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Full text of "Grundriss der vergleichenden Anatomie"

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60001S226N 


E.HIHI..  KADCL 


Uä*    i. 


GRUNDRISS 


DER 


VERGLEICHENDEN  ANATOMIE 


VON 


CARL  GEGENBAUR, 

o.  ö.  rmormmtm  dkk  axatomir  umo  dijie<*t«»s  dkb  axatumihohkn  amstalt 

Zt'   mclOBLBKRO. 


MIT  320  HOLZSCHNITTEN. 


LEIPZIG, 

VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN. 

1874. 


Das  Recht  der  Ueborsetzang  in  fremde  SpracheD  behalten  sich 

Verfasser  und  Verleger  \or. 


VORWORT. 


Als  mir  vor  längerer  Zeit  AnlasH  ward  die  Herausgabe  einer 
dritten  Auflage  meiner  Grundzttge  der  vergleichenden  Anatomie  in 
Erwägung  zu  nehmen,  konnte  ich  mir  nicht  verhehlen  dass  die 
Anlage  jenes  Buches,  wio  sie  sowohl  in  ausführlicheren  Darstellungen 
als  auch  in  einem  Eingehen  auf  Literaturangaben  sich  aussprach, 
bei  einer  neuen  Auflage  einen  viel  bedeutenderen  Umfang  erfordern 
würde.  Ein  in  dieser  Richtung  bearbeitetes  Werk  würde  aber  vom 
Zwecke  der  ersten  Einführung  in  das  'Studium  der  vergleichenden 
Anatomie  sich  sehr  weit  entfernt  haben.  Daher  entschloss  ich  mich 
zu  einer  kürzer  gefassten  Umarbeitung,  die  hiermit  als  »Grün driss 
der  vergleichenden  Anatomie«  vorliegt.  Leider  fand  die  schon 
länger  abgeschlossene  Arbeit  in  ihrer  Drucklegung  durch  meine 
Uebersiedelung  nach  Heidelberg  manche  unliebe  Verzögerung. 

Indem  ich  in  diesem  Grundriss  alle  speciellen  Bezugnahmen  auf 
die  Literatur,  sowie  die  Berücksichtigung  zahlreicher  Detailverhält- 
nisse  fem  hielt  und  mich  m«hr  aufs  Uebersichtliche  beschränkte,  war 
es  möglich  eine  compendiösere  Form  zu  finden,  und  dabei  das 
Hauptgewicht  auf  die  fundamentalen  Erscheinungen  und  deren  Zu- 
sammenhänge legend,  dem  die  manichfaltigen  Organisationsbefunde 
verknüpfenden  Faden  nachzugehen.  Liegen  doch  gerade  da  die 
bedeutendsten  Aufgaben  der  vergleichenden  Anatomie,  die,  je  weniger 
sie  von  den  meisten  gewürdigt  werden  um  so  dringender  immer 
wieder  hervorgehoben  werden  müssen. 


IV  Vorwort. 

In  der  äusseren  Anordnung  des  Stoffes  bin  ich  den  Grundzügen 
treu  geblieben,  jedoch  mit  manchen  Aenderungen  in  der  Eintheilung 
der  Organe,  für  welche  das  für  die  wissenschaftliche  Anatomief  allein 
gültige  morphologische  Princip  die  Richtschnur  abgab.  Dass  der 
etwas  schwerfällige  Apparat  der  Koten  wegblieb,  bedarf  mit  Hinblick 
auf  den  Zweck  des  Buches  keiner  besonderen  Rechtfertigung.  Die 
Aufiiahme  kurzer  systematischer  Uebersichten  der  Thierstämme  und 
ihrer  Gliederung,  schien  mir  dagegen  zu  einer  ersten  Orientirung, 
die  allein  damit  beabsichtigt  ward,  unerlässlich. 

An  die  Stelle  der  GrundzUge  zu  treten  ist  ein  »Lehrbuch« 
bestimmt,  welches,  auf  zwei  Bände  berechnet,  bereits  in  der  Vor- 
bereitung begriffen  ist.  Möge  mir  die  im  stillen  und  doch  geistig 
so  regen,  Jena  während  langer  Jahre  stets  reichlich  zu  theilgewordene 
Arbeitsfreude  auch  hier  nicht  fehlen  und  zur  Förderung  jenes  Unter- 
nehmens wirksam  sein. 

Heidelberg,  im  November  1873. 

C.  Gegenbaur. 


INHALTSVERZEICHNISS. 


Patragrapb.  Seit«. 

< — 9.    Einleitung < 

Allgemeiner  Theil. 

Bau  des  Thierleibes 48 

40.          Von  den  Organen 4  3 

Elenientarorgane  (Piastiden) 48 

41  —  48.              Von  der  Zelle 44 

44 — 45.             Von  den  Geweben 48 

46—47.                   Epitbelien 49 

48 — 14.                   Bindesubstanzen 82 

22.                       Muskelgewebe 26 

28.                      Nervengewebe 28 

24 — 86.      Organe  böberer  Ordnung 29 

84'                Integument 88 

82.                   Skelet 38 

83—84.              Muskeln    . .  ' 39 

95 — 86.              Nervensystem 44 

37—89.              Sinnesorgane 48 

•    40.                 Respiratorische  Organe  des  Integumentes 46 

44.                 Excretionsorgane 47 

42.  Darmcanal 48 

43.  Respiratorische  Organe  des  Darmes 50 

44.  Fortpflanzungsorgane 54 

45—46.              Gefösssystem 58 

47.  Ausbildung  der  Organe 55 

48.  Rückbildung 56 

49.  Correiation 57 

50 — 54.  Systematische  Gliederung  des  Thierreiches 58 

5t — 54.      Vergleichung  der  Organe 62 

35.          Literatur 65 

Specieller  Theil. 

Erster  Abschnitt.  Protozoon. 

56.  Allgemeine  Debersicht <^9 

57.  Integument 74 

60—62           Stützorgane 75 

63 — 64.          Ernährungsorgane 78 

65 — 66.          Fortpflanzungsorgane 8* 


VI  Inhaltsverzeichniss. 

raragrtph.  Seite. 

Zweiter  Abschnitt.   Cölenteraten  (Zoophyten). 

67.        Allgemeine  Uebersicht 85 

68—74.         Körperform 87 

75.  Gliedmaassen 98 

76.  Integument 400 

77—78.        Skelet «02 

79.  Muskelsystem 4  05 

80,  Nervensystem 4  06 

84.  Sinnesorgane 4  07 

8i— 89.        Darmcanal «08 

90—98.       'Geschlechtsorgane 44  7 

Dritter  Abschnitt.   Wlirmer. 

94.        Allgemeine  Uebersicht .4  22 

95—99.         Körperform 426 

100—404.      Gliedmaassen 433 

402.  Aeussere  Kiemen 4  36 

403.  Integument «38 

407.  Skelet 4  44 

408—409.       Muskelsystem      444 

440.  Nervensystem 4  47 

4  47.  Sinnesorgane 455 

Tastorgane 155 

449—420.  Sehorgane 457 

424.  Hörorgane 459 

422—428.       Darmcanal 460 

429.  Anhangsorgane  des  Darmes 4  69 

431,  Kiemenhöhle 171 

413—486.       Excretionsorgane 174 

487  —  447.       Geschlechtsorgane 481 

♦*8 — 454.       Leibeshöhle  und  Gefässsystem 195 

Vierter  Abschnitt.  Echinodermen. 

456.       Allgemeine  Uebersicht 205 

4*6 — 459.       Körperform 207 

460.  Gliedmaassen 212 

1#4 — 465.       Integument  und  Hautskelet 24  3 

466.  Muskelsystem 22d 

467,  Nervensystem 221 

168.  Sinnesorgane 223 

469.  Excretionsorgane 2<3 

470.  Darmcanal 224 

473.  Anhangsorgane  des  Darmcanals 228 

♦14 — 475.       Geschlechtsorgane 229 

476.  Leibeshöhle 232 

4  77.  Gefässsystem 233 

178—79.       Wassergefösse 234 

Fünfter  Abschnitt.  Arthropoden. 

480.       Allgemeine  Uebersicht 240 

484.  Körperform 247 

182—483.       Gliedmaassen 250 

4»4— 485.  Fusskiemen 254 

485—488.       Gliedmaassen  der  Trachcalen 257 

189—494.       Integument 260 

492.  Muskelsjstem ;  ....  28» 

193.  Nervensystem 264 


Iiib«ltov«n«iGKBiM. 


vn 


498. 

198. 

499. 
201—202. 

SOS. 
204—207. 

208. 

209. 

210. 
211—224. 

222. 
223—225. 
226—230. 


234. 
2.T2-236. 
2:i7— 238. 
239—240. 
241—242. 
243—245. 

246. 

247. 
24  8—254. 
232—254. 

255. 

255. 
2.";6— 237. 

258. 
4  39—264. 
i62— 266. 

267. 

268. 

268. 
269—274. 

275. 
276—280. 


284. 

282. 
283—284. 
283 — 286. 
287—289. 

290. 
293—294. 
295—304. 
302—805. 

806. 

807. 

808. 
309—322. 
323—326. 

827. 
328^334. 
332—385. 

386. 
337-*889. 

840. 

344. 
842^347. 


Seit«. 

Sionesorgaoe 273 

Tastorgane 273 

Hörorgane 274 

Sehorgane 276 

Excretionsorgane :  2Kf 

Damicaoal 282 

Anhangaorgane  des  Vorderdarmea 289 

•  »    llitteldarmea 290 

•  •    Enddarmes 204 

Gescblechtoorgane 293 

Leibeshöhle.    Fettkörper 309 

Tracheen 34  4 

Gefäsj^svstem      ' 345 

Sechster  Abschnitt.    Molla^keD. 

Allgemeine  Ueberaichl 823 

Körperform 326 

Gliedmaasson 336 

Integument 338 

Schalenbildungen 344 

Kiemen 346 

Inneres  Skelet  ^ 3^^ 

Muskelsyatcm 353 

NervenA\ Stern.  Cenlralorgane  und  Körpcrnerveo 355 

Eingeweidenerven 360 

Sinnesorgane 865 

Tnst-  und  Riechorganc 365 

Sehorgane 366 

Hörorgane 370 

Excretionsorgane 873 

Darmcanal 377 

Anliäng.sorgane  des  Vorderdarmes 883 

»               »    Mitteldarmes 384 

»                »    Enddarmes 387 

Geschlechtsorgane 387 

Uibeshöhle .397 

Geßl.sss\stem 398 

Siebenter  Abschnitt.   WirbeltMer«. 

Allgemeine  Uebersicht 407 

Körperform 44  4 

GHedmaassen 445 

Integument     449 

Epidermoidalgebilde 424 

Hautskelet 426 

Inneres  Skelet 430 

Wirbelsttule 432 

Rippen 444 

Stemum 449 

Episternam  . 488 

Kopfskelet 488 

Schädel 456 

Visceralskelet 482 

Skelet  der  unpaaren  GHedmaassen« *   *   .   .  488 

a       »    paarigen  Gliedmaassen,   Brustgürtel  «    4   *   .  *  •   «   «489 

Vordere  Extremitttt 498 

BeckengUrtel 802 

Hintere  ExtremitHt 805 

Huskelsystem     510 

Hautmoskeln 5H 

Muskulatur  des  Skeletes 512 


Vin  Inbaltsverzeichniss. 

ParAgntph.  Seite. 

848.  Elektrische  Organe 520 

849.  Nervensystem 522 

351—358.  A.  Centralorgane  des  Nervensystems 525 

a.  Gehirn 525 

354.  b.  Rückenmark 582 

855.  Hüllen  des  Centralnervensystems 534 

856.  B.  Peripherisches  Nervensystem     .  ^ 555 

357.  a.  Rückenmarksnerven 556 

858.  b.  Himner>'en 557 

864.  c.  Eingeweidenervensystem 545 

865 — 366.       Sinnesorgane 545 

867.  Riechorgane 548 

868  —  370.  Sehorgane 550 

374.  Hörorgane 557 

877 — 380.       Gxcretionsorgane 564 

384.  Darmcanal .570 

882.  Respiratorische  Vorkammer  (Kopfdarm) 571 

383 — 386.  Kiemen  der  Anamnia 572 

487.  Kiemenspalten  der  Amniota 577 

388—389.  Nasenhöhle 578 

890.  Mundhöhle 581 

891—395.  Organe  der  Mundhöhle 582 

896.  Eigentlicher  Darmcanal  (Rumpfdarm) 589 

897—899.  Vorderdarm 591 

400-401.  Mitteldarm 595 

402.  Enddarm 597 

408—403.  Anhangsorgane  des  Mitteldarmes 599 

406.  Pneumatische  Nebenhöhlen 602 

407.  a.  Schwimmblase 603 

408—410.  b.  Lungen 605 

411—422.      Geschlechtsorgane 640 

428.  Leibeshöhle 628 

424—425.       Gefässsystem  . .629 

426 — 433.  Herz  und  Arteriensystem '  .  684 

484.  Venensystem 646 

440 — 442.  Lymphgefässsystem .    •   655 

443.  Thymus 659 

444.  Nebeanieren 660 


Einleitong. 


Bagrlff  und  Aatgab«  der  vwrgleielMndan  Anatomi«. 

Das  Gebiet  der  Wissenschaft,  welche  die  organische  Natur  sum 
Gegenstande  ihrer  Untersuchungen  hat,  zerteilt  nach  den  beiden  orga- 
nischen Naturreichen  in  zwei  grosse  Abtheilungen,  in  Botanik  und  in 
Zoologie.  Beide  Disciplinen  bilden  die  Bestandtheile  einer  Biologie, 
und  sind  insofern  enge  mit  einander  verbunden,  als  die  Erscheinungen 
im  Thier-  wie  im  Pflanzenreiche  auf  gleichen  Grundgesetzen  beruhen, 
und  Thier  und  Pflanze  bei  aller  Verschiedenheit  der  speciolleren  Ein- 
richtungen gemeinsame  Anfänge  besitzen  und  im  Haushalte  der  Natur 
in  innigen  Wechselwirkungen  stehen.  Innerhalb  der  beiden  genannten 
Disciplinen  sind  roebrüache  Arten  der  Forschung  möglich,  aus  denen 
neue  Disciplinen  hervorgehen. 

Indem  wir  das  Gebiet  der  Botanik  zur  Seite  lassen,  wollen  wir 
jenes  der  Zoologie  in  seine  ferneren  Gliederungen  verfolgen.  Die 
Erforschung  der  Leistungen  des  Thierleibes  oder  seiner  Theile,  die 
ZarOckfUhrung  dieser  Functionen  nuf  elementare  Vorgänge  und  die  Er- 
klärung derselben  aus  allgemeinen  Gesetzen  ist  die  Aufgabe  der  Phy- 
siologie. Die  Erforschung  der  materiellen  Substrate  jener  Leistungen, 
also  der  Formerscheinungen  des  Körpers  und  seiner  Theile,  sowie  die 
Erklärung  derselben  bildet  die  Aufgabe  der  Morphologie.  Physio- 
logie und  Morphologie  besitzen  somit  verschiedene  Aufgaben,  wie  auch 
ihre  Methoden  verschieden  sind;  für  beide  aber  ist  es  nöthig,  selbst 
auf  getrennten  Wegen,  sowohl  einander  als  auch  das  gemeinsame  End- 
ziel im  Auge  zu  behalten,  welches  in  der  Biologie  gegeben  ist. 

Die  Morphologie  gliedert  sich  wieder  in  Anatomie  und  Ent- 
wickelnngsgesohichte.  Wie  erstere  den  vollendeten  Organismus 
zum  Untersuchungsobjecte  hat,  so  besitzt  letztere  den  werdenden  Or- 
ganismus zum  Gegenstände  der  Forschung. 


2  Einleitung. 

Die  Anatomie  selbst  kann  in  eine  allgemeine  und  specielle  getbeilt 
werden.  Die  allgemeine  Anatomie  beschäftigt  sich  mit  den  Grund- 
formen der  thierischen  Organismen  (Promorphologie  Hill],  und  den  aus 
jenen  hervorgehenden  Formerscheinungen.  Die  specielle  Aüatomie 
nimmt  die  organologische  Zusammensetzung  des  Thierleibes  zum  Gegen- 
Stande.  Einen  ihrer  Zweige  bildet  die  Histiologie,  Gewebelehre,  als 
Lehre  von  den  Elementaroi*ganen  des  thierischen  Körpers. 

Die  Entwickelungsgeschichte  erläutert  aus  dem  Verfolge  des 
allmiihlichen  Werdens  des  Organismus  die  Gomplicationen  der  äusseren 
und  inneren  Organisation,  indem  sie  dieselbe  von  einfacheren  Zustanden 
ableitet.  Die  Veränderungen  der  Organisation  können  aber  sowohl  im 
Entwickelungsieben  des  Individuums  als  in  der  Reihenfolge  der  Organis- 
men verfolgt  werden.  Auf  ersteres  erstreckt  sich  die  gewöhnlich  als 
Entwickelungsgeschichte  (Embryologie,  Ontogenie  Hkl)  bezeichnete  Dis- 
ciplin,  wifhrend  letzleres  als  Aufgabe  der  Palaeontologie  zufällt,  die 
dadurch  zur  Phylogenie  (Hkl)  wird.  Sie  ist  die  Entwickelungs- 
geschichte der  Organismenreihen  in  ihrer  geologischen  Aufeinanderfolge. 

§  2. 

Indem  das  Feld  der  Anatomie  in  der  Erforschung  und  Erklärung 
des  in  der  Entwickelung  abgeschlossenen  Baues  des  Thierleibes  gegeben 
ist,  so  ergeben  sich  je  nach  den  die  Untersuchung  leitenden  Gesicbts- 
puncten  wieder  verschiedene  Abstufungen.  Ist  die  Zusammensetzung 
des  Körpers  an  sich,  die  Gestaltung  und  das  gegenseitige  Verbalten  der 
einzelnen  Organe  zur  Aufgabe  genommen,  so  verhttit  sich  die  Anatomie 
nur  beschreibend,  indem  sie  die  Befunde  der  Untersuchung  schil- 
dert, ohne  aus  denselben  weitere  Schlüsse  zu  ziehen.  Die  anatomische 
Thatsache  ist  Zweck  der  Untersuchung,  die  Anatomie  verhält  sich  rein 
empirisch.  Durch  die  Beziehung  zur  Heilkunst,  somit  aus  praktischem 
Bedürfnisse,  hat  sich  die  beschreibende  Anatomie  für  den  menschlichen 
Organismus  hinsichtlich  des  Umfanges  von  Einzelerfahrungen  zu  einem 
besonderen  Zweige  entwickelt,  der  als  »Anthropotomie«  der  gleich- 
falls beschreibenden  »Zootomiet  sich  an  die  Seite  stellt.  Beide  sind 
nur  durch  das  Object,  nicht  durch  die  Behandlung  desselben  verschieden, 
beide  verhalten  sich  analytisch.  In  demselben  Maasse  als  beide  sich 
enthalten,  aus  ihren  Einzelerfahrungen  Schlüsse  zu  ziehen,  und  diese 
zu  Abstractionen  zu  verwerthen,  entbehren  sie  des  Charakters  einer 
Wissenschaft,  da  der  letztere  weder  durch  den  blossen  Umfang  der  Er«- 
fahrunf;en,    noch   durch   die  Complicalion  des  Weges,    auf  dem  solche 


Binleiloiig.  3 

gewonnen  werden,  bedingt  wird.  GUnzlich  unlei^eorilnet  für  die  Beur- 
thcitang  der  wissentcharUicben  Bfdeniang  änd  daher  die  äuneren 
HiUmiittei  der  UnlerBuohung ,  die  nur  beettgliob  des  Auffindens  oder 
der  Feetotdlong  von  Thalsacben  in  Beirachl  kommen  ktenen.  Je  mehr 
die  robesle  Empirie  —  welche  durch  den  Gebrauch  der  subtHslen  Insini* 
menle  nicbi  ausgeaofaloaien  wird  —  sich  als  Wissenschafi  darxuslellen 
versuchl,  desto  nothwendiger  wird  es  jenen  Geg^nsats  hervorsuheben. 
Anders  gestaltet  sich  die  Anatomie,  sobald  ihr  die  Renniniss  von 
Thateachen  nnr  MiUcI  ist,  die  aus  einer  Summe  solcher  Kenntnisse  er- 
sddossene  Brkenntniss  dagegen  der  Zweck,  Indem  sie  die  Thatsachen 
der  Eintelerseheinungen  unter  einander  vergleicht,  leitet  sie  daraus 
WMsenschaiUiche  Erfahrungen  ab,  und  gestallet  das  auf  dem  Wege  der 
Induction  Gefeigerte  tu  deductiven  SchlUssen.  Sie  wird  dadurch  sur 
vergleichenden  Anatomie.  Ihr  Verfahren  ist  synthetisch«  Die 
Analysen  der  beschreibenden  Anatomie  (Anthropotomie  wie  Zootomie) 
Uefero  ihr  die  Grundlage,  sie  schliessen  sich  also  nicht  nur  nicht  von 
der  vergleichenden  Anatomie  aus,  sondern  wenlen  recht  eigentlich  von 
ihr  urobsst  und  wissenschaftlich  durchdrungen.  Je  sorgfilltiger  die  Sich- 
tung der  Thatsachen,  um  so  sicherer  wird  der  Boden  für  die  Ver- 
gleiGhang^  Die  Empirie  ist  somit  die  erste  Voraussetzung,  wie  die 
Abstraction  die  aweite  ist  Wie  die  letttere  ohne  die  empirische  Vor- 
aussetsung  grundlos  ist,  so  ist  die  Empirie  an  sich  vom  Wissenschaft- 
liehen  Gesichtspuncte  aus  nur  eine  Vorstufe  sur  Erkenntniss. 

§  3. 

Die  Aufgabe  der  vergleichenden  Anatomie  liegt  in  der 
Bitterung  der  Formerscbeinungen  in  der  Organisation  des  Thierleibee. 
Die  sor  Lteung  dieser  Aufgabe  dienende  Methode  ist  die  Veiigleichung. 
Sie  ist  der  Weg  den  die  wissenschaftliche  Untersuchung  su  geben  hat, 
und  der  gekannt  sein  muss,  wenn  nicht  planloses  Umherirren  die  Folge 
sein  soll.  Die  vergleichende  Methode  sucht  in  Reihen  von  Orga-» 
nismen  die  morphologischen  Befunde  der  Organe  des  Körpers  su  prüfen, 
sielli  als  Ergebnias  die  gleichartigen  Verhaltnisse  susammen  und  sondert 
die  ungleichartigen  davon  ab.  Dabei  berücksicbtigt  sie  Alles,  was  beim 
anatomischen  Befund  überhaupt  in  Betracht  kommt :  Lagerung  su  andern 
Kttrpertbeilen,  Zahl,  Umfang,  Structur  und  Textur.  Sie  erhalt  dadurch 
für  die  einzelnen  Organe  Reihen  von  Formsustttnden ,  in  denen  die 
Extreme  bis  sur  Unkenntlichkeit  von  einander  verschieden  sein  können, 
aber  untereinander  durch  sahlreiche  Mittelstufen  verknüpft  worden. 


4  Einleitung. 

Aus  den  niannichfachen  Formenreihen  eines  und  desselben  Oiiganes 
ergibt  sich  erstlich:  dass  der  physiologische  Werth  in  den  verschiedenen 
ZusUinden  des  Organes  keineswegs  derselbe  ist,  dass  ein  Organ  unter 
blosser  Modification  seines  anatomischen  Verhaltens,  sehr  verschiedenen 
Leistungen  vorstehen  kann.  Die  ausschliessliche  Berücksichtigung  seiner 
physiologischen  Leistungen  wird  daher  die  in  morphologischer  Beziehung 
zusammengehörigen  Organe  in  verschiedene  Kategorien  bringen.  Dar- 
aus rcsultirt  die  untergeordnetere  Beziehung  der  Leistung  der  Organe, 
bei  vergleichend-anatomischer  Untersuchung.  Der  physiologische  Werth 
kann  erst  in  zweiter  Reihe  in  Betracht  kommen,  wenn  es  sich 
darum  handelt,  für  die  Modification,  welche  ein  Organ  im  Zusammen- 
halt mit  einem  anderen  Zustande  desselben  erlitten,  Beziehungen  zum 
Gesammtorganismus  herzustellen.  Auf  diese  Weise  liefert  die  ver- 
gleichende Anatomie  den  Nachweis  für  den  Zusammenhang  ganzer 
Organreihen,  und  innerhalb  dieser  Reihen  treffen  wir  Veränderungen, 
die  bald  nur  im  Kleinen  sich  halten,  bald  in  grösserer  Ausdehnung  sich 
darstellen ;  sie  betreffen  den  Umfang,  die  Zahl,  die  Gestalt  und  auch  die 
Textur  der  Theile  eines  Organes,  und  können  sogar  zu  Aenderungen 
der  Lagcrungsbeziehungen  führen.  Der  Ueberblick  über  eine  solche 
Reihe  lehrt  also  einen  Vorgang  kennen,  der  in  Veränderungen  eines 
und  desselben  Organs  bei  verschiedenen  Thieren  sich  ausdrückt. 

§  4- 

Das  Bestehen  eines  gewissen  Maasses  von  Gleichartigkeit  in  der 
Organisation  innerhalb  gewisser  grösserer  oder  kleinerer  Abtheilungen 
des  Thierreiches  ist  von  der  Vererbung,  als  der  Aeusserung  der 
Erblichkeit  ableitbar.  Die  Vererbung  besteht  in  der  Uebertragung  der 
Organisation  von  einem  Organismus  auf  die  Nachkommenschaft  des- 
selben. Die  Nachkommen  wiederholen  die  Organisation  des  elterlichen 
Organismus.  Diese  Erscheinung  vermag  aus  der  Fortpflanzung  erkhirt 
zu  werden,  deren  Producte  aus  einem  quantitativ  sehr  verschieden  sich 
verhaltenden  Theilslücke  eines  Organismus  als  neue  Organismen  ent- 
stehen. Der  neue  Organismus  stellt  also  materiell  die  Fortsetzung  des 
alterlicbcn  vor,  und  wird  demgemMss  mit  letzterem  übereinstimmende 
Eigenschaften  besitzen. 

Das  Maass  der  Gleichartigkeit  oder  der  Uebereinstimmung  in  der 
Organisation  ist  ein  sehr  verschiedenes.  Wir  erkennen  Thiere  die  nur 
durch  geringfügige  Merkmale  von  einander  abweichen,  dann  solche  die 
durch  bedeutende  Unlerschiede  von  einander  getrennt  sind ,    wiederum 


Einleitung.  5 

andere,  deren  nassere  oder  innere  Organisiilion  die  grössten  Verschieden- 
heiioD  darbietcl.  Und  so  findet  sich  die  Uebereinstimmung  wie  die  Ver- 
schiedenheit in  unendlichen  Äbslufungdn  vor.  Wie  man  einander  ahn- 
Hebe,  mehr  oder  minder  gleichartig  erscheinende-  Dinge  als  »verwandU  zu 
bezeichnen  pflegt,  so  wird  bei  der  gleichen  Erscheinung  der  Organismen 
die  gleiche  Bezeichnung  der  gegenseitigen  Beziehung,  aber  in  des  Wortes 
voller  Bedeutung,  Platz  greifen  dürfen.  Wir  erklciren  gleichartige  Orga- 
nismen für  mit  einander  verwandt,  indem  wir  das  Gleichartige  der  Orga- 
nisation aus  gemoinsamer  Ererbung  ableiten.  Der  Grad  dieser  Gleich- 
artigkeit wird  aber  den  Grad  der  Verwandtschaft  bestimmen  müssen,  die 
wir  aus  jener  ersohliessen.  Die  Verwandtschaft  wird  bei  dem  Bestellen 
geringerer  Versohiedefiheiten  als  eine  nahe  zu  erkennen  sein,  während 
sie  bei  grösseren  Unterschieden  als  weiter  in  der  Feme  liegend  sich 
darstellen  wird.  Wir  substituircn  daher  dem  BcgrilTe  der  Uebcrein- 
Stimmung  oder  der  Gleichartigkeit  der  Organisation  den  der  Verwandt- 
schaft, indem  wir  die  Uebercinstimmungen  in  der  Organisation  einer 
Summe  von  Organismen  als  ererbte  Eigenthümlichkeiten  ansehen. 

Auf  das  Gesetz  der  Vererbung  gründet  sich  somit  die  Lehre  von 
der  Verwandtschaft  der  Organismen,  die. Abstammungslehre  oder  Phy- 
logen ie.  Die  vergleichende  Anatomie  enthüllt  also  die  innerhalb  der 
einzelnen  Abtheil lingen  des  Thierreiches  bestehenden  Verwandtschafts- 
verhältnisse, indem  sie  das  Gleichartige  wie  das  Ungleichartige  nachweist. 

[Ucber  das  höchst  wichtige  Vererbungsgesetz  und  seine  Erschein«- 
tingen  findet  sich  Ausführlicheres  in  der  scharfsinnigen  Darstellung 
lUcKKLS  (Generelle  Morphologie  Bd.  II.  S.   470.)]. 

§  5. 

Durch  die  Vererbung  werden  dem  Organismus  Eigenschaften  über- 
tragen, die  derselbe  im  f^aufe  seiner  individuellen  Entwickelung  (0n- 
togenic]  nach  und  nach  zur  Entfaltung  bringt.  Den  einfachsten  Or- 
ganismen fehlt  eine  solche  Entwickelung,  indem  die  etwa  durch  Tbeilung 
des  mütterlichen  Organismus  entstandenen  Jungen  nur  der  Volums- 
zunahme bedürfen,  um  dem  mütterlichen  Organismus  gleich  zu  werden. 
Die  Entwickelung  fällt  also  hier  mit  dem  blossen  Wacbsthum  zusammen, 
das  sie  vollständig  deckt.  "Je  weiter  ein  Organismus  von  einem  ur- 
sprünglich einfachen  Zustande  sich  entfernt  hat,  oder  je  grösser  die 
Summe  der  von  den  Vorfahren  erworbenen  und  auf  die  Nachkommen 
vererbten  Eigenthümlichkeiten  ist,  desto  weniger  einfach  ist  auch  die 
Ontogenie,  da  sich  während  derselben  mindestens  ein  Theil  von  jener 


6  Einleitung. 

den  Vorfabi'üD  erworbenen  Einrichtungen  wiederholt,  und  vom  sich 
entwickelnden  Körper  in  einzelnen  Stadien  durchlaufen  wird.  Die  Onlo- 
genie  repräsentirt  also  in  gewissem  Grade  die  paldontologische  Ent- 
wicklung in  zeitlich  verkürzter,  d.  i.  zusammengezogener  Weise.  Die 
von  höheren  Organismen  ontogenetisch  durchlaufenen  Stufen  entspredien 
Zuständen,  welche  bei  anderen  die  definitive  Organisation  vorstellen. 
Jene  Entwickelungszustände  können  also  durch  die  Yergleicbung  mit 
ausgebildeten  Zuständen  niederer  Organismen  erklärt  werden,  indem  man 
sie  als  von  solchen  (niederen  Zuständen)  ererbte  Bildungen  deutet. 
Von  diesem  Gesichtspuncte  aus  betrachtet  erscheinen  die  sogenannten 
»Larven zustände«  mit  ihren  »provisorisdien«,  weil  vergänglichen, 
nur  auf  frühere  Lebensstadien  beschränkten  »Apparaten«  als  recht  wich- 
tige und  bedeutungsvolle  Formen.  Ausser  den  functionellen  Beziehungen 
zum  sie  tragenden  Organismus,  durch  welche  jene  Apparate  als  prak- 
tische Einrichtungen  sich  erhalten,  d.  h.  vererben  konnten,  lassen  sie 
solche  lu  niederen  Zuständen  erkennen,  und  enthüllen  damit  die  Pfay- 
logenie  ihres  Trägers.  Das  »Stadium  larvatum«  verkündigt  also  ganz  im 
Gegensatze  zu  seiner  Bezeichnung,  ganz  offen  die  verwandtschaftlichen 
Beziehungen.  Zuweilen  jedoch  sind  solche  •  Larvenorgane c  nicht  sowohl 
von  Vererbung  als  von  Anpassungen  ableitbar  und  dadurch  wird  die  Be- 
urtbeilung  nicht  wenig  erschwert.  Sicherer  wird  die  Deutung  solcher 
Einrichtungen  bei  Organismen,  die  nicht  sofort  in  den  offenen  Kampf 
ums  Dasein  treten,  sondern  kürzere  oder  längere  Zeit  innerhalb  der 
Eihüllen  sich  entwickeln,  und  dadurch  verändernden  Einwirkungen  von 
Aussen  minder  ausgesetzt  sind.  Kommt  es  in  diesen  Fällen  zu  »pro- 
visorischen Einrichtungen«,  so  sind  diese  mit  grösserer  Sicherheit  als 
ererbte,  und  damit  als  Wiederholungen  niederer  Zustände  bestimmbar. 
Die  bei  den  Embryonen  höherer  Wirbelthiere  auftretenden ,  aber  nach 
und  nach  wieder  verschwindenden  Kiemenspalten  sind  solche  Bildungen. 
Für  sich  betrachtet  sind  sie  unerklärbar,  denn  es  kommt  an  ihnen  weder 
jemals  zur  Bildung  von[  Kiemen,  noch  werden  sie  —  die  vorderste 
ausgenommen  —  zu  definitiven  Einrichtungen  verwendet.  Die  Ver- 
gleiohung  zeigt  uns  nun  bei  einer  grossen  Abtheilung  niederer  Wirbel- 
thiere diese  Kiemenspalten  als  wichtige  Athmungsapparate ,  und  indem 
wir  auch  solche  Wirbelthiere  kennen,  deren  Kiemenspalten^nur  eine  Zeit- 
lang respiratorisch  fungiren  (Amphibien),  um  sich  ^ter  zu  schliessen, 
vermögen  wir  die  Kiemenspalten  der  Reptilien,  Vögel  und  Säugethiere 
als  durch  Vererbung  von  niederen  Zuständen  empfangene  Einrich- 
tungen zu  verstehen,  die  nach  dem  Verluste  ihrer  ursprünglichen  Func- 
tion sidi  nur  während  des  fötalen  Lebens  eine  kurze  Zeit  erbalten. 


Einleitung.  7 

§  6. 

In  der  Summe  von  Eigenschaften  der  Organisation,  welche  die  Ver- 
erbung auf  einen  Organismus  überträgt,  finden  sich  dem  vorhin  Dar- 
gelegten zufolge  mehr  oder  minder  solche  Einrichtungen  vor,  welche 
in  den  bleibenden,  ausgebildeten  Zustand  des  Organismus  mit  über- 
treten, ohne  dort  eine  erkennbare  Function  zu  besitzen.  Diese  Theile 
erscheinen  in  der  Regel  in  mehr  oder  minder  rttckgebildetem  rudimen- 
tären Zustande,  den  sie  häufig  erst  während  des  Laufes  der  Ontogenie 
erwerben.  In  frühen  Stadieti  der  letzteren  kommen  sie  mit  den  der' 
Stammform,  von  der  sie  ererbt  sind,  zukommenden  Einrichtungen  am 
meisten  überein.  Diese  rudimentären  Organe  treten  um  so  früh- 
zeitiger die  Rückbildung  an,  je  frühzeitiger  sie  in  palaeontologischem 
Sinne  ererbt  wurden,  und  schwinden  in  dem  Maasse  Spät,  als  Uire  Er- 
erbung eine  relativ  neue  ist.  Die  ausgebildete  Form  der  rudimentären 
Organe  wird  demgemäss  für  die  ersteren  nur  bei  entfernten,  für  die 
letzteren  dagegen  bei  näheren  Verwandten  anzutreffen  sein.  Diese  Or- 
gane bilden  werthvolle  Objecto,  da  aus  ihnen  selbst  auf  weitere  Ent- 
fernungen hin  phylogenetische  Beziehungen  sich  nachweisen  lassen. 

§  7- 

Die  vergleidiende  Anatomie  ordnet  sich  die  Ontogenie  unter,  indem 
sie  die  im  Laufe  der  individuellen  Entwickelung  der  Thiere  auftretenden 
Organisations-Erscbeinungen  nicht  blos  auf  den  vollendeten  Zustand  des 
Organismus,  sondern  auf  definitive  Einrichtungen  anderer  Organismen 
bezidit.  Die  vergleichende  Anatomie  erklärt  die  Erschei- 
nungen der  Ontogenie.  Wenn  letztere,  für  sich  behandelt,  nicht 
Ober  das  Niveau  einer  beschreibenden  Discipiin  sich  erhebt,  und  damit 
je  nadi  der  Genauigkeit  ihrer  Forschung  nur  den  Werth  von  thatsäch- 
lichem  Material  besitzt ,  so  empfängt  sie  durch  die  Verbindung  mit  der 
vergleichenden  Anatomie  wissenschaftliche  Bedeutung.  Ihre  an  sich  un- 
verständlichen, oder,  weil  nur  auf  die  späteren  Befunde  der  Organisa- 
tion bezogen,  nur  in  metaphysischem  Sinne  teleologisch  erfassbaren 
Thatsachen,  stellen  sieb  durch  die  vergleichende  Anatomie  in  Zusammen- 
hang mit  bekannten  Erscheinungen  anderer  Organismen  und  sind  da- 
durch phylogenetisch  erklärbar.  Zeigt  sich  sa  für  die  Ontogenie  die 
Nothwendigkeit  genauer  Kenntniss  der  vergleichenden  Anatomie,  so  kann 
die  letztere  ebensowenig  der  ersteren  entbehren,  denn  aus  ihr  gewinnt 
sie  Licht  für  die  niederen  Zustände  der  Organisation.     In  demselben 


8  Einleitung. 

Miiasso  und  auf  die  gleiche  Art  wie  die  Onlogenie  die  Phylogenic  l>e- 
grUnden  hilft,  dient  sie  auch  zur  Förderung  der  vergleichenden  Anatomie. 
Man  hat  zuweilen  der  vei^leichenden  Anatomie  eine  » vergleichende 
Embryologie«,  freilich  zunifchst  noch  als  blosse  Aufgabe,  gegenüber- 
gestellt. Eii\e  solche  » vergleichende  a  Onlogenie  wird  ebenso  wie  jede 
singulare  Ontogenie  die  Organisation  der  ausgebildeten  Zustande  mit  in 
Betracht  nehmen  müssen,  also  ohne  vergleichende  Anatomie  zu  keinem 
wissenschaftlichen  Ziele  führen. 

§  8. 

Die  Beziehungen  jedes  Organismus  zu  der  Aussenwelt,  in  der  er 
lebt,  von  der  er  Stoffe  entnimmt  und  an  die  er  wiederum  solche  ab- 
gibt, bedingen  einen  Einfluss  der  Aussenwelt  auf  den  Organismus. 
Dieser  Einfluss  erscheint  wirksam  in  Veriinderungen  des  Organismus, 
welche  auf  eine  letzlerem  inhcirirendc  Veränderlichkeit  rück- 
schliessen  lassen. 

Die  Yeründerlichkeit  tritt  als  AnpassungsDihigkeit  auf,  welche  in 
ihrer  Acusserung  auf  die  ererbte  Organisation  modificircnd ,  ja  umge- 
staltend einwirkt. 

Der  Organismus  verändert  sich  den  Bedingungen  gemäss,  welche 
auf  ihn  einwirken.  Die  hieraus  enlstehenden  Anpassungen  sind 
als  allmähliche,  atier  slotig  fortschreitende  Veränderungen  der  Organi- 
sation zu  denken,  welche  während  des  individuellen  Lebens  der  Or- 
ganismen erzielt  werden,  sich  durch  Vererbung  in  Gcncrationsreihen 
forterhalten  und  auf  dem  Wege  der  natürlichen  Züchtung  sich  weiter 
ausbilden.  Das  von  den  Vorfahren  Erworbene  wird  für  die  Nachkommen 
Ererbtes.  Anpassung  und  Vererbung  erscheinen  dadurch  in  Wechsol- 
äusscrung,  die  erstcre  repräsenlirt  das  umgestaltende,  die  letztere  das 
conservalivc  Princip.  Die  unendliche  Mannicbfaltigkeit  der  Organisations- 
Erscheinungen  ist  demgemäss  von  Anpassungen  ableitbar. 

Die  Anpassung  wird  durch  eine  Veränderung  der  Leistung  der  Or- 
gane eingeleitet,  so  dass  also  die  physiologische  Beziehung  der 
Organe  hier  die  Hauptrolle  spielt.  Da  die  Anpassung  nur  der  materielle 
Ausdruck  jener  Veränderung  der  Function  ist,  wird  die  Modification  der 
Function  ebenso  wie  ihre  Aeusserung  als  ein  allmählich  sich  vollziehender 
Vorgang  zu  denken  sein.  Die  Anpassung  wird  daher  in  ihren  Bcsultaten 
meist  erst  in  langen  Generationsreihen  wahrnehmbar  sein,  während  die 
Vererbung  an  jeder  Generation  sich  kund  gibt.  Entzieht  sich  damit 
die  Anpassung  als  Vorgang  der  direclon  Beobachtung,  so  ist  sie  nicht 


Einleitung.  9 

• 

mindei*  8H*ber  i*rschliesa»l>ar  durch  tWv  Vei'^JiMrluin^.  Woiin  >\ir  %.  B. 
bei  OeisclifresseDdii*!!  Süu^ÜJiercn  oine  cmfiiche  Ma(<oiibildun|;  aniTHlcn, 
bei  Pflanzcofresseru  dagegen  coiupliciriere ,  besomlcrs  bei  jenen,  dit* 
grosse  Massen  FuUersloffe  aufnehmen,  wie  i.  B.  die  Wiederkäuer,  so 
werden  wir  die  hier  lieslehende  Compliration  der  Magenstruclur  als 
eine  durch  die*  Nahrung  l>ediugle  Veränderung,  als  eine  Anpassung  nn 
die  Ernährungsweise  lieurlheilen ,  und  wenn  uns  ferner  die  Onlogeuie 
bei  Wiederkäuern  in  frühen  EnlwickelungssUidieu  eine  einfache,  erst 
allmähiich  in  den  complicirtiTen  Zustand  sich  unibildeude  Magenforoi 
enl^egeDlrilt ,  so  besUitigl  uns  die  Onlogenie  die  aus  der  Ver- 
gleichung  gewonnene  Auffassung.  In  vielen  Fidlen  ist  der  Einfluss  der 
Anpassung  auf  die  Organisation  auch  unmittelbar  zu  beobachtim,  s.  B. 
bei  manchen  Amphibien  erhalten  sich  die  wsihrend  des  Jugendzustandes 
ausgebildeten  Kiemen  auch  spllter  in  Function,  wenn  dem  Tliiere  die 
Gelegenheit  fehlt  aus  dem  Wasser  zu  gelangen,  und  umgekehrt  gch(*n 
die  Kiemen  bei  solchen,  deren  nächste  Verwandte  im  Wasser  lelnMid 
stets  die  Kiemen  behalten,  eine  Rückbildung  ein,  wenn  das  Thier  sim- 
nen  Aufenthalt  im  Wasser  mit  dem  auf  dem  Lande  vertauscht  hat. 
Dort  ist  die  Ausbildung,  hier  die  Rückbildung  eine  Anpassungs-Er- 
scheinung. 

§  9. 

Durch  die  allmiihliche  Mmlificalion  der  Leistung  eines  Organes  kann 
dasselbe  so  umgestaltet  werden,  dass  es  in  funclioneller  Hinsicht  ein 
neues  wird,  und  dann  einer  ganz  anden*n  physiologischen  Organ- 
kat^orie  sich  einreiht.  Diese  Thatsache  ist  von  bedeutender  Tragweite, 
weil  sie  das  Auftreten  neuer  Organe  erklären  hilft,  und  dadurch  den 
der  Entwickelungsiehre  gemachten  Einwand  beseitigt:  dass  ein  neues 
Organ  doch  nicht  sofort  in  dem  ganzen  Umfange  seiner  Function  er- 
scheinen könne,  dass  es  also  bei  allmählichem  Entstehen  in  den  ersten 
Zuständen  dem  Organismus  noch  nicht  dienen  könne,  und  damit  un- 
denkbar sei.  Jedes  Organ,  für  welches  dieser  Einwand  den  Schein  einer 
Berechtigimg  hat,  ist  nachweisbar  mit  einer  von  der  späteren  Function 
verschiedenen  Bedeutung  aufgetreten.  So  ist  z.  B.  die  Lunge  der  Wirbel- 
ihierc  durchaus  nicht  als  Respiralionsorgan  entstanden,  vielmehr  hatte 
sie  bei  den  durch  Kiemen  athmenden  Fischen  einen  Vorläufer  ia  der 
Schwimmblase,  die  zu  der  Athmung  anfanglich  keine  Beziehungen  bc- 
silzi.  Seilest  da,  wo  die  Lunge  als  Athmungsorgan  erscheint  (Dipnoi, 
viele  Amphibien) ,    ist   sie   solches   noch  nicht  ausschliesslich ,    sondern 


40  Einleitung. 

Uficilt  jene  Function  mit  den  Kiemen.  Das  Organ  ist  also  hier  im  Sta- 
dium der  Umwandlung  zum  Athmungsorgan  begriffen,  und  verknüpft 
die  ausschliesslich  respiratorischen  Lungen  mit  den  Schwimmblasen- 
bildungen,  die  zunächst  wohl  in  hydrostatischer  Function  verwendet 
als  Ausbuchtungen  des  Darmrohrs  hervorgingen. 

Die  erste  Function  des  durch  Anpassung  an  neue  Beziehungen  ge- 
änderten Organes  ist  meist  eine  niedere,  fUr  dein  Organismus  minder 
wichtige,  im  Vergleiche  zur  erlangten  neuen  Function,  so  dass  das 
Organ  damit  auf  eine  höhere  Stufe  tritt.  In  anderen  Fällen  ei*scheint 
der  Werih  der  primären  Function  deshalb  geringer,  weil  er  von  an- 
deren gleichartigen  Organen  getheilt  wird.  Die  Rückbildung  eines 
Theiles  gleiohwertbiger  Organe  erhöht  also  den  Werth  der  bestehen- 
bleibenden, indem  sie  die  höhere  Ausbildung  derselben  bedingt. 


Allgemeiner  TheiL 


Ban  des  Thlerlelbes. 

Von  den  Organen. 

§  <o. 

Im  lebenden  Körper  kommt  eine  Anzahl  von  Leistungen  des  ma- 
teriellen Substrates  in  Betracht,  durch  welche  die  als  Leben  aufgefasste 
Erscbeinungsreihe  bedingt  wird.  Derselben  liegen  chemisch  -  physika- 
lische Processe  tu  Grunde,  die  mit  einer  beständigen  Umsetzung  des 
Materials  einhergehen  und  daher  den  Stoffwechsel  hervorrufen.  Der 
Körper  ernifbrt  sich,  indem  er  das  durch  den  Stoffwechsel  verbrauchte 
Material  durch  von  aussen  her  aufgenommenes  Neues  ersetzt,  indem  er 
dasselbe  assimilirt.  Die  theils  mit  den  Nahrungssloffen  aufgenommenen, 
theils  durch  den  Stoffwechsel  erzeugten,  im  Organismus  nicht  mehr 
verwendbaren  Substanzen  werden  nach  aussen  entfernt.  Daraus  re- 
sültirt  die  excrelorische  Thätigkeil.  Wenn  die  Menge  des  assimiiirten 
Materials  jene  des  ausgeschiedenen  überwiegt,  geschieht  eine  Volums- 
vergrösserung  des  Körpers,  er  wächst.  Damit  erfüllt  er  die  erste  Be- 
dingung zur  Production  desjenigen  Materials,  aus  dem  ein  neuer,  ihm 
gleichartiger  Organismus  hervorgeht,  und  eben  dadurch  steht  mit  der 
Ernährung  auch  die  Fortpflanzung  .in  engem  Zusammenhange. 

Mit  der  Aussenwelt  ist  der  Körper  zunächst  durch  seine  Oberflüche 
in  Verbindung.  Sie  vermittelt  ihm  die  Beziehungen  zum  umgebenden 
Medium.  Formvertinderungen  der  Oberfläche  erscheinen  als  Bewegungen 
und  lassen  die  Locomotion  entstehen.  Und  ebenso  vermittelt  die  Ober- 
fläche Wahrnehmungen  der  Aussenwelt,  Empfindungen. 

Die  jenen  Vorgängen  vorstehenden  Theile  des  Körpers  sind  die 
Werkzeuge  der  Lebensäusserung ,  Organe.  Der  Körper  wird  durch 
sie  zum  Organismus,  und  wenn  wir  auch  solche  Körper  als  Orga- 
nismen bezeichnen  an  denen  keine  Organe  im  einzelnen  gesondert  be- 
steben, so  geschieht  es,  weil  da  die  virtuelle  Existenz  von  Organen 
durch  die  thatsächlichen  Lebensausserungcn  vorauszusetzen  ist.  Der 
Begriff  Organismus  wird  also  hier  nicht  im  anatomischen,  sondern  im 
physiologischen  Sinne  gebraucht. 

Im  einfachsten  Zustande  des  Organismus  sind  die  Lebens-Erschei- 
nungen an  die  den  Körper  darstellende  gleichartige  Substanz  geknüpft, 
welche  gleichmässig  alle  jene  Einzelvorgiinge  vcrmtttolt.  Der  Körper 
repräsentirt  daher  nur  potentin  eine  Summe  von  Organen,  die  erst  auf- 


44  Bau  des  Thierleibes. 

treten,  wenn  die  Einzelverrichtung  nicht  mehr  von  jedem  TheÜe  des 
Körpers  besorgt  wird.  Das  Verhalten,  welches  in  jener  Beziehung  die 
einfacheren  Organismen  dauernd  zeigen,  besitzen  compticirtere  nur  vor- 
übergehend. 

Die  Complication  des  Organismus  entsteht  durch  einen 
Sonderungsvorgang  der  die  physiologischen  Leistungen  des  ursprünglich 
gleichartigen  Körpers  auf  einzelne  Theile  überträgt.  Die  Leistung  wird 
dann  entweder  von  einer  gjrosseren  Zahl  discreieri  aber  unter  sich  gleich- 
artiger Theile  vollzogen,  oder  die  Einzeltheile  gestalten  sich  unter  sich  un- 
gleichartig. Im  ersten  Falle  ist  die  Theilung  der  Arbeit  eine  quan- 
titative, im  letzteren  wird  sie  qualitativ,  und  die  Sonderung  der 
Einzeltheile  entspricht  auch  einer  Verschiedenartigkeit  der  Verrichtung. 
Je  nach  dem  Grade,  in  welchem  sich  die  zuerst  am  indiSeranten  Körper 
auftretende  Sonderung  oder  ArbeitstheHung  an  den  Organen  wiederholi, 
entstehen  fernere  Compllcationen ,  die  ein  stufenweises  Weiterscbreilen 
erkennen  lassen.  Daraus  leitet  sich  ein  verschiedener  Werth  der  Organe 
ab,  und  es  wird  nothwendig  an  letzteren  höhere  und  niedere  Zustände 
zu  unterscheiden.  Die  aus  dem  ersten  indifferenten  Zustande  des  Kör- 
pers bei*vorgehenden  Organe  können  als  Elementarorgane  unter- 
schieden werden.  Es  sind  Organe  niederer  Ordnung  jenen  gegen- 
Jlber,  die  sich  aus  ihnen  weiter  hervorbilden  und  zusammensetzen,  und 
die  als  Organe  höherer  Ordnung  aufzufassen  sind. 


Elementarorgane  (Flastiden  HIckel). 

Von  der  Zelle. 
§  <<. 

Die  lebende  Materie  ersclieint  in  ihrer  einfachsten  Form  als  eine 
eiweissbaliige,  als  Plasma  oder  Protoplasma  bezeichnete  Substani, 
die  mit  unseren  gegenwärtigen  optischen  Hilfsmitteln  sich  durchaus 
gleichartig  darstellt.  Diese  Materie  tritt  in  Gestalt  kleiner  KIttmpcben 
auf.  In  solchem  Zustande  treffen  wir  die  einfachsten  Oiiganismen,  Wäh- 
rend bei  der  gleichartigen  Beschaffenheit  des  Protoplasma,  in  welchem 
höchstens  noch  Kömchen  als  nicht  assimilirte  Theile  bemerkbar  sind,  für 
jene  einfachsten  Formen  eine  Abgrenzung  nach  aussen  durch  gesonderte 
HüUbildungen  nicht  besteht,  kommt  auf  einer  weiteren  Stufe  eine  Um- 
httllung  zu  Stande,  die  aus  einer  chemisch-physikalischen  Veränderung 
4er  äussersten  Schichte  hervorgeht.  Dadurch  wird  das  mit  allen  Lebens- 
erscheinungen und  somit  auch  mit  Bewegung  ausgestattete  Protoplasma 
von  einer  mehr  oder  minder  starren  Hülle  umschlossen,  welche  die 
Veränderlichkeit  der  Gestalt  aufhebt,  und  eine  bestimmte  Form  bedingt 
Solche  Gebilde  kitoinen  auch  in  die  Zusammensetzung  von  Organismen 
eingehen,    wie  dies  bei  vielen  niederen  Pflanzen  dor  Fall  isL     Form- 


Vm  der  Zelle.  45 

efeiBenle  dieser  Art  sind  fon  HXgkbl  als  Cytoden  bneiohiiei)  attd  dn^ 
diirdi  von  einer  Mdem^  weiter  gesonderten  Abihdhiiig  niii  ReeiH  ntiter^ 
soliieden  nvorden. 

Bei  dieser  IriU  in  Protoplasma  ein  scharf  abgegreifBles  festeres  Ge- 
bilde aof,  das  aoan  als  Kern  (Nncleas)  beteiohneU  Es  f^  das  Product 
«loa  ersten  Sonderan^svorganges  des  ProtoplaaaMi.  Im  Kern  efisoheint 
in  der  Regel  ein  Meines  Kttrpercben  (Nncleelos).  Im  Gegensatae  tom 
P»nta|ilasma  ist  der  Kern  ni<Ät  contraotil,  theilt  übrigens  niAt  nur  die 
meisten  Lebenseraobeinungen  des  .üin  umgebenden  Protoplasma,  sondern 
gibt  aieh  auch  häufig  als  Regutator  deraelben  zn  erkemieli,  indem  er 
viele  Rrscbeinungen  einieitet.  Solche  mit  einem  »Kerne«  versebene 
ProtoplasmakNtonpeben  nennt  man  Zellen  (CeUvIae).  Auch  diese  Ge- 
bilde ktfmien  in  dieaem  Zustande  selbständige  Organismen  vorstellen, 
man  als  »einzellige«  beseiehnet.  Indem  die  Zelien  dnroh  Yer- 
»hmag  Complexe  bilden,  geiran  mehrzellige  Organismen  hervor.  Deren 
kleinste  nicht  weiter  mehr  in  gleichariige  Gebilde  zerlegbare  Theile  sind 
Zelien,  die  daher  als  Formeleroente  jener  Organismen  erscheinen. 
Dasselbe  gilt  auch  von  dem  einfacheren  Zustande,  den  Gyloden.  WMh- 
rend  diese  aber  ein  beschränkteres  Vorkommen  besitsen,  Anden  wir  die 
Zellen  in  grosserer  Yerbreitong  im  Pflanzenreiche,  und  als  die  aua* 
aehlieaalichen  Formeleroeiite  im  Thierreiohe. 

Im  indiflerenten  Znatande,  d.  i.  so  lange  noch  nicht  zum  Anfbaa 
von  bestimmten  neuen  Bildungen  Veränderungen  in  bestimmter  Ricb-> 
tung  vor  sich  gingen,  erscheinen  die  Zellen  aller  thierischen  Oiganismen 
von  wesentlich  gleicher  Beschaffenheit.  Wir  unterscheiden  an  ihnen 
eratlidi  das  die  Hauptmasse  des  Körpers  der  Zelle  darstellende  Proto- 
plasma, und  zweitens  das  vom  Protoplasma  umgebene,  von  ihm  dührente, 
meiat  featere  Gebilde,  den  Zellenkem.  Die  Theilnahme  des  letaleren 
an  mannJehCachen  Lebenaarscbeinmigen  der  Zelle  itfsst  ihn  für  einen 
keineawegi  unlargeordneten  Theil  des  ZellenkOrpers  anaehen.  Zu  di^ 
aao  Thalien  der  ZeUe  hat  man  —  früher  allgemein  ^  noch  eine  Mem^ 
bran  gerechnet,  wehshe  vom  ftotoplaama  als  dem  iZelleninhahe«,  ver^ 
achiedeiif  dasselbe  umhüllen  sollte,  und  daraus  ist  die  Vorstellung  van 
der  eBlaaebenform«  der  Zelle  entstanden. 

Wenn  auch  nicht  in  Abrede  geatelli  werden  kann,  dass  bei  vMen 
Seilen  vom  Protoplasma  diflerirende  Umhüllungen  vorkommen,  so  treftn 
dieae  Zaaiande  sich  doch  niemals  im  frühesten  Leben  der  Zelle,  san^ 
dem  sind  immer  das  Resultat  einer  vorgeschriltenen  Umwandlung  and 
einea  Uebergangea  der  Zelle  in  die  diSßrente  Form. 

Von  den  Lebenstfnsseruagen  der  Zeilen  sind  automatische  Be- 
wegungserseheinungen  des  Protoplasma  der  Zelle  so  vei%reitet, 
daas  sie  sich  immer  bestimmter  als  eine  Eigenschaft  aller  nicht  weiter 


1 6  Elemcntarorganc. 

(lifferenzirteD,  somit  bezüglich  ihres  Protoplasma  metamorphosirten  Zellen 
herausstellen.  An  freien,  nicht  von  starren  Membranen  umschlossenen 
Zellen  bewirkt  die  Erscheinung  eine  Oitsveränderung  der  Zelle.  Auch 
an  nicht  frieien  Zellen  kann  die  Bewegung  beobachtet  werden,  theils  in  . 
einem  Gestaltw'echsel  der  Oberfläche,  theils  an  der  Lageveränderung 
im  Protoplasma  befindlicher  fesler  Körnchen.  Dass  dem  Protoplasma 
auch  Eigenschaften  innewohnen,  die  wir  auf  Empfindung  deuten 
können,  geht  aus  vielen  Versuchen  und  Beobachtungen,  wie  z.  B.  der 
in  nicht  seltenen  Fällen  nachweisbaren  Reaction  gegen  Reize  hervor. 

Ferner  beobachten  wir  an  der  Zelle  die  Ernährung,  zuweilen 
sogar  eine  sichtbare  Aufnahme  von  Stoflen  ins  Protoplasma,  und  als 
Ausdruck  der  Ernährung  gibt  sich  das  Wachsthum  der  Zelle  kund. 
Diese  allen  noch  indifferenten  Zellen  gemeinsame  Erscheinung  spricht 
sich  in  der  Vergrösserung  des  Protoplasmakörpers  durch  Assimilirung 
von  aussen  her  aufgenommener  Stoffe  aus.  Das  Wachsthum  kann  ein 
gleichmässiges  für  die  ganze  Zelle  sein,  indem  diese  sich  nach  allen 
Axenrichtungen  vergrössert,  und  so  trifft  es  sich  regelmässig  in  den 
Jugendzuständen  der  Zelle  und  lässt  während  dieser  Zeit  die  Gestalt 
der  Zelle,  wo  nicht  Bewegungserscheinungen  oder  äussere  Einwirkungen 
sie  modificiren,  unverändert  in  der  sphärischen  Form  fortbestehen. 
Andernfalls  ist  es  ungleichmässig  und  wird  dann  bei  der  Vergrösserung 
in  der  Richtung  Einer  Axe  längliche  oder  bei  der  Vergrösserung  in  der 
Richtung  mehrerer  Axen  sternförmige  Bildungen  hervorbringen.  Solche 
ungleichmässige  Wachsthumsverhältnisse  sind  in  der  Regel  von  Diffe- 
renzirungen  der  Zelle  begleitet,  sie  leiten  daher  zum  Uebergang  der 
Zelle  in  Gewebe. 

§  ^3. 

Das  Wachsthum  der  Zelle   bereitet  eine  andere  Erscheinung   vor, 
nämlich  die  der  Fortpflanzung,  und  ist  mit  ihr  unzertrennlich  verbunden, 
denn  die  Vermehrung  ist  nur  ein  tlber  das  Individuum  hinausgehendes 
Wachsthum.     Die  Vermehrung  der  Zellen  kann   auf  mehrfache  Art 
vor  sich  gehen.     Indem  der  Zellenleib  einseitig  auswächst,    bildet  sich 
eine  Sprosse,  die  durch  allmähliche  Volunizunahme  und  Ablösung  vom 
Mutterkörper  zu  einer  neuen,    freien  Zelle  wird.     In  der  Zahl  der  an 
einer  Zelle  hervorsprossenden  jungen  Zellen  kann  die  Erscheinung  va- 
riabel sein,  und  nach  dem  Verhalten  des  Kernes  der  Mutterzelle  Modifi- 
caüonen    aufweisen.     Diese   Vermehrung    durch    Sprossenbildung    gehl 
ohne  scharfe  Grenze  in  die  am  meisten  verbreitete  Art  der  Vermehrung, 
nämlich  jene  durch  Theilung  über.    Während  bei  der  Sprossung  das 
Charakteristische   darin    liegt,    dass   die    sich  bildende  Zelle  bei  ihrem 
ersten  Erscheinen  bezüglich  des  Volums  in  einem  Gegensätze  zur  Mutler- 
zelle sieht,  dor  bei  frühzeitiger  Ablösung  des  Sprösslings  gar  nichl,    liei 
sp;iU?rer  Trennuni;  allmählich  ausgeglichen  wird,    so  sind  die  Prodiiclo 


Von  der  Zell«.  47 

der  Tbeilang  nahebei  oder  volIsUlDdif;  einaoder  gleich,  so  dass  das 
Fehleo  einer  aasgesprochenen  Volumsdifferenz  keinen  Unterschied  «wi- 
schen beiden  gestaltet.  Es  ist  klar,  dass  in  demselben  Maasse  als  die 
Grösseversdiiedenheit  zwischen  beiden  Vennehningsproducten  zunimmt, 
die  Theilong  der  Sprossenbildung  nSber  rttokt,  und  dadurch  wird  die 
ganze  Verschiedenheit  zwischen  Zellentheilung  und  Sprossung  von  der 
Menge  des  Protqilasma  bedingt,  welches  von  einer  Zellö  in  eine  andere 
aus  dieser  entstehende  übergenommen  wird.  Der  Unterschied  tritt  da* 
durch  mehr  auf  die  quantitative  Seite.  Die  Theilung  wird  durch  eine 
Theilung  des  Kernes  eingeleitet,  und  in  der  Regel  kann  constatirt  wer* 
den,  dass  die  einzelnen  Phasen  der  Kemtheilung  den  entsprechenden 
Theilungsstadien  der  Zelle,  vorangehen.  In  manchen  Pttllen  jedoch 
scheint  eine  Neubildung  des  Kernes  zu  bestehen. 

Ausser  der  Vernaehrung  durch  Theilung  oder  durch  Sprossenbildung 
ist  keine  Fortpflanzungsform  der  thiensehen  Zelle  mit  Sicherheit  be- 
obachtet, und  ein  grosser  Theil  der  aufgestellten  Arten  der  Zell  Ver- 
mehrung, wie  die  sogenannte  endogene  Zellbildung  u.  s.  w.  ist  von 
der  Theilung  ableitbar.  —  Was  die  freie  oder  spontane  Zellbiidung 
betrifft,  so  ist  wohl  soviel  gewiss,  dass  ihre  Verbreitung  nicht  in  dem 
früher  angenommenen  Maasse  vorkommt. 

Verbindet  sich  mit  dem  Wachsthum  der  Zelle  eine  Vermehrung  des 
Kernes,  ohne  dass  eine  Sonderung  des  Protoplasma  in  einzelne  den 
Kernen  entsprechende  Parthieen  erfolgt,  so  kann  das  so  entstandene 
Gebilde  nicht  als  ehfizelne  Zelle  mehr  aufgefasst  werden.  Es  ist  aber 
auch  kein  Complex  von  Zellen,  da  ein  solcher  die  Existenz  einer  Mehr- 
zahl discreter  Zellen  voraussetzen  würde.  Hxcul  hat  daher  diesen 
Zustand  mit  Recht  als  einen  besonderen  unterschieden  und  als  Syncy- 
tium  bezeichnet.  Derartige  Gebilde  kommen  fast  in  allen  Abtheilungen 
der  Thiere  vor.  Dasselbe  Resultat  wird  erreicht  durch  die  Goncrescenz 
emer  Anzahl  von  discreten  Zellen,  indem  sie  ihr  Protoplasma  in  eine 
contiouirliche  Masse  zusammentreten  lassen,  welche  dann  gleichfalls  eine 
Anzahl,  von  Kernen  umschliesst. 

Während  das  Protoplasma  in  der  aufgeführten  Erscheinungsreihe 
keine  wahrnehmbaren  oonstitutionellen  Aenderungen  erleidet,  spricht 
sich  durch  eine  andere  Erscheinung  eine  Aendening  im  Protoplasma 
aus,  indem  es  in  seiner  chemischen  Constitution  enthaltene  Stoffe  ab- 
scheidet. Dieser  Process  der  Abscheidung  bietet  verschiedene  Ver- 
hältnisse dar.  Einmal  Andet  der  Sonderungsvorgang  Im  Innern  des 
ProtoplasmakOrpers  selbst  statt,  dann  treten  im  Innern  der  Zelle  der 
chemisch-physikalischen  Beschaffenheit  des  Protoplasma  fremde  Theile 
auf.  Sie  künnen  der  mannichfaltigsten  Art  sein,  z.  B.  Fett,  Farb- 
stoffe etc.,  auch  in  verschiedener  Form,  als  Kömchen,  Tröpfchen,  Kry- 
stalle  etc.  vorkommen.  In  einem  andern  Falle  geht  diese  Sonderung 
auf  der  OberOädie  des  Proloplasma  vor  sich.  Hier  erseheint  sie  ent- 
weder in  flüssiger  Form,    \^ol>ei  die  ContinuitHt   mit  dem  Protoplasma 

U«fe«bAar,  Omadri««.  ^ 


1 8  Elcmcntarorgane. 

verloren  geht,  oder  sie  findet  in  fester  Form  stcitt,  und  dann  bleibt  der 
Zusammenhang  mit  dem  übrigen  unverSnderlen  Protoplasma  mehr  oder 
minder  innig  fortbestehen.  Durch  chemisch-physikalische  Verminderungen 
entweder  der  ganzen  Oberflttche  des  Protoplasma  einer  Zelle  oder  auch 
nur  eines  Theiles  derselben  entstehen  vom  Übrigen  Protoplasma  ver> 
schiedene,  diflerente  Substanzen.  Wir  haben  also  hier  Umwandlungen 
des  Protoplasma  vor  uns,  die  man  als  Sonderungen,  Differenztrungen, 
Abscheidungen  des  Protoplasma  bezeichnet.  Bei  gleichartiger  Bildung  an 
der  Peripherie  der  Zelle  geht  daraus  das  bereits  oben  als  Zellmem- 
bran bezeichnete  Gebilde  hervor.  Derselbe  Vorgang  führt  aber  auch 
zur  Herstellung  anderer  Einrichtungen ,  die  wir  unten  näher  ins  Auge 
fassen  mtlssen. 

Die  Reihe  von  Lebensvorgängen,  welche  an  einer  Zelle  sich  äussern 
können,  stimmen  im  Wesentlichen  mit  denen  aller  übrigen  Organismen 
überein.  Virtuell  erscheint  also  auch  die  Zelle  als  Organismus.  (Ele- 
mentarorgnnismus;  BaücKB). 

Von  den  Geweben. 
§  ^*. 

Die  Zelle  stellt  bei  den  von  uns  als  Thiere  betrachteten  Organis- 
men nur  vorübergehend  den  gesammten  Organismus  vor,  nämlich  als 
Eizelle,  die  von  den  anderen  in  keinem  .wesentlichen  Puncie  sich 
unterscheidet.  Diese  Thatsache,  dass  mehrzellige  Organismen  aus  einem 
einzelligen  hervorgehen,  lässt  beide  mit  einander  verknüpfen,  indem  sie 
zugleich  darauf  hinweist,  dass  die  einzellige  Form  für  die  andere  den 
Ausgangspunct  bildete.  Aus  der  Eizelle  geht  durch  Tfaeilung  ein  Mui- 
tiplum  von  Zellen  hervor,  welche  die  Anlage  des  Thierleibes  bilden. 
Diese  besitzen  nur  in  einem  frühen  Stadium  der  Entwickelung  des 
Organismus  Gleichartigköit,  und  alle  jene  Eigenschaften,  welche  als  für 
den  Begriff  der  Zelle  von  Bedeutung  hervorgehoben  wurden.  In  spä- 
teren Zuständen  bleibt  nur  ein  Theil  des  von  der  Eiselle  stammenden 
Materiales  den  primitiven  Verhältnissen  der  Zelle  nahe,  während  die 
Hehrzahl  der  Zellen  sowohl  formeil  und  materiell,  als  auch  demgemäss 
in  den  functionellen  Aeusserungen  sich  ändert,  und  durchaus  neue 
Verhältnisse  eingeht. 

Die  neuen  aus  Aggregaten  von  gleichartig  umgewandelten  Zellen 
und  ihren  Derivaten  gebildeten  Compiexe  stellen  die  Gewebe  vor. 
Der  Entstehungsvorgang  derselben  beruht  auf  einem  Verschiedenwerden, 
einer  Differenzirung.  Da  jedem  different  gewordenen  Zellenaggre- 
gate eine  bestimmte,  für  den  Organismus  zu  leistende  Verrichtung  zu- 
kommt, die  vorher,  beim  Zustande  der  Indiflferenz  der  Zellen,  nicht  an 
räumlich  abgegränzte  Theile  geknüpft  war,  in  dem  frühesten  Zustande 
des  individuellen  Organismus  sogar  nur  durch  Eine  Zelle  (Eizelle)  be- 


Von  den  Geweben.    Bpithelien.  49 

sorgt  ward,  so  ist  die  Differenzirung  eine  Theilung  der  physio- 
logische d  Arbeit.  Mit  der  anatomischeD  Go«plication  treten  neue 
Leistungen  auf^  es  spalten  sich  dje  Functionen,  indem  die  bei  jeder 
Uauptleistung  IhätigeD  Einielkrflfte  von  besonderen,  vorzugsweise  oder 
auch  ausacfaliassüeh  dazu  umgebildeten  Theilen  geäussert  werden. 

In  allen  Füllen  geht  die  gewelilichc  lüiferenzirung  aus  dem  Proto- 
plaMna  der  primitiven  ZeUe  vor  sich.  Weniger  auflallend  ist  der  Kern 
hetheUigt,  obsehon  auch  an  ihm  häufig  Veränderungen  wahrnehmbar 
sind. 


§  ^5. 

Die  Gewebe  zerfallen  nach  dem  Verhalten  der  Zellen  in  mehrere 
grossere  AbtheUungen,  die  ich  als  Epithelgewebe,  Gewebe  der 
Bindesubstanz,  Muskel-  und  Nervengewebe  auflühre.  Die 
beiden  ersteren  bilden  eine  niedere  Abtheilung,  die  man  als  vegeta- 
tive Gewebe  von  den  beiden  anderen  animalen  Geweben  unter- 
scheideD  kann.  Der  Unterschied  beider  Gruppen  liegt  in  der  Art  der 
Diflerenzintng,  indem  die  DHTerenzirungsproducte  der  ersten  sieh  mehr 
passiv  zum  Organismus  verhalten,  indess  die  der  andern  in  die  Aeusse- 
rang  der  Lebensersoheinungen  des  Organismus  selbstthlltig  eingreifen. 
Die  vegetative  Gewefasgruppe  oder  ihr  analoge  Gewebe  finden  ausser- 
dem ihre  grOsste  Verbreitung  im  Pflanzenreiche,  indess  die  aniroale  in 
letclerem  fehlt  und  die  für  die  Thiere  charakteristischen  Einrichtungen 
liefert.  Alle  anderen  sonst  noch  unterschiedenen  Gewebe  sind  entweder 
gar  keine  sebständligen  Gewebe,  sondern  viel  zusammengesetztere,  aus 
Theilen  versehiedener  Gewebe  bestehende  Bildungen,  oder  es  sind  den 
enisehien  oben  aa%efQhnen  Kategorien  onlerzuordnende  Gewebsformen 
oder  sogar  blosse  Bestandtheile  von  solchen.  Bei  der  Herbeiziehung  aus 
wehwiren  Geweben  bestehender  Gebilde,  als  »zusammengesetste* Ge- 
webe« u.  dergl.  lost  sich  der  Begriff  des  Gewebes  auf. 


^pitheUen. 

§  «6. 

Aneinandergelagerte  Zellen,  die  in  einfacher  oder  mehrfaoher  Schich- 
UNig  Ofoerflttoben  des  KArpers  bedecken,  werden  als  »Epithelien«  be- 
seiebnet.  Das  Bpithelgewebe  besteht  somit  einfach  aus  Zellen.  Es 
ist  dadurch  ven  anderen  unterschieden,  dass  bei  ihm  die  Zelle  ihre  ur- 
sprüngliehen  VerhuHnisse  wenigstens  in  Bezug  auf  die  Anlagerung  bei- 
behält, und  dass  es  sowohl  die  Ueberzüge  der  Husseren  Körperoberflüche 
bildet,  wie  auoh  die  Anskleidong  der  BinnenrSnme  des  Leibes.  Die 
Form  der  Bpikheltenen  ist  sehr  mannichfaltig  und  bietet  Anhaltepuncte 
znr  Unterscheidung  vielartiger  Bildungen. 


20  Elementarorgane. 

Das  Protoplasma  der  Epithelzellen  ist  sehr  hüußg  nicht  mehr  gleich- 
artig, sondern  ist  durch  membranartige  Verdichtung  seiner  aussersten 
Schichte  eine  Differenzirung  eingegangen.  Diese  zeigt  sich  an  mehr- 
schichtigen Epithelien  vorwiegend  in  den  oberflächlicheren  Lagen,  indess 
in  den  tieferen  die  Membranlosigkeit  der  Zellen  auf  einen  jüngeren  Zu- 
stand hinweist.  Eine  andere  Differenzirung  besteht  darin,  dass  die 
oberflächliche  Schichte  der  Epithelzellen  an  der  nach  aussen  oder  gegen 
einen  Binnenraum  des  Körpers  gewendeten  Flüche  feine,  bewegliche  Fort- 
slitze entwickelt,  welche,  während  des  Lebens  der  Zelle  in  Schwin- 
gungen begriffen,  als  Wimperhaare,  Gilien,  bezeichnet  worden  sind. 
Die  Haare  an  diesen  Flimmer-  oder  Wimperzellen  finden  sich 
bald  einzeln,  bald  zu  vielen  beisammen,  und  entsprechen  einer  Diffe- 
renzirung, da  jene  Bewegung  nicht  einfach  von  der  bereits  am  Proto- 
plasma bestehenden  Gontractilität  geleistet  wird.  Indem  bei  niederen 
Organismen  Wimperhaare  vorübergehend  sich  bilden,  um  alsbald  Wie- 
der eingezogen  zu  werden,  und  ihre  Substanz  mit  dem  Protoplasma  zu 
verschmelzen,  geben  sie  sich  als  Differenzirungen  aus  dem  Protoplasma 
kund,  und  lassen  ihre  Bewegungserscheinungen  aus  einer  mit  den  Bewe- 
gungen des  Protoplasma  gemeinsamen  Quelle  geflossen  erkennen.  Für  die 
differenzirteren  Formen  der  WMmperhaare  hat  die  Nachweisbarkeit  dieser 
Identität  aufgehört,    sie  sind  dem  Protoplasma  nicht  mehr  assimilirbar. 

An  den  gleichen  Flächen  zeigen  manche  Epilheiien  noch  eine  an- 
dere Differenzirung.  Wie  die  Membranbildung  als  eine  in  der  gesammten 
Peripherie  der  Zelle  zu  Stande  kommende  Veränderung  der  oberfläch- 
lichen Protoplasmaschichte  sich  darstellt,  so  kann  derselbe  Vorgang,  auf 
einen  bestimmten  Theil  der  Zelloberfläche  beschränkt,  aber  intensiver 
entwickelt,  zur  Bildung  einer  partiellen  Verdichtung  der  äussersten  Pro- 
topiasmaschichte  führen.  Ad  der  nach  aussen  gekehrten  Fläche  jeder 
Zelle  befindet  sich  dann  eine  verschieden  dicke  Lage  einer  vom  Proto- 
plasma difierenten  Substanz,  die  aber  meist  ohne  scharfe  Grenze  mit 
demselben  zusammenhängt. 

Wenn  die  aus  dem  Protoplasma  der  Zellen  in  einer  Schichte  ab- 
geschiedene Substanz  sich  noch  weiter  differenzirt ,  so  dass  der  von 
jeder  Zelle  gelieferte  Antheil  mit  dem  der  benachbarten  inniger  zu- 
samn)enhängt  als  mit  der  Zelle  selbst,  so  entstehen  daraus  homogene 
Membranen,  Guticulae.  Sie  werden  eine  Schichtung  erkennen  lassen, 
wenn  ihre  Absetzung  eine  ungleicbmässige  ist,  und  wenn  allmählich 
noch  weitere  Veränderungen  in  ihnen  stattfinden ,  so  dass  jeder  neue 
Ansatz  sich  so  von  dem  vorhergegangenen  unterscheiden  lässt.  Je  ver- 
schiedener der  diese  Guticularbildungen  zusammensetzende  Stoff  vom 
Protoplasma  der  Zellen  ist,  die  ihn  abgesetzt  haben,  um  so  weniger 
wird  man  ein  unmittelbares  Eingehen  des  Protoplasma  in  ihn  annehmen 
können,  und  die  Guticularbildung  stellt  sich  damit  um  so  schärfer  in 
die  Reihe  der  Abscheidungen.  Geht  die  Guticularbildung  nicht  gleich- 
massig   nn    der  OI)erfliiohe   der  einzelnen  Zellen    vor  sich ,    so   werden 


Epithelien.  2i 

von  dor  ahsondermicn  Zcliscbicbic  ProUplnsiuafortsitU«  in  die  ahge- 
sonderte  Schichte  einragen,  welche  von  entsprechenden  CaoUien  (Po- 
ren canalen)  durchsetzt  wird. 

§  n. 

Die  absondernde  Thätigkeit  der  Zellen  ausgedehnter  Epithelschicbten 
kann  auch  tropfbarflUssige  oder  selbst  gasförmige  Stoffe  liefern.  Damit 
treten  die  Epithelien  in  andere  Beziehungen  .zum  Haushalte  des  Orga- 
nismus, sie  liefern  nicht  mehr  zum  Aufbaue  des  Organismus  verwen- 
dete Substanzen,  und  dadurch  wird  zugleich  der  Uebergang  zu  jenem 
Zustande  der  EpHhelialbildungen  vermittelt,  in  welchem  Theile  von  Epi- 
thelien als  ein  in  bestimmter  Richtung  fungirendes  Gewebe  auftreten, 
welches  man  als  Drüsengewebe  bezeichnet.  Da  zwischen  den  zu 
Absonderungsorganen,  Drüsen,  verwendeten  Zellencomplexen  und  den 
Epithelien,  immer  ein  unmittelbarer  Zusammenhang  gegeben  ist,  der 
entweder  bestündig  dauert,  wie  dies  für  diQ  Mehrzahl  der  Drüsen  gilt, 
oder  doch  für  die  Anlage  der  Drüse  vorhanden  ist,  so  stellt  das  Drüsen- 
gewebe nur  eine  durch  Differenzirung  entstandene  Modifi- 
cation  des  Epithelialgewebes  vor,  und  besieht  wie  dieses  stets 
aus  Zellen.  ,Dic  Summe  der  zu  einer  Drüse  verwendeten  Epitlielzellen 
ist  sehr  variabel.  In  einer  Epithellage  können  einzelne  Zellen,  von  den 
benachbarten  ausgezeichnet,  als  Drüsenzellen  fungiren,  indem  sie  einen 
Stoff  bilden  und  absondern,  der  von  den  anderen  nicht  geliefert  wird. 
Daraus  entstehen  die  einzelligen  Drüsen.  Vergrössert  sich  die  ab- 
sondernde Oberfläche,  ohne  dass  das  gesammle  Epithel  der  Fläche  dabei 
holhoiligt  ist,  so  geschieht  das  durch  Wucherungen  des  Epithels  unler 
die  von  ihm  eingenommene  Fläche,  und  so  entstehen  räumlich  vom  Epi- 
thel mehr  oder  minder  sich  entfernende  Bildungen,  Grübchen,  Säckchen, 
Blindschilf ucbe ,  die  durch  neue  Wucherungen  sich  wieder  compliciren 
können.  Des  der  ursprünglichen  Epithelschichte  unlerlicgende  Gewebe 
bildet,  jenen  Wucherungen  folgend,  Umhüllungen  für  dieselben,  verhält 
sich  aber  dabei,  wie  coroplicirt  auch  Verästelungen  und  dergl.  jene  vom 
Epithel  ausgehenden  Wucherungen  gestalten  mögen,  in  demsell)en  Sinne, 
wie  vorher  zur  ebenen  Epithelschichte. 

Die  Drüse  erscheint  also  in  der  einfachsten  Form  als  eine  Ein- 
senkung  des  Epithels  in  das  unter  diesem  liegende  Gewebe.  Bei  den 
ausgeprägteren  Drüsenformen  tritt  an  den  in  die  Drüsenbildung'  einge- 
gangenen Zellen  eine  fernere  Differenzirung  ein.  Dieselben  scheiden  sich 
in  solche,  welche  secerniren,  somit  eigentliche  Drüsenzellen  vor- 
stellen, und  in  solche,  welche  den  secernirenden  Theil  der  Drüse  mit 
der  indifferent  bleibenden  Epithelschichle  verbinden,  und  im  Gegen- 
sätze zum  secernirenden  Abschnitte  der  Drüse,  Epithelien  derAus- 
fahrgttnge  vorstellen. 

Das  von  den  Drüsenzellen  gelieferte  Secret  steht  zu  erstcren  in 


22  Elemenlarorgane. 

sehr  verschiedenen  Beziehungen-.  Es  kann  enlweder  im  Innern  der  Zelle 
bleiben,  und  wird  nur  mit  Zugrundegehen  der  Zelle  in  den  Binnenraum 
der  Drüse  entlecrl,  oder  es  wird  von  den  Zellen  ins  Lumen  der  Drüse 
abgeschieden,  ohne  dass  ein  Bersten  der  Zellen  dabei  stalthat.  Im  ersten 
Falle  sind  die  Secrele  entweder  in  Form  von  festen  Concrementen  oder 
in  Gestall  von  Körnchen  und  Tröpfchen  in  der  Zelle  aufgetreten. 


BindeBUbetansen. 

4 

Die  beim  Epithelialgevvebe  zur  Bildung  honM>gener  Membranen  füh- 
rende Erscheinung  kann  durch  die  Ausdehnung  über  die  ganze  Peri- 
pherie  je  einer  Zelle,  sowie  durch  fortgeselzle  Wiederholung  zu  grösserer 
Bedeutung  gelangen.  Indem  die  von  dem  Protoplasma  einer  Summe 
von  Zellen  diflerent  gewordene  Substanz  zwischen  den  mit  unveründerlem 
Protoplasma  versehenen  Zellen  allmählich  sich  vermehrt,  werden  die 
Zellen  von  einander  geschieden,  und  es  bildet  sich  ein  Gegensatz  aus 
zwischen  der  Zolle,  dem  Bildenden,  und  der  Intercellularsub- 
stanz,  dem  Gebildeten.  Eine  Anzahl  im  Grossen  sehr  verschiedener 
Gewebe  zeigt  jenes  Gemeinsame  im  feineren  Baue.  Man  bezeichnet  sie 
mit  dem  Namen  der  Bindesubstanzen,  da  die  Mehrzahl  ihrer  For- 
men zur  Verbindung  anderer  Gewebe  zu  Organen  oder  Organsystemen, 
verwendet  wird. 

Die  Verschiedenheiten  der  hierhergehörigen  Gewebe  gehen  Ibeils 
aus  dem  Verhallen  der  Zellen  an  siqh,  theils  aus  ihrem  Verhältnisse  zu 
der  Inlercellularsubstanz ,  theils  aus  der  chemisch-physikalischen  Con- 
stitution der  Incellularsubstanz  hervor,  sind  aber  nicht  ül)erall  gleich 
scharf  ausgeprägt.  Der  letztere,  räumliche  Uebcrgänge  der  einen  Gewebs- 
form  in  die  andere  erkenne»  lassende  Umstand,  sowie  die  Thalsache, 
dass  auch  zeitlich  solche  Uebergänge  stattfinden,  bilden  einen  wich- 
tigern Anlass  zur  Vereinigung  als  das  durch  mannichfache  Verschieden- 
heiten wieder  aufgewogene  Gemeinsame  des  Baues.  Die  einzelnen  hie- 
her  gehörigen  Gewebe  sind:  4)  zeitiges  Bindegewebe,  2j  Gallertgewebe, 
3]  faseriges  Bindegewebe,   ij  Knorpelgewebe,  5}  Knochengewebe. 

§  19. 

Dcis  Bindegewebe  ist  in  folgende  Unterabtheilungen  zu  sondern. 

1)  Das  zelligc  Bindegewebe  (blasiges  Bindegewebe  nach 
Lbtdig)  stellt  die  einfachste  Form  vor.  Es  wird  aus  rundlichen  oder 
länglichen  Zellen  gebildet,  die  nur  durch  spärHcho  Intercellularsubstani 
geschieden  sind.  Die  letztere  ersdicint  häufig  in  Form  von  Zellmem- 
branen, welche  die  auscinanderliegenden  Zellen  sich  unter  sich  verbinden 
lassen ,    indem   sie   benachbarten  Zollen   gemeinsam  sind.     In  anderen 


BiadeiiabslanBeii.  23 

Fallen  ist  sie  wieder  reichlicher  vorhanden,  ohne  dass  sie  gegen  die 
Zelten  ▼orherrschl.  Die  Differensirung  des  ProtoplasRvi  von  der  Inter- 
oeliafairsahslans  leigi  sich  auf  verschiedenen  Stufen.  In  grösserer  Ver- 
breüung  findet  sich  dieses  Gewebe  bei  Gliederihieren  und  Mollusken. 
Bei  Wirhellhieren  setxt  es  die  Chorda  dorsalis  susamnien. 

^)  Das  Galle rlge webe  (Schieinigewehe)  seichnet  sich  durch  die 
weiche,  gallerltge  Beschaffonheii  der  Inlercelltilarsubstani  aus,  die  meist 
glasartig  durchscheinend  sich  darstellt.  In  der  lettlern  liegen  bald  rund- 
liche von  einander  völlig  getrennte,  bald  spindelförmige  oder  verästelte 
Zellen,  welche  häufig  mit  ihren  Fortsätzen  mit  einander  vereinigt  sind. 
Auch  Stränge  von  Zellen  kommen  vor.  So  kommt  ein  feines,  die  Gal- 
lerte durchziehendes  Netzwerk  zu  Stande,  dessen  Balkehen  in  weiterer 
Dillereasirung  fester  werden  und  sogar  in  feino  Fasern  zerfallen  können. 
Auch  an  der  Intcrcellularsuhstanz  tritt  zuweilen  eine  solche  Sonde- 
rung  auf. 

3)  Faseriges  Bindegewebe  stellt  eine  weitere  Entwickelungs- 
stufe  der  vorhergehenden  Gewebsform  vor.  Die  Formelemente  erschei- 
nen als  längliche  oder  verästelte  Zellen,  die  in  eine  aus  Fasersttgen  und 
Btlodeln  besiehende  Interoellularsubstans  eingebettet  sind.  Letztere  ist 
zum  grossen  Theil  aus  einer  Sonderung  von  Seile  der  Zellen  entstanden, 
wie  aus  der  Entwickelung  des  Gewebes  hervorgeht.  Auf  dieselbe  Weise 
ist  auch  zu  ersehen,  dass  ein  Theil  des  Fortsätze  aussendenden  Proto- 
plasma sieh  unmittelbar  in  Fibrillen  und  Faserbttndel  diflerenzirt,  die 
wieder  von  der  frtther  gebildeten  mehr  oder  minder  homogenen  Inter-  • 
ceHularsubstanz  sich  gesondert  zeigen.  Die  Faserung  der  Intercellular- 
sabstans  zeigt  sowohl  besttglich  der  Dicke  ihrer  Gebilde  als  auch  der 
Verlaufsriehtung  viele  Verschiedenheiten.  Die  Anordnung  der  meist 
wellig  gebogenen  Fasern  ist  bald  parallel,  bakl  netzförmig,  und  dem 
entspricbi  in  den  früheren  Zuständen  die  Lagerung  der  Zellen  und 
ihrer  Ausläufer. 

Nach  der  Beschaflenheit  der  Intercellularsubstanz  unterscheidet  man 
lockeres  and  straffes  Bindegewebe,  letzteres  wird  auch  als  »Sehnen- 
gewebe« bezeichnet,  wenn  die  Faserzüge  dabei  eine  parallele  Anordnung 
darMelen.  Ausser  der  Ditforenzirung  in  Fibrillen,  die  bei  Behandlung 
mit  Säuren  und  Alkalien  aufquellen,  zeigt  sich  in  der  Intercellular- 
substanz des  faserigen  Bindegewebes  noch  eine  andere  Faserform,  welche 
gegen  jene  Agentien  grösseren  Widerstand  leistet,  und  wegen  ihrer  elasti- 
schen Eigenschaft  als  »elastisches  Gewebea  bezeichnet  wird.  Das- 
selbe ist  wegen  seiner  Beziehung  zur  Intercellularsubstanz  keine  selb- 
ständige Gewebsform,  sondern  nur  eine  Modification  des  Bindegewebes. 

De,  wie  oben  bemerkt,  ein  Theil  der  Intercellularsubstanz  durch 
spätere  Differenzirung  des  Protoplasma  der  Zellen  entsteht,  so  stellen 
die  iip  ausgebildeten  Bindegewebe  vorhandenen  Formelemente  nur  die 
Beste  der  nf^mngliehen  Zellen  vor.  Je  nach  der  Menge  des  ver- 
brauchten, in  Fasergebilde  UbergefOhrten  und  damit  der  Interoellular- 


i4  Eicmenlarorgaae. 

suhslanx  einverleibten  Protoplasma  ist  der  Kern  der  Bindegewebszellen 
von  verschieden  grossen  Mengen  Protoplasma  umgeben,  oder  es  ist  alles 
Protoplasma  verschwunden,  wie  aus  dem  Vorkommen  blosser  Kerne  in 
den  Faserzügen  von  Bindegewebe  hervorgeht.  Wo  noch  Protoplasma 
sich  sammt  dem  bezüglichen  Kerne  forterhält,  wo  also  noch  eine  Zelle 
nach  dem  oben  aufgestellten  Begriffe  vorhanden  ist,  kann  diese  wieder 
neue  Veränderungen  eingehen,  die  so  vielartig  sind,  dass  das  Binde- 
gowebe dadurch  sich  zu  dem  an  DiflTerenzirungserscheinungen  reichsten 
Gewebe  gestaltet. 

§  20. 

4)  Knorpelgewebe  wird  durch  Zellen  charakterisirt,  die  in  eine 
festere  Intercellularsubstanz  sich  einlagern.  Die  Zellen  besitzen  nur  in 
selteneren  Fallen  Ausläufer,  in  der  Kegel  weichen  sie  von  der  runden 
Grundform  wenig  ab,  oder  sind  oval  oder  spindelförmig  verlängert.  Die 
Intercellularsubstanz  ist  in  verschiedener  Menge  vorhanden.  Ihre  grössere 
Rigidität  gibt  einen  Unterschied  von  jenen  Formen 'des  Bindegewebes, 
die  gleichfalls  einfache  Formelemente  bei  gleichartiger  Intercellularsub- 
stanz besitzen.  Durch  jenes  Verhalten  ist  das  Knoipelgewebe  geeignet, 
als  StUtzappanU  zu  fungiren.  Bei  sehr  spärlich  vorhandener  Intercellular- 
substanz sind  die  Zellen  vorherrschend,  und  erstero  erscheint  dann  in 
Form  von  dünnen  Membl^anen,  woraus  sich  ein  unmittelbarer  Anschluss 
an  das  blasige  Bindegewebe  ergibt. 

Nimmt  die  Intercellularsubstanz  zu,  so  ist  sie  entweder  gleichartig 
(hyaliner  Knorpel),  oder  sie  ging  ganz  nach  Art  des  Bindegewebes, 
fernere  Diflerenzirungen  ein,  die  aber  das  Verhältniss  zu  den  Zellen 
wenig  berühren.  Ein  Zerfallen  der  Intercellularsubstimz  in  Fasern  liefert 
den  Faserknorpol ,  das  Auftreten  elastischer  Netze  in  dersell)en  lässt 
elastischen  Knorpel  hervorgehen.  Durch  allmähliche  Umänderun- 
gen der  Intercellularsubstanz  sowie  der  Zellen  geht  das  Knorpelgewebe 
in  faseriges  Bindegewebe  über  und  deutet  so  auf  eine  engere  Zusammen- 
gehörigkeit dieser  Formen  hin.  Auch  die  Zellen  bieten  in  einzelnen  Fällen 
iK^deulendere  Modißcnlionen,  indem  sie  verlängert  sind,  oder  sternförmige 
Ausläufer  zeigen,  welche  mit  benachbarten  zusammenhängen  (z.  B.  bei 
manchen  Selachiern  oder,  noch  reicher  entfaltet,  bei  manchen  Gepha- 
lopoden). 

Die  Intercellularsubstanz  des  Knorpelgewebes  ist  immer  von  dem 
Protoplasma  der  in  ihren  Höhlungen  liegenden  Knorpelzellen  unter- 
schieden. Nichts  destoweniger  ist  die  letztere  als  ein  Abscheidungs- 
product  der  Zellen  anzusehen,  welches  eben  durch  Sonderung  aus  dem 
Protoplasma  hervorging.  Nicht  seilen  zeigt  sich  am  hyalinen  Knorpel 
die  von  einer  Zelle  abgesonderte  und  mit  dieser  Diflferenzirung  ausser- 
halb des  Organismus  der  Zelle  liegende,  somit  intercelluläre  Substanz 
in  Form  einer  die  Zelle  kapselartig  umgebenden  Schichte,  die  man  früher 


BiodetubAftaiixen.  25 

als  ein«  xur  Zelle  g^örige  Zellmembran  ansah.  Indem  für  ganze^  aus 
Theilung  Einer  Zelle  entstandene,  mehrfache  Generationen  vorstellende 
Gruppen  von  Zellen  btfufig  solche  t Kapseln«  nachweisbar  sind,  hat  man 
darin  Mutter-  und  Tocbterzellen  etc.  erblickt,  und  die  Erscheinung  als 
endogene  Zellbildung  gedeutet.  In  der  That  sind  jene  »Kapselsysteme« 
nui*  der  Ausdruck  von  nicht  homogenisirten  Abscheidungen  mehrfacher, 
aus  einander  hervorgegangenen  Zellengenerationen.  •  Der  ganz  allmäh- 
liche Uebergang  von  Knorpelgewebe,  weiches  solche  Kapseln  erkennen 
lässt,  in  Gewebe  mit  völlig  homogener  Inlercellularsubstanz  lehrt,  dass 
wir  es  hier  nur  mit  verschiedenen  Differensirungszustanden  einer  und 
derselben  abgesonderten  Substanz  zu  thun  haben,  bei  der  der  erste 
Zustand  durch  eine  in  zeitlichen  Intervallen  erfolgte,  der  zweite  durch 
eine  gieichmässig  ablaufende  Abscheidungsthütigkeit  der  Zelle  entstand. 
In  der  chemischen  Beschaffenheil  des  Knorpelgewebes  scheinen  sehr 
diflerente  Verhältnisse  obzuwalten,  und  wenn  man  auch,  z.  B.  fttr  .den 
Knorpel  der  Wirbolthiero  »Ghondrin«  als  das  Gonstituens  der  Inter- 
cellularsubstanz  aufstellen  konnte,  so  entfernen  sich  die  Inlercellularsub- 
stanzen  anderer  Knorpel  weiter  davon  und  ntfhem  sich  mehr  dem  »Ghitin«. 

5)  Knochengewebe.  Diese  festeste  Form  der  Bindesubstanzen 
besteht  aus  einer  mit  Kalksalzen  verbundenen  organischen  Intercellular^ 
Substanz,  in  welcher  Zellen  mit  anastomosirenden  feinen  Ausläufern 
vorhanden  sind,  oder  sie  wird  durch  eine  feste,  der  vorigen  gleiche 
Grundsubstanz  dargestellt,  in  welcher  keine  ganzen  Zellen,  sondern  nur 
deren  Ausläufer  vorkommen,  die  sie  in  Gestalt  feiner  Canälchen  durch- 
ziehen. \^  sind  demnach  zwei  Form  zustände  des  Knochen- 
gewebes auseinander  zu  halten.  In  die  Zusammensetzung  des  einen 
gehen  Zelten  ein,  die  bei  dem  andern  nur  feine  Fortsätze  in  die  Poren- 
canäle  der  festen  Grundsut)stanz  aussenden. 

Das  Gewebe  mit  Knoohenzellen  ist  das  verl>rcitel5te ;  es  fmdet  sich 
in  den  Skeletbildungen  aller  Wirbelthierk lassen,  während  das  Knochen- 
):ewebe  mit  blossen  Ganälchen  im  Skelete  mancher  Fische  sich  vor- 
lindet,  und  sonst  eine  allgemeine  Verbreitung  nur  in  den  Zahnbildungen 
aller  Wirbelthierabtheilungen  hat. 

Die  Genese  des  Knochengewebes  klärt  die  Beziehungen  der  Inler- 
cellularsubstanz zu  den  Zellen  auf.  Die  zelleneinschlicsscnde  Form 
kann  auf  eine  zweifache  Weise  entstehen.  Einmal  durch  Verknöche- 
rung von  Bindegewebe.  Indem  dessen  Intercellularsubstimz  durch  Ver- 
bindung mit  Kalksalzen  sklerosirt,  werden  die  in  orslerer  vorhandenen 
Zellen  zu  Knochenzellen,  die  sich  mit  ihren  Auslaufen)  durch  Poren- 
canäle  in  der  Inlercellularsubstanz  unter  einander  in  Verbindung  setzen. 
Zweitens  entsteht  dasselbe  Gewebe  dadurch,  dass  indifferent  erschei- 
nende Zellen  eine  sklerosirendo  Substanz  abscheiden,  die  iamellenartig 


26  E  lementarorga  ne . 

gesehtcbtet  sich  ablagert,  und  in  welche  die  absondernden  Zellen  feine 
ProloplasmaforUälze  einschicken.  Indem  einzelne  der  absondernden 
Zellen  ihre  Thäligkeit  sistircn ,  während  die  ihnen  benach)>arkMi  darin 
fortfahren,  kommen  sie  allmählich  in  eine  Schichte  von  Intercellular- 
Substanz  zu  liegen,  die  sie  fernerhin  umschliesst  und  sie  so  zu  Knochen- 
zollen  umwandelt.  Durch  feine  PorteUtzo  stehen  die  Zellen  der  ab- 
sondernden Schichte  (Osteoblasten)  mit  den  bereits  eingeschlossenen 
Zeilen  (Knochenzellen)  in  continuirlichem  Zusammenhange  und  dadurch 
ist  jede  der  ei*steren  befähigt,  zu  einer  Knochcnzelle  zu  werden. 

Eine  ganz  analoge  Entstehungs weise  besitzt  die  andere  Form  des 
Knochengewebes,  soweit  ihre  Geschichte  aus  der  Entwicklung  des  Zahn- 
beines genauer  bekannt  ist.  Auch  hier  sondert  eine  Zellenschichte  eine 
sklerosirende  Substanz  ab,  in  welche  die  Zellen  zugleich  Ausläufer  sen- 
den, welche  somit  wieder  PorencanSIle  durchziehen.  Anstatt  aber  nach 
und  nach  in  diese  extracelluUlre  SubsUmz  einzutreten,  bleiben  die  Zellen 
stets  ausserhalb  derselben ,  und  stehen  mit  denselben  nur  dui'ch  ihre 
Auslüufer  in  Verbindung.  Die  abgeschiedene  Substanz  ist  also  von  feinen 
parallelen  Ganülchen  durchzogen  (sogenannte  Zahncan^lchen,  da  sie  im 
Zahnbein  zuerst  bekannt  wurden).  Diese  Form  des  Knochengewebes 
verknüpft  sich  trotz  des  difTerenten  Vorhaltens  der  Erscheinung  im  spä- 
teren Zustande  doch  sehr  innig  mit  der  ersten  Form,  indem  sie  wie 
diese  ihre  Intoroellularsubslanz  durch  Abscheidung  von  Zellen  entstehen 
lüsst.  Noch  inniger  wird  die  Verbindung,  wenn  man  den  ersten  Vor- 
gang ins  Augo  fasst.  In  beiden  Fällen  wird  eine  homogene  durch  Kalk- 
verbindungen sklerosirende  Substanz  abgesondert,  in  welche  die  sie 
liefernden  Zellen  ihre  Auslaufer  absenden.  Schreitet  dieser  Vorgang  in 
gleicher  Weise,  wie  er  begonnen,  weiter,  so  dass  nie  eine  ganze  Zelle 
in  die  abgesondei*ten  Schichten  tritt,  so  fuhrt  er  zur  Bildung  von  jenem 
Knochengewebe,  das  nur  von  feinen  Porencanälchen  in  meist  parallelem 
Verlaufe  durchzogen  ist.  Bleiben  einzelne  der  absondernden  Zellen 
allmählich  in  der  abgesonderten  Substanz  zurück,  so  wird  letztere  zu 
einer  Knochenzellen  umschliessenden  Intercellularsubstanz,  und  bildet 
so  die  andere  Form  des  Knochengewebes. 


MuBkelgewebe. 

§  2^. 

Sowohl  im  Epithelialgcwebe  wie  in  den  Geweben  der  Bindesub- 
stanzreihe ist  das  Differcnzirungsproduct  des  Protoplasma  starr,  oder 
entbehrt  doch  des  Gonlractilitütsvermögens.  Mit*  dem  Auftreten  einer 
höher  potenzirten-  contractilen  Substanz  als  einem  Sonderungsproductc 
des  Protoplasma  entsteht  ein  neues  Gewebe,  das  als  contractiles  oder 
Muskelgewebe  bezeichnet  wird.  Die  Contractilität  äussert  sich  aber 
nicht  mehr  automatisch,  sondern  nur  auf  Reize,  die  dem  Gewebe  vom 


Moskelgewebe.  27 

Nervensystem  zufliessen.  Dadurch  sind  die  rontraeiilen  Formelenienle 
des  Muskelgewebes  van  der  indifferenten,  durch  ihr  Protoplasma  gleich- 
falls contractiten  Zelle  wesentlich  unterschieden.  Sie  setzen  die 
Existenz  eines  anderen  Gewehes,  des  Nervengewebes 
voraus,  sowie  dieses  wiederum  jenes  bedingt. 

HinsichlKch  des  spectellpren  Verhallens  scheiden  sich  die  Form- 
elemente  des  Muskelgewebes  in  zwei  Abibeilungen.  Die  eine  besteht 
aus  einfacher  gestalteten  Zellen,  die  andere  wird  durch  Fasern  darge- 
stellt, welche  entweder  durch  die  Vereinigung  einzelner  Zellen,  und  so 
aus  ZeJIen-Aggregaten  hervorgehen,  oder  bei  denen  eine  Vermehrung 
des  Kernes  auf  die  Bildung  von  Syncytien  hinweist.  In  beiden  ist  das 
indiflerent  gebliebene  Protoplasma  in  geringer  Quantitllt  und  von  unter- 
geordneter Bedeutung  fUr  die  Leistung  des  Formelements. 

In  jeder  Abtheilung  kann  durch  weitere  DüTerenzirung  der  con- 
tradilen  Substanz  ein  hdberer  Zustand  der  Faser  sich  ausbilden. 

1)  Die  erste  Form  bilden  zunächst  die  sogenannten  glatten 
Muskelfasern  oder  contractilen  Faserzellen.  Es  sind  spin- 
delförmige, oft  sehr  langgestreckte  und  dann  bandartig  erscheinende 
Zellen,  an  denen  von  dem  indifferenten  Protoplasma  entweder  gar  nichts 
mehr,  oder  nur  ein  in  der  f^^lngsaxe  oder  an  der  Periphi^rie  der  Zelle 
liegender  Best  sieh  forterhHit.  In  allen  Fällen  umschliessl  der  letztere 
auch  den  Rem.  Die  contractile  Substanz  ist  homogen  und  wird  nusser- 
lich  von  einer  oft  nur  schwer  darstellbaren  Membran  abgegrenzt.  Die 
Reaction  dieser  Muskelfasern  auf  den  Nervenreiz  erfolgt  langsam. 

Durch  Differenzirung  der  contractilen  Substanz  in  einfach  und 
doppelt  lichtbrechende  Theilchen  erscheinen  die  Fasern  quergestreift, 
und  daraus  entsteht  ein  Theil  des  Gewebes,  das  man  als  querge- 
streiftes Muskelgewebe  bezeichnet.  Zwischen  diesem,  so  weil  es  aus 
einfachen,  je  aus  einer  Zelle  hervorgegangenen  Fasern  besteht,  und  dem 
mehr  homogenen  Fasergewebe  finden  sich  vielfache  Uebergangsformcn. 

%)  In  der  andern  Form  des  Muskelgewebes  werden  die  Elementar- 
theile  aus  Zellenaggregaten  oder  aus  Syncytien  gebildet.  Sie  entstehen, 
wie  es  scheint,  immer  durch  Auswachsen  einer  Zelle  unter  Vermehrung 
des  Kernes,  so  dass  sie  von  einer  fortgesetzten  unvollkommenen  Thei- 
lung  einer  Zelle  abgeleitet  werden  können.  Es  sind  entweder  Gebilde, 
hei  denen  die  oontruGlile  Substanz  in  Gestalt  eines  Cylinders  erscheint, 
der  aussen  von  einer  homogenen  Membran  (dem  Sarkolemma)  umhüllt 
wird,  und  in  seiner  Axe  mehrfache  Korne  mit  Proloplasmaresten  um- 
schliesst.  Oder  die  contractile  Substanz  stellt  einen  soliden  Cylinder 
vor  und  dann  Hegen  die  Kerne  mit  den  Proloplasmaresten  auf  der  Ober- 
ftacbe,  unn\ittelbar  unter  dem  Sarkolemma.  Diese  Form  Ihcilt  sich  wie- 
der in  zwei  Zustünde,  nach  der  mehr  homogenen  oder  heterogenen  Be- 
schaffenheit der  eontractilen  Substanz. 

Im  ersten  Falle  reibt  sich  der  Zustand  an  den  der  sogenannten 
glatten  Faseraellen  an,  von  dem  er  nur  dadurch  verschieden  ist,  dass 


2S  E  leinen  tarorgane. 

er,  nüch  den  mührfachcn,  der  Faser  angehörij^en  Kernen,  nichl  eine  ein- 
fache Zelle,  sondern  ein  Multiplum  von  Zellen  vorstellt.  Im  zweiten 
Falle  schliesst  er  sich  durch  die  Diffcrenzirung  der  contractilen  Substanz 
an  die  andere  Forro  der  einfachen  Fasern  an,  und  stellt  gleichfalls  quer- 
gestreifte Fasern  vor.  Diese  entsprechen  wieder  Mehrheiten  von 
Zellen,  wenn  sie  auch  aus  einer  einzigen  Zelle  hervorgehen,  und  ihre 
Länge  durch  Auswachsen  dieser  Einen  Zelle  erhalten.  Die  Reaction  auf 
Reize  erfolgt  bei  den  quergestreiften  Fasern  rascher  als  l)ei  den  glatten. 


Nervengewebe. 
§  23. 

JMit  der  Diflcrenzirung  des  Muskelgewebes  im  Thicrreiche  erscheint 
zugleich  das  Nervengewebe,  welches  durch  seine  Leistungen  auch 
in  seinen  niederen  Zustünden  von  den  übrigen  Geweben  sich  auszeichnet. 
Es  empfängt  und  leitet  Reize,  setzt  dieselben  in  Empßndungen  um,  und 
erzeugt  Wilienserregungen.  Nach  dem  formalen  Verhalten  der  Elc- 
mentartheile  sind  zweierlei  Zustünde  zu  unterscheiden,  NerVbnfasern 
und  Nervenzellen;  die  ersteren  kommen  vorzugsweise  dem  peripheri- 
schen Theile  des  Nervensystems  zu  und  sind  die  leitenden  Gebilde,  die 
letzteren  stellen  die  centralen  Elemente  vor. 

1]  Die  Nervenfasern  treten  in  verschiedenen,  als  Diflerenzirungs- 
Stadien  anzusehenden  Verhältnissen  auf. 

a)  In  der  einfachsten  Form  erscheinen  sie  als  langgestreckte  homo- 
gene, bandartige  Ztige  zusammensetzende  Fasern,  die  so  wenig  von  ein- 
ander scharf  abgegrenzt  sind,  dass  sie  nur  in  Form  von  Streifungen  sich 
darstellen.  In  solchen  NervensUimmchen  und  deren  Verästelungen  ist 
bei  der  Mehrzahl  der  Wirbellosen  die  Reziehung  zu  den  hisliologischen 
Formelementen  noch  nicht  ausreichend  ermittelt,  selbst  die  Frage  ist 
noch  nicht  entschieden,  ob  die  vielfachen  Streifungen  von  NervcnstUmm- 
chen  der  Ausdruck  einer  Zusammensetzung  der  letzteren  aus  Fasern 
sind.  Das  Vorkommen  von  Kernen  an  diesen  Bildungen  ist  das  einzige 
auf  Beziehungen  zu  Zellen  Uinlcitende.  In  anderen  Fällen  sind  zu  Bün- 
deln vereinigte  Fasern  als  Einzelbildungen  unterscheidbar;  die  Faser  be- 
steht aus  homogener  Substanz,  die  oberflächlich  durch  eine  zarte  Hülle 
abgegrenzt  ist,  unter  welcher  Kerne  sich  finden.  Um  die  Kerne  sind 
zuweilen  Protoplasma  res  te  unterscheidbar,  die  den  übrigen  Theil  der 
Faser  als  eine  ditrerenle  Substanz  erscheinen  lassen.  Dadurch  stellt 
sich  der  Bau  der  Nervenfaser  mit  der  Muskelfaser  auf  eine  hisliologisch 
gleiche  Stufe,  und  die  Verschiedenheit  liegt  nur  in  der  Qualit^it  des 
diffcrenzirten  Protoplasma,  das  in  dem  einen  Falle  Muskelsubstanz,  in 
dem  anderen  Nervensubstanz  hervorgehen  Hess.  Diese  Fasern  finden 
sich  ausser  bei  Wirbellosen  noch  bei  Wirbelthieren  verbreitet,  bei  denen 
sie  im  Bereiche  des  sympathischen  Nervensystems  nllgomein  vorkommen. 


Nervengewebe.  29 

b]  Ein  sweiler  Zustand  der  Nervenfaser  wird  durch  eine  weitere 
D^Mrensirnng  gebildet.  Die  unter  einer  bald  sehr  sarten,  bald  stärkeren 
Hülle  liegende  Nervensnbstans  zeigt  sieh  nttmlich  in  einen  die  Axe  der 
Paser  dnrcbsetxenden  Strang,  den  Axency linder,  und  in  eine  diesen 
umgebende  fetthaltige  Substanz  gesondert.  Die  letztere,  der  Mark- 
cylinder  (Markscheide),  verleiht  der  Nerventsser  stark  lichtbreehende 
CoDturen ,  und  kann  vom  Axencylinder  nur  künstlich  getrennt  werden. 
Die  den  Markcylinder  umgebende  homogene  Scheide  —  das  Neurilemma 
—  zeigt  Kerne  als  Reste  von  Zellen,  aus  denen  die  Faser  hervorging. 
Diese  Form  kommt,  so  viel  bis  jetzt  bekannt,  nur  den  Wirbelthieren 
zu,  mit  Ausnahme  von  Anipbioxus  und  den  Gyclostomen. 

2)  Das  andere  Formelement  des  Nervengewebes  wird  durch  Zellen 
dargestellt,  die  man,  da  sie  vorzüglich  in  Anschwellungen  des  Nerven- 
apparates (den  Ganglien)  vorkommen,  als  Ganglionzellen  bezeichnet. 
Ihre  Substanz  zeigt  eine  meist  feinköraige  Beschaffenheit,  doch  mit  man- 
chen hier  nicht  naher  auseinanderzusetzenden  Eigenthümlichkeiten.  Der 
in  der  Regel  mit  deutlichem  Kernkörperchen  versehene  Kern  liegt  in- 
mitten der  granulirten  Substanz,  und  diese  letztere  wird  hSufig  von 
einer  äusseren  membranartigen  festeren  Schichte  abgegrenzt.  Eine  diesen 
Zellen  zugelegte  complicirtere  Structur  wird  von  jedem  Beobachter  in 
wesentlich  verschiedener  Weise  dargestellt,  so  dass  diese  Fragen  vom 
Abschlüsse  noch  weit  entfernt  scheinen. 

Die  Ganglienzellen  besitzen  Fortsatze,  durch  welche  sie  tbeiis  unter 
sich,  tfaeils  mit  NervenfMem  in  Zusammenhang  stehen.  Sie  bilden  so- 
mit die  Ursprungsstellen  der  Nervenfasern.  Inwiefern  fortsatzlose,  also 
gSnzlich  isoiirte  GaagKensellen  eine  Verwendung  finden,  ist  noch  nicht 
festzustellen.  Thatsache  ist,  dass  die  Annahme  solcher  immer  weiter 
zurttckgedrttngt  wird.  Die  Fortsetze  der  Nervenzellen  bieten  je  nach 
ihrer  Zahl,  sowie  nach  ihrem  Verhallen  zu  den  Fasern  mehrfache  Ver- 
schiedenheiten, von  welchen  nur  das  hervorgehoben  Werden  soll,  dass 
bei  der  differenzirten  Faser  der  Axencylinder  es  ist,  der  in  die  Sub- 
stanz der  Zelle  sich  fortsetzt,  wlihrend  der  Markcylinder  entfernter  von 
der  Zelle  aufhört  oder  vielmehr  indiflerent  wird.  Auch  das  Verballen 
des  Axencylinders  zu  den  Substanzen  der  Zelle  erscheint  mehrfabli  ver- 
schieden, und  ist  in  vielen  Puncten  noch  problematisch. 


Organe  höherer  Ordnnng. 

§  «4. 

Ab  Organe  höherer  Ordnung  können  jene  aufgefasst  werden,  In 
deren  Zusammensetzung  mehrere  Organe  niederer  Ordnung,  seien  diese 
entweder  Zellen  oder  Zeiiendenvate ,  das  ist  Gewebe,  eingehen.  Die 
auf  dem  Grunde  der  Arheilstheilung  beruhende  Differenzirung  ist  auch 


I 

I 
30  Organe  htfherer  Ordnung.  | 

I 

hier  ein  viele  Mödificationeo  und  Utngestaltungen  hervorrufendes  Mo- 
ment. Die  einfachste  Art  besteht  in  der  quantitativen  Differenzirung, 
wobei  dieselbe  Einrichtung  sich  mehrfach  wiederholt,  ohne  dass  den 
einseinen  eine  von  den  anderen  verschiedene  Leistung  zuküme.  Die 
Wiederholung  kann  entweder  getrennt  bestehen,  oder  sie  kann  an  dem 
Organe  selbst  sich  bilden,  und  dasselbe  dadurch  auf  eine  höhere,  weil 
complicirtere  Stufe  bringen.  Beispiele  hieftlr  können  DrUsenorgano  lie- 
fern. Eine  etwa  vom  Integument  gebildete  Drttse  kann  mehrfach  vor- 
kommen, so  dass  die  Leistung  der  zuerst  einfach  vorhandenen  Or- 
gane auf  eine  ganze  Gruppe  von  Oiiganen  verlheilt  wird.  Im  andern 
Falle  complicirt  sich  die  Drttse,  indem  sie  mehrfache  der  ursprünglich 
einfachen  Anlage  gleiche  Läppchen  bildet.  Jedes  der  letzteren  hat 
einen  Theil  der  Gesammtfunction  der  Drüsen  übernommen.  In  quali- 
tativer Beziehung  tritt  eine  Differenzirung  durch  Tbeilung  der  Function 
in  einander  untergeordnete  Functionen  ein.  Indem  nur  ein  Theil  der 
Drüse  secemirt,  ein  anderer  nur  den  Ausführweg  des  von  ersterem 
gebildeten  Secretes  vorstellt,  sind  zwei  verschiedenen  Verrichtungen  vor- 
stehende Abschnitte  in  der  Drüse  entstanden.  Bildet  sich  aus  einer 
Strecke  des  Ausftthrganges  ein  Reoeptaculum  des  Secretes,  so  ist  eine 
dritte  entstanden,  und  so  können  noch  fernere  hervorgehen^  wenn  der 
seoernirende  Abschnitt  die  Qualität  des  Secretes  an  den  einzelnen 
Strecken  verschieden  zeigt. 

Eine  Summe  von  gleichartig  gebauten,  wenn  auch  nicht  immer 
unmittelbar  zusammenhängenden  Einzelorganen  stellt  ein  Organ  Sy- 
stem vor.  Aus  einer  Summe  anatomisch  untereinander  zusammen- 
hängender Einzelorgane  entsteht  eine  höhere  Kategorie  von  Organen 
die  als  Organapparate  oder  Organcomplexe  aufgefasst  werden, 
wenn  die  Etnzelorgane  von  einander  verschieden  gebaut  sind. 

I 

*  §  25. 

Der  Differenzirung  der  Organe  geht  ein  indifferenter  und  damit 
niederer  Zustand  des  Organismus  voraus,  der  in  einer  grossen  Abtbei- 
lung  von  Organismen  seine  Verbmtung  ündet  und  hier  den  definitiven 
Zustand  des  Organismus  repräsentirt.  Solche  niedere  Organismen  be- 
stehen in  der  einfachsten  Form  nur  aus  Protoplasma  und  repräsentiren, 
kernlos,  den  Zustand  von  Cytoden,  wie  die  Moneren,  oder  der  Proto- 
plasmaleib dieser  Organismen  umschliesst  einen  Kern  und  stellt  damit 
das  Aequivalent  einer  Zelle  vor,    wozu  die  Amoeben,   Gregarinen  und  ' 

Diatomeen  Beispiele  abgeben.  Ist  hier  auch  schon  durch  die  Entstehung 
des  Kernes  eine  Differenzirung,  und  damit  Weiterbildung  des  einfacheren  | 

Cyloden-*Organismus  aufgetreten,  so  fehlt  es  doch  nach  unserer  Begriff- 
slellung  an  höheren  Organbildungen.  Das  gilt  ebenso  noch  für  jene 
Organismen,  deren  Körper  mehrfache  Kerne  umschliesst,  und  damit  ein 
Syncytium  vorstellt,  wie  es  bei  manchen  Rfeizopoden  der  Fall  ist,  oder 


Organe  äöherer  Ordnung.  n  3f 

WO  eine  verschieden  grosse  Zahl  von  Zellen  im  Synoytium  aulU'iU,  wie 
bei  mancheo  Radiolarien,  oder  sogar  ausschliesdicb  deo  Organiamufi 
ittsammensetzt,  wie  bei  den  Volvocmen  unler  den  Flagellaten  und 
bei  den  Catallacten  (Hkl.).  Die  Differenzirung  besteht  hier  wesentlich 
nur  in  einer  Vermehrung  der  Zellen.  Eine  einfache  Zelle  theilt  sich 
nach  beendetem  Wachsthum  in  zwei,  die  wieder  von  neuem  diesen 
Proceas  b^innen  und  ihn  weiter  führen/  bis  der  Organismus  aus  einer 
in  den  einzelnen  Gattungen  verschieden  grossen  Zahl  von  Zellen  zu- 
sammengesetzt erscheint.  Der  Zerfall  des  Organismus  in  seine  einzelnen 
Zellen  begründet  die  Vermehrung  (Forlpflanzung)  dieser  Wesen,  da 
jede  Zetle  nach  einer  zeitweisen  Einzelexistenz  den  erwähnten  Kreis- 
lauf der  Erscheinungen  von  neuem  beginnt.  Diesen  Organismen  reihen 
sieh  auch  die  Infusorien  an,  insofern  sie  noch  keine  ge webliche  Diffe- 
renzirung zeigen,  indem  ihr  Körper  Einer  Zelle  homolog  erscheint. 

Air  diese  iodiSerenten  Formen  lebender  Wesen,  von  denen  ein 
Theil  bald  dem  Thier-,  bald  dem  Pflanzenreiche  zugewiesen  wurde, 
und  manche  noch  keine  Stellung  fanden,  bilden  eine  von  Hxckbl  als 
Reich  der  Protisten  bezeichnete,  zwischen  Thier-  und  Pflanzen- 
reich zu  stellende  grosse  Abthetlung  der  Organismen  weit. 

§  26. 

Von  den  Protisten  bieten  manche  Abtheilungen  durch  das  Verhalten 
ihrer  Lebenserscheinungen  wie  durch  viele  der  an  ihnen  wahrnehm- 
baren Einrichtungen  nähere  Beziehungen  zu  Pflanzen,  wie  z.  B.  die 
Flagellaten  zu  niederen  Algen,  andere  wieder  ebenso  zu  specilisch  thie- 
rischen  Formen,  ohne  dass  jedoch  daraus  die  Nothwendigkeit  enisprüage 
sie  jenen  beiden  Reichen  zuzutheilen. 

Am  meisten  wird  eine  Aehnlichkeit  mit  thieriscber  Organisation 
bei  den  Infusorien  hervorgerufen  durch  Sonderungsvorg^nge  am  Proto- 
plasma des  Leibes  dieser  Organismen.  Indem  an  einer  bestimmten  Stelle 
der  Oberfläche  die  Nahrungsaufnahme  erfolgt,  scheint  jene  einen  Mund 
vorzustellen,  indess  die  ins  Protoplasma  gelangenden  Nahrungsmassen 
die  von  ihnen  eingenommenen  Strecken  einer  Darmhöhle  ähnlich  er- 
scheinen lassen.  Rechnet  man  hiezu  noch  die  relativ  bedeutende  Son- 
derung der  äussersten  Körperschicht^  als  Integument,  sowie  die  bei 
vielen  Infusorien  erkennbaren  bandartigen  Streifen,  die  durch  ihre  Gon- 
tractilitätsausserungen  Muskelfasern  vortäuschen,  so  könnte  hierauf  das 
Bestehen  einer  histiologischen  Sonderung  begründet  werden,  wenn  nicht 
der  Mangel  von  Zellen  in  der  Zusammensetzung  jener  Organismen  jede 
derartige  Vorstellung  als  unbegrUndbar  ausschlösse.  Vielmehr  scheint 
hier  ein  eigenartiger,  eine  individuelle  Zelle  betreffender  Diflerenzirungs- 
process  zu  walten,  der  sowohlden  Rem  als  auch  den  Protoplasmaleib 
der  Zelle  auf  eine  höhere  Organisationsstufe  hebt,  und  speciell  jene 
»Muskclbänder«     (wie    auch    den    Vorticellensticl)     als    Streifen    höher 


32  OrgKoc  höherer  Ordnong. 

diSerenzirten  Protoplasmas  erscheinea  ISsst.  Auch  an  den  als  einzellige 
Organismen  minder  zn  bezweifelnden  Gregarinen  isl  jene  Differenzirung 
im  Protoplasma  beobachtel.     (S.  ualen  §  59.) 


§27. 

Wahrend  im  Reiche  der  Protislen  die  Sonde rungs Vorgänge  vor- 
wiegend das  Protoplasma  einzelner  Cytoden  oder  einzelner  Zellen  be- 
treffen, leitet  sich  die  thierische  Differenzirung  durch  eine  auf  gleich- 
artig umgewandollen  Zellcotnplexon  beruhende  Organbildung  ein. 
Der  thierische  Organismus  tritt  damit  Über  jene  im  Prolislen reiche  be- 
stehenden niederen  Zustande  hinaus,  in  ihnen  nur  in  einzelnen  Stadien 
derOntogenie  vorübergehend  verweilend,  und  damit  die  phylogenetischen 
Beziehungen  zum  Protislenreidie  beurkundend. 

Den  ontogenetisch  niedersten  Zustand  des  Thieres  reprtlsentirt  die 
EiKelle  (Fig.   )) ,    in  welcher  der  Organismus  mit  jenem  vieler  Pro- 
f.  lisl«n  Übereinkommt,   z.  B.  dem  der  ProUiplaslen 

(Amshen) ,  welche  diesen  Zustand  bleihend  be- 
sitzen. Die  Eizelle  ergibt  sich  in  allen  wesent- 
lichen Puncten  von  anderen  nicht  verschieden, 
wie  auch  immer  ihr  Volum  vei^rössert  sein  mag, 
und  wie  damit  in  Zusammenhang  in  ihrem  Proto- 
plasma besondere  Theilcben  —  DoUerelemento  — 
aufgetreten  sein  mögen.  Wenn  durch  letztore  die 
Eizelle  ihren  ursprunglichen  Charakter  als  in- 
differente Zelle  aufgab,  so  verlor  ^e  damit  noch  nicht  den  Zellen  — 
Charakter,  der  dadurch  ebensowenig  altorirl  wird,  als  durch  die 
Sonderung  irgend  welcher  anderen  Substanzen  (ChlorophyllkOrner,  Amy- 
lum,  PigmentkOrnchen  etc.)  im  Protoplasma  von  Zellen  die  Zellbedeutung 
fUr  diese  verloren  gebt.  Die  Verilndeningen ,  welche  die  Eizelle  ein- 
geht, zeigen  als  Resultat  eine  Vermehrung.  Die  Zelle  theill  sich,  Idsst 
Fig.  t.  tig.  s,  Fig    (.  Fig,  1. 


so  iwei  Zellen  hervorgehen,  die  durch  forlgesetzto  Theilung  t,  8,   f6, 
und  schliesslich  einen  Haufen  gleichartiger  Zellen  entstehen  lassen.    Die- 

Fig.   1.     Schcniittisohp  DnrslollunK  i^iner  Eiiellc.      a.   Das  kümerhallige  Proto- 
plafimB.     h.  Der  Korn   IlipimbIBschen) .     c.   DtiH  KrrnkiiiTien-lieD   (KeimDpck). 

FiR.  S— S,     Einzpliic   Stadien   de«   snepnnnnton  Furchuiifisprocrs*?«    (Theilung 


OrKsne  höherer  Ordnung.  33 

ser  Voi^ng  der  Theiluog  der  Eizelle  wird  als  »Dotlertbeilung« 
oder  iPurchuDg«  bezeichaet,  uod  ist  eine  durchgreifende  ErscbeinuDg, 
die  vielfache  aber  stels  aas  Anpassungen  alileitbare,  und  damit  erklär- 
bare Hodificationen  darbietet. 

Die  einzelnen  Stadien  dieses  Theilungsprocesses  zeigen  sich  wieder 
in  Ueberetnstimmung  mit  dem  Verhalten  mancher  Protisten,  z.  B.  der 
Volvocioen  und  der  Calallacten,  in  deren  Entwickelungskreis  ein  gleich- 
falls aus  einer  Summe  ziemlich  gleichartiger  Zellen  zusammengesetzter 
Organismus  gehtfrt.  So  durchlauft  also  der  thierische  Orga- 
nismus gleich  im  Beginn  seiner  Ontogenie  mehrfache  im 
Protislenreiche  waltende  FormzustBnde,  und  der  Process 
der  Theilung  der  Eizelle  erklärt  sieb  als  ein  aus  früh- 
zeitiger Vererbung  Überkommener.  Damit  streift  sich  von  ihm 
der  teleologische  Nimbus  ah,  in  welchem  er  ohne  diese  Beziehung,  bei 
exciusiver  Verknüpfung  mit  dem  künftigen  aus  der  Furchung  hervor- 
gehenden Organismus  erscheinen  moss.  Hit  der  Bildung  eines  Zellen- 
baofens aus  der  einfachen  Eizelle  ist  dem  Organismus  jedoch  noch  keines- 
wegs ein  speciBsch  Ifaicrischer  Charakter  eingepritgl,  dieser  äussert  sich 
vielmehr  erst  im  Verlaufe  fernerer  Sonderungs vorgange. 

§  «8. 

Der  aus  der  allmifhliGh  erfolgenden  Zerlegung  der  Eizelle  ent- 
standene, am  Schlüsse  dieses  Vorganges  aus  einer  grosseren  Anzahl 
indifferenter  Zellen  zuaammengeselzle  Organismus  geht  eine  neue, 
und  zwar  die  erste  orgimologische  Differenzirung  ein.  Diese  grtlndet 
sich  zunächst  darauf,  dass  der  äusseren,  peripherischen  Zellschichte 
eine  andere  Rolle  zukommen  muss,  als  der  von 
dieser  Schichte  eingeschlossenen,  mit  einem  umge-  ^'8-  '■ 

benden  Medium  nicht  in  Beziehung  stehenden  cen- 
tralen Zellmasse  (Fig.  6  dj.  Sowohl  l>ei  Cülentera- 
ten  als  bei  Wtlrmem  bildet  sich  im  Innern  des 
Körpers  eine  primitive  Darmhähle  aus.  Der  ge- 
sammte  Organismus  lasst  dabei  in  den  einfachsten 
Fitllen  eine  ilussere  und  innere  Zellenschichle  er- 
kennen, von  denen  erstere  das  Integmnent,  lelz- 
ipre  die  Auskleidung  der  Üarmhühle  vorstellt. 

Die  Entstehung  dieses  Zustandes  ist  phylogenetisch  von  der  Art 
der  Nahrungsaufnahme  abzuleiten.  Wenn  die  Aufnahme  nicht  mehr 
an  jeder  beliebigen  Strecke  der  KSrperoberfitlche  besorgt  wird ,  son- 
dern nur  an  einer  einzigen  Stelle  geschieht,  von  wo  aus  das  Nahrungs- 
malerial  ins  Innere  des  aus  Zellen  zusammengesetzten  Körpers  gelangt, 
so  wird  bei  der  Weilerbildung  dieses  Verhaltens  durch  natürliche  Zürh- 

FiK.  6.  Sonücrunft  der  auo  iIit  DoUerlheiluni;  hervoncegnoRencii  Zellmasse  in 
eine  peripheruclie  ;<';   und  centrale  Parlhie   [d].      Sehe matisc lies  Durehschiiitubild. 


3i  Or^ne  hflfaerer  Ordnung. 

lung  auf  dem  für  den  Organismus  grüssere  Vorlhsilp  bielon<)en  Wepe 
der  Arbeilstbeilung ,  die  erst  vorUbergelu'nd ,  al>er  allinfthlich  cvnstanl 
dre  verdauende  Ciivimt  begrenzende  Zellscliirhte  in  .indere  Vcrhilltnisse 
Irelen  als  die  oberfliich liehe  Schichte  des  Ktirpere.  Wührend  eine  an- 
Tiinglich  (ähnlich  wie  bei  Hhizopoden  unter  den  Prolisten)  von  jeder 
Slelle  der  Kfirperoberfltiche  her  stattfindende  Nahrungsaufnahme,  und 
dem  enlspreehcnd  die  an  jeder  Stelle  im  Innern  des  KOrpers  vor  sich 
gehende  Verdauung  der  Ingesta  eine  Gleichartigkeit  der  Function  aller 
Theile  des  Oi^nismus  voraussetzt,  womit  auch  das  hier  bestehende 
Hervortreten  innerer  Theile  des  Protoplasmaleilies  an  die  Obcrßiiche,  so- 
wie dns  Zurticktrelen  itusserer  Theile  ins  Inneie  (bei  der  PseudnJKidiun- 
bilduDg)  harmonirt:  so  wird  in  jenem  anderen  Zustande  eine  Differen- 
2irung  der  Leistungen  des  Körpers  nicht  zu  verkennen  sein.  Ein  Theil, 
der  innere,  dient  der  Aufnahme  und  Verdauung  der  NahrungsslolTe,  ein 
anderer,  der  äussere,  bildet  als  Integunient  ein  Schulzorgan  des  Kttrpers. 
Bei  des  Protisten  ist  diese  Arbeilstheilung  in  manchen  Abtheilungen, 
aber  bei  anderem  Verhalten  des  Substrates,  vollzogen.  So  bei  vielen 
Flagellaten  und  InfusorieD,  wo  eine  bestimmte  Stelle  der  Kfirpcri^r- 
flilchc  als  Hund  fungirt,  von  wo  aus  die  nufgcnomnitonen  Nahrungsslofle 
ins  Innere  des  Körpers  gelangen.  Von  dem  oben  vorgeführten  Ver- 
hallen besteht  der  wichtige  Unterschied,  dass  bei  jenen  Protisten  der 
ganze  Vorgang  entweder  an  einer  pjnzelncn  Zelle,  oder  doch  am  Aequi- 
valente  einer  solchen  stattfindet,  indess  er  hier  an  einem  Zellen complexe 
vor  sich  geht  und  somit  zugleich  eine  histiolo^^ischc  Sondcning  einleilel. 
Die  fundamentale  Bedeutung  der  duixh  jenen  Vorgang  entsiebenden, 
in  dem  als  »Planuln«  hckannlon  Larven  zustande  violer  niederen 
Thiere  gegebenen  Grundform  bat  in  allseilig  umfassender  Weise  zuerst 
IIAckkl  erkannt,  und  sie  als  »Gastrulaa  untei'scbiedon  (Kalk seh wfim nie 
1.  S.  i64).  Wir  treuen  also  an  der  Gastnilaform  als  äusserste,  das 
Ectoderm  (Fig.  7  ti},  dss  Inlogument  vorsleHentlf 
'■8'  ''-  KUrperschichle  und  eine  innere  die  verdauende  Ca- 

vitat  b^i'enzende  Schichte,  das  Entodcrm  (r), 
licide  St^ichlen,  aus  Zellen  zusammengesetzt,  und 
unmittelbar  an  einander  gelagert,  so  dass  an  der 
HundufTnung  die  eine  in  die  andere  llbenugeben 
scheint.  Wie  die  physiologische  Leistung  beider 
Schichten  verscbimlen  ist,  so  erscheint  auch  das 
spcciellcre  Vorhallen  der  sie  zusnmmonselienden 
Formelemeole  in  beiden  ziemlich  diRerent,  wo%on 
hier  nur  auf  die  meist  bedeutendere  Grosse  der 
Zellen  des  ßnloderms  gegen  jene  dos  Ecloderma  hin- 
gewiesen sein  soll. 

FiR.  1,  Schcmatischf-  Dnrslpllung  itt^r  ersten  DilTerenKirung  iIpü  Oncaniümu« 
in  Ecloüenn  uiiil  RnlmliTm,  In  Verbimlunu  (■>■>  i><^r  BiMun^  eimr  venlouenden 
CaviUt.     «.  Uund.     b.  DnrinhölilF.    r.  Enlmlt'rm.    d.  BcliHl«rn>.     Durrhscbniltsbild, 


Organe  höherer  Ordnung. 


35 


Die  Verbreitung  dieser  niedersten  Form  der  organologischen  Son- 
dening  des  Thierleibes  in  den  niederen  Abtbeilungen  lässt  die  Bedeu- 
tung derselben  durch  einzelne  unwichtige  Modificationen  nicht  beein- 
iräohiigen.  Solche  sind  z.  B.  eine  zuweilen  sehr  frühzeitig  erscheinende 
fernere  Diflferenzirung  des  Ectoderms  in  mehrfache  Schichten.  Wenn 
nach  manchen  Angaben  die  in  die  primitive  Darmhöhle  führende  OefT- 
nung  spater  die  Afleröffnung  vorstellen  soll,  so  ist  vorerst  eine  festere 
Begründung  dieser  Angabe  abzuwarten. 


§  29. 

Die  vorhin  erwähnte  Gastrulaform  bietet  als  thierische  Grundform 
betrachtet  den  Ausgangspunct  für  die  Entstehting  der  Haupt  formen 
des  Thierreichs.  Denkt  man  sich  senkrecht  durch  die  verdauende  Ca- 
vität  eine  Axe  (Fig.  SAB)  gelegt,  so  wird  der 
eine  der  Mundöfihung  entsprechende  Pol  den  oralen 
Pol,  der  entgegengesetzte  den  aboralen  Pol  vor- 
stellen. Diese  Axe  [AB)  isl  die  Hauptaxe  des 
Körpers.  Bei  gleichmüssig  cylindrisch  oder  sphä- 
risch gestaltetem  Körper  kann  man  senkrecht  zu 
dieser  Hauptaxe  beliebig  viele  Linien  durch  den 
Körper  gezogen  denken,  welche  die  Nebe n axe n 
(a  6,  c  d)  vorstellen.  Sie  werden  unter  obiger  Vor- 
aussetzung säromtlich  unter  sich  gleichwerthig  sein. 
Die  Nebenaxen  sind  damit  unter  sich  indifferent, 
und  charakterisiren  einen  niederen  Zustand. 
Bei  eintretendem  Festsitzen  des  Organismus  — 
selbstverständlich  am  aboralen  Pole  —  wird  die 
Ausbildung  des  Körpers  in  der  Richtung  einer  be- 
liebig grossen  Anzahl  von  Nebenaxen  unter  dem 
Fortbestehen  ihrer  Gleichwerthigkeit  erfolgen  kön- 
nen, und  dasselbe  trifft  sich  bei  vollständig  freier 
Bewegung  im  flüssigen' Medium.  Die  Ausbildung 
des  Organismus  in  der  Richtung  der  Nebenaxen 
kann  entweder  durch  äussere  Anhangsgebilde, 
Tentakel  u.  dergl.  oder  durch  DiRerenzirung  der 
Darmhöhle  erfolgen.  Dabei  werden  nicht  mehr  alle  beliebig  gezogenen 
Nebenaxen  einander  gleich  sein.  Die,  in  deren  Richtung  Organe  ge- 
sondert sind,  werden  sich  von  den  anderen  unterscheiden.  Daraus 
ergibt  sich  die  bei  den  Cölenteraten  waltende  duix^h  mehr  als  zwei 
Gegenstücke  (Antimeren)  charakterisirte  oder  radiäre  Grundform 
des  Leibes.     (Vei;gl.  Fig.  9.) 

Fig.  8.  Scbematische  Darslellung  der  Körperaxen.  A,  B,  Havptaxe,  a  b,  c  d 
Nebena&en.  In  der  unU*ren  Figur  isl  das  Quergchnillsbild  der  oberen  mit  2  Neben- 
axen gegeben. 

8» 


36 


Organe  höherer  Ordnung. 


Fig.  4  0. 


-    -c 


M 


Entbehrt  der  Körper  bei  einem  in  der  Richtung  der  (lauptaxe  slall- 
findenden  Wachslhume  der  Befestigung  am  Boden,  so  wird  sich,  wenn 
er  letzterem  der  Lunge   nach   sich   auflagert,    und  in  dieser  Weise  die 

Locomotion  vollzieht,  daraus 
ein  Causalmoment  für  eine 
Aenderung  der  Bedeutung  der 
Axen  ergeben.  Die  Hauptaxe 
wird  dieselbe  bleiben,  aber 
die  Nebenaxen  werden  nach 
der  Bedeutung  der  durch  sie 
verbundenen  Flüchen  diffe- 
rent  werden  müssen.  Bei 
conslanter  Beiilhrung  der  Bo- 
denflilche  miltels  einer  Flüche 
des  Körpers  bildet  diese  zur 
ventralen  Flache  sich  aus,  in- 
dess  die  andere  zur  Rücken- 
flUche  sich  gestaltet.  Beide, 
unter  verschiedenen  Bedin- 
gungen stehende ,  müssen 
verschiedenartig  sich  diffe- 
renziren,  sowie  auch  die  bei- 
den Seitenflächen  —  oder  bei 
flach  ausgebreitetem  Körper 
die  Seitenründer  —  von 
Rücken-  undBauchfliiche  sich 
verschieden  verhalten  müs- 
sen. Hieraus  entepringt  die  Ausbildung  von  nur  zwei  Nebenaxen 
verschiedenen  Werthes.  Die  eine  verbindet  Bauch-  und  Rtickenfldche 
(Fig.  40  a  6),  die  andere  die  beiden  Seilenflachen  (c  d)  des  Körpers. 
Die  den  Polen  der  ersten  oder  senkrechten  Axe  entsprechenden  Flächen 
sind  einander  ungleichwerthig ,  indess  jene  der  Pole  der  Queraxe  ein- 
ander gleichwerthig  sind.  In  der  Queraxe  erhalt  sich  somit  ein  pri- 
mitiver Zustand,  der  für  die  andere  Nebenaxe  durch  die  dorsoventrale 
Diflferenzirung  verloren  ging.  Diese  zweite  aus  der  Gaslrula  ableitbare, 
durch  zwei  Antimeren  charakterisirte  Form  beginnt  bei  den  Würmern  und 
waltet  von  da  an  durch  alle  höheren  Abtheilungen.  —  Mit  der  Loco- 
motion in  der  Richtung  der  Hauptaxe  mit  dem  oralen  Pole  voran,  steht 

Fig.  9.  Radiäre  Grunürorm  mit  der  Axenbezeichnung  wie  in  voriger  Figur. 
Auf  das  untenstehende  Querschnittsbild  ist  die  vordere  Ansicht  des  Körpers  ein- 
gezeichnet, um  die  in  der  Richtung  von  %  Queraxen  sich  difTereniirenden  Anhangs* 
gebilde  (Tentakel)  darzustellen. 

Fig.  10.«  Schematische  Darstellung  der  DifTerenzirung  der  Nebenaxen.  In  der 
Hauptfigur  Ist  die  Entstehung  eines  Kopftheiles  durch  ein  dorsales  Tentakelpaar 
angedeutet.  Die  untere  Figur  stellt  den  Querschnitt  der  oberen  unil  damit  die 
beiden  Nebenaxen  dar. 


Organe  höherer  Ordnuog.  37 

auch  die  besonder«  DiffiTeuzirung  der  dem  letiteren  entsprechendon 
Kdq>eriheiie  in  Zusammen biing,  der  in  allmählich  höherer  Ausbildung 
den  Kopf  des  Organismus  vorslelli. 

Diese  Ehlwickeiung  des  Kopfes  am  oralen  Pole  (Fig.  iO  A)  wird 
in  Abhängigkeit  von  der  Bewegungsrichtuug  vorwiegend  durch  die  Eni- 
faliung  von  Sinnesorganen  eingeleitet,  wühreud  die  Bewogungsrichtung 
selbst  wieder  durch  die  Nahrungsaufnahme  In^influsst  erscheint.  Somit 
dürfte,  wenn  auch  mittelbar,  in  der  Lage  der  Mundöflnung  das  fUr  die 
Sonderung  des  Kopfes  ursäcliHoh  wirkende  Moment  sich  erkennen  lassen. 


§  30. 

Die  beiden,  den  Leib  niederer  Thierc  während  früher  Stadien  zu- 
sammensetzenden Zellschichten,  Kc toder m  und  Entoderni,  lassen 
zwischen  sich  eine  intermediäre  Schichte  hervorgehen.  Sie  bildet  das 
M  es  oder  m,  an  dessen  Entstehung  die  beiden  andern  gleichen  Anthoil 
zu  haben  scheinen.  Das  Haass  dieser  Betheiiigung  ist  noch  keineswegs 
bestimmt,  wie  überhaupt  die  ersten  Sonderungsvorgänge  der  Körper- 
anlage vielfach  genauer  Untersuchung  bedürfen.  Diese  drei  Straten  er- 
scheinen in  den  auf  den  Theilungsprocess  des  Eies  folgenden  Stadien 
selbst  der  höheren  thierischen  Organismen  unterscheidbar,  und  zeigen 
ihr  Auftreten  an  die  erste  histiologische  Differenzirung  geknüpft.  Man 
bezeichnet  sie  als  Keimblätter,  da  sie  die  erste  Anlage  des  Körpers 
zusammensetzen  und  da  wie  aus  einem  Keim  der  gesaromte  Organismus 
aus  ihnen  sich  differenzirt. 

Jene  Anlage  des  Körpers  bietet  in  den  höheren  Abtheilungen  des 
Tbierreiches  zwar  zahlreiche  Modificationen ,  und  lässt  den  in  der 
Gastntlaform  repräsentirten  Zustand  um  so  weniger  eriLonnen,  je  be- 
deutender die  Differenzirungen  sind,  welche  der  Organismus  durchläuft, 
allein  in  der  Hauptsache  besteht  eine  nicht  schwer  zu  erkennende  lieber- 
einstimmung.  Das  äussere  Keimblatt  (Ectoderm)  bildet  die  äussere 
Gränzschicbte  des  Körpers,  wie  das  innere  (untere)  Keimblatt  (Darm- 
drüsenblatt,  Entoderm)  die  Darmanlage  abgibt,  und  zwischen  beiden 
erscheint  dann  das  mittlere  Keimblatt  (Mesoderm).  Bestehen  auch  be- 
züglich der  Genese  dieses  stets  etwas  später  auftretenden  mittleren 
Keimblattes  noch  keine  sicheren  Thatsachen,  indem  manche  Beobachter 
es  vom  äusseren,  andere  dagegen  es  vom  inneren  ableiten,  und  wieder 
andere  es  aus  beiden  entstehen  lassen,  so  ist  doch  die  letztere  Annahme 
aus  vergleichenden  Gründen  als  die  wahrscheinlichere  anzusehen. 

Wie  Ectoderm  und  Entoderm  die  ersten  gesonderten  Organe  sind, 
so  erscheinen  auch  die  Keimblätter  als  solche  Urorgane,  die  aus  dem 
frühesten  Dtfferenzirungszustande  des  thierischen  Organismus  auf  spä- 
tere und  damit  höhere  Zustände  vererbt,  nach  dem  Gesetze  der  Arbeits- 
tbeilung  Reihen  neuer  Organe  aus  sich  hervorgehen  lassen.    Das  That- 


36  Orfiane  häherer  Ordnnng. 

Entbehrt  der  Kjtrper  bei  einem  in  der  Richtung  der  llfiupl-''**'''^'" 
findenden  Wachslhume  der  Befestigung  am  Boden,  so  wird  sich,  «^^ 
er  letzterem  der  Ulnge   nach   sich   auriagcrl,    und  in  dieser   Weiw 

Locomotion  vollzieiu,    a»^^ 
ein   Causalmonient    f^r  eme 
Aenderung  der  Bedeulung  der 
Axen  Blieben.     Die  HJiupia'e 
wird  dieselbe  bleiben,   af^r 
die  Nebenasen  werden  noc" 
der  Bedeutung  der  durch  sie 
verbundenen    Flüchen    diffe- 
rent    werden    mtlssen.      B«' 
constanter  BeiUhrung  der  ßo- 
denfladie  miltels  einer  Flache 
des  Körpers  bildet  diese  zur 
ventralen  Flache  sich  aus,  in- 
dess  die  andere  lur  Rücken- 
Hache  sich  gestaltet.     Beide, 
unter   verschiedenen   Bedin- 
gungen    stehende ,     müssen 
verschiedenarüg    sich    diffe- 
rcnziren,  sowie  auch  die  bei- 
den Seitenflächen  —  oder  bei 
flach    ausgebreitetem  Körper 
die     Seilenränder    —     von 
RUdien-  und Bauchflachi-  sirl 
verschieden   verhallen   im 
seo.      Hieraus   enlspringt   die    Ausbildung    von    nur   iwei    NeWr 
verschiedenen  Werthes.     Die   eine  verbindet  Bauch-  und  Rückt  ■ 
(Fig.  id  a  b),   die  andere  die  beiden  Seilenflachen  [c  d)  dis 
Die  den  Polen  der  ersUtn  oder  senkrechten  Axe  entsprechcnl 
sind  einander  ungleich werth  ig ,  indess  jene  der  Pole  der  ' 
ander  gleichwerthig  sind.     In  der  Queraxe   erhalt  sich 
mitiver  Zustand,  der  fUr  die  andere  Nebenaxe  dtin-li 
UifTi'ivnxirung  verlore^^MMfiKsc  zweite  iius  lU  < 
durrti  zvvt'i  Antimera^^^^^^^^Brle  Form  beginii' 
svollet  von  da  »ii^^^^^Hpren  Ablbeili. 


^taxe  mit  il. 


KiR.   9- 


auch  die  b«-Mond<-ri  hiri- r*-ij 
Körpenbeile  in  ZuAriniuH-i.ui 
deo  Kopf  des  OrSHiiisniu-  i 
Diese  lint«  irLi-iuu.  o- 
in  AMiängi^eiL  vuo  Uc-  Ifv 
blUing  von  SiuiK^ir-rfn-'i  «n 
selbst  wieder  dunii  ü<-  'V^t:- 
dürfte,  wcDU  auch  ii>ui'-iih.' 
Sonderling  des  iLu]<l<->  un»-  -. 


Die  beiden,  d-'i.  i- 
sammenseUeDtk'O  Z-li-j 
iwiscben  sidi  etut  inf-r 
Hcsoderni,  an  d'-M^-, 
lu  haben  sclieinoti  li- 
bcsliiunit,  wie  UIktimu 
anläge  vielfadi  gLiuur' 
scbeioen  in  des  auf  u-. 
M'lbst  der  tuibcn»  m 
ilir  Auflred-n  «i  die 
lineieboot  »e  ab 


aeo  Ver- 

,.^le  l-'orni- 

.11(1  crfwlKen 

.iij;  des  Kör-  - 

.  und  welchen 

^,  Aiitbbcn),   so 

iili-l  sich  also  nur 

Üas  Proloplasina 

^^cgun)loo  bcpvor, 

ichcn  Integuuienl- 

1  den  Bowegunfjcn 

ilor  Bewegung  bo- 

1  ebenso  wenig  uls 

-slichum  Sinne  zu— 

•  Km  sukonimciideu 

[i  Organismus  voll- 

ii;  aufnähme. 

it<!rschioden<ni  con- 

Kewogung  au[,  die 

yelagcrlo  Huskel- 

X.TS  (wie  sie  von 
.lis  eine  Sonderung 
l>lutte  Fortit^ilie  ab 
Fasern, 
ilieiligtc  Kcloüerni- 
it,  der  mit  eineui 
u  Zelle  lial  souiit 
l^iguuscbaften   auf 


38  Organe  höherer  Ordnung. 

Sächliche  der  organologischcn  DifFerenzirung  der  Keimblälier  ist  noch 
zu  geringen  Umfanges,  um  für  alle  Organe  den  Nachweis  der  Genese 
aufstellen  zu  können.  Doch  gestatten  die  wenigstens  für  einige  Ah- 
theilungen  oiTenliegenden  Thatsachen  den  Ditferenzirungsvorgang  in  den 
ersten  GrundzUgen  vorzuführen.  Aus  dem  Ectoderm  gehen  vorwiegend 
die  Organe  hervor,  welche  den  Organismus  in  Beziehung  zur  Aussen- 
weit  setzen.  Schulz-  und  Stutzorgane,  Organe  der  Empfindung  (daher 
sensorisches  Blatt)  und  der  Bewegung,  während  das  Entoderm  vor- 
wiegend die  Organe  der  Erhaltung  des  Individuums  und  der  Art  liefert, 
(daher  nutritorisches  Blatt.) 


a)  Integument. 
§  31. 

Das  Ectoderm  bildet  als  äusserste  Köiperschichte  den  einfachsten 
Zustand  des  Integuments  thierischer  Organismen.  Während  (km  den 
Protisten  jegliches  Integumeni  entweder  fehlt,  da  das  den  Körper  dar- 
stellende Protoplasnia  in  wechselnde  Fortsülze  (Pseudopodien)  ausgezogen, 
jeden  inneren-  Theii  an  die  Oberfläche  gelangen  lassen  kann,  oder  durch 
die  äusserste  Schichte  des  Protoplasma  einer  einzelnen  Zelle  repräsen- 
tirt  wird,  ist  hier  zum  erstenmale  eine  zusammenhängende  Zcllschichte 
als  gesondertes  HUllorgan  utM  Bedeckung  dos  übrigen  Organismus  unter- 
scheidbar. Es  äussert  die  Function  eines  Schutzorganes,  indem  seine 
Zellen  eine  in  verschieden  mächtiger  Ausdehnung  die  Körporoberfläche 
überziehende  Substanz  absondern,  welche  erhärtend  entweder  Gehäuse- 
und  Schalen bildungen  hervorgehen  lässt,  oder  einen  continuirlichen 
Ueberzug  des  Körpers  bildet  wie  den  Panzer  der  Arthropoden. 

Mit  der  Entstehung  eines  Mesoderms  nimmt  der  mit  dem  Ectodettn 
verbundene  Abschnitt  desselben  gleichfalls  vielfach  an  der  Function  eine^ 
Schutzorganes  Theil.  Diese  äussert  sich  in  dem  Auftreten  von  festen 
kalkhaltigen  Ablagerungen  wie  in  dem  compliciiteren  Integumente  der 
Goralien  und  der  Echinodermen. 

Die  Schutzgebilde  des  Körpers  schaffende  Thätigkcit  des  Ectoderms 
zeigt  sich  noch  bei  den  Wirbelthicren  in  der  Production  zahlreicher 
anderer  als  Hüll-  und  Schuteorgane  fungiiruder  Theiie. 


b)  Bkelei. 

Die  mann  ichfaltigen,  vom  Ectoderm  gdiefertcn  Schutzorgane  fun- 
gircn  in  vielen  Fällen  auch  als  StUtzorganc  des  Körpei*s,  in  dem  Maasse, 
als  sie  entweder  an  Mächtigkeit  oder  auch  an  Festigkeil  zunehmen.  Die 
Verbindung    anorganischer    Substanzen,    vornehmlich    Kalksalzc,    mit 


lotegameot.    Sketet.    Muskeln.  39 

einer  organiscben  Grundlcige  spielt  hier  eine  wiohlige  Rolle.  IHe  SUMz- 
fnnctiony  welche  hier  vom  Integtinienle  geleistet  wird,  lässt  zahireicfae 
AnpassungeD  hervorgehen.  Die  Vereinigung  beider  Fmiciioncn  erscheint 
als  niederer  Zustand  im  Vergleiche  mit  der  Bildung  innerer  SkeletCi 
welche  einer  höheren  functionellen  Differonzirung  entsprechen.  Solche 
nehmen  zwar  anscheinend  unabhängig  vom  Ectoderin  ihre  Entstehung, 
und  sind  vom  Mesoderm  ableitbar.  Da  aber  lelzteres  tbeilweise  dem 
Ectodemi  entstammt,  liefert  dieses  wohl  auch  für  jene  das  Material, 
und  es  ist  dann  die  Einlagerung  in  den  Körper  in  keinem  principieUen 
Gegensatae  mit  den  niederen  Zuständen.  Von  völlig  untergeordneter 
Bedeutung  ist  hiefttr  die  Art  der  Ausbildung  des  inneren  Skelels. 


0}  Muakeln. 
§  33. 

Die  Bewegung  des  Körpers  äussert  sich  in  ihrem  einfachsten  Ver- 
ballen als  eine  durch  die  GontracUlitäi  des  Protoplasma  bedingte  Form- 
Verminderung.  Sind  diese  Fermvoränderungcn  ausgiebiger  und  erfolgen 
sie  nach  bestimmter  Richtung,  durch  einseitige  Verlängerung  des  Kör- 
pers, durok  Aussenden  von  Fortsätzen,  die  sich  festheften,  und  welchen 
allmäiilieb  die  ttbrige  Körpermasse  nachfolgt  (Rhizopodon,  Amöben),  so 
resultirt  ans  ihnen  die  Ortsbewegung.  Diese  untersdieidet  sich  also  nur 
graduell  von  der  unbestimmteren  Formveränderung.  Das  Protoplasma 
ruft  durch  seine  Contractilität  auch  da  noch  Ortsbewegungen  hervor, 
wo  es  sich  bereits  mit  einer  differenten  aber  noch  weichen  Integument- 
schichte  überkleidet  hat.  Diese  Schichte  folgt  dann  den  Bewegungen 
des  von  ihr  umhüllten  Leibes.  Besondere  Organe  der  Bewegung  be- 
slehen  in  diesen  bei  den  Protisten  verbreiteten  Fällen  ebenso  wenig  als 
den  Wimperhaaren  diese  Bedeutung  in  ausschliesslichem  Sinne  zu- 
gesdirieben  werden  kann,  da  diese  auch  den  Protisten  zukommenden 
Bildungen  noch  mancherlei  andere  Functionen  für  den  Organismus  voll- 
ziehen, z.  B.  durch  die  Betheiligung  an  der  Nahrungsaufnahme. 

Erst  n»it  dem  Erseheinen  der  als  Muskelfasern  unterschiedenen  con- 
tradilen  Formelemente  treten  specifische  Organe  der  Bewegung  auf,  die 
ioB  einCaohsten  Falle  als  eine  unter  dem  Ectoderm  gelagerte  Muskel- 
scfaieble  sich  darstellen. 

Die  Genese  dieser  ersten  Musculatur  des  Körpers  (wie  sie  von 
KLziNBNBBftG  bei  Hydra  beobachtet  wurde)  ergibt  sich  als  eine  Sonderung 
des  Ectoderms.  Von  den  Zellen  des  letzteren  gehen  platte  Fortsätze  ab 
und  fonniren  eine  continuirliche  Schichte  oontractiier  Fasern. 

Eine  jede  an  der  Bildung  dieser  Faserschichte  betheUigle  Ectoderm- 
zelle  repräsentirt  dabei  einen  empfindenden  Apparat,  der  mit  einem 
contractilen  in  unmittelbarer  Verbindung  steht.  Die  Zelle  hat  somit 
zwei  ursprünglich  ihrem  Protoplasma  zukommende  Eigenschaften  auf 


40  Organe  höherer  Ordnung. 

verschiedene  AbschniUe  veriheilt.  Während  sie  früher  Sensibilität  und 
Contractilität  vereinigte,  ist  ihr  crstere  geblieben,  indess  die  letztere 
in  höherer  Potenzirung  einem  vom  Protoplasma  different  gewordenen 
Fortsatze,  nunmehr  einem  Anhangsgebilde  der  Zelle  zukommt.  Darin 
erscheinen  die  ersten  Anfänge  der  in  höher  differenzirten 
Zuständen  in  dem  Zusammenhang  von  Ganglienzelle, 
Nervenfaser  und  Muskelfaser  ausgesprochenen  Einrich- 
tung. Wenn  wir  annehmen,  dass  die  in  diesem  Falle  nur  als  Fortsätze 
von  Zellen  erscheinenden  Fasern  allmählich  einen  Kern  erhalten,  indem 
das  Theilungsproduct  des  Kernes  der  Zelle  auf  die  Faser  gelangt,  dass 
femer  die  Ectodcrmzelle  nicht  mehr  so  unmittelbar,  sondern  durch  einen 
gesonderten  Forlsatz  mit  der  somit  gleichfalls  selbsUlndiger  gewordenen 
Faser  sich  verbindet,  so  ist  damit  ein  üebergang  zu  jenem  diflerenzir- 
teren  Zustande  gegeben,  Nerven  wie  Muskeln  erscheinen  von  diesem 
Gesichtspuncte  aus  als  die  Producte  der  Sonderung  einer  und  derselben 
Gewebsschichte  des  Kcloderms.  Damit  wird  zugleich  ein  physiologisches 
Postulat  erfüllt;  denn  es  ist  völlig  undenki)ar,  dass  Nerv  oder  Muskel 
in  ihren  Elementen  einmal  von  einander  gesondert  bestanden,  und  dass 
der  die  Functionen  beider  bestinmiende  Zusammenhang  das  Ergebnis« 
einer  späteren  Verbindung  sei. 

Ob  überall  dem  Auftreten  einer  Musculatur  ein  ähnlicher  Vorgang 
zu  Grunde  liegt,  ist  noch  nicht  ermittelt,  er  wird  aber  als  in  hohem 
Grade  wahrscheinlich  gelton  dürfen.  Wenn  die  Difierenzirung  bei 
höheren  Organismen  diese  Vorgänge  nicht  mehr  erkennen  lässt,  so  ist 
daraus  noch  nicht  eine  urspiilnglich  andere  Art  der  Entstehung  zu 
folgern,  da  die  Ontogenie  die  phylogenetischen  Processe  in  ihrem  vollen 
Umfange  nur  selten  zu  wiederholen  pflegt. 

§  34. 

Ihrer  Genese  gemäss  erscheint  die  erste  Musculatur  des  Körpers 
in  enger  Beziehung  zum  Integumente,  von  dem  sie  kaum  getrennt  wer- 
den kann.  Mit  dem  Integumente  zusammen  bildet  sie  einen  mit  dem 
Auftreten  einer  Leibeshöhle  die  übrigen  Organe  umschliessenden  »llaul- 
muskeischlauch«.  Die  Anordnung  der  Muskelfasern  bietet  eine  gewisse 
Regelmässigkeit  zumeist  erst  mit  der  Gliederung  des  Körpers  in  einzelne 
hintereinander  gelegene  Abschnitte  (Metamerenj,  und  mit  der  Entwickc- 
lung  von  Stülzorganen  zeigt  sich  eine  Differenzirung  der  Musculatur  in 
einzelne  Gruppen.  Summen  von  Fasern  bilden  Bündel  und  diese  setzen 
wieder  grössere  Comploxe,  Muskeln,  zusammen.  Die  Gliederung  der 
Musculatur  entspricht  dann  der  Segmentirung  des  Körpers,  und  erseheint 
in  ihren  einzelnen  Abschnitten  um  so  mannichfaltiger,  je  verschiedener 
die  Leistungen  der  einzelnen  Metameren  sind.  Was  beim  Hautnmsket- 
schlauch  durch  die  in  verschiedener  Schichtung  sich  kreuzenden  Fasern 
erzeugt  wird,  nämlich  die  Verschiedenartigkeit  der  Bewegung,  das  wird 


Nerveosyfttem.  41 

bei  differenxiiter  Musculalur  durch  gegeiieiiuinder  wirkende  und  eben 
dadurch  in  lolo  in  ihrer  Thäiigkcii  harmonirende  Muskelgruppen  voll- 
zogen. 

Durch  den  Haulmuskelscbiauch  und  die  aus  ihm  hervorgehenden 
Differenrirungen  wird  die  Locomotion  durch  Bewegung  des  gcsammten 
Körpers  bewerkslolligt,  und  das  gesanimlc  Integumenl  isi  an  jener 
Tbaligkeit  betheiligl.  Von  da  aus  ßndel  eine  fernere  Differcnzirunj; 
«iaU,  indem  an  beslimmlen  Theilen  des  Körpers  besondere  Anhänge 
als  Gliedmaassen  sich  hervorbilden,  die  wie  llebelamic  l)eim  Orts- 
wechsel ihälig  sind.  Sie  erscheinen  bald  als  einfache  weiciio  Porlsälze 
des  Hauiniuskelschlauches  (Ringelwürmer),  bald  als  gegliederte  Gebilde, 
welche  entweder  vom  Integumentc  her  (Arthropoden),  oder  von  Seiten 
innerer  Skeletbiidungen  (Wirbelthierc)  eine  Stütze  erhalten.  Die  Com- 
plicirung  der  Musculatur  steht  mit  der  Kntwickeiung  von  Stutzorganen 
in  engem  Gonnexe,  und  beide  bilden  einen  einzigen  Bewegungsapparat, 

von  dem  das  Skdlet  die  passive  Rolle  übernimmt. 

• 

d)  lEfervenflystem« 
§  35. 

In  den  nieflersten  Zuständen  der  thierischon  Organisation  ist  das 
Protoplasma  der  Zellen  der  Sitz  der  Empfindung  wie  der  Bewegung, 
ähnlich  wie  dies  bei  den  Protisten  der  Fall  ist.  Mit  der  Differenzirung 
der  Mttskelschichte  des  Körpers  ist  das  Ectoderm  vorwiegend  Empfin- 
dungsorgan geworden.  Aus  der  Fortbildung  einer  Strecke  dieser  Schichte 
in  dieser  Richtung  ergibt  sich  die  Differenzirung  eines  Nervensystems, 
für  dessen  ersten  Zustand  somit  eine  oberflächliche  Lagerung  am  Körper 
vorauszusetzen  ist.  Dieses  Verhalten  erscheint  unter  den  Wirbellosen 
in  der  ersten  Anlage  des  Nervencentrums  der  Ascidien,  und  allgemein 
an  der  Anlage  des  Centralorganea  des  Nervensystems  der  Wirbelthierc, 
wo  wir  das  dem  Ectoderm  homologe  äussere  Keimblatt  mit  einer  Strecke 
(der  Medularplatte)  jene  Organe  bilden  sehen.  Dieses  an  sich  höchst 
eigenthUmlicbe ,  an  sich  völlig  unverständliche  Verhalten  wird  also  als 
eine  Vererbung  aus  einem  primitiveren  Zustande  erklärbar,  in  welchem 
das  noch  wenig  differente  Nervensystem  durch  die  Zellschichto  des 
Ecloderms  oder  eines  Abschnittes  desselben  vorgestellt  ward.  Die  all- 
mählich erfolgende  Einbettung  in  das  Innere  des  Körpers  muss  hiebei 
als  ein  mit  der  fortschreitenden  Differenzirung  und  der  damit  erlangten 
höheren  Potenzirung  erworbener  Vorgang  gelten,  durch  den  das  für  den 
Organismus  werth vollere  Organ  in  das  Innere  des  ersleren  geliorgen  wird. 

Bezüglich  der  Form  Verhältnisse  des  differenzirten  Nervensystems 
ist  einmal  das  Centralorgan,  vorwiegend  aus  Ganglienzellen  zusammen- 
{gesetzt,  \oii  den  zu  den  Endappuralen  verlaufenden,  aus  faserigen 
Ktemcnten  bestehenden  Nerven  (peripherisches  Ncrvensystemj  zu  unter- 
scheiden. 


42  Organe  hobercr  -Ordnung. 


§  36. 

Durch  (las  Aiiriret^^n  mchi'ercr  unter  einander  verbundener  Ganglien 
entstehen  die  ersten,  nach  sehr  diiferenten  Riclitungen  sich  w'eiter  ent- 
faltenden Complicirungen.  Die  das  Centralorgan  darsU>licnd«  Ganglien- 
masse  sondert  sich,  meist  in  der  Nähe  des  Einganges  zum  Darmcanale 
gelagert,  in  mehrero  unter  einander  durch  Vcrbindungsfascm  (Gominis- 
suren)  in  Zusammenbang  stehende  Theile. 

Bei  den  strahlig  gebauten  Thieren  vermehrt  sich  die  Zahi  der  Gan- 
glien in  einer  den  Radien  entsprechenden  Weise,  und  auch  die  peri- 
phmsche  Vertheilung  der  Nerven  folgt  gei^u  diesen  Yerhältoissen  des 
Baues.  Hit  der  aus  zwei  Antimeren  gebildeten  Körperfoitn  ordnet 
sich  aucb  das  Nervensystem  nach  dieser.  Das  Nervencentrum  besteht 
anfänglich  nur  aus  einer  oberen  Ganglienmasse;  das  Hinzutreten  einer 
unteren  scheint  erst  mit  der  Metamerenbiidung  zu  Stande  zu  kommeD. 
Die  Vereinigung  zu  einem  Schlundrmg  im  vordersten  Theile  des  Körpers 
ist  demnach  ein  secundärer  Zustand.  Man  unterscheidet  dann  ein  dor 
sales  und  ventrales  Ganglion,  von  denen  jedes  aus  zwei  seitlichen  Ab- 
schnitten besteht.  Die  verschicdengradige  Ausbildung  dieser  Schlund- 
ganglien steht  in  engstem  Zusammenhange  mit  den  davon  abgehenden 
Nerven.  Mit  der  Ausbildung  der  Sinnesorgane  zeigt  sich  auch  das  die 
bezüglichen  Nerven  entsendende  Ganglion  von  beträchtlichem  Umfang, 
sowie  es  mit  der  Verkümmerung  derselben  rudigebildet  erscheint.  Die 
oberen  Schlundganglien  sind  die  in  der  genannten  Beziehung  wichtig- 
sten, denn  von  ihnen  entspringen  in  der  Regel  die  Nerven  der  httheren 
Sinnesorgane. 

Aus  dieser  Form  leitet  sich  unmittelbar  eine  andere  ab,  für  welche 
die  deutlich  ausgesprochene  Metamerenbiidung  des  Körpers  als  das  be- 
dingende Moment  erscheint.  Während  bei  den  ungegliederten,  mit 
Schlundring  versehenen  Thieren  die  ventralen  Körpertheile  durch  die 
voa  den  unteren  Schlundganglioa  entspringenden  Nerven  versorgt  wer- 
den, tritt  mit  der  Abtheilung  des  gesanimten  Körpers  in  hintereinander 
gelegene  Theile  (Metameren)  eine  Vermehrung  der  ventralen  Ganglien 
ein.  Durch  die  BiMung  je  eines  Ganglienpaares  für  jedes  GliedstUck 
entsteht  eine  ventral  gelagerte  Reihenfolge  von  Ganglien,  die,  unter  sich 
durch  Längscommissuren  verbunden,  eine  Ganglienkette  bilden,  das 
Bauchmark.  RingeiwUrmor  und  Arthropoden  sind  Repräsentanten 
dieser  Form.  Innerhalb  derselben  entstehen  durch  weitere  Differenzi- 
rung  raannichfaitige  Variationen.  Erstlich  wechselt  das  Volum  der  Gan- 
glien nach  der  Verschiedenheit  des  Volums  der  mit  Nerven  zu  ver- 
sorgenden Körpertheile,  und  zweitens  geht  an  ganzen  Abschnitten  des 
Bauchmarks  eine  Verschmelzung  der  Ganglien  in  grössere  Ganglion- 
massen vor  sich. 

Aehnliche  Diflerenzirungcn  des  centralen  Nervensystems  sind  auch 


Sinnesorgane.  43 

bei  einer  exciusiv  dorsalen  Lagerung  desselben,  wie  bei  den  Vertebraten, 
gegeben.  Mil  der  Ausbildung  des  vordersten  Körperabschniltes  zu  einem 
Kopfe  entfaltet  sich  der  vorderste  Thcil  des  Ncrvcncenlralorganos  zu 
einem  besonderen  Abschnitte,  dem  Gehiru,  weiches  von  dem  übrigen 
mehr  gloichmässigen  Medullarrohre,  dem  Rtlcken marke  sich  abgrenzt, 
in  weiterer  Differenzirung  gehen  am  Gehirn  wieder  verschiedenartig  aus- 
gebildeie  Abschnitte  hervor. 


e)  Sümeaoigane. 
§  37. 

Die  Sinnesorgane  vermitteln  dem  Organismus  Zustände  der 
Anssenweit.  Ais  Sitz  der  Empfindung  niederster  Art  erscheint  das 
Protoplasma,  weiches  in' der  indifferenten,  die  niedersten  Organismen 
cbarakterisirenden  Beschailenheit ,  auf  äussere  Reize  mannichfalUger 
Art  reagirt.  Bei  noch  nicht  vollzogener  Abgrenzung  der  Körperoher- 
fläcfae  vom  Innern  des  Organismus  (Rhizopodcn j ,  wird  jeder  Protoplasm«!- 
theil  zur  Vermittelung  der  Wahrnehmungen,  freilich  niedersten  Grades, 
verwendbar  sein,  und  somit  als  Sinnesorgan  niederster  Ordnung  fun~ 
giren.  Bei  bestimmter  Abgrenzung  der  Körperoberflächc ,  (Infüsoiien, 
Gregarinen)  ist  mit  einer  äussersien  Körperschichte  eine  auch  für  sinn- 
liche Wahrnehmungen  wichtige  DifTerenzirung  aufgetreten. 

Obgleich  schon  bei  Infusorien  einzelne  SteHen  der  Köiperoberfläche 
vorzugsweise  als  Sinnesorgane  fungiren,  so  ist  doch  ei>ensowenig  wie 
in  den  noch  tiefer  stehenden  Zuständen  ein  Sinnesorgan  in  anatomischem 
Sinne  vorhanden.  Die  Entstehung  dieser  ist  an  die  Sonderung  eines 
^^vensystem8  gelmüpft,  denn  die  Sinnesorgane  sindEndoppa- 
rate  sensibler  Nerven.  Ihr  Auftreten  setzt  daher  jene  Differenzirung 
voraus,  deren  oben  beim  Nervensystem  gedacht  ward. 

Wie  die  primitive  Sondening  des  Nervensystemes  aus  dem  Ecto- 
derm  durch  ontogenetiscfae  Zeugnisse  als  ein  höchst  wahrscheinlich 
fundamentaler  Vorgang  sich  darstellt,  so  ist  auch  fftr  die  Entstehung 
der  Sinnesorgane  dieselbe  äussere  Körperschichte  von  grösster  Bedeu- 
tung. Fast  alle  Sinnesorgane  'sind  aus  ihr  mittelbar  oder  unmittelbar 
hervorgegangen,  wie  die  bald  bleibende,  bald  nur  vorübergehend  be- 
stehende Verbindung  dieser  Organe  mit  dem  Integumente  beweist. 

Für  viele  Sinnesoi^ane  niederer  Thiere  ist  die  Deutung  der  functio- 
nellen  Qualität  des  Organs  in  hohem  Grade  unsicher.  Dies  gilt  für 
alle  Organe,  welche  ausser  der  Reihe  jener  stehen,  die  desshalb  ins 
Bereich  unserer  Beurtheilung  fallen,  weil  wir  sie  oder  doch  ihre  Homo- 
loga  selbst  besitzen,  wodurch  allein  der  Zusammenhang  ihres  Baues 
mit  ihrer  specifischen  Leistung  prüf  bar  wird. 


44  Organe  höherer  Ordnung. 


§38. 

Die  Sinnesorgane  theilen  sich  in  niedere  und  höhere.  Die  er- 
sleron  sind  die  allgemeiner  über  das  Inlegunienl  vcrhreilelen,  in  ihrem 
Baue  einfacheren.  Sie  repriiseuliren  den  höheren  gegenüber  einen  in- 
diflcrenleren  Zustand.  ModiOcirle  Zellen  des  Integumenles,  die  mcislens 
der  Epidermis  angehörig,  einerseits  mil  einer  Nervenfaser  in  Verbindung: 
stehen,  andererseits  mit  einem  verschiedenartig  gestalteten,  gegen  die 
Körperoberflüche  gerichteten  Fortsalze  versehen  sind,  bilden  die  vcr- 
breitetsle  hieher  gehörige  Einrichtung.  Man  schreibt  ihnen  die  Vor- 
mittelung  allgemeiner  GefUhlswahrnehmungen  zu,  doch  ist  gerade  bei 
diesen  Organen,  besonders  bei  den  im  Wasser  lel>endeu  Thieren  die 
physiologische  Leistung  in  hohem  Grade  unbestimmt,  und  es  bleibt  für 
manche  von  ihnen  die  Annahme  der  Vermittelung  specifischer  Reize, 
wodurch  sie  sich  den  höheren  Sinnesorganen  anschücssen  würden, 
möglich. 

Etwas  bestimmter  tritt  die  Bedeutung  dieser  Einrichtungen  hervor, 
sobald  sie  sich  mit  besonderen  Apparaten,  beweglichen  Fortsätzen  des 
Integumenles  u.  dergl.,  in  Verbindung  zeigen,  und  dadurch  als  Tasl- 
Werkzeuge  erscheinen.  Ob  solche  Bildungen,  besonders  in  den  nie- 
deren Abtheiluugen  noch  andere  Wahrnehmungen  als  Tasteindrücke  ver- 
mitteln, bleibt  fraglich. 

Einseitig  ausgebildet,  und  demgemäss  nur  in  Einer  Richtung  fun- 
girend,  erscheinen  die  höheren  Sinnesorgane,  die  als  aus  den 
niederen  hervorgegangen  zu  I)etrachten  sind,  und  auch  vielfach  das 
Wesentliche  des  Baues  der  niederen  noch  an  sich  tragen.  Man  unter- 
scheidet Geschmacksorgane  wie  Riechorgane  nut  Sicherheit 
erst  in  deti  höheren  Abtheilungen,  und  für  die  letztgenannten  ist  die 
Function  eigentlich  erst  bei  den  in  der  Luft  lebenden  Wirbelthieren 
sicher  gestellt,  und  bleibt  zweifelhaft  für  die  niederen  Abtheilungen. 
Aber  auch  für  die  Geschmacksorgane  dürfte  sich  bezüglich  der  Deutung 
die  grösste  Vorsicht  empfehlen. 


§  39. 

Als  Hörorgane  fasst  man  mit  einem  Fluidum  gefüllte  Bläschen 
auf,  in  deren  Wandung  ein  Nerv  zur  Endigung  kommt.  In  der  ein- 
fachsten Form  ist  das  Bläschen  dem  centralen  Nervensystem  unmittel- 
bar verbunden,  oder  der  Nerv  tritt  zum  Bläschen  heran.  Fast  regel- 
mässig bergen  diese  Bläschen  feste  Concremente  oder  krystallinische 
Bildungen,  sehr  häufig  auch  Krystalle  kohlensauren  Kalks.  Ebenso  fin- 
den sich  häufig  haarförmige  Verlängerungen  der  Endapparate,  die  ins 
Lumen  des  Bläschens  einragen.    Diese  bei  den  wirbellosen  Thieren  vor- 


Sinnesorgaoe.  45 

herrschende  Form  des  Hörorgans  compliciri  sich  bei  den  Wirbellhieren 
durch  Ausbuchtungen  und  Fortsatobildungen  (Labyrinth).  Durch  schall- 
leitende  und  schallversUIrkende  Apparate  werden  neue  Einrichtungen 
eneugt,  welche  antenglich  anderen  Functionen  vorstehend  dem  HOr- 
Organe  sich  anschliessen. 

Da  das  Labyrtnthblflschen  der  Wirbellhiere  aus  dem  Integument 
hervorgeht,  so  stehen  auch  die  in  seinen  Wandungen  sich  diflerenziren- 
den  Endapparate  des  Hömerven  In  genetischem  Zusammenhange  mit 
den  im  Integnmente  liegenden  Endapparaten  der  GefQblsnerven ,  und 
können  demnach  als  specifische  Ausbildung  eines  niederen  Sinnesorganes 
angesehen  werden.  Ob  dies  für  die  einfacheren  HOrblüschen  der 
meisten  Wirbellosen  gilt,  ist  zweifelhaft,  vielmehr  scheinen  diese  Or- 
gane aus  Differenzirungen  der  Nervencentren  entstanden. 

Auch  fttr  die  Sehorgane  wird  ein  mehrfacher  Modus  der  Ent- 
siehung  gelten.  Wenn  wir  die  früher  häufig  als  Augen  bezeichneten 
Pigmentflecke  ansachliessen,  und  erst  da  ein  Auge  annehmen,  wo  eine 
bestimmt  geformte  Nervenendigung  unter  oder  an  der  Körperobcrfläche 
als  lichtperdpireiider  Apparat  erkannt  werden  kann,  so  treffen  wir  die 
einOachste  Form  als  eine  mit  Pigment  umgebene  Endigung  eines  Nerven. 
Durch  die  lichtabsorbirende  Eigenschaft  des  Pigmentes  mögen  unbe- 
stimmte Vorstellungen  von  Hell  und  Dunkel  erzeugt  werden,  oder  es 
erfolgen  Erregungen,  die  von  dem,  was  wir  »Sehen«  nennen,  unendlich 
weit  abliegend,  wohl  nur  durch  die  Wttrmestrahlen  des  Lichtes  er- 
zeugt sind. 

Wenn  die  genannte  Verwendung  von  Pigment  eine  mehr  proble- 
matische ist,  so  stellt  sie  sich  in  bestimmteren  Beziehungen  dar,  wo  sie 
die  stäbchenförmige  Nervenendigung  nur  zum  Theil  umhflllt,  so  dass 
das  äusserste  Ende  desselben  frei  bleibt,  und  damit  allein  der  Licht- 
wirkung ausgesetzt  ist.  Durch  Vereinigung  einiger  oder  auch  vieler 
Nenenendigungen  entstehen  in  verschiedenem  Grade  zusammengesetzte 
Sehorgane,  deren  die  LichtpercepUon  vermittelnde  Elemente  (Stäbchen) 
eine  entweder  oonvexe  oder  ooncave  Schichte  formiren.  Eine  andere 
Complicatlon  entsteht  durch  das  Hinzutreten  lichtbrechender  Organe 
(Linsen) ,  die  wieder  ausserordentlich  mannichfaltige  Verhältnisse  dar- 
bieten, immer  aber,  mittelbar  oder  unmittelbar,  aus  dem  Integument 
hervorgehen.  Bei  den  Augen  mit  convexer  Oberfläche  der  Stäbchen- 
schichte sind  sie  in  der  Begel  in  einer  der  Zahl  der  percipirenden  End- 
gebilde entsprechenden  Summe  vorhanden,  während  den  Augen  mit  con- 
caver  Stabchenschichte  eine  einfache  Linse  zukommt.^  Indess  zu  dem 
Nervenapparate  des  Sehorgans  noch  andere,  dessen  Leistungsfilhigkeit 
modifictrende  oder  erhöhende  Einrichtungen  hinzutreten,  wird  aus  dem 
Auge  eines  der  complicirtesten  Organe  des  Organismus. 

Auch  bezuglich  der  f^gerung  des  Sehorgans  am  Körper  gibt  sich 
die  Erscheinung  der  Differenzining  zu  erkennen,  indem  in  den  niederen 
Abibeilungen  die  augentragenden  Körperthetle  sehr  wechselnd  sind,  und 


46  Organe  höherer  Ordnung. 

auch  die  Zah}  der  Augen  bedeutend  schwankt.  Daran  schliesst  sich  das 
Vorkommen  einer  grösseren  Zahl  von  Sehorganen  an  dem  zum  »Kopfe« 
sich  ausbildenden  vordersten  Körperlheile ,  bis  endlich  an  demselben 
Tbeile  nur  eine  auf  zwei  beschränkte  Augenzahl  sich  findet.  Wie  diese 
verschiedene  Lagerung  des  Sehorganes  eine  gemeinsame  Ererbung  durch- 
aus umschliesst,  so  spricht  sie  zugleich  für  die  selbständige  Differenz!- 
rung  der  heterotopischen  Organe  aus  einem  indifferenten  Apparate. 


f)  Respiratorische  Organe  des  Integtunentes. 

(Haai'Kiemen.) 
§  40. 

Dem  Integumente,  und  damit  dem  Ectoderm  kommt  eine  wichtige 
Rolle  für  die  Bildung  der  Organe  der  Athmung  zu.  Vor  der  Bntr- 
stehung  derselben  wird  der  Gasaustausch  durch  die  gesammte  Ober- 
flüche des  Körpers  vollzogen  und  bei  vielen  niederen  im  Wasser  lebenden 
Thieren  findet  diese  Athmungsweise  statt.  Theils  durch  die  Ortsbewe- 
gung des  Körpers,  theils  durch  besondere  Organe,  z.  B.  die  Wimper- 
haare,  wird  ein  Wechsel  des  umgebenden  Mediums  bewerkstelligt,  und 
immer  neue  Mengen  desselben  mit  der  athmenden  Fläche  in  Contact 
gebracht.  Ist  dies  auch  nicht  die  einzige  Art  der  Athmung  niedfii*er 
Thiere,  da  auch  die  Einfuhr  von  Wasser  ins  Innere  des  Leibes,  so- 
wie die  BespUlung  des  Darmcanals  mit  Wasser^  gewiss  nicht  ohne  Be- 
deutung ist,  so  ist  sie  doch  als  Ausgang  einer  grossen  Reihe  von  DifVe- 
renairungen  von  hoher  Wichtigkeit.  Mit  einer  Localisation  der  Function 
auf  beschränktere  Strecken  der  Körperoberfläche  gewinnen  diese  in  der 
genannten  Richtung  eine  besondere  Ausbildung  und  gestalten  sich  in 
Compensation  der  Beschränkung  der  Localität  zu  blulfUhrenden  Fort- 
sätzen, welche  man  als  Kiemen  bezeichnet.  In  vielen  Fällen  ent- 
stehen diese  aus  einer  Differenzirung  der  Gliedmaassen  (Wttrmer,  Gru- 
staceen).  Die  fortgesetzte  Ausbildung  der  Kiemen  erscheint  in  einer 
Oberflächenvergrösserung,  die  auf  die  mannichfaltigste  Art  erreicht  wird. 
Sie  ist  sehr  häufig  mit  einer  Reduction  der  Zahl  der  Kiemenbiidungen 
im  Zusammenhang  zu  finden. 

Die  Bedeutung  dieser  Organe  für  den  Körper  ruft  mancherlei  Schutz- 
vorrichtungen der  im  niedersten  Zustande  frei  auf  der  Oberfläche  des 
Körpers  vorragenden  Kiemen  hervor.  Indem  benachbarte  Integument- 
theile  sich  zu  deckenden  Lamellen  erheben,  'werden  die  Kiemen  in 
Höhlungen  geborgen  (Kieroenhöhlen) ,  für  welche  dassell>e  Integument 
wieder  Zu-  und  Abflusscanäle  des  der  Athmung  dienenden  Wassers 
herstellt  (Mollusken,  höhere  Gruslenlhiere) .  So  beeinflusst  die  Aus- 
bildung dieser  Alhmungsorgane  auch  andere  Theile  des  Integumenies, 
deren  directe  Beziehung  zur  Athmung  längst  verloren  gegangen  ist. 


Encretionflorgane.  47 


g)  Excretionaorgane. 

§  4^ 

Wie  in  den  Alhmungsorganen  die  gasrörmigen  Auswurfstoffe  aus 
dem  Ocganismus  abgeschieden  werden,  so  bestehen  auch  Einrichtungen 
zur  Ahsdieidnng  fester  oder  tr<^>fbar  flüssiger  Stoffe,  die  für  den 
Of^anismus  unbrauchbar  geworden  sind.  Das  Ectodenn  leistet  auch 
diese  Function  bei  niederen  Organismen  wohl  in  allgemeiner  Verbreitang, 
in  beeren  Lebensformen  dagegen  sind  besondere  Organe,  Drüsen,  dafür 
Ihaiig.  Von  diesen  .im  Allgemeinen  als  Seoretionsorgane  fungirenden 
Einricblungen  gehören  nur  jene  speciell  hieher,  welche  die  Ausscheidung 
der  Auswurfsstoiffe  besorgen,  und  die  man  ab  Excretionsorganc 
von  denjenigen  Drüsen  unterscheidet,  welche  für  den  Organismus  ver- 
wendbare Stoffe  absondern,  und  entweder  selbständig  oder  mit  be- 
stimmten Organsystemen  vereinigt  sind,  und  dann  als  Differenzirungen 
der  letzteren  sich  darstellen. 

Von  den  unter  Betheiiigung  des  Ectoderms  gebildeten  Absonderungs- 
organen  wird  die  Excretnatur  des  Absonderungsproductes  am  wenigsten 
bezweifelt  werden  dürfen,  da  letzteres  mit  der  Entleerung  der  Drüse 
auf  direclem  Miege  aus  dem  Organismus  entferat  wird. 

Unter  mannichfialtigen,  auf  die  Oberfkfche  des  Körpers  ausmünden- 
den Drüsenorganen  erlangt  eine  Kategorie  eine  allgemeinere  Bedeutung. 
Sie  umfasst  die  Nierenartigen  Excretionsorganc,  welche  die 
stidUtoffhaltigen  Auswurfs&ffe  aus  dem  Körper  abscheiden.  Wenn  diese 
Organe  schon  bei  Würmern  in  ihrer  scheinbar  einfachsten  Form  weit 
im  Leibe  des  Thieres  sich  verbreiten,  so  ist  ihre  Genese  doch  nur  von 
Hautdrüsen  ableitbar.  Dies  wird  auch  dadurch  nicht  geündiert,  dass 
in  vielen  Falten  (Anneliden,  Mollusken]  das  auch  sonst  sehr  modificirte 
Organ  so  zwischen  der  Leibeshöhle  und  dem  umgebenden  Medium  einen 
Verbindungsweg  herstellt,  der  in  maochen  Abtheilungen  (Mollusken) 
sogar  zur  Einfuhr  von  Wasser  benutzt  wird.  Bei  anderen  (Ringelwürmer) 
sind  diese  Organe  in  röhrenartiger  Gestalt  der  Geschlechtsfunction  dienst- 
bar und  fungiren  bei  Ausleitung  der  Producte  derselben.  Aus  der  Wieder- 
kehr dieser  Function  für  einen  Theil  des  primitiven  excretorischen  Appa- 
rates (Umiere)  der  Wirbelthiere  könnte  auf  eine  Vererbung  aus  einem 
niederen  Zustande  geschlossen  werden.  Dem  stellt  sich  aber  vorerst 
die  Verbindung  jenes  Apparates,  nicht  mit  dem  Integumente,  sondern 
mit  dem  üarmrohr  entgegen,  eine  Thatsache  die  oinigermaassen  nur 
dadurch  aufgewogen  wird,  dass  die  erste  Anlage  der  Urniere  (Umieren- 
gang)  nicht  von  dem  Darm  aus,  sondern  ganz  selbständig  und  unab- 
hüngig  davon,  von  einer  unmittelbar  unter  dem  Ectoderm  gelegenen 
Parthie  des  Mesoderms  her  erfolgt.  In  wiefern  darin  etwa  eine  ur- 
sprünglich gänzliche  Trennung  jenes  Umierenganges  vom  Darme  erkannt 
werden  kann,  ist  noch  nicht  bestimmbar. 


48  Organe  höherer  Ordnung. 


h)  Darmcanal. 
'  §  42. 

Die  Aufnahme  der  Nahrungsstoffe  in  den  Körper  wird  bei  einem 
Theile  der  niedersten  Organismen  durch  endosmotische  Vorgange  ver- 
mitlell,  bei  denen  der  Ktfrperoberflüche  die  Hauptrolle  zukommt.  Bei 
anderen  findet  die  Aufnahme  fester  Nahrung  statt,  indem  das  weiche, 
Pseudopodien  entsendende  Protoplasma  in  die  Nahe  des  Körpers  ge- 
langende Nahrungsstoffe  umschliesst  (Rhizopoden) .  Die  Bildung  einer 
bestimmten,  zur  Nahrungsaufnahme  dienenden  Stelle  der  Körperober- 
flache  ist  zwar  ein  Schritt  zur  organologischen  Sonderung  (Infusorien), 
aber  indem  von  diesem  oft  sehr  bedeutend  differenzirten  Munde  aus  die 
Nahrungsstoffe  wieder  in  das  das  Innere  des  Körpei*s  vorstellende  Proto- 
plasma gelangen,  liegt  hier  noch  keineswegs  die  Sonderung  eines  Darm- 
canals  vor. 

Erst  mit  der  Differenzirung  des  Körpers  in  Zellenmassen  bildet  die 
innere  einen  nach  aussen  geöffneten  Hohlraum  umgrenzende  Lage  als 
Entoderm  die  Wandung  einer  gesonderten  Verdauenden  CaviUit. 
In  der  einfachsten ,  in  der  Gastrula  repräsentirten  Form  ist  das  Ento4prm 
die  einzige  Wandung  der  primitiven  Darmhöhle.  Die  Entstehung  eines 
Mesoderms  lüsst  zu  dieser  aus  Zellen  bestehenden  Entodermschichte 
noch  andere  Schichten  von  aussen  hinzutreten,  von  denen  eine  Muskel- 
schichte die  wichtigste  wird,  denn  durch  sie  wird  der  Darm  zu  selb- 
ständigeren Actionen  befähigt.  Die  in  den  Darmschlauch  führende 
Oeffnung  dient  —  als  Mund  —  zur  Aufnahme  der  Nahrungsstoffe  sowie 
sie  auch  unverdauten  Resten  der  Nahrung  zur  Auswurfsöffnung  wird. 
(Cölenteraten ,  viele  Würmer).  Das  Auftreten  einer  Afteröffnung  ruft 
eine  fernere  Trennung  der  Functionen  hervor,  und  verwandelt  den  blind 
geendigten  Darm  in  ein  an  zwei  Enden  offnes  Rohr,  dessen  einzelne 
Abschnitte  verschiedene  Verrichtungen  übernehmen,  und  damit  differente 
Anpassungen  eingehen.  Der  erste  mit  dem  Munde  zusammenhangende 
Abschnitt  bildet  eine  zur  Einleitung  der  Nahrung  dienende  Speise- 
röhre, denn  erst  der  folgende  meist  erweiterte  oder  mit  Blindsacken 
ausgestattete  Abschnitt  bildet  die  eigentlich  verdauende  Cavitat,  den 
Magen,  und  der  Endtheil  des  ganzen  Apparates  besorgt  weitere  Ver- 
änderung der  Nahrungsstoffe  sowie  Ausleitung  der  Speisereste,  indem 
er  sich  mit  dem  After  nach  aussen  öffnet.  Mit  dieser  Differenzirung 
des  Darmrohrejs  in  einzelne  ungleich werthige  Abschnitte  ist  die  be- 
deutendste Gomplication  gegeben,  welcher  fernere  Differenzirungen 
untergeordnet  sind.  Ausser  wechselnden  und  ausserordentlich  mannich- 
faltigen  Grössenverhaltnissen  der  einzelnen  Abschnitte  entstc^hen  am 
Darmrohre  noch  verschiedene  Vorrichtungen,  die  entweder  auf  besondere 
neue  Leistungen  berechnet  sind,  oder  nur  eine  fernere  Arbeitstheilung 


Darmcanal.  49 

ausdrücken.  Oi^^ane  tum  Ergreifen  oder  tum  Zerkleinem  der  auf* 
genommenen  Nahrung  —  Kauwerkzeuge  —  verbinden  sich  mit  dem 
Munde,  oder  zeichnen  einen  Abschnitt  der  Speiseröhre  aus.  Auch  im 
iMagen  sind  solche  Kauorgane  zuweilen  angebracht.  Wo  sie  meist  dicht 
hinter  der  Mundöflnung  im  Anfange  der  Speiseröhre  sich  finden,  wird 
dieser  Abschnitt  häufig  durch  stärkere  Musculatur  ausgezeichnet,  und 
als  Schlundkopf  oder  Pharynx  unterschieden. 

Die  Vergrössening  des  Binnenraumes  des  Darmcanais  bewirken 
Erweiterungen  oder  blindsackförmige  Ausbuchtungen.  Im  Verlaufe  der 
Speiseröhre  entstehen  Kropfbildungen,  am  Magen  Blindsdcke, 
am  übrigen  Darme  Blinddärme  (Coeca)  in  mannich faltiger  Com-* 
plieation  in  der  Zahl  und  Anordnung.  Uebertrifft  die  Ulnge  des  Darm- 
canais jene  des  Körpers,  so  ordnet  er  sich  in  Form  von  auf-  und  ab- 
steigenden Schlingea  oder  von  Spiraltouren,  und  passt  sich  so  dem 
Umfange  der  ihn  bergenden  Leibeshöhle  an.  Für  alle  diese  Verhältnisse 
ist  die  aufgenommene  Nahrung  sowohl  hinsichtlich  ihrer  Quantität  als 
Qualität  von  grösstem  Einflüsse.  Sie  sind  somit  gleichfalls  von  An- 
passungen ableitbar. 

Zur  Belhätigung  des  Verdauungsprocesses  im  Allgemeinen  stehen 
mit  dem  Darmcanale  Absonderungsorgane  in  Verbindung,  deren  Fro- 
ducte  auf  die  Nahrungsstoffe  lösend ,  chemisch  veründemd  einwirken. 
Solche  Drüsen  sind  bald  über  den  ganzen  Darmcanal  verbreitet,  bald 
zeichnen  sie  nur  bestimmte  Abschnitte  aus.  In  der  einfachsten  Form 
sind  sie  von  der  Darmwand  noch  nicht  differenzirt  und  dann  häufig 
keine  selbständig  abgegrenzten  Theile.  Die  von  der  Darmwand  ge- 
sonderten werden  vornehmlich  in  zwei  Abtheilungen  unterschieden. 
Eine  davon  stellt  die  in  die  Mundhöhle  oder  in  die  Nähe  derselben 
ausmündenden  Drüsen  vor,  die  man  als  Speicheldrüsen  bezeichnet. 
Eine  andere  Gruppe  findet  sich  an  dem  der  Verdauung  dienenden  Ab- 
schnitte, und  wird  als  gallebereitender  Apparat,  Leber,  angesehen. 
Es  ist  wohl  zu  beachten,  dass  die  Bezeichnungen  solcher  Organe  mit 
Namen,  welche  von  den  physiologisch  genauer  gekannten  Organen  höherer 
Organismen  hergenommen  sind,  nur  als  hypothetische  gelten  können, 
da  von  einer  physiologischen  Erkenntniss  der  meisten  Organe  niederer 
Thiere  noch  keine  Rede  ist.  Das  gilt  vorzüglich  von  den  meist  gefilrbt 
erscheinenden  Epithelicn  des  Darmes,  die  man  hitufig  als  »Leber«  zu 
bezeichnen  pflegt.  Mit  der  verdauenden  Caviliit  ist  dieses  Organ  in 
Form  eines  Epithels  bei  den  Cölenteraten ,  manchen  Würmern  und 
auch  bei  den  Insecten  verbunden,  bis  es  sich  auf  bestimmte  blindsack- 
arlige  Anhänge  des* Darmcanais  beschränkt,  und  somit  den  ersten  Grad 
von  Selbständigkeit  aufweist.  Die  Leber  erscheint  dann  entweder  in 
Form  zahlreicher  dem  Darmcanal  in  grösserer  Ausdehnung  besetzenden 
Follikel,  oder  sie  bildet  grössere  Drüsencomplexe,  welche  bald  zerstreut, 
bald  vereinigt  in  den  Darmcanal  einmünden.  Die  DifTerenzirung  der 
Leber   läuft   also   auf  eine    allmähliche   Ablösung    des    Organes    vom 


50  Organe  höherer  Ordnung. 

Darme  hinaus,  so  dass  es  am  Ende  dieser  Reihe  nur  durch  seine 
AusfUhrgünge  mit  dem  Darmcanal  verbunden  ist  (höhere  Mollusken, 
Wirbelthiere) 


1)  Besptratorische  Organe  dea  Darmes. 

Die  sämmtlichen  vorhin  aufgeführten  Differenzirungen  des  aus  dem 
Entoderm  gebildeten  primitiven  Darmes  betrafen  nach  dem  Principe  der 
Arbeilstheilung  entstandene,  auf  die  Aufnahme  und  Verdauung  der 
Nahrungsstoffe  bezügliche  Organe,  welche  den  Darm  keine  wesentlich 
neue  Verrichtung  leisten  lassen.  Eine  solche  erscheint  mit  der  respi- 
ratorischen Bedeutung  des  Darmes.  Ob  diese  bereits  in  der  primitiven 
Darmform  bestehe,  ist  nicht  festzustellen,  doch  bleibt  es  wahrschein- 
lich, da  das  Entoderm  ebenso  vom  umgebenden  Medium  bespült  wird, 
wie  die  äussere  Schichte  des  Körpers.  Bestimmter  wird  dieses  Ver- 
hältniss  durch  die  Wahrnehmung  eines  regelmässigen  Einströmens  von 
Wasser  in  den  Enddarm  wie  bei  manchen  Würmern  und  Mollusken. 
Diese  Erscheinung  weist  einfach  auf  die  respiratorische  Function  des 
Darmes,  hat  aber  direct  nichts  mit  der  Entstehung  aus  dem  Darmrohr 
sich  sondernder  Athmungsorgane  zu  thun. 

Die  Bildung  eines  Respirationsorganes  erfolgt  am  vordersten  Ab- 
schnitte des  Darmes,  dessen  Wände  von  seitlichen  Oeffnungen  durch- 
brochen durch  ihre  Beziehungen  zum  Gefifsssystem  respiratorische  Be- 
deutung empfangen.  Diese  schon  in  niederen  Abtheilungen  auftretende 
Einrichtung  wiederholt  sich  bei  den  Wirbelthieren.  An  den  Wandungen 
der  Spalten  dieses  Vorraums  des  Darmes  entstehen  Fortsätze,  und  da- 
mit bildet  sich  ein  Kiemenbesatz  an  den  Oeffnungen  aus,  durch 
welche  jener  Raum  nach  aussen  communicirt.  Ein  Theil  des  ursprüng- 
lichen Darmrohrs  wird  dadurch  zu  einem  besonderen  Abschnitte  um- 
gewandelt und  bildet  eine  respiratorische  Gavität,  an  deren 
hinterem  Ende  das  ausschliesslich  der  Ernährung  dienende  Darmrohr 
beginnt. 

Eine  andere  Form  von  Athmungsorganen  sondert  sieh  aus  der  Darm- 
wand in  Gestalt  divertikelartiger  Ausbuchtungen  an  einem  vordem  Ab- 
schnitte des  Darmes.  Dieser  Anhang  des  Darmes  wird  mit  Luft  gefüllt, 
und  hat  bei  den  Fischen  als  Schwimmblase  wohl  nur  eine  hydrosta- 
tische Bedeutung.  Mit  einer  Veränderung  der  Kreislaufsverfaältnisse 
allmählich  zu  einem  Athmungsorgane  umgewandelt'  gehen  daraus  die 
Lungen  hervor,  an  deren  Einführwegen  in  den  höheren  Abtheilungen 
der  Wirbelthiere  wiederum  neue  Organe,  jene  der  Stimmerzeugung 
sich  ausbilden. 


FortpflaDzungsorgane.  5  t 


k   VortpllansiU3gaorgaii0. 

§  4*. 

Die  Erscheinung  der  Vermehrung  des  Individuums  sieht  Ursprung-* 
lieb  mit  der  Ernährung  in  engem  Zusammenhange.  Indem  durch  die 
letztere  das  Wachstbum  des  Körpers  und  damit  eine  VolumvergrOsse- 
rung  bedingt  wird,  geht  daraus  ein  Zustand  hervor,  in  welchem  der 
Ollganismus  das  ihm  in  Ueberscfauss  sugeftthrte  Emahrungsmateriai:* 
zum  Hervorbringen  eines  neuen  Individuums  verwendet.  Wie  bei  den 
Elementarorgßnismen  dieser  selbe  Process  mit  einer  Sprossenbildnng 
beginnt  und  mit  einer  Theilung  des  Körpers  al)schliesst,  so  bilden 
jene  Vorgänge  auch  fttr  die  niederen  Formen  der  Fortpflanzung  ver- 
breitete Erscheinungen.  Je  nach  der  Quantität  des  von  einem  be- 
stehenden Organismus  zur  Bildung  eines  neuen  verwendeten  Biateriales 
entstehen  wieder  mehr  oder  minder  verschiedene  Vermehrungsweisen» 

Diese  in  den  unteren  Abtbeilungen  des  Wirbellosen  sehr  verbreitet 
vorkommenden  Vermehrungserscbeinungen  der  Sprossung,  Knospung 
und  Keimbildung  besitzen  theilweise  Beziehungen  zur  geschlechtlichen 
Differrazirung,  die  bereits  bei  den  Protisten  auftritt.  Sie  leitet  sich 
von  einem  Zustande  ab,  in  welchem  zwei  gleichartige  Keimzellen  zu 
einem  sich  dann  weiter  entwickelnden  Organismus  verschmelzen.  Aus 
einem  fernerhin  ungleichen  Verhalten  der  beiden  sich  verbindenden 
Keimzellen  entspringt  die  Sonderung  beider  in  Eizelle  und  Samen- 
zelle, welche  durch  das  ganze  Thierreich  mit  zahlreichen,  besonders 
die  Samenzelle  betreffenden  Modilicationen  die  Formelemente  der  ge- 
schlechtlichen Zeugu ngMtoffe  vorstellen.  Die  geschlechtliche  Fort- 
pflanzung sieht  also  nur  in  einem  scheinbaren  Gegensatz  zur  un- 
geschlechtlichen. Als  Bildungsstätte  der  Zeugungsstoffe  erscheint  in  dem 
niedersten  Zustande  das  Entoderm  (Cöienteralen) ,  welches  sich  da- 
durch in  neuer  Bedeutung  zeigt.  In  den  höheren  Abtbeilungen  liefert 
das  Mesoderm  die  Anlage,  das  Bildungsmaterial  für  jene  Elemente, 
und  es  bleibt  vorerst  noch  fraglich,  ob  hierin  ein  fundamental  neues 
Verbalten  zu  erkennen  ist,  oder  ob  jene  Beziehung  nicht  von  der  se- 
cundären  Natur  des  Mesodermsb  sich  ableitet. 

Im  einfachsten  Falle  bilden  sich  die  beiden  Zeugungsstoffe  an  be- 
sonderen, aber  noch  nicht  durch  eigene  Vorrichtungen  ausgezeichneten 
Körperstellen,  die  dann  als  Geschlechtsorgane  fungiren.  Diese 
erscheinen  meist  in  der  Form  von  Drüsen  (Keimdrüsen).  Die  samen- 
erzeugenden Organe  nennt  man  Hoden,  die  eierzeugenden  Eier- 
stocke, Ovarien.  Einen  Schritt  weiter  gehend,  treffen  wir  die 
Keimdrttsen  noch  mehr  differenzirt;  während  im  einfachsten  Zustande 
die  Prodncte  jener  Organe  entweder  in  den  Darm  oder  in  die  Leibes— 


52  Organe  höherer  Ordnung. 

höhle  des  Thieres,  oder  auch  unmittelbar  nach  aussen  gelangen,  wobei 
sie  sich  blos  von  ihrer  Bildungsstätte  abzulösen  hatten,  so  treten  all- 
mählich oft  in  sehr  complicirter  Weise  gestaltete  Ausfuhrwege  hinzu. 
Für  die  samenerzeugenden  Organe  bilden  sich  an  den  Ausfuhrgängen 
(Samenleiter)  Behälter,  welche  zur  Ansammlung  des  Sperma  dienen, 
aus  der  Wand  dieser  Canäle  dißerenziren  sich  DrUsen,  welche  eine  dem 
Sperma  sich  beimischende  Flüssigkeit  absondern,  endlich  entstehen  Vor- 
richtungen, welche  das  Sperma  in  die  anderseitigen  Apparate  Über- 
tragen, Organe  der  Begattung.  Nicht  minder  verschieden  stellen  sich 
die  Differenzirungen  des  eibildenden  Organes  dar;  der  Ausfuhrgang 
(Eileiter,  Oviduct)  des  Eierstockes  ist  mit  Erweiterungen  ausgestattet, 
in  welchem  die  Eier  bald  besondere  Umhüllungen  erhalten,  bald  sich 
weiter  entwickeln.  Man  bezeichnet  diese  Abschnitte  der  Ausfuhrwege 
als  Uterus,  Fruchthälter.  Besondere  DrUsen  entstehen  als  »Dotterstöcke« 
aus  den  Keimdrüsen  und  liefern  bald  eine  vom  Ei  verwendete  Sub- 
stanz, bald  blosses  Hullmaterial.  Anhangsgebilde  nehmen  den  bei  der 
Begattung  Übertragenen  Samen  auf,  stellen  Receptacula  seminis  vor, 
und  endlich  dienen  wieder  andere  Theile  zur  Aufnahme  des  Begattungs- 
organes,  oder  zur  Absetzung  oder  Aufbewahrung  der  Eier. 

Das  Verhalten  der  ei-  und  samenbereitenden  Organe  zu  einander 
zeigt  sich  sehr  verschiedenartig,  und  muss  gleichfalls  vom  Standpuncte 
der  Differenzirung  aus  bcurtheilt  werden.  In  den  unteren  Abtheilungen 
sind  beiderlei  Organe  mit  einander  vereinigt,  zuweilen  sogar  derartig, 
dass  zur  Production  von  Samen  und  Eiern  ein  und  dieselbe  DrUse 
(ZwitterdrUsej  thätig  ist.  Auch  die  Ausfuhrwege  sind  vielfach  ganz 
oder  theilweise  gemeinsam.  Bei  anderen  Zuständen  ist  die  Keimstätte 
nach  beiderlei  Producten  getrennt,  Hoden  und  Eierstöcke  existiren 
als  discrete  Organe,  bei  denen  nur  die  ausfuhrenden  Apparate  auf 
verschieden  langen  Strecken  vereinigt  sind ,  oder  jeder  von  ihnen 
besitzt  seine  besondere  AusmUndung.  Beiderlei  Zeugungsorgane  in  sich 
vereinigende  Thiere  bezeichnet  man  als  Zwitter,  Hermaphro- 
diten. —  Eine  Trennung  erscheint  nicht  selten  in  der  zeitweise 
wechselnden  Tbätigkeit  der  Organe  vorbereitet,  indem  bald  nur  die 
einen,  eibildenden,  bald  die  andern,  samenerzeugenden,  in  Func- 
tion sind. 

Da  der  hermaphroditische  Zustand  den  niederen  vorstellt,  so  ist 
die  geschlechtliche  Trennung  von  ihm  «us  abzuleiten.  Diese  Aende- 
rung  erfolgt  durch  Verkümmerung  des  einen  oder  des  anderen  Appa- 
rates', so  dass  die-  Zwitterbildung  fUr  die  Trennung  der  Geschlechter 
die  Unterlage  abgibt.  Diese  Differenzirung  durch  einseitige  Rückbildung 
muss  fUr  die  verschiedenen  Ausbildungszustände  statuirt  werden,  so 
dass  sie  nicht  blos  fUr  an  sich  niederstehende  Organe  auftritt.  Die 
Ontogenie  zeigt  nämlich  an  sehr  hoch  sich  ausbildenden  Apparaten 
eine  primitive  Vereinigung  von  beiden  Geschlechtsorganen  und  lässt 
das  Individuum  auf  einem  gewissen  Entwickelungsstadium  mit  herma- 


Leibeshdhie  und  Gemtssyttem.  53 

phroditischer  Anlage  erscheinen.  Die  geschlechtliche  Trennung  beein- 
flassi  mit  ihrem  Vollzuge  den  gesamoiten  Organismus,  indem  sie  fiir 
jedes  Geschlecht  eine  Reihe  von  Umlindeningen  hervorruft,  die  selbst 
bei  nrsprttnglich  der  Geschlechtsfunction  ferne  stehenden  Organen  sich 
kund  geben. 

Mit  einer  Vertheilung  von  beideriei  Organen  auf  verschiedene  In- 
dividuen vollendet  sich  die  geschlechtliche  Differenzirung. 
Es  sind  nunmehr  behufs  der  FortpOanzung  nicht  nur  zwei  ditferente 
Zeogungsstoffe ,  Samen  und  Eier,  nicht  blos  zwei  verschiedene,  jene 
bildenden  Apparate  erforderlich,  sondern  es  sind  zwei  Individuen  noth- 
wendig,  die  man  als  männliche  und  weibliche  unterscheidet. 


LeibeahShle  und  OelSM^ystam« 
§  45. 

Die  durch  die  Verdauung  bereiteten,  zur  Emtthning  des  Körpers 
dienenden  Stoffe  werden  bei  fien  feste  Nahrung  aufnehmenden  Abtheil- 
ungen der  Protisten  von  den  verdauenden  Hohlräumen  aus  einfach  im 
Protoplasma  des  Körpers  vertheilt.  Mit  der  Bildung  eines  discreten 
Darmscblauches  findet  dieser  Vorgang  durch  die  Wandung  des  letzteren 
direct  in  das  Parenchym  des  Körpers  statt,  so  dass  vom  Entoderm  her 
das  Mesoderm  und  Ectoderm  mit  den  von  ihnen  differenzirten  Organen 
ernährt  werden.  Diese  Verhältnisse  sind  nur  ftlr  Gölenteraten  und 
einige  Abthetlungen  der  Würmer  charakteristisch.  Bei  vielen  anderen 
geht  im  Mesoderm  eine  Sonderung  vor  sich,  die  entweder  durch  das 
Auftreten  canalartiger  Hohlräume,  oder  durch  eine  gänzliche  Spaltung 
des  Mesoderms  in  eine  äussere  dem  Ectoderm  und  eine  innere  dem 
Entoderm  sich  anschliessende  Platte  sich  ausspricht.  Zwischen  dieser 
dermalen  und  gastralen  Schichte  des  Mesoderms  findet  sich  die  Leibes- 
höhle oder  perienterische  Höhle  Cölom,  IIäczcl),  in  der  ein  Fluidum, 
das  als  ernährende  Flüssigkeit  anzusehen  ist,  sich  ansammelt.  Finden 
sich  Formelemente  in  derselben,  so  werden  sie  von  Zellen  des 
Mesoderms  abzuleiten  sein.  Diese  Flüssigkeit  dient  noch  nicht  aus- 
schliesslich der  Ernährung,  sie  wirkt  ebenso  bei  der  Locomotion,  indem 
sie  nach  dem  Willen  des  Thieres  einzelne  Theile  des  Körpers  zu  schwel- 
len vermag.  Dabei  kommt  auch  dem  in  den  meisten  dieser  Fälle  von 
aussen  her  in  die  Leibeshöhle  aufgenommenen  Wasser  eine  wichtige 
Rolle  zu. 

Die  Bewegung  des  Fluidums  im  allgemeinen  Letbeshohlraume  wird 
anfänglich  durch  die  Bewegungen  des  Körpers  vermittelt.  Contractionen 
und  Expansionen  der  Körperwand  unterwerfen  die  vom  Uautmuskel- 
schlauch  umschlossene  Flüssigkeit  einem  beständigen  Ortswechsel,  der 
als  die  niederste  Form  eines  Blutumlaufs  betrachtet  werden  kann. 
Niedere  Würmer  bieten  hiefür  Repräsentanten.    Die  Bahn  hat  hier  weder 


54  Organe  höherer  Ordnung. 

selbständige  Wandungen,   noch   besitzt  sie  besondere  den  Umlauf  re- 
gulirende  Vorrichtungen. 

In  manchen  Abtheilungen  bleibt  es  bei  der  Bildung  dieser  Leibes- 
höhle  (Bryozoän)  ;  bei  anderen  entstehen  canalartige  Höhlungen,  die  in 
regelmässiger  Anordnung  als  Gefässe  erscheinen,  und  fernere  Com- 
plicirungen  eingeben  können.  Ihr  Inhalt  stellt  die  Blutflüssigkeit  vor 
(Nemerlinen) .  Tritt  hiezu  noch  die  Bildung  einer  perienterischen  Höhle, 
so  ist  das  theilweise  in  sie  eingelagerte  Gefässsystem  entweder  voll- 
ständig von  letzterem  abgeschlossen,  (viele  Anneliden] ,  oder  es  steht 
mit  ihr  an  einzelnen  oder  vielen  Stellen  im  offenen  Zusammenhang 
(Mollusken,  Arthropoden,  Wirbelthiercj .  Letzteres  Verhalten  wird  vor- 
aussetzen, dass  die  Gef^ssräume  als  Abschnitte  der  Leibeshöhle  ent- 
standen, während  im  ersteren  Falle  die  Entstehung  der  Leibeshöhle  erst 
nach  der  Gefässbildung  erfolgt  ist.  Die  Bildung  der  Leibeshöhle  ist 
daher  hier  als  ein  secundärer  Vorgang  zu  betrachten,  und  die  Hohl- 
raumbildung im  Mesoderm  ist  in  zweifacher  Weise  erfolgt,  das  erste 
JiAal  zur  Entstehung  der  Blutgefässe,  das  zweite  Mal  zu  jener  der  Leibes- 
höhle  hinführend.. 

§  46. 

Einzelne  Abschnitte  des  die  Blutbahn  vorstellenden  Hohlraum- 
systems bilden  sich  durch  Entwickelung  von  Musculatur  in  ihren  Wän- 
den zu  contractilen  Gefässen  aus.  Indem  diese  durch  rhythmische 
Thätigkeit  das  regelmässige  Zu-  und  Abströmen  des  Blutes  bewerk- 
stelligen, entsteht  der  erste  circula torische  Apparat.  Die  Richtung  des 
Blutstroms  ist  damit  noch  keine  constante,  und  derselbe  kann  bald  nach 
der  einen,  bald  nach  der  andern  Seite  getrieben  werden.  Die  durch 
besondere  Contractilität  ausgezeichneten  Abschnitte  des  Gefässsystems 
sind  bald  in  ausgedehnterem  Maasse  vorhanden,  bald  auf  kürzere  Stellen 
beschränkt.     Sie  erscheinen  als  die  Anfänge  einer  Herzbildung. 

Das  Heri  ist  somit  ein  aus  der  Blutgefässbahn  diiferenzirtes 
Organ,  welches  in  der  einfachsten  Form  einen  Abschnitt  der  Ge- 
fässe vorstellt,  der  nach  beiden  Richtungen  seinen  Inhalt  fortbe- 
wegen kann.  Erst  mit  dem  Auftreten  von  Klappen  an  den  Ostien 
des  Herzschlauchs  bildet  sich  eine  Beständigkeit  in  der  Richtung 
aus,  und  dabei  complicirt  sich  auch  der  Bau  des  Herzens,  der 
durch  Theilung  des  Binnenraums  in  einzelne  Abschnitte  (Kammern 
und  Vorkammern)  sich  weiter  vermannichfacht.  Solche  contractile  Bil- 
dungen erscheinen  häußg  als  die  einzigen  diflerenzirten  Theile  des  vom 
Leibeshohlraume  vorgestellten  Blutgefässsystemes.  Das  Blut  gelangt  aus 
dem  Herzen  entweder  sofort  in  lacunenartige,  zwischen  den  verschie- 
denen Organen  befindliche  Abschnitte  der  Leibeshöhle,  und  von  diesen 
wieder  zum  Herzen  (Arthropoden) ,  oder  es  sind  vom  Herzen  ausgehende 
bestimmte  GefUsse  vorhanden,    welche   bald  an  Stelle   der  Hohlräume 


Ausbildung  der  Organe.  55 

den  Ktfrper  durchziehen,  bald  nur  iheilweise  die  lacunäre  Bahn  ver- 
treten, indem  sie  nicht  bis  zum  HerzcD  zurück  in  Gefässe  sich  fort- 
setzen, sondern  unmittelbar  in  Lacunenbildungen  übergehen.  Der 
letztere  Fall  zeigt  den  Leibeshohlraum  noch  als  einen  Abschnitt  der 
Blutbahn,  die  nur  theilweise  durch  wahre  Gefässe  vorgestellt  v^ird 
(Mollusken].  Bei  vollkommener  Ausbildung  der  Gefässbahn  in  Ver- 
bindung mit  einer  Differenzirung  des  Herzens  gliedert  sich  das  Getäss- 
system  in  drei  Abschnitte.  Der  vom  Herzen  ausführende,  das  Blut  im 
Körper  verlheilende  Abschnitt  wird  als  der  arterielle  bezeichnet,  die 
Getsisse  heissen  Arterien.  Der  das  Blut  zum  Circulationscentrum 
zurückleitende  Weg  wird  durch  die  Venen  vorgestellt,  und  den  zwi- 
schen den  zu-  und  ableitenden  Gefflssen  liegenden  Bahnabschnitt  bildet 
ein  Masebenwerk  feinster  Canälchen  (Capillaren).  Sehr  häufig  wird 
dieser  intermediäre  Abschnitt  durch  ein  Lacunensystem  ersetzt,  wobei 
dann  auch  die  venösen  Bahnen  zum  grossen  Theil  der  besonderen 
Wandungen  entbehren. 


Ausbildung  der  Organe. 
§  47. 

Der  mit  der  fortschreitenden  Differenzirung  der  einzelnen  Organe 
an  diesen  sich  äussernde  Zustand  erscheint  als  eine  Gomplication  der- 
selben, durch  welche  in  einer  ihrem  Grade  entsprechenden  Weise  das 
Organ  vom  primitiven  Zustande  sich  entfernt.    Indem  der  letztere  den 
Di^em  Zustand  vorstellt,  leitet  die  Differenzirung  eine  einem  höheren 
Zustande  entsprechende  Vervollkommnung  ein.     Diese  erhellt  aus 
dem  der  Differenzirung  zu  Grunde  liegenden,  schon  oben  (S.   14)  er- 
örterten Principe  der  Arbeitstheilung,  demzufolge  eine  Leistung  um  so 
vollkommener  geäussert   werden   kann,   je   exciusiver  das  Organ   sich 
dazu  verhält.    Je  mehr  ein  Organ  in  einer  einzigen  Bichtung  thätig  ist, 
desto  günstiger  sind  für  es  die  Bedingungen  der  Ausbildung  in  dieser 
Richtung,  weil  von  anderseitigen  Anforderungen  keine  Goncurrenz  be- 
steht.    Eine  Gliedmaasse  die  zugleich  Kieme   ist,    also   locomolorische 
und  respiratorische  Function  in  sich  vereinigt,  wird  einen  niederem  Zu- 
stand  vorstellen   als   eine  aus   der   Scheidung  der  beiden   Functionen 
hervorgehende  Einrichtung,    wo    ein   von  der  Gliedmaasse  abgelöster 
Thcil  die  Kieme,  der  übrige  das  Bewegungswerkzeug  repräsentirt.    Im 
ersteren  Falle   ist  die  Locomotion  für  die  Bespiration  erforderlich,    im 
letzteren  Falle   dagegen   bestehen  beide  von  einander  unabhängig,    die 
Respiration    wird    ohne   Locomotion   vollzogen,    wobei    besondere    den 
Wasserwechsel  besorgende,  somit  die  Locomotion  in  dieser  Hinsicht  er- 
setzende Organe  sich  ausbilden.    An  beiden  Organen  ist  damit  die  für 
die  einseitige  Weiterbildung  nöthige  Selbständigkeit  gegeben. 

Der  durch  die  Differenzirung  auf  die  Ausbildung  wirkende  Factor 


56  Organe  höherer  Ordnung. 

muss  in  der  im  Kampfe  ums  Dasein  gesteigerten  oder  modificirten  Lei- 
stung des  Organes,  also  in  Anpassung  an  äussere  Lebensbedingungen 
gesucht  werden,  wobei  auch  der  Vererbung  eine  Bedeutung  zukommt. 
Durch  letztere  wird  nämlich  nicht  blos  eine  Fortsetzung  der  erworbenen 
Charaktere  bedingt,  sondern  es  vermag  durch  sie  auch  eine  Steigerung 
derselben  erzielt  werden. 


Rückbildung  der  Organe. 

Eine  von  der  Differenzirung  abhängige,  weil  sie  voraussetzende 
gesetzmässige  Erscheinung  ist  die  Rückbildung  oder  Reduction. 
ihr  Resultat  ist  an  sich  das  Gegentheil  des  Resultates  der  DifTerenzirung. 
Letztere  liefert  Gomplicationen  des  Organismus,  die  Reduction  dagegen 
Vereinfachungen,  und  lässt  damit  Organe  oder  Organismen  wieder  auf 
relativ  niedere  Stufen  zurücktreten,  in  Beziehung  auf  den  Gesammt- 
Organismus  und  das  Verhalten  desselben  zu  anderen ,  leistet  die  Re- 
duction jedoch  ähnliches  wie  die  DifTerenzirung,  indem  sie  zur  Mannich- 
faltigkeit  der  Formzustände  beiträgt. 

Sie  kann  entweder  nur  einzelne  Einrichtungen  des  Körpers,  oder 
grössere  Organcomplexe ,  oder  endlich  den  ganzen  Körper  betreffen, 
zeigt  daher,  wie  die  DifTerenzirung,  sehr  verschiedene  Grade.  Ver- 
schieden ist  sie  wieder,  je  nachdem  sie  sich  am  Individuum,  oder  an 
der  Art,  oder  an  der  Gattung  äussert.  Dort  wird  sie  als  ein  Proc^ss, 
hier  nur  als^ein  Zustand  wahrzunehmen  sein,  welch'  letzteren  man  nur 
durch  Vergleichungsreihen  verwandter  Formen  in  die  einzelnen  Stadien 
eines  Vorganges  zerlegen  kann.  Hinsichtlich  der  ihr  unterliegenden 
Organe  sind  zweierlei  Verhältnisse  zu  unterscheiden.  Das  der  Rück- 
bildung unterworfene  Organ  kann  ausserhalb  der  Summe  von  Einrieb- 
tungen  stehen,  welche  dem  bezüglichen  ausgebildeten  Organismus  zu- 
kommt, und  besitzt  dann  nur  eine  vorübergehende,  provisorische 
Bedeutung.  Solche  im  Verlaufe  der  Entwickelung  liegende  Reductionen 
können  an  sich  Vereinfachungen  hervorbringen,  indem  aber  die  gleich- 
zeitig an  anderen  Theilen  stattfindende  DifTerenzirung  wieder  neue  höhere 
Organe  schaff,  ist  jene  Rückbildung  kein  den  Organismus  niederhalten- 
des Moment,  vielmehr  gibt  sie  für  das  Umsichgreifen  einer  anderen 
Richtung  der  DifTerenzirung  eine  Bedingung  ab.  Hieher  gehören  die 
Rückbildungen  der  Attribute  gewisser  Entwickelungszustände  des  In- 
dividuums [Larvenorgane).     (Vergl.  §  5.) 

Die  andere  Art  der  Rückbildung  betrifll  Organe,  die  dem  ausge- 
bildeten Organismus  oder  seiner  Anlage  angehören.  Sowohl  das  be- 
reits gebildete,  in  voller  Function  erscheinende,  als  das  erst  angelegte, 
primär  difTerenzirte  Organ  kann  ihr  unterliegen,  und  dadurch  wird  der 
Rückbildungsprocess  in  verschiedenem  Maasse  deutlich.    Wird  nur  das 


Rückbildung  der  Organe.    Correlalion.  57 

angelegte  Organ  betrofien,  80  liegt  der  Vorgang  oft  schwer  erkennbar 
zwischen  den  am  übrigen  Organismus  Platz  greifenden  Differenzirungs- 
Processen.  Dagegen  muss  der  Process  um  so  prägnanter  erscheinen, 
je  mehr  die  Differenzirung  bereits  vorgeschritten  oder  vollendet  war. 

Die  Reduction  eines  Organes  steht  in  nolhwendigem  Zusammen- 
hang mit  der  Function,  deren  Aenderung  als  das  die  Rückbildung  be* 
dingende  Moment  gelten  muss.  Die  Aussergebrauchstellung  eines  Or» 
gans  ruft  dessen  regressive  Veränderung  hervor,  wobei  man  sich  frei* 
lieh  die  erstere  ebensowenig  als  nur  vort&bergehend ,  wie  die  letztere 
als  plötzlich  oder  rnsch  aufnietend  vorzustellen  hat.  Wenn  auch  durch 
die  Reduction  im  Ganzen  eine  Vereinfachung  der  Organe  und  damit 
auch  des  Organismus  hervorgerufen  wird,  so  ist  dadurch  noch  keine 
den  Organismus  auf  eine  absolut  tiefere  Stufe  fl&hrende  £i*scbeinung 
gegeben.  Vielmehr  kann  die  Reduction,  ahnlich  wie  sie  bei  Entfernung 
der  Larvenorgane  eine  höhere  Diflerenzirung  möglich  macht,  auch  für 
ganze  Reihen  von  einander  abstammender  Organismen  höhere  Formen 
schaffen,  indem  sie  das  übrig  bleibende  sich  selbständiger  entwickeln 
lasst.  Hier  gilt  wieder  die  Reduction  als  Vorbereitung  der  Differenzi- 
rung. Vorwiegend  betrifft  sie  die  Zahlenverhültnisse  der  Theile,  die 
mit  der  Verminderung  sich  individuell  vervollkommnen. 

Da  die  Rückbildung  als  ein  allmählich  sich  äussernder  Process  er- 
scheint, treten  die  davon  betroffenen  Organe  uns  in  verschiedenen  Sta- 
dien entgegen.  Diese  rudimentären  Organe  werden  für  die  ver- 
gleichende Anatomie  zu  bedeutungsvollen  Fingerzeigen  für  den  Nachweis 
verwandtschaftlicher  Reziehungen,  und  lehren  zugleich,  wie  ein  Organ 
auch  ohne  die  ihm  ursprünglich  zukommende  Function,  ja  sogar  häufig 
ohne  eine  für  die  Zwecke  des  Organismus  verständliche  Redeutung  sich 
noch  längere  Zeit  forterhält.  ehe  es  völlig  verschwindet. 

Die  Rückbildung  kann  jedes  Organsystem  treffen,  und  an  jedem 
Bestandtheil  eines  solchen  sich  kundgeben.  Sie  äussert  sich  ebenso 
an  der  Form  wie  am  Volum  und  der  Zahl  der  Theile,  und  triflX  nicht 
minder  die  Texturverhältnisse.  Die  Redingungen  dazu  sind  zunächst 
in  Verhältnissen  zu  suchen,  die  ändernd  auf  den  Organismus  einwir- 
ken. Je  nach  der  Summe  der  betroffenen  Organe  wird  die  Reduction 
mehr  oder  minder  am  ganzen  Organismus  sich  kundgeben. 


Correlatioü. 

§  i9. 

Die  Differenzirung  wie  die  Reduction  bedingen  in  den  ihnen  zu 
(«runde  liegenden  Causaimomenten  eine  neue  Erscheinungsreihe,  in  wel- 
cher wir  die  Kundgebung  eines  höchst  wichtigen  Gesetzes  sehen.  Wie 
schon  aus  dem  Regriffe  des  Lebens  als  der  harmonischen  Aeusserung 
einer  Summe  gesetzmässig  sich  bedingender  Erscheinungen  hervorgeht, 


58  Systematische  Gliederung  des  Thierreiches. 

kann  keine  Thütigkeit  eines  Organs  in  Wirklichkeit  für  sich  bestehend 
gedacht  werden.  Jegliche  Art  von  Verrichtung  setzt  eine  Reihe  ande- 
rer Verrichtungen  voraus,  und  so  muss  auch  jedes  Organ  innige  Be- 
ziehungen zu  den  übrigen  besitzen  und  von  den  andern  abh<ingig  sein. 
Dieses  zuerst  von  Ccyier  näher  begründete,  und  als  Gorrelation 
bezeichnete  Verhalten  bahnt  uns  den  Weg,  auf  welchem  wir  zu  einer 
richtigen  Auffassung  des  thierischen  Organismus  gelangen  können.  Vor 
Allem  stellt  sich  hier  obenan  die  Würdigung  des  Organismus  als  eines 
individuellen  Ganzen,  das  ebenso  durch  seine  Theile  bedingt  ist,  wie 
ein  Thell  den  andern  voraussetzt.  Die  Correlation  ist  eben  darum  ein 
nothwendiger  Ausfluss  dieser  Auffassung. 

Sowohl  die  Einrichtungen  im  Grossen,  als  auch  die  anscheinend 
untergeordnetem  Zustände  der  Organisation  zeigen  ihre  Wechselbe- 
liehung  zu  einander,  und  eine  an  einem  Organsysteme  gesetzte  Ver- 
minderung ruft  gleichzeitig  an  einer  verschieden  grossen  Anzahl  anderer 
Apparate  Modificationen  hervor.  Diese  sind  also  Anpassungen  an 
Veränderungen,  die  wieder  aus*Anpassungen  hervorgegangen  sein  kön- 
nen. Sie  sind  jedoch  secundärer  Natur,  während  jene  die  primären 
vorstellen,  deren  Quelle  in  der  Aussenwelt   zu  suchen  ist. 

Man  kann  diese  Wechselbeziehung  oder  Correlation  in  nähere  und 
entferntere  theilen,  davon  die  erslere  an  einem  Organsystem  oder 
den  damit  functionell  zusammenhängenden  anderen  Organsystemen  sich 
äussern,  indess  die  letztere  an  den  functionell  weiter  abstehenden  Orga- 
nen zur  Erscheinung  kommt.  In  der  Beurtheilung  der  Correlation  leiten 
wesentlich  physiologische  Principien,  es  ist  daher  zu  ihrer  Erkenntniss 
die  Kenntniss  der  Leistungen  der  einzelnen  Organe  oder  doch  die 
Schätzung  ihres  Werthes  für  die  Oekonomie  des  Thierleibes  unerläss- 
lich.  Ebenso  ist  von  Wichtigkeit  die  Bekanntschaft  mit  den  äusseren 
Lebensverhältnissen  des  Thieres,  weil  aus  dieser  sich  die  ursächlichen 
Momente  ergeben,  auf  welche  ganze  Reihen  von  Beziehungen  der  OrT 
gane  sich  stützen. 

Indem  so  die  bestimmenden  Momente  für  die  Veränderungen  des 
Organismus  ausserhalb  des  letztern  liegen  oder  doch  zum  grossen  Theile 
dort  zu  suchen  sind,  entziehen  sie  sich  unserer  Aufgabe. 


Systematische  Gliederung  des  Tliierreiclies. 

§  50. 

In  der  Gesammtorganisation  jedes  Thieres  erkennt  man  eine  An- 
zahl von  Einrichtungen,  welche  es.  mit  einer  verschieden  grossen  An- 
zahl anderer  Thiere  gemeinsam  hat.  Diese  Verhältnisse  sind  theils 
allgemeiner  Natur,  betreffen  die  Lagerungsbeziehungen  der  wichtigsten 
Organsysleme   oder  die  Anordnung   der  letzteren   selbst,  theils   finden 


SyslMoatische  Gliedcrnng  des  Thierrelches.  59 

sie  sich  in  specieller  Aosftthrung  der  einzelnen  Organe  gegeben,  und 
fjbhen  da  bis  zu  UebereinslimmuDgen  der  Form-,  Volum-  und  Zah- 
lenverfafiJtnisse  herab.  Der  ordnende  Geist  des  Menschen  hat  für  diese 
Beziehungen  der  Organismen  zu  einander  bestimmte  Begriffe  geschaffen , 
indem  er  die  Summe  aller  sich  im  Wesentlichen  gleich  verhaltenden 
Individuen  als  Art  bezeichnete,  die  durch  eine  Anzahl  von  Einrichtun- 
gen einander  ahnlich  erscheinenden  Arten  zur  Gattung  vereinigte 
und  endlieh  diese  wieder  in  grössere  Abtheilungen,  zu  Fami- 
lien, Ordnungen  und  Glassen  verband.  Daraus  entstand  das 
zoologische  System,  welches  auf  Erkennung  und  Verbindung  des 
Debereinstimmendeii,  Unterscheidung  des  Getrennten  beruhend,  sich 
als  der  Ausdruck  der  Gesammterkenntniss  des  Thierreiches  ergibt. 

So  Ittast  sich  das  gesammle  Thierreich  in  eine  Anzahl  von  grosse- 
ren Abtheilungen  bringen,  deren  jede  durch  eine  Summe  von  Eigen- 
thtlmlichkeiten  von  der  anderen  verschieden  ist.  Der  daraus  resulti- 
rende  Gharackter  zeigt  sich  durch  alle  Unterabtheilungen  und  lässt  sich 
selbst  bei  grossen  Verschiedenheiten  des  Einzelnen  noch  erkennen. 
Dies  hat  man  als  »Typus«  bezeichnet.  Typus  bedeutet  also  eine 
Somme  am  Organismus  sieh  äussernder  Charaktere,  die  innerhalb  einer 
grössern  Abtheilong  des  Thierreiches  herrschend  sind,  indem  sie  so- 
wohl im  Laufe  der  Entwickelung  als  im  ausgebildeten  Zustande  sich 
aussprechen.  Danach  sind  solch'  grössere,  von  anderen  durch  gewisse 
Gmndzüge  der  Organisation  verschiedene  Abtheilungen  selbst  als  »Ty- 
pen« bezeichnet  worden. 

Innerhalb  jedes  Typus  bemerken  wir  an  den  ihn  zusammensetzen- 
den Abtbeilungen  eine  Variation  der  Einrichtungen,  so  zwar,  dass  nicht 
selten  gerade  das  für  den  Typus  Charakteristische  in  einzelnen  Formen 
verloren  zu  gehen  scheint.  Dann  ist  es  immer  die  Ontogenie,  welche 
den  Zusammenhang  der  betreffenden  Organismenformen  mit  dem  »Ty- 
pus« erkennen  tüsst. 

Wenn  wir  wissen,  dass  die  Uebereinstimmung  der  Organisation 
in  verschiedenen  Individuen  sich  aus  der  gemeinsamen  Abstammung 
erklärt,  dass  also  jene  Uebereinstimmungen  auf  einer  Vererbung 
beruhen,  so  werden  wir  entferntere  Aehnlichkeiten  auch  auf  Rechnung 
einer  entfernteren  Verwandtschaft  setzen  müssen.  Die  einer  Art  (Spe- 
cies)  angehörenden  Individuen  betrachten  wir  somit  als  nilher  unter 
einander  verwandt,  als  die  Reprilsentanten  verschiedener  Arten,  und 
innerhalb  der  Art  werden  wieder  die  durch  einzelne  Besonderheiten 
ausgezeichneten  Individuen,  die  man  als  Unterart  (Subspecies)  zu  ver- 
einigen pflegt,  gleichfalls  von  gemeinsamen  Eltern  abzuleiten  sein. 

Diese  innerhalb  kleinerer  Kreise  sich  kundgebende  Erscheinung, 
dass  die  Eigenthünilichkeiten  der  Organisation  sich  durch  Vererbung 
auf  andere  Individuen  fortsetzen,  in  dieser  Weise  anzuerkennen,  tragt 
Niemand  Bedenken.  Zum  grossen  Theil  unterstellt  sie  sich  sogar  der 
directen  Beobachtung  dadurch,  dass  sie  uns  die  Nachkommenschaft  den 


"60  Systematische  Gliederung  des  Thierreichs. 

Eltern  ähnlich  zeigt.  Indem  wir  diese  Auffassung  der  Verwandtschaft 
auch  auf  weitere  Kreise  übertragen,  das  Gemeinsame  der  Organisation 
als  die  Folge  der  gemeinsamen  Abstammung  beurtheilend  und  die 
Divergenz  der  Organisation  von  Anpassungen  ableitend,  stehen  wir  auf 
dem  Standpunkte   der  Descendenztheorie.   (Vergl.  §§.   4  u.  5). 

Innerhalb  eines  Typus  hat  sich  eine  thierische  Organisalionsfonn 
nach  den  verschiedensten  Richtungen  hin  entfaltet,  die  allmählich  vom 
Einfachen  zum  Gomplicirteren,  vom  Niederen  zum  Höheren  hinleiteten. 
Aus  fortgesetzter  Differenzirung  lassen  sich  die  Kategorien  ableiten,  die 
wir  als  Arten,  Gattungen,  Familien,  Ordnungen,  Classen  unterschei- 
den. Wenn  die  Verschiedenheiten  der  Classen,  Ordnungen  etc.  von 
einander  so  bedeutend  sind,  dass  sie  gänzlich  unvermittelt  sich  dar- 
stellen, so  haben  wir  hiebei  in  Erwägung  zu  ziehen,  dass  in  den 
lebenden  Formen  uns  nur  die  letzten  Ausläufer  grossartig  verzweigter 
Entwickelungsreihen  von  Organismen  vorliegen,  die  in  früheren  Zeit- 
räumen lebten  und  allmählich  untergegangen  sind.  Zum  Theil,  wenn 
auch  nur  zum  allergeringsten,  bezeugen  dies  die  paläontologischen 
Urkunden.  Es  sind  die  in  den  Erdschichten  erhaltenen  Reste  unter- 
gegangener Wesen,  welche  die  Vorläufer,  theilweise  auch  die  Stamm- 
eltern der  später  lebenden  Organismen  waren.  Da  die  lebenden  nur 
einen  kleinen  Bruchtheil  der  gesammten  Organismenwelt  bilden,  die 
im  Laufe  der  geologischen  Entwickelungsperioden  existirte,  so  können 
wir  nicht  erwarten ,  dass  weit  zurückliegende  Verbindungen  überall 
gleich  deutlich  hervortreten,  dass  überall  die  Uebergänge  nachweisbar 
und  der  genealogische  Zusammenhang  klar  und  ausser  allem  Zweifel  sich 
erkennen  lasse.  Wie  oben  dargethan,  bilden  diese  Nachweise  den 
wichtigsten  Theil  der  vergleichend-anatomischen  Aufgabe. 

Nach  dieser  Auffassung  haben  wir  uns  als  Typus  eine  von  einer 
Urform  ausgehende  Entwickelungsreihe  von  Organismen  vorzustellen, 
die  während  der  geologischen  Entwickelung  sich  in  viele  Aeste  und 
Zweige  differenzirte,  von  denen  die  meisten  während  verschiedener 
Perioden  zu  Grunde  gingen,  während  einzelne,  wenn  auch  grössten— 
theils  verändert,  bis  heute  sich  lebend  erhielten.  Das  in  diesen  viel- 
fachen Differenzirungszuständen  sich  forterhaltende,  von  der  Stamm— 
form  her  mit  Modificalionen  sich  vererbende  Gemeinsame  bildet  das 
Typische  der  Organisation. 

§  51. 

Nicht  für  alle  grossen  Abtheilungen,  die  man  als  Typen  aufzufassen 
pflegt,  ist  gemeinsame  Abstammung  der  zugehörigen  Formen  in  glei- 
chem Maasse  nachweisbar.  Für  manche  Abtheilung  ist  sogar  eine  poly- 
phyletische  Genese  in  hohem  Grade  wahrschehfilich,  so  dass  andere  als 
genealogische  Gründe  die  bezüglichen  Organismen  vereinigen  lassen. 
Solche  Abtheilungen   sind   demnach   nicht  als  Stämme  zu  beurtheilen. 


Systematische  Gliederung  des  Tbierreiches.  64 

Dies  gilt  zunächst  für  die  niederste  Abtheilung,  die  der  Pro- 
tozoän,  als  welche  ich  einen  Theil  der  von  Hägkel  zu  einem  be- 
sonderen Reiche  (dem  der  Protisten)  vereinigten  niedersten  Organis- 
men zusammenfasse.  Auch  für  die  Würmer  ist  eine  monophy te- 
tische Abstammung  zweifelhaft  und  selbst  für  höhere  Abtheilungen, 
wie  die  der  Arthropoden,  bedenklich.  Für  andere  dagegen  ist  die 
Auffassung  als  Stamm  besser  begründbar.  £s  wird  also  geboten  sein, 
die  grossen   Abtheilungen   als   sehr    ungleich w^erthige    anzusehen. 

Von  solchen  Abtheilungen  unterscheide  ich  folgende: 

1.     Protozoen.         2.     Cölentera ten.  3.    Würmer. 

5.  Echinodermen.     5.  Arthropoden.      6.  Mollusken. 

7.  Vertebraten. 

Der  ungleiche  Werth  dieser  Abtheilungen  äussert  sich  nicht  nur 
in  ihrer  Zusammensetzung,  sondern  auch  in  dem  Höhegrade  der 
Entfaltung  der  Organisation,  wie  im  Verhalten  der  niedersten  Zu- 
stünde. Obwohl  in  jeder  Abtheilung,  oder  in  jedem  Stamme  und  sei- 
nen Verzweigungen  eine  vom  Niederen  zum  Höheren  fortschreitende 
Differenzirung  sich  kund  gibt,  so  ist  doch  der  Grad  der  Organisations- 
entfaltung ein  sehr  verschiedener,  sowohl  in  den  Zweigen  eines  und 
desselben  Stammes,  als  auch  in  den  verschiedenen  Abtheilungen  oder 
Stämmen  unter  sich.  Durch  die  verschiedene  Organisationshöhe  der 
Einzelzweige  lassen  sich  diese  innerhalb  des  Stammes  in  verschiedene 
Rangordnungen  bringen,  und  ebenso  ergibt  sich  auch  für  die  einzel- 
nen Stämme  eine  bestimmte  Rangordnung,  je  nach  der  Organisations- 
stufe, in  der  der  Stamm  mit  einem  seiner  Zweige  culminii*t.  Dadurch 
können  wir  niedere  und  höhere  Typen  unterscheiden. 

Ein  drittes  Verhalten  bezieht  sich  auf  die  Anfänge  d.  i.  die  nie- 
dersten Zustände  der  Typen,  und  dieser  Punkt  bereitet  der  näheren 
Prüfung  grössei*e  Schwierigkeiten.  Einmal  existiren  in  manchen  Ab- 
tbeilungen mehrere  Formen,  die  man  als  niederste  oder  Ausgangsfor- 
men betrachten  kann,  und  dann  bieten  diese  eben  durch  die  niedere 
Organisationsstufe,  auf  der  sie  stehen,  auch  bezüglich  der  Verwandt- 
schaft indifferentere  Verhältnisse.  Doch  lässt  sich  aus  diesen  niederen 
Formen  in  den  höher  organisirten  Stämmen  so  viel  mit  Bestimmtheit 
erkennen,  dass  sie  auf  gewisse  Abtheilungen  niederer  Stämme  bezo- 
gen werden  können.  Somit  besteht  zwischen  den  einzelnen  Stämmen 
eine  Verbindung  und  die  Stämme  oder  Typen  sind  keine  völlig  isolir- 
ten  Abtheilungen,  deren  Anfänge  selbständig  und  unabhängig  von  ein- 
ander etwa  durch  Urzeugung  hervorgingen.  Durch  diese  erkennbaren 
Verknüpfungen  muss  die  von  der  CuviKR^schen  Typenlehre  her  starre 
Auffassung  der  Stämme  bedeutend  nachgiebiger  werden,  indem  wir 
die  Beziehungen  der  Typen  zu  einander  in  keiner  andern  Weise  treffen, 
als  die  Abtheilungen  innerhalb  der  Typen :  in  genealogischer  Gliede- 
rung. Die  einzelnen  Stämme  sind  weiter  von  einander  entfernt,  als 
die    sie  zusammensetzenden  Classen    unter   sich,  und    auch  das  Maass 


62 


Vergleich ung  der  Organe. 


der  Entfernung  ist  ein  überall  verschiedenes,  eigenthUmlich  für  jedes 
einzelne  Yerhältniss.  Das  Verhalten  der  einzelnen  grossen  Abtheiiun- 
gen  zu  einander  lässt  sich  in  folgendem  Stammbaume  darstellen. 


Yertelirateu 

(Leptocardier) 


Mollusken 

(Brachiopoden) 


Arthropoden 

(Cmstaceen)  (tracheaten) 


Echinodermen 

(Asteriden) 


(Tnnioaten)  (Annulaten) 

ürmer 


Cölenteraten 

(SpoBgien) 


I 


Protozoen 


Die  genauere  Umgrenzung  der  einzelnen  Abtheilungen  wird  in  den 
specielien  Capiteln  gegeben  werden ,  ebenso  die  Motivirung  der  hier 
nur  angedeuteten   verwandtschaftlichen  Beziehungen. 


Yerglelchung  der  Organe. 

§  5^ 

In  jeder  einen  Thierstamm  repräsentirenden  Abtheilung  kommt 
eine  Reihe  von  Organisationsverhaltnissen  zur  Erscheinung,  die  mit 
der  Entwickelung  des  betreffenden  Typus  eine  bestimmte  Richtung  ein- 
schlagen,  aber  alle  auf  einfachere  Grundformen  sich  zurttckbeziehen,  von 
denen  sie  abstammen ;  alle  Organentfaltungen  eines  Typus  stehen  sonach 
in  einem  genetischen  Zusammenhang.  Ein  in  dem  einen  Zu- 
stande einfacheres  Organ  zeigt  sich  ohne  Wechsel  seiner  allgemeinen 
Beziehungen  in  einem  andern  Zustande  auf  einer  höheren  Stufe  durch 
Differenzirung  umgebildet,  hat  neue  Abschnitte,  neue  Organe  aus  sich 
entfaltet.  Wie  bei  der  individuellen  Entwickelung  eine*  unmittelbare 
Fortsetzung  der  einzelnen  Differenzirungszustände  gegeben  ist,  so  zeigt 
sich  auch  bei  jedem  Typus  (in  verschiedenem  Maasse  deutlich]  eine 
Fortsetzung  der  sich  differenzirenden  Organe  von  einem  Zustande  in 
den  andern.  Wo  die  ausgebildete  Form  durch  eine  weitere  Kluft  von 
anderen  Formen  getrennt  erscheint,  da  weisen  die  embryonalen  Ein- 
richtungen den  Zusammenhang  nach  und  füllen  mehr  oder  minder  die 


VergtoichuDg  der  Organe.  63 

Lttcken.  Von  der  individuelleD  Entwickelung  unterscheidet  sich  die 
Entfaliang  der  zu  einem  Typus  geh<)rigen  Formen  dadurch,  dass  sie 
nicht  in  einer  einfachen  Linie  liegt.  Von.  allen  Stadien  aus  bilden  sich 
Abzweigungen,  die  ihre  eigene,  das  Wesentliche  der  Organisation  zwar 
fortvererbende  aber  zugleich  vielfach  modificirende  Richtung  einschla* 
gen.  Dadurch  bleibt  das  Grundverhältniss  der  Organe  unverändert, 
und  aus  allen  Graden  der  Modificaiion,  sei  es  durch  Differenzirung 
oder  durch  Reduction,  Idsst  sich  das  verwandtschaftliche  Verhältnisa 
der  gemeinsamen  Abstammung  erkennen. 

Bei  diesen  morphologischen  V'erdnderungen  der  Organe  erleidet 
auch  die  Leistung  derselben  Wandelungen,  so  dass  ein  und  dasselbe 
Organ  in  verschiedenen  Formzustanden  verschiedenen  Verrichtungen 
dient.  Diese  letzteren  bleiben  bei  unserer  Aufgabe  untergeordnet,  da 
wir  es  nur  mit  dem  morphologischen  Verhalten  zu  thun  haben.  Dem- 
gemäss  unterscheidet  die  vergleichende  Anatomie  die  morphologisch 
gleichwerthigen  Organe  als  Homologa  von  den  physiologisch  gleich- 
bedeutenden Organen  oder  den  Analoga.  Homologie  und  Ana- 
logie sind  daher  zwei  scharf  gesonderte  Begriffe,  von  denen  der  eine 
die  Beziehung  des  Organs  zu  seiner  Genese,  der  andere  jene  zu  sei- 
ner Verrichtung  zum  Objecte  hat. 

Der  Bereich,  in  welchem  Homologieen  sich  finden,  wird  in  der  Regel 
meist  durch  die  Grenze  des  Typus  abgesteckt.  Die  Vergleichung  be- 
wegt sich  ntu*  innerhalb  eines  Typus  auf  festerem  Boden.  Darüber 
hinaus  trifft  sie  entweder  nur  Analogteen,  da  die  Verwandtschaften  der 
Organe  differenter  Typen  mehr  auf  die  Aehnlichkeit  oder  Ueberein- 
stimmung  der  Function  begründet  sind,  oder  die  Homologie  ist  doch 
minder  sicher  bestimmbar. 

Wenn  wir  Körpertheile  von  morphologischer  Uebereinstimmung  als 
Bomologa  bezeichnen,  so  wird  in  Folge  der  verschiedenen  Art  dieser 
Uebereinstimmung  auch  der  Begriff  der  Homologie  wieder  in  zwei 
Hauptabtheilungen  gespalten  werden  müssen.  Wir  unterscheiden  eine 
allgemeine  und  eine  specielle  Homologie. 

§  53. 

i.  Allgemeine  Homologie  besteht,  wenn  ein  Organ  auf  eine 
Kategorie  von  Organen  bezogen  wird,  oder  wenn  ein  damit  vergliche- 
nes Einzelorgan  nur  als  ReprSisentant  einer  solchen  Kategorie  zu  gel- 
len hat.  Die  Kategorieen  werden  dann  immer  aus  mehrfach  im  Kör- 
per vorhandenen  Organen  oder  Theilen  bestehen.  Wenn  wir  die  Kor- 
persegmente  eines  Gliederthieres,  die  Wirbel,  die  Gliedmaassen  eines 
Thieres  etc.  unter  einander  vergleichen,  begründen  wir  allgemeine 
Homologien.  Diese  löst  sich  wieder  in  Unterabtheilungen  auf,  nach 
der  Art  der  Organkategorie,  die  bei  der  Vergleichung  diente. 

4)  Homotypie,   an  Organen,   die  sich  als  Gegenstücke   zu  ein- 


64  Vergleichung  der  Organe. 

ander  verhallen,  z.  B.  die  Organe  der  beiderseitigen  Körperhälften; 
die  rechte  Niere  ist  der  linken,  das  rechte  Auge  dem  linken  homotyp 
u.  s.  w. 

2)  Homodynamie  (die  allgemeine  Homologie  Owbns,  z.  Th.  auch 
dessen  Homologie  der  Reihe  in  sich  begreifend),  zwischen  Körperlhei- 
len  bestehend,  die  auf  eine  allgemeine,  durch  Reihenfolge  sich  äussernde 
Formerscheinung  des  -Organismus  sich  beziehen.  Dadurch  dass  diese 
Theile,  den  Typus  des  Organismus  bestimmend,  in  der  Liingsaxe 
desselben  angeordnet  sind,  unterscheidet  sich  die  Homodynamie  von 
der  nächstfolgenden  Art.  Homodyname  Theile  sind  die  Metameren, 
also :  die  Segmente  der  Gliederlhiere,  Wirbelabschnitte  (Urwirbelj  der 
Vertebralen  etc. 

3j  Homonomie.  Sie  bezeichnet  das  Verhältniss  derjenigen  Kör- 
pertheile  zu  einander,  die  an  einer  Queraxe  des  Körpers,  oder  nur  an 
einem  Abschnitte  der  Längsaxe  gelagert  sind.  Die  Strahlen  der  Brust- 
und  Bauchflosse  der  Fische,  die  einzelnen  Finger  und  Zehen  der  höhe- 
ren Wirbelthiere  sind  homonome  Gebilde. 

Ausser  diesen  Unterabtheilungen  der  allgemeinen  Homologie  sind 
noch  andere  unterscheidbar,  die  jedoch  von  sehr  untergeordneter  Be- 
deutung sind. 


§  54. 

11.  Specielle  Homologie  (Owkn),  Homologie  im  [engeren 
Sinne.  Wir  bezeichnen  damit  das  Verhältniss  zwischen  zwei  Orga- 
nen gleicher  Abstammung,  die  somit  aus  der  gleichen  Anlage  hervor- 
gegangen sind.  Da  das  Aufsuchen  der  speciellen  Homologieen  genaue 
Nachweise  der  verwandtschaftlichen  Beziehungen  erfordert,  so  ist  die 
Vergleichung  innerhalb  der  unteren  Stämme,  meist  nur  auf  die  Organ- 
systeme beschränkt;  erst  bei  den  Wirbelthieren  vermag  sie  sich  auf 
engere  Verhältnisse  zu  erstrecken.  Wir  können  so  z.  B.  unter  den 
Würmern  oder  bei  den  Mollusken  kaum  einzelne  Abschnitte  des' Darm- 
rohres  mit  Sicherheit  als  homolog  bezeichnen,  indess  wir  bei  den  Wir- 
belthieren sogar  unansehnlichere  Gebilde  (z.  B.  die  Cöcalbildungen 
des  Darmes,  von  den  Amphibien  an)  mit  Entschiedenheit  als  homolog 
erklären  können.  Am  bestimmtesten  sind  die  Homologieen  an  Skelet- 
theilen nachweisbar.  Der  Nachweis  der  speciellen  Homologieen  bil- 
det einen  grossen  Theil  der  Hauptaufgabe  der  vergleichenden  Anatonfie. 

Die  specielle  Homologie  muss  wieder  in  Unterabtheilungen  zertällt 
werden,  je  nach  dem  Zustande  der  beztlglichen  Organe,  die  entweder 
in  ihrem  morphologischem  Befunde  wesentlich  unverändert,  oder  in 
demselben  durch  Hinzutreten  oder  Wegfall  von  Theilen  geändert  sein 
können.     Ich  unterscheide  daher: 


Vergleich ttog  der  Organe.  65 

4)  Complete  Homologie,  wenn  das  bezügliche  Organ,  wenn 
auch  in  Gestalt,  Umfang  und  manchen  anderen  Beziehungen  modificiri, 
sich  in  Lage  und  Verbindung  unverändert  und  vollstündig  erhalten 
hat.  Diese  Homologie  findet  sich  meist  innerhalb  der  engeren  Abthei- 
Jungen,  seltener  bei  den  weiteren  Abiheilungen  bis  zu  den  Stämmen. 
Complete  Homologie  zeigen  z.  B.  die  Oberarmknochen  von  den  Am- 
phibien  bis  zu  den  Säugethieren,  das  Herz  der  Amphibien  und  Rep- 
tilien u.  s.  w. 

2]  Incomplete  Homologie.  Diese  besteht  darin,  dass  ein 
Organ  im  V^erbdUniss  zu  einem  andern  ihm  sonst  völlig  homol<^en 
noch  andere,  jenem  fehlende  Theile  mit  umfasst,  oder  umgekehrt :  dass 
ein  Organ  im  Verhältniss  zu  einem  andern  um  einen  Bestandthoil  ver- 
mindert ist.  Als  Beispiel  mag  das  Herz  der  Wirbelthiere  dienen.  Von 
den  Cyclostomen  an  ist  das  Organ  durch  den  ganzen  Stamm  homo- 
log :  die  Homologie  ist  aber  incomplet,  denn  bei  den  Fischen  liegt  noch 
ein  Theil  des  Venensinus  ausserhalb  des  Herzens,  der  in  den  höheren 
Abtheilungen  ins  Herz  aufgenommen  wird,  und  z.  B.  bei  den  Süuge- 
thieren  in  den  rechten  Vorhof  übergeht.  Die  Homologie  zwischen 
Fisch-  und  Säugethierherz  ist  also  incomplet  durch  Zunahme.  In 
einem  andern  Falle  kann  sie  durch  Abnahme  unvollständig  sein. 
Der  umgekehrte  vorige  Fall  könnte  hier  ebenfalls  als  Beispiel  dienen, 
wenn  es  gestattet  wSre,  das  Fischherz  als  eine  Reduclion  aufzufassen. 
Ein  Beispiel  bietet  sich  an  den  Brustflossen  der  Fische.  Das  Skelet 
dieses  Organs  befindet  sich  bei  den  GanoYden  oder  Teleostiem  durch 
Reduction  in  incompleter  Homologie  zu  jenem  der  Selachier.  Hier  sind 
Theile  verschwunden,  die  demselben  Organe  ursprünglich  angehörten, 
wie  im  ersterwähnten  Beispiele  Theile  zu  einem  Organe  hinzukamen, 
die,  obwohl  anfänglich  vorhanden,  ihm  doch  nicht  angehörten. 


Literatur. 

§  -^5. 

För  die  wissenscheftliehe  OrieatiruDg  im  Gesammtgebiete  der  Morphologie, 
vornehmlich  mit  Hiosicht  auf  die  in  den  vorhergehenden  Paragraphen  nur  in 
grösster  Kärze  behandelten  Fragen  ist  als  Hauptwerk  zu  sorgfältigem  Studium  zu 
empfehlen : 

Häcskl  ,  E. ,  Generelle  Morphologie  der  Organismen.  Allgemeine  Grundziige  der 
FormenwiSBenschaft ,  mechanisch  begründet  durch  die  von  Cr.  Dahwü«  refor- 
roirte  Desc^odenztheorle.     8  Bde.     Berlin  4866. 

Ausserdem  behandeln  die  Morphologie  in  fordernder  Weise: 

CAan,  V.»  System  der  thierischen  Morphologie.     4  858. 

BftON»,  Morphologische  Studien  über  die  Gestaitungsgesetze  der  Naturkörper.  Leipzig 
und  Heidelberg  4858. 

O^fenbaur«  Grnndriffs.  5 


66  Litejratur. 

a.    Von  umfangreicheren  Werken  über  das  ganze  Gebiet: 

CuviER ,  G. ,  LcQons  d'anatomie  comparöe  recueillies  et  publikes  par  Dumeril  et 
DcvERNOY.  5  vols.  Pafis  n99— <805.  Unter  dem  Titel:  Vorlesungen  über 
vergl.  Anatomie,  übersetzt  und  mit  Anmerkungen  versehen  von  H.  FRORlE^ 
und  J.  F.  Meckel.     4  Bde.     Leipzig  1809—10. 

—  Le^ons  etc. ,  recueillies  et  publikes  par  Dumeril.  Seconde  edition.  Tomes  8. 
Paris  1835—46. 

Meckel,  J.  f.,  System  der  vergleich.  Anatomie.  6  Bde.  Halle  1881—33  (unvoll- 
endet, Geschlechtsorgane  fehlen). 

Milne-Edwards,  H.,  Legons  sur  la  physiologie  et  Tanalomie  compar6e  et  l'homme 
et  des  animaux.     T.  I— X.     Paris  1857—72.    Noch  unvollendet. 

Leydic,  f.,  Vom  Bau  d.  thierischen  Körpers.    I.  Band.    1.  Hälfte.    Tübingen  1864. 

b.  Theile  der  vergleichenden  Anatomie  behandeln  ausführlicher: 

Huxlet,  Th.  H.,  Lectures  on  the  Clements  of  comparatlve  anatomy.  (On  the  das* 
sification  of  animals  and  on  the  vertebrate  skull.)     London  1864. 

c.    Als  Lehr-  und  Handbücher  der  vergleichenden  Anatomie. 

Carus,  C.  G.  ,  Lehrbuch  der  Zootomie.  Leipzig  1818.  Zweite  Auflage  als  Lehr- 
buch der  vergl.  Zootomie.     2  Bde.     Leipzig  1884. 

Waoner,  R.,  Handbuch  der  vergleichenden  Anatomie.  %  Bde.  Leipzig  1834.  Neue 
Auflage  als:  Lehrbuch  der  Zootomie.  2  Bde.  Leipzig  1843—48.  (Zweiter 
Band,  die  Anatomie  der  wirbellosen  Thiere  enthaltend ,  von  H.  Frey  und 
R.  Leuckart. 

V.  Siebold  und  Stannius,  Lehrbuch  der  vergleichenden  Anatomie.  2  Bde.  Berlin 
1845.  Zweite  Auflage  als  Lehrbuch  der  Zootomie.  Bis  jetzt  nur  Bd.  I  Heft 
1 — 2»  Anatomie  der  Fische  und  Amphibien  enthaltend,  erschienen. 

Schmidt,  0.,  Handbuch  der  vergl.  Anatomie.    Sechste  Auflage.    Jena  1871. 

Owen,  R.,  Lectures  on  the  comparative  anatomy  and  physiology  of  the  invertebrate 
animals.  London  2.  Auflage  1855.  —  Of  the  vertebrate  animals  P.  I.  Fishes. 
London  1846. 

Jones,  Rymer,  General  outline  of  the  Organisation  of  the  animal  kingdom,  and  ma- 
nual  of  comparative  anatomy.     4^.  Edit.     London  1871. 

Harting,  P.  ,  Leerboek  van  de  Grondbeginseien  der  Dierkunde  in  baren  geheelen 
Omvang.     Deel  I— III.     Tiel  1864—72.     Enthält  auch  die  vergl.  Anatomie. 

d.  Iconographische  Darstellungen  vom  Baue  der  Thiere  bieten: 

Carus,  C.  G.,  und  Otto,  Erläuterungstafeln  zur  vergleichenden  Anatomie.    8  Hefte. 

Leipzig  1826—52. 
Wagner,  R.,  Icones  zootomicae,  Handatlas  zur  vergl.  Anatomie.     Leipzig  1841. 
Schmidt,  0.,  Handatlas  der  vergl.  Anatomie.     Jena  1852. 

Carus,  V.,  Icones  zootomicae.     Leipzig  1857.     Erste  Hälfte.      Wirbellose  Thiere.) 
Leydig,  f.,  Tafeln  zur  vergl.  Anatomie.     Erstes  Heft.     Tübingen  1864. 

e.   Vergleichende  Gewebelohre. 
Leydig,  F.,  Lehrbuch  der  Histologie  des  Menschen  und  der  Thiere.     Frankf.    1857. 

Ausser  diesen  Werken  ist  auf  zahlreiche  Mono^raphieen  zu  verweisen,  sowie 
auf  Abhandlungen  und  Aufsätze,  welche  die  Schriften  der  Academieen  und  anderer 
gelehrten  Gesellschaften,  sowie  die  Zeitschriften  für  Naturgeschichte,  für  Zoologie 
und  für  Anatomie  enthalten. 


Specieller  TheiL 


Erster  Abschnitt. 


Protozoon. 

AUc»in«ine  XTebenioht. 

§56. 

Hieher  zähle  ich  einige  Abtheilungen  jener  Organismen,  die  durch 
die  Einfachheit  ihrer  Organisation  die  niederste  Stufe  der  Lebensformen 
beurkunden.  Der  Mangel  an  differenzirten  Organen  für  die  haupt* 
sächlichsten  Verrichtungen  erscheint  als  das  wesentlichste  Merkmal.  Aus 
diesem  negativen  Charakter  geht  die  Unzulänglichkeit  der  Abgrenzung 
dieser  Abtheilung  hervor,  an  der  etwas  gemeinsam  oTypisches« 
weder  in  dem  Verhalten  des  Körpers  zu  seinen  Formelementen,  noch 
in  der  Organisation  erkannt  werden  kann.  Für  keine  der  ihr  beige- 
zählten Gruppen  ist  in  der  Organisation  etwas  gegeben,  was  zwänge, 
sie  unbedingt  als  Thiere  anzusehen.  Vielmehr  besteht  in  dem  Fehlen 
jeder  geweblichen  Differenzirung  Grund,  die  hieher  gerechneten  Orga- 
nismen mit  anderen,  die  man  als  niedere  Pflanzen  zu  betrachten  pflegt| 
als  zwischen  Thier-  und  Pflanzenreich  stehende  Lebensformen  zu  be- 
trachten. Darauf  gründet  sich  die  Auffassung  Häckbl*s,  der  die  sämmt- 
lichen  niederen,  weder  den  Thieren  noch  den  Pflanzen  zuzuzählenden 
Organismen  im  Protistenreiche  vereinigte,  und  damit  die  thatsäch-- 
lieben  Verhältnisse  in  richtige  Beziehungen  brachte.  In  Anerkennung 
dieser  Auffassung  scheint  es  unzulässig  eine  Abtheilung  der  Protozoon 
zu  bilden.  Es  ist  aber  die  Kenntniss  der  im  Protistenreiche  waltenden 
Organisationszustände  für  das  Verständniss  der  thierischen  Organismen 
von  50  hohem  Werthe,  dass  ein  gänzliches  Uebergehen  der  Protisten 
dem  Zwecke  dieses  Buches  wenig  entspräche.  Dessbalb  behielt  ich 
die  Abtheilung  der  Protozoon  hier  bei,  und  führe  in  ihr  eine  Anzahl 
von  Formen  auf,  die  geeignet  sind  von  den  einfachen  Zuständen  der 
Organisation  wie  von  dem  geringen  Grade  der  Sonderung  ein  Bild  zu 
geben. 

Als  einfachste  Formen  führe  ich  die  Amöben  [Protoplasten  Hu.) 
an,    die  aus  einen   oder  auch  mehrere  Kerne  führendem  Protoplasma 


70  Protozoon. 

bestehen.  Der  Körper  dieser  Organismen  zeigt  bedeutende  Formver- 
änderungen als  Lebenserscheinungen  des  Protoplasma.  Nicht  selten 
treten  diese  Formveränderungen  durch  Aussenden  und  Einziehen  von 
Fortsätzen  des  Protoplasma  auf  (Pseudopodien). 

^Is  eine  zweite  Abtheilung  betrachte  ich  die  Rhizopoden,  die 
sich  in  zwei  Unterabtheilungen,  die  Foraminiferen  (Ac^ttaria  Hkl.)  und 
Radiolarien,  scheiden. 

Bei  ^den  Foraminiferen  bildet  das  Protoplasma  den  gesammten  Kör- 
per. Kernartige  Gebilde  fehlen  entweder  oder  sind  vorhanden,  ohne 
dass  jedoch  dadurch  eine  Verschiedenheit  im  Verhalten  des  Protoplasma 
bedingt  wäre.  Ganz  gleich  verhält  sich  auch  das  Protoplasma  der  Aa- 
diolarien,  bei  denen  weitergehende  Differenzirungen  auftreten.  Einmal 
ist  hier  die  im  Innern  des  Leibes  befindliche  »Centralkapsel«  anzuführen, 
dann  in  dieser  liegende  oder  sie  umgebende  Bläschen  und  Zellen.  Diese 
Theile  erscheinen  unzweifelhaft  als  Andeutungen  eines  zusammen- 
gesetzteren Baues,  allein  das  indifferente  Protoplasma  besorgt  noch  wie 
sonst  die  Lebensverrichtungen.  So  eiftheinen  die  Radiolarien  zwar 
höher  als  die  übrigen  Rhizopoden  differenzirt,  aber  gerade  in  den 
wesentlichen  Verhältnissen  der  Leibessubstanz  (des  Protoplasma)  treffen 
sie  mit  ihnen  zusammen.  Nehmen  ^ir  hiezu  noch  die  in  beiden  Ab- 
theilungen vorhandene  Bildung  von  festen  Stützgebilden,  die  Schalen 
der  Foraminiferen  und  die  zierlichen  Gerüste  der  Radiolarien,  so  sind 
auch  diese  Einrichtungen  nur  geeignet,  die  Vorstellung  einer  ganz 
anders  gearteten  Differenzirung  des  Rhizopoden  -  Organismus  zu  be- 
gründen, und  zugleich  im  Verein  mit  den  übrigen  Einrichtungen  beide 
Abtheilungen  der  Rhizopoden  als  divergirende  Organismenreihen  anzu- 
sehen. Den  Radiolarien  stehen  die  Actinosphaeren  (A.  Eichhornii)  am 
nächsten. 

Als  eine  dritte  Abtheilung  können  die  Gregarinen' gelten.  Eine 
äussere  Abgrenzung  des  einen  Kern  uraschliessenden ,  und  damit  auf 
der  Stufe  einer  Zelle  stehenden  Körpers,  fehlt  nur  in  den  frühesten 
Jugendzuständen.  Sie  durchlaufen  also  den  Zustand  der  Cytoden.  Die 
ausgebildeten  Organismen  lassen  eine  vom  inneren  Protoplasma  diffe- 
rent  gewordene  Hülle  unterscheiden  und  bieten  s(^ar  in  der  darunter 
liegenden  Protoplasmaschichte  noch  Andeutungen  höherer  Differenzi- 
rungen dar. 

Die  vierte  Abtheilung  bilden  die  Infusorien.  Der  gesammte 
Organismus  besteht  auch  hier  wieder  aus  Protoplasma,  das  ein  kem- 
artiges  Gebilde  birgt.  Die  äusserste  Schiebte  des  Leibes  ist  wie  bei 
den  Gregarinen  different,  trägt  aber  in  verschiedenem  Maasse  Cilien. 
Ob  der  »Kema  einen  Zellenkem  vorstellt,  ist  zweifelhaft,  jedenfalls 
kommt  ihm  eine  höhere  Bedeutung  zu.  Es  ist  daher  ziemlich  schwierig, 
den  gesammten  Infusorienleib  als  das  Aequivalent  einer  Zelle  anzusehen, 
an  der  alle  Theile  auf  eine  höhere  Stufe  der  Differenzirung  traten,  und 
damit  Einrichtungen  gewannen,   die  sie   von  dem  Verhalten  einfacher 


Allgemeioe  l'eb«rsicht.  71 

ZeJIen  entfernten.  Andeutungen  einer  geweblichen  Sonderung  werden 
nicht  von  dem  fUr  die  Tbiere  inaassgebenden  Gesichtopuncte  zu  be* 
urtheilen  sein,  denn  da  Zellen  als  Formelemente  des  Kdrpers  hier 
{änzlicfa  fehlen,  kann  auch  nicht  von  Geweben  als  Zellenderivalen  die 
Rede  sein« 

Die  verwandtschaftlichen  Verhältnisse  der  einzelnen  Abtheilungen 
der  Prototote  zu  einander  sind  wenig  sicher  darzustellen.  Höchst- 
wahrscheinlich repräsentiren  sie  eine  polyphyletische  Gruppe. 


Literatur. 

Amöben:  Ai-eibacr,  C,  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  VII. 

Bhlacypoden :  Duiakdir  in  Ann.  sc.  I.  Hl.  IV.  —  ScHttr»,  M. ,  Leber  den 
Organismus  der  Polythalamien.  Leipzig  4854.  —  Carpbüter,  W.,  Resear* 
cbes  on  the  Foraminifera.  Phil.  Tr.  4856.  59.  —  Introduction  to  the 
study  of  the  Foraminifera.  London  4  86S.  (R.  S.)  —  HriLEv,  Tr.  H., 
Ueber  Thalassicoila.  Ann.  nat.  bist.  4  854.  —  Mille»,  J.  ,  Abhandl.  der 
Berliner  Acad.  4858.  —  HXckel,  E.,  Die  Radiolarien.  Eine  Monographie. 
Beriin  486i. 

Qragarinen:  Stkiv,  (}eber  die  Natur  der  Gregarinen.  Arch.  f.  Anat.  u.  Pbys. 
4848.  —  LiiBBUtHN,  ^volut.  des  Gr^garines.  Acad.  Roy.  de  Belgiqup. 
M6m.  des  Soc.  6trang^res  T.  XXVI.  Ed.  Va5  Beitede!«  Rech,  sur  T^volut. 
des  Gr^garines.  Bull,  de  TAcad.  royale  de  Belgique  tme  $^r.  T.  XXXI.  Sur 
la  Struct.  des  Gr^g.  ibidem  T.  XXXIII. 

Inftiflorien:  Ehrerbeiig,  C.  G.  ,  Die  Infusionsthiere  als  vollkommene  Organis- 
men. Leipzig  4838.  —  Dijabdin ,  Hist.  nat.  des  Infusoires.  Paris  4841. 
—  Strih,  Fb.,  Die  Infusionsthiere  auf  ihre  Entwickelung  untersucht.  Leipzig 
4854.  — ^  Der  Organismus  der  Infusionsthiere.  l.  II.  Leipzig  4859—66.  — 
CLAPABiDE»  E.,  et  Lachmann,  Etndes  sur  les  Infusoires  et  les  Rbizopodes. 
Genöve  4858—64.  —  Encelmann,  Tb.  W. ,  Zur  Naturgeschichte  der  In- 
fusionsthiere.    Leipzig,  Zeitschr.  f.  >^iss.  Zool.  XI. 


Integument 

Da  der  Kdrper  der  niedersten  Organismen  aus  dem  contraclilen, 
IQ  seinen  Formzustttnden  sehr  veränderlichen  Protoplasma  gebildet  wird, 
80  fehlt  mit  einer  bestimmten  Abgrenzung  des  Körpers  auch  jegliche 
Diflferenzirung  eines  Integumentes.  Wir  sehen  den  Körper  der  meisten 
nicht  mit  einer  Uttlle  versehenen  Protisten  el>enso  wie  indiiferente  Zellen 


Fig.  II. 


72  IniBgumcnl, 

höherer  Organismen  die  Umrisse  wechseln ;    FortsaUe  des  Protoplasma 
dehnen  sich  bald  da  bald  dorthin  aus,  und  lassen  den  übrigen  Korper 
nachfliessen.     So  liewegl  sich  der  Körper  mit  slels  wechselnder  Ober- 
fläche, an  die  jeder  in  dem  einen  Moment  innen  befindliche  Substanz- 
parliket    in  dem  andern  Moment  mit  der  Bildung  eines  Fortsatzes  her- 
vortreten kann.     Die  ForisStie,  Pseudopodien,  erscheinen  bald  als 
breite  lappenartige  Verlan  gerungen    [vergl. 
Fig     H)      die  durch  wenig  liefe  Buchten 
>on  emandei  getrennt  sind,  bald  ei^iessen 
sie  sich  als  schmale  StrOmchen,  die  nach 
der  Peripherie  zu  mimnichfach  steh  thei- 
len,    und  damit  vehtsiellc  Ausliiufer  vor- 
stellen     Sie  charaklerisiren  die  Rhisopo^ 
den     deren    Protoplasma    an  allen    gegen 
die  unmittelbare  Körperoberflache  gelan- 
genden Stellen  jene  nScheinfUsschena  aus- 
senden   kann    ^vergl.   Fig.    H).     fienacb- 
barle    Pseudopodien     können    in    verschiedener    Zahl    an   jeder    Stelle 
unter  einander  verschmelien    big    läx)     oder  auch  netzartige  Verbin- 
dungen vorstellen.     Dieses 
^^'  '  '  Verhalten  des  Protoplasma 

wild  durch  im  Innern  zu 
Stande  gekommene  Diffe- 
renzirungcn  (Skelelbil- 
dungen  elc.)  nicht  altenrt. 
>  Es  ist  der  Ausdruck  eines, 

-^^-      jeglicher       peripherischen 
Diirerenziruiig  entbehren- 
den Zustnndes  der  nieder- 
sten lebenden  Materie. 
Durch  Festerwerden  der 
■    '  ilussersten    KCrperschichle 

',■,  '■''■'^'^^■:  wird  die  allseitig  sith  jlus- 

serndc     Pseudopodienbil- 
dung  bcschriinkl.     Mit  der 
chemisch  -  physikalischen 
Veränderung  der  periphe- 
rischen   Theile   bildet   sich    ein   Gegensalz   zu  dem   tlbrigen    indifferent 
bleibenden  Protoplasma,  welches  zwar  noch  Beweglichkeit  äussert,  allein 
durch  die  festere  Rindenschichle  in  ansehnlicheren  Excursionen  gehemmt 

Fi^.  II.  Eine  Amölie  in  iwei  verschiedetieo  Momenten  ihrer  Bewegung  dar- 
geaietli.   n  Kern,   i  Aafgcnommcnc  Nahrung.    Auch  einige  Vacuoleo  fiaA  bemerkbar. 

Fig.  lä.  Ein  Bhiinport  Foraminifcre  —  RolBlia;  mit  ausgestreclilcn  Pscudo- 
poitien,  die  aus  den  Poren  der  mehrknmmerlgcn  Schale  hervortreten.  Bei  x  ist 
ian  peripherische  Zusammen tliesscn  mehrerer  Pseudopodien   ifargeslelll. 


lotegumenl. 


73 


Fig    « 


wird.    Dieser  ZasUnd  trifft  sich  unter  den  Prolisten  bei  deo  Gregarinen, 

woia  die  bei  manchen  AmOben  vorkommenden  Verhallnisse  Ueber^nge 

darbieten.     Eine  derbe,  homogene,   ivt- 

weilen  eine  zarte  Schichtung  besitzende 

Membran  oberziehl  hier  den  ganzen,  nur 

durch  eine  einzige  Zelle  gebildeten  Kt(r- 

per.    Sie  geht  unmittelbar  in  die  liefere 

Schichte  über,   vor  der  sie  als  Difleren- 

lirung   Culicularbildung)  erscheint.    Wie 

alle  Cuticulae  entbehrt  sie  der  contrac-     f  /'j^ 

tilen  Eigenschaft;    sie  ist  dehnbar,  ela-         "^^j 

slisch,   und  vermag  so  den  Conlraclionen     *\^^  1 

und    Expansionen    des    Protoplasma    lu 

folgen. 

Ausser  dieser  Sonderung  der  Cuti- 
cularschichte  besteht  bei  den  Gregarinen 

noch  eine  von  den  innem  Theilen  gesonderte  Rindenschichte ,  welche 
resistenter  als  das  reichliche  KOrnchen  enthaltende  Protoplasma  erscheint, 
und  in  ähnlicher  Weise  auch  den  .Infusorien  zukommt. 


§  5«. 

An  die  Sonderung  des  Körpers  in  eine  tiussere  Rindenschichte  und 
innere  Psrenchymsubslans  sdiliessen  sich  fernere  Umbildungen  der 
Rindenschichle.  Von  diesen  sind  erstlich  die  Wimperhaare  anzu- 
führen, die  bei  den  Infusorien  in  allgemeiner  Verbreitung  vorhanden 
sind.  Sie  erscheinen  als  unmittelbare  aber  lebhaft  bewegliche  Verlän- 
gerungen des  Integuments.  Entweder  besetzen  sie  nur  beschranktere 
&itrperslelJen  wie  die  sogenannte  MundofTnung,  oder  sie  sind  über 
grössere  Strecken  verbreitet,  oder  über  den  ganten  Körper,  huufig  sehr 
regelmässig,  verlheilt.  Dass  sie  UilTerenzirungen  des  Protoplasma  sind, 
gebtaus  jenen  im  Bereiche  anderer  Protistengruppen  vorkommenden  Fäl- 
len hervor,  wo  sie  nur  temporäre  Gebilde  vorstellen  und  nach  Art  der 
Pseudopodien  wieder  ins  Protoplasma  des  Übrigen  KOipers  eingezogen 
werden  können. 

Modificationen  der  Wimperhasre  sind  die  Geisseirdden  sowie  die 
in  der  Nahe  der  Mundoffnung  mancher  Infusorien  befindlichen  undu- 
lirenden  Membranen.  In  anderer  Art  modificirt  erscheinen  die  Wim- 
perhaare als  starre  nur  an  der  Verbindung  mit  dem  Körper  bewegliche 
Gebilde,   (Stylonychia)  zuweilen  sogar  in  plattenartigcr  Verbreiterung. 

Sowohl  die  Wimperhaare   als  die   griffeiförmigen  Forlsütte   dienen 


Fig.  It.  I.  1.  Gregarinen  aus  dem  Durmcnnale 
<  den  mU  ein«m  »rüsgelarrigen«  Fortsalze  versehe 
■  Vordertheit.     b  Hialerlheil  <le«  Körpers,     c  Kern. 

Fig.  i(.     Gregirina  Saenuridis.    a  b  Zwei  copulirle  Individuen. 


Opatrum  sabuJosum,  wovon 
jüngeren  Zustand  dirstelli. 


74  Integument. 

als  BeweguDgsorgane  und  lassen  somil  die/Locomotion  ans  In- 
legem ent  geknüpft  erscheinen,  wie  sie  l)ei  der  Pseudopodienbil- 
düng  mit  der  zeitweilig  äusseren  Körpersebichte  verbunden  war. 

£ine  andere  in  der  Haut  mancher  Infusorien  (z.  B.  Paramaecium) 
beobachtete  Erscheinung  besteht  in  festeren,  stUbchenartigen  Bildungen, 
die  bei  gewissen  Einwirkungen  einen  feinen  starren  Faden  hervortre- 
ten lassen,  Diese  Gebilde  liegen  in  senkrechter  Stellung  zur  Längs- 
axe  des  Körpers  in  der  Rindenschichte.  Sie  erinnern  an  die  Nesseln- 
kapseln der  Gölenteraten,  ohne  dass  sie  jenen  gleich  zu  erachten  wä- 
ren, da  sie  nicht  aus  Zellen  hervorgehen. 


§  89. 

In  der  Rindenschichte  des  Leibes  der  Gregarinen  und  vieler  Infu- 
sorien erscheinen  muskelähnliche  Bänder  oder  Fasern.  Bei  den 
Gregarinen  sind  diese  Gebilde  ringförmig  oder  auch  spiralig  angeord- 
net und  bilden  eine  dicht  unter  der  Guticula  gelegene  Schichte,  die 
nur  eine  kurze  Strecke  weit  auf  den  vom  Körper  meist  durch  eine 
Einschnürung  abgesetzten  »Kopf«  sich  erstreckt,  aber  niemals  in  die 
Scheidewand  übergeht,  welche  jenen  Theil  vom  Körper  trennt. 

Unter  den  Infusorien  sind  diese  contraclilen  Streifen  vorzüglich  bei 
den  grösseren  Arten  (der  Gattungen  Stentor,  Prorodon,  Spirostomum  etc.) 
erkannt.  Bei  anderen  werden  sie  vermissl.  Sie  verlaufen  bald  longitu- 
dinal,  bald  spiralig.  Auch  bei  Vorticellinen  kommen  sie  vor,  und  zwar 
in  Spiraltouren  gegen  das  in  den  Stiel  übergehende  Köi^perende  zu. 
Dass  diese  Gebilde  der  Infusorien  nicht  die  ausschliesslichen  contractilen 
Apparate  des  Körpers  bilden,  wird  durch  jene  Infusorien  erwiesen,  die 
bei  dem  Mangel  dieser  Streifen  energische  Contractionen  des  Körpers 
auszuführen  im  Stande  sind.  Dass  sie  aber  in  der  That  contractu  sind, 
beweist  Spirostomum,  dessen  Körperconlractionen  nicht  nach  der  Längs- 
axe  des  Körpers,  sondern  in  der  Richtung  des  mehrere  Spiraltouren 
beschreibenden  Streifen  Verlaufes  stattfinden. 

In  diese  Reihe  von  Sonderungen  aus  dem  Protoplasma  gehört  auch 
der  im  Innern  des  Stieles  der  Vorticellinen  verlaufende  contract41e  Strang 
der  bei  Zoothamnium  der  Verästelung  des  Stockes  gemäss  verzweigt 
erscheint,  indess  er  bei  Garchesium  jedem  Individuum  des  Stockes  ge- 
sondert zukommt.  Obgleich  dieser  Strang  mit  der  Muskelfaser  über- 
einstimmende Erscheinungen  bietet,  darf  er  anatomisch  eben  so  wenig 
wie  die  contractilen  Streifen  in  der  Rindenschichte  des  Leibes  jenen 
bistiologischen  Formeleinenten  gleichgestellt  werden,  da  weder  Zellen 
noch  deren  Abkömmlinge  an  diesen  Bildungen  betheiligt  sind. 


Als  SlOtiorgane  des  Körpers  der  ProtoiWn  Tundren  fesle  Ge- 
bilde, welche  entweder  als  ein  Gerüstwerk  die  weiche  Körpersubslani 
durchseUen,  oder  als  Schalen  und  Gebüuse  den  Körper  Ubersiehen. 
Letzlere  werden  nach  Naassgabe  ihrer  Ausdehnung  und  Resislens  auch 
als  Schutiorgane  sich  verhalten. 

Alle  hier  einzureihenden  Gebilde  sind  mittelhare  oder  unmittel- 
bare DiHerenzirungen  des  Protoplasma,  entweder  an  der  Oberfläche  des 
Leib^  oder  im  Parenchym  gebildel.  Je  vollständiger  diese  Abschei- 
dungen  als  Gehäuse  den  KOrper  bedecken,  deslo  mehr  treten  sie  der 
freien  Beweglichkeit  entgegen,  oder  gehen  wieder  mit  anderen  conipen- 
sirenden  Einrichtungen  einher  [Foraminiferenj .  Die  lelzieren  linden 
sich  bei  inneren  Gerüsten  (Radiolarien  vor,  wenn  nicht  feslsiltende 
Zustande  vorliegen.  Schalen  und  innere  Gerüste  treffen  sich  in  grosser 
VMi)reilang  bei  allen  Abtheilungen  niederer  Organismen  und  zwar  in 
sehr  verschiedenem  Grade  der  Complicalion,  der  huufig  zu  jener  des 
Korpen  in  einem  nmgek^rten  Veriialtnisse  steht. 

Einfache,  meist  oval  gestaltete,  mit  einer  Oeffnung  versebene  Scha- 
lenbildungen finden  sich  bei  einer  Abtheilung  der  Amöben   (Difilugia, 
Arcelta] .    Die  Schale  ist  bald  weich,  bald  von  grtfsserer  Fesligkeil.   Aehn- 
Kche  Schalenfonnen  finden  sich 
auch  bei  Rhiiopoden  vor,  unter 
denen    sie    die    Einkam  mengen 
oder  Honolhalamia  cbarakterisi- 

ren  (Gromia,  Lagj'nis;.    Compli- 

cirtere  Formen  entstehen  bei  den 

Foraminiferen,  indem  sieh  an  ein 

einfaches     rundliches     Gehäuse 

neue  Abschnitte   anbauen,    die 

dann  einzelne  durch  Oeffhungen 

onter  einander  verbundene  und 

ebenso  durch  Poren  nach  aussen 

hin   communizirende    Kammern 

vorstellen,    [s.  Fig.  1 8,  Fig.  1 S; . 

Durch  Kalk,  seltener  durch  Kie- 

Klerde,   (Polymbrphina,  Nonio- 

Dioa]  erhallen  diese  mehrkam- 

merigen  Schalen  eine  besondere  Festigkeit  und  durch  die  Verschieden- 
heil der  gegenseitigen  Lagerung ,  der  Ausdehnung  und  Verbindungsweise 


Flg.  4S.  Durchschnitl  einer  Foraminirerenscliale  Alveoliiia  Quoü:, 
cttm  die  Anordnung  der  einzeloen  Kammern  zu  i-inander  sichtbar  if\ 
CuniTCi.) 


76  Integument. 

der  Kammern  entstehen  mannichfaltige  mit  dem  leichter  gebauten  inneren 
Gerüste  der  Radiolarien  an  Formenreichthum  wetteifernde  Bildungen. 

Durch  Anlagerung  in  einer  geraden  Linie  entstehen  stabförmige, 
oft  knotig  angeschwollene  Gehäuse,  deren  einzelne  als  »Kammern«  be- 
zeichnete Abschnitte  bald  gleichgross,  bald  in  verschiedener  von  einem 
Ende  gegen  das  andere  hin  zunehmender  Grösse  erscheinen  (Nodosa- 
riden).  Eine  spiralige  Anordnung  der  Kammern,  die  in  einer  oder 
in  verschiedenen  Ebenen  lagern  können,  fuhrt  zu  Bildungen  welche 
Nautiiusschalen  ähnlich  sind  (Fig.  12).  Bedeutende  Modificationen  ent- 
stehen durch  Ueberlagerüngen  der  Spiraltouren,  der  Streckung  oder 
der  Verkürzung  der  Spiralaxe  etc.  Die  planorbisartigen  Gehäuse  der 
Millioliden,  bei  denen  stellenweise  Einschnürungen  die  erste  Spur 'einer 
Kammerbildung  aufweisen,  stellen  den  einfachsten  Zustand  dieser  For- 
men vor.  Durch  ungleichartige  Ansalze  neuer  Kammern  wird  die  Spi- 
ralform äusserlich  aufgehoben  (Acervulinen) ,  und  ist  nur  in  den  ersten 
Kammerbildungen  zu  erkennen.  Gewöhnlich  werden  diese  Gehäuse 
mit  äusseren  Schalenbildungen  zusammengestellt.  Nur  für  wenige  je- 
doch erscheint  dies  passend.  Uebcrall  da,  wo  die  Scheidewände  der 
sogenannten  Kammern  mehrfach  durchbrochen  sind,  und  wo  zugleich 
noch  Porencanäle  die  Schale  nach  aussen  durchsetzen,  so  dass  also  das 
Protoplasma  der  Pseudopodien^  äusserlich  die  Schale  bedecken  kann, 
erseheint  die  Schale  vielmehr  als  ein  inneres  Gerüste.  Wo  die 
Scheidewände  nur  durch  mehrere  einzelne,  weite  OetTnungen  zwischen 
sich  lassende  Säulchen  oder  Lamellen  repräsentirt  werden  (Fig.  15), 
und  der  Raum  der  Kammer  selbst  den  mehrfachen  Verbindungen  zwi- 
schen zwei  Kammern  an  Volum  sogar  nachsteht,  und  wo  endlich  alle 
benachbarten  Kammerräume  unter  einander  communiciren,  und  so  das 
ganze  »Gehäusea  von  einem  nach  allen  Richtungen  communicirenden 
Hohlraumsysteme  durchsetzt  wird :  da  ist  der  Charakter  einer  äusseren 
Schale  vollständig  aufgegeben.  Da  aber  in  allen  Fällen  das  Protoplasma 
sich  über  die  Aussenfiäche  der  Schale  zu  ziehen  vermag,  so  ist,  wie 
Carpenter  mit  Recht  erinnert,  die  Schalenbildung  der  Foraminiferen 
als  eine  innere  zu  betrachten,  und  reiht  sich  darin  den  Gerüsten  der 
Radiolarien  an. 

§  61. 

Als  ein  allen  Radiolarien  gemeinsames,  wenn  auch  weniger  in  die 
Augen  fallendes  Stülzorgan  muss  die  »Central kapsei«  angeführt  wer- 
den. Es  ist  ein  in  der  Mitte  des  Körpers  gelagertes,  in  sehr  verschiedener 
Form  auftretendes ,  kapselartig  geschlossenes  Organ ,  welches  aus  einer 
chemisch  dem  Chitin  nahe  stehenden  Membran  gebildet  wird.  Es  um- 
schliesst  ausser  Fettkugeln  und  kleinen  Bläschen  regelmässig  eine  Quan- 
tität Protoplasnia,  welches  wahrscheinlich  durch  feine  Porencanäle  mit 
dem  extracapsularen  Protoplasma    in  Verbindung   steht.     Hiezu  kommt 


Inl^uoifnl. 


77 


nocfa  bei  den  meisleo  EUdiolarien  ein  gewohnlich  aus  Kieselerde  he- 
sleheodes  Gerllste  (es  fehlt  bei  Tbalassicolla,  Thalassolampe  und  Collo- 
loon),  welchA  bei  voIlsUlndifEer  Ausbildung  die  Conlrslkapsel  bis  lur 
HiUe  durchseist.  Id  diesem  Falle  sind  es  mehrere  von  einem  gemein- 
saineD  Hittelponkte  ausstrah- 
lende SlAcheln,  die  wieder  '^ 
onler  sich  durch  concen Irisch 
geordnetes  durchbrochenes 
GitleroeriL  verbunden  sein 
kSnnen  (vei^l.  Fig.  16  .  Bei 
ei  n  igen  (Acantbomelriden) 
wallet  die  organische  Grund- 
lage des  Gerllsles  vor,  oder 
die  Kieselerde  tritt  erst  all- 
mählich an  die  Stelle  der 
oi^nisehen  Substanz. 

Einxdne  lerslreute  nadel- 
fonnige  Kieselstucke,  welche 
ausserhalb  der  Centralkapsel 
frei  im  Protoplasma  liegen, 
bilden  diL'  ersten  Andeutun- 
gen dieses  festen  Skelcts  bei 
den  Colliden  und  Polyzoön). 
Bei  Einzelnen  gehen  sie,  ohne 

fest  verbunden  zu  sein,  in  eine  radiäre  Anordnung  über.  Durch  Ver- 
bindung der  radialen  Stächein  in  einer  gleichen  Entfernung  durch 
tangential  veriaufende  Stilbe  entstehen  kugelige,  gilterförmig  durch- 
brochene Gerüste.  Durch  mehr  unregeimilssige  zwischen  den  Radiilr- 
Elacheln  liegende  feinste  Balkennetze  kommen  schwammförmige  Gerüste 
n  Stande.  Scheiben-  und  korbfOrmige  Skelele  Rowic  endlich  solch«, 
bei  denen  eine  spirnlige  Anordnung  gegeben  ist,  erhöhen  den  unend- 
lichen Reichthum  der  Formen.  So  beul  sich  ein  ausserordentlich  com- 
plicirter  Sttltiapparat  nuf,  in  welchem  die  weichen  Kttrperlheile  einge- 
bettet sind,  und  für  dessen  einzelne  Stücke  das  Protoplasma  die  Bil- 
dungsstätte abgibt. 


§  62. 

Diesen  inneren  Stützapparaten  der  Rhizopoden  gegenüber  bilden 
die  Gehäuse  der  Infusorien  eine  besondere  Beihe  von  Einrichtungen 
dadurch,  dass  sie  nnr  Abscheidungen  der  Oberditche  des  Leibes  sind. 
Die  abscheidende  Matrix  ist  somit  hier  ein  nnaloniisch  bestimmter  Theil 

Fig.  46.  SicM  pines  HaiUolars  {Actinnrnm 
Irii^b  anfcordnete  dur('h1i>chFrte  Schalen  sind  g 
IMtcllt,  Dnwiae  driUe  sichtbar  lu  machen.      >Na 


78  Intcgument. 

des  Körpers.  Darin  braucht  jedoch  keineswegs  ein  höherer  Zustand 
gesehen  zu  werden,  vielmehr  tritt  in  jenem  Verhallen  eine  enge  Ver- 
knüpfung mit  dem  niedersten  Zustande,  der  Zellenmemb^nbildung  auf. 
Die  Gehäusebildung  der  Infusorien  findet  sich  vorzüglich  bei  fest- 
sitzenden Formen.  Sie  besteht  in  der  Abscheidung  einer  anfänglich 
weichen,  allmählich  erhärtenden  Substanz,  die  becher-  oder  umen- 
förmig  den  Thierkörper  bis  auf  eine  die  Communicalion  mit  der  Aussen- 
weit  zulassende  offene  Stelle  umsibt.  Von  der  blossen  Guticularbil- 
düng,  die  bei  grösserer  Festigkeit  der  differenzirten  Schichte  als  Pan- 
zerbildung erscheint,  unterscheiden  sich  diese  Gehäuse  durch  ihre  Ab- 
lösung von  dem  grösseren  Theile  ihrer  Matrixfläche.  Die  Genese  ist 
jedoch  für  beide  Gebilde  dieselbe.  Sie  liegt  auch  Jer  Gystenbildung 
zu  Grunde,  die  bei  den  Infusorien  weit  verbreiteter  vorkommt.  Bei 
den  Stielen  der  Vorticellinen  und  Acinetinen  spielt  sie  ebenfalls  eine 
Rolle.  Die  unbeweglichen  Stiele  der  Epistylis  und  die  äussere  Schichte 
der  contractilen  Stiele  von  Vorticellinen  und  Carchesinen  müssen  als 
solche  Differenzirungen  gelten.  Die  Gehäuse  sind  bald  weich,  bald 
fester,  membranös.  Einige  zeichnen  sich  durch  Aufnahme  von  Fremd- 
körpern, verkitteten  Sandkörnchen  elc.  aus.  Gehäuse  besitzen  die  Gat- 
tungen Vaginicola,  Tintinnus  u.  a.  Bei  Stentor  kommen  sie  in  einzel- 
nen Fällen  vor.  Auch  gitterförmig  durchbrochene  Schalen  sind  be- 
obachtet. Was  die  Panzerbildung  betrifll,  so  ist  dieselbe  aus  der  glas- 
hellen festen  Gulicula  entstanden  bei  Stylonychia,  Euplotes,  Aspidisca, 
Spirochona,  Coleps  u.  a.  beobachtet. 

