ein ver-
lebrales und stemales (Os sierno- ^'i- )00.
Costa le] Stück geschieden. Die
vertebralen Stücke sind durch
rückwärts gerichtete Fortsätze
[vergl. Fig. 200. u) (Processus
uncinati) ausgezeichnet , welche
an den Körper der nächstfolgen-
den Rippe sich anlagern und dem
Thorax ein festeres GefUge ver-
leihen. Diese Einrichtung ist von
den Bepiilien her ableitbar, denn
sie komml manchen Situriem
(Spbenodon) zu und besieht in
größerer Verbreitung bei den
Crocudilen, wo solche Fortsätze
bereits an den Enden der Hals-
rippen {mit Ausschluss des ersten
Paares) , sowie an den verle-
bralen StUcken der Brustrippen
vorhanden sind. Bei den Vflgehi
entbehrt der ins Sacrum aufge-
nommene Lumballbeil der Wirliel-
sSule der Rippen, dagegen ßnden
sich unzweifelhafte Rudimente an
den achten Sacralwirbeln vor, no dass das Becken nicht direct mit den
Wirbeln, sondern mit den jenen angefügten Rippeiirudimenlen sich
verbindet. A.-hnliche Rudimente sind auch bei Crocodilen erkennbar.
Bei entwickelte! Schwanzregion der Wirbels.lute — Eidechsen,
Crocodile, Srhildkrt)t<n — bestehen den Caudalcanal umschliessende
Rippen rudinienlc in Form unlerer BogenslUcke, welche in der Begel
intervertebral angefügt sind.
I'ei den Saugetbieren sind die Halsrippen vollständig in die
Wirbel aufgegangen und die selbslündige VerknOcherung macht das ur-
sprüngliche Verhaltniss bemerkbar, sowie auch hin und wieder am
letzten Halswirbel eine freie Rippe erscheint. Die in verschiedener
Zahl vorhandenen Brustrippen lassen die Trennung in die zwei oben
Fi);. 300. Thortii, Srhuller([Urlel und Becken von CicoDie alba, if Brust-
bein, tt' Ahdominallortsälze dpssclh^n. er i BrusIbeinLamm. /'Vorderes Schlüssel-
bein (furcala). c Coracoid. s Scapula. oi Osm Bternocoütalia. u Processus un-
dtnali. ip I>ornrorUaU des ersten Brustwirbels, fti' Vergeh muliene DorntorlHblie.
it Darmbein, u Silibein. p Scbarubein. ie Pfanne des Hurtgelenkg.
448
Wirbelthiere.
erwähnten Stücke darin erkennen , dass die Verknöcherung nie die
ganze Rippe gleichmässig ergreift, sondern eine slemale Portion knor-
pelig lässt. Wenn auch diese verknöchert (Edentaten , Cetareen) , so
bilden sie doch immer ein selbständiges Stück. Bei Ornithorhynchus
sind die fünf letzten Rippen mit einem wieder getheillen Sternocost^l-
stücke versehen, ähnlich auch bei Manis.
Nur die vorderen Rippen erreichen das Brustbein. Die hinteren
verbinden sich entweder mit dem Slernalende nüchstvorderer, oder sie
laufen frei aus, und schliessen somit an rudimentäre Formen an, zu
w^elch' letzteren auch die bei Cetaceen vorkommenden, sogar der Ver-
bindung mit der Wirbelsäule entbehrenden letzten Rippen gehören. In
der Lendenregion sind die Rippen noch mehr rudimentär und mit den
QuerfortSdtzen verschmolzen. Dass der Querfortsalz selbst die Rippe
repräsentire, ist nicht begründbar. Viel bestimmter sind Rudimente von
Rippen an den 2—3 ersten Sacralwirbeln nachweisbar, wo sie wie
in den unteren Classen die Verbindung mit dem Darndiein vermitteln,
welches auch bei den Säugern niemals direct der Wirbelsäule ange-
fügt ist. Sie erscheinen hier unter der Form den Querfortsälzen Beige-
fügter ventraler Stücke. Endlich bestehen bei langgeschvvänzten Säuge-
thieren auch die als unlere Bogen erscheinenden Rippenrudiinente.
§ 305.
Die Verbindungsstellen der Rippen mit den Wirbeln liegen
meist in der Mitte der Köi'per. Wo nicht besondere Fortsätze die
Rippen tragen, ist dieses Verhalten bei den Fischen allgemein. Das
Vertebraiende der Rippe zeigt sich daher meist etwas verbreitert, allein
es bleibt einfach und repräsentirt damit den niedersten Zustand. Auch
bei den rudimentären Rippen der Amphibien ist ähnliches der Fall.
Dagegen ist bei den Göcilien das Vertebrai-
ende gespalten, so dass es an zwei Stellen
mit der Wirbelsäule in Verbindung steht. Ein
ähnliches Verhalten zeigen auch die sogenann-
ten Querfort^älze mancher geschwänzten Am-
phibien, indem sie am Ursprünge von einem
Ganale durchsetzt sind. Diese EigenthUm-
lichkeit trifft sich in den höheren Classen all-
gemeiner. Angedeutet ist sie bei den Schlangen
durch Verbreiterung der Articulationsfläche. Bei Eidechsen und Croco-
dilen ist wie bei den Vögeln die Trennung vollkommen (Fig. 204), und
ein Schenkel {ß) articulirt mit dem Köi^per (c)„ der andere (a) mit dem
von den ol)eren Bogen ausgehenden Querfortsatz (/r) des Wirbels.
Diese doppelte Verbindung mittelst Capitulum und Tuberculum besteht
Fig. 204. Dorsalwirbel von Biileo vulgaris, c Körper de» Wirbels' mit
einem sogenannten untern Dornfortsatz, s Oberer Dornfortsai2. tr QuerforlssU.
to Rippe, a Tut>erculum. ß Capitulum.
Fig. 201.
Siernum. 449
meist nur an dem vorderen Abschnitte der Wirbelsäule, an Hals- und
Brustwirbeln. In der Lendenregion treten die Rippen an die Quer-
fortsälze über, und die Sonderung in Capitulum und Tuberculum
macht einem einfacheren Zustande Platz. Auch bei den Süugcthieren
besteht diese Vereinfachung der Verbiudungsweise nach hinten zu.
Allein hier scheint das Tuberculum der Rippe der sich rUckbildende
Theil zu sein , indem die Rippe sich entweder direcl an den Wirbel-
körper fUgt,^ oder mit einem von diesem und nichC vom obem Bogen
ausgehenden Querfortsatze sich verbindet.
8 te FD a ID.
§ 306.
Das Brustbein bildet durch Aufnahme mehrerer Rippenpaare
den ventralen Abschluss des durch letztere dargestellten Bogengerüstes
und tritt fast immer in nahe Beziehungen zum Schultergürtel. Es
entsteht aus einer mit den Rippen gleichen Anlage, indem es anfäng-
lich einen die betreffenden Rippen jederseils unter einander verbin-
denden Knorpelstreif vorstellt, somit als paariger Skelettheil erscheint,
aus dessen Verschmelzung das spätere Verhalten hervorgeht. Es tritt
erst bei den Amphibien auf, deren rudimentärer Rippenbefund das
Stemuin nur nu'l dem Schultergürlel in Verbindung stehen liisst,
so dass in Anbetracht der Genese dieses Skelettheiles hier ein sehr ver-
änderter Zustand vorliegt. So erscheint
es bei den Salamandrinen als eine breite, *'*8- ^<^*-
dünne Knorpelplatte^ die zur Aufnahme
der CoracoYdstUcke des SchultergUrtels
liefe Falze zeigt. Bei den ungeschwUnz-
ten Amphibien (Fig. 202. p] tritt es so-
gar an den hinteren Rand der unter
einander median vereinigten CoracoYdea
[co] und stellt auf diese Weise nur einen
theilweise ossißcirenden Anhang des Schultergürteis vor, an dem sich
das hintere Ende als breite Knorpelplalte erhält.
Als eine an das Sternum der Amphibien eng angeschlossene Bil-
dung erscheint die Brustbein platte unter den Reptilien bei Eidechsen
und Crocodilen. Man trifft sie hier meist von rhomboYdaler Gestalt und
in ähnlichen Beziehungen zum SchultergUrtel (Fig. 203. s). Bei den
Eidechsen bleibt das meist sehr breite Sternum gleichfalls häufig voll-
Fig. 202. sternum und Schultergürtel von Rana temporaria. p Körper
des Sternum nach hinten in eine breite Knorpclplatle auslaufend, sc Scapula.
sc* Suprascapulare. co Coracoid , in der Medianlinie mit dem der andern Seile
verschmolzen i. cl Clavicula. e Kpisternum. Die knorpeligen Theije sind
schraffirt.
Oeg^nVavr, OraadriM. 29
(ÜO
Wirbellhiei
Fig. i03.
stilndii; knorpeli); (Fig. S03, s). Meist verbinden sich mit ihm nur
einijie Rippenpaarc und an seinem Hinlerrande entsendet es einen oder
zwei gleicbfalls Rippen aufnehmende Fortsätze. Unpaar ist dieser
Theil des Slemums auch bei den Crocodilen. In seinem paarigen
Vorkommen ist eine Fortdauer des embryonalen Verhallens lu sehen.
Das Siels ossificirle Slernum der Vügel
ist die «eiter enl»ickelle Slemalplalle der
Repldien, an weleher das hintere Stück nicht
mehi zur Kniwickelung kommt. Wie bei den
Reptilien nimmt es nur wenige ^bis 6) Bipjjen-
paare .luf Als ein breites, vorne stark
^enolbte^ Knochenstllck IrüTl man es bei den
Raliten (Strulhionen , Apterjxi (vergl. Fig.
20i n\ Die Cniinalen dagegen sind durch
eine an der vorderen convesen FlUohe des
Bru'itbeines vorsprinjiende Crista ausgeieich-
nel , weiche als Oberflüchen vergrösser uns;
für HuskeiuisiirUnse dient Die Gestalt des Sternums entspriclil somit
den zur Bewegunp der Flügel dienenden mächtigen Muskelmassen, wie
auch der L'mfang des Sternums und seiner Crisla der Ausbildung dfs
Flugvermi^n.s gentüss entfaltet isl. Das hintere Knde zeigt sehr hüuti|i
paarige, durch Membranen verschlossene Oelfnungen (Fig. 205 (z. B.
li. h HumiTus- (X«oli Bt.A^.:
n'lwa* «rlirli^ von i!*r SriU
>n voroe;. er» Crisla s
Sleroum.
451
Fig. «07.
bei Raub- und Schwimmvögeln) ; durch Durchhruch der Umgrenzung
dieser Oeffnungen gegen den hinleren Sternalrand entstehen unter einer
der Grösse der Oeflhungen entsprechenden Verkleinerung des Slernums
nach hinten gerichtete Fortsätze (Processus abdominales) und die
Oeffnungen gestalten sich zu membranös überspannten Ausschnitten
!vei^l. Fig. 206).
Auch durch seine Verbindung mit dem SchultergUrlel bietet das
Sternum der Vögel enge Anschlüsse an die entsprechenden Verhältnisse
der Reptilien, und trägt die CoracoYdea in falzförmigen Vertiefungen
seines Vorderrandes eingefügt.
Rei den Sciugethieren erscheint das Sternum von dem der vor-
hergehenden Classen durch seine in der Ossification ausgesprochene
Gliederung ausgezeichnet. Ks setzt sich, wenn auch ursprünglich aus
zusanmienhiingendem Knorpel gebildet, immer aus einzelnen hinter
einander gereihten Knochen zusammen , die nicht
selten aus paarigen Ossißcationskernen entstehen
und an die der Sternalplatte mancher Saurier an-
gefügten unpaaren Stücke erinnern. Auch im Falle
es aus Einem Knochen gebildet erscheint, sind im
Laufe der Entwickelung jene einzelnen Abschnitte
aufgetreten und die einheitliche Rildung stellt nur
einen s|>Uteren Zustand vor. In seiner Gestalt treflfen
wir zahlreiche Abänderungen nach den grösseren
Gruppen der S^iugelhiere.
Die Reziehung zum Schultergürte] ist nicht
ohne Einfluss auf den Rau des Steraums. Rei
Verbindung mit Schlü.sselljeinen zeichnet sich der
vorderste Abschnitt durch grössere Rreite aus und
bildet das Manubrium. Auf der Vorderflache dieses
besonders bei den fliegenden Silugelhieren sehr an-
sehnlichen Abschnittes kann sich zur Oberflilchen-
vergrösserung ein leistenförmiger Vorsprung ent-
wickeln (Fig. 207) , der functionell mit der Crista
der Vögel übereinstimmt. Rei fehlenden Schlüssel-
beinen ist das Vorderende des Sternums 'meist
schmal , wogegen das hinlere an Rreite zunimmt.
Letzteres setzt sich in allen FHllen in ein medianes, hliußg knorpelig
bleibendes Stück (Fig. 508. x] fort (Processus xiphoYdes), welches sich
bis in die Rauchmuskulatur erstreckt.
Fig. S08.
Fig. 207. Sternum von Vespertilio murinus. s Sternum. c' Crisla.
ei Ctavicula. c Rippen.
Fig. 208. Sternum von Cervuscapreolus. se Rippenlcnorpel. rcScKwerl-
fortsatz.
29
452
Wirbellhiere.
Epislernum.
§ 307.
Mit dem Sternum erscheint in grosser Verbreitung ein besonderer
Skelettheil, der wegen seiner Beziehung zum Sternum als Epislernum
bezeichnet wird, und in zwei nach Entstehung und Verbindungsweise
verschiedenen Formen vorkommt.
In der einen wird das Episternum durch niemals knorpelige Kno-
chengebilde vorgestellt, welche der ventralen Flache des Sternum auf-
liegen. So erscheint es bei den Reptilien. Hier bildet es meistens
ein kreuz- oder T-förmiges KnochenstUck (Fig. 203. /) , dessen beide
Aeste die Schlüsselbeine tragen, während das MittelstUck sich dicht an
das Sternum schliesst, oder sogar mit ihm verwächst (AscalabotenU Bei
den Crocodilen sind mit den Schlüsselbeinen auch die Queräste des
Episternums verloren gegangen, und bei Jen Chamäleonten fehlt das
ganze Episternum. Auch bei den Vögeln wird es vermisst.
Die zweite Gruppe der Episternalbildungen besteht aus knoi*pelig
präformirlen Skelettheilen. Die ungeschwänzlen Amphibien besitzen
ein hieher gehöriges Gebilde (vergl. Fig. 202. e) als ein durch die
CoracoYdstUcke vom Sternum getrenntes und vor dem SchultergUrlel
gelagertes Knochen stück.
Fig. 24 0.
Bei den Süugethieren endlich bildet das Episternum stets ein
Zwischenglied zwischen Sternum und Schlüsselbein. Es erscheint am
vollständigsten bei den Monotremen als ein dem Sternum angefügter,
in zwei seilliche Aeste auslaufender Knochen. Bei den Beuteithieren
(Didelphys) bleiben die seitliehen Aeste knorpelig (Fig. 209), während
Fig. ä09. Epislernum mit seinen Verbindungen von einer jungen Bealel-
ralle. 5/ Vorderes Ende des Sternums (os^^ificirl). ep Episternum (knorpelig'.
cl Clavicuin. c Die heiden ersten Rippen.
Fig. «10. Episternum vom Hamster, von der dorsalen FIttcbe gesehen. In
den knorpeligen Episternalien belindcn sich Knochenkerne. Bezeichnung wie an
voriger Figur.
Kopfskelet. ' 453
das Mittelsttick mit dem Sternum verschmilzt, durch welche Verbindung
bei Anderen eine Auflösung des Episternum herbeigeführt wird. Dann
erscheinen nur die seillichen Stücke (Fig. 210) entweder als Knorpel,
oder auch als knöcherne Theile und schliessen sich dem Sternalende
der Ciavicula an, wofür Nagethiere und Insectivoren, sowie auch Eden*
taten viele Beispiele bieten. Bei den Primaten gehen diese Episternal-
gebilde noch weitere Rückbildungen ein, indem sie als platte, zwischen
Sternum und Schlüsselbein gelagerte KnorpelstUcke auftreten, welche
nicht als einfache Zwischenknorpel des Sternociaviculargelenks sondern
als Rudimente eines in den niederen Abtheilungen der Säugethiere
sehr ausgebildeten Apparates anzusehen sind.
Kopfskelel.
§ 308.
Der indifferente Zustand eines Kopfes bei den Acrania IHsst auch
kein discretes Kopfskelet unterscheiden, denn der vordere über der
Atbemhöhlc sich hinziehende Thoil der Chorda ist von dorn hintern eben-
sov^enig verschieden als der ganze dorsale Abschnitt jenes Vordertheils
vom dorsalen Hinterlhcile des Leibes diflerente Verhältnisse darbietet.
Sowenig aber der Kopf der Cranioten als eine absolute Neubildung
gelten kann, ebensowenig kann dies von einem Kopfskelet angenommen
werden, und wenn nun bei Amphioxus der vordere respiratorische
Körperabschnitt dem Kopfe der Graniota potentia entspricht, so müssen
auch die dort vorhandenen Skelettheile einem Kopfskelet potentia homo-
log sein. Dies betrifft jene Chordastrecke sammt dem von ihr aus den
Vordem Abschnitt des Centralnervensystems umschliessenden Gewebe,
sowie das Gerüste der Athemhöhle.
Bei den Cranioten ist dieser vordere Körpertheil vom hintern nicht
blos am ventralen , sondern auch am dorsalen Abschnitte different,
und empfängt mit der Veränderung seines funclionellen Werthes durch
Beziehungen zu zahlreichen anderen Organen bedeutende Eigenthüm-
liohkeiten, die ihn als Kopf unterscheiden lassen und ihm damit eine
SuperioriUit über den übrigen Leib zugestehen. Er steht in Beziehung
zu dem Eingange des Nahrungscanals, trägt die wichtigsten Sinnes-
apparate und birgt in seinem Binnenraume das Vorderende des zum
Gehirne entfalteten centralen Nervensystems. Durch diese Verhältnisse
wird diesem Skeletabschnitt nicht nur ein bedeutenderes Volumen,
sondern auch eine sehr verschiedenartige Ausbildung einzelner Ein-
richtungen zu TheiL
An dem Kopfskelet sind h] der Schädel und 2) das Visceral-
skelet unterscheidbar.
4) Als Schädel (Cranium) bezeichnet man den in der Fortsetzung
des Rückgrates liegenden, ein Gontinuum bildenden Theil des Axen-
454 WIrbelthiere.
skelets, der mit erslerem eine Reihe von EiDrichtungen gemein hat,
indem er den Körperlheilcn und oberen Bogen von Wirbeln entspricht.
Dieses findet sicli nicht blos in der übereinstimmenden Textur ausge-
drückt, sondern auch in den Slruclurverhaltnissen, besonders insofern
sie auf das centrale und peripherische Nervensystem Bezug haben,
angedeutet. Auch die Chorda dorsalis setzt sich eine Strecke weit in
den Basaltheil dos Craniums fort, bald dauernd, bald nur vorUl>er-
gchend. Durch die Ausbildung höherer Sinnesorgane kommt dem
Cranium eine weitere Bedeutung zu, sowie es auch an mannichfache,
durch jene bedingte Verhältnisse formell sich anpasst. So entstehen
dem Cranium theils ein- theils angelagerte Räume für die Sinnesorgane
und deren llilfsapparate. Kin hinterer Abschnitt umschliesst jederseils
das Hörorgan und kann damit als Ohrkapsel unterschieden werden.
Darauf folgt jederseit^ nach vorne zu eine die Augen beherbergende Ein-
buchtung (Orbita), indess am vordersten Theile Gruben oder Höhlungen
zur Aufnahme des Riechorganes bestehen. Der ursprüngliche Zustand
dieses Craniums ist knorpelig, er bildet das »Pri mordialcraniumt'.
2) Mit dem knorpeligen Schädel verbindet sich ein den Anfang
des Nahrungscanais umschliessendes, ursprünglich gleichfalls knorpeliges
Bogensystem, eine den Rippen der Wirbelsäule im Allgemeinen ähn-
liche Einrichtung. Die einzelnen Bogen sind verschieden gestallet, ver-
weisen aber sämmtlich auf eine primitive Gleichartigkeit, so dass die
Mannichfaltigkeit ihrer Form aus einer aus verschiedenartigen Anpas-
sungen hervorgegangenen Difierenzirung ableitbar ist.
§ 309.
Die oben angeführten Beziehungen des Kopfskelets zur Wirbel-
säule riefen Versuche hervor im ersteren eine Zusammensetzung aus
einzelnen den Wirbeln gleichartigen Abschnitten zum Nachweis zu
bringen, wonach das Kopfskelet nur als eine Modification der Wirbel-
säule erschien. Man fand dabei wesentlich in dem Verhalten einzelner
Segmente des knöchernen Schädels die Anhallepuncte zu jener Ver-
gleichung , die sich jedoch in dem Maasse unsicher herausstellte , als
sie nur das spätere, bereits ossificirle Cranium in Betracht zog. Zudem
müssen die den einzelnen 3, 4 oder 5 sogenannten »Schädel wirlieln^^
zugetheilten Kopfknochen als sehr verschiedenen Ursprungs gelten und
stellen zum Theile sogar dem Schädel ursprünglich ganz fremde Ge-
bilde vor.
Die Untersuchung der knorpeligen Primordialcranien niederer Wirbel-
thiere besonders mit Bezugnahme auf die aus dem Cranium tretenden
Nerven lehrt nun, dass am Kopfskelele allerdings noch Spuren einer
ursprünglichen Zusammensetzung den Wirbeln homodynamer Met<imeren
erkennbar sind, aber ebendadurch wird dargclhan dass diese Mctamerio
des Craniums mit der am knöchernen Cranium theilweisc bestehenden
Segmentirung in keiner Weise congruent ist.
Kopfskelel. 455
Diese andere Auffassung gründet sich vorzüglich auf folgende
Verbältntsse :
4) Es ist nachweisbar, dass die Bogen des Yisceralskelets dem
Cranium angehörigc untere Bogenbildungen vorstellen.
2) Zwischen den Visceralbogen und den unteren Bogen der
Wirbelsäule ist eine Honiodynauiie zu erkennen, folglich wird
3) das Cranium einem Abschnitte der Wirheisäule entsprechen
müssen, der ebenso viele WirbcJ begreift als Visceralbogen an ihm vor-
kommen.
4) Am Cranium selbst besieht eine Reihe von wichtigen Ueber-
einstimmungcn mit der Wirbelsäule.
aj Die der W^irbelsaulc zu Grunde liegende Chorda dorsalis
durchsetzt einen Abschnitt des Craniums in denselben Ver-
hältnissen wie an der Wirbelsäule.
b) Sämmtliche an diesem Abschnitte austretende Nerven ver-
halten sich homodvnam mit RUckcnmarksncrven.
c) Die Verschiedenheiten, welche das Cranium von der Wirbel-
säule besitzt, sind als Anpassungen an gewisse ausserhalb
des Cnuiium entstandene Einrichtungen, somit als erworbene
Zustände erklärbar. Sie lassen also einen Befund voraus-
setzen , in welchem das Cranium noch nicht jene Eigen-
thümlichkeiten besass, somit noch nicht von der Wirbelsäule
diflerent war.
5] Die DifTerenzirung des Craniums besteht also wesentlich in der
CoQcrescenz einer Sun)me von Wirbeln, (wie solche Concrescenzen auch
an der Wirbelsäule vorkommen) und der Modification des so continuir-
licb gewordenen Abschnittes durch theils von aussen her, theils von
innen her (durch die Entfaltung des Gehirnes) wirkende umgestaltende
Einflüsse.
6) Da nur an dem von der Chorda durchsetzten Abschnitte des
Craniums das Verhalten der Nerven mit RUckenmarksnerven überein-
stimmend nachgewiesen werden kann, ist nur dieser Abschnitt von
Wirbeln ableitbar, und diesem gehört zugleich das Visceralskelet an.
Dieser Theil des Craniums ist somit als vertcbraler von dem vordem
oder evertebralen zu sondern, der keine Beziehungen zu Wirbeln
erkennen lässt, und wohl eine secundare, vom vertebralen Abschnitte
aus entstandene Bildung vorstellt.
Die Zahl der in das Cranium eingegangenen Wirbel ist bis jetzt
in ihrem Minimum auf 9 bcstimmljar, womit nicht ausgeschlossen ist,
dass sie sogar noch viel beträchtlicher war. Mehrfache, auf eine statt-
gefundene Rückbildung von Visceralbogen verweisende Thatsachen im
Gebiete der Verbreitung wie der Ursprungsverhältnisse der Nerven bei
niederen Cranioten verweisen auf jene Annahme. Nicht minder steht
hiei*mit das Verhalten von Amphioxus in Einklang, wo noch eine beträcht-
liche Summe von Visceralbogen fortbesteht. Der ganze längs des Vis-
456
Wirbeltbiere.
ceralskelets sich erstreckende Abscbnitt des primitiven Rückgrates bei
Amphioxus würde also dem bei den Craniolen ins Cranium überge-
gangenen Abscimitt des Axenskelels homolog zu erachten sein.
Schädel.
§ 309a.
Die Schüdelbildungen der Craniott^n sondern sich in zwei sehr
weit von einanderstehende Abtheilungen. Bei der einen ist das oben
erwflhnle innere Visceralskelet ausgebildet und zeigt seine vordersten
Abschnitte zu Kieferlheilen geslall4»l, die durch direcle oder indirecle
Verbindung mit dem Cranium dasselbe in «einer (Jestaltung beein-
flussen. Die Gnathustomen bieten in dem Besitze dieser Verhältnisse
Zeugnisse gemeinsamer Abstammung. Die andere Form ist bei den
C y ei OS to m e n repräsenlirt, die durch den Mangel jenes Visceralskelels
und seiner Derivate sich auszeichnen.
Die Chorda setzt sich in eine das Gehirn umschliessende Kapsel
fort, welche im Vergleiche zu den übrigen dem Schädel zuzurechnen-
den Skelettheilen beträchtlich klein erscheint. Bei Petromyzon sind
dieser Kapsel (Fig. 2H. d) seitlich zwei das Gehörorgan aufnehmende
Ausbuchtungen (Gehörkapseln) (/) angefügt, unter welchen zwei diver-
girende, dann bogenförmig nach vorne verlaufende Spangen entspringen.
Diese verbinden sich vorne mit einem von der Hirnkapsel ausgehenden
Fortsatze. Deiii vorderen oberen Theile der letzteren sitzt eine un-
paare, bei Myxinolden und Petromyzonlen
sehr verschieden gestaltete Nasenkapsel
{g) auf, und unter dieser entspringt bei
letzteren eine breite Knorpelplatte, welche
einen complicirten , zum Theile aus un-
paarigen Knorpeln bestehenden, die Mund-
öffnung von oben her Umschliessenden
Apparat (/. A'. /. tHj als festen Rahmen des
Gaumen - Schlundgewölbes unter sich ge-
lagert hat. Nach hinten setzt sich die
Schädelkapsel «in das Rückgrat fort, auf
dessen Seite vom Basaltheile des Schädels
bei den Petromyzonten sich noch ein Paar
Knorpel leisten erstreckt.
Fig. %M. Schädel und Anfang der Wirbelsäule von Petromyzoo inariaas.
A Senkrechter Langendurchschnitt. B Ansicht von oben, a Chorda dorsahs.
b RückgratcanflI. c Rudimente von Bogenslücken der Wirbel, d Knorpeliges
Schädelgewölbe, d' Membranöser Thoil des Srliadelgc\solbcs. e Basis cronii.
f Gchörknpscl. g Nasenkapsel, g' Nasengaumengang. gr Blindes Ende des-
selben, h Forlsalz des knöchernen Gaumens, i Hintero Deckplalle des Mundes.
k Vordere Deckplalle. / Lippenring, m Anhang desselben. (Nach J. Mvllkk./
§ 3ie.
Die iweil« Form des Schüdds wird durch die VerhindanK mit
einem die MundfitTnung umschlit'SKrndrn Skelelapparate »usgezeichnet,
der, aus etDom .ViscerallM^en heivoi^egangen, sich in verschiedenem
Maasse mit dem Schitdcl verlnndet, so jedoch, dass in allen Fällen
ein onleror AI)schniU als Unleriiefcr in freier Beweglichkeit bleibt
[Gnalbostonien) .
Dieser Visceral bogen ist in suei als Kiefer fungiiendc Sltlrke dJfTe-
renzirt, von denen das obere als Palalo-Quadrntuni bezeic^inel wird,
während das mit diesem arliculirende untere SlUek als Unterkiefer
erscheint. Das Palalo-Quadraluin arLictiMrt mit der Schüdelbasis, setzt
sich aber bei horizontaler Ausdehnung auch nach hinten mit dem
iweilen Visceral bogen in Zusammenhang, dessen oberes SHlck gleich-
falla mit dem Schädel beweglich verbunden ist. Den unt«rn Abschnitt
dieses flogens bildet das Zungenbein. Indem jenes erste SlUck des
ineilen Bogcns haußg bedeutender sieh entwickeil, gewinnt es den
Aoschein eines Trageap parates der lieiden aus dem ersten Bogen her-
vorgegangenen primitiven Kiefertbeile, und wird als llyoniandibulare
beteichnei. Vor dem Kieferbogen liegen KnorpelstUcke in Ober- und
Inlerlippe eingcbettcl, die vielleicht als Rudimente anderer Visreral-
bogen zu deuten sind (Lippenknorpel).
Die vom Visceralskclete in engere Beziehung zum Schädel tretenden
Theile sind also folgende :
1) Der vordere Labial- Fig. m.
knorpel (Fig. Hi. a] , aus
dem oberen Abschnitte eines
ersten Bogen s bestehend.
%) Der hintere Labial-
knorpel, aus einem oberen
und unteren Abschnitte zu-
sammengesetzt {b, c).
3) Der Kieferbogen (/),
wiederum aus zwei Stücken
gebildet, dem oberen — Palato - Quadralum — (o) und dem unteren
— Unterkiefer — (u).
i) Der Zungenbein bogen (//) , von dem nur das obere Stltck,
iHjomandibularej nähere Beziehungen zum Schädel eingeht.
An san)mtlichen Bogen des Visceralskeletes — mit Ausnahme der
Ubialknorpel — linden sich einzelne nach hinten gerichtete Knorpel-
slähohen angereiht, welche die Kiementaschen stutzen, und als Kie-
Kig na. Schaitcl und VisceralsU'lel eines Solachicrs (Sctiema,. occ Oc-
eipUlrcgioii, fa l^byrinthwaod, orb AU|;eiiNi>hle. tUi Ethmoidslrogion. n Nsmii-
grutie. a Erster, b, r zweiter Uppcnkiiurpel, o Oberer, u unterer Abgclinitt des
Kieferbogens /. II Zungenbein bogen. III— VIII (1—6) KieuMubogen.
458 Wirbeltbiere.
roenstrahlen bezeichnet werden . Sie gehen vielfache Modificationen
ein und treffen sich am Palato-Quadratum in beschränkter Zahl in der
Wand des eine rudimentäre Kiementasche vorstellenden Spritzloches
(Spritzlochknorpclj.
Wahrend wir diese Theiie des Visceral skclets mit dem Schädel zu
betrachten haben, werden die tlbrigen Bogen (///— F///) des Visceral-
skelets weiler unten (§. 823) vorgeftlhrt.
Das geschilderte Verhalten des Kopfskelels treffen wir bei den
Selachiern entfaltet. Alle Theiie bestehen aus Knorpel, der in der
Regel eine dünne vorknikle Schichte als Ueberzug hat, aber niemals
verknöchert. An der knorpeligen SchUdelkapsel machen sich einzelne
Regionen bemerkbar. Der vorderste Abschnitt bildet die EtbmoYdal-
region. An ihre üntertlächc lagert jederseits eine die Riechschleimhaut
tragende Grul)e (Nasengrube). Zwischen denselben sendet der Schädel-
knorpel häufig einen Fortsalz (Rostrum) nach vorne. Der darauf
folgende etwas schmalere Abschnitt bildet mit seinen Vertiefungen die
Orbitae, welche von oben und von hinten her von einem Knorpeldachc
überragt werden können. Endlich sehen wir den breitesten Theil den
hinteren Abschluss der Kapsel bilden. Er umschliesst seitlich das
Ohrlabyrinth und geht an der hinteren Fläche in die llinterhauptregion
über, welche bei manchen Haien sogar continuirlich in die Wirbel-
säule sich fortsetzt (Notidani).
Sowohl Palato-Quadratum als Unterkiefer sind mit zahntragender
Schleimhaut bedeckt. Dem Palato-Quadratum ist hinten das Hyoman-
dibulare angefügt, um entweder direct ins untere Stück des Zungen-
beinbogens sich fortzusetzen (Notidani) oder gegen dasselbe eine freiere
Beweglichkeit zu besitzen. Das Hyomandibulare gewinnt so unter den
Haien eine grosse Ausbildung, und indem es allmählich Verbindungen
mit dem Unterkiefer eingeht,* wird es zu einer Art von Kieferstiel.
Das HyoYdstück erscheint dann nicht mehr als die Fortsetzung des
Hyomandibulare, und verliert endlich bei den Rochen sogar die Ver-
bindung mit demselben, so dass dieses dann ausschliesslich die Kiefer-
slücke trägt.
Von diesem Verhalten weicht der Schädel der Chimären ab, dessen
wesentlichste Modification in einer continuirlichen Verbindung der Pa-
lato- Quadratslücke mit dem Knorpelcranium besteht, so dass einzig
das mit einem Fortsatze des Craniums articulirende Unterkieferstück
beweglich ist. Auch der zum Theiie ossificirte Schädel von Lepi~
posiren bietet ähnliche Zustände.
§ 3H.
Unter den Gan oiden zeichnen sich die Störe durch die Fortdauer
des primitiven Knorpelcraniunis aus. Es verhält- sich im Wesentlichen
jenem der Solacliier gleich, hat aber bereits Verbindungen mit Knochen
empfangen. Ein grosser Knochen deckt die BasalflHche des Grantums
Kopfekelet. 459
und erstreckt sich weit nach hinten auf den mit dem Cranium ver-
schmolzenen Abschnitt der Wirbelsäule. Man bezeichnet ihn als Para-
Fig. 348.
sphenoYd. Vorne wird er theilweise vom Schitdelknorpel umwachsen,
aus dem er jedoch weiter nach vorne wieder zur Oberflache des Cra-
niums tritt.
Ebenso sind am Schädeldachc Knochcnplatlen vorhanden, die, im
Integumenle ontslnndcn, mit den übrigen Uciulknochcn Übereinstimmen,
jedoch in ihren llauplstUcken dasselbe Verhallen »io die Knochen des
Schindeldaches der Telcoslier darbieten, ^lautknochen treten also
hier in Zusammenhang mit dem Primordialcranium, und
diese Verbindung erhält sich von nun an durch alle Ab-
theilungen der Wirbelthiere ^vergl. oben S. 428). Auch der
Kieferapparal bietet mit Erhallung der mit jenem der Selachier über-
einstimmenden Form Ossificationen dar. Das Palato-Quadratum (f)) ist
ganz vom Schädel abgelöst und besitzt, wie auch das Unterkieferslttck
{m\ Knochenbelege. Hin knöcherner Ueberzug ist auch an einem Ab-
schnitte des Hyomandibulare [Hm) vorhanden, welches wieder einen
Kiefersliel vorstellt.
Bei den übrigen Ganoiden wie bei den Teleostiern sind
die bei den Sloren vorhandenen Zustände in grösserer Differenzinmg
zu treffen. Die Anlage des Schädels liefert ein knorpeliges Primordial-
cranium, an welchem knöcherne Theile in Form von Belegknochen
auftreten. Die Knochen des Schädeldaches und des grössten Theils
der Basalfläche verbleiben stets in diesen Beziehungen, wogegen die
der Seilentheile sich allmählich an die Stelle des Knoi*peIs setzen.
Bei vielen Teleostiern erhallen sich ansehnliche Reste des Primordial-
craniums, bald am Scbadeldache (z. B. bei Salmonen, Esox u. a.),
«
Fig. i13. Knpfskelet von Acipenscr slurio nach EntTcrnung der Deck-
knochen, r Rostrum, n NnsiMihohle. o Opticusaustriltsstclle. ir Trigcminusaus-
Iriitsstelle. 5p Dornrurlsälzc des vorderen mit dem Craninm vorsi'hmolzenon Ab-»
Schnittes der Wirbelsäule, p Polalo-QuadratKliick. m Mandibel. Hm Hyoman-
dibulare. s S>mplecticum. br Kiemenbogen. c Rippen.
460 ' Wirbelthlere.
bald, und dies ist der häufigere Fall, nur in der EthinoYdalre^on. Auch
zwischen den ossißcirlen Theilen des Primordialcraniums bestehen
häutig Knorpelmassen fort.
Bezüglich der einzelnen KnochenstUcke zerlegen wir das Primor-
(lialcranium in die bereits oben unterschiedenen Bcgionen, Die Octipi-
lalregion wird aus vier Kno-
[.j jj^ chenstUcken zusamDienge-
setzt. In unmittelbarer Fort-
setzung der Wirbelkörper
findet üicfa das Occipitale
basilare (Fig. Ui. A. Ob].
Es besitzt eine mitderCborda
gefüllte hintere Coneavitül,
die der vorderen Concaviiai
des ersten Wirbel köipers ent-
spricht. Nicht seilen be-
ste hen soga rN a h tverb i nd u ngen
mit diesem Wirbel. Seitlich
schlicsscn sich die 0 c c i p i t a-
lia lu Icralia [O^an, welche
immer den grosslen Theil des
Hintei'haupllochcsumgrenzen,
und es hüulig nicht blos oben,
sondern auch unten ab-
schliessen , so dass das Oc-
cipitale basilare von der Um-
grenzung verdrangt wird (z. B, hei Cjprinus). Von oben her fugt
sich zwischen die Occipitalia lateralia das Occipitale superius [Os),
nach vorne zu zwischen die Deckknochen des Schadeis fortgesetzt, und
meist durch eine ansehnliche senkrecht stehende Leiste ausgezeichnet,
die sich der Reihe der oberen Dornfurlsdlze der Wirbelsaule anschliesst.
Der folgende Abschnitt bildet den wenigstens ihcilweiso das La-
byrinth um seh liessenden Theil, wonach auch die bezüglichen Knoctien
von HuxLuv bezeichnet wurden. Das beständigste und damit wich-
tigste Petrosum oder Prooticum enthalt die Durch tri llssle He fUr
den Nervus trigemihus, oder begrenzt sie doch von hinten her. Es
reicht bis zu dem Basallheilc des Schadeis und kann sich da auch mit
Fi«, m. .Sdi^ilel von Salmn Salnr. A Seillicho Ansrchl. 8 Scnkr«4^l«r
HeitianHuhnitl. Die knurpeli^en Theile <les Prinior<)ialcratiiums sind schraffirt, die
aus dem Primordralcranium enislaiidenen Knötchen punctirt danjeslelll. Die Beleg-
kooclien sind nhiic hcsnmlere Auszukhnuiig. 06 Oucipilalc basilare. Ol Occ
laterale. Ot Occ. siiperiuK. Sq Squsma.-iiini, EpO Epiolicum, PrO Prooticum
"Sb Sphenoidale basilnre. Ats Alispltcnoid. OrS Orbilosphenojd. Fa Kroiilsle an-
lerlns. Fp Krnnlale [loslerius. fr Frnnl»lo. A'n Nasnle. p! 1>ar4!^henoi(). Vo Vomer.
Px Praemaxitlare. gl Golcnkl1ä(;ho für das Kyoroaiidibulare. Elh Bthmnidaltnorpel.
vag AastrilUOirnung des Nervus vagus.
Kopfskelet. 464
dem anderseitigen innerhalb der Schndelhöhle verbinden. Ein zweites
Stück bildet das Occipitale externum oder Epioticuin, welches
oben an die Occipitalia lateralia angeschlossen, meist einen Schüdel-
vorsprung vorstellt (Fig. S15). Ein drittes, Intercalare oder
Opistboticura liegt meist seitlich vor dem Occipitale laterale, und
erscheint ausserordentUcK variabel.
Häufig ist es klein (Esox) oder fehlt Fi«. 216.
sogar, zuweilen aber ist es ein sehr
ansehnlicher Theil des Schüdels (Ga-
dus, Fig. 215. 6). Da dieses Stück
in den meisten Fällen gar keine Be-
ziehungen zum Labyrinth besitzt,
sowie letzteres auch sehr hifufig noch
andere Knochen des Schädels für sich
in Anspruch nimmt, z. B. die Occ. lat. , können engere Beziehungen
dieser Knochen zum Labyrinthe nicht wohl aufrecht erhalten werden.
Endlich gehört dieser Region noch ein vierter Knochen an, der als äusseres
Belegstück des Primordialcraniums auftritt, aber allmählich mit dem
letzteren sich inniger verbindet. Er liegt über dem Intercalare und
bildet meist einen nach hinten und seitlich ausgezogenen Fortsatz. Wir
bezeichnen dieses an der Verbindungsstelle mit dem Hyomandibulare
betheiligte Stück als Squamosum (Fig. 244. A. Sq).
An dem weiter nach vorne folgenden Abschnitte des Craniums
sind in der Ausbildung der Knochen bedeutende Verschiedenheiten be-
merkbar, die mit dem Ausdehnungsgrad der Schädelhöhle in Zusam-
menhang stehen. Erstreckt sich nämlich der Raum der SchädelhöMe
weiter noch vorne, so entspricht dem' eine grössere Vollständigkeit der
Wandungen des Primordialcraniums , als wenn ein kürzerer Abschluss
jenes Raumes eine Verkümmerung seiner Wandungen und eine theil-
weise Substitution derselben durch membranöse Gebilde hervorruft.
Durch letzteren Umstand können in der ganzen Orbitalregion die Seiten-
wände des Ci*aniums reducirt sein, an den Seiten der Schädelhöhle
gelagerte Theile kommen vor dieselbe zu liegen, und zwischen den
Orbiten finden sich entweder nur die unmittelbar mit einander ver-
bundenen früher paarigen Wandstücke des Craniums, die jetzt die
Schädelhöble von vorne schliessen, oder es sind häutige Interorbital-
theile an die Stelle der knorpeligen getreten.
Als Ossificationen dieses Abschnittes erscheinen seitliche Theile,
und zwar ein hinteres und ein vorderes Paar. Das hintere Paar bildet
das Ali-SphenoYd (SphenoYdale laterale posteiius), das vordere das
Orbito-SphenoYd (Sphen. later. anter.}. Bei GanoYden (Amia) er-
Fig. 245. Hinterer Abschnitt eines Craniums von Gadus (seitliche Ansicht).
4 Occipitale basilare. 2 Occ. laterale. 3 Occ. superius. 5 Paraspheno'id. 6 Opistho-
ticam. 6' Squamasum. 7 Epioticum 15 Piooticum. ti Postfrontale, tt Frontale,
c EintenkesteUe für das Hyomandibulare.
462
Wirbellhiore.
Fig. ai6.
scheinen sio von einander getrennt. Auch bei manchen TeleosiJem
bleibt dieses Vortiallen, bei Anderen treten die l>eidersi'itigen SlUcko
unter einander itni Boden der Schadeliiöhie zusitinnien, und diese am
häutigsten am Urbilos|iheno)d auftretende Vereinij^ung fuiirt zu einer
Versehmelxun^ , so dass die beiden ürbilKsphenufdea dann nur durcli
einen medianen Knochen dai^estelll werden. Endlich Lünnen sie bei
noch weilerer KUckhildun^; deä Craninnis auch dmcli häuligc Tbeiie
vertreten sein. An der Basis dieses Abschnittes erscheint zuweilen
ein aus dem Knorpel des Primordialcraiiiums hervorget^in^enes Basi-
sp beno Yd als ein meist unansobniiober Knochen,
der oben mit dem AlisphenoY<i in Verbinduni:
.sieht. Beim Bestehen eines die Schädelbasis
von der 'Orbila her schrü^ nach hinten durch-
setzenden Augenmuskeicsnals ist jener Knochen
besonders unansehnlich, und bildet einen Pfeiler
nwrsehen den heiderseilisen hinter ihnen sich
vereinigenden (Vanillen. Nicht selten scheint er
^nz zu fehlen. An der (inindflüche erstreckt
sich lüngs des Priniordialcraniums das macbtiiie
ParasphenoTd (Fig. SIS. P.i, Ül , welches
.sich hinten niil dem Basioccipitale durch
Naht verbindet.
Am Dache dieses Abschnittes erhalt sich
das Primordialci'aniuiii nur .teilen vollständig; in
der Regel bietet es eine ansehnliche, von den Deck-
knochen des Knorpelcraniunis tlberlagerle Lücke, liier treten zuutlchsl
der Hinlerhanpiregion zwei Parielalia [Fig. Sffi. 7) auf, die zu-
weilen durch einen voidern Forlsatz des Üceip. superius (:t) von ein-
ander getrennt sind. Vor ihnen liegen die Pronlalia, welche büulig
durch ein einziges Slikk (Fronlaie ])rincipale (H) vertreten sind. Seit-
lich davon erstrecken sich die beiden Postfronlal ia (19| bis zum
Squamosum , und betheiligen sich an der Gelenkverbindung mit dem
llyomandibuiare.
In der Ethmoidalivgion des Priniordialcraniums l>esleht ein mittleres
StUck und zwei ihm seitlich anges<'hlossene Stücke, die wir als Elh-
moidalia bezeichnen, und in ein medium (16) und laleralia (IV
(Fronlalin anleriora Civifr) unterscheiden. Die letzteren bilden die
Unterlage der Nasenkapseln. Sehr hilufig erhalt sich das Millelsltlck
der EtbmoVdalia knorpelig. Als Belegstück der Grnndllüche der Elh-
mofdalregion erscheint der Vomer, der nach hinten mit dem Para-
sphenoVd in Verbindung steht. Piiarig ist er bei GanoTden /u Knden.
KiK.
tus von oiien. a Oucipilnlc supcriue. i Rpin-
le. (I Kraniale medium, ii Froatalc postfriuj.
loidale mfiliiim.
Kopfokelet. 463
§ 312.
Der Kieferappa rat der Selachier erhült sich bei den Gano'i'den
[inii Ausschluss der Störe) und Teleostiern nur theilweise, indem an
seine Stelle knöcherne Gebilde treten. Eine neue Complicalion entsteht
durch die Verbindung des Hyomandibulare mit den aus dem Palato-Qua-
dratknorpel hervorgegangenen Knochen. Dabei lassen sich die ursprüng-
lichen Verhältnisse aus der embryonalen Beschatten hei t leicht erkennen,
und aus den Einrichtungen der Selachier ableiten , so dass wir auch
hier die dort unterschiedenen Theile zum Ausgange nehmen können.
Es werden also auch hier das Palato-Quadralum als ein die Orbita unten
bogenförmig umschliossendes, vorne an das Cranium befestigtes Stück,
dann das Unterkieferstück als Diflerenzirungen eines ersten Vtsceralbogens
'Kieferbogen), endlich das mit dem hintereir Ende des Palato-Quadratum
verbundene obere Ende des zweiten Visceral bogens zu unterscheiden
sein. Als eine nicht unwesentliche Differenz im Vergleiche zu den
Selacbiern ist das Getrenntbleiben der vordem Enden der beiderseitigen
Palato-Quadrnta anzuführen. Während sie dort — und auch noch bei
den Stören — durch Ligament verbunden, aneinander stiessen, sind
sie bei den übrigen Ganotden und den Teleostiern gleich von vorn-
herein der Seite des Primordialcraniums angelagert, durch die mit ihrer
Basalflüche in die Umgrenzung der Mundhöhle eintretende Ethmo'fdal-
region von einander getrennt.
Das Hyomandibulare (Fig. 217: Hm) bildet fast sttHs einen
ansehnlichen Knochen , der mit Squamosum und Poslfrontale an der
Seite des Graniums articulirt (Fig. 214. A, yi). Ein von ihm abge-
gliedertes, bei den Selacbiern durch einen Forlsatz dargestelltes,
beladen Stören (Fig. 213. s) bereits selbsliJndiges Stück bildet das
Symplecticum, an dessen Verbindungsstelle mit dem vorigen sich
der untere Abschnitt des Zungenbeinbogens in.serirt.
Das Symplecticum (Sy) schiebt sich als ein meist dünner Knochen
an die Innenflüche des hinteren Endes des Palalo-Quadratknorpels. Aus
letzterem gpht das Qu ad ra tum [Q] hervor, welches das Unterkiefer-
gelenk trägt. An das Quadratum fügt sich nach vorne das im Winkel
gebNogene EktopterygoYd [Ept] und zwischen diesem und dem Hyo-
mandibulare und Quadratum fiiulet sich ein platter, meist viereckiger
Knochen als MetapterygoYd (;!//). Vor dem EktopterygoYd, und
zwar in medianer Lagerung findet sich das EntopterygoYd, und
aus dem vordersten Ende des Palato-Quadratknorpels geht endlich das
Palatinum hervor, welches sich dem Schädel meist beweglich
verbindet.
Vor dem Palatinum liegen noch zwei nicht durch Knorpel vertretene
Stücke, von denen das hintere meist mit dem Palatinum verbundene,
Maxillare (Fig. 217. 3/.r) , das vordere Praemaxillare [Px] be-
nannt ist. Sie erscheinen als neue Theile, die von nun an eine be-
deutende Rolle spielen. Gs wird aber in hohem Grnde wahrcheiDlicb,
dass die beiden oberen Lippenknoipel der Selachier die Grundlage für
jene Knochen ab);ahen. In Utiifiiii); und Verbindunj^s weise verhallen
sich diese beiden Kieffrlinuchen sehr verM'hieden. Bald sind sie
selbsUinditi; l)ewegli('h, soj^nr vorslrei-kl»»', bald schmiegen sie sich
fester dem Schüdel an. Uas Iclzlere gilt besonders für das Prae-
maxiliaie, welches büulig dem vordersten Theile der KthmoTdalregion fest
verbunden ist. Beide begivnzen die Mundtifl'nnn;,;, doch kann l>ei lün^terer
Gestaltung des Praeniaxillare der Oberkieferknoeben davon auageschlossen
wei-den, sowie auch wieder die YerkUiiiniernng des Prnemaxillare^dem
Haxillare einen Uberwie^emjen AnUieil an Jener Beziehung verleiht.
Am Unterkiefer erhidt sieb die knorpelige Anlage als ME€i[RLVher
Knorpel am vollständigsten. An ihr entsteht ein vorderes, den Knorpel
von aussen her scheidenartig umfassendes SlUck, als Dentale J> .
Aus dem Gelenktheil des Knorpels bildet sich das Articulare (Arl)
und unter diesem bleibt ein Theil des Knorpels erhalten, der selhst-
slilndig ossilicirend dasAnguInre (-!"$) voi'slellt. An der InnenOache
des so zusanmiengeseizten knörhernen Unterkiefers entsteht als Brfeü-
stück des Knorpels zuweilen noch ein besonderer Knochen, das
Operculare.
Fig. Jn, SeiHirhe Ansicht des Kopfskelets von .^al iiio snlar. iVergl.
Fig. S14. A.] Fr Fronlnle. A' Nasale, n NaseriKi'Utir. Pa Parietale. Sq Squa-
cnosuiii, an inrraurbilDlknoi'lien. Hm Hjoiiianitiliularr. Sy Synipli^clicuin idiocr
Knochen ist als von aussen sidilbar (lar|{eslelll|. MI MelapleryKoiil. Ept Ellu-
pleryiioid. Q Uuadralum. Ma: Haiillare. Px Praeinaxiltare. Art Articulire.
-Inj Angulare. O Deninlc. Op Opereiiluni. PrOp PrafOperculuni. Sop Sulniwr-
culom. Jop Inleroperculum. lig Band vom Inleroperculum lum Ani^ulare des
Unlerkierers.
Ropfskelei. 465
§ 313.
.Von deo in Zusammenbang mit dem Kieferapparaie siebenden,
jedoch mit ihm nicht ursprünglich verbundenen Skeleilheilen nimmt
das bei GanoYden und Teleostiern entwickelte Skelet des Kiemen-
deckels eine hervorragende Stelle ein. Bei den Selacbiern finden
»eh an Stelle dieses knöchernen Skelets knorpelige, zuweilen ver-
zweigte Stücke, beiden Theilen des Zungenbeinbogens als Kiemen-
strahlen ansitxend. Von diesen Gebilden sind bei den Teleostiern die
dem Hyomandibulare zukommenden verschwunden, dagegen treffen
wir knöcherne Theile an ihrer Stelle und dürfen annehmen, dass
diese, soweit sie mit Theilen des Zungenbeinbogens in directcr Ver-
bindung stehen, aus den Kiemenstrahlen der Seiachier hervorgingen,
indess die anderen indifferentere Hautknochen vorstellten. Diese Oper-
cularknochen umschliesst eine gemeinsame über die dahinter liegen-
den Kiemenspalten sich erstreckende Membran.
Bei den Stören tritt zuerst ein Knochen, das Operculum auf, dem
sich bei den übrigen GanoYden wie bei Teleostiern andere anfügen
(Fig. 217). An dem Verbindungsknorpel zwischen Hyomandibulare und
Symplecticum nimmt ein zweiter Knochen seine Entstehung, das Prae-
operculum {PrOp). Häufig verbindet es sich inniger mit den ge-
nannten Theilen des Kieferstiels (z. B. bei Welsen) und dehnt sich
iüDgs desselben aus. Nach hinten vom Praeoperculum folgt das Sub-
operculum (Sop) unter dem meist grossen Operculum gelagert, dann
als unterstes Stück das Interoperculum (Jop) , welches meist durch
ein Band mit dem Unterkiefer in Zusammenhang steht.
Als accessorisehe nur auf die Fische beschränkte Knochen treten
mannichfache aus Theilen des Hautskelets gebildete Stücke auf, von
denen die Infraorbitalia die ansehnlichsten sind (vergl. Fig. 847. mtj.
Sie bilden eine den unteren Orbitalrand bogenförmig umziehende Beihe,
in der das hinterste Stück an das Postfrontale, das vorderste an das
EtbmoYdale laterale sich anschliesst. Eine ansehnliche Grösse erreichen
sie bei den Gataphraclen (Trigla), wo sie mit dem Praeoperculum innig
verbunden den Oberkiefergaumenapparat bedecken, und zugleich mit
dem Kieferstiel bewegt werden.
Auch die als Nasalia der Fische bezeichneten, nahe am Rande der
Nasengrube liegenden Stücke gehören wegen ihrer Unbeständigkeit
hierher, und ebenso noch manche andere als Modificationon von
Schuppen mit dem sogenannten Schleimcanalsysteme in Verbindung
stehende Stücke. Diese Beziehungen zu den sogenannten Schleim-
canälen besitzen auch andere oberflücblich gelagerte Knochen, wie
z B. fast sHmrotliche Deckknochen des Craniums, die dadurch ihre
Entstehung aus Knochen des Integumenls auch noch später beur>
künden.
O^ftnbanr, Ginndrira. 30
466
Wirbellhiere.
§ 3U.
Der Schädel bau der Amphibien schliesst sich in vielen Stücken an
jenen der Fische an , bietet aber doch beträchtliche Eigentbttmlichk^n.
Das Primordialcranium ist bedeutend entwickelt und persistirt zum
grossen Theile unverändert unter den es überlagernden Deckknochen
fort. Doch verliert es als Schüdelkapsel sehr häufig seine Decke und auch
noch den Boden, indem oben und unten Lücken im Knorpel entstehen.
Mit dem Primordialcranium in unmittelbarer Verbindung steht das
Palato-Quadratum, welches sich hinten an die Ohrkapsel des Schädels
anfügt, und nach vorne, die Orbiten im Bogen umziehend, entweder
frei ausläuft (z. B. bei Urodelenj , oder in der EthmoYdalregion sich
dem Grnnium verbindet. Hinten und seitlich trügt es das Riefeiigelenk.
Durch die engere Verbindung mit dem Palato-Quadratum werden
dem PrimordialcraYiium dieselben knöchernen Theile hinzugefügt, die
wir bei den Fischen nn ersterem entstehen sehen, und dadurch wird
das Primordialcranium nicht unwesentlich modificirt.
Fi^. a^s.
^V >i iiiii 1 1 1 I 1 1 II II
t//
"Ter;
Wri
Fig. 248. Sdiädel drs Frosches. A jvon oben, B von unten, C von hinten,
D in Kcilliohor Ansicht.
In A und B sind von der rechten Hiilfte des Craniums die Deckknochen ent-
fernt, so dflss dns Primordialcrnnium mit seinen Ossificationen voHstAndig stchtbiir
wird, in A mit der Lücke am Dache der Schtfdelhöhle. Pa, Fr Parietal- Frontale,
Na Nasale. Ps Pnrasphcnoid. Ty Tympanicum. Pt Ptcrygoi'd. PI Palalinum.
Vo Vomcr. J Jugale. M.v Maxillare. Px Präniaxillare. a Oocipitale laterale.
Pe Petrosum. co Condylus occipitalis. Co Columella. fo Fenestra ovalis. Aasiritbi-
lücher von Nerven : o Opticus, ab Abducens. Tr Trigeminds. Vg Vagus. Am
Unterkiefer: de Dentale, a Angulare. art Articulare.
Kopüikelel. 467
Aus dem Priroordialcranium geht ähnlich wie bei dop DipnoY nur
eine geringe Anzahl von Knochen hervor. In der Hinterhaiiptsregion
bestehen nur Occipitalia laieralia (Fig. 218), welche das Hinter-«
haunulooh bis auf einen schmalen oberen und unteren medianen Knor-
pelstreif umschiiessen. Jedes von ihnen bildet einen Condylus occipi-
talis (co) zur Gelenkverbindung mit der Wirbelsüule. Die folgende
Regton der Gehtfrkapsel bildet bedeutende seitliche Vorsprttnge, welchen
noch weiter nach aussen der hintere Abschnitt des Palato-Quadratum
angefügt ist. Der vordere Theil dieses Abschnittes besitzt eine dem
Petrosum der Fische entsprechende Ossification. Sie birgt nur den
vordem Theil des Labyrinthes, dessen hinterer Abschnitt vom Ocdpitale
laterale umschlossen wird und Ittsst den Trigeminus durchtreten. Zu-
weilen finden sich Spurea eines Occipitale extemum. Eine Fenestra
ovalis bildet an der Labyrinthregion eine Durchbrechung, welche von
einem mit dem zweiten Visceralbogen in Verbindung stehenden Knochen-
Stückchen bedeckt wird.
Die Ethmo'rdalregion zeigt im vordem Abschnitte theilweise Ossi-
ficationen von verschiedener Ausdehnung. Bald ergreifen sie nur die
Seitenwand des Craniums (z. B. bei Siredon) , bald fliessen sie oben
und unten zusammen und stellen so ein ringförmiges Knochenstück
her, welches Gcvier »Gürtelbein« genannt hat. Dieser Knochen kann in
die RthmoYdalregion übergreifen und bis zum Grunde der Nasenkapseln
dringen.
Als Deckstücke dieses Abschnittes finden sich paarige Scheitelbeine
und vor diesen die Stirnbeine. Scheitel- und Stirnbeine verschmolzen
bei Einigen (Frösche) untereinander und bilden joderseits ein Parieto-
Frontale [PaFr]. Vor diesem, häufig durch die Stirnbeine von ein-
ander geschieden, liegen die Nasalia {Na) y die, entsprechend der
grös.seren Entwickelung der Nasenhöhlen im Vergleich zu den Fischen,
hier zum ersten Male als liesUindige Stücke vorkommen. An der
Schädelbasis finden wir als Deckknochen noch das ParnsphenoYd
[Pi) in gleichem Verhalten wie bei den Fischen, und vor diesem in
der Etbrooidalregion einen paarigen als Vom er gedeuteten Knochen (vo).
§ 315.
Bezüglich des als Kieferstiel fungirenden Palnto-Quadratum treten
einfachere Zustünde als bei den Fischen auf. Der ganze Abschnitt er-
hält sich zum grossen Theile knorpelig und in derselben Beschaffenheit
bleibt der von ihm aus nach vorne gehende, die Orbita umziehende
Bogen, der bald nur einen Fortsatz vorstellt, bald an der KthmoYdalregion
zum Abschlüsse kommt. Bei manchen tritt das Palatoquadratum in
einen vorderen und hinteren Abschnitt geschieden auf (Triton). Im Ende
des Kieterstiete zeigt sich meist eine dem Quadratum der Fische gteich-
werthige Verknöcherung. Die Verbindung dieses Theiles mit dem
30*
468 Wirbeltluere.
Crnnium ist keine vollständige, denn am untern Theile findet sich (z. B.
bei Rana) zwischen ihm und der Schüdelkapsel eine deutliche Articu-
lationsfläche vor.
Am Palato-Quadratknorpel entstehen zwei Deckknochen ; der obere
(Ty) , bei den Fröschen durch einen starken nach vorne gerichteten
Fortsatz ausgezeichnet, entspricht vielleicht, jedoch nicht sicher be-
grUndbar, dem Squamosum der Fische. Da er, wenigstens theilweise,
das Tympanum tragen hilft, kann er als Tympanicum bezeichnet
werden. Der untere Knochen erstreckt sich als Pterygold (Pt) längs
des Knoi7>elbogens nach vorne. Sein vorderes Ende erreicht das seit-
lich an der EthmoYdalregion liegende Palatiiium {PI), welches meist in
querer Stellung hinter den Voraer sich reiht. Bei einem Theile der
Amphibien geht vor dem Unterkiefergelenk noch ein Knochen nach
vorne ab, das sogenannte Jugale (Quadratojugale).
Die bei den Knochenfischen vor dem Primordialcranium entstehen-
den Praemaxillaria (Px) und Maxillaria (Mx) lagern sich bei
den Amphibien unmittelbar ans Primordialcranium an und erscheinen
dadurch als Belegknochen desselben, für welches YerhUltniss bei
manchen Fischen vermittelnde Zustünde sich vorfinden. Das Maxiliare
bietet sehr verschiedene Grade der seitlichen Ausdehnung dar und
erslrcckt sich bei den Anuren in der Regel bis zum Jugale nach hinten.
Die Verbindung des Praemaxillare mit dem Vordertheile des Primordial-
craniums vermittelt ein über die mittlere Nasengegend sich empor-
ziehender Fortsatz.
Dass diese Kieferstücke, oder vielmehr die unter ihnen liegenden
Knorpeitheiie nicht die ursprüngliche Begrenzung derMundöCfhung bilden,
wird durch das Vorkommen besonderer^ vor dem conlinuirlichen Piimor-
dialcranium liegender Knorpel erwiesen, welche bei den Larven von
Anuren als Rostrale und Adrostrale bezeichnet werden.
Im Unterkiefer besteht der primordiale Knorpel (Fig. 248. D.)
wie bei den Fischen, und ebenso bilden sich die knöchernen Theile
aus. Der Gelenktheil des Knorpels erhalt sich häufig unverändert, doch
ossificirt er zuweilen und stellt einArticulare [art) vor, welches in
einen Knorpelstreif sich fortsetzt. Dieser wird von einem Dentale
[de] bedeckt, zu dem häufig nuch ein Angulare (a) , zuweilen auch
noch ein inneres DeckstUck (Opercuiare) tritt.
§ 316.
Die Verhältnisse des Schädels der Reptilien und Vögel bieten
eben so viel Gemeinsames als sie sich von der Schädelbildung der Am-
phibien wie von jener der Säugethiere entfernen.
Das an seinem Dache meist unvollständige Primordialcraniam
ossificirt viel vollständiger als bei den Amphibien und die bedeutende
Entfaltung der an und aus dem primitiven Palato-Quadratknorpel ent-
Kopfskelel. 469
siebenden Knochen Ittsst nur einen kleinen Theil der aus dem Knorpcl-
scliüdel entstandenen Stttcke zu Ta{;e liegen. Verschiedenheiten der
allgemeinen ConfiguraUon des Schadeis resultiren aus dem relativen
Umfange der beiden Haupttheilo des Kopfskelets. Eine grössere Ent-
faltung der Schildelkapsel, wie sie 2. B. bei den Vögeln besteht, Uisst
die Tbeile derselben deutlicher wahrnehmen , als bei den Reptilien.
Andererseits wird das Zurücktreten der Schädelkapsel durch mächtigere
Entfaltung der die sogenannten Gesichtsknochen darstellenden die
Schädelkapsel in verschiedenem Maassc ttberlagemden Theile bedingt.
Die OccipiCalregion litsst die vier schon den Fischen zukommen-
den Knochen unterscheiden, von denen das Occipitale basitare
mit den Occipitalia tateralia an der Bildung eines einzigen Con-
dylus occipitalis Theil nimmt. Die B<*ziehung der Knochen zum Poramen
magnum ist eine wechselnde, indem bald das Baftilare (Schildkröten),
bald das Supcrius (Grocodile) davon ausge-
schlossen ist. Bei den Schildkröten Ittuft das Fig. S49.
Occipitale superius in eine ansehnliche Crista
aus. Bezuglich der knöchernen Olirkapsel ist,
wie schon bei den Amphibien , das Bestehen einer
Fenstra ovalis l)emerkcnswerth. Dazu kommt
noch eine zweite, membranös verschlossene
Oeffnung, die Fenestra rotunda. Vor dem Oc-
cipitale laterale liegt bei allen Reptilien und
Vögeln das Petrosum (Prooticum) , dessen vorderer Rand durch die
Austrittssteile des, dritten Trigeminus-Ast<'s markirt ist. Ein anderer
Knochen, Huxlby's Opisthoticuni, begrenzt mit dem vorhergehenden
den hintern Theil der Fenestra ovalis, erhält sich aber nur bei den
Schildkröten selbständig, indem er bei den übrigen Reptilien wie bei
den Vögeln mit dem Occipitale laterale verschmilzt. Dazu treten noch
einzelne, bei Vögeln sogar mehrfache, kurze Zeit selbständige Ossifi-
cationen,. die nicht bestimmt auf discrete Schädelknochcn anderer Wirbel-
thiere beziehbar sind. Alle Theile der Ohrkapsel verschmelzen bei den
Vögeln nicht nur unter sich, sondern auch mit den benachbarten
Knochen.
Als Squamosuro (Sq) erscheint bei den Schlangen (Fig. 2S1. C)
ein vorragender Knochen, der den Kieferstiel trägt. Bei den übrigen
Reptilien wie bei den Vögeln besitzt er eine ähnliche Lage, ist aber
mehr zwischen knöcherne Ohrkapsel, Scheitelbein und Postfrontale,
theilweise sogar ins Dach der Paukenhöhle eingebettet.
Der sphenotdale Abschnitt bietet je nach der Ausdehnung der
Schädelhöhle sehr ungleich entwickelte Zustände. Ein BasisphenoYd
ist bei Allen als Grundlage dieses Abschnittes vorhanden, wie das
Fig. S49. Schildkröten-Sciittdel von hinten. I Occipitale basilare. i Occip.
laterale, i Occip. superius. 5 Basisphenoid. 8 Squamosum. 45 Petrosum.
17 Quadratum.
470
Wlrbeltbiere.
iiieisV unansohnliche Praosplienoid aus dem PrimordTalcranium hcr-
voi-gogcin(i;tin, wahrend das ParasplienoYd nicht mehr entwickelt scheinl.
Doch iLünnea zwei an der Basis der Schlttfcngegend bei Vtfgeln vor-
übergehend auftretende Knochen, die Basitomporalia auf die
Seitenlheile eines ursprunglichen Parasphonold bezogen werden. Von
den Thcilen der seillichen Schüdelwand Itomml den Vögeln sowohl ein
AlisphenoTd, als auch ein OrbitosphenoYd zu, lelxteree wenig-
stens beim Strausse. Auch die Crocodile sind mit einem Alisphenold
versehen. Dagegen wird^ bei den meisten Eidechsen die Inl«rorbttal-
gcgcnd des Schädels durch ein membranOses Septum gebildet, in
welchem von jenen Knochen nur Andeutungen wahrnehmbar sind.
Ein bei den Eidechsen (Lacerta, Varanus, Podinema] vom Scheitcl-
boin bis zum Plerygold herabtretendes KnoehenstUck (G o 1 u m e 1 1 a)
(Fig. 2f0. A. co] , wird bei den Schildkröten durch eine direct vom
Pai'ieUnle absteigende bi'cite Knochenplatte repräsentirt , die hier zur
Begrenzung der SchüdelhOble mit beitrügt, und bei den Schlangen ist
eine ähnliche, die SchädelhOhle
umschliesscnde Portsaubildung
^*9- '^''- noch auf das Frontale mit aus-
BezUglich der Deckknochcn
sind Parietalia anzuführen,
die bald paarig (SchildkrMen
und Vögel), baldunpaar (Schlan-
gen, Eidechsen, Crocodile) vor-
handen sind (fig. 820. Pa}.
Auch das Stirnbein ist bei
den iiieislen Eidechsen und den
Crocodilcn unpaar (Fig. SSO.
ß. fr). Paarig ist es bei La-
certa, NoniUir (Fig. SSO. A. fr,
wie bei den Schlangen, Schild-
krölen und Vögeln. Seilen hat
es Anthcil an der Decke der
eigentlichen Srbüdelhöhle (bei
Crocodilen und Vögeln) , da t«
die durch ein hilutiges Septum
oingennnimcne Inlerorbitalri^on
bedeckt (Eidechsen , Schild-
kröten). Postfronlalia i>il-
FiK. SSO. Scliüdel vim Reptilien von ubrn. A Hooilor. B Crocodil.
Ol Oci'ipilale »npcrius. c Cumiyliis oic-ipilatis. Pa Parietale. Pf Posirronlule.
Fr Kronlille. Prf Praermnlure.' t Ucrymalo. N Nasale. Sq Sq Damnum.
Qj Quadratojugale. Ju JugRie. Q Quedratutn. Mx Maiillare. PJ! Pra«m»xlltue-
ro Cnlunivlla.
Kt^ibkclol.
471
den bei Beptilien deo hioteren Rand der OrbiUdhtthle [Fig. 230. Pf,
Fig. 221. B. C. Pf].
Die Ethmoldalregion bietet im mediaoeD Absohnilta knorpelige, bo-
sonders bei Schildkrai«n sebr ansehnliche Reite des Primordialcraniums.
Uie Ethmoldalia lateralia (Praefrontalia) be|{reDteD bei den Bep-
tilien den Vorderrand der Orbiten, und bei den Vttgeln soheinen sie
mit dem mittleren Theile des EtbmoYd verbuoden, welcher aal der
Scbädeloberfläcbe 2u Tage tritt. Als Deckknodien erscheint an der
Basis der bei Schlangen and Eidechsen paarige Vom er (Fig. 9S8. vo).
Auf der oberen Flache treffen wir die bei den Schildkrttlen fast all-
gemein und auch bei einigen Eidechsen fehlenden Nasalia. Als ein
neuer Deckknocben der Aussenüacbe der Elhmoldalkapsel kommt das
Lacryroale den meisten Eidechsen, Crocodilen wie den Vügelii in
der Begreniung der vorderen Orbitslwand zu (Pigg. SSO. 281. L).
§ 317.
Der primitive Palato - Quadratknorpel erleidet an seinem vorderen
Fig. ut.
•f 4.
Fig. Hl. ScitenaiiBichlon vuDScIitideln. J Strulliio. SCrucodiliis. CP
Ihon. Ol OccipiUle latarale. OiOccipilalesupcrius. Pt Pterygoid. Pal P.ilultna
rrTraMversatn. CdI ColumellB. ^ PeiiMtra ovslls. S OurchtrilUtilTnunR di-s N. t
geauoB». Die übrig« BeielchnuDg wih in den vorhergehende d Kigureo.
iTi Wirbellhiere.
Abschnitle frUhzcitii^e Rückbildung, so class die ihm angeliörigen
Knocbcnstücke sich zum Thcil dirocl am Schädel bilden. Der hinlere
fortbestehende Abschnitt des Palalo-Quadratum bildet sich in das Q u a -
dratum um (Fig. 221. <?).
Der gesammte Apparat bietet Kigcnthttmlichkeiten in seiner Ver-
bindungsweise mit dem Schädel dar. Bei den Eidechsen, Schlaogen
und Vögeln isl das Quadratum ein bewegliches KnochcnstUck, während
es bei Grocodiien und Schildkröten mit dem Schädel in feste Verbin-
dung getreten ist. Damit ist der ganze am Paiato-Quadratknorpel dif-
ferenzirte Knochencompicx inniger und unbeweglich mit dem Granium
vereinigt, während bei beweglichem Quadratbein mindestens ein Theil
jenes Knochencomplexes sich gleichfalls beweglich erhält.
Ein anderes Verhältniss steht in Zusammenhang mit der Ent-
wickelung der Nasenhöhle. [Siehe darüber auch bei der Differenziruog
der Mundhöhle.) Die aus dem Oberkieferabschnitt des ersten Visceral-
bogens entstehenden Skelettheile legen sich nicht mehr einfach an die
Seite der Schädelbasis, sondern treten gegen die Medianlinie unter
einander zusammen, so dass die Schädelbasis von der Begrenzung der
Mundhöhle mehr oder minder ausgeschlossen, und das Dacli dieser Ga-
vität in demselben Grade von Theilen des Oberkiefergaumenapparates
dargestellt wird, als diese eine medianwärts gerichtete, von vorne nach
hinten fortschreitende Entfallung darbieten. Die bei den Amphibien
dicht am Vorderrande des Schädels in die Mundhöhle führenden Nasen-
höhlen zeigen durch jenen Vorgang die innere Oefinung immer weiter
nach hinten gelagert, indem horizontale Fortsätze der bezüglichen
Skelettheile (Oberkiefer, Gaumenbein, Flügelbein) sie allmählich von
unten her umfassen und umschliessen. Damit scheidet sich die Nasen-
höhle immer mehr von der Mundhöhle ab und bildet eine über dieser
liegende Räumlichkeit, deren Boden das Dach der Mundhöhle ist. Die
aus horizontal gerichteten Fortsätzen jener Knochen dargestellte Scheide-
wand zwischen Mund- und Nasenhöhle wird als »barler Gaumen«
bezeichnet.
Diese Veränderungen sind am wenigsten bei Eidechsen, Schlangen
und Vögeln entwickelt, mehr bei Schildkröten und am vollkommensten
bei den Grocodiien.
Die bei Fischen den Kieferstiel bildenden Stücke (llyomandibulare
mit Symplecticum) haben dasselbe Schicksal wie bei den Amphibien
erlitten, indem sie, ausser Verbindung mit dem Quadratum, in die
Golumella (Fig. 321. 6\ Col) umgewandelt sind, die mil einer PlaUe
der Fenestra ovalis aufsitzt, mit ihrem andern verschiedene Zustände
bietenden Ende in das Trommelfell eingeht. Sie ist somit auch hier
in die Dienste des Hörapparates getreten , indem sie die Verbindung
des Labyrinthes mit dem Trommelfell herstellt.
Bei beweglicher V e r b i n d u n g d e s Q u a d r a t u ni mit dem Schädel
(Ophidior, Saurier und Vögel), bestehen auch an den angeschlossenen
KopbkdBl.
473
Tbeilcn des OI>eH(i«fei^umeoapparalcs vürschiedcni^railig einwickelte
Gelenke. Diese fehlen bei Crocodilen und Schildkröten, deren Quadra-
tum zwischen Squamosum und den Knochen der Otirkapsel in Nahl-
vcrbindung getreten ist und daher den Obcrkiefcr^üumcnapparal un-
beweglich erscheinen lässt. Eine Uebergüngsform lu diesem Zuslande
bildet Sphenodon, dessen ScbUdel zwar den Typus der Eidechsen zeigt,
allein das Quadratum mit PterygoYd und Squamosum in einer Testea
Verbindung besitzt.
§ 318.
icn sich zwei nach vorne zum Ober-
ähnlich wie bei den Amphibien. Nach
Fig. tsi.
An das Quadratum scblii
kiefer ziehende Knochenreihen
innen zu findet sich zuerst das
PterygoYd {Fig. 822. Pt).
Bei Vögeln, S<^langen und
Eidechsen besitzt es an der
Schädelbasis eine Articulations-
stelle, und ist von dem an-
derseitigen getrennt. Beide
sind untereinander durch eine
mediane Naht verbunden und
zugleich der Schädelbasis fest
angefügt bei SchildkröU-n und
Crwodilen (Fig. 223. /'() , bei
letzteren umschliessen sie die
inneren Oeffnungen der Nasen-
liSble (Choanaej . Bei Schlangen,
Sauriern und Grocodileii reibt
sich aussen an das PterygoTd
ein das Haxillare erreichender
und so die äussere und innere
Knochenreifae verbindender
Knochen an, das Husscrc
Flügelbein oderOs trans-
versum (Figg. 222. A. Tr,
223. B. Tr). Ob es dem den
Fischen zukommenden RktopterygoTd entspricht, ist zweifelhaft.
Vor dem PlcrygoTd, und meist der Medianlinie gcnllhert, liegt das
Palatinum {Pul}, welches bei Schildkröten und Crocodilen in medianer
Nahtverbindung steht, indess beide bei Schlangen, Eidechsen und
Vig. 111. Ansicht der SehHdRibsiiii. A von Monitor, B von Struthio.
06 Occipilale bssilaro. C Condylus occipilaliH. Ol Ocdpitalo laterale. Sp6 Sphe-
noidale basilare. Q Qaadralum. PI Plerygniil. Tr Transversura. Pal PBlalinum.
y Vomer. Qj Quadralajugale. Ju Jugale. Mx Haxillarc. Mx' Medianer Kortsati
demselben. Pj> Praemaiillare.
i7i
Wirbelthlere.
VOgeln von einandur gelrennt bteibeD, und seilwärls die Choaneo b^ren-
len (Fig. 222. Pal.) Am ScbildkrOtcD schade! trilt der Vomer (F^. 2S3.
A. Vo) zwischen den beiden Palatina zum Dache der Mundhöhle herab,
wahrend über der Nasenhöhle beide Gaumenbeine an der Basis cranii
sich vereinigen. Heisl als lange und platte Knocfaea erscheinen die Gau-
menbeine der Vögel (Fig. 222. B. Palj, bei denen sie mit ihrem voi^
deren Ende einem Forlsalz des Oberkiefei^nocben {Mx') sich anlegen.
Derselbe verläuft quer nach innen und kann bei mächtiger Enl-
wickelung sogar ans Vomer gelangen. Bei schwächerer Ausbildung
treten die Vorderenden der Gaumenbeine mit einem Fortsalz des Prae-
maxillare zusammen , oder es kttnnen auch beiderlei Verbiuduagen
bestehen.
An die Gaumenbeine reiht sich vorne der Oberkiefer an, der me-
dian an das Praemaxil-
Klg. »s. lare slässt. DiePrae-
j 3 maxillaria siod bei
den meisten Sauriern
(unter den SchildkrMen
bei Ghelys) wie bei den
Vt^eln verschmolieD,
und bei letzlern durch
lange Frontalfortsütjte
»US gezeichnet (Fig. 220.
82t. 222. 223. Px).
Ihre Ausdehnung steht
hier im VerhSltniss zur
Lunge des Schnabels,
an dessen Gestaltung sie
bedeutenden Anthci)
nehmen. Rudimentär
erscheinen sie bei den
Schlangen [Fig. 221. C.
Px) , auch beiden Schild-
ki-Olen sind sie unansehn-
lich. Der Hauplanlbeil
an der Begrenzung des
OberkieferrandeskoiDnil
somit dem Haxillare
{Jüx) SU, welches bei Crocodilen und Eidochsen, am meisten aber bei
Fig. 913. Ausiclil der Schädelbasis A vod Cholonia. S vod Crocudllus
Ob Occipilale basilarc. Ol Occipilale lülcrale. C Condylus occipilalls. SpA Sphe-
noiilale basilaru. Opo Opistlioticiim Pt Pleryi^inil. Pal Palaliuum. Vo Vomer.
Q QusdralUD). Qi (juadrslo-Jugalc. Tr Traosversuni. Mx Maiillare. Px Prae-
maKillare. Pa Paiietalc. Pfr Positrontale. Fr FronUle. Ch Cliosnae. S Tuba
Euülachii.
Kopfekelel. 475
Schlangen (Fig. 22 f. C) eine betrüchtliche Ausdehnung, und bei den
leUleren zugleich eine grosse Beweglichkeit besitai.
Zum Maxillare tritt vom Quadratum her noch eine besondere Reihe
von theilweise schon den Amphibien zukommenden Knochenstücken.
Das erste derselben ist das Quadrat-Jochbein, welches nur den
Schlangen abgeht. Bei den Sauriern entspringt es vom Quadratum
dicht an dessen Verbindungsstelle mit dem Schädel, zwischen jenem
und dem Squamosum. Es setzt sich vorne in ein zweites Stück fort,
welches theils mit dem Postfrontale, theils mit einem den untern Or-
bitalrand umziehenden Jugale sich verbindet. Auch bei den Vögeln
ist das Quadrato-Jugale (Fig. 222. B, Qf) ein dünnes Knochenstttck,
lateral vom Mandibulargelenk des Quadratum entspringend. Bei den
Schildkröten und Crooodilen verbindet es sich mit einer grössseren
Fläche des Quadratum, und stützt das Jugale, dem immer ein An-
theil an der hinteren und unteren Orbital-Umgrenzung zukommt.