§  63. 

Organe  zur  Aufnahme  und  Veränderung  der  Nahrung 
fehlen  den  niedersten  Organismen.  Bei  den  Gregarinen  geschieht  die 
iNahrungsaufnahme  durch  endosmotische  Vorgänge  von  Seiten  der  Ober- 
fläche und  geformte  Nahrungslheiie  gelangen  nicht  ins  Innere  des 
Körpers.  Bei  peripherisch  nicht  difl'erenzirtem  Körper  dagegen  be- 
steht eine  directe  Nahrungsaufnahme,  die  an  jeder  Körperstelle  vor 
sich  gehen  kann.  So  verhalten  sich  die  Amöben  und  die  Hhizopoden. 
Die  Nahrungsstofle  werden  hier  von  der  weichen  Körpersubstanz  um- 
flossen wie  bei  den  Amöben,  oder  sie  werden  von  den  Fortsätzen  des 
Körpers,  den  Pseudopodien,  umhüllt.  Beiden  Fällen  liegt  eine  und 
dieselbe  Erscheinung  zu  Grunde.  Jede  Stelle  im  Protoplasma 
kann  durch  Einschliessen  und  Ausziehen  der  Xahrungs- 
stoffe  als  verdauende  Cavität  fungiren  und  an  jeder  be- 
nachbarten Stelle  der  Oberfläche  können  die  unverdauten  Substanzen 
wieder  entfernt  werden.  —  Auch  bei  Actinosphärium  wird  geformte 
Nahrung  ins  Innere  des  Körpers  aufgenommen,  die  Pseudopodien  sind 
hier  jedoch  nur  mittelbar  thätig,  indem  sie  die  Beute  an  den  Körper 
heranziehen    und    sie    an    Ix'liebiger  Stelle    in  das   aus  einander  wei^ 


Int«gument.  79 

cbende  Parenchym  der  Rindenschichte  eintrelen  lassen  (Fig.  17),  tod 
wo  sie  to  die  centrale  Korpersubslani  grianfct.  Im  Vergleiche  mit  den 
Rhizopoden  besl«ht  hier  das  Eigeoibtlm- 
liche,  dass  der  aurtun^mende  Bissen 
nicht  von  ungeformtem  Protoplnsma  der 
Pseudopodien,  umflossen  wird,  sondern 
direct  in  dtfÜBreniirtere  Leibestbeile  tritt. 
Die  Infusorien  zeigen  bestimmlere  Ein- 
richlnngen.  Die  Art  der  Nahrungsauf- 
nahme in  den  Kttrper  ist  tweifach  ver- 
schieden. In  dem  einen  bei  den  Acine- 
tinen  gegebenen  Falle  fehlt  eine  Hund- 
OITnuDg,  und  die  strahligen  die  Hülle  des 
Kdrpers  durchsetiendea  pseudopodien- 
■Ibnlic^en  Fortsetze   [Fig.  19]  wirken  wie 

SeugrOssel.  Unter  nupEartiger  Ausbreitung  ihres  Endes  legen  sie  sich  an 
die  in  ihren  Bereich  genilhene  Beute,  die  aus  anderen  Infusorien  u.  s.  w. 
besteht,  und  lassen  die  KSrpersubstanz  derselben  wie  durch  eine 
Robre  in  continuirlichem  Strome  in  ihren  Ktirpor  U berfli essen ,  wo  sie 
in  Form  von  TiHpfchen  das  Leibesparenchym  erfüllt.  Das  Voi4ommen 
ähnlicher  Fortsätze  bei  den  Embryonen  anderer  Infusorien  iHssl  dieser 
Brnührungsform  eine  grossere  Ausdehnung  beimessen.  In  der  anderen 
Form  wird  eine  bßbere  Stufe  reprasentirt;  es  bestehen  nicht  nur  be- 
stimmt organisirte  Stellen  zur  Aufnahme,  sondern  auch  bestimmte 
Stellen  zur  Auscheidung  des  L'nbrauchbaren.  Ein  Dannrohr  fehlt  je- 
doch auch  hier  überall,  und  jene  Di fferenzi rangen  beschrünken  sich 
auf  die  Rindenschkhte  des  Kitrpers,  so  dass  jenseits  derselben  die 
NahrungsstofTe  in  weiches  Parencbym,  d.  b.  in  den  nicht  ditTerenzirten 
Protoplasmaresl  des  korpers  gelangen,  in  welchem  sie  keine  besoo- 
ders  umwandeten  Wege  mehr  antreffen.  Hier  bilden  sieb  für  die 
.Vahrungsballen  lemporüre  Räume  als  verdauende  Httblen,  deren  häufig 
zu  beobachtendes  Zusammenlliessen  wahrend  der  Bewegung  des  IVo- 
toplasma  ihre  vorübergehende  Existenz  zu  erkennen  gibt.  Es  besteht 
hier  somit  die  L'f^bereinstimmung  mit  den  Rhizopoden,  dass  ein  Tbeil 
des  Emährungsapparates,  nämlich  die  Stellen,  an  denen  die  Nahrung 
verdaut  wird,  der  organologischen  Differenzirung  entbehrt. 

Die  mit  einer  HundSffnung  versehenen  Infusorien  besitzen  diese 
entweder  in  Form  einer  einfachen,  oft  nur  während  der  Aufnahme 
eines  Bissens  wahrnehmbaren  Spalte,  oder  dieselbe  zeigt  sich  nicbt 
unmittelbar  an  der  Oberlteche  des  Körpers,  spndem  im  Grunde  einer 
sehr  verschieden  gestalteten,    zuweilen    auch  die  AuswurfsOfTnung  auf- 

Fig.  n.  Aelitiotpliäriiäm.  a  eio  Bis-iea,  cipr  eben  vom  Tliicre  in  ilie  weiclie 
Corticalscbicht  t  eingedrückt  als  Nalining  BufgFnommt-ii  «ird.  e  cviitrale»  Körper- 
parenchym.  d  einige  in  IHiterrtn  hrHndlicIiP  NshrangiitHitlen.  e  Pwadopodien  ikr 
CorticalKhicbt. 


80 


Integument. 


Fig.  4  8. 


nehmenden    Vertiefung    (Vorhof),    deren    Umgebung    (Perislom),    meist 
auch  in    der  Form  sich    cnuszeichnot.     Vom   Munde  aus   erstreckt  sich 

häufig  ein  röhrenartiger  Abschnitt  als  Schlund  Fig.  48  b) 
ins  Körperparenchym  (a),  und  von  da  aus  beschreibt  der 
aufgenommene  Bissen  seinen  Weg  innerhalb  der  weichen 
Substanz  des  ielzteren. 

Die  Lage   und  Form    der  Mundöffnung  der  Infuso- 
rien   ist  ausserordentlich  verschieden.     In   vielen  Fallen 
ist  sie  nur  wiShrend  der  Aufnahme  von  Nahrung  wahr- 
nehmbar   (z.    B.    bei    Amphileptus,    Loxophyllum)    und 
verschwindet  sofort  nach  dem  Eintritte  des  Bissens  ins 
Parenchym.      An    dem    röhrenförmigen    Schlünde   trifft 
sich    zuweilen   ein  Wimperbesatz    [Paramaecium  aurelia 
und   bursaria;    eine  undulirende  Membran  bei  Bursaria 
flava)  oder  eine  Auskleidung  mit  stabförmigen  Zühnchen 
oder    feinen    Liingsleisten.       St<lbchenauskleidung    des 
Schlundes  besitzen  Prorodon,  Chilodon,  Nassula  etc.  in  einer  fischreusen- 
förmigen  Anordnung.     Eine  gleichmässige  Verdickung  der  Schlundwand 
ist  bei  Ervilia  und  Liosiphon  beobachtet. 

Von  einer  Auswurfsöffnung  ist  allgemeines  Vorkommen  noch  kei- 
neswegs ermittelt.  Nur  in  wenigen  Fällen  stellt  sie  eine  bleibend  ab- 
gegrenzte Oeffnung  dar,  die  meislentheils  nur  während  des  Hervor- 
tretens  unverdauter  Nahningsstoffe  unlerscheidbar  ist.  Diese  »After- 
steile«  findet  sich  in  der  Regel  am  hintern  Köi*perende,  doch  im  Gan- 
zen vielfach  wechselnd.  Auch  am  vordem  Körperende  kann  sie  vor- 
kommen, so  liegt  sie  bei  Stentor  in  der  Nahe  des  Mundes  und  bei 
Vorticellinen  und  Ophrydien  im  Voi'hofe.  Im  Ganzen  genommen  scheint 
hier  mehr  die  Localistrung  einer  Function  als  die  Ausprägung  eines  Or^ 
gans  zu  bestehen.  Die  Auswurfstoffe  treten  an  einer  bestimmten  Stelle 
durch  die  differenzirte  Rindenscbichte  des  Körpers,  die  dazu  keine 
besondere  Organisation  besitzt. 


§  64. 

Der  äussersten  Körperschichte  kommt  bei  allen  Protozoon  eine 
respiratorische  Bedeutung  zu,  da  nur  durch  sie  der  Gasumtausch  mit 
dem  umgebenden  Medium  vermittelt  wird.  Bei  der  durch  die  Pseu- 
dopodien gegebenen  Oberfljichenvei'grösserung  des  Körpers  wird  auch 
dieses  Verhältniss  mit  in  Betracht  zu  ziehen  sein.  Von  Bedeutung  für 
den  Wasserwechsel  sind  die  Wimperhaare  der  Infusorien. 

Mit  der  bei  vielen  Protisten  bestehenden  Wasseraufnahme  ins  In- 
nere  des  Körpers  treten  bestimmtere,  auf  die  Athmung  beziehbare  Ein- 

Fig.  18.  Schemolischc  Darstellung  der  verdauenden  Cavltat  bei  Paramaecium. 
a  mit  weichem  Protoplasma  gefüllter  Leibesraum,  in  welchen  die  Nahrung  aufge- 
nommen wird.    6  MundöfTnung.    c  After,   d  contractile  Hohlräume.     Nucii  I  acumanv. 


DifferenxiruDgdn  des  Protoplasma.  84 

richiangen  auf.  Im  Innern  des  Protoplasma  erscheinen  Hohlräume, 
die  mit  einem  Fluidum  sich  füllen  und,  nachdem  sie  d|s  Maximum 
ihrer  Ausdehnung  erreicht,  sich  unter  allmählicher  Contraction  wieder 
völlig  entleeren,  so  dass  sie  in  diesem  Zustande  verschwunden  schei- 
nen. Die  Folge  der  Expansionen  und  Gontractionen  ist  häufig  der 
Systole  und  Diastole  der  Kreislaufcentren  höherer  Organismen  ähnlich, 
eine*  regelmässige,  rythroische.  Dadurch  unterscheiden  sie  sich  von  den 
Vacuolen,  welche  in  Zellen  gewisser  thierischer  Gewebe  (Entoderm  der 
Spongien)  auftreten.  Solche  contractile  Blasen  ßnden  sich,  abge- 
sehen von  anderen  Abtheilungen  der  Protisten,  bei  Amöben  (Difflugia 
und  Arcelia)  und  in  grosser  Verbreitung  bei  den  Infusorien.  Sie  werden 
gleichfalls  als  Vacuolen  bezeichnet. 

Das  in  den  Blasen  sich  sammelnde  Fluidum  stammt  aus  dem  Kör- 
perparenchym,  und  wird  bei  der  Contraction  der  Blase  entweder  da- 
hin zurückgetrieben  oder  nach  aussen  entleert.  Letzleres  ist  durch 
die  Wahrnehmung  feiner  nach  aussen  gehender  Communicationen  wahr- 
scheinlich geworden,  es  ist  aber  dabei  auch  die  Aufnahme  von  Wasser 
durch  denselben  Weg  nicht  mit  Sicherheit  abzusprechen.         ' 

Bei  den  Infusorien   liegen  die  Blasen  in  der  Rindenschichte   meist 
dicht  unter  der   zarten  Guticula  und  zwar  an  constanten  Stellen.     Ist 
nur  eine  contractile  Blase   vorhanden,   so  liegt  sie  entweder  vom  oder 
hinten;  bestehen  zwei,   so  findet  sich  je  eine  nahe  an  einem  Körper- 
ende.    Durch  eine   grosse  Anzahl    kleiner  Blasen   ist  Trachelius  ovum 
ausgezeichnet.     Besondere  Membranen  sind  weder  an   der  Wnnd   der 
Blase  nodi   der  davon  ausgehenden  Ganäle    unterscheidbar.     Wie  die 
Blase  80  sind  auch  die  Ganäle  nur  während  des  Zustandes  der  Füllung 
erkennbar.      Die  Gontractionen    der  Blase  und   der  Ganäle  zeigen  sich 
in  einem  Wechselspiele.     Bei   Paramaecium  erweitem  sich   die  Ganäle 
mit  dem  Beginne  der  Systole  der  Blase,  und  rücken  mit  der  sich  ver- 
kleinernden Blase  zusammen,  so  dass  sie,  wenn  letztere  auf  dem  Hö- 
hepunkte der  Systole  verschwunden  ist,  eine  sternförmige  Figur  bil- 
den. Mit  der  Füllung  der  Blase  erscheinen  die  Ganäle  an  ihr  wie  kleine 
Ausbuchtungen,   und  erst  bei  der  vollen  Diastole  tritt  an  ihnen  wie- 
der ein  gleichweites  Lumen  auf.     Die  bei   P.  aurelia  auf  8 — 10  be- 
schränkte Zahl  der  Ganäle  erhebt  sich   bei  Bursaria  flava  auf  30  und 
bei  Cyrtostomum  leucas  steigt  sie  auf  eine  noch  höhere  Zahl.    Der  Ver- 
lauf ist  hier  wellig  gebogen  und  gegen   das  Ende  zeigen  sie  Theilung. 
Durch    Zusammenfliessen    einzelner    mit    Wasser    gefüllter  Räume    auf 
längeren  Strecken   bilden  sich  canalartige  Züge,    wie  z.  B.   bei   Stylo- 
nychia  (St.  roytilus),  die  auf  bestimmten  Wegen   gegen   die  contractile 
Blase  vorrücken  und  sich  in   sie  entleeren.     Daran   schliessen  sich  die 
gleichfalls  nur  zeitweise  aber  doch  auf  grösseren  Strecken   sichtbaren 
Ungscanalbildungen,  wie  solche  bei  Spirostomum  (Sp.  ambiguuin)  vor- 
kommen. 


89  Protozoon. 


*  §  65. 

Der  niederem  Stufe  der  Organisation  der  Protisten  entsprechend 
findet  bei  den  Protozoon  die  ungeschlechtliche  Vermehrung  eine  reiche 
Verbreitung.  Bei  den  einen  ist  sie  die  ausschliessliche,  bei  den  an- 
dern erscheint  sie  mit  einer  mehr  oder  minder  deutlichen  geschlecht- 
lichen Diflferenzirung.  Die  einfachste  Form  der  ungeschlechtlichen  Forl- 
pflanzung, jene  durch  Theilung,  scheint  bei  den  nackten  Amöben  all- 
gemein. In  wiefern  sie  den  Rhizopoden  zukommt,  ist  noch  unbe- 
stimmt. Sehr  allgemein  findet  sie  sich  dagegen  bei  Infusorien,  bei 
denen  auch  Sprossenbildung,  wenigstens  bei  den  festsitzenden  Abthei- 
lungen (z.  B.  bei  Vorticeilinen)  vorkommt.  Die  Sprösslinge  lösen  sich 
vom  Mutterthier  ab  und  führen  eine  Zeitlang  mittels  Cilien  umher- 
schwimmend ein  freies  Leben. 

Innere  Sprösslinge,  Keimkörner,  scheinen  unter  den  Rhiitopoden 
bei  den  Acyttarien  beobachtet  zu  sein.  Genauer  ergeben  sich  die 
Fortpflanzungs Verhältnisse  der  Radiolarien,  bei  denen  aus  dem  Inhalte 
der  Centralkapsel  hervorgehende  geisseltragende  Körper  (Schwürmspo- 
ren)  erkannt  worden  sind.  £ine  wichtige  Form  der  Fortpflanzung  bie- 
ten die  Gregarinen.  Der  hier  beistehende  Modus  wird  durch  die  Ver- 
bindung —  Conjugation  oder  richtiger  Concrescenz  —  zweier 
Individuen  eingeleitet.  Diese  Erscheinung  erfolgt  bald  sehr  frühzeitig, 
so  dass  die  beiden  Einen  Körper  bildenden  Individuen,  deren  eines 
mit  seinem  Vorderende  dem  Hinterende  des  anderen  angefügt  ist 
(vergl.  Fig.  i  4j ,  noch  längere  Zeit  hindurch  wachsen ,  oder  die 
Conjugation  tritt  erst  später  an  bereits  ausgebildeten  Formen  ein.  Dar- 
auf erfolgt  ein  von  Encystirung  begleiteter  Ruhezustand,  wobei  beide 
Individuen  einen  rundlichen  Körper  vorstellen,  an  dem  man  noch  einige 
Zeit  eine  jene  beiden  trennende  Scheidewand  wahrnimmt.  Nach- 
dem diese  geschwunden,  löst  sich  die  Körpersubstanz^  auch  der  Kern, 
in  eine  formlose  Masse  auf,  aus  der  allmählich  zahlreiche  Bläschen  her^ 
vorgehen.  In  jedem  der  letzteren  bildet  sich  eine  Anzahl  von  Keim- 
kömem,  wegen  ihrer  Gestalt  als  »Pseudonavicellen«  bezeichnet.  Diese 
füllen  allmählich  die  ganze  Cyste,  und  jeder  der  kleinen  Körper  lässi 
einen  nur  aus  Protoplasma  bestehenden  kleinsten  Organismus  entste- 
hen, der,  noch  ohne  Nucleus,   einer  Cylode  entspricht. 

Jedes  dieser  sich  amöbenarlig  bewegenden  Gebilde  differenziri 
sich  allmählich  zu  einem  jungen  Gregarine,  nachdem  sich  im  Innern 
ein  Kern  gesondert,  und  äusserlich  eine  Rindenschichte  abgegrenzt  bat. 

Obgleich  diese  Concrescenz  für  die  Einleitung  der  erwähnten  Vor^ 
gänge  noch  keine  exclusive  Bedeutung  besitzt,  da  auch  einzelne  Gre- 
gannen jenen  Fortpflanzungsprocess  in  derselben  Weise  eingeben  klei- 
nen, so  wird  sie  doch  nichts  weniger  als  gleichgültig  sein.  Sie  deutet 
wenigstens    für    die  Fälle,  wo   sie   besieht,  die  Nothwendigkeit   zweier 


lodividueD  aa,  wdobe  fUr  die  FortpOaniung  die  VorausuUuog  bilden. 
Damit  wird  sie  lu  «iner  vorberailendeo  Erscheinung  fUr  die  gGScfaleoht- 
licfafl  DiSerenurang. 


Auch  in  den  Fortpflanzungsverhallnissen  der  Infusorien  kommt  der 
CoDcrescenz  eine  Rolle  tu.  Sie  geht  in  der  Regel  der  Bildung  von 
Geschlechtsproducten  voraus.  Hiehci  ist  der  als  Kern  (Nucicus)  und 
ein  daneben  gelagertes  meist  klei-  ' 
neres  KOrpercfaen,  der  Nucicolus, 
von  besonderer  Wichtigkeit.  DerKcrn 
[ng.19.n)isteinfesteres,zuweileneine 
besondere  Hulle  besitzendes  Gebilde 
von  sehr  verschiedener  Gestall.  Er 
liegt  in  der  Rindensubslanz  des  Kör- 
pers, oder  ist,  wenn  tiefer  ins  In- 
nere gebettet,  doch  vod  einer  Aus- 
breitung dieser  Substanz  umgeben. 
Er  ist  bald  oval  oder  rund,  oder 
ersdietnt  bandfOnnig- gebogen  (Vor- 
licellinen]  oder  auch  sehr  lang  ge- 
streckt mit  regelmässigen  EinschnU- 
nii^D  (Spirostomum) .  Der  Nucleo- 
lus  ist  vom  Nucleus  anscheinend 
nur  durch  geringere  Grosse  ver- 
sdiieden ,  erscheint  aber  im  Laufe 
der  Differenzining  seiner  Substanz 
von  anderem  functionellem  Werthe. 
Der  For^illanzuDgsact  wird  in  der  Regel  eingeleitet  durch  völlige  oder 
theilweise  Verschmelzung  zweier  Individnen,  die  bald  von  gleicher, 
bald  von  verschiedener  Grttsse  sind  und  dadurch  zur  Verwechse- 
lang  mit  Theilungszustanden  oder  mit  Knospenbildung  Anlass  gaben. 
Diese  Goncrescenz  gibt  die  Anregung  zu  Veränderungen  der  bezüg- 
lichen Theile.  Am  Nncleus  geht  eine  Theilung  vor  sich,  welche 
denselben  in  von  einander  getrennte  Kugeln  zerlegt.  Diese  sollen  sich 
zum  Theil  wieder  untereinander  vereinigen  und  ein  Gebilde  herstellen, 
welches  durch  einen  neuen  Scheid  ungsprocess  die  sogenannten  >Km- 
bryonalkugelna  aus  sich  entwickelt,  in  deren  Innerem  ein  neues  Indi- 
viduum entsteht.  Auch  der  nicht  allgemein  vorkommende  Nucleolus 
erleidet  mit  der  Goncrescenz  Veränderungen ;    er  nimmt  an  Grosse  zu 


Fig.  IB.  Eine  AciDcte  mit  «iaem  Thell  des  Stieles,  p  PMndopodienHhn- 
llcbe  aber  starre  Tentakel.  t>  Vecuole.  n  Kern.  »  Ein  bewimpertes  Junge  In  der 
rage  Dann  len  Brothöh  ie  liegend. 


8i  Protozoon. 

und  entwickelt  in  seinem  Innern  feine  faden-  oder  stäbchenförmige 
Gebilde,  die  man  nur  functionell  den  Samenelementen  gleichstellen 
kann.  Er  ei^scheint  somit  als  männliches  Organ,  während  der  Nucleus 
das  weibliche  repräsentirt.  Der  Nucleolus  ist  immer  nur  einfach  vor- 
handen, wenn  auch  mehrfache  Nuclei  bestehen. 

Die  Einwirkung  der  aus  dem  Nucleolus  sich  entwickelnden  Sa- 
menelemente scheint  durch  eine  unmittelbare  Verbindung  zu  Stande 
zu  kommen,  wenigstens  hat  Stein  bei  mehreren  Infusorien  (Pleuro- 
nema  chrysalis,  Paramaecium  aurelia.  Prorodon  teres  und  Encheliodon 
farctus)  »stabförmige  Körperchen«  im  Nucleus  beobachtet.  Aus  den 
»Embryonalkugelna  scheint  sich  bald  nur  je  ein  Embryo  zu  bilden, 
bald  gehen  durch  DifTerenzirung  der  einen  festeren  zapfenförmigen 
Kern  umgebenden  Substanz  mehrfache  Embryonen  hervor,  so  dass 
die  Einrichtung  einem  knospenbildenden  Keimstocke  ähnlich  ist. 

Obschon  noch  viele  hier  einschlagende  Verhältnisse  in  Frage  ste- 
hen, so  ist  doch  in  der  ganzen  Einrichtung  eine  nicht  blos  relativ 
hohe,  sondern  auch  höchst  eigenthUmliche  Diflerenzirung  ausgesprochen, 
die  mit  höheren  Organismen  nur  Analogien  darbietet. 


Zweiter  Abschnitt 


Cölenteraten  (Zoophyten> 

Al]c«iiii«ine  Uebenlolit. 
§  67. 

Mit  dieser  Abtheiliing  beginnen  die  zweifellos  als  Thiere  su  be- 
stimmenden Organismen,  deren  niederste  Formen  schon  eine  Sonderung 
des  Körpers  in  zwei  differente  Gewebe  erkennen  lassen.  Die  Anlage 
des  Körpers  lässi  zwei  Zellenschichten,  eine  äussere  als  E Clo- 
derm, und  eine  innere  als  Entoderm  hervorgehen.  Dabei 
bleibt  es  bei  den  Spongien,  indess  bei  den  Acalephen  noch  eine 
mittlere  Schicht  als  Mesoderm  auftritt.  Der  wesentlichste  Cha- 
rakter der  in  dieser  Abtheilung  vereinigten  Thiere  besteht  in  dem 
Verhalten  des  Emährungsapparates.  Dieser  stellt  einen  in  das  Körper- 
parenchym  eingesenkten  Hohlraum  dar^  der  sich  entweder  canalartig 
vertheilt,  oder  in  weitere  Räume  tibergeht.  Diese  verdauende  Cavität 
mit  ihren  Nebenräumen  repräsentirt  die  einzige  Hohlraumbildung  im 
Körper.  Wo  mehrere  Individuen  zu  Colonien  —  Thierstöcken  —  ver- 
einigt sindy  ist  das  von  der  verdauenden  Cavität  ausgehende  Canal- 
system  für  alle  gemeinsam,  und  setzt  sich  in  die  gemeinschaftliche 
Substanz  des  Thierstockes  —  das  Cönenchym  —  fort.  Am  Körper  ist 
entweder  nur  die  Hauptaxe  unterscheidbar,  und  Nebenaxen  sind  noch 
iDdiflTerent,  oder  es  bestehen  Nebenaxen  die  unter  sich  gleich werthig 
erscheinen. 

1.  Spongiae  (Poriferi). 
Myxospongiae. 

Halisarca. 
Fibrospongiae. 
Ceraspongiae. 

Ettspongia,  Spongelia,  Poleriam. 
Halichondriae. 

Axinella,  SpoagUla. 


86  Cöleiiterateu  (Zoopbyten) 

Corlicatae. 

Tbethya. 
Hyalospongiae. 
Eoplectella. 
Galcispongiae. 

Ascon,  LeucoD,  Sycon. 
II.  Acalephae. 

1.  Hydromedusae. 


Hyd  riformes. 


Medusiformes. 


Sarsia ,  Bougainvillea  ,  Lizzia, 
Oceania ;  —  Eucope,  Tbaumantias. 
Trachynema;  —  Aegina,  Cu- 
nina  ;  —  Liriope ,  Geryonia ;  — 
Aequorea. 


Hydra;  —  Cordylophora ;  — 
Hydractinia ;  —  Coryne ,  Syn- 
coryne,  Eudendrium;  —  Tübu- 
laria,  Corymorpha;  —  Campa- 
nularia,  Sertularia,  Plumularia. 
Siphonophora. 

Yelella,  Porpita:  —  Dipbyes,    Abyla;  —  Alhorybia,  Agalma,  Pbyso- 
phora,  Physalia. 

2.  Calycozoa. 

Lucerna  ria. 

3.  Medusae   (Discophora). 

Charybdea,  Pelagia,  Aurelia ,  Rbizostoma,  Cassiopeia. 

4.  ÄDthozoa. 
Tetractinia. 

Cereanthus,  Cyathophyllum. 
Hexactinia. 

Antipatbes,  Fungia,  Madrepora,  Aslraea ,  Oculina^  Caryophyllia. 
Octactinia  (Alcyonaria). 

Alcyonium,  Pennatula,  Virgularia,  Verelillum,  Renilla,  Gorgonia,  his, 

Corallium. 

5.  Clenophora. 

Beroe,  Cydippe,  Cestum,  Eurhamphaea,  Mnemia,  Euchahs. 


Literatur. 

8iK>ngien:  Grant,  R.  E,  Observ.  on  the  struct.  and  funci.  ofSponges.  Edinb. 
New.  phil.  Journal.  4826.  4832.  —  Lieberkühn,  Beitr.  z.  Entw.  der  Spon- 
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korperrorm.  87 

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Zoolog.  Bd.  X.  Neue  Beobachtungen  ibid.  Bd.  XIII.  —  Hackel,  E.,  Zur 
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P.  I.  St.  6.  Utrecht  4869.  —  Ulilet»  Oceanic  Hydrozoa.  London  4  859. 
(R.  S.)  —  PoABESy  Ed.,  a  monograph  of  the  british  nakedcyed  medusae. 
London  4848.  (R.  S.)  —  HXcebl,  Die  Familie  der  Rüsselquallen.  Je- 
naiscbe  Zeitschrift  Bd.  I.  H.  (Auch  unter  d.  Titel :  Beitr.  zur  Naturgesch. 
d.  Hydromadttsen  1.  4865.  —  Schulze,  F.  E. ,  Ueber  den  Bau  und  die 
Entwickelung  der  Cordylophora  lacustris.  Leipzig 4874.  —  Kleirsübeec,  N., 
Hydra,  Leipzig  487S.  —  Allman,  G.  J.  A.,  Monograph  of  the  Gyronoblastic 
or  iubolarian  Hydroids  P.  1.  u.  II.  London  4874.  7i.  (R.  S). 

Calycozoi^D:  Claek,  H.,  Prodromus  of  tbe  history  etc.  of  the  order  Lucer- 
naria Journ.  of  Bost.  See.  of  Nat.  bist.  4868. 

Oiscophoren:  Beaedt,  Ausführl.  Beschreib,  der  von  H.  Mertens  auf  seiner 
Weltumsegelung  beobachteten  Schirmquallcn.  (M^m.  de  l'Acad.  de  St.  P6- 
tersbourg.  4838.)  —  Ereenbeeg,  Ueber  Acalephen  des  rothen  Meeres  und 
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-^  Milhb-Edwaeos,  Ann.  sc.  nat.  III.  ivi.  —  Wagwee,  R..  Ueber  den  Bau 
der  Pelagia  noctiluca  und  über  die  Organisation  der  Medusen.  Leipzig  4  844. 
—  HÄceel,  E.,  Ueber  die  Crambessiden.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoolog.  Bd.  XIX. 

Anthozo<$n:  Rapp,  Ueber  Polypen  im  Allgemeinen  und  Actinien  im  Besondorn. 
Weimar  48i9.  —  Eheevbeeg,  Die  Corallentbiere  des  rothen  Meeres.  (Abb. 
d.  Berl.  Acad.  488i.}  —  Hollard,  Monographie  anatomique  du  genre 
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Ann.  sc.  n.  IV.  i.  ^-  Lacaze-Duthiers,  Hist.  naL  du  corail.  Paris  4864.  — 
Lacaze-Duthiees,  M^rooires  sur  les  Antipathaires.    Ann.  sc.  nat.  V.  ii.  iv. 

Ctcnophoren:  Meeters,  Beob.  u. Untersuch,  über  die  Beroeartigen  Acalephen. 
M^m.  de  TAcad.  de  St.  Pölersbourg  4838.  —  Will,  Horae  tergcstinae. 
Leipzig  4844.  —  Milne-Edwaeds,  Ann.  sc.  nat.  Ser.  IV.  vol.  vii.  Fol,  U., 
Beitr.  z.  Anatom.  Entwickl.  einiger  Rippenquallen.    Berlin  4869. 


§  68. 

Die  KOrperfonn  der  Cölenleraten  oder  Zoophyton  bietet  nur  in  den 
niedersten  Zuständen  der  dieselben  zusammensetzenden  beiden  grossen 
Abtheilungen  Übereinstimmende  Verhältnisse  dar,  in  jenem  für  einen 
grossen  Theil  der  Zoophyten  als  i^Planulaa  bekannten  Stadium  nämlich, 
das  oben  (S.  34)  nach  der  Bildung  der  Darmhöble  als  »Gastrula«  be- 
leichuet  ward.  Diese  Form  repräsentirt  einen  Larvenzustand,  bei  dem 
ein  WiroperUeid  als  Bewegimgsapparat  fungirt,  und  der  wohl  als  ge- 
meinsame Grundform    der    beiden   ilauptablheilungen    der  Zöopbyten 


88  Cölenteralen  (Zoophytcn). 

wird  gellen  dürfen.  Für  diese  Form  ist  nur  eine  Axe,  die  Hauptaxe, 
unterscheidbar,  welche  vom  oralen  Pole  zum  aboraien  Pole  sich  er- 
streckt. 

Nebenaxen  sind  indifferent,  da  alle  senkrecht  durch  die  üaupt- 
axe  gezogenen,  in  beliebigen  Winkeln  sich  kreuzenden  Queraxen  einander 
völlig  gleichwerthig  sind.  Dieser  Zustand  erhüit  sich  bei  den  Spongien 
und  geht  bei  den  Acalephen  in  einen  durch  Differenzirung  von  Quer- 
axen charakterisirten  Befund  über. 

Unter  den  Spongien  erlangt  die  aus  der  Piauula  entstandene  Ga- 
strula  mit  der  am  aboralen  Pole  erfolgenden  Anheftung  ihre  definitiven 
Verhältnisse  in  der  einfachsten  Form  als  Olynlhus  unter  den  Asconen. 
Auch  bei  anderen  Kalkschwümmeu  finden  sich  jene  einfacheren  Körper- 
formen noch  vor,  wenn  auch  in  den  inneren  Verhältnissen  bedeuten- 
dere Umgestaltungen  Platz  gritlbn. 

Die  mächtigsten  Veränderungen  der  Körperform  gehen  aus  dtr 
Stockbildung  hervor.  Durch  Knospung  oder  auch  durch  unvollstän- 
dige Theilung  entstehen  die  man nichf altigsten  Colonien  (Cormij,  deren 
Personen  auf  die  verschiedenste  Weise  unter  einander  verbunden 
sind  y  und  ebenso  verschiedenartig  iheilweise  oder  vollständig  mit 
einander  verschmelzen  können.  Im  letzteren  Falle  gewinnen  solche 
Stöcke  nicht  seilen  den  Anschein  von  Einzelthieren  (Personen) ,  und 
in  dem  Maasse  als  die  äussere  Form  sich  vereinfacht,  wird  die  innere 
Organisation  complicirt. 

Von  nicht  geringeren  Einflüsse  auf  die  äussere  Gestaltung  als  diese 
Concrescenz  ist  die  Umbildung  der  Mundöfl'nungen  der  Colonie,  die 
gruppenweise  oder  auch  sämmtlich  sich  vereinigen  können,  oder  auch 
vollständig  verschwinden. 

Der  grosse,  durch  diese  nur  in  der  Kürze  angedeuteten  Verhält- 
nisse bedingte  Formenreiehthum  dieser  Abiheilung  empfängt  endlich 
noch  neue  Momente  der  Modificalion  in  zahlreichen  Anpassungen 
topischer  Natur,  und  nirgends  im  Thierreiche  erscheint  die  Körperform 
in  so  vollem  Flusse  als  bei  den  Spongien,  so  dass  selbst  die  Unter- 
scheidung der  grösseren  Abtheilungen,  geschweige  denn  die  der  Arten 
von  daher  unmöglich  wird,  wie  die  höchst  wichtigen  Untersuchungen 
Häcrel's  an  Kalkschwämmen  uns  lehren. 

§.  69. 

Für  die  Acalephen  bildet  der  aus  der  Gastrulaform  hervorgehende 
Körper  in  fast  allen  Abtheilungen  einen  festsitzenden  Zustand  aus,  mit 
dessen  Beginn  die  entstehende  Magcnhöhlc  den  Organismus  in  wesentlich 
demselben  einfachen  Verhalten  erscheinen  lässt  wie  wir  ihn  bei  dem  ent- 
sprechenden Stadium  der  Spongien  antrafen.  An  dem  die  Magenhöhle 
bergenden  Vordertheile  des  Leibes  entstehen  Fortsätze,  Tentakel, 
welche  die   ersle  Andeutung  einer  Differenzirung  von  Nebenaxen  dar- 


Korperfomi.  x  89 

bieten,  und  damit  ieilei  sich  die  schürferc  SondiTuug  von  den  Spon- 
gien  ein. 

Unter  den  Hydromedusen  bilden  die  HydroYden,  oder  Hydro- 
Ydpolypen,  (Hydriformes)  die  niedrigste  Stufe.  Bei  vielen  stehen  die 
Tentakel  unregeimflssig  an  dem  den  Magen  uinschliessenden  Körper- 
tbeiie  (Coryne,  Syncoryne,  Gordylophora) ,  oder  die  Tentakelzahl  ist  eine 
unbestimmte  selbst  wenn  diese  Gebilde  nur  auf  bestimmte  Zonen  des 
Leibes  beschränkt  sind,  und  am  vorderen  Körpertheil  die  Nühc  der 
Mundöffnung  im  Kranze  umstehen.  (Uydractinia,  £udendrium,  Garn- 
panularia).  Die  wechselnde  Zahl  der  Tentakel  verbietet  auch  hier  noch 
die  Annahme  bestimmt  difTeredzirter  Nebeuaxen.  Nur  bei  einzelneu  sind 
letztere  in  der  Tentakelstellung  bestimmter  ausgesprochen  (Sl<mridium) . 

Durch  die  Ausdehnimg  des  aboralen  Körperendes  in  einen  stiel- 
artig  den  tentakelbesctzten  freien  Körpertheil  tragenden  Abschnitt,  er- 
scheint der  letztere  in  grösserer  Selbständigkeit,  und  wird  häutig  als 
»Köpfchen«,  auch  als  »Polyp«  unterschieden. 

Durch  Sprossung  entstehen  aus  dem  Einzelthiere  Colonien, 
Tbierstöcke  (Cormi).  Die  Sprossung  kann  entweder  an  jedem  Theilc  der 
körperoberfläche  erfolgen  (Uydra)  und  auch  mit  Ablösung  des  Spröss- 
iiogs  endigen,  oder  sie  Gndet  nur  an  dem  stielartigen  Körpertheile 
statt.  Bilden  sich  von  dessen  Basaitheil  her  Ausläufer ,  weiche  festge- 
heftet von  Stelle  zu  Stelle  neue  Thiere  emportreten  lassen,  so  gehen 
daraus  die  kriechenden  Cormi  der  Syncor\nen,  liydractinien  u.  s.  w. 
hervor.  Geht  die  Sprossung  vom  freien  Theiie  des  Stieles  aus,  so 
werden  frei  verzv\eigte  Stöcke  gebildet,  welche  in  den  mannichfaltigsten 
Complicationen  auftreten  (Eudendrium,  Campanularien}  und  sogar  eine 
regelmässige  Art  der  Verzweigung  eingehen   (Sertularia,  Plumularia) . 

Die  Stockbitdung  ist  fast  beständig  von  der  Bildung  eines  röhren- 
förmigen Gehäuses  begleitet,  welches  als  eine  Abscheid ung  der  Körper- 
oherfläohe  dem  gemeinsamen  Stamme  sowohl  wie  dessen  Verzweigun- 
gen als  Stütze  dient,  und  in  verschiedenem  Grade  auch  auf  die  Per- 
sonen des  Stockes  fortgesetzt  ist. 

§  70. 

Der  Knospungsprocess  der  HydroYdpolypen  liefert  ausser  der  Ver- 
grösserung  des  Stockes  durch  neugebildetc  gleichartige  Individuen  (Per- 
sonen} noch  Bildungen  andrer  Art,  deren  differenzirtesle  Formen  sich 
zu  Medusen  entwickeln. 

Der  Körper  dieser  durch  Knospung  entstandenen  Thiere  ist  glocken- 
oder  scheibenförmig  gestaltet  (Fig.  21,  m,)  und  lässt  sowohl  in  seiner 
inneren  Organisation  wie  durch  die  am  Bande  der  Glocke  oder  Scheibe 
«nispringenden  Tentakel  neben  der  Hauptaxe  meist  zwei  sich  recht- 
>^inkelig  kreuzende  Nebenaxen  unterscheiden,  die  sich  völlig  gleichwer- 
thig  sind.    In  dieser  Oi*ganisdtion  spricht  sich  eine  höhere  Stufe  aus,  als 


gO  Coteiilcralon  (Zoopliylcnj. 

in  jenuT  der  HydroTdpolypcn  zur  Entfallung  gelangte.     Dio  Thiere  be- 
wegen sich  durch  Coulraclioncn  der  Glocke,    deren  Kand   sich  in  rino 
gleichfalls  oontriictile  Membran,    das  Ve- 
tig.  ID.  liim,  forlselzt.  Diese  Medusen  gern  men  sind 

Siels  die  Träger  der  Forlpflanzungsorganc, 
aus  ihren  Eiern  enlstehen  wieder  HydroTd- 
polypen.     {Generalionswechsel!) 

Wahrend  die  einen  Knospung  frei- 
werdender  Medusen  (Fig.  20,  a — e;  Fig. 
21,  a^e)  auszeichnel,  komnil  es  bei  an- 
deren HydroTdpolypen  nur  zur  Äulagi^ 
einer  Heduscngemnie ,  deren  Organisation 
nicht  ganz  jene  hohe,  das  frei  werden  be- 
dingende Slufe  erreicht,  und  demgemäss 
mit  dem  Stocke  verbunden  bleibt.  Die 
geschlechlliche  Entwickeluog  bleibt  jedoch 
auch  hier  nicht  aus ,  und  diese  rudimen- 
tären Medusen  slellen  »GeschlechlsknospenB  vor,  deren  Producl«  sich  in 
denselben  Beziehungen  wie  jene  der  freien  Medusen  entwickeln. 

Daran  scbliessen  sich  noch  einfachere  Knospenformen  an,  die  sich 
endlich  bis'  zu  solchen  verfolgen  lassen ,  deren  Bau  kaum  etwas  mit 
einer  Meduse  gemein  bal.  Aber  die  bis  hierher  führende  ßeihc  ist 
durch  zahlreiche  Vermilllungsformen  votUtiJndig,  so  dass  äussere,  blos 
Geschlechtsproducte  enlhatlende  Knospen,  und  relativ  hoch  organisirtc 
Medusen,  die  erst  längere  Zeit  nach  der  Ablösung  vom  HydroTden stocke 
sich  sexuell  entwickeln ,  als  zusamniengehdrige  Formen ,  Endpuncte 
einer  Beihe,  gelten  müssen. 

Diese  Erscheinung  wird  durch  die  Annahme  einer  Arbeilslheilung 
orklürl,  bei  der  die  Function  der  Ernährung  des  Stockes  den  sessil 
bleibenden  Individuen  zutälll,  indess  andere  sich  ablösende  die  Besor- 
gung der  sexuellen  Vermehrung  übernehmen.  Die  als  freiwerdende 
Knospen  auftretenden  erlangen  eine  höhere  Organisation,  die  wohl  aus  der 
niederen  ursprünglich  mit  den  sessil  bleibenden  übereinstimmenden  all- 
mählich sich  her  vorbildete.  Die  Abltigung  vom  Stocke  dUrfle  demnach 
fUr  jene  sexuellen  Individuen  als  das  erste,  ihre  Differcnzirung  in  der 
medusolden  Richtung  bedingende  Moment  gellen,  gleichwie  das  Sitzenblei- 
ben der  medusoYden  Gemmen  in  den  andern  Fällen  von  einer  Rückbil- 
dung jener  medusoTden  Organisation  begleitet  ist.  Wenn  aber  diese  Orga- 
nisation, wie  wir  oben  annahmen,  durch  ein  ursprüngliches  Freiwerden 
erlangt  ward,  so  müssen  die  medusotden  Gemmen  nothwcndig  nicht 
etwa  als  in  der  Ausbildung  stehen  gebliebene,  sondern  vielmehr  als  i» 
der  Rückbildung  begrißene  Medusengemmen  beurtheilt  worden. 

Fig.  30.     Syncoryn»,   mit  einer  Anzahl  daran  kiio«ponder  Uedusen   auf  ver- 
schiedenen Stuten  (a— «}  der  Entwickelung,     (Nach  D£aoa.} 


Kdrfierforni. 


91 


Die  Kooepung  der  Generaiions- Individuen,  als  welche  die  oiedusi- 
fonaen  Gemmen  mit  ihren  Modificationen  zu  betrachten  sind,  findet  sich 
an  verschiedenen  LocaiiUiten.  Da  die  Stockbildung  ein  secundärer 
Vorgang  ist,  wird  die  Knospung  am  Leibe  des  Einzelthiers  die  ursprüng- 
liche sein.  Daselbst  triOl  sie  sich  auch  in  allen  Abtbeilungen  der  ilydroYd- 
poiypen.  lieber  die  Leibesober- 
fläche zerstreute  Gemmen  bieten  ^>S*  s^* 
die  Goryneenstöcke.  Häufig  sitzen 
die  Knospen  zwischen  den  Ten- 
takeln. Nach  innen  vom  Tentakel- 
kraDze  finden  sie  sich  bei  Pen- 
oaiia.  An  derselben  Stelle  bei 
deo  Tubularieo,  wo  sie  immer  zu 
mehreren  auf  gemeinsamem  Stiele 
sitzen,  zuweilen  ansehnliche,  trau- 
ben-  oder  ährenfiMmige  Gruppen 
bildend.  Die  Knospung  am  Uy- 
droYdenkörper  ist  in  vielen  Fallen 
von  einer  Rüqlibilduig  des  letz- 
teren begleitet.  So  bei  manchen 
Campanularien,  Uydractinien  u.  a. 
Das  proliferirende  Individuum  gibt 
seine  Betheiiigung  an  der  Ernah- 
nmg  des  Stockes  auf,  was  sich 
ia  einer  Verktimmerung  der  Ten- 
takel wie  der  Magenhdhle  äussert. 
Der  Thierstock  wird  dadurch  aus 
Dutritorischen  und  proliferirenden 

Personen   zusammengesetzt,   von  denen   letztere   wieder  die   Gemmen 
als  Geschlechts -Personen  tragen. 

Die  proliferirenden  Personen  lassen  verschiedene  Grade  ihrer  Rück- 
bildung wahrnehmen.  Im  äussersten  Falle  bleibt  nach  Entwickelung 
der  Gemmen  nur  noch  ein  Rest  des  sie  tragenden  Individuums  übrig, 
;z.  B.  bei  manchen  Campanularien).  Die  vollständige  Rückbildung  der 
proliferirenden  Person  lässt  die  Gemmen  ohne  eine  Beziehung  zu 
einer  HydroYdenperson  von  irgend  einem  Theile  des  gemeinsamen  Stockes 
entspringen.  Wo  mehrere  Gemmen  vereinigt  in  diesem  Falle  sich 
finden  wird  die  Ableitung  derselben  von  einer  rttckgebildeten  proli- 
ferirenden Person  nicht  schwer,  hingegen  ist  das  Vorkommen  vereinzelt 
vom  gemeinsamen  Stocke  entspringender  Gemmen  (z.  B.  bei  Euden- 
drium  ramosum   Fig.  S4)  nicht  sicher  hiervon  ableitbar,    da  die  Mög- 

Fig.  24.  Jheü  eioes  Stockes  eines  Uydroidpolypen  (Eudeodrium  ramosum) 
mit  sprosseodea  Medaseo.  p,  p,  p  Polypen  mit  dem  Tentakelkranz.  a,  b,  c,  d,  0,  f 
verschiedene  Differenziraogszostände  der  sprossenden  Medusen,  m  m'  freie  Me- 
dosen  in  verschiedenen  Stellungen. 


92  ^  Cölenteraten  (Zoophyten). 

lichkcit  der  Entstehung  medusiforroer  Gemmen  am  UydroYdenstammc 
nicht  ausgeschlossen  ist.  In  den  höheren  Abtheilungeu  der  Medusi- 
formcs  sind  die  Beziehungen  zu  HydroYden  aufgegeben.  Wenn  auch 
die  Fortpflanzung  manche  bedeutende  Complicationen  zeigt  (s.  unten 
Geschlechtsorgane),  so  ist  doch,  soweit  bis  jetzt  bekannt,  eine  Rückkehr 
zur  ElydroYdenform  für  die  Trachynemiden,  Aeginiden,  wie  Geryoniden 
ausgeschlossen. 

§  71. 

Die  bei  den  HydroYdpolypcn  wesentlich  auf  die  nutritorische  und  ge- 
neralive  Function  beschränkte  Arbeitstheilüng  der  zu  einem  Thierstocke 
vereinigten  Personen  ist  bei  den  Siphonophoren  auf  eine  grössere 
Reihe  von  Verrichtungen  ausgedehnt,  und  hat  demgemitss  eine  bedeu- 
tendere Mannichfaltigkeit  der  Gestaltung  der  Bestandtheile  des  Thierstocks 
zur  Folge.  Die  Arbeitstheilüng  bedingt  so  einen  Polymorphismus 
der  Personen.  Diese  folgen  sümmtlich  dem  medusiformen  Typus,  der 
wieder  in  verschiedefiem  Maasse  entfaltet  ist.  In  den  Füllen  seiner 
deutlichen  Ausbildung  waltet  die  bei  den  Medusengemmep  der  HydroYd- 
polypcn herrschende  Grundform  vor,  woraus  sich  eine  gemeinsame 
Abstammung  beider  Abtheilungen  ableitet.  Die  Siphonophoren 
erscheinen  so  als  schwimmende  Hydroidenstöcke ,  deren  Personen 
sHmmtlich  die  bei  den  UydroYdpolypen  nur  von  den  generativen  Per- 
sonen vollzogene  Umwandlung  in  die  Medusenform  eingingen.  Die 
einzelnen  Personen  des  Siphonophoren  Stockes  sprossen  an  einem  gemein- 
schaftlichen contractilen  Stamme,  der  bei  den  meisten  die  Axe  des  Stockes 
vorstellt,  um  welche  die  als  Organe  fUr  den  Gesammtstock  fungircnden 
Personen  angeordnet  erscheinen.     Diese  sind: 

i.  Locomotorische  Personen,  (Schwimmglocken),  welche 
am  vollständigsten  den  Medusentypus  zeigen,  zu  zweien  (Diphyidcn) 
oder  in  grösserer  Anzahl  zu  einer  Schwimmsäule  vereinigt  (Physo- 
phoriden)  das  eine  Ende  des  Stammes  besetzend  (Fig.  22.  A.  C.  tu. 
D.) ,  welches  dadurch  bei  der  Locomotion  vorangeht  und  zum  vor- 
deren wird. 

2.  Nutritorische  Personen  finden  sich  am  zweiten  Abschnitte 
des  Stammes  in  Gestalt  von  Magenröhren  (Magen,  Saugröhren)  ange- 
bracht (Fig.  22.  B.  C.  n).  Ein  Theil  von  ihnen  gelangt  in  einzelnen 
Fallen  nicht  zur  Ausbildung,  und  stellt  dann  terminal  geschlossene 
SchlHuchc  vor,  die  als  »Taster«  fungiren. 

3.  Protective  Personen  (DeckstUcke)  lassen  sehr  häufig  noch 
den  Medusenty^us  deutlich,  in  andern  Fällen  sehr  wenig  deutlich  wahr- 
nehmen, und  erscheinen  als  hyaline  blattförmig  gestaltete  Stücke,  unter 
deren  Schutz  die  sub  2.  und  4.  5.  aufgeführten  Personen  ange- 
bracht sind. 

4.  Tentakuläre  Personen  bilden  einfache  oder  in  verzweig- 


len  BOflcbeln  anftMmloete  bedeutend  verlHngerbarc  Faden   (Senkfilden) , 
welche  tenninal  mit  eigenlb (Unlieben   Nessolorganen   ( Nessel batterieen) 


ansgestattet  «od.     Die  orsprQngliche  Bfedusenform  ist  nur  bei  wenigen 
dieser  Gebilde  io  Sporen  erkennbar. 

5.  Generative  Personen  bielOD  wie  bei  den  Hydro1dpoly}>en 
niaDiiichfoltige  AnsbildnngeiustHnde.    Ohscbon  sie  nur  in  seltenen  Fallen 

Flg.  11.  Einige  Siplionophorenilöcke,  A.  Diphytt  eampanulata.  B  Eint> 
Gnipp«  von  Anbingsgebilden  vom  Stamme  derselben  Diphytt.  C.  PKyiophora 
htroilatiea.  D.  ElmelnM  SohwjmmslUck  dertelben.  £.  Weibliche  Ge»chiechls- 
Inab«  na  Agtlma  SartH.  a.  Slamm  oder  Axe  der  Coloaie.  •'  LuftbltM. 
n.  ScbwimmslUcke.  c.  HOhle  In  deoselben,  von  tiarr  contractilen  Uembran  nti»- 
etVIeidel.  v.  Canile  in  der  Wand  der  SchwimmstiickbOhle.  o.  OefTnung  des 
SchwimmsUIck«.  t.  DeckitUcke  (bei  C  in  Tsator  umgewandetl;.  n.  Magen,  t.  Senk- 
fden.    g.  GeecfalechUar^ne. 


94  Cölenteraten  (Zoophyten). 

zu  freiwerdeDden  Medusen  sich  umgestalten  (Veleila  — Chrysomitra), 
so  ist  doch  der  medusiforme  Typus  an  ihnen  sehr  allgemein  ausgeprägt. 
Meist  sind  sie,  ähnlich  wie  bei  den  Tubularien  in  traubenförmiger 
Gruppirung  zu  treffen. 

Die  Anordnung  dieser  einzelnen,  sehr  divergent  differenzirten  Per- 
sonen  des  Siphonophorenstockes  wechselt  in  den  einzelnen  Abtheilungen, 
sowie  auch  die  locomotorischen  wie  die  protectiven  Personen  einzelnen 
Gattungen  gänzlich  fehlen.  Im  Allgemeinen  ist  in  der  Anordnung  und 
Verlheilung  der  polymorphen  Personen  des  Stockes  innerhalb  der 
Gattungen  und  Arten  eine  grosse  Gonstanz  zu  beobachten ;  die  Spros- 
sung vom  Stocke  geht  nur  an  Einer  Seite  derselben  vor  sich ,  die  all- 
seitige Gruppirung  um  den  Stock  erfolgt  durch  spiralige  Drehung  des 
letzteren.  Daraus  resultirt  die  zwei-  oder  roehrzeilige  Anordnung 
der  Schwimmglocken,  sowie  auch  die  Gruppirung  der  übrigen  Bildun- 
gen. Nutritorische,  generative  und  tentaculäre  Individuen  sind  meist  in 
Gruppen  beisammen,  so  dass  einer  Gruppe  derselben  je  ein  Deckstück 
zukommt.  Wahrend  bei  den  meisten  Physophoriden  diese  Gruppen 
sehr  dicht  stehen,  finden  sie  sich  bei  den  Diphyiden  in  grösseren  Di- 
stanzen angebracht.  (Fig.  22.  A,  B,),  und  jede  Gruppe  aus  einer  be- 
stimmten Personenzahl  zusammengesetzt,  die  bei  manchen  vom  Stocke 
sich  ablösend  eine  individuelle  Bedeutung  erlangen  kann.     (Eudoxien.) 

Das  durch  die  locomotorischen  Personen  ausgezeichnete  Vorderende 
des  Stammes  empfängt  in  manchen  Abtheilungen  eine  selbständige 
Ausbildung  durch  die  Entwickelung  eines  luftführenden  Sackes. 
Dieser  fungirt  als  hydrostatischer  Apparat,  und  lässt  das  Vorder- 
ende während  der  Ruhe  des  Stockes  stets  aufwärts  gerichtet  erscheinen 
(Physophoriden).  Er  besitzt  eine  verschliessbare  Oeffnung  nach  aussen, 
durch  die  ein  Entweichen  der  Luft  beobachtet  ist.  Die  bedeutendere 
Ausbildung  dieser  bei  den  meisten  Physophoriden  ziemlich  kleinen  Blase 
(Fig.  22.  C.  a)  scheint  eine  Bückbildung  der  locomotorischen  Gemmen  des 
Stockes  zu  bedingen.  Diese  fehlen  z.  B.  bei  Rhizophysa,  bei  der  der 
Luftsack  vergrössert  ist.  Durch  eine  ansehnliche  Ausdehnung  zu  einem 
weiten  Baume  nimmt  der  Luftsack  den  grössten  Theil  des  Stammes  ein, 
und  bildet  so  den  voluminösesten  Theil  der  Colonie,  deren  Einzelstücke 
wie  einer  Seite  der  Blase  ansitzende  Anhänge  sich  ausnehmen.  Dieses 
Verhalten  ist  bei  den  Physalien  ausgebildet,  und  wird  von  einer  VorkUr* 
zung  des  Stammes  begleitet.  Ein  anderer  Zustand  ist  bei  den  Velel- 
liden  gegeben,  deren  Luftsack  zum  stark  verkürzten  Stamme  eine  ter- 
minale Lage  einnimmt,  und  sich  unter  ilächenartiger  Ausdehnung  zu 
einer  Scheibe  vergrössert,  deren  knorpelartige  derbe  Wandungen  durch 
Scheidewandbildung  den  Binnenraum  in  zahlreiche  Kammern  theilen. 
Im  ersten  Bildungszusiande  stellt  der  Luftbehälter  auch  hier  einen  ein- 
fachen Sack  vor.  Bei  Porpita  bleibt  die  Scheibe  platt  kreisförmig,  bei 
Veleila  erhebt  sie  sich  in  einen  schräg  gestellten  dünnen  Kamm,  in  wel- 
chen  die  Lufträume  der  Platte  sich  nicht  fortsetzen.     Die  concenirisch 


iCttrpertorpo. 


d5 


gelagerten  KammeniliiDie  de«  Luftbehttiters  stehen  bei  Velella  unter  sich 
darch  Oeffnungen  in  Verbindung.  Nach  aussen  tfShen  sie  sich  durch 
eine  Ansah!  an  der  Oberflilche  gelagerter  Lttcher.  Bei  Porpita  gehen 
von  der  untern  Fläche  des  Luftbebälters  noch  feine  luftführende  Ganüle 
ab,  welche  verästelt  in  den  die  Emührungsindividuen  tragenden  Theil 
des  Stammes  eindringen. 


,(^^^ 


§  72. 

l>ie  Verbindung  der  höher  entwickelten  freien  Form  mit  der  durch 
einen  festsitzenden  polypenfOrmigen  Körper  reprüsentirten  niederem, 
herrscbt  auch  noch  in  der  Abtbeilung  der  Medusen  (Discophoren) 
die  durch  ihre  Organisation  von  den  Hydromedusen  in  manchen  Puncien 
verschieden  sind.  Auch  die  Polypenform  (Scyphostoma)  erscheint 
auf  einer  höhern  Organisationsstufe  als  die  Mehrzahl  der  HydroYdpoly- 
pen^  und  bietet  nur  mit  einigen  derselben  (Corymorpha)  Anknüpfungs- 
pimcte.  Sie  entwickelt  sich  ebenso  wie  bei  den  HydroYdpolypen  aus 
einer  erst  freien  dann  sich  festsetienden  Planula  (Fig.  23.  4,  2).  Di^ 
Grundform  des  Körpers  stimmt  jedoch  nicht  blos  mit  manchen  HydroYd- 
polypen, sondern  aueh  mit 

dem  MedosensoBtande  der-  Fig.  tt. 

selben  darin  fiberein,  dass 
twei  gleiohwerthige  Neben- 
axen  die  Hauptaxe  kreusen. 
Die  Organe  sind  also  nach  der 
Viersahl  angeordnet,  n.  lassen 
am  Köqier  vier  Antimeren 
unterscheiden.  Aus  dieser  ^ 
1'olypenform  entstehen  die 
Medusen  wiederum  durch 
Sprossung,  die  aber  nicht 
wie  bei  den  HydroYden  eine 
laterale,  sondern  eine  termi- 
nale ist.  Der  den  Mund  tra-  _ 
gende  Endabschnitt  des  Scy- 
phostoma beginnt  allmählich  vom  Übrigen  Körper  sich  abxuschnttren 
*Fig.  23.  i.),  und  indem  der  Körper  dabei  fortwächst  werden  gegen  den 
aboralen  Pol  tu  immer  neue  Abschnitte  metamerenartig  gesondert  (Stro- 
bila*;  Fig.  93.  5.j,  die  sttmmtlich  medusenähnlich  sich  ausbilden.  Der 
Polypenleib  wird  dadurch  in  eine  oft  bedeutende  Anzahl  von  Medusen 
zerlegt,  diä  allnUlfalicb  sich  ablösen  (Ephyraform) ,  und  frei  geworden 
eine  weitere  Ausbildung  eingehen. 

Fig.  23.  Jugendzustlinde  von  Aurelia  aurita.  4.  Planulaform,  sich  festticRond. 
t.,  t.  üebergang  in  die  Polypenform.  4.  Beginn  der  MetamerenbiMong.  S.  Forf- 
gesettle  Metanwrenbildung  (Strobils  und  Differeiixirung  derselben.)    (Nach  11.  Saas.) 


96  Cölenteraten   (Zoophylen). 

Dieser  für  Cephaeo,  Aurelia  und  Cassiopeia  bekannte  Vorgang  fehlt 
bei  Pelagia,  deren  Eier  sich  in  schwimmende  Pianulae  verwandeln,  die, 
ohne  ein  pol ypen förmiges  Stadium,  zu  Jungen  Medusen  werden.  Die 
Ontogenie  der  Pelagia  ist  also  auf  wenige  Stadien  zusammengezogen, 
während  sie  bei  den  andern ,  über  eine  grössere  Formenreihe  ausge- 
dehnt, mehr  einer  Wiederholung  der  paläontologischen  Entwickelung 
entspricht.  Für  diese  wird  der  polypenförmige  festsitzende  Zustand 
als  Ausgangspunkt  gelten  müssen,  woran  sich  zun^lchst  die  allmähliche 
Umwandlung  des  Polypen  in  eine  freiwerdende  Meduse  anschloss.  Die 
Gliederung  des  Scyphostoma  in  eine  Mehrzahl  von  Medusen  erscheint 
unter  jener  Voraussetzung  als  ein  secundärer  Vorgang,  der  erst  allmäh- 
lich, nachdem  nicht  mehr  der  ganze  Polypenkörper  in  die  Meduse  sich 
umwandelte,  zur  Ausbildung  kam.  Aus  dem  beim  Uebergange  des  Po- 
lypen in  die  Strobila  stattfindenden  Wachsthume  letzterer  Form  ist  er- 
sichtlich, dass  den  Ernährungsverhältnissen  des  Scyphostomazustandes 
für  die  Entstehung  der  Strobilaform ,  d.  h.  für  die  Sprossung  der  Me- 
dusen, eine  wichtige  Rolle  zukommen  muss,  so  dass  die  Entstehung 
der  ganzen  Erscheinung  mit  der  Ernährung  des  Scyphostoma  in  cau- 
salem  Zusammenhang  steht. 

Wie  die  Medusen  durch  die  Scyphostomaform  mit  den  HydroTdpo- 
lypen  in  verwandtschaftlichem  Verhältnisse  stehen,  so  besitzen  sie  noch 
nähere  Beziehungen  zu  den  Galycozoi^n,  die  wieder  von  der  Scy- 
phostomaform ableitbar  erscheinen.  Der  mit  einem  kurzen  Stiele  fest- 
sitzende Körper  ist  schirmartig  verbreitert  und  kommt  im  Verhalten 
seiner  Axen  mit  den  Scyphostomen  und  deren  Abkömmlingen  übercin. 
In  manchen  Beziehungen  bietet  er  auch  eine  nähere  Verwandtschaft  mit 
den  Anthozoön.  Dadurch  erscheint  in  den  Galycozo<^n  eine  sehr  wich- 
tige Zwischenform,  die  aus  der  für  mehrere  grosse  Abtheilungen  der 
Zoophyten  gemeinsamen  Stammform  mit  relativ  wenigen  Modificationen 
sich  fortgesetzt  hat. 

§  73. 

Für  die  Anthozoön  ist  die  primitive  Körperform  mit  jener  an- 
derer Zoophyten  in  vollkommener  Uebereinstimmung ,  und  auch  die 
ersten  Zustände  der  sich  festsetzenden  Planula  bieten  keine  wesent- 
lichen Differenzen.  Das  Erscheinen  von  Tentakeln  und  die  später 
folgende  innere  Differenzirung  lässt  manche  Verschiedenheiten  auftreten, 
zunächst  in  der  Grundzahl  der  Nebenaxen  des  Körpers.  Bei  einigen 
treten  nur  4  Tentakel  auf  (Tetractinia),  bei  anderen  6,  (Hexactinia)  und 
endlich  bei  noch  andern  8  (Octactinia) .  In  den  beiden  ersten  Abthei- 
lungen bleibt  es  nicht  bei  dieser  Zahl,  vielmehr  erscheint  alsbald  eine 
Vermehrung  der  Tentakel  der  eine  entsprechende  Veränderung  der 
inneren  Organisation  parallel  geht.  Es  wird  damit  am  Organismus 
eine    grössere   Zahl    von  Queraxen    unterscheidbar,    deren   Grundzahl 


Körperform.  97 

in  den  meisten  Fällen  die  snersi  erschienene  Zahl  ist.  Bei  den  Octac- 
linieo  dagegen  persisliren  die  ersten  vier  Queraxen. 

Der  meist  cylindrische  Körper  des  jungen  Thieres  behält  diese  Form 
nur  in  wenigen  Abtheilungen  (Cereantbus,  Actinia).  Bei  den  übrigen 
kommt  es  wieder  zu  einer  Stockbildung,  welche  für  die  äussere 
Erscheinung  dieser  Zoophyten  die  grOsste  Mannichfaltigkeit  der  Formen 
bedingt.  Die  Stocke  (Polyparien)  entstehen  entweder  durch  unvollstän- 
dige  Theilung  oder  durch  Knospenbildung,  beide  zuweilen  combinirt. 

Die  Theilung  (Längslheilung}  erweist  sich  in  der  Stockbildung  bis  zu 
sehr  verschiedenen  Stufen  ausgeführt.  Bei  manchen  Fällen  ist  sie  nur 
durch  ein  Auswachsen  in  die  Quere  angedeutet,  und  es  kommt  zu  gar 
keiner  Scheidung  des  Organismus,  z.  B.  bei  manchen  Fungien.  Andere 
bieten  die  Theilung  nur  an  der  oralen  Korperoberfläche,  indess  im  Innern 
ein  continuirliches  Verhalten  fortbesteht.  Durch  die  Fortsetzung  dieses 
Vorganges  entstehen  StOdLc  mit  zahlreichen  Mundöffnungen,  die  in  man- 
nichfach  gewundenen,  am  Rande  mit  Tentakeln  besetzten  Reihen  ange- 
ordnet sind  (Maeandrina).  Während  auf  diese  Weise  mehr  Dache  oder 
rasenartig  ausgebreitete  Stöcke  entstehen,  treten  durch  die  Gombina- 
tion  der'Theilung  mit  einem  bedeutenden  Längewachsthum  der  Per- 
sonen verästelte  Stöcke  auf,  die  nicht  blos  verschiedene  Ausdehnung, 
sondern  auch  sehr  mannichfache  Formen  der  Verzweigung  gewinnen 
können.  In  ähnlicher  Weise  liefert  die  Sprossung  complicirte  Stock- 
bildungen. Auf  beiderlei  Art  entsteht  eine  dem  gesammten  Stocke 
zugehörige,  allen  Personen  gemeinsame  Körperparthie  (Coenosark,  Coe- 
nenchym).  Von  dieser  entwickelt  sich  der  basale  Abschnitt  bei  den  nicht 
festsitzenden,  sondern  nur  lose  im  Schlamm  oder  Sande  steckenden 
Stöcken  der  Octactinien  zu  einem  der  Sprossung  entbehrenden  stiel- 
ähnlich geformten  Theile  des  Stockes  (Pennatulidenj. 

§  74. 

In  der  von  den  übrigen  Acalephen  am  meisten  abweichenden  Ab- 
Ibeilung  der  Ctenophoren  bildet  sich  aus  der  mit  den  anderen  im  we- 
sendichen  übereinstimmenden  Larve  alsbald  die  definitive  Leibesform 
aus.  An  dieser  sind  vier  senkrecht  auf  die  Hauptaxe  gerichtete  Ncben- 
aien  unterscheidbar,  nach  denen  die  wichtigsten  Organe  angeordnet 
sind.  Der  Körper  folgt  damit  im  allgemeinen  dem  radiären  Typus  der 
bei  den  BeroYden  am  meisten  ausgeprägt  ist.  Dieser  achlstrahligen 
Form  liegt  jedoch  höchst  wahrscheinlich  eine  vierstrahlige  zu  Grunde 
bei  der  jeder  Radius  sich  in  zwei  getheilt  hat.  Je  zwei  aus  einem 
primitiven  Radius  entstandene  Radien  sind  den  gegenüberstehenden 
Radien  derselben  Queraxe  gleich.  Die  Ausbildung  der  Körperform  er- 
folgt nach  den  Polen  einer  der  beiden  primitiven  Queraxen.  Die  in 
dieser  Richtung  aufgetretene  Dißerenzirung  ist  schon  bei  den  Cydippi- 
den  deutlich,    mehr  ist    sie    bei    den    Mnemiden    durch    lappenartige 

0«|evbmar,  Gnindri«fi.  7 


98  Ciüenteraten  (Zoophyten). 

gegen  den  Mundpo)  gerichtete  Fortsetze  ausgeprägt,  am  meisten  bei 
Cestunj,  dessen  Körperform  durch  Auswachsen  in  der  Riclitung  ZAveier 
congruenter  Interradien  in  eine  Bandform  überging. 


Glieämaassen. 

§  7S. 

Als  Gliedmaassen  können  die  als  Tentakel  bezeichneten  Fort- 
satzbildungen des  Körpers  angesehen  werden,  welche  den  Spongien 
fehlen,  bei  den  Acalephen  in  grosser  Verbreitung  getroöen  werden, 
und  ebenso  von  bedeutendem  Einflüsse  auf  die  äussere  Form- 
erscheinung dieser  Organismen,  als  für  die  Gesammt-  Oekonomie  der- 
sel)3en  von  hohem  functionellen  VVerlhe  sind.  Die  meisten  sind  wie 
die  Leibeswand  contractu,  doch  gibt  es  auch  starre  nur  wenig  beweg- 
liche Formen  (Trachynemiden).  Die  Tentakel  sind  der  Sitz  einer  be- 
deutenden Empfindlichkeit,  und  fungiren  somit  als  Sinnesorgane;  in 
vielen  Fallen  sind  sie  Greifwerkzeuge,  und  endlich  dienen  sie  durch 
die  ihnen  eingefügten  Nesselzellen  als  Waffen. 

Den  niedersten  Befund  bieten  die  Hydroldpolypen,  deren  Tentakel 
in  manchen  Abtheilungen  (Coryneen)  über  die  Oberfläche  des  vordersten 
(dem  oralen  Pole  nächst  gelegenen)  Körperabschnittes  zerstreut  sind 
(Fig.  20).  Bei  manchen  macht  sich  eine  regelmässigereVertheilung bemerk- 
bar, die  bei  anderen  in  die  Herstellung  eines  »Tentakelkranzesa  ül)ergeht. 
(llydractinia,  Eudendrium,  Campanularia)  (Fig.  21).  Letzterer  ist  meist 
in  einiger  Entfernung  von  der  Mundöfl'nung  angebracht;  durch  ihn  wird 
der  bezügliche  Körpertheil  höher  potenzirt  und  erscheint  einem  Kopfe 
analog,  wie  man  daun  die  tentakeltragenden  Körperlheile  der  UydroYden 
auch  als  »Köpfchena  zu  bezeichnen  pflegt. 

Der  höheren  Differenzirung  des  gesammten  Körpers  der  Tubularien 
entspricht  die  Ausbildung  eines  zweiten  Tentakelkranzes,  der  den  Mund 
direct  umgibt.  Der  äussere  Tentakelkranz  ist  mit  der  scheibenilhn- 
lichen  Ausbreitung  des  Köpfchens  an  den  Rand  desselben  gerückt. 
Es  sind  also  hier  Mundtentakel  und  Randtentakel  unter- 
scheidbar.  Letztere  erlangen  bei  den  Ilydromedusen  wie  bei  den  Dis- 
cophoren  eine  grosse  Ausbildung. 

Die  Randtentakel,  Randfäden,  meist  sehr  bedeutend  verlän- 
gerte fadenartige  Anhänge  des  Glocken-  oder  Schirmrandes  der  Hy- 
dromedusen  sind  immer  nach  den  Körperradien  geordnet.  Bei  dem 
Bestehen  interradialer  Tentakeln  treten  diese  meist  nach  den  radialen 
auf,  selbst  wenn  ihre  Zahl  eine  bedeutende  ist.  Zuweilen  stehen  sie 
in  Büscheln  (Lizzia)  oder  sind  verzweigt  (Cladonema).  Der  über  die 
Radienzahl  hinausgehenden  Vermehrung  der  Tentakel  steht  die  Minde- 
rung gegenüber.  Nur  zwei  Tentakel  besitzt  Saphenia.  Bei  einigen 
kommt  nur  Ein  Tentakel  zur  Ausbildung  (Stenstrupia). 


[GliedmaaMeD.  99 

Bei  den  Trachynemiden  sind  die  Tentakel  gleichfalls  radial  ange- 
orünel,  manche  besitzen  dazu  wie  die  Aeginiden  noch  interradiale. 
EigenthUmlich  ist  die  Einfügung  der  Tentakel  an  den  Körper,  indem 
das  Stutzgewebe  der  ersteren  einen  oft  ansehnlichen  Portsatz  in  letz- 
teren einschickt.  Auch  Reductionen  kommen  vor.  Nur  2  Tentakel 
besitzt  A^nopsis.  Bei  den  Geryoniden  findet  ein  Wechsel  der  Ten- 
takel statt,  indem  das  junge  lliier  vergängliche  Randfäden  (Larven- 
teotakel)  von  anderro  Baue  besitzt.  Die  unter  den  Hydromedusen 
verbreiteten  Mundtentakel  entsprechen  gleichfalls  der  Grundzahl  der 
Radien  des  Körpers.  Bald  sind  sie  einfach,  bald  verzweigt.  Sie 
bilden  jedoch  kein  allgemeines  Vorkommen  und  werden  häufig  durch 
Ausdehnungen  des  Mundrandes  ersetzt.  Trachynemiden  und  Aeginiden 
enthehren  sie  allgemein. 

Unter  den  Siphonophoren  entbehren  alle  medusiformen  Personen 
der  Raodßlden,  die  nur  als  Rudimente,  wie  z.  B.  in  den  Nesselknöpfen 
der  Deckstücke,  angedeutet  erscheinen.  Dieser  Mangel  eines  für  die 
Oekonomie  der  Stöcke  wichtigen  Apparates  wird  durch  die  »Taster« 
und  die  »Senkfäden«  compensirt,  welche  aus  Umbildungen  medusifoniier 
Personen  sich  erklären  lassen  (vergl.  oben  §  71;. 

Den  Discophoren  fehlen  die  Randfäden  in  den  Abthotlung^n  der 
Rbizoslomiden  und  Cyaneen,  welch^  letztere  vier  ansehnliche  von  der 
Unterflacbe  des  Schirmes  entspringende  Tentakel büschel  besitzen,  die 
weder  auf  Randfäden  noch  auf  Mundtentakel  bezogen  werden  können. 
Bei  anderen  kommen  Randfäden  bald  nach  der  Radienzahl,  bald  auch 
interradial  verbreitet  vor.  Schon  bei  den  CharybdeYden  zeigt  Charylv- 
dea  vier  von  pfeilerarligen  Fortsätzen  der  Glocke  getragene  Tentakel, 
die  bei  Tamoya  (T.  quadrumana)  durch  ebensovieie  Büschel  repräsen- 
tirt  sind.  Eine  Vermehrung  findet  sich  bei  den  Pelagien,  und  eine 
sehr  grosse  Anzahl  feiner  Randfäden  zeichnet  die  Aurelien  aus.  Mund- 
teniakel  erscheinen  als  feine  franzenartige  Fortsätze  an  den  Rändern 
diT  den  Mund  umstehenden  Arme.  Bei  den  Rhizostomiden  sind  sie 
längs  der  zahlreiche  Mundporen  tragenden  Rinnen  vertheilt. 

Bezüglich  der  Lucernarien  ist  ein  doppeltes  Verhalten  der 
Randfäden  zu  bemerken ,  indem  sie  bei  einer  Abtheilung  (L.  cyathi- 
formis;  ganz  ähnlich  wie  bei  Medusen  den  Rand  des  becherförmigen 
Körpers  besetzen,  jedoch  deutlich  eine  Scheidung  in  acht  Gruppen  er- 
kennen lassen,  indess  sie  bei  anderen  (L.  auricula)  ebensovieie  auf  die 
Enden  der  vier  vom  Körper  ausgehenden  Zipfelpaare  veriheille  Büschel 
bilden. 

Die  Tentakel  der  Anthozoen  sind  nach  den  grösseren  Abthei- 
iun^  verschieden.  Acht  blattförmige  eingekerbte  oder  gefiederte  Ten- 
takel umgeben  die  MundöfTnung  der  Octactinien.  Eine  meist  grössere 
Anzahl  cylindriscber  Tentakel  kommt  den  Hexactinien  zu.  Sie  um- 
stehen die  Mundfläche  des  Körpers  oder  sind  auf  ihr  zerstreut,  zu- 
weilen auch  auf  lappenförmigen  Fortsätzen  derselben  angebracht. 


100  Ctilenteraten  (Zoophylen). 

Bei  den  Gtenop hören  sind  ausser  hin  und  wieder  vorhandenen 
unansehnlichen  Fortsittzen  am  Rande  der  Mundöffnung  in  einzelnen 
Familien  (Calymniden,  Galiianiriden}  grosse  in  der  Nähe  des  Mundes 
sich  erhebende  lappenförmige  Ausbreitungen  des  Körpers  vorhanden, 
dhß  man  mit  den  Tentakelbildungen  zusammenstellen  kann,  obschon  sie 
diesen  morphologisch  fremde  Gebilde  sind.  Ausser  diesen  bestehen  in 
einigen  Gattungen  (Gydippiden)  den  Randfäden  der  Medusen  ahnliche, 
den  Polen  einer  interradialen  Queraxe  des  Körpers  entsprechende  »Senk- 
faden«, die  zuweilen  mit  secundären  Anhangen  besetzt  sind. 


Integument. 
§  76. 

Das  Integument  der  Gölenteraten  bietet  die  primitivsten  Verhält- 
nisse bei  den  Spongien,  indem  es  aus  dem  nur  wenig  differenzirten 
Ectoderm  sich  zusammensetzt,  welches  den  mannichfaltigen  Umgestal- 
tungen des  den  Ernährungsapparat  begrenzenden  Entoderms  folgt.  Die 
durch  letzteres  Verhältniss  sich  ergebenden  Eigen thUmlichkeiten  sind 
weiter  unten  (§  83]  beilicksichtigt. 

Die  Zellen  des  Ectoderms  erhalten  sich  seltener  selbstständig,  son— 
dem  stellen  in  der  Regel  Syncylien  dar ,  die  im  Wechselspiel  der  Be- 
wegung bedeutende  Formveränderungen  der  Körperoberfläche  bedingen. 

Unter  den  Acalephen  geht  das  Ectoderm  sehr  frühzeitige  Dif- 
ferenzirungen  ein,  so  dass  die  ziemlich  allgemein  verbreitet«  äusserste 
Zeilenschicht,  Epidermis,  in  den  meisten  Fällen  nur  einen  Theil  der 
primitiven  Ectodermschicht  vorstellt.  Die  bei  den  Schwämmen  nur  auf 
frühere  Entwickelungsstadien  beschränkte  Wimperbekleidung  des 
Körpers  erhält  sich  bei  den  Acalephen  nicht  blos  während  der  soge- 
nannten Larvenstadien,  wo  sie  der  I.ocomotion  vorsteht,  sondern  geht 
auch  vielfach  auf  spätere  Formzustände  über,  wobei  sie  meist  auf  ein- 
zelne Theile,  z.  B.  die  Tentakel bildungen  beschränkt  wird. 

Mit  der  Volumsvergrösserung  des  Körpers  wird  die  Bedeutung  der 
Gilien  für  die  Locomotion  aufgegeben.  Nur  in  einer  einzigen  Glasse,bei  den 
Ctenophoren,  erhält  sich  diese  Beziehung  unter  Zunahme  des  Vo- 
lums der  Gilien.  Statt  der  allgemeinen  Bewimperung  der  Larve  bilden 
sich  den  Körper  in  Längsreihen  besetzende  Gilien ,  welche  durch  Aus- 
wachsen in  die  Länge  und  Breite  in  bewegliche  Schwimm-  oder 
Ruderplättchen  sich  umgestalten.  Die  Plättchen  sind  mit  der  brei- 
teren Basis  dem  Körper  verbunden  und  nur  an  dieser  Stelle  äussert 
sich  die  vom  Willenseinfiusse  des  Thieres  abhängige  Gontractilität,  wäh- 
rend der  übrige  grössere  Theil  der  Plättchen  rigid  erscheint.  Meist  sind 
acht  Reihen  solcher  Plättchen  vorhanden,  die  als  Ruderorgane  thUtig 
sind.  Bei  manchen  treten  nur  4  Reihen  derselben  auf,  und  auf  diese 
Zahl    beschränken    sich    die    Reihen    bei   Cestum.     Als   eigonthttmliche 


IiUegumeDt. 


101 


Modificationcn  der  Epilhelelementc  sind  die  bei   allen  Acalephen   ver- 
breiteten,   wenn   auch   nicht  ausschliesslich   auf  diese  Abtheilung   be- 
schränkten Nesselkapseln  anzusehen,  feste  in  Zellen  ent- 
stehende   Kapseln    (Fig.    $4.    B) ,    welche  in   ihrem  Innern      Fig.  24. 
einen  elastischen,  spiralig  zusammengerollten  Faden  enthal- 
ten (.4) ,    der  meist   bei    Berührung  der  Kapsel   als  starres 
Gebilde  nach   aussen  hervortritt.     Diese  Nesselkapseln   fin- 
den sich   bald   einzeln  bald    in   Gruppen,    und  zeigen   zu- 
weilen eine  sehr  regelmässige  Anordnung.     Oft  geht  diese 
zu  ausserordentlich  complicirten  Einrichtungen  über,  wie  z. 
B.  an  den  Nesselknöpfen  der  Siphonophoren,  bei  denen  die 
Ncsselzellen  häufig  in  spiralige  Bänder  angeordnet  sind.    Auf 
der  Oberfläche  entstanden,  erhalten  diese  oNesselbatterieen« 
bei  vielen  eine  besondere  Umhüllung,    indem  sie  von  einer 
hitegumentramelle  umschlossen  werden. 

Obschon  diese  Zellen  über  die  ganze  Oberfläche  des 
Körpers  verbreitet  vorkommen,  und  auch  im  Entoderm  und 
dessen  Producten  nicht  fehlen,  so  sind  doch  manche  Körper- 
theile  ihr  vorzüglicher  Sitz.  Das  sind  vor  Allem  die  Tbn- 
takelgebilde ,  oder  andere  Vorsprünge  des  Körpers.  Die 
Foroien  der  Nesselkapseln  sowie  der  feinere  Bau  des  Fa- 
dens bieten  bedeutende  Verschieden  heilen,  und  ergeben  für 
die  einzelnen  Abtheilungen  charakteristische  Befunde. 

Die  Epithelschichte  besitzt  auch  eine  secretorische 
Thätigkeit,  durch  welche  mehr  oder  minder  den  Körper 
umschliessendo  Gehäuse  geliefert  werden.  Sie  finden  sich 
unter  den  Hydro'idpolypen  verbreitet,  aus  einer  festen,  dem 
Chitin  nahestehenden  Substanz  gebildet,  häufig  mit  mannichfaltigen 
Sculpturen,  Leisten,  Stacheln,  Wülsten  etc.  versehen.  Besonders  bei 
den  in  Colonieen  vereinigten  HydroYdpolypen  finden  sich  solche  röhren- 
förmige Gehäuse,  die  bald  nur  auf  den  festsitzenden  Theil  des  ge- 
meinsamen Stockes  beschränkt  sind  (Hydractinia) ,  bald  sich  über  die 
Verzweigungen  des  Stockes  fortsetzen  (Tubularia  ,  Eudendrium ,  Pen- 
naria)  bald  auch  den  einzelnen  Personen  zugetheilt  sind  (Gampanu- 
laria,  Sertularia).  Dadurch  vermag  der  weiche  Polypenstock  sich  weiter 
emporzuheben,  es  werden  Stützorgane  gebildet,  die  je  nach  ihrer  Aus- 
dehnung verschiedengradigen  Werth  besitzen  und  auch  bei  der  Be- 
festigung des  Stockes  von  Belang  sind. 


Fig.  24.  Verschiedene  Formen  von  Nessclzellen.  A  Nesselzellen  von  Coryn- 
actis,  1.  mit  dem  spiralig  aufgerolllen  Faden,  2.  mit  ausgestrecktem  Faden.  BC 
Nesselzellen  von  Siphonophoren  mit  ausgestrecktem,  theilweise  mit  Häkchen  be- 
setztem Faden.  D  Nesselzcllcn  von  Medusen;  Faden  noch  eingerollt,  bei  einer 
noch  nicht  differenzirt. 


Cölen lernten  (2oopli)teii]. 


§". 


Ausser  den  in  den  vorhinerwilhnten  Gchüusehil düngen  gegebenen 
SlUlzoi^anen  kommen  den  Cflicnleritten  noch  vielfache  andere  Skelet- 
bildungen  zu,  die  glcicbfails  als  Dilferenzirungcn  des  Ecloderms  sich 
darstellen. 

Unter  den  Scbwümmon,  von  denen  ein  Theil  [llalisarcina) 
festerer  Bildungen  entbehrt,  entstehen  StUtzgebildc  im  Eetoderm  ent- 
weder in  Gestalt  fesUr  Nadeln  (Spicula]  oder  weicherer  Fasern.  Hie 
erstcren  sind  entweder  aus  Kalk  oder  Kieselerde  gebildet,  wonach  Kalk- 
und  Kicsclschwitmme  unterschieden  werden,  iiinfacher  verhalten  sich 
die  Spicula  der  KalkschwJimme,  indem  sie  hier  nur  als  &li<bnadcln, 
drei-  oder   vierstrahügu    Nadeln    vorkonmien,    die   in   der   Vertheilung 


Kig.  IB. 


und  Anordnung  im  Kürper  bei  zahlreichen  Modihcalioncn  des  Einzel- 
verhaltens eine  grosse  Regclmüssigkeit  darbieten.  Die  vorstehende  Figur 
gibt  eine  Darstellung  des  Verhaltens  der  im  Ectodcrm  gelagerten  Spicula 
bei  einem  Kalkschwamm.  Die  aus  Kieselerde  bestehenden  Hartgebtidc 
bieten  eine  viel  bedeutendere  Mannichfalligkeit  der  Form,  und  ausser 
den  in  zahlreichen  Combinationen  bis  zu  viel  strahl  igen  Sternen  verbun- 
denen Nadeigebilden  kommen  noch  manniehfaltige  andere  feste  Thcilc, 

Kig.  iS.  Ein  Slück  ifcr  Körperobe mache  oines  Kalkschwammes  (Sywltis  per- 
rorola)  zur  Darstellung  der  im  Ecloderm  iiegenilen  drcislrahligen  Spiculn.  o  Der- 
mnl-Oslien,  jeJes  von  einem  Spiculokranze  umgeben.   {Nach  Hxckel.I 


^    Skelet.  \  03 

X.  B.  Doppelscheiben  (Amphidisken)  vor.  Die  oft  sehr  lang  gestreckten 
kieselnadeln  setzen  zuweilen  ausserordentlich  zierliche  Gerüste  (Eu- 
plectelta)  zusammen,  oder  sie  bilden  niilchtige  weil  über  den  Körper 
hinausragende  Bttscbcl  fadenförmiger  Gebilde  (Uyalonema).  Bei  den 
ilomschwämmen  endlich  wird  das  Gerüste  des  Leibes  durch  netzförmig 
verbundene  Fasern  gebildet,  die  aus  einer  dorn  Chitin  verwandten 
Substanz  bestehen. 

Die  Ablagerung  anorganischer  Substanzen  im  Ectodmni  und  seinen 
Üerivalen  führt   auch   bei  den  Acalephen   zu  zahlreichen  Skelelbil- 
dungen.    Bei  den  Anthozoän  bieten  sie 
voruehmlich  die  zu  Stöcken  vereinigten  ^^K-  **• 

Fofiiien  dar,  und  zwar  sind  es  feist 
ausschliesslich  Kalksalze,  welche  die 
Uar^ebilde  zusammensetzen.  Die  Bil- 
dung der  letzteren  erfolgt  entwediM*  in 
liestimmt  geformten  -  (Fig.  2(i\ ,  durch 
die  Wcichlheile  des  Körpers  zerstreuten 

Üepositionen  (Fig.  33),  od(*r  es  entstehen  zusammenhiingende  Massen,  die 
wieder  je  nach  der  Art  ihrer  Bildung  mehrfach  verschiedene  Zustünde 
darstellen.  Die  Kalkkörper  Spicuhi)  Ligcm  inmier  in  dem  bindegewebigen 
Theiledes  Parenchyms,  und  sind  von  mannichfaltiger  (iestaltung.  Sie  l)e- 
sitzen  eine  organische  Grundlage,  die  nach  Entfernung  des  Kalkes  die 
Fonn  der  Spicula  wiedergibt.  Die  zusammenhMngenden  Skeletbildungen 
kommen  entweder  durch  Vereinigung  von  Spiculis  zu  Stande,  wol)ei 
eine  erhärtende  organische  Substanz  die  Verbindung  besorgt,  z.  B.  M 
Corallium,  oder  sie  entstehen  durch  unmittelbare  Verkalkung  einer  in  der 
Axe  des  Cönenchyms  liegenden  abgesonderten  Ilornsubstanz,  ohne  dass 
Spicula  vorhanden  wären.  Ist  die  organische  Substanz  vorwiegend,  so 
bilden  sich  hornartige  Axcnskelete,  wie  bei  den  (iorgoniden  ynd  Anti- 
[Kithiden.  Diese  Axenskolete  l>eschränken  sich  bald  nur  auf  den  Stamm 
der  Golonie,  wie  bei  den  IVnnatuliden,  wo  sie  im  Schafte  des  Stockes 
liegen,  oder  sie  dehnen  sich  über  alle  Verästelungen  des  Stockes  aus. 
—  An  die  Axenskelete  schliesst  sich  eine  andere  Form  an,  die  durch 
allmähliche  Verkalkung  des  Körperparenchyms  entsteht,  ohne  dass  die 
.Abscheidung  einer  organischen  Grundlage,  die  einen  Träger  der  Ver- 
kalkung abgibt,  dabei  besonders  beiheiligt  %\äre.  Solche  Skelete  bil- 
den die  Kalkgerüste  dcrFungien,  Aslräen,  Madreporcn,  wie  die  der  Tubi- 
poren.  In  der  ganzen  Erscheinung  dieser  Gerüstbildung  kann  eine 
Fortsetzung  und  Ausbildung  der  bei  den  Schwämmen  getroncnen  Ske- 
lete erkannt  werden. 

Fig.  t((.     KalliApiculn  von  Alcyonium. 


C6lentaratan  (Zoopliytunj 


§  78. 

Eine  andere  Art  vod  Stutzorganen  kommt  durch  Cuticularbildungen 
oder  durch  DilTercnzirungen  resistonlorerBitidcsuhsUinzrn  im  Innrrn  des 
Körpers  tu  Stünde.  Dem  einfachsten  Befund  hiclon  hier  wieder  die 
Hydroidpolypen,  bei  denen  zwischen  Kcloderm  und  Enloderm  eine 
homogene  Lamelle  vorkommt,  die  als  StUlzlamelle  für  die  ihr  angelagerten 
weicheren  Gewebe  fungirt.  Wahrend  dieses  Gebilde  in  seiner  Bedeu- 
tung als  Stutzei^an  bei  einem  Theilo  der  Ilydrolden  durch  die  Bil- 
dung äusserer  Gehiluse  beschränkt  wird,  iindct  sich  im  Anschlüsse 
hiervon  bei  den  Tubularicn  eine  mächtige  Schichte  von  SlUlzgewobc 
in  der  dem  freien ,  kttpfchenfönnigcn  Thetlc  des  Thiercs  zugehörigen 
Körporwand.  Hierin  erscheint  eine  Vorbildung  der  bei  den  Medusen  zu 
höherer  Bnlfallung  kommenden  Einrichtung  der  sogenannten  Gal- 
lertschcibe,  die  bei  manchen  derselben  [Medusen  von  Clavatella, 
dann  Eleutheria)  jioch  eine  geringe  Ausbildung  zeigt. 

Die  Gallertscheibe  ist  bei 
Flg.  S7,  den  Hydromcduscn  bald  völ- 

lig homogen  bald  von  fei- 
nen Fasern  durchsetzt,  welche 
vom  Ectodenn  zum  Enlo- 
derm  sich  fortsetzen.  Sie 
bildet  eine  die  Körjwrform 
bedingende ,  der  aboralen 
Flache  des  Kör |iers  angehUrige 
Scheibe  (Fig.  27.  /},  die  bis 
zur  Glockcnform  modificirl 
sein  kann,  letzteres  dadurch, 
dass  ihr  Rand  gegen  die  orale  Flüche  sich  umbiegt.  Der  oralen  Fläche 
der  Scheibe  lagern  die  aus  dem  Kntoderm  gesonderten  Organe,  also  vor- 
züglich das  Gastralsyslem  aus.  Nach  dieser  Seile  ist  die  Gallertscheihc 
der  Gcn'onien  in  einen  Stiel  ausgezogen,  der  den  Magen  trögt.  (Vci^jt. 
Fig.  35.'  p.) 

Wiewohl  der  Gallcrtschirm  der  Discophorcn  Susserlich  mit  jenem 
der  Hydromedusen  übereinstimmt ,  so  ist  er  doch  durch  nicht  unwich- 
tige Verhtlltnisse  davon  unterschieden.  Denn  seine  Substanz  un>- 
schKesst  als  gallertiges  Bindegewebe  mann  ich  faltige  Forme  leme  nie, 
und    setzt    sich  oralwilrla  auf   den   si^enannten   Magenstiel   fort,    da- 


Fig.  17.  Sclicma  oini^s  Vcrticalschnittca  durch  eine  erwachsene  Cunina  rho- 
dodaclyln,  rechts  durch  oinc  radiale,  links  durch  eine  inlerradiale  Verticaietwoe  ge- 
führt, b  Randhltisvhcn.  c  Riii|icanal.  g  Zi'ugungHslofTe.  A  HanIcKpange.  k  Magen. 
I  Gallerticlielbc.    r  Radiallasche,    tt  Tcnlakel.   Iw  Tcntakelwurzel.    c  Volum.   (Nach 


E.   H«c 


L.) 


Ilu9kels\stcin.  405 

darch  dass  grossere  Strecken   des  Gastrovascularsystems  davon  um* 
schlössen  werden. 

Untergeordnetere  Einrichtungen  stellen  die  Stützgebilde  der  Ten- 
takel vieler  Hydromedusen  dar.  Sowohl  bei  Hydriformen  wie  liei 
Medusen  ^Tracbynemiden ,  Aeginiden]  wird  die  Axe  der  Tentakel  von 
einer  Zellenreibe  gebildet,  deren  Elemente  ähnlich  den  Knorpeizelleu 
durch  eine  mehr  oder  minder  mächtige  homogene  Membranschichli^  ab- 
gekapselt erschienen.  Die  Zellenrcihen  bieten  dadurch  eine  gewisse 
Rigidität.  Ein  ähnlich  zusammengesetzter  Ring  (Ringknor|>el)  finden 
sich  am  Scheibenrande  mancher  Medusen  (z.  B.  Geryoniden). 


MuBkelBysteui« 
§  79. 

Unter  den  Spongien  ist  die  Existenz  auf  Muskeln  beziehbarer 
Fomieleuiente  nicht  mit  Sicherheit  erwiesen  ,  ja  bei  den  genauer  ge- 
kannten Kalkschwümmen  fehlen  sie  sogar  mit  Bestimmtheit,  und  alle 
ßcwegungserscheinungen  des  Thierleibes  leistet  das  Protoplasma  des 
Ecto-  und  Entoderms. 

Die  erste  Sonderung  einer  Muskelschichte  ist  bei  den  Hydrome- 
dusen 'llydriformesj  erwiesen,  wo  die  Zellen  des  Ectoderms  con- 
iractile,  bandartige  AuslUufer  besitzen,  die  unterhalb  jener  Zellenschichte 
ein  zusammenhilngendes  Stratum  bilden.  (Vergl.  §.  33).  Diese 
auch  auf  die  Tentakel  sich  fortsetzende  Schichte  empfängt  in  einzel- 
nen Theilen  z.  B.  am  Stamme  der  Siphonopborenslöcke ,  eine  nUich- 
tigere  Ausbildung.  Bei  den  Medusen  ist  sie  auf  die  den  Gastro vascular- 
apparat  tragende  Fläche  der  Scheibe  beschränkt,  wo  sie  die  »Suburobrella« 
vorstellt.  Vom  Rande  der  Glocke  oder  der  Scheibe  geht  sie  auf  einen  ver- 
schieden breiten  membranösen  Fortsatz  über,  das  Velum,  das  wesent- 
lieh  aus  Musketfasern  besteht,  und  ebenso  erstreckt  sie  sich  auf  die 
Tentakelbildungen.  Gomplicirter  ist  die  Muskulatur  bei  den  Disco- 
phoren,  von  denen  Manche  auch  mit  einem  Velum  versehen  sind 
(Aurelia).  Bei  allen  Medusen  bieten  die  Pormelemente  der  Muskulatur 
eine  feine  Querstroifung  dar,  die  den  gleichen  Theilen  der  Hydri- 
formen abgeht. 

Unter  den  Ctenophoren  sind  sowohl- oberflächliche,  den  wimper- 
tragenden i»Rippen«  folgende  MuskelzUge  beobachtet,  wie  auch  im  Innern 
des  gallertigen  Körpergewebes  Muskelfasern  vorkommen  sollen. 

Am  reichlichsten  erscheint  die  Muskulatur  bei  den  Anthozoc^n 
entwickelt.  So  wird  bei  den  Actinien  die  festsitzende  Sohle  des  Körpers 
vorwiegend  von  Muskeln  gebildet  und  am  übrigen  Körper  sind  Ring- 
und  Längsfaserschichten  unterscheidhar,  die  auch  auf  den  Tentakelappa- 
rat sich  fortsetzen.     Bei  den  stockbildenden  Anthozoön   scheinen  die 


4  06  Colenteralen   (Zoophylen). 

Körper  der  Einzeltbiere  gleichfalls  Ring-  und  Längsmuskeln  zu  besitzen, 
und  auch  das  weiche  Cönenchym  wird  contractu,  indem  die  dasselbe 
durchziehenden  Canainetze  des  Gastrovascularsystems  von  Muskelfasern 
begleitet  sind. 


Nervensystem. 
§  80. 

Durch  den  Mangel  aller  auf  besondere  Organe  der  Knipfindung 
beziehbaren  Einrichtungen  stellen  sich  die  Spongien  auf  die  niederste 
Stufe  thierischer  Differenzirung.  Fast  unmittelbar  reihen  sich  daran 
die  Acalephen ,  deren  niedere  Formen  gleichfalls  jene  Organe  noch 
nicht  gesondert  zeigen.  So  erscheint  bei  den  llydroidpolypen  die  Zel- 
lenschichte des  Ectoderms  noch  als  indifferentes  Empfindungsorgan. 
Auf  dasselbe  einwirkende  Reize  lösen  Rewegungen  der  mit  jenen  Zellen 
zusammenhlingen  Fasern  der  Muskelschichle  aus  (§  33),  und  erst  1km  den 
Medusiformen  sind  gesonderte  als  Nervensystem  zu  deutende  Thcile 
erkennbar.  Sie  liegen  an  dem  zugleich  die  Sinnesorgane  traiienden 
am  meisten  nach  aussen  entfalteten  perioralen  Körpertheile.  Das  Ner- 
vensystem der  Medusen  bildet  nämlich  einen  längs  des  Scheiben- 
randes verlaufenden  Ring ,  der  aus  einem  faserigen  (iewel>e  gebildet, 
in  regelmässigen  Abstiinden  ganglionäre  Anschwellungen  mit  zelligen 
Elementen  zeigt.  Die  Ganglien  entsprechen  in  ihrer  Lage  den  als 
Sinnesorgane  zu  deutenden  Bandkörpern  und  senden  Fädchen  ah, 
welche  theils  zu  den  Tentakeln  verlaufen,  theils  die  Radiärcanäle  Iwi- 
gleitcn.  Dieser  durch  die  Untersuchungen  llXcKeL^s  bei  Geryoniden  am 
genauesten  bekannt  gewordene  Nervenring  findet  seine  Stutze  am  Ring- 
knorpel und  liegt  z>\ischen  diesem  und  dem  Ringcanale  des  Scheibeu- 
randes.  Die  Anschwellungen  des  Nervenringes  stellen  centrale  Organe 
vor,  welche  durch  die  faserigen  Abschnitte  untereinander  verbunden 
sind.  Minder  genau  ist  unsere  Kenntniss  vom  Nervensystem  der  Dis- 
eophoren. 

Auch  das  Nervensystem  der  Ctcnophoren  ist  bis  jetzt  nur  wenig 
sicher  nachgewiesen.  Die  Centren  desselben  sollen  als  mehrere  mit 
einander  verbundene  Ganglien  in  der  Nähe  des  aboralen  Köiiierpoles 
liegen  und  sowohl  zu  den  unter  den  Schwimmplättchenreihen  verlaufen- 
den Radiärcanälen  als  auch  7.um  Magen  Nerven stänunchen  entsenden, 
welche  indess  von  Manchen  in  Abrede  gestellt  sind.  Für  die  übrigen 
Acalephen  sind  keine  hierher  bezuglichen  Organe  auch  nur  mit  einiger 
Sicherheit  bekannt. 


Sinnesorgane.  i  07 

« 

Blnnesorgftiie. 

§  8*. 

Bei  der  Unvollkommcnhoit  unserer  Kenntnisse  vom  Nervensysteme 
der  Cdlenleraten  kann  auch  über  die  als  Sinnesorgane  anzusehenden 
Theile  keineswegs  ein  definitives  LVtheil  abgegeben  werden.  Das  gilt 
sowohl  für  die  Einrichtungen  die  man  als  dem  Tastsinne  vorstehend 
betrachtet,  als  auch  von  den  höheren  Sinnesorganen,  die  man  vorzüg- 
lich als  Ilör-  und  Sehworkzeugc  unterschieden  hat.  Dem  im  Integu- 
menle  vorhandenen  allgemeinen  GefUhlssinne  scheinen  t)esondcre  Fort- 
sei tzbildungen  des  Körpers  zu  dienen,  die  oben  (§  75)  als  Tentakel 
aufgeführt  sind.  Ob  dagegen  eigene  Apparate  Ix'stehen,  muss  für  jetzt 
dahingestellt  bleiben,  wenn  auch  das  Vorkommen  starrer  Borsten  an 
den  Tentakeln,  auf  gesondeile  Tastorganc  schliessen  lilsst. 

DifTerenzirtere ,  zu  Sinneswahrnehmungen  eingerichtete  Organbil- 
dungen ßnden  sich  in  den  sog.  »Randkörpern«  die  bei  den  freileben- 
den Medusen  dem  Rande  des  Schirmes  angefügt  und  in  zweierlei  Zu- 
sUinden  zu  unterscheiden  sind.  Einmal  erscheinen  sie  als  bläschenförmige 
Tiehilde,  und  zweitens  als  Pigmentanhaufungen ,  die  mit  einem  hellen 
iichtbrechenden  KörptT  ausgestaltet  sind,  jenen  Organen  <ihnlich,  die  l>ei 
den  hohem  Thieren  als  Endapparatc^  der  Sehnerv'en  sich  herausstelleu.  Die 
ersleren oder  Randblüschen  sind  entweder  in  die  Substanz  der  Scheibe 
eingebettet  oder  springen  frei  am  Scheil)enrande  vor.  Sic  bes(ehen  aus 
einer  homogenen,  mit  Epithel  ausgekleideten  Kapsel  und  umschliessen 
eine  oder  mehrere  conceiitrisch  geschichtete  Concretionen  oder  kleine 
Kryslalle.  Die  erstiTen  sind  mit  der  Blilschenwand  in  fester  Verbin- 
dung, indem  sie  von  einem  kugeligen  Vorsprunge  der  Wand  um- 
schlossen werden.  Da  sie  nicht  im  freien  Räume  des  Bliischens  liegen, 
so  schwindet  die  Aehnlichkeit  mit  den  Gehörblaschen  anderer  niederer 
Thiere  um  Bedeutendes,  ohne  dass  jedoch  möglich  uilre,  eine  andere 
Deutung  bestimmter  zu  formuliren.  Dass  Sinnesorgane  vorliegen  er- 
hellt nicht  nur  aus  der  Anlagerung  der  Bldschen  auf  dem  Nervenringe, 
sondern  auch  aus  der  engeren  Verbindung  mit  letzterem,  da  von  dem 
unter  jedem  RandbiHschen  gelegenen  Ganglion  ein  doppelter  das  BUis- 
eben  umgreifender  Faserzug  ausgeht,  der  nach  stattgefundener  Ver- 
einigung in  die  das  Concrement  enthaltende  kugelige  Zellenmasse  ein- 
irilt  (Geryoniden] .  Die  Verbreitung  dieser  Randblüschen  findet  sich 
vorzüglich  bei  den  Europiden,  Trachynemiden,  Gerjoniden,  Aeginiden. 
Bei  den  Aeginiden  Cunina)  sind  statt  der  rundlichen  Concrement© 
Krystalle  vorhanden. 

Die  letztere   Form   der   Randbl^schen   bildet  einen  Uebergang   zu 
ähnlichen  Gebilden   der  Discophoren.     Die  Randkörper  erscheinen  hier 
Siels  gestielt   (Fig.  28.  A  B  b)    und  liegen   in   einem  Ausschnitte   oder   . 
einer  nischenförmigen  Vertiefung  des  Scheibcnrandes,    von  Lamellen- 


108 


Cölentoralen  (Zoophyten). 


Fig.  28, 


Vorsprüngen  desselben  schirmnrtig  bedeckt.  Einen  grossen  Theil  des 
Randkörpers  bildet  ein  Hohlraum  (Ampulle)  (d) ,  der  mittelst  eines  in 
den  Stiel  übergehenden  Ganales  (c)  mit  dem  Gastro vascularsysleme  zu- 
sammenbringt. Dieser  Ampulle  angelagert  und  das  freie  Ende  des  Rand- 
körpers einnehmend  findet  sich  ein  mit  Krystallen  gefülltes  BlUscben  (e), 
welches  mit  dem  gleichen  der  Aeginiden  übereinkommt.  Die  bedeu- 
tendste Verschiedenheit  von  letzteren  ist  also  nur  durch  den  Mangel 
der  vom  Gastrovascularapparat  gebildeten  Ampulle  gegeben. 

Organe  anderer  Art  finden  sich 
bei  den  Hydromedusen.  Sie  schei- 
nen in  einem  sich  gegenseitig  aus- 
schliessenden  Yerhciltniss  zu  den  Rand- 
bliischen  zu  stehen,  denn  sie  kom- 
men nur  in  jenen  Familien  (Oceani- 
den)  vor,  welche  der  Bläschen  entbeh- 
ren. Als  erste  Andeutung  erscheinen 
Pigmentflecke  an  der  Tentakelbasis, 
die  zwar  in  der  Regel  der  licht- 
in anderen  Fällen  dagegen  mit  Bil- 
dungen ausgestattet  sind,  die  an  die  KrystallsUibchen  anderer  niederer 
Thiere  erinnern.  Bei  den  Discophoren  combiniren  sich  diese  Occili 
mit  den  bereits  erwähnten  Randkörpem,  sie  zeigen  bald  nur  Pigment, 
bald  solches  als  Umhüllung  eines  stark  lichtbrechenden  Körpers  (Fig. 
28  Bg). 

Auch  bei  den  Gtenophoren  bestehen  eigenlhümliche  Sinnesorgane. 
Vor  allem  gilt  hier  ein  bläS'rhenförmiges ,  dem  aboralen  Pole  des  Kör- 
pers angelagertes  Gebilde,  welches  feste  Concremente  nach  Art  der 
Ololithen  in  den  Gehörbläschen  anderer  niederer  Thiere  enthält.  Die 
funclionelle  Bedeutung  auch  dieses  Oi^ans  ist  jedoch  noch  nicht  sicher 
gestellt,  und  ebenso  unsicher  ist  die  functionelle  Bedeutung  zweier  zur 
Seite  der  Otolilhenplatte  gelagerter  wimpernder  Flächen,  der  Pol- 
felder, die  bei  manchen  von  kurzen  Forlsätzen  umgränzt  sind. 


brechenden   Medien   entbehren , 


Darmcanal. 


§82. 

Mit  der  bei  den  Cölenteralen  zuerst  auftretenden  Sonderung  des  Kör- 
pers in  eine  Ectoderm-  und  Entodern)Schichte  ist  der  niederst^^  Zustand 
der  Ernährungsorgane  gegeben,  indem  das  Entoderm  einen  nach  aussen 


Fig.  28.  Randkörper  von  Discophoren.  A  von  Pelagia  noctiluca.  B  von 
Charybdea  marsupialis.  a  der  freie  Theil  des  Randkörpci^  zwischen  den  Rand- 
ausschnitten  der  Körperscheibe  gelagert.  6  Stiel,  c  Canal  in  demselben,  d  Am- 
pulie.    e  Krystalisackchen.    f  Pigment,     g  Linsenartige  Körper. 


DtnnCBnal.  109 

geOBheten  Rsum,  die  erste  discretc  Bildung  einer  verdauenden  Caviiat 
Magenhohle]  auskleidet.  (Verj^l.  oben  §  2H.)  In  der  Gi>strulaform 
erscheint  dieser  Befund  am  einfuchsten ,  und  geht  von  da  aus  in  den 
beiden  Hauptabi  betlungen  der  Cdlenleralen  inblreiche  Sonderungen  ein. 
Die  UagenhOhle  bleibt  nUmlich  nicht  auf  jenen  einfachen  Raum  be- 
schränkt, sondern  wächst  in  mannicbfallige  Hohlraumbildungen,  Canüle, 
Taschen  etc.  aus,  welcbe  im  Organismus  bald  irregulyr,  bald  in  be- 
slimmter  Anordnung  sich  vertheilen.  In  der  Regel  verknüpft  sich  da- 
mit eine  Arbeitstheüung ,  und  nur  ein  bestimmter  Abschnitt  oder 
mehrere  solche  fungiren  als  verdauende  Caviut,  indess  die  übrigen 
Rilume  mehr  zur  Vertbeilung  des  ernährenden  Fluidums 
[Cbymus)  verwendet  werden.  Damit  ist  aber  die  Function  dieses 
Gastralsy Sterns  nicht  abgeschlossen.  Es  entspricht  ohne  Zweifel  »uch 
den  Zwecken  der  Athmung,  indem  es  mit  der  Nahrung  aufgenommenes 
Wasser  im  Körper  verbreitet,  und  demselben  besonders  bei  den  Spön- 
nen bedeutend  grossere  OberflUclien  darbietet  als  die  Musseren  Kllrper- 
lläcfaen.  Endlich  besitzt  es  wichtige  Beziehungen  zur  Fortpflanzung, 
indem  die  Zeugungsstofic  in  seinen  Wunden  entstehen. 

§  f^- 

Unter  den  Spongien  bleibt  jene  einfachste  Form  auf  frühe  Knt- 
nicfcelungBZustände  beschrankt,  und  meist  treten  bedeutende  Compli- 
cationen  auf.  Die  Enlodermschichte  besteht  aus  deutlichen  Zellen  vnn 
denen  jede  einen  geisscl artigen  Anhang  trügt.  Diese  Wimperzellen 
[GeisselzellenJ  lassen  zw iseben  sich 

temportlre  Ltlcken  entstehen,  wel-  Fig.  19. 

che  sich  in  gleichzeitig  in  der 
Eclodermschichte  auftretende 

Lücken  fortsetzen ,  so  dass  die 
Darmcavität  ausser  durch  die 
MundfilTnung  (Fig.  29  o)  durch 
bald  da  bald  dort  sich  ttfTnendc 
und  wieder  schliessende  Poren 
iiiil  deui  umgebenden  Medium 
in  Verbindung  steht.  Uie  Zahl 
der  somit  eine  dermale  und  eine 
gaslrale  Oeffnnng  besitzenden  Po- 

rencanüle  ist  meist  sehr  gross  und  in  Abbiingigkett  von  der  Zahl  der 
von  den  Schenkeln  der  Spicula  begrenzten  Ittlume  (vei^l.  Fig.  äüo). 
Diese  Befunde  linden  sich  in  den  niedersten  Formen  der  Kalkschwiimme, 
bei  den  Asconen  ausgeprägt  (Olynthusj. 

Fig.  it.  Bin  auR  t  Personen  (Individueo)  Ixsteliender  Asconntocii.  Schema. 
t  Ectoderm.     i   Eiiloderm.     o  MuiidütTnong.     g  DamihOlile.     Nseli  G.   HXctiL. 


110 


Cölenteralen  iZoopliyien]. 


Eine  iweile  Form  entsteht  durch  Bildung  von  Äusbuchlungen 
der  DnrinliJihlß,  die  sich  m  das  cnUprechend  verdickte  Ecloderm  hinein 
forlsitlzon  und  darin  mehr  odor  minder  vcnweiglc  Conille  (Astcin.lle) 
bildün,  von  denen  wieder  feine  gleichfalls  verzweiglo  CaoUle  niti  Der- 
malporen  ausmünden.  In  dem  Mnasse  als  sich  die  Sonderung  der 
Darmhöhle  in  verzweigte  Caniile  ausgeprügt  hal,  Verliert  sie  ihre  Be- 
deutung als  Hagenhöhlc  und 


Fig.  30. 


kieselschwdmm 


zugleich  die  Enlodermaus- 
kleidung,  welche  sich  dann 
auf  die  verzweigten  Ga- 
n.ile  beschränkt.  Die  En- 
todormschicfate  bleibt  aber 
auch  hier  nicht  allgemein, 
sondern  zieht  sich  endlich 
sogar  nur  in  Ausbuchtungen 
jener  Äslcantilc  lurtlck, 
welche  dadurch  die  sogcs- 
nannlen  Wiinperkam- 
mern  vorstellen. 

Die  nebenslohendo  Ab- 
bildung (Fig.  ;)0)  stellt 
letzteren  Zustand  vor,  bei 
dem  das  Entoderm  nur  noch 
die  Wimpcrknmmom  (w] 
auskleidet.  Modiftcntioncn 
dieses  unter  den  Kalk- 
schw  Inmen  heiderGruppe 
der  L  uconen  bestehenden 
Virhiilo  IS  bilden  sich  durch 
Veibmdungen  der  AstcanUle 
wie  dei  Wimperkamnicm 
untcrcininder ,  woraus 
netiforn  ige  Canalsystcme 
llom  d  w    nu  »,  schliessen  sich  diesem 


I   rvorg  I    I 
fyi  US  in 

I  ine  dr  tie  Form  entsteht  durch  Bllui^  dichls lebender,  radial  zur 
Hagenhühlc  gerichteter  C  nlle  welche  m  ihicn  \ ci halten  der  einfcicheo 
Asuinform  ei  Lprcrhen  jcdoc)  n  ist  nu  lu  ch  Deraialporen  nach 
lUbscn  conin  unicircn  Die  prmttvt.  Dirmlohle  \  ilierl  hier  wie  bei 
Ln  leucon  n  nit  ihrer  (  c  sselzelknschicht  (Lntod  rmj  die  nutritive 
Function    WLlclie  duf  die  liad  Jrrührtn  beschr  nkt  wird.  Letztere  bleiben 

Fb    ■ 


i      rostrasi    c 

1      cne" 

Leucon    Dj    jcus 

0  M      1  (Tnun 

B  1>  r 

ni    \  f     pD     nak 

IC  e  dun«  vo 

tctodP 

m  und  En  o  Ipnn   i 

Darmcanal.  111 

selten  frei,  sondern  versdimelxen  raeisi  theilweise  oder  voUsUindig  mit 
ihren  Wandungen  zu  einer  mächtigen,  die  primäre  Darmhöhle  omgo- 
benden  Schichte.  Bei  nur  theiiweisem  Verschmelzen  der  RadiUrröhrrn 
entsieht  aus  den  Zwischenräumen  ein  System  von  CanHlen,  welche 
nar  von  Bcloderm  ausgekleidet  sind.  Realisirt  ist  diese  Form  unter 
den  Kalkschwäromen  bei  den  Syoonen. 

-  UnsähKge,  bis  auf  individuelle  Zustände  herabreichende  Modifica- 
lionen  bieten  sich  innerhalb  der  einzelnen  Formen  dar,  weiche  erst 
durch  HAgksl's  Monographie  in  naturgemässen  Zusammenhang  gebracht 
wurden.  Die  primäre  Darmhöhle  erleidet  Aenderungcn  durch  Aus- 
buchtungen sowie  durch  Entstehung  von  Septis  oder  Trabekeln  von 
Seite  des  Ectoderms,  und  kann  ebenso  mit  der  Entfaltung  des  von 
ihr  ausgehenden  Canalsystems  sich  völlig  rtickßilden,  welche  Erschei- 
nung (Lipogastrie)  bei  Hom-  und  Kieselspongien  nicht  selten  ist. 
Eine  gleiche  Rückbildung  kann  auch  die  Mundöffnung  eingehen  (Lipo- 
slomie)  ohne  dass  die  Magenhöhle  sich  daran  betheiligt;  die  Dermal«- 
poren  übernehmen  dann  die  Function  einführender  (lanäle,  mier  es 
bestehen  an  der  Stelle  der  Mundöft'nung  zahlreiche  kleine  Lücken,  wie 
t>ei  Euplectella. 

In  hohem  Grade  wird  die  Gestaltung  des  Gastralsystems  durch 
die  Stockbildung  beeinflusst,  welche  theils  durch  Concrescenz  freier 
Personen ,  theils  durch  Sprossung  auftritt.  Die  Verbindung  ruft  dann 
je  nach  dem  Grade  ihrer  Ausbildung  entweder  eine  blosse  Communi- 
cation  der  für  die  einzelnen  Personen  selbsUlndig  bleib«»nden  Mapen- 
böhlen  hervor  (Fig.  29),  oder  führt  zu  einer  völligen  Verschmelzung  jener 
Cavitäten,  wobei  auch  die  Mundöffhungen  Reductionen  erleiden  oder 
sogar  auf  eine  einzige  sich  rückbiklen,  die  gleichfalls  schwinden  kann. 

Aus  der  Stockbildung  entspringt  femer  ein  besonderes,  durch  die 
zwischen  den  nicht  verbundenen  Stellen  der  Personen,  oder  den  ana- 
stomosirenden  Aesten  des  Körpers  bestehenbleibenden  Lücken  gebildetes 
System  von  Hohlräumen  (Intercanalsystem),  welches  wie  jenes  oben  für 
die  Syconen  erwähnte  nur  vom  Ectoderm  begrenzt  wird ,  und  dadurch 
sich  vom  Gastralsystem  wesentlich  unterscheidet.  Er  zeichnet  sich 
durch  bedeutende  Unregelmässigkeiten  seiner  Anordnung  aus,  und  bildet 
auch  weitere  Räume,  die  sogar  eine  Magenhöhle  mit  Mundöffnung  vor- 
täuschen. 

Aus  allen  diesen  Einrichtungen  ergibt  sich  für  die  Spongien  mit 
dem  Wandel  der  Formen  auch  ein  bedeutsamer  Wechsel  der 
Functionen  der  einzelnen  Theile.  Die  physiologische  Leistung  der 
verdauenden  Cavität  vertheilt  sich  nicht  nur  auf  die  von  letzterer  aus 
entstandenen  secundären  Nebencanäle,  sondern  tritt  auch  auf  diese 
gianz  über,  oder  beschränkt  sich  sogar  nur  auf  ejpzelne  Strecken  der- 
selben, wobei  dann  die  ersleren  functionell  auf  eine  tiefere  Stufe  her- 


H2  Cölenteraten  (Zoopbyten). 

absinken.  Auf  der  anderen  Seite  kommt  mit  dieser  Aendening  den 
ursprünglich  untergeordneten  Abschnitten  des  Canalsyst^ms  eine  Haupt- 
rolle zu,  und  selbst  die  primitiven  Oberflachen  des  Spongienleibes  ge- 
langen ,  zur  Begrenzung  des  Intercanalsystems  verwendet ,  zu  einer 
höheren  Bedeutung.  Alles  lehrt  deutlich,  wie  die  Organisation  der 
Spongien  nicht  nur  im  grössten  Flusse  sich  befindet,  sondern  auch  wie 
zu  ihrem  Verstündniss  die  schärfste  Sonderung  des  physiologischen  und 
morphologischen  Werthes  der  Organe  unerlUssHch  noth wendig  ist. 

In  der  ersten  Anlage  kommt  die  Bildung  der  Darmhöhle  der  A  c  a  - 
lephen  mit  jener  der  Spongien  überein,  aber  im  ausgebildeten  Zu- 
stande ergeben  sich  besonders  durch  die  grössere  Regelmässigkoit  der 
Anordnung  des  aus  einem  einfachen  Hohlräume  diflercnzirten  Apparates 
für  die  Acalephen  bedeutende  Eigen thUmlichkeiten.  Die  meist  durch 
Ausbildung  accessorischer  Theile  in  ihrer  Umgebung  ausgedehnte  Mund- 
Öffnung  fuhrt  in  die  verdauende  Cavität,  und  dient  auch  als  Aus^'urfs- 
öffnung  der  unverdauten  Stoffe.  Der  Hauptraum  bleibt  nur  selten  für 
sich  ,  sondern  wächst  in  Nebenräume  aus ,  die  als  Taschen  oder  Ca- 
näle  sich  verhalten,  und  in  der  Regel  auch  eine  functionelle  Differen- 
zirung  ausdrücken,  indem  die  in  ihnen  enthaltene  Chymus-Flüssigkeit 
durch  sie  im  Körper  der  Person  wie  auch  des  Stockes  zur  Vertheilung 
gelangt.  Diese  »Nebenräume«  der  verdauenden  Gavität,  mit  letzterer 
zusammen  wieder  ein  Gistralsystem  oder  ein  »Gastrovascular- 
System«  bildend,  versehen  damit  die  Function  eines  circulatorischen 
Apparates,  ohne  dass  sie  morphologisch  etwas  anderes  sind  als  Dif- 
ferenzirangen einer  primitiven  Darmhöhle.  In  ihnen  das  anatomische 
Aequivalent  einer  Leibeshöhle  zu  sehen,  beruht  auf  einem  gänzlichen 
Verkennen  des  thatsächlichen  Befundes. 

§  86. 

Die  einfachste  Form  des  Gastrovascularsyslems  findet  sich  bei  den 
HydroYden.  Bei  Hydra  stellt  es  einen  die  Längs<ixe  des  Körpers 
durchziehenden  Raum  vor,  der  mit  einer  Mundöffnung  in  Mitte  des 
Tentakelkranzes  beginnt,  und  von  dem  darauffolgenden  sehr  erweite- 
rungsfähigen Abschnitte,  dem  Magen,  verengert  in  den  dünneren  Körper— 
Iheil  sich  fortsetzt.  Auch  in  die  Tentakel  erstreckt  sich  jener  Raum. 
Bei  den  coloniebildenden  HydroTdpolypen  verläuft  der  vorn  Magen  aus- 
gehende Canal  durch  den  ganzen  Stock,  und  lässt  das  Gnstrovascular- 
system  allen  Personen  gemeinsam  erscheinen.  An  den  Stöcken  der 
Siphonophoren  sind  nur  einzelne  Personen  zur  Aufnahme  von 
Nahrung  eingerichtet.  Sie  entsprechen  in  ihrem  Baue  den  Magenröhren 
von  Medusen,  und  stellen  sehr  erweiterungsfähige  Schläuche    vor,    die 


DsnncaiisK  f  1 3 

in  ihrem  Grunde  mit  dem  gemcinschaftnchen  Hohlraumsystem  des 
Stockes  xusaroroenhängen.  Wir  haben  uns  also  hier  vorzustellen,  dass 
diese  Kategorie  von  Individuen  die  dem  Medusenktfrper  zukommenden 
EinricbUiDgen  bis  auf  den  Magen  verloren  hat  (vergl.  §  7f).  ZRhIreiehe 
Yerscbiedenbeiten  bietet  das  Gastralsyslem  der  Medusen  (sowohl  der 
Hydrooiedusen  wie  der  Discophoren) .  Es  nimmt  stets  die  Concavität 
der  Gallertscheibe  ein,  und  besteht  aus  einem  in  Mitte  dieser  Fläche 
befindlichen  Magen  und  den  davon  ausgehenden  Hohlräumen.  Der 
erstere  liegt  entweder  unmittelbar  an  jener  Fläche,  oder  er  sitzt  auf 
eiaeiD  besonderen  von  doit  vorspringenden  oft 
beträchtlichen  Stiele.     Dieses  freie  Vorragen  eines  ^^^'  ^^' 

sonst  im  Innern   des   Körpers  geborgenen  Organs 
erklärt   sich   aus  der  Differenzirung    des    Magens 
der  Hydromedusen   aus   dem    vordersten   Körper* 
tbeile  der  HydroYdpolypen,  so  dass  er  einen  gan- 
xea  Leibesatechnitt  repräsentirt.     Die  Mundöffnung 
ist  meist  von  tentakelartigen  Gebilden  oder  zipfel- 
förmigen  Verlängerungen  der  Magenwand  umfasst, 
seltener  fuhrt  sie  zunächst  in  einen  Oesophagus- 
artigen    engeren    Abschnitt.       Bei     den     meisten 
Hydromedusen    ist    der    Magen    von    dem    hinter 
ihm  liegenden  Baume  durch  einen  in  seinem  Grunde 
vorspringenden    Wulst   geschieden,    durch   dessen 
Contraction  der  Magenraum  von  dem  tlbrigcn  Gastrovascularsystem  ab- 
geschlossen werden  kann.     In  der  Gestalt  und  Ausdehnung  des  Magens 
besteht   grosse   Verschiedenheit.     Weit    über    den  Band    des    glocken- 
förmigen Schirmes    vorragend    erscheint    er   bei  den   Sarsiaden.     Vom 
Grunde  des  Magens  oder  von  dem  hinter  diesem  liegenden  Baume  ent- 
springen  die  in    der  Subumbrella   sich    verbreitenden  Hohlräume  ent- 
weder als  engere  Canäle  oder  als  weite  taschenförmige  Ausbuchtungen. 
Die  engeren  Canäle  treten    in   radiärem  Verlaufe  's.  Fig.  31.   39)   zum 
Schimirande,  entweder  einfach  oder  unter  regelmässigen  Bamilir^itionen, 
und  münden  dort  in  einen  Bingcanal ,    der   bei    nianchon   auch   in  die 
Randtentakel  Fortsätze  abschickt.    Auf  ihrem  Wege   zum  Bande  können 
die  Radiärcanäie  Ausbuchlungen  darbieten ,    die    mit  dem  Geschlechts- 
apparate in  functiöneller  Verbindung  stehen   (s.   §  9r.     Bei  den  Aegi- 
niden  wie  bei  den  Discophoren  geht  die  Magenhöhle  unmittelbar  in  die 
radiären  Erweiterungen  über,    welch'  letztere  von  einfacheren   (janälen 
»ch  ableiten.     Zuweilen   wechseln   sogar   engere  Canäle    mit   weiteren 
Rüumen  ab.     Die  Canäle  sind  verästelt  (Flg.  3?.  gv,  oder  bilden,  wie 
hei  den  Rhisostomiden,  ein  peripherisches  Netzwerk.     Wie  die  Gallert- 
substani  des  Sphirmes    bei  den  Discophoren  auch  auf  die  Magenwand 

Fig.  Sl.  EineThnnmantioAil  von  der  Unterfltfche,  B  nuf  dem  DorchüchniUe 
Sesehen.  In  der  Mitte  des  Körpers  heflndet  sich  der  Ma^en,  von  dem  die  Radttfr- 
tanaltt  zum  Ringen  na  U*  ausstrahlt*»-. 

Ocg«aW«r,  0r«fl4ritB.  K 


Il( 


Cölentcralen  iZoophylen) . 


Fig    8» 


sich  foi'Uetzt,  ist  der  Uagen  vom  übrigen  Gastrovascularsystem  nicht 
sehr  schürf  geschieden.  Seine  Wandung  setzt  sieb  immer  in  armartige, 
in  der  ßegel  in  gefaltete  Membranen  »uslaufende  Anhänge  fort  fHund- 
arme),  welche  die  Uundöffnung  zwischen  sich  fassen.  Theilungen  dieser 
Mundarme  bedingen  fernere  Hodifi- 
calionen  die  bis  zu  reich  \enweiglen 
Anhangsgebilden  fuhren  Dieser  Ge- 
staltung entsprechend  leiten  dann  zahl- 
reiche allmählich  sich  vereinigende 
Binnen  zum  Hunde  bin  Bei  den 
Bhizostomiden  bleibt  der  Hund  nur 
in  einer  frühen  Penode  offen,  und 
verscbliesst  sich  dann  unter  allmSb- 
liebem  \ernachsen  der  ihn  begrenzen- 
den Armeu  an  denen  die  Rinnen  ver- 
zweigte Candle  bilden  die  an  den  En- 
den der  Arm  Verästelungen  mit  vielen 
feinen  Oeffnungen  mUnden.  IPoly- 
stomie  ) 

Bei  den  Lucernanen  sldheo 
die  Formzustande  des  Gastrovascular— 
apparates  denen  der  Hedusen  sehr 
nahe  Ein  von  der  concaven  Flache 
des  Schirmes  vorragendes ,  in  vier 
Ecken  ausgez<^enes  Magenrohr  fuhrt 
in  einen  weilen,  in  vier  radiale  Taschen  fortgesetzten  Baum,  der  in 
vier  in  den  Stiel  eindringende  Canäle  sich  verlängern  kann.  Die 
vier  Taschen  enlsprecbea  erweiterten  RadialcanSlen  der  Hedusen, 
und  sind,  wie  dort,  am  Rande  des  Schirmes  durch  einen  Bingcaoal 
reprSsentirende  OeShungeii  unter  einander  in  Verbindung.  Dieses 
Verballen  ist  bei  anderen  dahin  modificiit,  dass  der  Hagen  sich  röhren- 
förmig in  den  Körper  fortsetzt,  und  an  seinem  bis  in  den  Stiel  ragen- 
den Ende  in  den  Anfang  der  gegen  den  Scheibenrond  erweiterten 
Badialcanäle  ü beigebt. 


§  87. 

ber  Hagen  derAnthozoän  erstreckt  sich  von  der  Mitte  der  ten- 
takeltragendeit  Kürperllache  in  den  Korper,  um  dort  in  einen  Raum 
sich  zu  öffnen ,  von  welchem  aus  Cnnttle  seitlich  am  Hagen  em- 
porlaufen,    um   in   die  Hohlräume   der  Tentakel  Überzugehen.     Durch 

Via.  Si.  Aurelia  aurila,  zur  HKlhe  von  der  UnlerspÜe  gesehen,  a  RandkArper, 
1  RendtcnUkel.  b  Mundarme,  v  Magentidhle.  gv  CanMle  des  Gastrovascuiar- 
systenio,  die  Mch  gegen  den  Rand  hin  verxwcigen  und  in  einen  Ringcanal  lusam- 
meiiflicsiien.     chi  Ovarien. 


Darme«  ml. 


tt5 


die  Weit«  dieser  mit  dem  Hagen  (Fig.  33.  v]  zuMmmMihjln^nden  Ca- 
nale  erschflinl  das  Zwischeogeweb«  in  Forai  von  Scheidewänden  («j, 
die  in  radiärer  Anordnunft  von  der  KSrperwand  lur  Wand  des  Magens 
verlaureo.    Die  Canäle  (re- 


Fig.  11- 


teo  dadurch  als  um  dfn 

Magen   gelagerte  Kammern 

{c'i    auf,    die    hinler   dem 

Hagen    in    eiora    gamein - 

Samen     Cenlralraum      (fi) 

lusammenfliessen  u.  durch 

diesen    mit    dent    Hagen- 

gninde  cammuniciren.    Die 

Zahl   dieser    Kammern    ist 

bei   den   Octactinien  acht, 

bei    den    übrigen   Antho- 

Kia   ist    sie   verscfaieden, 

richtet     sich     aber     nach 

demselben     Zafalengeselze, 

welches   auch   in    nnderen 

Organisa  tionsverhaitnissen, 

wie  I.  B.  in  der  Tentakel- 

lahl  sieb  ansspricbt.    Die  Septa  des  Gastrovascularapparates  setzen  sich 

l^wOhDlich  noch  eine  Streclte  weil  hinter  dem  Nagen   an  der  KSrper- 

wand  enllaog  fort,  um  als  bandförmige  Streifen  oder  Wulste,  im  Grunde 

der  CentralbOble  auszulaufen. 

Bei  den  stock  bildenden  Anthoiocn  setzt  sieb  die  Centralbttble 
jeder  Person  mii  einem  das  COnencbym  durchziehenden  Canalsyslem 
(Fig.  33)  in  Verbindung,  wodurch  also  alle  Individuen  unmittelbar 
unter  sich  zusammenhüngen.  Dieses  Canalsystcm  bildet  ein  Netz- 
werk von  weiteren  und  engeren  Rohren  zur  Verlheilung  der  er- 
nährenden Flüssigkeit  im  Stocke.  An  den  Stocken  der  Octactinien 
Godel  an  einer  Steile  des  gemeinsamen  Stammes  eine  Vereinigung 
lahlreicber  CanSle  zu  einem  weiteren  Baume  glatt,  von  dem  eine 
OeOiiung  nach  aussen  fuhit,  die  wahrscheinlich  zur  Itegulirung  der 
Zu-  und  Abfuhr  des  den  Gaslrovascularapparnt  durchströmenden 
Wassers  dient  [Pennalula,  Benilla).  Eine  ähnliche  OcfTnung  isl  auch 
hei  Cereantbus  beobachtet;  sie  entspricht  dorn  Perus  der  Hydren,  wie 
dort  am  aboralen  Kürperende  gelagerl,  und  in  den  hinter  dem 
Magen  gelegenen  Raum  führend ;  es  darf  wobl  ausdrücklich  bemerkt 
K^en,   dass    man  diesen  Perus  keineswegs  als  Afler  anzusehen  hat. 

Fig.  13.  QuerschDlIt  durch  einen  The II  des  Stockes  von  A  lc>Dniun),  «oln-i 
iwei  individoen  A  A  oabe  unter  ihrer  Einsendung  in  ilas  Cttnencliytn  ein  drittes, 
B  tlwai  tiefer  durcbscbnitlen  wurde.  t>  Hngennand.  c  Railialcanale  (Kammerü 
der  LeibethOhle).  t  Septa.  o  Eier.  Von  dem  von  Cao&len  durchiORenen  COnen- 
ctaym  Ut  ein  Theil  mit  den  Kalkkorpern  dargestellt. 


1)6 


Colente raten   (ZoophyUii) 


Diese  dem  Gastrovaseularsystem  die  Bedeutung  eines  Wnssergefitss- 
Systems  veriethenden  Eiurichtungen  siod  bei  manchen  Anlhozoen  (Ko- 
rallen) in  Form  von  Teinen,  Über  die  Oberfliiche  der  Stöcke  zerstreuten 
Poren  vorbanden,  die  nur  im  Uomente  ibrer  Function  —  beim  Aus- 
lassen von  Wasser  —  erkennbar  sind.  Aehnliche  OeETnungen  ßnden 
sich  aurb  an  den  Tentakel  spitzen  mancher  Actinien  etc.  Alle  diese 
Einrieb lunifen  erinnern  an  die  Dermalporen  der  Schwämme. 

Bei  manchen  Pennatuliden  erscheinen  einzelne  Personen  eines 
Stockes  in  minderer  Ausbildung,  und  dtlrflen  die  Function  der  Nah- 
rungsaufnahme verloren  haben. 


Kig.  8(, 


Bei  den  Ctenophoren  weicht  das  ernährende  Hohlraumsystem 
nur  in  Einzelheiten  ab.  Eine  bei  den  BeroVden  sehr  weile,  bei  deD 
llbrit;;en  engere  Hagenhcble  senkt  sich  in  den 
Körper  in  der  Hicblung  von  dessen  Langsame  ein 
und  geht  mit  einer  durch  Husculatur  verschliess- 
baren  Oeffnung  in  einen  als  »Trichter"  bezeich- 
neten Kaum  über,  von  dem  aus  das  Cnnalsysteni 
im  Körper  sich  veriweigl  (s.  Fig.  31).  Vom 
Trichter  entspringen  radiüre,  zu  den  die  Wimper- 
reihen  tragenden  »Rippen«  verlaufende  Canüle.  Am 
Mundende  der  BeroTden  und  Gallianiriden  senken 
sich  diese  Radialcanüle  in  einen  Bingcanal  ein. 
Dieser  nimmt  auch  bei  den  letzteren  zwei  an  den 
Seilen  der  Magenwand  herab  verlaufende  Canülc 
auf,  die  gleichfalls  aus  dem  Trichter  entspringen. 
Bei  den  Cydippiden  sind  diese  von  ansehnlicher 
Weite  und  geben  den  Anschein  eines  den  Ma^en 
umgebenden  gemeinsamen  Raumes.  Endlich  gehen 
vom  Tricht^^'r  noch  zwei  kürzere  Canale  ah,  die 
mit  verschliessbaren  Oeffiiungen  zur  Seite  der  «Polfelder«  (vergl.  S.  10S) 
ausmünden.  Sie  vermitteln  eine  zweite  Oommunication  des  Gaslral— 
Systems  mit  dem  umgebenden  Wasser. 

Von  dieser  Anoi^dnung  des  Gastralsyslems  bilden  sich  einzelne  von 
der  Korperform  beherrschte  Modificalionen.  Auch  Verzweigungen  ein- 
zelner Canalgruppcn  finden  sich.  So  bilden  die  Radialcanüle  seitliche 
bei  Berolden  verästeile  Ausbuchlungen,  indess  sie  liei  den  anderen  in 
besrhrünkterem  Vorkommen  mit  dem  Geschlecht  sapparate  in  Verbindung 
stehen. 

Fig.  3t.   Ansicht  äes  GasIrovnstuliirappBrBles  fiii>i>r  Cydippe.  A  Von  der  Seile, 
die  UundöfTiiung  nat-h  oben  gewendet.     B  Vom  Mundpotc  aus. 


Gesell  lechlsorgaof.  4  47 


§  89. 

Einigen  Abiheilungen  der  Acalephen  kommen  fadenförmige,  in  die 
Centralhtthle  des  Gastrovascularapparates  einragende  Gebilde  zu,  die 
als  Hesenterialfilamenie  bezeichnet  werden.  Sie  finden  sich  bei 
den  Lucernarien,  Anthozo^n  und  Discophoren;  in  den  beiden  ersten 
Gruppen  sitzen  sie  lAngs  der  vom  Magenrohre  aus  in  die  Wand 
der  Gentralhöble  sich  fortsetzendeo  freien  Ränder  der  Septa.  Bei  den 
Discophoren  bilden  sie  an  der  Wand  der  CentralhöbJe  sitzende  Büschel. 
Sie  zeigen  wurmartige  Bewegungen  und  sind  besonders  bei  den  Acti- 
nien  reich  mit  Nesselkapsehi  versehen.  Ueber  die  Function  dieser  sehr 
frühzeitig  differenzirten  Oi^ne  liegen  keine  Thatsacben  vor. 

Obwohl  drüsige  Anhangsgebiide  der  verdauenden  GaviUU  * 
bei  den  Cölenteraten  nicht  differenzirt  zu  sein  scheinen,  so  besteht  doch 
eiDe  bieher  zu  rechnende  Einrichtung,  welche  als  Andeutung  eines 
secemirenden  Apparates  —  vielleicht  der  Leber  anderer  Thiere  annlog 
—  angesehen  werden  darf.  Es  ist  das  die  bei  vielen  Cölenteraten 
vorhandene,  durch  verschiedene  Färbung  ausgezeichnete  Kpitbelaus- 
kleidung  des  Magens.  Die  pigmentirten  Zellen  sitzen  in  Liingsreihen, 
meist  auf  den  vorspringenden  Faltungen  der  Magen  wand  bei  Antbozo^n, 
aucb  bei  Hydromedusen ,  und  hier  sogar  in  der  Polypenform'  (z.  B. 
bei  Tubularien]  ausgeprägt,  bilden  sie  deutliche  wulstartige  Längs- 
reiben im  Grunde  der  verdauenden  Cavität  der  Ernährungsindivi- 
duen der  Siphonophoren.  Von  besonderer  Differenzirung  erscheint 
ein  wohl  dem  einzigen  grossen  Magen  der  Volellcn  zugehöriges 
Netz  von  »Lebercanälen« ,  welches  an  der  ünternilche  der  S<'heibe 
sieb  findet. 

Oesohlechtsorgane* 
§  90. 

Die  geschlechüicbe  ÜifiTerenzirung  ist  unter  den  Cölenteraten  noch 
nicht  der  ausschliessliche  Factor  der  Fortpflanzung,  da  vielfache  For- 
men einer  ungeschlechtlichen  Vermehrung  (s.  oben  §  68  -  7-H)  bestehen. 
Die  Bildung  von  Geschlechtsproducten  ist  allgemein  nachgewiesen, 
knüpft  sich  aber  noch  nicht  durchgehend  an  discrete  Organe,  sondern 
erscheint  als  eine  erst  allmählich  sich  localisirende  Function«  Im  Ali- 
genseinen  ist  das  Entoderm  die  Bildungsstätte  der  ZeuguogjStoffe^. 
Wenn  in  manchen  Fällen  diese  Beziehungen  noch  nicht  sicher  gestellt 
sind,  in  andern  wieder  das  Ectoderm  jene  Oertlichkeit  abzugeben 
scheint,  so  ist  hiebei  die  mit  der  gescUeohtlichen  Fortpflaniung  sich 
interferirende  ungeschlechtliche  Vermehrung  mit  ihren  mannicbfachea, 
oft  schwer  verständlichen  Erscheiuungen  als  modi6cirender  Factor  mit 


\  \S    ^  Cölenteraten  (Zoophyten). 

JD  Betracht   zu  nehmen,    und   die   klnrliegenden  Fälle  werden    bei  der 
Beurtbeilung  des  Ganzen  den  unsicheren  vorzuziehen  sein. 

Am  einfachsten  verhallen  sich  die  Spongien.  Die  vom  Entoderm 
ausgekleideten  Theilc  des  Gastralsystems ,  also  in  gewissen  Fällen  nur 
die  Wimperkammem,  liefern  die  Geschlechtsproducte.  Einzelne  Zellen 
der  Entodermschichte  werden  unter  Verlust  der  Geissei  bedeutend 
grösser  und  rücken  damit  unter  jene  Schichte,  oder  sogar  in  das  be- 
nachbarlQ  Ectoderm  hinein.  Es  sind  die  Eizellen,  welche  in  Ueber- 
einstimmung  mit  den  Befunden  anderer  Formbestandtheile  des  Schwamm - 
Organismus  amoebol'de  Bewegungserscheinungen  äussern.  Die  Elemente 
des  Sperma  entstehen  gleichfalls  als  Differenzirungen  von  Entoderm - 
Zellen  und  erscheinen  zwischen  den  Letztern  als  Häufchen  kleinerer, 
gleich  den  andern  mit  einem  geisseiförmigen  Anhang  ausgestatteter 
Zellen.  Beiderlei  Elemente  entfernen  sich  somit  in  sehr  geringem  Grade 
von  den  Formelementen  des  Entoderms  und  geben  als  Unterschiede 
fast  nur  Grösse-Differenzen  zu  erkennen. 


Die  Acalephen  zeigen  die  Bildungstätte  der  Geschlechtsstoffe 
meist  in  der  Wandung  der  verdauenden  Cavität  oder  den  davon  diffe- 
renzirten  Hohlräumen.  Wie  eine  Ausnahme  erscheint  das  Verhalten 
von  Hydra,  bei  der  die  Geschlechtsproducte  in  äusseren  knospenartigen 
Bildungen,  Sonderungen  des  Ecloderms  entstehen.  In  wiefern  hier 
eine  Rückbildung  des  bei  den  andern  Hydro'iden  bestehenden  Befundes, 
nämlich  einer  Betheiligung  des  Entoderms,  vorliegt,  muss  dahin  gestellt 
bleiben.  Sehr  allgemein  erscheint  unter  den  Hydromedusen  eine 
Trennung  der  Geschlechter  auf  verschiedene  Personen  nicht  nur,  son- 
dern auch  auf  verschiedene  Stöcke,  und  nur  bei  den  Siphonophoren 
sind  hermaphroditische  Stöcke  die  Regel. 

Die  Geschlechtsproducte  verursachen  an  den  Körpertheilen  an  denen 
sie  sich  bilden  mehr  oder  minder  bedeutende  Anschwellungen,  die 
aber  nur  zur  Zeit  der  Produclion  jener  Stoffe  bestehen  und  somit  als 
temporäre  Organe  betrachtet  werden  können.  In  den  Form  Verhält- 
nissen der  die  Geschlechtsproducte  bergenden  Theile  ergeben  sich  be- 
trächtliche, aber  durch  zahlreiche  üebergänge  verbundene  Eigenthüm- 
lichkeiten.  Bei  den  freiwerdende  Medusen  erzeugenden  Hydrotden- 
slöcken  (vergl.  §  70)  erscheinen  die  ersteren  als  die  Träger  der  Ge- 
schlechtsorgane; die  Medusen  stellen  dieGeschlechtsthiere  der  betreffenden 
Hydrotdpolypen  vor,  und  bringen  entweder  an  der  Magenwand  oder 
an  den  Radialcanälen,  oder  endlich  auch  am  Ringcanale  Samen  oder 
Eier  hervor.  Bei  einigen  erfolgt  diese  Production  erst  lange  Zeil  nach 
der  Ablösung  vom  Hydro'idenstocke,  bei  anderen  tritt  sie  früher  auf, 
und  daran  reihen  sich  endlich  solche,   bei  denen  die  Bildung  von  Zeu- 


Geschlecb  tsorga  ne.  H  9 

gungsstoffen  noch  wahrend  des  Fesisitiens  am  HydroYdenstocke  statt 
hat.  Hieran  reiben  sich  dann  jene  Zustande,  wo  es  gar  nicht  mehr 
zur  Abidsung  der  Meduse  kommt,  die  dann  zugleich  nicht  mehr  voll- 
ständig  sich  ausbildet.  Alle  bei  der  freien  selbständigen  Lebensweise 
in  Function  stehenden  Organe,  Mund,  Magenböhle,  Tentakel,  Schwimm- 
glocke etc.  erscheinen  in  Stadien  der  Verkümmerung.  Es  sind  medu- 
soYde  Knoq)en,  in  denen  die  Geschlechtsproducte  entstehen.  Bei  An- 
deren ging  die  medusoYde  Gestalt  gäntlich  verloren  und  dann  erscheinen 
am  HydroYdenstocke  einfachere  Gebilde  als  Geschlechtskapseln,  in  welche 
httchstens  noch  ein  Gaslrovascularfortsatz  einragt.  Diese  Geschlechts- 
gemmen entstehen  wie  die  medusoYden  Formen  und  die  Medusen  selbst, 
bald  am  gemeinsamen  Stocke,  bald  am  Polypenkörper,  oft  nur  an  be- 
stimmten Stellen  des  letztem,  wie  z.  B.  bei  den  Tubularien  zwischen 
äusserem  und  innerem  Tentakelkranze.  In  den  Fallen  der  Rückbildung 
der  proliferirenden  Polypen  werden  die  Geschlechtsknospen  immer  von 
denselben  Gehäusen  umschlossen,  wie  sie  für  die  Polypen  selbst  be- 
steken.  So  Ittsst  sich  die  Erscheinung  der  Sprossung  von  Medusen  bis  zu 
einer  Stufe  zurUckverfolgen,  auf  welche  der  Spross  wie  ein  blosses  Gene- 
rationsorgan des  HydroYdenstockes  erscheint.  An  diese  letzten  Stufen 
der  Rückbildung  reiht  sich  wohl  das  Verhalten  von  Hydra  an,  bei  der 
der  Zusammenhang  der  Differenzirung  der  Geschlechtsproducte  aus 
der  Wandung  des  Gastrovascularsystems ,  d.  h.  aus  dem  Entoderm, 
verloren  ging. 

Aehnlich  den  HydroYdpolypen  verhalten  sich  die  Siphonopboren, 
bei  denen  die  Bildung  von  geschlechtlich  entwickelten  Thieren  nach 
dem  Medusentypus  mit  dem  gleichartigen  Bestehen  anderer  medusi- 
formen  Personen  die  als  Generationswechsel  bezeichnete  Erscheinung 
bei  den  HydroYden  als  eine  Arbeitstheilung  erklaren  hilft.  Bei  einem 
Tbeile  der  Siphonopboren  bilden  sich  die  Geschlechtsthiere  zu  freiwer- 
denden Medusen  aus,  in  deren  Magenwand  die  Keimproducte  entstehen 
(Velella  —  Gbrysomitra] .  Die  meisten  übrigen  besitzen  nur  mednsi- 
forme  Gemmen  in  den  verschiedensten  Stadien  der  Rückbildung  (vcrgl. 
Fig.  it.  B.  g.  E.),  Der  Magen  der  Meduse  wird  allmählich  nur  durch 
die  Geschlechtsorgane  reprflsentirt  und  die  Schwimmglocke  verkümmert 
XU  einer  Umhüllung  der  Letzteren.  So  finden  sie  sich  bald  vereinzelt 
(DiphyYden) ,  bald  zu  traubenartigen  Büscheln  gruppin  (Pbysophoriden) 
am  Stamme  des  Stockes  oder  auch  an  bestimmten  Personen  desselben. 

§  9«. 

Wie  bei  den  Medusen  der  HydroYdpolypen  und  der  Siphonophoren 
die  Wand  des  Gastrovascularsystems  die  Bildungsstätte  der  Keimstoffe 
vorstellt,  so  triflt  sich  dasselbe  auch  bei  jenen  Medusen,  die  keine  Be- 
ziehungen zu  HydroYden  mehr  besitzen.  Meist  sind  es  die  Radiär- 
canäle  (Aequoriden)  oder  die  taschenförmigen  Ausbuchtungen  des  Magens 


13Q  CdlonK^roUD  (Zoopliyt«!)!. 

^Ai't{iiiiil(-ii;,  an  ilenen  die  Zcuguii^ssloirc  cntsiehcn.    Bei  grösserer  EtifLC 
iler  Caniilc  bilden  sie  frei  vorragende  Ausltuchtungen,  die,  bedeulender 
entwickelt,     sogar    krausen- 
Ki^.  SS.  itrtige  Fallen  vorstellen.  Blatt- 

fürmige  Ausbreilungen  der 
Radialcnnäle  entstehen  milder 
Bildung  der  Zeugungsstoße  bei 
den  Geryonidon.  Bei  allen 
gibt  die  untere,  dem  Schirme 
abgewendete  Wand  der  Ca- 
niile  die  Keimsltltle  ab  (Fig. 
:{5.  g).  Die  Entleerung  der 
Keimstolle  erfolgt  iheils  durch 
den  Magen,  theils  eifolgt  sie 
durch    eine  Buptur    des   Ge- 

Bei  den  Discopboren  tre- 
ten die  Geschielt  ISO  rganc  im- 
mer in  ganz  gleichen  Bezie- 
hungen auf  und  ihre  Lage- 
rungs-  und  Formverbältnisse 
sind  viel  weniger  mann  ichfach.  Sie  beslchen  aus  vier  oder  acht  halb- 
mondfürmig  gebogenen  und  rosetlenartig  auf  der  Unlerl1<tche  des  Schir- 
mes angeordneten  Krausen  [s.  oben  Fig.  3S.  ov),  welche  aus  Ausbuch- 
tungen des  Gastro vHscularsyslcms  hervorgehen.  Sin  liegen  entweder  in 
Vertiefungen  der  Unterflache  der  Scheibe  geborgen  oder  hüngen,  oft  in 
vielfachen  Fällungen,  frei  ber\'or. 

Die  Lucernarieu  zeigen  die  Geschlechtsorgane  in  Form  von 
acht  radiiir  gestellten  UingswUlstcn  an  dem  der  Subumbrella  der  Me- 
dusen entsprechenden  Kdrpeitbeile ,  von  wo  sie  In  die  Taschen  des 
Gaslrovascularriiumes  Vorsprlinge  bilden.  Sic  repräsentiren  dadurch 
eine  Millelform  zwischen  dem  Verhalten  der  Hydromedusen  und  der 
DiSGophoi'eii. 

§  93. 

Die  Geschlechtsorgane  der  Anthozoiin  sind  in  ziemlicher  liebet^ 
einsliramung  im  Zusammenhang  mit  dem  F^ntoderui  zu  finden,  so  dass 
die  ZeugungsslofTc  durch  den  Magen  nach  aussen  gelangen.  Am  häu- 
figsten fungiren  die  Si'ptJi  der  Gaslralriiunie,  oder  deren  in  deu  Cen- 
Kig.  3S.  Schema  eines  radialen  Verticaiscliniltcs  durcli  eine  ßeschieclitsreif« 
GeryoDiile  (Carmarina  lias(ala),  rechln  durch  einen  Radialcanal  in  seiner  ^anicn 
LSni^u,  liriliA  durch  de»  SeJt«nllu|^i.'l  eiuvn  UenitnIblalleE  in  oiaur  inlorradialun 
Ebuiic  geführt,  b  RandlilatiL-hen.  c  Rinf:|{eruss.  g  Geschlcchlsprcductc,  A  Uaiilel- 
spange.  k  Magen,  i  (iailertnianlel.  p  Ma^rnsMel.  r  Radi.iJcanDl.  rl  innere,  rt 
Süssere  Wand  desseltien  uk  Knorpelring.  f  Veium.  Z  Znngenarliger  Kortsali 
de«  Mafienstiel«.      INach  E.   HtCKCL.) 


Gefchlechtaorgan 


lei 


.ä 


tralraam  sich  forlseliende  l.eisteTi  als  solche  Oi^Hne,  wie  erstcrcs  bei 
den  Aclinien,  letzteres  bei  Alcyonnrien  (Fi);.  3^1.  B],  aber  auch  bei 
Heiactinien  der  Fall  ist.  Gewöhnlich  sind  auch  hier  die  Geschlechter 
getrennt,  doch  sollen  auch  ZwitlerhilduD);en  vorkommen,  wobei  an  der 
einen  Flache  eines  Septums  münnliche,  an  der  andern  weibliche  Zeu- 
ßungsproducte  entstehen. 

Der  peripherische  Abschnitt  des  Gastro vasrularsystems  reprüsenlirt 
b«i  den  Ctenophoren  die  Keimstatte.  Von  den  längs  derSchwimm- 
blititchen reihen    verlaufenden    Ca- 

Dälen    entwickeln     sich     seilliche,  fi^-  »■ 

blindsackartige  Ausstülpungen  in 
denen  Samen  oder  Eier  entstehen. 
Die  eine  Seite  eines  Radialcansls 
ist  mit  Eifollikeln,  die  andere  mit 
Hodenlappchen  besetzt;  die  Zwii^ 
lerbildnng  wiederholt  sich  somit 
fUr  jedes  radiale  KOrpersegment. 
Das  Canalsysicm  dient  zur  Aus- 
leilUDg.  Es  ist  also  hier  ein  mit 
einefn  Tbeil  der  AnthoioSn  vDlIig 
übereinstimmendes  Verhalten  er- 
kennbar, und  indem  man  die  zwi- 
schen zwei  Radialcanalen  geJef;enp  Leibessubslanz  einem  Seplum  der 
Antboioen  ver^eicht,  findet  man  auch  die  Vcrthrilun^;  der  Keimsiatlen 
beiderlei  Geschlechter  unter  denselben  Beziehungen  wie  bei  hermaphro- 
dilisoben  Antbozotm. 

Die  Eier  der  C0lenleml«n  entbehren  der  besonderen  Httllbildnngen, 
und  wie  bei  den  Schwammen  erscheint  auch  noch  bei  den  Eiern  mancher 
Uydrofden  {z.  B.  Hydra)  ein  Gesialiwechsel  durch  amoeboTde  Be- 
wegungen als  Zeugniss  der  Endißerenz.  Die  aus  einem  Köpfchen  mit 
beweglichem  Anhange  bestehenden  Samenelemente  sind  bei  den  Acs- 
lephen  bedeutend  kleiner  als  die  >Geisselzellen(i  der  Spongien  und  schei- 
nen such  mit  dem  Verlust  des  Kerns  den  Charakter  als  Zellen  auf- 
gegeben tu  haben. 

Fig.  16.  Geschlscblsorgane  von  Beroo  rufescens  ib  Ihrem  Varballen  lo 
*"KT  Strecke  eiae.«  Radialcaoals.  a  Ittngx  dex  Canals  [d]  verlaufeade  Streifen  (Uiu- 
Ifln.)     fr  SameDerzengeode  Seile,     c  Ovarialüeit«  mit  Eiern.     (Nach  Will.) 


i^M 


Dritter  Abschnitt. 


Würmer. 

Allgemeine  UeberBioht. 

§  94. 

In  der  Abtheilung  der  Würmer  vereinige  ich  eine  grössere  ÄnEahl 
unter  sicti  nicht  immer  nahe  verwandter  Formen,  welche  den  anderen 
grossen  Abtheiiungen  nicht  eingefügt  werden  können,  ohne  dort  als 
völlige  Fremdlinge  zu  erscheinen.  Durch  die  Verbindungen,  welche 
die  Würmer,  wenn  auch  entfernt,  mit  jenen  anderen  Abtheilungen  auf- 
weisen, erscheinen  sie  als  eine  Ausgangsgruppe.  Neben  grossen  und 
reichen,  durch  engere  Verwandtschaft  verknüpften  Formreihen,  finden  sich 
zahlreiche,  oft  nur  auf  eine  einzige  Gattung  beschränkte,  isolirt  stehende 
Formen,  die  nur  auf  weite  Entfernungen  hin  Anschlüsse  erkennen 
lassen. 

Im  Allgemeinen  besteht  die  eudipleure  Grundform  (bilaterale  Sym- 
metrie). Doch  walten  noch  mancherlei  niedere  Formzustände,  die 
von  einer  niederen  inneren  Organisation,  wie  sie  sich  z.  B.  durch  den 
Mangel  einer  Leibeshöhle  ausspricht,  begleitet  sind. 

Die  einzelnen  Abtheilungen  stelle  ich  in  folgender  Weise  zusammen"'). 

I.  Platyelminthes. 

Turbellaria. 

Rhabdocoela. 

Mcnocelis,  Vottex,  Mesostomum,  Proftomiim, 
Dendrocoela. 

Planaria,  Leptoplana. 
Trema  toda. 

Distoma,  Monostotnum,  Tristoma ,  Polystoma ,   ÄspidogasUr ,  IH^oMOon^ 

Gyrodactylus. 


*)  Dass  ich  aus  der  in  der  Reihenfolge  der  grösseren  als  Classen  geltenden 
Abtheilungen  nicht  zu  vermeidenden  Näherung  einander  sehr  fremder  Formen 
keinen  Verwandtschaftsausdruck  gefolgert  wissen  möchte,  sei  ausdrücklich  bemerkt. 


Ailgeineina  üebersichl.  123 

Cesioda*). 

CaryophyUaeiu,  Ugula,  Tomia,  Tetrarhynchut,  Bifthryoc0pkaUu. 
Nemertina  (Rhynchocoela). 
BorUuia,  PoUa,  Nemeries, 
ü.  Nemathelminthes. 
Nematodes. 

Strimgylutf  Ascarii. 
Gordiacea. 

Gordius,  Mermii. 
til  Chaetognathi**). 

SagiUa. 

IV.  Acanihocephali. 

ßckimorhynehut, 

V.  Bryoioa***). 

Pbylactolaema. 

CristaUUa,  McyoneUa»  Uphoput,  PimmeUUa. 
Gymnolaema. 

Oriiia,  lhm$ra,  Akyomämm,  Flutira,  Eichara,  CWI«pora. 
VL  Rotatoria. 

M9Uo0rta,  FUaotiUuia,  Braekiornui,  Bydaima,  NoIoiMiMla. 
Vli.  Enteropneusli. 

Baianoglonus. 
VIII.  Tunicalaf). 
Copelala. 

Appenäieularia. 
Ascidiae. 

Ascidia,  Phallutia,  Cynthia,  Clavelina,  Boiryllus,  Atnarueium. 
Lociae. 

Pyroioma. 
Cyclomyaria. 

DoUolmm. 
Thaliada. 

Salpa. 

IX.  ODychophora. 

X.  Gephyrea. 

SferfMupu,  Echiurui,  ThaUuMmna,  BoneUia,  Priapulut,  Siimmcmius. 


*)  Die  Cestoden  bilden  mit  den  Trema  toden  eine  nah  verwandte,  von  den  den- 
drocoelen  Pialiwürmern  abgetweigte  Gruppe,  deren  Formen  durch  Parasitismus 
^hlreiche  Anpassungszuslfinde  erlangt  haben.  Eine  selbsUlndige  Stellung  ver- 
dienen sie  nur  dessbalb,  weil  der  Ablauf  Ihrer  Ontogenie  In  einer  von  jener  der 
Trematoden  verschiedenen  Weise  sich  complicirt  hat. 

**)  Die  Sagitten  mit  den  Nemathelminthen  lu  vereinigen  halte  Ich  nicht  für  be- 
srüQdbar.  Ebensowenig  finde  Ich  dieAcanthocephalen  den  Nemathelminthen  verwandt. 
***)  Eine  den  Bryozo<3n  verwandle,  aber  nicht  ihnen  unterzuordnende  Abthei- 
Inng  reprttsentirt  die  Gattung  Pedicellina. 

fl  Die  von  Vielen  noch  angenommene  Verwandtschaft  der  Tunicaten  mit  den 
Molloslien  beruht  nur  in  der  weichen  Beschaffenheit  des  Körpers!  Die  gesammte 
Organisation  der  Tunicaten  unterscheidet  sie  gründlich  von  allen  Abtheilungen  der 
Siollasken. 


424  Würmor. 

XI.  AniiuIaUi^^j. 

liirudinea. 

Haemopis,  Sanguisuga,  Nephelis,  Clepsine,  BranchiobdeUa. 
Annelides. 
Oligochaeta. 

S  coleina. 

Lumbricus,  Chaetogaster,  Nais. 
Haliscolecinn. 

Polyophthalmus,  Capitella. 
Chaelopoda. 
Vaga  ntia. 

Siphonostoma , .  Arenicola ,    Glycera ,    Nephthys ,   Phyllodoce ,   Alciopa, 

Syllis,  Nereis,  Eunice,  Amphinome,  Aphrodite,  Polynoe. 
Tubicolae.  ^ 

Amphitrite,  Hermeita  ^  Terebelta,  Sabella,  Serputa. 

Literatur. 

0.  F.  Müller,  Von  den  Würmern  des  süssen  und  salzigen  Wassers.  Kopen- 
hagen im.  —  RuDOLPHi .  lüntozoonim  historia  naturalis.  8  Bde.  Amste- 
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N.  A.  Acad.  Leop.  Caro).  XIH.  4  826.  —  Ddjardiii,  Histoire  nat.  des  Hei- 
minthes.  Paris  4845.  —  Van  Beneden,  Memoire  sur  les  vers  intestinaux. 
Paris  4  864.  —  Leuckart.  R.  ,  Die  menschlichen  Parasiten.  Leipzig  und 
Heidelberg.  1.  II.  4.  2.  4  863 — 68.  —  Claparede,  Beobachtungen  über 
Anatomie  und  Entwickelungsgesch lebte  wirbelloser  Thiere.     Leipzig  4  868. 

Ueber  einselne  Claasen :  Plattwürmer:  Duges,  Reche rches  sur  l'organi- 
sation  et  les  moeurs  des  Planaires.  Ann.  sc.  nat.  Sör.  L  T.  XV.  Auch: 
Isis  4830.  —  Nordmann,  A.  v.  ,  Micrographische  Beiträge  zur  Naiur- 
geschichte  der  wirbellosen  Thiere.  Erste»  Heft.  Berlin  4  882.  —  Qcatre- 
FAGEs,  A.  de,  Memoire  sur  quelques  Planariäes  marines.  Ann.  sc.  nat.  Ser. 
3.  T.  IV.  —  Derselbe,  sur  la  famille  des  Nömcrticns.  ibidem.  T.  VI.  — 
Schmidt,  0..  Die  rhabdocdicn  Strudelwürmer.  Jena  4  848.  —  Derselbe, 
Neue  Beiträge  zur  Naturgeschichte  der  Würmer.  Jena  4  848.  —  Derselbe, 
Ueber  Rtiabdocölen.  Wiener  Sitzungsbericht.  Math.  Naturw.  Classc.  Bd.  IX. 
S.  23.  —  Derselbe,  Ueber  Dendrocölen.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoologie  X.  XI.  — 
Van  Beneden,  Les  vers  ccstoides.  M^moircs  de  l'Academie  deBruxellcs.  XXV. 
4  850.  —  Derselbe,  Recherches  sur  la  faunc  littorale  de  Belgique,  Tur- 
bellari^s  ibid.  XXII.  4  860.  —  Leitckart  ,  Mesostomum  Ehrenbergii.  Arch.  für 
Nat.  4852.  S.  284.  —  Scbultze,  M.,  Beiträge  zur  Naturgeschichte  der  Tu r- 
bellarien.  Greifswalde  4  854.  —  Derselbe,  Ueber  die  Microstomeen.  Arch.  f. 
Nat-  4849.  S.  280.  —Wagener,  G.,  Die  Entwicklung  der  Cestoden.  N.  A. 
L.  C.  T.  XXIV.  Supplement  4  854.  —  Derselbe,  Beiträge  zur  Entwickelungs- 


*)  Als  Repräsentant  einer  besonderen  Abtheilung,  welche  Nemertinen,  Nema- 
toden und  Annulaten  mit  einander  verknüpft,  ist  Polygordius  (s.  Schneider. 
Archiv  für  Anatom,  u.  Phys.  4  868.  S.  54)  anzusehen.  Bestimmter  in  die  Unterclasse  der 
Anneliden  gehörig,  aber  hier  ebenfalls  eine  eigene  Unterordnung  der  Chaelupodeo, 
die  der  Gymnocopa  repräsentirend,  reiht  sich  Tomopteris.  —  Ich  führe  ausser 
den  Chätognathen,  Enteropneusten  und  Onychophoren  diese  wenigen  Beispiele  von 
vielen  Fällen  an,  um  daran  zu  zeigen,  wie  unter  den  Würmern  zahlreiche  kleine, 
oft  nur  durch  Eine  Gattung  oder  sogar  nur  durch  Eine  Species  vertretene  Abthei- 
lungen existiren ,  die  auf  eine  sehr  bedeutende  Divergenz  der  Differenzirung  hin- 
weisen. 


Literatur.  4  25 

geschlchle  der  BingeweidewUriner.  Haarlem  4857.  —  Stiida,  Beitr.  i. 
Anat.  V.  BothryooephaliiS.  Aicti.  f.  Anal.  a.  Phys.  4864.  —  Sommeb  u. 
Lahdois,  Beilr.  i.  Anat.  d.  Plattwiirroer.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  4  872. 

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EiiKTH,  Untersuchungen  über  Nematoden.  Leipzig  4868.  — Schneidek, 
Monographie  der  Nematoden.  Berlin  4866.  —  Bastian,  Monograpli  on  the 
augaillolidae.  Transact.  Linn.  8oc.  Vol.  XXV.  P.  IL  4865.  ~  GaiNAcn», 
Zur  Analomie  der  Gattung  Gordius.  Z.  t.  w.  Z.  XVIIL  S.  322.  —  Clads, 
Ueber  Leptodera  appendiculata.  Marburg  und  Leipzig  4869. 

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Sagilta  bipunctata.  Hamburg  (4844).  —  Derselbe,  Nachtrügliche  Bemer* 
kungen  dazu.  Arch.  für  Naturgesch.  485S.  —  Wilhs,  Observaliones  de 
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et  snile.  —  Derselbe,  Recherches  sur  les  Bryozaires  fluviatiles  de 
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polypes  compos^  d*eau  douce.  ibid.  4850.  —  Allhan,  a  monograph  of 
the  freshwater  Polyzoa.  London  4856.  (R.  S.)  —  H.  Nitscbe,  B(*ilräge  zur 
Anatomie  und  Entwickelungsgescbichte  der  pbylactolämen  Süsswasser- 
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Kenntn.  d.  Bryozo^n.  Zeitschrift  f.  wiss.  ZooK  XX.  und  XXL 

Botatoria:  Ebbenbbbg,  Die  Infusionsthiercben  et€.  —  Litdi«,  Zur  Analomie 
und  Entwickelungsgescbichte  der  Lacinularia  socialis.  Zeilschr.  f.  wisa. 
Zool.  IIL  S.  452.  —  Derselbe,  Ueber  Bau  und  systematische  Stellung  der 
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—  COHW,  F.,  ZeiUchr.  f.  w.  Zool.  VIIL   S.  484.  IX.  S.  284.    XU.  S.  427. 

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Gkphyreen:GRrBE,  Versuch  einer  Anatomie  de^Sipunculus  nudus.  Arch.  f.  A.  u. 
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4842.  —  QvATBEVA«B8,  A.  de,  Memoire  sur  rEchiure.  Ann.  sc.  oaL  8.  Ser. 
T.  VIL  —  MtiLLEB,  M.,  Observationes  anatomicae  de  vermibus  quibusdam 
maritimis.  Berolini  4852.  —  Schmabda,  Zur  Naturgeschichte  der  Adria. 
Wien.  Denkschriften  math.  Naturw.  Gl.  Bd.  3.  4n52.  —  LacazeD^thiers,  H., 
Recherches  sur  la  Bonellia.    Ann.  sc.  nat.    4.  S6r.    T.  X. 

Onyeliopiioreii ;  Gbcie,  Ueber  den  Bandes  PeripalusBdwardsU  Arch.  LA.  Ph.  4858. 

Anniüaten;  Mobben,  De  lurobrici  terreslris  historia  naturali,  nee  non  anatoroia. 
Bruxelles  4  829.  —  Audodin  et  Milne-Eowabds,  Clasiification  des  Annelides 
et  descriplion  des  Celles  qui  habilenl  les  c6tes  de  la  France.  Ann.  sc. 
nat.    T.  XXVII--XXX.   4832—38.  —   Milnb - Bowabds'  Artikel:  Annelides 


ii6  Würmer. 

in  Todd'8  Cyclopaedia.  I.  4 835.  —  Gbube,  De  Pleione  caninculaU.  Regio- 
monti  4887.  —  Derselbe»  Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Kiemen'wür- 
mer.  Königsberg  4838.  — Derselbe,  Die  Familien  der  Anneliden.  Arch.  für 
Naturgesch.  4  850.  —  Qdatrefagbs,  Etudes  sur  les  types  införieures  de  l'em- 
brancheroent  des  annäl^s.  Ann.  sc.  nat.  Ser.  3.  Tomes  X.  XII.  XIII.  XIV. 
XVIII.  4828—52.  (Die Resultate  sind  in  »Uistoire  nat.  des  Annel^s«  desselben 
Autors  wiedergegeben.)  —  Leydig,  Zur  Anatomie  von  Piscicola  geometrica. 
Zeitschr.  für  Zoologie.  I.  -  Derselbe,  Ueber  Pbreoryctes  Menkeanus.  Archiv 
f.  microscopische  Anatomie.  I.  —  Buchbolz,  Beiträge  zur  Anatomie  der 
Gattung  Enchytraeus.  Königsberger  Physikal.-Oekonomische  Schriften.  III. 
4862.  —  Clapakedb,  Recherches  anatomiques  sur  les  Annälides  etc.  Ge- 
n^ve  4864.  —  Derselbe,  Recherches  anatomiques  sur  les  Oligochötes.  Ge- 
n^ve  4862.  —  Derselbe,  Glanures  zootomiques  parmi  les  Ann6lides.  Ge- 
näve  4864.  —  Derselbe,  Les  Annölides  Ch^lopodes  du  Golfe  de  Naples. 
Gendve  et  Bäle  4  868.  Supplement  4870.  —  Derselbe,  Histolog.  Unter- 
suchungen über  d.  Regenwurm.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.    XIX. 

Körperfomi. 
§  95. 

Die  bei  dem  grössten  Theile  der  Gölenteraten  bestehende  Anlage 
der  Rörperform  in  der  Richtung  einer  Uauplaxe  und  zweier  oder  meh- 
rerer gleichartiger  Nebenaxen  ist  bei  den  Wttrmern  durch  andere  Ver- 
hältnisse vertreten.  Die  auf  die  Hauptaxe  des  Körpers  senkrecht  ge- 
stellten Nebenaxen  sind  ungleichwerthig  geworden,  indem  eine  Strecke 
der  KOrperoberfläche  als  Bauchflache  fungirt.  Dieser  stellt  sich  sonait 
eine  Rückenflclche  entgegen,  und  die  beide  Flächen  verbindende 
Nebenaxe  erscheint  von  anderem  Werthe  als  die  andere  Nebenaze, 
welche  zwischen  beiden  Seiten  des  Körpers  gedacht  wird.  Es  besteht 
also  eine  Differenzirung  der  Nebenaxen,  und  zwar  als  Ausfluss  einer 
Anpassung  an  ein  neues  Verhalten  des  Körpers  zur  Aussenwelt.  Höchst 
wahrscheinlich  bildet  eine  Aenderung  der  Ortsbewegung  das  bedingende 
Moment  zu  jener  Differenzirung,  und  zwar  specieli  die  Locomotion  auf 
dem  Boden  im  Gegensatze  zur  schwimmenden  Bewegung  (§  29).  Mit 
dieser  Differenzirung  zerfällt  der  Körper  in  zwei  Antimeren.  Obgleich 
in  einzelnen  Zuständen,  z.  B.  bei  der  Scolexform  vieler  Gestoden  jene 
Sonderung  der  Nebenaxen  nicht  ausgesprochen  ist,  und  daraus  ein  an 
die  Gölenteraten  anschliessendes  Verhalten  gefolgert  werden  könnte,  so 
stehe  ich  doch  nicht  an  jenen  Zustand  als  einen  in  der  Abtbeilung 
der  Gestoden  erworbenen  anzusehen,  da  die  Gestoden  erst  von  solchen 
Formen  sich  ableiten  lassen,  die  bereits  wie  die  übrigen  Plattwttrmer 
die  eudipleui*e  Grundform  besassen.  Jene  in  gleichmässiger  Ausbildung 
der  Nebenaxen  beruhende  Modification  erklärt  sich  zugleich  aus  dem 
Aufgeben  der  Locomotion  und  der  Festheflung  des  Körpers  mit  einer 
einem  Pole  der  Hauptaxe  entsprechenden  Stelle  des  Leibes. 

Das  Auftreten  einer  ventralen  Fläche  verbindet  sich  mit  der  Dille- 
renzirung  der  beiden  Pole  der  Hauptaxe.  Indem  der  dem  einen  bei 
der  Locomotion    vorwärts    gerichteten  Pole   entsprechende   Körpertheil 


kdrperibnii.  427 


unter  anderen  liiiAsereo  Einwirkongen  slehendsicb  in  anderer  Weise 
gesiaUei  als  der  entgegengeseUte,  wird  ein  Vordereade  des  Körpers  von 
eiaem  hinteren  unterscbeidbar.  Erstores  gestaltet  sich  mit  der  Aosbil- 
duDg  von  niandierlei  Organen  xum  Kopfe,  einem  hier  zum  erstenmale 
anterscbeidbaren  Körperabschniite.  Es  verdient  betont  xu  werden,  dass 
es  wesentlich  die  constaot  nach  einer  Richtung  hin  stetlfindende  Ortsbe- 
wegang  sein  wird,  wdche  die  Ausbildung  jenes  Kopftheiles  bedingt,  sowie 
jene  Richtung  wieder  durch  die  Lage  der  Mundtfffiiung  beherrscbi  wird. 
An  diesem  vordersten  Ktfrpertheile  sind  es  vorwiegend  Sinnesorgane  oder 
soldie  tragende  Fortsätze  des  Leibes,  weiche  eine  allmähliche  Weiter- 
bildung eingebend  aur  ferneren  Differenzirung  dieses  Abschnittes  führen. 

Der  Kopf  bezeichnet  den  oralen  Poi  der  Uauptexe,  da  an  ihm  die 
in  der  Regel  etwas  ventralwttrts  gerückte  Munddffnung  liegt.  Am 
meisten  triSi  sich  die  Entfernung  der  Mundtfffnung  am  Kopfe  t)ei  den 
PlaUwttrmem,  wo  sie  bei  den  Turbellarien  sogar  weit  auf  die  Rauch- 
Qäcbe  rücken  kann.  Das  dem  oralen  Pole  entgegengesetzte  (aborale) 
Ktfiperende  ist  Trdger  der  Afteröfihung,  die,  wo  sie  besteht,  in  vor- 
wiegend dorsaler  Lagerung  sich  findet. 

Bedeutende  Modificationen  erleidet  die  Körpefform  bei  den  fest- 
sitzenden Formen.  Hier  zeigt  sich  auch  die  Gehäusebildung  von  Ein- 
fluss,  wie  bei  den  Bryozoön.  Weitere  Umgesteltungen  bieten  die 
Tunicaten,  deren  niederste  *Zus4Ande  (Appendicularia)  durch  den 
Besitz  eines  ventral  angefügten  Ruderschwanzes  von  der  einfacheren 
Ki^rperform  der  übrigen  Würmer  sich  bedeutender  entfernen.  Diese 
Divergenz  spricht  sich  ebenso  bei  den  Ascidien  aus,  und  veriliuft,  durch 
Modificationen  der  Athemhöhle  bestimmt,  von  den  Gyclomyariem  zu  den 
Saipen.     (S.  unten  Darmcanal). 

§  96. 

Eine  andere  innerhalb  der  Würmer  zuerst  auftretende  Erscheinung 
betrifft  die  Gliederung  des  Kürpers.  Schon  bei  den  Rotatorien 
ist  der  hintere  Leibesabachnitt  in  Anpassung  an  die  Rewegung  in  eine 
ÄDxahl  von  Segmenten  zerfttllt.  Darin  ist  die  erste  Spur  eines  in  den 
böhern  Abtheilungen  bedeutungsvollen  Zustendes  zu  erkennen.  Rei 
den  Cestoden  trifft  sich  dieser  weiter  gebildet.  Mit  einem  Wachs- 
thnm  des  Körpers  in  der  Richtung  der  Hauptexe  äussert  sich  eine 
Differenzirung.  Vorder-  und  Hintertheil  des  Leibes  umschliessen  nicht 
laebr  die  gleichen  Organe.  So  enthält  der  hintere  Leibesabachnitt  der 
Oaryophyllaeen  ausschliesslich  die  Geschleditsorgane.  Rei  Ligula  ist 
dieser  hintere  Leibesabschnitt  mit  mehrfach  sich  wiederholenden  Ge- 
schlechtsapparaten bedeutender  entwickelt.  Rei  den  Tanien  diffe- 
reoxiren  sich  solche  Geschlechtsapparate  am  hintern  Kürperende  in 
einer  reicheren  Folge  und  jeder  bezügliche  Abschnitt  bildet  sich,  auch 
äusseriich  allmählich  abgegrenzt,  zu  einem  Gliedstücke  aus,  das  sich 
za  den  übrigen  als  Metamer    verhält   (Fig.    37; .      So  entsteht  die 


ISA 


Würmer 


Bandwurmkelte,  deren,  lelzte  Metameren  (drp  sogenannlen  ProgloUiden) 
je  nach  dem  Grade  ihrer  Ausbildung  sieb  ablttsen,  um  als  bald  mehr  bald 
minder  selbständige  Individuen  zu  erscheinen  (Fig.  3").  Dieser  Vorgang 
stellt  sich  somit  als  ein  Sprossungsproccss  dar,  sein  Pi-oduct  ist  die  Band- 
wurmketle,  jedes  einzelne  Glied  derselhen  erscheint  als  ein  Metamer  mit 
Bezug  auf  den  Gesammtorganisnius  der  Kette,  ist  aber  als  Person  zu  be- 
urtheilen,  da  es  zu  selbständiger  Existenz  befähigt  ist,  deren  Bc- 
schiünkung  sich  aus  der  an  Parasitismus  angepassten  Lebensform  erklärt. 
Wahrend  bei  den  Cestoden  die 
Fig.  37.  Sprossung  durch  Ablösung  der  aus  ihr  her- 

vorgehenden MetJimeren  auf  einen  Vermeh- 
rungsprocess  hinvieist,  so  fuhrt  derselbe 
Vorgang  bei  den  Annulaten  zu  einer  Coni- 
plication  des  Kßrpers.  Aus  der  einheit- 
lichen Larvenform  entsteht  ein  geglie- 
derter Organismus,  indem  der  in  der 
Richtung  der  Hauplaxe  auswachsende  Kör- 
per in  eine  Anzahl  von  Hetamei'en  steh  son- 
dert. Anstalt  der  bei  den  Cestoden  statt- 
findenden Ablösung  der  Mctameren  besteht 
hier  eine  dauernde  Verbindung  derselben, 
die  nur  in  einzelnen  kleinei'en  Abtheilungen 
(Sylliden,  NaIdenJ  durch  einen  neuen  zur 
Trennung  führenden  epigonalen  Sprossungs- 
process  gelost  wird.  Wie  an  der  Cestodenketle  der  vordere  KOrpertbeil 
(Amme  ^  Skolex)  und  das  letzte  Metamer  (Progloltis)  die  zuerst  dilferen- 
zirten  Theite  der  Kette  sind,  so  erscheinen  auch  bei  einem  Ringclwurm  das 
vorderste  und  das  hinterste  Metamer  als  die  zuerst  gesonderten,  zwischen 
denen  die  tlbrigen  allnicthlich  entstehen.  Bei  vielen  ist  dieser  Sprossungs- 
process  zusammen gezi^cn  (Hirudineen  und  andere RingctnUrmer)  und  die 
Sonderung  aller  Heiameren  geht  gleichzeitig  in  der  AnInge  vor  sich. 

Die  aus  der  Vergleicbung  mit  der  Cestodenketle  versUlndlicIie  Be- 
deutung der  Metameren  der  Ringelwtlrmer  äussert  sich  in. der  Organi- 
sation jener  Theile,  denen  nicht  blos  ein  Abschnitt  des  Dnrmcanals 
und  des  Gefösssyslenis,  sondern  auch  je  ein  Ganglion  des  Nervensystems 
mit  noch  manchen  anderen  Organen  gleicbmässig  zukommt.  Nicht  immer 
bleibt  die  melamere  Oi^anisation  üusserlich  und  innerlich  im  Einklänge. 
Aeusserlich  ist  sie  bei  den  meisten  Hirudineen  verloren  gegangen.  Das 
was  bei  den  Blutegeln  als  Leibesring  bezeichnet  wird,  ist  eine  secundftre 
Faltung  deslnlegumentes.  Bei  manchen  Anneliden  tritt  dagegen  der  meta-' 
mere  Charakter  der  inneren  Organisation  zurück.  Auch  die  Gephyreen 
lassen  nur  in  wenigen  Einrichtungen  —  üusserlich  am  meisten  bei  Stomas- 

Kig.  37.  1.  Bandwurm  (Tclrarliyncbus)  in  der  ungesclilirchlliclirn  Form  (Animo). 
1.  Dersell>e  in  Klicd^rbiidcndem  Zu-^tandc,  wol>ei  die  letzten  Glieder  jPcoiilnltiilpn) 
einiein  sieli  nliKisen.     iünch  Van  Beheben. i 


Körperform.  1 98 

pb  —  eine  Helamerenbildung  eiiiennen,  sie  darf  aber  wohl  wie  bei 
den  Onycbophoren  vorausgeselzt  werden,  wenn  sie  auch  nicltt  so  voll- 
ständig wie  bei  den  Anniilalen  in  der  gesaminien  Organisation  sieb 
aiusprichL 

S  97. 

Wahrend  die  vorhin  gesihilderlen  Vei'hultnisse  die  grosseren  Abihei- 
lungen der  WUniier  hoher i-scben ,  koinnil  es  innerhalb  einzelner  klei- 
nerer Abiheilunf^en  zu  miinnichfaohen  andern  HodilicatiaDen,  die  be- 
itonders  bei  entoparasiliscben  PlaltwUrmem  von  Anpassungen  an  ver- 
ündert«  äussere  Lebensbedingungen  abzuleiten  sind.  Als  die  bedeutendste 
dieser  Hodiücalioncn  isl  die  nBlasenrormu  anzusehen,  welche  in  den 
Entwickelungsbreis  derCcstoden  ein- 
geschaltet, und  in  phylogenetischer  Be-  fif  is.  fig.  »». 
lichung  ebenso  sicher  aus  einem  Ein- 
tritte des  Organismus  in  ihm  ursprüng- 
lich fremde,  alinornie  Verhältnisse 
aljiuleiten  ist  {v,  Siiioi.n],  wie  der  ge- 
sauimte  Parasitismus  auf  solche  erst  se- 
cundar  erlangte  ZusUlnde  zurUckfUhn. 
Diese  phylogenetische  Beziehung  stellt  sich 
»Iso  in  ihrer  Begründung  auf  ursprUng- 
lii'h  abnorme ,  dem  sich  davün  anpassen- 
den Organismus  jedoch  lu  normalen  Le- 
hensbedingungen werdende  üusserc  Verhitltnisse,  nicht  in  einen  exclu- 
ii\en  Gegensati:  /um  onlogenelischen  Verhallen,  welches  die  Blaaenfornt 
;ils  einen  Befund  des  normalen  Kiitwickelungskreises  erwies  (van  Bii- 
«M^),  vielmehr  drückt  ersleresVerbtlltniss  nur  einen  erworbenen  Zustand 
iius,  der  in  allmählicher,  beim  Fortbestände  gleicher  Bedingungen  ftir 
ßleicbmässige  Vererbung  nach  und  nach  zu  einer  geseiz massigen  Erschei- 
nung sich  gestaltete.  Die  einzelnen  Formen  knüpfen  an  die  ersten 
Entwickeln ngszustHnde  der  Cestoden  im  Allgemeinen  an.  Der  meist 
mit  3  Hakenpaaren  ausgestattete  Embryo  zeigt  in  seinem  Innern  die 
Diflereniirung  eines  Cestodcnkltpfchens  (Fig.  1)8  n],  welches  nach  voil- 
eadeter  Ausbildung  sich  hervorstülpt,  so  diiss  die  anfilnglich  Süssere 
Umhüllung  [Fig.  38  b]  zu  einem  am  KOpfchen  sitzenden  Körpertbeile 
(Fig.  39]  wird.  Bei  der  Cy.sticercusform  bildet  sieh  der  Embryo  lu 
einer  mit  Fluidum  gefüllten  Blane  um,  an  deren  Wand  das  KQpfchen 
(leo  eingestülpten  Zustand    repiitsentirend  gegen  das  Lumen  der  Blase 

Fr|;.  18,     JunRc  Taenie   mit   einKeKlülptem  Kupfp.     a  Kopr.     b  Hüll«,     e  die 
«ccb«  an  einer  Stelle    der   leltlerrn  zurück  gebliebenen  Embryoniiliahchen.     (Nscb 

■>-  SlUOLD.) 

Fig.  39.     DieHolbr  Taenie   in   lieivoi^fstutplem  Zuslandr.     Bezeichnung  wie 
in  voriger  t'ifur       Naib  »    SitwiLo.) 


430  Würmer. 

hervorsprosst.      Hit    der   Ausstülpung  des  Köpfchens   bildet  die   Blase 
einen  Endanhang  des  Körpers  (Fig.  40). 

Entsteht  an  der  Blasenwand  eine  Mehrzahl  von  Knospen,  an  denen 
hervorstulpbare  Köpfchen   sich  differenziren ,   so  bildet  sich  daraus  die 

Cönurusform   aus.     Im  Falle  der  Ablösung  der  Knos- 
••'»g   ♦ö.  pen    ins    Innere    der    Blase    können    sich    dieselben    zu 

neuen  Blasenbildungen  gestalten,  an  deren  Wand  der- 
selbe Knospungsprocess  von  Köpfchen  sich  fortsetzt  und 
zu  Systemen  ineinandergeschachtelter  Blasen  führt,  deren 
jüngste  an  ihren  Innenwänden  wieder  Bandwurmköpf- 
chen  sprossen  lassen.  Dieser  Zustand  bildet  die  Echi- 
nococcusform. 

Diese  Sprossungsvorgünge ,  welche  sich  ungeachtet 
der  Mannichfaltigkeit  der  Endproducle  auf  eine  gemeinsame  Grundform 
zurückführen  lassen,  stehen  im  Bereiche  der  Plaltwürmer  keineswegs  un- 
vermittelt da,  indem  bei  nicht  wenigen  eine  in  manchen  Puncten  ähnliche 
ungeschlechtliche  Vermehrung  Platz  greift.  Am  verbreitetsten  ist  sie 
unter  den  Trematoden,  deren  Embrjo  einen  als  »Keimschlauch«  be- 
kannten ungeschlechtlichen  Zustand  hervorgehen  lässt.  Das  Körper- 
parenchym  dieser  Keimschläuche  diiferenzirt  sich  meist  wieder  zu 
gleichartigen  Bildungen,  in  denen  schliesslich  die  zur  geschlechtsreifen 
Form  sich  ausbildenden,  als  »Gercarien«  bekannten  Larven  ent- 
stehen. Die  Verschiedenartigkeit  der  Formen  der  einzelnen  Generationen 
scheint  in  den  meisten  Fällen  durch  Rückbildungen  in  Anpassung  an 
die  parasitische  Lebensweise  im  Allgemeinen,  wie  im  Speciellen  an  die 
Beziehungen  zu  verschiedenen  Wirthen  entstanden  zu  sein,  sowie  jene 
Lebensweise  nicht  minder  die  wieder  als  »Generationswechselw  bezeich- 
nete, damit  freilich  in  keiner  Weise  erklärte,  Gesammtei*scheinung 
beherrscht. 

§  98. 

Sprossungs Vorgänge  sind  auch  unter  den  Bryozoi^n  verbreitet  und 
führen  zur  Stockbildung.  Die  Sprossung  geht  wieder  von  der  Leibes- 
wand aus.  Je  nach  dem  der  Spross  lateral  verbleibt  und  mit  dem 
Mutterthier  den  Boden  theitt,  oder  bei  Streckung  des  Körpers  terminal 
vom  Boden  sich  abhebt,  entstehen  flächenhaft  ausgebreitete  oder  in  die 
Höhe  wachsende,  ramißcirle  Gormi.  Am  Bande  der  flächenhaft  ausge- 
breiteten Stöcke  bilden  die  jüngsten  Sprossen  häutig  die  Anlagen  für 
mehrere  Individuen  (Personen) ,  die  nach  und  nach  sich  von  einander 
sondern.  Wie  bei  der  Entwickelung  aus  dem  Eie  legt  sich  auch  bei 
der  Sprossbitdung  der  vordere  die  Tentakelkrone  tragende  Körpertheil 
im  Inneren   des   das  n  Gehäuse a   um   sich  bildenden  hintern  Körperab- 

Fig.  40.  Eine  Finne  (Cysticercus  cellulosae)  mit  hervorgeslülptem  Kopfe 
(iiat.  (ji*.).  <i  Die  mit  Fluidum  geriillte  Strhwanzbiase.  c  Der  vordere  Theil  des 
Körpers,     d  Das  Küpfchen.     (Nach  v.  Siebolü.) 


KOrperfonu.  131 

scboiUes  an.  Man  hat  darauf  hin  beide  Abschnitte  In  sehr  ungerecbt- 
ferligter  Weise  als  «Individuen«  danuslellen  versucht.  Nicht  alle  Per- 
sonen eines  Bryoioenstockes  gelangen  eu  gleich  hoher  Ausbildung. 
Bei  manchen  entwickeln  sich  nur  einzelne  dem  Gehäuse  und  der  Uua- 
kulalur  angehitrige  Theile,  und  daraus  gehen  die  sogenannten  Avicu- 
larien,  vogelkopfartif;en  Organe,  hervor,  die  für  den  Stock  als  Greiforgiine 
fuDgiren.  In  einer  ferneren  Hodification  entstehen  die  Vibracularien, 
lange,  Bewegungen  vollführende  pfriemenartige  Gebilde.  Endlich  können 
sogar  eiozetne  Personen  nur  cur  Aufnahme  von  Eiern  dienen,  und  so- 
genannte Brutkapseln  vorstellen. 

§  99- 

In  ^oAser  Hannichfaltigkeit  erscheint  die  Sprossung  bei  den  Tuni- 
caten,  wo  sie  gleichfalls  ThierstOcke  schafft,  aber  auch  tur  Ent- 
stehung discreler  Individuen  hinführt.  Bei  manchen  Ascidien  sondert 
«ch  die  Embryonalanlage  zu  mehr  als  einer  Person.  So  sprosst  ent- 
weder eine  zweite  Person  aus  der  erst  angelegten  (Didemnum)  mler 
der  Embryo  sondert  sieh   gleich niüsstg  in  eine  Hehrzahl  von  Personen 

Flg.  4f. 


(veifl.  Pig.  (I|,  von  denen  jed«  mit  einer  Summe  von  Organen  aua- 
geslattet  wird.  Alle  bleiben  aber  mit  einem  gemeinsaroen  Theile  (der 
Cloake)  unter  einander  verbunden.  Von  da  bis  zu  dem  zu  getrennten 
Personen  führenden  Zustande  kommen  manche  tlebei^änge  vor,  zu 
denen  auch  die  bei  Pyrosoma  bestehenden  Verhaltnisse  zahlen. 

Am  ausgebildeten  Tfaiere  kommt  die  Stockbildung  durch  prolife- 
rirende  Fortsätze  zu  Stande,  die,  mit  dem  GetUsssystenie  im  Zusammen- 
hang, bald  an  verschiedenen  Stellen  des  Kttrpers  entstehen,  bald  auf 
bestimmte  LocalilSIlen  beschrUnkt  sind.  Die  geseiligen  Ascidien  (A. 
sociales]  liefern  Beispiele.  Ein  besonderes  Organ  ist  bei  den  Cyclo- 
■nyaria  und  den  Salpen  als  Keimslock  (Stolo  prolifer]  ausgebildet. 

Fig.  tl.  Entwickelunf!  von  Botryllus.  1.  Ei  am  Ende  der  Dolterlheilung. 
0  Hülle,  t  Doller.  i.  Aus  der  EmbryonalBnlsK^  hat  »ich  der  Ruderschwani  r 
dilTereazirt.  3,  Es  »prussen  einielne  Personen  iin  Umfange  der  Embryuna Isnlage 
hrrvorum  eiiwD  geinein«iain«Q  Abschnitt  (c)  die  Cluake.   d  Gemeinnchaniiche  Hlille. 


132 


Würmer. 


Bei  Doliolum  erscheint  er  als  ein  meist  von  <)er  dorsalen  Körper- 
flürhe  nühe  an  der  AuswiirfsOiTnung  ent/springetider  Forlsalz;  bei  den 
Salpeii  wie  bei  Pyrosoina  eniswhl  er  venlrat,  und  bietet  nur  an- 
(ängiich  Übereinstimmende  Homenle  dar,  um,  anslad  nach  aussen  vor- 
zusprossen,  auf  verseil iedenc  Weise  sicli  innerhalb  eines  meist  in  der 
Nilhc  des  Darines  (gelegenen  Hohlraumes  zu  lagern.  Auch  in  seiner 
Beziehung  xur  Knospung  verhiJlt  sich  der  Keiinstock  der  Salpen  ver- 
schieden von  jenem  bei  Üuliolum.  Bei  lelKlereiii  sprossen  am  keiui- 
stocke  reihenweise  angeordnete,  zuweilen  sopar  dimorphe  Knospengene- 
ralionen,  welche  mit  dem  Keimstoike  durch  kurze  t'ortsillze  im  Zu- 
sammenhang sieben.  Bei  den  Salf)i>n  onlslehen  gleichfalls  am  Keimstocke 
Sprossen,    aber  jede  derselben  umfassl  mit  ihrer  Biisi.s  die  Hilifte  des 


l-ig.  42. 


Kis.  43. 


limfangs  des  crsteren,  so  dass  hei  der  Bildung  von  zwei  Reihen  solcher 
Sprossen,  das  Ualerial  des  Keims  locke  s  selbst  in  den  Körper  der  letzteren 
Ubergeruhrt  wird.  Die  Beife  der  ketlcnfOriiiig  unler  einander  ver- 
bundenen jungen  Sprüsslinge  (Fig.  ii  n]  geht  dem  zufolge  mit  einer 
Audösung  des  beireffenden  KeimslockabsuhniUes  einher. 

Das  Vorhallen  dieser  Hinrichtung  führt  wieder  zu  einem  •Gene- 
rationswechsel«, indem  die  niil  solchen  Keimstörken  ausgestatteten  For- 
men Siels  geschicchlshis  bleiben.  Man  könnte  ao  den  Keimsiock  als  eine 
den  Geschlechlsappiinit  auch  anatomisch  compensirende,  viellcieht  aus 
einem  Kierslock  hervorgegangene  Einrithlung  belracblcn,  jedoch  ergibt 


KiK.  tS.  t]ii;;csch]cclilJiclic  Form 
au>isvn  trt'tciidu  liiiikrjonciikolle. 

Ki).'.  i3.  lii->ulileclilli<'lii'  Korin  s 
(lungszupreii.  u  liliigBiijjMiiriiuiit;.  b  X' 
H  Daurlifiirdie.     r   Lel>ri>'-Iil)iui'li.     t 


n  [snIilEI 


!  Korinj.    nNach 


Kijii 


»lIi   I 


III  !JnlpH  )iMii>iitii  (ki-tlunturnV .  t  Verbiu- 
swurfsuirnjai;.  c  liniiKlion,  d  kienie.  /"Hen. 
Im  EiiiliTj'ü  iiiil  Kniliryoiialuriianen.      ^Oeldc 


GliedmasAMii.  433 

sich  in  der  That  eine  ganz  andere  ßeuriheilnng  aus  der  Vergleichung, 
welche  in  den  KeimstOcken  prolifcrirende  Auslllufer,  ähnlich  wie  bei 
den  Ascidiae  sociales  erkennen  l^sst.  Ein  solcher  Ausl£iufer  ist  auf  eine 
bestiiDmie  Kdrpersteile  localisirt,  auf  die  ventrale  FISiche  des  Körpers 
bei  Pyrosonia  und  Salpa,  auf  die  dorsale  bei  Doliolum.  Bei  Pyrosoma 
ist  ein  in  den  Mantel  gerichteter  Keimstock  vorhanden,  an  dem  je  nur 
eine  einzige  Knospe  sich  bildet;  daneben  bestehen  noch  Geschlechts- 
organe. Es  kann  also  nicht  daran  gedacht  werden,  dass  der  Keimstock 
zum  Geschlechtsapparat  gehöre.  Bei  den  Salpcn  und  Doliolum  bilden 
die  Keimslöcke  im  Gegensätze  zu  Pyrosoma  reiche  Generationen  von 
Knospen.  Damit  trifft  aber  der  Mangel  des  als  rttckgebildet  zu  be- 
Irachtenden  Geschlechtsapparats  zusammen.  Diese  sexuelle  Bück- 
bilduog  ist  aus  der  Entfaltung  des  Sprossungsprocesses  am  Keim- 
stocke ableitbar.  Bei  den  Salpen  sind  die  Abkömmlinge  der  unge- 
schlechtlichen Generation  stets  geschlechtlich  entwickelt,  und  so  entsteht 
eine  reine  »alternatio  generationis«,  indess  bei  Doliolum  die  uiigeschlecht- 
liebe  Fortpflanzung  erst  nach  mehrfachen  keimstocktragenden  Generatio- 
nen erschöpft  wird.  Demnach  nühert  sich  das  Verhalten  der  Gyclomyarier 
mehr  der  ursprünglichen  Ascidienknospung,  sowohl  durch  den  ausser- 
liehen  Keimstock,  als  durch  die  Art  der  Verbindung  der  Sprossen  mit 
dem  Keimstocke.  Der  innere  Keimstock  der  Salpen  dagegen  entfernt 
sich  von  dem  Ausgangspunkte  ebenso  durch  seine  Lagerung  wie  durch 
den  Verbrauch  des  Kcimstockmalerials  durch  die  Sprossen. 

OUedmaasMii« 

§  400. 

Die  Gliedmaassen  erscheinen  als  aciiv  bewegliche  Forlsatzbildungen 
des  Körpers,  die  je  nach  ihrer  Beziehung  zu  letzterem  und  nach  ihrer 
specicllen  Ausbildung  zu  den  verschiedenslen  Functionen  in  Verwen- 
dung kommen  können.  An  dem  den  Kopftheil  vorstellenden  Körper- 
abschnitte  treten  Fortsatzbildungen  schon  bei  den  Turbellarien  auf.  So 
entstehen  bei  vielen  Planarien  seitliche  lappenartige  Fortsittze  als  Ten- 
takel oder  Fühler,  und  bei  andrren  ist  auch  die  RUckenOäche  des 
Körpers  durch  ähnliche  Bildungen  ausgezeichnet  (Thjsanozoon). 

Wie  die  parasitische  Lebensweise  der  Trematoden ,  der  Cestoden, 
wie  derNemathelminthen  derartige  Bildungen  gHnzlich  zurücktreten  lässt, 
so  treffen  sie  sich  unter  den  freilebenden  Annulaten  wieder  bedeutend 
entfallet^  und  hier  sind  es  besonders  die  ChUtopoden,  deren  Kopftheil 
bald  an  den  Seiten,  bald  auch  median  mit  contractilen  Tentakeln  aus- 
gestattet ist  (Fig.  44.  n*').  Diese  sind  entweder  einfach,  oder  durch 
Segmentirung  weiter  differenzirt,  oder  auch  durch  secundtlrc  Fortsätze 
ausgezeichnet.  Durch  Anpassung  an  die  mannichfachsten  Lebensver- 
hältoisse  in  Gebilde  mannichfaclier  Art  umgewandelt,  dienen  sie  vie- 
lerlei Verrichtungen,  von  denen  die  respiratorische  die  belangreichste  ist. 


431 


Würmer. 


Bei  den  rOhi'e  übe  wohnen  den  Clitilopoden,  deren  KoprUieil  den  mit 
dem  umgebenden  Medium  zuntlcbst  in  Deztehung  Irelenden  Körperab- 
schnill  vorslellt,  sind  die  Fühler  in  müchtif^c  Apparal«  umgewandelt. 
Sie  bilden  Büschel  conlracUlvr  Faden  am  Kopflappen,  in  einfachen  oder 
mehrfachen  Reihen  (Terebellen  [vergl.  unten  Fig.  83.  /] ,  Hermellen), 
oder  sie  sind  mil  der  Enlwickelung  eines  Innern  GerUsteä  (Knorpel)  in 


starre,  auch  mit  secuoddren  Aeslen  besetzte  federhusch  artige  Gebilde  (Kie- 
mentenlakel)  übergegangen,  die  sowohl  an  der  respiratorischen  Function 
sich  betheiligen,  als  auch  bei  Bewegung  des  Gcsammtapparates  fUr  die 
HerbeischaffuDg  der  Nahrung  thütig  sind  (Scrpulitceen) .  Bei  einem  Thcile 
ordnen  si'cb  diese  Kiemenfühler  auf  zwei  fächerrormlg  ausgebreitete 
Gruppen.  Kurze,  einfache  Fäden,  neben  denen  noch  zwei  sie  über- 
ragende exquisite  Fühler  vorkommen,  siclleu  sie  bei  Siphonostoma  vor. 
Bei  Andern  zieht  sich  die  Basis  i)eidcr  am  Rücken  getrennter  Hüiflen 
der  Büschel  in  eine  spiratig  aufgerollte  Leiste  aus,  auf  welcher  die  ein- 
zelnen Füden  sich  iiufrciben  (Sabclla).  Durch  das  Vorkommen  von 
Sebwerkzeugen  an  den  einzelnen  Faden  der  KiemenbUschel  erscheint 
für  diese  Organe  eine  neue  Beziehung  (Brancbiomma) . 

Einzelne  der  Kienienfüdcu   erleiden   nocb   andere  ümwaudluDgen. 
Ei»  oder  ein  Paar  der  nnntn(;;licb  glcicharligon  Kiemententakel  (Prolula) 


Fig.  *4.     Kopf  von  Noreis  Di 
p  Ftuiglutnmeln.    pA  ScblaDdkopf. 

CL*P*lltDI.) 


I  a'  Tflslei'.  (,  |i,  P,  t»,  H,  1&  Fühler, 
i  Speiseröbre.    gl   Drüsen.     iNacb 


Glied  oMassen.  |35 

besitzt  bei  einzelnen  Sabellen  bereits  keine  respiratomche  Function  und 
wandelt  sich  bei  anderen  SabelUden  in  kolbenförmige  Gebilde  uni,  von 
denen  eines  mächtiger  entwickelt  als  das  andere  als  Deckel  zum  Ver- 
schluss der  vom  Thiere  bewohnten  Röhre  verwendet  wird.  Bei 
Filigrana  behält  der  Deckelstiel  in  seiner  Piederung  einen  Theil  seiner 
ursprünglichen  Eigenschaften.  Die  Fiederung  Icann  aber  verloren 
geben  (Serpula) ,  und  dann  durchläuft  die  Entwickelung  des  Deckels 
jene  bei  Andern  bleibenden  Zustände.  An  diesem  durch  Anpassung 
entstandenen  Apparate  wird  häufig  noch  eine  verkalkte  Schichte  ab- 
geschieden, welche  das  freie  abgeplattete  Ende  scheibenförmig  bedeckt. 
In  einzelnen  Fällen  nimmt  der  erweiterte  Deckelstiel  die  Eier  auf  und 
fuDgirt  als  Bruttasche  (Spirorbis  spirilluro) ,  so  dass  ein  und  dasselbe 
Organ  eine  Reihe  der  mannichfaltigsten,  von  seiner  ursprünglichen  Be- 
deutung weit  abliegenden  und  durch  gegebene  äussere  Verhältnisse  er- 
worbenen Beziehungen  eingeht.  Ausser  den  Fühlern  finden  sich  bei 
den  Cbatopoden  noch  besondere  kürzere,  aber  retractile  Taster  (Fig. 
44.  a)  vor. 

Diesen  Gebilden  reihen  sich  auch  die  Tentakel  der  Bryosoön  an 
als  fadenförmige,  von  Cilien  umsäumte  und  contractile  Fortsätze  einer 
scheibenförmigen  oder  lappenartig  ausgezogenen  Ausdehnung  des  Integu- 
mentes  (Lophophor)  am  oralen  Körperende.  Die  erstere  Form  des  Lopho- 
phor  ist  die  verbreitetste.  Die  Mundöffhung  nimmt  dann  die  Mitte  ein. 
Im  andern  Falle  ist  der  Lophophor  in  zwei  eine  Hufeisenform  bil- 
dende Fortsätze  ausgezogen  (s.  Fig.  60.  B.  6r.). 

Einfacher  verhalten  sich  die  Tentakel  von  Pedicellina,  die  den 
Rand  einer  scheibenförmigen,  Mund  wie  After  tragenden  Körperfläche 
besetzt  hallen ,  und  im  Innern  nicht  hohl  sind  wie  die  Tentakel  der 
Bryozoön. 

§  «Ol. 

Eine  andere  Abtheilung   bilden    die   bei  den  Ghätopoden  aus- 
gebildeten   locomotorischen    Gliedmaassen,    seitlidie    Fortsätze 
der  Metameren    des    Körpers,    Fussstummeln    oder   Parapodien 
(Fig.  45.  A,  ß.  p).    Sie  treiTen  sich  stets  paarig  für  jedes  Segment,  zu 
zweien  oder  zu  vieren.     Im   letztem  Falle   nimmt   ein  Paar   den  dor- 
salen, ein  anderes  den  ventralen  Abschnitt  der  Seite  des  Körpers  ein. 
Sie  tragen  Borsten  und  häufig  auch  fadenförmige  und  mannichfaltig  ge- 
staltete Anhänge  (Girren),  welche  die  Parapodien  an  Volum  übertreflen 
können,  oder  bei  deren  Rückbildung  sich  ganz  an  die  Stelle  derselben 
seUen.     Auch  die  Kiemen  sind  als  Modificationen  von  Girren  oder  doch 
als  damit  zusammenzustellende  Gebildet  und  als  Anhänge  der  (dorsalen) 
Parapodien  anzusehen.   Sie  rücken  bei  vielen  von  diesen  ab  und  erschei- 
nen dann  als  selbständige  Körperanhänge  (§  102).  Zuweilen  sind  dorsale 
und  ventrale  Parapodien  jeder  Seite  einander  sehr  genähert,  von  wel- 
cbem  Zustande  an  alle  Uebergange  bis  zur   völligen  Verschmelzung  zu 


-136  Wörmer. 

einem  einzigeo  Paare  sich  kundgeben  (Sylliden).  Dieses  nimmt  dann 
genau  die  Seite  des  Körpers  ein,  und  trägt  die  sonst  auf  dorsale  und 
ventrale  Parapodien  vertheilten  secundären  Anhänge  (Borsten  und  Girren). 
Rückgebiidet  erscheinen  die  Girren  bei  den  Tubicolen. 

Der  Ausbiidungsgrad  der  Parapodien  ist  sehr  mannichfach,  und 
wird  durch  Beziehung  zu  den  Borsten gruppen  complicirt.  £ine  Um- 
bildung erfolgt  durch  eine  Verbreiterung  des  Endes  der  einzelnen  ge- 
trennten oder  auch  verschmolzenen  Parapodien  oder  vielmehr  deren 
Girren,  woraus  dann  Ruderplatten  hervorgehen  (Phyllodoceen).  Als 
besondere  durch  Umwandlung  dorsaler  Girren  entstandene  Anhangs- 
gebilde der  Parapodien  erscheinen  die  Elytren,  •  schuppenartige  Lamellen, 
welche  über  den  Rücken  hin  sich  über  einander  lagern,  und  alternirend 
durch  kurze  Fortsätze  vertreten  sind  (Aphrodileen) .  Während  die  als 
Locomotionsorgane  thätigen  Parapodien  der  Anneliden  als  die  Anfcfnge 
einer  bei  den  Gliederthieren  zu  einer  vollkommneren  Entfaltung  ge- 
langenden Gliedmaassenbildung  erscheinen ,  entbehren  sie  doch  der 
Selbständigkeit,  insofern  sie  keinen  eigenen  Muskelapparat,  wie  die 
Giiedmaassen  der  Arthropoden,  besitzen,  und  vorzüglich  durch  die  Be- 
wegung der  bezüglichen  Metameren  in  Thätigkeit  gesetzt  werden. 


Aeussere  Kiemen  (Hautkiexnen) . 

§   102. 

Sowohl  die  am  Kopfe  wie  die  an  den  Metameren  der  Chätopoden 
vorkommenden  Anhangsgebilde  erleiden  mancherlei  Umwandlungen  in 
Anpassung  an  die  respiratorische  Function.  Wenn  diese  bei 
dem  grössten  Theile  der  Würmer  durch  die  gesammte  Körperoberfläcbe 
vermittelt  wird,  so  erscheint  sie  bei  den  Ghätopoden  auf  bestimmte 
Theile  localisirt,  die  dadurch,  wie  aus  ihrem  Verhallen  zum  Gefäss- 
apparat  und  aus  ihrem  sonstigen  Bau  zu  ersehen,  zu  Kiemen  sich  um- 
wandeln' 

Diese  trifTt  erstlich  die  Kopftentakel  (§  100).  Bei  einigen 
(Pectinaria,  Terebella)  führen  diese  Gebilde  nur  perienterische  Flüssig- 
keit, und  erscheinen  noch  nicht  sicher  als  Kiemen.  Bestimmter  ergeben 
sie  sich  als  solche  bei  den  Pberuseen  (Siphonostoma) ,  und  bei  den 
Sabelliden  sind  sie  in  der  oben  angegebenen  Ameise  noch  weiter  dif- 
ferenzirt  und  die  einzelnen  Kiemenfäden  sind  sogar  mit  secundären 
Fiederchen  besetzt. 

Wie  aus  den  Kopftentakeln  durch  weitere  Ausbildung  Kiemen  her- 
vorgehen, so  erscheinen  auch  Kiemen  als  Anhangsge bilde  der 
einzelnen  Körpersegmente  durch  Modificationen  der  den  Piara- 
podien  angefügten,  oder  auch  als  besondere  Anhänge  sich  darstellenden 
Girren.  Im  einfachsten  Zustande  zeigen  die  Girren  keine  Umbildung, 
ausser  einer  Fortsetzung  der  Leibeshöhle,  so  dass  nur  die  perienterische 


Aeussere  Kiemen.  137 

Flüssigkeit  in  sie  eintreten  kann.  Das  Vorkommen  von  Cilien  ouf  den 
Girren  ist  fUr  deren  respiratorische  Bedeutung  von  Belang.  Indem  die 
Wand  der  Girren  an  einzelnen  Stellen  bedeutend  dünner  ist,  werden 
diese  für  das  Zustandekommen  des  Gasaustausches  bevorzugt.     In  der 

Fig.  45. 


Regel  sind  die  dorsalen  Girren  zu  Kiemen  umgewandelt,  welche  diese 
bestimmtere  Beziehung  zur  Athemfunction  durch  den  Eintritt  von  Blut- 
gefassen  empfangen,  l^ic  Kiemen  bleiben  entweder  einfache  Fortsetze, 
zuweilen  von  blattförmiger  Gestalt,  oder  sie  zeigen  Bamificationen  in  ver- 
schiedenem Grade.  Als  sehr  verlikngerte  einfache  Füden  erscheinen  sie 
bei  Girratulus.  Die  andere  Form  unifasst  die  exquisiteren  Kiemen,  die 
entweder  kammfdrmig  gestallet  (Kuniccen)  (Fig.  45.  A.  br),  oder  auch 
baumfbrmig  verästelt  (Fig.  82.  br)  (z.  B.  bei  Amphinomeen)  erscheinen. 
Da  nicht  selten  neben  ihnen  noch  ein  Dorsaicirrus  vorhanden  ist,  so 
stellen  sie  selbständigere  Gebilde  vor,  sowie  sie  auch  httufig  von  den 
Parapodien  entfernt  dircct  von  der  Rttckenflitche  entspringen.  Alle 
diese  mannichfachen  Befunde  sind  durch  Uebergänge  verknüpft,  die 
zuweilen  an  demselben  Thiere  sich  vorfinden. 

Ihre  Verbreitung  über  den  Körper  findet  in  verschiedenem  Maasse 
statt.  Bald  treffen  sie  sich  an  allen  Körpersegmenten,  gegen  das  Körper- 
ende  meist  von  geringerem  Umfange  (Eunicc  sangulnea,  Amphinome). 
Bald  sind  sie  auf  eine  Anzahl  von  Segmenten  beschrünkt  und  gehen 
gegen  die  kiemenlosen  Segmente  zu  allmählich  in  rudimentäre  Bildungen 
Qber  'Arenicola,  liermella).  Bei  den  Höhrenbewohnem  ruft  die  Le- 
bensweise die  Ausbildung  vorderer,  das  Schwinden  hinterer  Kiemen 
hervor.  An  drei  vorderen  Segmenten  besitzen  die  Terebellen  verästelte 
Kiemenbilschel  (Fig.  Hi,  br) ,  an  zweien  trägt  Pectinaria  karomförmigc 
Kiemen,  und  einfache  fadenförmige  Anhänge  sind  an  derselben  Stelle 
bei  Branchiosabella  und  Sabellides  vorhanden. 

Auch  in  anderen  Abtheilungen  der  Würmer  ist  die  respiratorische 
Function  an  Körperfortsätze  geheftet.  Das  gilt  von  den  Tentakeln  der 
Bryozo^n.  Specielle  Ausbildungen  von  respiratorischen  Fortsätzen  be- 
stehen bei  Gephyreen,  wo  das  Hiuterleibsende  von  Sternaspis  blui- 
gefassfuhrende  Anhänge  trägU     Endlich  kommen   selbst  liei  den  Hiru- 

Fig.  45,  Schemata  senkrechter  Querdurchschnitte  von  Hingelwürmern,  zur 
Darstellung  der  Anhsngsgebilde.  A  Qucrdun'hsohnUt  von  Eunice.  B  von  Blyria- 
nida.    p  BavcbstnmiDet.    p'  Rückemlummel.     br  Kiemen,    br'  Girren. 


4  38  Würmer. 

dineen   lamellenartige   Ausbreitungen    des   Integuoientes    in  metamerer 
Anordnung  vor  (Branchellion). 


Integument. 
§  103. 

Das  aus  dem  Ectoderni  gesonderte  Integument  der  Würmer  steht 
in  enger  Verbindung  mit  der  Muskulatur,  durch  die  es  sich  bei  man- 
gelnder Leibeshöhle  ins  Körperparenchym  fortsetzt.  So  verhalten  sich 
die  meisten  Plattwürmer  und  Hirudineen.  Bei  dem  Vorhandensein 
einer  Leibeshöhle  stellt  das  Integument  mit  der  Muskulatur  einen  Haut- 
muskelschlauch vor,  wie  er  bei  Acanthocephalen ,  Tunicaten  ,  Gephyreen 
und  den  meisten  Annulaten  besteht. 

Wenn  wir  den  Hautmuskelschlauch  in  die  beiden  ihn  zusammen- 
setzenden Theile  zerlegen,  so  finden  wir  die  Muskulatur  in  der  Regel 
als  die  bedeutendere,  die  als  eigentliches  Integument  anzusprechende 
Schichte  als  die  relativ  geringer  entwickelte  Lage. 

Die  eigentliche  Hautsqhichte  besteht  in  der  Regel  aus  einer 
Zellenlage,  deren  Elemente  oft  sowenig  gesondert  sind,  dass  sie  ein 
Syncytium  vorstellen.  Diese  Schichte  entspricht  einer  Oberhaut,  Epi- 
dermis. Bei  dei^  Turbellarien  ist  sie  überall  mit  WMmpern  besetzt. 
Bei  vielen  sitzen  die  Wimpern  auf  einer  anscheinend  homogenen 
Schichte,  die  wie  eine  Cuticula  sich  ausnimmt.  Aber  selbst  bei  sol- 
chen die,  wie  die  Cesloden,  später  des  Wimperkleides  entbehren,  ist 
doch  wührend  der  embryonalen  Stadien  ein  Cilienüberzug  vorhanden. 
Auch  Embryonen  von  Trematoden  besitzen  ihn.  Bei  vielen  Anneliden 
bestehen  an  verschiedenen  Körpertheilen  bewimperte  Stellen,  oder  es 
sind  sogar  grosse  Strecken  des  Körpers  mit  Cilien  bekleidet. 

Die  locomotorische  Rolle  dieses  Wimperbesatzes  tritt  besonders  für 
die  kleineren  Formen  hervor.  Ausschliessliches  Bewegungsorgan  bleibt  das 
Wimperkleid  daher  meist  nur  In  den  Jugendzuständen.  Durch  Fortsatz- 
bildungen des  Körpers  wird  die  wimpertragende  Oberfläche  vergrössert, 
und  daraus  entspringt  für  die  Cilien  eine  erhöhte  Leistung  für  die 
Locomotion.  Aehnlich  verhalten  sich  die  Larven  der  Gephyreen  und 
der  meisten  Anneliden.  Die  Cilien  ordnen  sich  auf  leistenartige  Vor- 
sprünge, die  bestimmte  Strecken  der  Leibesoberfläche  als  Wimper- 
schnur  oder  Wimperkranz  umziehen,  und  in  ihrer  Anordnung 
für  die  einzelnen  Abtheilungen  meist  charakteristisch  sind.  Ein  oder 
mehrere  Wimper  kränze  umgürten  den  Körper,  darnach  man  die 
Larven  von  Chätopoden  in  mesotroche ,  telotroche  und  polytro<;he  unter- 
schied. Wenn  auch  sonst  die  Körperoberfläche  noch  Cilien  trägt,  sind 
die  der  Wimperreifen  doch  mächtiger  entwickelt  und  ihr  Schlagen  för- 
dert wesentlich  die  raschere  Ortsbewegung.  Von  diesen  Wimperreifen 
ist  einer  (Fig.   46.  C  D  v)  beständiger  als  die  übiigen,  er  tritt  zugleich 


Inl«4{niDeiit. 


13 


am  frllbeslen  auf,  and  theilt  den  Körper  in  «inen  vordem  und  hinUrn 
Abschoilt.  Der  erslere  stelll  den  oberen  Tbeil  des  spatern  Kopfes  des 
Wurmes  vor,  wahrend  aus  dem  andern  Abschnill  der  ganze  Übrige  Loib 
(ksThieres  sich  entwickelt.  DerpnmitiveWinipcrkninzerbitltsich  in  einer 
Ahlheilung  der  Würmer,  bei  den  Raderlhieren.  Indess  der  hin  lere 
Absdioill  in  einen  mehr  oder  minder  gegliederten  Körper  sich  diffe- 
reaiin,  bildet  sich  der  vordere  auf  einer  wulstffirmigen  Vcrdickun); 
lange  CiJien   tragend   zu   einem    besonderen  Organe  aus,    welches   für 

Kig.  t«. 


diese  Abtheilung  charaklcristlücb  wird.  DicM's  Rlldcrorgan  —  von  der 
Regung  seiner  Cllien  so  heieichnet  —  zeigt  sieb  in  sehr  verschie- 
deoen  Formzuständen.  Es  bleibt  entweder  einfach,  mehr  im  Anschlüsse 
an  das  primitive  Verhalten,  oder  es  breitet  sich  in  lappenarlige  Fort- 
sätze aus  [Tubicoloriii)  oder  bildet  (entakelartige  Verlängerungen  {Ste- 
pbanoceros) ,  die  haulig  nur  in  den  Jugendzuständen  der  Orlst>owegung 
dienen,  indess  sie  später  bei  festsitzender  Lebensweise  des  Thien-s 
lur  Zuleitung  'von  Nahningsstoflen ,  durch  den  mittelst  der  Wim- 
prraction  erzeugten  Strudel,  In  Vernondung  stehen.  Bei  den  BryozoOn 
l)eslebt  vor  der  Entfaltung  der  Tenlake)  gleichfalls  ein  Wimperkranz, 
innerhalb  dessen  die  Tentakel  hervorsprossen.  Durch  die  Lagerung 
iler  HunditfTnuog  entbehrt  dieser  Wimperkranz  der  Uebercin Stimmung 
mil  iler  verbreiteleren  Form,  altein  es  l>estehen  doch  noch  fUr  einige 
Ahibeilungen  nahe  Beziehungen  z.  B.  mit  den  Gcphyrcen,  deren 
Urven  gleichfalls  einen  das  Mundfeld  umgUrtendon  Wimperkranz  be- 
iilien.  Auch  bei  dem  sonst  mit  Rund^^ü^mem  ilbereinslimmenden 
Polygordius  kommt  ein  Wimperkranz  vor,  in  welchem  wir  somit  eine 
t^inrichtung  erkennen ,  die  von  einer  vielen  Ablheilungcn  der  Wurmcr 
l^PDieinsanien  Stammform  aus  sich  fortvererbt  hat. 


Hg.  tt,     AnordnuDi;    iler   Wimprrsi^liiiur«    hei    EdiinuderiDen-    {A 
urmlirven   [CD,,     v   vorderer,    w   biiil«rcr    Wimperkranz.     o  Muni). 


Fig.  *1. 


§  '04. 

Beim  Mangel  von  Cilien  wird  die  Epidermisschicble  von  einer 
sehr  verschiedengradig  cntwickellen  Cuticula  bedeckt,  die  >tls  Abson- 
deruügsproducl  der  epider- 
malen  Zellen-  oder  Prolo- 
plasmaschichlo  erscheint. 
Diese  Cuticula  ist  unter  den 
Plaltwtlrmem  bei  Treinato- 
den  und  Cestoden  als  eine 
dUnno  oder  doch  weiche 
Schichte  vorhanden.  In  ähn- 
licher Weise  kommt  sie  auch 
den  Anneliden  zu,  wo  sie 
sogar  eine  besondere  Milch- 
tii^keit  erreichen  kann.  (S. 
Fig.  il.c]  Hit  bedeutender 
Verdickung  dieser  Schichte 
treten  Porencantile  in  ihr  auf. 
In  der  Classe  der  BundwUr- 
nier  ist  sie  am  beträchtlich- 
~~  stcn  entwickelt  und  UbertriOi 

die  unl«r  ihr  liegende  Matrix 
mehrfach  an  Dicke.  Sehr  hüuiig  litsst  sie  mehrere  in  ihrem  nüheren 
Verhalten  von  einander  verschiedene  Schichten  wahrnehmen ,  deren 
Substanz  dein  Chitin  nahe  verwandt  eu  sein  scheint.  Durch  grössere 
Derbheit  einzelner  Abschnitte  des  Cuticulnrtlbcrzuges  kann  bei  Ringel- 
vvUrmern  eine  Art  von  llaulskelet  hervoi^ehen,  welches,  wenn  auch 
nicht  von  des  Härte  des  Chilinpanzers  der  meisten  Arthropoden ,  doch 
morphologisch  jenem  völlig  gleich  kommt. 

Vollkommene  Uebereinstimmung  mit  dem  Chitinskelct  der  Arthro- 
poden bietet  der  Hautpanzer  der  Käderthicrc  dar.  Wenn  er 
auch  nicht  eine  bedeutende  Mächtigkeit  erreicht,  so  verleiht  ihm  doch 
die  Higidität  des  vordersten  Abschnittes  sowie  der  folgenden  durch 
weichere  Zwischenstücke  verbundeneu  Segmente,  den  Charakter  eines 
wahren   Skcletes,    welches   Huskehi   zur   Urüprungssläite  dient. 

An  die  Cuticulai^cbilde  reihen  sich  die  Gehäuse  der  Bryozotfn, 
die  bald  gallertartig  ;Lophopus  crystallinus)  weich  und  biegsam,  bald 
durch  Kalkcinlagerungen   von  bedeutender  Härte  erscheinen.     Letstero 


Fig.  17.  Verlicaler  Querschnitt  durch  das  Inlcgumenl  nioes  Ringelwurons 
(.Sphaerodornni).  c  Dicke  Cullculersehtclilc  mit  weilen  Porcncanalen.  in  Mnskel- 
seliiclilc.  m  Munkeln  des  BorstenbUschcIs  i,  wcidics  den  cenlralcn  KusMitummH 
p  einnimml,  inde^s  der  dorsale  d  durch  einen  Drii»ea  chlBuche  umschlii'sscodvn 
Knopf  vorgestellt  wird. 


InUf^unieiil.  444 

kommen  bei  den  meisten  Gymnolaemen  vor.  Durch  die  innige  Ver- 
bindung  mit  dem  Körper  unterscheiden  sie  sich  von  den  Gehäusen 
mancher  Rotatorien  sowie  der  tubicolen  Anneliden,  doch  löst  sich  bei 
manchen  die  Leibes  wand  vom  hinteren  Abschnitte  des  Gehäuses. 

Die  Ausbildung  des  festen  Gehlluses  erstreckt  sich  nicht  über  den 
ganzen  Körper.  Es  umfasst  nur  den  hintern  Abschnitt  desselben  und  seUt 
sich  in  eine  schwächere  den  vorderen,  tentakeltragenden  Theil  ttber- 
kleidende  Chitinschichte  fort,  die  sogar  häufig  fehlt.  Diese  verschieden* 
artige  Differenzirung  des  Integumentes  führt  su  einer  verschiedengradigen 
Beweglichkeit  beider  Körperabschnitte,  und  gestaltet  eine  Retractilttät  des 
vordem  Theils,  der  sich  in  dem  gehäusetragenden  Hintertheile  sammt 
der  Tentakelkrone  £tt  bergen  vermag.  In  der  Ausbildung)  dieses  Verhältr- 
ni^ses  bieten  sich  am  Gehäuse  niannichfache  Differenzirungen. 

Den  Cuticularbildungen  reiht  sich  entfernt  das  Integument  der 
Tunicaten  an.  Es  bildet  den  sogenannten  ßäussern  Mantel«.  Sehr 
häufig  erhält  die  als  »Mantel«  bezeichnete  KörperhUlie  das  Ueberge- 
^%icfat  über  alle  andern  Organe,  und  zeigt  sich  bei  einer  gewissen 
Rijfidität  auch  als  Sltttzorgan  für  die  umschlossenen  Theile.  Die 
Consistenz  dieser  Hülle  variirt  von  gallertiger  Weichheit  bis  zu  knorpel- 
artiger Härte.  Sie  ist  meist  glasartig  durchscheinend,  bei  Ascidien 
nicht  sehen  auf  mannichfache  Art  gefiirbt.  Das  Gewebe  des  Mantels 
wird  in  der  Heftel  durch  eine  den  fiindesubslanzen  zugehörige  Form 
vorgestellt,  in  der  die  sehr  verschiedenartigen  Zellen  gegen  die  inter- 
cellalarsuhstanz  oft  zurücktreten,  dem  entspricht  auch  die  Genese,  die 
(Jen  Mantel  als  das  Product  einer  Zellenschichte  (Kpidermis)  kennen 
lehrt,  von  der  eine  Intercollularsubstanz  abgesondert  wird,  in  welche 
einzelne  Zellen  eintreten. 

§  405. 

Von  dem  Integumente  der  Würmer  geben  eigenthümlicbe  Bildungen 
aus,    die  als  Stacheln,    Borsten,    Haken   u.  s.  w.    im  Haushalle 
der  Thiere  oft  eine  wichtige  Rolle   spie- 
len und  als  Ausscheidungen  der  Epider-  **  ***  ''***•  *'• 
mis  aafzufassen    sind.      Diese  ausseror- 
(lentlicth      mannichlaltigen      Fonnationen    ^Sij^ 
lassen  sich  nach  ihren  Beziehungen   zur    ||^^^ 
Oberfläche  des  Körpers  in  zwei  Gruppen 
(heilen.  Die  eine  davon  besteht  aus  ein- 
fachen Erhebungen  des  Integumentes.     Auf  papillenförmigen  Fortsätzen 
bildet  sich   eine   dickere  Cuticularschichte ,    die  in  Form  einer  War/e, 

Fig.  4S.  Kopf  von  Toe Dia  coe DU rus  (Blasen furm:  Coenurus  cerebriliD)  von 
vorn  gesehen.  Sichtbar  »ind  die  vier  Saui^iiüpfe  und  der  in  Milte  vuii  diesen  lie- 
irende  Hakenkiunz. 

Tig.  49.  a — e  Verschiedene  Htfkchen  aus  dem  Hakenkranze  von  demselben. 
iNach  v/SieaoLD.) 


4  42  Würmer. 

oder,  wenn  langer  ausgezogen,  haar-  oder  borstenartig  gestaltet  sein 
kann.  Bei  bedeutenderer  Festigkeit  stellt  dieser  Abschnitt  der  Cuticula 
eine  allerdings  nur  scheinbar  selbständige  Bildung  vor.  Hierher  ge- 
hören die  derben  Papillen  und  Stacheln ,  wie  sie  sich  an  der  Haut 
vieler  Trematoden  finden ,  und  zuweilen  den  Vorderlheil  des  Körpers 
in  verschiedener  Ausdehnung  besetzen;  ferner  die  Stacheln  der  Echi- 
norbyncben ,  endlich  die  Haken  der  Cestoden ,  die  bei  manchen  am 
vordem  Körperende  zu  einem  Kranze  zusamraengereiht  sind  (vergl. 
Fig.  48.  49)  oder  in  der  Wandung  von  vier  ausstülpbaren  Schläuchen 
silzen  (Tetrarhynchusj .  Indem  diese,  als  Verdickungen  der  Cuticula 
beginnend,  mit  ihrer  Chitinisirung  sich  auch  gegen  die  Matrix  und  noch 
tiefer   zu  einsenken,    bilden  sie  einen  Uebergang  zur  zweiten  Gruppe. 

In  dieser  entstehen  die  Borsten  oder  Stacheln  nicht  mehr  an  der 
Oberfläche,  sondern  in  besonderen  Einsenkungen ,  die  recht  trefTend 
mit  Drüsen  verglichen  werden.  Die  Ausscheidung  geht  von  Zellen 
(einer  oder  mehreren)  oder  von  einem  Syncytium  aus,  und  geslaltel 
sich  unter  allmählicher  Chitinisirung  in  bestimmter  Weise,  in  verschie- 
denem Grade  Über  die  Körperoberfläche  hervortretend.  In  der  Regel  tritt 
die  Borstenbildung  erst  mit  der  Metamerie  auf.  In  Volum  und  Form 
sind  diese  Gebilde  ausserordentlich  wechselnd,  und  sogar  bei  den  ein- 
zelnen Gattungen  und  Arten  vielfach  verschieden.  Die  Hirudineen 
ausgenommen  sind  sie  bei  den  Annulalen  allgemein  verbreitet.  Fast 
immer  flnden  sie  sich  in  Büscheln  gruppirt  (s.  oben  Fig.  47.  5),  deren 
jedem  Metamer  zwei  oder  vier  den  Parapodien  zugetheilt  zukommen. 
Sie  fungiren  zum  Theil  als  Locomotionsorgane,  bei  den  Schwimmenden 
(Vagantes)  wie  Ruder  wirkend;  bei  einer  Umbildung  vermögen  die 
Haken  als  Haft-  oder  Khnnmerorgane  thätig  zu  sein  (Tubicolae).  Ani 
mächtigsten  sind  die  Borstenbildungen  bei  den  Aphroditeen  entwickelt, 
wo  ein  Theil  der  feineren  zu  einer  den  Rücken  und  die  Elytren  decken- 
den Schichte  verfilzt. 

Wie  einfach  auch  die  das  eigentliche  Integument  darstellende 
Schichte,  mag  sie  aus  Zellen  oder  Syncylien  bestehen,  sich  verhallen 
mag,  so  zeigt  sie  sowohl  durch  die  Difterenzirung  der  vorhin  betrachte- 
ten Gebilde,  als  auch  durch  die  Complicirung  mit  anderen  Theilen  einen 
höhern  Grad  der  Ausbildung  als  bei  den  Cölenteraten.  An  diese 
erinnert  noch  das  Vorkommen  von  stäbchenförmigen  Körpern 
im  Integumente  bei  Turbellarien  sowie  bei  Anneliden,  Organe  die  in 
einzelnen  Fällen  den  Nesselzellen  verwandt  scheinen. 

An  die  vom  Integumente  aus  entstandenen  Diflerenzirungen  kann  ein 
in  seiner  Function  noch  ziemlich  räthselhaftes  Organ  angeschlossen  wer- 
den:  der  sogenannte  Rüssel  der  Nemertinen.  Er  bildet  einen  über 
dem  Darm  gelegenen  in  einer  besonderen  Scheide  eingeschlosseneu  hüufig 
gewundenen  Schlauch,  der  am  vordem  Körpertheil  über  dem  Munde  sicli 
öffnet,  und  daselbst  hervorgeslülpt  werden  kann.  An  diesem  Schlauche 
sind  mehrfache  Abschnitte  unterscheid  bar,  deren  einer  in  seinem  Grunde 


iDlegument.  i  43 

Stacheln  irttgt,  meist  einen  grössern  in  der  Mitte  und  beiderseits  in 
besonderen  Taschen  einige  kleinere,  die  bald  als  Reservestacheln,  bald 
als  ausser  Gebrauch  getretene  Gebilde  gedeutet  sind.  Der  hinter  dem 
Slachelapparate  liegende  Theil  des  Schlauches  erscheint  drüsiger  Natur 
und  besitzt  neben  dem  Stachel  einen  AusfUhrcanal.  Am  blinden  Ende 
des  Schiauches  befestigt  sich  ein  von  der  Leibeswand  entspringender 
Muskel,  der  als  Retractor  aufzufassen  ist.  Manchen  Nemertinen  (Lineus, 
Nemertes  u.  a.)  fehlt  der  Stachelapparat. 

Bei  einigen  ist  der  Schlauch  von  unansehnlicher  Grösse  (Polia  involuta) 
und  verknüpft  dadurch  andere  PlattwUrmern  zukommende  Gebilde, 
Helche  vielleicht  als  Anfangszuslände  des  bei  Nemertinen  hoch  diflerenzir- 
ten  Rüssels  gelten  können.  Diess  sind  die  am  vordem  KOrperende  der 
Cercarien  vorhandenen,  zum  Einbohren  dienenden  Stacheln,  welche 
entweder  oberflächlich  oder  im  Grunde  einer  tieferen,  folükelartigen 
Einbuchtung  gelagert  sind.  Das  Verhalten  seitlicher  Stacheln  zu  einem 
medianen  grösseren  ist  oft  ganz  ähnlich  wie  im  Nemertinen -Rüssel,  und 
iässl  auf  eine  ursprünglich  einer  grösseren  Abtheilung  der  Plattwttrmer 
zukommende  Gleichartigkeit  dieser  Organisation  schliessen. 

§  406. 

Durch  die  Diflerenzirung  von  Drüsen,  als  besonderer  Secretions- 
mgane,  nimmt  das  Inlegument  der  Würmer  eine  höhere  Stelle  ein. 
Solche  Oi^anc  sind  in  fast  allen  Abtheilungen  der  Würmer  nachgewiesen, 
und  finden  sich  bei  den  Annulaten  sogar  in  grosser  Verbreitung.  Sie 
scheinen  in  den  meisten  Füllen  einzellig  zu  sein,  und  lagern  bald 
unmittelbar  unter  dem  Integumente,  bald  in  den  tieferen  Theilen  des 
K(>rpers,  letzteres  bei  dem  Mangel  einer  gesonderten  Leibeshöhle. 

Unter  dem  Piattwürmern  sind  einzellige  Hautdrüsen  bei  den  Trema- 
toden  bekannt  geworden.  Sie  lagern  meist  in  Gruppen  am  Vorder- 
iheile  des  Körpers,  und  kommen  auch  am  hintern  Köipertheile  in 
Verbindung  mit  SaugnSpfen  vor.  Eine  mitchtige  Ausbildung  besitzen 
die  Drüsen  bei  den  Hirudineen,  besonders  bei  den  Blutegeln,  wo  sie, 
im  Körperparenchym  zerstreut,  mit  langen  Ausführgüngen  zur  Haut 
treten.  Gleichfalls  einzellige  Drüsen  sind  im  Integument  der  Scole'i'neu 
und  zwar  zwischen  den  Zellen  der  Matrix  nachgewiesen.  In  manchen 
Füllen  rücken  die  Drüsen  jedoch  tiefer  und  lassen  blos  den  Ausführ- 
gang zwischen  den  Zellen  hindurch  treten. 

Bei  den  Gephyreen  sind  Drüsenschläuche  gleichfalls  mit  dem  Inte- 
gumente verbunden,  und  ebenso  finden  sie  sich  bei  den  Anneliden 
[Fig.  47.  (t).  Eine  Drüsenschichte  entfaltet  sich  an  einem  Abschnitte 
des  Körpers  der  Lumbricinen  als  Sattel;  der  Bau  dieser  Gebilde 
scheint  jedoch  nicht  mehr  so  einfach  zu  sein,  da  die  Schlauche  ein 
Itesonderes  Epithel  als  Atiskteidung ,  und  zuweilen  auch  eine  gelappte 
Form    lk*sitzen.      Sehr    verbreitet   finden    sich    unter  den    Cliiitopoden 


444  Würmer. 

Dfüsenschläucbe  mit  Massen  von  stäbchenförmigen  Körpern.  (Spio, 
Aricia).  Den  Nemertinen  kommen  gleichfalls  Drüsen,  die  ein  schlei- 
miges Secret  liefern,  zu.  In  vielen  Fallen  wird  das  Secret  der  Haut- 
drüsen zur  Bildung  von  Eihülien  verwendet. 

8ke  le  t. 
§  <07. 

Bei  etwas  festerer  Beschaffenheit  spielt  das  Integument  in  vielen 
Ahtheilungen  der  Würmer  eine  bedeutende  Rolle  als  Slützorgan,  welcher 
Beziehungen  bereits  oben  gedacht  ward.  Bcachtenswerther  sind  die 
Organe,  welche  jene  Function  ohne  Nebenbeziehungen  besitzen.  Als 
solche  Stützorgane  trifft  man  bei  einer  Anzahl  von  tubicolen  Anneliden 
im  Kopfsegmente  Knorpelslücke,  von  denen  aus  Fortsätze  in  die  feder- 
buschartigen  Kiemen  sich  verzweigen,  und  dort  bis  in  deren  Fieder- 
bliittchen  als  feine  Streifen  verlängert  sind. 

Während  jener  Kopfknorpel  aus  einer  auf  eine  kleine  Abtheilung 
beschränkten  Anpassung  hervorging,  treffen  wir  bei  Tunicaten  einen 
Stützapparat  anderer  Art  und  von  grösserer  morphologischer  Bedeutung. 
In  dem  schwanzartigen  Uuder  der  Appendicularien  besteht  nämlich 
ein  vom  Körper  des  Thieres  her  sich  fortsetzendes  Axenorgan.  Es 
wird  aus  eigenthün>lich  modificirten  Zellen  gebildet,  die  einen  von 
continuirlicher  Scheide  umgebenen  Strang  formiren.  Dieses  Axenorgan 
erhält  sich  bei  allen  jenen  Tunicatenlarven ,  welche  den  beweglichen 
Ruderschwanz  besitzen ,  somit  bei  Ascidien  und  Cyclomyariem.  Mit 
dem  Schwänze  geht  es  verloren.  Seine  Lagerungsbeziehungen  lassen 
in    der  Chorda  dorsalis  der  Wirbelthiere  ein  Homologen  erkennen. 

Endlich  muss  noch  als  Stützorgan  das  Kiemenskelet  der  Entero- 
pneusten  hervorgehoben  werden,  welches  aus  einem  Gitter  werk  von 
homogenen  Stäbchen  (Cuticulargebildenj  zusammengesetzt  wird,  und  in 
Anordnung  wie  in  Genese  mit  dem  Kiemenskelete  des  niedersten  Wlrbel- 
thieres   (Amphioxus)  grosse  Aehnhchkeiten  besitzt. 

Muskelsyatem. 
§  108. 

Die  Muskulatur  der  Würmer  liegt  unmittelbar  unter  dem  Inlegu- 
mcnte,  und  bildet  bei  den  meisten  den  mächtigsten  Theil  der  die 
inneren  Organe  umsch liessenden  Hülle.  In  der  allgemeinen  Anordnung 
der  Fasern  lassen  sich  mehrere  Typen  unterscheiden,  die  in  folgender 
Weise  charakterisirbar  sind. 

1)  Ripg-,  Längs-  und  Radiarfasem  bilden  eine  zusammenbäDgende 
Muskelmasse,  bei  welcher  die  l>eiden  ersteren  in  Schichten  gesondert 
und    von    den    senkrechten   Fasern    durchsetzt   sind.      Die   Ringfasem 


Muskrifiy  stein.  liS 

bilden  eine  üussere  und  eine  innere  Schichte,  zwischen  welchen  die 
■jtngsfaserscfaichte  eingeschlossen  liegt.  Die  senkrechten  Fasern  gehen 
von  den  Binnentheilen  des  KDrpers  f(cgen  die  Oberfbche  ans.  An  den 
S«tlenrändem  des  Körpers  erstrecken  sie  sich  unmittelbar  von  der 
Rucken-  Eur  Bauchflaclie.  fliese  Anordnung  der  Muskulatur  besitien 
PialtwUrmer,  dann  Hirudineen  und  Onychophoren  fPeripiitus) .  Ünbei 
kotnmen  aher  auch  noch  schr'.lK  gekreuzte  HuskelfaAern  vor,  die  bei 
lien  Rundwürmern  und  rhnbdocfflen  Turbetlarien  fehlen. 


?)  Die  Ltlngsfaserschicht4>  bildet  die  ansRch  Hess  liehe  Muskulatur, 
im  dun  Nematoden,  ChStof^nathen  und  l>ei  Polygordius,  wobei  in  der 
Verlheilung  der  Fasern  verschiedene  Yerhitltnisse  gegeben  sind. 
Bie  Muskelfasern  verlaufen  entweder  als  flache,  mit  den  Breit- 
seiten an  einander  liegende  Bänder,  unmittelbar  unter  der  Epidennis- 
scbicble  (Matrix  der  Ctilicula} ,  oder  sie  sind  mit  den  Kanten  gegen 
einander,  also  mit  den  Flüchen  je  nach  aussen  und  innen  gerichtet. 
In  beiden  Fcillen  bieten  sie  EigenlhUmlichkeiten  in  der  Gruppiriing. 
Durch  eine  dorsale  und  ventrale  von  anderen  Geweben  eingenommene 
Medianlinie  werden  sie  in  zwei  seitliche  Massen  geschieden ,  die  ans 
unmittelbar  aneinander  liegenden  Fasern  bestehen  '(jordius ,  Tricho- 
cefifaalusj.  Bei  der  Mehrzahl  der  Nemathelminlhen  (ritt  an  beiden  Seilen- 
balften  des  Hautmuskel  Schlauches  durch  /wischenlreten  anderer  Organe 
eine  weitere  Differenzirung  auf.  Diese  Seitenlinie  (Fig.  ^>0.  A.  r] 
verbreitert  sich  bei  sehr  vielen  Nematoden  zu  emein  in  verschiedenem 
Grade  eDlwickellen  Seiteofelde,  welches  auch  den  ChStognathen 
luLomml. 

3]  Die  Muskulatur  des  KOrpers  besteht  aus  einer  äussern  Ring- 
und  innem    Langsfaserschichte.      Beide  sind    bei   den   Gephyreen    und 

Vif.  ta.  QuefMbniU«  tob  Asciris  lumbricoid««  A  und  HIrudo  B.  c 
CcUcaUncUohte,  «  llu>lt«l»cbicM«,  r  Seitenlinie  mit  dem  EicrelioiiMrgsn.  pp 
obere  uad  anlere  llediinlinle.  p'  Quere  Kssem.  t>  Darm,  d  dorsaler,  t  seitlicher 
GrtaMilamm.     t  Blaue  de«  Eicretionsorgancs.     n  Bauchmark. 


U6  Würmer 

Acaiitbocephalen  nicht  in  bestimmte  Felder  gesondert,  obwohl  bei  den 
ersteren  die  einzelnen  LUngs-  oder  QuermuskelzUge  häufig  in  Abstün- 
den von  einander  gelagert  sind.  Dagegen  besitzen  die  Anneliden  durch 
die  Anordnung  der  LHngsmuskeln  in  zwei  dorsalen  und  zwei  venlraien 
ZUgen  ein  deutliches  Seilenfeldf  die  Längsfaserschichte  ist  die  mächtigere. 
Eine  in  der  Regel  durch  einzelne  BUndel  vorgestellte  Schichte  trans- 
versaler Fasern  geht  von  der  ventralen  Medianlinie  zu  den  Seitenfeldern. 

Ausser  dieser  dem  gesammten  Körper  zukommenden  Muskulatur 
sind  noch  einzelne  Muskeln  für  besondere  Organe  vorhanden.  Sie 
werden  wo  es  nöthig  ist  bei  diesen  berücksichtigt  werden,  und  hier  soll 
nur  der  die  Borstenbündel  bewegenden  Muskeln  Erwähnung  geschehen. 

Besondere  Diflerenzirungen  des  Hautmuskelschlauchs  stellen  die  bei 
Trematoden,  Cestoden  und  llirudineen  verbreiteten  Saugnäpfc  vor,  die 
im  wesentlichen  des  Baues  miteinander  übereinstimmen. 

§  109. 

Als  äussere  Ring-  und  innere  Längsfaserschichte  gibt  sich  die 
Muskulatur  der  Bryozoi^n  zu  erkennen  (Fhylactolaemen).  Nicht  sehen 
ist  die  Ringmuskelschichte  in  einzelne  Bänder  gesondert.  Am  mäch- 
tigsten ist  die  Muskulatur  an  der  Verbindung  des  protraclilen  Kör]>er- 
abschnittes  mit  dem  Gehäuse.  Bei  vorwiegend  starren  Wandungen  des 
letzteren  sind  die  Ringbänder  unterbrochen  (Flustra)  und  stellen  von 
den  Seitenwänden  des  Gehäuses  zur  oberen  freien  Fläche  tretende 
Züge  dar.  Einige  davon  inseriren  sich  an  dem  als  Deckel  fungirenden 
Abschnitt  des  Gehäuses.  Beim  Bestehen  einer  Längsmuskulalur  löst 
sich  ein  Theil  der  Muskelfasern  hinler  dem  invaginirten  Abschnitte  des 
Körpers  ab  und  tritt  nach  innen  zur  Duplicatur  der  Leibeswand,  um 
sich  grösstentheils  bis  zur  Tentakelbasis  fortzusetzen.  Sie  bilden  Rück- 
zieher des  vordem  Körperlheils  (Parielo- Vaginalmuskeln).  Unter  den 
Tunicaten  sind  Muskeln  als  Längs-  und  Ringfasem  entwickelt,  wo 
sie  eine  unter  dem  Mantel  der  festsitzenden  befmdliche  continuirliche 
Schichte  bilden,  und  um  die  Athem-  und  KloakenöfTnung  einen  Schliess- 
muskel  herstellen.  Bei  den  schwimmenden  Tunicaten  ist  diese  Mus- 
kulatur in  einzelne,  bald  isolirt  verlaufende  (Gyclomyaria),  bald  theil- 
wei^e  zusammenhängende  Reifen  (Salpa)  aufgelöst.  Eine  besondere 
Muskulatur  besitzt  der  Ruderschwanz  der  Appendicularien. 

Im  Baue  der  Formelemente  des  Muskelsystems  bieten  die  Würmer 
beträchtliche  Verschiedenheiten.  Die  Muskelfasern  ^ind  längere  o<ier 
kürzere  Gebilde,  die  in  der  Regel  selbst  da,  wo  sie  eine  beträchtliche 
Ausdehnung  besitzen,  das  Product  einer  einzigen  Zelle  sind,  wie  aus 
dem  Vorhandensein  eines  einzigen  Kernes  geschlossen  \n  erden  muss. 
Unter  den  Plattwttrmern  besitzen  die  niedern  Formen  nur  blasse  oft 
schwer  unlerscheidbare  Fasern,  die  auch  Verästelungen  darbieten.  Bei 
den  hohem  Plaltwürmern  slellen  sie  Röhren  vor,  indem  die  contraclile 


S'erveoiyHteni  I  it 

Substanz  einen  hohlen  Gylinder  bildet,  welcher  indiflerentes  Protoplasma 
mit  dem  Kerne  umscbliessi.  Der  contractile  Tbeil  der  Faser  Keigt  zu- 
weilen eine  fibriilAre  Streifang.  Dieses  Verhalten  findet  sich  bei  den 
Onychopboren,  Hirudineen,  Acanihocephalen  und  Gc- 
phyreen.  In  den  beiden  letzten  Abtheilungen  bilden  die  Fasern 
jeder  Schichte  ein  Netzwerk. 

Unter    den   Nemathelminthen    zeigt   Gordius    die  einrachsien 
Zustilode.     Die  Muskelfasern    sind   breite  dünne   mit  den  FiMchen   an 
einander  gereihte  Bünder.     Bei  andern  sind  besondere  DifTerenzirungen 
der  Fasern  bemerkbar,  welohe  rhomboYdale,  hüufig  auch  in  langgestreckte 
Fasern    übergebende    Platten    bilden.      Die    contractile    Substanz    ist 
librillttr  gestreift  und  liegt  an  der  äusseren  Seite  der  Faser,    während 
der  gegen   die   Leibesböble  gerichtete  Tbeil   der  Faser  aus   indifferent 
gebliebenem  —  einen  Kern  einschliessenden  Protoplasma  gebildet  wird. 
Daran  reihen  sieb  eigenthümliche  Umgestaltungen  der  Fasern  in  rinnen- 
förmige  oder  auch  platlcylindrische  Formen.    Jede  Faser  stellt  eine  sehr 
tiefe,  entweder  als  solche  auslaufende  oder  gegen  die  Enden  zu  cylin- 
drisch  sich  abschliessende  Rinne  vor,  deren  offener  Theil  immer  gegen 
die  Leibeshöhle  gerichtet  ist.     Die  Wandungen  bestehen  aus  contractilei* 
Substanz   mit  fibrilterer  Zerklüftung.     Den  schmalen  Raun)  der  Rinne 
füllt  Protoplasma  und  von  den  Rändern  setzt  sich  eine  zarte  Membran 
in  ein  beuteiförmiges  Gebilde  fort,    welches  von  jeder  Muskelfaser  aus 
in   die  Leibeshöhlc  einragt,    deren   grdsster  Theil   durch  diese  beutei- 
förmigen Anhänge  der  Muskelfasern  ausgefüllt  wird.     (Ascaris  iumbri- 
co'i'des.    Yergi.  Fig.  50.  ^4.)     Von  den  Beuteln  verlaufen  schrüge  Stränge 
[Querfasern)  zu  den  Medianlinien.     Sie  zeigen  nicht  selten  eine  fibril- 
bire   Beschaffenheit,    und    sind    als   Nerven    betrachtet    worden.     An 
einzelnen  Stellen   findet  man  sie  deutlich  als  Muskelfibrillen.     Wo  die 
Beutel  nicht  entwickelt  sind,    treten   diese  Stränge   an   Fortsiitzo   der 
Muskelfasern,    die   häutig  in  seitlich  plattgedrückte  Röhren  übt*rgehen. 
Beiderlei  Zustände   linden   sich   übrigens  nicht   nur   innerhalb  gleicher 
Gattungen,  sondern  sogar  in  allmählichem  Uebergange  an  einem  Indi- 
viduum   vor.      Bei   der  letztaufgeführten   Form   der   Muskelzellen    liegt 
^meist  dne  grössere  Anzahl  von  Fasern  im  Muskelschlauche  nel>en  ein- 
ander.    Eine  deutlich  auisgespro^hene  Qiierslreifung  besitzen  die  Mus- 
keliasem  der  Ghaetognatben  wie  jene  der  Tunicaten. 


NervenBystem. 

§  HO. 

In  der  allgemeinen  Anordnung  des  Nervensystems  der  Würmer 
zeigt  sich  die  enge  Beziehung  dieses  Apparates  zu  der  gesammten 
Organisation.  Cenlren  und  peripherische  Theile  verhallen  sich  einfach, 
wo  der  Kör|>er  nicht  in  Metameren  gethellt  ist,  während  sich  bei  einer 

40» 


US  WUrmer. 

Gliederung  <]ea  Kärpers  diese  Erscheinung  fast  regelmässig  auch  fUr 
die  Centraloi^ne  des  Nervensystems  wiederholt.  —  Allen  ist  die 
Lagerung  der  wichtigsten  Centralorgane  im  vordem  Ktfrpertheile  meist  in 
der  Nühe  des  AnfangsslUck^^s  vom  Darmcunal  gemeinsam.  Kine  UilTe- 
renzirung  aus  dem  Ectodvnn  ist  wenigstens  fflr  mehrere  Ablheiluttgen 
nachgewiesen.  Eine  dorsale  Medul  larplalte  sondert  sich  zu 
einem  allmtihlich  ins  Innere  des  KtSipers  gelangenden 
Nervenceiitrum,  welches  mit  der  A  usbildung  der  hinteren 
Körpertheile  im  vorderen  Theile,  dem  Kopfe,  gelagert 
bleibt,  und  den  Vorder- 


Flg.  81. 


darm  unter  sich  hat.  Es 
versorgt  stets  die  am 
Kopfe  entfalteten  Sin- 
nesorgane, und  enisen- 
detNervenstümme  nach 
der  Peripherie  des  Kttr- 
pers,  welche  jenachder 
grOsaern  od  er  geringern 
Lange  des  Kfirpers  eine 
vet'schiedengradige  Aus- 
dehnung zeigen. 

Nach  dem  näheren  Ver- 
halten dieser  LSngsnerven- 
sttimme  lassen  sieh  zwei 
Hauplformen  des  gesammlen 
Nervens  y  sie  ms  unterscheiden . 
Diese  theilen  sich  wieder  in 
Untergruppen ,  je  nachdem 
den  ÜIngsslitmmen  centrale 
Elemente  in  rege  {massiger 
Gruppirung  eingelagert  sind 
oder  nicht. 

Die  erste  dieser  Ablhei- 
lungenwii-d  durch  die  Pia It- 
wUrmer  VM'gestellt ,  die 
znei  grossere  duivh  ein« 
Quercomniissur  zusammen- 
hangende Gangtienmassea  im 
vordem  Theile  des  Kürpers 
besitzen.  Diese  NÜirngan- 
glien«.  bilden  mit  zwei  davon  ausgehenden  Uingsnerven stammen  den 
Hauptlheil  des  Nervensystems ,    von   dem   feinere  Verzweigungen   nach 

Fig.  S1.  Kcipf  einer  NemerliDe  (Oiuo>Bto|)leB  albaj.  g  Cealrvles  NiTveasysleai. 
fl  Seilenstdmme.  o  Augenlleckc.  p  p'  p"  Ru^»«!.  pi  Russelä<jheidP.  ■  Darai.  t  Sei- 
tenoi^n.     d  Dorsaler,  I  lateraler  Gerassstiiinm.     (Nach  Carii.  H'Irtosh.j 


Nervensysl^m.  449 

dem  Hautmuskelschlauche,  sov\ie  nach  iDoereo  Organen  verlaufen.  Die 
Lüngssiamnie  folgen  den  Seilenrändern  des  Körpers  und  sind  je  nach 
der  Breite  desselben  näher  an  einander  gelagert  oder  weiter  aus 
einander  gerückt.  Sowohl  die  dendrocölen  Turbellarien  als  auch  viele 
Trematoden  zeigen  diese  lateralen  Längsstämme  nur  wenig  entwickelt, 
so  dass  sie  von  anderen ,  von  den  Hirnganglien  entspringenden  Nerven 
oft  kaum  unterscheidbar  siod.  Bei  den  rbabdooöien  Turbellarien 
sind  sie  stärker,  wenn  audi  nur  auf  kurze  Strecken  hin  verfolg- 
bar. £ndlich  sind  sie  bei  den  Nemertin'en  in  der  ganzen  Länge 
"des  Körpers  entwickelt,  und  stellen  von  den  Ubiigien  vom  Gehirne  aus- 
gehenden Mervenzweigen  leicht  unterscheidbare  Gebilde  vor  (Fig. 
51.  g).  Dabei  erhält  auch  das  centrale  Nervensystem  eine  bedeutendere 
Entfaltung,  indem  an  jedem  der  beiden  Ganglien  einzelne  grössere  Ab- 
schnitte unterscheidbar  werden.  Die  Gommissur  zwischen  beiden  Hälften 
des  Nervencentrums  wird  von  dem  oben  als  Rtlssel  bezeichneten  Or- 
^ne  durchsetzt.  Während  diese  Längsstärome  bei  der  Mehrzahl  in 
ihrem  Verlaufe  genau  dem  Seitenrand  des  Körpers  entsprechen  (inner- 
halb der  Muskelscbichten  gebettet),  rücken  sie  bei  andern  (Oerstedia) 
an  der  ventralen  Fläche  näher  an  einander,  sind  bedeutend  stärker  und 
an  den  Abgangsstellen  von  Nervenzweigen  durch  Anschwellungen  aus- 
gezeichnet. Darin  ergibt  sich  die  erste  Andeutung  ventraler 
Ganglienbiidungen.  ' 

Am  nächsten  den  PlattwUrmern  stehen  bezüglich  des  Nervensystems 
die  Räderthiere.  Als  Centralorgan  erscheint  eine  dem  Schlund  auf- 
liegende, aber  ihn  niemals  umgreifende  Ganglieomasse ,  die  zuweilen 
deutlich  in  seitliclie  Hälften  getrennt  ist.  Von  diesem  Gehirn  ent- 
springen die  peripherischen  Nerven.  Da  diese  nicht  in  Längsstämme 
gruppirt  sind,  so  besteht  hier  die  einfachste  Form,  die  am  meisten 
jener  der  Turbellarien  sich  ansdiliesst. 

Auf  derselben  niederen  Stufe  erscheint  noch  das  Nervensystem  von 
Pedicellina,  "welches  dem  Magen  aufgelagert  keine  Schlundringbil- 
dung eingeht. 

Weiter  gebildet  hteIH  das  Nervensystem  der  Bryozoön  sich  dar, 
dessen  einzige  Gentralmasse  als  ein  einfacher  Ganglienknoten  zwischen 
Mund  und  Analöffnung  liegt  und  ausser  starken  Aesten  an  die  Tentakel  noch 
zwei  Nerven  um  den  Anfang  der  Speiseröhre  zur  Bildung  eines  Schlund- 
ringes entsendet.  Wo  das  Nervensystem  am  genauesten  bekannt  ist, 
^ie  bei  Alcyonella,  ist  der  Schlundring  zweifellos.  Von  dem  seitlichen 
Theile  der  centralen  Nervenmasse  tritt  ein  lappenartiger  Fortsatz  in  den 
Lophopbor  und  entsendet  wie  auch  der  übrige  Scblundring  Nerven  zu 
den  Tentakeln. 

Ausser  diesem  jedem  Individuum  zukommenden  Nervensysteme  ist 


^50  Würmer. 

noch  ein  dem  Stocke  zukommendes  Colonialnervensystem  er- 
kannt worden,  welches  in  neuerer  Zeit  wieder  in  Abrede  gestellt  wird- 
Am  Nervensystem  der  Tunicatcn  findet  sich  wiederum  ein  dor- 
saler Nervenknoten,  bei  den  Ascidien  zwischen  Einj^angs-  und  Aus- 
wurfsöffnung  geiggort.  Ein  Paar  zarter  Nervenstammchen  unifasst 
Schlei fenförmig  die  Eingangsöffhung  wie  eine  Schlundringcommissur. 
Bei  den  schwimmenden  Tunicatcn  liegt  das  Nervencenirum,  durch  nicht 
unbeträchtliche  Grösse  ausgezeichnet,  zwar  dorsal,  aber  entfernt  von 
der  EingangsölTnung.  Es  Ulsst  sich  von  jenem  der  Ascidien  ablcilen, 
sobald  wir  die  gelinderte  Körperform  mit  in  Betracht  ziehen.  Denken 
wir  uns  den  bei  Ascidien  zwischen  Eingangs-  und  Auswurfsößnung 
liegenden  Raum  so  vergrössert,  dass  beide  Oeffnungen  die  Enden  des 
nunmehr  cylindrischen  Körpers  einnehmen ,  so  wird  das  Ganglion  eiue 
ähnliche  Lage  erhalten,  wie  bei  den  Salpen,  Die  peripherisclien  Nerven 
strahlen  in  symmetrischer  Anordnung  vom  Gentralorgane  aus,  und  lin- 
den ihre  Verbreitung  im  Mantel  wie  in  den  Muskelreifen. 

In  eigenthUmlicher  Weise  verhält  sich  das  Nervensystem  der  N  e  - 
ma thelmin  then,  soweit  darüber  bis  jetzt  die  Thatsachen  festgestellt 
scheinen.  Es  besteht  hier  ehi  dem  Schlünde  aufgelagertes  und  ihn 
ringförmig  umschliessendes  Ccnlralorgan,  von  dem  sowohl  nach  vorne 
als  nach  hinten  Nerven  ausstrahlen.  Dieser  Vertheilung  der  Nerven 
entspricht  die  Gruppirung  der  Ganglienzellen  des  Schlundringes.  Die 
von  diesem  nach  vorne  tretenden  Nerven  sind  als  sechs  Faserzüge  un- 
terscheidbar. Zwei  verlaufen  in  der  Mitte  der  Seitenfeldcr  und  vier 
in  der  Richtung  secundärer  Medianlinien.  Sowohl  am  Ursprünge  als 
im  Verlaufe  (\er  letzteren  liegen  Ganglienzeilen.  Die  nach  hinten  ver- 
laufenden Nerven  bestehen  aus  einem  dorsalen  und  einem  ventralen, 
der  entsprechenden  Medianlinie  entlang  verlaufenden  Stamme.  Ausser- 
dem gehen  noch  vom  ventralen  Theile  des  Schiundringes  zwei  nach 
hinten  convergirendo  Stränge  ab,  die  sich  an  einer  Ganglienzellenmasse 
(G.  cephalicum)  vereinigen.  Der  Verlauf  der  Mediannerven  zieht  sich 
durch  die  Länge  des  Körpers.  Beide  schicken  Fasern  in  die  Matrix 
des  lutegumentes.  Es  ist  ersichtlich,  dass  diese  Anordnung  zwar  iui 
Altgemeinen  von  den  andern  einfachen  Formzuständen  des  Nerven- 
systems der  WUrmer  eine  Modißcation  darbietet,  die  al>er  so  eigen- 
thUmlich  ist,  dass  jede  speciellere  Vergleichung  vorläufig'  ausge- 
schlossen wird. 

Nicht  minder  isolirt  sieht  das  Nervensystem  der  Chätognalhen 
in  seinem  Verhältniss  zu  dem  der  Nematoden,  doch  bieten  sich  hier 
schon  bestimmtere  Beziehungen  zu  den  Anneliden  dar.  Zwei  im  Kopfe 
liegende  Ganglien  (Gehirnganglien)  senden  sowohl  nach  vorne  Nerven- 
stammchen ab,  als  auch  nach  der  Seite  einen  langen  Verbindungsstrang 


Nervenftystem .  454 

zu  einem  weit  nach  hinten  he^^enden  ventralen  Nervenknoten  ^Bauch- 
^Dgiioni ,  von  welchem  zwei  an  den  Seiten  des  Körpers  nach  hinten 
verlaufende  Nervenstüromchen  entspringen. 

Das  Nervensystem  der  Gephyreen  entfernt  sich  von  dem  der 
Plattwtirmor  durch  den  vorhandenen  Schlundring,  der  mit  einem  ven- 
tralen Litngsstammc  in  Verbindung  steht.  Letzterer  nifhert  sich  dem 
»Bauchmarkea  der  übrigen  Annulaten.  ist  aber  von  diesem  dadurch 
nicht  unwesentlich  verschieden,  dass  er  einen  einzigen  Strang  bildet, 
der  eine  Verschmelzung  aus  zwei  gesonderten  $>trangen  niclit  bestimmt 
erkennen  lifsst.  Er  liegt  meist  im  Innern  der  l.elbeshöhle,  soll  al)er 
bei  einzelnen  auch  ausserhalb  der  Muskelschichtc  dicht  unter  dem  in* 
tegnmente  vorkommen  fPrtapulus) .  Der  Schlundring  besitzt  eine  dor* 
sale  Ganglienanschwellung,  homolog  dem  »Hirn«  der  übrigen  Würmer. 
Dieses  bei  Sipunculus  und  Sternaspis  vorhandene,  Im»!  erstorem  deut- 
lich in  zwei  liülften  getheiltc  Ganglion  fehlt  t)ei  Priapulus  und  Ronellia, 
wo  vorwiegend  faserige  Elemente  den  Schlundring  bilden.  Dem  Bauch- 
Strange  fehlen  in  der  Regel  gleichfalls  Anhäufungen  der  Ganglienzellen 
zu  besondern,  einer  Metamerenbildung  entsprechenden  Anschwellungen, 
nur  h^i  Echiurus  sind  solche  allerdings  schwach  ausgebildet  vorhanden, 
und  am  Ende  des  Bauchstrangs  ist  in  anderen  Fitllen  (Sipunculus, 
Sternaspis)  eine  terminale,  feine  Fiidchcm  aussendende  Verdickung 
l)eobachtet. 

Der  Bauchstrang  sendet  nach  beiden  Seiten  zahlreiche,  hauHg  un- 
regelmässig  entspringende  Fildchen  als  peripherische  Nerven.  Vom 
Schlundnngc  begeben  sich  solche^  auch  auf  den  DarmcanaL 

Bezüglich  des  Nervensystems  der  Acanthocephalen  fehlt  uns 
nähere  Kenntniss.  Ein  kleines  am  Grunde  der  Rüsselscheide  gelagertes 
'(langlion«  sendet  nach  verschiedenen  Seiten  Aeste  ab,  l>e(lfirf  aber 
noch  genauerer  Untersuchung. 

Aus  (fem  Nervensysteme  der  Plattwürmer  leitet  sich  das  der  höheren 
VVurmer  ab.  Wie  dort  bereits  Annäherungen  der  beiden  HanpIsUimme 
gegen  die  ventrale  Medianlinie  stattfanden,  so  ist  auch  bei  den  Ringel- 
wllrraern  dieses  Verh^ltniss,  jedoch  viel  weiter  entwickelt  zu  treffen. 
IHe  ventrale  Nühenrog  der  beiden  Uingsnervenstämme  ist  in  verschie- 
denem Grade  ausgebildet,  und  durch  die  von  der  Metamerenbildung 
heberrschte  Einlagerung  von  Ganglienzellen  in  bestimmten  Abschnitten 
bebt  sich  der  ganze  Apparat  zur  Bedeutung  eines  Ontralorgans  empor. 
Ausser  den  oberen  Schlundganglien  haben  wir  also  noch  eine  Reihe 
in  den  Verlauf  der   ventralen  Langsstämnie  eingebetteter 


452  Würmer. 

0 

Gaoglien,  die  auch  durch  Quercommtssuren  mit  einander  verbunden 
sind,  als  Geniraltheile  des  Nervensystems  anzusehen.  Diese  stet«  unter 
dem  Darmcanale  verlaufende  Folge  von  Ganglien  bildet  die  » Bauch - 
ganglienkettea,  oder  das  ))ßa  uchmark«.  Der  aus  den  oberen 
Schlundganglien  [Hirnganglienj  hervorgehende  Theil  der  primitiven 
Nervenstränge  wird  zu  einer  Gommissur  zwischen  ersteren  und  der 
ventralen  Ganglienkette. 

Die  Ausbildung  der  einzelnen  Abschnitte  hinsichtlich  des  relativen 
Volums  entspricht  immer  jener  der  von  Nerven  versorgten  Organe.  Die 
grösste  Mannichfaltigkeit  bieten  in  dieser  Hinsicht  die  Hirngauglien  dar. 
Je  nachdem  ein  Apparat  von  Tnstwerkzeugen  oder  anderen  Sinnesorganen 
vorhanden  oder  nur  gering  entfaltet  ist,  oder  gänzlich  mangelt,  zeigen 
sich  auch  die  bezuglichen  Ganglien  als  (Jrsprungsstätten  jener  Nerven 
auf  verschiedenen  Stufen  der  Ausbildung  oder  der  Verkümmerung. 
Aehnliches  gilt  auch  von  den  Ganglien  der  Bauchkette.  Doch  herrscht 
bei  den  BingelwUrmern  der  meist  nur  geringen  Verschiedenartigkeit 
der  Metameren  entsprechend  eine  mehr  gleichartige  BeschatTenheit  der 
ganzen  Ganglienkette  vor. 

Sehr  nahe  an  dem  der  Plattwurmer  steht  das  Nervensystem  der 
Onychophoren.  Ein  sehr  entwickeltes  eng  verbundenes  Paar  oberer 
Schlundganglien  schickt  um  den  Mund  herum  seitliche  Nervenstränge 
nach  unten.  Unterhalb  des  Schlundes  sind  sie  einander  genähert, 
treten  alsdann  als  breitere  Bänder  eine  Strecke  weit  divergirend  an  der 
Ventralfläche  nach  hinten,  um  den  grössten  Theil  ihres  Weges  bis  zum 
Hinterleibsende  weit  von  einander  getrennt  zu  verlaufen.  Eine  Ver- 
einigung dieser  Nervenstränge  findet  am  Ende  statt.  In  der  ganzen  Länge 
sind  sie  durch  zahlreiche  feine  Quercommissuren,  von  denen,  die  vor- 
dersten die  deutlichsten  sind,  unter  einander  im  Zusammenhang.  An- 
schwellungen der  Bauchstränge  fehlen ,  und  wei^den  durch  eine  mehr 
gleichmässige  Einlagerung  von  Ganglienzellen  ersetzt.  Damit  entspricht 
dieses  Verhalten  einem  indiflerenteren  Zustande  der  Bauchganglien- 
kette, die  aus  einer  Sonderung  in  den  Längsstämmen  vertheiller 
Ganglienzellen  auf  einzelne  den  Metameren  entsprechende  Parthieen 
hervorging. 

Aebnliche  wie  bei  Peripatus  bestehende  Querverbindungen  der  bei- 
den Längsstränge  der  Bauchganglienkette  werden  für  die  Hirudineen 
wie  Anneliden  zu  einem  beständigen  Charakter.  Unter  den  Hiru- 
dineen macht  nur  Malacobdella  eine  Ausnahme,  indem  jedes  der  bei- 
den Schlundganglien  (Fig.  5*2.  a)  einen  lateral  verlaufenden  Nerven- 
stamm entspringen  lässt,  der  nur  am  Körperende  mit  dem  anderseiligen 
durch  eine  Quercommissur  sich  verbindet.  Da  die  Schlundganglien 
durch  eine  einzige  Gommissur  unter  sich  in  Verbindung  stehen,  so  wird 
damit  ein  an  die  Trematoden  erinnernder  Zustand  ausgedruckt,  indess 


Nervensystem. 


453 


dorch  EiolageruDg  regelmässiger  Ganglien  (fr,  b')  in  die  Seitensiränge 
der  Anscbiuss  an  die  übrigen  RingelwUrmer  bedingt  ist.  Andere 
Hinidioeen  scheinen  nur  in  Jugendzustdnden  dureh  Enlfernung  der 
Uiagsstränge  des  Bauchmarks  ausgezeichnet  zu  sein.     Später  lagern  die 


Fig.  53. 


¥\^,  58. 


> 


Uiogsstränge  sehr  nahe  an  einander  und  erscheinen  als  ein  einziger 
Strang.  Noch  mehr  genähert  sind  die  Längscommissuren  bei  den 
Scoleinen ,  und  unter  den  Chütopoden  bei  den  NereYden ,  Am- 
phinomiden  und  Euniceen,  doch  ist  in  allen  diesen  Fällen  keine  wirk- 
lidie  Verschmelzung,  sondern  nur  eine  nahe  Aneinanderlegung  ge- 
geben, die  durch  das  beide  Nervenstrange  umhüllende  Neurilemma 
Doch  inniger  scheint. 

Bei  den  tubicolen  Anneliden  erhalt  sich  die  Trennung  der  ganglien- 
tragenden  Längsstämme  und  besonders  bei  den  Serpulen  sind  die 
Seitentheile   der  Ganglienkette    vorne   weit  auseinandergerückt    [vergl. 

Fig.  52.  Nervensystem  von  Malacobdeilagrossa.  a  SchlundgangHen.  b 
Erstes  Ganglion  der  lateralen  Nerven$tämme ,  ttquivalent  dem  unteren  Schlund- 
ganglion der  übrigen  Würmer.    6'  Folgende  Ganglien.     (Nach  Blamchard.) 

Fig.  53.  Nervensystem  von  Serpula  contortu plicata,  a  Obere  Schlund- 
ganglien, b  Untere  Schlundganglien,  b'  Bauchslrang.  n  Nerven  für  Mundtheile. 
t  Aotennennerven. 

Fig.  54.  Nervensystem  von  Nerels  regia,  o  Augen,  dem  oberen  Schlund- 
ganglion aufsitzend;  die  übrige  Bezeichnung  wie  in  Flg.  53,     (Nach  QuATaepAGEs.) 


1 54  Würmer. 

Fig.  53).  Mehr  genäherl  sind  die  Stränge  hei  den  Säbelten,  ebenso 
bei  den  Herniellen,  wo  sogar  der  vordere  Abschnitt  des  Bauchmarks 
viel  kürzere  Otiercommissuren  besitzt  als  der  hinlere.  Daran  schiiessen 
sich  endlich  die  Tcrebeilen^  bei  denen  nur  am  hintern  Abschnitt  noch 
Qiiercommissuren  zwischen  den  Ganglien  deutlich  sind,  indess  der  vor- 
dere die  beiderseitigen  Ganglien  fast  verschmolzen  zeigt. 

Bezüglich  der  Ganglien  ist  die  Ausbildung  und  voluminösere  Ent- 
wickelung  der  oberen  Schlund-  oder  Uirnganglien  im  Gegensatze  zu 
den  niederen  Würmern  hervorzuheben.  Sehr  selten  sind  beide  HiUflen 
in  einen  einfachen  Knoten  verschmolzen ,  was  z.  B.  bei  Enchylraeus 
als  eine  Rückbildung  sich  ausnimmt.  Ein  Zerfallen  in  einzelne  lappen- 
förmige  Abschnitte,  bei  den  Nemertinen  in  einfacher  Weise  angedeutet, 
tritt  in  mannichfaltiger  Gestaltung  hervor,  llaulig  erscheinen  die  Lappen 
als  kugelige  Vorragungen,  zuweilen  fast  wie  gestielt.  Die  Hirnganglien 
sind  dann  Complexe  kleinerer  Ganglien.  Ansehnliche  Hirnganglien 
zeigen  die  Nereiden,  Aphrodilecn  u.  a.    (Fig.   5i.  a). 

Auch  an  den  Ganglien  des  Bauchstranges  macht  sich  eine 
theils  durch  voluminösere  Ausbildung,  theils  durch  Concrescenz  auf- 
tretende Differenzirung  bemerkbar.  Bei  den  Hirudineen  ist  das  erste 
(langlion  meist  sehr  ansehnlich,  immer  die  übrigen  an  Grösse  über- 
treffend, es  entspricht  einer  grösseren  Anzahl  einzelner  unter  einander 
verschmolzener  Ganglien ,  wie  sowohl  aus  den  es  zusammensetzenden 
Abschnitten  als  auch  aus  den  abtretenden  Nerveniislen  zu  ersehen  ist. 
Ein  ähnliches  Verhalten  kehrt  am  Ende  des  Bauchstranges  der  Hiru- 
dineen wieder ,  wo  das  dort  vorhandene  grössere,  den  Saugnapf  ver- 
sorgende Ganglion  durch  Verschmelzung  mehrerer  primitiven  Ganglien 
(bis  sieben  bei  Clepsine)  hervorging,  die  ebensovielen  den  Saug- 
napf bildenden  Melameren  entsprechen.  Diese  Erscheinung  des  Näher- 
aneinanderrückens (durch  Verkürzung  der  Langscommissuren)  einzelner 
Ganglien  findet  sich  auch  l)ei  den  Scoleinen,  doch  ist  hier  oft  noch  die 
Selbständigkeit  der  Theile  an  den  einzelnen  Quercommissuren  deutlich 
erkennbar.  Unter  den  ChUtopoden  liefern  die  Hermellen  ein  Beispiel, 
deren  erste  sieben  Ganglien  jcderseits  unmittelbar  an  einander  gerückt 
sind.  Die  Ausdehnung  der  Längsconunissuren  wie  die  Zahl  der  (langlien 
steht  mit  der  Metamerenbildung  in  Verbindung.  Sehr  dicht  stehen  sie 
bei  den  schmalgeringellen  Lumbricinen,  so  dass  der  ganze  ßauchstrang 
eine  dichte  Folge  von  Anschwellungen  und  Einschnürungen  darbietet. 
Noch  mehr  sind  die  Ganglien  bei  Glymene  und  bei  Cirratulus  an  einan- 
der gerückt. 

Gehirnganglien  lassen  vorzüglich  die  Nerven  der  höheren  Sinnes- 
organe entspringen ,  und  sind  je  nach  der  Ausbildung  der  letzteren 
in  verschiedenem  Maassstabe  entwickelt.  Vor  allem  sind  die  Füblcr- 
ncrven    sowie    jene    der  Sehorgane    hervorzuheben. 


Sinnesorgane.  *  Ta.Hlorf;ane.  1 55 

Die  von  der  Bauchkette  entspringenden  Nerven  treten  in  der  Regel  von 
den  Ganglienansehwellnngen  ab ;  doch  findet  sich  bei  manchen  Abihei- 
lungen ein  scheinbarer  Ursprung  von  den  L^ngscommissuren,  wobei  der 
Nerv  immer  auf  das  nächst  vorliegende  Ganglion  zurUckgeleitei  worden 
kann.  Solche  Verhältnisse  kommen  vor  bei  Scoleinen ,  bei  Siphonosto- 
men, bei  Aphrodite,  sowie  bei  NereVden  (vergl.  Fig.  5i)  u.  a.  Sehr 
häufig  bilden  die  seitlichen  Aeste  des  Bauchmarks  kleine,  meist  an  der  Basis 
der  Farapodien  gelagerte  Ganglion ,  von  denen  aus  feinere  Nerven  Ver- 
zweigungen ihren  Ursprung  nehmen  (z.  B.  bei  Nereiden).  Diese 
Ganglien  zeigen  sich  nicht  selten  unter  einander  durch  Lüngsconiniissuren 
in  Zusammenhang  und  daraus  entsteht  ein  ^lesonderer,  dem  Bauch- 
nervensirenge  coordinirter  Abschnitt  des  Nervensystems  {Fleione  . 

Eine  ähnliche  Difl'erenzirung  bieten  die  Eingeweidenerven. 
In  de»  niederen  Abtheilungen  der  Würmer  treten  Nerven  von  den 
oberen,  einzigen  Ganglien  zum  Darnicanale.  Solche  sind  sowohl  bei 
Turbellarien  hIs  bei  Tremalodeu  beobachtet.  Bei  den  Anneliden 
erreichen  diese  Nerven  nicht  blos  eine  grössere  Entfaltung,  sondern 
erlangen  durch  Einlagerung  von  neuen  Ganglien  einen  gewissen  Grad  von 
SelbstJIndigkeit.  Diesen  dadurch  zu  einem  besonderen  S)stenic  von 
Eingeweidenerven  sich  gestaltenden  Apparat  tlieilt  man  in  einen  vor- 
deren und  einen  hinteren  Absclinitl.  Der  erslere  verbreitet  sieh  auf 
den  Mundlheilen,  und  ist  besonders  bei  den  mit  pi-otractilem  Rüssel 
ausgestatteten  ChUtopoden  (Phyllodoce,  («lycern  u.  a.)  ansehnlich  ent^ 
wickelt.  Der  hintere  schwächere  Abschnitt  verlauft  dagegen  auf  dem 
Darmrohre,  bis  jetzt  nur  bei  den  Hirndineen  als  unpaarer  Darroncrv 
genauer  bekannt»  Beide  Abschnitte  müssen,  uneraehiet  ihrer  Verbrei- 
tung auf  physiologisch  zusammengehörenden  Organen,  aus  einander  ge 
halten  werden,  denn  der  vordere  Abschnitt  verlauft  zu  willkürlich 
beweglichen  Theilen,  wogegen  nur  der  hintere  einem  ächten  Darm- 
nervensystem  entspricht,  und  in  physiologischer  Besiehung  als  sym<- 
palhisches  Nervensystem  bezeichnet  werden  kann. 

Sinnesorgane. 
Ta»iorgane. 

§  117. 

Die  Sonderung  der  Sinneswerkzeuge  tritt  bei  den  Würmern  auf 
eine  höhere  Stufe.  Als  Organe  der  Tastempfindung  zeigt  das 
Integument  theils  besondere  Fortsatzbildungen,  theils  feinere  Textur- 
niodi6cationen ,  mit  welchen  der  peripherische  Nervenapparat  iii  Ver- 
bindung steht.  Gebilde  letzterer  Art  sind  die  eigentlichen  Tastorgane, 
Während  die  gri>l)eren  Vorrichtungen ,  wie  Fortsätze  des  Integu- 
mentes,  nur  deren  Träger  sind.  Das  Wesentliche  dieser  Organe  be- 
sieht darin,    dass   sensible    Nervenfasern    mit    roodificirten  Zellen    des 


1 50  Würmer. 

InteguDientes  in  Verbindung  stehen,  ^veiche  letztere  in  der  Regel  mit 
st<iiTen  borstenähnlichen  Fortsätzen  (Tastborsten,  Taststäbchen) 
über  die  Oberfläche  des  Integunientes  vorragen.  Da  ein  grosser  Theil 
jener  feinen  stancn  Fortsätze  bereits  in  seinem  Zusammenhange  mit 
Nerven  erkannt  ist  (bei  Räderthieren  und  Anneliden)^  dürfte  es  nicbt 
allzu  bedenklich  sein,  diese  sehr  verbreiteten  Bildungen  auch  da  als 
Tastorgane  anzusprechen ,  wo  der  Nachweis  des  Zusammenhanges  mit 
dem  Nervensysteme  noch  nicht  geliefert  ist.  Das  trifft  zumal  für  jene 
Äbtheilungen,  die  auch  der  Erkeiuitniss  der  gröberen  Verhältnisse  des 
Nervensystems  Schwierigkeiten  darbieten. 

Eine  grosse  Verbreitung  zeigen  jene  Tastborsten  unter  den  Tur- 
bellarien  und  Nemertinen .  wo  sie  bald  Über  den  ganzen  Körper  ver- 
theilt  sind,  bald  am  Kopftheile  des  Körpers  eine  Stätte  reichlicher  Ver- 
bindung finden.  Sie  trefl'en  sich  wieder  bei  Rotatorien;  dann  au  den 
Tentakeln  der  Bryozoön,  und  bei  den  Ännulaten;  in  besclnänktem 
Maasse  bei  Uirudineen,  von  welchen  einzelne  wie  z.  B.  Branchiobdella 
solche  Tastborsten  am  Kopfsegmente  aufweisen ;  ähnlich  auch  bei  einigen 
Lumbricinen ;  in  grösserer  Verbreitung  kommen  sie  bei  den  Chätopoden 
vor.  Als  Sitz  erscheinen  bei  den  Chätopoden  sowohl  die  eigentlichen 
Fühler  und  Taster  (Fig.  44)  als  auch  die  als  Girren  bezeichneten  An- 
hänge der  Parapodien ,  sowie  die  aus  Modihcationen  dieser  Cinen  her- 
vorgegangenen Gebilde  (vergl.  §  101.)  Diese  werden  durch  reichliche 
Ausstattung  mit  jenen  Endapparalen  sensibler  Nerven  zu  coraplicirteren 
Tastorganen  die  durch  ihre  Beweglichkeit  auf  eine  höhere  Stufe  treten. 

Eine  besondere  Gomplication  der  Taststäbchen  findet  sich  bei  einigen 
Hirudineen ,  wo  Gruppen  jener  Gebilde  im  Grunde  becherförmi- 
ger Organe  eingebettet  sind.  Solche  fiuden  sich  am  Kopfe  in  grösserer 
Anzahl,  vereinzelt  an  den  hinteren  Körperringen.  Die  Anordnung  der 
empfindenden  Theile  in  Vertiefungen  der  Körperoberfläche  begründet  die 
Meinung,  dass  man  es  hier  keineswegs  mit  einem  speciellen  Tastap|>a— 
rat,  sondern  mit  einem  Sinnesorgane  allgemeiner  Natur  zu  thun  habe. 

Einen  geringeren  Differenz irungsgrad  als  die  Taststäbchen  oder 
Tastborsten  darstellen,  besitzen  die  Tastpapil  len.  Sie  kommen  da 
zur  Ausbildung,  wo  der  Körper  von  einer  stärkeren  Cuticularschichte 
bedeckt  wird ,  und  bestehen  in  konischen  oder  warzenförmigen  Er- 
hebungen der  Cuticularschichte,  welche  hier  von  einem  Forencanale 
durchsetzt  wird.  In  letzteren  findet  sich  eine  Nervenfaser  eingebettet. 
Wir  finden  solche  Tastpapillen  bei  Nematoden  theils  in  der  Nähe  der 
Mundöffnung,  theils  um  die  GenitalöfTnung ,  meist  in  regelmässiger 
Gruppirung. 

Bezüglich  ihrer  Function  wenig  sicher  bestimmbare,  aber  wohl 
den  Sinnesorganen  beizuzählende  Organe  bilden  wimpemtragende,  oder 
sonst  durch   Eigenthümlichkeiten   des   Epithels   atisgezeichnete   Stellen 


Sehorgane.  4  57 

des  Körpers,  wie  die  Ropfgruben  mancher  Nemertinen,  die  ühnlich 
auch  bei  Polygordius  vorkommen.  Vielleicht  darf  auch  der  im  Rttssel 
von  Balanoglossiis  vorgestellte  Apparat  hierher  gesohlt  werden.  Oh 
diese  Organe  der  Wahrnehmung  von  Zuständen  des  umgebenden 
Mediums  dienen  und  nach  Analogie  von  Riechorganen  fungiren,  ist 
ongewiss. 

Sehorgane. 
§  H9. 

Die  Sehorgane  der  Würmer  liefern  «ahlreicbe  Beispiele  für  all- 
mabliche  Hervorbildung  eines  Organes  aus  indifferentem  Zustande.  Bei 
vielen  niederen  Würmern:  Turbellarien,  Trematoden,  Nemertinen  und 
Räderthieren  finden  wir  an  der  Stelle,  wo  Andere  deutlicher  ent- 
wickelte  Augen  besitzen,  oft  nur  Pigmentllecke  symmetrisch  geordnet 
entweder  unmittelbar  dem  Gehirne  aufsitzend,  oder  doch  in  der  Nahe 
desselben.  Heber  die  Endigungs weise  der  Nerven  dieser  Organe  ist  nichts 
bekannt,  daher  ist  es  ungewiss,  ob  solche  »Augenflecke«  als  licht- 
empfindende  Apparate  gedeutet  werden  dürfen. 

Bestimmter  gestaltet  sich  unser  Trtheil  für  jene  Fillle,  wo  das 
Pigment  für  eigenthttmliohe  Kndapparate  sensibler  Nerven  nur  eine  Hülle 
abgiebi.  Diese  Gebilde  erscheinen  als  eigenihümlich  modificirle  Zellen, 
die  entweder  einzeln  oder  in  Gruppen  das  Pigment  durchsetzen  und 
nach  Analogie  des  Verhaltens  derselben  Gebilde  im  genauer  gekannten 
Arthropoden -Auge,  wohl  ohne  Zweifel  mit  Ner\en  in  unmittelbarer 
Verbindung  stehen.  Es  sind  die  sogenannten  Kr y stallst li beben, 
oder  Krystallkegel. 

Solche  Augen  finden  wir  unter  den  Plattwürmern  in  ziemlicher 
Verbreitung  bei  den  Turbellarien ,  (Arten  von  Mesostomuro  und  Vortex) 
io  der  Regel  zu  zweien  »uf  dei*  oberen  Fluche  des  Kopfes.  Viele 
Seeplanarien  besitzen  an  derselben  Stelle  eine  grössere  Anzahl  regel- 
mässig angeordneter  circurascripter  Pigmentflecke,  von  denen  ein  Tbeil 
gleichfalls  einen  Krystallkörper  umschliesst.  Sehr  häufig  zeigen  sich 
diese  Augen  frühzeitig  beim  Embryo  als  Pigmentflecke,  und  so  erschei«- 
Den  sie  auch  bei  vielen  Trematodenlarven ,  deren  manche  jedoch 
auch  deutliche  Krystallkttrper  erkennen  lassen  (Amphistoma  subclavatum, 
Monostomnm  mutabile).  Bei  den  entoparasitischen  Formen  dieser  Ab^ 
IbeUang  gehen  die  Sehorgane  verloren,  indess  sie  bei  manchen  ekto* 
parasitischen  Trematoden  (Dactylogyrus)  fortbestehen.  Den  Cestoden 
fehlen  sie  in  jedem  Zustande,  wenn  man  nicht  Einzelnen  zukommende, 
hinter  den  Saugnäpfen  Kegende,  rothe  Pigmentflecke  als  Rudimente 
solcher  Organe  ansehen  will. 

Bei  den  Nemertinen,  wo  Augenflecke  nicht  selten  vorkommen, 
sind  wahre  Augen  pur  in  wenigen  Fällen  beobachtet  (Polia  coronata, 
Nemertes  antonina).      Augenflecke   und   wahre   Augen  einfacher  Form 


i58  Würmer. 

flnden  sich  bei  frei  lebenden  Nematoden  (Enoplus)  auf  dem  Schlund- 
ringe, indess  sie  den  parasitischen  bis  auf  wenige  Ausnahmen  mangeln, 
so  dass  auch  hier  die  Rückbildung  der  Sinneswerkzeuge  mit  dem 
Parasitismus  einbergeht. 

In  unmittelbarer  Auflagerung  auf  dem  Gehirne  treffen  wir  die 
Sehorgane  bei  den  RUdortbieren.  Zwei  an  einander  gerückte  Pig- 
mentflecke enthalten  je  ein  Krystallstilbchen ,  welches  bei  nicht  selten 
völliger  Verschmelzung  der  Augen  zu  Einem  einfach  ist.  Andere  tragen 
da  nur  einen  Pigmentfleck.  Solche  Flecke  linden  wir  auch  bei  Tuni- 
caten,  so  z.  B.  bei  vielen  Ascidicn,  wo  sie  an  der  Eingangs-  und 
AuswurfsölTnung  als  »Ocelli«  gruppirt  sind.  Doch  fehlt  der  Nachweis 
einer  Beziehung  zum  Nerven appa rate  ebenso  wie  für  die  Pigmentflecke 
am  Nervencentrum  der  schwimmenden  Tunicaten.  Dagegen  linden  sich 
bei  manchen  Ascidienlarven  sehr  entwickelte  Sehorgane  vor. 

Durch  eine  grössere  Anzahl  von  radiifr  gesteinten  Krystallkegeln  ist 
das  complicirtcre  Augenpaar  von  Sagitta  ausgezeichnet,  und  damit 
treffen  sich  schon  Verhältnisse,  die  au  die  Annulaten  erinnern. 

Unter  den  Annulaten  nehmen  die  Sehorgane  der  Hirudineen  die 
niederste  Stufe  ein.  Die  bei  vielen  vorhandenen  Augen  liegen  wie 
bei  den  Plattwürmern  oberflilchlich  am  Kopftheilo  des  Körpers,  und 
sind,    wie  dort,    meist  in  grösserer  Anzahl  symmetrisch  vertheilt.     In 

ihrem  Baue  stimmen  sie  mit  den  bei  den  Tast- 
organen erwähnten  becherförmigen  Gebilden  so 
merkwürdig  überein ,  dass  hier  ein  Zustand  ge- 
geben zu  sein  scheint,  wo  ein  specifisches 
Sinnesorgan  sich  aus  den  indifferente- 
ren, im  Integument  entstandenen  Em- 
pfindungsorganen  hervorbildei. 

Unter  den  Anneliden  finden  wir  die  Augen 
bei  den  G  hü  top  öden  meist  unter  dem  Integu- 
mento  geborgen  dem  Gehirnganglion  aufgelagert,  zu 
zweien  oder  zu  vieren,  selten  kommt  noch  ein  un- 
paares  Auge  vor.  Meist  ist  ein  Paar  ansehnlicher  ausgebildet,  das  sweite 
Paar  hHufig  auf  einen  Pigmenlfleck  reducirt.  In  bedeutenderer  Ent- 
Wickelung  treten  diese  Sehorgane  mehr  an  die  Oberflttche  des  Integu-' 
mentes  (Syltiden ,  Nereiden)  (Fig.  55.  a)  und  können  eine  grössere 
Complication  des  Baues  erreichen,  durch  die  sie  von  den  Augen  Nächst- 
verwandter  weit  sich  entfernen  (Alciopa).  Wie  die  Mehrzahl  der  im 
Dunkeln  lebenden  Scoleinen  der  Augen  giinzlich  entbehrt,  so  erleiden 
diese  Organe   eine  Rückbildung  bei   den  Tubicolen    unter  den  Chäto- 

Fig.  55.     Kopf  mit  den  vordersten  Segmenten   einer  Myrianida.    a  Au^en, 
6  Küliler.     c  Unpnarer  Slirnfiililer.     d  Girren. 


Hörorganc.  4  59 

podeD.  Die  bei  den  Larven  oder  auch  noch  später  vorhandenen 
Sehorgane  schwinden  niil  dem  Uebergange  in  die  festsitzende  Lebens- 
weise, oder  werden  durch  blosse  Pigmentflecke  reprüsentirt.  Als  ein 
Anpassungszustand  anderer  Art  ei'scheint  bei  gewissen  Sabelliden  (Bran- 
chiomuia)  die  Ausbildung  von  Sohwerkzeugen  an  den  Kienienbüscheln 
des  Kopfes,  wo  sie  entweder  in  vielfacher  Zahl  die  Fieder^te  der 
Kiemenfäden  besetzen  oder  auch  nur  terminal  angebracht  sind.  Eine 
ähnliche  von  der  ursprünglichen  Stritte  abweichende  Lagerung  findet 
sich  tlbrigens  auch  noch  bei  anderen  Anneliden.  Bei  manchen  sollen, 
wie  am  Kopfsegniente ,  auch  an  dem  Ilinterende  des  Körpers  Augen 
vorkommen,  und  endlich  zeigt  die  Gattung  Polyophthalmus  ausser  den 
Augen  am  Kopfe  noch  je  ein  Augenpaar  an  jedem  Metamer.  In  diesem 
Verhalten  liegt  nicht  blos  ein  ftir  die  Würdigung  der  Metaineren  wich- 
tiger Umstand,  sondern  es  giebt  daraus  auch  bei  Würmern  die  geringe 
Beständigkeit  jener  Sinnesorgane  hervor,  die  bald  da  bald  dort  sich 
differenziren,  und  auch  in  ihren  ererbten  Formen  hüufig  sich  rtickhilden. 


Hürorgane. 

§  121. 

ALs  Ilörorgane  sprechen  wir  bei  den  Würmern  Organe  an,  die 
ähnlich  wie  bei  den  Cölentc*raten  aus  einer  bkischenförmigen  Kapsel 
bestehen,  in  der  ein  festes  grösseres  Concrement,  oder  ein  Haufen 
kleinerer  sich  vorlludet.  Nicht  selten  ist  die  Kapselwand  mit  Gilien 
ausgekleidet,  wie  aus  den  zitternden  Bewegungen  der  »Gehörsteinchentt 
Otolitheny  zu  ersehen.  Die  Schwierigkeit  des  Nachweises  von  Nerven- 
Verzweigungen  bei  niederen  WUrmei'n  —  und  gerade  bei  diesen  sind 
jene  Organe  an)  meisten  verbreitet  — ,  hat  den  noLhwendigen  Zu- 
sammenhang dieser  Organe  mit  dem  Nervensysteme  vielfach  noch  ver- 
missen lassen. 

Meist  unpaar  treten  diese  Gehörblüschen  bei  den  Turbellarien 
[Rhabdocölen)  auf,  Arten  von  Monocelis,  Convoluia,  Proporus,  Dero- 
stomum.  Sie  liegen  meist  dicht  an  den  Hirnganglicn ,  und  finden 
sich  in  der  Regel  bei  solchen  Gattungen,  die  der  Augen  oder  Augen- 
flecke entbehren.  Bei  den  Nemertinen  sind  sie  nur  in  einzelnen 
Fallen  beobachtet  (Oerstedia).  Bei  den  übrigen  Plattwürmern  scheinen 
solche  Gehörbläschan  nicht  verbreitet  zu  sein,  und  ebenso  fehlen  sie 
den  Nematoden. 

Erst  bei  den  Anneliden  finden  sie  sich  wieder,  und  zwar 
paarig,  in  der  Regel  an  den  Seiten  des  Gehirns.  (Arenicola,  Fabricia, 
Aniphiglene  u.  a.).  —  Unpaar  und  in  ;isymnietrischer  Lagerung 
kommt  ein  Hörhlnschen  auch  den  Tunicnten  'Doliolum,  Appen- 
dicularia)   zu. 


§  122. 

Der  Darmnanal  der  WUnntr  bildet  einen  entweder  in  das  Paren- 
chyni  des  Körpers  eingebetleten  oder,    bei  vorhandener  Loibeshöhle  in 
letzlerer  gelagerten  Schlauch,    der  sich  im  allgemeinen  der  Leihesform 
angepasst   zeif^t.     Die  Munditffnung  liegt  in  der  Reget  am  Vorderende 
des  Körpers,  immer  an  der  ventralen  Flüche.      Wo  ein 
FiR.  57.  After  vorhanden,  ist  dieser  meist  am  hinteren  Körper- 

theite,  und  zwar  bald  ventral  bald  dorsal  angebracht. 
Eine  l)i Heren zirung  des  Darmrohrs  in  mehrere  ver- 
schieden fungirende  Abschnitte  ist  durchgehend  nach- 
zuweisen, sowie  auch  hüulig  noch  Hilfsapparate  zur 
Bcwitltigung  der  Nahrung  nin  Kin^ange  der  verdauen- 
den CaviUit  hinzulrelen.  Die  drei  hier  zum  ersten  Male 
vorhandenen  und  als  Vorder-  oder  Munddarn), 
Mitteldarm  und  Knddarm  unterschiedenen  Ab- 
schnitte sind  um  den  letzten  hei  fehlendem  After  ver- 
mindert. 

Die  primitive  Darmform  knüpft  an  die  in 
derGastrulnform(§2R)  gegebenen  Verhaltnisse 
an,  Sie  erscheint  bei  Allen  in  der  embryo- 
nalen Anlage  des  Organismus,  unterdennie- 
deren  Würmern  auch  bleibend,  mit  nur  we- 
nigen Complicationen  <lurch  eine  hlind- 
sackartigeHöhlung  gebildet,  dienuraneiner 
Stelle  auf  die  Oberfläche  sieh  »ffnet.  Diese 
Oeffnung  dient  zur  Aufnahme  der  Nahrung,  aber  auch 
zur  Kntfernung  der  unverdaulen  Resie,  ist  also  Mund 
und  After  zugleich.  Diese  Einrichtung  findet  sich 
unter  den  Platt wtlrmern  verbreitet ,  wo  sie  bei 
den  Tremaloden  das  ausschliessliche,  bei  den  Turbel- 
larien  das  vorherrschende  Verhallen  bildet.  Die  rbab- 
docUlen  Turbellarien  zeigen  den  Darmcana)  als 
einen  nur  in  seinem  vorderem  Ahschnitte  deutlich  gesonderten,  durch 
den  Körper  sich  erstreckenden  einfachen  Blindschlauch.  Die  einfache 
Hundöflnung  bietet  eine  ver;inder liehe  Lage,  sie  kann  am  vorderen 
KOrpertheiie  oder  gegen  die  Mitte  der  BauchOache  hin,  endlich  sogar  am 
hinlern  Abschnitte  angebracht  sein    und    führt   in  einen,    nur  wenigen 

Kig.  S7.  Prorhynchus  lluviililU,  0  Mund,  oe  Schlund,  rlt>Mlartif[ 
vorslreckbar.  i  Darm,  i/l  Drüsen,  die  in  den  Darm  niünden.  c  Wiiupergruben. 
m  Stachel  in  dem  Über  dem  Schlünde  gelegenen  Organe ,  das  bei  v  blindsackarUg 
eodel.  00  Ovariuin,  nach  vorn  tu  mit  einigen  auf  verschiedenen  En I Wickel ungs- 
Hladleo  lie endlichen  Eiern. 


OarmcBiMl. 


tct 


rphlcndfn  muskuläsen  Schlandkopf  (SrhiioRtompcn} ,  der  in 
vielen  Fitllen  protraclil  prschrinl.  ICs  l)il<)ft  den  nm  dculljchslen  aus- 
gepr^Klen  in  vielen  ModifKii<tun<>n  durch  die  nwislen  Ahtlieiliingi-n 
iler  Wurmer  v^rfnlitbaren  Abnchnilt  lU's  Dnrmsclilnuehes. 


KiK. 


§  I3:i. 

Bei  den  dendroenlen  Turhel  l.irinn  iül  der  Dami  der  breiten 
Korftefform  nn^epnKSl.  Die  MundillTnunf;  fl'i;;.  57.  n)  ]afifrl  venlrnl 
oft  nahe  nn  der  Mille.  Der  miiAkumso  Schlund  (/))  leij;!  sieb  hau(i{? 
in  ein  rü»(elfttnnr};eR  Gebilde  von  bedeiilender  Ausdehnun(;sßlhiKkeit 
iiin^ewanib-ll.  Kr  fubrt  in  eine,  die  Mitlc  des  Kürpers  einnehmende 
IWmhithb'  '»-),  die  sieh  in  vielfnche  p'fien  den  Binid  des  pUtlen  Kfiqiers 
seriaufende  Aesle  »erKwcigt,  durch  deren  Vcrbindiinj^en  unter  einander 
fin  fdnnliches  Ha<tchenwerk  enUU^hen  kann  (Thy.sanozoon) .  Durch 
die  offene  CommunicDlinn  der  Zweise  iiiil  der  (lenlralhßhle  wird  der 
l'hyintis  im  Kttrper  verlheill,  und  damil  Irill  der  DanncmHl  in  die 
Function  eines  (iefössyslems  Ober. 

Eine  ähnliche  Verxwei|{unf;  des  Darni- 
schlauches  ist  bei  vielen  Trema toden  vor- 
bnden.  Der  Darm  beginnt  mil  einer  meist 
am  lordem  Rörpertheilc  pelai^erli'n  MundüfT- 
nunp,  nn  welcher  hitufifi  Sau^napriiildiingen 
vorkommen  (Fig.  58.  s,  ,  und  darauf  folpl 
niederuni  ein  muskutits<'r  Sehlundkopf  [h], 
von  welchem  der  eigentliche  Darm  eni- 
springi.  Dieser  besteht  in  der  einfachsten 
Korni  als  ein  Blindsack  (Aspidogasler,  Gasle- 
rnslomum;  und  enlspricht  darin  einer  niederen 
Bildungsstufe,  welche  bei  vielen  Tremnloden 
führend  gewisser  Stadien  ihres  Rntwicke- 
lungscyclus  (in  der  Itadienfomil  vurwidlel. 
Bi-i  weiterer  Differenzirun^  theill  sich  der 
llxrm  hüufig  in  zwei  Aeste,  die  nach  hin- 
ten verlaufend  entweder  wieder  mit  zahlreich  gelheillcn  Z\vcit|;en  in 
den  Körper  ausslmhlen  (Distoma  he[>aticum)  oder  einfache  Blimlsilckc 
(f)  vorstellen  'Distoma  flavesccns,  I),  lanceolalum).  Durch  eine  zweite 
Vereinigung  der  beiden  Darmiisle  kommt  eine  Bildung  zu  Stande,  wie 
sie  auch  bei  einigen  Planarien  be«il<^hl.  Dass  auch  bei  den  Trematoden  die 
Wntwcigung  des  Darms  nur  auf  eine  Verbreitung  des  Tractes  im  Kiiriwr 
und  nicht  auf  die  Bildung  hel^Tonomer  Abschnitte  hinausllluft,  ist  sowohl 


VenUouniiiuppnrnl    vi 
p  MnfH-K'     OP    Veriwfi 


4  62 


Würmer. 


Fig.  58. 


aus   dem  gleichartigen  ßaue  wie   aus   den   gleichartigen  Contentis  er- 
sichtlich. 

Gänzliche  Rückbildungen  des  Darmes  erkli^iren  sich  aus  Anpassungen 
an  bestimmte  Lebensverhältnisse,  wobei  dann  die  Ernithrung  wohl  auf 

endosmotischem  Wege  durch  das  Integument  erfolgt. 
Diese  durch  den  Parasitismus  eingeleitete  Erscheinung 
erreicht  in  der  Sporocystenform  den  höchsten  Grad.  Der 
Mangel  des  Darmcanals wird  endlich  bei  den  Gestoden 
zur  Regel,  wo  der  Darm  selbst  nicht  einmal  vorüber- 
gehend erscheint.  Auf  ähnliche  Weise  —  durch  Para- 
sitismus —  ist  wohl  auch  den  Acantbocephalen 
der  Darm  gänzlich  verloren  gegangen. 

Den  durch  den  Mangel  einer  AfteröfTnung  als 
niedere  ZusUinde  sich  kundgebenden  Formen  des  Darni- 
rohrs  stellen  sich  durch  den  ßesitz  eines  Afters  aus- 
gezeichnete Formen  schon  unter  den  Plattwürmem 
gegenüber.  Hieher  gehören  von  den  rhabdocölen 
Turbellarien  die  Micro stomeen,  dann  die  Ne- 
mertinen,  deren  Darmrohr  in  ziemlich  gleich- 
milssiger  Gestaltung  mit  einer  länglichen,  hinter  dem  centralen  Ner- 
vensysteme liegenden  venlralen  Mundöffnung  beginnt.  Ein  muskulöser, 
meist  nur  wenig  entwickelter  Schlund  führt  in  den  seitlich  vielfach  aus- 
gebuchteten Darmschlauch.  Dieser  füllt  zum  grössten  Theile  die  Leibes- 
höhle, an  deren  Wandungen  er  durch  Muskelfäden  befestigt  wird. 
Seitliche  Ausbuchtungen  des  Darmrohrs  besitzen  zuweilen  eine  regel- 
mässige, auf  Beginn  einer  Metamerenbildung  deutende  Anordnung. 


§  424. 

BeidenNema  thel  minthen  kommt  zu  den  unter  den  PluttwUrroern 
unterschiedenen  Darmtheilen  l)ei  dem  Vorhandensein  eines  Afters  noch 
ein  dritter  Abschnitt,  der  Enddarm,  hinzu.  Entsprechend  der  Körper- 
form bildet  der  Darmcanal  ein  langes,  den  Körper  durchziehendes  Rohr, 
das  in  der  Mitte  des.  vordem  Körperendes  mit  dem  Munde  beginnt, 
und  näher  oder  entfernter  vom  Schwanzende  mit  einer  ventral  gelegenen 
Analöffnung  abschliesst.  Am  Schlünde  treffen  wir  mehrfache  Difleren- 
zirungen.  Der  vorderste  Abschnitt  (Mundhöhle  oder  Speiseröhre)  stellt 
einen  engen  Ganal  vor,  dessen  Wände  nach  hinten  allmählich  in  einen 
dickwandigen  Schlundkopf  (Fig.  59)  übergehen.  Dieser  ist  vom  übrigen 
Darme  deutlich  abgesetzt,  und  durch  eine  Muskulatur  ausgezeichnet, 
die  ihn  als  Saugapparat  wirken  lässt.  Die  vom  Munde  her  diesen 
Abschnitt  auskleidende  Chitinschichte  bildet  nicht  selten  leistenfönnige 

Fig.  58.  Darmcanal  von  Di  Stoma  flavescens.  o  Mundöffnung  von  einem 
Saugnapfe  s  umgaben,  s'  Bauchuapf.  c  Muskulöser  Absclinitl  des  Oesophagus,  ab 
Pliaryiix  erscheinend,     c  Gabelförmig  getlieiller  Darmschlauch. 


Darmcanal. 


4  63 


Vorsprünge  oder  zahnartige  Gebilde.  Der  auf  den  Schlund  folgende 
Mitteldarm  (Ghylasmagen) ,  in  der  Regel  der  ansehnlichste  Abschnitt, 
zeigt  einfache,  h$lu6g  nur  durch  eine  Zellenschichte  gebildete  Wandungen 
die  bei  einzelnen  (Hetcrakis  vesicularis,  Oxyuris  vennicularis)  stellen- 
weise mit  einem  Muskelbeleg  von  Ringfasernetzen  versehen  ist.     Eine 

Fig.  59. 


Cuticularschichte  lagert  ziemlich  allgemein  aussen  auf  dem  Epithel,  und 
auch  eine  innere  von  Porencan21len  durchsetzte  Culicula  scheint  ver- 
breitet zu  sein.  Bei  manchen  bildet  der  Mitteldarm  an  seinem  vorderen 
Abachn'iUe  eine  blindsackartige  Ausbuchtung.  Durch  seitlich  verlaufende 
Faserstränge  wird  dieser  Darm  an  die  Leibeswand,  in  der  Regel  lUngs 
den  Seitenlinren  befestigt.  Der  aus  dem  Mitleidarm  hervorgehende 
Koddami  ist  der  kürzeste  Theil  des  gesammten  Canals,  vom  vorher- 
.gebenden  Abschnitte  auch  durch  grössere  Enge  unterschieden. 

Bei  den  Gordiaceen  ist  der  Darmcanal  nur  in  den  endopara- 
silischen  Jugendzustünden  ausgebildet,  und  erliegt  mit  der  Ausbildung 
der  Geschlechtsorgane  einer  regressiven  Metamorphose.  Bei  Gordius 
soll  sogar  die  Mundöffnung  schwinden. 

Die  Ghätognathen  reihen  sich  bezüglich  des  Darmcanals  in 
manchen  Puncten  an  die  Rundwürmer  an,  allein  die  Verbindung  des 
Darms  mit  der  Leil)eswand  geschieht  auf  eine  andere  Weise,  nttmlich 
in  der  dorsalen  und  ventralen  Medianlinie.  Borstenartige  reihenweise 
zur  Seite  der  Mundöffnung  stehende  Haken  dienen  als  Greiforgane. 


§  13^- 

Mit  einer  scharfen  Sonderung  in  die  drei  primitiven  Abschnitte 
verbinden  sich  bei  den  Bryozoi*n  höchst  einfache  Zustande  der  Er- 
nährungsorgane. Die  von  den  Tentakeln  umstellte,  oder  doch  in  Mitte 
des  dieselben  tragenden  Lappen  gelagerte  Mundöffnung  wird  bei  einer 
Abtheilung  (Phylactolaemata)  von  einem  beweglichen  Vorsprunge  — 
dem  Epistom  —  überragt.  Von  da  fuhrt  sie  gerade  abwärts  in  ein 
Munddarmsiück  (Fig.  60.  A.  oe] ,  welches  bei  einigen  erweitert,  oder 
auch  an  einer  Stelle  durch  Bildung  zahnarliger  Vorsprünge  in  einen 
Kaumagen  umgewandelt  ist  (Bowerbankia,  Vesicularia) .    Von  dem  noch 


Fig.  59.     Darmcanal  eines  Nematoden  (Si'beiiia). 


44* 


iMn.sithnUrun^  als  MiUeldnn 

Fifi.   60. 


)  6i  Würmer. 

milCilien  lioklpidelcn  Munddarm  seUi  sich  der  zwciUs  Abschnitt  durch  eine 
1')  ah.  Dieser  fun^irl  als  Hapten,  und  hildel 
einen  meist  weil  in  die  Leibeshöhle 
hinabsteigenden  Blindsack.  Einganfis- 
und  Aust^HngRUfTnuDg  dieses  Haptens 
liefen  meist  nahe  bei  einander.  Aus 
einer  Verengung  des  etwas  liefer  ge- 
legenen Pylonislheiles  setzt  sieh  der 
Enddarm,  neben  dem  Munddarm  em- 
por sleigend,  zum  After  [B.  «)  foi1,  der 
zwar  der  Mundßffnung  nahe,  alwr  im- 
mer unter  nnd  ausserhalb  des  Ten- 
t^ikelkranzes  gelagert  isl.  Zuweilen 
bietet  auch  der  Rnddarm  noch  eine  Er- 
weiterung dar  (Flustraj. 

Als  accessorische   Organe  der   Er- 
nlihrung  fungiren  die  wimpemden  Ten- 
takel,   durch  welche  den  feslsilzenden 
^'    Thieren  mil  dem   wechselnden  Wasser 
Nahriins;  zugefllhrt  wird.  ' 

Bei  den  Pedicellinen  sind  dieselben 
Absfrhnitte  unterscheidbar,  wie  beiden 
äehten  Bryozoen ,  allein  der  ll»gen 
entbehrt  des  Blindsackes. 

Der  Darmcanal  der  Räderthiere 
bietet  cineslhcils  noch  Anschlüsse  an 
niedere  Zuslilnde,  indem  er  l>ei  feh- 
lendem Enddarm  [bei  Arten  von  No- 
tomnialaj  nur  aus  dem  Mund-  und 
Miltetdarm  besteht,  andrerseits  werden 
aber  auch  Einrichtungen  getroffen,  welchen  wir  eine  höhere  Stellung 
einiüumen  müssen.  Uer  Munditarin  isl  niimlich  an  seinem  vorder- 
sten Abschnitte  durch  den  Besitz  von  Kauwerkzeugen  ausgezeichnet, 
welche  durch  seitlich  gegeneinander  gerichtete  mit  Zahnleisten  u.  denfl. 
versehene  Chitinbildungen  vorgestellt  sind  (Fig.  68.  m).  Er  beginnt  mit 
dem  unter  dem  Wimpcrscgel  liegenden  Munde,  und  ist  von  dein  (ge- 
wöhnlich als  "Magen»  bezeichneten)  Hilletdarm  durch  geringere  >X'eil)' 
unterschieden.  Wo  aus  dem  Mitleldarra  noch  ein  Enddarni  sich  fort- 
setzt,   begiebl  sich  dieser  zur  DorsalflUche  dos  Körpers,  um   in   einen 


Pik.  60.  Ort;(imsalion  vnn  Rryoiüt>n.  A  Pluniatclla  frnlicosa.  BV»- 
hiHiuella  Rli rc II bergi.  6r  Tcnlakclförini|(n  KiüDicn.  oe  MundJarni.  r  HaRen. 
r  EndilBrm.  o  Aflprötfnung.  i  Klirprrliilllc  {UctiiiiiRi-) .  j;  llintei'er,  x'  viirJeriT 
Stranft,  nn  deren  Insertion  an  der  KürperwRml  itie  r.esrliloclilsprndurle  sieh  phI- 
wickeln.  I  Hoden,  o  nvnrium.  m  Rück  ziel  im  U4kt>l  dp«  vorderen  Absclmillps  der 
Kfirperhülie      mr  HauptrüokxietiniiKikel.     {Nndi   Hiiihn.I 


Darmcanal. 


165 


mit  der  AusmUndung  des  Excretions-  und  Geschlechlsapparates  ge- 
Dieinschaft liehen  Raum,  die  Gloake,  sich  zu  ötTnen ,  eine  EigenthUmlich- 
keil,   welche  wenig  Anschlüsse  an  andre  Abiheilungen  darbietet. 


§  <26. 

Die  Melamerie  des  KöqH^rs  der  höheren  Würmer  lieeinOussl  das 
Verhalten  des  Darmrohrs,  doch  zeigen  sich  hier  auch  manchorlei  andere 
Differenzirungen,  die  aus  Anpassunj^en  an  eine  veränderte  Lebensweise 
hervorgingen.  Die  erste  Anlage  des  Darmcanals  ist  eine  blindsack- 
förmige   Einstülpung.     Der   after- 


Fig.  62 


lose    bei    den    meisten    PtattwUr-        Fig.  ti. 

niero  persistente  Zustand  wird  also 

hier   in   einem   frühern  £ntwicke- 

loagssladium  durchlaufen.  In  enge- 
rem Anschlüsse  an   die  Plattwür- 

mer  erscheint  der  Darmcanal   der 

Onychophoren,       an       dessen 

Schlundstück  zwei  Abschnitte,  ein 

vorderer  weiterer  und  ein  hinterer 

engerer,     ausgebildet    sind.     Der 

Milteldarm  bildet  ein  einfaches,  in 

einen  kurzen  engen  Enddarm  fort- 
gesetztes Rohr.    So  verhält  sich  der 

Mitleldarm  auch  bei  manchen  U  i  r  u  - 

d  i  D  e  e  n    (Malacobdelia) ,    während 

der  bei  einigen  protractile  Schlund 

grössere  Complicalionen  ergibt,  hei 

ifodem  in  Bewaffnung  des  Einganges 
inilGhilinleisten,  Anfänge  vonKiefer- 
bildungen  aufweist.  Bei  der  Mehrzahl  dagegen  ist  <ler  Milteldarm  mit 
l^sclienartigen ,  hei  Clepsino  sogar  verzweigten  Ausbuchtungen  besetzt 
^Fig.  Gl),  von  welchen  die  beiden  letzten  zuweilen  als  längere  Blind- 
Nclilüacho  (Fig.  Gl.  c)  au  dem  engern  Enddarme  bis  ans  Körperende 
bioablauien  (Clepsino,  Uaemopis).  Diese  sind  die  einzigen  Cöcalbil- 
iluagen  am  Darme  von  Aulacoslomuin.  Bei  anderen  sind  die  Blindsäcke 
nur  durch  Einschnürungen  angedeutet.  In  allen  Fallen  entsprechen 
diese  Einrichtungen  der  auch  am  Nervenstränge  ausgedrückten  Mc- 
lauierenbiidung. 


Fig.  61.  Darmcanal  von  Sanguisuga.  o  Schlund,  c  hinteres  Blinddarm- 
paar,    a  AnalofTnung. 

Flg.  6i.  Darmcanal  von  Apliinditc.  o  vorderer  Theil.  6  mittlerer  (mus- 
Ulöscr;  Theil  des  Munddarmes,  r  verzweigte  Cöcalanhänge  des  Miticldarms. 
'1  AnalofTnung. 


Eine  Trennung  des  Munddarms  in  mehrere  oft  scbr  verschiedene 
Abschniltc  herrscht  fast  durchgehcnds  bei  den  Anneliden.  Ein  min- 
ierer AlischnilL  niachl  sieb  durch  stärkeren  Muskelbeleg  bemerkbar, 
und  wird  vom  Hitteldarnf  durch  ein  bald  iüngeres,  bald  kürzeres  SlUck 
getrennt.  Unter  den  Scoleinen  ist  der  auch  als  nMuskelmagen«  oder 
muskulöser  Abschnitt  des  Pharynx  bezeichnete  Theil  sehr  mächtig  ent- 
wickelt (Lunihricus).  Er  nimmt  hier  das  Ende  des  Munddarmes  ein. 
Weiter  gegen  die  Mitte  des  letzteren  findet  er  sich  bei  den  meisten 
Chätopoden,  häufig  mit  einecn  Besatz  von  Zahochen,  die  wie  Kiefer 
gegen  einander  wirken.  Bald  ist  nur  ein  Paar  solcher  KieferstUcke 
vorhanden  ;Fig.  Ü.  m],  bald  bestehen  mehrere 
v..^  Paare,  die  wieder  im  Einzelnen  sehr  von  einan- 

der verschieden  sind,  und  einen  complicirlen 
Apparat  (Fig.  63)  zusammensetzen.  Sehr  mächtig 
ist  dieser  Abschnitt  bei  den  Aphroditcen  ent- 
wickelt. Er  kann  wie  bei  noch  vielen  anderen 
Baubanneliden  (Phyllodoce ,  Glycera  u.  a.)  her- 
voi^estreckt  werden ,  wobei  der  vordere  sich 
umstülpende  Abschnitt  an  die  Aussenlläche  des 
uRUsselsK  EU  liegen  kommt. 

Der  vordere  muskulöse  Abschnitt  des  Mund- 
darms ist,  wo  er  hervorsireckbar  ist,  durch 
Lunge  ausgezeichnet.  Die  ganze  Einrichtung 
ist  rUckgebildet  bei  den  Tubicolen,  wozu  bereits  Arenicola  den  Ueher- 
gang  zeigt.  Der  dritte  Abschnitt  des  Munddarms  ist  hei  den  Scoleinen 
wenig  ausgebildet,  mehr  bei  den  Chütopoden,  bei  denen  er  hilutig  mit 
ein  paar  Blinddärmen  besetzt  erscheint  (Syllis,  Arenicola). 

Der  Hitleidarm  bildet  den  grOssten  und  auch  den  {gleich massigsten 
Abschnitt  des  gcsauimten  Darmrohrs.  Er  verlituft  meist  ganz  gerade, 
seltener  in  Windungen  oder  Schlingen  gelegt.  Indem  von  der  Leibes- 
wand her  muskulöse  Lamellen  oder  auch  einzelne  Faden  von  der 
Grenze  der  einzelnen  Metameren  an  ihn  herantrelin,  wird  er  nicht  nur 
dadurch  befestigt,  sondern  auch  in  einzelne  den  letzteren  entsprechende 
hQuIig  ausgebuchtete  Abschoitt«  gegliedert.  Solche  Ausbuchtungen 
sind  in  der  Familie  der  Aphroditcen,  ähnlich  wie  bei  den  Hirudineen, 
zu  grosseren  Anhängen  entwickelt,  die  sogar  wiederholte  Verzweigungen 
darbieten  können   (Fig.   62.  c). 

Einen  meist  kurzen,  nur  bei  Tubicolen  und  bei  Arenicola  ansehn- 
licheren Abschnitt  stellt  der  Enddarni  vor,  der  selten  eine  mittlere  Er- 
weiterung besitzt  und  meist  ohne  scharfe  Grenze  aus  dem  Mitteldarme 
sich  zur  AnalöGTnung  fortsetzt. 

Mit  dem  Verhalten  des  Anneliden-Darmrohrs  stimmt  das  von  My- 

r  Eunicoe   (Lysiüicc;.   a-.«  Paare  von  Kielertheiien. 


Darrocanal.  167 

■  ostomü  Uherein.  Der  Miinddarm  wird  durch  pincn  Innftcn  protrac- 
tilen  Rilssel  vorßpstellt,  der  in  einen  erweilorton  MilU'ldnni)  leitet,  von 
welchem  «ua  sich  ein  engerer  Enddarm  zur  AfUrOfTnung  be{^ibt.  Ver- 
Hsloll«  Blindsäckc  sind  von  beiden  Seiten  dos  Hitleidarms  nus  durch 
dra  Leib  verbreitet. 


»"ig.  ' 


§  <87. 

Bei  den  Gcphyrecn  erscheinen  die  drei  für  den  DarmcAnnl  dttr 
Würmer  wicfatiiien  Abschnitte  meist  nur  während  der  Jugendzuständt; 
deutlich;    bei  einzelnen  auch  noch  .spilter 

Priapulus],  wührend  bei  nndercn  mit  dem 
Auswachsen  des  Darmrohrs  in  die  Lilnge 
ilio  Sondening  weniger  bemerkter  ist.  Es 
bildet  dann  meist  ein  den  Körper  niehi^ 
fach  an  Länge  UhertrefTendes  Rohr,  niii 
nur  geringen  Versdiicdenheiten  des  Durch- 
messers. Es  ist  entweder  in  mehrfnche 
mm  Theil  spiralig  gewundene  I.Hngs- 
st'hlingen  gelegt,  und  dann  findet  sich  der 
Afler    an    der   RUckenfl.lche    des    Thiercs 

Sipunculus,  Phascolosomal ,  oder  der  D>iriii 

Kig.  64.  (j  steigt  ohne  bedeutende  Liiiigs- 
srhlingen  mit  vielen  kürzeren  Windungen 
tum  Hinterleibsende  hinab,  um  in  den 
doi-i  befindlichen  After  überzugehen  (Echi- 
iiruK,  Boncllia).  Wührend  die  letzteren  durch 
dif    aborale    Lage    des    Afters     mit    den 

meisten  übrigen  WUrmern  übereinstimmen, 

ücheinen  die  Sipunculiden  sich  weiter  da- 
von lu  entfernen.     Es  liegt  aber   in  der 

Tbat    hier    nur    eine    Weiterbildung    der 

üuch  sonst  bei  Wurmern    verbreiteten    dorsalen  Afterlage   vor,  welche 

die  iiomolc^e  des  Darmes  mit  jenem  anderer  Würmer  in  keiner  Weise 

beeinträchtigt. 


§  128. 

In  eigen thUmliche    Beziehungen    tritt    der  Tractus   intestinalis   der 
ileropneustcn  und  der  Tiinicaten.     Die  wohl  bei  vielen  Wur- 


l''ig.  ti.  Uarmcansl  von  BoneUia.  Der  Riissel  des  Thier«»  i»!  lo  mehmra 
Windun^pn  fielr|(t.  &»  danK  pr  nicbl  vollkommen  sichtbar  i>l.  p  Vorderende  des 
Kusseis.  I,  t'  Ru$.'*e1  rinne,  t  i  Danncanal.  n>  HeaenleriBl laden  (nur  am  vorderen 
Th«lle  Ars  Darmes  ({Bleich nel) .  g  EicretionboruBDe.  e  Cloake.  u  Uterus.  INach 
Ltctzt-DciniEts  ) 


i  08  Würmer. 

mera  ibeilweisc  mit  dem|^Darm  verbundi'ne  rej>|>ir8torischc  Funclion 
localisirt  sich  hier  an  dessen  vurdersleni  Abschnitt  und  ist  an  ein 
hochgradig  difterenzirles,  einen  grossen  Theil  des  Darmrohres  ein- 
nehmendes Organ  geknüpft. 

Dieser  Theil  der  Darmhöhle  wird  dadurch  zur  Kiemen-  oder 
Athemhöhle,  und  soll  in  dieser  Beziehung  in  §  131  näher  vor- 
geführt werden. 

Die  Differonzirung  der  vorderen  Theile  des  Darmrohrs  zu  einer 
Kiemenhöhlo  gehl  nicht  allerseits  gleichmässig  von  Stallen ;  1)ei  Balano- 
glossus  wird  jener  Abschnitt  durch  laterale  Vorsprünge  (Kig.  65.  A  *^ 
in  zwei  llalbriniien  geschieden,  davon  die  eine,  die  ich  als  obere 
betrachte,  die  respiratorische,  die  andere  untere  dagegen  die  nutri- 
torische    vorstellt.      Die    letztere   führt  direct    zum    Anfange    des    aus- 


/s 


schliesslich  als  Darm  fungirenden  Theiles  des  gesammten  Tractus  in- 
leslinalis.  Bei  den  Tunicaten  sind  hieher  bezügliche  VerhJiltnisse 
nicht  weniger  zu  verkennen,  und  finden  sich  in  Zusammenhang  mit 
der  Einrichtung  von  Balanoglossus ,  wenn  man  eine  bedeutendere 
Entfaltung  des  respiratorischen  llalbcanals  (Fig.  (35.  B,  r) ,  und  eine 
geringe  Ausbildung  ^des  nutritorischen  statuirl.  Der  respiratorische 
Theil  bildet  einen  bedeutend  weiteren  Abschnitt,  indess  der  nutri- 
torische  eine  schmale^ an  letzterem  ventral wUrts  hinziehende  Furche,  die 
sogenannte  Bauch  rinne  oder  Bauchfurche  der  Tunicaten  vorstellt 
(vergl.  Fig.  65.  B.  n].  Bei  den  Enteropneusten  wie  bei  den  Tunicaten 
fördert  der  VVimperbesatz  der  ventralen  Rinne  die  Nahrungsstoffe  zu  dem 
am  Ende  der  Rinne  beginnenden  eigentlichen  Darm,  und  bei  den  Tu- 
nicaten wird  die  geringe  Weite  der  Rinne  durch  die  Mächtigkeit  der 
Wimperhaare  compensirt,  welche  ^von  einer^  den  Boden  der  Rinne  aus- 
kleidenden leistenförmigen  Zellschicht  sich  erheben. 

FiR.  65.  Schematisclie  Darstellung  des  Verhaltens  der  Kiemenhölilc  zur  Baucli- 
rinne  auf  dem  Quorsclinitte,  bei  Bolaiioglossufl  A  und  den  Tunicnten  B.  r  respira- 
torischer Abschnitt,     n  nutritorischer  Abschnitt  der  Cavilät. 


Anhangsorgane  des  DarmcanaU.  169 

Was  den  am  Ende  des  theiiweiüe  als  Athetiihöhle  fun^irenden  Ab- 
sehoiUes  entspringenden  Darm  anseht,  ^o  veriüufl  derselbe  bei  Balano- 
glossus  gebuchtet  durch  die  Lunge  des  Leibes,  indess  er  bei  allen  Tuni-* 
calen  die  drei  schon  vorbin  unterschiedenen  Üarmabschniite  ausgeprägt 
zeigt  und  davon  den  Mitteidann  fast  immer  als  eine  Erweiterung  zu  er- 
kennen gibt.  Der  Enddarm  tritt  nur  bei  den  Appendicularien  direct  zur 
Körperoberfläche,  bei  den  flbrigen  Tunicaten  öflhet  er  sich  in  eine  Aus- 
wurfshöhie  (Gloake)  (z.  B.  bei  den  A^idicn),  oder  in  den  einer  solchen 
entsprechenden  Abschnitt  der  Athemhöhle  (Salpa,  Doiiolum).  Bei  den 
zusammengesetzten  Ascidien  (Ascidienstöctkenj  sind  die  Auswurfs- 
Öffnungen  einer  Anzahl  von  Kinzelthieren  unter  einander  zu  einer  ge- 
meinsamen Gloake  vereinigt.  Diese  Einrichtung  erkUiri  sich  aus  dem 
eigenthttmlichen,  während  der  Entwickeln ng  aus  dem  Eie  auftretenden 
Sprossungsprocesse ,  der  eine  Mehrzahl  von  niemals  vollständig  sich 
trennenden  Individuen  hervorgehen  iässt  (vergl.  §  99]. 


AnhangBorgane  des  Darmcanala 

Der  Darmcanal  der  WUrmer  steht  mit  mancherlei  Drttsenapparaten 
in  Verbindung,  welche  als  Differen^irungcn  der  Darmwand, 
speciell  des  Darmcpithels  zu  gelten  haben.  Einzelne  Zellen  oder  Zell- 
gruppen erscheinen  in  einem  von  benachbarten  Zellen  difierenten  Ver- 
halten, und  geben  sich  damit  als  besondere  Organe  kund,  die  durch 
ihre  Lagerung  in  der  Damiwand  oder  endlich  ausserhalb  derselben, 
und  dann  durch  Ausftthrgänge  mit  dem  Darmiumen  verbunden,  ver- 
schiedene Grade  der  Selbständigkeit  besitzen.  Nach  ihrer  Beziehung 
zu  den  einzelnen  Abschnitten  des  Darms  werden  sie  wieder  genauer 
unterschieden  werden  mtlssen. 

In  den  Munddarm  dicht  hinter  dem  muskulösen  Schlünde  ein- 
mündende kleine  Gruppen  einzelliger  Drflsen  sind  bei  den^  rhabdocölen 
Turbellarien  vorhanden.  Bei  den  Trematoden  sind  ähnliche 
Gruppen  im  Vorderende  des  Leibes  gelagerter,  in  der  Nähe  des  Mundes 
mündender  Zellen  gleichfalls  als  MunddarmdrUsen  angesehen  worden. 
Bei  den  Nematoden  sind  im  sogenannten^Schlundkopfe  drüsige  Bil- 
dungen beobachtet  worden,  sowie  auch  deutliche  DrUsenzellen  in  der 
Nähe  der  Mundöffnung. 

Bei  den  Annnlaten  sind  es  besonders  die  histologisch  genauer 
durchforschten  Hirudineen,  bei  welchen  eine  grossei^  Anzahl  ein- 
zelliger Drüsen,  bei  den  mit  einem  Rttssel  versehenen  in  diesem,  bei 
den  mit  Kiefern  ausgestatteten  auf  letzteren  ausmünden.  Bei  den  An- 
neliden sind  derartige  Drüsen  nicht  bekannt.  Dagegen  findet  sich 
am  letzten  Abschnitte  des  Munddarmes  dicht   hinter  dem    muskulösen 


\  70  Würmer. 

Theile  bei  den  mit  Schlundkicfern  ausgerüsteten  Nereiden  u.  a.  ein 
Paar  gelappter  DrUsenschläuche  vor  (vergl.  Fig.  44.  gl)  ,  welche  Mo- 
dificationen  der  bei  Sylliden  vorhandenen  einfacheren  Schläuche  vor- 
stellen. An  derselben  Stelle  sind  auch  die  Rüde rlhiere  mit  DrUsen- 
anhängen  versehen. 

§  130. 

Wie  man  diese  in  sehr  mannichfaltigen  Functionsverhültnissen  sich 
darstellenden  Drüsen  als  »Speicheldrüsen«  bezeichnet,  so  pflegt  man  die 
mit  dem  Mitteldarme  verbundenen  Drüsenorganc  als  gallebereitendc 
oder  als  »Leber«  anzusehen.  Man  muss  sich  hüten,  in  diesen  Bezeich- 
nungen etwas  anderes  als  ein  Hilfsmittel  zur  bequemeren  Unterscheidung 
zu  suchen.  Gesonderte  Drüsen  fehlen  dem  Mitteida rmc  der  Würmer 
fast  durchgehend,  dagegen  ßndet  sich  das  Epithelium  meist  derart  von 
den  Epithelien  der  anderen  Darmabschnilte  ausgezeichnet,  dass  eine 
secrelorische  Bedeutung  nicht  unwahrscheinlich  ist.  Einmal  ist  dies 
durch  eine  hüufig  vorhandene  körnige  BeschaHenheit  der  Zellen,  und 
dann  durch  eine  verschiedene  Fiirbung  des  Zelleninhaltes  angedeutet. 
Letzterer  Umstand  dürfte  vielleicht  grösseres  Gewicht  l)esitzen  als  der 
erstere,  da  dieser  ebenso  durch  die  absorbircnde  Function  des  Darm- 
epithels hervorgerufen  sein  kann.  Durch  dieses  Verhalten  ist  der 
Mitteldarm  bereits  bei  den  Bry\)zoön  ausgezeichnet,  und  auch  bei  den 
Räderthieren  macht  sich  die  Sonderung  der  Epithelschichte  be- 
merkbar. Einen  höhern  Grad  erreicht  dieses  Verhalten  bei  den  Plalt- 
würmern  (Planarien,  manche  Trematoden),  deren  Darm  Verzweigungen 
(vergl.  Fig.  57)  vorzugsweise  der  Sitz  jener  Eigenthümlichkeit  sind,  so 
dass  sie  als  secretorische  Anhangsgebilde  betrachtet  werden  dürfen. 
Noch  mehr  können  in  den  seitlichen  Anhitngen  des  Mitteldarms  der 
Aphroditen  (vergl.  Fig.  62)  selbständige  Drüsen  erkannt  werden,  die 
durah  allmähliche  Verengerung  und  Verlängerung  der  bei  Verwandten 
dieser  Gattung  bestehenden  einfacheren  Darmanhänge  sich  bildeten. 
Endlich  sind  hier  noch  die  schlauchartigen  Darmanhänge  von  Balano- 
glossus  zu  erwähnen,  die  den  ganzen  Darmcanal  vom  respiratorischen 
Abschnitte  an  dorsal  besetzen  und  nach  den  Körpersegmenten  grup- 
pirt  sind. 

Dem  Enddarme,  und  zwar  meist  in  der  Nähe  der  Analöffnung,  ist 
in  einigen  Ordnungen  eine  dritte  Abtheilung  von  Drüsen  angefügt.  Sie 
sind  am  genauesten  bei  den  Nematoden  bekannt,  bei  denen  sie  zur 
Verwechselung  mit  Ganglienzellen  Veranlassung  gaben.  Den  Anne- 
liden scheinen  solche  Drüsen  zu  fehlen.  Dagegen  finden  sich  in 
oft  ansehnlicher  Enlfidtung  Drüsenorgane  am  Enddarme  der  Gephyreen 
vor,  welche  wir  jedoch  einem  andern  Organsysteme  (den  Excretions- 
organcn)  zuweisen  müssen. 

Bei  den  Tuuicaten  erkennt  man  die  einfachsten  nur  durch  einen 


Kiemenböble.  \  7  i 

Drttsenzellenbelegdes  MiUeldarms  ausgedrückten  ZusUlndo  bei  Appendicu- 
laridy  wie  bei  deu  meisten  einfachen  Ascidien,  doch  bestehen  noch  an- 
dere discrete  mit  dem  Danue  verbundene  Organe.  Unter  den  zu- 
sammengesetzten Ascidien  werden  sie  z.  B.  bei  Amaurucium  durch  eine 
Reihe  von  Schläuchen  gebildet,  die  eine  Darmstrecke  aussen  besetzen, 
ahnlich  auch  bei  BotrylloYdes.  Bei  den  Salpen  wird  die  Leber  wohl 
durch  einen  blindsackartigen  Anhang  neben  dem  Magen  vorgestellt,  der 
zuweilen  auch  paarig  vorkommen  kann,  aber  wie  alle  Darm-Adnexa 
der  Tunicatep  noch  der  genaueren  Prüfung  bedarf. 


Kiemenhohle  (Darmkiemen). 
§  <34. 

Der  bei  Balanoglossus  und  den  Tunicaten  als  Respirationsorgan 
fongircnde  vorderste  Abschnitt  des  primitiven  Darmes  besitzt  vielfache 
hierauf  bezügliche  Differenzirun;;en.  Bei  Balanoglossus  wird  der  ge- 
sammte  Abschnitt  der  Lfinge  nach  in  zwei  übereinander  liegende,  in 
der  Medianlinie  communicirende  Räume  geschieden,  welche  somit 
Halbrinnen  vorstellen.  Die  dorsale  Halbrinne  tragt  in  ihrer  Wan- 
dung ein  zierliches  Gerüste  mit  Epithel  überkleidcter  Chitinlamellcn 
als  Kiemengertlste,  Zwischen  den  Kiemenbogen,  sowie  den 
sie  bildenden  mehrfachen  Lamellen  finden  sich  Spalten,  welche  je- 
derseits  zu  einer  Reihe  von  OefTnungen  (Spiracula)  fuhren  und  mit 
diesen  auf  der  Ktfrperoberfläche  ausmünden.  Am  Kiemengerüste  ver- 
lireitet  sich  ein  Gefilssnetz.  Durch  die  Mundöffnung  aufgenommenes 
Wasser  strömt  durch  die  obere,  respiratorische  Rinne  in  jenen 
Kiemenapparat  und  gelangt  durch  die  Reihe  der  Spiracula  wieder  nach 
aosaen. 

Diese  Lttngstheilung  der  Vorderdarmhöhle  ist,  wie  be- 
reits oben  (S.  168)  dargelegt,  in  gleicher  Weise  auch  bei  den  Tuni<* 
caten  vorhanden,  der  respiratorische  llalbcanal  ist  jedoch  zu  einem 
Sacke  ausgebildet,  dem  der  nutritorische  wie  eine  secundilre  Diffen*n- 
zirong  eines  Theiles  der  Wandung  angefügt  ist.  Au  den  Wan- 
dungen dieses  Hohlraumes  findet  die  Respiration  statt,  im  Grunde  des- 
selben beginnt  der  der  Nahrungsaufnahme  dienende  Theil  des  Tractus 
intestinalis. 

Diese  Einrichtung  erleidet  in  den  einzelnen  Abtheilungen  der  Tu- 
nicaten sehr  bedeutende  Modificationen.  Die  der  Stammform  der 
Tunicaten  am  nächsten  stehende  muss  bei  den  Ascidien  und  Appen- 
dicularien  gesucht  werden.  Bei  den  letzteren  finden  wir  die  ein- 
fachsten Einrichtungen,  die  jedoch  nicht  in  Allem  an  die  weiter  diffe- 
renzirlen  Zustände  Anschlüsse  bieten.  Der  kurze  Athemsack  besitzt 
niimlich  in  seinem  Grunde  zwei  rundliche,  wimperumsäumte  Oeffnungen, 


17^ 


Würmer. 


Fig.  66. 


die    zur  Eingangsötfnun^    des  Darincanals    symmetrisch    gelagert   sind. 
Diese  Spiracula  stellen  kurze,   trichlerfönnige  Röhien  vor,  welche  neben 

der  Analöifnung  nach  aussen  münden.  In 
der  hei  den  Larven  der  festsitzenden  As- 
cidien  gebildeten  Aihenihöhie  findet  sich 
einige  Zeit  lang  ein  ganz  ähnliches  Spal- 
tenpaar, welches  aber  weder  direct  nach 
aussen,  noch  in  die  Leiboshöhle,  sondern 
in  einen  den  Athemsack  umgebenden 
Binnenraum  führt.  Nach  und  nach  treten 
zu  dem  ersten  Spaltenpaare  neue  hinzu 
und  so  bildet  sich  allmählich  die  ganze 
Wandung  der  Athemhöhlc  zu  einem  Git- 
terwerk um,  dessen  feine  in  Reihen  ge- 
ordnete Spalten  mit  Wimpern  umgeben 
sind.  In  den  Stuben  des  Gitterwerks 
verlaufen  die  Bahnen  des  respirirenden 
Blutes.  Das  durch  die  Eingangsöffnung 
einströmende  Wasser  tritt  durch  die  Spal- 
ten in  den  um  den  Athemsack  befind- 
lichen Raum,  von  wo  es  zur  gemein- 
schaftlichen Auswurfsöfl'nung  geleitet  wird. 
Bei  den  zusammengesetzten  Ascidien  sind 
die  Auswurfsöifnungen  einer  Anzahl  von 
Individuen  zu  einer  gemeinsamen  Llöble 
vereinigt ,  so  dass  jede  dieser  Thier- 
gruppen  eine  einzige  im  Centrum  gelegene 
von  (Ion  Athemsacköffnungen  rings  um- 
gebene AuswurfsöfTnung  besitzt. 

Der  Eingang  in  die  Athemhöhle  wird 
besonders  bei  den  Ascidien  von  Tentakelbildungen  umgeben,  die  ^o^cn 
die  Oeffnung  gerichtet  werden  können.  Das  Gitterwerk  der  Kieme 
bietet  theils  in  der  Anordnung  der  es  zusammensetzenden  Stä}>e,  theils 
in  der  Form  und  Zahl  der  Spaltenreihen  ausserordentliche  Versehit»- 
denheiten,  sowie  auch  Vorsprungsbildungen  mannichfacher  Art,  die  bald 
leistenförmig,  bald  in  Form  von  Papillen  von  ihm  ausgehen,  und  neue 
Complicationen  hervorrufen.  Am  auffallendsten  sind  die  bei  Ascidie-n 
vorkommenden  zungenförmigen  Fortsätze  (»Languets«) ,  welche  in  einer 
dorsalen  Lilngsreihe  stehen.  Ihnen  gegenüber  liegt  die  bereits  ol)en 
(S.  16S)  geschilderte  »Bauchrinne«.  Unter  der  Bauchrinne  liegt 
ein  stabförmiger,  aber  gleichfalls  meist  rinnenarlig  ausgehöhlter  Körper, 
»Endostyl«,  welcher  die  Function  eines  Stützapparates  der  Bauchrinne 

Fig.  66.  Schematischc  Darslellunj;  einer  einfachen  A  sei  die.  v  Kiuganps- 
öfTnung  in  den  Athemsack.  frr  Athemsack.  iDarmcanal.  a  AflerölTnung.  i4  Cloake. 
m  Mantel. 


Kiemenboh)«.  173 

zu  besKten  scheint.  Eine  Karle  wimpernde  Leiste  umkreist  hei  allen 
Tunicaten  den  Eingang  der  Aihemhtfhie  und  lauft  zum  Anfang  der 
Bauchrinne  und  dazu  treten  noch  manche  andere  in  der  Entfaltung 
von  Sinnesorganen  bestehende  EigenthUmlichkeiten. 

§  432. 

Die  stockhildenden  Pyrosomen  theilen  die  Einrichtung  derAthem- 
höhle   mit  den   übrigen  Ascidicn.     Bei    den  anderen  Tunicaten  kleidet 
der    respiratorische  Apparat    nicht    mehr  die  ganze   Alhemhöhle  aus, 
sondern  ist  nur  an  einer  beschrankten  Flache  angebracht.    Auch  in ia 
kann  als  Uebergangsform  betrachtet  werden.     Der  der  Athemhöhle  der 
Ascidien    entsprechende   weite  Raum   birgt  hier  in  seinem  Grunde  die 
Kieme,    die  nur  zwei  Qnerspaltreihen  trttgt.     Zwi.schen  beiden  Reihen 
ßndet  sich  der  Eingang  in  den  Darmcanal,  welch*  letzterer  dicht  unter 
der  Kieme   seine   einfache  Schlinge   bildet.     Die  Kiemenspalten   fuhren 
aus    der  Athemhöhle  direct   in    die  Cloake,    die   hier  der  Athemhöhle 
gerade  gegenüber   liegt,    nur   durch  Kieme  und  Darm  davon  getrennt. 
Die    letzteren    bilden  so  eine  Art  Scheidewand  zwischen  zwei  Binnen- 
räumen,    davon   der  eine  die  Eingangs-,   der  andere  die  Auswurfs- 
öffnung  tragt.     Da    nun   diese   l^eiden  Oeffnungen  nicht  mehr  wie  bei 
den  Ascidien  nahe  bei  einander,  sondern  einander  diametral  gegenüber 
liegen,  kann  man  beide  Räume  als  einen  einzigen  nur  von  der  Kieme 
durchsetzten    Raum    ansehen.      Ganz    ahnlich   verhalt    sieh    Pyrosoma, 
in  den  Jugendzustanden,  indess  spater  die  Kieme  eine  relativ  bedeu- 
tendere Ausdehnung  erhalt.      Eingangs-    und  Auswurfsöffnung  stehen 
sich    aber    auch    hier    gegenüber    und    die    letzlere    mündet    in    den 
Binnenraum    des  vom  Stocke  gebildeten  Zapfens  aus.     Femer  schliesst 
sich  hier  Doliolum  an.  wo  derselbe  noch  mehr  in  die  Lange  gezogene 
Raum   noch   einheitlicher  sich  darstellt,    indem   der  l>ei  Anchinia  und 
Pyrosoma   mehr   in  das  Septum  eingebettete  Datm,    sich  naher  an  die 
Wandung   lagert.     Das  Septum   wird  demnach  fast  ausschliesslich  von 
der  Kieme  gebildet.     Daraus  lassen  sich  die  bei  den  Salpen  vorhande- 
nen Einrichtungen   ableiten.     Die   weite  Athemhöhle  verhalt  sich   wie 
hei  den  vorigen,  mit  einer  vordem  Eingangs-  (Fig.  84.  «)  und  hintern 
Aus  Wurfsöffnung   [h)   versehen,  allein  die  Kieme  bildet  keine  Scheide- 
wand mehr,  sondern  stellt  einen  von  vorne  und  oben  nach  hinten  und 
unten  ziehenden  Balken  (Fig.  84.  br)  vor,  der  nur  an  den  Enden  mit 
der  Wand   der   Kiemenhöhle   verbunden    ist.      Zu   beiden   Seiten   des 
Kiemenhalkens  stehen  beide  Abschnitte  der  Athemhöhle  unter  einander 
in   offener  Communication.     Somit  sind  denn  mit  dieser  Ablösung  der 
Kieme  von  der  Wand  der  Athemhöhle  die  letztere  zusammensetzenden 
heiden  Räume  vollständig   zu  einem  vereinigt.     Der  vordere  Abschnitt 
bietet  in  dem  Besitze  der  Bauchrinne  und  des  Endostyls  charakteristische 
Merkmale   für  die  Erkennung  der  Homologie  mit  dem  Athemsacke  der 


474  Würmer. 

Ascidien,  sowie  auch  ilie  Mundi^ffnung  in  ihm  gelagert  ist,  indess  der 
hintere  Abschnitt  aus  der  ursprünglich  als  Gloake  erscheinenden  Gavität 
hervorging. 

Diese  Trennung  ider  Kieme  von  der  Wandung  der  Athemhöhle 
bedingt  eine  grössere  Selbständigkeit  des  Organs,  welches  anfänglich 
nur  durch  die  Wand  eines  Abschnittes  des  Darmcanals  dargestellt  ward 
und  diese  Beziehung  nur  noch  an  den  beiden  Befestigungsstellen  auf- 
recht erhält. 


Ezcretionsorgane. 
§  133. 

Eine  grössere  Anzahl  hier  zusammengefasster  Organe  ist  in  functio- 
neller  Beziehung  noch  völlig  unaufgeklärt,  bei  einem  andern  Theile 
dagegen  ist  sicher,  dass  ihr  Secret  dem  der  Nieren  höherer  Thiere  im 
Wesentlichen  ähnlich  ist.  Allen  aber  kommt  eine  Summe  gemeinsamer 
Verhältnisse  zum  Organismus  zu,  die  selbst  da  noch  von  Gewicht  sind, 
wo  die  Verbindungen  dieser  Organe  sich  so  diflerent  verhalten ,  dass 
der  Nachweis  einer  vollkommenen  Homologie  noch  nicht  geführt  werden 
kann.      Die  Vereinigung    hat   daher  als   eine   provisonsche   zu   gelten. 

In  seinen  entwickelteren  Formen  tritt  uns  der  Excretionsapparat 
als  ein  System  einfacher  oder  verzweigter  Ganäle  entgegen,  welches 
an  der  Oberfläche  des  Körpers  nach  aussen  mündet  und  bei  deutlich 
gesonderter  Leibeshöhle  auch  mit  inneren  Mündungen  versehen  ist, 
während  im  gegentheiligen  Falle  die  Enden  der  Röhren  oder  die  feinsten 
Verzweigungen  der  Ganäle  geschlossen  sind.  Bei  ungegliedertem  Körper 
ist  der  Apparat  zu  einem  Paare  vorhanden,  mit  der  Metamerenbildung 
tritt  er  dieser  entsprechend  auf.  Ein  paar  vom  Integumente  her 
gesonderter,  und  damit  aus  dem  Ectoderm  stammender  Blindschläuche 
stellt  den  indifferenten  Zustand  der  Excretionsorgane  vor.  Solche 
hinter  dem  Kopfe  ausmündende  Gebilde  sind  bei  den  Nemertinen  be- 
kannt, bedürfen  jedoch  bezüglich  eines  etwa  von  ihnen  fortgesetzten 
Ganalsystems  näherer  Untersuchung.  Genauer  sind  die  Verhältnisse 
der  hier-  häußg  als  Wassergefasssystem  gedeuteten  Ganäle  bei  den 
übrigen  P 1  a  1 1  w  ü  r  m  e  r  n  ermittelt.  Bei  den  Trematoden  und 
Turbeüarien  verzweigen  sich  zwei  auf  die  Seiten  vertheilte  Excre- 
tionscanäle  im  Körper,  indem  von  den  Hauptstämmen  feine,  das  Körper- 
parenchym  durchsetzende  Aeste  ausgehen.  An  der  Wand  der  feinen 
C.mäle  finden  sich  vereinzelt  lange  Gilien.  Die  meist  etwas  erweiterten 
Hnuptstämme  münden  bei  manchen  noch  am  Vordertheile  des  Körpers 
aus  (Trisloma  papillosum).  Am  häufigsten  trifil  man  die  Mündung 
(Porus  excretorius)  gegen  das  hintere  Körperende  verlegt  (Fig.  67.  p], 
wobei  beide  Gefässstämme  sich  einander  nähern  ,  und  zu  einer  ge- 
meinsamon  Oeffnung  sich  vereinigen.    Daraus  bildet  sich  eine  für  beide 


R  IC  retioMorf  a  oe . 


175 


Hg.  «7. 


CanSle  gemeinsame  Endstrecke  aus,   die  meist  erweitert,  als  coniractile 
Blase  sich  dai'steili.     Solche  filasen  kflonen  auch  ao  den  getrennt  aus- 
mündenden   Stammen  entstehen.     Sie  bilden  einen 
dritten  Abschnitt  des  Apparates. 

Bei  den  Cestoden  ist  das,  wie  es  scheint,  bei 
den  anderen  Plattwarmem  erst  «rwoibene  Ver- 
hAltniss  der  Verschmeliung  der  ExcretionscanUle  zu 
emem  einzigen  am  Ende  des  Skolexkttrpers  gelege- 
nen Porus  excretorios  typisch  geworden.  Eine  con- 
tractile  Blase  bildet  meist  den  Sammelpunct.  Die 
HaupUtSnime  bestehen  in  der  Regel  in  grosserer  Zahl, 
Dämlich  vier,  sechs  oder  »cht,  die  vorn  im  üopfe 
entweder  scblingenftfrmig  in  einander  Übergehen 
oder  auch  nur  umbiegen ,  um  wieder  nach  hinten 
tretend  sich  zu  verästeln,  wobei  im  specielleren 
Befunde  ähnliche  Verhältnisse  wie  bei  den  andern 
PlaUwUrroern  sich  ergeben.  Hit  dum  KintritUr  der 
Heiamerenbildung  an  der  Skolo:ifarm  wird  der 
terminale  Abschnitt  dieses  Canalsyslenis  der  itllesten 
Progloltide  zugegelheill ,  die  fulgendon  Progloitiden 
erhalten  nur  Theilstücke  der  Canüle,  Über  deren 
nähere  Beziehungen  bis  jetzt  sehr  divergente  An- 
gaben bestehen. 

Der  aus  den  feinsten  Canillen  bestehende  Abschnitt  dieser  Organe 
enthalt  nur  wasserklare  Fltisaigkeit.  Bei  Bandwiirmern  dagegen  linden 
»ich  an  erweiterten  Stellen  KalkcDncreniente  \or,  die  als  K^crelinns- 
produrte  zu  deuten  sind.  Solche  Conireinente  sammeln  sich  liei 
Tremaloden  in  den  HauplsUinmen,  treten  durcli  Coiilractionen  derselben 
in  die  Endblase  Über  und  werden  von  dieser  durrh  den  Porus  excre- 
tnrins  entleert. 

Nicht  selten  lässt  sich  an  den  feinsten  HaniiKcationen  der  Canale 
sowohl  bei  Cestoden  als  Trematoden  (Uiston)a  dimorphum),  eine  Ana- 
stomosenbildung  wahrnehmen,  die  auf  die  grttsseren  Stämme  tlbergeiien 
kann,  und  dieselben  entweder  einfach  verbindet  zu  einem  Ringe  bei 
bistoma  rhachiaeuni,.  mit  rt^gelmüssig  sich  folgenden  Quercaniilen  bei 
inaachen  Cestodenj  oder  zu  einem  reidion  Haschenetze  sich  um- 
wandelt, in  welchem  dann  die  Ilauptsliinmie  aufgegangen  sind. 

unter  einfacheren  Verhältnissen  ei:scheinen  bei  den  Nemathel- 
minthen  die Excretionsorgane,  welche  wioder  von  einem Blindscblauche 
ableitbar  sind.  Sie  werden  aus  SchlUuchen  oder  CanUlen  vorgestellt, 
welche    in    die   Seitenfeider    eingebettet  längs   des  Körpers   verlaufen. 

Fig.  •?.  ExcretioDsorgao  von  Aspidi>K*8ter  coocliicola.  p  torus  ei- 
creloriu.  c,  c  Die  iMiileD  contraclilen  HaupttUmme.  c'  Nach  vorne  verlaurende 
"uod  uiabi«g«ade  Caoble.  e"  Deren  rücLwdrtii  laufuoder  und  sieb  venwi-igeuder 
Kodibscboilt.     »  Baucbtcheibe. 


176 


Würmer. 


(Fi);.  SO.  A.  r).  In  der  Gegend  des  Munddarms  hiefien  die  beidersei- 
tigen Conülo  gegen  einander  und  vereinigen  sich  in  einen  kürzeren  oder 
lungeren  gemeinsamen  Abschnitt,  der  niil  einem  in  der  Bnuclilinie  ge- 
legenen Porus  ausmündet.  Zuweilen  ist  der  Vcrliiuf  dieser  CnnAle 
geschlängelt,  und  auch  in  Beziehung  auf  die  Verbindungsweise  vor 
der  AusniUndung  linden  sieh  mnnnichriiche  Variationen.  Bei  den  Gor- 
dinceen  scheint  dieser  Apparat  rudimenUlr  zu  sein,  hei  Mermt.i  niimlich 
wird  er  nur  dnreh  eine  Heihe  von  Zellen  repriisentirl,  und  Onrdiiis 
be.siUt  mit  dein  Mangel  der  Seitenfelder  gar  kein  bestimmt  hietier 
(»ezUgliches  Organ.  Ob  die  bei  den  Acanthocephalen  im  vorderen 
Ktirperabschnille  vorkommenilen  als  "l.emnisci"  bezeichneten  Organe 
den  I<)xcretians')rganen  zugehören,  ii^t  zweifelhaft.  Sie  liiklen  zwei  lüng- 
liehe  Lamellen  ohne  Lumen,  al>er  mit  Gefüssverzweigungen,  zwischen 
denen  dunkle  KOrnermnssen  sieh  vorlinden. 


Fr    6N 


§  4:U. 

Mit  dem  Entstehen  einer  Leibeshöhle  ist  das  Verhalten  der  Kxcre- 
tionsorgane  derart  geändert,  dass  die  Ganüle  mit  er.Merer  in  offene 
Communicatinii  gelangen ,  und  ihre  inne- 
ren Mündungen  mit  einem  Wimperlie.salx 
versehen  zeigen .  Dieser  neue  Zustand 
mu.ss  um  somehr  als  eine  blosse  Modi- 
(icalion  des  terminal  geschlossenen  Canal- 
S)stems  gelten,  als  er  bereits  bei  Platl- 
wtirutern  vermittelt  wird.  Bei  Larven  von 
Trematoden  sind  innere  MUndungen  beob- 
achtet. Sie  oharakterisiren  das  eicreiorische 
Canalsy.stem  der  Rilderthiere,  welches 
nach  derselben  Weise  wie  hei  den  Ti-e- 
mal^den  angelegt  ist.  Das  in  der  Lcihes- 
hflhle  lagernde,  oder  von  der  Kttrperwand 
her  in  sie  einragende  Canalsystem  setzt 
sich  aus  zwei  grossen  Stitmnien  zusammen 
(Fig.  68.  c) ,  die  durch  seilliclie  Zweige 
in  der  Regel  offen  in  die  Leibeshöhle 
ausmünden.  Die  beiden  sich  vielfach  schlan- 
gelnden llauplcanüle  vereinigen  sich  ent- 
weder an  der  Cloake  und  ülTnen  sich  durch 
diese  nach  aussen ,  oder  sie  gehen  vorher  in  eine  contractile  Käse 
(Fig.  CR.  1')  über,    die   man,   das   ganze   Canalsystem   nur  für  einen 

Fi^.  (19,  Orfianisstion  eines  Brn  Pili  (in  US,  n  WimpuriKtc  Kopfsrlieil>e,  iSipho. 
m  KauorRiinc.  t  l)r(isent)Oli'K  ntn  Ma-ren,  o  Ovnriiim-,  u  tltpru*.  ein  Ei  brrpcnil. 
o'  Eier,  an  der  Basis  des  Schwanze-i  lirtrHli^l,  e  Exiretiunsr-Btiale  r  ConIncUrr 
Kndlilasi', 


BicretiDOMrgiDc 


(77 


Wasseigefässapparat  ansehend,  und  ihm  damit  eine  ausschliesslich 
Kspintoricbe  Fonolion  luscbreibend,  als  •Respirationsblase«  bezeichnet 
ha.  Sowohl  die  ioDeren  Mündungen  der  Canalverxweigungen ,  als 
aucti  das  Lumen  der  beiden  llauplstäuiine  sind  von  Stelle  zu  Stelle 
mil  Uogen,  geisselfOrmigen  WimperhaareD  beaelit,  die  eine  zitternde 
Bewegung  äussern.  Die  WJinde  selbst  geben  eine  exquisit  drüsige 
Beubaffenbeit  tu  erkennen,  die  entweder  Über  die  gesammte  Länge 
eiuM  Canala  sich  ausdehnt  oder  auf  bestimmte  Abschnitte  beschrtlnkt 
erscheint.  In  diesem  leUleren  Verhllltnisse  mttohle  eine  nicht  unlte- 
UAchtliche  Weilereotwickelung  des  bei  den  Plnimarmern  einracheren 
Vertulteoa  zu  erkennen  sein,  welche  zugleich  eine  ndhere  Verwandl- 
sdull  mit  den  RingelwUrmern  darl>iel«'t. 


Fig,  69. 


§  I3."). 

Bei  den  Gephyreen  milssrn  zwei  dilTi'rente  Oi^ane  als  cxcre- 
lorische  untci-schieden  werden.  Obwohl  beide  in  der  Regel  zugleich 
vorhanden  sind ,  so  vertheilen  sie  sich 
doch  functionell  derart,  dass  immer  nur 
ilaj  eine  mit  excrelorischen  Functionen 
Mraut  ist,  indess  das  andere  zu  an- 
<lemi  Ordnen  in  Beziehung  tritt. 

Die  eine  Form  dieser  Organe  schliesst 
die  Gephyreen  an  niedere  ZusUlnde  an, 
indem  ihr  Verhalten  mit  der  nicht  aus- 
i;ehildeten  oder  nur  äusserlich  entwiokel- 
it>n  Heia  merenbil  düng  zusammenhünf^t. 
Diese  Organe  werden  durch  ScfalHudie  gü- 
hildet,  welche  in  das  Ende  des  Darmes 
mQnden  (Fig.  64.  g],  und  wenigstens  da, 
wo  sie  »m  genauesten  gekonnt  sind  (Bo- 
nellia),  mit  zahlreichen  in  die  Lriheshßhie 
!!cat!nelen  Wimpertriditern  nusgesUitlet 
sind.  (Fig.  £9.  a).  In  anderen  Fitllcn 
st^heinen  die  Ramificationen  mit  inneren 
Mdndungen  zu  fehlen  (Echiurus)  und  wic- 
«ItT  bei  anderen  ist  eine  völlige  RHckbil- 
ilung  eingetreten.     Da  auch    bei   Echino- 

dermen  iihnlichc  Einrichtungen  vorkommen ,  so  erscheint  diese  bei  den 
Gpphjreen  vorhandene  Form  der  F.xcrctionsorgane  einem  grOssern  Kreise 
Kenieinsam,  von  Einer  Stiimmform  ableitbar,  von  wo  aus  sie  auf 
«lie  Rchinodermen  eben  so  wie  auf  die  Gephyreen  sich  fortgesetzt  hat. 

Pig,  M.     Stück  eines  Zwi-iRps   iIpi  Ei 
WiEoiieriHle  Hündnnfcon.     (Nach  LtcAiE  I 


<78  Würmer. 

0 

Eine  Verschiedenheit  (1er  Function  dieser  Organe  darf  aus  dem  Baue 
abgeleitet  werden.  Die  exeretorische  Verrichtung  scheint  nur  bei  Bo- 
nellia  sicherer,  indem  hier  die  Wandungen  der  Verästelungen  eine  drü- 
sige Beschatfenheit  besitzen. 

Die  andere  Form  besteht  aus  paarigen,  an  der  Bauchfläche  aus- 
mündenden Schläuchen,  die  von  der  paarigen  bei  Plattwürmern  be- 
stehenden Form  derselben  Organe  ableitbar  sind.  Sie  finden  sich 
entweder  nur  zu  einem  Paare  (Sipunculus)  oder  zu  wenigen  Paaren 
(Thalassema,  Sternaspis,  Echiurus)  vor,  und  entsprechen  darin  der 
gering  entfalteten  Metamerenbildung.  Innere  Mündungen  in  die  Leibes- 
höhle sind  mit  Gewissheit  nur  bei  Einigen  bekannt;  sie  liegen  dann 
nahe  an  der  Insertion  der  Schläuche  in  die  Leibeswand,  und  stehen 
bei  mehreren  im  Dienste  der  Geschlechtsfunction ,  indem  sie  die  Aus- 
führwege der  Geschlechtsproducte  darstellen.  Der  grösste  Theil  des 
Schlauches,  nämlich  das  hinter  der  inneren  Oeffnung  befindliche  blinde 
Endstück  scheint  bei  den  Sipunculiden  die  exeretorische  Function  zu 
behalten,  und  ist  in  der  Regel  durch  bräunliche  Färbung  ausgezeichnet. 
Bei  anderen  fungirt  der  ganze  Schlauch  für  den  Geschlechtsapparat, 
indem  nach  vielen  übereinstimmenden  Angaben  Geschlechtsproducte 
sich  in  ihm  vorfinden.  Während  bei  den  meisten  ein  gleichartiges, 
der  einen  oder  der  anderen  Richtung  dienendes  Verhalten  dieser  Organe 
besieht,  findet  sich  in  vereinzelten  Fällen  eine  Arbeitstheilung  ausge- 
bildet (Sternaspis),  indem  das  hintere  Schlauchpaar  zur  geschlecht- 
lichen, das  vordere  zur  excretorischen  Function  in  Beziehung  steht  und 
dadurch  die  sonst  nur  in  den  einzelnen  Gattungen  auftretende  Man- 
nichfaltigkeit  der  Leistungen  schon  im  Individuum  zum  Ausdrucke 
kommen  lässt. 

§  136. 

Unter  den  Ringelwürmern  treten  hinsichtlich  des  Baues  der 
excretorischen  Organe  wenig  neue  Einrichtungen  auf.  Die  Organe 
entsprechen  der  Metamerie  des  Körpers,  indem  sie  fast  in  allen  Se- 
gmenten des  letzteren  regelmässig  auf  beide  Seiten  vertheili  sind. 
Sie  bestehen  aus  einem  zusammengeknäulten  oder  schleifenartig  auf- 
gereihten Ganale  (Schleifencanal) ,  welcher  eine  innere,  oft  eigenthttm- 
lich  gestaltete  und  stets  bewimperte  Mündung  i>esitzt,  und  am  andern 
Ende  auf  der  Oberfläche  des  Körpers  sich  öfl*nct.  Dieser  Caoal  ist 
zuweilen  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  gleichartig,  oder  bietet  nur 
geringe  Diflerenzirungen  dar,  häufig  lässt  er  mehrfache  Abschnitte 
unterscheiden,  welche  im  Allgemeinen  den  schon  bei  PlattwUrmern 
und  Räderthieren  hervorgehobenen  entsprechen.  Der  innerste,  die 
Mündung  in  die  Leibeshöhle  tragende  Abschnitt  ist  in  der  Regel 
der  mächtigste  und  durch  ein  trichterförmiges,  auch  rosettenartig  ge- 
staltetes Mundstück  ausgezeichnet  (s.  Fig.  70] .  Am  darauffolgenden 
Abschnitte  ist  ein  drüsiger  Bau  der  Wandung  zu  erkennen.    Der  leUle, 


EicrelionsorRfine.  179 

luneileo  emeilerle  Abschnitt  besitzt  häufig  finen  Muskelbclef; :    seine 
AHSuaDdung  find«l   sich    fast  immer   an    der  Seite   der  Ventralflache. 
IHe  VerricbtUDg  dieser  Organe   ist  ebenso  wenig  wie  bei  den  übrigen 
WUmom  eine  rein  excretoriscbe ,  denn  wir 
finden    sie  nioht    ult«n    mit    mannich fachen  Fig.  70. 

lodern  Functionen  betraut. 

Diese  Oi^aoe  besitien  bei  Hirudineen 
itire  Vorläufer  im  Embryonalstadium ,  wo, 
uubiMlogig  von  den  später  enlalehenden, 
drei  Paare  von  Schleifencanälen  an  der  hin- 
teren  lUlfle  der  BauchOSche  vorkommen.  Sic 
b«sj(ien  einen  ahnlichen,  sb<T  einfacheren 
BaD  wie  die  bleibenden,  und  gehen  nach 
EntwJck«lung  der  letsteren  zu  Grunde.  Diese 
kachfit  wichtige  Thatsache  weist  dnrauf  hin, 
dass  die  Schleifencanale  der  RingelwUrmcr 
nicbt  ohne  weiteres  als  die  Ilomologa  der  Ex- 
«flionsorgane  der  niederen  Wflrmer  ange- 
sehen werden  dürfen,  und  zugleich  entsteht 
dielYage,  ob  dieSchleifencanale  jener  Ringel- 
wQrmer,  welche  keine  derartigen  primordialen  Bildungen  aufweisen, 
den  definitiven  Schlei fencan Kien  der  Hirudineen,  oder  nur  den  pri- 
Dtordialen  vergleichbar  seien.  Auch  hiefdr  wird  nur  die  Knlwickelungs- 
^eschichle  eine  I.Ssung  bringen. 

Im  speciellercn  Verhallen  ergibt  sich  schon  bei  den  Hirudineen 
Hne  betracbüiche  Mannichfaltigkeit,  indem  die  SclileifencnnSlo  bei  einer 
Ahibeilung  der  innem  MUndung  enthehren.  Statt  derselben  beginnen 
sie  mit  einem  geschlossenen  Abschnitt,  der  in  Form  einer  Schleife 
{gestaltet,  ans  lahlreichen  labyrinthnrlig  unter  einander  verbundenen 
Canalen  besteht  (Hirudo).  Aus  diesen  Schleifenorganen  lOst  sich  ein 
isolirter  Caoal  ab,  der  mit  einer  blasenfOrmigen  Erweiterung  an  der 
Oberfläche  des  Körpers  ausmOndet  (s.  oben  Fig.  !iO.  B  .1].  Elei  anderen 
(Clepsine,  NepheHs)  ist  der  labyrinthfBrmige  Abschnitt  gleichfalls  vor- 
handen, aber  es  besteht  dabei  eine  innere,  in  die  seitlichen  Blut- 
sinusse des  Ktfrpers  einragende  Mündung.  Dieser  Altschnitl  ist  bei  anderen 
(Branchiobdella)  sehr  reducirt  und  der  grössere  Theil  jedes  Organes 
nird  von  einem  eine  Doppel  schlinge  darslellenden  Canale  gebildet.  Indem 
Aie  innere  HUndung  in  die  vom  Bluige^ssystem  abgeschlossene  Leibes- 
höhle  ragt,  ergehen  sich  Anschlüsse  an  die  Seoleinen. 

Bei  diesen  ist  die  Abiheilung  der  l.imicolen  durch  zweierlei  Zu- 
stände der  ScbleifencanBle  t>emerkenswerth.  In  dem  einen  besl^'hl 
ein    vielfach  geschlangelter,    meistentbeils   in    einer  gemeinschaftlichen 

Fig.  70.     Inoere  Mündung  eine»  nl»  Snmpnlpiter  fungirfnilen  Rchli-ifpnronals  von 


iM  Wünner. 

Zellmasse  verlaufender  Canal,  der  ziemlich  cleicharüge  Cftliberverhall- 
nisse  bielet.  Uil  dem  die  innere  Hündung  tragenden  Ende  dtircli- 
brechen  die  CanUle  immer  das  je  vor  ihnen  liegende  Dissepiment ;  je 
ein  Schleifencanalpaar  hat  daher  Beziehungen  zu  iwei  Leibessegmenten. 
In  einem  liegt  der  nach  aussen  führende  Abschnitt,  im  anderen  die 
innere  MUndung.  Diese  flber  den  grüssten  Theil  der  Segmente  in 
gleichem  Verhalten  verbreitete  Form  fehlt  an  den  vom  Geschlechts- 
apparat eingenommenen  Strecken.  An  der  Stelle  der  einfachen 
SchIcifencanUle  findet  man  complicirlere  und  in  viel  grösserem  Haassslab«- 
entfaltete  Gebilde,  welche  in  ihrem  Baue  das  Verballen  der  ersleren 
wiederholen,  aber  als  Ausftlhrungsorgane  des  Sperma  thütig  sind: 
Schleifencanüle  sind  zu  Samenleitern  umgebildet. 

Bei    den  Lumhricinen   fehlen  Umwandlungen,   denn   auch   in  den 
Genitalsegmenten  sind  die  Schleifencanttle  denen  der  Übrigen  gleich.     Da- 
gegen hat  sich  der  Apparat  durcbdeuUiche 
|,-lg   7f  Ausprügun^    der    einzelnen    Abschnitte, 

wie  durch  die  Anordnung  seiner  Schlii^n 
complicirt.  Jeder  Canal  stellt  mehrere 
neben  cinandei-  auf-  und  absteigende, 
innig  untereinander  verbundene  Schleifen 
dar,  welche  von  einem  dichten  Geßiss- 
netze  umsponnen  werden.  Verschie- 
dene Abschnitte  tragen  ebenso  ver- 
schiedene Bedeutungen.  Zu  innerst  lin- 
den wir  den  der  tricbterfSrmig  erwei- 
terten Mündung  (Fig.  74.  a]  folgenden 
Abschnitt  Ib.  b.  0)  mit  dünnen  Wan- 
dungen versehen  und  an  einzelnen 
Strecken  mit  Cilien  ausgekleidet.  Nacli 
mehH'acher  Schleifenbildung  geht  dieser 
Theil  durch  eine  Veränderung  seiner 
Wandungen  in  einen  andern  Abscbnilt 
[c]  über,  dessen  Lumen  erweitert  (d)  und 
von  feinkörnigen  Inhalt  führenden  Zellen 
umwandet  ist.  Auch  dieser  Theil  ver- 
lauft sc  hl  ingenartig  (tf)  und  gebt  in 
I  einen  weiteren,  mit  muskultfsen  Wan- 

/,  düngen  versehenen  über  {«) ,  welcher 
nach  einfacher  UmbicgUDg  an  die  KOr- 
penvand  tritt  {$')  und  hier  seine  Aus- 
mUndung  findet. 

Fig.  71.  Bin  Schlrirencanal  von  Lumhricu.t  miissig  vpi^röasert.  a  Innere 
MilnduiiR.  b,  b,  b  Heller,  in  zwoi  Doppclselileifcn  aurKcroihler  Csnnlabschnitt.  r.  r 
Enfterer  Abscbnill  mit  Drüsenwünilen.  d  Erweilericr  Theil,  iler  in  d'  «iPiler««KPr 
wird  und  bei  d"  in  den  muskulusen  Absriinill  r  sirh  rortM'lit.     e'  Aeusnere  .Uündanft. 


Geschlech  tsorgan  e .        '  181 

Einfachere  Formen  derSdileifencanälc  walten  bei  den  ChSilopoden 
vor,  deren  eiaxelne  Canäie  bald  knäuelfdrmige  K»r|)er  bilden,  bald 
weniger  Windungen  darbieten.  Die  l>ei  vielen  nachgewiesene  trichter- 
förmige  Binnenmündnng  verhilli  sich  bei  einigen  (AIciopa)  ganz  ähnlich 
zd  den  Septis  der  Leibeshtfhie  wie  bei  den  Scoleinen.  Auch  die  Be- 
ziehung zum  Geschlechtsapparate  ist  bei  vielen  in  ähnlicher  Weise 
erkennbar. 

Ausser  den  mehr  secundären  Beziehungen,  welche  die  Schleifen- 
canäle  der  BingelwUrmer  bald  nur  an  bestimmten  Loealitäten,  bald  in 
grösserer  Ausdehnung  zum  Geschlechtsapparate  bestUcn,  wird  ihre 
Beziehung  zur  Excretion,  sowie  zur  Ein-  oder  Ausfuhr  von  Wasser 
in  Betracht  kommen  mtlsseo.  Zur  Excretion  stehen  die  Organe  in 
einem  Migen  Verhältnisse  durch  den  drüsigen  Beleg  ihrer  Ganalwan- 
dttogen  oder  auch  durch  direot  in  sie  einmündende  Drüsen.  Dadurch 
kommen  sie  den  Hauptstämmen  der  Excretionsorgane  bei  den  Trema- 
loden  gleich.  Die  Beziehung  der  perienterischen  Flüssigkeit  zum 
umgebenden  Medium,  entweder  durch  Ausleitung  der  ersteren  oder 
Einlass  des  letzteren,  wird  durch  die  innere  Mündung  der  Schleifen- 
canäle  hergestelit.  Aus  der  in  den  Ganillen  oder  an  den  inneren 
Mündungen  in  beinahe  allen  Fällen  nach  aussen  gehenden  Richtung 
der  Wimperbewegung  wird  wahrscheinlich,  dass  auch  Stoffe  nur 
nach  dieser  Richtung  bewegt  werden.  Doch  bedarf  es  zur  Sicher- 
stellung einer  solchen  Annahme  noch  eingehender  Untersuchung. 


Qoaohlechtsorgane. 

In  der  geschlechtlichen  Differenzirung  der  Würmer  be- 
gegnen- uns  zahlreichere  Stufenfolgen  als  in  jeder  andern  Abtheilung. 
Die  niedersten  Zustände  bieten  wieder  hemiaphroditiscbe  Einrichtungen, 
die  aber  nicht  selten  mit  grossen  Complicationen  sich  verbinden ,  wo- 
durch sie  weit  über  die  viel  einfacher  sich  verhaltenden  Einrichtungen 
der  getrenntgeschlechtlichen  Würmer  sich  erheben. 

Am  einfachsten  verhalten  sich  die  Bryozoän,  deren  Geschlechts- 
producte  sich  entweder  an  der  Innenflache  der  KOrperwandung  aus 
einfachen  Zellenhaufen  entwickeln,  welche  entweder  Samenelemente 
oder  Eier  aus  sich  hervorgehen  lassen ;  oder  sie  entstehen  an  einem 
vom  Darmcanale  zur  Innenwand  des  Körpers  verlaufenden  Strange 
(Funiculus).  (Fig.  60.  x.)  Die  reifen  Zeugungsstoffe  gerathen  in  die 
Leibesböhle  und  werden  von  hier  aus  durch  eine  Communications- 
öffnung  in  das  umgebende  Wasser  entleert.  Beiderlei  Geschlechter 
sind  meist  in  einem  Individuum  vereinigt,  und  nur  die  Keimstätten 
sind  von  einander  getrennt. 

Bei  allen   phyiactolämen  SUsswasser-Bryozoen  entwickeln  sich  in 


18 


Würmer. 


dfC  Leibeswanil   an   den  Stellen,   an   welchen  Rier   pnlslehen,   ei^en- 

IhUmlicIie    aus    einem    Zellena^r?gate    bestehende    KOrper    (SUtloMa- 

slcnj ,    die,     nie    <iio    Eier,    sich    ablösen    und    frei- 

fig.  'ti.         »erdende  Sprossen  vorstellen.     MHnnichrache  Differen- 

zirun};en    lassen    com|iltcirlo    Scbalengcbildc    an    ihnen 

enlslehen. 

Die  bei  den  Tiinicaten  verbreitclen  ZwiUerliil- 
dun^en  lassen  sich  zum  Theil  gleichfalls  noch  auf  sohr 
niederer  Stufe  erkennen.  Namenilich  bezüglich  der  Aus- 
(Uhiwege  mangeln  Oomplicirungeii  und  die  Zeugungs- 
stolFe  werden  in  die  Cloake  entleeil.  Die  milnnlivhen 
Oriiane  repriiseiilirl  ein  sameii  erzeugen  der  BItndsch  tauch, 
der  bei  Dolioluni ,  auch  bei  manchen  Ascidien ,  in 
dieser  einfachen  Form  sich  crbüll,  bei  Pyrosoma  in  eine 
rosellenarlig  gestalleto  Form  Ubci^ehi,  indess  er  l>ei 
den  mi'islen  Ascidien  wie  bei  den  Salpen  in  Veräste- 
lungen sich  forlsctzt  und  daniil  eine  An  von  gelappter 
DrUse  bildet.  Auch  die  Ovarien  besitzen  eine  derartige 
Gestalt,  wenigstens  boi  vielen  Ascidien,  bei  anderen 
werden  sie  nur  durch  eine  Gruppe  auf  verschiedenen 
Ausbildungssl ufen  stehender  Eier  gebildet,  deren  jedes 
von  einer  Arl  vun  Kiijiscl  umgelien  wird.  Bei  man- 
chen zeigen  sich  nur  wenige  solcher,  schliesalidi  mit 
einem  gemeinsamen  Stieb  verbundener  Eier,  und  bei 
den  Salpen  ist  gar  nur  ein  einziges  Ei  vorhanden, 
dessen  Stiel  aber  nur  während  früher  Stadien  besieht,  um  sich  all- 
niithlich  zu  verkürzen.  Das  Verhältniss  der  Ausfllhrgiinge  stellt  sich 
hIs  ein  sehr  mannich faltiges  dar.  Den  Ovarien  seheinen  sie  meist 
ganz  abzugehen,  hüufigcr  sind  sie  bei  den  Hoden  beobachtet. 


§  138. 

Der  Hormaphroititismus  erhall  sich  auch  bei  den  PlallwUrmern 
verbreitet  (Turbelhirien,  TrematodoD,  Gesloden).  Beiderlei  Gescblucbls- 
organe  sind  in  der  Itegel  an  einer  gemeinsamen  AusinUiiduiig  vereinigi, 
im  übrigen  getrennt  von  einander  iui  Körperparencliym  eingcbeltel. 
Am  einfachsten  verhalten  sich  die  meist  wenig  voluminösen  Keini- 
dillsen  (Hoden  und  Ovariuni).  Ausfuhrwege  und  damit  verbundene 
UrUscnorganc,  »>uwie  au  den  ersleren  vorhandene  Ausbuchtungen  oder 
Ui  sehen  förmige  Anhange,  die  als  Enlwickeiungsstjillen  der  befruchteten 


tig.  lt.  OrgBOisulion  einer  Ascidio  [Amarocium  prolifeniai),  i&  Kiemen- 
rk.  t'  Magen,  i  Uaru).  c  llert.  l  lloiten,  vd  AusrührgBn;^  des  Hodens,  o 
nrium.     o'  Eier   in   der   Lcilicsliohlc.      Die    (■rdle   bcilfiitun    die   Strumung   des 

■s-ii'it.  Uli  il -n  Körpt'rtiflnuiigen.     (Nadi  Milkk-I^dharus.; 


Geschtechisongaiie.  1 83 

Eier,  oder  als  AurhewHhrungsort^  dos  Samens  fungiren,  haben  an  der 
Complication  d^r  Apparate  den  bei  weitem  grCtosien  Antheil. 

Was  den  männlichen  Apparat  bctrifll,  so  sind  die  an  ZahJ  variabeln 
Hoden  meist  undeutlich  abgegrenzte  Bildungsstätten  des  Samens,  der 
durch  enge  Samenleiter  zu  einem  gemeinsamen  Ausführwege  gelangt. 
Ein  erweiterter  Abschnitt  des  letzleren  fungirt  als  Samenblase,  und 
sein  Ende  erscheint  in  ein  hervorstreckbares  oder  ausstuipbares  Organ 
umgewandelt,  welches  als  P^nis  dient. 

Der  weibliche  Apparat  hat  seinen  wichtigsten  Bestandtheil  im 
Eierstock.  Mit  dem  Ausfühi^ngc  desselben  verbindet  sich  ein 
meist  weit  verzweigtes  Organ,  der  Dotterstock,  in  dessen  Drüsen- 
iäppchen  eine  Zelienproduction  stattflndet.  Die  Zellen  des  Dolterstockes 
werden  zum  Aufbau  des  Embryo  verwendet,  indem  je  eine  Quantität 
derselben  mit  einer  Eizelle  ein  £i  formirt.  Die  Entstehung  des  Dotter- 
stockes resultirt  wahrscheinlich  aus  der  Arbeitstheilung  eines  primitiv 
sehr  ansehnlichen  Eierstockes,  von  dem  nur  ein  Theii  als  solcher  sich 
forterfaielt,  während  die  Zellen  des  andern  ihre  Bedeutung  als  Eikoime 
verloren,  indem  sie  von  den  Eizellen  resp.  deren  Theilungsproducten 
umwachsen  und  so  in  den  künftigen  Embryonalleib  aufgenommen  werden. 
Die  Ausführgähge  des  Ovars  (Eileiter)  und  des  Dotierstocks  vereinigen 
sich  zu  einem  verschieden  langen  Canale ,  der  je  nach  der  Menge  der 
sich  entwickelnden  Eier,  bald  von  ausserordentlicher  Länge  ist,  bald 
ganz  kurz,  einfach,  oder  mit  Aussackungen  besetzt.  Diese  Räume 
werden  als  Uterus  bezeichnet ,  da  in  ihnen  das  Ei  nicht  blos  von 
einer  Schale  umschlossen  wird,  sondern  auch  in  der  Regel  seine  erste 
EntwickeluDg  zum  Embryo  antritt.  Eine  besondere  meist  in  der  Form 
einer  gestielten  Blase  auftretende  Ausbuchtung  der  weiblichen  Aus- 
ftthrwege  nimmt  bei  der  Begattung  das  Sperma  auf  (Roceptaculuni 
seminis) ,  eine  zweite  jedoch  nicht  allgemeiner  verbreitete  ist  mit  der 
ersteren  zuweilen  verbunden,  und  dient  wahrscheinlich  zur  Aufnahme 
des  männlichen  Begattungsorganes  (Bursa  copuiatrix). 

§  139. 

Im  speciellen  Verhalten  dieser  Geschlechtsapparate  ergeben  sich 
ausserordentlich  man nichfaltige  Formzustände.  Der  männliche  Ab- 
schnitt besteht  bei  den  rhabdocOlen  Turbellarien  in  der  Regel  aus 
zwei  langgestreckten  Hodenschläuchen,  aus  denen  je  ein  Vas  deferens 
hervoqgeht.  Bei  den  Trematoden  sind  gleichfalls  nur  einige  meist 
rundliche  oder  gelappte  Testikel  (Fig.  74.  /)  vorhanden,  indess  sie  bei 
den  dendrocölen  Turbellarien,  sowie  bei  mehreren  rhabdocölen  (z.  B. 
Macrostoma]  und  Gestoden  durch  eine  oft  sehr  beträchtliche  Anzahl 
kleinerer  im  Leibesparcnchym  zerstreuter  Follikel  repräsentirt  werden, 
die  durch  lange  Ausführgänge  sich  vereinigen.  Die  Ausftthrgängc  bilden 
entweder  ein  geni^iasames  Vas  deferens,  oder  treten  fUr  sich  verlaufend 


Fig.  73. 


1 84  Würmer. 

ZU  einem  EDdabsrtniiltc ,   der   in   du»   BegaUuii{;sorgan   sich   forlseul. 

Der  geincinäaiiio  Ausfuhrweg  bildel  die  Samenblase ,  welche  seltener 
durcli  Erweiterungen  der  einzelnen  Vasa  defe- 
i-cntia  ersetzt  wird.  Das  Begatlungsoi^an  (Fig. 
73.  p.  Fig.  74.  p')  erscheint  meist  als  ein  an- 
sehnliches, muskulöses  Gebilde,  an  welchem 
die  Samenblase  hijufig  wie  ein  ihm  Eugebttriger 
Anliang  erscheint.  Es  liegt  in  einem  besondereu 
zum  Genilalporus  .rührenden  Kaunie  [Pcnisscheidc 
der  Planaricn,  Girrhusheutcl  der  Cesteden  und 
Tremaloden)  und  zeigt  zuweilen  eine  Verbindung 
mit  Drüsen  (Planarien).  Das  Begattungsoi^n  ist 
in  der  Regel  prolraclil,  oder  kann  umgesttllpl 
werden,  wobei  ein  beim  cingeiogencn  Oi^nc 
innen  sich  findender  Besatz  von  mancherlei  Stacheln 
oder  Haken  an  die  ObcrQächc  zu  liegen  koromt. 
Eine  solche  Ausstattung  des  Penis  kommt  mit 
Ausnahme  der  Planaiien  den  meisten  Platt- 
vllFinern  zu,  und  scheint  einer  innigeren  Copula 
zu  enUiprechen. 

§  HO. 
Grössere  Verschiedcnheilcu  bieU't  der  weibliche  Apparat.  Die 
Ovarien  erscheinen  in  der  Hegel  als  1  — S  längliche,  an  Volum  sehr 
unansehnliche  Schläuche  (Pig.  TS,  74.  n),  in  denen  die  Bildung  der 
Eikeime  staltlindet.  Wenn  sie  einfach  vorhanden  sind,  setzt  sich  der 
Oviduct  als  ein  bald  kürzerer,  bald  längerer  Canal,  unter  Aufnahme 
accessorischer  Theile  zur  GeschlechtsOfl'nung  fort.  Mehrfache  vereinigen 
sich  zu  einem  gemeinsamen  Oviduct  (Fig.  73.  v).  Am  einfadisten 
ergeben  .sich  diese  Organe  bei  den  Bothryocephalen ,  wo  das  Ovar 
continuirlich  in  einen  Schlauch  sich  fortsetzt,  der  in  demselben  Haasse 
sich  ausdehnt,  als  er  sich  von  seinem  Grunde  her  mit  Eiern  füllt. 
Bei  den  meisten  Hhabdocülcn,  wie  auch  bei  Cestoden  und  Trematoden 
bleibt  der  Ausfuhrgang  bei  doppelten  Ovarien  einfach.  Am  kürzesten 
ist  er  bei  den  Rhabdocülen ,  die  wie  die  meisten  Ci-slodon  eine  er- 
weiterte Stelle  als  Heccptsculum  seminis  erkennen  lassen.  Indem 
dieses  Oi^an  als  einseitige  Ausbuchtung  des  Oviducles  erscheint,  crbült 
es  einen  selbsUindigeren  Charakter.  Noch  deutlicher  tritt  dieser  hervor, 
wo  es  als  ein  gestielter  Anhang  bald  dem  Grunde  des  Eileiters  (Fig. 
73.  rs),  bald  dem  Verlaufe  desselben  (Fig.  74.  bs)  angefügt  ist.  Einen 
doppelten  Eileiter  besitzen  die  Planaricn,  bei  welchen  in  der  Regel 
nur  ein   ganz   kurzer  gemeinsamer   Abschnitt,    als  Scheide   fungirend, 

Fig.  13.  GoschleL-hlsapiwrat  von  Vtirtox  viridis.  J,  t  lloicn.  vd  Vos« 
drfprcnlifl.  v>  Samen  1)1  »so.  p  Hprvorsliiipbores  BcgHttuiifiturgnii.  iio  Ovarien,  gc 
«Diillci-8luul,c".  rt  Rect'placuluiu  bcmiiiis.  v  StLciJi!.  u  UU-rus.   [Nach  M.  Scbultie.) 


GcMhlecli  tao^B  ne . 


18! 


Kig.   7*. 


\orkoinmt.  —  Die  mil  dem  Oviduck>  veHiundenen  uDotlerBtttckeu 
werden  därch  »wei  oder  vier  baumförnii};  veritstelte  oder  gelappte  Or^ne 
voT^eslellt  (Pig.  7:1.  </v) ,  welche  im  Lcihosparenchym  sich  verlheilen. 
Besondere  Abscbnitle  des  Oviduclcs  rimgiren  als  Ulcrus,  mil 
welcfaem  Namen  raorphologiach  sebr  verschiedene  Theile  bezeichnet 
werden.  Im  Allgetiicinen  lassen  sich  drei  verschiedene  Arten  solcher 
vom  Oviducle  ausgehenden  ülcrusbildungcn 
UDterscbeiden.  Einmal  ist  der  Eileiter  selbst 
hiezQ  verwendet  und  erscheint  dann  nicht 
hios  erweitert,  sondern  auch  beträchtlich  in 
die  Lange  gestrebt ,  so  dass  er  sich  als  ein 
Aea  KSrpcr  mehrfadi  diircbiiehender,  ge- 
wundener Schlauch  prtlscntirt.  Dieses  Ver- 
halten zogt  sich  bei  den  Tremaloden  (Pig. 
74.  u) ,  Uhnitch  unter  den  Cesloden  (Triaeno- 
phorus ,  Ligula) .  Wesentlich  roodificirt  ist 
dies  Verhalten  bei  Botbryocephalns ,  wo  der 
viefoch  gewundene  Uterus  unterhalb  des 
Sinns  genitalis  mil  einer  seibstHndigenOeffnung 
ausmündet.  Eine  zweite  Form  wird  durch 
seitliche  Ausbuchlungen  oder  loschenartige 
Anhange  im  Verlaufe  dos  Eileiters  dar- 
ßeslellt;  sie  findet  sich  bei  wenigen  Rhab- 
doctflen ,  in  complicirterer  Weise  bei  den 
meisten  BandwQrmem.  Ein  vom  Eileiter  in 
der  Nahe  der  Einmündung  der  Dotterst«cke 
ansgehender  Schlauch  erslreckt  sich  bei  den  TSnien  durch  die  Mittellinie 
einer  gescblechtsreifen  Proglotüs ,  und  bildet  nach  Haassgabe  der  in  ihn 
gelangenden  Eiermassen  beiderseits  reiche  dendritische  Verästelungen. 
Endlich  wird  eine  dritte  Art  durch  Anhänge  vorgestellt,  welche  erst  am 
Kode  desOvidnctes  oder  vielmehr  an  dem  beiderlei  Organen  gemeinsamen 
Vorhof,  dicht  am  Genitalporus,  sich  Bndel.  Solches  zeigen  die  meisten 
Turbellarien ,  (Fig.  73.  u]  and  zwar  finden  sich  bei  den  RhabdocOlen 
in  der  Regel  zwei  solcher  Uterustaschen,  die  sich  ansehnlich  aasdehnen, 
ja  sogar  wieder  verzweigen  können ,  wenn  sie  zur  Aufnahme  einer 
ertfssem  Anzahl  von  Eiern  dienen.  Bei  den  Dendrocfllen  besteht  ent- 
weder nnr  Ein  sol^er  Uterus,  der  in  den  hier  sehr  ausgedehnten  Vor- 
bof  tnündel,  oder  er  fehlt  vollstHodig,  und  dann  tlbemehmen  die  beiden 
Oviduete  seine  Punction  (Leptoplana) .  Die  GrOsse  und  Zahl  der  gleich- 
leilig  reifenden  und  ihre  Umhüllung  erhaltenden  Eier  steht  Überall  mit 

Fig.  74.  GescfalecbtupparBt  «on  Distoma  globiporum.  t,  I  Hoden. 
d  Aoddbrgaage  dar  Uodeo.  de  Verbioduag  iwiscbeo  einem  Hoden  und  den  welb- 
Mbd  Organen,  p  Rulhenschlauch.  p'  Ruths,  o  Dvarium.  bi  SamenlBScbo  [Ro- 
':*P<iciüoni  leminis).  u,  «  Vterus.  v  Schetde.  gl  Ansßlbrgllnge  der  acceMorischeD 
»itteo  (DoUerstOcke).     [Sacb  v.  Suiold.J 


1 86  Würmer. 

dem  Zustande    des    als    Uterus    fungirenden   Gebildes    in   engem   Zu- 
sammenhange. 

Ein  letzter  Abschnitt  des  Eileiters  diflerenzirt  sich  gleichfalls  häufig 
zu  einem  besonderen  als  »Scheidea  bezeichneten  Canalc,  und  ist  in 
einzelnen  Fallen  noch  mit  einem  als  »Bursa  copulatrix«  fungirenden 
Anhange  verschen. 

§  m. 

Das  Verhallen  des  hcrnKiiphroditischen  Apparats  bei  der  Begattung 
ist  zum  grossen  Theile  noch  unbekannt.  In  dieser  Beziehung  können 
drei  verschiedene  Fälle  bestehen.  Einmal  wird  die  Copula  eine  wechsel- 
seitige sein  können,  so  dass  jedes  Individuum  in  männlicher  und  weib- 
licher Function  sich  verhält,  dann  kann  zweitens  die  Verrichtung 
altemiren,  indem  ein  Individuum  als  Männchen  oder  Weibchen  fungirt, 
endlich  kann  auch  Selbstbefruchtung  bestehen ,  wie  dies  bei  den 
Cestoden  beobachtet  ist.  Diese  kann  auch  auf  eine  mehr  unmittelbare 
Weise  auf  einem  Verbindungswege  der  inneren  Geschlechtsorgane  statt- 
ßnden,  indem  bei  einigen  Distomen  ein  von  einem  der  Hoden  aus  zum 
Oviducte  (Fig.  74.  de) ,  oder  einem  dort  befindlichen  Receptaculum 
seminis  (Vesicula  seminalis  interior}    (bs)  leitender  Canal  besteht. 

Die  Lage  des  Genitalporus  ist  in  den  einzelnen  Abtheilungen  der 
PliitlwUrmer  verschieden.  Am  häufigsten  münden  die  Geschlechts- 
organe in  der  vc^ntraien  Medianlinie  aus,  bald  weiter  nach  vorne,  dicht 
hinter  dem  Mundsaugnapfe,  wie  bei  vielen  Trematoden  [Distoma,  Gyro- 
dactylus  u.  a.),  bald  näher  dem  Ilinterleibsende  (Turbellarienj.  Unter 
den  Cestoden  ist  die  ventrale  Lagerung  gleichfalls  häufig  (Ligula,  Bothryo- 
cephalusj ;  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  ist  der  als  eine  flache  Ausbucht- 
ung erscheinende  Genitalporus  an  dem  Seitenrande  der  Proglottiden 
anzutrefl'en,  und  zwar  kann  bald  der  eine,  bald  der  andere  Seitenrand 
dadurch  ausgezeichnet  sein.  Für  die  Bourtheilung  dieser  übrigens 
auch  bei  einzelnen  Trematoden  (Tristoma)  bestehenden  Asymmetrie  ist 
die  Thatsache  wichtig,  dass  bei  einigen  Cestoden  (Taenia  elliptica,  T. 
cucumerina)  zwei  symmetrisch  gelagerte  Geschlechtsapparate  jeder  Pro- 
glottide zukommen.  Dieses  vereinzelte  Verhalten  kann  als  der  Rest  einer 
ursprünglich  allgemeinen  Einrichtung  angesehen  werden,  so  dass  erst 
allmählich  der  Apparat  der  einen  Seite  über  den  der  anderen  die  Ueber- 
macht  gewann  und  zu  dem  gegenwärtig  verbreitetsten  Verbältniss, 
nämlich  der  einseitigen  Entwickelung  des  Genitalapparates,  hinführte, 
woraus  allmählich  die  mediane  Lagerung  des  einzigen  Apparates  und 
schliesslich  seine  oft  symmetrische  Vertheilung  im  Körper  hervorging. 

Während  bei  den  rhabdocölen  Turbellaricn ,  mit  wenigen  Aus- 
nahmen, nur  ein  einziger  Genitalporus  besteht,  zu  welchem  männliche 
und  weibliche  Organe  hinfuhren,  wird  bei  den  dcndrocölen  durch  die 
Ausbildung  eines  Vorhofes  eine  Trennung  der  Ausmündung  angebahnt. 
Bei   den   meisten  Seeplanaricn   ist  diese  Trennung  vollzogen ,    und  es 


Geschlechtsorgaoe.  f87 

besteht  eine  doppelte  Genilalöffnun^s,  die  mlinnlicbe  vor  der  weihlichen 
gelagert.  Die  meisten  Trevialoden  tragen  die  AusmUndungen  der  Ge- 
schlechtsorgane gleichfalls  getrennt,  wenn  auch  dicht  aneinander  ge- 
lagert.  Eine  ähnliche  Erscheinung  kommt  bei  den  Cestoden  vor. 
Schon  in  jenen  Fallen,  wo  Girrhusbeulel  und  Scheide  in  einen  Genital- 
ponis  münden,  ist  der  letitere  nur  eine  flache,  vom  Inlegumente  walU 
artig  umxogene  Grube.  In  anderen  Fällen  münden  beide,  wenn  auch 
dicht  neben  einander,  unmittelbar  an  der  Oberfläche  aus.  Endlich 
besteht  noch  eine  fernere  Trennung,  indem  nur  der  männliche  Apparat 
an  dem  Seilenrande,  der  weibliche  dagegen  auf  der  Fläche  der  Pro- 
glottis ausmündet. 

Die  Ausbildung  von  beiderlei  Apparaten  in  einem  und  demselben 
Individuum    ist    zuweilen   ungleich ,    und   besonders  bei   Rhahdocölcn 
zeigt  sich   eine  Scheidung   der  Geschlechter  nach  den  Indi- 
viduen darin,  dass  bei  den  einen  der  weibliche ,  bei  den  andern  der 
männliche  Apparat  vorwiegend  entwickelt,  der  andere  Apparat  stets  ru- 
dimentär erscheint  (Convoluta).    Diese  h(k;hst  wichtigen  Fälle  lassen  ver- 
stehen, wie  bei  fortschreitender  Verkümmerung  des  einen  Orgnnes  aus 
hermaphroditischen  Organismen  getrennt  geschlechtliche  (diOcische)  her- 
voff;ehen.    Der  hier  in  statu  nascenti  beobachtete  Vorgang  ist  bei  anderen 
Turbellarien  vollendet.     Getrennt  grschU*chtlich  sind  die  Microstomeen, 
auch  einige  Planarien  und  Trematoden.      Eine  Vereinfachung  des  Ge- 
srhlechtsapparates  trifll  sich  fUr  die  fast  durchaus  getrennt  geschlechtlichen 
Nemertinen.    Die  mannichfachen  Abschnitte  der  Ausführwege,  sowie 
die  aeoessorischen  Organe  fehlen  hier.     Hoden  und  Eierstöcke  sind  die 
einzigen   bestimmt  unterschiedenen  Theile.     Bei  SUsswassemcmertinen 
;Prorhynchus)  kommen  diese  Organe  nur  einfach  in  jedem  Individuum 
vor  (Fig.  57.  et') ,   und  erinnern  dadurch  an  rhabdocöle  Turbellarien. 
Die  Seenemertinen  dagegen  besitzen  sie  in  mehrfacher  Zahl  als  )>eider- 
seits  vom  Darmcanal  gelagerte  Follikel,    die  unter  sich  in  keinem  un- 
mittelbaren   Zusammenhange    stehend    durch    regelmässige    paarweise 
Anordnung  in  der  Länge  des  Körpers  eine  Metamerie  andeuten. 

§  U2. 

Bei  den  Nematoden  ist  das  Bestehen  einer  Zwitterbildung  seltene 
Ausnahme  (Leptodera).  Trennung  der  Geschlechter  ist  die  Regel.  Bei- 
derlei Organe  bestehen  aus  röhreufbrmigen ,  in  die  Leibeshöhle  einge- 
betteten und  auf  der  Oberfläche  ausmündenden  Schläuchen.  Das 
blinde  Endstück  der  Geschlechtsrohre  fungirt  als  Ovdl*ium  oder  Hoden, 
der  übrige  Theil  als  Ausleiteapparat,  in  den  einzelnen  Abschnitten  ver- 
schiedenen Verrichtungen  angepasst  und  verschieden  dificrenzirt. 

Die  männliche  Geschlechtsröhre  ist  ein  einfacher,  an  der  ven- 
tralen Seite  des  Enddarms  ausmündender  Schlauch,  der  bei  den  grösseren 
Arten  mehrfache  Windungen  bildet.     Nur  durch  den  Epithelialbeleg 


i'ili.  75. 


1 8H  Würmer. 

uiit«rscbi'idei  sich  das  fils  Hodun  zu  dculende,  meist  lange  Endstück 
vom  Ausfuhrgiiiig,  an  den  zuweilen  eine  erweiterte  Stelle  nls  Sanien- 
hlasc  an  den  Ductus  ejacutatorius  sich  anreiht.  Zwei  in  dem  CloakcD- 
Alischnitte  des  Knddarms  entwickeile,  tlUnnc,  zuweilen  sebr  lange 
Chitin  stA  beben   (Spicuta)   dienen  als  Be{;attungsoi^ne. 

Die  weiblicbon  Gescblecbts röhren  sind  in  der  Begel  dop)>elt 
vorhanden,  entweder  bis  zur  AusniUndung  getrennt  oder  am  ieuten 
Abscbnitle  in  ein  gemeinsames  Stück  vereinigt.  Je  noch  der  Lange 
bilden  die  Bohren  mehr  oder  weniger  Windungen.  Der  Endabscbnitt 
ist  als  Ovarium  zu  betrachten  (Fig.  75.  od)  ,  aus  welchem  meist  ein 
weiterer  Abschnitt  (Eileiter  d.  o)  in  einen 
ßls  Uterus  (u)  bezeichnelon  Cana)  fuhrt, 
welcher  durch  eine  enge  Scheide  ausmün- 
det. Die  weibliche  GcschtechlsölTnung  liegt 
immer  vcu'.ral,  vor  dem  Äfler,  meist  nahe 
au  der  Mitl«  der  Körperlänge.  Durch  eine 
Vermehrung  der  weiblichen  Geschlechts- 
röhren  bis  auf  fünf,  aber  auch  durch  Rtlck- 
bildung  einer  der  beiden  ursprUngUch  an- 
gelegten ,  entsteht  in  der  Gestaltung  des 
Apparates  eine  Hannichfalligkeit,  die, 
gleichwie  bei  den  männlichen  Organen, 
durch  Verschiedengrad  ige  Differenzirung  der 
einzelnen  Abschnitte  gesteigert  wird. 

Von  den  Uordiaceen  scblies&l  sich 
wenigstens  Merniis  an  die  Übrigen  Rund- 
würmer hinsichtlich  der  Geachlechtsoi^anc 
an.  Bei  Gordius  vereinigen  sich  in  beiden 
Geschlechtern  die  Ausfuhi^cinge  der  paarigen 
Keimdrüsen  mit  dem  Enddarm,  wie  dies 
bei  den  Nematoden  nur  für  den  maim- 
liehen  A|)parat.der  Fall  ist. 

Ziemlich  abweichend  verhallen  sich 
die  Chatognathen  (Sagitta).  Sowohl 
die  bestehende  Zwitlerbildung ,  wie  auch  die  Lagerung  der  Oi^aoe, 
macht  eine  Beziehung  auf  den  Apparat  der  Nematoden  vorläufig  un- 
möglich, männliche  und  weibliche  Geschlechtsdrtlsen  li^en  seitlich 
am  üinterendc,  vorne  die  Ovarien  und  hinter  diesen  die  Hoden, 
mit  denen  der  Körper  des  Thieres  abscbliesst.  Die  letzleren  öffnen 
sich  in  einen  kurzen ,  vorwärts  gerichteten ,  über  die  Leibesober- 
ÜUcbc  etwas  verlängerten  Ausftlhrgang,  der  hüulig  mit  Samen- 
massc  prall  gefüllt  erscheint,  und  so  zugleich  als  Samenblase  fungirl. 
Die  Ovarien  springen  je  nach  dem  Entwickelungszuslande  ihr^  Contanla 
.scBrls  lombricoldes,  oe  Ova- 


Gesichleohtflorgane. 


489 


verschieden  stark  in  die  Leibesböhle  des  Thieres  vor.  Sie  verlaufen 
von  vom  nach  hinten,  und  öffifien  sich  mit  einer  gleichfalls  vorstehen* 
den  kursen  Röhre  nach  aussen,  mit  welcher  ein  neben  dem  Ovariuni 
gelagertes  Recepiaculum  seminis  vereinigt  ist. 


FiK.  76. 


§  443. 

Weniger  im  Anschlüsse  an  die  Organisation  anderer  Würmer 
stellen  sich  die  Acanthocephalen  dar,  deren  Trennung  der  Ge« 
schlecbler  auch  hier  einen  höher  entwickelten 
Zustand  ausdrückt.  Ein  die  Leibeshöhle  durch- 
ziehender, vielleicht  als  Darmrudimenl  zu  deu- 
tender Strang  (Ugamentum  Suspensorium)  trügt 
bei  den  Männchen  samen-,  bei  den  Weibchen 
eierbereitende  Organe.  Die  Hoden  erscheinen 
als  zwei  rundliche,  übereinander  liegende  Drüsen, 
von  denen  je  ein  vas  deferens  sich  zum  Hin- 
terleibe begibt,  am  dort  mit  den  Ausfuhr- 
gangen  einer  Anzahl  schlauchförmiger  Drüsen 
in  das  BegaUungsorgan  zusammen  zu  münden. 
Das  letztere  besteht  aus  einem  saugnapfartigen 
Gebilde ,  in  dessen  Mitte  ein  konischer  Portsatz, 
der  Penis  liegt.  Dieser  Apparat  kann  vorge- 
steckt und  zurückgezogen  werden.  Er  um- 
fasftt  bei  der  Begattung  das  »hnlich  gestaltete 
Hialerieibsende  des  Weibchens,  dessen  Eier  sich 
in  einem  mit  der  strangfbrmigen  Axe  (Fig.  76 .  s) 
verlaufenden,  bald  ihr  angelagerten,  bald  von 
ihr  theslweise  umschlossenen  Ovarium  ent- 
wickeln (o) .  Sie  gerathen  in  die  Leibeshöhle  und 
werden  durch  die  Mündung  eines  glockenfik-- 
migen  Organes  (j)  angenommen,  welches  vom 
Hinterleibsende  aus  nach  innen  vorspringt,  und 
in  den  kurzen,  durch  eine  enge  Scheide  ausmün- 
denden Uterus  führt. 

Nicht  minder  eigenartig  verhalten  sich  die 
Gesehlechtsorgane  der  Onychophoren,  deren 
mäonlicbe  Organe  als  gewundene  und  ramificirte 
Schbiucbe  erscheinen,  welche  den  Darmcanal 
theilweise  bedecken,  und  zwei  weitere  Canflie 
nadi  vorne   treten   lassen.     Diese  gelangen    am 

Fig.  76.     Hinterer  Abi^chnitl  des  weiblichen  Gcsc  hlechUapparaU    von  Echi- 
norhynclioA.    o    Ovariam.    #    Ligamontam    su«pensorlum.    g    Glockenförmiges 
Orgi«.    I  Triohtor.     I'  BndabRchniU  der  Oviducte.     Die  Pfeile  deuten  den  We«  der 
Eier  aa,  um  von  der  Leibeshöhle  nach  aussen  lo  gelangen.     (Nach  GaEBFF.^ 


190 


Würmer. 


ersten  klauenlosen  Fusspaar  zur  Ausrattndung.  Den  weiblichen,  mit 
dem  männlichen  in  einem  Individuum  vereinigten  Apparat  bilden 
zwei  an  der  Bauchfläche  des  Darras  verlaufende  Schläuche,  welche  am 
vorletzten  Körpersegmente  zu  gemeinsamer  Mündung  vereinigt  sind. 


Fig.  77. 


§  U4. 

Die  Hirudineen  bieien  in  der  Anordnung  ihres  Geschlechts- 
apparates unter  allen  gegliederten  Wtlrmem  die  nächsten  verwandt- 
schaftlichen Beziehungen  zu  den  Plattvvürmern,  besonders  zu  Trematoden 
und  dendrocölen  Turbellarien.  Dies  beurkundet  nicht  blos  ihr  Herma- 
phroditismus ,  sondern  auch  die  Duplicität  der  meist  synmietrisch  ver- 
theilten  Keimdrüsen,  sowie  die  Ausmündung  des  gerammten  Apparates  in 
der  ventralen  Medianlinie.  Die  Lage  der  männlichen  Geschiechtsöffnung 
vor  der  weiblichen  wiederholt  das  bei  den  Seeplanarien  bestehende 
Verhalten.  Für  die  männlichen  Organe  (Fig.  77)  besteht  immer  eine 
grössere  Anzahl   (5 — 12  Paare)  von  Keimdrüssen   [t) ,  die  einer  Anzahl 

von  Metameren  entsprechend  als  rundliche  Körper  zu 
beiden  Seiten  aufgereiht  sind.  Von  jedem  führt  ein 
Ausfuhrgang  zu  einem  lateral  verlaufenden  Vas  de- 
ferens  (vä) ,  welches  vor  dem  ersten  Hodenpaare  unter 
Erweiterung  seines  Lumens  mehrfache  Windungen  bil- 
det (vs).  Aus  diesem  meist  knäuelförmigen  Abschnitte 
setzt  sich  ein  mit  dem  der  anderen  Seite  zusammen- 
laufendes Endstück  gegen  die  Geschlechtsöffnung  fort. 
Reichliche  Drüsen  schlauche  (g)  vereinigen  sich  mit  den 
vereinigten  Ausführgängen,  und  stellen  nicht  selten, 
ähnlich  wie  bei  Planarien,  eine  ansehnliche  acinösc 
Masse  dar  (Ciepsine).  Als  Begattungsorgane  fungiren 
entweder  die  beiden  Endstücke  des  Vas  deferens,  die 
sammt  einem  Theile  der  sie  umgebenden  Drtlse  in 
Gestalt  einer  Blase  aus  dem  Körper  hervortreten 
(Ciepsine ,  Piscicola) ,  oder  es  ist  ein  besonderes  Be- 
gattungsorgan vorhanden,  welches  die  Enden  der  Sa- 
mehblase  aufnimmt.  In  diesem  Falle  (Sanguisuga, 
Haemopis  u.  a.)  entwickelt  sich  der  aus  der  Vereini- 
gung der  beiden  Samenleiter  gebildete  Abschnitt  zu  einem  stark  mus- 
kulösen Gebilde  (//)  dessen  dünneres  Ende  in  der  Regel  gegen  den 
Anfangsthcil  umgebogen  einen  kurzen  Penis  vorstellt.  Wie  bei  Pla- 
narien und  Trematoden  liegt  dieser  in  einer  an  der  Genitalöffhung 
mündenden  Penistasche  geborgen,  aus  der  er  bei  der  Begattung  ber- 
vorgeslreckt  wird. 

Fig.  77.  Geschlechtsorgane  eines  Egels,  t  Hoden,  vd  Vas  deferens  com' 
mnne.  vs  Gewundener  Theil  des  Samenleiters,  einer  Samenblasp  analog,  p  Pento. 
g  Drüsen,    o  Ovarien,     u  Scheide. 


Geschlechtsorgane. 


i9\ 


Auch  der  weibliche  Apparat  der  Hirudineen  zeigt  vielfache  An- 
schlösse an  das  Verhalten  mancher  Plattwttrmer  (Seeplanarien).  Die 
dort  im  Körper  vertheilten  Eierstöcke  haben  sich  in  iwei  bald  rund- 
iidie,  bald  schlauchartige  oder  gelappte  Organe  (o)  concentrirl,  die  nahe 
der  Mittellinie  des  Körpers,  hinter  dem  männlichen  Ausleiteorgane 
liegen.  Sie  münden  bei  einigen  ohne  oomplicirtes  Verhalten  mit  kurzem 
Oviducte  an  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung  aus  (Rttsselegel).  Bei 
anderen  vereinigen  sich  die  engen  Oviducte  zu  einem  längeren  gemein- 
samen Abschnitte  (Hirudo).  Der  von  einer  Drttsenschichte  in  mehreren 
Windungen  zusammengehaltene  gemeinsame  Eileiter  erweileit  sich 
dann  in  dem  Endstück  (t/)  der  Ausftthrwege  zu  einer  Scheide.  — 
Diese  Organisation  des  Gescblechtsapparates  gilt  übrigens  nicht  für  alle 
Hirudineen.  Bei  Branchiobdella  entbehren  die  Keimdrüsen  noch  des 
unmittelbaren  Zusammenhanges  mit  den  AusfUhrwegen ,  und  letztere 
werden,  wenigstens  für  das  Sperma,  durch  Schleifencanäle  repräsen- 
tirt,  und  ergeben  dadurch  mit  einem  Theiie  der  Scoleinen  im  Einklänge 
stehende  Einrichtungen. 

§  U5. 

Bei  den  Scoleinen  liegen  die  Organe  in  vorderen  Segmenten, 
meist   die  Strecke    vom    8 — I5ten    einnehmend.      Zwei    verschiedene 

Fig.  78. 


Typen  des  Geschlechtsapparates  sind  auseinanderzuhalten.     Der  eine 
findet  sich  bei  den  Terricolen  ausgeprägt,  und  hat  seinen  wesentlichsten 

Fig.  7S.  Geschlechtsorgane  des  Regen-wurmes.  Der  diese  Organe  enthal- 
^nde  Kdrperabschoitt  ist  von  oben  her  geöffnet  und  die  Wände  seillich  ausge- 
breitet dargestellt,  das  VIII— XVle  Segment  umfassend,  ti  Bauchganglienkette, 
s  <' s"  Ausbuchtungen  der  Hoden,  vd  Ausführgttnge  derselben,  o  Bierstock,  ad 
Eileiter,    n  Receptaculom  seminis.     (Nach  Hiamo.) 


1 92  Würmer. 

Charakter  in  der  Selbständigkeit  der  Ausführorgane.  Den  männlichen 
Theil  des  Apparates  der  Lumbricinen  bilden  zwei  Hodenpaare,  welche 
mit  weiten  Säcken  in  Zusammenhang  stehen,  in  denen  die  Elemente 
des  Samens  sich  weiter  entwickeln.  Jedes  Hodenpaar  besitzt  eine 
solche  (Fig.  78.  s'  s"),  quer  über  die  Medianlinie  sich  hinwegziehende 
und  wieder  mit  seitlichen  Aussackungen  versehene  Samenblase.  In 
jeder  liegen  zwei  trichterförmig  gestaltete,  seitlich  in  den  Samenleiter  sich 
fortsetzende  Organe.  Die  beiden  Samenleiter  jeder  Seite  vereinigen 
sich  zu  einem  gemeinsamen  nach  hinten  ziehenden  Gange  (vct) ,  der 
jederseits  gesondert  an  der  Bauchfläche  ausmündet.  An  demselben 
Segmente  finden  sich  zwei  vorstülpbare,  aus  Modißcationen  von  Borsten- 
follikeln  hervorgegangene  Gopulationsorgane.  Vom  weiblichen  Theil  des 
Geschlechtsapparates  sind  die  Ovarien  (o)  die  wenigst  voluminösen 
Gebilde.  Sie  liegen  hinter  dem  zweiten  Hodenpaare,  zu  beiden  Seilen 
des  Bauchmarks.  Hinter  ihnen  finden  sich  zwei  mit  weiten  abdomi- 
nalen Ostien  beginnende  an  ein  Dissepiment  befestigte £ileiter  [ad],  welche 
mit  kurzem  Canale  an  dem  vor  der  Ausmündung  der  männlichen  Apparate 
befindlichen  Segmente  nach  aussen  führen.  Hiezu  kommen  noch  meh- 
rere Paare  (meist  zwei)  in  der  Nähe  der  Hoden  liegender  Samentaschen 
(Receplaculn  seminisj  (rs) ,  grosse  rundliche  Organe ,  die  ohne  innere 
Beziehungen  zum  männlichen  Apparat  mit  einem  kurzen  Gange  aus- 
münden. —  Das  paarige  Verhallen  der  Geschlechtsöffhungen ,  die 
Lagerung  der  weiblichen  vor  der  männlichen,  endlich  der  Verbindung 
der  beiderseitigen  Hoden  unter  einander,  bilden  eine  unter  den  gegen- 
wärtig lebenden  Verwandten,  soviel  bis  jetzt  bekannt,  nichts  Aehn- 
liches  bietende  Einrichtung. 

Schon  bei  den  Limicolcn  bestehen  andere  Organisationen.  Beiderlei 
auch  hier  in  einem  Individuum  vereinigte  Geschlechtsorgane  entbehren 
der  eigentlichen  Ausführgänge.  Man  kann  annehmen,  dass  die  bei 
Lumbricinen  vorhandenen  Oviducte,  wie  Samenleiter  und  Samenblasen 
nicht  zur  Ausbildung  kamen,  so  dass  nur  Ovarien,  Hoden  und  Re- 
ceptacula  seminis  bestehen.  Einige  der  als  Schleifencanäle  bekann- 
ten, bei  den  Lumbricinen  dem  Geschlechtsapparate  fremd  bleiben- 
den Excretionsorgane  (vergl.  S.  180)  bilden  die  Ausführorgane  der 
ZeugungsstofTe ,  und  gehen  dieser  Function  entsprechende  Umwand- 
lungen ein.  Als  Keimdrüsen  fungiren  Stellen  der  Dissepimente ,  an 
denen  die  Entwickclung  der  Zeugungsstoffe  meist  unpaarige  sackartige 
Ausbuchtungen  bildet,  welche  weit  in  den  Raum  der  Leibeshöhle  cin- 
ragen,  häufig  auch  durch  mehrere  Segmente  sich  hindurch  erstrecken. 
In  der  Regel  finden  sich  mehrere  (bis  zu  4)  Hoden  in  verschiedenen 
Segmenten.  Von  Eierstöcken  ist  meist  nur  ein  Paar  vorhanden.  Da 
diese  seillich  gelagerten  Organe  sich  wie  die  Hoden,  bei  reichlicher 
Entwickelung  ihrer  Producte  durch  mehrere  Segmente  hindurchdrängen, 
scheinen  sie  die  unpaaren  Hoden  zu  umschliessen  (Tubifex).  Die 
ZeugungsstofTe   gelangen   nach   ihrer  Ablösung   von  den  Keimstätten  in 


Geschlechtsorgane.  493 

die  Leibeshohle.     Bei   einigen  (Enchytraeus)    lösen,  sich  Klumpen   von 
Eikeünen  ab,  von  Vielehen  immer  Einer  sich  zur  Reife  entfaltet. 

Die  Ausftthrwege  des  Samens  bestehen  aus  den  bereits  erkühnten 
Schleifencanalen ,  deren  in  der  Regel  ein  Paar,  wie  bei  Branchiobdella 
unter  den  Hinidineen,  mehrfache  grösstentheils  im  Volum  sich  äussernde 
Modificationen  zeigt.  Die  trichterförmige  innere  Mündung  liegt  wie 
die  anderer  Schleifencanäle  in  dem  nächst  vorgehenden  Segmente.  Der 
mit  ihr  beginnende,  durch  reichliche  Wimperung  ausgezeichnete 
Canal  windet  sich  in  vielen  Touren  zu  dem  nach  aussen  mündenden 
Endstücke,  welchem  eiil  ansehnliches  gelapptes  DrUsenorgan  eingefügt 
ist.  Das  Endstück  bildet  vor  seiner  Ausmündung  eine  Ampulle,  in  welche 
es  eine  Strecke  weit  einragt,  und  sich  von  hier  aus  umstülpend,  zugleich 
ein  Begattungsorgan  darstellt.  Die  Ausfühni^egc  der  Eier  sind  entweder 
eigene,  gleichfalls  aus  modificirten  Schleifencanalen  entstehende  Oviducte, 
oder  sie  sind  functionell  mit  den  Samenleitern  verbunden.  In  diesem 
Falle  besteht  das  erweiterte  Endstück  der  letzteren  aus  einer  Doppel- 
röhre;  die  innere  ist  die  Fortsetzung  des  Samenleiters,  die  äussere, 
diese  umgebende,  fungirt  als  Oviduct. 

§  446. 

Die  Chütopoden  stehen  der  letzterwähnten  Abtheilung  der  Scolei- 
Den  hinsichtlich  des  Geschlechtsapparates  sehr  nahe.  Bei  wenigen 
jedoch  erhält  sich  die  Zwitterbildung,  und  ge- 
schlechtliche Trennung  ist  mit  der  freieren  Lc-  Kig.  79. 
bensweise  Regel  geworden.  Die  Keimstoffe  ent- 
stehen an  den  Wandungen  derLeibeshöble,  worin 
sich  die  Gephyreen  im  Anschlüsse  finden 
lassen.  In  der  Regel  sind  die  als  Keimstätten 
der  Eier  oder  des  Sperma  erscheinenden  Stellen 
einzig  durch  diese  Producte  ausgezeichnet  [Fig. 
79.  0)  und  entf>ehren  der  besonderen  Vorrich- 
tungen, daher  sie  nur  zur  Zeit  ihrer  Function 
unterschetdbar  sind.  Sie  halten  bei  den  ein- 
zelnen Gattungen  oder  Arten  die  gleiche  Localitäl 
ein;  so  finden  sie  sich  z.  B.  bei  Eunice  seitlich 
vom  Banchmarke.  Eine  Beschränkung  auf  eine 
geringe  Anzahl  von  Segmenten,  wie  sie  noch  bei 
den  Scoleinen  bestand ,  kommt  nur  in  einzelnen 

Fällen  vor.  Die  an  der  Körperwand  entstandenen  Geschlechtsproducte 
lösen  sich  mit  ihrer  Reife  ab,  oder  werden  seihst  in  unreifem  Zustande 
frei  und  gelangen    in   die  Leibeshöhle  (Fig.  79.) ,    wo  sie  in  letzterem 

Fig.  79.  Ein  Parapodiam  von  Tomopteris.  S9  Schoppenartige  Bildungen 
des  iDtegoments,  welche  an  zwei,  einem  ventralen  und  dorsalen  Parapodium  an- 
alerer Anneliden  homologen  Fortsätzen  enstpringen.  0  Ovariuro ,  als  ein  Haufen 
▼on  Zellen,  von  denen  die  Eibildung  ausgebt. 


i|94  Würmer. 

Falle  sich  noch  weiter  bilden.  Als  Ausführwege  sowohl  für  männliche 
als  weibliche  Zeugungsstoft'e  werden  auch  hier  die  Schleifencanäle  ver- 
wendet, doch  sind  es  gerade  diese  Puncl«,  welche  noch  genauerer 
Untersuchung  bedürfen.  Auch  für  dieGephyreen  dienen,  wie  oben 
(S.  478)  bemerkt,  die  nur  in  geringer  Zahl  bestehenden  liomologa  der 
Schleifencanale  als  Hilfsorgane  der  Geschlechlsfunction,  und  bieten  noch 
bedeutendere,  jedoch  einer  genaueren  Piilfung  harrende  Modificationen. 
Eine  selbständige  Stellung  muss  dem  Geschlechtsapparate  der 
Räderthiere  eingeräumt  werden.  Mit  dem  der  Chätopoden  hat  er 
nur  das  diöcische  Verhalten  gemeinsam  und  unterscheidet  sich,  wie 
von  dem  Geschlechtsapparate  aller  Annulaten,  durch  das  einmalige 
Vorkommen  der  bezüglichen  Organe.  Die  Geschlechter  sind  nicht  blos 
durch  die  Organe  der  Fortpflanzung  verschieden,  sondern  auch  durch 
ihre  übrige  Organisation.  Ausser  durch  geringere  Grösse  sind  die 
Männchen  durch  Rückbildungen  verschiedener  Organsysteme,  vorzüglich 
des  Darmcanals  ausgezeichnet.  Der  Hoden  besteht  aus  einem  einfachen, 
am  Hinterleibe  ausmündenden  Schlauche,  dem  zuweilen  noch  accesso- 
rische  Drüsenschlüuche  verbunden  sind.  Beim  weiblichen  Geschlechte 
nimmt  das  platte  Ovarium,  eine  ventrale  Lage  ein  und  mündet  mit 
kurzem  Oviducte  in  die  Cloake.  Der  Oviduct  zeigt  erweiterte,  zur 
Aufnahme  von  Eiern  dienende  Abschnitte,  und  stellt  damit  einen 
Uterus  vor,  in  welchen  bei  gewissen  Arten  die  Eier  ihre  Entwickelung 
zum  Embryo  antreten. 

Die  Geschlechtsproducte  der  Würmer  besitzen  für  die  meisten 
Abtheilungen  übereinstimmende  Formen.  Das  Ei  wird  durch  eine 
in  verschiedenem  Maasse  modificirte  Zelle  repräsentirt.  EigenthUmlich 
verhält  sich  die  Entstehung  der  Eier  bei  den  Nemathelm  inthen 
durch  Sprossung  von  einem  gemeinschaftlichen  kernhaltigen  Protoplas— 
mastrange,  dem  Inhalte  der  röhrenförmigen  Ovarien.  Bei  gleichzeitiger 
Bildung  einer  grösseren  Menge  von  Eiern  erscheint  der  Rest  des  Pro- 
toplasma als  eine  die  Röhre  durchziehende  Axe  (Rhachis),  die  ringsum 
mit  keilförmig  gestalteten  Eiersprossen  besetzt  ist.  Die  Eier  bilden 
bei  allen  jenen ,  welche  Dotterstöcke  besitzen ,  nicht  das  einzige  zum 
Aufbau  des  Embryo  verwendete  Material,  vielmehr  wird  dieses  durch 
die  Producte  der  Dotterstöcke  —  Dotterzellen  —  vervollständigt  (Vergl. 
§  138j.  Das  als  Ei  erscheinende  Gebilde  besteht  also  aus  einem 
Gomplexe  von  Zellen,  von  denen  nur  eine  in  dem  Werthe  einer  Eizelle 
sich  tprterhalten  hat.  Fast  allgemein  empfangen  die  Eier  Umhüllungen 
sehr  mannichfacher  Art.  Bald  ist  es  nur  eine  Ei  Weissschichte ,  bald 
eine  solche  mit  einer  festwerdenden  Schale.  Die  Formelemente  des 
Sperma  sind  aus  einem  rundlichen  oder  länglichen  Körper  gebildet, 
von  dem  ein  feiner  beweglicher  Geisselfaden  sich  fortsetzt.  Abweichend 
hieven   verhalten   sich   wieder    die   Nematoden ,    deren   Samenelementc 


UibMhdble.  4  96 

ühnJich  den  Eiern  von  einer  Rbachis  sprossen.  Die  so  entstehenden 
Zellen  vermehren  sich  weiter,  und  stellen  xellenflhnliche  Körper  vor, 
die  wohl  amdboYde  Bewegungen  vollführen,  aber  es  nicht  sur  Geissel- 
biUung  kommen  lassen. 

Die  Samenfaden  werden  bei  vielen  RingelwUrmem  in  besonderen 
Abschnitten  der  münnlichen  Ausfuhrwege  in  bestimmt  geformte  Massen 
vereinigt  —  Sperroatophoren  —  die  als  solche  in  den  weiblichen 
Apparat  fibertragen  werden.  Solche  aus  nur  verklebten  Samenfaden 
geformte  Spemiatophoren  besitzen  manche  Scoleinen.  Mit  einer  Äussern 
Cmhüllung    versehene   Spermatophoren    kommen    bei  Hirudineen   vor. 


Lelbeshöhle. 

Die  erste  Sonderung  eines  zwischen  Darmschlauch  und  Integument 
gelegenen,  zur  Bildung  eines  Gefasssystems  führenden  Hohlraumsystems 
gesdiieht  bei  den  Würmern  mit  der  Entstehung  einer  Leibeshohle. 
Die  Verbreitung  des  durch  den  Darm  gewonnenen  Nabrmaterials  im 
Organismus  erfolgt  dann  nicht  mehr  wie  bei  den  Cölenteraten  mit 
continuirlicher  von  der  Darmwand  ausgehender  Durchtränkung  der 
Gewebe,  sondern  es  sammelt  sich  die  ernährende  Pltissigkeit 
in  einem  perienteriscben  Baume  und  vermag  hier  sowohl  mit  vom  Darm- 
canal  als  vom  Integumente  aus  differenzirten  Organen  in  Beziehung 
IQ  treten. 

Mit  Hinsicht  auf  die  erste  Anlage  des  Leibes  ist  es  das  Meso- 
derm,  in  welchem  die  Leibeshöhle  erscheint. 

Bei  einer  grossen  Anzahl  von  Würmern  fehlt  jener  perienterische 
Raam  (COloma  nach  IUckil)  entweder  vollständig,  oder  er  ist  nur 
in  einzelnen  Spuren  vorhanden.  Die  Mehrzahl  der  Flattwürmer  gehört 
hieher,  dann  die  Nematbelminthen,  auch  einzelne  Andere  wie  Pedicellina. 
Ausgebildet  ist  das  Gölom  bei  Rüderthieren ,  Bryozoön,  und  fast  allen 
Annulalen.  Einen  Qontinuirlichen ,  meist  sehr  weiten  Raum  bildet  es 
bei  den  Bryozo^n;  auch  bei  den  Tunicaten  besteht  es,  ebenso  als 
weiter  Raum  bei  den  Gephyreen.  Bei  den  Annulaten  entspricht  das 
Verhalten  der  Leibeshöhle  der  Metamerie  des  Körpers,  was  bei  den 
Anneliden  am  meisten  ausgesprochen  ist.  Von  der  Leibeswand  er- 
strecken sich  Scheidewände  (Dissepimente)  zum  Darmrobr  und  bilden  so 
eine  Folge  einzelner,  je  einen  Darmabschnitt  etc.  enthaltender  Kammern. 
Mit  der  Reduction  der  Dissepimente  auf  einzelne  Strange  fliessen  die 
Kammern  mehr  oder  minder  vollständig  zusammen,  und  so  geht  bei 
vielen  bald  auf  einzelnen,  meist  am  Vordertheile  des  Körpers  ge- 
legenen Strecken  bald  in  der  ganzen  Länge  eine  Auflösung  der  Einzel- 
kaounem  und  die  Bildung  eines  einzigen,  meist  noch  von  Dissepiment- 


496 


Würmer. 


Resten   in   Gestalt  von   Fäden    oder  Faserzügen   durchsetzten  Leibes- 
raumes hervor. 

Die  perienterische  FJüssigkeit  ist  meist  wasserklar  und  führt  bei 
den  meisten  Formelemente,  zuweilen  in  reichlichem  Maasse:  Bei  Commu- 
nication  des  Gefässsystems  mit  der  Leibeshöhie  ist  das  Contentum  der 
letzteren  mit  jenem  des  ersteren  gemeinsam.  Die  Bewegung  der 
Flüsigkeit  ist  von  den  Actionen  der  Körperwand  abhängig,  somit 
vollzieht  die  Locomotion  bei  vielen  zugleich  einen  Umtrieb  der  er- 
nährenden Flüssigkeit  und  damit  erscheint  die  niederste  Form  einer 
Circulation. 

Die  Leibeshöhie  steht  durch  mancherlei  Einrichtungen  in  Com- 
munication  mit  dem  umgebenden  Medium,  dem  Wasser.  Hieher  zählt 
der  Excretionsapparat  mit  seinen  inneren  Mündungen  (vergi.  §  433), 
aber    auch    noch    besondere  Oeffnungen    sind   bekannt.      So   bei   den 

Bryozoön ,  wo  jene  Oeffnung  zugleich  zur  Ausfuhr  der 
Kijj.  80.  Geschlechtsproducte  dient,    dann   bei   den    Rotatorien, 

deren  Oeffnung  meist  in  eine  Röhre  (Sipho)  ausgezogen 
ist  (vergl.  Fig.  68.  s).  Auch  für  die  Anneliden  ist  das 
Vorkommen  ähnlicher  Oeffnungen  erwiesen. 


GefSsaBystem. 

§  U9. 

In  den  im  Mesoderm  sich  sondernden  Hohlraum- 
bildungen ist  der  Anfang  für  die  Entstehung  eines 
complicirteren  Canalsyslems  zu  sehen ,  welches  alimäh- 
lich besondere  Wandungen  empfangend  in  Blut- 
gefässe übergeht.  Längscanäle  bilden  die  ersten  Haupt- 
slämme,  wie  zuerst  bei  den  Ncmertinen  er- 
sichllich  ist.  Von  den  drei  Hauptstämmen  nehmen 
//  ))  zwei  (Fig.  80.  /  /)  einen  lateralen  Verlauf;  ein  dritter 
(d)  liegt  dorsal  in  der  Mittellinie.  In  der  Kopfgegend 
bilden  die  Seitengefässe  mehrfache,  in  der  Regel  das 
Gehirn  umziehende  Windungen,  und  verbinden  sieb  mit 
dem  Rückengefässe,  sowie  weiter  nach  vorn  zu  unter- 
einander. Am  hintern  Körperende  stehen  alle  drei  Stämme 
auf  einfachere  Weise  unter  sich  in  Verbindung.  Mit 
diesen  drei  Gefässstämmen  stehen  bei  einigen  Gattungen 
noch  andere  in  Zusammenhang,  indem  dünne  Quer- 
gef^sse  Rückengefäss  und  Seitengcfäss  in  regelmässigen 
Abständen  anastomosiren  lassen.  Dadurch  zeigt  die 
ganze  Einrichtung  eine  Art  von  Gliederung  und  ent- 
spricht der  auch  sonst  angedeuteten  Metamerie. 


[\ 


Fi^.  80.     Schcniii  des  GeHisssystems  der  Ncmertinen.    d  dorsaler  Längsstamoi. 
/,  {  SiMlengefasse.     Die  Pfeile  bedeuten  die  Richtung  des  Biutslrotus. 


GeDlMsystein.  497 

Unentschieden  bleibt  fUr  jetzt,  ob  das  bei  den  Acanthoee- 
phaien  durch  zwei  im  Hautmuskelschlauch  verzweigte  LängssUioinie 
sich  darstellende  Canalsystem,  weldies  auch  mit  den  Canilien  der  Lern- 
nisci  (S.  476)  sich  verbindet,  hier  angereiht  werden  kann. 

§  450. 

Das  Gefässsystem  der  Annulaten  kntlpft  sich  an  jenes  der  Ne- 
mertinen  in  allen  wesentlichen  Verhältnissen  an.  Fast  bei  allen  bestehen 
dorsale  und  ventrale  oder  auch  lateral  verlaufende  Längsst^mme  durch 
Queranastomosen  unter  einander  verbunden,  sowie  vorne  und  hinten 
in  einander  Übergehend.  Das  dorsale,  Über  dem  Darm  verlaufende 
Ungsgefäss  bietet  die  constan testen  Verhaltnisse ;  es  ist  stets  contractu, 
und  der  Blntstrom  bewegt  sich  in  ihm  von  hinten  nach  vorne  zu. 
Es  entspricht  dem  dorsalen  Mediangefösse  der  Nemertinen,  sowie  die 
beiden  Lateralstamme  des  letzteren  dem  ventralen  Gelasse  der  Annu- 
laten entsprechen  dürften.  Diese  GefUsse  sind  nicht  bei  allen  Annu- 
laten abgeschlossen,  vielmehr  stehen  sie  auch  mit  weiteren  Räumen  in 
Znsammenhang,  die  eine  Leibeshöhle  repräsentiren.  Das  gesammte 
Geftsssystem  ist  also  hier  nicht  vollständig  gesondert.  Die  Leibeshohle 
persistirt  in  offner  Verbindung  mit  dem  Gefässsystem  bei  den  llirudi- 
neen,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  Organe,  die  sonst  in  ersterer  liegen, 
in  blutführende  Rflume  eingeschlossen  sind.  Solcher  Sinusse  bestehen 
gewOhnlidi  dreL  Ein  mittlerer,  den  Haupttheil  der  Leibeshöhle  dar- 
stellender halt  bei  Glepsine  und  PIscicola  den  Darmcanal  und  das  Bauch- 
mark umschlossen,  vielleicht  auch  einen  Theil  des  Dorsalgeßlsses,  wo 
nicht,  wie  bei  Piscicola.  ein  besonderer  dasselbe  bergender  Sinus  be- 
steht. Zwei  pulsirende  laterale  Gef^sse  (s.  oben  Fig.  50.  B  l)  stehen 
theils  mit  dem  Mediansinus,  theils  unter  sich  durch  Queranastomosen 
in  Verbindung.  Bei  Hirudo  und  Verwandten  erscheint  der  Mediansinus 
nur  am  Kopftheile  in  seiner  früheren  Besiehung,  indem  er  den  Schlund- 
ring umgibt.  Am  übrigen  Körper  ist  er  nur  ventral  entwickelt,  und 
hält  des  Bauchmark  (s.  oben  Fig.  50.  B  n)  umschlossen.  Dieses 
Schwinden  des  grossen  Sinus  ist  auf  Rechnung  der  Ausbildung  eines 
feinen  Geftonetzes  zu  setzen,  welches  an  seiner  Stelle  sich  entwickelt 
hat,  und  ahnlich  auch  die  Querverbindungen  der  Langsstamme  betriOl. 
Aus  den  auf  den  Darm  sich  vertheilenden  Gelassen  bilden  sich  neue 
Uingsstamme.  Wahrend  hier  durch  Combination  der  primitiven  Median- 
stämme  mit  einem  aus  Lacunen  der  Leibeshöhle  sich  sondernden  Canal- 
systeme  ein  complicirter  Apparat  sich  ausbildet,  kann  durch  völliges 
Verschwinden  jener  Mediansiamme  das  ganze  Gefilsssystem  sich  ein- 
Eacher  darstellen.  Solches  ist  bei  Nephelis  der  Fall,  wo  ein  weiter 
Mediansinus  und  zwei  Lateralgefilsse  vorkommen. 

Dieser  aus  einem  lacunären  System  hervorgegangene  Getessapparat 
bat  hei  den  Hirudineen  nicht  blos  seine  Entstehung,  sondern  auch  sein 


19: 


WUrtner. 


Ende  gefunden,  denn  bei  den  Anneliden  ist  die  Scheidung  dea  Ge- 
füsssysteais  von  der  Leiboshßhie  fast  durchgehend  entwickelt.  Wo  sie 
fel)lt,  sind  nicht  Weiterentwickclungen,  wie  sie  die  DiCTerenzirung  der 
l.eibeshöhle  der  Hirudincen  bot,  sondern  Rückbildungen  im  Spiele. ' 

Das  RUckengef^ss  (Fig.  81.  d)  lagert  in  der  Regel 
-     Fig.  84.  dem  Darmcanal  unmittelbar  auf,    und  erscheint  bauGg 

;ai  in    einer  denselben  bekleidenden  Schichte   eingebettet. 

/i\Ji'         Ausser  den  vorderen   und   hinteren  Verbindungea  fin- 
[(f^]^[  den  noch  seitiicho,  den  Metameren  entsprechende  stall. 

Sic  ttieilcn  sieh  in  solche,   die   den  Darm   unmittelbar 
umfassen  und  in  dessen  Wand  oft  ein  reich  entwickeltes 
CapillarnelK  herstellen   [viscerale  Geisse)   und  in  solche, 
welche    in    die   Leibeshöble   ragen,    entweder    zu  den 
Wandungen   derselben ,    oder  zu  den  Anhangsgebilden 
gehen  (parietale  Gefüsse).    Bei  den  Scolelnen  ist  das 
Verballen  der  Anordnung  meist  gleiebmässig  durch  den 
ganzen  Körper.    Als  pulsirende  Theile  erscheinen  ausser 
dem   dorsalen   Längsstaaime   häufig   noch   die  Querge- 
„    iL-^         fasse,    die   dann   zu  einem   oder  mehreren  Paaren  be- 
wit^-^         trachtlich  erweitert  sind  [Fig.   81,  c).     In  dieser  Diffo- 
Irj,  renzirung  eines  Abschnittes  des  Gel^sssystems   ist  der 

Qh'-Iv         Anfang   zur   Ausbildung   eines  Ceatraloi^ns    für   den 
Kreislauf,  eines  Herzens,  zu  erkenneo,  die  am  hliu&g- 
Jj    f  sten  vom  dorsalen  Stamme,  oder  den  Querästen  ihren 

S/'  Ausgang  nimmt.     Sehr  selten  ist  das  Bauchgef^ss  con- 

tractu. Durch  Eatwickelung  feiner  Geßiss netze ,  wie 
solche  z.  B.  bei  Lumbricus  als  Capillaren  im  Ktfrper  weit  ver- 
breitet sind,  entstehen  neue  Complicationen  des  Baues.  Von  den  Hi- 
mdineen  schliesst  sich  Branchiobdella  im  Gefässsystem  an  die  ein- 
facheren Befunde  der  Scolefnen  an. 


§  1^^- 

Von  umgestaltendem  Einflüsse  auf  dieVerlheilung  und  Differencirung 
des  Blulgefilsssy Sterns  ist  die  Entwickelung  der  Athmungsorgane.  Bei 
den  Scolelnen  sind  solche  nicht  als  disorete  Organe  vorbanden,  und 
es  kommt  entweder  der  gesammten  Kärperoberflilche,  oder  der  Leibes- 
bfible  durch  Wasseraufnahme  eine  Bedeutung  fUr  die  Athmung  zu.  Wir 
sehen  daher  keine  belangreichen  Verschiedenheiten  des  Gcfossap parates 
an  den  einzelnen  KOrperahschnitten,  und  nur  bei  einigen  im  Schlamme 
des  SUsswasscrs  lebenden,  z.  B.  Lumbriculus,  deren  Hinterleib  bei  der 


Fig.  81.  Vorilerer  Abschnrti  des  BIntgefässBjstems  ainer  jangen  Suenuris 
vnriegsta.  d  EMraalgettsB.  v  VentralgoUss.  c  Hcriarlig  cnA'fliterta  Qoeraai- 
stamose.     Die  Pfeile  deuten  die  Ricliluug  des  Blutstroins  an. 


G«fli88iiy8tefn.  4  99 

Respiration    vorwiegend    betheiligt   ist,    zeigen    die  parietalen   Gefäss- 
schlingen  eine  mächtigere  Entfaltung. 

Auch  unter  den  Chat op öden  sind  noch  jene  einfacheren  Ver- 
hältnisse vorhanden,  doch  wird  die  grössere  Dißerenzirung  des  Kopfes 
sowie  des  Munddarmes  von  einigen  Aenderungcn  des  Geßisssystems  bo- 
gleitet. Mit  dem  Auftreten  von  Kiemen  setzt  sich  der  parietale  Gefass- 
apparat  in  diese  fort,  indem  im  einfachsten  Verhalten  eine  Gefässschlinge 
in  den  als  Kieme  fungirendcn  Anhang  tritt.  Dabei  ergibt  sich  die  Andeutung 
einer  allmählichen  Trennung  in  einen  arteriellen  und  venOscn  Abschnitt. 
Dieser   Zustand   wiederholt 

sich    mit    der    Vertheilung  Fig.  89. 

von  Kiemen  über  eine  grosse  ^ ,  ^ 

Anzahl  von  Metameren,  wie  '*i:^A^^I 

solches  z.   B.    bei  Eunice,  -^.  Vi,!*?'^ 

auch  noch  bei  Arenicola,  ''  "^^r-^-li 
besteht.  Vom  Dorsalstamme 
gehen  hier  ausser  zum 
Darme,  noch  Gefässe  zu  den 
seitlich  sitzenden  Kiemen, 
von  denen  wieder  je  ein 
Gefäss  in  den  Bauchstamm  zurückfahrt.  (Vergl.  Fig.  88.)  Aehnlich 
verhalten  sich  die  Hermellen,  deren  Kiemen  nur  ei&en  einzigen  cen- 
tralen Hohlraum  besitzen,  so  dass  keine  anatomische  Scheidung  für  das 
ein-  und  austretende  Blut  besteht.  Bei  Arenicola  findet  sich  dies  Ver- 
halten nur  an  der  hintern  Körperhälfte.  Für  die  vordere  Hälfte  der 
Kiemen  tritt  das  eine  Kiemengef^ss  zum  Hauptbauchstamme,  das  an- 
dere zu  einem  visceralen  Ventralgcfässe. 

Mit  der  Beschränkung  der  respiratorischen  Anhänge  auf  eine  klei- 
nere Körperstrecke,  wie  solches  z.  B.  bei  Tubicolen  der  Fall  ist,  ver- 
bindet sich  eine  grössere  Ungleichheit  in  der  Ausbildung  einzelner  Ge- 
fässabschnitte.  So  erweitert  sich  bei  den  Terebellen  (Fig.  83)  das 
Dorsalgefäss  [v  d)  über  dem  muskulösen  Munddarme  in  einen  ansehn- 
lichen Schlauch,  der  nach  den  Kiemen  (br)  sich  in  Aeste  vertheilt, 
und  somit  als  »Kiemen herzu  fungirt.  Aus  den  Kiemen  kehren  rück- 
führende  GefiSsse  zum  Ventralgcfäss.  Die  Function  eines  Centralorgans 
geht  bei  manchen,  wie  bei  den  ScoleYnen,  auf  Queranastomosen  über. 
Eine  solche  vom  ventralen  Darmgefäss  zum  RUckengef^ss  leitende  ist 
auch  bei  den  Terebellen  vorhanden  und  bildet  functionell  einen  Tbeil 
des  herzartigen  Abschnittes  des  Rückengefässes.     Dieser  verbindet  sich 


Fig.  8S.  Schema tisch«r  Querschnitt  durch  die  hintere  KOrperhälfte  von 
Arenicola  zur  Darstellung  des  Verhaltens  der  Gefösse.  D  Hucken-,  V  Bauchseite, 
n  Baachmark.  i  Darmhöhle,  br  Kiemen,  v  Bauchgefiissstamro.  a,  b  Kiemen- 
gefitsse.  d  Räckengeftissstamm.  h  Don  Darmcanal  umfassender  Ast.  v'  Ventrales 
Danngeföas. 


300  Würmor. 

hei  Arenicola   mit   zwei  mäcbligcr  erweilerlen  Querger^ssen ,    die    zum 
Bnuchstammo  Irelcn. 

Die  bei  einer  spärlicheren  Vcrlheilung  von  Blulgefüssen  conslaolerc 
Anordnung   löst   sich   in   jenen  Abthcüungcn  auf,   die  reiche  Gefass- 
verzweigungeo    am    Darme 
Fig.  83.  und    an    der    Körperwand 

besitzen.    Wie  die  Kiemen- 
bildung  eine  Auflösung  der 
.«a.,».  USf-^l  IT*   IKft  Jfcs  paiielalen  Queranastomosen 

^^OffT^'f  /"/r--l  henorrufl,    so    tritt    diese 

^r\    ))M  auch  an  den  LiingssUmmen 

''«^^\^v  '^'"'  weiche  dann  streckeo- 

~  ^"^  -  ^velse     durch    ein   Gefass- 

nelz  dargcsUllt  sind,  aus 
dem  neue  Bahnen  sich 
her  vorbilden  Die  emen 
Collateral  Kreislauf  iidden- 
den  Lrscbemungen  niUssen 
der  Beurlheilung  auch  die- 
ser Verhaltnisse  zu  Grunde 
gelegt  werden.  So  ist  bei 
Polyophthalmus  der  dorsale 
Median  stamm  längs  des 
Uitleldarms  aufgelöst.  Zwei 
dorsale  und  zwei  ventrale 
Slämme  gehen  aus  den 
vorne  wie  hinten  einfachen 
Median gefiissen  bei  den  Her- 
metlon  hervor ,  und  bei 
Eunicc  ist  das  vrnlrnie,  bei 
Nephthys  das  dorsale  Ge- 
filss  paarig  vorhanden. 

Rtlckbil düngen  des  ge- 
sanimten  Gerdsssystemes 
kotnnicn  bei  Polynoß  vor  und  fuhren  bei  Aphrodite  ^u  einem  völligen 
Mangel  desselben,  der  auch  in  anderen  Abtheilungen  (Glycera,  Capi- 
tellaj   u.  a.  beobachtet  ist. 

Eine  Verbindung  dos  bei  den  Anneliden  bestehenden  Typus  des 
Gefilsssystems  mit  jenem  der  Nenicriinen  kann  man  bei  Balano- 
glossus  erkennen.  Sie  beruht  in  dem  Vorhandensein  medianer  und 
lateraler  Liingsstänime,  deren  viscerale  Aeste  jedoch  theilweisu  dioKiemen- 

t'ig.  SS.  Gerässsyslem  vnu  Terebolla  nebuJoSH  Idns  Thier  ist  vom  RüoIud 
lior  gcitlTiiet).  t  Tentakel  (nur  zum  Tliuil  dni'gcitcillj.  br  Drui  Kiemenpeare.  ph 
Hluükulliser  Abschnitt  des  Uunddarmg   [PbarinxJ.     t>  Darm.     t'iJ  RuukonBufäaii.     w 

BaucbgelUss.     jNacti  MiLNE-EDWikiiDs.; 


GeOiaMyslem.  SOf 

gebssd  TorsleUeD,    und  damit   eine  von  mehreren  Würmern  sehr  ab- 
weichende Bildung  eingehen  (vergl.  §  4.34). 

§  152. 

Das  Gefilsssyslem  der  Gephyreen  bietet  nicht  blos  in  seinen  Be- 
liehongen  zum  Circulationsapparate  anderer  Würmer,  sondern  selbst 
für  die  Veiigleichung  der  einzelnen  Befunde  unter  einander  nicht  leicht 
versländliche  Verhfiltnisse,  zumal  auch  noch  manche  bedeutende  Lücke 
in  der  Kenntniss  der  anatomischen  Thatsachen  besteht.  Vor  Allem  be«- 
iriffl  das  den  Zusammenhang  der  Rnume  des  Gcfüsssystems  mit  der 
Leibeshöhle,  der  nur  durch  die  Beschaffenheit  der  perienterisohen  Flüssig- 
keit wahrscheinlich  gemacht  wird. 

Die  wesentliche  Anordnung  des  Gefässverlaufes  findet  sich  in  zwei 
Längsstämmen  ausgedrückt,  weiche  den  bei  den  Anneliden  vorgeführten 
Hauptstämmen  entsprechen.  Der  ventrale  verläuft  längs  der  Leibes- 
wand,  indess  der  dorsale  sich  an  den  Darincanal  hält,  und  ihn  auf 
seinen  Windungen  und  Schlingen  begleitet.  Die  Richtung  des  Blut- 
stroms ist  dieselbe  wie  im  Rücken-  und  BauchgefUss  der  Anneliden. 

Am.  einfachsten  ergeben  sich  beide  Gelasse  in  Jugendzuständen 
der  Sipunculiden.  Beide  scheinen  um  den  Mund  mit  einander  in 
Verbindung  zu  stehen  und  communiciren  dort  mit  den  Hohlräumen  der 
Tentakel.  Am  hinteren  Körperende  hängt  mit  dem  Rückengefässe  eine 
Anzahl  lebhaft  sich  contrahirender  Blinddärme  zusammen.  Diese  treten  bei 
Stemaspis  in  einer  anderen  Bedeutung  auf;  indem  sie  auf  zwei  Gruppen 
vertheilt  nach  aussen  büschelförmig  vortreten,  stellen  sie  Kiemen  vor« 
Bei  den  Sipunculiden  sind  ähnliche,  aber  innere  Anhänge  längs  des 
glänzen  RücÄengelässes  vertheilt.  Das  Rückengeftiss  zeigt  sich  in  seinem 
Verlaufe  gewunden  bei  Stemaspis,  Bonellia  und  Echiurus.  Wo  die 
Tentakel  fehlen,  geht  es  durch  eine  zuweilen  in  feinere  Gcf^sse  aufge- 
llte, den  Mund  umfassende  Gcfässschlingc  ins  Bauchgef^ss  über.  Durch 
die  mächtige,  aus  der  langaasgezogenen  Oberlippe  entstandene  Rüsselbii- 
dung  der  Bonellien  wird  der  vordere  Abschnitt  des  Gef^ssapparates  sehr  in 
die  Länge  gestreckt.  Das  Rückengcßiss  setzt  sich  hier  bis  zum  Ende 
des  Rüssels  fort  und  theilt  sich  in  zwei,  die  Rüsselrinne  umfassende 
Zweige,  die  unterhalb  der  Mundöffnung  im  Körper  wieder  zusammen- 
treten. Bei  Echiurus  fehlt  mit  dem  Rüssel  auch  diese  Bildung.  Das 
aus  der  Vereinigung  der  beiden  Gefässschlingen  sich  bildende  Bauch- 
gefäss  verläuft  bei  Echiurus  und  Stemaspis  unter  Abgabe  vieler  seit- 
liehen Aeste  nach  hinten.  Bei  Bonellia  theilt  es  sich  kurz  nach  seiner 
Bttdong  hinter  dem  Munde,  wird  aber  dann  wieder  einfach.  Sowohl 
bei  Ecbiuras  als  bei  Bonellia  entsendet  es  viscerale  Gefässe,  die  mehrfech 
bei  Echiurus  vorhanden,  im  Mesenterium  ihren  Verlauf  nehmen.  Das 
vorderste  dieser  Gefässe  bildet  bei  Echiuras  am  Darme  eine  ansehn- 
liche Erweiterang,  von  der  ein  ventrales  DarmgefUss  abgeht,  und  zwei 
den  Darm  umgreifende  Anastomosen  zum  Rückengefäss.    In  diesem  Ver- 


202  Würmer. 

halten  ist  eine  Verbindung  zwischen  Rücken-  und  Bauchgefäss  ersichtlich 
wie  solche  bei  den  Anneliden  in  vielfacher  Wiederholung  sich  triffl. 
liier  ist  diese  Einrichtung  auf  eine  Stelle  beschränkt,  oder  doch  da 
vorwiegend  ausgebildet.  Das  von  dem  Annelidentypus  Abweichende 
wird  durch  die  Entfernung  des  Darmrohrs  von  der  ventralen  Median- 
linie bedingt,  in  Folge  dessen  die  Anastomose  nicht  sogleich  paarige 
sondern  als  einfaches  Gefäss  vom  VentralgefJsse  hervorgeht.  Bei 
Bonellia  sind  weitere  Umbildungen  bemerkbar.  Die  Queranastomose  zu 
dem  längs  des  Darmes  verlaufenden  Rttckengefäss  entwickelt  sich 
jederseits  am  Darme  zu  einem  ansehnlichen  Schlauche,  aus  dem  nach 
vorne  zu  das  Rtickengeßiss  zu  entspringen  scheint,  da  sein  hinterer 
Abschnitt  entweder  fehlt,  oder  gegen  den  erweiterten  vorderen  bedeu- 
tend zurtlcktritt.  Auch  in  diesem  Verhalten  sind  entfernte  Beziehungen 
zu  Anneliden  ausgedrückt.  Der  wichtigste  Unterschied  besteht  also  in 
der  Beschränkung  der  den  Darm  umgreifenden  Queranastomosen  auf 
eine  einzige,  die  zudem  in  eigenthümlicher  Weise  umgewandelt  ist 
und  somit  wieder  ein  der  rudimentären  Hetamerie  entsprechendes 
Verhalten  äussert.  Als  Organe  der  Blutbewegung  dienen  beschränktere 
oder  ausgedehntere  Gefössstrecken ,  die  in  den  einzelnen  Formen  sehr 
verschieden  sind. 

§  153. 

In  den  bisher  betrachteten  Formen  des  Blutgefässsystems  war  die 
Rolle  des  Centralorgans  auf  die  mannichfaltigsten  Abschnitte  übertragen, 
und  es  bot  sich  in  dieser  Hinsicht,  nicht  minder  wie  in  der  Zabl  der 
vorwiegend  contractilen  Strecken  eine  grosse  Mannichfaltigkeit.  Dadurch 
entsteht  ein  Gegensatz  zu  den  Tun  icaten,  bei  denen  das  Gef^ssystem, 
wenigstens  in  den  wichtigsten  Puncten  übereinstimmend,  abweichende 
Verhältnisse  bietet.  Diese  sprechen  sich  vor  allem  in  dem  Vorhandensein 
eines  He  rzens  aus,  welches  aus  einer  Strecke  des  ventralen 
Längsstammes  hervorgegangen  sein  muss.  Auch  da,  wo  es 
den  einzigen  Abschnitt  der  Blutbahn  bildet,  hat  es  eine  ventrale  Lage. 
Es  erscheint  allgemein  als  rundlicher  oder  länglicher  Schlauch,  in  der 
Regel  von  einem  dünnwandigen  Pericardium  umgeben,  zwischen  den 
Eingeweiden  und  der  Kieme  angebracht.  So  nimmt  es  bei  den  Appen- 
dicularion  das  frei  in  der  Leibeshöhle  circulirende  Blut  auf  und 
giebt  es  wieder  ab,  ohne  mit  Gefässen  in  Verbindung  zu  stehen,  so 
dass  die  Blutbewegung  im  Ganzen  wenig  regelmässig  ist.  Kino  höhere 
Stufe  nehmen  die  A seidien  ein.  Das  langgestreckte  Herz  derselben 
liegt  in  der  Nähe  der  Verdauungs-  und  Geschlechtsorgane  und  biegt 
sich  an  beiden  Enden  in  je  ein  Gefäss  um,  von  welchen  das  eine 
mit  den  in  der  Darmwand  entwickelten  Blutgefässen  in  Verbindung 
steht,  indess  das  andere  sich  in  Canäle  fortsetzt,  die  ventralwärts  ver- 
laufen und  mit  den  Gefässen  der  Kieme  zusammenhängen.     Wie  die 


Geflls»yst0iii. 


203 


dorsalen  Kiemeogetesfie,  sowie  die  im  Integament  verbreiteten,  oTi 
reiche  Netze  bildenden  Canäle  mit  dem  Hersen  in  Verbindung  stehen, 
ist  Dicbi  sieber  ermiitelt,  ebenso  fehlt  es  an  bestknmien  Angaben  Ober 
den  Zusammenhang  des  Gefässsystems  mit  der  Leibeshöhie. 

Bei  den  Salpen  ist  der  kurze,  dünnwandige,  meist  durch  Ein- 
schnürungen abgetheilte  Herzschlauch  (Fig.  84.  c)  an  einem  Ende  mit 
einem  grossen  an  der  Bauchseite  verlaufenden  Gefttsscanale  (t;)  in  Ver- 
bindung, sowie  er  an  dem  andern  Ende  sich  gleichfalls  in  einen  Ge- 
^canal  fortsetzt;  der  letztere  geht  bei  den  mit  einem  sogenannten 
Nucleus  (rt)  versehenen  Formen  in  ein  diesen  durchziehendes  Hohl- 
maschcnsystem  über,  welches  die  Darmgefässe  der  Ascidien  roprösentirt. 
Bei  den  übrigen  Salpen  soll  er 
sich  in  mehrere,  nach  dem 
Rücken  verlaufende  Zweige  thei- 
len  die  in  einen  Längscanal  sich 
fortsetzen.  Dieses  Rttckengeföss 
'v']  steht  durch  eine  Anzahl 
vielfach  unter  einander  anasto- 
mosirender  QuercanSle  (v")  mit 
dem  Bauchstamme  in  Verbin- 
dung.   Zwischen  dem  vorderen 

Theile  des  Rückengefösses  und  dem  hinteren  aus  dem  Herzen  hervor- 
kommenden Gefässe  besteht  noch  eine  directe  Communication,  die  durch 
mehrere  die  Kieme  durchziehende  und  dort  sich  verzweigende  Gefässe 
hergestellt  wird. 

Allen  Tunicaten  eigenthümlich  ist  die  wechselnde  Richtung 
des  vom  Herzen  in  Bewegung  gesetzten  Blutstromes,  der 
bald  nach  der  einen,  bald  nach  der  andern  Seite  hin  bewegt  wii*d,  so 
dass  also  von  einem  arteriellen  oder  venösen  Abschnitte  der  Biutbahn 
nicht  wohl  die  Rede  sein  kann.  Wenn  das  Herz  eine  Reihe  von  Pul- 
sationen  nach  der  einen  Richtung  hin  vollführt  hat,  so  tritt  plötzlich 
ein  Moment  des  Stillstandes  ein  und  es  beginnen  die  peristaltischen 
Bewegungen  des  Herzschlauches  nach  der  entgegengesetzten  Richtung. 
Auch  diese  Erscheinung  entspricht  einer  unvollkommenen  Ausbildung 
des  Circulationsapparates. 


§  454. 

Den  Inhalt  >der  Leibeshöhle   wie  des  Gefdsssystems  bildet  die  er- 
nährende Flüssigkeit,  deren  Formbestandtheilc  meist  wenig  diffe- 

Fig.  84.  CirculationssysteiD  vonSalpa  maiima.  a  Eingangsöffoung.  ft  Aus- 
warfsöffDang.  hr  Kieroenbalken.  br'  Ansatz  der  Kieme  an  der  oberen  Körper- 
«and.  vi  Eingeweideknttuel  (Nucleus).  c  Herz,  v  BauchgefKssstamm.  v'  Rttcken- 
gel^ssstamm.  v''  Verbindende  Quergeräss^ttfmme.  (Die  feineren  Verästelungen  der 
Gefiisse  sind  nicht  angegeben.)  *  (Nach  Mani-EDWAiuM.) 


204  Würmer. 

renzirto  Zellen  sind.  Bei  bestehender  Sonderang  des  Gefässyslcms 
von  der  Leibeshöble  wird  das  Contentum  des  ersteren  als  Blut  be- 
zeichnet. Farblos  sind  dessen  Formelemente  bei  vielen  Anneliden 
wie  bei  allen  Tunicaten.  Bei  manchen  Nemertinen  erscheint  eine 
rothe  Färbung  der  Blutzellen  (Borlasia) ,  auch  bei  vielen  Anneliden 
ist  die  Blutflüssigkeit  geförbt,  seltener  grün,  häufiger  roth,  wobei  in 
mehrfachen  Fällen  die  Formelemente  als  Träger  des  Farbstoffes  sich 
ergeben.  Doch  besteht  bestimmt  auch  eine  Färbung  des  Plasma 
z.  B.  bei  Lumbricinen.  Die  Sonderung  des  Getässsystems  lässt  den 
Inhalt  der  Leibeshöhle  meist  auf  einem  indifferenteren  Zustande,  so  dass 
dann  ausser  dem  Blute  noch  eine  stets  ungefärbte  Perivisceralflüssigkeit 
(auch  als  Chylus  bezeichnet)  vorkommt.  Bei  rückgebildetem  Geßlss- 
systeme  erscheint  das  die  Leibeshöhle  füllende  Fluidum  nicht  selten,  in 
Uebereinstimmung  mit  dem  Blute  anderer,  in  rother  Färbung  (Glycereen). 


Dritter  Abschnitt 


Echlnodermeii. 

▲  llgemoin»  Uebersioht. 

Eine  durch  Ausprägung  eines  besonderen  Typus  sich  enger  ab- 
greDsende,  und  damit  selbständiger  darstellende  Gruppe  bilden  die 
Echinodermen.  Die  Sonderung  des  Darmcanals  unter  Bildung  einer 
Perivisceralhöhle  unterscheidet  sie  von  den  Cölenteralen,  sowie  die  Ver- 
kalkung der  jene  Leibeshohle  umscbliessenden  Integumentschicbte  (Peri- 
som)  im  Zusammenhalte  mit  der  radiären  aus  mehr  als  swei  An- 
timeren  bestehenden  Körperanlage  eine  gegen  die  hdher  stehenden 
Abtheilungen  siemlich  scharfe  Grenimarke  abgibt.  Diese  Untersohei- 
duog  der  ausgebildeten  Echinodermenform  von  anderen  Typen  ist  in 
den  Larvenzuständen  noch  nicht  vorhanden,  daher  auch  an  diesen  vei^ 
wandtschaftliche  Beziehungen  mit  anderen  Typen  zu  erkennen  sind. 
Diese  sind  um  so  mehr  hervorzuheben,  als  der  actinoYde  Typus  der 
Echinodermen  Veranlasung  gab,  sie  mit  den  Cölenteraten  zu  einem 
grossen  Kreise,  jenem  der  Radiaten  oder  Strahlthiere,  zusammenfassen, 
welche  Verbindung  bei  genauerer  Prtlfung  nicht  zu  rechtfertigen  ist. 
Diese  spricht  sich  in  der  Erkenntniss  der  Verwandtschaft  mit  den 
Würmern,  besonders  mit  Anneliden  und  Gephyreen,  aus.  Sowohl  die 
innere  Organisation  der  Echinodermen,  als  auch  die  äussere  in  der 
Melan)erenbildung  sich  kundgebende  hat  diese  Vorstellungen  fester  be- 
gründet. Daraus  entwickelte  sich  endlich  die  durch  Häckkl  aufgestellte, 
den  Echinodermen-Organismus  erklärende  Hypothese,  der  zufolge  diese 
Theile  aus  Stocken  wurmartiger  Organismen  sich  hervorbildeten. 

In  der  Larvenform  der  Echinodermen  zeigt  sich  eine  völlige  lieber- 
einstiromung  mit  den  Larven  von  Würmern.  Wie  bei  manchen  der 
letztem  legt  sich  auch  hier  im  Innern  des  Larvenleibes  ein  neuer  Or- 
ganismus an.  Die  auftretende  Knospung  lässt  die  DifTerenzirung  einer 
Mehrzahl  von  Individuen  wahrnehmen,  und  damit  tritt  die  Erscheinung 
in  eine  bereits  genauer  gekannte  Reihe  ein.  Die  einzelnen  Sprossen 
sondern  sich  allmählich  bis  zu  einem   gewissen   Grade  von  einander, 


206  Echinodermen. 

um  jedoch  niemals  völlig  sich  zu  trennen,  so  dass  ihnen  eine  Anzahl 
von  Organen,  oder  einzelne  Abschnitte  von  Organsystemen  gemein- 
sam angehören.  Die  knospenden ,  zu  einem  einzigen  Organismus 
verbunden  bleibenden  Individuen  verlieren  dadurch  ihre  Selbständig- 
keit und  sinken  zur  Bedeutung   von  Körpertheilen   (Antimeren)    herab. 

So  bildet  sich  durch  eine  eigenthUmliche  Ontogenese  ein  beson- 
derer Thierstamm,  der  die  Würmer  voraussetzt,  da  er  von  ihnen  sieb 
ableitet,  und  desshalb  über  sie  geordnet  werden  muss. 

Die  einzelnen  Abtheilungen  der  Echinodermen  ordnen  sich  in  fol- 
gende Uebersicht: 

I.  AsteroYda*). 
Asterida. 

AsteracanUiionf  Sokuter,  AstTttpedeUf  Luidia. 
Brisingida. 

Brisinga. 
Ophiurida. 

Ophiodemia,  Ophiolepis,  Ophiolhrijo,  Ophiocotna. 

Euryalida. 
AstrophyUm. 
H.  CrinoYda. 

Brachiata. 

Penlacrinus,  Comatula. 
iil.   EchinoYda. 

Desmosticha  (Hkl.). 

Cidarida. 

Cidaria, 
Echinida. 

Bchinus,  Echinometra. 

Petalosticha  (Hkl.). 
Spatangida. 
SpaUmgiu, 
Clypeastrida. 

Clypeasler,  Laganum,  Sculella. 
IV.   Holothuroida. 
Eupodia. 

Holothuria,  Molpadia,  Pentacta,  Psolus.  Cuvieria. 
Apodia. 

Synapta,  Chiroäota. 

Literatur. 

TiBDBiiAiiN,  Anatomie  der  Röhrenholothurie,  des  pomeranzenfarbigea  Seesteriies 
und  Steinseeigeis.     Laiidshut  4816.  —   Agassis,   Monographie   d'Echino- 


*)  Weil  die  ältesten  Echinodermen  umfassend,  und  auch  bezüglich  der  Or- 
ganisation den  Stammformen  am  nächsten  stehend ,  müssen  die  Asteroiden  voran 
gestellt  werden.  In  ihnen  beizuzählenden  fossilen  Formen  erscheinen  zugleich  mi( 
der  folgenden  C lasse  (Crlnoiden)  verwandte  Zustände. 


KOfp«r(MiD. 


«07 


Aerme»  vivaM  et  foMlte*.  Nmifschttel  (SSI— 41.  Dana  vonttgllcfa  dj« 
■eitle  LiefeniaB:  •V*Liiitin,  l'AnatiMnifl  du  genre  Eehinu»  «lUMLtepd.  — 
Sbak»«,  Art.  Echinodermala  in  Fodb  Cyclopaedli  11.  —  Komei,  Ed.,  A 
history  o{  britisb  Slarflahes.  London  18U.  —  I.  HtbLtk  und  Tmichel, 
System  der  AslaridoD.  Brtunschwelg  4St).  —  Onintiricii,  Aiwtomie  der 
Syaapta  Duvarna««.  Ann.  m.  nat.  II.  ivin.  — i.  UIller,  Ueber  deo  Bau  dM 
PeDlacriuuB  capal  laeduue.  Abb.  d.  Berl.  Acad.  tS4i.  —  J.  Uvllik,  Aob- 
tomiscbe  Studien  Überdie  Echinodennen.  Archiv  f.  Amt.  u.  Pbys.  4S5D.  — 
Derselbe,  Die  Erzeugung  von  Schnecken  in  Holothurien.  BeHin  1  »St.— Der- 
selbe, Heber  den  Baa  der  Eehlnodermen.  A.  B.  )8BI.  —  BiU»,  Beilrige 
(ur  Naturgeschichte  der  Synapta  digitals.  N.  A.  L.  C.  XXXI.  —  Sabi, 
Overaigt  of  Nor^a  Echinadermer.  Cbrittlaala  4SSI,  —  W.  TnoHM»,  Un 
Ihe  embryogeny  a[  AutedoD  rosaceus  Phil.  Trans.  ltl*S.  U.  —  CiarHi», 
ttesearches  oa  glniclare  etc.  oF  Auledon  rosaceus.  Phil.  Transact.  UM.  — 
SiM,  Memoire  pour  servir  a  la  cunnaissance  des  Crinoidea  vivants.  Chrisliania 
tBSS.  —  C.  K.  HoFraAnn  im  NlederlHod.    Archiv  f.  Zoologie.  IB1I,  71. 

Von  gleich  power  Bedeutung  sind  die  Schriften  über  Entwlckelung 
der  Echioodennen :  J.  UUll».  Bieben  Abbaodlungeo  über  die  Larven 
und  UclaiDorphoMn  der  EcblnodermeD  in  den  Abhandlungen  der  ftertiner 
Academie.  1848—».  —  Agamii,  Embryology  of  Ihe  SUrflsli.  Coutrib.  to 
Ihe  nat.  bist,  of  D.  S,  Cambridge  ls«t. 


§   196. 

Die  morphologischen  BezielmD^^en  der  verscliiedencn  Echinodermrn- 
Ablheilungen  zu  einander  wie  zu  den  niederen  Fumien,  sind  vorzUg- 
lieh  durch  die  Entwickelting  verstjindlich.  Die  nus  dem  Ei  hervor- 
gegaogene  Lai^e  besitzt  nur  zwei  Antimeren  (bilaterale  Symmetrie)  und 


Fig.  85. 


Stimmt  in  allen  wesentlichen  Puncten  mit  den  Larven  von  Ringel- 
wünnern  tlbcrein.  Eine  Wimperschnur  umgibt  entweder  die  den 
Bund  tragende  orale  Flache   (vergl.  Fig.  85.  A]    oder  sie   ist  in    zwei 

Fig.  RS.  Larvenformeo  In  seillicher  Ansicht.  A  Larve  einer  Holothurie.  B 
Lirte  eine«  Seesiemes  (Bipinnarien typus).  CD  Wunnlarven.  o  Mund,  t  Hagen, 
a  4[ter.     v  Praeorale  Wimperschnur  In  0,  C,  D  selbständig,  in  A  ein  orales  Petd 

urpiaiiinend. 


«08 


EchinoderroeD. 


Fig.  86. 


Kränze  gesondert,  davon  einer  ein  prseorales,  der  andere  ein  poslorales 
Feld  umschliesst  (Fig.  8-^.  ß).  Die  erslere  Larvenform  findet  sieb  bei 
Hololhurien,  die  zweite  bei  Asteriden.  Diese  Formen  liegen  auch  den 
Larven  anderer  EchiDodermen  zu  Grunde,  wobei  jedoch  bei  Opbiuren 
und  Seeigeln  eine  Anzahl  von  Fortsiitzen  sich  ausbildet  (Fig.  86.],  auf 
welche  die  Wimperschnur  gleichfalls  übergebt.  In  vereinzelten  aus 
Anpassungen  erklärbaren  Fitllen  wird  die  Lrirvenforin  übersprungen 
und  der  Organismus  des  Ecbinodernis  gebt  ohne  jenes  ZwiscbensUtdium 
aus  dem  durchfurchten  Eie  hervor. 

Die  AnInge  des  Rchinodermenkürpers  erfolgt  um  den  Darm  der 
Larve.  Bei  den  AsloroTden  sprossen  aus  einer  gemeinsamen  Anlage 
fünf  oder  mehr  Theile  hervor,  die 
künftigen  üArmeu  oder  nSlrablenic  des 
Seoslernes  (Fig.  86.  Aj.  Das  freie 
Ende  des  Strahls  erscheint  zuerst 
selbsUlndig,  das  andere  Ende  bleibt 
mit  der  gemeinsamen  Masse  verbun- 
den. Diesel  entspricht  dem  Vorder- 
thcilc,  das  freie  Radienende  dem  llin- 
Icrlheile  eines  WurmkOrpers.  indem 
die  Anlage  jedes  Armes  wuchst,  er- 
scheinen an  ihm  Gliedslücke  (Ueta- 
mcren)  zwischen  Basis  und  Spitze. 
Jedem  Arme  eines  Seesternes  kommt 
ein  gewisses  Uaass  von  selhst<indiger 
Organisation  zu ;  seine  Organe,  wie 
Darm,  Nerven-  und  Geßlsssystcm, 
auch  Geschlechtsorgane,  stimmen  in 
ihren  Lager ungsbc^iehun gen  genau  mit  den  homologen  Oi^ancn  von 
RingelwUrmern  übercin.  Ninmit  man  von  da  aus  einen  Beweggrund,  jeden 
der  sprossenden  Arme  mit  einem  wuimnrligcn  Oi^anismus  zu  ver- 
gleichen, so  wird  man  den  aus  dem  Sprossungsprocoss  hervorgebenden 
Seeslern  alseinemMullipluni  solcher  Organismen  entsprechend  bcurtheileri 
müssen,  und  in  der  ganzen  Erscheinung  einen  ähnlichen  Vorgang  sehen, 
wie  er  bei  andern  niedern  Thieren  Platz  greift,  z.  B.  bei  den  zu- 
sammengesetzten Ascidien  (vergl.  oben  §.  90).  Es  ist  ein  Sprossungs- 
process  mehrfacher  Einzelthiere ,  der  nicht  zu  einer  vollsltlndigcn 
Trennung  der  letzleren  hinführt,  sondern  dieselben  zu  einem  Indivi- 
duum höherer  Ordnjing  verbunden  bleiben  lUsst. 

Dass  in  Folge  der  Unvollstündigkeit  der  Sonderung  nicht  blos 
!tusscrlich  ein  Zusammenhang  der  Sprossungsproducle  besteht,  sondern 
dass  iiucb  eine  gewisse  Summe  innerer  Organe  verbunden,  und  daher 


Hpros.suiKtcn 


r  Upliiurc  (Pluleiisform).     A  AnInge  d«8  Ecbinodernis  mit 
i'  t'   Vorlslilze   des  I.nrvcnktirpors   rail  dem  Reriisle   von 


K6rperforfD. 


909 


fttr  deD Gesammtorganismus  gemeinsam  bleibt,  scheint  nicht  schwer 
zu  versleben. 

§  «57. 

Wir  sehen  also  einen  Organismus  entstehen,  dessen  Antimeren  in 
den  radiär  angeordneten  »Armena  sich  darstellen,  deren  jeder  ursprüng- 
lich den  Werth  einer  Person  besitzt.  Aus  der  Concrescenz  derselben 
entsteht  ein  Individuum  höherer  Ordnung,  ein  Thierstock.  An  jedem 
der  Arme  des  Seesterns  wird  eine  orale  und  ahorale  FUiche  untcr- 
scfaeidbar.  Die  Verbindungsstelle  siinimtlicher  Arme  bildet  den  ge- 
meinsamen Körper,  der  die  Mundöffhung  trügt.  Diese  liegt  an  der 
ventralen  Fläche,  welche  dadurch  als  orale  erscheint  und  sich  der 
aboralen  entgegenstellt.  Sie  ist  an  den  Armen  durch  Reihen  von  schwell- 
baren  und  beweglichen  Fortsätzen  —  AmbulacralfUsschen  ~  aus^ 
gezeichnet ,  die  an  einer  längs  des  Armes  laufenden  Vertiefung  (Ambula- 
cralrinne)  angebracht  sind.  Sie  entsprechen  einer  auch  an  andern 
Tbeilen  ausgedruckten  Metamerenbildung  der  Arme.  4  Reihen  finden  sich 
bei  Asteracanthion,  2  Reihen  bei  der  Mehrzahl  der  übrigen.  Ob  diese 
Gebilde  mit  den  Parapodien  der  Würmer  nahe  verwandt  sind,  ist  un- 
bestimmt. Die  ventrale  Flüche  wird  nach  ihnen  als  ambulacrale  be- 
zeichnet. Ambulacrale  und  antiambulacrale  (dorsale)  Fldcben  besitzen 
gleiche  Ausdehnung. 

Das  Maass  der  SelbstUndigkeit  der  Arme  im  Vergleiche  zum  ge- 
meinsamen Körper  ist  sehr  verschieden ,    und  bei  nicht  wenigen  zeigt 


sich  eine  VerkUnung  derselben  zu  Gunsten   der  Körperscheibe,   und 
lässt  dadurch   in   gleichem   Grade    (Oreaster,    Pteraster,    Goniodiscus, 

Fig.  87.  Drei  Formen  von  Seeslerncn  ABC,  an  denen  die  Concre%cenz  und 
damit  das  Aufhören  der  Selbständiglceit  der  Arme  sich  allmählich  vervollständigt. 
Alle  drei  sind  von  der  oralen  Körperfläclie  dargestellt,  welche  zugleich  die  am- 
bnlaerale  ist.  Die  Ambnlacra  sind  durch  Punctreihan  dargestellt,  o  MundttfTnung. 
V  Radien  (Arme),    ir  Interradien. 

G«C«nbftiur,  OreadriM.  44 


S  4  0  Echinodermen . 

Asteriscus)  die  Vorstellung  der  ursprünglich  individueHen  Bedeutung 
der  Arme  verloren  gehen.  Die  Vergleichung  der  drei  umstehenden 
Formen  von  Seesternen  (Fig.  8T,  A,  B,  C)  gibt  das  deutlich  zu  ver- 
stehen. Auch  die  Zahl  der  Radien  steht  bei  den  Seestemen  nicht 
fest.  Sie  ist  bei  einzelnen  Gruppen  derselben  variabel,  steigt  bei 
Solaster  auf  4  4 ,  bei  Asteracanthion  kann  sie  in  einzelnen  Fallen  auf  4 
sinken,  doch  bilden  sich  bei  der  Mehrzahl  fünf  Radien  typisch  aus, 
und  lassen  dadurch  auf  eine  gemeinsame  Abstammung  der  bezüg- 
lichen Abtheilungen  schliessen. 

§  458. 

Von  der  für  die  Seesterne  geltenden  Form  leiten  sich  die  Ver- 
hältnisse der  übrigen  Echinodermen  ab,  und  zwar  nach  zwei  divergenten 
Richtungen.  In  beiden  kommt  es  zu  einer  grösseren  Centralisation 
des  Organismus,  aber  auf  verschiedene  Weise.  In  der  einen  Richtung 
ergibt  sich  eine  grössere  Entfaltung  der  Arme  unter  stufenweise  aus- 
geprägtem Verlust  der  Beziehungen  derselben  zu  den  inneren  Organen. 

Bei   der  andern   Richtung    spricht   sich    ein 
Fig.  88.  vollständiges  Aufgehen  der  Arme  in  den  ge- 

meinsamen Körper  aus.  Die  Fünfzahl  der 
Radien  erscheint  constant.  Die  erstere  Er- 
scheinung findet  sich  bei  Brisinga  und 
den  Ophiuriden,  deren  Leib  in  einen  schei- 
benförmigen centralen  Theil  (Fig.  88.  s)  und 
davon  ausgehende,  aber  scharf  abgesetzte 
Arme  (r)  gesondert  ist.  Die  Arme  bethei- 
ligen sich  nur  in  geringem  Grade  an  der 
Bildung  der  Leibeshöhle,  welche  fast  aus- 
schliesslich auf  die  Körperscheibe  beschränkt 
ist.  Den  Ophiuren  fehlt  die  Ambulacralfurche,  die  Anibulacra  sind 
aber  noch  längs  der  Arme  ausgedehnt. 

*  Durch  dichotomische  vielfach  wiederholte  Theitungen  sind  die 
Arme  der  Euryaliden  bedeutender  ausgebildet.  Eine  flache  Rinne 
setzt  sich  auf  die  Theilungen  fort.  Die  in  früheren  Perioden  in  grosser 
Verbreitung  und  bedeutendem  Formen reichth um  erscheinenden,  gegen- 
wärtig nur  in  einigen  Gattungen  vertretenen GrinoYden  sind  unter  Ver- 
lust der  freien  Ortsbegung  in  festsitzende  Zustände  übergegangen. 
Bei  der  die  lebenden  Formen  mit  umfassenden  Abtheilung  der  Brachiata 
hat  sich  vom  antiambulacralen  Theile  des  kelchförmigen  Körpers  aus 
ein  oft  mächtiger,  gegliederter,  durch  Verzweigungen  und  Anhangs- 
gebilde '  complicirter  Stiel  entwickelt ,  der  zur  Befestigung  dient.  Die 
nicht  immer  in   der  Fünfzahl,    häufig   zahlreicher   vorhandenen   Arme 

Fig.  88.    Scbematische  Darstellung  der  Körperform  einer  Ophiure.    o  Mund, 
$  Körperscheibe,     r  Arme. 


I  KOrperform.  .  Sil 

• 

bieten  in  der  Regel  eine  bedeutende  Aasbildung  durch  Theilungen 
oder  secundflre  Anhange.  Die  Ambulacralrinne  erslreckl  sich  auf  die 
Arme  und  IHssI  die  AmbulacralfUsschen  als  tentakelartige  Gebilde  her- 
vortreten. Der  festsitzende  Zustand  ist  bei  einigen  auf  die  Jugend 
beschränkt,  und  sp£lter  löst  sich  der  anntragende  Körper  vom  Stiele 
(Antedon,  Comatula). 

§  159. 

Die  andere  Reihe  der  Modificationen  der  Körperform  fuhrt  zu  den 
EchinoYden.  Die  Armbildungen  sind  als  selbständige  Theile  gttnx- 
lieh  zurückgetreten.  Der  bei  den  Höhten  Seeigeln  (Desmosticha)  mehr 
oder  minder  kugelförmige  Körper  zeigt  die  Ambulacralbildung  über  den 
grössten  Theil  der  Oberfläche 

ausgedehnt.  Die  Ambulacral-  Fig.  89. 

felder  bilden  fünf  vom  Mund- 
pole (Fig.  89.  A.  o)  bis  zum 
entgegengesetzten  Pole  (Fig. 
89.  B,  q)  ziehende  Streifen, 
die  durch  ebensoviele  der 
Saugftlsscben  entbehrende 
Felder  (Interambulacra]  von 
einander  getrennt  sind.  Das 
aborale     Polfeld     (Apicalpol) 

^ird  von  der  in  hohem  Grade  beschränkten  antiambulacralen  Fläche 
eingenommen.  Die  bei  den  Seesternen  ziemlich  gleichmässige  Ver- 
tbeilung  von  ambulacraler  (oraler)  und  antiambulacraler  (aboraler; 
Oberfläche  des  Körpers  ist  also  hier  vollständig  umgeändert,  indem 
die  erstere  das  Uebergewichl  über  die  andere  erhielt.  Denkt  man  sich 
also  eine  Seeslernforni,  deren  Arme  ganz  in  den  gemeinsamen  Körper 
übergingen  (vergl.  Fig.  87.  C\ ,  so  wird  eine  Rückbildung  der  an- 
tiambulacralen Fläche  und  eine  daran  geknüpfte  Ausbildung  der  am- 
bulacralen,  zur  Seeigelform  hinüberführen. 

Diese  Einrichtung  erscheint  bei  den  Petalostichen  theils  durch  Ver- 
änderung der  Lagebeziehungen  von  Mund  und  Afteröffhung,  theils 
durch  die  Ambulacral felder  modificirt.  In  letzterer  Beziehung  ist  die 
Beschränkung  der  Ausdehnung  jener  Felder  von  Belang.  Sie  bilden 
eine  auf  der  Dorsalfläche  befindliche  fünfblättrige  Rosette,  von  deren 
Blattenden  bei  den  Clypeaslriden  noch  Spuren  einer  Fortsetzung  der 
Felder  bis  zum  Munde  verfolj^bar  sind. 

In  noch  höherem  Maasse  als  bei  den  Seeigeln  gehen  die  Spuren 
der  ursprünglichen  Bildung  des  Eohinodermenkörpers  aus  einem  Multi- 

Fig.  89.  Scbematische  Dar$tcllung|  eines  Seeigels.  A  von  der  oralen  Fläche. 
A  in  seitlicher  Ansicht.  Ambulacra  durch  Puncireihen  dargestellt,  r  Radien. 
<>  Interradien.  o  Mund,  a  AfteröfTnung.  Letztere  von  deren  antiambulacraler 
FtSche  umgehen. 


242  Bcbinodermen. 

plum  von  Individuen  bei  den  HolothuroYden  verloren.  Der  walzen- 
förmige Körper  kann  aber  von  den  regulären  Seeigeln  abgeleitet 
werden,  wenn  man  sich  letzteren  gestreckt  vorstellt.  Orale  und  aborale 
Pole  beider  entsprechen  sich,  ersterer  durch  die  Mundöffnung,  letzterer 
durch  den  After  ausgezeichnet.  Die  antiambulacrale  Fläche  ist  ver- 
schwunden. Bei  den  ächten  Holothurien  (Eupodia)  wechseln  ambula- 
crale  und  interanobulacrale  Felder  vom  Munde  bis  zum  After  ziehend. 
In  verschiedener  functioneller  Verwendung  können  jedoch  einzelne  der 
Ambulacralf^lder  eine  Ausbildung,  andere  eine  Rückbildung  eingehen. 
So  erhalten  sich  drei  Ambulacralfelder  an  einer  als  ventralen  oder  Sohl- 
fläche fungirenden  Fläche  bei  Psolus,  indess  die  beiden  übrigen  der  als 
Dorsalfläche  fungirenden  Strecke  der  Körperoberfläche  zugehörigen  riXck- 
gebildet  sind.  Bei  Cuvieria  ist  dieses  Verhalten  zu  einer  scheinbaren 
Auflösung  der  drei  ventralen  Ambulacra  weitergeführt. 

Die  Rückbildung  der  Ambulacra  erscheint  allgemein,  bei  den 
Synapten  und  damit  ist  auch  äusserlich  die  in  der  Vertheilung  der 
Ambulacra  ausgesprochene  radiäre  Organisation  aufgelöst,  nachdem  schon 
bei  den  AsteroYden  die  Radien  zu  Gunsten  eines  sich  centralisirenden 
Organismus  die  auf  sie  vertheillen  Organe  abzugeben  begannen. 

QUedmaassen. 
§  160. 

Nicht  so  mannichfach  als  bei  den  Würmern^erscheinen  die  An- 
hangsgebilde des  Integumentes,  welche  als  Giiedmaassen  sich  betraditen 
lassen.  Von  solchen  Theilen  müssen  die  Saugfüsschen,  Am- 
bulacralfüsschen,  voran  gestellt  werden,  da  sie  die  verbreitetste 
Einrichtung  bilden,  die,  oiTenbar  aus  gemeinsamer  Stammform  ent- 
sprungen, zum  Typischen  der  Echinodermen  -  Organisation  gehört.  Es 
sind  schlauchförmige,  meist  cylindrische  Fortsätze  der  Leibeswand,  die 
sowohl  durch  ihre  Anordnung  in  Reihen  (der  Metamerie  der  Radien 
gemäss)  wie  auch  durch  das  Wesentlichste  des  Baues  mit  den  Para- 
podien  der  Anneliden  überein  kommen,  aber  im  Ganzen  sich  doch 
einfacher  verhalten,  als  diese.  Der  grösseren  Gleichartigkeit  ihres  Baues 
entspricht  die  mindere  Verschiedenheit  der  Function. 

Dais  freie  Ende  dieser  röhrenförmigen  Gebilde  ist  entweder  abge- 
plattet und  mit  einem  saugnapfartigen  Ende  ausgestattet  (Seeigel] ;  oder 
es  ist  konisch  zugespitzt  oder  abgerundet  (Seesteme) ,  zuweilen  auch 
noch  mit  einer  knopfartigen  Anschwellung  versehen.  Andere  besitzen 
seitliche  Einkerbungen  oder  secundäre  Fortsätze  (Ophiuren  und  Cri- 
noYden),  und  diese  bilden  dann  den  Uebergang  zu  jenen  Formen  der 
Ambulacralgebilde ,  die  nicht  mehr  locomotorisch  sind,  sondern  als 
Ambulacralkiemen  oder  auch  als  Ambulacraltaster  (fühlerartige  Bil- 
dungen} erscheinen. 

Durch  die  Anfüllung  mit  Flüssigkeit  gerathen  die  Füsscben  in  den 


GliedmaaMen.  Ü  3 

Zustand  der  Schwellung  und  werden  in  Folge  dessen  erigiri,  so  dass 
sie  sich  mehr  oder  minder  weil  ausstrecken.  Ihre  Ausdehnung  richtet 
sich  nach  der  Lange  der  starren  Integumentanhänge,  so  dass  man  die 
längsten  SaugfUsschen  bei  den  langstacheligen  Seeigeln  antrifft.  Beim 
Strecken  heftet  sich  das  Ende  fest,  und  das  Pttsschen  vermag  nun, 
sich  contrahirend ,  den  Körper  des  Thieres  nach  der  Anheftungsstelle 
hin  fortzuziehen,  eine  Art  der  Ortsbewegung,  die  namentlich  bei  See- 
igeln oft  ziemlich  behend  ausgeführt  wird.  Bei  der  Bewegung  be- 
theiligt sich  immer  eine  ganze  Gruppe  von  FUsschen,  durch  deren  Zu- 
sammenwirken  eine  gewisse  Energie  ermöglicht  wird.  Die  Vertheüung 
dieser  Gebilde  über  den  Körper  ist  in  den  vorhergehenden  §§  berück- 
sichtigt, und  ihrer  Beziehungen  zum  Gefösssysteme  wird  bei  diesem 
Erwähnung  geschehen. 

Bei  den  GrinoYden  übernehmen  um  den  Mund  stehende  Saug- 
füsscben  die  Rolle  von  Tentakeln,  weiche  Bedeutung  in  manchen 
andern  Fällen  mit  der  locomotorischen  Function  '^ich  combinirt.  Da- 
durch treffen  sich  auch  selbständiger  differenzirte  Tentakelbildungen 
mit  jenen  Organen  verknüpft,  nämlich  die  Tentakel  in  der  Nähe  der 
Mundöflhung  bei  HolothuroYden  (vergl.  Fig.  404.  7).  Sie  erscheinen 
bald  gefiedert,  bald  verzweigt,  und  sind  meist  vollständig  einziehbar. 
Bei  manchen  Synaptcn  tragen  sie  Saugnäpfe  (S.  duvernaea).  Ihr  Binnen- 
räum  steht  mit  demselben  Gef^sssystem  wie  die  Ambulacraifüsschen  in 
Gommunication. 

Verschieden  hiervon  sind  die  sogenannten  Uautkiemen,  welche 
auf  der  antiambulacralen  (dorsalen)  Körperfläche  der  Seesleme  ver- 
breitet sind,  und  bei  den  Echiniden  als  fünf  Paare  contractiler  Bäum- 
chen  in  der  Nähe  des  Mundes  stehen.  Sie  communiciren  mit  der 
Leibeshöhle. 

Ihtegument  und  Hautakelet. 
§  <64. 

Bei  den  Echinodermen  erscheint  derselbe  Uautmuskelschlauch,  wie 
bei  den  Würmern,  allein  das  Integument  ist  von  der  Muskulatur  schärfer 
gesondert.  Letztere  bildet  grösstentheils  eine  die  Leibeshöhle  begren- 
zende Schichte,  der  das  Integument  aussen  auflagert.  Dieses  wird  durch 
einen  besonderen  Zustand  ausgezeichnet,  indem  die  Beweglichkeit  des 
Körpers  durch  Einlagerung  von  Kalk  in  die  mit  der  Muskulatur  zum 
»Perisom«  verbundene  Integumentschichte  mehr  oder  minder  beein- 
trächtigt wii*d. 

Diese  Erscheinung  tritt  bereits  selbständig  in  der  Larve  auf,  er- 
reicht aber  hier  nie  ein  bedeutendes  Volum,  vielmehr  bietet  sie  durch 
stabförmige  Bildungen  einer  reichen  Entfaltung  von  Fortsätzen  eine 
festere  Stütze.     Auf  den  Fortsätzen  ziehen  sich  saumartig  wimperndc 


3U 


Echinodarmen. 


Wulsl«  hin,  welche,  in  vurschiedon  complicin«r  Anordnung,  den  loco- 
motorischen  Apparat  der  Larve  vorslclleti  {s.  Fig.  H6.  d,  d'  e].  Der 
Vcrlhcitung  der  Cilicn  auf  die  leistenftlrniigcn  VorsprUnge  der  söge- 
nannl£ii  Wimperschntlro  gebl  eine  allgemeine  Bcwimpemng  dos  Kör- 
pers voraus,  die  auf  den  indilferentcsten  Zustand  der  Larve  be- 
schränkt ist. 

Diese  Bewimperung  erhult  sich  auch  spHtcr  an  vielen  Stellen  der 
weichen  das  Kalksketet  übe rk leidenden  Uautschichlc ;  so  ist  sie  z.  B. 
sehr  entwickelt  an  den  bei  den  Spalangeii  zum  Uunde  eiehcnden  Wim- 
perbahnen (Semitae). 

An  anderen  Stellen  wie  an  den  Hautkienien  (s.  oben  S.  213) 
scheint  die  Bewimperung  mit  der  lespiralorischen  Function 
des  Integuments  in  Verbindung  zu  stehen,  an  der  übrigens  auch  die 
AmbulacralfUsschen  betheiligt  sein  werden. 

Der  Grad  der  Verkalkung  ist  sehr  verschieden.  Bald  sind  die 
Kalktheilchen  in  grösseren  Abschnitten  unter  einander  vereinigt,  und 
stellen  entweder  beweglich  oder  fest  mit  einander  verbundene  Platten 
vor,  ein  Verhalten,  welches  theils  über  den  ganzen  Kärper  verbreitet, 
tfaeils  auf  bestimmte  Strecken  der  Kürperobcrllache  beschrankt  ist.  Bald 
erscheinen  die  Kalktheilchen  wieder  zerstreut  und  gcsl+illenmannich- 
fache  Formveränderungen  des  Körpers.  In  diesem  Falle  geht  auch  in 
der     übrigen     Ot^nisalian     ein 


r  Theil  des  Echinodermco- 
charakters  verloren ,  so  dass  das 
Schwinden  der  Hautverkalkung 
ein  Auslaufen  des  Typus  bezeich- 
net, und  die  ganze  Erscheinung 
der  mangelhaften  Kalkablagerung 
nicht  als  ein  Anfangszusland  der 
Formenreihe,  sondern  als  deren 
Ende  sich  herausstellt. 

Durch  die  Verkalkung  wird 
das  Integument  Stutzorgan  des 
Korpers,  Hautskelet,  welches 
in  manchen  Fallen  auch  ForW- 
Sätze  ins  innere  des  Körpers  al>- 
sendet.  Durch  letztere  entstehen 
verkalkte  Bitdun^^en,  die  als  in- 
nere Skelete  sich  mit  dem  äusse- 
ren combiniren.  Die  Verkalkung 
ergreift  nie  die  ganze  Dicke  des  Perisoms.  Immer  bleiben  die  ver- 
kalkten Tbeile  sowohl  innerlich,  als  auch  an  der  Oberflache   mit  einer 

Fig.  90.    Ansicht  des  Kstknclzes  aus  einer  Plolle  des  Haulskclets  eines  See- 
igels (Cidaris).     b  Durchschnitte  senkrecht   auf  das  horizontale  Netx   gericbleler 

Balken,     (MHüsig  starke  Verg rosse rung.]' 


Flg.  »0. 


•  •  •  •  • 


^»^|W 


Integament  und  Haiitokelet.  245 

dünnen,  weichen  Uautochicbte  ttbertogen,  die  sieh  jedoch  an  einzelnen 
Tbeilen  frtthieitig  aMtfsl,  so*  dass  die  verkalklen  Parthieen  zu  Tage  kom- 
mea,  wie  dies  z.  B.  an  den  slachelfbmiigen  Gebilden,  sowie  an  an- 
deren Voreprttngen  des  Kalkskeleis  regelmässig  geschieht. 

Die  Ablagerang  des  Kalks  in  die  Integunienischichte  geschieht  im- 
mer in  regelmässiger  Form.  Es  entstehen  zierliche  giUer-  oder  netz- 
förmige Stractoren  (vergl.  Fig.  90) ,  in  deren  Zwischeorttumen  weiche 
or^nisobe  Substanz  sich  forterhält.  Auch  die  solidesten  Skeletatttcke 
werden  so  yod  Weichgebilden  durchzogen,  und  da,  wo  die  Bildung 
des  Kalkskelets  nur  durch  vereinzelte  mikroskopische  Einlagerungen 
repräsentirt  wird,  erscheinen  die.se  meist  in  bestimmter  Gestalt,  cha- 
rakteristisch für  Gattungen  und  Arten. 

Das  Kalkskelet  der  Larven  bildet  einen  meist  aus  einem  Gerüste 
lierlicb  zusammengefügt«',  zuweilen  gilterförmig  durchbrochener  Stäbe 
gebildeten  Stützapparat.  Es  findet  sich  in  den  Classen  der  EchinoYden 
und  Ophiuren  verbreitet,  sowie  auch  bei  den  Larven  der  HolothuroYden 
Kalkgebilde  vorkommen.  In  dem  Vorhandensein  eines  Kalkskelets  bei 
den  Larven  ist  zwar  das  beim  Echinoderm  sich  ausprägende  Verhalten 
im  Allgemeinen  gegeben,  allein  dabei  ist  nicht  zu  übersehen,  dass 
jenes  Larvenskelet  der  Form  der  Larve  entspricht  und  nicht  jener  des 
Echinoderms,  wie  denn  auch  kein  Tbeil  von  ihm  bleibend  in  die  Echi- 
Dodermanlage  übergeht. 

Beztlglich  des  speciellen  Verhaltens  des  Uautskelets  ist  für  die 
Asteroiden  das  Vorkommen  beweglich  unter  einander  verbundener 
Stücke  an  der  Ambulacralfläche  der  Arme  charakteristisch.  Vom  Munde 
bis  zur  Armspitze  besteben  '  quergelagerte  Paare  sich  aiimähiich  ver- 
jüngender Kalkstücke,  und  bilden  die  Grundlage  einer  Furche, 
der  Tentakelrinne.  Die  einzelnen  StUcke  bedingen  durch  Gelenkver- 
bindungen eine  Gliederung  und  zwischen  den  soliden  Gliedern  treten 
die  SaugfUssoben  hervor.  Daher  werden  diese  Kalkstücke  als  Ambu- 
lacralplatten  bezeichnet.  Da  aber  in  dieser  Furche  noch  bestimmte 
Weichtheile  (Ambulacralcanal  und  Nerven)  eingebettet  sind,  so  er- 
scheinen die  bezüglichen  Gliedstücke  nicht  als  reine  ilautskelettheile. 
An  den  Seitenrändern  der  Furche  steht  das  Skelet  mit  dem  den  Rücken 
der  Arme  überkleidenden  Hautskelete  in  continuirlicher  Verbindung, 
und  hier  zeigen  sich  häufig  Tafeln  oder  Schilder  in  einfachen  oder 
mehrfachen  Längsreihen.  Diese  auch  durch  Höcker  vertretenen  Bil- 
dungen setzen  sich  zuweilen  auf  das  Integument  der  Antiambulacral- 
fläche  des  Körpers  fort,  oder  dieses  ist  durch  netzförmige  Kalkablage- 
rungen, und  kleinere  durch  unverkalkte  Perisomtheile  getrennte  Tu- 
berkel ausgezeichnet.  Im  Baue  der  Arme,  namentlich  durch  den  Besitz 
einer  Ambulacralfurche  schliesst  sich  Brisinga  an  die  Seesterne  an. 


216 


Ecbinodermea. 


Den  Rand  der  Arme  bilden  inaDuicbfalti^e  grössere  PlaUenstUcke, 
ßaadplallen,  die  bäuHg  durch  Slacbeln  und  andere  Fortsätze  ausge- 
seichnet  sind. 

Die  Inlegumentbildung  der  Ophiureo  schliesst  sich  an  die  der 
Asterien  an.  Selten  zeigt  die  antiambulacrale  Fläche  eine  ausgedehnle 
Entwickelung  von  Kalkplatlcn,  die  hier  in  der  Regel  nur  gegen  die 
Basis  der  Arme  zu  stehen.  Ebenda  sowie  um  die  Hundspalle  zeigt 
auch  das  ambulacrale  oder  ventrale  Integumenl  Ttlfelung  [Fig.  91).  Das 
feste  Gerüste  der  Arme  dagegen  entfernt  sich  in  mehreren  Sttlckeo  von 
jenem  der  Seesteme.  Die  den 
'■'''■  *'■  Ambulacralplatten    der   letilern 

homologen  Stücke  bilden  eine 
dichte,  den  Arm  fast  vollstän- 
dig füllende  Reihe,  und  lassen 
gegen  die  DorsalOäche  nur  einen 
engen  Canal,  auf  der  ventralen 
Fluche  eine  lur  Aufnahme  der 
Nerven  und  des  Ambulacml- 
canals  dienende  Kinne  tlbrig. 
Die  Leibesh&ble  mit  ihren  Gon- 
tentis  erstreckt  sich  daher  nicht 
in  die  Arme.  Sie  wird  durch 
den  erwHhnlen  Dorsalcanal  r©- 
praseniirl,  der,  wie  der  ganze 
Arm,  von  der  Integum entSchichte 
tiberkleidet  wird.  An  Stelle  des 
bei  den  Seesternen  weichen 
üeberiugs  der  Ambulacralfurclie 
'  wird  bei  den  Ophiuren  eine 
Reihe  fester  Kalkschilder  (Fig. 
91.  f)  gefunden,  zu  denen  noch 
andere  seitliche  Fortsätze  mann  Ich  faltiger  Art  hinzutreten. 

Auch  bei  den  Euryaliden  bii^t  die  lederartige  Kttrperbedcckung 
eine  von  ihr  ausgehende  und  wie  bei  den  Ophiuren  und  Seesternen 
der  oralen  KörperDüche  angehörige  Skeletbildung  aus  wirbetartig  an- 
einander gereihten  Kalktsfe leben,  die  vom  Mundrande  her  auf  die  Radien 
bis  in  deren  feinste  Ramificationen  forlgcset^t  sind.  Auch  hier  stellt 
dieses  Skelet  den  Boden  der  Ambulacraliinne  vor.  Auf  der  aboralcn 
Flache  wird  die  Körperscheibe  von  der  nur  mit  KalkkCroern  impräg- 
nirten  Haut  umschlossen ,  welche  von  da  auf  die  Arme  Übergeht  und 
dieselben  bis  an  den  Rand  der  ventralen  Rinne  Uberkieidet. 

Fig.  91.  Kürporscheibe  einer  Oph iure  (Ophiolhrix  fragilis)  von  der  oralen 
Fläche ,  mit  deu  Basen  der  5  niil  älachelii  besetzten  Arme.  C  KCrperscheibc. 
B  Arme,  t  KslkpJallen,  welche  den  der  Tentskelrinne  der  Seeslerne  entspreciien- 
den  Caoal  bedecken,    g  Geoitalspalten.    d  kauplatten. 


IntagoiDeol  und  Haotskelet.  947 

In  grosser  Verbreiiuog  finden  sich  höcker-  und  stacbelartige  Fort- 
Sätze  des  Inlegamentes,  welche  der  mannicbfaltigslen  Art  sein  können. 
Auch  in  der  Gruppining  dieser  Gebilde  wallet  grosse  Verschiedenheit. 
Eine  eigenthümliche  bei  Seestemen  verbreitete  Form  sind  Bttndei  be- 
weglicher Stachehi  auf  gemeinsamem  Stiele  (Paxillen).  Bezüglich  der 
Pedicellarien  siehe  §  464. 

§  463. 

Eine  bedeutende  Modification  dieser  Hautskeletbildong  tritt  bei  den 
GrinoYden  auf.  Das  dorsale  Integument  sieht  sich  in  einen  Stiel 
aos,  mit  dessen  Ende  die  Thiere  festsitzen.  Regelmässige  auf  einan- 
der liegende  Kalkpldttchen  bilden  das  Stielskelet,  und  verbinden  sich 
mit  plafttenfttrmigen  BasaistOcken,  an  welche  andere  Kalktafeln  zur  Um* 
grenzung  des  Kdrpers  sich  anschliessen.  Diese  Kalkplatten  fehlen  nur 
den  Comatulen,  bei  denen  ein  einfaches  knöpf Ittrmiges  Stück  die  Ver- 
bindung des  Stielskelets  mit  dem  Körper  vermittelt.  —  Sowohl  auf 
den  durch  Dichotomie  verzweigten  Aesten  der  Arme  (Pentacrinus),  als 
auch  an  den  alternirend  an  den  Armen  stehenden  seitlichen  Anhangen 
(Pinnuiae  der  Comatula)  verlttuft  die  Ambulacralfürche  und  erstreckt 
sieh  mit  der  des  Nachbararmes  verbunden  an  der  ventralen  Fläche  des 
kelchförroigen  Körpers  bis  zum  Munde  bin.  Der  auch  hier  das  Skelet 
aberziehende  weichbleibende  Theii  des  Integuments  zeigt  überall  Ein- 
lagerungen von  Kalktafelchen.  Das  bei  den  Seestemen  mit  der  Bil- 
dung der  Ambulacralrinne  auftretende  innere  Skelet  erlangt  mit  der 
grosseren  Diflerenzirung  der  Arme  das  Uebergewicht  über  das  äussere^ 
welches  sich  nur  an  der  Dorsalflfiche  des  Körpers  selbständig  forterhält 
und  in  der  Bildung  des  GrinoYdenstiels  eine  einseitige  Entfaltung  er- 
reicht. Es  verbindet  sich  jedoch  unmittelbar  mit  dem  äusseren,  in- 
dem die  Leibeshöhle  sich  nicht  mehr  in  die  Arme  fortsetzt,  oder  vielmehr 
nur  durch  einen  feinen  Ganal  repräsentirt  wird. 

§  «64. 

Die  Vei^nderung  des  Hautskeletes  der  EchinoYden,  und  damit 
auch  deren  Körperform,  im  Vergleiche  mit  den  Ästenden  besteht  der 
Hauptsache  nach  in  Folgendem:  Zunächst  findet  sich  eine  Verkalkung 
des  oralen  (ventralen)  Perisoms,  nämlich  des  die  Ambulacralrinne  und 
die  darin  gelegenen  Weichtheile  deckenden,  bei  den  Seestemen  weich 
bleibenden  Ascbnittes.  Statt  der  beweglich  verbundenen,  Metameren 
darstellenden  Gliedstücke  sind  äusserlich  verkalkte  Platten  in  verschie- 
dener Art  der  Verbindung  vorhanden. 

Bei  den  sogenannten  regulären  Seeigeln  (Desmosticha)  erscheint 
der  dem  dorsalen  oder  aboralen  Perisom  der  Seesteme  homologe  Ab- 
schnitt als  eine  unansehnliche,  durch  kleine,  locker  mit  einander  ver- 
bundene Kalkplättchen  ausgezeichnete  Fläche,  auf  der  excentrisch  der 


i\  8  Ectiinoclermen. 

After  (Fig.  9*.  x)  galagerl  ist.  Dies«  die  Miilu  des  st^enaüiiien  Api- 
calpols  der  Seeigel  eiDnehmende  Flüche  isl  von  grosseren,  die  Aus- 
münduog  der  Gcscblechlsorgane  tragenden  Kiilliplaiteii,  deu  Genital- 
platleo  (^j,  um^ben ,  davon  eine  als  Madroporeuplalte  (m)  bezeichnet 
wird.  An  diese,  zum  Thcil  sich  zwischen  sie  einschiebend,  reihsn  sich 
wieder  fünf  Stucke  (Inlergenitalplatten)  {ig],  und  von' diesen  ausziehen 
runf  Reihen  von  Platl«npaaren  zur  Mundpolflilciie ,  von  feinen  OefT- 
Qungen  durchbohrt,  durch  welche  die  SaugfUsschen  nach  innen  com- 
municiren.  Es  sind  die  AmhulacralplatUin  (a),  welche  die  Ainbulacral- 
felder  zusammensetEcn.  Die  Anibulacra treiben  des  verkalkten  Perisoms 
der  Seeigel  sind  homulo};  dem  bei  den  Seeslerncn  weich  bleibenden 
Perisoni,  welches  die  Anibutacralfurche  der  Arme  an  der  Venlralfläche 
deckt.  Die  zwischen  den  Ambuiücralfeldorn  liegenden  und urcb bohrten 
Piatt«nreihen  —  lnt«rambulacralf eider  (Fig,  92.  i]  —  sind  den  Band- 
platten der  Seeslem-Amic  homolog.  Wie  die  Ambulacralplalten ,  so 
bilden  iiuch  die  Interambulacralplalten 
*'i8>  9>-  paarige    Reiben.      Bei    Seeigeln    früherer 

Perioden  ist  die  Zahl  der  letzteren  eine 
grossere  gewesen ;  es  sind  solche  mit  3, 
5 ,  bis  7  Reihen  in  einem  Inlerambula- 
crslfelde  bekannt. 

Die  Verbindung  der  Platt«nstUcke 
unkri'  einander  bietet  verschiedene  Ver- 
hältnisse dar.  Wie  bei  den  Seesl«rnen 
die  Kalkplatten  des  Perisoms  durch  be- 
wegliche Verbinilungen  Form  Verände- 
rungen des  Körpers  gestatten,  so  bestand 
auch  In-I  den  Seeigeln  ein  iihnlieher  Zu- 
stand, wie  schuppenartigtt  Ptatlen.slUcke  fossiler  Seeigel  scbliessen 
lassen.  Diese  bilden  ein  reales  Zwischenglied  zu  hypothetischen  zur 
Seesternform  fuhrenden  Zustünden. 

Von  der  regulären  Form  des  llautskelels  der  FlchinoYden  bilden 
sich  mehrere  wichtige,  nicht  mehr  unmittelbar  mit  dem  hei  den  See- 
stemen  gegebenen  Verhalten  vergleichbare  Modilicationen ,  welche  von 
einem  Verschwinden  des  Bestes  des  primitiven  Dorsal- Perisoms  be- 
gleitet sind  und  sich  im  L'ebergange  der  Badiürform  in  andere  Formen 
ausdrucken.  Die  Ambulacralfelder  erstrecken  sich  nicht  niehr  gleich- 
müssig   vom  Munde  zum   Blicken ;   sie   bcsclirünkea   sich   bei   Spatan- 

Fig.  Sl.  Apicalptrf  der  Schale  eines  Ecliiiius  mit  den  obsren  Enden  der 
Plaltenreiben.  a  Ambulserairelüer.  i  IiileremüulacrBlfeldcr.  ^  tienilalplatlon.  igUt- 
IcrKonilalploltcn.  m  Kino  ala  Ma(lreporcn[ilulle  (^rschcinciitlu  Genital [ilalto.  x  Aflcr- 
ölTniing  In  dem  von  den  Gcnitalplatlcn  uojgobencn  Apicairddi;.  —  Diu  llOtker  der 
Planen  sind  aar  auf  einem  hiluiambulacrslfeldu  und  ciavm  Ambulacral Felde  ffi- 
zBicbnel,  auf  lelzlerem  sind  auch  die  Poreo  angedeutet,  auf  den  dbrigea  vieren 
weggelassen. 


Ifitegument  und  Htutokelet.  249 

^iden  uod  Clypeastriden  auf  eine  nur  auf  der  Dorsaiflüche  gelagerte 
fünfbläiterige  Rosette  (Ambulacra  petalotdea).  Damit  verbindet  sich 
zuQieisl  eine  Yermindeniiig  der  bei  den  regulären  Seeigeln  noch  sehr 
zahlreichen  Platten,  sodass  bei  geringerer  Zahl  viel  grossere  Plattenstücke 
vorkommen. 

Die  bei  den  Se^temen  durch  das  Skelet  der  Arobulacralrinne  vor- 
gestellte innere  Skeletbildung  wird  bei  den  EchinoYden  durch  Fortsätze 
der  Ambulacralplalten  reprüsentirt.  Solche,  namentlich  bei  Cidaris 
ausgebildete  Portsätze  umfassen  sowohl  Nerven  als  Anibulaoralcanal, 
und  zeigen  damit  jene  Verwandtschaft.  Als  eine  hievon  unab- 
hängige Einrichtung  ist  das  den  Echiniden  und  Clypeastriden  zukom- 
mende Skelet  des  Kauapparates  anzuführen,  welches,  den  Anfangstheil 
des  Darmes  umgebend,  aus  einer  Anzahl  gerUstartig  zusammengefügter 
kalksUlbe  besteht. 

Mit  dem  Inieguroente  der  Seeigel  aind  wie  bei  den  Seesternen 
stachelartige  Fortsätze  verbanden,  die  jedoch  eine  grossere  Selbstän- 
digkeit erreichen,  da  sie  beweglich  sind.  Sie  articuliren  auf  beson- 
deren Proiuberanzen  der  Kalkplatten  und  besitzen  einen  besonderen 
Muskelapparat.  Form  und  Volum  der  Stacheln  ist  sehr  verschieden, 
bald  sind  sie  haarartig  fein  (Spatangen) ,  bald  keulenförmige  Gebilde 
(Acrociadia)  oder  lange  Spiesse  (Cidaris}. 

Andere Hautorgane  eigenthttmlioher Natur  sind diePedicellarien, 
die  sowohl  den  Seesternen  als  den  Seeigeln  zukommen.  Sie  besteheD 
aus  einem  stielartigen,  muskulösen  Integumentfortsatze ,  der  gegen  das 
Ende  durch  ein  feines  Kalkskelet  gestützt  wird  und  in  zwei  bis  drei 
zangenartig  gegen  einander  bewegliche  Klappen 
ausläuft.     Diese  besitzen  gleichfalls  ein  Kalkskelet.  Fig.  93. 

Bei  den  Echinofden  herrschen  die  dreiklappigen, 
bei  den  Ästenden  die  zweiklappigen  Formen  vor. 
Sie  finden  sich  über  den  ganzen  KOrper  zerstreut, 
bei  den  Seestemen  besonders  an  der  Basis  der 
Stacheln,  bei  den  Seeigeln  vorzüglich  auf  dem 
den  Mund  umgebenden  Perisom  vertheilt. 

Diese  KOrper  dürfen  als  derart  modi6cirte 
Stachelbildungen  gelten,  dass  der  nicht  vollständig  verkalkende  Stiel 
der  Pedicellarie.  dem  Stiele  einer  Asteriden - Paxilla  entspräche, 
das  auf  letatlLerer  befindliche  Büschel  von  Stacbelchen  aber  durch  die 
Arme  der  Pedicellarie  dargestellt  wird,  die  ähnlich  durch  Muskehi 
bewegt  werden,  wie  dies  bei  Echinidenstacheln  der  Fall  ist. 

§  165. 

Bei  den  HoIothuroYden  verliert  das  Integument  seine  Bedeu- 
tung als   Uautskelet.     Unzusammenhängende  Kalkeinlagerungen   in   die 

Fig.  9a.    Pedicellarien  von   Echinus  saxalilia.    A  Eine  Pedicellarie  mit 
offeaeo  Zangenarmen.     B  Mit  geachlosaenen  ZaügeaarmeQ.     (Nacti  Ekdl.) 


220  Ecbinodermen. 

derbe   Hautschichte   stellen    die    Kalkplalten    der    übrigen    Ecbinoder- 
men vor. 

Die  •  Kalkeinlagerungen  der  Haut  ergeben  bestimmte ,  meist  sehr 
regelmässige  Formen,  die  bei  den  Synapten  wie  bei  den  üolotburien 
charakteristisch  sind.  Zuweilen  bilden  sie  grössere  feste  Theile, 
wie  die  schuppenartigen  Gebilde,  welche  bei  Guvieria  die  der  Sohl- 
fläche    enlgegengesetzte    Bttckenfläche    des    Körpers    bedecken,     und 

welche,  wenn  auch  viel  kleiner,  aber  allseitig 
verbreitet  in  der  Haut  von  Echinocucumis  vor- 
kommen. 

Bei    den  Holothurien    erreicht  die  lederartige 
Bindegewebsschichte  eine  ansehnliche  Mächtigkeit. 
Becht  schwach  ist  sie   bei  den  Synapten.     Auch 
hier  lagern  Kalktheile  in    ihr    und   zwar  sind  es 
häufig  solche  von  bestimmter  Form,  wie  die  Kalk- 
rädchen der  Chirodoten,  oder  die  durchbrochenen 
Plättchen  (Fig.  94.   B] ,   weiche   die  Basen   ankerförmiger   Uakenstücke 
(A)    eingefügt   tragen.      Letztere   ragen    aus   dem  Integumente  bervor 
und  bedingen  das  klettenartige  Haften  der  Synaptenhaut. 

Auch  den  Hololhuriden  kommt  eine  vom  Hautskelet  ausgebende 
innere  Skeletbildung  zu.  Sie  besteht  aus  einem  den  Schlund  um- 
gebenden Kalkringe,  der  den  Körpermuskeln  als  Insertion,  ancleren 
Organen  als  Stütze  dient.  Aus  10  gesonderten  Stücken  besteht  er  bei 
den  Holothurien,  12—15  besitzt  er  bei  den  Synapten.  Bei  den  ersteren 
alterniren  fünf  grössere  Stücke  mit  ebenso  vielen  kleineren  und  sind 
mehr  oder  minder  beweglich  mit  einander  verbunden.  Sie  sind  den 
Fortsätzen  homolog,  die  bei  den  Seeigeln  vom  Mundrande  der  Schale 
aus  nach  innen  treten.  Wie  diese  bieten  sie  bei  Synapten  Oeffhungen 
zum  Durchlasse  von  Neiden-  und  Ambulacralcanälen ,  die  bei  den  Ho- 
lothurien durch  gabelförmige  Fortsätze  hervortreten. 


Muskelay  Btem . 

§  166. 

Die  Muskulatur  der  Ecbinodermen  ist  wie  bei  den  Würmern  mit 
dem  Integumente  und  den  davon  ausgehenden  Bildungen. verbunden. 
Auch  die  Anordnung  der  Muskulatur  ist  im  Wesentlichen  von  der  Ent- 
faltung des  Hautskelets  abhängig,  so  dass  sie  nur  da,  wo  der  Körper 
durch  Gelenkverbindungen  der  einzelnen  festen  Stücke  (AsteroYden 
und  GrinoYden),  oder  beim  Bestehen  unzusammenhängender  Kalkab- 
lagerungen im  Integumente,  (Holothurien)  eine  Veränderung  seiner 
Form  zulässt,   zu  einem   Systeme  von  Körpermuskeln  entwickelt  ist. 

Flg.  94.  il  Kalkanker.  BKalkplaite,  ersterem  zur  Befestigang  dienend ;  aus  dem 
Integumente  von  Synapta  Lappa.     (Nach  J.  Müller.) 


MuAkelsystein.    Nervensystem.  2S4 

Bei  den  AsteroYden  und  GrinoYden  ist  die  an  den  Armen 
sieb  vertbeilende  Muskulatur  wie  diese  selbst  gegliedert,  indem  sie 
die  Zwischenräume  der  soliden  Theile  des  Grundes  der  Ambulacral- 
rinne  ausfüllt.  Bei  den  GrinoYden,  deren  Armskelettheile  elastisches 
Gewebe  verbindet,  lagern  die  bezüglichen  Muskeln  auf  der  ambula- 
cralen  oder  Bauchflilche  des  Thiers,  und  dienen  vorzugsweise  zur 
Beugung,  indess  das  elastische  Zwischengewebe  der  Gliedstücke  streckend 
wirkt.     In  den  Pinnulae  der  GrinoYden  besteht  dieselbe  Einrichtung. 

Den  EchinoYden,  deren  Perisom  zu  einer  festen  aus  unbeweg- 
lich verbundenen  Stücken  bestehenden  »Schale«  erstarrt  ist,  ist  jene 
Muskulatur  rudimentär  geworden  ,  und  wir  finden  hier  nur  einzelne 
Muskeln  auf  der  Schale  zur  Bewegung  der  Stacheln  oder  stachelartigen 
Fortsätze,  die  sowie  die  im  Innern  des  Körpers  vorhandenen  nur  zur 
Bewegung  bestimmter  Organe  dienen,  wie  s.  B.  die  Muskeln  des  Kau- 
apparales  der  Seeigel. 

'Diesem  entgegengesetzte  Verhaltnisse  bieten  die  Holothurien 
dar,  bei  denen  der  Mangel  grosserer  Skeietstücke  eine  gleichmlissige 
Entwickelung  der  Muskulatur  gestattet.  Die  Verbindung  mit  dem 
Integumente  besteht  in  ausgesprochener  Weise.  Unter  der  Bindege- 
Wehsschichte  der  Haut  liegt  eine  Ringmuskclschichte ,  auf  welche  nach 
innen  zu  fünf  durch  verschieden  breite  Zwischenräume  getrennte  mus- 
kulöse, zuweilen  getheilte  Längsbänder  fFig.  104.  m)  folgen,  die  sich 
vorne  an  dem  bereits  ijhen  beschriebenen  Kalkringe  [R)  inseriren.  Die 
Verbindung  findet  an  den  fünf  zum  Durchlasse  der  Nerven-  und 
Ambulacralgefösse  durchbohrten  Stücken  satt.  Die  Ringschichte  ist 
nur  bei  den  Synapten  continuirlich ,  und  besitzt  bei  den  Holothurien 
radiale  Unterbrechungen,  so  dass  sie  eigentlich  nur  aus  interradialen 
Qoerfaserfeldem  besteht. 

n  ervenajvcani» 

§  467. 

Das  Nervensystem  der  Echinodermen  wird  in  seinen  Haupttheilen 
aus  einer  der  Zahl  der  Antimeren  des  Körpers  entsprechenden  Summe 
von  Stammen  dargestellt,  die  radial  verlaufend  und  ventral  gelagert,  um 
den  Sdilund  durch  Gommissuren  verbunden  sind.  Diese  Gommissuren 
entstehen  dadurch,  dass  jeder  der  die  Ambulacralgefiisse  begleitenden 
Nervenstämme  sich  in  der  Nähe  des  Mundes  in  zwei  Hälften  theilt,  die  nach 
beiden  Seiten  gehend ,  mit  den  ihnen  von  den  nächsten  Nervenstämmen 
entgegenkommenden  Strängen  verbunden  sind.  Dadurch  entsteht  ein  den 
Schlund  umgebender  Ring,  der  jedoch  nach  der  Art  seiner  Bildung 
nicht  mit  dem  Schlundringe  der  Würmer  verglichen  werden  darf. 
Jeder  der  radialen  Nervenstämme  entspricht  vielmehr  der  ventralen 
Ganglienkette  oder  dem  Bauchmarke  der  Annulaten,  die  Gommissuren 
xwischen  mehreren  solchen  Stämmen  sind  also  Verbindimgen  des  Bauch- 


282  Echinodermen. 

markSy    die    aus    der   Goncrescenz  mehrerer  unvollstfindig  gelrennier 
Personen  hervorgehen. 

Von  den  NervensUimmen  entspringen  jederseils  zahlreiche,  vor- 
züglich für  die  verschiedenartigen  Ambulacralgebiide  bestimmte  Zweige. 
Bei  den  Crino'rden  und  Asteroiden  liegen  die  radialen  Nerven- 
stämme ausserhalb  des  Ambulacralskelets  der  Arme,  und  zwar  bei 
den  ersteren  unter  der  von  Weichtheilen  gebildeten  und  nur  von 
Kalkplattchen  gestützten  Ambulacrairinne,  wo  sie  am  Ursprünge  jeder 
Pinnula  eine  kleine  Anschwellung  zeigen.  Von  den  Bauchschildem 
der  Arme  verdeckt  verlaufen  die  Nervenstämme  der  Ophiuren, 
während  sie  bei  den  eigentlichen  Seesternen  in  die  nur  von  Weich- 
theilen ausgekleidete  Ambulacralrinne  sich  einbetten. 

Bei  den  letzteren  entspricht  das  Verhalten  des  Nervensystems  der 
mindest  veränderten  Form. 

Das  Nervenpentagon  der  Echinol'den  ist  bei  der  mit  einem 
Rauapparate  versehenen  Gruppe,  dem  letzteren  eng  angelagert.  *  Bei 
Echinus  liegt  es  (Fig.  95)  über  dem  Boden  der  Mundhöhle,  zwischen 
dem  Oesophagus   und  den  Spitzen  der  Stücke  der  Kauapparates,   und 

wird    durch     fünf    Bandpaare    in     dieser 
Fig.  95.  Lage  befestigt.     Die  Nervenstämme  (c)  he- 

geben sich  von  den  Ecken  des  Pentagons  in 
die  Zwischenräume  der  Pvramidenstttcke, 
und  verlaufen  von  hier  aus  über  die 
Mundhaut  hinweg  zu  den  Ambnlacralfel- 
dern.  In  der  Mitte  ihres  Verlaufes  zeigen 
sie  eine  starke  Verbreiterung,  und  eine 
Medianfurche  theilt  sie  in  zwei  Seitenhälften. 
Die  von  den  Hauptslämmen  abgehenden 
Seitenäste  begleiten  die  Aeste  der  Ambu- 
lacralgefässe.  Aehnlich  ist  die  Anordnung 
des  Nervensystems  der  Spalangen,  doch 
bildet  der  Mundring  ein  ungleichschenkliges  Pentagon. 

Der  Nerven  ring  der  Holothurien  liegt  dicht  vor  dem  Kalkringe, 
etwas  nach  innen  von  ihm,  und  wird  nach  vorne  von  der  Mundhaut 
begrenzt  (Fig.  401.  n).  Da  er  —  verschieden  von  dem  Nervenringe 
der  Seesteroe  und  Seeigel  —  stärker  ist  als  jeder  der  aus  ihm  her- 
vortretenden fünf  Nervenstämme  (Fig.  401.  n'),  so  mag  ihm  mit  grosserer 
Bestimmtheit  die  Bedeutung  eines  Gentralorganes  zukommen,  und  darin 
einige  Aehnlichkeit  mit  dem  ganglionären  Schlundringe  anderer  Thiere 
zu  erkennen  sein.     Dass  mit  solchem  jedoch  keine  Spur  einer  wahren 

Fig.  95.  Nervensystem  von  Echinus  lividus,  der  Kauapparat  ist  entfernt. 
a  Qaerdurchschnittener  Oesophagus,  b  Die  Commissuren  der  Nerveostämme»  einen 
pentagona ien  Schlundring  darstellend,  c  Die  nach  den  Radien  verlaufenden  Nerven- 
sUmme.  d  Bänder,  welche  die  Spitzen  der  Pyramiden  des  Kauapparates  aneinan- 
der heften.     (Nach  Krohv.) 


Sinnesorgane.    Bxcretionsorgane.  £28 

Homologie  besteht,  wird  aus  der  oben  bei  den  Seesternen  aDgefÜhrteo 
Genese  des  Echinodermen- Schiandringes  verständlich.  Die  periphe- 
rischen Mervenstämme  treten  dnrch  OeShungen  der  fünf  grosseren 
Stucke  des  Kalkringes,  und  verlaufen  dann  breiter  werdend  und  mit 
eioer  Mediaofurche  versehen  auf  den  Langsmuskelbflndern ,  unter  Ab* 
gäbe  feiner  Zweige  bis  zum  Hinterieibsende,  wo  ihre  Breite  in  der 
Gegend  der  Cloake  wieder  abnimmt.  Ausser  diesen  radialen  Stammen 
sendet  der  Mundring  auch  Tentakelnerven  ab. 


fifameaorgane. 
§  468. 

Bestimmte  Tbeile  des  Integumentes  erreichen  auch  hier  eine  beson- 
dere Bedeutung  für  den  Tastsinn.  Ausser  den  mit  dem  Wasserge- 
fäissysteme  in  Verbindung  stehenden  Saugfüsschen  können  noch  die 
Tentakelgebilde  als  Tastorgane  hieher  gesahlt  werden,  denen  mit 
der  Beschränkung  des  Ambulacralsystems  bei  den  Uolothurien,  be- 
sonders bei  den  Synapteo,  eine  voluminösere  Entfaltung,  und  dadurch 
eine  höhere  Bedeutung  sukommt. 

Als  GehOrwerkseuge  sind  bei  Synapten  fünf  Bläschenpaare 
beschrieben  worden,  die  an  den  Ursprüngen  der  radialen  Nervenstämme 
gelagert  sind.  Sie  sind  ebenso  problematische  Sinnesorgane,  wie  die 
sogenannten  Augenflecke  dieser  Gattung. 

Sehwerkzeuge  wurden  nur  bei  den  Asteriden  näher  bekamit, 
während  bei  den  übrigen  Echinodermen  blosse  Pigmentanhäufungen  als 
Augen  oder  »Augenfleckec  gedeutet  werden.  Die  Augen  der  Seesteme 
lagern  an  der  gewöhnlich  aufwärts  gebogenen  und  damit  dem  Lichte 
zugekehrten  Spitze  jedes  Armes  auf  einer  polsterartigen  Erhebung  des 
Endes  der  Ambulacralrinne.  Sie  bestehen  aus  sehr  vielen  oberflächlich 
sphärischen  KOrpem  (Krystallstäbchen?),  deren  jeder  von  einer  Pigment- 
hülle  umgeben  ist,  die  auf  einer  kugeligen  oder  halbcylindrischen 
Markmasse  eis  der  Grundlage  des  Augenpolsters  ruht;  zu  diesem 
tritt  das  Ende  des  Ambulacralnerven«  Das  ganze  Aug^  bedeckt  eine 
Epitheilage  mit  einer  Cuticula.  Es  bestehen  also  hier  Augenformen^ 
welche  nach  Analogie  der  einzelnen  Würmern  und  den  Gliedertbieren 
zukommenden  als  zusammengesetzte  zu  betrachten  sind. 


Sxoretlonaorffane. 
§  169. 

Die  unter  cien  Ringelwürmem  verbreiteten  Einrichtungen  der  Se- 
gmentsdorgane  oder  Schleifencanäle  kommen  bei  den  Echinodermen  nicht 
mehr  vor,  dagegen  6ndet  sich  wenigstens  in  einigen  Abtheilungen  der 


224  Gchinodermen. 

letzteren  eine  Reihe  von  Organen ,  welche  vielleicht  auf  die  bei  man- 
chen Gephyreen  bestehenden,  wahrscheinlich  excretorisch  fungirenden 
Organe  bezogen  werden  dürfen,  und  wie  diese  mit  dem  Darme  ver- 
bunden sind.  Obschon  eine  Yergleichung  zwischen  beiderlei  Organen 
keineswegs  unmöglich  erscheint,  so  ist  sie  doch  bei  der  bis  jetzt  noch 
sehr  wenig  genauen  anatomischen  Kenntniss  der  wesentlichsten  Puncte 
jener  Theile  vorläufig  noch  zurückzuhalten. 

Ich  zog  daher  vor  jene  Organe  mit  dem  Darmcanal  aufzuführen, 
dessen  Endabschnitt  sie  angefügt  sind  (vergl.  §  173).  Uebrigens  darf 
es  auch  für  höchst  wahrscheinlich  gelten,  dass  dem  sogenannten  Wasser- 
gefässsysteme  zugerechnete  Einrichtungen  ursprünglich  excretorische 
Organe  waren,  in  Uebereinstimmung  mit  jenen  der  Würmer. 

DarmoanaL 

Das  bei  den  ausgebildeten  Echinodermen  sehr  verschiedenartige 
Verhalten  des  Nahrungscanais  besitzt  im  primitiven  Darmrohr  der 
Larvenform  eine  einfachere  für  alle  Echinodermen  übereinstimmende 
Vorbildung.  Dass  auch  jene,  deren  Entwickelung  zusammengezogen 
ohne  den  typischen  Larvenzustand  verläuft,  nicht  hieher  gezählt  werden 
können,  wird  begreiflich  sein. 

Die  erste  Anlage  des  Darmes  erfolgt  als  eine  Wucherung  der  den 
Körper  der  jungen  Larve  überziehenden  peripherischen  Zellscbichte. 
Daraus  geht  allmählich  ein  in  den  Körper  eingesenkter  Blindschiauch 
hervor,  dessen  Wände  das  Entoderm  bildet,  während  die  äussere 
Zellschichte  das  Ectoderm  repräsentirt.  Eine  Oeffnung  dient  als  Mund 
und  After.  Bald  wächst  gegen  das  blinde  Darmende  von  einer  Seite 
des  Körpers  her  eine  zweite  Einbuchtung  aus,  die  sich  mit  dem  Darme 
vereinigt,  hohl  wird,  und  so  mit  dem  erstgebildeten  Stücke  ein 
Gontinuum  bildet.  Die  letztgebildete  Abtheilung  soll  den  Mund  und 
den  damit  zusammenhängenden  Oesophagus  vorstellen,  die  erstge- 
bildete  den  Mittel-  und  Enddarm.  Der  spätere  After  und  der  darak 
verbundene  Darmtheil  wäre  somit  das  vom  gesammten  Darme  suersi 
Gebildete. 

Der  Larvendarm  setzt  sich  aus  drei  Abschnitten  zusammen.  Eine 
weite  MundöiTnung  führt  in  eine  in  der  Längenaxe  des  Körpers  liegende 
contractile  Röhre,  die  als  Schlund  oder  Oesophagus  bezeichnet  wird. 
Dieser  Abschnitt  bildet  den  Munddarm.  Darauf  folgt  ein  weiterer  Theil, 
der  Mitteldarm  oder  der  Magen,  der  sich  in  ein  engeres,  retortenförmig 
gekrümmtes  Rohr  auszieht,  welches  als  Enddarm  sich  zum  After 
begibt.  Diese  drei  Abschnitte  entsprechen  genau  der  primitiven  Gliede- 
rung des  Darmes,  die  bei  fast  allen  Wt^rmem  unterscheidbar  ist.  (Vergl. 
Fig.  85.  A  B.)  Mund  und  After  liegen  anfänglich  auf  verschiedenen 
Flächen   des  Larvenkörpors.     Mit  der  Differenzirung  der  Körperfomi, 


DarmcMitL  {25 

besonders  durch  Ausbildung  der  Wiroperschnur,  kommen  sie  scheinbar 
auf  eine  und  dieselbe  Fläche,  die  sogenannte  Vorderseite,  zu  liegen. 
Es  ist  jedoch  leicht  ersichtlich,  dass  die  Wimperschnur  zwei  Körper- 
flachen  deutlich  trennt:  eine  beschranktere  Mundflache,  und  eine  aus- 
gedehntere, gegen  erstere  umgeschlagene  Afterfl^che. 

Bei  der  Bildung  des  Echinodermenleibes  in  der  Larve  und  theil- 
weise  aus  ihr,  geht  der  Larvendarm  nicht  vollst^tndig  in  ersteren  über. 
Das  entstehende  Perisom  umwächst  zunächst  dessen  Mittelslück,  und 
nimmt  bei  den  Seestemen  nur  dieses  und  den  Enddarm  in  sich  auf. 
Bei  den  Seeigeln  scheint  auch  der  After  neu  gebildet  zu  werden. 
Endlich  soll  bei  den  Holothurien,  deren  Darmanlagc  bei  der  vollsUin- 
digen  Umwandlung  der  I«arve  in  das  Echinoderm  ganz  in  den  Darm 
des  letzteren  übergeht,  gleichfalls  eine  Neubildung  des  Mundes  vor 
sich  gehen. 

Die  Verdauungsorgane  lagern  später  in  einer  oft  weilen  Leibeshöhle 
und,  ergeben  in  ihrer  Differenzirung  verschiedene  im  Allgemeinen  an 
das  Verhalten  des  Perisoros  sich  anschliessende  Stufen.  Eine  Trennung 
in  einseloe  Abschnitte  fehlt  zwar  nie,  ist  aber  im  Ganzen  wenig  anders 
markirt,  als  durch  Verschiedenheit  des  Lumens.  Der  Mund  besitzt 
eine  centrale  Lagerung  auf  der  ventralen  Körperfläche.  (Vergl.  Fig. 
87.  88.  89.  A  o]  bietet  jedoch  mit  anderen  Umbildungen  des  Leibes 
zusammenhängende  mannichfache  Lageveränderungen  dar. 

Bei  den  Seesternen  besitzt  die  MundöflTnung  eine  radiäre  Gestalt, 
indem  interradiale  Vorsprünge  gegen  sie  einragen.  Harte,  vom  Perisom 
gebildete  Papillen  und  Stacheln  sind  gegen  die  Mundöfl'nung  gerichtet 
und  fungiren  als  Kauwerkzeuge.  Sie  sind  besonders  bei  den 
Ophiuren,  meist  in  mehreren  übereinander  liegenden  Reihen  ausge- 
bildet (Fig.  94.  d).  Das  Hautskelet  liefert  also  hier  die  Organe  zur  Zer- 
kleinerung der  Nahrung.  Vom  Munde  beginnt  eine  kurze  weite  Speise- 
röhre, die  sich  in  einen  die  Mitte  des  Körpers  einnehmenden  weiten 
Magen  fortsetzt. 

Ein  blind  geschlossener  Sack  bleibt  der  Magen  bei  den  Ophiuren 
und  einer  Abtheilung  der  Ästenden  (Astropecten ,  Luidia) ,  denen  eine 
Afteröffnung  fehlt.  Doch  zeigt  er  bei  allen  AsteroYden  Ausbuchtungen, 
und  vor  allem  blindsackartige  Anhänge,  die  bei  den  Ophiuren  durch 
radiäre  Einschnürungen  angedeutet  sind.  Die  Magenblindsäcke  der 
Seesteme  erstrecken  sich  paarweise  in  die  Arme,  als  dünnwan- 
dige dicht  mit  seillichen,  zuweilen  wieder  ramificirten  Anhängen  be- 
seUte  Schläuche  (Fig.  96.  A) ,  die  in  der  Regel  vor  der  Einmündung 
in  den  Mag^n  paarweise  zu  einem  Ganale  vereinigt  sind.  Diese  Strecke 
repi^sentirt  einen  unpaaren  Abschnitt  des  jedem  Antimer  (Arm)  des 
Seestemes  zukommenden  Darmantheiles,    von    dem  die  Blindschläuche 


286 


Ecbinodeni 


den  paarigen  Abschnill  vorstellen.  Hütt  man  die  Vorstellung  von  der 
oben  |§  1ä6j  vorgeiragcnen  Eotslehung  des  Echinodermentypus  aufrecht, 
so  wird  in  diesen  deo  Seesternen  zukommenden  Darmtheilen  der 
primitive  Üaim  des  Organismus  lu  sehen  sein,  der  mit  andern  gleich- 
artigen an  der  Larve  sprossle  und  mit  jenen  wie  bei  einem  Thier- 
stocke  verbunden  blieb. 

Eine  fernere  Modilication    besitzt   das  Darmrohr   der   Crinolden 
(Comatulf)],  indem  der  um  eine  in  die  l.eibeshtthle  ein  regende  Kai  kspiodel 
gewundene  Magendarm,  von  einer  an  letzlerer  vorspringenden  Leiste  eine 
Strecke  weit  derart  eingestülpt  wird,    dass  sein  Lumen  in   zwei  tiber 
einander     gelegene ,      jedoch 
PI     gg  nicht    völlig    getrennte    Ab- 

schnille  sich  theilt.  Der  Darm 
beschreibt  so  eine  Spiralt«ur 
und  geht  mit  seioem  engeren 
kurzen  Endstücke  in  die  in 
der  Nithe  des  Hundes  inier- 
radial  gelagerte,  rtihrenfOrmig 
vorragende  Aflerötrnung  Über. 
Dieses  durch  die  Winduog 
scheinbnr  sehr  abweichende 
Verhalten  wiederholt  d»s  bei 
jungen  Seesternen  gegebene. 
Die  Windung  des  Darmrohrs 
ist  hier  zum  bleibenden  Zu- 
stande ausgebildet,  wtthrend 
bei  den  Ästenden  sie  Dar 
wtthrend  der  Enlwickelung 
des  Echinoderms  vorübergehend  bestand.  Die  Ausbildung  des  Darms 
nach  der  Badiärform  desKürpers  ist  auch  bei  allen  übrigen  EchiDodermeo 
aufgegeben,  und  so  harmoniren  diese  Verhältnisse  mit  der  Verschmel- 
zung der  Antimercn  zu  einem  einheitlichen  Organismus. 

Radiär  verlaufende  Käsern  befestigen  den  Darm  an  die  Kttrper- 
wnnd.  Eine  besondere  Verbindung  mit  derselben  Kitrperwand  be- 
sitzen die  radialen  ßlinddiirme  der  Seeslenie  durch  eine  ISngs  jedes 
derselben  sich  hinziehende  sogenannte  Peritonealduplicalur. 


Bei  den  EchinoTden  ist  die  HundttfTnung   gleichfalls   mit  Kau- 
werkzeugen ausgestalte),  die  aber  entfernter  von  der  Oberfläche  in 


Kig.  9«.  Asloriscus  veri 
t  Roseltenrormig  erweilarler  Dar 
Darms,    g  GeoltaldrUsen, 


jculalus,  von  der  DorsBlflache geölTnet.  a  After. 
1  [Magen),     h  Schlauchrormige  Radialaabange  des 


Darmcanal. 


227 


—  l-  U-    I 


t     *** 


m 


die  Leibestohle  eingelagert  sind.  Sie  stellen  dort  einen  bei  Clypeastriden 
aus  fünf  Paar  dreieckigen  KalkstUcken  gebildeten,  bei  den  Cidariden 
nod  Echiniden  viel  oomplicirteren  Apparat  vor.  Fünf  gegen  einander 
gerichlete  Stücke  tragen  eine  xahnartige  Spitze  und  sind  mit  mehr- 
fachen andern  zu  einem  als  Laterne  der  Aristoteles  bezeichneten 
Coroplexe  vereinigt,  durch  weichen  der  Oesophagus  hindurchtritt.  Das 
Darmrohr  beschreibt  immer  mehrere  Windungen,  ber  engere  Mund- 
darm geht  in  einen  weiteren  den  längsten  Darmtheit  vorstellenden  Ab- 
schnitt   über.       Er    besitzt 

bald  wenig   deutliche  Aus-  Fig.  97. 

buehtungen  (Echiniden) , 
bald  wirkliche  Blindsacke 
(Clypeastriden),  welche  (z.B. 
bei  Laganum)  in  die  von 
den  Stutzpfeilern  der  Kalk- 
schale abgegrenzten  Leibes- 
hohlräume einragen.  Längs 
des  ganzen  gewundenen 
Darmes  verlaufen  bei  den 
Seeigeln  »Mesenterialfasern« 
zur  Leibes  wand. 

Bei  den  Holothurien 
bildet  das  Darmrohr,  den 
Körper  an  Lange  übertref- 
fend, eine  Doppelschlinge, 
wahrend  es  bei  den  Syn- 
apten  (mit  Ausnahme  der 
Cbirodoten)  sich  mit  vielen 
Ausbuchtungen  gerade  durch 
die  Leibeshohle  erstreckt. 
Als  eine  besondere  DifTeren- 
zining  ist  ein  auf  den 
Oesophagus  folgender  mus- 
kulöser Darmabschnitt  zu 
beachten ,  der  besonders  bei 
Synapten  ausgedehnt,  als  Muskelmagen  zu  fungiren  scheint.  Ange- 
deutet ist  dieses  Verhalten  auch  bei  den  Soesternen,  deren  Oesophagus 
gieichfalla  eine  stärkere  Muskelwand  als  der  übrige  Darm  besitzt.  Dem 
Magen  der  Seesteme  entspräche  somit  l>ei  den  Holothurien  der  hinter 
dem  muskulösen  Abschnitte  gelegene  Darm.  Das  Darmende  geht  bei 
den  Holoihurien  in  eine  Erweiterung  über,  die  obwohl  als  Cloake  be- 

Fig.  VI.    Darmcanal  und  baam  form  ige  Organe  einer  Hololhurie.     o  Mund. 
t  Dannrobr.     d  Cloake.     a    Afler.     c    Verastelter    Sieincana),    p   Poli'sche   Blase. ^ 
rr  Baumförmige  Organe,     r*  Vereinigung  derselben  an  der  Einmündeslelle  in  die 
Gioake.    m  Längamasknlalur  des  Körpers. 

4  5» 


228  Echinodermen. 

zeichnet,  doch  nur  dem  Enddarme  der  Astenden  entspricht,  und  zwei 
oder  mehrere  baumartig  verzweigte  Organe  aufnimmt. 

Eine  siebförmig  durchbrochene  Lamelle  befestigt  den  Darm  an  die 
Leibeswand.  Einfacher  ist  dieses  Mesenterium  bei  den  Synapten  mit 
geradem  Darmcanale,  während  es  sich  bei  Ghirodota  nach  den  Slrecken 
der  Darmschlinge  in  drei  je  einem  interradialen  Abschnitt  der  Leibes- 
wand zukommende  Theile  gesondert  hat. 


Anhanffsorgane  des  Darmcanals. 
§  473. 

Als  solche  durch  einen  am  primitiven  Darm  auftretenden  Son- 
derungsvorgang entstandene  Gebilde  konnten  die  schon  oben  aufge- 
führten radialen  Blindschläuche  der  Seesterne  gelten,  wenn  dieselben 
nicht  in  phylogenetischer  Hinsicht  anders  zu  beurtheilen  wären.  Ich 
rochne  daher  bei  den  Seesternen  nur  andere,  interradiale  Blind- 
schläuche  hieher,  die  in  sehr  verschiedener  Ausbildung  vorkommen. 
Bei  den  afterlosen  Seesternen  fehlen  sie,  oder  sind  auf  Sl  reducirt 
(Astropeclen) ,  dagegen  sind  sie  bei  den  anderen  oft  sehr  ansehnlich 
ausgebildet.  Archasler  zeigt  fünf  gegen  das  Ende  zu  sogar  getbeilte 
Blindsäcke,  und  bei  Culcit^  ist  die  Theilung  noch  weiter  vorgeschritten, 
so  dass  jeder  Ast  einen  traubig  gelappten  Schlauch  vorstellt. 

Dadurch  erscheinen  diese  Anhänge  in  der  Gestalt  von  Drüsen, 
und  gewinnen  einen  Zusammenhang  mit  einer  bei  Holothuriden  ver- 
breiteten Einrichtung. 

Diese  wird  mit  dem  als  »Cloake«  bezeichneten  Endabschnitte  des 
Darmcanals  in  Verbindung  getroffen,  und  besteht  in  der  Regel  aus  zwei 
auf  einer  kurzen  Strecke  verzweigten  Hauptstämmen ,  die  sich  durch 
die  ganze  Länge  der  Leibeshöhle  nach  vorn  erstrecken  (Fig.  97.  r)  und 
mit  zahlreichen  ramificirten  Blindschläuchen  besetzt  sind.  Wenn  auch 
die  Function  dieser  früher  als  »Lungen«  bezeichneten  und  als  innere 
Athemorgane  gedeuteten  Organe  von  der  def  interradialen  Blindschlauche 
des  Seeslerndarmes  verschieden  ist,  so  kommen  sie  doch  wohl  morpho- 
logisch diesen  gleich  und  erscheinen  als  eine  Weitcrentwickelung  der 
bei  den  Asterien  meist  einfacheren  Schläuche. 

Die  Function  dieser  Organe  ist  keineswegs  sicher  gestellt.  Ihrer 
Auflassung  als  Athmungsorgane  stellt  sich  die  Thatsache  entgegen, 
dass  nur  eines  derselben  Zusammenhang  mit  dem  BlutgefUssnets  er- 
kennen liess,  indess  das  andere  nur  an  die  Körperwand  befestigt  in 
die  Leibeshöhle  ragt.  Immerhin  jedoch  ist  die  Thatsache,  dass  von 
diesen  Organen  Wasser  aufgenommen  und  vorzüglich  unter  BethUlfe 
der  stark  muskulösen  Wand  des  Enddarms  wieder  ausgestossen  wird, 
von  Wichtigkeit. 


Aohangflorgane  des  DarmcaoaU.    Geschlechtsorgaoe.  229 

Die  reichen  Veiüstelungen  dieser  Organe  reduciren  sich  bei  einzel- 
nen Holothurtden.  Bei  fusslosen  Gattungen,  wie  Molpadia  (H.  borealisj, 
sind  sie  nur  streckenweise  mit  verästelt«i  filindschlttuchen  besetzt, 
¥vährend  bei  anderen  wieder  eine  Vennehrung  vorkommt.  So  ist  bei 
M.  chilensis  nicht  nur  einer  der  Bänme  gctbeilt,  sondern  der  End- 
dann  tiügl  auch  noch  eine  Anzahl  kleinerer  Bilumchen.  Noch  einfacher 
erscheinen  sie  bei  Echinocucumis  (B.  typicus) ,  wo  sie  lange ,  dttnne, 
mit  nur  einem  kurzen  Aste  versehene  Schläuche  vorstellen. 

Den  Synapten  fehlen  die  baumartigen  Organe  der  Uolothuricn, 
dagegen  findet  sich  eine  bis  jetzt  nur  sehr  unvollständig  erkannte  Ein- 
richtuiig,  die  vielleicht  von  jenen  Organen  abgeleitet  werden  darf.  Es 
sind  längs  der  Mesenterialinsertion  vorhandene  in  Längsstämme  führende 
Ganäle,  die  mit  trichterförmigen  bewimperten  Mündungen  in  die  Leibes- 
höhle  sich  öffnen,  und  darin  auch  mit  Excretionsorganen  der 
Annolaten  übereinkommen. 

Ausser  den  baumartigen  Organen  kommen  dem  Enddarme  der 
Holothurien  noch  drttsentthnliche  Organe  zu.  Diese  CtviBii'schen  Organe 
zeigen  verschiedene  Formen,  und  erscheinen  bald  als  blinddarmförmige, 
unverzweigte  Röhren,  die  einzeln  oder  in  reichen  Büscheln  inserirt  sind 
(Bohadschia  u.  a.),  bald  als  traubige,  aus  zahlreichen,  mit  einem  Stiele 
verbundenen  Bläschen  bestehende  Gebilde  [Molpadia) ,  und  endlich 
fadenförmige  Canäle,  die  wirtelartig  mit  gelappten  DrUsenbUscheln 
besetzt  sind  (Pentacta  und  Muelleria) .  Bei  den  ächten  Synapten  scheinen 
sie  zu  fehlen  und  die  der  Holothurien  bedürfen  genauerer  Unter- 
suchung. 

Geaohleohtsorgane. 
§.   174. 

Die  bei  den  Würmern  so  verbreiteten  ungeschlechtlichen  Vermeh- 
rungsweisen sind  bei  den  Echinodermen  zurückgetreten,  nachdem  der 
Thierstamm  selbst  das  Product  einer  Sprossung  vorstellt.  Eine  An- 
deutung dieser  Zeugungsform  hat  sich  noch  bei  den  Ästenden  erhalten, 
freilich  in  ganz  anderer  Bedeutung :  als  Regeneration  verloren  gegange- 
ner Antiroeren   (Arme). 

Auch  in  der  geschlechtlichen  Differenzirung  findet  sich  ein  Fort- 
schritt angebahnt. 

Fast  alle  Echinodermen  —  nur  einige  sind  ausgenommen  —  sind 
getrennten  Geschlechtes  und  zeigen  in  der  Anordnung  der  Organe  eine 
(Jebereinstimmung  mit  der  radiären  Körperform.  Männliche  und  weib- 
liche Organe  zeigen  dieselben  einfacheren  Form  Verhältnisse,  und  sind 
nur  zur  Zeit  der  Reife  d^r  Geschlechtsproducte  leicht  unterscheidbar, 
indem  die  Ovarien  meist  durch  lebhaftere  Färbung  der  Eier,  gelb  oder 
roth,  vor  den  fast  immer  weiss  erscheinenden  Hodenschläuchen  aus- 
gezeichnet sind.     Die  Formelemente  des  Sperma  smd  ziemlich  überein- 


230 


Echinodermen. 


Fig.  98. 


slimiDcnd  fiidcnrurmigc  mit  einem  Köpfchen  versehene  Gebilde.  Der 
Bau  der  Apparale  isl  einfach.  Complicattonen  der  AusfUhrw^e  fehlen, 
und  ebenso  Begaltungsorganc ,  so  dass  das  umgebende  Wasser  bei  der 
Befruchtung  die  VermiltelungsroUe  spielt.  Im  Ganzen  besteht  eine 
grosse  UehereiDstiramung  mit  den  bei  WUrmem  vorhandenen  Bildungen 
In  Zahl,  Anordnung,  wie  auch  im  specielleren  Verhalten  der  Organe 
bieten  sich  die  niedersten  Zustände  bei  den  Asterofden  dar.  Hoden 
oder  Eierstocke  erscheinen  als  röhrenförmige  oder  gelappte  DrUsen- 
schlauche,  welche  bei  einigen  in  zwei  Reiben  angeordnet  eine  der  Me- 
tamerie  der  Arme  angemessene  Vertheilung  zeigen  (Ophidiaster,  Ar- 
chaster). Bei  anderen  treSen  auf  jeden  Arm  nur  zwei  Gruppen,  die 
sich  aber  längs  der  ganzen  Armcavität  ausdehnen  können,  endlich  er- 
scheinen sie  auf  den  Interradialraum  beschränkt  (Fig.  96.  g).  Uie  Ver- 
gleichung  dieser  Verhiiltnisso  lehrt  also  eine  allmähliche  Heduction  der 
Anzahl  der  Keimdrüsen  kennen ,  die  der  bereite  bei  den  Seest«rnen  statt- 
findenden allmählichen  Contra lisation  des  Organismus  entspricht.  Bei  den 
afterlosen  Seesternen  entbehren  die  Schläuche  der  AusfuhrAfTnungen,  und 
die  Zeugungs Stoffe  werden  in  die  KOrperhühle  entleert.  Auf  welchem 
Wege  sie  nach  aussen  gelangen,  isl  noch  unermittelt.  Bei  anderen 
Seeslernen  öffnen  sich  die  Keimdrüsen  auf  besonderen,  durch  feine 
OefTnungen  ausgezeichneten  Platten  (Sieb- 
platten) in  den  Inlerradien  des  Rtlckens 
nach  aussen,  oder  sie  zeigen  einen 
einfachen  AusfUhrgai^  mit  einer  spall- 
förmigen  Oelfnung  (Pterastor). 

Die  Anordnung  und  der  Bau  der  Ge- 
schlechtsoi^ane  der  Ophiuren  ist  jenen 
der  Seestemc  iihnlich.  Hermaphrodi- 
tische ZustJInde  sollen  vereinzelt  vorkom- 
men (Ophiurasquamata).  Die  Geschlechts- 
drüsen (Fig.  98.  g) ,  zu  zweien  in  jedem 
Inlerradialraum ,  sind  auf  die  Körper- 
scheibc  beschränkt,  und  scbeioeo  ihre 
Producte  auch  hier  in  die  LeibesbOble 
zu  entleeren,  von  wo  sie  wohl  durch  die  an  den  Interradien  der  Bauch- 
fläche  beljndlichen  spaltartigenOeffnungen  (vergl.  Fig.  9i  y)  nach  aussen 
gelangen.  Bei  den  lebendig  gebärenden  Ophiuren  gibt  sich  in  der 
Grösse  dieser  Spalten  ein  Anpassungszustand  kund.  Wie  sich  bei  den 
Ophiuren  die  Organe  von  den  Armen  auf  die  KOrperscheibe  zurückge- 
zogen haben,  so  erscheinen  sie,  gleichfalls  aus  dem  bei  den  Seestemeo 
gegebenen  noch  indifTcrenl«D  Verhalten  ableitbar,  bei  den  Crinolden 
auf  die  Arme  vertheilt.     Sic    nehmen  hier  die  Pinnulae  der  Arme  ein 

Kig.  9B.  Gcichlculilsnrgone  cinpr  0  ph  i  u  ro  (Opbioderma  iongicauda). 
Ruckciiintcguiiient  und  Vcrdnuungsorgano  sind  enirernl.  r  Arme,  g  Ovaritl- 
[raubcn. 


ODd   entsprecbeo   dainit   in   ihrer  Verbreitung   wieder  der   Hetamerie. 
Ihre  ^iJeeniDg  gegchiebl  durch  Dehiscenz. 


Die  bei  AsteroVden  jedem  Radius  paarig  lukommeDden  Geschlecbts- 
drOseo  sind  bei  den  EohinoTden  unpaare  (iebilde  geworden,  womit 
eine  TefDere  CenlralisBlion 
ausgedruckt  ist.  Die  Besie- 
hnDg  zum  urspninglidien 
Zustande  ist  nur  noch  aus 
der  inlerradialen  Venheilung 
erkennbar,  so  dasa  jedes 
Orgao  aus  iwei  radialen  ent- 
standen gedacbtwerden  kann. 
Sie  stellen  reich  verflsleite, 
meist  weit  in  die  I^ibeshHble 
auf  die  Inleramhulacrairelder 
vorragende  Drüsen  (Fig. 
99.  g]  vor,  die  auf  den  Ge- 
nitalplatlen  [Fig.  92.  g)  aus- 
münden. Eine  der  fUof  fUr 
die  Echintden  typischen  Ge- 
schlechtsdrüsen verkümmert 
bei  den  Spatsngen ,  dem 
eotsprecbend  ist  eine  der  GeniUilplaUen,  die  zugleich  H ad reporen platte 
war,  auB&cfaliesslicb  lur  Hadreporenplatt«  umgebildet. 

Verschieden  von  den  bisher  aufgeführten  Einrichtungen  verhallen 
sich  die  Geschlechtsoi^ane  der  Holotburien.  Hoden  odor  Eierstock 
bilden  Büschel  reicb  venwoigter  Rohren,  diu  sieb  zu  einem  gemein- 
samen Ausfahrgange  vereinigen  (Fig.  102.  <i].  Des  letzteren  HUndung 
findet  sich  in  der  Nähe  des  Hundes,  meist  iwischcn  den  Tentakeln.  Die 
Beliebungen  lu  den  Radien  sind  also  hier  aufgegeben,  die  sonst  vlt- 
tbeiltflD  Orgape  sind  su  Einem  vereinigt,  und  durch  den  Ausfuhrgang 
wird  die  bereits  bei  den  Seeigeln  gegebene  habere  Stufe  festgehalten. 

Bei  den  Synapten  bestehen  nach  dem  liei  den  Holothurien  ge- 
{i^ebenoi  Typus  geformte  Zwitterorgane.  Die  einzelnen  schlauch- 
fermigeD  Drüsen  vereinigen  sich  lu  einem  gemeinsamen  Ausfübrgange, 
der  aber  dem  Kaikringe  nach  aussen  sich  OiTnet.  lu  jedem  Schlauche 
(bei  S.  digital»)  entwickelt  sich  das  Sperma  auf  der  lnnenfl>iche,  indcss 
die  Eier  darunter  entstehen  und  bei  voller  Entwickelung  ins  Schlauch- 
lumen   vorspringende  Längsatreifen   vorstellen.     Für  beiderlei  Producte 

Fig.  <>-  GeiChlechUorgano  eines  Seei fi^  1s  [Echinus  ncnpalilanus].  Etwas 
mehr  als  die  veolrale  Halfle  der  Schale  Ut  wcggetiommen.  a  Aaipullon  der  Am- 
balicrea.    >  Letztes  Darmatücli.    g  OvarJaltrauben. 


232  Echinoderroen. 

dient  ein  gemeinsamer  Äusführweg.  Wenn  dieser  Zustand  als  ein 
niederer  angesehen  werden  muss,  aus  welchem  im  Allgemeinen  die 
getrenntgeschlechtlichen  Verhältnisse  hervorgingen,  so  ergibt  sich  für 
die  Synapten  die  interessante  Erscheinung,  dass  sich  bei  ihnen  der 
primitive  Bau  mit  der  primitiven  Function  der  Keimdrüse  erhalten  hat, 
indess  sowohl  in  der  Beschränkung  der  Zahl  als  in  der  Complication 
mit  einem  Äusführgange  für  den  Gesammtapparat  grosse  Umbildungen 
stattfanden. 

Leib^^ohle. 
§.   176. 

Die  vollständige  Sonderung  der  Leibeswand  von  der  Darmwand 
bedingt  die  Bildung  einer  Leibeshöhle,  welche  wie  deb  höheren  Wdrmern 
auch  allen  Echinodermen  zukommt.  Je  nach  dem  Grade,  iler  Concres- 
cenz  der  den  Eehinodermenleib  zusammensetzenden  Personen,  besteht 
sie  aus  den  letzteren  zukommenden  Gaviläten ,  oder  ist  einheitlicher 
aus  dem  Zusammenfliessen  jener  einzelnen  Räumlichkeiten  gebildet. 
Die  Seeslerne  liefern  auch  hier  wieder  in  den  mannichfaltigen  Stufen 
des  Individualitätswerlhes  ihrer  »Armeu  maassgebende  Beispiele.  Rück- 
bildungen des  auf  die  Arme  entfallenden  Theiles  der  Leibeshöhle  ent- 
stehen mit  der  Sonderung  einer  Körperscheibe  bei  den  Ophiuren  oder 
des  jener  enlsprechendon  »Kelchesa  der  Grinol'den,  doch  sind  hier 
überall,  soweit  den  Armen  Gefäss-  und  Nervenstämme  zugetheilt  sind, 
Spuren  eines  letztere  umschliessenden  Hohlraumes  erkennbar. 

Vollkommen  einheitlich  wird  der  Leibeshohlraum  bei  den  Seeigeln 
und  Holothurien,  wenn  auch  bei  ersteren  mannichfache,  besonders  in  der 
Abtheiiung  der  Petalostichen  entwickelte ,  solide  Fortsatzbiidungen  vom 
verkalkten  Integumenle  her  eine  secundäre  Sonderung  in  untergeord- 
nete Räume  hervorrufen.  Der  besonders  bei  Seeigeln  nachgewiesene 
WimperUberzug  sowohl  an  den  Wandungen  wie  an  den  in  der  Leibes- 
höhle  liegenden  Organen  ist  von  Bedeutung  für  die  functionellen  Be- 
ziehungen des  Raumes,  sowie  darin  nicht  minder  ein  an  die  wimpem- 
den  Wandungen  der  Leibeshöhle  vieler  Anneliden  sich  anschliessendes 
Verhalten  erkannt  werden  darf. 

Von  der  Leibeshöhle  ist  allgemein  ein  Gefässsystem  gesondert, 
welches  jedoch  an  einzelnen  Stellen  mit  der  ersteren  in  Communicaüon 
zu  stehen  scheint,  denn  der  Inhalt  der  Leibeshöhle  ist  eine  mit  dem 
Inhalte  der  Gef^sse  übereinstimmende  Flüssigkeit  die  als  Blut  bezeichnet 
werden  darf.  Dass  für  die  Leibeshöhle  ähnlich  wie  bei  Würmern  auch 
Communicationen  nach  aussen  bestehen,  die  somit  eine  Zumischung  von 
Wasser  zur  Blutflüssigkeit  gestatten ,  ist  in  manchen  Fällen  erweisbar, 
bedarf  jedoch  noch  vielfach  genauerer  Feststellung. 


Gefiussyitem.    Blatgemsse.  233 


Oefas  8  System. 

Blutgefässe. 

Die  ernährende  Fittssigkeil  besteht  bei  den  Echinodennen  aus  einem 
klaren  oder  leicht  opalisirenden,  seltener  getrübten  oder  auch  gefärbten 
Fluidum,  welches  höchst  wahrscheinlich  mit  von  aussen  eingeführtem 
Wasser  vermischt  ist  In  dieser  FlüssiglLcit  enthaltene  Formelemente 
sind  einfache  Zellen. 

Als  Blutbahn  dient  erstlich  ein  besonderes  Gaoalsystem,  dann  aber 
auch  der  die  Eingeweide  umschliessende  Leibeshohlraum,  der  auf  eine 
noch  nicht  ermittelte  Weise  mit  den  Gelassen  in  Verbindung  steht. 

Eine  vollständige  Erkenntniss  des  die  Kreislauforgane  bildenden 
Canalsystems  ist  bis  jetit  noch  nicht  ermöglicht,  und  besonders  be- 
ittglich  des  Zusammenhanges  mit  dem  sogenannten  Wassergefttss- 
Systeme  besteht  noch  manche  ungelöste  Frage. 

Der  ganze  radiär  angelegte  Apparat  wird  vorztlglich  von  .einem 
den  Anfangstbeil  des  Darms  (Mund  oder  Speiseröhre)  umkreisenden 
Gaoale  dargestellt,  der  theils  vom  Darme  kommende  Gefässe  aufoimmt, 
theils  mit  einem  anderen  Blutgefässringe  in  Verbindung  steht.  Dieser 
Verbindungscanal  erscheint  als  ein  pulsirender  Schlauch,  der  als  »Herz« 
fangirt.  Von  den  Ringcanälen  treten  radiäre  Aeste  ab.  Da  die  Be- 
ziehungen des  Blutgefässsystems  zu  Athmungsorganen  keineswegs  fest- 
gestellt sind,  so  kann  von  einer  Scheidung  in  eine  arterielle  und  eine 
venöse  Bahn  keine  Rede  sein ;  die  ganze  Einrichtung  scheint  vielmehr 
darauf  zu  zielen,  die  vom  Darm  aus  gebildete  Ernährungsflttssigkeit  in  den 
übrigen  Körper  Überzufahren  und  sie  dort  zu  vertheilen,  wo  zugleich 
für  die  Vermittelung  des  Gasaustausches  überall  Anordnung  getroffen  ist. 

Die  Zartheit  der  Wandungen  dieses  Gefösssystems  erschwer^  die 
Einsicht  in  die  Verbreitungsweise,  namentlich  die  Beziehungen  zum 
sogenannten  Wassergefasssysteme,.  und  wenn  man  früher  die 
beiden  GefAsssysteme  als  scharf  von  einander  geschieden  annahm,  so 
besteht  gegenwärtig  wieder  Grund  zu  entgegengesetzter  Meinung.  Der 
Zusammenhang  beider  Systeme  stellt  sich  als  immer  wahrscheinlicher 
heraus. 

Bei  den  Asteroiden  steht  ein  den  Mund  umziehendes  dicht  am 
Nervenring  befindliches  Ringgefäss  mit  einem  unter  dem  dorsalen  Peri- 
som  uro  den  After  laufenden  Ringcanale  durch  ein  schlauchförmiges 
Herz  in  Verbindung.  Von  den  Ringgefässen  treten  Canäle  sowohl  an 
den  Darm,  als  zu  den  Armen. 

Fttr  die  Echinotden  verläuft  der  als  Mundgetessring  bezeich- 
nete Canal  dicht  mit  dem  entsprechenden  Wassergeßtss  am  Ende  des 
Kauapparates.     Von   ihm  erstreckt  sich  ein  schlauchförmiges  Herz  zum 


234  EchinodermeD. 

Anal  ringe,  der  dicht  am  Skelete  gelagert  ist.     Von  beiden  Ringen  aus 
gehen  Aeste  zum  Darmcanal. 

Von  den  Blutgefässen  der  Holothurien  sind  nur  solche,  die  den 
Darm  begleiten,  mit  Sicherheit  erkannt,  während  das  Ringgefäss  um 
den  Schlund  in  ein  Gefässnetz  aufgelöst  zu  sein  scheint.  Die  Darm- 
gefässe  verlaufen  an  entgegengesetzten  Flächen  und  können  in  ein  dor- 
sales und  ein  ventrales  gesondert  werden.  Das  ventrale  verzweigt  sich 
in  Aeste  für  eine  der  sogenannten  Lungen,  und  daraus  gehen  in  einen 
andern  Abschnitt  des  Bauchgefässes  einmündende  Gefässe  hervor.  Beim 
Mangel  von  Beziehungen  zu  den  baumförmigen  Organen  bestehen  ein- 
fache directe  Verbindungen  zwischen  den  verschiedenen  Abschnitten 
des  an  den  Darmschlingen  auf-  und  absteigenden  Bauchgefässes. 
Dasselbe  gilt  auch  für  die  Synapten,  bei  denen  durch  den  häufig 
einfacheren  Verlauf  des  Darmcanals,  sowie  durch  den  Mangel  bäum- 
förmiger  Organe  eine  noch  weitere  Reduction  des  Gefösssystems  gegeben 
ist.  Dass  damit  eine  Aehnlichkeit  des  Gefässsystems  mit  jenem  mancher 
Würmer,  besonders  der  Gephyreen,  auftritt,  ist  mehrmals  erkannt 
worden,  aber  ebenso  bestimmt  wird  auch  behauptet  werden  dürfen, 
dass  es  bei  jener  Aehnlichkeit  sein  Bewenden  hat.  Gegen  eine  Homo- 
logie spricht  der  Mangel  eines  vom  Darme  unabhängigen  Ventralstammes, 
der  bei  den  Gephyreen  wie  bei  den  Annulaten  vorhanden  ist.  Ob  die 
beiden  Längsstämme  des  Darmes  die  einzigen  sind,  ist  ungewiss,  sicherer 
ist  ihre  functionelle  Wichtigkeit,  denn  sie  sind  contractu  und  haben  die 
Bedeutung  vom  Herzen. 

Wassergefasse. 
§  <78. 

Bei  der  Darstellung  der  Ambulacra  (§  160)  ist  eines  »Wasser- 
gefässsystcmsa  gedacht  worden,  welches  von  aussen  her  Wasser 
aufnimmt,  und  dasselbe  den  ambulacralen  Gebilden  zuleitet,  um  sie 
in  den  Zustand  der  Erection  zu  versetzen.  Ausser  den  bei  der  Looo- 
motion  betheiligten  Gebilden  werden  von  diesem  Canalsystem  noch 
andre  Organe  geschwellt,  die  wir  oben  als  Modificationen  der  Ambula- 
cralfüsschen  deuteten.  Dass  dieses  Canalsystem  einen  Theil  des  Blui- 
gefässsystems  ausmache ,  ward  bereits  als  wahrscheinlich  dargestellt. 
Inwieweit  jedoch  die  Bahnen  beider  vielleicht  erst  secundär  vereinigt 
sind,  bedarf  noch  der  Feststellung.  Jedenfalls  ist  eine  selbständige 
Betrachtung  des  Wassergefässsystems  für  jetzt  noch  geboten,  zuma(  ihm 
durch  die  Ehtwickelung  eine  solche  Stelle  gesichert  ist,  und  ein  ihm 
zugehöriger  bedeutsamer  Theil  (Steincanal  etc.)  als  ein  demCircula- 
tionsapparat  ursprünglich  völlig  fremdes  Gebilde  erscheint. 

In  den  Larven  der  Echinodermen  erscheint  das  Wassergefässsystem 
als  ein  glasheller,  an  seiner  Innenfläche  wimpernder  Schlauch,  der  auf 
dem  Rücken  der  Larve  mit  einem  wulstig  gerandeten  Perus  ausmündet. 


WaMergetllHe. 


235 


Fig. 


Er  enUleht  (bei  Asleriea]  aus  iwei  sm  Darmcanal  der  I^^rve  sich 
iHldendeD  Anlagen,  die  ein  paarig  lur  Seite  des  Larvenraagens  ge- 
lagertes Gebilde  voratelIeD ,  das  durch  Verschmelzung  heider  Anlagen 
auf  dem  Rucken  der  Larve  einheitlich  wird.  Httufig  zeigt  sich  eine 
UDgleicbe  Ausbildung  beider  Hälften  des  Scblsurhes,  der  bei  Manchen 
durch  einen  einfachen  Blindsack  dargestellt  wird,  immer  liegt  er 
mit  seioer  HaupUuasse  in  der  Nahe  des  Larvenmagens ,  wenn  er  auch 
luweileo,  wie  bei  gewissen  Seestemlarven  (Bracbiolaria) ,  sich  mit 
lipfelfQrm^n  Verlangerangen  in  Forlsälte  des  Larvenkflrpers  hinein 
erstreckt.  In  diesem  Zustande  hat  das  Organ  grosse  Aehnlichkeit  mit 
d«D  Excretionsoi^ne  mancher  Wurmlarven  (Sipunculiden) ,  und  lässt 
auch  von  dieser  Seite  her  die  Sonderung  des  WassergefJsssystcins 
aas  einem  ursprünglich  escretorischen  Apparate  nicht  unwahrscheialich 
erscheinen. 

Mit  der  Anlage  des  Echinoderms  (Fig.  100.  Aj  wird  der  Schlauch 
allmSblidi  vom  Perisran  umwachsen  ^  und  itndcrt  dann  seine  Form, 
indem  er  in  eine  fUnfstrahlige  Rosette  (Fig. 
100.  i)  auswdcfast.  Durch  «limitbliche 
l^gerungsveranderungen  kommt  dieser  im- 
mer noch  mit  dem  RUekcnporus  nach 
aussen  mündende  Abschnitt  auf  die  ven- 
trale FlBcbe  des  Ediinoderms  zu  liegen, 
und  nun  entwickelt  sieb  jedes  Blalt  der 
Rosette  in  einem  gestreckten,  mit  seitlichen 
Ausstülpungen  besetzten  Canal,  der  einem 
Fiederblalte  gleicht  und  die  Anlage  des 
auf  ein  Ambutacrum  treffenden  Wasser- 
getäss- Abschnittes  vorstellt.  Bei  den  Ho- 
lothurien  bildet  die  gleiche  roseltenftirmigc 
Anlage  die  Hundlentakel,  deren  Beziehung 
zum  Ambulacrsl System  dadurch  unzweifel- 
haft wird  (§  <60).  Die  ferneren  wich- 
tigen Verenge  betreffen  den  centralen 
Theil  der  Rosette,  an  welchem  die  CanSle 
der  fünf  Blatter  zusammen  münden.    Dieser 

wandelt  sich  in  einen  Ringcanal  um ,  der  auch  ferner  als  Centraltbeil 
des  Apparates  fortbesteht ,  indcss  die  in  den  Blattern  der  Rosette  an- 
gelegten Canäle  radiär  Auswachsen,  ui>d  sich  unter  Vermehrung  ihrer 
Seilenaste  Über  die  gleichfalls  grosser  werdenden  Ambulacren  erstrecken. 

Von  diesen  wahrend  der  Entwickelung  des  Echinodermenkttrpers 
sich   bildenden  Einrichtungen  lassen  sich  die  Zustände  des  Erwachse- 

Fig.  140.  Aalerienlarve  (Bjplnnari  e|  mit  kDospendemEchinodertn.  e  t"  4' g  g' 
VortMtie  des  Körpers,  jenen  homolog,  die  in  Kig.  SB  gleiche  Bezeichnurtg  tragen. 
h  Hnod,  0  AÜer  der  Larve.  A  Anlage  des  Echinodermii.  h  Winiperoder  Schlsuch. 
I  Ambulacralrosette  [Anlage  der  •Wnssorgefassc'') .     (Nach  J.  HI'llbh.) 


S36  Ecbinoderroen. 

Den  uDmiUelbar  ableiten.  Aus  dem  primiltven  Wimperschlauche  hat 
sich  ein  verzweigter  Gel^ssapparat  (Fig.  101)  entwickelt,  dessen  Eodeu 
mit  dem  Saugrtlsschen  (p)  und  anderen  uhnlicbea  Fortsätzen  in  directer 
Verbindung  stehen.  Die  radialen  HauptsUtinme  dieses  Systems  coromu- 
niciren  mit  einander  duixih  den  Bingcana)  (c),  und  dieser  selbst  wieder 
steht  mit  dem  umgebenden  Medium  in  Verbindung.  Eine  Verbindung 
des  den  Hund  umgebenden  Wasser- 
gcltlssringes  mit  einem  DsrmgefSsse 
ist  neuesten»  fUr  Spalangus  aufge- 
stellt worden,  so  dass  bei  der  Gleich- 
artigkeit des  Inhaltes  von  beiderlei 
Canalsystemen  nicht  blos  deren  Com- 
municütion,  sondern  auch  deren  Zu- 
sammen gehdrigkeit  sehr  wahrschein- 
scheialich  ist. 

Anders  verhält  es  sich  mit  der 
Verbindung  nach  aussen ,  die  auf 
verschiedene  Weise  zu  Stande  kommt. 
Bei  Difierenzining  des  Echinoderms 
in  der  Larve  bleibt  jener  Tbeil  der 
Anlage  des  Wassei^efässsystems,  der 
vom  EcbinodermenkOrper  aufgenom- 
W/^     r"%V    "^"  men  wird,  an  einer  Steile  mit  dem 

7/   J,Z      ,  Perisom  in  Verbindung  und  dort  ent- 

„MM  "  wickelt  sich   eine  pordse  Kalkplatte 

^Br  —   die  Hadreporenplatte    imj, 

welche  mit  dem  Lumen  des  ver- 
bindenden Canalabschniltcs  in  Communicalion  steht.  Der  von  der 
Hadreporenplatte  zum  Ringcanale  fuhrende  Gang  (ni'j ,  gleichfalls  ein 
Stuck  des  primitiven  Wassergefösssystems ,  besitzt  häufig  kalkige  Ein- 
lagerungen und  wird  demgemäss  als  Stcincanal  bezeichnet.  Durch 
die  siebfOrmig  durchbrochene  Hadreporenplatte  wird  Wasser  in  den  Stein- 
canal,  von  da  in  das  Binggefass  cin^^efuhrt.  Auch  mit  der  Leibes- 
höble  werden  von  da  aus  Verbindungen  angei^eben. 

Das  Verhalten  der  Hadreporenplatte  zum  primitiven  Wasser- 
gefdsssystem  ist  sehr  verschieden,  je  nachdem  ein  grösserer  oder  ge- 
ringerer Theil  des  letzteren  in  das  Echinodcrm  mit  übergenommen 
wird.  Auch  der  ganze  primitive  Apparat  kann  ins  Echinodenn  Uber- 
t^ehen,  und  dann  wird  die  Madreporenplallc  nahe  am  RUckenponis  der 
Larve  entstehen,  oder  dieser  selbst  gehl  in  sie  Über. 

Fig.  104.  Schemetische  Darslellung  de^i  WassirKcrssssj slcniB  eine«  Sf*- 
slernes.  c  Ringcanal.  ap  Poli'schc  Blasen,  tn  Madrcportupiatte.  m' SlDincaual. 
r  Radiär  aogeordnele  Hauptsiammc  (AmbulDcralcenale).  r'  Scitlicho  VerzweiKanpeo. 
p  SaugfüsschcD.  a  Ampullen  dersetbeo.  (Die  Ambulacraicanäle  mit  ihren  Anbangeo 
sind  nur  zum  Theil  gexeicbnetj. 


Wttterg^fliwe.  |37 

Der  dem  Sieincanal  entsprechende  Abschnitt  verbindet  sich  nicht 
in  allen  Fällen  mit  dem  Perisom.  Bei  den  Holothurien  Itet  sich  die 
Verbindung  nahe  am  Rückenponis  der  Larve ;  letzterer  schwindet,  und 
der  Steincanal  hängt  frei  in  die  Leibeshöhle,  und  nimmt  von  hier  aus 
durch  einen  sehr  complicirten  porösen  Endapparat  Wasser  auf. 

Diesen  Grundztigen  der  Einrichtung  des  Wassergefässsystems  müssen 
noch  Complicationen  begefügt  werden,  die  durch  contracüie  Ausstülpun- 
gen der  Wassercanäle  gegen  die  Leibeshöhle  zu  entstehen.     Diese  sind 
mehrfacher  Art,   und   zwar  grössere  bimförmige  Blasen  (Fig.   404.  ap) 
am  Ringcanale  (Poli'sche  Blasen),  dann  an  dem  Uebergange  der  Ambu- 
lacraleanäle    in    die  Saugfüsschen    kleine,    immer  in   die   Leibeshöhle 
ragende  Ampullen  (Fig.  404.  o) ,   die  als  Erweiterungen  oder  Aus- 
stülpungen  der  Ambulacralcanalflste  genommen  werden  können.     Sie 
besitzen   einen  cavemösen  Bau.     Beiderlei  Gebilde  dienen  als  Behälter 
für  das  in  den  Ganälen  strömende  Fluiduro,   und  sind  aus  Anpassung 
an  die  Function  dieses  Gefässsystenis  ableitbar,  derart,  dass  bei  einer 
Einziehung  der  Saugfüsschen  immer  deren  Ampullen  sich  füllen,  sowie 
bei  einer  Ausstreckung  derselben   zunächst  der  Inhalt  der  Ampullen 
sie  schwellt.     Was  die  Ampullen  für  die  einzelnen  Saugfüsschen  sind, 
leisten   die  Poli'schen  Blasen   des  Ringcanals  für  das  gesammte  Ganal- 
System,    so    dass    hierdurch   eine   viel   rascher  erfolgende   Action  der 
Ambolacralgebilde ,  sei  es  Schwollung  oder  Retraction,  möglich  ist,  als 
wenn  das  zur  Erection  jedes  einzelnen  Füsschens  nothwendige  Flüssig- 
keitsquantum   bei  jeder  Ausdehnung  erst  von   aussen  her  durch  den 
Steincanal  oder  die  Madreporenplatte  eingenommen  werden  müsste.  — 
Diese   Thätigkeit  der  Ampullen   der   Saugfüsschen   und  der  Poli'schen 
Blasen   des  Ringcanals  liesorgt  die  Gontractilität  ihrer  Wandungen,   in 
denen  eine  Muskelschicht  nachgewiesen  ist.    Ausserdem  sorgt  ein  überall 
im  Wassergef^sssystem   verbreitetes  Flimmerepithel   für  die  Vertheilung 
und  den   steten  Wechsel   des  Wassers,   und  dient  damit  gewiss  auch 
der  respiratorischen  Function. 

Das  vorhin  Auseinandergesetzte  hat  am  vollständigsten  seine  Gel- 
tung für  die  Seesterne.  Bei  diesen  inserirt  sich  der  Steincanal 
immer  an  einer  Madreporenplatte,  die  in  der  Regel  auf  der  Dorsalseite 
in  einem  Interradius  des  Körpers  liegt.  Auch  eine  Mehrzahl  von 
Madreporenplatten  i2  —  5)  sowie  eine  dem  entsprechende  Vermehrung 
des  Steincanals,  kommt  in  einzelnen  Fällen  vor,  doch  wechselt  dies 
Verkältniss  selbst  bei  den  Arten  einzelner  Gattungen.  —  Der  Steincanal 
verläuft  immer  in  der  Nähe  des  herzartigen  Schlauches.  Die  Kalkab- 
lageningen bilden  an  ihm  ein  feines  Netzwerk,  und  sind  von  denen 
des  Perisoms  nicht  verschieden.  Sie  sind  ringweise  angeordnet,  im 
Innern  tritt  eine  Längsleiste  vor,  von  der  zw^ei  eingerollte  dünnere,  eben- 


238  Ecbinodermen. 

falls  verkalkte  Lamellen  entspringen.  Die  Ambulacralcanäle  laufen 
über  dem  Skelete  der  Arme  in  die  Ambulacraifurche  eingesenkt,  und 
senden  hier  ihre  Aeste  an  die  zwischen  den  seitlichen  Fortsätzen  der 
Gliedstucke  des  Ambulacralskelets  entspringenden  FUsschen,  wilhrend 
die  Ampullen  der  letzteren  durch  die  Spalten  zwischen  den  Glied- 
stUcken  hindurchdringen  und  so  ins  Innere  des  Armes  zu  liegen  kommen. 
Die  Anzahl  der  Poli'schen  Blasen  variirt,  zuweilen  sind  sie  vermehrt, 
bilden  traubige  Büschel  (Astropeeten  aurantiacus)  oder  sie  fehlen  auch 
gänzlich. 

Bei  den  Ophiuren  inserirt  sich  der  Steincanal  an  einem  der  den 
Mund  umgebenden  Plattenstucke,  welches  jedoch  nicht  als  Madreporen- 
platte  gebaut  ist,  so  dass  der  Steincanal  nurFluidum  aus  der  Leibeshöhle 
aufnimmt.  Am  Ringcanale  erweitert  sich  der  Steineanal  ampuUenartig, 
und  fügt  sich  einem  interradialen  Abschnitt  ein.  Den  Saugfüsschen 
fehlen  die  Ampullen.  Aehnlich  wie  bei  Asteroiden  scheinen  sich  aach 
die  G  r  i  n  0 Y  d  e  n  zu  verhalten. 

Im  Anschlüsse  an  die  Seesterne  stehen  die  EchinoYden.  Die 
Madreporenplatte  liegt  immer  am  aboralen  Pole;  entweder  ist  eine  der 
Genitalplatten,  (Fig.  92.  m)  oder  deren  mehrere,  oder  es  ist  auch  noch 
eine  Intergenitalplatte  zur  Madreporenplatte  umgewandelt,  oder  diese 
stellt  eine  besondere  Platte  vor  (Clypeastriden).  Der  Steincanal  er- 
scheint bald  weich  (Echinus) ,  bald  mit  festen  Wandungen  versehen 
(Gidaris).  Der  mit  fünf  Poli'schen  Blasen  (sie  fehlen  den  Spatangen) 
versehene  Ringcanal  liegt  bei  den  Seeigeln  an  der  Basis  des  Kauappa- 
rates und  sendet  die  Ambulacralcanale  abwärts,  von  wo  sie  dann  an 
die  Ambulacren  ausstrahlen.  An  der  Innenseite  der  Schale,  elneni 
jeden  Ambulacralfelde  entlang  verlaufend,  vertheilen  sich  die  Aeste  der 
Ambulacralcanale  an  die  Poren  und  versorgen,  querliegende  ampullen- 
artige  Erweiterungen  (Fig.  99.  a)  bildend,  die  hier  entspringenden 
Saugfüsschen  oder  deren  Aequivalente. 

Durch  die  Loslösung  des  später  als  Steincanal  fungirenden  Ver- 
bindungsstückes vom  Perisom  der  ins  Echinoderm  übergehenden  Larve, 
wird  bei  den  HolothuroYden  ein  von  den  übrigen  Echinodennen 
abweichendes  Verhalten  erreicht.  Die  Wände  des  frei  in  die  Leibes- 
höhle  hängenden  Steincanals  sind  bald  weniger,  bald  mehr  verkalkt 
und  bilden  im  letzten  Falle  eine  starre  Kapsel.  Gewöhnlich  zeichnen 
die  Verkalkungen  die  porösen  Stellen  des  Canals  aus,  und  wieder- 
holen so  die  Bildung  der  Madreporenplatte  im  Innern.  Bei  Vertfsle- 
lungen  des  Steincanals  tragen  die  Enden  jedes  Astes  jene  port^n 
Stücke,  und  so  entstehen  durch  Vervielfältigung  traubenförmige  Ge- 
bilde, die  einer  Summe  um  den  Steincanal  gruppirter  Madreporenplatten 
nur  functionell  gleichwerthig  sind.  Wie  die  Einrichtung  der  einzelnen 
Steincanäle  verschieden  ist,  so  wechselt  auch  ihre  Zahl.  Häufig  ist 
nur  einer  vorhanden,  in  anderen  Fällen,  vorzüglich  bei  Synapten, 
kommen   deren   zahlreiche  vor,    die  am  Umfange  des  Ringcanals  ver- 


WssserHeUuM, 


239 


theilt  sind.     Ebenso   wechselt   die  Zahl  der  auch  hier  nichc  fehlenden 

Poli'schefi  BlaseD   (Fig.   102.  p) ,    deren  Holothuria    und  Molpadia  eine, 

Synapta    Beselii   gegen   50, 

Gladolabes    gegen    100  be-  Kig.  loa. 

sitst. 