'Der Unterkiefer artioulirt in allen Fällen mit dem Quadratbein.
Die an dem primitiven Knorpel auftretenden Belegknochen sind wesent-
lich die gleichen wie bei den Fischen und Amphibien« Das ansehn-
lichste Stück bildet das Dentale, wozu ein Angulare und Su-
praangulare, dann ein 'an der Innenfläche gelagertes Comp lernen -
tare und Operculare kommt, von denen die letzteren zuweilen nur
angedeutet sind, oder auch vollständig fehlen. Der Gelenktheil des
Untcrkieferknorpcls entwickelt sich zu einem Articulare, so dass
die Gesammteahl der Stücke auf 42 sich beläuft, welche Zahl bei den
meisten Schlangen, sowie einer Anzahl von Sauriern reducirt ist.
Bei Schildkröten und Vögeln verschmelzen die beiden Dcnlalia
sehr frühzeitig, und bei den Vögeln erhalten sich von den andern
Knochen meist nur Spuren der ursprünglichen Trennung. Beide Unter-
kieferbälfleu bleiben bei den Crocodilen und Sauriern durch eine Naht
getrennt, und sind bei den weitmäuligen Schlangen durch lockere Band-
masse beweglich unlereinander verbunden.
§ 349.
Auch am Säugethierschädel erscheint das knorpelige Primor-
dialcranium, jedoch nur auf die frühesten Enlwickelungszustände be-
schränkt, und wie bei Beptilien und Vögeln für die Schädelhöhle keinen
oberen Verschluss bielend , sondern daselbst durch membranöse Theile
ergänzt. Im Uebrigon finden sich bedeutende Uebereinstimmungen
mit der Schädelanlage in niederen Abtheilungen, wie auch die Chorda
dorsalis an der ersten Bildung den gleichen Anthcil nimmt. Damit
lassen also diese niederen Zustände des Säugethiei'schädels Anschlüsse
an die Schädelbildung der übrigen Wirhelthiere aufs deutlichste er-
kennen , wie sehr auch die später folgende Di Acren zirung Eigenthüm-
lichkeitcn hervortreten lassen und zu auffallenden Verschiedenheilen ge-
stalten mag.
476
Wirbelihiere.
Der aus dem Primordialcraniiim entstehende Thoil des Schädels
ist auch hier von den .aus Elementen des Visceralskelets hervorge-
gangenen , oder doch ursprünglich an diesem gebildeten Theilen zu
unterscheiden. Als Kapsel zur Aufnahme des Gehirns weist er mit
einer grösseren Ausdehnung auch eine grössere Anzahl zur Umschliessung
beitragender Knochen auf, indem auch manche in den übrigen Ab-
thcilungen nur ilusserlich gelagerte Theile an die Inuenfläcbe zur Hohl-
raumbegrenzung gelangen in Anpassung an die Volumzunahme des
Gehirns.
Die Scheidung in einzelne Segmente tritt am knöchernen Schädel
deutlicher als in den niederen Abtheilungen hervor, muss aber als
eine sccundäre Anpassung beurtheilt werden (S. 554). Die Verbindung
der an den ersten Visceralbogen entstandenen Knochen mit dem Schüdel
ist inniger, und bedingt die Gestaltung des letztern zu einem einheil-
lichern Gebilde.
Am Occipitalsegroent bilden die seitlichen Stücke mit je einem
Theile des Occipilale basilare (Fig. 224. 225. 06) die Gelenkköpfe des
Hintorhauptes und begrenzen mit jenem das Foramen mngnum, indem
sie oben das Occipitaic suporius (Os) zwischen sich fassen. Letzteres
kann übrigens auch von dem Rande des Foramen magnum ausge-
geschlossen sein. FAne Verwachsung der vier' Stücke zu einem ist eine
fast regelmiissige Erscheinung, doch können sie auch (z. B. bei Beutc;!-
thieren) sehr lange ge-
Fig. 324. trennt bleiben. Bei vielen
Saugethieren (manchen
Beutelthieren , Artiodac-
tylen, Einhufern etc.) stei-
gen von den Occiptalia
lateralia lange Fortsätze
(pm) herab (Proc<$ssus pa-
ramastoYdei) .
In der Region der Ge-
hörkapsel ßnden sich die
das Labyrinth bergenden
Stücke nur im frühesten
Zustande als discrete Ossi-
ßcationen von Knorpel partieen. Diese Knochenkerne entsprechen theilweisc*
den bei Fischen und Reptilien bestehenden discreten Knochen und ver-
schmelzen bald zu einem einzigen Stücke, dem Petrosum (Pc*), dessen
'pm
Fig. SU. Seitliche Ansiclit des Hirntheilsi eines Ziegenschlidels. Of Occi-
pilale laterale. Os Occipilale suporius. Jp lolerparietale. Pa Parietale. Pe Pe-
trosum. Sq Squamosum. Ty Tympanicum. Sph Basisphenoid. A$ Alisphenoid.
Ors Orbitosplicnoid. Fr Frontale. Na Nasale. L Lacrymale. 7» Jugale. Jl/x Maxil-
lare. Pal Palalinum. PI Plcrygoid. pm Processus pararoastoideus. st Processus
styloides.
KopbkeleL
477
grosserer Abschniu mit der Ausdehnung der Scbadelhable an die Basis
enoii rttckl. Der laterale Tbeil des Petrosum erhalt an dem das LabyrinÜi
bergeadeo Abschnitt Anlagerungeo von anderen aus dem Visceraükelel
eulstandenen Knochen und wird zur medialeo Wand der Paukenbtthle,
an welcher sich ausser einer Peoeslra ovalis noch eine Fenestra rotunda .
vorfindet. Wie die erstere Oeffnung bei den niedem Abiheilungen die
Golomelta Irägl, so ist ihr bei den Saugethieren als homologes Skelel-
stU(A der Slapes angefUgl. Der binlere, gleichfalls mit einem selbstän-
digem Knochenkeme oseificirende Abschniu des Petrosum ist in seillichem
Anschluss au die Oocipitalia lateralis und wird als pars mastoYdea
unterschieden, da er beim Henschen eine wanenformigo Vorragung
tragt. Oben ftlgt sich an das Petrosum das Squamosum [Sq] welches
seinen Charakter als Belegknochen beibehalt. Zuweilen verschruilit es
mit dem Petrosum zum Schläfenbein (Temporale), dessen nScfauppe« es
bildet. Bei Einigen ist es wie bei den niederen Wirbelthieren ganz
von der Scfaädelhohle ausgeschlossen, bei Andern (z. B. den Cetaceen
und Wiedei^auem) wird nur ein kleiner Theil an der Innenfläche des
Schadeis getroffen. Erst bei den Primaten ist dieser beträchtlicher und
fuhrt zu dem für den Menschen bekannten Verhallen. Die, eine Aus-
dehnung der Scbadelhable begleitende Volumsenlfaltung des Gehirns zeigt
sich somit in eiuem auch die Lagerungsbetiebung der Schadelknochen
ändernden Einflüsse. Ein nach vorne gerichteter Forlsati (Processus
lygomaticus) des Squamosum tragt lor Bildung des Jocbbogens bei.
Vor der Schlafen bei nregion flndet sich dio aus zwei vollkommen
entwidielten Segmenten zuaammengescute Sphenoldalr^ion. Das Ba-
salslUck des hinteren Segments (SphenoTdale basilare, Basi-
sphenoYd] (Fig. ^25. Spb]
stfiast unmittelbar an des Oc- Fig. tu.
cipitale basilare. und tragt
seitlich die Alae tempo-
rales (AlispheooTd) . Vor
dem BasisphenoTd liegt der
vordere Abschnitt [Prae-
sphonold) [Ps] wieder mit
seitlichen Knochen sttlcken
— Alae orbitales (Orbi-
losphenotd) — in Zusammen-
hang. Alle diese aas dem
Primordialcranium hervor-
gehenden Stucke bilden den
Kig. 115. Senkrecliter UediinschniU durch dcoselben SchHdel. Ob Occipilala
basilare. Pj PrnesplienoKl. Eth Klhmoid [senil recht q PIntto des Siebheins, deren
vorderer Rand in die hier cnlfernlo iinor|ielige Nasen Scheidewand sich rortselzl.
£M' Muscheln dea Ethmnid. Vo Vnnier. t^ S<nDS rronMiis. Die Übrige Bexelch-
aang wie in der vorberge he ndaii Kigur.
478 Wirbelthiere.
vordem Tbeil der Schädelbasis und einen Abschnitt der seitlichen
Wand. Die beiden medianen Stücke bleiben bei den Säugethieren stets^
oder doch sehr lange getrennt. Beim Menschen verschmelzen sie früh-
zeitig zum sogenannten Körper des Keilbeines.
Am Schädeldache treiTen sich wieder die bekannten Deckstücke,
die bei bedeutender Ausdehnung der Schiidelböhle an Umfang gewinnen.
Am hinteren Abschnitte des Schädeldaches finden sich die Parietalia
(Figg. 224. 225. Pa), die häufig (z. B. bei Monotremen, manchen
Beutellhieren , den Wiederkäuern und Einhufern) unter einander ver-
wachsen. Zwischen sie fügt sich von hinten her ein besonderes an
das Occipitale superius grenzendes Knochenstück, das Interparie-
tale, welches meist wie bei den Primaten mit dem Occipitale superius
(Figg. 224. 225. Jp) , aber auch mit den Parietalien (bei Nagern und
Wiederkäuern) verschmilzt.
Die Frontalia (Fr) sind im Anschlüsse an die Alae orbitales des
SphenoYdalabschnittes immer paarig und meist durch eine Naht von
einander getrennt, bei einzelnen verwachsen sie frühzeitig, z. B. bei
Elephas, Rhinoceros, auch hei den Prosimiae, Insectivoren, Chiroptern
und den Primaten.
§ 320.
Der vorderste Abschnitt des Priniordialcraniums bietet die bedeu-
tendsten Modificationen. Nur mit einer kleinen Fläche das Scbädei-
cavum begrenzend , entfaltet er sich vor der Schädelkapsel und erhält
durch Umwandung der Nasenhöhle, und Bildung mannichfacher in die
letztere einragender Vorsprünge bedeutende GompHcationen. Von
unten her lagern sich an ihn Skelettheile des Kicfergaumenapparales,
gegen welche eine mediane senkrechte Knorpellamelle, die Scheidewand
der Nasenhöhle, herabsteigt. An dieser entsteht als Belegknochen der
Vom er (Fig. 225. Vo), Durch Verknöcherung der beiden SeitenhSlften
des Ethmo'idalknorpels und der davon ausgehenden lamellösen Fort-
sätze (obere und untere Muscheln) entstehen zwei Ethmo Yd stücke, den
Praefrontalia der Fische homolog. Sie begrenzen einen Theil der Schädel-
höhle vor dem PraesphenoYd und zeigen dort Durchlassstellen für den
Nervns olfactorius. Bei Ornithorhynchus wird der Schädel höhlenanlheil
des EthmoYd nur von zwei Oeffnungen durchbrochen, dagegen finden sich
zahlreichere Oeffnungen bei den Uebrigen, und gestalten jenen Abschnitt
zur Siebplatte. Durch Verschmelzung der beiden seitlichen Hälften
mit dem medianen Stücke (Fig. 207. Eth) (Lamina perpendicularis)
geht ein unpaarer Knochen, ein einheitliches EthmoYd hervor.
Am unteren, vorderen Abschnitte der knorpeligen EthmoYdalwand
entstehen durch selbständige Ossificationen besondere Knochen als untere
Muscheln. Auch in Zusammenhang mit dem Vonier können Theile des
EthmoYdalknorpels verknöchern. Sowohl durch diese als durch äussere
auf dem EthnioYdalknorpel entstandene Belogknochen bilden sich weitere
KopfskeleC. 479
Cooipticaiionen des Säugeibierscbydels. Die unteren Muscheln bieten
ausserordentliche Verachiedent: eilen und tragen durch reich verzweigte
LamelleDbildung xur Oberflächenvergrösserung der Nasenrflume bei.
Auch an den beiden Hälften des EthmoYd finden sich solche Compli-
caUonen, sowie die Ausdehnung dieses ganten Abschnittes an der
äusseren C(mfiguration des Schädels bedeutenden Antbeil hat und für
die Lflngenentwickelung des Schadeis wenigstens Einen Factor abgibt.
In der Regel wird der EthmoYdalabschuitt von anderen Knochen —
vorzüglich jenen des Kiefer- Gaumenapparates — so tlberiageri, dass
kein Theil seiner Oberfläche zu Tage tritt. Ausser bei einigen Eden-
taten, gelangt nur bei den Primaten ein Theil der seitlichen Fläche
zur medianen Begrenzung der Orbita, und bildet die »Lamina papyracea«.
An der Aussenfläche des EthmoYdalabschnittes finden sich wieder
als Beiegknochen die Lacryroalia und Nasalia. Die ersteren (L)
sind minder beständig und scheinen oft in benachbarte Knochen über-
zugehen, so dass sie, z. B. bei Pinnipediem als discrete Theile ver-
misst werden. Auch den Delphinen fehlen sie. Wie bei den Reptilien
und Vfigaln bilden sie einen Theil der vordem Begrenzung der Orbita,
und treten gleichfalls auf die Anüitzfläche des Schädels vor, von der
sie sich bei den Primaten an die mediale Orbitalwand zurückziehen.
Bezüglich der Nasalia {Na) bestehen gleichfalls nur untergeordnete,
theils durch eine Rückbildung (wie bei den Cetaceen), theils durch be-
trächtliche Yolumsentfaltung ausgedrückte Verschiedenheiten. Ihre Aus-
dehnung entspricht der Nasenhöhle^ und bedingt.eine Verlängerung des
Gesichtstheiles des Schädels. Zuweilen bieten auch sie Verwachsungen
unter einander dar, wie bei den (platyrrhinen) Afien, bei denen sie
wi^ beim Menschen eine geringe Ausdehnung aufweisen.
§ 381.
Die bedeutendsten Eigenthümlichkeiten des Säugethierschädels er-
weisen sich an dem vom Visceralskelete gebildeten Abschnitte. Das
bei den niederen Wirbelthieren als Palalo-Quadratum bezeichnete
KnorpeIstü(4 kommt wenigstens mit seinem hinteren das Quadratum
erzeugenden Abschnitte den Säugethieren zu, und lagert an der Aussen-
fläche der Ohrkapsel des Primordialcraniums. Nach neueren Darstel-
lungen soll es den Hammer bilden, der im Dienste des Gehörapparates
mit einem zweiten aus dem Visoeralskelet gebildeten Knochen, dem
Ambos, articulirt. Dagegen sollte älteren Beobachtungen zufolge der
letztere Knochen aus dem Quadratum hervorgehen.
Die vor dem Quadratum längs der Schädelbasis entwickelten
Skelettbeile bieten in Beziehung auf die Bildung eines die Nasen-
höhle von der Mundhöhle scheidenden Gaumengewölbes durch Rnt-
wickelung horizontaler Fortsätze analoge Zustände wie bei Reptilien dar.
Die PterygoYiiea (Fig. 225. PI) sind meist platte Knochenstücke
480 Wirbelthierd.
^velche der Innenfläche besonderer vom Basisphenol'd entwickelter Fort-
sätze sich anlagern. Sie umscbliessen seitlich die Choanen und können
sogar, ähnlich wie bei den Grocodilen, im Gaumengew*ölbe sich ver-
einigen^ so dass die Choanenöffnung auch unten von ihnen begrenzt
wird z. B. bei Echidna, Dasypus etc., auch bei einigen Cetaceen).
Bei den meisten Säugethieren erhalten sie sich getrennt, und auch bei
den Primaten bleiben sie es längere Zeit, bevor sie mit den genannten
Fortsätzen des Keilbeines sich vereinigen, um die medialen Lamellen
der absteigenden Keilbeinfortsätze (Processus pterygoYdei) vorzustellen.
— Die Pdlatina bilden am häufigsten die untere Ghoanenumschlies-
sung und den hintersten Abschnitt des harten Gaumens. Die eigent-
lichen Kieferknochen verhalten sich in ähnlicher ^eise wie unter den
Reptilien bei Crocodilen und Schildkröten. Die Maxillaria bilden
stets die ansehnlichere Partie, und erscheinen nach Maassgabe der
Länge der Antlitzregion ausgedehnt. Bedeutendere Verschiedenheiten
bieten die Prae maxillaria, welche in der Regel gleichfalls zur
seitlichen Begrenzung der Nasenhöhle beitragen. Sehr häufig sind sie
rudimentär, oder im Verhältniss zum Maxillare schwach entwickelt
z. B. bei manchen Chiroptern und Edentaten. Sie tragen zur Be-
grenzung des Foramen incisivum bei. Während sie sich bei den meisten
Säugethieren selbständig erhalten , verwachsen sie bei den Affen mit
den Maxillaria, und gehen diese Verbindung beim Menschen sogar so
frühzeitig ein, dass man lange Zeit an ihrer Selbständigkeit zweifelte.
Die bei Reptilien und den Vögeln vorhandene äussere Reihe von
Knochen, welche vom Quadratum aus zum Maxillare zieht, ist bei den
Säugethieren auf das Jugale reducirt, welches den Jochfortsatz des
Squamosum mit dem Maxillare zum Jochbogen verbindet. Wenigen
fehlt das Jugale (z. B. Sorex) , oder es erreicht vom Oberkiefer aus-
gehend keinen Anschluss am Jochfortsatz (Myrmecophaga, Bradypus].
Indem es sich durch einen besonderen Fortsatz mit einem seitlichen
Fortsatze des Stirnbeins verbindet, kann es eine hintere Orbitalum-
grenzung herstellen helfen , und trennt damit die Orbita von der
Schläfengrube bei Wiederkäuern, Einhufern, Prosimiae, am vollstän-
digsten bei den Primaten , deren untere Orbitalfissur den Rest der bei
den andern Säugethieren weiten Coiimmnication zwischen Orbita und
Schläfengrube vorstellt.
An der Aussenfläche des Petrosum entsteht bei den Säugethieren
ein besonderes KnochenstUck , welches als Rahmen für das Trommel-
fell dienend als Tympanicum bezeichnet wird. Ob es mit dem
(oben S. 468) bei Amphibien ebenso genannten Knochen homolog ist,
ist ungewiss. Immer erscheint es zuerst' als ein knöcherner, nicht
vollständig geschlossener Ring (Annulus tympanicus} (Fig. S26. a<),
der in mannichfaltige Formen auswächst. Als einfacher Annulus bleibt
es bei Monotremen und Beutel thieren, auch manchen Insectivoren u. a.
Häufig erhält es sich vom Petrosum getrennt, am losesten bei den
Kopbkelel.
iSI
Walfischen mit ihm verbunden , und bildet bei vielen Saugethieren
eine linöcfaerne, in den itusteren GehOrgang for^eselzte Kapsel. Eine
sollte Bnlia ossea findet sich besonders bei Beute llbieren , Nagern,
auch bei den Artiodactylen vor. Bei manchen Beute ) th ieren , deren
Tympanicam nicht Über das ringförmige Stadium hinaus gelangt, findet
sieb eine anscheinend gleiche Bulla , die aber hier von einer Ausdeh-
nung der Basis der Alae temporales gebildet wird (Dasyunis, Petau-
rista, Perameles). Indem das Tympanicum mit dem Pelrosum und
Sqaamosum verschmilit, hilft es das SchlKfenbein zusammensetzen
(himaten). An seinem vorderen Bande bleibt auch beim Menschen
eine andrerseits vom Squaraosum begrenzte Spalte bestehen (Fissura
Glasen), durch welche ein Fortsatz des Hammers tritt.
§ 3S8.
Der prioiitive Unterkieferknorpel ändert bei den SSugethieren schon
bald die BiobtUDg der bei den Übrigen Wirbeltbieron eingeschlagenen
DiBerentiruDg. Er reprasentii-t einen schlanken Rnorpelstreif, dor sich
continuirlich in ein G^ttrknOchelcben , den Hammer, forXaeUl. Wenn
letzterer aas dem Palato-Qua-
dratum enisleht, so wäre also
hier ein continuirlicher Zusam-
menhang zweier bei allen Wir-
bdthieren getrennter Skelet»
iheile gegeben, woraus fUr die j
neue Deutung dieser Theile
etne grosse Schwierigkeil er-
wacht. Damit gewinnt die
altere Darstellung, der zufolge
der obere Theil des primitiven
Unterkieferknorpels , der bei
den Saugethieren zum Ham-
mer wird, dem Articulare des
Unterkiefers der niederen
WirbcMitere entspräche. Jedenfalls sind diese Vergleichungen noch
nicht zum Abscfalusa gelangt.
An der Anasenflflcbe des vom Hammer ausgebenden, sehr bald im
Wachsthume sieben bleibenden Knorpelstreifes entsteht ein Belegknochen,
in weldiem das Dentale der übrigen Wrbelthiere zu erkennen ist.
Fig. tia. Seilliche Ansicht des Schädels feines inonBchlichen Folus mit den
GehOrbnnch eichen. KIn Thell der oberen Begrenzung der PBukenhtthle, sowie das
TrommHMI ist w^geiMmin«n. al Annulns lympsnicas , von wefchtm ein Stück
des oberen Abschnitles entfernt ist. m Haointer, mn Uannbrinm dos HHmmers.
p ProcessQS lleclielli, an der Inaenseite des Unterkiefers sich hinziehend, i Am-
bos. t Steigbügel. >< Processus stylo'ides. t.tl Ligemenlum stylohyo'idoum zum
vorderen Hörn des Zungenbeins xiehend. i Foramen mastoideum.
482 Wirbeitbiere.
Es bildet mit dem anderseitigen median zusammenstossend den ge-
sammten, an der untern FlHche der Jochfortsatzwurzel des Sqaamosuni
seine Articulationsstelle mit dem SchSIdel findenden Unterkiefer. So-
mit liegt hier eine neue Bildung vor, wäihrend die ursprüngliche keines-
wegs aufgelöst isty sondern in anderen functionellen Beziehungen fort-
besteht. Der vom Hammer auslaufende Knorpelfortsatz (Meckerscber
Knorpel) (Fig. 226. p) verläuft noch einige Zeit an der Inn^Oäche
des knöchernen Unterkiefers, schwindet aber dann, und nur die inner-
halb der Paukenhöhle bis zur Glaser^schen Spalte gelangende Strecke
erhalt sich durch Yerknöcherung als Processus folianus des Hammers.
Die frühzeitige Differenzirung, sowie die relativ bedeutende Grösse der
genannten Gehörknöchelchen bestätigen, dass in ihnen in niederen Zu-
ständen voluminöser entfaltete Skelettheile zu erkennen sind.
Beide Hälften des Unterkiefers bleiben bei einer grossen Anzahl
von Säugethieren getrennt, bei anderen verschmelzen sie bald, wie bei
Perissodactylen , den Chiroptem, Primaten. Niedere Formzustände
sprechen sich im geraden Verlauf des Unterkiefers der Monotromen aus,
denen ein deutlicher Processus coronoYdes fehlt , der auch bei Anderen
(z. B. bei Walthieren) nur angedeutet ist.
D(is aus dem oberen Abschnitte des primitiven Zungenbeinbogens
hervorgehende Stück (Hyomandibulare der Fische) lässt ein ähnliches
Verhallen auch bei Amphibien und Reptilien erkennen , indem es mit
einem Abschnitte ein der Fenestra ovalis aufsitzendes Knöehelchen, den
Steigbügel, hervorgehen lässt. Nach neuem Angaben soll aus einem
obersten Abschnitte auch noch der Ambos entstehen, was bereits oben
erwähnt wurde. Jedenfalls dürfte der Stapes mindestens dem die
Endplatte tragenden Theile der Columella der niederen Wirbelthiere
homolog sein, wenn er auch durch den Mangel directer Verbindung
mit dem Tympanum sich auszeichnet, vielmehr nur mit einem Fort-
satze des Ambos articulirt.
Visceralskelet.
§ 323.
Mit dem vordersten Theile des Axenskeletes steht ein ventrales
Bogensystem in Verbindung, welches für den als Athenüiötile fangi^
renden Abschnitt des Nahrungscanais die Stützorgane reprisenUrt Die
Zahl der Bogen und damit die ganze Ausdehnung des Apparates nach
hinten hängt von der Ausdehnung jenes respiratorischen Raumes ab.
Diese Gebilde treten in zwei sehr verschiedenen Typen auf.
Der erste besteht bei den Acrania (Amphioxus). Hier besitzt
jenes Gerüste an seinem vordersten Theile einen die Mundöffnung um-
ziehenden Knorpelbogen, der mit nach vorne gerichieten Knoipelstatv
eben besetzt ist. Der übrige Apparat ist aus einer homogenen Sub-
stanz gebildet, welche ähnlich wie bei Balanoglossus (vergl. § 4 07]
Vinntakalol. 488
ein sehr complidiiea GUterwerk vorstvllt. Das KieiiieiigiUer jeder Seite
isi gesondert und ein ventraler Zunrnmenhang fehlt.
Auf diese Einrichtung kann der bei den Cranioten bestehende
zweite Typus nidkt nnmiltelbar bezogen werden. Er wird in seinem
efUen Zustande nur durch knorpelige Theile dargestellt, die eine ge-
ringere Zahl von Bc^en bilden , und bei streng symmetrischer Ver-
theilung meistenlheils einen ventralen Absofaluss besitzen.
Bei den Cydostomen besteht das Visoeralskelet aus complicirteren,
jederseils sowohl oben an der Seite des Ruckgrates , als unten unter
sidi in Zusarnrnfniiang stehenden Knorpelleislen, deren oberQüchliche
Lagerung sie als Süsseres KiemengerQste beseichnen lasst. Von
diesem sind auch noch bei Selaobiem zuweilen sehr deulKc^ Spuren
vorhanden, obgleich bereits ein anderer innerer SlUtiapparat besleiit,
welcher von da an durch die ganze Reibe der Wirbeltbiere ausschltess-
liober BeprXsentanl des Visceraiskelets wird.
Die einzelnen Bogen besitzen zahlreiche Spuren ursprünglicher
Gleichartigkeit, die durch nllmabiiche Aenderung der funolionellen Be-
siehuD^n und damit verbundener Ai^ilsibeilung einer grossen Hau-
nichfalti^eit der Gestaltung Plats machte. Von diesen Bogen musslen
einige bereits oben beim
Cranium besprochen wer- l^ig g]7,
den, deren hier nur in der
Kurse gedacht werden soll.
Der erste dieser Visceral-
bogen umzieht den Eingang
in den Nahrungscana! in
zwei Stucke gegliedert, von
denen das obere dem SdiHdel
angelagert , oder ihm doch
mittelbar verbunden ist (Fig.
887). Es bildot das Palato-
QuadrMiun [oj . Des iweite , unlere StUck schliesst mit dem der an-
dern Seile die Hundoffhung von unten ab, und stellt den primitiven
Unterlü^er vor (u). Die folgenden Bogenpaare erhalten sidi entweder
in ihrer ursprünglichen Funclion als Stützen der Kiemenbogen oder sie
gehen «ine Reihe anderer Hodißcationen ein.
Da diese sflmmüiefaen Bogen als ursprünglich gleichartig fungirende
sieh nachweisen lassen, so dass die Beziehung zum Athemappsiut nicht
blos an den vorderen Bogen durch deren Umwandlung zu JLitbn verloren
ging, sondern auch von den hinteren Bogen her allmählich funclionelle
and den^mflsse analoroiscbe ttudtbildungen stattfanden, so besteht die
lUglicbkeit, dass in diesen Befunden nur die Enderscbeinong .eines Be-
Fig. SIT. Schädel und Visceralskelel
abe Llppeoknorpel. / Kiererbogeo. ö Oberer,
Visceral bogen. Ill-^TMI KlMiMoboBen.
iSi Wirbelthiere.
ductioDsprocesses vorliegt, der an einer viel beträchtlicheren Bogen-
zahl begann. Diese Auffassung wird uniersttttzt durch die Vergleichung
mit Amphioxus, sowie durch Erwägungen, deren bei dem Kiemen-
apparate und beim peripherischen Nervensystem gedacht wird.
Von den Fischen bis zu den Amphibien ist an diesem Apparat
eine allmUhliche Entfremdung seiner ursprünglichen Beziehungen be-
merkbar, und von den Reptilien an geht die Verbindung mit den Ath-
mungsorganen gänzlich verleiben.
§ 3S4.
Als gemeinsame Einrichtung für sämmtliche Visoeralbogen besteht
die ventrale Verbindung mit unpaaren Stücken, den Copulae. Die
einzelnen Bogen bieten stets eine Gliederung in mehrfache, meist be-
weglich unter einander verbundene Abschnitte. Die Beschaffenheit
dieser Bogen entspricht jener des übrigen Skeletes und ist wie dieses
ursprünglich knorpelig.
Ein vorderstes Bogenpaar wird, abgesehen von den bezüglich ihrer
Bedeutung etwas zweifelhaften Lippenknorpeln der Selachier (vergi. oben
S. 310) durch den bereits beim Schädel als »Kieferbogen« behandelten
Theil vorgestellt. Den zweiten bildet der Zungenbeinbogen, dessen
oberster das üyomandibulare (bei Teleostiern üyomandibulare und Sym-
plecticumj vorstellender Abschnitt gleichfalls dem Cranium sich an-
gliedert, indess der untere Abschnitt als Uyo'i'd stück den Kiemen-
bogen sich anschliesst.
Die folgenden Bogen haben die Verbindung mit dem Granium
grösstentheils aufgegeben, oder stehen mit ihm nur in unmittelbarem
Zusammenhange, entweder der Schädelbasis oder bei grösserer Aus-
dehnung sogar dem Anfangstbeile der Wirbelsäule lose angeheftet. Die
Gesammtzahl dieser Bogen beläuft sich auf 5 (6 — 7 bei Notidaniden).
Bei manchen Selachiern ist der Zungenbeinbogen mit den Kietneobogen
noch gleichartig gestaltet. In der Regel zeigt er eine Vergrösserung seiner
Copula, und bildet, da letztere eine Stütze der Zunge abgibt, den
Träger des Zungenbeines (Fig. 227. //). Bei den Selachiern und Chi-
mären besitzt dieser Bogen noch seine ursprüngliche Bestimmang als
kiementragender Skelettheil, indem von ihm ausgehende, in Radien
getheille Knorpelplättchen die Vorderwand der ersten Kiementasche
stützen. Diese Beziehung ist sowohl bei den GanoYden als Teleostiern
zurückgetreten, da jene Kieme rudimentär ward und die Radien des
in Hyomandibulare und Sympleclicum umgewandelten oberen Stückes
durch den Opercularapparat vorgestellt werden (S. 343).
Der untere Abschnitt des Zungenbeinbogens oder das HyoYdstück
trägt dann an der Stelle der Knorpelradien knöcherne Strahlen (Fig.
228. 7. r), (Badii branchiostegi), zwischen denen eine den gesammten
Kiemenapparat deckende Membran sich ausspannt. Aus dem Zungen-
beinbogen wird somit ein Schutzorgan des Athmungsapparates.
VlMxraltkelet. i85
Die folgenden Bogenpaare }feh»ll«n ihre ruspiralorischon Beziehungen
lünger. Sie ßnden sich zu fünf, Bciton Beehs. Erstcre Zahl ist die
ausschliessliche bei Knochenfischen. Wahrend die ersten dieser Bo{;cn
(Fig. S38. //. ///) sich noch regelmässig nn CopuUe [f. g) ansetzen,
sind die letzten meist lu mehreren Paaren {/V. V) mit einem SUlcke
(a) vereinigt und bieten immer, sowohl was die Zahl als die Lange
Kig. «8.
ihrer GliedstUcke angehl, Ruckbildungen dar. Gewohnlich tr^gt das
letzte, nur aus einem einzigen Stocke jederseits bestehende Paar [VI],
gar keine Kieme, auch am vorletzten kommt häufig nur ein einseitiger
Besatz mit KiomenblKttchen vor; dagegen gewinnen am letzten hHufig
Zahnbildungen eine bedeutendere Entfaltung , so dass dieser Theil als
Rauapparat fungirt. AucJi eine Ven<^melzung der beiderseitigen letzten
B<^eorudimenle zu einem unpaaren StUcke ist verbreitet (Pharyngo-
gnatbi) .
Andere Hodificationen der binleni RiemenbogeD werden bei den
Labyrinthfischen sowie bei manchen Clupelden getroffen, und beruhen
Fig. SM. ViKeraUkclet (Zungeobein | und Kiemenbogengerilsle) vnn-^ Peres
tlnvia tills. /— F/Bogenreilien; der erste BoKen [/)'iuin Tragapparet des Zunpi-'n-
belns, die vier iUchst«ii {II— Y) zu Kiemen bogen nnd der htile (VI) zu den un-
teren Scblondknoehen amgewsndell. a, b, e, d Die elaieinen Glieder der Bogen.
Dal oberste SlÜck (d) an den Kiemenbogen stellt die Ossa pharynfteB superiori
dar. r Radii branchioslegi. f g h Verbiadungsstüclie (Copulae) der seitlicben
Bf^en, Abs vorderste davon als Zungeobein aaflretend. (Nach Cvvita.)
186
Wtrbollhtere.
auf der Entfiiliung von cinielnpn Kogcn^jüedern zur UiDBcfalittSfiung von
Wasser aufnchmentieD Räumen.
Äebniicb wie der Zungen he inbi^on der Selacbier mil Knoqwl-
anbilngen ausgestatlel ist, bieten auch die foigeiiden Bogen in dieser
Abtheilung einen Besalz knorpeliger Strahlen, durch welche die Wan-
dung der Kieineotascbe gestUlxl wird. Auch diese Gebilde sind bei
den Ganolden und Teleostiern rudimentür geworden , und erscheinen
als feine Knorpel lamellcn zwischen den Reihen der Kiemenblä lieben.
Dagegen treten an der Innenflüche der B<^en Reihen von Höckern oder
Stacheln auf, welche von Seiten des Schleirahautuberzuges hervor-
gingen und dadurch den Zahnbildungen sich anreiben.
§ 32&.
Eine bedeutende Aeduclion belrilft das Kiemenskelel der Am-
phibien, von denen die einer Hclaniorphose unterworfenen mil einer
Aendcrung der Lebensweise die allmühliche Umwandlung auch dieses
Apparates in andere Organe wnhmebaicn lassen. Bei Jen Perenoi-
brnnchiaten erhall sieh derselbe Apparat, der bei den Uebrigen nach
vollendeter Larvenperiode sich rllnkbildel. Am vollst&ndigslen besteh!
er nach der Mclamorphose bei den Derolrenicn fort. Bei allen wird
er aus vier oder fOnf Bogenpaaron gebildet, von denen das erste wie
bei den Fischen einen Zungenbein bogen [Fig. 829. A. b) vorstellt,
aber mit seinem oberen AbscbniUc bedeutendere Veränderungen ein-
gehl, und Ibeilweise sich mil dem Cranium vorbindet. Die folgenden
Bogen vereinigen sich in eine gemeinsame Copula. Die letzten drei
erreichen seihst diese nicht
Fig. IS9.
i KOrpcr des Zungenbeins wird.
selbständig, sondern sind
jcderseits unter sich ver-
bunden. Zu der Rcdnclioo
der Bogen tritt somit eine
noch bedeutendere der Co-
pulae. Von dieser Etnpcb-
tUDg bleibt nach der Meta-
morphose nur das Uyol'd-
slück (Fig. «29. B. b) voll-
ständig in Verbindung, mit
der meist ansehnlicher ver-
breilertenCopula (a), welche
Vom zuteilen Bogen erhalt
Kig. 139. A Zunganbein Mnd Kiemenbogen einer Larve *oii Sala:
maculosa, b Zunge abeiti bogen, c c' Kiefoenbogentfi^r.
Copul». (Nach -Rdscotii.) — B Zungenbulo von Bbfo eil
kürpor (Copula). b Horner dei Zungcnbeina. c Resle d«r Ktemenbogea. (Sidi
Dl'CES )
YisoenUlMiet.
487
sich Dur bei den ScilainantJririen ein grätigeres SlUck, und vom drillen
ein kleines, iodess bei den Anuren eine jederseits die sttninitlichen
Kieuienbogen aufoehmende Knorpelplatte mit der Gopula zu Einem Stücke
Kusanimentritt. Diesem sind dann aus den Enden der ursprünglich
paarigen Platte entstehende etabförmige Stücke (Goiumellaf)} angefügt
(¥ig. 829. Bc).
Die mit der Aenderung seiner Verrichtung wahrnehmbaren Um-
wandlungen des Kiemenskelets geben ein sprechendes Beispiel ab fUr
den mächtigen Einfluss der Anpassung an äussere Lebensbedingungen
auf die innere Organisation; sie verknüpfen zugleich die Gestaltung
des Visceralskelets der mittelst Kiemen athmenden Wirbel thierc mit
jener^ die bei den niemals Kiemen besitzenden Abtheilungen herrschend
^worden ist.
§ 326.
Die bei den Amphibien erst im Individuum auftretende, also jedes*
mal erworbene Rückbildung erscheint in den höheren Chissen als ein
vererbter Zustand. Der obere Abschnitt des primitiven Bogens findet
sich wieder theils in Verbindung mit dem Gehörorgane vom untern
AbscbniUe gelöst, und was vom reichen Kiemenskelet der Fiaohe sich
sonst noch entwickelt,, leistet vorzüglich Stützfunclion für die Zunge
and wird als Zungenbein bezeichnet. Die Gopula bildet dessen
»Körper«, an dem die Bogenreste als »Homer« befestigt sind. Iteist
sind die Reste von zwei Bogen in Verwendung, nämlich das HyoYdstück
des primitiven Zungenbeinbogens und Theile des ersten Kienienbogens.
Der einfache, selten aus mehreren Stücken be-
stehende Körper ist bei den Reptilien mit zwei bis
drei, oft nur sehr rudimenUtren Bogenstücken besetzt.
Die letzteren entsprechen den ventralen Gliedern des
SJemeogerttsles der Fische und sind entweder ein«*
fach oder in zwei Stücke getheilt. Am reichsten
sind die Bogen bei den Schildkröten, wo deren bis
drei vorkommen, dann bei den Eidechsen; bei den
Grocodilen besitzt der breite gewölbte Zungenbeinkörper
nur ein einziges Bogenpaar. Nur auf einen knorpeligen
Bogenrest reducirt, erschemt der Apparat bei den
Ophidiem, von denen manche sogar auch diese Spuren
verloren haben (Tortrix, Typhlops etc.). Zwei Bogen-
paare sind bei den Vögeln nachweisbar. Der rudi*-
mentäre erste Bogen verschmilzt zu dem sogenannten
Os enloglossum (Fig. 230. 2), hinter dem die eigent-^
liehe Zungenbeincopula liegt. Der zweite Bqgen da-
gegen erfahrt eine bedeutende Ausbildung und steiU die aus zwei an-
Fig. StO. ZaDgeobeiaapparai des Hawbnhnet. « Zungenbeiakörper (Gopula).
% Os eDtoglossnm. t Kiel. 4 Vorderes. S faiiHeres Glied das ZungenbeiDborneB.
Fig. 2t0.
488 Wirbelthiere.
sehnlichen Gliedern gebildeten Hörner (4- 5) vor, die meist hinten um
den Schildel, aber ohne directe Verbindung mit demselben herum
ziehen. Hinter der Gopula tritt noch der Rest einer zweiten Gopula
als Rielstück ab.
Bei den Saugethieren bleiben zwei Bogen mit dem einfachen
Zungenbeinkörper verbunden. Die vorderen Hörner sind die ansehn-
lichsten und treten, aus mehreren (3) Gliedern zusammengesetzt, mit
dem Petrosum in Zusammenbang. Indem das mittlere Glied nur durch
ein Ligament vertreten wird, kommt eine Trennung dieses Theiles
zu Stande, so dass dann das oberste Stück, wenn es, wie beim Orang
und beim Menschen^ mit dem Petrosum verschmilzt, als Griffelforlsaiz
des letzteren sich darstellt. In diesem Falle wird der übrige" Theil
durch das Ligamentum stylo-hyo'i'deum gebildet, und am Zungenbein-
körper bleibt der Rest des Bogens als ein unansehnliches, häufig nicht
einmal verknöcherndes Stück befestigt. Die hinteren Hörner sind immer
nur durch ein einziges Glied gebildet, bei den meisten SHugethieren
die kleineren, fehlen sie selten ganz wie bei manchen Nagern und
Eden taten. Bei den Primaten übertreffen sie die vorderen Bogenreste
an Grösse. Immer besitzen sie Verbindungen mit dem Kehlkopf dessen
Schildknorpel ihnen durch die Ligg. thyreo -byotdea lateralia ange-
fügt ist.
Skelet der Gliedmaassen.
1) Dnpaare Gliedmaassen.
§ 327.
Die Verbindung der unpaaren Flossen : Rücken-, Schwanz- und
Afterflosse, mit der Wirbelsäule geschieht im niedersten Zustande durch
eine, von den Dornfortsätzen des Rückgrats ausgehende Membran, in
welcher allmählich Skelettheile auftreten, welche sowohl mit der Wirbel-
säule als mit den Flossen selbst in Verbindung stehen. Erstere bilden
die Flossenträger, letztere die Plossenstrahlen. Beide erscheinen
im einfachsten Zustande als Gliedstücke bedeutend ausgedehnter oberer
Dornfortsatzbildungen, die unter Ablösung vom Wirbel zu grösserer
Selbständigkeit gelangen. Die Flossenstrahlträger bestehen bei den
Selachiern im knorpeligen Zustande, bei den GanoYden tiieilweise
ebenso, anderntheils aber knöchern, wie sie auch durchgehends bei den
Teleostiem erscheinen. Zuweilen treffen mehrere solcher Flossenlräger
auf einen Wirbelabschnitt, meist jedoch besteht eine regelmässige Ver-
theilung nach den einzelnen Wirbeln. Durch ihr Vorkommen an Stellen,
welche keine Flosse besitzen , deuten sie das frühere Besteben einer
solchen in grösserer Ausdehnung an ; bei den Selachiern und CbimäneD
treten den Flossenträgern angefügte, häufig gegliederte Knorpelstücke
in die Flosse selbst ein, wo sie jedoch meist nur auf die Basis sich
Skelet der Gliedroaassen. iS9
beschranken. Der grOssle ThetI der Flosse erhitit dann seinen Stutz-
apparat von besonderen Hautgebilden, die unter dem Namen der Horn-
fädon bekannt sind. Bei den Teleostiern dagegen finden wir in jenen
Flossen knöcherne Stützen, welche nicht knorpelig präformirt sind,
und deshdb auch nicht direct von jenen Knorpeln der Selachier abge-
leitet werden können.
Diese secundflren Flossenstrahlen treten als paarige Ossiß-
cationen im Integumente auf (vergl. oben S. 427) , und verbinden sich
nieist in einiger Entfernung von der Basis zu einem unpaarigen Stücke.
Sie bestehen entweder aus zahlreichen, dichotomisch angeordneten
Gliedern, die von dar Basis des Strahls gegen die Spitze zu unter
Volumsverringerung sich mehren oder sie werden durch ein einziges
knochenstück vorgestellt. Im ersleren Falle erscheint der Stützapparat
der Flosse weich und biegsam (Malacopteri), im letzteren Falle kommen
statt der weichen , Stachelstrahlen zum Vorschein (Acanthopteri) . Die
Verbindung mit den Flossenslrahlträgern kommt entweder durch einen
Bandapparat oder auch durch Gelenke zu Stande, welch' letztere vor-
züglich für den ersten* Stachelstrahl der Rückenflosse complicirt er-
scheinen. Sowohl bei GanoYden als bei den Teleostiern sind diese
knöchernen Flossenstrahlen in Verbreitung. An Zahl wie an Grösse
sehr mannichfach verschieden , werden sie von der Systematik zur
Begrenzung kleinerer Abtheilungen benutzt.
Bei den GanoYden und Teleostiern nehmen die oberen Wirbelfort-
sütze gar keinen oder nur wenig Antheil an der Bildung einer Schwanz-
flosse, deren knöcherne Gliederstrahien fast ausschliesslich den ansehn-
lich entwickelten unteren Domfortstttzen angefügt sind. (Bezüglich
der durch die Verbindung mit der Schwanzflosse am Ende der Wirbel-
säule eintretenden Hodificationen vergl. S. 436 sowie Fig. 494.)
i) Paarige Gliedma aasen.
Brusigüriel.
§ 3S8.
Am Skelet dieser Gebilde unterscheiden wir den freien Abschnitt
und den jenen tragenden, im Körper geljorgenen Theil. Letzterer wird
nach seiner Form als Extremitätengürtel bezeichnet, und nach der
Lagerung als Brust- (oder Schulter-) und Beckengürtel unter-
schieden.
Der Brustgürtel tritt in der einfachsten Gestalt als ein Knorpel-
stück auf, welches bei den Selachiern einen ventral geschlossenen dicht
hinter dem Kiemenapparate gelagerten Bogen bildet. Jederseits articulirt
rnit diesem Knorpel das Skelet der Brustflosse. In der Nähe der Ver-
bindungsstelle ist der Knorpel von bestimmt verlaufenden Candlen
durchsetzt, in welchen Nerven ihren Weg zur Flosse nehmen. Bei
490 WjrbelUiiere,
einer ErweiUrung diosi-r Canäle laji^em sieb noch Muskeln in sie ein,
und dadurch erhält das KnorpeislUck eine complicirte Scuiplur (Bocbenj.
Die Trennung des Kuorpelbogens in zwei Hälften , bei den Seb-
ohtern durch eiae luweilen st^wache mediane Strecke eingeleilet,
vollzieht sich bei den Ganolden, und mit dem durch den Knoqtel vor-
gestellten oder durch VerkoOcherung desselben modificirlen primären
SchultergUrlel verbindet sich aus auf ihm entstehenden, ur^i-üngllch
dem Integumente angehörigeu KuochenstUcken ein neuw Apparat, der
im Verlauf« seiner fernem Differeniiruog bis tu den Saugetbieren eine
wichtige Solle spielt.
Wir haben also von nun an ausser dem primären auch einen
secandären ScbultcrgUrtcl zu unterscheiden. Der eretere bleibt
bei den SUiren knorpeKg; auf
Hg. SSI. '^"^ entwidieln sich als tiaut-
knodien einige oberflächlich ge-
lagerte Stücke, von welchen die
beiden unteren etne Clavicula
und ein Infracla vicula re, die
beiden oberen Supraclavicu-
laria vorstellen. Durch die Lage
des primären Schultergltrtels an
der hinteren Grenze des KiemeO'
Apparats wird seine Beziehung lu
dem an ihm zur letzten Kiemen-
spalte sich einsenkenden Integu-
mente eine innige, woraus die Bildung von Haulknochen auf diesem
Knorpel sich erklärt, während andererseits am tiefer gelagerten Becken-
gUrtel eine solche Beziehung unmöglich ist. Am primären Schultei^noipef
sind aus den bei den Selacbiern vorkommenden Canälen weitere Räume
geworden. Bei den Ganolden mit kndchernem Skelete bleibt meist
nur ein Tbeil noch knorpelig, ein anderer ossificirt, doch erscheint das
gesamrote Stück dem Volumen nach in Bückbildung. Dagegen hat der
bei den Stören noch unansehnliciie als Clavicula bezeichnete Haut-
kiiochen an Ausdehnung zugenommen, und stttsst nicht nur in der
ventralen Medianlinie mit dem der andern Seite zusammen, sondern
ist auch durch Supraclavicularia mit dem Schädel in Verbindung. Bei
der eingetretenen Btlckhildung des primären Schultergürtels, der Ihm
wie ein blosser Anhang angefügt ist, bildet er die HaoptstUtic der
vorderen Extremität.
Diese Verhältnisse herrschen auch bei den Teleostiern [Fig. 231),
deren primärer Schul tergUrtel (fe) noch fernere Bückbildungen erfährt,
' Fig. 3S<. Rechte BruBlgUrlelhHITte und Brustflosse von G*dus. c Clavlcali.
a b SupraclavicaUria. d Accessorieches SItick. a f Knocfaen des priwireii Sctial-
l«rgürleU (« Coracoid, ^Scapula). g Baulia der FIosm. k FhissMstnhiAB.
Skelet der Gliedaiaassen.
491
und sogar mit Tbeilen des Flossenskoleles engere Verbindungen ein-
geben kann. - ,
§ 329.
*
Der bei den Fischen als Belegknochcn des primitiven knorpeligen
Schttltergttrtels entwickelte Skeleithcil erleidet bei den höheren Wirbel*
thieren eine Redoction. Dagegen empfängt der primäre Apparat einen
höheren Werth sowohl durch seine Verbindung mit dem Brustbein als
auch durch grossere Beweglichkeit seines obersten (dorsalen) Abschnittes,
der niemals mit dem Axenskelete sich fest verbindet. Die Verbindungs-
stelle mit dem Skelet der freien Glied maasse bezeichnet eine den
Gelenkkopf des Uumerus aufnehmende Planne, von der aus der primiire
SchuUergUrtel sich in twei Abschnitte theilt.
Der dorsale Abschnitt stellt die Scapula vor, der ventrale sondert
sich in ein hinteres Sittck, dasCoracoYd, und ein vorderes, welches
bei auftretender Verknöcherung von der Scapula aus ossificirt, das
ProeoracöYd.
Unter den Amphibien erscheint der Schulterglirtel bei den Uro-
delen jederseits als ein grösstentheils knorpeliger, nur an dem in die
Gelenkpfanne eingehenden Theile der Sca-
pula ossißcireador Skelettheil. Das ver-
breiterte Dorsalende der Scapula, Supra-
scapulare, bleibi meist knorpelig oder
xeigt eine selbständige periostale Ossifi«*
catioB. Von der knöchernen Scapula er-
streckt sich die Osaification uiweilen auf
das ProooracoYd, selten auf das ausnehmend
*breite, dem Sternum eingefügte Ck>racold.
Bei den Anuren sind die beiden ventralen
Fortafttie (Fig. 232. A co, co') des Schulter-
gttrtels jederseits durch eine Kaorpelplatte
in Verbindung, welche auch eine mediane
VereinigBDg der beiderseitigen Stücke her-
beiftthren kann (Rana). Der ventrale Ab-
schnitt desSchultergOrtels umscblieast somit
jederseits eine Oeflbung. Die Scapula (s)
lässt ein oft sehr aHsgedehnles Suprascapulare
($') unterscheiden. Selbständig verknöchert
das Corac<ri(d (oo') , während das Procora-
coYd in nähere Besiebnngen zu der weiter unten zu
den Glavicula {d) tritt.
Fig. M2. SchuUergürlel : il vom Frosch, Ä von einer Schildkröte, C von
einer Eidechse, s Scapula. s' Suprascapulare. co Procoracoid. co' Coracoid. cl Cla-
vleula. ü Episternum. st Stemam. Die knorpeligen Theile sind durch Punctlmng
unkertchledea.
492 Wirbelthiere.
Jede Hillfle des SchultcrgUrlols der Reptilien bietet gleichfalls
ein einziges Stück dar, welches sich in seiner Foröi dem der Am-
phibien enge anschliesst. Jedoch ist das meist breitere Coracotd nicht
selten von fensterförmigen Oeffnungen durchbrochen (Eidechsen). Ein
bei den Amphibien nur angedeuteter Fortsatz der Scapula wird als
Verbindungsstelle mit der Clavicula (Fig. 232. C. d) zum Acromion.
Bei den Schildkröten erscheint ein meist cylindrisches KnochensiOck
(B. s) , welches am Schultei^elenke in einem Winkel unmittelbar in
das ProcoracoYd {B, co] sich fortsetzt. An Stelle des letzteres mit dem
CoracoYd verbindenden Knorpels besteht meist nur ein Ligament.
Gänzlich ist das ProcoracoYd bei den Grocodilen verschwunden,
so dass nur Scapula und CoracoYd den SchultergUrtel zusammensetzen.
Daran reihen sich die Vögel, deren durch ihre schmale, leicht ge-
krümmte Gestalt sich auszeichnende Scapula an der Gelenkpfanne mit
dem starken CoracoYd verbunden ist, welches wie bei den Reptilien,
an die Sternalplatte sich einfügt. Durch das Vorhandensein der An--
deutung eines ProcoracoYd bieten die Batiten eine nähere' Verwandt-
schaft mit Sauriern dar, auch verwächst bei ihnen CoracoYd und Scapula
zu einem einzigen Knochen.
Von den Säugethiercn liesitzen nur die Monotremen ein Goi*aooYd
als Verbindungsstück der Scapula gegen das Sternum. Bei den übrigen
schwindet es bis auf einen meist unansehnlichen, von der Gelenk-
pfanne entspringenden Fortsatz der Scapula ' (Processus coracoYdes],
und nur in seltenen Fallen persißtirt auch das Sternalende des Cora-
coYd, welches ich als ein jederseits dem Manubrium sterni ansitzendes
Knorpelstück bei Sorex und Mus auffand. Der scapulare GoracoYdrest
betheiiigt sich zwar gleichfalls noch an der Bildung der Gelenkpfanne,
allein auch diese Beziehung tritt zu Gunsten der Scapula zurück, die so '
zum ausschliesslichen Träger der vorderen Extremität sich ausbildet.
An dem Reste des CoracoYd äussert sich die ursprüngliche Selbständig-
keit durch den Besitz eines besonderen Knochenkemes , bis die voll-
ständige Verschmelzung mit der Scapula eintritt.
Die Form der Säugethierscapula nähert sich jener der Reptilien,
ist aber durch das Auftreten neuer Theile nicht unwesentlich davon
verschieden. Durch eine Verbreiterung des in einen Fortsatz ausge-
zogenen Vorderrandes wird bei den Monotremen die Andeutung einer
Spina scapulae gegeben, deren vorspringendes Ende das bei den Am-
phibien direct von der Scapula sich erhebende Acromion vorstellt. Bei
den übrigen Säugethieren ist der laterale Rand jener breiten Kante in
eine bedeutendere Leiste entwickelt, welche nunmehr durch die Aus-
bildung auch des medianen Randes in eine vorspringende Knochen-
platte als Spina scapulae eine Ober- und Untergrätengrube unter-
scheiden lässt. Immer entwickelt sich das Vorderende der Spina zu
einem Acromialfortsatz. Aus Anpassungsverhältnissen an die ver^
scbiedenartigen Leistungen der Vorderextremität gehen mancherlei Modi-
Vordere Extremität. 493
ficationeD des Schulterblaitea hervor, von denen die Verbreiterung seines
dorsalen Endes (Basis scapulae) xu der bei den Primaten besiehenden
Form leitet.
§ 330.
Durch diese Enifallung des primären Schultergürlels tritt der
secundäre, bereits als Clavicula bezeichnete Apparat (§. 328) ent-
weder gjänzlich in den Hintergrund oder er wird zu Leistungen ver-
wendety welche seinen bei den Fischen bestehenden Verhältnissen völlig
fremd waren. Unter den Amphibien besitzen nur die Anuren eine
Clavicula (Fig. S32. A. d.) , welche als ein Deckknochen des Procora-
coYd sich darstellt, und mit demselben auch stets in enger Verbindung
verharrt.
Das Schlüsselbein stellt somit hier ein accessorisches Stück des
Brustgürtels dar; nur ganz selten lOst es sich von letzterem, wie
dies erst bei den Reptilien vollständig eintritt. Das Schlüsselbein
[B. d.) entwickelt sich hier ohne Beziehungen zu einem knorpelig priifor-^
mirten Skelettheil, als secundttrer Knochen, welcher den Acromialfort-
satz der Scapula mit dem Episternum {B. c.) in Verbindung setzt.
Bei den Vögeln erscheint die Clavicula in ähnlicher Weise, ist unter
den Ratiten bei Dromaeus unansehnlich, und tehli den übrigen, indess
beide GEaviculae bei den Garinaten frühzeitig zu einem unpaaren
Knochen, der Furcula, median verwachsen, und mit der Grista sterni
Hgamentös verbunden sind (Fig. 205. /).
Das selbstHndige Auftreten dieses ursprünglich als Belegknochen
eines Knorpelstückes entsteherden Skelettheiles führt bei den Sduge-
thieren zu einer histiologischen Aendcrung, indem die Glavicula sich
hier grossentheils aus einer knorpeligen Anlage bildet, in vielen Puncten
ähnlich wie jeder andere knorpelig vorgebildete Knochen. Dieser
Knochen erhält sich jedoch nur bei einem Theile der Säugethiere. Er
ist spurios bei den Ungulaten verschwunden, in zuweilen gar nur
durch Bandmassen vorgestellten Rudimenten bei den Garnivoren vor-
handen, und nur bei jenen, deren Vordergliedmaasse eine freiere
Verwendung empfängt, vollständig entwickelt.
Vordere fiztremllttt,
§ 331.
Die höchst mannichfalUgen Skeletformen der freien Gliedmaassen
leiten sich von einer nur in vereinzelten Fällen noch bestehenden
Grundform ab, welche den ersten und damit niedersten Zustand des
Flossenskelets vorstellend von mir als Archipterygium bezeichnet
ward. Dieses wird durch einen aus gegliederten Knorpelstücken be-*
stehenden Stamm vorgestellt, der dem Schultergürtel angelenkt an
zwei Seiten mit je einer Längsreihe gleichfalls gegliederter Stücke, den
194
W<rli«IUi<cre.
V\g. 333.
Radien, besetzt ist. Das ganze einem FiederMalte ahnliche Skelet-
(;ehilde stimmt auffallend mit manchen Slttttappsraten der Selnohter-
kienien, und lasst dadurch ein Streiflicht auf die Frage von der Phy-
legenese der Gliedmaassenbildungea fallen.
Ceratodus bietet diese Form des Flossenskelets , weldie vielleicht
bei den nur noch durch Polyplerus reprasentirten Crosaoptery^m ver-
breitet war. Dieser biseriele Radienbesatz des Flossen Stammes Er-
leidet nun verschiedenartige Hodificationen. Unter den DipnOir erhalt
sich bei Protoplerus nur die mediale Radienreibe, in Gestalt dOnner
Knorpelstabchen , indess die laterale bei den Selachiem zu einer bedeu-
tenden Entfaltung gelangt, und den grOssten Theil des massiven Flossen-
skelets vorstellt. Von der medialen Reihe bestehen meist nur unnnsehn—
liehe Reste [Fig. S33. ft'), die aber immerhin deutlich genug sind, um
der Annahme einer einstigen ausgedehnteren biserialen Anordnung der
Radien am Flossenslamm das Wort zu reden. Die lateralen Radien (H)
der Selachierflossc sind meist mehrfach gegliedert, und die GliedslUcke
manchmal streckenweise in polygonale Platten umgewandelt, die wieder
verschiedenartig untereinander verwachsen.
Schon daraus entspringen mannichfaltige
Verhallnisse, die noch durch den Ueber-
iritt einiger der vordersten Radien an den
SebullergUrtel fernere Complrcationen em-
.pfangen. Diese den nach vorne gericbleten
Rand der Flosse einnehmenden Radien sind
stets voluminttser gestaltet. Ist eine grtissere
Rndienzahl i.i Articulation mit dem Schutter-
gUrtel getreten, sotrefTen sich meist dieBasal-
stUcke derselben zu grosseren Platten (/>. ms)
verschmolzen , denen die Übrigen unvenvach—
senen Abschnitte dieser Radien ansitzen.
Ausser dem Basalstücke [ml] des Flossen-
Stammes [B] sitzen somit noch einige andere
— häufig zwei — grössere Knorpels Itlcke
dem Schultergtlrtel dtrect an, und darnach
lassen sich drei Abschnitte am gesammten
Flossenskelele unterscheiden: das Pro-,
Moso- und Hetapterj'gium.
1 entspricht einem Arcbipterygium-Reste. Das
Propterygiuro {p) ist aus den zuvorderst an den SchultergUrtcl
getretenen Radien (von denen der äusserste am freien Plossenraode
Fig. 131, BrusinossenBkelet von Acanthiat vulgaris, p BmbI« dM Vrc-
ptorygiums , mt de« Uetipterygiume. S medialer Ftossenrand. Die durch ml f
(□geoe Lioie deulcl die SUmmreihc des Archlplerygiums sd. Die puDClirten Liai«D
entsprechen den Radien, die grüsslenihells lateral (Äff] and nur tn Rudimealen
auch medial (ff'; angnordnel sind.
Das Metapterygiun
Vorder« BlIMmllfll, 49$
lai;ert) entoUndnn, und der zwischen beiden li^ende, durch ein Bs-
stilstOck mit dem Scfanll«rgürl«l srticulirende Abschuitl des Ploesen-
skelels bildet dits Hesopterygium {ms).
Durch bedeutende &itfeltung des Propterygiums ealstefat die eigeo-
ihUitiliche PloHsenforni der Rochen, zu denen das Verhalten von Squs-
lin« hinleitei. Ein Radins lat hier zu einem Tiüger von Budi'en
geworden und bildet allmählich sich nach vorne ricfalend einen Stamm
fflr das Proplery^um, wie ihn das Hetaplerygium im Stamm der Gnind-
Torm (als Archiplerygium) besitzt. Im Wesentlichen kontmen mit den
Haien auch die Cbimaeren aberein.
§ 33ä.
Von einem ähnlichen Zustande, wie das RruslOossenskelet bei den
Haien erscheint, ist dns bezügliche Skelet der GanoTden ableitbar,
welches eine peripherische Reduction derselben vorstellt (ver^l. Fig, i'H).
Vcrfailltnissmtlssig nur wenige Radien lenken dem Flossenstemme [B)
»n, und ebenso sind die am ScbullergOrtel sitzenden rudimentär ge-
bildet. Die Rcduction des peripherischen Flossenskclets ist bei den
Teleosliem noch weiter voi^eschritten , und der ganze primiire Sltltz-
apparat der Rnistflosse besiebt meist aus vier bis fünf hüußg sich
tjleicfaartig verhallenden Elementen (Fig. 23t. g) , welchen eine sehr
wechselnde Anzahl kleiner, immer knorpelig blci-
l>ender Stückchen peripherisch angefOgl ist. Diese Fig. IK.
dienen dann als Sttltzen ttlr das sccundSre Skelet
der Flosscnslrahlen (Fig. 231. A). Basalstttcke
hssen sich nur bei Wenigen (Welse) , und auch
da nur schwierig auf ihre ursprüngliche Bedeu-
tung zartlckfübren. Nach dem bei den GanoTden
angelrofTenen Befunde müssen wir in jenen
Stücken als constanlesten Beslandtbeil das Basale
des Hetapterygium, sowie einige in die Reihe der
Basalia eingetretene Radien erkennen. Der gleich-
aitigen Function gemäss sind diese in ihren ursprünglichen Beziehungen
so verschiedenen Theile einander Hhnlicb geworden , so dass nur die
nackfUfamng auf das GanoYdenskelet den Zusammenhang mit dem pri-
mttreo Zustand aufdeckt.
Id vielen Abtheilungen der Telcostier treten ausser ferneren Rcduc-
lionen in der Zahl jener Stücke und antergeordneleren FormverSnde-
rungcn Umwandlungen derGesammtbeziebungen dieses ganzen Abschnittes
ein ; wahrend er die Verbindung der von ihm gestützten Brustflosse
Fig. ist. Dnisitkitienskelel vod AcipeDser mtheous. Das primäre (knor-
pelige) Skelet Ist nach Eolfernong eines Thelles des secundflren SkeleU voilalNn-
dig dargestellt, ß Basale des Heia pteryg [ums , ao welchem vJer Radieo sllien.
A KiiMberaar landstrabl des aw tballwaisa dargeitellten BeeDndlreo Flossen-
ikeUls.
496 Wirbelthiere.
mit dem Schultergüriel vermittelte, kann er sogar in lelEieren eintreten
und scheinbar den Theil des primären Schulterskeiets vorstellen, an
welchem sich die nur aus secundären Knochenstrahlen bestehende
Brustflosse bewegt (Catapbracti) . Auf diese Weise lässt sich von dem
reich entfalteten Flossenskelete der Selachier bis zu jenem der Tele-
ostier eine continuirliche Reihe erkennen, deren wichtigste Verände-
rungen in allmählichen Reductionen grösserer oder kleinerer Abschnitte
bestehen. Die Reduction ist eine von der Peripherie zur Basis vor-
schreitende, so dass letztere den bestandigsten Theil bildet. Was das
primäre Flossenskelet dadurch an Längsentfaltung einbUsst, wird com-
pensirt durch das Auftreten secundärer OssiGcationen der Haut, welche
wie an den unpaaren Flossen, bald gegliederte, bald auch starre, auf
beiden Flächen der Flosse entwickelte Knochenstrahlen vorstellen.
§ 333.
Am Skelete der Vordergliedmaasse höherer Wirbelthiere ist dio
vom Archipterygium gelieferte Grundlage nicht minder als bei den Fischen
nachweisbar, indem eine Knochenreibe als Stamm des Skelets besteht^
an welchem laterale Knochenstücke als Radien aufgereiht erscheinen.
Von einer anderseitigen schon bei den Selachiern rudimentär geworde-
nen Radienreihe ist keine Andeutung mehr vorhanden. Die Anordnung
der Radienglieder in schräg zum Gliedmaassenstamme ge-
ordnete Reihen — eben der Richtung der primitiven Radien ent-
sprechend — ist durch die erfolgte transversale Umgliederung
verwischt (S. 4<7), kann aber in den niedersten Formen nicht un-
schwer erkannt werden. Aus der Umgliederung gehen neue, quer
gerichtete Abschnitte hervor, indem quere Reihen von Radiengliedem
je mit dem entsprechenden GliedstUcke des Stammes zu längeren
Stücken sich entwickeln.
So erscheint zuerst unter den Enaliosauriem bei Ichthyosaurus das
Basale des Archipterygiums als ein grösserer Knochen von der übrigen
Masse meist gleichgrosser Stücke der Gliedmaasse gesondert, und
darf als Humerus bezeichnet werden. Bei Plesiosaurus sind zwei
darauffolgende, bei den ersteren noch indifferente Stücke gleicbfalls
voluminöser geworden, und entsprechen den Unterarmknochen : Radius
und Ulna, darauf fol^t eine doppelte Querreihe kleinerer Stücke, die
einen Carpus vorstellen, und auf diese folgen wieder längere Knochen-
reihen, welche den Metacarpus und die Phalangen der Finger repräsen-
tiren. Obgleich hiermit eine ähnliche Differenzirung wie bei andern hohem
Wirbelthioren vorliegt, so sind die einzelnen diesseits des Vorderarm-
skelets liegenden Abschnitte jenen der höhern Wirbelthiere keioes-
wegs homolog. Vielmehr tritt bei diesen eine andere Difl'erenzirung
ein, so dass dort der Mittelhand angehörige Stücke hier dem Carpus
beizuzählen sind.
Vonlerit EilrenniUit.
197
Fig. ISS.
Dns primitive Armskelet der hlihem Wirbelthiere sl«llt sich nun
in folgender Weise heraus: Der Slammreihe (d. fa. der im Archi-
pterygium vt^andeneo Reihe vod doppelseitig
Rndien tragenden SkaletEtUckenj eolsprichl eine
Beibe von Knochen, welche mit dem Humerus be-
ginnend an der Innenseite der Gliedmaassen gegen
den ersten Pinger oder Daumen verlauft. Daran
sind lateral die aus denprimitiven Radien
hervorgegangenen Glied reiben ange-
fügt, welche in die vier Finger auslnufra. Die
Stammreibe umfasst den Humerus, den frsilidi in
f^ns anderem Sinne als Itadius beieichnelen Vorder-
amtkoochen, xwei radiale CttrpusstUcke, ein meta-
esrpalea Stück und iwci Phalangen. [Vergl. die
stärkere Linie auf Pig. iZ6.) Auf diese Stammreibe
ordnen neb die von den Radien abgeleiteten Theile.
Eine erste Reihe schliesat sieb an den Humeras an.
8ie begreift Ulna, Ewei GarpusstUoke , den fünften
Hetacarpos und die Phalangen des fünften PingMS.
Eine zweite Rmbe gebt vom Radius aus. Wir An-
den in ihr das Intermedium , das ulnare Central-
stück, desCarpalstOek des vierten Fingers, sowie dessen Melacarpnle und
Phalangen. Die dritte Reibe beginnt am radialen Carpale, und setti
sioh mit dem' radialen Centrale in den dritten Pinger fort. Kndlioh
gebt eine letzte Reibe vom Carpale des ersten Fingers iius, und ver-
lauft mit dem Carpale des iwi-ten Pingen in diesen. Durch diese, vier
19 — 5] Pinger 1b einem Gegensatz zum ersten Finger betrachtende Auf-
fassung wird die fast durch die ganze Wirbell hierreihe hindurchgehende
verschiedene Dignitfit jenes ersten Pingers (des Daumens] von seinen
vier übrigen Genossen eriLlarlicb. Der Daumen geht aus dem End-
abschnitte einer Folge von SkelelstQcken hervor, an welche mit den
übrigen vier Fingem endende Radialstüobe sich aufreihen. Diese an
einer basalen Skeletatückreihe vier laterale Strahlen annehmende Anf-
(assung benfithigt noch der Berücksichtigung einer am Humerus or-
seheinenden Drehung, die bereits bd den Amphibien beginnt
und unter den Süugelhieren beim Menschen ihren hffcfastcn Grad
erreicht, hier sogar zum grossen Theile noeh wttbrend der Ontogenese
nachweisbar. Diesu Drehung des Humerus scheint durch Vorwärts-
greifen der Gliedmaassen , wie es beim Bewegen auf dem Boden fllr
die von der diedmaasse zu leistende Initiative orfordert wird, erworben
zu sein, und hat eine Aenderung der f^gebezlehungen des Vorderarms
md daaiil auch der Hand zum Resultate. Zum richtigen Verständnisse
Fig. ISS, Scliema des primitivi
r Radius. « tltna. ■ Interinodlnm.
Ca rpal stücke der ctialalen Reihe,
Gtfnkur, OnisArfiii,
498 Wirbelthiere.
der Gliedmnasse in ihren Beziehungen zum primitiven Armskelei wird
also die Drehung wieder rückldufig gedacht werden mQssen , so dass
der Radius mit der Radialseite der Hand in eine mediale Stellung ge-
langt, wodurch dann ein homologes Verhalten mit der Hinterglied-
maassc eintritt.
§ 334.
Von der vorhin n^her geschilderten und vom Archipterygium ab-
geleiteten Grundform des Gliedmaassenskeletes erfaJilt sich ein mehr
oder minder vollständiges Abbild, und gerade von den charakteristischen
Verhältnissen bleiben oft in allen Abtheilungen der Wirbelthiere deut-
liche Spuren bestehen, gegen welche die zahllosen grösstenlheils in
Reductionqn und Goncrescenzen sich aussprechenden Abweichungen
zurücktreten. Diese Modifioationen erklären sich aus der Mannich-
faltigkeit der Verwendung der Gliedmaasse, sowie gänzliche Rück-
bildungen einzelner Theile oder sogar der ganzen Gliedmaasse wieder
von einer Aussergebrauchstellung abhängig sind.
Bei den Amphibien sind die beiden obern Abschnitte in be-
deutender Ausbildung, bieten jedoch ausser der Verschmelzung von
Radius und UIna bei den Anuren keine so bedeutenden Differense«
als dir Carpus sie aufweist.
Von den primitiven Carpalslücken verschwinden einzelne an der
distalen Reihe mit der häufigen Verkümmerung von Fingern, die meist
auf 4 beschränkt sind, oder es können auch Verschmelzungen von zwei
bis drei distalen Carpalstücken eintreten (Frösche etc.). Ebenso sind
an den proximalen Carpalstücken Goncrescenzen nachweisbar. So
treten Verbindungen des Ulnare mit dem Intermedium bei Urodelen
auf, und fmden sich constant bei den Anuren. Stets einfach erscheint
das Centrale.
Am Armskelct der Reptilien bestehen die einzelnen Abschnitte am
wenigsten verändert bei den Schildkröten, welche nicht nur 9 Garpal-
stücke, sondern auch die 5 Finger vollständig besitzen. Von den drei
Carpalien der ersten Reibe sind bei den Eidechsen zwei mit ehfiander
verschmolzen, sowie auch jene der zweiten Reihe bedeutendere Modi-
ficiitionen und beim Schwinden einzelner Finger eine Reduction auf-
weisen. Bedeutender ist die Veränderung des Carpus bei den Crooo-
dilen. Das Radialstück hat hier das üebergewicbt über das Ulnare
erhalten, und die zweite Carpalreihe wird nur durch einige zum Tbeile
knorpelig bleibende Elemente repräsentirt. Dabei bieten die zwei
ulnaren Finger eine Verkümmerung geg^n die drei radialen dar. •
Diese Verhältnisse der Hand sind bei den Vögeln, deren ge-
sammle Vordcrextremität zum Flugorgan umgewandelt ist, noch weiter
ausgeprägt. Im Carpus bilden sich nur zwei Knochen (Fig. 236. cc]
b(Hl<»utonder aus, indess ein der zweiten Carpusreihe entsprechender
Knorpel mit den Basen dos Metticarpus frühzeitig verwächst In der
Vorder« Bxtremittft.
499
Hand bleiben drei Finger mehr oder minder ausgebildet, die sich bei den
Snuraren discret erhielten, indess bei Ratiten und Garinaten der Meta-
Fi«. il6.
carpus (m) des zweiten und dritten, meist auch noch der des Ersten
zu einem Knochenstücke verwächst. Am dritten Pinger kommt noch
das Rudiment eines vierten vor, das mit ersterem sicli verbindet.
lo der «j^ahl der Phalangenstlicke ergeben sich von den Eidechsen
bis zu den Vögein Rückbildungen. Vom ersten Finger der Radialseite
bis Eum vierten besteht eine Zunahme der Phalangen von zwei bis
fünf, nur der fünfte enthtfit eine geringere Zahl. Bei den Ci^ocodilen
ist diese Zunahme nur bis xuni dritten Finger vorhanden; bei den
VOgehi besitzt meist der zweite Finger zwei Phalangenstücke (Fig.
?30. p')j der erste und dritte nur eines (/?. ;i"), und nur selten besteht
am ersten und zweiten Finger eine Phalange mehr. Am bedeutendsten
ist die Reduction bei Apieryx, welcher nur Einen durch ein Phalangen-
stück reprüsentirten Finger besitzt.
§ 335.
Die grössere Mannichfalligkeit der Anpassungsverhültnisse an ver-
schiedene Verrichtungpn zeigt hei den SUugethieren bed^tendere Ver-
schiedenheiten im Baue des Arniskelets. Wir finden an demselben nur
zwei vorzUgliGh an dem Endabschnitte sich charakterisirendo Formen-
reiben, von denen die eine durch die P^rhaltung silmnitlicher Skelotthcile
ausgezeichnet ist. Wenn sie auch durch Verkümmerung einzelner Finger
oder völliges Sehwinden derselben viele Hodißcationen bietet, so ist
hier der Extremität doch ein mehrseitiger Gebrauch erhalten. Eine
freiere Beweglichkeit der beiden Knochen des Vorderarmes, sowie die
Verbindung der Hand mit einem derselben, enlhebt die Vorderextre-
roitjlt ihrer niederen Function als blosser Stützapparat, indem sie sie
auf höherer Stufe zum Greiforgane umgestaltet. Die letztere Er-
scheinung kommt sowohl bei den Didelphen als auch bei den Mono-
delphen zum Ausdruck und erreicht ihre höchste Form bei den Pri-
maten. Der Carpes besitzt die drei primitiven Stücke der ersten Reihe ;
Radiale (SeaphoYd), Ulnare (Triquetrum) und Intermedium (Semilunare) .
Fig. 9S6. Armskelel von Gi^onin alba, h Hamertis. ii Ulna. r Radius.
c c* Carpus. m Metacarpua. pp' p" Phalangen öen I— i Pingera.
5oa
WirbelUiicre.
Fig. 237.
Nicht selten kommt auch noch ein Centrale vor (Nager, (nsectivoren,
Halbaffen, selbst beim Orang und frühzeitig schwindend beim Menschen].
Die Carpalknochen der distalen Reihe bieten regelmässig die Verschmel-
zung der beiden ulnaren zu einem Hamatum
dar (vergl. Fig. 239. /. 11), Einen besonderen,
dem Ulnarrand des Garpus und zwar meist dem
Triquetrum angefügten Knochen, der nicht den
übrigen Carpalknochen gleichwerthig beurtheill
werden darf, bildet das Pisiforme , das bei vielen
eine sehr bedeutende Grösse erreicht. Es findet
sich scMon bei Reptilien und ist als einziger Rest
einer bei Enaiiosauriern reicheren Reihe nach-
weisbar.
Die aus dieser Formenreihe hervorgebildeten
Modificatienen stehen wieder in engstem Connexe
mit der Verrichtung, und wir trefibn in ihnen
sowohl beti'ächiliche Verlängerungen einselner
Abschnitte bei der Verwendung des Armes atum
Flugorgane [Chiroptera), sowie auch Verkürzungen
und massivere Gestaltungen einzelner Tfaeile in
vielen Fällen, wo der Arm gleichfalls in vor-
wiegend einseitige Verwendung wie beim Gra-
ben etc. kommt, wofür manche Edentaien, dann
der Maulwurf etc. Beispiele liefern (v^rgl. Fig.
237). Ebenso können die Cetaceen hierher zäh-
len. Die Vorderextremitäl derselben bildet ein
in seinen einzelnen Abschnitten wenig beweg-
liches Ruderwerkzeug, dessen einzelne Skelet-
elemente sogar jede Gelenkverbindung verlieren
können und zu einer ungegliederten flossen-
artigen Masse häufig unter Vermehrung der Pha-
langenzahl der Finger vereinigt sind (Fig. 238] .
Bei einer anderen Reihe wird die Vorder-
extremitäl blosses Stütz- und Bewegungsorgan,
unter Rückbildungen einzelner Finger. Dass hier kein primäi'er Zustand
vorliegt, ergibt sich aus der relativen Stellung der Vorderarmknochen,
aus der eine Abstammung von der in der ersten Reihe aufgeführten
Form der Gliedmaassen zu ersehen ist. Bei den Meisten sind Radius
und Utna unbeweglich verbunden, w*as bis zu einer Rückbildung ein-
zelner Theile dieser Knochen mit völliger Verwachsung derselben filhren
Pik* «88.
Fig. S87. Vorderextremität von Talpa europaea. ic Savpubi. i CtsTiauta.
h Humerus. r Radius, u Uloa. o Carpas. m Metacarpus. x Accessorischer Knocheo.
B Humerns in der Flächenansicht.
Kig. 238. Vordere Extremität eines jungen Delphin, c Soapula. A Jinmeius.
r Hadiu^. u Uina c Carpus. m Metacarpus. ph i haUugen.
Vonkrc Exlrcinfmi.
501
knnn. " So rrscht-inen sd- bei den Arliotinrlvlen, unUr ctriion bpi dt-n
Wiederkäuern das distale Endo der UIna nidinientttr wird. Bei don
Tylopoden und Einhufvm Ist letzteres ganz geschwunden und der obere
Theil der UIna ist mit dem Radius zu~ Einem Knochen vereint.
Der Garpus wird stets nur aus zwei Reihen gebildet, indem ein
Centrale 'nicht mehr vorkommt. Je nach dem Verhallen der Finger
lassen si<di zwei Ablhellnngen, Pcrissodactyle und Artiodactyle,
uotcrscheideD. Beiden Abtheilungen fehlt beständig der erste Finger
KiR, «s.
und bei den Ariiodactylen ist der drille und vierte vorwiegend ent-
faltet (Fig. 339. ///. IV) , so dass die beiden anderen (S und 5j oh
nicht zur Berührung des Bodens kommen (Scbweine;, mehrere Moschus-
tfaiere]. Dann gehl der fünfte Finger verloren, so d»ss nur der dritte
und vierte entwickelt sind und der zweite einen unansehnlichen An-
hang Toratclll (Anoplotherium) . Das Ucber^ewioht des dritten und
viertea Fingers witxl notA bedeutender durch die Verschmelzung der
beideD HeUoarpslien [Fig. £89. tV), indess der zweit« und fünfte
Finger rudimenUr wird {Rinder, Schafe, Hirsche etc.}. Die Reihe
der PerissMlactylen beginnt gleichfalls mit vierfingerigen ilandformen,
aber hier heshil onr Ein Finger (der dritte} das tiebcrgewicht iTnpire)
[Fig. 239. V). Hit BUckhildung des fünften schon im letzten Fnlle
kleinsten Fingers (Palaeotherium) schliesst sich der zweite und vierte
Finger dem dritten als Anhang an [Hipparioii] und durch die Reduclion
Flg. 1)9. Handskelete vod Süngethiereo.
III. Schwein. IV. Rind, V. Tapir. VI. Pferd
pItoM. b Lnnire. e Triqiwtrum. it Trapeikioi.
g HaaMlum. p Pisiforine.
/. Mensch. //. Hund,
r Radius, u UInn. a Sca-
I Trapezoiil. f Capilalum.
502
Wirbelihiere.
der beiden seitlichen Finger auf ihre blossen Meiacarpalsittcke, die als
vGriffeibeine« den) ansehnlichen Melacarpus des dritten Fingers ange*
lagert sind (Fig. 239. VI), wird der letztere zur einzigen Stütze der
Gliedmaasse (Equus).
Die Zahl der Phalangen der einzelnen Finger bietet nur bei den
Walthieren eine Vermehrung dar, bei allen Uebrigen ist sie für den
ersten Finger auf zwei, für alle anderen auf drei beschränkt.
Beckengürtel.
§ 336.
Der Beckengtlrtel der Wirbelthiere bietet eine ähnliche Reihe
von Erscheinungen, wie sie am BrustgUrtel dargestellt wurde, jedoch
mit den der Ycrschiedenartigkeit der Leistungen der hinteren Extremität
entsprechenden Modificationen. Die Homologie beider Skeletabschnitte
wird daher um so vollständiger zu erkennen sein, je gleichartiger die
Functionen beider Extremitäten sind, und diese Gleichartigkeit wird
um so vollständiger sich finden, je niederer die Stufe der Difleren-
zirung ist.
Wie dem Schultei^rtel liegt auch dem Beckengürtel ein einfaches
Knorpelstück zu Grunde. Dieses bildet bei den Selachiern nur
selten Fortsätze in dorsaler Richtung und zeigt bei einzelnen eine Ten-
denz zur Theilung in zwei. Einheitlich erhält es sich bei den DipnoY.
Bei den Ganol'den und Teleosliern sind beide Hälften des ossificirten
Skelettheiles durch mediane Bandverbindung, zuweilen durch Naht, in
Zusammenhang. Sie erleiden bedeutende Lageveränderungen, indem
sie verschieden weit nach
vorne gegen den Schuker-
gürtel gerückt sein künnen
(Pisces thoracici) j und end-
lich sogar miu diesem sich
verbinden (Pisces jugularesj.
Bei den Amphibien wird
durch die Verbindung der
beiden Beckenknochen mit
der Wirbelsäule die Grund-
form des Beck^is der höhe-
ren Wirbelthiere angebahnt;
zugleich lassen sich an der
Verbindungsstelle mit dem
Femur zwei Abschnitte unterscheiden : der dorsale, einem Querfortsatze
ani^eheftete, wird als Darmbein (Ilium), der ventrale, median mit dem
Fig. 240. Linksseitige Ansicht des Beckens von Monitor. /I Darmbein. /«Site-
bein. P Schambein, a hinteres Ende des Darmbeines, b vorderer Höcker.
Beckeogürtel.
503
der andern Seile verbundene als Scham-SiUbein beseichnet (Urodclen).
Eine Modification erleidet diese Form bei den Anuren (vergi. Fig. 195),
indem die langen und schmalen Darmbeine (i7) sich mit den zu einer
senkrechten Scheibe umgewandelten und unter einander verschmol-
zenen Scham-Sitzbeinen (is) vereinigen.
Bedeutendere Enitaltung empfangt das llium der Reptilien,
welches bei Chamaeleo einer Scapula auffallend Uhnlich ist, und sogar
von einer einem Suprasoapulare homologen Knorpelplatle überragt wird.
Mehr in die Ulnge gestredLt erscheint es bei den Eidechsen (Fig. 240. //),
kürzer und breiter bei den Grocodilen (Fig. 241. //). Die Richtung
des Knochens geht nach vorne, so dass seine Sacral Verbindung hinter
dem Acetabulum liegt. Bei Eidechsen und Schildkröten geht der ven-
trale Theil des Beckens vom Acetabulum her in zwei divergente
Stücke aus. (Fig. 240), die eine weite Ocffnung, das Foramen obtura-
tum omschliessen. Der vordere Sehenkel ist das Schambein (P) , der
hinlere das Sitzbein (/j). Beide Knochen jeder Seite zeigen verschie-
dene Grade der medialen Verbindung unter sich, die sogar aufgehoben
sein kann. Damit geht die Selbständigkeit der beiderseitigen Fora-
mina obturata verloren und beide vereinigen sich median zu einer
gemeinsamen, vorne von beiden Schambeinen, hinten von beiden Sitz-
beinen umschlossenen^ Oeffnung. Beide ventrale Schenkel des Hüft-
beins sind somit <Ustal getrennt. Hiervon ist das Becken der Croco-
dile in manchen Puncten verschieden, indem von der im Grunde
durchbrochenen Pfanne (Fig. 241) ein einziger Knochen [Js] ventral-
wärls abgeht, der mittelst zweier Fortsätze (x, y) mit dem llium sich
verbindet. Man hat diesen Knochen als •Schamsitzbein« aufgefasst, in-
dess auch Gründe bestehen, ihn als Sitzbein lu deuten, in weichem
Falle ein ausserhalb des Aoeta-
bulums liegender, mit dem vor-
deren Pfannenfortsatze des Sitz-
beines articulirender Knochen {P)
erscheint, der mit dem andersei-
ligen in die vordere Bauch wand
convergirend , als Schambein sich
darstellt.
Hieran reihen sich die Becken
der fossilen Dinosaurier, deren
llium dm^h einen langen nach
vorne gerichteten Fortsatz ausge-
zeichnet ist, von welchem die le-
benden Saurier wie die Groco-
Fig. 944. Linksseitige Ansicht des Beckens von Alligator lucius. doyzwei
Aeste des Sitzbeines, welche mit r «, zwei Fortsätzen des Darmbeines eine im
Prannengmnd befindliche Durchbrechung o umscbliessen. Uebrige Bezeichnung wie
in vorhergehender Figur.
504
Wrr'bcithloie.
dile nur eine Andt^uUinij^ zeiii(»n (Fiiij». 240, '24 <. h). Die Pfanno erschoinl
gleichfalls durchbrochen und verbindet sich mit einem langen schräg nach
hinten und abwärts gerichlelcn Sitzbeine, das tnii dem anderseitigeu niebC
vereinigt ist. Vom vorderen Pfannenrande geht in parallelem Verlaufe
mit dorn Sitzbein ein langes, gleichfalls freiendendes Schambein aus.
In diesem Verhalten liegt das Wesentliche des Beckens der Vögel
(Fig. '^42). Das Darmbein (//) erstreckt sich hier nicht nur weit nach
hinten [aa), sondern lüsst auch den vorderiMi Forlsatt zu einer breiten
Platte (bb) sich gestalten, die längs des Londenabschniltes der- Wirbel-
säule sich erstreckt, und sogar noch auf den thoraculen übergreift,
wodurch sie eine betrllchlliche Anzahl von Wirfwin ins Bereich des
Beckens zieht. Von der durchbrochenen Pfanne aus tritt das Sitz-
bein [h) y.iemlich parallel dem hinteren Darmbeinsttlckc nach hinten
und ähnlich verlauft das
Fig. 942.
schwache mit einem kleinen
Abschnitte an der Pfanne
beth^iligte Schambein {P),
dessen das Sitzbein über-
ragende Enden meist con-
vergiren und beim afri-
kanischen Strausso sogar
•A^ eine Symphyse bilden. Zwi-
schen Darm- und Sitzbein,
wie zwischen diesem und
dem Schambein treten verschiedenartige Verbindungen ein.
Bedeutend verschieden ist das Becken der Suugetbiere. Wtth-
rend die primitive Sacralverbindung bei Reptilien wie Vögeln entweder
in gleicher Höhe mit dem Acetabulum oder sogar postacetabolar sich
findet, liegt sie bei den Säugern stets vor der Pfanne, so dass das
llium von vorne nach hinten gerichtet ist, und der bei Vögeln hintere
Rand des Iliums dem vorderen des Säugetbier-Darmbeines entspricht.
Von den Amphibien aus entstehen denmach zwei divergente Darmbein-
Stellungen. Bei den urodelen Amphibien ist es von der Sacralverbindung
gerade nach aussen und abwärts gerichtet. Bei Reptilien und Vögein
schräg vorwärts, und bei Säugern dagegen schräg caudalwärts. Der
ventrale Theil des Beckens umschliesst ein Foramen obturatam, und
bildet mit dem andcrseitigen einen ventralen Abschluss.
Die drei aus Verknocherung des jederseitigen Beckenknorpels her-
vorgehenden Stücke bleiben länger selbständig, verBchmolzen aber
gleichfalls zu einem einzigen »Httftbeino, an welchem man sie als in der
Kig. 242. Linksseitige An.sichl eines Vogel beckens. Der punctirte Abschnitt
beseichnct den durch Knorpelwachsthum sich nach hinten veiifiogernden Theil
der drei Stücke des Beckens. Die punctirte Linie grenzt den ohne Belheiligung
von Knorpel nach vorne wachsenden Theil des Darmbeides ab. BezdiebDung «ic
in den vorhergehendßii Figuren,
Hintere Bilrctn(Ut. 505
Pfanne ven»ini}^U» Abschnllte unUrschoidel. Das Dannboln verbindet
8icb niii %Tcnigon Wirbeln. Auch das Sitzbein kann t. B. bei Eden-
lalcn (Dasypus, Bradypus) mit ralschen Sacralwirbeln Verbindungen
eingeben. Die Verbindung der beiden vetitralcn Schenkel in einer
Scbam-Sitzbeinfuge kommt noch bei den Beateltbieren , vielen Nagern
and den meisten Artloductylen und Perissodactyien vor, und bedingt
eine langgestreckte Form des Beckens. Bei Insectivoren und Gami-
voren beschränkt «Ich die Verbindung mehr auf die boiden Scham-
beine, und in den höheren Ordnungen findet dies noch entschie-
dener statt.
Als eine selbsUindige Anpassung und keineswegs in Beziehung
mit den offenen Becken der Vögel, besieht bei manchen Insectivoren
und Chiroptern an der Stelle der Schambeinsyniphyse eine blosse
Bandverbindung, welche l>ei weiblichen Individuen sogar eine bedeu-
tendere Ausdehnung erhalten kann (Erinaceus).
Bei dem Mangel einer hinleren Extremität erliegt auch der Becken-
gttrtel einer Rückbildung. So wird er bei den Getaceen meist durch
zwei sowohl unter sich als auch von der WirbelsOute getrennte Knochen
dargestellt, welche rudimentäre Scham-Sitzbeine vorstellen.
Vor den Schambeinen finden sich bei Monotremen und Beutel-
Ibieren noch zwei besondere KnochenstUcko , die gerade oder schräg
nach vorne gerichtet sind, und wegen ihrer Beziehungen zum Marsu-
pium (vergl. 8. 426) als Beutelknochen (Ossa marsupialia) bezeichnet
werden. Sie zeigen sehr differentc Ausbildungsgrade und können zu
unansehnlichen Knorpelrudimeoten rUckgebiidet sein (Thylacinus) .
Hintere Extremilttt.
§ 337.
Die für die Vorderextremität geschilderten Einriehtungen greifen
in ähnlicher Weise auch für die hintere Gliedmaasse Platz. Sie bildet
hei den Fischen die Bauchflosse. Ihr Skelet zeigt bei den So-
la c hier n eine ähnliche Beschaffenheit wie jenes der Brustflosse und
als bedeutendste Verschiedenheit kann im Vergleiche mit jener ein ge-
ringerer Reiohthuin von Radien und ein einfacheres Verhalten derselben
angeführt werden» Nur wenige Radien sind vom Fiosseostamme zum
Bcckengürtel getreten. Gewöhnlich ist das Basale des Flossenstammes
beträchtlich verlängert. Die dem BasalstUck folgenden Endstücke gehen
bei den Männchen eine besondere Veränderung ein, indem sie in eine
Halbrinne diSerenzirt als Begattungsorgan fungiren. Sie erscheinen
dann durch ihre bedeutende Grösse wie Anhänge der Baucbflosse.
Aus einer der Reduction des Brustflossenskelets sehr ähnlichen
peripherischen Rückbildung ist das Skelet der Bauchflosse bei Ganoüden
ableitbar, und von diesen jenes der Teleostier. Doch zeigt sich enl^
506
Wirbolthiei
Fig. 3t 3.
Sprechend der geringeren Entwickelung der gesammten Bauchflossu
meist eine bedeutende Vereinfachung, sowohl im Valum als in der An-
zahl der ciDzcInen Stllcke. In beiden Abtheilungeii Gndet dieselbe
Belbeiligung des Hautskeiots an Flüobenvergrösserung der Bauchflosse
stau, wie es für die Brustflosse aufgeflihri ward.
Bezüglich der Vergleichung der HiDl^rexlraniiiat der h&hert^n
Wirbelthiere mit der Bauchflosse der Fische, muss wieder vom Archi-
plei-ygium ausgegangen werden, welches wie dort als der aiederste
Zustand erscheint. Die Gliederung der Extremität in einselne Ali-
scbnille bildet gleichfalls eine Wiederholung des
am Arraskelete gelroSenen Verhallens. Wir unter-
scheiden im Oberschonkel Femur, im Uolerschenkel
Tibia und Fibula, an welobe der Fuss uiil dem
Tarsus, Melalarsus und den Phalangen als Endab-
scbnilt sich anreiht. Die vier Zehen lassen sich .
mit den sie tragenden Skelettheilen gleichfalls als
Glieder von Badien betrachten, die von einer vom
Feniur duidi Tibia zur Innenzehe verlaufenden
Knocheoreibo ausgehen (vergl. die in nebenstehen-
der Figur gezogene Linie), und die damit der
Innen- odiT grossen Zehe zukommende Verschie-
denheit bei der primären Constitution des Fuss-
skelets äussert sich , ähnlich wie am Daumen der
Hand, durch grössere Selbständigkeit im Vergleiche
mit den übrigen Zehen.
Auch bei den höheren Wirbelthieren ist somit
die Gleicbarligkcil des Baues beider Gliedmaassen
in den Skelelverhaltnissen deutlich zu erkennen;
bei den Enal iosauriern sind die Skeletlheile der Hinterextreniiiyi
eine vollständige Wiederholung jener der vorderen, und selbst bei
einem Theile der Amphibien (den Urodelen) treffen wir ioi Hsupl-
süchlichsten ein gleiches Verhallen, so dass es einer einielneD Auf-
führung nicht weiter bedarf. Da sich bei den meisten Urodelev'dic
FUnfzabI der Endstucke oder Zehen der Hintergliedmaassen erhjH so
ist die Uebcreinslimmung mit der primitiven Form noch deutli^r als
am Armskelele. Bei Cryptobrancbus bestehen sogar die beiden Gcd-
iralia. Dagegen ist hei den Anureo eine bedeutendere VerHodenii^
vorzüglich am tarsalen Abschnitte ausgeprägt, während das Femur,
sowie auch die Knochen des Unterschenkels nur untergeordnete Uodifi-
catiouen darbieten, zu welchen [die Verschmelzung der leUtoren lu
Einem StUcke gehört. An der Stelle dreier TarsalstUcke treffen wir
nur zwei sehr lange aber an den Enden hüußg verschmolzene Knochen,
Kig. iii. Schema der Hinler<!\lrem<tät eines Am ph i bi um.
u Fibula, i lotermcdium. r TIbiale. ti t'ibulare. cc Centralis,
salslücke der distalen Reihe.
H Kei
Hintore Bilr«nüUI.
807
als A«Uagalus und Calcaneus iMtciphiiGt. Uer orstero. wird aus der
Vcrbindunf; des Tibiale und tnlermedium hervorgegangen soin, da eme
soldie bei den Beptrlien wenigslens in grosser Verbreiluog sich Irifll.
Der Galcanena dagegen entsprichl dem Pibulare der Urodden. Auch
die distale Reiho der Tarsiuknocben bietet bedeateDde Reductionen, die
besonders an den üusseren sich geltend machen.
§ 338.
Bei den Schildkröten ist bei nnwtcbttgen ModiAcatioiten der
grosseren SlOok« der Extremität eine nllmahtiche Conoresoeni einzelner
Knochen des Tarsus bemerkbar, welche far das VcrstUndniss des Puss-
sk«tet8 sowohl der übrigen Reptilien ah auch der VOgol belangreich
ist. Ein lnl«nnediitni ist mit dem Tibiale zu einem Aslragalus vci^
einigt, und diesem ist noch das Centrale angeschlossen, oder auch
völlig mit ihm verschmolzen. Ebenso
stellt das vierte und fUnrie Tarsale einen Fig in.
einzigen Knochen, das GuboYdes, vor.
Durch die Entstehung eines Knochen-
slückes ans Knochen der ersten Tarsal-
reibe und durch die feste Veii>indung
dieses Stückes mit Tibia und Fibula tritt
eine eigeotbamlicbe Articalatioosweise des
Posses aar. Er belegt sich in einem
Interlarsalgelenk. Etwas verschieden ge-
staltet sieb das Pussskelej der Croco-
dile. Tibia nnd Fibula articuliren hier
mit iwei Knochen, davon das AbuAre
durch einen nach hinten gerichteten Fort-
satz ausgezeichnete Stück als Calcaneus
die grSsste Beweglichkeit besitzt. Der
der Tibia verbundene grossere Knochen
ist dem schon bei Schildkröten versobmol-
lenen Tibiale, Inl«rmedium and Centrale
^eich zu setzen. Ihm articulirt ein Knor-
pelatUck, das sich enger mit dem Heta-
tarsus verbindet, wahrend mit dem Fi-
bulare ein Cuboldes articulirt. Durch die
Selbständigkeit des Pibulare wird eine
erst bei den Sflugethierea wieder auf-
tretende EigeuthUmlichkeit dargestellt, die
den Grocodilfnss von jenem der übrigen
Beptilien unterscheidet, mit welchem er sonst UbereiAstimmt. Bei den
Pig. it«. FüMtkelet «Inet llsplils.{Bid<chM) (vi; and Vog«U (£|, letileros
im embryoüBlen Zustande dargwtelll. f Femur. I Tibia. p Fibula. U ObereB,
li unteres Tirausstlick. m JlilteKuss. / — V Mola tarsal stücke der Zeben.
508
WfrbelUiiere.
Fig. 245.
Eideohson l^esteht ein übnliches Verhallniss, und der aus der Ver-
schmelzung von vier primären Elementen hervorgegangene Tarsalknocben
(Fig. 244. A, ts) zeigt in seiner Anlage keine Andeutung seiner ein-
zelnen Beslandiheile mehr. Indem sich so ein Tarsalabschnitt zunächst
nur funoiioneli mit dem Unterschenkel verbindet, geht der Tarsus (U)
Verbindungeo mit dem Metatarsus ein, so dass die Zahl seiner Stttcke
sich dadurch verringert. Am vollständigsten scheint dies bei den
Dinosauriern der Fall gewesen zu sein, deren Tarsus durch zwei an
Tibia wie an Metatarsus angeschlossene Stücke vorgestellt ward.
In diesen Einrichtungen sehen wir eine Vorbildung des Baues des
Vogelfttssos» der im embryonalen Zustande (Fig. 244. B) die bei
KepUlieo bleibend gegebenen Vorhältnisse zeigt. Am Unterscbeoke
treffen wir Tibia [t] und Fibula (p) , die letztere bis zum Tarsus
reichend. Der Tarsus legt sich aus zwei immer getrennten Knorpel-
stücken an , das obere (ts) ist zweifellos dem bei Reptilien aus vier £ie-
nienten sich zusammensetzenden Knochen homolog, das untere (/t) ent-
spricht der distalen Reihe von Tarsusknochen. Es besteht also hier ein
Vererbungszusland von Einrichtungen , für welche in nie-
deren Abtheilungen Vorbereitungen getroffen sind. Den
Metatarsus bilden ursprünglich gleichfalls fünf discrele
Knorpelstücke, von denen aber nur vier (B. / — JV) mit
Zehen sich verbinden, indess das fünfte bald ver-
schwindet, indem es völlig mit dem unteren Tarsus-
stück verschmilzt. Die Verändei^ng des embryo-
nalen Verhältnisses zeigt sich am Unterschenkel in
einer Rückbildung der Fibula (Fig. 245. b') , welche
später wie ein ufKinsehnlioher, niemals den Tarsus er-
reichender Anhang (6') der Tibia (6) ansitzt. Mit der
Tibia verwächst der obere Tarsalknorpel und bildet
ihren Gelenkkopf, der untere Tarsalknorpel vereinigt
sich mit dem durch Verschmelzung der drei längeren
Metatarsusknochen eotstehenden einheitlichen Stücke (cj,
an welchem Trennungsspuren meist nur noch am distalen
Ende durch die einzelnen Capitula fortbestehen (Fig.
245. c'). Das Metatarsusstück der ersten oder Innen-
zehe erhält sich selbständig, und bleibt meist ein klei-
ner dem grossen ))Laufknochen« (Tarso- Metatarsus} an-
gefügter Anhang. Am Vogelfusse sind somit die bei
den Reptilien ausgesprochenen Einrichtungen weiter ent-
wickelt; die Theile, welche dort nur feste Verbindungen zeigten, sind
verschmolzen, aber die Bewegung des Fusses findet in demselben
Intertarsalgelenke 'Statt.
Fig. 24Ö. Hintere Extremität von Buleo V4il;|;arts. a Femur. fr Tibi».
t/ Fibula, c Tarso - Metatarsus. c' Dasselbe Stück isolirl von vorne gesabeik
d d' d" d''' Vier Zehen.
Hintere ButremiUil.
509
BesOgUch her Zehen treflTen wir, abgesehen von den Rückbildungen
innertialb engerer Abtheilungen, die Fünfzabl aueh bei Reptilien vor-
herraobend; 6rsi bei den Vdgeln sinken sie auf vier oder drei, sogar
auf twei (Strulhio). Die Phalangen der Zehen xeigen im Allgemeinen
eine Zunahme von der aus twei Sittcken l)e$lebenden lunensiehe an
bis sur vierten Zehe, an der man fünf Phalangen zühlt. Dies gilt (ttr
Eidechsen, Crocodite und Vögel. Eine geringere Zahl besitxen Am-
phibien und Schildkröten.
§ 339.
Durch die ^igentbttm liehen Dififerensirungen , welche das Skelet
der Hintergliedmaasse der Ref>tilien und Vögel eingeht, steilen sich die
Süttgethiere besttglich des Skeletes erst mit den Amphibien in Beziehung.
Im Allgemetnen sind die Umge^laltungen weniger mannichCaltig als an
der Vordergliedmaasse, enlepreobend der grösseren Gleichartigkeit üer
Leistungen, welchen die Hintergliedmaasse vorsteht.
Von den Skelettheilen des obern Abschnitts ist das Fcmur in der
Regel, besonders bei Ungulalaii, aber auch bei vielen Anderen der
kürzere. Bei den Perissodactylen, mapchen Nagern u. a. ist es durch
einen dritten Trochanter ausgezeichnet. Am Unterschenkel spielt die
Tibia die Hauptrolle, die Fibula wird häufig, besonders bei Wieder-
käuern und Eiobufero rudimenlär.« Bei den ersteren erhüli sich das
distale Endstück, welches mit der Tibia
wie mit dem Tarsus (Astragalus) arti-
oulirt, und anscheinend dem letzAeren
■ugetheilt wird. Auch vollständige Ver**
wachsungeo voa Tibia und Fibula kom-
men zuweileii vor (z. B. bei Nagern,
Inseoüvoren).
Den am meisten charakteristischen
Absehaitt bildet der Tarsus, der sich
dem Unterschenkel mit 8 Stücken an-
sohiiesst , aber meist nur an eine«, dem
Artrageltts, eine Articnlation, das soge-
nannte Sprunggelenk besitzt. An dem
z Watten Knochen, dem Calcanevs, ist die
beiCrocodilen angedeutete Fortsatzbildung
weüer eatwickelt. DasCentrale erhält sich
selbständig, rückt aber, alsNaviculare be-
zeichnet, an den innern Fussrand vor.
bei einigen Prosimiae eine bedeutende Verlängerung dar (Macrotarsi) .
Von den fünf distalen Knochen sind die zwei äusseren stets nur durch
Mit dem Calcaneus bietet es
Flg. ite. Fussskeiete von Sttugethieren. A Rhinoceros. B Rind. C Pferd.
ti Tibia. a Astragalus. cl Calcaneus. mi Metatarsus. xx Metatarsas-Rudimente.
p p' p" Mia langen.
54 0 Wirbelthiere.
Einen, das GuboYdes, vertreten, die drei inneren bleiben zameisl ge-
lrennt ; sie stellen die Keilbeine vor. Mit der Venninderang der Zehen
tritt hüufig auch an den letzteren eine Keduclion ein, sie können so-
gar mit dem Metatarsas verschmelzen, wie z. B. bei Faulthieren.
Auch das GuboYdes kann mit dem Naviculare verschmelzen (Wieder-
käuer). Bezüglich des Mittelfusses nnd der Zehen ergeben sieh im
Allgemeinen ganz ähnliche Modificationen wie am Handskelete. Wäh-
rend in der einen Abtheilung fünf, nur geringe Unterschiede besitzende
Zehen fortbestehen , von dehen häufig nur die Innenzehe vorkommt,
treCFen wir in der anderen Reihe die Reductionen in einem gross-
artigeren Maassstabe ausgeführt und bei den Artiodactylen (Fig. 346*. B)
mit der Verschmelzung der Mctatarsusknochen der dritten und vierten
Zehe, bei den Perissodactv len dagegen mit der vorwiegenden Aus-
bildung der Mittelzehe geendet (Fig. ^46. A, C). Die Zahl der Pha-
langenstücke correspondtrt jener der Finger.
Muskelsyatem.
§ 340.
Das Muskelsystem der Wirbelthiere sondert sich in der Embryonal-
anlage aus dem mittleren Keimblatto, und bietet sowohl an dem aus einem
Theile der Urwirbel wie aus dem aus den llautplatten hervorgehenden
Abschnitte eine der Metamerie des gesammten KOipers entsprechende
Gliederung dar. Vor der Differenzirung des Skelets stelU die unter dem
Integumenle lagernde Muskulatur mit jenem einen Hautmuskelschlauch
vor, jenem gegliederter wirbelloser Thiere in vielen Beziehungen Hbn-
lieh, wenn auch nicht geradezu von einem solchen ableitbar.
Die Beziehungen zum Skelete und die Herausbildung einer Skelel-
muskulatur, sind somit in dem Maasse secundär erworben, al6 sie an
die Ausbildung des Skelets geknüpfte Einrichtungen sind. Bei Am-
phioxus, dessen Skelel wesentlich in der Ghorda dorsalis besteht, ist
(las Muskelsystcmi wenigstens am Rumpftheile des Körpers ohne jene
Beziehungen und nur an dem die respiratorische Vorkammer des Tractus
intt^stinalis umschliessenden Vorderabschnitte des Körpers scheinen Ver-
bindungen mit dem Visceralskclet zu bestehen. Die gesammte Mus-
kulatur ist in zwei seitliche Längsmassen geordnet, die nur dorsal und
ventral, durch Bindegewebe von einander getrennt sind. Diese Längs-
muskelzüge sind wieder durch bindegewebige Septa in eine Reibe
von Metameren geschieden und jene Septa dienen ebenso zum Ursprünge
wie zur Insertion der zwischen ihnen gerade verlaufenden Fasern.
Während diese Muskelmasse dorsal sich längs des ganzen Körpers
erstreckt, wird sie ventral am vordem Körperabschnitte durch die Be-
ziehungen zum Visceralskclet modificirt.
Auch bei den Gycloslomon ist der grösste Theil der Moskulatnr
Uautmoskeln. 54 i|
noch ohne unmiUeibare Verbindung mit demSkelelr, indrm die ober-
fl^cUichen Lagen wieder nur mit Bindegewebe in Zusammenhang
stehen, und jene Metanieren bildenden Septa llber den gansen Bumpf-
und Caudallbeil des Körpers vorkommen. Doch erscheint sowohf «m
Kopfe wie am Visceralskelet eine selbständige Sonderung einzelner mit
Skelettheilen verbundener Muskeln.
in dem Maasse als die Ausbildung des Skelets die Verbindung
der Muskulatur mit demselben hervorruft, und mit seiner weitern
Difierenzirung auch die primitive Gleichartigkeit der Hauptmuskelmassen
des Körpers auflöst, g^t die ursprüngliche Bedeutung dieser Mus-
kulatur verloren, und es tritt zugleich eine Scheidung ein, welche sich
einerseits in dem Auftreten einer Skeletmuskulatur , andrerseits in der
eigenartigen Entfaltung des nicht mit dem Skelete sich verbindenden
Restes des Gesa mmtmuskelsy Sterns zu einer Hautmuskulatur ausspricht.
DemgemHss' erfordert die Hautmuskulatur von jener des Skelets
eine gesonderte Darstellung.
Hantron sk« I n.
§ 34^
Indem wir die Hautmuskeln als ursprünglich mit jenen des Skelets
einen genieinsamen Complex bildend ansehen, sind sofort jene Muskeln
davon zu trennen, welche der Haut als solcher angehören. Diese
grössieniboils durch glatte Elemente dargestellten Theile sind secundKre
Gebilde, Diflerenzirungen des Integumenis, wie sie ebenso auch an.
vielen aus dem letzteren entstandenen Organen vorkommen.
Dass unter den Gyclostomen ein Theil der Rumpfmuskulatur durch
mangelnde Verbindung mit Skeleltheilen im Wesen als Hnutmuskeln
erscheint, ist vorhin erwühnt worden, und selbst bei Selachicrn wie
hei den übrigen Fischen steht ein bedeutender Theil der grossen seit-
liehen Rumpfniuskelmassen nur durch die vom Skelete ausgehenden
sehnigen Zwischen blinder mit diesem in Zus^immenhang, ist daher noch
nicht zur Skeletmuskulatur in dem Sinn geworden, dass Ursprung und
Ende eines Muskelsbündels Skelettheilen angefügt ist. Aus diesem
mehr indifferenten Verhalten wird dos Fohlen gesonderter Hautniuskeln
hegreiRfch. Doch erscheinen wenigstens in der Kussern Wand der
respiriHorisehen Vorkammer bei Selachiem deutliche Hautmuskellagen
als Theile eines gemeinsamen Gonstrictors.
Auch an manchen andern Körperstellen finden sich nicht mit den
grossen Seltenmuskeln zusammenhangende subcutane Muskeln, denen
eine l^ngs der Seitenlinie der Teleostier verlaufende, durch intensivere
Färbung ausgezeichnete Schichte beizuzühlen sein wird. Bei den Am-
phibien treten Hautmuskeln tbeils am Kopfe zur Bewegung der Nasenöff-
nungen, llieils — \h*\ Anuren — in der Nilhe des Sleisses auf. Die an
^\i WirbeUhierd.
den äusseren Nasenößbungen liegenden Muskeln komoien reicher enl-
wickelt auch den Reptilien. zu. Eine functionell bedeutende Wichtig-
keit erreichen Hautmuskeln bei den Schlangen. An der Haut des
Aauches treten nämlich kleine Muskelbündei zu den Schuppen des In-
tegumeotes und bewirken , durch eigene von den Rippen kommende
Portionen verstärkt, eine bei der LoconioUon bedeutuagsvoUe Bewegung
der Schuppen.
Die Vogel besitzen grössere platte Hautmuskeln an verschiedenen
Körpertheilen, wie bei Reptilien (Chelonien) ist eine continuirliche Muskel-
schichte am Halse verbreitet, andere Hautmuskeln nehmen ihren Ursprung
vom Skelete, wie z. B. die in die Flughaut tretenden, dieselbe span-
nenden Musculi patagii. Auch die zur Bewegung der Armschwingen
und der Steuerfedern dienenden Muskeln gehören in diese Kategorie.
In höherem Grade ist die Hautmuskulatur der Säugethiere ent-
wickelt. Meist lagert unter dem Integumeote des Rumpfes ein grosser,
den Rückenlheil des Körpers bedeckender und von da auch auf Hals
und Kopf sich fortselzender Muskel , der an verschiedenen Stellen der
Haut mittelst sehniger Theiie sich insenrt und von seinen vorderen Par-
tien auch eine Insertion an den Humei'us abgibt. Von der Rumpf-
muskulatur ist dieser Hautmuskel meist durch Fett- und Bindegeweb-
schicblen gesondert. Er ist am meisten bei Echidna, bei Dasypus und
beim Igel entwickelt, bei welchen er das Zusammenkugela bedingt.
Beim Igel erscheint er in mehrere Abschnitte gesondert. Bei den
meisten Affen besitzt der grosse Hautmuskel dieselbe Ausdehnung wie bei
den übrigen Sängethieren, in grösserer Selbständigkeit erscheint er jedoch
am vorderen Abschnitt. Beim Orang und Gbimpanse ist letzterer durch
eine die Seitentbeile des Halses einnehmende und von dß auf das Ge-
richt sich fortsetzende Muskclplatte vorgestellt, die als Platysma myoYdes
in geringerer Ausdehnung auch beim Menschen vorkommt.
Muskulatur des Skeletes.
§ 342.
Aus der Verbindung des Muskelsystems mit dem Skdete entspringt
die Differenzirung der Muskeln, cUe allmählich aus einem in der
ganzen Länge des Körpers gleichartigen Verhalten heraustreten. Diese
Pifferenzirung steht mit jener des Skeletes im engsten Zusammenhange,
. wie sich denn beide Theiie stets in einem aus der gemeinsamen Function
sich ergebenden gegenseitigen Anpassungsverhältnisse darstellen. So
ist grösseres Volum eines Skelettheiles mit einer Volumszunahme der
bezüglichen Muskeln verbunden, und die Rückbildung eines andern
Skeletstückes entspricht der Verkümmemng seiner Muskeln. Ebenso
äussert sich die freiere Beweglichkeit auch der Muskulatur in einer
bedeutendem Differenzirung und selbständigeren Ausbildung der ein-
zelnen Theiie.
Muskulatur des Skelets. 513
Aus dieser Sonderung entstehen einzelne Muskelsysleme , deren
jedes wieder in untergeordnete Comptexe zerfällt, welche aus mehr
oder minder votlsUindig discreten Muskeln sieh zusammensetzen. Als
solche Muskelsysteme können die Muskeln des Rumpfes, die
Muskeln des Kopfskelels und die Muskeln der Gliedmaassen
unterschieden werden.
Die Muskeln des Hunipfes, Scitenrumpfmuskcln bilden
die bereits oben erwähnte primitive Muskulatur. Sie bestehen aus zwei,
die Seitentheile des Körpci-s einnehmenden, vom Kopf bis zum hinteren
Körperende verlaufenden Muskelmasscn (M. laterales) , welche in der
Medianlinie des Rückens, unten in jener des Bauches, durch senkrechte
Sehnenblinder geschieden sind. Unter den Cyclostomen scheint der
ventrale Theil dieser Muskelmasscn bei den MyxinoYden durch einen
schrügen Verlauf seiner Fasern ausgezeichnet. Ob dadurch ein neues
System vorgestellt wird, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls liegt darin
eine Scheidung angedeutet, die bei den Fischen sich vollzieht, jede
Hälfte zerfällt in eine dorsale und ventrale Partie, welche durch eine
horizontal durch die Axe der Wirbelsäule gelegte Ebene von ein-
ander geschieden zu denken sind, so dass dann hn Ganzen vier
Seitenmuskeln bestehen. Eine wirkliche Trennung wird durch
eine Jener Ebene folgende sehnige Membran bewerkstelligt, welche
namentlich am Schwänze deutlich hervortritt. Soweit die Bauchhöhle
reicht, besitzen die beiden ventralen Seitenmuskeln eine beträchtlichere
Ausdehnung, weil von ihnen die Rippen Uberkleidet werden, bis dann
am Schwänze zwischen oberen und unteren ein gleichmässiges Grössen-
Verhältniss sich herausstellt.
Jeder der vier Scitenrumpfmuskcln wird durch eine den Wirbeln
entsprechende Anzahl von sehnigen Blättern (Ligamenta intermuscularia)
in einzelne Abschnitte geschieden, welche auf der Oberfläche durch
die als Inscriptiones tendineae zu Tage tretenden freien Ränder jener
Blätter leicht unterscheidbar sind. Da die Muskelfasern zwischen je
zweien der Sehnenblätter stets parallel verlaufen, so bieten letztere
Ursprung wie Insertion für je einen Abschnitt dar. Die Muskeln stehen
dadurch nur in mittelbarer Verbindung mit dem Skelete. Der Verlauf
der sehnigen Septa ist immer ein gebogener und zwar in der Weise,
dass in jedem Rückenmuskel eine untere aus in einander steckenden,
mit der Spitze nach vorn gerichteten Kegeln (Fig. 246. A, a) gebildete,
und eine obere aus Kegelstflcken bestehende Schichte (6) erkannt werden
kann. Die Spitzen dieser unvollständigen Kegel sehen nach hinten.
An den ventralen Muskeln ergibt sich insofern ein umgekehrtes Verhalten,
als die Kegel [ol) oben, die KegelstUcke (6'j nach unten gelagert sind.
Auf einem senkrechten Querdurchschnitte am Schwänze eines Fisches
steht man daher jedersetts zwei an einander stossende Systeme con-
oentriscber Ringe (die durchschnittenen Hohlkegel, und über dem oberen
wie unter dem unteren noch kürzere oder längere Bogenlinien (die
Uc^genbasr, UnmdrisR. 33
fil 4 Wirbelthlere.
DurcbschDittshilder der unvollsumdigen KegelütUcke) . Der zum Theil
schon aus der BilduDg und Bichlung der Kegel sich ergebende Verlauf
der Sepia ist somit oben von vorne
Fig. Ut. schräg nach hinten , und dann wieder
zur Umschliessung der Kegel im Bogen
nach vorne, um hier mit dem em-
sprecbendea Scbnenbande des unteren
Muskels zusammonzutreßen.
Diese Verhültnisse bestehen im We-
sentlichen noch fUr die Seiteoinuskelo
der Perennibranchialen wie der Larven-
zuslände dei' übrigen Amphibien, so
dass dieselbe Zickzacklinie der Liga-
'' menta intermuscularia nur in weniger
scharfen Bit^ungen zu beobachten ist.
Bei (lern mehr geraden Verlauf der Ligamenta intermuscularia ist die
Kegelbildung verloren gegangen. Bei den ausgebildeten Salamandrinen
ist der Bauclilhcil des Sekenmuskels am Rumpfe verschwunden und nur
noch am Schwänze zeigt sich zwischen oberer und unterer H;tlfte eine
symmetrische Bildung; der persistirende BUckenthoil dagegen verhüll
sich ganz fischlthnlich durch Ligamenta intermuscularia in einzelne
Abschnitte gelrenni.
§ Ui.
In den hlihercn Wirltellhierclassen sind aus dem Bauchtheil der
Seitenmuskulatur des Rumpfes andere Muskeln hervorgegangen, dagegen
l>esteht er am Schwänze der Reptilien und Süugethiere unter Nodi-
ßcationcn noch fort, und wandelt sich in ühuliche Muskeln um, wie
der bei allen luftathmenden Wirbel ihierclassen bestehende RUckenlbeil,
der sich beständig uud gleichmüssig auch über den Schv\anz erstreckt.
Während bei den Eidechsen eine Trennung des dorsalen Seiten-
muskels durch Ligamenta intermuscularia noch erkannt werden kann,
hat eine weiter gehende Differenzirung bei den Uebrigen eine Reihe
discreter BUckenmuskeln entstehen lassen. Diese sondern sich in
eine oberÜJichliche und eine liefe Partie. Die erstere umfasst den nur
auf den llalslheil beschriluklen Splenius, der Iheils am Schade! iheiis
an Querfortsatzen vorderer Halswirbel inserirl. Dann gehört jener ober-
flächlichen Partie noch der Sacrospinalis an, der in eine mediale und la-
terale Portion zerfölll, in den lliocoslahs und Longissimus. Beide besitzen
gemeinsame vom Kreuzbein und Darmbein entspringende Fleischmassen.
Fig. **6. A Durchschnitt der Schwanimuskelo von Scomber »comber.
a Oben? , a' untere Seiten rümpf muskeln. b und b' Durchnchnitt uiivnll»Undrg«r
ober«r und unterer Kegelmantel, d Wirbelknrper. B Zlckzackliulea der ober-
AacblictieD Enden der Ligg, inlerinu<iculariii am Scbwanne von Scnmber. iKacb
J. .Mlu
Maükulatur des SkeleU. 54 5
Aber auch accessorische YorsprUnge treten in der ganzen Lange der
Muskeln bis zum Schddel auf, theils von den Rippen, theils von den
Querfortsätzen kommend« Die Insertionen gelangen vom Iliocostalis
und vom Longissimus an Rippen, von letzterem auch noch an Quer-
fortsätze. Die tiefe Lage wird vom Transvcrsospinalis gebildet, der
aus einem von Querforsätzen entspringenden, zu Dornfortsätzen ge-
langenden System von Bündeln dargestellt, und nach verschiedenen
Schichten bald mehr bald minder gesondert ist (Semispinalis, Multifidus).
Die zum Hals gelangenden Abschnitte dieser Muskeln zeigen meist
eine der Beweglichkeit dieses Theiles der Wirbelsäule entsprechende
voluminösere Entfaltung, die sie auch als besondere Muskeln hat be-
schreiben lassen. Dasselbe gilt von den noch selbständiger ausge-
bildeten zum Schädel gelangenden Enden. .Die Schädelportion des
Longissimus ist der TrachelomastoYdeus , die des Semispinalis ist der
Biventer und Gomplexiis.
Endlich gehören zu dieser Gruppe die Musculi spinales, von Dorn-
fortsätzen entspringend und nach Verlauf längs einem oder einigen der
letzteren wieder zu Dornfortsätzen gelangend, und die Interspinales, die
zwischen den Dornfortsätzen sich vorfinden. Den vordersten Spinalis
bildet der Rectus capitis p. major; der Rectus capitis p. minor ist der
erste Interspinalis.
§ 344.
Als eine aus den^Seitenrumpfmuskeln hervorgehende Gruppe mdssen
die Intercostalmuskeln betrachtet werden. Bei den Fischen ist
diese noch nicht differenzirt, und die zwischen den Rippen und ihren
Aequivalenten befindlichen Muskeln sind Theile der Seitenmuskeln, die
Rippen selbst liegen in den gegen die Bauchwand gerichteten Enden
der Ligamenta intermuscularia. Aehnlich verhalten sich die Amphibien.
In den übrigen Wirbelthierabtheilungen findet eine schärfere Sonderung
statt. Die Ausdehnung der Intercostalmuskeln richtet sich dann nach
der Ausdehnung und Verbreitung der .Rippen. Am mächtigsten ent-
wickelt sind die genannten Muskeln bei den Schlangen. Auch die
zwischen den mit Wirbeln verschmolzenen Rippenrudimenten oder
zwischen Querfortsätzen vorkommenden Muskeln (Intertransversarii)
müssen der intercostalen Gruppe beigezählt werden. Femer gehören
hieher die Levatores costarum sowie die an der Innenfläche der
Thoraxwand liegenden Muskeln (Thoracici interni) und die Scale ni.
Von den letztem ei*5cheint der Scalenus anticus den Intercostalmuskeln
am nächsten zu kommen, indess Scalenus medius und posticus an die
Levatores cost. sich anreiht. Die Ausbildung aller dieser Muskeln er-
leidet je nach dem Umfange und der Beweglichkeit der Rippen be-
deutende Verschiedenheiten und zu den Hebern können, wie bei den
Schlangen, noch besondere Rückzieher hinzukommen.
Dem Systeme der Intercostalmuskeln werden wahrscheinlich auch
33*
516 Wirbelthiere.
die breiten Bauchmuskeln beigezählt werden dürfen, welche an
den wahre Rippen entbehrenden Stellen der Bauchwand zu finden sind.
Sie bestehen aus dein M. obliquus externus, obliquus internus
und trän s versus abdominis. Der Obliquus externus entspricht
dem Intercost. ext., der Internus dem Intercost. internus.
Die Entstehung dieser Muskeln muss aus einer Aenderung der
Richtung der anfänglich nur longitudinal verlaufenden Bündel her-
vorgehen. Die bei manchen Amphibien wie bei den Eidechsen be-
stehenden Inscriptiones tendineae haben demgcmäss als Reste der
primitiven Zwischenmuskelbänder zu gelten. Die Ausdehnung des
Ursprunges des Obliq. externus weit nach vorne auf den Thorax, sowie
die Sonderung des Muskels in mehrere Schichten bei den Reptilien
sind jene Auffassung begründende Erscheinungen.
Auch ein Transversus abdominis besitzt schon bei den Amphibien
eine bedeutende Ausdehnung, ebenso unter den Reptilien mit Ausnahme
der Schlangen, denen er fehlt. Er erstreckt sich bis vorne in die
Brustgegend. Bei den Vögeln reicht er nur bis zum Hinterrande des
Slemums, dagegen findet er sich bei Säugethieren in grösserer Aus-
breitung vor.
Als ein verhältnissmüssig wenigst veränderter Rest der primitiven
Muskulatur erscheint der Rectus abdominis, indem er nämlich
den Längsverlauf seiner Fasern beibehält und in seinen Inscriptiones
tendineae wiederum Spuren der primitiven Scheidewände besitzt. Er
tritt erst von den Amphibien an allgemein vom Bru^bein bis zum Becken,
kann jedoch bei geringerer Länge des Sternums continuirlich in den
Sternohyofdelis übergeben (Amphibien).
Bei den Crocodilen ossificiren die Sehnenstreifen, und stellen die
sogenannten Bauchrippen vor. Zu den geraden Bauchmuskeln moss
auch der M. pyramidalis gezählt werden, der den Salamandrinen, den
Crocodilen, Straussen und endlich vielen Säugelhiei*en zukommt. Mono-
tremen und Beutelthierc besitzen ihn in besonderer Ausbildung, so
dass er, von einem Rande des ßeutelknochens entspringend, nahe bis
ans Brustbein reicht, und dabei den Rectus überlagert [deshalb von
OwKN als oberflächlicher gerader Bauchmuskel benannt).
§ 34g.
Das bei den Fischen bestehende Bogengerüste des Vi sceralskel et s
besitzt ein besonderes zwischen den einzelnen Abschnitten sich wieder-
holendes System von Muskeln , durch welche die einzelnen Abschnitte
bewegt werden. Da die primären Kieferstücke gleichfalls dem Visceral-
skelete angehören, so werden die ihnen zukommenden Muskeln als Diffe-
renzirungen des Muskelapparates des Visceralskelets zu gelten haben.
Ein grosser Theil der Muskulatur des letzteren entspringt vom Schädel,
ein anderer liegt zwischen den Bogen einer Seite, und noch andere be-
Muskulatur des SkeleU. 5I7
sitzen eine quere Anordnung und bedingen eine Annäherung der
beiderseitigen Bogen. Von den Kiemenbogen gehen Muskeln zu den
Riemenstrahlen. Bei den Selachiern sehr entwickelt, sind sie bei den
Knochenfischen rudimentär, und erscheinen am zweiten primitiven Vis-
ceralbogen in die Muskulatur des Kieroendeckels und der Kiemenhaut-
strahlen umgewandelt.
Den Amphibien kommt während des Larvenzustandes eine ähn-
liche Muskulatur zu, sie ist zum Thcile aus jener der Fische ableitbar,
und erhttit sich bei den Perennibranchiaten. Mit dem Verschwinden
des Kiemengerüstes und der dabei wachsenden Selbständigkeit des
Zungenbeins gehl ein Theil der Kiemenmuskulatur an dieses Über. Der
geänderte Wcrth des Apparates ist von Complicationen der Muskulatur
hegleitet, welche eine grössere Selbständigkeit der Bewegung der ein-
zelnen Theile herbeiführen.
Zu den Muskeln des Visceralskelets gehören die zur Bewegung
des Kieferbogens und der aus ihm hervorgegangenen Theile dienenden
Muskeln. Ein Adductor der beiden Stücke des Kieferbogens ist bei
den Selachiern in ziemlicher Differenzirung als die Anlage des Kau-
muskelapparates zu erkennen. Mit der Befestigung des Palato-Qua-
dratums oder der an ihm gesonderten Knochen ans Cranium erhalten
diese Muskeln ihren Angriffspunkt am Unterkiefer.
Bei Amphibien und Reptilien hat sich von der Kaumuskelmasse
eine innere Portion als PterygoYdeus gesondert, die selbst wieder in
zwei Abtbeilungen (PterygoYdeus extemus und internus] zerfallen kann
[Saurier) , und auch die Scheidung des Teraporalis und Masseter ist
durch Schichtcnbildung angedeutet. Das Herabziehen des Kiefers be-
sorgt in beiden Classen ein Digastricus, der einen kurzen aber mächtigen
Bauch am Hinterrande des Unterkiefers bildet. Eine Vermehrung der
Muskeln zeichnet die Schlangen aus, indem sowohl Adducloren der
Unterkieferäste als besondere das Quadratbein und einzelne Knochen
des Gaumengerüstes bewegende Muskeln bei den Eurystomata in nicht
unbedeutender Entwicklung getroffen werden. Aehnliche Muskeln,
als Heber der Flügelbeine und des Quadratbeins bestehen auch noch
bei den Vögeln und bewirken die Bewegung des Oberkieferapparates. Von
den eigentlichen Kiefermuskeln hat der Temporaiis die grösste Aus-
dehnung , und der in den unteren, mit beweglichen Kiefcrhäiften ver-
sehenen Abtheilungen vor'bandene Adductor wird durch einen quer
zwischen den Kieferästen ausgespannten Muskel von anderer Bedeutung
vertreten.
Die Kaumuskeln der Säugethiere stimmen in Zahl, Ursprung
und Insertion mit der menschlichen Bildung überein und weichen
ausser einem allgemein grösseren Volumen nur in jenen Verhältnissen
ab, die durch Form der Ursprungs- und Insertionsflächen an den be-
ireffenden Knochen gegeben sind. Der Digastricus ist häufig nicht
der einzige Senkmuskel des Unterkiefers, indem er noch durch
öiS Wirbelthiere.
Muskeln , die vom Sternuin (Kamecl) zum Unterkiefer treten , unter-
stützt wird.
§ 340.
Zur Bewegung der unpaaren Flossen der Fische dienen mehr-
fache Systeme kleiner Muskeln, welche an der Medianlinie des Rückens
gelagert, theiis an die FlossenstrahllrUger, theils an die Fiossenstrahlen
selbst gehen und deren Hebung und Senkung bewirken.
Von den paarigen G I i e d m a a s s e n besitzen die den Extremi-
lillen der höheren Wirbelthiere homologen Flossen der Fische sowohl
an ihrem Gürtt»lapparale als an dem freien Abschnitte eine Anzahl von
Muskeln, die mit denen der übrigen Wirbelthiere noch keineswegs
erfolgreich verglichen werden könnten. Für die Flosse selbst bestehen
der oberen wie der unteren Flüche angelagerte Heber und Senker, die
in Iheilweiser Combination auch adduc^torische oder abductorische Be-
wegungen ausführen. Sie vertheilen sich auf die einzelnen Abschnitte
der Flosse und sind am reichsten bei Selachiern ausgebildet.
Mit der Umgestaltung der Gliedmaassen tritt eine Veränderung be-
züglich der Muskulatur ein, und zwar zunächst eine Vereinfachung der
Zahl, aber auch eine Vermannichfachung der Leistung durch die grösseit»
Freiheit und Selbständigkeit der Skelettheile, sowie durch die Diffe-
renzirung in einzelne ungleichwerthigc Abschnitte bedingt.
Als bedeutendste Verschiedenheit gegen die bei den Fischen vor-
handenen Einrichtungen ist die bei höheren Wirbel thieren stattfindende
Ausbreitung der Muskulatur des Brustgürtels und der
Vorderextremitilt über die dorsale Körperfläche hervorzu-
heben. Die aus den oberen Seitenrumpfmuskeln hervorgegangenen
Theile werden von mehrfachen Schichten zur Gliedmaasse gelangender
Muskeln überlagert, die bei den Fischen durch eine vom Kopfe ent-
springende Muskelpartie vertreten sind.
Diese sind weniger bei den Perennibranchialeu , mehr bei den
Gaducibranchiaten gesondert, und lassen die Muskeln erkennen, welche
in den höheren Abtheilungen den Gucullaris mit dem Sterne - CleTfdo-
mastoTfdeus, sowie die RhomboYdei und den Levator scapulae vorstellen.
Aus ähnlichen Sonderungen gehen die Brustmuskeln hervor.
Die übrigen, den Gliedmaassen selbst zukommenden Muskeln leiten
sich von den bei Fischen mehr gleichartigen Schichten ab, welche die
dorsale und ventrale Fläche des Brustflossenskelets bedecken. Mit
der Reduction des letzteren und den zahlreichen Modificationen seiner
einzelnen persistirenden Theile kommt auch der Muskulatur eine be-
deutende Aenderung zu, und daraus erwächst die der functionellen
Maimichfalligkeil des Werthes der Gliedmaassen gleichlaufende Ver-
schiedenheit des anatomischen Verhaltens der Muskulatur in den ein-
zelnen Abtheilungen. Zu einer methodischen Vergleichung der Glied-
maassenmuskeln der grösseren Abtheilungen bestehen nur die ersten,
Muskulatur des Skelets. 519
wenige Muskelgruppcn betrefTenden Anfänge, so dass ein näheres Ein-
gehen für jetzt nur wenig zusammenhängende Einzelheiten, die ausser-
halb der hier gesteckten Aufgabe fallen, vorführen könnte.
Für die hintere Glied maasse bestehen zunächst durch das Ver-
hällniss des Beckengürtels zum Axenskelete die Muskulatur beein-
tlussende Factoren , indem der Mangel eines Zusanvmenhanges jener
Skelettheile bei den Fischen eine grössere Selbständigkeit des Becken-
gürtels auriret4>n lüssl, die jedoch bezüglich der Muskulatur durch die
Indifferenz der letzteren eine Conipensation empfangt. Die freie Lage
des Bcckenskelets ist also nicht von einer selbständigeren Beweglich-
keit begleitet. Die innigere Verbindung des Beckengürtels mit dem
Axenskelete lK*i den Amphibien wie bei den Anmieten Uisst gleichfalls
die Beweglichkeit zurücktreten, und damit die Ausbildung einer dieser
vorstehenden Muskulatur. Die der Gliedmaasse selbst angehörige Mus-
kulatur besitzt theils ihren Ursprung am Beckengürtel, theils am Glied-
niaassenskelet, und erscheint im Grossen in ähnliche Gruppen gesondert,
wie jene der Vorderglied maa>se, mit den aus der funclionellen Ver-
schiedenheit beider resultirenden Modificationen. Bezüglich der Ver-
gleichung der einzelnen Muskeln gilt das vorhin für die Vorderglied-
maasse bemerkte, so dass auch für diesen Theil des Muskelsystems
das wissenschaftliche Fundament noch zu legen ist.
§ 'HT.
Eine besondere Gruppe bilden die unteren Muskeln der
Wirbelsäule. Hierunter sind solche Muskeln zu begreifen, welche
unterhalb der Wirbel und ihrer lateralen Fortsätze, somit am tbora-
calen Abschnitt innerhalb des Thorax liegen.
Einen vorderen Abschnitt der unteren Muskeln der Wirbelsäule
bildet der Musculus longus, der bei Reptilien zuerst erscheint und meist
schon innerhalb der Brusthöhle beginnend sich längs der Halswirbelsäule
bis zum Schädel erstreckt. Er zerfällt in mehrere nach ihrer Insertion
als Lou^us colli et capitis unterschiedene Portionen, von denen bei den
Saugethieren auch der zum Atlas gelangende Abschnitt gesondert ist.
Eine ähnliche subvertebrale Muskulatur scheint zur Bildung des
Zwerchfells zu führen. Eine solche Einrichtung fehlt den Fischen,
und auch bei den Amphibien ist es noch fraglich , ob einzelne die
Speiseröhre umgreifende Muskelbündel als Anfänge eines Zwerchfells
betrachtet werden dürfen. Unter den Reptilien besitzen Schildkrölen
einen deutlicheren Zwerchfell muskel als Beleg der die Lungen um-
schliessenden Peritoneallamelle. Diese MuskeKschichte entspringt theils
von Wirbelkörfiern , theils von den rippenartigen Querfortsätzen. Bei
den Crocodilen fehlt ein Zwerchfellmuskel, da man in der sehr ent-
wickelten Peritonealmuskulalur schon wegen ihres Ursprungs von der
vorderen Beckenwand keine direct hieher beziehbare Bildung wird er-
kennen dürfen. Dagegen ergibt sich unter den Vögeln bei Apteryx
520 Wirbelthiere,
ein von der WirbelsHule lult zwei ansehnlicheu Porlionen euispriDgendcs
Diaphragma, welches einen Raum für die Lungen umschliesst, allein
das Herz noch hindurch Irelen lüssl. Bei den Übrigen Vögeln wird es
durch aponeurotische, nur an wenigen Stellen mit muskulösen Strecken
verbundene Pariieen vertreten.
£rst bei den Süugethieren erscheint ein ausgebildeter Zwerchfell-
nmskel als Scheidewand zwischen Bauch- und Brusthöhle, in welch*
letztere auch das ilerz aufgenommen wird. Die schriigc Stellung des
Muskels bei Reptilien und Vögeln setzt sich damit in eine quere um.
Die fleischigen Partieen entspringen theils von Wirbclsilule tbeils von
Rippen, und gehen in eine mittlere Sehnenhaut (Centruin tendineum]
über, die nur selten fehlt (Delphine).
Blektriache Organe.
§ :U8.
EigenthUmliche, nur einer kleinen Anzahl von Fischen zukommende
Apparate stellen die sogenannten elektrischen Organe vor, die in ana-
tomischer Hinsicht durch die in ihnen stattfindende Kndigung mäch-
tiger Nervenmassen , in physiologischer aber durch die Entwickelung
von Elektncitai wichtig geworden sind. Die Nerven leiten centrifugal,
und bieten auch in ihrer Endigungsweise mit jenen der motorischen
Nerven in den Muskelfasern Übereinkommende Verhältnisse dar. Aus
diesen Umständen leiten wir die Berechtigung ab, diese Organe dem
Muskelsysteme anzufügen. Ob sie in genetischem Zusammenhange mit
Muskeln stehen oder nicht, ist unbekannt.
Die mit diesen Organen ausgestatteten Fische gehören zu den
Gattungen Toq)edo und Narcine unter den Rochen, Gymnotus unter
den Aalen , Malaplerurus unter den Welsen ; auch Mormyrus besitzt
ähnliche Organe, die aber bezüglich der bei den Uebrigen nacbgcwic-
senen Elektricitätsentwickelung noch nicht näher geprüft wurden. Eio
pseudo-elektrischer Apparat ist bei Raja vorhanden.
Obwohl in Lage wie in dem gröberen anatomischen Verhalten in
den einzelnen Galtungen sehr von einander abweichend , kommen alle
die erwähnten Organe darin mit einander überein, dass sie aus ver-
schiedenartig gestalteten , durch Bindegewebe abgegrenzten und mit
einer gallertartigen Substanz gefüllten »Kästchen« zusammenge.setzt er-
scheinen. Zu der einen Fläche dieser ))Kästchcn«( treten die Nerven
heran, um feine Netze zu bilden, aus denen schliesslich eine die Ner-
venendigungen darstellende »elektrische Platte« hervorgeht.
Das Verhalten derselben zum gesammten Apparate, sowie die Be-
ziehungen zu den Nerven ergibt sich in folgendem für den Zitter-
rochen (Torpedo). Das elektrische Organ (oe) liegt hier zwischen
dem Kopfe, den Riemensäcken [Fig. 247. br) und dem Propterygium
der Brustflosse, die ganze Dicke des Körpers durchsetzend und von
EIek Irische Organr.
&H
einer sobnigea Membran umhtllU, welche oben wie uolen nur vom
Ktfqwrinlegumenic Ubcnogen wird. Jodes OrgAO selzl sich aus ishl-
rcicben parnllel neben einander siebenden Prismen zusammen , die
ihrerseits wiederum aus einer Iteihc aufeinander geschichleler Elc-
meote, den oben erwUlin-
LcQ Käslehen, bestehen tig. at7.
LeUlere sind durch Bmde- fr"» , «.
gewcbe inniger unler ein-
ander vereinigt, alle em-
pfangen die in die Prismen
eindringenden Nerven von
unten her, indem die der
Nervenendigung enlgrgen-
f^esetzten Fl.icheD doi olek-
Irischen Platten im ge- ,
samml^^n Organe dorsal i
gcri<:htet bind Zum Organe 1
treten fünf starke Nerven-
sUlmme, Bann clectiici,
welche vcrschiodenenKopf-
nervcn , vor;;Uglich dem
Vagus, angehören, und
zwischen den Prismen sich
verlheilen.
Bei den ülirigen elek-
Irischf^n Fischen besitzen
die bezllglichen Organe
zwar einen mit dem Ge-
schilderten bezüglich der
feineren Veriiältnisse (iher-
einstimmenden Bau, allein
in der Oertlichkeit ihres
Vorkommens, wie nicht
minder im Verhalten der die elektrischen Platien bergenden iK.lstchen>
ergeben sich zahlreiche Vcrsrhicden heilen So liegen beim /illeraal
die Organe am Schwanztbeile de« Körpers dicht unter der äusseren
big. 347. Ein Zittcrriiclion Torpedo) mit dem prtiparlrlen cleklriKlien
OiRane, in doritalcr Anxicbt dargi^slelll Recbtersetb« mt das Orgsn oe blos an der
Obcrfltiehe frei f;"i^g'< Hedisn i^rentt es an die nocli von einer genneinsomen
Matkelwliiclil« übcriDgcnen KiemeDsHcke br die auf der andern Seile einzeln der
gestellt sind. Autdersellien tinkon Seite sind zuitleich die zum elekirtachen Orfianc
tretenden Nerve nstämmc prüparirl, und eine Strecke weil ins Orgnn verfolgt. Die
KeOlTnelo SchSdelhOhlo zeigt dasCiehirn; / Vorderhirn, // Zwisuhenhirn, if/Hiltei-
hirn. Daliinter isl die Hedultn obiongala mit dem Anfango des Rücken mark«
fljchtbar. e Nervns vagus. Ir Nervus trifieminus. Ir' Elektrischer Ast deüselbeo.
c Augen, f Spritzioch. ( CaticrlrühreD der Haut tr Kiemen.
'o22 Wirbelthiere.
Haut. Beim Zilterwels ist das Organ unter dem Integumente über
die Oberflache des Körpers verbreitet, und bei den Mormyren finden
wir wieder den Schwanz damit ausgestaltet. Entsprechend verschieden
verhalten sich auch die Nerven, woraus man schliessen darf, dass die
i|;enannlen Organe trolz ihrer hisliologischen und physiologischen Ueber-
einstimmung morphologisch verschieden sind , und nicht von einander
oder von einem gemeinsamen Stammorgane abgeleitet werden können.
Nervensystem.
§ ;U9.
Die C e n t r a 1 o r g a n e des Nervens) stems lagern in dem über der
Axe des Rückgrates, von dem oberen Bogensyslem des Axenskelets
umschlossenen Canale. Sie bestehen aus synm)etrisch angeordneten
Nervenmassen, die nur bei den Acrania in der ganzen Länge ein njehr
gleichartiges Verhalten darbieten, während sie bei den Cranioten in iwv'i
grössere Abschnitte , das Gehirn und das Rückenmark gesondert
sind. Wenn auch in letzterem einige Aehnlichkeit mit der bei wirbel-
losen gegliederten Thieren bestehenden Ganglienkette nicht zu ver-
kennen ist, so kann doch das Rückenmark von dieser keineswegs abge-
leitet werden; vielmehr ist das centrale Nervensystem der
Wirbelthiere als eine im hohen Maasse weiter entfaltete
Ausbildung der oberen Seh lundganglienwirbelloserThierc
anzusehen. Diess wird durch die Uebereinstimmung in der ersten An-
lage begründet, die io beiden Fällen aus einer Differenzirung des dem Ecto-
derm homologen äusseren (obereo) Keimblalles erfolgt. Während aber die
daraus entstehende »Medullarplatle« bei den Wirbellosen sich nicht in der
ganzen Länge der Körperanlage ausdehnt, oder wenn auch anfänglich von
solcher Länge, doch bald mit dem weiter wachsenden Körper nicht mehr
gleichen Schritt hält, so findet bei der Wirbelthieranlage die Ausdehnung
der Medullarplatte in einer dem Längewachsthum der Anlage adäquaten
Weise statt, und bedingt damit für das daraus entstehende Cenlralnerven-
system eine der Gesammtlänge des Körpers entsprechende Ausdehnung.
Aus der Medullarplatle geht
Fig. 248. mit Erhebung ihrer in das Horn-
ig ...u» , blatl (Fig. 248. h) sich fortsetzen-
den Ränder [w] eine Rinne her-
vor, die allmählich zu einem Rohre
'^ '^ u V *^ sich abschliesst. Dieses rückt \on
der Oberfläche, von der es ent-
standen, allmählich in die Tiefe, indem nicht nur das Hornblatt, sou-
Fig. 248. Schcmalischer Qucrscliniit durch die Kmbrvonalanlago 6vs Hühn-
chens vom Ende des ersten BrlUtages. ch Chorda dorsalis. u \}rvfirbe\. sp ^^eileO'
platten, m Medullarplatte, bereits zur Rinne umgebildet, am Rande w in d«s
Hornblatt h übergehend, d Darmdrüsenblatt. [Nach Remak.;
Nervensyslem
»53
dem auch aus dtmi inilllereTi Keiniblalte gesonderte Theilc darüber
»achsen. Das so {^L'hildele Hedullnrrohr hlcit)t bui den Acrauia
als ein gleicharti);er Strani^ bcslehen , an dem
wesentliob nur histioIogischeSonderuii[;eii sUitt-
linden. Iltese Glek'harlifikcil ist bei den Cra-
niolcn sehr frülizHliß nurgppeben, und noch
vor vollstiiniligeiii Schlüsse des Knhrcs ti-eten
am vordersten Abschnitt«; Ausbuchlunf^en (Fig.
ii9. (I. auf, welche die Anlage des Gehirnes
abgeben, indess der ilbri};e Theil des Hedullar-
rohrs uuler gleichartiger DilTereniEining als An-
lage lies KUckenmarks erseheinl. Die DifTeren-
zirung des Gehirnabselinilles ist l)ei allen Cra-
nioten dieselbe, und selbst nach der Anlage
der einzelnen Theilc des Gehirns findet sieh
itwischcn entfernten Abtheilunfien grOsste L'eber-
cinslimmuntf vor. Bei den C\rloslonien erhall
sieh der indifferente Zustund des Gehirns sehr
lange, indc^s er sonst auf frtthesl« Stadien der
Enlwicfcelung beschriinkt ist.
§ :toO.
Durch die Kr\velterung des vordersten Abschnittes entstehen an-
rüngUcb drei (Fig. ii'J. a) , dann bei oberflilchlichcr Ansicht fünf auf
einander folgende blasenfOrmigeAbschnitte (Geh im blasen), deren Binnen-
rüiime unter sich zusaniinenhüngen, sowie der letzte in das ihm (ol-
gende Hedullarrohr ohne scharfe Grenze sich (orlselzt. Die erste Ge-
birnblase bezeichnet man als Vorderhirn (Fig. SöO. ti) , die darauf
folgende stellt das Zwischenhirn [b] dar: eine dritte Erweiterung
bildet das Hittelhirn (c], auf welches das Ilinterhirn ;(/], sowie
das unmittelbar ins Rückenmark tibergebende und mit dem Hinterhim
zusammeugehUrendo Nachhirn [e, folgen. Dabei erscheint das Hinler-
hirn nur als der vorderste Theil des Daches des Nachbirnes, so dass
er keineswegs die SelbsUndigkcit der übrigen Hirnblascu tbeilt. An-
Hinglich in dieser Reihe hintereinander gelagert, erstrecken sich die
BUsen in der Fortsetzung der Längs^ixc des Rückenmarks, um jedoch
sehr bald gegen letzteres in Winkelstellung zu treten. Damit verbin-
Kig. ItO. Enibr)unBlanlB|!e des Hunücü, vom Rucken livr ueaebeii, mit der
Aulage des uentraleii N'ervenii)Sleins, von wckhem die Medullarplallc Ibj eine iml'U
ribeo offeDO Rione hildel. Aji dieser sind vorne die Anlagen der liroi primitiven
Hirnblaspn a als obensuviele Ausbuchtungen bemerkbar, wtihrcnd der binlere Ab-
sclioilt der Rinoe in den Sinus rboniboidelis [a') Aer U'ndenKegend cmeitcrt ist.
c Seilenplatten, die Leiheaanlage abgrenieiid. ä Acusseres und mittleres Keimblatt.
f DarmdrtlMnbUtt. {Nacb BiicaoFr.)
534
Wirbellliicre.
den sieb ungleiche Wachstbumserscbeinungen am oberen und am un-
teren Abschnitte, so dass minder voluminös sich entwickelnde Partieen
durch Ausdehnung einzelner Strecken der oberen Theile bedeckt werden.
Zwischen Vorder- und Zwiscbenhim bildet sich
unter Verdünnung der Wand eine spaltähnliche
Stelle, durch welche von den Umhüllungen des
Gehirns ein Fortsatz ins Innere sich erstreckt.
Unter den Cyclostomen kommt es nur bei den
Petromyzonten zu dieser Spaltenbildung, an deren
^hinterem Endo das als Zirbel oder Epiphysis
cerebri bekannte Gebilde liegt.
Der untere Abschnitt des Zwischenhirns stellt
den Boden der zweiten Hirnblase dar und bildet
eine allen Cranioten gemeinsame als Trichter be-
zeichnete Ausbuchtung. Gegen sie wächst von
der Schlundwand her eine Fortsetzung der Schleim-
haut ein, die, später sich abschnürend, einen
Theil des dem Trichter angefügten Himanhaogs
(Hypophysis) vorstellt. Wie die Räume der pri-
mitiven Gehjrnblasen unter einander* communi-
ciren', so stehen auch später die Räume (Him-
kammern oder Ventrikel) der aus den Hirnblasen hervorgegangenen Ab-
schnitte mit einander in Zusammenhang. Von diesen Gestaltungsver-
hältnissen ausgehend, verfolgen wir die für die einzelnen Abtheiiungen
charakteristischen Differenzirungen .
Der Sonderung des vordersten Abschnittes der Anlage des Nerven-
systems gegenüber bieten sich am hinteren Theile viel einfachere Ver-
hältnisse, indem derselbe mehr oder minder gleichartig sich zum
Rtlckenmarksrohre abschliessl, in welchem der ursprüngliche Binnen-
ranm in der Fortsetzung des den) Nachhirn angehörigen Ventrikels als
Centralcanal sich forterhält. Ungeachtet mannichfacher Veränderungen,
welche das einfache Rückenmarksrohr bis zu seiner späteren Aus-
bildung eingeht, hat es doch im Verhältniss zum Gehirn als der in-
differentere Theil zu gelten, wie schon durch das mehr gleichartige
Verhalten der aus ihm hervorgehenden Nerven im Vergleiche mit den
aus dem Gehirn entspringenden ersichtlich ist.
Die Verbreitung des peripherischen Nervensystems ent-
spricht der in der Wirbelbildung ausgesprochenen Metaraeric des Kör-
pers. Sie ist in diesem Verhalten am spinalen Abschnitte deutlich,
wo jedem Wirbelsegmente ein Nervenpaar bestimmt ist. Am cere-
bralen Theile dagegen sind mit der Umbildung der Wirbelsegroente
Flg. 250. Senkrechte Medianschnitte durch WIrbelthierhIrne. A Von einem
jungen Selac hier (Heptanchus^ B Vom Embryo der Natter, C Von cIdcid
Ziegen-Embryo, a Vorderhirn, b Zwiscbenhirn. c Mittclhiro. d Hinlerhirn.
e Nachhirn, s Primitiver Hirnschliiz.
Centralorgane des Nervensystems. 5S5
auch für die bezQglichen Nerven bedeutende Modificaiionen aufgetreten,
so dass ein mit den Spinalnerven harmonirendes Verhalten nur schwer
nachweisbar ist.
A. Centralorgane des Henrensystems.
a) Gehirn.
§ 35r
Unter den Fischen bietet das Gehirn der Cyciostomen die ein-
fachste Form dar, und unter diesen nehmen wieder die MyxinoYden
die niederste Stufe ein, indem die einzelnen Abschnitte ziemlich gleich-
artig sich darstellen. Grössere Complicationen ergeben sich bei den
Gnathostomen.
Ein vom Vorderhirn aus gebildeter, die Riechnerven entsendender
AbschnKt (Bulbus oder Lobus oifaclorius^ erscheint meist als ansehn-
licher, bei den Selachiem durch einen verschie-
den langen Tractus olfactorius mit dem Gehirne Fig. %$i.
verbundener Lappen (Fig. 254. A). Obgleich
median immer von einander getrennt, können sie
doch so dicht aneinander gerückt sein, dass sie
durch ihre Lage vor dem Vorderhirn als den
übrigen Abschnitten gleichwerlhige Gebilde er-
scheinen. Auch Verschmelzungen mit dem Vor-
derhim kommen vor. Das Vorderhim selbst bietet
bei den Selachiern (Fig. 254. g) eine die übrigen
Abschnitte übertreffende Volumsenlfaltung und
zeigt Spuren einer Theilung in zwei, vier und
mehr paarige Abschnitte. Auch bei GanoYden
(Fig. 252. g) wird es ansehnlich getroffen, indess es bei vielen Teleosliern
gegen andere Hirntheile am Volum bedeutend zurück trill.
Das Zwischenhim ist bei den Selachiem (Fig. 254. d) deutlich vom
Mitlelbirn getrennt, bei vielen Teleosliern mit diesem enge verbunden.
Der vordere Theil seines Daches trUgt die oben erwähnte Spalte, und
dieser Abschnitt ist nicht selten zu einer ansehnlich in die LHnge ge-
zogenen Strecke ausgebildet, die wie eine Längscommissur zum Vor-
derhim verlauft. (Manche Haie und GanoYden.) Der Rest des ur-
sprünglichen, den hinleren Theil der Spalte abschliessenden Daches ist
zuweilen sehr ansehnlich und in zwei Hemisphären gelheill, so bei
Selachiern und vielen Teleosliern. Der. das Infundibulum umfassende
Boden dieses Abschnittes bildet zwei an der Hirnbasis vorspringende
Anschwellungen, die Lobi inferiores, welche bei den Cyciostomen
Fig. 354. Gehirn eines Hai (Scyllium catulus). h Lobi olfactoril. g Vor-
derhim. d Z^ischenliira. 6 Mitlelhirn. a Naclihirn. o Nasenkapseln. (Nach
BOftCH.'
S26 Wirbclthiprp.
einfach sind und auch bei den Selachiern nur AndeutungeD eintr
Trennung zeigen. Erst bei den Teleosliem sind sie bedeutender enl-
faltet. Das folgende Mitlelhim erscheint unansehnlich bei den Myxi-
nofden, mehr bei Pelromyzon entwickelt. Bei den Selachiern stellt es
einen meist bedeutend sich erhe-
benden Theil vor, der entweder
unpaar oder auch [wie schon bei
den Cyclostomen) in zwei Hülflen
gelheilt , die vor oder hinter ihm
liegenden Mirntheile deckt (Fif!.
äiil. b). Durch Faltungen seiner
01>erflache entstehen Windungen
ähnliche Zustande. Solche Win-
dungen besitzt das Mitlelhim man-
cher Haie (z. B. Ciiivharias). Eine
verhitltnissmitssig be<leutendeG rosse
erreicht das meist als Cerebelluni
gedeul'eie Mittt^lhirn b<>i den Tele-
iistiern, bei denen es zuweilen als
eine nach vorne oder in die Höhe
gerichtete Protu beranz ei-scheini.
Der hinler dem Mitlelhim liegende Übrige Theil des Gehirns muss als Ganzes
betrachtet werden. AlsUrsprungsstü tte der meisten Hirn nerven
kommt ihm eine besondere Wichtigkeit zu. Sein Dach ist un-
gleichartig ausgebildet. Am hinteren grösseren Abschnitte bildet es sid)
nümlich frtlhzeitig zurück, so dnss der nach vorne zu erweiterte Binnen-
raum (Sinus rliomboYdali.'i) nur von einer Membran bedeckt wird. Der
Rand dieser Rautengrube erscheint bei Selachiern und Chimüren nach
vorne zu stark gewulslet und stellt da.selbst die faltig ausgebogeneti
l.obi Nervi Irigemini vor. Bei den CanoTden und Teleostiern ist er ein-
facher. Bei allen aber tritt er median in eine quere Lamelle ül>er.
welche die Rautengnibe von vorne her deckt und bei stark volumi-
nösem Mittelbirn von diesem Überragt wird. Diese Querlamelle reprjl-
sentirt das Binterhirn oder Cercbellum, indess Boden und seitliche
Theile der Rautengrube durch die Medulla oblongata oder das
Nachhirn gebildet sind. Von den Selachiern /.a den Teleostiern ist
eine Abnahme des Volums der Medulla oblongaUi bemerkbar, indem
sie bei vielen Haien den iHngsten Abschnitt des Gehirns vorstellt, und
andrerseits bei manchen Teleostiern so kurz ist , dass das Miltelhfrn
sie vollslimdig bedeckt.
Bei hetrüchilicherer Entfaltung geben sich in den Seitenlbeil der
Fift. iit. Gehirn von Pnl j [ittriis hichir. A Vnnnhen. B Seillich. C.Von
unicn. h l.obi oiractnrii. 17 Vorderhirn, f /wischcnhirn. d Mitlelhim. be Hinter-
hini. a Nachhiin {Medulln oblongala). nf N. olfnctoriusi. o N. nplicus. .'N^h
Ceoiralorgane des Nervensystoms.
527
Rauteogrube einragende Anschwellungen kund, die in einer Reihe ge-
lagert den Ursprungsstellen der Vaguswurzeln entsprechen (Lobi Nervi
Vagi). Aehnlich zu deuten sind die Lobi electrici der Torpedinos.
A
§ 352.
Das Gehirn der Amphibien schliesst sich in vielen Puncten enge
an jenes der Fische an und namentlich sind es die Selachier und DipnoY,
welche auch hier Anknüpfungen darbieten. Da!^ Vorderhim (Fig. 253. b)
erscheint in zwei seitliche Hiilften^ die Hemisphären^ getheilt und zeigt
Andeutungen einer Ausdehnung nach hinten.
Der von ihm umschlossene Raum trennt sich f"»«. 253.
nach beiden Hälften in dieSeitenvenlrikel, die
sich nach vorne in die Lobi olfactorii [a fort-
setzen. Letztere erscheinen an der Seite des
Vorderhims [b) und sind diesem unmittelbar
angefügt, können aber auch in indiflerente- ^i
rem Zustande mit dem Vorderhim unmittel- r..
bar verschmolzen sein. Das Zwischenhirn
differenzirt sich erst während des Larveii-
zustandes aus einem mit dem Mittelhirn ge- «
meiDsamen Abschnitte. Vor ihm findet sich
der Himschlitz, welcher in verschiedenem
(srade sich aufs Zwischenhirn fortsetzt und
wieder die Epiphysis trügt. Er führt nach
vorne in die von den beiden Hemisphären
des Vorderhirns umschlossenen iSeitenven-
trikeL Die UnterflUohe dieses Abschnittes trügt
eine einfach bleibende Erhabenheit, die den
Lobi inferiores der Fische entspricht.
Das Mittelhim bleibt bei den Urodelen auf einer von den Anuren
durchlaufenen Stufe, und erlangt erst bei den letzteren ein betrHcht-
lieberes Volum und eine Theilung in zwei Hälften (c). Das Hinterhirn
hält 8ich dagegen in seiner primitiven Form als eine über die Rauten-
grube sich brückende I^melle [d) und die bei den Fischen vorhande-
nen Differenzirungen der Medulia oblongata kommen nicht mehr zur
Kniwickelung.
Am Gehirne der Reptilien tritt die bereite bei den Fischen vor-
bandene, durch bedeutendere Entwickelung der oberen Theile bedingte
Beugung in der Region des Zwischen- und Mittelhirns stärker hervor
und bedingt eine Lage Veränderung, die sich in die höheren Ahthei-
luDgen fortsetzt. (Vergl. die Durchschnitte in Fig. 250.) Das Vorder-
Fig. 253. Gehirn und Rückenmark des Frosches. A Von ot>en. B Von
unten, a Lobi olfactorii. 6 Vorderhim. c Mitielhirn. d Hiuterhirn. e Nach-
him. i Infundibulum. s Rautongrube. m Rückenmark. ( Filum terminale desselben.
528
Wirbellhiero.
hirn bietet sich in ansehnlicher Entwickelung in Gestalt von zwei das
Zwischenhirn deckenden lleinisph<iren dar, die ihre grösste Breite am
hintern Abschnitte besitzen. Ihnen unmillelbar angeschlossen finden
sich die Lobi olfactorii. Das unansehnliche Zwischenhirn besitzt eine
Lüngsspalte, indem sich der Hirnschiitz auf es ausgedehnt hat. Be-
deutend gross sind die Seitenventrikel, die am Hirnschlitze mit dem
Fig. 934.
A
Fig. 255.
zwischen den Hälften des ZwischenhiiDs gelagerten dritten Ventrikel
communiciren, der ein ansehnliches Infundibulum besitzt. Eine flache
Furche theilt das Mittelhirn in zwei Hemisphären. Das HtnCerfairn
zeigt bedeutendere Verschiedenheiten; bei Schlangen und Eidechsen
bleibt es als schmale aber senkrecht erhobene Lamelle auf niederer
Stufe; bei Schildkröten (Fig. 254. A. IV) und Crocodilen ist es breiter
geworden und bei den letzteren ist ein mittlerer Abschnitt von zwei
seitlichen durch bedeutendere Anschwellung ausgezeichnet.