Die  vom  Ringeana)  (C) 
abgehenden  Canäle  verlau- 
fen innertialb  des  Kalkringes 
(B)  nach  vome,  und  treten 
sich  verzweigend  zu  den 
Mundtenlakeln  (7*),  wo  mit 
jedem  eine  den  Ampullen 
der  Saugfusschen  entspre- 
cfaeude  blindsackortige  Ver- 
längerung in  Verbindung 
sieht.  Diese  ist  nnsehnlicb 
bei  den  Holothurien,  und 
liegt  nach  aussen  vom  Kalk- 
ring, nur  wenig  entwickelt 
ist  sie  bei  den  Synapten 
(vei^l.  Fig.  102).  Hit  den 
zu  den  Tentakeln  tretenden 
Fortsätzen  des  Hingcanals 
sfMiesst  das  Wasserge^sfr- 
system  der  Synapten  ab, 
wibread  bei  den  Hblothu- 
rien   noch    radiale    Stamme  *"' 

zu  den  Ambulacren  verlau- 
fen. Sie  zeigen  jedoch  schon  bei  den  Holpadien  Rückbildungen,  in- 
dem bei  einzelnen  der  Ambulacren  entbehrenden  Gattungen  nur  blind- 
geendigle  Portsatze  ins  Integutnent  sicherstrecken,  die  endlich  bei  an- 
dern gar  nicht  mehr  zur  Ausbildung  kommmen.  Andere  Veränderungen 
bieten  die  nur  mit  einer  Anzahl  der  Ambulacra  su.sgestatteten  Holo- 
Ibnrien  (PsoIua)  bei  denen  zwei  Wawergefbssstflmnie  die  Verbindung 
mit  Saugftisschen  verloren  haben. 

Fig  *ti.  LaogendurchsctiDiU  des  vordem  KörpertheiU  der  Synepla  di|;i- 
tata.  AR'  Kalkring,  r  Davon  susgehende  Muskeln  luni  Schlünde,  o  HundOIT- 
nong.  D  ttarmrohr.  C  RlngcaDal.  I  Canttle  lu  den  Tentakeln  T.  p  Poll'sche 
Blaa«.  «  NervenriDg.  %'  Radial n«rveB»l»ni m ,  den  KalkrlDg  fV  durchsetiend.  m 
Lii^snnskelMader.     G  AusfUhrgaoge  der  GeschlecbtsorgeDe.     (Nacb  Baur.) 


Fünfter  Abschnitt. 


Arthropoden. 

Allgemeine  Uebersicht. 
§  480. 

Der  Körper  der  in  dieser  Abtheilung  vereinigten  Thiere  besteht 
aus  einer  für  die  einzelnen  Gruppen  nieist  bestimmten  Zahl  in  der  Regel 
verschiedenartig  differenzirter  Metameren.  Diese  Ungleichartigkeit  äussert 
sich  nicht  allein  in  der  Verschiedenheit  der  äusseren  Gestaltung  und 
des  Volums,  sondern  ebenso  auch  in  der  Dififerenzirung  der  innem 
Oi^ane.  Eine  Anzahl  unter  sich  mehr  oder  minder  gleichartiger  Me- 
tameren verbindet  sich  zu  grösseren  Abschnitten  und  kann  verschmolzen 
die  Selbständigkeit  der  einzelnen  völlig  aufgeben.  Bald  besteben  noch 
Andeutungen  einer  solchen  Zusammensetzung  grösserer  Körperab- 
schnitte aus  einer  Summe  von  Metameren ,  bald  sind  auch  diese  ver- 
schwunden, oder  doch  nur  in  frühen  Entwickelungsstadien  erkennbar. 
Aus  diesem  Verhalten  resultirt  eine  Umgliederung  des  Leibes. 

Dass  wir  es  hier  mit  einer  den  Würmern  entsprossenen  Abtheilnng 
zu  thun  haben,  geht  sowohl  aus  der  Metamerenbildung,  als  aus  der 
Uebereinstimmung  der  Beziehungen  der  einzelnen  Organsysteme  hervor. 
Aber  es  ist  zweifelhaft,  ob  diese  Abstammung  gemeinsam  ist,  da 
manche  Gründe  bestehen  für  die  Branchiaten  und  Tracheaten  geson- 
derte Stammformen  anzunehmen.  Wie  bei  den  Annulaten  bildet  das 
Nervensystem  einen  mit  einer  ventralen  Ganglienkette  verbundenen 
Schlundring,  und  ebenso  hat  das  Conlralorgan  der  Kreislauforgane  eine 
dorsale  Lagerung.  Auch  bezüglich  der  Leibesanhänge  gibt  sich  die 
Abzweigung  des  Arthropodenstammes  von  jenem  der  WtU'mer  kund. 
Die  am  meisten  verbreiteten  ventralen' Anhänge  stellen  als  Gbarakte- 
risticum  der  ganzen  Abtheilung  gegliederte  Bildungen  vor.  Daneben  ist  die 
Zusammenziehung  des  vieltheiligen  Organismus   in  einen  einheitlichem 


Allgemeine  Ookwrsichl.  ili 

mehr  hervortretend.  Bei  den  Würmern  für  jedes  Segment  sich  wieder- 
holende Organe  kommen  bei  den  Arthropoden  dem  ganzen  Körper 
gemeinsam  zu,  und  selbst  bei  äusserer  GfeichaHigkeit  der  Metameren 
zeigt  häufig  die  innere  Organisalion,  dass  die  Melamerenbilduqg  nicht 
mehr  den  Gesammtorganismus  beherrscht,  sondern  von  Gen  trat  isations- 
be^rebungen  überwunden  ist. 

Bezüglich    der    Systematik    der    Arthropoden    gebe    ich    folgende 
[Jebersicbt : 

A    Branchiata. 

I.  Crustacea^). 

a]  Entomostraca. 
4.  Cirripedia^;. 

Balanw,  Coremulüf  Lepoi. 
Rhizocephala^). 
SüccuUna,  Mtogaster. 
2.  Copepoda. 

Cyclops,  Cyclopsina,   Corycaeus,  Sap^^irina. 
Siphonostoma*}. 

Caligus,  ErgasUuSt  DiehtUttham,  Chimäracaitthus ,  Acktheres, 
Lernaea,  Lemaeocera,  Peneita. 
8.  Ostracoda^}. 

Oyprii,  Cypridina. 
k.  BranchiopodaC). 

Cladocera^). 

Daphnia,  Sida,  Polyphemus,  Evadne. 
Phyllopoda. 

Branchiptu,  Apus,  Limnadia. 


4 )  An  den  einzelnen  Körpersegmenten  erhalten  sich  die  Glledmaassen  am  voll- 
sündigsten,  wenn  aocb  in  vielen  darch  Anpassung  hervorgerufenen  Modiflcatlonen. 
Sie  fungiren  entweder  direct  als  Athmung9organe,  oder  letztere  sind  doch  mit 
ihnen  in  engster  Verbindung.  Als  Grundform  hat  die  Naupliusform  zu  gelten,  die 
Tür  die  meisten  sonst  sehr  weit  divergenten  Abtheilungen  den  ersten  Entwickc- 
lungsznstand  bildet,  und  selbst  in  jener  Abtheilung  beobachtet  ist,  deren  meiste 
Glieider  diesen  Zustand  Überspringen. 

t)  Eine  den  Körper  vom  Rücken  her  bis  auf  eine  ventrale  Oeffnung  um- 
schliessende  DupKcator  des  Integumentes  ist  durch  harte  Schalenstttcke  ausge- 
zeichnet. 

3)  Eine  durch  Parasitismus  umgestaltete  Untere blheilung. 

4)  Ein  auf  den  verschiedensten  Stufen  sich  zeigender  Parasitismus  lisst  eine 
grosse  Anzahl  von  Familien  in  diese  besondere  ünterabtheilung  bringen,  welche 
man  den  übrigen  frei  lebenden  Copepoden  gegenüberstellen  kann. 

5)  In  der  die  zweiklapptge  Schale  vorstellenden  Mantelduplicatur  geben  sie 
sich  mit  Entwickelungsstadien  drr.Cirripcdien  verwandt. 

6)  Diese  Abtheilung  erscheint  als  die  unmittelbarste  Fortsetzung  der  Nauplius- 
form, insofern  sie  durch  einfache  Metamerenbildung  aus  jenem  Stadium  hervor- 
geht, und  an  den  Glledmaassen  zuweilen  sogar  nur  sehr  geringe  Verttnderungen 
erleidet. 

7;  WesenUich  durch  geringere  Vermehrung  der  Metameren  von  den  Phyllo- 
poden  unterschieden. 

0«SeBlw«r,  OrnndrisB.  46 


242  Arthropoden. 

b)  Malacostraca  *). 

4.  Podophthalma  (Thoracostraca). 
Schiz  opoda. 

Mysis,  Euphausia,  Thysanopus. 
Carida«). 

Crangon,  Alpheus,  Palaefnon,  Hippolyte,  Penaeus. 
Decapoda^j. 
Macrura. 

Astacus,  Nephrops,  Paiinurus,  Pagurus,   Galaihea. 
Brachyura. 

Carcinus,  Maja,  Hyas,  Dromia,  Homola,   Dorippe. 
Stomapoda). 

Squilla. 
Tanaida*). 
Tanais, 
2)  Hedriophthalma*^).     (Arthrostraca.) 
Isopodn. 

Bopyrus,    Cymolhoa,    Sphaeroma ,    Oniscus ,    Ligia ,    AseUus, 
Idolhea. 
A  iDphi  poda. 

Gammarus,  OrchcsHa,  Hifperia,  Phronyma. 
LaciDodipoda. 

Caprella,  Cyamus. 
C  u  m  n  c  0  a  «) . 
Cuma. 
II.  Poecilopoda '). 
L  i  m  u  I  u  .s. 


4}  Mit  den  vorhergehenden  Ablheilun^en  durch  das  hei  Penaeus  vorkommende 
NaupUusstadium  der  Larvenforni  verknüpft  Kisst  die  Al)tbeilun^  eine  enlschiedene 
Weiterbildung  durch  das  Auftreten  eines  zweiten  Entwickclungsstadiums  (Zo^aform) 
in  der  Ontogenese  erkennen. 

2)  Bilden  zwischen  Schizopoden  und  Decapoden  eine  vermittelnde  Abtheilang. 

3)  Die  zwischen  Macruren  und  Brachyuren  gestellten  Anomuren  lassen  sieb 
als  Uebergangsformen  diesen  beiden  Gruppen  einordnen. 

4)  Die  Scheerenasseln  bilden  eine  Mittelform,  die  durch  bewegliche  Augen 
und  Zoija- Athmung  ebenso  den  Podophthalmen ,  wie  in  ihrer  übrigen  Organi- 
sation den  sitzäugigen  Krebsen  verwandt  ist  und  damit  der  Urform  der  Mala- 
costraca nahe  steht. 

5)  Bei  den  Hedriopbthaimcn  sind  die  einzelnen  Entwickelungsstadien  völlig  sa- 
sammengezogen ,  und  es  ist  weder  Nauplius-  noch  Zoenstadium  vorhanden»  doch 
sollen  für  das  letztere  Andeutungen  vorhandpn  sein. 

6)  In  der  Gliederung  reihen  sich  die  Cumnceen  an  die  Schizopoden,  mit  denen 
auch  die  Gliedmaassen  übereinkommen,  indess  die  Organisation  den  anderen 
Hedriophthalmeo  nahe  steht,  und  die  Enlwickelung  besonders  mit  jener  der  Asseln 
übereinstimmt.  Man  kann  sie  als  sitzäugige  Schizopoden  ansehen,  wie  man  die 
Scheerenasseln  als  stieiängige  Isopoden  betrachten  kann. 

7}  Stehen  durch  die  fossilen  Belinuren  mit  der  paläontologisch  sehr  frühzeitig 
entwickelten  Abiheilung  der  längst  untergegangenen  Trilobiten  in  genealogischem  Zu- 
sammenhang. Durch  ihre  Ontogenie  wie  durch  viele  Verhältnisse  ihrer  inneren 
und  äusseren  Organisation  lösen  sie  sich  von  den  Crustaceen  ab,  denen  man  sie 
bisher  beizählte,  und  erscheinen  vielmehr  als  ein  selbständiger  Seitenzweig  der 
Gliederlhiere. 


Ailgemeioe  Cebersicbi.  243 

B.  Tracheatal). 

I.  Arachnida. 

Pseudarachnae  Hkl.  >). 

Tardigrads. 

MacrotrioiMS. 
Pycnogonida. 

Pycnogomumf  Nymphen. 

Autarachnae  Hkl.^). 

Arthrogastres  IIel. 
Galeodea. 
GaUodei. 
Scorpionea. 

Scarpio. 
Phrynida. 

Telypkomm,  PkrywuM, 
Pseudoscorpionea. 

OieUfer. 
Opilionea. 

Phalangium,  OpiUo.  * 

Aranea. 

SaUicut,  Thomina,  Argyroneta,  Tegenaria,  Mygale. 
Acarina^;. 

Acarui,  Argot,  Ixodes,  Gamasut,  Aiax,  Thrombidium. 
Linguatulina. 
PentastomwH. 

II.  Myriapoda. 

Cliilopoda. 

Scoiopendra^  Uihobius. 
Chilognatha. 

G/omtrif,  Polydesrnta,  Juhts, 


1}  Dass  die  Kiemenaihmung  den  früheren,  die  Tracheenathroun^  den  spttteren 
Zasland  vorstellig  ist  zweifellos ;  daraus  ergibt  sich  die  Auffassung  der  Tracheaten 
als  einer  spttteren  Korm,  die  aber  desshalb  noch  nicht  von  einer  der  Branchiaten- 
formen,  wie  sie  in  den  Cnistaceen  vorliegen,  abgeleitet  zu  werden  braucht. 

2)  Diess  sind  wahrscheinlich  Repräsentanten  rUckgebildeter  Formen,  die  von 
dem  Stamme  der  Gliederthiere  viel  früher  als  die  Tracheaten  sich  abgezweigt 
haben,  und  von  denen  die  Tardigraden  vielleicht  ganz  von  den  Arthropoden  ent- 
fernt werden  dürften. 

3)  Für  die  ächten  Arachniden  ergibt  sich  bei  vielem  Gemeinsamen  die  be- 
deulendste  Verschiedenheit  in  dem  Verhalten  der  Ktfrpersegmenle,  und  in  den 
dorch  Verschmelzung  einer  Anzahl  derselben  hervorgehenden  grosseren  Abschnitten. 
Wir  werden  jene,  in  der  mehrere  solcher  Abschnitte  besteben ,  die  zugleich  noch 
ihre  Zusammensetzung  aus  Metameren  erkennen  lassen,  als  die  minder  verttnderien, 
der  Urform  näher  stehenden  zu  betrachten  haben. 

4)  Dass  hier  Rückbildungen  vorliegen,  scheint  unzweifelhaft,  und  wird  noch 
durch  den  für  die  meisten  Familien  bestehenden  Parasitismus  erlttotert,  der  in  der 
Familie  der  Linguatuliden  sogar  zu  einer  bedeutend  abweichenden  Gestaltung  des 
Leibest  führt. 

4«» 


$44  Arthropoden. 

III.  Insecta. 

1)  Pseudoneuroptera^). 

Am  ph  ibiot  ica. 
Ephemerida. 

Ephemera^  Chioe, 
Perlida. 

Perla,  Nemura. 
Libellutida. 

Libellula,  Agrion,  Aschna, 
Corrode  n  tia. 
Psocina. 

Psocus,  Trovles. 
Embida. 
Etnbia. 
Termitida. 

Termes. 
Thysanoptera. 
Tbri  pida. 
Thrips. 
Thy  sanura. 
Podurida. 

Podura^  Sminlhurus,  Desoria. 
Lepi.smida. 

Lepisma,  Machilis. 

2)  Neuroplera. 

Planipenn  ia. 
Panorpina. 

Panorpa,  BiUacus. 
Sial  ida. 

Rhaphidia,  Sialis. 
Herne  robida. 

HemerobiuSy  Chrysopa,  Myrnieleon. 
Trichuptera. 
Phryganida. 

Phryganea,  Limnophilus. 
Stre  psiptera. 
Styiopida. 
StylopSt  Xenos. 

3)  Orthoplera. 

Ulonata. 
Cursoria. 

Blatta,  Manlis,  Phasma. 
Sa  Itator ia. 

GryUi4S,   Gryllotalpa,  Acridium,  Locusta. 


1)  Als  Tocoptera  hat  Häceel  die  der  gemeinsamen  Staromform  der  Insekten 
am  nächsten  stehenden  ersten  drei  Ordnungen  zusammengefasst,  welche  durch 
eine  sehr  bedeutende  Divergenz  der  Süsseren  wie  inneren  Organisation,  auf  ur- 
sprünglich grossen  Formenreichthum  schliessen  lassen.  Auch  die  geringe,  oft  auf 
wenige  Gattungen  beschränkte  Ausdehnung  der  einzelnen  vorhandenen  Familien 
spricht  im  Zusammenhalte  mit  dem  vorigen  Pnncte  für  die  Auffassung  dieser 
Formen  als  vereinzelte  Ausifiufer.  Von  den  Pseudoneuropteren  werden  die  mit  im 
Wasser  lebenden  Larvenformen  die  ältesten  Formen  repräsentiren. 


Literalur.  245 

Labidura. 

For/ÜMte. 

4j  Coieeptera. 

Cicindela,  Carabus,  Hydrophilus,  StaphylinuSf  Silpha,  tuMUM,  Me- 
MüHlKa,  ScarabanUf  iipalrum,  Tenebrio,  Lyila,  HieMy  Chryso- 
meta,  CooekmeUa,  Cerambyx,  Lampyris,  Blaler ,  BuprosUs,  Bo- 
siriehut,  Curculio, 

5)  ilymenoptera. 

Formica,  Bambus,  ApUj  Vespa,  Sphex,  Chrysis,  Strex,  TcnUirain^ 
Ichneumon,  Cynipt. 

6)  Hcmiptera. 

Homoptera. 
Cicadiua. 

TeUig<mia,  Cercopis,  Membraois,  Fulgora,  Civada. 
Phytophthire». 

Apkis,  Chermet,  Cocct». 
Heteroptera. 

NoUMScta,  Nepa,  Hydromelra,   HeduviuSt    CimeaB,    Capius, 
LygaeuSf  Pßniatoma,  ScuieUera. 
Pediculioa. 

P0diculus,  Phthirim, 

7)  Diptera. 

Nemocera. 

Tipula,  Bibio,  SimuUa,  Chironomus,  Cvretkra,  Culex, 
Bracbyura. 

Oesirus,  MutoQ,  TacfUna,  Syrpkut,  LepUs,  Anthrax,  Bombylius, 
Asyluif  Tabanuf. 
Pupipara. 

Melcphttgui,  Uippobosca. 
Aphaniptera. 

Pulex. 

8)  Lepidoptera. 

Helerocera. 

Plerophanu,   Tinea,  Toririx,  Geometra,  Psyche,  Nociua,  Cossus, 
Bombyx,  Sphinx,  Smerynthus,  Zygaena. 
Rhopalocera. 

Hesperia,  Pieris,   Vanessa,  CoHas,  Popifio. 

Literatur. 

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1832.  —  Martin  St.  Anoe,  M<^m«  aur  rorgaoisation  des  Cirripödes. 
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—  Derselbe,  »Crastacea«  in  der  Cyciopaedia  of  analomy.  Vol.  1.  — 
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Tübingen  4 860.  —  Daewih,  A  Monograph  o(  (bo  Subclass  Cirripedia.  Vol.  I.  II . 
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Uiiere.    Archiv  f.  Nat.   4854.  —  Van  Bkhkdbii,  Rechercbes  aar  la  faune 


246  Arthropoden. 

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selbe, Beiträge  zur  Kenntniss  der  Entomostraken.  Merburg  4860.  —  Der- 
selbe/ Ueber  einige  Schizopoden.  Zeitscbr.  f.  wiss.  Zool.  XIII.  —  Ders.. 
Beobacht.  üb.  Lernaeoceia  etc.  Marburg  u.  Leipzig  4868.  —  Derselbe, 
Beiträge  zur  Kenntniss  der  Ostracodon.  Marburg  4868.  Die  Metamorphose 
der  Squilliden.  Gott.  4874.  ~~  Derselbe,  Zur  Kenotn.  d.  Baues  u.  d. 
<  Entwickl.   von  Branchipus  stagn.   u.    Apus    cancriform.     Gott.    4878.   — 

Fh.  MOller,  Für  Darwin.    Leipzig  4  86A. 

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de  la  Chenille  qui  ronge  le  bois  de  saulo.  I^  Haye.  4762.  —  Suckow,  Ana- 
tomisch-physiologische Untersuchungen  der  Insecten  und  Kruslenthiere. 
4848.  —  Strauss-Dürciheim,  Considöratlons  sur  Tanatomic  compar^e  des 
animaox  articnl^s,  anxquelles  on  a  Joint  Panatomie  descriptive  da  roelo- 
lontha  vulgaris.  4828.  —  Burmeister,  Handbuch  der  Entomologie.  Bd.  I. 
Berlin  4833.  —  Newport,  »Insecta«  in:  Cyclopaedia  of  anatomy  and  pby- 
siology.  Vol.  II.  4839.  —  Dufour,  L.,  Recherches  anatomiques  el  pbysio- 
logiques  sur  les  Hämipt^res.  M6m.  Acad.  des  sc.  (Sav.  dtrangers.]  IV. 
4833.  —  Derselbe,  Sur  les  Orthopt^res,  les  Hymenopt^res  et  les  Nearop- 
tferes..  ibid.  VII.  4844.  —  Derselbe,  Sur  les  Dipt^res  ibid.  XI.  4854. 
Ausserdem  zahlreiche  Monographien,  besonders  in  den  Ann.  des  sc.  na- 
turelles. —  Pictbt,  Recherches  pour  scrvir  ä  l'hist.  et  ä  l'anatomio  des 
Phryganides.  G^n^vo  4834.  —  Nicolet,  Rech.  p.  servir  ä  rhisloirc  des 
Podurelles.  Neuchatel  4844.  —  Leuckart,  die  Fortpflanzung  u.  Entw.  der 
Pupiparen.    Halle  4858.  —  Lubbocx,  J.,   Notes  on  the  Thysanura,    Lian. 


KörpeKorm.  247 

Transact.  XXI H.  Arbeiten  von  Loew  in  verschiedenen  eniontiologucben 
Zeitschri/len.  —  Lstdig's  xablreiche  Untersuchungen  über  den  feineren 
Bau  der  Inseclen.  —  Wcissmakh  ,  Dio  Eulwickelung  der  Dipteren.  Leipzig 
186*.  —  KowALEWSKi,  A.,  EmbryoloR.  Studien  on  Würmern  und  Arthro- 
poden.   Mdm.  Acad.    St.  Petcrsbourg.    1.  XVI.  No.  4t. 

K&rp6vfomi« 

Der  Arihropo<loi)körper  beginnt  in  seinen  einfachsten  Zustünden 
mit  einer  ungegliederten,  im  N  a  u  p  I  i  u  s s  t a  d  i  u  m  der  Crustaceen  reprä- 
sentirten  Form  (Fig.  <0ü),  wodurch  dieser  Tbicrslanun  mit  sehr  lief  stehen- 
den Formen  sich  verknüpft  zeigt.  Wahrend  bei  einem  grossen  Theilc  der 
Krustentbiere  (den  Kntomostraken)  aus  der  Naupliusfomi  durch  allmählich 
erfolgende  Sprossung  Glied  um  Glied  sich  anfügt,  und  damit  den  ])hyIo- 
genetischen  Entwickeln ngsgang  ontogcnetisch  reproducirt,  ei*scheint  bei 
den  andern  Krustenthieren  (Malacostraken)  die  Knlwickelung  der  Leibes- 
form  mehr  in  zusammengezogener  Weise,  und  nur  aus  einzelnen  Füllen 
wird  beslinmibar,  dass  auch  hier  Anknüpfungen  an  jene  niedere  Form 
bestehen.  Der  die  zeitliche  Folge  der  Metamerenbildung  zusammen- 
gezogen darstellende  Entwickelungsvorgang  ist  lx*i  Poecilo{)oden  wie 
bei  allen  Tracheaten  allgemein,  und  begründet  für  die  monophyletische 
Abstammung  der  Gliederthiero  Bedenken  die  durch  andere  Erwitgungcn 
bedeutend  gestHrkt  werden. 

Wie  auch  die  erste  Sonderung  der  Leibesform  vor  sich  geht, 
so  erscheint  der  Leib  bei  allen  cihnlich  wie  bei  den  Annulaien  aus 
einer  Anzahl  beweglich  verbundener  Gliedstücke  (Metamcren)  zusammen- 
gesetzt, welche  ihre  ursprüngliche  Gleichartigkeit  im  ausgebildeten 
Organismus  in  verschiedenem  Maasse  aufgeben.  Durch  Ausbildung 
einzelner,  Rückbildung  anderer,  sowie  endlich  durch  Concrescenz  von 
Metamerensummen,  entsteht  eine  bedeutende Mannichfaltigkeit  der  Äussern 
Gestaltung.  Im  Allgemeinen  herrscht  die  Gleichartigkeit  der  Metameren 
in  frühen  Jugendzustitnden  vor,  und  lilsst  dadurch  die  Abstammung 
von  solchen  Formen  erkennen ,  deren  Metameren  gleichfalls  noch  nicht 
different  waren.  Die  aus  verschmolzenen  Metameren  entstandenen  ein- 
heitlichen Abschnitte  des  Leibes  geben  ihre  Entstehung  in  den  an 
ihnen  vorkommenden  Gliedmaassen  kund. 

Die  Concrescenz  trifft  am  beständigsten  die  vordersten  Metameren. 
Daraus  entsteht  ein  die  Munddffhung  und  höhere  Sinnesorgane,  vor- 
nehmlich die  Augen  und  Fühler  tragender  Abschnitt,  der  Kopf.  Er 
bildet  den  einzigen  aus  mehrfachen  Metameren  bestehenden  Abschnitt 
bei  den  Myriapoden,  bei  manchen  Krustenthieren  (Isopoden)  und  Larven 
von  Insecten.  Die  übrigen  Differenzirungsverhaltnisse  spielen  in  den 
einzelnen  Abtheilungen  verschiedene  Rollen.  Bei  den  Crustaceen  ver- 
bindet sich  mit  dem  Kopfe  eine  Anzahl  der  folgenden  Metameren  zu 
einer  Kopfbrust  (Cephalothoraxj .     Die  übrigen  Metameren  trennen  sich 


818 


Arthropoden 


li'dufijj  wieder  itt  z"ei  Absihiullc.  insofern  die  iiitf  den  Cephalolhoia^  fol- 
genden von  den  hinlcrslcn  zuweilen  versehieden  sind.  Darnach  stellen 
sie  ein  Abdomen  und  ein  Poslabdomen  dar.  Die  Segmente  des  Al)- 
doniens  versclimi'lzen  bei  Limulus,  dessen  Postabdomen  dui'cli  den 
Schwanzslachel  repritsentirt  wird. 

Durch  duplicaturartige  Ausdehnung  des  Inlegumentes  einzelner 
Körperregionen  erhallen  diese  besondere  Schutzvorrichtungen  für  ihre 
AnhRngsgebilde.  Indem  bei  den  Decapoden  das  llaulskelot  der  Kopf- 
brust  seitlich  auswüchst,  deckt  es  die  Kiemen,  und  bddel  jcderscils 
einen  besonderen  mit  dem  umgebenden  Medium  communicirendeu 
Raum,  die  Kiemenhühlc.     Vergl.  S.   2.J5. 

Solehe,    mehreren   primilivcn  Körpersegmcnien  angehOrigc  Entfal- 
tungen des  llaulskclets  kttnnen  sich  nueh  über  andere  Körper» bscbDÜlc 
erstrecken,   und  für  diese  eine  »Schale«  herstellen.     Die  Branchiopoden 
zeigen  hiezu  in  der  schild'irtig  verbreiteten  Kopfbrust  die  ersten  Anfange 
bei  den  Phyllopoden  {Apus).     Eine  Wci- 
Fig.  103.  tercutwickelung  beider  Hillften  dieses  Ge- 

bildes fuhrt  zur  Herstellung  einer  zwei- 
klsppigen  Schale  (Fig.  f03.  tf}  (l.imnaJJaj. 
Auch  bei  den  Daphniden  ist  derselbe 
Theil  in  eine  den  ganzen  Hintcrtlieil  lies 
Körpers  deckende  Schale  umgeslallet,  und 
bei  den  Ostracoden  sind  die  beiden  Ucilf- 
ten  dieses  Gebildes  ahnlich  wie  bei  man- 
chen Phyllopoden,  am  Kücken  beweglich 
mit  einander  verbunden.  Die  Kluppen  der 
Schote  ci'slreckcn  sich  hier  auch  über  den 
Vordertbeil  des  Körpers ,  unisehliessen 
somit  das  ganze  Thier. 

An  diese  Gebilde  reihen  sich  die 
höchst  eigenlhümlichen  Modißcationen  des 
Integuments  der  Cirripcdicn.  Üic  bei  den 
Ostracoden  zur  zweiklappigcn  Schale  ge- 
staltete Duplicatur  erscheint  bei  den  Cir- 
ripedien  wührend  eines  Jugendtuslan- 
des.  Indem  das  Tbier  mit  den  Antennen 
sich  festsetzt,  entwickelt  sich  der  dor- 
sale Theil  des  Inte.guiiienles  zu  einem  weiten  den  Korper  umschliessen- 
den  Sacke  oder  Mantel  (l-'ig.  104.  de  f),  der  nur  in  der  Kopfregion 
mit  dem  letzteren  continuirlich  zusnmmenbmgt.  Der  die  ursprüng- 
liche Anheftungsstelle  tragende  Abschnitt  dieses  Sackes  bleibt  entweder 

Fig.  103.  Oiierschnitle  von  CruslBcecri.  A  tiiies  Pliyllopodun  (LImncli») 
(nach  GmvbeI,  B  vonSqailla  (nach  Milne-Edwards).  c  Hcre.  i  Derni.  «  Bsuch- 
mark.  6r  Kiemen,  d  Dupticatur  des  rtorsulen  InloeumeateB,  in  A  eiae  Schale 
vorstcPlend. 


Körperfonn.  %iQ 

«eirh  und  dehnt  sich  in  ein  slielffinnigrs  Gi-bildc  «us  (l.e|Mdiden  i ,  oder 

er  gestallet  srch  zu  einer  breilcn  Urundllüclic   (Balauiden).   Bei  niiini-hen 

Cimpedien   (Alepas)  bcliüli  der  günxu  HatiU-l  «ine  weiche  BeschaHeobeil. 

Den    Qieislen  dagegen   kommen   feslc,   durch   Verkalkung  enUtiindene 

ScfaalenstUcke     su ,      die     in     der 

äusseren  Lamelle  des  Hnnlels  sich  Fig.  i>i. 

Mldnii.     in    diesen   tbeilweisc  ein  _  ' 

Grhiliise  darstellenden  Mantel  ein- 

jirhullt  li^t  der  Uhrigo  Körper  mit 

dem    mtl   RankenfUssen    beseltlen 

Poslabdoinen  und  steht  durch  eine 

verst^liessbare    Spillte     mit     dem 

umgebenden    Medium    in   V<>rbin- 

dunfE. 

Dieselbe  manlelorlige  lllille 
bildet  bei  den  Rhiiocephalen 
einen      äusserlich      bald      glalteii  r       d    y         «    f 

Seblauch,    bald  eine    zu    symme- 

trisdien  tappen  gebuchlelc  Scheibe.  Kiiic  enge  OefTnung,  die  der  in 
die  Hantelhftble  der  Cirri|>edien  führenden  S|Ktl(«  gleich  kommt,  leitet 
in  einen  jener  MantelhOble  entsprechenden  Ruum,  der  nis  Rnithöhle  fun- 
girt.  Withread  bei  den  Cirripedien  noch  ein  Tbeil  des  glifrimaaGscn- 
tngenden  Krustenthierleihes  mit  der  Hanlelduplicatur  verbunden  und 
in  sie  eingesenkt  fortbesteht,  scheint  bei  den  Hhizoeephtilen  der  gc- 
sanimle  Gliederleib  in  den  Mantel  Uberg^angon  zu  sein. 

Hit  dieser  ßtlckbildung  der  Köt-perlorm  verbindet  sich  eine  andere  aus 
iler  Art  des  Parasitismus  entstandene  Erscheinung,  mdem  nämlich  von 
der  in  den  Leib  des  Winhes  eingesenkten  Stelle  des  Kopfes  her  zahl- 
reiche Röhrchen  sich  bilden,  welche  zum  Theile  in  netzartigen  Durch- 
llechtungcn  anaslomosirend  zum  DaiTucanal  des  Wirthes  treten  und 
diesen  auf  weite  Strecken  umspinnen.  Daraus  gestaltet  sich  ein  unmittel- 
bar vom  Darm  des  Wirthes  ernährende  Flüssigkeit  beziehender,  dieselbe 
dem  Schmarotzer  zuführender  Apparat. 

Ausserdem  bietet  der  Parasitismus  noch  viele  andere  Beispiele 
seiner  rllckbiidenden  Einwirkung  wie  aus  der  mann  ichfaltigen  Gestal- 
tung der  Siphonostomen  hervorgebt. 

Unter  den  Trachealen  besitzen  die  Hyriapodcn  im  Bestehen  gleich- 
artiger discreter  Hetamercn  den  indifferentesten  Zustand.  Hannich- 
fücher  differcnzirt  erscheint  die  Leihesform  hei  den  Arachniden.  Die 
Gnleoden  besitzen  von  diesen  die  nictistc  GÜedcining.  Ein  Kopf  ist 
von  3  Tborakalmelameren   gesondert,    von  denen  wieder  ein  aus  dis- 

Fig.  lOt.  DurchsctiiiillilBrslGlIung  eines  DalanuK,  a  Hund  des  Tliicrus.  hb' 
Zu  ranke arorm igen  Gebilden  umgeslallcle  Glicdmensscn.  c  Kopnhcil  des  Ihlercs. 
A  Minlelartifw  UBhüllung.  s  «  Bewegliche  Klappen  lam  VervcblusBe  des  Ge- 
liüU!«!.    (f  AeuMre  Schale,     m  Haskeln.     iNacb  Daiwir.) 


250 


Arthropoden. 


\ 


creten  Metameren  gebildetes  Abdomen  getrennt  ist.  Die  Scorpionc 
zeigen  dagegen  Kopf-  und  Brusimelanieren  zu  einem  Abschnitte  ver- 
einigt, und  vom  gegliederten  Abdomen  noch  ein  Postabdomen  differen- 
zirt.  Das  Abdomen  setzt  sich  schärfer  von  der  Kopfbrust  bei  den 
Phryniden  ab,  die  darin  mit  den  Araneen  übereinstimmen,  während 
die  vollständigere  Concrescenz  der  Abdominalsegmentc  für  letztere  einen 
Unterschied  von  ersteren  bildet.  Die  Selbständigkeit  der  Metameren 
ist  endlich  bei  den  Milben  völlig  verschwunden  und  der  Kdrper  be- 
sitzt keine  Spuren  einer  Gliederung  mehr. 

Bei  reicherer  Gliederung  waltet  am  Körper  der  Insecten  eine 
grössere  Gleichartigkeit  in  der  Vertheilung  der  Metameren  auf  die  ein- 
zelnen Abschnitte.  Ausser  dem  aus  mehreren  (3)  Metameren  gebildeten 
Kopfe  bestehen  allgemein  drei  Thorakalsegmenl«  (Pro-,  Meso-  und 
Metathoraxj ,  die  entweder  inditferenter  sind,  wie  bei  vielen  Pseudo- 
neuropteren,  wo  sie  nur  durch  die  Anhangsgebilde  sich  auszeichnen,  oder 
alle  drei  bilden  zusammen  einen  sowohl  von  Kopf  wie  von  Abdomen  sich 
scharf  absetzenden  Abschnitt  (Neuroptera,  Hynienoptera,  Diptera,  Lepidop- 
tera) ,  oder  es  ist  nur  das  erste  Thorakalsegment  bedeutender  modi- 
ficirt,  während  das  zweite  und  dritte  an  das  Abdomen  sich  anfügt. 
Dies  Verhältniss  ist  bei  Orthopteren  (Saltatoria)  angedeutet,  bei  Käfern 
ausgeprägt. 

Das  Verhalten  des  Abdomens  wird  von  den  vorhin  berührten  Be- 
ziehungen zum  Thorax  theilweise  boeinflusst.  Seine  Segmente  erhalten 
sich  immer  selbständig,  und  eine  Rückbildung  betritt  meist  die  letzten, 
von  denen  mehrere  zum  Geschlechtsapparate  gezogen  sind. 


Gliedmaassen. 


Fig.   4  05. 


§  ^82. 

Als   Gliedmaassen    erscheinen    bei    den    Arthropoden    paarige, 
gegliederte   Anhangsgebilde,    die    mit    den   Metameren    verbunden   als 

dorsale  und  ventrale  zu  unterscheiden 
sind.  Die  Vorbereitung  zu  dieser  Ein- 
richtung ist  schon  bei  den  höheren 
Ringelwürmern  in  dem  Vorkommen  von 
Fussst ummein  ausgedrückt.  Bei  den  Ar- 
thropoden ist  diese  Fortsatzbildung  einer- 
seits durch  die  Gliederung  dieser  Anhänge 
(s.  Fig.  105.  p)y  andererseits  durch  die, 
einer  Verschiedenheit  der  Function  ent- 
sprechende Mannichfaltigkeit  der  Form  auf  eine  höhere  Differenzirungsstufe 


Fig.  105.    Quordurchsclinitt  durch  eine  Assel  mit  einem  Fusspaare.  pji' Ab- 
domiiialanhänge  zur  Bildung  eines  Brustbehälters.     (Nach  Lereioui.let.) 


GliedmaasMii.  251 

getreten,  und  nur  in  der  Gleichartigkeit  der  ersten  Anlage 
spricht  sich  der  niedere  Zustand  aus. 

Wie  die  niedere  Bildung  der  Parapodien  der  Anneliden  auch  durch 
ihre  gleichartige  Reihenfolge  ausgesprochen  ist,  so  zeigt  sich  dasselbe  ebenso 
in  den  niederen  Typen  der  Arthropoden,  wie  z.  B.  bei  den  Myria- 
podon  und  bei  vielen  Crustaceen  [Phyllopoden  u.  a.).  £s  geben  sich 
ferner  bei  diesen  Körperanhiingen  der  Gliederthiere  zwei  Erscheinungen 
kund,  mit  der  Tendenz,  den  vieltheiligen ,  dem  der  Ringelwttrmer 
abolieben  Organismus  in  einen  mehr  einheitlichen  umzubilden.  Dadurch 
schwindet  bei  den  Arthropoden  der  unter  den  WUmiem  noch  vielfach 
in  hohem  Grade  deutliche  Werth  der  Melameren  als  seibsISndiger  auf 
eine  Erzeugung  von  Individuen  abzielender  Bildungen  (vergl.obenS.  \21], 

Die  erste  dieser  Erscheinungen  ist  die  Metamorphose  der 
Glied maassen  zu  einer  Reihe  manuichfalliger  den  verschiedensten 
Functionen  dienender  Gebilde.  Wir  sehen  homologe  An hangsgc bilde 
von  den  niederen  Abtheilungen  zu  den  höheren  allmählich  aus  einem 
schwankenden  Zustande  in  eine  feste  Gestalt  Übergehen,  und  bei  der 
Veränderung  der  Function  zeigt  die  Gliedmaasse  ihre  Umänderung  der 
neuen  Leistung  angepasst. 

Die  zweite  Erscheinung  ist  die  Beschränkung  der  Zahl  der 
Körperanhänge  in  den  höheren  Abtheilungen,  gleichlaufend  mit  der 
grösseren  Ausbildung  heteronomer  Segmente  oder  mit  der  Entstehung 
von  grosseren  Körperabschnitten  durch  Verschmelzung  einzelner  Seg- 
mentgruppen. 

§  483. 

Die  einfachsten  Verhältnisse  der  Gliedmaassen  bietet  die  Nauplius- 
form  der  Krustenthiere.  Am  ungegliederten  Körper  erscheinen  erst 
zwei,  dann  drei  Paare  gegliederter  Anhänge.  Alle  fungiren  als  Loco- 
motionsorgane  [SchwimmfUsscj,  und  sind  mit  Borsten,  oft  in  mächtigen 
Büscheln  besetzt.  Das  erste  Paar  dieser 
Gliedmaassen  (Fig.    106.    a)    ist  einfach,   das  Fig.  406. 

zweite  und  dritte  Paar  gabelig  getheilt,  und 
diese  Gabeltheilung  erscheint  an  allen 
folgenden  Gliedmaassen  der  Krusten- 
thiere. Die  beiden  ersten  Paare  unter- 
scheiden sich  von  dem  dritten  und  den  diesem 
später  folgenden  durch  das  Verhalten  zu  Nerven. 
Sie  empfangen  ihre  Nerven  vom  obem  Schlund- 
ganglion  während  das  dritte  wie  alle  folgen- 
den von  untern  Ganglien  versorgt  wird.  Daran 
knüpft  sich  eine  Scheidung  der  Function, 
indem  die  beiden  vordem  Paare  vorwiegend  zu  Antennen  sich 
ausbilden.  Beide  bleiben  bei  Gopepoden  noch  vielfach  als  Bewegungs- 

Fig.  406.    Naupliiu  eines  Gopepoden  (Gyclops).    abc  Gliedmaaiwen. 


252 


Arthropoden. 


Organe  in  Function.  Am  volisUlndigsten  bei  den  Ostracoden.  Auch 
die  Gladoceren  besitzen  die  zweite  Antenne  noch  als  Ruderorgan  aus- 
gebildet, und  bei  den  Phyllopoden  erhült  sich  dieser  Zustand  durch 
eine  liingere  Enlwickelungsperiode.  Bei  den  Malacostraken  sind  beide 
Antennenpaare  ausser  Beziehung  zur  Ortsbewegung,  wie  auch  immer 
ihre  Gestaltung  erscheinen  mag.  Gewöhnlich  ist  das  hintere  Paar 
(Fig.  <08.  at']  in  lateraler  Stellung  zum  vorderen  (o/) ,  und  übertrifll 
letzleres  oft  bedeutend  an  Volum  (vergl.  auch  Fig.   4H.  a'  a"). 

Die  übrigen  Gliedmaassen  sind  ausschliesslich  ventral.  Sie  schliessen 
sich  mit  der  beginnenden  Metamerenbildung  an  das  vorhin  beim  Nau- 
plius  erwähnte  erste  Schwimmfusspaar  an  und  vertheilen  sich  paarig 
auf  die  einzelnen  Segmente.  Wie  jener  Sch\^immfuss  und  das  zweite 
Antennenpaar  laufen  sie  in  zwei  Aeste  aus,  welche  meist  ungleich- 
artige Differenzirungen  eingehen ,  indem  der  eine  Zweig  mächtiger  sich 
ausbildet  und  zum  Hauplstücke  der  Gliedmaassen  wird,  indess  der 
andere  mehr  ein  Anhangsgebilde  vorstellt.  Durch  Beziehungen  zur 
respiratorischen  Function  kann  jedoch  auch  dieser  Theil  der  Glied- 
maassen bedeutende  Ausbildung  erfahren.  In  der  Function  iheilen 
sämmtliche  Gliedmaassen  sich  in  verschiedene  Verrichtungen,  denen 
entsprechend  sie  umgestaltet  sind. 

Die  vorderen  dieser  ventralen  Gliedmaassen  wer- 
den, soweit  sie  in  der  Nähe  der  MundöfiFnung  liegen, 
zu  Mundorganen  umgebildet,  entweder  ausschliesslich 
als  Kiefer,  oder  nur  theilweisc,  als  KieferfUsse. 
Bei  den  Branchiopoden  sind  nur  einige  Paare  zu  Mund- 
organen verwendet,  und  die  übrigen  bei  den  Phyllopo- 
den meist  sehr  zahlreichen  Gliedmaassen  verhalten  sich 
ziemlich  gleichartig  als  SchwimmfUsse.  Aehnliches 
bieten  die  Ostracoden,  Copepoden  und  Cirripedien,  deren 
hintere  Gliedmaassen  jedoch  in  die  charakteristischen 
RankenfUsse  umgebildet  sind  [Fig.  104.  bb'].  Am  be- 
deutendsten ist  die  Veränderung  der  Gliedmaassen  bei 
den  Malacostraken,  für  welche  der  Befund  bei  einem 
Decapoden  näher  betrachtet  werden  soll.  Hier  treffen 
sich  G  Gliedmaassen  paare  zu  Mundorganen  gestallet, 
an  welchen  sich  die  Form  des  Pbyllopodenfusses  wenig 
verändert  fort  erhielt.  Auf  ein  Paar  derber  Kiefern 
(Fig.  107.  md)  folgen  zwei  Paar  Kinnladen  (Maxillen 
[mx^  mx') ,  denen  drei  Paare  von  KieferfUssen  (w//, 
//»/>',  mp")  sich  anschliessen.  Durch  die  letztern  ßndel 
ein  allmiihlicher  Uebergang  zu  den  locomotorischen  Glied- 
maassen statt.  Von  diesen  sind  noch  fünf  Paare  P' — /*»'• 
am  Cophalothorax    angebracht,  den  sie  mit  den  Kiefer- 

Fig.  4  07.     Miinduliedmaassen  von  Astacus  fluviatilis  md  Mnndibel.     mx  Ei*8>lt\ 
mx'  zweite  Maxille.     mp,  mp',  mp"  kieferfüssc.     c  Anhang. 


THje 


ItUMT 


«S3 

fDssen  Dod  Kiefern  aus  ebenso  viel  Melameren  entstanden  beurkunden 
helfen.  Ad  den  Endgliedern  der  meisten  dieser SchreitfUsse  kommt  durch 
bedeutende  Ausdehnung  des  vorletzten  tlber  das  lelite  die  Scheeren- 
bilduDg  tu  Stande,  die  meist  am  ersten  Fusspanre  Uberwie(;end  ent- 
öltet als  Waffe  dient.  Wie  die  KieferfUss^  besitzen  »uch  die  Selireit- 
fUsse  Kiemenb tischet  als  Anhange. 

Am  Abdomen   sind  endlich  fünf  Kir.  las. 

Füsspaare  in  schwache  Schwimm- 
fUsse  umgewandelt,  davon  das  erste 
bä  den  Männchen  als  fiegatlungs- 
oi^n  fungirl,  bei  den  Weibchen 
mcLgebildet  ist.  Bei  den  letitera 
tragen  die  l  Übrigen  (Fig.  108.  p^ 
— p^]  die  Eier.  Am  bedeutendsten 
endlich  ist  das  letzte  Glied nuasspaar 
verschieden,  indem  es  (;>^)  mit  dem 
Endsegmenie  des  Körpers  zusammen 
eine  krüftige  Schwanzflosse  herstellt, 
deren  seitlichen  Theil  es  bildet. 

A  n  d  ere  Halacoslrakenabth  e  i  I  u  n  ge  n 
ze^en  hiervon  mehr  oder  minder  be- 
deutende Verschiedenheiten  je  nach 
der  Zahl  der  Mundorgane  oder  der  als 
LocoiDotioD Solana  verwendeten  und 
diesen  Functionen  angepassten  Glied- 
maassen.  So  sind  z.  B.  bei  den 
Asseln  i  Gliedmaassen  in  Hundtbeile 
verwandelt,  die  folgenden  8  er- 
scheinen als  Gebftlsse,  und  die  letzten 
vier  endlich  bilden  der  Athmung  die- 
nende PIatt«n. 

Die  Verknüpfung  der  Athnmng 
mit  der  Locomotion ,  wie  sie  sich  in 
der  Umwandlung  der  Gliedmaassen 
in  Kiemenblätlcben  oder  in  der  Son- 
derung von  Kiomen  dei'  verschiedensten  Gestalt  nn  den  Glied- 
maassen ausspricht,  trifft  sich  als  eine  tiefgehende  Erscheinung.« 
|s.  Kiemen.) 

Flg.  408;  riHedmaawen  von  Aslacuu  fluviatilis,  vod  der  BaucblUche  Reseheo. 
Ol  vordere,  at  hinlere  Antenne,  mt'  Uandlbelsllick.  mp''  drilter  Kiererruss,  all« 
übrigen  Jlondglieilmaaiiscn  bedeutend,  f— /*  Schreitfusse.  p'— f"'  Scliwiiinm- 
(Ume  de«  Abdomens,  jfi  KlossenruKs.  a  AflcrüfTnung.  o  Mündunf-  des  Oviductes 
am  BtMtgliede  des  drillen  Schreitfuucs. 


25  i  Arthropoden. 

Kiemen. 

Die  an  den  Gliedmaassen  der  Crustaceen  bestehende  Spaltung 
macht  diese  Gebilde  bei  Verbreitung  ihrer  GliedstUeke  ebenso  zur 
respiratorischen  Function  geeignet,  wie  sie  es  zur  Locomotion  sind. 
Mit  einer  Verdünnung  des  Integumentes  an  bestimmten  Abschnitten 
entstehen  den  Gasaustauch  zwischen  dem  im  Innern  der  Gliedmaassen 
circulirenden  Blute  und  dem  umgebenden  Medium  fdixlernde  Einrich- 
tungen, welche  bald  die  gesammte  Gliedmaasse  bald  nur  ein  Gabel- 
stück derselben  als  Respirationsorgan  erscheinen  lassen. 

Eine  fernere  Differenzirung  führt  dann  zu  einer  Vermehrung  der 
respiratorischen  Lamellen  einer  Gliedmaasse  oder  zu  fadenförmigen 
Umbildungen  derselben.  Die  Verbreitung  von  Kiemenbildungen  mit 
den  Gliedmaassen  der  Würmer  lässt  darin  eine  Vorbildung  der  bei 
Crustaceen  weiter  entwickelten  Einrichtung  erscheinen,  die  hier 
typisch  ward. 

Die  allmähliche  Ausbildung  der  Kiemen  lässt  sich  von  Stufe  zu 
Stufe  durch  die  Reihe  der  Krustenthiere  verfoken,  und  die  Functionen 
der  Athmung  und  der  Ortsbewegung  sind  häufig  so  innig  mit  einander 
verbunden,  dass  es  schwer  ist  zu  entscheiden,  ob  gewisse  Foimen 
der  paarigen  Körperanhänge  als  Kiemen  oder  als  Füsse  oder  als  beides 
zugleich  gellen  dürfen.  Nicht  selten  ist  diese  Umwandlung  der  Loco- 
motionsorgane  in  Athmungswerkzeugc  in  der  Reihenfolge  der  Glied- 
maasen  eines  und  desselben  Individuums  wahrnehmbar.  Die  kiemen- 
tragenden Metameren  sind  sehr  verschieden,  so  dass  man  sagen  kann, 
die  Gliedmaassen  jedes  Segmentes  seien  befähigt,  Kiemen  vorzustellen, 
oder  aus  einem  ihrer  beiden  primitiven  Aeste  Kiemengebilde  entwidielnd, 
als  Träger  derselben  aufzutreten.  Wie  der  Ort,  so  wechselt  auch  die 
Zahl  und  die  specielle  Structur  dieser  Athmungsorgane. 

Wo  die  Füsse  selbst  Kiemen  vorstellen ,  erscheinen  sie  als  breite, 
dünne  Lamellen  (vergl.  Fig.  103.  i4  6r),  deren  Oberflächen  der  W^eehsel- 
wirkung  zwischen  dem  in  ihnen  kreisenden  Blute  und  dem  umgeben- 
den Wasser  günstig  sind.  Solche  Gebilde  zeigen  sich  verbreitet  bei 
den  Branchiopoden,  bei  denen  meist  eine  grössere  Anzahl  von 
Fusspaaren  als  Kiemen  erscheint  und  noch  besondere  beutelfbrmige 
Anhänge  als  vorzugsweise  mit  jener  Function  betraut  unterscheiden 
lässt.  Als  Kiemenblätter  erscheinen  auch  die  Bauchfüsse  der  Isopoden. 
Bei  den  Amphipoden  sind  die  Kiemen  schlauchförmige  Anhänge  der 
Thorakalsegmente ,  die  in  der  Regel  an  den  Basalgliedern  der  Füsse 
befestigt  sind.  Dagegen  tritt  bei  den  Stomapoden  eine  aus  der 
Grundform  hervorgegangene  andere  Bildung  auf,  indem  die  fünf 
Schwimmfusspaare  des  Abdomens  an  ihrer  Basis  ein  median  gerichtetes 
Büschel  verzweigter  Kiemenfiiden  tragen   (Fig.   403.   Bhr.). 


Kiemen.  255 

Eine  conlinuiriiche  Reihe  von  den  einfachsten  zu  den  oomplicir- 
testen  Yerhältnissen  führt  von  den  Schizopoden  zu  den  Decapoden. 
Ersteren  fehlen  gesonderte  Kiemen  nicht  selten  (Mysidenj ,  oder  sie 
erscheinen  als  verästelte  Anhänge  der  Gliedmaassen  des  Cephalothorax, 
trei  nach  aussen  flottirend  (Thysanopodenj .  Allmählich  entwickelt  sich 
eine  Duplicaior  vom  Hautskelete  des  Cephalothorax  her  und  bildet  eine 
den  seitlichen  Raum  über  den  BrustfUssen  bedeckende  Lamelle  (S.  248). 
In  diesen  Raum  lagern  sich  die  von  den  BrustfOssen  oder  von  der  Körper- 
wand  entspringenden  Kiemen,  er  wird  dadurch  zur  seitlich  geschlosse- 
nen Kiemenhohle  (Decapoden) ,  welche  durch  eine  vom  freien  Rande 
jener  Lamelle  und  der  Basis  der  FUsse  begrenzte  Spalte  mit  dem  um- 
gebenden Medium  in  Verbindung  steht.  Indem  sich  die  DedLlamelle 
der  Kiemenhohle  ventral  enger  an  den  Körper  anlegt,  wird  die  an- 
fiinglich  einfache,  Einlass  gebende  LUngsspalte  in  zwei  Abschnitte  zer- 
legt, und  es  bildet  sich  so  eine  grössere  hintere  und  eine  weiter  nach 
vorne  gelegene  kleinere  Oeffnung,  durch  welche  das  durch  die  grössere 
eingetretene  Wasser,  nachdem  es  die  Kiemen  bespült  hat,  wieder  nach 
aussen  gelangt.  Die  Kiemen  können  sich  theilweise  von  der  Fussbasis 
entfernen  und  von  der  Wand  der  Kiemenhöhle  entspringen,  entsprechen 
aber  dann  noch  häufig  in  ihrer  Zahl  den  Gliedmaassen.  Bei  den  meisten 
Decapoden  ist  jedoch  die  Zahl  der  Kiemen  beträchtlich  vermehrt, 
indem  die  vordersten  Fusspaare  mit  mehreren  Kiemen  versehen  sind 
und  überdies  noch  einige  Paare  der  Kieferfüsse  an  dieser  Einrichtung 
iheilnehmen.  Eine  schärfere  Sonderung  der  respiratorischen  Glied- 
niaassen  drückt  sich  bei  den  Pöcil op öden  aus,  deren  vordere  Glied- 
maassen der  Anhangsgebilde  entbehren,  indess  die  dem  Abdomen 
angefügten  5  f  usspaare  in  breite  Platten  umgewandelt  eine  bedeutende 
Anzahl  von  Kiemenlamellen  tragen. 

§  485. 

Ein  rascherer  Wasserwechsel  um  den  Kienien.npparot  wird  auf 
mannichfache  Weise  bewerkstelligt.  Am  einfachsten  sind  diese  Ver- 
hältnisse da,  wo  die  Gliedmaassen  selbst  als  Kiemen  fungiren,  oder 
wo  die  Kiemen,  wenn  auch  als  besondere  Organe,  den  Schwiminfüssen 
angeheftet  sind.  Die  Action  der  Gliedmaassen  ruft  hier  einen  bestän- 
digen Wasserwechsel  um  die  Organe  hervor,  und  bringt  die  Respiration 
mit  der  Ortsbewegung  in  directe  Beziehung.  Die  Gliedmaassen  der 
Branchiopoden  und  die  Schwimmfüsse  der  Stomapoden  können 
a)s  Beispiele  fUr  diese  Einrichtung  angeführt  werden.  Bei  anderen 
besorgt  den  Wasserwechsel  ein  besonderer  aus  den  modißcirten  After- 
fUssen  gebildeter  Deckapparat  der  Kiemen,  wie  dies  bei  den  Pöcil o- 
poden  und  bei  den  Asseln  der  Fall  ist.  Durch  die  stete  Bewegung 
dieser  Deckplatten  ist  auch  im  ruhenden  Zustande  der  Thiere  eine  be- 
ständige Erneuerung  des  Wassers  ermöglicht. 


Sie 


Arlhropodeii. 


Die  Bildung  einer  Kiemenliöhle  bedingt  die  Sonderung  neuer  Vor-  - 
richlungen,    durch   welche   der  Wasserwechsel   besorgt  wird.     Bei  den 
mit   KienienhOhlen    vm-sehoiicn    Dcc.ipoden    bestehen  jedcrseils   be- 
sondere Strudelorgane    (Fingella],    (Fig.  lOft.  f),    welche  über  süroml- 
tiche  Kiemen  als  schmale  und  dUnne 
Fol  tsiii^e  sich  hinweg  ei-slrccken  und 
an  die  Basis  eines  Kieferfusses   ge- 
heftet,   von    diesem    in    bestandige 
Bewegung  gesetzt  werden.    (Brach;- 

Von  respiratorischer  Bedeutung 
müssen  die  Lamellen  des  Integu- 
ments  gellen,  welche  bei  vielen  Eni»- 
mostraken  die  Triiger  der  Schalen- 
bildungen  sind.  Diese  Beziehung 
zur  Alhmung  wird  dadurch  ver- 
stiindlich,  dass  diese  Mantellamellen 
ein  nicht  unbedeutender  Blutslrom 
durchkreisl,  und  durch  die  Dudq- 
wimdigkeit  des  Ot^ans  fUr  den  Gas- 
auslausch  günstige  Bedingungen  ge- 
f  geben  erscheinen,  dass  femer  durch 

die  Schwimnibewegungen  derGlieri- 
maassen  ein  energischer  Wasserwechsel  an  der-  Innenfläche  des  Mantels 
besorgt  wird.  Hit  einer  Ausdehnung  der  Mantellamellen  (Limnndia- 
ceen)  wird  diesen  auch  ein  grösseres  Gewicht  bei  der  Vermiltelung  der 
Athmung  zufallen,  welches  sich  in  dem  Maasse  noch  erhöhen  muss, 
als  die  Gliedmaassen  an  Zahl  reducirl,  und  nur  von  geringen  Blut- 
mengen durchströnil,  an  respiratorischer  Bedeutung  verlieren,  wie  dies 
bei  den  Osiracoden,  dann  auch  hei  den  Daphniden  der  Fall  ist. 

WHhrend  in  diesen  Fallen  der  Mantel  keine  besonders  hervor- 
tretende Organisation  als  Kiemenorgan  besass,  erscheint  eine  solche 
bei  den  Cirripedien,  Bei  den  Balauiden  erheben  sich  von  der  Innen- 
fläche der  Hanlelhohle,  zvtischen  der  Settenwand  und  der  Basis,  ge- 
fältele  als  Kiemen  fungirende  Lamellen  und  zeigen  damit  die  Differen- 
zirung  eines  besonderen  Organes. 

Flg.  10).  Kiemen  eines  Rrachyuren.  Dos  Kücken  in  legument  des  grüsste* 
Tbeils  des  Cephatothorai  ist  eotrernt.  In  der  HItle  ist  die  LelbeEliöliIe  mit  dem 
vom  Kaumagen  v  kommcDdcn  Darme  sichlbsr,  seitlich  davon  Ist  die  Kiemeahöhlc 
gcülTnet,  rechts  finden  sich  die  Kiemen  in  seclisRIatlerreihen,  links  find  vier  der- 
selben nbgeschnittcn,  ebenso  tins  Fla^ellum  f,  um  den  unter  den  Kiemen  liegenden 
SIrud olapparat  f  f  sichtbar  zu  machen,  o  Augen.  A  Fühler,  ar  Eine  einieltie 
Kieme,  bei  r#  abj^eschnitten. 


GK«diDaM0en.  257 


Gliedmaassen  der  Tracbealen. 

§  186. 

Die  Gliedonaassen  der  Tracbeaten  unliTscbeiden  sich  von  jenen 
der  Krustenthiere  durch  den  Mangel  der  Gabeltbeiiung,  so  dass  sie  aus 
einer  einfachen  Reibe  von  GliedstUcken  sich  zusammensetzen.  Alle 
Tradiealen  zeichnet  ferner  ein  einziges  Antennenpaar  aus,  worin 
auch  die  Pöcilopoden  ihnen  sieb  anschliessen.  Diese  Antennen  sind  bei 
den  Pöcilopoden  wie  bei  den  Arachniden  den  Mundorgmen  zugetheilt, 
bei  den  Soorpiooen  als  Scheerentaster  (Scheerenkiofer),  bei  den  Spinnen 
als  KieferfUhler  (KlauenfUhler)  bezeichnet.  Ungeachtet  dieser  Bezieh- 
ungen sind  diese  Gebilde  den  Antennen  der  Myriapoden  und  Inseoten 
homolog,  indem  sie  wie  diese  ihre  Nerven  vom  oberen  Schlundganglion 
empfangen.  In  Anpassung  an  zahlreiche  Leistungen  im  Dienste  mit 
ihnen  verbundener  Sinnesorgane  bieten  sie  bei  den  Insecten  höchst 
DiaDnicbfaltige  Ausbildung  dar. 

Ventrale  Gliedmaassen  erscheinen  gleichartig  angelegt  und 
lassen  damit  die  auftretende  Sonderung  als  eiiirn  später  erworbenen 
Zustand  erkennen ,  mit  dem  sie  verschiedenen  Leistungen  gemäss  in 
verschiedene  Formzustände  treten.  Vorderen  Metameren  angehörige 
Gliedmaassen  gehen  wieder  in  Mundorgane  über,  hinteren  zugetheiite 
in  Ftlsse,  und  an  den  letzten  Metameren  erleiden  die  Gliedmaassen  voll- 
ständige Rückbildung  und  treten  oft  nicht  einmal  in  der  Anlage  auf. 
Im  Ganzen  ist  die  Zahl  dieser  Gliedmaassen  viel  beschränkter  als  bei 
den  Krustenthieren ,  und  innerhalb  der  Glassen  hält  sie  sich  stets  in 
feststehenden  Grenzen,  und  die  Zahl  der  Mundgliedmaassen ,  wie  die  der 
Füsse  ist  constant.  Den  Arachniden  kommt  nur  ein  einziges  Paar  solcher 
Mundgliedmaassen  zu.  Es  stellt  bei  den  Spinnen  die  einen  mehrglied- 
rigen  Taster  tragenden  Kinnladen  vor,  die  bei  den  Scorpionen  den 
Scheerenftlssen,  bei  den  Phryniden  den  mit  einem  mächtigen  Ilaken  be- 
waffneten »Tastern«  entsprechen.  Die  Milben  besitzen  die  beiderseitigen 
Stucke  zu  einer  rinnenförmigen  Unterlippe  verbunden,  in  welcher  die 
stiletförmigen  Kiefergebilde  geborgen  sind.  Die  vier  übrigen  Glied- 
maassenpaare  stellen  Füsse  vor ,  deren  erster  bei  den  Phryniden  geissei- 
förmig gestaltet  ist. 

Bei  den  Myriapoden  stimmen  die  Mundgliedmaassen  mit  denen  der 
hisecten  ttberein.  Von  drei  Paar  Anhängen  bildet  das  erste  meist 
»larke  zangenartig  gegeneinander  wirkende  Kiefer,  das  zweite  stellt 
bei  den  Chilopoden  ein  Maxillenpaar  vor^  indess  das  dritte  zu  einer 
Unterlippe  sich  verbindet.  In  diese  geht  bei  den  Cbilognathen  auch 
das  erste  Maxillenpaar  ein.  Alle  übrigen  Gliedmaassen  stellen  Füsse 
dar,  die  zuerst  in  drei  Paaren  auftreten,  hinter  welchen  dann  neue 
hinzukommen,    so  dass  jedem  Leibesmetamer  ein  Paar  Füsse  —  bei 


den  Cbilognallien  mil  Ausnubmc  der  vorderen  HelamereD  —  sogar  je  i 
Fusspaare  —  zukommen  (Diplopoden). 

§  *87. 

Aus  der  ursprünglich  gleichartigen  Glicdmaassenanlage  (vergl. 
Fig.  f  f  0.  A)  sondern  sich  bei  den  Insectcn  Anlennen,  Hundorgane  und 
Ftlsse  {Fig.  110.  B).  Die  Mundorgane  bilden  gegeneinander  wirkende 
Kiefertheile ,  von  denen  die  beiden  hinleren  Paare  [Mamillen]  in  be- 
wegliche, dem  ersten  Paare  fehlende 
Anhänge,  Tasler,  forlgesetzt  sind.  Sie 
stellen  Kauorgane  vor.  Durch  das  Ver- 
wachsen des  Eweiten  Haxillenpaares  lu 
eincrl'nierlippe,  dnrdieTasleralsLippcn- 
laster  Einsitzen,  entstehen  fernere  Hodifi- 
cationen.  Die  Verschmelzung  ist  unvoll- 
ständig bei  den  meisten  Pseudoneurop- 
Icren,  z.  B.  bei  den  Libellen,  den 
Heuschrecken,  oder  sie  ist  vollkommen 
wie  bei  den  Coleoptercn. 

Noch  bedeul^-nderc  Hodißcationen  ent- 
stehen an  diesen  Theilen  mit  der  An- 
passung ihrer  Function  an  eine  andere 
Art  der  Nahrungsaufnahme,  mittels 
Saugen.  DieHymenoptem,  deren  Hund- 
theile in  beiderlei  Richtung  fungiren 
können,  zeigen  die  Organe  noch  in 
ziemlich  derselben  Form  wie  andere  fn- 
sectenmit  Kauor^anen,  aber  dieHaulIen 
sind  bedeutend  verlängert  und  ebenso  die  Unterlippe  mit  ihren  Tastern. 
Auf  ihrer  g<^en  die  Hundäffnung  gerichteten  Fläche  ist  ein  Vorsprung, 
die  Zunge,  entstanden,  der  an  seiner  Basis  noch  zwei  seitliche  An- 
hänge, Kebenzungen.  zeigt.  Bei  Hanchen  kommt  den  letzteren  eine  der 
Zunge  Sthntiche  Ausdehnung  zu. 

Minder  leicht  sind  die  Hundtbeile  der  ausschliesslich  sauenden 
Insecten  von  den  Kauwerkzeugen  ableitbar.  Hemiptera  und  Diplera 
besitzen  die  Handibeln  und  Ha\illen  in  Borsten  umgestaltet,  von  denen 
die  Ha  Villen  borsten  Ltei  vielen  Dipteren  rudimentjir  sind.  Die  Unterlippe 
bildet  fnr  diese  Borsien  eine  bei  Memipleren  gegliederte,  bei  Dipteren  meist 
weiche  Scheide,  welche  noch  die  Lippenlasler  oder  deren  Rudimente 
tri»;.:!.  An  der  kürten OtH'Hippe  sitzt  ein  den  Hemipleren  feblendesZungen- 
rudinH'Ot.     Die  Hundorgnne   der  Schniellerlinse   sind   in   einer   andern 

t'tf.  II»,  EtitWK-ti^luii^sslatli.'n  vou  H>drv>philus  pic«uj  ia  ventraler  Aniiclil. 
.»Ein  IniliiTrs.  B  «-m  sp.ii.T^  SiUi.tmm.  tt  Ol-^ri^i-p*  at  AnteDoe,  md  ersles 
llunif^<iM<ni»sMMi|M.ir  VaiKlit'rl  .  mx  Zwi-iit-s  Pnjr  tkUitlle'.  U  Drill«*  Pur 
itolrTliiipr  .     f'  f"  f'"  Kus»».     ,N»cfa  ko«u.E<«iKi.' 


GliediDMswn.  259 

Riobtang  differenzirt.  Hier  bilden  die  rinnenförmig  gestalteten,  zu  einer 
Röbre  verbundenen  Maxillen  einen  meist  beträchtlich  langen,  spirah'g 
einrollbaren  Rüssel,  an  dessen  Basis  kleine  Rieferlaster  sich  vorfinden, 
die  von  den  meist  grossen  Tastern  der  kurzen  rudimentären  Unterlippe 
bededLt  sind. 

Wttlirend  die  Mundgliedmaassen  den  zum  Kopfe  verschmelzenden 
Melamaren  zugetheilt  sind,  erscheinen  die  folgenden  Gltedmaassen  als 
Fttsse,  als  Anhangsgebilde  der  drei  nächsten  oder  thorakalen  Metameren. 
Die  an  ihnen  auftretende  Gliederung  ei^ibt  sich  bei  ihrer  Ueberein- 
Stimmung  als  eine  gemeinsam  ererbte  und  nur  an  den  der  Anpassung 
zugangticfaeren  Endabscbnitten  sind  bedeutendere  Differenzen  wahr- 
nehmbar. Andere  EigenthUmlichkeiten  stellen  sich  als  Ausdruck  man- 
Didifaltiger  Anpassungen  an  modificirte  Verrichtungen  dar. 

Obwohl  direi  Fnsspaare  constant  sind,  so  ist  doch  bei  vielen  In- 
secten  eine  grössere  Zahl  in  der  Anlage  erkennbar,  woraus  auf  eine 
Abslammang  von  mehrfttssigen  Formen  geschlossen  werden  kann. 
Von  diesen  hinter  den  drei  Tborakalfüssen  befindlichen  Fussrudimenten 
erlangen  einzelne  eine  bedeutendere  Entfaltung  und  werden,  wenn 
auch  nidil  so  hochgradig  wie  die  vorderen  ausgebildet,  doch  wtthrend 
gewisser  Entwickelunggstadien  in  locomotorische  Function  gestellt,  wie 
die  sogenannten  Afterfttssc  der  Schmetterlings-  und  Blattwespenlarven, 
oder  sie  stellen  nicht  locomotorische  Anhange  vor,  wie  bei  manchen 
Käferlarven  oder  ausgebildeten  Zuständen  der  letztem. 

§  188. 

Ausser  den  Antennen  treten  dorsale  Gliedniaassen  unter  den 
Tracheaten  nur  bei  den  Insecten  auf.  Da  sie  stets  den  hinter  dem 
Kopfe  befindlichen  Metameren  zukommen,  empfangen  sie  —  wie  sdmmt- 
liehe  ventrale  Gliedmaassen  —  ihre  Nerven  vom  Bauchstrange.  Ob 
sie  mit  den  bei  Crustaceen  sich  nicht  selten  von  den  Füssen  entfer- 
nenden und  selbständig  den  Metameren  angefügten  Kiemen  verwandt 
sind,  ist  in  hohem  Grade  zweifelhaft,  und  schwerlich  dürften  sie  von 
jenen  her  sich  ableiten,  woraus  eine  selbständige  Behandlung  dieser 
Organe  sich  rechtfertigt. 

me  dorsalen  Gliedmaassen  erscheinen  als  blatt-  oder  fadenförmige, 
zuweilen  in  Büscheln  gruppirte  Fortsätze  der  Metameren  im  Wasser 
lebender  Larven  der  Ephemeriden,  Perliden,  Phryganiden  u.  a.  Diese 
Anhangsgebilde  besitzen  respiratorische  Function,  und  werden  wegen 
der  in  sie  eintretenden  Tracheen,  als  Tracheen-Kiemen  bezeich- 
net. Sie  besetzen  den  Körper  meist  in  grösserer  Ausdehnung.  Die 
blattartig  verbreiteten  Formen  werden  in  einer  für  den  Wasserwechsel 
wichtigen  Bewegung  getroffen,  ähnlich  den  respiratorischen  Gliedmaassen 
der  Phyllopoden,  ohne  dass  sie  jedoch  locomotorische  Beiiehungen 
erkennen  liessen. 


S60  Arthropoden. 

Mit  den  blattförmigen  Tracheenkiemen  müssen  die  Flügel  homolog 
gelten,  die  sowohl  in  der  Anlage,  wie  in  der  Verbindung  mit  dem  Körper 
und  in  ihrem  Bau  viele  Ueberstimmung  zeigen.  In  ihrer  Beschrönkung 
auf  das  Site  und  3te  Thorakalsegment  wUixien  sie  Reductionen  der 
Zahl  der  Kiementracheen  vorstellen.  Die  Nothwendigkeit  der  Voraus- 
setzung, dass  der  Flügel  nicht  als  solcher*  entstand,  sondern  aus  einem 
in  anderer  Function  stehenden  Organe  sich  hervorbildete,  gibt  bei  der 
Vergleichung  mit  den  Kiemen tracheen  gleichfalls  einen  Factor  ab.  In 
manchen  Fällen  gibt  sich  die  Gliedmaassennatur  der  Flügel  in  einer 
Gliederung  kund,  die  nur  als  Anpassung  gelten  kann.  Sie  findet  sich 
an  dem  einschlagbaren  2ten  Flügelpaare  der  Goleopteren  und  der  Forfi- 
culiden,  in  beiden  Fällen  mit  der  Umwandlung  des  ersten  Paares  in 
Flügeldecken  zusammenfallend. 

Beide  FlUgelpaare  besitzen  die  gleichartigsten  Verhältnisse  bei  den 
Pseudoneuropteren.  In  den  übrigen  vierflügligen  Ordnungen'  sind  sie 
grösseren  Differenzirungen  unterworfen.  Ausser  Grössenverschieden- 
heitcn,  die  schon  bei  liymenopteren  und  Lepidopteren  meist  in  einem 
Uebcrwiegen  des  ersten  Paares  sich  zeigen,  ergeben  sich  noch  Modifi- 
cationen  im  Bau,  wodurch  ein  geänderter  funclioneller  Werth  sich 
ausspricht.  Bei  den  Orthopteren  erscheint  das  erste  Flügelpaar  häufig 
nur  als  Deckorgan  des  zweiten ,  deutlicher  bei  den  Käfern ,  deren 
zweites  Paar  häufig  rudimentär  wird.  Die  Flügeldecken  sind  dann  zu 
Schutzorganen  des  unter  ihnen  geborgenen  Abdomens  geworden.  Die 
Hemipteren  bieten  eine  ähnliche  Differenzimng.  Nur  das  vordere 
Flügelpaar  besitzen  die  Dipteren,  bei  denen  ein  hinteres  Paar  noch 
spurvveise  in  den  sogenannten  Schwingkölbchen  (Halteren)  sich  fori- 
erhält.  Dagegen  besteht  nur  das  hintere,  am  dritten  Thorakalseg- 
mente  befestigte  Flügclpaar  bei  den  Strepsipteren. 


Intesument  und  Hautskelet. 
§  189. 

Das  Integument  der  Arthropoden  erscheint  selbständiger  und  un- 
abhängiger von  der  Muskulatur  und  lässt  stets  zwei  Lagen  unterscheiden. 

Die  von  einer  Zellschichte  oder  einem  Syncytium  abgesck^edene 
Guticularschichte  überzieht  im  Anschlüsse  an  die  bei  vielen  Würmern  be- 
stehenden Befunde  die  gesammte  Oberfläche  des  Körpers,  und  setzt 
sich  an  den  Oeffnungen  innerer  Organe  als  Auskleidung  letzterer  fort. 
Durch  ihre  Mächtigkeit  bildet  sie  den  bedeutendsten  Theil  des  lotegu— 
mentes,  an  Dicke  und  Festigkeit  ausserordentlich  wechselnd.  Weich 
und  biegsam  ist  sie  zwischen  den  Körpersegmenten,  wo  dieselben  be- 
weglich mit  einander  verbunden  sind ,  fester  dagegen  zumeist  an  den 
Metameren  selbst,  sowie  an  den  Gliedmaassen ;  im  Allgemeinen  bew^ 
sich    ihre   physikalische  Beschaffenheit    innerhalb   einer  grossen  Breite, 


Intagum«oi  nod  HtoUketet.  164 

and  voD  der  weichen  K<}rperhtt11e  der  Spinnen  und  der  meisten  In* 
seetenlarven,  finden  sich  alle  Uobergänge  zu  dem  starren  Panzer ,  der 
den  Körper  der  meisten  Krustenthiere,  der  TausendfUsse,  der  Scorpione 
und  unter  den  Insecten  vorzuglich  jenen  der  Küfer  u.  s.  w.  bedeckt. 
Der  verschiedene  Grad  der  Festigkeit  hiingt  nicht  blos  von  der  Dicke 
der  Guticula,  sondern  vorzüglich  von  der  Chitinisirung  der  Schichlen 
derselben  ab.  Im  neugebildeten  Zustande  erscheinen  auch  dicke  Lagen 
noch  weich,  um  erst  mit  dem  Platzgreifen  jener  chemischen  Veränderung 
an  Resistenz  zu  gewinnen.  Zur  Erhöhung  der  Festigkeit  dieses  Chitin- 
panzers  trügt  bei  vielen  Krustenthie  ren,  wie  auch  bei  My  riapoden 
die  Ablagerung  von  Kalksalzen  bei.  Dieses  Starrwerden  der  Cuticula  setzt 
der  Ausdehnung  des  Körpervolums  beim  Wachsthum  eine  Glänze,  und 
daraus  entspringt  in  jenen  Fallen  für  die  Zeit  der  Fortdauer  des  Wachs- 
thams  ein  in  Intervallen  wiederkehrendes  Abwerfen  der  Cuticula  —  die 
Häutung  — . 

Gemäss  ihrer  Entstehung  zeigt  die  Cuticularschirhte  Qberall  deut- 
liche Laoiellen.  In  der  Regel  werden  sie  von  Porenranülen  durchsetzt , 
in  welche  Fortsütze  der  Matrix  sich  einsenken. 

Die  relativ  dünne  Matrix  der  Cuticularschichte  ist  homolog  der  Epi- 
dermis anderer  Thiergroppen.  Obgleich  sie  in  manchen  Fallen  (C'rusta- 
ceenj  Pigmente  einschliesst ,  ist  sie  in  der  Regel  doch  farblos,  denn 
die  Färbung  der  Gliederthiere  rührt  meist  von  Pigmentablagerungen  in 
der  äusseren  Ghitinhülle  her.  Unter  dieser  eigentlichen  Epithelschichte 
(die  auch  als  Hypoderm  unterschieden  wird]  kommt  noch  eine  Rinde- 
gewebsscbichte  vor,  welche  jedoch  im  Vergleiche  zur  Cuticularschichte 
wie  zur  Matrix  meist  wenig  entwickelt  ist. 

§  490. 

Durch  erhöhte  Festigkeit  der  abgesonderten  Chitinschichten  treten 
diese  id  eine  neue  Function  und  werden  zu  einem  Hautskelete, 
welches  nicht  blos  ein  Schutzorgan  für  .die  in  den  Leibesraum  gebette-* 
ten  Organe  vorstellt,  sondern  auch  zum  Stützapparat  wird,  und 
der  Leibesmuskulatur  Ursprungs  -  und  Insertionsstellen  darbietet.  Diesos 
Verhältniss  erstreckt  sich  vom  Körper  auf  dessen  Gliedmaassen ,  deren 
Integument  ebenfalls  als  Skelet  fungirt. 

Die  Entstehung  grösserer  ungleichartiger  Abschnitte  wirkt  in  mancher 
Beziehung  umgestaltend  auf  das  Hautskelet,  indem  sie  Differenzirungen 
hervorruft.  Solche  sind  durch  Vorsprünge  und  Fortsatzbiidungen  des 
Hantskelets  nach  innen  zu  gegeben,  welche  sich  besonders  an  den 
die  als  Mundwerkzeuge  oder  als  Organe  der  Ortsbewegung  fungirenden 
Gliedmaassen  tragenden  Abschnitten  treffen  und  hier  einen  Zusammen- 
hang mit  der  Mächtigkeit  der  Ausbildung  letzterer  nicht  verkennen 
lassen.  Sehr  entfaltet  sind  diese  Fortsetze  an  der  Kopfbrust  der  höhe- 
ren Krustenthiere.  Auch  fehlen  sie  nicht  bei  den  übrigen  Classen  in 
den  Gliedmaassen  tragenden  Ahschnilten  dos  Körpers.     Sie  finden  sich 


$612  Arthropoden. 

besonders  im  Kopfe  und  Thorax  bei  manchen  Insectenordnungen  (Käfer, 
Hymenopteren,  Orthopteren),  wo  ihr  Complex  als  Endothorax  bezeich- 
net ward.  Diese  Theile  bilden  häufig  einen  Stützapparat  für  das  Ner- 
vensystem und  können  dasselbe  sogar  auf  einzelnen  Strecken  um- 
schliessen.  Ihre  Bedeutung  läuft  auf  eine  Yergrttsserung  der  Muskel- 
ursprUnge  tragenden  Binnenfläche  des  Hautskelets  hinaus. 

Als  Skeletbildungen  sind  ferner  die  Schalen  von  Bedeutung,  welche 
aus  der  Chitinbedeckung  der  Mantelduplicaturen  mancher  Branchiopoden 
sowie  der  Ostracoden  hervorgehen,  ebenso  gehören  hieher  die  Ciehfiuse 
der  Girripedien.  Bei  aller  Verschiedenheit  ihrer  Form  und  Grösse  bilden 
sie  constante  Einrichtungen.  Zwei  Paar  Leisten  oder  Platten  umsdiliessen 
den  Eingang  in  die  Mantelhöhle,  und  bilden  einen  beweglichen  Deckel- 
apparat. Bei  den  Balaniden  entwickeln  sich  unter  den  Lepadiden  nur 
angedeutete  Schalenstücke  zu  einem  zusammenhängenden  starren  Ge- 
häuse (Fig.  104.  f  f]^  an  welchem  nur  der  den  Eingang  zur  Mantelhohle 
verschliessende  Deckelapparat  beweglich  bleibt. 

Verlängerungen  oder  Fortsätze  des  Inlegumentes  erscheinen  mannich- 
fach  als  Stacheln,  Borsten  oder  haarähnliche  Bildungen,  die  bei  Kruste  n - 
thieren,  Arachnidcn  und  Inseclen  in  unendlich  vielen  Modifi- 
cationen  vorkommen  und  bald  innig  und  unbeweglich  mit  dem  Ghitin- 
panzer  verbunden  sind,  dessen  Auswüchse  sie  darstellen,  wie  die 
Borsten  an  gewissen  Körpertheilen  der  Krusteuthiere ,  die  Haare  der 
Spinnen ,  Raupen  u.  s.  w. ,  bald  im  ausgebildeten  Zustande  nur  lose 
dem  Körper  ansitzen,  wie  die  Schuppen  der  Schmetterlinge.  In  beiden 
Fällen  steht  die  Ghitinbekleidung  des  Forlsatzes  mit  dem  übrigen  Inte- 
gumente  in  continuirlichem  Zusammenhang.  An  den  beweglichen  An- 
hangsgebilden dieser  Art  findet  sich  an  der  Verbindungstelle  ein  weicherer 
Abschnitt  der  Ghitinlage,  während  die  Cuticula  gleichartig  auf  die 
starren  Fortsätze  sich  erstreckt.  —  Auch  zu  Stimmorganen  werden 
Integumentgebilde ,  wie  Zähnchen  und  Leisten  bei  manchen  faisecten 
(Heuschrecken,  Cicaden)  verwendet. 

Dem  Integumente  gehören  Drüsenorgane  an,  welche  aus  Modi- 
ficationen  der  Epidermisschichte  sich  ableiten.  In  geringerer  Ver- 
breitung treffen  sie  sich  bei  den  Krustenthieren,  häufiger  bei  Insecten. 
Der  secemirende  Theii  der  Drüse  besteht  entweder  nur  aus  einer  ein- 
zigen Zelle,  oder  aus  einer  geringen  Anzahl  derselben,  und  der  Aus- 
führgang wird  grossentheils  von  Porencanälen  der  Cuticularschichte 
dargestellt.  * 

Eine  ansehnliche  Entwickelung  bieten  die  Hautdrüsen  bei  wacbs- 
bereitenden  Insecten  an  gewissen  Körperstellen.  Bei  den  Aphiden, 
mehr  noch  bei  einzelnen  Hyraenopleren  sind  Gruppen  von  Hautdrüsen 
in  wachsabsondernde  Apparate   umgewandelt.    Fernere  Differenzirungen 


Miiskeiftystom.  863 

voo  Hantdrttflen  stellen  die  SpinndrOsen  der  Araneen  vor.  Im  Abdomen 
lagernde,  auf  mehreren  Paaren  unterhalb  der  AfteröfTnung  angebrachter 
Waraen  (Spinnwarxen)  ausmttndende  Drüsen  liefern  ein  Secret,  welches 
an  der  Luft  su  einem  Chitin  faden  erstarrend  den  Faden  des  Gewebes 
der  Spinnen  bildet. 

Ein  durch  die  Beschaffenheit  seines  Secretes  Uhnlicher  Apparat 
findet  sich  bei  den  Larven  vieler  Insecten.  In  den  Larven  von 
SchmeUertingm ,  manchen  Käfern  und  llymenopteren  liegt  neben  dem 
Darme  ein  Paar  langer,  meist  gewundener  DrttsenschlHuche ,  deren 
dfinne  AusfUhiigange  an  der  Unterlippe  vereint  sich  öffnen.  Ihr  Secret 
liefert  den  Seidenfaden  der  Gespinnste  dieser  Larven.  Vor  dem  Ein- 
iriUe  des  ruhenden  Puppenzustandes  bieten  die  »Spinngef^sse«  [Serie- 
tarien)  den  höchsten  Grad  ihrer  Ausbildung  dar;  nach  der  Fertigung 
des  Gespinnstes  erliegen  sie  einer  Rückbildung. 

Andere  Drüsen  erscheinen  endlich  durch  ihr  Secret  als  Gift- 
drüsen, X.  B.  bei  Spinnen  am  KlauenfUhler  mündend,  bei  Scorpionen 
am  Schwanzstachel,  und  vergrösseru  den  Reichthum  der  aus  dlem 
Drüsenapparat  des  Integumentes  gestalteten  Differenzirungen. 


Muskelaystem. 
§  49«. 

Die  Muskulatur  bietet  bei  den  Arthropoden  nicht  mehr  jenes 
gleichartige  Verbalten  einzelner  Rings-  oder  LUngsfaserschichten  wie 
am  Uaiitmuskelschlauche  der  Würmer.  Vielmehr  ist  eine  Sonderung 
eingetreten,  und  wir  treffen  discrete  Bündel  aus  einer  verschieden 
grossen  Summe  quergestreifter  Muskelfasern.  Der  Hautmuskelschlauch 
hat  sich  zu  einem  Complexe  einzelner  Muskeln  umgebildet,  die  zusam- 
men ein  Muskelsystem  vorstellen.  Da  das  Skelet  der  Arthropoden 
ein  äusseres  ist,  nehmen  di^  Muskeln  Ursprungs-  und  Ansatzstellen 
im  Innern  der  Uohlcylinder  oder  Gylinderabschnitte,  als  welche  sich 
sowohl  die  Körper-  wie  die  Gliedmaassensegmente  darstellen.  Sowohl 
in  der  Zahl  der  einzelnen  Muskeln  als  in  der  mannichfachen  Anordnung 
derselben  bietet  das  Muskelsystem  eine  hohe  Entwickelungsstufe ,  die 
immer  der  verschiedenartigen  Bedeutung  der  Körpersegmente  und  der 
verschiedengradigen  Ausbildung  derselben  entsprechend  sich  verhalt 
und  in  gleicher  Weise  von  der  Muskulatur  der  Ringelwürmer  differirt, 
wie  diese  durch  die  mehr  homonome  Metamerie  von  der  heteronomen 
der  Arthropoden  sich  unterscheiden. 

Bei  einer  Gleichartigkeit  der  Metameren  ist  auch  die  Muskulatur 
derselben  gleichartig,  sowie  durch  die  ungleichartige  Entwickelung  ein- 
zelner Metameren,  sei  es  durch  die  Verschmelzung  einiger  oder  meh- 
rerer derselben  zu  einem  grösseren  Körperabschnitte  oder  sei  es ,  dass 
durch  Rückbildung   eine   entsprechend   ungleichartige   Anordnung   der 


264  Arthropoden. 

betrefiPenden  Muskeln  zu  Stande  kommt.  Einen  bedeutenden  Einfluss 
auf  die  Entfaltung  der  Muskulatur  besitzt  die  Ausbildung  der  Glied- 
maassen.  Die  zur  Bewegung  derselben  (Füsse  oder  FlUgel)  dienenden 
Muskeln  inseriren  siel)  häufig  an  besondere,  von  den  betreffenden  Theilen 
der  Ghitinhülle  jener  Qliedmaassen  nach  innen  gerichtete  Fortsätze. 
welche  sowohl  als  Verlängerungen  der  Hebelarme  erscheinen ,  als  auch 
zur  Vergrösserung  dor  Insertionsfläche  dienen. 

Das  Zahlenverhyjtniss  der  Muskeln  sowie  ihre  Anordnung  erleidet 
bei  den  einer  Metamorphose  unterworfenen  Arthropoden  oft  betracht- 
liche Veränderungen.  Dies  gilt  sowohl  für  die  progressive  als  für  die 
regressive  Form.  Bei  der  ersteren  ist  die  Veränderung  eine  DiflFeren- 
zirung  in  ungleich werthige  Gruppen ;  bei  der  letzteren  eine  Rückbil- 
dung grösserer  Partieen,  wie  solches  bei  den  parasitischen  Cnislaceen, 
auch  bei  festsitzenden  Formen  derselben,  sich  triflt. 


Ifervensystem. 
§  193. 

Das  Nervensystem  der  Arthropoden  leitet  sich  von  jenem  der 
Würmer  ab,  indem  es  in  seinen  Grundzügen  mit  diesem  vollständig 
im  Einklang  sich  findet.  Eine  über  dem  Schlünde  lagernde  Ganglien- 
masse  erscheint  als  Kopfganglion  oder  Gehirn,  von  welchem  zwei 
Commissuren  den  Schlund  umgreifen,  mit  einem  ventralen  Ganglienpaare 
sich  tum  Nervenschlundring  verbindend.  Von  den  untern  Gan- 
glien aus  erstreckt  sich  eine  durch  Längscoromissuren  verbundene  Reihe 
von  Ganglien  längs  der  ventralen  Innenfläche  des  Leibes,  die  Bauch- 
ganglienkette. Das  Uebergewicht  des  Kopfganglions  über  die  ven- 
tralen Ganglien,  schon  bei  Ringelwürmem  vielfach  wahrnehmbar,  wird 
bei  den  Arthropoden  im  Allgemeinen  noch  ausgeprägter,  und  dieser 
zum  Theile  durch  die  Beziehungen  zu  hßher  entfalteten  Sinneswerk- 
zeugen bedingt«  Umstand  lässt  es  begreifen,  wenn  man  in  der  dorsalen 
Schlundganglienmasse  etwas  dem  Gehirne  der  Wirbelthiere  Aehnliches 
hat  erkennen  wollen.  Von  einer  ähnlichen  Anschauung  geleitet,  ver- 
glich man  dann  auch  die  Bauchganglien,  als  Bauchmark,  mit  dem 
Rücken  marke  der  Vertebralen,  und  hat  diese  Bestrebungen  sogar  noch 
weiter  auszuführen  gesucht.  Diese  Versuche  ignoinren  die  gänzliche 
Verschiedenh(?it  des  bei  Arthropoden  und  Wirbelthieren  sich  ausprägen- 
den Typus  und  müssen  als  verfehlte  bezeichnet  werden.  Wenn  wir 
daher  das  obere  Schlundganglion  als  »Gehirn«  bezeichnen ,  so  soll  da- 
mit keine  exclusive  Vergleichung  mit  dem  so  benannten  Theil  des 
Nervensystems  der  Vertebraten  ausgedrückt  sein,  denn  es  ist  wie  jenes 
der  Würmer  dem  gesammten  Centralnervensystem  der  Vertebraten  ho- 
molog. 

Die  Massenentfaltung  des  Gehirns  steht,  wie  oben  angedeutet,  in 


Nenren0yst«n.  f65 

diredem  Zasammenhang  mit  der  Entwicketong  dor  höheren  Sinnes- 
organe, besonders  der  SehwerkEeuge,  und  zeigt  ihre  Medificationep  zum 
grossen  Tbeile  von  diesen  abhängig.  Auch  die  fiauchganglienkeiie  er-* 
leidet  wesentliche  Modificaiionen,  bei  denen  sich  aber  überall  eine  ge- 
setzmassige Abhiingigkeit  von  dem  Zustande  der  Metameren  des  Kör- 
pers nicht  verkennen  Uisst.  Das  Vorhandensein  gleichartiger  Metameren 
(bei  vielen  Rrustenthieren ,  den  Myriapoden  und  Insectenlarven)  be- 
dingt die  Gleichartigkeit  der  Ganglien  des  Bauchstranges  und  eine 
gleichmSissige  Folge  derselben.  Bei- vorwiegender  Ausbildung  einzelner 
Metameren  triflfl  sich  auch  eine  bedeutendere  Entfaltung  der  bezüg- 
lichen Ganglien,  sowie  bei  Concresccnz  von  Metameren  (höhere  Cr usta- 
ceen,  Arachniden,  Insecten)  ,  auch  an  dem  Bauchstrange  des 
Nervensystems  eine  Annäherung  einzelner  Ganglien -Gruppen  bemerk- 
bar ist,  die  nicht  selten  zur  völligen  Verschmelzung  in  mehrere  grössere 
Ganglien  oder  zur  Bildung  einer  einzigen  grossen  Bauchmarkmasse  führt. 

Die  Ganglien  der  Bauchganglienkette  sind  ursprünglich  paarig, 
durch  eine  Quercommissur  verbunden ,  wie  bei  den  Ringel wUrmem. 
Durch  Verkürzung  dieser  Quereommissuren  tritt  eine  Annäherung  und 
endlich  eine  jedoch  mehr  üusserliche  Verschmelzung  ein. 

Das  peripherische  Nervensystem  entspringt  aus  den  durch 
Ganglienzellen  ausgezeichneten  Anschwellungen  des  centralen,  ntfmiich 
des  Gehirns  und  der  Bauchkette.  Die  Nerven  treten  entweder  un- 
mittelbar aus  dem  ganglion^lren  Abschnitte  heraus,  oder  sie  verlaufen 
noch  eine  Strecke  weit  mit  den  LUngscommissuren,  um  erst  von  diesen 
abzugehen. 

Die  höheren  Sinnesnerven  entspringen  in  der  Regel  von  dem  Ge- 
himganglion.  Das  gilt  vorzüglich  für  die  Nerven  der  Augen  und  der 
Antennen,  nicht  jedoch  für  die  ttiannichfaltigen  Hörorgane,  welche  bei 
sehr  verschiedenartiger  Lagerung  mit  verschiedenen  Nerven  verbunden 
sein  können. 

Neben  den  für  die  Muskulatur  und  das  Integument  bestimmten 
Nerven  gibt  es  noch  solche  für  die  Eingeweide,  von  denen  die  Darm- 
nerven am  genauesten  bekannt  sind.  Sie  schliessen  sich  zum  Tbeil 
an  die  bei  den  Anneliden  bestehenden  Einriebtungen  an.  Da  ihrem 
Verlaufe  eigene  Ganglien  eingebettet  sind,  stellen  sie  ein  in  gewissem 
Grade  selbstiindiges  Nervensystem  vor,  das  man  als  »Mundmagennerven- 
systema  bezeichnet.  Ein  besonderes,  vorzugsweise  bei  den  Insecten 
bestehendes  Eingeweidenervensyslem  nimmt  seine  Wurzeln  von  den 
Ganglien  des  Bauchmarks,  und  ist  als  sympathisches  Nervensystem 
bezeichnet  worden. 

Für  die  im  vorigen  §  aufgeführten  Erscheinungen  bieten  sich  am 
Nervensystem  der  Grustaceen  zahlreiche  Beispiele  dar.  Die  Aus- 
bildung   des  Gehirnes    in  Ahhiingigkeit   von   der   Entfaltung  der   Seh- 


2«6 


Arthropodau. 


Werkzeuge  zeigt  sich  sowohl  hei  den  Thoracostraken ,  wie  unter  den 
Arthrostraken  bei  den  grossaugtgen  Hyperiden  (Pbronima),  deren  Seb- 
n<Tven  aus  besonderen,  übrigens  auch  bei  den  Asseln  unlorscbeidbaren 
Lappen  hervoi^ehen.  Eine  Sonderung  der  Gehirnmasse  in  eini^oe 
Gsugliengruppen  tritl  im  Allgemeinen 
als  Ausdruck  höherer  Differenzirung 
auf.  Diesem  Verhalten  slclleo  sich 
die  Rückbildungen  gegenüber,  welche 
das  Gehirn  bei  einer  Reduction  oder 
gänzlichem  Verluste  der  Sehorgane 
erleidet,  womit  meist  auch  ein  Schwin- 
den der  Antennen  verbunden  ist. 
Sowohl  bei  den  parasitischen  Cope- 
poden  wie  hei  den  Cirripedien  (Fig. 
1(2.  B.  gs)  finden  sich  solche  Zu- 
stände, denen  zufolge  das  Gehirn  in 
einzelnen  Fällen  nur  durch  eine  Com- 
missur  reprilsentirt  erscheint. 

Was  die  Baucbgangiien  betrifit, 
so  ist  das  vorderste  derselben  durch 
eine  sehr  verschieden  lange  Commissur 
mit  dem  Gehirne  in  Zusammenhang. 
Die  Lunge  dieses  Stranges  erscheint 
von  der  Lagerung  des  Hundes  in  Be- 
zug auf  die  Gehirnganglien  (resp.  zu 
den  Augen  und  Antennen)  ahhiingig. 
Sehr  bedeutend  ist  die  Länge  bei  den 
Maiacostraken  (Fig.  tll.  c,  Fig.  112. 
A],  auch  bei  manchen  niederen  Kru- 
sUtnthieren ,  z.  B.  Cirripodieo  (Fig. 
111.  B.  c] ,  während  bei  anderen 
wieder  eine  so  bedeutende  Verkür- 
zung besteht,  dass  Gehirn-  und 
Baucbganglien  eine  einzige,  vom  Oeso- 
phagus durchsetzte  Nervenmassc  bil- 
den (z.  B.  bei  CorycaeYden). 
Die  Vertheilung  der  Ganglien  der  Bauchkette  nach  den  einzelnen 
Hetameren  erscheint  am  gleichmSssigstcn  bei  den  Phyilopoden,  die  darin 
am  wenigsten  von  primitiven  Verhältnissen  sich  entfernt  haben.  Der 
Bauchstrang   wird   hier  aus   einer   grossen  Anzahl  von  Ganglienpaaren 

Fig.  III.  Nervensystem  von  Squilla.  0  Augen,  a'  Erstes,  a"  zweilfs 
Antennenpaar,  p  Kangfüsse,  mit  eiDschlsglwren  Endgliedern  versehen,  p'  Ruder' 
tUsse,  das  letzte  Paar  der  russartigen  Anhange  gehl  io  die  Scli wen i flösse nbildung  ein. 
m  Muskeln,  g  i  Obenia  Schi  und  ganglion.  c  CominissurstrAoge.  g'  Thors  kalgiiiigUaa. 
g"  g"  g'"  BaucbgaDglien. 


NerreMystan. 


«67 


(ca.  60  bei  Apas)  zuwfnniengeKlit ,  di«  «iter  allnillhlicher  AbDahme 
der  Quer-  wie  der  LangscomniUsureD  sich  folgen,  iadeu  bei  den  D»pb- 
niden  entsprechend  der  geringeren  HeUmerenaebl  auch  nur  wenige 
aber  sonst  sich  ähnlich  verballende  Ganglien  vorkoromea. 

Unter  den  Tboracostraken  erscheioen  die  Ganglien  des  Bauch- 
slnnges  lam  grossen  Theile  gleichfalls  noch  discret,  allein  der  Goo- 
(TMcenz  vorderer  Hetameren  zu  einem  mehr  oder  minder  Ausgedehnlen 
Cepbalothorax  entspricht  eine  Verachmeliung  der  vorderen  Ganglien- 
niassen,  die  in  sehr  verschiedenem  Maass«  ausgeführt  erscheint.  So  bilden 
die  bei  den  8tofnapoden   (Pig. 

IIS)  die   vorderen   HnndfUsse  Flg.  ni. 

«iedieiiaubftlBse  (p)  versorgen- 
deo  Ganglien  einen  grosseren 
Complei  [jf') ,  an  den  eine 
wjbsiandiger  sich  verhaltende 
biszam  Schwanzsegmenl  sieb- 
ende Ganglienreihe  {3",  g'", 
j|*j  sich  snschliesst.  Unter 
den  langscbwänzigen  Decspo- 
den  scheinen  in  den  6  auf  den 
Cephalotborax  treffenden  Gan- 
glifnpaaren  gleichfalls  Concre- 
sconien  vorzuliegen,  wilbrend 
die  6  kleineren  Ganglien  des 
Abdomens  noch  vollsWndig  den 
Hetameren  entsprechen,  was 
bei  ersleren  nicht  der  Fall  ist. 
Weiler«  Verschmelzungen  kom- 
men bei  einzelnen  Hscniren 
ttn  den  Brustganglien  zum  Tor- 
schein (Pabnunis],  und  beiPa- 
garus  sind  in  Anpassung  an 
die  Verkümmerung  des  Abdo- 
mens, die  Ganglien  dieses  Abschnittes  nur  durch  ein  einziges  vorge- 
stellt.    Daran    reihen   sich   die  Brachyuren,    bei   denen   die   gesammte 


Fifl.  HS.  A  Nervensystem  einer  Krabbe  (Carcinn*  meenm).  gt  GeKirn- 
^nglien.  o  Augen- ,  a  Atilennennarv.  e  Schlundcommisiar.  f  QoerverhindanK 
der  SchlundcommiMur.  gi  Verschmolienes  Baachmark.  [Nach  Hani-EDWjtaDi.) 
B  Nnvensyslem  eines  Cirripeden  (Coronola  diadama],  von  der  BanchtUcbfl  ge- 
Mheo.  ff,  t,  gi  wie  in  A.  a  Anten  neu  ner  van ,  die  sich  Über  den  llanl«!  ver- 
llKileD.  Zwischen  Ihnen  liegt  dos  mit  dem  Gebirn  vert)Undene  «Augen  gang  Don«. 
B  Nerv  lum  Mafien,  t  Eingc«eidenerv,  der  sich  mit  einem  vom  vordem  Theil 
des  ScftkmdringH  kommenden  zweiten  Singe weldenerv  i"  In  einem  Geflecble  s"  ver- 
bindet. Ans  den  BanchüBnfihea  entspringt  vnne  der  Nerv  TUT  den  er«t«a  Baatan- 
(us,  hinten  die  Nerven  («cj   lUr  die  Übrigen.     (Nach  Duwni.) 


968 


Arlhropoden 


Bnuchgnnglienkellfl  sofiar  zu  einem  einzigen  Ganglion  verschmolzen  er- 
scheinl  (Fig.   <12.  A.  g.  i.). 

Solche  Reductionen  finden  sich  auch  in  anderen  Abtheilungen  der 
Kriistenthiere  und  sind  wieder  g^rossentlieils  als  Anpassungen  an  Ver- 
ilndemngen  der  Leibesform  nitchweisbar.  Wir  treffen  jene  Coocen- 
iration  unter  den  Copepoden,  bei  denen  die  Calaniden  eine  aus  7  Gan- 
glien gebildete  Baucbketle  besitzen ,  die  bei  den  Corycnefden  zu  einer 
sogar  dem  Gehirne  angeschlossenen  Masse  zusammengezogen  ist.  Ebenso 
besteht  bei  den  Cirripedien  unter  den  I.epadiden  eine  Reihe  von  4 — 5 
Ganglien  im  Bauchstrang,  den  ht-i  den  Bnlaniden  eine  einzige  Ganglien- 
masse reprHsenlirt  [Fig.  H2.  ß.  gi],  Unter  den  Arthrostraken  zeigen 
sich  ilhnliehe  Erscheinungen,  doch  ist  das  Bestehen  einer  grösseren 
Gnnglienzahl  (tO—ii  bei  Amphipodcn,  7—13  hei  Isopodenj  die  Regel. 

§  193. 
Hehr  noch  als  bei  den  CrusUiceen  trefTen   sich   bei    den  Arach- 
niden   Reductionen    und    Verschmelzungen    der    Bauchganglien.      Die 
Arachniden  haben  sich  somit  von  der  Urform  der  Gliederlbiere  weiter 
entfernt  als  die  meisten  Crustaceen,     Für  alle  ist  die  enge  Verbindung 
der  Gebimgnnglicn     mit    dem     Bauchmarke 
durch      ausnehmend      kurze     Commissuren 
charaklerislisch.    Diese  Annäherung  der  bei- 
den Abschnitte   des  Nervensystems    bedingt 
zuweilen  eine  Form,    in   der  das  gesammte 
Nervensystem  wie  durch   eine  einzige   vwn 
Oesophagus   durchsetzte  Ganglienmässe    ge- 
bildet scheint. 

Am  reichsten  ist  die  Gliederung  des 
Nervensystems  der  Scorpione.  Das  wenig 
entwickelte  Kopfganglion  sendet  zwei  kurze 
Commissuren  zur  Bauchkette,  die  aus  8 
Ganglien  besteht.  Das  erste  davon  ist  durch 
seine  Grösse  ausgezeichnet  und  erscbeiat 
dem  einzigen  grossen  Ganglion  im  Cephalo- 
thorax  der  Spinnen  homolog.  Es  gibt,  wie 
dort,  den  Fussnerven  den  Ursprung  und 
muss  somit  ebenfalls  als  aus  mehrere  ver- 
schmolzen gedacht  werden.  Die  drei  nach- 
folgenden Ganglien  sind  noch  in  Cephalo- 
thorax  gelagert  und  die  vier  letzten,  weit 
auseinander  gerückten,  treffen  für  die  Seg- 
mente des  Schwanzes. 


Fig.  HB. 


Fig.  143.  Nervensystem  von  Thelyphoni 
r  Bauch gan gl ion.  0  Augen,  p  Palpen,  p' — p>v 
artiger  Körpernnhang.      (Nach  B(.akcr«hd.J 


S  caudatus.     s  Gehimganglion. 
Füsse.     Ir   Lungeo.     e  Schwan«- 


NenrentYttem.  969 

Bei  den  Galeoden  und  Phryniden  wie  bei  den  Araneen  ist  die 
Ganglienkeiie  durch  ein  grosses  Baucbganglion  vertreten,  welches 
(Fig.  113.  i)  besonders  bei  den  Spinnen  von  strahliger  Gestalt  die 
Nerven  der  ventralen  Gliedmaassen  und  ausserdem  noch  xwei  ins  Ab« 
dornen  verlaufende,  bei  den  Galeoden  nach  den  Segmenten  des  Ab- 
domens verzweigte  Nervenstflmme  entsendet. 

Bei  allen  diesen  Abtheilungen  gibt  das  meist  deutlich  paarige,  und 
bei  den  Galeoden  (Fig.  H3.  s)  besonders  ansehnliche  Gehirnganglion 
die  Nerven  für  die  Augen  ab,  und  dicht  neben  den  Sehnerven  ent- 
springen bei  den  Spinnen  die  Nerven  der  Klauenrtlhler,  deren  Bedeu- 
tung als  metamorphosirte  Antennen  damit  hervortritt. 

Eine  vollkommene  Goncenlration  aller  Centraltheile  des  Nerven- 
systems zeichnet  die  A(5arinen  aus,  bei  denen  die  meist  nur  wenig 
entwickelten  Gehirnganglien  sogar  nur  durch  eine  Commissur  vertreten 
sein  können.  Das  ansehnliche,  einen  einzigen  Knoten  bildende  Bauch- 
mark  zeigt  noch  manchmal  Spuren  einer  Gliederung  in  der  Vertheilung 
der  Ganglienzellen  und  faserigen  Elemente  und  schickt  ringsum 
Nerven  ab. 

Auf  Verminderung  der  GanglienzabI  in  Folge  einer  Reduction  der 
Körpersegmente  beruht  das  einfache  Verhalten  des  Ncrvcnsystemes  der 
Pycnogoniden ,  deren  Gehirn  durch  kurze  Gommissuren  mit  dem 
ans  vier  Ganglienpaaren  gebildeten  Bauch  marke  verbunden  ist. 

§  496. 

Einfachere  Verhältnisse  bietet  das  Nervensystem  der  Myriapoden, 
deren  Baochstrang  fast  vollkommen  gleichartig  die  Liinge  des  EOrpers 
durchzieht,  und  seine  Ganglien  genau  den  Metameren  entsprechend 
vertheilt  zeigt.  Das  erste,  die  Mundgliedmaassen  versoi^gende  Ganglion 
zeigt  zuweilen  deutlich  seine  Zusammensetzung  aus  einer  Ganglien- 
summe.  Die  folgenden  sind  je  nach  dem  Ausbildungsgrade  der  Glied- 
maassen mehr  oder  minder  voluminös,  in  regelmassigen  Abständen  auf- 
gereiht, und  bei  den  Diplopoden  zu  je  zweien  sich  folgend.  Unter  Ver- 
kürzung der  Ldngscoromissuren  stellen  sie  dicht  gereihte  Anschwellungen 
dar  (Juliden).  Eine  solche  zur  Concrescenz  leitende  Näherung  findet 
sich  allgemeiner  an  den  letzten  Ganglien  auch  bei  sonst  deutlicher  Iren* 
nung.  Die  Zahl  dieser  Ganglien  entspricht  der  Metamerenzahl ,  und 
kann  so  bis  zu  140  (Geophilus)  steigen. 

Bei  den  Insecten  erscheint  eine  der  ursprünglichen  gleichartigen 
Gliederung  des  Körpers  entsprechende  Form  im  Anfange  des  Entwicke- 
luDgsganges,  und  alle  späteren  Bildungen  des  Nervensystems  sind  aus 
dieser  entstanden.  Der  Bauchstrang  durchzieht  mit  gleichmässig  von 
einander  entfernten  Ganglien  in  der  Begel  die  ganze  Lunge  des  Thieres, 
so  dass  sein  letztes  Ganglion  im  letzten  Körpersogmente  liegt.  Dies 
Verbalten  entspricht  der  in  diesen  Stadien  vorhandenen  Gleichwertbig- 


«70 


Arthropoden 


keit  der  Hetameren.  Der  niedere  Zusland  des  NervcDsyslems ,  wie  er 
bei  WürmerD ,  manchen  Cnislacecn  und  den  Hyiiapoden  bleibend  ge- 
IrofTen  wird ,  charaktcrisirt  also  bei  den  Insecten  eine  niedere  Ent- 
wickelungsperiode.      Erst   bei  dem   Uebei^ngo   des   Insecls   aus  dem 


Larvenzustande  in  den  vollkommenen  treten  Aenderungen  auf.  Die 
vorwi^ende  Ausbildung  einzelner  Hetameren,  die  innige  Vereinigung 
anderer  zu  grosseren  einheitlichen  KOrperabschnitten,  die  bedeutendere 
Entfaltung  der  nur  an  wenigen  Hetameren  fortbestehenden  Gliedmaassen 
und  die  daselbst  entstandene  mächtigere  Huskulatur,  sowie  zahlreiche 
.untergeordnetere  Einrichtungen,  müssen  mit  den  Umwandlungen  des 
Nervensystems  in  Wechselwirkung  gedacht  werden.  Der  VerminderuDg 
der  Ganglienzahl  durch  Verkürzung  der  Langscommissuren  und  die 
damit  auftretende  Verschmelzung  einzelner  Ganglien  ruft  eine  Verktlr- 
zung  des  gesammten  Bauchstrangs  hervor.  Bei  der  Selbständigkeit, 
welche  der  Kopf  des  Insecls  den  tlhrigen  Segmenten  gegenüber  beball, 
bleibt  auch  das  erste  in  den  Kopf  gebettet«  ursprünglich  aus  dreien 
bestehende  Ganglion  (unteres  Schlundganglion  (Ganglion  infraoesopha- 
geum]  des  Bauchmarks  ausser  Betbeiligung  bei  den  die  Übrigen  Ganglien 
betreffenden  Concrescenzen,  und  nur  in  selteneren  Fallen  —  bei  durch 
Parasitismus  verkümmerten  Insecten  —  findet  eine  Vereinigung  auch 
dieses  Ganglions  mit  dem  Übrigen  Bauchmarke  statt. 

Pig.  m.  Nervensystem  von  InsecleD,  A  voa  Termes  {nach  Lespcs).  B 
eiaes  KHfera  |Dytiscus).  C  einer  Fliege  (nach  BtAiccuABn).  gt  Olwres  Sclilnnd- 
ganglion  (GehirngangtioD) ,  gi  Unteres  ScIiiundgaDBlion.  gr  g*  gr>  Verschmolicoe 
GangliDn  des  Bauchmarks.    o  Augen. 


Nervennystein .  871 

Das  GehirngaDglton  (Fig.  H 4  A  BC gs)  ceigl  fast  hnmer  deuilicbe 
Scheidung  auf  swei  Häiftan,  deren  jede  wieder  aua  einseinen  kleineren 
oft  oomplicirt  gebauten  Ganglienmassen  sich  zusammensetst.  Die 
ursprangKch  paarigen  Ganglien  des  Bauchmarks  gehen  meist  innige 
Verbindungen  ein.  Dagegen  erhalten  sich  die  Längsoommissuren,  auch 
bei  dichter  Aneinanderlagerung,  doppelt.  Eine  Scheidung  des  Bauch- 
Stranges  in  einen  oberen  und  unteren  Abschnitt  entspricht  einer  func- 
tionellen  Differenzirung. 

Das  erste  Ganglion  des  Bauchmarks  entsendet  Faden  für  die 
Mundorgane.  Die  darauf  folgenden  drei  im  sogenannten  Thorax  liegen- 
den Ganglien  geben  vorzugsweise  die  Nerven  für  die  Gliedmaassen  — 
Fttsse  und  FIttgel  —  ab,  und  ergeben  sich  dcmgemUss  von  bedeuten- 
derer Grösse.  Dagegen  sind  die  folgenden  Ganglien  in  der  Begel  un- 
ansehnlich, und  nur  dais  letzte  macht  eine  Ausnahme,  indom  es  ent- 
sprechend seiner  Beziehung  zu  dem  Geschlechtsapparate  grösseren 
Umfanges  ist. 

Bezttglidi  der  einzelnen  Ordnungen  ist  hervorzuheben,  dass  die 
Pseudoneuroptera  die  geringsten  Veränderungen  darbieten.  Ihr  Bauch- 
mark  durchzieht  die  Lange  des  Körpers,  und  ausser  den  drei  Thorakal- 
ganglien  sind  noch  5  —  9  Abdominalganglien  vorhanden.  (Vergl.  Fig. 
4U.  A.)  Daran  schliesson  sich  die  Orthopteren  mit  5  —  7  Abdominal- 
ganglien. Grosse  Verschiedenheit  bieten  die  Coleopteren  dar.  Bei 
den  einen  erstreckt  sich  das  Bauchmark  bis  zum  Ende  des  Abdomens, 
zuweilen  mit  8  einzelnen  Ganglien  z.  B.  bei  Cerambyciden,  Carabiden 
u.  a.),  bei  anderen  dagegen  sind  nicht  blos  die  3  Ganglien  des  Brust- 
abscbnittes  durch  zwei  dargestellt,  indem  das  zweite  und  dritte  ver- 
schmolzen, sondern  es  sind  auch  die  abdominalen  Ganglien  zu  einer 
Masse  verbunden,  die  dem  vorhergehenden  Ganglion  unmittelbar  folgt 
(Curculioniden  und  Lamellicomier).  Zwischen  diesen  die  Extreme 
reprttsentirenden  Zustanden  finden  sich  bei  anderen  Familien  vielerlei 
Verbindungsglieder  vor.  Bei  den  Uymenopteren  treffen  wir  meist 
eine  Reduction  der  Thorakalganglien  auf  zwei,  wogegen  der  abdominale 
Theil  des  Bauchstranges  häufig  fUnf  oder  sechs  getrennte  Ganglien 
aufweist.  Diese  reduciren  sich  jedoch  bei  vielen  auf  4  —  3 ,  ja  sogar 
bis  auf  eines.  Der  abdominale  Theil  des  Bauchmarks  rUckt  bei  den 
Hemipteren  in  den  Thorax  und  wird  hier  durch  eine  Ganglienmasse 
dargestellt,  die  mit  den  gleichfalls  einfachen  Thoracalganglien  bald  durch 
eine  ktlrzere,  bald  durch  eine  längere  Commissur  verbunden  ist.  Die 
für  das  Abdomen  bestimmten  Nerven  nehmen  demnach  einen  längeren 
Verlauf  und  bilden  zwei  vom  letzten  Ganglion  entspringende  Längs- 
stämme.  Eine  ähnliche  Verschiedenheit  der  Ganglienzahl  des  Bauch- 
raarks  wie  bei  den  Käfern  und  Hymenopteren  herrscht  bei  den  Dip- 
teren, wo  die  Abdominalganglien  bis  auf  6  sich  erheben,  aber  auch 
bis  auf  eines  reducirt  sein  können  (Fig.  H4.  C).  Daran  schliesst  sich 
die  völlige  Verschmelzung  des  Bauchmarks  zu  einem  einzigen  länglichen 


872 


Arthropoden. 


Knoten  bei  den  schmarotzenden  Pupiparen.  Aebnliches  bietet  sich  bei 
den  Strepsipleren  dar.  Was  die  Lepidopteren  belrifil,  so  be- 
steht hier  grössere  Einförmigkeit,  indem  sowohl  bei  den  Larven  eine 
constante  Ganglienzahl  sich  trifft ,  wie  auch  bei  der  Umwandlung  in 
den  Schmetterling  der  gleiche  Modus  der  Verschmelzung  im  Wesent- 
lichen überall  zu  herrschen  scheint.     (Vergl.  Fig.  121,  122,  123.  n.) 


Kig.  H5. 


§  <97. 

Das  Eingeweidenervensystem  der  Arthropoden  lässt  in  der 
grossen  Mannichfaltigkeit  der  einzelnen  Bildungen  doch  manche  gemein- 
same Einrichtungen  wahrnehmen.  Unter  den  Cruslaceen  sind  es  von 
der  Schlundcommissur  zum  Darme  tretende  Nervenfädchen,  die  dort  meist 
unter  Gaoglienbildung  verschmelzen,  oder  es  ist  das  Bauchmark,  von 
dem  ein  Nerv  zum  Darmcanal  tritt.  (Bei  Astacus  aus  dem  letzten 
Ganglion  des  Bauchmarks,  j 

Auch  bei  den  Arachniden  ist  es  nur  theilweise  erkannt.  Vom 
Gehirn  ausgehende  Nerven  treten  auf  den  Oesophogus ,  und  bilden  zu- 
weilen dort  ein  Ganglion,  und  von  Baucbgan- 
glien  der  Spinnen  und  Opiiioniden  ausgehende 
Nerven  verlaufen  auf  den  hinteren  Theil  des 
Darmes,  sowie  zu  den  Geschlechtsorganen,  bei 
Opiiioniden  mit  zahlreichen  Ganglien  ausgestattet. 
Bei  den  Insecten  und  Myriapoden  zerfallt 
das  Eingeweidenervensystem  in  mehrere  Ab- 
schnitte. Der  eine  bildet  das  sogenannte  paarige 
System,  welches  aus  zwei  vom  Gehirnganglion 
nach  hinten  zur  Seite  des  Oesophagus  verlaufen- 
'  den  Stammchen  besteht,  durch  die  jederseits 
eine  einfache  Ganglienkelle  (Fig.  115.  ä' s")  ge- 
bildet wird.  Die  Zahl  dieser  Ganglien  wechselt, 
und  es  ist  wegen  ihrer  plexusartigen  Ver- 
bindung mit  dem  unpaarigen  Systeme  oft  schwer 
zu  entscheiden,  welche  davon  dem  einen  oder 
dem  anderen  Systeme  angehören.  Das  unpaarige 
System  (Fig.  115.  r  r')  hat  seinen  Ursprung  in  einem  vor  dem  Kopf- 
ganglion (Gehirn)  liegenden  Ganglion,  welches  mit  letzterem  in  ein- 
oder  mehrfacher  Verbindung  steht.  Von  erwähntem  Ganglion  aus  ver- 
lauft ein  stärkerer  Nerv  (r)  rückwärts  über  den  Oesophagus  bis  tum 
Magen  herab  und  bildet  mit  den  Zweigen  des  paarigen  Abschnittes  ein 

Fig.  4  45.  Oberes  Schluadganglion  nebst  Eingeweidenervensyslem  eines 
Schmetterlings  (Bombyx  Mori).  gs  Oberes  Schlundganglion  (Gehirn),  a  Fühler- 
nerv,  o  Sehnerv,  r  Unpaarer  Stamm  des  Eingeweideuervensystems.  r'  Dessen 
Wurzeln  aus  dem  oberen  Schlundganglion,  s  Paariger  Nerv  mit  seinen  Ganglien- 
anschwell ungen  s*  s".     (Nach  Brandt.} 


SinDMorgan«.    Tsstorgiae. 


273 


Geflechte,  aus  dem  die  benachbarten  Tbeile,  v(>r2ll(;licfa  jene  des  Ver- 
ilauuDgsapparates,  versorgt  werden,  lo  raancbea  losecten  bildet  jener 
^rv  (N,  reciuTens)  ein  einxiges  Ganglion  (Käfer  und  Orthopteren),  bei 
ooderen  mehrere  [Schmetterlinge). 

Hit  diesen  GeOechtrn  steht  noch  ein  anderes  Syst«m  von  Nerven- 
sumiDcben  in  Verbindung,  wddies  voriUglich  ftlr  die  grosseren  Tracheen- 
3sle  und  die  Huskublur  der  Stigmen  bestimmt  ist.  Diese  Einrichtung 
kommt  durch  ein  auf  der  OberflSche  der  Bauchkette  verlaurendes 
Nervenßldcben  eu  Stande,  welches  sich  vor  jedem  Ganglion  gabel- 
lomiig  in  zwei  Aeste  spaltet  (Nervi  Iransverai  accessorii).  Die  AesI« 
nehmun  von  dem  oberen  Strange  der  Bauchkette  Nervenzweigc  auf 
und  verlaufen  theilweiso  nach  aussen  zu  den  Tracheenstämmen  und 
<lrr  H uskulalur  der  Stigmen ,  theilwoise  nach  hinten ,  wo  sie  dann  in 
derHitle  zusammenlreflen,  um  am  nächsten  Ganglion  wieder  in  gleicher 
Weise  sich  zu  verhalten. 

Sinnaaorsftne. 


§  198. 

Die  Sinnesorgane  der  Arthropoden  schliessen  sich  grttssIcDtheils 
an  jene  der  Würmer  an.  Nur  wenige  lassen  keine  solche  Verbindung 
erkennen  und  sind  als  erst  innerhalb 
dieser  Ablboilung  zu  Stande  gekommene 
F.inrichtungen  anzusehen.  Die  panxcrartige 
Kürperdecke  der  meisten  Arthropoden  ruft 
lur  Vemiilteinng  der  Tastempfindung  be- 
sondere Apparate  hervor,  deren  Formele- 
rnente  mit  Ganglienzellen  verbundene  aUkb- 
clienfOrmige  Nervenendigungen  vorstellen. 

An  den  verschiedensten  Stellen  des 
Körpers  verbreitet,  bilden  diese  Endorgane 
indifferente  Sinnes  werk  zeuge,  die  an  be- 
sü'mmien  Theilen  sich  zu  Tastappa- 
ralen  gestalten.  Vci^l.  Fig.  116.  Solche 
Oi^ane  sind  im  Allgemt-incn  vorzüglich  auf 
Furlsaubildungcn  des  Körpers  verlheilt, 
und  lassen  dort  stabcbcnritrmig  vorragende 
EndiguDgen  erkennen  (Liidig).  Die  Glied- 
maassen,  und  von  diesen  wieder  die  An- 
tennen sind  im  Allgemeinen  der  vorzugs- 
weise Sitz  dieser  Organisation. 

Fig.  (<6.    Nervenendigung  mit  TasleUil>chen  vom  RUsscl  einer  Plicfte.  n  Nerv, 
9  GanglioDtire  ADSchwellonK'  f  TasIstHbchen.   e  Feine  HUrchen  dfr  Culicula.    (Nnch 


J 


274  Arthropoden. 

In  der  Abiheilung  der  Grustaceen  sind  diese  Tasisittbcben  in 
grosser  Verbreitung  erkannt  worden,  und  zwar  nicht  blos  an  Antennen, 
besonders  der  niedern  Grustaceen,  sondern  ebenso  auch  an  andern 
Anhangsgebilden  des  Körpers.  Bei  Myriapoden  und  Insecten  sind 
Taststäbchen  an  den  Antennen,  bei  den  letzteren  auch  an  den  Tarsal- 
gliedern  der  Fttsse  anzutreffen.  Ausser  diesen  Tastsläbcben  finden 
sich  an  den  Antennen  von  Krustcnthieren  und  Insecten  noch  besondere 
den  TastsUibchen  iihniiche  Gebilde,  zuweilen  von  bedeutender  Aus- 
dehnung vor,  die  auf  dieselbe  Weise  wie  die  Taststäbchen  mit  Nerven 
versorgt  werden.  Bei  den  Grustaceen  finden  sie  sich  nur  an  dem 
inneren  (vordem)  Antennenpaare.  Bei  den  Insecten  sind  sie  weit 
kürzer  und  von  konischer  Gestalt.  Die  Localitäten  ihres  Vorkommens, 
sowie  der  Umstand,  dass  sie  von  längeren  indifferenten  Borsten  Über- 
ragt werden,  oder  in  Vertiefungen  sitzen,  macht  es  wahrscheinlich, 
dass  diesen  Organen  eine  andere  Verrichtung  zukommt,  und  es  liegt 
nahe,  an  die  Gcruchswahrneh  mung  zu  denken,  oder  doch  an 
eine  dieser  nahe  stehende  Empfindung.  Somit  würden  also  die  An- 
tennen durch  Differenzirung  besonderer  Nervenendigungen  eine  mehr- 
fache Function  verrichten,  und  nicht  blos  dem  Tastsinne  vorstehen. 


Hürorgane. 

Hörorgane  sind  bei  den  Arthropoden  nur  in  beschränkter 
Weise  bekannt  geworden,  indem  man  bei  den  Myriapoden  und 
Arachniden  jede  Spur  davon  vermisste,  bei  Krustenth  ieren  und 
Insecten  dagegen  nur  in  einigen  Abtheilungen  solche  Organe  nach- 
weisen konnte,  die  zur  Schallempfindung  geeignet  erscheinen. 

Es  sind  vorzüglich  zwei  Organformen,  welche  sich  streng  nach 
dem  Medium,  in  dem  die  Thiere  leben,  vertheilen.  Die  eine  Form  findet 
sich  bei  Krusten  th ieren  und  besteht  aus  einem  sackartigen,  durch 
eine  Einstülpung  des  Integumrntes  gebildeten  Räume,  der  bald  offen 
bleibt,  bald  sich  schliesst.  Durch  den  Zusammenhang  mit  dem  Inte- 
gumente  sind  diese  Vorrichtungen  von  den  Hörorganen  anderer  wirbel- 
loser Thiere  verschieden.  Diese  Horb  lasen  liegen  bei  den  meisten 
höhern  Krustenth  ieren  am  Basalgliedc  der  inneren  Antennen.  So  bei 
Leucifer,  Sergestes  und  anderen  Malacoslraken.  Sie  können  auch  an 
anderen  Körpertheilen  vorkommen.  So  liegen  sie  bei  den  Mysiden  in 
den  beiden  inneren  Lamellen  des  Schwanzfiichers.  In  den  Hörblasen 
finden  sich  feste  Gebilde  vor,  Otolitlien,  welche  bei  den  geschlossenen 
Hörblasen  (bei  Mysis  und,  Hippolyta)  aus  einem  Concremente  bestehen, 
welches  von  feinen ,  in  regelmässiger  Weise  angeordneten  Härchen  («) 
fosigehallen  wird.  Bei  den  offenen,  unter  denDecapoden  sehr  verbreiteten, 
aber  auch  den  Scheerenasseln   (TannisJ   zukommenden  Hörblasen  finden 


sich  mandie  Complicationen  in  der  AusmttnduDg.  Die  Stelle  der  Oto- 
lithen  wird  hier  durch  von  aassen  eingebrachte  Sandkörachen  vertreten, 
welche  von  bestiniroten  von  der  Hörbiasenwand  entspringenden  Haaren 
io  regelmässiger  Weise  befestigt  werden.  (Hiffssfr.)  Diese  sind  andern 
Haaren  des  Integumentes  ähnlich,  aber  dadurch  ausgezeichnet,  dass 
ihr  Schaft  nur  indirect  mit  dem  Boden  der  Uörblase  verbunden  ist, 
indem  er  grtfssentheils  auf  einem  larten  membranösen  Vorsprunge  steht, 
zu  welchem  Endigungen  von  Nerven  treten.  Sie  stimmen  dadurch 
mit  den  Btabchenf(k*migen  Portstttzen  flberein,  welche  bei  den  Mysiden 
den  OtoUthen  tragen,  denn  auch  zu  diesen  tritt  der  Nerv.  Der  HOmerv 
ist  bei  den  Vorgenannten  ein  Zweig  der  innem  Antennenerven,  wo 
die  Hörblase  der  inneren  Antenne  eingebettet  ist.  Beide  Gebilde  stellen 
somit  Endapparate  von  Nerven  vor,  welche  durch  Erschtttterungen  des 
von  ihnen  getragenen  festen  Körpers  (Otolithen)  in  Schwingungen  ver- 
setzt werden,  und  dadurch  eine  Nervenerregung  vermitteln. 

Die  Gesammteinrichtung  dieser  merkwürdigen  Apparate  lehrt  uns, 
wie  die  HOrorgane  aus  einer  Difierensirung  indifferenter,  mit  dem  Inte- 
guroente  verknüpfter  Empfindungsorgane  hervorgehen.  Die  Hörhaare 
sind  nur  Modificationen  anderer,  Nervenendigungen  bergender  »Haare« 
des  Integuments,  wie  sie  auch  an  freien  Körperstellen  vorkommen 
können  (Taststäbchen).  Die  Bildung  der  ungesdilossenen  Hörblasen 
oder  der  »Höif ruben«  repräsentirt  dann  eine  zweite  Stufe  jener  Diffe- 
renzirung,  und  in  der  Umwandlung  in  eine  geschlossene  Blase  ist  für 
diese  Erscheinung  ein  weiteres  Stadium  ausgedrüdit. 

§  200. 

Die  andere  Form  von  Hörorganen  besteht  bei  Insecten,  wo  sie 
allerdings  nur  bei  einer  kleinem  Anzahl  nachgewiesen  ist.  Vorzüglich 
sind  es  die  auch  mit  Stimmorganen  begabten  Orthopteren,  die  ein 
Organ  zur  Aufnahme  von  Schalleindrücken  erkennen  lassen.  Die  all- 
gemeine Einrichtung  besteht  in  einer  trommelfellartig  an  einem  festen 
Chitinring  ausgespannten  Membran,  mit  der  einen  Fläche  nach  aussen, 
mit  der  anderen  nach  innen  gekehrt.  An  der  Innenfläche  lagert  eine 
Tracheenblase,  und  auf  dieser  oder  auch  zwischen  ihr  und  dem  >Tym- 
panvmc  findet  eine  ganglionäre  Nervenausbreilung  statt,  von  welcher 
eigeothttmlich  modificirte  Nervenendigungen  in  Gestalt  von  kleinen 
keulenCärmigen  Stäbchen  mittelst  feiner  Fäden  entspringen.  Sowohl 
das  Tympanum  als  die  Traoheenblasen  dienen  als  sohallleitende  Organe. 
Die  perdpirenden  Organe  werden  durch  die  In  bestimmter  Anordnung 
gelagerten  Nervenendigungen  vorgestellt.  Bei  den  Acridiem  liegt  das 
Or^o  im  Metalhorax  dicht  Ober  der  Basis  des  dritten  Fusspaares  und 
empfängt  seinen  Nerv  vom  dritten  Brustganglion.  Die  Locustiden  und 
Acheüden  besitzen  das  Organ  in  den  Schienen  der  beiden  Vorderfttsse 
verborgen.      Bei   den   ersteren   liegt  auf  beiden  Seiten   des  genannten 

48» 


276  Arthropoden. 

Fusses  ein  Tympanum,  entweder  oberflächlich  oder  im  Grunde  einer 
Höhlung,  die  vorne  mit  einer  einzigen  Oef^ung  ausmündet.  Den  Raum 
zwischen  beiden  Tympanis  nehmen  zwei  Tracheenstitmme  ein,  von 
denen  einer  den  Nervenendapparat  in  Gestalt  einer  Leiste  trägt.  Bei 
Locusta  wird  diese  Horieiste  von  einer  Reihe  gegen  das  eine  Ende  zu 
allmählich  kleiner  werdender  Zellen  gebildet,  deren  jede  ein  ent- 
sprechend grosses  »Stäbchen«  umschliesst.  An  der  äussern  Seite  der 
Vorderbeinschienen  liegt  das  Typanum  der  Achetiden. 

An  diese  in  ihrem  ganzen  Baue  als  Hörwerkzeuge  sich  darstellen- 
den Organe  reihen  sich  andere,  deren  Natur  minder  sicher  bestimmt 
ist;  doch  lUsst  das  Vorkommen  derselben  stiftartigen  Körper  als  En- 
digungen von  Nerven  diese  Organe  wenigstens  den  Hörapparaten  bei- 
zählen, sowie  auch  in  der  ganglionären  Ausbreitung  der  bezüglichen 
Nerven  längs  eines  Tracheenstammes  eine  Verwandtschaft  ausgespi*ochen 
ist.  Die  Nervenenden  richten  sich  gegen  das  Integument,  dessen 
Chitinschichte  anstatt  eines  Tympanums  stets  dichte  Gruppen  von 
feinen  Porencanälen  besitzt.  Solche  Organe  sind  bis  jetzt  in  der  Wurzel 
der  Hinterflügel  von  Käfern,  sowie  art  der  Schwingkolbenbasis  von 
Dipteren  nachgewiesen. 

Beide  Formen  von  Gehörorganen  der  Arthropoden  sind  zwar  im 
Einzelnen  ihrer  Ausführung  von  einander  bedeutend  verschieden,  allein 
es  besteht  dennoch  ein  Zusammenhang,  indem  in  beiden  Füllen  die  chiU- 
nogene  Zellenschichte  die  Trägerin  abgibt  für  die  eigenthümlicben 
Endorgane,  welche  bei  den  Crustaceen  mit  Fortsätzen  des  Integuments, 
den  Hörhärchen,  in  Verbindung  treten,  indess  sie  bei  den  Insecten, 
zu  jenen  Stiftchen  umgebildet  und  damit  in  anderer  Richtung  difle- 
renzirt,  innerhalb  des  Hautskelets  und  ohne  Beziehungen  zu  Fortsätzen 
desselben  verharren.  Aus  der  Verschiedenheit  der  Localität  dieser 
Organe  geht  der  Mangel  einer  Homologie  derselben  hervor,  aber  auch 
ein  neuer  Beweis  für  die  Entstehung  complicirterer  Organe  aus  einer 
allgemein  im  Integumente  verbreiteten  Anlage. 

Sohorgone. 

§  äOi. 

Die  Sehwerkzeuge  der  Arthropoden  erscheinen  theils  in  der- 
selben Beschafienheit  wie  bei  den  Würmern,  theils  stellen  sie  weiter 
vorgeschrittene  Bildungen  vor,  die  sich  aus  wesentlich  denselben 
aus  dem  Integumente  (Ectodcrm)  hervorgehenden  Elementen  zusammen- 
setzen. Wie  bei  den  Würmern  ist  die  Lage  der  Augen  am  Kopfe: 
nur  ganz  selten  tragen  auch  andere  Körpertheile  Sehorgane,  z.  B.  bei 
manchen  Krebsen  (Euphausia).  Wir  unterscheiden  am  Auge  den  perripi- 
renden  theilweise  von  Pigment  umgebenen  Apparat,  dann  als  äussere 
Umhüllung  einen  häufig  zu  einem  lichtbrechenden  Organe  modificirien 
Theil  des  Inlegumentes. 


Sehi»rg8ne.  277 

Der  percipirAde  Apparat  bestellt  wieder  aus  st^bchenartigen  Ge- 
bilden, die  in  Form  einer  Keule,  eines  Kegels  oder  eines  mehrseitigen 
Prisma's  sieb  darstellen  (Fig.  4  47.  Cr)  und  mit  den  Endfasem  des 
Sehnerven  in  Zusammenhang  stehe».  Sie  erscheinen  dadurch  als  End- 
apparate. Die  Beschaffenheit  dieser  vKrystallstflbchen«  ist  an  den  ein- 
zelnen Abschnitten  verschieden.  Am  vorderen  freien,  derAussenwelt  zu- 
gewendeten Ende  erscheinen  sie  stark  lichtbrechend,  und  gegen  ihr  inneres 
centrales  Ende  nehmen  sie  allmählich  die  Eigenschafien  der  Nervenfasor 
ao.  Der  Zusammenhang  des  centralen  Tbeiles  mit  dem  peripherischen 
wird  jedoch  sehr  verschieden  aufgefasst.  Ausserdem  finden  sich  an  und  in 
ihnen  noch  manche  andere  DiUßrenxirungen  vor.  Eine  körnige  Pigment- 
schiebte bildet  fast  immer  die  äussere  UUlle,  welche  schcidenförmig 
die  Stabchen  umlasst  und  nur  das  vordere,  in  der  Regel  gewölbte 
Ende  des  Krystallkegels  frei  Iflssl. 

Ein  besonderes  lichtbrechendes  Organ  wird  durch  das  Intogumcnt 
gebildet.  Dasselbe  geht  in  allen  Fällen  pigmentfrei  über  das  Auge 
hinweg,  ist  daher  hell  und  durchscheinend,  so  dass  es  die  Stelle  einer 
üComea«  vertritt.  In  vielen  Füllen  seigt  diese  Schichte  eine  beträchtr- 
liehe  nach  innen  convexe  Verdickung,  wodurch  sie  zum  lichlbrechen- 
den  Organe  wird,  und  dies  in  höherem  Grade  in  jenen  Fällen,  wo 
sie  auch  nach  aussen  sich  hervorwölbend,  einer  Linse  ähnlicher  ge- 
staltet erscheint.  Möglich  ist,  dass  die  lichtbrechende  Eigenschaft  des 
perif^riscben  Endes  der  Kryatallstäbchen  hier  glcicbblis  in  Betracht 
kommt. 

Als  Accomodationsapparat  sind  sowohl  bei  Kruslenthiei*en  als 
Insecten  beobachtete  Muskelfasern  zu  deuten,  welche  längs  der  Krystall- 
Stäbchen  verlaufend,  ohne  Zweifel  auf  letztere  einwirken  können. 

Aus  den  verschiedenen  Graden  der  Betheiligung  der  vorerwähnten 
Gebilde  an  der  Zusammensetzung  eines  Auges  entstehen  manniohfaltige 
CombinatioDen,  aus  welchen  ich  die  Ilauptformen  hervorhebe: 

I.    Augen  ohne  lichtbrechendc  Cornea. 

4]  Einfaches  Auge.  Jodes  Auge  wird  nur  von  Einem  KrysUiU- 
Stäbchen  gebildet,  welches  in  eine  Pigmentmasse  eingesenkt  und  immer 
vom  Integumente  sich  entfernt  hat.  Zwei  solcher  meist  unmittelbar 
dem  Gehirne  aufsitzender  Augen  sind  für  die  Larven  (Naupliusformj 
der  Entomostraken  charakteristisch  und  kommen  auch  noch  mit  com- 
plicirteren  Sehorganen  vor. 

2)  Zusammengesetztes  Auge.  Mehrere Krystallstäbchen  treten 
zur  Bildung  eines  Auges  zusammen,  ohne  dass* das  über  das  Auge 
wegziehende  Integument  Verbindungen  mit  diesem  eingebt,  oder  direct 
sich  am  Sehapparate  betbeillgt.  Niedere  Crtistaceen  Irieten  diese  Augon- 
form  dar,  die  ebenfalls  bei  Wttrmern  (Sagitta)  ihr  Vorbild  hat. 


II.     Augen  mil  Cornea. 
i)  Einfaches  Auge.     Der  pcrcipircndc  Apparat  wird  nur  durvb 
ein  einziges,  meist  belrücliUich  grosses  KryslallsUI heben  vorgestellt,  vor 
welchem   ein  oatsprechender  AbsohnitL  der  Culicularschichle  des  Into- 
gumentes  eine  linsonarlige  Bildung  eingeht.     (Corycaiden.) 
2]   Zusamniungcselztes  Auge. 

a.  Hit  einfacher  Cornea.  Hehrere  Kryslallstübchen  ver- 
eioigen  sich  zu  einem  Sehorgane,  welches  von  einer  ItnsenfBrmig  ge- 
wölbten Cornea  überzogen  wird.  Die  letztere  ist  dem  gesammleo  per- 
cipirenden  Apparate  gemeinsam.     (Aradiniden. ) 

b.  Mit  mehrfacher  Cor- 
nea. IMeist  zahlreiche,  um  die  gan- 
glionitre  Seh  nerven  anschwcJlung  radiär 
geordnete KryGUlisläbchen  (Fig.  H7./Irj 
sind  zu  einem  oberflächlich  gewSlbteo 
Sehorgane  vereinigt,  Ubur  welchem  die 
Chitinhillle  den  einielnen  KrystallsUib- 
chen  entsprechende  Facetten  bildet  (B), 
die  nach  innen  couvex  vorspringend 
{Cc) ,  fUr  jedes  Krystallsiaböhen  ein 
lichtbrechendes  Organ  herstellen.  (Fa- 
cetlirtes  Auge  der  Kruslenthicre  und  Insecten.j  Die  FaoeUirung  ist 
entweder  nur  innerhalb  bemerkbar,  und  die  OberHSche  des  Auges 
erscheint  glatt  (Crustaceen) ,  oder  sie  drückt  sich  auch  auf  der  Ober- 
Ga"he  ans. 

Hei  diesen  zusammengesetzt«»  Augen  mnss  jedes  einzelne  Krystall- 
stäbchen  einem  einfachen  Auge  (11.  1.)  analog  gelten,  and  in  gleicher 
Weise  verhalleu  sich  auch  die  Theile  des  sub  1.  2  beschriebenen  Auges 
zu  dem  gänzlich  einfachen  Auge  1.  1.  Die  zusamuiengeseUten  Augen 
erscheinen  somit  als  Aggregate  der  einfachen.  Die  Zahl  der  bei  Bildung 
eines  zusammengesetzten  Auges  concurrirendcnj  KryslallsUbchcn  ist 
äusserst  verschieden ,  von  zweien  an  bis  zu  mehreren  Tausenden  variirend. 
Bei  allen  zusammengesetzten  Augon  bildet  der  Sehnerv  vor  seinem 
Eintritte  ins  Auge  ein  Ganglion  [Fig.  H7.  A  g) ,  welches  mit  dem 
hinteren  Ende  der  Stäbchen  so  enge  verbunden  ist,  dass  diese  wie  iii 
das  Ganglion  eingesenkt  sichjausnchmen.  Indem  die  eine  oder  die 
andere  Art  dieser  Sehwerkzeuge  für  sich  allein  vorkommt,  oder  neben 
einer  andern  besteht,   ergeben  sich  fUr  den  Sebapparat  der  einzelnen 

Fig.  417.  A  Scbemaliscber  Dorchschnitt  durch  eio  loMmmeogesctitea  Ar- 
thropode na  ogo,  n  9«hiier*.  g  GaaglienanBchwcllucg  dcMolbeo.  r  KrystaltsUlH^he« 
aus  dem  GangliOQ  bervortrclend.  c  Facettirto  CorneB.  vom  loleguincnl  gebiklel,  . 
wobei  jedo  t'acclte  durch  Convexiläl  nacb  innen  als  lichtbrechondes  Or){aD  (LiDse] 
erscheint.  B  Eint)je  HorDheutfacctlon  von  der  KIBctic  gesehen.  C  Krystallstabchco 
{r|  mit  dOD  entsprochenden  Comealiasen  [c)  sui  dem  Auu«  eines  lutrers. 


Seboigane.  279 

Arthropoden- AbtheiluDgen  iiiannichfaciie  Verschiedenheiien.  Nicht  ge- 
ringere Eigenihttmlichkeitcn*  entstehen  durch  die  Umbildungen  der  Seh- 
organe; gewisse  Formen  berrsoben  in  den  ersten  Entwickelungszu- 
ständen,  um  später  nach  dem  Aurtreten  anderer,  btfher  differenzirter 
Sehorgane  »u  sebwinden,  oder  in  rudimentärer  Gestalt  fortsubestehen. 

§  SOS. 

Die  zuerst  erwähnte  einfache  Augenform  herrscht  bei  den  Ento- 
mosireken.  Beide  Augen  sind  dicht  aneinander  gertlckt,  durch  das 
zusammenhUngende  Pigment  su  Einem  Organe  verschmolzen;  wo  sie 
nicht  dem  Gehirn  selbst  aufsitzen,  trägt  sie  ein  von  diesem  ausgehen- 
der medianer  FiMrtsatz.  Die  Cirripedien  und  Rhizocephalen  besitzen  sie 
während  des  Larvenzustandes  und  verlieren  sie  später.  Sic  finden 
iiich  ferner  bei  den  Gopepoden,  Ostracoden  und  Bmnchiopodon.  Bei 
vielen  frei  lebenden  Gopepoden  ist  das  Auge  bald  mehr,  bald  minder 
deutliob  in  zwei  gosohiedon.  Das  Vorkommen  mehrerer  Krystallstäb- 
chen  in  jedem  Auge  bildet  einen  Uebergang  zur  zusammengesetzten 
Augenform,  und  indem  sich  das  über  dem  einfachen  Augenpaar  befind- 
liche Integument  in  zwei  den  Krystallslttbchen  entsprechende  Facetten 
verdickt,  knüpft  sich  schon  hier  die  Bildung  von  Comealinson  an. 

Neben  dem  medianen,  zuweilen  durch  einen  blossen  PigmentQeck 
darge^llten  Auge  besitzen  die  Gladooera  und  Pbyllopodcii  noch  zwei 
zusammengeaetite  Augen,  welche  bei  (Fig.  4  49.  oc)  den  ciiiieren 
in  versohiedenem  Grade  untereinander  verschmolseo  sind  und  von  be- 
sondern  Muskeln  bewegt  werden. 

Durch  die  Beweglicbkeit  und  die  unmittelbare  Lagerung  unter  dem 
Chitinpanter  bilden  die  Augen  der  Braochiopoden  Uebergäoge  zu  jenen, 
wo  der  Ghilinpanser  sich  am  optischen  Apparate  unmittelbarer  belbeiligt. 
Auch  bietet  die  Einlagerung  des  Auges  in  einen  stielartigen  Fortsatz 
(Artemia  und  Braochipus)  eine  Anknüpfung  an  die  stieläugigen  Malacu- 
straken  dar.  Eine  Facettirung  der  vom  Ghitinpanzor  gebildeten  Cornea 
ist  nur  an  der  lonenflttebo  bemerkbai*.  Sie  fehlt  den  gleichfalls  zu- 
sammengesetzten Augen  der  Lämodipoden,  dagegen  sind  die  aus  Uaufen 
oder  Gruppen  von  Eioselaugen  dargestellten  Sehorgane  der  Asseln  mit 
Coroealinaen  ausgtstatteU 

Aus  zahlreichen  Krystallstttbchen  zusammengesetzte  Augen  mit 
facettirtem  Uebersuge  besitzen  die  Thoracostrakeo  (Podopbtbalmata},  bei 
denen  jedes  Auge  von  einem  durch  Muskeln  bcwegliohen,  vor  den  Antennen 
eingelenkten  Stiele  getragen  wird ;  damit  erreichen  die  seitlichen  Augen 
ihre  höchste  Entfaltung  und  der  in  den  nie<lern  Ableitungen  der  Kru- 
stentUere  noch  fungirende  mittlere  Theil  des  primitiven  Schapparates 
das  Enlomostrakenauge) ,  ist  entweder  nur  in  Larvenzustünden  vor- 
handen, oder  entwickelt  sich  gar  nicht  mehr.  Gegenüber  der  grossen 
MannichfalUgkeit ,  welche  Zusammensetzung   und  Anordnung  der  Seh- 


iSO  Artbropoden. 

oi^ane  bei   den  Ciuslacecn   (»ictel,    IritU  sieb  bei   den  Tracheaten  eio 
l^leicharligeies  Veibaltcn. 

Die  Augon  der  Hyriapodoti  scblicssen  sieb  an  die  der  Isopo- 
dcQ   an.     Ihre  jederscits  am  Kopfe   in  einer  oder   zwei  Reihen  anj^e- 
ordnelen  einfachen  Augen  zeigen  wechselnde  Zahlenverballnisse  [i — 8). 
Bei     den     Arachniden     herrscbl     die 
Flg.  HS.  Form  der  zusammengesetzlen  Augen  mit  ein- 

facher Hornhaut,  die  eine  nach  aussen  wie  in- 
nen gewülbl«  Linse  (Fig.  HS.  L)  vorstellt. 
Ausgezeichnet  sind  die  Augen  der  Ara- 
neen  durch  die  entwickelte  Pigmenlscbichte 
(;)] ,  welche  sich  theils  zwischen  den  Kry- 
stallsläbchen  verbreitet,  theils  sich  seitlich 
bis  en  die  Cornealinsc  fortsetzt  und  dort 
sogar  einen  irisähnliehL'U  Ring  bildet.  In 
diesen  sind  circulifrc  HuskclfaRom  «ingebeltel, 
'■  welche  eine    Verengerung   des   Pigmenlringes 

bewerkstelligen.  Bei  vielen  Spinnen  zeigt  das 
Auge  in  seinem  Inneren  einen  lebhaften  Hetallglanz,  der  durch  eine 
den  Augengrnnd  tlborziehende  Körn ersch ich i«  (Tapetum)  bewirkt  wird. 
Sowohl  in  Lage  als  in  Zahl  dieser  Augen  ergeben  sich  mandte 
Kigentbümlidikciten.  Zwei  grosse  Augen  sind  bei  den  Scorpionen  ein- 
ander sehr  nahe  gerückt,  und  jedcrscits  lagert  noch  eine  Gruppe 
(3 — 5}  kleinerer  Augen.  Bei  den  Spinnen  und  Phryniden  finden  sicli 
in  der  Regel  8,  seltener  6  Augen  am  Vordertheilo  des  Cephaiothorax 
symmetrisch  vcrlheilt,  meist  auch  an  Grfisse  verschieden,  während  die 
Opilioniden  an  derselben  Stelle  nur  drei  oder  vier  tragen,  von  denen 
die  grösseren  auf  einer  Erhabenheil  des  Cephalolhorax  stehen.  Aucb 
I>ei  den  Pycnogoniden  nehmen  vier  Augen  eine  ähnliche  Stelle  ein. 
Dag^en  reduciren  sie  sieb  bei  vielen  Milben  auf  zwei,  ebenso  bei  den 
Tardigraden ,  und  sind  bei  manchen  parasitischen  Milben  voUstSodig 
verschwunden. 

Die  Sehorgane  derlnsecten  mtlssen  ihrer  Structur  nach  in  iwci 
Gruppen  gesondert  werden,  die  eine  bilden  die  facettirtcn  Augen,  welche 
meist  durch  ihre  GrUsse  ausgezeichnet  an  der  Seite  des  Kopfes  stehen, 
die  andere  wird  durch  sogenannte  Nebcnaugen  (Ocelli,  Stemmata, 
Punctaugen)  dai^estellt.  Letztere  stellen  bei  den  meisten  LarvoD  die 
einzigen  Sehoi^ne  vor ,  in  verschiedcoer  Zahl  seitlich  am  Kopfe 
angebracht.  Bei  grösserer  Anzahl  trifll  man  sie  in  Gruppen  vcr- 
lheilt, oder  in  regelmässige  Reihen  geordnet.  Jedes  dieser  Augcu 
beslehl  nur  aus  einem  oder  einer  geringen  Anzahl  Kryslallsütbchen, 
über  welchen  das  Integument  eine  Comea-Linse  bildet.     Bei  manchen 

Kig.  118.  Auge  einer  spinne.  X  Coroea-ÜDBa  voo  der  Chili dscIi ich te  {e; 
des  IntegumuiKc»  gebildet.  *  KryslalUlBbcbon.  g  GangUeniellen.  j>  Ptgmeiil. 
(Nach  Lkidiü") 


E  xcreUoniiorga  ne  281 

Inseclen  persisUrI  diese  Form  der  Sehorgane;  so  sind  sie  nur  zu  zweien 
vorhiaDden  als  eine  Eigen thümlichkeil  durch  Parasitismus  rUckgebildeter 
Uemipteren.  (Pediculiden ,  Cocciden  eio.)  Eine  andere  Form  dieser 
eiDfacberen  Augen  findet  sich  bei  vielen  Insecten  mit  den  zusammen- 
{gesetzten;  sie  sind  zwischen  diesen  meist  zu  zweien  oder  dreien  auf 
der  Stirnfläche  angebracht  und  unterscheiden  sich  von  den  vorhin 
erwähnten  durch  die  Zusammensetzung  aus  einer  grösseren  Anzahl 
KrystallsUibchen,  welche  wie  am  Arachnidenauge,  eine  einfache  Cornea- 
iiose  überdeckt. 

Die  facetlirten  Augen  kommen  mit  den  gleichen,  schon  bei  den 
Crustaceen  näher  beschriebeneu  ttberein,  uiannichfaitige  Zustände 
des  Volums  und  der  Lagerung  darbietend. 


Sxcretionaoxgane. 
§  203. 

Zu  dem  aus  dem  Integumente  gesonderten  DrUsenapparat,  dessen 
Diannichlaltige  Gebilde  grosscntheils  bereits  oben  (§  19t)  Erwähnung 
fanden ,  geboren  noch  Organe ,  welche  durch  grosse  Verbreitung  untc^r 
den  Crustaceen  als  ererbte  erscheinen  und  nähere  Beziehungen  dieser 
Ahtheilung  zu  den  Würmern  vermittehi. 

Das  eine  besteht  aus  einem  gewundenen,  unter  dem  Integumente  des 
Kopfes  gelegenen  Schlauche,  der  an  der  Basis  des  zweiten  (äusseren) 
Antennenpaares  ausmündet.  Bei  den  Entomostraken  ist  dieses  Organ 
auf  das  Larvenleben  beschränkt,  und  da  in  den  meisten  Abtheiiungen 
nachgewiesen.  Vielleicht  erhält  es  sich  jedoch  bei  den  Girripedlen  in 
den  sogenannten  »Cementdrttsen«,  welche  bei  den  Lepadiden  im  Stiele 
lagern  und  am  untern  Stielende  münden,  bei  den  Balaniden  zu  einem 
in  vieler  Beziehung  der  genaueren  Untersuchung  bedürfenden  Drüsen- 
eoniplexe  umgestaltet  sind.  Persistent  ist  das  Organ  bei  den  Po- 
dophthalmen,  als  »grüne  Drüsea  beim  Flusskrobs  bekannt. 

Ein  zweites  hieher  gehöriges  Drüsenorgan  besteht  gleichfalls  bei 
den  Entomostraken,  fehlt  aber  den  höheren  Krusten thieren.  Es  liegt 
in  der  mantelartigen  DupUcatur  des  Integumentes  als  ein  mehrfach 
schleifenibrmiger,  heller  Canal,  der  unter  dem  Mantel  ausmündet  (vergl. 
Fig.  419  9).  Durch  die  Lagerung  unter  der  Schale  wird  das  Organ  als 
Schalendrüse  beseichnel. 

Es  bestehen  demnach  bfti  den  Krustenthieren  zweierlei  schleifen- 
förmige  Drüsenorgane,  deren  Homodynamie  jedoch  zweifelhaft  erscheint. 
Das  zweite  Organ  dürfte  den  schleifenförmigen  Excretionsorganen  der 
Würmer  homolog  sein,  und  so  von  einer  gemeinsamen  Stammform  her 
sich  fortgesetzt  haben,  mit  Aufgabe  seiner  metameren  Bedeutung. 

Diese  in  ihren  functionellen  Beziehungen  noch  nicht  sicher  zu  be- 
urtbeilenden  Organe,  von  denen  nur  die  grüne  Drüse  bestimmter  als 


283  Arthropoden.  • 

nieronarti(;es  Excrolionsorgan  sich  dai^slellt,  werden  bei  den  Trachealen 
verinisst.  Die  Function  der  Excreiion  wird  hier  von  Organen  über- 
nommen, welche  aus  dem  Darmrohr  sich  sondern  und  daher  mit  diesen 
ihre  anatomische  Darstellung  ßnden  müssen. 


DarmoanaL 

§  204. 

Die  Sonderung  des  Darmcanals  der  Arthropoden  schliesst  sich  zwar 
im  Allgemeinen  an  die  hei  Würmern  sich  treffenden  Verhältnisse  an, 
allein  es  bestehen  durch  die  grössere  Vollständigkeit  der  während  des 
embryonalen  Lebens  erlangten,  durch  reicheres,  dem  £ie  zugetheiltes 
Dottermaterial  bedingten  Ausbildung  mancherlei  Eigen thümlichkeiten, 
welche  als  Anpassungen  an  jenes  Verhalten  erklärbar  sind.  Diesen 
Verhältnissen  entsprechend  umschliesst  das  Entoderm  das  bei  der 
ersten  Differenzirung  nicht  verbrauchte  Dottermaterial,  welches  mit  der 
allmählichen  Weiterentwickelung  resorbirt  wird.  Mund  und  After  ent- 
stehen durch  secundäre  Vorgänge.  Mit  der  vollständigen  Diffi^ren- 
zirung  der  Darmwand  trifft  sich  der  Nahrungscanal  als  ein  die  Länge 
der  Leibeshöhle  durchsetzender,  seltener  auch  Anpassungen  an  die 
Metamcren  des  Leibes  bietendes  Rohr,  das  mit  der  ventral  am  Kopf 
gelegenen  Mundöffnung  beginnt  und  zu  der  in  der  Regel  im  letzten 
Metamer  gelagerten  Aftcröffnuug  hinzieht.  Der  iiussere  Ghitinüberzug 
des  Leibes  setzt  sich  auch  in  den  Darmcanal  fort.  Um  die  Mundöff- 
miQg  gruppiren  sich  die  zu  Kauwerkzeugen  und  anderen  Apparaten 
umgewandelten  Gliedmaassen  (s.  §§  i83.  187),  wozu  noch  ein  vom 
integumente  gebildeter  Voi-sprung  als  Oberlippe  tritt. 

Die  drei  bei  den  Würmern  unterschiedenen  Abschnitte  des  Darm- 
robrs  sind  auch  bei  den  Arthropoden  nachweisbar,  und  erscheinen  in 
zahlreichen  durch  Anpassungen  an  das  Nahrungsmaterial  verständlichen 
Modificationen. 

§  205. 

Der  Darmcanal  der  Crustaceen  ist  sowohl  durch  seinen  geraden 
Verlauf,  wie  durch  die  geringe  Gomplication  seiner  Abschnitte  aus- 
gezeichnet. Die  Mundöffnung  befindet  sich  in  ventraler  Lagerung 
häufig  weit  nach  hinten  gerückt,  so  dass  der  von  ihr  beginnende  Mund- 
dann  erst  eine  Strecke  nach  vorne  verläuft,  um  mit  kniefönniger  Um- 
biegung  sich  rückwärts  zu  wenden.  Der  Endabschnitt  des  in  der  he^ 
engen ,  als  Schlund  oder  auch  als  Speiseröhre  bezeichneten  Munddamis 
stellt  einen  meist  erweiterten  Theii  des  Darmrohrs  vor,  der  sidi  vom 
folgenden  Stücke,  dem  Mitteldarm,  scharf  absetzt  und  bei  vielen  einen 
zapfenartig  in  letzteren  einragenden  Voi*sprung  bildet.  Die  Wandungen 
dieses  Abschnittes   sind   gewöhnlich   stärker,    und  die  InnenQäohe  ist 


hinfig  durch  ein  Festes  ChitingerOsle  ausgezeichnet,  welches  xahturtig 
gegeneinaDder  gerichtete  und  durch  Husksln  bewegliche  VorsprUngc 
darbietet,  die  als  Leislon,  Zacken,  Stacheln,  Boraten  von  grosser 
Complioatioii   erscheinen    und  aus  der  den  Tracius   intestinaiia  tum 


grossen  Thei)  auskleidenden  Chilinhaut  hervorgehen.  Sie  bilden  einen 
tur  Zerkleinerung  der  Ingcsta  dienenden  Apparat,  daher  dieser  Ab- 
schnitt als  Kaumagen  bezeichnet  wird.  In  der  Regel  ist  der  Kau- 
magen  betrHchllicbcD  Umfangs  und  orhult  durch  sein  fesloa  Gerüste 
eine  regelmässige  Gcslalt.  Am  ansehnlichsten  ist  er  bei  den  Decapoden 
untwickelt  (Fig.  109.  v).  Bei  den  Gntonioslrakcn  ist  er  wenig  oder 
gar  nicht  au^ebildet,  dagegen  beaitien  unter  den  Anhroslraken  die 
bopodea  in  dem  kleinen  Kaumagen  ein  ziemlich  complicirtes  GorUste, 
von  welchem  auch  bei  Amphipoden  (Gammanis)  Andeutungen  bestehen. 

Der  Hitteldarm  [Fig.  119.  i)  bildet  den  an  Ungo  beträchtlichsten 
Theil  des  Darmrohrs,  in  welchen  meist  ansehnliche  AnhangsdrUsen 
einmünden  (Fig.  119.  A) ,  sowie  an  ihm  auch  in  Beziehung  auf  die 
Weile  und  die  Bildung  von  blindsackarügcn  Ausbuchtungen  eine  grosse 
Hannicfafaltigkeit  besteht.  In  manchen  Füllen  ist  er  von  gleichmUssigem 
Caliber,  in  anderen  cradicint  er  vorne  oder  in  der  Hiltc  etwas  erwei- 
tert (iCbylusmagen*) ,  oder  die  Erweiterung  ist  über  den  gesammten 
Mitloldann  ausgedehnt  (>Chylusdarmii  der  Isopoden). 

Am  Beginne  des  Hitleldarms  finden  sich  bei  Crustaceen  aller  Ord- 
nungen blindsackartige  Ausbuchtungen  vor.  Sie  entstehen  als  paarige, 
seilen  unpaare  COca  [Fig.  126.  h].  Unter  den  Copepoden,  nur  in  we- 
nigen Gattungen  vorhanden,  sind  sie  bei  den  Branchiopoden  verbrei- 
teter, bald  als  ein  einfaches  Paar  kurzer  Blindschläuche  [Fig.    119.  h] 

Fig.  H*.  OrgwiiuUon  einer  Dapbnia.  a  Taslantonoe.  gt  Gebivn.  oc  Auge. 
■  ttarmcinal  (MiUeltUrm).  k  BlIndschlauchD  am  Anfang  dcueltwo.  g  Schalcn- 
driuo.  e  U«ri.  I  OberDpp«.  ov  Eierstock.  0  Ein  Gi  in  dem  iwlschon  KOrjwr 
uDd  Hantel  gebildetoo  Brulranme  (/  beBndlioh.     (Nach  Liyi»io.) 


284  Arthropoden. 

auftretend  (Daphniden),  bald  reicher  verästelt  (Ärgulus,  Hedessa), 
oder  in  grösserer  Anzahl  vom  Darme  ausgebend  und  am  Ende  in 
drüsige  Bildungen  diflcrenzirt  (Apusj.  Dieselbe  Erscheinung  der  Um- 
wandlung von  genau  an  derselben  Stelle  gelagerten  Darmcöcis  in 
secrelorische  Apparate  treffen  wir  bei  den  Malacostraken.  Die  nie- 
deren Abtheilungen  derselben  (Schizopoden)  bieten  jene  Anhänge  als 
einfache,  meist  zu  mehreren  Paaren  geordnete  Blinddärme.  So  treten 
sie  auch  bei  den  Phyllosomen  auf,  und  haben  hier  die  aus  einem 
Blinddarmpaare  hervorgehende  allmühliche  Verästelung  erkennen  lassen. 
Aus  ihnen  gehen  bei  den  höheren  Malacostraken  entschieden  drüsige 
Bildungen  hervor,  die  wahrscheinlich  als  »Leber«  fungiren  (s.  unten 
§  209). 

Der  Enddarm  bildet  den  kürzesten,  meist  engeren  Abschnitt  des 
Tractus  intestinalis.  Seltener  ist  er  in  seiner  Mitte  erweitert,  und  nur 
bei  wenigen  mit  blinddarmartigen  Anhängen  verschen. 

Die  Function  des  Darmcanals  beschränkt  sich  nicht  bei  allen 
Grustacecn  auf  die  Verdauung.  Bei  einigen  (Astacus,  Limnadia,  Daph- 
nia)  ist  am  Enddarme  fast  rhythmisch  erfolgendes  Aufnehmen  und  Aus- 
stossen  von  Wasser  beobachtet  worden,  so  dass  diesem  Abschnitt  noch 
eine  respiratorische  Thätigkeit  zuzukommen  scheint. 

Bei  manchen  niederen  Crustaceen  erliegt  der  Darrocanal  einer 
Rückbildung.  Er  schwindet  bei  den  vcrkünmiertcn  Männchen  der 
parasitischen  Copcpoden,  wie  einiger  Girripedien  und  allgemein  bei 
den  Rhizocephalen,  wo  die  Ernährung  durch  andere  Einrichtungen 
besorgt  wird.     (Vergl.  oben  S.  249.) 

§  206. 

Das  Darmrohr  der  Arachniden  besitzt  mit  Ausnahme  rück- 
gebildeter  Formen  eine  reichere  Gliederung.  Der  enge  Munddann 
(Fig.  iSIO.  oe)  führt  in  einen  meist  langgestreckten  Mitteldarm,  dessen 
vorderster  Abschnitt  [v]  in  seitliche  Blindsäcke  ausstrahlt,  die  bei  den 
Phryniden  und  Scorpionen  fehlen  sollen.  Bei  den  Araneon  erstrecken 
sie  sich  zu  fünf  Paaren  {v')  nach  der  Basis  der  Beine  und  Taster.  Vier 
Paare,  davon  die  beiden  letzten  gabelig  getheilt,  laufen  bei  den  Gale- 
öden  bis  in  die  Gliedmaassen  (Füsse,  Scheei*enfühler  und  Palpen),  bei 
den  Pycnogoniden  sich  sogar  fast  durch  die  ganze  Länge  der  Glied- 
maassen erstreckend.  Der  Binnenraum  des  Magens  erhält  durch  diese 
Anhänge  eine  ansehnliche  Vergrösserung. 

Dieselben  Blindsäcke  treffen  sich  bei  [den  Milben  auf  den  Körper 
beschränkt,  meist  sind  es  deren  acht,  doch  wird  eine  Minderung  der 
Zahl  häufig  durch  Verästelung  der  Göca  compensirt.  Eine  viel  grössere 
Anzahl  (gegen  30)  besitzen  die  Opilioniden  in  mehreren  Reihen  ge- 
ordnet, in  denen  ein  mittleres  Paar  noch  sccundäro  Anhänge  trägL 

Der  dem  Magen  folgende  bald  längere,  bald  kürzere  Abschmtt  des 


HiUddanns  erweitert  sich  im  ersleren  Falle  meist  gegen  sein  Ende  su 
und  wird  durch  eine  EinschnUruDg  von  dem  fast  immer  erweilerten 
Enddami  abgeseilt.  Lelzlei-er  ist  von  ansehnlicher  Lunge  bi-i  den 
ScorpioDen,  kürzer  bei  Galeodcs,  wo  er  einen  Blindsack  trägt.  Auch 
bei  den  Anincen  ist  der  Enddarm  (Fig.  <20.  r)  von 
anselinlicher  Weile,  desgleichen  bei  den  Milben. 

Die  Hyriapoden  bieten  In  der  Einrichtung 
ihres  Verdauungsapparates  einfache  Verhältnisse  dar. 
Der  kurze  Hunddarm  fuhrt  in  einen  langen  meist 
.gerade  verlaufenden  Hitleidarm,  aus  dem  der  gleich- 
falls gerade  verlaufende  kürzere,  meist  eine  Er- 
weiterung aufweisende  Enddarm  hervorgeht. 

§  807. 

Das  Verhallen  des  Darmcanals  der  Insecten 
bietet  im  Specielleren  eine  nUbere  Verwandlschafl 
mit  dem  Darm  der  Hyriapoden.  Die  ausser- 
ordentliche Haanichfaltigkeil  in  den  FormverhBlt- 
nissen  der  einzelnen  Abschnitte  lassl  sich  hier- 
durch zwar  einer  morphologischen  Reduction  unter- 
ziehen, da  aber  in  der  Untersuchung  der  Vorrich- 
tungen der  einzelnen  Abschnitte,  ihrer  Erweiterungen  oder  Anh&ngs- 
UldoDgen  und  der  Beziehungen  dieser  einzelnen  Dißerenzirungen  zu  den 
drei  primitiven  Darmabscbnitlen  kaum  die  ersten  Anfange  gemacht  sind, 
so  bleibt  die  Herstellung  einer  einheitlichen  Auffassung  dieser  Bildungen 
ein  Desiderat.  —  Von  bedeutendstem  Einflüsse  auf  die  allgemeine  G&~ 
slaltung  des  Darmcanals  erscheint  auch  hier  die  Lebensweise,  und  es 
ist,  vrie  sonst  noch  vielfach  im  Thierreiche,  bei  den  Pflanzenfressern 
iiäußg  eine  grossere  Lange  des  Darmrohrs  vorhanden,  als  bei  jenen, 
die  von  animalischeo  SloOen  sich  nUhren.  Ein  anderes,  in  Betracht 
kommendes  Homent  bietet  noch  die  BeschafTenbeit  der  NahrungssloiTe, 
wir  trefiea  demnach  einfachere  Darmbildungen  bei  Insecten,  die  von 
Flüssigkeiten  sich  nOhren ,  während  feste  Substanzen  Terzehrende 
eine  grossere  Complication  bieten. 

Diese  Verhälinisse  treten  am  auffallfndslon  boi  der  Vergicichung  des 
Darmrohrs  von  Insectenlarven  mit  jenem  ausgebildeter  Insecten  hervor, 
wir  sehen  z.  B.  eine  Baupe  (Fig.  ii\)  mit  einem  weiten,  den  Körper  ge- 
r.ide  durchziehenden  Darmrobr  ausgestaltet,  und  diese  biinrichlung  der 
Ungeheuern  Hasse  täglich  verzehrten  Haleriales  angepasst,  während  der 


Flg.  120.  V«rdBDungsorg«oe  einer  SplDDc.  m  Oesophagus,  c  Obore  Soblnnd- 
KinKlien  (Geli(ro).  u  Hagen,  v*  SeiUicbe  l'orWIUe  desselbea.  t>"  Nach  obon  g»- 
richwie  Anbaitge.  i  HltleMarm.  r  CloBkensrtig  enveilerteH  Endstück  des  Darms. 
h  h  Sinmiindungen  der  Leber  in  den  Darm,    e  Harnctnüle.     iNich  Doeti.) 


nur  weni);  und  flüssige  Nahrung  aurnchmende  Paller  ein  iwar  lUngere 
aber  viel  schmächtigeres  Darnirohr  besitzt  (Fig.  HZ). 


Ausserdem  beruht  die  Verschiedenheit  des 
Darmes  des  ausgebildeten  Insecls  zum  Darme 
seiner  Larve  in  einer  Aendorung  der  Verhültnisse 
der  einzelnen  Darm  abschnitte.  Wahrend  derHiltel- 
darm  im  Larvenzuslande  in  der  Regel  der  müch- 
tigste  Abschnitt  ist,  tritt  er  allmUhlich  zurtlck, 
und  in  demselben  Maasse  gewinnt  der  Enddann 
an  Lunge.  Dabei  ändert  sich  der  gerade  Verlauf 
des  Darmrohrs.  Das  Lüngerwerden  der  einzelnen 
Abschnitte  ruft  Krümmungen  des  die  Lunge  der 
Leibeshßhic  tlbertreffenden  Darmrobrs  hervor,  die 
bis  zu  vielfachen  Windungen  führen  kennen.     Diese  trelTeD  auf  Hittol- 

Fig.  111.  Larve  eines  Schroetlerlings  (Spliiox  liguslri)  in  sciilictier  Ansicbl 
mit  Iterslellung  der  tnnercii  OrganiHalioit. 

Fig.  Ui.     Puppe  dessellien. 

Fig.  las.  iniago  denelben.  i  Kopf.  1,  t,  i.  ThoracnlsegineBte.  5 — II.  kh- 
doininalsegmenle.  l' Vordenlarm.  IT  Uittelünrm.  E  Gnddarm.  Gi  Gekirngkoglin«. 
gi  nnler«g  Sclilundganglion,  n  Baachgan)(licn.  Ctn  MALPiGHi'sche  GerasM,  C  Hen, 
G  Geschleclitsorgano,     (Ntcli  NEwronTi. 


DarmcaMl. 


287 


aod  Eoddarm,  indess  der  Vorderdarm  am  beständigsten  den  ursprüng- 
lichen Verlauf  behalt.     (Vergl.  Fig.  424.   122.  423.) 

Mit  diesen  Differenzirungen  verbinden  sich  neue  an  den  einzelnen 
Abschnitten  und  verwischen  htlufig  die  Grenzen  der  letzteren.  Der 
Mitteldarm  unterscheidet  sich  vom  Munddarm  durch  seinen  Drdsen- 
besaiz,  und  wo  letzterer  Anhänge  oder  Ausbuchtungen  zeigt,  dienen 
sie  zur  Aufnahme  und  zur  ferneren  Zerkleinerung  der  Nahrung,  im 
letsteren  Falle  die  Bildung  eines  Kaumagens  wiederholend.  Der  End- 
darm  cbarakterisirt  sich  endlich  durch  die  in  seinen  Anfang  ausmttnden- 
d^  MALPicHii'scben  Gefiisse. 

Deo  einfadisten,  von  der  Larvenform  am  wenigsten  sich  entfer* 
nenden  Zustand  bietet  der  Darm  der  meisten  Pseudo-Neuropteren  dar, 
von  denen  nur  einige  (Panorpa)  eine  Erweiterung  am  Ende  des  Vorder- 
darmes  als  Kaumagen  besitzen.  Ein  solcher  (Fig.  424.  A  r)  zeichnet 
auch  die  Orthopteren  ans  und  trägt  auf  seiner  Innenfläche  Längsreihen 
von  festen  Chitinplatten.  Er  kommt  femer  bei  Goleopteren  (Carabiden, 
Cicindeleny  Dytisoiden  etc.)  vor,  Borsten  und  leistenariige  VorsprUnge 
tragend.  Audb  manche  Hymenopteren  (Formica,  Cynips)  besitzen  ihn, 
ja  sogar  Larven  von  Dipteren. 

Eine  andere  Differenzirung  des  bei  manchen  (Hemipteren)  tlberaus 
kurzen  Vorderdarmes  besieht  in  einer  Erweiterung  desselben,  die  bald 
allseitig,  bald  nur  einseitig  vorkommt. 
Sie  dient  bei  einer  Betheiligung  der 
ganzen  Circumferens  des  Oesophagus 
als  Kropf  (Juglnvies)  (i*) ,  der  sich 
bei  vielen  Käfern  und  bei  Orthopteren 
vorfindet.  Eine  ähnliche  Ausbuchtung 
des  Vorderdarmes  triffi  sich  bei  Hyme- 
nopteren (Wesp^,  Bienen)  verbreitet, 
fungirt  ab^  hier  als  ein  Saugapparat 
und  leitet  damit  zu  einer  Bildung 
ttber,  die  sich  bei  anderen  Insccten 
als  Saugmagen  verbreitet  findet. 
Derselbe  stellt  einen  dem  Verlaufe 
oder  dem  Ende  des  Munddarmes  an- 
gefügleo  bJasenfOrmigen ,  dttnnwan- 
digen  Anhang  voi*,  der  bei  Lepidop- 
teren  unmittelbar  (Fig.  423.  v') ,  bei 
Dipteren  mittelst  eines  ktti*zeren  oder 

längeren  Stieles  ausmündet  (Fig.  424.  B,  VyS).  Auch  bei  den  Hyme- 
»opteren  trifft  sich  die  Bildung  eines  selbständigen,  gestielten  Saug- 
magens (Grabro),     Bei  den  Hemipteren  scheint  derselbe  durch  eine  oft 

Fig.  424.  A  Verdauungscanal  der  Feld  grille»  B  einer  Fliege.  o$  Oeso« 
phagQ».  i  Kropfartige  Anschwellung  desselben,  t;  Magen,  c  Anlittnge  desselben, 
r  Erweitertes  Ende  des  Enddarmes,     vm  MALPiOBi'sche  Canttie. 


Fig.  4SI. 


288  Arthropoden. 

mehrfach  ausgebuchlete  Erweiterung  des  Munddarms  vertreten  zu  sein 
(Wanzen). 

Der  Mitteldarm  (»Chylusmagen«]  bietet  nicht  minder  mannich- 
fallige  Zustünde.  Bei  vielen  Küfern  ist  er  in  seiner  ganzen  Länge  odei 
auch  an  einzelnen  Abschnitten  mit  kurzen  Schlauchen  besetzt,  die  man 
als  »DrUscna  bezeichnet.  An  seinem  Anfange  treffen  sich  zuv\eilen 
blindsackartige  Ausstülpungen  besonders  bei  Orthopteren,  auch  bei  ein- 
zelnen Familien  der  Dipteren.  Bei  den  letzteren  ist  er  meist  einer 
grösseren  Länge  entsprechend  in  Windungen  gelegt  (Fig.  424.  B  r). 
Dasselbe  zeigt  sich  an  dem  langen  Mitleidarm  einiger  Käfer  (z.  B.  Me- 
lolonthaj,  der  Bienen  und  Wespen  unter  den  Hymenopteren  und  vieler 
Hemipleren,  bei  denen  neue  Abschnitte  an  ihm  sich  sondern. 

In  manchen  Füllen  ist  der  Milteldarm  blind  geendigt  und  entbehK 
des  Zusammenhangos  ^mit  einem  Enddarm.  Dies  trifft  sich  bei  den 
Larven  der  Bienen  und  Wespen,  der  Ichneumonen  und  mancher  Dip- 
teren u.  a.  m. 

Der  Enddarm  bildet  bei  den  Inseclcn  mit  gerade  verlaufendem 
Darme  den  kürzesten  Theil  desselben.  Er  zeigt  sehr  häufig  eine  Tren- 
nung in  zwei  Abschnitte,  von  denen  der  zweite  erweitert  ist  (»ReclunKcj 
(Fig.  Mi.  Ä  B  r).  Bei  Käfern  (z.  B.  Dytiscus)  erscheint  der  engere 
Vordertheil  des  Enddarmes  von  beträchtlicher  Länge,  auch  bei  manchen 
Orthopteren,  wo  sich  eine  grössere  Anzahl  von  verschieden  weiten  Ab- 
schnitten wahrnehmen  lässt,  am  längsten  endlich  ist  er  bei  den  Ci- 
caden,  bei  allen  diesen  in  Windungen  gelegt.  Da  bei  manchen  die 
sonst  in  den  Enddarm  mündenden  MALPiGui^schen  Gefässe  dem  letzton 
Abschnitte  des*  Mittel  da  rmes  zugetheilt  sind,  scheint  ein  Uebergang 
eines  Theiles  des  ersteren  in  den  letzteren  stattzufinden,  und  die 
scharfe  Abgränzung  des  Enddarmes  wird  verwischt. 

Das  erweiterte  Endstück  dieses  Darmtheiles  wird  bei  einer  grossen 
Anzahl  von  Insecten  durch  papillenartig  nach  innen  vorspringende 
Wülste  ausgezeichnet,  in  denen  reiche  Tracheen  Verästelungen  statt- 
finden. Bei  den  im  Wasser  lebenden  Larven  der  Libellen  bietet  der- 
selbe Abschnitt  zahlreiche  in  Längsreihen  geordnete  Blätter  mit  dichten 
Tracheenverzweigungen.  Die  Lamellen  fungiren  bei  dem  durch  Oeffnen 
und  Schliessen  des  Afters  erfolgenden  Ein-  und  Ausströmen  von  Wasser 
als  Athemapparat.  Zwischen  diesen  Tracheenkiemen  und  den  papiUen- 
artigen  Vorsprüngen  des  Enddarmes  kommen  mehrfache  Uebergaogs-* 
formen  (bei  Phryganeenlarvenj  vor,  so  dass  hier  homologe  Bildungen 
zu  erkennen  sind.  Diese  Einrichtungen  leiten  zur  Annahme  der 
frühem  Existenz  gleicher  Larvenzustände  auch  für  solche  Insecten,  die 
gegenwärtig  gar  keine  Beziehungen  zu  einer  Lebensweise  im  Wasser 
zu  besitzen  scheinen,  und  begründen  damit  die  für  die  Entstehung  des 
Tracheensyslems  weiter  unten  voi^etragene  Auffassung. 


Aohangsorgane  de«  Darmciinals.  280 


AnhangBorgane  des  Barmcanala. 

i)  Anbaogsorgane  dos  Munddarms. 

§  208. 

Am  Darmcanale  der  Arthropoden  sind  an  verschiedenen  Abschnitten 
Drüsenorgane  gesondert.  Die  in  den  Vorderdarm  fahrenden  Speichel- 
drüsen sind  bei  den  Grustaceen  nur  wenig  aasgebildet.  Ein- 
zellige in  der  Nahe  des  Mundes  liegende  Drüsen  sind  bei  niederen 
Kmstenthieren  (Copepoden,  Daphniden)  als  Speichelorgane  gedeutet. 
Von  den  übrigen  sind  solche  Organe  nicht  mit  Sicherheit  bekannt  ge* 
worden.  Dag^en  finden  wir  sie  in  grosser  Verbreitung  bei  den 
Tracheaten,  bei  denen  sie  sogar  differente  Functionen  besitzen  können. 
Unter  den  Arachniden  bieten  die  Scorpione  zwei  Paar  gelappte,  in 
den  Oesophagus  einmündende  Drüsen,  die  bei  den  Galeoden  zum  Theil 
knäuelfbrmig  gewundene  Schläuche  darstellen,  und  bei  den  Araneen 
scheinen  solche  Organe  gleichfalls  nicht  zu  fehlen.  Sehr  entwickelt 
sind  die  Speicheldrüsen  bei  den  Milben,  die  deren  mehrere  verschieden 
gebaute  Paare  besitzen,  und  ihr  Secret  wahrscheinlich  theilweise  als 
Giftstoff  verwenden. 

Bei  den  Myriap öden  sind  einfache  schlauchförmige  (Julus)  oder 
gelappte  (Lithobius),  sogar  traubig  verästelte  Drüsen  (Scolopendra)  als 
Speicheldrüsen  gedeutet. 

In  sehr  mannichfaltiger  Ausbildung  sind  die  Speicheldrüsen  bei 
den  Insecten  vorhanden,  sowohl  was  Zahl,  Form  und  feinere  Structur 
betrifft.  Es  wird  daher  gewiss  auch  ihre  Function  sehr  verschieden- 
artig sich  verhalten. 

Nur  Wenigen  scheinen  sie  gänzlich  zu  fehlen  wie  den  Ephe- 
meriden,  Libellen  und  Aphiden,  oder  sie  sind  nur  gering  entwickelt, 
wie  bei  Myrmeleoniden  und  Sialiden.  Bei  den  Uebrigen  erscheinen 
sie  bald  als  lange  gewundene  Röhren,  bald  als  gelappte  oder  man- 
nichfach  verzweigte  Gebilde,  die  häufig  den  Darmcanal  eine  Strecke 
weit  begleiten.  Häufig  kommen  zwei,  nicht  selten  auch  drei  Paare 
vor,  die  in  ihrem  Baue  sehr  wechselnde  Verhältnisse  darbieten.  Was 
die  äusseren  Formen  und  die  Vertheilung  derselben  auf  die  verschie- 
denen Insectengruppen  angeht,  so  erscheinen  sie  als  ein  Paar  längerer 
Schläudie  bei  den  Käfern,  dann  bei  Fliegen  und  Schmetteriingen.  Ver- 
ästelte, traubenförmig  gestaltete  oder  gelappte  Formen  herrschen  in  den 
Ordnungen  der  Hemtpteren  und  Orthopteren,  finden  sich  auch  mehr- 
fach bei  Käfern.  Wo  mehrere  Speicheldrtlsenpaare  vorhanden  sind 
(Hemipteren) ,  treten  zu  den  verästelten  noch  einfach  schlauchförmige 
in  einem  oder  in  mehreren  Paaren  hinzu. 

Oefenbftiir,  OniBdriii.  49 


§  209. 

Eine  andere  Gruppe  von  Drüsenorganen  mündet  in  den  HiUet- 
darm  aus.  Sie  stellen  die  Leber  vor.  Zwei  durch  die  Verbindungs- 
stelle mit  dem  Darme  verschiedene  Or^ne  müssen  hier  aus  einander 
gehalten  werden.  Das  eine  davon  verbindet  sich  mit  dem  vordersten 
Absclinilte,  in  Gestalt  einfacher  oder  verdslelter  Schläuche,  wel^e  bei 
reichlicherer  Entwickclung  allmählich  in  einen  zusammengesetzten 
DrUsenapparat  übergehen  (vergl.  §  205).  Die  Enden  dieser  Schlüuche 
erscheinen  als  secretoriscbe  Organe,  die  Ausfuhrgänge  dagegen  bilden 
durch  ihr  weites  Lumen  dem  Darme  zugehörige  B3ume.  Das  Organ 
hat  sich  also  noch  nicht  vollständig  vom  Dnrme  dißerenxirL  Die 
Branchiopoden ,  und  unter  diesen  besonders  die  Phyllopoden ,  weisen 
diese  Einrichtung  auf;  einige  besitzen  jederseils  einen  einfachen  oder 
verilslellen  Blindsehlauch  (Fig.  119.  h],  andere  zeigen  ihn  in  eine  Lebei' 
umgewandelt  (Limnadia,  Apus) ,  die  vorwiegend  im  Kop&childe  ihre 
Ausbreitung  nimmt.  Aehn- 
Fig.  las  liebe  Organe  besitzen  die 

ß  Cimpedien      Bei  den  Ar- 

^^•^^  ihrostraken      sind      diese 

-^      -^  ^        BlmdschUuche    (Fig    425. 
A   hj  hnge,   nach   hinten 
vcriauftnde    Oi^ane     von 
j  verschiedener  Zahl      \er- 

'         W^'  Jstelungen  fehlen,  werden 

aber  durch  Ausdehnung 
in  die  LJnge  compensirl. 
Unter  den  Thoracoslraken 
erscheinen  sie  bei  man- 
chen Schizopoden  jenen 
Jihnlich,  bei  den  meisten 
dagegen,  wie  bei  allen 
Decapoden ,  stellen  sie 
ein  Paar  den  Cephatolhorax  ausfüllende,  in  bUscbelOlmiige  Gruppen 
vertheilte  DrUsenmassen  (Fig.  125.  B.  h)  vor.  Da  sie  bei  den  Larven 
der  Decapoden  als  einfache  Ausstülpungen  der  Diüsenwand  erscheinen 
ist  zweifellos,  dass  sie  nur  weiter  entwickelte  Stadien  jener  bei  vielen 
Enlomoslraken  einfacheren  Schläuche  sind. 

Eine    zweite  Form    dieser  Leberorgane    ist   von  der  ersten  durcli 

grössere  Anzahl    der  EinzeldrUson   und  durch   die   weiter  nach  hinten 

verlegte  Einmündung  in   den  Mitleldarm   mUerschieden.     Andeutunjten 

Vif.   4ari,    DnrmcnnAl  und  Leber  von  Crustiicnon.    A  von  Onlscas,   B  van 

Hlilllosoni.1,     r  h.iumai!Pti.     i  Chyrusmanen.     a  Alii-r.     A  Loberechluwfh*. 


Anhangsorgane  des  Darmcanals.  291 

hierfür  bestehen  bereits  bei  Copcpoden  in  mehrfachen  auf  einander. 
folgenden  Ausbuchtungen  des  Mitteidarms.  Wir  finden  sie  ausgebildet 
bei  einzelnen  Isopoden  (Bopyrus) ,  wo  sie  den  gansen  Mitteldarm  als 
pa<')rweise  angeordnete,  verzweigte  DrUsenbüschel  besetzen.  Aehnlich 
besteht  auch  bei  den  Stomapoden  eine  grössere  Anzahl  (10  Paare)  ge- 
lappter  DrUsenbüschel  an  der  ganzen  Länge  des  Mitteldarms. 

Beide  Formen  können  nicht  direct  von  einander  abgeleitet  werden, 
da  in  der  zweiten  die  bei  der  ersten  Drüsen  tragende  Stelle  derselben 
eolbehrt.  In  einer  gemeinsamen  Stammform  mögen  beiderlei  Organe 
vereinigt  gewesen  sein.  Wir  können  uns  in  dieser  den  ganzen  Mittel- 
darm mit  Aussackungen  besetzt  denken ,  von  wo  aus  zwei  DrUsen- 
reihen  sich  entwickeln ;  bei  der  einen  kommt  nur  das  vorderste  Drüsen- 
paar  zur  Ausbitdung,  bei  der  andern  bleibt  das  vorderste  Paar  unter- 
drückt und  es  entwickeln  sich  die  hinteren  in  verschiedener  Anzahl. 
Diese  hintern  Drüsen  zeichnen  als  zwei  Paare  verzweigter  Büschel  den 
Milleldarm  der  Pöcilopoden  aus. 

Beide  Formen  von  Darmausstülpungen  liegen  den  Darmanhiingen 
der  Arachniden  zu  Grunde.  Die  vorderen  entwickeln  sich  jedoch 
nicht  allgemein  zu  Drüsenorganen,  sondern  beharren  als  mehr  oder 
minder  weite  Taschen  und  Schlauche,  wie  dieselben  bereits  als  Magen- 
biindsacke  des  näheren  geschildert  sind  (§  206).  Nur  bei  den  Opilio- 
niden  kommt  denselben  eine  drüsige  Bedeutung  zu  und  die  Magen- 
säcke fungiren  zugleich  als  Leberorgane.  Bei  den  Scorpionen  und 
Araneen  münden  in  den  hinteren  Theil  des  Mitteidarms  gesonderte 
Drüsenbüschel  ein.  Zwei  bis  drei  Paar  sind  es  bei  den  Araneen 
Fig.  425.  A),  fünf  Paare  bei  den  Scorpionen. 

Den  Myriapoden  wie  den  Insecten  fehlen  diese  Anhange  des 
Mitteidarms,  doch  kann  in  den  bei  manchen  vorhandenen  BlindsUcken 
eine  in  andere  Verwendung  gezogene  Umbildung  der  ersten  Form  dieser 
Anhänge  gesehen  werden. 


3)  Anhangsorgane  des  Enddarms. 

§  210. 

Bei  der  meist  nur  geringen  Lange  des  Enddarms  werden  mit  ihm 
(gesonderte  Drüsen  kaum  noch  Secrete  liefern,  die  für  die  Verdauung  oder 
für  die  Aufsaugung  von  Bedeutung  sind.  Ihr  Sccret  wird  sich  mehr  in 
die  Reibe  der  Auswurfsstoffe  stellen.  Da  auch  der  chemische  Nachweis 
geliefert  ist,  dass  diese  Stoffe  den  Harnausscheidungen  der  Wirbelthiere 
an  die  Seite  zu  stellen  sind,  dürfen  wir  die  bezüglichen  Organe  als 
Excretionsorgane  bezeichnen,  womit  jedoch  ihren  Beziehungen  zu 
andern  Functionen,  die  sie  in  einzelnen  Fallen  besitzen,  kein  Eintrag 
geschehen  soll. 

Bei    den  Crustaceen   finden    sich   am   Enddarme    in    einzelnen 

49* 


I 


292  Arthropoden. 

Fällen  Blindsackbildungen  vor,  so  z.  B.  bei  Gopepoden  -  Larven ,  doch 
kann  weder  über  ihre  morphologische  noch  über  ihre  funclionelie  Be- 
deutung ein  sicheres  Urlheil  abgegeben  werden.  Dagegen  sind  bei 
den  Tracheaten  ganz  allgemein  excrelorische  Drüsenorgane  in  Ver- 
breitung, die  als  Ausstülpungen  der  Darms  entstehen,  und  als  lange, 
einfache  oder  verzweigte  Ganüle  erscheinen,  die  oft  vielfach  gewnnden 
oder  schleifenfömiig  am  Darmcanale  aufgereiht  sind^  und  in  den  letzten 
erweiterten  Abschnitt  des  Darmcanals,  fast  immer  hinter  dem  Mitleldarme, 
ausmünden.  Sie  werden  nach  ihrem  ersten  genauem  Beobachter  als 
Malpighi'sche  Gefässe  bezeichnet,  mit  Beziehung  auf  ihre  Function 
werden  sie  liarncanäle  benannt. 

Unter  den  Arachniden  sind  sie  bei  den  Scorpionen  einfache, 
zwischen  den  Leberlappen  verlaufende  GanSile,  von  denen  ein  Paar 
Verästelungen  besitzt.  Sie  münden  in  den  Anfang  des  Enddanns. 
Vielfach  verästelt  und  zu  einem  Netze  verbunden,  sind  die  Hamcanäle 
der  Araneen,  bei  denen  sie  sich  in  zwei  gemeinsame  AusfUhrgänge 
(Fig.  120.  e)  vereinigen  und  mit  diesen  in  den  weiten  Enddarm  oder 
den  Blindsack  desselben  ausmünden.  Zwei  lange  und  vielfach  gewundene 
Ganäle  stellen  sie  bei  den  Opilioniden  vor,  und  ähnlich  erscheinen  sie 
bei  den  Milben,  zuweilen  mit  Verästelungen  versehen. 

Eine  ebenfalls  geringe  Anzahl  einfacher  Harngefässe  kommt  bei 
den  Myriapoden  vor,  ein  Paar  bei  den  Juliden  und  zwei  Paare  bei 
den  Scolopendem.  Sie  schliessen  sich  nicht  nur  durch  ihre  Zahl  und 
einfache  Bildung,  sondern  auch  durch  ihre  Anordnung  am  Darmcanale 
den  entsprechenden  Organen  vieler  Insectenlarven  an. 

Die  grösste  Mannicbfaltigkeit  in  Zahl,  Anordnung  und  specieller 
Bildung  herrscht  bei  den  Uarngefässen  der  Insecten.  Unter  den 
Thysanuren  fehlen  sie  allen  Poduriden,  sind  dagegen  bei  Lepisma  in 
der  Vierzahl  vorhanden.  Die  Function  der  Hamcanäle  ist  namenl- 
lieh  bei  den  Insecten,  mit  vollkommener  Verwandlung  während  des 
Larvenzustandes  eine  gesteigerte,  wie  sich  nicht  allein  aus  der  mäch- 
tigen Ausbildung  dieser  Organe  (Fig.  121.  vm),  sondern  auch  aus  der 
während  des  Puppcnzustandes  sich  massenhaft  im  Enddarme  ansammeln- 
den Ilarnmenge  ergibt.  Diese  Erscheinung  entspricht  also  gerade  jener 
Periode,  in  welcher  mit  der  Ausbildung  des  vollkommenen  Körpers  die 
intensivste  plastische  Thäligkeit  im  Organismus  zur  Aeusserung  kommt. 
Dass  die  Function  der  Malpighi^schcn  Ganäle  der  Insecten  nicht  aus- 
schliesslich in  der  Harnabsonderung  zu  suchen  ist,  dass  vielmehr  eine 
ältere  Annahme,  die  in  ihnen  galleabsondemde  Organe  erblickt,  nicht 
ganz  unberechtigt  ist,  ist  durch  das  Vorkommen  verschieden  gebauter 
Strecken  dieser  Ganäle,  sowie  durch  die  Vei*schiedenheit  des  Secretes 
an  jenen  Strecken  begründbar.     (Leydig.) 

Die  Uarncanäle  geben  sich  meist  durch  ihre  braungelblicbe  oder 
auch  weissliche  Färbung  leicht  zu  erkennen,  welches  Golorit  von  den 
in  den  Zellen  der  Ganalwand  abgelagerten  Stolfen  herrührt  und  um  si> 


GescfalechtsorgaD«.  S93 

iolensiver  erscheint,  je  reichlicher  die  Secreiion  von  Statten  ^eht,  und 
je  mehr  auch  das  Lumen  der  Candle  mit  Secretmasse  gefüllt  ist  Was 
die  Zablenverbälinisse  angeht,  so  kann  Folgendes  darüber  bemerkt 
werden:  Am  verbreitetsten  finden  sich  vier,  paarweise  mit  einander 
verbundene  Uarncanüle  bei  den  meisten  Dipteren  (Fig.  424.  B  vm)  und 
Hemipteren;  sechs  trifft  man  bei  Schmetterlingen,  bei  vielen  Netzflüg- 
lern, sowie  bei  manchen  Pseudoneuropteren  (Termiten)  an;  vier  bis 
sechs  sind  bei  den  Kflfem  vorhanden ;  eine  grosse  Anzahl  kurzer  Harn- 
canüle  zeichnet  die  Hymenopteren  aus,  so  dass  bei  diesen,  sowie  auch 
bei  vielen  Orthopteren  (Fig.  424.  Avm)  Hunderte  von  Uamcanülen 
Gielroffen  werden.  Verästelungen  kommen  im  Ganzen  selten  vor;  da- 
gegen 6nden  sich  hau6g  schlingenförmige  Verbindungen  zwischen  den 
landen*  der  einzelnen.  Die  Ausmttndung  findet  je  nach  der  Liinge  des 
Knddarms  an  scheinbar  sehr  verschiedenen  Stellen  statt.  Sehr  weit 
nach  vorne  münden  sie  bei  den  Cicaden,  Fliegen  und  Sebmctlerlingen 
Auch  bei  den  Hymenopteren  ist  die  Mündung  dicht  hinter  dem  Magen. 
Am  Ende  dagegen  fügen  sie  bei  verschiedenen  wanzenartigen  Insecten 
sich  ein. 

Oesohlechtsorgane. 

§  2<<. 

Die  Fortpflanzung  der  Arthropoden  wird  aus8chlies»slich  durch  den 
Gescblechtsapparat  besorgt,  und  was  man  hier  als  ungeschlechtliche  Ver- 
mehrungsweise bezeichnet,  wie  die  Erscheinungen  der  Parlhenogenesis 
und  des  Generationswechsels  geht  in  allen  Füllen  aus  geschlechtlicher 
Differenzirung  hervor  und  darf  mit  den  Vermehrungsweisen  durch  Thei- 
luDg,  Sprossung  oder  Knospenbildung  nicht  verknüpft  werden. 

Die  bei  den  Würmern  nur  in  einzelnen  Abtheilungen  vorhandene 
Yertheilung  der  Generationsorgane  auf  verschiedene  Individuen  ist  iiei 
den  Arthropoden  zur  Regel  geworden,  und  nur  bei  wenigen  hat  sich 
die  bermaphroditische  Bildung  erhallen.  Die  geschlechtliche  Diflbren- 
zirung  erstreckt  sich  bei  vielen  auch  auf  Uussere  Theile,  auf  Umfang 
und  Beschaffenheit  des  Körpers. 

Die  Keimdrüsen  sind  stets  gesonderte  Organe,  die  nicht  mehr  auf 
die  Metameren  vertheilt,  und  entweder  einfach  oder  doch  in  nur  einem 
Paare  vorhanden  sind.  Die  Centrdlisation  des  Organismus  ist  hierin 
eine  vollständigere  geworden.  An  den  Keimdrüsen  wie  an  deren  Aus- 
fubrwegen  drücken  sich  zahlreiche  Gomplicationen  aus,  vor  Allem  durch 
Verlängerung  der  Ausführwege  und  durch  Differenzirung  derselben  in 
einzelne  verschieden  fungirende  Abschnitte.  Endlich  werden  bei  voll- 
koDtmenerero  Grade  der  Arbeitstheilung  einzelne  Abschnitte  in  acces- 
soriscbe  Organe  umgewandelt,  die  nicht  mehr  blosse  Theile  der  Aus- 
ieilegänge,  sondern  selbständige  Anhangsgebildc  vorstellen. 


^94  Arthropoden.. 

Für  die  weiblichen  Organe  treffen  wir  einen  immer  erweiterten 
Abschnitt  der  AusfUhrwego  in  der  Function  als  Uterus.  In  demselben 
gewinnen  die  Eier  eine  weitere  Ausbildung,  und  werden  in  der  Regel 
auch  noch  mit  einer  Umhüllung,  der  Schale,  versehen.  Der  letztere 
Umstand  steht  mit  einer  drüsigen  Structur  der  Wandung  im  Ztisammen- 
hang,  und  kann  zurSonderung  drüsiger  Anhangsgebiide  dieses  Abschnittes 
hinführen.  Die  Befruchtung  erfolgt  mit  Ausnahme  der  festsitzenden 
Cirripedion  durch  Begattung.  Dem  entsprechend  findet  sich  näher 
oder  entfernter  vom  Endabschnitte  ein  Raum  zur  Aufnahme  des 
Sperma  (Receptaculum  seminisj  durch  eine  Ausbuchtung  einer  Strecke 
der  Ausfuhrwege  vorgestellt,  die  zu  selbständigeren  Anhangsgßbilden 
sich  umgestaltet. 

Wo  die  Eier  nicht  frei  abgesetzt,  sondern  wie  das  häufig  der  Fall, 
entweder  untereinander  oder  an  andere  Gegenstände  befestigt  werden, 
sind  am  Ausführgange  noch  Kitlsubstanz  liefernde  Drüsen  gesondert,  so- 
wie endlich  beim  Vorhandensein  besonderer  Begattiuigsorgane  des 
Mannchens,  RUume  des  weiblichen  Apparates  zur  Aufnahme  derselben 
ausgebildet  sind.  Ausnehmend  mannichfach  sind  die  Organe,  welche 
zum  Bergen  und  zum  Schutze  der  bereits  aus  dem  Körper  getretenen 
Eier  verwendet  werden.  HUußg  ist  ein  Theil  der  Gliedmaassen ,  be- 
sonders bei  Krustenthieren,  in  dieser  Richtung,  umgebildet.  Aber  auch 
ganze  Körperregionen  können  zu  Brutbehältern  umgewandelt  sein. 
Aus  diesen  Beziehungen  entspringt  ein  grosser  Theil  der  Verschieden- 
heit weiblicher  und  männlicher  Individuen.  ^Endlich  ist  noch  als  ein 
auf  alle  Theile  des  weiblichen  Apparates  modificirend  wirkender  Um- 
stand die  Quantität  der  producirten  Eier  in  Anschlag  zu  bringen, 
indem  aus  einer  beträchtlichen  Vermehrung  nicht  blos  Erweiterungen 
der  ausleitenden  Räume,  sondern  auch  vielfältige  Umänderungen  aller 
ai'cessorischen  Organe  abzuleiten  sind,  die  wieder  in  der  Volumzunahme 
des  Weibchens  sich  aussprechen. 

Dem  weiblichen  Apparat  gegenüber  verhält  der  männliche  sich 
einfacher.  Erweiterungen  des  Ausführweges  [vas  deferens)  dienen  als 
Behälter  für  das  abgesonderte  Sperma  (yesicula  seminalis) ,  die  Wan- 
dungen der  Ausfuhrwege  oder  daraus  gesonderte  Drüsen  mischen  dem 
Sperma  besondere  Secrete  zu,  deren  Bedeutung  nur  dann  erkennbar 
ist,  wenn  dadurch  die  Samenelemente  in  Massen  vereinigt  und  als 
Samenpaquete  (Spermatophoren) ,  an  oder  in  die  weiblichen  Organe 
übertragen  worden.  Wo  nicht  das  ausstülpbare  Ende  der  Ausführ- 
wege  zur  Begattung  dient,  finden  sich  besondere  Copulationsorgane, 
an  deren  llerstellung  bald  die  Gliedmaassen  (Krebse) ,  bald  ganze 
Leibessegmente  (Insecten)  sich  beiheiligen.  Den  Gliedmaassen  kommen 
überdies  noch  manche  andere  Beziehungen  zum  Gcschlechtsapimrale 
zu,  indem  sie  als  Organe  zum  Einfangen  und  Festhalten  der  Wcil^- 
chen  dienen,  und  damit  in  Verbindung  stehende  Umbildungen  auf- 
weisen. 


G  eschlechlsoiigaDe . 


295 


§  212. 

Unter  den  Crustaceen  treffen  wir  bei  einem  Theiie  der  Cirri- 
pedien  ZwilterbiMongen.  Hoden  wie  Eierstöcke  sind  vielfach  ver- 
astdle,  äusserlicb  nur  durch  ihre  Lagerang  unterschiedene  Schläuche. 
Die  Ovarien  liegen  bei  den  Lcpadiden  in  dem  durch  eine  Ausstülpung 
des  Mantels  gebildeten  Stiele  verborgen  und  senden  jederseits  ein 
Oviduct  zur  Mantelhöhle.  Bei  den  Balaniden  sind  sie  in  den  Mantel 
eingebettet.  Die  männlichen  Zeugungsdrilsen  sind  in  beiden  Familien 
um  den  Tractus  intestinalis  gelagert  und  vereinigen  sich  an  jeder  Seite 
zu  einem  Vas  deferens,  welches,  den  Enddarm  begleitend,  mit  dem 
der  andern  Seite  vertianden  am  Ende  des  Postabdoraens  mündet. 

Bei  den  übrigen  getrennt  geschlechtlichen  Crustaceen  bietet  die 
Ciorichtung  von  beiderlei  Apparaten  einen  hohen  Grad  der  Uoberein- 
stimmung    dar.     Nach    dem 

paarigen  oder  un paaren  Ver-  Flg.  i%%. 

halten  der  Keimdrüsen  lassen 
sich  zwei  verschiedene  For- 
men des  Geschlechtsappa- 
rates unterscheid^,  die  jedoch 
durch  Verbindung  zweier 
Keimdrüsen  zu  einem  äusser- 
lich  unpaaren  Organe  unter 
einander  verknüpft  sind. 

Ünpaare  Keimdrüsen  treffen  wir  bei  den  freilebenden  Cope- 
poden.  Ovariuro  oder  Hoden  (Fig.  126.  t)  liegt  in  der  Medianlinie 
dem  Mitteldarm  (t;)  auf.  Das  Ovar  sendet  jederseits  einen  Eileiter 
ab,  der  entweder  einfach  nach  hinten  verlauft,  oder  an  seinem  End- 
abschnitte  mehrfache  als  Uterus  fungirende  Windungen  bildet  (parasi- 
tische tlopepodcn} ,  oder  auf  seinem  ganzen  Wege  mit  vielfachen  Aus- 
buchtungen (Fig.  127.  B)  zur  Aufnahme  der  Eier  besetzt  ist  (Gorydtiden) . 
Der  kurze  Endabschnitt  ist  entweder  in  seinen  Wandungen  drüsig,  oder 
es  sitzt  ihm  eine  besondere  KittdrUse  an.  Eine  Erweiterung  des  End- 
abschnittes fungirt  als  Receptaculum  seminis,  welches  auch  in  vielen 
Fallen ,  z.  B.  bei  den  Parasiten,  einen  zur  Aufnahme  der  Sperma  mit 
selbständiger  Mündung  versehenen  besonderen  Abschnitt  vorstellen  kann. 
Bei  vielen  parasitischen  Copepoden  ist  das  Ovarium  doppelt;  beide 
Ovarien  sind  aber  häufig  einander  genähert.  Aehnliches  bietet  sich 
hei  den  männlichen  Copepoden,  von  denen  die  freilebenden  einen  ein- 
fachen, bei  den  Cerycäiden  in  zwei  Hälften  getrennten  Hoden  besitzen, 


Fig«  4t6.  Darm  und  männlicher  Geschlechtsapparat  von  Pleuromma.  Seil- 
liche  Ansicht,  oe  Munddarro.  v  Milteldarm.  k  Unpaarer  Blindsack,  i  Enddarm, 
c  Herz.    I  Hoden,    vd  Gcwondenes  Vas  deferens.    (Nach  Claus.) 


296  Arthropoden. 

der  jederseils  in  ein  besonderes  Vas  dcfcrens  übergehl.  Bei  manchen 
Familien  ist  der  rechte  Samenleiter  rUckgebildet.  Das  häufig  gewun- 
dene Ende  des  Samenleiters  (Fig.  126.  vd)  dient  als  Samenblase,  in 
der  die  Bildung  der  Spermatophoren  geschieht. 

Bei  den  Branchiopoden  liegen  die  Keimdrtlsen  als  getrennte 
Schläuche  zur  Seite  des  Darmcanals.  Einfach  sind  sie  bei  den  G la- 
de ceren,  wo  sie  sich  unmittelbar  in  den  wenig  veränderten  Aus- 
führgang fortsetzen,  der  sowohl  bei  männlichen  als  weiblichen  Organen 
nahe  am  Körperende  mündet.  Daran  reihen  sich  die  Phyllopoden. 
Hoden  oder  Eierstöcke  nehmen  bald  nur  den  hintern  Theil  der  Leibes- 
höhle ein,  und  senden  dann  von  ihrem  vorderen  Ende  einen  rück- 
wärts umbiegenden  Äusführgang  ab  (Artemia ,  Branchipus) ,  oder  sie 
beginnen  weiter  vorne  und  lassen  den  Ausführgang  am  hinteren  Ende 
oder  nahe  daran  hervorgehen  (Holopedium).  Ein  erweiterter  Abschnitt 
des  Oviductes  dient  bei  ersteren  als  Uterus,  ähnlich  wie  am  Samen- 
leiter eine  Anschwellung  die  Samenblase  bildet.  Diese  einfachere  Form 
der  Geschlechtsorgane  geht  bei  den  meisten  Phyllopoden  durch  Yer- 
grösserung  der  Keimdrüsen  Modificationen  ein.  Das  Ovarium  von 
Limnadia  ist  mit  kurzen  taschenartigen  Ausbuchtungen  besetzt,  die  bei 
Apus  durch  weiter  gehende  Verästelungen  eine  gelappte  Drüse  von  be- 
deutender Ausdehnung  herstellen.  Dies  Organ  dient  auch  als  Behälter 
(Uterus)  für  die  bereits  reifen  Eier.  Formell  ähnlich  verhält  sich  der 
Hoden. 

Unter  den  Arthrostraken  waltet  eine  Trennung  der  beider- 
seitigen, meist  auch  getrennte  Ausmüudungen  besitzenden  Geschlechts- 
organe vor.  Die  weiblichen  Organe  bestehen  bei  den  Amphipodeil  aus 
einfachen,  in  der  Regel  an  der  Basis  des  fünften  Thoracalsegments  aus- 
mündenden Schläuchen.  Bei  den  isopoden  (Fig.  127.  C)  sind  diese 
Schläuche  sowohl  nach  vorne  als  hinten  blindgeendigt  und  der  Aus- 
führgang entspringt  im  Verlaufe  derselben.  Als  eigentliche  Keimdrüsen 
sind  die  Enden  der  Schläuche  anzusehen,  indess  der  übrige  grösste 
Theil  einem  l^^rus  gleichkommt.  Die  männlichen  Organe  kommen 
damit  überein,  doch  trifft  sich  für  die  Isopoden  eine  Eigenthümlichk«it, 
indem  jederseits  mehrere  Uodcnschläuche  (Fig.  128.  B)  sich  zu  einem 
besonderen  Abschnitte  vereinigen,  aus  dem  ein  engerer  häufig  gewun- 
dener Ausführgang  entspringt.  Dieser  nimmt  entweder  seine  eigene 
Ausmündung,  oder  ist  vor  der  Mündung  mit  dem  der  anderen  Seite 
vereinigt. 

§  213. 

Unter  den  Malakostraken  bieten  die  Schizopoden  (Mysis)  die 
einfacheren  Geschlechtsorgane.  Die  weiblichen  Organe  (Fig.  127.  A) 
bestehen  aus  einer  unpaarcn  Keimdrüse  (o] ,  an  die  sich  seitlich  Aus- 
führwege, zu  einem  nach  vorne  zu  blindsackarlig  fortgesetzten  Uterus 


GucblecbUor^ane.  297 

ePA'eJtert,  anscbliessen ,  und  aD  ihrem  binleren  Ende  einen  iLunen 
Gang  (od)  xar  GeschlechlaOffnuDg  abscoden.  Diese  VerbinduDg  beider- 
seiliger   Oi^ne   besteht 


Fig.  w. 


aDch  fOr  den  Hoden. 
¥.T  wird  aus  einer  Dop- 
pelreihe von  DrUseorol- 
likeln  gebildet,  welche 
in  einen  suhliDgenfOnnig 
verlaufenden  Canal  lu- 
satnmentrelen ,  der  den 
einracfaen  an  der  Basis 
des  leUlcn  Fusspaares 
mundenden  AusfUhrgang 
bildet. 

Die  UescfalechlstH^ne 
der  Dccapoden  reihen 
sich  durch  die  gleichfalls 
bestehenden  Median  Verbindungen  an  jene  von  Mysis  an,  und  er- 
scheinen durch  inannichfacbe  DiffercoEirungen  weitergebildet.  Die 
weiblicboD  Organe  werden  durch  zwei  lange  nach  vorne  und  nach 
hinlen  ausgesogene  und  unter  einander  quer  verbundene  Röhren  vor- 
gestellt, die  theils  als  Keimdrüse,  aber  auch  zum  grossen  Theilc  als 
Eileiter  und  Uterus  ftingiren.  Beim  Flusskrebs  sind  die  beiden  vor- 
deren Abochnitte  als  künere  Lappen  gestaltet,  indess  die  beidcfl 
hinteren  tu  doem  unpaaren  Stücke  verschmolzen  sind.  Ein  kurzer 
AuatUbrgang  begibt  sich  jederaoits  zur  Gcschiechlsoffnung,  die  bei  den 
Caridinen  wie  bei  den  Sdiizopoden  gelagert,  bei  den  Macruren  an 
den  Basalgliedorn  des  dritten  Fosspaarcs,  bei  den  Brachyuren  dagegen 
an  dem  dieses  tragenden  Kürpersegmente  angebracht  ist.  Die  Brachy- 
uren sind  überdies  noch  durch  eine  tascbenartigo,  als  Samentascbe  tu 
belrschlendo  Erweiterung  des  AusfUbrganges  ausgoteichnet.  Der  mUnn- 
liche  Apparat  zeigt  die  Hoden  aus  zwei  vielfach  gewundenen  vorne  der 
Quere  nacb  nnler  einsudcr  verbundenen  Schlauchen  dargeslollt,  die, 
wie  auch  die  weiblichen  Organe,  mcistentheils  im  Cephalothorax  lagern 
und  nur  bei  Pagurus  ins  Abdomen  sich  einbetten.  Sie  ontsonden  bei 
den  leUtercD  zwei  lange,  eng  gewundene,  allmilhlidi  sich  erweiternde 
AnsfubrgSi^.  Daran  schliossen  sich  die  meisten  übrigen  Decapoden 
an,  doch  ergeben  sich  mannichfache  Eigenthumliohkeiten  theils  in  der 
Ausdehnung  der  durch  die  Windungen  des  Samencanals  gebildcloh 
Lappen,  theils  auch  in  der  Bildung  des  unpaaren,  beiderseitige  Drüsen 
vereinigenden  Stückes.  Vollständiger  ist  die  Vereinigung  der  Keim- 
ilrtisen  bei  Astacus.  Ein  langgewundenes  Vas  derorons  tritt  an. jeder 
Seite  zur  äusseren  Geschlechtsoffnung,  die  in  der  Begel  am  Basalglicde 
Fig.  IIT.  Weibliche  Geschloubtsorgaiie  vonCruftaceep.  .d  von  Uysis.  0  von 
StpphiriiM.    C  von  Oal«cus.    o  Ovariam.    od  Ofidoct.    «i  Utems, 


des  leuten  Fusspaares  angebracht,  bei  den  kunschwaniißen  Krebsen 
jedoch  am  Endo  eines,  aus  einer  umgewandelten  Gliedmaasse  hervor- 
gegangenen ,  doppellcn  Penis  sich  findcl.  Es  erball  sich  also  nur  fUr 
den  münnlichcn  Apparat  die 
gleiche  AusniUndung  wie  bei 
den  Schizopodcn ,  wahrend 
die  weibliche  OetTnung  weiter 
nacli  vorne  gei'Uckt  ist. 

Eigenlhümlich  verhalt  sich 
der  Geschlechtsapparat  der 
Slomapoden,  der  nicht  in 
der  gleichen  Weise  wie  jener 
der  Decapoden  mit  den  Or- 
ganen der  niederen  Krusten- 
tbierc  in  Zusammenhang  ge- 
bracht werden  kann.  Die 
Ovarien  werden  bei  Squilia 
aus  zahlreichen  die  Seite  des 
Abdomens  einnehmendenDrU- 
sensdilauchen  gebildet,  die 
sich  in  ein  den  Darm  um- 
lagerndes HitlelslUck  ver- 
einigen. Vom  Vorderende 
desselben  treten  drei  Paar  AusfUhi^ange  zur  Bauchdache  herab,  und 
verbinden  sich  in  der  Medianlinie  unter  Bildung  von  Erweiterungen 
zu  einem  Längscanale,  der  weit  vorne  zu  einer  auf  einem  Vorspränge 
gelegenen  einfachen  GcnitalöD'nung  tritt.  Vom  männlichen  Apparate 
verhalten  sieb  nur  die  Keimdrüsen  dem  weiblichen  gleich,  indess  die 
beiden  aus  den  Hoden  hervoi^ehenden  Vasa  defcrentia  in  zwei  an  der 
Basis  der  beiden  letzten  FUsse  vorragende  Begatlungsorgane  tlborgeheo. 
Eine  Vereinigung  der  beiden  in  der  Abtheilung  der  Crustaceen 
reprüsenlirten  Formen  bietet  sich  bei  den  PAcilopodcn.  Von  der 
einen  Form  ist  die  Medianverbindung  der  beiderseitigen  Apparate,  von 
der  andern  sind  die  mehrfachen  Keimslälten  vorhanden ,  als  welche 
die  feinen  Endüste  des  die  (>eschlechtsorgano  zusammensetzenden  Neli- 
wcrkcs  sich  darstellen.  Die  weiteren  Strecken  dienen  zu  Ausfuhr— 
wegen,  bei  den  Weibchen  zur  Ansammlung  grosser  Eiermassen  bc- 
trüchlljch  erweitert,  und  jederseits  in  einen  selbständigen  AusfUhrgaDg 
forlgesetzt. 


flg.  las.  MMnnllche  Gcschlochlsorgane.  A  von  Hon 
OiiiNcus.  tl  Flodei).  t*  d  Vss  deforeiis.  t>  (  Saraenblascn. 
^clb«a,     p  Bcg.-it[ungsorgun. 


Geschlechtsorgane.  299 


§  2U. 

Bei  den  Arachniden  siod  beiderlei  GeschleehlsdrUsen  in  der 
Regel  unpadr  oder,  wenn  paarig,  doch  transversal  verbunden,  und  mit 
vereinigten  oder  getrennten  Ausftthiigängen  weit  vorne  an  der  Bauch- 
flücbe  ausmündend.  Ausser  accessorischen  Drttsenorgancn  oder  beson- 
deren, zur  Aufbewahrung  und  Aufnahme  der  8amenmassen  oder  der 
ICier  dienenden  Erweiterungen  der  Ausfuhrgänge,  kommen  noch  Süssere 
Apparate  zur  Ausleftung  der  Geschlechtsproductc  vor,  je  nach  den 
Geschlechtern  als  Ruthen  oder  LegerOhren  bezeichnet.  Die  männlichen 
Organe  wiederholen  mit  geringen  Verschiedenheiten  den  Typus  der 
weiblichen.  Die  Verbindung  der  beiderseitigen  Genitaldrüsen  und  der 
daraus  hervorgehende  unpaare  Abschnitt  des  Apparates  erinnert  an 
ähnliche  Verhältnisse  bei  den  Brancbiaten,  vorzüglich  den  Pöcilopoden. 

Bei  den  Scorpionen  stellen  die  Ovarien  drei  an  ihrem  hinteren 
Ende  bogenförmig  in  einander  übergehende  und  ausserdem  noch  durch 
vier  Queranastomosen  mit  einander  verbundene  Längsröhren  vor,  in 
deren  oft  schlauchartig  ausgebuchteten  Wandungen  die  Eier  entstehen. 
In  den  queren,  jederseits  vier  weite  Maschen  erzeugenden  Verbindungen 
spricht  sich  eine  durch  ihre  Lage  genau  jener  des  Abdomens  folgende 
Gliederung  des  Organs  aus.  Aus  den  beiden  äusseren  Längsschläuchen 
gehen  spindelförmig  erweiterte  Oviducte  hervor,  die  wegen  des  von 
ihnen  aufgenommenen  Sperma  als  Receptacula  seminis  fungiren,  und 
an  der  Basis  des  Abdomens  ausmünden. 

Auch  die  Hoden  der  Scorpione  erscheinen  als  ein  Paar  schleifen- 
ibrmiger  Canäle  mit  quer  verlaufenden  Verbindungen.  Zwei  auf  beide 
Seiten  vertheilte  Röhren  lassen  eine  vollkommene  Duplicität  bestehen. 
Das  vorne  aus  jedem  lioden  hervorkommende  Vas  deferens  mündet, 
mit  dem  der  andern  Seite  vereinigt,  an  derselben  Stelle,  an  der  beim 
Weibchen  die  Geschlechtsöffnung  sich  findet,  nach  aussen.  Zu  dem 
Vas  deferens  treten  jederseits  noch  accessorische  Organe,  in  der  Regel 
in  Form  von  zwei  Paar  verschieden  langen  Blindschläuchen,  die  theils 
als  Drüsen  theils  als  Samenblasen  fungiren. 

Die  Trennung  der  beiderseitigen  Reimdrüsen  ist  bei  den  Galeo- 
den  und  Araneen  in  beiden  Geschlechtern  vollständig.  Die  Ovarien 
stellen  zwei  Schläuche  vor,  an  deren  Aussenfläche  sich  die  Eier  und 
zwar  bei  den  Spinnen  auf  stielartigen  Fortsätzen  entwickeln.  Aus  der 
Vereinigung  der  beiden  zur  Ausleitung  der  Eier  dienenden  Ovarial- 
röhren  bildet  sich  ein  zuweilen  erweiterter  Scheidencanal  (Galeodes), 
der  an  seinem  Ende  mit  einer  oder  zwei  Samentaschen  besetzt  ist. 
Die  männlichen  Organe  lassen  sich  bei  den  Galcoden  von  den  Scorpionen 
her  ableiten,  indem  die  aus  jederseits  paarigen  Längsschläuchen  ge- 
bildeten Iloden  ohne  Querverbindungen  sind.  Bei  den  Spinnen  endlich 
sind  diese  Längsschläuche  auf  zwei  reducirt. 


§  215. 

Sowohl   bei   den  OpJlioniden   iils   hq'i   den  Milben   ist  in  der 
herrschenden  Bingforni   der  Keinidrtlsen   eine   gemeinsame  l£inrichluDg 
gegeben ,    die   sich    von  der   bei   den  Scorpionen   gegebenen  Querver- 
bindung der  Ovarien  ableitet.     Bei  den  T)pilionidän  (Fig.  1S9.  Bo]  ist 
diese    Ringfonn    am     voll- 
Fiß.  189,  ständigsten.    An  der  Ober- 

flüche des  Ringes  bilden  sich 
die  Eier,  wie  bei  den  Spin- 
nen und  Scorpionen,  in  ge- 
stielten Ausbuchtungen,  von 
wo  sie  in  das  Innere  der 
Ovarialröhro  und  von  da  in 
den  Au»rtlhrgang  gelangen, 
der  eine  betriichlJicbe  Er- 
weilerung  (ii)  [Uterus)  be- 
sitzt. Eine  enge  gcw  un- 
dene  Fortsetzung  desselben 
fuhrt  zur  aussUllpbaren 
LegerShre  (Oviposilor)  [op]. 
Den  Ovarialring  vertritt  bei  den  Münnchcn  ein  Bingcanal,  von  dem  nur 
ein  Abschnitt  (Fig.  1 39.  A  t]  den  Hoden  vorstellt,  dessen  beide  Enden 
in  die  den  Ring  abschliessenden  AusfUhi^ünge  [vd]  Übergehen.  Diese 
vereinigen  sieb  tn  einen  knüuelförmig  gewundenen  Abschnitt  aus  dem 
ein  erweiterter  Canal  als  Samenblase  entspringt  und  sich  an  ein  der 
Legeröhre  ähnliches  und  ebenso  hervorstuipbares  Gebilde,  den  Penis 
fügt,  mit  dessen  Ende  noch  zwei  mUcbtigo  Büschel  acccssoriscber  Drüsen 
(gi)  sich  verbinden. 

Bei  den  Acarinen  ist  die  Bingform  der  Keimdrüsen  bei  vielen 
□och  vollstilndig  erhalten.  Im  weiblichen  Apparate  wird  der  grössere 
Theil  des  Ringes  durch  Beschränkung  der  Eibildung  auf  einen  kleinen 
Abschnitt,  dem  AusfUhrappardle  zugethcilt.  Am  ausgesprochensten  ist 
das  bei  Penlasloinum ,  dessen  Ovarium  einem  Riugc;inal  angefügt  ist. 
Von  den  Ausfuhrwegen  sind  die  in  den  unpaaren  Abschnitt  über- 
gebenden Theile  des  Ringes  hilufig  zu  einem  zweihörnigen  Uterus 
erweitert,  oder  dieser  wird  ausschliesslich  vom  unpaaren  Abschnitte 
vorgestellt.  Letzleres  ist  auch  bei  Pentaslomum  der  Fall  wo  der  tlleni'a 
einen  bedeutend  langen  gewundenen  Canal  bildet.  Am  männlichen 
Apparat  ist  der  letztere  meist  sehr  verkürzt,  und  die  beiden  in  ibm 
sich   vereinigenden  Theile   des  Ringes  sind  zu  Samenblasen  erweitert. 

Klg.  129.  6e»chlcuhlsorgane  von  Ptialangium  o|iMiu.  A  Uutinlkho  Or- 
gane. I  Hnden.  v  d  Vos  dofcrcns.  p  Penis,  i»  Rolracloron  ilcssoHien.  gi  Au- 
hangsdrüscn.  (Nach  Krouk.]  B  Weibliche  Organe,  o  Eierülock  u  Uterus,  op  Lego- 
rübre.    m  Retracloren  dorsclbeo.  ' 


GoschlechUorgane.  301 

Mit  dem  unpaaren  Abschnitte  verbinden  sich  in  beiden  Geschlechtern 
Anhangsdrttsen,  die  wiederum  bei  den  Männchen  ausnehmend  umfang- 
reich sind.  Die  verschiedenartige  Verlheilung  der  Functionen  an  dem- 
selben Ringcanale  führt  zu  einer  Trennung  des  Ringes  in  zwei  Genital- 
schlflache,  wenn  in  der  Mitte  des  keimerzeugenden  Abschnittes  des 
Ringes  eine  sterile  Partie  auftritt.  Die  beiden  Hälften  des  Ringes 
vertheilen  sich  dann,  in  einzelnen  Fällen  noch  durch  einen  Canal  oder 
durch  indiGferentes  Gewebe  verbunden,  nach  beiden  Seiten,  und  so  gehen 
Organe  hervor,  die  nur  an  den  Mündungen  oder  an  einem  damit  zu- 
sammenhängenden unpaaren  Abschnitte  vereinigt  sind  (Ixodes). 

Ganz  unabhängig  von  diesen  Einrichtungen  verhalten  sich  die 
hermaphroditischen  Geschlechtsorgane  der  Tardigraden.  Sie  be* 
stehen  aus  einem  unpaaren  Ovarium,  und  zwei  zu  Seiten  des  Darm- 
canals  liegenden  Hoden ,  welche  ihren  Ausführgang  in  einem  Samen^- 
bebalter  einfügen,  und  meist  mit  besonderen  Drüsen  sämmtlich  in  eine 
Cloake  ausmünden. 

Ebenso  eigenthümlich  verhalten  sich  die  Pycnogoniden  deren 
Geschlechtsproducte  an  der  Wand  der  Leibeshöhle  entstehen ,  und 
durch  besondere  bald  an  allen,  bald  an  nur  einem  Pusspaarc  vor- 
handene Oeffnungen  entleert  werden,  damit  an  niedere  bei  Annulaten 
bestehende  Befunde  erinnernd. 


§  846, 

Die  Geschlechtsorgane  der  Myriapoden  stehen  in  Form  und  An- 
ordnung jenen  der  Arachniden  am  nächsten  und  münden  zum  Theil 
wie  jene,  weit  vorne  am  Körper,  nämlich  am  dritten  Leibessegmente 
aus.  Nur  die  Geschlechtsöflnung  der  Scolopender  ist  am  Hinterleibes- 
ende  angebracht.  Bei  den  Weibchen  sind  die  Geschlechtsdrüsen  ent- 
weder äusserlich  einfach,  einen  langgestreckten  Schlauch  vorstellend, 
an  dessen  Innenfläche  die  Eier  Vorsprünge  bilden,  [Juliden,  Scolo- 
pendriden  und  Glomeriden) ;  oder  sie  erscheinen  doppelt  (Graspedo- 
soma)  und  vereinigen  sich  dann  an  ihrem  vorderen  Ende,  woraus 
wiederum  zwei  besondere  Oviducte  hervorgehen,  die  nach  bogenfbr- 
migem  Verlaufe  von  einander  getrennt  münden.  Bei  den  Scolopendem 
ist  ein  einfacher  Oviduct  als  Fortsetzung  des  einfachen  Ovarialschlauches 
die  Regel ,  doch  ist  im  Allgemeinen  die  Duplicität  dieser  Organe  nicht 
nur  durch  die  weit  verbreiteten  doppelten  Oviducte,  sondern  auch 
durch  die  beiderseits  im  einfachen  Ovarialschlauche  stattfindende  Eibil« 
düng  ausgesprochen. 

Die  accessorischen  Organe  werden  aus  zwei  Paaren,  zuweilen  in 
die  Oviducte ,  meistens  direct  in  die  GeschlechtsOflhung  ausmündender 
Gebilde  dargestellt  (Fig.  130.  glj.  Ein  Paar  davon  erscheint  in  Form 
gestielter  Bläschen,  die  nach  ihrem  Inhalte  als  Receptacula  seminis  zu 


302 


Arthropoden. 


deuten   sind,   während  ein  anderes,   zuweilen  noch  verdoppeltes  Paar 
sich  als  »Kittdrüsen«  kundgibt. 

Die  Duplicität  der  männlichen  Organe  ist  gleichfalls  häufig  auf  die 
Ausfuhrgänge  und  accessorischen  Apparate  beschränkt.  Doch  sind 
manche  Glomeriden  und  Juliden  mit  einem  doppelten  Hodenschlauche 
versehen ,  der  in  ein  gemeinsames  Yas  deferens  übergeht  und  nicht 
selten  auf  seiner  ganzen  Länge  durch  zahlreiche  Querverbindungen 
zu  einem  Organe  vereinigt  erscheint.  Wo  nur  Ein  Hodenschlauch 
existirt,  da  ist  er  häufig  mit  rundlichen  'oder  länglichen  Follikeln 
besetzt  (Fig.  431.  1 1),     Das  Yas  deferens  bleibt  selten  einfach  (einige 

Scolopendriden,    Fig.  431.  v),  son— 


Fig.   430. 


Fig.  431. 


(lern  theilt  sich  in  der  Regel, 
gleich  dem  Oviducte,  in  zwei  ent- 
weder je  auf  einer  kurzen  Pa- 
pille ausmündende  (Juliden,  Glo-* 
meriden)  oder  sich  vereinigende 
.  Aeste,  die  in  einen  am  Hinterleibs— 
ende  angebrachten  kurzen  Penis 
übergehen  (Scolopendriden) .  Der 
letzte  Abschnitt  der  Ausführgänge 
ist  häufig  mit  Erweiterungen  oder 
Ausbuchtungen  versehen,  die  zu 
Ansammlung  des  Sperma  dienen 
(Fig.  131.  v').  Dicht  vor  der  Aus- 
mündung inseriren  sich  noch  meh- 
rere Drüsenpaare  (Fig.  431.  gl)y 
unbestimmter  Function.  In  dem 
Gesammtverhalten  des  Geschlechts- 
apparates sind  in  den  getrennten 
Mündungen  ausgedrückte  Annähe- 
rungen an  die  Krusten thiere,  durch 
die  Bildung  ringförmiger  Abschnitte 
Aehnlichkeiten  mit  den  Arachniden  unverkennbar. 

Die  bei  den  Cruslaceen  bestehende  Umbildung  von  Gliedmaassen 
in  Begattungsorgane  besieht  bei  den  Arachniden  nur  unter  den  Spinnen 
und  zwar  sind  es  hier  die  Palpen,  welche  bei  den  Männchen  als  com- 
plicirt  gestaltete  Organe  die  üebertragung  des  Sperma  auf  die  weib- 
liche GenitalöfTnung  vornehmen.  In  wiefern  die  in  lieiden  Geschlechtem 
der  Scorpione  vorkommenden  kammförmigen  Anhänge  des  Genitalseg- 
ments  hierher  bezogen  werden  können,  ist  noch  nicht  bestimmbar. 

Fig.  480.  Weibliche  Geschlechtsorgane  von  Scolopendra  complanata. 
ov  Ovarium.    gl  Drüsen.     (Nach  Fahre.) 

Fig.  13^.  Männliche  Organe  von  derselben.  (  Hoden,  v  Yas  deferens.  v' Als 
Spermatophorenbehälter  functionirender  Abschnitt  des  Voß  deferens.  *  Samenblasc. 
gl  Accessorische  Drüsen.     (Nach  Fabre.) 


Geschlechtsorgane.  303 

Bei  grösserer  Mannichfaltigkeii  untergeordneter  Verbäitnisse  lassen 
die  Geschlechtsorgane  der  Insccten  im  Ganzen  einheitlichere  Zustande 
erkennen.  Die  Organe  liegen  mit  ihren  accessorischen  Apparaten  fast 
immer  im  Abdomen,  und  münden  meist  unterhalb  der  AnalOfTnung  am 
letzten  Abdommalsegmente  aus.  Nur  bei  den  Strepsiptem  ist  wenig- 
stens die  weibliche  Genitaltffifhnng  weit  nach  vorne  gerückt.  Die  Keim- 
drüsen erscheinen  immer  paarig  angelegt,  wenn  auch  im  Laufe  der 
nachembryonalen  Entwickelung  Annäherungen  und  Verschmelzungen 
eintreten.  Jede  Keimdrüse  setzt  sich  aus  einer  verschieden  grossen 
Zahl  einander  gleichwerthiger  Abschnitte  zusammen,  die  meist  röhren- 
förmig gestaltet,  büschelartig  gruppirt  sind,  und  a^u  gemeinsamen  Aus- 
ftthrgUngen  sich  vereinigen.  Die  in  jedem  Abschnitte  der  Keimdrüse  sich 
findenden  gleichen  Verhältnisse  tragen  durch  Wiederholung  zur  Mannich- 
faltigkeit  der  äusseren  Erscheinung  des  Gesammtapparates  nicht  wenig 
bei.  Die  Ausführgänge  beider  Keimdrüsen  verbinden  sich  nach  ver- 
schieden langem  Verlaufe  und  nehmen  schon  vorher,  aus  Difleren- 
zirungen  eines  Abschnitts  der  Wandung  entstandene  accessorische 
Organe  auf.  Bei  den  weiblichen  Individuen  sind  diese  Anhangsorgane 
der  Attsführwege,  bald  durch  laschen-  oder  blasenartige  Theile  gebildet, 
die  entweder  zur  Aufnahme  des  männlichen  fiegattungsorganes  während 
der  Gopula  dienen  (Bursa  copulatrix),  oder  als  Drüsenorgane  verschie- 
denster Art  und  auch  zur  Bewahrung  des  Sperma  (Keceptaculum 
seminis)  in  Verwendung  kommen.  Beim  männlichen  Geschlechte  be- 
sitzen paarige  Anhangsdrüsen  der  Ausführwege  bedeutende  Ausbildung. 
Ausser  diesen  finden  sich  noch  als  Samenblasen  (Vesiculae  seminales} 
fungirende  Anhänge. 

Mit  dem  Ende  der  Geschlechtawege  stehen  äussere  meist  durch 
Umgestaltung  der  letzten  Metamei*en  entstandene  Organe  in  Verbindung, 
die  bei  den  Männchen  als  Begattungsorgane  erscheinen,  bei  den  Weib- 
chen in  verschiedener  Form,  zur  Ausleilung  der  Eier  und  zum  üeber- 
tragen  derselben  auf  oder  in  verschiedene  Gegenstände  verwendet 
werden  (Legeröhren,  Legestachel  etc.). 

Am  weiblichen  Apparate  ergeben  sich  die  bedeutendsten  Modi- 
ficationen  an  dem  gewöhnlich  als  »Ovarient  aufgefassten  Gomplexe 
der  Eiröhren. 

Die  Beziehungen  dieser  Röhren  zur  Bildung  der  Eier  sind  von 
den  sonst  angetroffenen  Verhältnissen  etwas  abweichend.  Jede  einzelne 
Eiröhre  (Fig.  432]  ist  an  dem  einen  Ende  unter  allmählicher  Erweite- 
rung an  dem  »Oviducle«  inserirt,  während  das  entgegengesetzte  Ende 
zumeist   dünn,    häufig  sogar  in   einen   feinen   fadenförmigen  Fortsatz 


304 


Arthropoden. 


Fig.  432. 


m 


ausläuft.  Bei  dem  Bestehen  zahlreicher  fiiröhren  werden  die  freien 
Enden  unter  einander  verbunden  angetroffen.  Die  Biidungstätte  der 
Eier  trifll  sich  in  jenen  Endfäden,  deren  Zellenmassen  die  Eikeime 
vorstellen,  welche  von  hier  aus  allmählich  unter  fortschreitender  Diffe- 
renzirung  der  Eiröhre  abwärts  rücken.  Das  Ei  ist  zwar  als  Zelle 
bereits  in  der  eigentlichen  Bildungsstätte  unterscheidbar,  aber  es 
nimmt  allmählich  mit  der  Eiröhre  an  Grösse  zu,  und  man  trifll  dem- 
nach die  grössten  Eier  am  entferntesten  von  der  Bildungsstätte  und 
am  nächsten  dem  Oviducte  gelagert,  während  von  hier  aus  immer 
kleinere ,   jüngere  Formationen   bis  gegen   das  vorhin  erwähnte  blinde 

Ende  der  Eiröhre  sich  hinter  einander 
reihen.  Die  Länge  einer  Eiröhre  steht 
also  im  Zusammenhange  mit  der  Zahl 
der  in  ihr  befindlichen  Eier,  welche 
'  sie  in  entsprechende  Abschnitte  oder 
Kammern  theilen.  Das  allmähliche 
Herabsteigen  der  Eier  ist  nicht  nur 
mit  einem  Wachsthume  verbunden, 
sondern  es  erleidet  auch  die  Dottersub- 
stanz mannichfache  Veränderungen, 
und  jedes  Ei  erhält,  besonders  im 
letzten  Abschnitte  der  Röhre,  eine 
äussere  cuticulare  Umhüllung,  deren 
Bildung  von  der  Epithelschicbte  der 
Eiröhre  ausgeht. 

Bei  diesen  Voi^ängen  muss  mit 
jedem  Uebertritte  eines  Eies  ins  so- 
genannte Oviduct  ein  Tbeil  der  Ei- 
röhre sich  wieder  rückbilden,  wo- 
diirch  das  nächst  vorhergehende  Ei  dem 
Oviducte  genähert  wird.  Die  in  den 
blindenEnden  der  Eiröhren  befindlichen 
Zellen  gehen ,  da  die  Eizellendifferen- 
zirung  zugleich  mit  einem  terminalen 
Wachsthume  der  Röhre  verbunden  ist, 
auch  in  die  Epithelien  der  Eiröhren 
über.  Bei  manchen  Insecten  differen- 
zirt  sich  für  jede  Eizelle  ausser  der  sie 
umgebenden  Epithellage  noch  eine  Gruppe  von  Zellen,  die  den  als  Keimlager 
hinter  der  Eizelle  (Fig.  432.  B  a)  befindlichen  Abschnitt  [b]  der  Kammer 
[o)  vorstellt,  aber  von  der  wachsenden  Eizelle  allmählich  verbraucht  wird. 

Fig.  132.  A  Eiröhre  des  Flohes,  o  Ei.  g  Keimblöschen.  B  Eiröhre  eines 
Kttfet's  (Carabus  violaceus).  o  Eierfach,  in  zwei  Abschnitte  gesondert,  davon  a  die 
Eizelle,  6  das  Keimlagcr  bezeichnet.  Das  Ei  des  letzten  Faches  ist  entleert,  die 
Ei  röhren  Wandung  collabirt.     (Nach  Lubbock.) 


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Gesohlachtoorgane.  305 

Eine  Eiröhre  oder  eine  Summe  derselben  entspricht  also  keineswegs 
einer  blos  keimbereitenden  ZeugungsdrUse ,  ist  kein  ausschliessliches 
Ovarium ,  sondern  erscheint  als  ein  mit  einer  viel  grösseren  Functions- 
reihe  betrautes  Organ,  von  dem  nur  das  blinde  Ende  einem  Ovarium 
analog  ist. 

Die  LüDge  oder  Kürze  der  Eirtfhren  steht  mit  der  Anzahl  der  Eier 
in  Zusammenhang.  Am  wenigsten  zahlreich  sind  die  Kammern  bei 
den  meisten  Dipteren,  wo  nicht  selten  nur  eine,  häufiger  zwei  bis 
drei  Torhanden  sind.  Auch  bei  vielen  Käfern  und  Hemipteren  kommen 
nur  wenige  Kammern  vor.  Lünger  erscheinen  die  EirOhren  der  meisten 
Hemipteren  und  Uymenopleren ,  und  die  grtfsste  Kammerzahl  ergibt 
sich  bei  den  Neuropteren,  Orthopteren  und  endlich  bei  Schmetter- 
lingen, deren  4  Eiröhren  durch  zahlreiche  Kammern  perlschnurartig 
erscheinen. 

Gleich  .grosse  Verschiedenheiten  wie  in  der  Kammerzahl  ergeben 
sich  in  der  Anordnung  der  Eiröhren,  die  am  sogenannten  Oviducte  sich 
vereinigen.  Bald  sind  sie  in  Büscheln  vereinigt,  bald  in  Gruppen  auf- 
gelöst, bald  reihenweise  angeordnet. 

Von  den  Eiern  (Ova)  hat  man  die  sogenannten  Pseudova  unter- 
schieden, welche  Bildungen  theilweise  durch  den  Mangel   eines  Keim- 
fleckes eharakterisirt  sind,  wie  die  Producte  der  weiblichen  Geschlechts- 
drüse gewisser  Generationen  der  Aphiden  und  Cocciden.    Da  die  Organe 
dieselben  sind  wie  jene,    in  denen  wirkliche  Eizellen   entstehen,  und 
da   dasselbe  Individuum   Pseudova   und  wahre  Eier  zu   verschiedenen 
Zeiten  hervorbringen    kann,    ist  es  zweckmässig,    die  Kluft  zwischen 
beiderlei  Producten   des  Eierstocks   nicht  für  so  gar  tief  zu  erachten. 
Jene  Gebilde  gehören  als  Glieder  in  eine   bei  den  Insecten   sehr   ver- 
breitete Ersobeinungsreihe,  die  mit  dem  als  Parthenogenesis  bezeich- 
neten Verhalten  beginnt,  und  bis  zu  einem  scheinbaren  Generations- 
wechsel hinfuhrt.     Die  Gesammterscheinung  beruht  in  einer  Emanci- 
pation  des  Eies  von  der  Einwirkung  des   männlichen  ZeugungsstoOes. 
im  einfachsten  Falle  besteht  an  den  Eiern  keine  anatomische  Verschie- 
denheit,   ein   Theil    derselben    entwickelt  sich    ohne   vorhergegangene 
Befruchtung,   indess  die  andern  der  Befruchtung  bedürfen.     Die  Par- 
tlienogenesis  der  Bienen,   Wespen  und   vieler  anderer  Insecten  gehört 
bieher.      Weiter   sondert    sich    das   Verhältniss,    indem   dasselbe   In- 
dividuum nicht  mehr  zur  selben  Zeit  jene  Eier  producirt,  und  dann 
sind  die  emancipirten  Ovarialproducte  meist  different  zusammengesetzt 
(Pseudova) .     Noch  weiter  vertheilt  sich  die  Bildung  jener  Eier  auf  ver- 
schiedene Individuen ,    indem  ganze  Generationen  der  Einwirkung  des 
Samens  auf  ihre  ZeugungsstoOe  entbehren   können    (Blattläuse) ,    und 
dabei  zugleich  auf  eine  tiefere  Organisationsstufe  sinken.    Endlich  ent- 
stehen   diese  Gebilde    in    einem    noch    früheren  Enlwickelungsstadium 
der  Tbiere   aus   der  indifferenten  Keimdrüse,    und   dann    ist  der  Fall 
bei  Cecydomjia   gegeben,    der   also   ebenso  wie   die   anderen,    an  die 


fp  (inmitlpll».-ir   sirh  nnschlicssl, 
zj'runp  ableitl)ar  ist. 


von    einpp    ppschifchllirhpn    DilTpren- 


§  9)9. 

Die  b('i<l«n   ineisl  sehr  kurzen  Oviduclc  (Fig.   1:13,  of)   vereinigen 
sieh  /a  einem  in  der  Respl   ervvHtPrten  Ausfllhi^ange,   der  »Scheide«, 
mit  welcher  »ccessorisehe 
Ot^ne,  RecepUiculum  se- 
/  minis  (Fig.   (33.  r  sj   und 

Bursa  copulntrix  f6r)  ver- 
hunilen  sind.  Die  nur 
selten  fehlende  Samen- 
lasche wird  durch  ein  ge- 
slieltes  Bitjschen  darge- 
stellt, welche»  nicht  seilen 
paarig  [Cic«den  und 
manche  Orthopteren),  oder 
sogar  dreifoch  (Dipteren; 
vorhanden  ist.  HUufig  ist 
das  Receptaculum  seminis 
als  gleichmüssig  weiter, 
gewundener  Blindschlauch 
gestaltet  und  zuweilen  noch  mit  einer  Anhangsdrüse  versehen. 

Als  zweites  unmittelbar  mit  der  Scheide  verbundenes  Organ  ist 
die  BegalEungstaschc  (Bursa  copulatrix)  anzuführen,  ein  weiter,  wie 
eine  Ausstülpung  der  Scheiden  wand  erscheinender  Blindsack  (Fig. 
1.1.3.  bc).  Die  Verbreitung  dieses  Oi^nnes  findet  sich  nur  in  einzelnen 
Orilnunfien  und  auch  da  nicht  allgemein.  Am  beständigsten  und  nicht 
selten  von  sehr  betrlichllicher  Ausdehnung  erscheint  die  Bursa  copulatrix 
der  Küfer,  bei  denen  sie  zumeist  noch  einen  engeren  VerbinduDgscanal 
besitzt.  Auch  bei  den  Schmetterlingen  mündet  sie  mit  engem  Ganite 
in  die  Scheide,  verhalt  sich  aber  dadurch  eigenthüiidich ,  dass  sie 
ausserdem  noch  einen  weiteren  Ausfühi^ng  unter  die  vreibliche  Ge- 
schlechtsblfnung  sendet  und  ihn  getrennt  von  jener  dort  ausmünden 
lüsst.  Die|, Begattung  der  Schmetterlinge  geschieht  durch  diesen  Canal, 
wührcnd  der  Ueberlrilt  der  Spermatozoon  aus  der  Begnitungstasche  in 
das  Ree<>placulum  seminis  durch  den  vorhin  erwlihnten  Verbindungs- 
gang mit  der  Scheide  vermittelt  wird.  Die  Einmündungen  beider 
Tlieile  in  der  Scheide  liegen  einander  gegenüber. 

Die  ncccssori sehen  Drüsenapparale  der  Scheide  bieten  gleichfalls 
mannichfache  Form-  und  S t ruc tu r Verschiedenheiten.  Sie  bestehen 
entweder  aus  einem  Paar  einfacher  und  dann   meist  lang  gewundener 

Kig.  03.  Wei btk hu  Geschlechts« rgnni!  von  llyürobius  Tuscipes.  o  Ei- 
ruhrt^ii.  Ol'  OvitJjRt  luil  Ui-üseiiatihüiiKCii  hi-selil.  [/l.Sctibuchriirinige  Driiseo- 
V  Scheiiie.     &<.■  Bi-gallunüslasche.     rs  RpwptnciiUiiii  seminis.      [Nach  Steib.) 


Geichlechtoorgane. 


307 


CanHio  (Schmetterlinge,  viele  Dipteren),  oder  aas  wenigen  kurzen  Blind- 
schlauchen  (Wanzen),  die  auch  unpaarig  vorkommen  können  (Cicaden). 
Andererseits  bieten  sie  reiche  Verästelungen  und  sind  dann  paarweise 
Vorhanden  (Ichneumoniden  und  Tenthrediniden).  Das  Secret  dieser 
Organe  dient  theils  zur  besonderen  Umhüllung  der  £ier,  die  dadurch 
untereinander  verklebt  oder  in  eine  gemeinsame,  an  der  Luft  meist 
erhärtende  Gallerimasse  eingebettet  werden ,  theils  wird  es  zur  Be- 
festigung der  Eier  an  andere  Gegenstände  verwendet. 

MH  der  weiblichen  Genitalöffhung  stehen  in  der  Regel  noch  einige 
wie  Klappen  erscheinende  meist  dem  neunten  Segmente  des  Abdomen 
zugehörige  Integumentstücke  in  Verbindung,  die  in  ihren  Sculpturen 
immer  genau  dem  männlichen  Begattungsapparate  angepasst  sind;  zu- 
weilen sind  sie  zangenartig  gestellt  und  bestehen  aus  seitlich  gegen- 
einander wirkenden  Fortsätzen. 

§  220. 

Die  männlichen  Geschlechtsorgane  der  Insecten  wieder- 
holen in  ihrer  Anlage  sehr  häufig  die  Formen  der  weiblichen  Organe, 
so  dass  auch  die  einzelnen  Abschnitte  in  beiden  nicht  seilen  einander 
entsprechen.     Die  immer  paaricen,   seilen  zu  Einem  Organe  verschmol- 


Fig.  434. 


Fig.   435. 


r»"..v 


zenen  Hoden  werden  ganz  nach  Art  der  Ovarien  aus  Blindschläuchen 
zusammengesetzt,  die  wiederum  in  verschiedener  Zahl  und  Grösse, 
sowie  in  mannichfaltiger  Anordnung  sich  unter  einander  verbinden 
(Fig.  4.34.  135.  /).  Häufig  ist  die  Vereinigung  der  beiderseitigen  Hoden 
bei  Si^hmellerlingen.  Beide  sind  aber  hier  in  frClheren  Enlwickelungs- 
zuständen  gelrennt,  sogar  in  mehrere  Ablheiiungen  unUTScheidbar,  und 

Fig.  414.  Hoden  und  deren  AusfUhrgttngo  von  Acheta  campeslris.  I  Ho- 
den*   «  Ya»  deferen.4.    g  Samenblam. 

Fig.  4 35.  Mttonliche  Geschlechtsorgane  von  Melolonthn  vulgaris.  /  Ho- 
den, vd  Vas  defercns.  m  Erweiterter  Abschnitt  desselben,  gl  Gewundene  An- 
hangsdrüsen. 

«0» 


308  Arthropoden, 

erst  mit  der  voIlsUSndigen  Ausbildung  findet  die  allroHhIiche  Vereinigung 
slall.  Zwei  einfache,  längliche  und  immer  gelrennte  Hodenschliiuche 
besitzen  die  Dipteren  und  Sirepsipleren,  sowie  auch  manche  Neu- 
ropl^'ren.  Auch  bei  manchen  Küfern  stellt  jeder  Hoden  einen  langen, 
knäuelförmig  zusammengewundenen  Blindschlauch  dar,  der  dann  von 
einer  besondern  Membran  umgeben  wird  (Laufkäfer).  Aus  zahlreichen 
Schläuchen  sind  die  Hoden  der  übrigen  Insecten  zusammengesetzt.  So 
erscheint  jeder  Hoden  der  meisten  Hemipteren  bald  aus  mehreren, 
unter  einander  zu  einem  fächerförmigen  Organe  verbundenen,  bald  aus 
vielen  getrennten  Schläuchen  bestehend;  und  diese  Form  findet  auch 
bei  einer  grossen  Anzahl  von  Käfern  Vertretling.  Aus  dicht  anein- 
andergereihten und  so  eine  einzige  Masse  darstellenden  Schläuchen  oder 
auch  aus  runden ,  traubenförmig  gruppirten  Bläschen  ))es(ehen  die 
Hoden  der  meisten  Orthopteren,  und  ähnliche  Bildungen  sind  auch  bei 
den  Hymenopteren  vorhanden. 

Die  Ausfflhrgänge  der  einzelnen  Hodenschläuche  verbinden  sich  zu 
Samenleitern  und  diese  jederseils  zu  einem  Vas  deferens  (Fig.  434.  r, 
Fig.  135.  v(i] ,  welches  bei  enger  vereinigten  Schläuchen  unmittelbar 
aus  letzteren  hervorgeht.  Die  Längenentfaltung  beider  Samenleiter  ist 
zwar  im  Allgemeinen  nur  gering,  doch  wird  sie  in  manchen  Fällen 
sehr  beträchtlich,  und  dann  fungiren  die  knäuelförmig  zusammenge- 
wundenen Canäle  streckenweise  erweitert  auch  als  Samenbehälter 
(Fig.  135.  vs).  Aus  der  Vereinigung  beider  Samenleiter  geht  ein  ge- 
meinsamer Ausfuhrgang  (Ductus  ejaculatorius)  hervor^  der  gleichfalls 
bedeutenden  Längeverschiedenheiten  unterworfen  ist,  und  nicht  minder 
stellenweise  zur  Ansammlung  des  Sperma  dient. 

Die  accessorischen  DrUsenorgane ,  in  der  Regel  paarig,  erscheinen 
wie  jene  des  weiblichen  Apparates  entweder  als  lange,  gewundene 
Canäle  (Fig.  135.  gf)  oder  als  kürzere  büschelförmig  gruppirte  oder 
verästelte  Schläuche,  an  verschiedenen  Stellen  den  Ausfuhrwegen 
angefügt. 

Die  männlichen  Begattungsorgane  der  Insecten  sind  den  weib- 
lichen ähnlich  und  werden  aus  sehr  mannichfaltlg  gestalteten,  die 
GeschlechtsöfTnung  umfassenden  chitinisirten  Leisten  und  klappenartigen 
Vorrichtungen,  die  grossenlheils  aus  den  letzten  metamorphosirten  Ab- 
dominalsegmenten hervorgehen,  zusammengesetzt.  Sie  theilen  sich  in 
solche,  welche  nur  zu  einer  äusseren  Copula  dienen,  und  andere, 
welche  mit  einer  Buthe  vergleichbar,  die  Immissio  vollziehen.  Die 
letzteren  Bildungen  werden  entweder  durch  eine  äusserlich  angebrachte 
oder  von  innen  aus  hervorstreckbare  Röhre  dargestellt,  in  welche  der 
Ductus  ejaculatorius  sich  fortsetzt,  und  die  an  ihrem  Ende  häufig  noch 
zangenähnliche  Organe  trägt.  Bei  den  Käfern  ist  dies  Begattungsorgan 
von  einer  im  Abdomen  verborgenen  dickwandigen  Chitinkapsel  um- 
schlossen ,  welche  häufig  eine  beträchtliche  (>rösse  und  zu  ihrer  Her- 
vorstreckung und  Einziehung  besondere  Muskelapparate  besitzt. 


Leibesb«blr.   Feltkttrper.  309 

Die  Satneneleinenlc  der  Crustaceen  zeigen  bei  grosser  Mannieh- 
falligkeil  der  Gestali  eine  Uebereinsltmmung  in  der  Unbeweglichkeil, 
wovon  die  Samenfüdcn  der  Giriipedien  eine  Ausnahme  machen.  Faden- 
förmige, aber  unbewegliche  Samenelemente  besitzen  ferner  die  Isopoden, 
die  Amphipoden,  auch  die  Oslracoden,  bei  letzteren  sogar  von  ver- 
hältnissroässig  ausserordentlicher  LMnge.  Unter  den  Schizopoden  bestehen 
(wenigstens  bei  Mysis)  fadenförmige,  und  zwar  gegen  das  eine  Jünde 
zu  hakenartig  umgebogene  Gestalten.  Zellenariige  Körper  sind  die 
verbreiietsten  Formen  unter  den  Decapoden  und  bilden  durch  Fortsätze 
mancherlei  Eigenthümlichkeiten  aus,  von  deneiydie  radiäre  Gestaltung 
die  bemerkensweriheste  ist.  Auch  die  Samenfaden  mancher  Arach- 
niden  sowie  der  Myriapoden  scheinen  unbeweglich  zu  sein,  wenn  auch 
bei  den  ersteren  die  Beweglichkeit  innerhalb  der  weiblichen  Geschlechts- 
organe erlangt  wird. 

Die  Forrobesiandtheile  des  Sperma  stellen  bei  den  Insecten  beweg- 
liche Faden  vor,  die  meist  nach  beiden  Enden  in  einen  Fortsatz  aus- 
laufen. Eigenthttmlich  ist  die  Verbindung  dieser  Fuden  zu  Btlscheln, 
oder  ihre  zweizeilige  Aufreihung  an  ein  stäbchenförmiges  Gebilde, 
wodurch  ein  sperraatophorenartiges  Verhalten  entsteht.  Diese  Gebilde 
sind  besonders  bei  Orthopteren  beobachtet. 

Das  Ei  wird  allgemein  durch  eine  Zelle  vorgestellt  in  deren  Proto- 
plasma eine  meist  sehr  reichliche  Differenzirung  von  Dotlerkömchen 
staüfindet,  durch  welche  die  Hauptmasse  des  Eies  gebildet  wird.  Das 
Ei  empfängt  ziemlich  allgemein  eine  feste  derbe  Htllle,  die  bei  den 
Insecten  häufig  besondere  Sculpturen  besitzt  und  an  gewissen  Stellen 
von  Porencanälen  (Micropylcn)  durchbrochen  ist. 


•    Fettkörper. 
§  222. 

Mit  der  Differenzirung  dos  embryonalen  Körpers  entsteht  wie  bei 
den  höheren  Würmern  im  Mesoderm  ein  zwischen  Darm  und  Leibes- 
wand sich  ausdehnender  Hohlraum,  die  Leibeshöhle,  welche  den 
Arthropoden  aligemein  zukommt.  Obschon  von  mannichfachen  Thcilen 
durchsetzt,  ist  doch  die  bei  den  Annulaten  aus  der  lietamerie  des 
Körpers  entspringende  Dissepimentbildung  gänzlich  verloren  gegangen, 
und  lässt  auch  dadurch  den  Arthropodenorganismus  in  grösserer  Gen- 
tralisalion  erscheinen. 

In  allen  Fällen  bildet  die  Leibeshöhle  einen  Abschnitt  des  Blut- 
gefässsystems ;  die  l)ei  vielen  Würmern  vorhandene  Perivisceralflüssig- 
keii  wird  daher  bei  den  Arthropoden  vom  Blute  repräsentirt. 

Von  dem  weder  dem  Ectodeiiu  —  zur  Bildung  der  Leibe$wand,  — 


34  0  Arthropoden. 

noch  dem  Entoderm  —  zur  Bildung  der  Darmvvand  —  zugetbeilten 
Formelement^n  des  Mesoderms  erhält  sich  bei  den  meisten  Arthropoden 
eine  Summe  von  Zellen ,  welche  nicht  zu  bestimmten  Organen  ver- 
wendet wird.  Solche  Zellenmassen  bleiben  an  verschiedenen  Stellen 
der  Leibeshöhle  forlbestehen  und  finden  sich  häufig  wie  andere  Binde- 
Substanz  der  Arthropoden  zwischen  den  einzelnen  in  die  Leibeshöhle 
gebetteten  Organen. 

Bald  bleiben  alle  diese  Zellen  auf  indifferentem  Zustande,  bilden, 
indem  sie  unter  einander  Verbindungen  eingehen,  Stränge  oder  Netze. 
In  der  Regel  gehen  jedoch  in  diesen  Zellen  Diflerenzirungen  vor  sieb. 
Es  entstehen  in  ihnen  Fetttröpfeben,  welche  entweder  die  Zellen  gleich— 
massig  ausfüllen,  oder  in  grössere  Tropfen  zusammenfliessen,  daher 
man  diese  Zellen  als  Fettkörper  zusammenfassL  Zuweilen  besitzt 
dieses  Fett  eine  bunte  (gelbe  oder  rothe)  Färbung.  Solche  fettropfen- 
haltige  Zellen  sind  bei  Krustenthieren  beobachtet,  besonders  bei 
Entomostraken ,  wo  sie  zuweilen  im  Verbältniss  zur  Körpergrösse  des 
Thieres  recht  ansehnlich  sind,  und  eine  constante,  regelmässige  Ver— 
theilung  im  Körper  besitzen.  Letzteros  gibt  der  Vcrmuthuog  RauiD| 
dass   diesen  Fetttropfen  auch  eine  hydrostatische  Bedeutung  zukomme. 

Am  mächtigsten  sind  diese  Fettablagerungen  bei  den  Insecten 
entwickelt,  wo  der  Fettkörper,  namentlich  in  den  Larvenzuständen, 
aus  ansehnlichen  mit  Ausläufern  unter  einander  verbundenen  Zellen 
besteht,  die  besonders  den  Darm  umgebend  einen  grossen  Theil  der 
Leibeshöhle  ausfüllen.  Dieser  Feltkörper  bildet  die  Ablagestätte  von 
Material,  welches  während  des  Puppenstadiums  zum  Theile  vei*brauchi 
wird,  da  es  beim  ausgebildeten  Insecte  spärlicher  vorbanden  ist.  Die 
Art  der  Verbindung  der  Zellen  ist  sehr  verschieden.  Sie  kann  eine 
innige  sein,  so  dass  der  Fettkörper  Lamellen  bildet,  oder  zusammen- 
hängende Lappen,  welche  mit  Verzweigungen  des  Tracheensystemes 
in  Verbindung  stehen;  oder  die  Verbindung  der  Zellen  ist  lose,  und 
im  äussersten  Falle  können  die  Zellen  auch  frei  in  der  Leibeshöhle 
vorkommen,  wo  sie  nicht  mit  den  um  vieles  kleineren  und  indifferent- 
teren  Blutzellen  verwechselt  werden  dürfen. 

Die  Zeilen  des  Fettkörpers  der  Tracheatcn  dienen  noch  zur  Ab-> 
lagerung  von  Excretionsstoffen,  die  sich  als  harnsaure  Salze 
bestimmen  Hessen.  Diese  bilden  Goncremente  von  krystallinischer 
Beschaffenheil,  sowohl  grössere  an  die  Nierenconcremente  der  Mollusken 
erinnernde  Kugeln,  als  kleine  Körnchen.  Sie  sind  unter  den  Arach— 
niden  bei  Milben,  ferner  bei  Myriapoden  (Julus^  Polydesmus,  Glomeris) 
und  sehr  verbreitet  bei  Insecten  getroffen  worden.  Auch  bei  Crusta— 
ceen  scheint  dieses  Verhältniss  nicht  ganz  zu  fehlen,  indem  Aehnliches 
bei  der  V^asserassel  l)eobachtet  ward.     (LEVDia.) 

Eine  eigenthümliche  Modificatiou  bietet  der  Fettkörper  in  den 
Leuchtorganen  der  Lampyriden.  Diese  werden  aus  Platten  von 
ZclJeu   gebildet,   zu   denen   sowohl    reiche  Tracheen  Verästelungen   als 


Tneli«en. 


31t 


such  Nprvenvei'zw«4;titt)wn  t^chen,  und  Merdcn  nach  innen  vun  andern 
nicht  lpuchu>nden  Zelirn  llbtrlaKerl ,  die  von  rcichlichitn  llarnconcre- 
meolen  durchsctxl  sind.  Dio  olwrlliichlicbo  Uigeniii(!  der  Leuob1|ilnllon 
begrOodet  die  Annahaio,  dass  sie  mehr  der  K[)idcmiis  angehören,  so 
das8  die  gange  Einrichtung  aus  cintr  Vereinigung  des  leUlerun  mil  dem 
cigenüicbeo  PeUkOrpor  sich  zusauimcoselzt. 


Kiß.    IM. 


Trachean. 
§  S2;l. 

Die  Luibesliüble  der  Ainchniden,  Alyria[H>den  und  Inseclen  durch- 
liebt  ein  luflfuhrendes  Rahrensysleni,  wolchos  in  seinen  niederen  Zu- 
stünden keine  Beziehung  zur  Ktfrpcroiwrillcht.'  hcsilzt.  Seine  erste 
Anlage  ist  nicht  vdilig  sicher  gekannt.  Der  Bau  dieser  lufimhrenden 
RöfarcD  oder  Tracfaecn  ist  selbst  in  den  verschiedensten  Modilicalionon 
übereinsUniniend.  Sie  besleben  aus  einer  üusscren  BindosubstaDESchicbt 
(F^  136.  u] ,  die  innen  von  einer 
mil  dem  ttusscreu  InteguiDontc  in  Zu- 
sammenhang stehenden  Ghitinbaul 
ausgekleidet  wird.  Die  Cbitinscbichtc 
ist  die  wesentUchfilfl  Bedingung  der 
Ebfiticim,  imd  bietet  hei  Zunahme 
der  leliteren  betrttchtlicho  Verdick- 
ungeo,  in  Form  eines  ins  Tracbeen- 
lumen  Torspriogeoden  Spiralfadens. 
An  einzelnen  Stdlen  bilden  die  Tra- 
cheen sackförmige  Erweiterungen,  dann 
ist  jene  spiralig  angeordnete  Verdick- 
ungsscbiobte  unterbrochen,  d.  b.  ihre 
Ablagerung  ist  nur  an  einzelnen  un- 
zusammenbängenden  Stellen  erfolgt. 
Die  Uusseren  Oeffnungen  (SUg- 
Diata]  der  Tracheen  sind  paarig  zu 
lieiden  Seiten  des  Ktfrpers  in  wech- 
selnder Zahl  gelagert  und  können  an 
jedem  Karpersegmente  vorhanden 
sein.  Jedes  Stigma  stellt  eine 
ovale,  von  ringförmiger  Verdickung 
des  äusseren  Chitinskelets  umgebene 
Spalte  vor,  die  durch  Klappenvor- 
richtungen  geöffnet  oder  gL:sdito.ssen  werden  kann.  Bi-sondere,  am  An- 
fang des  Tracheenatammes  inserirle  Huskeln  dienen  zur  Bewegung  der 
Vig.  <)<.    J  Stttck  eines  Trecheenatammm  mit  Vertwelgun^n  B,  C,  D.    Von 


342  Arlbropoden. 

Klappen.  Jeder  Tracheenslamm  lösl  sich  früher  oder  später  in  ein 
Büschel  kleineier  Aesle  auf,  aus  denen  wieder  feinere,  die  Organe 
mit  einem  dichten  Netze  umspinnende  Zweige  hervoi^ehen.  Die  Art 
der  Verzweigung  wie  die  I^nge  und  Stärke  der  Aeste  ist  sehr  ver- 
schieden. Durch  Verbindung  einzehier  Tracheenstämme  unter  einander 
kann  ein  längs  oder  quer  gerichtetes  Röhrensystem  den  Körper  durchs- 
ziehen,  aus  dem  erst  secundär  feinere  Verzweigungen  entspringen. 

Durch  die  Tracheenverbreilung  im  Körper  werden  die  Albmungs- 
verhäUniss.e  der  Tracheaten  von  denen  der  Branchiaten  wesentlich  ver- 
schieden gestaltet.  Das  zu  respirirende  Medium  wird  im  ganzen 
Organismus  verlheiit,  und  nicht  nur  die  überall  die  Tracheen  umspülende 
Blutflüssigkeit  kann  den  Gasauslausch  vollziehen,  sondern  selbst  an 
den  Geweben  kann  ein  unmittelbarer  Athmungsact  stattfinden ,  da  die 
Tracheen verlheilung  bis  in  diese  hineindringt  und  sogar  zu  den  Form-* 
eiementen  in  Beziehungen  tritt.  Während  bei  den  Kiemen  das  Blut 
die  Atbmungsorgane  aufsucht,  so  suchen  bei  den  Tracheen,  wie  Cutibr 
bezeichnend  sich  ausdrückte,  die  Atbmungsorgane  das  Blut  auf.  Das 
gilt  jedoch  nicht  für  alle  Fälle,  indem  durch  eine  Reduction  der  Tra- 
cheen eine  Beschränkung  und  engere  Begrenzung  der  respiratorischen 
Stellen  stattfindet  und  damit  die  diffuse  Athmung  zu  einer  localen 
wird.  Das  Blut  hat  dann ,  wie  bei  den  Kiemen,  die  Atbmungsorgane 
aufzusuchen.  In  dieser  Weise  beeinflusst  das  Verhalten  der  Tracheen 
den  Kreislauf^  dessen  Organentfaltung  besonders  bezüglich  der  peri- 
pherischen Bahnen  zu  den  Athmungsorganen  im  Verhältnisse  der  Ab- 
hängigkeit  steht.  Ausser  der  Athmung  dient  das  mit  Luft  gefüllte 
Röhrensystem  der  specifischen  Erleichterung  des  Körpers  und  ist  in 
dieser  Beziehung  bei  den  im  Wasser  lebenden  Zuständen  der  Insecten 
von  nicht  minderem  Belange  als  bei  jenen,  die  des  Fluges  sich  er- 
freuend, durch  besondere  Vorrichtungen  eine  Vermehrung  oder  Min- 
derung des  Luftvolums  im  Tracheensystem  bewerkstelligen  können. 

§  224. 

In  dem  speciclleren  Verhalten  des  Tracheensystems  ergeben  sich 
zwei'  wesentlich  differente  Befunde.  Den  einen  respräsentirt  ein  ge- 
schlossenes Röhrensystem;  im  anderen  commuuicirt  dasselbe  mittelst 
der  Stigmen  nach  aussen. 

Das  geschlossene  Tracheensystem  findet  sich  in  den  im 
Wasser  lebenden  LcH-venzust^inden  vieler  Insecten,  vorzüglich  aus  den 
Abtheilungen  der  Pseudoneuropteren,  der  Neuropteren  und  der  Dipteren. 
Zwei  Längsstämme  bilden  die  Grundlage.  Sie  verzweigen  sich 
sowohl  an  beiden  Enden,  wie  auch  mit  Aesten,  die  sie  auf  ihrem  Wege 
den  Bfetameren  entsprechend  entsenden.  Sowohl  die  Leibeswand  als  die 
in  der  Leibeshöhle  liegenden  Organe,  vorzüglich  der  Darm,  werden 
von  diesen  Tracheen  Verzweigungen  versorgt.  Mit  der  Entstehung  der 
Trachecnkiomen   (§188)  bilden  sich  in  diese  Anhänge  reiche  Tracheeo-* 


313 

TennpigODgen  und  lassen  dieselben  als  den  vornugsweisen  SiU  der 
Athmuog  erscheinen,  fUr  welche  die  bei  der  Blatte  he  nform  jener  Kiemen 
sUllffndendcn  Bewegungen  in  FOrdernng  des  Wasserwechsels  von 
Wirfcung  sind.  Bei  Ausbildung  der  Traoheenvenweigung  am  Knddiirme 
enUlohen    auch    da    Ober- 

JlacheovergritftseniDgcn,  wie  Hg.  lil. 

hei  den  Larven  der  Libellen,  A  C  3 

wo  lahlrviche  in  Längsreihon 
aii|;eordncte  Lamellen  eine 
bedeutendeCoroplicalron  her- 
slellen.  Durch  die  Beweg- 
ungen einer  Klappvorrichtung 
SD  der  AnaltllTnung  werden 
diese  inneren  Tracheenkie- 
men  beständig  uiit  Wasser 
hespult.  Dieses  gegenwar- 
tig liemlicli  isolirt  stehende 
Verhaltniss  scheint  der  Resl 
eines  ursprünglich  viel  ver- 
breHeterenZoslandesiDsain, 
wie  die  im  Enddarme  vieler 
Insecten  vorkommenden  als 
Rndimenle  von  Tracheen- 
kiemen  zu  deutenden  Vor- 
sprUnge  andeuten  (vergl. 
§  207). 

Ke   grosse  Verbreitung  ' 

des  geschlossenen  Tracheen- 

syslems  wie  daran  in  Anschluss  die  auch  bei  andern  Inseclen  häufig 
vorkommenden  LdngsstOmme  lassen  die  vorbin  geschilderte  Anordnung 
als  einen  primitiven  Zustand,  and  das  geschlossene  Tracheen- 
System  als  den  Vortüufcr  des  offenen  erscheinen.  BetUglich 
des  Uebei^nges  des  ersteren  in  das  Letstere  verweise  ich  auf  meine 
in  den  Grundlagen  S.  Aul).  S.   iH  ausgeführte  Hypothese. 

Mit  dem  Auftreten  der  Stigmen  werden  Umänderungen  in  der  An- 
ordnung der  StSmme  bemerkbar.  Die  Lüngsstamme  sinken  zu  Vcr- 
bindungscanälen  zwischen  den  von  den  Stigmen  entspringenden  Stim- 
men,  und   einzelne  Verzweigungen  wandeln   sich  in  Querstämme  um, 

Fig.  137.  J  Hinlertheil  des  Kurper«  der  I.arvi;  von  Eplicmcra  vulgalH. 
a  LdDgsIraclicensUmme.  6  Darmcanal.  c  Trachcenkiemon,  d  gelioderlH  ScliwHnz- 
anbtnge.  B  Larve  von  Aeschna  graadU.  Der  donwle  Thell  dei  Integumenls 
ist  eolforst,  s  Obere  Ungstrachcciislamine.  b  Vordsre«  Ende  dertelbeo.  c  tltP' 
>«rer,  aut  dea  Eoddartn  sich  venweigender  Abschoitl.  o  AugsD.  Die  miltlerc 
Kigur  stell!  den  Darmcanal  derselben  Larve  von  der  Seite  dar.  d  Unterer  Hcil- 
licherTrschccnitnmm,   «  Comtounication  mit  dem  oborcii  Stamme,   abc  wie  io  S, 


314  Artbrofraden.  * 

dio  oft  eine  regelmässige  Anordnung  besitzen.  Auch  die  Zahl  und  Lage 
der  Stigmen  ist  für  die  Anordnung  der  Tracheen  von  grossem  Einfluss. 
Sehr  wechselnd  sind  dio  Stigmata  besonders  bei  den  im  Wasser  leben- 
den Larven  vieler  Dipteren.  Manche  l)esitzen  deren  nur  zwei,  am 
llinterleibsende  zuweilen  auf  einer  »Athemröhre«  angebracht.  Bei  an- 
deren kommen  noch  zwei  vordere  (am  zweiten  Metamer)  dazu.  Bei 
den  meisten  übrigen  Larven  ist  eine  grössere  Anzahl  auf  die  Meta- 
meren  vcrtheilter  Stigmen  vorhanden.  Beim  ausgebildeten  Insect 
lagern  die  Stigmen  meist  in  der  weicheren  Membran  zwischen  zwei 
Körpersegmenten,  am  Abdomen  zuweilen  so  weit  aufwärts  gerückt,  dass 
sie  von  den  Flügeln  bedeckt  werden  (Käfer).  Fast  immer  zeigen  sich 
bedeutende  Verschiedenheiten  von  der  Anordnung  im  Larvenstadium. 
An  Zahl  reducirt  sind  sie  bei  den  im  Wasser  lebenden  Ueinipieren, 
wo  nur  ein  hinterstes  zuweilen  in  lange  Ilalbrinnen  fortgesetztes  und 
damit  eine  Athemröhre  bildendes  Paar  besteht  (Nepa,  Ranatra). 

Die  von  den  Stigmen  meist  an  einem  gemeinsamen  kurzen  Stamme 
entspringenden  Tracheen  verlaufen  entweder  als  blindgeendi^  unver- 
zweigte Canale,  oder  sie  bilden  Verästelungen.  Sowohl  auf  Strecken 
der  Hauptstänune  wie  der  Aeste  und  Zweige  können  sie  die  oben- 
erwähnten Tracheen  blasen  bilden,  deren  Entfaltung  mit  der  Aos-> 
bildung  des  Flugvermögens  in  Causalnexus  steht.  In  ausserordentlicher 
Anzahl  findet  man  sie  bei  Käfern  (Lamellicornier) ,  minder  zahlreich, 
aber  umfänglicher  treten  sie  bei  Schmetterlingen,  Hymenopteren  und 
Dipteren  auf,  bei  letzteren  zuweilen  durch  ein  grosses,  fast  das  Ab- 
domen füllendes  Blasenpaar  repräsenlirt. 

§  225. 

Mit  den  Insecten  theiten  die  Myriapoden  die  allgemeine  Ein- 
richtung des  Tracheensystems.  Die  entweder  an  der  Baucbfldche  oder 
mehr  seitwärts  gelagerten  Stigmata  führen  in  Tracheenstämme,  die  in 
der  Regel  nach  der  Zahl  der  Meta meren  vertheilt  sind.  Am  cinfachslen 
verhaken  sich  dio  Tracheen  bei  Julus.  Von  jedem  Stigma  gehl  ein 
Tracheenbüschel  ohne  jede  Verzweigung  zu  den  Eingeweiden.  Bei 
Glomoris  dagegen  bieten  die  Tracheen  Verzweigungen ,  und  Ijei  den 
Chilopoden  gehen  sie  sowohl  Längs-  als  Queranastomosen  ein,  und 
erreichen  damit  die  gleiche  Anordnung  wie  bei  vielen  Insecten. 

Unter  den  Arachniden  schliessen  sich  die  Galeoden  bezttglidi  des 
Trac^eensystems  am  meisten  an  die  Insecten,  indem  die  einzelnen 
Tracheen  durch  seitliche  Längsstämme  verbunden  sind.  Durch  nur 
drei  Stigmenpaare  wird  andererseits  die  Verwandtschaft  mit  den  übrigan 
Arachniden -Abtheilungen  kundgegeben.  Eine  bemerkenswerthe  Um— 
bildung  erleidet  das  Trachccnsystem  durch  die  baldige  Theilung  eines 
von  einem  Stigma  entspringenden  Tracheenstammes  in  eine  grosse 
Anzahl  kurzer,  lamellenartig  ubgellachter  und  wie  Blätter  eines  Buchen 


GetttMystom.  345 

an  einander  liegender  Aeste,  wodurch  das  ganze  Organ  auf  einen 
kleinen  Ranm  beschrankt  wird.  Solche  Blättertracheen  hat  man 
als  »Lungen«  beieichnet.  Vier  Paare  derselben  münden  bei  denScorpionen 
auf  der  Venlralfläche  des  Abdomens  aus.  Zwei  Paare  besitzen  die 
Geiflselscorpione  (Fig.  443.  tr)  und  die  Vogelspinnen.  Bei  den  übrigen 
Spinnen  ist  nur  ein  Paar  ausgebildet,  dessen  Stigmen  am  Vordertheil  des 
Abdomens  ventralwilrts  liegen.  Ein  zweites  Stigmenpaar  führt  bei  man- 
chen Spinnen  nahe  hinter  dem  ersten  gelagert  in  Tracheen,  die  in  zwei 
terminal  mit  feinsten  Rohrchen  besetzte  Hauptrbhren  endigen  (Argyroneta, 
Dysdera,  Segestria).  Bei  anderen  ist  dieses  Stigmenpaar  verschmolzen 
und  liegt  vor  den  Spinnwarzen.  Meist  gehen  von  der  Stigmahdhio  vier 
Röhren  aus,  die  entweder  verzweigt  (Thomisus)  oder  einfach  verlaufend 
endigen  (Tegeneria,  Clubiona,  Lycosa,  Epeira). 

Nur  ein  Stigmenpaar  besitzen  die  Opilioniden,  deren  Tracheen 
durch  reiche  Verzweigung  sich  auszeichnen.  Ebenso  reducirt  ist  die 
Stigmenzahl  bei  den  Milben,  von  denen  viele  (z.  B.  Sareoptes,  Pen- 
tastomnm)  des  Tracheensystems  gänzlich  entbehren,  womit  auch  die 
Pycnogoniden  übereinstimmen. 


GefSsasystem. 

§  226. 

Dieses  bei  den  Würmern  zu  einer  hohen  Ausbildung  gelangte 
Oi^ansystem  erscheint  bei  den  Arthropoden  in  manchen  Beziehungen 
auf  einer  niederen  Stufe,  vor  allem  dadurch,  dass  die  Leibeshöhle  all- 
gemein einen  Abschnitt  der  Blutbahn  bildet.  Es  liesteht  daher  auch 
keine  Verschiedenheit  zwischen  dem  Blute  und  einer  perienterischen 
Ftttssigkeü. 

Bedeutendere  Ausbildung  bietet  meist  nur  ein  dorsal  gelager- 
ter Gefllssstanm,  der  als  Herz  fungirt  und  dem  dorsalen  Blui* 
gefatosstamm  der  Würmer  homolog  zu  sein  scheint,  von  welchem  ein- 
zelne Streeken  gleichfalls  als  Herzen  fungiren.  Eine  Verschiedenlieit 
gibt  sich  m  der  gelösten  Verbindung  mit  dem  Darme  kund.  Durch 
den  Herzschknich  wird  das  Blut  entweder  nach  vorne  zu  bewegt,  oder 
nach  beiden  Enden  des  Körpers.  Diesem  dorsalen  Herzschlauche  der 
Arthropoden  fehlen  jedoch  zuleitende*  Geftlsse ,  und  das  in  ihn  ein- 
tretende Blut  nimmt  seinen  W^eg  durch  spahartige  venöse  Ostien, 
so  dass,  wie  sehr  auch  in  einzelnen  Abtheilnngen  eine  peripherische 
Bltttbaho,  sei  es  durch  Fortsetzungen  und  Verzweigungen  arterieller 
Getose,  sei  es  durch  Sonderungen  gef^ssartiger  Ganttle  aus  Strecken 
der  LeibesböMe,  ausgebildet  erscheinen  mag,  dicht  am  Herzschlalichc 
eine  aus  einem  Abschnitte  der  Leibesböhle  entstandene  Sinusbildung 
zu  Stande  kommt.  Dieser  Pericarcttalsinns  erscheint  damit  als  der  Rest 
oiDcr  ursprttnglicb  weiter  ausgedehnte  Blutsinusse  darstellenden  Leibes« 


316  Arthropoden. 

höhle,  und  lässt  die  bei  vielen  Arthropoden  herrschende  geringe  Ent- 
Wickelung  der  Blulbabn  nicht  als  eine  Rückbildung  aus  dem  volikom- 
nicnen  Zustande,  sondern  als  einen  auf  geringe  Ausbildung  sich  beziehen- 
den niederen  Zustand  erscheinen.  Wie  nun  die  einfache  Form  des  Ge- 
fässapparals  mit  den  bei  Würmern  realisirlen  Einrichtungen  zu  ver- 
binden ist,  kann  für  jetzt  noch  nicht  festgestellt  werden. 

Complicationen  der  Blutbahnen  gehen  aus  der  Localisirung  der 
Athemfunction  hervor.  Wo  immer  gesonderte  Gefässwandungen  an  den 
Blutbahnen  fehlen,  geschieht  die  Strömung  des  Blutes  doch  stets  in  be- 
stimmter, genau  eingehaltener  Richtung. 

Die  Blutflüssigkeit  der  Arthropoden  ist  in  der  Regel  farblos, 
nur  bei  einigen  Insecten  erscheint  sie  durch  Färbung  des  Plasma  grün- 
lich oder  roth  gefärbt.  Die  geformten  Bestandtheile  des  Blutes  sind 
indiflerenle  farblose  Zellen  von  sehr  veränderlicher  Form  und  Grösse. 
Manchen  (niedern  Crustaccen)  fehlen  sie.  Die  Blutzellen  der  Insecleo 
sind  häufig  durch  ihren  Reichthum  an  feinen  Fettroolecülen  ausgezeich- 
net, dürfen  jedoch  mit  den  oftmals  gleichfalls  freien  Zellen  des  PeU^ 
körpers  nicht  verwechselt  werden. 

§  227. 

Als  einfachste  Form  eines  Kreislaufapparates  besteht  bei  den 
Krustenthieren  ein  kurzes  schlauchförmiges  Herz  (vergl.  Fig.  4  49.  c 
von  Daphnia) ,  welches  über  dem  Darmcanale  im  Vordertheile  des 
Körpers  gelagert,  durch  zwei  seitliche  Oeflnungen  Blut  aufnimmt,  und 
durch  einen  vorderen  kurzen  Gefässslamm  den  Kopforganen ,  speciell 
den  Gehirnganglien  zuleitet.  In  regelmässigen  Strömen  vertbeilt  sich 
die  Blutmasse  durch  den  Körper,  und  gelangt  an  den  vorzugsweise 
der  Athemfunction  dienenden  Theilen  vorbei  wieder  zum  Herzen,  um 
durch  dessen  Spaltöffnungen  aufgenommen  zu  werden.  Diese  Form 
des  Circulationsorgans  charakterisirt  Copepodcn  und  Daphniden,  komml 
aber  auch  den  Larvenzuständen  der  höheren  Ordnungen  zu,  und  findet 
sich  selbst  mit  wenigen  Modificationen  bei  Entwickeiungszuständen  der 
Decapoden.  Der  Kreislauf  ist  ein  rein  lacunärer,  und  ausser  dem 
Ansätze  zu  einem  nur  selten  mehrfach  verzweigten,  vorderen  Arterien- 
stamme  existiren  keinerlei  Gefässe. 

Eine  weitere  Entwickelung  »zeigt  das  Herz  bei  den  Pbyllopoden. 
Es  erscheint  als  längerer  Schlauch ,  der  eine  mehrfache  Wiederholung 
des  einfachen  Herzens  der  Daphnien  bildet,  indem  er  eine  Mebreahl 
von  venösen  Ostien  (bis  zu  20  Paaren  bei  Artemia)  besitzt.  Der  Herz- 
schlauch  ist  somit  in  einzelne  Kammern  gegliedert,  diese  entsprechen 
aber  nicht  genau  den  Metameren,  vielmehr  trifft  eine  grössere  Ansahl 
der  letzteren  auf  je  eine  Kammer.  Die  Gliederung  erscheint  damit  hIs 
eine  selbständige,  was  vielleicht  als  eine  spätere  Einrichtung  aasu- 
sehen   ist.     Nur   an   dem    vordersten    Ende   geht  ein   Arterieiistaaiai 


hervor  und  übergibt  das  Blut  der  Lacunenbabn  der  Leibeshohle.  Ras 
Herz  der  Arthrostraken  durchzieht  einen  grossen  Theil  der  LUnge 
des  Körpers  bei  den  Amphipoden  und  Isopodon ,  bei  ersteren  in  den 
auf  den  Kopf  folgenden  Melameren  gelagert ,  bei  letzteren  weit  nach 
hinten  gerttckt.  Entweder  wird  nur  ein  vorderes  Gefüss,  oder  auch 
noch  ein  hinteres  entsendet.  Verzweigungen  kommen  nur  dem  ersteivn 
zu  und  sind  auf  die  Kopfgegend  beschrankt.  Die  Zahl  der  Oslien  ist 
bei  Amphipoden  sehr  verschieden  (Phroniroa  hat  3,  Caprella  5,  Gam~ 
maiiis  7  f^are). 

Einen  einfachen  Herzschlauch  mit  nur  zwei  seitlichen  Ostien  be- 
sitzen die  Larven  der  Thoracostraken.  Aus  ihm  geht  allmählich  eine 
complicirtere  Form  hervor,  die  nach  zwei  Richtungen  hin  auslauft.  Die 
eine  davon  repräsentiren  die  Stomapoden,  deren  Herz  sich  in  die  Lunge 
streckt,  und  unter  Vermehmng  der  venösen  Ostien  anfänglich  nur  nach 
vom  und  hinten  einen  Arterienstamm  absendet.  Da  nur  die  vordere 
Arterie  sich  verüstelt,  die  hintere  dagegen  eine  weite  offene  Mündung 
besitzt,  so  wird  dadurch  eine  Wiederholung  der  bei  den  Arthrostraken 
vorhandenen  Einrichtung  gegeben,  bis  spüter  nicht  blos  die  voitiere 
und  die  hintere  Arterie  reichlichere  Verzweigungen  bilden,  sondern 
auch  vom  Herzen  selbst  eine  grössere  Anzahl  seitlicher  ArteriensUimm- 
eben  abtreten. 

Den  zweiten  Typus  bieten  die  Schizopoden  und  Decapoden.  Das 
Herz  bat  auch  bei  dem  Besitze  mehrerer  Ostienpaare  eine  concentrirtere 
Gestalt,  und  eine  Theilung  des  Binnenraumes  in  auCeinander  folgende 
Kammern  ist  nicht  mehr  unterscheidbar.  Die  anfilngliche  Glie- 
derung ist  in  eine  einheitlichere  Bildung  übergegangen. 
Auch  in  der  Lagerung  der  mehrfachen  Spalten  ist  dieses  Verhalten 
ausgedrückt,  da  ihre  Paare  nicht  mehr  gleichmässig  sich  folgen,  son- 
dern verschiedenartig  gruppirt  sind.  Das  Herz  der  Larven  tritt  jinioch 
als  ein  dünnwandiger  Schlauch  nur  mit  einem  Spaltenpaare  auf,  und 
setzt  sich  nach  vorne  und  hinten  in  einen  einfachen  Gefässstamm  fort. 
Der  vordere  theilt  sich  in  drei  Aeste,  die  l)ei  Verkürzung  des  Stammes 
auch  unmittelbar  vom  Herzen  entspringen,  der  hintere  bleibt  einfach. 
Das  Herz  erscheint  entweder  nur  vorübergehend  langgestreckt,  oder  es 
tritt  sogleich  in  einer  mehr  gedrungenen  Form  auf.  Seine  Lage  hat  es 
sowohl  bei  Sehisopoden  als  Decapoden  im  hinteren  Theile  des  Ce- 
phaiothorax. 

Auch  an  der  arteriellen  Blutbahn  bilden  sich  neue  Abschnitte, 
während  der  ganze  venöse  Theil  nur  durch  Lacunen  vertreten  wird.  Auf 
dieser  Stufe  bleibt  das  Gefasssystem  der  Schizopoden  stehen  (Mysis), 
während  die  Decapoden  die  einzelnen  Stadien  der  Schizopoden  ontoge- 
netisch  durchlaufen.  An  der  ausgebildeten  Form  eines  langschwänzigen 
Decapoden  finden  wir  den  muskulösen  HerZvSchlauch  ;Fig.  138.  c)  von 
einem  deutlich  ausgebildeten  Pericardialsinus  [pc)  umgeben,  aus  welchem 
das  Blut  durch  drei  Paaresymmetrisch  vertheiiter  Spaltöffnungen  in  ersteren 


318 


Artbropoden. 


Iritt.     Votn  HerEen   enlspriniiPt 
bin(«rer  Stamm.     Der   vorJei 


FiK.  las. 


drei  vordere  Arlerienstämme  unrf  ein 
i  ittitllere  (in)  verDluft  ohne  bedeulendp 
VerKweif^ung  auin  Gehirn  und 
zu  den  Alicen  (o) ,  die  bei- 
den seitlichen  (aa)  verliieileii 
reichliche  Aest«  an  tie- 
.schlechteorgnne ,  Leher  und 
Antennen.  Der  vom  hini«ren 
Knile  des  Hertens  abgehende 
ArterionsUimm  theill  sich  in 
zwei  über  einander  liegende 
Aest4>,  die  auch  getrennt  vom 
Herten  entspringen  können. 
Der  dorsple  [ap]  versengt  bei 
Brachyuren  gabelfünnig  ge- 
spalten die  Muskulatur  des 
Rückens  und  Schwanzes.  Der 
andeiv,  ventrale  Ast  {a]  wen- 
det sich  sogleich  nach  seinem 
Ursprünge  abwUris,  und 
theill  sich  in  einen  nacli 
vorne  und  einen  nach  hinien 
laufenden  Zweig,  welch'  beide 
vorzüglich  ftir  die  GlJed- 
maassen  bestimmte  Ver- 
zweigungen absenden.  Ausser 
dem  hinhören  medianen  Ar- 
terienslamnie  linden  sich  zu- 
weilen noch  zwei  kleinere 
vor.  Das  sehr  entwidtelU' 
Capillarsystem  geht  allnitllt- 
lich  in  rückrabrende  Can»lf 
^Körpervenen)  über,  welche 
sich  zunächst  auf  der  ven- 
tralen Seite  in  mehrereStümnie 
sammeln,  und  damit  [v) ,  in 
einen  weiten  an  der  Kiemen- 
basis (im  sogenannten  Sternalcanal)  gelegenen  Ventralsinus  sich  ver- 
einigten. Jede  Kieme  [br]  erhillt  von  da  aus  ein  zuftihrendes  Gefis!^ 
'Kiemenarterie).     Nach  dem  Kreisläufe   durch  die  Kiemen   gelang)  das 

FiK.  *SS.  Schemalische  Darslellang  üen  Circulatioiisap)iinte«  vom  Uummor. 
o  Auiiu.  o«  Aeusserc  Fühler,  ai  Innero  Fühler,  br  Kiemen,  c  Uera.  pc  l*eri- 
carJium.  ao  .Mittlere  vordere  KürperBrleiie.  oa  Lulierarteric.  ap  Hirilere 'Körper - 
arlerie,  a  Slnmni  der  Bnui'liarleric.  av  \oiiiere  Bniidiarlerie.  v  Veitlrelcr  Veiiea- 
^inu'^.     v  br  Kiemcnveneii,   —  Die  Pfeile   deulen   die  Riclilung   der  DlutsIrOuic  an. 


GeftsMyaUin.  849 

Blot  in  austeilende  CSanSle  (Kiemen venen)   (vbr;,  deren  jederseits  6 — 7 
tum  I^ftnca^dialsinu8  emporsteigen  und   dort  hüufig  trichterförmig  er-   - 
weilen  nllnden. 

Als  besondere  Differeniirungen  des  Herseos  sind  die  Klappen  der 
vendsen  Ostien  anzusehen,  die  an  den  langgestreckten  Herzformen  zur 
Scheidung  in  einzelne  Kammern  beitragen. 

Mehrere  dieser  verschiedenen  Formzuslände  vereinigt  der  Circu- 
lationsapparat  der  POcilopoden,  deren  laoggeslreclctes  Herz  in  einem 
Pericardialsinus  liegt,  und  von  daher  durch  7  Ostienpaare  Blut  em- 
pfängt, aber  nicht  blos  vorne  und  hinten,  sondern  auch  seitlieli  Arterien- 
sUimme  entsendet.  Durch  letztere  Einrichtungen  v^erden  Verbindungen 
mit  den  Tracheaten  hergestellt. 

§  228. 

Die  Kreislauforgane  der  Tracheaten  zeigen  mit  jenen  der  Crustaceen 
mit  langgestrecktem  vielkammerigem  Herzen  einige  Uebereinstimmung, 
und  die  Verschiedenheiten  begründen  sieh  mehr  auf  den  Grad  der 
Entwickelung  eines  vom  Herzen  ausgehenden  GefiSsssystems.  An  diesem 
macht  sich  wiederum  eine  Beziehung  zu  den  Athmungsorganen  geltend, 
indem  eine  Beschränkung  der  letzteren  auf  kleinen  Raum  von  einer 
Voilkommneren  ßntfaltung  von  Blutgefiissen  begleitet  wird,  indess  die 
Verlheilung  von  respiratorischen  Organen  im  ganzen  Körper  mit  ge- 
ringerer Ausbildung  der  Arterien  sich  verbindet. 

Bei  den  Arachniden  treffen  wir  die  Scorpione  mit  dem  complicir- 
testen  Circulationsapparate  ausgestaltet.  Das  von  einem  Pericardialsinus 
umgebene  Herz  erscheint  im  Einklänge  mit  der  Leibesform  der  Thiere 
beträchtlich  in  die  Länge  gestreckt  und  in  8  Kammern  getheill,  die 
dordi  seitliche  Muskeln  {Flügelmuskeln)  befestigt  werden.  In  jede 
Kammer  fuhrt  ein  Paar  dem  Rücken  zugewendeter  Spalten  (venöse  Ostien), 
die  durch  nach  innen  vorspringende  Klappen  verschliessbar  sind.  Vorne 
wie  hinten  gehen  arterielle  Gefässe  als  directe  Verlangerungen  des 
Herzens  ab,  wovon  das  vordere  Gefäss,  die  Kopfarterie,  in  den  Cepha- 
lothorax  eintritt,  indess  das  hintere  zum  Schwänze  verläuft.  'Ausser- 
dem entspringt  noch  eine  Anzahl  lateraler  Arterien  dicht  an  den  venösen 
Ostien  und  vertheilt  sich  an  die  benachbarten  Oi^ane.  Von  den  zahl*- 
reichen,  der  Kopfarterie  entstammenden  Aesten  stellen  zwei  einen  den 
Oesophagus  umgebenden  Gefiissring  dar,  von  welchem  sich  eine  rück- 
laufende Arterie  (Arteria  supraspinalis)  auf  dem  Bauchmark  bis  zu 
dessen  Ende  unter  Abgabe  reichlicher  Zweige  erstreck^  Das  venöse 
Blut  sammelt  sich  ähnlich  wie  bei  den  höheren  Crustaceen  in  einem 
der  Bauchfläche  dicht  aufliegenden  Behälter  und  wird  von  diesem  aus 
zu  den  Athmungsorganen  geführt.  Ehe  das  Blut  von  daher  in  das 
Herz  gelangt,  passirt  es  den  Pericardialsinus. 