Dieser Zustand verknüpft die Reptilien mit den Vögeln, die durcli
ein noch bedeutenderes Ueberwiegen des Vorderhims sich auszeichnen,
dessen Hemisphären bald mehr in die
Breite, bald in die Länge enlwickeit
sind. Sie stehen nur durdi eine
schmale voixlere Gommissur in Zu-
sammenhang (Fig. 254. B. c) , und
umschliessen eine von der seitlichen
Wand her ein ragende Gaoglienmasse,
welche die primitive Höhle in einen
engen, von dem dünnwandigen Hemi-
sphären - Dache gedeckten Raum ver-
wandelnd, den grössten Theil des Vor-
derhims darstellt. Sie sind bereits bei den Amphibien nachweisbar
Fig. 354. A Gehirn einer Schildkröte (nach Bojanus). B Eines Vogels.
Senkrechte Medianschnilte. /Vorderhirn. /// Mitlei hirn. /K Hinterhirn. KNach-
hirn. oi Olfeclorius. o Opticus, h Hypophysis. a (In Äs Verbindong beMpr
Hemisphören des Mittelhirns, c Comnriissuni anterior.
Fig. 255. Gehirn des iHaush uhns. A Von oben. B Von unten, a Lobi
olfactorii. 6 Hemisphären des Vorderhirns, c Miltclhirn. d Hinterhirn, d* SelC^n-
theile desselben, t Nachhlrn. (Nach C. G. CAiirs.;
CcDlraloi^Eic des Nerve nsyslema.
529
und bei Reptilien sogar selir deutlich vorhanden ;Fig. 2öt. A. st). Das
kleine , von den Bemiaphitren des Vorderhiros vdlUg bedeckte Zwiscben-
fairn ist an seiuem Dache gespalten. Das beim Einbryu sehr grosse
Miltelhiro ist in zwei tur Seile geLi^jerte Uulften getheilt ^Fig. 355. c),
in welche sieb der geojeinschaftlicbe Binnenrauin forlseUt.
Der ansehnliche milUere Abschnitt bietet zwei seitliche AnbUnge
und ist durch querstehende Lamellen ausgezeichnet, so dass senkrechte
DurchsobniUe eine dendritisch verzweigte Figur als Ausdruck dieser
Art der OberflUchenvergrOsserung aufweisen. Durch diese Entfaltung
des Hinlertiims wird das Nachbirn vollsländig liedeckl.
Das Gebim «ier Situgethiere bietet nur in seinen frühesten Zustünden
unmillelbare Anknüpfungen an niedere Formen (vei^l. Fig. 850^, indem
es sieb von ersteren vi'eil«r als die GehiiTie der Reptilien und Vttgel ent-
fernt und zugleich eigenthUmlicJie Diflerenzirungt-n <larbietc'l, viflclie von
FiR. 95«,
jenen des Vogel- und Reptiliengehirns bedeutend abweichen. Die
umfassendsten Verilnderungcn zeigt das Vorderbim, nelchetn die l.oLi
olfactorii an der t'nterfUlclic angelagert sinif, und je nach der Aus-
bildung, des vorderen Abschnittes ;Vorderlappenj minder oder mehr von
fig. tu. DilTercnxirunB dps Vnnkr^iirns. A CicMm einer Schild krülp.
B eines Rlnderföt us. C piner KHixe. In A und B Ist HnkerMitü das DbcIi drr
Vorderiiirabühle afaKNrageD, rechiureeil» nucli uocli dar Varuix entTernl. In C i.«(
recliterseito der ganzf witlidir und bintere ALhCtinitI di's YorUerliirnh altgelniKeii,
und aach linkrrHelts sowi-il, um die Krümmung des AininnnsljorriH nixli aliwlii'ts
danuMlellen. In nllen FJKuren tieieidincl / Vordprhirn, // ZwJNchenldrii , ///MillH-
hirn, IV Hinlprhlrn, V Nachhirn, ol BulbuH iiKni-torius lin A in Oimmualcnlinn
mit dar Vord^rhlmhahic dsi^eKlnlll). M Corpus Ktrinlum. / Kornii, A fes Hip-
povaiDpi major, i r Sinus rlutinl)u«Ja<U. g Kniehöcker
Q*l«bur, Unindri«. st
\
530 Wirbellhiere.
diesem bedeckt werden. In der Regel persisUrt der ursprttngliche Hohl-
raum jener Lobi oder er bleibt mit dem Binnenraume der Hemisphttren
lange in Communication. Beide Hemisphären des Vorderhims sind
immer durch einen auch vorne tiefgehenden Einschnitt getrennt. Ihre
Verbindung geschieht anfänglich durch eine vor dem primitiven Hirn-
schlitze gelagerte Gommissur, und durch jene Oeffnung gelangt man
in die Räume des Vorderhirns, die Seiten Ventrikel. Mit der ferneren
Ausbildung entfalten sich die hinteren Theile der Hemisphären, und
die anfänglich wenig bedeutende Spalte wird in die Breite gezogen,
und verschwindet dabei von der Oberfläche, indem die hintere Wand
der nach hinten und seitlich ausgedehnten Seitenventrikel sie voll-
ständig deckt. Damit steht eine Di£ferenzirung der primitiven Commissur
zu einem complicirteren Commissurensystem in Zusammenhang, wobei
Monotremen und Marsupialia den niedersten Zustand repräsentiren. Die
primitive Commissur ditferenzirt sich in einen unteren und einen oberen
Abschnitt; ersterer stellt die Gommissura anterior vor, letzlerer bildet
eine schmale über den Vorderrand des Zwischenhims sich lagernde
Brücke , unter welcher jederseits der Eingang zum nach hinten und
unten ausgedehnten Seitenventrikel liegt. Im vorderen Räume der
letzlern springt das Corpus striatum wulstartig vor, (Fig. 256. B. C st]
und in dem hinteren Baume ßndet sich ein mit dem oberen Theile des
Commissureusystems in Zusammenhang stehender gewulsteter Vorsprung,
welcher den Rand der immer mehr über das Zwischeohirn sieb
lagernden Spalte von hinten umgrenzt und als Ammonshorn oder Pes
Hippocampi major (C. A.) bezeichnet wird.
In weiterer Veränderung ergibt sich eine Umbildung der oberen
Commissur in zwei differente aber zusammenhängende Gebilde. Das
eine umzieht mit seinem seil liehen Rande den Eingang in die Seilen-
ventrikel von oben her, um seitlich und abwärts in einen wiederum jene
Spalle begrenzenden Streif überzugehen, der dem Hippocampus major
sich anlagert. Dieses als Gewölbe (Fornix) B, C. f) bezeichnete Gebilde
beginnt vorne mit aufsteigenden Schenkeln (Säulen) , legt sich dann
etwas verbreitert über das Zwischenhirn weg, wo es in die hinteren
absteigenden Schenkel sich fortsetzt. Es steht oben im Zusammen-
hang mit einem mächtig^ Theile des Commissurensystems, dem Baiken,
der anfänglich mit dem Fornix verbunden sich vorne von ihm abhebt,
in demselben Maasse als der Fornix sich nach hinten entwickelt, und
steht daselbst nur durch eine doppelte senkrechte Marklamelle (Septum
pellucidum) mit ihm in Zusammenhang. Ein Theil des Balkens setzt
sich in den Hippocampus fort. Die Ausdehnung dieser Commissuren
nach hinten zu hängt von der Entwickelung der Hemisphären des
Vorderhirns ab, welche bei Nagethieren, Edentaten, Insectivoren noch
wenig entfallet sind. In dem Grade ihrer Volumsentfaltung nimmt
die Gommissura anterior an Umfang ab. Bei den Implacentalien noch
sehr helrflchtlich, wird sie zu einem dünnen vor den Säulen des
Centralorgane des Nervensystems. 531
Fornix lagernden Strange. Nach Maassgabe ihrer Ausdehnung nach
hinten überlagern die Hemisphären des Vorderhirns die folgenden Ab-
scbnitie des Gehirns, Zwischenhirn, Mittelhirn, und endlich auch das
Uinterbim, wie bei den Primaten. Mit der Ausdehnung der Hemi-
sphären nach hinten setzt sich der Seitenventrikel in den Hinterlappen
fort und bildet eine als Hinterhom bezeichnete Räumlichkeit.
BezOglich der Oberfläche des Vorderhims bieten viele Säugethiere
durch die glatte Beschaffenheit der Hemisphären einfache dem embryo-
nalen Verhalten der Andern entsprechende Zustände, die sich den
meisten durch das Auftreten bestimmter als Windungen bezeichneter,
durch Furchen von einander getrennter Erhebungen compliciren. Die
Windungen treten, stets in regelmässiger Weise und in symmetrischer
Anordnung auf um erst bei reicherer Entfaltung eine Asymmetrie ein-
zugeben, wie sie z. B. beim Menschen sich darstellt. Aber selbst da
lassen sich die Windungen in Gruppen sondern, deren Grenzen von
den erst aufti*etenden und bei gewissen Säugethieren allein persistiren-
den Furchen vorgestellt sind.
Das Zwischenhirn scheidet sich in zwei unmittelbar hinter den
Streifenkörpern der Seitenventrikel des Vorderhirns liegende Massen,
die Sehhdgel (Thalami optici), welche aus seitlichen Verdickungen der
primitiven zweiten Gehimblase hervorgehen. Am Hinterende der sie
trennenden Spalte lagert die Epiphysis, die also im Vergleiche zu den
unteren Abtheilungen eine Lageveränderung einging. Die Höhle dieses
Abschnittes reducirt sich auf eine zwischen beiden Sehhtlgeln liegende
senkrechte Spalte (Fig. 256. B), deren Fortsetzung in das vom Tuber
cinereum getragene Infundibulum führt. Mit dem Ende des Infundi-
bolums verbindet sich die meist sehr umfängliche Hypophysis.
Das eine Zeit lang den grössten Abschnitt des Gehirnes vorstellende
Mittelhirn (vergl. Fig. 250. C. cj , lässt seinen primitiven Binnen-
räum allmählich in einen engen Canal verwandeln, der den dritten
Ventrikel mit dem vierten verbindet (Aquaeductus Sylvii). Die Ober-
fläche ist durch eine seichte Längs- und Querfurche in vier Hügel
(Fig. 256. B. C, III) geschieden , woher dieser Abschnitt als Corpus
bigeminum, Vierhügel, bezeichnet wird. Sehr schwach ist diese
Scheidung bei den Monotremen.
Am Hinterhirn (Cerebellum) bleibt das mit Fischen und Am-
phibien übereinstimmende Verhalten (Fig. 250. C. d) nur während früher
Embryonalperiode. Die einfache Lamelle entwickelt sich zu einem an-
.sebnliehen Gebilde, an welchem, wie bei Grocodilen und Vögeln, der
mittlere Abschnitt zuerst sich differenzirt. Bei den Beutelthieren stellt
derselbe längere Zeit eine dünne Quercoromissur vor, indess die seil-
iicben Theile schon voluminöser gestaltet erscheinen. An beiderlei
Theilen entstehen Windungen in Form querer, in verschiedene Gruppen
geordneter l^mellen. Der mittlere Abschnitt bleibt überwiegend bei
den Monotremen, ansehnlich auch noch \m Beutelthieren, Edentaten,
34*
532
Wirliellhiere.
Chiroptern. Erst hei den Camivoreii und Uogulalen tr«ten die SeitOD-
theiie ols Hetnispbltren des Cerebellum voiumintfser auf, and bei den
nieislen Primnten prflpon-
'"* ■' ■ deriren sie dernit, dass
das niiulere Stück , als
Wurm bezeich nel , da-
I^Y ^1^ gegen zurUcktriU.
^\' JWtMr^L Durch die Ausdehn-
^L\ mf fff^^^ ung des Vorderhirns, he-
^^k \ Mt. ^I^yl-^^ k sonders mit Entwickel-
^^^ ^ ^K ,AH^^fl|L ^'^% <'^>' HinterUppcn
>^^^ ' ^fcJWB^HI^F"^ werd.en die Übrigen Ab-
schnitte des Gehirns all-
mUhlich Uberdeokl. Bei
manchen Beutellhieren,
fiuoh bei Nagem (veiyi.
A] und Insectivoren ist dies noch nicht für die Vierh(l((el
eingeli-eten, und selbst l>Hi den meisten übrigen S<1ugethieren bleibt
das Hinlerhirn giini oder doch grossentheils frei, indess bei Afien auch
dieser Abschnitt völlig unter die Hinterlappen der Uemisphtircn des
Voi'derhims tritt, worin die nnlhropoTden Affen sich dem Menschen am
nüch^len stellen. Mit der Ausbildung der Hemisphären des Hioterbims
entsteht an der unteren Flitclie des primitiven Naohbiros eine Quer-
commissur, die VarolsbrUclce, wolehe den vordem Abschnitt des Nach-
hirns mit dem Cerebellum inniger verbunden erscheinen, und ihn
hei einseitiger BerUci^sichligung des ausgebildeten Säugeihierhiiiis nit^t
einmnl dem Nachhirn zurechnen lUsst. Diese BiHioke ist wenig hei
Monotremon und Marsupialien, am meisten hei d<« hOherea Primaten
enlwickeU. Der vor der Brltcke liegende Abschnitt der Himbasis stelK
den urspriln glichen Boden des Mlltet- und Zv^iscbenhims vnr, und
wird vorwiegen<l dardi die als Ilirnschenkcl [Cnira cerebrij bfieich-
nelen von ih'r Hedulln nblnngata he musatra blenden Fasormassen ^
bildet.
h) Itü
Dl» aus ilerHodulja oblongala eontinuirlieh sidi fortseUende Hücken-
uiark st«hl bezüglich seiner GrAsse im umkehrtrn Yerlilillnis!<e zur Au.s-
l-'iK. 157. Gehirn des Kanincti
olluclorü. J Vardurliirn. III Millellii
pli\siK. t Oiiliciiü. t Orulomotorius
unil A<7usticus. In A ist dns [tacli ilor rei^tili
, A Von oben. B V»n unten, to l^
IV Hintei'liirn. V Nactitiirn. » Hjpu-
Trigemiiius. fl Abilucenf. 1. S Fncialü
Hemispliiin) nligelrsüpa .
n dea SeHcrtveaWlM bliclil, uml dort vnrnp den .'^Irnifrnlittrppr, dahintfr itM
l detH \afanf lief Pes Hippnrampi mnjor walHiiiinnil.
Centralorgane des Nervensystems. 533
hildun^ des Gehirns, so dass es bei den niederen Classen das letztere
oft hetrüchtlicb in seiner Masse Überwiegt. Durch Entwickelung der
seitlichen Uälften der Wand des primitiven Rohrs entsteht jene Volums-
entfaltung, weiche bei dem medianen Aneinandcrschliessen beider
Hälften eine vordere Ltfngsspalte hervorgehen ISsst.
Die centraten Apparate ^Ganglienzellen) des Rtlckenmarks nehmen
die inneren Theile ein, und bilden eine graue Markmasse, welche seitliche
nach hinten und nach vorne gebende Fortsätze (Htfrner) aussendet.
Von den beiden hinteren nehmen die sensiblen, von den beiden vor-
deren stärkeren Hörnern die motorischen Fasern der Nerven des Rtlcken-
marks ^hren Ursprung.
Bei den Cyclostomcn erstreckt sich das Rückenmark wie bei den
Fischen ziemlich gleichmässig durch den RUckgratcanal , flach, beinahe
bandartig oder mehr cylindrisch geformt, nach hinten y. ^^^
sich massig verjüngend. Den Ursprüngen stärkerer
Nerven entsprechen häuHg besondere Anschwell-
ungen , die bei Arten von Trigia (vergl. Fig. ?69. B)
auffallend entwickelt sind, und in geringer Zahl das
ausnehmend kurze Rückenmark von Orthagorlsüus u. a.
zusammensetzen [A).
Wie die vom Rückenmarke entspringenden Ner-
venmassen dessen Volumsverhältnisse influenziren,
zeigt sich in den vier höheren Wirbelthierclassen , bei
denen die bedeutende Entwickelung der Extremitäten
und die dahin gelangenden mächtigen Nervenstränge mit einer an ein-
zelnen Abschnitten sich äussernden voluminösen Bildung des Rücken-
marks iii Zusammenhang steht. Dadurch kommen zwei Anschwellungen
zu Stande, eine Hals- oder Brust- und eine T.endenanschwellung, die
in einzelnen Abtbeilungen , z. B. bei Schildkröten und VOgeln sehr be-
trächtlich sind. ' Durch Offenbleiben der in den Centralcanal sich fort-
setzenden primitiven MedullarhOhle entsteht an der Lendenanschwellung
der Vögel eine rautenförmige Vertiefung (Sinus rhomboYdalis), jener ähn-
lich, die dem vcriängerten Marke allgemein zukommt. Sie findet sich
auch bei Embryonen von Säugethicren vorübergehend vor.
In der Regel erstreckt sich das Rückenmark durch den ganzen
Rückgratcanal, doch zieht es sich bei Amphibien (Frosch), Vögeln, am
auffallendsten aber bei einigen Säugethicren (Insectivoren, Chiroplern)
durch die Ungleichmässigkeit der Entwickelung der umschliesscnden
und umschlossenen Theile mehr nach vorn, so dass die von ihm ab-
gehenden Nerven für die hinteren Körperpartleeu eine Strecke weit im
RUckgratcanal- verlaufen, che sie ihre Auslrittsstelle erreichen. Die da-
Fig. i58. A Gehirn uml Rückenmark von Ortha^^oriscus mola (nach
Arsakv). B Gehirn und .Anfang des Kückenmarksi von Trigia adriatica. (Nach
TltDMAMK.j
534 Wirbelthiere. .
durch entstehende, als Cauda cquina bezeichnete Bildung schliesst sich
an die gleiche der höheren Primaten an.
c. Hüllen des centralen Nervensystems.
§ 355.
Da der ßinnenrauni des Schädels in Anpassung an die von letz-
terem umschlossenen Theile des Gehirns sich ausbildet, so füllt das
Gehirn anfänglich stets die Schädelhöhle aus. Das Gleiche gilt vom
Rtickenmarke für den Rückgratcanal. Die Oberfläche des gesafnmlen
centralen Nervensystems wird dabei von den vom Skeletc gelieferten
Wandungen der ersteres umschliessenden Räume von Theilen getrennt,
die entweder dem Skelete oder dem Nervensystem angehören oder in-
terstitieller Natur sind. Man pflegt sie sämmtlich als Hirn- oder
Rückenmarkshüllen aufzufassen.
Die periostale Auskleidung der bezüglichen Skeleträume lässt die
Dura mater entstehen. Diese Membran ist überall in den unteren
Abtheilungen als blosse Periost- (resp. Perichondrium -) Schichte nach-
weisbar, und empfängt erst von den Reptilien an eine bedeutendere
Mächtigkeit, womit sie den Anschein einer selbständigen Bildung ge-
winnt. In der Schädelhöhle bildet sie bei Vögeln einen Fortsatz
zwischen die Hemisphären des Vorderhirns (Hirnsichel) , der auch bei
Säugethieren allgemein vorkommt, und hier mit einem besonders in den
höheren Abtheilungen ausgebildeten, zwischen Cerebellum und Hinler-
lappen des Vorderhirns eindringenden Fortsatze — dem Tentorium
cerebelli — zusammenstösst. Bei vielen Säugethieren (Caraivoren,
Einhufern etc.) verknöchert das Tentorium. — Der Rückenmarks-
abschnitl der Dura mater bietet geringere Eigenthümlichkeiten. Bei
den 'Säugethieren ist die Dura mater des Rückenmarks schon vom Fo-
ramen occipitale an vom Perioste gesondert und bildet einen das
Rückenmark lose umschliessenden Sack.
Die dem Nervensystem angehörige Pia mater bildet eine ersteres
überkleidende Bindegewebsschichte , in welcher die Blutgefässe der
Nervcncentren verlaufen. Sie dringt in die Vertiefungen zwischen den
einzelnen Abschnitten ein und setzt sich beim Bestehen von Windungen
in die Tiefe der Sulci fort. Vom grossen Gehirnschlitze aus sendet sie
gefässreiche Convolute (Adergeflechte) ins Innere der Seiten Ventrikel
des Vorderhirns, üeber den Sinus rhomboYdalis des Nachhirns er-
streckt sie sich dachförmig hinweg, bei Selachiern in regelmässiger
Wölbung durch gefaltete abwärts ragende Querleisten /ausgezeichnet.
Bei Fischen und Amphibien ist sie häuflg dunkel pigmentirt, bei letz-
teren an gewissen Stellen durch Ablagerungen mikroskopischer Kalk-
krystalle ausgezeichnet.
Die grösste Mannichfaltigkeit bietet die ArachnoYdca. Bei
Peripherisches Nervensystem. 535
Fischen erscheint sie, so lange das Hirn die Schädelhöble ausfüllt, als
eine dünne Bindegewebsschicbte, die kaum den Namen einer Membran
verdient, da sie mit Pia wie mit Dura mater gleich innig zusammen-
hängt. Mit der Entstehung eines weiteren Raumes zwischen Hirn und
Schädelw^and geht aus janem ioterstitielleo Gewebe entweder ein die
Dura mit der Pia verbindendes, zuweilen sehniges Netzwerk hervor,
dessen Räume mit Lymphe gefüllt sind (Squatina) oder es wandelt
sich in Galiertgewebe um (Seymnus] , oder lässt Fettzellen entstehen
(viele Teleostier). Die höheren Wirbelthiere zeigen die ArachnoYdea
meist ais zarte Bindegewebsschichte, die bei den Saugethieren in der
vom Menschen bekannten Differenzirung erscheint.
B. Peripherisches Nervensystem.
§ 356.
Die im Körper verlaufenden Nerven gehen aus den als Gehirn und
Rückenmark geschilderten Centralorganen hervor, und wo diese peri-
pherischen Nerven von besonderen, vom Gehirn und Rückenmark ab-
gelösten Gentren zu entspringen scheinen, besteht nicht minder mit
ersteren ein oontinuirlicher Zusammenhang, welcher durch die Verbin-
dung jener abgelösten Centren oder Ganglien mit dem Gehirne oder
Rückenmark zu Stande kommt. >
Die nur durch ganz allmählich sich äussernde Modißcationen alte-
rirte Gleichartigkeit des Rückenmarks in seiner ganzen Länge ist von
einem für die dort entspringenden Nerven gerade die wesentlichsten
Verhaltnisse betreffenden hohen Grad der Uehereinstimmung begleitet.
Am Gehirn dagegen wird die Gleichartigkeit sowohl durch die Differen-
zirung dieses Organes, wie auch durch die Coniplication der dem
Schädel verbundenen Theile aufgehoben, und ebenso durch das Auf-
treten specifischer Sinnesorgane niodificirt. Somit wiederholt sich am
peripherischen Nervensystem, was bereits vom centralen gesagt ward,
und ebenso für die dieses umschliessenden Organe, Rückgrat und
Schädel, gilt.
Hiemach unterscheiden sich Rückenmarksnerven und Himnerven,
die noch bei den Acrania gleichartig sind. Nur ein vorderer stärkerer
Stamm ist bei Amphioxus durch seinen Verlauf wie durch reichere
Verästelung am vorderen Körperende ausgezeichnet. Er ist wohl einem
der Himnerven der höheren Wirbelthiere vergleichbar, doch muss hie-
bei beachtet werden, dass in der Gesammtorganisation des Amphioxus
den Granioten gegenüber der Zustand der Indifferenz^ gegel)en ist. Die
übrigen Nerven des Medullarrohrs [jene für Riechgrube und Auge aus*
genommen) bieten das Verhalten von Rückenmarksnerven dar.
536 Wirbellhiere.
a) Rücken mark sncr VC II.
§ 357.
Die zuerst in der Bildung von Ur^irbehi auftretende Gliederung
des Wirhclihierkörpers Uussert sich nicht minder in dem Verhalten der
Rürkönniarksnerven und ihrer Vertheilung. Je einem Wirbelabschniltc
entspricht ein Neryenpaar. Jeder dieser Nerven kommt durch die Ver-
einigung von zwei von den Seitenhalften des Rückenmarks austreten-
den Nervenwurzeln zu Stande. Die obere oder sensible Wurzel bildet
vor ihrer Vereinigung mit der unteren oder motorischen ein Ganglion,
und die daraus hervortretenden Fasern vermischen sich mit der un-
teren, uro den Stamm eines Spinalnerven herzustellen. Bei den Sc-
lachiern treten untere wie obere Wurzeln getrennt durch besondere
Oeflhungen des Rückgratcanals. In der Regel verlassen die Nerven den
Rückgratcanal zwischen zwei Bogen.
Jeder Spinalnerv theilt sich in zwei Hauptäste, deren einer nach
oben tritt (Ramus dorsalis) , Muskulatur und Haut des Rückens ver-
sorgend, ein anderer (Ramus ventralis) sich an die Seitentheilc und
die Bauchwand des Körpers begibt und einen Ramus visceralis zu den
Eingeweiden entsendet. Dieser letztere stellt die Verbindung des so-
genannten sympathischen Nervensystems mit dem cerebrospinalen her.
Bei den Fischen treffen die Spinalnerven immer auf ein Ligamen-
tum intermusculare. Sie folgen genau der Metamerie des Leibes, und
dieses Verhallen besteht da fort, wo die Metameren gieichm^ssige Ver-
h<iltnisse bewahren.
Die Stärke der Nerven entspricht der Ausbildung der von ihnen
versorgten Thoile, Mit dem Auftreten von Extremitäten erlangen die
Rami ventrales der betreffenden Abschnitte eine besondere SUItiLe, und
dann bildet eine Anzahl Rami ventrales vorderer Spinalnerven {Cer\i-
calnerven) ein Geflechte (Plexus brachialis) , aus W(>lchem die Nerven
der vorderen Extremität sich ablösen, sowie aus weiter nach hinten
vor dem Becken oder im Becken gebildeten Geflechten (z. B. Plexus
lumbalis, Plexus sacralis) die Nerven der hinteren Extremität hervor-
gehen. Diese Gcflechtbildungcn sind auf die typische Verbindung
benachbarter Spinalnerven unter sich zurückzuführen, von der sie Wei-
terbildungen vorstellen.
Die für die Glied maassen bestimmten Nerven bilden erst von den
Amphibien an bedeutende Geflechte. Drei bis vier Nerven bilden den
Plexus brachialis der Amphibien (bei Fröschen der 2. , 3. und 4.
Spinalnerv». Bei 'den Reptilien wird der Plexus brachialis meist aus
dem G. — 9. Cervicalnervcn zusammengesetzt, der 7. — 10. bildet ihn
bei Monitor, und beim Alligator komn)l noch der erste Thoracalnerv
hinzu. Die Vögel zeigen ihn aus dem letzten Gervical- und ersten
Thoracalnerv oder aus dem 14. und 12. Cervical- oder 1 — 2. Thoracal-
B. 'Peripherisches Nervensystem. 537
nerv gebildet. Bei den Stagelhieron betheiligen sich die 3, 4 oder
5 ietslHi Gervicalnerven und der erste, zuweilen auch noch der sweite
Tboracalnerv an der Plexusbildung.
Die für die Hinterextremitflten bestimmten Nerven gehen bei den
Amphibien aus einem meist durch drei Nerven gebildeten Geflechte
hervor. Ein daraus entstehender vorderer Nerv bildet den Nervus
cruralis, ein um vieles stärkerer , weiter nach hinten aus fast allen
in den Plexus eingehenden Ramis sich zusammensetzender Nerv stellt
den ischladicus vor, welcher auch bei den h<$heren Wirbeithieren den
Hanptnerv der Extremität bildet.*
Gesonderter erscheinen Plexus cruralis und Mexus ischladicus bei
den Reptilien und VOgeln. Bei ersteren gelien meist 4 Nerven in diese
Geflechte ein Fig. 497). Die Vogel bieten zumeist 6 — 8 grOsstenthells
für den Ischiadicus bestimmte Nerven (Pig. 198), während er bei den
Saugelhieren aus einer viel geringeren Zahl sich zusammensetzt.
b) U i rn u e r V e II.
§ 358.
Die vom Gehirn entspringenden, von der l)csch reihenden Anatomie
meist einfach der Reibe nach aufgeführten Nerven sondern sich bei
vergleichender Prüfung nach wiöhtigen anatomischen Verhaltnissen in
zwei scharf getrennte Abtheilungen. Die eine grössere hegreift mehr
oder minder mit Spinalnerven übereinkommende oder doch von solchen
ableitbare Nerven, die andere dagegen solche, welche auch nicht die
geringste Aehnlichkeit mit Spinalnerven besitften.
Die letzlere Abtheiiung umfasst zwei spezifische Sinnesnerven, den
Olfactorius und den Opticus.
Der Olfactorius wird aus einem Gomplexe von Nervenfadchen
gebildet, die aus dem vorderen Ende des beim Gehirn behandelten
Lohas olfactorius entspringen, und in der Riechschleimhaut ihre Ver-
breitung nehmen. Je nach der Lageruhg des Lobus in grüsserei* oder
geringerer Ntfhe der letzteren setzen diese Nerven jederseits einen Stamm
zusammen (wie bei vielen Fischen, auch bei Amphibien, Reptilien und
Vögeln, unter den Süugethioren bei den Monotremen] , oder sie ver-
lassen einzeln die SchüdelbOhle, indem sie eine Lamina cribrosa durch-
bohren (Selachier und SSugethiere^
Der aus dem Zwischen- und Mittelhim stammende Opticus bildet
sich mit einem Theile des Auges aus einer vom primitiven Vorderhirn
aus entstehenden Blase, der Augenblase, deren Stiel er vorstellt. Nach
Differenzlrung der Vorderhirn blase ist er mit dem Zwischen- und Mittel -
hirfi in Zusammenhang.
Bei den Cyclostomen verläuft der Opticus jeder Seite zum be-
treffenden Auge, und nur dicht an der Austrittsstello ist eine Verbindung
538 Wirbelthiere.
zwischen den beiderseitigen Nerven äu erkennen. Bei den Gnatho-
siomen dagegen ist eine grössere Strecke des Opticus an der Hirnbasis
gesondert, woraus an einer Stelle eine Durchkreuxung der Fasern
ersichtlich wird. Die bis zu dieser Stelle (dem Ghiasnna) verlaufenden
Faserstränge stellen den Tractus N. optici vor. Die Kreuzung ist eine
vollständige bei den Knochenfischen : Der Opticus des rechten Auges
tritt zum linken, der des linken zum rechten, indem der eine über
oder unter dem andern hinwegläuft. Seltener tritt der eine Opticus
durch eine Spalttf des andern (Clupea). Bei Selachiern und GanoYden
scheint eine theilweise Kreuzung vorzukommen, und so verhalten sieb
auch im Allgemeinen die höheren Wirbelthiere.
Wie beide Sinnesnerven keinen einzigen der für die Spinalnerven
aufgeführten Charaktere erkennen lassen, sind sie auch nicht auf Meta-
meren beziehbar, wie sie denn auch jenem Theile des Craniums zu-
gehören, der nicht aus der Goncrescenz von Wirbelsegroenten aUeitbar
ist (vergl. § 309). Damit empfängt die Vermuthung Wahrscheinlichkeit,
dass jene Nerven sammt den ihnen zugehörigen Organen aus einem
der Metamerenbildung noch entbehrenden niedern Zustand in den
Wirbelthiertypus mit übergingen.
§ 359.
Die zweite Abtheilung umfasst die nach dem Typus der Spinal-
nerven sich verhaltenden Nerven. Sie lassen zum Theile zwei Wurzela
unterscheiden ; ihr Ramus dorsalis ist häufig in Zusammenbang mit
dem unansehnlichen Verbreitungsbezirke sehr gering entwickelt. Der
Ramus ventralis ist dadurch der Hauptast, der an den Bogen des Vis-
ceralskolets und deren Abkömmlingen sich verzweigt. Der Ramus vis-
ceralis tritt zur Schi und wand. Die hieher gehörigen Nerven treten
(mit einer einzigen Ausnahme) aus dem als Nachhirn bezeichneten
Abschnitte des Gehirns hervor und verlassen die Schädeihöhle , indem
sie die oben (§ 309] als vertebralen Theil unterschiedene Partie des
Craniums durchsetzen. Während diese Verhältnisse an den dem primi-
tiven Zustande am nächsten stehenden Kopfnerven der Selachier am
vollständigsten sich erkennen lassen, treten um so bedeutendere Ver-
änderungen ein, je weiter der Organismus von jener tiefen Stufe em-
porstieg oder doch in andrer Richtung sich difierenzirte.
An den einzelnen Nerven , d. h. so wie sie als mit Spinalnerven
homodynam den Kopfnerven zu Grunde/ liegend aufzufassen sind,
nehmen wir verschiedene 'besondere Erscheinungen wahr.
Einzelne Aeste eines Nerven erscheinen im Uebcrgewichte über
andere, die dagegen rückgebildet sind, oder die Wurzeln eines Nerven
bieten, eine selbständige Bahn einschlagend, das Verhalten eigner Nerven.
Wie sich so ein Nerv aufgelöst hat, so ist andrerseits eine Concresoenz
von Nerven aufgetreten, so dass ursprüngliche NerveDcomplexa wie
ein einziger Nerv sich darstellen.
Peripherische» Nervensystem/ 539
Letzteres Verhalten zeigt sich an zwei Gruppen der vorsuftthrenden
Uimnerven, die nach den in ihren vorherrschenden Nerven als Trige-
minus- und Vagus-^Gruppe unterscbeidbar sind.
§ 360.
Die Trigeminusgrnppe versorgt den vordersten und grössten
Theil des Kopfes. Ihr gehören zu:
der Trigeminus, als bedeutendster Nerv der Gruppe, der, einer
machtigen Differenzirung des Endgebietes entsprechend , einem weiter
entfalteten Spinalnerven homolog ist. Unbestimmt ist, ob er nicht durch
Conerescenz zweier Nerven entstand , wofllr einige Thatsachen sprechen.
Als Ramus dorsalis besitzt er den Ramus ophtbalmicus der die
Orhita wie die EthmoYdalregion versorgt (Fig. 959. Tr'). Ein bei Tele-
ostiem vorkommender Schadelhöhlenast hat wohl gleichfalls als Ramus
dorsalis zu gelten.
Der Ramus maxillaris superior (fr") verläuft stets am Ro-
den der Orbita und verbreitet sich mit sensiblen Zweigen in der Ober-
kieferregion. Sein Infraorbitalast ist besonders bei Situgethieren der
bedeotendsle. Er steHt einen Ramus ventralis vor wie der Ramus
maxillaris inferior, der bei Selachiern sehr klar als Nerv des Kiefer-
bogens sich erkennen ISIsst [Tr'") , und dadurch als der bedeutendste
Abschnitt des Trigeminus erscheint. Seine Verbreitung geschieht zu den
Kiefermuskeln wie zum äussern Integumente und einem Abschnitte der
Mundhöhlenscbleimhaut (Ramus lingualis). Den Ramus intestinalis stellt
ein Ramus palatinus des zweiten Astes Vor, der bei Fischen direct zum
Gaumen tretend, bei höheren Wirbelthtoren erst nach Verbindung mit
einem sympathischen Ganglion (Ganglion sphenopalatinum) dorthin
gelangt.
Dem Trigeminus zugehörig und wie abgelöste Theile desselben sich
darstellend erscheinen die Augenmuskelnerven, namentlich O c u -
loDdotorius und Abducens, welche bei Petromyzon und Lepidosiren,
bei letzterem vollständig, bei ersteren wenigstens theilweise, durch Aeste
des Trigeminus vorgestellt sind. Auch bei Amphibien ist eine Ver-
bindung des Abducens mit dem Trigeminus beobachtet, und bei
andern soll auch der Trochlearis vom Trigeminus stammen (Saia-
niandra). In diesem Verhalten würde also die Fortdauer eines primitiven
Zustandes zu erkennen sein, der bei den tlbrigen Wirbelthieren in
grössere Selbständigkeit bezüglich des Austrittes und Verlaufes der
Nerven sich umänderte. Es bedarf Hber dieser Hypothese kaum, da ein
selbständiger Austritt einzelner Wurzeln von Spinalnerven eine bei Se-
lachiern verbreitete Thatsache ist , und der selbständige Verlauf zum mo-
torischen Endorgane — dem Muskel — aus der unmittelbaren Nähe der
letxtem an der Austrittsstelle der Nerven aus dem Granium eriLlArlich wird.
Der zweite der Trigeminusgruppe beizuzählende Nerv ist der
540 Wirbelthiere.
Faciaiifi mit dem Acusticus. Der letztere erscheint als ausschliess-
lich sensibler Ramus dorsalis eines Spinalnerven, und ist mit seinem
Endgebicte von dem nothwendig vorauszusetzenden ursprünglichen Niveau
auf der Kopfoberfläche in dem Maasse in die Tiefe gerückt, als das La-
byrinlhbläschen vom Integumenta sich abschnürte und in die Tiefe
der SchMdelwand eingetreten ist (vergl. unten über das Hörorgan).
Wenn dieses den ursprünglichen Verlauf eines Ramus dorsalis aufwärts
durch die Schddelwand voraussetzt, so harmonirt damit der Verlauf dor-
saler Aeste anderer Kopfnerven, selbst der Ramus ophthalmicus trigemini.
Der Facialis (Fig. 259. Fa) verhält sich aJs ein dem Zungenbein«
bogen angehdronder Ramus ventralis. Ausser der Muskulatur dieses Ab-
schnittes versoi^t er auch Hauttheile, ist somit anfänglich gemischter Natur.
Bei den Teleostiern geht er Verbindungen mit dem Trigeminus ein, und
schon bei manchen Haien verschmilzt er mit demselben. Ebenso er-
scheint er bei den ungeschwänzten Amphibien mit dem Trigeminus
vereinigt. Während er bei den Urodelcn wie bei den höhern Wirbel-
thieren sich selbständig erhält und bei den Säugethieren seine sensiblen
Elemente anscheinend eingebüsst hat. Hier empfängt er durch die
Ausbildung der Gesichtsmuskulatur ein bedeutenderes Verbreitungs-
gebiet , während sein Ramus stapedius . Ramus« digastricus und slylo-
hyo^]fdeus dem ursprünglichen Zungenboinbogen- Gebiete zugehören,
ebenso der Ramus auricularis. Als Ramus visceralis erscheint der bei
Fischen vorhandene Ramus palatinus, der bei den Säugern durch den
N. petrosus superficialis major vorgestellt wird, und durch das Ganglion
sphenopalatinum zur Muskulatur des Gaumensegels tritt.
Einen schon bei Fischen bestehenden Verbindungszweig des Facialis
mit dem dritten Aste des Trigeminus bildet die Chorda tympani.
§ 364.
In der Vagusgruppe bietet deren erster Nerv, der G los so-
pharyngcus, die einfachsten Befunde. Bei den Selachiern ist er
discret, und scheint auch bei den Teleostiern sich allgemein so xo
verhalten, dagegen veriässt er bei Chimären die Schadelhöhle mit dem
Vagus, mit welchem er auch bei Cyclostomen wie bei Lepidosiren ver-
bunden ist. Achnlich verhält es sich bei den Amphibien, indess er
bei den nmniotcn Wirbelthiereu in allgemeiner Selbständigkeit sich trilil.
Er l)esilzt bei Fischen (manche Haie) einen Ramus dorsalis, der im
Cranium emporsteigend sich oberflächlich verästelt. Der Uau|>tslamm
(Fig. ^59. Gp) erscheint damit als ventraler Ast, der längs des ersten
Kiemenbogens sich verbreiteX und als Ramus visceralis einen Ramus
pharyngeus zur Schlundwand schickt. Dieses Verhalten wird mit der
Umwandlung des ersten Kiemenbogens dahin modilicirt, dass der Ramus
pharyngeus mit dem in der Zungenschleimhaut endigenden Ramus
lingualis den Haupttheil des Nerven vorstellt.
Peripher weben Nerveos^sd
HU
An den Glosgopharyngfus reiht sich im Austritte nus dem Nackhirn
unmiltelbnr der Vagus an, dessen Beurtheilanji; die Kenalniss seines
einfechsten Verhaltens voninsselxt, wie es am vollstündigslen hei den
Haien zu eritennen ist (vergi. Fig. 259;. Dir Vagus wird hier von
Fig. «*.
Fig. 159. Kopfnunrn einrs Hai (HPianchu« (triaeiis.) R^chterM'iH Kind
iMimnitlicIie koptnerven in itir^n von obeo hör MCbUurnn B»hnfln Jarfceüldlt, tUe
SchUdelbOlilc ist (toOlTaet, elw^aM der Hückgrah^nsl , w dsos (ielurn und Riickiw-
mHrk blosliegeii. Uan rechte Ku^e ist mit seinen Muskeln rnlfernt. Links iiiit nur
daH Doch der Orbila wogi^enommen, sn das« diT Bulbus mtl den Muskeln sichlliar
i«!. Die leehLiseitige Laliyrindi- und Uccipitalrrgion des Cranjum.i ist his out das
Niveau der hier durchtrcteniten NehenslUnime nhReliagen. A Vordere Sehbdet-
lücke. N Nntcnkapsol. Bo Bulbus olbctorins. Tr' unter Ast dm TriReminua.
a EndsweiK desselben aul der BUimoidalregion. Tt" Zweittr Aat. Tr'" Dritter
Ast. tr Troelilearis. t'a Faninli». Gp nlos<H)pliar\ngeu-i. Vg Vagus. C R*n)U!<
Ifllersll''. J Rnmiis inteslinnlis. <is Muse, ohiiq. ne. sup. H M. rectu« inlenins.
rr M. rectus extemus. rt M. rnctoa superior. .1 Sprililoch. Pq Palainquadralum.
Hm Hyomandtbubre. T KiMneaalrahlen, 1 — S Kiemen bogen, br' — br" Kiaman.
542 Wirbelthlere.
einer grossen Anzahl discret vom Nachhirn bis ziemh'ch weit hinter
der Rautengrube hervortretender Wurzeln zusammengesetzt, von denen
die vordem dicht hinter dem Glossopharyngeus austretenden die starkem
sind. Daran schliessen sich nach hinten zu immer schwächere an,
die in demselben Maasse an der Austrittsstelle weiter von einander
entfernt sind. Die letztem sammeln sich nach vorne verlaufend zu
einem den vordem sich anfügenden Stämmchen. Der hieraus gebildete
gemeinsame Stamm veriasst die Schädeihöhle in schräg nach hinten
und aussen gerichtetem Verlaufe und sendet auf dem Wege einen un-
ansehnlichen Ramus dorsalis zur Occipitalregton empor.
Aus dem Cranium getreten theilt sich der Vagusstamm an die
Kiemen, indem er auf den Doi*salg1iedern der Kiemenbogen verlaufend
eine der Zahl der Kiemenbogen entsprechende Zahl von Kiemenästen
abgehen lässt (Fig. 259. 2—6). Der erste Kiemenast verläuft zum
zweiten Kiemenbogen und sendet noch einen feinen Zweig zum ersten.
Darin kommen die Rami branchiales des Vagus mit dem Glossopharyn-
geus wie mit dem Facialis ttberein^ die gleichfalls je zu dem nächst vor-
hergehenden Bogen feine Zweige entsenden (vergl. Fig. 259). An der
Theilungsstelie des Kiemenastes tritt ein Ramus pharyngeus ab, was
sich gleichmässig für sämmtiiche Rami branchiales wiederholt. Die
Fortsetzung des die Kiemenäste abgebenden Vagusstammes tritt als
Ramus intestinalis [J] auf den Darmcanal und verzweigt sidi auf
Schlund und Magen, gibt auch Aeste zum Herzen ab. Vor der Abgabe
der Kiemenäste geht vom Vagusstamme ein ansehnlicher Ast dorsal-
wärts nach hinten , der als Ramus lateralis (L) längs der Seitenlinie des
Körpers an die Haut sich verzweigt und bis zum Schwänze verläuft.
Während die den geschilderten Vagusstamm zusammensetzenden
Nervenwurzeln in einer Reihe das Nachhira verlassen, treten dem
Vagus n^^ andere Wurzeln zu, die unterhalb der voiigenannten als
höchstens fünf, meist nur 3 oder 2 Fädchen aus dem Nachhirn aus-
treten, und jedes durch einen besonderen Canal in der Schädelwand,
nach aussen gelangen. Sie sollen mit dem Vagus verschmelzen, und
können als untere Vaguswurzeln bezeichnet werden, während die vor-
benannten obere sind. Die Austrittsöffnungen der unteien liegen in
gleicher Reihe mit den Austrittsöffuungen der untern
Wurzeln der Spinalnerven, die Austrittsstelle des Complexes der
obern Wurzeln liegt höher und fällt in eine Linie mit den Durch-
lässen für die oberen Wurzeln der Spinalnerven.
, § 362.
Aus den vorhin aufgeftlhrt^n Thatsachen ergibt sich für den ge-
summten Vagus die Auffassung als einesCompIexes zahl-
reicher mit Spinalnerven horoodynamer Nerven. Dafür
sprechen einntal die mehrfachen getrennt austretenden untern Wurzeln,
Peripherisches Nervensystem« 543 .
dann aber vorzttglicb die Verbreitung des aus den obern Wurzeln sieh
bildenden Stammes. Indem jeder Ramus branebiaiis des Vagus sieb
gleich verbttit einem Ramus ventralis eines Spinalner-
ven, indem ferner die von ihm versorgten Kiemenbogen als ur-
sprünglich dem Granium angehörige ventrale Bogen zu gelten haben
(vergl. § 393) und da endlich jeder der andern Visceralbogen (Kiefer-,
Zungenbein- und 4. Kiemenbogen ebenso von je einem Nerven ver-
sorgt werden wie ein Metamer des Ruropltheiles von einem Spinal-
nerven, so erscheint auch die Summe jener oberen Wurzeln des Vagus
als das Aequivalent einer Summe einzelner Nerven, deren Betrag
mindestens der Maximalzahl der von ihnen versorgten Kiemenbogen
entsprechen muss. Da Gründe zur Ausnahme bestehen, dass schon
bei den Seiacbiern eine bedeutende Rückbildung der Zahl ursprüng-
lich vorhandener Kiemen stattfand, wie ein solcher Voi^gang wenn auch
nur in kleinem Maasse noch innerhalb des Selachierstammes zu beob-
achten ist, so ist die Fortsetzung des Vagus auf eine Strecke des
Darmrohrs weniger aus einem Uebergreifen des Nerven- auf ein ihm
ursprünglich fremdes Gebiet, als aus dem Uebergange einer zuerst der
Kiemenspalten tragenden Wandung des Schlundes angehörigen Strecke
in einen ausschliesslich der Nahrungsaufnahme dienenden Abschnitt
des Tractus intestinalis zu erklaren. Auch für die Herztfste findet sich
eine Erklärung, sobald die Entstehung des Herzens zum Theile inner-
halb des vom Vagus versorgten Gebietes gewürdigt wird.
Was den Ramus lateralis betrifft, so erscheint in demselben ein
sensibler Ast des Vagus, der wohl erst allmählich mit der Ausdehnung
des von ihm versorgten Sinnesapparates der Seitenlinie sich in diesem
Maasse entfallet hat.
Im gesammten Vagus tritt, uns also, ganz ähnlich wie es oben in
kleinem Maassstabe für andere Nerven, z. B. den Facialis und Trige-
minas erweisbar war, eine Vereinigung von Nerven entgegen, die so-
wohl in ihrem Austritte, wie im peripherischen Verhalten noch die
Spuren eines ui*sprünglich discreten Bestandes erkennen lassen, und so
gelangt diese Auffassung des Vagus mit der Deutung des hinteren
Tbeiles des Craniums in engste Verbindung.
Die Erscheinung der Concrescenz discreter Nerven setzt sich am
Vagus der Selachier noch weiter fort, und hebt, indem bei den meisten
(z. B. bei allen Rochen) die einzelnen Wurzeln dichter an einander
treten, die Andeutungen einer Selbständigkeit auf, welches Verhalten
auch für die übrigen Fische vorwaltet.
Eine Umbildung einzelner Verhältnisse erleidet der Vagns bei
Teleostiern. Von den hinteren Wurzeln desselben sind nämlich einige
Fädchen mit einer unteren Wurzel zusammengetreten und bilden einen
besonderen das Granium separat vertassenden Nerven, der zu der Mus-
kulatur des Schultergürtels verlaufen soll. Dieser übrigens nur wenig
genau gekannte Nerv kommt weder den Seiacbiern noch den höheren
54 i VVirbelihiere.
Wirbelihieren zu, und kaon als Accessorius Weberi unterschieden
werden.
Das übrige peripherische Verhalten des Vagus kommt mit dem
oben geschilderten Uberein. Nur ein einem Theile der Teleosiier zu-
kommender Dorsalast des Vagus verdient £rw^hnung. Derselbe ver-
bindet sich mit einem aus dem Trigeminus kommenden Dorsalast
(R. recurrens) und verläuft von einzelnen Spinalnerven Vßrbinduogs-
zweige empfangend zur Basis der Rückenflosse.
§ 36:}.
Bei den Amphibien verblilt sich der Vagus für die Dauer des Be-
stehens der Kiemen in einer mit den Fischen Übereinkommenden Weise
und sendet sogar einen Ramus lateralis ab, der bei den Caducibranchiaten
nach Ruckbildung der Kiemen mit den Kiemenäslen gleiches Schicksal
theill.
Die amnioten Wirbeltliiere besitzen den Vagus nur aus dem vor-
deren Abschnitte der bei den Selachiern als obere Wurzeln ^sciirie-
benen Reihe, und der daraus gebildete Stamm nimmt seine Veribeilung
an dem Trnctus intestinalis bis zum Magen herab, nachdem .durch den
Mangel von Kiemen die Kiemenäate verschwinden, oder, was wob!
richtiger, theilweise in Rami pharyngei umgßbildet sind. Wie bei den
Fischen die aus dem Darmrohre diflerenzirte Schwimmblase Vagus-
zweige empfangt, so erlUllt auch der eine gleiche Genese besitzende
Athmungsapparat der Amphibien wie der Amnioten Nerven vom Vagus^
von denen sich einzelne mit der Ausbildung eines Kehlkopfes und •
seiner Muskulatur zu constanten Zweigen gestalten. Auch die Be-
ziehungen zum Herzen erhalten sich fort, da aber sowohl letzteres als
auclk das Endgebiet des Vagus am Hagen wie an den Lungen viel
weiter als bei den Anamnia vom Kopfe sich entfernt hat, so wird da-
durch der Verlauf des Vagus beeinilusst, der jenen LageveTiloderungen
sich anpassend einen langen Nervenstamm reprSisentirt.
her hintere Abschnitt der bei Selachiern in den Vagus eingehen-
den Wurzeln schliesst sich bei den Amnioten zu einem Nervenstämm'
chen zusammen, das als Accessorius Willisii bezeichnet, theil-
weise mit dem Vagus sich verbindet, theilweise in Muskeln des Sobulter-
gttrtels ti'itt. Die den Nerven bildenden Wurzelßlden raicben mit ihrem
Ursprünge aus der Medulla besonders bei Süugethieren weit nach hinten,
zwischen die Austrittsstelle der oberen und unteren Wurzelreihen ^on
Spinalnerven gelagert, und zwar bis zum 6. oder 7. hinab.
Endlich formiren auch die unteren Wurzeln des Vagus «-Gebietes
bei den Axnnioten 4Mnen besonderen Nervenstamm, den HypogJossus,
>der die Maskelo der Zunge versoiigt. Von seinem prinutiven Verhallen
behult er die Zusanmiensetzung aus mejiu^eren und zwar getrennt aus
dem Schiidel tretenden WurzelHiden bei, die auch noch bei SHuk«^
thieren zu zweien sich vorfinden. Somit triBl sich also füi* den un-
B. Peripherisches Nenreosystein. 545
leren aus dem Nachhini austretenden Nervencomplex die gWSaste Summe
von Umgestaltungen. Aus einer den urspiüDglichen Rieihenbogen entr-
sprecfaenden Ansahl von discreten Nerven entstanden, erscheint er
noch am indifferentesten bei den Selachiem, sondert bei Teleostiem
einen hintern Abschnitt als besonderen Nerven ab, indess bei den höheren
Wirbelthieren (Amniotaj aus jenem Complex drei verschiedene Nerven
gebildet werden.
c) Eingeweidenervensysiem.
§ 364.
Die bei den Spinal- und €erebralnerven erwähnten Rami visce-
rales bilden die cerebrospinalen Wurzeln des sympathischen oder
Eingeweidenervensystems. Nach dem Abgange aus den Cerebrospinal-
nerven stehen jene Eingeweideäste meist durch eine längs der Wirbel-
säule verlaufende, auch an die Schädelbasis sich fortsetzende Commissur
jederseits unter sich in Verbindung, wodurch der Grenzstrang des
Sympalhicus zu Stande kommt. An den Verbindungssteilen desselben
mit den Rami viscerales der Cerebrospinalnerven finden sich Ganglien,
die Ganglien des Grenzstranges, und von da aus setzen sich die aus
den dem Sympathicus eigenen Fasern und Cerebrospinalfasern bestehen-
den Nerven zu ihren Verbreitungsbezirken fort. Die einzelnen, sei es
direct zu den Eingeweiden tretenden, sei es erst den Grenzstrang
durchsetzenden Nerven, sammeln sich meist in grossere für die Haupt-
abschnitte der Eingeweide bestimmte Stämme, die als N. cardiaci,
splanchnici etc. bekannt sind. Sie bilden feiche Geflechte, in welche
wiederum zahlreiche Ganglien sich einlagern, wie denn auch verein-
zelte Ganglienzellen vielfach in den Verlauf der sympathischen Nerven-
' bahnen eingeschaltet sind.
Die Verbreitung dieser Geflechte findet am Darmrohr und allen
aus demselben hervorgehenden Organen, sowie am Gefiisssystem und
den Urogenitalorganen statt.
Den Acrania scheint dieser Theil des Nervensystems zu fehlen,
und unter den Cycfostomen wird er bei den MyxinoYden vermisst, wo
der Vagus wenigstens das Darmgebiet des Sympathicus versorgen soll.
Von den Fischen an besteht dagegen allgemeine Verbreitung, wenn
auch mit zahlreichen Modificationen der Ausdehnung und des Verlaufs des
Grenzstranges, sowie der aus dessen Ganglien zum Verbreitungsbezirke
abgehenden Nerven.
Sümesorgane.
§ 365.
Die Anordnung und der Bau der Sinnesorgane lassen im Allge-
meinen ahnliche Zustände wie hei vielen wirbellosen Thieren erkennen,
allein diese Apparate bieten so viel Besonderes, dass eine unmittel-
0«g«Bbaar, Onin4riM. 85
546 Wirbelihiere.
bare Anknüpfung an die Sinnesorgane Jener vornehmlich (Ur die Organe
der höheren Sinne nicht gerechlfertigl ist.
FUr aJIe gemeinsam besteben Difierenzirungen des lniegum«iles,
die sich mit Nerven in Zusammenhang setzen. Die Art der Belheiligung
des Integumeutes ist nach der Qualität des Organes versdiieden. Hau
unterscheidet die Sinnesorgane in solche, welche einer specifischen
Wahrnehmung vorstehen, als höhere Sinnesorgane, und in solche,
welche indifferenterer Natur verschiedenartigen WabmehmungeD
zu dienen scheinen, die man sämmtlich dem GefUhlsinne unterstem.
Da unter den nicht zu den bekannten spe-
f g seo ciBschen Sinnesorganen zu z&hlenden Apparaten
manche durch eine hochgradige Difierenzirong
sich auszeichnen , ohne dass die Binrichluiigen
erlaubten, sie als einfach dem »Tastsinm die-
nende Organe anzusehen, ist es nicht ungerecht-
fertigt, ausser den bekannten noch andere spe-
cifische Sinnesorgane anzunehmen.
Die grOsste Mannichfaltigkeit der hieher be-
zt^lichen Organe wallet bei den Fischen, und
scheint mit dem Leben im Wasser in Zusammen-
hang zu sieben, da manche dieser Einrichtungen
auch bei Amphibien wiederkehren. Als die
wichtigsten Organe dieser Art sind folgende auf-
zuführen :
1. Becherförmige Organe. In die
F.pidermis schichte eingebettete , grössere , von
langen , wie es scheint contractilen Zellen uni-
" gelrene Gebilde, welche stäbchenförmige End-
apparale von Nerven beiden , sind in der Haut
von Teleostiem und vom Stör beobachtet und scheinen auch bei
Amphibien verbreitet zu sein. Auch am Kopfe von Reptilien kommen
sie vor.
i. Schleimcanale. Ein am Kopfe von Fischen in regelraüssiger
Form sich verzweigendes Bohrensyslem verlauft in der Lederhaul und
öffnet sich an bestimmten Stellen mit Seilenzweigen nach aussen.
Nahe der Mündung enthalt die AOhre den Endapparat eines Nerven-
Zweiges. In gleichem Verhalten vom Kopfe aus erstreckt sich ein Csoal
längs der Seite des Körpers bis zum Schwänze. Sowohl an dieser
Seitenlinie wie amKopftheile des Röhrensyslems erhalten die Nerven-
endigungen bei GanoYden und Teleostiem einen vom Hautskelete ge-
lieferten Schutzapparat, indem sie entweder in modificirte Schuppen
Fig. 960. Becherformigo Organe aus der Gaumensch leim baut von Tinea,
n Die Lamellen der Lederhaut durch setzen de Nervenbündel, welche lu den Jo der
Epidermis gelagerlen , von Papillen gelragenen Bechern b treten. Von dfesm i»
nnr die HuHsere aus langen Zellen gebildete Partie dargestellt. (Nach H. ScNutuJ
Sinnesorgane. 547
eingebettet sind oder sogar auf Strecken in den grossem Deckknochen
des Kopfes sich bergen. Sie worden früher für einen schleimabson-
dersden Apparat gehalten. Von diesen Organen sind bei Amphibien-
larven Sparen beobachtet, welche später verschwinden.
d. Gallert röhren. Verschieden lange mit einer Gallerte ge-
füllte dünnwandige Röhren münden mit feinen Oeffnungen aus, und tragen
am entgegengesetxten Ende in einer amputlenartigen mannichfaltig gestal^
teten Erweiterung gleichfalls Nervenendigungen. Diese Organe sind am
Kopfe der Selachier in grosser Menge verbreitet, meist in die Nähe des
Rostrums gelagert, aber auch an entfernte Theile verlaufend; so sind
sie z. B. bei den Rochen bis über die Brustflosse erstreckt (Fig. 847. /] .
Bei den höheren Wirbelthieren erscheinen die Nervenendigungen
im Integumente, soweit sie bis jetzt bekannt, mit minderen Compli-
cationen, wie z. B. in den in den Cutispapillen gelagerten Tastkörper-
chen der Säugethiere.
Modificationen verschiedener KOrpertheile in Verbindung mit Aus-
bildung der dem bezüglichen Integumentüberzuge zukommenden End-
organe der sensiblen Nerven lassen besondere als Tastorgane fun-
girende Apparate entstehen. Die einzelnen Vorrichtungen dieser Art
sind ausserordentlich mannicbfacb, und gehören zu den aus speciellen
Anpassungen entstandenen Bildungen, daher sie nur kurz zu erwähnen
sind. Bei den Fischen werden solche Organe durch die bei vielen in
der Nähe des Mundes stehenden »Bartelm vorgestellt, die jedoch sicher-
lich ebenso gut als Lockorgane fungiren. Sie finden sich bei StOren,
Welsen, manchen CyprinoYden etc. Bei den Triglen fungiren einige
von den Brustflossen abgelöste nervenreidie Strahlen vorzugsweise als
Tastorgane. Bei den Vogeln hat der Tastsinn nicht selten seinen Sitz
in der weichen Spitze des Schnabels ; so bei den Schnepfen, Enten etc.
Dann finden wir bei den Säugethieren als Tastapparate steife, borsten-
ähnliche, an der Oberlippe oder auch über den Augen stehende Haare,
die nicht allein beträchtlich verlängert sind, sondern auch durch den
Nervenreichthum ihrer Follikel vor den übrigen Haarbildungen sich
auszeichnen. Endlich dienen bei vielen Säugethieren die Gliedmaassen
selbst sowohl durch den Nervenreichthum ihrer Volar- und Plantar-
fldobe, als durch die Beweglichkeit ihrer Endglieder zu solchen Vor-
richtungen.
§ 366.
Da der Geschmackssinn sich unserer Beurtheiiang in dem Maasse
entzieht, als ein Organismus dem menschlichen entfernt steht, wird
über Geschmacksorgane der meisten Wirbelthiere mit wenig
Sicberfaeit zu urtheilen aein. Es können daher nur im Allgemeinen
die in der Mundschleimhaut gelegenen Endorgane von Nerven als solche
Organe angenommen werden. Diese bieten bei Fischen nichts Spezi-
fisches dar, sind vielmehr mit den auch im äussern Integumente ver-
«5»
548 Wirbelthiero.
breiteten becherförmigen Organen in Uebereinstimmung , was aus der
Genese der Mundhöhle leicht begreiflich wird. Am genausten sind sie
von der Gaumenregion bekannt (vergl. Fig. 260), an der bei den Gypri—
noYden die Schleimhaut mit reichen Muskelfasern durchwebt ist. Bei deo
Amphibien erscheint die Zunge als der vorzugsweise Sitz jener Gebilde
die man auch als »Schmeckbecher« bezeichnet hat, und wenn die Zunge
bei Reptilien und Vögeln in der Regel jenen Beziehungen entfremdet
erscheint, so findet sie sich doch wieder bei den Sfiugethieren mit
denselben Schmeckbechem ausgestattet, die an den Seitenflächen der
Papulae circumvallatae angebracht sind.
Riechorgane.
§ 367.
Riechorgane treten bei allen Wirbelthieren als flache, am Kopfe
gelegene Gruben auf, in denen der Olfactorius mittels stäbchenförmiger
Rndapparate vom umgebenden Medium Erregungen zu empfangen im
Stande ist. Es ist also eine difierenzirte Strecke des Integumentes,
welche das Sinnesorgan vorstellt. Wenn wir auch bei den im Wasser
Lebenden — Fischen und Amphibien — keineswegs im Stande sind,
diesen Gebilden genau dieselbe Function zuzuschreiben, die sie bei
den in dem anderen Medium lebenden nachweisbar besitzen, so muss
es doch gestattet sein, sie wenigstens mit dem Namen jener Organe
zu bezeichnen, da wir sie in continuirlicher Folge zu den complicir-
teren, bestimmt Geruchswahmehmungen dienenden Organen der höheren
Wirbelthiere übergehen sehen.
Bei den Leptocardiern ist jene Riechgrube unpaar (Monorhina).
Ebenso erscheint das Organ bei den Cyclostomen, jedoch in einen
tieferen Schlauch (Fig. 24 4. g') umgewandelt, der bei Petromyzon blind
geendigt {gr) , bei den MyxinoYden in einen den Gaumen durchbohren-
den Canal umgestaltet ist, dessen Wandungen ein durch Knorpdrioge
gebildetes Rohr stutzt. Die Uhrigen Wirbelthiere (Amphirhina) be-
sitzen paarige Riechgruben. Bei den Fischen bleiben sie meist in
diesem Zustande bestehen oder erscheinen nur wenig vertieft. Vom
Rande her ragen bei den Selachiern zwei Fortsätze einander entgegen,
durch welche die ursprunglich einfache Oeffnung in eine ein- und
eine ausleitende zerlegt wird. Die Knochenfische zeigen dies Verhtfltniss
noch weiter gestaltet, indem Über die Grube eine continuirliohe Haat-
brücke gespannt ist, und beide somit völlig getrennte OeShungen zu-
weilen sogar weit auseioander rücken können. Beide Oeffnungen, am
häufigsten die vordere , können röhrenförmig vorspringen. Die aus-
kleidende Schleimhaut bildet bald radiäre bald parallele Falten, welche
mit secundären Faltchen eine beträchtliche Oberflächenvergrösserung
hervorrufen. Die gesammte Fläche nimmt die Endigungen des Riech-
Klechorgane. 549-
DervBD auf. In «ioer andern Hodilication erstreckt sich die Riech-
scbleimbant dber eine papillenartige Vorragung, wobei unter Entfaltung
der Oberflacbenvei^rtlsaening nach aussen bin, die Grubenbildung
aufgehoben wird.
Viele Selachicr und die CbimSren besitteii eine Verbindung der
Riecbgnibe mit der HundOffnung, indem eine von ersterer ausgehende
Biane (Nasenrinne) zum Hundwinkel fuhrt (Fig. S61]. Die Rinne
wird häufig von einer medialen Hautfalte überlagert, und gestaltet
sich nidit seilen zu einem tieferen
Canale (Rochen). In dieser Einrieb- • „
lung eiteonen wir einen Schrittt zu
dem Verbalten der übrigen Wirbel-
tbiere, deren Riechgniben nur wahrend
einer frühen Embryonalperiode ober-
Oächlich gelagert sind. Die "bei den
Pischen bleibende Einrichtung gebt hier
vorüber, und ein wahrend der Weiter-
entwickelung sich abspielender Process
lasst die Riechgniben in die Tiefe Ire-
leo. Dies geschieht durch bedeuten-
des Wachslhum der die Gruben me-
dial, vorne und lateral begrenzenden Theile, und indem auch die
Rander der Nasenrione gegeneinander wachsen, entsteht ein Canal, der
von der Riecbgnibe, und damit von aussen nach innen zur primitiven
HnndhObte fahrt, und hinter dem nunmehr von neuen Theilen gebil-
deten Kieferrande sich flflhet.
Dieses Verhalten repi^sentiren die Dipnol und die Amphibien.
Die innere Oeffnung des Nasencanals liegt bei den ersteren wie bei
den Perennibrancbiaten sogar noch innerhalb des weichen Hundrandes.
Bei den Salamandrinen und bei den Anuren ist sie von festm Kiefer-
Iheilen umgrenzt.
Die primitive Riechgrube selbst ist mit der Bildung eines Nasen-
canals in die Tiefe einer Hohle gerückt, die als eine Ausbuchtung des
Canals erscheint, und durch diesen sowohl nach aussen als nach innen
communicirt. Die Flache der Riecbgnibe complicirt sich dabei durch
Bildung von VorsprUngen, welche vom Knorpel der ElhmoTdalregion eine
Stütze erhallen, die Nasen muscheln. Bei den Amnioten kommen fernere
Complicationen zum Vorschein durch welche der obere Theil der primi-
tiven Hundhflhie zu einem die Riechgrube aufnehmenden Räume sich ge-
staltet, in dessen oberem Abschnitte die Riech schleim haut ausgebreitet
ist. Die den Endapparst des Olfactorius tragende Schlei mhautflacbe
ist bei den meisten Saugethieren durch gelbliche oder braunliche Fftrbung
Pig, Ht. ÜDler« Fluche des Koptes von Scyllium. m Hundspalle. oEln-
Hsne lor Hiechgmbe. n Nasenklappe In utUrlicber Lage, n' Aufgescb lagen«
Nasenklappe. r NuenriDOe, Die Puncto stelIeD HUndnogen der Schlelmcaneie vor.
ft50
Wirbelthiei
cbarakterisirt. Die primitivo Biecbgrube isl dabei nichl mcbr als deul-
iieh ahgegrenites Organ unterscheidbar , so dass die neue Einrichlung
der Nasenhöhle am besten bei jenem Appar<tte betrachlel wird, dem
sie ihre Entstehung verdankt, der HundhQhle.
Sehorgone.
§ 368.
Das Auge der Wirbellbicre erscheint im WcsenlUchslen auT ähn-
liche Weise gebaut wie bei höher entwickelten Abtheiltingen niederer
Tbiere, allein schon in der Oati^enie des Organes spricht sieb ein
anderer Typus aus, der nicht minder in den feineren Slructurverhall-
nissen wiederkehrt. Wir bal>en deshalb keine unniillelbarc Verknüpfung
mit den relativ ausgebildeten Zustünden des Sehorganes anderer Thier-
stämme, treffen dagegen in der niederen Form des Auges von Amphi-
osus Verkntlpfungen mit den bei Würmern bestehenden Verhülinisscn.
Jenes Auge erscheint als ein unmittelbar dem centralen Nervensystem
aufgelagerter Pigmentfleck.
An der Zusammensetzung des Auges bctheitigt sieb sowohl das.
centrale Nervensystem als das Integument. Ersteres lässt die lichi-
percipirenden, leliteres die licbtbrechenden Apparate hervorgeben, Ais
erste Anlage des Auges erscheint eine seitlich vom Vorderhirn sich
entwickelnde Ausbucb-
Fig. S6i. tung (Fig. 262. A. a],
die sich zu einer durch
einen Stiel {b] mit der
Hirnanlage [c] zusam-
menhitngenden Blase ge-
staltet. Indem diese
■primitive Augenblasei
gegen das Integument
verwuchst, tritt sie mit
letzterem zusammen und
von dem die Epidermis-
schichte reprasentiren-
den Hornblatte des Integumentes beginnt eine Wucbemng, welche die
vordere Wand der Blase gegen die hintere einstülpt (Fig. 268. B). In
gleicher Weise wilchsl unter dieser Wucherung von der Anlage des
Corium her gegen die Augcnblasc ein Fortsatz , welcher auch deren
Flg. 161. Ä Senkrechter QuerschniU durch die KopfMlage etno» Fisches.
c Gehirn, a Primitive Augcnblase. b Stiel derselben, durch den sie mildem
Uedultarrohr comniiinicirl. d Hautschiebte. B Späleres Stadium. BilduuK >i"
Mcundären Augenbiase, p Vordere Wand (Plpmeulschichte). r HiDtere Wind
(Relinaschichle) der primitiven Augeoblese. s Hornblatt (Epidernis! in die srcun-
dare Augenbiase die Linse 1 einseokend. Dehioter Gia^kttrper. (Nach S. Sciin.l
Sehorgane. 55(
seüUehe Wand mit der vorderen BinslUlpuDg in Zasamtnenbani; bringt.
Oie vordere und hintere Wand der primitiven Augenblase werden
iluroh diese Vorgange gegen einander gelagert, und das Ganze erttSll
als secundare Augenhiase die Gestalt eines Bechers, dessen Rand die
vom UomblaUc gelieferte Wucherung umfasst. Letztere wird allmSh-
licb von ihrem Zusammenhange mit dem Horoblalle getrennt und bildet
die Anlage der Linse 11). Hinter der letzteren geht mit der Umbil-
dung des Stieles der primSren Augenblase in den Sehnerven in diesen
mit eingeschlossenes Gewebe in eine allmählich den grttssten Theil des
Solbus fttllende Substanz über, welche den Glasksrper vorstellt. Von
dem die secundflre Augenblase umlagernden Gewehe wird die innerste
Schichte zu einer gefbssbaltigen Haut, der Chorioldea, indess die
■osserhalb der letzleren liegende Schichte eine festere faserige Mem-
bran bildet, die als Scierolica die secundtlre Augenblase umhüllt,
und nach vorne zu gegen die Verbindung der Linse mit dem Uom-
btalle ausweichst. Die Fortsetzung dieses Vorganges bedingt die Ab-
schnUrung der Linse, und ein vor derselben gelagerter durchsichtiger
Abschnitt der Faserhaut bildet die Cornea, die gleichzeitig mit der
vor ihr lie^nden iDlegiunentanlage (Gonjunctiva) sich verbindet.
Wir finden also für dieses Stadium das Auge durch eine rund-
liche Kapsel (Bulbus oculi] vorgestellt, deren HUlle (Scierolica) sowohl
als üeberzug Über den Sehnerven , und von da zur Dura maier sich fort-
setzt, als auch vorne in die Cornea übergebt. Im Innern dieser Kapsel
liegt die aus der eingestülpten primären bervoi^egangene secundäre
Augenblase, welche durch die Chorioldea von der Scierolica getrennt
wird. Die secundare, durch das Einwachsen des «Glaskörpers« mit
einer seitlichen Spalte versehene Augenblase umfasst vom die Linse.
Ihre beiden an diesem Vorderende wie an der
seillichen Spalte (Fig. 263. s) in einander um- |,-| j^g
biegenden Schichten {a. b) gehen eine verschiodene
DilTerenzirung ein , indem die innere (6) schon
sehr frühzeitig bedeutend verdickte, zur Retina,
die äussere dUnne [a) dagegen zum Tapetum
nigrum wird. An der untern inneren Seile
der Anlage des Augapfels wird mit dem Auf-
treten des Pigmentes im Tapetum nigrum ein
heller Streifen deutlich, der vom Sehnerv bis
zum freien Vorderrande der Cboriofdea sich er-
streckt. Er entspricht der durch das Einwachsen der Glaskürperanlage
an der secundaren Augenbtase auftretenden Spalte (j), die somit Retina
. Fig. ISI. DurchschniU durch die «ecundBre Augenbisse eines Fischembryo,
senkrecht auf die >Choriold es Ispalte- i. a AeuMere Laraelle (Ttpelum nigrum).
c Innere Lamelle IRctina] der Aiigeablaie. c Vom Glaskärper erruiller Raum,
d Linse, an welche die eingeslülplea Kander der Chorloidealspalle sieb anlegen.
(Nach S. ScHiH.)
552 Wirbelthiere.
und die Pigmentschicbte der ChorioYdea (Tapetum nigruin) betreffen
muss. Man bezeichnet sie als CborioYdealspalte , obgleich die ausser-
halb der hier getrennten Theile liegende ChorioYdea keineswegs davon
betroffen ist.
An dieser so gestalteten Anlage des Auges ergeben sich fernere
Verminderungen theils durch Differenzirung der einzelnen oben ange-
führten Theile, theils durch Modificationen der Gestalt des Ganzen.'
Mit dem Eindringen des Cutisfortsatzes in die secundäre Augenblase,
wobei derselbe Vorgang auch an dem den Stiel der Blase darstellenden
Sehnerven stattfindet, gelangen, (wenigstens bei Sfiugethieren) Blut-
gefässe in den Binnenraum und verbreiten sich in der Peripherie der
Glaskörperanlage, wo ihnen ein bedeutender Antheil an der Ernährung
und am Wachstbum dieses Gebildes zuerkannt werden muss. Auch die
Linse wird bei Säugetbieren von einer gefössführenden Bindegewebs-
kapsei umgeben, die vor der Geburt, bei manchen sogar erst später,
wieder verschwindet.
§ 369.
Bezüglich der Formverhäftnisse des Bulbus ergibt sich für die
Fische (Fig. 262) eine bedeutende Abflachung des vorderen Segmentes,
indem der im Verhältnisse zur Sclerotica sehr ausgedehnten Cornea bei
bedeutender Dicke nur eine geringe Wölbung zukommt. Auch unter
Fig. 265.
den Amphibien finden]!^ sich einzelne Abtheilungen mit vorne abge-
flachtem Bulbus, während unter den Reptilien bei Schlangen und
Grocodilen eine bedeutendere Wölbung der Cornea charakteristisch ist.
Bei den meisten Vögeln (Fig. 266) wird der Bulbus in ein vor-
deres und hinteres Segment getheilt, wovon das erstere die stark convexe
Cornea trägt und vom hinteren '^scharf 'abgesetzt ist. Diese eigenthüm-
liche Augeuform erscheint am meisten bei Raubvögeln ausgeprägt, da-
gegen treten bei den Schwimm- und Stelz vögeln mit bedeutender
Abflachung der Cornea die umgekehrten Verhältnisse auf. Auch unter
[j^Fig. S64. Auge von Esox lucius. Horizontalschnitt, c Cornea, p Pro-
cessus falciformis. s' s' Verknöcherungen der Sclerotica.
Fig. i65. Auge von Monitor. Horizontalschoitt. c Cornea, p Processas
falciformis.
Fig. i66. Auge von Falcochrysaö tos. HorizontalsGfanitt.l p Kamm. (Nach
W. SöMMEKRlKG.)
SeborgaiM. 563
den SaugethiereD besieht bei vorherrschender sphärischer Form doch .
eine grosse HaDnichfalligkeil.
Bezüglich der einielnen Theite des Wirbelthierauges ist (Ur die
Sclerotica anzuführen, dass sie durch die verschiedenen Fonneo
der Biodesubstanz dargestellt sein kana, und bald aus derbem Binde-
gewebe besteht, bald aus knöchernen Theilen oder aus Knorpel ge-
bildet wird. Letzteres Verhallen Bndel sich bei den Selachiem, Chi-
mären und GanoYden , ferner bei den Amphibien vor. Bei den
Knochenfischen sind diese Verhttitnisse am mannicbfaltigslen und bald
ist die Sclerotica nur aus Bindegewebe, bald aus Bindegewebe und
Knorpel, bald wieder aus diesem und Knochenstücken gebildet.
Bei Eidechsen, Schildkröten und VOgein wird der vordere, an die
Cornea slossende Tbeil der Sclerotica durch einen Kranz flacher anein-
ander liegender oder über einander sich wegschiebender Knochrastticke
(Sclerotica! ring] gestützt [Fig. S66. i']. Hit Ausnahme der Monotremen
wird die Sclerotica der SSugethiere aus Binde-
gewebe dargestellt. Die Dickeverfaaltnisse der
Sclerotica sowohl in den einzelnen Classen der
Saugelhierc, wie auch an verschiedenen Stellen
des Ai^es sind vielen Schwankungen unter-
worfen. In der Regel ist die Dicke am beträcht-
lichsten am Uebergange in die Cornea; bei den
im Wasser lebenden SSugetbieren nimmt die
Dicke nach hinten bedeutender zu, z. B. bei
Walfischen, [Fig. 267. j].
Die Chorioldea setzt sich aus mehreren Schichten zusammeu,
die im Ganzen mit den vom Menschen bekannten übereinstimmen.
Die gefässbaltigen Schichten, sowie der PigmentUbenug sind die wich-
tigsten davon. Vorne bildet sie die faltigen, bei Selachiern und Ga-
noYden {Star} wenig entwickelten, bei den meisten Teleostiem fehlenden
Ciliarforlfiatze und setzt sich von da als Iris fort, die mit ihrem Innen-
rande die in ihrer Configuration sehr verschiedene Pupille begrenzt.
Diese ist z. B. unter den Saugcthioren in die Quere ausgedehnt bei
Wiederkäuern und Einhufern, zuweilen mit vorhangartigen Fransen
ausgestattet (Ziegen, Kameele). Vertical verlängert erscheint sie bei
Camivoren.
Eine eigenthUmliche Hodification der Chorioldea findet sich im
Augengrunde vieler Wirbelthiere als Tapetum lucidum, welches
eine meist grünliche oder blauliche, metallisch schimmernde Stelle
von verschiedener Ausdehnung vorstellt und bald durch Gruppen nadel-
fürmiger Krystalle in den Zellen der Tapetumschichte (Selachier),
bald durch ein faseriges Gewebe (camivore Saugetbiere und Wieder-
lena myslicetaa. HoriiontalschniH. {Nach W. SOm-
554 WirbelUliere.
käuer) dargostellt wird. Sie bedingt das Leuchten der Augen im
Dunkeln.
Als eine besondere der Choriolidca äusserlicb anliegende Bildung
kommt bei Fischen ein Gefassplexus vor, die sogenannte ChorioYdeal-
drUse. Eine den vorderen Abschnitt der Cboriotdea umgebende mus-
kulöse Schichte bildet zum grössten Theil den als Ligamentum ciliare
bekannten Ring, der meist in mehrere Schichten geordnet ist. Von da
aus setzt sich die Muskulatur in die Iris fort, in der radiäre und
circuläre Fasern vorkommen. Bei Fischen, Amphibien und Säugethieren
besteht diese Muskulatur aus glatten Fasern; aus quergestreiften bei
Reptilien und Vögeln.