Bei   den  übrigen  Arachniden  erscheint  der  mehrkammerige  Herz- 


3S0 


Arthropoden 


schlauch  in  rcducirUr  Form.  Er  liegt  sIpIs  im  Abdomen,  bei  den 
Araneen  und  Opilionidpn  mit  drei  Paaren  seitlicher  Oslien,  durch  die 
er  in  Kammern  geschieden  wird.  Von  der  vordersten  Kan>mer  s*U( 
sich   eine  Arterie  in  iJen  Cepliajolhorax   fori,    welche   hei   l.ycosa   sich 


in  üwei  Aesle  spaltet  (Fin-  139)  und  von  jedem  derselben  Zweige  für 
die  Augen  und  Tür  die  filiedma.nssen  enlsprinnen  iHssl.  Die  hintersie 
Kammer  öffnet  sich  am  Rnde  des  Abdomens,  der  hier  sich  entiessende 
Blutstrom  entspricht  demjenigen,  welcher  hei  den  Scorpionen  durch 
die  Caudainrierie  verthcjll  wird.  Bei  i)em  Mnngel  eines  Pericardinl- 
.linus  findet  das  ßlul  sowohl  auf  dem  Weiie  lu  den  Alhemorf^nnen,  hU 
auch  von  diesen  zum  Herzen  nur  lacuniive  Bahnen  vor. 

Unter  den  Pycnogoniden  ist  dieser  Apparat  nur  auf  ein  drei- 
kammeriges  Her/  heschrünkl ,  zu  welchen)  zwei  Oslienpnnn-  fuhren, 
und  bei  den  Milben  scheint  sr^nr  das  Herz  nicht  zur  Knlwickelunii 
zu  kommen. 

§  289. 

Am  Herzen  der  Myriapoden  äussert  sich  durch  die  gleicharti)»- 
Au»idehnung  in  der  ganzen  Kfirperlflnge  und  die  beirachlliche  Vermeh- 
rung der  Kammerzahl  der  Zusammenhang  der  äusseren  (jliederung  des 

Fifr.   139.   CireulalitinsoDiiine  von  Lyi^cMn.    A  Un<:  Tt>ii>r  von  oben,  B  ip  seih  - 
lic^her  Ansicht,     o   AuRpn.     I  a  S  (  5  6  lilii'ilniaiKiirn.    P   BIHIlPrlraihppn.     C  Hm. 
ov  Venä?ie  Osticn  des   Herten*.     Die  Pfeile  deulen  die  Richlunf;  des  Blulstrons  m. 

(Nach    CLArARtDE.j 


GeQlMsyaton. 


3S1 


Ktfrpers  mit  der  ioneren  Organisatioo.  Die  Kammern  [P^.  140,  K) 
sind  wiMler  durch  Klappen  an  den  eioielnen  venitsen  Osiien,  (o)  von 
einander  abgegrenzt,  und  werden  durch  ansehnliche  FlUgelmuskeln  (m) 
befestigt.  Von  jeder  Kammer  i^bea  paarige  besonders  bei  Scolopen- 
(lern  ausgebtldele  Anerienitümuie 

fUr    die    betreffenden    KOrpeneg-  Fi«,  itt. 

mente  hervor.  Sie  entspringen  fast 
in  gleicher  Htdte  mit  den  venIMen 
Ostien.  Bei  den  Juliden  sind  diese 
Arterien  doppell,  da  jede  Kammer 
aus  zwei  ursprünglich  getrennten 
veischmilzt.  Aus  der  vordersten 
Kammer  entspringen  drei  SlSmme, 
deren  mittlerer  (e]  sieb  im  Kopf- 
segmente verbreitet,  wUhrend  die 
beiden  seitlichen  [6]  den  Oeso- 
phagus umbssen.  Aus  ihrer  Ver- 
ein^ng  bildet  sich  ein  grosserer, 
dem  Baucbmarfce  aufli^nder 
Summ,  der  wie  bei  den  Scorpionen 
bis  inm  letzten  Ganglion  der 
BaucbkeUe  verlauft  und  zahlreiche 
Aeste absendet.  Von einemVenen- 
systeme  scheint  keine  Spur  vor- 
handen zu  sein .  und  in  dem 
Mangel  eines  Pericardialsinus  zei^jt  sich  an  «lern  ganzen  Appanil«  eine 
Nischfonii  des  unler  den  Aravhni<len  auf  Scorplone  und  Araneen  ver- 
lb«tlen  Verhaltens. 


§  230. 

Der  Circulalionsapparal  der  Insecien  zeigt  im  Ven;Ieiche  mit  den 
andern  Tracheaten  die  grtissle  Reduction.  Er  beschrilnkl  sich  nur  auf 
das  als  RUckengefüss  bezeichnete  Herz  und  eine  davon  ausgehende 
y^rlüngerung  als  Ktirperarlerie.  Das  im  Abdomen  liegende  Herz  wird 
durch  FlUgelmuskeln  (Pig.  lil.  m]  an  die  l.eiheswnnd,  zuweilen  auch 
bei  Husciüenlarven}  an  Tracheen  bt'fesligl.  Es  l>esitzt  eine  bei  Larven 
iiusserlicfa  oft  sehr  wenig  deutliche  Theilung  in  Kaniinerabschnitle  mit 
■netamercr  Bedeutung,  theils  durch  die  Anordnung  jener  Hudeln,  thells 
durch  die  Lagei'ung  der  spnllßirmigen  venüsen  Osiien  ausgedrückt.    Die 

Fig.  1(0.  Kopt  und  iwel  Kürper^tngmpnlc  van  Scolopendrn  roll  dem  vur- 
■lersten  AbHchnitlc  iles  BlulKe(Biig8ysl«ms.  C  Knpf.  G  Olit-re»  Sclilundfiantdion. 
0  Augen.  M  Unndilieln.  A  Anlennen.  A'  Kiinimern  des  Hmens,  ui  FlÜttel- 
nutkeln,  o  VenöM  Ostleo.  a  Laterale  Arterieo,  b  Arlerien bogen,  c  Kopftiieri«. 
.NKb  NiwroKT.) 

a«f(mkHr.  OnidriM.  S1 


sts 


Arthropoden 


SchwanVungfn  in  der  Zahl  dieser  Knmnirm  sind  nicht  sehr  hotiputfiid, 
ht^i  den  mmton  stellt  sie  sich  nuf  nebt,    sehr  seilen  sich  darüber  er- 
hehend,    hliuß^cr'  darunter  sinkend.     Das  durch  die 
vi„   III  Ostien    in  den  HerEschlauch  aurgenominene  Blut  wird 

durch  die  Knmtnersystole  nnoh  vorn  gotriehon,  ^e- 
langt  somit  von  Kammer  xu  Kammer,  und  von  der 
vord&rsl«n  in  die  Korpnrartorie,  wobei  die  als  Klappen 
fun^irenden  tn  sehen  form  igen  Einstülpungen  der  Ostien- 
riinder  den  Rücktritt  verhindern. 

Die  KOrpemrterie  (Fig.  Hl.  a)  ist  die  unmittel- 
bare Fortsetzung  des  Herzens  und  besilst  einen  mit 
diesem  gleichen  Bau  wenigstens  an  ihrem  hinteren  Ab- 
schnitte. Sie  verlüuft  gerade  nach  vorn  gegen  das 
Gehirn  und  ist  von  da  an  in  ihrem  nüheren  Verhallen 
noch  keineswegs  genau  bekannt.  Ob  eine  für  ein- 
zelne Insecten  angegebene  Verzweigung  des  Vordereodes 
eine  allgemeine  Erscheinung  ist,  bleibt  unentschieden. 
Jedenralls  durchlüuft  das  Blut  sehr  bald  eine  laounüre 
Bahn  zwischen  den-  einzelnen  Oi^nen  in  regel- 
milssigen  Strömen ,  wie  an  durchsichtigen  Inaecten- 
larven  leidit  zu  hcobaclilen  ist,  und  sammeil  sich 
wieder  in  der  Nühe  des  Herzens  zum  Eintritte  in  die  venOsen  Ostien  an. 
Auf  diesem  Wege  sind  die  einzelnen  Bahnstrecken  zuweilen  so  acbarf 
abgegrenzt,  dass  z.  B.  in  den  Gliedmaassen,  geßlssartige  Baume  zu  ent- 
stehen scheinen. 

Indem  die  FlUgelmuskeln  nicht  unmittelbar  an  die  Herzwand, 
sondern  an  besondere  dieser  aufliegende  Zellen  sich  anselien,  und  sich 
zugleich  in  ein  das  Merz  umgebendes  Maschenwerk  verflechten,  ent- 
steht darunter  ein  Hohlraum,   der  einem  Pericardialsinus   ^ihnlich   isl. 


t'ifl.  U<.     Herz   von  Melolontlia.     a   Artei-it 
enlsprioKend.    ni  Flügelniuskeln.     [Nach  BuRiirisiei 


I   der   vordersten   Kanuner 


Sechster  Abschnitt. 


MoUnaken. 

Allgsmeine  Uebersieht. 
§  234. 

FQr  den  Stamm  der  Mollusken  bietet  sich  im  allgemeinen  Ver- 
balten des  Körpers  wie  seiner  Organe  eine  scharfe  Begrenzung  dar. 
Durch  den  Mangel  einer  deutlich  ausgesprochenen  Melamerie  erscheint 
der  Körper  einheitlicher  als  hei  Arthropoden  und  bei  Annulaten  unter 
den  Würmern,  wenn  auch  in  mancherlei  Organen  noch  erkennbare 
Spuren  einer  Zusammensetzung  aus  mehrfachen  gleichwerthigen  Ab- 
schnitten bestehen.  Die  Lagerung  des  centralen  Nervensystems  über 
dem  Schlünde  und  seine  Verbindung  mit  einem  unterhalb  des  letzteren 
liegenden  Ganglion,  welches  niemals  in  eine  Ganglienkette  aufgelöst 
ist.  ergänzt  im  Zusammenhalte  mit  einem,  wenn  vorhanden  stets  dorsal 
gelagerten  Herzen  den  typischen  Charakter  dieser  Abtheilung,  wozu 
endlich  noch  die  allgemein  verbreitete  Entfaltung  von  Schalenbildungen 
kommt. 

Der  Mangel  engerer  Verknüpfung  mit  anderen  Thierstämmen  sowie 
die  selbst  zwischen  den  einzelnen  hier  vereinigten  Classen  bestehende 
Kluft,  findet  in  dem  palaeontologisch  frühzeitigen  Auftreten  der  meisten 
CLissen  der  Mollusken  zureichende  ErklHruno;,  welche  zugleich  die 
gegenwärtig  lebenden  Weichthiere  als  einen  ausserordentlich  kleinen 
Bruchtheil  des  formenreichen  nur  in  wenigen  Abtheilungen  fortge- 
setzten  Thierstammes  erscheinen  lässt.  So  ist  die  Phylogenie  der 
Mollusken  keineswegs  klar  und  nur  die  auf  eine  Metamerie  des  Körpers 
sich  beziehenden  Verhältnisse  der  inneren  Organisation  lassen  eine 
Abstammung  von  gegliederten  Organismen  erkennen,  deren  lel>ende 
Niichkommen  anderntheils  unter  den  Würmern  zu  suchen  sind. 

Die  einzelnen  noch  existirenden  Zweige  des  Molluskenstammes 
lassen  sich  in  folgender  Weise  darstellen: 


324  Mollusken. 

I    Brachiopo(Ja^). 
E  Card  i  n  es. 

Ungulfi, 
Teslicar#4inos. 

Terebrdtula,   Orbicula,   Crama. 

II.   La  inellibranchinta. 
Asiphon  ia. 

Oslrea,  Anomia,  Peclen,  Mytilu^,  Area,  Anodonta,  Unio 
Siplinnia  ta. 

Chama,  Cardium,  Cyclas,    Venus,   Tellina,  Macira,  Solen,  Pholas,  Teredo 

111.   Ceplialophora. 
Scaphopoda. 

Dentalium. 
Pleropotla. 

Th  ecosoma  la. 

Hyalea,  Cleodora,  Chreseis,  CymhuUn,  Tiedemannia. 
Gymn  OSO  mala. 

Pneumodermon,  Clio. 
(i  a  slropoda. 
H  e  l  o  r  o  p  o  d  a -) . 

Atlanta f  Carinaria,  Plerotrachea. 
Opisihnbranchiata. 

Bulla,  GasleropleroHy  Aplysia,  Pleurobranchus,  Polycera,  Doris,  Tri- 
lonia,  Tergipes,  Glaueus,  Aeolis,  PhyUirhoe. 
Pi'osobranchia  ta. 
Cyclobranchiata^). 

Patella,  Chiton, 
C  tenob  ra  nchiata. 

Puludina,   Valvala,  Nerilina,  Buccinum,  Nassa,  Dolium,  Purpura, 
Cassis,  Murex,  Tritoniwn,  Fusus,  Voluta,  Mitra,  Conus,  Olim, 
Strofnbus,  Sigarelus,  Haliolis. 
Pulmonata^). 

Lymnaeus'  Physa,   Planorbis,  Ancylus,    Auricula,  Peronia,   Helix, 
Bulimtts,  Clausilia,  Limax,  Ar  ton. 


1)  Die  Brachiopoden  bilden  die  divergenteste  Abtheilung  der  Mollusken,  die 
sehr  frühzeitig  sich  abzweigte,  ihre  reichste  Formen tfallung  in  der  SÜurzeit  be- 
sass  und  vielleicht  am  besten  ganz  von  den  Mollusken  getrennt  wird,  um  entweder 
als  selbständige  Abtheilung  betrachtet ,  oder  den  Würmern  zugewiesen  werden. 
Eine  Entscheidung  hierüber  ist  von  der  genaueren  Kenntniss  ihrer  Ootogenese 
zu  erwarten. 

2)  -Die  Ilcteropoden  reihen  sich  duix^h  viele  Verhöltnisse  ihrer  inneren  Orga- 
nisation den  Ctenobranchiaten  an,  und  können  nur  unter  der  allerdings  begründ- 
baren Voraussetzung,  dass  auch  die  Opislhobranchiaten  aus  den  Kammktemern 
nahe  stehenden  Formen  sich  differenzirten ,  als  eine  selbstöndige  Gastropoden- 
gruppe  betrachtet  werden. 

3)  Die  beiden  als  Cyclobranchiatcn  vereinigten  Gattungen  sind  streng  genom- 
men Repräsentanten  selbständiger  Gruppen,  von  denen  die  Chitonen  sogar  den 
Frosobranchiaten  gleichwcrthig  gelten  müssen. 

4)  Die  Pulmonaten  erscheinen  als  die  am  spätesten  von  den  kiementragendeo 
'iiastropoden  abgezweigten  Formen,  deren  Organisation  unter  Verlust  der  Kiemen 
der  Luftathmung  sich  anpasste. 


Uleratnr.  3^5 


IV.  Cephalopoda  i). 

Tetrabraiichiata'fi. 

Dibranchiata'j. 
Decapoda. 

Spiruia,  Sefia,  Sepiola,  Loligo. 
Octopoda. 

OclopuM,   Tremociopus,  Eledone,  Argonauta. 


Literatur. 


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toire  et  ä  Tanatomie  des»  Mollusques.  Paris  1817.  ~  Van  Bemkokn,  Exer- 
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Yoyagc  de  J'Aslrolabe.  Zoologie.  —  Delle  Cuiaje,  De!>criziono  e  notomia 
degli  animalt  invertebrali  della  Sicilia  citcriore.    Napolt  484  4  —  44. 

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Denkschr.  der  schweix.  Gesellsch.  f.  d.  gesammle  Natui*wiss.  Bd.  VII. 
4842.  — UuzLET,  Ann.  and  Mag.  Nal.  hist.  4854.  —  Gratiolet,  Jounial  de 
Conchyliologie  4857.  60.  ->  A.  Hahcoce,  Phil.  Transact.  4858.  — Lacaze- 
DuTHiBRs,  Sur  la  Thecidie.   Ann.  sc.  nal.  IV.  xv. 

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anatome.  III Tom.  4794 — 4795.  —  Bojamus,  lieber  die  Alhem-  und  Kreis- 
laufwerkzeoge  der  iwetschaligen  Mu^eheln.  Isis  4849.  4  8S0.  4827.  — 
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On  the  anatomy  of  the  lamellibranchiate  Conchifera.  Transact.  zooIog. 
Soc.  London.  Vol.  11.  4844,  —  Quateefages,  Anatomie  von  Teredo.  Ann. 
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—  Kebee,  Beiträge  zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Weichlhiere.  4  854. 

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—  v.  llESfLiKG,  Die  Perlmuscheln.  Leipzig  4859.  —  Lagaze-Dutuiees, 
Anatomie  von  Anomia.  Ann.  sc.  nat.  IV.  ii.  —  L.  Vaillant,  Sur  la 
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Cephaloj^liorexi:  Noedmann,  Monographie  des  Tergipes  Edwardsii.  M^m.  del'Acad. 
Imperiale  de  St.  Pötersbourg.  IV.  4848.  —  Quateefages,  Memoire  sur  les 


4}  In  manchen  Organisationsverhältnisaen  geben  die  Cepbalopoden  eine  Ver- 
waadlschafl  mit  den  Pteropoden  kund,  doch  kann  diese  nur  als  eine  sehr  ferne 
aafgefasst  werden. 

3)  Den  nur  durch  eine  noch  lebende  Galtung  repräsenllrten  vierkiemigon  Ce- 
phalopoden  gehört  die  Mehreahl  der  fossilen  Formen  an,  und  zwar  jene,  welche  als 
die  ititesten  ersdieinen  (Gambrisehe  Schichten).  Die  Gallongen:  Orthoceratites, 
Lttnites,  Clymenia,  Goniatites,  Ceratiles,  Amroonites,  Turrilites  sind  als  Repräsen- 
tanten dieser  ausnehmend  reich  enlfallelen  Abiheilung  hervorzuheben. 

8)  Die  später  entwickelten  Dibranchiaten  umfassen  die  höheren  Formen,  denen 
die  überwiegende  Mehrzahl  der  lebenden  Cephalopoden  angehört.  Fossile  Formen 
reprttsentinsn  die  Belemnitiden. 


326  Mollusken. 

Gasleropodes  phlebenl^res.    Ann.    sc.  nai.    III.  i.   1854.    Ferner  iv.  4843. 

—  Aldkr  and  H.^ncock,  Monograph  of  the  brilish  Nudibranchiale  Mol- 
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tomy  of  Eolis.  Ann.  and.  Mag.  of  nat.  bist.  XV.  4845.  — Dieselben,  On  the 
anatomy  of  Doris.  Philos.  Transacl.  4852.  T.  11.  —  Hancock,  Analomy  of 
Doridopsis.  Transacl.  Linn.  Soc.  XXV.  —  v.  Middendobfp,  Anat.  von  Cbi(ou. 
M^in.  Acad.  de  St.  P^tersbourg.  VI.  vi.  1849.  —  Lkydig,  Ueber  Paludioa 
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Pleropoden  und  Ueleropodcn.  Leipzig  1855.  —  Souletet,  Voyage  de  la  Bo- 
nite.  Zoologie.  T.  II.  4853.  —  Bergu,  Bidrag  til  cn  Monographi  of  Marsenia- 
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tomisk  Undersögelsc    of  Piona  allantica.    Vidensk.    Meddelclser   for  4857. 

—  Derselbe,  Anatomisk  Bidrog  til  Kundskab  ora  Aeolidierne.  Danske 
Videnskab.  Selskabs  Skrifter.  4864.  —  Derselbe,  Bidrag  til  en  Monogmphi 
of  Pleurophyllidicme.  Nalurhisl.iTidsskrift.  3  Räkke.  4  Bind.  4866.  — 
Derselbe,  Bidrag  til  en  Monographi  of  Phyllidierne  ebend.  5  Bind.    4869. 

—  Claparede,  Anatomie  und  Ent^ickelungsgcsch.  der  Neritina  fluviatilis. 
Arch.  f.  Anal.  4857.  —  Derselbe,  Beitrag  zur  Anal,  des  Cyclostoma  elc- 
gans.  ibid.  4  858.  —  Lacaze-Duthiers,  Hisfoire  de  Torgantsation  et  du  de- 
veloppement  du  Dcnlale.  Ann.  sc.  nat.  IV.  vi— vii.  4  856  —  4857.  —  Der- 
selbe, Anatomie  du  Pleurobranche.  Ann.  sc.  nat.  IV.  xi.  —  Dei^clbe, 
Anat.  et  rEnibryog^nie  des  Vermets.    Ann.  sc.  nat.  IV.  im. 

Cephalopoden :  Grant,  lieber  Loligop.^is.  Transacl.  zool.  Soc.  4835.  — 
Kerussac  et  d^Orbigny,  llisl.  nat.  generale  et  pari,  des  Moll.  Cephalopodes. 
Paris  4886—4848.  —  Owf.n  ,  Memoir  on  the  Pearly  Nautilus.  London 
4  83S.  —  Derselbe,  Art.  Ccphaiopoda  in  Todd's  Cyclopaedia.  I.  4836.  — 
Valerciehnes,  Nouvciles  recherches  sur  lo  Nautile  flamb^.  Archive»  du 
Museum.  1844.  —  Peters,  Anatomie  der  Scpiola.  Arch.  f.  Anat.  4S43.  — 
Milne-Edwards,  H.,  et  Valenciennes,  Nouv.  obs.  sur  la  circul.  chez  les 
MoUusques.  M^m.  Acad.  des  sc.  T.  XX.  —  Van  der  Hoevek,  Bijdragen 
tat  de  Ontleedkuodige  Kennis  aangaande  Nautilus  pompilius.  Amster- 
dam 4866. 


Korperform* 
§  232. 

Die  Gestaltung  des  Molluskenkörpers  ist  durch  den  Einfluss  der 
von  den  Schalenbildungen  beherrschten  Lagerungsverhitllnisse  vieler 
Organe  auf  die  Körperform  als  eine  so  sehr  uiodificirle  zu  belrachten, 
dass  eine  den  Äusgangspunct  darstellende  Grundform  nur  aus  der  Vor- 
gleichung  früher  Embrypnalzustände  mit  manchen  ausgebildeten  Formen 
erkannt  werden  kann.  Für  die  ersten  drei  Glasson  ei^ibt  sirb  die 
Bildung  einer  wurmartigen  Larvenform,  die  bei  Brachiopoden  sogar 
eine  mehrfache  Segmentirung  besitzt,  und  l)ei  manchen  Pieropoden 
durch  mclirfache  Wimperkranzc  eine  Uhnlicho  äussere  Metamerie  be- 
urkundet. Lamellibranchiuten  und  Gephalophoren  (der  Mehrzahl  nach] 
lassen  an  einem  der  späteren  Oberflliche  des  Kopfes  entsprechenden 
Abschnitte   einen   mächtigen  Wimperkranz  auftreten,    der  späler  voii 


Körparform.  327 

eiDem  besooderen  symiiietribrh  gcslallclen  iappenailigen  ForUatz,  dem 
VeluiQ,  getragen  wird.  Ob  diesem  Wimpcrsc^cl  der  Muscheln  und 
Schnecken  ein  bei  Brachtopodenlarven  beobachtetes ,  auf  einem  den 
Mund  tragenden  Fortsatze  angebrachtes  Wimperorgan  homoJog  ist,  be- 
darf noch  der  Feststellung.  Immerhin  geht  aus  der  Verbreitung  des 
Wimpersegels  in  zwei  sonst  divergenten  Abtheilungen  dessen  primi- 
live  Bedeutung  zur  GenUge  hervor,  und  ist  von  um  so  grösserer  Wich- 
ligkeii  als  wir  in  diesem  Velum  den  auch  bei  vielen  Würmern  die 
gleiche  Stolle  des  Körpers  umsUuniendon  Wimperfcranz  erkennen  (vor^. 
§  103}.  Das  Volum  der  Mollusken  darf  demnach  als  ein  aus  einem 
niederen  Zustande  ererbtes  Organ  heurtheilt  werden. 

Unterhalb  des  Volums  entsteht  die  Anlage  des  zur  Darmhöhle  führen- 
den Mundes,  und  unter  diesem  sondert  sich  ein  Körpertheil  zu  dem 
in  den  einzelnen  Abtheilungen  eine  verschiedene  Rolle  spielenden 
Fusse.  Er  charakterisirt  die  Ventralflifche,  wie  das  Velum  den  Vorder- 
thoil  der  dorsalen  Fläche  ausgezeichnet.  Bei  den  Lamellibranchia- 
ten  tritt  die  Bildung  einer  dorsalen  Schale  der  Fortsetzung  des  Darm- 
rohrs zum  aboralen  Körperpole  nicht  entgegen,  da  die  Schale  sammt 
der  sie  tragenden  Duplicatur  des  Integumentes ,  dem  Mantel,  eine 
vorwiegend  laterale  Ausbildung  nimmt.  Es  wird  daher  eine  vom  Mund- 
pole  bis  zum  Afterpole  ziehende  Hauptaxe  unterscheidbar,  welche  von 
zwei  verschieden  differcnzirten  Nel)enaxen  gekreuzt  wird:  der  dorso- 
ventralen,  und  der  transversalen  oder  Queraxe.  Dem  Körper  kommt 
demgemdss  dieselbe  eudipleure  Grundform  zu ,  die  bei  Würmern  und 
Gliederthieren  herrscht. 

Anders  gestalten  sich  diese  Verhältnisse  bei  den  Gephalopboren, 
deren  dorsale,  mützeniihnlich  geformte . Schale  allmSIhlich  den  grössten 
Theil  des  Körpers  umschliossl,  und  ansser  Kopf  und  Fuss  nur  eine 
kleine  Strecke  der  Oberfläche  des  Leibes  zu  Tage  treten  Icisst.  Daraus 
gehen  vor  allem  asymmetrische  Formen  des  Körpers  hervor  und  der 
aborale  Körperpol  trägt  nicht  mehr  den  After,  der  in  Folge  einer  durch 
die  Gehäusebildung  bewirkten  Krümmung  des  Darmes  eine  laterale 
Lagerung  gewinnt.  Von  da  aus  können  alle  die  mannidifachen  von 
der  symmetrischen  Grundform  abweichenden  Formdifferenzen  des 
Cephalophorenkörpers  beurthoilt  werden. 

In  manchen  Abtheilungen  der  Cephalophoren  kommen  einzelne 
der  vorhin  geschilderten  Vorgänge  nicht  zur  Realisirung,  so  z.  B.  bei 
den  Pulmonaten,  wo  die  Anpassung  an  veränderte  äussere  Lebensbe- 
dingungen manche  von  den  andern  durchlaufene  Stadien  ausfallen  Hess, 
bei  den  Gephaiopoden  ist  sogar  die  gesaihmte  Ontogenie  zusammen- 
gezogen und  es  erfolgt  sofort  die  Anlage  der  definitiven  Körperform, 
an  der  keine  directen  Beziehungen  zu  einer  Grundform  mehr  erkannt 
werden  können.  Es  ist  daher  nur  die  Vergleichung  der  bereits  differen- 
zirten  Theile  mit  denen  der  andern  Mollusken,  woraus  typische  Ueber- 
einstiiuniungen  ableitbar  sind. 


328 


Mollusken. 


In  der  verschiedengradig  ahgeslufton  Ausbildung  des  ursprünglich 
ein  Velum  tragenden  Kopftheiles  des  Körpers,  sowie  des  Fasses  und 
des  mit  der  Schale  verbundenen  Mantels  liegen  die  Facloren  für  die 
Mannichfaltigkeil  der  Forinerscheinungen  des  Molluskenleibes. 


Fig.  4  48. 


§  2A3. 

m 

Unter  den  Brachiopoden  ist  mit  der  Ausbildung  zweier  vom 
Körper  sich  fortsetzender  mit  Schalen  bedeckter  Manteliamellen 
eine  von  den  übrigen  Mollusken  in  so  fern  abweichende  Einrichtung 
gegeben   als  diese  Lamellen   anscheinend  als  dorsal   und   ventral  sich 

darstellen.  Beide  dürften  jedoch  als  ur- 
sprünglich dorsale  gelten,  von  denen  die 
eine  sich  über  den  Vordertheil,  die  an- 
dere über  den  Hinlertheil  des  Körpers 
sich  ausdehnte.  Orales  und  aborales  Kör- 
perende sind  dadurch  nahe  an  einan- 
der gerückt,  dass  die  Ausdehnung  des 
Körpers  in  der  dorsalen  Richtung  vor  sich 
gegangen.  Diese  bedeutende  Modificalion 
steht  mit  der  durch  einen  stielartigen  Fort- 
satz bewirkten  Festheftung  der  Tbiere  ioi 
Zusammenhang. 

Eine  zweite  Eigen thümlichkeit  beruht 
in  der  Ausbildung  der  Arme,  für  welche 
die  Differenzirun^  aus  einem  velumartigen 
Gebilde  bis  jetzt  nur  eine  auf  das  Bestehen  wimpcrnder  tenlakelarligpr 
Fortsätze  zur  Seite  der  Mundöffnung  gegründete  Annahme  ist.  Diese 
bei  Larven  in  geringer  Zahl  vorhandenen  Fortsätze  erscheinen  iui  aus- 
gebildeten Zustande  des  Thiers  als  zahlreiche  Fäden  auf  spiralig  einroll- 
bare Stiele  gereiht,  welche  beiderseits  an  der  MundöQnung  angebracht 
sind,  im  eingerollten  Zustande  werden  diese  Arme  vorn  in  der  Mantel-- 
hoble  geborgen,  und  ihre  Ausstreckung  scheint  durch  eine  Schwellung 
zu  erfolgen.  Sowohl  durch  die  mächtige  Ausbildung  dieser  Arme  wie 
durch  die  Entfaltung  der  Mantellamellen  wird  der  übrige  Körper  auf 
einen  geringem  Umfang  reducirt,  zumal  sonst  im  Uaupttheile  der  Leibes- 
höhle lagernde  Organe  in  die  Mantelräume  sich  einbetten  können.  Durch 
faltenartige  Oberflächen vergrösserung  der  inneren  Blätter  der  Mantel- 
duplicatur,  gewinnt  der  Mantel  eine  respiratorische  Bedeutung  und 
fungirt  zugleich  als  Kieme  (Ecardines). 

Fig.  4  47.  Schema  tisch  er  Mediaoschnitt  durch  einen  Brachiopodon.  d  Dor- 
sale, r  ventrale  Mantelhälfte.  mh  Mantelhöhle,  s  Stiel,  o  MundöfTnung.  v  Magen. 
N  Obere  Scblundganglicn.  Die  die  Montclhohle  ausfüllenden  Arme  sind,  weil  nicht 
OUf  die  Schnitlflöche  fallend,  weggeblieben. 


KörpcrfopiD . 


389 


'%3 


^y 


§  234. 

Eine  untergeordnete  Rolle  kommt  dem  Velum  der  Lamelli- 
branchiatcn  zu,  bei  denen  es  zwar  eine  Zeit  lang  bedeutender  aus- 
gebildet als  Locomotionsorgan  fungirt,  jedoch  keine  sc>lbständige  Ent- 
Wickelung  gewinnt  und  frühzeitig  sich  rilckbildct,  was  wohl  mit  dem 
nidimentitr  gewordenen  Kopfe  in  dieser  auch  als  »Acephalen«  benannten 
Abtheilung  in  Verbindung  steht. 

Dagegen  erlangen  zwei  von  der  DorsalflUchc  her  leleralwiirts  sich 
fortsetzende  Duplicaturen  als  Mantel  eine  bedeutende  Ausbildung, 
umschliessen  den  KOrper  und  sondern  auf  sich  die  Schalengebilde  ab, 
welche  in  Form  und  Umfang  den  Mantellamcllen  entsprechen. 

Zwischen  den  Rändern  des  Mantels  gelangt  man  in  die  als  Athem- 
höhle  fungirende  Mantelhöhle,  in  welche  die  von  der  Körperwand  ent- 
springenden   Kiemen     vorragen  ^ 
(Fig.    U3.    A.  br].     Bei   einer                            Fig.  44S. 
kleinen  Zahl  von  Muschel thieren 
Asipbonia)    ist  dieser  Eingang 
in  die  Mantelhöhlo  eine  ansehn- 
liche   Spalte,     durch     welche 
Wasser  ein-  und  austritt  und 
damit Nahrungsstoflfe  zuführt  und 
Attswurfsstofle  entfernt.  Bei  den 
meisten   Moschelthieren  bestobt 
eine  Verwachsung  der  beidersei- 
tigen Mauleirttnder,*  wodurch  sowohl  ein  mehr  oder  minder  vollkommener 
AbschlubS  des   die  Kiemen   umgebenden  Hohlraumes,    wie   auch   eine 
grossere    R^elmässigkeit    der   ein-   und    austretenden    Wasserströnie 
erreicbt  wird  (Sipboniata). 

Der  geringste  Grad  der  Verwachsung  ISsst  eine  vordere  grössei*e 
und  hintere  kleinere  Oeünung  entstehen  (Mytiliden),  von  denen  erstere 
zum  Durchtrilte  des  Fusses  dient  und  den  Eintritt  von  Nahrungsstoflen 
gestattet,  iodess  letztere,  ihrer  Lage  entsprechend,  die  Fäcalmassen 
entführt,  sowie  das  Wasser  welches  der  Athmung  gedient  hat.  Bei 
anderen  (Ghamaceen)  liegen  hinter  der  vorderen  grossen,  den  Fuss 
durchlassenden  Spalte  noch  zwei  besondere  OefFnungen,  welche  sich 
in  die  Zu-*  und  Ableitung  des  Wassers  thoilen,  eine  Einrichtung,  die 
bei  einer  anderen  Abtheilung  der  Muscbelthicre  einen  höheren  Ent- 
wickelungsgrad  erreicht.  Der  die  bezüglichen  Oeffhungen  umgebende 
Manteltbeil  verlängert  sich  nUmlich  in  förmliche  Röhren  (Siphonen)  und 
geht  damit,  ausser  der  Verwachsung,  noch  andere  ModiGcationen  ein.  Die 
Athemröhren  können  suweilen  durch  getrennte  Mantelparthieen  dai^c- 

Fig.  U3.  Schematische  Darstellung  dos  Verhaltens  von  Mantel  und  Fuss  auf 
senkrechtem  Querschnitte.  A  Bei  Lamellibrancbiaton ,  B  bei  Cephalopboren. 
m  Blantel.    p  Fuss.    br,  Kiemen. 


330  Hollusken. 

slelll  wcrdtn ;  oder  es  bcslelit  eine  üusserlirh  einfache  Alberoröhre, 
welche  nur  innerlich  durch  eine  Scheidcwiiiid  in  £wci  CHnüle  gelrcnnl 
wird  (Kig.  Jil.  Ir] ;  odur  beide  Zustünde  üiiid  combinirl;  endlich  kommeo 
zwei  vollsUindiggelreniilti  Röhren  vor,  eine  obere,  an  ihrer  inncrcD  MUn- 


dung  der  Aflerötl'nunj^  gctjentlber  gclagerle,  zur  Enllcerung  des  Wassers 
dienende,  und  eine  untere,  welche  die  Einfuhr  von  Wasser  besorgt.  KUr 
die  Regclmüssigkeit  der  Zu-  und  Ableitung  dicnl  die  Winipoi-uuskleidung. 

Durch  diese  Formen  hindurch  gelangen  wir  zu  jenen,  bei  donen 
der  VcrschlusE  der  Athcnihifhle  iini  vollständigsten  und  die  Rtibren- 
bildung  des  Mantels  am  meisten  entwickelt  ist.  Dies  wird  von  einer  Ver- 
kleinerung der  dem  Fussc  zum  Austritt  dienenden  Hantcispall«  b<%)«tet. 
Die  letztere  ist  betrilchtlich  enger  geworden  und  eine  ziemlich  weil«  Stracke 
von  den  AtbomrOhron  entfernt,  so  dass  der  grdsste  Theil  des  Mantel- 
randcs  verwachsen  ist,  und  der  Köritcr  des  Thieres  demzufolge  sack- 
förmig ersclicint  [Bohrmuscheln].  Die  Oeffnung  zum  Durchtritlo  des 
Fusses  belindt'l  sich  am  vorderen  Ende,  die  beiden  Athoniröhren  sind 
am  on (gegen gesetzten  KOrperthotle  angebracht,  und  setzen  sich  in  beson- 
dere Abtfaeilungen  der  Hanlelhtthle  fori,  welche  durch  eine,  einen  oberen 
kleineren  und  unteren  grösseren  Haum  trennende  Scheidewand  gebildet 
werden.  Das  dem  letzteren  duitth  die  einleitende  Rttbre  zugefUhrte  Wasser 
durchströmt  die  Kiemen  und  tritt  durch  deren  Spaltöffnungen  in  die 
KiemenfScher  oder  den  Intraforanchialraum,  aus  welchem  es  in  die  obere 
Abiheilung  der  Hantelhohle  gelangt,  in  welche  auch  der  After  sich  Öffnet. 

Der  Mantelrand  ist  haulig  der  SiLz  besonderer  Differenzirungen,  die 
vorzüglich  in  Gestalt  von  tentakelartigen  Fortsützen  auftreten,  und  tu- 
weilen  von  ziemlicher  HüchUgkeit  sind. 

Die  zweite  Sondurung  des  Lamellibranchiatenkfirpera  tindet  ao  der 
ventralen  Fläche  statt  und  ftlbit  zur  Ausbildung  eines  muskullsen  vom  * 
übrigen  Kfirper  in  verschiedenem  Maasse  gesonderten  Fusses  (Fig. 
143.  A  p,  ^i^.  p),  der  aus  der  Manlelspalle,  bei  einigen  in  bedeuten- 
der Lunge  hervorgeslreckt  werden  kann.  Er  ist  dünn  beilfürmig  oder 
keuleniihnlich  gestallet  und  fungirt  als  Locomolionsorgan.  Die  beiden 
Fig.  Itt.  SeiUicbe  Ansicht  der  Hantelhähle  einer  Uactra  oach  Enirernaog 
der  rechten  Haiilellamelle.  br,  br'  KiuinenblHtler.  I  Tentakel,  la,  Ir  Slphoaeo. 
mt  Vorderer,  mp  blDtorer  Schlicsamuskel.     f  Kuiis.     c  Sctilo»s  der  S^alc. 


Körperform. 


331 


von  der  Seite  kooimenden  Flüchen  des  Fusses  laufen  gewöhnlich  in 
eine  mediane  Kante  aus,  doch  besteht  bei  einigen  an  letzterer  Stelle 
eine  ebene  Fläche  als  Sohle. 

Viele  Muscbolthiere  leben  unter  Verhältnissen,  welche  eine  Benutzung 
dieses  Organs  ausschliessen  und  deuigeniäss  es  sich  rttckbilden  lassen, 
wie  die  festsitzenden  Austern  und  Anoniien ,  oder  die  Kamniniuscbeln, 
den*n  Looomotion  durch  Actionen  des  Blantels  und  seinen  Schalen  ausgeführt 
wird.     Andere  Modiflcatioucn  erleidet  der  Fuss  bei  den  Bohrumschcln. 

§  235. 

Das  Velum  erlangt  die  grös8te£ntEallung  bei  den  Cephalophoren 
und  fehlt  nur  jenen,  deren  erste  Jugendzuslände  einer  freien  Lehens- 
weise entzogen  sind,  z.  B.  die  Pulmonaten.  Bei  den  meisten  Pteropoden, 
und  Gastropoden  gestaltet  es  sich  zu  einem  ansehnlichen,  nicht  selten 
in  symmetrische  Lappen  ausgedehnten  Organe  (Fig.  145.  ABCv], 
welches  bei  einzelnen  Ctenobranchiaten  sogar  noch  längere  Zeil  fort- 
besteht und  dem  Körper  damit  die  Fortdauer  der  Schwimmbewegung 
sichert  (Maogillivraya). 

Mit  der  Ausbildung  eines  Volums  verbindet  sich  die  Sonderung 
eines  Kopfes,  an  dessen  oberer  Fläche  das  Velum  sich  entfaltet,  und 
d^r  nur  unter  den  Pteropoden  bedeutende  Rückbildungen  eingeht. 

Der  Mantel  erhebt  sich  wie  bei  den  I^niellibranchialcn  als  eine 
die  Dorsalfläche  umsäumende  Falle  und  lässt  auf  seiner  Oberfläche  die 


Schale  hervorgehen.  Indem  dieses  von  der  Mantelduplicatur  umsäumte 
porsalfeld  des  Körpers  mit  der  zum  Gehäuse  sich  ausbildenden  Schale 
immer  weiter  sich  ausbuchtet,  stellt  es  allmählich  einen  Blindsack  vor, 
der  nach  und  nach  den  grOsslcn  Thcil  der  Eingeweide  beherbergt 
'Eingeweidesack] ,  und  dieselben  somit  unter  den  dirccten  Schutz  des 
Gehäuses  gelangen  lässt.  Mit  weiterer  Ausbildung  hebt  sich  die  Mantel- 
duplicatur freier  vom  Körper  ab,  und  lässt  unter  sich  einen  weiteren, 

Fig.  449.  Lanren  voo  Cephalophoren.  A  von  einem  Gasteropoden. 
B  Späteres  Stadium.  C  von  einem  Pteropoden  (CymbaliaJ.  v  Velum.  c  Schale, 
p  Fttsa.    Dp  Deckel,    I  Tentakel. 


333  Mollusken. 

die  hervorsprossenden  Kiemen  bergenden  Raum  entstehen ,  homolog 
der  Kienienhöhle  .der  Muschelthiere  (vergl.  Fig.  113.  AB),  Diese 
Kiemenhöhlc  der  Cephniophoren  und  die  mit  ihrer  Genese  zu- 
sammenfallende Cntrallung  des  Mantels  schlägt  sehr  divergente  Rich- 
tungen ihrer  Ausbildung  ein.  Den  einfachsten  Befund  bieten  die  Cyclo* 
branchiaten,  deren  Kiemenhöhle  durch  eine  seichte  auf  i>eiden  Seiten  des 
Körpers  gieichmässig  entwickelte  Mantelfurche  reprüsentirt  wird*.  Die 
Ausdehnung  des  Dorsalfeldes  mit  der  Entwickelung  des  Gehäuses  ver- 
bindet sich  mit  einer  Vertiefung  der  Kienienhöhle,  welche  nicht  mehr 
gleichmüssig  in  der  Mantelfurche  liegt,  sondern  sich  an  einer  bestimmten 
Stelle  weiterbildet  und  gleichfalls  unter  den  Schutz  des  Gehäuses  ge- 
langt. Diese  Stelle  liegt  bald  unter  einem  hinteren  bald  unter  einem 
vorderen  Abschnitte  des  Mantels;  ersteres  bei  Pteropoden  (Fig.  445.  C), 
letzteres  bei  den  meisten  Gasteropoden  (Fig.  145.  B)  wie  bei  den  Ueto* 
ropoden.  Die  durch  das  Auftreten  von  Gehäuse- Windungen  bedingte 
Asymmetrie  gibt  der  Kiemenhöhle  der  Gasteropoden  eine  meist  einseitige 
Lagerung,  welche  als  eine  Anpassung  an  die  durch  den  bezüglichen  Tfaeii 
der  Schale  gebotene  grössere  Räumlichkeit  sich  darstellt.  In  vielen  Fällen 
ist  für  diese  einfache  Kiemenhöhle  die  Entstehung  aus  einer  paarigen  auf 
beide  Körperseiten  vertheiilen  Räumlichkeit  nachzuweisen,  wodurch 
Verknüpfungen  mit  dem  erst  erwähnten  Zustande  möglich  sind. 

Von  diesem  Verhallen  leiten  sich  sowohl  Reihen  von  Rückbildungen 
wie  auch  Reihen  von  Ausbildungen  ab.  Die  letzlern  sind  grossen 
Theils  DifTcrcnzirungen  des  Mantelrandes,  die  mit  der  Function  der 
Kiemenhöhle  in  Connex  stehen.  Ein  Thcii  des  Mantelrandes  wächst 
in  eine  der  Zuteilung  von  Wasser  dienende  Rinne  aus,  und  kann  durch 
Uebereinanderschlagen  der  Ränder  in  eine  Röhre  sich  umwandeln,  wie 
wir  sie  als  Sipho  bei  vielen  meerbewohnenden  Kammkiemen  an- 
treßcn  (Buccinum,  Dolium,  Harpa,  Tritonium,  Murex  u.  a.).  Ein  auf 
ähnliche  Art  gebildeler  zweiter  Sipho  von  geringerer  Ausdehnung  be- 
steht meist  am  entgegengesetzten  Ende  der  Kiemenhöhle  und  ist  zur 
Ausfuhr  des  Wassers  bestimmt.  Mancherlei  andere  Fortsatzbildungen 
(z.  B.  bei  Strombus,  Pterocera)  sowie  tenttikelartige  Anhänge  bedingen 
neue  Gomplicationen. 

Rückbildungen  des  Mantels  ergeben  sich  wieder  im  Zusammen- 
hange mit  Rückbildungen  der  Schale.  Am  meisten  greifen  sie  in  der 
Abiheilung  der  Opislhobranchialen  Platz,  von  denen  ein  Theil  mit 
sehr  verschiedcngradig  rudimentären  Schalen  ausgeslattet  ist,  ein 
anderer,  wie  z.  B.  die  Aeolidier,  derselben  im  ausgebildeten  Zustande 
vollständig  entbehrt.  Da  bei  allen  diesen  schalen  tragende  Larvenstadien 
vorkommen,  der  Verlust  der  Schale  also  sogar  erst  während  der  Onto- 
genese erworben  wird,  so  müssen  auch  die  später  nackten  Opistho- 
branchiaten  von  schalentragenden  Formen  abzuleiten  sein.  Die  Larven- 
schale  und  die  damit  wenn  auch  gering  ausgebildete  Mantelfidte  stellen 
somit  als  rudimentäre  Organe  dun  nackten  Opisthobr^nchiaten  ein  Zeug- 


Kdffflvfom«  333 

niss  für  die  mit  den  Prosobranehiaten  gemeinsame  Abstammung  aus. 
Wo  solche  Scbalennidimente  auch  dem  ausgohildcten  Thiere  noch  zu- 
kommen, werden  sie  in  ähnlicher  Weise  zu  beurtheilen  sein,  als 
rQck^bildele,  und  nicht  als  erst  in  der  Ausbildung  begriffene  Gehäuse, 
denn  wieder  die  Vergleiohnng  mit  den  Larvenformen  Ifisst  da  das 
GehSose  in  viel  höherer  Bedeutung  erkennen  als  es  im  Rudimente  des 
ausgebildeten  Zustandes  jener  Organismen  erscheint,  und  ebenso  trifft 
sich  die  Lage  des  Afters  wie  der  Kiemen  in  einem  nur  aus  einer 
mächtigeren  Gehausebildung  erklärbaren  Verhältnisse. 

Die  Reihe  der  Rückbildungen  zeigt  sich  auch  innerhalb  kleinerer 
Abtheilungen,  so  bei  den  Heteropoden,  unter  denen  Atlanta  mit  aus* 
[i;ehildeler  Schale  und  entwickeltem  Hantel  erscheint,  die  beide  bei 
Carinaria  rudimentär,  und  bei  Ptei*otrachea  völlig  geschwunden  sind. 
Aehnliche  Reihen  von  Rückbildungstadien  finden  sich  auch  bei  den 
Pulmonalen  repräsentirt. 

Bedeutend  umgestaltend  auf  die  Kürperform  wirkt  die  diver* 
gente  Ausbildung  des  Fusses  ein.  Derselbe  erscheint  bei  den  Larven 
der   Pteropoden   und    der  Ga* 

steropoden  unterhalb  des  Mun*  Fig.  U6. 

des  als  ein  kurzer  konischer 
Fortsau  (Fig.  U5.  A.  pj,  der 
sich  meist  etwas  verbreitert  und 
dann  auf  seiner  hintern  dorsalen 
Fläche  einen  die  Mündung  des 
Gehäuses  verschliessenden  Deckel 
als  sdialenartiges  Abscheide- 
prodttct  trägt.  Unter  Volums- 
zunahme besonders  in  aboraler 

Richtung,  gestaltet  er  sich  bei  Gasteropoden  zu  eiAem  meist  mit  breiter 
Sohlfläche  ausgestatteten  Gebilde,  von  welchem  die  Bezeichnung Fuss  ent- 
nommen ward  (Fig.  445.  B).  Bald  ist  er  mehr  in  die  Länge  gestreckt, 
bald  mehr  scheibenfbnnig  gestaltet.  Bei  den  meisten  Gasteropoden 
kommt  dem  Fusse  nur  an  seinem  Sohlenrande  eine  scharfe  Umgrenzung 
zu.  Die  darüber  befindliche  KOrperoberfläche  zieht  sich  bei  manchen 
Prosobranchiaten  (Fig.  167.  p)  und  vielen  Opisthobranchiaten  in  einen 
sauniartigen  Rand  aus  (Epipodium) ,  der  schon  dadurch,  dass  er  auch 
den  Kopf  mit  umlasst,  vom  Hantel  verschieden  sich  darstellt.  Selbst- 
ständiger  sondert  sich  am  Fusse  der  Heteropoden  ein  Abschnitt  der 
als  senkrecht  stehende  Flosse  die  Bauchseite  des  Tbieres  einnimmt. 
Dieser  »Rielfussa  repräsentirt  den  vorderen  und  mittleren  Abschnitt 
(Pro-  und  Hesopodium)  jener  Strecke,  welche  bei  den  meisten  Gaste- 
ropoden zum  Fusse  umgebildet  ist,   indess  der  hintei'ste  (Metapodiumj 

Fig.  446.  Schematische  Daratellung  des  Verhaltens  von  Mantel  und  Fuss  auf 
MDkrecbtem  Qaerdurchachnilt.  A  bei  LjimeinbraDckiialen,  B  bei  Cephalophoren. 
m  Manlel.    p  Fuss.     br  Kiemen. 


3S4 


.  HollHtfcen. 


Theil  Aoa  finslfropodcnfuNses  dem  tlbrifton  Kiirper  der  Holeropoden  sich 
aDBchlicsst  und  bei  Atlnnlü  auch  einen  Deckel  Iritftl.  Die  mtuknlOiie  Sohle 
des  Gasleropodenfusses  ist  dubei  auf  ein  sau^^napftirliges  Gebilde  reducirt, 
wdlohe.s  bei  den Plerotracbeen  nur  dem  männlichen  Gesclilechte  zukommt. 
Noch  bedeutender  sind  die  Uodificnlionen  des  Fusses  der  Plnv— 
poden.  Der  in  den  ersten  l.nrvenstndien  in  derselben  Weise  wie  l>ei 
den  flbrigen  Cephalophoren  nn^elef^le  Fuss  enLwickelt  bei  den  Cym- 
bulioen  und  Hyaleen  einen  medianen  und  zwei  lal«rnle  Tfaeile  (vergl. 
Fij^.  145.  C.  pp) ,  von  denen  der  er$Iere  dem  Fussende  der  Gastero- 
poden,  die  letzteren  dagegen  dem  vordem  und  milllem  Fussabschnilte 
der  Gasteropoden  oder  der  Flosse  der  Keteropoden  entsprechen.  Wah- 
rend der  mediane  Abschnitt  bei  den  Hyaleen  sich  rUckhildet,  ent- 
wickeln sich  die  lateralen  Lappen  zu  zwei  grossen,  den  rudimentären 
Kopf  wie  Flügel  umfassenden  Flossen,  und  bei  den  Cymbulieen  ftehl 
auch  der  mediane  Lappen  eine  Weiterbildung  ein.  Er  verschmilzt  bald 
nur  an  der  Basis  (Cymbulia),  bald  in  der  ganzen  Lunge  iTiedemanniaj 
mit  den  beiden  seillichen,  und  daraus  gehen  die  ansehnlichen  Flossen 
dieser  Thiere  hervor. 

§  236. 

Bei  den  Cephalopoden  erscheint  die  bedeutendere  Ausbildung  des 
Kopfes  als  eine  wichliiie  F.iftenlhUmlichkeit  der  KUrperform,  bei  wel- 
cher der  Mantel  allgemein  in  anderen 
Beziehungen  zu  der  von  ihm  umschlosse- 
nen Mantelhohle,  als  bei  den  meisten  Ce- 
phalophoren  siebt.  Wie  bei  den  Pteropoden 
nimmt  die  von  einer  Manlelduplicnlur  übei'- 
wölbte  CaviUK  den  hinteren  Tberl  des 
Rückens  ein,  bildet  also  Jene  KSi-peiparlie, 
die  gewöhnlich  als  Bauchfläche  beieichnol 
wird.  Um  diese  Verhältnisse  sich  zu  ver- 
anschaulichen ,  muss  man  das  Thier  in  einer 
Stellung  sich  denken,  in  welcher  das  ab- 
orale Ende  aufwärts,  der  Kopf  dagegen 
nach  vorne  und  abwärts  gerichtet  ist. 
;\'en{l.  nebenstehende  Fig.  147.)  Der  j£(^ 
sammle  Über  dem  Kopfe  beßndliche  Kör- 
per wird  dann  dem  Rücken  der  Cepliiilophoren  entsprechen.  Der  Hantel 
setzt  sich  vom  Kopfe  bald  durch  eine  ringsum  laufende  Falte  ab  (Sepjn^ 
bald  geht  diese  Manlelfalle  an  der  Seite  des  Nackens  glatt  ins  Inle- 
gumenl  des  Kopfes  Ober  (Octopus; ,  so  dass  der  Mantel  nur  .soweit  er 
die  Hantelhithle  überragt,    ols  eine  Duplicatur  sich  darstellt.     Seilliehe 

FiR.  1(7,  Schi'mn tische  DnistelliinK  für  dns  Verlisllei)  iles  Manlfls.  A  l>ei 
Pleropiiden  und  B  bri  Ceplialopodi^n.  c  Kopf,  p  Uediiner  Tliell  des Fb^sm- 
tr  DarDtcanal.  br  Kienion.  p'  Tricliler.  Bei  A  Andeuloogen  das  KoptlMea,  be* 
ff  AndeuluDKen  der  Arme. 


Vif..   1*7. 


Körporform, 


335 


FiR.  149. 


Fig.  450.] 


Forts^tie  dieses  Mantels^   bei  Fig.  448. 

den  Sepien  meist  schmal,  aber 
in  der. ganzen  lünge  vorhan- 
den, bei  den  Loliginen  brei- 
ter, jedoch  nur  aufs  hintere 
[resp.  aborale)  Ktirperende  be- 
schränkt, fungiren  als  Be- 
wegungsorgane (Flossen). 

Sowohl  die  Bildung  der 
Mantelhöhle  als  auch  die  Lage 
des  Afters  lässt  schliessen,  dass 
diese  Gestaltung  aus  dem  ur- 
sprünglichen Besitz  einer  den 
ganzen  Mantel  bedeckenden 
Schale  hervorging,  wie  denn 
auch  die  gehüusetragenden  Ce- 
phalopoden  allgemein  als  die 
älteren  Formen  sich  darstellen, 
und  in  der  ausserordentlichen 
Divergenz  der  Gehijuseformen 
eine  sehr  weit  zurückliegende 
Entstehung  dieses  Gebildes  an- 
nehmen lassen. 

Weniger  deutlich  als  der 
Mantel  lassen  sich  einem 
Fusse  homologe  Theile  nach- 
weisen. Vielleicht  dürfen  die 
den  Kopf  der  Cephalopoden 
auszeichnenden  Gliedmaassen 
hieher  zählen  (Ten takel.  Arme), 
die  aus  einem  Abschnitte  der 
Embryonalanlage  hervorgehen, 
der  in  seiner  Lagerung  zu  an- 
deren Körpertheilen  einem  Ce- 
phalophorenfusse  entspricht. 
(VergL  Fig.  U8  — 152.) 

Fig.  448 — 459.    Entwickelungsstadten  von  Sepia.     (Nach  Kölliier.) 

Fig.  448.  Embryonalanlage  auf  der  Keimsclieibe.  a  Augen,  6  Kiemen, /Trichtcrwulst. 

Fig.  4  49.  Etwas  älterer  noch  auf  dem  Dotter  aufliegender  Embryo  von  vorne,  ge- 
rieben. 0  Mund,  a  hinterer  Kopflappen  mit  dem  Auj?e  o';  /'vorderer  Kopf  läppen ;  r  Dotier. 

Fig.  4  50.  Späteres  Stadium  in  fteillicher  Ansicht;  4—4  Anlagen  von  4  Armen, 
♦  Trichlerknorpel. 

Fig.  454.  Noch  späteres  Stadium  von  vorne.  5'  Fünftes  Paar  der  hier  all- 
mählich nach  vorne  gerückten  Arme  (vergl.  hierzu  vorige  Figur.) 

Fig.  453.  Aelterer  Embryo  in  seitlicher  Ansicht.  Der  Körper  hat  sich  bedeu- 
tender vom  Dotter  abgehoben,  und  die  Trichterhälften  haben  sich  vereinigt. 


Fig.  454. 


Fig.  4  52 


336  Mollusken. 

Ein  zweites  wenigstens  in  seiner  Lagerung  am  Körper  einige 
Verwandtschaft  mit  dem  Cephalophorenfusse  ergebende  Organ  ist 
der  Trichter.  Bei  Nautilus  wird  es  aus  zwei  von  der  Venlral- 
llaehc  unter  dem  Kopfe  entspringenden  f.ameilen  gebildet,  die  ttber 
einander  gerollt  eine  aus  der  Mantelhöhle  vorragende  Röhre  vorstellen 
(Fig.  154.  /].  Bei  den  Dibranchiaten  erscheint  dieses  Organ  nur  in 
der  Anlage  (Fig.  148  — 152.  f)  aus  zwei  seillichen  Abschnitten  zu- 
sanunengesetzt,  die  in  dem  Räume  zwischen  Mantel  [m]  und  Armanlagen 
auftreten.  Durch  Gegcneinanderwachsen  und  allmähliche  Goncrescenz 
entsteht  eine  ähnliche  aber  abgeschlossene  Röhre  [Fig.  153.  t,  457.  g). 
Diese  muskulösen  Trichlerbildungen  stehen  bei  der  Ortsbewegung 
in  Function,  indem  der  gleichfalls  muskulöse  Mantel  sich  dann  an  den 
Umfang  des  Trichters  legt,  und  durch  krüftige  Gontractionen  das 
zwischen  Trichter  und  Mantelrand  in  die  Mantelhöhle  tretende  Wasser 
austreibt,  wird  durch  den  ausgestossenen  Strom  ein  das  Thier  in  aboraler 
Richtung  forlbewegender  RUcksloss  hervorgebracht. 


Qliedmaaaaen. 
§  237. 

Die  Entfaltung  eines  Kopftheiles  steht  auch  l)ei  den  Mollusken  mit 
der  Sonderung  von  tc>ntakelai-tigen  Gliedmaassen  in  engem  Zusammen- 
hange, und  wenn  auch  bei  den  Brachiopoden  mit  der  Entfaltung  von 
Mantel  und  Schale  ein  Kopf  keine  Rolle  mehr  spielt,  sind  doch 
während  des  Larvenstadiums  die  spUter  so  miichtig  entfalteten  Arme 
als  Anhangsgebilde  eines  Kopftheiles  aufgetreten.  Sie  stellen  die  ein- 
zigen Gliedmaassen  vor,  die  jedoch  bei  dem  Festsitzen  der  Thiere 
keinerlei  locomotorische  Bedeutung  haben,  sondern  vielmehr  theils  zum 
Herbeischaffen  der  Nahrung  theils  als  Kiemen  für  die  Respiration  in 
Function  stehen. 

Bei  den  Lamellibranchiaten  sind  lappenförmige  Anhange 
(Fig.  H4.  /;  (sogenannte  Mundlappen}  am  völlig  rudimentären  Kopfe 
angi!)ra(lit,  vielleicht  den  bedeutender  entfalteten  Tentakeln  homolog, 
welche  bei  den  Cephalophoren  den  Kopftheil  auszeichnen'.  Wie  bei 
vielen  PlaltwUrmern  stellen  sie  im  einfachsten  Zustande  wenig  vor- 
ragende, aber  bedeutende  Differenzirungen  eingehende  Körperfortsittze 
vor.  Bei  den  Prosobranchiaten  sind  sie  wie  bei  den  Ileteropoden 
meist  auf  zwei  beschränkt,  und  nehmen  ihre  Entstehung  auf  der  vom 
Velum  umsHumten  Flüche  (vergl.  Fig.  145.  B.f).  Bei  vielen  liegt  das 
Auge  an  der  Fühlerbasis,  die  sogar  zu  einem  besonderen  Fortsalze  sich 
ausbilden  kann.  Daran  schliessen  sich  die  Pulmonalen,  deren  Seh- 
organe bei  vielen  gleichfalls  auf  einen  von  den  Tentakeln  sich  son- 
dernden Augensliel  tritt,  der  mit  dem  Erlangen  grösserer  Selbstündigkeit 
bei   Helix ,     Limax  u.    a.    wie  ein  zweites  Tentakelpaar   sich  darstellt 


GliedmaaMen.  837 

Ein  besonders  hoch  entwickeltes  Fühlerpaar  zeichnet  die  Opisthobran- 
chiaten  aus  (Fig.  155.  / /) ,  aber  dazu  treten  noch  neue  tentakelartige 
Kopfanhange y  welche  für  die  einzelnen  Unterabiheilungen  in  Zahl  und 
Anordnung  charakteristisch  sind. 

Unter  den  Pteropoden  erscheint  eine  bedeutende  Tenlakelentfaltung 
bei  den  Gyronosomalen  von  denen  Pneumodermon  sogar  noch  Saug- 
näpfe  an  seinen  zwei  retractilen  TentakeJn  Ir^gt.  Grosse  Rückbildungen 
gehen  bei  den  Thecosomaten  vor  sich,  indem  die  hier  zu  Flossen  um- 
gebildeten Theile  des  Fusses  weit  über  den  rudimentären  Kopf  ausge- 
dehnt die  Entfaltung  von  Fühlern  verhindern  oder  nur  auf  unansehn- 
liche Fortsätze  beschranken.     Ganzlich  fehlen  sie  liei  Chitonen. 

§  238. 

Für  die  Cephalopoden  sind  zahlreiche  jederseits  in  reihen- 
weisen Gruppen  auf  lappenartigen  Fortsätzen  sich  erhebende  Tentakel 
am  Kopfe  der  Telrabranchiaten  bemerkenswerth.  Von  diesen  Gebilden 
scheinen  weniger  die  Tentakel  selbst  als  die  sie  tragenden  Platten  den 
Armen  der  Dibranchiaten  homolog  zu  sein,  wobei  dann  die  Tentakel 
den  auf  den  Dibranchiaten -Armen  entwickelten  Saugnapfbildungen 
entsprachen.  Zehn  Arme  zeichnen  die  Loliginen ,  Sepien ,  Spirulen 
aus.  Zwei  längere,  auch  sonst  von  den  andern  verschieden  gebaute 
Anne  stehen  dabei  ausserhalb  des  von  den  andern  acht  gebildeten, 
den  Mund  umstellenden  Kreises,  und  treten  aus  dem  Grunde  seitlich 
am  Kopfe  sich  herabsenkender  Taschen  hervor.  Die  bei  Octopoden 
nur  zu  acht  vorkommenden  Arme  sind  wie  die  acht  gleichartigen  der 
Decapoden  an  der  Basis  durch  eine  saumartige  Membran  Verbunden 
mit  Ausnahme  des  der  Trichterseite  nächsten  Paares.  Diese  Verbindung 
erstreckt  sich  bei  einigen  Octopoden  weiter,  bald  nur  auf  eine  Anzahl 
von  Armen  (vier  bei  Tremoctopus)  bald  auf  alle  [Ilistioteutbis,  vollständiger 
bei  CirroteuthiS;  um  sich  in  ganzer  Lange  derselben  fortzusetzen.  Beson- 
dere Bildungen  an  den  Cephalopoden  -  Armen  erscheinen  als  Saugnapfe, 
welche  meist  in  zwei  Reihen  (eine  Reihe  bei  Eledone)  die  orale  Flache 
besetzen,  nicht  selten  von  Stielen  getragen.  Ihr  freier  Rand  besitzt 
häufig  eine  cuticulare  Verdickung  in  Form  eines  zuweilen  gezahnelten 
Chitinringes.  Unter  machtiger  Ausbildung  eines  einzelnen  Zahnes  tritt 
der  Saugnapf  selbst  zurück,  und  seine  Stelle  wird  durch  einen  Haken 
vertreten.     Solche  hakenbesetzte  Arme  besitzt  Onychoteulhis. 

Einzelne  Arme  der  Cephalopoden  erleiden  bei  vielen  besondere 
Umbildungen,  indem  sie  bei  dem  Begattungsgeschafte  in  Function 
stehen,  die  schon  bei  Nautilus  durch  die  Tentakel  besorgt  wird. 

Der  zum  Begattungswerkzeuge  umgebildete  Arm  ist*  unbeständig, 
in  der  Regel  ist  es  einer  von  den  der  Bauchseile  des  Thieres  ange- 
hörigen.  Die  Art  der  Umwandlung  tritt  in  den  einzelnen  Abtheilungen 
in  sehr  verschiedenen  Graden   auf.    bald   erscheint   sie   blos   in    einer 

0*ft»ti««r,  Orandrit«.  9S 


Vei^ndening  eioer  Stelle  an  der  Basis  des  Anns,  die  beträchtlich  ver- 
breitert ist  und  nur  spärliche  SaugnSpfe  nufweist  (Sepia),  bald  beruht 
sie  in  seiner  Veränderung  der  Saugnapfbrm 
auf  grösserer  oder  geringerer  Lunge,  oder 
die  Spitze  des  betreffenden  Armes  ist  mit 
einer  IttlTelartig  ausgehöhlten  Bildung  ver- 
sehen fOclopus,  Eledone). 

Der  höchste  Grad  dieser  aus  einer  An- 
passung hervorgegangenen  Umformung  äussert 
sich  sowohl  durch  eine  ansehnliche  Ver- 
grösserung  des  bezüglichen  Armes  (Fig.  <53.  h) 
als  auch  durch  eine  differente  innere  Organi- 
sation (Argonauta  und  Tremoctopus) .  Ein 
solcher  Begallungsarm  entwickelt  sich  nicht 
wie  die  andern  frei  hervorsprossend,  sondern 
er  entsteht  in  einer  Blase  zusammengewunden, 
aus  der  er  sich  erst  nach  erlangter  Ausbil- 
dung Ittst.  Eine  ähnliche  blase nfürmi'/e 
Umhüllung  besitzt  das  vtetfach  zusammen- 
gewundene geissei  form  ige  Knde  des  Amis 
(Fig.  1S3.  y),  welches  ernt  bei  der  Begattung 
frei  wird.  Dieser  Anhang  samint  der  um- 
htlllenden  Membran  [x]  entspricht  dem  mo- 
diücirten  Armende  von  Eledone  und  Octopos. 
Die  höher  differenzirien  Begnltungsarme  ver- 
minen nach  ihrer  Ablösung  in  der  Hantel- 
höhle des  Weil>chens  noch  lungere  Zeil  fort- 
zuleben, so  dass  man  solche  abgerissene  Arme  früher  für  parasitische, 
den  Tremaloden  verwandte  Organismen  hielt,  und  als  »Hectocolyli« 
bezeichnete. 


Integument. 

§  SS9. 

Die  Kürperbedeckungen  der  Weiohthiere  werden  von  einer  weichen 
Hautschichte  dargestellt,  die  in  der  Hegel  so  innig  mit  der  dArualer 
liegenden  Muskulatur  verwebt  ist,  dass,  wie  bei  den  Würmern,  eine 
Art  von  Hautmuskelschlauch  entsteht,  dessen  Gestalt  die  Form  des 
ganzen  Thieres  bedingt,  Durch  vorwiegende  Ausbildung  der  Üiiaku- 
latur  an  gewissen  Stellen  des  Körpers,  somit  durch  Differenzirung  ein- 


Flg.  ISS.  Männchen  von  Tremoctopus  Carenac.  |i  Oberes,  P  xweilM 
Armpaar.  fi  Dritter  linker  Arm.  t*  Unteres  Arnipaar.  h  Hecloootylvg-Ann. 
X  Bndblase  desselben,  y  Kadcn förmiger  Anhang  des  Armes  aus  der  Bodblase  |e- 
löst.     (  Trichler. 


Integvmant.  339 

zelller  Tbeile    des    Hautmuskelschlauches    entstehen    die    Organe    der 
Ortshewegung. 

In  den  meisten  Abiheilungen  der  Mollusken ,  so  bei  den  Lamelli- 
branchiaten  und  Cephaiophoren ,  besieht  während  der  ersten  Larven- 
zustände  eine  Wimperbekleidung,  welche  auch  später  noch 
den  Körper  oder  Theile  desselben  ttbersiehfc.  Die  bedeutendste  Aus- 
bildung eropCangen  die  GiUen  an  dem  das  Velum  (s.  §  t,\t)  umsflomen- 
den  WimperiLraDze.  Am  meisten  verbreitel  kommen  sie  sonst  an  den 
Alhoniiigs-Organen  vor.  Auch  bei  den  Cephalopoden  besteht  während 
der  Entwickelung  eine  Winiperbedeckung  der  Oberfläche  an  last  allen 
Stellen  der  Keimscheibe  (mit  Ausnahme  der  Kiemen;  und  später  er- 
scheint auch  am  Dottersack  Wimperepitbel. 

Bei  den  meisten  Mollusken  ist  das  Integument  deutlich  in  Epider- 
mis und  Cutis  trennbar.  Eine  elgenthUmliche  Modificalion  empfangt 
das  integmnent  bei  manchen  Heteropoden  (Garinaria,  Plerotrachea),  bei 
den^d  eine  mSchCige  glashelle  Bindegewebeschichte  dem  Körper  nur 
einen  geringen  Grad  des  Gestaltwechsels  erlaubt.  Bei  den  übrigen 
Mollusken  wird  einer  Formveränderung  des  Körpers  vorzüglich  durch 
die  vom  Integumente  ausgehenden  Gehäusebildungen  eine  Schranke 
gesetzt. 

Färbungen  des  Körpers  finden  sich  durch  Pigment- Einlagerungen 
in  die  Cutis  bedingt.  Von  diesen  Gebilden  sind  die  eigenlhUmlichsten 
die  bei  manchen  Pteropodcn,  wie  bei  allen  Cephalopoden  vorhandenen 
"Chromatophoren«.  Dies  sind  in  verschiedenen  Tiefen  der  Haut  liegende 
rundliche  Zellen,  mit  körnigem  Pigmente  erfüllt  und  in  ihrer  Peripherie 
mit  radiären  Muskelfasern  ausgestaltet,  deren  Contraction  eine  flächen- 
hafle  Ausdehnung  der  Zelle  und  dadurch  eine  Yertheilung  des  Pigment- 
inhaltes hervorruft,*  so  dass  sie  als  grössere,  häufig  sternförmig  ver- 
ästelte Flecke  dem  Auge  leicht  wahrnehmbar  werden.  Das  wechselnde 
Spiel  dieser  mehrfachen  Chromatophorenschichten  ruft  jene  Farbenpracht 
hervor,  die  man  an  der  Haut  lebender  Tintenfische  bewundert. 

Von  andern  Einlagerungen  in  das  Integument  sind  solche  von 
kohlensaurem  Kalk  sowohl  im  Mantel  von  Brachiopoden  vorhanden  als 
auch  allgemein  bei  den  Gasteropoden  verbreitet  und  finden  sich 
bald  als  einfache  Körnchen  oder  grössere  rundliche  Concrelionen,  bald 
als  stäbchenförmige  gezackte  oder  auch  verästelte  Formen,  die  oft  in 
beträchtlicher  Masse  ein  wahres  Kalknetz  darstellend  vorkommen  können. 
So  treffen  wir  sie  bei  Opisthobranchiaten  z.  B.  bei  Doris,  Polycera  u.  a., 
hei  welchen  die  einzelnen  Arten  durch  eine  besondere  Anordnung  oder 
Gruppirung,  sowie  auch  durch  eigenthümliche  Formation  der  einzelnen 
Kalkstäbchen  ausgezeichnet  sind. 

Als  Hautgebilde  eigenthümlicher  Art  erscheinen  die  den  Mantel- 
rand  der  Brachiopoden  besetzenden  Borsten.  Sie  entstehen  zwar 
ähnlich    wie    die   Borsten    der   Würmer    in   besonderen  Einsenkungen, 


340  Mollusken. 

unterscheiden  sich  aber  von  jenen  durch  ihre  Textur.    Aehnliche  Borsten 
finden  sich  auch  am  Mantel  der  Chitonen  vor. 


§  S40. 

Als  Differenzirungen  der  Epidermis  erscheinen  Drüsen,  die  sich 
zum  Theile  an  die  bei  Würmern  vorhandenen  Gebilde  anreiben.  In 
der  einfachsten  Form  finden  sich  diese  Organe  als  Modtficationen  von 
Epidermiszcllen ,  zwischen  anderen  Zellen  gelagert ,  aber  durch  den 
feinkörnigen  Inhalt,  sowie  durch  eine  Müi^dung  ausgezeichnet  (Becher- 
zellen). Sie  kommen  sowohl  den  Muschelthieren  wie  den  Cephalo- 
phoren  zu.  Bei  Cephalopoden  finden  sie  sich  mehr  gruppenweise  an- 
geordnet, und  dehnen  sich  mit  ihrem  blinden  Ende  unter  das  Niveau 
der  Epidermis.  In  weiterer  Entfernung  von  der  Oberfläche  sind  sie 
bei  Gasteropoden  —  besonders  bei  Landpulmonaten  —  zu  treffen,  wo 
sie  tiefer  ins  Int'Cgument  eingesenkt  sind.  Immer  erscheinen  diese 
Gebilde  somit  als  einzellige  Drüsen.  An  einzelnen  Körperstellen 
gehen  dieselben  verschiedenartige  Modificationen  ein.  Hierher  gehören 
z.  B.  die  am  Mantelrande  beschälter  Gasteropoden  vorhandenen,  eine 
kalkhaltige  Flüssigkeit  absondernden  Drüsen,  mit  denen  auch  farbstoff- 
liefernde vorkommen.  Bei  Apiysia  entleeren  die  Hautdrüsen  eine  dunkel- 
rothe  Flüssigkeit.  Bei  Murex  und  Purpura  besteht  in  der  Mantel- 
höhle zwischen  Kieme  und  Enddarm  eine  als  Drüse  fungirende  Epithel- 
schichte, die  aus  grossen,  auf  der  Oberfläche  wimpernden  Zellen 
gebildet  wird,  deren  Secret  den  als  »Purpunc  bekannten  Stoff  liefert. 
(Lacazb-Duthibrs.j 

Eine  Eigenthümlichkeit  einiger  Opisthobranchiaten  (z.  B.  Aeolidiaj 
bildet  das  Vorkommen  von  Nesselkapseln  in  den  drüsig  gebauten 
Enden  der  Rückenpapillen. 

Selbständiger  entwickelte  Drüsenorgane  des  Integumentes  sind  femer 
die  Byssusdrüse  der  Lamellibranchiaten,  ein  Organ,  dessen  Auftreten 
von  Modificationen  des  Fusses  begleitet  ist.  Derselbe  erscheint  näm- 
lich zu  einem  zungenförmigen ,  an  seiner  ventralen  FlUche  mit  einer 
Rinne  ausgestatteten  Forlsatze  verkümmert.  Die  Rinne  verläuft  gegen 
eine  an  der  Basis  des  Fusses  befindliche  Vertiefung,  in  deren  Grund 
eine  Drüse  die  als  »Byssus«  bekannte  Substanz  absondert.  Ein  solches 
Organ  findet  sich  bei  Pecten,  Lima,  Area,  Tridacna,  Malleus,  Avicula, 
Mytilus  verbreitet,  wird  jedoch  als  allgemeiner  vorkommend  gelten 
dürfen,  da  es  auch  bei  den  Embryonen  der  Najaden,  sowie  bei  CycJas 
vorübergehend  besteht.  Bei  den  Cephalophoren  findet  sich  in  ein- 
zelnen Abtheilungen  gleichfalls  eine  im  Fuss  gelegene  Drüse  (Reli- 
cinen,  Limacinen) ,  die  sich  vorne  unter  dem  Munde  öffnet.  Auch 
die  Kiemenhöhle  vieler  Gasteropoden  trägt  die  Mündung  eines  ansehn- 
lichen Drüsenorgans. 


^     ScbaleDbIMuQgen.  341 

Sohalenbllduiigen. 
§  244. 

Eine  besondere  Wichttgkcil  erlangt  die  Uautbedeckung  durch  die 
Abscheidung  fester,  in  Schichten  sich  >  lagernder  Substanzen,  aus 
welchen  die  mannichfailigen  für  den  Motluskenstanim  charakteristischen 
Gehäuse  und  Schalen  hervorgehen.  Somit  sind  die  in  dieser  Abtheilung 
getroffenen  HartgebiJde  durch  die  Art  ihrer  Entstehung  von  jenen 
anderer  Thierclassen  wesentlich  unterschieden.  Es  sind  vom  Körper 
ausgeschiedene,  nach  aussen  hin  abgelagerte  Producte,  die  als  Stütz* 
and  Schutzorgane  für  die  betreffenden  thierischen  Organismen  von 
grosser  Bedeutung  sind,  und  bezüglich  des  sie  bildenden  Vorganges 
der  Genese  des  Chitinskelets  der  Arthropoden  sich  anreiben.  In  beiden 
ist  die  AeusseiUng  einer  und  dei*selben  secretbildenden  Thätigkeit  der 
äusseren  Hautschichtc  zu  erblicken.  W('nn  auch  die  äusseren  Schichten 
dieser  Gebilde  häußg,  besonders  bei  massiven  Schalen,  dem  Organis« 
mus  sich  entfremden,  so  stellen  sie  doch  immer  Tbeite  desselben  vor, 
und  an  manchen  Stellen,  z.  B.  da,  wo  Muskeln  den  Schalen  inscrirt 
sind,  besteh!  beständig  ein  unmittelbarer  Zusauimenhang. 

Die  Beziehung  des  Mantels  zur  Schalen bildung  ist  eine  sehr  innige, 
der  Mantel  entsteht  mit  der  Schale,  und  wu  letztere  sich  nicht  ent- 
wickelt, oder  sich  rückbildet,  erleidet  auch  er  Rückbildungen,  wenn 
nicht  in  der  Lebensweise  den  Mangel  Jenes  Scbutzorgancs  compensirende 
Einrichtungen  bestehen  (Bohrmuscheln).  Dieser  Zusammenhang  lässl 
)m  erkannter  Homologie  des  Mantels  auch  in  den  Schalen-  und  Ge- 
häosebildungen  eine  Uebereinstimmung  wahrnehmen,  wie  sehr  sie 
auch  formal  von  einander  verschieden  sind.  So  wird  die  zwciklappige 
Schale  der  Brachiopoden  in  eine  dorsale  und  ventrale  oder  vielleicht 
besser  in  eine  vordere  und  hintere  geschieden,  indess  die  Schale  der 
Lamellfbranchiaten  aus  einer  rechten  und  linken  Klappe  be- 
steht. Diese  Schalen  stimmen  in  ihrer  BildungswQJse,  wie  in  ihrer  Textur 
vielfach  mit  einander  überein.  Im  einfachsten  Falle  bieten  sie  nur 
gleichartig  geschichtete  Lamellen  dar.  Diese  compliciren  sich  durch 
das  Vorkommen  von  Schichten  schräg  und  senkrecht  gerichteter  Pris- 
men, sowie  durch  das  Auftreten  von  Porencanälcn. 

Das  Flächenwachsthum  der  Schalen  geht  am  freien  Rande  vor  sich 
und  erfolgt  hier  durch  schichtenweise  Ablagerungen  von  Seite  des 
Mantels,  die  sich  auf  der  Oberfläche  der  Schale  als  concentrische  Ringe 
zu  erkennen  gehen.  Die  Vei'üickung  der  Schale  wird  an  der  ganzen 
Innenfläche  von  der  Aussenfläche  des  Mantels  besorgt.  Durch  diesen 
verschiedenen  Modus  der  Bildung  entstehen  verschiedene  Structurver- 
liältnisse  der  fertigen  Schale,  deren  innerer  Theil  aus  zahlreichen, 
über  einander  liegenden  und  gefalteten  Schichten  besteht,  aus  denen 
der  Perlmutterglauz  sich  ableitet.     Auf  die  Perlmutterschichte  folgt  die 


339  Mollusken. 

die  hervorsprossenden  Kiemen  borgenden  Raum  entstehen,  homolog 
der  Kiemenhöhle  ,der  Muschellhiero  (vcrgl.  Fig.  U3.  AB).  Diese 
Kiemenhöhlc  der  Cephalophoren  und  die  mit  ihrer  Genese  zu- 
sammenfallende Entfaltung  des  Mantels  schlägt  sehr  divergente  Rich- 
tungen ihrer  Ausbildung  ein.  Den  einfachsten  Refund  bieten  die  Cyclo- 
branchiaten,  deren  Kiemenhohle  durch  eine  seichte  auf  beiden  Seiten  des 
Körpers  gleichmässig  entwickelte  Mantelfurche  reprUsentirt  wird'.  Die 
Ausdehnung  des  Dorsalfeldes  mit  der  Entwickelung  des  Gehäusen  ver- 
bindet sich  mit  einer  Vertiefung  der  Kiemenhöhle,  welche  nicht  mehr 
gleichmüssig  in  der  Mantelfurche  liegt,  sondern  sich  an  einer  bestimmten 
Stelle  weiterbildet  und  gleichfalls  unter  den  Schutz  des  Gehäuses  ge- 
langt. Diese  Stelle  liegt  bald  unter  einem  hinteren  bald  unter  einem 
vorderen  Abschnitte  des  Mantels;  ersteres  bei  Pteropoden  (Fig.  445.  C), 
letzteres  bei  den  meisten  Gasteropoden  (Fig.  145.  B)  wie  bei  den  Uetc- 
ropoden.  Die  durch  das  Auftreten  von  Gehäuse- Windungen  bedingte 
Asymmetrie  gibt  der  Kiemenhöhle  der  Gasteropoden  eine  meist  einseilige 
Lagerung,  welche  als  eine  Anpassung  an  die  durch  den  bezüglichen  Theil 
der  Schale  gebotene  grössere  Räumlichkeit  sich  darstellt.  In  vielen  Fällen 
ist  für  diese  einfache  Kiemenhöhle  die  Entstehung  aus  einer  paarigen  auf 
beide  Körperseiten  vertheilten  Räumlichkeit  nachzuweisen,  wodurch 
Verknüpfungen  mit  dem  erst  erwähnten  Zustande  möglich  sind. 

Von  diesem  Verhalten  leiten  sich  sowohl  Reihen  von  Rückbildungen 
wie  auch  Reihen  von  Ausbildungen  ab.  Die  letztern  sind  grossen 
Theils  DifTcrenzirungcn  des  Mantel ra ndes ,  die  mit  der  Function  der 
Kiemenhöhle  in  Gonnex  stehen.  Ein  Theil  des  Mantelrandes  wächst 
in  eine  der  Zuleitung  von  Wasser  dienende  Rinne  aus,  und  kann  durch 
Uebereinanderschlagen  der  Ränder  in  eine  Röhre  sich  umwandeln,  wie 
wir  sie  als  Sipho  bei  vielen  moerbewohnenden  Kammkiemen  an- 
treffen (Ruccinum,  Dolium,  Hai*pa,  Tritonium,  Murex  u.  a.).  Ein  auf 
ähnliche  Art  gebildeter  zweiter  Siphe  von  geringerer  Ausdehnung  be- 
steht meist  am  entgegengesetzten  Ende  der  Kiemenhöhle  und  ist  zur 
Ausfuhr  des  Wassers  bestimmt.  Mancherlei  andere  Fortsatzbilduogen 
(z.  R.  bei  Strombus,  Pteroccra)  sowie  tentakelarlige  Anhänge  bedingen 
neue  Complicationen. 

Rückbildungen  des  Mantels  ergeben  sich  wieder  im  Zusammen- 
hange mit  Rückbildungen  der  Schale.  Am  meisten  greifen  sie  in  der 
Abtbeilung  der  Opislhobranchiaten  Platz,  von  denen  ein  Theil  mit 
sehr  verschiodengradig  rudimentären  Schalen  ausgestattet  ist,  ein 
anderer,  wie  z.  R.  die  Acolidier,  derselben  im  ausgebildeten  Zustande 
vollständig  entbehrt.  Da  bei  allen  diesen  schalentragende  Larvenstadien 
vorkommen,  der  Verlust  der  Schale  also  sogar  erst  während  der  Onto- 
genese erworben  wird,  so  müssen  auch  die  später  nackten  Opistho- 
branchiaten  von  schalentragenden  Formen  abzuleiten  sein.  Die  Larven- 
schale  und  die  damit  wenn  auch  gering  ausgebildete  Mantelfalte  stellen 
somit  als  rudimentäre  Organe  dun  nackten  Opisthobr^nchiateu  ein  Zeug- 


Kdr^erfom.  333 

niss  fflr  die  mit  den  Prosobranchiaten  geroeinsame  Abstammung  aus. 
Wo  solche  Schalenradimente  auch  dem  ausgebildeten  Thiere  noch  zu- 
kommen, werden  sie  in  ahnlicher  Weise  zu  beurtheilen  sein,  als 
rückgebildele,  und  nicht  als  erst  in  der  Ausbildung  begriffene  Gehäuse, 
denn  wieder  die  Vergleiohung  mit  den  Larvenformen  Ifisst  da  das 
Gehäuse  in  viel  höherer  Bedeutung  erkennen  als  es  im  Rudimente  des 
ausgebildeten  Zustandes  jener  Organismen  erscheint,  und  ebenso  trifft 
sich  die  Lage  des  Afters  wie  der  Kiemen  in  einem  nur  aus  einer 
tnsiditigeren  Gehausebildung  erklärbaren  Verhältnisse. 

Die  Reihe  der  Ruckbildungen  zeigt  sich  auch  innerhalb  kleinerer 
Ahtheilungen ,  so  bei  den  Heteropoden,  unter  denen  Atlanta  mit  aus* 
gebildeler  Schale  und  entwickeltem  Mantel  erscheint,  die  beide  bei 
Carinaria  rudimentär,  und  bei  Ptemtrachea  völlig  geschwunden  sind. 
Aehnliche  Reihen  von  Rückbildungstadien  finden  sich  auch  bei  den 
Pulmonalen  reprSsentirt. 

Bedeutend  umgestaltend  auf  die  Körperform  wirkt  die  diver- 
gente Ausbildung  des  Fusses  ein.  Derselbe  erscheint  bei  den  Larven 
der   Pteropoden   und    der  Ga- 

sleropoden  unterhalb  des  Mun-  Fig.  446. 

des  als  ein  kurzer  konischer 
Fortsatz  (Fig.  445.  A.  pj,  der 
sich  meist  etwas  verbreitert  und 
dann  auf  seiner  hintern  dorsalen 
Fläche  einen  die  Mündung  des 
Gehäuses  verschliessendenDeckel 
als  sdialenartiges  Abscheide- 
prodttct  tragt.  Unter  Volums- 
zunähme  besonders  in  aboraler 

Richtung,  gestaltet  er  sich  bei  Gasteropoden  zu  eirtem  meist  mit  hreiler 
Sohlflache  ausgestatteten  Gebilde,  von  welchem  die  Bezeichnung  Fuss  ent- 
nommen ward  (Fig.  445.  B).  Bald  ist  er  mehr  in  die  Lunge  gestreckt, 
bald  mehr  scheibenförmig  gestaltet.  Bei  den  meisten  Gasteropoden 
kommt  dem  Fusse  nur  an  seinem  Sohlenrande  eine  scharfe  Umgrenzung 
zu.  Die  darüber  befindliche  Körperoberfläche  zieht  sich  bei  manchen 
Prosobranchiaten  (Fig.  467.  p)  und  vielen  Opisthobranchiaton  in  einen 
saumartigen  Rand  aus  (Epipodium) ,  der  schon  dadurch,  dass  er  auch 
den  Kopf  mit  umfasst,  vom  Mantel  verschieden  sich  darstellt.  Selbst- 
ständiger  sondert  sich  am  Fusse  der  Heteropoden  ein  Abschnitt  der 
als  senkrecht  stehende  Flosse  die  Bauchseite  des  Thieres  einnimmt. 
Dieser  »Kielfussa  reprilsentirt  den  vorderen  und  mittleren  Abschnitt 
tPro-  und  Mesopodium}  jener  Strecke,  welche  bei  den  meisten  Gaste- 
ropoden zum  Fusse  umgebildet  ist,   indess  der  hintei*ste  (Metapodium) 

Fig.  446.  Schemaiische  Darstellung  des  Verhaltens  von  Mantel  und  Fuss  auf 
fienkrecbtem  Querdurchiichiiilt.  A  bei  La  melli  brauch  taten,  B  bei  Cephalophoreir. 
Dl  Mantel,    p  Fuss.     br  Kiemen. 


3(i 


MollMken. 


treffen  wir  das  tihnlich  wie  bei  Nnulilus  constniirtc,  in  seinen  Win- 
dungen jedoch  nicht  zusanrniPHSchliessendL'  Gehüuse  von  Spirula  und 
den  Uchcrgang  von  den  volisUlndig  nur  vom  Mantel  nmhulllen  Schnlen 
zu  jenen,  die  im  Hantel  verborgen  sind,  bilden  die  Gebltuse  der  fossilen 


Belemniten.  Dieser  Vermiltelimg  wogen  sind  die  Reste  dieser  wabr- 
scheinlich  zum  grossen  Theile  inneren  Schalenformationen  von  grosser 
morphologischer  WirhtigkeiL.  Die  Kammcrbildung  erscheint  hier  nur 
auf  einen  kleinen  kegelförmigen  Theil,  den  sogenannten  Phrsgmoconus, 
beschrynkt,  dessen  einzelne,  wie  horizontale  Kegelschnitte  Über  einan- 
der geschichtete  Kammern  auch  hier  durch  einen  Sipho  untereinander 
in  Verbindung  gesetzt  waren.  Der  ganze  Phragmoconus  wird  von  Ver- 
dick ungssch  ich  len  umhüllt,  die  sieb  jedoch  nicht  glcichmtlssig  über  ihn 
ausdehnen,  sondern  hinler  seiner  Spitze  einen  mächtigen  soliden  Fort- 
satz  (Rostrumj  darstellen.     Der  nach  vorne  über  die  Basis  des  Phrag- 

Kig.  |j4.  Nnutilus  mit  ilcm  M r et ianduirli schnitt  der  Schale,  t  Tricbicr. 
1  Tenlakel.  c  KnpnH|>|>Gn.  o  Aijiie,  0  Dorsaler  Mantel  läppen.  II  Verbindunf»^- 
slelle  des  Msniets  mit  diT  Schnlc.  i  Ein  Mückcheii  der  Schale,  welchea  mit  dem 
rechten    Manlelmaskel    im  Zusamuenhaog    geblieben    Ist.      a    MsdUI.      t   Sipho. 

('  Siphocana)  der  Schale.     (Nach  Owek.) 


Sobalenblldungen.  345 

moconus  sich  hinaus  erstreckende  lamellenartig  ausgebreitete  Abschnitt 
der  Verdickungsscfaicbten  bildet  das  »Hornblatt«.  Der  Phragmoconus 
ist  das  Homologen  der  gekammerten  Schalen  der  anderen  Cephalo- 
poden,  während  die  von  ihm  ausgehende  f^melle,  das  ebengenannte 
Hornblatt,  wie  eine  Verlängerung  der  vordersten  Kammerwand  sich 
darstellt  und  das  massive,  von  der  ganzen  Schale  zumeist  am  voll* 
ständigsten  erhaltene  Rostrum  von  einfachen,  von  dem  umgeschlagenen 
Mantel  gebildeten  Verdickungsschichten  abzuleiten  ist. 

Eine  völlig  im  Mantel  verborgene,  nicht  selten  mit  einer  hinteren 
Spitze  hervorragende  und  dadurch  schon  an  die  Schalenbildung  der 
Belemniten  erinnernde  flache  Schale  stellt  das  als  »Os  Sepiae«  bekannte 
Gebilde  der  Sepiden  vor.  Es  besteht  aus  mehrfachen  an  organischer 
Substanz  reichen  Schichten,  welche  durch  Schichten  von  Kalkablage- 
rungen von  einander  getrennt  sind,  und  es  somit  aus  über  einander  ge- 
lagerten Blättern  zusammengesetzt  erscheinen  lassen.  Die  äusserste,  der 
sogenannten  Rückenoberfläche  desThieres  zugewandte  Lamelle  ist  von  be- 
sonderer Festigkeit,  sie  zieht  sich  direct  in  die  hintere  Spitze  aus  und 
bildet  die  Grundlage  für  die  blättrigen  Ablagerungen ,  die  sich  auf  der 
Innenfläche  der  schwach  gewölbten  Schale  oft  bis  zu  beträchtlichem  Durch- 
messer erheben.  Diese  Schalen  lassen  sich  unmittelbar  von  jenen  der 
Belemniten  ableiten,  besonders  wenn  man  jene  Sepiensohalen,  die  wie 
S.  Orbigniana  in  eine  slarke,  freie  Spitze  auslaufen,  in  Betracht  zieht. 
Die  solide  Spitze  entspricht  dem  Rostrum  der  Belemniten,  während  die 
Alveolarhöhle  der  letzteren,  sowie  das  vom  Rücken  derselben  aus- 
gehende Hornblatt  dem  ganzen  übrigen  Th'eil  der  Sepionschale  homo- 
log ist.  Die  in  der  Alveole  der  Belemniten  die  Kammern  des  Phrag- 
moconus darstellenden  Scheidewände  sind  in  der  Sepienschale  durch 
die  flach  oder  nur  wenig  concav  angesetzten  Lamellen  repräsentirt. 
Anstatt  von  einander  getrennte  Kammern  zu  bilden,  folgen  die  Schichten 
unmittelbar  auf  einander,  und  so  tritt  die  complicirte  Schale  der  Be- 
lemniten durch  Reduction  in  der  Sepienschale  auf  eine  niedere 
Stufe.  Noch  mehr  reducirt  ist  die  Schale  der  Loliginen,  welche 
nur  durch  ein  langgestreccktes ,  biegsames,  im  Rückentheile  des 
Mantels  verborgenes  Hornblatt  (Calamus)  dargestellt  wird.  Seiner 
Mitte  entlang  veriäufl  ein  nach  aussen  vorspringender  Kiel ,  der 
oben  am  stärksten,  nach  unten  zu  abnimmt  und  an  den  Seiten  sich 
continuirlich  in  die  Ränder  des  Hornblattes  fortsetzt.  Dieses  Schalen- 
nidiment  entspricht  dem  äusseren  gewölbten  und  an  organischer 
Substanz  reicheren  Theile  einer  Sepienschale  und  ist  damit  auch  dem 
Homblatte  eines  Belemnitengehäuses  homolog.  —  Endlich  findet  man 
in  der  Gattung  Octopus,  deren  Mantel  im  Nacken  nicht  mehr  vom 
Kopfe  abgesetzt  ist,  ein  Paar  dünne,  dem  Rückenintegumente  einge- 
lagerte Plättchen  als  die  letzten  Ausläufer  einer  vom  Mantel  ausgehen- 
den Schalenbildung,  welche  sich  jener  bei  Gephalophoren  beschriebenen 
somit  vollständig  parallel  verhält. 


346  Mollusken. 

Als  etwas  von  all*  diesen  durch  eioe  streng  durchführbare  Homo- 
logie erfassbaren  Gehäusen  Verschiedenes  ist  die  Schale  von  Argonauta 
anzusehen,  die  nicht  vom  Mantel,  sondern  von  einem  lamellils  ver- 
breiterten Armpaare  secemirt  wird.  Es  ergibt  sich  daraus,  dass  auch 
noch  andere  pberOächen  -  Strecken  des  Körpers  zur  Schalenbildung 
geeignet  sind,  wie  denn  bei  den  Cephalopoden  etwas  Aehnliches  in  der 
Bildung  des  sogenannten  »Deckels«  erscheint,  welcher  auf  der  EückeD— 
fläche  des  Metapodiunis  vieler  Prosobranchiaten  auftritt,  dem  ins  Ge- 
häuse zurückgezogenen  Thiere  zum  Verschlusse  dienend. 


Kiemen. 
§  243. 

Dem  Aufenthalt  der  Mollusken  im  Wasser  entspricht  die  Art  der 
bei  ihnen  verbreiteten  Athmungsorgane ,  der  Kiemen,  die  sämmüich 
Differenzirungen  des  Integumentes  sind,  und  demgemäfis 
ursprünglich  eine  oberflächliche  Lagerung  besitzen,  wenn  sie  auch  durch 
Duplicaturen  anderer  Hautregionen  (Mantelbildungen}  überdeckt,  und 
so  in  besonderer  Höhlung  —  der  Kiemenhöhle  —  geborgen  sind. 

Bei  den  Branchiopoden  fungircn  die  Arme  als  Kiemen,  und 
zwar  sind  es  zunächst  die  tentakelartigen  Fädchen,  welche  zur  Ver-* 
roittelung  der  Athmung  günstige  Verhältnisse  darbieten,  und  mit  den 
die  Arme  durchziehenden  Blutsinussen  in  Communication  stehen.  Doch 
sieben  diese  Gebilde  mit  den  übrigen  Kiemenbildungen  der  Mollusken 
in  keinem  morphologischen  Zusammenhange. 

Diese  Kiemen  der  Mollusken  sind  seitlich  am  Körper  befindliche 
Fortsätze,  die  im  wenigst  veränderten  Zustand  zwischen  Mantel  und 
Fuss  entspringen.  (Vergl.  Fig.  HQ.  A,  B.  br.)  Sie  bieten  sowohl  an 
Ausdehnung  des  ganzen  Apparates  als  auch  in  Bezug  auf  Zusammen- 
setzung aus  einzelnen  Fortsätzen  eine  lange  Reihe  vielartiger  Modifica- 
tionen.  Unter  den  Lamellibranchiaten  stellen  sie  blattartige  Gebilde 
dar,  die  zwischen  Mantel  und  dem  mit  dem  Fuss  endigenden  Einge- 
weidesack entspringend ,  in  die  vom  Mantel  beiderseits  umschlossene 
Höhle  einragen  (Fig.  155.  6r,  br').  Ihr  freier  Rand  ist  gegen  in  Ven- 
tralfläche gerichtet. 

Fast  alle  Muschelthiere  besitzen  zwei  Paare  solcher  Kiemen, 
ein  inneres,  mediales  und  ein  äusseres,  lateral  gelagertes  Paar.  Das 
ersiere  ist  häufig  das  grössere.  Mit  Ausnahme  von  Anomia,  bei  der 
durch  Anpassung  auch  zahlreiche  andere  Modilicationen  der  OrganisaiioQ 
entstanden  sind,  ist  die  Anordnung  der  Kiemen  symmetrisch.  Jedes 
Kiemenblatt  entwickelt  sich  aus  einer  Reihe  neben  einander  hervor- 
sprossender Fortsätze,  die  bei  vielen  (z.  B.  den  Arcaceen)  auch  femer 
isolirt  bleiben,  und  einzelne  parallel  neben  einander  gelagerte  Kiemen- 
faden  vorstellen.    In  dieser  Art  des  ersten  Auftretens  wird  der  Anschluss 


aa  die  KiemcnbildungeD  der  andern  Abtheiluni^en  eriianol.  Bei  der 
Hebnahl  dagegen  gebt  die  Kieme  aus  jenem  embryoaalen  Zustande  in 
eiura  audem  Über,  indem  die  Kie- 
men (Sden  sich  unlcreinander  ver- 
binden. Die  Vereinigung  der  abge- 
jilalteten  oiil  der  FÜcbe  gegen  ein- 
ander gerichteten  Faden  oder  BlHlUrhcn 
zu  einem  »Kiemen blaltea  geschiebt 
bald  nur  durch  Verkleben  der  Fäden, 
bald  auch  durch  Verwachsung,  in- 
dem von  jedem  Kiemenfaden  aus 
wulslartige  Vorsprünge  in  rcgol- 
niässigen  Abständen  gegen  einander 
Irelen  und  verschmelzen.  Da  zwi- 
schen diesen  VerbinduDgen  feine,  das 
Wasser  durcblasseude  Spalten  tjbrig 
bleiben,  erhält  jedes  Kiemenblall  eine 
gitter  form  ige  Beschaffenheit.  Jeder 
Kiemenfaden  bildet  gleich  von  seinem 
ersten  Auftreten  an  keine  einfache 
und  solide  Verlängerung,  sondern  vielmehr  eine  Schleife,  uod  um- 
schliesst  damit  einen  Baum  (Intrabranchialraum)  ,  der  mit  dem  Ver- 
wachsen der  KiemenßdeD  das  ganze  Kiemenblalt  durchiit^t  und  durch 
die  twischen  den  Fäden  bleibenden  Spalten  nach  aussen  commuoicirt. 
Das  durch  letztere  ciatretende  Wasser  sammell  sich  in  einem  an  der 
Befestigungsstelle  des  tüemeublattea  befindlichen  Canal,  durch  den  es 
am  hinteren  Kürperende  wieder  austritt. 

Jedes  Kiemenblattcben  umscbliesst  neben  den  blulführenden  CanHlen 
einen  Stützapparat,  der  aus  kurzen  hinter  einander  gereihten  Chitin- 
stabeben besteht,  die  somit  in  jeder  Kiemenlamelle  mehrfache  Quer- 
reiben UldeD. 

Die  Oberfläche  sämmllicher  Kiemen  Uberfcleidet  ein  Wimperepithel. 
Beihen  grosser  Cilien  ziehen  sich  der  Lange  nach  an  den  leistenartigen 
VorsprUngen  der  Kiemen  herab,  und  dicht  stehende  feinere  Cilien 
ordnen  ncfa  dazwischen  und  vollenden  den  zur  Unterhaltung  einer 
beständigen  WasserstrOmnng  thHtigen  Apparat.  Am  freien  Bande 
jedes  Kiemenbtattea  besteht  eine  durch  Einbuchtungen  jedes  einzelnen 
Kiemenbiatlcbens  gebildete,  mit  lungeren  Cilien  ausgekleidete  Binne, 
in  der  eine  zum  Hunde  fuhrende  und  damit  auf  die  Nahrungszufuhr 
gerichtete  Wasserslrfimung  erzeugt  wird. 

Bedeutende  Hodificationen  enislehen  durch  Verwachsung  der 
Kiemen,    welche  bei  einer  Ausdehnung  der  letzteren  Über  den  Ein- 

Fig.  4B5.  Senkrechter  QiierMinitt  durch  eine  An  od  nnie.  (nMnnlcl.  ftr  UiisserM, 
br'  innere»  KiemeiibliU.  f  Fus».  v  Herikaminvr.   ■  Vorhof.    p  p'  P«ricorillalhtAle. 


348  Mollusken. 

gew(!idesack  stattfindet,  und  entweder  durch  eine  unmittelbare 
Vereinigung,  oder  durch  eine  besondere  die  beiderseitigen  Kiemen 
verbindende  Membran  zu  Stande  kommt.  Am  meisten  ist  diese 
Verwachsung  bei  den  sichelförmig  gekrümmten  Kiemenblättem  von 
Anomia  ausgeprägt,  wo  der  ganze  Kiemenapparat  von  dem  sehr  redu- 
cirten  £ingeweidesacke  sich  entfernt  bat,  und  nicht  mehr  auf  die  Seiten 
vertheiit  erscheint. 

Durch  die  Einlagerung  der  Kiemen  in  die  Manlclhöhle  wird  die 
letztere  zur  Athemhöhle,  woraus  für  den  Mantel  mannichfache ,  als 
Anpassungen  erklärbare  Umgestaltungen  entspringen  (vcrgl.  oben  §234). 

§  244. 

Der  Kiemenapparat  der  Cephalophoren  bietet  bei  noch  grösserer 
Mannichfaltigkeit  der  einzelnen  Vorrichtungen  im  Allgemeinen  dieselben 
Verhaltnisse  wie  bei  den  Muschel thieren  dar,  indem  er  in  seiner  typischen 
Form  aus  parallel  aneinander  gereihten  Blättchen  oder  auch  mehr  cylind- 
rischen  Fortsätzen  besteht,  die  von  der  Oberfläche  des  Körpers  vor- 
ragen, und  damit  vom  umgebenden  Medium,  dem  Wasser,  umspült 
sind,  während  ein  Blulslrom  ihr  Inneres  durchzieht.  Noch  mehr  wird 
diese  Uebereinstimmung  durch  die  Lagebeziehungen  zum  Mantel  aus- 
gedrückt, zu  welchem  sie  in  denselben  Verhältnissen  wie  bei  den 
Laniellibrnnchiaten  getroffen  werden  (vergl.  Fig.  146.  B.  br).  Sowohl 
in  der  Zahl  als  in  der  Ausdehnung  ergeben  sich  gegen  die  Muschel- 
thiere  bedeutende  Beschränkungen  und  dasselbe  gilt  auch  vom  Baue, 
der  gegen  jene  bedeutend  einfacher  ist.  Niemals  existiren  in  deut- 
licher Weise  mehr  als  zwei  Kiemen  an  der  Slelle  der  vier  Kiemen- 
blätter  der  Lamellibranchiaten.  Eine  beiderseits  gleichmässige  Anord- 
nung der  Kiemen  in  der  ringsum  laufenden  Mantelfalte  besitzen  die 
Cyclobranchiaten.  Dieses  noch  am  meisten  an  die  Anordnung  bei  den 
Muschelthieren  erinnernde  Verhalten  besteht  ähnlich  auch  bei  Phyllidia. 
Bei  den  meisten  übrigen  ist  es  verloren  gegangen;  Fissurella  und 
Emarginula  besitzen  noch  zwei  seitliche  Kiemen  in  der  Mantelhöhle, 
aber  bei  Haliotis  liegen  beide  Kiemen  schon  auf  einer  Seite,  und 
so  bildet  sich  das  bei  den  Ctenobranchiuten  auch  sonst  allgemein  wal- 
tende Verhältniss  aus,  dass  in  Anpassung  an  die  von  der  Schale 
abhängige  Asymmetrie  der  Kiemenhöhle  eine  (die  linke)  Kieme  verküm- 
mert und  die  der  andern  Seite  eine  grössere  Ausbildung  darbietet. 
Die  verkümmerte  Kieme  rückt  meist  nahe  an  die  andere  heran,  und 
tritt  in  asymmetrische  Lagerung,  die  von  der  Bildung  des  wiederum 
mit  der  Entwickelung  einer  Schale  in  Zusammenhang  stehenden  Mantels 
abhängig  erscheint. 

Hinsichtlich  des  Baues  erscheinen  die  Kiemen  bald  als  einfache 
Falten  des  Integuments  (z.  B.  bei  Pteropoden) ,  oder  sie  treten  als 
blättrige,  ein  kammförmiges  Organ  darstellende  Fortsätze  auf,  die  wieder 


Kkemen.  .^(9 

seeuodUre  Fallen  oder  leisleoartige  ErtiehuDf;en  lrs|;pn  können.  An  die 
Clenobrancbialcn  schliessen  sich  die  Heleropoden  nn,  bei  denen  unter 
Rttckbildung  der  Schale  und  des  Mantels  t-s  sof^r  zu  einem  Schwin- 
den der  Riemen  kommen  kann   [FiroloYdes) . 

Wenn  die  Kiemen  schon  anfünglich  unter  dem  Hantel  gelagert  er~ 
scheinen,  so  treten  sie  mit  der  von  letzterem  ausgehenden  Bildung  einer 
Kieinenhtihle  in  nocli  nühcre  Beziehung  zu  demselben,  wie  dies  schon 
hei  den  Apiysien  und  Pleurobranchen ,  mehr  bei  Bulliden ,  volislHn- 
diger  bei  den  Prosobrancbialen  der  Fall  ist.  Die  Hanteihtthle  oder  ein 
-besonderer  Absrhnitl  dersellicn  hat  sich  hier  zur  Kiemenhahte  um- 
gestaltet,  zu  welcher  meist  nur  durch  einen  als  «Athemloch«  bezeich- 
neten Ausschnitt  am  Rnnde  der  Zugang  gestattet  ist.  Indem  dieser 
Theil  des  Hantelrandes  in  einen  rinnen  förmigen  Fortsatz  auswacbst, 
bildet  sich  ein  Zuleiteapparat  fUr  das  der  Athmung  dienende  Wasser, 
analog  den  Siphonen  der  Huscbeltbiere   (vergl.  oben  §  ?3ö). 

An  diese  Einrichtuni^en  schliessen  sich  Aendeningen  der  Lage  und 
Anordnung  der  Kiemen  bei  einem  Theile  der  Opislhobrancbiaten,  der  mit 
der    Schale   zufileich   den  Hantel    verloren   hat.     Hier   finden   sich    als 
Kiemen   blalirurmige   oder   büschelartige    ramili- 
cirte  Anhangsgcbilde  bald  in  der  Nabe   des  Af-  f„   ,gg 

ters  Doris) ,  l>ald  reihenweis  Über  den  Körper 
verlheilt  (Tritonia ,  Scyliaea).  Wenn  man  in 
ricbiiiier  WUrdigimg  der  Thatsache,  dass  die  Be- 
sobalung  der  I.ar^'en  aller  Opisthobranchinlen  die 
Ableitung  dieser  Cephalophoren  von  schalen- 
tragenden Formen  nothwendig  macht,  anch  fUr 
die  Kiemeri  eine  ursprüngliche  Lagerung  in  einer 
Hantelhßble  annehmen  muss ,  so  wird  man  in 
BerUck-sichligung  der  gleichfalls  in  der  Mantel- 
hohle  befindlichen  AflerttfTnung  die  Anordnung 
der  Kiemen  hei  den  Doriden  als  eine  im  We- 
sentlichen von  jenem  Zustand  her  eiT\orbene  be- 
trachten dürfen.  Von  da  an  ergeben  sich  nun 
mannichfache  L'ebei^angsformen  zu  einer  grUsse- 
ren  Vertheilung  der  Kiemen  über  den  Rucken 
des  K(lq>crs,  zugleich  Hodificationen  der  Kiemen 
selbst,  die,  wie  auch  ihre  specielle  Gestalt  sein 
mag,  immer  mehr  blossen  Haulfortsaiien  Uhnlich 

erscheinen.  Ebenso  wichtig  als  diese  febergangs formen  sind  jedoch  die 
Beziehungen  jener  Organe  zum  circula torischen  Apparate,  woraus  fUr 
dieselben  die  völlige  Uebereinslimmuog  mit  Kiemen  hervon;eht.  In 
ihren  weitest  dtfTeFenxirlen  Formen  erscheinen  die  Kiemen  dann 
Ober  den  ganzen  Ruckentheil  des  Körpers  verbreitet,  jederseits  in  ein- 
Fid.  fS6.  Ancula  iPolyccrn)  crUlala  von  der  HöckeofllichB.  a  Afler- 
ötToung.    br  Kiemen.     (  Tenbiliel.     [Nach  Aide*  uod  Hiircoci.} 


350  Mollusken. 

fachen  oder  mehrfaehen  Reihen  von  Papillen  oder  zoltenartigen  Fort- 
sätzen, die  sogar  wieder  Verüslelungen  darbieten  können  (Aeolidier). 
Der  Verlust  des  Gehäuses  gestaltet  also  eine  grössere  Ausbreitung  der 
Kiemen,  sowie  die  Entstehung  und  Ausbildung  jenes  Sohutzorgans 
auf  eine  Beschränkung  der  Lage  der  Kiemen  wirkt. 

Bei  manchen  Opisthobranchiaten  kommt  es  zu  einer  Rückbildung 
dieser  Kiemen,  wo  bei  dann  wieder  das  gesammte  Integument  die  respi- 
ratorische Function  Übernimmt  (Phyllirhoö,  Elysia,  Pontolimax). 

Die  andere  aus  der  zuerst  vorgeführten  Einrichtung  des  Athmungs- 
apparates  hervorgehende  Modification  gründet  sich  auf  die  Entwickelung 
des  respiratorischen  Canalsystems  in  der  Wandung  der  Mantelhöhle. 
Bei  manchen  Kiemenschnecken  verbreitet  sich  jenes  Netzwerk  von  Ca- 
nälen  auch  über  die  Kiemen  hinaus  in  benachbarte  Theile  der  Kiemen- 
höhle, die  dadurch  an  der  Athmungsfunction  sich  betheiligen  kann. 
Durch  einen  solchen  von  der  Manlelhöhle  gebildeten  und  von  einem 
respiratorischen  Canalsysteme  begrenzten  Hohlraum  bildet  sich  der 
Uebergang  zu  einer  andern  Art  der  Athmung,  der  Luftathmung.  Die 
Mantelhöhle  oder  vielmehr  ein  Theil  ihres  vom  übrigen  gesonder- 
ten Raumes  wird  zur  Lunge.  Ein  solches  den  für  das  Leben  im 
Wasser  organisirten  Mollusken  ursprünglich  fremdes  Organ  ist  in  einzelnen 
Fällen  mit  Aenderung  der  Lebensweise  entstanden,  und  als  eine  durch 
Anpassung  erworbene  Bildung  anzusehen.  Zugleich  mit  einer  Kieme 
findet  sich  eine  Lunge  bei  AmpuUaria ,  wo  sie  einen  parallel  mit  der 
Kieme  gelagerten,  mit  contractiler  Mündung  versehenen  Sack  vorstellt. 
Ganz  verloren  gegangen  ist  die  Kieme  bei  der  landbewohnenden  Gat- 
tung Cyclostoma,  welche  wie  AmpuUaria  im  Baue  mit  Kiemenschnecken 
übereinstimmt. 

Endlich  treffen  wir  einen  Theil  der  Mantelhöhle  in  eine  Lunge 
umgewandelt  bei  den  das  Land  l)ewohnenden  oder  im  SUsswasser 
lebenden  Pulmonaten;  die  Luftathmung  ist  hier  die  ausschliessliche. 
Als  Lunge  erscheint  eine  vom  Mantel  überwölbte  Cavität,  welche  durch 
eine  seitlich  am  Mantelrande  befindliche,  durch  stark  entwickelte  Mus- 
kulatur verschliessbare  Oefinung  mit  der  Aussenwelt  communicirt.  Ein 
Theil  der  Decke  dieser  Mantelhöhle  wird  von  einem  reichen  leisten- 
förmige  Vorsprünge  bildenden  Gefrlssnetze  durchzogen,  und  in  diesem 
sammeln  sich  rUckführende  Canüle  zu  einem  zum  Vorhofe  des  Her- 
zens führenden  Geßissstamme. 

Die  Glasse  der  Cephalopoden  bietet  in  dem  Verhalten  der  Kiemen 
wieder  engern  Anschluss  an  die  Mehrzahl  der  übrigen.  Die  Kiemen 
nehmen  ihre  Entstehung  zwischen  Mantel  und  Fuss  (Fig.  147.  150.  b) 
in  gans  ähnlicher  Weise,  wie  sie  bei  manchen  Gasteropoden  dauernd 
erscheinen.     Erst  mit  der  Entwickelung  des  Mantels  rücken  sie  in  die 


Kiemen. 


3S1 


Tiefe,  und  lagera  dann  in  einer  MantelhOble,  die  nicht,  wie  bei  den 
meisten  Cephaioplioren  vome,  sondern  wie  hei  den  Pleropoden,  an  der 
Iwi  Vergleicbun);  des  Thiers  mil  den  Cephalopboren  der  Hinlerscite 
gleich  zu  setienden  Flache  sich  älfael  (siehe  Flg.  117.  A.  B.  br].     Itei 

Flg.  tn. 


allen  sind  die  Kiemen  symmetrisch  angeordnet,  vier  sind  bei  Nautilus, 
bei  allen  tlbrigen  lebenden  Cophalopoden  nur  twei  vorbanden. 

Jede  Kieme  bietet  meist  eine  pyramidale  Gestalt  dar,  mit  der 
SpiUe  nach  aussen  gerichtet,  mit  der  Basis  nach  innen  (Fig.  157.  Br). 

Fi«.  tB7.  Manlelhöhl«  und  Trichter  von  Sepia  ofticinalis.  Die  Mantel- 
büble  IM  ijurch  einen  Uedisn»chnill  iler  Lange  nach  gcfiffnet.  Man  sieht  darin  In  der 
Mitte  den  liinge  werde  sack  vnrnigpn,  hinter  dem  zytei  Muslielpfeiler  fn  emporsteigen, 
in  Trichter  und  Kopf,  Zwischen  diesen  Pfeilen)  liegt  die  Schale  nur  von  einer 
dthiafln  Membran  bedeckt,  Ar  Kieme,  v  br  Kiemenvene.  t>  br'  Bulbugarllge  Er- 
weHenng  denelben.  I  Tlotenbeulel.  r  Mündung  dei  Eicretlonlorganea,  welches 
rachteneilg  gedffnet  dargestellt  Ut  und  in  R  die  Venenanhlngo  srblicken  lllsat. 
g  Genltalpapille.  a  Arier.  J  Trichter,  durch  einen  medianen  Laogsschnill  geölT- 
nel.  I  ZungenfOrmtgcs  Organ,  e  VerlleFung  lur  Aufhahme  des  am  Hanlelrande 
liegeaden  Vorsprunges  ( Hantel  sc  hlou|  c'.     C  Kopf.    P  Flosaeo. 


Sie  besieht  entweder  aus  dicht  .ineinander  liegenden,  sich  allmählich 
(;egen  die  S|>ilxe  hin  verjüngenden  Bbttchcn  (Nautilus  und  die  meisten 
Loliginen],  oder  aus  vielfach  gewundenen  Hautfaltengruppen,  welche 
zwischen  den  beiden  am  Kiemenrande  sich  hinziebenden  Kiemengefäss— 
sUimmen  ihren- tirspnmg  nehmen   (Oclopoden). 

Der  Athmungsmechanismus  comhinirt  sich  auch  hier  mit  der  Orts— 
bewegung  der  Thiere.  Bei  jedesmaliger  ErsehlaiTung  der  Muskulatur 
des  Hanteirnndes  strflmt  Wasser  in  die  Kiemenhühle  durch  deren 
Spalte,  namentlich  zu  beiden  Seiten  des  Trichters,  ein  und  wird  nach 
BespUlung  der  Kieme  durch  die  Contractionen  des  Mantels  wieder  aus- 
getrieben. Dabei  schliesst  sich  die  Spalte  der  AthemhOhle,  so  dass 
nur  noch  der  Trichter  als  Ausweg  besiebt,  der  dem  Wasser  zum 
Durchtrittc  dient  und  sich  beim  Ausstossen  desselben   activ  hetheiligt. 


ImiarsB  BkelBt. 

§  2tfi- 

Bei  der  Hehrzahl  der  Weichthiere  wird  der  Mangel  eines  inneren 
Skelels  aufgewogen  durch  die  in  §  311  beurlheillnn  Schalen  und  Ge- 
hüuse,  die  häufig  auch  zu  inneren  SlHtzen  werden  können.  So  sind 
die  unter  den  Bradiiopoden  bei  den  Terebratuliden  vorkommenden 
festen,  die  Arme  tragenden  Gerllste  nur  Jnnere  Fortsetzungen  der 
äusseren  Schale  und  deshalb  nicht  als  wahre  innere  Sketete  anzu- 
sehen. Dieser  Apparat  wird  bei  Tei'cbratuia  durch  zwei  von  der  dor- 
salen Schale  ausgehende  Leisten  gebildet,  die,  nachdem  jede  mit  einer 
anderen,  vom  Boden  der  Schale  kommenden  Leiste  sich  vereinigt  hat, 
nach  vorne  verlaufen,,  um  dann  hogen- 
""  '**'  förmig  sich    nach    hinten    zu    wenden, 

und  in  der  Mitte  mit  einander  sich  zu  ver- 
einigen (vergl.  Fig.  1 59| .  Andere 
Gattungen  bieten  zahlreiche  Hodifi- 
cationen  dar. 

Anders  verhallen  sich  innere  StUU- 
organe  bei  den  Cophalophoren.  Im 
Kopfe  dieser  Thiere  liegen ,  von  Jer 
Muskulatur  des  Pharynx  umschlossen, 
zwei  oder  zuweilen  auch  vier  mehr  oder 
minder  innig  mit  einander  verbundene 
KnorpelslUckchcn,  die  für  die  Reibplalle 
und  ihre  Adnexa  einen  Stützapparat  bilden  und  fur  einen  Theil  der 
Pharynsmuskulatur,  besonders  für  die  Muskeln  der  Reibplalle,  In- 
sprtionsslellen  darbieten. 

lilus.     A  von  bilden.     B  von  voroe.     (Nach 


MttskelKyslein.  3ft3 

Reiohliciier  entwickell  treH'en  wir  knorpelige  SiflUorgane  bei  den 
Cephaiepoden.  Des  bedeulendsto  lierselben  liegt  im  Kopfe  und  dient 
ak  H9Ue  der  Nervenoentren ,  als  Stütce  der  Seh-  und  llörorgane ,  so- 
wie als  UrspnmgMtelle  mner  reichen  Muskulatur.  Boi  Nautilus  wird 
dieser  Koprkooqie]  durch  cwei  median  verschmolzene,  vorne,  wie  hinten 
in  FortsMIae  ausgezogene  Stücke  dargestellt  (Fig.  458],  welche  den 
Anfeiigslbeil  der  Speisertfhre  mmCassen.  Um  vieles  mehr  entwickelt  ist 
der  Kopfknorpel  der  DIbranchiaten.  Er  'besteht  aus  einem  mittleren, 
vom  Oesophagus  durchbohrten  Tbeile  und  zwei  Seitenflügeln,  welche 
hald  nur  als  flache  Ausbreitungen  ersobeineo  und  dann  zur  Bildung 
von  Orbilen  mit  accessorisohen  Knorpelplttttchen  versehen  sind,  bald 
in  höherer  Ausbildung  auch  nach  oben  in  Fortsiltze  übergehen  und 
die  Orbita  vollständiger  umsohliessen.  In  dem  vom  Oesophagus  durch- 
setzten Theile  des  Kopfknorpels  lagert  das  centrale  Nervensystem. 

Ausser  dem  Kopfknorpel  besitzen  die  DIbranchiaten  noch  andere 
knorpelige  Skeletstdcke.  Ein  Rttokenknorpel  ist  der  verbreitetsle.  Der- 
selbe liegt  bei  den  Sepien  afe  ein  haibmondfbnniges  Stück  im  vordem 
Doraaltheile  des  Mantels,  und  setzt  sich  seitlich  in  zwei  schmale  Ifclmer 
fortf  die  bei  Octopus,  wo  das  Mittelstack  geschwunden,  selbständig 
fortbestehen. 

Dazu  kommt  noch  ein  Knorpelstück  im  Nacken,  sowie  cwei  Knorpel 
an  der  Trichlerbasis ,  die  Schlossknorpel.  Sie  sind  weniger  conatam 
als  die  an  der  Basis  der  Flossen  liegenden  Knorpelstttcke,  die  bei  allen 
mit  Flossen  versehenen  Dibranohiaten  zur  Befestigung  der  Floasenmusku- 
latur  bestehen. 

Muakftlayatem. 
§  247. 

Aus  dem  Vorkommen  eines  mit  dem  Integumentc  verbundenen 
Hantoiuskelschlauches,  sowie  der  im  Ganzen,  trotz  der  vielgestaltigen 
Modißcationen  doch  einförmigen  Bildung  äusserer  Stützapparate  wird 
die  geringe  Entfaltung  gesonderter  Muskelbildungen  verständlich.  Eben 
dahin  wirkt  der  Mangel  innerer  Stutzorgane  in  den  unteren  Ab-- 
tbeilungen,  oder  deren  geringe  Entwickelung  in  den  höheren  Classen. 
Die  MttsknlaUir  besteht  ans  bandförmigen  Fasern ,  an  denen  Andeutungen 
von  Querstneilien  nicht  selten  auf  eine  höhere  Difierenzirung  hinweisen. 

Ausser  der  unmittelbar  dem  Hautmuskelschiauche  angehorendan 
Muskulatur,  wie  jene  des  Mantels  und  der  Arme,  findet  sich  bei  den 
Bracbiopoden  eine  Anzahl  von  selbständigen,  die  Leibeshohle  durofa^ 
setzenden  Muskeln  (vergl.  Fig.  159),  welche  zum  Oeffnen  und  Schliessen 
der  Schale,  sowie  zu  Drehbewegungen  dienen.  Da,  wie  oben  ge- 
zeigt, die  Schalen  der  Bracbiopoden  von  jenen  der  Lamellibranchiaten 
verschieden  sind,  so  hat  die  innere  Muskulatur  mit  jener  der  letzteren 
morphologisch  nichts  gemein. 

OtfBBbaQr,  GntndriM.  t8 


351  Holinsken. 

Bei  den  Lamellihranchialen  sind  vorzüglich  Scbliessmuskeln  enl^ 
wickeil,  die  quer  oder  schräg  durch  den  KOrper  von  einer  Schslen- 
klappe  zur  andern  ziehen.  Sie  sind  entweder 
auf  zwei  weit  von  einander  liegende  Gruppen  — 
eine  vordere  (Fig.  14i,  46i.  ma),  und  eine  hinlere 
Imp)  —  verlheitl  und  bilden  zwei  getrennle  Mus- 
keln (Unio,  Anodonta],  oder  beide  Muskeln  nahern 
sich  einander  und  treten  endlich  zu  einer  ein- 
zigen, die  Mitte  der  Schale  einnehmenden  Masse 
zusammen  (Austern).  Zum  Rückziehen  des  Fusses 
wirken  gleichralls  besondere  dem  Inlegument 
verwebte  Muskeln ,  die  vom  Rucken  der  Schale 
entspringen  und  zuweilen  in  mehrere  Paare 
Diese  Hetractoren  finden  sich  wieder  bei  den  ge- 
1  Cepfaalopboren .  Sie  bilden  hier  meist  einen  einfachen, 
im  Grunde  des  Gehüuses  enUpringenden  Muskel,  der  sich,  an  Umfang 
zunehmend,  zu  den  vordem  Körperi heilen  begibt.  Bei  den  Pleropoden 
strahlt  er  in  die  Flossen  aus.  Bei  den  Gasleropoden  versorgt  er  ausser 
dem  Fuss  noch  den  Kopf  mit  dem  Anfang  des  Darmrohrs  (Schlund' 
köpf).  Er  gibt  besondere  BUndel  an  andere  hervorstreckbare  Theile, 
so  an  die  Tentakel  und  das  Bcgallungsorgan  nb.  Von  der  Spindel  des 
Gehäuses  entspringend  und  auch  in  seinem  Verlaufe  ihr  anliegend, 
wird  er  als  M.  columellaris  bezeichnet.  Auch  bei  den  Heteropoden  ist 
er  vorhanden  und  hat  seine  Endausbreitung  im  Rielfusse.  Ausser 
diesen  Muskeln  finden  sich  noch  einzelne  zu  den  Eingeweiden  tretende 
BUndel. 

Durch  das  Bestehen  eines  entwickelten  inneren  Skeletes  wird  die 
Muskulatur  der  Ccphalopoden  difTerenziner.  An  den  Kopfknorpel  be- 
festigen sich  hei  Nautilus  zwei  müchtige  Relracloren,  die  seitlich  in  der 
Wohnkammer  der  Schale  entspringen  (Fig.  I^i.  s).  Bei  den  mit  innerer 
Schale  versehenen  Dibrancbiaten  (l)ecapoden)  nehmen  dieselben  Muskeln 
ihren  Ursprung  Ton  der  Wand  des  Schalentlberzuges  und  bei  den  Orto- 
poden  von  einem  dort  liegenden  Knorpel.  Von  diesen  beiden  Muskeln 
zweigen  sich  zwei  Züge  fUr  den  Trichter  ab.  Ein  anderes  mtichtigeres 
Muskelpaar  enUpringt  im  Nacken  des  Thieres  und  trill  breit  zur  Ven- 
Iralflache  in  den  Trichter.  Auch  im  Mantel  ordnet  sich  die  Muskulatur  in 
gesonderte  Lagen,  und  die  Flossenmuskeln  zeigen  ebenso  deutlidi  ge- 
trennte Schichten.  Die  Muskulatur  der  Arme  entspringt  cum  Theil 
vom  Kopfknorpel,  und  umschliesst  einen  in  der  Armaxe  verlaufenden 
Canal. 

Fig.  ISO.  Muskulatur  von  Terebralnla.  ab  Die  beiden  SchalenhttiriM. 
c  Da*  ArmgerüBte.    d  Der  Stiel,    e  f  g  h  Uuskulalur  zum  OeCTaen  und  Schli«Hrn 

der  Schale.     (Nacb  Owen.) 


Nerveosyttom.  355 


IVorvonsyston« 
Centralorgane  und  Kdrpernerven. 

§  848. 

Auch  für  dieses  Organsysiem  können  wir  bei  den  Würmern  An- 
knapfungen  nachweisen.  Der  gesammte  Gentralapparat  scheidet  sich 
nämlich  in  eine  obere  dem  Anfang  des  Darrorohrs  aufliegende  Ganglien- 
masse,  die  oberen  Schlundganglien,  und  eine  ventral  gelagerte,  durch 
Commissuren  mit  der  ersteren  verbundene  Nasse,  die  unteren  Schlund- 
ganglien. Beide  sind  paarig  und  setzen  sich  wieder  aus  einzelnen 
mehr  oder  minder  deutlich  abgegrenzten  Gangliencomplexen  zusammen. 
Vom  Nervensystem  der  ungegliederten  WUrmer  unterscheidet  sich  das 
Nervensystem  der  Mollusken  durch  das  Vorkommen  einer  unteren 
Scblundganglienmasse,  und  von  jenem  der  gegliederten  Würmer  wie 
auch  der  Arthropoden  ist  es  durch  den  Mangel  einer  Wiederholung 
derselben  untern  Ganglienpartie  verschieden.  Der  letzteren  Form  steht 
es  aber  dennoch  am  nächsten,  da  in  den  unteren  Schlundganglien  eine 
der  Bauchganglienkette  oder  doch  dem  ersten  Ganglion  derselben  ho- 
mologe Einrichtung  besteht.  Die  Thatsache,  dass  untere  Ganglien  bei 
Würmern  meist  mit  einer  Metamerenbildung  auftreten,  mag  auch  für  die 
Mollusken  dahin  verwerthet  werden,  im  Zusammenhalte  mit  andern 
Organisationsverhitltnissen  (siehe  Circulattons-  und  Excretionsorgane)  die 
Andeutung  einer  Metamerie  zu  erkennen.  Demnach  ist  die  Bildung  der 
untern  Scblundganglienmasse  nicht  etwa  als  eine  Verlegung  sonst  in 
obern  Ganglien  enthaltener  Apparate  nach  der  ventralen  Seite,  aber 
auch  nicht  als  eine  nur  durch  die  Ausbildung  der  ventralen  Körper- 
theile  (vorzüglich  des  Fusses)  erworbene  Neubildung  zu  erklären,  son- 
dern auf  demselben  Wege,  auf  dem  auch  bei  Würmern  die  DiflTeren- 
ziroDg  ventraler  Ganglien  erscheint. 

Der  so  gebildete  Schlundring  erleidet  eine  Reihe  von  Modifi- 
cattonen,  die  sich  vorzüglich  in  der  Lagerung  der  Ganglien,  sowie  in 
einer  feineren  Differenzirung  dieser  Theile  kund  geben.  Die  Ganglien 
können  in  ihrer  Masse  bald  oben  oder  unten,  bald  auch  mehr  seitlich 
präponderiren ,  je  nach  der  Entfaltung  der  sie  verbindenden  Faser- 
massen  (Commissuren).  So  können  die  unteren  zur  Seite  rücken  und 
sowohl  unter  sich  als  auch  mit  den  oberen  durch  lange  Commissuren 
verbunden  sein;  oder  sie  können  sich  mit  den  oberen  derart  verbin- 
den, dass  eine  untere  Ganglienmasse  zu  fehlen  scheint,  und  nur  ein 
Commissurstrang  den  Schlundring  an  der  ventralen  Seite  vervoll- 
ständigt. Zum  Theile  leitet  sich  hieraus  die  Verschiedenheit  der  Ur- 
spnmgsstellen  der  Nerven  gewisser  Sinnesorgane  ab.  Die  wechselnde, 
fast  an  allen  Theilen  des  Schlundringes  stattfindende  Lagerung  der 
Ganglien    lehrt  zugleich,    dass   in    vielen    Fallen   die    Annahme    eines 

18* 


356 


Molliuken. 


absoluten  Mangels  einzelner  Abschnitte  des  Ganglien  Systems  eine  un- 
gerechtfertigte ist,  so  dass  wir  also  da,  wo  z.  B.  nur  ein  einiiges 
Ganglion  oben  oder  unten  an  einem  Schlundringe  vorkommt ,  dasselbe 
nicht  blos  einem  oberen  oder  blos  einem  unteren  Schlundgan^ion 
aequivalent  ansehen  dürfen,  sondern  es  muss  solches  als  der  ganieo 
Summe  von  Ganglien,  die  in  entwickelteren  Verhaltnissen  am  Scblund- 
ringe  sich  finden,  homolog  gelten. 

Das  peripherische  Nervensystem  entspringt  aus  den  Centralheilen 
des  Schlundringes  und  vertbeilt  sich  an  den  KUrpcr,  häufig  unler  Ver- 
bindung mit  kleineren  Gan- 
glien. Milden  oberenSchlund- 
ganglien  (seltener  mit  den 
unteren)  steht  gleidifalis  eine 
Anzahl  andererGanglieo  durch 
verschieden  lange  Commissa- 
ren  in  Verbindung,  die  wir 
samint  den  von  ibneo  aus- 
gehenden Nerven  als  ein 
sympathisches  oder  Einge- 
weidenervensystem  ansehen. 
In  der  allgemeinen  Anlage 
entspricht  dasselbe  jenem  bei 
den  Würmern  und  den  Glie- 
derLbieren  voi^eführten  und 
zerfällt  wie  dort  in  einen 
vorderen  und  hin*eren  Ab- 
schnitt. 

Das  Nervensystem  der 
Brachiopoden  wird  ans 
Ganglien  massen  zusammenge- 
setzt, die  inderNahe  des  Oeso- 
phagus [Fig.  *60.  d)  lagern. 
Solch'  ein  grosseres  Ganglifm 
(n)  liegt  [bei  Terebratuliden; 
dicht  am  Oesophagus  und  schickt  um  denselben  zwei  zu  kleineren 
Ganghen  tretende  Commissui'en,  die  einen  Schlundring  herstellen.  (In 
der  Fig.  160  ist  derselbe  nicht  angegeben  und  muss  um  den  OeBo~ 
phagus   (d)  verlaufend    gedacht  werden.)     Die   Hauptüsle  des  grossen, 

Fig.  <60.  Nervensystem  von  Waldhcimia  von  der  dorsalen  Fläcbe  aus. 
Die  dorsale  Schalenklappe  ist  entrcrnl,  ebenso  die  linke  Hättle  des  dorselea  Han- 
(els  D,  der  somit  auf  der  rochlen  Seite  sichtbar  (st.  V  Linke  HWfle  der  ▼enlralet« 
Mantellsinelle,  P  Stiel,  d  Oesophafus,  durchschnitten.  (Ein  Paar  vor  dem  Oeso- 
phagus liegender  Ganglien ,  die  durch  dünne  fttdclien  mit  dem  Ganglion  «  ver- 
bunden sind,  sind  nicht  angegeben  )  n  Vorderes,  n'  hinterfs  Oesophngalgaiigliun. 
gg  Geschlechtsorgane,  m  Occlusor-Mnskel.  m'  Divarialor.  m"  Ventraler  Adjnslor. 
m'"  Accessoriscfaer  Divarialor.     (Nach  A.  Hancock.) 


NervoiMiyslein. 


357 


unter  dem  Oesophagus  liegenden  Ganglion  treten  nach  Bildung  einer 
AiMchwdliing  (n')  zum  Stiele.  Von  diesen  Anschwellungen  ti*eten 
reMk  Terzweigte  Nerven  zur  veiHralen  Mantellamelle  ab,  wahrend 
die  dorsale  ihre  Nerven  unmittelbar  Tom  Hauptganglion  empfängt. 
Siehl  man  nun,  wie  oben  (§  223)  erörtert  wurde,  die  beiden  Schalen 
aamMBi  den  bezttgKeheti  ManteUanellen  als  dorsale  und  ventrale,  so 
Tverden  die  kleineD,  dem  Oesophagus  aufjgelagerten  Ganglien  den  Hini- 
ganglien  anderer  MoHosken  entsprechen,  und  ihre  geringe  Ausbildung 
von  dem  Mangel  höherer  Sinnesorgane  ableitbar  sein. 


§  2^9. 

Bedeutende  Ueberetnstimmungen  bietet  das  Nervensystem  der 
beeren  Mollusken,  indem  bei  Allen  ein  Schlundring  vorhanden  ist,  der 
seine  mannichfaltigen  Modificationan  tbeils  au&  Difforenzirungen ,  theils 
aus  Bückbildungen  ableiten  lasst. 

Die  relaliv  geriage  Entwickelung  der  oberen  SchlundgangKen  ist  bei 
den  Laroetlibranchiaten  aus  dem  Mangel  eines  mit  Sinnesorganen 
irersebenen  Kopfea  abzuleiten.  Die  oberen  meist  dicht  über  der  Mund- 
ilfinung  geiegßnen  Ganglien  (Fig.  4  64.  a)  treten  häufig  so  zur  Seile, 
daas  zwischen  ihnen  eine  längere  Conunissur  besteht  (Lucina,  Pano- 
paea,  Anodeota,  Unio,  Mytilus^  Area,  Cardium,  Pholas  u.  a.).  Diese 
obern  ScbtundgangUen  geben  ausser  ansehnlichen  nach  hinten  ver- 
laufenden Verbindungsstrüngen  zu  einem  dem  Eingewetdenervensystem 
angehiMigen  Ganglion  nur  einige  klei- 
nere Zweige  ab.  Die  unteren  Schlund- 
ganglien  haben  den  Verbreitungsbezirk 
ihrer  Nerven  im  venflralen  Theile  des 
iUrpers  besonders  im  Fusse,  daher  sie 
als  Fussganglien  (ganglia  pedalia)  be-«- 
aMchnet  werden.  Sie  lagern  an  der 
Wurzel  des  Fusses  zuweilen  auch  tiefor 
in  ihn  eingebettet.  Je  nach  der  Ent- 
wickelung des  Fusses  und  der  Entfer- 
mmg  desselben  vom  vorderen  Theile 
des  Körpers  sind  die  Commissurstränge 
von  verschiedener  Lttnge.  Bei  wenig 
ausgßbildetem  Fusse,  oder  wenn  der- 
selbe sehr  weit  nach  vorne  gerUckt  ist, 
ktenen  obere  und  untere  Schlundgan- 
gjien  einander  beträchtücli  genöhert  sein 
^Solen,  Mactra).     Sogar  eine  Aneinan- 

Hg.  4Sf.  Nervensystem  yod  Lamellibranchiaten.  A  von  Teredo,  B  von 
Anod»»la,  C  von  Pecten.  a  Obere  Schlundganglien  (GehirngangHen).  6  Un- 
tere SehittadgaAslieo  (Fussiaaglien).    c  Kiemen*  oder  EtogeweidegaagUeo. 


358  Mollusken. 

derlageruDg  kann  staltfioden,  wie  dies  bei  Peclen  sieb  trifft  (Fig. 
161.  Cj,  wo  die  durcb  eine  weilgespaoote  Bogeneomniissur  verbundenen 
oberen  Ganglien  (a)  die  kleineren  Fussganglien  (b)  zwischen  sich  nebmen. 
Die  voluminöse  Ausbildung  der  Fussganglien  hängt  von  der  Entwicke- 
lung  des  Fusses  ab.  Sie  sind  in  der  Regel,  ohne  ihre  Selbständi^eii 
aufzugeben,  innig  mit  einander  verbunden.  Die  peripherischen  Nerven 
der  oberen  Schlund-  oder  Gehirnganglien  haben  ihre  vorzdgiiche  Ver^ 
breitung  in  den  dem  Munde  zunäch3t.  gelegenen  Körpertheileo  und 
senden  auch  Aeste  zum  Mantel.  Bei  einigen  erscheinen  diese  Mantel— 
nerven  (Fig.  164.  /')  als  zwei  starke  Stämme,  die  dann  anS  Rande  des 
Mantels  mit  anderen,  dem  Eingeweidenervensystem  angehörigen  Acsten 
sich  verbindend  entweder  einen  einfachen  stärkeren  Randnorven,  oder 
ein  förmliches  Nervengeflechte  darstellen  helfen. 

§  250. 

Die  Ausbildung  eines  Kopfes  und  die  Entfaltung  von  mehrfachen 
oft  sehr  hoch  differenzirtcn  Sinnesorganen  in  demselben  lässt  das  Nerven— 
System  der  Cephalophoren  von  jenem  der  vorigen  Abtheiiungen 
vorzüglich  durch  die  grössere  Ausbildung  der  Gehirnganglien  ausge— 
zeichnet  erscheinen.  Es  besteht  nicht  allein  eine  grössere  Anzahl  ein- 
zelner Ganglienpartieen ,  sondern  auch  eine  innigere  Verbindung  der 
Ganglien  unter  einander,  wodurch  ein  höherer  Gentralisationsgrad  aus- 
gedrückt ist.  Ein  Fehlen  der  oberen  Schlundganglien  oder  vielmehr 
eine  Vereinigung  derselben  mit  den  anderen  unterhalb  des  Schlundes, 
so  dass  nur  eine  einfache  Gommissurschlinge  über  den  Oesophagus  hin- 
weg läuft,  ergibt  sich  bei  den  schalentragenden  Pteropoden  und  erin- 
nert an  die  bei  Lamellibranchiaten  gesehene  Bildung.  Doch  dürfte 
hierin  mehr^  eine  mit  der  aus  dem  Fusse  hervorgehenden  Flossen— 
bildung  zusammenhängende  Bückbildung  zu  erkennen  sein.  Von  den 
Ganglien massen  gehen  starke  Nerven  tfaeils  zu  den  Flossen,  theils  seit- 
lich an  den  Mantel,  sowie  auch  einige  weniger  bedeutende  Fäden  rück- 
wärts an  die  Eingeweide  zu  verlaufen  scheinen. 

Eine  andere  aus  der  typischen  Form  ableitbare  Bildung  spricht 
sich  in  der  Trennung  der  unteren  Ganglien  aus,  zwischen  denen  eine 
verschieden  lange  Commissur  sich  entwickelt.  Wenn  nun  in  dem- 
selben Maasse  die  seitlichen  Gommissuren  Verkürzt  werden,  so  nähern 
sich  die  Fussganglien  den  Gehirnganglien  und  können  endlich  ihnen 
dicht  angelagert  sein.  Dieses  Verhalten  ist  bei  sehr  vielen  Opistho— 
branchiatcn  ausgesprochen,  doch  kann  auch  hier  eine  Annäherung  der 
Fussganglien  unter  sich  und  an  die  oberen  Ganglien  stattfinden,  so  dass 
der  Schlundring,  mit  Zurücktreten  der  Commissurstränge ,  aus  einer 
zusammenhängenden  Ganglienmasse   gebildet   wird    (z.  B.    Doridopsis). 

Die  einzelnen  Ganglien,  vornehmlich  die  oberen,  sind  immer  in 
mehrfache  aus  ilaufen  von  Ganglienzellen  gebildete  Gruppen  gesondert, 


NervcDvyaleni.  3S9 

von    deDflD    bestimmle    Nerven    hervorgehen,    so    dass    sie   nach  dem 
fuDctionelleD  Wenhe  der  lelsleren  bestimmt  werden  kOanen.    So  gehen 
ans   dem  tnedialen    Gai^lienpaare    unter 
aadern  die   TentakeJnerveu   hervor,   und  p^     ^g, 

mu)  hat  es,  um  so  mehr  als  es  auch 
durch  Grdsse  sieb  ausseiebnet,  als  Hirn- 
ganglioD  benannt.  Ein  hinter  diesem  ge- 
legenes Ganglienpaar  sendet  Nerven  lu 
dmi  Kiemen  oder  lU  Visceral ganglien,  und 
wird  als  Kieraenganglion  der  obern  Schlund- 
nervenmasse  unterschieden.  Dieser  Ab- 
schnitt ist  besonders  bei  den  Opistho- 
braodtiaten  entwickelt,  und  soll  das 
Kiemenganglion  vorslellen ,  welches  bei 
den  anderen  Gepbalophoren  wie   bei  den 

Lamellibranchiaien  nur  durch  lange  Coinmissuren  mit  den  oberen 
Schlundganglien  in  Verbindung  siebt.  Während  die  Fussganglien  in 
d«o  oben  erwähnten  Abtheilungen  zu  den  oberen  Ganglien  empor- 
rUcken,  bleiben  sie  bei  andern  einander  genähert,  so  bei  den  meisten 
Prosobranchiaten  und  bei  den  Pulmonaten.  Ihre  Beziehung  zum  Fussc 
geben  ue  durch  ihre  Lagerung  bei  den  Heleropoden  zu  erkennen,  in- 
dem sie  hier,  durch  lange  Gommissuren  mit  den  Gefaimganglien  im 
Zusammenhange,  an  die  Basis  der  Flosse  gerückt  sind.  Die  beide 
Pussganglien  vereinigende  Quercommissur  [Fig.  1  ü2.  e)  ,  welche  den 
Scblundring  ventral  abscbliesst,  kann  bei  dem  Aneinanderrücken  der 
beiden  Fussganglien  sich  vor  viel  fältigen,  oder  es  besteht  zwischen  den 
Kiemenganglien  eine  besondere  den  Oesophagus  umgreifende  Coni- 
uissur,  wie  s.  B.  i>ei  Aeolidiem  (Fig.   162.  e'). 

Von  den  peripherischen  Nerven  nehmen  die  lUr  die  Sinnesorgane 
aus  den  oberen  Sdilundgnngtien  ihren  Ursprung.  Ansehnliche  Stamm- 
eben treten  zu  den  Kepflenlakeln ,  in  denen  sie  in  der  Regel  eine 
Gangltenbildung  eingehen.  Aucfa^  fUr  Seh-  und  Hdrorgane  treten 
Nerveo  ab.  Die  nnleren  Scblundganglien  versorgen  den  Fuss,  der 
bei  vollständiger  Ansbildnng  zwei  starke  Stamme  cmpläogt.  Ausser- 
dem  gehen  noch  Zweige    an   andere  Theile   dos  Uautmuskelscblauchs. 

§  251. 
Im  Anschlüsse  an  die  bei  den  Cophalopfaoren  gegebenen  Verbslt- 
niase  steht  das  Nervensystem  der  Cepbalopoden.  Die  centralen  Appa- 
Fig.  tSl.  Centrates  Nervensysleoa  einer  Aeolidie  (Fiona  allsnlica).  J  Obere 
Seblttnds*nglt«nii>*Me,  bub  den  vorderen  oder  Cerebral-  und  hlaleren  oder  söge- 
oanntCD  Bnncblal-Ganglien  bestehend.  B  Fussganglivi.  C  DuccalgaDglien.  D  Ga- 
ütro-Mopbagealgsnglien.  a  Nerv  lu  den  oberen  (hlnlcrenj  Tentakeln,  b  Nerv  lu 
den  nniereo  Tentakeln,  e  Nerv  in  den  GeschlecliUoi^enco.  d  Fassnerven. 
«   ComtnlsHDr   der    Kassganglien.     «',  Comtnlssur   der   Brancbialganglien.     {Nach 

R.    BEBttU., 


3G0  Hollualutn. 

rat«  bilden  hier  einen  Schlundring  mit  so  kurzen  Comniissnreii ,  dass 
die  gan^ioQären  Partieen  sich  dicht  aneinander  drängen.  Die  Gesamml- 
masse  des  Scfalundringes  wird  sum  grBsslen  Tbeit  von  der  kDorpelipBB 
Schadeikapsct  aufgenomnion,  so  dass  nnr  der  vonlere  und  untere  Tbeil 
davon  unbedeckt  bleibt  und  stall  dessen  eine  besondere  Hembno  fris 
Hülle  besitzt.  Dieser  Verschluss  ist  unvoItatUndig  bei  den  TeUv- 
branchiaten ,  vollsUindig  bei  den  Dibranchialen ,  bei  Aattn  die  vom 
S<^lundringe  eoUspiingenden  Nci-ven  durch  Löcher  im  Knorpet  ihren 
Auslrill  nehmen.  Weiter  ist  der  Ring  bei  Nautilus,  eng^  lusanwien- 
gertlckl  sind  seine  einzelnen  Theile  bei  den  Dibranchialen. 

Die  obere  Partie  des  Schlundringes   isl   die   minder   betrUchlKche. 
Sie  wird  entweder  durch  ein  quer  liegendes  Doppelganglion  dargesteHt 
(Nautilus,  Fig.   163.  a.  a},  oder  durch  mehrer« 
(lg.  163.  kleine,  hinter  einander  liegende  GanglieBwaatn 

(Octopoden).  Bei  den  Decap«den  sind  diese 
mehr  concentrirt,  so  dass  sie  fast  wie  eine  ein- 
zige Hasse  erscheinen.  Diese  setzt  sich,  anr 
eine  kleine  zum  Durcbtritl  der  Speiserdlire 
dienende  OefTnung  umfaseend,  seillicb  in  die 
untere,  beträchtlich  grossere  iort,  an  welefeer 
immer  mehrere  symmetrische  GaagKenparticen, 
mehr  oder  minder  innig  mit  einander  verbun- 
den sind  und  vielerlei  Deutungen  erfuhren. 
Vier  solche  Ganglienmassen ,  jedersals  m\ 
den  oberen  Ganglien  zusammenh&ngcDd ,  sind 
bei  Nautilus  vorhanden.  Das  vordere  Paar  [b] 
entsendet  Nerven  zu  den  Tentakefat  (f),  soch 
zu  einem  Ganglien-Paare  [t] ,  welches  ilen  Lippen- 
Icntakeln  Zwe^c  abgibt.  DashintereGanglieopaar 
gibt  vielo  Nerven  (mj  zu  den  grossen  SchateiHDB»- 
kein,  ferner  Verbindungen  zu  den  EiBgeweM»- 
ganglieo  (lüemenganglien) .  Coocentrirter  er>- 
scheinen  diese  zwei  Paar  Ganglien  bei  den  Di- 
bninchialon,  bei  denen  zugleich  die  Verbmdung 
n>it  den  oberen  Ganglien  so  innig  wird,  dass  alle  zusamaaen  fast  eine 
einzige  Nenenmasso  bilden.  Die  Scheidung  der  unteren  in  einen  vor^ 
dem  und  einen  hintern  Absehnilt  ist  aber  auch  hier  noch  deuüidi, 
wenn  sie  auch  nicht  mehr  durch  eioen  Zwischenraum  getrenDt  sind. 
Von  dem  hinteren  Theile  treten  ausser  Nerven  zum  Hastel  uad  den 
zur  Verbindung  mit  den  Eingew eidegnngliün  btslimmten  Nerven,  noch 
ein  Paar  Stammchen  nach  der  Seile  zu  zwei  im  lUanLel  gelagerten  G»d- 
glien  (G.  slellataj,  von  welchen  noch  allen  Seiten  Nerven  fUr  den  Hantel 

Fii;.  fSS.  NcrvcosyNtem  von  Nnutilus  pompilius.  a  Obere,  b  unUre 
Gani^lion  des  SchlundriDHS,  c  hintere  Ganglieo  lUangl.  slellets).  d  Ein^weMe- 
ganglien.     m  Mantclncrven.     tf  Tentakel  nerven.     tNadi  Owik.) 


BingiveMenerven.  364 

avsstraMen.  SmuI  werden  diese  bei  den  TelrftbraDebiateD  fehknden 
G«igKen  ron  der  hinleren  Parlie  der  «Dteren  Schiunditervemiuefle  er- 
seilt.  Die  Armnerven  entspringen  gleich  den  Tentakelnerven  von  Nau- 
tikss,  sie  sind  nichl  selten  von  ihrem  Ursprünge  an  eine  Strecke  weit 
vifoinlgt,  und  ISsen  sidi  erst  dann  divergirend  ab.  Auch  die  HOr- 
nerven  geben  von  den  mileren  Ganglien  ab,  die  Sehnerven  dagegen 
nebflseii  von  den  Gebimganglien  ihren  Ursprung  und  jeder  bildet  dicht 
bimer  dem  Ange  ein  ansebnliches  Ganglion. 

Pllr  eine  genaue  Vergidchung  der  Centralorgane  der  Gepbalöpoden 
mü  jenen  der  Gef»hal<^>boren  fehlen  bis  jetzt  noch  feste  Anhaltepuncte, 
und  es  isi  nur  als  wahrsebeinlich  anzuführen,  dass  die  bei  den  ersteren 
norbandene  reicUiehere  Entwickelung  der  ventralen  Ganglien  dem 
primitiven  Zustande  nttier  steht,  so  dass  nicht  blos  die  von  den  Tetra- 
bianchialen  auf  die  Mbrsnefaiaten  sich  fortsetzende  Erscheinung  der 
Gfiiiiralisinnig  der  unteren  Schlundganglienmassen,  sondern  auch  noch 
eine  das  ¥olum  betrsffisnde  Reduction  dem  bei  Ccphalopboren  bestehen- 
den Verhaken  jener  Ganglien  zu  Grunde  liegt. 


BiBgeweidenerven. 
§  858. 

Die  um  den  Schlund  gpruppirten  GangUenmassen  und  die  davon 
ausgdienden  Nerven  bilden  ein  Körpernervensystem,  mit  dem  sich 
ein  die  Eingeweide  versorgendes^  besondere  Ganglien  besüsendes  Ein- 
geweidenervensystem auf  ähnliche  Weise  wie  be^  den  WUrmem 
und  Arthropoden  verbindet. 

In  ausgesprodiener  Weise  tritt  es  in  den  höheren  Classen  anf  und 
bsst  die  schon  bei  den  niedem  Typen  aufgeftthrten  aUgemeinen  Ver- 
batanisse  wahrnehmen.  Wie  dort,  ist  auch  hier  ein  zweifacher  Abschnitt 
vocbanden,  nftmlich  ein  vorderer ,  dessen  Verbreitungsbesirk  sieb  auf 
die  Mundorgane  und  den  Anfangstheil  des  Darmcanals  bensfarttuki; 
dann  ein  hinterer ,  der  den  übrigen  Th^l  des  Nafarungscanals,  die 
Aibmungs-,  KreislauC-  und  auch  Genitalorgane  mit  Nerven  versoig^ 
Beide  Absehnille  können  mit  einander  vorkommen ;  doch  ist  der  hintere 
am  meisten  verbreitet.  Beide  haben  ihre  Wurzeln  im  Schlundringe> 
esAweder  in  den  oberen  eder  in  den  unteren  Nervenmassen  nnd  sind 
anf  ihrem  Verlaufe  mit  eigenen  Ganglien  ausgestattet. 

Der  vordere  Absehnitt  des  Eingeweide -Nervensystems  ist  bei 
den  Lamellibranehiaten  nur  durch  wenige  Nerven&dcben  vertreten. 
Um  so  entwickelter  ist  der  hintere  Theil,  dessen  centrale  Partie  von 
detn  grtfssten  GsngKon  des  gesammten  Nervensystems  dargestellt  wird. 
Es  ist  dies  der  dem  hinteren  Schliessmnskel  angelagerte  Nervenknoten 
(Flg.  I6f.  c,  Fig.  464.  c],  welcher  durch  lange  Commissuren  mit  den 
Gehirnganglien  in  Verbindung  steht.     Dieser  Umstand,   sowie  die  be* 


ti^chllichc  Grösse   des  Ganglions  hat  manche  Anatomen  veranlasst,   es 

dem  aniroalen  Systeme  einzureihen,  wührend  doch  gerade  die  besagte 

Verbindung,  sowie  seine  Lage 

Fig.  164.  es  als  Homolt^on  eines  bei  den 

M.      t  Cephalophoren     unzweifelhaft 

dem  LiDgeweidenervensystem 
ingehungen  Ganglions  erschei- 
nen lässt  Das  Ueberwiegen 
an  Grösse  über  die  anderen 
Ganglien  kann  hierbei  nur  eiD 
unwesenlUchcr  Umstand  sein, 
welcher  der  belrSchthchen 
Enlwickelung  der  lu  ver- 
sorgenden Theile  parallel  läuft 
Han  vermag  an  diesem  Gaa— 
gtion  zwei  durch  kurze  Com— 
missuren  verbundene  Hälften 
zu  erkennen,  die  sich  ver~ 
schieden  nahe  rücken  und  zu- 
letzt einen  einfachen  vier- 
eckigen Knoten  vorstellen,  je 
nachdem  die  beiderseitigen  Kiemen  dieser  Tbierc  frei  oder  mit  einan- 
der verwachsen  sind.  Schon  aus  diesem  Umstände  geht  die  Beziehung 
dieses  Ganglions  zu  den  Kiemen  hervor;  noch  deutlicher  wird  sie 
duix^  die  starken,  aus  Jenen  hervortretenden  und  die  Kiemen  versoi^en- 
den  Nervensiammc.  Diese  Verhültnisso  begründen  seine  Bezeichnung  als 
Ganglion  branchiale.  Ausser  Zweigen  zu  den  benachbarten  Partieen 
des  Mantels  gibt  es  noch  zwei  starke  Nerven  ab,  die  bei  vielen 
Lamellibranchialen  an  den  Hantelrand  verlaufen  und  dort  entweder 
mit  den  von  den  Gehimganglien  entgegenkommenden  Nerven  ver- 
schmelzen oder  in  eine  längs  des  ganzen  Manlelrandes  verbreitete 
Plexusbildung  übergehen. 

Bei  vorhandener  Siphonenbildung  treten  von  dem  besagten  Gan- 
glion starke  Nerven  ab  und  verzweigen  sich  nicht  nur  auf  der  ganzen 
Lange  der  AthmungsrOhren,  sondern  gehen  auch  noch  eine  besondere, 
an  der  Basis  der  Siphonen  gelegene  Ganglienbitdung  ein  (Fig.  164.  d]. 
Solche  Siphon alganglien  finden  sich  bei  Solen,  Hacira,  Hya,  Lutraria, 
Cytherea  u.  a.  Bezüglich  der  vom  Branchialganglion  tu  den  äusseren 
Oi^anon  gehenden  Nerven  ist  nur  wenig  bekannt.  Dei^loichen  sind 
beobachtet   bei  Pinna,   Anomia,    sowie   bei    Area   und  Solen,    wo  sie 

Kig.  löt.  Nervensystem  von  Cylherea  Chione.  a  Obere  Schlund- (Ge- 
birn-)  Ganglien,  b  Fussganglien.  c- Eingeweide-  oder  FussganglioD.  d  Gaagtlen 
der  Alliem rühren  (SiphonalgangUen',.  ma  Vurdercr,  mp  hinterer  ScIiUessmusltcl  der 
Sclislc.  p  Fuss.  l  Mauleirniid.  1'  Mantuliaiidnerv.  br  kicme.  i  Uurnional. 
A  Leber,    r  Eoddaroi.    tr  Alhemsipho.    ta  Ctoakenslpho.     (Nach  HavuNoi.) 


E  i  Dgawetdener  ven .  3  g3 

entweder    vom   Ganglion    sdbst  oder   von   dessen   Coniniissurstrangeo 
faervorgdiflii. 

§  253. 

Nil  der  EntwidieluDf;  des  Kopftheiics  und  oomplicirter  HuDdorgane 
IhU  bei  den  Cephalophoren  der  vordere  Abschnitt  des  Eingeweide- 
Dervensystoms  in  Belba(äDdiRer  Ausbildung  hervor.  Nur  hei  den 
KbalenUagenden  Pteropoden  scheint  er  ruditnentHr  sn  sein.  Sonst  wird 
er  aus  einem  oder  mehreren  Paaren  von  Ganglien  gebildet,  die  dem 
Schlundkopf  aufgelagert,   mit  dein  oberen  Ganglion   des  Schlundrings 


in  Zusammenhang  stehen.  Diese  Bnccalganglien  (Fig.  468.  c)  sind  in 
der  Regel  durch  eine  ventrale  Commissur  vereinigt  und  kttnnen  auch 
IQ  ein  Einsiges  zusammenOiessen,  oder  durch  mehrfache  vertreten  sein. 
Die  von  ihnen  entspringenden  Nerven  versorgen  die  Hundorgane,  Irelen 

Fig.  ItS.  Nerveasyslem  voo  Hallolis.  Das  Thier  ist  nach  EnlferoeD  der 
Schale  vom  Rücken  geitttael.  t  Tentakel,  o  Aagcii.  br  Kieme,  p  Penis,  r  Aus- 
miinduDg  der  Niere,  a  After,  ov  GeschlechlsOFTnunR.  p  Epipüdiam.  m  Haolel- 
riQd.  pf  Obere  Schiundgaaglien.  gi  Untere  Schlundginglien.  c  Schlundriagconi- 
niwnraa.     gbr  gbr"  KiemengaDKlioD.     gc  GanKlioo  anale.    (Nacb  Licaii-Dutui»!.) 


364  Mollusken. 

VOR  i\fk  auch  auf  den  Oesophagus,  bei  den  Pulnoonaien  sogar  bis  zum 
Magen.  Aehnliches  findet  sich  auch  bei  Opisthobrancbiaien  (x.  B. 
bei  Doris)  vor.  — 

Der  hintere  Abschnitt  des  Eingeweidehervensystems  weist  gleich- 
falls mehrere  Ganglien  auf.  Bei  den  Abranchiaten  wird  er  durch 
feinere  Nervengeflechfe  gebildet,  welche  am  Darmeanal  verbreitet  sind. 
Bei  den  meisten  Qbrfgen  Cephalopfaoren  Kegt  em,  zuweilen  auoh  ver- 
schmolzenes GapgKenpaar  an  der  Basis  der  Kiemen  und  versorgt  diese, 
sowie  auch  die  Eingeweide  mit  Nervenzweigen.  Dieses  Ganglion  zeigt 
sich  besonders  da,  wo  es  dur^  Commissuren  mit  den  obere»  Schlund— 
ganglien  in  Zusammenhang  steht,  z.  B.  bei  Aplysia,  als  das  Homologon 
des  Branchialganglions  der  Muschel thiere.  Wo  es  in  zwei  Ganglien 
(Fig.  165.  br  br')  aufgelöst  ist,  sind  diese  unler  einander  in  Verbindung 
und  können  an  der  Gommissur  noch  ein  drittes  verschiedene  Organe  ver~ 
sorgendes  Ganglion  (Fig.  f65.  yc)  besitzen,  wie  bei  Haliotis,  oder  es 
schliessen  sich  noch  mehrere  Ganglien  daran.  Die  Verbindung  dieser 
Ganglien  mit  dem  Schlundringe  wird  dann  gewöhnlich  von  Nerven 
besorgt,  die  einem  Pftmie  der  unteren  Ganglien  entspringen.  Bei  Cyclo— 
Stoma  gehen  sie  aus  ungleichen  Anschwellungen  der  seitlichen  Com- 
missuren des  Schlundrings  hervor.  Der  rechte  Nerv  verläuft  nach  der 
linken  Seite,  und  der  linke  nach  rechts,  so  dass  sie  unterwegs  sich 
kreuzen.  Dieser  Verlauf,  sowie  die  ganze  Asymmetrie  der  Anordnung 
dieses  Nervensystemabschnittes  steht  mit  der  asymmetrischen  Lagerung 
der  Kiemen  sowohl,  wie  auch  des  Herzens  im  Zusammenhang,  ist 
al^o  eine  secundäre  Anpassung. 

§  254. 

Unter  den  Cephalopoden  scheint  den  Tetrabranchiaten  der  vordere 
Abschnitt  des  Eingeweidenervensystems  als  gesonderter  Theil  zu  fehlen, 
indem  die  betreffenden  Nerven  direct  aus  der  Ganglienmasse  des 
Schlundrings  hervorkommen.  Der  hintere,  ebenso  mächtig  entwickelte 
Abschnitt  entspringt  mit  anein  oder  zwei  starken  Stämmen  von  der 
hinteren  Peripherie  der  unteren  Schlundringmasse.  Die  Stämme  bilden  in 
der  Nähe  des  Herzens  ein  Ganglion,  welches  zwei  starke  Zweige  an  die 
Kiemenherzen  sendet  und  dort  wiederum  eine  Ganglienbildung  ein- 
gehen lässt.  Ein  hieraus  entspringendes  Nervenstämmcfaen  mainil 
unter  reichen  Verzweigungen  längs  der  Kiemenarterie  seinen  Verlauf. 

Bei  den  Dibranchiaten  wird  der  vordere  Abschnitt  aus  einem  oder 
zwei  oft  ansehnlichen  Buccalgnnglien  gebildet,  die  entweder  didit  der 
oberen  Nervenmasse  anlagern  (Octopoden),  oder  entfernter  davon  dem 
Pharynx  aufliegen  und  durch  Nervenstränge  mit  der  oberen  Nerven— 
masse  verbunden  sind  (Loliginen).  Häufig  steht  damit  durch  seilliche 
Gommtssoren  noch  ein  unteres,  aber  ziemlich  grosses  Ganglion  in  Ver- 
bindung, welches  auch  mit  der  unteren  Nervenmasse  des  Sohiundrings 


ooiniDmHcii*i.  Von  allen  diesen  Ganglien  gehen  leine  Zweige  an  die 
benachbarten  Mundibeile,  und  ein  starker,  ioi  unteren  Bnocalkiwlen 
wurzelnder  Nerv  lauft  (bei  Omma8ti<ephes)  in  iwei  parallele  Sittromehen 
gespalten  längs  des  Oesophagus  znm  Magen,  um  hier  ein  aaaehnliehes 
Ganglion  darzustellen,  welches  auch  noch  mit  der  hinleren  Akthetlung 
des  sympathischen  Systems  in  Verbindung  steht.  Die  hiervon  ans* 
strahlenden  Nerven  verlaufen  zu  Magen,  Blinddarm  und  Leber. 

Die  hintere  Abtheilung  des  Eingeweidenervenaystens  wurzelt  im 
hinteren  Theil  der  unteren  Ganglienmasse  des  Schlundrings,  und  sohickt 
ausser  klemen  Fäden  zwei  stärkere  längs  des  grossen  Venenatammes 
herab.  Diese  vereinigen  sich  entweder  hier  in  ein  GanglioBi  aus  dem 
neben  Verbindungen  zum  Magenganglion  Nerven  für  die  Kiemen  ab- 
gehen, oder  die  letzteren  gehen  unmittelbar  aus  den  Haleren  Schlund*- 
ganglien  hervor  und  treten  an  der  Kiemenbasis  in  den  Kiemengaoglien 
anderer  Mollusken  homologe  Gailglien  über  (Fig.  465.  d  dj  j  deren 
Nerven  längs  der  Kiemen  verzweigt  sind. 

Sinneaorgane. 

Tast-  und  Riechorgane. 

§  255. 

In  dem  Verhalten  der  Sinnesorgane  acUieaaen  sioh  die  Mollusken 
eage  an  die  Würmer  an.  Den  Gefühlssinn  UneffiNi  wir  überall ,  wo 
nicht  Hartgebilde  bestehen,  an  der  Körperoberfläohe  verbreitet,  und  als 
anatomische  Vorrichtungen  trifft  man  an  verschiedenen  Körperstellen 
in  verschiedener  Vertheilung  feine,  borslenartige  Verläag^rungen  von 
Zellen,  die  wenigstens  theilweise  im  Zusammenhange  mit  Nerveu  erkannt 
sind.  Diese  Gebilde  finden  sich  am  bestandigsten  an  specäeil  als 
Tastorgane  fungirenden  KOrpertheilen ,  die  meist  von  ansehnliehen 
Nerven  versorgt,  als  Fortsätze  des  Inlegamentes ,  Tentakel,  sich 
darsteilen. 

Die  in  einer  Doppelreihe  die  Arme  der  Brachiopoden  besetzenden 
Padchen  dürfen  vielleicht  hieher  gezählt  werden.  In  grosser  Ver- 
breitung bietet  auch  der  Mantelrand  der  LameUibraachiaten  ,  bald  in 
seinem  ganzen  Umfange,  oft  in  mehreren  Rettien  angebracht  (z.  B.  bei 
Mactra,  Lima,  Pecten  u.  a.) ,  bald  nur  auf  gewisse  Stellen  beschränkt 
solche  Tentakelbildungen,  die  auch  nicht  selten  an  den  Siphonen  vor- 
banden sind,  und  in  beiden  Fällen  zur  Controlirung  der  mit  dem 
Wasser  in  die  Mantelhöhle  gelangenden  Theile  verwendet  werden.  Diese 
Gebilde  zeigen  eine  beträchtliche  Conlraclilität  und  erhalten  Fädchen 
vom  Randnerven  des  Mantels. 

Auch  die  Fortsatzbildungen  am  Mantelrande  vieler  Cephalophoren, 
sowie  nicht  minder  die  Girren  am  Rücken  vieler  Opistobrancbiaten 
können  als  solche  Organe  thätig  sein. 


366  Mollusken. 

Ob  das  bei  den  Muschellhieren  den  Mund  seitlich  beaeizende 
Lappenpaar  hierher  gerechnet  werden  darf,  ist  zweifelhaft,  dagegen 
finden  wir  an  den  in  fast  regelmässiger  Verbreitung  hei  den  Gephalo— 
phoren  sich  findenden  Kopftentakeln  jene  Tastorgane  in  grösserer  Menge 
angebracht.  Sehr  häufig  kommen  ihnen  noch  besondere  Differen— 
zirungen  an  den  die  Endapparate  tragenden  Strecken  zu. 

Wenn  es  nicht  sehr  schwer  ist,  den  vorhin  aufgeführten  Oiiganen 
eine  Function  in  der  Wahrnehmung  von  Tasteindrucken  zuzuschreiben, 
so  ist  es  fast  unmöglich,  eine  Reihe  anderer  Organe  physiologisch  zu 
bestimmen,  die  gleichfalls  mit  dem  Integumente  verbundene  Sinnes-* 
Organe  sind.  Es  sind  grösstentheils  wimpertragende  Stellen,  zu  denen 
ein  Nerv  verläuft,  der  häufig  dort  Anschwellungen  bildet.  Welche 
Qualität  des  umgebenden  Mediums  auf  diese  Organe  erregend  wirkt, 
ist  unsicher,  und  es  geschieht  hur  auf  eine  sehr  entfernte  Analogie 
hin,  wenn  man  sie  als  Riechorgane  auffasst. 

An  die  Nähe  der  Athmungsorgane  sind  sie  bei  den  Gephalophoren 
gebunden,  wo  ich  sie  bei  Heteropoden  und  Pteropoden  in  allgemeiner 
Verbreitung  auffand.  Bei  den  nackten  Gattungen  dieser  Abtheiiungen 
Hegt  oberflächlich,  dicht  an  den  Riemen  ein  solches  Wimperorgan, 
welches  bei  Pneumodermon  radförmig  gestaltet  ist.  Die  schalentragen— 
den  besitzen  es  in  der  Mantelhöhle.  Bei  den  Pteropoden  lagert  es  als 
eine  quere  Leiste  an  dem  Theile  der  Mantelhöhlenspalte,  durch  welchen 
das  Wasser  seinen  Weg  zu  den  Kiemen  nimmt. 

Bei  den  Opisthobranchiaten  soll  das  hintere  Tentakelpaar  die  Rolle 
eines  Riechorganes  spielen  und  besitzt  dieser  Function  gemässe  Umge- 
staltungen höchst  variabler  Art,  wobei  eine  Oberflächenvergrösserung 
durch  Leisten  und  mannichfache  andere  Vorrichtungen  erkennbar  wird« 
Ein  Wimperbesatz  scheint  nie  zu  fehlen.  Wenn  man  beachtet,  dass 
hier  die  Athmung  grösstentheils  in  Organen  vollzogen  wird,  die  dem 
Rücken  des  Thieres  entspringen,  so  erscheint  die  Beziehung  der  als 
Riechorgane  fungircnden  Tentakel  ähnlich  wie  jene  der  vorerwähnten 
Apparate,  und  damit  mag  auch  die  zuweilen  weit  nach  hinten  ge- 
rückte Stellung  dieser  Tentakel  in  Zusammenhang  stehen. 

Die  Cephalopoden  zeigen  Riechorgane  in  bestimmterer  Form.  Es 
sind  zwei  hinter  den  Augen  liegende  Grübchen  oder  auch  flach  stehende 
Papillen,  welche  mit  Wimperhaaren  überkleidet  sind.  Zwischen  den 
wimpertragenden  Zellen  treten  die  Fortsätze  der  tiefer  gelegenen  Riech— 
Zellen  empor.  Ein  neben  dem  Sehnerven  entspringender  Nerv  ver- 
sorgt sie. 

Sehorgane. 
§  256. 

Sehorgane  kommen  allen  freierer  Bewegung  sich  erfreuenden  Ab- 
theilungen der  Mollusken  zu.     Sie  sind  dagegen,    wie  auch  sonst^  bei 


Sehorgane.  867 

den  festsitzenden  Formen  rückgebildet /j  wenn  sie  auch  wahrend  des 
Larvenlebens  vorhanden  waren.  Id  diesem  Falle  finden  sich  Brachio-- 
poden ,  , deren  Larvenform  in  einem  dem  Nervencenlrum  aufgelagerten 
PigmentOeckenpaar  Andeutungen  von  Augen  besitzt. 

Solche  dem  Nervencentrum  angelagerte  und  dem  Kopfe  zugetlieille 
Gebilde  sind  bei  den  Lamellibranchiaten  gleichfalls  nur  im  Larvenzu- 
Stande  beobachtet,  sogar  mit  einem  lichtbrechenden  Körper  versehen, 
und  erliegen  später  der  Rückbildung. 

Anders  verhalt  es  sich  mit  den  Organen,  die  meist  in  hoher  Aus- 
bildung am  Mantelrande  vieler  Blattkiemer  sitzen,  und  von  besonderen 
Augenstielen  getragen  werden  (Area,  Pectunculus,  Tellina,  Pinna  u.  a.) 
und  bei  manchen  (Pecten,  Spondylus)  durch  ihren  von  einem  im  Augen- 
grunde gelegenen  Tapetum  herrührenden  smaragdgrünen  Farbenglanz 
schon  den  alteren  Forschem  aufgefallen  waren.  Obgleich  in  dem  Baue 
dieser  Augen  manches  Eigenthümliche  besteht,  so  stimmen  sie  doch 
im  Wesentlichen  mit  den  Sehorganen  anderer  Mollusken  überein.  Die 
Nerven  empfangen  sie  von  den  am  Mantelrande  verlaufenden  Stammchen. 
In  der  Ausbildung  dieser  Organe  herrschen  manche  Verschiedenheiten, 
und  zuweilen  werden  sie  durch  blosse  Pigmentflecke  vertreten.  Diese  Ein- 
richtung muss  von  dem  bereits  früher  hervorgehobenen  Gesichtspuncte 
aus  beurtheilt  werden,  nach  welchem  Differenzirungen  von  Sinnesorganen 
aus  einfachen  Nervenendigungen  an  jeder  Stelle  des  Integumentes 
ni^lich  sind,  so  dass  diese  Augen  des  Mantelrandes  nur  functionell 
den  sonst  am  Kopfe  liegenden  Sehorganen  vergleichbar  sind  und  mor- 
phologisch eigenartige,  wie  ahnliche  Organe  bei  den  Würmern,  aus  An- 
passung entstandene  Bildungen  vorstellen. 

Die  Augen  der  Gephalophoren  wie  der  Cephalopoden  zeichnen 
immer  nur  zu  einem  Paare  vorhanden  den  Kopftheil  des  Thieres  aus. 
Sie  werden  bei  den  ersteren  häufig  durch  blosse  dem  oberen  Schlund- 
ganglion aufgelagerte  Flocke  vertreten,  und  sind  bei  dem  Verluste  freier 
Ortsbewegung  verschwunden  (Dentalium,  Vermetus).  Auch  bei  Chiton 
fehlen  sie,  wie  den  meisten  Pteropoden.  In  der  einfachsten  Form  lagert 
das  Auge  unter  dem  Integumente  (z.  B.  bei  vielen  Opisthobranchiaten). 
Bei  anderen  Ist  es  in  den  Hautmuskelschlauch  eingebettet,  und  erhalt 
damit  eine  oberflächliche  Lagerung,  wodurch  zugleich  die  Bildung  eines 
langem  Sehnerven  bedingt  wird.  Die  das  Auge  tragende  Ktfrperstelle 
findet  sich  dann  in  der  Regel  an  der  Tentakelbasis  (Prosobranchiaten, 
Süss  wasserpul  monaten) ,  die  sich  zu  einem  besonderen  Augenstiele 
(Ommatophor)  umbilden  kann.  Oder  es  steht  das  Auge  auf  einem 
vom  Tentakel  entspringenden  Fortsatze  (Strombus,  Pterocera) ,  oder  dieser 
Portsatz  ist  vom  Tentakel  entfernt  und  damit  selbständig  geworden 
(Landpulmonaten] .  Durch  den  Augenstiel  erhalt  das  Auge  Beweglich- 
keit, die  bei  den  Hcteropoden  dadurch  gegeben  ist,  dass  der  Augen- 
bulbus  von  einer  weiten  Kapsel  umschlossen  (Fig.  466.  o)  und  durch 
Muskeln  an  jene   befestigt  wird.     Durch   die  Thatigkeit  der  letzteren 


368  MolNiefceo. 

vermag  der  BuIImis  seine  Stellung  eu  ändern.  Die  Gestalt  des  feulb«s 
ist  meist  rundlich  oder  oval,  sehr  eigenihüfnlich  bei  den  Heteropoden 
(Flg.   466). 

Der  Bulbus  besitzt  eine  dünne  äussere  UnUittllung,  die  nach  vorne 
in    die     vom     Integumente     gebildete    Cornea     (Pelluoida)     übergeht. 

An   dem  hinteren   Unifenge 
Fig.  466.  des  Bulbus  lagert  eine  gun— 

gliooartige  Ansdiweltung  fr} 
des  Sehnerven.  Nadi  innen 
folgt  die  Netshaut  mii  den 
EndapparaUen  des  Sehner- 
ven ,  die  in  einer  gegen  4efi 
Bionenraum  des  Auges  ge^ 
richteten  Stäbcheoschiohte 
angebracht,  von  der  äussern 
Netzhautschichte  durch  eine 
Pigmentiage  getrennt  sind. 
Eine  dicht  hinter  der  Cornea  gelagerte  und  nach  hinten  von  einer  Glas— 
körperschichte  umgebene  Linse  (/)   füllt  den  Binnenraum  des  Auges. 

§  257. 

In  engem  Anschlüsse  an  das  Auge  der  Gephalophoren  findet  sich 
das  Cephalopoden-Auge.  Bei  Nautilus  bildet  jeder  von  einer  Art 
Augenstiel  getragene  Bulbus  eine  seitliche  Vorragung  (s.  oben  Fig. 
454.  o)  j  die  bei  einigen  Dibranchiaten  angedeutet  ist,  wahrend  der 
Bulbus  sonst  von  Fortsäl/zen  des  Kopfknorpels  eine  Stütze  empfängt, 
und  wie  in  einer  Orbitalhöhle  lagert.  Die  Kapsel  des  Bulbus  geht  bei 
Nautilus  in  den  Augenstiel  über,  bei  den  Dibranchiaten  legt  sie  skh 
an  die  knorpelige  Orbita  an,  und  umschliesst  daselbst  eine  Ganglien— 
bildung  des  Sehnerven  (Fig.  170.  go) ,  die  bei  Nautilus  durch  eine 
den  Bulbus  in  weiterer  Ausdehnung  überkleidende  Schichte  vorge- 
stellt wird.  Vorne  bildet  die  Augenkapsel  einen  dünnen  als  Cornea 
bezeichneten  Ueberzug  (c),  hinter  welchen  die  lichtbi^echenden  Medien 
des  Bulbus  lagern.  Diese  Cornea  fehlt  bei  Nautilus,  bei  dem  auch 
eine  Linse  vermisst  wird.  Die  Augenkapsel  setzt  sich  daher  vorae 
unmittelbar  in  eine  mit  dem  Integumente  des  Augenstieles  zosam- 
menhüngende  Membran  fort,  die  eine  pupillenartige  ins  Innere  des 
Bulbus  fuhrende  Oeffnung  trägt. 

Diese  directe  Communication  des  Binnenraums  des  Bulbus  mit 
dem   umgebenden  Medium  ist   bei   den  Dibranchiaten  durch  das  Vor- 

Fig.  466.  Obere  Schlundganglien  and  Sinnesorgane  von  P  terotrachea. 
gs  Obere  Schlundganglien  ;Gchirn).  c  Commissuren.  o  Augenkapsel.  /  Linse. 
ch  PfgmeDtschichte  (Chorioidea).  r  Ganglion-Atisbreltung  des  Sehnerven,  a  Hsr- 
organ. 


Sehorgane. 


369 


kommen  einer  Lmse  (L)  aufgehoben ,  da  aber  der  durchscheinende 
Theil  der  Augenkapsei  bei  nianchen  [Loligopsis,  Elisliotheutis  etc.)  ganz 
fehlt  oder  von  einer  OelTnung  durchbrochen  ist  [Sepia,  Ixligo,  Octopusj, 
wird  die  vordere  Flache  des  von  der  Kapsel  umschlossenen  BuHnis 
noch  von  Wasser  bespUlt.  Dieser  nach  aussen  communicirende  Raum 
setil  sich  nicht  nur  durch  das  Sehloch  zur  Linse  fort,  sondern  dehnt 
sich  auch  in  verschiedenem  Haasse  um  den  Bulbus.  Bei  Vielen  bildet 
(las  [ntegument  nur  im  Umkreise  der  Cornea  Falten,  die  als  »Augen- 
liden  bald  an  bcschr<inkter  Stelle  vorkommen,  bald  im  ganzen  Um- 
kreise sich  erheben,  und  dann  mit  Schliessmuskeln  ausgeslallet  tu  einem 
Schutz  Apparate  des  Auges  werden. 

Kig.  167. 


Die  Grundlage  des  Bulbus  bildet  eine  knorpelige  Kapsel  [Fig. 
167.  k),  welche  in  dem  die  Pupille  um  seh  li  essenden  Abschnitt  des 
Bulbus  als  Irisknorpel  (ik)  auftritt.  Ausserhalb  dieses  Au(;fnknoipels 
lagert  hinten  das  Sehnervenganglion,  in  dessen  Umkreis  ein  bald  sehr 
weit  nach   vorne   ragendes,   bald  )>eschrünktes   wcisslicbes  Organ  [w] 

Fig.  IfiT.  HorinmlalichniU  durch  das  Auge  von  Sepia  (Schema).  ££  Kopf- 
kaoi~pel.  C  Cornea.  L  IJnsc.  ci  CiliarkOrper  der  Linse.  A  Innere  Schichte  der 
l^eUna.  Be  Aeussere  Schichte  der  RelJna.  P  Pigmrntschichle  der  Retina,  o  Seh- 
netv.  go  Sehnervengaoglion.  Ar  Augapfelhnorpel.  ik  Ihstinorpel.  w  Weisser 
kürper     ae  Argenlea  exlerua.     (Nacli  Hekiem.) 

.Ot|*iita«r.  Unsdii».  3( 


:\T(i  Mollusken. 

sich  findet.  Darauf  folgt  eine  LUngsfaserschichte  von  Muskeln,  sowie 
endlich  eine  bis  zum  Pupillenrande  sich  fortsetzende  silberglänzende 
Membran,  welche  als  Argentea  externa  [ae)  den  Ueberzug  des  Bulbus 
gegen  den  vorerwähnten  Raum  bildet.  Nach  innen  von  ihr  li^t  eine 
zweite  ähnliche  Membran  (Argentea  interna).  Am  hinteren  Umfange 
der  knorpeligen  Kapsel  {k)  treten  aus  dem  Ganglion  {go)  kommende 
Nervenbündel  durch  mehrfache  Oeffnungen  des  Knorpels  zur  Netz- 
haut, welche  nach  innen  von  der  Knorpelkapsel  sich  bis  nahe  an  den 
Rand  eines  die  Linse  tragenden  Organes  fortsetzt.  Sie  besteht  im 
Wesentlichen  aus  denselben  Schichten  wie  die  Retina  der  Gephalo- 
phoren,  indem  sie  eine  innere  [Ri]  den  percipirenden  Apparat  ent- 
haltende, von  einer  äusseren  [Re]  durch  eine  Pigmentlage  (P)  geschie- 
dene Schichte  wahrnehmen  lässt.  Von  der  Muskelfaserschichte  aus 
setzt  sich  eine  Bindegewebsiamelle  nach  innen  zur  Linse  (L)  fori, 
welche  sich  am  Rande  der  letzteren  einsenkt  und  sie  in  zwei  durchaus 
getrennte  Theile  spaltet,  einen  vordem  kleineren  und  einen  hinteren 
grösseren,  beide  zusammen  einen  ovalen  Körper  vorstellend,  dessen 
LUngsaxe  der  Augenaxe  entspricht.  Sowohl  auf  der  vorderen  als  auf 
der  hinteren  Flache  jener  Bindegewebsiamelle  lagern  epitheliale  Ver- 
dickungen, die  zusammen  ein  am  Rande  der  Linse  in  letztere  umbiegen- 
des Lamellensyslem  vorstellen  und  als  Ciliarkörper  (c/)  (Corpus  epiliie- 
liale  nach  Hensen)  bezeichnet  werden.  Der  Raum  hinter  der  Linse 
wird  von  einer  Flüssigkeit  ausgefüllt. 


Hürorgane. 
§  258. 

Die  als  Hörorgane  bezeichneten  Theile  sind  von  den  bei  Würmern 
bestehenden  Bläschen  ableitbar,  in  denen  feste  Goncretionen  oder  auch 
krystallinische  Gebilde  (Otolithen)  enthalten  sind.  Zu  der  Blilschen- 
wand  tritt  der  Nerv,  der  in  den  genauer  untersuchten  Fällen  mit  einem 
Theile   der  die  IlörbUischen  auskleidenden  Zellen  in  Verbindung  steht. 

Den  Brachiopoden   kommen    nur   im    Larvenstande 
Fi.u.  4  68.         Ilörorgane  zu,  als  zwei  dem  Nervencentrum  angelagerte 
Blüschen ,  die  bei  festsitzenden  Thieren  rückgebildet  zu 
sein  scheinen. 

Die  Lamellibrnnchiaten  besitzen  die  HOrbiHschen 
dem  Fussganglion  angelagert.  Das  Innere  des  Hilischens 
wird  von  einem  Wimperepilhel  (Fig.  468.  e)  ausge- 
kleidet, und  umschliesst  einen  kugeligen  Otolithen  (o\ 
Zuweilen  rücken  diese  BUischen  von  den  Ganglien  ab,  und  sind  nur 
mit  einem  Nerven    im  Znsanunenhang  (Flussmusrhein)    oder  sie  liegen 

Fig.  t68.     Hürorgan   von   Cyclas.   -c  Gehörkap^el.     e  Wiroper  tragende   Epi- 
Ihelzellen.     o  Ololitb.     (Nach  Leydig.) 


hörorgane.  .^7^ 

liefer  im  Pusse  (Gytbera).  —  Auch  bei  den  Cephcilophoren  liegen  sie 
bald  in  der  NMhe  der  oberen  Schlundganglien  und  dann  sind  sie  mit 
diesen  durch  einen  kui*zen,  den  Hörnerven  repräsentirenden  Stiel  ver- 
bunden (Heteropoden,  viele  Opisthobranchialen] ,  bald  finden  sie  sich 
den  unteren  Schlundganglien  benachbart,  in  welchen]  Falle  der  gleichfalls 
von  den  oberen  Ganglien  entspringende  Hörnerv  bedeutend  verlängert 
ist,  und  meist  einen  vom  BUtschen  her  sich  fortsetzenden  Canal  um- 
schliesst  (Prosobranchiaten,  Pulmonaten). 

Die  Verhältnisse  der  Otolithen  sind  im  Ganzen  wechselnder  als  in 
der  vorigen  Classe;  bald  sind  sie  zahlreich  vorhanden,  bald  grösser  und 
dann  in  geringerer  Zahl,  bald  endlich  nur  von  einer  einzigen,  kugel- 
runden,  concentrisch  geschichteten  Concretion  gebildet  (Ileteropoden) 
(Fig.  166.  a).  Eine  Wimperauskleidung  der  Hörblase  scheint  regei- 
müssig  vorzukommen.  Manchmal  (Heteropoden)  sind  die  Gilien  durch 
starre,  nur  au  der  Ursprungsstelle  bewegliche  Haare  vertreten,  die  um 
so  mehr  als  Hörhaare  bezeichnet  werden  dürfen,  als  mit  den  sie  tragen- 
den Zellen  Nerven  in  Zusammenhang  zu  stehen  scheinen.  Sie  können 
<iann  den  Hörhaaren  anderer  Thiere  functionell  an  die  Seite  gesetzt 
werden,  doch  erübrigt  noch  der  allgemeinere  Nachweis  des  Zusammen- 
hanges der  Epithelzellen  mit  dem  Nervenapparate,  auf  den  übrigens 
die  Sonderung  des  Epithels  in  verschiedene  Zellformen  hinweist  (Pul- 
monaten). 

In  der  Form  der  Hörwerkzeuge  der  Gephalopoden  lässt  sich  eine 
wesentliche  Verschiedenheit  von  den  Hörbläschen  der  andern  Mollusken 
insofern  erkennen  als  die  Bläschen  aus  Differenzirungen  des  Ectoderms 
entstehen,  und  bei  vielen  auch  später  noch  durch  einen  feinen  Ganal 
mit  der  Köiperoberfläche  in  Verbindung  bleiben.  Bei  Nautilus  liegen  die 
Ixnden  Hörbläschen  dem  Kopfknoi*pel  an.  Bei  den  Dibranchiaten  da- 
gegen sind  sie  in  den  Knorpel  selbst  eingetreten ,  so  dass  sie  auch 
nach  aussen  von  demselben  umschlossen  sind.  Damit  ist  ein  häutiges 
und  ein  knorpeliges  Labyrinth  unterscheidbar,  das  zu  den  betreffen- 
den Theilen  der  Vertebraten  ein  Analogen  abgibt. 

Die  Form  der  Hörbläschen  ist  einfacher  bei  den  Octopoden,  durch 
Ausbuchtungen  und  Vorsprünge  bei  den  Decapoden  complicirter. 
Zugleich  ist  die  Verbindung  mit  dem  Knorpel  inniger,  während  das 
llörbläschen  der  Octopoden  ziemlich  lose  in  seiner  Höhle  liegt.  Der 
in  einer  wässerigen  Flüssigkeit  befindliche  Otolith  ist  verschieden  ge- 
staltet, bald  flach,  bald  rundlich,  und  kann  in  kleinere,  nadeiförmige 
Stucke  zerfällt  werden.  Die  Endigungen  der  Hörnerven  unterscheidet 
man  an  Verdickungstellen  des  Epithels  als  »Hörplatte« ,  an  der 
die  Zellen  haarförmige  Fortsätze  (ilörhaare)  aussenden  (Sepiaj ,  und 
dann  als  eine  meist  gebogen  verlaufende  »Uörleistea ,  die  ebenfalls 
modificirtes  Epithel  trägt. 

Wie  die  Genese  dieser  Organe  sie  in  der  Abtheilung  der  Mollusken 
als   selbständige   Gebilde   darstellt,    so   sind   sie  auch    von  jenen    der 

14* 


372  Mollusken. 

Verlebraton  gllnzlich  verschieden,   da  der  Ilörnerv  vorn  unlern  Schlund- 
ganglion seinen  Ursprung  nimmt. 


Exoretionsorgane. 
§  259. 

Ausser  den  mancherlei  bereits  bei  dem  Integumente  aufgeführten 
Organen,  welche  der  Excretion  dienen,  bestehen  noch  andere  auf  der 
Oberflöche  des  Körpers  mündende  Organe,  die  eine  viel  wichtigere  Rolle 
spielen. 

Diese  typischen  Exoretionsorgane  der  Mollusken  sind 
den  unter  den  Würmern  verbreitet  getroffenen  Organen 
homolog,  die  dort  als  nierenartige  bezeichnet  werden, 
und  bei  den  Annulaten  als  Schleifencanäle  erscheinen. 
Wir  ßnden  sie  bei  den  Mollusken  mit  einer  äusseren  Oeffnung  be- 
ginnen und  auf  kürzerem  oder  längerem  Wege  in  die  Leibeshöhle 
ausmünden.  Die  innere  Mündung  ist  meist  durch  besondere  Vorrich- 
tungen ,  am  häufigsten,  vielleicht  allgemein,  durch  Wimperbesatz  aus- 
gezeichnet. Schon  durch  diese  Vermittelung  einer  Gommunication  der 
Binnenräume  des  Körpers  mit  dem  umgebenden  Medium  vermögen  sie 
der  Wassereinfuhr  in  den  Körper  zu  dienen,  sowie  sie  auch  sonst  wie 
ihre  Homologa  bei  den  Würmern  noch  anderen  Verrichtungen  vor- 
stehen können.  Zu  diesen  gehört  die  Beziehung  zu  den  Geschlechts* 
Organen ,  die  bei  einem  Theile  der  Lamellibranchiaten  noch  nach- 
weisbar ist,  und  auch  bei  den  Cephalopoden  die  hypothetische  Ansicht 
begründet,  dass  die  Ausführwege  der  Geschlechtsproducte  aus  solchen 
Excretionsorganen  entstanden,  ihre  Beziehung  zur  Excretion  ist  daher 
keineswegs  beständig.  Wo  die  letztere  ihnen  zugetheilt  ist,  treffen 
wir  an  den  sonst  einfacheren  Canälen  Umbildungen,  besonders  hin- 
sichtlich der  Wandungen,  an  denen  ein  ditlsiger  Bau  sich  erkennen 
lässt.  In  solchen  Fällen  können  sie  zufolge  der  chemischen  Constitution 
ihrer  Producle  als  »Nieren«  betrachtet  werden.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  weist  dann  immer  Sccretionszellen  nach,  mit  einem  aus 
granulären  oder  concentrisch  geschichteten  Goncrementen  gebildeten 
Inhalt,  wie  solche  auch  in  den  Harnausscheidungen  anderer  Thiergruppon 
eine  grosse  Rolle  spielen. 

Am  wenigsten  modificirte  Verhältnisse  besitzen  die  Brachiopoden, 
deren  Organe  entweder  zu  zwei  Paaren  oder  nur  in  einem  Paare  vor- 
handen sind.  Im  ersteren  Falle  [Rhynchonellaj  gehören  zwei  Canälo 
der  sogenannten  dorsalen  ,  zwei  der  ventralen  Hälfte  an ,  woraus  tu- 
gleich  wieder  ein  Grund  zur  Unterscheidung  der  letzteren  in  vordere 
und  hintere,  entspringt.  Die  dorsalen  fehlen  bei  Lingula  und  den  Tere- 
bratuliden.  Die  meist  in  der  Nähe  der  Armbasis  nach  aussen  geöff- 
neten Ganäle  münden  nach  bogenförmigem  Verlaufe  in  die  Leibeshöble 


Eicretionsorgane.  373 

mit  einer  durch  radiale  Fällungen  ausgezeichneten  irichterfbrmigen  Er- 
weiterung. Diese  Mündung  durchsetzt  das  Ileoparietalband  und  \%ird 
dadurch  gegen  den  Pericardialraum  gerichtet.  Das  Ileoparietalband 
steht  damit  zur  inneren  Mündung  in  einem  mit  einem  Dissepimente 
▼OD  Würmern  übereinstimmendem  Verhalten  (vergl.  oben  §.   136}. 

Obgleich  die  Wandungen  dieser  Ganüle  durch  Vorsprünge,  zotten- 
artige  Fortsätze  oder  Faltungen  eine  drüsige  Besch«inV*nheit  zu  besitzen 
scheinen,  so  ist  bezüglich  ihrer  Function  nur  ihr  Verhällniss  zu  den 
Geschlechtsorganen  bekannt,  welche  sie  als  Oviducte  erscheinen  l<lsst. 


§  860. 

Bei  den  höheren  Mollusken  bietet  das  Excretionsorgan  in  allen 
wesentlichen  Beziehungen  mit  den  Brachiopoden  Uebereinstimmung ; 
aber  es  erleidet  zahlreichere  Modificationen ,  so  dass  nur  noch  die 
Verbindungen,  die  eine  nach  aussen,  die  andere  nach 
innen  gegen  den  Pericardialsinus,  also  die  beiden  Enden 
des  ursprünglichen  Canals,  unverändert  übrig  bleiben, 
indess  der  Canal  selbst  in  Umfang  und  Wandungen  mo- 
dificirt  ist.  In  der  Function  erscheint  es  am  häufigsten  von  excre> 
torischer  Natur,  und  darf  als  Niere  bezeichnet  werden,  wenn  es  auch 
noch  anderen  Verrichtungen  vorsteht. 

Bei  den  Lamellibranchiaten  ist  es  unter  dem  Namen  des  Bo- 
janus 'sehen  Organ  es  bekannt  und  liegt  als  eine  stets  paarige,  zu- 
weilen in  der  Mittellinie  zu  einer  Masse  verschmolzene  Drüse  an  der 
Rückseite  des  Körpers,  der  Kiemenbasis  zunächst.  Seine  Substanz 
wird  von  einem  gelblich  oder  bräunlich  geßfrbten  schwammigen  Gewebe 
gebildet,  dessen  Maschenräume  häufig  zusammenfliessen  und  meist 
einen  grösseren  centralen  Hohlraum  darstellen.  Aus  diesem  führt 
jederseits  eine  Oeffnung  in  den  Herzbeutel,  eine  andere  stellt  den  Aus- 
führgang vor.  Dieser  liegt  entweder  in  der  Nähe  der  Geschlechtsöff- 
nuog,  oder  ist  mit  der  GeschlechtsöfTnung  gemeinsam,  oder  es  öfl'nen 
sich  die  Geschlechtsorgane  in  das  Bojanus'sche  Organ,  so  dass  die 
Geschlechtsproducte  durch  letzteres  nach  aussen  entteert  werden  (Pecten, 
Lima,  Spondylus).  Vereinigte  Ausführgänge  besitzen  Area  und  Pinna. 
Getrennte  Oeffnungen  für  Excretions-  und  Geschlechtsorgan  zeigen 
Cardium,  Chama,  Mactra,  Pectunculus,  Anodonta,  Unio  u.  a.  Die  faltig 
vorspringenden  Wände  oder  das  maschige  Balkengewebe  des  Organes 
besitzen  einen  dichten  Beleg  von  Secretionszellen,  welche  die  erwähn- 
ten,  bis  jetzt  freilich  des  charakteristischen  Auswurfsstoffes  der  Harn- 
säure  in  vielen  Fällen  entbehrende  Goncremente  abscheiden.  Das  sein 
Inneres  durchströmende  Blut  ist  jenes,  welches  aus  dem  Eingeweide- 
sacke, theilweise  auch  aus  dem  Mantel  zurückgekehrt  ist,  um  sich  in 
einen  venösen  Blutsinus  an  der  Kiemenbasis  zu  sammeln. 


374  Mollusken. 

In  grösserer  Mannichfaltigkeil  crschcinl  das  Excretionsorg^n  bei  den 
Ccphalophorcn,  Ein  paariges,  den  Vorläufer  der  hieibenden  Niere 
bildendes  Excretionsorgan  besitzen  die  Landpulnionaten.  Am  ausge- 
bildeten Tbiere  ist  das  Organ  fast  stets  unpaar,  auf  einer  Seile  vor- 
handen, doch  bleibt  es  bei  Dentalium  paarig,  und  verbindet  damit 
Einrichtungen,  die  an  jene  der  Lamellibranchiaten  erinnern.  Die  Rück- 
bildung des  einen  Organs  scheint  mit  Rückbildungen  anderer  poriger 
Organe,  z.  B.  der  Kiemen,  in  Verbindung  zu  stehen.  Soweit  nähere 
Untersuchungen  vorliegen,  mündet  es  mit  einer  Oelfnung  in  den  Peri- 
cardialsinus ,  mit  einer  andern  nach  aussen.  Bei  der  Mehrzahl  der 
(lasteropoden  ist  in  dem  Organe  Harnsäure  nachgewiesen  worden.  Das 
gilt  besonders  von  den  Pulmonaten,  deren  zwischen  Herz  und  Lungen- 
venen gelagerte  Niere  durch  die  meist  weissliche  oder  gelbliche  Färbung 
sich  leicht  zu  erkennen  gibt.  Sie  besitzt  einen  blättrigen  oder  schwam- 
nn'gen  Bau  und  die  sie  zusammensetzenden  Lamellen  oder  Balken  tragen 
einen  Beleg  von  grossen  Secretionszellen ,  in  denen  sich  verschieden 
geformte  feste  Concretionen  bemerkbar  machen. 

Bei  den  Prosobranchiaten  liegt  die  Niere  zwischen  Kieme  und  Herz, 
eine  ähnliche  Lage  besitzt  sie  bei  einem  Theile  der  Opisthobranchier. 
Ein  Ausführgang  läuft  in  der  Regel  nach  vorne  und  begleitet  den 
Enddarm,  neben  welchem  er  häufig  nicht  weil  hinter  der  Analöffnung 
ausmündet. 

Bei  manchen.  Opislhobranchiaten  (z.  B.  bei  Polycera]  scheint  die 
excretorische  Bedeutung  zurückzutreten,  oder  es  findet  eine  Abschei- 
dung in  üüssiger  Form  statt.  Die  Niere  erscheint  hier  (auch  bei  Phyl- 
lirhoü,  Aclaeon  etc.)  in  Gestalt  eines  länglichen  glashellen  Schlauches, 
der  nahe  am  Rücken  in  der  Mitte  des  Köi'pers  gelegen,  sich  vom  Herren 
aus  ziemlich  weit  nach  hinten  erstreckt,  eine  mit  Wimpern  besetzte 
Ocfl'nung  in  den  Pericardialsinus  und  eine  andere,  contractile,  auf  der 
Oberüäche  des  Körpers  besitzend.  Ganz  ähnliche  Verhältnisse  bieten  auch 
nackte  Pteropodcn  dar.  Bei  den  schalentragenden  Pteropoden,  ebenso 
wie  bei  den  Heleropoden,  theill  die  Niere,  abgesehen  von  der  Ueberein— 
Stimmung  ihrer  beiden  vorerwähnten  Mündungen,  mit  jenen  der  Proso- 
branchiaten die  Eigenthümlichkeil  eines  spongiösen  Baues.  Unter  don 
Heleropoden  ist  sie  bei  Garinaiia  mit  einem  deutlichen  Belege  von 
Secretionszellen  versehen,  der  bei  den  anderen  durch  eine  heile  Zellen— 
schichte  vertreten  wird.  Das  Balkengerüste  der  Niere  erscheint  starr, 
während  es  sowohl  bei  AlIanlaNals  bei  den  Firolen  conlractil  ist,  und 
energische,  Schluckbewegungen  ähnliche  Aclionen  vollführt.  Auch 
unter  den  beschallen  Pteropoden  ist  die  Niere  in  dieser  Richtung  thätig, 
z.  B.   bei  Ghreseis  (Fig.   169.  r). 

Da  im  Falle  des  Mangels  concremenlhalligcr  Secretionszellen  die 
drüsige  Natur  dieses  Organs  zweifelhaft  ist,  darf  um  so  grösseres 
(iewichl  auf  seine  Beziehungen  zur  Einfuhr  von  Wasser  gelegt  werden, 
die  in  diesen  Fällen  am  bestimmtesten  beobachtet  ist.    Die  vom  Organe 


einem  OelTnen  und 
nWeiierlrciben  des 


Eicrelionsprgane. 

ausgefUbrt«D  Bewegungen  bestehen  dann  nichl  nur 
SchliesscQ  des  äusseren  Osliums,  sondern  auch  in  eil 
Rufgenommenen  Wassers  und  Mischung 
desselben  mit  dem  aus  dem  Körper- 
kreisläufe zu  den  Athmungsoi^anen 
ruckkehrenden  Blule ,  in  dessen  Strom- 
gebiete das  Organ  immer  seine  Lage 
hat.  Wenn  die  Wasseraurnabme  durch 
das  Ex(M%tioDsorgaD  nur  bei  den  en- 
tführten Cephalopboren  direct  beob- 
iichtet  ward ,  so  ist  dadurch  noch 
nicht  ausgeschlossen,  dass  sie  bei  den 
uhrigen  im  Wasser  lebenden  Kiemen- 
scbnecken  nicht  ebenfalls  bestehe- 
Nur  bei  den  Landpulmonaten  durfte 
das  Verhaltniss  ein  anderes  sein,  doch 
besitzt  die  Niere  auch  hier  ganz  ahn- 
licbe  Beziehungen  zum  BlulL-anal- 
syslem,  da  eine  Entleerung  von  Blut- 
flüssigkeit durch  die  Ausmtlndung  der 
>'iere  erweisbar  ist. 


§  261. 

Die  bedeutende  Verschiedenheit 
des  specielleren  Verhaltens  des  Es- 
creüonsorganes  der  Ccphalophoron  lasst 
es  nicht  befremdend  erscheinen,  wenn 
liasselbe  Organ  bei  den  Ccphalo- 
poden  wieder  mit  anderen  Modifi- 
catiooen  auftritt.  Bei  allen  Cephalo- 
poden  bestehen  io  den  Eingeweidesack 
eingeschlossene  Sadie,  welche  in  der 
Hanleihtthle  ausmünden.  Da  die  Aus- 
fUhrw^e  der  Gescblechlsproducte  durch 
die  Verbindung  ihres  die  Keimdrüsen  umschtiessenden  Abschnittes  mit 
der  Leibesh&hle  sich  in  Uebereinstiroroung  mit  E.Tcretiflnscanalen  zeigen, 
wird  die  Entstehung  dieser  Austubrwege  aus  ursprunglichen  Excretions- 
oi^anen  wahrscheinlich,  so  dass  dann  den  Ccphalopoden  eine  grossere 

Kig.  ISS.  OrganiMlion  von  Cbreseis.  pp  Die  Kopfflusscn  (oidit  voll- 
ütdndig  gcieicbnet).  oe  SpetwrOhre.  v  Hsgrn ,  mit  Andeutung  der  nich  innen 
vontpHngenden  Ksuleisl«D.  r  Enddarm,  in  die  MantclhOhIo  ausmündend.  A  Le- 
ber, o  Vrriiof.  e  Herakammer.  re  Niere,  x  Deren  OeFTnung  in  den  Pericardiai- 
sinus.  x"  Oeffnung  in  die  ManteibOhio.  b  Schildrttrmiges  Wimperorgan  In  der 
MaDtelhOhle.  g  Zwttlerdrüsc,  g'  Gemeinacbanilcber  Ausführgang.  g"  Rulben- 
lasche.    m  Hinteres  Ende  des  Rüokiiehoiuskels  des  KOrpers. 


376 


Uolluskcn. 


Anzahl  dieser  Organe  zukommen  mussU',  von  denen  nur  ein  Theil  in  der 
primitiven  Bedeutung  sich  forterhioll.  Von  den  letzleren  linden  sich  vier 
hei  Nautilus,  zwei  bei  den  Dibranchialen ,  bei  denen  die  HUndungstelle 
zuweilen  auf  einem  papitlen  form  igen  Vorsprunge  (Fig.  157.  r)  liegt.  In 
diese  Säcke  ragen  die  grossen 
Fig.  170.  Kiemengerdsssiamme       ein, 

wodurch  die  Wandungsver- 
hällnisse  sieb  unregelmässig 
gestalten.  Die  Wandungs- 
liüchen  dieser  GerJsse  mUssen 
aber,  soweit  sie  in  die  ^ckc 
einrageu,  als  der  Wand  der 
letzteren  zugehörig  betrach- 
tet werden.  An  den  Kic- 
nienarterien  bietet  die  Wand 
jedes  Sackes  zahlreiche  ins 
Lumen  der  letzteren  vor- 
springende ramißcirtc  An- 
hange [vergl.  Fig.  157.  H, 
Fig.  170.  re],  welche  durch 
blindgeendigte  Ausbuch- 
tungen des  Gefässes,  und 
einen  darauf  liegenden  DrUscnbeleg  gebildet  sind.  Bei  Nautilus  sind 
diese  Anhünge  der  vier  Kiemenvenen  mit  schlauchförmigen  DrUsen 
bekleidet,  die  in  den  betrelTenden  Sack  geöffnet  sind.  Wie  die  an 
anderen  in  den  Pericardialsinus  ragenden  Blutgefässen  vorkoromendcD 
Anhiingc  aufzufassen  sind ,  ist  noch  r^thselbaft.  Da  jener  Sinus  indess 
mit  der  Mnnlelhöhte  communicirt,  stellen  sie  vielleicht  ebenfalls  excrc- 
lorische  Oi^'ine  vor.  Die  Dibranchiaten  lassen  die  Venenanhänge  von  etwas 
anderen  Baue  erscheinen.  Vorwiegend  aus  phosphorsaurem  Kalk  gebildete 
Concremcntc  sind  als  die  Producte  dieses  Apparates  zu  betrachten,  der 
besonders  bei  den  Sepien  (Fig.  (70)  eine  bedeutende  Ausdehnung,  auch 
auf  kleinere  Wurzeln  der  Kiemenvenen,  besitzt.  In  dieser  Einrichtung 
zeigt  der  Secretionsapparat  Beziehungen  zu  dem  zu  den  Kiemen  Irelen- 
dcn  venösen  Btutstrom  und  erscheint  damit  in  derselben  Weise  wie  das 
Kxcretionsoi^n  der  Lamellibianchiaten  und  Cepbalophoren. 

Weniger   sicher   ist   eine   innere  Communication   der   die  excrclo- 
rischcn    Venenanhange    bergenden    Säcke.       Wahrend    einige   Autoren 


Fig.  1T0.  Circulalions- und  Eicrolionsorgane  von  Sepia.  6 r  Kiemen,  c  Ueri. 
a  Vurdcre  K(trperar(«rie  (Aorta),  a'  Hinlure  KOrperarterie.  v  EmeilornngcD  der 
Kiemenvenen,  Vorbote  des  Hcnens  darstellend,  i''  Kiemeiivene,  an  der  Kieme 
entlaiit;  verlaufeDd.  ve  Vordere  grosse  Hohlvcne.  rc'  Die  KiemenartcricD  (Aesle 
der  Holilvcncn).  t'c"  Hiulere  Hohlvcoeii.  r«  Schwammige  Anhänge  der  Hoh1~ 
vencnüsle.  x  Ausstülpungen  derselben.  Die  Pfeile  deuten  die  Hicbtung  des  Dlat- 
slromes  an.     (Nach  J.  Hintu.) 


eioe  solche  mit  dem  Blutgefösssystem,  speciell  mit  dem  Pericardialsinus 
suUiireo,  wird  diess  von  andern  in  Abrede  gflslelU. 


§.  262. 

Die  Mollusken  haben  nill  den  nicislon  WUrmern  und  allen  Arthro- 
poden die  vollständige  Trennung  der  Wandung  des  Darmcanals  von 
der  Ktirpcnvand  gcmuin,  so  dass  eine,  ernilfarendc  t'IUssigkeil  führende 
Lcibeshtfhlc  Überall  vorkommt,  aber  die  Lagerungsverh.lltnisse  des 
Darmrohrs  in  dieser  Lcibesböhle  bieten  abweichende  Verhältnisse  dar. 
Der  Darmcanfil  durchzieht  nicht  mehr  allgemein  den  Körper  in  geradem 
Verlaufe,  so  dass  das  aborale  Kdrpercndo  zugleich  das  anale  ist,  son- 
dern bildet  meist  Sehlingon  oder  bei  Itlngerer  Ausdehnung  Windungen, 
wobei  sein  Ende  vom  aboralen  Körperendc  entfernt  liegt.  Wenn  wir 
tinnehmen,  dass  eine  synmietrisehc  Anordnung  auch  fUr  den  Darm  das 
ui'sprUnglicbe  Verhalten  bietet,  so  dass  also  jene  Lageveründeruiig  der 
AnalütTnung  eine  nach  und  nach  erworbene  ist,  so  muss  dieses  Ver- 
hatten in  einer  sehr  weit  zurückliegenden  Periode  sieb  getroffen  haben, 
da  es  auch  ontogenetiseb  nicht  mehr  besteht.  Das  Causalmoment 
dieser  LageverQnderung  muss  in  der  allgemein  verbrei- 
teten Gohäusebildung  gesucht  worden.  Die  Entfaltung  des 
dorsalen  Mantels  mit  der  Schale  und  die 
Itei  den  Meisten  asymmetrische  Ausbildung  Vi%.  Ilt. 

beider  macht  jenen  Einfluss  ebenso   Ver-  /f  ^ 

sländlich,  wie  die  Tbatsache,  dass  bei 
symmetrischem  Verhalten  des  Mantels  und  - 
der  Schale  die  Lagerung  des  Afters  am 
wenigsten  modilicirt  ist,  wie  auch  immer 
das  Dartnrohr  in  seinem  Verlaufe  sich 
verballen  mag  (Lamelliliranchiaten).  Bei- 
spiele, wo  die  Analoffnung  des  Körpers 
der  Mundaffoung  genähert  erscheint,  bie- 
ten die  Gepbalopoden  und  Pten^odon 
dar.     {Vergi.  Fig.  M\.  A  B  tr.) 

Die  Sonderung  des  Darmrohrs  in  ein— 
»eine  Abschnitte  sowio  mit  diesen   ver- 
bundene   Anbangsorgane   schliesst   sich    vttDig   an    die    besonders   bei 
Wflrmern  bestehenden  Einrichtungen  an. 

Fig.  I7t.  SchematiscIlC  Dnrgluilung  des  VpriiHltcns  des  DamlI^ana1s  A  liei 
Pteropodon  und  B  bei  Cephalopodcn.  c  Kopf  mit  den  aus  ModificBlinnen 
des  Koshs  hervorgegangenen  Flossen  bei  A  und  Ann«R  bei  B.  p  Trfciitor.  br  Xieroe. 
tr  Dimonal. 


378 


Mollusken. 


Fig.  172. 


Bei  den  Brachiopoden  beginnt  das  Dannrohr  mit  der  in  der  Manlel- 
höhle  zwischen  den  betdon  Armen  gelagerten  MundölTnung,  von  wo  es 
als  ein  meist  kurzer  Canal  in  den  erweiterten  meist  als  Magen  be- 
zeichneten Milteldarni  sich  fortsetzt.  In  denselben  (Fig.  472.  r')  mün- 
den drüsige  Organe  ein.     Der  hieraus  hervorgehende  Enddarm  verläuft 

bei  den  Ecardines  in  eine  zur  rechten 
Seite  umbiegende  Darmschlinge  aus, 
welche  mit  dem  in  der  Mantelhöhle  ge- 
legenen After  endet.  Dieses  letzte  Darm— 
stück  ist  bei  dem  Testicardines  rückgebil- 
det, und  endet  mit  einem  gegen  die 
ventrale  Schalenklappe  zu  verlaufenden 
Blindsack,  von  dem  zuweilen  noch  ein 
solider  Strang,  vielleicht  als  obliterirter 
Darmrest  fortgesetzt  ist. 

Als  eine  besondere  Eigenthümlichkeit 
ist  die  Befestigung  des  Darms  zu  erwähnen, 
indem  eine  zur  KOrperwand  verlaufende 
Lamelle,  das  Gastro -parietalband,  von 
dem  Mitteldarm  ausgeht,  wodurch  zu- 
gleich eine  Art  von  Scheidewand  in  der  Leibeshöhle  gebildet  wird. 
Ich  möchte  darin  ein  Dissepiment  erkennen,  welches  auf  die  bereits 
oben  berührte  Metamerenbildung  hinweist.  Eine  andere  Verbindung 
betrifft  den  Enddarm,  der  jederseits  durch  eine  andere  Lamelle  (Iteo- 
parietalband)  befestigt  wird. 


§  263. 

Der  Darmcanal  der  Lamellibranchiaten  bietet  eine  grössere 
Gomplicirung  vorzüglich  durch  bedeutendere  Längenentfaltung. 

Der  Mund  liegt  als  eine  Qucrspalte  zwischen  dem  Fusse  und  dem 
vordem  Schliessnmskel  (Dimyarier)  und  wird  von  zwei  paarigen  nur 
selten  fehlenden  gelappten  Fortsätzen  umfasst,  die  vielleicht  zur  Zu- 
leitung der  Nahrung  dienen,  wohl  auch  als  Tastorgane  fungiren  können. 
Für  ersteres  macht  sie  ihr  Besatz  mit  Wimperhaaren  besonders 
geeignet. 

Die  Mundöffnung  führt  in  ein  kurzes  Darmstück,  die  Speiseröhre, 
die  von  dem  nur  als  eine  erweiterte  Stelle  erscheinenden  Hagen  kaum 
unterschieden  werden  kann ,  so  dass  die  Blattkiemcr  wie  durch  die 
rudimentäre  Entwickelung  eines  Kopftheiles  auch  durch  geringe  Ent- 
faltung des  vordersten  Abschnittes  des  Darmcanals  charakterisirt  werden. 


Fig.  172.  Sclicmalischcr  Mediaiischnill  eines  Brachiopoden.  d  Dorsale,  r  vfo* 
tralc  Manleltamelle.  tnh  Mantelhöhle,  s  Stiel,  n  Oberes  SchlundgangUon.  v  Maod- 
Öffnung,  V  Magen. 


Darmcnnal.  379 

In  diesen  als  Magen  bezeichneten  Mittcldarm- Abschnitt  münden  die 
AusfUhrgüoge  der  Leber.  Bei  vielen  Blattkiemem  ist  der  Magen  an 
seinem  Pyioruslheile  durch  eine  blindsackartige,  oft  beträchtliche  und 
durch  eine  Klappe  verschliessbare  Ausstülpung  ausgezeichnet.  In  den 
Blindsackbildungen,  oder,  wo  solche  fehlen,  im  Darmcanale  selbst,  wird 
hex  Vielen  ein  eigenthümliches  Gebilde  getroffen,  welches  unter  dem 
Namen  Kr ystall stiel  bekannt  und  als  eine  von  dem  Darmepithelium 
gebildete  Absonderung  zu  betrachten  ist.  Der  bei  weitem  den  grtfssten 
Abschnitt  des  gesammten  Tractus  bildende  Enddarm  tritt  nach  ein- 
facher oder  mehrfacher  Windung  gegen  den  Rücken  des  Thieres  und 
ist  in  der  Regel  von  gleichem  Durchmesser,  doch  auch  zuweilen  in 
engere  und  weitere  Strecken  gesondert.  Er  ist  dicht  von  anderen 
Organen  (Leber,  Geschlechtsdrüsen)  des  Eingeweidesackes  umlagert, 
verläuft  mit  seinem  Endstück  unter  dem  Schlossrande  der  Schale  zum 
Hintertheile  des  Körpers  und  durchbohrt  auf  diesem  Wege  bei  einer 
grossen  Anzahl  von  Blaltkiemern  Herzbeutel  und  Herz,  um  dann  hinter 
dem  hinteren  Schliessmuskel  auf  einer  verschie^len  langen,  frei  in  die 
Mantclhöhle  ragenden  Papille  am  aboralen  Körperende  sich  zu  öffnen 
^Fig.  464.  r). 

§  264. 

Bei  den  Cephalophoren  wie  Cephalopoden  ist  mit  der  Entwickeln ng 
des  Kopfes  zugleich  der  vorderste  Theil  des  Darmcanals  bedeutend 
differenzirt  und  wird  als  Schlundkopf  bezeichnet.  In  ihm  haben  die 
zur  Aufnahme  und  Verkleinerung  der  Nahrung  dienenden  Apparate 
ihre  Lagerung  und  werden  durch  Muskeln  in  Bewegung  gesetzt.  Die 
in  diesen  Organen  vorhandenen  chemisch  dem  Chitin  nahe  verwandten 
llartgebilde  sind  säromtlich  Abscheidungen  von  Zellen  und  damit  den 
CulicuIarbUdungen  anzureihen.  Dieser  Apparate  lassen  sich  dreierlei 
in  bald  vereinigtem,  bald  getrenntem  Vorkommen  unterscheiden. 

1)  Senkrecht  auf  einander  wirkende  Kiefer  werden  bei  den  Cepha- 
lophoren meist  durch  ein  bogenförmiges,  zierlich  ausgeschweiftes,  häufig 
am  Rande  gezäbneltes  Stück  vorgestellt.  Dieser  unpaare,  besonders  bei 
den  pflanzenfressenden  Landgasteropoden  entwickelte  Kiefer  lagert  der 
oberen  Schlundwand  an  und  kann  beim  Fressen  mehr  oder  minder 
weit  nach  vorne  bewegt  werden.  Ein  unteres  Stück  fehlt.  Dagegen 
treffen  wir  beide  bei  den  Cephalopoden  als  zwei  starke,  einem  Pa- 
pageischnabel vergleichbare,  mit  scharfen  Riindern  versehme  Stücke 
(Fig.  473.  C),  von  denen  das  untere  (m'j  über  das  obere  (m)  hinweg- 
greift. Beide  Kiefer  sind  vorne  an  der  Mundöffnung  gelegen  und  werden 
nur  an  ihrer  Wurzel  von  den  weichen  Lippcnründern  bedeckt. 

2)  Horizontal  gegen  einander  gerichtete,  seitlich  an  der  Schlund- 
wand  angebrachte  Kieferbildungen,  bald  nur  plattenartig  gestaltet,  bald 
mit  scharfen   Randern   ausgestattet  oder  auch   in  Spitzen   ausgezogen 


und    somit    den   Kiefern   der   Ring<?lw(irnier  an   die   Seile   zu   slelleo, 
haben    ihre  grSssUi   Enlwickelung  bei   den   lleischfressenden   Opislho- 


brunchiaten  und  bei  den  Prosobranchisicn.  Indem  beide  Kiefer  oben 
einander  sich  nähern ,  können  sie  einen  Uebergang  zu  der  bei  den 
Lungenschnecken  beziehenden  unpaaren  Kieferform  vorstellen. 

;f|  Ein  unpaares ,  von  der  unteren  Wand  des  Schlundkopfes  in 
die  Schlundhöblc  ragendes  Organ  trägt  eine  Reibplatte  (Radula).  Ein 
innerer  Stutzapparat  wird  von  Knorpelstücken  (Fig.  473.  B  k]  gebildet, 
deren  schon  oben  bei  dem  inneren  Skelele  gedacht  worden  ist.  Auf 
seiner  Oberfläche  liegt  eine  derbe  Platte  {A.rB.r].  auf  der  sich  rück- 
wärts gerichtete  und  in  Querreihen  angeordnete  Zähnchen  erheben. 
Die  Anordnung  der  Zähnchen  oder  Häkchen  [Fig.  ^^^.  abcdj,  ihre 
l'orni  und  ihre  Zahlen  Verhältnisse  sind  ausserordentlich  mannichfallig 
und  wechseln  nicht  allein  nach  den  grosseren  Abtheilungen,  sondern 
auch  nach  den  Ordnungen,  Familien,  bis  auf  die  Ai-ten  herab,  doch 
so,  dass  die  Verwandlächafts Verhältnisse  auch  in  der  Bildung  dieser 
Theile   ausgesprochen  sind.     In  der  Hegel  ist  eine  mediane  Lüngsreihe 

Kig.  ITI.  A  Schlundkopf  eines  Gasl«ropoden  iPlourobr  enchus; ;  senk- 
rechter LätigsdurchschDlIl.  B  Quersclinill  des  Seh lundLopfes  en  <[cr  in  ,A  durch 
eine  senkrechte  Linie  aii);edeiilcten  Stelle,  oe  Oesophagus,  i  Lippe,  r  Reibplilt«- 
k  Knni'pcl,  C  Schiundknpf  eines  Cephalopudcn  (Loiigo),  scokrecbter  ijiogs- 
gchnilt.  I  .\rme.  m  Oberes,  m'  unteres  üielerstUck.  t  Lippe.  7  Zunge,  r  Reib- 
pUtl«.     oe  Oesophagus. 


Darmcanal.  381 

{(i)  vorhanden,  an  welche  seitlich  symmelrische  Zahnchen  (bcd)  sich 
anschliessen.  Das  aus  der  Summe  dieser  Häkchen  gebildete  Organ  fungirt 
vorzüglich  beim  Einziehen  der  Nahrungssioffe.  Es  ragt  bei  Manchen 
(Turbo,  Patella]  von  der  sackartig  ausgedehnten,  durch  Ausstülpung  der 
Schlundwand    gebildeten    Scheide 

umschlossen  weit   in   die  Leibes-  Fig.  474. 

höhle  und  kann  sogar  die  Länge 
des  Körpers  übertreffen.  Bei  den 
Pleropoden  ist  die  Reibplatte 
wenig  ausgebildet.  Bei  den  Ga- 
steropoden  ist  sie  bald  mehr  in  die 
Breite,  bald  mehr  in  die  Länge 
gedehnt,  und  bei  Heteropoden 
zeigt  sie  insofern  eine  höhere  Bil- 
dungsstufe,  als  die  äusseren   der 

in  Querreihen  angeordneten  Häkchen  nicht  allein  von  beträchtlicher 
Länge,  sondern  auch  beweglich  eingelenkt  sind.  Sie  können  so  beim 
llcrvorstrecken  der  Reihplatte,  sich  aufrichten,  um  beim  Zurückziehen, 
sich  zangenartig  zusammenschlagend,  als  Greiforganc  zu  wirken.  Auch 
bei  den  Cephalopoden  wird  die  Reibplatte   (Fig.   n3.  Cr)  angetroffen. 

Aus  dem  Schlundkopf  erstreckt  sich  bei  den  Cephalophoren  ein 
meist  langer  Munddarm  nach  hinten  und  bildet  an  seinem  ersten  Ab- 
schnitte eine  Speiseröhre,  und  darauf  einen  weiteren  Abschnitt,  den 
Magen,  von  welchem  der  Mitteldarm  häufig  in  Form  einer  einfachen 
Schlinge  den  Eingeweidesack  durchsetzend ,  zu  dem  wenig  scharf  ab- 
gesetzten Endstücke  verläuft.  Die  AfteröBhung  findet  sich  bei  den 
meisten  Prosobranchiaten  und  Pulmonaten  in  der  Mantelhöhle  nahe  an 
den  Aihmungsorganen ,  bei  den  Opisthobranchiaten  entweder  rechter- 
Süits  vorne  am  Körper  oder  auf  der  Mitte  des  Rtk^kens. 

Als  Modificationen  bestehen  Erweiterungen  einzelner  Abschnitte 
der  Speiseröhre  und  führen  zur  Bildung  eines  besonderen  als  Kropf 
fungirenden  Stückes.  Dieser  bildet  entweder  einen  spindelförmigen 
Abschnitt,  (sehr  lang  bei  den  Heteropoden)  den  auch  viele  Proso- 
branchiaten und  Pulmonaten  besitzen,  oder  er  erscheint  als  eine  ein- 
seitige Ausbuchtung,  die  sich  zu  einem  blindsackartigen  Anhang  aus« 
bilden  kann  (Lymnaeus,  Planorbis,  Buccinum). 

Modificationen  ergeben  sich  nicht  minder  an  dem  an  einen  meist 
erweiterten  Abschnitt  umgebildeten  Mitteldarm ,  sowohl  was  seine  Ge- 
stalt betrifft,  als  auch  hinsichtlich  seiner  Differenzirung  in  einzelne 
Theile.      Häufig   sind  es  Abschnitte  des  Munddarms,   die   als  »Magen« 

Fig.  474.     Eine  Reihe  Ztthnchen  von  der  Reihplatte  von  Llttorina  littorea. 
o  Mittlere,  bed  seitliche  Zfihnchen. 


382  Moltuskei). 

bezeichnet  werden.  Wenig  ausgezeichnet  erscheint  derselbe  bei  den 
Pulmonaten.  Bei  andern  kommt  es  zur  Bildung  eines  Magenblind- 
sackes,  wobei  dann  Cardia  und  Pylorus  einander  sich  nähern  und 
dieses  ist  die  häufigere  Form. 

Durch  Theilung  kann  der  Magen  in  mehrere  Abschnitte  zerfallen. 
So  wird  häufig  Cardial  -  und  Pylorusabschnitt  durch  eine  in  den  Magen 
vorspringende  Längsfalte  geschieden  (bei  Littorina),  quere  Einschnürun- 
gen bilden  hinter  einander  gelegene  Magenabtheilungen.  Diese  Son- 
derung entspricht  sehr  deutlich  einer  Theilung  der  Leistung,  wie  aus 
der  verschiedenartigen  Beschaffenheit  der  Cuticularbildungen  der  ein- 
zelnen Abschnitte  hervorgeht.  So  besitzt  Aplysia  einen  Abschnitt  mit 
pyramidal  geformten  SlUcken  von  knorpelartiger  Härte  besetzt,  einen 
anderen  mit  festen  Ilornhäkchen  ausgestattet.  Solche  Hakenbildungen 
finden  sich  auch  im  einfachen  Magen  von  Tritonia,  ein  breiter  Gürtel 
scharfeckiger  Platten  in  jenem  von  Scyliaea,  sowie  feste  Reibplatlen 
auch  im  Magen  der  mit  rudimentären  Mundtheilen  versehenen  Ptero- 
poden  vorhanden  sind. 

Von  Eigenthümlichkeiten  des  übrigen  Darmrohrs  ist  eine  dem  End- 
darm häufig  zukommende  Erweiteining  anzuführen.  Bedeutendere  Mo- 
dificalionen  erleidet  der  ganze  Darm  bei  den  Aeolidiern,  wo  er  in  dem- 
selben Maasse  Rückbildungen  erfiihrt,  als  die  Leber  in  seine  Function 
überlritt  und  damit  die  bedeutende  Verkürzung  compensirt  (siehe 
darüber  unten). 

Mit  der  Analöllhung  mancher  Gasteropoden  sind  Drüsen  verbun- 
den, die  zuweilen  ziemlich  ansehnlich  (Murex,  Purpura)  in  ihrer  Be- 
deutung aber  noch  nicht  erkannt  sind. 

§  266. 

Bei  den  Cephalopoden  geht  aus  dem  Schlundkopf  (Fig.  4  84.  ph) 
eine  enge  Speiseröhre  hervor,  die  nach  ihrem  Durchtritt  durch  den 
Kopfknorpel  entweder  gleichmässig  zum  Magen  herabläuft  (Loliginen), 
oder  auf  ihrem  Wege  noch  mit  einer  oft  ansehnlichen  kropfartigen  Er- 
weiterung versehen  ist  Nautilus,  Octopoden).  Der  Magen  ist  (Fig. 
175.  r)  oval  oder  rundlich,  meist  von  beträchtlicher  W^eite  und  be- 
sonders bei  Nautilus,  aber  auch  bei  Octopus,  mit  starken  Muskel  wän- 
den versehen.  Auf  jeder  der  beiden  Seiten  findet  sich  eine  radiär 
verlaufende  Muskelschichte,  in  deren  Mitte  eine  besonders  bei  Nautilus 
bemerkliche,  sehnige  Platte  angebracht  ist. 

Der  neben  der  Cardia  gelegene  Pylorus  führt  in  den  gleich  an 
seinem  Beginne  mit  einer  blinddarinarligen  Ausstülpung  versehenen 
Milteldarm,  der  anfänglich  auf  seiner  Innenfiäche  gleichfalls  noch  Längs* 
faltung  zeigt  und  sich  meist  in  geradem  Verlaufe  (wenig  gewunden  ist 
er  nur  bei  Nautilus  und  den  Octopoden)  nach  vorne  wendet  (Fig.  175.  i), 
um  im  Anfange  des  Trichters  sich  nach  aussen  zu  iißiien.    Um  die  After- 


AnhaDgsoriQinc  itra  DarmconflU. 


um 


Fig.  ns. 


Öffnung  sind  bei  vielen  Cephalopoden  zwei  bis  drei  Klappen  oder  doch 
klappenäbniicbe  VorsprUnge,  durch  entwickelle  Huskulalur  ausgezeich- 
net, vorhanden. 

Blindsackbildungen  (Fig.  n5.  c]  om  Eteginnc 
des  Hilleldarnies  zeigen  sowohl  in  ihrer  äusseren 
Form,  als  auch  in  der  BescbaOenheil  der  Innen- 
fkicbe  verschiedene  Verballnisse.  Der  Blinddarm  isl 
enlneder  rundlich  (Nautilus,  Rossia,  J.oligopsis], 
oder  in  die  Länge  gedehnt  und  dann  oft  spiralig 
gewunden;  so  bei  Sepia,  Oclopus.  Bei  gi'Osserer 
Lilnge  kommen  mehrere  Spiral  Windungen  zu 
Stande  (Pig.  175. eej  (Loligosagillala).  Seinelnnen- 
fktcbe  zeigt  bald  blatterartig  angeordnete  Vor- 
sprUnge  [Nautilus) ,  oder  auch  circulürc,  der 
SpiraUorm  folgende  Fall«nbildungen.  Zwei  der 
grässlen  Falten  nehmen  die  Ausfuhrgange  der 
Leber  auf  und  sind  gegen  das  Darmlumen  zu  be- 
trächtlich ausgebildet,  so  dass  sie  einen  klappen- 
artigen Verschluss  herstellen  können.  Bezüglich 
dt^  Function  dieses  Blinddarmes  isl  wahrschein- 
lich, dass  er  eine  secrelorische  Bolle  spielt,  wie 
er  denn  such  bei  einigen,  z.  B.  hei  Loligo  vul- 
garis, der  Palten  entbehrend  in  seinen  Wan- 
dungen reichliche  Drtlsen  birgt. 


Anbangaorsuie  dea  Darmoanala. 


§267. 

Von  den  mit  dem  Darmcanal  verbundenen  Drtlsen oi^nnen  ßnden 
sich  Speicbeldrttsen  nur  bei  Cephalophoren  und  Cephalopoden  ver- 
bratet, so  dass  ein  Zusammenhang  dieser  Gebilde  mit  der  Ausbildung 
von  Hundorganen  erkannt  werden  kann.  Sie  sind  liei  den  Cephalo- 
phoren stets  an  beiden  Seiten  des  Vorderdarms  gelagert  und  münden 
in  den  Pharynx  aus.  Nicht  selten  erscheinen  sie  als  kurze  Blindsrbtiluclii- 
Pteropoden),  die  sogar  in  der  Masse  des  Schlundkopfs  verbonten  sein 
künnen  (manche  Opisthobranchiaten).  In  weiterer  Entwickclung  ver- 
längert sich  der  AusfUhrgang,  so  dass  der  seceniirende  Abschnitt  weiter 
nach  hinten  zu  liegen  kommt,  und  da  bald  dem  Oesophagus,  bald  auch 
dem  Hagen  angelagert  ist.  Die  Drüsen  bilden  dann  rundliche,  läng- 
liche, meist  abgeplattete  Schlauche  (Pulmonaten,  Prosobranchiat^n),  die 

Fig.  47S.  Verdauungsapparat  von  Loligo  aaKi'la'a-  ob  Sp^isei'OlirB.  v  Der 
yagea,  der  LHngr  nach  getilTnet.  x  Eine  duroh  den  Pylorua  hindurclig^rührte 
Sonde,  c  Aobng  den  Blinddarms,  e  t  Spiralijier  Theil  de«3elt>«n.  ■  Enddarm. 
a  Tinleobeutel.     b  EiomUndung  des'4ell>en  in  das  Kecluio.      (Nach  Hohe  ) 


384  Mollusken. 

sogar  wieder  in  einzelne  Abschnitte  zerfallen  können,  oder  auch  als 
ramificirte  Organe  erscheinen,  wie  die  dem  Magen  aufliegenden  Drüsen 
von  Pleurobranchus.  Nicht  selten  finden  sich  auch  doppelte  Paare,  von 
denen  entweder  die  AusführgJInge  immer  gelrennt  erscheinen,  oder 
jene  des  hinteren  Paares  sich  mit  einander  vereinigen.  Auch  bei  nur 
einem  vorhandenen  Paare  ist  oft  die  Verschmelzung  in  eine  einzige 
Masse  zu  beobachten,  wobei  die  Duplicität  durch  die  Ausführgänge  be- 
stimmt wird.  Eine  functionelle  Differenzirung  bieten  die  Speichel- 
drüsen mancher  Ctenobranchiaten  (Dolium ,  Cassis ,  Gassidaria ,  Tri- 
tonium),  bei  denen  ein  Abschnitt  in  seinem  Secrete  freie  Schwefelsäure 
erkennen  liess.  Aehnliches  zeigen  die  vollständiger  gesonderten  Drüsen 
einiger  Opisthobranchiaten  (Pleurobranchus,  Doris). 

Doppelte  Speicheldrüsen,  ein  vorderes  und  ein  hinteres  Paar,  sind 
bei  den  Cephalopoden  verbreitet.  Die  hinteren  liegen  seitlich  vom 
Oesophagus,  hinter  dessen  Durchtritt  durch  den  Kopfknorpel.  Sie  sind 
entweder  glatt  oder  gelappt  und  lassen  ihre  Ausführgänge  in  der 
Regel  innerhalb  des  Kopfknorpels  zu  einem  einzigen  Gange  sich  ver- 
einigen, der  vor  dem  Zungenwulste  in  die  Schlundhöhle  einmündet 
[Fig.  484.  gls  i).  Bei  Octopus,  Eledone  und  anderen  sind  ausser  den 
hinteren  noch  zwei  vordere  als  kurze,  dicht  hinter  dem  Pharyhx 
liegende  Drüsenmassen  vorhanden,  aus  denen  ein  die  Pharynxwand 
durchbohrender  Ausfuhrgang  hervorgeht  (Fig.  484.  gls  s),  der  sich  vor 
der  Ausmündung  mit  dem  der  andern  Seite  vereinigt.  Bei  Nautilus 
fehlen  die  hintern  Drüsen  vollständig,  und  die  vordem  werden  durch 
eine  noch  innerhalb  des  Schlundkopfs  gelegene  paarige  Drüsenmasse 
ersetzt. 

Anhangsorgane  des  Mitteldarms. 

§  268. 

Am  Mitteldarm  sind  bei  den  Mollusken  Anhangsgebilde  in  allge- 
meiner Verbreitung  zu  treffen;  sie  repräsentiren  die  »Leber«. 

Diese  erscheint  bei  den  Brachiopoden  in  der  Form  verästelter 
Schläuche,  die  bei  den  Angellosen  bald  mit  vielen  Mündungen  (Grania), 
bald  in  mehrere  (4)  Ausführgünge  vereint  (Lingula)  in  die  oben  als 
Magen  bezeichnete  Darmerweiterung  oder  auch  hinter  derselben  ein- 
münden, indess  sie  bei  den  Angelschaligen  mächtiger  entwickelt  auf 
zwei  seitliche  Drüsengruppen  vertheilt  sind,  welche  den  Magen  um- 
geben und  von  jeder  Seite  meist  mit  mehreren  Ausführgängen  in  ihn 
einmünden. 

Als  eine  den  Magen  und  einen  grossen  Theil  des  übrigen  Darmes 
umgebende  Drüse  tritt  die  Leber  der  Lamellihranchiaten  auf.  Sie 
bildet  zahlreiche  in  grössere  Lappen  vereinigte  Acini  die  an  verschie- 
denen Stellen,  theils  in  den  Magen,  theils  in  den  folgenden  Darm- 
abschnitt  münden. 


Anhangsorgaoe  des  Mitteldarmes.  385 

Eine  Dicht  minder  aosehDlich  entwickelte  Drüse  stellt  sie  bei  den 
Cephalopboren  vor.  Bei  den  beschälten  Gasteropoden  nimmt  sie  den 
grössten  Theil  des  im  GehHuse  geborgenen  Eingeweidesackes  ein,  im- 
mer aus  mehreren  grössern  Lappen  zusammengesetzt  und  den  Darm  auf 
verschieden  langen  Strecken  umlagernd.  Die  aus  den  Lappen  hervor- 
tretenden Gallengänge  münden  bald  getrennt,  bald  vereinigt  in  den 
Anfang  des  Mitteldarms,  zuweilen  auch  in  die  Magenerweiterung. 

Die  Zahl  der  gesonderten  Leberpartieen  ist  wie  ihre  relative  Grösse 
sehr  verschieden.  Doch  lässt  sich  im  Allgemeinen  bei  Vermehrung  des 
Lebervolums  eine  mehr  einheitliche  Bildung  erkennen,  indessen  die 
einzelnen  getrennten  Lappen  um  so  kleiner  sind,  je  zahlreicher  sie  vor- 
kommen. Bei  den  Pteropoden  ist  die  Leber  in  eine  grosse  Anzahl 
kleiner  Blindschläuche  aufgelöst.  Solche  sitzen  bei  Pncumodermon  in 
verästelten  Gruppen  dicht  beisammen  und  die  weiten  Mündungen  ihrer 
Ausfuhrgange  durchbohren  fast  siebförmig  die  Magenwand.  Einfachere 
Acini  besetzen  einen  Abschnitt  des  Darmes  der  übrigen  Pteropoden  und 
bilden  eine  dicht  geschlossene  Masse,  durch  weiche  der  Darm  hiu- 
durchtritt  (Fig.  469.  h). 

Dieses  Verhältiiiss  der  Vertheilung  der  Leber  auf  einen  grösseren 
Abschnitt  des  Darmcanals  führt  bei  einer  Abtheilung  der  Opistho- 
branchiaten  zu  Veränderungen  jenes  Darmstückes.  Indem  die  Aus- 
fuhrgänge der  einzelnen  Leberlappen  sich  erweitern,  bilden  sie  Aus- 
buchtungen des  Magens  und  es  entsteht  an  der  InnenfliTche  des  letzteren' 
l)ei  einer  grösseren  Anzahl  von  Leberschläuchen  ein  reticuläres  Aus- 
sehen [Doris,  Doridopsis) .  Durch  diese  Umgestaltung  der  Ausführgänge 
der  Leber  zum  Darmlumen  erscheint  der  drüsige  Theil  der  Leber  wie 
ein  Beleg  jener  unregelmässigeni  Ausbuchtungen. 

Hieraus  geht  der  oben  (§  265)  berührte  Zustand  des  Verdauungs- 
apparates der  Aeolidier  u.  a.  hervor,  und  die  Leber  erscheint  in  Ge- 
stalt von  weiten  blind  geendigten  Anhängen,  die  von  dem  als  Magen 
bezeichneten  Hitleidarm  (Fig.  476.  m)  entspringen.  Die  Verbindung 
ist  entweder  eine  unmittelbare  und  die  Anhänge  münden  direct  in  den 
Mitteldarm  oder  sie  ist  mittelbar,  wenn  nämlich  noch  weite  Ausbuch- 
tungen des  Mitteldarms  vorkommen  (Fig.  476),  die  übrigens  gleichfalls 
aus  Umbildungen  eines  Abschnittes  der  Leber  bervoi^egangen  sein 
können.  Diese  Anhänge  durchsetzen  die  Leibeshöhle  und  dringen  beim 
Besteben  von  Rückencirren  in  diese  mit  blinden  Endigungen  ein.  Je 
nach  der  Anzahl  der  Anhänge  bilden  jene  Fortsätze  mehr  oder  minder 
reiche  Verästelungen,  welche  sogar  unter  einander  anastoniosiren  können. 
Sowie  die  Zahl  und  die  allgemeine  Gestaltung  der  Darmanhänge 
wechselt,  so  sind  auch  ihre  Dimensionen  verschieden,  so  dass  sie  bald 
nur  wie  Ausstülpungen  des  Darmes  sich  darstellen  und  durch  weite 
OelTnungen  mit  letzterem  in  Communication ,  auch  Spoisemassen  auf- 
zunehmen im  Stande  sind,  bald  nur  als  enge  Canälc  erscheinen,  die 
an    der    Nahrungsaufnahme    sich    nicht    direct    hetheili^en.      Zwischen 


38r>  Hollnskon. 

diesen  Extremen  finden  sicli  Uebergangsformen  vor.  PUr  die  Auf- 
fassung dieser  Darmhitdun^  ei'scheini  ein  nie  fehlender  drüsiger  Bele^ 
von  grosser  Wichligkeil.  Dadurch  stellen 
sich  die  Verilstelungen  nicht  blos  als  phy- 
siologische Aequivalente  einer  Leber  heraus, 
sondern  wir  müssen  sie  auch  als  Hodifi- 
calionen  der  Leber  selbst  betrachten ,  die 
hier  durch  Erweiterung  der  Lumina  ihrer 
Canäle  sieb  an  der  VergrOsserung  dos 
Darmcanals  betheiligl  hat.  Dasselbe  Oi^an, 
welches  bei  den  anderen  Gasteropoden  als 
Leber  erscheint,  tritt  bei  den  Aeotidiem  in 
den  Darm  mit  über,  und  behält  nur  an 
seinen  Wandungen  oder  doch  an  einem 
Theile  derselben  seine  ursprüngliche  Bedeu- 
tung bei.  Auch  in  anderen  Abtfaeilungen 
der  Opisthobranchialen  erscheint  die  Leber 
in  Form  weiter  Schlauche  i.  B.  bei  Phyl- 
lirhof,  Limaponlia  etc.  Dass  in  allen  diesen 
Bildungen  kein  Anfangszustand  der  ersten 
Dilt'erenzirung  einer  Leber,  sondern  eine 
Art  Bückbildung  gefunden  werden  darf, 
geht  aus  der  Phylogenese  der  Aeoüdier  her- 
vor, die  von  seh  atent  ragen  den  Gasteropodenfornien  sich  ableiten. 

Die  Leber  der  Cepbalopoden  ist  immer  eine  ansehnliche,  meisl 
compacte  Drüse,  die  hei  Nautilus  aus  vier  locker  verbundenen  Lappen 
besteht.  Jeder  derselben  entsendet  einen  Ausfuhrgang.  Bei  den  Di- 
liranchiaten  finden  sich  nur  zwei  Lappen  vor,  die  entweder  deutlich 
getrennt  (Sepia),  oder  nur  theilweise  vei-hunden  sind  (Rossiaj.  Eine 
engere  Vereinigung  beider  Lappen  besieht  bei  Sepiola  und  Ai^onauta, 
und  bei  den  Loliginen  und  Oclopoden  stellen  sie  eine  einzige  vom 
Oesophagus  durchsetzte  Masse  dar.  In  allen  Fallen  treten  aus  der 
Leber  nur  zwei  Ausfühi^l4nge  hervor,  welche  auf  die  beiden  ursprüng- 
lichen Lappen  hinweisen,  und  ebenso  wie  bei  Nautilus,  stets  in  das 
Rnde  des  Blinddarmes  ausmünden. 

Sowohl  an  der  Mündungsslelle  in  den  Blinddarm,  als  auch  inner- 
halb der  Leber  selbst  tragen  die  Ausfuhrgilnge  noch  einen  Besfflz  be- 
sonderer Drüsen läppchen ,  deren  Bau  von  den  Acinis  der  l,cber  ver- 
schieden ist.  Man  hat  diese  bald  nur  an  der  einen,  bald  an  der 
andern  der  genannten  Stellen  vorkommenden  Drüsen  für  eine  Bauch- 
speicheldrüse erklärt,  wobei  man  jedoch  den  Mangel  j^licher 
nilheren    VerwnndUschafv   mit   dem    gleichnamigen   Organ    der    Wirbcl- 


Fig. 


176.  Darmcnnat  von  Acnlidj 
I  (Ipii  l.cbcranhänßcn  h ,  ilercn 
Endilflrm.     an  After.     (\nch  Al 


Eriti' 


pillo-<ia.  pA  Srhlunitkopf.    m  Mitt«l- 
cigunttcn   nicht   mit  dargpi-lelll 

und     llAKCOtt.J 


Anhangftorganc  des  Enddarines.  387 

thiere  beachten   muss.      Auch   bei   Gasteropoden   (Aplysi<i,    DoriSi    hat 
man  in  der  NHhe  der  Leber  noch  besondere  Drtlsen  beobachtet. 


Anhangsorgane  des  Enddarroes. 

Als  bieher  su  zählende  Gebilde  finden  sich  mancherlei  erst  bei  den 
Cephalophoren  vorkommende  Drttsenorgane  von  unbekannter  Bedeutung. 
Bei  den  Ccpbalopoden  wird  der  unter  den  Dibranchiaten  verbreitete 
Tintelbeutel  hier  angeschlossen  werden  können,  der  bei  manchen 
mit  dem  Enddarm  ausmündet  (Loliginen)  und  desshalb  vielleicht  als  ein 
vom  Enddarme  her  entstandenes  Gebilde  sich  herausstellt,  wenn  er 
auch  bei  anderen  Cephalopodeo  seine  Mündung  neben  oder  hinter  der 
Analöffnung  trägt.  Er  stellt  einen  iänglidien,  mit  contractilen,  lameliüs 
ins  Innere  vorspringenden  Wänden  versehenen  Sack  vor  (Fig.  457.  ^), 
rler  die  bekannte  schwarze  Flüssigkeit  absondert  und  seinen  Ausfuhr- 
gang  zum  Enddarme  treten  lässt. 

Qeaohlechtsorgane. 
§  270. 

Die  Vermehrung  findet  bei  den  Mollusken  niemals  in  einer  jener 
ungeschlechtlichen  Formen  statt,  die  man  bei  den  Arthropoden  auf 
dem  Boden  geschlechtlicher  Diflerenzirung  entstanden  sieht.  Sie  ist 
ausschliesslich  an  die  Function  von  beiderlei  Geschlechtsorganen  ge- 
knüpft.^  Diese  Organe  bieten  für  die  einzelnen  Glassen  der  Mollusken 
ziemlich  selbständige  Einrichtungen,  so  dass  die  Ableitung  von  einer 
Allen  gemeinsamen  Grundform  nur  dann  möglich  wird,  wenn  letz- 
lere auf  einer  sehr  niederen  Stufe  der  DilTerenzirung  gesucht  wird. 

Bei  einem  Theile  der  Brachiopoden  sind  die  Geschlechtsorgane 
hermaphroditisch  angelegt,  so  dass  die  Trennung  der  Geschlechter  zu 
den  Ausnahmen  zu  gehören  scheint  (Thecidium).  Die  Organe  bilden 
bei  den  ersteren  vier  Drtlsenmassen ,  zwei  bei  Thecidium.  Bei  den 
Ecardines  lagern  sie  in  der  Leibeshöhle,  theilweise  den  Darm  und  die 
Muskeln  umgebend,  bei  den  Angelschaligen  sind  sie  als  wulstförmige 
Massen  in  die  Räume  l>eider  Mantellappen  verthelll  (Fig.  162.  9),  in  beiden 
Fällen  an  die  Verhältnisse  der  Geschlechtsproducte  der  Anneliden  und 
Gephyreen  erinnernd.  Bei  den  getrennt- geschlechtlichen  sind  diese 
in  dem  einen  Falle  Ovarien,  im  andern  Hoden.  Auf  welche  Weise  die 
ei-  und  samenbildenden  Stellen  bei  den  hermaphroditischen  sich  zu 
einander  verhalten,  ist  unbekannt. 

Beztiglich  der  Ausführwege  kommen  die  oben  bei  den  Excrelions - 
Organen  aufgeführten  Bildungen  (§  Vo9]  in  Betracht,  so  dass  auch  hier  ein 

«5» 


388  Mollusken. 

ursprünglich  fremder  Apparat  als  Oviduct  wie  als  Samenleiter  fungirend 
die  Geschlechtsorgane  mit  bilden  hilft. 

Die  Vereinigung  beider  Geschlechter  in  einem  Individuum  findet  sich 
bei  den  Lamellibranchiaten  nur  auf  einzelne^  von  einander  ziem- 
lich eiilfernle  Gattungen,  oder  auch  einzelne  Arten  beschrcinkt,  welche 
dadurch  den  Ueberrest  eines  vordem  der  ganzen  Classe  zukommenden 
Verhaltens  reprHsentiren.  Bei  den  Austern  besteht  sogar  noch  ein 
Uebei^ang  in  die  geschlechtliche  Trennung  darin,  dass  die  bezüglichen 
Organe  eines  Individuums  nicht  gleichzeitig  sondern  altemirend  bald 
nur  als  männliche,  bald  nur  als  weibliche  thätig  sind.  Die  Keimdrüsen 
sind  paarig,  auf  beide  Seiten  verlheilt,  münden  auch  getrennt  von  ein- 
ander aus.  Meist  nehmen  sie  einen  grossen  Theil  des  Leibeshöhle 
ein,  oft  innig  andern  Organen  verbunden. 

In  dem  Verhalten  von  beiderlei  Keimdrüsen  unter  den  Zwittern 
geben  sich  stufenweise  Verschiedenheiten  zu  erkennen,  den  Weg  be- 
zeichnend, auf  welchem  die  Trennung  der  Geschlechter  vor  sich  ging. 
Bei  einigen  (z.  B.  bei  Ostrea)  ist  die  Keimdrüse  Zwilterorgan  im  voll- 
sten Sinne  des  Wortes.  Ei-  und  samenbildende  Follikel  sind  mit  ein- 
ander vereinigt,  und  die  Ausführgänge  für  beiderlei  Producte  gemeinsam. 
Auch  bei  Pecten  (P.  varius)  besteht  noch  das  letztere  Verhalten,  allein 
die  Keimdrüse  selbst  ist  in  einen  männlichen  und  einen  weiblichen 
Abschnitt  gesondert.  Ersterer  liegt  vorne  und  oben,  letzterer  hinten 
und  unten.  Indem  endlich  bei  andern  (Pandora)  die  getrennten  Keim- 
drüsen getrennt  ausmündende  Ausführgänge  besitzen,  ist  die  Differen- 
zirung  auf  einer  höheren  Stufe  angelangt. 

Die  Ausführgänge  der  Keimdrüsen  sind  wenig  entwickelt  und 
häufig  sitzen  die  Drüsenläppchen  noch  nahe  an  der  gemeinsamen 
Mündung.  Somit  fehlen  auch  alle  accessorischen  Oi-gane.  Die  jeder- 
seitige  Ausmündung  findet  auf  verschiedene  Weise  statt.  Bald  vereinigt 
sich  der  Genitalcanal  mit  dem  Excretionsorgane ,  erscheint  damit  als 
eine  von  letzterem  ausgehende  Differenzirung  und  die  Geschlechtspro- 
ducte  werden  durch  dieses  nach  aussen  entleert  (z.  B.  Pecten,  Lima, 
Spondylus);  bald  vereinigt  sich  der  Genitalcanal  erst  mit  der  Mündung 
jenes  Organes  (z.  B.  Area,  Mytilus,  Pinna]  ,  bald  endlich  mündet  der 
Genitalcanal  für  sich  auf  einer  besonderen  Papille  (z.  B.  bei  Ostrea, 
Unio,  Anodonta,  Mactra,  Ghama). 

Aus  den  hei  den  Brachiopoden  bestehenden  Thatsachen  im  Zusammen- 
halte mit  jenen ,  die  bei  den,  Lamellibranchiaten  erkannt  sind ,  ergibt 
sich,  dass  der  excretorische  Apparat  auch  bei  den  Mollusken  für  die 
Herstellung  der  Ausführwege  der  Geschlechtsproducte  eine  bedeutungs- 
volle Rolle  spielt.  Bei  den  Brachiopoden,  deren  Excretionsorgane  noch 
im  wesenllichen  das  für  die  Würmer  typische  Verbalten  zeigen,  ist  die 
Verbindung  mit  den  Geschlechtsorganen  nur  eine  physiologische,  indess 
sie  bei  den  Lamellibranchiaten  zu  einer  anatomischen  sich  ausgebildet 
hat.     Der   ins  Excrotionsorgnn   mündende  Genitalcanal  erscheint  dal>ei 


Geschlechtsorgane.  389 

als  eine  zu  den  Keimstötten  dor  Zeugungstoffe  ausgedehnt«  Differenz 
zining  und  die  stufenweise  erfolgende  Trennung  des  Genitaicanals  vom 
Excretionsorgane  drückt  eine  weiterschreitende  Sonderung  au^  welche 
zu  einer  vollständigen  Ablösung  des  Genitatcanals,  und  damit  der  Ge- 
schlechtsorgane vom  Excretionsorgane  führt.  Dieses  bei  den  höhein 
Mollusken  idigemein  vorliegende  Verhalten,  wird  also  von  einer  primi- 
tiven, funclionellen  Verbindung  der  Geschlechtsorgane  mit  den  Excre- 
tionsorganen  abzuleiten  sein,  welche  Beziehung  endlich  nur  in  einer 
benachbarten  Lagerung  der  ilusseren  Mündungen  dieser  Organe  sich 
sporweise  angedeutet  zeigt. 

Indem  die  Mollusken  die  Wege  zeigen,  auf  denpn  die  Ditferen- 
zirung  der  Ausführg^nge  der  Geschlechtorgane  geschah,  entfernen  sie 
sich  nicht  so  gar  weit  voA  den  Würmern,  von  denen  ein  Theil  noch 
ähnliche  Beziehungen  aufweist,  indess  eine  andere  mit  grossen  und 
anscheinend  selbständigen  Complicationen  der  Ausführapparatc  ausge- 
stattete Gruppe  {Plattwürmer)  die  Lösung  jener  Frage  vorerst  nur  in 
grösserer  Entfernung  zeigt. 

Die  Geschlechtsorgane  der  Gephalophoren  bieten  eine  in  mehr- 
facher Weise  fortgeschrittene  Differenzirung  dar.  Besteht  auch  eine 
i^Zwitterdrüse«  in  grosser  Verbreitung,  so  ist  doch  der  Apparat  l)cträcht- 
lieh  complicirt,  und  veii>indet  sich  in  der  Regel  sogar  noch  mit  Begat- 
tungsorganen. Femer  erscheint  der  Geschlechtsapparat  immer  unpaar,  in 
asymmetrischer  Lagerung  und  Ausmündung,  so  dass  im  Vergleiche  «u 
den  Lamellibranchiaten  eine  einseitige  Rückbildung  angenommen  werden 
muss.  Nur  bei  Chiton  erhält  sich  die  Duplioität  an  den  AusfUhr- 
gjftngen,  von  welchen  jederseits  einer  von  der  unpa^^ren  Keimdrüse  zu 
den  seitlich  und  hinten  gelagerten  Genitalöffnungen  führt. 

Die  Verhältnisse  der  Zwitterdrüse  sind  mannichfaltiger  Art.  In 
allen  Fällen  setzt  sie  sich  aus  zahlreichen  Läppchen  (Fig.  4  77.  A)  zu- 
sammen, welche  an  ihren  äussersten  blinden  Enden  Eikcimc  bilden  [a], 
indess  entfernter  vom  Ende  Samenmassen  entstehen  (b).  Diese  Steilen 
sind  jedoch  nicht  von  einander  getrennt,  vielmehr  ist  der  gemeinsame 
Hohlraum  eines  Läppchens  die  Bildungsstätte  der  verschiedenen  Pro- 
dnete.  Somit  sind  es  von  Epithelialbildungen  ableitbare  Zellen,  welche 
an  der  einen  Stelle  zu  Eiern  sich  gestalten,  an  der  andern  Samen- 
fäden hervorgehen  lassen.  Diese  doppelte  Production  scheint  in  der 
Regel  keine  gleichzeitige  zu  sein,  so  dass  dasselbe  Läppchen  oder 
dieselbe  Drüse  in  dem  einen  Falle  Eier,  in  dem  anderen  Sperma  her- 
vorbringt. 

Eine  Differenzirung  gibt  sich  an  den  Läppchen  dadurch  zu  er- 
kennen, dass  die  eibildenden  Theile  Ausstülpungen  vorstellen  (Fig. 
i  77.  B,  a) ,    welche  dann   an  dem  samenerzeugenden  mittleren  Theile 


.190 


Mollusken. 


B     ,?L 


f 


[h]    rose llcn form ii;   gruppirl   sind   und   so  immer   wie  secundäre  Acini 

sich    verhallen.      Die  Vereinigung   der  einzelnen  Läppchen   unter  ein— 

•  ander   begründet   verschie- 

Kig.  177.  dene   Formverhällnisse  der 

Zwitierdrüse ;  so  kann  jedes 
Läppchen  seinen  eigenen 
Ausführgang  besitzen  und 
die  gesammie  Drüse  er- 
scheint als  ein  reich  ver- 
ästeUes  Organ  JOpistho- 
branchiaten)  ;  oder  die  Acini 
münden ,  reihenweise  ge- 
stellt, an  einer  Seite  eines 
Ausfübrganges,  wie  bei  ei- 
nigen Pteropoden  (Cymbulia, 
Tiedemannia) ;  oder  sie  jiruppiren  sich  in  tra  üben  förmige  oder  lappige 
DrUsenmasscn ,  die  entweder  in  Mehrzahl  auftreten  (PhylürhoC),  oder 
eine  einzige  mehr  oder  minder  compacte  Drüse  vorstellen  (einige  Ptero- 
poden ,  wie  Pneumodermon ,  Hyalea ,  dann  die  meisten  Opisthobran- 
chiaten  und  Pulmonaten). 

Hinsichtlich  der  Ausführgänge  bestehen  bei  den  hermaphroditischen 
Ccphalophoren  folgende  verschiedene  Einrichtungen: 

1j  Es  besteht  ein  gemeinschaftlicher  Ausführgang  für  Samen  und 
Eier,  der  somit  Vas  deferens  und  Eileiter  vorstellt  und  von  der  Zwitier- 
drüse an  bis  zur  GeschlechtsOffnung  beiderlei  Producte  führt.  Als 
Uterus  erscheint  nur  eine  blindsackartige  Ausbuchtung,  welche  auch 
zur  Aufnahme  des  Begattungsorganes  dient.  An  der  GeschlechtsOffnung 
tritt  der  Samen  entweder  direct  auf  das  daneben  liegende  Begattungs- 
organ über,  oder  er  wird  bei  entfernterem  Ursprünge  des  letzteren 
durch  eine  wimpernde  Rinne  diesem  zugeleitet.  Alle  Pteropoden,  dann 
einige  Opisthobranchiaten  sind  mit  dieser  Einrichtung  versehen. 

'i]  Der  Ausführgang  der  Zwitierdrüse  ist  nur  eine  Strecke  weil 
gemeinsam,  dann  erfolgt  eine  Theilung  und  jeder  Canal  nimmt  seinen 
besonderen  Weg  zur  GeschlechtsOffnung.  Dabei  kann  er  sich  noch  rail 
Nebenapparaten  ^n  Verbindung  setzen,  oder  auch  einfachere  Differen- 
zirungen  durch  Kalibermodificalionen  eingehen.  Letzleres  Verhallen 
bietet  auch  der  gemeinsan^e  Ausführgang  vor  seiner  Trennung.  Sehr 
häufig  erscheint  er  bei  Opisthobranchiaten  auf  einer  grösseren  Strecke 
erweitert,  und  kann  damit  für  die  ausführenden  Zeugungsstoffe  als 
Behälter   dienen.     Bei  den  Pulmonaten  (Fig.   478)  besteht  am  gemein- 

4 

Fig.  477.  Zwitterdrüsenfollikel  von  Gasteropodcn.  A  Vod  llclii 
hortensis.  Die  Eier  a,  a  entstehen  an  der  Wand  des  Follikels,  nach  innen  zu 
die  Samcnnnassen  b.  B  Von  Acolidia.  Die  samenbereitende  Abtheilung  [h, 
eines  Follikels  ist  ringsum  mit  Eiorsäckchen  [a]  besetzt,  c  Gemeinschaftlicher  Aus- 
führgang. 


Geschlechtsorgane. 


391 


Fig.  ns. 


samen  Aasführgaoge  eine  Trennung  in  zwei  Abschnille.  Wahrend  der 
obere  (ve)  aus  der  Zwitterdrüse  (a)  kommende  einfach  ist,  erscheint 
der  untere  auf  einer  ansehnlichen  Strecke  der  Liinge  nach  in  zwei 
RHume  geschieden,  davon  der  eine  engere  den 
weitern  wie  eine  Halbrinne  liegleitend  zur  Aus-^ 
bildung  des  Sperma  dient,  indess  der  weitere 
(n)  dem  weiblichen  Apparate  angehört.  Er  ist 
bei  den  Landpulmonalen  mit  Ausbuchlungen 
besetzt  und  empfängt  an  seinem  oberen  Ende 
eine  eiweissabsondernde  Drüse  [Hd).  Man 
l)ezcichnet  ihn  als  Uterus,  in  dessen  Ausbuch- 
lungen die  Eier  ihre  Umhüllung  empfangen. 
Da  der  andere  Canal  gegen  diesen  Uterus  zu 
nicht  völlig  abgeschlossen  ist,  besteht  somit 
eine  nur  Iheilweise  Trennung.  Erst  am  Ende 
des  Uterus  setzt  sich  das  Vas  deferens  als 
selbständiger  Canal  [vd)  zur  Ruthe  (p)  fori. 
Die  letzte  Strecke  des  Canals  liefert  bei 
manchen  eine  die  Samenmassen  zu  einem 
Somenschlaucbe  (Spermatophor)  vereinigende 
Substanz.  Aus  dem  Uterus  geht  endlich  ein 
als  »Scheiden  bezcielmetes  Endstück  des  weib- 
lichen Canals  hervor,  der  zur  gemeinsamen 
Gescblechtsöflnung  seinen  Verlauf  nimmt,  und 
noch  mehrfache  Anhange  (Fig.  478.  ps.  d)  tragen 
kann.  Von  den  letzleren  ist  (bei  den  Helicinen) 
ausser  einem  Receptaculum  seminis  (Fig.  178.  Hx)  eine  Gruppe  von 
grösseren  DrüsenschlSluchen  [d]  zu  erwiihnen,  die  mit  einem  dick-' 
wandigen  Schlauche  {ps)  in  Verbindung  stehen.  Letzterer  ist^um- 
stttlpbar  und  enthält  ein  wie  ein  Abguss  dqs  Rinnenraumes  erscheinen- 
des spitze«  Concrement  (Liebespfeil). 

Rei  andern  Zwitlersehnecken  findet  die  Trennung  von  beiderlei 
Wegen  in  der  Regel  schon  früher  statt,  und  der  gemeinsame  Canal  ist 
nur  unbedeutenden  Modificationen  unterworfen.  Sehr  roannichfallige 
Modißcationen  bieten  die  getrennt  verlaufenden  Canale,  von  denen  bei 
den  meisten  Opislhobranchiaten  das  Vas  deferens  eine  ansehnliche  Länge 
besitzt  und  demgemäss  in  zahlreiche  Windungen  gelegt  ist.  Ehe  es 
zum  Regattungsorgan  tritt,  verbindet  es  sich  häufig  mit  einer  zuweilen 
weiter  oben  angebrachten  Drüse.  Eine  geringere  Länge  besitzt  der 
Oviduol,  dem  nur  selten  beträchtliche  Erweiterungen  zukommen.  Da- 
gegen   treten    am   Ende    des    weiblichen   Ausführapparaies    mehrfache 

Fig.  178.  Geschlechtsapparat  von  Hclix  hortensis.  s  Zwitlcrdrüso,  r«  Gc- 
meinschafllicher  Ausführgang,  u  Uterus.  £<i  Eiweissdrüsc.  d,  d  Getheiltc  Au- 
hangsdrüsen.  pc  PfeUsack.  R  s  Receptaculum  seminis.  vd  Ausführgang  des  Sn< 
mens,    p  Ruthe.    ß  Peitscheafürmiger  Anhang  derselben. 


392  Mollusken. 

Differenzirungen  als  accessorische  Gebilde  auf.  Die  JMUndung  von 
beiderlei  Ausfühnvegen  liegt  entweder  in  einem  gemeinsamen,  immer 
seitlich  am  Körper,  meist  rechlerseils  nahe  am  Vordertheile  befindlichen 
Haum  (Geschlechtscioakc),  oder  beide  Oeffnungen  münden  in  eine  wenig 
liefe  Buchtung  oder  auch  getrennt  von  einander  unmittelbar  auf  die 
Oberfläche  des  Körpers. 

Die  mit  den  AusfUbrgängen  verbundenen  Organe  sind  entweder 
blosse  Ausbuchtungen,  oder  blindsackartige  Bildungen  der  Wandung, 
wie  wir  schon  vorhin  den  Uterus  anführten;  sie  haben  die  Func- 
tion die  Zeugungsstoffe  in  sich  anzusammeln  oder  aufzubewahren. 
Andere  Anhangsgebilde  sind  drüsiger  Natur  und  liefern  ein  bei  den 
Geschlechlsverrichtungen  zu  verwendendes  Secret.  Diese  Organe  stehen 
auf  verschiedenen  Ditferenzirungsstufen ,  und  da,  wo  in  einem  Falle 
nur  ein  drüsiger  Beleg  der  Wandung  erscheint,  treffen  wir  in  andern 
Fällen  ein  discretes  Drüsenorgan. 

§  272. 

Die  Anhangsgebilde  des  Genitalapparates  können  nach 
ihrer  Zugehörigkeit  in  weibliche  und  männliche  unterschieden  werden. 
Von  den  weiblichen  nimmt  das  Receptaculum  seminis  eine  hervor- 
ragende Stelle  ein.  £s  bildet  eine  rundliche  oder  birnförmige,  mit 
hohlem  Stiele  der  Scheide  inserirte  Blase,  welche  bei  der  Befruchtung 
den  Samen  aufnimmt  (Fig.  478.  R  s).  Dieses  bei  den  hermaphrodi- 
tischen Schnecken  sehr  verbreitete  Organ  modificirt  sich  durch  die 
Erweiterung  seines  Stieles  zu  einer  nicht  blos  das  Sperma,  sondern 
auch  die  Begattungsorgane  während  der  Göpula  aufnehmenden  Tasche, 
wie  dies  bei  Pteropoden  (Hyaleen)  der  Fall  ist.  Zuweilen  sind  Ewei 
solcher  Anhänge  vorhanden  (Pleurobranchus),  die  dann  auch  entfernter 
von  der  Scheide  am  engern  Oviductd  vorkommen  können  (Doris).  Bei 
den  Pteropoden  und  den  Opisthobranchiaten  besitzt  die  Scheide  eine 
weite  mit  faltigen  Drüsenwandungen  versehene  Ausbuchtung,  die  als 
Uterus  fungirt.  Wie  die  Eiweissdrüse  der  Pulmonaten,  so  mündet 
auch  hier  ein  besonderes  drüsiges  Organ  in  ihn  ein,  das  in  der  Ver- 
richtung der  Eiweissdrüse  wohl  gleich  kommt.  Wo  letztere  fehlt, 
scheint  die  Uteruswand  sie  functionell  zu  vertreten.  Endlich  bestehen 
noch  mancherlei  andere,  meist  nur  auf  engere  Gruppen  beschränkte 
Gebilde,  die  in  ihrer  Bedeutung  grösstentheils  unerkannt  sind.  — 

Aehnliche  Organe  wie  am  weiblichen  Theil  des  Geschlechtsapparaics 
kommen  auch  dem  männlichen  zu,  und  erscheinen  in  der  einfachsten 
Form  als  erweiterte  Stellen  oder  Blindsackbildungen  zur  Aufnahme 
des  Sperma.  Die  bereits  oben  erwähnle  Verlängerung  des  Vas  defe- 
rcns  wird  functionell  als  eine  zur  Ansammlung  einer  grösseren  Samen- 
menge dienende  Einrichtung  hieher  lu  rechnen  sein.  Sowohl  bei 
Gasteropoden    als    Pteropoden  ^sind    dergleichen    Zustände    verbreilel. 


Geschlechtsorgane.  393 

Ferner  geboren  hieher  die  dem  Vas  deferens  angelagerten  DrUsenorgane, 
die  man  als  Prosiatadrttsen  zu  bezeichnen  pflegt. 

Der  milnnliche  Apparat  steht  endlich  mit  einem  Begattungs- 
organe in  Verbindung,  welches  entweder  das  modificirto  und  aus- 
sittipbare  Ende  des  Samenleiters  ist,  und  im  Ruhezustände  in  die 
Leibesböhle  ragt,  oder  es  ist  ein  besonderes  des  directen  Zusammen- 
hanges mit  dem  Vas  deferens  entbehrendes  und  dann  in  einer  Tasche 
geborgenes  Gebilde,  das  vom  Uautmuskelschlauche  sich  sonderte.  Die 
Oeffhung,  aus  welcher  sich  die  Ruthe  hervorstUlpt ,  liegt  zumeist  in 
der  Nähe  der  weiblichen  Geschlechtsöfihung,  wie  bei  den  Hyaleon  unter 
den  Pteropoden,  deren  Penis  als  ein  beträchtlich  grosses,  aus  der  Ruthen- 
lasche hervorstttipbares  Organ  neben  der  Scheiden()ffnung  zu  finden 
ist.  Bei  Pneumodermon  wird  es  durch  eine  conische  Papille  vorge- 
stellt, die  noch  innerhalb  der  Geschlechtsöffhung  liegt.  Durch  die  ge- 
meinsame Ausmündung  von  beiderlei  Geschlechtsorganen  wird  eine 
Geschlechtscloake  gebildet.  Eine  solche  ist  bei  vielen  Pulmonaten  und 
Opisthobranchiaten  meist  rechterseits ,  nicht  selten  dicht  hinter  dem 
Fühler  angebracht.  *Weil  von  der  gemeinsamen  Genitalöffnung  entfernt 
mündet  der  Penis  bei  einem  Theile  der  Opisthobranchiaten  (Apiysia, 
Bulla,  Bullaea  u.  s.  w.) ,  und  hier  leitet  eine  wimpemde  Rinne  den 
aus  der  Geschlechtsöffnung  hervortretenden  Samen  zum  Begattungs- 
organe. Die  Form  des  letzteren  ist  nach  dessen  Beziehungen  zu  dem 
Vas  deferens  eine  verschiedene.  Bald  stellt  die  Ruthe  einen  einfachen 
Cyiinder  vor,  oder  erscheint  gekrümmt,  am  freien  Ende  mit  einem 
Kopfe  versehen,  oder  auch  spiralig  gewunden.  Im  Innern  ist  sie  ent- 
weder vom  Vas  deferens  durchsetzt,  oder  ihre  Hohle  steht  mit  dem 
Leibescavum  in  offener  Verbindung,  in  welchem  Falle  dann  die  Her- 
vorslüfpung  und  die  mit  dieser  stattfindende  Ercclion  zum  Theile  durch 
die  Blutflüssigkeit,  zum  Theile  durch  HuskelthSItigkcit  zu  Stande  kommt. 

§  273. 

Bei  vielen  Zwitterschnecken  ist  ein  Altemiren  der  Function  der 
Reimdrüse  nachweisbar,  so  dass  sie  bald  als  männliches,  bald  als 
weibliches  Organ  sich  darstellt.  Darin  lässt  steh  die  Andeutung  einer 
Trennung  der  Geschlechter  wahrnehmen,  welche  bei  den  meisten 
Ctenobranchiaten  und  den  diesen  nahestehenden  Heteropoden  voll- 
zogen ist. 

Die  Geschlechtsorgane  der  männlichep  und  weiblichen  Individuen 
zeigen  bei  diesen  eine  grosse  Uebereinstimmung  in  dem  allgemeinen 
Verhalten,  so  dass  oft  nur  das  Vorkommen  von  Begattungsorganen  bei 
den  Männchen  gröbere  Unterschiede  bildet.  Milnnliche  wie  weibliche 
Keimdrüsen  liegen,  wie  auch  die  Zwitterdrüse  vieler  hermaphroditischcr 
Schnecken,  zwischen  der  Leber  versteckt,  oder  doch  in  der  Nabe 
derselben. 


394  Mollusken. 

An  den  weiblichen  Organen  entspringt  aus  dem  Eierstocke  ein 
in  der  Regel  gewundener  Eileiter,  der  sich  gegen  den  Enddarni  wendet, 
um  dort  unter  buchtiger  Erweiterung  einen  Uterus  darzustellen.  Von 
diesem  geht  dann  eine  kurze  Scheide  zu  der  in  der  Nähe  des  Afters 
befindlichen  Gescblechtsöffnung.  —  Accessoriscbe  Organe  sind  bei  den 
gotrenntgeschlechtlichen  Gephalophoren  nur  wenig  verbreitet.  Unter 
den  Ctenobranchiaten  sind  sie  nur  bei  einigen  (Paludina)  genauer  be- 
kannt und  bestehen  aus  einer  langgestreckten  Samentasche,  die  in  das 
Ende  des  sackartigen  Uterus  einmündet,  mit  welchem  der  Ausfuhrgang 
einer  EiweissdrUse  verbunden  ist.  Bei  den  Heteropoden  ist  nur  die 
Samentasche  vorhanden,  entweder  dem  Ende  des  Uterus  angefügt 
(Atlanta),  oder  vor  dem  Uterus  mit  der  Scheide  vereinigt  (Pterotrachea; . 

Bei  den  männlichen  Organen  verläuft  der  Ausführgang  (Vas  deferens) 
entweder  einfach  zum  Penis,  oder  er  ist  mit  einer  Anschwellung  ver- 
sehen, und  fungirt  als  Samenblase.  Diese  einfachen  für  die  meisten 
getronntgeschlechtlichen  Kammkiemer  geltenden  Verhältnisse  treffen  sich 
auch  bei  den  Heteropoden.  Das  Ende  des  Vas  deferens  mündet  ent- 
weder auf  der  Oberfläche  des  Körpers  rechterseits  nach  aussen  und 
ist  dann  durch  einen  auf  der  Oberfläche  des  Körpers  eine  Strecke  weil 
verlaufenden  flimmernden  Halbcanal  mit  dem  Begattungsorgane  ver- 
bunden, oder  es  setzt  sich  direct  auf  das  Begattungsorgan  fort,  bald 
die  Länge  desselben  als  geschlossener  Canal  durchsetzend  (Buccinum), 
bald  an  der  Basis  des  Begattungsorganes  sich  öffnend,  von  wo  aus  dann 
eine  Halbrinne  sich  über  letzteres  hinzieht  (Dolium,  Harpa,  Slrombus). 

Das  Begattungsorgan  stellt  häufig  ein  einziehbares  Gebilde  vor, 
gleich  dem  Penis  der  Zwitterschnecken.  In  der  Regel  besieht  es  aus 
einen)  Fortsatze  des  Hautmuskelschlauches  und  bildet  einen  massiven, 
breiten,  häufig  an  der  Spitze  gekrümmten  Körper,  welcher  rechter- 
seits am  Leibe,  oder  auch  am  Kopfe  an  der  Basis  des  rechten  Fühlers 
doch  auch  zuweilen  (Heteropoden)  in  grösserer  Nähe  der  Aftoröfl'nung 
angetroffen  wird. 

§.  271. 

Die  bei  den  Gephalophoren  noch  nicht  allgemeine  geschlechllicbc 
Trennung  ist  bei  allen  Gepha  lopoden  durchgeführt.  Männliche  und 
weibliche  Organe  zeigen  in  der  allgemeinen  Anordnung  mehrfache 
Uebereinstimmung ,  und  unter  diesen  ist  das  Wesentlichste,  dass  die 
Keimdrüsen  nicht  unmittelbar  in  ihre  Ausführgänge  sich  fortsetzen,  ein 
Umstand,  der  desshalb  von  Wichtigkeit  ist,  weil  aus  ihm  wieder 
die  Verwendung  eines  den  Genitalorganen  ursprünglich 
fremden  Apparates  hervorgeht  (vergl.  oben  §  270).  Wenn  die 
Umgebungen  der  Keimdiilsen  mit  blutführenden  Bäumen  in  Veibiodung 
stehend  erkannt  sind,  so  darf  daraus  ein  neuer  Grund  für  die  Ent- 
stehung des  Ausfuhrwegs  aus  ursprünglich  excretorischen  Canälen  ge- 
schöpft werden.      Bei   den   Telrabranchiaten   sind   sogar  die  Ausfuhr— 


Geschlechtsorgane. 


395 


gängc  noch  nicht  vollkommen  conlinuiiiich.  £ileitor  wie  Samenleiler 
fuhren  in  einen  weiteren  Raum,  aus  welchem  von  neuem  eine  Fort- 
setzung jener  Wege  beginnt. 

Von  den  weiblichen  Organen  wii*d  der  Eierstock  durch  eine  ge- 
lappte DrUse  gebildet,  die  von  einem  besonderen  Sacke  umhüllt  und 
nur  an  einer  Stelle  mit  demselben  verbunden  ist.  Der  Ausftthrgang 
Eileiter)  ist  in  der  Regel  nur  einfach  vorhanden.  Nur  bei  den  Octo- 
poden  und  bei  Loligo  sagittata  findet  er  sich  doppelt  [Fig.  484.  odad)^ 
weist  somit  auf  eine  ursprungliche  Duplicität  hin,  die  bei  den  Übrigen 
—  selbst  bei  Nautilus  —  durch  Verkümmerung  des  einen  Oviductes 
verloren  ging.  Der  Eileiter  entspringt  aus  der  Ovarialumhüllung,  die 
Eier  gelangen  also  erst  aus  letzterer  in  den  Ausftthrgang.  Die  Aus- 
mündung des  Eileiters  findet  sich  in  der  Regel  im  Anfange  des  Trich- 
ters; nur  bei  denen,  deren  Mannchen  mit  einem  Begattungsarme  ver- 
sehen sind,'  liegt  sie  weit  hinten  in  der  Kiemenhohle.  Der  Oviduct 
besitzt  an  einer  Stelle  (Octopoden)  einen  wuistartig  gestalteten,  ring- 
förmigen Drüsenbeleg  aus  radial  zur  Axe  des  Eileiters  gestellten 
Schlauchen.  Dieselben  Drüsen  sind  bei  Nautilus  in  grösserer  Aus- 
dehnung vorhanden,  bis  nahe  an  die  Hündung  verbreitet.  Wo  sie 
fehlen,  werden  sie  durch  ahnliche  dicht  an  der  Mündung  gelagerte  Se^ 
cretionsapparate  ersetzt. 

Als  accesflorische  Organe  des  weiblichen  Apparates  erscheint  ein 
Paar  »Nidaroentaldrüsen«  benannter  Drüsen,  die  aus  länglichen  laniellOs 
gebauten  Schläuchen  bestehen,  welche  auf  der 
Vorderseite  des  Thieres  gelagert,  ihre  kurzen 
Ausführgange  zur  Seite  der  GeschlechteOfiiiung 
münden  lassen.  Ihr  Secret  scheint  zum  Zusam- 
menkitten  der  Eier  zu  dienen,  welche  bei  den 
meisten  Cephalopoden  in  traubenfOrmige  Gruppen 
vereinigt  werden.  Vor  den  NidamentaidrUscn 
triSfl  man  noch  ein  Paar  kleinere ,  aus  dicht  ge- 
wundenen Schlauchen  bestehende  Drüsenorgane, 
die  mit  den  vorigen  wohl  eine  ähnliche  Function 
besitzen. 

Eine  ähnliche  Peritonealkapsel  (Fig.  179.  c), 
wie  sie  um  das  Ovarium  sich  findet,  um- 
schliesst  auch  den  Hoden  (/') ,  der  aus  mehr- 
fach verästelten  zu  einem  Büschel  vereinigten 
BUndschläuchen  sich  zusammensetzt.  Diese  sind 
gleichfalls  an  die  Kapselwand  befestigt,  so  dass 
auch  hier  die  Keimstoffe  erst  in  die  Kapsel  ge- 
langen, um  in  das  aus  letzterer  sich  fortsetzende 

Flg.  179.  Männliche  Geschlechtsorgane  von  Octopus.  ('  Hoden,  c  geöfTncte 
llodenkapsel.  ve  Ausfiihrgant?.  re'  Erweiterung  als  SnmtMiblase  dienend,  g  An- 
hang!»drii$e.     b  iV  Needham'sche  Tasche. 


Kig.  179. 


396  Mollusken. 

Vas  deferens  überzugehen.  Das  Vas  deferens  ist  ein  vielfach  ge- 
wundener, anfänglich  enger,  dann  weiter  werdender  Ganal  (re) ,  der 
damit  eine  Samenblase  vorstellt.  In  die  Wandungen  seines  erweitorlen 
Abschnittes  sind  Drüsen  eingebettet  und  in  manchen  Fällen  wird 
ein  Theil  der  Wand  zu  einem  grösseren  DrUsenorgane  umgestaltet, 
so  dass  diesem  Abschnitte  noch  eine  andere  Function  wird.  Bei  ver- 
schiedenen Octopoden  finden  sich  noch  ein  oder  zwei  discretc 
Drüsenanhänge  (g).  Alle  diese  drüsigen  Differenzirungen  der  Wan- 
dung des  Vas  deferens,  liefern  ein  dem  Sperma  sich  beimischen- 
des, zur  Herstellung  der  eigcnthümlichen  Samenschläuche  verwendetes 
Sccret.  Aus  dem  Ende  des  drüsigen  Abschnittes  oder  nach  Verbindung 
mit  den  erwähnten  Drüsen  nimmt  der  Samenleiter  noch  ein  ansehn- 
licheres Anhangsgebilde  auf  (Fig.  179.  bN,)  ,  welches  entweder  deut- 
lich von  ihm  abgesetzt  ist  (Octopus)  ,  oder  als  eine  Erweiterung  und 
einseitige  Ausbuchtung  des  Samenleiters  erscheint  (Sepia,  Loligo)  und 
dadurch  wieder  als  Modification  eines  Abschnittes  des  Vas  deferens 
sich  darstellt.  Diese  »Needham'schc  Tasche«  dient  als  Behälter  fUr  die 
im  drüsigen  Theil  des  Samenleiters  gebildeten  Samenschläuche:  Sper- 
matophoren.  Der  übrige  Theil  des  Ausführganges  setzt  sich  in  meist 
gleichmässiger  Weise  entweder  in  einen  papillenförmigen,  linkerseits 
in  der  Mantelhöhle  gelagerten  Vorsprung  fort  (Fig.  457.  ^) ,  oder 
mündet  an  der  Basis  einer  solchen  Papille  nach  aussen.  In  welcher 
Weise  bei  vielen  Gephalopoden  einzelne  Arme  in  functionclle  Verbin- 
dung mit  dem  Geschlechtsapparate  treten,  ist  oben  (§  238)  erwähnt. 
Die  bei  den  Gephalophoren ,  wie  bei  andern  AbtheiUmgen  meist 
vereinzelt  vorkommende  Erscheinung  der  Sp  erma  top  höre  nbildung, 
ist  bei  der  ganzen  Glasse  der  Gephalopoden  die  Regel  geworden  und 
erreicht  hier  ihren  vollkommensten  Grad.  Im  Allgemeinen  stellt  ein 
solcher  Samenschlauch  ein  langes  cylindrisches  Gebilde  vor,  an  wel- 
chem mehrere  Hüllen  zu  unterscheiden  sind.  Der  Inhalt  wird  nur 
zum  Theile  aus  Samenmasse  gebildet,  denn  in  jedem  Spermatophor 
findet  sich  noch  eine  eigenthümliche ,  den  hinleren  Abschnitt  einneh- 
mende Substanz,  die  wir  als  explodircndc  Masse  bezeichnen  können. 
Das  Sperma  wird  schlauchförmig  von  einer  besonderen  Hülle  umgeben 
und  findet  sich  im  vorderen  Abschnitte  des  Spermatophors.  Dahinter 
liegt  das  vordere,  stempeiförmige  Ende  eines  langen,  spiralig  aufge- 
wundenen Bandes,  welches  einen  grossen  Abschnitt  des  Spermatophors 
durchzieht  und  am  hinleren  Ende  in  die  äusseren  Hüllen  übergeht. 
Die  Substanz  dieses  Spiralbandes  wird  aus  der  vorhin  erwähnten 
explodirendcn  Masse  dargestellt.  Mit  Wasser  in  Berührung  gekommen, 
beginnt  nämlich  das  Spiralband  sogleich  sich  zu  strecken  und  treibt 
den  samenumschliessenden  Abschnitt  zum  Vorderendc  des  Spermato- 
phors hervor. 


Leib«8höble.  397 

laeibeshöble. 
§  275. 

Das  Auftreten  einer  Leibeshohle  gebort  zu  den  frühesten  Sonde- 
rungsvorgängen des  MolluskenkOrpers ,  so  dass  das  zuerst  auftretende 
Oi^an,  der  Darmcanal,  zum  grOssten  Theile  in  jenen  Raum  eingebettet 
erscheint.  Werden  schon  durch  die  Windungen  des  Darmcanals  und 
die  von  seiner  Wandung  sich  difTerenzirenden  Anhangsorgane  Com- 
piicirungen  der  Leibeshohle  hervorgerufen,  so  steigern  sich  diese  mit 
dem  Auftreten  anderer  Organe,  vorzüglich  des  Geschlechtsapparates, 
so  dass  die  Höhlung  später  in  zahlreiche,  weitere  und  engere  Abschnitte 
zerlegt  erscheint.  In  der  Regel  erstreckt  sich  die  Leibeshohle  auch 
in  die  Fortsatzbildungen  des  Körpers,  so  in  die  Mantellamellen  der 
Rrachiopoden,  Lamellibranchiaten  und  Cephalophoren,  v/ie  in  die  Arme 
der  ersteren.  Auch  untergeordnetere  KOrperanhttnge  bieten  meist  einen 
Zusammenhang  mit  der  Leibeshohle  dar. 

Allgemein  erscheint  ein  offener  Zusammenhang  des  Gefiissystemes 
mit  der  Leibeshohle,  die  somit  einen  Abschnitt  der  Rlutbahn 
vorstellt.  Dieses  Verhalten  tritt  in  verschiedenen  Abstufungen  auf, 
und  je  nach  der  Ausbildung  des  Gefässsystemes  sind  es  weitere  oder 
engere  Räume,  welche  von  der  Leibeshohle  vorgestellt  werden.  Wenn 
bei  dem  Zusamngienhange  der  weiteren  Räume  der  Leibeshohle  mit  dem 
Gefässsysteme  jene  Strecken  der  Blutbahn  als  Lacunen  erscheinen,  so 
gehen  sie  bei  fortgesetzter  Theilung,  sei  es  durch  eingelagerte  Organe, 
oder  durch  die  Wandungen  verbindende  Gewebszüge  in  enge  oft  ge* 
Hissartige  Canäle  über,  welche  vielmals  eine  regelmässige  Anordnung 
aufweisen.  Bei  Lamellibranchiaten  und  Cephalophoren  finden  sich 
hiefUr  vielfach  abgestufte  Beispiele,  indess  bei  den  Cephalopoden 
das  sehr  vervollkommnete  Blutgefässsyslem  rein  lacunäre  Räume 
grOsstentbeils  auf  den  Eingeweidesack  beschränkt  bestehen  lässt. 
Durch  die  Excretionsorgane  (§  259)  communicirt  die  Leibes- 
hohle wie  bei  vielen  Würmern  mit  dem  umgebenden  Medium, 
worauseineAufnahme  von  Wasser  und  Zumischung  desselben 
zum  Blute  entspringt.  Solches  ist  sowohl  bei  Lamellibranchiaten 
(Mactra,  Cardium,  Solen),  wie  bei  Cephalophoren  mit  Sicherheit 
nachgewiesen.  Ausser  den  durch  die  Excretionsorgane  vermittelten 
Verbindungen  nach  aussen,  bestehen  noch  besondere  direcle  Commu- 
nicationen  durch  Oeffnungen  amFusse  bei  Huscbelthieren  und 
Cephalophoren,  wodurch  der  Auslass  von  Leibesbohlenflüssigkeit 
besorgt  wird.  Dadurch  empfiingt  die  letztere  eine  besondere  Bedeu- 
tung für  die  Locomotion,  indem  das  Thier  durch  Wassereinlass 
seinen  ROrper  zu  schwellen  im  Stande  ist.  Zurückgezogene  Theile  ver- 
mögen dadurch  hervorgestreckt,  schlaffe  in  den  Zustand  der  Erection 
gesetzt  zu  werden,  und  die  gesammte  Muskulatur  der  Leibeswand,  vor- 


398  Moltuskcn. 

Züglich  jene  des  Fusses  vermag  in  grössere  Wirksamkeit  zu  trelen.  Die 
Hervorstreckbarkeit  gewisser  in  die  Schale  zurückgezogener  Theiie,  be- 
sonders des  Fusses,  beruht  auf  diesen  Beziehungen,  die  für  Lamelli- 
branchiaten  und  Cephalophoren  genauer  gekannt  sind,  indess  die  Ein- 
fuhr von  Wasser  in  die  Blutbahnen  bei  Brachiopoden  nur  aus  dem 
Verhalten  der  Excretionsorgane  verniuthet  werden  darf  und  bei  den  Ce- 
phalopoden  gleichfalls  noch  nicht  völlig  sicher  ist. 


Gtofässsystem. 

§  276. 

Das  Gefösssystem  der  Mollusken  bietet  für  die  drei  höheren  Ab- 
theilungea  in  allen  wesentlichen  Puncten  eine  übereinstimmende  An- 
ordnung dar,  und  nur  bei  den  Brachiopoden  kommen  eigenthüm- 
liehe  Einrichtungen  vor,  die  mit  dem  Gefässsysteme  der  anderen  wenig 
harmoniren.  Als  Herz  wird  ein  sackartiges  über  dem  Magen  liegendes 
Organ  angesehen,  welches  einen  von  vorne  über  der  Speiseröhre  ver- 
laufenden Gefässstamm  empfängt  und  seitliche  Stämme  absendet.  Der 
erslere  wird  als  zuführendes  Gefüss  (Vene)  betrachtet.  Es  scheint  das 
Blut  aus  Lücken  zu  sammeln,  welche  um  den  Darmcanal  sich  vorfinden. 
Die  beiden  vom  Herzen  hervorgehenden  seitlichen  Gefässe  sind  bei  den 
Testicardines  (Waldheimia)  eine  kurze  Strecke  weit  vereinigt.  Bei  den 
angellosen  (Lingula)  treten  sie  erst  später  aus  einem  medianen ,  auf 
dem  Darme  nach  hinten  verlaufenden  Längsstamme  hervor.  Beide  Ar- 
terienstämme, die  man  als  'Aorten  bezeichnet  hat,  theilen  sich  bald  in 
zwei  Aeste,  davon  einer  nach  vorne,  der  andere  nach  hinten  seinen 
Weg  nimmt.  Der  vordere  stellt  die  dorsale  Mantelarterie  vor,  die  in 
einen  medianen  und  einen  lateralen  Zweig  gespalten,  den  Mantel  und 
in  ihm  liegende  Organe  versorgt.  Vom  lateralen  Zweige  gehen  kleinei^ 
in  den  Mantellacunen  zum  Rande  verlaufende  und  nach  mehrfachen 
Theilungen  dort  mündende  Arterien  ab.  Der  hintere  Ast  der  Aorta 
spaltet  sich  gleichfalls  in  zwei  Arterien.  Die  eine  verläuft  medianwörts 
und  bildet,  mit  der  gleichen  Arterie  der  anderen  Seite  sieb  ver- 
einigend, einen  zum  Stiel  gelangenden  Arterienstamm.  Die  andere  Arterie 
wendet  sich  bald  nach  vorne,  um  wieder  in  zwei  Zweige  getheilt  im 
ventralen  Mautellappen  auf  ähnliche  Weise  wie  die  dorsale  Mantelarterie 
sich  zu  verästeln.  An  den  beiden  Mantelarterienpaaren  findet  sieb  je 
ein  beuteiförmiger  Anhang,  der  als  accessorisches  Herz  angesehen  wird. 
Aus  den  Enden  der  Arterien  scheint  das  Blut  in  weitere ,  sowohl  im 
Mantel  als  zwischen  den  Eingeweiden,  und  um  die  Muskeln  befind- 
liche, an  erslerer  Stelle  ganz  regelmässig  verzweigte  Laeunen  zu 
gelangen,  welche  mit  einem  complicirten ,  die  Arme  durchziehenden , 
in  einen  zuführenden  und  rückführenden  Abschnitt  getheiltan  Canal- 
System  zusammenhängen. 


Gefässsystem.  399 

Das  geroeinsanieVerhalten  des  Geßisssystems  der  Lamellibran- 
cbialen,  Cephalophoren  und  Cephalopoden  besieht  erstlich  in  dem  Vor- 
kommen eines  dorsalen  LUngsstammes,  an  dem  ein  Abschnitt  zu 
einem  Centralorgan  (Herzkammer)  ausgebildet  ist.  Zweitens  stehen  mit 
dem  Längsstamme  Querge fasse  in  Verbindung,  welche  bei  dem  Vor- 
kommen lateraler  Kiemen  von  diesen  das  Blut  zum  Herzen  fuhren  und 
gleichfalls  zu  Organen  der  Blutbewegung  differenzirt  sind ,  indem  sie 
zur  Herzkammer  sich  als  Vorhöfe  verhalten.  In  dieser  dorsalen 
Entfaltung  der  Haupttheile  des  Circulationssystems  ist  eine  üeberein- 
siimmung  mit  dem  Gefässapparale  der  Würmer  zu  sehen  (Vergl.  S.  198). 