Die der GhorioYdea angelagerte Retina erstreckt sich bis xum
Anfange des Ciliarkörpers der ersteren nach vorne. In ihr findet der
Sehnerv seine Ausbreitung und Endigung. Die Vertheilung der Seh-
ncrvenfaseirn nimmt die innerste vom Glaskörper nur durch eine dünne
Membran getrennte Schichle der Relina ein^ darüber, also nach aussen
zu liegt eine Schichte von Ganglienzellen, worauf noch zwei aus kleinen
Zellen gebildete Schichten (sog. Körnerschichteh) folgen, die durch
Schichten theilweise radiärer Fasern von einander getrennt sind. Diese
Schichten werden von den Endfasern des Opticus derart durchsetzt,
dass die Elemente der Schichten mit jenen zusammenhängen, gleich-
sam in sie eingeschaltet sind. Zu äusserst folgt endlich eine aus Stäb-
chen- und zapfenförmigen Gebilden zusanimengesetzte Schichte, die
Stäbchenscbichte. Diese den Krystallstäbchen des Arthropodenaij^es
oder den Stäbchen des Motluskenauges ähnlichen Endapparate sind also
hier der Oeflnung des Auges abgekehrt, und dadurch unterscheidet
sich das Wirbelthierauge von den Seh Werkzeugen der Wirbel losen,
wie sehr auch sonst, z. ß. im Molluskenauge, manche Uebereinstimmun-
gcn bestehen. Dieses gänzlich verschiedene Verhalten des percipiren-
den Apparates ist ein neuer, verwandtschaftliche Verhältnisse zwischen
Mollusken und Vertebratcn ausschliessender Punkt. Mit der Ent-
stehung der secundären Augenblase hängt die Bildung eines besonderen
Organes zusammen, welches von der Uebergangsstelle des Sehnerven
in die Retina in den Glaskörper eindringt, und ohne directe Verbin-
dung mit der GhorioYdea einen gefässhaltigen dunkel pigmentirlen Forl-
satz vorstellt. Ein solcher findet sich als processus faiciformis im
Auge mancher Teleostier. Das bei manchen Fischen durch eine
Schichte glatter Muskelfasern ausgezeichnete Ende bietet eine an den
hinteren Theil der Linscnkapsel befestigte Anschwellung, (Campanula
Ha Her i] (Fig. 364. p). Diese Fortsatzbildungen bestehen in etwas
modificirter Weise auch im Auge der Reptilien und Vögel. Bei
Eidechsen kommt eine kolbig verdickte, den Rand der Linsen-
kapsel erreichende Falte vor, die auch Wiederholungen mehrerer Falten
neben sich haben kann (Fig. 365. pj. Im Auge der Crooodile ist
dieses Gebilde wenig entwickelt. Bei den Vögeln ist es durch Ver-
Sehorgane. 555
mehruiig der Falten ausgexeichnet, and wird als Kamm unterschieden
(Fig. 266. p). Mit breiter Basis entspringend ragt es in den Glas*
kdrper und erreicht bei manchen Schwimm- und Steixvögeln gleich-
lalls die Linsenkapsel. Bei den Struthionen ist das finde des mehr
konisch gestalteten Kammes beutelartig erweitert (Marsupium). Dem
Apteryx fehlt er ebenso wie den Saugethieren. Daraus ergeben sich
Verschiedenheiten fttr die Eintrittsstelle des Sehnerven, die je nach der
Aosdehnung der Basis dieses Fortsatzes verschieden weit sich nach der
Seite erstreckt.
Hinsichtlich der Linse ist die nach den Medien wechselnde Form
bemerkenswerth. Sehr gross und vollkommen sphttrisch erscheint die
Linse der Fische, auch bei Amphibien wiederholt sich die runde Ge-
stalt und bei den im Wasser lebenden Sttugethieren, indess sonst, wie
bei Reptilien und Vdgeln, mehr abgeplattete Formen, allerdings in
verschiedenen Abstufungen bestehen. Durch die Befestigung der Linse
an den Ciiiartheil der ChorioYdea wird der Binnenraum des Auges in
einen vorderen und hinteren Raum geschieden. Den hinteren füllt
der Glaskörper, der vordere «wischen Vorderflüche der Linse und Cornea
liegende ist häufig auf einen minimalen Abschnitt beschrankt, indem
die Linse bei Reptilien, und bei Vdgeln sehr nahe hinter der Cornea
liegt, und dann unmittelbar vor sich die Iris aufgelagert hat.
§ 370.
Mit dem Auge stehen Hilfsorgane in Verbindung, welche theils
lur Bewegung, theils zum Schutze des Bulbus dienen, und in ihrer
Umbildung sehr verschiedene Grade aufweisen. Die Bewegungen des
Augapfels werden aligemein durch sechs, bei den MyxinoYden rUckg^
bildete Muskeln vermittelt. Von diesen sind vier als gerade, zwei
als schiefe zu unterscheiden. Die geraden nehmen ihren Ursprung vom
hinteren Theile der Orbita und sind bei vielen Teleostiern in Anpassung
an eine durch bedeutenderes Volum des Bulbus bedingte Länge in
einen Ganal an der Schädelbasis eingebettet. Allgemein ist ihr Ursprung
ziemlidi weit hinter der Austrittsstelle des Opticus, erst in den hohem
Abtheilungen werden Beziehungen zu jener Stelle erlangt. Zu den
vier geraden Augenmuskeln kommt bei den Amphibien und Reptilien
noch ein den Bulbus rückziehender Muskel, welcher den Opticus um-
lagert. Dieser erhält sich auch bei den meisten Säugethieren und zer-
fällt in mehrere, von der Eintrittsstelle des Sehnerven in die Orbita
zum Bulbus tretende Abschnitte (bei Gamivoren in vier). Von den
beiden an dem vorderen Theile der medialen Orbitalwand entspringen-
den Obliqui geht der obere bei den Säugetbieren eine Aonderung des
Verlaufs ein. Er hat nämlich seinen Ursprung mit den geraden Augen-
muskeln gemein, und sendet die Endsehne durch eine Gelenkrolle im
Winkelverlaufe zum Bulbus.
556 Wirbeltbiera.
Die Schuizorgane des Auges zerfallen in die Augenlidbildungen
und einen DrUsenapparai. Das Auge erhalt schon bei der Anlage
des Bulbus einen Ueberzug des Iniegumenies, welcher stets die Cornea
überkleidet (Gonjunctiva corneae), oder ttber einen Theil des vorderen
Abschnittes der ScIeroUca sich erstrecken kann (Gonj. sderoUcae).
Durch Faltenbildung des Integumentes in der Nähe des Bulbus ent-
stehen vor ihn sich lagernde und ihn mehr oder minder deckende
Duplicaturen. Die innere Lamelle dieser Falten ist eine Fortsetzung
der Conjunctivae die am Rande ins äussere Integument übergeht. Solche
Augcnlidbildungen bestehen bereits bei Fischen. Zwei wenig
vorragende und bewegliche Duplicaturen erscheinen bei Selachiem als
Andeutungen eines oberen und unteren Augenlides, und bei manchen
Haien ist noch eine am vorderen Augenwinkel entstehende dritte Du-
plicatur vorhanden, die vor die Aussenfläche des Bulbus gezogen werden
kann [Niokhautj. GanoYden und Teleostier besitzen nur die unbe-
weglichen Falten oder auch nur Andeutungen davon, und dann meist
derart gelagert, dass sie als vorderes und hinteres Augenlid unter-
schieden werden. Am häufigsten geht das Integument sogar glatt an
die Cornea über. Eine derartige Yerbindungsweise zeigt sich auch bei
den Perennibranchiaten und Derotremen. Manche Salamandrinen und
die Mehrzahl der ungeschwänzten Amphibien sind mit horizontal ge-
lagerten Augenlidern versehen , von welchen das untere bewegliche
wie eine Nickhaut fungirt.
Bei den Reptilien und Vögeln ist die bei Selachiern vorhandene Ein-
richtung weiter entwickelt, indem nicht nur die Nickhaut, sondern
auch ein oberes und unteres bewegliches Augenlid vorhanden ist. Bei
manchen Sauriern (Ascalabotae) und den Schlangen werden Augenlider
al^ eine ringförmige Falte angelegt, die weiter vorwachsend schliesslich
eine vor dem Auge liegende pellucide Membran bilden, welche die
Cornea von aussen gänzlich abschliesst. Der circulären Anlage dieser
Bildung entspricht das kreisförmige Augenlid der Chamäleonten. Für
die beiden horizontalen Augenlider wie für die Nickhaut besteht ein
Muskelapparat, besonders für letztere von complicirter Beschaffenheit.
Während die beiden horizontalen Augenlider bei Säugethieren fortf)e-
stehen, nur mit der Verschiedenheit, dass das obere gegen das bei
Reptilien und Vögeln grössere untere überwiegt, ist die Niokhaut Rück-
bildungen unterworfen. Sie besteht zwar noch bei Vielen, und besitzt
wie auch die beiden anderen Augenlider eine Knorpellamelle als Stütze,
aber in einzelnen Abtheilungen ist sie auf eine am vorderen (innem)
Augenwinkel liegende Falte reducirt, die bei Affen wie beim Menschen
als Plica semilunaris ihre ursprüngliche Bedeutung verlor.
Ein den Augenlidern zugetheilter Drüsenapparat kommt erst bei
Amphibien und Reptilien zur Sonderung, und tritt mit einer unter
der Nickhaut ausmündenden Diilse, der Harder^schen Drüse, auf.
Sie besteht bei Vögeln fort und ebenso bei SSugethieren, wo sie, zuweilen
HorolviD«. 657
in swei Theile EerftlleD , am innern Winkel der Orbita gelagert ist ;
den PrimaIeD fehlt eie.
Eine (weite Ablbeilung von DrOsen bilden die am Süsseren Augen-
wiokel gelagerten ThranendrUsen. äe erscheinen erst bei den
Reptilieo, von. geringerer Grosse als die Üarder'sche Drilse, und ver-
halten sich in dieser Weise auch bei den Vögeln. Eine grossere Aus-
dehnung besitzen sie bei den Scblangm, Schildkrilten und Ssugethieren,
deren TbraneodrUse aus einem Complexe einzelner, meist in 1 oder S
grossere Massen gruppirter Drtlsen besteht; den Cetaceen fehlen sie.
Für das unter das obere Augenlid abgesonderte Secret dieser
Drüsen bildet sieb ein besonderer AbRlhrweg schon im Embryonalzu-
sland ans. Die zwischen dem Oberkieferfortsatse und dem änsseren
NasenfortMUe durch die Differentirung dieser Theile gebildete, von der
Gegend des inneren Augenwinkels gegen den Rand der Nasengrube
röhrende Rinne, wird mit der Ausbildui^ jener Fortsätze mehr ver-
tieft (Thranenrinne) und bald von ihren Rändern Uberrvaohsen, so dass
sie einen Canal vorstellt , der nach Enlal«hung der Nasenhöhle in
letstere, und zwar unterhalb der unleren Huschel ausmündet. Am
inneren Augenwinkel erleidet dieser ThrBnencanal mehrfadie fernere
Diflerenziningea , von d«ien die Scheidung in TbrtinencanlllcäeD (eine
grössere aio unteren AugenUde liegende Anzahl [3 — 8] bei Crocodilen,
eiae geringere [i] bei Vttgeln und S8ugethi«ren) aufgeftlbrt werden kann.
§ 371.
Das nur bei den Acrania vurmisste Hflrorgan der Wirbelthiere
nimmt gleichfalls seine Entstehung aus dorn Integuniente , und wird
wahrend der ersten Embryonalpcriode als eine in der Höhle des Nach-
bims nach innen sich erstreckende Wucherung angelegt. Ein solches
oberflächliches, somit die Endigungen eines Hautnerven tragi-ndcs Organ
muss als der Ausgangspunkt der hochgradigen Sonderung gellen, die
Fig. US.
Fig. >SS. EotwickelUDg das Labyrinthes beim Hühnchen. Senkrechte
Querscbnille der Scbadelanlage. /l LebyriDlbgrube, Iv LabyrinthbittscheD. c An-
lage der Schnecke. Ir Recessus lahyrintlil. ap Hinterer Bogengang, cie AeusMTor
BogengaDg. vi Jogularvena. (Nach RnNRn.)
558 Wirbelthiere.
bei den Wirbelthieren ziemlich frOhzeitig eingeleitet wird. Aus der
ersten Anlage geht ein mit einer deutlichen Coramunication nach aussen
versehenes BIftschen hervor (Husghke) , welches allmählich sich ab-
schnürt (vergl. Fig. ä68j und mit der Diiterenzirung der knorpeligen
SchSidelkapsei , von dem hinteren seillichen Abschnitte, derselben um-
schlossen wird. Dieses primitive 0 h r b I äs c h e n ist die Anlage eines com-
plicirt^n Hohlraumsystemes, in dessen Wänden der Acusticus mit End-
apparaten in Verbindung steht. Aus ihm entsteht das hautige Laby-
rinth, und die es und seine Differenzirungen als knoi*pelige Ohrkapsel
umgebenden Wandungen des Craniums werden zum knorpeligen und
knöchernen Labyrinthe. Zu jenem wichtigsten Abschnitt des
Hörorganes treten in den höheren Abtheilungen der Wirbelthiere noch
besondere Vorrichtungen als Hilfsorgane, vorzüglich als Apparate der
Schall -Leitung hinzu.
Der einfachste Zustand des Labyrinthes findet sich bei den Cyclo-
stomen. Von dem primitiven Blöschen hat sich bei Myxinolfden eine
an zwei Stellen mit ihm in Zusammenhang bleibende Strecke gesondert,
die einen halbkreisförmigen Ganal bildet, und so das ganze Labyrinth
ringförmig erscheinen lässt. Die Petromyzonten bieten zwei dieser
Canälo dar, jeder mit einer ampullenartigen Erweiterung beginnend,
und der übrige Theil des Labyrinthbldschens bildet den »hSutigen Voi^
hof« (Vestibulum), an dem eine besondere Ausbuchtung als Anlage einer
neuen Differenzirung auftritt. Bei den gnathostomen Wirbelthieren
kommt es noch zur Bildung eines dritten Canals, so dass von nun an
drei halbkreisförmige Canäle mit dem Vorhof in Verbindung stehen.
Die bei der Einsenkung des Labyrinthbläschens entstehende stielartige
Verlängerung bleibt auch nach der Difierenzirung des Labyrinthes als
eine Fortsatzbildung desselben (Ductus endolymphaticus) bestehen und
wird sogar bis zur Oberfläche des Craniums offen gefunden (Se-
lachier). Auch bei Reptilien (Natter, Eidechse) besteht jener Ganal,
der sehr frühzeitig sich nach aussen abschliesst, und an diesem blinden
Ende sich erweitert. Er wird mit der Entwickelung des knöchernen
Schädeldaches in die Schädelhöhle mit eingeschlossen, und bildet bei
den Embryonen jener Thiere den Recessus labyrinthi. Bei den Vögeln
besteht derselbe (Fig. 268. /. r) nur vorübergehend als ofiener Raum,
ähnlich auch bei den Säugethieren , wo er später den sogenannten
Aquaeductus vestibuli vorstellt. Vorbof und Bogengänge füllen die
Räume des soliden Labyrinthes nur theilweise aus. Sie sind bei allen
Fischen von beträchtlicher Grösse. Bei Selachiem und Lepidosiren wird
das Labyrinth vollständig von den Wandungen der Schädelhöhle um-
geben, während bei Ghimaera, den GanoYden und Teleostiem diese
Umschliessung sich nur auf einen Theil des Labyrinthes erstreckt, und
ein anderer, der mediale, frei in die Schädelhöhle sieht (Fig. 269). Von
den drei Bogengängen sind zwei in der Richtung von mehr oder minder
senkrechten Ebenen gelagert , und werden als vorderer (Fig. 269. e)
Hfirorgane. 559
tmd hintflrer (rf] unterscttieden. Ein dritter, Äusserer, Hegt in einer
mehr horiiontnIeD Ebene. Die beiden senitrecblen besilseo metsl ein
gemeinsames EinmUndestttck [c] in den VoHiof und an den beiden
anderen Enden Ampullen. Der horizontale Bogengang besKzt die
Aiopulla an seinem biitteren Schenkel.
§ 372.
Der die Bogeng&nge entsendende Tbeil des Labyrinthes sondert
sich sclion bei den Fischen in mehrere Abschnitte. Bin oberer sieht
mit den Bogeng&ngen in unmittelbarem Zusammenbange (Utriculus,
Alveus communis], und verbindet sich zu^eich in verschiedenem Hsasae
deutlich mit einem unter ihm gelegenen Säckchen (Sacculus). Sowohl
Saccolus als Utriculus enthalten «Is Otolithen Concremente von ood-
slanter, nach den Abtheilungeo wechselnder Form, die oft eine an-
sehnliche Grosse erlangen können ; der des Sacculus wird als Sagilta,
jener- des Utriculus als Lapillus bexeichnet. Am Utriculus zeigt sich
eine fernere Sonderung in mehrere Abschnitte. Sowohl an der Wand
beider RUume als auch an den Ampullen der Bogengänge findet der
Uebei^ang von Acuslicus-Aesten in Endapparate statt; in den Ampullen
liegen sie auf einer Querleiste [Crista acuslica), in den Sadichen bilden
sie die Maculae acusticae.
tn dem Verhalten des Utriculus und Sacculus finden sich zahlreiche
HodiRcationen vor, ebenso in der Lagerung der Bogengänge zu ein-
zelDen Tbeilen des Sch&dels. In erslerer Beziehung sind Veriiin-
duD(;en des hantigen Vorhofes mit der Schwimmblase bemerkenswerth.
Die Einricfatung selbst kommt auf- verschiedene Art zu Stande, findet
Fig. iS».
Pig. Itfl. Gehttroi^en von Cyprinus csrpjo. a Veslibulum membrana-
cenm. b Ampulle des hinteren und Süsseren balbkreisfttrtntgeD Canales. e Ver-
einigter vorderer und hlDlerer CaDai, d Hinterar, «vorderer, ^Csnalls sinnt im-
parfs. g Sinus euditorius inuinbranaceui Impar. h Claustrum. t i 1 Ketle der Ver-
bin dnnKsk noch eichen, mn Schwimmblase, o Lnftgang. p ; r i Dornfortsätie der
ersten Wirbel. Die Zahlen bezeichnen die einielnen SchBdclknochen: I Occipilale
basOaro, 1 laterale. 8 i Occlpltale superiiis. G Pelrosiim. 7 SchcilelbeJn. to Ali-
spheao'Id. n Frontale. (Nach E. R. Wbsis.]
560 Wirbelthiere.
sieb am einfachsten bei einigen PerooYden und SparoYden, wo der Vor-
hof sich lu durchbrochenen, nur mit einer Membran geschlossenen
Stellen des Schadeis fortsetzt, an welche Verlängerungen der Schwimm-
blase sich anlegen. Gomplicirter gestalten sich die Verhältnisse bei
vielen Familien der Physostomen. Bei CyprinoYden erstreckt sich der
Sacculus (Fig. 269. a] nach hinten, um sich mit dem der anderen
Seile durch einen querliegenden Ganal (Sinus impar] zu verbinden.
Aus letzterem tritt jederseits ein häutiges Säckchen (Atrium sinus
imparisj zu einer am hinteren Schädelabschnitte gelegenen Oeffiiung,
welche zum Theile von einem napfförmigen Knochenstückchen ver-
schlossen wird. Dieses verbindet sich durch Bandmasse mit einer
Reihe verschieden geformter Knochenstttckchen (t, Ä:, /) , von welchen
das letzte und grösste dem vorderen Ende der Schwimmblase (m) ange-
heftet ist. Diese Knöchelchen gehen, aus den Anlagen vorderer Rippen
hervor, und bilden eine oontinuirliche Kette zwischen dem Vorhofe
und der Schwimmblase. Auch die SiluroYden und ClupeYden bieten
ähnliche aber in anderer Weise ausgeführte Verbindungen mit der
Schwimmblase dar.
§ 373.
Das Labyrinth der Amphibien wird vollständiger von der Schädel-
wand umschlossen, und jenes der Reptilien, Vögel und Säugethiere
liegt ganz in knöcherne Theile eingebettet. An Umfang tritt es gegen
die bei Fischen gegebenen Dimensionen bedeutend zurück. Relativ
ansehnlich ist es noch bei den Amphibien, am wenigsten umfänglich
bei Säugethieren. Die allgemeinen Verhältnisse des Labyrinthes bieten
im Wesentlichen Uebereinstimmungen dar. Verschiedenheiten Hegen
theils in der Art der Verbindung der beiden Vorhofsräume, des Utri-
culus und Sacculus, untereinander, sowie in dem Verlaufe der vom
IJtriculus entspringenden Bogengänge. Von den letzteren kann der
hintere sich mit dem äusseren kreuzen (Vögel).
Dem mehr gleichartigen Verhalten des geschilderten Abschnittes des
Labyrinthes gegenüber stellt sich ein erst in den höheren Abtheilungen
selbständig entfalteter Theil, der bei den Säugethieren seiner Gestalt
gemäss als Schnecke (Cochlea) bezeichnet wird und von den unteren
Abtheilungen her eine oontinuirliche Reihe allmählicher Differenzirungen
nachweisen lässt (Hasse). Bei Fischen findet sich eine Spur hievon
in einer meist unansehnlichen nur in einigen Fällen ausgedehnteren
Ausbuchtung des Sacculus. Sie führt bei den Selachiem viele kleine
Ololithen, bei Teleosliern einen grösseren (Asteriscus) . Bei den Am-
phibien ist diese Ausbuchtung des Sacculus selbständiger geworden,
ohne die Verbindung verloren zu haben und liegt noch nadi hinten
gerichtet.
Einen weiteren Schritt der DitTerenzirung zeigt dieser die Endi-
gung eines Acusticuszweiges tragende Theil bei Reptilien und Vögeln,
Hörorgane. 561
wo die ihn bildende Ausbuchtung (Fig. 268. C. D. E. c) als ein kurzer
Kegel von der medianen Labyrinthwand abwärts gerichtet ist, und mit
dem andersei tigen eonvergirt.
Das blinde Ende dieses Gebildes ist abgerundet und zuweilen
kolbig verdickt (Lagena). Unter den Säugethieren erscheint dasselbe
nur bei den Monotremen noch auf jener Stufe, die es bei den anderen
durchläuft, indem es in einen spiralig gewundenen Canal auswichst,
von dessen Gestalt die Bezeichnung genommen ist. Anfänglich nur von
einer Verlängerung des Vorhofs (Sacculus) gebildet, treten an ihm be-
sondere Differenzirungen auf, indem jener vom Sacculus hervorgehende
Canal (Ductus coohlearis) nur durch einen engeren Canal (Canalis
reuniens) mit dem Sacculus verbunden bleibt, und auf seinem Ver-
laufe von zwei Seilen her von Hohlräumen umlagert wird, die ihn auf
seinen Windungen begleiten, um am Ende (Kuppel der Schnecke) in
einander tiberzugehen. Während der eine mit dem kn^hemen Vor-
hofe verbunden ist, ist der andere an seinem Beginne davon abge-
schlossen und steht nur mittelbar, eben durch jene Communication
am Ende der Schnecke, mit dem Vorhofsraum in Zusammenhang.
Somit sind drei Räume in der Säugethierschnecke unlerscheidbar,
von denen nur einer, eben der Ductus cochlearis, mit den häutigen
Tbeilen des Vorhofs in Verbindung steht. Die beiden andern bilden
die Scalae; die mit dem um die häutigen Theile des Vorhofs beGnd-
liehen Räume in Verbindung stehende Scala ist die Scala vestibuli,
der zweite, bei aufrecht gedachter Schnecke unter der Vorhofstreppe
verlaufende Raum, die Scala tympani. Beide Scalae umfassen den
nach der Peripherie der Windungen gelagerten Schneckengang, in
welchen die Endapparate des Schneckennerven (Corti^scbes Organ) sieh
ausbreiten. Da die Scalae als Lud^en in dem den Ductus cochlearis
begleitenden Gewebe auftreten, so sind sje den Räumen gleich zu er-
achten, welche zwischen den häutigen Bogengängen und ihren kpocher-
nen Wandungen, oder auch zwischen häutigem und knOchemem Vor-
hofe sich bilden, und mit der Perilymphe erfüllt sind.
In dem an der Aussenfläche des Craniums liegenden Theile der
W^andung des knöchernen Labyrinths treten von den Amphibien an
Lücken auf, weiche eine auf verschiedene Weise zu Stande kommende
Communication mit anderen dem Gehörorgane sich zufügenden Ein-
richtungen gestatten. Eine solche Durchbrechung des knöchernen Vor-
hofs bildet die stets durch einen plattenförmigen Skelettheil ver-
schlossene Fenestra ovalis. Eine zweite erst bei den Reptilien
bestehende, an die Ausbildung der Schnecke geknüpfte Oeffnung (Fe-
nestra Totunda) liegt durch eine Membran verschlossen in der Wand
der Scala tympani.
Beide Einrichtungen stehen mit dem Auftreten äusserer Leiteappa-
rate in Zusammenhang.
Oegenbaor, Ornndriflii. 36
562 Wirbelthieie.
§ 374.
Mit dem Hörorgane setzen sich von den Visceralbogen gebildete
Theile in Zusammenhang. Die erste, bei ßelachiern und GanoYden
zwischen dem obei*en Theile des Kiefer- und des Zungenbeinbogens
gelagerte, als »Spritzlooha fortbestehende i^iemenspalte tntt von deo Am-
phibien an in nähere Beziehung zum Labyrinthe, indem sie an der
von der aufgeführten Oeffnung durchbrochenen Labynnthwand vor-
überzieht. Sie gestaltet sich zu einem Hohlräume, der an seinem wei-
teren, medial von der Labyrinthwand begrenzten Abschnitte als Pau-
kenhöhle, an dem in die primitive Mundhöhle führenden Stücke als
Tuba Eustachii bezeichnet wird. Eine offene, dem Verhalten des
Spritzloches ähnliche Communication von aussen nach innen besteht
bei Allen während des ersten Entwickelungszustandes. Dann bildet
sich jedoch, wie es scheint durch Wucherung der Wandung, ein Ver-
schluss der Spalte, der zu verschiedenen Zuständen führt. Bei den
Cöcilien und den Urodelen bleibt die Spalte geschlossen, so dass eine
Paukenhöhle sowie deren Fortsetzung in die Mundhöhle fehlt. Die
Anuren schliessen sich mit einer Abtheilung hieran an (PelöbaUden),
indem bei diesen nur Andeutungen einer Ausstülpung der Rachen-
höhlenschleimhaut gegen jene der Paukenhöhle entsprechende Stelle
vorkommen. Dagegen setzt sich diese Ausstülpung bei den meisten
Anuren weiter fort, und führt in eine Paukenhöhle, welche nach aussen
durch das Trommelfell abgeschlossen wird. Bei den Reptilien fehlt
den Schlangen und Amphisbäuen die Paukenhöhle, und bei Ghamäleo
ist zwar die mit der Rachenhöhle verbundene Paukenhöhle vorhanden,
allein das Trommelfell fehlt, während diese Theile bei den übrigen
Reptilien wie bei den Vögeln vorkommen.
Die inneren Oeffnungen beider Tuben sind bei Grocodilen und
Vögeln in einen gemeinsamen Ganal vereint, wie es unter den Am-
phibien bei Pipa der Fall ist. Die bei Säugethieren stets getrennt aus-
mündende Tuba führt in eine verschieden weite Paukenhöhle, die
durch ein Tympanum nach aussen abgeschlossen ist. Von der Pauken-
höhle aus entstehen neue in andere Theile eindringende Räume unter-
geordneter Bedeutung. Grocodile und Vögel, auch Säugethiere sind mit
solchen versehen.
§ 375.
Die mit der knöchernen Labyrinthwand in Verbindung tretenden
Theile des Visceraiskelets setzen den Apparat der Gehörknöchel-
chen zusammen, deren Homologieen für die einzelnen Glassen noch
nicht festgestellt sind. Der oberste Abschnitt des zweiten Visceral-
bogens — bei Fischen das Hyomandibulare — bildet einen die Fe-
nestra ovalis verschliessenden, dort mittelst eines Ringbandes befestigten
Skelettheil, der sich von dem folgenden Abschnitte getrennt hat Bei
Hdrorgane. 563
den Urodelen ist jenes Verschlussstttck entweder ein plattes Kntfchelchen
(Operculum), das mit einem Bande zum Palato-Quadratum zieht, oder
es besitzt einen stielartigen Fortsatz. Bald ist das Operculum knor-
pelig und sein Stiel knöchern (Siredon), bald trifft sich das umgekehrte
Verhallen (Menopoma). Beide Theile sind bei den Clk^ilien verknöchert.
Aehnlich verhalten sich die Schlangen (Eurystopiata) , bei denen ein
KnocbenstUckchen (Golumella) sich zum Quadratbein erstredit.
Beim Auftreten eines Trommelfells geht die Golumella mit diesem
eine Verbindung ein, indefti deren knorpeliges, häufig durch Portsätze
eigenthUmlich gestaltetes Ende in jenes sich einsenkt. Die Auskleidung
der Paukenhöhle umfasst dann einen Theii der Golumella, und lässt
letztere in verschiedenem Grade in der Paukenhöhle gelagert erscheinen.
Diese Einrichtungen beginnen mit den Anuren, und finden bei Sauriern,
Gheloniem^ Grocodilen und Vögeln eine weitere AAsbildung. Wesent-
lich äussert sich diese durch die Ausdehnung der Paukenhöhle über
die Golumella hinaus. Letztere stellt ein besonderes, bei Schildkröten
sehr langes, dünnes Knochenstttck vor, dessen der Fenestra ovalis an-
gepasste Platte das eine Ende bildet. Mit zwei Schenkeln verbindet
sich der Stab der Golumella mit seiner Platte bei einigen Vögeln (Dro-
maeus) , während er sonst einfacher ist oder gegen die Platte zu nur
eine Verbreiterung aufweist.
Pttr die Säugethiere haben die Verhältnisse der Gohimella gleich-
falls noch ihre Geltung, mit der Modification jedoch, dass sie sich nie-
mals direct ans Trommelfell befestigt, sondern immer mit anderen
Skelettheilen in Verbindung steht. Man bezeichnet sie hier als Stapes.
Die Gestalt desselben ist bei Monotremen und bei manchen Beutel-
thieren einfach. Bei den monodelphen Säugethieren waltet die Spal-
tung in zwei die Platte tragende Schenkel vor. Die anderen Gehör-
knöchelchen werden durch Residua der Skelettheile des ersten Visceral-
bogens gebildet, wie oben angeführt ward (S. 484). Sie bilden den
mit dem Stapes verbundenen Ambos, sowie den Hammer, der sich
mit einem stielartigen Fortsatze dem Trommelfell einfügt. Was vorher
einfacher durch die Golumella allein, wird hier durch sie und zwei
andere Knochen bewerkstelligt: eine Verbindung des Tympanum mit
der Fenestra ovalis. Auch diese »Kette« von Gehörknöchelchen ist
wenigst4*ns zum grossen Tbeil in die Paukenhöhle gelagert, indem die
vom Bachen her durch die Tuba sich fortsetzende Schleimhautaus-
kleidung sie überzieht. Die Pauketihöhle selbst erhält jedoch eine an-
dere Beziehung, da sie ausser der von der Labyrinthwand gebildeten
Umgrenzung vorzüglich noch durch das Os tympanicum gebildet wird,
weiches anfänglich als Rahmen für das Tympanum auftrat.
§ 376.
Aus einer Fortsetzung der Ränder der ersten Visceralspalte geht
das äussere Ohr hervor. Bei Amphibien, Reptilien und Vögeln fehlen
86 ♦
564 ' Wirbelthiere.
derartige Theile entweder vollständig, oder sie sind nur als vereinzelte,
aus Anpassungen verschiedener Art entstandene Einrichtungen ange-
deutet. Eine solche kommt bei Grocodilen als eine das Trommelfell
deckende, eine Knochenplatte umschliessende Hautfalte vor, und ähn-
lich erscheint bei manchen Vögeln (Eulen] eine bewegliche hitutige
Klappe. Durch eine, von den das Trommelfell tragenden Schädel-
knochen ausgehende Vorsprungsbildung kommt das Trommelfell selbst,
wie schon bei Sauriern , tiefer zu liegen , und so entsteht ein kurzer
»äusserer Gehörgang«. Verschieden von dibsem ist der äussere Gehör-
gang der Säugethiere, indem gerade sein tieferer Theil Tom Tympani-
cum gebildet wird. Daran schliesst sich das äussere Ohr, welches
mit knorpeliger Grundlage in einen engen knorpeligen Gehörgang Über-
geht. Es fehlt den Monotremen. Die »Ohrmuschel« bietet zahlreiche
Modificationen, theMs in der Gestaltung, theils in den Beziebungen zu
einem Muskelapparate, durch welche die Muschel oder Theile von ihr
bewegt werden können. Ausser den, auch beim Menschen zuweilen
noch sehr leistungsfähigen Muskeln, welche das gesammte äussere Ohr
bewegen, tinden sich noch Muskeln au dem Knorpel der Muschel selbst,
welche theilweise, freilich als rudimentäre Organe noch dem Meubcbeo
zukommen. Einer grösseren Rückbildung erliegt dieses äussere Ohr
bei den im Wasser lebenden Säugethieren. Reducirt bei Otaria, isl
es bei anderen Pinnipedien ganz geschwunden, und ebenso verhalten
sich die Sirenen und Walfische.
Bacoretionsorgane.
§ 377.
Die als Excretionsorgane unter den Wirbellosen verbreiteten Ein-
richtungen erscheinen in ihren wesentlichsten Verhältnissen auch atif
die Wirbelthiere vererbt und lassen darin nicht wenig deutlich aucli
für den Wirbeltbierstamm Verknüpfungen mit niederen, im übrigen weil
davon entfernt stehenden Formen erkennen. Den einfachsten Zustand
des Excretionsorgans repräsentirt ein längs des Körpers verlaufender
Ganal, der Urnierengang, der hinten in der Nähe des Afters nach
aussen, und vorne mit abdominalem Ostium in die Leibeshöhle, in
deren dorsaler Wand er liegt, ausmündet. Liegen darin bedeutende
Uebereinstimmungen mit den Excretionsorganen der Würmer, so ist
doch mit Hinblick auf die Metamerie des Wirbel thierkörpers die Etgen-
thümlichkeit nicht zu übersehen, dass der Urnierengang kein melatnervü
Organ vorstellt, und damit auch zu den metameren ScUeifencan^leü
der gegliederten Würmer kein vollständiges Uomologon abgibt. Er wird
demnach aus einem noch niederem , d. h. einem noch nicht in Meta-
meren getheiiten Zustand des Organismus abzuleiten sein und repftt^eo-
tirt damit, der gleichfalls ungegliederten Chorda dorsalis ähnlich, eines
der phviouenetisch ältesten Organe.
EtvreliunM>i^ane.
§ 378.
In der ersten AnInge tritt er vom niittlereo Keiinblatle gebildet,
in nuDchen Ahtheilungeo in oberfl Heb lieber L»ge, unter dem vom
ituasereii Keimblatt slammcnden Hornblatte auf, und erscheint darin
den Excretionsorganen der NemaUiden ähnlich , erst altmahlich tiefer
rUdiend und so der Leibeahtthle sich nähernd. Eine jenem ersten Be-
funde entsprechende Lage besitzt bei Amphioxiis ein in den Seiten-
falien des inlegumentes veriiiufender Canal, der zwar beit^lich «einer
Mundungsverhilltnisse noch nicht ausreicbend
{gekannt, doch die Vermuthung enlslehen t'ig. S70.
lässt, dass in ihm der niederste, der Ver-
bindung mit der Leibeshoble noch entbeh-
rende Zustand des Drnierengangea der Cra-
aioten dauernd bestehe.
Iq engerem Zusammenschlüsse erschei-
nea die Cranioleo, deren Urniei-engang stett>
der Leibeshlthle nahe rückt. Er zeigt sich
am einfecbsten unter den Cyclostoinen bei
Bdellostoma. Ein langges treck tijr Canal
(Fig. 370. ABa] entsendet von Stre<^o zu
Strecke lateral verlaufende kurze QuercanSl-
chen [b), deren blindes, durch eine Ein-
schnürung abgesetztes Ende (c) einen Blul^
gerdssknauel (Glomerulus) (Fig. 870. B] ein-
schliesfit. Damit hat sich der Typus der
'>aniotenniere ausgeprägt, die Quercanälchen
bilden die secrelorischen Apparate (Harn-
ranalcheoj der UmierengaDg selbst erscheint
hier als Sa nsmel rühre, fungirt als Harnleiter.
In voluminöserer Weise, allein mit ganz
ähnlichem Verhalten der Harncanälchen,
zeigen sich die Nieren der Myxinen und
feiromy tonten, die längs des hinteren Drittels
[ler Leibcshohle gelagert sind. Bei beiden
Abtheilungen tritt der lateral verlaufende
liarnleiler zum Bauchporus, bei den Pelro-
myionlen nachdem er sich mit dem auderseitigen zu einem unpaaren
weiteren Abschnitte verbunden hat.
0ns vordere Ende des Urnierenganges bietet eine bcmeritenswerthe
^onipJrcatioD, indem es mit mehrfachen trichterförmigen Anhängen besetzt
fi«. *70. .J Ein The» der Niere von Bdelloslom». o Harnleiter. 6 Harn -
^analcheii. c Termioale Kapsel. B Biq SlUck divon sUlriier vergrö»»erl. a, c wie
«Cm- .1" ' "'" «"'"«"■""'*' in welchen eine Arlerio rf einlritl. wahrend eine
""slMende « si^h auf Har.,c«nBl^i,„., „„d HarnlcittT verzweigl. (Nach J. «ullm.)
Fig. 3Tt.
S66 Wirbelthiere.
ist, welche mit langen CJIien ausgekleidcl frei in die Lcibeslfllhlc mttndeD.
Dadurch empl^ngl die Vergleicbung mit den Excretionsorganeo der Wür-
mer eine festere Grundtage. Der Umierengang entspricht dem Scfaleifen-
canal, dessen inneres Oslium (zuweilen gleichfalls ia Hehrzahl vorhaD-
den) den Wimpertriobtem der ersleren im Allgemeinen homol(^ seia
wird, und den drüsigen Abschnitt dee Schleifencanals treffen wir an
der Urniere durch die lateral vom Gange abtretenden CanSlchen vor-
gestellt.
Der secernirende Theil der Drüse tritt bei den Fischen am vor-
deren Abschnitte des ürnie renganges zuerst auf, und bildet jenen
Abschnitt, der bei vielen bis zum Kopfe reicht. An diesen Abschnitt
schliesst sich der hinlsre als spater gebildeter an. Das Ganze stellt
ein compactes DrUsenorgan vor, welches von Peritoneum Uberkleidet
liings der WirbelsUuie sich hinzieht, in einzelnen Abschnitten mehr, tn
anderen minder ausgebildet. Eine Sonderung in Lappen wird meist
durch Toluminüsere Entwiiäduiig einzelner
Abschnitte ausgedrückt. Die Ausfuhrwege
(Fig. 274 , u) verlaufen bald an der vorderen
Flädie, bald mehr am lateralen Rande und
treten bei Teleostiem meist su .einem un-
paaren Abschnitte zusammen, der unter oder
hinter der GenitaiOlTnuag ausmündet.
An verschiedenen Stellen bieten diese
Ausfuhrwege Erweiterungen, bald am gemein-
samen Abschnitte, bald am gesondeiten, welche
Gebilde zwar als »Hamblasem fungireo, aber
morphologisch mit der Harnblase der höheren
Vertebraten keine Gemeinsamkeit haben.
Die Ausführwege dieser Nierenbildungen
fungiren nur bei einem Theiie in ausschliess-
lichem Dienste der Excretion wie bei den
Cyclostomen, indem schon bei den Fischen am
ümicrengange eine Sonderung auftritt, die
ihn, in analoger Weise wie es bei den Ex-
cretionsorganen der Würmer und Mollusken
der Fall ist, als Ausleitweg der Geschlecbts-
producle fungiren lüsst. Bei Ganolden (ritt
ntlmlidk der das Oslium abdominale tragende, bei Cyclostomen terminal
gelagerte Thctl weiter nach hinten und erscheint damit wie ein Anhang
des Um leren ganges (Stürej , so dass der vor diesem Stücke gelagerte
Theil des letzteren ausschliesslich der Niere angehört. Da nun jenes
Fig. 171. Harnorftane von Salmo fario. R Nieren, u Gretereo. v Blawn-
srtige Erweiterung der Vereinigung beider Drelcron. ur Ausfttfargang derselben,
rr Cardinnlvenon [VentiH rennie?' revehenle.«). d Ductus CuTJeri. i Vena »ubclaTla.
{Nach HratL.}
Eicretionsofßane. 567
Oslium abdominale zur Aufnahme der Geschlechtsproducte dient, so
wird der letzte Abschnitt des Umieren^^anges gleichfalls als Ausfuhr-
weg für jene Stoffe erweitert, und tritt damit in verschiedene Ver-
richtungen tlber. Unter den Teleostiern ist diese Sonderung eines Ab-
schnittes des Umierenganges wahrscheinlich noch weiter gediehen, und
führte sogar zu innigeren Verbindungen mit den Geschlechtsdrüsen.
Bestimmter ist dieses bei den Selachiem, Ghimören und DipnoYs der
Fall, doch geht hier die Verwendung des vom Urnierengange sich son-
dernden Abschnittes in beiden Geschlechtern eine differente Richtung
ein, wie beim Geschlechtsapparate dargelegt wird.
§ 379.
Bei den Amphibien erhftit sich der vordere zuerst auftretende Theil
der Urnieren nur unvollkommen, entweder verbindet er sich mit dem
männlichen Geschlechtsapparate, oder er bleibt als ein Rudiment dem
primitiven Urnierengange angeheftet. Der hintere Abschnitt bildet
wieder den ansehnlichsten Theil, in Ausdehnung sehr wechselnd, in
Lagerung der Niere der Fische gleichkommend. Wenn der vordere
Abschnitt der Verbindung mit dem mttnnlichen Geschlechtsapparate
entbehrt^ so ist der hintere in diese Beziehung getreten, und zeigt
auch dadurch seine Zusammengehörigkeit zum vorderen an. Er er-
scheint entweder als eine zusammenhängende Masse oder ist bei ge-
streckterer Gestalt in eine Anzahl hinler einander gelegener Lappen
aufgelöst.
Bezüglich der Ausfübrwege bestehen zwar sehr verschiedene,
allein doch von einander ableitbare Verhältnisse. Alle Theile der
Urniere münden anftinglich in den vom vordersten Abschnitte kommen-
den seitlich veriaufenden Umierengang. Bei Manchen bleibt dieses
Verhalten bestehen z. B. bei Proteus; indess bei Anderen die queren
Aasführgänge sich unter einander vereinigen, um erst am Ende des
Umierenganges einzumünden. Aus . der Vereinigung dieser Canäle geht
ein neuer Canal hervor, den ich. als secundären Urnierengang
bezeichne. Der primär eUrnierengang geht dabei nicht zu Grunde,
sondern wird zu Functionen des Geschlechtsapparates gezogen, von
denen unten weiter, die Rede sein wird.
So spielt also das aus einem einfachen Ganale — dem Urnierengang
— difierenzirte. Organ schon bei. den Anaronia eine verschiedenartige
Rolle und erhält sieh keineswegs gleichmässig in seiner primitiven
Bedeutung. In höherem Grade tritt das bei den Amnioten hervor.
Anfänglich in grosserer Ausdehnung durch die ganze Länge der Leibes-
hoble vorhanden, erleidet die hier auch als Wolff'scher Körper
bezeidinete Urniere eine Rückbildung und wird tlieilwetse dem Ge-
schlechtsapparat untergeordnet.
Die Rückbildung der Urniere sieht bei den Amniolen mit der
ä6H Wirbtillliiurc,
Enlwicki.'luiig der bicihcndou Niere im Zusfimmenbang, iiiüem die lülzlei?
als ein SonderuDgsproiluct der erslei'en erscheint.
Die erste Anlage der N'i«re repr^sentirt wieder ein Canal , der
manchen Angaben zufolge als eine Sprossung vom Urnierengange nahe
an der EinmUndungsslelle desselben in die Cloake sich bildet. Dieser
Nierengang wachst vorwärts und bildet mit seinem blinden Ende neue
Wucherungen, die Anlage der drüsigen Niere, während der Gang zum
Ureter wird. Bei den Reptilien und Vögeln beginnt mit der Dißcren-
zirung der Niere die vdllige Trennung vom Urnierengange, indem das
schon anfänglich sehr kurze gemeinsame StUck des L'rnie renganges sich
verkürzt, bis endlich L'mierengang und Ureter getrennt In die Cloake
münden. Indem so die Niei-e der Amniolen als eine DifTerentirung
aus der Umiere erscheint, die vvir bei den Anamnia als exciusives
Nierenorgan antretfen , entst«ht grosse Wahrscheinlichkeit für die An-
nahme, dass die Urniere der Anamnia nur einem Abschnitte der Am-
nio(en-Niere entspricht. Die letztere wäre dann ein nur bezüglich der
zeitlichen Ersdieinung i
Fig. S79.
i der Urniere verschiedenes Organ , welches
durch Ausbildung in einer späteren , andere
Bedingungen bietenden Periode, etwas andere
formelle Zustände erreicht.
Wie die Urniere das allgemein vererbte
Oi^an ist, so ist dann die bleibende Niere ein
durch Anpassung eigenthümlich diOerenzirter
Abschnitt derselben.
Für den feineren Bau der Niere stellt
sich das Wesentliche des für die Uroieren an-
gegebenen Verhaltens heraus. In der Anord-
nung der llamcanälchen , sowie der Gestaltung
einzelner Abschnitte und deren Beiiehungeo
zu den Ausfübrv^'egen ergeben sich mannich-
(ache Verschiedenboiten der eineeJnen Ab-
iheilungen.
In Lage und Ausdehnung bieten dir
Nieren der Reptilien und Vögel manche
an die Fische sidi anschliessende Verhultnisse
dar. Sie liegen weit nach hinten, der Cloake
benachbart, nur bei den Schlangen weiter
davon entfernt, und zugleidi mehr in die
Länge gestreckt. Durch die Bildung von Win-
dungen oder Lappen bietet ihre Form grössere
Uannichfalii^eit. Bei den VOgeln sind sie in
die Vertiefungen zwischen den Querfortsätxen der Sacralwirbel einge-
bettet, und zerfallen meist in drei zuweilen mit einander verbundene
KiK. ■
Excrelionsorgaoe. 569
Lappen, die je einen verschiedenen Urofung erreichen können. Die
Ureieren (Fig. 27S. u) sind meist am Innenrande der Nieren gelagert,
von Stelle zu Stelle grössere Harncanflle aufnehmend (Schlangen, Schild-
kröten), oder sie werden vom Nierenparenchym umschlossen, um meist
erst am £nde des Organs hervorzutreten Saurier, Grocodile). Bei den
Vögeln verlaufen sie zum grossen Tbeile ausserhalb der Niere. Bei
Allen mUnden sie in Folge der oben erwähnten Trennung vom Ur-
nierengange gesondert in die Gloake aus, oder in einen auch die Ge-*
schlechtswege aufnehmenden Sinus urogenitalis.
§ 380.
Die Nieren der Säugethiere bieten dirsell)e Anlage wie die der
Reptilien und Vögel, allein nach der Sonderung der Anlage vom Ur-
nierengange ergeben sich mancherlei Lageveründerungen besonders fUr
die Ureieren in ihren Beziehungen zu den Ausfuhrwegen der Geschlechts-
apparate.
Die am blinden Ende des Nierencanals entstehenden Nieren treten
nach ihrer Differenzirung hinter die Urnieren , die sie allmählich an
ihrem vorderen Rande überragen. Sie scheinen anfänglich eine glatte
Oberfläche zu besitzen, welche mit der Sonderung des drtlsigen Paren-
cbyms in einzelne Lappen uneben wird. In jedem Lappen treten die
Uamcanälchen auf einem papillenartigen Vorsprunge zusammen, an
welchen sich der gemeinsame Ausftthrgang des Lappens anschliesst.
Er bildet die Nierenkelche, deren Vereinigung als Nierenbecken be-
zeichnet wird und den Ureter hervorgehen lässt. Die Zahl der bei-
stehenden Lappen ist beträchtlich verschieden. Sehr zahlreich (gegen
200) sind sie bei den Getaceen, wo sie von einander gesondert bleiben.
Eine geringere Zahl gesonderter Lappen besitzen die Pinnipedier^ ebenso
manche Carnivoren (Ursus , Lutra) , indess bei Andern eine theilweise
Verschmelzung der Lappen stattfindet, wodurch die Nieren eine
höckerige Oberfläche erhalten (z. B. Hyaena, Bos, Elephas). Dies ist
für Andere ein gleichfalls vorübergehender Zustand, und mit völliger
Verschmelzung der Corticalsubsianz der Lappen empfängt die Niere
eine glatte Oberfläche, an der wohl noch einzelne Furchen die ursprüng-
liche Trennung in Lappen andeuten. Im Innern der Niere dagegen
erhält sich die Trennung mehr oder minder vollständig, und man findet
die Zahl der ursprünglichen Lappen in den verschledengradig ver-
schmolzenen Papillen ausgedrückt (z. B. beim Menschen). Die Ver-
schmelzung kann aber auch einen grossen Thcii, oder sämmtliche
Lappen betreffen, so dass eine viel geringere Zahl von Nierenpapillen
besteht, die sogar in eine einzige zusammentreten können (Marsupialien,
Edentaten, Nagethiere, manche Carnivoren).
Die aus dem Nierencanale gebildeten Urethren senken sich nach
ihrer Trennung vom Urnierengange anfänglich in den in der Bauchhöhle
570 Wirbellhiere.
des Embryo verlaufenden , n)it der primitiven Beckendarmhöhle ver-
bundenen Abschnitt der Allantois ein (Urachus). Dieser bildet sich
allmiihlich in ein spindelförmig erweitertes Organ um, die Harnblase,
wahrend die Fortsetzung des Urachus zum Nabel und von tia in den
Nabelstrang obliterirt. Ersterer Abschnitt bildet das Ligamentum vesico-
umbilicale medium. Die ursprünglich spindelförmige Gestalt der Harn-
blase erhält sich bei manchen S^lugethieren (Robben) , während sie
bei anderen allmählich bedeutendere Modificationen erleidet, welche mit
Differenzen in den Einnitlndungsverhältnissen der üreteren verbunden
sind. So öffnen sich die üreteren bei vielen Nagern weit oben an der
hinteren Blasenwand. Auch in der Lagerung treten Modificationen
ein, denn während die Harnblase anfänglich sich durch einen Theil
der Bauchhöhle erstreckt, rtlckt sie mit der Ausbildung der aus letzterer
sich fortsetzenden Beckenhöhle in diese hinab.
Das fernere Verhallen der Ausfuhrwege ist mit dem Geschlechts-
apparate gemein und wird bei diesem Erwähnung finden.
DarmoanaL
§ 381.
Der Darmcanal der Wirbelthiero bildet ein unterhalb des Axen-
skeletes verlaufendes Rohr, welches bei der ersten Anlage des embryo-
nalen Körpers vom inneren Keimblatte [dem DarmdrUsenhlatte {Remak'sj
und einem inneren Abschnitte f Darmfaserblatt R.) des mittleren Keim-
blattes dargestellt wird. Jene Sonderung des mittleren Keimblattes
lässt zugleich die allgemeine Leibeshöhle (Cölom, Pleuroperiloneal-
höhlej entstehen, in welcher das primitive Darmrohr verläuft. Anfäng-
lich, wenigstens bei den höheren Wirbel Ihieren , geschlossen, bilden
sich erst secundär, am vorderen und hinteren Ende Communicationen
nach aussen, indem zuerst von aussen her Einbuchtungen nach innen
wachsen, in deren Grunde schliesslich Durchbrechungen stattfinden,
welche die Mund- und die Afteröffnune bilden. Aus dem die Aus-
kleidung des primitiven Darmrohrs vorstellenden epithelialen DarmdrUsen-
hlatte entsteht bei den Wirbellhieren eine ansehnliche Reihe von Organen,
welche theils auf die Function der Ernährung Bezug haben, und dann
mittelbar oder unmittelbar mit dem Darme verbunden bleiben, theils
aber auch andere Beziehungen besitzen, und dann mehr oder
• minder vom Tractus intestinalis sich sondern. Am primitiven Darm-
rohr erscheinen ■ zwei Hauptabschnitte sehr frühzeitig sowohl morpho-
logisch als physiologisch von einander gesondert. ♦ Der vorderste
Abschnitt steht unmittelbar mit der Leibeswand im Zusammenhang,
und fungirt von den Visceralspalten durchsetzt als Athmungsorgan, indem
an den zwischen den Spalten liegenden , Blutgerässo führenden Bogen
respiratorische Apparate zu Stande kommen. Dieser Abschnitt gehört so-
Respiralariiicbo Vorkammer (Kopfdar
57<
Fig. IM.
mit nicht ausschliesslicb dßn Verdauungsorgsnen an, wenn er auch zur
Einrubrung von Nahrung verwendet wird. Er stellt eine Athem-
httble vor, von deren Grunde erst der zweite Absobnitt als Nahrungs-
canal im engeren Sinne beginnt durch die Pleuroperitonealhtfhle von der
Leibeswand gesondert. Diese beiden Abschnitte des Darinrohrs haben
die Wirbelthiere mit den Tunicaten gemein. Bei den Acrania utnfasst
die respiratorische Vorkammer des Darmrohrs einen
sehr ansehnlichen Abschnitt, der ahnlidi wie bei den
Ascidten einen grossen Theil des Ktirpers vorstellt.
Bei den Cranioten empfängt dieser Haum eine all-
mähliche Beschränkung, und wenn er auch bei Fischen
und Amphibien dieselbe respiratorische Bedeutung be-
bilU, so treten doch an ihm mancherlei zu anderen
Leistungen führende Differenzirungen auf, welche
ihm eine gewisse Selbständigkeit aufpiligen.
Respiraloriscbe Vorkammer (Koptdarm).
§ 38S:
Dieser Abschnitt erscheint bei Amphioxus in
seinem vordersten Tbeile gegen den die Nundoffnung
tragenden Raum durch einen Wimperapparat abge-
grenzt und ebenda erscheint eine Anzahl beweg-
licher Fortsätze, welche gegen das Lumen gerichtet
werden und dadurch das Eindringen von Fremde
körpern verhindern können. Der nahezu zwei FUnf-
theile der Gesammtlänge einnehmende Raum dieser
Vorkammer (Fig. 873. d) ist an seinen Wandungen
von einer grossen Anzahl schräg stehender Spalten
durchbrochen , wodurch ein complicirtes Gitterwerk
entslehl, dessen Stutzen bereits oben [S. 482] erwähnt
sind. Das durch die Mundöfihung ia) eingenommene
Wasser gelangt durch die Spalten anfänglich direct
nach aussen. Da aber zwei seitliche Hautfalten all-
mählich tlber die spaltentragende Fläche ventralwärls
sieb - fortsetzen und dort sich unter einander ver-
binden , 50 entsteht ein das aus den Spalten strö-
mende Wasser aufnehmender Baum von dem eine
Fig. «3. Ampbioias tanceolalua S"/i n»»' vergrösserl, a Hundftffnung
von Cirreo umgebea. b AFtarttffnung. c Abdomina Iporus. d Kieme nBacic, e Magen-
arligar Abschnitt des Darmi. f Bliiiddarin. g Eiiddarm. h Leibeshühle. i Cborda
dorsalis, unter welcher last in der ganzen Lange die Aorta vcrlSufl. k Aorten-
lingen. I Aorlenherz. tn Anschwellungen der Kiemenarletien. n Hohlvenenhert.
0 Ptortaderben. (Nach Quatrefagis.)
572 Wirbellhicre.
weil hinten gelegene Oeifnung (Fig. 273. c) inach aussen . leitet. Da
in den Wandungen der Spalten ein Gefässnetz sich verbreitet, besorgt
das da vorbeistrOroende Wasser die Äthmung, die Spalten fungiren als
Kiemenspalten, und die gesammte mit diesen besetzte Cavität stellt
eine Kiemenhöhle vor.
Zu diesem Verhalten kommen noch manche andere Verschieden-
heiten, z. B. die asymmetrische Anordnung des Kiemengitters, woraus
eine bedeutende Verschiedenheit des ganzen Apparates von dem der
Gra nieten entspringt. Vielmehr bietet die gesammte Einrichtung in
vielen Stücken Aehnlichkeiten mit dem Athemsacke der Ascidien dar.
K i 6 tn e n.
§ 383.
Bei den Granioten ist allgemein eine bedeutende Minderung der
Zahl der Kiemenspalten und dem entsprechend auch der Bogen des
Visceralskeletcs zu beachten, die als Rückbildung einer ur>
sprünglich Hhnlich wie bei Amphioxus grösseren Zahl
dieser Gebilde aufgefasst, in der Ausbildung der das
respiratorische Gefdssnetz tragenden Flächen eine Goro-
pensation ergibt. Diese Ausbildung erscheint mit der Entfaltung
von Kiemen, wodurch die bei den Acrania auf zahlreiche Bogenge-
bilde vertheilten Blutgefässe auf kleinere Strecken beschrankt, und
damit auf eine geringere Zahl jener Bogen geordnet sind. Der wesent-
liche Gharakter der Kiemenbildung liegt auch hier in einer gegeo das
zu respirirende Medium gerichteten Oberflächenvergrösserung, die ent-
weder durch Blättchen oder durch cylindrische Fortsätze geschieht.
Solche das reicher entfaltete respiratorische Blutgefässnetz umschliessende
Theile besetzen in mannichfaltiger Ausbildung die Bogen des Yisceral-
skeletes, die dadurch Kiemenbogen vorstellen.
In einem eigenthümlichen an den Befund von Amphioxus wenig sich
anschliessenden Verhalten treten uns die bezüglichen Organe derCyclo-
stomen entgegen, bei denen schon der Mangel eines inneren Vis-
ceralskeletcs eine Besonderheit der Einrichtung bedingt. Die anfäng-
lich gleichfalls einfache Spalten darstellenden Durchbrechungen der
Leibeswand ditrerenziren sich in längere Röhren, deren mittlerer Theil
unter Erweiterung seines Raumes den Kiemensack (Fig. 274. 6r)
bildet. Von der Wand der Kiemensäcke erheben sich die Kieoien-
blättchen als Falten, in denen das respiratorische Gefässnetz sich
ausbreitet. Jeder Kiemensack steht durch einen »inneren Kiemengang«
mit dem Anfangsstücke des Darmrohrs in Verbindung. Nach aussen
leitet ein äusserer Kiemengang (fer'). In dem Verhalten dieser beiden
von jedem Kiemensacke entspringenden Ganäle bestehen manche Ver-
schiedenheiten. Der innere Kiemengang mündet entweder für sich aui
Kiemen.
573
Kig. «1*.
Darmrohre nadi Jenen (Bdellostoma, Hyxine) (Pig. 27i), oder alle ver-
einigen sich in ein unter dem Darm verlaufendes medianes AthmungB-
rohr, welches, vorne mil dem Darmrohr verbun-
den, den einzelnen Kiemensflcken Wasser zuDtbrt
(Pelromyzonj . Die äusseren Kiemen^nge kommen
entweder eiaieln an der Seite des KOrpers tur
Ausmilndung [Bdellostoma, Pelromyzon) , oder die
sammtKcfaen GSnge einer Seite vereinigen sieb in
einen binler dem Kiemenapparale liegenden Porus
brant^ialis [Fig. S74. s) , wobei linkerseits noch
ein besonderer aus der Speiseröhre kommender Canal
[Ductus oesophago- cutaneus) (c) hinEutritl (Hyxine},
Diese verschiedenen Formen lassen sich aufein-
ander lurtlckfQhren und sowohl für, das Verhallen
der inneren als aoch der llusseren Kiemeng&nge ist
jener Zustand als der ursprtingliche zu erachten,
weicher die directere Verbindung des Darmes mit
der J£arperoberf)ache vermittelt. Dagegen ist die
Bildung der Athmungsrobrs , als auch die Ver-
einigung der Husaeren Kiemengänge das Krgebniss
einer späteren Differenitrung.
§ 384.
' Bei den Fischen stehen die Kiementascben in
engerer Beziehung zum Visceralskelel. Die hier
auftretenden ürscheiuungen berechtigen zum Schlüsse,
dass ursprünglich Jeder Bogen des Visceralskelets
Kiemen trug. Der obere Theil des ersten Visceralboger
hiervon nitdit ausgenommen, wie aus der grossen Verbreitung einer Kieme
an der bei vielen Selachiern vorhandenen, zwischen dem ersten und
sweilen Bogen [Kieferbogen und Zungenbeinbogen] gelegenen OefTnung,
dem sogenannten Spritzloch, hervorgeht '(Fig. ^59. s). Auf den eine
rUckgebildele Kiemenlasche darstellenden zum Spritiloch ftihrenden Canal
folgen die eigentlichen Kiementaschen, deren in der Regel fünf existiren,
nur selten sechs bis sieben (Notidaniden). Die Wand der ersten Kiomen-
tasche wird vom vom Zungenbeinbogen, hinten vom ersten, d. h. dem
dritten primitiven Kiemenbogen dargestellt, und so verballen sieb ähn-
lich die übrigen Taschen. Bei allen erstreckt sich ein von dem im
) (Kieferhogen) int
Fig. S7i. Alhmunesoi^BD von Uyiine glutinosa von der Banchseile.
s OoMffaagDi. t iDDen KlemengHDse. br KiemeniKcke. br' Aeussere Kiem«n-
gttoge, die sich lu einem gemeiosclitniichen ImI i ausmünde ndea KieoieDgenge
jederMils vereinigea. c Doctug oetophagO'CutBneus. a Vorhof des Herzens, v Herz-
kammer. 0.6 Kiemenarlerie , an jede Kieme einen Ast abgebend, ä Seitenwand
dM L«ibe« nach ausiMtn und rUcliwlirls umgeschlagen. (Nach Jon. .UCller ]
574 Wirbeltbiere.
Visceraiskeiet ausgehendes Seplum nach aussen und dient als Hinier-
wand einer vorhergebenden , als Vorderwand einer nachfolgenden
Tasche. Wie die Taschen mit spaltförmigen, von den knorpeligen
Kiemen bogen begrenzten Oeffnungen mit der Rachenbohle communiciren,
so münden sie andererseits mit ebenso vielen Spalten an der Seite
des Körpers, bei den Rochen auf der ventralen Fläche aus. An den
Wandungen der von den knorpeligen Kiemenstrahlen gestutzten Kiemen-
taschen, liegen die Reihen der Kiemen blattchen, von denen im embryo-
nalen Zustande fadenförmige Verlängerungen, als äussere Kiemen, nach
aussen hervortreten. Solche fehlen auch dem Spritzloch nicht. An der
letzten Kiementasche ist nur die vordere Wand jnit einer Kieme
versehen.
Aus diesem Verhalten sind die Kiemeneinrichtungen der GanoYden,
und von diesen jene der Teleostier abzuleiten. Die Spritzlochkieme,
die bei den Selachiern im ausgebildeten Zustande des Thiers . nicht
mehr respiratorisch fungirt, da sie arterielles Blut empfängt und solches
wieder abgibt, erleidet zunächst die bedeutendsten RUckbildangen.
Bei einigen ein Spritzloch besitzenden GanoYden (z. B. Acipenser) ist
die Kieme, obgleich häufig noch vorhanden, niemals ein respiratorisches
Organ, sie wird zur Pseudobranchie deren Polypterus und Amia
entbehren Den Knochenfischen scheint sie zu fehlen, oder hat alle
Aehnlichkeit mit einer Kieme verloren.
Die am Zungenbeinbogen angebrachte vordere Kiemenblättchen-
reihe der Selachier kommt unter den GanoYden als respiratorisch fun-
girende Kiemendecke Ikieme gleichfalls noch vor (Acipenser, Lepi-
dosteus). Ebenso besteht sie . während der embryonalen Stadien der
Teleostier, allein hier nur in vergänglicher Weise, denn sie erleidet
nach Verlust ihrer respiratorischen Bedeutung Rückbildungen. Bald be-
steht sie nur aus einer am oberen Abschnitte des Kiemendeckels be-
festigten kurzen Kiemenblättchen reihe, bald ist sie näher an die Schädel-
basis gerückt. Häufig besitzt sie keine vorspringenden BläUchen,
sondern liegt ganz unter der Schleimhaut verborgen. Auch in diesem
Zustande können noch knorpelige Stäbchen als Rudimente früherer
Bildung in ihr vorkommen. Bei noch weilerer Rückbildung (z. B. bei
Esox) erscheint sie als ein drüsenartiges aus einzelnen Läppchen zu-
sammengesetztes Gebilde, das aber durch seine Lagerung sowie durch
sein Verhalten zu den Blutgefässen mit den minder rückgebildeten
Formen der Opercularkieme übereinstimmt.
Bezüglich der übrigen Kiemenblattreihen ist bei GanoYden und
Teleostiern nicht minder eine Veränderung eingetreten. Mit dem gänz-
lichen Verluste des äusseren Kiemenskeletes ist das bei den Selachiern
von jedem inneren Kiemenbogen entspringende Septum geschwunden
oder auf einen schmalen Saum reducirl. Letzteres ist bei den Stören,
ähnlich auch bei den Chimären der Fall. Dadurch kommen die Reihen
der Kiemenblättchen in unmittelbare Beziehung zu den betreffenden
Kiemen. 575
Kiemenbogen und werden sich demnach in zw«j Reiben (Pig. 875. b b)
an allen jenen Bogen angeordnet vorfinden , welche iwischen je zwei
Kiementaschen verliefen. Die vertiere Kiemenblültchen-
reihe am Kiemenbogen eines Teleostiers oder (ianolden Kig. itb.
enl^richt somit der Kieme an der hinlem Wand der
Kiemeotascfae eines Selacbiers, und die hintere Blatte
dienretbe einer Teleostierkieme der vorderen Kieme in
der Kiementascbc eines Selachiers.
Die Beiiehung der auf den Kiemenbogen sitzenden
KiemenbUtlieibe der Knochenfische su den in den
Ta«;hen geborgenen Kiemen der Selachier lassen sieb
in folgendem Scbemn ausdrücken , wobei b die in-
differenten Zustünde der Kiemenbinttreihea, B ibre in
den einzelnen Abtheilungen differensiite Anordnung
ausdrücken soll, ß bedeutet eine in eine Nebenkieme
um^wandelte KicmenbUtlcbenreihe.
Durch die Rückbildung der Kiementüschen-Sepla,
wird der gesammtc Kiemenapparal compendioser, be-
sitzt daher nicht mehr die Ausdehnung auf den An- '.:. '
fang der Bumpfregion , die er hei Selnchiem auf-
wies, sondern lagert ausschliesslich an der Schädel-
basis. Wahrend ober jedes vorspringende Septum für die nUchst-
folgende Kiementasche ein Schutzorgan bildete, wird bei Chimären,
GanoYden und Teleostiern ein solches von einem einzigen Visceral bogen,
nämlich vom Zungenbein bogen geliefert, indem dessen Integument
nach hinten zu auswachsend die sifmmllichen Kiemen bedeckt und
bei GanoTden wie Teleostiern in den Opercularapparat und <lie Mem-
brana branchiostega mit ihren verschiedenen StUtzorganen sich aus-
bildet (§ 313. 325].
§ 385.
Gewöhnlich sind vier Kiemenbogen mit Kiemenblattchen besetzt.
Doch bieten sich hiervon mancherlei Ausnahmen , indem der vierte
Bogen niu' eine einzige Reihe von Blatlchen tragt, oder indem auch nur
drei Blattchen tragende Bogen vorkommen. Daran reiben sich be-
deutende Reductionen, da ,mit dem Schwinden der BlHUcben am vierten.
Fig. IIS. DarstellUDg derGeOlssvertheiluiiii in den KiemenblUttchen. a Quer-
durchschnilt des knOchernea Kiemenbogen«. b b Znci KiemcnblSltehen. e Kiemen-
- »rlcrii.'. e' Aeslchpn der Kiemensrlerlp in den Blstlchen. d Kiemenvene. d'd'Aeit-
cheo der Ktemeovene in den Kieme nblUllchen. [Nacb Ccvih.)
576 Wirbelthieie.
sowie der hinteren Blattchenreihe am dritten Bogen die vierte Riemen*
spalte sich schliesst. In dem Verhalten der Blfittchen sowohl hinsicht-
lich ihrer Zahl , GrOsse und Gestalt sind gleichfalls viele Wandlungen
wahrzunehmen, von welchen die' Umbildung in zottenförmige Fortsätze
hei den Lophohranchiern hervorgehoben werden mag. Eine Umbildung
der Kiemenbogen erscheint in einzelnen Abtheilungen der Teleostier
aus einer Anpassung ableitbar, welche auf das Zurückhalten von Wasser
im Kiemenapparate abzuzielen scheint. Hieher gehören die Organe der
Laby rinthobranchia; Modificationen einzelner Kiemenbogen oder
Kiemen bogenglieder bilden gewundene lamellenartige Vorsprünge, durch
welche ein über den Kiemen gelegener Abschnitt hergestellt wird
(Anabas, Polyacanthus) . Ein anderer Apparat kommt bei ClupeYdeo
vor, und besteht aus einem spiralig gewundenen, als Ausstülpung der
oberen Rachenschleimhaut erscheinenden Schlauche (Kiemenschnecke],
der meist mit dem oberen Gliedstücke des vierten Kiemenbogens zu-
sammenhangt, und in seinen Wandungen Fortsätze dieser Skelettheile
enthalt. Diese Kiemenschnecke ist sehr entwickelt bei Heterotis, Luto-
deira, Meletta u. a. Ferner gehören hierher dendritisch verzweigte
Fortsätze von Kiemenbogen, die in besonderen Verlängerungen der
Kiemenhöhle geborgen noch ein respiratorisches Gefössnetz tragen
(Heterobranchus, Ciarias).
Gleichfalls mit der respiratorischen Bedeutung der zu den Kiemen
führenden Vorkammer desTractus intestinalis stehen Ausbuchtungen
dieses Raumes in Zusammenhang. So erstreckt sich bei Saccobranchus
jederseits ein langer Schlauch von der Kiemenhöhle bis in die Seiten-
rumpfmuskeln, und bei Amphipnous geht jederseits hinter dem Kopfe
ein solcher Sack hervor, dessen Eingangsöfihung im oberen seillichen
Theile des Rachens über der ersten Kiemenspalte liegt. Beide Bildungen
enthalten respiratorische Gefässnetze.
§ 386.
Aeussero Kiemen , unter den Fischen allgemein nur bei Selachiem
während eines Embryonalstadiums verbreitet, bei Polypterus gleichfalls
auf einen Jugendzustand beschränkt, und wie bei Protopterus nur
einem einzigen Bogen zugctheilt, treffen sich erst wieder bei den Am-
phibien , bei denen sie wie bei den Selachiern als Vorläufer innerer
Kiemen auftreten. Sie erscheinen als zwei bis drei Paare verästelter
Blättchen und Fäden , weiche von ebenso vielen Kiemenbogen ent-
springen. Bei den Perennibranchiaten bleibt dieser Apparat in Function,
und durch die Kiemenspalten besteht eine beständige Communication
der Mundhöhle mit dem umgebenden Wasser. Bei den übrigen Am-
phibien gehen diese äusseren Kiemen verloren, um bei den unge-
schwänzten Amphibien, denen sie nur während einer kurzen Periode,
zukommen, einer Entfaltung kürzerer Kiemenblättchen, in Gestalt innerer
Kierncnspalten der Anniunia. — Gounien der Amnioten. 577
auf vier Bogen des Visceralskelets aufgereihter Kiemen, Platz zu machen.
Bei diesen entwickelt sich zugleich eine von vom nach hinten wachsende
Membran, welche die Kiemen bedeckend äusserlich nur eine einzige
Oefifnung bestehen lässt. Durch ferneres Auswachsen dieser Membran
kommen die beiderseitigen Oeffnongen näher aneinander, uui zu einer
einzigen ventral zusammen zu treten. Mit der Beendigung des Larven-
stadiums trifft die inneren wie die ilusseren Kiemen der Derotremen
und Salamander eine Rückbildung, und die Kiemenspalten sehliessen
sich. Nur bei den Derotremen bleibt jederseits eine Spalte übrig,
wahrend bei den Salamandrinen und Anuren jede Spur des ursprüng-
lich vorhandenen Kiemenapparates zu Grunde geht.
K iomenspaltcn der AnamDia. — Gaumen der Amnioten.
§ 387.
Der bei den Anamnia als respiratorische Vorkammer fungii*ende
Raum verliert bei den Amnioten einen Theil seiner funcUonellen Be-
deutung, indem keinerlei Kiemenbildungen mehr zur Entfaltung kom-
men. Als eine von kiemenbesitzenden StammUitern ererbte Einrichtung
erhalten sich jedoch auch in dieser Abtbeilung die Schlundwand durch-
setzende Spalten in gewissen Embryonalperioden. Das Auftreten dieser
wie es scheint auf die Vierzahl beschrankten Kiemen oder Visceral -
spalten erfolgt Von vorne nach hinten, doch so, dass mit der Er-
scheinung der letzten an den vorderen meist schon Veränderungen ein-
getreten sind. Allmählich erleiden sämmtliche eine Rückbildung, und
verschwinden gUnzlich, bis auf die erste, welche in Theile des mitt-
leren und äusseren Ohres sich umgestaltet (vergl. oben §. 376).
Indem schon mit der Rückbildung der embryonalen Kiemenspalten
die Veridindung mit den Anamnia sich lockert, tritt durch eine DiOeren-
zirung der primitiven Mundhöhle eine neue EigenthUmlichkeit auf. Sie
fuhrt zur Bildung der secundären Nasenhöhle und der secundaren
Mundhöhle. Der dahinter gelegene, nicht in diesen Vorgang mit
eingezogene Rest der primitiven Mundhöhle stellt den Pharynx vor.
Das bei den Amphibien breite, beide Nasenhöhlen trennende Etli-
moYdaJknorpelstück wachst bei den Amnioten zu einer dünnen senk-
rechten Lamelle aus (Fig. 276. e), welche die Nasenscheidewand bildet.
Zum Theile bleibt diese knorpelig, zum Theile gehen knöcherne Ge-
bilde an und aus ihr hervor, deren oben beim Kopfskelete bereits ge-
dacht ward.
Eine zweite Veränderung bildet sich durch das Auswachsen hori-
zontaler Leisten oder Fortsätze, die sowohl von dem Oberkieferfortsatze
des ersten Visceralbogens wie auch vom unteren Ende des Stimfort-
satzes ausgehen (Fig. S76. p) und allmählich eine, die primitive Mund-
höhle in zwei Etaj^en theilende Platte entstehen lassen. Diese bildet
Oefwntear, Ornndrisa. 37
578 Wirbelthiere.
für den oberen Raum, die Nasenbohle (n), den Boden, für den unleren
(m) das Dach. In letzterer Beziehung wird sie als Gaumen bezeichnet.
Indem die erwähnte Nasenscheidewand diese Gaumenplatten erreicht,
sondert sie zwei Nasenhöhlen von einander, und fn jede mündet nun-
mehr der Nasencanal aus, während sie bereits von früher her eiQe
mit der äusseren Oeffhung des Nasencanals zusammenfallende äussere
Oeffnung besassen. Die durch die Gaumenplatte
Fig 276. ^^^ ^^^ Mundhöhle, durch die senkrechte Nasen-
Scheidewand von einander getrennten hinteren
OefTnungen der Nasenhöhlen werden als Ghoanae
bezeichnet. Sie münden in den Pharynx ein.
Durch diesen Vorgang gelangt das Riechorgan in
einen Raum, der ursprünglich zum grössten Theile
der primitiven Mundhöhle zugehörte.
Die Entwickelung der Gaumenplatten reprä-
sentirt sehr verschiedene Stadien. Bei Schlangen,
Sauriern und Vögein ist dieser Scheidungs-
vorgang minder vollständig, die Choanen erscheinen als eine Längs-
spalte, indem die Gaumenfortsätze nur vorne einander erreichen, nach
hinten zu aber von einander getrennt bleiben. Zuweilen sind die
Choanen bei Vögeln getrennt und dann bedeutend schmal. Bei den
Crocodilen dagegen sind sie am weitesten nach hinten gerückt,
weiter sogar als bei den Säugethieren, wo sie aber ebenso nicht
mehr in die secundäre Mundhöhle sich öffnen, sondern in den oben
l)ereits als Pharynx bezeichneten Raum, welcher schon durch die
gleichfalls in ihn einmündenden, jederseits aus der ersten Visceralspalte
hervorgegangenen Tubae Eustachii als ein . der ursprünglich respira-
torischen Vorkammer angehöriger Abschnitt sich kundgibt.
Den Gaumen stützen bei Reptilien und Vögeln Skeletgebilde , bei
den Säugethieren (s. oben] wird er zum Theil durch Weichtheile vor-
gestellt, welch' letztere den weichen Gaumen bilden im Gegensatz zu
dem feste Grundlagen besitzenden harten.
Nasenhöhle.
. § 388.
Während die Nasenhöhlen schon durch den vom Gaumen besorgten
Abschiuss von der Mundhöhle an Länge gewinnen, trägt hiezu noch
die Ausdehnung des Gesichtstheiles des Kopfes nicht wenig bei, und
sie werden, dadurch in die Länge wie in die Höhe sich enlfattend, zu
bedeutenden Räumen. Nur an ihrem oberen und hinteren Abschnitte
Fig. 276. Schematische Darstellung der Sonderung der primitiven Mundhöhle
in Nasenhöhle n, n , und secundtfre Mundhöhle m. p Gaumenplatten, e Nasen-
Scheidewand.
Nasenhöhle. ' , 579
findet die Ausbreitung und Endigung des Olfactorius statt, wifhrend
der untere und vordere vorwiegend als Luftweg dient, und damit zu den
Atbmungsorganen Beziehungen empfängt. Man unterscheidet demgemäss
die Innenfläche der Nasenhöhle in eine Regio olfactoria und eine
Regio respiratoria. Die nicht mehr ausschliesslich von der Schleim-
haut gebildete Oberflächenvergrösserung des Binnenraums nimmt man-
nichfacbe Gestaltungen an. Immer betheiligt sich daran die vom Prim-
ordialcraniuni gebildete laterale Wand der Nasenhöhle, deren gefaltete
und gewundene VorsprUnge die Nasenschleimhaut überzieht. Diese lamel-
lenartigen frei geendigten VorsprUnge bezeichnet man als Huscheln
(Conchae) .
Den Reptilien kommt in jeder Nasenhöhle nur eine einzige Muschel
zu, die von einem mit der äusseren Nasenöffnung beginnenden Vor-
hofe aus meist in horizontaler Lagerung nach hinten zieht, und bei
den Schildkröten wenig, am meisten bei den Crocodilen entfaltet ist.
Diese Muschel findet sich ebenso bei den Vögeln, wo sie in grosser
Mannichfaltigkeit auftritt. Bald ist sie einfach (Tauben), bald durch
Einrollung complicirter (Raubvögel) , oder sie kann auch in mehrfache
I^mellen sich spalten (Strauss). Vor und unterhalb dieser Muschel
kommt ein muschelartiges Gebilde vor, welches immer mit der Nasen-
scheidewand im Zusammenhang, schon dadurch von den stets lateral
entspringenden Muschelbildungeu sich unterscheidet. Diese Pseudoconcha
scheidet den Vorhof der Nase vom innem Nasenraume, und ist nicht
selten schon an der äussern NasenöfiFhung mit ihrem Vorderrande sichtbar.
Eine andere Vorsprungsbildung liegt über der Muschel, und
nimmt in der Regel das obere blinde Ende der Nasenhöhle ein. Es
wird durch einen höckerförmigen bald rundlichen, bald eingebogenen
Vorsprung der knorpeligen Seitenwand der Nasenhöhle vorgestellt, der
durch einen in der Orbita liegenden luftfühi-enden Sinus gebildet
wird. Auf diesem den Tauben fehlenden Vorsprunge endet ein Theil
des Olfactorius, ein anderer am entsprechenden Abschnitte der Nasen-
scheidewand. Bei den SSlugethieren werden drei Muscheln unter-
schieden. Die beiden oberen gehören zu dem das Siebbein bilden-
den Abschnitte, die untere der einzigen Muschel der Reptilien und.
Vögel entsprechende bleibt in der Regel ein selbständiger Knochen, der
zahlreiche Verschiedenheiten bietet, indem er bald in mehrfache in
verschiedenen Richtungen eingerollte Lamellen sich spaltet, bald an
diesen Lamellen wieder mehrfache Verzweigungen besitzt, z. B. bei
Carnivoren (am complicirtesten bei Lutra und Phoca). Am wenigsten
entwickelt sind diese Muscheln bei manchen Beutelthieren (Macropus,
Phascolomys) , dann bei den Affen (am einfachsten bei den Plalyrhinen)
und beim Menschen, wo wir also Rückbildungen vor uns haben.
Durch die von den Muscheln gebildeten Vorspillnge wird der Raum
der Nasenhöhle in mehrere Abschnitte, die XasengHnge, zerlegt.
Die Regio olfactoria gehört der oberen Muschel und dorn oberen Theil e
37*
580 Wirbeltbiere.
des Septums an. Eine Rückbildung der Nasenhöhle unter Verlust
ihrer olfactoriscben Bedeutung hat bei den Waithieren stattgefunden.
Die auf der oberen Schadelfläche befindliche äussere Oeffnung führt
in einen senkrecht absteigenden durch die Nasen Scheidewand getheilten
Ganal, der durch einen Schliessmuskel von der Rachenhöhle abge-
schlossen werden kann und von Muschelbildungen keine Spur aufweist.
§ 389.
Der Nasenhöhle gehören accessorische Apparate an. Solche sind:
i) NebenhöhlenderNase. Diese entstehen durch Auswachsen
der Nasenschleimhaut in Theile der festen Wandung. Sie treten zu-
erst bei den Crocodilen auf, wo sich ausser den einzelnen Knochen,
auch im Knorpel der seitlichen Nasenhöhlenwand eine mit der Nasen-
höhle coromunicirende Hohlraumbildung vorfindet. Bei den Vögeln
sind Verbindungen der Nasenhöhle mit Räumen benachbarter Knochen
sehr allgemein verbreitet. Ein im vorderen Orbitalraum gelegener
Sinus communicirt mit dem Grunde der Nasenhöhle und führt zugleich
in den Hohlraum, welcher die über der Muschel gelegene Ausbuchtung
gegen die Nasenhöhle bildet. Bei den Säugethieren communicirt die
Nasenhöhle mit einer Anzahl in verschiedenen Knochen des Schädels
liegender Höhlen , von denen vorzüglich die Sinus frontales hervorzu-
heben sind. Es' sind im Stirnbein liegende, bald einfache, bald in
kleinere Abschnitte getrennte Cavitäten, die bei Wiederkäuern mächtiger
entwickelt sind. Andere Communicationen finden mit der Höhle des
Keilbeins statt, sehr entwickelt z. B. beim Elephanten, wo die Hohl-
räume sich sogar durch Scheitel- und Schläfenbeine bis in die Con-
dylen desOccipilalc erstrecken, und endlich bestehen auch Verbindungen
zwischen der Nasenhöhle und dem Oberkiefer, den Sinus maxillaris
bildend, der bei Beutelthieren und Wiederkäuern, sehr beträchtlich hei
Einhufern entfaltet ist. Bei Primaten minder umfangreich, fehlen sie
den meisten Carnivoren, den Edentaten und Nagern.
2) Drüsen. Ausser den der Nasenschleim haut im Aligemeinen
zukommenden drüsigen Gebilden, stehen noch grössere Drüsen mit
der Nasenhöhle im Zusammenhang, und werden als entwickellere
Schleimhautgebilde gelten müssen, die bei Volumszunahme auch ausser-
halb der Nasenhöhle Platz nehmen. Solche Nasendrüsen finden sich
bei den Schlangen, auch bei manchen Sauriern und den Crocodilen,
bei den crslercn äusserlich dem Oberkiefer anliegend, bei den letzteren
in eine Höhle des Oberkiefers eingeschlossen. Eine äussere Nasen-
drüse, bald auf den Stirnbeinen, bald auf den Nasenbeinen gelten,
findet sich auch bei Vögeln.
3) Jacobson'sches Organ. Dies ist ein am Boden der
Nasenhöhle meist im Anschluss an das Septum nasale liegender, aai
Gaumen mit der Mundhöhle communicirender, aber gegen die Nasen-
Mundhöhle. 584
höhle abgeschlossener Canal, dessen Wandung an einem inannichfach
gestalteten Vorsprunge die Endigungen einiger Olfactoiiuszweige Irägt,
die am Septum herablaufen. Bei Schlangen und Eidechsen wird
der Canal theilweise vom Vomer umschlossen, und bei den Süugethicren
sind diese Organe mehr in die Länge gestreckt und setzen sich als
Stenson'scbe Gänge durch die Ganales incisivi zur Gaumenfläche fort,
vorzOglich bei Wiederkäuern und Nagern ausgebildet.
4] Aeussere Schutzorgane. Solche die Eingänge in die Nasen-
höhle theilweise überragende Gebilde werden bald vom Integufnentc
geliefert, bald trägt eine Fortsetzung der dem Primordialcranium zuge-
hörigen knorpeligen Wandung der Nasenhöhle dazu bei, letzteres ist
an der äussern Nase der SUugethiere der Fall, wo einzelne Knorpel-
iheile eine grössere Selbständigkeit erlangen, und durch einen Muskel-
apparat beweglich sind.
Mundhöhle.
§ 390.
Mit der durch die Gaumenbildung eingeleiteten Scheidung der
primitiven Vorkammer des Darmrohres in die Nasenhöhle und die
Mundhöhle, wird eine Anzahl der schon der primitiven Einrichtung zu-
kommenden Organe der Mundhöhle zugetheilt, indess andere als erst
nach der Scheidung gebildete erscheinen. Zu den ersteren gehören die
Zahnbildungen , die Zunge und mancherlei DrUsenorgane. Ais neu
entstandenes Gebilde erscheint der weiche Gaumen oder das Gau-
mensegel. Dieses erst bei den Säugethieren auftretende Organ be-
steht aus einer muskulösen vom HinterrandB des harten Gaumens be-
ginnenden Platte^ welche von der Schleimhaut continuirlich bedeckt
wird, und sich jederseits abwärts in zwei Schenkel (Gaumenbogen)
theilt. Diese fassen eine nischenförmige Vertiefung zwischen sich,' in
welcher ein als Mandel bezeichnetes, sehr verschieden gestaltetes Organ
meist einen wulstartigen Vorsprung bildet. Dieser bewegliche Apparat
bildet die hintere Grenze der Mundhöhle, die er vom Pharynx scheidet.
Eine mediane Verlängerung des Gaumensegels stellt das Zäpfchen als
eine den Primaten zukommende Einrichtung vor.
Die vordere und ^seitliche Begi*enzung der Mundhöhle bilden bei
Reptilien und Vögein die vom Integumente Uberkleideten Kieferränder
mit den jenem zukommenden Hartgebilden. Bei Eidechsen und Schlangen
stellt das Integument längs des Rieferrandes in einem wulstartigen Vor-
sprunge die Anfänge der Lippen vor. Bei den Säugethieren tritt mit
Ausnahme der Monotremen das Integument von den Kieferrändern ab,
und Uberkleidet eine von den Kiefern entspringende, complicirte Muskel-
schichte, welche bis in die Lippen reicht und dieselben beweglich
erscheinen lässt. Durch dieses Verhalten entsteht ein vor der Mund-
höhle liegender Raum, das Vestibulum oris, dessen seitliche Ab-
scbiiille hIs Wh ugcii höhle erscheinen, und grossen* Dehnbarkeit fähig
bei vielen S<tU(;elhiorcn hesundcrc lüschenarlige Au&slUlpuDgcn (Baekcn-
Uächcn bei Nitgcru, Alfen) beistellen.
Hg. 177,
Orgsiiu der Mundhöhle.
§ 391.
Voll den Ot'{;iincn der Mundhöhle sind die zum Krgreifcn und zu
Zerkleinerung der Nahrung dienenden Ilarl^^ebildc inannichfachor Art.
Ein Theil davon entsteht durch Verhornung von Epitfaelzellen. Die
saugnapfartig gcslall«le MundOß'nung der Cjclostoinen (Fig. Hl) ist
mit solchen Hornzilhnen besetzt, deren auch noch an einem zuDgen-
iirtigen Oi^ane dieser Tliiere vorkommen. Aehnliche Belege der Kiefer-
ründer bestehen iiuch bei Amphibien, theils im Larvenzustande ats
vorübergehende Bildungen (Anuren] , theils bleibend bei Siren. Sic
werden bei erste ren durch zahlreiche dicht nebeneinander gestellte
Zähncheii gebildet.
Ktwas verschieden von diesen bestimmt getormten Zahnbildungen
sind die ausgedehnteren hornigen UebeiEtlge der Kieferr^nder, wie sie
bei Schildkröten, Vögeln und bei den Hono-
trenien im Zusammenhange mit dum hier vor-
handenen Hangel wirkUcher Ztihne als compen-
satorische Einrichtungen bestehen. Dieser Hangel
von Zahnen ist aus einer Rückbildung abzuleiten,
und die Ausstattung der Kiefer mit Zähnen ist
als ursprüngliches Verhalten anzusehen. Dies
beweiseu die wenn auch seltenen Fülle, wo with-
rend desEmbryonalzuslandes ein vorllbei'gcheiidcs
Aufireten von Zühnen beobachtet ist, wie bei
Trionyx unter den Schildkröten.
Die wahren Ziihnc sind das Product der
Mundschleimhaut, an dessen Bildung sowohl die
Bindegewebscbichte wie das Epithel botheiligl ist.
Bei den Selachiern stimmen sie in ihrem Buue wie
in ihrer Genese vollkommen mit den Schüppchen d^s lnt^ument«s Uber-
ein, mit denen auch grosse äussere Aehnlichkeiten bestehen, so dass bei
der Continuilüt der Hatrix beider, sowie bei der vielen Sciachiern xu-
konmienden Verbreitung dei'sciben IntegumentschUppchen über einzelne
von den Kieforründem entfernter liegende Strecken der Hundböhlen-
wand, eine primitive Gleichartigkeit der Zithoc mit jenen Schüppchen
erschlossen werden kann. Die auf den Kieferrändern sich
entwickelnden Zilbne erscheinen denigcuiässnuralsvolu-
i'Ktnyzoii muriDUH mit den •Hoi-oiSliDein.
Orgaue der Muodliühie. 583
mi näser gestaltete, häufig auch soDStdifferenzirtere Ge-
bilde derselben Art wie sie im integumente vorkommen.
Ihre Veränderungen im Gegensatz zu den letzteren sind
dann aus Anpassung an neue, durch die Beziehungen zu
den Kieferründern erlangte Functionen, deren erste
El^ntstehung zeitlich wohl mit der Differenzirung des
primitiven Kieferbogens zusammenfiel, erklärbar, wie
sich die Ausbreitung dieser selben Gebilde in der pri-
mitiven Mundhohle aus der Entstehung der letzteren
erklärt.
Der Betheiligung zweier Gewebe an der Zusammensetzung der
Selacbierzühne entspricht die Bildung zweier Substanzen, eine
aus der Bindegewebsschichte der Schleimhaut gebildete Zellenschichte
sondert das Zahnbein ab, und eine diese deckende dem Epithel
angehönge Schiclilc liefert eine besondere Schichte , welche als S c h m e 1 z
zu deuten ist. Wenn die letztere Substanz nach manchen Angaben
auch nicht ganz allgemein in allen Zilhnen der Vertcbraten verbreitet
verkommt, so spielt sie jedenfalls eine wichtige Rolle, da sie bestimmt
wieder bei Reptilien und Süugethieren sich trifll.
Die Verbreitung einer die Ansätze zur Zahnbildung tragenden Haut
über Strecken, welchen bei Selachiern ausgebildetcre Zahnformationen
abgehen, ist für die Erklärung einer grösseren Ausdehnung von Zahn-
bildungen bei GanoYden und Teleostiern von grosser Wichtigkeit. Die
bei Selachiern nur durch jene Schtlppchen ausgezeichneten Stellen sind
bei jenen Fischen durch mehr oder minder exquisite Zahngebilde ein-
genommen. Ausser den KieferstUckeu können Gaumenbeine, Vomer,
ParasphenoYd, endlich Zungenbein und Kiemenbogen Zühue tragen. Von
den Kiemenbogen ist es meist der hinterste, der auf einfache Platten
reducirt durch Zühne ausgezeichnet ist (Schlundzühne). Auch an den
o^ren Gliedern der Kiemenbogen sind Zi&hne in grosser Verbreitung
vorhanden.
Bei den Amphibien finden sich noch am Gaumenbein und Vomer
Zühne, seltener am ParasphenoYd; GaumenzUhne und Zühne am Ptery-
gold bestehen bei den Reptilien nur bei Schlangen und Eidechsen,
während bei den Crocodilen die Zahnbildung wie bei den Situgethiercn
auf die Kieferknochen beschrankt ist.
Wie die Zähne unabhängig von den unter ihnen befindlichen Skelel-
theilen stets in dem Sch]eimhaultibei*zuge ihre Entstehung nehmen, so
Heten sie in den unteren Abtheilungen auch nur lose Verbindungen
dar. Bei den Selachiern sind sie theilweise beweglich. Bei den meisten
Fischen behalten sie die oberflächliche Lagerung, und wo festere Ver-
bindungen zu Stande kommen, gehen diese aus einem Verwachsen der
Zähne mit den betreffenden Skeletlheilen hervor. Solches trifll sich
auch noch bei den Amphibien, während bei den Reptilien bald blosse
Anlagerungen (pieurodonte Saurier), bald Einsenkungen der sieh ent-
.S84 WirbcIlhk-i-F
vvickc'tiidi'ii Zahtiu in die lictrcßendon KiefomUcki^ slittlfinden. B«'i
einem Theile der Saurier sind die Zahne dem Kioferrande angeft^t
(iicrodontc Saurier). Bei anderen, i. B. den (jeckonen, auch tiei
Schlangen, stets aber hei den Crocodtten, werden die sich bildenden
Kig, i7B.
ZHhne von den Kieferrtlndem lheilwei.se umwachsen und sontii in Al-
veolen ^ebellel |Fi(;. 378. 8). Bei den Süugelhieren besiebt ein ähn-
licher Vorgang. Eine in die Schleimhaut des Kieferrandes einwachsende
Epilhelialmasse (Fig. 878. C. »} umschlieasl kappenßtmiig eine Papille
(/)], auf welcher die erste Zahnanlage erfolgt; indem diese ein sZaha-
sSckcben« darstellende Bildung vom Kiefer umwachsen wird, nioiail
der Zahn seine ganze ViSerenzirung innerhalb des Kiefers, um e^l
mit seiner allmählichen Ausbildung die Schleimbaut zu durchbrechen,
von welcher das ihn erzeugende Sackchen eich abgeschnürt halle.
Fig. t7H. AllKemeineg Verhalten der Zahnbildung bei Kischen Reptilien oad
btiugelhteren. Senkrechte Durchschnilte durch den Unterkierer. A Von einem jungen
Auanlhias. B Von einem jungen Alligator. C Von einem Hunde-Embryo.
Aa Junge Zihnc, unlerbalb Jen untersten einige xur Zabnbildung bestimmte Sohteim-
bautpipillen, mit einer Epilbelschicbte iiberdeclit, die an den übrigen Ttieilen der
Mgur weggelassen ist, a' In Gebrauch bellndlicber Zahn, a" An die Vorderfltcht
des Kierers gerückte allere Zahne, b Knorpeliger Kiefer, c KalkplättchenscLichie
des Kiererknnrpels. d Schleimhaut. Ba Junger Zahn auf einer geftssf uhrenden
Schleimhautpapille p. a' Aelterer aus dem Klelercanele vorragender Zahn, an
dessen Wund ein Stlick rosorbirt ist. 00« Thoile de» hnOchenMO OnterkMtrs
(das grossere Stück gehört dem Dentale an). Cc Kieferrand mit einer verdickten
Epilhelschiclite. « Kiererknochen. p GefH»shaÜlge Zahnpapitle , auf welcher eine
Epjthellage p' mit einer Schichte Zahnbein sicli lindet. i Scbmeliorgan, das sieb
gegen die Zahnanlage mit einer E pi thel sc h lebte i' abgrenzt, unter welcher eine
(ter ZahnbeinM:hichte aufsitzende Schniclzlngc unierscbpidbar iiit.
Organe iler Mundhöhle. 585
§ 392.
Die Gestaltung der Zahne bietet ausserordentlich verscbicdeno Ver-
hältnisse, so dass von breiton plattenartigen Gebilden bis zu langen
und feinen stacheiartigen Formen alle UebergangszusUinde bestehen;
besonders bei den Fischen herrscht diese Verschiedenheit, so zwar, dass
einzelne Zahngruppen bei demselben Thiere durch Hannichfaltigkeit der
Formen von einander unterschieden sind. Eine grössere Gleichartigkeit
in der äusseren Gestalt bieten die Zähne der Amphibien, die wenig-
stens bei den lebenden Formen meist einfach konisch gestaltet sind,
oder spärliche Zacken besitzen. Unter den Reptilien bieten die Saurier
grössere Differenzen, auch theilweise die Schlangen, bei denen eine
Äbtheiiung eine Verbindung gewisser Zähne mit einem besonderen
Giftdnisenapparate besitzt. Konische Form der Zähne herrscht auch
bei den Crocodilen, bei welchen unter den bereits gebildeten Zähnen
stets neue, von den älteren scheidenartig bedeckte entstehen.
Bei den Säugethieren ist die erste Anlage von einer Weiterbildung
der bei Fischen (Selachiern) bestehenden Befunde ableitbar, indem
ein in die Schleimhaut einwachsender Epithelfortsatz eine die Zahn-
papille bedeckende Lage herstellt, allein diese besteht nur an der die
Papille bedeckenden Schichte epithelartig fort und wandelt sich vom
Mutterboden abgeschnürt in ein besonderes Organ, das Schmelzorgan,
um, welches mit der Zahnpapille das Zahnsäckchen herstellt. Die Bil-
dung der beiden Substanzen des Zahnes erfolgt in gleicher Weise wie
in den niederen Äbtheilungen, nur empfängt die Schmelzschichte eine
besondere DilTerenzirung , welche diesen auf gleiche Weise gebildeten
Bestandtheil des Wahnes bei niederen Wirbelthieren in anderer Auf-
fassung beurtheilen Hess. Von diesem allgemeinen Verhalten bestehen
übrigens auch bei den Säugethieren mancherlei oft bedeutende Modifi-
cationen (z. B. bei Edentaten].
Zugleich tritt eine grössere Verschiedenheit an einzelnen Zähnen
hervor, so dass das gesammte Gebiss mannichfache Zahnformen cin-
schliesst. Diese theilen sich wieder in verschiedene Leistungen bei
der Bewältigung der aufzunehmenden Nahrung und bieten zahlreiche,
nach der Art der Nahrung wechselnde Eigenthümlichkeiten ; nur bei
den Delphinen bleibt der niedere Zustand der Gleichartigkeit aller
Zähne fortbestehen, und bei den Balaenen erfolgt nur eine Anlage von
Zähnen, die in den Alveolarhöhlen sogar wieder rückgebildet werden.
Ein Wiederersatz der verbrauchten und dann ausfallenden Zähne
wird bei den Fischen durch fortgesetzte, neben den alten auftretende
Neubildungen eingeleitet. Die Zahnbildung wird damit zu einem durch
das ganze Leben des Thieres fortlaufenden, sich stets erneuernden
Vorgange. Auch bei den Amphibien und Reptilien treffen wir neue
Folgen von Zähnen, wie deren bereits bei den Grocodilen gedacht
ward, so dass continuirliche Neubildung das Gebiss vollständig erhält.
.'»86
WirtK-llliic
Dieser Vorgang bitschrijnkl sich bei Hon meisl«n Süugelhieren auf Hneu
nur einmaligen Wechsel, indem diis erste Gebiss (Hilchzahngebiss)
durch ein zweites und zwar an Zähnen reicheres crselzl wird. Eines
soJcben Zahnwechsels entbehren die Celaccen und Edenialen, die man
als HonophyodoDten den anderen, Dipbyodonlen, gegen Uberslel lt. Zwi-
schen beide Ablheilungeu stallen sich die Beuteltbiore , bei denen daü
diphyodoiite Verhalten nur rudimenUir ist, indem es sich auf Jeder
Kiflferhtlirie auf einen einzelnen Zahn beschränkt. Aehnliches bietet
sich iiuch bei manchen Anderen, wie z. B. .beim Elephanlen und beim
Dugong dar, sowie auch die Nagetbiere sich hier anreihen lassen, in-
sofern deren Schneidezcihne ohne Vorlüufer sind. Dadurch verimUprcti
sich beide Reihen und der Zabnwcchiicl der Säugclhicre kann im Ver-
gleiche zu dem Verhallen der Reptilien als ein analerer Vorgang be-
trachtet werden, der tius einem den Ausgang bildenden polyphyo-
donlen Zustand sich entwickelt hat.
KiB. »79.
§ 393.
Ein zweiler in der Mundhöhle sich difl'erenzirender Apparat wird
durch die Zunge vorgesielll, die l>ei den Fischen durch einen häufig nur
durch den SchleimhaulUbcrzug des Zungenbeinkörpers gebildeten flachen,
nur mit dem gesammten Visceralskclet
beweglichen Vorsprung repräsenttrl wird,
und durch häufigen Zahnbesatz mit an-
deren Tbeilen der Wand jenes Biunen-
raunios übereinstimmt. Eine selbstäiw
dige Muskulatur tritt in diesent Organa
erst bei den Amphibien auf, wo es
als ein dickes, l>ei vielen sogar vnrstreck-
bares Gebilde erscheint. Es ist bei Pipa
und Uactylclhra nicht ausgebildet. Meist
ist nur das vordere Ende mit dem
Boden der Hundhöhle verbunden, und
d;js hintere erscheint in zwei Lappen aus-
gezogen als der bew^lichere Thcil. Eine
muskulöse Zunge besteht gleichfalls Itei
den Reptilien, bei Schlangen und
Eidechsen sogar von einer besonderen
Scheide umgeben, aus der sie bervur-
gestreckt werden kann. Das Epithel der
meist schmalen Zunge stellt hüulig ver-
hornte Partien dar, bildet Schuppen und
Ki|;, 279. ZuiigPiilieinappHrat mit Zunge und Luftröhre von Varaous. e Vr-
dianes Sloek des Zuii|:enheins (Zungenbcinkkl). A' Vordere», A" hinler»« /.oiigpn-
beinhoni. m nt' Muskeln. Ir Trachea, s Zuogo.
Ui'gaiiu der Mundliöble. 587
Höcker an der oberen Fläche, und das vordere Ende (Fig. 279. z)
zieht sich in zwei dünne Spitzen aus (Fissilingues) . Breit und flach
ist sie bei den Schildkröten und Grocodilen, bei letzteren lüngs des
Bodens der Mundhöhle befestigt und ungeachtet der bedeutend differen-
zirten Muskulatur nicht vorstreckbar. Auch bei den Vögeln ist das
vordere Ende der Zunge in der Regel von einer verhornten EpitheK«
schichte bedeckt, häufig sogar mit seillichen Widerhaken (Spechte) oder
feinen Borsten besetzt (Tukane), und nur bei wenigen bildet die Zunge
ein massiveres fleischiges Organ (Papageien) . Unter den Säugethiercn
finden wir die Zunge durch bedeutendere Entwickelung der Muskulatur
von beträchtlicherem Volum und zugleich bezüglich ihres Schleimhaut-
überzuges mit zahlreichen Differenzirungen , von denen die Papillen-
bildungen die wichtigsten sind. Mit der complicirtercn Structur ver-
mannichfacht sich die Function des Organes, so dass es selbst bei der
Nahrungsaufnahme sehr verschiedene Verrichtungen übernehmen kann.
;Ueber die Beziehungen zur Geschmacksfunction siehe § 366.)
§ 394.
Mit der Mundhöhle verbundene Drüse na p parate entwickeln sich
von der Schleimhaut der Mundhöhle aus, um dann bei voluminöserer
Ausbildung und Lagerung ausserhalb der Schleimhaut nur ihre Aus-
führgänge dort einzusenken. Sie können somit als mächtiger entwickelte
Drüsen der Schleimhaut betrachtet werden. Derartige grössere Drüsen
kommen zwar schon hin und wieder hei Fischen und Amphibien vor,
doch sind am häufigsten in der Schleimhaut zerstreute kleinere Follikel
vorhanden. Bei den RepUiien sind von den letzteren die längs der
Kieferilinder gelagerten grösser und werden als Lippendrüsen bezeichnet
(Schlangen und Eidechsen). Ein mächtigeres Drüsenorgan bildet die
Giftdrüse der Schlangen, die wohl ebenso aus einer Modification
einfacher Drüsen hervorging. Bei den Schildkröten kommt ein unter
der Zunge gelagertes Drüsenpaar vor, welches man als Speichel-
drüsen ansieht. Aehnliche Gruppen einzelner Drüsen besitzen auch
die Eidechsen. Solche grössere, cur Bildung einer MundhöhlenOüssig-
keit beitragende Drüsen finden sich neben den an vcrsdiiedenen Stellen
vertheilten, constant bei Vögeln und Säugetbieren vor, und werden als
Glandulae submaxillares , sublinguales und Parotides unterschieden.
Letztere münden bei den Vögeln im Mundwinkel aus, bei den Säuge-
tbieren im Vestibulum oris. Den Cetaceen fehlen diese Drüsen gänz-
lich und bei den Pinnipediern sind sie gering entwickelt; so besonders
die Parotis, die auch bei Echidna vermisst ward. Ihren bedeutendsten
Umfang erreichen die drei Drüsenpaare bei Pflanzenfressern mit über-
wiegender Ausbildung bald des einen, bald des anderen Paares.
Wirbelt liiere.
Die Scheidung der respiratoristhen Vorkammer des Darmes bei
den Tunicalen wie bei den Babnoglosseii in zwei ttber einander ge-
legene Abschnitte, von denen der eine vorzugsweise der Znleilung der
NahniugsstolTe zu dienen scheint (vergl. § 128], hat sich auch auf
die niederen Wirfoeltbiere fortgesetzt, indem bei Amphioxus längs der
ventralen Wand der Atbemhoble ein mit der Bauchrionc der
Tunicatenin allen wesentlichen Puncten Übereinstimme n-
der Halbcanal besteht, der bei den Cranioten in eigenthtlndicbe
Umbildungen Übergeht.
Unter den Cyclostomen ist diese Rinne nur noch während des
Larvcnzuslänilcs vorhanden, und zeigt sich mit dem bei Auiphioius
persistenten Apparate völlig homolog, altein mit der DiSerenzirung des
als Zunge fungirenden Oi^ans tritt die Rinne in Rückbildungen, und
gehl in einen allmählich vom oberen liaunie sich abschaUrenden Canal
Über, der endlich sich volbtHndig trennend beim ausgebildeten Thiere
in einen vom zweiten bis vierten Kiemensackpaar sich erstreckenden
Complex mit Epithel ausgekleideter Follikel sich verwandelt, und damit
die Schilddruse vorstellt (W. Hiillbb].
Bei den Gnathoslomen kommt es nicht mehr zur Bildung einer
laiigere Zeit bestehenden Rinne, vielmehr schnürt sich an der homo-
logen Stelle ein Forlsatz der Schlundhtible ab (Aemak) und bildet einen
unpaaren vom Epithel der Schlundwand ausgekleideten FolUkcl, der unter
allmählicher Sprossung sieb in eine Summe
einzelner Follikel auflöst, die durch Binde-
gewebe vereinigt bleiben. Nicht selten
sondern sich die Follikel in Dtehrfache
Gruppen. Bei Fischen liegt das Organ
wenig von seiner Bildungsstätte entfernt
am vorderen Ende des Kiemenaricrien-
slammes zwischen diesem und der Copula
des Zungenbeinbogens. Bei den Am-
phibien findet sie sieb in der Keblgc^cnd
als paariges Knötchen (unpaar bei Proteus'
an der inneren Fläche der hinleren Zungen -
beinhOmer, zuweilen in mehrfache Gruppen
vertheilt. Unpaar, dicht vor den Aorten-
bogen liegend, erscheint sie hei den Rep-
tilien, paarig dagegen bei Vtigeln (Fig.
SSO. () in der Nahe des Ursprungs der
Carotiden. In beiden Abtheilungen ent-
fernt sie sich somit weil von der Bil-
■eifen Embryo von Botro
Klg. 180.
Eigentlicher Darmcanal (Rumpftlarro). 589
dungsstäUe, was durch das Zurttcklreten der grossen Arterienstämme
beeioflussi scheint. Unter den Säugethieren wird sie bei Mono-
ii*enienY vielen Beuteilhieren und manchen anderen aus verschiedenen
Abiheilungen gleichfalls in 8 Theile getrennt, während sie sonst ihre
beiden seitlichen Massen durcfi eine mediane Querbrücke (Isthmus)
verbunden zeigt. Immer liegt sie dicht unterhalb des Kehlkopfes auf
der Luftrohre.
Die Fortdauer dieses schon bei den niederen Wirbelthieren $eine
ursprüngliche Bedeutung aufgebenden Organs in der langen Reihe der
höheren Formen wird aus der phylogenetisch sehr frühzeitig erfolgten
Vererbung veratändlich , die ein Organ betraf, dessen Function bei
Wirbellosen wie bei Amphioxus mit der Nahrungsaufnahme in wich-
tiger Beziehung stand. Bringt man hiemit die Verbreitung der Bauchrinne
bei sonst sehr weit von einander entfernten Abtheilungen in Zusam-
menhang, so wird daraus auf ein ursprtlnglich in viel zahlreicheren
Formen bestehendes Vorkommen dieses Organes geschlossen werden
können, woraus wieder die tiefe, typische Bedeutung des Organs für
die Vertebraten hervorgeht.
Die Schilddrüse gehört also zu den rudimentären Organen , deren
ursprüngliche Function erloschen ist, ohne dass an deren Stelle eine
neue auch nur mit einiger Sicherheit erweisbar wäre.
Eigentlicher Darmcanal (Rompfdarro).
§ 396.
Aus dem hinteren Ende der respiratorischen Vorkammer oder des
Kopfdarmes beginnt der ausschliesslich der Aufnahme der Nahrung
und ihrer Veränderung dienende Abschnitt des Tractus intestinalis,
der das Darmrohr im engeren Sinne vorstellt. Aus seiner vorderen
Gränze sondert sich von ihm ein bei Fischen in mehr indifferentem
Verhalten die Schwimmblase, von den Amphibien an dagegen ein re-
spiratorischer, Lunge und Luftwege darstellender Apparat. -
Der Vorderste Abschnitt des Nahrungscanais entbehrt der scharfen
Abgrenzung gegen den Kopfdarro. Da er ebenso wie der letztere vom
N. vagus versorgt wird, besteht zur Annahme Grund, dass er ursprüng-
lich aus dem respiratorischen Theil des primitiven Darmrohrs, nach
Rückbildung einer grösseren Anzahl hinterer Kieroenspalten hervor-
ging, und damit dem hinteren Abschnitte der bei Amphioxus ansehn-
lich langen respiratorischen Vorkammer entspricht. Die Einbettung
eines beträchtlichen Theiles jenes Vorderdarmabschnittes in die Leibes-
höhle, wodurch jener Strecke ein Peritonealüberzug zugetheilt wird,
würde jener Hypothese entsprechend einen secundären Befund bilden,
der aus der Anpassung des bezüglichen Abschnittes an eine neu über-
nommene Verrichtung erklärbar erscheint. Jener Darmthnil hätt« sich
590 Wirbelthiere.
demzufolge erst ailmählich weiter nach hinten zu, in die Leiheshöhle
hinab ausgedehnt, und es liegt nahe, hierbei der Bewältigung festerer
Nahrungssubstanzen eine activ wirksame Rolle zuzuerkennen, nachdem
die Beziehung zum N. vagus eine ^enderung der primitiven Lage
als iioth wendig voraussetzen und für diesen Vorgang ein Gausalmoment
suchen laisst.
Bei den Cranioten entspringen nicht blos einige eigentbümliche Ver-
hSfltnisse der Darmanlage sondern auch spätere Zustände der Ontogenie
des Darmes aus den Beziehungen des Eies zur gesammten Embryonal-
anlage und aus einer Vermehrung des Dottermaterials.
Bei den Selachiern umwächst die Darmanlage den Dotter, aber
nur der unter dem Axenskelele der Embryonalanlage befindliche rinnen-
förmige Theil der Gesammtanlage wandelt sich in den Darm um, und
sebliesst sich allmählich gegen den übrigen dotterführenden Theil ab,
welch' letzterer dann als ein Anhang des Darms, als Dottersack,
erscheint. Anfclnglich ausserhalb des Körpers gelagert und auch von
einer Fortsetzung der Integumentschichte umhüllt, steht der Dottersaek
nur durch einen Stiel mit dem Darm in Verbindung (äusserer Dottersaek]
und wird allmählich in den Leib aufgenommen (innerer Dottersaek).
Unter allmählichem Verbrauche des Dotters bildet der Dottersaek sich zu-
rück. Ein durch geringere Quantität des als embryonales EmUhrungs-
mnterial fungirenden Dotters charakterisirtes Verhalten bieten die Tele-
ostier (und GanoYden?) dar. Der voluminösere Dotter des Eies der
Reptilien und Vögel bedingt einen ähnlichen Gegensatz zwischen Da rmcanal
und Dottersaek, doch empfängt der Dottersaek keine Umhüllung vom
Integumente, da die bei den Anamnia ihn umschliessenden.Theile zur
Bildung des Amnion und anderer fötaler Eihüllen verwendet werden. Da
auch bei 'den Säugelhieren , bei noch bedeutender Reduction des Ei-
materials, die Darmanlage sich von der hier den Dottersaek repräsen-
tirenden Keimblase- abschnürt, kann diese Einrichtung von einem durch
reicheres Dottermaterial ausgezeichneten Zustande abgeleitet werden. In
der Entwickelung der Frucht im mütterlichen Organismus, und in der
mehr oder'minder innigen Verbindung der Frucht mit dem Ute/us ist die
den Mangel eines reichlichen Dottermaterials compensirende Einrichtung
zu suchen. Vom Dottersacke erhält sich aber doch ein Rudiment als
Nabelbläschen niederer Abtheilungen, welches als ein zur Ernährung
des Embryo nichts beitragendes Gebilde auch nicht in die Leibeshöble
mit aufgenommen, sondern mit den Eihüllen nach der Geburt vom
Körper getrennt wird.
Als einzelne Abschnitte des Nahrungscanais können folgende drei
aufgestellt werden : Vorderdarm, Mitteldarm, Enddarm, welcJie
durch die ganze Reihe der cranioten Wirbelthiere stets deutlich ge-
lrennt sich darstellen, sowohl durch äusserliche Merkmale als durch
eine verschiedene Beschaffenheit ihrer feineren Structur.
KiK. MI.
§ 397.
Diese erste Slrecke des eigentlichen Nahrungscanals erscheint l>ei
den Acrania als ein ausnehmend kurzer Abschnitt mittelbar vor einer
nacb vorne gewendeten Ausbuchtung gelagert, weldie als Leber ge-
deutet wird.
Dagegen bildet er bei allen Cranioten eine mächtig entfaltete Strecke,
deren VeHiindungsstUck mit der Vorkammer als Schlund oder Speise-
rühre (Oesophagus) bezeichnet wird. Daran fUgt sich der Endab-
scbnilt als Magen, durch eine klappenartigo Vorrichtung vom Nitleldnrin
gelrennt.
Bei den Fischen geht die sehr weite und meist mit Lsogsfaltungen
der Scblcimhant ausgestaltete Speiseröhre meist ohne scharfe (irenze
in den Magen Ober, der von letzterer meist nur durch andere Be-
schaRenbeil der Schleimhaut zu unterscheiden ist.
In der Aegel bildet der Magen [Fig. 881) efnen nacb hinten ge-
richteten Blindsack , von dem ein nach vorne umbiegender engerer
Abschnitt als »Pj iorusrohr« unterschieden steh zum Mitteldarm (t; be-
gibt. So bei allen Selachiern und GanoTden , »uch bei vielen Teleo-
stiern, indess andere Teleostier durch
den Hangel oder die belrSchtlichc Aus-
dehnung des Blindsacks nach hinten
mannicbfacbe Differenien darbieten.
Unter den Amphibien finden wir
bei Proteus eine niedere Stufe, indem
hier das gerade verlaufende Damirohr
nicht einmal eine den Magen reprü-
seniirende Erweiterung besitit. Da-
gegen greott sich der Magen bei an-
deren Ürodelen (Fig. tH6. vj als ein
weiterer Abschnitt ab, und die« bleibt
auch fUr die Anaren, deren Mtgen zu-
weilen sogar in eineQuerstellung über-
gebt (Bufo).
Unt«r den Reptilien zeigt der
Munddann bei Schlangen und Ei-
dechsen sowohl durch grossere Weite
des Oesophagus als durch geraden
Verlauf des Magens niedere ZusUlnde. Doch ist hei den Eidechsen ein
an die Bildung des Pylorusrohres der Selachier sich anschliessendes Ver-
Pig. 381. [>orniCBnRl von Kiacht-n. A Vnii Goliiu« mplnnoüloiiins. B Von
Salmo. o Oe^ophaguü. r Matcn. ( Uitlrldarm. op Appendirrs pjloricae.
r Enddarm.
592
Wirbellhiere.
Fig. 282.
halten bemerkbar, woraus eine allmähliche Quetsteilung des Magens ab-
leitbar wird. Bei Schildkröten und Crocodilen ist eine schärfere Sonde-
rung des Oesophagus vom Magen aufgetreten, und bei den ersteren
zeigt sich durch bedeutendere Hebung des Pylorustheils eine grosse und
kleine Curvatur. Durch Nälierung der Gardia an den Pylorus erhält
der Magen der Crocodile eine sackförmige, rundliche Gestalt, und \%ird
noch durch eine auf jeder Fläche der Muskclwand liegende sehnige
Scheute ausgezeichnet, wodurch ein Anschluss an den Magen der Vögel
gegeben ist.
§ 398.
Bedeutendere Differenzirungen treten am Vorderdarm der Vögel
auf, der mehrfache Arbeitstheilung bekundend in mehrere verschieden
fungirende Theile zerlegt wird. Der Einfluss der Anpassung an die Le-
bensweise, hier specieli an die Nahrung, tritt in der Mannich falUgkeit
der einzelnen Einrichtungen überalf gleich aufs deutlichste hervor. Die
verschieden weite, der Länge des Halses entsprechende Speiseröhre,
erscheint in ihrem Verlaufe entweder gleich-
massig oder mit einer erweiterten Stelle ver-
sehen (Fig. 282. A} , oder sie zeigt eine
blindsackartige, wie ein Anhang erschei-
nende Ausbuchtung (B). Solche nicht minder
durch Modißcationen des Drüsenapparates der
Schleimhaut charakterisirte Abschnitte (Fig.
282. i) werden als Kropf (Jugluvies) be-
zeichnet. Fleischfressende und körner-
fressende Vögel besitzen ihn am meisten
ausgebildet, und zwar erscheint er bei den
ei*steren meist als spindelförmige, selten
scharf abgesetzte Erweiterung, indes^ er bei
d^n letzteren als einseitige Ausbuchtung auf-
tritt, die zu einem blindsackartigen, bei
manchen sogar ein engeres Verbindungsstück
besitzenden Anbang differenzirt.ist.
Der darauf folgende meist engere Ab-
schnitt der Speiseröhre gebt in den Magen
über, an welchem zwei Theile unterscheid-
bar sind; der erste häufig continuirlich aus den Speiseröhre kommende
Abschnitt wird als Vormagen (Proventriculus) (Fig. 282. A, B. pv) be-
zeichnet, und empfängt durch die überaus reiche Entwickelung seiner
Drüsenschichte eine ansehnliche Verdickung dtM* Wandung. Der zweite
Abschnitt ist durch Entwickelung der Muskelschichte cbarakterisirt,
deren Stärke je nach der Lebensweise der Thiere sehr verschieden ist.
Fig. 282. A Vorderdann eines Raubvogels (Buteo). B eioes Huhnes, oe Speise-
röhre. I Kropf, po Driisenmagen. v MusLclmagen. d Duodennm.
Vorderdarm. 693
Wo sie mächtig ontwirkoli ist, homerkt man jeders<»ils eine Sehnen-
scbeibe (Fig. 282. A. B). Bei Baubvögeln, auch bei vielen von ani-
nialiscber Nahrung lebenden Schwimmvögeln ist die Muskelscbichte
wenig enlfiiltet. Sehr stark wird sie bei Kömerfressern (Hühnern,
Gänsen, Tauben, Singvögeln), wo sie zwei gegeneinander gerichtete
derbe Platten bildet.
Dieser zur Verkleinerung der Nahrung dienende Abschnitt enthielt
noch weitere hierauf hinzielende Einrichtungl^n , indem seine Innen^-
flücbe mit einer hornartig festen Lage überzogen wird, welche häußg
von bedeutender Dicke als Reibplatte fungirt. Sie ist die Abscheidung
einer drüsigen Schichte, deren Secret in jenen festen, starren Zu-
stand übergeht. Der jeder Drüse zukommende Antheil lilsst sich in
Ffillen als ein Büschel feiner Fäden nachweisen, deren jeder einzelne
mit je einer Drüsenzelle in Verbindung steht.
§ 399.
Die Trennung des Vorderdannes wird bei den Säugethieren
durch die schfirfere Abgrenzung der Speiseröhre vom Magen vollsUin-
diger als in fast allen übrigen Abtheilungen ausgeführt. Die Gestal-
tung des Magens reiht sich in manchen Fällen an niedere Zustände an
und er behalt bei den Phoken (Fig. 283. Ä) sogar eine Längsstellung
bei, während bei den übrigen eine Querstellung vorwaltet. Die Grund-
form des Magens stellt auch hier eine Erweiterung des Darmrohrs vor,
an der durch allmähliches Auswachsen der ursprünglich der Wirbel-
säule zugewendeten Randfläche eine grosse Gurvatur entsteht, ent-
gegengesetzt der damit gleichfalls gebildeten kleinen Gurvatur. Die
erstere wird mit einer Axendrehung des Magens und Hebung des Py-
lorusiheib nach vorne gerichtet.
Als Anpassungsergebniss an die Nahrung muss eine Reihe von
Eigenihümiichkeiten betrachtet werden, die theils bei den grösseren
Abtheilungen constant erseheinen, theils innerhalb engerer Grenzen
sich halten. Sie beruhen sowohl- auf einer Erweiterung des Binnen-
raumes wie auf einer Differenzirung des ursprünglich einheitlichen,
und, wie es scheinen muss, gleichartig fungirenden Magens in mehrere
functionell ungleichwerthige Abschnitte.
Das erste Verhältniss gibt si<5h bereits bei der Querstellung des
Magens kund^ wobei die grosse Gurvatur eine bedeutendere Ausdeh-
nung erlangt, und sich besonders nach der Gardialportion ausbuchtend
Blindsackbildungen hervorruft. Sie fehlen den meisten Camivoren,
sind dagegen bei Monotremen, Beutel thieren , Nagethieren, sowie bei
Edentaten entwickelt und kommen den meisten Primaten zu.
Die Stärkere Entwickelung des Magenblindsacks (Fig. 283. B) führt
zur Scheidung in mehrere Abschnitte, welche Sonderung nicht selten
nur innerlich an der Schleimhaut ausgedrückt ist und sich sogar mit
594
Wirbelthiere.
einer scharfen Begrenzung kund gibt (Equus). Weiter setzt sich
dieses Verhältniss durch eine quere Einschnürung fort, durch welche
der Magen bei vielen Nagethieren (C) in einen Cardiai- und Pylorus—
theil getrennt wird, zu welchem noch kleinere Ausbuchtungen treten
können. Solche zusammengesetzte Magen bieten sich vorzüglich bei
Wiederkäuern, Tylopoden und Walthieren dar. Der Magenbltndsack
bildet immer eine bedeutende Erweiterung, auf welche bei den Wal-
thieren eine Anzahl dem Pylorusabscbnitle angefügter Divertikel folgt, die
den Magen aus vier bis sieben durch verschieden weite Verbindungs-
slellen communicironde R^ume zusammengesetzt darstellen.
Bei den Wiederkäuern
Fig. S84. (Fig. S83. F) fuhrt diese
Differenzirung zu der eigen-
thümlichen Erscheinung, wel-
che der Abtheilung ihren Na-
men gab. Der erste als er-
weiterter Magenblindsack er-
scheinende Abschnitt wird als
Rumen (Jugluviesj (Fig. %Si. /J
bezeichnet, und fungirt we-
sentlich alsBehalter für massen-
haft aufgenommene Nahrungs-
Stoffe. Dicht neben der Cardia
steht er mit dem zweiten Ab-
schnitte, dem Netzmagen (Re-
ticulum) (//] im Zusammen-
hange, auf welchem als dritter Abschnitt der den Tylopoden (Fig. 283. fi)
Fig. 383. Magenformen verschiedener Säugethiere. A Von Phoca. B Von
Hyaeno. C Von Cricetus. /> Von Manatu.s. £ Von Ca m eins. F Von Ovis.
c Cardia. p Pylorus.
Fig. 384. Magen einer Antilope. A Von vorne gesehen. B Von hinten gie*
(iffnet. 00 Speiserühre. / Ruinen. // Nelzmagen. /// Bifitterniagen . IV LabmageD.
p Pylorus. s Schlundrinne.
Mitteldarm. 595
fehlende Blattermagen (Omasus) (///) folgt. Diesem schliesst sich als letz-
ter aus dem Pylorustheil gebildeter Abschnitt, der Labmagen (Abomasus)
(Fig. 283. E. 3. F. 4) an, dessen Schleimhaut die Labdrtlsen enthält.
Durch den Schluss einer von der Cardia in den Netzmagen gehenden,
durch einen faltenfdrmigen Vorsprung (Fig. 284. B. s) gegen die beiden
ersten Abtheilungen des Magens abschliessbaren Rinne kann der aus
dem Netzmagen in den Oesophagus und von da in die Mundhöhle ge-
langte Bissen nach vollzogenem Wiederkauen unmittelbar in den Blätter-
und Labmagen zurückgebracht werden, während das Offenstehen jener
»Schlundrinne« den Eintritt des Futters in Rumen und Netzmagen ge-
stattet. Der Einfluss der Nahrung auf die Grösseverhältnisse der ein-
zelnen Abschnitte ergibt sich aus der Verschiedenheit, die Rumen und
Labmagen in verschiedenen Altersperioden zeigen. Der Labmagen
bildet den grössten Abschnitt beim Säugling, indess er später vom
Rumen wohl zehnmal an Grösse tlbertroflen wird.
Mittetdarm.
§ 400.
Der meist durch eine ringförmige Falte, die Pylorusklappe , vom
Magen abgegrenzte Mittel d arm ist an seinem Anfangsstucke durch
die Verbindiftig mit DrUsenorganen (Leber und Bauchspeichel-
drüse) charakterlsirt. In seinen Längeverhältnissen ist er der varia-
belste Abschnitt des Darmrohrs. In geradem Verlaufe bei den Gyclo-
stomen, auch bei einigen Teleostiem und bei Ghimaera, ist er bei
letzteren durch eine bei den Selachiern bedeutender entwickelte spi-
ralige Palte ausgezeichnet, welche den grössten Theil des Mitteldarms
in zahlreichen, bald dichteren, bald weiter abstehenden Umgängen
durchsetzt (Fig. 285. C. vs). Diese Spiralklappe bleibt auch den
GanoYden, ist jedoch bei Lepidosteus fast bis zur Unkenntlichkeit rück-
gebildet und fehlt vollständig den Teleostiem.
Am Anfange des Mitteldarms der Selachier ist eine Erweiterung
bemerkbar, an welcher Stelle bei den Stören ein grosses, äusserlich
mehrfach gebuchtetes DrUsenorgan sich vorfindet, dessen Inneres in
grössere, den Buchtungen entsprechende Räume zerfällt, die in einen
weiten mittleren Raum einmünden und wieder zahlreichere kleinere Al-
veolen an ihren Wandungen besitzen. Bei Lepidosteus sind die einzelnen
Abschnitte schärfer von einander getrennt und erscheinen als Gruppen
kurzer Blindschläuche, die denPylonisabschnitt des Mitteldarms besetzen,
und wie bei den meisten Teleostiem die als Appendices pylo-
ri cae bezeichneten blinddarmartigen Anhänge (Fig. 285. A. B. ap) vor-
stellen. Sie besetzen eine verschieden lange Strecke des Mitteldarms
in wechselnder Zahl und Grösse. Bald mündet jeder gesondert in
den Darm, bald vereinigen sich mehrere zu grösseren Stämmen, woraus
»8*
Ö96
Wtrbelthiera
veiDstcit« Bildungen entstehen. Dip ^rüssle Zahl kommt bei Gadiden
und Scomberolden vor. Bei maachen werden die einzelnen zu ge-
meinsitmem AusfUhr^an^p verbundenen Schlilucbe noch durch Binde-
jjewebe xusammengehallen, so dass sie dann das Ansehen einer
Fiü. ISS.
compnelen DrUse ße» innen (ScomberoTden) , sowie auch schon durch
die hüulijie Vereinic^un); der Mündungen die VerwandtschaU mit der
Drüse der Siöre nusj-es prochen ist.
Bei vielen Tcteosliern Uberlrifft der Uilleldarm die ihm zugewiesene
Strecke der Bauclihölile um bedenlcndes an Lunge, und findet sich
dann in Windungen [Fig. 285. B. t) oder durch mehrfaches Auf- und
Absteigen in Schlingen gelegt. Darin spricht sich eine Anpassung an
den Raum der Loibeshöhle ebenso aus, wie das stets aus einer gerade
gestreckten AnInge hervorgeiiende Auswachsen in die Länge wieder einer
Anpassung an die durch die Ingesla beeinOusste Leistung enlsprichl.
Bei den Amphibien bleibt das einfache Verhalten des Hitleidarms
nur selten bestehen, meist bildet er (Fig. 386. i) wie auch bei den
Reptilien ein liingeres Rohr und demzufolge mehrfache Windungen, die
am geringslen bei Schlangen, bedeutend dagegen bei Schildkrtiien und
noch mehr bei Crocodilcn entwickelt sind. Eine betrüchlliche Längen-
ausdchnung des Mitteldnrms erfolgt bei den Larven der unge-
schwünzten Amphibien, bei denen dieser Abschnitt eine in spiraligen
Vif. SS5. Dariiicanal von Fischeo. A von Saimo salvelinD!). B vod Trn-
chinuK rndialUN. C von Squatioa vulgnrl<i. oe OeMpheguü. v Magpn.
itp Eiiilc den Ductus pneuiiialicus. p Pylorun. ap AppendtcM pfloricap. d Dnctux
cliolcüüclius, VI Spiralklappv. i Millelüarm. c EnUdarm. j: Anhang desMibcD.
Enddarm.
597
Fig. S86.
Windungen gelagerte lange Schlinge vorslellt. Mit der Aenderung der
Ernährungsweise geht in den letzten I^rvenstadien eine Reduetion vor
sich, die den Daran wieder auf einige Schlingen verkürzt.
Die Lange des Milteldnrms ist bei den Vögeln gleichfalls nach den
Nahrangsverhtfltnissen beträchth'ch verschieden. Der ganze Darmab-
schnitt zeigt sich in Schlingen gelegt, von denen die
erste 'Duodenalschlinge) am meisten ausgebildet ist und
immer die Bauchspeicheldrüse umfasst.
Am Mitteldarm der Saugethiere zeigt sich das
verschiedene Verhalten der Lange nicht minder in deut-
licher Abhängigkeit von den Nahningsverhaltnissen und
daraus ergeben sich für Fleisch- und Pflanzenfresser sehr
vei*schiedenartige Zustande.
Ausser der Langeentfaltung des Mitteldarms bieten
sich für die Oberflachenvergrösserung mehrfache , von
der Schleimhaut ausgehende Einrichtungen dar. Wah-
rend in den unteren Abtheihmgen grössere Faltungen
der Schleimhaut auftreten, die in der Bildung der
Spiralklappe der Seiachier ihren höchsten Ausdruck
fanden ) ^hen wir bei den Amphibien und Reptilien
vorzüglich feine Langsfaltungcn vorherrschend. Solche
bestehen zwar auch noch bei den Vögeln, allein sie
zeigen sich als ungleiche Erhebungen, die sogar durch
Querfalten verbunden sein können. Feine, in Zick-
zacklinien angeordnete Falten kommen bei Amphibien und Reptilien,
besonders bei Grocodilen vor, und finden sich auch am Mitteldarm der
Vögel wieder. Unter den Saugethieren herrschen Langsfaltungcn der
Schleimhaut bei Walthieren; bei den meisten übrigen erhebt sich die
Schleimhaut in Querfalten, die sehr allgemein mit Zotten besetzt sind.
Bei geringer entwickelter Faltenbildung finden sich solche Zotten auch
bei Vügeln bedeutend entwickelt, wahi*end sie bei Anwesenheit von
Falten nur kleinere Erhebungen vorstellen.
E nd d arm.
Der Enddarm erscheint in den unteren Abtheilungen als der
unansehnlichste, meist nur durch ein kurzes, etwas weiteres Stück
vorgestellte Abschnitt (Fig. 284. r. 285. C. c). Erst bei den Am-
phibien empfangt ar durch grössere Lange und W'eite einige Bedeutung,
behalt jedoch ebenso wie bei Reptilien einen seiner Kurze entsprechen-
den geraden Verlauf bei , daher er meist als »Rectum« bezeichnet ward.
Fig. i86. Oarmcanal von Menobraiiohus lateralis, p Anfang des Mund-
darms mit dem Pharynx, oe ^Speiseröhre, r Magen, i MlUeldarm. r Enddarm.
598 Wirbelthiere.
Gewöholich wird er vom Milteldaim durch eine Quorfalte oder Klappe
geschiedeD. Eid blinddarmarligcr Anhang komml vielen ReplilieD zu
und erscheint als eine wenig bei Schlangen, mehr bei Eidechsen ent-
wickelte Ausbuchtung des Enddarms. Eine grüssere Beständigkeit
erhalten Blinddürroe bei den Vöguln, deren Enddann gleiobralls
noch kurz und gerade {gestreckt ist. Der Blinddarm ist meist paarif;
vorbanden, und wird nur in einzelnen Familien vermisst (z. B. bei
den Spechten, bei Psiltacus u. a.). Die Ausbildung dieser Coeca bietet
sehr verschiedene Grade dar, so dass sie bald ganz kurze papillen-
artige Anhänge, bald sehr lange Schlauche [z. B. bei Apl«ryx, bei
Hühnern) vorstellen.
Die Längenentfaltung des Enddarms erreicht ihre höchste Stufe
bei den Saugelbieren, wo dieser Tbeil gleichfalls durch grössere Weile
als Dickdarm vom engeren Mittel- oder DlUiadarm immer deutlich
abgegrenzt erscheint. Seine bedeutendere Länge lasst ihn in Windui^en
gelagert sein, so dass nur der letzte Abschnitt den geraden Verlauf des
Enddarmes der übrigen Wirbelthiere besitzt. Der erstere bildet in
der Regel eine von der rechten Seite der Bauchhöhle nach vorne und
von da nach links und wieder nach hinten umbiegende , ins Heclum
sich fortsetzende Schlinge, welche lu-
Fig. S8T. weilen wieder in secundäre Sdiliageo
zerlegt wird. An der Grenze gegen
den Dünndarm bestehen gleichfalls
Bltndsackbildungen , bald su zweien
(Fig. 287. c. dj,. bald einfach vorhan-
den. Die Ausbildung dieses Blind-
darmes erscheint in engem Zusam-
menhange mit der Nahrung; bei
Fleischfressern ist er kurz und kann
sc^ar gänzlich fehlen (Ursina, Hustelina] , von bedeutendem Volumen
tritt er bei Pfl anzen fresse m auf, wo er jedoch bei ansehnlicher Lange des
Colons auch reducirt vorkommen kann , und somit zwischen beiden
Abschnitten ein gewisses compensa torisches Verhaltniss wahrnehmen lässl.
Am Blinddarm selbst ergeben sich wiederum Dißerenzirungen.
Das Ende desselben ist häufig verkümmert (z. B. bei manchen Pm-
simiae und vielen Nagern) (Fig. 887. c). Auch bei manchen Primaten,
wie beim Henschen entwickelt sich das anfänglich mit dem übrigen
gleichweite Endstück nicht in demselben Maasse wie der Übrige Theil,
und scheidet sich von dem lelileren, weiter werdenden Abschnitte
immer deutlicher ab, bis es endlich einen blossen Anhang desselbeo,
den Appendix vermiformis, vorstellt.
Der Enddarm ttffnet sich anlUnglich mit den Harn- und Gescfalecbts-
Klg. 187. Blinddarm und Culon vod Lagorays puslllus. a Dünadarm.
b EinmUnduDK des grösseren (c) und des kleineren (d) Blinddarms, tfg Diver-
tikel des Colons, Nach Pallas.)
AnhangSDi^ne des HlUeldarni!«. 599
wegen ia einen gemeiownieD Bauni, die Cloake. Dieses hei Sela-
cfaierD, Amphibien, BeplUien und Vt^eln bestehende Verhallen ßtwlet
sich bei den SUugetbieren nur bei den MonoUwtneo bleibend, bei den
anderen auf frühere Stadien beschränlil, um eiiter TrennuDg in zwui
Oeffiiungeo tu weichen (S. unter Geschlechlsorgauen) .
Anhangsorgane des Uitleldarins.
§ 403.
Mit dem Anfange des Hitteldarms stehen zwei groBsu DniscDoi^ne
in Verbindung, Leber und BauchepeicheldrQse, die beide nuf
HbereiDStimmende Weise aus den Wandungen der Darnunlage sich
entwickeln.
Beir Amphioxus erscheint ein als Leber su deutendes Organ in
Gestalt eines nahe aui Anfange des NabrungscanaU beginnenden, nach'
vome geriohleten Blindschlauches ,Fig. ST3. /),
der eine grünlich gefürbte Epithelauskleidung f- ,gg
besittt. Ein ahnlicher Zustand findet sich sonst
nur während der ersten Bildungsstadien gegeben,
wo die Anlage der Leber als eine hinler dem
eine einfache^ spindelförmige Erweiterung dar-
stellenden Ua^ea (Fig. 288. d\ liegende paarige
Ausbuchtung [f, f) des Darmrohrs erscheint. Ad
ihr betheüigen sich sowohl die Uusscre aus dem
Darmfaserblalle gebildele, als auch die innere
Schiebte der Uarmanlage, das Darmdrüsenbiatt.
Da Beptilien, Vögel und Saugethiere hierin über-
einstimmen, wird dieser Zustand als ein fundo-
nientaler zu betrachten sein, der zugleich auf ■-■.-f =-
die Farmverhaltnisse des Leberorgans bei Am- |'4 '
phioxustuid vielen wirbellosen Thieren (WUrmer, M
nuioche Mollusken) verweist und in jenen ver- '
gleicbbare Einrichtungen erkennen tasst.
Durch Wucherungen des Üarnifaserblattes und Verbindung desselben
vorzüglich mit dem venOsen Absctwitte des Gel<lssystcms , wie durch
gleichzeitige Wucherungen des DarnidrUscnblattes cnlslehen Vcrhfill-
nisae, welche die Leber der (^i-aniota von jener der Acrania sowohl als
der wirbellosen Thiere unterscheiden. Während die erste Anlage der
Leber als eine Ausbuchtung erscheint, gehen die späteren Difl'eren-
t'ig. SHS. Anlage des DarDicanal« und Keiner Aiibaogsge bilde von einem
Huade-Einbr>o, von der Ventral 111 che dii^estalll. a Auabnchtuagen des
Darmrobrs nsoh den Viacera Ispallen, b Anlage des Sublundes und Kehlkopreti.
c Aalage der Lungen, d daa Magens, ^ der Leber, g DnttersackwHDde in ilircr
Verbindung luil dem Milleldann. h linddarni. {Nai-'b Bisuorr,}
600
Wirbelthiei«.
ziruiigen aus Wucherungen des DarnidrUsenblflttes hervor, weiche solide,
tlberoll ins Darnifaserblatt und den in dasselbe eingebetteten GeEäss—
apparat einwachsende Strünge bilden und, neue Sprossen treibend,
sich schliessliob unter einander netzförmig verbinden. Diese anfäng-
lich soliden Strünge stellen sammt ihren seound^ren eto. Ausläufern
das Leberparenchym her, und lassen mit dem Auftreten intercellulärer,
in der Axe der Zellenstränge verlaufender Günge, die Gallenwege hervor-
gehen. Die beiderseitig entstandenen, bei den Myxinen getrennt bleiben-
den Leberlappen sind bei den iindcren untereinander zu Einem Organe
verschmolzen. Die zwei primitiven Ausbuchtungen stellen, nadidem
sich die Gallenwego von ihnen aus ins Leberparenchym bildeten, und
ins Netzwerk der Zcllenstränge desselben sieb fortsetzten, die Ans-
ftlbrgänge der Leber vor.
Die auf diese Weise vom Darme differenzirte Leber bildet ein
einheitliches, meist sehr volumindses Oi^an, welches in eine vAd vor-
deren Abschnitt des Darmrohrs zur vor-
t'ii;. SB9. deren Bauchwand tretende Peritoneal-
duplicatur sich einbettet.
§ t04.
in der äusseren Form wie in den
Volums Verhältnissen ergeben sieb viel-
fache Verschiedenheiten. Bei den Pist^en
treffen wir die Leber bald nur als eine
einzige ungelappte Hasse [viele Knochen-
fische, bald aus zwei Lappen bestehend
(Selachier, viele Knochenfische) , bald ist
sie in eine grössere Anzahl von Lappen
und Luppchen getheilt (Knochenfische).
Zwei grossere Abschnitte besitzt sie bei
den Amphibien ; einfach ist sie meist
bei den Schlangen, und nur am Rande
gekerbt bei den Sauriern , bei Crocodilen
und Schildkröten wieder in zwei Lappen
getheilt, die bei den letzteren weit aus-
einander gerückt durch eine schmale
QuerbrUcke vereinigt werden. Die An-
deutung zweier Lappen tritt bald mehr,
bald . minder auch in der Classe der
Vflgel (Fig. 289. h] vor, und ist bei den
Flg. 189. Darmcanel vnnArdea cineroa. ■ Oesophagus mil lü^pf. ptr Drü-
»enmagen. «i Mugkelmagen. v' Antrum pylori, <t DuodHiinlscblinge. U Hilt^ldarm.
b Enddirm. c StUck eines der beiden Blinddltrme. ci Cioake mit Bursa FabrictI.
h I^ber. dA Ductus bepaln-e nie rlcus. /'«lalleublBse. p Baucb Speicheldrüse. dpDu-
ctuH pancreaticus.
Mesenlenam. |>01
m
Säugethieren die Regel, da zwar bei Carnivoren, Nagern, einigen Beutel-
tbieren, Affen und Anderen, mehrlappige Formen vorhanden sind, die
sich aber immer auf zwei grossere Hauptlappen zurfickfUhren lassen.
Im Verhallen der AusführgStnge [Ductus hepato-eDterici) ergeben
sich zahlreiche in Bezug auf die ursprüngliche Duplicilät dahin auf-
zufassende Modificationen, dass entweder der erstere Zustand fortbesteht,
oder dass die beiden Ausführgflnge allmSihlich mit einander verschmelzen,
d. h. sich vom Darme her zu Einem Gange umwandein, oder dass
endlich eine Rückbildung der primären Ausführgange erfolgt, wobei
Canäle secundärer Ordnung zu Ausftthrgängen werden, die dann in
grosserer Anzahl vorkommen, z. B. bei Eidechsen und Schlangen. An
diesen Ausführgängen findet sich eine einseitige blindsackartige Aus-
buchtung, die Gallenblase (Fig. 289. /*) , und zwar in sehr man-
nicbfacben Beziehungen und keineswegf; als constantes Gebilde.
Die Bauchspeicheldrüse entsteht auf eine ähnliche Weise wie
die Leber, aus einer hinter der Anlage der letzteren sich bildenden
Ausbuchtung der Darmwand. Die Epithelschichte des Darmes, also
wieder das Darmdrttsenblatt , bildet Wucherungen, aus welchen unter
fortgesetzter Knospung die DrüsenlSIppchen mit ihren Ausfühi^angen
entstehen, indess der Ductus pancreaticus aus der ersten Anlage sich
bildet. Dieses nur in einzelnen Abtheilungen der Fische vermisste,
immer dem Anfange des Mitteldarms oder auch dem Magen benacHbart
gelegene Organ verbindet seinen Ausführgang hllufig jenem der Leber,
oder senkt ihn mit jenem in den Darmcanal ein. Nicht selten kommen
zwei Ausführgange vor (bei Schildkröten, Crocodilen, Vögeln (Fig. 289)
und einigen Sflugethieren) , von denen einer in der Regel mit dem
Ductus hepato-entericus verbunden ist.
Mesenterium.
§ 405.
Mit der Bildung des Darmcanals entsteht die ihn überkleidende
Peritonealduplicatur , durch welche er an die hintere Bauchwand be-
festigt wird. Diese den Darm umfassende Doppellamelle stellt das
Mesenterium vor, von dem der zum Magen tretende Abschnitt als
Mesogastrium bezeichnet wird. Letzteres schlägt sich aber nicht ein-
fach um den Magen, wie das Mesenterium des grössten Theils des
Mitteldarmes, sondern geht mit seinen beiden Lamellen von dem Magen
in eine zur vordem Bauchwand sich fortsetzende Doppellamelle über,
die erst an letzterer Stelle wieder mit dem Peritoneum der Bauch-
wand zusammenhängt. In dieser Fortsetzung des Mesogastriums zur
vorderen Bauchwand ist die Leber aufgetreten, welche dadurch nicht
nur gleichfalls einen Peritonealüberzug erhält, sondern auch durch
denselben sowohl mit dem Darmrohr (speciell dem Magen und dem
Anfange des Mitteldarms}, wie mit der ventralen Wandung der Leibes-
602 Wirbeltbiere.
höhle in Zusammenhang sich findet. So lange das Darmrohr seinen
ursprünglich geraden Verlauf behält, sind auch die Verhältnisse des
Mesenteriums einfach, und Besonderheiten werden nur durch theilweises
Schwinden grösserer Strecken desselben, z. B. bei Fischen, hervor-
gerufen. Auch die Voluraentfaltung der Leber bedingt Veränderungen
an der vom Magen zur vorderen Bauchwand tretenden Duplicatur, die
als Verbindungsstück mit dem Magen als kleines Netz bezeichnet wird,
während ihr vorderer zur Leibeswand tretender Abschnitt das Liga-
mentum Suspensorium der Leber vorstellt. Andere Veränderungen
werden durch die Beziehung zum Zwerchfell, durch Krümmung des
Magens und durch die Verlängerung des Mitteldarms hervorgerufen,
welcb^ letztere das Mesenterium in krausenartige Falten legt (Gekröse^.
Diese Verhältnisse treten bereits bei Fischen auf und zeigen sich noch
einfach bei Amphibien, dann bei den Schlangen und Eidechsen, bei
Schildkröten und Grocodilen besonders durch Veränderung der Lage
und Form des Magens modificirt.
Am bedeutendsten sind die Veränderungen des Mesogastriums der
Säugethiere, welches mit einer Lageveränderung des Magens in einen
weiten Sack auswächst (Bursa omentalisj , der entwejder über die
Schlingen des Mitteldarms herabhängt, wie bei den meisten Säuge-
thieren, oder den Magen theilweise umhüllt (Wiederkäuer). Das Mesen-
terium des £nddarms bleibt bei den Wirbeltbieren mit kurzem End-
darm iu seinem primitiven Zustande. Bei der bei den Säugethieren
stattfindenden Längenentfaltung der als Colon bezeichneten Strecke, des
Enddarmes folgt das Mesenterium als Mesocolon mit, und rückt zu-
gleich mit einem Abschnitte gegen die Wurzel des Mesogastriums empor,
so dass beide dicht beieinander entspringen. Von da aus gehen nun
bei den Primaten allmählich Verbindungen des Mesocolons mit der
hinteren Doppellamelle des Mesogastriums vor sich, die mit der beim
Menschen bestehenden Aufnahme eines Theiles des Colon (C. trans-
versum) in die hintere Wand des Netzbeutels abschliessen. Zugleich
verwächst die vordere und hintere Wand des Netzbeutels, wodurch
das somit aus 4 Peritoneallamellen zusammengesetzte Omentum uiajus
entsteht.
Pneumatische Nebenhöhlün des Darmrohrs.
§ 406.
Obgleich die Wirl>elthiere in ihren niederen Abtheilungen dem
Aufenthalte im Wasser adaequate Anpassungen in ihrer gesammten
Organisation kundgeben, so treten doch schon bei jenen sur Auf-
nahme von Luft fungirende Einrichtungen hervor, womit der W^ecbsel
des Mediums wenn auch auf grossen Umwegen vorbereitet wird.
Wie für Alles von aussen her aufzunehmende das Darmrohr die
Bahn bietet, für das zur Athmung dienende Wasser, ebenso wie für
Schwimmblase. 603
die im Organismus als Nahrung zu verwerthenden Substanzen, so
vermag der Darmtract auch Luft aufzunehmen, die in besonderen von
hm aus diflerenzirten , also Theiie des primitiven Dannrohrs dar-
stellenden Räumen gesammelt wird. Diese Aufnahme von Luft hat
wenigstens ein zeitweiliges Emporsteigen zur Wasseroberfläche zur
Voraussetzung, und bildet damit eine nicht unwichtige Uebergangs-
stufe von den ausschliesslich auf das Leben im Wasser angewiesenen
Zuständen, zu solchen die auch ausserhalb dieses Mediums zu leben
im Stande sind.
Die mit der Aufnahme von Luft entstehenden Apparate werden
als Schwimmblasen bezeichnet. Welcher Art die praktische Be-
deutung dieser Organe für den Gesammtorganismus ist, ist noch unbe-
stimmt, doch werden sie bei ihrer grossen Verbreitung als wichtige
Theiie angesehen werden mUssen. Da luftftfhrende Räume im Ki^rper
im Wasser lebender Thiere nicht ohne Einfluss auf die spezifischen
Gewichts verbältnisse des Körpers bestehen können, wird die Annahme
einer hydrostatischen Function für jene Organe wahrscheinlich gemacht.
In diesem Verhalten tritt mit Aenderung der Kreislauf Verhältnisse
eine wichtige Umwandlung ein. Die Organe fungiren respiratorisch,
indem die in ihnen befindliche Luft mit dem der Wand des Organes
zugeführten Blute einen Gasaustausch eingeht, so dass sauerstoffreicheres
Blut abgeführt wird. Damit tritt das Organ in die Reihe der Athmungs-
Organe und wird Lunge benannt.
Die pneumatischen Apparate des Darmrohrs sondern sich also in
zwei functionell ausserordentlich verschiedene, aber morphologisch
homologe Organreihen, deren jede für sich zahlreiche Differenzirungen
eingeht.
a) Schwimmblase.
§ 407.
Diese Organe fehlen bei Amphioxus wie bei den Cyclostonien. Bei
Selachiem (einigen Haien) findet sich ein dorsal in den Schlund mün-
dendes Divertikel der Wandung, welches als Rudiment einer Schwimm-
blase betrachtet werden darf. Den GanoYden kommen Schwimmblasen
allgemein, den Teleostiern in grosser Verbreitung zu. Prüfen wir die
bei Ganotden bestehenden Einrichtungen näher, so treffen wir sie als
einfache oder als paarige Säcke, die mit dem Schlünde durch einen
kürzeren oder längeren Luft gang in Verbindung stehen. Der Luft-
gang mündet an der oberen Wand des Vorderdarms aus, an derselben
Stelle, wo bei den Selachiern der kurze Blindsack sich vorfindet. Sehr
weit nach hinten ist die Ausmündung bei Acipenser gelegt, dessen
Schwimmblase sich hier mit dem Magen verbindet, dagegen treffen
wir bei Polypterus eine paarige Schwimmblase (Fig. 290. A) mit Aus-
mündung an der unteren Wand des Oesophagus, und bei Lepidosteus
604 Wirlicllliit>i'P.
ist die dorsal geluKortc, üusserlich oinfnche Blase durch sie durch-
seihende Trabekcl in xwci Lilngshlllfl«n ({ctheilt, deren jede durch
iiahlroichc VorspittOge und Bütken wieder in kleinere zellige Hohlräume
zcrrjllt und damit eine Oherilüchcnvergritsserung -darbietet. Auch bei
Amia ist die zellige Schwimmblase durch eine Kalte getheilt und Iftuft
nach vorne in zwei kurze Horner aus. Die Ausmllndung in den Dami
^eschielil bei den 3 lelzlei-w ahnten GanoTden mit einer I.Üngsspalt«, die
in einen kurzen etwas engeren Ductus pneumaticus führt. Wir finden
also bereits bei den Ganofden eine giosse Mannichfaltigkeit in dem
Vjsrhalten der Schwimmblase, welche ZusUinde aus dem Verfaaltniss der
ganzen, nur auf wenige lohende Fonnen beschrHnklen Abiheilung he-
urtheilt werden mllssen. Bedeutungsvoll ist es, dass in den verschie-
denen Zuständen der Schwimmblase der GanoYden alle wesentlichen
Einrichtungen erkennbar sind, welche das Organ, bei den Teleostiern
noch als Schwimmblase, bei den h&heren Wirbellhieren als Lunge zeigt.
Der Luflgang erscheint in einer Abtheilung der Telooslier per-
. Nislent (Pbysostomen) , bei anderen tritt er als vorübergehende Bildung
auf, indem ernachderEnt-
Hr. S90. Wickelung der Schwimm-
blase wieder ve ■'schwindet,
"v->. f N ? «"f ' I \ f { *""* endlich ist bei vielen
! \ «Si/^V(>^ 7 1 , \ die Bildung der Schwimm-
blase gänzlich sislirt (Phy-
soctysten) .
Die Verbindung des
Luftganges mit dem Darm
zeigt bedeutende Verschie-
denheiten. Die Einmün-
dung kann sowohl oben
als seitlich geschehen, und
zwar an allen Abschnitten
des Munddarms vom
Schlünde an (Fig. 285.
/}. dp) bis zum Ende des
Magens. Bezüglich der
FormverhBllnisse besteht
eine ausserordentliche Haniiichrultigkeit, sowohl bei den Schwimmblasen
mit, als bei jenen ohne Luftgang. Eine Querlheilung in zwei hinter
einander liegende Abschnitte, von denen der let7t«re den Luflgang ab-
sendet, besteht bei den CyprinoYden fvergl. Fig. S69. m n], bei Anderen
kommen seitliche Ausbuchtungen vor, die als Fortsätze der verschie-
densten Gestall sich darstellen (Fig. 870. B. C. a] und in mehr oder
Fig. 490. Verseil iodone Korwen von Snhwimmblasen. A von Polyptprus
biclilr nacli J. Mülleii. B von Johnius iobatus. C von Corvinn IrjKpi-
nosH nnch Cuvirn und ViLKMCiEBnEs, a Anhänge der ^hwimmhltisc fi Mtindtin}:
Luogen. 605
minder reiche Ramificationen übergehen können. Die Wandung des
Organes bietet in ihrer Textur ähnliche Verhältnisse wie diQ Darm-
wand, doch ergeben sich manche eigcnthUmliche , für unsere Zwecke
untergeordnete Difierenzirungen. Dahin gehören auch die verschiedenen
Anpassungen der Schwimmblase an andere Apparate, wie z. B. die Ver-
bindung mit dem Hörorgane bei vielen Physostomen (vergl. oben §. 372) .
Die Umwandlung der Schwimmblase in eine Lunge ist bei den
DipnoY vor sich gegangen. Wenn das Organ in seinen äusserlichen
Verhaltnissen noch mit einer Schwimmblase übereinstimmt, so ist durch
das Auftreten zuführender Venen und abführender Arterien eine we-
sentliche Aenderung aufgetreten , die von nun an das Organ als Ath-
mungsoi^an erscheinen lässt. Bei Ceratodus, wo es wohl nur zeit-
w^eise als Lunge fungirt, wird es noch durch einen einheitlichen, nur
mit der Andeutung einer Längstheilung versehenen, in der ganzen
Länge der Leibeshöhle dorsal gelagerten Sack gebildet, bei Lepidosiren
und Protoptcrus ist es in zwei Hälften getheilt.
b) Lungen.
§ 408.
Mit der Ausbildung der respiratorischen Form der aus der primi-
tiven Darmwand gesonderten pneumatischen Anhangsorgane entsteht an
Stelle der unmittelbaren Einmündung in den Pharynx ein besonderes
Canalsystem, die Luft aus- und einleitenden Apparate, welche zugleich
mit den Lungen angelegt, zu coniplicirten Einrichtungen sich ausbilden.
W^ährend anfänglich die Lungen seihst die bedeutendslt»n Theile sind,
nehmen allmählich jene Luftwege an Ausbildung zu, indem sie sich
in mehrere mit neuen Functionen ausgeslaltete Abschnitte gliedern,
unter denen ein slimmerzeugender Apparat die hervorragendste Bolle
spielt.
Für die Differenzirung der Luftwege hal>en wir als Ausgangspunct
einen kurzen, weiten, beide Lungen mit dem Pharynx verbindenden
Canal. Dieser entfaltet bei grösserer Längenentwickelung in seinen
Wandungen knorpelige Stützorgane und geht weitere Sonderungen
ein, indem er sich in zwei zu den Lungen führende Aeste spaltet.
Dann ist an den Luftwegen ein paariger und ein unpaariger Abschnitt
zu unterscheiden. Als Stützorgane dieser bei den Amphibien meist
sehr kurzen Luftwege erscheinen zwei seitliche Knorpelstreifen (Fig. 29^.
A, a) , die auf den Anfang der Lungen (6) sich fortsetzen (Proleus) ;
bei anderen \B) gliedern sich die oberen Enden (a) dieser beiden
Stucke ab und bilden die Grundlage für einen besonderen Abschnitt,
den wir nunmehr mit der Verrichtung der Stimmerzeugung betraut
sehen und als Kehlkopf oder Stimm lade bezeichnen. Dadurch
wird also ein Theil von den übrigen Luftwegen differenzirt und wäh-
606
Wirbelthiere.
rend die letzteren in dem unpaaren Abschnitte der Trachea und in
dem paarigen, den Bronchen, mehr gleichartige Verhaltnisse darbieten,
ergeben sich für den Kehlkopf bedeutendere Ver-
schiedenheiten. — Bei den Amphibien bilden jene
beiden als Stellknoipel bezeichneten Knorpel [a]
eine Stütze fttr zwei den Eingang zum Kehlkopf
umschliessende Falten. Die durch Muskeln bewirkte
Lageveränderung der Knorpel bedingt Oeffnung oder
Schliessung des Eingangs zum Kehlkopfe. Sie sind
daher auch functionell von grösserer Bedeutung als
die mehr indifferenten als Stützen sich verhalten-
den Theile. Jene Stellknorpel ruhen auf den vor-
deren Enden der beiden Längsknorpelleisten, welche
durch quere, gegeneinander gerichtete Fortsätze
ventralwärts sich verbinden und so bei vielen Am-
phibien einen unpaaren Abschnitt des Stimmladen-
gerüstes entstehen lassen (Fig. 294. C. c).
Bei den Reptilien ist zwar die Verbindung
der beiden Längsleislen vollständiger, allein durch
den continuirlichen Zusammenhang derselben mit
den Stellknorpeln wird besonders bei Schlangen
der niedere Zustand ausgedrückt, doch ist bei an-
deren die Ablösung jener Knorpel (Fig. 294. />. o)
vor sich gegangen; auch bei Sauriern besteht dies
Verhalten , nur dass hier der die Stellknorpel tra-
gende Abschnitt sich zu einem meist geschlossenen
Ringe umgeformt hat. Dadurch wird ein zweiter Theil des Kehlkopfs
als ringförmiger Knorpel unterscheidbar, der bereits bei den Amphi-
bien (C, c) in Bildung begriffen ist. Bei Schildkröten und Grocodilen
ist dieser scharfer vom*Trachealskelet abgesetzt und erscheint mit seinem
Vordertheile in beträchtlicher Verbreiterung. Nicht selten geben sich
Andeutungen einer Zusammensetzung aus mehreren Knorpelringen an
ihm zu erkennen. Bei den Vögeln wird dieses ringförmige Stück aus
einem vorderen breiteren und zwei hinteren schmalen Tbeilen zusam-
mengesetzt, auf welch^ letzteren noch ein kleines aufsitzt, welches die
Stellknorpel trägt.
Bei den Säugethieren endlich ist das grosse Ringstück • der
Reptilien in zwei Abschnitte getheilt, indem die vordere hohe Platte
ein besonderes Stück, den Schiidknorpel (Gart. thyreoYdes) vorstellt,
während ein zweites, vorzüglich hinten sehr massives Stück ringförmig
Fig. 394. Knorpel des Kehlkopfs bei Amphibien and Heptilien. A von Pro-
teus, B von Salamandra, C von Rana, D von Python, a Steilknorpel
(Cartilago arytaenoides). b StUtzknorpel , bei A. Bund C das Skelel des unpaaren
und paarigen Abschnittes der Luftwege bildend, bei D blos vom Anfange des un-
paaren Abschnittes (der Trachea) dargeslrllt. (Nach Henlk.)
Langen. 607
bleibt (Gart*. cricoYdes) und an seinem hinteren höheren Abschnitte die
Stellknorpel (Gart. arytaenoYdes] trägt.
§ 409.
Diesem Keblkopfskelete verbinden sich noch andere mehr oder
minder zur Stimmerzeugung dienende Theile. Von solchen sind lateral
im Eingange des Kehlkopfs gelagerte Schleimhautfalten bemerkenswerth,
die bei straffer Ausspannung und Entfaltung von elastischen^ Gewebe
zu Stimmbändern werden. Sie fassen eine Spalte zwischen sich,
die Stimmritze, welche durch die Befestigung der Stimmbänder an die
beweglichen Stellknorpel veränderlich ist. Stimmbänder finden sich
bei den meisten Anuren und unter den Sauriern (Geckonen und Gha-
mäleonten), dann bei den Grooodilen. Den Schlangen fehlen sie
durchaus.
Bei den Vdgeln liegt der Stimmapparat in dem unteren Ab-
schnitte der Luftwege, dem sogenannten unteren Kehlkopf, welcher
Einrichtung der Stimmbandmangel im eigentlichen Kehlkopfe entspricht.
Unter den Säugethieren nur bei den Walthieren rOckgebildet , bieten
sie im Wesentlichsten Anschlüsse an die beim Menschen bekannten
Einrichtungen.
Mit der Differenzirung einzelner Knorpelstttcke aus dem ursprüng-
lichen Laryngotracheaiknorpel treten gesonderte Muskeln zur Bewegung
der frei gewordenen Abschnitte auf. Diese sind bei den Reptilien
durch einen Verengerer und Erweiterer vertreten, die auch mit einigen
Modificationen bei den Vögeln vorkommen. Die Säugethiere bieten eine
aus einer Differenzirung der bei Reptilien einfacheren Muskulatur her-
vorgegangene Gomplication dar, die theils in der Zahl, theils in der
Anordnung der Muskeln sich ausspricht, im Wesentlichen entsprechen
sie jenen des Menschen.