Fig.   *80. 


*   1/  I  l 


Die  symmetrische  Anordnung  der  Vorkammern  bei  den  einander 
sonst  sehr  ferne  stehenden  Abtheilungen  der  Lamellibranchiaten  und 
Cephalopoden  zeigt,  dass  darin  eine  tiefer  begründete  Eigentbümlich- 
keit  gesucht  werden  muss,  und  durch  das  Bestehen  von  zwei  Paaren 
hinter  einander  in  die  Kammer  mündender  Vorkammern  (bei  den  tetra- 
branchiaten  Cephalopoden)  gibt  sich  sogar  eine  Metamerenbildung  ' 
des  Gefllssapparates  zu  erkennen,  wie  sie  bei  den  gegliederten 
Würmern  durch  die  mehrfachen  Querstitmme  ausgedrückt  wird.  Diese 
Gefasse  besitzen  hier  sogar  noch  soviel  ihrer  ursprünglichen  Natur,  dass 
man  sie  nicht  als  Vorhttfe  des  Herzens,  sondern  als  Kiemenvenen 
bezeichnet  hat. 

Aus  der  Homologie  der  zwei  Vorhofpaare  mit  zwei  QuersUimmen 
eines  Dorse^lgefässes  (Fig.  480.  A  und  B)  ergibt  sich  ein  primitiver 
Zustand,  der,  die  Nautiliden  charakterisircnd,  auch  mit  den  palaeonto- 
logischen  Beziehungen  derselben  zu  den  übrigen  lebenden  Cephalopoden 
vollkommen   im  Einklang   steht.     Das  Vorkommen   nur  eines  Vorhofs- 

paai*s   erscheint  dagegen  als  Bückbildung    (dibranchiate   Cephalopoden 

• 

Fig.  480.  Schemaliscbe  Darstellung  zur  Vergleichung  der  Modificationen  der 
Circulationscentren  bei  den  Mollusl^cn.  Ä  Tbeil  des  DorsalgefttssstammcH 
und  der  Querstfiimme  eines  Wurnnes.  B  Herz  und  Vorhöfe  von  Nautilus. 
C  Herz  und  Vorhöfe  eines  Lamellibranchiaten  oder  LoUginen.  D  Die- 
selben Organe  eines  Octopus.  E  Herz  und  Vorhof  eines  G aste ropo den. 
t^  Herzkammer,  a  Vorkummer,  ac  Arteria  cepbalica.  ac  Artcria  abdominalis.  Die 
Pfeile  deuten  die  Richtung  des  Btutstroms  an. 


400  Mollasken. 

und  Lainellibranchiaten) ,  welche  der  Reduction  der  Kiemen  ent- 
spricht. So  finden  wir  also  den  Schlüssel  zum  Verständniss  der  Kam- 
mer- und  Vorhofsbildungen  bei  den  Mollusken,  durch  die  Vergleichung 
mit  einem  indiflerenteren  Apparate.  Wie  ein  Abschnitt  des  Dorsal- 
gefässes  zur  Herzkammer  umgewandelt  ist,  so  bilden  die  davon  aus- 
gehenden Fortsetzungen  Arterienstamme,  die  man  da,  wo  sie  ihren 
ursprünglichen  Verlauf  behalten  haben,  als  vordere  und  hintere  Aorta 
(Aorta  cephalica  und  Aorta  intestinalis  oder  abdominalis]  unterscheidet 
(siehe  Fig.  180.  B  C).  Eine  wichtige  Lagerungsveränderung  erscheint 
bei  einem  Theile,  der  Cephalopoden,  den  Octopoden  (/)),  w^o  dA*  Stamm 
des  Dorsalgefüsses  eine  schlingenartige  Krümmung  vollführt  bat,  so 
dass  beide  arterielle  Abschnitte  {ac  und  ai)  noch  eine  Strecke  weit 
nach  einer  Richtung  verlaufen.  Dadurch  nähern  sich  ihre  Ursprungs- 
stellen aus  der  Kammer,  und  es  wird  verständlich,  wie  aus  einer  ähn- 
lichen Einrichtung  der  Circulationsapparat  der  Cephalophoren  hervor- 
gegangen sein  muss,  bei  denen  der  Ursprung  eines  einzigen  Arterien- 
Stammes  aus  der  Herzkammer  charakteristisch  ist  (E).  Dieser  Eine 
Arterienstamm  theilt  sich  in  zwei  in  ihrem  Verbreitungsbezirke  genau 
den  beiden  Arterienstämmen  entsprechende  Aeste  {ac  und  ai)^  die  bei 
den  Cephalopoden  aus  den  beiden  Enden  der  Kammer  hervorgehen. 
Erstere  dürften  somit  aus  den  beiden  ursprünglich  in  einer  Axe  ge- 
lagerten Arterienstämmen  entstanden  zu  betrachten  sein.  Auch  für 
eine  paarige  Vorhofsbiidung^  als  Repräsentant  des  niedern  Zustandes 
bieten  die  Cephalophoren  Beispiele.  Die  Verschmelzung  zu  Einem 
Raum  ist  durch  die  Modification  der  Arterienstämme  bedingt,  indem 
durch  die  Verbindung  des  hinteren  mit  dem  vorderen  eine  Vereinigung 
beider  Vorhöfe  an  der  Uebergangsstelle  zur  Kammer  nothwendig  Platz 
greifen  muss  (vergl.  D  mit  E). 

In  dem  von  diesem  Gesichtspuncte  aus  beurtheilten  Circulations- 
apparat der  Mollusken  treten  die  phylogenetischen  Beziehungen  dieses 
Thierstamms  deutlich  hervor,  und  machen  die  paläontologischen ~That- 
sachen  verständlicher,  als  die  übliche  Auffassung  les  vermag. 

§  277. 

Das  Herz  der  Lamellibranchiaten  (Fig.  181.  v)  liegt  stets  in 
der  Medianlinie  des  Körpers  dicht  unter  dem  Rücken  von  einem  Peri- 
cardium  umhüllt  und  von  zwei  seitlichen  Vorhöfen  [o]  Blut  empfangend, 
während  vorne  und  hinten  die  oben  erwähnten  arteriellen  Gefässslämnie 
aus  ihm  entspringen.  Bei  den  meisten  Muschel thieren^  spaltet  sich  das 
Herz  in  zwei  den  Enddarm  (tj  umfassende  Schenkel,  die  nach  ihrer 
Vereinigung  die  vordere  Körperarterie  (Aorta)  hervorgehen  lassea. 
Dieses  Durchbohrtsein  vom  Enddarm  steigert  sich  bei  Area  zu  einer 
Duplicität  des  Herzens,  indem  es  durch  zwei  vollständig  von  einan- 
der   gelrennte    Kammern,    jode    mit    einem    Vorhofe    versehen,    dar- 


GeftsasysItMn.k 


401 


Mg.    481. 


j^eslellt  wird.  Jede  Kammer  entsendet  eine  Aorta,  die  sich  vor  einer 
ferneren  Verzweigung  mit  der  nndersettigen  vereinigt,  so  ilass  also 
dennoch  ein  einfacher  Artorien-Haupistainm  enl«l«ht.  Dasselbe  gilt 
auch  von  dem  binleren  Arterienstamme. 

Von  den  beiden  ArterienstHminen  verliliifl  der  vordere  bis  in  die 
liegend  des  Hundes ,  um  hier  unter  Verzweigungen  sich  in  weile  Blut- 
räume  zu  Ofiben.  Auch  der  hintere  Arterienstamm ,  dessen  Längen- 
cntwickelung  von  der  Ausbildung  der  hinleren  die  Siphonen  darstellen- 
den HaBtellheile  abbHngig  ist,  geht  schliesslich  in  Blulrüume  oder  La- 
cunen  Über: 

Besonderer  Wandungen  entbehrende  Rüume  verzweigen  sich  nicht 
allein  im  Hantel,  sondern  Tmden  sich  auch  zwisi-hrn  den  Kingeweiden. 
Je  nach  der  Weite  dieser  RUunie  sind 
grossere  odei*  kleinere  Blutbefaülter 
unterscheidbar ,  welche  sowohl  ein 
Capillar-,  als  ein  Venensyslem  ver- 
treten. In  regelmässigem  Vorkommen 
bestehen  solche  grossere  Sinusse  an 
der  Kiemenbasis,  und  ein  mittlerer 
unpnarcr,  die  Venenritunie  des  Fusses 
sammelnder,  dehnt  sich  der  Ijlnge 
nach  zwischen  den  beiden  Schliess- 
inuskein  aus.  Alle  diese  Blutrllume 
stehen  unler  sich  im  Zusammenhange 
und  bilden  ein  in  den  verschiedenen 
Theilen  verschieden  weites  Haschen- 
werk. Die  beiden  seitlichen  Räume 
communiciren  auch  noch  mit  den] 
Bojanus'schen  Oi^ane  (§  247). 

Verfolgt  man  die  Bahn,  welche 
das  aus  den  Arterien  in  die  I.acunen  ergossene  Blut  zurücklegt,  so  trifTl 
man  einen  Theil  davon  auf  dem  Wege  zum  Mantel ,  einen  andern 
Theil  zu  dem  Eingeweidesack.  Von  da  strUnil  ein  Theil  des  Btules 
in  die  Kiemensinusse  und  von  hier  aus  entweder  direct  in  die 
Kiemen,  oder  erst  auf  Umwegen  durch  die  Boj an us'sche  Drüse  zu  den 
Athmungsorganen.  Dieser  letztere  Weg  ist  der  von  der  Hauptmasse  des 
Blutes  passirle.  Da  aber  zwischen  den  Blutbeüällern  an  der  Kiemenbasis 
und  den  Vorhttfen  des  Herzens  auch  noch  eine  direct^  Communication 
besieht,  so  wird  ein,  wenn  auch  kleiner  Theil  des  Blutes,  ohne  in  die 
Kiemen  gelangt  zu  sein,  zum  Herzen  zurückkehren.  Hierzu  kommt 
noch  das  Blut  aus  dem  Mantel,  welches  gleichfalls  direct  in  die  Vor- 
httfe  eintritt,  jedoch  wegen  der  respiratorischen  Function  der  Hantel- 
lamellen   nicht   absolut   als  Venenblut  betrachtet  werden  kann.     Da  in 


Fig.  181.     Spnlirwhler  Quenlumlischnill 
a  \oT\iOle..    p  p'  Pericardialliähte.    i  Hoddnrni. 
OapBWiu,  anaiiiit. 


I'  Henitaniiner. 
irni«n.    f  Fnsi. 


idi  Mollusken. 

die  Vorhöfe   auch   alles  aus  den  Kiemen  kommende  Blut  aufgem 
wird,  so  gelangt  die  ^anze  Blutmasse  auf  verschiedenen  Wegen  wieder 
zur  Herzkammer  zurück. 

Bemerkenswerlh  ist  das  VerhülUiiss  des  Kreislaufs  zu  den  Bojanus'- 
sclien  Drüsen.  Diese  Absonderungsorgane  sind  dem  in  die  Kiemen 
trclenden,  somit  venCsen  Blule  in  den  Weg  gelegt,  so  dass  durch  sie 
eine  Art  Pfortaderkreislauf  sich  einleilel,  was  um  so  wichtiger  ist,  als 
wir  in  anderen  Abiheilungen  der  Mollusken,  namenllicb  bei  Cephalo- 
poden,  ganz  homologe  Einrichtungen  antretfen,  , 

§  278. 

Bei  den  Cephn]  opborcn  wird  das  gleichfalls  von  einem  Peri- 
cardium  umschlossene  Herr,  aus  einer  meist  rundlichen  Kammer  (Fig. 
18ä.  r)  und  einer  Vorkammer  gebildet.  Die  RUckenlage  des  Herzens 
ist  durch  die  asymmetrische  Enlfallung  des  Eingoweidcsackes  modi6cirt; 
immer  findet  es  sich  den  Alfamungs Organen  benachbart,   gegen  welche 


die  dünnwandige  Vorkammer  gerichtet  ist.  Die  bei  Lamellibranchialeit 
besiehende  Beziehung  zmii  Rnddarme  findet  sich  hei  manchen  Gastero- 
poden  wieder  [Turlio,  Nenlj),  Nerilinn),  und  geht  sogar  in  eine  Thei- 
lung  der  Kammer  über  (Chiton,   linliotis,  Fissurella,  Kmai^inula). 

Fig.  <83.  Orgonisalion  vnn  Patiiüina  vipiparo,  c  Kopf.  (  TenUkrtn. 
p  Fusi.  op  Op«rculuni.  o  Auge,  a  Horor^nn.  n  Gehirn,  n'  llntores  .Schlond- 
gangiion.  n"  Kiemen(!nnglioti.  n"'  BuccalisanKliün.  ph  Pliaryni.  00  Speiseröhre. 
br  Kiemen,  r  Niire,  1  Venöser  Sinus,  tb  Venöser  Sinus  an  dur  Kiemenbaüts. 
f  Kieuienarlerie.  at  Vorhof  des  Herzens,  c  Heritaiumer.  op  Hinlere  Arterie 
iEin^u«eiüearleiie).     aa  Vordere  Arterie.     (Nach  Levdic.] 


GefUsssyslem. 


403 


Von  der  Kamoier  enlspringt  eine  Körperarterie,  die  eine  rückwärts 
verlaufende  Eingeweidearterie  [ap)  abgibt,  während  der  Stamm  als 
Aorta  cephalica  [aa)  sich  fortsetzt.  Diese  verläuft  gerade  zum  Vorder- 
theile  des  Körpers  und  sendet  meist  einen  starken  Ast  zum  Fusse,  der 
zuweilen  als  Fortsetzung  des  llauplstammcs  erscheint.  Ausserdem  gibt  sie 
auf  ihrem  Wege  häutig  noch  Aeste  zum  Magen,  zu  den  Speicheldrüsen 
u.  s.  w.  und  endet  entweder  einfach  oder  unter  wiederholten  Ver- 
zweigungen in  der  Nähe  des  Pharynx.  Bei  sehr  entwickeltem  Kopfe 
Irilt  sie  noch  durch  den  Schlundring;  so  bei  den  Heteropoden ,  bei 
denen  sie  eine  beträchtlich  grosse  Fussarterie  aligibt.  Einen  grössern 
Verbreitungsbezirk  hat  sie  bei  den  Pleropoden,  bei  welchen  sie  im 
Kopfe  in  zwei  grosse  Endäste  sich  spaltet  und  diese  in  reichlicher  Ver- 
zweigung in  die  Flosse  eintreten  lässt.  Die  der  hinteren  Arterie  der 
Lamellibranchiaten  entsprechende  Kingeweidearterie  zeigt  bei.  den  Ptero- 
poden  und  niederen  Gastropoden  nur  geringe  Verästelungen  und  löst 
sich  dann,  wie  die  Kopfarterie  in  grössere  Bluträume  auf.  Sehr  ent- 
wickelt und  vielfach  an  die  Eingeweide  verzweigt  erscheint  sie  bei  den 
Prosobranchiaten  und  Pulmonaten. 

Die  rUckführenden  Wege  sind  nach  der  Zahl,  Form  und  Lagerung 
der  AthmuTigsorgane  verschieden.  Bei  «ien  Opisthobranchiaten  mit 
rückgebildeten  Kiemen  sanmielt  sich  das  Blut  aus  der  Körperhöhle  in 
der  Nähe  des  Vorhofs,  um  von  hier  aus  vom  Herzen  wieder  aufge- 
nommen zu  werden.  Bei  den  übrigen,  mit  distincten  Athmungsorganen 
versehenen  Cephalophoren  bestehen  bestimmte  Canäle  oder  sogar  mit  be- 
sonderen Wandungen  versehene  Gefässe,  welche  das 
Blut  aus  den  venösen  Bahnen  zu  den  Athmungs- 
organen hinfuhren.  Von  diesen  tritt  es  im  ein- 
fachsten Falle,  wie  bei  manchen  Opisthobran- 
chiaten, ohne  Dazwischentreten  von  Kiemenvenen, 
zum  Vorhofe  des  Herzens  über.  Dies  ist  auch  bei 
den  meisten  Pteropoden  und  Heteropoden  der  Fall. 
Mit  einer  grösseren  Entwickelung  der  Kiemen  sam- 
melt sich  das  rUckkehrende  Blut  in  besondere  Ve- 
nenstämme, welche  einzeln  oder  vereinigt  in  den 
Vorbof  münden.  Die  Anordnung  dieser  Kiemen- 
venen ist  immer  genau  der  Ausdehnung  wie  der 
Lagerung  der  Athmungsorgane  angepasst. 

Bei  vielen  Opisthobranchiaten,  z.  B.  Aeolidia, 
Scyllaea,  Tritonia,  gehen  von  den  Kiemenorganen 
wirkliche  Gefässe  ab,  welche  sich  nach  und  nach 
in  grössere  Stämme  vereinigen  und  so  einen  mitt- 
leren oder  zwei  seitliche  Kiemenvenenstämme  her- 

Fig.  4S3.  Ein  TheÜ  der  Circulattonsorgane  von  Tritonia.  s  Venensinusse, 
geöffnet  dargestellt.  Die  Wand  ist  von  Oeffnungen  durchsetzt,  in  welche  Kiemen- 
venen einmünden,     t;  Herzkammer  mit  der  aus  ihr  entspringenden  Arterie. 


Fig    483. 


404  .  Mollusken. 

Stellen ,  die  sich  mit  dem  Vorhofe  des  Herzens  verbinden.  Bei  Verthei- 
lung  der  Kiemen  über  eine  grössere  Körperoberflilche  ist  dies  rück- 
ftthrende  Kiemengefüsssystem  ausgedehnt,  bei  beschränkter  Locali- 
sation  dagegen  reducirl  (Doris,  Polycera).  Ersteres  Verhalten  ergibt 
sich  z.  B.  bei  Tritonia  (Fig.,  183),  bei  der  zwei  laterale  Kiemen- 
venenslümme  (ss)  durch  einen  Querslamm  zum  Herzen  führen.  Der 
Quercanal  bildet  eine  Art  von  doppeltem  Vorhof  (a) ,  der  jedoch 
nur  mit  einem  Oslium  in  die  Kammer  [v]  mündet.  Die  Wege,  auf 
welchen  das  Blut  zu  den  Kiemen  gelangt,  sind  immer  auf  einem 
grössern  oder  kleineren  Abschnitt  lacunür.  Bei  manchen  Opisthobran- 
chiaten  sammelt  es  sich  aus  der  Leibeshöhle  in  Canöle,  die  im  Integu- 
menle  verlaufen ,  von  wo  es  in  die  Kiemen  verlheilt  wii'd.  Dabin 
gelangt  jedoch  nicht  alles  Blut,  ein  Theil  wird,  nachdem  er  in  der 
Haut  sich  verlheille,  zum  Herzen  zurückgeführt. 

Was  die  Lungenschnecken  betrifft,  so  findet  sich  insofern  eine 
weitere  Complicalion  als  die  in  die  Athemhöhlenwand  tretenden  Blul- 
rSume,  also  schon  das  den  Athmungsorganen  zuführende  System,  eine 
Differenzirung  in  gefässartige  Canäle  besitzen.  Diese  lösen  sich  hier 
in  ein  reiches  Gefilssnetz  auf,  aus  welchem  mehrere  grössere,  be- 
stimmter abgegrenzte  Stamme  hervorkommen  und  sich  zu  einer  in  den 
Vorhof  tretenden  Lungen vene  vereinigen.  Man  kann  sich  das  Netz  der 
Lungengefüsse  auch  als  einen  grossen,  in  der  Lungen  wand  ausgedehn- 
ten Blutsinus  vorstellen ,  der  von  Stelle  zu  Stelle  von  Substanzinseln 
unterbrochen  wird. 

§  279. 

Das  Herz  der  Gephalopoden  liegt  im  Grunde  des  Eingeweidesackes, 
durch  eine  rundliche  oder  quer -ovale  Kammer  gebildet  (Fig.  470.  r, 
Fig.  184.  c),  welche  ebenso  viele  Kieinenvenen  aufnimmt,  als  Kiemen 
vorhanden  sind.  Bei  Nautilus  münden  demnach  vier,  bei  den  übrigen 
Gephalopoden  zwei  Kiemenvenen  in  die  Herzkammer.  Vor  der  Ein- 
mündung zeigen  die  Kiemenvenen  zumeist  eine  betrilchtliche  Erweite- 
rung (Fig.  184.  v.br,  Fig.  170.  f  i,  die  als  Vorkammer  gedeutet  werden 
muss.  Vom  Herzen  enfspringen  regelmässig  zwei  Arterienstiimme : 
ein  stärkerer,  der  gerade  nach  vorne  verläuft,  die  Arteria  cephalica 
(Fig.  170.  a,  Fig.  184.  u]  und  entfernter  davon  ein  meist  nach  hinten 
gerichteter  kleinerer  Stamm,  die  Arieria  abdominalis  (vergl.  Fig.  f84.  «' > 
Aus  dieser  allgemeinen  Anordnung  geht  die  Uebereinslimmung  mit  den 
beiden  anderen  Glassen  klar  hervor  (vergl.  oben  §  276)  und  es  be- 
steht namentlich  zu  jenen  Mollusken  ein  engerer  Anschluss,  welche 
durch  die  Duplicität  der  Vorkammern  sich  auszeichnen. 

Die  Arteria  cephalica  gibt  vor  Allem  starke  Aeste  an  den  Mantel, 
einige  Aeste  an  den  Traclus  intestinalis,  sowie  an  den  Trichter;  im 
Kopfe  angekommen,  enlsendet  sie  die  Augenarlerien,  versorgt  die  Mund- 
theile  und  spallel  sich  nach  der  Anzahl  der  Arme  in  grössere  Aeste.     Bt»i 


G«OUaiyilaiii. 


(05 


«ioigen  Gcphalopodeo  gehen  die  ArmarterieD  aus  einem  um  den  An- 
faogstbeil  der  Speiserühre  gebildeleo  Ringgefüsse  bervor.  Die  Arteria 
abdominalis  bietet  grossere  Verschiedenheiten;  wtthrend  sie  bei  den 
Sepien  (Fig.  170.  a')  und  Loligincn  der  Arieria  cephalica  gegenüber 
eolspringl,  und  damit  ganz  ähnliche  Bezicliungen  besitzt  wie  die  Ein- 
geweidearterie der  Lamellibranchialen,  tritt  sie  bei  den  Oclopoden 
neben  der  Aorta  vom  vordem  Umfange  des  Jleiiens  hervor  (Fig.  1S4), 
und  verlheill  sieb  sehr  bald  in  mehrere  Aoste  TUr  das  Darmrohr  und 
die  Gescblechtsworkzeuge.  Boi  den  ersteren  dagegen  gibt  sie  noch  zwei 
Aeste  für  die  Flossen  ab,  an 

welchen  bei  Ommastrephes  Fig.  1S4. 

noch  eine  besondercErweite- 
rung  (vielleicht  ein  Hilfs- 
organ des  Kreislaufs)  beob- 
achtet wurde. 

Ucr  Uebergang  der  letzten 
Arterien  Verzweigungen  in 
Venen  wird  durch  ein  Ubernll 
reichlich  entwickeltes  Capil- 
larsysteni  hergestellt.  Dieses 
vertritt  wenigstens  im  grOss- 
len  Tbeile  des  Körpers  die 
bei  den  Anderen  verbreitete 
lacun<ire  Blulbahn,  und  er- 
scheint als  eine  weitere  Uif- 
ferenzirung  derselben. 

Die  aus  den  Capillaren 
bervoi^ehenden  Venen  wur- 
zeln s^^melnsicb  in  grössere 
Stamme,  welche  t>alü  als  ' 
virkliche  Venen  erscheinen, 
bald  in  niüchlige  Räume  aus- 
gedehnt sind  und  so  den 
Uebergang  zu  blossen  La- 
cunen  bilden.  Bezüglich  der 
specielleren  VerhälLnisse  des 

Venensystems   ist  die   Ver-  "         *      " 

etnigung    der   Armvenen  in 

einen  im  Kopfe  gelegenen  Ringsinus  anzuführen ;  dieser  nimmt  auch  be- 
nachbarte kleinere  VenonsUlnime  auf  und  sendet  einen  grossen  Blutcanal, 

Kig.  ist.  Anatomie  \oa  Oclnpuü.  Manlelliöhle  und  Eiagoweidetack  von  der 
Bruchteile  geöfTnel.  ph  Schiundkop/'.  glt.  t  Obtro  Spcicheldrilsen.  gt  1 1  Unten 
Speiclieldriisen.  o  Aujfe.  i  Trichter,  br  Kiemen.  ov-Ovarium.  od  Eileiter,  c  Herz. 
D.  br  Kiemeavcnen.  a  Arlerin  cephalica,    ic  HahJvcnen.  a  ti  Vencnaiihunj^e.  (Niich 


406  Mollusken. 

(Vena  cephalica,  auch  als  grosse  Hohlvene  bezeichnet)  (Fig.  470.  vc),  ab- 
wärts in  die  Gegend  der  Kiemen.  Hier  theilt  er  sich  bald  (bei  den  Di- 
branchiaten]  gabelförmig  in  zwei,  bald  (bei  den  Tetrabranchiaten)  in  vier 
Venenstämme  (Kiemenarterien),  welche  nach  Aufnahme  anderer,  vom 
Mantel  und  den  Eingeweiden  kommender  Venen  (rc")  sich  zur  Kiemen- 
basis begeben.  Bei  den  meisten  Cephalopoden  bildet  sich  an  den  Kiemen- 
arterjen,  durch  Hinzukommen  eines  Muskel  bei  eges ,  ein  contractiler 
Abschnitt,  das  Kiemenherz  (Fig.  159.  vc')  y  welches  durch  rasche 
Pulsationen  als  Hilfsorgan  des  Blutkreislaufs  sich  bemerklich  macht. 
Vor  diesem ,  den  vierkiemigen  Cephalopoden  fehlenden  Kiemenherzen, 
sind  an  der  Kiemenarterie  noch  besondere  Anhangsgebilde  angebracht, 
Ausstülpungen  der  Kiemenarterie,  welche  von  dem  in  die  Kiemen 
tretenden  venösen  Blute  in  gleicher  Weise  bespült  werden,  wie  die 
Bojanus^schen  Drüsen  der  Muschelthiere  (s.  Excretionsorganfe  §  248). 

Wenn  man  auch  in  den  erwähnten  venösen  Blutbehältern  ein  mit 
geschlossenen  Wandungen  versehenes  Venensystem  erkennen  möchte, 
so  fehlen  doch  auch  wirkliche  Blutlacunen  nicht.  Sie  zeigen  sogar  eine 
Verbreitung,  ähnlich  wie  bei  den  übrigen  MoUuskenclassen.  Einen 
solchen  Blutraum  stellt  die  Leibeshöhle  vor,  in  der  sämmtliche  einge- 
lagerte Organe  vom  Venenblut  gebadet  werden.  In  diesen  Blutraum 
münden  verschiedene  Venen  ein,  und  ausserdem  steht  er  durch  zwei 
Canäle  mit  der  grossen  Hohl  veno  (Vena  cephatica)  in  Verbindung. 

§  280. 

Die  Blutflüssigkeit  der  Mollusken  ist  in  der  Regel  farblos, 
häufig  mit  einem  bläulichen  oder  opalisirenden  Schimmer.  Doch  spielt 
sie  bei  manchen  Cephalopoden  ins  violette  oder  grüne,  und  einige 
Gasteropoden  (Planorbis)  besitzen  rothes  Blut,  dessen  Färbung  vom 
Plasma  herrührt. 

Die  Formbestandtheile  der  Blutflüssigkeit  sind  in  allen  Fällen  färb-» 
los ,  erscheinen  als  indifferente  Zellen ,  deren  amoeboYde  Bewegungen 
bei  Muschelthieren  und  Schnecken  mancherlei  pseudopodienartige  Port- 
satzbildungen auftreten  lassen. 


Siebenter  Abschnitt. 


Wlrbelthlere. 

Allgemeine   Uebereiolit« 

§  281. 

Der  Besitz  eines  die  Liingsaxe  des  Körpers  durchsetzenden  Skelets 
sowie  die  Gliederung  des  Körpers  in  eine  Mehrzahl  von  Meiameren 
(Urwirbel)  bildet  die  unterscheidenden  Charaktere  der  Wirbelthiere. 
Durch  letzteres  Verhalten,  scheiden  sie  sich  von  den  Tunikaten,  mit 
denen  sie  die  Skeletanlage  nicht  nur,  sondern  auch  die  sämmtlichen 
Primitivorgane  in  grösster  Ucbereinstimmung  besitzen,  und  durch  das 
in  der  Chorda  doirsalis  repräsentirte  Axenskelet  ergeben  sich  wichtige 
Unterschiede  von  allen  übrigen  Wirbellosen. 

Das  Axenskelet  scheidet  zugleich  einen  dorsalen  und  ventralen 
Körpertheil.  Ersterer  birgt  das  centrale  Nervensystem,  letzterer  um*- 
schUesst  den  aus  einer  respiratorischen  Vorkammer  sich  fortsetzenden 
Nahrungscanal ,  der  sammt  den  von  ihm  aus  differenzirten  Organen, 
in  eine  Leibeshöhle  eingebettet  ist.  Damit  sind  zwei  längs  des  Körpers 
ausgedehnte  Gebiete  unterscheidbar,  ein  oberes,  neurales,  und  ein 
unteres  oder  gastrales,  welch  letzterem  auch  das  Canalsystem  für 
die  ernährende  Flüssigkeit  in  seinen  Hauptstömmen  zugetheilt  ist. 

Die  einzelnen  Abtheilungen   ordnen   sich  in  folgender  Uebersicht: 

A.  Acrania. 

Leploc^rdii. 
Amphioxus. 

B.  Craniota. 

I.  Cyclostomata  ^)    (Monorhina,  Hackel). 
Myxinoidea. 

Bäellosioma,  Myxine. 
Petromyzontes. 

Petromyzon, 


4}  Die  Cyclostoroen  verdieoen  nach  Hackel*«  Vorgange  vollsUndig  den  übrigen 
Crenioten  gegenüber  gestellt  zu  werden.  Abgesehen  von  zahlreichen  Singularilaien 
ist  der  Mangel  des  bei  den  Gnalhoslomen  eine  wichtige  Rolle  spielenden  inneren 
Visceralskeleles,  und  damit  in  Zusammenhang  der  Mangel  des  Kieferapparales  wie 
auch  wohl  der  Oliedmaassen  von  grosser  Bedeutung. 


408  Wirbelthiere. 

II.  Gnathostomata   (Amphirhina  Hkl.). 
a)   Anamnia. 

4)   PIsccs. 
Selachii. 
Squali. 

Hexanchus ,    Heptanchus,  Acanlhias,  Scymnus,  Galeus, 
Scyllium,  Squatina. 
R  »j  a  e. 

Rßja,  Torpedo,  Trygon. 
Ilolocepbali. 
Chimaera. 
Dipnoi. 

MoDopneumones. 

Ceratodus. 
pipneumones. 

Prolopterus,  Lepidotiren. 
Ganoidei^). 
Sturiones. 

Acipenser,  Spatularia. 
Polypterini. 
Polypterus. 
Lepidosteini. 

Lepidosteus. 
Amiadiui. 
Amia. 
Teleostei. 

Physo€tomi. 
Abdominales. 

Clupea^  Salmo,  E$ox,  Cyprinus,  Silurus,  Mormyrut, 
Apodes. 

Muraena,  Conger,  Gymnotus. 
Physociysti. 
Anacanthini. 

Gadus,  Pleuronectes. 
Pharyngognalhi. 

Betone,  Hemirhamphus,  Chromis,  Labrus, 
Acantbapteri. 

Perca,  labrax,  Trigla,  Scropaena,  Anabas,  Mugil, 
Scomber,  Zeus,  Trachypterus,  Gobius,  Cyclopterus, 
Blennius,  Lophius. 
Plectognatbi.  >^ 

Ostracion,  DiodoHf  Orthagorisctu. 
Lophobrancbii. 

Syngnathus,  Hippocampm. 


4)  Jede  der  aufgeTührten  Ganoiden  -  Abtheilungen  betrachte  ich  als  eine  sehr 
selbständige.  Sie  stellen  die  letzten  Ausläufer  sehr  divergenter  Formenreiben  vor, 
von  denen  die  der  Polypterini  manches  Verwandle  mit  den  Dipnoi  besitzt,  die  Amia- 
den dagegen  als  nächste  Verwandte  der  Teleostior  (Clupeiden)  sich  darstellen.  Den 
Selachiern  zeigen  sich  die  Störe  am  meisten  verwandt. 

Die  Selachier  selbst  muss  ich  als  die  der  Stammform  der  gnathostomen  Wirbel- 
thiere am  nächsten  stehende  betrachten.  Davon  erscheinen  sowohl  die  Holocepbali, 
Dipnoi  und  Ganoiden  abgezweigt,  während  die  Teleostier  wieder  eine  Abzweigung 
vom  Ganoidenaste  vorstellen. 


Allgemeine  Ceberslcbt.  409 

9)  Ampbibiat). 
Urodela. 

Perennibranchiata. 

Siredan,  Mmabranchus,  Proteus. 
Caducibrancbiata. 
Derolremata. 

Cryplol>ranch%tM,  Menopoma. 
Salamandrina. 

Triton,  Salamandra, 
Anura. 

Pelobates,  BomtHnalor,  tiyla,  Ceratophrys,  Hana,  Bufo. 
Gymnophiona. 
Coecüia, 

b)  Amniota. 

i)  Reptilia^}. 

Cbelonii. 

Sphargis,   Trionyx,  Cftelcmia,  Chßlys,    Chelydra,   Bmys, 
Teslwh, 
Saarii. 

Ascalabola. 

PkUyäactylus,  Hemidaclylus. 
Rbyncbocepbala. 

Sphenodon, 
Lacertina. 

Iguanüt  Calotet,  Draco,  Phrynosotna,  Vromatlix^  lacerta. 
Ameiva, 
llonitores. 

Monitor,  Ptammotaurut, 
Sciocoidea. 

Scincus,  SepSf  Anguis. 
Cbaicidea  (Ptycbopleura). 

ChalciSt  Z*munu. 
Cbamaeleonida. 
Chamaeleo. 
.  Arophisbaeiiida  (Annulala). 
JmpAij6a«fui,  Lepidostemum. 


4}  Die  lebenden  Ampbibien  bilden  eine  nur  sehr  kleine  in  vielen  Stücken  be- 
deutende Rückbildungen  aufweisende  Gruppe,  der  mit  Sicherheit  auch  nur  wenige 
fossile  Formen  beizuzählen  sind.  Die  paläontologischen  Urkunden  sind  für  den 
Amphibienstamm  in  höchstem  Grade  lückenhaft.  Bestehen  auch  manche  Gründe, 
ihnen  die  Archegosaurier  beizuzählen,  so  besitzen  diese  doch  wieder  vieles,  welches 
an  Reptilien  Anschlüsse  bietet. 

S)  Die  einzelnen  Abtbeilungen  dieser  Ciasse  erscheinen  als  sehr  divergente 
Endzweigc  eines  in  der  Vorzeit  überaus  reich  verzweigten  Astes  der  Vertebraten. 
Blanche  der  zu  den  Reptilien  gerechneten  fossilen  Abtheilungen,  wie  die  Enalio- 
Saurier,  .scheinen  sich  jedoch  schon  vor  den  Ampbibien  vom  Yertebratenstamm 
abgezweigt  zu  haben.  Andere,  wie  die  Dic>nodonten  und  die  Plerodactylen,  stellen 
den  Ordnungen  der  lebenden  ebenbürtige  Abtheilungen  dar,  und  endlich  liegen  bei 
noch  anderen,  wie  den  Dinosauriern,  manche  zum  T>pus  der  Vögel  führende  Ein- 
richtangen  vor. 


410  Wirbelthiere. 


Ophidiii). 

Eury  Stoma  ta. 

Phyton,  Boa,  CoitAer,  Tropida^us,  Dryophis,  Dt- 
psaSf  Hydrophis,  Crotalus,  Trigonocephalus,  Vipera, 
Stenostomata. 
TyphlopSj  UropelUt, 
Crocodiliili. 

Alligator,  Crocodilus,  Ramphottoma, 

2)  Aves2). 

Ratiiae. 

Slruthio,  Dremaeut,  Apleryx. 
Carinatae. 

Gallinaceae. 

Megapodius,  Penelope,  Crax,  Crypturus,  Lagopus,  Tetrao, 
Pavo,  Numida,  Gallus,  Ph(uianus. 
Columbae. 
ColumlM. 
GraUatores. 

OUs,  Dicholophtis,  Psophia,  Grus,  Ibis,  Ardea,  Ciconia, 
Vanellus,  Charadrius ,  Numenius,  Scolopax,  FuUca, 
Gallinula,  Rallus, 
Natatores  (Palroipedes). 

Procellaria,  Stema,  Larus,  Phaeton,  PMus,  Pelecanus, 
Carbo,  Mergus,  Anser,  Anas,  Cygnus,  Phoenicopterus, 
Mortnon,  Uria,  Alca,  Aptenodytes. 
Passeres  (Insessores) . 

Fringilla,  Alauda,  Turdus ,  Sylvia,  Motacilla,  Sitta, 
Parus,  Muscicapa,  Lanius,  Sturnus,  Garrulus,  Conus, 
Hirundo;  Certhia,  Trochüus,  Upupa,  Merops,  Cora- 
cias,  Alcedo,  Buceros. 

3)  Mammalia. 

Ornithodeipbia  (Monotremata). 

Omithorhynchus,  Ethidna. 
Dideiphia^)   (Marsupialia). 
Botanophaga. 

Halmaturus,  Dendrolagus,  Phascohmys,  Phascolarctus, 
Phalangista. 


4]  Die  Ophidier  stellen  eine  den  Sauriern  zunächst  stehende,  von  diesen 
abslammende  Abiheilung  vor,  die  mit  diesen  zusammen  den  Schildkröten  oder 
den  Crocodilen  gleicliwerthig  ist;  wie  sie  denn  von  Slannius  als  Streptostylica 
zusammengefasst  wurden. 

2]  Die  aus  replilionartigen  Formen  hei  vorgegangene  Classe  der  Vögel  bildet 
eine  in  den  wichtigsten  Verhältnissen  der  Organisation  in  sehr  wenig  divergente 
Gruppen  sich  theilende  Classe,  denn  die  Charaktere  jener  Onterabtheilungen  be- 
treffen viel  unwesentlichere  Merkmale  im  Vergleiche  zu  jenen  anderer  Verle- 
bralen-Gruppen. 

3)  Die  Ahtlicilung  der  Marsupialia  fasse  ich  als  eine  den  monodclpben  Säuge- 
thieren  dcsshnlb  gleichwerlhige  auf,  weil  nicht  nur  in  ihr  Repräsentanten  der 
meisten  Ordnungen  der  Monodclpben  sich  finden,  sondern  weil  auch  für  die  Mono- 
delphen  mehrfache  Andeutungen  bestehen,  die  auf  eine  Entstehung  aus  didelpheo 
Formen  hinweisen.  Die  Marsupialia,  oder  mit  den  Monotreroen  zusammen,  die 
Implacentalia,  stellen  sich  damit  als  die  Vorläufer  der  Placentalia  heraus. 


Allgemeine  üebersicbl.  4H 

Zoopha^a. 

PerameleSf  Dasyurus,  Thylacinus,  EHdelphit,  Chironedes. 
Mono-delphia  (Placentalia). 
Edentatai). 

Myrmecophaga ,  Manis,  Chlamydophorut ,  Dasypus^ 
Bradypus. 
Indeciduata-). 

(Ungulata). 

ArUodacty  la. 

Sus,  Dicotylei,  Moschus^  CameloparäaliSf  Cer- 
vtu,  Antüope,  Caprüt  Ovis,  Bos. 
Tylopoda. 

Camelut,  Auchenia. 
Perissodactyla. 

Tapirus,  Hhinoceros,  Equui. 
Sirenia. 

ManattUf  Halicore. 
Cela'cea^). 

Mphinut,  PhyseUr,  Balaenopißra,  Balaena. 
Dccidoata^). 
Prosimiae. 

Slenopt ,    Lemur ,    OtoUcnus,    Tarsitu,    GaleopithecuSf 
Chiromys. 
Rodentla. 

Sciurus,   SpermophituSt    ArctomyM ;  Mus,   Hypudaeus, 
Cricetus,     Georhychus,     Spalax ,     Pedetes,    Dipus ; 
Lagoslomus,  MyopolamuSf  Casior,  Hystrix,  Erethiion, 
Cölogenys,  Cavia,  Lagomys,  Lepus. 
Proboscidea. 

ElepKas. 

Lamnungia. 

Hyrax. 


i)  Die  bedeutende  Verschiedenheit,  welche  die  PlacenlarverhfiUnisse  der  ein- 
zelnen Edentaten  darbieten,  lässt  diese  Ordnung  nicht  unter  eine  der  beiden 
grossen  Gruppen  der  übrigen  placenlalen  Säugethiere  bringen,  in  denen  die  einzelnen 
Ordnungen  durch  übereinstimmendes  Verhalten  der  Placenta  ausgezeichnet  sind. 

9)  Die  Indociduata  bilden  eine  vom  gemeinsamen  Saugethierstamm  ziemlich 
weit  entfernte  Gruppe,  deren  Glieder  mehr  durch  das  negative  Moment  des  Fehlens 
der  Decidaa  zusammengehalten  werden  als  durch  irgend  einen  positiven  Charakter. 

3)  Wenn  die  Cetaceen  duroh  fossile  Formen  (Zeuglodon  u.  a.)  mit  den  Pinni- 
pedien  unter  den  Decidaaten  zu  verknüpfen  sind,  so  ist  daraus  ein  Verwandt- 
schaftsgrad zu  folgern,  und  die  Cetaceen  mttssten  derogemüss  von  den  Indecidualen 
getrennt  werden.  Allein  die  Organisation  der  Walthiere  bietet  so  viel  mit  Ungu- 
laten  übereinstimmendes,  dass  ihre  Stellung  bei  den  Indeciduaten  für  jetzt  noch  ge- 
rechtfertigt ist,  zumal  auch  die  Bildung  der  Ei  hüllen  auf  diese  Abtbeil  ung  verweist. 

4)  In  der  Reihenfolge  der  Deoiduaten>  Ordnungen  stehen  die  Prosimiae  voran, 
weil  sie  ähnlich  wie  die  Beutollhiere  den  Placenlalen  gegenüber  eine  Anzahl  von 
Formen  omfassen,  die  in  den  übrigen  Ordnungen  selbständigfer  sich  darstellen.  Als 
solche  erscheinen  die  Nager,  Inseclenfresser  und  Raubthiere,  ebenso  die  Primaten. 
Die  Proboscidea  und  Lamnungia  bieten  verwandtschaftliche  Verhältnisse  mit  den 
Rodentien,  wie  die  Cbiroptera  mit  den  Insecllvoren. 


4 1 2  Wirbelthiere. 


Insectivora. 

Chrysochlorit,  Talpa,  Sorex,  Myogale,  Erinaceus. 
Chiroptera. 

Pteropus,  Hhitwlophus ,  Glossophiiga ,    Vespertilio,  Ves- 
perugo. 
Fera. 

Carnivora. 

Felis,  Hyaena,  Proteles,  Canis,  Herpestes,   Viverra, 
Lutva,  Mustela,  Meles,  Nasua,  Procyon,  Ursus. 
Pinnipodia. 

Phoca,  Otaria,  Trichechus. 
Primates. 

Hapale,  CalUthrix;  Ateles ,  Mycetes ,  C^bus;  Cynoce- 
phalus,  InuuSf  CercopUhecus ;  Troglodyies,  Hylobaies, 
Pilhecus;  Homo. 


Literatur. 

Wirbelthiere  im  Allgemeinen:  Cuvier,  Recherchcs  sur  les  Ossemens 
fossiles.  4.  Edil.  10  vols.  av.  Atlas.  Paris  1834 — 36.  —  Owen,  R.,  Od 
the  Anatomy  of  Verlebrales.  Vol.  I — III.  London  1866 — 68.  —  Huxlev, 
Th.  H.,  A  Manual  of  thc  anatomy  of  vertohrüto«!  anlmnls.     London  1871. 

—  Gegbnbaijr,  Untersuchungen  z.  vergl.  Anat.  d.  Wirbelthiere.  I — III.  Leip- 
zig 1864—72.  —  Parker.  W.  K.,  Shoulder  girdle  and  Stemum.  London 
1868.  Ray  Soc. 

Leptooardier:  J.  Müller,  Ueber  den  Bau  und  die  Lebenserscheinungen 
des  Branchiostoraa  lubricum.  Abhandl.  d.  Berl.  Acad.  1844.  —  Goodsir, 
Transact.  Royal  Soc.  of  Edinburgh.  T.  XV.  i.  —  Quatrefages,  Ann. 
sc.  nat.  III.  IV.  —  KowALEWsKY ,  A. ,  Entwickl. .  des  »Amphioxus.  M^m. 
Acad.  imp^r.  des  sc.  de  St.  Petersbourg.   Ser.  VII.  T.  XI. 

Cydostomen:  J.  Miller,  Vergl.  Anatomie  der  Myxinoiden.  Abhandl.  d.  Berl. 
Acad.  1835—45.  —  Derselbe,  üeber  den  Bau  und  die  Grenzen  der  Ga- 
nojden.  Ebend.  1846. — Rathke,  Bemerkungen  über  den  inneren  Bau  der 
Pricke.  Danzig  1825.  —  Derselbe,  Ueber  den  Bau  des  Querderg.  Beitr. 
z.  Gesch.  der  Thierwelt  IV.    Halle  1827. 

Fische:  A.  Monro,  The  structure  and  physiotogy  of  fishes.  Edinburgh  1785. 
Deutsch  von  Schneider  1787.  ~  Cuvier  et  Valenciennes ,  bist.  nat.  des 
poissons.  XXII  vols.  1828 — 48.  —  Agassiz,  Recherchcs  sur  tes  poissons 
fossiles.  5  vols  av.  Atlas.  1833 — 43.  ^  Agassiz  et  Vogt,  Anatomie  des 
Salmones.  Ncufchatcl  1845.  —  Leydig,  Beiträge  zur  mikroskop.  Anatomie 
und  EntwickeUuigsgeschichte  der  Rochen  und  Haie.  Leipzig  4  852.  — 
Owen,  Description  of  Lepidosiren  annectens,  Transact.    Linn.  Soc.  XVIH. 

—  BiscuoFF,  Lepidosiren  paradoxa.  Leipzig  1840.  —  Hyiitl,  Lepidos. 
parad.  Abhandl.  der  böhm.  Ges.  d.  Wiss.  1845.  —  Pkters,  Lepidosiren. 
Arch.  f.  Anat.  und  Phys.  1845.  —  Günther,  Ceratodus,  Pbilos.  trans- 
act. 1871. 

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—  Für  die  Anatomie  des  Menschen  \^'ird  auf  Handbücher  verwiesen. 


Körporfonn* 

In  den  allgemeinsten  Verhältnissen  sehliessen  sieh  die  Wirbel- 
thiere  an  die  niederen  Abiheilungen  des  Thierreiches,  vorzüglich  an  die 
der  Würmer  an,  wie  denn  auch  die  niederste  Form  (Amphioxus)  noch 
Zustände  ontogenetisch  durchliUift,  welche  mit  den  ersten  Entwickehings- 


4U  Wirbelthiere. 

Stadien  der  Würmer  Übereinstimmen  (Gas trula form),  bei  den  Craniolen 
jedoch  nicht  mehr  zur  Ausprägung  gelangen.  Die  Ontogenie  bietet 
überdies  bei  den  letzteren  zahh'eiche  auf  das  Bestehen  einer  tieferen 
Kluft  hinweisende  Verschie<lenheilen.  Unter  liusserlichem  Zurücktreten 
der  Metamerie  sind  dorsale  und  ventrale  Flüchen  allgemein  unlerscheid- 
bar,  dem  vordem  Pole  der  Längsaxe  des  Körpers  nahe  liegt  die  Ein- 
gangsöfTnung  des  Nahrungscanais  in  ventraler  Stellung,  und  ebenso 
ventral  aber  vom  aboralen  Pole  mehr  oder  minder  weit  entfernt  findet 
sich  die  Auswurfsöffnung.  Von  grösseren  Körperabschnitlen  sind  drei 
auch  in  den  niedersten  Abtheilungen  unterscheidbar.  Der  vordere  eine 
respiratorische  Vorkammer  des  Nahrungscanais  bergende  und  demgemäss 
durch  seitliche  Durchbrechungen  des  Leibes  wand  ausgezeichnete  Ab- 
schnitt trägt  die  höheren  Sinnesorgane  und  lässl  bei  den  Granioten 
durch  Concrescenz  und  Differenzirung  den  Kopf  entstehen. 

Der  zweite  Abschnitt,  bei  Amphioxus  mit  dem  vorhergehenden 
noch  ziemlich  gleichartig,  und  am  dorsalen  Theile  sogar  ohne  jede 
Gränze  an  jenen  sich  anschliessend ,  bildet  den  die  Leibeshöhle  mit 
ihren  Contentis  bergenden  Rumpf,  der  wiederum  nur  durch  die  Anal- 
öffnung vom  letzten  oder  caudalen  Theil  des  Körpers  abgegränzt  wird. 
In  dem  Maasse  als  durch  jene  Oeffnung  nur  an  beschränkter  Stelle 
eine  Gränze  geboten  wird,  ist  der  caudale  Abschnitt  des  Körpers  als 
wenig  gesondert  zu  betrachten. 

Mit  der  Entstehung  des  Kopfes  und  der  in  ihm  und  an  ihm  diffe- 
renzirten  Organe  empfängt  der  Wirbel thierkörper  ein  ihn  von  den 
Wirbellosen  auch  äusserlich  schärfer  sonderndes  Attribut,  dessen  WVrth 
schon  aus  der  beträchtlich  grösseren  Zahl  in  ihm  aufgegangener  Meta- 
meren  hervorleuchtet  und  dem  hohen  Differenzirungsgrad  seiner  Oi^ane 
entspricht.  Fernere  Sonderungen  treten  mit  der  Bildung  der  paarigen 
Gliedmaassen  auf,  denn  wie  bei  den  Cyclostomen  mit  dem  Fehlen  der- 
selben Rumpftheil  und  Schwanzlheil  äusserlich  wie  bei  den  Acrania 
nur  durch  die  Analöffnung  unterscheidbar  sind,  so  bilden  die  Hinler- 
gliedmaassea  bei  den  Gnathostomen  für  jene  Abschnitte  eine  schärfere 
Begränzung,  und  das  Gleiche  wird  für  den  Kopf  und  Rumpf  durch 
die  Vordergliedmaassen  geleistet. 

Die  Ablösung  der  Vordergliedmaassen  vom  Kopfe,  wie  sie  unter  den 
Fischen  bereits  bei  Selachiern  ausgeführt  ist,  sondert  vorn  Rumpfe 
einen  llalsabschnitt  als  Verbindungsglied  mit  dem  Kopfe,  welchem  Ver- 
halten wir  von  den  Amphibien  an  begegnen.  Die  Verbindung  der  Vor- 
dergliedmaassen mit  einem  Abschnitt  des  Rumpfes  lässt  diesen  als  Brust- 
theil  vom  dahinterliegenden  Lun)1)altheile  sondern.  Der  bei  den  Fischen 
noch  einheitliche  Rumpf  zerfällt  somit  bei  den  Amnioten  in  eine  Hals-, 
Brust-  und  T^endenregion,  die  in  den  einzelnen  Abtheilungen  eine  ver- 
schiedene Ausdehnung  besitzen. 

Auch  der  Caudalabschnitt  des  Leibes  unterliegt  einer  allmählichen 
Differenzirung.      Bei   Fischen    kaum    abgegränzt    schliesst    er  sich   bei 


ICttrperform. 


H5 


Amphibien  (Urodelenj  iiod  Beplilien  (Eidechsen,  Crocodile),  Ewar  durch 
die  ilinlergliedniaassen  vom  Rumpfe  geschieden,  doch  durch  bedeuten- 
deres Volum  an  letiteren  enger  an,  und  empfilngt,  nachdem  er  bei  den 
Vi^ln  aich  rtlckgebildet  zeigt,  ersl  Iwi  den  Sttugelhieren ,  durch  be- 
deutende Hinderunfi;  seiner  SUirke  selbst  Im  ansehnlicher  Lunge  den 
Charükter  eines  KOrperanhangcs  der  damit  zugleich  im  Gegensätze  zu 
den  untern  Abtheilungen  (Urodelen,  Saurier,  Crocodile)  grossere  Schwan- 
kungen seiner  Laogsdimension  eingeht. 

In  allen  grosseren  Abiheilungen  entstehen  auf  Anpassungen  zu- 
rUckfUhrbare  Modificationen ,  von  denen  die  mit  der  Rückbildung  der 
Gliedroaassen  verbundenen  auf  die  KOrperform  am  auflillligsten  lu- 
rUcknirken. 

GU«dma«asen. 

§  883. 

Die  vom  Körper  der  Wtrbelthiere  ausgehenden  vorwiegend  als 
Bewegungsorgane  fungirenden  GUedmaassen  mtlssen  wir  in  paarige 
und  unpaarige  sondern.  Die  unpaaren  entstehen  aus  einer  senk- 
rechten, den  Kürper  vom  Kopfe  bis  zum  After  umziehenden  Membran, 


die  als  eine  Fortsalzbildung  des  Inleguinentcs  erscheint.  Indem  in 
dieser  Membran  feste  Gebilde  und  beKondere  Muskeln  auftreten ,  ge- 
staltet sich  der  blosse  Hautsaum  zu  einem  coniplicirlrn  Apparate,  den 
man  als  Flosse  bezeichnet.  Dipses  Gebilde  behalt  entweder  die 
ursprüngliche  Conlinuitllt  der  Anonlnung  hei,  oder  sondert  sich  durch 
Rückbildung  einzelner  Strecken  und  fernere  Ausliildung  der  bestehen 
bleibenden  in  mehrfache  Abschnitte.  Die  daraus  entstehenden  unpaafen 
flössen  werden  nadi  ihrer  Lagerung  in  Rucken-,  Schwanz-  und 
Afterflosse  unterschieden.  Sie  fungiren  vorwiegend  als  Sieuerruder 
und  nur  der  Schwanzflosse  konnnt  insofern  auch  eine  activ  loeomolo- 

Fi^    (RS.     Ein  Tetroslipr  (Saimo  hocho)  lar  Dsrslullnnf;  der l'lossen.    (Noch 
IIkul  IHid  Khe«) 


416  Wirbeltbiere. 

rische  Bedeutung  zu  als  aiit  ihr  der  Schwanztheil  des  Körpers  endigt, 
welcher  durch  seitliche  Aclionen  hei  der  Orlsbewegung  eine  wichtige 
Rolle  spielt.  Wahrend  diese  Gebilde  den  Fischen  allgemein  zukommen, 
sind  sie  bei  den  Amphibien  nur  in  frühen  Entwickelungsstadien  ver- 
breitet, ohne  dass  jedoch  in  ihnen  Stützapparate  auftreten.  Solche 
fehlen  auch  jenen  Amphibien,  welche  noch  im  ausgebildeten  Zustande 
die  unpaare  Hautflosse  besitzen,  wie  die  Mehrzahl  der  Urodelen. 

Bei  den  Reptilien  sind  nur  noch  Andeutungen  des  senkrechten 
Hautsaumes  wahrnehmbar,  den  meisten  fehlt  die  Einrichtung  gänzlich, 
wie  sie  denn  ebenso  bei  den  höheren  Classen  nicht  wieder  zu  finden 
ist,  denn  das  bei  manchen  r4elaceen  erscheinende  senkrechte  Flossen- 
gebilde ist  auf  keinen  Fall  von  jenem  Flossensaum  ableitbar,  sondern 
als  eine  ei'st  innerhalb  der  Ordnung  erworbene  Organisation  zu  be- 
urtheilen,  was  auch  von  der  horizontalen  Schwanzflosse  dieser  Säuge- 
thiere  gilt. 

Im  Gegensatze  zu  vielen  Abtheilungen  der  Wirbellosen,  deren 
paarige  Glied  m  aas  sen  entweder  auf  Alle  oder  doch  auf  eine  gro!>se 
Zahl  von  Melameren  sich  vi*rlheill  finden,  trifll  sich  bei  den  Wirbel- 
thieren  eine  bis  jetzt  ausnahmslose  Beschränkung  dieser  Gliedmaassen 
auf  zwei  Paare,  die  als  vorderes  und  hinleres  zu  unterscheiden  sind. 
Auch  sie  cnjpfangen  einen  vom  Stamme  des  Körpers  in  sie  übertreten- 
den Stützapparat,  dem  eine  besondere  Muskulatur  angehört. 

Sie  geben  sich  als  ursprünglich  vollkommen  homodyname  Organe 
zu  erkennen,  die  jm  Einklänge  mit  der  Verschiedenartigkeit  der  an  sie 
geforderten  Leistungen  sich  allmählich  verschieden  gestalten  und  in 
demselben  Maasse  die  Homodynamie  verhüllen,  die  nur  durch  strenge 
Vergleichung  der  einzelnen  Theile  nachweisbar  bleibt. 

Den  Acrania  wie  den  Cyclostomen  fehlen  sie  günzlich,  dagegen 
sind  sie  bei  den  Gnathostonien  allgemein,  und  wie  auch  immer  inner- 
halb einzelner  grösserer  oder  kleinerer  Abtheilungen  derselben  Rück- 
bildungen beider  Gliedmaassen  oder  auch  ein  äusseres  Verschwinden  des 
einen  oder  des  andern  Paares  Platz  greift,  so  ist  dieses  stets  als  ein 
secundürer,  den  vollkommen  entwickelten  Zustand  voraussetzender 
Befund  zu  beurtheilen.  Das  bezeugen  nicht  bios  die  mannicbfachen 
Stadien  der  Verkümmerung  sondern  auch  deutlich  sprechende  Spuren 
die  selbst  beim  gänzlichen  äussern  Mangel  noch  an  den  Verbindungs- 
stellen mit  dem  Stamme  erkennbar  sind. 

Der  bei  den  Fischen  bestehende  niedere  Zustand  Idsst  die  Glied- 
maassen als  ein  einheitliches,  der  äusseren  Gliederung  in  einzelne 
grössere  Abschnitte  entl)ehrendes  Ganze  erscheinen,  dessen  Oberfläcben- 
entfaltung  hei  der  Ruderfunction  des  Organes  von  Bedeutung  ist. 
Vorder-    und  Hintergliedmaassen   die   hier  als  Brust-  und  Bauch- 


GliedmaaMeD.  417 

flössen  unterschieden  werden,  besitzen  im  Wesentlichen  überein- 
stimmenden  Bau,  doch  hat  in  der  Regel  die  Brustflosse  in  Zusammen- 
bang mit  ihrer  Lagerung  an  dem  voluminöseren  Theile  des  Kör()ers  eine 
bedeutendere  Grösse,  und  zeigt  einen  kraftigeren  Bau,  der  uns  aus 
der  den  vordem  Gliedmaassen  zukommenden  Initiative  und  dem  darin 
liegenden  Uebergewicht  gegen   die  Hintergliedmaassen   erklärbar  wird. 

Entsprechend  einer  gleichartigen  Bewegungsweise  im  Wasser  kamen 
auch  die  Gliedmaassen  der  fossilen  Enaliosaurier,  wie  uns  die  Skelet- 
reste  lehren,  mit  den  Flossen  der  Fische  wenigstens  durch  den  Mangel 
einer  queren  Gliederung  Uberein. 

Unter  den  Amphibien  tritt  uns  vor  Allem  eine  quere  Gliederung 
der  Gliedmaassen  entgegen,  indem  nunmehr  einzelne  Abschnitte  scharf 
von  einander  getrennt  sind.  Wir  unterscheiden  an  der  vordem 
Gliedmaasse  Oberann,  Vorderarm  und  Hand,  denen  Oberschenkel, 
Unterschenkel  und  Fuss  an  der  Hintergliodmaasse  entsprochen.  Diese 
Scheidung  steht  mit  der  grössern  Lilngenentfaltung  der  beiden  ersten 
Abschnitte  in  Verbindung,  wodurch  die  einzelnen  Abschnitte  zu  ein- 
ander ip  das  Verhältniss  von  Hebelarmen  treten  und  damit  eine  Winkel- 
slellung  gegeneinander  eingehen. 

Zu  der  in  der  Abschnittbildung  sich  aussprechenden  Sondemng 
tritt  eine  Diflerenzirung  des  Endabschnittes,  an  dem  von  nun  an  eine 
auf  5  beschrankte  Zahl  von  Endgliedern  in  den  Fingern  und  Zehen 
unterscheidbar  wird.  Da  ihr  am  meisten  nach  aussen  ragender 
Köi*pertheil  stets  in  höherem  Grade  modißcirenden  Einwirkungen  aus- 
gesetzt ist,  so  finden  zahlreiche  Anpassungen  hier  einen  fruchtbaren 
Boden  der  Modification,  und  wenig  Körpertheile  bieten  so  mannichfache 
Veränderungen  als  jene  Endabschnitte  der  Gliedmaassen:  Hand  und  Fuss. 

Die  primitive  Vereinigung  an  Fingern  und  Zehen  in  eine  durch 
Hand  und  Fuss  reprüsentirte  Ruderplatte  besteht  hiiufig  durch  eine  Ver- 
bindungsmembran (Schwimmhaut)  fort  und  erhält  sich  auch  bei 
manchen  Reptilien,  bei  vielen  Vögeln  an  der  Hintergliedmaasse  und 
sogdr  bei  einer  Anzahl  von  Sflugethieren,  immer  in  Anpassung  an  die 
Function  der  betreffenden  Gliedmaassen  als  Ruderorgane. 

Die  mit  der  Ortsbeweguug  auf  dem  Lande  erlangte,  aber  bei  der 
Locomotion  im  Wasser  noch  vielfach  verwendete  Winkelstellung  ge- 
staltet sich  allmählich  für  beiderlei  Extremitäten  verschieden,  der  Ver- 
schiedenheit der  Function  entsprechend,  welche  Vorder-  und  Hinter- 
extromilUt  bei  der  Bewegung  auf  dem  Boden  besitzen. 

Bei  den  Amphibien  (B)  sind  diese  Verhältnisse  bereits  deutlich 
wahrnehmbar,  aber  die  Verschiedenheit  der  Stellung  zwischen  Ober- 
und  Unterarm,  Ober-  und  Unterschenkel,  ist  minder  beträchtlich. 
Oberarm  und  Oberschenkel  sind  fast  gleichartig  nach  aussen  gerichtet, 
und  daran  fügen  sich  Unterarm  und  Unterschenkel  in  einem  median  ge- 
öffneten Winkel.  Der  Scheitel  des  Winkels  liegt  nach  aussen,  für  die 
Vorderextremität  etwas  nach  hinten,  für  die  llinlerexlremilät  etwas  nach 


^ 


418  Wirbeltbtere. 

vorne  zu.     Letzteres  Verhalten  prägt  sich  bei  den  Reptilien  (C)  weiter 
aus ,    und   erreicht    l)ei   den  Saugcthieren   eine  noch  höhere  Stufe^  in- 
dem    die    Ebenen,    in    denen    die 
Fig.  4g6.  Winkelstellung  beiderseitiger  Glied- 

^  maassen  stnttßndet,   zur  senkrech- 

ten  Medianebene  des   Körpers   eine 
parallele  Stellung  nehmen.     Daraus 
entspringt  eine  grössere  Selbständig- 
„  keit  der  Gliedmaassen,  die  nunmehr 

zu  Stützen  des  Körpers  ge- 
worden sind,  indem,  sie  ihn  vom 
Boden  erheben.  Durch  jene  Aende- 
rung  in  der  Stellung  der  Ebene, 
in  welcher  der  von  der  Extremität 
gebildete  Winkel  liegt,  kommt  für 
die  SHugelhiere  [D)  eine  totale  Ver- 
schiedenheit der  Winkel  zwischen 
den  gleichwerthigen  Abschnitten  zum 
Ausdruck,  und  diese  verhalten  sich 
^  an    Vorder-     und    Hinlerextremilüt 

in  umgekehrtem  Sinne.  Der  Winkel 
zwischen  Ober-  und  Unterarm  ist 
nach  vorne,  jener  zwischen  Ober- 
und  Unterschenkel  nach  hinten 
offen.  An  allen  diesen  Verän- 
derungen nehmen  die  Skelettheile, 
welche  die  Stutzorgane  der  Gliedmaassen  tragen,  den  innigsten 
Antheil. 

Innerhalb  des  Rahmens  dieser  allgemeinen  Modißcationen  der 
Gliedmaassen  finden  auf  engere  AbtheiUingen  beschränkte,  aus  der 
speciellen  Verschiedenheit  der  physiologischen  Leistung  erklärbare  Ver- 
änderungen statt.  Die  Hinlergliedmaasse  übernimmt  in  überwiegender 
Ausbildung  die  complicirlere  Function  eines  Sprungorganes,  wie  bei  den 
Fröscheii,  oder  sie  kann  sich  zu  einem  vorwiegenden  Stützorgane  des 
Körpers  gestalten ,  so  dass  dadurch  dir-  Vorderglied maasse,  wenigstens 
für  die  Orlsbewegung  auf  dem  Boden  eine  untergeordnetere  Rolle 
spielt  oder  in  dieser  Richtung  ganz  ausser  Function  tritt.  Dieses  Ver- 
hältniss   fuhrt  sich   nach    manche^^ei    bei    fossilen   Reptilien   erkannten 

Flg.  <86.  Schemalisclie  Darstellung  der  DifTcronzirung  und  der  vehinderteo 
Axenrichtiing  der  Gliedmaassen  der  Wirbellhiere.  A  Fisch.  B  Arophibinm 
(die  zum  Vergleiche  mit  den  Andern  nolhwendigc  Seitendorstellong  gibt  den  An- 
schein einer  Erhebung  des  Körpers,  eben.so  wie  in  der  nächstfolgenden  Kigur.  Ohne 
Oberarm  und  Oberschenkel  in  allzu  bcdculendcr  Verkürzung  darzustellen,  war  eine 
anficre  Darslollung  nicht  ausführbar^  C  Reptil.  D  Stiugetbier.  a  Schuller- 
giirlel.     |)  DeckengUrlel. 


IntegumeDt.  419 

vorbereitenden   Stufen   bei   den   VOgeln   ein,    deren  Vordergliedmaasse 
unter  den  €arinaten  die  Bedeutung  eines  Flugorganes  gewinnt. 

So  und  noch  in  ausserordentlich  vielen,  hier  keine  Stelle  der  Be- 
rücksichtigung findenden  Pillen  »ussert  sich  die  Wechselbeziehung  der 
Giiedmaassen  xu  einander  und  zeigt  sich  zugleich  an  jeder  derselben 
der  Einfluss  der  von  äussern  Bedingungen  abhiingigen  Leistung,  welcher 
stets    die    bezügliche    Aendierung    der   Organisation    der   Gliedmaassen 

entspricht. 

• 

Intefl;ament 
§  285. 

Im  primitiven  Zustande  erscheint  als  Körperhülle  auch  bei  den 
Wirbeiihieren  eine  Zellschichte,  welche  als  Uusseres  Keimblatt  — 
Ectoderm  —  aus  den  ersten  Sonderungsvorgllngen  der  den  Keim 
darstellenden  Ktfrperanlage  hervorgeht,  und  ausser  den  schon  in  den 
unteren  Abtheilungen  sich  aus  ihr  diflferenzirenden  Organen  noch  manche 
neue  Einrichtung  ent3tehen  iHsst.  Mit  der  weiteren  Entwicklung  wird 
der  Zellenscbichte  noch  eine  aus  dem  mittleren  Keimblatte  entstandene 
Bindegewebschichte  zugetheilt,  und  beide  zusammen  reprHsentiren 
nunmehr  das  Integument  der  Wirbellhiere,  und  sind  gleichmässig  am 
Aufbau  und  der  Ausbildung  verschiedenartiger  Organe  betheiligl. 

Diesem  Integumenlo  (Cutis)  kommen  seiner  Genese  gemihis  zwei 
Straten  zu:  ein  oberflächliches,  den  Epithelialbildungen  der  Wirbel- 
losen homologes  als  Oberhaut  (Epidermis),  welche  der  unmittel- 
bare Abkömmling  des  Ectoderms  ist,  und  eine  tiefer  liegende  Binde- 
gewebsschichte ,  die  Lederhaut  (Gorium) ,  die  mit  ihren  tiefsten, 
lockeren  Lagen  das  Unterhautbindegewebe  vorstellt.  Mittels  Durch- 
flechtung  der  Faserzüge  wird  der  Lederhaul  eine  Acvhe  Beschaflenheit. 
In  ihr  verbreiten  sich  die  Blutgefässe ,  ebenso  die  Nerven  der  Haut, 
die  mit  mannichfaltigen  Sinnesorganen  und  in  den  Drüsen  endigen. 

Häufig  ist  die  Lederhaut  der  Sitz  von  Pigmenten,  welche  in  ver- 
schieden gestalteten  Zellen  eingelagert  sind.  Sowohl  an  Dicke  als  in  der 
feineren  Textur  bietet  sie  zahlreiche  Verschiedenheiten.  Von  diesen  ist 
eine  laroellöse  Schichtung  in  der  Haut  der  Fische,  Amphibien  und  Bep- 
tilien  bemerkenswerth ,  wobei  senkrechte  FaserzUge  die  Schichten  in 
regelmässigen  Abständen  durchsetzen.  Als  eigenthümliche  Bildungen  er- 
scheinen warzenartige  Erhebungen  ihrer  OberflUche,  die  von  niedrigen 
HUgelcben  bis  zu  langen  konischen  oder  auch  fadenförmigen  Fortsätzen 
variiren.  Diese  Haulpapillen  werden  in  den  einzelnen  Abthei- 
lungen der  Wirbelthiere  zum  Ausgangspuncl  einer  Beihe  complicirterer 
Organe. 

Contraetile  Formelemente  (glatte  Muskelfasern)  finden  sich  gleich- 
falls ha  der  Lederhaut  bei  Vögeln  und  Säugethieren  vor.  Eine  andere 
Nodificdtion   der  Cutis  geht  durch  Texturveränderung  vor  sich,    indem 

«7* 


420  Wirbelthiere. 

sich  Theile  derselben  durch  VerknOcherung  in  Hartgebilde  um- 
wandeln, entstehen  in  die  Haut  eingebettete  Knochenplatten  der  ver- 
schiedensten Form  und  setzen  ein  Hautskelet  zusammen.  Endlich 
stehen  mit  der  Cutis  DrUsenorgane  in  Verbindung,  die  jedoch  von 
der  Epidermis  her  gebildet  werden  und  deshalb  den  Epidermolklal- 
organen  beizuzählen  sind. 

§  286. 

Die  Epidermis  besteht  aus  mehrfachen  Zellschichten,  welche  die 
Lederhaut  mit  allen  ihren  Erhebungen  und  Einsenkungen  Uberkleiden. 
Als  ein  Erbstück  aus  niederen  Zuständen  tritt  auch  noch  bei  Wirbel- 
thieren  ein  Wimperepithel  auf,  beschränkt  sich  aber  auf  Embryonal- 
stadien bei  Fischen,  und  kommt  bei  Amphibien  nur  im  Larvenzustande 
an  gewissen  Körperstellen  vor.  Von  den  einzelnen  Schichten  er- 
scheinen die  unleren,  der  Lederhaut  näher  liegenden,  als  jüngere, 
welche  in  den  oberflächlichen  Schichten  verloren  gegangene  Theile 
wiederersetzen.  Die  Zellen  dieser  tieferen  Schichten  bieten  meist  in- 
differente Formen  dar,  und  lassen  die  aus  ihi^n  zusammengesetzle 
Partie  häufig,  namentlich  bei  Säugethieren,  von  der  oberen  deutlich  sich 
abgrenzen  (Stratum  Malpighii).  In  der  Consistenz,  der  Verbindungs- 
weise und  der  Form  bieten  die  Epidermiszellen  zahlreiche  Verschieden- 
heiten. Pigmentführende  Zellen  sind,  zuweilen  von  ansehnlicher  Grösse 
zwischen  den  andern  verlbeilt.  Durch  die  Bewegungserscheinungen 
ihres  Protoplasma  vermögen  sie  zuweilen  einen  Farbenwechsel  zu  ver- 
ursachen, und  scheinen  als  Chromalophoren  bei  Fischen  wie  bei  Am- 
phibien verbreitet  zu  sein.  Bei  den  im  Wasser  lebenden  Anamnia  [Fische 
und  Amphibien)  ist  die  gesammte  Epidermis  locker,  und  die  Weich- 
heit ihrer  Eleniente  verleiht  der  ganzen  Schichte  häufig  eine  gallertartige 
Beschdf!'enheit,  so  dass  sie  sogar  lange  Zeit  für  eine  von  Drüsen  secer- 
nirte  Schleimschichte  gehalten  ward. 

Dem  Zustande  der  Epidermis  im  Wasser  lebender  Wirbelthiere 
stellt  sich  ein  anderer  gegenüber,  der  in  den  höheren  Abtheilungen  auf- 
tretend durch  Verhornung  der  Epidermiselemente  charakterisirt  isL 
Dieselben  bilden  dann  resistente  Plättchen  oder  auch  Fasern,  die,  in- 
einander geschoben,  in  verschiedenem  Maasse  abgegrenzte,  feste  Theile 
vorstellen.  Der  Verhorn ungsprocess  betrittl  immer  nur  die  oberfläch- 
lichen Epidermisschichlen,  die  tieferen  bleiben  auch  hier  indifferent. 
Mit  stärkerer  Verdickung  der  verhornten  Schichten  entstehen  niannich- 
faltige  Formationen  von  Platten,  Höckern  und  schuppenartigen  Gebilden, 
wie  solche  bei  den  Reptilien  verbreitet  sind.  Die  Lederhaut  nimmt 
jedoch  an  diesen  Gebilden  Antheil,  indem  sie  fast  immer  jenen  Epider- 
misformationen  entsprechende  Erhebungen  besitzt,  die  aus  vergrösserten 
Papillen  entstanden.  Die  Schuppen  von  Eidechsen  und  Schlangen  sind 
somit  Fortsätze  der  gesammten  Cutis.  Dieser  verhornte  Ueberxug  hat 
sich  bei  den  Vögeln  nur  an  beschränkteren  Körpertheilen  erballen,  an 


EpidermoKdalgebilde.  42  \ 

den  Kiefern  als  Schnabelscheide,  wie  an  den  Fttssen  in  Form  von  Tafeln, 
Plättchen,  Höckern  u.  s.  w.  In  Verbindung  mit  einem  knöchernen 
Hautskelete  finden  sich  grössere  Hornplatten  bei  den  Schildkröten  wie 
unter  den  Säugethieren  in  einzelnen  Famih'en  der  Edentaten  (Dasypus, 
Haois,  Chlamydophorus).  Die  in  einzelnen  Abtbeilungen  oder  in  noch 
engeren  Kreisen  vorkommenden  Hornbildungen  der  Epidermis  sind 
nicht  dlred  auf  die  bei  Reptilien  bestehende  Organisation  zu  beziehen, 
sie  sind  vielmehr  immer  nur  aus  Anpassungen  an  bestimmte  iiussere 
Verbültnisse  hervorgegangen.  Dagegen  treffen  wir  an  einzelnen  Körper- 
steilen  Homgebilde  der  Epidermis,  die  bei  ihrer  grossen  Verbreitung 
und  Beständigkeit  als  vererbte  Einrichtungen  gelten  n)Ussen.  Es  sind 
die  Nägel  und  Klauenbildungen  an  den  Enden  der  Gliedmaassen.  Schon 
bei  den  Amphibien  (Salamander)  finden  sich  Andeutungen  bieftlr;  bei 
Reptilien  und  Vögeln  erscheinen  sie  allgemein ,  selbst  an  einzelnen 
Fingern  der  zum  Flugorgan  verwendeten  Hand  der  Vögel  haben  sich 
nicht  selten  solche  Nagel  erhalten.  Durchgehend  finden  wir  sie  bei 
jenen  Säugethieren ,  wo  sie  mit  der  bedeutenderen  Ausbildung  ein- 
zelner Finger  oder  Zehen  in  der  Hufbildung  eine  voluminösere  Entfal- 
tung erlangen.  Nur  bei  vollständiger  Umwandlung  der  Extremitäten 
gehen  diese  Hombedeckungen  der  Endphalangen  verloren,  wie  an 
drei  ode*  vier  verlängerten  Fingern  der  Hand  der  Fledermäuse  oder 
an  der  Hand  der  Celaceen. 


Epidermoidalgebilde. 

Ausser  den  vorhin  erwähnten  Horngebilden  gehen  noch  andere 
Differenzirungen  aus  der  Epidermis  hervor,  von  denen  Federn  und 
Haare  tbeils  durch  ihre  Verbreitung  in  den  beiden  oberen  Ab- 
theilungen der  Wirbelthiere ,  theils  auch  durch  ihre  eigenthtlmliche 
Erscheinung  eine  hervorragende  Stelle  einnehmen.  Man  pflegt  beide 
als  sehr  nahe  verwandte  Bildungen  anzusehen,  da  sie  sowohl  in  ihren 
Beziehungen  zur  Haut  als  auch  in  äusserlichcn  Verhältnissen  manches 
lebereinstimmende  bieten.  Dennoch  ergeben  sie  sich  bei  Beachtung 
der  genetischen  Verhältnisse  als  divergente  Organe.  Die  erste 
Anlage  für  die  Feder  stellt  einen  böckerförmigen  Vor- 
sprung (Fig.  187.  A)  vor,  jenen  Erhebungen  ähnlich,  wie  sie  bei 
Reptilien  verbreitet  sind,  so  dass  darin  eine  Ankntlpfung  an  die  nian- 
nichfaltigen  Höcker-  und  Schuppcnbildungen  besteht.  Jene  Höcker 
wachsen  in  papillenfbrmige  Fortsätze  [B)  aus  (Federzotten)  und  diese 
erscheinen  aus  einer  äusseren  Epidermislage  [Ce]  und  einer  dar- 
unter befindlichen  Papille  [f)  zusaitimengesetzt.  Auch  die  Anordnung 
dieser  ersten  Federanlagen  in  bestimmt  abgegrenzte  Felder  (Federfluren, 
Pterylien)  verweist  auf  Verhältnisse,  die  bei  den  Reptilien  in  der  An- 


iii  Wirbelthiere. 

nrdnunfi  der  grösseren  und  kleineren  Schuppen  beslehen.  Die  Feder 
isl  in  jenem  einfücben  Zuslinde  somit  ein  blosser  Fortsatz  der  Epider- 
mis und  der  ditrunler  lie^i  ndcn  Cutis  Die  Einsenkung  der  die  Cults- 
pipillo  tragenden  Federanlage 
in  die  Haut  und  die  damit 
entstehende  Bildung  eines 
FederfoUikelsB  ist  eine  spatere 
Erscheinung  ebenso  wie  die 
Difleicnzirung  dei  Feder  in 
Schaft  und  tahne  Diese 
Trennung  erfolgt  erst  nach 
Äbstossung  einer  aus  der 
ersten  Anlage  slaninienden 
Lpiderniisschichio  (Feder- 
sclieide)  In  den  Forui\er- 
lidltnissen  der  Fider  ergeben 
sich  je  nach  der  Ausbildung 
des  Schaftes  oder  der  Fahne 
zahlriichL  unseren  /wecken 
fern  erstehende  \  erscbieden- 
hciten 

Die  bti  der  Federeut- 
WRkelung  erst  spJt  auftre- 
Icndt  Bildung,  eines  Follikels 
der  in  die  Cutis  eingesenkt 
df-U  hK  Spule«  bezeichneten 
Absebnitt  des  Schaftes  der 
Feder  und  die  in  denselben 
sich  \  erlangernde  geßissreiche 
f  Papille  umschliessl,    charalL- 

terisirt  das  erste  Auftreten  des 
Haares,  für  welches  eine  papillen  artige  Epidermis  verdickung  ein  sehr 
frühe  und  rasch  vorübergehender  ZusUnd  ist.  Vergleicht  man -die 
Entwickelung  des  Haares  mit  jener  der  Feder,  so  IrifH  man  den  ersten 
Zustand  der  Feder  beim  Haare  nur  angedeutet  und  in  seiner  Weiter- 
bildung übersprungen ;  denn  das  Haar  legt  sich  nicht  in  jener  vor- 
übergehenden Erhebung,  sondern  immer  in  einem  von  der  Epidermis 
aus  in   die  Cutis   oingewucherten  Follikel  (vergl.  Fig.   187.  D  E  F)  an, 

Fig.  187.  A  Erste  Anlage  der  Feder  als  papillenarlign  Erhcburig.  eEpiJer- 
misschichle.  B  (''cderzoltc.  C  Querschnitt  durch  eine  solcbe ,  wobei  im  Innern 
der  Papille  die  Lumina  einer  durclischnillenen  GcCHsascblinge  sichlbar  sind.  «  Epi- 
dormiBScbicbte.  /"  Geraüshaltige  Coriumschiclile.  D  Erste  Anlage  des  ifaarfol- 
likels.  e  Epidormigpapille.  E  Weiler  eini;esGnktGr  llaarrallilici.  t'  Differcniirung 
desselben,  f  Faserbülle  des  Follikels,  i  llaaraulagc.  p  llaarpapillc.  G  Entwickel- 
ter Haarfollikel,  f  und  p  wie  vorhin,  a  Haerschan.  r  Haarwurecl.  a  Aousserc, 
■  inoero  Wurzelscheide,    gl  Talgdrüsen. 


Epidermo'idalgebilde.  423 

iD  dessen  Grund  gleichfalls  eine  Guiispapille  [P.p)  sich  erhebt.  Aus 
der  eingewucherlea  Epidermis  differenziren  sich  sowohl  der  Schaft  des 
Haares,  an  welchem  die  betreffenden  Zellen  einen  Yerhornungsprocess 
erleiden,  als  auch  Theile  des  Follikels  (die  Wurzelscheiden  Fig.  487. 
G.  t.  a).  In  der  Regel  bildet  sich  in  jedem  Follikel  je  ein  einziges 
Haar,  doch  kommen  auch  Follikel  mit  Ausbuchtungen  vor,  welche 
Büschel  von  Haaren  aussenden.  Dieses  Verhalten  verknüpft  sich  mit 
dem  ersteren  dadurch,  dass  beim  Haarwechsel  die  Anlage  des  jungen 
Haares  in  einer  Wucherung  des  neuen  Follikels  entsteht. 

Die  verschiedenen  Formen  der  Haare,  ni(^en  sie  als  W^ollhaare 
oder  Borsten  oder  Stacheln  erscheinen,  sind  nur  Modificationen  eines 
und  desselben  Zustandes  der  ersten  Anlage. 

§  988. 

Der  Epidermis  gehören  femer  die  Drüsen  der  Haut  an. 

Die  einfachsten  Zustände  ergeben  sich  bei  den  Fischen  in  Modi- 
ficationen einzelner  Zellen,  deren  Protoplasma  in  feine  Körnchen  sich 
sondert,  die  nach  aussen  entlecit  werden.  Diese  zwischen  den  andern 
Epidermiszellen  vertbcillen  Schleimzellen  —  bei  bestimmter  Ge- 
stalt auch  als  Becherzellen  erscheinend  —  stellen  einzellige  Drüsen 
vor.  Sie  finden  sich  auch  noch  bei  Amphibien,  bei  denen  bereits 
complicirtere  Drüsenorgane  verbreitet  sind.  Diese  erscheinen  als  flaschen- 
förmige  über  das  ganze  Integument  verbreitete  Schläuche,  die  in 
mehreren  Formen  unterscheidbar  sind,  la,  vielen  Fallen  erreichen  sie 
eine  bedeutende  Grösse  und  bilden  höckerförmige  die  Haut  rauh  oder 
warzig  gestaltende  Hervorragungen  (z.  B.  bei  Kröten  und  Salamandern}. 
Bei  denselben  erscheinen  grössere  Massen  von  Hautdrüsen  gehäuft  und 
werden  für  bestimmte  Körperstellen  charakteristisch,  wie  z.  B.  die 
hinter  dem  Kopfe  gelegenen  sogenannten  Parotiden. 

In  geringerem  Grade  sind  Hautdrüsen  bei  Reptilien  verbreitet. 
Bei  den  Eidechsen  führen  nur  die  sogenannten  .»Schenkelporen«  in 
Drüsen,  welche  als  zusammengesetzte  Scliiäucho  erscheinen,  dtren 
Secret  aus  erhärtenden  Zellen  bestehend  das  Lumen  der  Drüsen  ausfüllt. 
Bei  den  Vögeln  ist  das  Vorkommen  von  Hautdrüsen  in  hohem  Grade  be- 
schränkt. Ein  Aggregat  von  Drüsen  stellt  die  besonders  bei  den 
Schwimmvögeln  sehr  ansehnliche  BürzeldrUse  [Glandula  uropygii)  vor, 
deren  Secret  zum  Einölen  des  Gefieders  dient.  Bei  den  Säugethieren 
scheiden  sie  sich  in  zwei  scharf  gelrennte  Gruppen  :  Schweiss-  und  Talg- 
drüsen,  die  vielfach  mit  den  Haarfollikeln  verbunden  sind,  indem  nicht 
nur  die  Talgdrüsen  fast  regelmässig,  sondern  auch  die  Schweissdrüsen 
häufig  ihre  Ausführgänge  in  die  Haarbälge  einsenken.  Beiderlei  Drüsen 
sind  mehr  durch  die  anatomische  Beschaffenheit  als  durch  die  Qualität 
des  Secretes,  welches  nur  für  einzelne  Fälle  näher  bekannt  ist,  zu 
unterscheiden,  wie  denn  eine  und  dieselbe  Drüsenform  an  verschiede- 


424  Wirbeltbiere. 

nen  LocaliUUen  verschiedene  Verrichtungen  besorgt.  Als  Schweiss- 
drUsen  werden  einfachere,  terminal  gewundene  Schläuche  bezeichnet, 
während  die  Talgdrüsen  mehr  gelappte  Bildungen  vorstellen.  Häufig 
vereinigen  sich  mehrere  derselben  an  einem  Haarbalg,  und  können 
sogar  im  Verhdltniss  zu  letzterem  so  ansehnlich  entwickelt  sein,  dass 
der  Haarbalg  als  ein  Anhang  «der  Drüse  sich  darstellt.  Ausserordent- 
lich zahlreiche  Modific-alionen  erleiden  die  Talgdrüsen  in  Form,  Zahl, 
Grösse,  wie  auch  in  der  Qualitllt  des  Secreles.  Sehr  verbreitet  liefern 
beide  Drüsenapparate  specifische  Riechstoffe  verschiedener  Art,  die  in 
der  Oekonomie  der  Thiere  eine  bedeutende  Rolle  spielen.  Einzelne 
besonders  ausgebildete  Hautdrüsengruppen  sind  folgende:  die  Kopf- 
drüsen der  Antilopen,  die  Klauendrüsen,  sowie  die  sogenannten  Thränen- 
drüsen  der  Wiederkäuer,  die  Seitendrüsen  der  Spitzmäuse;  die  Anal- 
drüsen der  Raubthiere,  u.  a.  die  besonders  bei  den  Mustelinen  sehr 
ausgebildet,  am  meisten  bei  den  Viverren  entw  ickelt  sind ,  bei  denen 
sie  die  Zibethdrüsen  vorstellen ;  ferner  die  Leistendrüsen  der  Hasen, 
Cruraldrüse  der  männlichen  Monotremen  u.  a.   mehr. 

§  289. 

Die  wichtigste  Differenzirung  von  Hautdrüsen  erfolgt  bei  allen 
Säugethieren  in  der  Bildung  von  Milchdrüsen,  die  zur  Geschlechts- 
function  in  Beziehung  treten.  Sie  ßnden  sich  regelmässig  an  der  ven- 
tralen Körperfläche  meist  in  symmetrischer  Lagerung.  Jede  »Milch- 
drüsea  besteht  aus  einem  Complexe  einzelner  Drüsenschläuche,  die 
entweder   getrennt   bleiben,    oder   ihre  Ausführgänge  vereinigen. 

Bei  den  Monotremen  treten  diese  Organe  noch  wenig  aus  der, Reihe 
anderer  Hautdrüsen.  Jede  der  beiden  hier  bestehenden  »Milchdrüsen« 
wird  durch  eine  Gruppe  von  Schläuchen  gebildet,  die  einzeln  die  Haut 
durchsetzen.  Das  die  Mündungen  tragende  Feld  ist  nur  durch  mangelnde 
Behaarung  ausgezeichnet  und  liegt  bei  Ornithorhynchus  in  der  Ebene 
des  benachbarten  Integumentes.  Bei  Echidna  dagegen  findet  es  sich 
in  jfe  einer  taschenförmigen  Einsenkung,  die  zur  Aufnahme  des  Jungen 
zu  dienen  scheint. 

Bei  den  übrigen  Säugethieren  treten  in  der  Bildung  der  Zitzen 
besondere,  wohl  durch  das  Säugegeschäft  allmählich  ausgebildete  Vor- 
richtungen auf,  welche  den  Jungen  eine  günstigere  Verbindung  mit 
dem  Milchdrüsenapparat  gestatten,  und  zugleich  jeden  einzelnen  Müch- 
drüsencomplex  äusserlich  unterscheidbar  machen. 

Für  die  Bildung  der  Zitzen  ergeben  sich  zwei  sehr  verschiedene 
Zustände.  Für  beide  erscheint  vor  der  Entstehung  der  Zitze  ein  gleich- 
massiges  indifferentes  Stadium  [Fig.  188.  A.)  ,  indem  ein  ziemlich 
flaches  Drüsenfeld  (b,  an  seinem  Boden  die  einzelnen  in  die  Lederhaut 
wachsenden  Drüsen  aufweist,  und  durch  eine  ringförmige  Erhebung 
(a)   vom  benachbarten  integumenle  sich  abgränzt.    Dieser  Wall  entspricht 


E  pidermoldi  lg«bi  Id«. 


125 


der  die  tascheDfOrmige  Verlierung  bedingenden  Haulfalte  bei  Echidna.  Bei 
der  HebfzabI  der  Ssugelhierc  besteht  er  nur  vorübergehend,  vielmehr 
flacht  er  sich  frühzeitig  ab 

und  das  Drüsenfeld  erhebt  Klg.  I8s. 

sich  in  seiner  die  DrUsen-  ^  A  _ 

mUndangen  tragenden  Mitte 
[Fig.  tS».  B\.  Diese  Er- 
hebung stellt  die  Papille 
oder  Zitze  vor,  auf  deren 
Spitze  stets  eine  Anzahl  von 
DrllsengHngen  aosmUndet. 
Die  Deciduata  bieten  diesen 
Befund. 

Die  andere  Einrichtung 
entsteht  durch  fortgesetzte 
Erhebung  des  Drüseuwplles, 
dessen  Auswachsen  das 
Drjlsenfeid  immer  tiefer  tre- 
ten lasst,  bis  er  schliess- 
lich dje  Zilze  selbst  vor- 
stellL  Auf  dieser  Pseudo- 
Zilze     mündet     dann     ein 

einbcher  Canal ,  der  zum  Drüsenfeld  hinfUhrt  (Fig. 
Verhallen  ist  bei  einem  TTieile  der  Indeciduaten  (Wiederkäuer,  Pferd) 
beobichtel.  Ucbcrgangsformen  zwischen  beiden  Befunden  der  Bil- 
dung der  Zitze  lassen  sich  bei  Beutellhieren  (Halmaturusj ,  auch  bei 
Nagern   (Hurina)  wahrnehmen. 

Die  Zahl  der  durch  die  Zitzen  unterscheidbaren  Milchdrüsen  ist  für 
die  einzelnen  Abiheilungen  verschieden.  Sie  entspricht  im  Allgemeinen 
der  Zahl  oder  doch  dem  Maximum  der  Zahl  der  gleichzeitig  erzeugten 
Jungen.  Sie  schwankt  selbst  innerbnib  einzelner  Ordnungen:  bei  den 
Nagern  von  8  (Cavia)  bis  12,  hüchstens  1i  {Dasyprocla) ;  auch  die 
Lagerung  ist  sehr  verschieden.  In  der  Begel  bilden  sie  zwei  Reihen, 
die  bei  grosserer  Zahl  von  der  Inguinal-  bis  zur  Pectoralregion  reichen 
(i.  B.  Camivoren,  Schweine).  Bei  manchen  Didelphen  sind  sie  kreis- 
förmig am  Abdomen  angeordnet.  Bei  geringer  Zahl  nehmen  sie  ent- 
weder eine  abdominale  Stellung  ein,  wie  bei  manchen  Didelphen,  oder 
sie  sind  nur  in  der  Leistengegend  vorhanden  (Einhufer,  Wiederkäuer, 
Celaceen) ,  oder  endlich  sind  sie  auf  die  Pecteralregion  beschränkt 
(Elepfaant,  Sirenen,  manche  Halbaffen,  Chiropleren  und  Primaten). 
Beim  Vorkommen  von  mehr  als  einem  Zittenpaar  werden  häufig  einige 

Hg.  188.  SchemaliNcbo  Danlellnng  der  Zilze nbildnogen  eu(  leukrechteD  Schnit- 
ten. A  Indifferenter  Zimland  bei  fast  ebenem  Drilgonrelde.  S  Erhebunü  dos 
DiliMDteldes  zur  Zilze.  C  Erhebung  des  Drüsenreldwslles  zor  Pseadoiilie.  a 
Walt  des  DfUüenreldes.    h  DrUseDfeld.    gX  Drttseo. 


C). 


Dieses 


426  Wirbellbiers. 

Drüsen  abortiv,  so  dass  neben  den  ausgebildeten  und  fuootioDsßibigeD 
Dillsen,  nicht  fungirendo,  rllckgebildete  Oi^ne  bestehen,  die  durch 
die  rudimentären  Zitzen  erkennbar  sind.  Ächn lieberweise  rUckgebildet 
ist  der  ganze  Apparat  bei  den  Männchen. 

Als  eine  Anpassung  des  Integumenles  an  die  durch  Milchdrüsen 
geleislele  Ernährung  der  Jungen  sind  die  bei  Beutelthiereo  be- 
stehenden Hautduplicaturen  tier von u beben,  durch  welche  ein  die  iitz«i- 
tragcnde  Flüche  desAbdomens  umschliessender  Sack,  das  Marsupium, 
(gebildet  wird.  Seine  Ausbildung  scheint  zu  dem  Grade  der  Reife  der 
neugeborenen  Jungen  im  umgekehrten  Vorbältuisse  zu  sieben ,  was 
wiederum  dem  Ausbild  ungsgr^de  des  Uterus  entspricht. 


§  290. 

Durch    Erzeugung   von  Hartgcbilden   erhöht  sieb  die  Leistung  des 

Integumentes  als  Schulzorgan  für  den  Körper,    und  bei  voluminitserer 

Gestaltung  jener    Tbeile  kann   es   sogar  einen   äusseren  Stützapparat, 

ein  Hautskelet  hcrvoi^ehen  lassen.    Die  hier  in  Betracht  kommenden 

Gebilde  sind  zwar  in  vielen  Fällen  bezüglich 

ihrer    Genese    nur     unvollständig     erkannt, 

allein  sie  dürren   doch   alle  den  knöcbemen 

Bildungen  beigozählt  werden ,   denen   sie  in 

den  höheren  Abtheitungen   sogar  volUtSndig 

entsprechen.  ' 

Den  Ausgangspunkt  fUr  die  maonieh- 
fachen  Formen  bieten  die  Selachier,  von 
denen  die  Haie  eigenthümliche,  meist  kleine 
Knochcnplnilchen  dem  Intcgumenl«  eingeftlgt 
besitzen.  Man  unterscheidet  an  diesen  «Pla- 
cold Schüppchen'  eine  der  Lederbaul  inserirte 


%M  faw  y»  ( 

fm 


VV4Fi%TJ^Qk*£l!M  meist  rhomboidal  gestaltete  Basis  und  einen 

^•■\^U'\^Si/'^^y'  tla""«"'  sich  erhebenden  meist  in  schräg  ge- 

'■  "OvT   'Lt\    '■^tVi  ''  richtete  Spitzen  auslaufenden  Abschnitt,  der 

'  Vr"     Vfy  ■•\h'.<\'^  ^'on   der   Epidermis   überkleidet   wird    {Fig. 

'       ^T   'a^  i89).     An  einzelnen  Stellen,  wie  z.  B,  am 

~^r\   Vr/  Kopfe  besitzen  sie  häufig  eine  gewölbte  Ober- 


f 


Oächo  und  li^en  unregelmässig ,  indess  sie 
am  Rumpfe  nicht  selten  in  ganz  regel- 
mässigen schrägen  Reihen  sich  vorfinden.  Sic  entstehen  auf  Papillen  der 
Lederhaut,  tlber  welchen  eine  besondere  von  der  Epidermis  gelieferte 
Zelle nschtchte  sich  hinwcgzioht,  die  auf  dem  voi-springcnden  Tbeil  der 
Papille  eine  scbmelzarlige  Schichic  abscheidet,    indess  der  Körper  der 

Kig.  1BB.    Placojiie  Schuppe  he  D  VC  n  Ccnlrophoras  catceus  [KbwKhe  Ver- 
grOsserung). 


Haatokelet.  .^%^' 

Papille  voD  der  Spitze  her  ossificirt.  Bei  den  Rochen  sind  diese  Ge- 
bilde entweder  ganz  verloren  gegangen  (Zitierrochen)  oder  sie  werden 
durch  grössere  Gebilde  vertreten,  die  in  Form  von  Stacheln  oder  grösseren 
Knochenzilbnen  gehäuft  oder  vereinzelt  vorkommen   (Stachelrochen). 

Die  PlaooYdschUppchen  der  Haie  sind  bei  den  GanoYden  ziemlich 
allgemein  in  grössere  Knochenpia Iten  umgewandelt,  die  bei  den  Rhombi- 
feren  am  Körper  nicht  nur  die  gleiche  Anonlnung,  sondern  auch  einen 
im  wesentlichen  Ubereinstinmienden  feineren  Bau  besitzen.  Grössere 
Knocbentafeln  mit  kleineren  wechselnd  finden  sich  bei  den  Stören. 
Sie  besitzen  meist  noch  vollständig  die  Rhombenform ,  die  bei  einem 
anderen  Theile  der  GanoYden  —  den  Cycliferen  —  verloren  ging  und 
diese  an  die  Teleostier  sich  anschliessen  lässt.  Obwohl  die  meist 
flachen  und  dttnnen  Schuppen  der  letztem  von  den  GanoYdschuppen 
ableitbar  sind,  erscheinen  sie  doch  durch  mancherlei  verschieden,  und 
repräsentiren  ein  durch  die  MannichfaUigkeit  der  Formen  charakteri- 
sirtes  Auslaufen  des  bei  den  GanoYden  bestehenden,  von  den  Selachiern 
her  ableitbaren  Typus.  Meist  stellen  sie  scheibenförmige  Plättchen  dar, 
die  theilweise  in  eine  Tasche  der  Lederhaut  eingefugt,  theil weise  frei 
unter  der,  wie  auch  bei  GanoYden  und  Selachiern  bäußg  verloren- 
gehenden Epidermis  liegen.  Dieser  letztere  Theil  der  Schuppe  bietet 
in  einer  Abtheilung  der  Teleostier  kleine  stachlige  Fortsätze  (GtenoYd- 
schuppen). 

Bei  vielen  Telcostiem  erleidet  die  Beschuppung  eine  Rückbildung, 
die  zu  einem  gänzlichen  Schwinden  fuhren  kann.  Andererseits  ent- 
stehen wieder  von  der  Schuppenbildung  sehr  weit  abliegende  knöcherne 
Theile,  wie  die  Platten  und  Stacheln  der  Plectognathen,  bei  denen  es 
unter  festerer  Verbindung  der  Platten  zu  einer  zusammenhängenden 
Panzerbildung  kommen  kann  (Ostracion,  Lophobranchier). 

Von  den  Schuppen  verschiedene,  aber  doch  vielleicht  von  ihnen 
ableitbare  Stücke  erscheinen  in  dem  die  Gliedmaassen  überziehenden 
lotegumente  bei  GanoYden  und  Teleostiern.  In  Compensation  des  im 
Vergleiche  zu  den  Selachiern  rUckgebildeten  inneren  Skeletes  der  Glied- 
maassen sind  im  Integumente  gleichartig  aneinander  gereihte  Knochen- 
stückchen entstanden,  welche  reiche,  terminal  oft  mehrfach  dichotomisch 
verzweigte  Strahlen  zusammensetzen  und  dann  einen  Stützapparat  der 
Flossen  bilden  (Secundäres  Flossenskelet) .  Häufig  ist  der  den  Vorder- 
rand der  Flosse  einnehmende  Strahl  massiver,  oder  stellt  einen  mäch- 
tigen, sogar  mit  dem  innern  Skclete  verbundenen  Slachelstrahl  ^or, 
der  nicht  blos  die  übrigen  Radien  überwiegen,  sondern  auch,  wie  bei 
den   Panzerwelsen   sogar  die  gesammte  Brustflosse  repräsentiren  kanui 

Von  besonderer  Wichtigkeit  werden  die  Ossifikationen  des  Integu- 
mentes  an  jenen  Körperstellen,  wo  Theile  des  inneren  Skeletes  an  die 


tS6  Wirbelthiere. 

Oberfläche  treten.  Den  Knorpeloberflachen  des  inneren  Skeictes  lagern 
sich  daselbst  Ossißcationen  auf,  welche  ganz  wie  KnochenlafelD  an  an- 
deren Stellen  der  K(»rperoberfläche 
in  der  Haut  entsl«hen.  Solche 
Knochen  bilden  sich  bei  den  Sela- 
ctiiern  an  den  StUlzknorpeln  der 
Ruckenflossen,  wo  sie  im  vordersten 
Knorpel  jeder  Flosse  aurireleud  zu 
stachligen  Bildungen  auswachsen 
(Dornhaie) ,  die  in  Ubnlicber  Weise 
auch  bei  Rochen  vorkommen.  Wäh- 
rend diesen  Bildungen  eine  nur  auf 
eine  Abtheilung  der  Fische  be- 
schränkte Bedeutung  zukommt,  be- 
sitzen andere  einen  höheren  Werth : 
es  sind  unter  bestimmter  Anordnung 
rrscheinende  Knoclienplatten,  die  be- 
sonders am  Kopfe  mit  Bestündig- 
keil  auftreten  und  dort  die  Anfänge 
des  knöchernen  Schädels,  zunächst 
des  Schädeldaches  vorstellen  (vergl. 
Fig.  <90).  Diese  Hautknochen 
gehen  duruh  Vererbung  auf 
alle  mit  knöchernem  Schädel 
versehenen  Wirbeltbiere  Über 
und  verbinden  sich  mit  später 
selbständig  an)  Knorpelscbä- 
del  auftretenden  Ossificationen.  So  trifH,  es  sich  zuerst  bei 
den  Stttren.  Neben  den  grossen  Knochentafeln ,  die  theüweise  schon 
bei  den  Teleostiem  ihre  oberflächliche  Lagerung  einbUssen ,  Boden 
sich  zahlreiche  kleinere  vor,  von  denen  der  grttsste  Theil  nicht  typisch 
wird  und  schwindet.  Die  speciellercn  Verhältnisse  werden  wegen  dieser 
Beziehungen  zum  inneren  Skelete  bei  letzterem  auseinandergoselzl 
werden.  Uebrigcns  sind  es  nicht  Schädelknocben  allein,  welche  aus 
Ossificationen  dos  Integumenles  hervorgehen,  auch  andere  Skeleltheil^ 
(z.   B.  die  Clavicula)  besitzen  einen  ähnlichen  Ursprung. 


§  892. 

Hautknochcngebilde  treflen  wir  auch  in  den  hüheren  Classen;  für 
die  Amphibien  sind  die  fossilen  Arthcgosaurier  anzuführen,  bei 
denen    Hautknochen    in    GcsUill    von    schildförmigen   Tufeln    verbreitet 

Klß.  19».  Kopf  von  Acipcnsor  sturio  von  oben.  Das  knorpolige  Cranium  isl 
durch  den  schrafürlen  Thoil  der  Figur  angegeben,  welchen)  die  integumeDlfiien 
Knochen  Schilder  in  Umrissen  aurgexelchnet  sind. 


Hautskelet.  429 

waren.  Auch  hier  scheinen  die  Beziehungen  zu  den  Deckknochen  des 
Schadeis  noch  fortzubestehen,  indem  sich  an  letzteren  dieselben  Sculp- 
turen  wie  an  den  Rumpfschildern  vorfinden.  Nur  in  ganz  rudimen- 
Uirer  Form  finden  wir  solche  Hautknochen  vereinzelt  bei  lebenden  Am- 
phibien :  Geratophrys,  Brachycephalus.  Bei  ersterer  liegt  ein  Knochen- 
schild in  der  Haut  des  Rückens,  bei  letzterer  Gattung  sind  drei  mit 
mehreren-  Wirbeln  verbunden.  Ganz  ausserhalb  der  Reihe  dieser 
Gebilde  stehen  die  unter  den  Cöcilien  ziemlich  allgemein  verbreiteten 
kndchernen  Schuppen,  die  in  tascBenartige  Vertiefungen  eingesenkt  sind. 

Ausgedehnter  sind  sie  bei  Reptilien  vorhanden,  die  sich  hier^ 
durch  dem  alten  Ampbibienstarome  nUhern.  Bei  den  fossilen  Teleosauriern 
wie  bei  den  lebenden  Crocodilen  slellen  über  das  ganze  Integument  ver^ 
breitete  Hautknochen  eine  Art  Panzer  vor  imd  auch  bei  manchen  Ei- 
dechsen (ScincoYden)  finden  sich  anemanderschliessende  knOcberne 
Platten  im  Integumente  in  allgemeiner  Verbreitung.  Solche  Haütossifi- 
cationen  bilden  bei  den  Schildkröten  durch  ihre  Verbindung  mit  inneren 
Skelettheilen  eine  einseitig  entwickelte  aber  sehr  vollständige  Form  des 
Hautskelets,  sowohl  an  der  dorsalen  Flache  des  Körpers  als  Bücken- 
schild, wie  an  der  ventralen  als  Bauchschild  (Plastron] .  Am  Rücken- 
schilde ist  eine  mediane  Reihe  von  Knochenplatten  aus  den  verbrei- 
terten Wirbeldornen  entstanden.  Lateral  folgen  grossere  mit  rippen- 
artigen Gebilden  in  verschiedenem  Maasse  verschmolzene  Platten,  wozu 
noch  rings  um  den  Rand  jdes  Schildes  besondere  Marginalplalten  kom- 
men. Diese  fehlen  bei  Trionyx.  Am  Plastron  sind  meist  4  paarige 
und  ein  unpaares  Stück  untorscheidbar.  In  der  Verbindungsweise  der 
einzelnen  Stücke  des  Rücken-  und  des  Bauchschildes  sowohl  unter 
einander  als  (bei  ersteremj  mit  inneren  Skeleltheilen  ergibt  sich  für  die- 
Familien  der  Schildkröten  eine  fast  continuirliche  Stufenfolge. 

Wahrend  die  bei  allen  Reptilien  bestehenden  Hautknochen  wahr- 
scheinlich als  eine  Forlsetzung  des  Knochenpanzers,  der  Fische  gelten 
dürfen,  müssen  wir  die  in  einigen  Abtheilungen  der  Saugelhiere  (Eden- 
laten]  vorkommenden  Ossificationen  als  selbständige  aus  Anpassungen 
hervorgegangene  Einrichtungen  beurtheilen.  Schon  aus  dem  Umstände, 
dass  dieser  Panzer  sich  auch  über  den  Kopf  fortsetzt,  wahrend  bis  zu 
den  Reptilien  die  Bepanzerung  des  Schadeis  mit  der  Deckknochen- 
bildung auf  dem  Primordialcranium  zusammenfallt,  geht  hervor,  dass 
hier  die  Integumentbildung  ursprünglich  mit  jener  der  übrigen  Sauge- 
lhiere im  Allgemeinen  gleichartig  war,  und  dass  erst  secundar  Knochen- 
platten sich  bildeten. 

Inneres  Bkelet. 

§  893. 

Von  viel  grösserer  Bedeutung  als  die  vom  Integumente  gelieferten 
Skelet- Gebilde  ist  das  innere  Skelet  Iheils  wegen  seines  höheren 
functionellen  Werthes,  theils  wegen  des  typischen  Verhaltens,  welches 


430  Wirbelthiere. 

sich  in  bestimmt«n.  allgemein  im  WirbeilhlerBtHmm  vererbten  Ein- 
richtungen lu  erkennen  gibt.  Von  Seite  der  Wirbellosen  bieten  nur 
die  Tunicnlen  (vergl.  oben  S.  H4)  Ankntlpfunpspuncie  an  die  nie- 
derste Skelelform  der  Wirbellhiore,  indess  nlle  übrigen  inneren  Slttlz- 
Vorrichtungen ,  wenn  sie  nuch  ^oweblich  mit  der  Skelelsubstanz  der 
Wirbelthiere  übereinkommen,  hei  letzteren  keine  Spur  vnn  lloniolt^ie 
mit  den  Skelelen  der  Wirbellosen  besitzen. 

Als  erster  Zustand  erscheint  das  innere  Skelet  in  Form    eines  die 
Lange  des  Körpers  durchziehenden  slahförmigen  Gebildes,  in  einfachster 
Weise  aus  indifferenten  Zellen  zusammen  {gesetzt  und  umgeben  von  einer 
aus  Abscheidung   dieser   Zellen    hervorgegangenen  HUlle,  die  demnach 
eine  Cuticularhildung  ist.    Wir  l>ezeichnen  diesen  pri- 
mitiven ■  Stützapparat     des     Wirbel  ihierkörpers     als 
'^'  Rllckensaite   (Chorda  dorsalis,   Nolochord) ,  die 

von  ihr  gebildete  Hülle  als  Chorda  scheide   (es). 

Üic  erste  Anlage  der  Chorda  tindet  unmittelbar 
unter  dem  centralen  Nervensysteme  statt,  und  scheint 
wie  dieses  aus  dem  äusseren  Keimhiatte  (Ectoderm) 
gesondert,  welches  also  auch  noch  bei  den  Wirbel- 
thieren  an  der  Bildung  der  Stützoi^ne  betheiligt  ist. 
Das  einheitliche,  jeder  Gliederung  entbehrende  Ver- 
halten der  Chorda  spricht  für  die  Abstammung  dieses 
Organes  aus  einem  ungegliederten  Zustande  des  Oi^a- 
nismus,  womit  auch  sein  frühzeitiges  Auftreten  har- 
monirt. 
Die  Chorda  besitzt  constanle  Lagerungsbeziehungen  zu  den  wichtig- 
sten übrigen  Organen.  Ueber  ihr  liegt  das  centrale  Nervensystem, 
unter  ihr  findet  sich  die  Lcil>cshöhle,  in  welcher  der  Nahrungscanal 
und  die  mit  ihm  zusammenhangenden  Nelienapparate  eingebettet  sind. 
Ebenso  hat  das  Blutgefüsssystem  mit  seinen  I)auplsU4mmen  unterhalb 
der  Chorda  Platz  genommen.  Zur  Umschliessung  des  bezeichneten  dor- 
salen und  ventralen  Raumes  erstrecken  sich  von  dem  die  Chorda  um- 
gehenden Bindegewebe  aus  Fortslltzc  um  beide  RSume  und  senken  sieh 
zugleich  in  die  Körpermuskulatur  ein,  die  dadurch  in  eine  Anzahl  hinter 
einander  liegender  A"bschnitte  getheilt  wird. 

Der  niedere  Zustand  des  durch  die  Chorda  reprSsentirten  Axen- 
sketets  bleibt  hei  den  (.eptocanüern  bestehen ,  eigenihUmliehe  geweb- 
liche  Hodificationen  aufweisend,  bei  allen  Übrigen  Wirbellhieren  er- 
scheint er  nur  in  den  ersten  Enlwickelungsstadien,  und  wird  durch 
neue  Differenzirungen  modißcirt.    Solche  treten  zunächst  an  der  Chorda 

Fig.  191,  Senkreohler  Durchschiiill  durch  die  Caudalregion  des  prin)itiTt-n 
Axenskclets  cincü  Embryo  von  Saimo  salnr,  zur  ErlauleruuH  der  Beziehung  der 
Skel  Dil  lullenden  Schiclitc  zur  Cliorda  (cftl  und  deren  Scheide  [ci].  z  Acuf&erste 
epilheiartigo  Schichle  des  Chordajtcwelies,  n  Rüctcgrnlcnnal,  h  Cnudnlciinil. 
ft  Knorpel  in  den  oiwren  und  unlcren  Dogen. 


Inneres  Skelel.  434 

selbst,  und  dann  in  dem  diese  umgebenden  Gewebe  auf,  welches  man 
wegen  seiner  Beziehungen  zum  späteren  Skelete  als  »skeletogene  Schichte« 
oder  als  »skeletbildendes  Gewebe«  bezeichnet.  Von  der  ersteren 
sind  Veränderungen  der  Ghordazellen  und  der  Chordascheide 
hervorzuheben.  Die  Chordazellen  stellen  ein  dem  Knorpel  ahnliches 
Gewebe  dar,  und  die  Chordascheide  gewinnt  durch  Verdickungen  ihrer 
Schichten  eine  selbständigere  Bedeutung  für  die  Stützfunction. 

§  294. 

Durch  gewebliche  Differenzirung  der  aus  dem  mittleren  Keimblalte 
(Mesoderm)  stammenden  skeletogenen  Schichte  entsteht  um  die  Chorda 
Knorpelgewiebe  (Fig.  194.  k)  und  damit  tritt  die  vorher  nur  angedeu- 
tete Gliederung  des  Axenskelets  in  einzelne  als  Wirbel  bezeichnete 
Abschnitte  auf,  welche  als  der  am  Axenskelete  erscheinende 
Ausdruck  einer  Metamerenbildung  des  Gesa  mmtkörpers 
sich  darstellen  und  durch  ihre  Reihenfolge  die  Wirbelsäule  bilden. 
An  jedem  Wirbel  unterscheiden  wir  den  die  Chorda  umscbliessenden 
Abschnitt  als  Körper  und  mittelbar  oder  unmittelbar  davon  aus- 
gehende, den  dorsalen  und  ventralen  Binnenraum  des  Leibes  um- 
scbliessende  Spangenstücke  als  Bogen.  Die  letzteren  unterscheiden  wir 
nach  ihren  Beziehungen  zu  jenen  beiden  Räumen  als  obere  und  un- 
tere Bogen. 

Mit  der  Gliederung  des  Axenskeletes  in  eine  W'irbelsäule  geht  bei 
den  Cranioten  am  vordersten  Abschnitte  ein  bestimmt  abgegrenztes 
Stück  nicht  in  einzelne  discrete  Wirheisegmente  über.  Dieser  Ab- 
schnitt umschliesst  den  vordersten  Theil  des  primitiven  Rückgratcanals 
und  das  in  demselben  gelagerte  aus  DifTerenzirung  des  vordersten  Ab- 
schnittes des  centralen  ^fe^vensystenls  hervoi^egangene  Gehirn  und  be- 
sitzt eingebettet  oder  angelageit  die  höheren  Sinnesorgane :  Riech-, 
Seh-  und  Htfrorgane. 

Daraus  entsteht  das  primitive  Cranium,  mit  dem  ein  unteres 
Bogensystero  in  Verbindung  steht,  welches  den  vordersten  als  Ath- 
roangsorgan  fungirenden  Abschnitt  des  Tractus  intestinalis  umschliessend 
als  Kiemen-  oder  Visceralskelet  unterschieden  wird.  Cranium 
und  Visceralskelet  bilden  zusammen  das  Skelet  des  Kopfes,  welches 
den  vordersten  Abschnitt  des  gesammten  Skelets  vorstellt.  Die  an  das 
Kopfskelet  sich  anschliessenden  übrigen  Skelelbildungen  werden 
durch  die  mehr  oder  minder  gleichartig  bis  zum  Schwanzende  des 
Körpers  verlaufende  Wirbelsäule  repräsentirt ,  deren  obere  Bogen  in^ 
inniger  Verbindung  mit  den  Korpem  fortbestehen,  indess  die  unteren 
Bogen  neue  Sonderungen  eingehen.  Auf  der  die  Leibeshöhle  um-> 
schliessenden  Strecke  gliedern  sieh  die  unteren  Bogen  an  ihrer  Ver- 
bindung mit  dem  Wirbelkörper  zu  besondern  beweglichen  Spangen 
ab,   welche  die  Rippen  vorstellen. 


432  Wirbelthiere. 

Dazu  kommen  endlich  noch  Skelettheile  der  Gliedmaassen, 
die  durch  besondere  Apparate,  den  Brust-  und  den  BeckengUrtel, 
dem  Rumpfskelete  sich  verbinden.  Ob  diese  wirkliche  Neubildungen 
oder  nur  besondere  Dißerenzirungen  bereils  im  Rumpfskelete  gelegener 
Elemente  sind,  kann  gegenwärtig  noch  nicht  festgestellt  werden. 

Der  knorpelige  Zustand  des  primitiven  Skeletes  wiederholt  sich 
zwar  allgemein  auch  in  den  höheren  Abiheilungen,  spielt  aber  hier  nur 
eine  vorübergehende  Rolle,  indem  Knochengewebe  an  seine  Stelle  tritt. 
Aber  auch  bei  den  knöchernen  Skelettheilen  kommt  für  gewisse  Wachs- 
thumsverhültnisse  dem  Knorpel  noch  eine  grosse  Bedeutung  zu,  z.  B. 
beim  Lrfngewachsthum.  Von  Belang  ist  auch  eine  durch  Kalkeinlagerung 
bedingte  Modification  des  Knorpels,  weiche  nicht  blos  der  Ossiciation 
knorpelig  angelegter  Skelettheile  vorausgeht,  sondern  auch,  als  meist 
oberflächliche  Verkalkung  an  den  Knorpelskeleten  niederer  Wirbeltbiere 
(Selachier]  eine  definitive  Einrichtung  bildet. 


Wirbelsäule. 
§  295. 

Die  Trennung  des  Rückgrates  in  Schädel  und  Wirbelsäule  hat  sich 
bei  den  Leptocardiern  noch  nicht  vollzogen ;  das  gesammte  Axenskelet 
ist  gleichartig.  Bei  den  höbern  Wirbellhieren  —  Cranioten  —  ist  die 
Scheidung  eingetreten.  Die  niedersten  Verhaltnisse  des  Rückgrates 
bieten  Cyclostomen,  deren  weiterentwickelte  Chorda  sammt  ihrer  Scheide 
den  Hauptlheil  der  Wirbelsi&ule  reprUsentirt.  Um  die  Chordascheide 
findet  sich  knorpelartiges  Gewebe,  welches  sich  sowohl  in  seitliche 
Leisten ,  als  auch  in  die  Wand  des  dorsalen  Canals  fortsetzt.  Dieses 
Gewebe  ist  eine  Diflerenzirung  der  continuirlichen  skeletogenen  Schichte 
und  darf  nicht  mit  den  die  Wirbelsegmente  begründenden  Knorpeln 
zusammengeworfen  werden.  Somit  besteht  hier,  streng  genommen, 
noch  keine  Trennung  des  Rückgrates  in  einzelne  Wirbel ,  nur  Spuren 
hiervon  finden  sich  bei  Pelromyzon ,  bei  welchem  die  W^and  des  dor- 
salen Canals  am  vorderen  Abschnitte  einzelne,  oberen  Bogen  ent- 
sprechende Knorpclstücke  umschliesst,  wie  bei  demselben  auch  An- 
deutungen unterer  Bogen  vorkommen. 

Auch  bei  den  Chimären  und  den  DipnoY  persistirt  die  Chorda  in 
ihrem  ursprünglichen  Verhalten.  Bei  den  Chimären  bilden  ringförmige 
Verkalkungen  der  ansehnlichen  C^hordascheide  die  Andeutung  einer 
Segmenlirung  des  Chordarohrs,  allein  sie  entsprechen  keineswegs 
Wirbelsegmenten,  da  sie  in  viel  grösserer  Anzahl  als  letztere  vorkommen. 
Diese  werden  nur  durch  der  Chordascheide  aufgesetzte  Bogenslücke 
vorgestellt,  welche  am  vordersten  Abschnitte  die  Chorda  umwachsen, 
und  auch  unter  sich  verschmolzen,  ein  grösseres  einheitliches  StUck 
an  der  Wirbelsäule  hervorgeben  lassen. 


Wirbetual«  433 

fiei  den  DipnoT  bildtrt  sieb  um  die  piimilive  Cliordascbeide  noch 
ein  besoDderes,  aus  der  sketetogenen  Schichic  hervorgegangenes  Rohr, 
wdchedi  die  knorpeligen,  oberflüchliche  OssiHcalionen  zeigenden  Bc^cn- 
siUcke  aufgeselzt  sind. 

In  hohem  Grade  weiU^r  ausgebildet  erscheint  das  Asenskelet  der 
Selacbier.  Um  die  Chorda  treten  die  Anlagen  oberer  und  unterer 
Knorpelbogen  auf,  welche  die  Chorda  umwachsen,  und  damit  knorpelige, 
liierst  einfach  ringförmig  gcsLaltete  WirbelkOrper  berslellen.  Der  die 
Chorda  direcl  umschliessende  Theil  des  Knorpels  sondert  sich  von  dem 
peripherischen  in  die  Bt^en  sich  fortsetzenden,  und  reprnsentirl  damit 
ühnlich  wie  bei  den  DipnoK  eine  Art  von  knorpeliger  Chordascbeide 
(skelelogene  Chordascheide),  welche  der  primitiven  angelagert  ist. 

Bedeutende  Verschieden  heilen  im  Baue  der  Wirbetsäuie  der  Sela- 

Flg.  19«. 


r 


chier  gehen  aus  der  Art  des  W»chsthunis  der  Chorda  und  ihrer  Scheide 
hervor.  Bei  an  nttcn  Theilen  gleichmassigem  Wnchslhum  stellt  die 
Chorda  bestündig  ein  cylindrisches  Bohr  vor,  an  welchem  die  Wirbel 
nur  durch  die  Bogensttlcke  und  die  ringförmigen  Abschnitte  der 
skMetogenen  Scheide  angedeutet  sind.     Im  anderen  Falle  beginnt  meist 

Vig.  \91.  Scb« malische  Darstellaoft  der  V^rttnäerunRcn  der  Chordi  durch  die 
tleleiUldende  Schichte.  (I.Bni;endurch schnitt.}  c  Chorda,  ci  Chordascheide. 
I  Slielclbildcnde  Schichie.  v  Wirbeikiirper.  iv  Interverlebrale  Partie,  g  Inter- 
vrrtebrale  Geienkbildung. 

A  GleichmBssIg  eotwiclieltes  Cliordarohr  mil-skelelbtldender  Schichte   (Fische.) 

B  Wirbelsäule  mit  inlerverlebralem  Wachstbum  der  Chorda.  Bildung  bicon- 
caver  Wlrbelfcörper  [Fische]. 

C  Intervertebrale  Einscbnttrung  der  Chorda  durch  Knorpel,  mit  Erballung 
eines  verleliralen  Chordaresles  [Amphibien), 

D  IntcrvertebralB  BinsctinitrunR  der  Chorda   (Reptilien,  Vönel). 

E  Vertehrale  Eioschnüning  der  Chorda  mit  Rrhallung  eines  intervertebralen 
KeUes  (Sangfllhiere). 

a>t*>^ai>  Onadri».  II 


434  Wirbelihiere. 

schon  sehr  frühzeitig  ein  interverte1)rales  Wachsthum  der  Chorda 
(Fig.  4  92.  B)^  welche  da,  wo  mit  der  Entstehung  der  Bogenstücke 
der  Wirbel  [v)  sich  zuerst  um  die  Chorda  angelegt  hat,  auf  dem 
früheren  Umfange  bestehen  bleibt.  Aus  diesem  Verhalten  geben  ähn~ 
lieh  wie  in  B  dargestellt,  biconcave  Wirbelkörper  hervor,  deren  Ver- 
tiefungen von  der  intervertebrnlen  Chorda  ausgefüllt  werden.  Hierdurch 
sind  zugleich  die  für  den  Bau  der  Wirbel  fast  aller  übrigen  Fische 
maassgebenden  Verhaltnisse  angebahnt.  Untergeordnete  ModificatioDcn 
bildet  bei  den  Selachiern  Knorpel  Verkalkung,  die  in  mannichfaltiger 
Weise  im  Innern  der  Wirbelkörper  erscheint. 

§  296. 

Bei  den  GanoYden  seh  Hessen  die  niedersten  der  sehr  mannich- 
fachen  Zust^fnde  der  Wirbelsäule  an  die  einfachste  Organisation  der 
Selachier  sich  an.  Ausser  den  oberen  mit  den  Wirbelkörpern  zu- 
sammenhangenden Bogen  betheiligen  sich  bei  den  Stören  wie  bei  Sela- 
chiern und  Chimären  noch  besondere  Schaltknorpel. 

Die  Chordascheide  bildet  bei  den  Stören  bedeutend  verdickt  ein 
ansehnliches  Bohr,  an  w^elchem  eine  Scheidung  in  Wirbel  nur  durch 
die  aufsitzenden  Bogenstücke  angedeutet  wird.  Einige  der  letzteren 
stellen  am  vorderen  Rumpftheile  der  Wirbelsäule  einen  zusammen- 
hängenden, sogar  mit  dem  Schädel  verbundenen  Abschnitt  vor.  Von 
dieser  niedersten  Form  wird  die  Wirbelsäule  der  übrigen  GanoYden 
durch  eine  weitere  Kluft  getrennt.  Bei  Amia  sitzen  ursprünglich 
gleichfalls  getrennte  knorpelige  Bogenstücke  der  Chorda  auf.  Diese 
wird  aber  sammt  den  Bogen  von  einer  Knochcnschichte  umwachsen, 
woraus  nicht  blos  knöchere  Bogen ,  sondern  auch  knöcherne  Wirbel- 
körper hervorgehen.  Wie  bei  den  Selachiern ,  kommen  biconcave 
Wirbelkörper  durch  interverlebrales  Wachsthum  der  Chorda  zu  Stande, 
in  ähnlichem  Verhallen  erscheinen  die  Wirbel  von  Polypterus,  während 
aber  bei  Amia  an  den  Verbindungsstellen  der  Bogen  mit  dem  Körper 
ein  Rest  des  primitiven  Knorpels  sich  erhält,  gehen  die  Knochen- 
schichten bei  Polypterus  vom  Wirbelkörper  auf  die  Bogenstücke  über. 

Am  meisten  verschieden  zeigt  sich  Lepidosteus,  bei  welchem  nicht 
nur  ein  die  Bogen  aussendender  Knorpelbeleg  um  die  Chorda  besieht, 
sondern  auch  intervertebraleF)  in  schnürungen  der  letzteren  zu 
Stande  brintjt.  Die  Chorda  erhält  sich  auf  diese  Weise  im  Innern  des 
Wirbelkörpers  (vertebral)  länger  als  intervertebral,  an  welch*  letzterem 
Orte  eine  Gelenkfläche  sich  bildet,  so  dass  die  opisthocölen  Wirbel- 
körper mit  einander  articuliren.  Hierin  bietet  sich  ein  Anschluss  an 
die  Amphibien  ;Salamandrinen) ,  doch  geht  der  vertebrale  Chordarest 
später  verloren  und  durch  Verknücherung  des  Knorpels  bildet  sich 
ein  knöcherner,  mit  den  oberen  Bogen  continuirlich  verbundener 
Wirbel körper  aus. 


Wirbolxaule.  435 

An  (jcr  Wirbelsaule  der  Toleoslicr  spiell  das  Knorpelgewebe  eine 
unk'rgeonlnele  Bolle  und  nur  in  selieoeo  Fälion  wird  der  primordiale 
Wirbelköi-per  von  ihm  gebildet,  so  dass  im  Vergleiche  mit  den  GanoT- 
tlen,  eine  Bcduclion  der  knorpeligen  Anlage  charakteristisch  wird. 
Diese  Heduction  ist  als  eine  allmähliche  nachweisbar  und  sognr  an 
•■ioer  und  derselben  Wirbelsäule  lüsst  sich  die  von  vorne  nach  hinten 
vor  sich  gehende  Abnahme  der  Koorpelanlage  in  gewissen  Eniwickc- 
lungssladien  erkennen.  In  der  Regel  erscheint  an  der  Chorda  die 
Aolage  von  vier,  oberen  und  unleren  Bogen  luge- 
hflrigen  KnorpelslUcKen,  die  sich  jedoch  in  verschie-^ 
(lencni  Haasse  an  der  Bogenbildung  beiheiligen.  Nur 
seilen  werden  vollsttlndige  obere  Bogen  durch  sie 
bergestelll.  Hit  dem  Aurireten  von  Knochensub- 
sMnz  werden  diese  Knoqiel  meist  ins  Innere  des 
Wirbelkih'pers  eingeschlossen  und  stellen  dann  auf 
srnkrechtemQuerschnitte  ein  schriig  stabendes  Knorpel- 
kreuz vor  (vergl.  Fig.  193.  k  k'],  dessen  Schenkel 
gegen  die  knöchernen  Bogen  gerichtet  sind.  Immer 
ßndel  sich  intervertebrales  Wachslhum  der  Chorda, 
wodurch  der  WirbelkOrper  eine  biconcave  Gestatl  em- 
ptüngl. 

§  «9T. 

Die  WirbelsHule  der  Fische  bietet  nur  eine  vordeiv,  dem  Rumpfe 
entsprechende,  und  eine  hintere  oder  Schwanzre^ion  dnr.  Beide  sind 
durch  das  verschiedene  Verhallen  der  untern  Wirbelforlsiil/e  ausge- 
zeichnet, während  die  oberen  Bogen  in  Verbindung  mit  der  Wirbel- 
säule ihr  gleichartiges  Verhalten  beibehalten,  und  meist  durch  mediane 
Rrht'bungen,  Dorn  fori  Sil  Iz  e ,  »usgeze  lehnet  sind.  Die  untern  Bogen 
MTid  am  Bumpflheile  in  Rljipen,  und  meist  auch  noch  in  diese  tra- 
gende Stucke,  QuerforLsitliie  rPurapophysen)  gegliederl,  die  am  Schwanz- 
theile  bei  Selachiern  und  Gano'rden  noch  auf  indiflerenler  Stufe  stehend 
nul  dem  Wirbelktirper  continnirlich  verbundene  Theile  vorstellen, 
und  nie   die  oberen  B(^en  in  DomfortsiUze  auslaufen. 

Bei  den  TeleuslieiTi  gehen  die  rippen  tragenden  Querfortsätie 
(Parapophysen)  unter  allmühlicher  Convei^enz  am  Ca  u  da  labschnitte  der 
Wirbelsäule  in  unlere  Böge nbildun gen  Über  und  umschliessen  den 
Caudalcanal. 

Das  Ende   der  Sehwanzwirbetsaule,    welche   bei  den  Cyclostomen 

Fig.  191.  Senkrechter  OuerscbniU  dun.-h  die  MiUe  eines  Wirbel«  von  Etiox 
luciuti.  ck  Chorila.  et  Clinrda scheide,  k  k'  Arme  ilett  Knorpelkreuzes,  dnvon  k 
den  oberen,  k'  den  unteren  BoKenanlaiten  entspricht,  h  KnOcberner  unterer  Bogen, 
it  Ruckfirslcansl.  dnriiber  ^tricbfnll»  Knorpel  »\i  Resl  eioer  medisnen  Verbindung 
der  <^reD  Bogeo. 


i36 


Wirbeltbiere. 


wie  bei  den  Dipnol,  bei  Polyptcnis  und  vielen  Teleosliern  unter 
gleichmassiger  Verjüngung  ausläuft,  zeigt  bei  den  meisten  fischen  be- 
deutende aus  der  Entfaltung  der  ScbwanzQosse  erklärbare  Hodifi- 
cationen.  Diese  betreifen  zunttchst  die  unteren  Bogenslticke,  welche  bei 
den  Haien  in  terminal  bedeutend  verbreiterte  DornfortsHlze  auslaufen, 
denen  die  voriUglich  ventral  enlwickelle  Schwanzflosse  angeheftet  ist, 
Wtihrend  dieses  Schwanzskelet  bei  den  meisten  Rochen  wie  hei  Ghi- 
mtlren  sich  rUckbildet,  geht  es  schon  bei  manchen  Haien,  mehr  aber 
noch  bei  GanoTden  (Sltire)  eine  sehr  ungleiche  Differeniirung  ein.  Die 
mächtigere  Ausbildung  der  unteren  DornfortsHlze  ist  nämlich  von  einer 
Rückbildung  der  obern  Dornfortsatze  wie  der  oberen  Bogen  der  lelzlen 
Caudalwirbel  begleitet,  woraus  eine  Aufwilrtskrllmmung  des  Caudal- 
endes  der  Wirbelsäule  resultirt.  Der  bei  den  Haien  untere  Lappen  der 
Schwanzflosse  empfangt  damit  eine  terminale  Stellung. 

Bei  den  übrigen  Gnno'iden  tritt  noch  eine  Verkümmerung  des 
Axeniheiles  der  Wirbelsäule  hinzu,  indem  eine  Aniahl  jler  lelxten 
WirbelkOrper  mit  ihren  oberen  Bogen  sieb  unvollst^indig  oder  gar  nicht 
mehr  entwickelt,  indess  deren  untere  Bogenslücke  erhalten  bleiben, 
niuss  die  Aufwürtskrümmung  nicht  nur  fort)>esleben,  sondern  sie  wird 
in  demselben  Müasse  sich  steigern,  als  Zahl  und  Volumsentfaltung  der 
unteren  BogenslUcke  über  die  oberen  das  Ueliergewicht  gewinnt.  Dieser 
Zustand  erscheint  auf  viele  Teleostier  vererbt  (Fig.  194)  und  setzt  sich 
hier  noch  weiter  fort,  indem  eine  grossere  Anzahl  vqd  Wirbelkürpern 
sich  rückbildet,  und  nur  noch 
durch  unlere  BogenstUcke  vertre- 
ten wird  (Pbysostomen). 

Endlich  verschwinden  die  Wirbel 
völlig  und  die  ansehnliche  senk- 
rechte Platten  vorstellenden  Reste 
der  unU-ren  Rogen  des  Scbwanz- 
theiles  verbinden  sich,  meist  auch 
in  der  Zahl  reducirt,  mit  «nem 
einzigen  das  Ende  der  Wirbel- 
säule darstellenden  Wirbel,  von 
dem  ein  aiifwitrts  gcrich teter  grifl'el- 
fOrmiger  Fortsatz  (llrostyl)  das  Ende  der  Chorda  aufnimmt.  Für  diese 
weitere  Redurtion  liefern  die  Acanthopleri  viele  Beispiele,  bei  denen  das 
allmiihlichc  Schwinden  der  unteren  Bogen  und  das  schliesslicbe  Aufgehen 
der  letzteren  in  eine  dem  letzten  Wirbel  angefügte  senkrechte  Enocben- 
platte  in  verschiedenen  Stadien  nachgewiesen  werden  kann, 

Kig.  )9(.  Knde  der  Sf^hwaiiiwirbelstiulp  eines  jungen  Cyprinoiden.  fWirbel- 
kOrper.  n  Ober«,  h  tinlere  Bogen  (die  knorpeligen  Theile  sind  dureh  Punctiranfi 
nusgeieichnel).  c  Ende  der  Chnrd».  d  Dirkeode  Konchenlamelle.  r  Knwlien- 
Slrahlen  der  Schwanzltossc  nur  tlieilweise  dargestelPI, 


Fig.  tu. 


§  298. 

Bei  den  Amphibienwirbeln  umwacbsl  die  knorpelige  Anlage 
die  Chorda,  und  bildet  durch  intervertebrale  Wucherungen  Ein- 
schnUruDgeu  der  Chorda  (Fig.  t92.  C),  die  bei  vielen  an  diesen  Stellen 
endlich  zergifirt  wird.  Bei  den  Anuren  persistirt  die  Chorda  zwischen 
den  intcrverlebrslen ,  zu  Grunde  g^angenen  Al>scbnitlen,  somit  in 
Hitle  des  Wirbolk  Uppers,  wovon  nur  jene  eine  Ausnahme  bilden,  deren 
WirbelkOrper  sich  auf  der  Cborda  entwickeln,  so  dass  die  lelitere  nicht 
io  die  Wirbel  eingeschlossen,  atimählich  vüllig  sich  rUckbildet  (Hyla,  Bom- 
hinator,  Pelobales  etc.).  Aus^em  inlcrveitebraJcn  Knorpel  gehen  mit  dem 
Auftreten  von  Gelenkflachen  zwischen  den  Wirbel kUrpom  die  Gelenk- 
enden der  letzleren  hervor.  Nur  unvollständig  sind  diese  Inlerverte- 
hralgelenkc  bei  den  Urodelen,  deren  Wirbelkürper  bei  den  Salaman- 
drinen  eine  procOle  Form  besitzen  wie  auch  bei  Pipa  unter  den  Anuren. 

Bei  den  Derotremen  und  Perennibranchiaten 
erhält  der  inlerverlebrale  Knorpel  nur  eine  ge- 
linge Enlwickelung,  so  dass  die  Chorda  von  ihm 
nur  wenig  oder  auch  gar  nicht  cingeschntlrt 
wird.  Sie  erhalt  sich  damit  in  der  ganzen  Lunge 
der  Wirbelsäule  und  bietet  abwechselnd  einge- 
scbnUfte  und  erweilerle  Stellen  dar  i.  B.  bei 
Henobranchus ,  Siredon ,  Henopoma.  Bei  den 
letzteren  tritt  die  Beiheiligung  des  Knorpels  am 
Aufbau  der  Wirbel  beträchtlich  zurück  und  es 
lasst  sich  eine  bei  den  Salamandrinen  begin- 
nende bis .  zu  Proleus  hinführende  Reibe  nach- 
weisen ,  in  welcher  der  Intervertebralknorpcl 
allmählich  rtlckgebildel  wird.  In  demselben 
Maasse  als  diese  Rückbildung  stattfindet,  wird 
der  Wirbel  ähnlich  wie  bei  den  Knodienfischen 
durch  Ablagerungen  von  knöchernen  Schichten 
dargestellt,  so  dass  er  nur  in  geringem  Maasse 
knorpelig  angelegt  ist.  Bildet  der  intervertebrale  Knorpel  nur  eine 
schmale  Zone,  so  lagern  die  Knochenschichl^'n  des  Wirbelkörpers  un- 
mittelbar der  Chorda  auf,  welche  Erscheinung,  so  sehr  sie  auch 
an  ihrem  Bndpuncte  durch  das,  bironcavc  WirbelkOrper  herstellende 
intervertebrale  Chorda wachslhum  an  den  gleichen  Voi^ang  bei  Knochen- 
fischen erinnert,  doch  nicht  von  diesen  her  abzuleiten  ist.  ^ie  er- 
weist sich  vielmehr  als  eine  Ruckbildung,  und  die  mit  knorpeligen 
Wirbelanlageo  ausgestatteten  Anuren  besitzen  den  primitiven  Zustand 
viel  vollständiger,   wenn  man  erwogt,  dass  solche  Verhältnisse  bereits 


438  Wirbelthiere. 

hei  den  Ganolden  (Lepidosteus)  vorkommen,  und  die  knorpelige  Wirbel- 
anlage ein  schon  hei  Selachiern  verbreitetes  Verbältniss  ist. 

Die  Verkümmerung  des  hinteren  Endes  der  Wirhelsäulc  bei  den 
Anuren  Ulsst  eine  geringe  Wirbelzahl  zur  Entwickelung  kommen. 
Mit  dem  Verschwinden  des  Schwanzes  bildet  sich  dann  aus  einigen 
Wirbelanlagen  ein  langes,  dolchförmiges,  gewöhnHch  als  Stcissbein  be- 
zeichnetes Knochenstück  (Fig.  195.  c) ,  so  dass  mit  diesem  höchstens 
zehn  Wirbelsegmente  unterscheidbar  jsind.  In  viel  grösserer  Zahl  er- 
scheinen sie  bei  den  Urodcien :  bei  Amphiuma  bis  über  100,  Meuoponia 
48,  Salamandra  4i,  und  bei  den  Cöcilien  gegen  230. 

Von  den  Fortsätzen  der  Wirbel  sind  die  Querfortsätze  [tr) ,  be- 
sonders bei  Anuren  beträchtlich  entwickelt,  während  obere  üornfort- 
sätze  nur  rudimentär  sind.  Gelenkverbindungen  der  Bogentheile  der 
Wirbel  kommen  an  paarigen  Gelenk fortsätzen  in  allgemeiner  Ver- 
breitung vor. 

Durch  die  Verbindung  des  BeckengUrtels  mit  der  Wirbelsäule 
trennt  sich  nicht  nur  der  Caudalabschuitt  schärfer  vom  Rumpftheile, 
sondern  es  wird  noch  ein  Sacralabschnitt  durch  einen  Wirbel  repräsen- 
tirt,  der  meist  durch  mächtigere,  bei  manchen  sogar,  eine  bedeu- 
tende Breite  erlangende  Querfortsätze  sich  auszeichnet  (Pipa). 

§  299. 

Um  die  Chorda  dorsalis  bildet  sich  bei  den  Reptilien  und  Vögeln 
die  Anlage  der  Wirbelsäule,  ähnlich  wie  bei  den  Amphibien.  Knor- 
pelige Wirbelkörper  senden  eben  solche  Bogenstücke  aus,  die  den  RUck- 
gratcanal  abschliessen.  Auch  die  intervertebrale  Einschnürung  der 
Chorda  besteht  (vergl.  Fig.  192.  />) ,  doch  geht  die  ganze  Chorda  zu 
Grunde.  Eine  Ausnahme  bilden  die  Ascalaboten,  deren  Rückgrat  von 
der  in  vollständiger  Länge  erhaltenen  Chorda  durchsetzt  wird.  Die 
Trennung  der  continuirlichen  Anlage  in  einzelne  Wirbelkörper  geschieht 
bei  Eidechsen  und  Schlangen  durch  die  Trennung  des  Intervertebral- 
knorpels  in  einen  hintereit  Gelenkkopf  und  eine  vordere  Pfanne.  Bei 
Crocodilen  und  Vögeln  dagegen  werden  die  zwischen  den  Wirbelkörpern 
des  Halses  liegenden  Knorpelpartieen  der  Anlage  zu  einem  besonderen  in- 
tervertebralen  Apparate  verwendet,  welcher  der  übrigen  Wirbelsäule 
abzugehen  scheint. 

Die  Ossification  der  knorpeligen  Wirbelsäule  ergreift  Bogen  und 
Wirbelkörper  getrennt,  beide  bleiben  bei  Crocodilen  und  Schildkröten 
von  einander  gesondert,  entsprechend  der  langen  Forldauer  des  Körper- 
wachsthums;  bei  den  sehr  frühe  ihre  definitive  Grösse  erreichenden 
Vögeln  jedoch  tritt  eine  baldige  Verschn»elzung  ein.  Von  den  oberen 
Bogen  erstrecken  sich  Gelenkfortsätze  zu  den  nächst  vordem  und  hinteren 
Wirbeln.  Sie  sind  sehr  entwickelt  an  der  llafswirbclsäule  der  Schihl- 
kröten.     Dornfortsätze  dieser  Bogen  finden  sich  meist  in  verschiedenei» 


Wirbelsäule.  439 

Maasse,  besonders  an  den  Rumpfwirbeln,  bei  den  Grocodilen  und  vielen 
Eidechsen  auch  noch  an  den  Schwanzwirbeln  vor.  Querfortsäize 
nehmen  entweder  vom  Wirbelkörper  selbst,  odef  doch  dicht  an  diesem 
ihren  Ursprung.  Sie  sind  an  det  Rumpf-  und  Schwanzwirbelsäule 
der  Crocodile  ansehnlich  entfaltet,  ebenda  auch  bei  den  Sauriern  indess 
sie  bei  den  Schildkröten  nur  dem  Caudaltheile  zukommen. 

Rippen  sind  bei  Reptilien  und  Vöf^eln  längs  des  ganzen  Rumpf- 
theiles  der  Wirbelsäule  vorhanden,  und  fehlen  nur  der  Halswirbelsäule 
der  Schildkröten.  Die  bei  den  übrigen  Reptilien  beweglichen  Halsrippen- 
rodiroente  verwachsen  bei  den  Vögeln  (Fig.  196.  co)  mit  den  Wirbeln 
und  bilden  mit  Wirbelkörper  wie  mit  Querfortsatz  in  Verbindung  ein 
Foramen  transversarium. 

Untere  Bogen  ßnden  sich  am  Caudaltheile  der 
Wirbelsäule  bei  Eidechsen,  Schildkröten  und  Grocodilen,  Fig.  190. 
wo  sie  sich  immer  zwischen  zwei  Wirbelkörpern  be- 
festigen und  zur  Herstellung  eines  Caudalcanals  bei- 
tragen. Rudimentär  sind  sie  bei  den  Vögeln  vorhan- 
den. Als  ganz  verschiedene  Gebilde  müssen  die  von 
den  Wirbelkörpern  ausgehenden  sogenannten  unteren 
Dornfortsätze  gelten,  die  bei  den  Sehlangen  an  den  meisten 
Rumpfwirbeln  vorkommen  und  auch  bei  Eidechsen  und 
Vögeln  vorhanden  sind. 

In  Vergleichung  mit  den  Amphibien  tritt  an  der  Wirbelsäule  der 
Reptilien  und  Vögel  eine  reichere  Gliederung  hervor.  Durch  die  Ver- 
bindung einer  Anzahl  von  Rippea  mit  einem  Brustbein ,  sondert  sich 
sowohl  ein  Halstheil  der  Wirbelsäule  schärfer,  wie  auch  ein  Lenden- 
theil,  der,»  die  vor  den  Sacralwirbeln  liegende  mit  nur  kurzen  Rippen 
ausgestattete  Wirbelgruppe  umfassend,  bei  Eidechsen  und  Grocodilen  deut- 
lich wird.  Die  mangelnde  Stemalverbindung  der  Rippen  bei  Schlangen 
iässt  hier  die  Sonderung  von  Brust-  und  Halsabschnitt  ebenso  zurück- 
treten, wie  weiter  nach  hinten  auch  eine  Lendonregion  nicht  unterscheid- 
bar ist.  Auch  bei  den  Schildkröten  bieten  die  Wirbel  des  Rumpfes 
ein  gleichartiges  Verhalten  dar.  Die  DitTerenzining  jener  Abschnitte 
ist  jedoch  bei  alledem  keine  scharfe,  insofern  bei  Eidechsen  und 
Grocodilen  wie  bei  Vögeln  die  letzten  Rippen  des  Halstheiles  nur  wenig 
an  Länge  von  den  nächstfolgenden  an  das  Sternum  gelangenden  ver- 
schieden sind.  Aehnliches  gilt  vom  Lendenlheile  der  Eidechsen,  der 
bei  den  Vögeln  sogar  mit  dem  eigentlichen  Sacra  labschnitt  sich  ver- 
bindet. Zu  dem  bereits  bei  Amphibien  bestehenden  Sacralwirbel  tritt 
mindestens  noch  ein  zweiter  ^Fig.  197.  a.  h)  (Eidechsen,  Grocodile, 
Schildkröten),  indess  schon  bei  fossilen  Sauriern  (Pterodactylen,  Dino- 
saurier und  anderen)  eine  grössere  Anzahl  Beckenwirbel  sich  vor- 
findet.    Diese  Einrichtung  steigert  sich  bei  den  Vögeln,  indem  zu  den 

Fig.  196.     Habwirbel  von  Vultur  cinereus.     c  Körper,    p  Bogenstücke. 
s  Dornfortsatz,    vv  Rippenrudiment. 


440 


Wirbeltblere. 


fr> 


i.r 


iwei  ächten  Sacralwirbeln  (Fig.  198.  a.  b)  noch  eine  grössere  Anzahl 
prHsacraler  und  postsacraler  Wirbel  mit  dem  Darmbein  Verbindungen 
eingeht.  Im  sogenannten  Sacrum  der  Vögel  sind  sowohl  ihorakale  als 
lumbale   wie  caudalo   Wirbel   zu   erkennen ,    welche   die  Gesammtzahl 

bis  auf   23    (bei   Strup- 
pig. 497.  Fig.  498.  thionen)  erheben.      Die 

beiden  ächten  Sacral- 
Wirbel  sind  bei  Hühner- 
vögeln, vielen  Schwimm- 
vögeln, auch  bei  Raub- 
vögeln sehr  deutlich 
unierscheidbar,  am  we- 
nigsten bei  Sing-  und 
Kletter  vögeln. 

Die  schwankendsten 
Verhaltnisse  bietet  der 
Caudalabschnitt  dar,  an 
welchem  sowohl  *  bei 
Schildkröten  als  Vögeln 
eine  im  Vergleich  zu 
Eidechsen  und  Groco- 
dilen  bedeutende  Re- 
duction  sich  ausspricht. 
Unter  den  Schildkröten 
ist  jener  AbschniU  bei 
verhältnissmässig  wenig 
geringerer  Wirbelzahl  bei  den  Chelonien  dem  Volum  nach  am  meisten 
verkümmert.  Noch  mehr  reducirt  sich  die  Zahl  und  auch  das  Volum 
der  Wirbel  bei  einem  Theil  den  Flugechsen  (Pterodactyli) ,  während 
ein  anderer  älterer  noch  eine  bedeutende  Schwanzlänge  besass  (Rham- 
phorhynchi) . 

£ine  parallele  Erscheinung  bieten  die  Vögel  dar,  deren  gegen- 
wärtig lebende  Formen  durch  eine  Rückbildung  dieses  Abschnittes 
charakterisirt  sind.  Ausser  der  Reduction  der  Zahl  tritt  bei  den 
Carinaten  auch  eine  Verschmelzung  von  4  —  6  discret  angelegten  Wirbeln 
ein,  woraus  der  letzte  ein  grösseres  Stück  darstellende,  gewöhnlich  als 
»Steissbeina  bezeichnete  Abschnitt  der  Wirbelsäule  hervorgeht,  der  in 
Anpassung  an  die  durch  Entwicklung  der  Steuerfedern  bedingten 
Verhältnisse,  meist  in  eine  senkrechte  Platte  sich  auszieht. 

Fig.  197.'  Sacrallheil  der  Wirbelsäule  eines  Reptils  mit  den  benachbarten 
prae-  und  postsacralen  Wirbeln. 

Fig.  198.     Sacraltbeil  der  Wirbelsöule  eines  Vogels. 

Beide  schematische  Figuren  sind  von  der  ventralen  Fläche  dargestellt  and 
zeigen  linkerseits  die  Nervengeflechte.  Für  beide  Figuren :  a  erster  Sacralwirbel, 
b  zweiter  Sacralwirbel.  1,  2,  8,  4  .  .  .  Präsacral Wirbel.  4',  8',  3',  4' .  .  .  .  Posl- 
sacralwirbel  (Caudalwirbel). 


WirbelMoto.  441 


§  300. 


Bei  den  Süugetbieren  bietet  die  knorpelige  Anlage  der  Wirbel- 
säule durch  ihre  Beziehung  zur  Chorda  dorsalis  eine  bedeutende  Ver- 
schiedenheit, indem  die  Chorda  je  an  den  einem  Wirbclkörper  ent- 
sprechenden Stellen  eingeschnürt  wird,  sich  also  intervcrtebral  länger 
erhält  (vergl.  Fig.  493.  E).  Aus  dem  sie  inlervortebral  umgebenden 
Knorpel  bildet  sich  ein  Zwischenknorpel  (Intervertebralknorpel)  aus, 
in  welchem  der  Chordarest  mit  mehrfachen  Modificationen  als  Gallert*' 
kern  fortbesteht.  Die  Zwischenknorpel  sind  ursprünglich  Theile  des  aus 
der  skeletogenen  Schichte  entstandenen  continuirlichen  Knörpelrohrs. 
Von  den  VVirbelkörpem  aus  erstreckt  sich  der  Knorpel  continuirlich  in 
die  obenan  Bogen,  so  dass  die  Anlage,  des  knorpeligen  \Virl)els  ein 
Ganzes  darstellt.  Sowohl  im  Wirl)elkörper  als  an  den  Bogen  entstehen 
selbständige  Ossi6cationcn  und  die  von  da  aus  verknöchernden  Stücke 
verschmelzen  erst  nach  Abschluss  des  Wachsthums.  Bei  der  Ver- 
knöcherung der  Bogen  erstreckt  sich  der  Process  von  da  aus  auf  einen 
nicht  unbeträchtlichen  Theil  des  Wirbelkörpers,  so  dass  man  den 
knöchernen  Wirbelkörper  beiderseits  von  einem  Theile  des  Bogens  ge- 
bildet betrachten  muss. 

Die  Bogen  bilden  au  den  meisten  Wirbeln  Dornfortsätze.  Bei  den 
ianghaisigen  Ungulaten  (Giraffe,  Kameel,  Pferd)  fehlen  sie  an  der  Hals- 
Wirbeisäule,  sind  dagegen  am  Bumpftheile  bedeutend  entwickelt. 
Letzteres  gilt  auch  von  den  Cetaceen ,  an  deren  Caudaltheil  sie  sogar 
noch  ansehnlicher  sind.  Allgemein  bestehen  Gelenkfortsätze,  ähnlich 
wie  bei  den  Beptilien,  und  nur  bei  den  Cetaceen  haben  sie  Rück- 
bildungen erlitten.  Als  Qüerfortsätze  pflegt  man  sehr  verschiedenartige 
Bildungen  zu  bezeichnen,  die  bald  von  den  Wirbelbogen,  bald  von 
den  Körpern  entspringen.  Den  einfachem  Zustand  bieten  diese  Pro- 
cessus transversi  an  der  Hals-  und  Brustregion.  An  erstcrer  erleiden 
sie  eine  Complication  durch  die  Verbindung  mit  Rippenrudimenten,  die 
mit  ihnen  verwachsend  ein  Foramen  transversarium  umschliessen  helfen. 
An  der  Brust  tragen  sie  gleichfalls  Rippen,  die  ihnen  ventralwärts  ange- 
schlossen sind.  Doch  können  sie  auch  terminal  Rippen  tragen,  wie 
die  hinteren  Brustwirbel  der  Cetaceen.  Beim  Uebergang  der  Brust- 
wirbel in  den  Lumbaltheil  der  Wirbelsäule  erscheint  in  grosser  Ver- 
breitung eine  Differenzirung  der  Querfortsätze  in  drei  besondere  Fort- 
sätze. Nach  vorne  gerichtete,  zuweilen  sehr  ansehnlich  werdende 
Höcker  bilden  die  Processus  uia  miliar  es,  die  auch  auf  die  Wurzel 
der  vordem  Gelenkfortsätze  rücken  können.  Nach  hinten  und  aufwärts 
gerichtete  Fortsätze  stellen  die  Proc.  accessorii  vor,  und  ein  dritter 
Fortsalz  ist  iatt^ral,  häufig  auch  abwärts  gerichtet,  und  bildet  die 
Proc.  transversi  der  Lendenwirbel. 

Die  einzelnen  Abschnitte  der  Wirbelsäule  sind  bei  den  Säuge- 
thieren  schärfer  als  bei  den  Reptilien  und  Vögeln  difTerenzirt.    Vornehm- 


442  Wirbelthiere. 

lieh  ist  es  die  HalsregioD  die,  durch  den  constanten  Besitz  von  7  Wirbeln 
ausgezeichnet,  von  dem  Brustabschnitte  sich  beslimmter  abgrenzt,  indem 
ihre  Rippen rudimenle  zu  den  Brustrippen  keine  allmählichen  lieber- 
gänge  darbieten.  Eine  Vermehrung  der  Halswirbel  bei  Bradypus  auf 
8  oder  9  erklärt  sich  aus  dem  Uebergange  von  Brustwirbeln  in  den 
Haisahschnitt,  ebenso  wie  eine  Verminderung  auf  6  bei  Gholoepus 
und  dem  australischen  Manati  aus  einer  vollständigeren  Entwickelung 
der  Rippe  des  siebenten  Halswirbeis  ableitbar  ist. 

Auch  eine  durch  den  Mangel  beweglicher  Rippen  ausgezeichnete 
Lendenregion  Irilt  deutlicher  hervor.  In  der  Sacralregion  findet  sich 
meist  nur  ein  das  Darmbein  tragender  Wirbel ,  dem  sehr  häufig  noch 
ein  zweiter  sich  ähnlich  verhält.  Seilen  erstreckt  sich  die  Darmbein- 
verbindung noch  auf  einen  dritten  Wirbel,  indem  diese  untereinander 
verschmelzen  und  noch  einen  oder  einige  Gaudalwirbel  mit  sich 
verwachsen  lassen,  bildet  sich  ein  einheitlicher  Abschnitt  als  »Os 
sncruma  aus,  an  welchem  wir  also  die  ächten  Sacralwirbei  von  den 
unächten  aus  Caudalwirbeln  entstandenen  zu  unterscheiden  haben. 
Auch  dadurch  wird  die  Zahl  der  Sacralwirbei  vermehrt,  dass  mit 
der  Wirbelsäule  die  Sitzbeine  sich  verbinden ,  die  in  der  Regel  davon 
ausgeschlossen  sind.  Auf  diese  Weise  entsteht  eine  beträchtliche  Ver- 
längerung des  Sacraltheiles   (bis  auf  8  —  9  Wirbel)   bei  den  Edenlaten. 

Der  Schwanztheil  der  Wirbelsäule  ist  auch  bei  den  Säugethieren 
er  variabelste,  und  bietet  innerhalb  der  meisten  Abtheilungen  sowohl 
Zustände  grosser  Entwickelung,  als  auch  bedeutende  Rückbildungen 
dar.  So  erhebt  sich  die  Wirbelzahl  bei  den  Affen  bis  auf  30,  um  bei 
einigen  selbst  unter  die  Zahl  zu  sinken,  welche  noch  beim  Menschen 
im  sogenannten  Steissbeine  sich  erhalten  hat.   — 

Wie  sich  dadurch  der  letzte  Abschnitt  dem  vordersten  oder  Hais- 
iheil  entgegensetzt,  so  ist  der  zwischen  inne  liegende  bezüglich 
der  Zahlenverhällnisse  minder  constant  als  der  Halsabschnilt,  aber  auch 
minder  schwankend  als  der  Caudaltheil  der  W^irbelsäule.  Die  Zahl  der 
Dorsolumbalwirbel  stellt  sich  sehr  hoch  beiden  Halbaffen  (23  —  24  bei 
Lemur),  bei  Gholoepus  (27),  bei  Einhufern  (24)  u.  a.,  am  höchsten  bei 
Hyrax   (29).     (leringer  ist  sie  bei  den  übrigen  Abtheilungen. 

Innerhalb  der  grösseren  Abtheilungen  spricht  sich  die  gemeinsame 
Abstammung  der  einzelnen  Gattungen  in  einer  ziemlich  vollständigen 
Uebereiustimmung  der  Gesammtzahl  der  Dorsolumbalwirbel  aus.  Für 
die  Bcutellhiere  und  Artiodactylen  ei*geben  sich  durchgehend  19;  und 
ebenso  viel  oder  20  (21  bei  Paradoxurus  und  Procyon)  herrschen  bei 
den  meisten  Nagern,  den  Raubthieren  und  der  Mehrzahl  der  Primaten, 
während  sie  bei  einigen  der  letzteren  auf  18  oder  M  sinkt,  woroil 
zugleich  die  meisten  Ghiropleren  übereinstimmen. 

Wie  bei  gleichbleibender  Gesammtzahl  der  bezüglichen  Wirbel-, 
Brust-  oder  Lendenregion  in  verschiedenem  Grade  sich  ausdehnen,  je 
nachdem  Rippen  bestehen  oder  fehlen ,  möge  folgendes  Beispiel  zeigen. 


Wirbelüllule.  443 

Die  Zahl  der  rippen tragenden  Brustwirbel  beträgt  bei  den  Gattungen 
Felis  und  Ganis  Ti,   Lendenwirbel  7 

bei  Mustela  und  Ursus  t  i,  »  6 

bei  Phoca  und  llyaena  crocuta  15,  »  5 

t>ei  Uyaena  striata  16,  »  4 

Also  dürfen  wir  sagen,  dass  beim  Hunde  in  Vergleich  zu  den  Hyänen 

Rippen    verloren   gingen    und   die  Zahl   der  Lendenwirbel  dadurch  auf 

Kosten  der  Brustwirbel  sich  vermehrt  hat. 

§  304. 

Bei  allen  Diflerenzirungen  der  Wirbel  treffen  sich  die  dadurch 
entstehenden  EigenthUmlichkeiten  in  der  Regel  über  grössere  Strecken 
ausgedehnt,  und  wenn  sie  auch  oft  scheinbar  scharf  begrenzt  sich  dar- 
stellen, so  fehlen  doch  die  vermittelnden  Glieder  nicht  vollständig.  Nur 
an  den  beiden  vordersten  Wirbeln  prägt  sich  eine  ausschliess- 
lich auf  diese  beschränkte  Einrichtung  aus,  die  aus  der  Verbindungs- 
und Bewegungsweisc  des  Schädels  an  dem  RUckgrate  hervorgeht. 

Bei  den  Fischen  bestehen  bei  allen  mannichfaltigcn  Modific^tionen 
des  vorderstim  Abschnittes  des  Rückgrates  keine  auf  die  berührten 
Verhältnisse  direct  bezüglichen  Bildungen.  Erst  bei  den  Amphibien 
beginnt  jene  Modificalion  am  ersten  Halswirbel.  Derselbe  ist  einfach 
ringförmig,  indem  er  gewöhnlich  der  Querfortsätze  entbehrt,  die  nur 
bei  Verschmelzung  mit  dem  folgenden  Wirbel  (z.  B.  bei  Pipa)  vor- 
kommen. Dieser  erste  Wirbel  wird  als  Atlas  bezeichnet.  Bei  den 
Reptilien  bleibt  der  Körper  des  Atlas,  vor  jenem  des  zweiten,  als 
Epistropheus  unterschiedenen  Wirbel  gelagert,  von  seinen  Bogen- 
stücken  getrennt,  und  verbindet  sich  enger  mit  dem  Körper  de^  Epi- . 
stropheus  als  mit  letzteren.  Dabei  entsteht  unter  diesem  Körper  ein 
besonderes,  die  Bogenstücke  ventral  vereinigendes  Stück,  und  bei  den 
Croc^ilen  ßndet  sich  noch  ein  dorsales  SchlussslUck  des  Bogentheils. 
Bei  den  Schlangen  verwuchst  in  der  Kegel  der  dem  Körper  des  Atlas 
entsprechende  Theil  mit  dem  zweiten  Halswirbel ,  und  bildet  vorne  • 
dessen  Zahnfortsatz  und  ebenso  bei  den  Vögeln,  bei  denen  zugleich 
die  ventrale  Bogenverbindung  im  Vergleich ^zu  jenem  »Processus  odon- 
totdes«  eine  bedeutendere  Grösse  erreicht. 

Das  Verhalten  bei  den  Reptilien  repräscntirt  bei  den  Säugethieren 
einen  embryonalen  Zustand,  der  bei  den  Monotrcmen  länger  währt, 
als  bei  den'Uebrigen,  und  selbst  bei  Beutel thieren  häufig  durch  Tren- 
nung des  Atlaskörpers  vom  Epistropheus  fortbesteht.  Sonst  verschmilzt 
der  Körper  des  Atlas  vollkommen  mit  dem  Epistropheus,  und  lässt 
seinen  vordersten  Theil  als  den  Zahnfortsatz  des  letzteren  erscheinen. 
Die  untere  Vereinigung  der  Bogen  wird  bei  Marsupiaten  nur  durch 
ein  Ligament  hergestellt  oder  es  entsteht  an  dessen  Stelle  ein  distincter 
Knochen,  der  bei  den  Monodelphen  als  knöcherne  Spange  die  beiden 
Bogenhälflen  ventral  verbindet. 


444  Wirbelthiere. 

Rippen. 
§  302. 

Als  RippeD  bezeichnet  man  SkelcUheile,  die  aus  den  untern  Bogen- 
stücken  der  Wirbel  hervorgingen,  vorübergehend  oder  dauernd  mit  der 
Wirbelsäule  beweglich  verbunden  sind ,  und  einen  unter  der  Axe  der 
Wiri)elsüule  befindlichen  Raum  (s.  Fig.  199]  spangenartig  umziehen. 
Dieser  Raum  zerfällt  in  zwei,  sowohl  nach  dem  Umfange,  als  nach 
den  eingelagerten  Organen  differenle  Abschnitte,  von  denen  der  vordere 
als  Leibeshöhle  bezeichnet  wird.  Er  birgt  den  Nahrungscanal  und  alle 
damit  zusammcnhUngcnden ,  oder  von  ihm  aus  entstandenen  Organe, 
sowie  den  Urogenilalapparat.  Der  hintere  Abschnitt  setzt  sich  in  den 
als  Schwanz  unti>rschiedcnen  Körperlheil  fort  und  bildet  den  engen, 
zuweilen  in  zwei  übereinander  verlaufende  Theile  geschiedenen  Caudal- 
canal.  So  sehen  wir  die  Vorh^iltnisse  bei  den  Fischen,  bei  denen 
auch  in  der  Gliederung  der  Körperregionen  die  indißerentesten  Zustände 
wallen,  so  dass  wir  diese  Abtheilung  auch  hier  zum  Ausgangspuncte 
nehmen  müssen. 

Eine  Vergleichung  der  Gontenta  der  beiden  Abschnitte  eines  subverte- 
bralen  Raumes  lüsst  eine  zeitliche  Verschiedenheit  ihrer  Volumzustflnde 
wahrnehmen.  Wahrend  im  Gaudalcanal  Blulgefässe  ihren  Weg  nehmen, 
oder  höchstens  noch  Theile  der  Nieren  eingelagert  sind,  in  allen  Fällen 
Organe  deren  Volum  nur  wenig  schwankt^  werden  an  den  Organen 
der  Leibeshöhle  bedeutende,  häufig  in  regelmässiger  Folge  von  Füllung 
und  Entleerung  sich  äussernde  Umfangsscliwankungen  wahrnehmbar. 
Demgemäss  muss  auch  der  Umfang  der  Leibeshöhle  ein  veränderlicher 
sein.  ,  Diesem  Verhalten  ent<sprechen  die  an  den  unteren  Bogen  wahr- 
nehmbaren Einrichtungen.  Diese  Bogen  erscheinen  als  unmittelbare 
Fortsätze  der  Wirbel  am  caudalen  Abschnitt,  un4  sind  unbeweglich; 
dagegen  erscheinen  sie  am  abdominalen  Abschnitte  in  Anpassung 
an  den  veränderlichen  Umfang  des  von  ihnen  umspannten 
Raumes  von  den  Wirbeln  abgegliedert  und  mehr  oder  minder  beweg** 
lieh  den  Wirbel körpern  oder  davon  ausgehenden  Fortsätzen  angefügt. 
Die  letzteren  scheinen  gleichfalls  dem  Bogensjstem  anzugehören.  Wir 
unterscheiden  sie  aber  nicht  mehr  als  »Rippen«,  gemäss  der  oben  ge- 
gebenen Definition.      (Vergl.  auch  §  i94.) 

Somit  betrachten  wir  die  Rippen  als  Differensirungen 
des  unteren  Bogensys  tems,  von  welchem  nach  der  ^Ausdehnung 
des  Leibeshöhle  längs  der  Wirbelsäule  eine  verschieden  grosse  Zahl 
von  Bogenslücken  in  die  freiere  Rippenform  überging.  Diese  die 
Genese  der  Rippen  erklärende  Auflassung  lässt  dann  die  nach  Art  der 
Rippen  sich  verhaltenden,  aber  nicht  mehr  die  Leibeshöhle  umschliessen- 
den  unteren  Bogenbildungen  nicht  als  primitive  Gebilde  beurtheilen, 
sondern  als  solche  die  einmal  Rippen  waren  und  somit  eine  bedeuten- 
dere Ausdehnung  der  Leibeshöhle  voraussetzen. 


Rippen. 


445 


Von  diesen  dem  unteren  Bogensysteme  angßhOrtgen  Gebilden 
sind  also  drei  verschiedene  Zustände  auseinander  zu  hallen:  4)  indiile- 
rente  unlere  Bogen,  die  nur  in  der  Schwanzregion  von  Gyclosiomen, 
Selachiern,  GanoYden  vorkommen,  2)  Rippen  am  Rumpfabschnitte  der 
Wirbelsäule  der  meisten  Fische  wie  der  höheren  Wirbelthiere ,  3)  aus 
Rippen  entstandene  untere  Bogen  am  Caudalabschnitte  der  höheren 
Wirbelthiere. 

§  303. 

Nachdem  die  indifferenten  unteren  Bogen  bereits  hei  der  Wirbel- 
säule ihre  Beachtung  fanden,  liegen  uns  hier  nur  die  Rippen  und  ihre 
Derivate  vor.  Sie  fehlen  nur  den  Leptocardiern  und  Cyclostomen  voll- 
ständig, auch  den  Chimären.  Bei  den  übrigen  Wirbelthierabtheilungen 
treffen  wir  sie  bald  in  rudimentärer  Form,  bald  ausgebildet  und  dann 
von  den  Amphibien  an  zu  einem  ventralen  Abschlüsse  gelangend, 
welcher  durch  ein  besonderes  SkeletstUck,  das  Stern  um,  zu  Stande 
gebraclit  wird. 

Säramlliche  Wirbel  können  Rippen  tragen ,  worin  sich  ebenso  die 
Zusammengehörigkeit  ausspricht  wie  durch  die  häufige  Verschmelzung, 
und  die  stets  eingehaltene  gleichmässige  metamere  Yertheilung. 

Meist  ganz  gleichartig  erstrecken  sie  sich  bei  den  Fischen  von  den 
ersten  Rumpfwirbeln  bis  zur  Gaudalregion.  Niemals  geben  sie  untere 
ventrale  Verbindungen  ein,  denn  \^o  sie  hier  mit  andern  Skelettheilen 
zusammenhängen,  gehören  diese  dem  Hautskelet  an  (GIupeYden).  Rudi- 
mentär treffen  wir  sie  bei  den  Selachiem,  meist  nur  durch  kurze  Knor- 
pelstttckchen  vorgestellt,  ansehnlicher  sind  sie  bei  den  Stören  (Acipenser). 
Sie  sind  entweder  unmittelbar  am  Wjrbelkörper  oder  an  besonderen 
Querfortsätzen  befestigt. 

Die  GanoYden  mit  knöchernem  Skelete  besitzen  die  Rippen  in  voll- 
ständiger Ausbildung.  Am  Caudalabschnitte  der  Wirl>elsäule  gehen  sie 
allmählich  in  untere  Bogen  Über, 
die  anfangs  auf  dieselbe  W*eise 
wie  vorher  die  ächten  Rippen 
mit  den  W- irbelkörpern  verbun- 
den sind ,  gegen  das  Ende  zu 
jedoch  Verwachsungen  eingehen. 
Der  allmählicher  Uebergang  der 
Rippen  in  primäre  untere  Bogen 
ist  hier  unzweifelhaft. 

Bei  den  Knochenfischen 
bieten  sich  bezüglich  der  Rippen 
ausserordentlich  variable  Ver- 
haltnisse  dar.     Häufig   sind  sie 

Fig.  199.     Verschiedenes  Verhalten  der  Rippen  und  der  Querfortstttze  bei  Te- 
leostiern.    e  Wirbel körper.    o  Obere  Bogen,    ti  QuerfortsMtze.    r  Rippen. 


446  Wirbelthierc. 

rudimenUlr  oder  fehlen  voIlstUndig  (Lophobranchier,  Gyniuodonlen  u.  a.  m.). 
Da  die  unleren  Bogen  der  Teleostier  (Fig.  1 99.  uj ,  wie  oben  bereits  her- 
vorgehoben, selbsländii^e  Fortsetze  der  Schwanzwirbel  sind,  die  aus  einer 
Lageveränderung  der  weiter  vorne  Rippen  tragenden  Querfortsütze  her- 
vorgehen, so  ist  erklärlich,  dass  auch  diese  unteren  Bogen  Rippen 
tragen  können ,  wie  solches  bei  vielen  Teleostiern  der  Fall  ist  (Fig. 
4  99.  C).  In  einzelnen  Abtheilungen  der  Physostomen  erleiden  die 
vordersten  Rippen  Umbildungen,  indem  aus  ihnen  mit  der  Schwimm- 
blase sich  «verbindende  Knochen  hervorgehen,  die  sogar  eine  zum  Ge- 
hörorgane leitende  Kette  formiren  (Cyprinoiden). 

Unter  den  Amphibien  bieten  die  Gymnophiona  die  vollkommenst 
entwickelten  Rippen,  die  nur  dem  ersten  und  dem  letzten  Wirbel  ab- 
gehen. Rudimentär  treten  sie  bei  i\en  Urodelen  auf,  meist  kurze,  den 
Querfortsätzen  beweglich  angefügte  SlUckchen  vorstellend.  Auch  der 
Querfortsatz  des  Sacralwirbels  trügt  ein  solches  Rippenrudiment,  welches 
die  Verbindung  mit  dem  Becken  vermillell.  Bei  den  Anuren  sind  sie 
meist  vollst4indig  verloren  gegangen. 

§  304. 

Eine  Verbreitung  der  Rippen  an  allen  Rumpfwirbeln  besieht  bei 
den  Reptilien,  mit  Ausnahme  der  Schildkrölen,  denen  am  Halse  Rippen- 
rudimente zu  fehlen  scheinen,  indess  in  Brust-  und  Luuibalregion 
querforlsalzahnliche  Rippen  vorkommen  die  von  den  Platten  des  Rücken- 
schildes umwachsen  werden  ^S.  429.;.  Den  Eidechsen  und  Schlangen 
fehlt  die  Rippe  des  Atlas.  Während  bei  den  erstem  ein  Theil  der 
Rumpfrippen  mit  einem  Slernum  verbunden  ist  und  dadurch  eine  grössere 
Scheidung  der  rippenlragenden  Abschnitte  der  Wirbelsäule  bedingt,  ver- 
halten sich  die  Rippen  der  Schlangen  vom  zweiten  Halswirbel  an  bis 
zum  Rumpfende  in  ziemlich  gleichartiger  Weise.  Alle  zeichnen  sich 
durch  sehr  bewegliche  Verbindung  mit  der  Wirbelsäule  aus. 

Die  mit  dem  Sternum  verbundenen  Rippen  der  Eidechsen  sind 
immer  in  mehrere  Abschnitte  gesondert,  von  denen  meist  nur  der 
oliere,  verlebrale,  vollständig  ossificirt.  Die  sternalen  Enden  bleiben  in 
der  Regel  knorpelig  und  fügen  sich  nur  zu  wenigen  Paaren  direet  dem 
Sternum  an.  VAno  grössere  Anzahl  verbindet  sich  nicht  selten  luit 
einem  dem  hinteren  Slernalende  angefügten  Knorpel  bogen».  Die  Trennung 
einer  Rippe  in  zwei  Stücke  konmil  schon  an  den  letzten  Halsrippen 
vor  und  bildet  damit  einen  Uebergang  zu  dem  Verhalten  der  Brust- 
rippen. Bei  den  Crocodilen  und  Eidechsen  ist  diese  Differenziruug 
durch  Theilung  des  Slernocoslalstückes  in  zwei  Abschnitte  noch  weiter 
gediehen. 

Die  Verbindung  der  Malsrippenrudimente  mit  der  Wirbelsäule  führt 
bei  den  Vögeln  zwar  an  dem  giössten  Abschnitt  der  Halswirbelsäule 
zu   einer    völligen  Verwachsung,    dagegen    ist  die  Verbindung  an  den 


Rtppeo. 


4*7 


teilten  Halswirbeln  freier,  so  d»ss  sich  aucfa  hier  derselbe  nllmüliliche 
IVher^ng  zu  den  dns  Slernum  erreichenden  Bnisirippeo  darsl^lll. 
Die  letzleren  treffen  sich  wie  bei  den  Eidothsen  in  geringerer  Anzahl 
und  sind  gleicblalls   in  ein  ver- 

lebrales  und  stemales  (Os  sierno-  ^'i-  )00. 

Costa le]  Stück  geschieden.  Die 
vertebralen  Stücke  sind  durch 
rückwärts  gerichtete  Fortsätze 
[vergl.  Fig.  200.  u)  (Processus 
uncinati)  ausgezeichnet ,  welche 
an  den  Körper  der  nächstfolgen- 
den Rippe  sich  anlagern  und  dem 
Thorax  ein  festeres  GefUge  ver- 
leihen. Diese  Einrichtung  ist  von 
den  Bepiilien  her  ableitbar,  denn 
sie  komml  manchen  Situriem 
(Spbenodon)  zu  und  besieht  in 
größerer  Verbreitung  bei  den 
Crocudilen,  wo  solche  Fortsätze 
bereits  an  den  Enden  der  Hals- 
rippen {mit  Ausschluss  des  ersten 
Paares) ,  sowie  an  den  verle- 
bralen  StUcken  der  Brustrippen 
vorhanden  sind.  Bei  den  Vflgehi 
entbehrt  der  ins  Sacrum  aufge- 
nommene Lumballbeil  der  Wirliel- 
sSule  der  Rippen,  dagegen  ßnden 
sich  unzweifelhafte  Rudimente  an 

den  achten  Sacralwirbeln  vor,  no  dass  das  Becken  nicht  direct  mit  den 
Wirbeln,  sondern  mit  den  jenen  angefügten  Rippeiirudimenlen  sich 
verbindet.     A.-hnliche  Rudimente  sind  auch    bei  Crocodilen   erkennbar. 

Bei  entwickelte!  Schwanzregion  der  Wirbels.lute  —  Eidechsen, 
Crocodile,  Srhildkrt)t<n  —  bestehen  den  Caudalcanal  umschliessende 
Rippen rudinienlc  in  Form  unlerer  BogenslUcke,  welche  in  der  Begel 
intervertebral  angefügt  sind. 

I'ei  den  Saugetbieren  sind  die  Halsrippen  vollständig  in  die 
Wirbel  aufgegangen  und  die  selbslündige  VerknOcherung  macht  das  ur- 
sprüngliche Verhaltniss  bemerkbar,  sowie  auch  hin  und  wieder  am 
letzten  Halswirbel  eine  freie  Rippe  erscheint.  Die  in  verschiedener 
Zahl    vorhandenen  Brustrippen    lassen    die  Trennung  in  die  zwei  oben 

Fi);.  300.  Thortii,  Srhuller([Urlel  und  Becken  von  CicoDie  alba,  if  Brust- 
bein, tt'  Ahdominallortsälze  dpssclh^n.  er  i  BrusIbeinLamm.  /'Vorderes  Schlüssel- 
bein (furcala).  c  Coracoid.  s  Scapula.  oi  Osm  Bternocoütalia.  u  Processus  un- 
dtnali.  ip  I>ornrorUaU  des  ersten  Brustwirbels,  fti'  Vergeh  muliene  DorntorlHblie. 
it  Darmbein,     u  Silibein.     p  Scbarubein.     ie  Pfanne  des  Hurtgelenkg. 


448 


Wirbelthiere. 


erwähnten  Stücke  darin  erkennen ,  dass  die  Verknöcherung  nie  die 
ganze  Rippe  gleichmässig  ergreift,  sondern  eine  slemale  Portion  knor- 
pelig lässt.  Wenn  auch  diese  verknöchert  (Edentaten ,  Cetareen) ,  so 
bilden  sie  doch  immer  ein  selbständiges  Stück.  Bei  Ornithorhynchus 
sind  die  fünf  letzten  Rippen  mit  einem  wieder  getheillen  Sternocost^l- 
stücke  versehen,   ähnlich  auch  bei  Manis. 

Nur  die  vorderen  Rippen  erreichen  das  Brustbein.  Die  hinteren 
verbinden  sich  entweder  mit  dem  Slernalende  nüchstvorderer,  oder  sie 
laufen  frei  aus,  und  schliessen  somit  an  rudimentäre  Formen  an,  zu 
w^elch'  letzteren  auch  die  bei  Cetaceen  vorkommenden,  sogar  der  Ver- 
bindung mit  der  Wirbelsäule  entbehrenden  letzten  Rippen  gehören.  In 
der  Lendenregion  sind  die  Rippen  noch  mehr  rudimentär  und  mit  den 
QuerfortSdtzen  verschmolzen.  Dass  der  Querfortsalz  selbst  die  Rippe 
repräsentire,  ist  nicht  begründbar.  Viel  bestimmter  sind  Rudimente  von 
Rippen  an  den  2—3  ersten  Sacralwirbeln  nachweisbar,  wo  sie  wie 
in  den  unteren  Classen  die  Verbindung  mit  dem  Darndiein  vermitteln, 
welches  auch  bei  den  Säugern  niemals  direct  der  Wirbelsäule  ange- 
fügt ist.  Sie  erscheinen  hier  unter  der  Form  den  Querfortsälzen  Beige- 
fügter ventraler  Stücke.  Endlich  bestehen  bei  langgeschvvänzten  Säuge- 
thieren  auch  die  als  unlere  Bogen  erscheinenden  Rippenrudiinente. 

§  305. 

Die  Verbindungsstellen  der  Rippen  mit  den  Wirbeln  liegen 
meist  in  der  Mitte  der  Köi'per.  Wo  nicht  besondere  Fortsätze  die 
Rippen  tragen,  ist  dieses  Verhalten  bei  den  Fischen  allgemein.  Das 
Vertebraiende  der  Rippe  zeigt  sich  daher  meist  etwas  verbreitert,  allein 
es  bleibt  einfach  und  repräsentirt  damit  den  niedersten  Zustand.  Auch 
bei   den    rudimentären  Rippen    der  Amphibien   ist  ähnliches   der   Fall. 

Dagegen  ist  bei  den  Göcilien  das  Vertebrai- 
ende gespalten,  so  dass  es  an  zwei  Stellen 
mit  der  Wirbelsäule  in  Verbindung  steht.  Ein 
ähnliches  Verhalten  zeigen  auch  die  sogenann- 
ten Querfort^älze  mancher  geschwänzten  Am- 
phibien, indem  sie  am  Ursprünge  von  einem 
Ganale  durchsetzt  sind.  Diese  EigenthUm- 
lichkeit  trifft  sich  in  den  höheren  Classen  all- 
gemeiner. Angedeutet  ist  sie  bei  den  Schlangen 
durch  Verbreiterung  der  Articulationsfläche.  Bei  Eidechsen  und  Croco- 
dilen  ist  wie  bei  den  Vögeln  die  Trennung  vollkommen  (Fig.  204),  und 
ein  Schenkel  {ß)  articulirt  mit  dem  Köi^per  (c)„  der  andere  (a)  mit  dem 
von  den  ol)eren  Bogen  ausgehenden  Querfortsatz  (/r)  des  Wirbels. 
Diese  doppelte  Verbindung  mittelst  Capitulum  und  Tuberculum  besteht 

Fig.  204.  Dorsalwirbel  von  Biileo  vulgaris,  c  Körper  de»  Wirbels' mit 
einem  sogenannten  untern  Dornfortsatz,  s  Oberer  Dornfortsai2.  tr  QuerforlssU. 
to  Rippe,     a  Tut>erculum.     ß  Capitulum. 


Fig.  201. 


Siernum.  449 

meist  nur  an  dem  vorderen  Abschnitte  der  Wirbelsäule,  an  Hals-  und 
Brustwirbeln.  In  der  Lendenregion  treten  die  Rippen  an  die  Quer- 
fortsälze  über,  und  die  Sonderung  in  Capitulum  und  Tuberculum 
macht  einem  einfacheren  Zustande  Platz.  Auch  bei  den  Süugcthieren 
besteht  diese  Vereinfachung  der  Verbiudungsweise  nach  hinten  zu. 
Allein  hier  scheint  das  Tuberculum  der  Rippe  der  sich  rUckbildende 
Theil  zu  sein ,  indem  die  Rippe  sich  entweder  direcl  an  den  Wirbel- 
körper fUgt,^  oder  mit  einem  von  diesem  und  nichC  vom  obem  Bogen 
ausgehenden  Querfortsatze  sich  verbindet. 


8  te  FD  a  ID. 
§  306. 

Das  Brustbein  bildet  durch  Aufnahme  mehrerer  Rippenpaare 
den  ventralen  Abschluss  des  durch  letztere  dargestellten  Bogengerüstes 
und  tritt  fast  immer  in  nahe  Beziehungen  zum  Schultergürtel.  Es 
entsteht  aus  einer  mit  den  Rippen  gleichen  Anlage,  indem  es  anfäng- 
lich einen  die  betreffenden  Rippen  jederseils  unter  einander  verbin- 
denden Knorpelstreif  vorstellt,  somit  als  paariger  Skelettheil  erscheint, 
aus  dessen  Verschmelzung  das  spätere  Verhalten  hervorgeht.  Es  tritt 
erst  bei  den  Amphibien  auf,  deren  rudimentärer  Rippenbefund  das 
Stemuin  nur  nu'l  dem  Schultergürlel  in  Verbindung  stehen  liisst, 
so  dass  in  Anbetracht  der  Genese  dieses  Skelettheiles  hier  ein  sehr  ver- 
änderter Zustand  vorliegt.  So  erscheint 
es  bei  den  Salamandrinen  als  eine  breite,  *'*8-  ^<^*- 

dünne  Knorpelplatte^  die  zur  Aufnahme 
der  CoracoYdstUcke  des  SchultergUrtels 
liefe  Falze  zeigt.  Bei  den  ungeschwUnz- 
ten  Amphibien  (Fig.  202.  p]  tritt  es  so- 
gar an  den  hinteren  Rand  der  unter 
einander  median  vereinigten  CoracoYdea 
[co]  und  stellt  auf  diese  Weise  nur  einen 
theilweise  ossißcirenden  Anhang  des  Schultergürteis  vor,  an  dem  sich 
das  hintere  Ende  als  breite  Knorpelplalte  erhält. 

Als  eine  an  das  Sternum  der  Amphibien  eng  angeschlossene  Bil- 
dung erscheint  die  Brustbein  platte  unter  den  Reptilien  bei  Eidechsen 
und  Crocodilen.  Man  trifft  sie  hier  meist  von  rhomboYdaler  Gestalt  und 
in  ähnlichen  Beziehungen  zum  SchultergUrtel  (Fig.  203.  s).  Bei  den 
Eidechsen  bleibt  das  meist  sehr  breite  Sternum  gleichfalls  häufig  voll- 

Fig.  202.  sternum  und  Schultergürtel  von  Rana  temporaria.  p  Körper 
des  Sternum  nach  hinten  in  eine  breite  Knorpclplatle  auslaufend,  sc  Scapula. 
sc*  Suprascapulare.  co  Coracoid  ,  in  der  Medianlinie  mit  dem  der  andern  Seile 
verschmolzen  i.  cl  Clavicula.  e  Kpisternum.  Die  knorpeligen  Theije  sind 
schraffirt. 

Oeg^nVavr,  OraadriM.  29 


(ÜO 


Wirbellhiei 


Fig.  i03. 


stilndii;  knorpeli);  (Fig.  S03,  s).  Meist  verbinden  sich  mit  ihm  nur 
einijie  Rippenpaarc  und  an  seinem  Hinlerrande  entsendet  es  einen  oder 
zwei  gleicbfalls  Rippen  aufnehmende  Fortsätze.  Unpaar  ist  dieser 
Theil  des  Slemums  auch  bei  den  Crocodilen.  In  seinem  paarigen 
Vorkommen  ist  eine  Fortdauer  des  embryonalen  Verhallens  lu  sehen. 
Das  Siels  ossificirle  Slernum  der  Vügel 
ist  die  «eiter  enl»ickelle  Slemalplalle  der 
Repldien,  an  weleher  das  hintere  Stück  nicht 
mehi  zur  Kniwickelung  kommt.  Wie  bei  den 
Reptilien  nimmt  es  nur  wenige  ^bis  6)  Bipjjen- 
paare  .luf  Als  ein  breites,  vorne  stark 
^enolbte^  Knochenstllck  IrüTl  man  es  bei  den 
Raliten  (Strulhionen ,  Apterjxi  (vergl.  Fig. 
20i  n\  Die  Cniinalen  dagegen  sind  durch 
eine  an  der  vorderen  convesen  FlUohe  des 
Bru'itbeines  vorsprinjiende  Crista  ausgeieich- 
nel ,  weiche  als  Oberflüchen  vergrösser  uns; 
für  HuskeiuisiirUnse  dient  Die  Gestalt  des  Sternums  entspriclil  somit 
den  zur  Bewegunp  der  Flügel  dienenden  mächtigen  Muskelmassen,  wie 
auch  der  L'mfang  des  Sternums  und  seiner  Crisla  der  Ausbildung  dfs 
Flugvermi^n.s  gentüss  entfaltet  isl.  Das  hintere  Knde  zeigt  sehr  hüuti|i 
paarige,   durch  Membranen  verschlossene  Oelfnungen    (Fig.  205     (z.   B. 


li.   h  HumiTus-  (X«oli  Bt.A^.: 
n'lwa*   «rlirli^   von  i!*r  SriU 

>n  voroe;.    er»  Crisla  s 


Sleroum. 


451 


Fig.  «07. 


bei  Raub-  und  Schwimmvögeln)  ;  durch  Durchhruch  der  Umgrenzung 
dieser  Oeffnungen  gegen  den  hinleren  Sternalrand  entstehen  unter  einer 
der  Grösse  der  Oeflhungen  entsprechenden  Verkleinerung  des  Slernums 
nach  hinten  gerichtete  Fortsätze  (Processus  abdominales)  und  die 
Oeffnungen  gestalten  sich  zu  membranös  überspannten  Ausschnitten 
!vei^l.  Fig.  206). 

Auch  durch  seine  Verbindung  mit  dem  SchultergUrlel  bietet  das 
Sternum  der  Vögel  enge  Anschlüsse  an  die  entsprechenden  Verhältnisse 
der  Reptilien,  und  trägt  die  CoracoYdea  in  falzförmigen  Vertiefungen 
seines  Vorderrandes  eingefügt. 

Rei  den  Sciugethieren  erscheint  das  Sternum  von  dem  der  vor- 
hergehenden Classen  durch  seine  in  der  Ossification  ausgesprochene 
Gliederung  ausgezeichnet.  Ks  setzt  sich,  wenn  auch  ursprünglich  aus 
zusanmienhiingendem  Knorpel  gebildet,  immer  aus  einzelnen  hinter 
einander  gereihten  Knochen  zusammen ,  die  nicht 
selten  aus  paarigen  Ossißcationskernen  entstehen 
und  an  die  der  Sternalplatte  mancher  Saurier  an- 
gefügten unpaaren  Stücke  erinnern.  Auch  im  Falle 
es  aus  Einem  Knochen  gebildet  erscheint,  sind  im 
Laufe  der  Entwickelung  jene  einzelnen  Abschnitte 
aufgetreten  und  die  einheitliche  Rildung  stellt  nur 
einen  s|>Uteren  Zustand  vor.  In  seiner  Gestalt  treflfen 
wir  zahlreiche  Abänderungen  nach  den  grösseren 
Gruppen  der  S^iugelhiere. 

Die  Reziehung  zum  Schultergürte]  ist  nicht 
ohne  Einfluss  auf  den  Rau  des  Steraums.  Rei 
Verbindung  mit  Schlü.sselljeinen  zeichnet  sich  der 
vorderste  Abschnitt  durch  grössere  Rreite  aus  und 
bildet  das  Manubrium.  Auf  der  Vorderflache  dieses 
besonders  bei  den  fliegenden  Silugelhieren  sehr  an- 
sehnlichen Abschnittes  kann  sich  zur  Oberflilchen- 
vergrösserung  ein  leistenförmiger  Vorsprung  ent- 
wickeln (Fig.  207)  ,  der  functionell  mit  der  Crista 
der  Vögel  übereinstimmt.  Rei  fehlenden  Schlüssel- 
beinen ist  das  Vorderende  des  Sternums  'meist 
schmal ,  wogegen  das  hinlere  an  Rreite  zunimmt. 
Letzteres  setzt  sich  in  allen  FHllen  in  ein  medianes,  hliußg  knorpelig 
bleibendes  Stück  (Fig.  508.  x]  fort  (Processus  xiphoYdes),  welches  sich 
bis  in  die  Rauchmuskulatur  erstreckt. 


Fig.  S08. 


Fig.  207.  Sternum  von  Vespertilio  murinus.  s  Sternum.  c'  Crisla. 
ei  Ctavicula.     c  Rippen. 

Fig.  208.  Sternum  von  Cervuscapreolus.  se  Rippenlcnorpel.  rcScKwerl- 
fortsatz. 


29 


452 


Wirbellhiere. 


Epislernum. 
§  307. 

Mit  dem  Sternum  erscheint  in  grosser  Verbreitung  ein  besonderer 
Skelettheil,  der  wegen  seiner  Beziehung  zum  Sternum  als  Epislernum 
bezeichnet  wird,  und  in  zwei  nach  Entstehung  und  Verbindungsweise 
verschiedenen  Formen  vorkommt. 

In  der  einen  wird  das  Episternum  durch  niemals  knorpelige  Kno- 
chengebilde vorgestellt,  welche  der  ventralen  Flache  des  Sternum  auf- 
liegen. So  erscheint  es  bei  den  Reptilien.  Hier  bildet  es  meistens 
ein  kreuz-  oder  T-förmiges  KnochenstUck  (Fig.  203.  /) ,  dessen  beide 
Aeste  die  Schlüsselbeine  tragen,  während  das  MittelstUck  sich  dicht  an 
das  Sternum  schliesst,  oder  sogar  mit  ihm  verwächst  (AscalabotenU  Bei 
den  Crocodilen  sind  mit  den  Schlüsselbeinen  auch  die  Queräste  des 
Episternums  verloren  gegangen,  und  bei  Jen  Chamäleonten  fehlt  das 
ganze  Episternum.     Auch  bei  den  Vögeln  wird  es  vermisst. 

Die  zweite  Gruppe  der  Episternalbildungen  besteht  aus  knoi*pelig 
präformirlen  Skelettheilen.  Die  ungeschwänzlen  Amphibien  besitzen 
ein  hieher  gehöriges  Gebilde  (vergl.  Fig.  202.  e)  als  ein  durch  die 
CoracoYdstUcke  vom  Sternum  getrenntes  und  vor  dem  SchultergUrlel 
gelagertes  Knochen  stück. 

Fig.  24  0. 


Bei  den  Süugethieren  endlich  bildet  das  Episternum  stets  ein 
Zwischenglied  zwischen  Sternum  und  Schlüsselbein.  Es  erscheint  am 
vollständigsten  bei  den  Monotremen  als  ein  dem  Sternum  angefügter, 
in  zwei  seilliche  Aeste  auslaufender  Knochen.  Bei  den  Beuteithieren 
(Didelphys)   bleiben  die  seitliehen  Aeste  knorpelig   (Fig.   209),  während 

Fig.  ä09.  Epislernum  mit  seinen  Verbindungen  von  einer  jungen  Bealel- 
ralle.  5/  Vorderes  Ende  des  Sternums  (os^^ificirl).  ep  Episternum  (knorpelig'. 
cl  Clavicuin.     c  Die  heiden  ersten  Rippen. 

Fig.  «10.  Episternum  vom  Hamster,  von  der  dorsalen  FIttcbe  gesehen.  In 
den  knorpeligen  Episternalien  belindcn  sich  Knochenkerne.  Bezeichnung  wie  an 
voriger  Figur. 


Kopfskelet.  '     453 

das  Mittelsttick  mit  dem  Sternum  verschmilzt,  durch  welche  Verbindung 
bei  Anderen  eine  Auflösung  des  Episternum  herbeigeführt  wird.  Dann 
erscheinen  nur  die  seillichen  Stücke  (Fig.  210)  entweder  als  Knorpel, 
oder  auch  als  knöcherne  Theile  und  schliessen  sich  dem  Sternalende 
der  Ciavicula  an,  wofür  Nagethiere  und  Insectivoren,  sowie  auch  Eden* 
taten  viele  Beispiele  bieten.  Bei  den  Primaten  gehen  diese  Episternal- 
gebilde  noch  weitere  Rückbildungen  ein,  indem  sie  als  platte,  zwischen 
Sternum  und  Schlüsselbein  gelagerte  KnorpelstUcke  auftreten,  welche 
nicht  als  einfache  Zwischenknorpel  des  Sternociaviculargelenks  sondern 
als  Rudimente  eines  in  den  niederen  Abtheilungen  der  Säugethiere 
sehr  ausgebildeten  Apparates  anzusehen  sind. 


Kopfskelel. 
§  308. 

Der  indifferente  Zustand  eines  Kopfes  bei  den  Acrania  IHsst  auch 
kein  discretes  Kopfskelet  unterscheiden,  denn  der  vordere  über  der 
Atbemhöhlc  sich  hinziehende  Thoil  der  Chorda  ist  von  dorn  hintern  eben- 
sov^enig  verschieden  als  der  ganze  dorsale  Abschnitt  jenes  Vordertheils 
vom  dorsalen  Hinterlhcile  des  Leibes  diflerente  Verhältnisse  darbietet. 
Sowenig  aber  der  Kopf  der  Cranioten  als  eine  absolute  Neubildung 
gelten  kann,  ebensowenig  kann  dies  von  einem  Kopfskelet  angenommen 
werden,  und  wenn  nun  bei  Amphioxus  der  vordere  respiratorische 
Körperabschnitt  dem  Kopfe  der  Graniota  potentia  entspricht,  so  müssen 
auch  die  dort  vorhandenen  Skelettheile  einem  Kopfskelet  potentia  homo- 
log sein.  Dies  betrifft  jene  Chordastrecke  sammt  dem  von  ihr  aus  den 
Vordem  Abschnitt  des  Centralnervensystems  umschliessenden  Gewebe, 
sowie  das  Gerüste  der  Athemhöhle. 

Bei  den  Cranioten  ist  dieser  vordere  Körpertheil  vom  hintern  nicht 
blos  am  ventralen ,  sondern  auch  am  dorsalen  Abschnitte  different, 
und  empfängt  mit  der  Veränderung  seines  funclionellen  Werthes  durch 
Beziehungen  zu  zahlreichen  anderen  Organen  bedeutende  Eigenthüm- 
liohkeiten,  die  ihn  als  Kopf  unterscheiden  lassen  und  ihm  damit  eine 
SuperioriUit  über  den  übrigen  Leib  zugestehen.  Er  steht  in  Beziehung 
zu  dem  Eingange  des  Nahrungscanals,  trägt  die  wichtigsten  Sinnes- 
apparate und  birgt  in  seinem  Binnenraume  das  Vorderende  des  zum 
Gehirne  entfalteten  centralen  Nervensystems.  Durch  diese  Verhältnisse 
wird  diesem  Skeletabschnitt  nicht  nur  ein  bedeutenderes  Volumen, 
sondern  auch  eine  sehr  verschiedenartige  Ausbildung  einzelner  Ein- 
richtungen zu  TheiL 

An  dem  Kopfskelet  sind  h]  der  Schädel  und  2)  das  Visceral- 
skelet  unterscheidbar. 

4)  Als  Schädel  (Cranium)  bezeichnet  man  den  in  der  Fortsetzung 
des  Rückgrates  liegenden,    ein  Gontinuum  bildenden  Theil  des  Axen- 


454  WIrbelthiere. 

skelets,  der  mit  erslerem  eine  Reihe  von  EiDrichtungen  gemein  hat, 
indem  er  den  Körperlheilcn  und  oberen  Bogen  von  Wirbeln  entspricht. 
Dieses  findet  sicli  nicht  blos  in  der  übereinstimmenden  Textur  ausge- 
drückt, sondern  auch  in  den  Slruclurverhaltnissen,  besonders  insofern 
sie  auf  das  centrale  und  peripherische  Nervensystem  Bezug  haben, 
angedeutet.  Auch  die  Chorda  dorsalis  setzt  sich  eine  Strecke  weit  in 
den  Basaltheil  dos  Craniums  fort,  bald  dauernd,  bald  nur  vorUl>er- 
gchend.  Durch  die  Ausbildung  höherer  Sinnesorgane  kommt  dem 
Cranium  eine  weitere  Bedeutung  zu,  sowie  es  auch  an  mannichfache, 
durch  jene  bedingte  Verhältnisse  formell  sich  anpasst.  So  entstehen 
dem  Cranium  theils  ein-  theils  angelagerte  Räume  für  die  Sinnesorgane 
und  deren  llilfsapparate.  Kin  hinterer  Abschnitt  umschliesst  jederseils 
das  Hörorgan  und  kann  damit  als  Ohrkapsel  unterschieden  werden. 
Darauf  folgt  jederseit^  nach  vorne  zu  eine  die  Augen  beherbergende  Ein- 
buchtung (Orbita),  indess  am  vordersten  Theile  Gruben  oder  Höhlungen 
zur  Aufnahme  des  Riechorganes  bestehen.  Der  ursprüngliche  Zustand 
dieses  Craniums  ist  knorpelig,  er  bildet  das  »Pri  mordialcraniumt'. 
2)  Mit  dem  knorpeligen  Schädel  verbindet  sich  ein  den  Anfang 
des  Nahrungscanais  umschliessendes,  ursprünglich  gleichfalls  knorpeliges 
Bogensystem,  eine  den  Rippen  der  Wirbelsäule  im  Allgemeinen  ähn- 
liche Einrichtung.  Die  einzelnen  Bogen  sind  verschieden  gestallet,  ver- 
weisen aber  sämmtlich  auf  eine  primitive  Gleichartigkeit,  so  dass  die 
Mannichfaltigkeit  ihrer  Form  aus  einer  aus  verschiedenartigen  Anpas- 
sungen hervorgegangenen  Difierenzirung  ableitbar  ist. 

§  309. 

Die  oben  angeführten  Beziehungen  des  Kopfskelets  zur  Wirbel- 
säule riefen  Versuche  hervor  im  ersteren  eine  Zusammensetzung  aus 
einzelnen  den  Wirbeln  gleichartigen  Abschnitten  zum  Nachweis  zu 
bringen,  wonach  das  Kopfskelet  nur  als  eine  Modification  der  Wirbel- 
säule erschien.  Man  fand  dabei  wesentlich  in  dem  Verhalten  einzelner 
Segmente  des  knöchernen  Schädels  die  Anhallepuncte  zu  jener  Ver- 
gleichung ,  die  sich  jedoch  in  dem  Maasse  unsicher  herausstellte ,  als 
sie  nur  das  spätere,  bereits  ossificirle  Cranium  in  Betracht  zog.  Zudem 
müssen  die  den  einzelnen  3,  4  oder  5  sogenannten  »Schädel wirlieln^^ 
zugetheilten  Kopfknochen  als  sehr  verschiedenen  Ursprungs  gelten  und 
stellen  zum  Theile  sogar  dem  Schädel  ursprünglich  ganz  fremde  Ge- 
bilde vor. 

Die  Untersuchung  der  knorpeligen  Primordialcranien  niederer  Wirbel- 
thiere  besonders  mit  Bezugnahme  auf  die  aus  dem  Cranium  tretenden 
Nerven  lehrt  nun,  dass  am  Kopfskelele  allerdings  noch  Spuren  einer 
ursprünglichen  Zusammensetzung  den  Wirbeln  homodynamer  Met<imeren 
erkennbar  sind,  aber  ebendadurch  wird  dargclhan  dass  diese  Mctamerio 
des  Craniums  mit  der  am  knöchernen  Cranium  theilweisc  bestehenden 
Segmentirung  in  keiner  Weise  congruent  ist. 


Kopfskelel.  455 

Diese  andere  Auffassung  gründet  sich  vorzüglich  auf  folgende 
Verbältntsse : 

4)  Es  ist  nachweisbar,  dass  die  Bogen  des  Yisceralskelets  dem 
Cranium  angehörigc  untere  Bogenbildungen  vorstellen. 

2)  Zwischen  den  Visceralbogen  und  den  unteren  Bogen  der 
Wirbelsäule  ist  eine  Honiodynauiie  zu  erkennen,  folglich  wird 

3)  das  Cranium  einem  Abschnitte  der  Wirheisäule  entsprechen 
müssen,  der  ebenso  viele  WirbcJ  begreift  als  Visceralbogen  an  ihm  vor- 
kommen. 

4)  Am  Cranium  selbst  besieht  eine  Reihe  von  wichtigen  Ueber- 
einstimmungcn  mit  der  Wirbelsäule. 

aj  Die  der  W^irbelsaulc  zu  Grunde  liegende  Chorda  dorsalis 
durchsetzt  einen  Abschnitt  des  Craniums  in  denselben  Ver- 
hältnissen wie  an  der  Wirbelsäule. 

b)  Sämmtliche  an  diesem  Abschnitte  austretende  Nerven  ver- 
halten sich  homodvnam  mit  RUckcnmarksncrven. 

c)  Die  Verschiedenheiten,  welche  das  Cranium  von  der  Wirbel- 
säule besitzt,  sind  als  Anpassungen  an  gewisse  ausserhalb 
des  Cnuiium  entstandene  Einrichtungen,  somit  als  erworbene 
Zustände  erklärbar.  Sie  lassen  also  einen  Befund  voraus- 
setzen ,  in  welchem  das  Cranium  noch  nicht  jene  Eigen- 
thümlichkeiten  besass,  somit  noch  nicht  von  der  Wirbelsäule 
diflerent  war. 

5]  Die  DifTerenzirung  des  Craniums  besteht  also  wesentlich  in  der 
CoQcrescenz  einer  Sun)me  von  Wirbeln,  (wie  solche  Concrescenzen  auch 
an  der  Wirbelsäule  vorkommen)  und  der  Modification  des  so  continuir- 
licb  gewordenen  Abschnittes  durch  theils  von  aussen  her,  theils  von 
innen  her  (durch  die  Entfaltung  des  Gehirnes)  wirkende  umgestaltende 
Einflüsse. 

6)  Da  nur  an  dem  von  der  Chorda  durchsetzten  Abschnitte  des 
Craniums  das  Verhalten  der  Nerven  mit  RUckenmarksnerven  überein- 
stimmend nachgewiesen  werden  kann,  ist  nur  dieser  Abschnitt  von 
Wirbeln  ableitbar,  und  diesem  gehört  zugleich  das  Visceralskelet  an. 
Dieser  Theil  des  Craniums  ist  somit  als  vertcbraler  von  dem  vordem 
oder  evertebralen  zu  sondern,  der  keine  Beziehungen  zu  Wirbeln 
erkennen  lässt,  und  wohl  eine  secundare,  vom  vertebralen  Abschnitte 
aus  entstandene  Bildung  vorstellt. 

Die  Zahl  der  in  das  Cranium  eingegangenen  Wirbel  ist  bis  jetzt 
in  ihrem  Minimum  auf  9  bcstimmljar,  womit  nicht  ausgeschlossen  ist, 
dass  sie  sogar  noch  viel  beträchtlicher  war.  Mehrfache,  auf  eine  statt- 
gefundene Rückbildung  von  Visceralbogen  verweisende  Thatsachen  im 
Gebiete  der  Verbreitung  wie  der  Ursprungsverhältnisse  der  Nerven  bei 
niederen  Cranioten  verweisen  auf  jene  Annahme.  Nicht  minder  steht 
hiei*mit  das  Verhalten  von  Amphioxus  in  Einklang,  wo  noch  eine  beträcht- 
liche Summe  von  Visceralbogen  fortbesteht.     Der  ganze  längs  des  Vis- 


456 


Wirbeltbiere. 


ceralskelets  sich  erstreckende  Abscbnitt  des  primitiven  Rückgrates  bei 
Amphioxus  würde  also  dem  bei  den  Craniolen  ins  Cranium  überge- 
gangenen Abscimitt  des  Axenskelels  homolog  zu  erachten  sein. 


Schädel. 
§   309a. 

Die  Schüdelbildungen  der  Craniott^n  sondern  sich  in  zwei  sehr 
weit  von  einanderstehende  Abtheilungen.  Bei  der  einen  ist  das  oben 
erwflhnle  innere  Visceralskelet  ausgebildet  und  zeigt  seine  vordersten 
Abschnitte  zu  Kieferlheilen  geslall4»l,  die  durch  direcle  oder  indirecle 
Verbindung  mit  dem  Cranium  dasselbe  in  «einer  (Jestaltung  beein- 
flussen. Die  Gnathustomen  bieten  in  dem  Besitze  dieser  Verhältnisse 
Zeugnisse  gemeinsamer  Abstammung.  Die  andere  Form  ist  bei  den 
C  y  ei  OS  to  m  e n  repräsenlirt,  die  durch  den  Mangel  jenes  Visceralskelels 
und  seiner  Derivate  sich  auszeichnen. 

Die  Chorda  setzt  sich  in  eine  das  Gehirn  umschliessende  Kapsel 
fort,  welche  im  Vergleiche  zu  den  übrigen  dem  Schädel  zuzurechnen- 
den Skelettheilen  beträchtlich  klein  erscheint.  Bei  Petromyzon  sind 
dieser  Kapsel  (Fig.  2H.  d)  seitlich  zwei  das  Gehörorgan  aufnehmende 
Ausbuchtungen  (Gehörkapseln)  (/)  angefügt,  unter  welchen  zwei  diver- 
girende,  dann  bogenförmig  nach  vorne  verlaufende  Spangen  entspringen. 
Diese  verbinden  sich  vorne  mit  einem  von  der  Hirnkapsel  ausgehenden 
Fortsatze.     Deiii   vorderen  oberen  Theile   der   letzteren   sitzt  eine  un- 

paare,  bei  Myxinolden  und  Petromyzonlen 
sehr  verschieden  gestaltete  Nasenkapsel 
{g)  auf,  und  unter  dieser  entspringt  bei 
letzteren  eine  breite  Knorpelplatte,  welche 
einen  complicirten ,  zum  Theile  aus  un- 
paarigen Knorpeln  bestehenden,  die  Mund- 
öffnung von  oben  her  Umschliessenden 
Apparat  (/.  A'.  /.  tHj  als  festen  Rahmen  des 
Gaumen  -  Schlundgewölbes  unter  sich  ge- 
lagert hat.  Nach  hinten  setzt  sich  die 
Schädelkapsel  «in  das  Rückgrat  fort,  auf 
dessen  Seite  vom  Basaltheile  des  Schädels 
bei  den  Petromyzonten  sich  noch  ein  Paar 
Knorpel  leisten  erstreckt. 

Fig.  %M.  Schädel  und  Anfang  der  Wirbelsäule  von  Petromyzoo  inariaas. 
A  Senkrechter  Langendurchschnitt.  B  Ansicht  von  oben,  a  Chorda  dorsahs. 
b  RückgratcanflI.  c  Rudimente  von  Bogenslücken  der  Wirbel,  d  Knorpeliges 
Schädelgewölbe,  d'  Membranöser  Thoil  des  Srliadelgc\solbcs.  e  Basis  cronii. 
f  Gchörknpscl.  g  Nasenkapsel,  g'  Nasengaumengang.  gr  Blindes  Ende  des- 
selben, h  Forlsalz  des  knöchernen  Gaumens,  i  Hintero  Deckplalle  des  Mundes. 
k  Vordere  Deckplalle.     /  Lippenring,     m  Anhang  desselben.     (Nach  J.  Mvllkk./ 


§  3ie. 

Die  iweil«  Form  des  Schüdds  wird  durch  die  VerhindanK  mit 
einem  die  MundfitTnung  umschlit'SKrndrn  Skelelapparate  »usgezeichnet, 
der,  aus  etDom  .ViscerallM^en  heivoi^egangen,  sich  in  verschiedenem 
Maasse  mit  dem  Schitdcl  verlnndet,  so  jedoch,  dass  in  allen  Fällen 
ein  onleror  AI)schniU  als  Unleriiefcr  in  freier  Beweglichkeit  bleibt 
[Gnalbostonien) . 

Dieser  Visceral  bogen  ist  in  suei  als  Kiefer  fungiiendc  Sltlrke  dJfTe- 
renzirt,  von  denen  das  obere  als  Palalo-Quadrntuni  bezeic^inel  wird, 
während  das  mit  diesem  arliculirende  untere  SlUek  als  Unterkiefer 
erscheint.  Das  Palalo-Quadraluin  arLictiMrt  mit  der  Schüdelbasis,  setzt 
sich  aber  bei  horizontaler  Ausdehnung  auch  nach  hinten  mit  dem 
iweilen  Visceral  bogen  in  Zusammenhang,  dessen  oberes  SHlck  gleich- 
falla  mit  dem  Schädel  beweglich  verbunden  ist.  Den  unt«rn  Abschnitt 
dieses  flogens  bildet  das  Zungenbein.  Indem  jenes  erste  SlUck  des 
ineilen  Bogcns  haußg  bedeutender  sieh  entwickeil,  gewinnt  es  den 
Aoschein  eines  Trageap parates  der  lieiden  aus  dem  ersten  Bogen  her- 
vorgegangenen primitiven  Kiefertbeile,  und  wird  als  llyoniandibulare 
beteichnei.  Vor  dem  Kieferbogen  liegen  KnorpelstUcke  in  Ober-  und 
Inlerlippe  eingcbettcl,  die  vielleicht  als  Rudimente  anderer  Visreral- 
bogen  zu  deuten  sind  (Lippenknorpel). 

Die  vom  Visceralskclete  in  engere  Beziehung  zum  Schädel  tretenden 
Theile  sind  also  folgende : 

1)   Der   vordere  Labial-  Fig.  m. 

knorpel  (Fig.  Hi.  a] ,  aus 
dem  oberen  Abschnitte  eines 
ersten  Bogen s  bestehend. 

%)  Der  hintere  Labial- 
knorpel, aus  einem  oberen 
und  unteren  Abschnitte  zu- 
sammengesetzt {b,  c). 

3)  Der  Kieferbogen  (/), 
wiederum  aus  zwei  Stücken 

gebildet,    dem    oberen  —  Palato - Quadralum  —    (o)   und  dem  unteren 
—  Unterkiefer  —  (u). 

i)  Der  Zungenbein  bogen  (//) ,  von  dem  nur  das  obere  Stltck, 
iHjomandibularej   nähere  Beziehungen  zum  Schädel  eingeht. 

An  san)mtlichen  Bogen  des  Visceralskeletes  —  mit  Ausnahme  der 
Ubialknorpel  —  linden  sich  einzelne  nach  hinten  gerichtete  Knorpel- 
slähohen   angereiht,    welche  die  Kiementaschen  stutzen,  und  als  Kie- 

Kig  na.  Schaitcl  und  VisceralsU'lel  eines  Solachicrs  (Sctiema,.  occ  Oc- 
eipUlrcgioii,  fa  l^byrinthwaod,  orb  AU|;eiiNi>hle.  tUi  Ethmoidslrogion.  n  Nsmii- 
grutie.  a  Erster,  b,  r  zweiter  Uppcnkiiurpel,  o  Oberer,  u  unterer  Abgclinitt  des 
Kieferbogens  /.     II  Zungenbein  bogen.     III— VIII  (1—6)  KieuMubogen. 


458  Wirbeltbiere. 

roenstrahlen  bezeichnet  werden .  Sie  gehen  vielfache  Modificationen 
ein  und  treffen  sich  am  Palato-Quadratum  in  beschränkter  Zahl  in  der 
Wand  des  eine  rudimentäre  Kiementasche  vorstellenden  Spritzloches 
(Spritzlochknorpclj. 

Wahrend  wir  diese  Theiie  des  Visceral skclets  mit  dem  Schädel  zu 
betrachten  haben,  werden  die  tlbrigen  Bogen  (///— F///)  des  Visceral- 
skelets  weiler  unten   (§.   823)   vorgeftlhrt. 

Das  geschilderte  Verhalten  des  Kopfskelels  treffen  wir  bei  den 
Selachiern  entfaltet.  Alle  Theiie  bestehen  aus  Knorpel,  der  in  der 
Regel  eine  dünne  vorknikle  Schichte  als  Ueberzug  hat,  aber  niemals 
verknöchert.  An  der  knorpeligen  SchUdelkapsel  machen  sich  einzelne 
Regionen  bemerkbar.  Der  vorderste  Abschnitt  bildet  die  EtbmoYdal- 
region.  An  ihre  üntertlächc  lagert  jederseits  eine  die  Riechschleimhaut 
tragende  Grul)e  (Nasengrube).  Zwischen  denselben  sendet  der  Schädel- 
knorpel häufig  einen  Fortsalz  (Rostrum)  nach  vorne.  Der  darauf 
folgende  etwas  schmalere  Abschnitt  bildet  mit  seinen  Vertiefungen  die 
Orbitae,  welche  von  oben  und  von  hinten  her  von  einem  Knorpeldachc 
überragt  werden  können.  Endlich  sehen  wir  den  breitesten  Theil  den 
hinteren  Abschluss  der  Kapsel  bilden.  Er  umschliesst  seitlich  das 
Ohrlabyrinth  und  geht  an  der  hinteren  Fläche  in  die  llinterhauptregion 
über,  welche  bei  manchen  Haien  sogar  continuirlich  in  die  Wirbel- 
säule sich  fortsetzt   (Notidani). 

Sowohl  Palato-Quadratum  als  Unterkiefer  sind  mit  zahntragender 
Schleimhaut  bedeckt.  Dem  Palato-Quadratum  ist  hinten  das  Hyoman- 
dibulare  angefügt,  um  entweder  direct  ins  untere  Stück  des  Zungen- 
beinbogens  sich  fortzusetzen  (Notidani)  oder  gegen  dasselbe  eine  freiere 
Beweglichkeit  zu  besitzen.  Das  Hyomandibulare  gewinnt  so  unter  den 
Haien  eine  grosse  Ausbildung,  und  indem  es  allmählich  Verbindungen 
mit  dem  Unterkiefer  eingeht,*  wird  es  zu  einer  Art  von  Kieferstiel. 
Das  HyoYdstück  erscheint  dann  nicht  mehr  als  die  Fortsetzung  des 
Hyomandibulare,  und  verliert  endlich  bei  den  Rochen  sogar  die  Ver- 
bindung mit  demselben,  so  dass  dieses  dann  ausschliesslich  die  Kiefer- 
slücke trägt. 

Von  diesem  Verhalten  weicht  der  Schädel  der  Chimären  ab,  dessen 
wesentlichste  Modification  in  einer  continuirlichen  Verbindung  der  Pa- 
lato- Quadratslücke  mit  dem  Knorpelcranium  besteht,  so  dass  einzig 
das  mit  einem  Fortsatze  des  Craniums  articulirende  Unterkieferstück 
beweglich  ist.  Auch  der  zum  Theiie  ossificirte  Schädel  von  Lepi~ 
posiren  bietet  ähnliche  Zustände. 

§  3H. 

Unter  den  Gan  oiden  zeichnen  sich  die  Störe  durch  die  Fortdauer 
des  primitiven  Knorpelcraniunis  aus.  Es  verhält-  sich  im  Wesentlichen 
jenem  der  Solacliier  gleich,  hat  aber  bereits  Verbindungen  mit  Knochen 
empfangen.     Ein  grosser  Knochen  deckt  die  BasalflHche   des  Grantums 


Kopfekelet.  459 

und  erstreckt   sich   weit   nach  hinten   auf  den  mit  dem  Cranium  ver- 
schmolzenen Abschnitt  der  Wirbelsäule.    Man  bezeichnet  ihn  als  Para- 

Fig.  348. 


sphenoYd.  Vorne  wird  er  theilweise  vom  Schitdelknorpel  umwachsen, 
aus  dem  er  jedoch  weiter  nach  vorne  wieder  zur  Oberflache  des  Cra- 
niums  tritt. 

Ebenso  sind  am  Schädeldachc  Knochcnplatlen  vorhanden,  die,  im 
Integumenle  ontslnndcn,  mit  den  übrigen  Uciulknochcn  Übereinstimmen, 
jedoch  in  ihren  llauplstUcken  dasselbe  Verhallen  »io  die  Knochen  des 
Schindeldaches  der  Telcoslier  darbieten,  ^lautknochen  treten  also 
hier  in  Zusammenhang  mit  dem  Primordialcranium,  und 
diese  Verbindung  erhält  sich  von  nun  an  durch  alle  Ab- 
theilungen der  Wirbelthiere  ^vergl.  oben  S.  428).  Auch  der 
Kieferapparal  bietet  mit  Erhallung  der  mit  jenem  der  Selachier  über- 
einstimmenden Form  Ossificationen  dar.  Das  Palato-Quadratum  (f))  ist 
ganz  vom  Schädel  abgelöst  und  besitzt,  wie  auch  das  Unterkieferslttck 
{m\  Knochenbelege.  Hin  knöcherner  Ueberzug  ist  auch  an  einem  Ab- 
schnitte des  Hyomandibulare  [Hm)  vorhanden,  welches  wieder  einen 
Kiefersliel  vorstellt. 

Bei  den  übrigen  Ganoiden  wie  bei  den  Teleostiern  sind 
die  bei  den  Sloren  vorhandenen  Zustände  in  grösserer  Differenzinmg 
zu  treffen.  Die  Anlage  des  Schädels  liefert  ein  knorpeliges  Primordial- 
cranium, an  welchem  knöcherne  Theile  in  Form  von  Belegknochen 
auftreten.  Die  Knochen  des  Schädeldaches  und  des  grössten  Theils 
der  Basalfläche  verbleiben  stets  in  diesen  Beziehungen,  wogegen  die 
der  Seilentheile  sich  allmählich  an  die  Stelle  des  Knoi*peIs  setzen. 
Bei  vielen  Teleostiern  erhallen  sich  ansehnliche  Reste  des  Primordial- 
craniums,   bald  am  Scbadeldache    (z.   B.  bei  Salmonen,   Esox   u.  a.), 

« 

Fig.  i13.  Knpfskelet  von  Acipenscr  slurio  nach  EntTcrnung  der  Deck- 
knochen, r  Rostrum,  n  NnsiMihohle.  o  Opticusaustriltsstclle.  ir  Trigcminusaus- 
Iriitsstelle.  5p  Dornrurlsälzc  des  vorderen  mit  dem  Craninm  vorsi'hmolzenon  Ab-» 
Schnittes  der  Wirbelsäule,  p  Polalo-QuadratKliick.  m  Mandibel.  Hm  Hyoman- 
dibulare.    s  S>mplecticum.     br  Kiemenbogen.     c  Rippen. 


460  '  Wirbelthlere. 

bald,  und  dies  ist  der  häufigere  Fall,  nur  in  der  EthinoYdalre^on.  Auch 
zwischen  den  ossißcirlen  Theilen  des  Primordialcraniums  bestehen 
häutig  Knorpelmassen  fort. 

Bezüglich   der   einzelnen  KnochenstUcke  zerlegen  wir  das  Primor- 
(lialcranium  in  die  bereits  oben  unterschiedenen  Bcgionen,    Die  Octipi- 
lalregion  wird  aus  vier  Kno- 
[.j     jj^  chenstUcken       zusamDienge- 

setzt.    In  unmittelbarer  Fort- 
setzung     der     Wirbelkörper 
findet  üicfa   das  Occipitale 
basilare  (Fig.  Ui.  A.  Ob]. 
Es  besitzt  eine  mitderCborda 
gefüllte     hintere    Coneavitül, 
die   der   vorderen  Concaviiai 
des  ersten  Wirbel köipers  ent- 
spricht.     Nicht    seilen    be- 
ste hen  soga  rN  a  h  tverb  i  nd  u  ngen 
mit  diesem  Wirbel.     Seitlich 
schlicsscn  sich  die  0  c  c  i  p  i  t  a- 
lia  lu  Icralia  [O^an,  welche 
immer  den  grosslen  Theil  des 
Hintei'haupllochcsumgrenzen, 
und  es  hüulig  nicht  blos  oben, 
sondern     auch     unten     ab- 
schliessen ,  so  dass  das  Oc- 
cipitale basilare  von  der  Um- 
grenzung verdrangt   wird    (z.    B,    hei   Cjprinus).     Von   oben   her  fugt 
sich  zwischen  die  Occipitalia  lateralia  das  Occipitale  superius  [Os), 
nach  vorne  zu  zwischen  die  Deckknochen  des  Schadeis  fortgesetzt,  und 
meist  durch  eine  ansehnliche  senkrecht  stehende  Leiste  ausgezeichnet, 
die  sich  der  Reihe  der  oberen  Dornfurlsdlze  der  Wirbelsaule  anschliesst. 
Der   folgende  Abschnitt  bildet  den  wenigstens  ihcilweiso  das  La- 
byrinth um  seh  liessenden  Theil,  wonach  auch  die  bezüglichen  Knoctien 
von   HuxLuv   bezeichnet  wurden.     Das   beständigste   und   damit  wich- 
tigste  Petrosum   oder   Prooticum   enthalt  die   Durch  tri  llssle  He   fUr 
den  Nervus   trigemihus,    oder  begrenzt  sie   doch  von  hinten  her.      Es 
reicht  bis  zu  dem  Basallheilc  des  Schadeis  und  kann  sich  da  auch  mit 

Fi«,  m.  .Sdi^ilel  von  Salmn  Salnr.  A  Seillicho  Ansrchl.  8  Scnkr«4^l«r 
HeitianHuhnitl.  Die  knurpeli^en  Theile  <les  Prinior<)ialcratiiums  sind  schraffirt,  die 
aus  dem  Primordralcranium  enislaiidenen  Knötchen  punctirt  danjeslelll.  Die  Beleg- 
kooclien  sind  nhiic  hcsnmlere  Auszukhnuiig.  06  Oucipilalc  basilare.  Ol  Occ 
laterale.  Ot  Occ.  siiperiuK.  Sq  Squsma.-iiini,  EpO  Epiolicum,  PrO  Prooticum 
"Sb  Sphenoidale  basilnre.  Ats  Alispltcnoid.  OrS  Orbilosphenojd.  Fa  Kroiilsle  an- 
lerlns.  Fp  Krnnlale  [loslerius.  fr  Frnnl»lo.  A'n  Nasnle.  p!  1>ar4!^henoi().  Vo  Vomer. 
Px  Praemaxitlare.  gl  Golcnkl1ä(;ho  für  das  Kyoroaiidibulare.  Elh  Bthmnidaltnorpel. 
vag  AastrilUOirnung  des  Nervus  vagus. 


Kopfskelet.  464 

dem  anderseitigen  innerhalb  der  Schndelhöhle  verbinden.  Ein  zweites 
Stück  bildet  das  Occipitale  externum  oder  Epioticuin,  welches 
oben  an  die  Occipitalia  lateralia  angeschlossen,  meist  einen  Schüdel- 
vorsprung  vorstellt  (Fig.  S15).  Ein  drittes,  Intercalare  oder 
Opistboticura  liegt  meist  seitlich  vor  dem  Occipitale  laterale,  und 
erscheint    ausserordentUcK    variabel. 

Häufig  ist  es  klein   (Esox)    oder  fehlt  Fi«.  216. 

sogar,  zuweilen  aber  ist  es  ein  sehr 
ansehnlicher  Theil  des  Schüdels  (Ga- 
dus,  Fig.  215.  6).  Da  dieses  Stück 
in  den  meisten  Fällen  gar  keine  Be- 
ziehungen zum  Labyrinth  besitzt, 
sowie  letzteres  auch  sehr  hifufig  noch 
andere  Knochen  des  Schädels  für  sich 

in  Anspruch  nimmt,  z.  B.  die  Occ.  lat. ,  können  engere  Beziehungen 
dieser  Knochen  zum  Labyrinthe  nicht  wohl  aufrecht  erhalten  werden. 
Endlich  gehört  dieser  Region  noch  ein  vierter  Knochen  an,  der  als  äusseres 
Belegstück  des  Primordialcraniums  auftritt,  aber  allmählich  mit  dem 
letzteren  sich  inniger  verbindet.  Er  liegt  über  dem  Intercalare  und 
bildet  meist  einen  nach  hinten  und  seitlich  ausgezogenen  Fortsatz.  Wir 
bezeichnen  dieses  an  der  Verbindungsstelle  mit  dem  Hyomandibulare 
betheiligte  Stück  als  Squamosum   (Fig.  244.  A.  Sq). 

An  dem  weiter  nach  vorne  folgenden  Abschnitte  des  Craniums 
sind  in  der  Ausbildung  der  Knochen  bedeutende  Verschiedenheiten  be- 
merkbar, die  mit  dem  Ausdehnungsgrad  der  Schädelhöhle  in  Zusam- 
menhang  stehen.  Erstreckt  sich  nämlich  der  Raum  der  SchädelhöMe 
weiter  noch  vorne,  so  entspricht  dem' eine  grössere  Vollständigkeit  der 
Wandungen  des  Primordialcraniums ,  als  wenn  ein  kürzerer  Abschluss 
jenes  Raumes  eine  Verkümmerung  seiner  Wandungen  und  eine  theil- 
weise  Substitution  derselben  durch  membranöse  Gebilde  hervorruft. 
Durch  letzteren  Umstand  können  in  der  ganzen  Orbitalregion  die  Seiten- 
wände des  Ci*aniums  reducirt  sein,  an  den  Seiten  der  Schädelhöhle 
gelagerte  Theile  kommen  vor  dieselbe  zu  liegen,  und  zwischen  den 
Orbiten  finden  sich  entweder  nur  die  unmittelbar  mit  einander  ver- 
bundenen früher  paarigen  Wandstücke  des  Craniums,  die  jetzt  die 
Schädelhöble  von  vorne  schliessen,  oder  es  sind  häutige  Interorbital- 
theile  an  die  Stelle  der  knorpeligen  getreten. 

Als  Ossificationen  dieses  Abschnittes  erscheinen  seitliche  Theile, 
und  zwar  ein  hinteres  und  ein  vorderes  Paar.  Das  hintere  Paar  bildet 
das  Ali-SphenoYd  (SphenoYdale  laterale  posteiius),  das  vordere  das 
Orbito-SphenoYd  (Sphen.  later.  anter.}.     Bei  GanoYden  (Amia)  er- 

Fig.  245.  Hinterer  Abschnitt  eines  Craniums  von  Gadus  (seitliche  Ansicht). 
4  Occipitale  basilare.  2  Occ.  laterale.  3  Occ.  superius.  5  Paraspheno'id.  6  Opistho- 
ticam.  6'  Squamasum.  7  Epioticum  15  Piooticum.  ti  Postfrontale,  tt  Frontale, 
c  EintenkesteUe  für  das  Hyomandibulare. 


462 


Wirbellhiore. 


Fig.  ai6. 


scheinen  sio  von  einander  getrennt.  Auch  bei  manchen  TeleosiJem 
bleibt  dieses  Vortiallen,  bei  Anderen  treten  die  l>eidersi'itigen  SlUcko 
unter  einander  itni  Boden  der  Schadeliiöhie  zusitinnien,  und  diese  am 
häutigsten  am  Urbilos|iheno)d  auftretende  Vereinij^ung  fuiirt  zu  einer 
Versehmelxun^ ,  so  dass  die  beiden  ürbilKsphenufdea  dann  nur  durcli 
einen  medianen  Knochen  dai^estelll  werden.  Endlich  Lünnen  sie  bei 
noch  weilerer  KUckhildun^;  deä  Craninnis  auch  dmcli  häuligc  Tbeiie 
vertreten  sein.  An  der  Basis  dieses  Abschnittes  erscheint  zuweilen 
ein  aus  dem  Knorpel  des  Primordialcraiiiums  hervorget^in^enes  Basi- 
sp beno  Yd  als  ein  meist  unansobniiober  Knochen, 
der  oben  mit  dem  AlisphenoY<i  in  Verbinduni: 
.sieht.  Beim  Bestehen  eines  die  Schädelbasis 
von  der  'Orbila  her  schrü^  nach  hinten  durch- 
setzenden Augenmuskeicsnals  ist  jener  Knochen 
besonders  unansehnlich,  und  bildet  einen  Pfeiler 
nwrsehen  den  heiderseilisen  hinter  ihnen  sich 
vereinigenden  (Vanillen.  Nicht  selten  scheint  er 
^nz  zu  fehlen.  An  der  (inindflüche  erstreckt 
sich  lüngs  des  Priniordialcraniums  das  macbtiiie 
ParasphenoTd  (Fig.  SIS.  P.i,  Ül  ,  welches 
.sich  hinten  niil  dem  Basioccipitale  durch 
Naht  verbindet. 

Am  Dache  dieses  Abschnittes  erhalt  sich 
das  Primordialci'aniuiii  nur  .teilen  vollständig;  in 
der  Regel  bietet  es  eine  ansehnliche,  von  den  Deck- 
knochen des  Knorpelcraniunis  tlberlagerle  Lücke,  liier  treten  zuutlchsl 
der  Hinlerhanpiregion  zwei  Parielalia  [Fig.  Sffi.  7)  auf,  die  zu- 
weilen durch  einen  voidern  Forlsatz  des  Üceip.  superius  (:t)  von  ein- 
ander getrennt  sind.  Vor  ihnen  liegen  die  Pronlalia,  welche  büulig 
durch  ein  einziges  Slikk  (Fronlaie  ])rincipale  (H)  vertreten  sind.  Seit- 
lich davon  erstrecken  sich  die  beiden  Postfronlal  ia  (19|  bis  zum 
Squamosum ,  und  betheiligen  sich  an  der  Gelenkverbindung  mit  dem 
llyomandibuiare. 

In  der  Ethmoidalivgion  des  Priniordialcraniums  l>esleht  ein  mittleres 
StUck  und  zwei  ihm  seitlich  anges<'hlossene  Stücke,  die  wir  als  Elh- 
moidalia  bezeichnen,  und  in  ein  medium  (16)  und  laleralia  (IV 
(Fronlalin  anleriora  Civifr)  unterscheiden.  Die  letzteren  bilden  die 
Unterlage  der  Nasenkapseln.  Sehr  hilufig  erhalt  sich  das  Millelsltlck 
der  EtbmoVdalia  knorpelig.  Als  Belegstück  der  Grnndllüche  der  Elh- 
mofdalregion  erscheint  der  Vomer,  der  nach  hinten  mit  dem  Para- 
sphenoVd   in  Verbindung  steht.     Piiarig  ist  er  bei  GanoTden  /u  Knden. 


KiK. 


tus  von  oiien.  a  Oucipilnlc  supcriue.  i  Rpin- 
le.  (I  Kraniale  medium,  ii  Froatalc  postfriuj. 
loidale  mfiliiim. 


Kopfokelet.  463 


§  312. 


Der  Kieferappa  rat  der  Selachier  erhült  sich  bei  den  Gano'i'den 
[inii  Ausschluss  der  Störe)  und  Teleostiern  nur  theilweise,  indem  an 
seine  Stelle  knöcherne  Gebilde  treten.  Eine  neue  Complicalion  entsteht 
durch  die  Verbindung  des  Hyomandibulare  mit  den  aus  dem  Palato-Qua- 
dratknorpel  hervorgegangenen  Knochen.  Dabei  lassen  sich  die  ursprüng- 
lichen Verhältnisse  aus  der  embryonalen  Beschatten  hei  t  leicht  erkennen, 
und  aus  den  Einrichtungen  der  Selachier  ableiten ,  so  dass  wir  auch 
hier  die  dort  unterschiedenen  Theile  zum  Ausgange  nehmen  können. 
Es  werden  also  auch  hier  das  Palato-Quadralum  als  ein  die  Orbita  unten 
bogenförmig  umschliossendes,  vorne  an  das  Cranium  befestigtes  Stück, 
dann  das  Unterkieferstück  als  Diflerenzirungen  eines  ersten  Vtsceralbogens 
'Kieferbogen),  endlich  das  mit  dem  hintereir  Ende  des  Palato-Quadratum 
verbundene  obere  Ende  des  zweiten  Visceral bogens  zu  unterscheiden 
sein.  Als  eine  nicht  unwesentliche  Differenz  im  Vergleiche  zu  den 
Selacbiern  ist  das  Getrenntbleiben  der  vordem  Enden  der  beiderseitigen 
Palato-Quadrnta  anzuführen.  Während  sie  dort  —  und  auch  noch  bei 
den  Stören  —  durch  Ligament  verbunden,  aneinander  stiessen,  sind 
sie  bei  den  übrigen  Ganotden  und  den  Teleostiern  gleich  von  vorn- 
herein der  Seite  des  Primordialcraniums  angelagert,  durch  die  mit  ihrer 
Basalflüche  in  die  Umgrenzung  der  Mundhöhle  eintretende  Ethmo'fdal- 
region  von  einander  getrennt. 

Das  Hyomandibulare  (Fig.  217:  Hm)  bildet  fast  sttHs  einen 
ansehnlichen  Knochen ,  der  mit  Squamosum  und  Poslfrontale  an  der 
Seite  des  Graniums  articulirt  (Fig.  214.  A,  yi).  Ein  von  ihm  abge- 
gliedertes, bei  den  Selacbiern  durch  einen  Forlsatz  dargestelltes, 
beladen  Stören  (Fig.  213.  s)  bereits  selbsliJndiges  Stück  bildet  das 
Symplecticum,  an  dessen  Verbindungsstelle  mit  dem  vorigen  sich 
der  untere  Abschnitt  des  Zungenbeinbogens  in.serirt. 

Das  Symplecticum  (Sy)  schiebt  sich  als  ein  meist  dünner  Knochen 
an  die  Innenflüche  des  hinteren  Endes  des  Palalo-Quadratknorpels.  Aus 
letzterem  gpht  das  Qu  ad ra  tum  [Q]  hervor,  welches  das  Unterkiefer- 
gelenk trägt.  An  das  Quadratum  fügt  sich  nach  vorne  das  im  Winkel 
gebNogene  EktopterygoYd  [Ept]  und  zwischen  diesem  und  dem  Hyo- 
mandibulare und  Quadratum  fiiulet  sich  ein  platter,  meist  viereckiger 
Knochen  als  MetapterygoYd  (;!//).  Vor  dem  EktopterygoYd,  und 
zwar  in  medianer  Lagerung  findet  sich  das  EntopterygoYd,  und 
aus  dem  vordersten  Ende  des  Palato-Quadratknorpels  geht  endlich  das 
Palatinum  hervor,  welches  sich  dem  Schädel  meist  beweglich 
verbindet. 

Vor  dem  Palatinum  liegen  noch  zwei  nicht  durch  Knorpel  vertretene 
Stücke,  von  denen  das  hintere  meist  mit  dem  Palatinum  verbundene, 
Maxillare  (Fig.  217.  3/.r) ,  das  vordere  Praemaxillare  [Px]  be- 
nannt  ist.     Sie   erscheinen  als  neue  Theile,  die  von  nun  an  eine  be- 


deutende  Rolle  spielen.     Gs  wird  aber  in  hohem  Grnde  wahrcheiDlicb, 
dass  die  beiden  oberen    Lippenknoipel  der  Selachier  die  Grundlage  für 


jene  Knochen  ab);ahen.  In  Utiifiiii);  und  Verbindunj^s weise  verhallen 
sich  diese  beiden  Kieffrlinuchen  sehr  verM'hieden.  Bald  sind  sie 
selbsUinditi;  l)ewegli('h,  soj^nr  vorslrei-kl»»',  bald  schmiegen  sie  sich 
fester  dem  Schüdel  an.  Uas  Iclzlere  gilt  besonders  für  das  Prae- 
maxiliaie,  welches  büulig  dem  vordersten  Theile  der  KthmoTdalregion  fest 
verbunden  ist.  Beide  begivnzen  die  Mundtifl'nnn;,;,  doch  kann  l>ei  lün^terer 
Gestaltung  des  Praeniaxillare  der  Oberkieferknoeben  davon  auageschlossen 
wei-den,  sowie  auch  wieder  die  YerkUiiiniernng  des  Prnemaxillare^dem 
Haxillare  einen  Uberwie^emjen   AnUieil   an  Jener  Beziehung  verleiht. 

Am  Unterkiefer  erhidt  sieb  die  knorpelige  Anlage  als  ME€i[RLVher 
Knorpel  am  vollständigsten.  An  ihr  entsteht  ein  vorderes,  den  Knorpel 
von  aussen  her  scheidenartig  umfassendes  SlUck,  als  Dentale  J> . 
Aus  dem  Gelenktheil  des  Knorpels  bildet  sich  das  Articulare  (Arl) 
und  unter  diesem  bleibt  ein  Theil  des  Knorpels  erhalten,  der  selhst- 
slilndig  ossilicirend  dasAnguInre  (-!"$)  voi'slellt.  An  der  InnenOache 
des  so  zusanmiengeseizten  knörhernen  Unterkiefers  entsteht  als  Brfeü- 
stück  des  Knorpels  zuweilen  noch  ein  besonderer  Knochen,  das 
Operculare. 

Fig.  Jn,  SeiHirhe  Ansicht  des  Kopfskelets  von  .^al  iiio  snlar.  iVergl. 
Fig.  S14.  A.]  Fr  Fronlnle.  A'  Nasale,  n  NaseriKi'Utir.  Pa  Parietale.  Sq  Squa- 
cnosuiii,  an  inrraurbilDlknoi'lien.  Hm  Hjoiiianitiliularr.  Sy  Synipli^clicuin  idiocr 
Knochen  ist  als  von  aussen  sidilbar  (lar|{eslelll|.  MI  MelapleryKoiil.  Ept  Ellu- 
pleryiioid.  Q  Uuadralum.  Ma:  Haiillare.  Px  Praeinaxiltare.  Art  Articulire. 
-Inj  Angulare.  O  Deninlc.  Op  Opereiiluni.  PrOp  PrafOperculuni.  Sop  Sulniwr- 
culom.  Jop  Inleroperculum.  lig  Band  vom  Inleroperculum  lum  Ani^ulare  des 
Unlerkierers. 


Ropfskelei.  465 


§   313. 

.Von  deo  in  Zusammenbang  mit  dem  Kieferapparaie  siebenden, 
jedoch  mit  ihm  nicht  ursprünglich  verbundenen  Skeleilheilen  nimmt 
das  bei  GanoYden  und  Teleostiern  entwickelte  Skelet  des  Kiemen- 
deckels eine  hervorragende  Stelle  ein.  Bei  den  Selacbiern  finden 
»eh  an  Stelle  dieses  knöchernen  Skelets  knorpelige,  zuweilen  ver- 
zweigte Stücke,  beiden  Theilen  des  Zungenbeinbogens  als  Kiemen- 
strahlen  ansitxend.  Von  diesen  Gebilden  sind  bei  den  Teleostiern  die 
dem  Hyomandibulare  zukommenden  verschwunden,  dagegen  treffen 
wir  knöcherne  Theile  an  ihrer  Stelle  und  dürfen  annehmen,  dass 
diese,  soweit  sie  mit  Theilen  des  Zungenbeinbogens  in  directcr  Ver- 
bindung stehen,  aus  den  Kiemenstrahlen  der  Seiachier  hervorgingen, 
indess  die  anderen  indifferentere  Hautknochen  vorstellten.  Diese  Oper- 
cularknochen  umschliesst  eine  gemeinsame  über  die  dahinter  liegen- 
den Kiemenspalten  sich  erstreckende  Membran. 

Bei  den  Stören  tritt  zuerst  ein  Knochen,  das  Operculum  auf,  dem 
sich  bei  den  übrigen  GanoYden  wie  bei  Teleostiern  andere  anfügen 
(Fig.  217).  An  dem  Verbindungsknorpel  zwischen  Hyomandibulare  und 
Symplecticum  nimmt  ein  zweiter  Knochen  seine  Entstehung,  das  Prae- 
operculum  {PrOp).  Häufig  verbindet  es  sich  inniger  mit  den  ge- 
nannten Theilen  des  Kieferstiels  (z.  B.  bei  Welsen)  und  dehnt  sich 
iüDgs  desselben  aus.  Nach  hinten  vom  Praeoperculum  folgt  das  Sub- 
operculum  (Sop)  unter  dem  meist  grossen  Operculum  gelagert,  dann 
als  unterstes  Stück  das  Interoperculum  (Jop) ,  welches  meist  durch 
ein  Band  mit  dem  Unterkiefer  in  Zusammenhang  steht. 

Als  accessorisehe  nur  auf  die  Fische  beschränkte  Knochen  treten 
mannichfache  aus  Theilen  des  Hautskelets  gebildete  Stücke  auf,  von 
denen  die  Infraorbitalia  die  ansehnlichsten  sind  (vergl.  Fig.  847.  mtj. 
Sie  bilden  eine  den  unteren  Orbitalrand  bogenförmig  umziehende  Beihe, 
in  der  das  hinterste  Stück  an  das  Postfrontale,  das  vorderste  an  das 
EtbmoYdale  laterale  sich  anschliesst.  Eine  ansehnliche  Grösse  erreichen 
sie  bei  den  Gataphraclen  (Trigla),  wo  sie  mit  dem  Praeoperculum  innig 
verbunden  den  Oberkiefergaumenapparat  bedecken,  und  zugleich  mit 
dem  Kieferstiel  bewegt  werden. 

Auch  die  als  Nasalia  der  Fische  bezeichneten,  nahe  am  Rande  der 
Nasengrube  liegenden  Stücke  gehören  wegen  ihrer  Unbeständigkeit 
hierher,  und  ebenso  noch  manche  andere  als  Modificationon  von 
Schuppen  mit  dem  sogenannten  Schleimcanalsysteme  in  Verbindung 
stehende  Stücke.  Diese  Beziehungen  zu  den  sogenannten  Schleim- 
canälen  besitzen  auch  andere  oberflücblich  gelagerte  Knochen,  wie 
z  B.  fast  sHmrotliche  Deckknochen  des  Craniums,  die  dadurch  ihre 
Entstehung  aus  Knochen  des  Integumenls  auch  noch  später  beur> 
künden. 

O^ftnbanr,  Ginndrira.  30 


466 


Wirbellhiere. 


§  3U. 

Der  Schädel  bau  der  Amphibien  schliesst  sich  in  vielen  Stücken  an 
jenen  der  Fische  an ,  bietet  aber  doch  beträchtliche  Eigentbttmlichk^n. 
Das  Primordialcranium  ist  bedeutend  entwickelt  und  persistirt  zum 
grossen  Theile  unverändert  unter  den  es  überlagernden  Deckknochen 
fort.  Doch  verliert  es  als  Schüdelkapsel  sehr  häufig  seine  Decke  und  auch 
noch  den  Boden,  indem  oben  und  unten  Lücken  im  Knorpel  entstehen. 

Mit  dem  Primordialcranium  in  unmittelbarer  Verbindung  steht  das 
Palato-Quadratum,  welches  sich  hinten  an  die  Ohrkapsel  des  Schädels 
anfügt,  und  nach  vorne,  die  Orbiten  im  Bogen  umziehend,  entweder 
frei  ausläuft  (z.  B.  bei  Urodelenj ,  oder  in  der  EthmoYdalregion  sich 
dem  Grnnium  verbindet.     Hinten  und  seitlich  trügt  es  das  Riefeiigelenk. 

Durch  die  engere  Verbindung  mit  dem  Palato-Quadratum  werden 
dem  PrimordialcraYiium  dieselben  knöchernen  Theile  hinzugefügt,  die 
wir  bei  den  Fischen  nn  ersterem  entstehen  sehen,  und  dadurch  wird 
das  Primordialcranium  nicht  unwesentlich  modificirt. 


Fi^.  a^s. 


^V  >i  iiiii  1 1 1    I  1 1        II      II 


t// 


"Ter; 


Wri 


Fig.  248.  Sdiädel  drs  Frosches.  A  jvon  oben,  B  von  unten,  C  von  hinten, 
D  in  Kcilliohor  Ansicht. 

In  A  und  B  sind  von  der  rechten  Hiilfte  des  Craniums  die  Deckknochen  ent- 
fernt, so  dflss  dns  Primordialcrnnium  mit  seinen  Ossificationen  voHstAndig  stchtbiir 
wird,  in  A  mit  der  Lücke  am  Dache  der  Schtfdelhöhle.  Pa,  Fr  Parietal- Frontale, 
Na  Nasale.  Ps  Pnrasphcnoid.  Ty  Tympanicum.  Pt  Ptcrygoi'd.  PI  Palalinum. 
Vo  Vomcr.  J  Jugale.  M.v  Maxillare.  Px  Präniaxillare.  a  Oocipitale  laterale. 
Pe  Petrosum.  co  Condylus  occipitalis.  Co  Columella.  fo  Fenestra  ovalis.  Aasiritbi- 
lücher  von  Nerven :  o  Opticus,  ab  Abducens.  Tr  Trigeminds.  Vg  Vagus.  Am 
Unterkiefer:  de  Dentale,     a  Angulare.     art  Articulare. 


Kopüikelel.  467 

Aus  dem  Priroordialcranium  geht  ähnlich  wie  bei  dop  DipnoY  nur 
eine  geringe  Anzahl  von  Knochen  hervor.  In  der  Hinterhaiiptsregion 
bestehen  nur  Occipitalia  laieralia  (Fig.  218),  welche  das  Hinter-« 
haunulooh  bis  auf  einen  schmalen  oberen  und  unteren  medianen  Knor- 
pelstreif umschiiessen.  Jedes  von  ihnen  bildet  einen  Condylus  occipi- 
talis  (co)  zur  Gelenkverbindung  mit  der  Wirbelsüule.  Die  folgende 
Regton  der  Gehtfrkapsel  bildet  bedeutende  seitliche  Vorsprttnge,  welchen 
noch  weiter  nach  aussen  der  hintere  Abschnitt  des  Palato-Quadratum 
angefügt  ist.  Der  vordere  Theil  dieses  Abschnittes  besitzt  eine  dem 
Petrosum  der  Fische  entsprechende  Ossification.  Sie  birgt  nur  den 
vordem  Theil  des  Labyrinthes,  dessen  hinterer  Abschnitt  vom  Ocdpitale 
laterale  umschlossen  wird  und  Ittsst  den  Trigeminus  durchtreten.  Zu- 
weilen finden  sich  Spurea  eines  Occipitale  extemum.  Eine  Fenestra 
ovalis  bildet  an  der  Labyrinthregion  eine  Durchbrechung,  welche  von 
einem  mit  dem  zweiten  Visceralbogen  in  Verbindung  stehenden  Knochen- 
Stückchen  bedeckt  wird. 

Die  Ethmo'rdalregion  zeigt  im  vordem  Abschnitte  theilweise  Ossi- 
ficationen  von  verschiedener  Ausdehnung.  Bald  ergreifen  sie  nur  die 
Seitenwand  des  Craniums  (z.  B.  bei  Siredon) ,  bald  fliessen  sie  oben 
und  unten  zusammen  und  stellen  so  ein  ringförmiges  Knochenstück 
her,  welches  Gcvier  »Gürtelbein«  genannt  hat.  Dieser  Knochen  kann  in 
die  RthmoYdalregion  übergreifen  und  bis  zum  Grunde  der  Nasenkapseln 
dringen. 

Als  Deckstücke  dieses  Abschnittes  finden  sich  paarige  Scheitelbeine 
und  vor  diesen  die  Stirnbeine.  Scheitel-  und  Stirnbeine  verschmolzen 
bei  Einigen  (Frösche)  untereinander  und  bilden  joderseits  ein  Parieto- 
Frontale  [PaFr].  Vor  diesem,  häufig  durch  die  Stirnbeine  von  ein- 
ander geschieden,  liegen  die  Nasalia  {Na)  y  die,  entsprechend  der 
grös.seren  Entwickelung  der  Nasenhöhlen  im  Vergleich  zu  den  Fischen, 
hier  zum  ersten  Male  als  liesUindige  Stücke  vorkommen.  An  der 
Schädelbasis  finden  wir  als  Deckknochen  noch  das  ParnsphenoYd 
[Pi)  in  gleichem  Verhalten  wie  bei  den  Fischen,  und  vor  diesem  in 
der  Etbrooidalregion  einen  paarigen  als  Vom  er  gedeuteten  Knochen  (vo). 

§  315. 

Bezüglich  des  als  Kieferstiel  fungirenden  Palnto-Quadratum  treten 
einfachere  Zustünde  als  bei  den  Fischen  auf.  Der  ganze  Abschnitt  er- 
hält sich  zum  grossen  Theile  knorpelig  und  in  derselben  Beschaffenheit 
bleibt  der  von  ihm  aus  nach  vorne  gehende,  die  Orbita  umziehende 
Bogen,  der  bald  nur  einen  Fortsatz  vorstellt,  bald  an  der  KthmoYdalregion 
zum  Abschlüsse  kommt.  Bei  manchen  tritt  das  Palatoquadratum  in 
einen  vorderen  und  hinteren  Abschnitt  geschieden  auf  (Triton).  Im  Ende 
des  Kieterstiete  zeigt  sich  meist  eine  dem  Quadratum  der  Fische  gteich- 
werthige    Verknöcherung.      Die    Verbindung   dieses   Theiles    mit    dem 

30* 


468  Wirbeltluere. 

Crnnium  ist  keine  vollständige,  denn  am  untern  Theile  findet  sich  (z.  B. 
bei  Rana)  zwischen  ihm  und  der  Schüdelkapsel  eine  deutliche  Articu- 
lationsfläche  vor. 

Am  Palato-Quadratknorpel  entstehen  zwei  Deckknochen ;  der  obere 
(Ty) ,  bei  den  Fröschen  durch  einen  starken  nach  vorne  gerichteten 
Fortsatz  ausgezeichnet,  entspricht  vielleicht,  jedoch  nicht  sicher  be- 
grUndbar,  dem  Squamosum  der  Fische.  Da  er,  wenigstens  theilweise, 
das  Tympanum  tragen  hilft,  kann  er  als  Tympanicum  bezeichnet 
werden.  Der  untere  Knochen  erstreckt  sich  als  Pterygold  (Pt)  längs 
des  Knoi7>elbogens  nach  vorne.  Sein  vorderes  Ende  erreicht  das  seit- 
lich an  der  EthmoYdalregion  liegende  Palatiiium  {PI),  welches  meist  in 
querer  Stellung  hinter  den  Voraer  sich  reiht.  Bei  einem  Theile  der 
Amphibien  geht  vor  dem  Unterkiefergelenk  noch  ein  Knochen  nach 
vorne  ab,  das  sogenannte  Jugale  (Quadratojugale). 

Die  bei  den  Knochenfischen  vor  dem  Primordialcranium  entstehen- 
den Praemaxillaria  (Px)  und  Maxillaria  (Mx)  lagern  sich  bei 
den  Amphibien  unmittelbar  ans  Primordialcranium  an  und  erscheinen 
dadurch  als  Belegknochen  desselben,  für  welches  YerhUltniss  bei 
manchen  Fischen  vermittelnde  Zustünde  sich  vorfinden.  Das  Maxiliare 
bietet  sehr  verschiedene  Grade  der  seitlichen  Ausdehnung  dar  und 
erslrcckt  sich  bei  den  Anuren  in  der  Regel  bis  zum  Jugale  nach  hinten. 
Die  Verbindung  des  Praemaxillare  mit  dem  Vordertheile  des  Primordial- 
craniums  vermittelt  ein  über  die  mittlere  Nasengegend  sich  empor- 
ziehender Fortsatz. 

Dass  diese  Kieferstücke,  oder  vielmehr  die  unter  ihnen  liegenden 
Knorpeitheiie  nicht  die  ursprüngliche  Begrenzung  derMundöCfhung  bilden, 
wird  durch  das  Vorkommen  besonderer^  vor  dem  conlinuirlichen  Piimor- 
dialcranium  liegender  Knorpel  erwiesen,  welche  bei  den  Larven  von 
Anuren  als  Rostrale  und  Adrostrale  bezeichnet  werden. 

Im  Unterkiefer  besteht  der  primordiale  Knorpel  (Fig.  248.  D.) 
wie  bei  den  Fischen,  und  ebenso  bilden  sich  die  knöchernen  Theile 
aus.  Der  Gelenktheil  des  Knorpels  erhalt  sich  häufig  unverändert,  doch 
ossificirt  er  zuweilen  und  stellt  einArticulare  [art)  vor,  welches  in 
einen  Knorpelstreif  sich  fortsetzt.  Dieser  wird  von  einem  Dentale 
[de]  bedeckt,  zu  dem  häufig  nuch  ein  Angulare  (a) ,  zuweilen  auch 
noch  ein  inneres  DeckstUck  (Opercuiare)  tritt. 

§  316. 

Die  Verhältnisse  des  Schädels  der  Reptilien  und  Vögel  bieten 
eben  so  viel  Gemeinsames  als  sie  sich  von  der  Schädelbildung  der  Am- 
phibien wie  von  jener  der  Säugethiere  entfernen. 

Das  an  seinem  Dache  meist  unvollständige  Primordialcraniam 
ossificirt  viel  vollständiger  als  bei  den  Amphibien  und  die  bedeutende 
Entfaltung  der  an  und  aus  dem  primitiven  Palato-Quadratknorpel  ent- 


Kopfskelel.  469 

siebenden  Knochen  Ittsst  nur  einen  kleinen  Theil  der  aus  dem  Knorpcl- 
scliüdel  entstandenen  Stttcke  zu  Ta{;e  liegen.  Verschiedenheiten  der 
allgemeinen  ConfiguraUon  des  Schadeis  resultiren  aus  dem  relativen 
Umfange  der  beiden  Haupttheilo  des  Kopfskelets.  Eine  grössere  Ent- 
faltung der  Schildelkapsel,  wie  sie  2.  B.  bei  den  Vögeln  besteht,  Uisst 
die  Tbeile  derselben  deutlicher  wahrnehmen ,  als  bei  den  Reptilien. 
Andererseits  wird  das  Zurücktreten  der  Schädelkapsel  durch  mächtigere 
Entfaltung  der  die  sogenannten  Gesichtsknochen  darstellenden  die 
Schädelkapsel  in  verschiedenem  Maassc  ttberlagemden  Theile   bedingt. 

Die  OccipiCalregion  litsst  die  vier  schon  den  Fischen  zukommen- 
den Knochen  unterscheiden,  von  denen  das  Occipitale  basitare 
mit  den  Occipitalia  tateralia  an  der  Bildung  eines  einzigen  Con- 
dylus  occipitalis  Theil  nimmt.  Die  B<*ziehung  der  Knochen  zum  Poramen 
magnum  ist  eine  wechselnde,  indem  bald  das  Baftilare  (Schildkröten), 
bald  das  Supcrius  (Grocodile)  davon  ausge- 
schlossen ist.  Bei  den  Schildkröten  Ittuft  das  Fig.  S49. 
Occipitale  superius  in  eine  ansehnliche  Crista 
aus.  Bezuglich  der  knöchernen  Olirkapsel  ist, 
wie  schon  bei  den  Amphibien ,  das  Bestehen  einer 
Fenstra  ovalis  l)emerkcnswerth.  Dazu  kommt 
noch  eine  zweite,  membranös  verschlossene 
Oeffnung,  die  Fenestra  rotunda.  Vor  dem  Oc- 
cipitale   laterale    liegt   bei    allen    Reptilien    und 

Vögeln  das  Petrosum  (Prooticum) ,  dessen  vorderer  Rand  durch  die 
Austrittssteile  des, dritten  Trigeminus-Ast<'s  markirt  ist.  Ein  anderer 
Knochen,  Huxlby's  Opisthoticuni,  begrenzt  mit  dem  vorhergehenden 
den  hintern  Theil  der  Fenestra  ovalis,  erhält  sich  aber  nur  bei  den 
Schildkröten  selbständig,  indem  er  bei  den  übrigen  Reptilien  wie  bei 
den  Vögeln  mit  dem  Occipitale  laterale  verschmilzt.  Dazu  treten  noch 
einzelne,  bei  Vögeln  sogar  mehrfache,  kurze  Zeit  selbständige  Ossifi- 
cationen,.  die  nicht  bestimmt  auf  discrete  Schädelknochcn  anderer  Wirbel- 
thiere  beziehbar  sind.  Alle  Theile  der  Ohrkapsel  verschmelzen  bei  den 
Vögeln  nicht  nur  unter  sich,  sondern  auch  mit  den  benachbarten 
Knochen. 

Als  Squamosuro  (Sq)  erscheint  bei  den  Schlangen  (Fig.  2S1.  C) 
ein  vorragender  Knochen,  der  den  Kieferstiel  trägt.  Bei  den  übrigen 
Reptilien  wie  bei  den  Vögeln  besitzt  er  eine  ähnliche  Lage,  ist  aber 
mehr  zwischen  knöcherne  Ohrkapsel,  Scheitelbein  und  Postfrontale, 
theilweise  sogar  ins  Dach  der  Paukenhöhle  eingebettet. 

Der  sphenotdale  Abschnitt  bietet  je  nach  der  Ausdehnung  der 
Schädelhöhle  sehr  ungleich  entwickelte  Zustände.  Ein  BasisphenoYd 
ist  bei   Allen   als  Grundlage  dieses   Abschnittes   vorhanden,    wie  das 

Fig.  S49.  Schildkröten-Sciittdel  von  hinten.  I  Occipitale  basilare.  i  Occip. 
laterale,  i  Occip.  superius.  5  Basisphenoid.  8  Squamosum.  45  Petrosum. 
17  Quadratum. 


470 


Wlrbeltbiere. 


iiieisV  unansohnliche  Praosplienoid  aus  dem  PrimordTalcranium  hcr- 
voi-gogcin(i;tin,  wahrend  das  ParasplienoYd  nicht  mehr  entwickelt  scheinl. 
Doch  iLünnea  zwei  an  der  Basis  der  Schlttfcngegend  bei  Vtfgeln  vor- 
übergehend auftretende  Knochen,  die  Basitomporalia  auf  die 
Seitenlheile  eines  ursprunglichen  Parasphonold  bezogen  werden.  Von 
den  Thcilen  der  seillichen  Schüdelwand  Itomml  den  Vögeln  sowohl  ein 
AlisphenoTd,  als  auch  ein  OrbitosphenoYd  zu,  lelxteree  wenig- 
stens beim  Strausse.  Auch  die  Crocodile  sind  mit  einem  Alisphenold 
versehen.  Dagegen  wird^  bei  den  meisten  Eidechsen  die  Inl«rorbttal- 
gcgcnd  des  Schädels  durch  ein  membranOses  Septum  gebildet,  in 
welchem  von  jenen  Knochen  nur  Andeutungen  wahrnehmbar  sind. 

Ein  bei  den  Eidechsen  (Lacerta,   Varanus,  Podinema]  vom  Scheitcl- 

boin    bis    zum  Plerygold    herabtretendes    KnoehenstUck    (G  o  1  u  m  e  1 1  a) 

(Fig.  2f0.  A.  co] ,   wird   bei  den  Schildkröten   durch   eine  direct  vom 

Pai'ieUnle   absteigende  bi'cite  Knochenplatte  repräsentirt ,    die    hier  zur 

Begrenzung  der  SchüdelhOble  mit  beitrügt,   und  bei  den  Schlangen  ist 

eine  ähnliche,   die  SchädelhOhle 

umschliesscnde    Portsaubildung 

^*9-  '^''-  noch  auf  das  Frontale  mit  aus- 


BezUglich  der  Deckknochcn 
sind  Parietalia  anzuführen, 
die  bald  paarig  (SchildkrMen 
und  Vögel),  baldunpaar  (Schlan- 
gen, Eidechsen,  Crocodile)  vor- 
handen sind  (fig.  820.  Pa}. 
Auch  das  Stirnbein  ist  bei 
den  iiieislen  Eidechsen  und  den 
Crocodilcn  unpaar  (Fig.  SSO. 
ß.  fr).  Paarig  ist  es  bei  La- 
certa, NoniUir  (Fig.  SSO.  A.  fr, 
wie  bei  den  Schlangen,  Schild- 
krölen  und  Vögeln.  Seilen  hat 
es  Anthcil  an  der  Decke  der 
eigentlichen  Srbüdelhöhle  (bei 
Crocodilen  und  Vögeln) ,  da  t« 
die  durch  ein  hilutiges  Septum 
oingennnimcne  Inlerorbitalri^on 
bedeckt  (Eidechsen ,  Schild- 
kröten).     Postfronlalia   i>il- 


FiK.  SSO.  Scliüdel  vim  Reptilien  von  ubrn.  A  Hooilor.  B  Crocodil. 
Ol  Oci'ipilale  »npcrius.  c  Cumiyliis  oic-ipilatis.  Pa  Parietale.  Pf  Posirronlule. 
Fr  Kronlille.  Prf  Praermnlure.'  t  Ucrymalo.  N  Nasale.  Sq  Sq Damnum. 
Qj  Quadratojugale.     Ju  JugRie.     Q  Quedratutn.     Mx   Maiillare.     PJ!  Pra«m»xlltue- 

ro   Cnlunivlla. 


Kt^ibkclol. 


471 


den  bei  Beptilien   deo  hioteren    Rand   der  OrbiUdhtthle  [Fig.  230.  Pf, 
Fig.  221.  B.  C.  Pf]. 

Die  Ethmoldalregion  bietet  im  mediaoeD  Absohnilta  knorpelige,  bo- 
sonders  bei  Schildkrai«n  sebr  ansehnliche  Reite  des  Primordialcraniums. 
Uie  Ethmoldalia  lateralia  (Praefrontalia)  be|{reDteD  bei  den  Bep- 
tilien den  Vorderrand  der  Orbiten,  und  bei  den  Vttgeln  soheinen  sie 
mit  dem  mittleren  Theile  des  EtbmoYd  verbuoden,  welcher  aal  der 
Scbädeloberfläcbe  2u  Tage  tritt.  Als  Deckknodien  erscheint  an  der 
Basis  der  bei  Schlangen  and  Eidechsen  paarige  Vom  er  (Fig.  9S8.  vo). 
Auf  der  oberen  Flache  treffen  wir  die  bei  den  Schildkrttlen  fast  all- 
gemein und  auch  bei  einigen  Eidechsen  fehlenden  Nasalia.  Als  ein 
neuer  Deckknocben  der  Aussenüacbe  der  Elhmoldalkapsel  kommt  das 
Lacryroale  den  meisten  Eidechsen,  Crocodilen  wie  den  Vügelii  in 
der  Begreniung  der  vorderen  Orbitslwand  zu  (Pigg.  SSO.  281.   L). 

§  317. 
Der  primitive  Palato  -  Quadratknorpel  erleidet  an  seinem   vorderen 
Fig.  ut. 


•f     4. 

Fig.  Hl.  ScitenaiiBichlon  vuDScIitideln.  J  Strulliio.  SCrucodiliis.  CP 
Ihon.  Ol  OccipiUle  latarale.  OiOccipilalesupcrius.  Pt  Pterygoid.  Pal  P.ilultna 
rrTraMversatn.  CdI  ColumellB.  ^  PeiiMtra  ovslls.  S  OurchtrilUtilTnunR  di-s  N.  t 
geauoB».     Die  übrig«  BeielchnuDg  wih  in  den  vorhergehende d  Kigureo. 


iTi  Wirbellhiere. 

Abschnitle  frUhzcitii^e  Rückbildung,  so  class  die  ihm  angeliörigen 
Knocbcnstücke  sich  zum  Thcil  dirocl  am  Schädel  bilden.  Der  hinlere 
fortbestehende  Abschnitt  des  Palalo-Quadratum  bildet  sich  in  das  Q  u  a  - 
dratum  um  (Fig.  221.  <?). 

Der  gesammte  Apparat  bietet  Kigcnthttmlichkeiten  in  seiner  Ver- 
bindungsweise mit  dem  Schädel  dar.  Bei  den  Eidechsen,  Schlaogen 
und  Vögeln  isl  das  Quadratum  ein  bewegliches  KnochcnstUck,  während 
es  bei  Grocodiien  und  Schildkröten  mit  dem  Schädel  in  feste  Verbin- 
dung getreten  ist.  Damit  ist  der  ganze  am  Paiato-Quadratknorpel  dif- 
ferenzirte  Knochencompicx  inniger  und  unbeweglich  mit  dem  Granium 
vereinigt,  während  bei  beweglichem  Quadratbein  mindestens  ein  Theil 
jenes  Knochencomplexes  sich  gleichfalls  beweglich  erhält. 

Ein  anderes  Verhältniss  steht  in  Zusammenhang  mit  der  Ent- 
wickelung  der  Nasenhöhle.  [Siehe  darüber  auch  bei  der  Differenziruog 
der  Mundhöhle.)  Die  aus  dem  Oberkieferabschnitt  des  ersten  Visceral- 
bogens  entstehenden  Skelettheile  legen  sich  nicht  mehr  einfach  an  die 
Seite  der  Schädelbasis,  sondern  treten  gegen  die  Medianlinie  unter 
einander  zusammen,  so  dass  die  Schädelbasis  von  der  Begrenzung  der 
Mundhöhle  mehr  oder  minder  ausgeschlossen,  und  das  Dacli  dieser  Ga- 
vität  in  demselben  Grade  von  Theilen  des  Oberkiefergaumenapparates 
dargestellt  wird,  als  diese  eine  medianwärts  gerichtete,  von  vorne  nach 
hinten  fortschreitende  Entfallung  darbieten.  Die  bei  den  Amphibien 
dicht  am  Vorderrande  des  Schädels  in  die  Mundhöhle  führenden  Nasen- 
höhlen zeigen  durch  jenen  Vorgang  die  innere  Oefinung  immer  weiter 
nach  hinten  gelagert,  indem  horizontale  Fortsätze  der  bezüglichen 
Skelettheile  (Oberkiefer,  Gaumenbein,  Flügelbein)  sie  allmählich  von 
unten  her  umfassen  und  umschliessen.  Damit  scheidet  sich  die  Nasen- 
höhle immer  mehr  von  der  Mundhöhle  ab  und  bildet  eine  über  dieser 
liegende  Räumlichkeit,  deren  Boden  das  Dach  der  Mundhöhle  ist.  Die 
aus  horizontal  gerichteten  Fortsätzen  jener  Knochen  dargestellte  Scheide- 
wand zwischen  Mund-  und  Nasenhöhle  wird  als  »barler  Gaumen« 
bezeichnet. 

Diese  Veränderungen  sind  am  wenigsten  bei  Eidechsen,  Schlangen 
und  Vögeln  entwickelt,  mehr  bei  Schildkröten  und  am  vollkommensten 
bei  den  Grocodiien. 

Die  bei  Fischen  den  Kieferstiel  bildenden  Stücke  (llyomandibulare 
mit  Symplecticum)  haben  dasselbe  Schicksal  wie  bei  den  Amphibien 
erlitten,  indem  sie,  ausser  Verbindung  mit  dem  Quadratum,  in  die 
Golumella  (Fig.  321.  6\  Col)  umgewandelt  sind,  die  mil  einer  PlaUe 
der  Fenestra  ovalis  aufsitzt,  mit  ihrem  andern  verschiedene  Zustände 
bietenden  Ende  in  das  Trommelfell  eingeht.  Sie  ist  somit  auch  hier 
in  die  Dienste  des  Hörapparates  getreten ,  indem  sie  die  Verbindung 
des  Labyrinthes  mit  dem  Trommelfell  herstellt. 

Bei  beweglicher  V  e  r  b  i  n  d  u  n  g  d  e  s  Q  u  a  d  r a  t  u  ni  mit  dem  Schädel 
(Ophidior,  Saurier  und  Vögel),  bestehen  auch  an  den  angeschlossenen 


KopbkdBl. 


473 


Tbeilcn  des  OI>eH(i«fei^umeoapparalcs  vürschiedcni^railig  einwickelte 
Gelenke.  Diese  fehlen  bei  Crocodilen  und  Schildkröten,  deren  Quadra- 
tum  zwischen  Squamosum  und  den  Knochen  der  Otirkapsel  in  Nahl- 
vcrbindung  getreten  ist  und  daher  den  Obcrkiefcr^üumcnapparal  un- 
beweglich erscheinen  lässt.  Eine  Uebergüngsform  lu  diesem  Zuslande 
bildet  Sphenodon,  dessen  ScbUdel  zwar  den  Typus  der  Eidechsen  zeigt, 
allein  das  Quadratum  mit  PterygoYd  und  Squamosum  in  einer  Testea 
Verbindung  besitzt. 

§  318. 


icn   sich   zwei   nach  vorne  zum  Ober- 
ähnlich  wie  bei  den  Amphibien.    Nach 
Fig.  tsi. 


An  das  Quadratum  scblii 
kiefer  ziehende  Knochenreihen 
innen  zu  findet  sich  zuerst  das 
PterygoYd  {Fig.  822.  Pt). 
Bei  Vögeln,  S<^langen  und 
Eidechsen  besitzt  es  an  der 
Schädelbasis  eine  Articulations- 
stelle,  und  ist  von  dem  an- 
derseitigen  getrennt.  Beide 
sind  untereinander  durch  eine 
mediane  Naht  verbunden  und 
zugleich  der  Schädelbasis  fest 
angefügt  bei  SchildkröU-n  und 
Crwodilen  (Fig.  223.  /'() ,  bei 
letzteren  umschliessen  sie  die 
inneren  Oeffnungen  der  Nasen- 
liSble  (Choanaej .  Bei  Schlangen, 
Sauriern  und  Grocodileii  reibt 
sich  aussen  an  das  PterygoTd 
ein  das  Haxillare  erreichender 
und  so  die  äussere  und  innere 
Knochenreifae  verbindender 
Knochen  an,  das  Husscrc 
Flügelbein  oderOs  trans- 
versum  (Figg.  222.  A.  Tr, 
223.  B.  Tr).  Ob  es  dem  den 
Fischen  zukommenden  RktopterygoTd  entspricht,  ist  zweifelhaft. 

Vor  dem  PlcrygoTd,  und  meist  der  Medianlinie  gcnllhert,  liegt  das 
Palatinum  {Pul},  welches  bei  Schildkröten  und  Crocodilen  in  medianer 
Nahtverbindung   steht,    indess    beide    bei  Schlangen,    Eidechsen    und 

Vig.  111.  Ansicht  der  SehHdRibsiiii.  A  von  Monitor,  B  von  Struthio. 
06  Occipilale  bssilaro.  C  Condylus  occipilaliH.  Ol  Ocdpitalo  laterale.  Sp6  Sphe- 
noidale  basilare.  Q  Qaadralum.  PI  Plerygniil.  Tr  Transversura.  Pal  PBlalinum. 
y  Vomer.  Qj  Quadralajugale.  Ju  Jugale.  Mx  Haxillarc.  Mx'  Medianer  Kortsati 
demselben.     Pj>  Praemaiillare. 


i7i 


Wirbelthlere. 


VOgeln  von  einandur  gelrennt  bteibeD,  und  seilwärls  die  Choaneo  b^ren- 
len  (Fig.  222.  Pal.)  Am  ScbildkrOtcD schade!  trilt  der  Vomer  (F^.  2S3. 
A.  Vo)  zwischen  den  beiden  Palatina  zum  Dache  der  Mundhöhle  herab, 
wahrend  über  der  Nasenhöhle  beide  Gaumenbeine  an  der  Basis  cranii 
sich  vereinigen.  Heisl  als  lange  und  platte  Knocfaea  erscheinen  die  Gau- 
menbeine der  Vögel  (Fig.  222.  B.  Palj,  bei  denen  sie  mit  ihrem  voi^ 
deren  Ende  einem  Forlsalz  des  Oberkiefei^nocben  {Mx')  sich  anlegen. 
Derselbe  verläuft  quer  nach  innen  und  kann  bei  mächtiger  Enl- 
wickelung  sogar  ans  Vomer  gelangen.  Bei  schwächerer  Ausbildung 
treten  die  Vorderenden  der  Gaumenbeine  mit  einem  Fortsalz  des  Prae- 
maxillare  zusammen ,  oder  es  kttnnen  auch  beiderlei  Verbiuduagen 
bestehen. 

An  die  Gaumenbeine  reiht  sich  vorne  der  Oberkiefer  an,  der  me- 
dian an  das  Praemaxil- 
Klg.  »s.  lare  slässt.    DiePrae- 

j  3  maxillaria   siod    bei 

den  meisten  Sauriern 
(unter  den  SchildkrMen 
bei  Ghelys)  wie  bei  den 
Vt^eln  verschmolieD, 
und  bei  letzlern  durch 
lange  Frontalfortsütjte 
»US gezeichnet  (Fig.  220. 
82t.  222.  223.  Px). 
Ihre  Ausdehnung  steht 
hier  im  VerhSltniss  zur 
Lunge  des  Schnabels, 
an  dessen  Gestaltung  sie 
bedeutenden  Anthci) 
nehmen.  Rudimentär 
erscheinen  sie  bei  den 
Schlangen  [Fig.  221.  C. 
Px) ,  auch  beiden  Schild- 
ki-Olen  sind  sie  unansehn- 
lich. Der  Hauplanlbeil 
an  der  Begrenzung  des 
OberkieferrandeskoiDnil 
somit  dem  Haxillare 
{Jüx)  SU,  welches  bei  Crocodilen  und  Eidochsen,  am  meisten  aber  bei 

Fig.  913.  Ausiclil  der  Schädelbasis  A  vod  Cholonia.  S  vod  Crocudllus 
Ob  Occipilale  basilarc.  Ol  Occipilale  lülcrale.  C  Condylus  occipilalls.  SpA  Sphe- 
noiilale  basilaru.  Opo  Opistlioticiim  Pt  Pleryi^inil.  Pal  Palaliuum.  Vo  Vomer. 
Q  QusdralUD).  Qi  (juadrslo-Jugalc.  Tr  Traosversuni.  Mx  Maiillare.  Px  Prae- 
maKillare.  Pa  Paiietalc.  Pfr  Positrontale.  Fr  FronUle.  Ch  Cliosnae.  S  Tuba 
Euülachii. 


Kopfekelel.  475 

Schlangen   (Fig.  22 f.  C)  eine  betrüchtliche  Ausdehnung,   und   bei  den 
leUleren  zugleich  eine  grosse  Beweglichkeit  besitai. 

Zum  Maxillare  tritt  vom  Quadratum  her  noch  eine  besondere  Reihe 
von  theilweise  schon  den  Amphibien  zukommenden  Knochenstücken. 
Das  erste  derselben  ist  das  Quadrat-Jochbein,  welches  nur  den 
Schlangen  abgeht.  Bei  den  Sauriern  entspringt  es  vom  Quadratum 
dicht  an  dessen  Verbindungsstelle  mit  dem  Schädel,  zwischen  jenem 
und  dem  Squamosum.  Es  setzt  sich  vorne  in  ein  zweites  Stück  fort, 
welches  theils  mit  dem  Postfrontale,  theils  mit  einem  den  untern  Or- 
bitalrand umziehenden  Jugale  sich  verbindet.  Auch  bei  den  Vögeln 
ist  das  Quadrato-Jugale  (Fig.  222.  B,  Qf)  ein  dünnes  Knochenstttck, 
lateral  vom  Mandibulargelenk  des  Quadratum  entspringend.  Bei  den 
Schildkröten  und  Crooodilen  verbindet  es  sich  mit  einer  grössseren 
Fläche  des  Quadratum,  und  stützt  das  Jugale,  dem  immer  ein  An- 
theil  an  der  hinteren  und  unteren  Orbital-Umgrenzung  zukommt. 

'Der  Unterkiefer  artioulirt  in  allen  Fällen  mit  dem  Quadratbein. 
Die  an  dem  primitiven  Knorpel  auftretenden  Belegknochen  sind  wesent- 
lich die  gleichen  wie  bei  den  Fischen  und  Amphibien«  Das  ansehn- 
lichste Stück  bildet  das  Dentale,  wozu  ein  Angulare  und  Su- 
praangulare,  dann  ein 'an  der  Innenfläche  gelagertes  Comp  lernen - 
tare  und  Operculare  kommt,  von  denen  die  letzteren  zuweilen  nur 
angedeutet  sind,  oder  auch  vollständig  fehlen.  Der  Gelenktheil  des 
Untcrkieferknorpcls  entwickelt  sich  zu  einem  Articulare,  so  dass 
die  Gesammteahl  der  Stücke  auf  42  sich  beläuft,  welche  Zahl  bei  den 
meisten  Schlangen,  sowie  einer  Anzahl  von  Sauriern  reducirt  ist. 

Bei  Schildkröten  und  Vögeln  verschmelzen  die  beiden  Dcnlalia 
sehr  frühzeitig,  und  bei  den  Vögeln  erhalten  sich  von  den  andern 
Knochen  meist  nur  Spuren  der  ursprünglichen  Trennung.  Beide  Unter- 
kieferbälfleu  bleiben  bei  den  Crocodilen  und  Sauriern  durch  eine  Naht 
getrennt,  und  sind  bei  den  weitmäuligen  Schlangen  durch  lockere  Band- 
masse beweglich  unlereinander  verbunden. 

§  349. 

Auch  am  Säugethierschädel  erscheint  das  knorpelige  Primor- 
dialcranium,  jedoch  nur  auf  die  frühesten  Enlwickelungszustände  be- 
schränkt, und  wie  bei  Beptilien  und  Vögeln  für  die  Schädelhöhle  keinen 
oberen  Verschluss  bielend ,  sondern  daselbst  durch  membranöse  Theile 
ergänzt.  Im  Uebrigon  finden  sich  bedeutende  Uebereinstimmungen 
mit  der  Schädelanlage  in  niederen  Abtheilungen,  wie  auch  die  Chorda 
dorsalis  an  der  ersten  Bildung  den  gleichen  Anthcil  nimmt.  Damit 
lassen  also  diese  niederen  Zustände  des  Säugethiei'schädels  Anschlüsse 
an  die  Schädelbildung  der  übrigen  Wirhelthiere  aufs  deutlichste  er- 
kennen ,  wie  sehr  auch  die  später  folgende  Di  Acren  zirung  Eigenthüm- 
lichkeitcn  hervortreten  lassen  und  zu  auffallenden  Verschiedenheilen  ge- 
stalten mag. 


476 


Wirbelihiere. 


Der  aus  dem  Primordialcraniiim  entstehende  Thoil  des  Schädels 
ist  auch  hier  von  den  .aus  Elementen  des  Visceralskelets  hervorge- 
gangenen ,  oder  doch  ursprünglich  an  diesem  gebildeten  Theilen  zu 
unterscheiden.  Als  Kapsel  zur  Aufnahme  des  Gehirns  weist  er  mit 
einer  grösseren  Ausdehnung  auch  eine  grössere  Anzahl  zur  Umschliessung 
beitragender  Knochen  auf,  indem  auch  manche  in  den  übrigen  Ab- 
thcilungen  nur  ilusserlich  gelagerte  Theile  an  die  Inuenfläcbe  zur  Hohl- 
raumbegrenzung  gelangen  in  Anpassung  an  die  Volumzunahme  des 
Gehirns. 

Die  Scheidung  in  einzelne  Segmente  tritt  am  knöchernen  Schädel 
deutlicher  als  in  den  niederen  Abtheilungen  hervor,  muss  aber  als 
eine  sccundäre  Anpassung  beurtheilt  werden  (S.  554).  Die  Verbindung 
der  an  den  ersten  Visceralbogen  entstandenen  Knochen  mit  dem  Schüdel 
ist  inniger,  und  bedingt  die  Gestaltung  des  letztern  zu  einem  einheil- 
lichern  Gebilde. 

Am  Occipitalsegroent  bilden  die  seitlichen  Stücke  mit  je  einem 
Theile  des  Occipilale  basilare  (Fig.  224.  225.  06)  die  Gelenkköpfe  des 
Hintorhauptes  und  begrenzen  mit  jenem  das  Foramen  mngnum,  indem 
sie  oben  das  Occipitaic  suporius  (Os)  zwischen  sich  fassen.  Letzteres 
kann  übrigens  auch  von  dem  Rande  des  Foramen  magnum  ausge- 
geschlossen  sein.  FAne  Verwachsung  der  vier' Stücke  zu  einem  ist  eine 
fast  regelmiissige  Erscheinung,  doch  können  sie  auch  (z.  B.  bei  Beutc;!- 

thieren)    sehr    lange    ge- 
Fig.  324.  trennt  bleiben.    Bei  vielen 

Saugethieren  (manchen 
Beutelthieren ,  Artiodac- 
tylen,  Einhufern  etc.)  stei- 
gen von  den  Occiptalia 
lateralia  lange  Fortsätze 
(pm)  herab  (Proc<$ssus  pa- 
ramastoYdei) . 

In  der  Region  der  Ge- 
hörkapsel ßnden  sich  die 
das  Labyrinth  bergenden 
Stücke  nur  im  frühesten 
Zustande  als  discrete  Ossi- 
ßcationen  von  Knorpel  partieen.  Diese  Knochenkerne  entsprechen  theilweisc* 
den  bei  Fischen  und  Reptilien  bestehenden  discreten  Knochen  und  ver- 
schmelzen bald  zu  einem  einzigen  Stücke,  dem  Petrosum  (Pc*),  dessen 


'pm 


Fig.  SU.  Seitliche  Ansiclit  des  Hirntheilsi  eines  Ziegenschlidels.  Of  Occi- 
pilale  laterale.  Os  Occipilale  suporius.  Jp  lolerparietale.  Pa  Parietale.  Pe  Pe- 
trosum. Sq  Squamosum.  Ty  Tympanicum.  Sph  Basisphenoid.  A$  Alisphenoid. 
Ors  Orbitosplicnoid.  Fr  Frontale.  Na  Nasale.  L  Lacrymale.  7»  Jugale.  Jl/x  Maxil- 
lare.  Pal  Palalinum.  PI  Plcrygoid.  pm  Processus  pararoastoideus.  st  Processus 
styloides. 


KopbkeleL 


477 


grosserer  Abschniu  mit  der  Ausdehnung  der  Scbadelhable  an  die  Basis 
enoii  rttckl.  Der  laterale  Tbeil  des  Petrosum  erhalt  an  dem  das  LabyrinÜi 
bergeadeo  Abschnitt  Anlagerungeo  von  anderen  aus  dem  Visceraükelel 
eulstandenen  Knochen  und  wird  zur  medialeo  Wand  der  Paukenbtthle, 
an  welcher  sich  ausser  einer  Peoeslra  ovalis  noch  eine  Fenestra  rotunda . 
vorfindet.  Wie  die  erstere  Oeffnung  bei  den  niedem  Abiheilungen  die 
Golomelta  Irägl,  so  ist  ihr  bei  den  Saugethieren  als  homologes  Skelel- 
stU(A  der  Slapes  angefUgl.  Der  binlere,  gleichfalls  mit  einem  selbstän- 
digem Knochenkeme  oseificirende  Abschniu  des  Petrosum  ist  in  seillichem 
Anschluss  au  die  Oocipitalia  lateralis  und  wird  als  pars  mastoYdea 
unterschieden,  da  er  beim  Henschen  eine  wanenformigo  Vorragung 
tragt.  Oben  ftlgt  sich  an  das  Petrosum  das  Squamosum  [Sq]  welches 
seinen  Charakter  als  Belegknochen  beibehalt.  Zuweilen  verschruilit  es 
mit  dem  Petrosum  zum  Schläfenbein  (Temporale),  dessen  nScfauppe«  es 
bildet.  Bei  Einigen  ist  es  wie  bei  den  niederen  Wirbelthieren  ganz 
von  der  Scfaädelhohle  ausgeschlossen,  bei  Andern  (z.  B.  den  Cetaceen 
und  Wiedei^auem)  wird  nur  ein  kleiner  Theil  an  der  Innenfläche  des 
Schadeis  getroffen.  Erst  bei  den  Primaten  ist  dieser  beträchtlicher  und 
fuhrt  zu  dem  für  den  Menschen  bekannten  Verhallen.  Die,  eine  Aus- 
dehnung der  Scbadelhable  begleitende  Volumsenlfaltung  des  Gehirns  zeigt 
sich  somit  in  eiuem  auch  die  Lagerungsbetiebung  der  Schadelknochen 
ändernden  Einflüsse.  Ein  nach  vorne  gerichteter  Forlsati  (Processus 
lygomaticus)  des  Squamosum  tragt  lor  Bildung  des  Jocbbogens  bei. 

Vor  der  Schlafen  bei  nregion  flndet  sich  dio  aus  zwei  vollkommen 
entwidielten  Segmenten  zuaammengescute  Sphenoldalr^ion.  Das  Ba- 
salslUck  des  hinteren  Segments  (SphenoTdale  basilare,  Basi- 
sphenoYd]   (Fig.  ^25.  Spb] 

stfiast  unmittelbar  an  des  Oc-  Fig.  tu. 

cipitale  basilare.  und  tragt 
seitlich  die  Alae  tempo- 
rales (AlispheooTd) .  Vor 
dem  BasisphenoTd  liegt  der 
vordere  Abschnitt  [Prae- 
sphonold)  [Ps]  wieder  mit 
seitlichen  Knochen  sttlcken 
—  Alae  orbitales  (Orbi- 
losphenotd)  —  in  Zusammen- 
hang. Alle  diese  aas  dem 
Primordialcranium  hervor- 
gehenden Stucke  bilden  den 

Kig.  115.     Senkrecliter  UediinschniU  durch  dcoselben  SchHdel.     Ob  Occipilala 

basilare.  Pj  PrnesplienoKl.  Eth  Klhmoid  [senil recht q  PIntto  des  Siebheins,  deren 
vorderer  Rand  in  die  hier  cnlfernlo  iinor|ielige  Nasen  Scheidewand  sich  rortselzl. 
£M'  Muscheln  dea  Ethmnid.  Vo  Vnnier.  t^  S<nDS  rronMiis.  Die  Übrige  Bexelch- 
aang  wie  in  der  vorberge  he  ndaii  Kigur. 


478  Wirbelthiere. 

vordem  Tbeil  der  Schädelbasis  und  einen  Abschnitt  der  seitlichen 
Wand.  Die  beiden  medianen  Stücke  bleiben  bei  den  Säugethieren  stets^ 
oder  doch  sehr  lange  getrennt.  Beim  Menschen  verschmelzen  sie  früh- 
zeitig zum  sogenannten  Körper  des  Keilbeines. 

Am  Schädeldache  treiTen  sich  wieder  die  bekannten  Deckstücke, 
die  bei  bedeutender  Ausdehnung  der  Schiidelböhle  an  Umfang  gewinnen. 
Am  hinteren  Abschnitte  des  Schädeldaches  finden  sich  die  Parietalia 
(Figg.  224.  225.  Pa),  die  häufig  (z.  B.  bei  Monotremen,  manchen 
Beutellhieren ,  den  Wiederkäuern  und  Einhufern)  unter  einander  ver- 
wachsen. Zwischen  sie  fügt  sich  von  hinten  her  ein  besonderes  an 
das  Occipitale  superius  grenzendes  Knochenstück,  das  Interparie- 
tale, welches  meist  wie  bei  den  Primaten  mit  dem  Occipitale  superius 
(Figg.  224.  225.  Jp) ,  aber  auch  mit  den  Parietalien  (bei  Nagern  und 
Wiederkäuern)  verschmilzt. 

Die  Frontalia  (Fr)  sind  im  Anschlüsse  an  die  Alae  orbitales  des 
SphenoYdalabschnittes  immer  paarig  und  meist  durch  eine  Naht  von 
einander  getrennt,  bei  einzelnen  verwachsen  sie  frühzeitig,  z.  B.  bei 
Elephas,  Rhinoceros,  auch  hei  den  Prosimiae,  Insectivoren,  Chiroptern 
und  den  Primaten. 

§  320. 

Der  vorderste  Abschnitt  des  Priniordialcraniums  bietet  die  bedeu- 
tendsten Modificationen.  Nur  mit  einer  kleinen  Fläche  das  Scbädei- 
cavum  begrenzend ,  entfaltet  er  sich  vor  der  Schädelkapsel  und  erhält 
durch  Umwandung  der  Nasenhöhle,  und  Bildung  mannichfacher  in  die 
letztere  einragender  Vorsprünge  bedeutende  GompHcationen.  Von 
unten  her  lagern  sich  an  ihn  Skelettheile  des  Kicfergaumenapparales, 
gegen  welche  eine  mediane  senkrechte  Knorpellamelle,  die  Scheidewand 
der  Nasenhöhle,  herabsteigt.  An  dieser  entsteht  als  Belegknochen  der 
Vom  er  (Fig.  225.  Vo),  Durch  Verknöcherung  der  beiden  SeitenhSlften 
des  Ethmo'idalknorpels  und  der  davon  ausgehenden  lamellösen  Fort- 
sätze (obere  und  untere  Muscheln)  entstehen  zwei  Ethmo  Yd  stücke,  den 
Praefrontalia  der  Fische  homolog.  Sie  begrenzen  einen  Theil  der  Schädel- 
höhle  vor  dem  PraesphenoYd  und  zeigen  dort  Durchlassstellen  für  den 
Nervns  olfactorius.  Bei  Ornithorhynchus  wird  der  Schädel höhlenanlheil 
des  EthmoYd  nur  von  zwei  Oeffnungen  durchbrochen,  dagegen  finden  sich 
zahlreichere  Oeffnungen  bei  den  Uebrigen,  und  gestalten  jenen  Abschnitt 
zur  Siebplatte.  Durch  Verschmelzung  der  beiden  seitlichen  Hälften 
mit  dem  medianen  Stücke  (Fig.  207.  Eth)  (Lamina  perpendicularis) 
geht  ein  unpaarer  Knochen,  ein  einheitliches  EthmoYd  hervor. 

Am  unteren,  vorderen  Abschnitte  der  knorpeligen  EthmoYdalwand 
entstehen  durch  selbständige  Ossificationen  besondere  Knochen  als  untere 
Muscheln.  Auch  in  Zusammenhang  mit  dem  Vonier  können  Theile  des 
EthmoYdalknorpels  verknöchern.  Sowohl  durch  diese  als  durch  äussere 
auf  dem  EthnioYdalknorpel  entstandene  Belogknochen  bilden  sich  weitere 


KopfskeleC.  479 

Cooipticaiionen  des  Säugeibierscbydels.  Die  unteren  Muscheln  bieten 
ausserordentliche  Verachiedent:  eilen  und  tragen  durch  reich  verzweigte 
LamelleDbildung  xur  Oberflächenvergrösserung  der  Nasenrflume  bei. 
Auch  an  den  beiden  Hälften  des  EthmoYd  finden  sich  solche  Compli- 
caUonen,  sowie  die  Ausdehnung  dieses  ganten  Abschnittes  an  der 
äusseren  C(mfiguration  des  Schädels  bedeutenden  Antbeil  hat  und  für 
die  Lflngenentwickelung  des  Schadeis  wenigstens  Einen  Factor  abgibt. 
In  der  Regel  wird  der  EthmoYdalabschuitt  von  anderen  Knochen  — 
vorzüglich  jenen  des  Kiefer- Gaumenapparates  —  so  tlberiageri,  dass 
kein  Theil  seiner  Oberfläche  zu  Tage  tritt.  Ausser  bei  einigen  Eden- 
taten,  gelangt  nur  bei  den  Primaten  ein  Theil  der  seitlichen  Fläche 
zur  medianen  Begrenzung  der  Orbita,  und  bildet  die  »Lamina  papyracea«. 

An  der  Aussenfläche  des  EthmoYdalabschnittes  finden  sich  wieder 
als  Beiegknochen  die  Lacryroalia  und  Nasalia.  Die  ersteren  (L) 
sind  minder  beständig  und  scheinen  oft  in  benachbarte  Knochen  über- 
zugehen, so  dass  sie,  z.  B.  bei  Pinnipediem  als  discrete  Theile  ver- 
misst  werden.  Auch  den  Delphinen  fehlen  sie.  Wie  bei  den  Reptilien 
und  Vfigaln  bilden  sie  einen  Theil  der  vordem  Begrenzung  der  Orbita, 
und  treten  gleichfalls  auf  die  Anüitzfläche  des  Schädels  vor,  von  der 
sie  sich  bei   den  Primaten  an  die  mediale  Orbitalwand  zurückziehen. 

Bezüglich  der  Nasalia  {Na)  bestehen  gleichfalls  nur  untergeordnete, 
theils  durch  eine  Rückbildung  (wie  bei  den  Cetaceen),  theils  durch  be- 
trächtliche Yolumsentfaltung  ausgedrückte  Verschiedenheiten.  Ihre  Aus- 
dehnung entspricht  der  Nasenhöhle^  und  bedingt.eine  Verlängerung  des 
Gesichtstheiles  des  Schädels.  Zuweilen  bieten  auch  sie  Verwachsungen 
unter  einander  dar,  wie  bei  den  (platyrrhinen)  Afien,  bei  denen  sie 
wi^  beim  Menschen  eine  geringe  Ausdehnung  aufweisen. 

§  381. 

Die  bedeutendsten  Eigenthümlichkeiten  des  Säugethierschädels  er- 
weisen sich  an  dem  vom  Visceralskelete  gebildeten  Abschnitte.  Das 
bei  den  niederen  Wirbelthieren  als  Palalo-Quadratum  bezeichnete 
KnorpeIstü(4  kommt  wenigstens  mit  seinem  hinteren  das  Quadratum 
erzeugenden  Abschnitte  den  Säugethieren  zu,  und  lagert  an  der  Aussen- 
fläche der  Ohrkapsel  des  Primordialcraniums.  Nach  neueren  Darstel- 
lungen soll  es  den  Hammer  bilden,  der  im  Dienste  des  Gehörapparates 
mit  einem  zweiten  aus  dem  Visoeralskelet  gebildeten  Knochen,  dem 
Ambos,  articulirt.  Dagegen  sollte  älteren  Beobachtungen  zufolge  der 
letztere  Knochen  aus  dem  Quadratum  hervorgehen. 