Eine den Eingang zum Kehlkopf von vom her überragende Vor^
sprungsbiidung, als Kehldeckel oder Epiglottis bekannt, ist bei Rep-
tilien nur durch einen vom Sttttzknorpel ausgehenden, zuweilen nicht
unansehnlichen Fortsatz angedeutet, der auch bei Vögeln sehr ent-
wickelt vorkommt. Doch besitzen manche derselben eine besondere
Epiglottis, deren Knorpel mit dem Sttttzknorpel nur durch Naht ver-
bunden ist. Diese Formen vermögen aber niemals den Eingang zum
Kehlkopf vollständig zu decken. Vollständig getrennt ist der Epiglottis-
knorpel bei den Säugethieren, wo er einen beim Vorbeigleiten des
Bissens über den Eingang zum Kehlkopf sich legenden Schutzapparat
bildet. Bei den Sirenen erfährt er eine Rückbildung, während er bei
den Walfischen zu einem langen rinnenförmigen Stücke umgestaltet
ist, das mit den gleichfalls verlängerten Stellknorpeln einen an die
hintere Nasenöffnung emporragenden Kegel bildet, durch welchen die
Aufnahme und Ausströmung der Luft erfolgt. •
Der vom Kehlkopf beginnende Abschnilt der Luftwege sondert sich
bei einem Theilc der Amphibien deutlicher in. die Trachea und ihre
beiden Aesle, die Bronchi, welche Iclutere unmitl«lbar in die Wan-
dunj^en der LungensHcke übergehen. Dahin erstrecken sieb auch die
Enden der Lnryngotraebealknorpel bald ^s feine Ausläufer ;Henobran-
chus, Menopoma; , bald als breitere, seitliche FortEälzo aussendende
Stucke (Bufo). Indem ^m vorderen Ende jener Leisten die QueHiste
gegeneinander wachsen [vergl, Fig. 291. C. 6), stellen sich die An-
finge von Knorpel ringen dar Solche sind an der meist langen Trachea
der Reptilien entwickelt, bald un geschlossen, bald nucb vollständig ge-
schlossen, in der Verbindung der Binge unter sich vermittelst Längs-
leislen, gibt sich bei Schlangen und Siiuiiein das primitive Verhalten
zu erkennen.
Die Trachea der Vögel, immer durch beträchtliche LUnge ausge-
zeichnet, bietet die Trennung der meist vollst.indig geschlossenen Ringe
in ausgedehnterem Hansse. Denselben Bau besitzen die beiden Bronchi.
An einzelnen SU'llen finden sich an der Trachea nicht seilen Erwei-
terungen (Schwimm vjtgel) , sowie auch Abweichungen vom gernden
Verlnufe bei manchen Vögeln vorkommen. So bei Penelopiden , man-
chen Schwiinen und beim Kranich. Bei den letzteren wird eine Tra-
chealschlinge sogar vom Brustbein umschlossen.
Am eigenihtim liebsten erscheint die den Carinaten zukommende
Bitdung eines uuleren Kehlkopfes, an welchem in der Regel das
Endo der Trachea und die Anfange der
Bronchi hothoiligt sind. Die Forniveran-
dcrungen dieser Abschnitte bestehen in
einer seitlichen CompiessioD, o«ler in der
Verschmelzung einiger Ringe des Tracheal-
endes, welches durch eine vom Theilungs-
Winkel der Bronchi vorspringende knö-
cherne Leiste (Sieg) halbirt wird und
die Trommel bildet. Vorne und hinten
setzt sich der Steg bogenförmig nach ab-
wärts fort und hält eine SoJileimbauLfatte
wie in einem Rahmen au.sgespannl (Mem-
brana tympaniformis interna). Zwischen
dem letzten Tracheal- und dem ersten
ßronchalringe oder auch zwischen einem P»are von modiBcirlnn Bron-
chalringen spannt sich eine andere Membran au.s, die bei AnnAberung
jener Ringe erscblafTend nacK innen zu vorspringt (Membrana tympani-
formis externa] . Diese Membranen fungiren als Stimmbänder. Bei den
Singvögeln tritt noch eine vom Stege sich erhebende Falte hinzu, als Fort-
Fi|E. 193. Unterer Kehlknpr. Sinfimiiskrlappiirnt <te<i Rnhiio. A vnn ilrr
Seile, Ü von vorne )!^seben. a—/' Muskeln zur Bewoinng de» uolernD KehlfcnpTM
I) Membrana Ijniiinnifor/nis,
Hb. SSS-
b) Lungen. 609
selxnng der Membrana iyinpaniformis interna. Durch die an beiden
Bronchen vorhandenen Stimmmembranen wird eine doppelte Stimmritze
begrenzt. Die Thatigkeit einer besodderen Muskulatur ändert sowohl
den Spannungszusland der Stimmbänder mannichfach und verengert
oder erweitert zugleich die Stimmritze. Mehrere Paare an die Luft-
röhre tretender Muskeln (Fig. S92. d) wirken als Niederzieher der
ersteren und erschlaffen die Stimmbänder. Ausser diesen findet sich
noch ein aus 5 bis 6 Paaren gebildeter Muskelapparat (Fig. S92. a — f)^
der den unteren Kehlkopf der Singv(igel auszeichnet.
§ 410.
Die aus den Enden der Luftwege beginnenden Lungen erscheinen
von den Amphibien an als Athmungswerkzeuge der höheren Wirbel-
thiere, wenn auch, wie bei allen Amphibien, entweder während des
Larvenzustandes oder auch bleibend (Perennibranchiaten) noch Kiemen
bestehen. In ihrem anatomischen Verhalten bieten sie eine Reihe ähn-
licher Differenzirungen wie die zu ihnen fuhrenden Luftwege, und an
die Stelle einfacher Säcke treten allmählich compliciile Organe, an
denen die respiratorische Fläche durch Bildung kleinerer Binnenräume
fortschreitend vergrössert wird.
Unter den Amphibien schliessen sich die Lungen vollständig
jenen der DipnoY an; bei den Perennibranchiaten bietet ihre Innen-
fläche' wenig Oberflächen vergrösserungen. Einfache, sehr lange, vorne
wenig erweiterte, dagegen mit einer Erweiterung endende Schläuche
steilen sie bei Proteus und Menobranchus vor. Bedeutender sind die
maschenförmigen YorsprUnge an den Wänden der Lunge von Crypto-
branchus, sehr gering dagegen bei Triton. Auch bei anderen Salaman-
drinen ist dies noch häufig der Fall, dagegen bt bei den Anuren eine
Sonderung in kleinere Räume durch ein reiches Maschennetz aufge-
treten und die Lunge wird dadurch geeignet, eine grössere Blutmenge
dem Austausch der Gase auszusetzen. Dieses Verhäitniss steigert sich
bei den Reptilien. Obgleich viele, wie die meisten Saurier, sehr
einbdie Lungen besitzen, so ist doch sowohl bei Schlangen als bei
Grocodileh und Schildkröten jede Lunge in eine Anzahl grösserer Ab-
schnitte getheilt, die wieder in kleinere mehrfacher Ordnung zerfallen.
Bei den Schlangen zeigen die Lungen durch ihre lange Gestalt eine
Anpassung an die gestreckte Köi*perform, auf welche auch die in
verschiedenem Maasse erscheinende Verkümmerung je einer Lunge be-
zogen werden muss. Die Verlängerung der Lunge ist von der Aus-
bildung einer Eigenthttmlicbkeit begleitet, dass nämlich der letzte meist
beträchtlich ausgedehnte Abschnitt der F^unge unter Vereinfachung
feines Baues nicht mehr respiratorisch ist. Solche aus der Athmungs-
function tretende Abschnitte kommen auch bei Sauriern vor, bei denen
wie auch bei den Schlangen der vorderste ttlier die Verbindungsstelle
0«fenbaar, anufdrisn. 89
640 Wirbel thiere.
mit den Luftwegen hinausragende Theil ein dichteres MaschenweiiL
trägt^ wahrend das hintere Ende nur geringe Binnenfläcbenvergrösse-
rungen aufweist. Von diesem Abschnitte gehen bei den GharaHleonten
sogar besondere Blindschlauche aus, die weit in die Leibeshöhle ein-
ragen und eine Einrichtung andeuten, welche, bei den VOgeln in
andere functioneile Beziehungen tretend, zu hoher Entfaltung gelangt.
Hier entstehen während der Embryonalperiode gleichfaiis zipfel-
förmige Verlängerungen an der Oberfläche der Lunge, die sich aber
mit anderen Organen in Verbindung setzen und luftftthrende Hohlräume
bilden. Dieser pneumatische Apparat wird schliesslich aus häutigen,
zwischen die Eingeweide eingebetteten Säcken oder in die Skeletttheile
eindringenden Schläuchen dargestellt. Wie im letzteren Falle mit dem
Schwinden des Knochenmarks, an dessen Stelle lufthaltige Räume tre~
ten, eine bleibende Verringerung des specißschen Gewichtes des
Thieres sich bildet, so kann durch die Füllung der zwischen die Ein-
geweide gelagerten Säcke eine vom Willen des Thieres abhängige
Gewichtsminderung entstehen, die ebenso wie die erstere das Plug-
vermögen unterstutzt.
Bezüglich des feineren Baues ist für die Lunge der Vögel eine
Verbindung der feinsten Räume unter einander bemerkenswerth. Das
Lungenparenchym besitzt eine spongiöse Beschaffenheit. Bei den
Säugethieren dagegen ist der lappige Bau auf die kleinsten Ab-
schnitte der Lunge fortgesetzt und gibt sich auch äusserlich in grösseren
Lappen zu erkennen. Die Zahl der letzteren ist bei den Säugethieren
sehr verschieden, meist sind sie an der rechten Lunge zahlreicher als
an der linken.
In der Lagerung der Lungen ergeben sich bedeutendere Eigen-
thUmlichkeiten. Während die Lungen der Amphibien sowie der Eid-
echsen und Schlangen in die Leibeshöhle ragen, sind sie bei den
Schildkröten und Vögeln an die dorsale Wand des Thorax gelagert
und werden an ihrer vorderen Fläche vom Peritonaeum ttberkleidet.
Bei den Grocodilen liegt jede Lunge in einem Pleurasäcke, von dem
sie einen Ueberzug erhält, und ähnlich verhalten sich die Säugethiere,
deren Lungen mit einem Pleuraüberzuge bedeckt, die seitlichen Hälften
der Brusthöhle einnehmen.
QeBchlechtBorgane.
Die Geschlechtsorgane scheiden sich in beiden Geschlechtern in
die keimbereitenden Drüsen und in die Ausführwege der
Geschlechtsproducte. Dazu treten noch mancherlei an den Mündungen
der Ausfuhrwege gebildete Theiie, welche, grossentheils der Begattung
dienend, als äussere Geschlechtsorgane bezeichnet werden.
Den Keimdrüsen, Hoden und Ovarien, kommt eine von den Ausfuhr-
Geschlechtsorgane. 641
wegen gesonderte Bildungsstätte zu, so dass die Verbindung mit den
letzteren secundarer Natur ist, und auch darin eine auf niedere Zu-
stande verweisende Einrichtung nicht verkennen lässt. Beiderlei
Organe nehmen ihre Entstehung an einer median von der Umiere
gelegenen Stelle , welche von einer besonderen von dem übrigen Peri-
Umealepithel verschiedenen Epithelscbichte, dem Keimepithel, über-
zogen ist. Hier bilden sich — wenigstens bei den Amnioten — Ein-
Senkungen des Epithels in das tiefere Bindegewebe, aus welchem
allmählich sich abschnürende Schläuche hervorgehen, welche zu ge-
schlossenen Follikeln umgebildet, in ihrem Innern eine Zelle zur
Eizelle sich ausbilden lassen. Im Protoplasma sich sondernde Körn-
chen stellen den Dotter vor, der Kern das Keimbläschen, in dessen
Innerm noch besondere Bildungen als Keimflecke vorkommen. Indem
so das einen Theil der Wandung der Leibeshöhle auskleidende Keim-
epithel den Ausgangspunkt für die Entwickelung der Eier bildet, finden
sich hierin Anschlüsse an die bei niederen Thieren (Würmern) be-
stehenden Einrichtungen vor. Diese Beziehungen sind noch deutlicher
bei Amphioxus gegeben, dessen Eier ohne Follikeibildung entstehen.
Die im Eifollikel um die Eizelle lagernden Zellen bleiben meist in
indifferentem Verhalten und tragen zur Bildung einer das Ei umgeben-
den Membran, der Dotterhaut, bei. Von diesem allgemeinen Verbalten
ergeben sich mancherlei mehr oder minder bedeutende Modificationen.
Dieselben betreffen theils das Ei, theils die dasselbe umgebenden
Zellen des Follikels. Diese bilden unter gleich massigem Wachsthume
des Eies und des Follikels eine einfache epithelartige Schichte bei den
Fischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln. Bei den Säugethieren
dagegen vermehren sie sich bei relativ klein bleibender Eizelle und
falten eine Zeit lang den grössten Theil des Follikels aus. Unter Ver-
grüssemng des letzteren entsieht allmählich in dessen Innerem ein mit
Fluidum gefüllter Raum, durch den die Zellschichte der Follikel an
der Wandung sich ausbreitet (Membrana granulosaj und an einer etwas
verdickten Stelle das Ei mit umschliesst.
Die die Eizelle betreffenden Veränderungen gehen vom Dotter aus,
und sind von einer Volumszonahme des Eies begleitet. Dieses trifft
sich schon bei Teleostiern, deren Dolterkömchen häufig bedeutende Ver-
änderungen eingehen. Aehnlich verhalten sich die Eier der Amphibien.
In höherem Grade findet Vermehrung und eigenthümliche Differenzirung
der Dotterkömehen in den Eizellen der Selachier, Reptilien und Vögel
statt, und verleiht dem Ei eine bedeutende Grösse. So sind also auch
diese durch ihr Volum wie durch ihren Inhalt von den gewöhnlichen
Formelementen sehr verschiedenem Gebilde von Zellen ableitbar, und
entsprechen solchen noch in ihrem ausgebildetsten. Zustande, indem
zwischen den Massen der geformten Dotterbestandtheile Protoplasma
und Kern (Keimbläschen) sich forterhält.
Den männlichen Keimdrüsen dient die mit dem Keimepithel
89»
642 Wirbeltbiere.
überkleldele Stelle gleichfalls als Bildungsstätte, aber es scheint, dass
jenes Epithel nicht an dem Aufbau der Hoden direct betheiligt ist. Die
erste Differenzirung der den Hoden zusammensetzenden Drüsenscblauche
(Samencanälchen) ist noch unbekannt, denn die Annahme ihrer Ent-
stehung aus einem Theile der Umiere führt die Schwierigkeit herbei,
jene Hodenbildungen zu erklären, die keinerlei Verbindung mit der
ürniere eingehen.
Durch Differenzirungsvorgänge des Epithels der SamencanälcbeD
entstehen die Formclemente des Sperma.
Diese stellen bei allen Wirbelthieren bewegliche, von einem ver-
schieden gestalteten dickern Theile, dem sogenannten Köpfchen aus-
gehende Faden vor. Das Köpfchen ist bald scheibenförmig oder
elliptisch, wie bei vielen Säugethieren und Fischen, oder es ist lang-
gestreckt bei Selachiern , Amphibien , Vögeln. Bei letzteren häufig kork-
zieherailig gewunden. Eine undulirende Membran zeichnet die Samen-
fäden mancher Amphibien (Salaniandrinen und Bombinator) aus.
Die einfachsten Verhältnisse des Geschlechtsapparates bieten die
Acrania und die Cyclostomen, deren Keimdrüsen die einzigen hierher
bezüglichen Organe sind. Die Ovarien erscheinen bei den Cyclostomen
als paarige längs der Leibeshöhle sich erstreckende Lamellen, in denen
die Eier entsteheu. Aehnlich stellen sich die Hoden dar. Beiderlei
GeschlechtsstofTe werden in die Leibeshöhle entleert, von wo sie durch
den Abdominalporus nach aussen gelangen.
Die Gnathostomen haben dagegen die Urniere zu einem Ausfübr-
apparat der Geschlechtsoi^ane verwendet, welches Verhältniss in seinen
wesentlichsten Zügen die folgende Darstellung gestattet. Der terminal mit
einem abdominalen Ostium ausgestattete Urnierengang geht die bereits
oben (S. 567) erwähnte Differenzirung ein, indem die Sammelröhren
der Urniere nach und nach sich zu einem selbständigen^ immer
tiefer >herab mit dem Urnierengange verbundenen Ganale vereinigen,
was endlich zur Bildung eines primären und eines secundären Umieren-
ganges führt. Der erstere, als MüLteR^scher Gang bezeichnet, fungirt
beim weiblichen Geschlechtsapparate als Eileiter, Oviduct, und
erhält sich auch häufig als rudimentäres Organ beim männlichen Appa-
rate. Je nach Maassgabe der mehr oder minder vollständigen Son-
derung jener Canäle fungirt eine grössere oder geringere Endstrecke
des Urnierenganges sowohl als Ausfübrweg der Geschlechtsprodiicte wie
als Harnleiter, bis mit der völligen Trennung sowohl Harn als Ge-
schlechlsproducte besondere Ausfuhrbahnen erhalten.
Die Urniere oder vielmehr ein Theil derselben empfängt beim männ^
liehen Geschlechte Verbindungen mit dem Hoden, und jener zum Aus-
führwege des Sperma verwendete Abschnitt gestaltet sich bei gr(S5serer
Gesch lech I sorgane .
6f3
Sondening la einem Theile des Hodens, dem Nebenhoden, Kpidi-
dymis, während der secund9re Urnierengang zum Samenleiter,
Vas deferens, wird. Hier bestimmt wieder der Trennungsgrad des
mit dem Hoden verbundenen Abschnittes der Urniere das grossere oder
geringere Maass der Gemeinsamkeit der Ausftthrwege für Sperma und
Harn. Wo die Urniere eine Rückbildung erleidet, bestehen beim männ-
lichen Gescbiechte Reste am Hoden, beim weiblichen in der Nähe des
Eierstocks fort.
§ 413.
In grosser Mannichfaltigkeit und darin verschiedengradige Stufen
der Differenzirung erkennen lassend, bestehen die Einrichtungen der
Geschlechtsorgane der Fische, für welche zahlreiche Erscheinungen noch
der Aufklärung harren. Anschlüsse au die niedersten Verhältnisse
bieten sich für die weiblichen Organe mancher Te leostier (Salmonen)
aus deren weit in die Leibeshöhlc ragenden Ovarien die Eier in letztere
gerathen und durch einen Perus abdominalis entleert werden. Dagegen
sind die Hoden wie jene der meisten übrigen Teleostier mit Ausführ-
gängen versehen, womit auch die meisten Ovarialbildungen überein-
stimmen. Die keimbereitende Stätte dieser alsdann schlauchförmig ge-
stalteten Geschlechtsorgane ist häußg auf eine Stelle des Schlauches
beschränkt, und bildet von da aus je nach dem Ausbilduugsgrade
ihrer Producte eine mohr oder minder bedeutende Einragung. Die
beiderseitigen Ausführgänge dieser Genitalschläuche verbinden sich zu
Fig. 108.
einem mit dem Genitalporus mündenden gemeinsamen Wege. Bei
diesen Einrichtungen sind die Keimdrüsen nicht durch den ganzen
Apparat, sondern nur durch die an der Innenwand der Schläuche vor-
ragenden, oft gelappt oder auch ramificirt erscheinenden Keimstätten vor-
gestellt, deren Umhüllung wohl der die letzteren in sich aufnehmende und
Fig. 898. Geschlechtsorgane und Darmcanal vonClupca harengus. oe Oe-
sophagus. V Magen, ap Appendices pyloricae. t Darm, a Afteröffnung. vn Schwimm-
blase, d.pn Luftgang, derselben, in den Blindsack des Magens mündend, s Milz.
ti Hoden, vä Aufführgang derselben, g Genitalporus. br Kiemen. (Nach Bhanot.)
6U
Wirbel tbiere.
sich schlaUjjijföpmig umgestaltende MüLLBR'sche Gang bildet, was übrigens
noch ontogenetisch festzustellen ist.
Sicherer deutbar erscheinen die Verhältnisse der GanoYden, deren
Keimdrüsen der Ausfuhrwege entbehren, und so ihre Producte in die
Leibeshöhle gelangen lassen. Hier dient bestimmt ein dem MüLLER^schen
Gange homologer Apparat der Ausleitung, indem dem Harnleiter (secun-
dären Urnierengangj ein meist kurzer mit trichterförmiger Oeffnung ver-
sehener Canal angefügt ist, der die Geschlechtsproducte aufnimmt.
Harn- und Geschlechtswege sind somit eine Strecke weit gemeinsam.
Unter den Selachiern werden gleichfalls noch jene niederen auf
der Entleerung der Geschlechtsstoffe in die Leibeshöhle beruhenden Ein-
richtungen vereinzelt angetroffen (Scymnus borealis), wobei den Ovarien
bei geringer Grösse der Eier zugleich eine bedeutende Ausdehnung zu-
kommt. Bei den übrigen sind die in der Regel paarigen, ziemlich weil
vorne liegenden Eierstöcke von geringerem Umfange. Die langen Ovi-
ducte bilden mit ihren unter einander verschmolzenen abdominalen
Ostien eine weite, der bedeutenden Grösse der aufzmiehmenden Eier
entsprechende Trichtermündung. Das hintere Ende jedes Eileiters ist
in einen durch grössere Weite und häufig auch durch stärkere Wan-
dungen ausgezeichneten , bei den meisten als Uterus fungirenden Ab-
schnitt differenzirt, der in die Cloake ausmüudet. Die Sonderung eines
drüsigen Abschnittes am Eileiter kommt den Selachiern wie den Chi-
mären zu, deren Geschlechtsorgane v^ie auch jene der DipnoY in den
wesentlichsten Puncten übereinstimmen. Die männlichen Organe w^erden
in diesen Abtheilungen durch meist kleine Hoden repräsentirt, deren
Ausführgänge mit einem Nebenhoden in Verbindung stehen , so dass
wohl ein Theil der Urniere sammt ihrem Ausführgange zum Geschlechts-
apparate verwendet wird. Das Vas deferens begibt sich nach mehr-
fachen Windungen zur Cloake, nachdem es bei den Chimären mit dem
anderseitigcn sich verbunden hat, und dicht hinter der Cloake aus-
mündet. Theile der Hintergliedmaasse sind bei den Männchen der
Selachier und Chimären in Begattungsorganc umgewandelt (S. 505].
§ 4U.
Von grosser Bedeutung sind die Geschlechtsorgane der A m p h i b i e n ,
weil sich bezüglich der Bildung ihrer Ausführwege aus der Urniere
Zustände herausstellen, die bei den Amnioten nur vorübergehende Ein-
richtungen sind. Sie stellen sich damit auf eine niedrige, in manchen
Punclen selbst unterhalb jener der Selachier befindliche Stufe. Die
Ovarien erscheint als paarige, durch Peritonealiamellen an die Wirbel-
säule befestigte Organe, die einen Hohlraum umschliessen. An ihrer
Seite verlaufen die sehr weit vorne beginnenden Eileiter,, die meist
gewunden nach hinten treten, um nach Vereinigung mit den hier blei-
bend fungirenden secundärcn Urnierengängen in die Cloake zu mttn-
Gesch lech tsorgan b .
615
den. Am bemerkensworlhestcn erscheint der mltnnliche Apparat durch
die VerciniRung des Hodens iFig. 291. B P, mil der (Jrniere (r). welche
die Vasa efTcronti» testis [ve] aurnimml.
Diese Verbindung irilt an sehr verachie- Fig. a9(.
denen Partieen ein; bald ist es der '
vorderste, bald der mittlere Abschnitt
der Umiere, von jedem wieder bald
griissero , bald kleinere Strecken , je
nach der Zahl der beiüglicben Ausrufar-
^nge. Ein Theil der Umiere nimml
somit das aus dem Hoden tretende
Sperma auf, indess ein anderer Ab-
schnitt (der binlarej nur als Niere fun-
girt. Der AusfUfargang (m'} der Umiere
ist also zugleich Samenleiter, wie er
beim weiblichen Geschlechte das Ovi-
duct vorstellte. Je nachdem die Aus-
nihrcauale der Urniere vereiniell in den
Umierengang mtlndcn, oder unter'ein-
ander verbunden erst in den letzten
Abschnitt desselben sich einfügen [Fig.
ä9l. B] , erscheint der primäre Ur-
nierengang in minderer oder grosserer
Selbständigkeit. Im lebtteren Falle bat
er sich zu einem besonderen Canale
gestaltet (HöLLH'scber Gang), indess
ein secundärer Urnierengang (li'j durch
die Verbindung der einzelnen AusfUbr-
caaale (uj der Urniere hervorging. Jener ^ B
HüLLiR'sdie Gang verlauft wie beim
weiblichen Geschlechta weit nach vome, dort einen feinen Faden bil-
dend, der in der Regel des Lumens entbehrt. Häufig ist er mit einem
rudimentären DrUsenknäucI in Zusammenhang, welches den vordersten
Abschnitt der Umiere vorgestellt hatte.
Bei manchen Anuren erhalt sich das Keimepithel in der Nahe
der Hoden und lasst ciahnliche Zellen hervorgehen. Eine solche
Schiebte ist bei Bombinator oberQacblich eine Zeit lang erkennbar,
und besteht auch bei Bufo cinercus am oberen Theile des Hodens fort.
Mil der Anlage der Keimdrüse steht ein in Fettzellen übergehendes
Gewehe in Zusammenhang, bei den Urodelen einen schmalen, von der
tig. Wt. UrogeniUlorgaDe von Triton (KheaiatiBch). ^Weibliche, 0 männ-
liche Organe, ov Eierstoctc. nu Bauch feil lamelle (Hesoarium). od Oviducl. I HO'
den. vt Vau) efferentia. c HliLLEVaclier Gang (primitiver üraierengang). r Umiere.
H Aasnibrcaniile derselben, di« sich bei u' in einem gemeiiuBnien Canal (secun-
dUrer Umierengang) vereinigen.
fiI6
Wirbellhiere.
KeiindrUsc aus sich nach vomo erstreckenden Lünggslrcif , l*ei den
Anurcn ein gelapptes frei in die ßauchhüble vorragendes Organ bildend,
dessen funclionelle Bedeulung unbekannt ist. Walirscbeiniicb fungirt
CS als AhiagerungssUille Überschüssigen EmUhrungspiaterials, welches
während des Winterschlafs der Ttiiere verbraucht wird.
Fig. S9S.
Die Anordnung des Geschlechlsapparal«s der Reptilien und
VOgel wiederholt in den GrundzUgen das für die Selachier Geschil-
derte, und zeigt dabei eine Weiterentwickelung der bei den Amphilifeu
bestehenden Einrichtungen. Die Ovarien lagern als traubige Gebilde
vor der Wirbelsäule, oder ihr zur Seite, und bilden je nach dem
Beifezustande der in dieser Abtheilung sehr voIuminOseD Eier ver-
schieden grosse Organe. Bei den Schlangen passt sich die Lagerung
der Ovarien an die langgestreckt« Leibeshihle sn, indem sie auf ver-
schiedene Hohen verlbeilt sind. Das
rechte grossere liegt meist vor dem
linken. Die Vögel bieten eine Ver-
kümmerung des rechten Eierstockes
dar. Gleichmässig mit -dem linken
angelegt, bleibt er, indess der linke
sich ausbildet, auf niederer Stufe
sieben, und kann endlich ganz ver-
schwinden. Wo er, wie bei einigen
TagiaubvUgeln , fortbesteht, gelangen
seine Eier nicht zur Reife.
Die Oviducte entstehen als Hül-
LEs'scbe Günge in einer frtlhen Em-
bryonalperiodc aus dem Keiraepilhel,
welches zuerst eine Rinne, dann
einen Canal formirt, dessen offen
bleibender Theil das OsliunT abdo-
minale vorstellt. In der Ontogenese
hat sich demnach eine Verflndening
voll7.(^cn, welche aus einer bernls
seit langem erworbenen grossen Selb-
st;<ndigkeit der Hülle n'schen Günge
sich erklärt. Im an^ehildelen Zu-
stande .stellen die Eileiter ansehnliche, meist gewunden verlaufende
Canülc vor, die mit wcilcni abdominalen Ostium beginnen. Die
Hfl. S93. Harn- und Gesclilcclilsorpnna einer Schildkröte (Che)ydra ur-
pentina). r Niuren, « Harntslt«r. ti Blase. I Hoden. « Ncbenhodfin und Vu
dercrens. uq Ocffnung des [jrogenilaisinus iD die Closke. cl Cloake, von hinlei
geülTiiel. p Rulhe. t Rullienfurclii'. r« Bnddarm, c e' Bliadsacke der Cinak«
[Bursae anales).
•
GeschlechUorgane. 617
Schleimhautauskleidung bietet zahlreiche Längsfalten und ist am
unteren auch mit stärkerer Muskelwand versebenen Abschnitte vom
übrigen längeren Theile verschieden , besonders bei Vögeln durch be-
deutendere Falten- und. Zottenbildung auageseichnet. Diese DifTeren-
ziruog des Eileiters entspricht der Verschiedenheit der Function der
einzelnen Sirecken, von denen die längere vordere das Eiweiss
secemirt, indess vom dickwandigeren Endstücke die Eischale gebildet
wird. Dieser Abschnitt verbindet sich mittels einer kurzen engeren
Strecke mit der Cloake. Der Rückbildung des rechtsseitigen Eier-
stockes entspricht bei den Vögeln die Rückbildung des gleichseitigen
Oviductes, von welchem nicht selten Reste des unteren Endes in der
Nähe der Cloake angetroffen werden. Während Schlangen und Eid-
echsen mit den VOgeln die Ausmündungsstellen der Oviducte gemein
haben, findet bei den Schildkröten die Mündung in den Hals der so-
genannten Harnblase statt, der dadurch einen Sinus genitalis bildet.
Rei manchen Schlangen nimmt eine Ausstülpung der hinteren Cloaken-
wand die Ostien der Oviducte auf. — Hinter den Ovarien erhält sich
[bei Eidechsen und Vögeln beobachtet) ein Rest der Umiere.
Vom männlichen Apparate lagern die meist ovalen Hoden durch
eine Bauchfellfalte befestigt an der Wirbelsäule, bald vor, bald nach
innen von den Nieren. Ihr Volum steht mit dem Zustande ihrer
Function in engem Connex, was besonders bei den Vögeln hervortritt.
Bei den Schlangen nehmen sie eine den Ovarien entsprechende Lage-
rung ein. Die Vasa eOerentia begeben sich zu einem meist nur aus
wenigen Canälen bestehenden Nebenhoden, von dem ein Vas deferens
sich zur Cloake erstreckt. In geradem Verlaufe findet es sich bei Cro*
codilen, zahlreiche kleinere Windungen beschreibt es bei Schlangen,
Eidechsen und Vögeln, indess es bei den Schildkröten (Fig. 295. e)
ein Convolui von Windungen darstellt. Sein Endabschnitt ist bei man-
chen Sauriern und Vögeln, sowie bei den Crocodilen erweitert.
Bezüglich der Ausmündung ist wiederum ein übereinstimmendes
Verhalten aufzuführen. Die Vasa doferentia münden bei Eidechsen
noch mit dem Harnleiter verbunden in die Cloake aus, bei den
Cbeloniern in einen Sinus ur(^enitali$, der durch den Hals der Harn-
blase gebildet wird. Die Ausmündestelle jedes Samenleiters befindet
sich zuweilen auf einer papilienartigen Vorragung (Eidechsen, Vögel).
Vom MüLLBR^schen Gange besteht ein Rudiment in Gestalt eines
vom vorderen Ende des Nebenhodens nach vorn veriaufenden Fadens
(Eidechsen), sowie auch noch Reste des nicht zum Nebenhoden ver-
wendeten Theiics des vorderen Abschnittes der Urnierc zu erkennen
sind.
Bei den Säugethieren erleidet der Geschlechtsapparat durch Aus-
bildung der einzelnen Abschnitte der Ausfuhrgänge und durch das
618
Wirbeltbiere.
Fig. 296.
Auftreten zahlreicher accessorischer Gebilde bedeutende Veränderungen.
Beim weiblichen Ajpparaie stehen diese zum gi^sseu Tbeile mit
den vom Embryo zum mütterlichen Organis-
mus gewonnenen Beziehungen im Zusammen-
hang. Die geringe Ausprägung der letzteren
bei Monotremen bedingt daher mindere Modifi-
calionen, und damit zugleich directo An-
schlüsse an die niederen Abtheilungen der
Wirbeltbiere, speciell an Reptilien und Vögel.
Jeder der beiden MüLLER'schen Gänge wandelt
sich zu einem Ganale um, der, von dem
der andern Seite getrennt, in einen mit der
Gloake communicirenden Sinus urogenitalis
mündet. Jeder dieser Gnnäle beginnt mit einer
das betreffende Ovarium umfassenden Erwei-
terung und stellt einen gewundenen Eileiter
(Fig. 296. t) vor, indess sein unteres Ende,
durch dickere Muskelwand ausgezeichnet,
einen Uterus (u) bildet. Zwei Uteri münden also selbstständig in
den Sinus urogenitalis {s.u,g.).
Bei den Beutelthieren tritt eine ^usserliche Verbindung der
beiderseitigen MüLLRR'schen Gänge auf, von denen jeder am paarigen
Abschnitte Uterus, Eileiter, sowie eine Scheide hervorgehen (Didelphys)
lässt, oder sie vereinigen ihre Lumina in einen gemeinsamen Hohlraum,
von dem aus sie wieder getrennt zum Sinus urogenitalis verlaufen, um,
nur auf einer ganz kurzen Strecke vereint, in diesen zu münden.
Daraus geht eine eigenthümliche Anordnung hervor (Halma turus). Der
mit einem sehr weiten Orificium abdominale beginnende obere Ab-
schnitt bildet ein Oviduct, indess der untere dickwandige einen Uterus
vorstellt. Jeder der beiden Uteri mündet mit einem papi neuartigen
Vorsprung in den äusserlich gemeinsamen Abschnitt, der durch die
Vereinigung der beiden MüLLEa'schen Gänge entstand. Von diesem
nach hinten zu ausgesackten und ini^erlicli durch eine mediane Scheide-
wand getheilten, oder in manchen Fällen auch ungetheillen Räume
(Scheidenblindsack) gehen nunmehr getrennt bleibende Abschnitte der
MüLLRR^schen Gänge als »Scheidencanäie« ab, und verlaufen henkei-
förmig gekrümmt zum Sinus urogenitalis. Dieser Scheidenabschnitt
der Ausführwege ist demnach eine neue, bei den Monotremen nur
durch eine ganz kurze Strecke angedeutete Differenzirung.
Fig. 296. Weibliche Geschlechlswcrkzeuge von Ornitborhynchus. 0 Otii-
rium mit der Peritonealtasche. ( Eileiter, u UteriiB. u Stelle, in welcher oben
das Ostium des Uterus einragt und dicht darunter die Mündung des Ureters.
vu Harnblase, sug Sinus urogenitalis. cl Cloake.
Gescbiecblsorgane. 619
§ 447.
Bei den placentalen SUugethieren werden die Urnierengänge mit
den MüLLER'schen GSngen zu einem gemeinsamen Strange (Genital-
Strang) verbunden, und zwar in Folge einer Anpassung an die durc!i
den Verlauf der Nabelarlerien gebotene Form des Beckenraums.
Die bei Halmaturus ausgebildete Verbindung der Derivate der
MüLLBR^scben Gange auf der Mitte ihres Verlaufs kommt bei placentalen
Säugethieren wahrend der Embryonalperiode an den MuLLia^schen
Gangen vor, und verweist dadurch auf engere Beziehungen zu den
Marsupialien. Wie bei den letzteren treten die Umierengange eine
Rückbildung an, so dass sich nur Reste davon erhalten, indess die
MuLLiR'schen Gange sich fortbilden. An ihnen bildet sich eine Strecke
weit eine Verschmelzung der Lumina, die vor und hinter dieser Stelle
getrennt sind, und darin liegt die Andeutung des gemeinsamen Sackes,
der bei Beutelthieren die Scheidencanäle absendet. Die Verschmelzung
der Lumina schreitet aber bei den placentalen Saugethieren gegen das
Ende des Genitalstranges vor, und formt damit einen einfachen Canal
(Canalis genitalis), der in den Sinus urogenitalis sich öffnet. Somit
bestehen zwei von einander getrennt beginnende, aber dann in einen
mehr oder minder langen, unpaaren Abschnitt zusammentretende Canale,
die aus den anfänglich ganz getrennten MüLLZR^schen Gängen hervor-*
gingen. Durch verschiedenartige Differenzirung der Wandung einzelner
Abschnitte entstehen die bereits bei den Beutelthieren unterschiedenen
Theile, welche wesentlich nur durch die grössere oder geringere Aus-
dehnung der Duplicitat bedeutendere Verschiedenheiten darbieten. Dem
durch die Beziehungen zur Frucht vielen Anpassungen unterworfenen
Uterus fallen die meisten Variationen zu. Zwei völlig getrennte Uteri
münden in eine Scheide bei vielen Nagern (Lepus, Sciurus, Hydro-
cboerus etc.) und bei Oryoteropus. Bei anderen Nagethieren ver-
einigen sich beide Uteri nur auf einer kleinen Strecke zu einer ge-
meinsamen Ausmttndung in die Scheide (z. B. Cavia, Coelogenys,
Mus). Daraus gehen die Verhaltnisse des Uterus der Insectivoren,
Carnivoren, Cetaceen und Ungulaten hervor, bei denen ein einfacher
Uterus in zwei getrennte Homer auslauft, die in die Oviducte sich
fortsetzen. Unter Verlängerung des gemeinsamen Uteruskörpers er-
sdieinen die Hörner verkürzt bei den Ghiropteren und Prosimiae, und
bei den Aden ist wie beim Menschen ein einfacher Uterus vorhanden,
der jederseits einen Eileiter aufnimmt. Wie die Lange der Homer des
Uterus oder jene des gemeinsamen Uteruskörpers sich sehr verschieden
zeigt, so variirt auch die Lange der Scheide, deren Schleimhaut
mannichfache Modificationen bietet. Eine Strecke weit behalt sie bei
manchen Nagern (Lagostomus) die primitive Duplicitat. Ihre Mündungs-
stelle in den Sinus urogenitalis ist zuweilen durch eine vergängliche,
als Scheidenklappe (Hymen) unterschiedene Schleimhautfalte ausge-
690 Wirbelthier«.
zeichnet. Sie ist bei Wiederkäuern, Carnivoren u. A. beobachlel,
bietet aber erst bei den Affen die beim Menschen vorkommenden
Verhältnisse.
Die meist weniger umfänglichen Ovarien besitzen je nach dem
Verhalten der Eifollikel zum Strome ovarii mannicbfache Verhältnisse.
Bei sehr vielen Säugethieren bieten sie eine traubige Form. Ihre pri-
mitive Lagerung bewahren sie selten, meist rücken sie weiter gegen das
kleine Becken hin oder treten mit den Eileitern sogar vollständig in dieses
ein. Zu den letzteren, oder vielmehr zu deren trichterförmig erwei-
tertem Ostium abdominale besitzen sie immer nahe Beziehungen, indem
ein Fortsatz des Ostiumrandes sich zum Ovar erstreckt. Die die Ovarien
wie auch die Eileiter tragenden Bauchfellduplicaturen (Ligg. uteri
latae) bilden nicht selten das Eileiterostium mit dem Ovar uroschliessende
Taschen (z. B. bei Carnivoren).
Von den Urnieren und ihren in den Genitalstrang mit einge-
schlossenen Ausftthrgängen erhalten sich Reste an der Seite des Uterus
oder in den die Ovarien mit dem Uterus verbindenden Peritoneal-
duplicaturen. Die Urnierengänge bilden die sogenannten GARTifn'schen
Ganäle, die, bei Echidna die Uteri begleitend, in den Sinus urogeni-
talis münden, sonst nur auf Strecken bestehen. Ein in der Nähe der
Ovarien liegendes Urnierenrudiment entbehrt der functionellen Be-
ziehungen zum Geschlechtsapparate und wird seiner Lagerung wegen
als Neben ei er stock bezeichnet.
Am männlichen Geschlechtsapparate der Säugethiere
ßnden sich die Hoden anfänglich in gleicher Lage wie die Ovarien,
am inneren 'Rande der Urnieren. Vom Urnierengänge aus erstreckt
sich ein Strang zur Leistengegend der Bauchwand (Leitband). Nach
erfolgter Verbindung der Urnieren mit dem Hoden stellen erstere den
Nebenhoden vor, der fast immer von grösserem Umfange ist als bei
Reptilien und Vögeln. Der Urnierengang , wie beim weiblichen Ge-
schlechte mit dem MüLLER'schen Gange zu einem Genitalstrang ver-
bunden, welcher zu dem aus dem untersten Abschnitte der AUantois
entstandenen Sinus urogenitalis tritt, bildet das Vas deferens, indess
der MüLLER^sche Gang verkümmert, und meist nur mit seinem End-
nbschnitte in ein bleibendes, einem Sinus genitalis entsprechendes
Organ übergeht, tiessen Oeffnung in den Ganalis urogenitalis zwischen
den Mündestellen der Samenleiter liegt.
Der in dieser Weise gestaltete Apparat zeigt an allen seinen Theilen
mannichfache Modificationen. Die Hoden bleiben nur bei den Mono-
tremen fast ganz in ihrem ursprünglichen La pcrungs Verhältnisse vor
den Nieren. Wenig nach abwärts gerückt oder unterhalb der Nieren
gelagert sind sie bei den Walthieren, bei Hyrax, beim Elephanten und
GMehteehUoiigt nr .
d«f
verschiedenen Edentalen zu (reffen. Bei Anderen sind sie in die
Leiatengegend der Bauchwand gerUekt, durch welche sie biodurcblreten
(bei vielen Nagem , den Kamelen , und manchen Caroiroren [Lutra,
Viferra]). Endlich gelaof^en sie bei Anderen duridi den Leistencanal
weiter von der Bauchwand herab
fig. t«.
in eine vom Inlegumeme gebil-
dete Aussackung, das Scrotum.
Der bei der Wanderung des
Hodens in das Scrotum, von
dem mit dem faerabsleigenden
Hoden ausw achsenden Ferito-
naeum gebildete Raum (Canalis
vaginalis) bleibt bei den meisten
Säugethieren offen, und lüsst so
einen den Hoden umgebenden
Hohlraum mit der Bauchhöhle
communiciren. Mit dem Herab-
steigen des Hodens durch den
Leistencanal hat derselbe Theile
der Bauchwand vor sich herge-
BlUlpt, von denen eine vom Mus-
culus obiiquus internus stam-
mende Partie als Musculus cre-
masler bemerkenswerlh ist. Bei
offen bleibendem Scheiden canal
vermag der Hoden wieder in die
BaudihOhle KurUck zutreten, was
bei vielen SaugethJeren gewöhn-
lich zur Brunstzeit eintritt (z. B.
bei Hsrsnpiaiien , Kagem , Chi-
roptern, Inseclivoren u. A.)-
Das untere Ende des Vas
deferons (Fig. 297. </) erhttlt sich
einTach bei Honotremen und Beutelthieren , Camivoren und Cetaceen.
Sonst gehen von ihm Drilsenbildungen aus, die man als »Samen-
blasen« bezeichnet, weil sie zuweilen als Receplacula seminis zn
fungiren scheinen (Fig. 297. g[). Diese Organe sind sehr entwickelt
bei Insectivqren und vielen Nagern, bei ersteren häufig in mehrere
Fig. S*1. /. Hsro- undGeKhlechtiorgsue von Crlcetvs TulsarU. Jt Niere
■ Ureter. * HambUte. T Hod«D. Sp Vit* spermatlo. d V«« defcrcm. f( Samea-
hläMhen. gl' gl" Prosta UidrüMii. m MuühulOser Theil des Sinus urogenllalia.
ic Corpul CBVernosum ponii. bc Cnrp. c^v. urpthrae. c CowHR'schc ItrUsen,
I TTMR'eche DrUsen. p Pnieputium. g Glani peoiii. //. Blasenhal« und Anfang
des SiDDS urogenilalia von vorne geoRnet dsrgeelellt. 'MUadaag der Doctu aja-
culatorii. lU Glaos penis von roroe geseheo.
622 Wirbelthiere.
grosse Lappen getheilt, bei letzteren mehr durch Länge und Ausbuch-
tungen ausgezeichnet. Auch bei vorhandenen Samenblasen ennptängt
der Endabschnitt des Vas deferens häufig durch drüsig gebaute Aus-
buchtungen neue Complicationen.
Ausser den Samenleitern, deren die Samenbläschen aufnehmender
kurzer Endabschnitt als Ductus ejaculatorius bezeichnet wird, münden
bei manchen Säugethieren bereits vorhin erwähnte Ru-
dimente der MöLLBR^schen Gänge in den Sinus urogeni-
talis ein. Sie bestehen entweder aus einer einfachen
oder paarigen, oder in zwei Canäle auslaufenden Aus-
buchtung, die einem rudimentären weiblidien Sinus ge-
nitalis oder vielmehr dem Scheidentheil desselben ent-
spricht, daher ihre Bezeichnung als Uterus mascu-
linus wenig genau ist. Zuweilen ist ein Abschnitt
davon dem männlichen Sinus genitalis angehörig, indem
die Samenleiter in ihm zur Ausmündung gelangen. Am
B Ik.1' ansehnlichsten sind diese Gebilde bei Nagern, doch
fehlen sie auch Anderen nicht ganz, und werden beim
Menschen durch die Vesicula prostatica vorgestellt.
Der diese Organe aufnehmende Abschnitt des Ca-
nalis urogenitalis entfaltet noch andere Theile drüsiger
Natur (Prostata-Drüsen), durch welche mehrfache
Modificationen hervorgehen. Die Drüsen können einen
bedeutenden Umfang erreichen, als paarige gelappte Bil-
^ düngen sich darstellen (Nager, Elephant, Insectivoren
[Fig. 297. gV gl"]), oder sie sind durch zahlreiche kiei-
^^ nere Schläuche gebildet, die in einer der Wandung des
Ganalis urogenitalis angefügten Masse vereinigt sind. Sie
werden dann durch eine Schichte glatter Muskellasera
überzogen, welche bei dem Vorkommen grösserer Drüsen-
paare theils diese selbst überzieht, theils der Wand des
bezüglichen Abschnittes des Urogenitalcanals unmittel-
bar aufgelagert ist, und bald nur den hinteren Abschnitt einnimmt,
bald ringförmig den Anfang des Ganalis urogenitalis umfassi.
§ 449.
Die Vereinigung der Ausführwege des Harn- und Geschlechtsappa*
rates mit dem Endslücke des Darmt anals in dem bereits oben (S. 599)
als »Gloakea bezeichneten Raum findet sich- in den unteren Abthei-
lungen verbreitet, ist aber wohl kaum als ein primitiver Zustand anzu-
Fig. 298. Canalis urogenitalis mit der Harnblase und dem sogenannten Ctoras
masculinus von Lepus cuniculus. i4 Von hinten. B Hintere Wand des Itemi
masculinus geöfTnet. C Seitliche Ansicht, v Harnblase, u Ureter, d Samenleiter.
g Sinus genitalis, ug Canalis urogenitalis.
Geschlechtsorgane. * 623
sehen, vielmehr dürfte als solcher die getrennte Ausmttndung der Uro-
genitalorgane und desTractus intestinalis gelten, v/ie sie beiCyclostomen,
GanoYden und Teleostiern besteht. Die AfterOflnung findet sich da vor
den UrogenitalmUndungen gelagert, doch kommt, besonders bei Ga-
noYden deutlich, eine diese Oeffnungen aufnehmende Vertiefung zu
Stande, vvelche bereits die Andeutung einer Cloake abgibt. Diese ist
bei den Selachiern ausgeprägt, und die sonst hinter der AfterOffnung
liegenden Mttndcstellen des Urogenitalapparates finden sich hier an der
dorsalen Wand der Cloake.
Dieses VerhUltniss bleibt von da an allgemein, und eine Cloake
besteht bei Amphibien, Reptilien und Vögeln in ziemlich gleichniässigem
Verhalten, bei den letzteren mit einer der Hinterwand angefügten Aus-
stülpung, der Bursa Fabricii, ausgestattet. Für die Sfiugethiere muss die
Cloake gleichfalls als ein gemeinsames Erbstück gelten, das aber nur bei
den Monotremen wenig modificirt fortbesteht, indess es bei den übrigen
wichtige Umbildungen eingeht. Von diesen ist die schon bei den Amphi-
bien spurweise beginnende Betheiiigung an der Sonderung der Begal-
tungsorgane benierkenswertb, und den Abschluss dieser Vorgange bildet
die Herstellung einer vom After gesonderten UrogenilalOffhung. Von
anderen von der Cloake aus diflerenzirten Organen muss die Allan-
tois hervorgehoben werden, welche von der Vorderwand der Cloake
resp. des sie darstellenden Theils der primitiven Enddannbühle entsteht.
Bei Lepidosiren und den Amphibien bildet dieses Organ ein durch
einen kurzen Stiel von der vorderen Cloakenwand entspringendes, bei
den letzteren meist in zwei vordere Fortsätze verlaufendes Gebilde, wel-
ches frei in der Leibeshohle liegt. Man bezeichnet es als »Harnblase«^
als welche es auch zu fungiren scheint, obschon die Ureteren entfernter
vou ihm münden. Auf seinen dünnen Wandungen 'verbreiten sich Blut-
gefässe, davon die Arterien von jenen des Beckens stammen, die Ve-
nen zur lYortader gehen.
Bei den Amnioten empfängt dies Organ während der embryonalen
Entwickelung eine bedeutende Ausbildung, und wird zu einem volu-
minösen, weit über die Embryonalanlage hinauswachsenden und eine
reiche Gef^ssverzweigung tragenden Sacke, welcher den vom Amnion
umschlossenen Embryo umhüllt. Bei den Reptilien und Vögeln bildet
er sich allmählich mit dem Schlüsse der Bauchwand zurück und ver-
schwindet gänzHch. Nur bei den Eidechsen und Schildkröten erhält
sich der in der Bauchhöhle befindliche Theil der Allantois, und erwei-
tert sich zu einem nach beiden Seiten ausgebuchteten Sacke (Fig. 295. t;),
der dann ähnlich wie bei den Amphibien sich verhält.
Anders gestaltet sich dieses Organ bei den Säugethieren in seinen
Beziehungen zum sich entwickelnden Organismus. Es wächst wie bei.
Reptilien und Vögeln zu einer Blase aus , die durch einen engen , im
Nabelstrange verlaufenden Stiel mit der Beckendarmhöhle communicirt.
Der in der Leibeshöhle verlaufende Abschnitt des Stieles (Urachus)
tu Wirbellhien.
wandelt sich zum Theil in ein Lignmenl (Lig. vesico-umbilioalfl mp-
iliumj, zum Theil in die Harnblase und zum Theil in einen Sinus
u ro g e n il al i s ( vergl. darüber hei den Harn - und GeschlechU-
oi^anen) um, indem die MUndungen der GescblechUausfUhrwege auf
ihn Uberlrelen. Bei Blonolremen und Uarsupiatien scheint der periphe-
rische Abschnitt sich ähnlich wie bei Beplillen und Vögeln zu verhal-
ten, indess er bei anderen SäugoUiieren zur Bildung des iChorion« bei-
trägt, welches sich vermittelst zollenartiger Erhebungen mit der Schleim-
haut des Uterus verbindet. Durch weitere EnLwickelung jener blulge-
ßlssbaltigen Zotten kommt fötales Blut zur peripherischen Vertheilung
in dem von der Allantois gebildeten Chorion und tritl in Wechselwir-
kung mit dem in der Uterusschleimhaut vertheilten Blute, mit dem es
einen AusUiusch von Stoffen eingeht. Durch innigere Verbindung mit
Abschnill4^n der Ul«russcb leimbaut kommt es zur Bildung einer Pia-
centa, bei der wieder je nach der Art und Ausdehnung der Verbindung
des Chorion mit der t'lerusschleinihaut und nach den Hodificalionen
der le[z|eren mannichfache Verschiedenheiten entstehen.
§ 420.
Eine andere Reihe von DilTerenzirungsproducten der Cloakenwand
stellen die Begn ttungsorgane vor. Während bei Fischen (Seta-
chiern) dem GeschlechtsapparaU; ursprunglich fremde Organe — Ab-
schnitte der Hintergliedniaassen — zu Organen der geschlechtlichen
Copula verwendet werden, uud sich dem entsprechend modificiren
(S SOS] , i>eginnt bei den Amphibien durch eine innerhalb der ChwkP
vorragende Papille spurweise angedeutet, die Difteren-
Fig. 199. zirung jener Organe bei den Aiiinioten. Die be-
treffenden Theile sind nach zwei Grundformen lu
unterscheiden, davon eine die Oi^oe mit der hin-
teren Clcakenwand in Verbindung zeigt, die andere da-
gegen mit der vorderen.
Die eine davon herrscht bei Eidechsen und
Schlangen. Die Begattungsorgane erscheinen zuerst als
ilussere Anhänge dicht hinter der Cloake uad werden
später schlauchförmig eingestülpt, um erst bei der Be-
gattung hervorzutreten. Im ausgestülpten ZusUnde
läuft jedes dieser Organe in zwei mehr oder minder
stumpfe Enden von verschiedener Geslaltung ans. Aaf
der lateralen Seite verlauft eine etwas spiralig nach
hinten, dann median gerichtete Rinne von der Cloake her und dient zur
Ueberleitiing des Sperma. Von den Muskeln sind die am folioden
P'm. 399. Cloake von Python, von vorne lier gctifTnel. R Enddarm, mttt-
torenmtln düngen, gi DriksenscIilHurlie , he\ * ausmUnd«nd , in den Aobng der
Penisschläucha p, davon der eine der LUnge nacli getilTiwt tsl.
Geschlechisorgdne. 6SI&
Ende der Schläuche inserirlen Rückzieher der ausgestülpten Organe die
ansehnlichsten. Nahe an der Wurzel der Schläuche münden Drüsen
[gi.) aus.
Die zweite Gmndfarm umfasst mehrfach verschiedene aber stets
von der vorderen Cloakenwand ausgehende Bildungen, die als
Modificationen der gleichen Einrichtung anzusehen sind.
Eine Form dieser Organe findet sich bei den meisten Ratiten, dann
bei Penelopiden und Schwimmvögeln (Anser) und besteht in einem
ausstülpbaren durch zwei fibröse Körper gestützten Rohre, welches auf-
gestülpt eine aus der Cloako leitende Rinne bildet. Ein elastisches
Band bewirkt die Retraction des bei der Erection des Organes ausge-
stülpten Endstückes.
Eine zweite Form ist bei Schildkröten und Crocodilen sowie bei
Struthio reprüsentirt , und wird durch die mangelnde Ausstülpbarkeit
von der vorigen unterschieden. Das Organ hat gleichfalls zwei fibröse
Körper zur Grundlage, die eng mit einander verbunden von Schleim-
haut überkleidet sind. (Fig. S95. /;]. An der dorsalen Fläche befindet
sich zwischen beiden eine Rinne [s) , die bei Crocodilen und Schild-
kröten am Anfange, beim Strausse lüngs ihrer ganzen Ausdehnung mit
cavernösem Gewebe ausgekleidet erscheint. Indem dieses Gewebe vorn
am Ende der fibrösen Körper (beim Strausse aus der Fortsetzung eines
elastischen dritten Körpers, der unter den beiden fibrösen liegt, her-
vorgegangen) reichlicher wird, bildet sich ein schwellbarer Wulst, der
eine Ruthe vorstellt. Besondere an die fibrösen Körper sich inserirende
Muskeln wirken als Rückzieher der Ruthe, die bei Struthio noch eigene
Hebemuskeln besitzt und in einer Ausbuchtung der Ctoake geborgen
wird.
Der zweiten Grundform gehören endlich noch die Begattungsor-
gane der Säugethiore an, von denen die Monotremen sich schärfer von
den übrigen sondern, ihre Begattungsorgane bestehen aus einem, von
zwei Schwelllförpern gebildeten kurzen Penis, der in einer in die
Cloake einmündenden Tasche liegt, vermittelst eines Muskels dem Uro-
genilalcanal genähert werden, und durch eine an seiner Wurzel in der
Nähe der Ausmündung des Sinus urogenitalis in die Cloake befind-
liche Oeflnung das Sperma aufnehmen kann. So tritt er, aus einer
einseitigen Differenzirung eines Theiles der Cloakenwand hervorgegan-
gen, ausschliesslich in Beziehungen zum Geschlechtsapparate, indess
der Harn durch die Cloake seinen Abfluss findet.
Mit der Sonderung der Cioakenmündung in zwei Oeffnungen
treten die Begatlungsorgane in engere Beziehungen zum Sinus urogeni-
talis. Während des embryonalen Zustandes beginnt um die Cloaken-
öfl*nung eine Falte sich zu erheben, und an der vorderen Wand der
Cloake wächst ein, auf seiner gegen die Clonke gerichteten Fläche die
ü«geal>anr, Ornndrifs. 4 0
C26 Wirbelthicre.
Mündung des Canalis urogenitalis tragender Höcker hervor, der mit der
Ruthe der Grocodile und Schildkröten im wesentlichsten Verhalten über-
einstimmt, und auf seiner hintern Fläche eine zur Mündung d(s
Urogenitalcanals führende Rinne trägt. Bei fortschreitendem Wachs-
thume des Embryo wird die Gloake seichter, und die Scheidewand
zwischen der Oeffnung des Enddarms und dem aus dem unteren Ende
des Urachus gebildeten Ganalis urogenitalis tritt schärfer hervor, und
endlich finden sich die früher im Grunde der Gloake befindlichen Oeff-
nungen an der Oberfläche. — Die vordere an der Basis des Genital-
höckers gelegene Spalte bildet die Mündung des Sinus urogenitalis, die
hintere Oefihung stellt den Anus vor. Bei vielen Säugethieren bleiben
beide Oeffnungen nahe bei einander und werden sogar noch von ge-
meinsamer Hautfalte umzogen, und beim weiblichen Geschlechte bildet
die Nachbarschaft beider Orificien die Regel. Am meisten ist dies bei
Beutelthieren (wo noch ein gemeinsamer Sphincter für Anus und Uro-
genitalöffnung besteht) und bei Nagern der Fall, findet sich bei diesen
sogar noch beim männlichen Geschlechte verbreitet.
Der Sinus urogenitalis bietet in beiden Geschlechtern verschiedene,
den Functionen des betrefTenden Geschlechts angepasste Ausbildungs-
zustände. Beim männlichen Geschlechtc wächst der Sinus urogenitalis
mit dem Genitalhöcker in einen engeren, aber meist langen Canal (die
sogenannte Harnröhre, Urethra) aus, mit dessen Wandungen sich
Schwellorgane verbinden und den Penis vorstellen. Sowohl für dieses
Organ als für seine Schwellkörper bestehen beim weiblichen Geschlechle
die gleichen nur minder mächtig entwickelten Theile, durch welche ein
dem Penis entsprechendes Organ, die Glitoris gebildet wird.
Die Schwellorgane werden bei den Beutelthieren durch zwei aus
dem Genitalhöcker hervorgegangene, den Ganalis urogenitalis umfassende
Gebilde hergestellt, die theilweise mit einander verschmel-
Fig. 300. zen, bei Einigen auch an ihrem freien Ende getrennt
sind (Fig. 300. a. b.) und mit diesem die Eichel des Penis
bilden. Der Canalis urogenitalis setzt sich auf jede Hälfte
als eine Rinne {s) fort, die bei Aneinanderschliessen beider
einen Canal herstellen kann. Bei Anderen (HalmataruS;
verbinden sich diese Schwellkörper mit zwei anderen und
begrenzen mit ihnen , einen cylindrischen Penis bildend,
den Urogenitalcanal. Nur bei wenigen anderen Säugethieren
bleiben die erst erwähnten Schwellkörper getrennt; sie
verschmelzen sehr frühzeitig zu einem mit einer bulbusartigen An-
Fig. 300. Gespaltener Penis von Didelphis philander, ab Die beiden
Hälften der Eichel, s Furche auf der Innenfläche derselben, x Behaarle Im-
gpbung dos difht hinter der Vorhnnt^fTnung gelegenen Afters. (Nach Otto *
Geschlecliisorgdn^. 627
Schwellung beginnenden, den Urogenitalcanal [Urelbra] umfassenden
Rohre (Corpus cavemosum urethrae) ^ dessen vorderstes, sehr ver^
schieden gebildetes Ende die Eichel vorsteUt. Die beiden anderen
Schwellkörper (Corpora cavernosa penis) entspringen dann immer von
den Sitzbeinen und verlaufen tlber dem Corpus cavemosum urethrae,
ohne in die Wand des Canalis urogenitalis einzugehen. Bei den meisten
Säugethieren erstreckt sich der so zusammengesetzte Penis von der
Schambeinfuge lUngs der Medianlinie des Bauches nach vorne, und
endet mehr oder minder weit vom Nabel entfernt; bei Anderen (Chi-
roptera, Primates) ist er frei und hängt von der Schambeinfuge herab.
In diesen beiden Zustünden bildet das Intcgumenl einen minder oder
mehr vollstiindij^en Ueberzug des Penis, der vorne eine auf die Eichel
sich umschlagende Duplicatur bildet (Praeputium) .
Beim weiblichen Geschlechte erreicht der Genitalhöcker niemals
die Ausbildung, die er als Penis beim männlichen Geschlechte erlangt,
er stellt die Clitoris vor, die auf ihrer unteren Fläche die von zwei
seitlichen Falten begrenzte üeffnung des Sinus urogenitalis trägt. Meist
ist die embryonale Entfaltung der Clitoris bedeutender als im erwach-
senen Zustande, indem sie aus der Schaamspalte vorragt, und später
in dieselbe zurücktritt. Doch setzt bei manchen Affen (Ateles) die
Clitoris ihre Ausbildung fort, und gestaltet sich zu einem umfänglichen
Theile.
Zwei Scbwellkörper (Corpora cavernosa urethrae) liegen in der
Wand des Sinus urogenitalis und umfassen denselben bis zur Clitoris,
welcher ebenfalls ein Schwellkörperpaar wie dem Penis zu Grunde
liegt. Meist ist das Ende der Clitoris mit einer Eichel ausgestattet,
über welche gleichfalls ein Praeputium sich hinwegschlägt. Denkt man
sich diese Theile umfänglicher und unter Verengerung des Sinus uro-
genitalis in die Länge gewachsen, so erhält man das Verhalten des
Penis, und zwar in um so grösserer Aehnlichkeit, als an der Eichel
der Clitoris alle Eigenthümlichkeiten von jener des Penis sich wieder-
holen. Einzelne Theile dieser Organe sind mit besonderer Muskulatur
ausgestattet. Zu den die Schwellkörper an ihren Anfangstheil über-
iagemdi^n M. M. bulbo-cavernosi und ischio-cavernosi treten bei vielen
Säugethieren noch Hebemuskeln und Retractoren des Penis, welche
letzteren, wie die Muskeln des Corpus cav. urethrae und der Schliess-
muskel des Afters, Differenzirungen eines primitiven Sphincter cloacae
sind.
In den Sinus urogenitalis beider Geschlechter münden Drüsen-
organe ein. Von solchen finden sich ausser den oben (S. 622) er-
wähnten Prostatadrüsen noch andere, die bald einfach, bald mehrfach,
bis zu vier Paaren (Beutelthiere) vorkommen und am Anfang des Penis
liegen (Fig. 297. I. c). Sie verbinden sich mit dem vom Schwell-
körper umschlossenen Abschnitt als CowpvR^sche Drüsen. Bei Manchen
hat man sie vermisst (Cetaceen, Camivoren).
40*
(328 Wirbelthiere.
Beim weiblichen Apparat mUnden sie als DuvERPCKY^scbe oder Bai-
THOLiN^sche Drüsen in den Scheidenvorhof aus. — Der Vorhaut ange-
hörige Drüsen entwickeln sich bei manchen Säugethieren zu ansehn-
lichen Apparaten (Fig. 297. L)j die besonders bei Nagern verbreitet sind,
aber auch bei andern, wenn auch weniger umfänglich vorkommen
(TifsoN^sche Drüsen).
IjeibeBhöhle.
§ 423.
Bei allen Wirbelthieren trifft sich in engerem Anschlüsse an das
Verhalten zahlreicher Wirbellosen die Sonderung eines den Bumpfdarm
umgebenden Hohlraumes, welcher durch Spaltung des mittleren Keim-
blattes in Hautfaserblatt und Darmfaserblatt hervorgeht. Es ist also eine
im mittleren Keimblatte auftretende Höhle (Cölomj, welche nach Maass-
gabe ihrer Ausbildung das Darmdrüsenblatt und die von ihm aus
ditVerenzirten Organe von den aus dem äusseren Keimblatte entstan-
denen Theilen trennt. Die Beschränkung dieses Sonderungsvorganges
auf den Bumpftheil des Leibes scheint mit der Visceralspaltenbildung
am Kopfdarme in Zusammenhang zu stehen, indem letztere einer Aus-
dehnung jenes Vorganges nach vorne zu wenigstens' lateral eine Grenze
setzt. Wie bei Wirbellosen stellt die Leibeshöhle eine dem Gefdsssystem
zugetheilte Räumlichkeit dar, indem sie mit dem lymphführenden Ab-
schnitt desselben in Zusammenhang stehL Auch die bei vielen Wirbel-
losen bestehende directe Communication nach aussen fehlt nicht ganz,
wenn sie auch nicht mehr in bedeutendem Maasse entwickelt ist, sie
(indet sich in dem in der Nähe der Analöffnung gelegenen meist paa-
rigen Porus abdominalis, der bei Cyclostomen, aber auch noch
bei Gnathostomen vorkommt, wie bei den Selachiern, Chimären, vielen
Teleostiern, und in den Peritonealcanälen der Reptilien (Schildkröten
und Crocodilen) sein letztes, theilweise nur andeutungsweises Er-
scheinen findet.
Die gesammte Innenfläche der Leibeshöhle besitzt eine Auskleidung
von einer Epithelschichte, die an einer bestimmten Strecke besonders
entfaltet das Keimepithel vorstellt. Von ihm aus geschieht die Son-
derung der weiblichen Keimdrüsen. Im vorderen Abschnitte der Leibes-
höhle ist in den niederen Abtheilungen Flimmerepilhel an bestimmten
Stellen verbreitet. In Verbindung mit einer unterliegenden fiinde-
gewebsschichte constituirt das Epithel des Cöloms eine besondere Mem-
bran, das Peritonaeum, welches sich von der Wandung her (als
parietales Blatt) auf die im Baume der Höhle liegenden oder in ihn
einragenden Theile (Eingeweiide) fortsetzt und dieselben gleichfalls
überkleidet (viscerales Blatt).
Bei den Anamnia ist das Gölom eine einheitliche Cavität, und er-
scheint ebenso noch bei den meisten Reptilien, doch ist bereits bei
Gefässsystem. 629
Crooodilen die Schciduug eines vorderen Abschniltes von einem hin-
teren angebahnt. Diese ist bei den Säugethieren vollzogen. Hier
trennt das Zwerchfell den hinteren Abschnitt des Cöloms als Bauch-
höhle von einem vorderen Abschnitt, der durch das Mediastinum in
zwei seitliche RSiume, die Brust- oder Pleurahöhlen zerfallt, mit jeden
eine Lunge frei umschliessend.
GefSaasystom.
§ 424.
Die ernährende Flüssigkeit der Wirbelthiere bewegt sich in abge-
schlossenen Canülen mit selbständiger Wandung und nur selten
nimmt diese Bahn einen lacunflren Charakter an. Dadurch unterscheidet
sich die Bahn von jener der Mollusken, schliesst sich aber enger an
die bei WUrmern besiehenden Verhältnisse an. Ihre Hohlräume bilden
ein System von Ganälen, ein Gefässsy stem. Die Entstehung des-
selben knüpft ans mittlere Keimblatt an, sowie denn auch die Derivate
desselben wesentlich die Träger der Gefilsse sind. Communicationen
der Binnenräume des Gef^sssystcms mit den umgebenden Medien sind
zwar noch angelegt, scheinen aber nicht zu fungiren. Die Haupt-
stämme besitzen eine mediane Lagerung und verzweigen sich nach der
Gliederung des Körpers, in der allgemeinsten Anordnung an manche
Einrichtungen Wirbelloser erinnernd, welche Beziehungen man in dem
Verhalten der Längsstämme zum respiratorischen Abschnitte des Darm-
canals noch weiter begründet finden kann. Eine bedeutende Ver-
schiedenheit tritt mit der Ausbildung eines Centralorgans auf, denn
wahrend dieses bei Arthropoden und Mollusken wie bei* den meisten
Würmern aus dem Dorsalgetässstamme oder einem Theil desselben
entsteht, sehen wir es bei den Wirbelthieron , ähnlich wie bei Tuni-
caten, aus einem ventralen Abschnitte gebildet.
In den beiden grossen Gruppen der Wirbelthiere bieten sich be-
züglich der Bewegungscentren der ernährenden Flüssigkeit bedeutende
Verschiedenheiten dar, so dass wir den bei Am phioxus vorhandenen
Apparat von jenem der Craniota trennen müssen. Bei dem ersteren
erscheinen alle grösseren Gefässstämme contractu und erinnern da-
durch an die bei Würmern bestehenden Einrichtungen. Die Fortbe-
wegung des Inhaltes dos Gefässsystems wird an vielen Stellen gefördert,
ohne dass eine vor der andern bevorzugt wäre. Bezüglich der Anord-
nung dieser Gefässe ergibt sich Folgendes: Unter dem respiratorischen
Abschnitte des Darmcanals zieht ein in regelmässigen Abständen Aeste
zum Kiemengitter entsendender Längsstamm bin, seine Aeste sind
Kiemenarterien. Sie sammeln sich in einem über den Kiemen gelagerten
Stamm, die Aorta, von wo aus weitere Vertheilungen im Körper vor
sich gehen. Jede Kiemenarterie besitzt an ihrem Ursprünge in einer
6:30 Wiibelthieie.
contracUlen Anschwellung eine herzartige Bilduni^. Das vorderste Paar
der Kiemenarterien läuft in zwei den Mund umziehende, ebenfalls con-
traclile Bogen aus und verbindet sich zum Anfang der Aorta (vergl.
Fig. 273). Von diesem Gefassslamme aus findet eine Vertheiiung von
arteriellen Blutgefässen in den Körper statt. Das aus dem Körperkreis-
laufe rUckkehrende Blut sammelt sich in einem über dem als Leber
erscheinenden Blinddarm verlaufenden Venenslamm, welcher sich iu
den subbranchialen Arterienstamm fortsetzt. ^Das an der Darmwand
verlheille Blut tritt gleichfalls in einen besonderen Venenslamm zu-
sammen, vertheilt sich jedoch wieder in den von letzterem aus an den
Blinddarm tretenden Verzweigungen, und erst von da an gelangt es
in den grossen Venenstamm. Auch die venösen Gefitsse sind con-
tractil. In diesen Einrichtungen sehen wir ein vereinfachtes Schema
der bei den Cranioten ausgebildeten Apparate, und ein grosser Tbeil
jener Gefässe lüsst sich auf das Gefiisssystem der letzteren beziehen.
Ein unmittelbarer Uebergang von beiderlei Apparaten kann jedoch
nicht angenommen werden, da ausser dem Mangel eines besonderen
Centralorgans noch andere Verhältnisse eine bestehende Kluft erkennen
lassen.
§ 425.
Statt zahlreicher contractiier Abschnitte des Gefrlsssystems bieten
die Craniola in dem Herzen ein einheitliches Organ für die Reguli-
rung der Bewegung der ernährenden Flüssigkeit, und unterscheiden
sich überdies von den Acrania durch eine Diöerenzirung jener Kreis-
laufbahnen. Ein Theil der beim Umlaufe durch den Körper durch die
Gefässwand in die Gewebe ausgetretenen Flüssigkeit sammelt sich in
besonderen, zum Theile iacunären Bahnen und wird allmählich wieder
dem Hauptslrome zugeführt. Jene Flüssigkeit ist die Lymphe. Ihre
Bahnen bilden das Ly mphgefUsssystem, während die übrigen mit
dem Herzen direct verbundenen Gefässbahnen das Blutgefüsssysteni
vorstellen. Indem die Lymphbahnen von der Darmwand her das
durch den Verdauungsprocess gebildete plastische Material, den Chyius,
aufnehmen und in den Blutstrom überführen, liefern sie demselben
einen Ersatz für den auf dem Umlaufe beständig stattfindenden Ver-
brauch. Lymph- und Chylusgefässsystem sind daher wichtige Depen-
denzen des Blulgerdsssystems und erscheinen als eine Differenzining
des ^>ei den Leptocardiern wie bei Wirbellosen bestehenden einheit-
lichen Gefässapparates.
Mit dieser Scheidung der ernährenden Flüssigkeit in zwei morpho-
logisch und functionell verschiedene Kategorien vollzieht sich eine
Difl'erenzirung ihrer Formelemente. Jene der Lymphe erscheinen als
indifferente Zellen, den Blutzellen der meisten Wirbellosen ähnlich. In
der Blutflüssigkeit dagegen sind diese Formelemente zu farbstoffhaltigen
Körperchen von bestimmter, nach den einzelnen Abtheilungen ver-
Herz und Arteriensystem. 631
schiedener Gestalt umgebildet und bediagea durch ihre Menge die
Färbung des Blutes im Gegensatz zur farblosen Lymphe.
Abgesehen von Grösse-Differenzen kommen die Lymphzeüen der
Wirbelthiere mit einander überein. Dagegen bieten die an sich viel
differenteren Blutzcllen auch unter sich ziemliche Verschiedenheiten.
Den Zeiiencharakter, soweit er aus dem Kerne hervorgeht, besitzen sie
alle, wenn auch bei den Säugethieren nur in der FOtaiperiode , indem
die Kerne der Blutzelien später verschwinden. Ebenso allgemein ist
den Blutkörperchen die platte, scheibenartige Gestalt; bei Fischen,
Amphibien, Reptilien und Vögeln sind sie dabei oval und biconvex,
da die Mitte jeder Fläche einen leichten Vorsprung bildet, biconcave
runde Scheiben stellen sie bei Säugethieren vor/ doch besteben bei
einzelnen (z. B. Tylopoden) auch ovale Formen. Bezüglich der Grösse
sind jene der DipnoK und Amphibien (besonders von Proteus, Siren u. a.)
die bedeutendsten. Bei der wichtigen Rolle, welche den Blutkörper-
chen als Träger der Gase in der Oekonomie der Wirbelthiere zukommt,
ist deren Zahl, wie ihr Volum und die damit yon ihnen repräsentirte
Oberfläche von grösster Wichtigkeit. In den höheren Abtheilungen
bietet die relative Blutmenge nur geringe Schwankungen, und ebenso
erscheint das Volumverhältniss zwischen Plasma und Blutkörperchen
in keinen bedeutenden Differenzen. Dagegen ergibt sich gemäss der
Vertheilung der gesammten Blutkörperchensubstanz auf grössere oder
kleinere Formelemente ein bedeutender Unterschied zwischen den kalt-
und warmblütigen Abtheilungen und von den ersteren wieder zwischen
Reptilien und Amphibien, von denen die letzteren auch in dieser Hin-
sicht bedeutend tiefer stehen.
Herz und Arleriensy slem.
§ 4^6.
Das Berz aller Craniota entsteht aus einem einfachen Schlauche,
der sich allmählich in zwei Abschnitte sondert. Davon empfangt der
hintere das Blut und übergibt es dem vorderen, der es in Gefdssbogen
zu einem längs des Axenskeleles verlaufenden Arterienstamme leitet,
von welchem die fernere Vertheilung im Körper ausgeht. Man be-
zeichnet den ersten Abschnitt des Herzens als Vorhof, den zweiten
als Kammer. Ein besonderer, gleich beim ersten Auftreten des
Herzens vorhandener Raum umschliesst Kammer und Vorkammer als
Pericardialhöhle, deren Wandung den Herzbeutel (Pericardium) vorstellt.
Diesen einfachen Zustand des Herzens treffen wir bei den Fischen.
Eine Kammer und eine Vorkammer bilden die beiden
Hauptabschnitte. Die letztere empfangt aus einem dicht hinter
ihr, und nur zum Theil ausserhalb des Pericardiums gelagerten Sinus
venöses Blut. Sie bietet in der Regel beiderseits Ausbuchtungen,
ü-.ii VVii-bvUhJvro.
wcictie gegen die vor ihr gclegeoe Kammer sieb soillich verlängern
[Auriculae). Die Vorhofwand zeigl eine dUnne, nach innen zu mit
einem BalkcnneUe vorspringende Muskel sei lichte. Die Kammer dagegen
bietet durch ein von den Wandungen her nach innen entwickeltes
Masohcnwerk von Muskelbalken bedeutend dickere Wilnde dar (Fig.
301. V). Ihr eigentliches Lumen ist gegen den äusseren Umfang um
ebensoviel verkleinert als jenes Maschenwerk nach
innen vorspringt. Gegen die Vorkammer zu bil-
den zwei dünne Klappen [Fig. 301. o), einen Ab-
schluss und verhindern eine RUckslauung des
Blutes. Der Binnenraum der Kammer setzt sicii
Ib einen besonderen , aus dem Hei'zon entspringen-
den Abschnitt fort, welcher meist eine Erweiterung,
den Arterienstiel (Bulbus arteriosus), darbietet. Der
in den Arlerienstiel übergehende Kammerabschnitt
erscheint bei den Selachiern und ChimUren in
beträchtlicher Verlängerung , welche Herzwand
gleiche Muskulatur besitzt und gegen den Bulbus
arteriosus mit tascbcnfOrmigen Klappen < sich ab-
grenr.t. Dieser Theil (Fig. 301. B] stellt sich somit
als eine DifTercnzirung der Kammer dar und bildet
den Conus arteriosus. Hinter den meist zu dreien
vorhandenen Taschenklappen lagert eine verschie-
dene Anzahl in Längs- und Querreihen geordneter
klappeuübnlicher Gebilde, die an ihrem freien Bande durch Sehnenfddcn
mit der Wand des Conus verbunden sind (Zungenklappen). Dieser Ab-
schnitt der Herzkammer besteht auch noch bei den GauoTden, wo
er eine ^ihnliche Anordnung des Klapiienapparates aufweist." Seltener
lindet er sich bei den Teleoslicrn angedeutet und immer entbehrt
er hier jener klappenarligen VorsprUnge, so dass nur die au der Grenze
gegen den Bulbus arteriosus angeordneten Taschenklappen, in der
Bcgcl zu zweien, bestehen. Man darf annehmen, dass mit der Zu-
sammenziehung des bei Selachiern und Ganolden langen Conus auf
einen ganz kurzen Abschnitt bei den Knochen tischen auch das Ver-
schwinden jener Klappenreihen zusammcnhüngl. Hei den gleichfalls
den Conus arteriosus ausgebildet besitzenden Dipnol bilden zwei Längs-
falten die Andeutung einer Sonderung des Conus arteriosus in zwei
Canille.
Der am Ostium arteriosum der Kammer beginnende GefUssstJioim
geht mit dem Schwinden oder der Verkürzung des Conus arteriosus
Fig. 101. Herz von Squatinu vuljjiiris. Die vordere Wiiod der Kamoier
und des Conus arteriosus ist wf!;npinimin<.'ii , so ttass sowolil der Binnenrauni dei-
Iclzlei'en, als jener der Kammer und iliu Muskotbalken der Wand sichtbar sind
A Vorliof. K Kammsr. B Conus arteriosns. o Ostiura alrioventhcularo mil dtn
beiden Klapiien. a Kiumenarlcric».
Herz uDd Artoriensy stein .
Ü33
Fig. S02.
bei den Telosttern eine Differenzirung ein, indem er zu der bereits
erwähnten bulbusartigen Erweiterung sich entwickelt unter Vermehrung
der contractilen Elemente seiner Wandung. So bildet er eine Com-
pensation fttr den verkümmerten Conus, mit welchem er nach Ausweis
der Taschenklappen nicht zusammengeworfen werden darf.
§ 427.
Der Stamm der Kiemenarterie (Fig. 301. u] lagert bei allen
Fischen unter dem KiemcngerUste und entsendet nach beiden Seiten
lüngs der Kiemenbogen verlaufende Gcfüsse
(Fig. 302. 1—5) , welche im frühesten Zu-
stande jederseits unmittelbar in ein an der
Schädelbasis lagerndes Lüngsgefäss übergehen.
Die bogenförmigen arteriellen Gefässe sind die
Aortenbogen; der sie sammelnde Stamm
ist Aortenstamm {a"< , und die jederseits statt-
findende Vereinigung einzelner Bogen bildet
die Aortenwurzeln. Nach vorne entsenden
diese stets ein Gefäss zum Kopfe, vorzüglich
zum Gehirn, die Carotis (C). Mit der Ent-
Wickelung der Kiemenblättchen an den Visceral-
bogen bilden sich von den Aortenbogen her
Blutgefässe in jene Blattchen, und mit der
weiteren Ausbildung des Gefässnetzes der
Kiemenbldttchen löst sich jeder Aortenbogen
in ein letztere durchziehendes Capillametz auf,
so dass er nicht mehr unmittelbar zur Aorta sich fortsetzt. Aus den Kie-
mcDcapillarcn sammeln sich in die Aorta mündende Gefassc und nun-
mehr wird das gesammte dem
Herzen zugeführte Blut durch Fi^. 803.
den Arterienstamm den Kiemen
übergeben. Die Zweige jenes Ar-
terienstammes sind die K i e m e n-
a r t c r i e n , und die zur Aorta tre-
tenden Gefässe stellen arterielles
Blut führende Kiemenvenen
vor, wahrend die Kiemen-
arterien venöses enthalten.
Fig. 809. Schema der ersten Anlage der grossen (icfassstfimme , von denen
der Apparat der Kieme ngefttsse sich differenzirt. a Arlerienbulbas. 4 2 3 4 5 Aoi-
tenbogen. (Bei den Fischen besteht meist eine grössere Zahl.) a" Aorta, c Carotis.
Flg. 303. Kopf eines Teleostior-Embr>'o mit der Anlage des GefäHSsystems.
de CuviEi'scher Gang,- in welchen ein vorderer und ein hinterer Venenstamm
eintriU. sv Sinus vonosus. a Atrium, v Kammer des Herzens, a br Kiemen-
arlerienstamm. ad Aortonstamm. C Carotis. iV Nasengrube, s Kiemenspalten.
634 WirbeKhierc.
Die Zahl der uus dem Arterienbulbus kommeDden Kiemen arlerien
entspricht der Anzuhl der in Thätigkeit beßadüchen Kiemen. Bei den
Cyclostomen und den Selachiern ist sie am bedeutendsten. Fünf Paare
kommen auch noch bei Ganolden vor, wahrend bei den Knochenßscheu
nur wahrend des Embryonalstadiums eine (grossere Anzahl (6 — 7)
Arlcrienbogen vorhanden ist. Die beiden vordersten dem Kiefer- uad
Zungenbeinbogen sngehörigen gehen entweder keine Beziehungen zu
Kiemen ein, oder die dem Zungenbeinbogen angebdrige Kieme ist nur
in vorübergehender Function (0[lercuIarkieme). Durch Verkümmerung
der hintersten dem loidimentilr werdenden letzten Kiemenb(^en ange—
hörigen Kieme wird eine Minderung auf vier, ja sogar auf drei Paare
gegeben.
Die Vertheilung der Ursprünge dieser Kicnienarterien kommt auf
mannichfachc Weise zu Stande. Sie entspringen entweder paarweise
vom einfachen mit Abgabe des letzten Paares endenden Hauptstammo,
oder einige gehen Jederseits aus einem gemeinsamen kurzen Stamme
hervor, wie dies besonders fUr die hinteren Kiemenarterien der Selacbier
(auch mancher Ganolden und Teleosliei) der Fall ist, oder der Haupt-
stamm der Kiemenartcrie thcilt sich gleich an seinem Ursprünge in
zwei seitliche Aeste, von denen die einzelnen Kiemenartei'ien als Zweige
hervorgehen (z. B. bei Bdellostoma unter den Myxinolden) .
Kiß. 30(.
Von grösstem umgcstallentlcn.Einlluss ist das Auftreten von Lungeu,
welche durch Uebernahme der vorher von den Kiemen besetzten FuDction
bedeutende Aenderungen in der Anordnung der grossen Gefössstämiuc
hervorrufen. Nicht minder äussert sieb
diese Veränderung im Bau des Herzens,
wofür die Dipnol ein interessantes Beispiel
liefern, indem hier eine Trennung der
Haume des Herzens beginnt. Bei Lepido-
siren setzt sich von der Vorhofwand ein
Maschenwerk von Muskelbalkcn als eine
Art von Scheidewand durch den Vorhof
fort. Letzterer zerfallt dadurch in einen
rechten und linken Abschnitt, die beide
jedoch zwischen den Balken viele Verbin-
dungsstellen besitzen , und auch mit ge-
meinsamer Oeffnung in die Kammer ein-
münden. Der Venensinus mündet dann
Vir. SOt. AnrIentKigcn von Lcpidos
I i 3 Drei Arlerienbogen, die beiden ersten s
arlerie. h Ductus Bolnlll. br Kiemenspallei
Icria coeliaca. oe Anfang dei Oesophagus.
iren parodoxH. u Aortenbnlbus.
:h in die Aorta vereiDigeni). p Luagen-
. br' Nebenkieme, ao Aorla. e Ar-
[Nacb llVKTL.)
Heri UDd ArterieiiBy»>lem. 635
iD die rechte Vorkamaier und in diu linke begibt sich oinu LuD^jen-
vene. Auch an derKsniuier be({iaDt eine duruh muskulöse VorsprUnge
eingeieitet« Differenzirung. Der aa der Kauimer beginnende Bulbus
arteriosus (Fig. 304. a) erscheint durch zwei Längsfalten in xwai BUuuio
getbeilt, von denen Jeder besondere Arterien entspringen lUsst. Dicüc
tormiren jedorseits drei längs der vorderen Kiemenb(^en himiehende
tiefässe, von welchen das vorderste jederseits in das zweite Bogenpaar
übergebt, und in fernerer Fortsetzung sich mit dem der anderen Seite
verbindend eine Aorta (ao) bersteilt. Während diese beiden Gefüssc
(t'ig. 304. 1. 2) keine Beziehungen zu Kiemen eingehen, bi-sorgt der
driUe Bogen (3) die Abgabe von Kieraenarterien, verbindet sich durch
einen engen Gang (b) mit der betreflenden Aorlenwurzel und setzt sieb
dann als Lungenarterie {p) fort. Dieser Bof;cn verhält sich somit als
Stamm ftlr die an beiderlei Athmungswcrk zeuge tretenden Arterien
(Art. branchio-pulmonalis}, und die beiden vorderen Bogen können,
da sie keine Kiemengelässe entsenden,
als Aortenbi^en bezeichnet werden. Ki«. 30s.
In ähnlichem Verhalten trelTen wir
den Ci reu lation sapparat der Amphibien,
deren Vorkammer bei den Meisten die
Scheidung vollzogen hat (unvollständig
bei Proteus) ; dagegen besteht noch eine
einfache, nur Spuren einer Trennung
besitzende liammer, deren beide mem-
branttse Klappen am Ostium at^io^cnt^l-
culare sich wie bei den Fischen ver-
hallen. Aus der Kammer entspringt <.in
inuskultfserArterienbulbus (Fig. 305 6a),
in wel<^em die bei Lepidosircn ange-
deutete Scheidung sich vervollständigt
hat. Er entsendet anfUDglicb fUnf Ar-
terienbogenpaare, die auf drei oder vier
sich rUckbildcn. Diese verlaufen längs der Visceralbogen, und von
jedem Geässb<^en aus entwickelt sich ein Gefässnetz in die sich bil-
dende Kieme. So verhalten sich in ziemlich übereinstimmender Weise
die Perennibranchiaten, wie die Larven der Übrigen Amphibien.
Jede Kiemenarterie comniunicirt jedoch von ihrer Verzweigung an
der Kieme mit der bezUglidien Kiemenvene durch die ursprüngliche
Fortsetzung des jetzt einen Ductus arteriosus vorstellenden Bogens zur
primitiven Aorten wuriel. Dadurch ist ein directer Uebcrtritl eines
Theilea des Blutes der Kienienarterie in die durch Vereinigung der
Fig. 395. Hm und grosse Getässe eioer Trilon-l^rve. a a Vnrhof. v Kam-
mer, ba ArterienbulbuB. 1 t ! 4 Aortenbogen nis Kiemenarterien , liieits zu den
Kiemen tretend, theils onier einander verbunden, i* Kiemenveoen. e Carotis.
P Lungenarterie. oo AorU. ,Nach M. Rusconi.)
636 Wirbelthiere.
Kiemen venen entstehende Aorten wurzel möglich. Mit der Eniwickelung
der Lungen sendet die letzte Kiemenarlerie, Sehnlich wie bei Lepido-
siren, einen Zweig als fAmgenarlerie ab, oder die letztere (p) ist die
unmittelbare Fortsetzung des letzten Arterienbogens.
Die Rückbildung der Kiemen ruft bei einem Theile der Amphibien
eine Aenderung dieses bei den Perennibranchiaten fortbestehenden
Apparates hervor. Zunächst entwickeln sich die zwischen Kiemenarte-
rien und Kiemenvenen bereits bestehenden direclen Verbindungen
(vergl. Fig. 305) so, dass einige Arlerienbogen direct aus dem Herzen
in die Aorten wurzeln sich fortsetzen. Der letzte bereits die Pulmonal-
arterie entsendende Bogen entwickelt sich zum Stamme dieser Arterie
und behält entweder nur unansehnliche Verbindungen (Ductus arteiio-
sus) mit der Aortenwurzel bei oder gibt auch diese auf und erscheint
als selbständiges Geföss. So verbinden sich also, ähnlich wie bei Le-
pidosiren, mehrere Aortenbogen zur Aortenwurzel, indess einer der pri-
mitiven Gefässbogen zur Lungenarterie wird.
§ 429.
Ein bedeutender Schritt in der Differenzirung der Kreislauforgane
geschieht bei den Reptilien, deren Herz seine Lage in grösserer
Entfernung vom Kopfe erhält. Es rückt von seiner Bildungsstätte aus
allmählich nach hinten und wird in die Brusthöhle eingebettet, welche
Lage es nunmehr bei allen Amnioten behält. Der Kamraerabschniti
besitzt meist eine längliche Gestalt, breit ist er bei Schildkröten und
manchen Sauriern. Von beiden stets durch ein Septum von einander
geschiedenen Vorhöfen (Figg. 306. 307. d. s.) nimmt der rechte wie bei
den Amphibien die Körpervenen (v«, vdj vs), der linke die Lungenve-
nen [vp) auf. Erstercr (r/j ist stets von grösserem Umfange. Die stark
muskulöse Kammerwand setzt sich besonders bei Schlangen, Schild-
kröten und Sauriern in ein den Binnenraum der Kammer verkleinern-
des Maschenwerk fort, ähnlich wie bei Fischen und Amphibien. Durch
ein solches Maschennetz wird auch gröstentheils die Kammerscheide-
wand dargestellt, nur dass einzelne Muskelbalken hier stärker ent-
wickelt erscheinen. Die rechte Hälfte der Kammer empfängt venöses,
die linke arterielles Blut, und danach können beide Abschnitte unter-
schieden werden. Die Unvollständigkeit der Trennung der beidersei-
tigen Räume wird durch mancherlei Einrichtungen wenigstens theil-
weise compensirt. Hieher gehört das Vorkommen einer Muskoileiste,
welche den die Lungenarterie abgebenden Raum von dem tlbrigen
Kammerraum partiell abschliessen kann. Vollständig ist die Scheidung
der Kammer bei den Grocodilen.
Die membranösen Klappen des Ostium atrioventriculare sind an
der rechten Herzhälfte bedeutender entwickelt. Bei den Grocodilen ist
rechterseits nur eine dieser Klappen vorhanden .Fig. 306. i;), die längs
Hera unil Arteriennyslein
des Septum ventriculorum sich erstreckt. Die andere wird durch einen
Vorsprung der lateralen Huskelwand der Kammer vertreten. Der an-
fänglich einfache Arterienhulbus hnt sich bei nllen Reptilien in meh-
rere Canüle diUcrenziri, die äusscrlich zu'oinem Btilhus verbunden
bleiben. Dieser entspricht, vorzuglich hei Eidechsen und Schildkröten,
Fig. 306. Herz von Alligator lucius mit den gros&en Gefassslammen, von
vorne gMehen. Von der Wand der rechten Vorkammer ist der vordere Absclinilt
wegKenommen. Man bemerkt an der hintern Wand die MUndunf; des Veoensinuü
mit iwei l^auligeo Klappen. Die rechle Kammer ist gleicbfalls geolTnel, und ilirc
Communicntion mit dem rechten Aortenbogen und dt-r Pulmonnlnrtorie darge.«lelll.
Andererseits ist die Verbindung der KOrperarlcrii-nslänime durch Iheilweise Entfer-
nung der Vorderwand angegeben.
Fig. 807. Herz desselben von der Rückseite. Bezeichnung beider Figuren:
4 Rechter, i linker Vorhof. o Osliutn veoosum des rechten Vorhofs, av Ostium
a tri oventricu lere, v Klappe daran, ba Bulbus arleriosus. arl und o/r Vordere Ar-
lerieDslämme (Arterlac anonymae). ep Carotis primaria, iih. (dSubclavien. iHJRech-
ter (arterieller) Aortenbogen. <u Linker ^veuoser) Aortenbogen, p Artsria pulmonali*.
vi Vena cava iurerior. vi Vena cava auperior ginistra. vd Vena Cava superlor
deKtra. vp Vena puimonalis. - c Verbindung des linken Aorlenbogens mit dein
rechten, in Uesenierialarierie. 'Verbindung des Hertens mit dem fericardium.
638
Wirbellhierc.
in seinem äusseren Verhallen dem rechten Kammerabschnitte, aber die
Scheidung der Arterien des Bulbus ist derart, dass beide Kammerab-
schnitte wie die beiden getrennten Kammern der Crocodile mit beson-
deren Arterien des Bulbus in Verbindung stehen. Am Ursprünge der
letzteren sind Taschenklappen angebracht.
§ 430.
Von den ftlnf primitiven Aortenbogen sind die beiden ersten ver-
gänglich, und die übrigen erleiden nach den einzelnen Abtheilungen
verschiedene Umgestaltungen. Bei den Sauriern bleibt jederscits
der dritte bestehen und verbindet sich, rechts mit dem vierten, der
wie die beiden dritten, aus dem von der linken Kammer stammenden
Gefüsse hervorgeht. Der vierte linke, mit dem dritten seiner Seit« ver-
bundene Aortenbogen correspondirt dagegen der rechten Herzkammer.
Der fünfte Bogen wird jederseits zum Theile in die anfänglich nur aus
ihm entspringenden Pulmonalarlerien übergenommen, diemitderDifleren-
zirung des -primitiven Aortenbulbus vom Pulmonalarterienstamroe (/>)
abgehen. Somit entstehen jederseits zwei Aortenbogen, von denen
einer, der zweite linke, venöses Blut führt. Bei den Ophidiern ist die
Verbindung des ersten
Bogenpaars der Saurier
mit dem zweiten meist
vollständig verschwunden
(Fig. 308. A], wodurch
dieser Abschnitt nebsl
seiner Fortsetzung zur
inneren Carotis [A. c")
wird. Auch t)ei den
Schildkröten und Groco-
dilen besteht dieses Ver-
halten , dagegen ist bei
den ersteren der rechte
arterielle wie der linke
venöse Aortenbogen mit
den aus dem letzten primitiven Bogenpaare hervorgegangenen Pul-
monalarlerien durch einen Bolallischen Gang in Zusammenhang. Dieser
ist bei den Crocodilen verschwunden, so dass also hier aus der linken
Kanuner ein den rechten Aortenbogen und dieCarotiden entsendendes Ge—
fäss entspringt, während aus der rechten Kammer ein linker Aortenbogen
Fig. 309. Schema der Umbildung der Anlage der primitiven Aortenbogen in
die Arlerienstämme. A Schlange. B Eidechse, a Linker Aortenstamm, a' Rechter
Aortenstamm. o Carotis communis, c' Carotis externa, c" Carotis interna, p Pul-
nionalarterienstamm. p' Aeste. v Arteria vertebralis- s Artcria subclavia. (Nftch
Rathkr.)
Herz und ArteriensysteiD.
63d
[as) und die Pulinonalarterie {p) hervorgehen. (Pig. 307 ad.) Von der
ursprünglichen Verbindung dieser GefässUiinme erhält sich bei den
Grocodilen im Arlerienbulbus eine Gomrounication zwischen dem arte-
riellen und venösen Stamme als Foramen Panizzae, welches je-
doch für eine Mischung beider Blutarten von geringem Belange ist.
Fig. 809.
§ *31.
Im engen Zusammenhange mit den Einrichtungen des Gef^ssappa-
rates der Reptilien, namentlich der Crocodile, hefmdet sich jener der
Vögel. Sowohl am Herzen als an den grossen GefössUfmmen ist je-
doch die Scheidung vollständig und es besteht nirgends mehr eine
Mischung arteneilen und venösen Blutes. Die Vorhöfe erscheinen be-
deutend kleiner durch geringere Ausbildung ihrer vordem (ventralen)
Ausbuchtung. Die Muskulatur der Kam-
merwand ist bedeutend verstärkt, beson-
ders am linken Abschnitte, um welchen
sich die rechte Kammer im Halbkreise an-
lagert. Die Atrioventricularklappe der rech-
ten Kammer wird durch eine bereits bei
den Grocodilen getroffene Einrichtung vor-
gestellt, indem die das Ostium von aussen
her umziehende Wand sich abwärts in eine
in die Kammer vorspringende breite Leiste
fortsetzt, die man als »Muskeiklappe« be-
zeichnet. Von der bei Grocodilen bestehen-
den membranösen Klappe sind nur zuweilen
Andeutungen vorhanden. Am linken Ostium
atrioventiculare kommt eine membranöse
Klappe vor, welche das Ostium fast ring-
förmig umgibt. Die primitiven Arlerienbogen erleiden ähnliche Reductio-
nen, wie bei den Reptilien. Der vierte rechte gestaltet sich zum Aorten-
bogen, während ein Thetl des dritten jederseits zu der mit der Aorta (Fig.
309. a) gemeinsam entspringenden inneren Garotis {c") wird und der
linke vierte zum Stamme der Subclavia sinistra sich umbildet. Dieser bei
den Reptilien aus der rechten Kammer entspringende, also venöses Blut
führende linke Aortenbogen ist somit bei den Vögeln vollständig ins ar-
terielle Gebiet übergegangen. Reste der Fortsetzung dieses Rogens zu
seiner primitiven Vereinigung mit dem rechten finden sich bei man-
chen Vögeln (Raubvögel) in Form eines ligamentösen Stranges vor, der
den ursprünglichen Verlauf des ganzen Gefiässes andeutet. Der fünfte
primitive Bogen endlich wird theilweise zu den beiden Aesten der Pul-
Fig. 309. Schema der Urobilduog der primitiven Aortenbogen in die grossen
Arterienstämme bei den Vögeln. Bezeichnung wie in Fig. 990. (Nach Rathee.)
6i0 Wirbelthiero.
monalarterie (p) verwendet, die wie bei den Reptilien aus der rechten
Kammer entspringt.
§ 432.
Obgleich das Herz der Säugethiere in der vollkommenen Trennung
beider Hälften mit jenem der Vögel übereinkommt, so tritt doch aus denn
Bau seiner einzelnen Abschnitte , wie aus der Anordnung der grossen
GefässUlmme eine bedeutsame Verschiedenheit hervor. Nur die erste
Anlage sowohl des Herzens als des gesammten aus fünf Bogenpaaren
besiehenden Systemes ist gemeinsam, und letzlei'es bildet auch hier
den Ausgangspunct mannichfacher Differenzirungen. Während des
Embryonalzustandcs existirt eine Verbindung zwischen beiden Vorhöfen,
bei den Beulellhicren durch eine schlitzförmige Oeffnung, bei den pla—
centalen Säugethicren durch eine grössere Durchbrechung (Foramen
ovale) dargestellt. Diese Vorbindung gestattet dem aus der Umbilical—
vene durch die Vena cava inferior in die rechte Vorkammer gelangen-
den Blute den Eintritt in die linke Kammer und von da die Verbrei-
tung in den Körperkreislauf durch die Aorta. Bei den Monodelphen
wird die Oeffnung durch das Vorwachsen einer gegen den linken Vor—
hof gerichteten Scheidewand (Valvula foraminis ovalis) alimählich ge-
schlossen, so dass nach der Geburt eine vollständige Trennung der
Vorkammern entsteht. Die Umgrenzungsstelle des ursprünglichen Fo-
ramen ovale bleibt als ein ringförmiger Wulst auch später unterscheid-
bar. Der vorderste (ventrale) Abschnitt des Raumes beider Vorkaramem bil-
det bei den Säugcthicren eine ansehnliche Verlängerung, die »Herzohren«,
an beiden Vorkammern Verschieden gestaltet. Sie entsprechen dem
grössten Theile der' Vorhöfe der unteren Giassen, indem der bintet*e
Vorhofsraum wenigstens rcchterseits aus einem bei jenen vom Vorfaofe
gelrennten Venensinus gebildet wird (vergl. unter Venensystem j . Die
Herzohren der Säugethiere sind daher Rückbildungen des vorderen
Vorhofsabschniltes.
Wichtige Veränderungen bieten die Atrioventricularklappen , an
deren Stelle niemals jene häutigen Duplicaturen vorkommen, die bei
Fischen, Amphibien und auch noch bei Reptilien fungirten. In sehr
frühen Zuständen zeigen die Ventrikel bei verhältnissmässig kleinem
Binnenraume ihre Wand aus demselben spongiösen Muskelgewebe ge-
bildet, wie wir es von den Fischen bis zu den Reptilien hin bleibend
antreffen. Allmählich verdicken sich die Balken und ein Theil davon
geht in die compaclere Herz wand über. Der mehr nach innen zu ver-
laufende, das Lumen des Kammerraumes begrenzende Theil dieses
Balkennetzcs, welcher am Umfange des venösen Ostiums inserirt, lässl
in der Umgrenzung dieses Ostiums das Muskelgewebe schwinden, so
dass die Muskelbalken dort in eine am Ostium entspringende Membran
übergehen. Dieser bei den meisten Säugelhieren vorübergehende Zu-
stand bleibt bei Monolremcn (Ornithorhynchus) in der rechten Kammer
Hera und Arteriensystem.
641
Fig. 310.
bestehen. Von der Ventrikeiwand entspringende Huskelbalken gehen
in eine membrantfse Klappe über. Bei den Uebrigen leitet dieser Zu-
stand zu anderen Differenzirnngen. Die Huskelbalken ziehen sich noch
weiter gegen die Kammerwand zurück und bilden dort die sogenannten
Papiliarmuskeln, die mit Sehnenteden (Ghordae tendineae) an die nun-
mehr rein membrandse Klappe herantreten. Von dem übrigen Balken-
netze bleiben nur die den Wandungen der Kammer angelagerten Tra-
beeulae carneae zurück. Die Atrioventricularklappen sind so-
mitsammt den Ghordae tendineae Differenzirungen eines
Theiles des ursprünglichen muskulösen Balkennetzes,
und der von ihnen umschlossene Raum entspricht dem Hauptraume
der primitiven Kammer. Dass die gleichen Klappen in der linken
Kammer des Vogelherzens auf ahnliche Weise entstehen, darf angenom--
nien werden.
Von den während des Embryonalzustandes bei den Süugethieren
gleichfalls bestehenden mehrfachen, aus einem Bulbus arteriosus her-
vorgehenden Aortenbogen erfolgt ein
Uebergang in die deänitiven Zustände auf
eine andere Weise als bei den übrigen
Wirbelthieren (vergl. Fig. 340). Diebei-
den ersten Bogen schwinden vollständig,
der dritte stellt wie sonst einen Theil der
Carotis her. Der vierte zeigt auf beiden
Seiten ein verschiedenes Verhalten, indem
er rechts nur bis zum Abgange der pri-
mitiven Subclavia [s) bestehen bleibt,
während der linke die Portsetzung des
aus dem differenzirten Bulbus entstande-
nen arteriellen Arterienstammes bildet.
Ein linker Aortenbogen (a') ist also
bei den Säugethieren der Hauptstamm des
arteriellen Gefttsssystems. Vom fünften
Bogen schwindet der rechte vollständig. Der linke bildet die Fort-
setzung der aus der rechten Kammer entspringenden Pulmonalartorie
(p) und setzt sich beim Embryo unmittelbar in den (linken] Aorten-
bogen fort. Von ihm aus entwickeln sich die beiden Pulmonalarterien-
äste {p') und der Stamm dieses Bogens wird zur Pulmonalarterie, die
während des Fütallebens das aus der oberen Hohlvene in die rechte
Kammer gelangende Venenblut durch ihre Fortsetzung zum Ende des
Aortenbogens in die absteigende Aorta ergiesst. Nach der Geburt
Fig. 140. Schema der Umbildung der primitiven Aortenbogen in die grossen
Artarienstimme bei Säugethieren. a Aortenstamm, a Aorta descendens. c Ca-
rotis communis, c* Carotis externa, c" Carotis interna. « Subclavia, v Arteria
vertebralis. p Fuimonalarterienstamro. p' Aeste desselben. 6 Ductus arteriosus
Botalli. (Nach Ratbke.)
0«ff«Bbft«r, OniBdriM. 4 t
642 Wtrbellhiere.
schwindet die Communicalion zwischen der Pulmonalarlerie und Aorta
descendens und der betrelTende Abschnitt (6) jenes Gefässos wird io
einen Strang (Ligamentum Botalli) umgewandelt.
§ 433.
Die Körperarterien der Wirbelthiere nehmeg bei AUea im
frühesten Zustande ihren Ursprung aus dem einfachen Bulbus arteriosiis
des Herzens. Bei den durch Kiemen athmenden wird das aus dem
Bulbus entspringende arterielle Bogensystem (die primitiven Aorten-
bogen), wie bereits oben (§ 429) bemerkt, in die GeCüsse des Kiemen—
kreislaufs aufgelöst, und erst aus den ausführenden Gebissen der
Kiemen (Kiemenvenen) , geht das System der Kdrperarterien hervor.
Der anfänglich direct durch die Aortenbogen zur Aorta entsendete
Blutstrom wird mit der Entwickelung der Kiemen in neue Bahnen
übergeführt, und gelangt somit auf Umwegen, die Ihn dem Athmungg-
process unterziehen, zu seiner Vertheilung im Körper.
Bei den MyxinoYden vereinigen sich fast alle Kiemen venen zur
Bildung einer subvertebralen Aorta, die sich nach hinten als Haupt—
arterie des Körpers fortsetzt, aber auch nach vorne zu als »Arteria
vertebralis impara verlängert ist. Auf ähnliche Weise sammeln sich
zwei seitliche Längsstämme aus den Kiemenvenen, welche vorne mit
je einem Ast in die Arteria vertebralis impar eingehen, mit einem
anderen Aste dagegen eine Carotis bilden. Die beiden Carotiden tbeilen
sich in einen äusseren und inneren Zweig, von welchen der ILopi
versorgt wird. Bei Petromyzon fehlt die vordere Verlängerung der
Aorta, so dass die auf ähnliche Weise wie bei den MyxinoYden ent-
stehenden Carotiden die einzigen vorderen Arterien sind. Unter den
Fischen entsteht die Aorta bei Selachiern und Chimären aus einem
jederseits durch die Vereinigung der Kiemenarterien hervoi^ebendeo
Stamme. Aehnlich ist das Verhalten bei den GanoYden und Teieostiem.
Die Carotiden nehmen ihren Ursprung aus der ersten Kiemenvenie oder
aus dem Vordei^nde des paarigen Arterienstammes, der jederseilfi als
Aortenwurzel die Kiemenvenen sammelt und sich dann mit jenem der
andern Seite zur Aorta vereint oder auch vorne eine solche Querana-
stomose eingehend, einen arteriellen Circulus cephalicus an der Schädel-
basis abschliesst. £ine besondere Augenarterie entsieht aus den Ge-
fassen der Nebenkieme, in welche entweder ein directer Ast der ersten
Kiemenvene (Selachier) oder ein den Zungenbeinträger umziehender
Zweig aus demselben Gefässe eintritt (Teleostier) . In dem Ursprünge
und der Anordnung der einzelnen Gefässe kommen viele Modificationen
vor, wovon die bedeutendsten auf das Verhalten der Carotiden und
der Augenarlerie treffen.
Dieser Abschnitt des Gefässsystems verhält sich in ähnlicher Weise
noch bei den Amphibien. Die Ropfartorien entspringen bei den
Han und Arierienayilen
643
PerennibranctiiateD aus dem vorderen Theile der Aortenwunein oder
bei den nicfal mehr durch Kiemen athmenden aus den beiden eralen
Arlerienbogen (Salamandriaen) , oder sie sind die PortseUungen des
erstM) Arterienbogens selbst [AnureD],
In den ersten Zuständen bieten sich bei den Amnioten überein-
stimmende VerfaBltnissc dar. Die das Gehirn und das Auge versorgende
innere Carotis (Fig. 311. A. Bc'] erscheint als Fortsetzung der jeder-
seiligen Aorlenwurael nach vorne zu. Die äussere Carotis (c] ist ein
Zweig des dritten primitiven Aortenbogens. Schwindet die Verbindung
desselben Bogeos mit dem vierten , so geben beide Carotiden jeder-
seits ans einem gemeinsamen Stumme hervor {vergl. Fig. 3i1. C). Sie
erscheinen im Allgemeinen als zwei an den Seilen des Halses mit dem
Nervus vngus verlaufende Arterien , die meist einen gemeinsam«)
Stamm (C. communis] besitzen. Bei den Sauriern hüngen die Caro-
tiden noch mit den damnf folgenden Arterieobogcn zusammen , und
bewahren dadurdi ihr arsprUngliohea Verhallen (vergl, Fig. Hi. A).
Die rechte gemeinschaftliche Carotis erleidet bei vielen Schlangen
Fig. IH. Entwickelung der grcucn GettiMlUmuie au» der prlmiliveo Anlage,
liargMtollt BQ dr«i Embryonen. A Reptil (Bidechso). B Vogel. C Sauge-
Ihier (Schwein). Bei Allen sind die Iteiden ersteD Aorlenbogenpaire vcrscliwuu-
4eii, In A und • bestehen der drtlle , vierte und fünfte Bogen voHsIKndig. Bei
C nur die beMaa tetstea, and tUe Verbindung dei dritten mit den vtertm Soge«,
reip. mit der Aorleüwarael 1*1 gelOal. Vom lelilen (fllnnen primillvenl Bogen
gebt ein AM [p) als Putmonslarlerie ab, angedeutet in A, weiler enlwickell in B
und C. Der von der Abgabe dieses Aste ■ bis Kur Aorta verlaufende Abschnitt des
teilten Bogein ilellt den Ductus BoUlti vor. c Carotis externa, c' Carotis inlente,
bei A «td B neob vordere Fortaetnng der Anrleawnnel , bei C mit der CeraUs
eilema eioen geweimamen Slamni bildend , der von dem vierten linkeu Aorten-
bogen [dem definitiven) entspringt, a Vorbof. v Kammer, od Aorta deScendeni.
I Kieme nspallen. n Nasengrube. 4 t S Vorder-, MiUel- und Zwiscbenhirn. m An-
r Vorderglledmaassen. In A und II ist am Auge noch die Chorioidea Ispalle
wabmehmbar. (Nacli Rathie,;
644 Wirbelthiere.
eine Rückbildung und kann sogar voUsUlndig aufgelöst werden. Auch
bei den Vögeln tritt dieselbe Arterie aus ihrer ursprünglichen Bahn
und lagert sich median an die Unterflüche der Halswirbel) indess die
linke ihren Verlauf beibehält. Indem bei Anderen beide Garotiden
diese Abweichung zeigen, wird ein Uebergang zu einer dritten* Form
gebildet, die durch eine Verschmelzung der beiden aneinander ge-
lagerten Gefüsse sich ausspricht. Dabei schwindet der isolirt verlaufende
Theil der rechten Carotis und es entsteht ein linkerseits entspringender
median verlaufender Gefässstamm , der sich als sogenannte Carotis
primaria zum Kopfe begibt (vgl. Fig. 312. ac). Dieses Verhalten triffi
sich für manche Vögel wie für Crocodile (Fig. 306. cp) gemeinsam. Ver-
schieden hiervon ist ein bei Schlangen und manchen Sauriern be-
stehender unpaarer Carolidenstamm aufzufassen, der gleichfalls vorne in
zwei Kopfarterien übergeht. Diese Bildung entsteht durch die Annähe-
rung der Ursprungsslellen beider Carotiden aus dem rechten Aortenbogen
und entwickelt sich weiter durch das Auswachsen der beide Stimme
entspringen lassenden Partie der Aorta, so dass hiemit die Neubildung
eines Gefässstammes reprUsentirt wird. £ine andere Eigenthttmlichkeil
besteht im Vorkommen einer unpaaren vom rechten Aortenbogen längs
der Wirbelsäule nach vorne verlaufenden Subveitebralarterie.
Unter den Säugethieren ergeben sich durch ähnliche Wande-
lungen der Gefassstümme während der Entwickclung gleichfalls vielerlei
Modiflcationen , welche besonders die beiden Endäste der Carotiden
treffen, von denen die innere, wie auch bei manchen Sauriern und
Vögeln keineswegs ausschliesslich für die Schädelhöhle und die Sinnes-
organe bestimmt ist. Die Ausdehnung des Gebietes der einen Arterie
beschränkt das Gebiet der anderen, wobei fernere Modificationen durch
direct aus der gemeinschaftlichen Carotis entspringende Arterien er-
zeugt werden.
Für die Arterien der Vordergliedmaassen bestehen mehr-
fache, von einander sehr verschiedene Ursprungsstellen, so dass für die
Genese dieses Gefässes die Vererbung eine minder bedeutende Rolle
zu spielen scheint als die Anpassung.
Der StammderAorta setzt sich in gleichmässigem Verhalten längs
der Wirbelsäule fort, an dem für den Schwanztheil bestimmten Ab-
sbhnitte als Arteria caudalis bezeichnet und bei verkümmertem Schwänze
die Arteria sacralis media vorstellend. Der Endabschnitt liegt bei allen
Wirbelthieren bei dem Vorhandensein sogenannter unterer Bogen in
dem von diesen gebildeten Caudalcanal. Allein auch am Rumpftheile
des Körpers kann sie bei manchen Fischen in einen von Fortsätzen
der Wirbelkörper gebildeten Canal eingeschlossen werden, wie ein
solcher z. B. beim Stör, und auch bei manchen Teleostiern besteht.
Die Aorta entsendet in regelmässiger Folge entspringende, für die
Metameren des Körpers bestimmte Arterien (Arteriae intercostales) ,
ausserdem die zu den Eingeweiden tretenden und endlich bei der
Heri und Arieriengyitein
6IS
Bitdang von Hinterestremiuilen solche, die an diesen sieb ver-
iheilen.
Von d«n Arlerien der Eingeweide bestehl bei den Fischen ge-
wttbnlich nur ein Hauplstanim (Ärteria coeliaco-mesenlcrica) , tu dem
bei Haneben noch eine hinlere Mesenlerialarlerie tri». Für die Nieren,
ebenso wie (Ur die Geschlechtsorgane gibt die Aorta eine grossere Ad-
xabl von Arterien an verschiedenen Stellen ab. Bei den Amphibien
entspringt die Arteria coeliaco-mesenterica aus dem Ende des linken
AorleDbogens. Ebenso ist bei
Fig. III.
den Rsplilien (Saurier,
Schildkrttten] das mit dem
rediten Aortenbogen nur
dQroh einen engen Ganal
verbundene Ende des linken
tur Vertheilung an den Ein-
geweiden bestimmt, oder es
bestehen mehrTache Einge-
weide-Arterien (manche Sau-
rier], die besonders bei den
Schlangen in Anpassung an
die gestreckte KOrperform
sehr zahlreich sind. Auch Iiei
den Crocodilen sind die Ver-
zweigungen des linken Aor-
tenbogens (vergl. Fig. 307.
ffl), der gleichfalls mit dem
rechten duroh einen engen
Ductus cofnmunicirt, nur auf
einen Theil des Verdauungs-
apparales verbreitet, und von
der tmpsaren Aorta ent-
springen selbsUndige Me-
senterislarterien. Hit dem
Schwinden des linken Aor-
tenbogens bei den Vögeln
gibt die ForlseUsung des den
rechten Aortenbogen darstel-
lenden Stammes eine Arteria coeliaca und mesenlerica superior ab,
wosu noch eine aus dem Endstücke der Aorta (Sacralis media) stam-
mende Hesenterica inferior kommt.
Fig. Kl. Artor)«llei OeflUMyalem von Podicepl orlslalui. a Aorlen-
alamn). a' Aorta desceodeikS. t Art. subclavia, ae Art. Carolin primari«. aoler
den Processus spinosl anteriores hin durchtretend, aa Art. cutanea abdoroinis.
aC und »(' Art. thoraclBRsInIgtrae. oi Art. ischiadlca. o^ Art, hypogastricee. (w Art.
sacralis media, p Der linlteM, pecloralis major. I Trachea. dCloake. (Nach Baiikow.j
646 Wirbelthiere.
Die Coeliaca und Mescnterica superior bilden bei den Sl^ugeihiereii
die Hauptarterien des Darmcanals. Eine Mesenterica inferior kommi
erst bei den placentalen Süugeihieren als bedeutenderer Gefosastamm
zum Vorschein.
Die bei den Fischen mehrfachen Rena larterien bewahren dieseg
Verhalten bei Amphibien wie bei den meisten Reptilien, selbst bei den
Vögein bestehen noch mehrere Nierenarterien, von denen eine iBittlere
aus der Arteria ischiadica entspringt. Ausnahmswnse komral die
Mehrfachheit dieser Arterien auch noch bei Säugethieren ver, die
in der Regel nur eine Nierenarterie jederseits von der Aorla afageheo
lassen.
Die Arterien der hinteren Gliedmaassen erscheinen erst nach der
grösseren Ausbildung dieser Theile als directe Aeste der hinteren Aorta.
Die beiden fUr diese Theile bestimmten HauptsUkmme sind uUAA imoier
dieselben und wie aus den Lagerungsbeziehungen zum Reek^i her-
vorgeht, können verschiedene Aeste das Gebiet jener Arterien ver-
sorgen. Rei den Reptilien und Vögeln sind die Arteriae ischiadieae
die Hauptstämme der Hinterextremitüten, die bei den Säugetbieren von
der Arteria cruralis versorgt werden. Im specielleren Verhalten bestehen
bei den Säugethieren zahlreiche Modificationen , die hier von unter-
geordneter Bedeutung sind.
Veneasysteoi.
§ 434.
Das Venensystem der Wirbelthiere bietet durch zahlreiche^ von
den Fischen bis zu den SHugothicren hin wahrnehmbare Umwand-
lungen nicht minder wichtige Erscheinungen, als das
Fig. 313. arterielle Gebiet der Blutbahn. Das zum Herten au—
rückkehrende Blut sammelt sich bei den Fischen in
vier Längsstämme, zwei vordere und zwei faintere*
Die jeder Seite treten in einen Querstamm (Ductus Gu--
Vieri. Fig. 343. de) über, der mit jenem der anderen
Seite in einen hinter dem Vorhofe des Herzens ge-
lagerten Sinus [sv] einmündet. Das vordere vorsttg—
lieh das Venenblut des Kopfes sammelnde Paar bildel
die über den Kiemenbogen gelagerten Jugularvenen
(7), das hintere Paar, welches die Venen derRumpf--
wand, der Nieren und auch der Geschlechtsorgane
aufnimmt, die Cardinal venen (c) (vergl. aiiob
Fig. 303) ; eine unpaare Caudalvene unter der Arterie
im Caudalcanal verlaufend, theilt sich bei den Cyclostomen und den
Selachiern, auch noch bei n>dnchen Teleostiem in zwei in die Gar-
Fig. 313. Schema des primitiven Venensystems. J JugDl^nreoe.
c Cardioalvene. de Ductus Cuvieri. h Venae hepaticae. w Sinus veuosus.
Venensystem. 647
dtDsIvenen der betreflenden Seite sich fortsetzende Aeste. Bei vielen
Teleostiern selzt sich diese Caudalvene mit einem stärkeren Aste in
die rechte, mit einem schwächeren in die linke, dann meist gleich-
falls schwache Gardinalvene fort. Daraus leitet sich der Uebergang
der ganzen Gaudalvene in die rechte Gardinalvene ab, wie solches bei
einer Anzahl von TeleosUem beobachtet *ist.
Indem die Gaudalvene in die Niere Zweige absendet, die bald voll-
standig, bald theilweiae in diesem Organe sich auflösen, bilden diese
Venae renales advehentes, welche durch Venae revehentes in die Gar-
dinalvenen münden, einen Pfortaderkreislauf der Niere. Ein
zweiter, ähnlich sich verhaltender Geftssapparat wurzelt am Darm
und fuhrt das Venenblut desselben durch einen als Pfortader be^
zeichneten Gef^ssstamm zur Leber. Darin vertheilt, wird es durch
meist zu mehreren Stämmen vereinigte Lebervenen zum gemeinsamen
Vcnensinns geleitet.
An dieser Anordnung des Venensystems der Fische können wir
den paarigen, meist symmetrisch erscheinenden Abschnitt von dem
nur durch die Lebervenen dargestellten unpaaren Abschnitt unter-
scheiden, und wollen zunächst den ersteren in seinen Umwandlungen
durdi die Wirbeltbicrreihe verfolgen, da er bei Allen wenigstens in
den wesentlichsten Zügen sich in frühen Entwickelungsstadien als ver-
erbte Einrichtung wieder vor6ndet, und als die Grundlage des em-
bryonalen Venensystems den Ausgangspunct für spätere Umgestaltungen
abgibt.
§ 435.
Bei den Amphibien und Reptilien nimmt der Venensinus die
beiden Jugularvenen auf, welche das gleiche Ursprungsgebict wie hei
den Fischen besitzen. Sie persistiren von da an
bei allen Wirbelthieren, während das hintere Venen- Fig. 3U.
paar, die Cardinal venen (Fig. 314. vc), nur während
der ersten Embryonalperioden in einem mit den
Fischen tü>ereinstiminenden Verhalten vorkommt.
Sie sind die Venen der Primordialnieren ({/). ihr
vordei*er Abschnitt obliterirt, und ihr hinterer stellt,
Venen anderer Gebiete aufnehmend, Venae renales
advehentes vor. Schon vor dem Schwinden des
in die Guvisa'schen Gänge einmündenden Theiles der
Gardinalvenen entstehen bei den Reptilien vier andere
Stäfluue, welche vorzüglich Intercostalvenen auf-
nehmen und als Venae vertebrales bezeichnet werden. Die vorderen
Fig. 8U. Vorderer Abschnitt des Venensystems eines Seh langen -Embryo,
t; Henkaminer. 6a Balbus orteriosus. c Vorhof. DC Linie er Ductus Cuvieri.
ve Linke Gardinalvene. t^' Linke Jngiilarvene. vu l]mbilicalvene. U Urniere.
l Labyriotbanlage. (Nach Rathkk.)
648
Wirbellhiere.
und hinteren jeder Seite vereinigen sieb und münden in die Jugular-
vene ihrer Seite ein. Die Verbindung mit der linken Jugularvene
schwindet später, worauf die linken Vertebralvenen unter Entwickelung
von Queranastomosen mit den rechten sich vereinigen, und wie diese
in die rechte Jugularvene einmünden.
Mit dem Aufhören der Verbindung der Gardinalvenen mit den
CuviER'schen Gängen erscheinen diese als Fortsetzungen der Jugular-
venen, welche die von den Vordergliedmaassen kommenden Subclavim
aufnehmen, und als obere Hohl venen bezeichnet werden. Die aus
den Körperwandungen das Blut sammelnden Vertebralvenen sind nur
während des Embryonalzustandes in grösserer Ausdehnung vorhanden
und erleiden meist eine bedeutende Rückbildung. Auch ihre Ursprünge
lieh paarige Anordnung wird aufgegeben (Schlangen) , und der grösste
Theil ihres Gebietes ordnet sich der Vena cava inferior unter.
Wesentlich ähnliche Einrichtungen treffen wir bei den Vögeln.
Ein Paar Jugularvenen , häufig, wie es schon bei den Schlangen der
Fig. 345.
m
IV
Fall war, in ungleicher Ausbildung, bildet die Hauptstämme für das
aus den vorderen Körpertheilen rUckkehrende Blut. An der Schädel-
basis sind sie meist durch einen Qaerstamm mit einander verbunden,
der gleichfalls vom Kopfe wie von der Haiswirbelsäule Venen eintreten
lässt. Mit der Rückbildung der linken Jugularvene bildet dieser
Querstamm die Bahn für die Ueberleitung des Blutes in die rechte.
Die Vertebralvenen sind dabei zu unansehnlichen Gef^ssen geworden.
Die Jugularvenen vereinigen sich mit den in die Subclavien zus^ammen-
tretenden Venen der Vorderextrem i tat und die beiden dadurch ent-
stehenden Stämme erscheinen wieder als obere Hohlvenen. Indem diese
noch hintere Vertebralvenen aufnehmen, gibt sich ein Abschnitt von
ihnen als aus den bei den Fischen persistirenden Querstämmen (Ductus
Cuvierij hervorgegangen zu erkennen. Diese Hohlvenen münden jedoch
Fig. 315. Verhallen der grossen Venenstäni me am Herzen. I Reptil
(Python). 11 Vogel (Sarcorhamphus). III Beute Ubier (Halmaluras). IV Seh wein.
Sämmllich von hinten dargestellt, t Vena Cava inferior. « Vena cava superior
sinisira. d Vena cava superior dextra. ap Arteria pulmonalis. a Aorta, «v Siovs
venosus.
VancBsystem.
649
getrennt in den rechten Vorhof ein, da der noch bei den Reptilien
vorhandene Sinus (vergl. Fig. 315. I. sv) in die Wand des Vorbofs
tiberging, und somit einen Theil desselben bildet. Von diesem Ein-
treten ursprunglich ausserhalb des VorhoCs gelagerter Theiie in die
rechte Vorhofswand sind im Innern noch Andeutungen wahrsunehmen.
Was die Vertebralvenen betrifll, so nehmen dieselben bei den Vögeln
ihren Verlauf in einem von den Rippen umschlossenen Canal, so dass
sie sich dadurch schon als von den Cardinalvenen zu sondernde Ge-*
ttsse darstellen.
§ 436.
Die Anlage des Venenapparates der SSugethiere stimmt mit
jenem der niederen Wirbelthiere vollkommen Uberein. Zwei Jugular-
venen (Fig. 313) nehmen Cardinalvenen auf, und die jederseits ge~
bildeten gemeinsamen Stämme treten in einen Venensinus, der sich
mit dem Vorbofe verbindet, und spater bei der Scheidung des Vor-
hofes in den rechten Vorhof aufgenommen wird. In letzteren münden
alsdann zwei discrete Venenstämme, von denen jeder in einen vor-
deren stärkeren und hinteren schwächeren Stamm sich fortsetzt. In
den vorderen (Fig. 316. A] senken sich mit der Rildung der Vorder-
extremitäten die Venae axillares oder subclaviae [s] ein, und die beiden
aus dieser Verbindung ge-
bildeten Venenstämme wer- Fig. S46.
den als obere Hohlvenen a . B C
(Venae cavae sup.) unter-
schieden.
Das Gebiet der Car-
dinalvenen wird mit der
EntWickelung des Systems
der unteren Hohl venen all-
mählich beschrankt, indem
ein Theil des durch die
Cardinalvenen gesammel-
ten Blutes der unteren
Hohlvene zugeleitet wird.
Dabei erleiden die Car-
dinalvenen selbst eine Rückbildung durch Uebergang eines Theiles ihrer
Wurzeln in neue Längsvenenstämme, die wieder wie bei den Reptilien die
Fig. 316. Umwandlung des primitiven paarigen Venensyslems bei Säuge-
t liieren. A Die Vertebralvenen sind an die Stelle eines Theiles der Cardinal-
^ venen getreten , welche durch puncUrte Linien angedeutet sind. B Die Unke pri-
mitive Jugalarvene ist an ihrem unleren Abschnitle rückgebildet, ihr Gebiet ist
durch einen Querstamm mit der rechten vereinigt. C Die linke Jugularvene ist mit
dem Ductus Cuvieri bis auf ein dem Herzen anliegendes Rudiment verschwunden, das
Gebiet der rechten Vertebralvene ist in das der linken aufgenommen. / Jugular-
vene. f Vena subclavia, a Vena cava superior. c Cardinalvene. v Vertebral-
vene. cor Vena coronaria. os Veoa azygos.
650 Wirbelthlere.
Vertebralvenen vorstellen, und in das in den GtviER^scben Gang müDdende
Ende der CarcßDalvenen fortgesetzt sind. Durch die Minderung ihres Ge-
bietes erscheinen diese Vertebralvenen (Fig. 316. A. B. t>.) wie Zweige
der aus den CuviBR^schen Gängen und den Jugularvenen entstandenen
Stämme, eben der oberen Hohlvenen. Sie bestehen bei Monolremen,
Beuielthieren , vielen Nagern und Insectenfressern fort. Bei Anderen
wird durch £ntwidLelung der Queranastoniosen ein Thoil des vorher
der liaken oberen Hohivene (Fig. 346. B) zugefuhrten Blutes in die
rechte (es) übergeleitet, wobei der linke obere Hohlvenenstamm sieh
rUckbildet (Nager, Wiederkäuer, Einhufer] . Bei vollständiger Ausbildung
dieses Verhältnisses schwindet der grösste Theil des Stammes dieser
Vene und es besteht von ihr nur der ursprünglich den linken Ductus
Cuvieri bildende, zwischen linker Kammer und Vorkammer gelagerte
Endabschnitt (Fig. 316. C. cor), in welchen die Uerzvenen mUnden,
als Sinus der Kranz vene des Herzens fort. Eine halbringförmig^ Falle
scheidet diesen Sinus auch beim Menschen von der eigentlichen Kranz-
vene, und die an seiner MUndung in die rechte Vorkammer liegende
Valvula Thebesii ist eine Zeit lang Klappe der linken oberen Hohlvene.
Die rechte obere Hohivene ist dann der einzige vordere Hauptstamm
geworden (Getacecn, Carnivoren, Primaten).
Mit der Reduction des linken oberen Hohlvenenstammes erleiden
auch die Cardinaivenen oder die aus ihrem Gebiete hervorgegangenen
Vertebralvenen bedeutende Veränderungen. Wahrend sie in dem ersten
Falle jederseils in die bezügliche Hohlvene münden (Fig. 346. ^4), und
auch im zweiten durch Ausbildung einer rechten Hohlvene gegebenen
Fälle von der linken Seite her selbständig in den rechten Vorhof
treten (B) , wird mit der Reduction dieses zum Herzen verlaufenden
Abschnittes eine Verbindung mit der rechten Vertebraivene eingeleitet.
Die linke Vertebraivene setzt sich durch Queranastomosen mit der
rechten in Zusammenhang, und diese wird nach Auflösung der Ver-
bindung des oberen Endes mit der linken oberen Hohlvene zur Vena
hemiazygos, wahrend die rechte in ihrem früheren Verhalten wenig-
stens der Lage nach fortdauernd, zur Vena azygos wird (Fig. 348).
Beim Bestehen zweier oberer Hohlvenen bleiben die beiden Cardinai-
venen nicht immer unverändert, vielmehr überwiegt auch hier häufig
der eine Stamm über den anderen, der bis zum Verschwinden redu-
cirt sein kann. Dann entsteht eine von beiden Seiten her Interoostal«
venen aufnehmende Vena azygos, welche bald in den linken, bald in
den rechten oberen Hohlvenenstamm oder auch in die einzige obere
Hohivene einmündet, z. B. bei Carnivoren (Fig. 316. C. as).
Bei den meisten Säugethieren werden die Wurzeln der Jugular-
venen aus zahlreichen, von äusseren und inneren Kopftheilen kommen-
den Venen gebildet, von welchen eine einen Theil des Blutes aus der
Schädelhöhle durch das Foramen jugulare ableitet. Sie stellt nur ein
untergeordnetes Gefäss dar, indem die Hauptausfuhr jenes Blutes duitli
Venemyslcm. 651
eineo twtscfaen Pelrosum und Squamosnin oder nur in letiterem ge-
lagerten Ganal (Ganalis temporalia) stalifindet. Unter Erweiterung des
Foramen jugulare wird bei anderen die dort beginnende Vene stfli^er
und gewinnt allmfthlich ttber die anderen aoa dem Schttdel leitenden
Bahnen die Oberband, wobei sie sich zu der bei den Primaten vor-
kommenden Vena jugularis interna gestaltet. Die ttbrigen Venen ver-
einigen sich allmählich zur Jugularis externa , welche bei den meisten
Süugethieren die vorherrschende bleibt.
»
§ 437.
Das zweite grosse Venengebiet beginnt sehr unansehnlich bei den
Fischen, indem es dort einzig durch die Lebervenen vorgestellt wird,
die zu mehreren oder in einen Slamm vereinigt in den gemeinsamen
Venensinus einmünden. Mit der Verminderung des GebietsumEanges
der Gardinalvenen bildet sich im Zusammenhange mit den Lebervenen
ein neuer Bezirk, jener der unteren Hohlvene, der schon bei
Amphibien entsteht. Derselbe Venenstamm sammelt Blut aus der
Niere und wird damit zur Vena renalis revehens (Fig. 347. A. et). Das
Blut aus den Hinterextremitaten tritt in eine Vena iliaca {A. t), welche
bei den urodelen Amphibien jed^rseits einen Ast der sich spaltenden
C^udalvene aufnimmt. Sie bildet, in die Niere sich auflösend, eine
Vena renalis advehens. Ein Zweig der Vena iliaca tritt gegen die Me-
dianlinie des Abdomen und nimmt von der sogenannten Harnblase Ve-
nen (Fig. 317. A, o) auf, worauf er sich mit jener der anderen Seite
za einem unpaaren zur Leber verlaufenden, und damit dem Pfortader-
system sich verbindenden Slamm (a) Vena epigastrica, Vena
abdominalis) vereinigt. Die Venen des Darmcanals und der Milz
sammeln sich zu einem Pfortaderstamme , der längs der Leber sich
auflost.
Der hintere Abschnitt des Venensyslems der Reptilien bildet
sich nach Auflösung des Systems der Gardinalvenen zunächst aus dem
Stamme der Lebervenen und den rUckftlhrenden Venen der Nieren.
Daraus entsteht der Stamm einer unteren Hohl veno (Fig. 317. £. ci),
die unter der rechten oberen Hohlvene in den gemeinsamen Venensinus
einmündet. In den einzelnen Abtheilungen der Reptilien bestehen je-
doch mannichfaohe ModiBcationen, und nur die Saurier und Ophidier
zi^igeii noch manchen engeren Anschluss an die Verhältnisse des Venen-
s»pp«rates der Amphibien. Die Gaudalvene theilt sich in zwei Stämme,
welche bei den Eidechsen Venen der hinleren Extremitäten aufnehmen
und Venae renales advehentes vorstellen, indem sie sich schliesslich
in den Nieren vertbeilen. Mil diesen Venen verbinden sich Venen der
Wirbelsäule. Aehnlich verhalten sich auch die Crocodite, deren Vena
caudalis (Fig. 317. B. c) gleichfalls sich ibeilt, dann aber einen die
Venae renales advehentes (ra) absendenden Querstamm bildet. Dia
6S2
Wirbellhiere.
Venae renales revehentes bilden bei allen diesen einen vor der Wirbel-
säule verlaufenden Stamm und in der Niere besteht ein Pfortaderkreis-
lauf, der nur bei den Schildkröten lu fehlen scheint.
Ein anderes Venengebict der Reptilien wird durch die Venae
epigastricae oder abdominales dargestellt, die aus einem em-
bryonalen Venenapparate hervorgehen. Mit der Entwickelung der
Allanlois bildet sich aus dem dieselbe begleitenden tietHssnetze ein
Venenpaar aus, welches anfänglich (nach Hathke bei der Natter] mit
den Enden der Cuvteii'scben Günge zusammen ausmündet. Diese Venae
umbilicales nehmen von der Bauchwand her Venen auf, und stehen
zugleich mit der Bildung des prortaderkreislaufs der Leber in Verbin-
dung. Bei den Schlangen verschwindet diese Umbilicalvene, nachdem
die in sie einrnflndenden Venen der Bauchwand sich in einen Flexas
aufldsten, dagegen bleibt bei den Eidechsen eine der Umbilicalvenen
mit ihrem Endabschnitte bestehen und bildet mit den tn sie munden-
den Bauchwandvenen eine Vena epigaslrica, die auch von der Harn-
blase Venen empfüngt und nach vorn zur Leber zieht.
Bei Crocodilen und Schildkröten bleiben die Enden der zwei Un>-
bilicalvenenstamme bestehen und werden , da die Venen der Bauch-
»and sich in sie fortsetzen, zu Theilen der Venao epigastricae. Wie
l'ig. 117. Hinterer Abschnitt des Venons^BleiDS. A vom Frosch, B Alli-
}:atDr, C Vogel. Bezeiclioung: H Nieren, e (unpaRrer Slamro) Caudolvene.
c Vena crurnlis. i Vena ischisdica. v Venae ve.siccilcs. a Vena epigaslrica (at>-
dootinalis). m Vena cuccygeo - mesenlerica. ra Vena renalis advehens- rr Vena
censlis revehens. ei Vena Cava inferior. A in ^ und C Vena hypognsirica , In B
Ende d«r VeDa eptgastrics in der Leber.
Venensystem. B53
die einfachen Venen der Amphibien nnd Eidechsen treten auch sie xur
Leber, und verbinden sich bei den Grocodilen mit Aesten der Pforl-
ader, indess sie bei den SchildkrJ^ten sich von beiden Seiten her in
einen Querstamm vereinigen, der die hier nicht zu einem Pforlador-
stamme vereinigten, einzelnen Venae intestinales aufnimmt. In beiden
Fällen vertheilen sie sich in der Leber, gehören somit zum' Pfortader-
systeroe derselben. Bei den Grocodilen wie bei den Schildkröten gehen
die Venae epigastricae (Fig. 317. B. a) aus den beiden Aesten der
Caudalvene (c) hervor und nehmen die Gruralvene (c) auf, sowie vor-
her die Venae^ ischiadicae. Da aber bei den Grocodilen . auch die Venae
renales advehentes aus der Gaudalvene und der Vereinigung derselben
mit den Venae ischiadicae entspringen, so wird hier ein Theil des
aus dem hinteren Körperabschnitte kommenden . Venenblutes in den
Pfortaderkreislauf der Niere übergeführt, und das übrige in jenen der
Leber. Bei den Schildkröten dagegen wird bei dem Mangel zuführen-
der Nierenvenen das gesammte Blut aus dem hinleren Körperende
in die Leber geleitet, indem in die Venae epigastricae auch noch Verte-
hralvenen einmünden.
§ 438.
Manche der bei den Reptilien bestehenden Venen erscheinen bei
den Vögeln als vorübergehende Bildungen. Die untei'e Hohlvene
(Fig. 347. C. et) setzt sich auch hier aus zwei aus den Nieren kom-
menden Stämmen zusammen, weiche jedoch die Venen der hinteren
Gtiedmaassen (c) aufnehmen und bei der Grösse dieser Geßissa als
Portsetzungen derselben betrachtet werden können. Ausser den in
den Nieren wurzelnden Zweigen verbinden sich mit diesen Stämmen
noch zwei Venae hypogaslricae (A), an der Wurzel des Steisses durch
eine Queranaslomose verbunden, welche von hinten her die Gaudal-
vene (c) aufnimmt und nach vorne eine zur Vena mesenterica ziehende
Vene (m) (Vena coccygeo-mesenterica) abgibt. Die letztere ist auch
bei den Grocodilen als ein weiter Venenstamm vorhanden, der mit
dem die beiden Aeste der Gaudalvene verbindenden Querstamme
anastomosirt, und so einen Theil des aus dem Schwänze oder aus den
Hinterextremitäten kommenden Venenblutes vom Nierenpfortaderkreis-
taufe ableitet.
Die bei den Vögeln bestehende Anordnung der Venen in den Nie-
ren macht einen Pfortaderkreislauf in diesen Organen möglich, dessen
Existenz jedoch des sicheren Nachweises noch entbehrt. Bei den
Säugethieren ist er verschwunden. Die Verhältnisse der Umbili-
calvenen und der Venae omphalo-mesentericae sind jenen der Reptilien
ähnlich. Doch scheinen im Einzelnen, selbst für die grösseren Stämme
manche Abweichungen zu bestehen. Sehr frühzeitig bildet sich die
von den Nieren und den Keimdrüsen das Blut sammelnde untere Hohl-
vene (Fig. 348. ci) aus, welche mit den vereinigten Dmbilicalvenen
61»
Wirbelthien.
Fig. H8.
xusaminealritt, und aa/db dem Schwinden dw rechlen UmbJKralvflne
die linke aufoimmt. Hit dem Ende des Hohl veaeDstsmmes (Fig. 318.
ci] verbinden sidi nach Aufk)sun(;,der Cardinalvenen (c] die Venen des
Bediens {ht/) und der hinleren Exti-emiuit [t'/j, und ebenso die Cae-
dalvene. Zur Zeil, da die Umbilicalvene den grflssten VenensUBMn
voi-stellt, erscfaeint die Cava inferior nur wie ein Zwei); desselben. An
der EinlrUlsslelle der Umbilicalvene in die' Leber Ul-
den sich Aeste in lelzteres Organ, wUhrend gteicfc-
zeitig ilhnliche Zweige aus der Leber in die Vereioi-
gungsslelle der ümbtlicalveDe mit der Cava inferior
treten; letztere stellen die Lebervenen vor. Dadurcb
wird der ITorladerlL reislauf in der Leber augebahnt,
und indem das aus der Umbilicalvene dem Henau
lugefahrte Blut den Umweg durch die Leber macbl,
bildet sich das zwischen ein- und ausführenden Ve-
nen li^ende StUck der Umbilicalvene zarllck, um
den Ductus venosus Aranlü vorxustellen. Das
die Hesenleriutvenen aufnehmende StUck der Vena
ompbato-mesenterica wird dabei zum Stamme der
PforUider, während die von der Umbilicalvene in die
Leber gebildeten Aeste nach Oblilerirung des DucUis
Aranlü die Aesle der Pforlader vorslelleo. S* wird
die untere Hohlvene lum hinteren äauplslMnme , in
welchen die Venen des Beckens, der hinteren Extre-
mitiHen, der Nieren und der Gescblechisorgane einmünden, iodess die
Venen des Darmcanais und der Mili die Pfortoder bilden.
§ 439.
Die VerUieilung der BlulgefUsse im Kitrper geschieht in der Regel
unter allmählicher Verilsletung der einzelnen Stamme, bis dann aus
den feinsten Verzweigungen der Arterien und Venen das System der
Capiliaren hervorgeht, beiderlei Blutge^sse mit einander verbindend.
Abgesehen von den eigenthumliclien Einrichtungen, wie sie die Schwelt-
kOrper und andere erectile Organe besitzen, oder wie sie in den von
knöchernen Wandungen umschlossenen, oft mehr lacnnSren BhArJisneo
bestehen, herrscht im Biutge^ssapparale vieler Organe betttglich der
VerUieiluag der Gefüsse eine vom gewahnli<Aen Verhalten etwas ab-
weichende Weise. Eine Vene oder Arterie tlieiK sich nXmlieh pUHx-
iich in ein Büschel feiner Aeste, die mit oder ohne Anastomosen sich
Fig. HS. Schemtder Hauptslfimin« des VeoernysleBis des nirMifhin
(vergl. damit Fig. SIS), ci Vena cava superior. s Vena subclavia, j« Jitgaluis
«tterna. ji Jugulnris inlerna. ai Vena azygos [rechle hinlere VertebraWenc}.
hl Vena heniazygn^. c Andeulurg der Cardinal vtiiM'ii. ci Veiw cava Inferior.
A Veoae hepaticae. r Venae renales. ■'( Vena illaca. Iiy Vena hypo«astrica.
Lym^geflii(88yittem. 655
entweder io das Gapiilarsystein verlieren, oder sieh bald wieder in
einen Stamm sammeln. Eine solche Gefassvertbeitung bezeichnet man
seit langem als Wundernetz, Rele mirabile. Ihre Bedeutung liegt
offenbar in einer Verlangsamung des Blutsti'oms und Vergrüsserung der
Oberfläche der Gefössbahn, woraus eine Veründening sowohl in den
Druck*- wie in den DifiFusionsverhSlltnissen der ernährenden Fldssigkeit
resultiren mus*s. Geht aus einer solchen Auflösung eine^ Gefasses
wieder ein gleichartiger Gefässstamm hervor, so nennt man das Wun-
dernetz bipolar oder amphicentrisch , bleibt das Getessnetz aufge-
löst, so wird die Bildung als diseases, unipolares oder monocentrisches
Wundernetz bezeichnet. Bald sind nur Arterien oder nur Venen (Rele
mirabile Simplex), bald beiderlei Gefüsse unter einander gemischt (Bete
mirabile geminum seu conjugatum) an dieser Bildung betheiligU
Solche Wundernetze flnden sich als arlerieile in der Pseudobranchie,
in der GhorioYdea des Auges der Fische, dann sehr manhichfaltig an
der Schwimmblase. Bei Vögeln und Säugethieren kommen Wonder-
netze im Bereiche der Carotiden und ihrer Zweige nicht selten vor.
Sehr verbreitet sind sie an den Gliedmaassen der Sflogethiere (Mono-
tremen, Edentaten) . Auch im Bereiche der Eingeweidearierien kommen
Wundernetze sowohl an Arterien oder an Venen vor, so bildet beim
Schwein die Art. mesenterica ein arterielles Wundemetz. Allgemein
verbreitet sind arterielle Wundernetze an den Endzweigen der Nieren-
arterien, wo sie die MiLpiGni'schen Glomeruli bilden, aus denen be-
kanntlich wieder eine Arterie zur Capitlarvertheilung auf den Ham-
canälchen hervorgeht.
Lymphgefäss System.
§ 440.
Das Vorkommen eines mit dem Blutgefässsystem verbundenen Ga-
naJsystems, in welchem die auf dem capillaren Abschnitte des ersleren
ausgetretene ernährende Flüssigkeit nach DurchtrSnkung der Gewebe
aU Lymphe wieder in den Blutstrom ttbergefttbri wird, bildet eine
besondere Einrichtung des Wirbelthierorganismus. Sie scheint mit
weiteren Ausbildungen des Körpers verknttpft zu sein, da sie bei
Amphioxus fehlt, und ontogenetisch relativ erst spUt MrfcutreleB be-
ginnt, nachdem das Blutgefiissystem sowohl in seinem arteriellen als
venösen Abschnitte diOerenzirt und in Thfitigkeit ist. Eine besondere
Bedeutung hat der am Danncanale wurzelnde Abschnitt des Lymphge-
Citesystems, der das durch den Verdauungsprocess aus dem Ghymus
bereitete Erndhrungsmaterial als Ghylus atifnimmt und der Blutbafan
zufuhrt.
Ausser der RUckleitung der Lymphe kommt diesem Canalsysteme
noch eine andere, seine anatomischen Verhältnisse complicirende Ver-
richtung zu. In seinen Bahnen sind nflmlich die Keimstatten der Porm^
656 Wirbellhiere.
element« der LymphflUssigkeil, der Lymphze)len, eingebettet, die dem
ßlute zugeruhrt allmäblicli in die Formbestandlbeile des- letzteren sich
umwandeln.
Dieses Lymphgefassystcm bietet in den unteren Abtheilungen der
Wirbellhiere wenig Seibst^lndiglteit dar, indem seine Bahn zum grossen
Theile aus weiten, andere Organe, vorzüglich Arterien umgebenden
Räumen voi^estellt wit-d. Die bindegewebige
Fig. tm. Arlerienscheidc umscbliesst zugleich die Lymph-
babn. Auch Venen können von weiten Lymph-
geßssen umgeben sein; so liegt z. B. die Ab-
dominalvene von Salamandra in ein Lymphgefäss
eingeschlossen (Lktdig] .
Ausser den Bluigefitsse begleitenden Lymph-
wegen findeti sich schon in den unteren Abihei-
lungen solche mit selbständigerem Verlaufe, wie
in der Haut oder auch an Abschnitten des Darms
und anderen' Eingeweiden. Peripherisch bilden
die Lympbge^sse durch zahlreiche Anastomosen
Gapillametze oder diese reprSsentirende Baume.
Darausgehen allmählich weitere Baume, entweder
Canäle, oder unregelmSssig abgegrenzte Sinusse
hervor, an deren Stelle erst bei den httheren Ab-
theilungen in ihrem Baue mit den Venen verwandte Gef^sse treten.
Wahrend die Lymphbahn von den niederen zu den höheren Wir-
bcllhieren im Allgemeinen eine allmähliche DitTerenzirung aus dem La-
cunensystem der Wirbellosen ähnlichen Bäumen zu einem disliocl ge-
hauten Canalsysteme wahrnehmen lässt, derart dass die interstiUelle
Natur der Lympbwege mehr nur den peripherischen Abschnitten zu-
kommt : so erbalt sieb doch allgemein noch eine aus niederen Zustun-
den ableitbare Einrichtung in der Bedeutung der Leibesböble als eines
Lynlpfaraumes. Die Leibesböble der Wirbellhiere schliesst sich damit
naher an das Colom vieler Wirbelloser an. Bei der bei manchen
Fischen (StOr, Selachier) bestehenden Communication der Leibeshohle mit
der Pericardialhfihle, wird auch diese hierher gerechnet werden dürfen,
ebenso wie die Pleurahöhlen der Säugetbiere, die nur DiffereniiniDgen
des gemeinsamen Coloms sind.
§ U1.
Bei den Fischen erscheinen die HauplsUimme
Lymphsinussen. Solcher ßnden sich meist »
Pig. 119. Ein Stück der Aorta einer Schildkröte [Chelydn] von «inem weiten
Lymphraum umgeben, a Aorta, b Aenssere Wand des Lyinpbranroea , bei b' ist
dieselbe eniremt, so dass dax Blutgefäss Trei liegl. c Trabekel, welche vom Blnl-
gefliss ans lur Waod des Lymphraumes lieben. (Natürliche Grosse.)
^ Lympbgefilsssystem. 657
ein unpaarer unterhalb der Wirbelsäule. Der unpaare Stamm theilt
sich nach vorne in zwei Aeste. In diese Stdmme sammeln sich theils
kleinere Sinusse, theils engere CanSlle als Lympbgeßfsse. Die Verbin-
dung mit dem Venensyslem geschieht meist an zwei Stellen. Ein
Lymphsinus des Schadeis mUndet jederseits in die betreifende Jugu-
larvene ein, und am Schwänze verbinden sich zwei, Seitengefcisstamme
aufnehmende Sinusse durch eine am letzten Schwanzwirbel zusammen-
tretende Queranastomose mit der Caudalvene.
Neben einem sehr entwickelten subcutanen Lymphraumsystem,
weiches besonders bei den ungeschwSinzten Amphibien sich über
einen grossen Theil der Oberfläche verbreitet, bildet der subvertebrale
Lymphraum der Amphibien einen gleich ansehnlichen Abschnitt. In
ihn mttnden die Lymphgef^sse des Darmes (Ghylusgebsse), wie der
Ul>rigeh Eingeweide ein, sowie auch von den Extremitäten her Verbin-
dungen mit Lymphgefkssen bestehen. Beiden Reptilien treten unter
dem Fortbestehen mannichfacher, häufig auch subcutaner Lymphräume
engere Beziehungen zu den Arterien auf, die Lymphgefässe bilden bald
weite, die Arterien umgebende und von Balken durchzogene Rüume
(Fig. 319), bald stellen sie jene Blutbahnen begleitende Geflechte dar.
Letztere lassen sich von ersteren ableiten, indem durch stärkere Aus-
bildung jener Balken der Lymphraum in einzelne unter einander anasto-
mosirende Candle zerlegt wird. Der die Aorla umgebende Lymphraum
theilt sich bei den Crocodilen und Schildkri^ten in zwei die Venen der
Vorderextremita t umgebende Stämme, in welche vom Kopfe und Halse
wie von den Extremitäten Lymphgeftisse einmünden. Aehnlich ver-
halten sich die Lyrophstämme der Vögel, bei denen der vor der
Aorta verlaufende Hauptstamm (Ductus thoracicus), wie auch die klei-
neren Gefosse eine grössere Selbständigkeit hinsichtlich ihrer Beziehun-
gen zu den Arterien erreicht haben. Die Einmündung der Ductus
thoracic! geschieht wie bei den Reptilien in die oberen Hohlvenen
(Venae brachiocephalicae) . Eine zweite Verbindung findet sich am An-
fange des Schwanzes, worin Amphibien und Reptilien übereinkom-
men. Das betreffende Venengebiei gehört den Venae ischiadicac oder
den zuführenden Nierenvenen an.
Bei den Säugethieren sind die Lympbgeßisse hinsichtlich ihrer
Wand noch bedeutender differenzirt, obgleich auch hier die Arterien-
scheide für Theile des Lymphstroms häufig die Bahnen abgrenzt. Sie
bilden auf ihrem sonst meist die Blutgefässe begleitenden Verlaufe viel-
fache Anastomosen, und sind, wie jene der Vögel, durch Klappen aus-
gezeichnet. Sowohl die Lymphgefässe der hinteren Extremitäten, afe
die Ghylusgefässe vereinigen sich noch in der Bauchhöhle in einen
selten paarigen Hauptstamm, dessen Anfang häufig eine bedeutende
Erweiterung (Cisterna chyli) auszeichnet. Daraus setzt sich ein in den
Anfang der linken Vena brachiocephalica einmündender Ductus thora-
cicus fort, und in dieselbe Vene münden beiderseitig die Stämme der
0«geiibaiir, Orandriss. 42
<Q58 Wirbeltbiere.
Lympbgefässe vorderer Körperlbeile (des Kopfes und der Vorderexire—
mitätj uud der Brustwand.
In der Nähe der Einmündung in Venen zeigen die Lymphgefilss-
«tHmme meist beträchtliche Erweiterungen, deren Wand durch einen
Muskelbekg ausges&eichnet ist, und rythmische Gon-
Fg. 820. tractionen ausführt. Man bezeichnet derartige Ein-
richtungen als Lymphherzen. Sie sind in verein-
zelten Fällen am Caudalsinus von Fischen beobachtet,
genauer dagegen bei Amphibien (Fröschen) und Rep-
tilien (Schildkröten) bekannt; bei ersteren sowohl an
den vorderen als an den hinteren Einmündestellen
vorhanden, indess bei urodelen Amphibien wie bei
Reptilien nur hintere Lymphberzen nachgewiesen sind.
Diese letzteren kommen unter den Vägeln nur noch
den Ratiten (Strauss, Casuar), und einigen Schwimm-
vögeln zu , indess sie 'l>ei Anderen ihren Mu^elbel^
verloren haben und einfache blasenförmige Erweiterungen vorstellen.
Bei den Säugethieren endlich scheinen derartige Gebilde nicht mehr
zur Entwickelung zu kommen.
§ 442.
Was die Lymphzellen erzeugenden Apparate betrifft, so finden sich
hiefür einfache Formen bei Fischen vor, wo im Verlaufe einzelner Lympb-
gefässe Stellen bestehen, an denen eine Zellenproduction in den Maschen
eines netzförmig angeordneten bindegewebigen Balkenwerkes vor sich
geht. Bei bedeutenderer Entwickelung dieser Einrichtung werden par-
tielle Anschwellungen gebildet, die wegen der Beziehungen der Lympfa-
gefüsse zu den Arterien, diese begleiten. Selbst bei den höheren
Wirbeilbieren besteht dieses Verhalten, wenn auch bei der grösseren
Selbständigkeit der Lympbgefässe die Arterienscheiden nicht mehr be-
ständig die Bildungsstätten sind. Vorzüglich ist es die Schleimhaut des
gesammten Darmcanals, deren Lympbgefässe mit solchen zellenerzea-
genden Stellen in Verbindung sind, die dann kleine foliikelartige An-
schwellungen herstellen. Sie* finden sich zerstreut oder in verschie-
denen Combinationen gruppirt, uud werden als »geschlossene DrUsen-
folUkek bezeichnet. Am Anfange der Darmwand bilden Gruppen solcher
Gebilde die bereits oben (S. 582} erwähnten Tonsillen, und auf ein-
zelnen Stellen der Schleimhaut des Milteldarms dichter bei einander
stehend, bilden sie die sogenannten »PETER'schen Drüsen«, die be-
reits bei Reptilien vorkommen, aber erst bei Säugethieren eine grössere
Verbreitung besitzen.
Die Vereinigung einer grösseren Anzahl solcher einzelnen Follikel
stellt grössere Gebilde, Lymphdrüsen, vor, die gleichfalls in die
Fig. 320. Caudalsinus a a. AnastomosircDder Querstamm b. Seitengefösse c
und Ursprung der Caudalvene d von Silurus glanis. (Nach HmTL.)
LymphgeAtsssystem. 659
Bahnen der Lymphe eingebettet' erscheinen, und ihr Vorkomoien an
den verschiedensten Körperstellion besitzen können. Bei Fischen, Am-
phibien und Reptilien werden die eigentlichen Lymphdrüsen noch ver-
misst. Auch den VOgeln scheinen sie nur in beschränkter Weise (am
Halse) zuzukommen, und' erst bei den Säugethieren treten sie allge-
meiner auf, sowohl an dem chylusfflhrenden Abschnitte des Lymph-
systems im Mesenterium, als auch im äbngen Körper verbreitet. Bei
einigen Säugethieren (z. B. Phoca, Canis, Delphinus) sind die Mesenterial-
drttsen zu einer einzigen Masse , dem sog. Pancreas Aselli vereinigt.
Zn den iymphzellenerzeu^nden Organen gehört auch die Milz,
die in ihrem feineren Baue von den Lymphdrüsen nur dadurch ver-
schieden ist, dass die in ihr gebildeten Lymphzellen direct iu die Blut-
bahn übertreten. Der letztere Abschnitt wird durch ein zwischen
ein- und austretende Gefösse eingeschaltetes feines Lacunensystem
hergestellt, welches den grössten Tbeil der sogenannten Milzpulpa bildet.
Mit Ausnahme von Amphioxus ist die Milz bei allen Wirbelthieren
vorhanden und lagert stets in der Nachbarschaft des Magens, meist zu-
nächst des Cardialsackes. Sie erscheint bald als ein längliches oder rund-
liches Organ von dunkelrother Farbe, zuweilen wie z. B. bei manchen Se-
lachiern in eine Anzahl von kleineren Läppchen zerfallen, von denen auch
sonst einzelne als Nebenmilzen mit dem grösseren Organe vorkommen.
§ 443.
Die allgemeine Verbreitung eines Organs, dessen Bau in einigen
Puncten an Lymphdrüsen erinnert, während seine Beziehungen zum
Lvmphgefässsystem noch völlig dunkel sind, gestattet für dasselbe kein
gänzliches Uebergehen, und so mag hier noch der Thymus gedacht
sein. Dieselbe erscheint als ein gleichfalls aus drüsenartigen Follikeln
zusammengesetztes Gebilde, welches in grössere und kleinere Lappen
getheilt ist und seine kleinsten Bläschen mit Zellen gefüllt erscheinen
lässt. Bei den Selachiern liegt das Organ auf den Kiemensäcken,
zwischen diesen und der Muskulatur des Rückens, und beim Stör und
manchen Teleosliern hält mbn ähnliche an der hinteren oberen Grenze
der Kiemenhöhle vorkommende Follikel für dasselbe Organ. Bei den
Amphibien trifft man die Thymus als ein kleines Knötchen hinter dem
Winkel des Unterkiefers. Aehnlich erscheint sie bei den Reptilien,
bei Schlangen und Schildkröten über dem Herzen an der Carotis ge-
lagert, und bei Grocodilen in Uebereinstimmung mit den Vögeln (Fig.
280. th) vom Herzbeutel bis zum Unterkiefer emporreichend. Der
unlere Abschnitt ist bei Säugethieren der entwickeltere, so dass sie
nur selten aus der Brusthöhle heraustritt. Bei allen ist sie in den
Jugendzuständen am beträchtlichsten entwickelt, erleidet dann Rück-
bildungen und nur bei Wenigen behält sie den früheren Umfang auch
im erwachsenen Zustande der Thiere bei (Pinnipedierj .
4J*
660 Wirbeltbiere.
§ iU.
Bis jetzt noch völlig räthselhaft ist ein unter den Wirbelthieren
gleichfalls verbreitetes Organ, welches in den höheren Abtheiiungen
jederseils vor der Niere lagert und daher als Nebenniere (Glandula
suprarenalts) bezeichnet ward. Bei den Anamnia sind diese Gebilde
durch die Umhüllung sympatBischer Ganglien mittels einer aus zellen-
haltigen Schläuchen zusammengesetzten Corticalschichte vertreten , und
als gelbliche oder weissliche Körper über eine grössere Strecke ver-
theilt, indess sie bei den Amnioten jederseits Eine Masse darstellen,
und in ihrer Marksubstanz gleichfalls noch Nervenelemente wahrnehmen
lassen. Bemerkensw^erth ist ihr relativ bedeutendes Volum während
der Fötalperiode bei Säugethieren. Die Bedeutung dieser Organe,
welche mit der Unterstellung derselben unter den anatomisch durchaus
unklaren und daher verwerflichen Begriff der sogenannten i>Blutgefiiss-
drüsena in [nichts gefördert wurde, dürfte daher in jeder Hinsicht
noch festzustellen sein.
Gorrigendum.
S. 577. statt Kiemenspallen der Aoamnia — Gaomen der Amniotea lies: Kie-
menspalten und Gaumen der Amnioten.
Umck TOD Breiticopf nnd Hfcrtel in L«ipxig.
A/'