Die  vor  dem  Quadratum  längs  der  Schädelbasis  entwickelten 
Skelettbeile  bieten  in  Beziehung  auf  die  Bildung  eines  die  Nasen- 
höhle von  der  Mundhöhle  scheidenden  Gaumengewölbes  durch  Rnt- 
wickelung  horizontaler  Fortsätze  analoge  Zustände  wie  bei  Reptilien  dar. 

Die  PterygoYiiea  (Fig.  225.  PI)  sind  meist  platte  Knochenstücke 


480  Wirbelthierd. 

^velche  der  Innenfläche  besonderer  vom  Basisphenol'd  entwickelter  Fort- 
sätze sich  anlagern.  Sie  umscbliessen  seitlich  die  Choanen  und  können 
sogar,  ähnlich  wie  bei  den  Grocodilen,  im  Gaumengew*ölbe  sich  ver- 
einigen^ so  dass  die  Choanenöffnung  auch  unten  von  ihnen  begrenzt 
wird  z.  B.  bei  Echidna,  Dasypus  etc.,  auch  bei  einigen  Cetaceen). 
Bei  den  meisten  Säugethieren  erhalten  sie  sich  getrennt,  und  auch  bei 
den  Primaten  bleiben  sie  es  längere  Zeit,  bevor  sie  mit  den  genannten 
Fortsätzen  des  Keilbeines  sich  vereinigen,  um  die  medialen  Lamellen 
der  absteigenden  Keilbeinfortsätze  (Processus  pterygoYdei)  vorzustellen. 
—  Die  Pdlatina  bilden  am  häufigsten  die  untere  Ghoanenumschlies- 
sung  und  den  hintersten  Abschnitt  des  harten  Gaumens.  Die  eigent- 
lichen Kieferknochen  verhalten  sich  in  ähnlicher  ^eise  wie  unter  den 
Reptilien  bei  Crocodilen  und  Schildkröten.  Die  Maxillaria  bilden 
stets  die  ansehnlichere  Partie,  und  erscheinen  nach  Maassgabe  der 
Länge  der  Antlitzregion  ausgedehnt.  Bedeutendere  Verschiedenheiten 
bieten  die  Prae maxillaria,  welche  in  der  Regel  gleichfalls  zur 
seitlichen  Begrenzung  der  Nasenhöhle  beitragen.  Sehr  häufig  sind  sie 
rudimentär,  oder  im  Verhältniss  zum  Maxillare  schwach  entwickelt 
z.  B.  bei  manchen  Chiroptern  und  Edentaten.  Sie  tragen  zur  Be- 
grenzung des  Foramen  incisivum  bei.  Während  sie  sich  bei  den  meisten 
Säugethieren  selbständig  erhalten ,  verwachsen  sie  bei  den  Affen  mit 
den  Maxillaria,  und  gehen  diese  Verbindung  beim  Menschen  sogar  so 
frühzeitig  ein,  dass  man  lange  Zeit  an  ihrer  Selbständigkeit  zweifelte. 

Die  bei  Reptilien  und  den  Vögeln  vorhandene  äussere  Reihe  von 
Knochen,  welche  vom  Quadratum  aus  zum  Maxillare  zieht,  ist  bei  den 
Säugethieren  auf  das  Jugale  reducirt,  welches  den  Jochfortsatz  des 
Squamosum  mit  dem  Maxillare  zum  Jochbogen  verbindet.  Wenigen 
fehlt  das  Jugale  (z.  B.  Sorex) ,  oder  es  erreicht  vom  Oberkiefer  aus- 
gehend keinen  Anschluss  am  Jochfortsatz  (Myrmecophaga,  Bradypus]. 
Indem  es  sich  durch  einen  besonderen  Fortsatz  mit  einem  seitlichen 
Fortsatze  des  Stirnbeins  verbindet,  kann  es  eine  hintere  Orbitalum- 
grenzung herstellen  helfen ,  und  trennt  damit  die  Orbita  von  der 
Schläfengrube  bei  Wiederkäuern,  Einhufern,  Prosimiae,  am  vollstän- 
digsten bei  den  Primaten ,  deren  untere  Orbitalfissur  den  Rest  der  bei 
den  andern  Säugethieren  weiten  Coiimmnication  zwischen  Orbita  und 
Schläfengrube  vorstellt. 

An  der  Aussenfläche  des  Petrosum  entsteht  bei  den  Säugethieren 
ein  besonderes  KnochenstUck ,  welches  als  Rahmen  für  das  Trommel- 
fell dienend  als  Tympanicum  bezeichnet  wird.  Ob  es  mit  dem 
(oben  S.  468)  bei  Amphibien  ebenso  genannten  Knochen  homolog  ist, 
ist  ungewiss.  Immer  erscheint  es  zuerst'  als  ein  knöcherner,  nicht 
vollständig  geschlossener  Ring  (Annulus  tympanicus}  (Fig.  S26.  a<), 
der  in  mannichfaltige  Formen  auswächst.  Als  einfacher  Annulus  bleibt 
es  bei  Monotremen  und  Beutel thieren,  auch  manchen  Insectivoren  u.  a. 
Häufig    erhält    es   sich   vom  Petrosum    getrennt,    am    losesten   bei  den 


Kopbkelel. 


iSI 


Walfischen  mit  ihm  verbunden ,  und  bildet  bei  vielen  Saugethieren 
eine  linöcfaerne,  in  den  itusteren  GehOrgang  for^eselzte  Kapsel.  Eine 
sollte  Bnlia  ossea  findet  sich  besonders  bei  Beute llbieren ,  Nagern, 
auch  bei  den  Artiodactylen  vor.  Bei  manchen  Beute ) th ieren ,  deren 
Tympanicam  nicht  Über  das  ringförmige  Stadium  hinaus  gelangt,  findet 
sieb  eine  anscheinend  gleiche  Bulla ,  die  aber  hier  von  einer  Ausdeh- 
nung der  Basis  der  Alae  temporales  gebildet  wird  (Dasyunis,  Petau- 
rista,  Perameles).  Indem  das  Tympanicum  mit  dem  Pelrosum  und 
Sqaamosum  verschmilit,  hilft  es  das  SchlKfenbein  zusammensetzen 
(himaten).  An  seinem  vorderen  Bande  bleibt  auch  beim  Menschen 
eine  andrerseits  vom  Squaraosum  begrenzte  Spalte  bestehen  (Fissura 
Glasen),  durch  welche  ein  Fortsatz  des  Hammers  tritt. 


§  3S8. 

Der  prioiitive  Unterkieferknorpel  ändert  bei  den  SSugethieren  schon 
bald  die  BiobtUDg  der  bei  den  Übrigen  Wirbeltbieron  eingeschlagenen 
DiBerentiruDg.  Er  reprasentii-t  einen  schlanken  Rnorpelstreif,  dor  sich 
continuirlich  in  ein  G^ttrknOchelcben ,  den  Hammer,  forXaeUl.  Wenn 
letzterer  aas  dem  Palato-Qua- 
dratum  enisleht,  so  wäre  also 
hier  ein  continuirlicher  Zusam- 
menhang zweier  bei  allen  Wir- 
bdthieren  getrennter  Skelet» 
iheile  gegeben,  woraus  fUr  die  j 
neue  Deutung  dieser  Theile 
etne  grosse  Schwierigkeil  er- 
wacht. Damit  gewinnt  die 
altere  Darstellung,  der  zufolge 
der  obere  Theil  des  primitiven 
Unterkieferknorpels ,  der  bei 
den  Saugethieren  zum  Ham- 
mer wird,  dem  Articulare  des 
Unterkiefers       der       niederen 

WirbcMitere  entspräche.     Jedenfalls   sind   diese    Vergleichungen   noch 
nicht  zum  Abscfalusa  gelangt. 

An  der  Anasenflflcbe  des  vom  Hammer  ausgebenden,  sehr  bald  im 
Wachsthume  sieben  bleibenden  Knorpelstreifes  entsteht  ein  Belegknochen, 
in    weldiem   das  Dentale  der  übrigen  Wrbelthiere   zu  erkennen  ist. 

Fig.  tia.  Seilliche  Ansicht  des  Schädels  feines  inonBchlichen  Folus  mit  den 
GehOrbnnch eichen.  KIn  Thell  der  oberen  Begrenzung  der  PBukenhtthle,  sowie  das 
TrommHMI  ist  w^geiMmin«n.  al  Annulns  lympsnicas ,  von  wefchtm  ein  Stück 
des  oberen  Abschnitles  entfernt  ist.  m  Haointer,  mn  Uannbrinm  dos  HHmmers. 
p  ProcessQS  lleclielli,  an  der  Inaenseite  des  Unterkiefers  sich  hinziehend,  i  Am- 
bos.  t  Steigbügel.  ><  Processus  stylo'ides.  t.tl  Ligemenlum  stylohyo'idoum  zum 
vorderen  Hörn  des  Zungenbeins  xiehend.    i  Foramen  mastoideum. 


482  Wirbeitbiere. 

Es  bildet  mit  dem  anderseitigen  median  zusammenstossend  den  ge- 
sammten,  an  der  untern  FlHche  der  Jochfortsatzwurzel  des  Sqaamosuni 
seine  Articulationsstelle  mit  dem  SchSIdel  findenden  Unterkiefer.  So- 
mit liegt  hier  eine  neue  Bildung  vor,  wäihrend  die  ursprüngliche  keines- 
wegs aufgelöst  isty  sondern  in  anderen  functionellen  Beziehungen  fort- 
besteht. Der  vom  Hammer  auslaufende  Knorpelfortsatz  (Meckerscber 
Knorpel)  (Fig.  226.  p)  verläuft  noch  einige  Zeit  an  der  Inn^Oäche 
des  knöchernen  Unterkiefers,  schwindet  aber  dann,  und  nur  die  inner- 
halb der  Paukenhöhle  bis  zur  Glaser^schen  Spalte  gelangende  Strecke 
erhalt  sich  durch  Yerknöcherung  als  Processus  folianus  des  Hammers. 
Die  frühzeitige  Differenzirung,  sowie  die  relativ  bedeutende  Grösse  der 
genannten  Gehörknöchelchen  bestätigen,  dass  in  ihnen  in  niederen  Zu- 
ständen voluminöser  entfaltete  Skelettheile  zu  erkennen  sind. 

Beide  Hälften  des  Unterkiefers  bleiben  bei  einer  grossen  Anzahl 
von  Säugethieren  getrennt,  bei  anderen  verschmelzen  sie  bald,  wie  bei 
Perissodactylen ,  den  Chiroptem,  Primaten.  Niedere  Formzustände 
sprechen  sich  im  geraden  Verlauf  des  Unterkiefers  der  Monotromen  aus, 
denen  ein  deutlicher  Processus  coronoYdes  fehlt ,  der  auch  bei  Anderen 
(z.  B.  bei  Walthieren)  nur  angedeutet  ist. 

D(is  aus  dem  oberen  Abschnitte  des  primitiven  Zungenbeinbogens 
hervorgehende  Stück  (Hyomandibulare  der  Fische)  lässt  ein  ähnliches 
Verhallen  auch  bei  Amphibien  und  Reptilien  erkennen ,  indem  es  mit 
einem  Abschnitte  ein  der  Fenestra  ovalis  aufsitzendes  Knöehelchen,  den 
Steigbügel,  hervorgehen  lässt.  Nach  neuem  Angaben  soll  aus  einem 
obersten  Abschnitte  auch  noch  der  Ambos  entstehen,  was  bereits  oben 
erwähnt  wurde.  Jedenfalls  dürfte  der  Stapes  mindestens  dem  die 
Endplatte  tragenden  Theile  der  Columella  der  niederen  Wirbelthiere 
homolog  sein,  wenn  er  auch  durch  den  Mangel  directer  Verbindung 
mit  dem  Tympanum  sich  auszeichnet,  vielmehr  nur  mit  einem  Fort- 
satze des  Ambos  articulirt. 

Visceralskelet. 
§  323. 

Mit  dem  vordersten  Theile  des  Axenskeletes  steht  ein  ventrales 
Bogensystem  in  Verbindung,  welches  für  den  als  Athenüiötile  fangi^ 
renden  Abschnitt  des  Nahrungscanais  die  Stützorgane  reprisenUrt  Die 
Zahl  der  Bogen  und  damit  die  ganze  Ausdehnung  des  Apparates  nach 
hinten  hängt  von  der  Ausdehnung  jenes  respiratorischen  Raumes  ab. 
Diese  Gebilde  treten  in   zwei   sehr   verschiedenen  Typen   auf. 

Der  erste  besteht  bei  den  Acrania  (Amphioxus).  Hier  besitzt 
jenes  Gerüste  an  seinem  vordersten  Theile  einen  die  Mundöffnung  um- 
ziehenden Knorpelbogen,  der  mit  nach  vorne  gerichieten  Knoipelstatv 
eben  besetzt  ist.  Der  übrige  Apparat  ist  aus  einer  homogenen  Sub- 
stanz  gebildet,    welche  ähnlich   wie  bei  Balanoglossus    (vergl.  §  4  07] 


Vinntakalol.  488 

ein  sehr  complidiiea  GUterwerk  vorstvllt.  Das  KieiiieiigiUer  jeder  Seite 
isi  gesondert  und  ein  ventraler  Zunrnmenhang  fehlt. 

Auf  diese  Einrichtung  kann  der  bei  den  Cranioten  bestehende 
zweite  Typus  nidkt  nnmiltelbar  bezogen  werden.  Er  wird  in  seinem 
efUen  Zustande  nur  durch  knorpelige  Theile  dargestellt,  die  eine  ge- 
ringere Zahl  von  Bc^en  bilden ,  und  bei  streng  symmetrischer  Ver- 
theilung  meistenlheils  einen  ventralen  Absofaluss  besitzen. 

Bei  den  Cydostomen  besteht  das  Visoeralskelet  aus  complicirteren, 
jederseils  sowohl  oben  an  der  Seite  des  Ruckgrates ,  als  unten  unter 
sidi  in  Zusarnrnfniiang  stehenden  Knorpelleislen,  deren  oberQüchliche 
Lagerung  sie  als  Süsseres  KiemengerQste  beseichnen  lasst.  Von 
diesem  sind  auch  noch  bei  Selaobiem  zuweilen  sehr  deulKc^  Spuren 
vorhanden,  obgleich  bereits  ein  anderer  innerer  SlUtiapparat  besleiit, 
welcher  von  da  an  durch  die  ganze  Reibe  der  Wirbeltbiere  ausschltess- 
liober  BeprXsentanl  des  Visceraiskelets  wird. 

Die  einzelnen  Bogen  besitzen  zahlreiche  Spuren  ursprünglicher 
Gleichartigkeit,  die  durch  nllmabiiche  Aenderung  der  funolionellen  Be- 
siehuD^n  und  damit  verbundener  Ai^ilsibeilung  einer  grossen  Hau- 
nichfalti^eit  der  Gestaltung  Plats  machte.  Von  diesen  Bogen  musslen 
einige    bereits    oben     beim 

Cranium    besprochen    wer-  l^ig   g]7, 

den,  deren  hier  nur  in  der 
Kurse  gedacht  werden  soll. 
Der  erste  dieser  Visceral- 
bogen  umzieht  den  Eingang 
in  den  Nahrungscana!  in 
zwei  Stucke  gegliedert,  von 
denen  das  obere  dem  SdiHdel 
angelagert ,  oder  ihm  doch 
mittelbar  verbunden  ist  (Fig. 
887).   Es  bildot  das  Palato- 

QuadrMiun  [oj .  Des  iweite ,  unlere  StUck  schliesst  mit  dem  der  an- 
dern Seile  die  Hundoffhung  von  unten  ab,  und  stellt  den  primitiven 
Unterlü^er  vor  (u).  Die  folgenden  Bogenpaare  erhalten  sidi  entweder 
in  ihrer  ursprünglichen  Funclion  als  Stützen  der  Kiemenbogen  oder  sie 
gehen  «ine  Reihe  anderer  Hodißcationen  ein. 

Da  diese  sflmmüiefaen  Bogen  als  ursprünglich  gleichartig  fungirende 
sieh  nachweisen  lassen,  so  dass  die  Beziehung  zum  Athemappsiut  nicht 
blos  an  den  vorderen  Bogen  durch  deren  Umwandlung  zu  JLitbn  verloren 
ging,  sondern  auch  von  den  hinteren  Bogen  her  allmählich  funclionelle 
and  den^mflsse  analoroiscbe  ttudtbildungen  stattfanden,  so  besteht  die 
lUglicbkeit,  dass  in  diesen  Befunden  nur  die  Enderscbeinong  .eines  Be- 

Fig.  SIT.  Schädel  und  Visceralskelel 
abe  Llppeoknorpel.  /  Kiererbogeo.  ö  Oberer, 
Visceral  bogen.     Ill-^TMI  KlMiMoboBen. 


iSi  Wirbelthiere. 

ductioDsprocesses  vorliegt,  der  an  einer  viel  beträchtlicheren  Bogen- 
zahl begann.  Diese  Auffassung  wird  uniersttttzt  durch  die  Vergleichung 
mit  Amphioxus,  sowie  durch  Erwägungen,  deren  bei  dem  Kiemen- 
apparate  und  beim  peripherischen  Nervensystem  gedacht  wird. 

Von  den  Fischen  bis  zu  den  Amphibien  ist  an  diesem  Apparat 
eine  allmUhliche  Entfremdung  seiner  ursprünglichen  Beziehungen  be- 
merkbar, und  von  den  Reptilien  an  geht  die  Verbindung  mit  den  Ath- 
mungsorganen  gänzlich  verleiben. 

§  3S4. 

Als  gemeinsame  Einrichtung  für  sämmtliche  Visoeralbogen  besteht 
die  ventrale  Verbindung  mit  unpaaren  Stücken,  den  Copulae.  Die 
einzelnen  Bogen  bieten  stets  eine  Gliederung  in  mehrfache,  meist  be- 
weglich unter  einander  verbundene  Abschnitte.  Die  Beschaffenheit 
dieser  Bogen  entspricht  jener  des  übrigen  Skeletes  und  ist  wie  dieses 
ursprünglich  knorpelig. 

Ein  vorderstes  Bogenpaar  wird,  abgesehen  von  den  bezüglich  ihrer 
Bedeutung  etwas  zweifelhaften  Lippenknorpeln  der  Selachier  (vergi.  oben 
S.  310)  durch  den  bereits  beim  Schädel  als  »Kieferbogen«  behandelten 
Theil  vorgestellt.  Den  zweiten  bildet  der  Zungenbeinbogen,  dessen 
oberster  das  üyomandibulare  (bei  Teleostiern  üyomandibulare  und  Sym- 
plecticumj  vorstellender  Abschnitt  gleichfalls  dem  Cranium  sich  an- 
gliedert, indess  der  untere  Abschnitt  als  Uyo'i'd stück  den  Kiemen- 
bogen  sich  anschliesst. 

Die  folgenden  Bogen  haben  die  Verbindung  mit  dem  Granium 
grösstentheils  aufgegeben,  oder  stehen  mit  ihm  nur  in  unmittelbarem 
Zusammenhange,  entweder  der  Schädelbasis  oder  bei  grösserer  Aus- 
dehnung sogar  dem  Anfangstbeile  der  Wirbelsäule  lose  angeheftet.  Die 
Gesammtzahl  dieser  Bogen  beläuft  sich  auf  5  (6 — 7  bei  Notidaniden). 
Bei  manchen  Selachiern  ist  der  Zungenbeinbogen  mit  den  Kietneobogen 
noch  gleichartig  gestaltet.  In  der  Regel  zeigt  er  eine  Vergrösserung  seiner 
Copula,  und  bildet,  da  letztere  eine  Stütze  der  Zunge  abgibt,  den 
Träger  des  Zungenbeines  (Fig.  227.  //).  Bei  den  Selachiern  und  Chi- 
mären besitzt  dieser  Bogen  noch  seine  ursprüngliche  Bestimmang  als 
kiementragender  Skelettheil,  indem  von  ihm  ausgehende,  in  Radien 
getheille  Knorpelplättchen  die  Vorderwand  der  ersten  Kiementasche 
stützen.  Diese  Beziehung  ist  sowohl  bei  den  GanoYden  als  Teleostiern 
zurückgetreten,  da  jene  Kieme  rudimentär  ward  und  die  Radien  des 
in  Hyomandibulare  und  Sympleclicum  umgewandelten  oberen  Stückes 
durch  den  Opercularapparat  vorgestellt  werden  (S.  343). 

Der  untere  Abschnitt  des  Zungenbeinbogens  oder  das  HyoYdstück 
trägt  dann  an  der  Stelle  der  Knorpelradien  knöcherne  Strahlen  (Fig. 
228.  7.  r),  (Badii  branchiostegi),  zwischen  denen  eine  den  gesammten 
Kiemenapparat  deckende  Membran  sich  ausspannt.  Aus  dem  Zungen- 
beinbogen wird  somit  ein  Schutzorgan  des  Athmungsapparates. 


VlMxraltkelet.  i85 

Die  folgenden  Bogenpaare  }feh»ll«n  ihre  ruspiralorischon  Beziehungen 
lünger.  Sie  ßnden  sich  zu  fünf,  Bciton  Beehs.  Erstcre  Zahl  ist  die 
ausschliessliche  bei  Knochenfischen.  Wahrend  die  ersten  dieser  Bo{;cn 
(Fig.  S38.  //.  ///)  sich  noch  regelmässig  nn  CopuUe  [f.  g)  ansetzen, 
sind  die  letzten  meist  lu  mehreren  Paaren  {/V.  V)  mit  einem  SUlcke 
(a)  vereinigt  und    bieten    immer,   sowohl   was  die  Zahl  als  die  Lange 

Kig.  «8. 


ihrer  GliedstUcke  angehl,  Ruckbildungen  dar.  Gewohnlich  tr^gt  das 
letzte,  nur  aus  einem  einzigen  Stocke  jederseits  bestehende  Paar  [VI], 
gar  keine  Kieme,  auch  am  vorletzten  kommt  häufig  nur  ein  einseitiger 
Besatz  mit  KiomenblKttchen  vor;  dagegen  gewinnen  am  letzten  hHufig 
Zahnbildungen  eine  bedeutendere  Entfaltung ,  so  dass  dieser  Theil  als 
Rauapparat  fungirt.  AucJi  eine  Ven<^melzung  der  beiderseitigen  letzten 
B<^eorudimenle  zu  einem  unpaaren  StUcke  ist  verbreitet  (Pharyngo- 
gnatbi) . 

Andere  Hodificationen  der  binleni  RiemenbogeD  werden  bei  den 
Labyrinthfischen  sowie  bei  manchen  Clupelden  getroffen,  und  beruhen 

Fig.  SM.  ViKeraUkclet  (Zungeobein |  und  Kiemenbogengerilsle)  vnn-^ Peres 
tlnvia  tills.  /— F/Bogenreilien;  der  erste  BoKen  [/)'iuin  Tragapparet  des  Zunpi-'n- 
belns,  die  vier  iUchst«ii  {II— Y)  zu  Kiemen  bogen  nnd  der  htile  (VI)  zu  den  un- 
teren Scblondknoehen  amgewsndell.  a,  b,  e,  d  Die  elaieinen  Glieder  der  Bogen. 
Dal  oberste  SlÜck  (d)  an  den  Kiemenbogen  stellt  die  Ossa  pharynfteB  superiori 
dar.  r  Radii  branchioslegi.  f  g  h  Verbiadungsstüclie  (Copulae)  der  seitlicben 
Bf^en,  Abs  vorderste  davon  als  Zungeobein  aaflretend.     (Nach  Cvvita.) 


186 


Wtrbollhtere. 


auf  der  Entfiiliung  von  cinielnpn  Kogcn^jüedern  zur  UiDBcfalittSfiung  von 
Wasser  aufnchmentieD  Räumen. 

Äebniicb  wie  der  Zungen  he  inbi^on  der  Selacbier  mil  Knoqwl- 
anbilngen  ausgestatlel  ist,  bieten  auch  die  foigeiiden  Bogen  in  dieser 
Abtheilung  einen  Besalz  knorpeliger  Strahlen,  durch  welche  die  Wan- 
dung der  Kieineotascbe  gestUlxl  wird.  Auch  diese  Gebilde  sind  bei 
den  Ganolden  und  Teleostiern  rudimentür  geworden ,  und  erscheinen 
als  feine  Knorpel  lamellcn  zwischen  den  Reihen  der  Kiemenblä lieben. 
Dagegen  treten  an  der  Innenflüche  der  B<^en  Reihen  von  Höckern  oder 
Stacheln  auf,  welche  von  Seiten  des  Schleirahautuberzuges  hervor- 
gingen und  dadurch  den  Zahnbildungen  sich  anreiben. 


§  32&. 

Eine  bedeutende  Aeduclion  belrilft  das  Kiemenskelel  der  Am- 
phibien, von  denen  die  einer  Hclaniorphose  unterworfenen  mil  einer 
Aendcrung  der  Lebensweise  die  allmühliche  Umwandlung  auch  dieses 
Apparates  in  andere  Organe  wnhmebaicn  lassen.  Bei  Jen  Perenoi- 
brnnchiaten  erhall  sieh  derselbe  Apparat,  der  bei  den  Uebrigen  nach 
vollendeter  Larvenperiode  sich  rllnkbildel.  Am  vollst&ndigslen  besteh! 
er  nach  der  Mclamorphose  bei  den  Derolrenicn  fort.  Bei  allen  wird 
er  aus  vier  oder  fOnf  Bogenpaaron  gebildet,  von  denen  das  erste  wie 
bei  den  Fischen  einen  Zungenbein  bogen  [Fig.  829.  A.  b)  vorstellt, 
aber  mit  seinem  oberen  AbscbniUc  bedeutendere  Veränderungen  ein- 
gehl, und  Ibeilweise  sich  mil  dem  Cranium  vorbindet.  Die  folgenden 
Bogen  vereinigen  sich  in  eine  gemeinsame  Copula.  Die  letzten  drei 
erreichen  seihst  diese  nicht 


Fig.  IS9. 


i  KOrpcr  des  Zungenbeins  wird. 


selbständig,  sondern  sind 
jcderseits  unter  sich  ver- 
bunden. Zu  der  Rcdnclioo 
der  Bogen  tritt  somit  eine 
noch  bedeutendere  der  Co- 
pulae.  Von  dieser  Etnpcb- 
tUDg  bleibt  nach  der  Meta- 
morphose nur  das  Uyol'd- 
slück  (Fig.  «29.  B.  b)  voll- 
ständig in  Verbindung,  mit 
der  meist  ansehnlicher  ver- 
breilertenCopula  (a),  welche 
Vom  zuteilen  Bogen  erhalt 


Kig.  139.    A  Zunganbein  Mnd  Kiemenbogen  einer  Larve   *oii  Sala: 
maculosa,   b  Zunge abeiti bogen,    c  c'  Kiefoenbogentfi^r. 
Copul».   (Nach  -Rdscotii.)  —  B  Zungenbulo  von  Bbfo  eil 
kürpor  (Copula).    b  Horner  dei  Zungcnbeina.     c  Resle  d«r  Ktemenbogea.     (Sidi 

Dl'CES  ) 


YisoenUlMiet. 


487 


sich  Dur  bei  den  ScilainantJririen  ein  grätigeres  SlUck,  und  vom  drillen 
ein  kleines,  iodess  bei  den  Anuren  eine  jederseits  die  sttninitlichen 
Kieuienbogen  aufoehmende  Knorpelplatte  mit  der  Gopula  zu  Einem  Stücke 
Kusanimentritt.  Diesem  sind  dann  aus  den  Enden  der  ursprünglich 
paarigen  Platte  entstehende  etabförmige  Stücke  (Goiumellaf)}  angefügt 
(¥ig.  829.  Bc). 

Die  mit  der  Aenderung  seiner  Verrichtung  wahrnehmbaren  Um- 
wandlungen des  Kiemenskelets  geben  ein  sprechendes  Beispiel  ab  fUr 
den  mächtigen  Einfluss  der  Anpassung  an  äussere  Lebensbedingungen 
auf  die  innere  Organisation;  sie  verknüpfen  zugleich  die  Gestaltung 
des  Visceralskelets  der  mittelst  Kiemen  athmenden  Wirbel thierc  mit 
jener^  die  bei  den  niemals  Kiemen  besitzenden  Abtheilungen  herrschend 
^worden  ist. 

§  326. 

Die  bei  den  Amphibien  erst  im  Individuum  auftretende,  also  jedes* 
mal  erworbene  Rückbildung  erscheint  in  den  höheren  Chissen  als  ein 
vererbter  Zustand.  Der  obere  Abschnitt  des  primitiven  Bogens  findet 
sich  wieder  theils  in  Verbindung  mit  dem  Gehörorgane  vom  untern 
AbscbniUe  gelöst,  und  was  vom  reichen  Kiemenskelet  der  Fiaohe  sich 
sonst  noch  entwickelt,,  leistet  vorzüglich  Stützfunclion  für  die  Zunge 
and  wird  als  Zungenbein  bezeichnet.  Die  Gopula  bildet  dessen 
»Körper«,  an  dem  die  Bogenreste  als  »Homer«  befestigt  sind.  Iteist 
sind  die  Reste  von  zwei  Bogen  in  Verwendung,  nämlich  das  HyoYdstück 
des  primitiven  Zungenbeinbogens  und  Theile  des  ersten  Kienienbogens. 

Der  einfache,  selten  aus  mehreren  Stücken  be- 
stehende Körper  ist  bei  den  Reptilien  mit  zwei  bis 
drei,  oft  nur  sehr  rudimenUtren  Bogenstücken  besetzt. 
Die  letzteren  entsprechen  den  ventralen  Gliedern  des 
SJemeogerttsles  der  Fische  und  sind  entweder  ein«* 
fach  oder  in  zwei  Stücke  getheilt.  Am  reichsten 
sind  die  Bogen  bei  den  Schildkröten,  wo  deren  bis 
drei  vorkommen,  dann  bei  den  Eidechsen;  bei  den 
Grocodilen  besitzt  der  breite  gewölbte  Zungenbeinkörper 
nur  ein  einziges  Bogenpaar.  Nur  auf  einen  knorpeligen 
Bogenrest  reducirt,  erschemt  der  Apparat  bei  den 
Ophidiem,  von  denen  manche  sogar  auch  diese  Spuren 
verloren  haben  (Tortrix,  Typhlops  etc.).  Zwei  Bogen- 
paare  sind  bei  den  Vögeln  nachweisbar.  Der  rudi*- 
mentäre  erste  Bogen  verschmilzt  zu  dem  sogenannten 
Os  enloglossum  (Fig.  230.  2),  hinter  dem  die  eigent-^ 
liehe  Zungenbeincopula  liegt.  Der  zweite  Bqgen  da- 
gegen erfahrt  eine  bedeutende  Ausbildung  und  steiU  die  aus  zwei  an- 

Fig.  StO.    ZaDgeobeiaapparai  des  Hawbnhnet.   «  Zungenbeiakörper  (Gopula). 
%  Os  eDtoglossnm.    t  Kiel.    4  Vorderes.    S  faiiHeres  Glied  das  ZungenbeiDborneB. 


Fig.  2t0. 


488  Wirbelthiere. 

sehnlichen  Gliedern  gebildeten  Hörner  (4-  5)  vor,  die  meist  hinten  um 
den  Schildel,  aber  ohne  directe  Verbindung  mit  demselben  herum 
ziehen.  Hinter  der  Gopula  tritt  noch  der  Rest  einer  zweiten  Gopula 
als  Rielstück  ab. 

Bei  den  Saugethieren  bleiben  zwei  Bogen  mit  dem  einfachen 
Zungenbeinkörper  verbunden.  Die  vorderen  Hörner  sind  die  ansehn- 
lichsten und  treten,  aus  mehreren  (3)  Gliedern  zusammengesetzt,  mit 
dem  Petrosum  in  Zusammenbang.  Indem  das  mittlere  Glied  nur  durch 
ein  Ligament  vertreten  wird,  kommt  eine  Trennung  dieses  Theiles 
zu  Stande,  so  dass  dann  das  oberste  Stück,  wenn  es,  wie  beim  Orang 
und  beim  Menschen^  mit  dem  Petrosum  verschmilzt,  als  Griffelforlsaiz 
des  letzteren  sich  darstellt.  In  diesem  Falle  wird  der  übrige"  Theil 
durch  das  Ligamentum  stylo-hyo'i'deum  gebildet,  und  am  Zungenbein- 
körper bleibt  der  Rest  des  Bogens  als  ein  unansehnliches,  häufig  nicht 
einmal  verknöcherndes  Stück  befestigt.  Die  hinteren  Hörner  sind  immer 
nur  durch  ein  einziges  Glied  gebildet,  bei  den  meisten  SHugethieren 
die  kleineren,  fehlen  sie  selten  ganz  wie  bei  manchen  Nagern  und 
Eden  taten.  Bei  den  Primaten  übertreffen  sie  die  vorderen  Bogenreste 
an  Grösse.  Immer  besitzen  sie  Verbindungen  mit  dem  Kehlkopf  dessen 
Schildknorpel  ihnen  durch  die  Ligg.  thyreo -byotdea  lateralia  ange- 
fügt ist. 

Skelet   der   Gliedmaassen. 

1)   Dnpaare  Gliedmaassen. 

§  327. 

Die  Verbindung  der  unpaaren  Flossen :  Rücken-,  Schwanz-  und 
Afterflosse,  mit  der  Wirbelsäule  geschieht  im  niedersten  Zustande  durch 
eine,  von  den  Dornfortsätzen  des  Rückgrats  ausgehende  Membran,  in 
welcher  allmählich  Skelettheile  auftreten,  welche  sowohl  mit  der  Wirbel- 
säule als  mit  den  Flossen  selbst  in  Verbindung  stehen.  Erstere  bilden 
die  Flossenträger,  letztere  die Plossenstrahlen.  Beide  erscheinen 
im  einfachsten  Zustande  als  Gliedstücke  bedeutend  ausgedehnter  oberer 
Dornfortsatzbildungen,  die  unter  Ablösung  vom  Wirbel  zu  grösserer 
Selbständigkeit  gelangen.  Die  Flossenstrahlträger  bestehen  bei  den 
Selachiern  im  knorpeligen  Zustande,  bei  den  GanoYden  tiieilweise 
ebenso,  anderntheils  aber  knöchern,  wie  sie  auch  durchgehends  bei  den 
Teleostiem  erscheinen.  Zuweilen  treffen  mehrere  solcher  Flossenlräger 
auf  einen  Wirbelabschnitt,  meist  jedoch  besteht  eine  regelmässige  Ver- 
theilung  nach  den  einzelnen  Wirbeln.  Durch  ihr  Vorkommen  an  Stellen, 
welche  keine  Flosse  besitzen ,  deuten  sie  das  frühere  Besteben  einer 
solchen  in  grösserer  Ausdehnung  an ;  bei  den  Selachiern  und  CbimäneD 
treten  den  Flossenträgern  angefügte,  häufig  gegliederte  Knorpelstücke 
in   die  Flosse  selbst  ein,   wo   sie  jedoch  meist  nur  auf  die  Basis  sich 


Skelet  der  Gliedroaassen.  iS9 

beschranken.  Der  grOssle  ThetI  der  Flosse  erhitit  dann  seinen  Stutz- 
apparat  von  besonderen  Hautgebilden,  die  unter  dem  Namen  der  Horn- 
fädon  bekannt  sind.  Bei  den  Teleostiern  dagegen  finden  wir  in  jenen 
Flossen  knöcherne  Stützen,  welche  nicht  knorpelig  präformirt  sind, 
und  deshdb  auch  nicht  direct  von  jenen  Knorpeln  der  Selachier  abge- 
leitet werden  können. 

Diese  secundflren  Flossenstrahlen  treten  als  paarige  Ossiß- 
cationen  im  Integumente  auf  (vergl.  oben  S.  427) ,  und  verbinden  sich 
nieist  in  einiger  Entfernung  von  der  Basis  zu  einem  unpaarigen  Stücke. 
Sie  bestehen  entweder  aus  zahlreichen,  dichotomisch  angeordneten 
Gliedern,  die  von  dar  Basis  des  Strahls  gegen  die  Spitze  zu  unter 
Volumsverringerung  sich  mehren  oder  sie  werden  durch  ein  einziges 
knochenstück  vorgestellt.  Im  ersleren  Falle  erscheint  der  Stützapparat 
der  Flosse  weich  und  biegsam  (Malacopteri),  im  letzteren  Falle  kommen 
statt  der  weichen ,  Stachelstrahlen  zum  Vorschein  (Acanthopteri) .  Die 
Verbindung  mit  den  Flossenslrahlträgern  kommt  entweder  durch  einen 
Bandapparat  oder  auch  durch  Gelenke  zu  Stande,  welch'  letztere  vor- 
züglich für  den  ersten*  Stachelstrahl  der  Rückenflosse  complicirt  er- 
scheinen. Sowohl  bei  GanoYden  als  bei  den  Teleostiern  sind  diese 
knöchernen  Flossenstrahlen  in  Verbreitung.  An  Zahl  wie  an  Grösse 
sehr  mannichfach  verschieden ,  werden  sie  von  der  Systematik  zur 
Begrenzung  kleinerer  Abtheilungen  benutzt. 

Bei  den  GanoYden  und  Teleostiern  nehmen  die  oberen  Wirbelfort- 
sütze  gar  keinen  oder  nur  wenig  Antheil  an  der  Bildung  einer  Schwanz- 
flosse, deren  knöcherne  Gliederstrahien  fast  ausschliesslich  den  ansehn- 
lich entwickelten  unteren  Domfortstttzen  angefügt  sind.  (Bezüglich 
der  durch  die  Verbindung  mit  der  Schwanzflosse  am  Ende  der  Wirbel- 
säule eintretenden  Hodificationen  vergl.  S.  436  sowie  Fig.  494.) 

i)  Paarige  Gliedma aasen. 

Brusigüriel. 

§  3S8. 

Am  Skelet  dieser  Gebilde  unterscheiden  wir  den  freien  Abschnitt 
und  den  jenen  tragenden,  im  Körper  geljorgenen  Theil.  Letzterer  wird 
nach  seiner  Form  als  Extremitätengürtel  bezeichnet,  und  nach  der 
Lagerung  als  Brust-  (oder  Schulter-)  und  Beckengürtel  unter- 
schieden. 

Der  Brustgürtel  tritt  in  der  einfachsten  Gestalt  als  ein  Knorpel- 
stück auf,  welches  bei  den  Selachiern  einen  ventral  geschlossenen  dicht 
hinter  dem  Kiemenapparate  gelagerten  Bogen  bildet.  Jederseits  articulirt 
rnit  diesem  Knorpel  das  Skelet  der  Brustflosse.  In  der  Nähe  der  Ver- 
bindungsstelle ist  der  Knorpel  von  bestimmt  verlaufenden  Candlen 
durchsetzt,  in   welchen  Nerven  ihren  Weg  zur  Flosse   nehmen.     Bei 


490  WjrbelUiiere, 

einer  ErweiUrung  diosi-r  Canäle  laji^em  sieb  noch  Muskeln  in  sie  ein, 
und  dadurch  erhält  das  KnorpeislUck  eine  complicirte  Scuiplur  (Bocbenj. 
Die  Trennung  des  Kuorpelbogens  in  zwei  Hälften ,  bei  den  Seb- 
ohtern  durch  eiae  luweilen  st^wache  mediane  Strecke  eingeleilet, 
vollzieht  sich  bei  den  Ganolden,  und  mit  dem  durch  den  Knoqtel  vor- 
gestellten oder  durch  VerkoOcherung  desselben  modificirlen  primären 
SchultergUrlel  verbindet  sich  aus  auf  ihm  entstehenden,  ur^i-üngllch 
dem  Integumente  angehörigeu  KuochenstUcken  ein  neuw  Apparat,  der 
im  Verlauf«  seiner  fernem  Differeniiruog  bis  tu  den  Saugetbieren  eine 
wichtige  Solle  spielt. 

Wir   haben   also   von   nun  an  ausser  dem  primären  auch  einen 
secandären  ScbultcrgUrtcl  zu  unterscheiden.    Der  eretere  bleibt 
bei    den    SUiren   knorpeKg;    auf 
Hg.  SSI.  '^"^   entwidieln    sich   als    tiaut- 

knodien  einige  oberflächlich  ge- 
lagerte Stücke,  von  welchen  die 
beiden  unteren  etne  Clavicula 
und  ein  Infracla vicula  re,  die 
beiden  oberen  Supraclavicu- 
laria  vorstellen.  Durch  die  Lage 
des  primären  Schultergltrtels  an 
der  hinteren  Grenze  des  KiemeO' 
Apparats  wird  seine  Beziehung  lu 
dem  an  ihm  zur  letzten  Kiemen- 
spalte sich  einsenkenden  Integu- 
mente eine  innige,  woraus  die  Bildung  von  Haulknochen  auf  diesem 
Knorpel  sich  erklärt,  während  andererseits  am  tiefer  gelagerten  Becken- 
gUrtel  eine  solche  Beziehung  unmöglich  ist.  Am  primären  Schultei^noipef 
sind  aus  den  bei  den  Selacbiern  vorkommenden  Canälen  weitere  Räume 
geworden.  Bei  den  Ganolden  mit  kndchernem  Skelete  bleibt  meist 
nur  ein  Tbeil  noch  knorpelig,  ein  anderer  ossificirt,  doch  erscheint  das 
gesamrote  Stück  dem  Volumen  nach  in  Bückbildung.  Dagegen  hat  der 
bei  den  Stören  noch  unansehnliciie  als  Clavicula  bezeichnete  Haut- 
kiiochen  an  Ausdehnung  zugenommen,  und  stttsst  nicht  nur  in  der 
ventralen  Medianlinie  mit  dem  der  andern  Seite  zusammen,  sondern 
ist  auch  durch  Supraclavicularia  mit  dem  Schädel  in  Verbindung.  Bei 
der  eingetretenen  Btlckhildung  des  primären  Schultergürtels,  der  Ihm 
wie  ein  blosser  Anhang  angefügt  ist,  bildet  er  die  HaoptstUtic  der 
vorderen  Extremität. 

Diese  Verhältnisse  herrschen  auch  bei  den  Teleostiern   [Fig.  231), 
deren  primärer  Schul tergUrtel  (fe)  noch  fernere  Bückbildungen  erfährt, 

'  Fig.  3S<.  Rechte  BruBlgUrlelhHITte  und  Brustflosse  von  G*dus.  c  Clavlcali. 
a  b  SupraclavicaUria.  d  Accessorieches  SItick.  a  f  Knocfaen  des  priwireii  Sctial- 
l«rgürleU  («  Coracoid,  ^Scapula).    g  Baulia  der  FIosm.    k  FhissMstnhiAB. 


Skelet  der  Gliedaiaassen. 


491 


und  sogar  mit  Tbeilen  des  Flossenskoleles  engere  Verbindungen   ein- 
geben kann.       -  , 

§  329. 

* 

Der  bei  den  Fischen  als  Belegknochcn  des  primitiven  knorpeligen 
Schttltergttrtels  entwickelte  Skeleithcil  erleidet  bei  den  höheren  Wirbel* 
thieren  eine  Redoction.  Dagegen  empfängt  der  primäre  Apparat  einen 
höheren  Werth  sowohl  durch  seine  Verbindung  mit  dem  Brustbein  als 
auch  durch  grossere  Beweglichkeit  seines  obersten  (dorsalen)  Abschnittes, 
der  niemals  mit  dem  Axenskelete  sich  fest  verbindet.  Die  Verbindungs- 
stelle mit  dem  Skelet  der  freien  Glied  maasse  bezeichnet  eine  den 
Gelenkkopf  des  Uumerus  aufnehmende  Planne,  von  der  aus  der  primiire 
SchuUergUrtel  sich  in  twei  Abschnitte  theilt. 

Der  dorsale  Abschnitt  stellt  die  Scapula  vor,  der  ventrale  sondert 
sich  in  ein  hinteres  Sittck,  dasCoracoYd,  und  ein  vorderes,  welches 
bei  auftretender  Verknöcherung  von  der  Scapula  aus  ossificirt,  das 
ProeoracöYd. 

Unter  den  Amphibien  erscheint  der  Schulterglirtel  bei  den  Uro- 
delen  jederseits  als  ein  grösstentheils  knorpeliger,  nur  an  dem  in  die 
Gelenkpfanne  eingehenden  Theile  der  Sca- 
pula ossißcireador  Skelettheil.  Das  ver- 
breiterte Dorsalende  der  Scapula,  Supra- 
scapulare,  bleibi  meist  knorpelig  oder 
xeigt  eine  selbständige  periostale  Ossifi«* 
catioB.  Von  der  knöchernen  Scapula  er- 
streckt sich  die  Osaification  uiweilen  auf 
das  ProooracoYd,  selten  auf  das  ausnehmend 
*breite,  dem  Sternum  eingefügte  Ck>racold. 
Bei  den  Anuren  sind  die  beiden  ventralen 
Fortafttie  (Fig.  232.  A  co,  co')  des  Schulter- 
gttrtels  jederseits  durch  eine  Kaorpelplatte 
in  Verbindung,  welche  auch  eine  mediane 
VereinigBDg  der  beiderseitigen  Stücke  her- 
beiftthren  kann  (Rana).  Der  ventrale  Ab- 
schnitt desSchultergOrtels  umscblieast  somit 
jederseits  eine  Oeflbung.  Die  Scapula  (s) 
lässt  ein  oft  sehr  aHsgedehnles  Suprascapulare 
($')  unterscheiden.  Selbständig  verknöchert 
das  Corac<ri(d  (oo') ,  während  das  Procora- 
coYd  in  nähere  Besiebnngen  zu  der  weiter  unten  zu 
den  Glavicula   {d)  tritt. 

Fig.  M2.  SchuUergürlel :  il  vom  Frosch,  Ä  von  einer  Schildkröte,  C  von 
einer  Eidechse,  s  Scapula.  s'  Suprascapulare.  co  Procoracoid.  co' Coracoid.  cl  Cla- 
vleula.  ü  Episternum.  st  Stemam.  Die  knorpeligen  Theile  sind  durch  Punctlmng 
unkertchledea. 


492  Wirbelthiere. 

Jede  Hillfle  des  SchultcrgUrlols  der  Reptilien  bietet  gleichfalls 
ein  einziges  Stück  dar,  welches  sich  in  seiner  Foröi  dem  der  Am- 
phibien enge  anschliesst.  Jedoch  ist  das  meist  breitere  Coracotd  nicht 
selten  von  fensterförmigen  Oeffnungen  durchbrochen  (Eidechsen).  Ein 
bei  den  Amphibien  nur  angedeuteter  Fortsatz  der  Scapula  wird  als 
Verbindungsstelle  mit  der  Clavicula  (Fig.  232.  C.  d)  zum  Acromion. 
Bei  den  Schildkröten  erscheint  ein  meist  cylindrisches  KnochensiOck 
(B.  s) ,  welches  am  Schultei^elenke  in  einem  Winkel  unmittelbar  in 
das  ProcoracoYd  {B,  co]  sich  fortsetzt.  An  Stelle  des  letzteres  mit  dem 
CoracoYd  verbindenden  Knorpels  besteht  meist  nur  ein  Ligament. 

Gänzlich  ist  das  ProcoracoYd  bei  den  Grocodilen  verschwunden, 
so  dass  nur  Scapula  und  CoracoYd  den  SchultergUrtel  zusammensetzen. 
Daran  reihen  sich  die  Vögel,  deren  durch  ihre  schmale,  leicht  ge- 
krümmte Gestalt  sich  auszeichnende  Scapula  an  der  Gelenkpfanne  mit 
dem  starken  CoracoYd  verbunden  ist,  welches  wie  bei  den  Reptilien, 
an  die  Sternalplatte  sich  einfügt.  Durch  das  Vorhandensein  der  An-- 
deutung  eines  ProcoracoYd  bieten  die  Batiten  eine  nähere'  Verwandt- 
schaft mit  Sauriern  dar,  auch  verwächst  bei  ihnen  CoracoYd  und  Scapula 
zu  einem  einzigen  Knochen. 

Von  den  Säugethiercn  liesitzen  nur  die  Monotremen  ein  Goi*aooYd 
als  Verbindungsstück  der  Scapula  gegen  das  Sternum.  Bei  den  übrigen 
schwindet  es  bis  auf  einen  meist  unansehnlichen,  von  der  Gelenk- 
pfanne entspringenden  Fortsatz  der  Scapula  '  (Processus  coracoYdes], 
und  nur  in  seltenen  Fallen  persißtirt  auch  das  Sternalende  des  Cora- 
coYd, welches  ich  als  ein  jederseits  dem  Manubrium  sterni  ansitzendes 
Knorpelstück  bei  Sorex  und  Mus  auffand.  Der  scapulare  GoracoYdrest 
betheiiigt  sich  zwar  gleichfalls  noch  an  der  Bildung  der  Gelenkpfanne, 
allein  auch  diese  Beziehung  tritt  zu  Gunsten  der  Scapula  zurück,  die  so ' 
zum  ausschliesslichen  Träger  der  vorderen  Extremität  sich  ausbildet. 
An  dem  Reste  des  CoracoYd  äussert  sich  die  ursprüngliche  Selbständig- 
keit durch  den  Besitz  eines  besonderen  Knochenkemes ,  bis  die  voll- 
ständige Verschmelzung  mit  der  Scapula  eintritt. 

Die  Form  der  Säugethierscapula  nähert  sich  jener  der  Reptilien, 
ist  aber  durch  das  Auftreten  neuer  Theile  nicht  unwesentlich  davon 
verschieden.  Durch  eine  Verbreiterung  des  in  einen  Fortsatz  ausge- 
zogenen Vorderrandes  wird  bei  den  Monotremen  die  Andeutung  einer 
Spina  scapulae  gegeben,  deren  vorspringendes  Ende  das  bei  den  Am- 
phibien direct  von  der  Scapula  sich  erhebende  Acromion  vorstellt.  Bei 
den  übrigen  Säugethieren  ist  der  laterale  Rand  jener  breiten  Kante  in 
eine  bedeutendere  Leiste  entwickelt,  welche  nunmehr  durch  die  Aus- 
bildung auch  des  medianen  Randes  in  eine  vorspringende  Knochen- 
platte als  Spina  scapulae  eine  Ober-  und  Untergrätengrube  unter- 
scheiden lässt.  Immer  entwickelt  sich  das  Vorderende  der  Spina  zu 
einem  Acromialfortsatz.  Aus  Anpassungsverhältnissen  an  die  ver^ 
scbiedenartigen  Leistungen  der  Vorderextremität  gehen  mancherlei  Modi- 


Vordere  Extremität.  493 

ficationeD  des  Schulterblaitea  hervor,  von  denen  die  Verbreiterung  seines 
dorsalen  Endes  (Basis  scapulae)  xu  der  bei  den  Primaten  besiehenden 
Form  leitet. 

§  330. 

Durch  diese  Enifallung  des  primären  Schultergürlels  tritt  der 
secundäre,  bereits  als  Clavicula  bezeichnete  Apparat  (§.  328)  ent- 
weder gjänzlich  in  den  Hintergrund  oder  er  wird  zu  Leistungen  ver- 
wendety  welche  seinen  bei  den  Fischen  bestehenden  Verhältnissen  völlig 
fremd  waren.  Unter  den  Amphibien  besitzen  nur  die  Anuren  eine 
Clavicula  (Fig.  S32.  A.  d.) ,  welche  als  ein  Deckknochen  des  Procora- 
coYd  sich  darstellt,  und  mit  demselben  auch  stets  in  enger  Verbindung 
verharrt. 

Das  Schlüsselbein  stellt  somit  hier  ein  accessorisches  Stück  des 
Brustgürtels  dar;  nur  ganz  selten  lOst  es  sich  von  letzterem,  wie 
dies  erst  bei  den  Reptilien  vollständig  eintritt.  Das  Schlüsselbein 
[B.  d.)  entwickelt  sich  hier  ohne  Beziehungen  zu  einem  knorpelig  priifor-^ 
mirten  Skelettheil,  als  secundttrer  Knochen,  welcher  den  Acromialfort- 
satz  der  Scapula  mit  dem  Episternum  {B.  c.)  in  Verbindung  setzt. 
Bei  den  Vögeln  erscheint  die  Clavicula  in  ähnlicher  Weise,  ist  unter 
den  Ratiten  bei  Dromaeus  unansehnlich,  und  tehli  den  übrigen,  indess 
beide  GEaviculae  bei  den  Garinaten  frühzeitig  zu  einem  unpaaren 
Knochen,  der  Furcula,  median  verwachsen,  und  mit  der  Grista  sterni 
Hgamentös  verbunden  sind  (Fig.  205.  /). 

Das  selbstHndige  Auftreten  dieses  ursprünglich  als  Belegknochen 
eines  Knorpelstückes  entsteherden  Skelettheiles  führt  bei  den  Sduge- 
thieren  zu  einer  histiologischen  Aendcrung,  indem  die  Glavicula  sich 
hier  grossentheils  aus  einer  knorpeligen  Anlage  bildet,  in  vielen  Puncten 
ähnlich  wie  jeder  andere  knorpelig  vorgebildete  Knochen.  Dieser 
Knochen  erhält  sich  jedoch  nur  bei  einem  Theile  der  Säugethiere.  Er 
ist  spurios  bei  den  Ungulaten  verschwunden,  in  zuweilen  gar  nur 
durch  Bandmassen  vorgestellten  Rudimenten  bei  den  Garnivoren  vor- 
handen,  und  nur  bei  jenen,  deren  Vordergliedmaasse  eine  freiere 
Verwendung  empfängt,  vollständig  entwickelt. 

Vordere  fiztremllttt, 
§  331. 

Die  höchst  mannichfalUgen  Skeletformen  der  freien  Gliedmaassen 
leiten  sich  von  einer  nur  in  vereinzelten  Fällen  noch  bestehenden 
Grundform  ab,  welche  den  ersten  und  damit  niedersten  Zustand  des 
Flossenskelets  vorstellend  von  mir  als  Archipterygium  bezeichnet 
ward.  Dieses  wird  durch  einen  aus  gegliederten  Knorpelstücken  be-* 
stehenden  Stamm  vorgestellt,  der  dem  Schultergürtel  angelenkt  an 
zwei  Seiten  mit  je  einer  Längsreihe  gleichfalls  gegliederter  Stücke,  den 


194 


W<rli«IUi<cre. 


V\g.   333. 


Radien,  besetzt  ist.  Das  ganze  einem  FiederMalte  ahnliche  Skelet- 
(;ehilde  stimmt  auffallend  mit  manchen  Slttttappsraten  der  Selnohter- 
kienien,  und  lasst  dadurch  ein  Streiflicht  auf  die  Frage  von  der  Phy- 
legenese  der  Gliedmaassenbildungea  fallen. 

Ceratodus  bietet  diese  Form  des  Flossenskelets ,  weldie  vielleicht 
bei  den  nur  noch  durch  Polyplerus  reprasentirten  Crosaoptery^m  ver- 
breitet war.  Dieser  biseriele  Radienbesatz  des  Flossen  Stammes  Er- 
leidet nun  verschiedenartige  Hodificationen.  Unter  den  DipnOir  erhalt 
sich  bei  Protoplerus  nur  die  mediale  Radienreibe,  in  Gestalt  dOnner 
Knorpelstabchen  ,  indess  die  laterale  bei  den  Selachiem  zu  einer  bedeu- 
tenden Entfaltung  gelangt,  und  den  grOssten  Theil  des  massiven  Flossen- 
skelets vorstellt.  Von  der  medialen  Reihe  bestehen  meist  nur  unnnsehn— 
liehe  Reste  [Fig.  S33.  ft'),  die  aber  immerhin  deutlich  genug  sind,  um 
der  Annahme  einer  einstigen  ausgedehnteren  biserialen  Anordnung  der 
Radien  am  Flossenslamm  das  Wort  zu  reden.  Die  lateralen  Radien  (H) 
der  Selachierflossc  sind  meist  mehrfach  gegliedert,  und  die  GliedslUcke 
manchmal  streckenweise  in  polygonale  Platten  umgewandelt,  die  wieder 
verschiedenartig  untereinander  verwachsen. 
Schon  daraus  entspringen  mannichfaltige 
Verhallnisse,  die  noch  durch  den  Ueber- 
iritt  einiger  der  vordersten  Radien  an  den 
SebullergUrtel  fernere  Complrcationen  em- 
.pfangen.  Diese  den  nach  vorne  gericbleten 
Rand  der  Flosse  einnehmenden  Radien  sind 
stets  voluminttser  gestaltet.  Ist  eine  grtissere 
Rndienzahl  i.i  Articulation  mit  dem  Schutter- 
gUrtel  getreten,  sotrefTen  sich  meist  dieBasal- 
stUcke  derselben  zu  grosseren  Platten  (/>.  ms) 
verschmolzen ,  denen  die  Übrigen  unvenvach— 
senen  Abschnitte  dieser  Radien  ansitzen. 
Ausser  dem  Basalstücke  [ml]  des  Flossen- 
Stammes  [B]  sitzen  somit  noch  einige  andere 
—  häufig  zwei  —  grössere  Knorpels Itlcke 
dem  Schultergtlrtel  dtrect  an,  und  darnach 
lassen  sich  drei  Abschnitte  am  gesammten 
Flossenskelele  unterscheiden:  das  Pro-, 
Moso-  und  Hetapterj'gium. 
1  entspricht  einem  Arcbipterygium-Reste.  Das 
Propterygiuro  {p)  ist  aus  den  zuvorderst  an  den  SchultergUrtcl 
getretenen   Radien    (von    denen   der  äusserste   am   freien    Plossenraode 

Fig.  131,  BrusinossenBkelet  von  Acanthiat  vulgaris,  p  BmbI«  dM  Vrc- 
ptorygiums ,  mt  de«  Uetipterygiume.  S  medialer  Ftossenrand.  Die  durch  ml  f 
(□geoe  Lioie  deulcl  die  SUmmreihc  des  Archlplerygiums  sd.  Die  puDClirten  Liai«D 
entsprechen  den  Radien,  die  grüsslenihells  lateral  (Äff]  and  nur  tn  Rudimealen 
auch  medial  (ff';   angnordnel  sind. 


Das  Metapterygiun 


Vorder«  BlIMmllfll,  49$ 

lai;ert)  entoUndnn,  und  der  zwischen  beiden  li^ende,  durch  ein  Bs- 
stilstOck  mit  dem  Scfanll«rgürl«l  srticulirende  Abschuitl  des  Ploesen- 
skelels  bildet  dits  Hesopterygium  {ms). 

Durch  bedeutende  &itfeltung  des  Propterygiums  ealstefat  die  eigeo- 
ihUitiliche  PloHsenforni  der  Rochen,  zu  denen  das  Verhalten  von  Squs- 
lin«  hinleitei.  Ein  Radins  lat  hier  zu  einem  Tiüger  von  Budi'en 
geworden  und  bildet  allmählich  sich  nach  vorne  ricfalend  einen  Stamm 
fflr  das  Proplery^um,  wie  ihn  das  Hetaplerygium  im  Stamm  der  Gnind- 
Torm  (als  Archiplerygium)  besitzt.  Im  Wesentlichen  kontmen  mit  den 
Haien  auch  die  Cbimaeren  aberein. 

§  33ä. 

Von  einem  ähnlichen  Zustande,  wie  das  RruslOossenskelet  bei  den 
Haien  erscheint,  ist  dns  bezügliche  Skelet  der  GanoTden  ableitbar, 
welches  eine  peripherische  Reduction  derselben  vorstellt  (ver^l.  Fig,  i'H). 
Vcrfailltnissmtlssig  nur  wenige  Radien  lenken  dem  Flossenstemme  [B) 
»n,  und  ebenso  sind  die  am  ScbullergOrtel  sitzenden  rudimentär  ge- 
bildet. Die  Rcduction  des  peripherischen  Flossenskclets  ist  bei  den 
Teleosliem  noch  weiter  voi^eschritten ,  und  der  ganze  primiire  Sltltz- 
apparat  der  Rnistflosse  besiebt  meist  aus  vier  bis  fünf  hüußg  sich 
tjleicfaartig  verhallenden  Elementen  (Fig.  23t.  g) ,  welchen  eine  sehr 
wechselnde  Anzahl  kleiner,  immer  knorpelig  blci- 
l>ender  Stückchen  peripherisch  angefOgl  ist.  Diese  Fig.  IK. 

dienen  dann  als  Sttltzen  ttlr  das  sccundSre  Skelet 
der  Flosscnslrahlen  (Fig.  231.  A).  Basalstttcke 
hssen  sich  nur  bei  Wenigen  (Welse) ,  und  auch 
da  nur  schwierig  auf  ihre  ursprüngliche  Bedeu- 
tung zartlckfübren.  Nach  dem  bei  den  GanoTden 
angelrofTenen  Befunde  müssen  wir  in  jenen 
Stücken  als  constanlesten  Beslandtbeil  das  Basale 
des  Hetapterygium,  sowie  einige  in  die  Reihe  der 
Basalia  eingetretene  Radien  erkennen.  Der  gleich- 
aitigen  Function  gemäss  sind  diese  in  ihren  ursprünglichen  Beziehungen 
so  verschiedenen  Theile  einander  Hhnlicb  geworden ,  so  dass  nur  die 
nackfUfamng  auf  das  GanoYdenskelet  den  Zusammenhang  mit  dem  pri- 
mttreo  Zustand  aufdeckt. 

Id  vielen  Abtheilungen  der  Telcostier  treten  ausser  ferneren  Rcduc- 
lionen  in  der  Zahl  jener  Stücke  und  antergeordneleren  FormverSnde- 
rungcn  Umwandlungen  derGesammtbeziebungen  dieses  ganzen  Abschnittes 
ein ;    wahrend   er   die  Verbindung  der  von   ihm  gestützten  Brustflosse 

Fig.  ist.  Dnisitkitienskelel  vod  AcipeDser  mtheous.  Das  primäre  (knor- 
pelige) Skelet  Ist  nach  Eolfernong  eines  Thelles  des  secundflren  SkeleU  voilalNn- 
dig  dargestellt,  ß  Basale  des  Heia pteryg [ums ,  ao  welchem  vJer  Radieo  sllien. 
A  KiiMberaar  landstrabl  des  aw  tballwaisa  dargeitellten  BeeDndlreo  Flossen- 
ikeUls. 


496  Wirbelthiere. 

mit  dem  Schultergüriel  vermittelte,  kann  er  sogar  in  lelEieren  eintreten 
und  scheinbar  den  Theil  des  primären  Schulterskeiets  vorstellen,  an 
welchem  sich  die  nur  aus  secundären  Knochenstrahlen  bestehende 
Brustflosse  bewegt  (Catapbracti) .  Auf  diese  Weise  lässt  sich  von  dem 
reich  entfalteten  Flossenskelete  der  Selachier  bis  zu  jenem  der  Tele- 
ostier  eine  continuirliche  Reihe  erkennen,  deren  wichtigste  Verände- 
rungen in  allmählichen  Reductionen  grösserer  oder  kleinerer  Abschnitte 
bestehen.  Die  Reduction  ist  eine  von  der  Peripherie  zur  Basis  vor- 
schreitende,  so  dass  letztere  den  bestandigsten  Theil  bildet.  Was  das 
primäre  Flossenskelet  dadurch  an  Längsentfaltung  einbUsst,  wird  com- 
pensirt  durch  das  Auftreten  secundärer  OssiGcationen  der  Haut,  welche 
wie  an  den  unpaaren  Flossen,  bald  gegliederte,  bald  auch  starre,  auf 
beiden  Flächen  der  Flosse  entwickelte  Knochenstrahlen  vorstellen. 

§  333. 

Am  Skelete  der  Vordergliedmaasse  höherer  Wirbelthiere  ist  dio 
vom  Archipterygium  gelieferte  Grundlage  nicht  minder  als  bei  den  Fischen 
nachweisbar,  indem  eine  Knochenreibe  als  Stamm  des  Skelets  besteht^ 
an  welchem  laterale  Knochenstücke  als  Radien  aufgereiht  erscheinen. 
Von  einer  anderseitigen  schon  bei  den  Selachiern  rudimentär  geworde- 
nen Radienreihe  ist  keine  Andeutung  mehr  vorhanden.  Die  Anordnung 
der  Radienglieder  in  schräg  zum  Gliedmaassenstamme  ge- 
ordnete Reihen  —  eben  der  Richtung  der  primitiven  Radien  ent- 
sprechend —  ist  durch  die  erfolgte  transversale  Umgliederung 
verwischt  (S.  4<7),  kann  aber  in  den  niedersten  Formen  nicht  un- 
schwer erkannt  werden.  Aus  der  Umgliederung  gehen  neue,  quer 
gerichtete  Abschnitte  hervor,  indem  quere  Reihen  von  Radiengliedem 
je  mit  dem  entsprechenden  GliedstUcke  des  Stammes  zu  längeren 
Stücken    sich  entwickeln. 

So  erscheint  zuerst  unter  den  Enaliosauriem  bei  Ichthyosaurus  das 
Basale  des  Archipterygiums  als  ein  grösserer  Knochen  von  der  übrigen 
Masse  meist  gleichgrosser  Stücke  der  Gliedmaasse  gesondert,  und 
darf  als  Humerus  bezeichnet  werden.  Bei  Plesiosaurus  sind  zwei 
darauffolgende,  bei  den  ersteren  noch  indifferente  Stücke  gleicbfalls 
voluminöser  geworden,  und  entsprechen  den  Unterarmknochen :  Radius 
und  Ulna,  darauf  fol^t  eine  doppelte  Querreihe  kleinerer  Stücke,  die 
einen  Carpus  vorstellen,  und  auf  diese  folgen  wieder  längere  Knochen- 
reihen,  welche  den  Metacarpus  und  die  Phalangen  der  Finger  repräsen- 
tiren.  Obgleich  hiermit  eine  ähnliche  Differenzirung  wie  bei  andern  hohem 
Wirbelthioren  vorliegt,  so  sind  die  einzelnen  diesseits  des  Vorderarm- 
skelets  liegenden  Abschnitte  jenen  der  höhern  Wirbelthiere  keioes- 
wegs  homolog.  Vielmehr  tritt  bei  diesen  eine  andere  Difl'erenzirung 
ein,  so  dass  dort  der  Mittelhand  angehörige  Stücke  hier  dem  Carpus 
beizuzählen  sind. 


Vonlerit  EilrenniUit. 


197 


Fig.  ISS. 


Dns  primitive  Armskelet  der  hlihem  Wirbelthiere  sl«llt  sich  nun 
in  folgender  Weise  heraus:  Der  Slammreihe  (d.  fa.  der  im  Archi- 
pterygium  vt^andeneo  Reihe  vod  doppelseitig 
Rndien  tragenden  SkaletEtUckenj  eolsprichl  eine 
Beibe  von  Knochen,  welche  mit  dem  Humerus  be- 
ginnend an  der  Innenseite  der  Gliedmaassen  gegen 
den  ersten  Pinger  oder  Daumen  verlauft.  Daran 
sind  lateral  die  aus  denprimitiven  Radien 
hervorgegangenen  Glied  reiben  ange- 
fügt, welche  in  die  vier  Finger  auslnufra.  Die 
Stammreibe  umfasst  den  Humerus,  den  frsilidi  in 
f^ns  anderem  Sinne  als  Itadius  beieichnelen  Vorder- 
amtkoochen,  xwei  radiale  CttrpusstUcke,  ein  meta- 
esrpalea  Stück  und  iwci  Phalangen.  [Vergl.  die 
stärkere  Linie  auf  Pig.  iZ6.)  Auf  diese  Stammreibe 
ordnen  neb  die  von  den  Radien  abgeleiteten  Theile. 
Eine  erste  Reihe  schliesat  sieb  an  den  Humeras  an. 
8ie  begreift  Ulna,  Ewei  GarpusstUoke ,  den  fünften 
Hetacarpos  und  die  Phalangen  des  fünften  PingMS. 
Eine  zweite  Rmbe  gebt  vom  Radius  aus.  Wir  An- 
den in  ihr  das  Intermedium ,  das  ulnare  Central- 
stück,  desCarpalstOek  des  vierten  Fingers,  sowie  dessen  Melacarpnle und 
Phalangen.  Die  dritte  Reibe  beginnt  am  radialen  Carpale,  und  setti 
sioh  mit  dem'  radialen  Centrale  in  den  dritten  Pinger  fort.  Kndlioh 
gebt  eine  letzte  Reibe  vom  Carpale  des  ersten  Fingers  iius,  und  ver- 
lauft mit  dem  Carpale  des  iwi-ten  Pingen  in  diesen.  Durch  diese,  vier 
19 — 5]  Pinger  1b  einem  Gegensatz  zum  ersten  Finger  betrachtende  Auf- 
fassung wird  die  fast  durch  die  ganze  Wirbell  hierreihe  hindurchgehende 
verschiedene  Dignitfit  jenes  ersten  Pingers  (des  Daumens]  von  seinen 
vier  übrigen  Genossen  eriLlarlicb.  Der  Daumen  geht  aus  dem  End- 
abschnitte einer  Folge  von  SkelelstQcken  hervor,  an  welche  mit  den 
übrigen  vier  Fingem  endende  Radialstüobe  sich  aufreihen.  Diese  an 
einer  basalen  Skeletatückreihe  vier  laterale  Strahlen  annehmende  Anf- 
(assung  benfithigt  noch  der  Berücksichtigung  einer  am  Humerus  or- 
seheinenden  Drehung,  die  bereits  bd  den  Amphibien  beginnt 
und  unter  den  Süugelhieren  beim  Menschen  ihren  hffcfastcn  Grad 
erreicht,  hier  sogar  zum  grossen  Theile  noeh  wttbrend  der  Ontogenese 
nachweisbar.  Diesu  Drehung  des  Humerus  scheint  durch  Vorwärts- 
greifen  der  Gliedmaassen ,  wie  es  beim  Bewegen  auf  dem  Boden  fllr 
die  von  der  diedmaasse  zu  leistende  Initiative  orfordert  wird,  erworben 
zu  sein,  und  hat  eine  Aenderung  der  f^gebezlehungen  des  Vorderarms 
md  daaiil  auch  der  Hand  zum  Resultate.    Zum  richtigen  Verständnisse 

Fig.  ISS,  Scliema  des  primitivi 
r  Radius.   «  tltna.    ■  Interinodlnm. 
Ca rpal stücke  der  ctialalen  Reihe, 
Gtfnkur,  OnisArfiii, 


498  Wirbelthiere. 

der  Gliedmnasse  in  ihren  Beziehungen  zum  primitiven  Armskelei  wird 
also  die  Drehung  wieder  rückldufig  gedacht  werden  mQssen ,  so  dass 
der  Radius  mit  der  Radialseite  der  Hand  in  eine  mediale  Stellung  ge- 
langt, wodurch  dann  ein  homologes  Verhalten  mit  der  Hinterglied- 
maassc  eintritt. 

§  334. 

Von  der  vorhin  n^her  geschilderten  und  vom  Archipterygium  ab- 
geleiteten Grundform  des  Gliedmaassenskeletes  erfaJilt  sich  ein  mehr 
oder  minder  vollständiges  Abbild,  und  gerade  von  den  charakteristischen 
Verhältnissen  bleiben  oft  in  allen  Abtheilungen  der  Wirbelthiere  deut- 
liche Spuren  bestehen,  gegen  welche  die  zahllosen  grösstenlheils  in 
Reductionqn  und  Goncrescenzen  sich  aussprechenden  Abweichungen 
zurücktreten.  Diese  Modifioationen  erklären  sich  aus  der  Mannich- 
faltigkeit  der  Verwendung  der  Gliedmaasse,  sowie  gänzliche  Rück- 
bildungen einzelner  Theile  oder  sogar  der  ganzen  Gliedmaasse  wieder 
von  einer  Aussergebrauchstellung  abhängig  sind. 

Bei  den  Amphibien  sind  die  beiden  obern  Abschnitte  in  be- 
deutender Ausbildung,  bieten  jedoch  ausser  der  Verschmelzung  von 
Radius  und  UIna  bei  den  Anuren  keine  so  bedeutenden  Differense« 
als  dir  Carpus  sie  aufweist. 

Von  den  primitiven  Carpalslücken  verschwinden  einzelne  an  der 
distalen  Reihe  mit  der  häufigen  Verkümmerung  von  Fingern,  die  meist 
auf  4  beschränkt  sind,  oder  es  können  auch  Verschmelzungen  von  zwei 
bis  drei  distalen  Carpalstücken  eintreten  (Frösche  etc.).  Ebenso  sind 
an  den  proximalen  Carpalstücken  Goncrescenzen  nachweisbar.  So 
treten  Verbindungen  des  Ulnare  mit  dem  Intermedium  bei  Urodelen 
auf,  und  fmden  sich  constant  bei  den  Anuren.  Stets  einfach  erscheint 
das  Centrale. 

Am  Armskelct  der  Reptilien  bestehen  die  einzelnen  Abschnitte  am 
wenigsten  verändert  bei  den  Schildkröten,  welche  nicht  nur  9  Garpal- 
stücke, sondern  auch  die  5  Finger  vollständig  besitzen.  Von  den  drei 
Carpalien  der  ersten  Reibe  sind  bei  den  Eidechsen  zwei  mit  ehfiander 
verschmolzen,  sowie  auch  jene  der  zweiten  Reihe  bedeutendere  Modi- 
ficiitionen  und  beim  Schwinden  einzelner  Finger  eine  Reduction  auf- 
weisen. Bedeutender  ist  die  Veränderung  des  Carpus  bei  den  Crooo- 
dilen.  Das  Radialstück  hat  hier  das  üebergewicbt  über  das  Ulnare 
erhalten,  und  die  zweite  Carpalreihe  wird  nur  durch  einige  zum  Tbeile 
knorpelig  bleibende  Elemente  repräsentirt.  Dabei  bieten  die  zwei 
ulnaren  Finger  eine  Verkümmerung  geg^n  die  drei  radialen  dar.  • 

Diese  Verhältnisse  der  Hand  sind  bei  den  Vögeln,  deren  ge- 
sammle  Vordcrextremität  zum  Flugorgan  umgewandelt  ist,  noch  weiter 
ausgeprägt.  Im  Carpus  bilden  sich  nur  zwei  Knochen  (Fig.  236.  cc] 
b(Hl<»utonder  aus,  indess  ein  der  zweiten  Carpusreihe  entsprechender 
Knorpel    mit    den  Basen    dos  Metticarpus   frühzeitig  verwächst     In  der 


Vorder«  Bxtremittft. 


499 


Hand  bleiben  drei  Finger  mehr  oder  minder  ausgebildet,  die  sich  bei  den 
Snuraren  discret  erhielten,  indess  bei  Ratiten  und  Garinaten  der  Meta- 

Fi«.  il6. 


carpus  (m)  des  zweiten  und  dritten,  meist  auch  noch  der  des  Ersten 
zu  einem  Knochenstücke  verwächst.  Am  dritten  Pinger  kommt  noch 
das  Rudiment  eines  vierten  vor,  das  mit  ersterem  sicli  verbindet. 

lo  der  «j^ahl  der  Phalangenstlicke  ergeben  sich  von  den  Eidechsen 
bis  zu  den  Vögein  Rückbildungen.  Vom  ersten  Finger  der  Radialseite 
bis  Eum  vierten  besteht  eine  Zunahme  der  Phalangen  von  zwei  bis 
fünf,  nur  der  fünfte  enthtfit  eine  geringere  Zahl.  Bei  den  Ci^ocodilen 
ist  diese  Zunahme  nur  bis  xuni  dritten  Finger  vorhanden;  bei  den 
VOgehi  besitzt  meist  der  zweite  Finger  zwei  Phalangenstücke  (Fig. 
?30.  p')j  der  erste  und  dritte  nur  eines  (/?.  ;i"),  und  nur  selten  besteht 
am  ersten  und  zweiten  Finger  eine  Phalange  mehr.  Am  bedeutendsten 
ist  die  Reduction  bei  Apieryx,  welcher  nur  Einen  durch  ein  Phalangen- 
stück  reprüsentirten  Finger  besitzt. 


§  335. 

Die  grössere  Mannichfalligkeit  der  Anpassungsverhültnisse  an  ver- 
schiedene Verrichtungpn  zeigt  hei  den  SUugethieren  bed^tendere  Ver- 
schiedenheiten im  Baue  des  Arniskelets.  Wir  finden  an  demselben  nur 
zwei  vorzUgliGh  an  dem  Endabschnitte  sich  charakterisirendo  Formen- 
reiben,  von  denen  die  eine  durch  die  P^rhaltung  silmnitlicher  Skelotthcile 
ausgezeichnet  ist.  Wenn  sie  auch  durch  Verkümmerung  einzelner  Finger 
oder  völliges  Sehwinden  derselben  viele  Hodißcationen  bietet,  so  ist 
hier  der  Extremität  doch  ein  mehrseitiger  Gebrauch  erhalten.  Eine 
freiere  Beweglichkeit  der  beiden  Knochen  des  Vorderarmes,  sowie  die 
Verbindung  der  Hand  mit  einem  derselben,  enlhebt  die  Vorderextre- 
roitjlt  ihrer  niederen  Function  als  blosser  Stützapparat,  indem  sie  sie 
auf  höherer  Stufe  zum  Greiforgane  umgestaltet.  Die  letztere  Er- 
scheinung kommt  sowohl  bei  den  Didelphen  als  auch  bei  den  Mono- 
delphen  zum  Ausdruck  und  erreicht  ihre  höchste  Form  bei  den  Pri- 
maten. Der  Carpes  besitzt  die  drei  primitiven  Stücke  der  ersten  Reihe ; 
Radiale  (SeaphoYd),  Ulnare  (Triquetrum)  und  Intermedium  (Semilunare) . 

Fig.  9S6.     Armskelel  von  Gi^onin  alba,    h  Hamertis.    ii  Ulna.    r  Radius. 
c  c*  Carpus.    m  Metacarpua.    pp'  p"  Phalangen  öen  I— i  Pingera. 


5oa 


WirbelUiicre. 


Fig.  237. 


Nicht  selten  kommt  auch  noch  ein  Centrale  vor  (Nager,  (nsectivoren, 
Halbaffen,  selbst  beim  Orang  und  frühzeitig  schwindend  beim  Menschen]. 
Die  Carpalknochen  der  distalen  Reihe  bieten  regelmässig  die  Verschmel- 
zung der  beiden  ulnaren  zu  einem  Hamatum 
dar  (vergl.  Fig.  239.  /.  11),  Einen  besonderen, 
dem  Ulnarrand  des  Garpus  und  zwar  meist  dem 
Triquetrum  angefügten  Knochen,  der  nicht  den 
übrigen  Carpalknochen  gleichwerthig  beurtheill 
werden  darf,  bildet  das  Pisiforme ,  das  bei  vielen 
eine  sehr  bedeutende  Grösse  erreicht.  Es  findet 
sich  scMon  bei  Reptilien  und  ist  als  einziger  Rest 
einer  bei  Enaiiosauriern  reicheren  Reihe  nach- 
weisbar. 

Die  aus  dieser  Formenreihe  hervorgebildeten 
Modificatienen  stehen  wieder  in  engstem  Connexe 
mit  der  Verrichtung,   und  wir  trefibn  in   ihnen 
sowohl    beti'ächiliche    Verlängerungen    einselner 
Abschnitte  bei  der  Verwendung  des  Armes  atum 
Flugorgane  [Chiroptera),  sowie  auch  Verkürzungen 
und  massivere  Gestaltungen  einzelner  Tfaeile  in 
vielen  Fällen,    wo  der  Arm    gleichfalls   in  vor- 
wiegend einseitige  Verwendung    wie  beim  Gra- 
ben etc.  kommt,  wofür  manche  Edentaien,  dann 
der  Maulwurf  etc.    Beispiele  liefern    (v^rgl.  Fig. 
237).    Ebenso  können  die  Cetaceen  hierher  zäh- 
len.    Die  Vorderextremitäl  derselben    bildet  ein 
in  seinen  einzelnen   Abschnitten    wenig   beweg- 
liches Ruderwerkzeug,    dessen   einzelne  Skelet- 
elemente  sogar  jede  Gelenkverbindung  verlieren 
können    und    zu    einer    ungegliederten    flossen- 
artigen Masse  häufig  unter  Vermehrung  der  Pha- 
langenzahl der  Finger  vereinigt  sind  (Fig.  238] . 
Bei  einer  anderen  Reihe  wird   die  Vorder- 
extremitäl  blosses  Stütz-   und  Bewegungsorgan, 
unter  Rückbildungen  einzelner  Finger.    Dass  hier  kein  primäi'er  Zustand 
vorliegt,  ergibt  sich  aus  der  relativen  Stellung  der  Vorderarmknochen, 
aus  der  eine  Abstammung   von   der  in   der  ersten  Reihe  aufgeführten 
Form  der  Gliedmaassen   zu   ersehen  ist.     Bei  den  Meisten  sind  Radius 
und  Utna  unbeweglich  verbunden,  w*as  bis  zu  einer  Rückbildung  ein- 
zelner Theile  dieser  Knochen  mit  völliger  Verwachsung  derselben  filhren 


Pik*  «88. 


Fig.  S87.  Vorderextremität  von  Talpa  europaea.  ic  Savpubi.  i  CtsTiauta. 
h  Humerus.  r  Radius,  u  Uloa.  o  Carpas.  m  Metacarpus.  x  Accessorischer  Knocheo. 
B  Humerns  in  der  Flächenansicht. 

Kig.  238.  Vordere  Extremität  eines  jungen  Delphin,  c  Soapula.  A  Jinmeius. 
r  Hadiu^.     u  Uina      c  Carpus.     m  Metacarpus.    ph  i  haUugen. 


Vonkrc  Exlrcinfmi. 


501 


knnn.  "  So  rrscht-inen  sd-  bei  den  Arliotinrlvlen,  unUr  ctriion  bpi  dt-n 
Wiederkäuern  das  distale  Endo  der  UIna  nidinientttr  wird.  Bei  don 
Tylopoden  und  Einhufvm  Ist  letzteres  ganz  geschwunden  und  der  obere 
Theil  der  UIna  ist  mit  dem  Radius  zu~  Einem  Knochen  vereint. 

Der  Garpus  wird  stets  nur  aus  zwei  Reihen  gebildet,  indem  ein 
Centrale  'nicht  mehr  vorkommt.  Je  nach  dem  Verhallen  der  Finger 
lassen  si<di  zwei  Ablhellnngen,  Pcrissodactyle  und  Artiodactyle, 
uotcrscheideD.     Beiden  Abtheilungen    fehlt   beständig   der   erste  Finger 

KiR,  «s. 


und  bei  den  Ariiodactylen  ist  der  drille  und  vierte  vorwiegend  ent- 
faltet (Fig.  339.  ///.  IV) ,  so  dass  die  beiden  anderen  (S  und  5j  oh 
nicht  zur  Berührung  des  Bodens  kommen  (Scbweine;,  mehrere  Moschus- 
tfaiere].  Dann  gehl  der  fünfte  Finger  verloren,  so  d»ss  nur  der  dritte 
und  vierte  entwickelt  sind  und  der  zweite  einen  unansehnlichen  An- 
hang Toratclll  (Anoplotherium) .  Das  Ucber^ewioht  des  dritten  und 
viertea  Fingers  witxl  notA  bedeutender  durch  die  Verschmelzung  der 
beideD  HeUoarpslien  [Fig.  £89.  tV),  indess  der  zweit«  und  fünfte 
Finger  rudimenUr  wird  {Rinder,  Schafe,  Hirsche  etc.}.  Die  Reihe 
der  PerissMlactylen  beginnt  gleichfalls  mit  vierfingerigen  ilandformen, 
aber  hier  heshil  onr  Ein  Finger  (der  dritte}  das  tiebcrgewicht  iTnpire) 
[Fig.  239.  V).  Hit  BUckhildung  des  fünften  schon  im  letzten  Fnlle 
kleinsten  Fingers  (Palaeotherium)  schliesst  sich  der  zweite  und  vierte 
Finger  dem  dritten  als  Anhang  an  [Hipparioii]   und  durch  die  Reduclion 


Flg.  1)9.  Handskelete  vod  Süngethiereo. 
III.  Schwein.  IV.  Rind,  V.  Tapir.  VI.  Pferd 
pItoM.  b  Lnnire.  e  Triqiwtrum.  it  Trapeikioi. 
g  HaaMlum.    p  Pisiforine. 


/.  Mensch.  //.  Hund, 
r  Radius,  u  UInn.  a  Sca- 
I   Trapezoiil.    f  Capilalum. 


502 


Wirbelihiere. 


der  beiden  seitlichen  Finger  auf  ihre  blossen  Meiacarpalsittcke,  die  als 
vGriffeibeine«  den)  ansehnlichen  Melacarpus  des  dritten  Fingers  ange* 
lagert  sind  (Fig.  239.  VI),  wird  der  letztere  zur  einzigen  Stütze  der 
Gliedmaasse  (Equus). 

Die  Zahl  der  Phalangen  der  einzelnen  Finger  bietet  nur  bei  den 
Walthieren  eine  Vermehrung  dar,  bei  allen  Uebrigen  ist  sie  für  den 
ersten  Finger  auf  zwei,  für  alle  anderen  auf  drei  beschränkt. 


Beckengürtel. 

§  336. 

Der  Beckengtlrtel  der  Wirbelthiere  bietet  eine  ähnliche  Reihe 
von  Erscheinungen,  wie  sie  am  BrustgUrtel  dargestellt  wurde,  jedoch 
mit  den  der  Ycrschiedenartigkeit  der  Leistungen  der  hinteren  Extremität 
entsprechenden  Modificationen.  Die  Homologie  beider  Skeletabschnitte 
wird  daher  um  so  vollständiger  zu  erkennen  sein,  je  gleichartiger  die 
Functionen  beider  Extremitäten  sind,  und  diese  Gleichartigkeit  wird 
um  so  vollständiger  sich  finden,  je  niederer  die  Stufe  der  Difleren- 
zirung  ist. 

Wie  dem  Schultei^rtel  liegt  auch  dem  Beckengürtel  ein  einfaches 
Knorpelstück  zu  Grunde.  Dieses  bildet  bei  den  Selachiern  nur 
selten  Fortsätze  in  dorsaler  Richtung  und  zeigt  bei  einzelnen  eine  Ten- 
denz zur  Theilung  in  zwei.  Einheitlich  erhält  es  sich  bei  den  DipnoY. 
Bei  den  Ganol'den  und  Teleosliern  sind  beide  Hälften  des  ossificirten 
Skelettheiles  durch  mediane  Bandverbindung,  zuweilen  durch  Naht,  in 
Zusammenhang.     Sie    erleiden   bedeutende  Lageveränderungen,   indem 

sie  verschieden  weit  nach 
vorne  gegen  den  Schuker- 
gürtel  gerückt  sein  künnen 
(Pisces  thoracici)  j  und  end- 
lich sogar  miu  diesem  sich 
verbinden  (Pisces  jugularesj. 
Bei  den  Amphibien  wird 
durch  die  Verbindung  der 
beiden  Beckenknochen  mit 
der  Wirbelsäule  die  Grund- 
form des  Beck^is  der  höhe- 
ren Wirbelthiere  angebahnt; 
zugleich  lassen  sich  an  der 
Verbindungsstelle  mit  dem 
Femur  zwei  Abschnitte  unterscheiden :  der  dorsale,  einem  Querfortsatze 
ani^eheftete,  wird  als  Darmbein   (Ilium),  der  ventrale,  median  mit  dem 

Fig.  240.  Linksseitige  Ansicht  des  Beckens  von  Monitor.  /I  Darmbein.   /«Site- 
bein.     P  Schambein,    a  hinteres  Ende  des  Darmbeines,     b  vorderer  Höcker. 


Beckeogürtel. 


503 


der  andern  Seile  verbundene  als  Scham-SiUbein  beseichnet  (Urodclen). 
Eine  Modification  erleidet  diese  Form  bei  den  Anuren  (vergi.  Fig.  195), 
indem  die  langen  und  schmalen  Darmbeine  (i7)  sich  mit  den  zu  einer 
senkrechten  Scheibe  umgewandelten  und  unter  einander  verschmol- 
zenen Scham-Sitzbeinen  (is)  vereinigen. 

Bedeutendere  Enitaltung  empfangt  das  llium  der  Reptilien, 
welches  bei  Chamaeleo  einer  Scapula  auffallend  Uhnlich  ist,  und  sogar 
von  einer  einem  Suprasoapulare  homologen  Knorpelplatle  überragt  wird. 
Mehr  in  die  Ulnge  gestredLt  erscheint  es  bei  den  Eidechsen  (Fig.  240.  //), 
kürzer  und  breiter  bei  den  Grocodilen  (Fig.  241.  //).  Die  Richtung 
des  Knochens  geht  nach  vorne,  so  dass  seine  Sacral Verbindung  hinter 
dem  Acetabulum  liegt.  Bei  Eidechsen  und  Schildkröten  geht  der  ven- 
trale Theil  des  Beckens  vom  Acetabulum  her  in  zwei  divergente 
Stücke  aus. (Fig.  240),  die  eine  weite  Ocffnung,  das  Foramen  obtura- 
tum  omschliessen.  Der  vordere  Sehenkel  ist  das  Schambein  (P) ,  der 
hinlere  das  Sitzbein  (/j).  Beide  Knochen  jeder  Seite  zeigen  verschie- 
dene Grade  der  medialen  Verbindung  unter  sich,  die  sogar  aufgehoben 
sein  kann.  Damit  geht  die  Selbständigkeit  der  beiderseitigen  Fora- 
mina  obturata  verloren  und  beide  vereinigen  sich  median  zu  einer 
gemeinsamen,  vorne  von  beiden  Schambeinen,  hinten  von  beiden  Sitz- 
beinen umschlossenen^  Oeffnung.  Beide  ventrale  Schenkel  des  Hüft- 
beins sind  somit  <Ustal  getrennt.  Hiervon  ist  das  Becken  der  Croco- 
dile  in  manchen  Puncten  verschieden,  indem  von  der  im  Grunde 
durchbrochenen  Pfanne  (Fig.  241)  ein  einziger  Knochen  [Js]  ventral- 
wärls  abgeht,  der  mittelst  zweier  Fortsätze  (x,  y)  mit  dem  llium  sich 
verbindet.  Man  hat  diesen  Knochen  als  •Schamsitzbein«  aufgefasst,  in- 
dess  auch  Gründe  bestehen,  ihn  als  Sitzbein  lu  deuten,  in  weichem 
Falle  ein  ausserhalb  des  Aoeta- 
bulums  liegender,  mit  dem  vor- 
deren Pfannenfortsatze  des  Sitz- 
beines articulirender  Knochen  {P) 
erscheint,  der  mit  dem  andersei- 
ligen in  die  vordere  Bauch  wand 
convergirend ,  als  Schambein  sich 
darstellt. 

Hieran  reihen  sich  die  Becken 
der  fossilen  Dinosaurier,  deren 
llium  dm^h  einen  langen  nach 
vorne  gerichteten  Fortsatz  ausge- 
zeichnet ist,  von  welchem  die  le- 
benden  Saurier    wie    die   Groco- 

Fig.  944.  Linksseitige  Ansicht  des  Beckens  von  Alligator  lucius.  doyzwei 
Aeste  des  Sitzbeines,  welche  mit  r  «,  zwei  Fortsätzen  des  Darmbeines  eine  im 
Prannengmnd  befindliche  Durchbrechung  o  umscbliessen.  Uebrige  Bezeichnung  wie 
in  vorhergehender  Figur. 


504 


Wrr'bcithloie. 


dile  nur  eine  Andt^uUinij^  zeiii(»n  (Fiiij».  240,  '24 <.  h).  Die  Pfanno  erschoinl 
gleichfalls  durchbrochen  und  verbindet  sich  mit  einem  langen  schräg  nach 
hinten  und  abwärts  gerichlelcn  Sitzbeine,  das  tnii  dem  anderseitigeu  niebC 
vereinigt  ist.  Vom  vorderen  Pfannenrande  geht  in  parallelem  Verlaufe 
mit  dorn  Sitzbein  ein  langes,  gleichfalls  freiendendes  Schambein  aus. 
In  diesem  Verhalten  liegt  das  Wesentliche  des  Beckens  der  Vögel 
(Fig.  '^42).  Das  Darmbein  (//)  erstreckt  sich  hier  nicht  nur  weit  nach 
hinten  [aa),  sondern  lüsst  auch  den  vorderiMi  Forlsatt  zu  einer  breiten 
Platte  (bb)  sich  gestalten,  die  längs  des  Londenabschniltes  der- Wirbel- 
säule sich  erstreckt,  und  sogar  noch  auf  den  thoraculen  übergreift, 
wodurch  sie  eine  betrllchlliche  Anzahl  von  Wirfwin  ins  Bereich  des 
Beckens  zieht.  Von  der  durchbrochenen  Pfanne  aus  tritt  das  Sitz- 
bein  [h)  y.iemlich   parallel  dem  hinteren   Darmbeinsttlckc   nach    hinten 

und     ähnlich    verlauft    das 


Fig.  942. 


schwache  mit  einem  kleinen 
Abschnitte  an  der  Pfanne 
beth^iligte  Schambein  {P), 
dessen  das  Sitzbein  über- 
ragende Enden  meist  con- 
vergiren  und  beim  afri- 
kanischen Strausso  sogar 
•A^  eine  Symphyse  bilden.  Zwi- 
schen Darm-  und  Sitzbein, 
wie  zwischen  diesem  und 
dem  Schambein  treten  verschiedenartige  Verbindungen  ein. 

Bedeutend  verschieden  ist  das  Becken  der  Suugetbiere.  Wtth- 
rend  die  primitive  Sacralverbindung  bei  Reptilien  wie  Vögeln  entweder 
in  gleicher  Höhe  mit  dem  Acetabulum  oder  sogar  postacetabolar  sich 
findet,  liegt  sie  bei  den  Säugern  stets  vor  der  Pfanne,  so  dass  das 
llium  von  vorne  nach  hinten  gerichtet  ist,  und  der  bei  Vögeln  hintere 
Rand  des  Iliums  dem  vorderen  des  Säugetbier-Darmbeines  entspricht. 
Von  den  Amphibien  aus  entstehen  denmach  zwei  divergente  Darmbein- 
Stellungen.  Bei  den  urodelen  Amphibien  ist  es  von  der  Sacralverbindung 
gerade  nach  aussen  und  abwärts  gerichtet.  Bei  Reptilien  und  Vögein 
schräg  vorwärts,  und  bei  Säugern  dagegen  schräg  caudalwärts.  Der 
ventrale  Theil  des  Beckens  umschliesst  ein  Foramen  obturatam,  und 
bildet  mit  dem  andcrseitigen  einen  ventralen  Abschluss. 

Die  drei  aus  Verknocherung  des  jederseitigen  Beckenknorpels  her- 
vorgehenden Stücke  bleiben  länger  selbständig,  verBchmolzen  aber 
gleichfalls  zu  einem  einzigen  »Httftbeino,  an  welchem  man  sie  als  in  der 

Kig.  242.  Linksseitige  An.sichl  eines  Vogel  beckens.  Der  punctirte  Abschnitt 
beseichnct  den  durch  Knorpelwachsthum  sich  nach  hinten  veiifiogernden  Theil 
der  drei  Stücke  des  Beckens.  Die  punctirte  Linie  grenzt  den  ohne  Belheiligung 
von  Knorpel  nach  vorne  wachsenden  Theil  des  Darmbeides  ab.  BezdiebDung  «ic 
in  den  vorhergehendßii  Figuren, 


Hintere  Bilrctn(Ut.  505 

Pfanne  ven»ini}^U»  Abschnllte  unUrschoidel.  Das  Dannboln  verbindet 
8icb  niii  %Tcnigon  Wirbeln.  Auch  das  Sitzbein  kann  t.  B.  bei  Eden- 
lalcn  (Dasypus,  Bradypus)  mit  ralschen  Sacralwirbeln  Verbindungen 
eingeben.  Die  Verbindung  der  beiden  vetitralcn  Schenkel  in  einer 
Scbam-Sitzbeinfuge  kommt  noch  bei  den  Beateltbieren ,  vielen  Nagern 
and  den  meisten  Artloductylen  und  Perissodactyien  vor,  und  bedingt 
eine  langgestreckte  Form  des  Beckens.  Bei  Insectivoren  und  Gami- 
voren  beschränkt  «Ich  die  Verbindung  mehr  auf  die  boiden  Scham- 
beine, und  in  den  höheren  Ordnungen  findet  dies  noch  entschie- 
dener statt. 

Als  eine  selbsUindige  Anpassung  und  keineswegs  in  Beziehung 
mit  den  offenen  Becken  der  Vögel,  besieht  bei  manchen  Insectivoren 
und  Chiroptern  an  der  Stelle  der  Schambeinsyniphyse  eine  blosse 
Bandverbindung,  welche  l>ei  weiblichen  Individuen  sogar  eine  bedeu- 
tendere Ausdehnung  erhalten  kann  (Erinaceus). 

Bei  dem  Mangel  einer  hinleren  Extremität  erliegt  auch  der  Becken- 
gttrtel  einer  Rückbildung.  So  wird  er  bei  den  Getaceen  meist  durch 
zwei  sowohl  unter  sich  als  auch  von  der  WirbelsOute  getrennte  Knochen 
dargestellt,  welche  rudimentäre  Scham-Sitzbeine  vorstellen. 

Vor  den  Schambeinen  finden  sich  bei  Monotremen  und  Beutel- 
Ibieren  noch  zwei  besondere  KnochenstUcko ,  die  gerade  oder  schräg 
nach  vorne  gerichtet  sind,  und  wegen  ihrer  Beziehungen  zum  Marsu- 
pium  (vergl.  8.  426)  als  Beutelknochen  (Ossa  marsupialia)  bezeichnet 
werden.  Sie  zeigen  sehr  differentc  Ausbildungsgrade  und  können  zu 
unansehnlichen  Knorpelrudimeoten  rUckgebiidet  sein  (Thylacinus) . 


Hintere  Extremilttt. 

§  337. 

Die  für  die  Vorderextremität  geschilderten  Einriehtungen  greifen 
in  ähnlicher  Weise  auch  für  die  hintere  Gliedmaasse  Platz.  Sie  bildet 
hei  den  Fischen  die  Bauchflosse.  Ihr  Skelet  zeigt  bei  den  So- 
la c  hier  n  eine  ähnliche  Beschaffenheit  wie  jenes  der  Brustflosse  und 
als  bedeutendste  Verschiedenheit  kann  im  Vergleiche  mit  jener  ein  ge- 
ringerer Reiohthuin  von  Radien  und  ein  einfacheres  Verhalten  derselben 
angeführt  werden»  Nur  wenige  Radien  sind  vom  Fiosseostamme  zum 
Bcckengürtel  getreten.  Gewöhnlich  ist  das  Basale  des  Flossenstammes 
beträchtlich  verlängert.  Die  dem  BasalstUck  folgenden  Endstücke  gehen 
bei  den  Männchen  eine  besondere  Veränderung  ein,  indem  sie  in  eine 
Halbrinne  diSerenzirt  als  Begattungsorgan  fungiren.  Sie  erscheinen 
dann  durch  ihre  bedeutende  Grösse  wie  Anhänge  der  Baucbflosse. 

Aus  einer  der  Reduction  des  Brustflossenskelets  sehr  ähnlichen 
peripherischen  Rückbildung  ist  das  Skelet  der  Bauchflosse  bei  Ganoüden 
ableitbar,  und  von  diesen  jenes  der  Teleostier.     Doch   zeigt  sich  enl^ 


506 


Wirbolthiei 


Fig.  3t  3. 


Sprechend  der  geringeren  Entwickelung  der  gesammten  Bauchflossu 
meist  eine  bedeutende  Vereinfachung,  sowohl  im  Valum  als  in  der  An- 
zahl der  ciDzcInen  Stllcke.  In  beiden  Abtheilungeii  Gndet  dieselbe 
Belbeiligung  des  Hautskeiots  an  Flüobenvergrösserung  der  Bauchflosse 
stau,  wie  es  für  die  Brustflosse  aufgeflihri  ward. 

Bezüglich  der  Vergleichung  der  HiDl^rexlraniiiat  der  h&hert^n 
Wirbelthiere  mit  der  Bauchflosse  der  Fische,  muss  wieder  vom  Archi- 
plei-ygium  ausgegangen  werden,  welches  wie  dort  als  der  aiederste 
Zustand  erscheint.  Die  Gliederung  der  Extremität  in  einselne  Ali- 
scbnille  bildet  gleichfalls  eine  Wiederholung  des 
am  Arraskelete  gelroSenen  Verhallens.  Wir  unter- 
scheiden im  Oberschonkel  Femur,  im  Uolerschenkel 
Tibia  und  Fibula,  an  welobe  der  Fuss  uiil  dem 
Tarsus,  Melalarsus  und  den  Phalangen  als  Endab- 
scbnilt  sich  anreiht.  Die  vier  Zehen  lassen  sich  . 
mit  den  sie  tragenden  Skelettheilen  gleichfalls  als 
Glieder  von  Badien  betrachten,  die  von  einer  vom 
Feniur  duidi  Tibia  zur  Innenzehe  verlaufenden 
Knocheoreibo  ausgehen  (vergl.  die  in  nebenstehen- 
der Figur  gezogene  Linie),  und  die  damit  der 
Innen-  odiT  grossen  Zehe  zukommende  Verschie- 
denheit bei  der  primären  Constitution  des  Fuss- 
skelets  äussert  sich ,  ähnlich  wie  am  Daumen  der 
Hand,  durch  grössere  Selbständigkeit  im  Vergleiche 
mit  den  übrigen  Zehen. 

Auch  bei  den  höheren  Wirbelthieren  ist  somit 
die  Gleicbarligkcil  des  Baues  beider  Gliedmaassen 
in  den  Skelelverhaltnissen  deutlich  zu  erkennen; 
bei  den  Enal  iosauriern  sind  die  Skeletlheile  der  Hinterextreniiiyi 
eine  vollständige  Wiederholung  jener  der  vorderen,  und  selbst  bei 
einem  Theile  der  Amphibien  (den  Urodelen)  treffen  wir  ioi  Hsupl- 
süchlichsten  ein  gleiches  Verhallen,  so  dass  es  einer  einielneD  Auf- 
führung nicht  weiter  bedarf.  Da  sich  bei  den  meisten  Urodelev'dic 
FUnfzabI  der  Endstucke  oder  Zehen  der  Hintergliedmaassen  erhjH  so 
ist  die  Uebcreinslimmung  mit  der  primitiven  Form  noch  deutli^r  als 
am  Armskelele.  Bei  Cryptobrancbus  bestehen  sogar  die  beiden  Gcd- 
iralia.  Dagegen  ist  hei  den  Anureo  eine  bedeutendere  VerHodenii^ 
vorzüglich  am  tarsalen  Abschnitte  ausgeprägt,  während  das  Femur, 
sowie  auch  die  Knochen  des  Unterschenkels  nur  untergeordnete  Uodifi- 
catiouen  darbieten,  zu  welchen  [die  Verschmelzung  der  leUtoren  lu 
Einem  StUcke  gehört.  An  der  Stelle  dreier  TarsalstUcke  treffen  wir 
nur  zwei  sehr  lange  aber  an  den  Enden  hüußg  verschmolzene  Knochen, 


Kig.  iii.  Schema  der  Hinler<!\lrem<tät  eines  Am  ph  i  bi  um. 
u  Fibula,  i  lotermcdium.  r  TIbiale.  ti  t'ibulare.  cc  Centralis, 
salslücke  der  distalen  Reihe. 


H  Kei 


Hintore  Bilr«nüUI. 


807 


als  A«Uagalus  und  Calcaneus  iMtciphiiGt.  Uer  orstero.  wird  aus  der 
Vcrbindunf;  des  Tibiale  und  tnlermedium  hervorgegangen  soin,  da  eme 
soldie  bei  den  Beptrlien  wenigslens  in  grosser  Verbreiluog  sich  Irifll. 
Der  Galcanena  dagegen  entsprichl  dem  Pibulare  der  Urodden.  Auch 
die  distale  Reiho  der  Tarsiuknocben  bietet  bedeateDde  Reductionen,  die 
besonders  an  den  üusseren  sich  geltend  machen. 

§  338. 

Bei  den  Schildkröten  ist  bei  nnwtcbttgen  ModiAcatioiten  der 
grosseren  SlOok«  der  Extremität  eine  nllmahtiche  Conoresoeni  einzelner 
Knochen  des  Tarsus  bemerkbar,  welche  far  das  VcrstUndniss  des  Puss- 
sk«tet8  sowohl  der  übrigen  Reptilien  ah  auch  der  VOgol  belangreich 
ist.  Ein  lnl«nnediitni  ist  mit  dem  Tibiale  zu  einem  Aslragalus  vci^ 
einigt,  und  diesem  ist  noch  das  Centrale  angeschlossen,  oder  auch 
völlig  mit  ihm  verschmolzen.  Ebenso 
stellt  das  vierte  und  fUnrie  Tarsale  einen  Fig   in. 

einzigen  Knochen,  das  GuboYdes,  vor. 
Durch  die  Entstehung  eines  Knochen- 
slückes  ans  Knochen  der  ersten  Tarsal- 
reibe  und  durch  die  feste  Veii>indung 
dieses  Stückes  mit  Tibia  und  Fibula  tritt 
eine  eigeotbamlicbe  Articalatioosweise  des 
Posses  aar.  Er  belegt  sich  in  einem 
Interlarsalgelenk.  Etwas  verschieden  ge- 
staltet sieb  das  Pussskelej  der  Croco- 
dile.  Tibia  nnd  Fibula  articuliren  hier 
mit  iwei  Knochen,  davon  das  AbuAre 
durch  einen  nach  hinten  gerichteten  Fort- 
satz ausgezeichnete  Stück  als  Calcaneus 
die  grSsste  Beweglichkeit  besitzt.  Der 
der  Tibia  verbundene  grossere  Knochen 
ist  dem  schon  bei  Schildkröten  versobmol- 
lenen  Tibiale,  Inl«rmedium  and  Centrale 
^eich  zu  setzen.  Ihm  articulirt  ein  Knor- 
pelatUck,  das  sich  enger  mit  dem  Heta- 
tarsus  verbindet,  wahrend  mit  dem  Fi- 
bulare ein  Cuboldes  articulirt.  Durch  die 
Selbständigkeit  des  Pibulare  wird  eine 
erst  bei  den  Sflugethierea  wieder  auf- 
tretende EigeuthUmlichkeit  dargestellt,  die 
den  Grocodilfnss  von  jenem  der  übrigen 
Beptilien  unterscheidet,  mit  welchem  er  sonst  UbereiAstimmt.  Bei  den 
Pig.  it«.  FüMtkelet  «Inet  llsplils.{Bid<chM)  (vi;  and  Vog«U  (£|,  letileros 
im  embryoüBlen  Zustande  dargwtelll.  f  Femur.  I  Tibia.  p  Fibula.  U  ObereB, 
li  unteres  Tirausstlick.    m  JlilteKuss.     / — V  Mola tarsal stücke  der  Zeben. 


508 


WfrbelUiiere. 


Fig.  245. 


Eideohson  l^esteht  ein  übnliches  Verhallniss,  und  der  aus  der  Ver- 
schmelzung von  vier  primären  Elementen  hervorgegangene  Tarsalknocben 
(Fig.  244.  A,  ts)  zeigt  in  seiner  Anlage  keine  Andeutung  seiner  ein- 
zelnen Beslandiheile  mehr.  Indem  sich  so  ein  Tarsalabschnitt  zunächst 
nur  funoiioneli  mit  dem  Unterschenkel  verbindet,  geht  der  Tarsus  (U) 
Verbindungeo  mit  dem  Metatarsus  ein,  so  dass  die  Zahl  seiner  Stttcke 
sich  dadurch  verringert.  Am  vollständigsten  scheint  dies  bei  den 
Dinosauriern  der  Fall  gewesen  zu  sein,  deren  Tarsus  durch  zwei  an 
Tibia  wie  an  Metatarsus  angeschlossene  Stücke  vorgestellt  ward. 

In  diesen  Einrichtungen  sehen  wir  eine  Vorbildung  des  Baues  des 
Vogelfttssos»  der  im  embryonalen  Zustande  (Fig.  244.  B)  die  bei 
KepUlieo  bleibend  gegebenen  Vorhältnisse  zeigt.  Am  Unterscbeoke 
treffen  wir  Tibia  [t]  und  Fibula  (p) ,  die  letztere  bis  zum  Tarsus 
reichend.  Der  Tarsus  legt  sich  aus  zwei  immer  getrennten  Knorpel- 
stücken  an ,  das  obere  (ts)  ist  zweifellos  dem  bei  Reptilien  aus  vier  £ie- 
nienten  sich  zusammensetzenden  Knochen  homolog,  das  untere  (/t)  ent- 
spricht der  distalen  Reihe  von  Tarsusknochen.    Es  besteht  also  hier  ein 

Vererbungszusland  von  Einrichtungen ,  für  welche  in  nie- 
deren Abtheilungen  Vorbereitungen  getroffen  sind.  Den 
Metatarsus  bilden  ursprünglich  gleichfalls  fünf  discrele 
Knorpelstücke,  von  denen  aber  nur  vier  (B.  / — JV)  mit 
Zehen  sich  verbinden,  indess  das  fünfte  bald  ver- 
schwindet, indem  es  völlig  mit  dem  unteren  Tarsus- 
stück  verschmilzt.  Die  Verändei^ng  des  embryo- 
nalen Verhältnisses  zeigt  sich  am  Unterschenkel  in 
einer  Rückbildung  der  Fibula  (Fig.  245.  b')  ,  welche 
später  wie  ein  ufKinsehnlioher,  niemals  den  Tarsus  er- 
reichender Anhang  (6')  der  Tibia  (6)  ansitzt.  Mit  der 
Tibia  verwächst  der  obere  Tarsalknorpel  und  bildet 
ihren  Gelenkkopf,  der  untere  Tarsalknorpel  vereinigt 
sich  mit  dem  durch  Verschmelzung  der  drei  längeren 
Metatarsusknochen  eotstehenden  einheitlichen  Stücke  (cj, 
an  welchem  Trennungsspuren  meist  nur  noch  am  distalen 
Ende  durch  die  einzelnen  Capitula  fortbestehen  (Fig. 
245.  c').  Das  Metatarsusstück  der  ersten  oder  Innen- 
zehe  erhält  sich  selbständig,  und  bleibt  meist  ein  klei- 
ner dem  grossen  ))Laufknochen«  (Tarso- Metatarsus}  an- 
gefügter Anhang.  Am  Vogelfusse  sind  somit  die  bei 
den  Reptilien  ausgesprochenen  Einrichtungen  weiter  ent- 
wickelt; die  Theile,  welche  dort  nur  feste  Verbindungen  zeigten,  sind 
verschmolzen,  aber  die  Bewegung  des  Fusses  findet  in  demselben 
Intertarsalgelenke  'Statt. 

Fig.  24Ö.  Hintere  Extremität  von  Buleo  V4il;|;arts.  a  Femur.  fr  Tibi». 
t/  Fibula,  c  Tarso  -  Metatarsus.  c'  Dasselbe  Stück  isolirl  von  vorne  gesabeik 
d  d'  d"  d'''  Vier  Zehen. 


Hintere  ButremiUil. 


509 


BesOgUch  her  Zehen  treflTen  wir,  abgesehen  von  den  Rückbildungen 
innertialb  engerer  Abtheilungen,  die  Fünfzabl  aueh  bei  Reptilien  vor- 
herraobend;  6rsi  bei  den  Vdgeln  sinken  sie  auf  vier  oder  drei,  sogar 
auf  twei  (Strulhio).  Die  Phalangen  der  Zehen  xeigen  im  Allgemeinen 
eine  Zunahme  von  der  aus  twei  Sittcken  l)e$lebenden  lunensiehe  an 
bis  sur  vierten  Zehe,  an  der  man  fünf  Phalangen  zühlt.  Dies  gilt  (ttr 
Eidechsen,  Crocodite  und  Vögel.  Eine  geringere  Zahl  besitxen  Am- 
phibien und  Schildkröten. 

§  339. 

Durch  die  ^igentbttm liehen  Dififerensirungen ,  welche  das  Skelet 
der  Hintergliedmaasse  der  Ref>tilien  und  Vögel  eingeht,  steilen  sich  die 
Süttgethiere  besttglich  des  Skeletes  erst  mit  den  Amphibien  in  Beziehung. 
Im  Allgemetnen  sind  die  Umge^laltungen  weniger  mannichCaltig  als  an 
der  Vordergliedmaasse,  enlepreobend  der  grösseren  Gleichartigkeit  üer 
Leistungen,  welchen  die  Hintergliedmaasse  vorsteht. 

Von  den  Skelettheilen  des  obern  Abschnitts  ist  das  Fcmur  in  der 
Regel,  besonders  bei  Ungulalaii,  aber  auch  bei  vielen  Anderen  der 
kürzere.  Bei  den  Perissodactylen,  mapchen  Nagern  u.  a.  ist  es  durch 
einen  dritten  Trochanter  ausgezeichnet.  Am  Unterschenkel  spielt  die 
Tibia  die  Hauptrolle,  die  Fibula  wird  häufig,  besonders  bei  Wieder- 
käuern und  Eiobufero  rudimenlär.«  Bei  den  ersteren  erhüli  sich  das 
distale  Endstück,  welches  mit  der  Tibia 
wie  mit  dem  Tarsus  (Astragalus)  arti- 
oulirt,  und  anscheinend  dem  letzAeren 
■ugetheilt  wird.  Auch  vollständige  Ver** 
wachsungeo  voa  Tibia  und  Fibula  kom- 
men zuweileii  vor  (z.  B.  bei  Nagern, 
Inseoüvoren). 

Den  am  meisten  charakteristischen 
Absehaitt  bildet  der  Tarsus,  der  sich 
dem  Unterschenkel  mit  8  Stücken  an- 
sohiiesst ,  aber  meist  nur  an  eine«,  dem 
Artrageltts,  eine  Articnlation,  das  soge- 
nannte Sprunggelenk  besitzt.  An  dem 
z Watten  Knochen,  dem  Calcanevs,  ist  die 
beiCrocodilen  angedeutete  Fortsatzbildung 
weüer  eatwickelt.  DasCentrale  erhält  sich 
selbständig,  rückt  aber,  alsNaviculare  be- 
zeichnet, an  den  innern  Fussrand  vor. 
bei  einigen  Prosimiae  eine  bedeutende  Verlängerung  dar  (Macrotarsi) . 
Von  den  fünf  distalen  Knochen  sind  die  zwei  äusseren  stets  nur  durch 


Mit  dem  Calcaneus  bietet  es 


Flg.  ite.  Fussskeiete  von  Sttugethieren.  A  Rhinoceros.  B  Rind.  C  Pferd. 
ti  Tibia.  a  Astragalus.  cl  Calcaneus.  mi  Metatarsus.  xx  Metatarsas-Rudimente. 
p  p'  p"  Mia langen. 


54  0  Wirbelthiere. 

Einen,  das  GuboYdes,  vertreten,  die  drei  inneren  bleiben  zameisl  ge- 
lrennt ;  sie  stellen  die  Keilbeine  vor.  Mit  der  Venninderang  der  Zehen 
tritt  hüufig  auch  an  den  letzteren  eine  Keduclion  ein,  sie  können  so- 
gar mit  dem  Metatarsas  verschmelzen,  wie  z.  B.  bei  Faulthieren. 
Auch  das  GuboYdes  kann  mit  dem  Naviculare  verschmelzen  (Wieder- 
käuer). Bezüglich  des  Mittelfusses  nnd  der  Zehen  ergeben  sieh  im 
Allgemeinen  ganz  ähnliche  Modificationen  wie  am  Handskelete.  Wäh- 
rend in  der  einen  Abtheilung  fünf,  nur  geringe  Unterschiede  besitzende 
Zehen  fortbestehen ,  von  dehen  häufig  nur  die  Innenzehe  vorkommt, 
treCFen  wir  in  der  anderen  Reihe  die  Reductionen  in  einem  gross- 
artigeren  Maassstabe  ausgeführt  und  bei  den  Artiodactylen  (Fig.  346*.  B) 
mit  der  Verschmelzung  der  Mctatarsusknochen  der  dritten  und  vierten 
Zehe,  bei  den  Perissodactv len  dagegen  mit  der  vorwiegenden  Aus- 
bildung der  Mittelzehe  geendet  (Fig.  ^46.  A,  C).  Die  Zahl  der  Pha- 
langenstücke correspondtrt  jener  der  Finger. 


Muskelsyatem. 
§  340. 

Das  Muskelsystem  der  Wirbelthiere  sondert  sich  in  der  Embryonal- 
anlage  aus  dem  mittleren  Keimblatto,  und  bietet  sowohl  an  dem  aus  einem 
Theile  der  Urwirbel  wie  aus  dem  aus  den  llautplatten  hervorgehenden 
Abschnitte  eine  der  Metamerie  des  gesammten  KOipers  entsprechende 
Gliederung  dar.  Vor  der  Differenzirung  des  Skelets  stelU  die  unter  dem 
Integumenle  lagernde  Muskulatur  mit  jenem  einen  Hautmuskelschlauch 
vor,  jenem  gegliederter  wirbelloser  Thiere  in  vielen  Beziehungen  Hbn- 
lieh,  wenn  auch  nicht  geradezu  von  einem  solchen  ableitbar. 

Die  Beziehungen  zum  Skelete  und  die  Herausbildung  einer  Skelel- 
muskulatur,  sind  somit  in  dem  Maasse  secundär  erworben,  al6  sie  an 
die  Ausbildung  des  Skelets  geknüpfte  Einrichtungen  sind.  Bei  Am- 
phioxus,  dessen  Skelel  wesentlich  in  der  Ghorda  dorsalis  besteht,  ist 
(las  Muskelsystcmi  wenigstens  am  Rumpftheile  des  Körpers  ohne  jene 
Beziehungen  und  nur  an  dem  die  respiratorische  Vorkammer  des  Tractus 
intt^stinalis  umschliessenden  Vorderabschnitte  des  Körpers  scheinen  Ver- 
bindungen mit  dem  Visceralskclet  zu  bestehen.  Die  gesammte  Mus- 
kulatur ist  in  zwei  seitliche  Längsmassen  geordnet,  die  nur  dorsal  und 
ventral,  durch  Bindegewebe  von  einander  getrennt  sind.  Diese  Längs- 
muskelzüge  sind  wieder  durch  bindegewebige  Septa  in  eine  Reibe 
von  Metameren  geschieden  und  jene  Septa  dienen  ebenso  zum  Ursprünge 
wie  zur  Insertion  der  zwischen  ihnen  gerade  verlaufenden  Fasern. 
Während  diese  Muskelmasse  dorsal  sich  längs  des  ganzen  Körpers 
erstreckt,  wird  sie  ventral  am  vordem  Körperabschnitte  durch  die  Be- 
ziehungen zum  Visceralskclet  modificirt. 

Auch    bei   den  Gycloslomon    ist   der   grösste  Theil  der  Moskulatnr 


Uautmoskeln.  54  i| 

noch  ohne  unmiUeibare  Verbindung  mit  demSkelelr,  indrm  die  ober- 
fl^cUichen  Lagen  wieder  nur  mit  Bindegewebe  in  Zusammenhang 
stehen,  und  jene  Metanieren  bildenden  Septa  llber  den  gansen  Bumpf- 
und  Caudallbeil  des  Körpers  vorkommen.  Doch  erscheint  sowohf  «m 
Kopfe  wie  am  Visceralskelet  eine  selbständige  Sonderung  einzelner  mit 
Skelettheilen  verbundener  Muskeln. 

in  dem  Maasse  als  die  Ausbildung  des  Skelets  die  Verbindung 
der  Muskulatur  mit  demselben  hervorruft,  und  mit  seiner  weitern 
Difierenzirung  auch  die  primitive  Gleichartigkeit  der  Hauptmuskelmassen 
des  Körpers  auflöst,  g^t  die  ursprüngliche  Bedeutung  dieser  Mus- 
kulatur verloren,  und  es  tritt  zugleich  eine  Scheidung  ein,  welche  sich 
einerseits  in  dem  Auftreten  einer  Skeletmuskulatur ,  andrerseits  in  der 
eigenartigen  Entfaltung  des  nicht  mit  dem  Skelete  sich  verbindenden 
Restes  des  Gesa mmtmuskelsy Sterns  zu  einer  Hautmuskulatur  ausspricht. 

DemgemHss'  erfordert  die  Hautmuskulatur  von  jener  des  Skelets 
eine  gesonderte  Darstellung. 


Hantron  sk«  I  n. 
§  34^ 

Indem  wir  die  Hautmuskeln  als  ursprünglich  mit  jenen  des  Skelets 
einen  genieinsamen  Complex  bildend  ansehen,  sind  sofort  jene  Muskeln 
davon  zu  trennen,  welche  der  Haut  als  solcher  angehören.  Diese 
grössieniboils  durch  glatte  Elemente  dargestellten  Theile  sind  secundKre 
Gebilde,  Diflerenzirungen  des  Integumenis,  wie  sie  ebenso  auch  an. 
vielen  aus  dem  letzteren  entstandenen  Organen  vorkommen. 

Dass  unter  den  Gyclostomen  ein  Theil  der  Rumpfmuskulatur  durch 
mangelnde  Verbindung  mit  Skeleltheilen  im  Wesen  als  Hnutmuskeln 
erscheint,  ist  vorhin  erwühnt  worden,  und  selbst  bei  Selachicrn  wie 
hei  den  übrigen  Fischen  steht  ein  bedeutender  Theil  der  grossen  seit- 
liehen  Rumpfniuskelmassen  nur  durch  die  vom  Skelete  ausgehenden 
sehnigen  Zwischen  blinder  mit  diesem  in  Zus^immenhang,  ist  daher  noch 
nicht  zur  Skeletmuskulatur  in  dem  Sinn  geworden,  dass  Ursprung  und 
Ende  eines  Muskelsbündels  Skelettheilen  angefügt  ist.  Aus  diesem 
mehr  indifferenten  Verhalten  wird  dos  Fohlen  gesonderter  Hautniuskeln 
hegreiRfch.  Doch  erscheinen  wenigstens  in  der  Kussern  Wand  der 
respiriHorisehen  Vorkammer  bei  Selachiem  deutliche  Hautmuskellagen 
als  Theile  eines  gemeinsamen  Gonstrictors. 

Auch  an  manchen  andern  Körperstellen  finden  sich  nicht  mit  den 
grossen  Seltenmuskeln  zusammenhangende  subcutane  Muskeln,  denen 
eine  l^ngs  der  Seitenlinie  der  Teleostier  verlaufende,  durch  intensivere 
Färbung  ausgezeichnete  Schichte  beizuzühlen  sein  wird.  Bei  den  Am- 
phibien treten  Hautmuskeln  tbeils  am  Kopfe  zur  Bewegung  der  Nasenöff- 
nungen,  llieils  —  \h*\  Anuren  —  in  der  Nilhe  des  Sleisses  auf.     Die  an 


^\i  WirbeUhierd. 

den  äusseren  Nasenößbungen  liegenden  Muskeln  komoien  reicher  enl- 
wickelt  auch  den  Reptilien. zu.  Eine  functionell  bedeutende  Wichtig- 
keit erreichen  Hautmuskeln  bei  den  Schlangen.  An  der  Haut  des 
Aauches  treten  nämlich  kleine  Muskelbündei  zu  den  Schuppen  des  In- 
tegumeotes  und  bewirken ,  durch  eigene  von  den  Rippen  kommende 
Portionen  verstärkt,  eine  bei  der  LoconioUon  bedeutuagsvoUe  Bewegung 
der  Schuppen. 

Die  Vogel  besitzen  grössere  platte  Hautmuskeln  an  verschiedenen 
Körpertheilen,  wie  bei  Reptilien  (Chelonien)  ist  eine  continuirliche  Muskel- 
schichte  am  Halse  verbreitet,  andere  Hautmuskeln  nehmen  ihren  Ursprung 
vom  Skelete,  wie  z.  B.  die  in  die  Flughaut  tretenden,  dieselbe  span- 
nenden Musculi  patagii.  Auch  die  zur  Bewegung  der  Armschwingen 
und  der  Steuerfedern  dienenden  Muskeln  gehören  in  diese  Kategorie. 

In  höherem  Grade  ist  die  Hautmuskulatur  der  Säugethiere  ent- 
wickelt. Meist  lagert  unter  dem  Integumeote  des  Rumpfes  ein  grosser, 
den  Rückenlheil  des  Körpers  bedeckender  und  von  da  auch  auf  Hals 
und  Kopf  sich  fortselzender  Muskel ,  der  an  verschiedenen  Stellen  der 
Haut  mittelst  sehniger  Theiie  sich  insenrt  und  von  seinen  vorderen  Par- 
tien auch  eine  Insertion  an  den  Humei'us  abgibt.  Von  der  Rumpf- 
muskulatur ist  dieser  Hautmuskel  meist  durch  Fett-  und  Bindegeweb- 
schicblen  gesondert.  Er  ist  am  meisten  bei  Echidna,  bei  Dasypus  und 
beim  Igel  entwickelt,  bei  welchen  er  das  Zusammenkugela  bedingt. 
Beim  Igel  erscheint  er  in  mehrere  Abschnitte  gesondert.  Bei  den 
meisten  Affen  besitzt  der  grosse  Hautmuskel  dieselbe  Ausdehnung  wie  bei 
den  übrigen  Sängethieren,  in  grösserer  Selbständigkeit  erscheint  er  jedoch 
am  vorderen  Abschnitt.  Beim  Orang  und  Gbimpanse  ist  letzterer  durch 
eine  die  Seitentbeile  des  Halses  einnehmende  und  von  dß  auf  das  Ge- 
richt sich  fortsetzende  Muskclplatte  vorgestellt,  die  als  Platysma  myoYdes 
in  geringerer  Ausdehnung  auch  beim  Menschen  vorkommt. 

Muskulatur  des  Skeletes. 
§  342. 

Aus  der  Verbindung  des  Muskelsystems  mit  dem  Skdete  entspringt 
die  Differenzirung  der  Muskeln,  cUe  allmählich  aus  einem  in  der 
ganzen  Länge  des  Körpers  gleichartigen  Verhalten  heraustreten.  Diese 
Pifferenzirung  steht  mit  jener  des  Skeletes  im  engsten  Zusammenhange, 
.  wie  sich  denn  beide  Theiie  stets  in  einem  aus  der  gemeinsamen  Function 
sich  ergebenden  gegenseitigen  Anpassungsverhältnisse  darstellen.  So 
ist  grösseres  Volum  eines  Skelettheiles  mit  einer  Volumszunahme  der 
bezüglichen  Muskeln  verbunden,  und  die  Rückbildung  eines  andern 
Skeletstückes  entspricht  der  Verkümmemng  seiner  Muskeln.  Ebenso 
äussert  sich  die  freiere  Beweglichkeit  auch  der  Muskulatur  in  einer 
bedeutendem  Differenzirung  und  selbständigeren  Ausbildung  der  ein- 
zelnen Theiie. 


Muskulatur  des  Skelets.  513 

Aus  dieser  Sonderung  entstehen  einzelne  Muskelsysleme ,  deren 
jedes  wieder  in  untergeordnete  Comptexe  zerfällt,  welche  aus  mehr 
oder  minder  votlsUindig  discreten  Muskeln  sieh  zusammensetzen.  Als 
solche  Muskelsysteme  können  die  Muskeln  des  Rumpfes,  die 
Muskeln  des  Kopfskelels  und  die  Muskeln  der  Gliedmaassen 
unterschieden  werden. 

Die  Muskeln  des  Hunipfes,  Scitenrumpfmuskcln  bilden 
die  bereits  oben  erwähnte  primitive  Muskulatur.  Sie  bestehen  aus  zwei, 
die  Seitentheile  des  Körpci-s  einnehmenden,  vom  Kopf  bis  zum  hinteren 
Körperende  verlaufenden  Muskelmasscn  (M.  laterales) ,  welche  in  der 
Medianlinie  des  Rückens,  unten  in  jener  des  Bauches,  durch  senkrechte 
Sehnenblinder  geschieden  sind.  Unter  den  Cyclostomen  scheint  der 
ventrale  Theil  dieser  Muskelmasscn  bei  den  MyxinoYden  durch  einen 
schrügen  Verlauf  seiner  Fasern  ausgezeichnet.  Ob  dadurch  ein  neues 
System  vorgestellt  wird,  erscheint  zweifelhaft.  Jedenfalls  liegt  darin 
eine  Scheidung  angedeutet,  die  bei  den  Fischen  sich  vollzieht,  jede 
Hälfte  zerfällt  in  eine  dorsale  und  ventrale  Partie,  welche  durch  eine 
horizontal  durch  die  Axe  der  Wirbelsäule  gelegte  Ebene  von  ein- 
ander geschieden  zu  denken  sind,  so  dass  dann  hn  Ganzen  vier 
Seitenmuskeln  bestehen.  Eine  wirkliche  Trennung  wird  durch 
eine  Jener  Ebene  folgende  sehnige  Membran  bewerkstelligt,  welche 
namentlich  am  Schwänze  deutlich  hervortritt.  Soweit  die  Bauchhöhle 
reicht,  besitzen  die  beiden  ventralen  Seitenmuskeln  eine  beträchtlichere 
Ausdehnung,  weil  von  ihnen  die  Rippen  Uberkleidet  werden,  bis  dann 
am  Schwänze  zwischen  oberen  und  unteren  ein  gleichmässiges  Grössen- 
Verhältniss  sich  herausstellt. 

Jeder  der  vier  Scitenrumpfmuskcln  wird  durch  eine  den  Wirbeln 
entsprechende  Anzahl  von  sehnigen  Blättern  (Ligamenta  intermuscularia) 
in    einzelne  Abschnitte  geschieden,   welche  auf  der  Oberfläche   durch 
die   als  Inscriptiones   tendineae  zu  Tage  tretenden  freien  Ränder  jener 
Blätter  leicht  unterscheidbar  sind.     Da   die  Muskelfasern  zwischen  je 
zweien  der  Sehnenblätter  stets  parallel   verlaufen,    so   bieten   letztere 
Ursprung  wie  Insertion  für  je  einen  Abschnitt  dar.    Die  Muskeln  stehen 
dadurch  nur  in  mittelbarer  Verbindung  mit  dem  Skelete.     Der  Verlauf 
der   sehnigen  Septa  ist  immer  ein  gebogener  und  zwar  in  der  Weise, 
dass  in  jedem  Rückenmuskel  eine  untere  aus  in  einander  steckenden, 
mit  der  Spitze  nach  vorn  gerichteten  Kegeln  (Fig.  246.  A,  a)  gebildete, 
und  eine  obere  aus  Kegelstflcken  bestehende  Schichte  (6)  erkannt  werden 
kann.     Die  Spitzen   dieser  unvollständigen  Kegel  sehen  nach  hinten. 
An  den  ventralen  Muskeln  ergibt  sich  insofern  ein  umgekehrtes  Verhalten, 
als  die  Kegel  [ol)  oben,  die  KegelstUcke  (6'j  nach  unten  gelagert  sind. 
Auf  einem  senkrechten  Querdurchschnitte  am  Schwänze  eines  Fisches 
steht   man  daher  jedersetts  zwei  an  einander  stossende  Systeme  con- 
oentriscber  Ringe  (die  durchschnittenen  Hohlkegel,  und  über  dem  oberen 
wie   unter  dem   unteren   noch   kürzere  oder   längere  Bogenlinien    (die 

Uc^genbasr,  UnmdrisR.  33 


fil  4  Wirbelthlere. 

DurcbschDittshilder   der  unvollsumdigen  KegelütUcke) .     Der  zum  Theil 
schon  aus  der  BilduDg  und  Bichlung  der  Kegel  sich  ergebende  Verlauf 
der    Sepia    ist    somit    oben    von    vorne 
Fig.  Ut.  schräg   nach   hinten ,    und  dann  wieder 

zur  Umschliessung  der  Kegel  im  Bogen 
nach  vorne,  um  hier  mit  dem  em- 
sprecbendea  Scbnenbande  des  unteren 
Muskels  zusammonzutreßen. 

Diese  Verhültnisse  bestehen  im  We- 
sentlichen noch  fUr  die  Seiteoinuskelo 
der  Perennibranchialen  wie  der  Larven- 
zuslände  dei'  übrigen  Amphibien,  so 
dass  dieselbe  Zickzacklinie  der  Liga- 
''  menta    intermuscularia    nur   in    weniger 

scharfen  Bit^ungen  zu  beobachten  ist. 
Bei  (lern  mehr  geraden  Verlauf  der  Ligamenta  intermuscularia  ist  die 
Kegelbildung  verloren  gegangen.  Bei  den  ausgebildeten  Salamandrinen 
ist  der  Bauclilhcil  des  Sekenmuskels  am  Rumpfe  verschwunden  und  nur 
noch  am  Schwänze  zeigt  sich  zwischen  oberer  und  unterer  H;tlfte  eine 
symmetrische  Bildung;  der  persistirende  BUckenthoil  dagegen  verhüll 
sich  ganz  fischlthnlich  durch  Ligamenta  intermuscularia  in  einzelne 
Abschnitte  gelrenni. 

§  Ui. 

In  den  hlihercn  Wirltellhierclassen  sind  aus  dem  Bauchtheil  der 
Seitenmuskulatur  des  Rumpfes  andere  Muskeln  hervorgegangen,  dagegen 
l>esteht  er  am  Schwänze  der  Reptilien  und  Süugethiere  unter  Nodi- 
ßcationcn  noch  fort,  und  wandelt  sich  in  ühuliche  Muskeln  um,  wie 
der  bei  allen  luftathmenden  Wirbel  ihierclassen  bestehende  RUckenlbeil, 
der  sich  beständig  uud  gleichmüssig  auch  über  den  Schv\anz  erstreckt. 

Während  bei  den  Eidechsen  eine  Trennung  des  dorsalen  Seiten- 
muskels durch  Ligamenta  intermuscularia  noch  erkannt  werden  kann, 
hat  eine  weiter  gehende  Differenzirung  bei  den  Uebrigen  eine  Reihe 
discreter  BUckenmuskeln  entstehen  lassen.  Diese  sondern  sich  in 
eine  oberÜJichliche  und  eine  liefe  Partie.  Die  erstere  umfasst  den  nur 
auf  den  llalslheil  beschriluklen  Splenius,  der  Iheils  am  Schade!  iheiis 
an  Querfortsatzen  vorderer  Halswirbel  inserirl.  Dann  gehört  jener  ober- 
flächlichen Partie  noch  der  Sacrospinalis  an,  der  in  eine  mediale  und  la- 
terale Portion  zerfölll,  in  den  lliocoslahs  und  Longissimus.  Beide  besitzen 
gemeinsame  vom  Kreuzbein  und  Darmbein  entspringende  Fleischmassen. 

Fig.  **6.  A  Durchschnitt  der  Schwanimuskelo  von  Scomber  »comber. 
a  Oben? ,  a'  untere  Seiten  rümpf  muskeln.  b  und  b'  Durchnchnitt  uiivnll»Undrg«r 
ober«r  und  unterer  Kegelmantel,  d  Wirbelknrper.  B  Zlckzackliulea  der  ober- 
AacblictieD  Enden   der  Ligg,    inlerinu<iculariii   am  Scbwanne    von    Scnmber.     iKacb 


J.  .Mlu 


Maükulatur  des  SkeleU.  54  5 

Aber  auch  accessorische  YorsprUnge  treten  in  der  ganzen  Lange  der 
Muskeln  bis  zum  Schddel  auf,  theils  von  den  Rippen,  theils  von  den 
Querfortsätzen  kommend«  Die  Insertionen  gelangen  vom  Iliocostalis 
und  vom  Longissimus  an  Rippen,  von  letzterem  auch  noch  an  Quer- 
fortsätze. Die  tiefe  Lage  wird  vom  Transvcrsospinalis  gebildet,  der 
aus  einem  von  Querforsätzen  entspringenden,  zu  Dornfortsätzen  ge- 
langenden System  von  Bündeln  dargestellt,  und  nach  verschiedenen 
Schichten  bald  mehr  bald  minder  gesondert  ist  (Semispinalis,  Multifidus). 

Die  zum  Hals  gelangenden  Abschnitte  dieser  Muskeln  zeigen  meist 
eine  der  Beweglichkeit  dieses  Theiles  der  Wirbelsäule  entsprechende 
voluminösere  Entfaltung,  die  sie  auch  als  besondere  Muskeln  hat  be- 
schreiben lassen.  Dasselbe  gilt  von  den  noch  selbständiger  ausge- 
bildeten zum  Schädel  gelangenden  Enden.  .Die  Schädelportion  des 
Longissimus  ist  der  TrachelomastoYdeus ,  die  des  Semispinalis  ist  der 
Biventer  und  Gomplexiis. 

Endlich  gehören  zu  dieser  Gruppe  die  Musculi  spinales,  von  Dorn- 
fortsätzen entspringend  und  nach  Verlauf  längs  einem  oder  einigen  der 
letzteren  wieder  zu  Dornfortsätzen  gelangend,  und  die  Interspinales,  die 
zwischen  den  Dornfortsätzen  sich  vorfinden.  Den  vordersten  Spinalis 
bildet  der  Rectus  capitis  p.  major;  der  Rectus  capitis  p.  minor  ist  der 
erste  Interspinalis. 

§  344. 

Als  eine  aus  den^Seitenrumpfmuskeln  hervorgehende  Gruppe  mdssen 
die  Intercostalmuskeln  betrachtet  werden.  Bei  den  Fischen  ist 
diese  noch  nicht  differenzirt,  und  die  zwischen  den  Rippen  und  ihren 
Aequivalenten  befindlichen  Muskeln  sind  Theile  der  Seitenmuskeln,  die 
Rippen  selbst  liegen  in  den  gegen  die  Bauchwand  gerichteten  Enden 
der  Ligamenta  intermuscularia.  Aehnlich  verhalten  sich  die  Amphibien. 
In  den  übrigen  Wirbelthierabtheilungen  findet  eine  schärfere  Sonderung 
statt.  Die  Ausdehnung  der  Intercostalmuskeln  richtet  sich  dann  nach 
der  Ausdehnung  und  Verbreitung  der  .Rippen.  Am  mächtigsten  ent- 
wickelt sind  die  genannten  Muskeln  bei  den  Schlangen.  Auch  die 
zwischen  den  mit  Wirbeln  verschmolzenen  Rippenrudimenten  oder 
zwischen  Querfortsätzen  vorkommenden  Muskeln  (Intertransversarii) 
müssen  der  intercostalen  Gruppe  beigezählt  werden.  Femer  gehören 
hieher  die  Levatores  costarum  sowie  die  an  der  Innenfläche  der 
Thoraxwand  liegenden  Muskeln  (Thoracici  interni)  und  die  Scale ni. 
Von  den  letztem  ei*5cheint  der  Scalenus  anticus  den  Intercostalmuskeln 
am  nächsten  zu  kommen,  indess  Scalenus  medius  und  posticus  an  die 
Levatores  cost.  sich  anreiht.  Die  Ausbildung  aller  dieser  Muskeln  er- 
leidet je  nach  dem  Umfange  und  der  Beweglichkeit  der  Rippen  be- 
deutende Verschiedenheiten  und  zu  den  Hebern  können,  wie  bei  den 
Schlangen,  noch  besondere  Rückzieher  hinzukommen. 

Dem  Systeme   der  Intercostalmuskeln  werden  wahrscheinlich  auch 

33* 


516  Wirbelthiere. 

die  breiten  Bauchmuskeln  beigezählt  werden  dürfen,  welche  an 
den  wahre  Rippen  entbehrenden  Stellen  der  Bauchwand  zu  finden  sind. 
Sie  bestehen  aus  dein  M.  obliquus  externus,  obliquus  internus 
und  trän s versus  abdominis.  Der  Obliquus  externus  entspricht 
dem  Intercost.  ext.,  der  Internus  dem  Intercost.  internus. 

Die  Entstehung  dieser  Muskeln  muss  aus  einer  Aenderung  der 
Richtung  der  anfänglich  nur  longitudinal  verlaufenden  Bündel  her- 
vorgehen. Die  bei  manchen  Amphibien  wie  bei  den  Eidechsen  be- 
stehenden Inscriptiones  tendineae  haben  demgcmäss  als  Reste  der 
primitiven  Zwischenmuskelbänder  zu  gelten.  Die  Ausdehnung  des 
Ursprunges  des  Obliq.  externus  weit  nach  vorne  auf  den  Thorax,  sowie 
die  Sonderung  des  Muskels  in  mehrere  Schichten  bei  den  Reptilien 
sind  jene  Auffassung  begründende  Erscheinungen. 

Auch  ein  Transversus  abdominis  besitzt  schon  bei  den  Amphibien 
eine  bedeutende  Ausdehnung,  ebenso  unter  den  Reptilien  mit  Ausnahme 
der  Schlangen,  denen  er  fehlt.  Er  erstreckt  sich  bis  vorne  in  die 
Brustgegend.  Bei  den  Vögeln  reicht  er  nur  bis  zum  Hinterrande  des 
Slemums,  dagegen  findet  er  sich  bei  Säugethieren  in  grösserer  Aus- 
breitung vor. 

Als  ein  verhältnissmüssig  wenigst  veränderter  Rest  der  primitiven 
Muskulatur  erscheint  der  Rectus  abdominis,  indem  er  nämlich 
den  Längsverlauf  seiner  Fasern  beibehält  und  in  seinen  Inscriptiones 
tendineae  wiederum  Spuren  der  primitiven  Scheidewände  besitzt.  Er 
tritt  erst  von  den  Amphibien  an  allgemein  vom  Bru^bein  bis  zum  Becken, 
kann  jedoch  bei  geringerer  Länge  des  Sternums  continuirlich  in  den 
Sternohyofdelis  übergeben   (Amphibien). 

Bei  den  Crocodilen  ossificiren  die  Sehnenstreifen,  und  stellen  die 
sogenannten  Bauchrippen  vor.  Zu  den  geraden  Bauchmuskeln  moss 
auch  der  M.  pyramidalis  gezählt  werden,  der  den  Salamandrinen,  den 
Crocodilen,  Straussen  und  endlich  vielen  Säugelhiei*en  zukommt.  Mono- 
tremen  und  Beutelthierc  besitzen  ihn  in  besonderer  Ausbildung,  so 
dass  er,  von  einem  Rande  des  ßeutelknochens  entspringend,  nahe  bis 
ans  Brustbein  reicht,  und  dabei  den  Rectus  überlagert  [deshalb  von 
OwKN  als  oberflächlicher  gerader  Bauchmuskel  benannt). 

§  34g. 

Das  bei  den  Fischen  bestehende  Bogengerüste  des  Vi  sceralskel  et  s 
besitzt  ein  besonderes  zwischen  den  einzelnen  Abschnitten  sich  wieder- 
holendes System  von  Muskeln ,  durch  welche  die  einzelnen  Abschnitte 
bewegt  werden.  Da  die  primären  Kieferstücke  gleichfalls  dem  Visceral- 
skelete  angehören,  so  werden  die  ihnen  zukommenden  Muskeln  als  Diffe- 
renzirungen  des  Muskelapparates  des  Visceralskelets  zu  gelten  haben. 
Ein  grosser  Theil  der  Muskulatur  des  letzteren  entspringt  vom  Schädel, 
ein  anderer  liegt  zwischen  den  Bogen  einer  Seite,  und  noch  andere  be- 


Muskulatur  des  SkeleU.  5I7 

sitzen  eine  quere  Anordnung  und  bedingen  eine  Annäherung  der 
beiderseitigen  Bogen.  Von  den  Kiemenbogen  gehen  Muskeln  zu  den 
Riemenstrahlen.  Bei  den  Selachiern  sehr  entwickelt,  sind  sie  bei  den 
Knochenfischen  rudimentär,  und  erscheinen  am  zweiten  primitiven  Vis- 
ceralbogen  in  die  Muskulatur  des  Kieroendeckels  und  der  Kiemenhaut- 
strahlen  umgewandelt. 

Den  Amphibien  kommt  während  des  Larvenzustandes  eine  ähn- 
liche Muskulatur  zu,  sie  ist  zum  Thcile  aus  jener  der  Fische  ableitbar, 
und  erhttit  sich  bei  den  Perennibranchiaten.  Mit  dem  Verschwinden 
des  Kiemengerüstes  und  der  dabei  wachsenden  Selbständigkeit  des 
Zungenbeins  gehl  ein  Theil  der  Kiemenmuskulatur  an  dieses  Über.  Der 
geänderte  Wcrth  des  Apparates  ist  von  Complicationen  der  Muskulatur 
hegleitet,  welche  eine  grössere  Selbständigkeit  der  Bewegung  der  ein- 
zelnen Theile  herbeiführen. 

Zu  den  Muskeln  des  Visceralskelets  gehören  die  zur  Bewegung 
des  Kieferbogens  und  der  aus  ihm  hervorgegangenen  Theile  dienenden 
Muskeln.  Ein  Adductor  der  beiden  Stücke  des  Kieferbogens  ist  bei 
den  Selachiern  in  ziemlicher  Differenzirung  als  die  Anlage  des  Kau- 
muskelapparates  zu  erkennen.  Mit  der  Befestigung  des  Palato-Qua- 
dratums  oder  der  an  ihm  gesonderten  Knochen  ans  Cranium  erhalten 
diese  Muskeln  ihren  Angriffspunkt  am  Unterkiefer. 

Bei  Amphibien  und  Reptilien  hat  sich  von  der  Kaumuskelmasse 
eine  innere  Portion  als  PterygoYdeus  gesondert,  die  selbst  wieder  in 
zwei  Abtbeilungen  (PterygoYdeus  extemus  und  internus]  zerfallen  kann 
[Saurier) ,  und  auch  die  Scheidung  des  Teraporalis  und  Masseter  ist 
durch  Schichtcnbildung  angedeutet.  Das  Herabziehen  des  Kiefers  be- 
sorgt in  beiden  Classen  ein  Digastricus,  der  einen  kurzen  aber  mächtigen 
Bauch  am  Hinterrande  des  Unterkiefers  bildet.  Eine  Vermehrung  der 
Muskeln  zeichnet  die  Schlangen  aus,  indem  sowohl  Adducloren  der 
Unterkieferäste  als  besondere  das  Quadratbein  und  einzelne  Knochen 
des  Gaumengerüstes  bewegende  Muskeln  bei  den  Eurystomata  in  nicht 
unbedeutender  Entwicklung  getroffen  werden.  Aehnliche  Muskeln, 
als  Heber  der  Flügelbeine  und  des  Quadratbeins  bestehen  auch  noch 
bei  den  Vögeln  und  bewirken  die  Bewegung  des  Oberkieferapparates.  Von 
den  eigentlichen  Kiefermuskeln  hat  der  Temporaiis  die  grösste  Aus- 
dehnung ,  und  der  in  den  unteren,  mit  beweglichen  Kiefcrhäiften  ver- 
sehenen Abtheilungen  vor'bandene  Adductor  wird  durch  einen  quer 
zwischen  den  Kieferästen  ausgespannten  Muskel  von  anderer  Bedeutung 
vertreten. 

Die  Kaumuskeln  der  Säugethiere  stimmen  in  Zahl,  Ursprung 
und  Insertion  mit  der  menschlichen  Bildung  überein  und  weichen 
ausser  einem  allgemein  grösseren  Volumen  nur  in  jenen  Verhältnissen 
ab,  die  durch  Form  der  Ursprungs-  und  Insertionsflächen  an  den  be- 
ireffenden Knochen  gegeben  sind.  Der  Digastricus  ist  häufig  nicht 
der    einzige    Senkmuskel    des    Unterkiefers,     indem    er    noch    durch 


öiS  Wirbelthiere. 

Muskeln ,    die    vom  Sternuin   (Kamecl)    zum  Unterkiefer  treten ,    unter- 
stützt wird. 

§  340. 

Zur  Bewegung  der  unpaaren  Flossen  der  Fische  dienen  mehr- 
fache  Systeme  kleiner  Muskeln,  welche  an  der  Medianlinie  des  Rückens 
gelagert,  theiis  an  die  FlossenstrahllrUger,  theils  an  die  Fiossenstrahlen 
selbst  gehen  und  deren  Hebung  und  Senkung  bewirken. 

Von  den  paarigen  G I  i  e  d  m  a  a  s  s e  n  besitzen  die  den  Extremi- 
lillen  der  höheren  Wirbelthiere  homologen  Flossen  der  Fische  sowohl 
an  ihrem  Gürtt»lapparale  als  an  dem  freien  Abschnitte  eine  Anzahl  von 
Muskeln,  die  mit  denen  der  übrigen  Wirbelthiere  noch  keineswegs 
erfolgreich  verglichen  werden  könnten.  Für  die  Flosse  selbst  bestehen 
der  oberen  wie  der  unteren  Flüche  angelagerte  Heber  und  Senker,  die 
in  Iheilweiser  Combination  auch  adduc^torische  oder  abductorische  Be- 
wegungen ausführen.  Sie  vertheilen  sich  auf  die  einzelnen  Abschnitte 
der  Flosse  und  sind  am  reichsten  bei  Selachiern  ausgebildet. 

Mit  der  Umgestaltung  der  Gliedmaassen  tritt  eine  Veränderung  be- 
züglich der  Muskulatur  ein,  und  zwar  zunächst  eine  Vereinfachung  der 
Zahl,  aber  auch  eine  Vermannichfachung  der  Leistung  durch  die  grösseit» 
Freiheit  und  Selbständigkeit  der  Skelettheile,  sowie  durch  die  Diffe- 
renzirung  in  einzelne  ungleichwerthigc  Abschnitte  bedingt. 

Als  bedeutendste  Verschiedenheit  gegen  die  bei  den  Fischen  vor- 
handenen Einrichtungen  ist  die  bei  höheren  Wirbel thieren  stattfindende 
Ausbreitung  der  Muskulatur  des  Brustgürtels  und  der 
Vorderextremitilt  über  die  dorsale  Körperfläche  hervorzu- 
heben. Die  aus  den  oberen  Seitenrumpfmuskeln  hervorgegangenen 
Theile  werden  von  mehrfachen  Schichten  zur  Gliedmaasse  gelangender 
Muskeln  überlagert,  die  bei  den  Fischen  durch  eine  vom  Kopfe  ent- 
springende Muskelpartie  vertreten  sind. 

Diese  sind  weniger  bei  den  Perennibranchialeu ,  mehr  bei  den 
Gaducibranchiaten  gesondert,  und  lassen  die  Muskeln  erkennen,  welche 
in  den  höheren  Abtheilungen  den  Gucullaris  mit  dem  Sterne  -  CleTfdo- 
mastoTfdeus,  sowie  die  RhomboYdei  und  den  Levator  scapulae  vorstellen. 
Aus  ähnlichen  Sonderungen  gehen  die  Brustmuskeln  hervor. 

Die  übrigen,  den  Gliedmaassen  selbst  zukommenden  Muskeln  leiten 
sich  von  den  bei  Fischen  mehr  gleichartigen  Schichten  ab,  welche  die 
dorsale  und  ventrale  Fläche  des  Brustflossenskelets  bedecken.  Mit 
der  Reduction  des  letzteren  und  den  zahlreichen  Modificationen  seiner 
einzelnen  persistirenden  Theile  kommt  auch  der  Muskulatur  eine  be- 
deutende Aenderung  zu,  und  daraus  erwächst  die  der  functionellen 
Maimichfalligkeil  des  Werthes  der  Gliedmaassen  gleichlaufende  Ver- 
schiedenheit des  anatomischen  Verhaltens  der  Muskulatur  in  den  ein- 
zelnen Abtheilungen.  Zu  einer  methodischen  Vergleichung  der  Glied- 
maassenmuskeln   der  grösseren  Abtheilungen  bestehen  nur  die  ersten, 


Muskulatur  des  Skelets.  519 

wenige  Muskelgruppcn  betrefTenden  Anfänge,  so  dass  ein  näheres  Ein- 
gehen für  jetzt  nur  wenig  zusammenhängende  Einzelheiten,  die  ausser- 
halb der  hier  gesteckten  Aufgabe  fallen,  vorführen  könnte. 

Für  die  hintere  Glied maasse  bestehen  zunächst  durch  das  Ver- 
hällniss  des  Beckengürtels  zum  Axenskelete  die  Muskulatur  beein- 
tlussende  Factoren ,  indem  der  Mangel  eines  Zusanvmenhanges  jener 
Skelettheile  bei  den  Fischen  eine  grössere  Selbständigkeit  des  Becken- 
gürtels auriret4>n  lüssl,  die  jedoch  bezüglich  der  Muskulatur  durch  die 
Indifferenz  der  letzteren  eine  Conipensation  empfangt.  Die  freie  Lage 
des  Bcckenskelets  ist  also  nicht  von  einer  selbständigeren  Beweglich- 
keit begleitet.  Die  innigere  Verbindung  des  Beckengürtels  mit  dem 
Axenskelete  lK*i  den  Amphibien  wie  bei  den  Anmieten  Uisst  gleichfalls 
die  Beweglichkeit  zurücktreten,  und  damit  die  Ausbildung  einer  dieser 
vorstehenden  Muskulatur.  Die  der  Gliedmaasse  selbst  angehörige  Mus- 
kulatur besitzt  theils  ihren  Ursprung  am  Beckengürtel,  theils  am  Glied- 
niaassenskelet,  und  erscheint  im  Grossen  in  ähnliche  Gruppen  gesondert, 
wie  jene  der  Vorderglied maa>se,  mit  den  aus  der  funclionellen  Ver- 
schiedenheit beider  resultirenden  Modificationen.  Bezüglich  der  Ver- 
gleichung  der  einzelnen  Muskeln  gilt  das  vorhin  für  die  Vorderglied- 
maasse  bemerkte,  so  dass  auch  für  diesen  Theil  des  Muskelsystems 
das  wissenschaftliche  Fundament  noch  zu  legen  ist. 

§  'HT. 

Eine  besondere  Gruppe  bilden  die  unteren  Muskeln  der 
Wirbelsäule.  Hierunter  sind  solche  Muskeln  zu  begreifen,  welche 
unterhalb  der  Wirbel  und  ihrer  lateralen  Fortsätze,  somit  am  tbora- 
calen  Abschnitt  innerhalb  des  Thorax  liegen. 

Einen  vorderen  Abschnitt  der  unteren  Muskeln  der  Wirbelsäule 
bildet  der  Musculus  longus,  der  bei  Reptilien  zuerst  erscheint  und  meist 
schon  innerhalb  der  Brusthöhle  beginnend  sich  längs  der  Halswirbelsäule 
bis  zum  Schädel  erstreckt.  Er  zerfällt  in  mehrere  nach  ihrer  Insertion 
als  Lou^us  colli  et  capitis  unterschiedene  Portionen,  von  denen  bei  den 
Saugethieren   auch   der  zum  Atlas  gelangende  Abschnitt  gesondert  ist. 

Eine  ähnliche  subvertebrale  Muskulatur  scheint  zur  Bildung  des 
Zwerchfells  zu  führen.  Eine  solche  Einrichtung  fehlt  den  Fischen, 
und  auch  bei  den  Amphibien  ist  es  noch  fraglich ,  ob  einzelne  die 
Speiseröhre  umgreifende  Muskelbündel  als  Anfänge  eines  Zwerchfells 
betrachtet  werden  dürfen.  Unter  den  Reptilien  besitzen  Schildkrölen 
einen  deutlicheren  Zwerchfell muskel  als  Beleg  der  die  Lungen  um- 
schliessenden  Peritoneallamelle.  Diese  MuskeKschichte  entspringt  theils 
von  Wirbelkörfiern ,  theils  von  den  rippenartigen  Querfortsätzen.  Bei 
den  Crocodilen  fehlt  ein  Zwerchfellmuskel,  da  man  in  der  sehr  ent- 
wickelten Peritonealmuskulalur  schon  wegen  ihres  Ursprungs  von  der 
vorderen  Beckenwand  keine  direct  hieher  beziehbare  Bildung  wird  er- 
kennen  dürfen.     Dagegen   ergibt  sich   unter  den   Vögeln   bei  Apteryx 


520  Wirbelthiere, 

ein  von  der  WirbelsHule  lult  zwei  ansehnlicheu  Porlionen  euispriDgendcs 
Diaphragma,  welches  einen  Raum  für  die  Lungen  umschliesst,  allein 
das  Herz  noch  hindurch  Irelen  lüssl.  Bei  den  Übrigen  Vögeln  wird  es 
durch  aponeurotische,  nur  an  wenigen  Stellen  mit  muskulösen  Strecken 
verbundene  Pariieen  vertreten. 

£rst  bei  den  Süugethieren  erscheint  ein  ausgebildeter  Zwerchfell- 
nmskel  als  Scheidewand  zwischen  Bauch-  und  Brusthöhle,  in  welch* 
letztere  auch  das  ilerz  aufgenommen  wird.  Die  schriigc  Stellung  des 
Muskels  bei  Reptilien  und  Vögeln  setzt  sich  damit  in  eine  quere  um. 
Die  fleischigen  Partieen  entspringen  theils  von  Wirbclsilule  tbeils  von 
Rippen,  und  gehen  in  eine  mittlere  Sehnenhaut  (Centruin  tendineum] 
über,  die  nur  selten  fehlt  (Delphine). 

Blektriache  Organe. 

§  :U8. 

EigenthUmliche,  nur  einer  kleinen  Anzahl  von  Fischen  zukommende 
Apparate  stellen  die  sogenannten  elektrischen  Organe  vor,  die  in  ana- 
tomischer Hinsicht  durch  die  in  ihnen  stattfindende  Kndigung  mäch- 
tiger Nervenmassen ,  in  physiologischer  aber  durch  die  Entwickelung 
von  Elektncitai  wichtig  geworden  sind.  Die  Nerven  leiten  centrifugal, 
und  bieten  auch  in  ihrer  Endigungsweise  mit  jenen  der  motorischen 
Nerven  in  den  Muskelfasern  Übereinkommende  Verhältnisse  dar.  Aus 
diesen  Umständen  leiten  wir  die  Berechtigung  ab,  diese  Organe  dem 
Muskelsysteme  anzufügen.  Ob  sie  in  genetischem  Zusammenhange  mit 
Muskeln  stehen  oder  nicht,  ist  unbekannt. 

Die  mit  diesen  Organen  ausgestatteten  Fische  gehören  zu  den 
Gattungen  Toq)edo  und  Narcine  unter  den  Rochen,  Gymnotus  unter 
den  Aalen ,  Malaplerurus  unter  den  Welsen ;  auch  Mormyrus  besitzt 
ähnliche  Organe,  die  aber  bezüglich  der  bei  den  Uebrigen  nacbgcwic- 
senen  Elektricitätsentwickelung  noch  nicht  näher  geprüft  wurden.  Eio 
pseudo-elektrischer  Apparat  ist  bei  Raja  vorhanden. 

Obwohl  in  Lage  wie  in  dem  gröberen  anatomischen  Verhalten  in 
den  einzelnen  Galtungen  sehr  von  einander  abweichend ,  kommen  alle 
die  erwähnten  Organe  darin  mit  einander  überein,  dass  sie  aus  ver- 
schiedenartig gestalteten ,  durch  Bindegewebe  abgegrenzten  und  mit 
einer  gallertartigen  Substanz  gefüllten  »Kästchen«  zusammenge.setzt  er- 
scheinen. Zu  der  einen  Fläche  dieser  ))Kästchcn«(  treten  die  Nerven 
heran,  um  feine  Netze  zu  bilden,  aus  denen  schliesslich  eine  die  Ner- 
venendigungen darstellende  »elektrische  Platte«  hervorgeht. 

Das  Verhalten  derselben  zum  gesammten  Apparate,  sowie  die  Be- 
ziehungen zu  den  Nerven  ergibt  sich  in  folgendem  für  den  Zitter- 
rochen (Torpedo).  Das  elektrische  Organ  (oe)  liegt  hier  zwischen 
dem  Kopfe,  den  Riemensäcken  [Fig.  247.  br)  und  dem  Propterygium 
der  Brustflosse,   die  ganze  Dicke  des  Körpers   durchsetzend   und  von 


EIek  Irische  Organr. 


&H 


einer  sobnigea  Membran  umhtllU,  welche  oben  wie  uolen  nur  vom 
Ktfqwrinlegumenic  Ubcnogen  wird.  Jodes  OrgAO  selzl  sich  aus  ishl- 
rcicben  parnllel  neben  einander  siebenden  Prismen  zusammen ,  die 
ihrerseits  wiederum  aus  einer  Iteihc  aufeinander  geschichleler  Elc- 
meote,  den  oben  erwUlin- 

LcQ    Käslehen,     bestehen  tig.  at7. 

LeUlere  sind  durch  Bmde-  fr"»    ,        «. 

gewcbe  inniger  unler  ein- 
ander vereinigt,  alle  em- 
pfangen die  in  die  Prismen 
eindringenden  Nerven  von 
unten  her,  indem  die  der 
Nervenendigung  enlgrgen- 
f^esetzten  Fl.icheD  doi  olek- 
Irischen  Platten  im  ge-  , 
samml^^n  Organe  dorsal  i 
gcri<:htet  bind  Zum  Organe  1 
treten  fünf  starke  Nerven- 
sUlmme,  Bann  clectiici, 
welche  vcrschiodenenKopf- 
nervcn ,  vor;;Uglich  dem 
Vagus,  angehören,  und 
zwischen  den  Prismen  sich 
verlheilen. 

Bei  den  ülirigen  elek- 
Irischf^n  Fischen  besitzen 
die  bezllglichen  Organe 
zwar  einen  mit  dem  Ge- 
schilderten bezüglich  der 
feineren  Veriiältnisse  (iher- 
einstimmenden  Bau,  allein 
in  der  Oertlichkeit  ihres 
Vorkommens,     wie    nicht 

minder  im  Verhalten  der  die  elektrischen  Platien  bergenden  iK.lstchen> 
ergeben  sich  zahlreiche  Vcrsrhicden heilen  So  liegen  beim  /illeraal 
die   Organe  am  Schwanztbeile  de«  Körpers   dicht   unter  der  äusseren 

big.  347.  Ein  Zittcrriiclion  Torpedo)  mit  dem  prtiparlrlen  cleklriKlien 
OiRane,  in  doritalcr  Anxicbt  dargi^slelll  Recbtersetb«  mt  das  Orgsn  oe  blos  an  der 
Obcrfltiehe  frei  f;"i^g'<  Hedisn  i^rentt  es  an  die  nocli  von  einer  genneinsomen 
Matkelwliiclil«  übcriDgcnen  KiemeDsHcke  br  die  auf  der  andern  Seile  einzeln  der 
gestellt  sind.  Autdersellien  tinkon  Seite  sind  zuitleich  die  zum  elekirtachen  Orfianc 
tretenden  Nerve nstämmc  prüparirl,  und  eine  Strecke  weil  ins  Orgnn  verfolgt.  Die 
KeOlTnelo  SchSdelhOhlo  zeigt  dasCiehirn;  /  Vorderhirn,  // Zwisuhenhirn,  if/Hiltei- 
hirn.  Daliinter  isl  die  Hedultn  obiongala  mit  dem  Anfango  des  Rücken  mark« 
fljchtbar.  e  Nervns  vagus.  Ir  Nervus  trifieminus.  Ir'  Elektrischer  Ast  deüselbeo. 
c  Augen,    f  Spritzioch.     (  CaticrlrühreD  der  Haut     tr  Kiemen. 


'o22  Wirbelthiere. 

Haut.  Beim  Zilterwels  ist  das  Organ  unter  dem  Integumente  über 
die  Oberflache  des  Körpers  verbreitet,  und  bei  den  Mormyren  finden 
wir  wieder  den  Schwanz  damit  ausgestaltet.  Entsprechend  verschieden 
verhalten  sich  auch  die  Nerven,  woraus  man  schliessen  darf,  dass  die 
i|;enannlen  Organe  trolz  ihrer  hisliologischen  und  physiologischen  Ueber- 
einstimmung  morphologisch  verschieden  sind ,  und  nicht  von  einander 
oder  von  einem  gemeinsamen  Stammorgane  abgeleitet  werden  können. 

Nervensystem. 
§  ;U9. 

Die  C  e  n  t  r  a  1  o  r  g  a  n  e  des  Nervens)  stems  lagern  in  dem  über  der 
Axe    des    Rückgrates,    von   dem    oberen  Bogensyslem   des   Axenskelets 
umschlossenen   Canale.      Sie   bestehen    aus   synm)etrisch    angeordneten 
Nervenmassen,  die  nur  bei  den  Acrania  in  der  ganzen  Länge  ein  njehr 
gleichartiges  Verhalten  darbieten,   während  sie  bei  den  Cranioten  in  iwv'i 
grössere  Abschnitte ,    das   Gehirn  und    das  Rückenmark  gesondert 
sind.     Wenn  auch  in  letzterem  einige  Aehnlichkeit  mit  der  bei  wirbel- 
losen    gegliederten    Thieren    bestehenden    Ganglienkette    nicht   zu    ver- 
kennen ist,  so  kann  doch  das  Rückenmark  von  dieser  keineswegs  abge- 
leitet werden;    vielmehr   ist  das  centrale  Nervensystem   der 
Wirbelthiere  als  eine    im  hohen  Maasse  weiter  entfaltete 
Ausbildung  der  oberen  Seh  lundganglienwirbelloserThierc 
anzusehen.  Diess  wird  durch  die  Uebereinstimmung  in  der  ersten  An- 
lage begründet,  die  io  beiden  Fällen  aus  einer  Differenzirung  des  dem  Ecto- 
derm  homologen  äusseren  (obereo)  Keimblalles  erfolgt.    Während  aber  die 
daraus  entstehende  »Medullarplatle«  bei  den  Wirbellosen  sich  nicht  in  der 
ganzen  Länge  der  Körperanlage  ausdehnt,  oder  wenn  auch  anfänglich  von 
solcher  Länge,  doch  bald  mit  dem  weiter  wachsenden  Körper  nicht  mehr 
gleichen  Schritt  hält,  so  findet  bei  der  Wirbelthieranlage  die  Ausdehnung 
der  Medullarplatte  in  einer  dem  Längewachsthum  der  Anlage  adäquaten 
Weise  statt,  und  bedingt  damit  für  das  daraus  entstehende  Cenlralnerven- 
system  eine  der  Gesammtlänge  des  Körpers  entsprechende  Ausdehnung. 

Aus   der  Medullarplatle   geht 
Fig.  248.  mit  Erhebung  ihrer  in  das  Horn- 

ig ...u»      ,  blatl  (Fig.  248.  h)  sich  fortsetzen- 

den Ränder    [w]    eine  Rinne  her- 
vor, die  allmählich  zu  einem  Rohre 
'^       '^       u       V       *^       sich  abschliesst.   Dieses  rückt  \on 

der  Oberfläche,    von   der  es  ent- 
standen, allmählich  in  die  Tiefe,  indem  nicht  nur  das  Hornblatt,  sou- 

Fig.  248.  Schcmalischer  Qucrscliniit  durch  die  Kmbrvonalanlago  6vs  Hühn- 
chens vom  Ende  des  ersten  BrlUtages.  ch  Chorda  dorsalis.  u  \}rvfirbe\.  sp  ^^eileO' 
platten,  m  Medullarplatte,  bereits  zur  Rinne  umgebildet,  am  Rande  w  in  d«s 
Hornblatt  h  übergehend,     d  Darmdrüsenblatt.     [Nach  Remak.; 


Nervensyslem 


»53 


dem  auch  aus  dtmi  inilllereTi  Keiniblalte  gesonderte  Theilc  darüber 
»achsen.  Das  so  {^L'hildele  Hedullnrrohr  hlcit)t  bui  den  Acrauia 
als  ein  gleicharti);er  Strani^  bcslehen ,  an  dem 
wesentliob  nur  histioIogischeSonderuii[;eii  sUitt- 
linden.  Iltese  Glek'harlifikcil  ist  bei  den  Cra- 
niolcn  sehr  frülizHliß  nurgppeben,  und  noch 
vor  vollstiiniligeiii  Schlüsse  des  Knhrcs  ti-eten 
am  vordersten  Abschnitt«;  Ausbuchlunf^en  (Fig. 
ii9.  (I.  auf,  welche  die  Anlage  des  Gehirnes 
abgeben,  indess  der  ilbri};e  Theil  des  Hedullar- 
rohrs  uuler  gleichartiger  DilTereniEining  als  An- 
lage lies  KUckenmarks  erseheinl.  Die  DifTeren- 
zirung  des  Gehirnabselinilles  ist  l)ei  allen  Cra- 
nioten  dieselbe,  und  selbst  nach  der  Anlage 
der  einzelnen  Theilc  des  Gehirns  findet  sieh 
itwischcn  entfernten  Abtheilunfien  grOsste  L'eber- 
cinslimmuntf  vor.  Bei  den  C\rloslonien  erhall 
sieh  der  indifferente  Zustund  des  Gehirns  sehr 
lange,  indc^s  er  sonst  auf  frtthesl«  Stadien  der 
Enlwicfcelung  beschriinkt  ist. 


§  :toO. 

Durch  die  Kr\velterung  des  vordersten  Abschnittes  entstehen  an- 
rüngUcb  drei  (Fig.  ii'J.  a) ,  dann  bei  oberflilchlichcr  Ansicht  fünf  auf 
einander  folgende  blasenfOrmigeAbschnitte  (Geh  im  blasen),  deren  Binnen- 
rüiime  unter  sich  zusaniinenhüngen,  sowie  der  letzte  in  das  ihm  (ol- 
gende Hedullarrohr  ohne  scharfe  Grenze  sich  (orlselzt.  Die  erste  Ge- 
birnblase  bezeichnet  man  als  Vorderhirn  (Fig.  SöO.  ti) ,  die  darauf 
folgende  stellt  das  Zwischenhirn  [b]  dar:  eine  dritte  Erweiterung 
bildet  das  Hittelhirn  (c],  auf  welches  das  Ilinterhirn  ;(/],  sowie 
das  unmittelbar  ins  Rückenmark  tibergebende  und  mit  dem  Hinterhim 
zusammeugehUrendo  Nachhirn  [e,  folgen.  Dabei  erscheint  das  Hinler- 
hirn nur  als  der  vorderste  Theil  des  Daches  des  Nachbirnes,  so  dass 
er  keineswegs  die  SelbsUndigkcit  der  übrigen  Hirnblascu  tbeilt.  An- 
Hinglich  in  dieser  Reihe  hintereinander  gelagert,  erstrecken  sich  die 
BUsen  in  der  Fortsetzung  der  Längs^ixc  des  Rückenmarks,  um  jedoch 
sehr  bald  gegen  letzteres  in  Winkelstellung  zu  treten.     Damit  verbin- 

Kig.  ItO.  Enibr)unBlanlB|!e  des  Hunücü,  vom  Rucken  livr  ueaebeii,  mit  der 
Aulage  des  uentraleii  N'ervenii)Sleins,  von  wckhem  die  Medullarplallc  Ibj  eine  iml'U 
ribeo  offeDO  Rione  hildel.  Aji  dieser  sind  vorne  die  Anlagen  der  liroi  primitiven 
Hirnblaspn  a  als  obensuviele  Ausbuchtungen  bemerkbar,  wtihrcnd  der  binlere  Ab- 
sclioilt  der  Rinoe  in  den  Sinus  rboniboidelis  [a')  Aer  U'ndenKegend  cmeitcrt  ist. 
c  Seilenplatten,  die  Leiheaanlage  abgrenieiid.  ä  Acusseres  und  mittleres  Keimblatt. 
f  DarmdrtlMnbUtt.     {Nacb  BiicaoFr.) 


534 


Wirbellliicre. 


den  sieb  ungleiche  Wachstbumserscbeinungen  am  oberen  und  am  un- 
teren Abschnitte,  so  dass  minder  voluminös  sich  entwickelnde  Partieen 
durch  Ausdehnung  einzelner  Strecken  der  oberen  Theile  bedeckt  werden. 

Zwischen  Vorder-  und  Zwiscbenhim  bildet  sich 
unter  Verdünnung  der  Wand  eine  spaltähnliche 
Stelle,  durch  welche  von  den  Umhüllungen  des 
Gehirns  ein  Fortsatz  ins  Innere  sich  erstreckt. 
Unter  den  Cyclostomen  kommt  es  nur  bei  den 
Petromyzonten  zu  dieser  Spaltenbildung,  an  deren 
^hinterem  Endo  das  als  Zirbel  oder  Epiphysis 
cerebri  bekannte  Gebilde  liegt. 

Der  untere  Abschnitt  des  Zwischenhirns  stellt 
den  Boden  der  zweiten  Hirnblase  dar  und  bildet 
eine  allen  Cranioten  gemeinsame  als  Trichter  be- 
zeichnete Ausbuchtung.  Gegen  sie  wächst  von 
der  Schlundwand  her  eine  Fortsetzung  der  Schleim- 
haut ein,  die,  später  sich  abschnürend,  einen 
Theil  des  dem  Trichter  angefügten  Himanhaogs 
(Hypophysis)  vorstellt.  Wie  die  Räume  der  pri- 
mitiven Gehjrnblasen  unter  einander*  communi- 
ciren',  so  stehen  auch  später  die  Räume  (Him- 
kammern  oder  Ventrikel)  der  aus  den  Hirnblasen  hervorgegangenen  Ab- 
schnitte mit  einander  in  Zusammenhang.  Von  diesen  Gestaltungsver- 
hältnissen ausgehend,  verfolgen  wir  die  für  die  einzelnen  Abtheiiungen 
charakteristischen  Differenzirungen . 

Der  Sonderung  des  vordersten  Abschnittes  der  Anlage  des  Nerven- 
systems gegenüber  bieten  sich  am  hinteren  Theile  viel  einfachere  Ver- 
hältnisse, indem  derselbe  mehr  oder  minder  gleichartig  sich  zum 
Rtlckenmarksrohre  abschliessl,  in  welchem  der  ursprüngliche  Binnen- 
ranm  in  der  Fortsetzung  des  den)  Nachhirn  angehörigen  Ventrikels  als 
Centralcanal  sich  forterhält.  Ungeachtet  mannichfacher  Veränderungen, 
welche  das  einfache  Rückenmarksrohr  bis  zu  seiner  späteren  Aus- 
bildung eingeht,  hat  es  doch  im  Verhältniss  zum  Gehirn  als  der  in- 
differentere Theil  zu  gelten,  wie  schon  durch  das  mehr  gleichartige 
Verhalten  der  aus  ihm  hervorgehenden  Nerven  im  Vergleiche  mit  den 
aus  dem  Gehirn  entspringenden  ersichtlich  ist. 

Die  Verbreitung  des  peripherischen  Nervensystems  ent- 
spricht der  in  der  Wirbelbildung  ausgesprochenen  Metaraeric  des  Kör- 
pers. Sie  ist  in  diesem  Verhalten  am  spinalen  Abschnitte  deutlich, 
wo  jedem  Wirbelsegmente  ein  Nervenpaar  bestimmt  ist.  Am  cere- 
bralen Theile    dagegen    sind   mit  der  Umbildung  der  Wirbelsegroente 

Flg.  250.     Senkrechte   Medianschnitte   durch  WIrbelthierhIrne.  A  Von  einem 

jungen  Selac  hier   (Heptanchus^     B  Vom  Embryo   der   Natter,  C  Von  cIdcid 

Ziegen-Embryo,     a  Vorderhirn,     b  Zwiscbenhirn.     c   Mittclhiro.  d  Hinlerhirn. 
e  Nachhirn,     s  Primitiver  Hirnschliiz. 


Centralorgane  des  Nervensystems.  5S5 

auch  für  die  bezQglichen  Nerven  bedeutende  Modificaiionen  aufgetreten, 
so  dass  ein  mit  den  Spinalnerven  harmonirendes  Verhalten  nur  schwer 
nachweisbar  ist. 

A.    Centralorgane  des  Henrensystems. 

a)  Gehirn. 

§  35r 

Unter  den  Fischen  bietet  das  Gehirn  der  Cyciostomen  die  ein- 
fachste Form  dar,  und  unter  diesen  nehmen  wieder  die  MyxinoYden 
die  niederste  Stufe  ein,  indem  die  einzelnen  Abschnitte  ziemlich  gleich- 
artig sich  darstellen.  Grössere  Complicationen  ergeben  sich  bei  den 
Gnathostomen. 

Ein  vom  Vorderhirn  aus  gebildeter,  die  Riechnerven  entsendender 
AbschnKt  (Bulbus  oder  Lobus  oifaclorius^  erscheint   meist  als  ansehn- 
licher, bei  den  Selachiem   durch   einen  verschie- 
den langen  Tractus  olfactorius   mit  dem   Gehirne  Fig.  %$i. 
verbundener    Lappen    (Fig.    254.    A).      Obgleich 
median  immer  von  einander  getrennt,  können  sie 
doch  so  dicht  aneinander  gerückt   sein,    dass  sie 
durch    ihre    Lage    vor   dem    Vorderhirn    als    den 
übrigen   Abschnitten    gleichwerlhige    Gebilde    er- 
scheinen.    Auch  Verschmelzungen    mit  dem  Vor- 
derhim  kommen  vor.    Das  Vorderhim  selbst  bietet 
bei  den  Selachiern  (Fig.  254.  g)  eine  die  übrigen 
Abschnitte    übertreffende    Volumsenlfaltung    und 
zeigt  Spuren    einer  Theilung    in   zwei,    vier  und 
mehr    paarige    Abschnitte.      Auch    bei    GanoYden 
(Fig.  252.  g)  wird  es  ansehnlich  getroffen,  indess  es  bei  vielen  Teleosliern 
gegen   andere  Hirntheile  am  Volum  bedeutend  zurück  trill. 

Das  Zwischenhim  ist  bei  den  Selachiem  (Fig.  254.  d)  deutlich  vom 
Mitlelbirn  getrennt,  bei  vielen  Teleosliern  mit  diesem  enge  verbunden. 
Der  vordere  Theil  seines  Daches  trUgt  die  oben  erwähnte  Spalte,  und 
dieser  Abschnitt  ist  nicht  selten  zu  einer  ansehnlich  in  die  LHnge  ge- 
zogenen Strecke  ausgebildet,  die  wie  eine  Längscommissur  zum  Vor- 
derhim verlauft.  (Manche  Haie  und  GanoYden.)  Der  Rest  des  ur- 
sprünglichen, den  hinleren  Theil  der  Spalte  abschliessenden  Daches  ist 
zuweilen  sehr  ansehnlich  und  in  zwei  Hemisphären  gelheill,  so  bei 
Selachiern  und  vielen  Teleosliern.  Der.  das  Infundibulum  umfassende 
Boden  dieses  Abschnittes  bildet  zwei  an  der  Hirnbasis  vorspringende 
Anschwellungen,  die   Lobi  inferiores,  welche  bei  den  Cyciostomen 

Fig.  354.    Gehirn   eines   Hai   (Scyllium  catulus).    h  Lobi  olfactoril.    g  Vor- 
derhim.    d  Z^ischenliira.    6  Mitlelhirn.    a  Naclihirn.     o  Nasenkapseln.     (Nach 

BOftCH.' 


S26  Wirbclthiprp. 

einfach  sind  und  auch  bei  den  Selachiern  nur  AndeutungeD  eintr 
Trennung  zeigen.  Erst  bei  den  Teleosliem  sind  sie  bedeutender  enl- 
faltet.  Das  folgende  Mitlelhim  erscheint  unansehnlich  bei  den  Myxi- 
nofden,  mehr  bei  Pelromyzon  entwickelt.  Bei  den  Selachiern  stellt  es 
einen  meist  bedeutend  sich  erhe- 
benden Theil  vor,  der  entweder 
unpaar  oder  auch  [wie  schon  bei 
den  Cyclostomen)  in  zwei  Hülflen 
gelheilt ,  die  vor  oder  hinter  ihm 
liegenden  Mirntheile  deckt  (Fif!. 
äiil.  b).  Durch  Faltungen  seiner 
01>erflache  entstehen  Windungen 
ähnliche  Zustande.  Solche  Win- 
dungen besitzt  das  Mitlelhim  man- 
cher Haie  (z.  B.  Ciiivharias).  Eine 
verhitltnissmitssig  be<leutendeG  rosse 
erreicht  das  meist  als  Cerebelluni 
gedeul'eie  Mittt^lhirn  b<>i  den  Tele- 
iistiern,  bei  denen  es  zuweilen  als 
eine  nach  vorne  oder  in  die  Höhe 
gerichtete  Protu beranz  ei-scheini. 
Der  hinler  dem  Mitlelhim  liegende  Übrige  Theil  des  Gehirns  muss  als  Ganzes 
betrachtet  werden.  AlsUrsprungsstü  tte  der  meisten  Hirn  nerven 
kommt  ihm  eine  besondere  Wichtigkeit  zu.  Sein  Dach  ist  un- 
gleichartig ausgebildet.  Am  hinteren  grösseren  Abschnitte  bildet  es  sid) 
nümlich  frtlhzeitig  zurück,  so  dnss  der  nach  vorne  zu  erweiterte  Binnen- 
raum (Sinus  rliomboYdali.'i)  nur  von  einer  Membran  bedeckt  wird.  Der 
Rand  dieser  Rautengrube  erscheint  bei  Selachiern  und  Chimüren  nach 
vorne  zu  stark  gewulslet  und  stellt  da.selbst  die  faltig  ausgebogeneti 
l.obi  Nervi  Irigemini  vor.  Bei  den  CanoTden  und  Teleostiern  ist  er  ein- 
facher. Bei  allen  aber  tritt  er  median  in  eine  quere  Lamelle  ül>er. 
welche  die  Rautengnibe  von  vorne  her  deckt  und  bei  stark  volumi- 
nösem Mittelbirn  von  diesem  Überragt  wird.  Diese  Querlamelle  reprjl- 
sentirt  das  Binterhirn  oder  Cercbellum,  indess  Boden  und  seitliche 
Theile  der  Rautengrube  durch  die  Medulla  oblongata  oder  das 
Nachhirn  gebildet  sind.  Von  den  Selachiern  /.a  den  Teleostiern  ist 
eine  Abnahme  des  Volums  der  Medulla  oblongaUi  bemerkbar,  indem 
sie  bei  vielen  Haien  den  iHngsten  Abschnitt  des  Gehirns  vorstellt,  und 
andrerseits  bei  manchen  Teleostiern  so  kurz  ist ,  dass  das  Miltelhfrn 
sie  vollslimdig  bedeckt. 

Bei  hetrüchilicherer  Entfaltung   geben   sich   in  den  Seitenlbeil  der 

Fift.  iit.  Gehirn  von  Pnl  j  [ittriis  hichir.  A  Vnnnhen.  B  Seillich.  C.Von 
unicn.  h  l.obi  oiractnrii.  17  Vorderhirn,  f  /wischcnhirn.  d  Mitlelhim.  be  Hinter- 
hini.     a  Nachhiin    {Medulln   oblongala).      nf  N.  olfnctoriusi.     o  N.    nplicus.     .'N^h 


Ceoiralorgane  des  Nervensystoms. 


527 


Rauteogrube  einragende  Anschwellungen  kund,  die  in  einer  Reihe  ge- 
lagert den  Ursprungsstellen  der  Vaguswurzeln  entsprechen  (Lobi  Nervi 
Vagi).     Aehnlich  zu  deuten  sind  die  Lobi  electrici  der  Torpedinos. 


A 


§  352. 

Das  Gehirn  der  Amphibien  schliesst  sich  in  vielen  Puncten  enge 
an  jenes  der  Fische  an  und  namentlich  sind  es  die  Selachier  und  DipnoY, 
welche  auch  hier  Anknüpfungen  darbieten.  Da!^  Vorderhim  (Fig.  253.  b) 
erscheint  in  zwei  seitliche  Hiilften^  die  Hemisphären^  getheilt  und  zeigt 
Andeutungen  einer  Ausdehnung  nach  hinten. 
Der  von  ihm  umschlossene  Raum  trennt  sich  f"»«.  253. 

nach  beiden  Hälften  in  dieSeitenvenlrikel,  die 
sich  nach  vorne  in  die  Lobi  olfactorii  [a  fort- 
setzen. Letztere  erscheinen  an  der  Seite  des 
Vorderhims  [b)  und  sind  diesem  unmittelbar 
angefügt,  können  aber  auch  in  indiflerente-  ^i 
rem  Zustande  mit  dem  Vorderhim  unmittel-  r.. 
bar  verschmolzen  sein.  Das  Zwischenhirn 
differenzirt  sich  erst  während  des  Larveii- 
zustandes  aus  einem  mit  dem  Mittelhirn  ge-  « 
meiDsamen  Abschnitte.  Vor  ihm  findet  sich 
der  Himschlitz,  welcher  in  verschiedenem 
(srade  sich  aufs  Zwischenhirn  fortsetzt  und 
wieder  die  Epiphysis  trügt.  Er  führt  nach 
vorne  in  die  von  den  beiden  Hemisphären 
des  Vorderhirns  umschlossenen  iSeitenven- 
trikeL  Die  UnterflUohe  dieses  Abschnittes  trügt 
eine  einfach  bleibende  Erhabenheit,  die  den 
Lobi  inferiores  der  Fische  entspricht. 

Das  Mittelhim  bleibt  bei  den  Urodelen  auf  einer  von  den  Anuren 
durchlaufenen  Stufe,  und  erlangt  erst  bei  den  letzteren  ein  betrHcht- 
lieberes  Volum  und  eine  Theilung  in  zwei  Hälften  (c).  Das  Hinterhirn 
hält  8ich  dagegen  in  seiner  primitiven  Form  als  eine  über  die  Rauten- 
grube sich  brückende  I^melle  [d)  und  die  bei  den  Fischen  vorhande- 
nen Differenzirungen  der  Medulia  oblongata  kommen  nicht  mehr  zur 
Kniwickelung. 

Am  Gehirne  der  Reptilien  tritt  die  bereite  bei  den  Fischen  vor- 
bandene,  durch  bedeutendere  Entwickelung  der  oberen  Theile  bedingte 
Beugung  in  der  Region  des  Zwischen-  und  Mittelhirns  stärker  hervor 
und  bedingt  eine  Lage  Veränderung,  die  sich  in  die  höheren  Ahthei- 
luDgen  fortsetzt.     (Vergl.  die  Durchschnitte  in  Fig.  250.)    Das  Vorder- 

Fig.  253.  Gehirn  und  Rückenmark  des  Frosches.  A  Von  ot>en.  B  Von 
unten,  a  Lobi  olfactorii.  6  Vorderhim.  c  Mitielhirn.  d  Hiuterhirn.  e  Nach- 
him.   i  Infundibulum.  s  Rautongrube.  m  Rückenmark.  (  Filum  terminale  desselben. 


528 


Wirbellhiero. 


hirn  bietet  sich  in  ansehnlicher  Entwickelung  in  Gestalt  von  zwei  das 
Zwischenhirn  deckenden  lleinisph<iren  dar,  die  ihre  grösste  Breite  am 
hintern  Abschnitte  besitzen.  Ihnen  unmillelbar  angeschlossen  finden 
sich  die  Lobi  olfactorii.  Das  unansehnliche  Zwischenhirn  besitzt  eine 
Lüngsspalte,  indem  sich  der  Hirnschiitz  auf  es  ausgedehnt  hat.  Be- 
deutend gross  sind  die  Seitenventrikel,    die   am  Hirnschlitze  mit  dem 


Fig.  934. 


A 


Fig.  255. 


zwischen  den  Hälften  des  ZwischenhiiDs  gelagerten  dritten  Ventrikel 
communiciren,  der  ein  ansehnliches  Infundibulum  besitzt.  Eine  flache 
Furche  theilt  das  Mittelhirn  in  zwei  Hemisphären.  Das  HtnCerfairn 
zeigt  bedeutendere  Verschiedenheiten;  bei  Schlangen  und  Eidechsen 
bleibt  es  als  schmale  aber  senkrecht  erhobene  Lamelle  auf  niederer 
Stufe;  bei  Schildkröten  (Fig.  254.  A.  IV)  und  Crocodilen  ist  es  breiter 
geworden  und  bei  den  letzteren  ist  ein  mittlerer  Abschnitt  von  zwei 
seitlichen  durch  bedeutendere  Anschwellung  ausgezeichnet. 

Dieser  Zustand  verknüpft  die  Reptilien  mit  den  Vögeln,  die  durcli 
ein  noch  bedeutenderes  Ueberwiegen  des  Vorderhims  sich  auszeichnen, 

dessen  Hemisphären  bald  mehr  in  die 
Breite,  bald  in  die  Länge  enlwickeit 
sind.  Sie  stehen  nur  durdi  eine 
schmale  voixlere  Gommissur  in  Zu- 
sammenhang (Fig.  254.  B.  c) ,  und 
umschliessen  eine  von  der  seitlichen 
Wand  her  ein  ragende  Gaoglienmasse, 
welche  die  primitive  Höhle  in  einen 
engen,  von  dem  dünnwandigen  Hemi- 
sphären -  Dache  gedeckten  Raum  ver- 
wandelnd, den  grössten  Theil  des  Vor- 
derhims darstellt.     Sie    sind   bereits  bei   den   Amphibien  nachweisbar 

Fig.  354.  A  Gehirn  einer  Schildkröte  (nach  Bojanus).  B  Eines  Vogels. 
Senkrechte  Medianschnilte.  /Vorderhirn.  /// Mitlei  hirn.  /K  Hinterhirn.  KNach- 
hirn.  oi  Olfeclorius.  o  Opticus,  h  Hypophysis.  a  (In  Äs  Verbindong  beMpr 
Hemisphören  des  Mittelhirns,     c  Comnriissuni  anterior. 

Fig.  255.  Gehirn  des iHaush uhns.  A  Von  oben.  B  Von  unten,  a  Lobi 
olfactorii.  6  Hemisphären  des  Vorderhirns,  c  Miltclhirn.  d  Hinterhirn,  d*  SelC^n- 
theile  desselben,     t  Nachhlrn.     (Nach  C.  G.  CAiirs.; 


CcDlraloi^Eic  des  Nerve nsyslema. 


529 


und  bei  Reptilien  sogar  selir  deutlich  vorhanden  ;Fig.  2öt.  A.  st).  Das 
kleine ,  von  den  Bemiaphitren  des  Vorderhiros  vdlUg  bedeckte  Zwiscben- 
fairn  ist  an  seiuem  Dache  gespalten.  Das  beim  Einbryu  sehr  grosse 
Miltelhiro  ist  in  zwei  tur  Seile  geLi^jerte  Uulften  getheilt  ^Fig.  355.  c), 
in  welche  sieb  der  geojeinschaftlicbe  Binnenrauin  forlseUt. 

Der  ansehnliche  milUere  Abschnitt  bietet  zwei  seitliche  AnbUnge 
und  ist  durch  querstehende  Lamellen  ausgezeichnet,  so  dass  senkrechte 
DurchsobniUe  eine  dendritisch  verzweigte  Figur  als  Ausdruck  dieser 
Art  der  OberflUchenvergrOsserung  aufweisen.  Durch  diese  Entfaltung 
des  Hinlertiims  wird  das  Nachbirn  vollsländig  liedeckl. 


Das  Gebim  «ier  Situgethiere  bietet  nur  in  seinen  frühesten  Zustünden 
unmillelbare  Anknüpfungen  an  niedere  Formen  (vei^l.  Fig.  850^,  indem 
es  sieb  von  ersteren  vi'eil«r  als  die  GehiiTie  der  Reptilien  und  Vttgel  ent- 
fernt und  zugleich  eigenthUmlicJie  Diflerenzirungt-n  <larbietc'l,  viflclie  von 

FiR.  95«, 


jenen  des  Vogel-  und  Reptiliengehirns  bedeutend  abweichen.  Die 
umfassendsten  Verilnderungcn  zeigt  das  Vorderbim,  nelchetn  die  l.oLi 
olfactorii  an  der  t'nterfUlclic  angelagert  sinif,  und  je  nach  der  Aus- 
bildung, des  vorderen  Abschnittes  ;Vorderlappenj  minder  oder  mehr  von 

fig.  tu.  DilTercnxirunB  dps  Vnnkr^iirns.  A  CicMm  einer  Schild  krülp. 
B  eines  Rlnderföt  us.  C  piner  KHixe.  In  A  und  B  Ist  HnkerMitü  das  DbcIi  drr 
Vorderiiirabühle  afaKNrageD,  rechiureeil»  nucli  uocli  dar  Varuix  entTernl.  In  C  i.«( 
recliterseito  der  ganzf  witlidir  und  bintere  ALhCtinitI  di's  YorUerliirnh  altgelniKeii, 
und  aach  linkrrHelts  sowi-il,  um  die  Krümmung  des  AininnnsljorriH  nixli  aliwlii'ts 
danuMlellen.  In  nllen  FJKuren  tieieidincl  /  Vordprhirn,  // ZwJNchenldrii ,  ///MillH- 
hirn,  IV  Hinlprhlrn,  V  Nachhirn,  ol  BulbuH  iiKni-torius  lin  A  in  Oimmualcnlinn 
mit  dar  Vord^rhlmhahic  dsi^eKlnlll).  M  Corpus  Ktrinlum.  /  Kornii,  A  fes  Hip- 
povaiDpi  major,    i  r  Sinus  rlutinl)u«Ja<U.    g  Kniehöcker 

Q*l«bur,  Unindri«.  st 


\ 


530  Wirbellhiere. 

diesem  bedeckt  werden.  In  der  Regel  persisUrt  der  ursprttngliche  Hohl- 
raum jener  Lobi  oder  er  bleibt  mit  dem  Binnenraume  der  Hemisphttren 
lange  in  Communication.  Beide  Hemisphären  des  Vorderhims  sind 
immer  durch  einen  auch  vorne  tiefgehenden  Einschnitt  getrennt.  Ihre 
Verbindung  geschieht  anfänglich  durch  eine  vor  dem  primitiven  Hirn- 
schlitze gelagerte  Gommissur,  und  durch  jene  Oeffnung  gelangt  man 
in  die  Räume  des  Vorderhirns,  die  Seiten  Ventrikel.  Mit  der  ferneren 
Ausbildung  entfalten  sich  die  hinteren  Theile  der  Hemisphären,  und 
die  anfänglich  wenig  bedeutende  Spalte  wird  in  die  Breite  gezogen, 
und  verschwindet  dabei  von  der  Oberfläche,  indem  die  hintere  Wand 
der  nach  hinten  und  seitlich  ausgedehnten  Seitenventrikel  sie  voll- 
ständig deckt.  Damit  steht  eine  Di£ferenzirung  der  primitiven  Commissur 
zu  einem  complicirteren  Commissurensystem  in  Zusammenhang,  wobei 
Monotremen  und  Marsupialia  den  niedersten  Zustand  repräsentiren.  Die 
primitive  Commissur  ditferenzirt  sich  in  einen  unteren  und  einen  oberen 
Abschnitt;  ersterer  stellt  die  Gommissura  anterior  vor,  letzlerer  bildet 
eine  schmale  über  den  Vorderrand  des  Zwischenhims  sich  lagernde 
Brücke ,  unter  welcher  jederseits  der  Eingang  zum  nach  hinten  und 
unten  ausgedehnten  Seitenventrikel  liegt.  Im  vorderen  Räume  der 
letzlern  springt  das  Corpus  striatum  wulstartig  vor,  (Fig.  256.  B.  C  st] 
und  in  dem  hinteren  Baume  ßndet  sich  ein  mit  dem  oberen  Theile  des 
Commissureusystems  in  Zusammenhang  stehender  gewulsteter  Vorsprung, 
welcher  den  Rand  der  immer  mehr  über  das  Zwischeohirn  sieb 
lagernden  Spalte  von  hinten  umgrenzt  und  als  Ammonshorn  oder  Pes 
Hippocampi  major  (C.  A.)  bezeichnet  wird. 

In  weiterer  Veränderung  ergibt  sich  eine  Umbildung  der  oberen 
Commissur  in  zwei  differente  aber  zusammenhängende  Gebilde.  Das 
eine  umzieht  mit  seinem  seil  liehen  Rande  den  Eingang  in  die  Seilen- 
ventrikel von  oben  her,  um  seitlich  und  abwärts  in  einen  wiederum  jene 
Spalle  begrenzenden  Streif  überzugehen,  der  dem  Hippocampus  major 
sich  anlagert.  Dieses  als  Gewölbe  (Fornix)  B,  C.  f)  bezeichnete  Gebilde 
beginnt  vorne  mit  aufsteigenden  Schenkeln  (Säulen) ,  legt  sich  dann 
etwas  verbreitert  über  das  Zwischenhirn  weg,  wo  es  in  die  hinteren 
absteigenden  Schenkel  sich  fortsetzt.  Es  steht  oben  im  Zusammen- 
hang mit  einem  mächtig^  Theile  des  Commissurensystems,  dem  Baiken, 
der  anfänglich  mit  dem  Fornix  verbunden  sich  vorne  von  ihm  abhebt, 
in  demselben  Maasse  als  der  Fornix  sich  nach  hinten  entwickelt,  und 
steht  daselbst  nur  durch  eine  doppelte  senkrechte  Marklamelle  (Septum 
pellucidum)  mit  ihm  in  Zusammenhang.  Ein  Theil  des  Balkens  setzt 
sich  in  den  Hippocampus  fort.  Die  Ausdehnung  dieser  Commissuren 
nach  hinten  zu  hängt  von  der  Entwickelung  der  Hemisphären  des 
Vorderhirns  ab,  welche  bei  Nagethieren,  Edentaten,  Insectivoren  noch 
wenig  entfallet  sind.  In  dem  Grade  ihrer  Volumsentfaltung  nimmt 
die  Gommissura  anterior  an  Umfang  ab.  Bei  den  Implacentalien  noch 
sehr    helrflchtlich,    wird    sie    zu   einem   dünnen   vor  den   Säulen  des 


Centralorgane  des  Nervensystems.  531 

Fornix  lagernden  Strange.  Nach  Maassgabe  ihrer  Ausdehnung  nach 
hinten  überlagern  die  Hemisphären  des  Vorderhirns  die  folgenden  Ab- 
scbnitie  des  Gehirns,  Zwischenhirn,  Mittelhirn,  und  endlich  auch  das 
Uinterbim,  wie  bei  den  Primaten.  Mit  der  Ausdehnung  der  Hemi- 
sphären nach  hinten  setzt  sich  der  Seitenventrikel  in  den  Hinterlappen 
fort  und  bildet  eine  als  Hinterhom  bezeichnete  Räumlichkeit. 

BezOglich  der  Oberfläche  des  Vorderhims  bieten  viele  Säugethiere 
durch  die  glatte  Beschaffenheit  der  Hemisphären  einfache  dem  embryo- 
nalen Verhalten  der  Andern  entsprechende  Zustände,  die  sich  den 
meisten  durch  das  Auftreten  bestimmter  als  Windungen  bezeichneter, 
durch  Furchen  von  einander  getrennter  Erhebungen  compliciren.  Die 
Windungen  treten,  stets  in  regelmässiger  Weise  und  in  symmetrischer 
Anordnung  auf  um  erst  bei  reicherer  Entfaltung  eine  Asymmetrie  ein- 
zugeben, wie  sie  z.  B.  beim  Menschen  sich  darstellt.  Aber  selbst  da 
lassen  sich  die  Windungen  in  Gruppen  sondern,  deren  Grenzen  von 
den  erst  aufti*etenden  und  bei  gewissen  Säugethieren  allein  persistiren- 
den  Furchen  vorgestellt  sind. 

Das  Zwischenhirn  scheidet  sich  in  zwei  unmittelbar  hinter  den 
Streifenkörpern  der  Seitenventrikel  des  Vorderhirns  liegende  Massen, 
die  Sehhdgel  (Thalami  optici),  welche  aus  seitlichen  Verdickungen  der 
primitiven  zweiten  Gehimblase  hervorgehen.  Am  Hinterende  der  sie 
trennenden  Spalte  lagert  die  Epiphysis,  die  also  im  Vergleiche  zu  den 
unteren  Abtheilungen  eine  Lageveränderung  einging.  Die  Höhle  dieses 
Abschnittes  reducirt  sich  auf  eine  zwischen  beiden  Sehhtlgeln  liegende 
senkrechte  Spalte  (Fig.  256.  B),  deren  Fortsetzung  in  das  vom  Tuber 
cinereum  getragene  Infundibulum  führt.  Mit  dem  Ende  des  Infundi- 
bolums  verbindet  sich  die  meist  sehr  umfängliche  Hypophysis. 

Das  eine  Zeit  lang  den  grössten  Abschnitt  des  Gehirnes  vorstellende 
Mittelhirn  (vergl.  Fig.  250.  C.  cj ,  lässt  seinen  primitiven  Binnen- 
räum  allmählich  in  einen  engen  Canal  verwandeln,  der  den  dritten 
Ventrikel  mit  dem  vierten  verbindet  (Aquaeductus  Sylvii).  Die  Ober- 
fläche ist  durch  eine  seichte  Längs-  und  Querfurche  in  vier  Hügel 
(Fig.  256.  B.  C,  III)  geschieden ,  woher  dieser  Abschnitt  als  Corpus 
bigeminum,  Vierhügel,  bezeichnet  wird.  Sehr  schwach  ist  diese 
Scheidung  bei  den  Monotremen. 

Am  Hinterhirn  (Cerebellum)  bleibt  das  mit  Fischen  und  Am- 
phibien übereinstimmende  Verhalten  (Fig.  250.  C.  d)  nur  während  früher 
Embryonalperiode.  Die  einfache  Lamelle  entwickelt  sich  zu  einem  an- 
.sebnliehen  Gebilde,  an  welchem,  wie  bei  Grocodilen  und  Vögeln,  der 
mittlere  Abschnitt  zuerst  sich  differenzirt.  Bei  den  Beutelthieren  stellt 
derselbe  längere  Zeit  eine  dünne  Quercoromissur  vor,  indess  die  seil- 
iicben  Theile  schon  voluminöser  gestaltet  erscheinen.  An  beiderlei 
Theilen  entstehen  Windungen  in  Form  querer,  in  verschiedene  Gruppen 
geordneter  l^mellen.  Der  mittlere  Abschnitt  bleibt  überwiegend  bei 
den  Monotremen,   ansehnlich  auch   noch  \m  Beutelthieren,  Edentaten, 

34* 


532 


Wirliellhiere. 


Chiroptern.     Erst  hei  den  Camivoreii  und  Uogulalen  tr«ten  die  SeitOD- 

theiie  ols  Hetnispbltren  des  Cerebellum  voiumintfser  auf,    and  bei  den 

nieislen  Primnten  prflpon- 

'"*    ■'  ■  deriren   sie  dernit,  dass 

das  niiulere   Stück ,   als 

Wurm    bezeich nel ,    da- 

I^Y  ^1^  gegen  zurUcktriU. 

^\'  JWtMr^L  Durch    die    Ausdehn- 

^L\  mf   fff^^^  ung  des  Vorderhirns,  he- 

^^k  \  Mt.  ^I^yl-^^  k      sonders   mit  Entwickel- 

^^^  ^  ^K  ,AH^^fl|L         ^'^%      <'^>'     HinterUppcn 

>^^^  '  ^fcJWB^HI^F"^  werd.en  die  Übrigen  Ab- 
schnitte des  Gehirns  all- 
mUhlich  Uberdeokl.  Bei 
manchen  Beutellhieren, 
fiuoh  bei  Nagem  (veiyi. 
A]  und  Insectivoren  ist  dies  noch  nicht  für  die  Vierh(l((el 
eingeli-eten,  und  selbst  l>Hi  den  meisten  übrigen  S<1ugethieren  bleibt 
das  Hinlerhirn  giini  oder  doch  grossentheils  frei,  indess  bei  Afien  auch 
dieser  Abschnitt  völlig  unter  die  Hinterlappen  der  Uemisphtircn  des 
Voi'derhims  tritt,  worin  die  nnlhropoTden  Affen  sich  dem  Menschen  am 
nüch^len  stellen.  Mit  der  Ausbildung  der  Hemisphären  des  Hioterbims 
entsteht  an  der  unteren  Flitclie  des  primitiven  Naohbiros  eine  Quer- 
commissur,  die  VarolsbrUclce,  wolehe  den  vordem  Abschnitt  des  Nach- 
hirns  mit  dem  Cerebellum  inniger  verbunden  erscheinen,  und  ihn 
hei  einseitiger  BerUci^sichligung  des  ausgebildeten  Säugeihierhiiiis  nit^t 
einmnl  dem  Nachhirn  zurechnen  lUsst.  Diese  BiHioke  ist  wenig  hei 
Monotremon  und  Marsupialien,  am  meisten  hei  d<«  hOherea  Primaten 
enlwickeU.  Der  vor  der  Brltcke  liegende  Abschnitt  der  Himbasis  stelK 
den  urspriln glichen  Boden  des  Mlltet-  und  Zv^iscbenhims  vnr,  und 
wird  vorwiegen<l  dardi  die  als  Ilirnschenkcl  [Cnira  cerebrij  bfieich- 
nelen  von  ih'r  Hedulln  nblnngata  he musatra blenden  Fasormassen  ^ 
bildet. 


h)  Itü 


Dl»  aus  ilerHodulja  oblongala  eontinuirlieh  sidi  fortseUende  Hücken- 
uiark  st«hl  bezüglich  seiner  GrAsse  im  umkehrtrn  Yerlilillnis!<e  zur  Au.s- 


l-'iK.  157.  Gehirn  des  Kanincti 
olluclorü.  J  Vardurliirn.  III  Millellii 
pli\siK.  t  Oiiliciiü.  t  Orulomotorius 
unil  A<7usticus.     In   A    ist  dns  [tacli    ilor   rei^tili 


,    A  Von  oben.     B  V»n  unten,    to  l^ 

IV    Hintei'liirn.      V  Nactitiirn.     »    Hjpu- 

Trigemiiius.     fl  Abilucenf.     1.  S  Fncialü 

Hemispliiin)  nligelrsüpa . 


n  dea  SeHcrtveaWlM  bliclil,  uml  dort  vnrnp  den  .'^Irnifrnlittrppr,  dahintfr  itM 
l  detH  \afanf  lief  Pes  Hippnrampi  mnjor  walHiiiinnil. 


Centralorgane  des  Nervensystems.  533 

hildun^  des  Gehirns,  so  dass  es  bei  den  niederen  Classen  das  letztere 
oft  hetrüchtlicb  in  seiner  Masse  Überwiegt.  Durch  Entwickelung  der 
seitlichen  Uälften  der  Wand  des  primitiven  Rohrs  entsteht  jene  Volums- 
entfaltung, weiche  bei  dem  medianen  Aneinandcrschliessen  beider 
Hälften  eine  vordere  Ltfngsspalte  hervorgehen  ISsst. 

Die  centraten  Apparate  ^Ganglienzellen)  des  Rtlckenmarks  nehmen 
die  inneren  Theile  ein,  und  bilden  eine  graue  Markmasse,  welche  seitliche 
nach  hinten  und  nach  vorne  gebende  Fortsätze  (Htfrner)  aussendet. 
Von  den  beiden  hinteren  nehmen  die  sensiblen,  von  den  beiden  vor- 
deren stärkeren  Hörnern  die  motorischen  Fasern  der  Nerven  des  Rtlcken- 
marks ^hren  Ursprung. 

Bei   den  Cyclostomcn   erstreckt  sich  das  Rückenmark  wie  bei  den 
Fischen  ziemlich  gleichmässig  durch  den  RUckgratcanal ,  flach,  beinahe 
bandartig  oder  mehr  cylindrisch  geformt,  nach  hinten         y.     ^^^ 
sich   massig   verjüngend.      Den  Ursprüngen    stärkerer 
Nerven     entsprechen     häuHg     besondere    Anschwell- 
ungen ,   die  bei  Arten  von  Trigia  (vergl.  Fig.  ?69.  B) 
auffallend  entwickelt  sind,    und   in  geringer  Zahl  das 
ausnehmend  kurze  Rückenmark  von  Orthagorlsüus  u.  a. 
zusammensetzen  [A). 

Wie  die  vom  Rückenmarke  entspringenden  Ner- 
venmassen dessen  Volumsverhältnisse  influenziren, 
zeigt  sich  in  den  vier  höheren  Wirbelthierclassen ,  bei 
denen  die  bedeutende  Entwickelung  der  Extremitäten 
und  die  dahin  gelangenden  mächtigen  Nervenstränge  mit  einer  an  ein- 
zelnen Abschnitten  sich  äussernden  voluminösen  Bildung  des  Rücken- 
marks iii  Zusammenhang  steht.  Dadurch  kommen  zwei  Anschwellungen 
zu  Stande,  eine  Hals-  oder  Brust-  und  eine  T.endenanschwellung,  die 
in  einzelnen  Abtbeilungen ,  z.  B.  bei  Schildkröten  und  VOgeln  sehr  be- 
trächtlich sind.  '  Durch  Offenbleiben  der  in  den  Centralcanal  sich  fort- 
setzenden primitiven  MedullarhOhle  entsteht  an  der  Lendenanschwellung 
der  Vögel  eine  rautenförmige  Vertiefung  (Sinus  rhomboYdalis),  jener  ähn- 
lich, die  dem  vcriängerten  Marke  allgemein  zukommt.  Sie  findet  sich 
auch  bei  Embryonen  von  Säugethicren  vorübergehend  vor. 

In  der  Regel  erstreckt  sich  das  Rückenmark  durch  den  ganzen 
Rückgratcanal,  doch  zieht  es  sich  bei  Amphibien  (Frosch),  Vögeln,  am 
auffallendsten  aber  bei  einigen  Säugethicren  (Insectivoren,  Chiroplern) 
durch  die  Ungleichmässigkeit  der  Entwickelung  der  umschliesscnden 
und  umschlossenen  Theile  mehr  nach  vorn,  so  dass  die  von  ihm  ab- 
gehenden Nerven  für  die  hinteren  Körperpartleeu  eine  Strecke  weit  im 
RUckgratcanal-  verlaufen,  che  sie  ihre  Auslrittsstelle  erreichen.    Die  da- 

Fig.  i58.     A  Gehirn    uml   Rückenmark    von   Ortha^^oriscus   mola    (nach 
Arsakv).     B  Gehirn  und  .Anfang  des  Kückenmarksi  von  Trigia  adriatica.     (Nach 

TltDMAMK.j 


534  Wirbelthiere.     . 

durch  entstehende,  als  Cauda  cquina  bezeichnete  Bildung  schliesst  sich 
an  die  gleiche  der  höheren  Primaten  an. 


c.    Hüllen  des  centralen  Nervensystems. 

§  355. 

Da  der  ßinnenrauni  des  Schädels  in  Anpassung  an  die  von  letz- 
terem umschlossenen  Theile  des  Gehirns  sich  ausbildet,  so  füllt  das 
Gehirn  anfänglich  stets  die  Schädelhöhle  aus.  Das  Gleiche  gilt  vom 
Rtickenmarke  für  den  Rückgratcanal.  Die  Oberfläche  des  gesafnmlen 
centralen  Nervensystems  wird  dabei  von  den  vom  Skeletc  gelieferten 
Wandungen  der  ersteres  umschliessenden  Räume  von  Theilen  getrennt, 
die  entweder  dem  Skelete  oder  dem  Nervensystem  angehören  oder  in- 
terstitieller Natur  sind.  Man  pflegt  sie  sämmtlich  als  Hirn-  oder 
Rückenmarkshüllen  aufzufassen. 

Die  periostale  Auskleidung  der  bezüglichen  Skeleträume  lässt  die 
Dura  mater  entstehen.  Diese  Membran  ist  überall  in  den  unteren 
Abtheilungen  als  blosse  Periost-  (resp.  Perichondrium -)  Schichte  nach- 
weisbar, und  empfängt  erst  von  den  Reptilien  an  eine  bedeutendere 
Mächtigkeit,  womit  sie  den  Anschein  einer  selbständigen  Bildung  ge- 
winnt. In  der  Schädelhöhle  bildet  sie  bei  Vögeln  einen  Fortsatz 
zwischen  die  Hemisphären  des  Vorderhirns  (Hirnsichel) ,  der  auch  bei 
Säugethieren  allgemein  vorkommt,  und  hier  mit  einem  besonders  in  den 
höheren  Abtheilungen  ausgebildeten,  zwischen  Cerebellum  und  Hinler- 
lappen des  Vorderhirns  eindringenden  Fortsatze  —  dem  Tentorium 
cerebelli  —  zusammenstösst.  Bei  vielen  Säugethieren  (Caraivoren, 
Einhufern  etc.)  verknöchert  das  Tentorium.  —  Der  Rückenmarks- 
abschnitl  der  Dura  mater  bietet  geringere  Eigenthümlichkeiten.  Bei 
den 'Säugethieren  ist  die  Dura  mater  des  Rückenmarks  schon  vom  Fo- 
ramen occipitale  an  vom  Perioste  gesondert  und  bildet  einen  das 
Rückenmark  lose  umschliessenden  Sack. 

Die  dem  Nervensystem  angehörige  Pia  mater  bildet  eine  ersteres 
überkleidende  Bindegewebsschichte ,  in  welcher  die  Blutgefässe  der 
Nervcncentren  verlaufen.  Sie  dringt  in  die  Vertiefungen  zwischen  den 
einzelnen  Abschnitten  ein  und  setzt  sich  beim  Bestehen  von  Windungen 
in  die  Tiefe  der  Sulci  fort.  Vom  grossen  Gehirnschlitze  aus  sendet  sie 
gefässreiche  Convolute  (Adergeflechte)  ins  Innere  der  Seiten  Ventrikel 
des  Vorderhirns,  üeber  den  Sinus  rhomboYdalis  des  Nachhirns  er- 
streckt sie  sich  dachförmig  hinweg,  bei  Selachiern  in  regelmässiger 
Wölbung  durch  gefaltete  abwärts  ragende  Querleisten  /ausgezeichnet. 
Bei  Fischen  und  Amphibien  ist  sie  häuflg  dunkel  pigmentirt,  bei  letz- 
teren an  gewissen  Stellen  durch  Ablagerungen  mikroskopischer  Kalk- 
krystalle  ausgezeichnet. 

Die    grösste    Mannichfaltigkeit    bietet    die    ArachnoYdca.      Bei 


Peripherisches  Nervensystem.  535 

Fischen  erscheint  sie,  so  lange  das  Hirn  die  Schädelhöble  ausfüllt,  als 
eine  dünne  Bindegewebsschicbte,  die  kaum  den  Namen  einer  Membran 
verdient,  da  sie  mit  Pia  wie  mit  Dura  mater  gleich  innig  zusammen- 
hängt. Mit  der  Entstehung  eines  weiteren  Raumes  zwischen  Hirn  und 
Schädelw^and  geht  aus  janem  ioterstitielleo  Gewebe  entweder  ein  die 
Dura  mit  der  Pia  verbindendes,  zuweilen  sehniges  Netzwerk  hervor, 
dessen  Räume  mit  Lymphe  gefüllt  sind  (Squatina)  oder  es  wandelt 
sich  in  Galiertgewebe  um  (Seymnus] ,  oder  lässt  Fettzellen  entstehen 
(viele  Teleostier).  Die  höheren  Wirbelthiere  zeigen  die  ArachnoYdea 
meist  ais  zarte  Bindegewebsschichte,  die  bei  den  Saugethieren  in  der 
vom  Menschen  bekannten  Differenzirung  erscheint. 


B.  Peripherisches  Nervensystem. 

§  356. 

Die  im  Körper  verlaufenden  Nerven  gehen  aus  den  als  Gehirn  und 
Rückenmark  geschilderten  Centralorganen  hervor,  und  wo  diese  peri- 
pherischen Nerven  von  besonderen,  vom  Gehirn  und  Rückenmark  ab- 
gelösten Gentren  zu  entspringen  scheinen,  besteht  nicht  minder  mit 
ersteren  ein  oontinuirlicher  Zusammenhang,  welcher  durch  die  Verbin- 
dung jener  abgelösten  Centren  oder  Ganglien  mit  dem  Gehirne  oder 
Rückenmark  zu  Stande  kommt.     > 

Die  nur  durch  ganz  allmählich  sich  äussernde  Modißcationen  alte- 
rirte  Gleichartigkeit  des  Rückenmarks  in  seiner  ganzen  Länge  ist  von 
einem  für  die  dort  entspringenden  Nerven  gerade  die  wesentlichsten 
Verhaltnisse  betreffenden  hohen  Grad  der  Uehereinstimmung  begleitet. 
Am  Gehirn  dagegen  wird  die  Gleichartigkeit  sowohl  durch  die  Differen- 
zirung dieses  Organes,  wie  auch  durch  die  Coniplication  der  dem 
Schädel  verbundenen  Theile  aufgehoben,  und  ebenso  durch  das  Auf- 
treten specifischer  Sinnesorgane  niodificirt.  Somit  wiederholt  sich  am 
peripherischen  Nervensystem,  was  bereits  vom  centralen  gesagt  ward, 
und  ebenso  für  die  dieses  umschliessenden  Organe,  Rückgrat  und 
Schädel,  gilt. 

Hiemach  unterscheiden  sich  Rückenmarksnerven  und  Himnerven, 
die  noch  bei  den  Acrania  gleichartig  sind.  Nur  ein  vorderer  stärkerer 
Stamm  ist  bei  Amphioxus  durch  seinen  Verlauf  wie  durch  reichere 
Verästelung  am  vorderen  Körperende  ausgezeichnet.  Er  ist  wohl  einem 
der  Himnerven  der  höheren  Wirbelthiere  vergleichbar,  doch  muss  hie- 
bei  beachtet  werden,  dass  in  der  Gesammtorganisation  des  Amphioxus 
den  Granioten  gegenüber  der  Zustand  der  Indifferenz^  gegel)en  ist.  Die 
übrigen  Nerven  des  Medullarrohrs  [jene  für  Riechgrube  und  Auge  aus* 
genommen)  bieten  das  Verhalten  von  Rückenmarksnerven  dar. 


536  Wirbellhiere. 

a)  Rücken  mark sncr VC II. 
§   357. 

Die  zuerst  in  der  Bildung  von  Ur^irbehi  auftretende  Gliederung 
des  Wirhclihierkörpers  Uussert  sich  nicht  minder  in  dem  Verhalten  der 
Rürkönniarksnerven  und  ihrer  Vertheilung.  Je  einem  Wirbelabschniltc 
entspricht  ein  Neryenpaar.  Jeder  dieser  Nerven  kommt  durch  die  Ver- 
einigung von  zwei  von  den  Seitenhalften  des  Rückenmarks  austreten- 
den Nervenwurzeln  zu  Stande.  Die  obere  oder  sensible  Wurzel  bildet 
vor  ihrer  Vereinigung  mit  der  unteren  oder  motorischen  ein  Ganglion, 
und  die  daraus  hervortretenden  Fasern  vermischen  sich  mit  der  un- 
teren, uro  den  Stamm  eines  Spinalnerven  herzustellen.  Bei  den  Sc- 
lachiern  treten  untere  wie  obere  Wurzeln  getrennt  durch  besondere 
Oeflhungen  des  Rückgratcanals.  In  der  Regel  verlassen  die  Nerven  den 
Rückgratcanal  zwischen  zwei  Bogen. 

Jeder  Spinalnerv  theilt  sich  in  zwei  Hauptäste,  deren  einer  nach 
oben  tritt  (Ramus  dorsalis) ,  Muskulatur  und  Haut  des  Rückens  ver- 
sorgend, ein  anderer  (Ramus  ventralis)  sich  an  die  Seitentheilc  und 
die  Bauchwand  des  Körpers  begibt  und  einen  Ramus  visceralis  zu  den 
Eingeweiden  entsendet.  Dieser  letztere  stellt  die  Verbindung  des  so- 
genannten sympathischen  Nervensystems  mit  dem   cerebrospinalen  her. 

Bei  den  Fischen  treffen  die  Spinalnerven  immer  auf  ein  Ligamen- 
tum intermusculare.  Sie  folgen  genau  der  Metamerie  des  Leibes,  und 
dieses  Verhallen  besteht  da  fort,  wo  die  Metameren  gieichm^ssige  Ver- 
h<iltnisse  bewahren. 

Die  Stärke  der  Nerven  entspricht  der  Ausbildung  der  von  ihnen 
versorgten  Thoile,  Mit  dem  Auftreten  von  Extremitäten  erlangen  die 
Rami  ventrales  der  betreffenden  Abschnitte  eine  besondere  SUItiLe,  und 
dann  bildet  eine  Anzahl  Rami  ventrales  vorderer  Spinalnerven  {Cer\i- 
calnerven)  ein  Geflechte  (Plexus  brachialis) ,  aus  W(>lchem  die  Nerven 
der  vorderen  Extremität  sich  ablösen,  sowie  aus  weiter  nach  hinten 
vor  dem  Becken  oder  im  Becken  gebildeten  Geflechten  (z.  B.  Plexus 
lumbalis,  Plexus  sacralis)  die  Nerven  der  hinteren  Extremität  hervor- 
gehen. Diese  Gcflechtbildungcn  sind  auf  die  typische  Verbindung 
benachbarter  Spinalnerven  unter  sich  zurückzuführen,  von  der  sie  Wei- 
terbildungen vorstellen. 

Die  für  die  Glied maassen  bestimmten  Nerven  bilden  erst  von  den 
Amphibien  an  bedeutende  Geflechte.  Drei  bis  vier  Nerven  bilden  den 
Plexus  brachialis  der  Amphibien  (bei  Fröschen  der  2. ,  3.  und  4. 
Spinalnerv».  Bei  'den  Reptilien  wird  der  Plexus  brachialis  meist  aus 
dem  G. — 9.  Cervicalnervcn  zusammengesetzt,  der  7.  — 10.  bildet  ihn 
bei  Monitor,  und  beim  Alligator  komn)l  noch  der  erste  Thoracalnerv 
hinzu.  Die  Vögel  zeigen  ihn  aus  dem  letzten  Gervical-  und  ersten 
Thoracalnerv  oder  aus  dem  14.  und  12.  Cervical-  oder  1 — 2.  Thoracal- 


B.  'Peripherisches  Nervensystem.  537 

nerv  gebildet.  Bei  den  Stagelhieron  betheiligen  sich  die  3,  4  oder 
5  ietslHi  Gervicalnerven  und  der  erste,  zuweilen  auch  noch  der  sweite 
Tboracalnerv  an  der  Plexusbildung. 

Die  für  die  Hinterextremitflten  bestimmten  Nerven  gehen  bei  den 
Amphibien  aus  einem  meist  durch  drei  Nerven  gebildeten  Geflechte 
hervor.  Ein  daraus  entstehender  vorderer  Nerv  bildet  den  Nervus 
cruralis,  ein  um  vieles  stärkerer ,  weiter  nach  hinten  aus  fast  allen 
in  den  Plexus  eingehenden  Ramis  sich  zusammensetzender  Nerv  stellt 
den  ischladicus  vor,  welcher  auch  bei  den  h<$heren  Wirbeithieren  den 
Hanptnerv  der  Extremität  bildet.* 

Gesonderter  erscheinen  Plexus  cruralis  und  Mexus  ischladicus  bei 
den  Reptilien  und  VOgeln.  Bei  ersteren  gelien  meist  4  Nerven  in  diese 
Geflechte  ein  Fig.  497).  Die  Vogel  bieten  zumeist  6 — 8  grOsstenthells 
für  den  Ischiadicus  bestimmte  Nerven  (Pig.  198),  während  er  bei  den 
Saugelhieren  aus  einer  viel  geringeren  Zahl  sich  zusammensetzt. 


b)   U i rn  u e r V e II. 
§  358. 

Die  vom  Gehirn  entspringenden,  von  der  l)csch reihenden  Anatomie 
meist  einfach  der  Reibe  nach  aufgeführten  Nerven  sondern  sich  bei 
vergleichender  Prüfung  nach  wiöhtigen  anatomischen  Verhaltnissen  in 
zwei  scharf  getrennte  Abtheilungen.  Die  eine  grössere  hegreift  mehr 
oder  minder  mit  Spinalnerven  übereinkommende  oder  doch  von  solchen 
ableitbare  Nerven,  die  andere  dagegen  solche,  welche  auch  nicht  die 
geringste  Aehnlichkeit  mit  Spinalnerven  besitften. 

Die  letzlere  Abtheiiung  umfasst  zwei  spezifische  Sinnesnerven,  den 
Olfactorius  und  den  Opticus. 

Der  Olfactorius  wird  aus  einem  Gomplexe  von  Nervenfadchen 
gebildet,  die  aus  dem  vorderen  Ende  des  beim  Gehirn  behandelten 
Lohas  olfactorius  entspringen,  und  in  der  Riechschleimhaut  ihre  Ver- 
breitung nehmen.  Je  nach  der  Lageruhg  des  Lobus  in  grüsserei*  oder 
geringerer  Ntfhe  der  letzteren  setzen  diese  Nerven  jederseits  einen  Stamm 
zusammen  (wie  bei  vielen  Fischen,  auch  bei  Amphibien,  Reptilien  und 
Vögeln,  unter  den  Süugethioren  bei  den  Monotremen] ,  oder  sie  ver- 
lassen einzeln  die  SchüdelbOhle,  indem  sie  eine  Lamina  cribrosa  durch- 
bohren (Selachier  und  SSugethiere^ 

Der  aus  dem  Zwischen-  und  Mittelhim  stammende  Opticus  bildet 
sich  mit  einem  Theile  des  Auges  aus  einer  vom  primitiven  Vorderhirn 
aus  entstehenden  Blase,  der  Augenblase,  deren  Stiel  er  vorstellt.  Nach 
Differenzlrung  der  Vorderhirn  blase  ist  er  mit  dem  Zwischen-  und  Mittel  - 
hirfi  in  Zusammenhang. 

Bei  den  Cyclostomen  verläuft  der  Opticus  jeder  Seite  zum  be- 
treffenden Auge,  und  nur  dicht  an  der  Austrittsstello  ist  eine  Verbindung 


538  Wirbelthiere. 

zwischen  den  beiderseitigen  Nerven  äu  erkennen.  Bei  den  Gnatho- 
siomen  dagegen  ist  eine  grössere  Strecke  des  Opticus  an  der  Hirnbasis 
gesondert,  woraus  an  einer  Stelle  eine  Durchkreuxung  der  Fasern 
ersichtlich  wird.  Die  bis  zu  dieser  Stelle  (dem  Ghiasnna)  verlaufenden 
Faserstränge  stellen  den  Tractus  N.  optici  vor.  Die  Kreuzung  ist  eine 
vollständige  bei  den  Knochenfischen  :  Der  Opticus  des  rechten  Auges 
tritt  zum  linken,  der  des  linken  zum  rechten,  indem  der  eine  über 
oder  unter  dem  andern  hinwegläuft.  Seltener  tritt  der  eine  Opticus 
durch  eine  Spalttf  des  andern  (Clupea).  Bei  Selachiern  und  GanoYden 
scheint  eine  theilweise  Kreuzung  vorzukommen,  und  so  verhalten  sieb 
auch  im  Allgemeinen  die  höheren  Wirbelthiere. 

Wie  beide  Sinnesnerven  keinen  einzigen  der  für  die  Spinalnerven 
aufgeführten  Charaktere  erkennen  lassen,  sind  sie  auch  nicht  auf  Meta- 
meren  beziehbar,  wie  sie  denn  auch  jenem  Theile  des  Craniums  zu- 
gehören, der  nicht  aus  der  Goncrescenz  von  Wirbelsegroenten  aUeitbar 
ist  (vergl.  §  309).  Damit  empfängt  die  Vermuthung  Wahrscheinlichkeit, 
dass  jene  Nerven  sammt  den  ihnen  zugehörigen  Organen  aus  einem 
der  Metamerenbildung  noch  entbehrenden  niedern  Zustand  in  den 
Wirbelthiertypus  mit  übergingen. 

§  359. 

Die  zweite  Abtheilung  umfasst  die  nach  dem  Typus  der  Spinal- 
nerven sich  verhaltenden  Nerven.  Sie  lassen  zum  Theile  zwei  Wurzela 
unterscheiden ;  ihr  Ramus  dorsalis  ist  häufig  in  Zusammenbang  mit 
dem  unansehnlichen  Verbreitungsbezirke  sehr  gering  entwickelt.  Der 
Ramus  ventralis  ist  dadurch  der  Hauptast,  der  an  den  Bogen  des  Vis- 
ceralskolets  und  deren  Abkömmlingen  sich  verzweigt.  Der  Ramus  vis- 
ceralis  tritt  zur  Schi  und  wand.  Die  hieher  gehörigen  Nerven  treten 
(mit  einer  einzigen  Ausnahme)  aus  dem  als  Nachhirn  bezeichneten 
Abschnitte  des  Gehirns  hervor  und  verlassen  die  Schädeihöhle ,  indem 
sie  die  oben  (§  309]  als  vertebralen  Theil  unterschiedene  Partie  des 
Craniums  durchsetzen.  Während  diese  Verhältnisse  an  den  dem  primi- 
tiven Zustande  am  nächsten  stehenden  Kopfnerven  der  Selachier  am 
vollständigsten  sich  erkennen  lassen,  treten  um  so  bedeutendere  Ver- 
änderungen ein,  je  weiter  der  Organismus  von  jener  tiefen  Stufe  em- 
porstieg oder  doch  in  andrer  Richtung  sich  difierenzirte. 

An  den  einzelnen  Nerven ,  d.  h.  so  wie  sie  als  mit  Spinalnerven 
homodynam  den  Kopfnerven  zu  Grunde/ liegend  aufzufassen  sind, 
nehmen  wir  verschiedene  'besondere  Erscheinungen  wahr. 

Einzelne  Aeste  eines  Nerven  erscheinen  im  Uebcrgewichte  über 
andere,  die  dagegen  rückgebildet  sind,  oder  die  Wurzeln  eines  Nerven 
bieten,  eine  selbständige  Bahn  einschlagend,  das  Verhalten  eigner  Nerven. 
Wie  sich  so  ein  Nerv  aufgelöst  hat,  so  ist  andrerseits  eine  Concresoenz 
von  Nerven  aufgetreten,  so  dass  ursprüngliche  NerveDcomplexa  wie 
ein  einziger  Nerv  sich  darstellen. 


Peripherische»  Nervensystem/  539 

Letzteres  Verhalten  zeigt  sich  an  zwei  Gruppen  der  vorsuftthrenden 
Uimnerven,  die  nach  den  in  ihren  vorherrschenden  Nerven  als  Trige- 
minus-  und  Vagus-^Gruppe  unterscbeidbar  sind. 

§  360. 

Die  Trigeminusgrnppe  versorgt  den  vordersten  und  grössten 
Theil  des  Kopfes.     Ihr  gehören  zu: 

der  Trigeminus,  als  bedeutendster  Nerv  der  Gruppe,  der,  einer 
machtigen  Differenzirung  des  Endgebietes  entsprechend ,  einem  weiter 
entfalteten  Spinalnerven  homolog  ist.  Unbestimmt  ist,  ob  er  nicht  durch 
Conerescenz  zweier  Nerven  entstand ,  wofllr  einige  Thatsachen  sprechen. 
Als  Ramus  dorsalis  besitzt  er  den  Ramus  ophtbalmicus  der  die 
Orhita  wie  die  EthmoYdalregion  versorgt  (Fig.  959.  Tr').  Ein  bei  Tele- 
ostiem  vorkommender  Schadelhöhlenast  hat  wohl  gleichfalls  als  Ramus 
dorsalis  zu  gelten. 

Der  Ramus  maxillaris  superior  (fr")  verläuft  stets  am  Ro- 
den der  Orbita  und  verbreitet  sich  mit  sensiblen  Zweigen  in  der  Ober- 
kieferregion. Sein  Infraorbitalast  ist  besonders  bei  Situgethieren  der 
bedeotendsle.  Er  steHt  einen  Ramus  ventralis  vor  wie  der  Ramus 
maxillaris  inferior,  der  bei  Selachiern  sehr  klar  als  Nerv  des  Kiefer- 
bogens  sich  erkennen  ISIsst  [Tr'")  ,  und  dadurch  als  der  bedeutendste 
Abschnitt  des  Trigeminus  erscheint.  Seine  Verbreitung  geschieht  zu  den 
Kiefermuskeln  wie  zum  äussern  Integumente  und  einem  Abschnitte  der 
Mundhöhlenscbleimhaut  (Ramus  lingualis).  Den  Ramus  intestinalis  stellt 
ein  Ramus  palatinus  des  zweiten  Astes  Vor,  der  bei  Fischen  direct  zum 
Gaumen  tretend,  bei  höheren  Wirbelthtoren  erst  nach  Verbindung  mit 
einem  sympathischen  Ganglion  (Ganglion  sphenopalatinum)  dorthin 
gelangt. 

Dem  Trigeminus  zugehörig  und  wie  abgelöste  Theile  desselben  sich 
darstellend  erscheinen  die  Augenmuskelnerven,  namentlich  O c u - 
loDdotorius  und  Abducens,  welche  bei  Petromyzon  und  Lepidosiren, 
bei  letzterem  vollständig,  bei  ersteren  wenigstens  theilweise,  durch  Aeste 
des  Trigeminus  vorgestellt  sind.  Auch  bei  Amphibien  ist  eine  Ver- 
bindung des  Abducens  mit  dem  Trigeminus  beobachtet,  und  bei 
andern  soll  auch  der  Trochlearis  vom  Trigeminus  stammen  (Saia- 
niandra).  In  diesem  Verhalten  würde  also  die  Fortdauer  eines  primitiven 
Zustandes  zu  erkennen  sein,  der  bei  den  tlbrigen  Wirbelthieren  in 
grössere  Selbständigkeit  bezüglich  des  Austrittes  und  Verlaufes  der 
Nerven  sich  umänderte.  Es  bedarf  Hber  dieser  Hypothese  kaum,  da  ein 
selbständiger  Austritt  einzelner  Wurzeln  von  Spinalnerven  eine  bei  Se- 
lachiern verbreitete  Thatsache  ist ,  und  der  selbständige  Verlauf  zum  mo- 
torischen Endorgane  —  dem  Muskel  —  aus  der  unmittelbaren  Nähe  der 
letxtem  an  der  Austrittsstelle  der  Nerven  aus  dem  Granium  eriLlArlich  wird. 

Der    zweite    der   Trigeminusgruppe    beizuzählende  Nerv    ist   der 


540  Wirbelthiere. 

Faciaiifi  mit  dem  Acusticus.  Der  letztere  erscheint  als  ausschliess- 
lich sensibler  Ramus  dorsalis  eines  Spinalnerven,  und  ist  mit  seinem 
Endgebicte  von  dem  nothwendig  vorauszusetzenden  ursprünglichen  Niveau 
auf  der  Kopfoberfläche  in  dem  Maasse  in  die  Tiefe  gerückt,  als  das  La- 
byrinlhbläschen  vom  Integumenta  sich  abschnürte  und  in  die  Tiefe 
der  SchMdelwand  eingetreten  ist  (vergl.  unten  über  das  Hörorgan). 
Wenn  dieses  den  ursprünglichen  Verlauf  eines  Ramus  dorsalis  aufwärts 
durch  die  Schddelwand  voraussetzt,  so  harmonirt  damit  der  Verlauf  dor- 
saler Aeste  anderer  Kopfnerven,  selbst  der  Ramus  ophthalmicus  trigemini. 

Der  Facialis  (Fig.  259.  Fa)  verhält  sich  aJs  ein  dem  Zungenbein« 
bogen  angehdronder  Ramus  ventralis.  Ausser  der  Muskulatur  dieses  Ab- 
schnittes versoi^t  er  auch  Hauttheile,  ist  somit  anfänglich  gemischter  Natur. 
Bei  den  Teleostiern  geht  er  Verbindungen  mit  dem  Trigeminus  ein,  und 
schon  bei  manchen  Haien  verschmilzt  er  mit  demselben.  Ebenso  er- 
scheint er  bei  den  ungeschwänzten  Amphibien  mit  dem  Trigeminus 
vereinigt.  Während  er  bei  den  Urodelcn  wie  bei  den  höhern  Wirbel- 
thieren  sich  selbständig  erhält  und  bei  den  Säugethieren  seine  sensiblen 
Elemente  anscheinend  eingebüsst  hat.  Hier  empfängt  er  durch  die 
Ausbildung  der  Gesichtsmuskulatur  ein  bedeutenderes  Verbreitungs- 
gebiet ,  während  sein  Ramus  stapedius .  Ramus«  digastricus  und  slylo- 
hyo^]fdeus  dem  ursprünglichen  Zungenboinbogen- Gebiete  zugehören, 
ebenso  der  Ramus  auricularis.  Als  Ramus  visceralis  erscheint  der  bei 
Fischen  vorhandene  Ramus  palatinus,  der  bei  den  Säugern  durch  den 
N.  petrosus  superficialis  major  vorgestellt  wird,  und  durch  das  Ganglion 
sphenopalatinum  zur  Muskulatur  des  Gaumensegels  tritt. 

Einen  schon  bei  Fischen  bestehenden  Verbindungszweig  des  Facialis 
mit  dem  dritten  Aste  des  Trigeminus  bildet  die  Chorda  tympani. 

§  364. 

In  der  Vagusgruppe  bietet  deren  erster  Nerv,  der  G  los  so- 
pharyngcus,  die  einfachsten  Befunde.  Bei  den  Selachiern  ist  er 
discret,  und  scheint  auch  bei  den  Teleostiern  sich  allgemein  so  xo 
verhalten,  dagegen  veriässt  er  bei  Chimären  die  Schadelhöhle  mit  dem 
Vagus,  mit  welchem  er  auch  bei  Cyclostomen  wie  bei  Lepidosiren  ver- 
bunden ist.  Achnlich  verhält  es  sich  bei  den  Amphibien,  indess  er 
bei  den  nmniotcn  Wirbelthiereu  in  allgemeiner  Selbständigkeit  sich  trilil. 

Er  l)esilzt  bei  Fischen  (manche  Haie)  einen  Ramus  dorsalis,  der  im 
Cranium  emporsteigend  sich  oberflächlich  verästelt.  Der  Uau|>tslamm 
(Fig.  ^59.  Gp)  erscheint  damit  als  ventraler  Ast,  der  längs  des  ersten 
Kiemenbogens  sich  verbreiteX  und  als  Ramus  visceralis  einen  Ramus 
pharyngeus  zur  Schlundwand  schickt.  Dieses  Verhalten  wird  mit  der 
Umwandlung  des  ersten  Kiemenbogens  dahin  modilicirt,  dass  der  Ramus 
pharyngeus  mit  dem  in  der  Zungenschleimhaut  endigenden  Ramus 
lingualis  den  Haupttheil  des  Nerven  vorstellt. 


Peripher  weben  Nerveos^sd 


HU 


An  den  Glosgopharyngfus  reiht  sich  im  Austritte  nus  dem  Nackhirn 
unmiltelbnr  der  Vagus  an,  dessen  Beurtheilanji;  die  Kenalniss  seines 
einfechsten  Verhaltens  voninsselxt,  wie  es  am  vollstündigslen  hei  den 
Haien   zu  eritennen  ist   (vergi.  Fig.  259;.     Dir  Vagus   wird   hier  von 

Fig.  «*. 


Fig.  159.  Kopfnunrn  einrs  Hai  (HPianchu«  (triaeiis.)  R^chterM'iH  Kind 
iMimnitlicIie  koptnerven  in  itir^n  von  obeo  hör  MCbUurnn  B»hnfln  Jarfceüldlt,  tUe 
SchUdelbOlilc  ist  (toOlTaet,  elw^aM  der  Hückgrah^nsl ,  w  dsos  (ielurn  und  Riickiw- 
mHrk  blosliegeii.  Uan  rechte  Ku^e  ist  mit  seinen  Muskeln  rnlfernt.  Links  iiiit  nur 
daH  Doch  der  Orbila  wogi^enommen,  sn  das«  diT  Bulbus  mtl  den  Muskeln  sichlliar 
i«!.  Die  leehLiseitige  Laliyrindi-  und  Uccipitalrrgion  des  Cranjum.i  ist  his  out  das 
Niveau  der  hier  durchtrcteniten  NehenslUnime  nhReliagen.  A  Vordere  Sehbdet- 
lücke.  N  Nntcnkapsol.  Bo  Bulbus  olbctorins.  Tr'  unter  Ast  dm  TriReminua. 
a  EndsweiK  desselben  aul  der  BUimoidalregion.  Tt"  Zweittr  Aat.  Tr'"  Dritter 
Ast.  tr  Troelilearis.  t'a  Faninli».  Gp  nlos<H)pliar\ngeu-i.  Vg  Vagus.  C  R*n)U!< 
Ifllersll''.  J  Rnmiis  inteslinnlis.  <is  Muse,  ohiiq.  ne.  sup.  H  M.  rectu«  inlenins. 
rr  M.  rectus  extemus.  rt  M.  rnctoa  superior.  .1  Sprililoch.  Pq  Palainquadralum. 
Hm  Hyomandtbubre.    T  KiMneaalrahlen,    1 — S  Kiemen  bogen,    br'  —  br"  Kiaman. 


542  Wirbelthlere. 

einer  grossen  Anzahl  discret  vom  Nachhirn  bis  ziemh'ch  weit  hinter 
der  Rautengrube  hervortretender  Wurzeln  zusammengesetzt,  von  denen 
die  vordem  dicht  hinter  dem  Glossopharyngeus  austretenden  die  starkem 
sind.  Daran  schliessen  sich  nach  hinten  zu  immer  schwächere  an, 
die  in  demselben  Maasse  an  der  Austrittsstelle  weiter  von  einander 
entfernt  sind.  Die  letztem  sammeln  sich  nach  vorne  verlaufend  zu 
einem  den  vordem  sich  anfügenden  Stämmchen.  Der  hieraus  gebildete 
gemeinsame  Stamm  veriasst  die  Schädeihöhle  in  schräg  nach  hinten 
und  aussen  gerichtetem  Verlaufe  und  sendet  auf  dem  Wege  einen  un- 
ansehnlichen Ramus  dorsalis  zur  Occipitalregton  empor. 

Aus  dem  Cranium  getreten  theilt  sich  der  Vagusstamm  an  die 
Kiemen,  indem  er  auf  den  Doi*salg1iedern  der  Kiemenbogen  verlaufend 
eine  der  Zahl  der  Kiemenbogen  entsprechende  Zahl  von  Kiemenästen 
abgehen  lässt  (Fig.  259.  2—6).  Der  erste  Kiemenast  verläuft  zum 
zweiten  Kiemenbogen  und  sendet  noch  einen  feinen  Zweig  zum  ersten. 
Darin  kommen  die  Rami  branchiales  des  Vagus  mit  dem  Glossopharyn- 
geus wie  mit  dem  Facialis  ttberein^  die  gleichfalls  je  zu  dem  nächst  vor- 
hergehenden Bogen  feine  Zweige  entsenden  (vergl.  Fig.  259).  An  der 
Theilungsstelie  des  Kiemenastes  tritt  ein  Ramus  pharyngeus  ab,  was 
sich  gleichmässig  für  sämmtiiche  Rami  branchiales  wiederholt.  Die 
Fortsetzung  des  die  Kiemenäste  abgebenden  Vagusstammes  tritt  als 
Ramus  intestinalis  [J]  auf  den  Darmcanal  und  verzweigt  sidi  auf 
Schlund  und  Magen,  gibt  auch  Aeste  zum  Herzen  ab.  Vor  der  Abgabe 
der  Kiemenäste  geht  vom  Vagusstamme  ein  ansehnlicher  Ast  dorsal- 
wärts  nach  hinten ,  der  als  Ramus  lateralis  (L)  längs  der  Seitenlinie  des 
Körpers  an  die  Haut  sich  verzweigt  und  bis  zum  Schwänze  verläuft. 

Während  die  den  geschilderten  Vagusstamm  zusammensetzenden 
Nervenwurzeln  in  einer  Reihe  das  Nachhira  verlassen,  treten  dem 
Vagus  n^^  andere  Wurzeln  zu,  die  unterhalb  der  voiigenannten  als 
höchstens  fünf,  meist  nur  3  oder  2  Fädchen  aus  dem  Nachhirn  aus- 
treten, und  jedes  durch  einen  besonderen  Canal  in  der  Schädelwand, 
nach  aussen  gelangen.  Sie  sollen  mit  dem  Vagus  verschmelzen,  und 
können  als  untere  Vaguswurzeln  bezeichnet  werden,  während  die  vor- 
benannten obere  sind.  Die  Austrittsöffnungen  der  unteien  liegen  in 
gleicher  Reihe  mit  den  Austrittsöffuungen  der  untern 
Wurzeln  der  Spinalnerven,  die  Austrittsstelle  des  Complexes  der 
obern  Wurzeln  liegt  höher  und  fällt  in  eine  Linie  mit  den  Durch- 
lässen für  die  oberen  Wurzeln  der  Spinalnerven. 

,  §  362. 

Aus  den  vorhin  aufgeftlhrt^n  Thatsachen  ergibt  sich  für  den  ge- 
summten Vagus  die  Auffassung  als  einesCompIexes  zahl- 
reicher mit  Spinalnerven  horoodynamer  Nerven.  Dafür 
sprechen  einntal  die  mehrfachen  getrennt  austretenden  untern  Wurzeln, 


Peripherisches  Nervensystem«  543  . 

dann  aber  vorzttglicb  die  Verbreitung  des  aus  den  obern  Wurzeln  sieh 
bildenden  Stammes.  Indem  jeder  Ramus  branebiaiis  des  Vagus  sieb 
gleich  verbttit  einem  Ramus  ventralis  eines  Spinalner- 
ven, indem  ferner  die  von  ihm  versorgten  Kiemenbogen  als  ur- 
sprünglich dem  Granium  angehörige  ventrale  Bogen  zu  gelten  haben 
(vergl.  §  393)  und  da  endlich  jeder  der  andern  Visceralbogen  (Kiefer-, 
Zungenbein-  und  4.  Kiemenbogen  ebenso  von  je  einem  Nerven  ver- 
sorgt werden  wie  ein  Metamer  des  Ruropltheiles  von  einem  Spinal- 
nerven, so  erscheint  auch  die  Summe  jener  oberen  Wurzeln  des  Vagus 
als  das  Aequivalent  einer  Summe  einzelner  Nerven,  deren  Betrag 
mindestens  der  Maximalzahl  der  von  ihnen  versorgten  Kiemenbogen 
entsprechen  muss.  Da  Gründe  zur  Ausnahme  bestehen,  dass  schon 
bei  den  Seiacbiern  eine  bedeutende  Rückbildung  der  Zahl  ursprüng- 
lich vorhandener  Kiemen  stattfand,  wie  ein  solcher  Voi^gang  wenn  auch 
nur  in  kleinem  Maasse  noch  innerhalb  des  Selachierstammes  zu  beob- 
achten ist,  so  ist  die  Fortsetzung  des  Vagus  auf  eine  Strecke  des 
Darmrohrs  weniger  aus  einem  Uebergreifen  des  Nerven-  auf  ein  ihm 
ursprünglich  fremdes  Gebiet,  als  aus  dem  Uebergange  einer  zuerst  der 
Kiemenspalten  tragenden  Wandung  des  Schlundes  angehörigen  Strecke 
in  einen  ausschliesslich  der  Nahrungsaufnahme  dienenden  Abschnitt 
des  Tractus  intestinalis  zu  erklaren.  Auch  für  die  Herztfste  findet  sich 
eine  Erklärung,  sobald  die  Entstehung  des  Herzens  zum  Theile  inner- 
halb des  vom  Vagus  versorgten  Gebietes  gewürdigt  wird. 

Was  den  Ramus  lateralis  betrifft,  so  erscheint  in  demselben  ein 
sensibler  Ast  des  Vagus,  der  wohl  erst  allmählich  mit  der  Ausdehnung 
des  von  ihm  versorgten  Sinnesapparates  der  Seitenlinie  sich  in  diesem 
Maasse  entfallet  hat. 

Im  gesammten  Vagus  tritt,  uns  also,  ganz  ähnlich  wie  es  oben  in 
kleinem  Maassstabe  für  andere  Nerven,  z.  B.  den  Facialis  und  Trige- 
minas  erweisbar  war,  eine  Vereinigung  von  Nerven  entgegen,  die  so- 
wohl in  ihrem  Austritte,  wie  im  peripherischen  Verhalten  noch  die 
Spuren  eines  ui*sprünglich  discreten  Bestandes  erkennen  lassen,  und  so 
gelangt  diese  Auffassung  des  Vagus  mit  der  Deutung  des  hinteren 
Tbeiles  des  Craniums  in  engste  Verbindung. 

Die  Erscheinung  der  Concrescenz  discreter  Nerven  setzt  sich  am 
Vagus  der  Selachier  noch  weiter  fort,  und  hebt,  indem  bei  den  meisten 
(z.  B.  bei  allen  Rochen)  die  einzelnen  Wurzeln  dichter  an  einander 
treten,  die  Andeutungen  einer  Selbständigkeit  auf,  welches  Verhalten 
auch  für  die  übrigen  Fische  vorwaltet. 

Eine  Umbildung  einzelner  Verhältnisse  erleidet  der  Vagns  bei 
Teleostiern.  Von  den  hinteren  Wurzeln  desselben  sind  nämlich  einige 
Fädchen  mit  einer  unteren  Wurzel  zusammengetreten  und  bilden  einen 
besonderen  das  Granium  separat  vertassenden  Nerven,  der  zu  der  Mus- 
kulatur des  Schultergürtels  verlaufen  soll.  Dieser  übrigens  nur  wenig 
genau   gekannte  Nerv   kommt  weder  den  Seiacbiern  noch  den  höheren 


54  i  VVirbelihiere. 

Wirbelihieren  zu,  und  kaon  als  Accessorius  Weberi  unterschieden 
werden. 

Das  übrige  peripherische  Verhalten  des  Vagus  kommt  mit  dem 
oben  geschilderten  Uberein.  Nur  ein  einem  Theile  der  Teleosiier  zu- 
kommender Dorsalast  des  Vagus  verdient  £rw^hnung.  Derselbe  ver- 
bindet sich  mit  einem  aus  dem  Trigeminus  kommenden  Dorsalast 
(R.  recurrens)  und  verläuft  von  einzelnen  Spinalnerven  Vßrbinduogs- 
zweige  empfangend  zur  Basis  der  Rückenflosse. 

§  36:}. 

Bei  den  Amphibien  verblilt  sich  der  Vagus  für  die  Dauer  des  Be- 
stehens der  Kiemen  in  einer  mit  den  Fischen  Übereinkommenden  Weise 
und  sendet  sogar  einen  Ramus  lateralis  ab,  der  bei  den  Caducibranchiaten 
nach  Ruckbildung  der  Kiemen  mit  den  Kiemenäslen  gleiches  Schicksal 
theill. 

Die  amnioten  Wirbeltliiere  besitzen  den  Vagus  nur  aus  dem  vor- 
deren Abschnitte  der  bei  den  Selachiern  als  obere  Wurzeln  ^sciirie- 
benen  Reihe,  und  der  daraus  gebildete  Stamm  nimmt  seine  Veribeilung 
an  dem  Trnctus  intestinalis  bis  zum  Magen  herab,  nachdem  .durch  den 
Mangel  von  Kiemen  die  Kiemenäate  verschwinden,  oder,  was  wob! 
richtiger,  theilweise  in  Rami  pharyngei  umgßbildet  sind.  Wie  bei  den 
Fischen  die  aus  dem  Darmrohre  diflerenzirte  Schwimmblase  Vagus- 
zweige empfangt,  so  erlUllt  auch  der  eine  gleiche  Genese  besitzende 
Athmungsapparat  der  Amphibien  wie  der  Amnioten  Nerven  vom  Vagus^ 
von  denen  sich  einzelne  mit  der  Ausbildung  eines  Kehlkopfes  und  • 
seiner  Muskulatur  zu  constanten  Zweigen  gestalten.  Auch  die  Be- 
ziehungen zum  Herzen  erhalten  sich  fort,  da  aber  sowohl  letzteres  als 
auclk  das  Endgebiet  des  Vagus  am  Hagen  wie  an  den  Lungen  viel 
weiter  als  bei  den  Anamnia  vom  Kopfe  sich  entfernt  hat,  so  wird  da- 
durch der  Verlauf  des  Vagus  beeinilusst,  der  jenen  LageveTiloderungen 
sich  anpassend  einen  langen  Nervenstamm  reprSisentirt. 

her  hintere  Abschnitt  der  bei  Selachiern  in  den  Vagus  eingehen- 
den Wurzeln  schliesst  sich  bei  den  Amnioten  zu  einem  Nervenstämm' 
chen  zusammen,  das  als  Accessorius  Willisii  bezeichnet,  theil- 
weise mit  dem  Vagus  sich  verbindet,  theilweise  in  Muskeln  des  Sobulter- 
gttrtels  ti'itt.  Die  den  Nerven  bildenden  Wurzelßlden  raicben  mit  ihrem 
Ursprünge  aus  der  Medulla  besonders  bei  Süugethieren  weit  nach  hinten, 
zwischen  die  Austrittsstelle  der  oberen  und  unteren  Wurzelreihen  ^on 
Spinalnerven  gelagert,  und  zwar  bis  zum  6.  oder  7.  hinab. 

Endlich  formiren  auch  die  unteren  Wurzeln  des  Vagus  «-Gebietes 
bei  den  Axnnioten  4Mnen  besonderen  Nervenstamm,  den  HypogJossus, 
>der  die  Maskelo  der  Zunge  versoiigt.  Von  seinem  prinutiven  Verhallen 
behult  er  die  Zusanmiensetzung  aus  mejiu^eren  und  zwar  getrennt  aus 
dem  Schiidel  tretenden  WurzelHiden  bei,  die  auch  noch  bei  SHuk«^ 
thieren  zu  zweien  sich  vorfinden.     Somit   triBl  sich   also  füi*  den  un- 


B.    Peripherisches  Nenreosystein.  545 

leren  aus  dem  Nachhini  austretenden  Nervencomplex  die  gWSaste  Summe 
von  Umgestaltungen.  Aus  einer  den  urspiüDglichen  Rieihenbogen  entr- 
sprecfaenden  Ansahl  von  discreten  Nerven  entstanden,  erscheint  er 
noch  am  indifferentesten  bei  den  Selachiem,  sondert  bei  Teleostiem 
einen  hintern  Abschnitt  als  besonderen  Nerven  ab,  indess  bei  den  höheren 
Wirbelthieren  (Amniotaj  aus  jenem  Complex  drei  verschiedene  Nerven 
gebildet  werden. 

c)    Eingeweidenervensysiem. 

§  364. 

Die  bei  den  Spinal-  und  €erebralnerven  erwähnten  Rami  visce- 
rales bilden  die  cerebrospinalen  Wurzeln  des  sympathischen  oder 
Eingeweidenervensystems.  Nach  dem  Abgange  aus  den  Cerebrospinal- 
nerven  stehen  jene  Eingeweideäste  meist  durch  eine  längs  der  Wirbel- 
säule verlaufende,  auch  an  die  Schädelbasis  sich  fortsetzende  Commissur 
jederseits  unter  sich  in  Verbindung,  wodurch  der  Grenzstrang  des 
Sympalhicus  zu  Stande  kommt.  An  den  Verbindungssteilen  desselben 
mit  den  Rami  viscerales  der  Cerebrospinalnerven  finden  sich  Ganglien, 
die  Ganglien  des  Grenzstranges,  und  von  da  aus  setzen  sich  die  aus 
den  dem  Sympathicus  eigenen  Fasern  und  Cerebrospinalfasern  bestehen- 
den Nerven  zu  ihren  Verbreitungsbezirken  fort.  Die  einzelnen,  sei  es 
direct  zu  den  Eingeweiden  tretenden,  sei  es  erst  den  Grenzstrang 
durchsetzenden  Nerven,  sammeln  sich  meist  in  grossere  für  die  Haupt- 
abschnitte der  Eingeweide  bestimmte  Stämme,  die  als  N.  cardiaci, 
splanchnici  etc.  bekannt  sind.  Sie  bilden  feiche  Geflechte,  in  welche 
wiederum  zahlreiche  Ganglien  sich  einlagern,  wie  denn  auch  verein- 
zelte Ganglienzellen  vielfach  in  den  Verlauf  der  sympathischen  Nerven- 
'  bahnen  eingeschaltet  sind. 

Die  Verbreitung  dieser  Geflechte  findet  am  Darmrohr  und  allen 
aus  demselben  hervorgehenden  Organen,  sowie  am  Gefiisssystem  und 
den  Urogenitalorganen  statt. 

Den  Acrania  scheint  dieser  Theil  des  Nervensystems  zu  fehlen, 
und  unter  den  Cycfostomen  wird  er  bei  den  MyxinoYden  vermisst,  wo 
der  Vagus  wenigstens  das  Darmgebiet  des  Sympathicus  versorgen  soll. 
Von  den  Fischen  an  besteht  dagegen  allgemeine  Verbreitung,  wenn 
auch  mit  zahlreichen  Modificationen  der  Ausdehnung  und  des  Verlaufs  des 
Grenzstranges,  sowie  der  aus  dessen  Ganglien  zum  Verbreitungsbezirke 
abgehenden  Nerven. 

Sümesorgane. 

§  365. 

Die  Anordnung  und  der  Bau  der  Sinnesorgane  lassen  im  Allge- 
meinen ahnliche  Zustände  wie  hei  vielen  wirbellosen  Thieren  erkennen, 
allein   diese  Apparate  bieten   so  viel  Besonderes,    dass  eine  unmittel- 

0«g«Bbaar,  Onin4riM.  85 


546  Wirbelihiere. 

bare  Anknüpfung  an  die  Sinnesorgane  Jener  vornehmlich  (Ur  die  Organe 
der  höheren  Sinne  nicht  gerechlfertigl  ist. 

FUr  aJIe  gemeinsam  besteben  Difierenzirungen  des  lniegum«iles, 
die  sich  mit  Nerven  in  Zusammenhang  setzen.  Die  Art  der  Belheiligung 
des  Integumeutes  ist  nach  der  Qualität  des  Organes  versdiieden.  Hau 
unterscheidet  die  Sinnesorgane  in  solche,  welche  einer  specifischen 
Wahrnehmung  vorstehen,  als  höhere  Sinnesorgane,  und  in  solche, 
welche  indifferenterer  Natur  verschiedenartigen  WabmehmungeD 
zu  dienen  scheinen,  die  man  sämmtlich  dem  GefUhlsinne  unterstem. 
Da  unter  den  nicht  zu  den  bekannten  spe- 
f  g   seo  ciBschen  Sinnesorganen  zu  z&hlenden  Apparaten 

manche  durch  eine  hochgradige  Difierenzirong 
sich  auszeichnen ,  ohne  dass  die  Binrichluiigen 
erlaubten,  sie  als  einfach  dem  »Tastsinm  die- 
nende Organe  anzusehen,  ist  es  nicht  ungerecht- 
fertigt, ausser  den  bekannten  noch  andere  spe- 
cifische  Sinnesorgane  anzunehmen. 

Die  grOsste  Mannichfaltigkeit  der  hieher  be- 
zt^lichen  Organe  wallet  bei  den  Fischen,  und 
scheint  mit  dem  Leben  im  Wasser  in  Zusammen- 
hang zu  sieben,  da  manche  dieser  Einrichtungen 
auch  bei  Amphibien  wiederkehren.  Als  die 
wichtigsten  Organe  dieser  Art  sind  folgende  auf- 
zuführen : 

1.    Becherförmige     Organe.      In    die 

F.pidermis schichte    eingebettete ,    grössere ,    von 

langen ,    wie   es  scheint  contractilen  Zellen  uni- 

"  gelrene  Gebilde,    welche   stäbchenförmige  End- 

apparale  von  Nerven  beiden ,    sind  in  der  Haut 

von    Teleostiem    und    vom    Stör    beobachtet    und    scheinen    auch   bei 

Amphibien  verbreitet  zu  sein.     Auch  am  Kopfe  von  Reptilien  kommen 

sie  vor. 

i.  Schleimcanale.  Ein  am  Kopfe  von  Fischen  in  regelraüssiger 
Form  sich  verzweigendes  Bohrensyslem  verlauft  in  der  Lederhaul  und 
öffnet  sich  an  bestimmten  Stellen  mit  Seilenzweigen  nach  aussen. 
Nahe  der  Mündung  enthalt  die  AOhre  den  Endapparat  eines  Nerven- 
Zweiges.  In  gleichem  Verhalten  vom  Kopfe  aus  erstreckt  sich  ein  Csoal 
längs  der  Seite  des  Körpers  bis  zum  Schwänze.  Sowohl  an  dieser 
Seitenlinie  wie  amKopftheile  des  Röhrensyslems  erhalten  die  Nerven- 
endigungen bei  GanoYden  und  Teleostiem  einen  vom  Hautskelete  ge- 
lieferten Schutzapparat,    indem  sie  entweder  in   modificirte  Schuppen 

Fig.  960.  Becherformigo  Organe  aus  der  Gaumensch  leim  baut  von  Tinea, 
n  Die  Lamellen  der  Lederhaut  durch  setzen  de  Nervenbündel,  welche  lu  den  Jo  der 
Epidermis  gelagerlen ,  von  Papillen  gelragenen  Bechern  b  treten.  Von  dfesm  i» 
nnr  die  HuHsere  aus  langen  Zellen  gebildete  Partie  dargestellt.     (Nach  H.  ScNutuJ 


Sinnesorgane.  547 

eingebettet  sind  oder  sogar  auf  Strecken  in  den  grossem  Deckknochen 
des  Kopfes  sich  bergen.  Sie  worden  früher  für  einen  schleimabson- 
dersden  Apparat  gehalten.  Von  diesen  Organen  sind  bei  Amphibien- 
larven  Sparen  beobachtet,  welche  später  verschwinden. 

d.  Gallert  röhren.  Verschieden  lange  mit  einer  Gallerte  ge- 
füllte dünnwandige  Röhren  münden  mit  feinen  Oeffnungen  aus,  und  tragen 
am  entgegengesetxten  Ende  in  einer  amputlenartigen  mannichfaltig  gestal^ 
teten  Erweiterung  gleichfalls  Nervenendigungen.  Diese  Organe  sind  am 
Kopfe  der  Selachier  in  grosser  Menge  verbreitet,  meist  in  die  Nähe  des 
Rostrums  gelagert,  aber  auch  an  entfernte  Theile  verlaufend;  so  sind 
sie  z.  B.  bei  den  Rochen  bis  über  die  Brustflosse  erstreckt  (Fig.  847.  /] . 

Bei  den  höheren  Wirbelthieren  erscheinen  die  Nervenendigungen 
im  Integumente,  soweit  sie  bis  jetzt  bekannt,  mit  minderen  Compli- 
cationen,  wie  z.  B.  in  den  in  den  Cutispapillen  gelagerten  Tastkörper- 
chen der  Säugethiere. 

Modificationen  verschiedener  KOrpertheile  in  Verbindung  mit  Aus- 
bildung der  dem  bezüglichen  Integumentüberzuge  zukommenden  End- 
organe der  sensiblen  Nerven  lassen  besondere  als  Tastorgane  fun- 
girende  Apparate  entstehen.  Die  einzelnen  Vorrichtungen  dieser  Art 
sind  ausserordentlich  mannicbfacb,  und  gehören  zu  den  aus  speciellen 
Anpassungen  entstandenen  Bildungen,  daher  sie  nur  kurz  zu  erwähnen 
sind.  Bei  den  Fischen  werden  solche  Organe  durch  die  bei  vielen  in 
der  Nähe  des  Mundes  stehenden  »Bartelm  vorgestellt,  die  jedoch  sicher- 
lich ebenso  gut  als  Lockorgane  fungiren.  Sie  finden  sich  bei  StOren, 
Welsen,  manchen  CyprinoYden  etc.  Bei  den  Triglen  fungiren  einige 
von  den  Brustflossen  abgelöste  nervenreidie  Strahlen  vorzugsweise  als 
Tastorgane.  Bei  den  Vogeln  hat  der  Tastsinn  nicht  selten  seinen  Sitz 
in  der  weichen  Spitze  des  Schnabels ;  so  bei  den  Schnepfen,  Enten  etc. 
Dann  finden  wir  bei  den  Säugethieren  als  Tastapparate  steife,  borsten- 
ähnliche, an  der  Oberlippe  oder  auch  über  den  Augen  stehende  Haare, 
die  nicht  allein  beträchtlich  verlängert  sind,  sondern  auch  durch  den 
Nervenreichthum  ihrer  Follikel  vor  den  übrigen  Haarbildungen  sich 
auszeichnen.  Endlich  dienen  bei  vielen  Säugethieren  die  Gliedmaassen 
selbst  sowohl  durch  den  Nervenreichthum  ihrer  Volar-  und  Plantar- 
fldobe,  als  durch  die  Beweglichkeit  ihrer  Endglieder  zu  solchen  Vor- 
richtungen. 

§  366. 

Da  der  Geschmackssinn  sich  unserer  Beurtheiiang  in  dem  Maasse 
entzieht,  als  ein  Organismus  dem  menschlichen  entfernt  steht,  wird 
über  Geschmacksorgane  der  meisten  Wirbelthiere  mit  wenig 
Sicberfaeit  zu  urtheilen  aein.  Es  können  daher  nur  im  Allgemeinen 
die  in  der  Mundschleimhaut  gelegenen  Endorgane  von  Nerven  als  solche 
Organe  angenommen  werden.  Diese  bieten  bei  Fischen  nichts  Spezi- 
fisches dar,  sind  vielmehr  mit  den  auch  im  äussern  Integumente  ver- 

«5» 


548  Wirbelthiero. 

breiteten  becherförmigen  Organen  in  Uebereinstimmung ,  was  aus  der 
Genese  der  Mundhöhle  leicht  begreiflich  wird.  Am  genausten  sind  sie 
von  der  Gaumenregion  bekannt  (vergl.  Fig.  260),  an  der  bei  den  Gypri— 
noYden  die  Schleimhaut  mit  reichen  Muskelfasern  durchwebt  ist.  Bei  deo 
Amphibien  erscheint  die  Zunge  als  der  vorzugsweise  Sitz  jener  Gebilde 
die  man  auch  als  »Schmeckbecher«  bezeichnet  hat,  und  wenn  die  Zunge 
bei  Reptilien  und  Vögeln  in  der  Regel  jenen  Beziehungen  entfremdet 
erscheint,  so  findet  sie  sich  doch  wieder  bei  den  Sfiugethieren  mit 
denselben  Schmeckbechem  ausgestattet,  die  an  den  Seitenflächen  der 
Papulae  circumvallatae  angebracht  sind. 


Riechorgane. 
§  367. 

Riechorgane  treten  bei  allen  Wirbelthieren  als  flache,  am  Kopfe 
gelegene  Gruben  auf,  in  denen  der  Olfactorius  mittels  stäbchenförmiger 
Rndapparate  vom  umgebenden  Medium  Erregungen  zu  empfangen  im 
Stande  ist.  Es  ist  also  eine  difierenzirte  Strecke  des  Integumentes, 
welche  das  Sinnesorgan  vorstellt.  Wenn  wir  auch  bei  den  im  Wasser 
Lebenden  —  Fischen  und  Amphibien  —  keineswegs  im  Stande  sind, 
diesen  Gebilden  genau  dieselbe  Function  zuzuschreiben,  die  sie  bei 
den  in  dem  anderen  Medium  lebenden  nachweisbar  besitzen,  so  muss 
es  doch  gestattet  sein,  sie  wenigstens  mit  dem  Namen  jener  Organe 
zu  bezeichnen,  da  wir  sie  in  continuirlicher  Folge  zu  den  complicir- 
teren,  bestimmt  Geruchswahmehmungen  dienenden  Organen  der  höheren 
Wirbelthiere  übergehen  sehen. 

Bei  den  Leptocardiern  ist  jene  Riechgrube  unpaar  (Monorhina). 
Ebenso  erscheint  das  Organ  bei  den  Cyclostomen,  jedoch  in  einen 
tieferen  Schlauch  (Fig.  24  4.  g')  umgewandelt,  der  bei  Petromyzon  blind 
geendigt  {gr) ,  bei  den  MyxinoYden  in  einen  den  Gaumen  durchbohren- 
den Canal  umgestaltet  ist,  dessen  Wandungen  ein  durch  Knorpdrioge 
gebildetes  Rohr  stutzt.  Die  Uhrigen  Wirbelthiere  (Amphirhina)  be- 
sitzen paarige  Riechgruben.  Bei  den  Fischen  bleiben  sie  meist  in 
diesem  Zustande  bestehen  oder  erscheinen  nur  wenig  vertieft.  Vom 
Rande  her  ragen  bei  den  Selachiern  zwei  Fortsätze  einander  entgegen, 
durch  welche  die  ursprunglich  einfache  Oeffnung  in  eine  ein-  und 
eine  ausleitende  zerlegt  wird.  Die  Knochenfische  zeigen  dies  Verhtfltniss 
noch  weiter  gestaltet,  indem  Über  die  Grube  eine  continuirliohe  Haat- 
brücke  gespannt  ist,  und  beide  somit  völlig  getrennte  OeShungen  zu- 
weilen sogar  weit  auseioander  rücken  können.  Beide  Oeffnungen,  am 
häufigsten  die  vordere ,  können  röhrenförmig  vorspringen.  Die  aus- 
kleidende Schleimhaut  bildet  bald  radiäre  bald  parallele  Falten,  welche 
mit  secundären  Faltchen  eine  beträchtliche  Oberflächenvergrösserung 
hervorrufen.     Die  gesammte  Fläche  nimmt  die  Endigungen  des  Riech- 


Klechorgane.  549- 

DervBD  auf.  In  «ioer  andern  Hodilication  erstreckt  sich  die  Riech- 
scbleimbant  dber  eine  papillenartige  Vorragung,  wobei  unter  Entfaltung 
der  Oberflacbenvei^rtlsaening  nach  aussen  bin,  die  Grubenbildung 
aufgehoben  wird. 

Viele  Selachicr  und  die  CbimSren  besitteii  eine  Verbindung  der 
Riecbgnibe  mit  der  HundOffnung,  indem  eine  von  ersterer  ausgehende 
Biane  (Nasenrinne)  zum  Hundwinkel  fuhrt  (Fig.  S61].  Die  Rinne 
wird  häufig  von  einer  medialen  Hautfalte  überlagert,  und  gestaltet 
sich  nidit  seilen  zu  einem  tieferen 
Canale  (Rochen).      In   dieser  Einrieb-  •  „ 

lung  eiteonen  wir  einen  Schrittt  zu 
dem  Verbalten  der  übrigen  Wirbel- 
tbiere,  deren  Riechgniben  nur  wahrend 
einer  frühen  Embryonalperiode  ober- 
Oächlich  gelagert  sind.  Die  "bei  den 
Pischen  bleibende  Einrichtung  gebt  hier 
vorüber,  und  ein  wahrend  der  Weiter- 
entwickelung  sich  abspielender  Process 
lasst  die  Riechgniben  in  die  Tiefe  Ire- 
leo.  Dies  geschieht  durch  bedeuten- 
des Wachslhum  der  die  Gruben  me- 
dial, vorne  und  lateral  begrenzenden  Theile,  und  indem  auch  die 
Rander  der  Nasenrione  gegeneinander  wachsen,  entsteht  ein  Canal,  der 
von  der  Riecbgnibe,  und  damit  von  aussen  nach  innen  zur  primitiven 
HnndhObte  fahrt,  und  hinter  dem  nunmehr  von  neuen  Theilen  gebil- 
deten Kieferrande  sich  flflhet. 

Dieses  Verhalten  repi^sentiren  die  Dipnol  und  die  Amphibien. 
Die  innere  Oeffnung  des  Nasencanals  liegt  bei  den  ersteren  wie  bei 
den  Perennibrancbiaten  sogar  noch  innerhalb  des  weichen  Hundrandes. 
Bei  den  Salamandrinen  und  bei  den  Anuren  ist  sie  von  festm  Kiefer- 
Iheilen  umgrenzt. 

Die  primitive  Riechgrube  selbst  ist  mit  der  Bildung  eines  Nasen- 
canals  in  die  Tiefe  einer  Hohle  gerückt,  die  als  eine  Ausbuchtung  des 
Canals  erscheint,  und  durch  diesen  sowohl  nach  aussen  als  nach  innen 
communicirt.  Die  Flache  der  Riecbgnibe  complicirt  sich  dabei  durch 
Bildung  von  VorsprUngen,  welche  vom  Knorpel  der  ElhmoTdalregion  eine 
Stütze  erhallen,  die  Nasen  muscheln.  Bei  den  Amnioten  kommen  fernere 
Complicationen  zum  Vorschein  durch  welche  der  obere  Theil  der  primi- 
tiven Hundhflhie  zu  einem  die  Riechgrube  aufnehmenden  Räume  sich  ge- 
staltet, in  dessen  oberem  Abschnitte  die  Riech  schleim  haut  ausgebreitet 
ist.  Die  den  Endapparst  des  Olfactorius  tragende  Schlei mhautflacbe 
ist  bei  den  meisten  Saugethieren  durch  gelbliche  oder  braunliche  Fftrbung 

Pig,  Ht.  ÜDler«  Fluche  des  Koptes  von  Scyllium.  m  Hundspalle.  oEln- 
Hsne  lor  Hiechgmbe.  n  Nasenklappe  In  utUrlicber  Lage,  n'  Aufgescb lagen« 
Nasenklappe.   r  NuenriDOe,   Die  Puncto  stelIeD  HUndnogen  der  Schlelmcaneie  vor. 


ft50 


Wirbelthiei 


cbarakterisirt.  Die  primitivo  Biecbgrube  isl  dabei  nichl  mcbr  als  deul- 
iieh  ahgegrenites  Organ  unterscheidbar ,  so  dass  die  neue  Einrichlung 
der  Nasenhöhle  am  besten  bei  jenem  Appar<tte  betrachlel  wird,  dem 
sie  ihre  Entstehung  verdankt,  der  HundhQhle. 


Sehorgone. 

§  368. 

Das  Auge  der  Wirbellbicre  erscheint  im  WcsenlUchslen  auT  ähn- 
liche Weise  gebaut  wie  bei  höher  entwickelten  Abtheiltingen  niederer 
Tbiere,  allein  schon  in  der  Oati^enie  des  Organes  spricht  sieb  ein 
anderer  Typus  aus,  der  nicht  minder  in  den  feineren  Slructurverhall- 
nissen  wiederkehrt.  Wir  bal>en  deshalb  keine  unniillelbarc  Verknüpfung 
mit  den  relativ  ausgebildeten  Zustünden  des  Sehorganes  anderer  Thier- 
stämme,  treffen  dagegen  in  der  niederen  Form  des  Auges  von  Amphi- 
osus  Verkntlpfungen  mit  den  bei  Würmern  bestehenden  Verhülinisscn. 
Jenes  Auge  erscheint  als  ein  unmittelbar  dem  centralen  Nervensystem 
aufgelagerter  Pigmentfleck. 

An   der   Zusammensetzung   des  Auges   bctheitigt   sieb   sowohl   das. 
centrale  Nervensystem   als   das   Integument.      Ersteres   lässt   die  lichi- 
percipirenden,  leliteres  die  licbtbrechenden  Apparate  hervorgeben,    Ais 
erste   Anlage    des  Auges    erscheint  eine   seitlich   vom  Vorderhirn   sich 
entwickelnde  Ausbucb- 
Fig.  S6i.  tung  (Fig.    262.  A.  a], 

die  sich  zu  einer  durch 
einen  Stiel  {b]  mit  der 
Hirnanlage  [c]  zusam- 
menhitngenden  Blase  ge- 
staltet. Indem  diese 
■primitive  Augenblasei 
gegen  das  Integument 
verwuchst,  tritt  sie  mit 
letzterem  zusammen  und 
von  dem  die  Epidermis- 
schichte  reprasentiren- 
den  Hornblatte  des  Integumentes  beginnt  eine  Wucbemng,  welche  die 
vordere  Wand  der  Blase  gegen  die  hintere  einstülpt  (Fig.  268.  B).  In 
gleicher  Weise  wilchsl  unter  dieser  Wucherung  von  der  Anlage  des 
Corium   her   gegen  die  Augcnblasc   ein  Fortsatz ,    welcher  auch  deren 

Flg.  161.  Ä  Senkrechter  QuerschniU  durch  die  KopfMlage  etno»  Fisches. 
c  Gehirn,  a  Primitive  Augcnblase.  b  Stiel  derselben,  durch  den  sie  mildem 
Uedultarrohr  comniiinicirl.  d  Hautschiebte.  B  Späleres  Stadium.  BilduuK  >i" 
Mcundären  Augenbiase,  p  Vordere  Wand  (Plpmeulschichte).  r  HiDtere  Wind 
(Relinaschichle)  der  primitiven  Augeoblese.  s  Hornblatt  (Epidernis!  in  die  srcun- 
dare  Augenbiase  die  Linse  1  einseokend.    Dehioter  Gia^kttrper.    (Nach  S.  Sciin.l 


Sehorgane.  55( 

seüUehe  Wand  mit  der  vorderen  BinslUlpuDg  in  Zasamtnenbani;  bringt. 
Oie  vordere  und  hintere  Wand  der  primitiven  Augenblase  werden 
iluroh  diese  Vorgange  gegen  einander  gelagert,  und  das  Ganze  erttSll 
als  secundare  Augenhiase  die  Gestalt  eines  Bechers,  dessen  Rand  die 
vom  UomblaUc  gelieferte  Wucherung  umfasst.  Letztere  wird  allmSh- 
licb  von  ihrem  Zusammenhange  mit  dem  Horoblalle  getrennt  und  bildet 
die  Anlage  der  Linse  11).  Hinter  der  letzteren  geht  mit  der  Umbil- 
dung des  Stieles  der  primSren  Augenblase  in  den  Sehnerven  in  diesen 
mit  eingeschlossenes  Gewebe  in  eine  allmählich  den  grttssten  Theil  des 
Solbus  fttllende  Substanz  über,  welche  den  Glasksrper  vorstellt.  Von 
dem  die  secundflre  Augenblase  umlagernden  Gewehe  wird  die  innerste 
Schichte  zu  einer  gefbssbaltigen  Haut,  der  Chorioldea,  indess  die 
■osserhalb  der  letzleren  liegende  Schichte  eine  festere  faserige  Mem- 
bran bildet,  die  als  Scierolica  die  secundtlre  Augenblase  umhüllt, 
und  nach  vorne  zu  gegen  die  Verbindung  der  Linse  mit  dem  Uom- 
btalle  ausweichst.  Die  Fortsetzung  dieses  Vorganges  bedingt  die  Ab- 
schnUrung  der  Linse,  und  ein  vor  derselben  gelagerter  durchsichtiger 
Abschnitt  der  Faserhaut  bildet  die  Cornea,  die  gleichzeitig  mit  der 
vor  ihr  lie^nden  iDlegiunentanlage  (Gonjunctiva)  sich  verbindet. 

Wir  finden  also  für  dieses  Stadium  das  Auge  durch  eine  rund- 
liche Kapsel  (Bulbus  oculi]  vorgestellt,  deren  HUlle  (Scierolica)  sowohl 
als  üeberzug  Über  den  Sehnerven ,  und  von  da  zur  Dura  maier  sich  fort- 
setzt, als  auch  vorne  in  die  Cornea  übergebt.  Im  Innern  dieser  Kapsel 
liegt  die  aus  der  eingestülpten  primären  bervoi^egangene  secundäre 
Augenblase,  welche  durch  die  Chorioldea  von  der  Scierolica  getrennt 
wird.  Die  secundare,  durch  das  Einwachsen  des  «Glaskörpers«  mit 
einer  seitlichen  Spalte  versehene  Augenblase  umfasst  vom  die  Linse. 
Ihre  beiden  an  diesem  Vorderende  wie  an  der 
seillichen  Spalte  (Fig.   263.   s)   in  einander  um-  |,-|     j^g 

biegenden  Schichten  {a.  b)  gehen  eine  verschiodene 
DilTerenzirung  ein ,  indem  die  innere  (6)  schon 
sehr  frühzeitig  bedeutend  verdickte,  zur  Retina, 
die  äussere  dUnne  [a)  dagegen  zum  Tapetum 
nigrum  wird.  An  der  untern  inneren  Seile 
der  Anlage  des  Augapfels  wird  mit  dem  Auf- 
treten des  Pigmentes  im  Tapetum  nigrum  ein 
heller  Streifen  deutlich,  der  vom  Sehnerv  bis 
zum  freien  Vorderrande  der  Cboriofdea  sich  er- 
streckt. Er  entspricht  der  durch  das  Einwachsen  der  Glaskürperanlage 
an  der  secundaren  Augenbtase  auftretenden  Spalte  (j),  die  somit  Retina 

.  Fig.  ISI.  DurchschniU  durch  die  «ecundBre  Augenbisse  eines  Fischembryo, 
senkrecht  auf  die  >Choriold  es  Ispalte-  i.  a  AeuMere  Laraelle  (Ttpelum  nigrum). 
c  Innere  Lamelle  IRctina]  der  Aiigeablaie.  c  Vom  Glaskärper  erruiller  Raum, 
d  Linse,  an  welche  die  eingeslülplea  Kander  der  Chorloidealspalle  sieb  anlegen. 
(Nach  S.  ScHiH.) 


552  Wirbelthiere. 

und  die  Pigmentschicbte  der  ChorioYdea  (Tapetum  nigruin)  betreffen 
muss.  Man  bezeichnet  sie  als  CborioYdealspalte ,  obgleich  die  ausser- 
halb der  hier  getrennten  Theile  liegende  ChorioYdea  keineswegs  davon 
betroffen  ist. 

An  dieser  so  gestalteten  Anlage  des  Auges  ergeben  sich  fernere 
Verminderungen  theils  durch  Differenzirung  der  einzelnen  oben  ange- 
führten Theile,  theils  durch  Modificationen  der  Gestalt  des  Ganzen.' 
Mit  dem  Eindringen  des  Cutisfortsatzes  in  die  secundäre  Augenblase, 
wobei  derselbe  Vorgang  auch  an  dem  den  Stiel  der  Blase  darstellenden 
Sehnerven  stattfindet,  gelangen,  (wenigstens  bei  Sfiugethieren)  Blut- 
gefässe in  den  Binnenraum  und  verbreiten  sich  in  der  Peripherie  der 
Glaskörperanlage,  wo  ihnen  ein  bedeutender  Antheil  an  der  Ernährung 
und  am  Wachstbum  dieses  Gebildes  zuerkannt  werden  muss.  Auch  die 
Linse  wird  bei  Säugetbieren  von  einer  gefössführenden  Bindegewebs- 
kapsei  umgeben,  die  vor  der  Geburt,  bei  manchen  sogar  erst  später, 
wieder  verschwindet. 

§  369. 

Bezüglich  der  Formverhäftnisse  des  Bulbus  ergibt  sich  für  die 
Fische  (Fig.  262)  eine  bedeutende  Abflachung  des  vorderen  Segmentes, 
indem  der  im  Verhältnisse  zur  Sclerotica  sehr  ausgedehnten  Cornea  bei 
bedeutender  Dicke  nur  eine  geringe  Wölbung  zukommt.     Auch  unter 

Fig.  265. 


den  Amphibien  finden]!^ sich  einzelne  Abtheilungen  mit  vorne  abge- 
flachtem Bulbus,  während  unter  den  Reptilien  bei  Schlangen  und 
Grocodilen  eine  bedeutendere  Wölbung  der  Cornea  charakteristisch  ist. 
Bei  den  meisten  Vögeln  (Fig.  266)  wird  der  Bulbus  in  ein  vor- 
deres und  hinteres  Segment  getheilt,  wovon  das  erstere  die  stark  convexe 
Cornea  trägt  und  vom  hinteren '^scharf 'abgesetzt  ist.  Diese  eigenthüm- 
liche  Augeuform  erscheint  am  meisten  bei  Raubvögeln  ausgeprägt,  da- 
gegen treten  bei  den  Schwimm-  und  Stelz  vögeln  mit  bedeutender 
Abflachung  der  Cornea  die  umgekehrten  Verhältnisse  auf.     Auch  unter 

[j^Fig.  S64.  Auge  von  Esox  lucius.  Horizontalschnitt,  c  Cornea,  p  Pro- 
cessus falciformis.    s'  s'  Verknöcherungen  der  Sclerotica. 

Fig.  i65.  Auge  von  Monitor.  Horizontalschoitt.  c  Cornea,  p  Processas 
falciformis. 

Fig.  i66.    Auge  von  Falcochrysaö tos.    HorizontalsGfanitt.l p  Kamm.   (Nach 

W.    SöMMEKRlKG.) 


SeborgaiM.  563 

den  SaugethiereD  besieht  bei   vorherrschender  sphärischer  Form   doch  . 
eine  grosse  HaDnichfalligkeil. 

Bezüglich  der  einielnen  Theite  des  Wirbelthierauges  ist  (Ur  die 
Sclerotica  anzuführen,  dass  sie  durch  die  verschiedenen  Fonneo 
der  Biodesubstanz  dargestellt  sein  kana,  und  bald  aus  derbem  Binde- 
gewebe besteht,  bald  aus  knöchernen  Theilen  oder  aus  Knorpel  ge- 
bildet wird.  Letzteres  Verhallen  Bndel  sich  bei  den  Selachiem,  Chi- 
mären und  GanoYden ,  ferner  bei  den  Amphibien  vor.  Bei  den 
Knochenfischen  sind  diese  Verhttitnisse  am  mannicbfaltigslen  und  bald 
ist  die  Sclerotica  nur  aus  Bindegewebe,  bald  aus  Bindegewebe  und 
Knorpel,  bald  wieder  aus  diesem  und  Knochenstücken  gebildet. 

Bei  Eidechsen,  Schildkröten  und  VOgein  wird  der  vordere,  an  die 
Cornea  slossende  Tbeil  der  Sclerotica  durch  einen  Kranz  flacher  anein- 
ander liegender  oder  über  einander  sich  wegschiebender  Knochrastticke 
(Sclerotica! ring]  gestützt  [Fig.  S66.  i'].  Hit  Ausnahme  der  Monotremen 
wird  die  Sclerotica  der  SSugethiere  aus  Binde- 
gewebe dargestellt.  Die  Dickeverfaaltnisse  der 
Sclerotica  sowohl  in  den  einzelnen  Classen  der 
Saugelhierc,  wie  auch  an  verschiedenen  Stellen 
des  Ai^es  sind  vielen  Schwankungen  unter- 
worfen. In  der  Regel  ist  die  Dicke  am  beträcht- 
lichsten am  Uebergange  in  die  Cornea;  bei  den 
im  Wasser  lebenden  SSugetbieren  nimmt  die 
Dicke  nach  hinten  bedeutender  zu,  z.  B.  bei 
Walfischen,   [Fig.  267.  j]. 

Die  Chorioldea  setzt  sich  aus  mehreren  Schichten  zusammeu, 
die  im  Ganzen  mit  den  vom  Menschen  bekannten  übereinstimmen. 
Die  gefässbaltigen  Schichten,  sowie  der  PigmentUbenug  sind  die  wich- 
tigsten davon.  Vorne  bildet  sie  die  faltigen,  bei  Selachiern  und  Ga- 
noYden {Star}  wenig  entwickelten,  bei  den  meisten  Teleostiem  fehlenden 
Ciliarforlfiatze  und  setzt  sich  von  da  als  Iris  fort,  die  mit  ihrem  Innen- 
rande die  in  ihrer  Configuration  sehr  verschiedene  Pupille  begrenzt. 
Diese  ist  z.  B.  unter  den  Saugcthioren  in  die  Quere  ausgedehnt  bei 
Wiederkäuern  und  Einhufern,  zuweilen  mit  vorhangartigen  Fransen 
ausgestattet  (Ziegen,  Kameele).  Vertical  verlängert  erscheint  sie  bei 
Camivoren. 

Eine  eigenthUmliche  Hodification  der  Chorioldea  findet  sich  im 
Augengrunde  vieler  Wirbelthiere  als  Tapetum  lucidum,  welches 
eine  meist  grünliche  oder  blauliche,  metallisch  schimmernde  Stelle 
von  verschiedener  Ausdehnung  vorstellt  und  bald  durch  Gruppen  nadel- 
fürmiger  Krystalle  in  den  Zellen  der  Tapetumschichte  (Selachier), 
bald  durch  ein  faseriges  Gewebe  (camivore  Saugetbiere  und  Wieder- 

lena  myslicetaa.  HoriiontalschniH.  {Nach  W.  SOm- 


554  WirbelUliere. 

käuer)    dargostellt   wird.      Sie    bedingt   das  Leuchten   der  Augen   im 
Dunkeln. 

Als  eine  besondere  der  Choriolidca  äusserlicb  anliegende  Bildung 
kommt  bei  Fischen  ein  Gefassplexus  vor,  die  sogenannte  ChorioYdeal- 
drUse.  Eine  den  vorderen  Abschnitt  der  Cboriotdea  umgebende  mus- 
kulöse Schichte  bildet  zum  grössten  Theil  den  als  Ligamentum  ciliare 
bekannten  Ring,  der  meist  in  mehrere  Schichten  geordnet  ist.  Von  da 
aus  setzt  sich  die  Muskulatur  in  die  Iris  fort,  in  der  radiäre  und 
circuläre  Fasern  vorkommen.  Bei  Fischen,  Amphibien  und  Säugethieren 
besteht  diese  Muskulatur  aus  glatten  Fasern;  aus  quergestreiften  bei 
Reptilien  und  Vögeln. 

Die  der  GhorioYdea  angelagerte  Retina  erstreckt  sich  bis  xum 
Anfange  des  Ciliarkörpers  der  ersteren  nach  vorne.  In  ihr  findet  der 
Sehnerv  seine  Ausbreitung  und  Endigung.  Die  Vertheilung  der  Seh- 
ncrvenfaseirn  nimmt  die  innerste  vom  Glaskörper  nur  durch  eine  dünne 
Membran  getrennte  Schichle  der  Relina  ein^  darüber,  also  nach  aussen 
zu  liegt  eine  Schichte  von  Ganglienzellen,  worauf  noch  zwei  aus  kleinen 
Zellen  gebildete  Schichten  (sog.  Körnerschichteh)  folgen,  die  durch 
Schichten  theilweise  radiärer  Fasern  von  einander  getrennt  sind.  Diese 
Schichten  werden  von  den  Endfasern  des  Opticus  derart  durchsetzt, 
dass  die  Elemente  der  Schichten  mit  jenen  zusammenhängen,  gleich- 
sam in  sie  eingeschaltet  sind.  Zu  äusserst  folgt  endlich  eine  aus  Stäb- 
chen- und  zapfenförmigen  Gebilden  zusanimengesetzte  Schichte,  die 
Stäbchenscbichte.  Diese  den  Krystallstäbchen  des  Arthropodenaij^es 
oder  den  Stäbchen  des  Motluskenauges  ähnlichen  Endapparate  sind  also 
hier  der  Oeflnung  des  Auges  abgekehrt,  und  dadurch  unterscheidet 
sich  das  Wirbelthierauge  von  den  Seh  Werkzeugen  der  Wirbel  losen, 
wie  sehr  auch  sonst,  z.  ß.  im  Molluskenauge,  manche  Uebereinstimmun- 
gcn  bestehen.  Dieses  gänzlich  verschiedene  Verhalten  des  percipiren- 
den  Apparates  ist  ein  neuer,  verwandtschaftliche  Verhältnisse  zwischen 
Mollusken  und  Vertebratcn  ausschliessender  Punkt.  Mit  der  Ent- 
stehung der  secundären  Augenblase  hängt  die  Bildung  eines  besonderen 
Organes  zusammen,  welches  von  der  Uebergangsstelle  des  Sehnerven 
in  die  Retina  in  den  Glaskörper  eindringt,  und  ohne  directe  Verbin- 
dung mit  der  GhorioYdea  einen  gefässhaltigen  dunkel  pigmentirlen  Forl- 
satz vorstellt.  Ein  solcher  findet  sich  als  processus  faiciformis  im 
Auge  mancher  Teleostier.  Das  bei  manchen  Fischen  durch  eine 
Schichte  glatter  Muskelfasern  ausgezeichnete  Ende  bietet  eine  an  den 
hinteren  Theil  der  Linscnkapsel  befestigte  Anschwellung,  (Campanula 
Ha  Her  i]  (Fig.  364.  p).  Diese  Fortsatzbildungen  bestehen  in  etwas 
modificirter  Weise  auch  im  Auge  der  Reptilien  und  Vögel.  Bei 
Eidechsen  kommt  eine  kolbig  verdickte,  den  Rand  der  Linsen- 
kapsel erreichende  Falte  vor,  die  auch  Wiederholungen  mehrerer  Falten 
neben  sich  haben  kann  (Fig.  365.  pj.  Im  Auge  der  Crooodile  ist 
dieses  Gebilde  wenig  entwickelt.     Bei   den  Vögeln  ist  es  durch  Ver- 


Sehorgane.  555 

mehruiig  der  Falten  ausgexeichnet,  and  wird  als  Kamm  unterschieden 
(Fig.  266.  p).  Mit  breiter  Basis  entspringend  ragt  es  in  den  Glas* 
kdrper  und  erreicht  bei  manchen  Schwimm-  und  Steixvögeln  gleich- 
lalls  die  Linsenkapsel.  Bei  den  Struthionen  ist  das  finde  des  mehr 
konisch  gestalteten  Kammes  beutelartig  erweitert  (Marsupium).  Dem 
Apteryx  fehlt  er  ebenso  wie  den  Saugethieren.  Daraus  ergeben  sich 
Verschiedenheiten  fttr  die  Eintrittsstelle  des  Sehnerven,  die  je  nach  der 
Aosdehnung  der  Basis  dieses  Fortsatzes  verschieden  weit  sich  nach  der 
Seite  erstreckt. 

Hinsichtlich  der  Linse  ist  die  nach  den  Medien  wechselnde  Form 
bemerkenswerth.  Sehr  gross  und  vollkommen  sphttrisch  erscheint  die 
Linse  der  Fische,  auch  bei  Amphibien  wiederholt  sich  die  runde  Ge- 
stalt und  bei  den  im  Wasser  lebenden  Sttugethieren,  indess  sonst,  wie 
bei  Reptilien  und  Vdgeln,  mehr  abgeplattete  Formen,  allerdings  in 
verschiedenen  Abstufungen  bestehen.  Durch  die  Befestigung  der  Linse 
an  den  Ciiiartheil  der  ChorioYdea  wird  der  Binnenraum  des  Auges  in 
einen  vorderen  und  hinteren  Raum  geschieden.  Den  hinteren  füllt 
der  Glaskörper,  der  vordere  «wischen  Vorderflüche  der  Linse  und  Cornea 
liegende  ist  häufig  auf  einen  minimalen  Abschnitt  beschrankt,  indem 
die  Linse  bei  Reptilien,  und  bei  Vdgeln  sehr  nahe  hinter  der  Cornea 
liegt,  und  dann  unmittelbar  vor  sich  die  Iris  aufgelagert  hat. 

§  370. 

Mit  dem  Auge  stehen  Hilfsorgane  in  Verbindung,  welche  theils 
lur  Bewegung,  theils  zum  Schutze  des  Bulbus  dienen,  und  in  ihrer 
Umbildung  sehr  verschiedene  Grade  aufweisen.  Die  Bewegungen  des 
Augapfels  werden  aligemein  durch  sechs,  bei  den  MyxinoYden  rUckg^ 
bildete  Muskeln  vermittelt.  Von  diesen  sind  vier  als  gerade,  zwei 
als  schiefe  zu  unterscheiden.  Die  geraden  nehmen  ihren  Ursprung  vom 
hinteren  Theile  der  Orbita  und  sind  bei  vielen  Teleostiern  in  Anpassung 
an  eine  durch  bedeutenderes  Volum  des  Bulbus  bedingte  Länge  in 
einen  Ganal  an  der  Schädelbasis  eingebettet.  Allgemein  ist  ihr  Ursprung 
ziemlidi  weit  hinter  der  Austrittsstelle  des  Opticus,  erst  in  den  hohem 
Abtheilungen  werden  Beziehungen  zu  jener  Stelle  erlangt.  Zu  den 
vier  geraden  Augenmuskeln  kommt  bei  den  Amphibien  und  Reptilien 
noch  ein  den  Bulbus  rückziehender  Muskel,  welcher  den  Opticus  um- 
lagert. Dieser  erhält  sich  auch  bei  den  meisten  Säugethieren  und  zer- 
fällt in  mehrere,  von  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven  in  die  Orbita 
zum  Bulbus  tretende  Abschnitte  (bei  Gamivoren  in  vier).  Von  den 
beiden  an  dem  vorderen  Theile  der  medialen  Orbitalwand  entspringen- 
den Obliqui  geht  der  obere  bei  den  Säugetbieren  eine  Aonderung  des 
Verlaufs  ein.  Er  hat  nämlich  seinen  Ursprung  mit  den  geraden  Augen- 
muskeln gemein,  und  sendet  die  Endsehne  durch  eine  Gelenkrolle  im 
Winkelverlaufe  zum  Bulbus. 


556  Wirbeltbiera. 

Die  Schuizorgane  des  Auges  zerfallen  in  die  Augenlidbildungen 
und  einen  DrUsenapparai.  Das  Auge  erhalt  schon  bei  der  Anlage 
des  Bulbus  einen  Ueberzug  des  Iniegumenies,  welcher  stets  die  Cornea 
überkleidet  (Gonjunctiva  corneae),  oder  ttber  einen  Theil  des  vorderen 
Abschnittes  der  ScIeroUca  sich  erstrecken  kann  (Gonj.  sderoUcae). 
Durch  Faltenbildung  des  Integumentes  in  der  Nähe  des  Bulbus  ent- 
stehen vor  ihn  sich  lagernde  und  ihn  mehr  oder  minder  deckende 
Duplicaturen.  Die  innere  Lamelle  dieser  Falten  ist  eine  Fortsetzung 
der  Conjunctivae  die  am  Rande  ins  äussere  Integument  übergeht.  Solche 
Augcnlidbildungen  bestehen  bereits  bei  Fischen.  Zwei  wenig 
vorragende  und  bewegliche  Duplicaturen  erscheinen  bei  Selachiem  als 
Andeutungen  eines  oberen  und  unteren  Augenlides,  und  bei  manchen 
Haien  ist  noch  eine  am  vorderen  Augenwinkel  entstehende  dritte  Du- 
plicatur  vorhanden,  die  vor  die  Aussenfläche  des  Bulbus  gezogen  werden 
kann  [Niokhautj.  GanoYden  und  Teleostier  besitzen  nur  die  unbe- 
weglichen Falten  oder  auch  nur  Andeutungen  davon,  und  dann  meist 
derart  gelagert,  dass  sie  als  vorderes  und  hinteres  Augenlid  unter- 
schieden werden.  Am  häufigsten  geht  das  Integument  sogar  glatt  an 
die  Cornea  über.  Eine  derartige  Yerbindungsweise  zeigt  sich  auch  bei 
den  Perennibranchiaten  und  Derotremen.  Manche  Salamandrinen  und 
die  Mehrzahl  der  ungeschwänzten  Amphibien  sind  mit  horizontal  ge- 
lagerten Augenlidern  versehen ,  von  welchen  das  untere  bewegliche 
wie  eine  Nickhaut  fungirt. 

Bei  den  Reptilien  und  Vögeln  ist  die  bei  Selachiern  vorhandene  Ein- 
richtung weiter  entwickelt,  indem  nicht  nur  die  Nickhaut,  sondern 
auch  ein  oberes  und  unteres  bewegliches  Augenlid  vorhanden  ist.  Bei 
manchen  Sauriern  (Ascalabotae)  und  den  Schlangen  werden  Augenlider 
al^  eine  ringförmige  Falte  angelegt,  die  weiter  vorwachsend  schliesslich 
eine  vor  dem  Auge  liegende  pellucide  Membran  bilden,  welche  die 
Cornea  von  aussen  gänzlich  abschliesst.  Der  circulären  Anlage  dieser 
Bildung  entspricht  das  kreisförmige  Augenlid  der  Chamäleonten.  Für 
die  beiden  horizontalen  Augenlider  wie  für  die  Nickhaut  besteht  ein 
Muskelapparat,  besonders  für  letztere  von  complicirter  Beschaffenheit. 
Während  die  beiden  horizontalen  Augenlider  bei  Säugethieren  fortf)e- 
stehen,  nur  mit  der  Verschiedenheit,  dass  das  obere  gegen  das  bei 
Reptilien  und  Vögeln  grössere  untere  überwiegt,  ist  die  Niokhaut  Rück- 
bildungen unterworfen.  Sie  besteht  zwar  noch  bei  Vielen,  und  besitzt 
wie  auch  die  beiden  anderen  Augenlider  eine  Knorpellamelle  als  Stütze, 
aber  in  einzelnen  Abtheilungen  ist  sie  auf  eine  am  vorderen  (innem) 
Augenwinkel  liegende  Falte  reducirt,  die  bei  Affen  wie  beim  Menschen 
als  Plica  semilunaris  ihre  ursprüngliche  Bedeutung  verlor. 

Ein  den  Augenlidern  zugetheilter  Drüsenapparat  kommt  erst  bei 
Amphibien  und  Reptilien  zur  Sonderung,  und  tritt  mit  einer  unter 
der  Nickhaut  ausmündenden  Diilse,  der  Harder^schen  Drüse,  auf. 
Sie  besteht  bei  Vögeln  fort  und  ebenso  bei  SSugethieren,  wo  sie,  zuweilen 


HorolviD«.  657 

in  swei  Theile  EerftlleD ,  am  innern  Winkel  der  Orbita  gelagert  ist ; 
den  PrimaIeD  fehlt  eie. 

Eine  (weite  Ablbeilung  von  DrOsen  bilden  die  am  Süsseren  Augen- 
wiokel  gelagerten  ThranendrUsen.  äe  erscheinen  erst  bei  den 
Reptilieo,  von.  geringerer  Grosse  als  die  Üarder'sche  Drilse,  und  ver- 
halten sich  in  dieser  Weise  auch  bei  den  Vögeln.  Eine  grossere  Aus- 
dehnung besitzen  sie  bei  den  Scblangm,  Schildkrilten  und  Ssugethieren, 
deren  TbraneodrUse  aus  einem  Complexe  einzelner,  meist  in  1  oder  S 
grossere  Massen  gruppirter  Drtlsen   besteht;   den   Cetaceen   fehlen  sie. 

Für  das  unter  das  obere  Augenlid  abgesonderte  Secret  dieser 
Drüsen  bildet  sieb  ein  besonderer  AbRlhrweg  schon  im  Embryonalzu- 
sland  ans.  Die  zwischen  dem  Oberkieferfortsatse  und  dem  änsseren 
NasenfortMUe  durch  die  Differentirung  dieser  Theile  gebildete,  von  der 
Gegend  des  inneren  Augenwinkels  gegen  den  Rand  der  Nasengrube 
röhrende  Rinne,  wird  mit  der  Ausbildui^  jener  Fortsätze  mehr  ver- 
tieft (Thranenrinne)  und  bald  von  ihren  Rändern  Uberrvaohsen,  so  dass 
sie  einen  Canal  vorstellt ,  der  nach  Enlal«hung  der  Nasenhöhle  in 
letstere,  und  zwar  unterhalb  der  unleren  Huschel  ausmündet.  Am 
inneren  Augenwinkel  erleidet  dieser  ThrBnencanal  mehrfadie  fernere 
Diflerenziningea ,  von  d«ien  die  Scheidung  in  TbrtinencanlllcäeD  (eine 
grössere  aio  unteren  AugenUde  liegende  Anzahl  [3 — 8]  bei  Crocodilen, 
eiae  geringere  [i]  bei  Vttgeln  und  S8ugethi«ren)  aufgeftlbrt  werden  kann. 


§  371. 

Das  nur  bei  den  Acrania  vurmisste  Hflrorgan  der  Wirbelthiere 
nimmt  gleichfalls  seine  Entstehung  aus  dorn  Integuniente ,  und  wird 
wahrend  der  ersten  Embryonalpcriode  als  eine  in  der  Höhle  des  Nach- 
bims nach  innen  sich  erstreckende  Wucherung  angelegt.  Ein  solches 
oberflächliches,  somit  die  Endigungen  eines  Hautnerven  tragi-ndcs  Organ 
muss  als  der  Ausgangspunkt  der  hochgradigen  Sonderung  gellen,    die 


Fig.  US. 


Fig.  >SS.  EotwickelUDg  das  Labyrinthes  beim  Hühnchen.  Senkrechte 
Querscbnille  der  Scbadelanlage.  /l  LebyriDlbgrube,  Iv  LabyrinthbittscheD.  c  An- 
lage der  Schnecke.  Ir  Recessus  lahyrintlil.  ap  Hinterer  Bogengang,  cie  AeusMTor 
BogengaDg.    vi  Jogularvena.     (Nach  RnNRn.) 


558  Wirbelthiere. 

bei  den  Wirbelthieren  ziemlich  frOhzeitig  eingeleitet  wird.  Aus  der 
ersten  Anlage  geht  ein  mit  einer  deutlichen  Coramunication  nach  aussen 
versehenes  BIftschen  hervor  (Husghke)  ,  welches  allmählich  sich  ab- 
schnürt (vergl.  Fig.  ä68j  und  mit  der  Diiterenzirung  der  knorpeligen 
SchSidelkapsei ,  von  dem  hinteren  seillichen  Abschnitte,  derselben  um- 
schlossen wird.  Dieses  primitive  0  h  r  b  I  äs  c  h  e  n  ist  die  Anlage  eines  com- 
plicirt^n  Hohlraumsystemes,  in  dessen  Wänden  der  Acusticus  mit  End- 
apparaten in  Verbindung  steht.  Aus  ihm  entsteht  das  hautige  Laby- 
rinth, und  die  es  und  seine  Differenzirungen  als  knoi*pelige  Ohrkapsel 
umgebenden  Wandungen  des  Craniums  werden  zum  knorpeligen  und 
knöchernen  Labyrinthe.  Zu  jenem  wichtigsten  Abschnitt  des 
Hörorganes  treten  in  den  höheren  Abtheilungen  der  Wirbelthiere  noch 
besondere  Vorrichtungen  als  Hilfsorgane,  vorzüglich  als  Apparate  der 
Schall -Leitung  hinzu. 

Der  einfachste  Zustand  des  Labyrinthes  findet  sich  bei  den  Cyclo- 
stomen.     Von  dem  primitiven  Blöschen   hat  sich  bei  Myxinolfden   eine 
an  zwei  Stellen  mit  ihm  in  Zusammenhang  bleibende  Strecke  gesondert, 
die  einen  halbkreisförmigen  Ganal  bildet,  und  so  das  ganze  Labyrinth 
ringförmig    erscheinen    lässt.      Die   Petromyzonten    bieten    zwei   dieser 
Canälo  dar,   jeder  mit  einer  ampullenartigen  Erweiterung  beginnend, 
und  der  übrige  Theil  des  Labyrinthbldschens  bildet  den  »hSutigen  Voi^ 
hof«  (Vestibulum),  an  dem  eine  besondere  Ausbuchtung  als  Anlage  einer 
neuen    Differenzirung    auftritt.      Bei    den    gnathostomen    Wirbelthieren 
kommt  es  noch  zur  Bildung  eines  dritten  Canals,  so  dass  von  nun  an 
drei   halbkreisförmige   Canäle   mit   dem  Vorhof  in  Verbindung   stehen. 
Die  bei  der  Einsenkung  des  Labyrinthbläschens  entstehende  stielartige 
Verlängerung   bleibt  auch  nach  der  Difierenzirung  des  Labyrinthes  als 
eine  Fortsatzbildung  desselben   (Ductus  endolymphaticus)  bestehen  und 
wird    sogar    bis    zur  Oberfläche    des   Craniums    offen    gefunden    (Se- 
lachier).     Auch   bei   Reptilien    (Natter,    Eidechse)  besteht  jener  Ganal, 
der  sehr  frühzeitig  sich  nach  aussen  abschliesst,  und  an  diesem  blinden 
Ende  sich   erweitert.     Er  wird  mit  der  Entwickelung  des  knöchernen 
Schädeldaches  in  die  Schädelhöhle  mit  eingeschlossen,    und  bildet  bei 
den  Embryonen  jener  Thiere  den  Recessus  labyrinthi.    Bei  den  Vögeln 
besteht  derselbe  (Fig.  268.  /.  r)  nur  vorübergehend  als  ofiener  Raum, 
ähnlich    auch   bei   den  Säugethieren ,    wo  er  später  den  sogenannten 
Aquaeductus    vestibuli    vorstellt.     Vorbof  und   Bogengänge  füllen  die 
Räume  des  soliden  Labyrinthes  nur  theilweise  aus.     Sie  sind  bei  allen 
Fischen  von  beträchtlicher  Grösse.    Bei  Selachiem  und  Lepidosiren  wird 
das  Labyrinth    vollständig  von  den  Wandungen  der  Schädelhöhle  um- 
geben,   während   bei  Ghimaera,    den  GanoYden   und  Teleostiem  diese 
Umschliessung  sich  nur  auf  einen  Theil  des  Labyrinthes  erstreckt,  und 
ein  anderer,  der  mediale,  frei  in  die  Schädelhöhle  sieht  (Fig.  269).    Von 
den  drei  Bogengängen  sind  zwei  in  der  Richtung  von  mehr  oder  minder 
senkrechten  Ebenen  gelagert ,   und  werden  als  vorderer   (Fig.  269.  e) 


Hfirorgane.  559 

tmd  hintflrer  (rf]  unterscttieden.  Ein  dritter,  Äusserer,  Hegt  in  einer 
mehr  horiiontnIeD  Ebene.  Die  beiden  senitrecblen  besilseo  metsl  ein 
gemeinsames  EinmUndestttck  [c]  in  den  VoHiof  und  an  den  beiden 
anderen  Enden  Ampullen.  Der  horizontale  Bogengang  besKzt  die 
Aiopulla  an  seinem  biitteren  Schenkel. 

§  372. 

Der  die  Bogeng&nge  entsendende  Tbeil  des  Labyrinthes  sondert 
sich  sclion  bei  den  Fischen  in  mehrere  Abschnitte.  Bin  oberer  sieht 
mit  den  Bogeng&ngen  in  unmittelbarem  Zusammenbange  (Utriculus, 
Alveus  communis],  und  verbindet  sich  zu^eich  in  verschiedenem  Hsasae 
deutlich  mit  einem  unter  ihm  gelegenen  Säckchen  (Sacculus).  Sowohl 
Saccolus  als  Utriculus  enthalten  «Is  Otolithen  Concremente  von  ood- 
slanter,  nach  den  Abtheilungeo  wechselnder  Form,  die  oft  eine  an- 
sehnliche Grosse  erlangen  können ;  der  des  Sacculus  wird  als  Sagilta, 
jener-  des  Utriculus  als  Lapillus  bexeichnet.  Am  Utriculus  zeigt  sich 
eine  fernere  Sonderung  in  mehrere  Abschnitte.  Sowohl  an  der  Wand 
beider  RUume  als  auch  an  den  Ampullen  der  Bogengänge  findet  der 
Uebei^ang  von  Acuslicus-Aesten  in  Endapparate  statt;  in  den  Ampullen 
liegen  sie  auf  einer  Querleiste  [Crista  acuslica),  in  den  Sadichen  bilden 
sie  die  Maculae  acusticae. 

tn  dem  Verhalten  des  Utriculus  und  Sacculus  finden  sich  zahlreiche 
HodiRcationen  vor,  ebenso  in  der  Lagerung  der  Bogengänge  zu  ein- 
zelDen  Tbeilen  des  Sch&dels.  In  erslerer  Beziehung  sind  Veriiin- 
duD(;en  des  hantigen  Vorhofes  mit  der  Schwimmblase  bemerkenswerth. 
Die  Einricfatung  selbst  kommt  auf- verschiedene  Art  zu  Stande,   findet 

Fig.  iS». 


Pig.  Itfl.  Gehttroi^en  von  Cyprinus  csrpjo.  a  Veslibulum  membrana- 
cenm.  b  Ampulle  des  hinteren  und  Süsseren  balbkreisfttrtntgeD  Canales.  e  Ver- 
einigter vorderer  und  hlDlerer  CaDai,  d  Hinterar,  «vorderer,  ^Csnalls  sinnt  im- 
parfs.  g  Sinus  euditorius  inuinbranaceui  Impar.  h  Claustrum.  t  i  1  Ketle  der  Ver- 
bin dnnKsk  noch  eichen,  mn  Schwimmblase,  o  Lnftgang.  p  ;  r  i  Dornfortsätie  der 
ersten  Wirbel.  Die  Zahlen  bezeichnen  die  einielnen  SchBdclknochen:  I  Occipilale 
basOaro,  1  laterale.  8  i  Occlpltale  superiiis.  G  Pelrosiim.  7  SchcilelbeJn.  to  Ali- 
spheao'Id.    n  Frontale.     (Nach  E.  R.  Wbsis.] 


560  Wirbelthiere. 

sieb  am  einfachsten  bei  einigen  PerooYden  und  SparoYden,  wo  der  Vor- 
hof  sich  lu  durchbrochenen,  nur  mit  einer  Membran  geschlossenen 
Stellen  des  Schadeis  fortsetzt,  an  welche  Verlängerungen  der  Schwimm- 
blase sich  anlegen.  Gomplicirter  gestalten  sich  die  Verhältnisse  bei 
vielen  Familien  der  Physostomen.  Bei  CyprinoYden  erstreckt  sich  der 
Sacculus  (Fig.  269.  a]  nach  hinten,  um  sich  mit  dem  der  anderen 
Seile  durch  einen  querliegenden  Ganal  (Sinus  impar]  zu  verbinden. 
Aus  letzterem  tritt  jederseits  ein  häutiges  Säckchen  (Atrium  sinus 
imparisj  zu  einer  am  hinteren  Schädelabschnitte  gelegenen  Oeffiiung, 
welche  zum  Theile  von  einem  napfförmigen  Knochenstückchen  ver- 
schlossen wird.  Dieses  verbindet  sich  durch  Bandmasse  mit  einer 
Reihe  verschieden  geformter  Knochenstttckchen  (t,  Ä:,  /) ,  von  welchen 
das  letzte  und  grösste  dem  vorderen  Ende  der  Schwimmblase  (m)  ange- 
heftet ist.  Diese  Knöchelchen  gehen,  aus  den  Anlagen  vorderer  Rippen 
hervor,  und  bilden  eine  oontinuirliche  Kette  zwischen  dem  Vorhofe 
und  der  Schwimmblase.  Auch  die  SiluroYden  und  ClupeYden  bieten 
ähnliche  aber  in  anderer  Weise  ausgeführte  Verbindungen  mit  der 
Schwimmblase  dar. 

§  373. 

Das  Labyrinth  der  Amphibien  wird  vollständiger  von  der  Schädel- 
wand umschlossen,  und  jenes  der  Reptilien,  Vögel  und  Säugethiere 
liegt  ganz  in  knöcherne  Theile  eingebettet.  An  Umfang  tritt  es  gegen 
die  bei  Fischen  gegebenen  Dimensionen  bedeutend  zurück.  Relativ 
ansehnlich  ist  es  noch  bei  den  Amphibien,  am  wenigsten  umfänglich 
bei  Säugethieren.  Die  allgemeinen  Verhältnisse  des  Labyrinthes  bieten 
im  Wesentlichen  Uebereinstimmungen  dar.  Verschiedenheiten  Hegen 
theils  in  der  Art  der  Verbindung  der  beiden  Vorhofsräume,  des  Utri- 
culus  und  Sacculus,  untereinander,  sowie  in  dem  Verlaufe  der  vom 
IJtriculus  entspringenden  Bogengänge.  Von  den  letzteren  kann  der 
hintere  sich  mit  dem  äusseren  kreuzen  (Vögel). 

Dem  mehr  gleichartigen  Verhalten  des  geschilderten  Abschnittes  des 
Labyrinthes  gegenüber  stellt  sich  ein  erst  in  den  höheren  Abtheilungen 
selbständig  entfalteter  Theil,  der  bei  den  Säugethieren  seiner  Gestalt 
gemäss  als  Schnecke  (Cochlea)  bezeichnet  wird  und  von  den  unteren 
Abtheilungen  her  eine  oontinuirliche  Reihe  allmählicher  Differenzirungen 
nachweisen  lässt  (Hasse).  Bei  Fischen  findet  sich  eine  Spur  hievon 
in  einer  meist  unansehnlichen  nur  in  einigen  Fällen  ausgedehnteren 
Ausbuchtung  des  Sacculus.  Sie  führt  bei  den  Selachiem  viele  kleine 
Ololithen,  bei  Teleosliern  einen  grösseren  (Asteriscus) .  Bei  den  Am- 
phibien ist  diese  Ausbuchtung  des  Sacculus  selbständiger  geworden, 
ohne  die  Verbindung  verloren  zu  haben  und  liegt  noch  nadi  hinten 
gerichtet. 

Einen  weiteren  Schritt  der  DitTerenzirung  zeigt  dieser  die  Endi- 
gung  eines  Acusticuszweiges  tragende  Theil  bei  Reptilien  und  Vögeln, 


Hörorgane.  561 

wo  die  ihn  bildende  Ausbuchtung  (Fig.  268.  C.  D.  E.  c)  als  ein  kurzer 
Kegel  von  der  medianen  Labyrinthwand  abwärts  gerichtet  ist,  und  mit 
dem  andersei tigen  eonvergirt. 

Das  blinde  Ende  dieses  Gebildes  ist  abgerundet  und  zuweilen 
kolbig  verdickt  (Lagena).  Unter  den  Säugethieren  erscheint  dasselbe 
nur  bei  den  Monotremen  noch  auf  jener  Stufe,  die  es  bei  den  anderen 
durchläuft,  indem  es  in  einen  spiralig  gewundenen  Canal  auswichst, 
von  dessen  Gestalt  die  Bezeichnung  genommen  ist.  Anfänglich  nur  von 
einer  Verlängerung  des  Vorhofs  (Sacculus)  gebildet,  treten  an  ihm  be- 
sondere Differenzirungen  auf,  indem  jener  vom  Sacculus  hervorgehende 
Canal  (Ductus  coohlearis)  nur  durch  einen  engeren  Canal  (Canalis 
reuniens)  mit  dem  Sacculus  verbunden  bleibt,  und  auf  seinem  Ver- 
laufe von  zwei  Seilen  her  von  Hohlräumen  umlagert  wird,  die  ihn  auf 
seinen  Windungen  begleiten,  um  am  Ende  (Kuppel  der  Schnecke)  in 
einander  tiberzugehen.  Während  der  eine  mit  dem  kn^hemen  Vor- 
hofe verbunden  ist,  ist  der  andere  an  seinem  Beginne  davon  abge- 
schlossen und  steht  nur  mittelbar,  eben  durch  jene  Communication 
am  Ende  der  Schnecke,  mit  dem  Vorhofsraum  in  Zusammenhang. 
Somit  sind  drei  Räume  in  der  Säugethierschnecke  unlerscheidbar, 
von  denen  nur  einer,  eben  der  Ductus  cochlearis,  mit  den  häutigen 
Tbeilen  des  Vorhofs  in  Verbindung  steht.  Die  beiden  andern  bilden 
die  Scalae;  die  mit  dem  um  die  häutigen  Theile  des  Vorhofs  beGnd- 
liehen  Räume  in  Verbindung  stehende  Scala  ist  die  Scala  vestibuli, 
der  zweite,  bei  aufrecht  gedachter  Schnecke  unter  der  Vorhofstreppe 
verlaufende  Raum,  die  Scala  tympani.  Beide  Scalae  umfassen  den 
nach  der  Peripherie  der  Windungen  gelagerten  Schneckengang,  in 
welchen  die  Endapparate  des  Schneckennerven  (Corti^scbes  Organ)  sieh 
ausbreiten.  Da  die  Scalae  als  Lud^en  in  dem  den  Ductus  cochlearis 
begleitenden  Gewebe  auftreten,  so  sind  sje  den  Räumen  gleich  zu  er- 
achten, welche  zwischen  den  häutigen  Bogengängen  und  ihren  kpocher- 
nen  Wandungen,  oder  auch  zwischen  häutigem  und  knOchemem  Vor- 
hofe sich  bilden,  und  mit  der  Perilymphe  erfüllt  sind. 

In  dem  an  der  Aussenfläche  des  Craniums  liegenden  Theile  der 
W^andung  des  knöchernen  Labyrinths  treten  von  den  Amphibien  an 
Lücken  auf,  weiche  eine  auf  verschiedene  Weise  zu  Stande  kommende 
Communication  mit  anderen  dem  Gehörorgane  sich  zufügenden  Ein- 
richtungen gestatten.  Eine  solche  Durchbrechung  des  knöchernen  Vor- 
hofs bildet  die  stets  durch  einen  plattenförmigen  Skelettheil  ver- 
schlossene Fenestra  ovalis.  Eine  zweite  erst  bei  den  Reptilien 
bestehende,  an  die  Ausbildung  der  Schnecke  geknüpfte  Oeffnung  (Fe- 
nestra Totunda)  liegt  durch  eine  Membran  verschlossen  in  der  Wand 
der  Scala  tympani. 

Beide  Einrichtungen  stehen  mit  dem  Auftreten  äusserer  Leiteappa- 
rate in  Zusammenhang. 

Oegenbaor,  Ornndriflii.  36 


562  Wirbelthieie. 


§  374. 


Mit  dem  Hörorgane  setzen  sich  von  den  Visceralbogen  gebildete 
Theile  in  Zusammenhang.  Die  erste,  bei  ßelachiern  und  GanoYden 
zwischen  dem  obei*en  Theile  des  Kiefer-  und  des  Zungenbeinbogens 
gelagerte,  als  »Spritzlooha  fortbestehende  i^iemenspalte  tntt  von  deo  Am- 
phibien an  in  nähere  Beziehung  zum  Labyrinthe,  indem  sie  an  der 
von  der  aufgeführten  Oeffnung  durchbrochenen  Labynnthwand  vor- 
überzieht. Sie  gestaltet  sich  zu  einem  Hohlräume,  der  an  seinem  wei- 
teren, medial  von  der  Labyrinthwand  begrenzten  Abschnitte  als  Pau- 
kenhöhle, an  dem  in  die  primitive  Mundhöhle  führenden  Stücke  als 
Tuba  Eustachii  bezeichnet  wird.  Eine  offene,  dem  Verhalten  des 
Spritzloches  ähnliche  Communication  von  aussen  nach  innen  besteht 
bei  Allen  während  des  ersten  Entwickelungszustandes.  Dann  bildet 
sich  jedoch,  wie  es  scheint  durch  Wucherung  der  Wandung,  ein  Ver- 
schluss der  Spalte,  der  zu  verschiedenen  Zuständen  führt.  Bei  den 
Cöcilien  und  den  Urodelen  bleibt  die  Spalte  geschlossen,  so  dass  eine 
Paukenhöhle  sowie  deren  Fortsetzung  in  die  Mundhöhle  fehlt.  Die 
Anuren  schliessen  sich  mit  einer  Abtheilung  hieran  an  (PelöbaUden), 
indem  bei  diesen  nur  Andeutungen  einer  Ausstülpung  der  Rachen- 
höhlenschleimhaut gegen  jene  der  Paukenhöhle  entsprechende  Stelle 
vorkommen.  Dagegen  setzt  sich  diese  Ausstülpung  bei  den  meisten 
Anuren  weiter  fort,  und  führt  in  eine  Paukenhöhle,  welche  nach  aussen 
durch  das  Trommelfell  abgeschlossen  wird.  Bei  den  Reptilien  fehlt 
den  Schlangen  und  Amphisbäuen  die  Paukenhöhle,  und  bei  Ghamäleo 
ist  zwar  die  mit  der  Rachenhöhle  verbundene  Paukenhöhle  vorhanden, 
allein  das  Trommelfell  fehlt,  während  diese  Theile  bei  den  übrigen 
Reptilien  wie  bei  den  Vögeln  vorkommen. 

Die  inneren  Oeffnungen  beider  Tuben  sind  bei  Grocodilen  und 
Vögeln  in  einen  gemeinsamen  Ganal  vereint,  wie  es  unter  den  Am- 
phibien bei  Pipa  der  Fall  ist.  Die  bei  Säugethieren  stets  getrennt  aus- 
mündende Tuba  führt  in  eine  verschieden  weite  Paukenhöhle,  die 
durch  ein  Tympanum  nach  aussen  abgeschlossen  ist.  Von  der  Pauken- 
höhle aus  entstehen  neue  in  andere  Theile  eindringende  Räume  unter- 
geordneter Bedeutung.  Grocodile  und  Vögel,  auch  Säugethiere  sind  mit 
solchen  versehen. 

§  375. 

Die  mit  der  knöchernen  Labyrinthwand  in  Verbindung  tretenden 
Theile  des  Visceraiskelets  setzen  den  Apparat  der  Gehörknöchel- 
chen zusammen,  deren  Homologieen  für  die  einzelnen  Glassen  noch 
nicht  festgestellt  sind.  Der  oberste  Abschnitt  des  zweiten  Visceral- 
bogens  —  bei  Fischen  das  Hyomandibulare  —  bildet  einen  die  Fe- 
nestra  ovalis  verschliessenden,  dort  mittelst  eines  Ringbandes  befestigten 
Skelettheil,  der  sich  von  dem  folgenden  Abschnitte  getrennt  hat     Bei 


Hdrorgane.  563 

den  Urodelen  ist  jenes  Verschlussstttck  entweder  ein  plattes  Kntfchelchen 
(Operculum),  das  mit  einem  Bande  zum  Palato-Quadratum  zieht,  oder 
es  besitzt  einen  stielartigen  Fortsatz.  Bald  ist  das  Operculum  knor- 
pelig und  sein  Stiel  knöchern  (Siredon),  bald  trifft  sich  das  umgekehrte 
Verhallen  (Menopoma).  Beide  Theile  sind  bei  den  Clk^ilien  verknöchert. 
Aehnlich  verhalten  sich  die  Schlangen  (Eurystopiata) ,  bei  denen  ein 
KnocbenstUckchen  (Golumella)  sich  zum  Quadratbein  erstredit. 

Beim  Auftreten  eines  Trommelfells  geht  die  Golumella  mit  diesem 
eine  Verbindung  ein,  indefti  deren  knorpeliges,  häufig  durch  Portsätze 
eigenthUmlich  gestaltetes  Ende  in  jenes  sich  einsenkt.  Die  Auskleidung 
der  Paukenhöhle  umfasst  dann  einen  Theii  der  Golumella,  und  lässt 
letztere  in  verschiedenem  Grade  in  der  Paukenhöhle  gelagert  erscheinen. 
Diese  Einrichtungen  beginnen  mit  den  Anuren,  und  finden  bei  Sauriern, 
Gheloniem^  Grocodilen  und  Vögeln  eine  weitere  AAsbildung.  Wesent- 
lich äussert  sich  diese  durch  die  Ausdehnung  der  Paukenhöhle  über 
die  Golumella  hinaus.  Letztere  stellt  ein  besonderes,  bei  Schildkröten 
sehr  langes,  dünnes  Knochenstttck  vor,  dessen  der  Fenestra  ovalis  an- 
gepasste  Platte  das  eine  Ende  bildet.  Mit  zwei  Schenkeln  verbindet 
sich  der  Stab  der  Golumella  mit  seiner  Platte  bei  einigen  Vögeln  (Dro- 
maeus) ,  während  er  sonst  einfacher  ist  oder  gegen  die  Platte  zu  nur 
eine  Verbreiterung  aufweist. 

Pttr  die  Säugethiere  haben  die  Verhältnisse  der  Gohimella  gleich- 
falls noch  ihre  Geltung,  mit  der  Modification  jedoch,  dass  sie  sich  nie- 
mals direct  ans  Trommelfell  befestigt,  sondern  immer  mit  anderen 
Skelettheilen  in  Verbindung  steht.  Man  bezeichnet  sie  hier  als  Stapes. 
Die  Gestalt  desselben  ist  bei  Monotremen  und  bei  manchen  Beutel- 
thieren  einfach.  Bei  den  monodelphen  Säugethieren  waltet  die  Spal- 
tung in  zwei  die  Platte  tragende  Schenkel  vor.  Die  anderen  Gehör- 
knöchelchen werden  durch  Residua  der  Skelettheile  des  ersten  Visceral- 
bogens  gebildet,  wie  oben  angeführt  ward  (S.  484).  Sie  bilden  den 
mit  dem  Stapes  verbundenen  Ambos,  sowie  den  Hammer,  der  sich 
mit  einem  stielartigen  Fortsatze  dem  Trommelfell  einfügt.  Was  vorher 
einfacher  durch  die  Golumella  allein,  wird  hier  durch  sie  und  zwei 
andere  Knochen  bewerkstelligt:  eine  Verbindung  des  Tympanum  mit 
der  Fenestra  ovalis.  Auch  diese  »Kette«  von  Gehörknöchelchen  ist 
wenigst4*ns  zum  grossen  Tbeil  in  die  Paukenhöhle  gelagert,  indem  die 
vom  Bachen  her  durch  die  Tuba  sich  fortsetzende  Schleimhautaus- 
kleidung sie  überzieht.  Die  Pauketihöhle  selbst  erhält  jedoch  eine  an- 
dere Beziehung,  da  sie  ausser  der  von  der  Labyrinthwand  gebildeten 
Umgrenzung  vorzüglich  noch  durch  das  Os  tympanicum  gebildet  wird, 
weiches  anfänglich  als  Rahmen  für  das  Tympanum  auftrat. 

§  376. 

Aus  einer  Fortsetzung  der  Ränder  der  ersten  Visceralspalte  geht 
das  äussere  Ohr  hervor.    Bei  Amphibien,  Reptilien  und  Vögeln  fehlen 

86  ♦ 


564  '  Wirbelthiere. 

derartige  Theile  entweder  vollständig,  oder  sie  sind  nur  als  vereinzelte, 
aus  Anpassungen  verschiedener  Art  entstandene  Einrichtungen   ange- 
deutet.    Eine  solche  kommt  bei  Grocodilen   als  eine  das  Trommelfell 
deckende,  eine  Knochenplatte  umschliessende  Hautfalte  vor,  und  ähn- 
lich  erscheint    bei   manchen   Vögeln    (Eulen]    eine  bewegliche  hitutige 
Klappe.     Durch  eine,    von    den    das   Trommelfell    tragenden  Schädel- 
knochen  ausgehende  Vorsprungsbildung  kommt  das  Trommelfell  selbst, 
wie  schon  bei  Sauriern ,   tiefer  zu  liegen ,   und  so  entsteht  ein  kurzer 
»äusserer  Gehörgang«.     Verschieden  von  dibsem  ist  der  äussere  Gehör- 
gang  der  Säugethiere,  indem  gerade  sein  tieferer  Theil  Tom  Tympani- 
cum  gebildet  wird.     Daran   schliesst   sich    das  äussere  Ohr,    welches 
mit  knorpeliger  Grundlage  in  einen  engen  knorpeligen  Gehörgang  Über- 
geht.    Es  fehlt  den  Monotremen.     Die  »Ohrmuschel«   bietet   zahlreiche 
Modificationen,  theMs  in  der  Gestaltung,   theils  in  den  Beziebungen  zu 
einem  Muskelapparate,  durch  welche  die  Muschel   oder  Theile  von  ihr 
bewegt  werden  können.     Ausser  den,   auch  beim  Menschen  zuweilen 
noch  sehr  leistungsfähigen  Muskeln,  welche  das  gesammte  äussere  Ohr 
bewegen,  tinden  sich  noch  Muskeln  au  dem  Knorpel  der  Muschel  selbst, 
welche  theilweise,  freilich  als  rudimentäre  Organe  noch  dem  Meubcbeo 
zukommen.     Einer  grösseren   Rückbildung   erliegt  dieses  äussere  Ohr 
bei   den   im  Wasser   lebenden   Säugethieren.     Reducirt  bei  Otaria,  isl 
es  bei  anderen  Pinnipedien  ganz  geschwunden,    und  ebenso  verhalten 
sich  die  Sirenen  und  Walfische. 

Bacoretionsorgane. 
§  377. 

Die  als  Excretionsorgane   unter  den  Wirbellosen  verbreiteten  Ein- 
richtungen erscheinen   in   ihren    wesentlichsten  Verhältnissen  auch  atif 
die  Wirbelthiere   vererbt  und   lassen   darin   nicht  wenig  deutlich  aucli 
für  den  Wirbeltbierstamm  Verknüpfungen  mit  niederen,  im  übrigen  weil 
davon  entfernt  stehenden  Formen  erkennen.     Den   einfachsten  Zustand 
des  Excretionsorgans   repräsentirt  ein   längs   des  Körpers  verlaufender 
Ganal,  der  Urnierengang,  der  hinten  in  der  Nähe  des  Afters  nach 
aussen,    und  vorne   mit  abdominalem   Ostium   in   die  Leibeshöhle,  in 
deren  dorsaler  Wand   er  liegt,    ausmündet.     Liegen    darin  bedeutende 
Uebereinstimmungen   mit   den    Excretionsorganen   der  Würmer,  so  ist 
doch  mit  Hinblick  auf  die  Metamerie  des  Wirbel thierkörpers  die  Etgen- 
thümlichkeit  nicht  zu  übersehen,  dass  der  Urnierengang  kein  melatnervü 
Organ  vorstellt,    und   damit  auch   zu  den  metameren  ScUeifencan^leü 
der  gegliederten  Würmer  kein  vollständiges  Uomologon  abgibt.    Er  wird 
demnach  aus  einem  noch  niederem ,  d.  h.  einem  noch  nicht  in  Meta- 
meren getheiiten  Zustand  des  Organismus  abzuleiten  sein  und  repftt^eo- 
tirt  damit,  der  gleichfalls  ungegliederten  Chorda  dorsalis  ähnlich,  eines 
der  phviouenetisch  ältesten  Organe. 


EtvreliunM>i^ane. 


§  378. 

In  der  ersten  AnInge  tritt  er  vom  niittlereo  Keiinblatle  gebildet, 
in  nuDchen  Ahtheilungeo  in  oberfl  Heb  lieber  L»ge,  unter  dem  vom 
ituasereii  Keimblatt  slammcnden  Hornblatte  auf,  und  erscheint  darin 
den  Excretionsorganen  der  NemaUiden  ähnlich ,  erst  altmahlich  tiefer 
rUdiend  und  so  der  Leibeahtthle  sich  nähernd.  Eine  jenem  ersten  Be- 
funde entsprechende  Lage  besitzt  bei  Amphioxiis  ein  in  den  Seiten- 
falien  des  inlegumentes  veriiiufender  Canal,  der  zwar  beit^lich  «einer 
Mundungsverhilltnisse  noch  nicht  ausreicbend 
{gekannt,    doch   die    Vermuthung    enlslehen  t'ig.  S70. 

lässt,  dass  in  ihm  der  niederste,  der  Ver- 
bindung mit  der  Leibeshoble  noch  entbeh- 
rende Zustand  des  Drnierengangea  der  Cra- 
aioten  dauernd  bestehe. 

Iq  engerem  Zusammenschlüsse  erschei- 
nea  die  Cranioleo,  deren  Urniei-engang  stett> 
der  Leibeshlthle  nahe  rückt.  Er  zeigt  sich 
am  einfecbsten  unter  den  Cyclostoinen  bei 
Bdellostoma.  Ein  langges treck tijr  Canal 
(Fig.  370.  ABa]  entsendet  von  Stre<^o  zu 
Strecke  lateral  verlaufende  kurze  QuercanSl- 
chen  [b),  deren  blindes,  durch  eine  Ein- 
schnürung abgesetztes  Ende  (c)  einen  Blul^ 
gerdssknauel  (Glomerulus)  (Fig.  870.  B]  ein- 
schliesfit.  Damit  hat  sich  der  Typus  der 
'>aniotenniere  ausgeprägt,  die  Quercanälchen 
bilden  die    secrelorischen   Apparate    (Harn- 

ranalcheoj  der  UmierengaDg  selbst  erscheint 

hier  als  Sa nsmel rühre,  fungirt  als  Harnleiter. 

In    voluminöserer    Weise,    allein    mit    ganz 

ähnlichem     Verhalten     der     Harncanälchen, 

zeigen   sich    die   Nieren    der    Myxinen    und 

feiromy tonten,  die  längs  des  hinteren  Drittels 

[ler  Leibcshohle  gelagert  sind.     Bei   beiden 

Abtheilungen    tritt   der    lateral    verlaufende 

liarnleiler  zum  Bauchporus,   bei  den  Pelro- 

myionlen  nachdem  er  sich  mit  dem  auderseitigen   zu  einem  unpaaren 

weiteren  Abschnitte  verbunden  hat. 

0ns  vordere  Ende  des  Urnierenganges  bietet  eine  bcmeritenswerthe 

^onipJrcatioD,  indem  es  mit  mehrfachen  trichterförmigen  Anhängen  besetzt 

fi«.  *70.  .J  Ein  The»  der  Niere  von  Bdelloslom».  o  Harnleiter.  6  Harn - 
^analcheii.  c  Termioale  Kapsel.  B  Biq  SlUck  divon  sUlriier  vergrö»»erl.  a,  c  wie 
«Cm-  .1"  '  "'"  «"'"«"■""'*'  in  welchen  eine  Arlerio  rf  einlritl.  wahrend  eine 
""slMende  «  si^h  auf  Har.,c«nBl^i,„.,  „„d  HarnlcittT  verzweigl.     (Nach  J.  «ullm.) 


Fig.  3Tt. 


S66  Wirbelthiere. 

ist,  welche  mit  langen  CJIien  ausgekleidcl  frei  in  die  Lcibeslfllhlc  mttndeD. 
Dadurch  empl^ngl  die  Vergleicbung  mit  den  Excretionsorganeo  der  Wür- 
mer eine  festere  Grundtage.  Der  Umierengang  entspricht  dem  Scfaleifen- 
canal,  dessen  inneres  Oslium  (zuweilen  gleichfalls  ia  Hehrzahl  vorhaD- 
den)  den  Wimpertriobtem  der  ersleren  im  Allgemeinen  homol(^  seia 
wird,  und  den  drüsigen  Abschnitt  dee  Schleifencanals  treffen  wir  an 
der  Urniere  durch  die  lateral  vom  Gange  abtretenden  CanSlchen  vor- 
gestellt. 

Der  secernirende  Theil  der  Drüse  tritt  bei  den  Fischen  am  vor- 
deren Abschnitte  des  ürnie renganges  zuerst  auf,  und  bildet  jenen 
Abschnitt,  der  bei  vielen  bis  zum  Kopfe  reicht.  An  diesen  Abschnitt 
schliesst  sich  der  hinlsre  als  spater  gebildeter  an.  Das  Ganze  stellt 
ein  compactes  DrUsenorgan  vor,  welches  von  Peritoneum  Uberkleidet 
liings  der  WirbelsUuie  sich  hinzieht,  in  einzelnen  Abschnitten  mehr,  tn 
anderen  minder  ausgebildet.  Eine  Sonderung  in  Lappen  wird  meist 
durch  Toluminüsere  Entwiiäduiig  einzelner 
Abschnitte  ausgedrückt.  Die  Ausfuhrwege 
(Fig.  274 ,  u)  verlaufen  bald  an  der  vorderen 
Flädie,  bald  mehr  am  lateralen  Rande  und 
treten  bei  Teleostiem  meist  su  .einem  un- 
paaren  Abschnitte  zusammen,  der  unter  oder 
hinter  der  GenitaiOlTnuag  ausmündet. 

An  verschiedenen  Stellen  bieten  diese 
Ausfuhrwege  Erweiterungen,  bald  am  gemein- 
samen Abschnitte,  bald  am  gesondeiten,  welche 
Gebilde  zwar  als  »Hamblasem  fungireo,  aber 
morphologisch  mit  der  Harnblase  der  höheren 
Vertebraten  keine  Gemeinsamkeit  haben. 

Die  Ausführwege  dieser  Nierenbildungen 
fungiren  nur  bei  einem  Theiie  in  ausschliess- 
lichem Dienste  der  Excretion  wie  bei  den 
Cyclostomen,  indem  schon  bei  den  Fischen  am 
ümicrengange  eine  Sonderung  auftritt,  die 
ihn,  in  analoger  Weise  wie  es  bei  den  Ex- 
cretionsorganen  der  Würmer  und  Mollusken 
der  Fall  ist,  als  Ausleitweg  der  Geschlecbts- 
producle  fungiren  lüsst.  Bei  Ganolden  (ritt 
ntlmlidk  der  das  Oslium  abdominale  tragende,  bei  Cyclostomen  terminal 
gelagerte  Thctl  weiter  nach  hinten  und  erscheint  damit  wie  ein  Anhang 
des  Um  leren  ganges  (Stürej  ,  so  dass  der  vor  diesem  Stücke  gelagerte 
Theil  des  letzteren  ausschliesslich   der  Niere    angehört.     Da  nun  jenes 

Fig.  171.  Harnorftane  von  Salmo  fario.  R  Nieren,  u  Gretereo.  v  Blawn- 
srtige  Erweiterung  der  Vereinigung  beider  Drelcron.  ur  Ausfttfargang  derselben, 
rr  Cardinnlvenon  [VentiH  rennie?' revehenle.«).  d  Ductus  CuTJeri.  i  Vena  »ubclaTla. 
{Nach  HratL.} 


Eicretionsofßane.  567 

Oslium  abdominale  zur  Aufnahme  der  Geschlechtsproducte  dient,  so 
wird  der  letzte  Abschnitt  des  Umieren^^anges  gleichfalls  als  Ausfuhr- 
weg  für  jene  Stoffe  erweitert,  und  tritt  damit  in  verschiedene  Ver- 
richtungen tlber.  Unter  den  Teleostiern  ist  diese  Sonderung  eines  Ab- 
schnittes des  Umierenganges  wahrscheinlich  noch  weiter  gediehen,  und 
führte  sogar  zu  innigeren  Verbindungen  mit  den  Geschlechtsdrüsen. 
Bestimmter  ist  dieses  bei  den  Selachiem,  Ghimören  und  DipnoYs  der 
Fall,  doch  geht  hier  die  Verwendung  des  vom  Urnierengange  sich  son- 
dernden Abschnittes  in  beiden  Geschlechtern  eine  differente  Richtung 
ein,  wie  beim  Geschlechtsapparate  dargelegt  wird. 

§  379. 

Bei  den  Amphibien  erhftit  sich  der  vordere  zuerst  auftretende  Theil 
der  Urnieren  nur  unvollkommen,  entweder  verbindet  er  sich  mit  dem 
männlichen  Geschlechtsapparate,  oder  er  bleibt  als  ein  Rudiment  dem 
primitiven  Urnierengange  angeheftet.  Der  hintere  Abschnitt  bildet 
wieder  den  ansehnlichsten  Theil,  in  Ausdehnung  sehr  wechselnd,  in 
Lagerung  der  Niere  der  Fische  gleichkommend.  Wenn  der  vordere 
Abschnitt  der  Verbindung  mit  dem  mttnnlichen  Geschlechtsapparate 
entbehrt^  so  ist  der  hintere  in  diese  Beziehung  getreten,  und  zeigt 
auch  dadurch  seine  Zusammengehörigkeit  zum  vorderen  an.  Er  er- 
scheint entweder  als  eine  zusammenhängende  Masse  oder  ist  bei  ge- 
streckterer Gestalt  in  eine  Anzahl  hinler  einander  gelegener  Lappen 
aufgelöst. 

Bezüglich  der  Ausfübrwege  bestehen  zwar  sehr  verschiedene, 
allein  doch  von  einander  ableitbare  Verhältnisse.  Alle  Theile  der 
Urniere  münden  anftinglich  in  den  vom  vordersten  Abschnitte  kommen- 
den seitlich  veriaufenden  Umierengang.  Bei  Manchen  bleibt  dieses 
Verhalten  bestehen  z.  B.  bei  Proteus;  indess  bei  Anderen  die  queren 
Aasführgänge  sich  unter  einander  vereinigen,  um  erst  am  Ende  des 
Umierenganges  einzumünden.  Aus .  der  Vereinigung  dieser  Canäle  geht 
ein  neuer  Canal  hervor,  den  ich.  als  secundären  Urnierengang 
bezeichne.  Der  primär  eUrnierengang  geht  dabei  nicht  zu  Grunde, 
sondern  wird  zu  Functionen  des  Geschlechtsapparates  gezogen,  von 
denen  unten  weiter,  die  Rede  sein  wird. 

So  spielt  also  das  aus  einem  einfachen  Ganale  —  dem  Urnierengang 
—  difierenzirte.  Organ  schon  bei.  den  Anaronia  eine  verschiedenartige 
Rolle  und  erhält  sieh  keineswegs  gleichmässig  in  seiner  primitiven 
Bedeutung.  In  höherem  Grade  tritt  das  bei  den  Amnioten  hervor. 
Anfänglich  in  grosserer  Ausdehnung  durch  die  ganze  Länge  der  Leibes- 
hoble  vorhanden,  erleidet  die  hier  auch  als  Wolff'scher  Körper 
bezeidinete  Urniere  eine  Rückbildung  und  wird  tlieilwetse  dem  Ge- 
schlechtsapparat untergeordnet. 

Die   Rückbildung    der   Urniere    sieht  bei   den   Amniolen   mit  der 


ä6H  Wirbtillliiurc, 

Enlwicki.'luiig  der  bicihcndou  Niere  im  Zusfimmenbang,  iiiüem  die  lülzlei? 
als  ein  SonderuDgsproiluct  der  erslei'en  erscheint. 

Die  erste  Anlage  der  N'i«re  repr^sentirt  wieder  ein  Canal ,  der 
manchen  Angaben  zufolge  als  eine  Sprossung  vom  Urnierengange  nahe 
an  der  EinmUndungsslelle  desselben  in  die  Cloake  sich  bildet.  Dieser 
Nierengang  wachst  vorwärts  und  bildet  mit  seinem  blinden  Ende  neue 
Wucherungen,  die  Anlage  der  drüsigen  Niere,  während  der  Gang  zum 
Ureter  wird.  Bei  den  Reptilien  und  Vögeln  beginnt  mit  der  Dißcren- 
zirung  der  Niere  die  vdllige  Trennung  vom  Urnierengange,  indem  das 
schon  anfänglich  sehr  kurze  gemeinsame  StUck  des  L'rnie renganges  sich 
verkürzt,  bis  endlich  L'mierengang  und  Ureter  getrennt  In  die  Cloake 
münden.  Indem  so  die  Niei-e  der  Amniolen  als  eine  DifTerentirung 
aus  der  Umiere  erscheint,  die  vvir  bei  den  Anamnia  als  exciusives 
Nierenorgan  antretfen ,  entst«ht  grosse  Wahrscheinlichkeit  für  die  An- 
nahme, dass  die  Urniere  der  Anamnia  nur  einem  Abschnitte  der  Am- 
nio(en-Niere  entspricht.    Die  letztere  wäre  dann  ein  nur  bezüglich  der 


zeitlichen  Ersdieinung  i 


Fig.  S79. 


i  der  Urniere  verschiedenes  Organ ,  welches 
durch  Ausbildung  in  einer  späteren ,  andere 
Bedingungen  bietenden  Periode,  etwas  andere 
formelle  Zustände  erreicht. 

Wie  die  Urniere  das  allgemein  vererbte 
Oi^an  ist,  so  ist  dann  die  bleibende  Niere  ein 
durch  Anpassung  eigenthümlich  diOerenzirter 
Abschnitt  derselben. 

Für  den  feineren  Bau  der  Niere  stellt 
sich  das  Wesentliche  des  für  die  Uroieren  an- 
gegebenen Verhaltens  heraus.  In  der  Anord- 
nung der  llamcanälchen ,  sowie  der  Gestaltung 
einzelner  Abschnitte  und  deren  Beiiehungeo 
zu  den  Ausfübrv^'egen  ergeben  sich  mannich- 
(ache  Verschiedenboiten  der  eineeJnen  Ab- 
iheilungen. 

In  Lage  und  Ausdehnung  bieten  dir 
Nieren  der  Reptilien  und  Vögel  manche 
an  die  Fische  sidi  anschliessende  Verhultnisse 
dar.  Sie  liegen  weit  nach  hinten,  der  Cloake 
benachbart,  nur  bei  den  Schlangen  weiter 
davon  entfernt,  und  zugleidi  mehr  in  die 
Länge  gestreckt.  Durch  die  Bildung  von  Win- 
dungen oder  Lappen  bietet  ihre  Form  grössere 
Uannichfalii^eit.  Bei  den  VOgeln  sind  sie  in 
die  Vertiefungen  zwischen  den  Querfortsätxen  der  Sacralwirbel  einge- 
bettet, und  zerfallen  meist  in  drei  zuweilen  mit  einander  verbundene 


KiK.  ■ 


Excrelionsorgaoe.  569 

Lappen,  die  je  einen  verschiedenen  Urofung  erreichen  können.  Die 
Ureieren  (Fig.  27S.  u)  sind  meist  am  Innenrande  der  Nieren  gelagert, 
von  Stelle  zu  Stelle  grössere  Harncanflle  aufnehmend  (Schlangen,  Schild- 
kröten), oder  sie  werden  vom  Nierenparenchym  umschlossen,  um  meist 
erst  am  £nde  des  Organs  hervorzutreten  Saurier,  Grocodile).  Bei  den 
Vögeln  verlaufen  sie  zum  grossen  Tbeile  ausserhalb  der  Niere.  Bei 
Allen  mUnden  sie  in  Folge  der  oben  erwähnten  Trennung  vom  Ur- 
nierengange  gesondert  in  die  Gloake  aus,  oder  in  einen  auch  die  Ge-* 
schlechtswege  aufnehmenden  Sinus  urogenitalis. 

§  380. 

Die  Nieren  der  Säugethiere  bieten  dirsell)e  Anlage  wie  die  der 
Reptilien  und  Vögel,  allein  nach  der  Sonderung  der  Anlage  vom  Ur- 
nierengange  ergeben  sich  mancherlei  Lageveründerungen  besonders  fUr 
die  Ureieren  in  ihren  Beziehungen  zu  den  Ausfuhrwegen  der  Geschlechts- 
apparate. 

Die  am  blinden  Ende  des  Nierencanals  entstehenden  Nieren  treten 
nach  ihrer  Differenzirung  hinter  die  Urnieren ,  die  sie  allmählich  an 
ihrem  vorderen  Rande  überragen.  Sie  scheinen  anfänglich  eine  glatte 
Oberfläche  zu  besitzen,  welche  mit  der  Sonderung  des  drtlsigen  Paren- 
cbyms  in  einzelne  Lappen  uneben  wird.  In  jedem  Lappen  treten  die 
Uamcanälchen  auf  einem  papillenartigen  Vorsprunge  zusammen,  an 
welchen  sich  der  gemeinsame  Ausftthrgang  des  Lappens  anschliesst. 
Er  bildet  die  Nierenkelche,  deren  Vereinigung  als  Nierenbecken  be- 
zeichnet wird  und  den  Ureter  hervorgehen  lässt.  Die  Zahl  der  bei- 
stehenden Lappen  ist  beträchtlich  verschieden.  Sehr  zahlreich  (gegen 
200)  sind  sie  bei  den  Getaceen,  wo  sie  von  einander  gesondert  bleiben. 
Eine  geringere  Zahl  gesonderter  Lappen  besitzen  die  Pinnipedier^  ebenso 
manche  Carnivoren  (Ursus ,  Lutra) ,  indess  bei  Andern  eine  theilweise 
Verschmelzung  der  Lappen  stattfindet,  wodurch  die  Nieren  eine 
höckerige  Oberfläche  erhalten  (z.  B.  Hyaena,  Bos,  Elephas).  Dies  ist 
für  Andere  ein  gleichfalls  vorübergehender  Zustand,  und  mit  völliger 
Verschmelzung  der  Corticalsubsianz  der  Lappen  empfängt  die  Niere 
eine  glatte  Oberfläche,  an  der  wohl  noch  einzelne  Furchen  die  ursprüng- 
liche Trennung  in  Lappen  andeuten.  Im  Innern  der  Niere  dagegen 
erhält  sich  die  Trennung  mehr  oder  minder  vollständig,  und  man  findet 
die  Zahl  der  ursprünglichen  Lappen  in  den  verschledengradig  ver- 
schmolzenen Papillen  ausgedrückt  (z.  B.  beim  Menschen).  Die  Ver- 
schmelzung kann  aber  auch  einen  grossen  Thcii,  oder  sämmtliche 
Lappen  betreffen,  so  dass  eine  viel  geringere  Zahl  von  Nierenpapillen 
besteht,  die  sogar  in  eine  einzige  zusammentreten  können  (Marsupialien, 
Edentaten,  Nagethiere,  manche  Carnivoren). 

Die  aus  dem  Nierencanale  gebildeten  Urethren  senken  sich  nach 
ihrer  Trennung  vom  Urnierengange  anfänglich  in  den  in  der  Bauchhöhle 


570  Wirbellhiere. 

des  Embryo  verlaufenden ,  n)it  der  primitiven  Beckendarmhöhle  ver- 
bundenen Abschnitt  der  Allantois  ein  (Urachus).  Dieser  bildet  sich 
allmiihlich  in  ein  spindelförmig  erweitertes  Organ  um,  die  Harnblase, 
wahrend  die  Fortsetzung  des  Urachus  zum  Nabel  und  von  tia  in  den 
Nabelstrang  obliterirt.  Ersterer  Abschnitt  bildet  das  Ligamentum  vesico- 
umbilicale  medium.  Die  ursprünglich  spindelförmige  Gestalt  der  Harn- 
blase erhält  sich  bei  manchen  S^lugethieren  (Robben)  ,  während  sie 
bei  anderen  allmählich  bedeutendere  Modificationen  erleidet,  welche  mit 
Differenzen  in  den  Einnitlndungsverhältnissen  der  üreteren  verbunden 
sind.  So  öffnen  sich  die  üreteren  bei  vielen  Nagern  weit  oben  an  der 
hinteren  Blasenwand.  Auch  in  der  Lagerung  treten  Modificationen 
ein,  denn  während  die  Harnblase  anfänglich  sich  durch  einen  Theil 
der  Bauchhöhle  erstreckt,  rtlckt  sie  mit  der  Ausbildung  der  aus  letzterer 
sich  fortsetzenden  Beckenhöhle  in  diese  hinab. 

Das  fernere  Verhallen  der  Ausfuhrwege  ist  mit  dem  Geschlechts- 
apparate  gemein  und  wird  bei  diesem  Erwähnung  finden. 


DarmoanaL 

§  381. 

Der  Darmcanal  der  Wirbelthiero  bildet  ein  unterhalb  des  Axen- 
skeletes  verlaufendes  Rohr,  welches  bei  der  ersten  Anlage  des  embryo- 
nalen Körpers  vom  inneren  Keimblatte  [dem  DarmdrUsenhlatte  {Remak'sj 
und  einem  inneren  Abschnitte  f Darmfaserblatt  R.)  des  mittleren  Keim- 
blattes dargestellt  wird.  Jene  Sonderung  des  mittleren  Keimblattes 
lässt  zugleich  die  allgemeine  Leibeshöhle  (Cölom,  Pleuroperiloneal- 
höhlej  entstehen,  in  welcher  das  primitive  Darmrohr  verläuft.  Anfäng- 
lich, wenigstens  bei  den  höheren  Wirbel Ihieren ,  geschlossen,  bilden 
sich  erst  secundär,  am  vorderen  und  hinteren  Ende  Communicationen 
nach  aussen,  indem  zuerst  von  aussen  her  Einbuchtungen  nach  innen 
wachsen,  in  deren  Grunde  schliesslich  Durchbrechungen  stattfinden, 
welche  die  Mund-  und  die  Afteröffnune  bilden.  Aus  dem  die  Aus- 
kleidung  des  primitiven  Darmrohrs  vorstellenden  epithelialen  DarmdrUsen- 
hlatte entsteht  bei  den  Wirbellhieren  eine  ansehnliche  Reihe  von  Organen, 
welche  theils  auf  die  Function  der  Ernährung  Bezug  haben,  und  dann 
mittelbar  oder  unmittelbar  mit  dem  Darme  verbunden  bleiben,  theils 
aber  auch  andere  Beziehungen  besitzen,  und  dann  mehr  oder 
•  minder  vom  Tractus  intestinalis  sich  sondern.  Am  primitiven  Darm- 
rohr erscheinen  ■  zwei  Hauptabschnitte  sehr  frühzeitig  sowohl  morpho- 
logisch als  physiologisch  von  einander  gesondert.  ♦  Der  vorderste 
Abschnitt  steht  unmittelbar  mit  der  Leibeswand  im  Zusammenhang, 
und  fungirt  von  den  Visceralspalten  durchsetzt  als  Athmungsorgan,  indem 
an  den  zwischen  den  Spalten  liegenden ,  Blutgerässo  führenden  Bogen 
respiratorische  Apparate  zu  Stande  kommen.    Dieser  Abschnitt  gehört  so- 


Respiralariiicbo  Vorkammer  (Kopfdar 


57< 


Fig.   IM. 


mit  nicht  ausschliesslicb  dßn  Verdauungsorgsnen  an,  wenn  er  auch  zur 
Einrubrung  von  Nahrung  verwendet  wird.  Er  stellt  eine  Athem- 
httble  vor,  von  deren  Grunde  erst  der  zweite  Absobnitt  als  Nahrungs- 
canal  im  engeren  Sinne  beginnt  durch  die  Pleuroperitonealhtfhle  von  der 
Leibeswand  gesondert.  Diese  beiden  Abschnitte  des  Darinrohrs  haben 
die  Wirbelthiere  mit  den  Tunicaten  gemein.  Bei  den  Acrania  utnfasst 
die  respiratorische  Vorkammer  des  Darmrohrs  einen 
sehr  ansehnlichen  Abschnitt,  der  ahnlidi  wie  bei  den 
Ascidten  einen  grossen  Theil  des  Ktirpers  vorstellt. 
Bei  den  Cranioten  empfängt  dieser  Haum  eine  all- 
mähliche Beschränkung,  und  wenn  er  auch  bei  Fischen 
und  Amphibien  dieselbe  respiratorische  Bedeutung  be- 
bilU,  so  treten  doch  an  ihm  mancherlei  zu  anderen 
Leistungen  führende  Differenzirungen  auf,  welche 
ihm  eine  gewisse  Selbständigkeit  aufpiligen. 


Respiraloriscbe  Vorkammer  (Koptdarm). 

§  38S: 

Dieser  Abschnitt  erscheint  bei  Amphioxus  in 
seinem  vordersten  Tbeile  gegen  den  die  Nundoffnung 
tragenden  Raum  durch  einen  Wimperapparat  abge- 
grenzt und  ebenda  erscheint  eine  Anzahl  beweg- 
licher Fortsätze,  welche  gegen  das  Lumen  gerichtet 
werden  und  dadurch  das  Eindringen  von  Fremde 
körpern  verhindern  können.  Der  nahezu  zwei  FUnf- 
theile  der  Gesammtlänge  einnehmende  Raum  dieser 
Vorkammer  (Fig.  873.  d)  ist  an  seinen  Wandungen 
von  einer  grossen  Anzahl  schräg  stehender  Spalten 
durchbrochen ,  wodurch  ein  complicirtes  Gitterwerk 
entslehl,  dessen  Stutzen  bereits  oben  [S.  482]  erwähnt 
sind.  Das  durch  die  Mundöfihung  ia)  eingenommene 
Wasser  gelangt  durch  die  Spalten  anfänglich  direct 
nach  aussen.  Da  aber  zwei  seitliche  Hautfalten  all- 
mählich tlber  die  spaltentragende  Fläche  ventralwärls 
sieb  -  fortsetzen  und  dort  sich  unter  einander  ver- 
binden ,  50  entsteht  ein  das  aus  den  Spalten  strö- 
mende Wasser   aufnehmender   Baum    von    dem  eine 


Fig.  «3.  Ampbioias  tanceolalua  S"/i  n»»'  vergrösserl,  a  Hundftffnung 
von  Cirreo  umgebea.  b  AFtarttffnung.  c  Abdomina Iporus.  d  Kieme nBacic,  e  Magen- 
arligar  Abschnitt  des  Darmi.  f  Bliiiddarin.  g  Eiiddarm.  h  Leibeshühle.  i  Cborda 
dorsalis,  unter  welcher  last  in  der  ganzen  Lange  die  Aorta  vcrlSufl.  k  Aorten- 
lingen.  I  Aorlenherz.  tn  Anschwellungen  der  Kiemenarletien.  n  Hohlvenenhert. 
0  Ptortaderben.     (Nach  Quatrefagis.) 


572  Wirbellhicre. 

weil  hinten  gelegene  Oeifnung  (Fig.  273.  c)  inach  aussen  .  leitet.  Da 
in  den  Wandungen  der  Spalten  ein  Gefässnetz  sich  verbreitet,  besorgt 
das  da  vorbeistrOroende  Wasser  die  Äthmung,  die  Spalten  fungiren  als 
Kiemenspalten,  und  die  gesammte  mit  diesen  besetzte  Cavität  stellt 
eine  Kiemenhöhle  vor. 

Zu  diesem  Verhalten  kommen  noch  manche  andere  Verschieden- 
heiten, z.  B.  die  asymmetrische  Anordnung  des  Kiemengitters,  woraus 
eine  bedeutende  Verschiedenheit  des  ganzen  Apparates  von  dem  der 
Gra nieten  entspringt.  Vielmehr  bietet  die  gesammte  Einrichtung  in 
vielen  Stücken  Aehnlichkeiten   mit  dem  Athemsacke  der  Ascidien  dar. 


K  i  6  tn  e  n. 
§  383. 

Bei  den  Granioten  ist  allgemein  eine  bedeutende  Minderung  der 
Zahl  der  Kiemenspalten  und  dem  entsprechend  auch  der  Bogen  des 
Visceralskeletcs  zu  beachten,  die  als  Rückbildung  einer  ur> 
sprünglich  Hhnlich  wie  bei  Amphioxus  grösseren  Zahl 
dieser  Gebilde  aufgefasst,  in  der  Ausbildung  der  das 
respiratorische  Gefdssnetz  tragenden  Flächen  eine  Goro- 
pensation  ergibt.  Diese  Ausbildung  erscheint  mit  der  Entfaltung 
von  Kiemen,  wodurch  die  bei  den  Acrania  auf  zahlreiche  Bogenge- 
bilde vertheilten  Blutgefässe  auf  kleinere  Strecken  beschrankt,  und 
damit  auf  eine  geringere  Zahl  jener  Bogen  geordnet  sind.  Der  wesent- 
liche Gharakter  der  Kiemenbildung  liegt  auch  hier  in  einer  gegeo  das 
zu  respirirende  Medium  gerichteten  Oberflächenvergrösserung,  die  ent- 
weder durch  Blättchen  oder  durch  cylindrische  Fortsätze  geschieht. 
Solche  das  reicher  entfaltete  respiratorische  Blutgefässnetz  umschliessende 
Theile  besetzen  in  mannichfaltiger  Ausbildung  die  Bogen  des  Yisceral- 
skeletes,  die  dadurch  Kiemenbogen  vorstellen. 

In  einem  eigenthümlichen  an  den  Befund  von  Amphioxus  wenig  sich 
anschliessenden  Verhalten  treten  uns  die  bezüglichen  Organe  derCyclo- 
stomen  entgegen,  bei  denen  schon  der  Mangel  eines  inneren  Vis- 
ceralskeletcs eine  Besonderheit  der  Einrichtung  bedingt.  Die  anfäng- 
lich gleichfalls  einfache  Spalten  darstellenden  Durchbrechungen  der 
Leibeswand  ditrerenziren  sich  in  längere  Röhren,  deren  mittlerer  Theil 
unter  Erweiterung  seines  Raumes  den  Kiemensack  (Fig.  274.  6r) 
bildet.  Von  der  Wand  der  Kiemensäcke  erheben  sich  die  Kieoien- 
blättchen  als  Falten,  in  denen  das  respiratorische  Gefässnetz  sich 
ausbreitet.  Jeder  Kiemensack  steht  durch  einen  »inneren  Kiemengang« 
mit  dem  Anfangsstücke  des  Darmrohrs  in  Verbindung.  Nach  aussen 
leitet  ein  äusserer  Kiemengang  (fer').  In  dem  Verhalten  dieser  beiden 
von  jedem  Kiemensacke  entspringenden  Ganäle  bestehen  manche  Ver- 
schiedenheiten.    Der  innere  Kiemengang  mündet  entweder  für  sich  aui 


Kiemen. 


573 


Kig.  «1*. 


Darmrohre  nadi  Jenen  (Bdellostoma,  Hyxine)  (Pig.  27i),  oder  alle  ver- 
einigen sich  in  ein  unter  dem  Darm  verlaufendes  medianes  AthmungB- 
rohr,  welches,  vorne  mil  dem  Darmrohr  verbun- 
den, den  einzelnen  Kiemensflcken  Wasser  zuDtbrt 
(Pelromyzonj .  Die  äusseren  Kiemen^nge  kommen 
entweder  eiaieln  an  der  Seite  des  KOrpers  tur 
Ausmilndung  [Bdellostoma,  Pelromyzon) ,  oder  die 
sammtKcfaen  GSnge  einer  Seite  vereinigen  sieb  in 
einen  binler  dem  Kiemenapparale  liegenden  Porus 
brant^ialis  [Fig.  S74.  s)  ,  wobei  linkerseits  noch 
ein  besonderer  aus  der  Speiseröhre  kommender  Canal 
[Ductus  oesophago- cutaneus)  (c)  hinEutritl  (Hyxine}, 
Diese  verschiedenen  Formen  lassen  sich  aufein- 
ander lurtlckfQhren  und  sowohl  für,  das  Verhallen 
der  inneren  als  aoch  der  llusseren  Kiemeng&nge  ist 
jener  Zustand  als  der  ursprtingliche  zu  erachten, 
weicher  die  directere  Verbindung  des  Darmes  mit 
der  J£arperoberf)ache  vermittelt.  Dagegen  ist  die 
Bildung  der  Athmungsrobrs ,  als  auch  die  Ver- 
einigung der  Husaeren  Kiemengänge  das  Krgebniss 
einer  späteren  Differenitrung. 

§  384. 

'  Bei  den  Fischen  stehen  die  Kiementascben  in 
engerer  Beziehung  zum  Visceralskelel.  Die  hier 
auftretenden  ürscheiuungen  berechtigen  zum  Schlüsse, 
dass  ursprünglich  Jeder  Bogen  des  Visceralskelets 
Kiemen  trug.  Der  obere  Theil  des  ersten  Visceralboger 
hiervon  nitdit  ausgenommen,  wie  aus  der  grossen  Verbreitung  einer  Kieme 
an  der  bei  vielen  Selachiern  vorhandenen,  zwischen  dem  ersten  und 
sweilen  Bogen  [Kieferbogen  und  Zungenbeinbogen]  gelegenen  OefTnung, 
dem  sogenannten  Spritzloch,  hervorgeht '(Fig.  ^59.  s).  Auf  den  eine 
rUckgebildele  Kiemenlasche  darstellenden  zum  Spritiloch  ftihrenden  Canal 
folgen  die  eigentlichen  Kiementaschen,  deren  in  der  Regel  fünf  existiren, 
nur  selten  sechs  bis  sieben  (Notidaniden).  Die  Wand  der  ersten  Kiomen- 
tasche  wird  vom  vom  Zungenbeinbogen,  hinten  vom  ersten,  d.  h.  dem 
dritten  primitiven  Kiemenbogen  dargestellt,  und  so  verballen  sieb  ähn- 
lich die  übrigen  Taschen.    Bei  allen  erstreckt  sich  ein  von  dem  im 


)  (Kieferhogen)  int 


Fig.  S7i.  Alhmunesoi^BD  von  Uyiine  glutinosa  von  der  Banchseile. 
s  OoMffaagDi.  t  iDDen  KlemengHDse.  br  KiemeniKcke.  br'  Aeussere  Kiem«n- 
gttoge,  die  sich  lu  einem  gemeiosclitniichen  ImI  i  ausmünde ndea  KieoieDgenge 
jederMils  vereinigea.  c  Doctug  oetophagO'CutBneus.  a  Vorhof  des  Herzens,  v  Herz- 
kammer. 0.6  Kiemenarlerie ,  an  jede  Kieme  einen  Ast  abgebend,  ä  Seitenwand 
dM  L«ibe«  nach  ausiMtn  und  rUcliwlirls  umgeschlagen.     (Nach  Jon.  .UCller  ] 


574  Wirbeltbiere. 

Visceraiskeiet  ausgehendes  Seplum  nach  aussen  und  dient  als  Hinier- 
wand  einer  vorhergebenden ,  als  Vorderwand  einer  nachfolgenden 
Tasche.  Wie  die  Taschen  mit  spaltförmigen,  von  den  knorpeligen 
Kiemen  bogen  begrenzten  Oeffnungen  mit  der  Rachenbohle  communiciren, 
so  münden  sie  andererseits  mit  ebenso  vielen  Spalten  an  der  Seite 
des  Körpers,  bei  den  Rochen  auf  der  ventralen  Fläche  aus.  An  den 
Wandungen  der  von  den  knorpeligen  Kiemenstrahlen  gestutzten  Kiemen- 
taschen, liegen  die  Reihen  der  Kiemen  blattchen,  von  denen  im  embryo- 
nalen Zustande  fadenförmige  Verlängerungen,  als  äussere  Kiemen,  nach 
aussen  hervortreten.  Solche  fehlen  auch  dem  Spritzloch  nicht.  An  der 
letzten  Kiementasche  ist  nur  die  vordere  Wand  jnit  einer  Kieme 
versehen. 

Aus  diesem  Verhalten  sind  die  Kiemeneinrichtungen  der  GanoYden, 
und  von  diesen  jene  der  Teleostier  abzuleiten.  Die  Spritzlochkieme, 
die  bei  den  Selachiern  im  ausgebildeten  Zustande  des  Thiers .  nicht 
mehr  respiratorisch  fungirt,  da  sie  arterielles  Blut  empfängt  und  solches 
wieder  abgibt,  erleidet  zunächst  die  bedeutendsten  RUckbildangen. 
Bei  einigen  ein  Spritzloch  besitzenden  GanoYden  (z.  B.  Acipenser)  ist 
die  Kieme,  obgleich  häufig  noch  vorhanden,  niemals  ein  respiratorisches 
Organ,  sie  wird  zur  Pseudobranchie  deren  Polypterus  und  Amia 
entbehren  Den  Knochenfischen  scheint  sie  zu  fehlen,  oder  hat  alle 
Aehnlichkeit  mit  einer  Kieme  verloren. 

Die  am  Zungenbeinbogen  angebrachte  vordere  Kiemenblättchen- 
reihe  der  Selachier  kommt  unter  den  GanoYden  als  respiratorisch  fun- 
girende  Kiemendecke Ikieme  gleichfalls  noch  vor  (Acipenser,  Lepi- 
dosteus).  Ebenso  besteht  sie .  während  der  embryonalen  Stadien  der 
Teleostier,  allein  hier  nur  in  vergänglicher  Weise,  denn  sie  erleidet 
nach  Verlust  ihrer  respiratorischen  Bedeutung  Rückbildungen.  Bald  be- 
steht sie  nur  aus  einer  am  oberen  Abschnitte  des  Kiemendeckels  be- 
festigten kurzen  Kiemenblättchen reihe,  bald  ist  sie  näher  an  die  Schädel- 
basis gerückt.  Häufig  besitzt  sie  keine  vorspringenden  BläUchen, 
sondern  liegt  ganz  unter  der  Schleimhaut  verborgen.  Auch  in  diesem 
Zustande  können  noch  knorpelige  Stäbchen  als  Rudimente  früherer 
Bildung  in  ihr  vorkommen.  Bei  noch  weilerer  Rückbildung  (z.  B.  bei 
Esox)  erscheint  sie  als  ein  drüsenartiges  aus  einzelnen  Läppchen  zu- 
sammengesetztes Gebilde,  das  aber  durch  seine  Lagerung  sowie  durch 
sein  Verhalten  zu  den  Blutgefässen  mit  den  minder  rückgebildeten 
Formen  der  Opercularkieme  übereinstimmt. 

Bezüglich  der  übrigen  Kiemenblattreihen  ist  bei  GanoYden  und 
Teleostiern  nicht  minder  eine  Veränderung  eingetreten.  Mit  dem  gänz- 
lichen Verluste  des  äusseren  Kiemenskeletes  ist  das  bei  den  Selachiern 
von  jedem  inneren  Kiemenbogen  entspringende  Septum  geschwunden 
oder  auf  einen  schmalen  Saum  reducirl.  Letzteres  ist  bei  den  Stören, 
ähnlich  auch  bei  den  Chimären  der  Fall.  Dadurch  kommen  die  Reihen 
der  Kiemenblättchen   in   unmittelbare   Beziehung  zu   den   betreffenden 


Kiemen.  575 

Kiemenbogen  und  werden  sich  demnach  in  zw«j  Reiben  (Pig.  875.  b  b) 
an   allen  jenen  Bogen  angeordnet  vorfinden ,    welche  iwischen  je  zwei 
Kiementaschen  verliefen.  Die  vertiere  Kiemenblültchen- 
reihe  am  Kiemenbogen  eines  Teleostiers  oder  (ianolden  Kig.  itb. 

enl^richt  somit  der  Kieme  an  der  hinlem  Wand  der 
Kiemeotascfae  eines  Selacbiers,  und  die  hintere  Blatte 
dienretbe  einer  Teleostierkieme  der  vorderen  Kieme  in 
der  Kiementascbc  eines  Selachiers. 

Die  Beiiehung  der  auf  den  Kiemenbogen  sitzenden 
KiemenbUtlieibe  der  Knochenfische  su  den  in  den 
Ta«;hen  geborgenen  Kiemen  der  Selachier  lassen  sieb 
in  folgendem  Scbemn  ausdrücken ,  wobei  b  die  in- 
differenten Zustünde  der  Kiemenbinttreihea,  B  ibre  in 
den  einzelnen  Abtheilungen  differensiite  Anordnung 
ausdrücken  soll,  ß  bedeutet  eine  in  eine  Nebenkieme 
um^wandelte  KicmenbUtlcbenreihe. 


Durch  die  Rückbildung  der  Kiementüschen-Sepla, 
wird  der  gesammtc  Kiemenapparal  compendioser,  be- 
sitzt daher  nicht  mehr  die  Ausdehnung  auf  den  An-  '.:.  ' 
fang  der  Bumpfregion ,  die  er  hei  Selnchiem  auf- 
wies, sondern  lagert  ausschliesslich  an  der  Schädel- 
basis. Wahrend  ober  jedes  vorspringende  Septum  für  die  nUchst- 
folgende  Kiementasche  ein  Schutzorgan  bildete,  wird  bei  Chimären, 
GanoYden  und  Teleostiern  ein  solches  von  einem  einzigen  Visceral  bogen, 
nämlich  vom  Zungenbein  bogen  geliefert,  indem  dessen  Integument 
nach  hinten  zu  auswachsend  die  sifmmllichen  Kiemen  bedeckt  und 
bei  GanoTden  wie  Teleostiern  in  den  Opercularapparat  und  <lie  Mem- 
brana branchiostega  mit  ihren  verschiedenen  StUtzorganen  sich  aus- 
bildet  (§  313.  325]. 

§  385. 

Gewöhnlich  sind  vier  Kiemenbogen  mit  Kiemenblattchen  besetzt. 
Doch  bieten  sich  hiervon  mancherlei  Ausnahmen ,  indem  der  vierte 
Bogen  niu'  eine  einzige  Reihe  von  Blatlchen  tragt,  oder  indem  auch  nur 
drei  Blattchen  tragende  Bogen  vorkommen.  Daran  reiben  sich  be- 
deutende Reductionen,  da  ,mit  dem  Schwinden  der  BlHUcben  am  vierten. 

Fig.  IIS.    DarstellUDg  derGeOlssvertheiluiiii  in  den  KiemenblUttchen.   a  Quer- 
durchschnilt  des  knOchernea  Kiemenbogen«.    b  b  Znci  KiemcnblSltehen.    e  Kiemen- 
-  »rlcrii.'.  e'  Aeslchpn  der  Kiemensrlerlp  in  den  Blstlchen.  d  Kiemenvene.  d'd'Aeit- 
cheo  der  Ktemeovene  in  den  Kieme nblUllchen.     [Nacb  Ccvih.) 


576  Wirbelthieie. 

sowie  der  hinteren  Blattchenreihe  am  dritten  Bogen  die  vierte  Riemen* 
spalte  sich  schliesst.  In  dem  Verhalten  der  Blfittchen  sowohl  hinsicht- 
lich ihrer  Zahl ,  GrOsse  und  Gestalt  sind  gleichfalls  viele  Wandlungen 
wahrzunehmen,  von  welchen  die'  Umbildung  in  zottenförmige  Fortsätze 
hei  den  Lophohranchiern  hervorgehoben  werden  mag.  Eine  Umbildung 
der  Kiemenbogen  erscheint  in  einzelnen  Abtheilungen  der  Teleostier 
aus  einer  Anpassung  ableitbar,  welche  auf  das  Zurückhalten  von  Wasser 
im  Kiemenapparate  abzuzielen  scheint.  Hieher  gehören  die  Organe  der 
Laby rinthobranchia;  Modificationen  einzelner  Kiemenbogen  oder 
Kiemen bogenglieder  bilden  gewundene  lamellenartige  Vorsprünge,  durch 
welche  ein  über  den  Kiemen  gelegener  Abschnitt  hergestellt  wird 
(Anabas,  Polyacanthus) .  Ein  anderer  Apparat  kommt  bei  ClupeYdeo 
vor,  und  besteht  aus  einem  spiralig  gewundenen,  als  Ausstülpung  der 
oberen  Rachenschleimhaut  erscheinenden  Schlauche  (Kiemenschnecke], 
der  meist  mit  dem  oberen  Gliedstücke  des  vierten  Kiemenbogens  zu- 
sammenhangt, und  in  seinen  Wandungen  Fortsätze  dieser  Skelettheile 
enthalt.  Diese  Kiemenschnecke  ist  sehr  entwickelt  bei  Heterotis,  Luto- 
deira,  Meletta  u.  a.  Ferner  gehören  hierher  dendritisch  verzweigte 
Fortsätze  von  Kiemenbogen,  die  in  besonderen  Verlängerungen  der 
Kiemenhöhle  geborgen  noch  ein  respiratorisches  Gefössnetz  tragen 
(Heterobranchus,  Ciarias). 

Gleichfalls  mit  der  respiratorischen  Bedeutung  der  zu  den  Kiemen 
führenden  Vorkammer  desTractus  intestinalis  stehen  Ausbuchtungen 
dieses  Raumes  in  Zusammenhang.  So  erstreckt  sich  bei  Saccobranchus 
jederseits  ein  langer  Schlauch  von  der  Kiemenhöhle  bis  in  die  Seiten- 
rumpfmuskeln,  und  bei  Amphipnous  geht  jederseits  hinter  dem  Kopfe 
ein  solcher  Sack  hervor,  dessen  Eingangsöfihung  im  oberen  seillichen 
Theile  des  Rachens  über  der  ersten  Kiemenspalte  liegt.  Beide  Bildungen 
enthalten  respiratorische  Gefässnetze. 

§  386. 

Aeussero  Kiemen ,  unter  den  Fischen  allgemein  nur  bei  Selachiem 
während  eines  Embryonalstadiums  verbreitet,  bei  Polypterus  gleichfalls 
auf  einen  Jugendzustand  beschränkt,  und  wie  bei  Protopterus  nur 
einem  einzigen  Bogen  zugctheilt,  treffen  sich  erst  wieder  bei  den  Am- 
phibien ,  bei  denen  sie  wie  bei  den  Selachiern  als  Vorläufer  innerer 
Kiemen  auftreten.  Sie  erscheinen  als  zwei  bis  drei  Paare  verästelter 
Blättchen  und  Fäden ,  weiche  von  ebenso  vielen  Kiemenbogen  ent- 
springen. Bei  den  Perennibranchiaten  bleibt  dieser  Apparat  in  Function, 
und  durch  die  Kiemenspalten  besteht  eine  beständige  Communication 
der  Mundhöhle  mit  dem  umgebenden  Wasser.  Bei  den  übrigen  Am- 
phibien gehen  diese  äusseren  Kiemen  verloren,  um  bei  den  unge- 
schwänzten Amphibien,  denen  sie  nur  während  einer  kurzen  Periode, 
zukommen,  einer  Entfaltung  kürzerer Kiemenblättchen,  in  Gestalt  innerer 


Kierncnspalten  der  Anniunia.  —  Gounien  der  Amnioten.  577 

auf  vier  Bogen  des  Visceralskelets  aufgereihter  Kiemen,  Platz  zu  machen. 
Bei  diesen  entwickelt  sich  zugleich  eine  von  vom  nach  hinten  wachsende 
Membran,  welche  die  Kiemen  bedeckend  äusserlich  nur  eine  einzige 
Oefifnung  bestehen  lässt.  Durch  ferneres  Auswachsen  dieser  Membran 
kommen  die  beiderseitigen  Oeffnongen  näher  aneinander,  uui  zu  einer 
einzigen  ventral  zusammen  zu  treten.  Mit  der  Beendigung  des  Larven- 
stadiums trifft  die  inneren  wie  die  ilusseren  Kiemen  der  Derotremen 
und  Salamander  eine  Rückbildung,  und  die  Kiemenspalten  sehliessen 
sich.  Nur  bei  den  Derotremen  bleibt  jederseits  eine  Spalte  übrig, 
wahrend  bei  den  Salamandrinen  und  Anuren  jede  Spur  des  ursprüng- 
lich vorhandenen  Kiemenapparates  zu  Grunde  geht. 


K  iomenspaltcn  der  AnamDia.  —  Gaumen  der  Amnioten. 

§  387. 

Der  bei  den  Anamnia  als  respiratorische  Vorkammer  fungii*ende 
Raum  verliert  bei  den  Amnioten  einen  Theil  seiner  funcUonellen  Be- 
deutung, indem  keinerlei  Kiemenbildungen  mehr  zur  Entfaltung  kom- 
men. Als  eine  von  kiemenbesitzenden  StammUitern  ererbte  Einrichtung 
erhalten  sich  jedoch  auch  in  dieser  Abtbeilung  die  Schlundwand  durch- 
setzende Spalten  in  gewissen  Embryonalperioden.  Das  Auftreten  dieser 
wie  es  scheint  auf  die  Vierzahl  beschrankten  Kiemen  oder  Visceral - 
spalten  erfolgt  Von  vorne  nach  hinten,  doch  so,  dass  mit  der  Er- 
scheinung der  letzten  an  den  vorderen  meist  schon  Veränderungen  ein- 
getreten sind.  Allmählich  erleiden  sämmtliche  eine  Rückbildung,  und 
verschwinden  gUnzlich,  bis  auf  die  erste,  welche  in  Theile  des  mitt- 
leren und  äusseren  Ohres  sich  umgestaltet  (vergl.  oben  §.  376). 

Indem  schon  mit  der  Rückbildung  der  embryonalen  Kiemenspalten 
die  Veridindung  mit  den  Anamnia  sich  lockert,  tritt  durch  eine  DiOeren- 
zirung  der  primitiven  Mundhöhle  eine  neue  EigenthUmlichkeit  auf.  Sie 
fuhrt  zur  Bildung  der  secundären  Nasenhöhle  und  der  secundaren 
Mundhöhle.  Der  dahinter  gelegene,  nicht  in  diesen  Vorgang  mit 
eingezogene  Rest  der  primitiven  Mundhöhle  stellt  den  Pharynx  vor. 
Das  bei  den  Amphibien  breite,  beide  Nasenhöhlen  trennende  Etli- 
moYdaJknorpelstück  wachst  bei  den  Amnioten  zu  einer  dünnen  senk- 
rechten Lamelle  aus  (Fig.  276.  e),  welche  die  Nasenscheidewand  bildet. 
Zum  Theile  bleibt  diese  knorpelig,  zum  Theile  gehen  knöcherne  Ge- 
bilde an  und  aus  ihr  hervor,  deren  oben  beim  Kopfskelete  bereits  ge- 
dacht ward. 

Eine  zweite  Veränderung  bildet  sich  durch  das  Auswachsen  hori- 
zontaler Leisten  oder  Fortsätze,  die  sowohl  von  dem  Oberkieferfortsatze 
des  ersten  Visceralbogens  wie  auch  vom  unteren  Ende  des  Stimfort- 
satzes  ausgehen  (Fig.  S76.  p)  und  allmählich  eine,  die  primitive  Mund- 
höhle  in    zwei  Etaj^en    theilende  Platte   entstehen  lassen.     Diese  bildet 

Oefwntear,  Ornndrisa.  37 


578  Wirbelthiere. 

für  den  oberen  Raum,  die  Nasenbohle  (n),  den  Boden,  für  den  unleren 
(m)  das  Dach.  In  letzterer  Beziehung  wird  sie  als  Gaumen  bezeichnet. 
Indem  die  erwähnte  Nasenscheidewand  diese  Gaumenplatten  erreicht, 
sondert  sie  zwei  Nasenhöhlen  von  einander,  und  fn  jede  mündet  nun- 
mehr der  Nasencanal  aus,  während  sie  bereits  von  früher  her  eiQe 
mit  der  äusseren  Oeffhung  des  Nasencanals   zusammenfallende  äussere 

Oeffnung  besassen.     Die   durch   die  Gaumenplatte 
Fig   276.  ^^^  ^^^  Mundhöhle,  durch  die  senkrechte  Nasen- 

Scheidewand  von  einander  getrennten  hinteren 
OefTnungen  der  Nasenhöhlen  werden  als  Ghoanae 
bezeichnet.  Sie  münden  in  den  Pharynx  ein. 
Durch  diesen  Vorgang  gelangt  das  Riechorgan  in 
einen  Raum,  der  ursprünglich  zum  grössten  Theile 
der  primitiven  Mundhöhle  zugehörte. 

Die  Entwickelung  der  Gaumenplatten  reprä- 
sentirt  sehr  verschiedene  Stadien.  Bei  Schlangen, 
Sauriern  und  Vögein  ist  dieser  Scheidungs- 
vorgang minder  vollständig,  die  Choanen  erscheinen  als  eine  Längs- 
spalte, indem  die  Gaumenfortsätze  nur  vorne  einander  erreichen,  nach 
hinten  zu  aber  von  einander  getrennt  bleiben.  Zuweilen  sind  die 
Choanen  bei  Vögeln  getrennt  und  dann  bedeutend  schmal.  Bei  den 
Crocodilen  dagegen  sind  sie  am  weitesten  nach  hinten  gerückt, 
weiter  sogar  als  bei  den  Säugethieren,  wo  sie  aber  ebenso  nicht 
mehr  in  die  secundäre  Mundhöhle  sich  öffnen,  sondern  in  den  oben 
l)ereits  als  Pharynx  bezeichneten  Raum,  welcher  schon  durch  die 
gleichfalls  in  ihn  einmündenden,  jederseits  aus  der  ersten  Visceralspalte 
hervorgegangenen  Tubae  Eustachii  als  ein .  der  ursprünglich  respira- 
torischen Vorkammer  angehöriger  Abschnitt  sich  kundgibt. 

Den  Gaumen  stützen  bei  Reptilien  und  Vögeln  Skeletgebilde ,  bei 
den  Säugethieren  (s.  oben]  wird  er  zum  Theil  durch  Weichtheile  vor- 
gestellt, welch'  letztere  den  weichen  Gaumen  bilden  im  Gegensatz  zu 
dem  feste  Grundlagen  besitzenden  harten. 


Nasenhöhle. 
.   §  388. 

Während  die  Nasenhöhlen  schon  durch  den  vom  Gaumen  besorgten 
Abschiuss  von  der  Mundhöhle  an  Länge  gewinnen,  trägt  hiezu  noch 
die  Ausdehnung  des  Gesichtstheiles  des  Kopfes  nicht  wenig  bei,  und 
sie  werden,  dadurch  in  die  Länge  wie  in  die  Höhe  sich  enlfattend,  zu 
bedeutenden  Räumen.     Nur  an  ihrem  oberen  und  hinteren  Abschnitte 

Fig.  276.  Schematische  Darstellung  der  Sonderung  der  primitiven  Mundhöhle 
in  Nasenhöhle  n,  n ,  und  secundtfre  Mundhöhle  m.  p  Gaumenplatten,  e  Nasen- 
Scheidewand. 


Nasenhöhle.         '  ,  579 

findet  die  Ausbreitung  und  Endigung  des  Olfactorius  statt,  wifhrend 
der  untere  und  vordere  vorwiegend  als  Luftweg  dient,  und  damit  zu  den 
Atbmungsorganen  Beziehungen  empfängt.  Man  unterscheidet  demgemäss 
die  Innenfläche  der  Nasenhöhle  in  eine  Regio  olfactoria  und  eine 
Regio  respiratoria.  Die  nicht  mehr  ausschliesslich  von  der  Schleim- 
haut gebildete  Oberflächenvergrösserung  des  Binnenraums  nimmt  man- 
nichfacbe  Gestaltungen  an.  Immer  betheiligt  sich  daran  die  vom  Prim- 
ordialcraniuni  gebildete  laterale  Wand  der  Nasenhöhle,  deren  gefaltete 
und  gewundene  VorsprUnge  die  Nasenschleimhaut  überzieht.  Diese  lamel- 
lenartigen frei  geendigten  VorsprUnge  bezeichnet  man  als  Huscheln 
(Conchae) . 

Den  Reptilien  kommt  in  jeder  Nasenhöhle  nur  eine  einzige  Muschel 
zu,  die  von  einem  mit  der  äusseren  Nasenöffnung  beginnenden  Vor- 
hofe  aus  meist  in  horizontaler  Lagerung  nach  hinten  zieht,  und  bei 
den  Schildkröten  wenig,  am  meisten  bei  den  Crocodilen  entfaltet  ist. 
Diese  Muschel  findet  sich  ebenso  bei  den  Vögeln,  wo  sie  in  grosser 
Mannichfaltigkeit  auftritt.  Bald  ist  sie  einfach  (Tauben),  bald  durch 
Einrollung  complicirter  (Raubvögel) ,  oder  sie  kann  auch  in  mehrfache 
I^mellen  sich  spalten  (Strauss).  Vor  und  unterhalb  dieser  Muschel 
kommt  ein  muschelartiges  Gebilde  vor,  welches  immer  mit  der  Nasen- 
scheidewand im  Zusammenhang,  schon  dadurch  von  den  stets  lateral 
entspringenden  Muschelbildungeu  sich  unterscheidet.  Diese  Pseudoconcha 
scheidet  den  Vorhof  der  Nase  vom  innem  Nasenraume,  und  ist  nicht 
selten  schon  an  der  äussern  NasenöfiFhung  mit  ihrem  Vorderrande  sichtbar. 

Eine  andere  Vorsprungsbildung  liegt  über  der  Muschel,  und 
nimmt  in  der  Regel  das  obere  blinde  Ende  der  Nasenhöhle  ein.  Es 
wird  durch  einen  höckerförmigen  bald  rundlichen,  bald  eingebogenen 
Vorsprung  der  knorpeligen  Seitenwand  der  Nasenhöhle  vorgestellt,  der 
durch  einen  in  der  Orbita  liegenden  luftfühi-enden  Sinus  gebildet 
wird.  Auf  diesem  den  Tauben  fehlenden  Vorsprunge  endet  ein  Theil 
des  Olfactorius,  ein  anderer  am  entsprechenden  Abschnitte  der  Nasen- 
scheidewand. Bei  den  SSlugethieren  werden  drei  Muscheln  unter- 
schieden. Die  beiden  oberen  gehören  zu  dem  das  Siebbein  bilden- 
den Abschnitte,  die  untere  der  einzigen  Muschel  der  Reptilien  und. 
Vögel  entsprechende  bleibt  in  der  Regel  ein  selbständiger  Knochen,  der 
zahlreiche  Verschiedenheiten  bietet,  indem  er  bald  in  mehrfache  in 
verschiedenen  Richtungen  eingerollte  Lamellen  sich  spaltet,  bald  an 
diesen  Lamellen  wieder  mehrfache  Verzweigungen  besitzt,  z.  B.  bei 
Carnivoren  (am  complicirtesten  bei  Lutra  und  Phoca).  Am  wenigsten 
entwickelt  sind  diese  Muscheln  bei  manchen  Beutelthieren  (Macropus, 
Phascolomys) ,  dann  bei  den  Affen  (am  einfachsten  bei  den  Plalyrhinen) 
und  beim  Menschen,  wo  wir  also  Rückbildungen  vor  uns  haben. 
Durch  die  von  den  Muscheln  gebildeten  Vorspillnge  wird  der  Raum 
der  Nasenhöhle  in  mehrere  Abschnitte,  die  XasengHnge,  zerlegt. 
Die  Regio  olfactoria  gehört  der  oberen  Muschel  und  dorn  oberen  Theil e 

37* 


580  Wirbeltbiere. 

des  Septums  an.  Eine  Rückbildung  der  Nasenhöhle  unter  Verlust 
ihrer  olfactoriscben  Bedeutung  hat  bei  den  Waithieren  stattgefunden. 
Die  auf  der  oberen  Schadelfläche  befindliche  äussere  Oeffnung  führt 
in  einen  senkrecht  absteigenden  durch  die  Nasen  Scheidewand  getheilten 
Ganal,  der  durch  einen  Schliessmuskel  von  der  Rachenhöhle  abge- 
schlossen werden  kann  und  von  Muschelbildungen  keine  Spur  aufweist. 

§  389. 

Der  Nasenhöhle  gehören  accessorische  Apparate  an.  Solche  sind: 
i)  NebenhöhlenderNase.  Diese  entstehen  durch  Auswachsen 
der  Nasenschleimhaut  in  Theile  der  festen  Wandung.  Sie  treten  zu- 
erst bei  den  Crocodilen  auf,  wo  sich  ausser  den  einzelnen  Knochen, 
auch  im  Knorpel  der  seitlichen  Nasenhöhlenwand  eine  mit  der  Nasen- 
höhle coromunicirende  Hohlraumbildung  vorfindet.  Bei  den  Vögeln 
sind  Verbindungen  der  Nasenhöhle  mit  Räumen  benachbarter  Knochen 
sehr  allgemein  verbreitet.  Ein  im  vorderen  Orbitalraum  gelegener 
Sinus  communicirt  mit  dem  Grunde  der  Nasenhöhle  und  führt  zugleich 
in  den  Hohlraum,  welcher  die  über  der  Muschel  gelegene  Ausbuchtung 
gegen  die  Nasenhöhle  bildet.  Bei  den  Säugethieren  communicirt  die 
Nasenhöhle  mit  einer  Anzahl  in  verschiedenen  Knochen  des  Schädels 
liegender  Höhlen ,  von  denen  vorzüglich  die  Sinus  frontales  hervorzu- 
heben sind.  Es'  sind  im  Stirnbein  liegende,  bald  einfache,  bald  in 
kleinere  Abschnitte  getrennte  Cavitäten,  die  bei  Wiederkäuern  mächtiger 
entwickelt  sind.  Andere  Communicationen  finden  mit  der  Höhle  des 
Keilbeins  statt,  sehr  entwickelt  z.  B.  beim  Elephanten,  wo  die  Hohl- 
räume sich  sogar  durch  Scheitel-  und  Schläfenbeine  bis  in  die  Con- 
dylen  desOccipilalc  erstrecken,  und  endlich  bestehen  auch  Verbindungen 
zwischen  der  Nasenhöhle  und  dem  Oberkiefer,  den  Sinus  maxillaris 
bildend,  der  bei  Beutelthieren  und  Wiederkäuern,  sehr  beträchtlich  hei 
Einhufern  entfaltet  ist.  Bei  Primaten  minder  umfangreich,  fehlen  sie 
den  meisten  Carnivoren,  den  Edentaten  und  Nagern. 

2)  Drüsen.  Ausser  den  der  Nasenschleim  haut  im  Aligemeinen 
zukommenden  drüsigen  Gebilden,  stehen  noch  grössere  Drüsen  mit 
der  Nasenhöhle  im  Zusammenhang,  und  werden  als  entwickellere 
Schleimhautgebilde  gelten  müssen,  die  bei  Volumszunahme  auch  ausser- 
halb der  Nasenhöhle  Platz  nehmen.  Solche  Nasendrüsen  finden  sich 
bei  den  Schlangen,  auch  bei  manchen  Sauriern  und  den  Crocodilen, 
bei  den  crslercn  äusserlich  dem  Oberkiefer  anliegend,  bei  den  letzteren 
in  eine  Höhle  des  Oberkiefers  eingeschlossen.  Eine  äussere  Nasen- 
drüse, bald  auf  den  Stirnbeinen,  bald  auf  den  Nasenbeinen  gelten, 
findet  sich  auch  bei  Vögeln. 

3)  Jacobson'sches  Organ.  Dies  ist  ein  am  Boden  der 
Nasenhöhle  meist  im  Anschluss  an  das  Septum  nasale  liegender,  aai 
Gaumen  mit  der  Mundhöhle  communicirender,  aber  gegen  die  Nasen- 


Mundhöhle.  584 

höhle  abgeschlossener  Canal,  dessen  Wandung  an  einem  inannichfach 
gestalteten  Vorsprunge  die  Endigungen  einiger  Olfactoiiuszweige  Irägt, 
die  am  Septum  herablaufen.  Bei  Schlangen  und  Eidechsen  wird 
der  Canal  theilweise  vom  Vomer  umschlossen,  und  bei  den  Süugethicren 
sind  diese  Organe  mehr  in  die  Länge  gestreckt  und  setzen  sich  als 
Stenson'scbe  Gänge  durch  die  Ganales  incisivi  zur  Gaumenfläche  fort, 
vorzOglich  bei  Wiederkäuern  und  Nagern  ausgebildet. 

4]  Aeussere  Schutzorgane.  Solche  die  Eingänge  in  die  Nasen- 
höhle theilweise  überragende  Gebilde  werden  bald  vom  Integufnentc 
geliefert,  bald  trägt  eine  Fortsetzung  der  dem  Primordialcranium  zuge- 
hörigen knorpeligen  Wandung  der  Nasenhöhle  dazu  bei,  letzteres  ist 
an  der  äussern  Nase  der  SUugethiere  der  Fall,  wo  einzelne  Knorpel- 
iheile  eine  grössere  Selbständigkeit  erlangen,  und  durch  einen  Muskel- 
apparat beweglich  sind. 

Mundhöhle. 
§  390. 

Mit  der  durch  die  Gaumenbildung  eingeleiteten  Scheidung  der 
primitiven  Vorkammer  des  Darmrohres  in  die  Nasenhöhle  und  die 
Mundhöhle,  wird  eine  Anzahl  der  schon  der  primitiven  Einrichtung  zu- 
kommenden Organe  der  Mundhöhle  zugetheilt,  indess  andere  als  erst 
nach  der  Scheidung  gebildete  erscheinen.  Zu  den  ersteren  gehören  die 
Zahnbildungen ,  die  Zunge  und  mancherlei  DrUsenorgane.  Ais  neu 
entstandenes  Gebilde  erscheint  der  weiche  Gaumen  oder  das  Gau- 
mensegel. Dieses  erst  bei  den  Säugethieren  auftretende  Organ  be- 
steht aus  einer  muskulösen  vom  HinterrandB  des  harten  Gaumens  be- 
ginnenden Platte^  welche  von  der  Schleimhaut  continuirlich  bedeckt 
wird,  und  sich  jederseits  abwärts  in  zwei  Schenkel  (Gaumenbogen) 
theilt.  Diese  fassen  eine  nischenförmige  Vertiefung  zwischen  sich,'  in 
welcher  ein  als  Mandel  bezeichnetes,  sehr  verschieden  gestaltetes  Organ 
meist  einen  wulstartigen  Vorsprung  bildet.  Dieser  bewegliche  Apparat 
bildet  die  hintere  Grenze  der  Mundhöhle,  die  er  vom  Pharynx  scheidet. 
Eine  mediane  Verlängerung  des  Gaumensegels  stellt  das  Zäpfchen  als 
eine  den  Primaten  zukommende  Einrichtung  vor. 

Die  vordere  und  ^seitliche  Begi*enzung  der  Mundhöhle  bilden  bei 
Reptilien  und  Vögein  die  vom  Integumente  Uberkleideten  Kieferränder 
mit  den  jenem  zukommenden  Hartgebilden.  Bei  Eidechsen  und  Schlangen 
stellt  das  Integument  längs  des  Rieferrandes  in  einem  wulstartigen  Vor- 
sprunge die  Anfänge  der  Lippen  vor.  Bei  den  Säugethieren  tritt  mit 
Ausnahme  der  Monotremen  das  Integument  von  den  Kieferrändern  ab, 
und  Uberkleidet  eine  von  den  Kiefern  entspringende,  complicirte  Muskel- 
schichte, welche  bis  in  die  Lippen  reicht  und  dieselben  beweglich 
erscheinen  lässt.  Durch  dieses  Verhalten  entsteht  ein  vor  der  Mund- 
höhle liegender  Raum,  das  Vestibulum  oris,  dessen  seitliche  Ab- 


scbiiille  hIs  Wh ugcii höhle  erscheinen,  und  grossen*  Dehnbarkeit  fähig 
bei  vielen  S<tU(;elhiorcn  hesundcrc  lüschenarlige  Au&slUlpuDgcn  (Baekcn- 
Uächcn  bei  Nitgcru,  Alfen)  beistellen. 


Hg.  177, 


Orgsiiu  der  Mundhöhle. 
§   391. 

Voll  den  Ot'{;iincn  der  Mundhöhle  sind  die  zum  Krgreifcn  und  zu 
Zerkleinerung  der  Nahrung  dienenden  Ilarl^^ebildc  inannichfachor  Art. 
Ein  Theil  davon  entsteht  durch  Verhornung  von  Epitfaelzellen.  Die 
saugnapfartig  gcslall«le  MundOß'nung  der  Cjclostoinen  (Fig.  Hl)  ist 
mit  solchen  Hornzilhnen  besetzt,  deren  auch  noch  an  einem  zuDgen- 
iirtigen  Oi^ane  dieser  Tliiere  vorkommen.  Aehnliche  Belege  der  Kiefer- 
ründer  bestehen  iiuch  bei  Amphibien,  theils  im  Larvenzustande  ats 
vorübergehende  Bildungen  (Anuren] ,  theils  bleibend  bei  Siren.  Sic 
werden  bei  erste ren  durch  zahlreiche  dicht  nebeneinander  gestellte 
Zähncheii  gebildet. 

Ktwas  verschieden  von  diesen  bestimmt  getormten  Zahnbildungen 
sind  die  ausgedehnteren  hornigen  UebeiEtlge  der  Kieferr^nder,  wie  sie 
bei  Schildkröten,  Vögeln  und  bei  den  Hono- 
trenien  im  Zusammenhange  mit  dum  hier  vor- 
handenen Hangel  wirkUcher  Ztihne  als  compen- 
satorische  Einrichtungen  bestehen.  Dieser  Hangel 
von  Zahnen  ist  aus  einer  Rückbildung  abzuleiten, 
und  die  Ausstattung  der  Kiefer  mit  Zähnen  ist 
als  ursprüngliches  Verhalten  anzusehen.  Dies 
beweiseu  die  wenn  auch  seltenen  Fülle,  wo  with- 
rend  desEmbryonalzuslandes  ein  vorllbei'gcheiidcs 
Aufireten  von  Zühnen  beobachtet  ist,  wie  bei 
Trionyx  unter  den  Schildkröten. 

Die  wahren  Ziihnc  sind  das  Product  der 
Mundschleimhaut,  an  dessen  Bildung  sowohl  die 
Bindegewebscbichte  wie  das  Epithel  botheiligl  ist. 
Bei  den  Selachiern  stimmen  sie  in  ihrem  Buue  wie 
in  ihrer  Genese  vollkommen  mit  den  Schüppchen  d^s  lnt^ument«s  Uber- 
ein,  mit  denen  auch  grosse  äussere  Aehnlichkeiten  bestehen,  so  dass  bei 
der  Continuilüt  der  Hatrix  beider,  sowie  bei  der  vielen  Sciachiern  xu- 
konmienden  Verbreitung  dei'sciben  IntegumentschUppchen  über  einzelne 
von  den  Kieforründem  entfernter  liegende  Strecken  der  Hundböhlen- 
wand,  eine  primitive  Gleichartigkeit  der  Zithoc  mit  jenen  Schüppchen 
erschlossen  werden  kann.  Die  auf  den  Kieferrändern  sich 
entwickelnden  Zilbne  erscheinen  denigcuiässnuralsvolu- 
i'Ktnyzoii  muriDUH  mit  den  •Hoi-oiSliDein. 


Orgaue  der  Muodliühie.  583 

mi näser  gestaltete,  häufig  auch  soDStdifferenzirtere  Ge- 
bilde derselben  Art  wie  sie  im  integumente  vorkommen. 
Ihre  Veränderungen  im  Gegensatz  zu  den  letzteren  sind 
dann  aus  Anpassung  an  neue,  durch  die  Beziehungen  zu 
den  Kieferründern  erlangte  Functionen,  deren  erste 
El^ntstehung  zeitlich  wohl  mit  der  Differenzirung  des 
primitiven  Kieferbogens  zusammenfiel,  erklärbar,  wie 
sich  die  Ausbreitung  dieser  selben  Gebilde  in  der  pri- 
mitiven Mundhohle  aus  der  Entstehung  der  letzteren 
erklärt. 

Der  Betheiligung  zweier  Gewebe  an  der  Zusammensetzung  der 
Selacbierzühne  entspricht  die  Bildung  zweier  Substanzen,  eine 
aus  der  Bindegewebsschichte  der  Schleimhaut  gebildete  Zellenschichte 
sondert  das  Zahnbein  ab,  und  eine  diese  deckende  dem  Epithel 
angehönge  Schiclilc  liefert  eine  besondere  Schichte  ,  welche  als  S  c  h  m  e  1  z 
zu  deuten  ist.  Wenn  die  letztere  Substanz  nach  manchen  Angaben 
auch  nicht  ganz  allgemein  in  allen  Zilhnen  der  Vertcbraten  verbreitet 
verkommt,  so  spielt  sie  jedenfalls  eine  wichtige  Rolle,  da  sie  bestimmt 
wieder  bei  Reptilien  und  Süugethieren  sich  trifll. 

Die  Verbreitung  einer  die  Ansätze  zur  Zahnbildung  tragenden  Haut 
über  Strecken,  welchen  bei  Selachiern  ausgebildetcre  Zahnformationen 
abgehen,  ist  für  die  Erklärung  einer  grösseren  Ausdehnung  von  Zahn- 
bildungen bei  GanoYden  und  Teleostiern  von  grosser  Wichtigkeit.  Die 
bei  Selachiern  nur  durch  jene  Schtlppchen  ausgezeichneten  Stellen  sind 
bei  jenen  Fischen  durch  mehr  oder  minder  exquisite  Zahngebilde  ein- 
genommen. Ausser  den  KieferstUckeu  können  Gaumenbeine,  Vomer, 
ParasphenoYd,  endlich  Zungenbein  und  Kiemenbogen  Zühue  tragen.  Von 
den  Kiemenbogen  ist  es  meist  der  hinterste,  der  auf  einfache  Platten 
reducirt  durch  Zühne  ausgezeichnet  ist  (Schlundzühne).  Auch  an  den 
o^ren  Gliedern  der  Kiemenbogen  sind  Zi&hne  in  grosser  Verbreitung 
vorhanden. 

Bei  den  Amphibien  finden  sich  noch  am  Gaumenbein  und  Vomer 
Zühne,  seltener  am  ParasphenoYd;  GaumenzUhne  und  Zühne  am  Ptery- 
gold  bestehen  bei  den  Reptilien  nur  bei  Schlangen  und  Eidechsen, 
während  bei  den  Crocodilen  die  Zahnbildung  wie  bei  den  Situgethiercn 
auf  die  Kieferknochen  beschrankt  ist. 

Wie  die  Zähne  unabhängig  von  den  unter  ihnen  befindlichen  Skelel- 
theilen  stets  in  dem  Sch]eimhaultibei*zuge  ihre  Entstehung  nehmen,  so 
Heten  sie  in  den  unteren  Abtheilungen  auch  nur  lose  Verbindungen 
dar.  Bei  den  Selachiern  sind  sie  theilweise  beweglich.  Bei  den  meisten 
Fischen  behalten  sie  die  oberflächliche  Lagerung,  und  wo  festere  Ver- 
bindungen zu  Stande  kommen,  gehen  diese  aus  einem  Verwachsen  der 
Zähne  mit  den  betreffenden  Skeletlheilen  hervor.  Solches  trifll  sich 
auch  noch  bei  den  Amphibien,  während  bei  den  Reptilien  bald  blosse 
Anlagerungen   (pieurodonte  Saurier),  bald  Einsenkungen  der  sieh  ent- 


.S84  WirbcIlhk-i-F 

vvickc'tiidi'ii  Zahtiu  in  die  lictrcßendon  KiefomUcki^  slittlfinden.  B«'i 
einem  Theile  der  Saurier  sind  die  Zahne  dem  Kioferrande  angeft^t 
(iicrodontc  Saurier).  Bei  anderen,  i.  B.  den  (jeckonen,  auch  tiei 
Schlangen,    stets  aber  hei  den  Crocodtten,    werden  die  sich  bildenden 

Kig,   i7B. 


ZHhne  von  den  Kieferrtlndem  lheilwei.se  umwachsen  und  sontii  in  Al- 
veolen ^ebellel  |Fi(;.  378.  8).  Bei  den  Süugelhieren  besiebt  ein  ähn- 
licher Vorgang.  Eine  in  die  Schleimhaut  des  Kieferrandes  einwachsende 
Epilhelialmasse  (Fig.  878.  C.  »}  umschlieasl  kappenßtmiig  eine  Papille 
(/)],  auf  welcher  die  erste  Zahnanlage  erfolgt;  indem  diese  ein  sZaha- 
sSckcben«  darstellende  Bildung  vom  Kiefer  umwachsen  wird,  nioiail 
der  Zahn  seine  ganze  ViSerenzirung  innerhalb  des  Kiefers,  um  e^l 
mit  seiner  allmählichen  Ausbildung  die  Schleimbaut  zu  durchbrechen, 
von  welcher  das  ihn  erzeugende  Sackchen  eich  abgeschnürt  halle. 

Fig.  t7H.  AllKemeineg  Verhalten  der  Zahnbildung  bei  Kischen  Reptilien  oad 
btiugelhteren.  Senkrechte  Durchschnilte  durch  den  Unterkierer.  A  Von  einem  jungen 
Auanlhias.  B  Von  einem  jungen  Alligator.  C  Von  einem  Hunde-Embryo. 
Aa  Junge  Zihnc,  unlerbalb  Jen  untersten  einige  xur  Zabnbildung  bestimmte  Sohteim- 
bautpipillen,  mit  einer  Epilbelschicbte  iiberdeclit,  die  an  den  übrigen  Ttieilen  der 
Mgur  weggelassen  ist,  a'  In  Gebrauch  bellndlicber  Zahn,  a"  An  die  Vorderfltcht 
des  Kierers  gerückte  allere  Zahne,  b  Knorpeliger  Kiefer,  c  KalkplättchenscLichie 
des  Kiererknnrpels.  d  Schleimhaut.  Ba  Junger  Zahn  auf  einer  geftssf uhrenden 
Schleimhautpapille  p.  a'  Aelterer  aus  dem  Klelercanele  vorragender  Zahn,  an 
dessen  Wund  ein  Stlick  rosorbirt  ist.  00«  Thoile  de»  hnOchenMO  OnterkMtrs 
(das  grossere  Stück  gehört  dem  Dentale  an).  Cc  Kieferrand  mit  einer  verdickten 
Epilhelschiclite.  «  Kiererknochen.  p  GefH»shaÜlge  Zahnpapitle ,  auf  welcher  eine 
Epjthellage  p'  mit  einer  Schichte  Zahnbein  sicli  lindet.  i  Scbmeliorgan,  das  sieb 
gegen  die  Zahnanlage  mit  einer  E pi thel sc h lebte  i'  abgrenzt,  unter  welcher  eine 
(ter  ZahnbeinM:hichte  aufsitzende  Schniclzlngc  unierscbpidbar  iiit. 


Organe  iler  Mundhöhle.  585 


§  392. 


Die  Gestaltung  der  Zahne  bietet  ausserordentlich  verscbicdeno  Ver- 
hältnisse, so  dass  von  breiton  plattenartigen  Gebilden  bis  zu  langen 
und  feinen  stacheiartigen  Formen  alle  UebergangszusUinde  bestehen; 
besonders  bei  den  Fischen  herrscht  diese  Verschiedenheit,  so  zwar,  dass 
einzelne  Zahngruppen  bei  demselben  Thiere  durch  Hannichfaltigkeit  der 
Formen  von  einander  unterschieden  sind.  Eine  grössere  Gleichartigkeit 
in  der  äusseren  Gestalt  bieten  die  Zähne  der  Amphibien,  die  wenig- 
stens bei  den  lebenden  Formen  meist  einfach  konisch  gestaltet  sind, 
oder  spärliche  Zacken  besitzen.  Unter  den  Reptilien  bieten  die  Saurier 
grössere  Differenzen,  auch  theilweise  die  Schlangen,  bei  denen  eine 
Äbtheiiung  eine  Verbindung  gewisser  Zähne  mit  einem  besonderen 
Giftdnisenapparate  besitzt.  Konische  Form  der  Zähne  herrscht  auch 
bei  den  Crocodilen,  bei  welchen  unter  den  bereits  gebildeten  Zähnen 
stets  neue,  von  den  älteren  scheidenartig  bedeckte  entstehen. 

Bei  den  Säugethieren  ist  die  erste  Anlage  von  einer  Weiterbildung 
der  bei  Fischen  (Selachiern)  bestehenden  Befunde  ableitbar,  indem 
ein  in  die  Schleimhaut  einwachsender  Epithelfortsatz  eine  die  Zahn- 
papille  bedeckende  Lage  herstellt,  allein  diese  besteht  nur  an  der  die 
Papille  bedeckenden  Schichte  epithelartig  fort  und  wandelt  sich  vom 
Mutterboden  abgeschnürt  in  ein  besonderes  Organ,  das  Schmelzorgan, 
um,  welches  mit  der  Zahnpapille  das  Zahnsäckchen  herstellt.  Die  Bil- 
dung der  beiden  Substanzen  des  Zahnes  erfolgt  in  gleicher  Weise  wie 
in  den  niederen  Äbtheilungen,  nur  empfängt  die  Schmelzschichte  eine 
besondere  DilTerenzirung ,  welche  diesen  auf  gleiche  Weise  gebildeten 
Bestandtheil  des  Wahnes  bei  niederen  Wirbelthieren  in  anderer  Auf- 
fassung beurtheilen  Hess.  Von  diesem  allgemeinen  Verhalten  bestehen 
übrigens  auch  bei  den  Säugethieren  mancherlei  oft  bedeutende  Modifi- 
cationen   (z.  B.  bei  Edentaten]. 

Zugleich  tritt  eine  grössere  Verschiedenheit  an  einzelnen  Zähnen 
hervor,  so  dass  das  gesammte  Gebiss  mannichfache  Zahnformen  cin- 
schliesst.  Diese  theilen  sich  wieder  in  verschiedene  Leistungen  bei 
der  Bewältigung  der  aufzunehmenden  Nahrung  und  bieten  zahlreiche, 
nach  der  Art  der  Nahrung  wechselnde  Eigenthümlichkeiten ;  nur  bei 
den  Delphinen  bleibt  der  niedere  Zustand  der  Gleichartigkeit  aller 
Zähne  fortbestehen,  und  bei  den  Balaenen  erfolgt  nur  eine  Anlage  von 
Zähnen,  die  in  den  Alveolarhöhlen  sogar  wieder  rückgebildet  werden. 

Ein  Wiederersatz  der  verbrauchten  und  dann  ausfallenden  Zähne 
wird  bei  den  Fischen  durch  fortgesetzte,  neben  den  alten  auftretende 
Neubildungen  eingeleitet.  Die  Zahnbildung  wird  damit  zu  einem  durch 
das  ganze  Leben  des  Thieres  fortlaufenden,  sich  stets  erneuernden 
Vorgange.  Auch  bei  den  Amphibien  und  Reptilien  treffen  wir  neue 
Folgen  von  Zähnen,  wie  deren  bereits  bei  den  Grocodilen  gedacht 
ward,  so  dass  continuirliche  Neubildung  das  Gebiss  vollständig  erhält. 


.'»86 


WirtK-llliic 


Dieser  Vorgang  bitschrijnkl  sich  bei  Hon  meisl«n  Süugelhieren  auf  Hneu 
nur  einmaligen  Wechsel,  indem  diis  erste  Gebiss  (Hilchzahngebiss) 
durch  ein  zweites  und  zwar  an  Zähnen  reicheres  crselzl  wird.  Eines 
soJcben  Zahnwechsels  entbehren  die  Celaccen  und  Edenialen,  die  man 
als  HonophyodoDten  den  anderen,  Dipbyodonlen,  gegen Uberslel lt.  Zwi- 
schen beide  Ablheilungeu  stallen  sich  die  Beuteltbiore ,  bei  denen  daü 
diphyodoiite  Verhalten  nur  rudimenUir  ist,  indem  es  sich  auf  Jeder 
Kiflferhtlirie  auf  einen  einzelnen  Zahn  beschränkt.  Aehnliches  bietet 
sich  iiuch  bei  manchen  Anderen,  wie  z.  B.  .beim  Elephanlen  und  beim 
Dugong  dar,  sowie  auch  die  Nagetbiere  sich  hier  anreihen  lassen,  in- 
sofern deren  Schneidezcihne  ohne  Vorlüufer  sind.  Dadurch  verimUprcti 
sich  beide  Reihen  und  der  Zabnwcchiicl  der  Säugclhicre  kann  im  Ver- 
gleiche zu  dem  Verhallen  der  Reptilien  als  ein  analerer  Vorgang  be- 
trachtet werden,  der  tius  einem  den  Ausgang  bildenden  polyphyo- 
donlen  Zustand  sich  entwickelt  hat. 


KiB.  »79. 


§  393. 

Ein  zweiler  in  der  Mundhöhle  sich  difl'erenzirender  Apparat  wird 
durch  die  Zunge  vorgesielll,  die  l>ei  den  Fischen  durch  einen  häufig  nur 
durch  den  SchleimhaulUbcrzug  des  Zungenbeinkörpers  gebildeten  flachen, 
nur  mit  dem  gesammten  Visceralskclet 
beweglichen  Vorsprung  repräsenttrl  wird, 
und  durch  häufigen  Zahnbesatz  mit  an- 
deren Tbeilen  der  Wand  jenes  Biunen- 
raunios  übereinstimmt.  Eine  selbstäiw 
dige  Muskulatur  tritt  in  diesent  Organa 
erst  bei  den  Amphibien  auf,  wo  es 
als  ein  dickes,  l>ei  vielen  sogar  vnrstreck- 
bares  Gebilde  erscheint.  Es  ist  bei  Pipa 
und  Uactylclhra  nicht  ausgebildet.  Meist 
ist  nur  das  vordere  Ende  mit  dem 
Boden  der  Hundhöhle  verbunden,  und 
d;js  hintere  erscheint  in  zwei  Lappen  aus- 
gezogen als  der  bew^lichere  Thcil.  Eine 
muskulöse  Zunge  besteht  gleichfalls  Itei 
den  Reptilien,  bei  Schlangen  und 
Eidechsen  sogar  von  einer  besonderen 
Scheide  umgeben,  aus  der  sie  bervur- 
gestreckt  werden  kann.  Das  Epithel  der 
meist  schmalen  Zunge  stellt  hüulig  ver- 
hornte Partien  dar,  bildet  Schuppen  und 

Ki|;,  279.  ZuiigPiilieinappHrat  mit  Zunge  und  Luftröhre  von  Varaous.  e  Vr- 
dianes  Sloek  des  Zuii|:enheins  (Zungenbcinkkl).  A'  Vordere»,  A"  hinler»« /.oiigpn- 
beinhoni.    m  nt'  Muskeln.   Ir  Trachea,   s  Zuogo. 


Ui'gaiiu  der  Mundliöble.  587 

Höcker  an  der  oberen  Fläche,  und  das  vordere  Ende  (Fig.  279.  z) 
zieht  sich  in  zwei  dünne  Spitzen  aus  (Fissilingues) .  Breit  und  flach 
ist  sie  bei  den  Schildkröten  und  Grocodilen,  bei  letzteren  lüngs  des 
Bodens  der  Mundhöhle  befestigt  und  ungeachtet  der  bedeutend  differen- 
zirten  Muskulatur  nicht  vorstreckbar.  Auch  bei  den  Vögeln  ist  das 
vordere  Ende  der  Zunge  in  der  Regel  von  einer  verhornten  EpitheK« 
schichte  bedeckt,  häufig  sogar  mit  seillichen  Widerhaken  (Spechte)  oder 
feinen  Borsten  besetzt  (Tukane),  und  nur  bei  wenigen  bildet  die  Zunge 
ein  massiveres  fleischiges  Organ  (Papageien) .  Unter  den  Säugethiercn 
finden  wir  die  Zunge  durch  bedeutendere  Entwickelung  der  Muskulatur 
von  beträchtlicherem  Volum  und  zugleich  bezüglich  ihres  Schleimhaut- 
überzuges mit  zahlreichen  Differenzirungen ,  von  denen  die  Papillen- 
bildungen  die  wichtigsten  sind.  Mit  der  complicirtercn  Structur  ver- 
mannichfacht  sich  die  Function  des  Organes,  so  dass  es  selbst  bei  der 
Nahrungsaufnahme  sehr  verschiedene  Verrichtungen  übernehmen  kann. 
;Ueber  die  Beziehungen  zur  Geschmacksfunction  siehe  §  366.) 

§  394. 

Mit  der  Mundhöhle  verbundene  Drüse  na  p  parate  entwickeln  sich 
von  der  Schleimhaut  der  Mundhöhle  aus,  um  dann  bei  voluminöserer 
Ausbildung  und  Lagerung  ausserhalb  der  Schleimhaut  nur  ihre  Aus- 
führgänge dort  einzusenken.  Sie  können  somit  als  mächtiger  entwickelte 
Drüsen  der  Schleimhaut  betrachtet  werden.  Derartige  grössere  Drüsen 
kommen  zwar  schon  hin  und  wieder  hei  Fischen  und  Amphibien  vor, 
doch  sind  am  häufigsten  in  der  Schleimhaut  zerstreute  kleinere  Follikel 
vorhanden.  Bei  den  RepUiien  sind  von  den  letzteren  die  längs  der 
Kieferilinder  gelagerten  grösser  und  werden  als  Lippendrüsen  bezeichnet 
(Schlangen  und  Eidechsen).  Ein  mächtigeres  Drüsenorgan  bildet  die 
Giftdrüse  der  Schlangen,  die  wohl  ebenso  aus  einer  Modification 
einfacher  Drüsen  hervorging.  Bei  den  Schildkröten  kommt  ein  unter 
der  Zunge  gelagertes  Drüsenpaar  vor,  welches  man  als  Speichel- 
drüsen ansieht.  Aehnliche  Gruppen  einzelner  Drüsen  besitzen  auch 
die  Eidechsen.  Solche  grössere,  cur  Bildung  einer  MundhöhlenOüssig- 
keit  beitragende  Drüsen  finden  sich  neben  den  an  vcrsdiiedenen  Stellen 
vertheilten,  constant  bei  Vögeln  und  Säugetbieren  vor,  und  werden  als 
Glandulae  submaxillares ,  sublinguales  und  Parotides  unterschieden. 
Letztere  münden  bei  den  Vögeln  im  Mundwinkel  aus,  bei  den  Säuge- 
tbieren im  Vestibulum  oris.  Den  Cetaceen  fehlen  diese  Drüsen  gänz- 
lich und  bei  den  Pinnipediern  sind  sie  gering  entwickelt;  so  besonders 
die  Parotis,  die  auch  bei  Echidna  vermisst  ward.  Ihren  bedeutendsten 
Umfang  erreichen  die  drei  Drüsenpaare  bei  Pflanzenfressern  mit  über- 
wiegender Ausbildung  bald  des  einen,  bald  des  anderen  Paares. 


Wirbelt  liiere. 


Die  Scheidung  der  respiratoristhen  Vorkammer  des  Darmes  bei 
den  Tunicalen  wie  bei  den  Babnoglosseii  in  zwei  ttber  einander  ge- 
legene Abschnitte,  von  denen  der  eine  vorzugsweise  der  Znleilung  der 
NahniugsstolTe  zu  dienen  scheint  (vergl.  §  128],  hat  sich  auch  auf 
die  niederen  Wirfoeltbiere  fortgesetzt,  indem  bei  Amphioxus  längs  der 
ventralen  Wand  der  Atbemhoble  ein  mit  der  Bauchrionc  der 
Tunicatenin  allen  wesentlichen  Puncten Übereinstimme n- 
der  Halbcanal  besteht,  der  bei  den  Cranioten  in  eigenthtlndicbe 
Umbildungen  Übergeht. 

Unter  den  Cyclostomen  ist  diese  Rinne  nur  noch  während  des 
Larvcnzuslänilcs  vorhanden,  und  zeigt  sich  mit  dem  bei  Auiphioius 
persistenten  Apparate  völlig  homolog,  altein  mit  der  DiSerenzirung  des 
als  Zunge  fungirenden  Oi^ans  tritt  die  Rinne  in  Rückbildungen,  und 
gehl  in  einen  allmählich  vom  oberen  liaunie  sich  abschaUrenden  Canal 
Über,  der  endlich  sich  volbtHndig  trennend  beim  ausgebildeten  Thiere 
in  einen  vom  zweiten  bis  vierten  Kiemensackpaar  sich  erstreckenden 
Complex  mit  Epithel  ausgekleideter  Follikel  sich  verwandelt,  und  damit 
die  Schilddruse  vorstellt  (W.  Hiillbb]. 

Bei  den  Gnathoslomen  kommt  es  nicht  mehr  zur  Bildung  einer 
laiigere  Zeit  bestehenden  Rinne,  vielmehr  schnürt  sich  an  der  homo- 
logen Stelle  ein  Forlsatz  der  Schlundhtible  ab  (Aemak)  und  bildet  einen 
unpaaren  vom  Epithel  der  Schlundwand  ausgekleideten  FolUkcl,  der  unter 
allmählicher  Sprossung  sieb  in  eine  Summe 
einzelner  Follikel  auflöst,  die  durch  Binde- 
gewebe vereinigt  bleiben.  Nicht  selten 
sondern  sich  die  Follikel  in  Dtehrfache 
Gruppen.  Bei  Fischen  liegt  das  Organ 
wenig  von  seiner  Bildungsstätte  entfernt 
am  vorderen  Ende  des  Kiemenaricrien- 
slammes  zwischen  diesem  und  der  Copula 
des  Zungenbeinbogens.  Bei  den  Am- 
phibien findet  sie  sieb  in  der  Keblgc^cnd 
als  paariges  Knötchen  (unpaar  bei  Proteus' 
an  der  inneren  Fläche  der  hinleren  Zungen  - 
beinhOmer,  zuweilen  in  mehrfache  Gruppen 
vertheilt.  Unpaar,  dicht  vor  den  Aorten- 
bogen liegend,  erscheint  sie  hei  den  Rep- 
tilien, paarig  dagegen  bei  Vtigeln  (Fig. 
SSO.  ()  in  der  Nahe  des  Ursprungs  der 
Carotiden.  In  beiden  Abtheilungen  ent- 
fernt sie  sich  somit  weil  von  der  Bil- 
■eifen  Embryo  von  Botro 


Klg.  180. 


Eigentlicher  Darmcanal  (Rumpftlarro).  589 

dungsstäUe,  was  durch  das  Zurttcklreten  der  grossen  Arterienstämme 
beeioflussi  scheint.  Unter  den  Säugethieren  wird  sie  bei  Mono- 
ii*enienY  vielen  Beuteilhieren  und  manchen  anderen  aus  verschiedenen 
Abiheilungen  gleichfalls  in  8  Theile  getrennt,  während  sie  sonst  ihre 
beiden  seitlichen  Massen  durcfi  eine  mediane  Querbrücke  (Isthmus) 
verbunden  zeigt.  Immer  liegt  sie  dicht  unterhalb  des  Kehlkopfes  auf 
der  Luftrohre. 

Die  Fortdauer  dieses  schon  bei  den  niederen  Wirbelthieren  $eine 
ursprüngliche  Bedeutung  aufgebenden  Organs  in  der  langen  Reihe  der 
höheren  Formen  wird  aus  der  phylogenetisch  sehr  frühzeitig  erfolgten 
Vererbung  veratändlich ,  die  ein  Organ  betraf,  dessen  Function  bei 
Wirbellosen  wie  bei  Amphioxus  mit  der  Nahrungsaufnahme  in  wich- 
tiger Beziehung  stand.  Bringt  man  hiemit  die  Verbreitung  der  Bauchrinne 
bei  sonst  sehr  weit  von  einander  entfernten  Abtheilungen  in  Zusam- 
menhang, so  wird  daraus  auf  ein  ursprtlnglich  in  viel  zahlreicheren 
Formen  bestehendes  Vorkommen  dieses  Organes  geschlossen  werden 
können,  woraus  wieder  die  tiefe,  typische  Bedeutung  des  Organs  für 
die  Vertebraten  hervorgeht. 

Die  Schilddrüse  gehört  also  zu  den  rudimentären  Organen ,  deren 
ursprüngliche  Function  erloschen  ist,  ohne  dass  an  deren  Stelle  eine 
neue  auch  nur  mit  einiger  Sicherheit  erweisbar  wäre. 


Eigentlicher  Darmcanal  (Rompfdarro). 

§  396. 

Aus  dem  hinteren  Ende  der  respiratorischen  Vorkammer  oder  des 
Kopfdarmes  beginnt  der  ausschliesslich  der  Aufnahme  der  Nahrung 
und  ihrer  Veränderung  dienende  Abschnitt  des  Tractus  intestinalis, 
der  das  Darmrohr  im  engeren  Sinne  vorstellt.  Aus  seiner  vorderen 
Gränze  sondert  sich  von  ihm  ein  bei  Fischen  in  mehr  indifferentem 
Verhalten  die  Schwimmblase,  von  den  Amphibien  an  dagegen  ein  re- 
spiratorischer, Lunge  und  Luftwege  darstellender  Apparat.  - 

Der  Vorderste  Abschnitt  des  Nahrungscanais  entbehrt  der  scharfen 
Abgrenzung  gegen  den  Kopfdarro.  Da  er  ebenso  wie  der  letztere  vom 
N.  vagus  versorgt  wird,  besteht  zur  Annahme  Grund,  dass  er  ursprüng- 
lich aus  dem  respiratorischen  Theil  des  primitiven  Darmrohrs,  nach 
Rückbildung  einer  grösseren  Anzahl  hinterer  Kieroenspalten  hervor- 
ging, und  damit  dem  hinteren  Abschnitte  der  bei  Amphioxus  ansehn- 
lich langen  respiratorischen  Vorkammer  entspricht.  Die  Einbettung 
eines  beträchtlichen  Theiles  jenes  Vorderdarmabschnittes  in  die  Leibes- 
höhle, wodurch  jener  Strecke  ein  Peritonealüberzug  zugetheilt  wird, 
würde  jener  Hypothese  entsprechend  einen  secundären  Befund  bilden, 
der  aus  der  Anpassung  des  bezüglichen  Abschnittes  an  eine  neu  über- 
nommene Verrichtung  erklärbar  erscheint.     Jener  Darmthnil    hätt«  sich 


590  Wirbelthiere. 

demzufolge  erst  ailmählich  weiter  nach  hinten  zu,  in  die  Leiheshöhle 
hinab  ausgedehnt,  und  es  liegt  nahe,  hierbei  der  Bewältigung  festerer 
Nahrungssubstanzen  eine  activ  wirksame  Rolle  zuzuerkennen,  nachdem 
die  Beziehung  zum  N.  vagus  eine  ^enderung  der  primitiven  Lage 
als  iioth wendig  voraussetzen  und  für  diesen  Vorgang  ein  Gausalmoment 
suchen  laisst. 

Bei  den  Cranioten  entspringen  nicht  blos  einige  eigentbümliche  Ver- 
hSfltnisse  der  Darmanlage  sondern  auch  spätere  Zustände  der  Ontogenie 
des  Darmes  aus  den  Beziehungen  des  Eies  zur  gesammten  Embryonal- 
anlage und  aus  einer  Vermehrung  des  Dottermaterials. 

Bei  den  Selachiern  umwächst  die  Darmanlage  den  Dotter,  aber 
nur  der  unter  dem  Axenskelele  der  Embryonalanlage  befindliche  rinnen- 
förmige  Theil  der  Gesammtanlage  wandelt  sich  in  den  Darm  um,  und 
sebliesst  sich  allmählich  gegen  den  übrigen  dotterführenden  Theil  ab, 
welch'  letzterer  dann  als  ein  Anhang  des  Darms,  als  Dottersack, 
erscheint.  Anfclnglich  ausserhalb  des  Körpers  gelagert  und  auch  von 
einer  Fortsetzung  der  Integumentschichte  umhüllt,  steht  der  Dottersaek 
nur  durch  einen  Stiel  mit  dem  Darm  in  Verbindung  (äusserer  Dottersaek] 
und  wird  allmählich  in  den  Leib  aufgenommen  (innerer  Dottersaek). 
Unter  allmählichem  Verbrauche  des  Dotters  bildet  der  Dottersaek  sich  zu- 
rück. Ein  durch  geringere  Quantität  des  als  embryonales  EmUhrungs- 
mnterial  fungirenden  Dotters  charakterisirtes  Verhalten  bieten  die  Tele- 
ostier  (und  GanoYden?)  dar.  Der  voluminösere  Dotter  des  Eies  der 
Reptilien  und  Vögel  bedingt  einen  ähnlichen  Gegensatz  zwischen  Da rmcanal 
und  Dottersaek,  doch  empfängt  der  Dottersaek  keine  Umhüllung  vom 
Integumente,  da  die  bei  den  Anamnia  ihn  umschliessenden.Theile  zur 
Bildung  des  Amnion  und  anderer  fötaler  Eihüllen  verwendet  werden.  Da 
auch  bei  'den  Säugelhieren ,  bei  noch  bedeutender  Reduction  des  Ei- 
materials,  die  Darmanlage  sich  von  der  hier  den  Dottersaek  repräsen- 
tirenden  Keimblase- abschnürt,  kann  diese  Einrichtung  von  einem  durch 
reicheres  Dottermaterial  ausgezeichneten  Zustande  abgeleitet  werden.  In 
der  Entwickelung  der  Frucht  im  mütterlichen  Organismus,  und  in  der 
mehr  oder'minder  innigen  Verbindung  der  Frucht  mit  dem  Ute/us  ist  die 
den  Mangel  eines  reichlichen  Dottermaterials  compensirende  Einrichtung 
zu  suchen.  Vom  Dottersacke  erhält  sich  aber  doch  ein  Rudiment  als 
Nabelbläschen  niederer  Abtheilungen,  welches  als  ein  zur  Ernährung 
des  Embryo  nichts  beitragendes  Gebilde  auch  nicht  in  die  Leibeshöble 
mit  aufgenommen,  sondern  mit  den  Eihüllen  nach  der  Geburt  vom 
Körper  getrennt  wird. 

Als  einzelne  Abschnitte  des  Nahrungscanais  können  folgende  drei 
aufgestellt  werden :  Vorderdarm,  Mitteldarm,  Enddarm,  welcJie 
durch  die  ganze  Reihe  der  cranioten  Wirbelthiere  stets  deutlich  ge- 
lrennt sich  darstellen,  sowohl  durch  äusserliche  Merkmale  als  durch 
eine  verschiedene  Beschaffenheit  ihrer  feineren  Structur. 


KiK.  MI. 


§  397. 

Diese  erste  Slrecke  des  eigentlichen  Nahrungscanals  erscheint  l>ei 
den  Acrania  als  ein  ausnehmend  kurzer  Abschnitt  mittelbar  vor  einer 
nacb  vorne  gewendeten  Ausbuchtung  gelagert,  weldie  als  Leber  ge- 
deutet wird. 

Dagegen  bildet  er  bei  allen  Cranioten  eine  mächtig  entfaltete  Strecke, 
deren  VeHiindungsstUck  mit  der  Vorkammer  als  Schlund  oder  Speise- 
rühre (Oesophagus)  bezeichnet  wird.  Daran  fUgt  sich  der  Endab- 
scbnilt  als  Magen,  durch  eine  klappenartigo  Vorrichtung  vom  Nitleldnrin 
gelrennt. 

Bei  den  Fischen  geht  die  sehr  weite  und  meist  mit  Lsogsfaltungen 
der  Scblcimhant  ausgestaltete  Speiseröhre  meist  ohne  scharfe  (irenze 
in  den  Magen  Ober,  der  von  letzterer  meist  nur  durch  andere  Be- 
schaRenbeil  der  Schleimhaut  zu  unterscheiden  ist. 

In  der  Aegel  bildet  der  Magen  [Fig.  881)  efnen  nacb  hinten  ge- 
richteten Blindsack ,  von  dem  ein  nach  vorne  umbiegender  engerer 
Abschnitt  als  »Pj  iorusrohr«  unterschieden  steh  zum  Mitteldarm  (t;  be- 
gibt. So  bei  allen  Selachiern  und  GanoTden ,  »uch  bei  vielen  Teleo- 
stiern,  indess  andere  Teleostier  durch 
den  Hangel  oder  die  belrSchtlichc  Aus- 
dehnung des  Blindsacks  nach  hinten 
mannicbfacbe  Differenien   darbieten. 

Unter  den  Amphibien  finden  wir 
bei  Proteus  eine  niedere  Stufe,  indem 
hier  das  gerade  verlaufende  Damirohr 
nicht  einmal  eine  den  Magen  reprü- 
seniirende  Erweiterung  besitit.  Da- 
gegen greott  sich  der  Magen  bei  an- 
deren Ürodelen  (Fig.  tH6.  vj  als  ein 
weiterer  Abschnitt  ab,  und  die«  bleibt 
auch  fUr  die  Anaren,  deren  Mtgen  zu- 
weilen sogar  in  eineQuerstellung  über- 
gebt (Bufo). 

Unt«r  den  Reptilien  zeigt  der 
Munddann  bei  Schlangen  und  Ei- 
dechsen sowohl  durch  grossere  Weite 
des  Oesophagus  als  durch  geraden 
Verlauf  des  Magens  niedere  ZusUlnde.  Doch  ist  hei  den  Eidechsen  ein 
an  die  Bildung  des  Pylorusrohres  der  Selachier  sich  anschliessendes  Ver- 

Pig.  381.  [>orniCBnRl  von  Kiacht-n.  A  Vnii  Goliiu«  mplnnoüloiiins.  B  Von 
Salmo.  o  Oe^ophaguü.  r  Matcn.  (  Uitlrldarm.  op  Appendirrs  pjloricae. 
r  Enddarm. 


592 


Wirbellhiere. 


Fig.  282. 


halten  bemerkbar,  woraus  eine  allmähliche  Quetsteilung  des  Magens  ab- 
leitbar wird.  Bei  Schildkröten  und  Crocodilen  ist  eine  schärfere  Sonde- 
rung des  Oesophagus  vom  Magen  aufgetreten,  und  bei  den  ersteren 
zeigt  sich  durch  bedeutendere  Hebung  des  Pylorustheils  eine  grosse  und 
kleine  Curvatur.  Durch  Nälierung  der  Gardia  an  den  Pylorus  erhält 
der  Magen  der  Crocodile  eine  sackförmige,  rundliche  Gestalt,  und  \%ird 
noch  durch  eine  auf  jeder  Fläche  der  Muskclwand  liegende  sehnige 
Scheute  ausgezeichnet,  wodurch  ein  Anschluss  an  den  Magen  der  Vögel 
gegeben  ist. 

§  398. 

Bedeutendere  Differenzirungen  treten  am  Vorderdarm  der  Vögel 
auf,  der  mehrfache  Arbeitstheilung  bekundend  in  mehrere  verschieden 
fungirende  Theile  zerlegt  wird.  Der  Einfluss  der  Anpassung  an  die  Le- 
bensweise, hier  specieli  an  die  Nahrung,  tritt  in  der  Mannich falUgkeit 
der  einzelnen  Einrichtungen  überalf  gleich  aufs  deutlichste  hervor.  Die 
verschieden    weite,    der   Länge   des  Halses  entsprechende  Speiseröhre, 

erscheint  in  ihrem  Verlaufe  entweder  gleich- 
massig  oder  mit  einer  erweiterten  Stelle  ver- 
sehen (Fig.  282.  A}  ,  oder  sie  zeigt  eine 
blindsackartige,  wie  ein  Anhang  erschei- 
nende Ausbuchtung  (B).  Solche  nicht  minder 
durch  Modißcationen  des  Drüsenapparates  der 
Schleimhaut  charakterisirte  Abschnitte  (Fig. 
282.  i)  werden  als  Kropf  (Jugluvies)  be- 
zeichnet. Fleischfressende  und  körner- 
fressende Vögel  besitzen  ihn  am  meisten 
ausgebildet,  und  zwar  erscheint  er  bei  den 
ei*steren  meist  als  spindelförmige,  selten 
scharf  abgesetzte  Erweiterung,  indes^  er  bei 
d^n  letzteren  als  einseitige  Ausbuchtung  auf- 
tritt, die  zu  einem  blindsackartigen,  bei 
manchen  sogar  ein  engeres  Verbindungsstück 
besitzenden  Anbang  differenzirt.ist. 

Der  darauf  folgende  meist  engere  Ab- 
schnitt der  Speiseröhre  gebt  in  den  Magen 
über,  an  welchem  zwei  Theile  unterscheid- 
bar sind;  der  erste  häufig  continuirlich  aus  den  Speiseröhre  kommende 
Abschnitt  wird  als  Vormagen  (Proventriculus)  (Fig.  282.  A,  B.  pv)  be- 
zeichnet, und  empfängt  durch  die  überaus  reiche  Entwickelung  seiner 
Drüsenschichte  eine  ansehnliche  Verdickung  dtM*  Wandung.  Der  zweite 
Abschnitt  ist  durch  Entwickelung  der  Muskelschichte  cbarakterisirt, 
deren  Stärke  je  nach  der  Lebensweise  der  Thiere  sehr  verschieden  ist. 

Fig.  282.    A  Vorderdann  eines  Raubvogels  (Buteo).   B  eioes  Huhnes,  oe  Speise- 
röhre.  I  Kropf,   po  Driisenmagen.    v  MusLclmagen.    d  Duodennm. 


Vorderdarm.  693 

Wo  sie  mächtig  ontwirkoli  ist,  homerkt  man  jeders<»ils  eine  Sehnen- 
scbeibe  (Fig.  282.  A.  B).  Bei  Baubvögeln,  auch  bei  vielen  von  ani- 
nialiscber  Nahrung  lebenden  Schwimmvögeln  ist  die  Muskelscbichte 
wenig  enlfiiltet.  Sehr  stark  wird  sie  bei  Kömerfressern  (Hühnern, 
Gänsen,  Tauben,  Singvögeln),  wo  sie  zwei  gegeneinander  gerichtete 
derbe  Platten  bildet. 

Dieser  zur  Verkleinerung  der  Nahrung  dienende  Abschnitt  enthielt 
noch  weitere  hierauf  hinzielende  Einrichtungl^n ,  indem  seine  Innen^- 
flücbe  mit  einer  hornartig  festen  Lage  überzogen  wird,  welche  häußg 
von  bedeutender  Dicke  als  Reibplatte  fungirt.  Sie  ist  die  Abscheidung 
einer  drüsigen  Schichte,  deren  Secret  in  jenen  festen,  starren  Zu- 
stand übergeht.  Der  jeder  Drüse  zukommende  Antheil  lilsst  sich  in 
Ffillen  als  ein  Büschel  feiner  Fäden  nachweisen,  deren  jeder  einzelne 
mit  je  einer  Drüsenzelle  in  Verbindung  steht. 

§  399. 

Die  Trennung  des  Vorderdannes  wird  bei  den  Säugethieren 
durch  die  schfirfere  Abgrenzung  der  Speiseröhre  vom  Magen  vollsUin- 
diger  als  in  fast  allen  übrigen  Abtheilungen  ausgeführt.  Die  Gestal- 
tung des  Magens  reiht  sich  in  manchen  Fällen  an  niedere  Zustände  an 
und  er  behalt  bei  den  Phoken  (Fig.  283.  Ä)  sogar  eine  Längsstellung 
bei,  während  bei  den  übrigen  eine  Querstellung  vorwaltet.  Die  Grund- 
form des  Magens  stellt  auch  hier  eine  Erweiterung  des  Darmrohrs  vor, 
an  der  durch  allmähliches  Auswachsen  der  ursprünglich  der  Wirbel- 
säule zugewendeten  Randfläche  eine  grosse  Gurvatur  entsteht,  ent- 
gegengesetzt der  damit  gleichfalls  gebildeten  kleinen  Gurvatur.  Die 
erstere  wird  mit  einer  Axendrehung  des  Magens  und  Hebung  des  Py- 
lorusiheib  nach  vorne  gerichtet. 

Als  Anpassungsergebniss  an  die  Nahrung  muss  eine  Reihe  von 
Eigenihümiichkeiten  betrachtet  werden,  die  theils  bei  den  grösseren 
Abtheilungen  constant  erseheinen,  theils  innerhalb  engerer  Grenzen 
sich  halten.  Sie  beruhen  sowohl-  auf  einer  Erweiterung  des  Binnen- 
raumes wie  auf  einer  Differenzirung  des  ursprünglich  einheitlichen, 
und,  wie  es  scheinen  muss,  gleichartig  fungirenden  Magens  in  mehrere 
functionell  ungleichwerthige  Abschnitte. 

Das  erste  Verhältniss  gibt  si<5h  bereits  bei  der  Querstellung  des 
Magens  kund^  wobei  die  grosse  Gurvatur  eine  bedeutendere  Ausdeh- 
nung erlangt,  und  sich  besonders  nach  der  Gardialportion  ausbuchtend 
Blindsackbildungen  hervorruft.  Sie  fehlen  den  meisten  Camivoren, 
sind  dagegen  bei  Monotremen,  Beutel thieren ,  Nagethieren,  sowie  bei 
Edentaten  entwickelt  und  kommen  den  meisten  Primaten  zu. 

Die  Stärkere  Entwickelung  des  Magenblindsacks  (Fig.  283.  B)  führt 
zur  Scheidung  in  mehrere  Abschnitte,  welche  Sonderung  nicht  selten 
nur  innerlich  an  der  Schleimhaut  ausgedrückt   ist   und  sich  sogar  mit 


594 


Wirbelthiere. 


einer  scharfen  Begrenzung  kund  gibt  (Equus).  Weiter  setzt  sich 
dieses  Verhältniss  durch  eine  quere  Einschnürung  fort,  durch  welche 
der  Magen  bei  vielen  Nagethieren  (C)  in  einen  Cardiai-  und  Pylorus— 
theil  getrennt  wird,    zu  welchem  noch  kleinere  Ausbuchtungen  treten 


können.  Solche  zusammengesetzte  Magen  bieten  sich  vorzüglich  bei 
Wiederkäuern,  Tylopoden  und  Walthieren  dar.  Der  Magenbltndsack 
bildet  immer  eine  bedeutende  Erweiterung,  auf  welche  bei  den  Wal- 
thieren eine  Anzahl  dem  Pylorusabscbnitle  angefügter  Divertikel  folgt,  die 
den  Magen  aus  vier  bis  sieben  durch  verschieden  weite  Verbindungs- 
slellen communicironde  R^ume  zusammengesetzt  darstellen. 

Bei     den     Wiederkäuern 
Fig.  S84.  (Fig.     S83.    F)     fuhrt     diese 

Differenzirung  zu  der  eigen- 
thümlichen  Erscheinung,  wel- 
che der  Abtheilung  ihren  Na- 
men gab.  Der  erste  als  er- 
weiterter Magenblindsack  er- 
scheinende Abschnitt  wird  als 
Rumen  (Jugluviesj  (Fig.  %Si.  /J 
bezeichnet,  und  fungirt  we- 
sentlich alsBehalter  für  massen- 
haft aufgenommene  Nahrungs- 
Stoffe.  Dicht  neben  der  Cardia 
steht  er  mit  dem  zweiten  Ab- 
schnitte, dem  Netzmagen  (Re- 
ticulum)  (//]  im  Zusammen- 
hange, auf  welchem  als  dritter  Abschnitt  der  den  Tylopoden  (Fig.  283.  fi) 

Fig.  383.  Magenformen  verschiedener  Säugethiere.  A  Von  Phoca.  B  Von 
Hyaeno.  C  Von  Cricetus.  />  Von  Manatu.s.  £  Von  Ca m eins.  F  Von  Ovis. 
c  Cardia.   p  Pylorus. 

Fig.  384.  Magen  einer  Antilope.  A  Von  vorne  gesehen.  B  Von  hinten  gie* 
(iffnet.  00  Speiserühre.  /  Ruinen.  //  Nelzmagen.  ///  Bifitterniagen .  IV  LabmageD. 
p  Pylorus.   s  Schlundrinne. 


Mitteldarm.  595 

fehlende  Blattermagen  (Omasus)  (///)  folgt.  Diesem  schliesst  sich  als  letz- 
ter aus  dem  Pylorustheil  gebildeter  Abschnitt,  der  Labmagen  (Abomasus) 
(Fig.  283.  E.  3.  F.  4)  an,  dessen  Schleimhaut  die  Labdrtlsen  enthält. 
Durch  den  Schluss  einer  von  der  Cardia  in  den  Netzmagen  gehenden, 
durch  einen  faltenfdrmigen  Vorsprung  (Fig.  284.  B.  s)  gegen  die  beiden 
ersten  Abtheilungen  des  Magens  abschliessbaren  Rinne  kann  der  aus 
dem  Netzmagen  in  den  Oesophagus  und  von  da  in  die  Mundhöhle  ge- 
langte Bissen  nach  vollzogenem  Wiederkauen  unmittelbar  in  den  Blätter- 
und  Labmagen  zurückgebracht  werden,  während  das  Offenstehen  jener 
»Schlundrinne«  den  Eintritt  des  Futters  in  Rumen  und  Netzmagen  ge- 
stattet. Der  Einfluss  der  Nahrung  auf  die  Grösseverhältnisse  der  ein- 
zelnen Abschnitte  ergibt  sich  aus  der  Verschiedenheit,  die  Rumen  und 
Labmagen  in  verschiedenen  Altersperioden  zeigen.  Der  Labmagen 
bildet  den  grössten  Abschnitt  beim  Säugling,  indess  er  später  vom 
Rumen  wohl  zehnmal  an  Grösse  tlbertroflen  wird. 


Mittetdarm. 
§  400. 

Der  meist  durch  eine  ringförmige  Falte,  die  Pylorusklappe ,  vom 
Magen  abgegrenzte  Mittel  d  arm  ist  an  seinem  Anfangsstucke  durch 
die  Verbindiftig  mit  DrUsenorganen  (Leber  und  Bauchspeichel- 
drüse) charakterlsirt.  In  seinen  Längeverhältnissen  ist  er  der  varia- 
belste Abschnitt  des  Darmrohrs.  In  geradem  Verlaufe  bei  den  Gyclo- 
stomen,  auch  bei  einigen  Teleostiem  und  bei  Ghimaera,  ist  er  bei 
letzteren  durch  eine  bei  den  Selachiern  bedeutender  entwickelte  spi- 
ralige Palte  ausgezeichnet,  welche  den  grössten  Theil  des  Mitteldarms 
in  zahlreichen,  bald  dichteren,  bald  weiter  abstehenden  Umgängen 
durchsetzt  (Fig.  285.  C.  vs).  Diese  Spiralklappe  bleibt  auch  den 
GanoYden,  ist  jedoch  bei  Lepidosteus  fast  bis  zur  Unkenntlichkeit  rück- 
gebildet und  fehlt  vollständig  den  Teleostiem. 

Am  Anfange  des  Mitteldarms  der  Selachier  ist  eine  Erweiterung 
bemerkbar,  an  welcher  Stelle  bei  den  Stören  ein  grosses,  äusserlich 
mehrfach  gebuchtetes  DrUsenorgan  sich  vorfindet,  dessen  Inneres  in 
grössere,  den  Buchtungen  entsprechende  Räume  zerfällt,  die  in  einen 
weiten  mittleren  Raum  einmünden  und  wieder  zahlreichere  kleinere  Al- 
veolen an  ihren  Wandungen  besitzen.  Bei  Lepidosteus  sind  die  einzelnen 
Abschnitte  schärfer  von  einander  getrennt  und  erscheinen  als  Gruppen 
kurzer  Blindschläuche,  die  denPylonisabschnitt  des  Mitteldarms  besetzen, 
und  wie  bei  den  meisten  Teleostiem  die  als  Appendices  pylo- 
ri cae  bezeichneten  blinddarmartigen  Anhänge  (Fig.  285.  A.  B.  ap)  vor- 
stellen. Sie  besetzen  eine  verschieden  lange  Strecke  des  Mitteldarms 
in  wechselnder  Zahl  und  Grösse.  Bald  mündet  jeder  gesondert  in 
den  Darm,  bald  vereinigen  sich  mehrere  zu  grösseren  Stämmen,  woraus 

»8* 


Ö96 


Wtrbelthiera 


veiDstcit«  Bildungen  entstehen.  Dip  ^rüssle  Zahl  kommt  bei  Gadiden 
und  Scomberolden  vor.  Bei  maachen  werden  die  einzelnen  zu  ge- 
meinsitmem  AusfUhr^an^p  verbundenen  Schlilucbe  noch  durch  Binde- 
jjewebe    xusammengehallen,    so    dass    sie    dann    das   Ansehen    einer 


Fiü.  ISS. 


compnelen  DrUse  ße»  innen  (ScomberoTden) ,  sowie  auch  schon  durch 
die  hüulijie  Vereinic^un);  der  Mündungen  die  VerwandtschaU  mit  der 
Drüse  der  Siöre  nusj-es prochen  ist. 

Bei  vielen  Tcteosliern  Uberlrifft  der  Uilleldarm  die  ihm  zugewiesene 
Strecke  der  Bauclihölile  um  bedenlcndes  an  Lunge,  und  findet  sich 
dann  in  Windungen  [Fig.  285.  B.  t)  oder  durch  mehrfaches  Auf-  und 
Absteigen  in  Schlingen  gelegt.  Darin  spricht  sich  eine  Anpassung  an 
den  Raum  der  Loibeshöhle  ebenso  aus,  wie  das  stets  aus  einer  gerade 
gestreckten  AnInge  hervorgeiiende  Auswachsen  in  die  Länge  wieder  einer 
Anpassung  an  die  durch    die   Ingesla   beeinOusste   Leistung  enlsprichl. 


Bei  den  Amphibien  bleibt  das  einfache  Verhalten  des  Hitleidarms 
nur  selten  bestehen,  meist  bildet  er  (Fig.  386.  i)  wie  auch  bei  den 
Reptilien  ein  liingeres  Rohr  und  demzufolge  mehrfache  Windungen,  die 
am  geringslen  bei  Schlangen,  bedeutend  dagegen  bei  Schildkrtiien  und 
noch  mehr  bei  Crocodilcn  entwickelt  sind.  Eine  betrüchlliche  Längen- 
ausdchnung  des  Mitteldnrms  erfolgt  bei  den  Larven  der  unge- 
schwünzten  Amphibien,  bei  denen  dieser  Abschnitt  eine  in  spiraligen 

Vif.  SS5.  Dariiicanal  von  Fischeo.  A  von  Saimo  salvelinD!).  B  vod  Trn- 
chinuK  rndialUN.  C  von  Squatioa  vulgnrl<i.  oe  OeMpheguü.  v  Magpn. 
itp  Eiiilc  den  Ductus  pneuiiialicus.    p  Pylorun.    ap  AppendtcM  pfloricap.  d  Dnctux 

cliolcüüclius,     VI  Spiralklappv.     i  Millelüarm.     c  EnUdarm.     j:  Anhang   desMibcD. 


Enddarm. 


597 


Fig.  S86. 


Windungen  gelagerte  lange  Schlinge  vorslellt.  Mit  der  Aenderung  der 
Ernährungsweise  geht  in  den  letzten  I^rvenstadien  eine  Reduetion  vor 
sich,  die  den  Daran  wieder  auf  einige  Schlingen  verkürzt. 

Die  Lange  des  Milteldnrms  ist  bei  den  Vögeln  gleichfalls  nach  den 
Nahrangsverhtfltnissen   beträchth'ch   verschieden.     Der  ganze   Darmab- 
schnitt  zeigt  sich   in  Schlingen  gelegt,    von  denen  die 
erste  'Duodenalschlinge)  am  meisten  ausgebildet  ist  und 
immer  die  Bauchspeicheldrüse  umfasst. 

Am  Mitteldarm  der  Saugethiere  zeigt  sich  das 
verschiedene  Verhalten  der  Lange  nicht  minder  in  deut- 
licher Abhängigkeit  von  den  Nahningsverhaltnissen  und 
daraus  ergeben  sich  für  Fleisch-  und  Pflanzenfresser  sehr 
vei*schiedenartige  Zustande. 

Ausser  der  Langeentfaltung  des  Mitteldarms  bieten 
sich  für  die  Oberflachenvergrösserung  mehrfache ,  von 
der  Schleimhaut  ausgehende  Einrichtungen  dar.  Wah- 
rend in  den  unteren  Abtheihmgen  grössere  Faltungen 
der  Schleimhaut  auftreten,  die  in  der  Bildung  der 
Spiralklappe  der  Seiachier  ihren  höchsten  Ausdruck 
fanden )  ^hen  wir  bei  den  Amphibien  und  Reptilien 
vorzüglich  feine  Langsfaltungcn  vorherrschend.  Solche 
bestehen  zwar  auch  noch  bei  den  Vögeln,  allein  sie 
zeigen  sich  als  ungleiche  Erhebungen,  die  sogar  durch 
Querfalten  verbunden  sein  können.  Feine,  in  Zick- 
zacklinien angeordnete  Falten  kommen  bei  Amphibien  und  Reptilien, 
besonders  bei  Grocodilen  vor,  und  finden  sich  auch  am  Mitteldarm  der 
Vögel  wieder.  Unter  den  Saugethieren  herrschen  Langsfaltungcn  der 
Schleimhaut  bei  Walthieren;  bei  den  meisten  übrigen  erhebt  sich  die 
Schleimhaut  in  Querfalten,  die  sehr  allgemein  mit  Zotten  besetzt  sind. 
Bei  geringer  entwickelter  Faltenbildung  finden  sich  solche  Zotten  auch 
bei  Vügeln  bedeutend  entwickelt,  wahi*end  sie  bei  Anwesenheit  von 
Falten  nur  kleinere  Erhebungen  vorstellen. 


E  nd  d  arm. 

Der  Enddarm  erscheint  in  den  unteren  Abtheilungen  als  der 
unansehnlichste,  meist  nur  durch  ein  kurzes,  etwas  weiteres  Stück 
vorgestellte  Abschnitt  (Fig.  284.  r.  285.  C.  c).  Erst  bei  den  Am- 
phibien empfangt  ar  durch  grössere  Lange  und  W'eite  einige  Bedeutung, 
behalt  jedoch  ebenso  wie  bei  Reptilien  einen  seiner  Kurze  entsprechen- 
den geraden  Verlauf  bei ,  daher  er  meist  als  »Rectum«  bezeichnet  ward. 


Fig.  i86.     Oarmcanal  von  Menobraiiohus  lateralis,  p  Anfang  des  Mund- 
darms mit  dem  Pharynx,     oe  ^Speiseröhre,     r  Magen,     i  MlUeldarm.     r  Enddarm. 


598  Wirbelthiere. 

Gewöholich  wird  er  vom  Milteldaim  durch  eine  Quorfalte  oder  Klappe 
geschiedeD.  Eid  blinddarmarligcr  Anhang  komml  vielen  ReplilieD  zu 
und  erscheint  als  eine  wenig  bei  Schlangen,  mehr  bei  Eidechsen  ent- 
wickelte Ausbuchtung  des  Enddarms.  Eine  grüssere  Beständigkeit 
erhalten  Blinddürroe  bei  den  Vöguln,  deren  Enddann  gleiobralls 
noch  kurz  und  gerade  {gestreckt  ist.  Der  Blinddarm  ist  meist  paarif; 
vorbanden,  und  wird  nur  in  einzelnen  Familien  vermisst  (z.  B.  bei 
den  Spechten,  bei  Psiltacus  u.  a.).  Die  Ausbildung  dieser  Coeca  bietet 
sehr  verschiedene  Grade  dar,  so  dass  sie  bald  ganz  kurze  papillen- 
artige  Anhänge,  bald  sehr  lange  Schlauche  [z.  B.  bei  Apl«ryx,  bei 
Hühnern)   vorstellen. 

Die  Längenentfaltung  des  Enddarms  erreicht  ihre  höchste  Stufe 
bei  den  Saugelbieren,  wo  dieser  Tbeil  gleichfalls  durch  grössere  Weile 
als  Dickdarm  vom  engeren  Mittel-  oder  DlUiadarm  immer  deutlich 
abgegrenzt  erscheint.  Seine  bedeutendere  Länge  lasst  ihn  in  Windui^en 
gelagert  sein,  so  dass  nur  der  letzte  Abschnitt  den  geraden  Verlauf  des 
Enddarmes  der  übrigen  Wirbelthiere  besitzt.  Der  erstere  bildet  in 
der  Regel  eine  von  der  rechten  Seite  der  Bauchhöhle  nach  vorne  und 
von  da  nach  links  und  wieder  nach  hinten  umbiegende ,  ins  Heclum 
sich  fortsetzende  Schlinge,  welche  lu- 
Fig.  S8T.  weilen  wieder  in  secundäre  Sdiliageo 

zerlegt  wird.  An  der  Grenze  gegen 
den  Dünndarm  bestehen  gleichfalls 
Bltndsackbildungen ,  bald  su  zweien 
(Fig.  287.  c.  dj,.  bald  einfach  vorhan- 
den. Die  Ausbildung  dieses  Blind- 
darmes erscheint  in  engem  Zusam- 
menhange mit  der  Nahrung;  bei 
Fleischfressern  ist  er  kurz  und  kann 
sc^ar  gänzlich  fehlen  (Ursina,  Hustelina] ,  von  bedeutendem  Volumen 
tritt  er  bei  Pfl anzen fresse m  auf,  wo  er  jedoch  bei  ansehnlicher  Lange  des 
Colons  auch  reducirt  vorkommen  kann ,  und  somit  zwischen  beiden 
Abschnitten  ein  gewisses  compensa torisches  Verhaltniss  wahrnehmen  lässl. 
Am  Blinddarm  selbst  ergeben  sich  wiederum  Dißerenzirungen. 
Das  Ende  desselben  ist  häufig  verkümmert  (z.  B.  bei  manchen  Pm- 
simiae  und  vielen  Nagern)  (Fig.  887.  c).  Auch  bei  manchen  Primaten, 
wie  beim  Henschen  entwickelt  sich  das  anfänglich  mit  dem  übrigen 
gleichweite  Endstück  nicht  in  demselben  Maasse  wie  der  Übrige  Theil, 
und  scheidet  sich  von  dem  lelileren,  weiter  werdenden  Abschnitte 
immer  deutlicher  ab,  bis  es  endlich  einen  blossen  Anhang  desselbeo, 
den  Appendix  vermiformis,  vorstellt. 

Der  Enddarm  ttffnet  sich  anlUnglich  mit  den  Harn-  und  Gescfalecbts- 

Klg.  187.  Blinddarm  und  Culon  vod  Lagorays  puslllus.  a  Dünadarm. 
b  EinmUnduDK  des  grösseren  (c)  und  des  kleineren  (d)  Blinddarms,  tfg  Diver- 
tikel des  Colons,      Nach  Pallas.) 


AnhangSDi^ne  des  HlUeldarni!«.  599 

wegen  ia  einen  gemeiownieD  Bauni,  die  Cloake.  Dieses  hei  Sela- 
cfaierD,  Amphibien,  BeplUien  und  Vt^eln  bestehende  Verhallen  ßtwlet 
sich  bei  den  SUugetbieren  nur  bei  den  MonoUwtneo  bleibend,  bei  den 
anderen  auf  frühere  Stadien  beschränlil,  um  eiiter  TrennuDg  in  zwui 
Oeffiiungeo  tu  weichen  (S.  unter  Geschlechlsorgauen) . 


Anhangsorgane  des  Uitleldarins. 
§  403. 

Mit  dem  Anfange  des  Hitteldarms  stehen  zwei  groBsu  DniscDoi^ne 
in  Verbindung,  Leber  und  BauchepeicheldrQse,  die  beide  nuf 
HbereiDStimmende  Weise  aus  den  Wandungen  der  Darnunlage  sich 
entwickeln. 

Beir  Amphioxus  erscheint  ein   als  Leber  su   deutendes  Organ  in 
Gestalt  eines  nahe  aui  Anfange  des  NabrungscanaU  beginnenden,  nach' 
vome  geriohleten  Blindschlauches    ,Fig.  ST3.  /), 
der    eine    grünlich    gefürbte   Epithelauskleidung  f-     ,gg 

besittt.  Ein  ahnlicher  Zustand  findet  sich  sonst 
nur  während  der  ersten  Bildungsstadien  gegeben, 
wo  die  Anlage  der  Leber  als  eine  hinler  dem 
eine  einfache^  spindelförmige  Erweiterung  dar- 
stellenden Ua^ea  (Fig.  288.  d\  liegende  paarige 
Ausbuchtung  [f,  f)  des  Darmrohrs  erscheint.  Ad 
ihr  betheüigen  sich  sowohl  die  Uusscre  aus  dem 
Darmfaserblalle  gebildele,  als  auch  die  innere 
Schiebte  der  Uarmanlage,  das  Darmdrüsenbiatt. 
Da  Beptilien,  Vögel  und  Saugethiere  hierin  über- 
einstimmen, wird  dieser  Zustand  als  ein  fundo- 
nientaler  zu   betrachten  sein,    der   zugleich  auf  ■-■.-f         =- 

die   Farmverhaltnisse   des  Leberorgans   bei  Am-  |'4  ' 

phioxustuid  vielen  wirbellosen  Thieren  (WUrmer,  M 

nuioche  Mollusken)   verweist   und  in  jenen  ver-  ' 

gleicbbare  Einrichtungen  erkennen  tasst. 

Durch  Wucherungen  des  Üarnifaserblattes  und  Verbindung  desselben 
vorzüglich  mit  dem  venOsen  Absctwitte  des  Gel<lssystcms ,  wie  durch 
gleichzeitige  Wucherungen  des  DarnidrUscnblattes  cnlslehen  Vcrhfill- 
nisae,  welche  die  Leber  der  (^i-aniota  von  jener  der  Acrania  sowohl  als 
der  wirbellosen  Thiere  unterscheiden.  Während  die  erste  Anlage  der 
Leber  als  eine  Ausbuchtung  erscheint,    gehen   die   späteren  Difl'eren- 

t'ig.  SHS.  Anlage  des  DarDicanal«  und  Keiner  Aiibaogsge bilde  von  einem 
Huade-Einbr>o,  von  der  Ventral  111  che  dii^estalll.  a  Auabnchtuagen  des 
Darmrobrs  nsoh  den  Viacera Ispallen,  b  Anlage  des  Sublundes  und  Kehlkopreti. 
c  Aalage  der  Lungen,  d  daa  Magens,  ^  der  Leber,  g  DnttersackwHDde  in  ilircr 
Verbindung  luil  dem  Milleldann.    h  linddarni.     {Nai-'b  Bisuorr,} 


600 


Wirbelthiei«. 


ziruiigen  aus  Wucherungen  des  DarnidrUsenblflttes  hervor,  weiche  solide, 
tlberoll  ins  Darnifaserblatt  und  den  in  dasselbe  eingebetteten  GeEäss— 
apparat  einwachsende  Strünge  bilden  und,  neue  Sprossen  treibend, 
sich  schliessliob  unter  einander  netzförmig  verbinden.  Diese  anfäng- 
lich soliden  Strünge  stellen  sammt  ihren  seound^ren  eto.  Ausläufern 
das  Leberparenchym  her,  und  lassen  mit  dem  Auftreten  intercellulärer, 
in  der  Axe  der  Zellenstränge  verlaufender  Günge,  die  Gallenwege  hervor- 
gehen. Die  beiderseitig  entstandenen,  bei  den  Myxinen  getrennt  bleiben- 
den Leberlappen  sind  bei  den  iindcren  untereinander  zu  Einem  Organe 
verschmolzen.  Die  zwei  primitiven  Ausbuchtungen  stellen,  nadidem 
sich  die  Gallenwego  von  ihnen  aus  ins  Leberparenchym  bildeten,  und 
ins  Netzwerk  der  Zcllenstränge  desselben  sieb  fortsetzten,  die  Ans- 
ftlbrgänge  der  Leber  vor. 

Die   auf   diese   Weise    vom   Darme   differenzirte   Leber   bildet  ein 
einheitliches,  meist  sehr  volumindses  Oi^an,  welches  in  eine  vAd  vor- 
deren Abschnitt  des  Darmrohrs  zur  vor- 
t'ii;.  SB9.  deren    Bauchwand    tretende   Peritoneal- 

duplicatur  sich  einbettet. 

§  t04. 
in  der  äusseren  Form  wie  in  den 
Volums  Verhältnissen  ergeben  sieb  viel- 
fache Verschiedenheiten.  Bei  den  Pist^en 
treffen  wir  die  Leber  bald  nur  als  eine 
einzige  ungelappte  Hasse  [viele  Knochen- 
fische, bald  aus  zwei  Lappen  bestehend 
(Selachier,  viele  Knochenfische) ,  bald  ist 
sie  in  eine  grössere  Anzahl  von  Lappen 
und  Luppchen  getheilt  (Knochenfische). 
Zwei  grossere  Abschnitte  besitzt  sie  bei 
den  Amphibien ;  einfach  ist  sie  meist 
bei  den  Schlangen,  und  nur  am  Rande 
gekerbt  bei  den  Sauriern ,  bei  Crocodilen 
und  Schildkröten  wieder  in  zwei  Lappen 
getheilt,  die  bei  den  letzteren  weit  aus- 
einander gerückt  durch  eine  schmale 
QuerbrUcke  vereinigt  werden.  Die  An- 
deutung zweier  Lappen  tritt  bald  mehr, 
bald .  minder  auch  in  der  Classe  der 
Vflgel  (Fig.  289.  h]   vor,  und  ist  bei  den 

Flg.  189.  Darmcanel  vnnArdea  cineroa.  ■  Oesophagus  mil  lü^pf.  ptr  Drü- 
»enmagen.  «i  Mugkelmagen.  v'  Antrum  pylori,  <t  DuodHiinlscblinge.  U  Hilt^ldarm. 
b  Enddirm.  c  StUck  eines  der  beiden  Blinddltrme.  ci  Cioake  mit  Bursa  FabrictI. 
h  I^ber.  dA  Ductus  bepaln-e nie rlcus.  /'«lalleublBse.  p Baucb Speicheldrüse.  dpDu- 
ctuH  pancreaticus. 


Mesenlenam.  |>01 

m 

Säugethieren  die  Regel,  da  zwar  bei  Carnivoren,  Nagern,  einigen  Beutel- 
tbieren,  Affen  und  Anderen,  mehrlappige  Formen  vorhanden  sind,  die 
sich   aber  immer   auf  zwei  grossere  Hauptlappen  zurfickfUhren  lassen. 

Im  Verhallen  der  AusführgStnge  [Ductus  hepato-eDterici)  ergeben 
sich  zahlreiche  in  Bezug  auf  die  ursprüngliche  Duplicilät  dahin  auf- 
zufassende Modificationen,  dass  entweder  der  erstere  Zustand  fortbesteht, 
oder  dass  die  beiden  Ausführgflnge  allmSihlich  mit  einander  verschmelzen, 
d.  h.  sich  vom  Darme  her  zu  Einem  Gange  umwandein,  oder  dass 
endlich  eine  Rückbildung  der  primären  Ausführgange  erfolgt,  wobei 
Canäle  secundärer  Ordnung  zu  Ausftthrgängen  werden,  die  dann  in 
grosserer  Anzahl  vorkommen,  z.  B.  bei  Eidechsen  und  Schlangen.  An 
diesen  Ausführgängen  findet  sich  eine  einseitige  blindsackartige  Aus- 
buchtung,  die  Gallenblase  (Fig.  289.  /*) ,  und  zwar  in  sehr  man- 
nicbfacben  Beziehungen  und  keineswegf;  als  constantes  Gebilde. 

Die  Bauchspeicheldrüse  entsteht  auf  eine  ähnliche  Weise  wie 
die  Leber,  aus  einer  hinter  der  Anlage  der  letzteren  sich  bildenden 
Ausbuchtung  der  Darmwand.  Die  Epithelschichte  des  Darmes,  also 
wieder  das  Darmdrttsenblatt ,  bildet  Wucherungen,  aus  welchen  unter 
fortgesetzter  Knospung  die  DrüsenlSIppchen  mit  ihren  Ausfühi^angen 
entstehen,  indess  der  Ductus  pancreaticus  aus  der  ersten  Anlage  sich 
bildet.  Dieses  nur  in  einzelnen  Abtheilungen  der  Fische  vermisste, 
immer  dem  Anfange  des  Mitteldarms  oder  auch  dem  Magen  benacHbart 
gelegene  Organ  verbindet  seinen  Ausführgang  hllufig  jenem  der  Leber, 
oder  senkt  ihn  mit  jenem  in  den  Darmcanal  ein.  Nicht  selten  kommen 
zwei  Ausführgange  vor  (bei  Schildkröten,  Crocodilen,  Vögeln  (Fig.  289) 
und  einigen  Sflugethieren) ,  von  denen  einer  in  der  Regel  mit  dem 
Ductus  hepato-entericus  verbunden  ist. 

Mesenterium. 
§  405. 

Mit  der  Bildung  des  Darmcanals  entsteht  die  ihn  überkleidende 
Peritonealduplicatur ,  durch  welche  er  an  die  hintere  Bauchwand  be- 
festigt wird.  Diese  den  Darm  umfassende  Doppellamelle  stellt  das 
Mesenterium  vor,  von  dem  der  zum  Magen  tretende  Abschnitt  als 
Mesogastrium  bezeichnet  wird.  Letzteres  schlägt  sich  aber  nicht  ein- 
fach um  den  Magen,  wie  das  Mesenterium  des  grössten  Theils  des 
Mitteldarmes,  sondern  geht  mit  seinen  beiden  Lamellen  von  dem  Magen 
in  eine  zur  vordem  Bauchwand  sich  fortsetzende  Doppellamelle  über, 
die  erst  an  letzterer  Stelle  wieder  mit  dem  Peritoneum  der  Bauch- 
wand zusammenhängt.  In  dieser  Fortsetzung  des  Mesogastriums  zur 
vorderen  Bauchwand  ist  die  Leber  aufgetreten,  welche  dadurch  nicht 
nur  gleichfalls  einen  Peritonealüberzug  erhält,  sondern  auch  durch 
denselben  sowohl  mit  dem  Darmrohr  (speciell  dem  Magen  und  dem 
Anfange  des  Mitteldarms},  wie  mit  der  ventralen  Wandung  der  Leibes- 


602  Wirbeltbiere. 

höhle  in  Zusammenhang  sich  findet.  So  lange  das  Darmrohr  seinen 
ursprünglich  geraden  Verlauf  behält,  sind  auch  die  Verhältnisse  des 
Mesenteriums  einfach,  und  Besonderheiten  werden  nur  durch  theilweises 
Schwinden  grösserer  Strecken  desselben,  z.  B.  bei  Fischen,  hervor- 
gerufen. Auch  die  Voluraentfaltung  der  Leber  bedingt  Veränderungen 
an  der  vom  Magen  zur  vorderen  Bauchwand  tretenden  Duplicatur,  die 
als  Verbindungsstück  mit  dem  Magen  als  kleines  Netz  bezeichnet  wird, 
während  ihr  vorderer  zur  Leibeswand  tretender  Abschnitt  das  Liga- 
mentum Suspensorium  der  Leber  vorstellt.  Andere  Veränderungen 
werden  durch  die  Beziehung  zum  Zwerchfell,  durch  Krümmung  des 
Magens  und  durch  die  Verlängerung  des  Mitteldarms  hervorgerufen, 
welcb^  letztere  das  Mesenterium  in  krausenartige  Falten  legt  (Gekröse^. 
Diese  Verhältnisse  treten  bereits  bei  Fischen  auf  und  zeigen  sich  noch 
einfach  bei  Amphibien,  dann  bei  den  Schlangen  und  Eidechsen,  bei 
Schildkröten  und  Grocodilen  besonders  durch  Veränderung  der  Lage 
und  Form  des  Magens  modificirt. 

Am  bedeutendsten  sind  die  Veränderungen  des  Mesogastriums  der 
Säugethiere,  welches  mit  einer  Lageveränderung  des  Magens  in  einen 
weiten  Sack  auswächst  (Bursa  omentalisj ,  der  entwejder  über  die 
Schlingen  des  Mitteldarms  herabhängt,  wie  bei  den  meisten  Säuge- 
thieren,  oder  den  Magen  theilweise  umhüllt  (Wiederkäuer).  Das  Mesen- 
terium  des  £nddarms  bleibt  bei  den  Wirbeltbieren  mit  kurzem  End- 
darm iu  seinem  primitiven  Zustande.  Bei  der  bei  den  Säugethieren 
stattfindenden  Längenentfaltung  der  als  Colon  bezeichneten  Strecke,  des 
Enddarmes  folgt  das  Mesenterium  als  Mesocolon  mit,  und  rückt  zu- 
gleich mit  einem  Abschnitte  gegen  die  Wurzel  des  Mesogastriums  empor, 
so  dass  beide  dicht  beieinander  entspringen.  Von  da  aus  gehen  nun 
bei  den  Primaten  allmählich  Verbindungen  des  Mesocolons  mit  der 
hinteren  Doppellamelle  des  Mesogastriums  vor  sich,  die  mit  der  beim 
Menschen  bestehenden  Aufnahme  eines  Theiles  des  Colon  (C.  trans- 
versum)  in  die  hintere  Wand  des  Netzbeutels  abschliessen.  Zugleich 
verwächst  die  vordere  und  hintere  Wand  des  Netzbeutels,  wodurch 
das  somit  aus  4  Peritoneallamellen  zusammengesetzte  Omentum  uiajus 
entsteht. 

Pneumatische  Nebenhöhlün  des  Darmrohrs. 

§  406. 

Obgleich  die  Wirl>elthiere  in  ihren  niederen  Abtheilungen  dem 
Aufenthalte  im  Wasser  adaequate  Anpassungen  in  ihrer  gesammten 
Organisation  kundgeben,  so  treten  doch  schon  bei  jenen  sur  Auf- 
nahme von  Luft  fungirende  Einrichtungen  hervor,  womit  der  W^ecbsel 
des  Mediums  wenn  auch  auf  grossen  Umwegen  vorbereitet  wird. 

Wie  für  Alles  von  aussen  her  aufzunehmende  das  Darmrohr  die 
Bahn  bietet,    für  das  zur  Athmung  dienende  Wasser,  ebenso  wie  für 


Schwimmblase.  603 

die  im  Organismus  als  Nahrung  zu  verwerthenden  Substanzen,  so 
vermag  der  Darmtract  auch  Luft  aufzunehmen,  die  in  besonderen  von 
hm  aus  diflerenzirten ,  also  Theiie  des  primitiven  Dannrohrs  dar- 
stellenden Räumen  gesammelt  wird.  Diese  Aufnahme  von  Luft  hat 
wenigstens  ein  zeitweiliges  Emporsteigen  zur  Wasseroberfläche  zur 
Voraussetzung,  und  bildet  damit  eine  nicht  unwichtige  Uebergangs- 
stufe  von  den  ausschliesslich  auf  das  Leben  im  Wasser  angewiesenen 
Zuständen,  zu  solchen  die  auch  ausserhalb  dieses  Mediums  zu  leben 
im  Stande  sind. 

Die  mit  der  Aufnahme  von  Luft  entstehenden  Apparate  werden 
als  Schwimmblasen  bezeichnet.  Welcher  Art  die  praktische  Be- 
deutung dieser  Organe  für  den  Gesammtorganismus  ist,  ist  noch  unbe- 
stimmt, doch  werden  sie  bei  ihrer  grossen  Verbreitung  als  wichtige 
Theiie  angesehen  werden  mUssen.  Da  luftftfhrende  Räume  im  Ki^rper 
im  Wasser  lebender  Thiere  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  spezifischen 
Gewichts verbältnisse  des  Körpers  bestehen  können,  wird  die  Annahme 
einer  hydrostatischen  Function  für  jene  Organe  wahrscheinlich  gemacht. 

In  diesem  Verhalten  tritt  mit  Aenderung  der  Kreislauf  Verhältnisse 
eine  wichtige  Umwandlung  ein.  Die  Organe  fungiren  respiratorisch, 
indem  die  in  ihnen  befindliche  Luft  mit  dem  der  Wand  des  Organes 
zugeführten  Blute  einen  Gasaustausch  eingeht,  so  dass  sauerstoffreicheres 
Blut  abgeführt  wird.  Damit  tritt  das  Organ  in  die  Reihe  der  Athmungs- 
Organe  und  wird  Lunge  benannt. 

Die  pneumatischen  Apparate  des  Darmrohrs  sondern  sich  also  in 
zwei  functionell  ausserordentlich  verschiedene,  aber  morphologisch 
homologe  Organreihen,  deren  jede  für  sich  zahlreiche  Differenzirungen 
eingeht. 

a)  Schwimmblase. 

§  407. 

Diese  Organe  fehlen  bei  Amphioxus  wie  bei  den  Cyclostonien.  Bei 
Selachiem  (einigen  Haien)  findet  sich  ein  dorsal  in  den  Schlund  mün- 
dendes Divertikel  der  Wandung,  welches  als  Rudiment  einer  Schwimm- 
blase betrachtet  werden  darf.  Den  GanoYden  kommen  Schwimmblasen 
allgemein,  den  Teleostiern  in  grosser  Verbreitung  zu.  Prüfen  wir  die 
bei  Ganotden  bestehenden  Einrichtungen  näher,  so  treffen  wir  sie  als 
einfache  oder  als  paarige  Säcke,  die  mit  dem  Schlünde  durch  einen 
kürzeren  oder  längeren  Luft  gang  in  Verbindung  stehen.  Der  Luft- 
gang mündet  an  der  oberen  Wand  des  Vorderdarms  aus,  an  derselben 
Stelle,  wo  bei  den  Selachiern  der  kurze  Blindsack  sich  vorfindet.  Sehr 
weit  nach  hinten  ist  die  Ausmündung  bei  Acipenser  gelegt,  dessen 
Schwimmblase  sich  hier  mit  dem  Magen  verbindet,  dagegen  treffen 
wir  bei  Polypterus  eine  paarige  Schwimmblase  (Fig.  290.  A)  mit  Aus- 
mündung an  der  unteren  Wand  des  Oesophagus,  und  bei  Lepidosteus 


604  Wirlicllliit>i'P. 

ist  die  dorsal    geluKortc,    üusserlich   oinfnche   Blase   durch   sie   durch- 
seihende  Trabekcl    in   xwci   Lilngshlllfl«n  ({ctheilt,    deren  jede   durch 
iiahlroichc  VorspittOge  und  Bütken  wieder  in  kleinere  zellige  Hohlräume 
zcrrjllt  und  damit  eine  Oherilüchcnvergritsserung -darbietet.     Auch  bei 
Amia  ist  die  zellige  Schwimmblase  durch  eine  Kalte  getheilt  und  Iftuft 
nach  vorne  in  zwei  kurze  Horner  aus.     Die  Ausmllndung  in  den  Dami 
^eschielil  bei  den  3  lelzlei-w ahnten  GanoTden  mit  einer  I.Üngsspalt«,  die 
in  einen  kurzen  etwas  engeren  Ductus  pneumaticus  führt.     Wir  finden 
also   bereits   bei   den   Ganofden   eine   giosse   Mannichfaltigkeit   in   dem 
Vjsrhalten  der  Schwimmblase,   welche  ZusUinde  aus  dem  Verfaaltniss  der 
ganzen,  nur  auf  wenige  lohende  Fonnen  beschrHnklen  Abiheilung  he- 
urtheilt  werden  mllssen.     Bedeutungsvoll  ist  es,   dass  in  den  verschie- 
denen  Zuständen    der  Schwimmblase   der  GanoYden   alle   wesentlichen 
Einrichtungen  erkennbar  sind,    welche  das  Organ,  bei  den  Teleostiern 
noch  als  Schwimmblase,  bei  den  h&heren  Wirbellhieren  als  Lunge  zeigt. 
Der  Luflgang  erscheint  in  einer  Abtheilung  der  Telooslier  per- 
.  Nislent   (Pbysostomen) ,  bei  anderen  tritt  er  als  vorübergehende  Bildung 
auf,  indem  ernachderEnt- 
Hr.  S90.  Wickelung  der  Schwimm- 

blase wieder  ve ■'schwindet, 
"v->.  f  N  ?    «"f '  I  \  f  {  *""*  endlich  ist  bei  vielen 

!   \  «Si/^V(>^      7    1  ,    \         die  Bildung  der  Schwimm- 

blase gänzlich  sislirt  (Phy- 
soctysten) . 

Die  Verbindung  des 
Luftganges  mit  dem  Darm 
zeigt  bedeutende  Verschie- 
denheiten. Die  Einmün- 
dung kann  sowohl  oben 
als  seitlich  geschehen,  und 
zwar  an  allen  Abschnitten 
des  Munddarms  vom 
Schlünde  an  (Fig.  285. 
/}.  dp)  bis  zum  Ende  des 
Magens.  Bezüglich  der 
FormverhBllnisse  besteht 
eine  ausserordentliche  Haniiichrultigkeit,  sowohl  bei  den  Schwimmblasen 
mit,  als  bei  jenen  ohne  Luftgang.  Eine  Querlheilung  in  zwei  hinter 
einander  liegende  Abschnitte,  von  denen  der  let7t«re  den  Luflgang  ab- 
sendet, besteht  bei  den  CyprinoYden  fvergl.  Fig.  S69.  m  n],  bei  Anderen 
kommen  seitliche  Ausbuchtungen  vor,  die  als  Fortsätze  der  verschie- 
densten Gestall  sich  darstellen   (Fig.  870.  B.  C.  a]  und  in  mehr  oder 

Fig.  490.  Verseil iodone  Korwen  von  Snhwimmblasen.  A  von  Polyptprus 
biclilr  nacli  J.  Mülleii.  B  von  Johnius  iobatus.  C  von  Corvinn  IrjKpi- 
nosH  nnch  Cuvirn  und  ViLKMCiEBnEs,    a  Anhänge  der  ^hwimmhltisc     fi  Mtindtin}: 


Luogen.  605 

minder  reiche  Ramificationen  übergehen  können.  Die  Wandung  des 
Organes  bietet  in  ihrer  Textur  ähnliche  Verhältnisse  wie  diQ  Darm- 
wand,  doch  ergeben  sich  manche  eigcnthUmliche ,  für  unsere  Zwecke 
untergeordnete  Difierenzirungen.  Dahin  gehören  auch  die  verschiedenen 
Anpassungen  der  Schwimmblase  an  andere  Apparate,  wie  z.  B.  die  Ver- 
bindung mit  dem  Hörorgane  bei  vielen  Physostomen  (vergl.  oben  §.  372) . 
Die  Umwandlung  der  Schwimmblase  in  eine  Lunge  ist  bei  den 
DipnoY  vor  sich  gegangen.  Wenn  das  Organ  in  seinen  äusserlichen 
Verhaltnissen  noch  mit  einer  Schwimmblase  übereinstimmt,  so  ist  durch 
das  Auftreten  zuführender  Venen  und  abführender  Arterien  eine  we- 
sentliche Aenderung  aufgetreten ,  die  von  nun  an  das  Organ  als  Ath- 
mungsoi^an  erscheinen  lässt.  Bei  Ceratodus,  wo  es  wohl  nur  zeit- 
w^eise  als  Lunge  fungirt,  wird  es  noch  durch  einen  einheitlichen,  nur 
mit  der  Andeutung  einer  Längstheilung  versehenen,  in  der  ganzen 
Länge  der  Leibeshöhle  dorsal  gelagerten  Sack  gebildet,  bei  Lepidosiren 
und  Protoptcrus  ist  es  in  zwei  Hälften  getheilt. 


b)  Lungen. 
§  408. 

Mit  der  Ausbildung  der  respiratorischen  Form  der  aus  der  primi- 
tiven Darmwand  gesonderten  pneumatischen  Anhangsorgane  entsteht  an 
Stelle  der  unmittelbaren  Einmündung  in  den  Pharynx  ein  besonderes 
Canalsystem,  die  Luft  aus-  und  einleitenden  Apparate,  welche  zugleich 
mit  den  Lungen  angelegt,  zu  coniplicirten  Einrichtungen  sich  ausbilden. 
W^ährend  anfänglich  die  Lungen  seihst  die  bedeutendslt»n  Theile  sind, 
nehmen  allmählich  jene  Luftwege  an  Ausbildung  zu,  indem  sie  sich 
in  mehrere  mit  neuen  Functionen  ausgeslaltete  Abschnitte  gliedern, 
unter  denen  ein  slimmerzeugender  Apparat  die  hervorragendste  Bolle 
spielt. 

Für  die  Differenzirung  der  Luftwege  hal>en  wir  als  Ausgangspunct 
einen  kurzen,  weiten,  beide  Lungen  mit  dem  Pharynx  verbindenden 
Canal.  Dieser  entfaltet  bei  grösserer  Längenentwickelung  in  seinen 
Wandungen  knorpelige  Stützorgane  und  geht  weitere  Sonderungen 
ein,  indem  er  sich  in  zwei  zu  den  Lungen  führende  Aeste  spaltet. 
Dann  ist  an  den  Luftwegen  ein  paariger  und  ein  unpaariger  Abschnitt 
zu  unterscheiden.  Als  Stützorgane  dieser  bei  den  Amphibien  meist 
sehr  kurzen  Luftwege  erscheinen  zwei  seitliche  Knorpelstreifen  (Fig.  29^. 
A,  a) ,  die  auf  den  Anfang  der  Lungen  (6)  sich  fortsetzen  (Proleus) ; 
bei  anderen  \B)  gliedern  sich  die  oberen  Enden  (a)  dieser  beiden 
Stucke  ab  und  bilden  die  Grundlage  für  einen  besonderen  Abschnitt, 
den  wir  nunmehr  mit  der  Verrichtung  der  Stimmerzeugung  betraut 
sehen  und  als  Kehlkopf  oder  Stimm  lade  bezeichnen.  Dadurch 
wird  also  ein  Theil  von  den  übrigen  Luftwegen  differenzirt  und  wäh- 


606 


Wirbelthiere. 


rend  die  letzteren  in  dem   unpaaren  Abschnitte  der  Trachea   und  in 
dem  paarigen,  den  Bronchen,  mehr  gleichartige  Verhaltnisse  darbieten, 

ergeben  sich  für  den  Kehlkopf  bedeutendere  Ver- 
schiedenheiten. —  Bei  den  Amphibien  bilden  jene 
beiden  als  Stellknoipel  bezeichneten  Knorpel  [a] 
eine  Stütze  fttr  zwei  den  Eingang  zum  Kehlkopf 
umschliessende  Falten.  Die  durch  Muskeln  bewirkte 
Lageveränderung  der  Knorpel  bedingt  Oeffnung  oder 
Schliessung  des  Eingangs  zum  Kehlkopfe.  Sie  sind 
daher  auch  functionell  von  grösserer  Bedeutung  als 
die  mehr  indifferenten  als  Stützen  sich  verhalten- 
den Theile.  Jene  Stellknorpel  ruhen  auf  den  vor- 
deren Enden  der  beiden  Längsknorpelleisten,  welche 
durch  quere,  gegeneinander  gerichtete  Fortsätze 
ventralwärts  sich  verbinden  und  so  bei  vielen  Am- 
phibien einen  unpaaren  Abschnitt  des  Stimmladen- 
gerüstes entstehen  lassen  (Fig.  294.   C.  c). 

Bei  den  Reptilien  ist  zwar  die  Verbindung 
der  beiden  Längsleislen  vollständiger,  allein  durch 
den  continuirlichen  Zusammenhang  derselben  mit 
den  Stellknorpeln  wird  besonders  bei  Schlangen 
der  niedere  Zustand  ausgedrückt,  doch  ist  bei  an- 
deren die  Ablösung  jener  Knorpel  (Fig.  294.  />.  o) 
vor  sich  gegangen;  auch  bei  Sauriern  besteht  dies 
Verhalten ,  nur  dass  hier  der  die  Stellknorpel  tra- 
gende Abschnitt  sich  zu  einem  meist  geschlossenen 
Ringe  umgeformt  hat.  Dadurch  wird  ein  zweiter  Theil  des  Kehlkopfs 
als  ringförmiger  Knorpel  unterscheidbar,  der  bereits  bei  den  Amphi- 
bien (C,  c)  in  Bildung  begriffen  ist.  Bei  Schildkröten  und  Grocodilen 
ist  dieser  scharfer  vom*Trachealskelet  abgesetzt  und  erscheint  mit  seinem 
Vordertheile  in  beträchtlicher  Verbreiterung.  Nicht  selten  geben  sich 
Andeutungen  einer  Zusammensetzung  aus  mehreren  Knorpelringen  an 
ihm  zu  erkennen.  Bei  den  Vögeln  wird  dieses  ringförmige  Stück  aus 
einem  vorderen  breiteren  und  zwei  hinteren  schmalen  Tbeilen  zusam- 
mengesetzt, auf  welch^  letzteren  noch  ein  kleines  aufsitzt,  welches  die 
Stellknorpel  trägt. 

Bei  den  Säugethieren  endlich  ist  das  grosse  Ringstück •  der 
Reptilien  in  zwei  Abschnitte  getheilt,  indem  die  vordere  hohe  Platte 
ein  besonderes  Stück,  den  Schiidknorpel  (Gart.  thyreoYdes)  vorstellt, 
während  ein  zweites,  vorzüglich  hinten  sehr  massives  Stück  ringförmig 

Fig.  394.  Knorpel  des  Kehlkopfs  bei  Amphibien  and  Heptilien.  A  von  Pro- 
teus, B  von  Salamandra,  C  von  Rana,  D  von  Python,  a  Steilknorpel 
(Cartilago  arytaenoides).  b  StUtzknorpel ,  bei  A.  Bund  C  das  Skelel  des  unpaaren 
und  paarigen  Abschnittes  der  Luftwege  bildend,  bei  D  blos  vom  Anfange  des  un- 
paaren Abschnittes  (der  Trachea)  dargeslrllt.     (Nach  Henlk.) 


Langen.  607 

bleibt  (Gart*.  cricoYdes)  und  an  seinem  hinteren  höheren  Abschnitte  die 
Stellknorpel  (Gart.  arytaenoYdes]  trägt. 

§  409. 

Diesem  Keblkopfskelete  verbinden  sich  noch  andere  mehr  oder 
minder  zur  Stimmerzeugung  dienende  Theile.  Von  solchen  sind  lateral 
im  Eingange  des  Kehlkopfs  gelagerte  Schleimhautfalten  bemerkenswerth, 
die  bei  straffer  Ausspannung  und  Entfaltung  von  elastischen^  Gewebe 
zu  Stimmbändern  werden.  Sie  fassen  eine  Spalte  zwischen  sich, 
die  Stimmritze,  welche  durch  die  Befestigung  der  Stimmbänder  an  die 
beweglichen  Stellknorpel  veränderlich  ist.  Stimmbänder  finden  sich 
bei  den  meisten  Anuren  und  unter  den  Sauriern  (Geckonen  und  Gha- 
mäleonten),  dann  bei  den  Grooodilen.  Den  Schlangen  fehlen  sie 
durchaus. 

Bei  den  Vdgeln  liegt  der  Stimmapparat  in  dem  unteren  Ab- 
schnitte der  Luftwege,  dem  sogenannten  unteren  Kehlkopf,  welcher 
Einrichtung  der  Stimmbandmangel  im  eigentlichen  Kehlkopfe  entspricht. 
Unter  den  Säugethieren  nur  bei  den  Walthieren  rOckgebildet ,  bieten 
sie  im  Wesentlichsten  Anschlüsse  an  die  beim  Menschen  bekannten 
Einrichtungen. 

Mit  der  Differenzirung  einzelner  Knorpelstttcke  aus  dem  ursprüng- 
lichen Laryngotracheaiknorpel  treten  gesonderte  Muskeln  zur  Bewegung 
der  frei  gewordenen  Abschnitte  auf.  Diese  sind  bei  den  Reptilien 
durch  einen  Verengerer  und  Erweiterer  vertreten,  die  auch  mit  einigen 
Modificationen  bei  den  Vögeln  vorkommen.  Die  Säugethiere  bieten  eine 
aus  einer  Differenzirung  der  bei  Reptilien  einfacheren  Muskulatur  her- 
vorgegangene Gomplication  dar,  die  theils  in  der  Zahl,  theils  in  der 
Anordnung  der  Muskeln  sich  ausspricht,  im  Wesentlichen  entsprechen 
sie  jenen  des  Menschen. 

Eine  den  Eingang  zum  Kehlkopf  von  vom  her  überragende  Vor^ 
sprungsbiidung,  als  Kehldeckel  oder  Epiglottis  bekannt,  ist  bei  Rep- 
tilien nur  durch  einen  vom  Sttttzknorpel  ausgehenden,  zuweilen  nicht 
unansehnlichen  Fortsatz  angedeutet,  der  auch  bei  Vögeln  sehr  ent- 
wickelt vorkommt.  Doch  besitzen  manche  derselben  eine  besondere 
Epiglottis,  deren  Knorpel  mit  dem  Sttttzknorpel  nur  durch  Naht  ver- 
bunden ist.  Diese  Formen  vermögen  aber  niemals  den  Eingang  zum 
Kehlkopf  vollständig  zu  decken.  Vollständig  getrennt  ist  der  Epiglottis- 
knorpel  bei  den  Säugethieren,  wo  er  einen  beim  Vorbeigleiten  des 
Bissens  über  den  Eingang  zum  Kehlkopf  sich  legenden  Schutzapparat 
bildet.  Bei  den  Sirenen  erfährt  er  eine  Rückbildung,  während  er  bei 
den  Walfischen  zu  einem  langen  rinnenförmigen  Stücke  umgestaltet 
ist,  das  mit  den  gleichfalls  verlängerten  Stellknorpeln  einen  an  die 
hintere  Nasenöffnung  emporragenden  Kegel  bildet,  durch  welchen  die 
Aufnahme  und  Ausströmung  der  Luft  erfolgt.       • 


Der  vom  Kehlkopf  beginnende  Abschnilt  der  Luftwege  sondert  sich 
bei  einem  Theilc  der  Amphibien  deutlicher  in. die  Trachea  und  ihre 
beiden  Aesle,  die  Bronchi,  welche  Iclutere  unmitl«lbar  in  die  Wan- 
dunj^en  der  LungensHcke  übergehen.  Dahin  erstrecken  sieb  auch  die 
Enden  der  Lnryngotraebealknorpel  bald  ^s  feine  Ausläufer  ;Henobran- 
chus,  Menopoma; ,  bald  als  breitere,  seitliche  FortEälzo  aussendende 
Stucke  (Bufo).  Indem  ^m  vorderen  Ende  jener  Leisten  die  QueHiste 
gegeneinander  wachsen  [vergl,  Fig.  291.  C.  6),  stellen  sich  die  An- 
finge von  Knorpel  ringen  dar  Solche  sind  an  der  meist  langen  Trachea 
der  Reptilien  entwickelt,  bald  un geschlossen,  bald  nucb  vollständig  ge- 
schlossen, in  der  Verbindung  der  Binge  unter  sich  vermittelst  Längs- 
leislen,  gibt  sich  bei  Schlangen  und  Siiuiiein  das  primitive  Verhalten 
zu  erkennen. 

Die  Trachea  der  Vögel,  immer  durch  beträchtliche  LUnge  ausge- 
zeichnet, bietet  die  Trennung  der  meist  vollst.indig  geschlossenen  Ringe 
in  ausgedehnterem  Hansse.  Denselben  Bau  besitzen  die  beiden  Bronchi. 
An  einzelnen  SU'llen  finden  sich  an  der  Trachea  nicht  seilen  Erwei- 
terungen (Schwimm vjtgel)  ,  sowie  auch  Abweichungen  vom  gernden 
Verlnufe  bei  manchen  Vögeln  vorkommen.  So  bei  Penelopiden ,  man- 
chen Schwiinen  und  beim  Kranich.  Bei  den  letzteren  wird  eine  Tra- 
chealschlinge  sogar  vom  Brustbein  umschlossen. 

Am  eigenihtim liebsten  erscheint  die  den  Carinaten  zukommende 
Bitdung  eines  uuleren  Kehlkopfes,  an  welchem  in  der  Regel  das 
Endo  der  Trachea  und  die  Anfange  der 
Bronchi  hothoiligt  sind.  Die  Forniveran- 
dcrungen  dieser  Abschnitte  bestehen  in 
einer  seitlichen  CompiessioD,  o«ler  in  der 
Verschmelzung  einiger  Ringe  des  Tracheal- 
endes,  welches  durch  eine  vom  Theilungs- 
Winkel  der  Bronchi  vorspringende  knö- 
cherne Leiste  (Sieg)  halbirt  wird  und 
die  Trommel  bildet.  Vorne  und  hinten 
setzt  sich  der  Steg  bogenförmig  nach  ab- 
wärts fort  und  hält  eine  SoJileimbauLfatte 
wie  in  einem  Rahmen  au.sgespannl  (Mem- 
brana tympaniformis  interna).  Zwischen 
dem  letzten  Tracheal-  und  dem  ersten 
ßronchalringe  oder  auch  zwischen  einem  P»are  von  modiBcirlnn  Bron- 
chalringen  spannt  sich  eine  andere  Membran  au.s,  die  bei  AnnAberung 
jener  Ringe  erscblafTend  nacK  innen  zu  vorspringt  (Membrana  tympani- 
formis externa] .  Diese  Membranen  fungiren  als  Stimmbänder.  Bei  den 
Singvögeln  tritt  noch  eine  vom  Stege  sich  erhebende  Falte  hinzu,  als  Fort- 

Fi|E.  193.  Unterer  Kehlknpr.  Sinfimiiskrlappiirnt  <te<i  Rnhiio.  A  vnn  ilrr 
Seile,  Ü  von  vorne  )!^seben.  a—/' Muskeln  zur  Bewoinng  de»  uolernD  KehlfcnpTM 
I)   Membrana  Ijniiinnifor/nis, 


Hb.  SSS- 


b)  Lungen.  609 

selxnng  der  Membrana  iyinpaniformis  interna.  Durch  die  an  beiden 
Bronchen  vorhandenen  Stimmmembranen  wird  eine  doppelte  Stimmritze 
begrenzt.  Die  Thatigkeit  einer  besodderen  Muskulatur  ändert  sowohl 
den  Spannungszusland  der  Stimmbänder  mannichfach  und  verengert 
oder  erweitert  zugleich  die  Stimmritze.  Mehrere  Paare  an  die  Luft- 
röhre tretender  Muskeln  (Fig.  S92.  d)  wirken  als  Niederzieher  der 
ersteren  und  erschlaffen  die  Stimmbänder.  Ausser  diesen  findet  sich 
noch  ein  aus  5  bis  6  Paaren  gebildeter  Muskelapparat  (Fig.  S92.  a — f)^ 
der  den  unteren  Kehlkopf  der  Singv(igel  auszeichnet. 

§  410. 

Die  aus  den  Enden  der  Luftwege  beginnenden  Lungen  erscheinen 
von  den  Amphibien  an  als  Athmungswerkzeuge  der  höheren  Wirbel- 
thiere,  wenn  auch,  wie  bei  allen  Amphibien,  entweder  während  des 
Larvenzustandes  oder  auch  bleibend  (Perennibranchiaten)  noch  Kiemen 
bestehen.  In  ihrem  anatomischen  Verhalten  bieten  sie  eine  Reihe  ähn- 
licher Differenzirungen  wie  die  zu  ihnen  fuhrenden  Luftwege,  und  an 
die  Stelle  einfacher  Säcke  treten  allmählich  compliciile  Organe,  an 
denen  die  respiratorische  Fläche  durch  Bildung  kleinerer  Binnenräume 
fortschreitend  vergrössert  wird. 

Unter  den  Amphibien  schliessen  sich  die  Lungen  vollständig 
jenen  der  DipnoY  an;  bei  den  Perennibranchiaten  bietet  ihre  Innen- 
fläche' wenig  Oberflächen vergrösserungen.  Einfache,  sehr  lange,  vorne 
wenig  erweiterte,  dagegen  mit  einer  Erweiterung  endende  Schläuche 
steilen  sie  bei  Proteus  und  Menobranchus  vor.  Bedeutender  sind  die 
maschenförmigen  YorsprUnge  an  den  Wänden  der  Lunge  von  Crypto- 
branchus,  sehr  gering  dagegen  bei  Triton.  Auch  bei  anderen  Salaman- 
drinen  ist  dies  noch  häufig  der  Fall,  dagegen  bt  bei  den  Anuren  eine 
Sonderung  in  kleinere  Räume  durch  ein  reiches  Maschennetz  aufge- 
treten und  die  Lunge  wird  dadurch  geeignet,  eine  grössere  Blutmenge 
dem  Austausch  der  Gase  auszusetzen.  Dieses  Verhäitniss  steigert  sich 
bei  den  Reptilien.  Obgleich  viele,  wie  die  meisten  Saurier,  sehr 
einbdie  Lungen  besitzen,  so  ist  doch  sowohl  bei  Schlangen  als  bei 
Grocodileh  und  Schildkröten  jede  Lunge  in  eine  Anzahl  grösserer  Ab- 
schnitte getheilt,  die  wieder  in  kleinere  mehrfacher  Ordnung  zerfallen. 
Bei  den  Schlangen  zeigen  die  Lungen  durch  ihre  lange  Gestalt  eine 
Anpassung  an  die  gestreckte  Köi*perform,  auf  welche  auch  die  in 
verschiedenem  Maasse  erscheinende  Verkümmerung  je  einer  Lunge  be- 
zogen werden  muss.  Die  Verlängerung  der  Lunge  ist  von  der  Aus- 
bildung einer  Eigenthttmlicbkeit  begleitet,  dass  nämlich  der  letzte  meist 
beträchtlich  ausgedehnte  Abschnitt  der  F^unge  unter  Vereinfachung 
feines  Baues  nicht  mehr  respiratorisch  ist.  Solche  aus  der  Athmungs- 
function  tretende  Abschnitte  kommen  auch  bei  Sauriern  vor,  bei  denen 
wie  auch  bei  den  Schlangen  der  vorderste  ttlier  die  Verbindungsstelle 

0«fenbaar,  anufdrisn.  89 


640  Wirbel  thiere. 

mit  den  Luftwegen  hinausragende  Theil  ein  dichteres  MaschenweiiL 
trägt^  wahrend  das  hintere  Ende  nur  geringe  Binnenfläcbenvergrösse- 
rungen  aufweist.  Von  diesem  Abschnitte  gehen  bei  den  GharaHleonten 
sogar  besondere  Blindschlauche  aus,  die  weit  in  die  Leibeshöhle  ein- 
ragen  und  eine  Einrichtung  andeuten,  welche,  bei  den  VOgeln  in 
andere  functioneile  Beziehungen  tretend,   zu  hoher  Entfaltung  gelangt. 

Hier  entstehen  während  der  Embryonalperiode  gleichfaiis  zipfel- 
förmige  Verlängerungen  an  der  Oberfläche  der  Lunge,  die  sich  aber 
mit  anderen  Organen  in  Verbindung  setzen  und  luftftthrende  Hohlräume 
bilden.  Dieser  pneumatische  Apparat  wird  schliesslich  aus  häutigen, 
zwischen  die  Eingeweide  eingebetteten  Säcken  oder  in  die  Skeletttheile 
eindringenden  Schläuchen  dargestellt.  Wie  im  letzteren  Falle  mit  dem 
Schwinden  des  Knochenmarks,  an  dessen  Stelle  lufthaltige  Räume  tre~ 
ten,  eine  bleibende  Verringerung  des  specißschen  Gewichtes  des 
Thieres  sich  bildet,  so  kann  durch  die  Füllung  der  zwischen  die  Ein- 
geweide gelagerten  Säcke  eine  vom  Willen  des  Thieres  abhängige 
Gewichtsminderung  entstehen,  die  ebenso  wie  die  erstere  das  Plug- 
vermögen unterstutzt. 

Bezüglich  des  feineren  Baues  ist  für  die  Lunge  der  Vögel  eine 
Verbindung  der  feinsten  Räume  unter  einander  bemerkenswerth.  Das 
Lungenparenchym  besitzt  eine  spongiöse  Beschaffenheit.  Bei  den 
Säugethieren  dagegen  ist  der  lappige  Bau  auf  die  kleinsten  Ab- 
schnitte der  Lunge  fortgesetzt  und  gibt  sich  auch  äusserlich  in  grösseren 
Lappen  zu  erkennen.  Die  Zahl  der  letzteren  ist  bei  den  Säugethieren 
sehr  verschieden,  meist  sind  sie  an  der  rechten  Lunge  zahlreicher  als 
an  der  linken. 

In  der  Lagerung  der  Lungen  ergeben  sich  bedeutendere  Eigen- 
thUmlichkeiten.  Während  die  Lungen  der  Amphibien  sowie  der  Eid- 
echsen und  Schlangen  in  die  Leibeshöhle  ragen,  sind  sie  bei  den 
Schildkröten  und  Vögeln  an  die  dorsale  Wand  des  Thorax  gelagert 
und  werden  an  ihrer  vorderen  Fläche  vom  Peritonaeum  ttberkleidet. 
Bei  den  Grocodilen  liegt  jede  Lunge  in  einem  Pleurasäcke,  von  dem 
sie  einen  Ueberzug  erhält,  und  ähnlich  verhalten  sich  die  Säugethiere, 
deren  Lungen  mit  einem  Pleuraüberzuge  bedeckt,  die  seitlichen  Hälften 
der  Brusthöhle  einnehmen. 

QeBchlechtBorgane. 

Die  Geschlechtsorgane  scheiden  sich  in  beiden  Geschlechtern  in 
die  keimbereitenden  Drüsen  und  in  die  Ausführwege  der 
Geschlechtsproducte.  Dazu  treten  noch  mancherlei  an  den  Mündungen 
der  Ausfuhrwege  gebildete  Theiie,  welche,  grossentheils  der  Begattung 
dienend,  als  äussere  Geschlechtsorgane  bezeichnet  werden. 
Den  Keimdrüsen,  Hoden  und  Ovarien,  kommt  eine  von  den  Ausfuhr- 


Geschlechtsorgane.  641 

wegen  gesonderte  Bildungsstätte  zu,  so  dass  die  Verbindung  mit  den 
letzteren  secundarer  Natur  ist,  und  auch  darin  eine  auf  niedere  Zu- 
stande verweisende  Einrichtung  nicht  verkennen  lässt.  Beiderlei 
Organe  nehmen  ihre  Entstehung  an  einer  median  von  der  Umiere 
gelegenen  Stelle ,  welche  von  einer  besonderen  von  dem  übrigen  Peri- 
Umealepithel  verschiedenen  Epithelscbichte,  dem  Keimepithel,  über- 
zogen ist.  Hier  bilden  sich  —  wenigstens  bei  den  Amnioten  —  Ein- 
Senkungen  des  Epithels  in  das  tiefere  Bindegewebe,  aus  welchem 
allmählich  sich  abschnürende  Schläuche  hervorgehen,  welche  zu  ge- 
schlossenen Follikeln  umgebildet,  in  ihrem  Innern  eine  Zelle  zur 
Eizelle  sich  ausbilden  lassen.  Im  Protoplasma  sich  sondernde  Körn- 
chen stellen  den  Dotter  vor,  der  Kern  das  Keimbläschen,  in  dessen 
Innerm  noch  besondere  Bildungen  als  Keimflecke  vorkommen.  Indem 
so  das  einen  Theil  der  Wandung  der  Leibeshöhle  auskleidende  Keim- 
epithel den  Ausgangspunkt  für  die  Entwickelung  der  Eier  bildet,  finden 
sich  hierin  Anschlüsse  an  die  bei  niederen  Thieren  (Würmern)  be- 
stehenden Einrichtungen  vor.  Diese  Beziehungen  sind  noch  deutlicher 
bei  Amphioxus  gegeben,  dessen  Eier  ohne  Follikeibildung  entstehen. 
Die  im  Eifollikel  um  die  Eizelle  lagernden  Zellen  bleiben  meist  in 
indifferentem  Verhalten  und  tragen  zur  Bildung  einer  das  Ei  umgeben- 
den Membran,  der  Dotterhaut,  bei.  Von  diesem  allgemeinen  Verbalten 
ergeben  sich  mancherlei  mehr  oder  minder  bedeutende  Modificationen. 

Dieselben  betreffen  theils  das  Ei,  theils  die  dasselbe  umgebenden 
Zellen  des  Follikels.  Diese  bilden  unter  gleich  massigem  Wachsthume 
des  Eies  und  des  Follikels  eine  einfache  epithelartige  Schichte  bei  den 
Fischen,  Amphibien,  Reptilien  und  Vögeln.  Bei  den  Säugethieren 
dagegen  vermehren  sie  sich  bei  relativ  klein  bleibender  Eizelle  und 
falten  eine  Zeit  lang  den  grössten  Theil  des  Follikels  aus.  Unter  Ver- 
grüssemng  des  letzteren  entsieht  allmählich  in  dessen  Innerem  ein  mit 
Fluidum  gefüllter  Raum,  durch  den  die  Zellschichte  der  Follikel  an 
der  Wandung  sich  ausbreitet  (Membrana  granulosaj  und  an  einer  etwas 
verdickten  Stelle  das  Ei  mit  umschliesst. 

Die  die  Eizelle  betreffenden  Veränderungen  gehen  vom  Dotter  aus, 
und  sind  von  einer  Volumszonahme  des  Eies  begleitet.  Dieses  trifft 
sich  schon  bei  Teleostiern,  deren  Dolterkömchen  häufig  bedeutende  Ver- 
änderungen eingehen.  Aehnlich  verhalten  sich  die  Eier  der  Amphibien. 
In  höherem  Grade  findet  Vermehrung  und  eigenthümliche  Differenzirung 
der  Dotterkömehen  in  den  Eizellen  der  Selachier,  Reptilien  und  Vögel 
statt,  und  verleiht  dem  Ei  eine  bedeutende  Grösse.  So  sind  also  auch 
diese  durch  ihr  Volum  wie  durch  ihren  Inhalt  von  den  gewöhnlichen 
Formelementen  sehr  verschiedenem  Gebilde  von  Zellen  ableitbar,  und 
entsprechen  solchen  noch  in  ihrem  ausgebildetsten.  Zustande,  indem 
zwischen  den  Massen  der  geformten  Dotterbestandtheile  Protoplasma 
und  Kern  (Keimbläschen)  sich  forterhält. 

Den  männlichen  Keimdrüsen  dient  die  mit  dem  Keimepithel 

89» 


642  Wirbeltbiere. 

überkleldele  Stelle  gleichfalls  als  Bildungsstätte,  aber  es  scheint,  dass 
jenes  Epithel  nicht  an  dem  Aufbau  der  Hoden  direct  betheiligt  ist.  Die 
erste  Differenzirung  der  den  Hoden  zusammensetzenden  Drüsenscblauche 
(Samencanälchen)  ist  noch  unbekannt,  denn  die  Annahme  ihrer  Ent- 
stehung aus  einem  Theile  der  Umiere  führt  die  Schwierigkeit  herbei, 
jene  Hodenbildungen  zu  erklären,  die  keinerlei  Verbindung  mit  der 
ürniere  eingehen. 

Durch  Differenzirungsvorgänge  des  Epithels  der  SamencanälcbeD 
entstehen  die  Formclemente  des  Sperma. 

Diese  stellen  bei  allen  Wirbelthieren  bewegliche,  von  einem  ver- 
schieden gestalteten  dickern  Theile,  dem  sogenannten  Köpfchen  aus- 
gehende Faden  vor.  Das  Köpfchen  ist  bald  scheibenförmig  oder 
elliptisch,  wie  bei  vielen  Säugethieren  und  Fischen,  oder  es  ist  lang- 
gestreckt bei  Selachiern  ,  Amphibien ,  Vögeln.  Bei  letzteren  häufig  kork- 
zieherailig  gewunden.  Eine  undulirende  Membran  zeichnet  die  Samen- 
fäden mancher  Amphibien   (Salaniandrinen  und  Bombinator)  aus. 

Die  einfachsten  Verhältnisse  des  Geschlechtsapparates  bieten  die 
Acrania  und  die  Cyclostomen,  deren  Keimdrüsen  die  einzigen  hierher 
bezüglichen  Organe  sind.  Die  Ovarien  erscheinen  bei  den  Cyclostomen 
als  paarige  längs  der  Leibeshöhle  sich  erstreckende  Lamellen,  in  denen 
die  Eier  entsteheu.  Aehnlich  stellen  sich  die  Hoden  dar.  Beiderlei 
GeschlechtsstofTe  werden  in  die  Leibeshöhle  entleert,  von  wo  sie  durch 
den  Abdominalporus  nach  aussen  gelangen. 

Die  Gnathostomen  haben  dagegen  die  Urniere  zu  einem  Ausfübr- 
apparat  der  Geschlechtsoi^ane  verwendet,  welches  Verhältniss  in  seinen 
wesentlichsten  Zügen  die  folgende  Darstellung  gestattet.  Der  terminal  mit 
einem  abdominalen  Ostium  ausgestattete  Urnierengang  geht  die  bereits 
oben  (S.  567)  erwähnte  Differenzirung  ein,  indem  die  Sammelröhren 
der  Urniere  nach  und  nach  sich  zu  einem  selbständigen^  immer 
tiefer  >herab  mit  dem  Urnierengange  verbundenen  Ganale  vereinigen, 
was  endlich  zur  Bildung  eines  primären  und  eines  secundären  Umieren- 
ganges  führt.  Der  erstere,  als  MüLteR^scher  Gang  bezeichnet,  fungirt 
beim  weiblichen  Geschlechtsapparate  als  Eileiter,  Oviduct,  und 
erhält  sich  auch  häufig  als  rudimentäres  Organ  beim  männlichen  Appa- 
rate. Je  nach  Maassgabe  der  mehr  oder  minder  vollständigen  Son- 
derung  jener  Canäle  fungirt  eine  grössere  oder  geringere  Endstrecke 
des  Urnierenganges  sowohl  als  Ausfübrweg  der  Geschlechtsprodiicte  wie 
als  Harnleiter,  bis  mit  der  völligen  Trennung  sowohl  Harn  als  Ge- 
schlechlsproducte  besondere  Ausfuhrbahnen  erhalten. 

Die  Urniere  oder  vielmehr  ein  Theil  derselben  empfängt  beim  männ^ 
liehen  Geschlechte  Verbindungen  mit  dem  Hoden,  und  jener  zum  Aus- 
führwege  des  Sperma  verwendete  Abschnitt  gestaltet  sich  bei  gr(S5serer 


Gesch  lech  I  sorgane . 


6f3 


Sondening  la  einem  Theile  des  Hodens,  dem  Nebenhoden,  Kpidi- 
dymis,  während  der  secund9re  Urnierengang  zum  Samenleiter, 
Vas  deferens,  wird.  Hier  bestimmt  wieder  der  Trennungsgrad  des 
mit  dem  Hoden  verbundenen  Abschnittes  der  Urniere  das  grossere  oder 
geringere  Maass  der  Gemeinsamkeit  der  Ausftthrwege  für  Sperma  und 
Harn.  Wo  die  Urniere  eine  Rückbildung  erleidet,  bestehen  beim  männ- 
lichen Gescbiechte  Reste  am  Hoden,  beim  weiblichen  in  der  Nähe  des 
Eierstocks  fort. 

§  413. 

In  grosser  Mannichfaltigkeit  und  darin  verschiedengradige  Stufen 
der  Differenzirung  erkennen  lassend,  bestehen  die  Einrichtungen  der 
Geschlechtsorgane  der  Fische,  für  welche  zahlreiche  Erscheinungen  noch 
der  Aufklärung  harren.  Anschlüsse  au  die  niedersten  Verhältnisse 
bieten  sich  für  die  weiblichen  Organe  mancher  Te leostier  (Salmonen) 
aus  deren  weit  in  die  Leibeshöhlc  ragenden  Ovarien  die  Eier  in  letztere 
gerathen  und  durch  einen  Perus  abdominalis  entleert  werden.  Dagegen 
sind  die  Hoden  wie  jene  der  meisten  übrigen  Teleostier  mit  Ausführ- 
gängen versehen,  womit  auch  die  meisten  Ovarialbildungen  überein- 
stimmen. Die  keimbereitende  Stätte  dieser  alsdann  schlauchförmig  ge- 
stalteten Geschlechtsorgane  ist  häußg  auf  eine  Stelle  des  Schlauches 
beschränkt,  und  bildet  von  da  aus  je  nach  dem  Ausbilduugsgrade 
ihrer  Producte  eine  mohr  oder  minder  bedeutende  Einragung.  Die 
beiderseitigen  Ausführgänge   dieser  Genitalschläuche  verbinden   sich  zu 

Fig.  108. 


einem  mit  dem  Genitalporus  mündenden  gemeinsamen  Wege.  Bei 
diesen  Einrichtungen  sind  die  Keimdrüsen  nicht  durch  den  ganzen 
Apparat,  sondern  nur  durch  die  an  der  Innenwand  der  Schläuche  vor- 
ragenden, oft  gelappt  oder  auch  ramificirt  erscheinenden  Keimstätten  vor- 
gestellt, deren  Umhüllung  wohl  der  die  letzteren  in  sich  aufnehmende  und 

Fig.  898.  Geschlechtsorgane  und  Darmcanal  vonClupca  harengus.  oe  Oe- 
sophagus. V  Magen,  ap  Appendices  pyloricae.  t  Darm,  a  Afteröffnung.  vn  Schwimm- 
blase,  d.pn  Luftgang,  derselben,  in  den  Blindsack  des  Magens  mündend,  s  Milz. 
ti  Hoden,   vä  Aufführgang  derselben,  g  Genitalporus.   br  Kiemen.    (Nach  Bhanot.) 


6U 


Wirbel  tbiere. 


sich  schlaUjjijföpmig  umgestaltende  MüLLBR'sche  Gang  bildet,  was  übrigens 
noch  ontogenetisch  festzustellen  ist. 

Sicherer  deutbar  erscheinen  die  Verhältnisse  der  GanoYden,  deren 
Keimdrüsen  der  Ausfuhrwege  entbehren,  und  so  ihre  Producte  in  die 
Leibeshöhle  gelangen  lassen.  Hier  dient  bestimmt  ein  dem  MüLLER^schen 
Gange  homologer  Apparat  der  Ausleitung,  indem  dem  Harnleiter  (secun- 
dären  Urnierengangj  ein  meist  kurzer  mit  trichterförmiger  Oeffnung  ver- 
sehener Canal  angefügt  ist,  der  die  Geschlechtsproducte  aufnimmt. 
Harn-  und  Geschlechtswege   sind  somit  eine  Strecke  weit  gemeinsam. 

Unter  den  Selachiern  werden  gleichfalls  noch  jene  niederen  auf 
der  Entleerung  der  Geschlechtsstoffe  in  die  Leibeshöhle  beruhenden  Ein- 
richtungen vereinzelt  angetroffen  (Scymnus  borealis),  wobei  den  Ovarien 
bei  geringer  Grösse  der  Eier  zugleich  eine  bedeutende  Ausdehnung  zu- 
kommt. Bei  den  übrigen  sind  die  in  der  Regel  paarigen,  ziemlich  weil 
vorne  liegenden  Eierstöcke  von  geringerem  Umfange.  Die  langen  Ovi- 
ducte  bilden  mit  ihren  unter  einander  verschmolzenen  abdominalen 
Ostien  eine  weite,  der  bedeutenden  Grösse  der  aufzmiehmenden  Eier 
entsprechende  Trichtermündung.  Das  hintere  Ende  jedes  Eileiters  ist 
in  einen  durch  grössere  Weite  und  häufig  auch  durch  stärkere  Wan- 
dungen ausgezeichneten ,  bei  den  meisten  als  Uterus  fungirenden  Ab- 
schnitt differenzirt,  der  in  die  Cloake  ausmüudet.  Die  Sonderung  eines 
drüsigen  Abschnittes  am  Eileiter  kommt  den  Selachiern  wie  den  Chi- 
mären zu,  deren  Geschlechtsorgane  v^ie  auch  jene  der  DipnoY  in  den 
wesentlichsten  Puncten  übereinstimmen.  Die  männlichen  Organe  w^erden 
in  diesen  Abtheilungen  durch  meist  kleine  Hoden  repräsentirt,  deren 
Ausführgänge  mit  einem  Nebenhoden  in  Verbindung  stehen ,  so  dass 
wohl  ein  Theil  der  Urniere  sammt  ihrem  Ausführgange  zum  Geschlechts- 
apparate verwendet  wird.  Das  Vas  deferens  begibt  sich  nach  mehr- 
fachen Windungen  zur  Cloake,  nachdem  es  bei  den  Chimären  mit  dem 
anderseitigcn  sich  verbunden  hat,  und  dicht  hinter  der  Cloake  aus- 
mündet. Theile  der  Hintergliedmaasse  sind  bei  den  Männchen  der 
Selachier  und  Chimären  in  Begattungsorganc  umgewandelt  (S.  505]. 

§   4U. 

Von  grosser  Bedeutung  sind  die  Geschlechtsorgane  der  A  m  p  h  i  b  i  e  n , 
weil  sich  bezüglich  der  Bildung  ihrer  Ausführwege  aus  der  Urniere 
Zustände  herausstellen,  die  bei  den  Amnioten  nur  vorübergehende  Ein- 
richtungen sind.  Sie  stellen  sich  damit  auf  eine  niedrige,  in  manchen 
Punclen  selbst  unterhalb  jener  der  Selachier  befindliche  Stufe.  Die 
Ovarien  erscheint  als  paarige,  durch  Peritonealiamellen  an  die  Wirbel- 
säule befestigte  Organe,  die  einen  Hohlraum  umschliessen.  An  ihrer 
Seite  verlaufen  die  sehr  weit  vorne  beginnenden  Eileiter,,  die  meist 
gewunden  nach  hinten  treten,  um  nach  Vereinigung  mit  den  hier  blei- 
bend fungirenden  secundärcn  Urnierengängen   in   die  Cloake  zu  mttn- 


Gesch  lech  tsorgan  b  . 


615 


den.     Am  bemerkensworlhestcn  erscheint  der  mltnnliche  Apparat  durch 
die  VerciniRung  des  Hodens  iFig.  291.  B  P,  mil  der  (Jrniere  (r).  welche 
die  Vasa  efTcronti»  testis  [ve]  aurnimml. 
Diese  Verbindung  irilt  an  sehr  verachie-  Fig.  a9(. 

denen  Partieen  ein;  bald  ist  es  der  ' 
vorderste,  bald  der  mittlere  Abschnitt 
der  Umiere,  von  jedem  wieder  bald 
griissero ,  bald  kleinere  Strecken ,  je 
nach  der  Zahl  der  beiüglicben  Ausrufar- 
^nge.  Ein  Theil  der  Umiere  nimml 
somit  das  aus  dem  Hoden  tretende 
Sperma  auf,  indess  ein  anderer  Ab- 
schnitt (der  binlarej  nur  als  Niere  fun- 
girt.  Der  AusfUfargang  (m'}  der  Umiere 
ist  also  zugleich  Samenleiter,  wie  er 
beim  weiblichen  Geschlechte  das  Ovi- 
duct  vorstellte.  Je  nachdem  die  Aus- 
nihrcauale  der  Urniere  vereiniell  in  den 
Umierengang  mtlndcn,  oder  unter'ein- 
ander  verbunden  erst  in  den  letzten 
Abschnitt  desselben  sich  einfügen  [Fig. 
ä9l.  B] ,  erscheint  der  primäre  Ur- 
nierengang  in  minderer  oder  grosserer 
Selbständigkeit.  Im  lebtteren  Falle  bat 
er  sich  zu  einem  besonderen  Canale 
gestaltet  (HöLLH'scber  Gang),  indess 
ein  secundärer  Urnierengang  (li'j  durch 
die  Verbindung  der  einzelnen  AusfUbr- 
caaale  (uj  der  Urniere  hervorging.  Jener  ^  B 

HüLLiR'sdie    Gang    verlauft    wie    beim 

weiblichen  Geschlechta  weit  nach  vome,  dort  einen  feinen  Faden  bil- 
dend, der  in  der  Regel  des  Lumens  entbehrt.  Häufig  ist  er  mit  einem 
rudimentären  DrUsenknäucI  in  Zusammenhang,  welches  den  vordersten 
Abschnitt  der  Umiere  vorgestellt  hatte. 

Bei  manchen  Anuren  erhalt  sich  das  Keimepithel  in  der  Nahe 
der  Hoden  und  lasst  ciahnliche  Zellen  hervorgehen.  Eine  solche 
Schiebte  ist  bei  Bombinator  oberQacblich  eine  Zeit  lang  erkennbar, 
und  besteht  auch  bei  Bufo  cinercus  am  oberen  Theile  des  Hodens  fort. 
Mil  der  Anlage  der  Keimdrüse  steht  ein  in  Fettzellen  übergehendes 
Gewehe  in  Zusammenhang,  bei  den  Urodelen  einen  schmalen,  von  der 

tig.  Wt.  UrogeniUlorgaDe  von  Triton  (KheaiatiBch).  ^Weibliche,  0  männ- 
liche Organe,  ov  Eierstoctc.  nu  Bauch  feil  lamelle  (Hesoarium).  od  Oviducl.  I  HO' 
den.  vt  Vau)  efferentia.  c  HliLLEVaclier  Gang  (primitiver  üraierengang).  r  Umiere. 
H  Aasnibrcaniile  derselben,  di«  sich  bei  u'  in  einem  gemeiiuBnien  Canal  (secun- 
dUrer  Umierengang)  vereinigen. 


fiI6 


Wirbellhiere. 


KeiindrUsc  aus  sich  nach  vomo  erstreckenden  Lünggslrcif ,  l*ei  den 
Anurcn  ein  gelapptes  frei  in  die  ßauchhüble  vorragendes  Organ  bildend, 
dessen  funclionelle  Bedeulung  unbekannt  ist.  Walirscbeiniicb  fungirt 
CS  als  AhiagerungssUille  Überschüssigen  EmUhrungspiaterials,  welches 
während  des  Winterschlafs  der  Ttiiere  verbraucht  wird. 


Fig.  S9S. 


Die  Anordnung  des  Geschlechlsapparal«s  der  Reptilien  und 
VOgel  wiederholt  in  den  GrundzUgen  das  für  die  Selachier  Geschil- 
derte, und  zeigt  dabei  eine  Weiterentwickelung  der  bei  den  Amphilifeu 
bestehenden  Einrichtungen.  Die  Ovarien  lagern  als  traubige  Gebilde 
vor  der  Wirbelsäule,  oder  ihr  zur  Seite,  und  bilden  je  nach  dem 
Beifezustande  der  in  dieser  Abtheilung  sehr  voIuminOseD  Eier  ver- 
schieden grosse  Organe.  Bei  den  Schlangen  passt  sich  die  Lagerung 
der  Ovarien  an  die  langgestreckt«  Leibeshihle  sn,  indem  sie  auf  ver- 
schiedene Hohen  verlbeilt  sind.  Das 
rechte  grossere  liegt  meist  vor  dem 
linken.  Die  Vögel  bieten  eine  Ver- 
kümmerung des  rechten  Eierstockes 
dar.  Gleichmässig  mit  -dem  linken 
angelegt,  bleibt  er,  indess  der  linke 
sich  ausbildet,  auf  niederer  Stufe 
sieben,  und  kann  endlich  ganz  ver- 
schwinden. Wo  er,  wie  bei  einigen 
TagiaubvUgeln ,  fortbesteht,  gelangen 
seine  Eier  nicht  zur  Reife. 

Die  Oviducte  entstehen  als  Hül- 
LEs'scbe  Günge  in  einer  frtlhen  Em- 
bryonalperiodc  aus  dem  Keiraepilhel, 
welches  zuerst  eine  Rinne,  dann 
einen  Canal  formirt,  dessen  offen 
bleibender  Theil  das  OsliunT  abdo- 
minale vorstellt.  In  der  Ontogenese 
hat  sich  demnach  eine  Verflndening 
voll7.(^cn,  welche  aus  einer  bernls 
seit  langem  erworbenen  grossen  Selb- 
st;<ndigkeit  der  Hülle n'schen  Günge 
sich  erklärt.  Im  an^ehildelen  Zu- 
stande .stellen  die  Eileiter  ansehnliche,  meist  gewunden  verlaufende 
Canülc    vor,    die    mit    wcilcni    abdominalen    Ostium    beginnen.      Die 

Hfl.  S93.  Harn-  und  Gesclilcclilsorpnna  einer  Schildkröte  (Che)ydra  ur- 
pentina).  r  Niuren,  «  Harntslt«r.  ti  Blase.  I  Hoden.  «  Ncbenhodfin  und  Vu 
dercrens.  uq  Ocffnung  des  [jrogenilaisinus  iD  die  Closke.  cl  Cloake,  von  hinlei 
geülTiiel.  p  Rulhe.  t  Rullienfurclii'.  r«  Bnddarm,  c  e'  Bliadsacke  der  Cinak« 
[Bursae  anales). 


• 


GeschlechUorgane.  617 

Schleimhautauskleidung  bietet  zahlreiche  Längsfalten  und  ist  am 
unteren  auch  mit  stärkerer  Muskelwand  versebenen  Abschnitte  vom 
übrigen  längeren  Theile  verschieden ,  besonders  bei  Vögeln  durch  be- 
deutendere  Falten-  und.  Zottenbildung  auageseichnet.  Diese  DifTeren- 
ziruog  des  Eileiters  entspricht  der  Verschiedenheit  der  Function  der 
einzelnen  Sirecken,  von  denen  die  längere  vordere  das  Eiweiss 
secemirt,  indess  vom  dickwandigeren  Endstücke  die  Eischale  gebildet 
wird.  Dieser  Abschnitt  verbindet  sich  mittels  einer  kurzen  engeren 
Strecke  mit  der  Cloake.  Der  Rückbildung  des  rechtsseitigen  Eier- 
stockes entspricht  bei  den  Vögeln  die  Rückbildung  des  gleichseitigen 
Oviductes,  von  welchem  nicht  selten  Reste  des  unteren  Endes  in  der 
Nähe  der  Cloake  angetroffen  werden.  Während  Schlangen  und  Eid- 
echsen mit  den  VOgeln  die  Ausmündungsstellen  der  Oviducte  gemein 
haben,  findet  bei  den  Schildkröten  die  Mündung  in  den  Hals  der  so- 
genannten Harnblase  statt,  der  dadurch  einen  Sinus  genitalis  bildet. 
Rei  manchen  Schlangen  nimmt  eine  Ausstülpung  der  hinteren  Cloaken- 
wand  die  Ostien  der  Oviducte  auf.  —  Hinter  den  Ovarien  erhält  sich 
[bei  Eidechsen  und  Vögeln  beobachtet)  ein  Rest  der  Umiere. 

Vom  männlichen  Apparate  lagern  die  meist  ovalen  Hoden  durch 
eine  Bauchfellfalte  befestigt  an  der  Wirbelsäule,  bald  vor,  bald  nach 
innen  von  den  Nieren.  Ihr  Volum  steht  mit  dem  Zustande  ihrer 
Function  in  engem  Connex,  was  besonders  bei  den  Vögeln  hervortritt. 
Bei  den  Schlangen  nehmen  sie  eine  den  Ovarien  entsprechende  Lage- 
rung ein.  Die  Vasa  eOerentia  begeben  sich  zu  einem  meist  nur  aus 
wenigen  Canälen  bestehenden  Nebenhoden,  von  dem  ein  Vas  deferens 
sich  zur  Cloake  erstreckt.  In  geradem  Verlaufe  findet  es  sich  bei  Cro* 
codilen,  zahlreiche  kleinere  Windungen  beschreibt  es  bei  Schlangen, 
Eidechsen  und  Vögeln,  indess  es  bei  den  Schildkröten  (Fig.  295.  e) 
ein  Convolui  von  Windungen  darstellt.  Sein  Endabschnitt  ist  bei  man- 
chen Sauriern  und  Vögeln,  sowie  bei  den  Crocodilen  erweitert. 

Bezüglich  der  Ausmündung  ist  wiederum  ein  übereinstimmendes 
Verhalten  aufzuführen.  Die  Vasa  doferentia  münden  bei  Eidechsen 
noch  mit  dem  Harnleiter  verbunden  in  die  Cloake  aus,  bei  den 
Cbeloniern  in  einen  Sinus  ur(^enitali$,  der  durch  den  Hals  der  Harn- 
blase gebildet  wird.  Die  Ausmündestelle  jedes  Samenleiters  befindet 
sich  zuweilen  auf  einer  papilienartigen  Vorragung  (Eidechsen,  Vögel). 

Vom  MüLLBR^schen  Gange  besteht  ein  Rudiment  in  Gestalt  eines 
vom  vorderen  Ende  des  Nebenhodens  nach  vorn  veriaufenden  Fadens 
(Eidechsen),  sowie  auch  noch  Reste  des  nicht  zum  Nebenhoden  ver- 
wendeten Theiics  des  vorderen  Abschnittes  der  Urnierc  zu  erkennen 
sind. 

Bei  den  Säugethieren  erleidet  der  Geschlechtsapparat  durch  Aus- 
bildung der   einzelnen  Abschnitte  der  Ausfuhrgänge  und   durch    das 


618 


Wirbeltbiere. 


Fig.  296. 


Auftreten  zahlreicher  accessorischer  Gebilde  bedeutende  Veränderungen. 
Beim   weiblichen  Ajpparaie  stehen   diese  zum  gi^sseu  Tbeile  mit 

den  vom  Embryo  zum  mütterlichen  Organis- 
mus gewonnenen  Beziehungen  im  Zusammen- 
hang. Die  geringe  Ausprägung  der  letzteren 
bei  Monotremen  bedingt  daher  mindere  Modifi- 
calionen,  und  damit  zugleich  directo  An- 
schlüsse an  die  niederen  Abtheilungen  der 
Wirbeltbiere,  speciell  an  Reptilien  und  Vögel. 
Jeder  der  beiden  MüLLER'schen  Gänge  wandelt 
sich  zu  einem  Ganale  um,  der,  von  dem 
der  andern  Seite  getrennt,  in  einen  mit  der 
Gloake  communicirenden  Sinus  urogenitalis 
mündet.  Jeder  dieser  Gnnäle  beginnt  mit  einer 
das  betreffende  Ovarium  umfassenden  Erwei- 
terung und  stellt  einen  gewundenen  Eileiter 
(Fig.  296.  t)  vor,  indess  sein  unteres  Ende, 
durch  dickere  Muskelwand  ausgezeichnet, 
einen  Uterus  (u)  bildet.  Zwei  Uteri  münden  also  selbstständig  in 
den  Sinus  urogenitalis  {s.u,g.). 

Bei  den  Beutelthieren  tritt  eine  ^usserliche  Verbindung  der 
beiderseitigen  MüLLRR'schen  Gänge  auf,  von  denen  jeder  am  paarigen 
Abschnitte  Uterus,  Eileiter,  sowie  eine  Scheide  hervorgehen  (Didelphys) 
lässt,  oder  sie  vereinigen  ihre  Lumina  in  einen  gemeinsamen  Hohlraum, 
von  dem  aus  sie  wieder  getrennt  zum  Sinus  urogenitalis  verlaufen,  um, 
nur  auf  einer  ganz  kurzen  Strecke  vereint,  in  diesen  zu  münden. 
Daraus  geht  eine  eigenthümliche  Anordnung  hervor  (Halma turus).  Der 
mit  einem  sehr  weiten  Orificium  abdominale  beginnende  obere  Ab- 
schnitt bildet  ein  Oviduct,  indess  der  untere  dickwandige  einen  Uterus 
vorstellt.  Jeder  der  beiden  Uteri  mündet  mit  einem  papi neuartigen 
Vorsprung  in  den  äusserlich  gemeinsamen  Abschnitt,  der  durch  die 
Vereinigung  der  beiden  MüLLEa'schen  Gänge  entstand.  Von  diesem 
nach  hinten  zu  ausgesackten  und  ini^erlicli  durch  eine  mediane  Scheide- 
wand getheilten,  oder  in  manchen  Fällen  auch  ungetheillen  Räume 
(Scheidenblindsack)  gehen  nunmehr  getrennt  bleibende  Abschnitte  der 
MüLLRR^schen  Gänge  als  »Scheidencanäie«  ab,  und  verlaufen  henkei- 
förmig gekrümmt  zum  Sinus  urogenitalis.  Dieser  Scheidenabschnitt 
der  Ausführwege  ist  demnach  eine  neue,  bei  den  Monotremen  nur 
durch  eine  ganz  kurze  Strecke  angedeutete  Differenzirung. 


Fig.  296.  Weibliche  Geschlechlswcrkzeuge  von  Ornitborhynchus.  0  Otii- 
rium  mit  der  Peritonealtasche.  (  Eileiter,  u  UteriiB.  u  Stelle,  in  welcher  oben 
das  Ostium  des  Uterus  einragt  und  dicht  darunter  die  Mündung  des  Ureters. 
vu  Harnblase,     sug  Sinus  urogenitalis.     cl  Cloake. 


Gescbiecblsorgane.  619 

§  447. 

Bei  den  placentalen  SUugethieren  werden  die  Urnierengänge  mit 
den  MüLLER'schen  GSngen  zu  einem  gemeinsamen  Strange  (Genital- 
Strang)  verbunden,  und  zwar  in  Folge  einer  Anpassung  an  die  durc!i 
den  Verlauf  der  Nabelarlerien  gebotene  Form  des  Beckenraums. 

Die  bei  Halmaturus  ausgebildete  Verbindung  der  Derivate  der 
MüLLBR^scben  Gange  auf  der  Mitte  ihres  Verlaufs  kommt  bei  placentalen 
Säugethieren  wahrend  der  Embryonalperiode  an  den  MuLLia^schen 
Gangen  vor,  und  verweist  dadurch  auf  engere  Beziehungen  zu  den 
Marsupialien.  Wie  bei  den  letzteren  treten  die  Umierengange  eine 
Rückbildung  an,  so  dass  sich  nur  Reste  davon  erhalten,  indess  die 
MuLLiR'schen  Gange  sich  fortbilden.  An  ihnen  bildet  sich  eine  Strecke 
weit  eine  Verschmelzung  der  Lumina,  die  vor  und  hinter  dieser  Stelle 
getrennt  sind,  und  darin  liegt  die  Andeutung  des  gemeinsamen  Sackes, 
der  bei  Beutelthieren  die  Scheidencanäle  absendet.  Die  Verschmelzung 
der  Lumina  schreitet  aber  bei  den  placentalen  Saugethieren  gegen  das 
Ende  des  Genitalstranges  vor,  und  formt  damit  einen  einfachen  Canal 
(Canalis  genitalis),  der  in  den  Sinus  urogenitalis  sich  öffnet.  Somit 
bestehen  zwei  von  einander  getrennt  beginnende,  aber  dann  in  einen 
mehr  oder  minder  langen,  unpaaren  Abschnitt  zusammentretende  Canale, 
die  aus  den  anfänglich  ganz  getrennten  MüLLZR^schen  Gängen  hervor-* 
gingen.  Durch  verschiedenartige  Differenzirung  der  Wandung  einzelner 
Abschnitte  entstehen  die  bereits  bei  den  Beutelthieren  unterschiedenen 
Theile,  welche  wesentlich  nur  durch  die  grössere  oder  geringere  Aus- 
dehnung der  Duplicitat  bedeutendere  Verschiedenheiten  darbieten.  Dem 
durch  die  Beziehungen  zur  Frucht  vielen  Anpassungen  unterworfenen 
Uterus  fallen  die  meisten  Variationen  zu.  Zwei  völlig  getrennte  Uteri 
münden  in  eine  Scheide  bei  vielen  Nagern  (Lepus,  Sciurus,  Hydro- 
cboerus  etc.)  und  bei  Oryoteropus.  Bei  anderen  Nagethieren  ver- 
einigen sich  beide  Uteri  nur  auf  einer  kleinen  Strecke  zu  einer  ge- 
meinsamen Ausmttndung  in  die  Scheide  (z.  B.  Cavia,  Coelogenys, 
Mus).  Daraus  gehen  die  Verhaltnisse  des  Uterus  der  Insectivoren, 
Carnivoren,  Cetaceen  und  Ungulaten  hervor,  bei  denen  ein  einfacher 
Uterus  in  zwei  getrennte  Homer  auslauft,  die  in  die  Oviducte  sich 
fortsetzen.  Unter  Verlängerung  des  gemeinsamen  Uteruskörpers  er- 
sdieinen  die  Hörner  verkürzt  bei  den  Ghiropteren  und  Prosimiae,  und 
bei  den  Aden  ist  wie  beim  Menschen  ein  einfacher  Uterus  vorhanden, 
der  jederseits  einen  Eileiter  aufnimmt.  Wie  die  Lange  der  Homer  des 
Uterus  oder  jene  des  gemeinsamen  Uteruskörpers  sich  sehr  verschieden 
zeigt,  so  variirt  auch  die  Lange  der  Scheide,  deren  Schleimhaut 
mannichfache  Modificationen  bietet.  Eine  Strecke  weit  behalt  sie  bei 
manchen  Nagern  (Lagostomus)  die  primitive  Duplicitat.  Ihre  Mündungs- 
stelle in  den  Sinus  urogenitalis  ist  zuweilen  durch  eine  vergängliche, 
als   Scheidenklappe   (Hymen)    unterschiedene   Schleimhautfalte   ausge- 


690  Wirbelthier«. 

zeichnet.  Sie  ist  bei  Wiederkäuern,  Carnivoren  u.  A.  beobachlel, 
bietet  aber  erst  bei  den  Affen  die  beim  Menschen  vorkommenden 
Verhältnisse. 

Die  meist  weniger  umfänglichen  Ovarien  besitzen  je  nach  dem 
Verhalten  der  Eifollikel  zum  Strome  ovarii  mannicbfache  Verhältnisse. 
Bei  sehr  vielen  Säugethieren  bieten  sie  eine  traubige  Form.  Ihre  pri- 
mitive  Lagerung  bewahren  sie  selten,  meist  rücken  sie  weiter  gegen  das 
kleine  Becken  hin  oder  treten  mit  den  Eileitern  sogar  vollständig  in  dieses 
ein.  Zu  den  letzteren,  oder  vielmehr  zu  deren  trichterförmig  erwei- 
tertem Ostium  abdominale  besitzen  sie  immer  nahe  Beziehungen,  indem 
ein  Fortsatz  des  Ostiumrandes  sich  zum  Ovar  erstreckt.  Die  die  Ovarien 
wie  auch  die  Eileiter  tragenden  Bauchfellduplicaturen  (Ligg.  uteri 
latae)  bilden  nicht  selten  das  Eileiterostium  mit  dem  Ovar  uroschliessende 
Taschen   (z.  B.  bei  Carnivoren). 

Von  den  Urnieren  und  ihren  in  den  Genitalstrang  mit  einge- 
schlossenen Ausftthrgängen  erhalten  sich  Reste  an  der  Seite  des  Uterus 
oder  in  den  die  Ovarien  mit  dem  Uterus  verbindenden  Peritoneal- 
duplicaturen.  Die  Urnierengänge  bilden  die  sogenannten  GARTifn'schen 
Ganäle,  die,  bei  Echidna  die  Uteri  begleitend,  in  den  Sinus  urogeni- 
talis  münden,  sonst  nur  auf  Strecken  bestehen.  Ein  in  der  Nähe  der 
Ovarien  liegendes  Urnierenrudiment  entbehrt  der  functionellen  Be- 
ziehungen zum  Geschlechtsapparate  und  wird  seiner  Lagerung  wegen 
als  Neben  ei  er  stock  bezeichnet. 

Am  männlichen  Geschlechtsapparate  der  Säugethiere 
ßnden  sich  die  Hoden  anfänglich  in  gleicher  Lage  wie  die  Ovarien, 
am  inneren  'Rande  der  Urnieren.  Vom  Urnierengänge  aus  erstreckt 
sich  ein  Strang  zur  Leistengegend  der  Bauchwand  (Leitband).  Nach 
erfolgter  Verbindung  der  Urnieren  mit  dem  Hoden  stellen  erstere  den 
Nebenhoden  vor,  der  fast  immer  von  grösserem  Umfange  ist  als  bei 
Reptilien  und  Vögeln.  Der  Urnierengang ,  wie  beim  weiblichen  Ge- 
schlechte mit  dem  MüLLER'schen  Gange  zu  einem  Genitalstrang  ver- 
bunden, welcher  zu  dem  aus  dem  untersten  Abschnitte  der  AUantois 
entstandenen  Sinus  urogenitalis  tritt,  bildet  das  Vas  deferens,  indess 
der  MüLLER^sche  Gang  verkümmert,  und  meist  nur  mit  seinem  End- 
nbschnitte  in  ein  bleibendes,  einem  Sinus  genitalis  entsprechendes 
Organ  übergeht,  tiessen  Oeffnung  in  den  Ganalis  urogenitalis  zwischen 
den  Mündestellen  der  Samenleiter  liegt. 

Der  in  dieser  Weise  gestaltete  Apparat  zeigt  an  allen  seinen  Theilen 
mannichfache  Modificationen.  Die  Hoden  bleiben  nur  bei  den  Mono- 
tremen  fast  ganz  in  ihrem  ursprünglichen  La pcrungs Verhältnisse  vor 
den  Nieren.  Wenig  nach  abwärts  gerückt  oder  unterhalb  der  Nieren 
gelagert  sind  sie  bei  den  Walthieren,  bei  Hyrax,  beim  Elephanten  und 


GMehteehUoiigt  nr . 


d«f 


verschiedenen  Edentalen  zu  (reffen.  Bei  Anderen  sind  sie  in  die 
Leiatengegend  der  Bauchwand  gerUekt,  durch  welche  sie  biodurcblreten 
(bei  vielen  Nagem ,  den  Kamelen ,  und  manchen  Caroiroren  [Lutra, 
Viferra]).  Endlich  gelaof^en  sie  bei  Anderen  duridi  den  Leistencanal 
weiter  von  der  Bauchwand  herab 


fig.  t«. 


in  eine  vom  Inlegumeme  gebil- 
dete Aussackung,  das  Scrotum. 
Der  bei  der  Wanderung  des 
Hodens  in  das  Scrotum,  von 
dem  mit  dem  faerabsleigenden 
Hoden  ausw  achsenden  Ferito- 
naeum  gebildete  Raum  (Canalis 
vaginalis)  bleibt  bei  den  meisten 
Säugethieren  offen,  und  lüsst  so 
einen  den  Hoden  umgebenden 
Hohlraum  mit  der  Bauchhöhle 
communiciren.  Mit  dem  Herab- 
steigen des  Hodens  durch  den 
Leistencanal  hat  derselbe  Theile 
der  Bauchwand  vor  sich  herge- 
BlUlpt,  von  denen  eine  vom  Mus- 
culus obiiquus  internus  stam- 
mende Partie  als  Musculus  cre- 
masler  bemerkenswerlh  ist.  Bei 
offen  bleibendem  Scheiden canal 
vermag  der  Hoden  wieder  in  die 
BaudihOhle  KurUck zutreten,  was 
bei  vielen  SaugethJeren  gewöhn- 
lich zur  Brunstzeit  eintritt  (z.  B. 
bei  Hsrsnpiaiien ,  Kagem ,  Chi- 
roptern,  Inseclivoren  u.  A.)- 

Das    untere   Ende   des   Vas 
deferons  (Fig.  297.  </)  erhttlt  sich 

einTach  bei  Honotremen  und  Beutelthieren ,  Camivoren  und  Cetaceen. 
Sonst  gehen  von  ihm  Drilsenbildungen  aus,  die  man  als  »Samen- 
blasen«  bezeichnet,  weil  sie  zuweilen  als  Receplacula  seminis  zn 
fungiren  scheinen  (Fig.  297.  g[).  Diese  Organe  sind  sehr  entwickelt 
bei  Insectivqren    und   vielen  Nagern,    bei  ersteren  häufig   in  mehrere 


Fig.  S*1.  /.  Hsro- undGeKhlechtiorgsue  von  Crlcetvs  TulsarU.  Jt  Niere 
■  Ureter.  *  HambUte.  T  Hod«D.  Sp  Vit*  spermatlo.  d  V««  defcrcm.  f(  Samea- 
hläMhen.  gl'  gl"  Prosta UidrüMii.  m  MuühulOser  Theil  des  Sinus  urogenllalia. 
ic  Corpul  CBVernosum  ponii.  bc  Cnrp.  c^v.  urpthrae.  c  CowHR'schc  ItrUsen, 
I  TTMR'eche  DrUsen.  p  Pnieputium.  g  Glani  peoiii.  //.  Blasenhal«  und  Anfang 
des  SiDDS  urogenilalia  von  vorne  geoRnet  dsrgeelellt.  'MUadaag  der  Doctu  aja- 
culatorii.     lU  Glaos  penis  von  roroe  geseheo. 


622  Wirbelthiere. 

grosse  Lappen  getheilt,  bei  letzteren  mehr  durch  Länge  und  Ausbuch- 
tungen ausgezeichnet.  Auch  bei  vorhandenen  Samenblasen  ennptängt 
der  Endabschnitt  des  Vas  deferens  häufig  durch  drüsig  gebaute  Aus- 
buchtungen neue  Complicationen. 

Ausser  den  Samenleitern,  deren  die  Samenbläschen  aufnehmender 
kurzer  Endabschnitt  als  Ductus  ejaculatorius  bezeichnet  wird,  münden 

bei  manchen  Säugethieren  bereits  vorhin  erwähnte  Ru- 
dimente der  MöLLBR^schen  Gänge  in  den  Sinus  urogeni- 
talis  ein.  Sie  bestehen  entweder  aus  einer  einfachen 
oder  paarigen,  oder  in  zwei  Canäle  auslaufenden  Aus- 
buchtung, die  einem  rudimentären  weiblidien  Sinus  ge- 
nitalis oder  vielmehr  dem  Scheidentheil  desselben  ent- 
spricht, daher  ihre  Bezeichnung  als  Uterus  mascu- 
linus  wenig  genau  ist.  Zuweilen  ist  ein  Abschnitt 
davon  dem  männlichen  Sinus  genitalis  angehörig,  indem 
die  Samenleiter  in  ihm  zur  Ausmündung  gelangen.  Am 
B    Ik.1'        ansehnlichsten    sind    diese    Gebilde    bei    Nagern,    doch 

fehlen  sie  auch  Anderen  nicht  ganz,  und  werden  beim 
Menschen  durch  die  Vesicula  prostatica  vorgestellt. 

Der  diese  Organe  aufnehmende  Abschnitt  des  Ca- 
nalis  urogenitalis  entfaltet  noch  andere  Theile  drüsiger 
Natur  (Prostata-Drüsen),  durch  welche  mehrfache 
Modificationen  hervorgehen.  Die  Drüsen  können  einen 
bedeutenden  Umfang  erreichen,  als  paarige  gelappte  Bil- 
^  düngen  sich  darstellen   (Nager,    Elephant,    Insectivoren 

[Fig.  297.  gV  gl"]),  oder  sie  sind  durch  zahlreiche  kiei- 
^^      nere  Schläuche  gebildet,  die  in  einer  der  Wandung  des 
Ganalis  urogenitalis  angefügten  Masse  vereinigt  sind.    Sie 
werden  dann   durch  eine  Schichte  glatter  Muskellasera 
überzogen,  welche  bei  dem  Vorkommen  grösserer  Drüsen- 
paare theils  diese  selbst  überzieht,  theils  der  Wand  des 
bezüglichen   Abschnittes  des  Urogenitalcanals    unmittel- 
bar aufgelagert   ist,    und   bald   nur  den  hinteren  Abschnitt  einnimmt, 
bald  ringförmig  den  Anfang  des  Ganalis  urogenitalis  umfassi. 

§  449. 

Die  Vereinigung  der  Ausführwege  des  Harn-  und  Geschlechtsappa* 
rates  mit  dem  Endslücke  des  Darmt  anals  in  dem  bereits  oben  (S.  599) 
als  »Gloakea  bezeichneten  Raum  findet  sich- in  den  unteren  Abthei- 
lungen  verbreitet,  ist  aber  wohl  kaum  als  ein  primitiver  Zustand  anzu- 

Fig.  298.  Canalis  urogenitalis  mit  der  Harnblase  und  dem  sogenannten  Ctoras 
masculinus  von  Lepus  cuniculus.  i4  Von  hinten.  B  Hintere  Wand  des  Itemi 
masculinus  geöfTnet.  C  Seitliche  Ansicht,  v  Harnblase,  u  Ureter,  d  Samenleiter. 
g  Sinus  genitalis,     ug  Canalis  urogenitalis. 


Geschlechtsorgane.        *  623 

sehen,  vielmehr  dürfte  als  solcher  die  getrennte  Ausmttndung  der  Uro- 
genitalorgane und  desTractus  intestinalis  gelten,  v/ie  sie  beiCyclostomen, 
GanoYden  und  Teleostiern  besteht.  Die  AfterOflnung  findet  sich  da  vor 
den  UrogenitalmUndungen  gelagert,  doch  kommt,  besonders  bei  Ga- 
noYden deutlich,  eine  diese  Oeffnungen  aufnehmende  Vertiefung  zu 
Stande,  vvelche  bereits  die  Andeutung  einer  Cloake  abgibt.  Diese  ist 
bei  den  Selachiern  ausgeprägt,  und  die  sonst  hinter  der  AfterOffnung 
liegenden  Mttndcstellen  des  Urogenitalapparates  finden  sich  hier  an  der 
dorsalen  Wand  der  Cloake. 

Dieses  VerhUltniss  bleibt  von  da  an  allgemein,  und  eine  Cloake 
besteht  bei  Amphibien,  Reptilien  und  Vögeln  in  ziemlich  gleichniässigem 
Verhalten,  bei  den  letzteren  mit  einer  der  Hinterwand  angefügten  Aus- 
stülpung, der  Bursa  Fabricii,  ausgestattet.  Für  die  Sfiugethiere  muss  die 
Cloake  gleichfalls  als  ein  gemeinsames  Erbstück  gelten,  das  aber  nur  bei 
den  Monotremen  wenig  modificirt  fortbesteht,  indess  es  bei  den  übrigen 
wichtige  Umbildungen  eingeht.  Von  diesen  ist  die  schon  bei  den  Amphi- 
bien spurweise  beginnende  Betheiiigung  an  der  Sonderung  der  Begal- 
tungsorgane  benierkenswertb,  und  den  Abschluss  dieser  Vorgange  bildet 
die  Herstellung  einer  vom  After  gesonderten  UrogenilalOffhung.  Von 
anderen  von  der  Cloake  aus  diflerenzirten  Organen  muss  die  Allan- 
tois  hervorgehoben  werden,  welche  von  der  Vorderwand  der  Cloake 
resp.  des  sie  darstellenden  Theils  der  primitiven  Enddannbühle  entsteht. 
Bei  Lepidosiren  und  den  Amphibien  bildet  dieses  Organ  ein  durch 
einen  kurzen  Stiel  von  der  vorderen  Cloakenwand  entspringendes,  bei 
den  letzteren  meist  in  zwei  vordere  Fortsätze  verlaufendes  Gebilde,  wel- 
ches frei  in  der  Leibeshohle  liegt.  Man  bezeichnet  es  als  »Harnblase«^ 
als  welche  es  auch  zu  fungiren  scheint,  obschon  die  Ureteren  entfernter 
vou  ihm  münden.  Auf  seinen  dünnen  Wandungen 'verbreiten  sich  Blut- 
gefässe, davon  die  Arterien  von  jenen  des  Beckens  stammen,  die  Ve- 
nen zur  lYortader  gehen. 

Bei  den  Amnioten  empfängt  dies  Organ  während  der  embryonalen 
Entwickelung  eine  bedeutende  Ausbildung,  und  wird  zu  einem  volu- 
minösen, weit  über  die  Embryonalanlage  hinauswachsenden  und  eine 
reiche  Gef^ssverzweigung  tragenden  Sacke,  welcher  den  vom  Amnion 
umschlossenen  Embryo  umhüllt.  Bei  den  Reptilien  und  Vögeln  bildet 
er  sich  allmählich  mit  dem  Schlüsse  der  Bauchwand  zurück  und  ver- 
schwindet gänzHch.  Nur  bei  den  Eidechsen  und  Schildkröten  erhält 
sich  der  in  der  Bauchhöhle  befindliche  Theil  der  Allantois,  und  erwei- 
tert sich  zu  einem  nach  beiden  Seiten  ausgebuchteten  Sacke  (Fig.  295.  t;), 
der  dann  ähnlich  wie  bei  den  Amphibien  sich  verhält. 

Anders  gestaltet  sich  dieses  Organ  bei  den  Säugethieren  in  seinen 
Beziehungen  zum  sich  entwickelnden  Organismus.    Es  wächst  wie  bei. 
Reptilien  und  Vögeln  zu  einer  Blase  aus ,  die  durch  einen  engen ,    im 
Nabelstrange  verlaufenden  Stiel  mit  der  Beckendarmhöhle  communicirt. 
Der  in    der  Leibeshöhle  verlaufende   Abschnitt  des  Stieles   (Urachus) 


tu  Wirbellhien. 

wandelt  sich  zum  Theil  in  ein  Lignmenl  (Lig.  vesico-umbilioalfl  mp- 
iliumj,  zum  Theil  in  die  Harnblase  und  zum  Theil  in  einen  Sinus 
u  ro  g  e  n  il  al  i  s  ( vergl.  darüber  hei  den  Harn  -  und  GeschlechU- 
oi^anen)  um,  indem  die  MUndungen  der  GescblechUausfUhrwege  auf 
ihn  Uberlrelen.  Bei  Blonolremen  und  Uarsupiatien  scheint  der  periphe- 
rische Abschnitt  sich  ähnlich  wie  bei  Beplillen  und  Vögeln  zu  verhal- 
ten, indess  er  bei  anderen  SäugoUiieren  zur  Bildung  des  iChorion«  bei- 
trägt, welches  sich  vermittelst  zollenartiger  Erhebungen  mit  der  Schleim- 
haut des  Uterus  verbindet.  Durch  weitere  EnLwickelung  jener  blulge- 
ßlssbaltigen  Zotten  kommt  fötales  Blut  zur  peripherischen  Vertheilung 
in  dem  von  der  Allantois  gebildeten  Chorion  und  tritl  in  Wechselwir- 
kung mit  dem  in  der  Uterusschleimhaut  vertheilten  Blute,  mit  dem  es 
einen  AusUiusch  von  Stoffen  eingeht.  Durch  innigere  Verbindung  mit 
Abschnill4^n  der  Ul«russcb leimbaut  kommt  es  zur  Bildung  einer  Pia- 
centa,  bei  der  wieder  je  nach  der  Art  und  Ausdehnung  der  Verbindung 
des  Chorion  mit  der  t'lerusschleinihaut  und  nach  den  Hodificalionen 
der  le[z|eren  mannichfache  Verschiedenheiten  entstehen. 

§  420. 

Eine  andere  Reihe  von  DilTerenzirungsproducten  der  Cloakenwand 
stellen  die  Begn ttungsorgane  vor.  Während  bei  Fischen  (Seta- 
chiern)  dem  GeschlechtsapparaU;  ursprunglich  fremde  Organe  —  Ab- 
schnitte der  Hintergliedniaassen  —  zu  Organen  der  geschlechtlichen 
Copula  verwendet  werden,  uud  sich  dem  entsprechend  modificiren 
(S  SOS] ,  i>eginnt  bei  den  Amphibien  durch  eine  innerhalb  der  ChwkP 
vorragende  Papille  spurweise  angedeutet,  die  Difteren- 
Fig.  199.  zirung    jener   Organe    bei    den   Aiiinioten.      Die   be- 

treffenden Theile  sind  nach  zwei  Grundformen  lu 
unterscheiden,  davon  eine  die  Oi^oe  mit  der  hin- 
teren Clcakenwand  in  Verbindung  zeigt,  die  andere  da- 
gegen mit  der  vorderen. 

Die  eine  davon  herrscht  bei  Eidechsen  und 
Schlangen.  Die  Begattungsorgane  erscheinen  zuerst  als 
ilussere  Anhänge  dicht  hinter  der  Cloake  uad  werden 
später  schlauchförmig  eingestülpt,  um  erst  bei  der  Be- 
gattung hervorzutreten.  Im  ausgestülpten  ZusUnde 
läuft  jedes  dieser  Organe  in  zwei  mehr  oder  minder 
stumpfe  Enden  von  verschiedener  Geslaltung  ans.  Aaf 
der  lateralen  Seite  verlauft  eine  etwas  spiralig  nach 
hinten,  dann  median  gerichtete  Rinne  von  der  Cloake  her  und  dient  zur 
Ueberleitiing   des  Sperma.     Von    den    Muskeln    sind   die    am    folioden 

P'm.  399.  Cloake  von  Python,  von  vorne  lier  gctifTnel.  R  Enddarm,  mttt- 
torenmtln düngen,  gi  DriksenscIilHurlie ,  he\  *  ausmUnd«nd ,  in  den  Aobng  der 
Penisschläucha  p,  davon  der  eine  der  LUnge  nacli  getilTiwt  tsl. 


Geschlechisorgdne.  6SI& 

Ende  der  Schläuche  inserirlen  Rückzieher  der  ausgestülpten  Organe  die 
ansehnlichsten.  Nahe  an  der  Wurzel  der  Schläuche  münden  Drüsen 
[gi.)  aus. 

Die  zweite  Gmndfarm  umfasst  mehrfach  verschiedene  aber  stets 
von  der  vorderen  Cloakenwand  ausgehende  Bildungen,  die  als 
Modificationen  der  gleichen  Einrichtung  anzusehen  sind. 

Eine  Form  dieser  Organe  findet  sich  bei  den  meisten  Ratiten,  dann 
bei  Penelopiden  und  Schwimmvögeln  (Anser)  und  besteht  in  einem 
ausstülpbaren  durch  zwei  fibröse  Körper  gestützten  Rohre,  welches  auf- 
gestülpt eine  aus  der  Cloako  leitende  Rinne  bildet.  Ein  elastisches 
Band  bewirkt  die  Retraction  des  bei  der  Erection  des  Organes  ausge- 
stülpten Endstückes. 

Eine  zweite  Form  ist  bei  Schildkröten  und  Crocodilen  sowie  bei 
Struthio  reprüsentirt ,  und  wird  durch  die  mangelnde  Ausstülpbarkeit 
von  der  vorigen  unterschieden.  Das  Organ  hat  gleichfalls  zwei  fibröse 
Körper  zur  Grundlage,  die  eng  mit  einander  verbunden  von  Schleim- 
haut überkleidet  sind.  (Fig.  S95.  /;].  An  der  dorsalen  Fläche  befindet 
sich  zwischen  beiden  eine  Rinne  [s) ,  die  bei  Crocodilen  und  Schild- 
kröten am  Anfange,  beim  Strausse  lüngs  ihrer  ganzen  Ausdehnung  mit 
cavernösem  Gewebe  ausgekleidet  erscheint.  Indem  dieses  Gewebe  vorn 
am  Ende  der  fibrösen  Körper  (beim  Strausse  aus  der  Fortsetzung  eines 
elastischen  dritten  Körpers,  der  unter  den  beiden  fibrösen  liegt,  her- 
vorgegangen) reichlicher  wird,  bildet  sich  ein  schwellbarer  Wulst,  der 
eine  Ruthe  vorstellt.  Besondere  an  die  fibrösen  Körper  sich  inserirende 
Muskeln  wirken  als  Rückzieher  der  Ruthe,  die  bei  Struthio  noch  eigene 
Hebemuskeln  besitzt  und  in  einer  Ausbuchtung  der  Ctoake  geborgen 
wird. 

Der  zweiten  Grundform  gehören  endlich  noch  die  Begattungsor- 
gane der  Säugethiore  an,  von  denen  die  Monotremen  sich  schärfer  von 
den  übrigen  sondern,  ihre  Begattungsorgane  bestehen  aus  einem,  von 
zwei  Schwelllförpern  gebildeten  kurzen  Penis,  der  in  einer  in  die 
Cloake  einmündenden  Tasche  liegt,  vermittelst  eines  Muskels  dem  Uro- 
genilalcanal  genähert  werden,  und  durch  eine  an  seiner  Wurzel  in  der 
Nähe  der  Ausmündung  des  Sinus  urogenitalis  in  die  Cloake  befind- 
liche Oeflnung  das  Sperma  aufnehmen  kann.  So  tritt  er,  aus  einer 
einseitigen  Differenzirung  eines  Theiles  der  Cloakenwand  hervorgegan- 
gen, ausschliesslich  in  Beziehungen  zum  Geschlechtsapparate,  indess 
der  Harn  durch  die  Cloake  seinen  Abfluss  findet. 

Mit  der  Sonderung  der  Cioakenmündung  in  zwei  Oeffnungen 
treten  die  Begatlungsorgane  in  engere  Beziehungen  zum  Sinus  urogeni- 
talis. Während  des  embryonalen  Zustandes  beginnt  um  die  Cloaken- 
öfl*nung  eine  Falte  sich  zu  erheben,  und  an  der  vorderen  Wand  der 
Cloake  wächst  ein,  auf  seiner  gegen  die  Clonke  gerichteten  Fläche  die 

ü«geal>anr,  Ornndrifs.  4  0 


C26  Wirbelthicre. 

Mündung  des  Canalis  urogenitalis  tragender  Höcker  hervor,  der  mit  der 
Ruthe  der  Grocodile  und  Schildkröten  im  wesentlichsten  Verhalten  über- 
einstimmt, und  auf  seiner  hintern  Fläche  eine  zur  Mündung  d(s 
Urogenitalcanals  führende  Rinne  trägt.  Bei  fortschreitendem  Wachs- 
thume  des  Embryo  wird  die  Gloake  seichter,  und  die  Scheidewand 
zwischen  der  Oeffnung  des  Enddarms  und  dem  aus  dem  unteren  Ende 
des  Urachus  gebildeten  Ganalis  urogenitalis  tritt  schärfer  hervor,  und 
endlich  finden  sich  die  früher  im  Grunde  der  Gloake  befindlichen  Oeff- 
nungen  an  der  Oberfläche.  —  Die  vordere  an  der  Basis  des  Genital- 
höckers gelegene  Spalte  bildet  die  Mündung  des  Sinus  urogenitalis,  die 
hintere  Oefihung  stellt  den  Anus  vor.  Bei  vielen  Säugethieren  bleiben 
beide  Oeffnungen  nahe  bei  einander  und  werden  sogar  noch  von  ge- 
meinsamer Hautfalte  umzogen,  und  beim  weiblichen  Geschlechte  bildet 
die  Nachbarschaft  beider  Orificien  die  Regel.  Am  meisten  ist  dies  bei 
Beutelthieren  (wo  noch  ein  gemeinsamer  Sphincter  für  Anus  und  Uro- 
genitalöffnung  besteht)  und  bei  Nagern  der  Fall,  findet  sich  bei  diesen 
sogar  noch  beim  männlichen  Geschlechte  verbreitet. 

Der  Sinus  urogenitalis  bietet  in  beiden  Geschlechtern  verschiedene, 
den  Functionen  des  betrefTenden  Geschlechts  angepasste  Ausbildungs- 
zustände.  Beim  männlichen  Geschlechtc  wächst  der  Sinus  urogenitalis 
mit  dem  Genitalhöcker  in  einen  engeren,  aber  meist  langen  Canal  (die 
sogenannte  Harnröhre,  Urethra)  aus,  mit  dessen  Wandungen  sich 
Schwellorgane  verbinden  und  den  Penis  vorstellen.  Sowohl  für  dieses 
Organ  als  für  seine  Schwellkörper  bestehen  beim  weiblichen  Geschlechle 
die  gleichen  nur  minder  mächtig  entwickelten  Theile,  durch  welche  ein 
dem  Penis  entsprechendes  Organ,  die  Glitoris  gebildet  wird. 

Die  Schwellorgane  werden  bei  den  Beutelthieren  durch  zwei  aus 
dem  Genitalhöcker  hervorgegangene,  den  Ganalis  urogenitalis  umfassende 

Gebilde  hergestellt,  die  theilweise  mit  einander  verschmel- 
Fig.  300.  zen,  bei  Einigen  auch  an  ihrem  freien  Ende  getrennt 
sind  (Fig.  300.  a.  b.)  und  mit  diesem  die  Eichel  des  Penis 
bilden.  Der  Canalis  urogenitalis  setzt  sich  auf  jede  Hälfte 
als  eine  Rinne  {s)  fort,  die  bei  Aneinanderschliessen  beider 
einen  Canal  herstellen  kann.  Bei  Anderen  (HalmataruS; 
verbinden  sich  diese  Schwellkörper  mit  zwei  anderen  und 
begrenzen  mit  ihnen ,  einen  cylindrischen  Penis  bildend, 
den  Urogenitalcanal.  Nur  bei  wenigen  anderen  Säugethieren 
bleiben  die  erst  erwähnten  Schwellkörper  getrennt;  sie 
verschmelzen    sehr   frühzeitig  zu    einem   mit  einer  bulbusartigen  An- 

Fig.  300.  Gespaltener  Penis  von  Didelphis  philander,  ab  Die  beiden 
Hälften  der  Eichel,  s  Furche  auf  der  Innenfläche  derselben,  x  Behaarle  Im- 
gpbung  dos  difht  hinter  der  Vorhnnt^fTnung  gelegenen  Afters.     (Nach  Otto  * 


Geschlecliisorgdn^.  627 

Schwellung  beginnenden,  den  Urogenitalcanal  [Urelbra]  umfassenden 
Rohre  (Corpus  cavemosum  urethrae)  ^  dessen  vorderstes,  sehr  ver^ 
schieden  gebildetes  Ende  die  Eichel  vorsteUt.  Die  beiden  anderen 
Schwellkörper  (Corpora  cavernosa  penis)  entspringen  dann  immer  von 
den  Sitzbeinen  und  verlaufen  tlber  dem  Corpus  cavemosum  urethrae, 
ohne  in  die  Wand  des  Canalis  urogenitalis  einzugehen.  Bei  den  meisten 
Säugethieren  erstreckt  sich  der  so  zusammengesetzte  Penis  von  der 
Schambeinfuge  lUngs  der  Medianlinie  des  Bauches  nach  vorne,  und 
endet  mehr  oder  minder  weit  vom  Nabel  entfernt;  bei  Anderen  (Chi- 
roptera,  Primates)  ist  er  frei  und  hängt  von  der  Schambeinfuge  herab. 
In  diesen  beiden  Zustünden  bildet  das  Intcgumenl  einen  minder  oder 
mehr  vollstiindij^en  Ueberzug  des  Penis,  der  vorne  eine  auf  die  Eichel 
sich  umschlagende  Duplicatur  bildet  (Praeputium) . 

Beim  weiblichen  Geschlechte  erreicht  der  Genitalhöcker  niemals 
die  Ausbildung,  die  er  als  Penis  beim  männlichen  Geschlechte  erlangt, 
er  stellt  die  Clitoris  vor,  die  auf  ihrer  unteren  Fläche  die  von  zwei 
seitlichen  Falten  begrenzte  üeffnung  des  Sinus  urogenitalis  trägt.  Meist 
ist  die  embryonale  Entfaltung  der  Clitoris  bedeutender  als  im  erwach- 
senen  Zustande,  indem  sie  aus  der  Schaamspalte  vorragt,  und  später 
in  dieselbe  zurücktritt.  Doch  setzt  bei  manchen  Affen  (Ateles)  die 
Clitoris  ihre  Ausbildung  fort,  und  gestaltet  sich  zu  einem  umfänglichen 
Theile. 

Zwei  Scbwellkörper  (Corpora  cavernosa  urethrae)  liegen  in  der 
Wand  des  Sinus  urogenitalis  und  umfassen  denselben  bis  zur  Clitoris, 
welcher  ebenfalls  ein  Schwellkörperpaar  wie  dem  Penis  zu  Grunde 
liegt.  Meist  ist  das  Ende  der  Clitoris  mit  einer  Eichel  ausgestattet, 
über  welche  gleichfalls  ein  Praeputium  sich  hinwegschlägt.  Denkt  man 
sich  diese  Theile  umfänglicher  und  unter  Verengerung  des  Sinus  uro- 
genitalis in  die  Länge  gewachsen,  so  erhält  man  das  Verhalten  des 
Penis,  und  zwar  in  um  so  grösserer  Aehnlichkeit,  als  an  der  Eichel 
der  Clitoris  alle  Eigenthümlichkeiten  von  jener  des  Penis  sich  wieder- 
holen. Einzelne  Theile  dieser  Organe  sind  mit  besonderer  Muskulatur 
ausgestattet.  Zu  den  die  Schwellkörper  an  ihren  Anfangstheil  über- 
iagemdi^n  M.  M.  bulbo-cavernosi  und  ischio-cavernosi  treten  bei  vielen 
Säugethieren  noch  Hebemuskeln  und  Retractoren  des  Penis,  welche 
letzteren,  wie  die  Muskeln  des  Corpus  cav.  urethrae  und  der  Schliess- 
muskel  des  Afters,  Differenzirungen  eines  primitiven  Sphincter  cloacae 
sind. 

In  den  Sinus  urogenitalis  beider  Geschlechter  münden  Drüsen- 
organe  ein.  Von  solchen  finden  sich  ausser  den  oben  (S.  622)  er- 
wähnten Prostatadrüsen  noch  andere,  die  bald  einfach,  bald  mehrfach, 
bis  zu  vier  Paaren  (Beutelthiere)  vorkommen  und  am  Anfang  des  Penis 
liegen  (Fig.  297.  I.  c).  Sie  verbinden  sich  mit  dem  vom  Schwell- 
körper umschlossenen  Abschnitt  als  CowpvR^sche  Drüsen.  Bei  Manchen 
hat  man  sie  vermisst  (Cetaceen,  Camivoren). 

40* 


(328  Wirbelthiere. 

Beim  weiblichen  Apparat  mUnden  sie  als  DuvERPCKY^scbe  oder  Bai- 
THOLiN^sche  Drüsen  in  den  Scheidenvorhof  aus.  —  Der  Vorhaut  ange- 
hörige  Drüsen  entwickeln  sich  bei  manchen  Säugethieren  zu  ansehn- 
lichen Apparaten  (Fig.  297.  L)j  die  besonders  bei  Nagern  verbreitet  sind, 
aber  auch  bei  andern,  wenn  auch  weniger  umfänglich  vorkommen 
(TifsoN^sche  Drüsen). 

IjeibeBhöhle. 
§  423. 

Bei  allen  Wirbelthieren  trifft  sich  in  engerem  Anschlüsse  an  das 
Verhalten  zahlreicher  Wirbellosen  die  Sonderung  eines  den  Bumpfdarm 
umgebenden  Hohlraumes,  welcher  durch  Spaltung  des  mittleren  Keim- 
blattes in  Hautfaserblatt  und  Darmfaserblatt  hervorgeht.  Es  ist  also  eine 
im  mittleren  Keimblatte  auftretende  Höhle  (Cölomj,  welche  nach  Maass- 
gabe ihrer  Ausbildung  das  Darmdrüsenblatt  und  die  von  ihm  aus 
ditVerenzirten  Organe  von  den  aus  dem  äusseren  Keimblatte  entstan- 
denen Theilen  trennt.  Die  Beschränkung  dieses  Sonderungsvorganges 
auf  den  Bumpftheil  des  Leibes  scheint  mit  der  Visceralspaltenbildung 
am  Kopfdarme  in  Zusammenhang  zu  stehen,  indem  letztere  einer  Aus- 
dehnung jenes  Vorganges  nach  vorne  zu  wenigstens'  lateral  eine  Grenze 
setzt.  Wie  bei  Wirbellosen  stellt  die  Leibeshöhle  eine  dem  Gefdsssystem 
zugetheilte  Räumlichkeit  dar,  indem  sie  mit  dem  lymphführenden  Ab- 
schnitt desselben  in  Zusammenhang  stehL  Auch  die  bei  vielen  Wirbel- 
losen bestehende  directe  Communication  nach  aussen  fehlt  nicht  ganz, 
wenn  sie  auch  nicht  mehr  in  bedeutendem  Maasse  entwickelt  ist,  sie 
(indet  sich  in  dem  in  der  Nähe  der  Analöffnung  gelegenen  meist  paa- 
rigen Porus  abdominalis,  der  bei  Cyclostomen,  aber  auch  noch 
bei  Gnathostomen  vorkommt,  wie  bei  den  Selachiern,  Chimären,  vielen 
Teleostiern,  und  in  den  Peritonealcanälen  der  Reptilien  (Schildkröten 
und  Crocodilen)  sein  letztes,  theilweise  nur  andeutungsweises  Er- 
scheinen findet. 

Die  gesammte  Innenfläche  der  Leibeshöhle  besitzt  eine  Auskleidung 
von  einer  Epithelschichte,  die  an  einer  bestimmten  Strecke  besonders 
entfaltet  das  Keimepithel  vorstellt.  Von  ihm  aus  geschieht  die  Son- 
derung der  weiblichen  Keimdrüsen.  Im  vorderen  Abschnitte  der  Leibes- 
höhle ist  in  den  niederen  Abtheilungen  Flimmerepilhel  an  bestimmten 
Stellen  verbreitet.  In  Verbindung  mit  einer  unterliegenden  fiinde- 
gewebsschichte  constituirt  das  Epithel  des  Cöloms  eine  besondere  Mem- 
bran, das  Peritonaeum,  welches  sich  von  der  Wandung  her  (als 
parietales  Blatt)  auf  die  im  Baume  der  Höhle  liegenden  oder  in  ihn 
einragenden  Theile  (Eingeweiide)  fortsetzt  und  dieselben  gleichfalls 
überkleidet  (viscerales  Blatt). 

Bei  den  Anamnia  ist  das  Gölom  eine  einheitliche  Cavität,  und  er- 
scheint  ebenso   noch   bei  den    meisten  Reptilien,    doch   ist  bereits  bei 


Gefässsystem.  629 

Crooodilen  die  Schciduug  eines  vorderen  Abschniltes  von  einem  hin- 
teren angebahnt.  Diese  ist  bei  den  Säugethieren  vollzogen.  Hier 
trennt  das  Zwerchfell  den  hinteren  Abschnitt  des  Cöloms  als  Bauch- 
höhle von  einem  vorderen  Abschnitt,  der  durch  das  Mediastinum  in 
zwei  seitliche  RSiume,  die  Brust-  oder  Pleurahöhlen  zerfallt,  mit  jeden 
eine  Lunge  frei  umschliessend. 


GefSaasystom. 
§  424. 

Die  ernährende  Flüssigkeit  der  Wirbelthiere  bewegt  sich  in  abge- 
schlossenen Canülen  mit  selbständiger  Wandung  und  nur  selten 
nimmt  diese  Bahn  einen  lacunflren  Charakter  an.  Dadurch  unterscheidet 
sich  die  Bahn  von  jener  der  Mollusken,  schliesst  sich  aber  enger  an 
die  bei  WUrmern  besiehenden  Verhältnisse  an.  Ihre  Hohlräume  bilden 
ein  System  von  Ganälen,  ein  Gefässsy stem.  Die  Entstehung  des- 
selben knüpft  ans  mittlere  Keimblatt  an,  sowie  denn  auch  die  Derivate 
desselben  wesentlich  die  Träger  der  Gefilsse  sind.  Communicationen 
der  Binnenräume  des  Gef^sssystcms  mit  den  umgebenden  Medien  sind 
zwar  noch  angelegt,  scheinen  aber  nicht  zu  fungiren.  Die  Haupt- 
stämme besitzen  eine  mediane  Lagerung  und  verzweigen  sich  nach  der 
Gliederung  des  Körpers,  in  der  allgemeinsten  Anordnung  an  manche 
Einrichtungen  Wirbelloser  erinnernd,  welche  Beziehungen  man  in  dem 
Verhalten  der  Längsstämme  zum  respiratorischen  Abschnitte  des  Darm- 
canals  noch  weiter  begründet  finden  kann.  Eine  bedeutende  Ver- 
schiedenheit tritt  mit  der  Ausbildung  eines  Centralorgans  auf,  denn 
wahrend  dieses  bei  Arthropoden  und  Mollusken  wie  bei*  den  meisten 
Würmern  aus  dem  Dorsalgetässstamme  oder  einem  Theil  desselben 
entsteht,  sehen  wir  es  bei  den  Wirbelthieron ,  ähnlich  wie  bei  Tuni- 
caten,  aus  einem  ventralen  Abschnitte  gebildet. 

In  den  beiden  grossen  Gruppen  der  Wirbelthiere  bieten  sich  be- 
züglich der  Bewegungscentren  der  ernährenden  Flüssigkeit  bedeutende 
Verschiedenheiten  dar,  so  dass  wir  den  bei  Am phioxus  vorhandenen 
Apparat  von  jenem  der  Craniota  trennen  müssen.  Bei  dem  ersteren 
erscheinen  alle  grösseren  Gefässstämme  contractu  und  erinnern  da- 
durch an  die  bei  Würmern  bestehenden  Einrichtungen.  Die  Fortbe- 
wegung des  Inhaltes  dos  Gefässsystems  wird  an  vielen  Stellen  gefördert, 
ohne  dass  eine  vor  der  andern  bevorzugt  wäre.  Bezüglich  der  Anord- 
nung dieser  Gefässe  ergibt  sich  Folgendes:  Unter  dem  respiratorischen 
Abschnitte  des  Darmcanals  zieht  ein  in  regelmässigen  Abständen  Aeste 
zum  Kiemengitter  entsendender  Längsstamm  bin,  seine  Aeste  sind 
Kiemenarterien.  Sie  sammeln  sich  in  einem  über  den  Kiemen  gelagerten 
Stamm,  die  Aorta,  von  wo  aus  weitere  Vertheilungen  im  Körper  vor 
sich   gehen.     Jede  Kiemenarterie  besitzt  an   ihrem  Ursprünge  in  einer 


6:30  Wiibelthieie. 

contracUlen  Anschwellung  eine  herzartige  Bilduni^.  Das  vorderste  Paar 
der  Kiemenarterien  läuft  in  zwei  den  Mund  umziehende,  ebenfalls  con- 
traclile  Bogen  aus  und  verbindet  sich  zum  Anfang  der  Aorta  (vergl. 
Fig.  273).  Von  diesem  Gefassslamme  aus  findet  eine  Vertheiiung  von 
arteriellen  Blutgefässen  in  den  Körper  statt.  Das  aus  dem  Körperkreis- 
laufe rUckkehrende  Blut  sammelt  sich  in  einem  über  dem  als  Leber 
erscheinenden  Blinddarm  verlaufenden  Venenslamm,  welcher  sich  iu 
den  subbranchialen  Arterienstamm  fortsetzt.  ^Das  an  der  Darmwand 
verlheille  Blut  tritt  gleichfalls  in  einen  besonderen  Venenslamm  zu- 
sammen, vertheilt  sich  jedoch  wieder  in  den  von  letzterem  aus  an  den 
Blinddarm  tretenden  Verzweigungen,  und  erst  von  da  an  gelangt  es 
in  den  grossen  Venenstamm.  Auch  die  venösen  Gefitsse  sind  con- 
tractil.  In  diesen  Einrichtungen  sehen  wir  ein  vereinfachtes  Schema 
der  bei  den  Cranioten  ausgebildeten  Apparate,  und  ein  grosser  Tbeil 
jener  Gefässe  lüsst  sich  auf  das  Gefiisssystem  der  letzteren  beziehen. 
Ein  unmittelbarer  Uebergang  von  beiderlei  Apparaten  kann  jedoch 
nicht  angenommen  werden,  da  ausser  dem  Mangel  eines  besonderen 
Centralorgans  noch  andere  Verhältnisse  eine  bestehende  Kluft  erkennen 
lassen. 

§   425. 

Statt  zahlreicher  contractiier  Abschnitte  des  Gefrlsssystems  bieten 
die  Craniola  in  dem  Herzen  ein  einheitliches  Organ  für  die  Reguli- 
rung  der  Bewegung  der  ernährenden  Flüssigkeit,  und  unterscheiden 
sich  überdies  von  den  Acrania  durch  eine  Diöerenzirung  jener  Kreis- 
laufbahnen. Ein  Theil  der  beim  Umlaufe  durch  den  Körper  durch  die 
Gefässwand  in  die  Gewebe  ausgetretenen  Flüssigkeit  sammelt  sich  in 
besonderen,  zum  Theile  iacunären  Bahnen  und  wird  allmählich  wieder 
dem  Hauptslrome  zugeführt.  Jene  Flüssigkeit  ist  die  Lymphe.  Ihre 
Bahnen  bilden  das  Ly mphgefUsssystem,  während  die  übrigen  mit 
dem  Herzen  direct  verbundenen  Gefässbahnen  das  Blutgefüsssysteni 
vorstellen.  Indem  die  Lymphbahnen  von  der  Darmwand  her  das 
durch  den  Verdauungsprocess  gebildete  plastische  Material,  den  Chyius, 
aufnehmen  und  in  den  Blutstrom  überführen,  liefern  sie  demselben 
einen  Ersatz  für  den  auf  dem  Umlaufe  beständig  stattfindenden  Ver- 
brauch. Lymph-  und  Chylusgefässsystem  sind  daher  wichtige  Depen- 
denzen  des  Blulgerdsssystems  und  erscheinen  als  eine  Differenzining 
des  ^>ei  den  Leptocardiern  wie  bei  Wirbellosen  bestehenden  einheit- 
lichen Gefässapparates. 

Mit  dieser  Scheidung  der  ernährenden  Flüssigkeit  in  zwei  morpho- 
logisch und  functionell  verschiedene  Kategorien  vollzieht  sich  eine 
Difl'erenzirung  ihrer  Formelemente.  Jene  der  Lymphe  erscheinen  als 
indifferente  Zellen,  den  Blutzellen  der  meisten  Wirbellosen  ähnlich.  In 
der  Blutflüssigkeit  dagegen  sind  diese  Formelemente  zu  farbstoffhaltigen 
Körperchen    von   bestimmter,   nach   den   einzelnen   Abtheilungen  ver- 


Herz  und  Arteriensystem.  631 

schiedener   Gestalt   umgebildet   und    bediagea    durch   ihre  Menge   die 
Färbung  des  Blutes  im  Gegensatz  zur  farblosen  Lymphe. 

Abgesehen  von  Grösse-Differenzen  kommen  die  Lymphzeüen  der 
Wirbelthiere  mit  einander  überein.  Dagegen  bieten  die  an  sich  viel 
differenteren  Blutzcllen  auch  unter  sich  ziemliche  Verschiedenheiten. 
Den  Zeiiencharakter,  soweit  er  aus  dem  Kerne  hervorgeht,  besitzen  sie 
alle,  wenn  auch  bei  den  Säugethieren  nur  in  der  FOtaiperiode ,  indem 
die  Kerne  der  Blutzelien  später  verschwinden.  Ebenso  allgemein  ist 
den  Blutkörperchen  die  platte,  scheibenartige  Gestalt;  bei  Fischen, 
Amphibien,  Reptilien  und  Vögeln  sind  sie  dabei  oval  und  biconvex, 
da  die  Mitte  jeder  Fläche  einen  leichten  Vorsprung  bildet,  biconcave 
runde  Scheiben  stellen  sie  bei  Säugethieren  vor/  doch  besteben  bei 
einzelnen  (z.  B.  Tylopoden)  auch  ovale  Formen.  Bezüglich  der  Grösse 
sind  jene  der  DipnoK  und  Amphibien  (besonders  von  Proteus,  Siren  u.  a.) 
die  bedeutendsten.  Bei  der  wichtigen  Rolle,  welche  den  Blutkörper- 
chen als  Träger  der  Gase  in  der  Oekonomie  der  Wirbelthiere  zukommt, 
ist  deren  Zahl,  wie  ihr  Volum  und  die  damit  yon  ihnen  repräsentirte 
Oberfläche  von  grösster  Wichtigkeit.  In  den  höheren  Abtheilungen 
bietet  die  relative  Blutmenge  nur  geringe  Schwankungen,  und  ebenso 
erscheint  das  Volumverhältniss  zwischen  Plasma  und  Blutkörperchen 
in  keinen  bedeutenden  Differenzen.  Dagegen  ergibt  sich  gemäss  der 
Vertheilung  der  gesammten  Blutkörperchensubstanz  auf  grössere  oder 
kleinere  Formelemente  ein  bedeutender  Unterschied  zwischen  den  kalt- 
und  warmblütigen  Abtheilungen  und  von  den  ersteren  wieder  zwischen 
Reptilien  und  Amphibien,  von  denen  die  letzteren  auch  in  dieser  Hin- 
sicht bedeutend  tiefer  stehen. 


Herz  und   Arleriensy slem. 
§   4^6. 

Das  Berz  aller  Craniota  entsteht  aus  einem  einfachen  Schlauche, 
der  sich  allmählich  in  zwei  Abschnitte  sondert.  Davon  empfangt  der 
hintere  das  Blut  und  übergibt  es  dem  vorderen,  der  es  in  Gefdssbogen 
zu  einem  längs  des  Axenskeleles  verlaufenden  Arterienstamme  leitet, 
von  welchem  die  fernere  Vertheilung  im  Körper  ausgeht.  Man  be- 
zeichnet den  ersten  Abschnitt  des  Herzens  als  Vorhof,  den  zweiten 
als  Kammer.  Ein  besonderer,  gleich  beim  ersten  Auftreten  des 
Herzens  vorhandener  Raum  umschliesst  Kammer  und  Vorkammer  als 
Pericardialhöhle,  deren  Wandung  den  Herzbeutel  (Pericardium)  vorstellt. 

Diesen  einfachen  Zustand  des  Herzens  treffen  wir  bei  den  Fischen. 
Eine  Kammer  und  eine  Vorkammer  bilden  die  beiden 
Hauptabschnitte.  Die  letztere  empfangt  aus  einem  dicht  hinter 
ihr,  und  nur  zum  Theil  ausserhalb  des  Pericardiums  gelagerten  Sinus 
venöses  Blut.     Sie  bietet   in    der   Regel    beiderseits   Ausbuchtungen, 


ü-.ii  VVii-bvUhJvro. 

wcictie  gegen  die  vor  ihr  gclegeoe  Kammer  sieb  soillich  verlängern 
[Auriculae).  Die  Vorhofwand  zeigl  eine  dUnne,  nach  innen  zu  mit 
einem  BalkcnneUe  vorspringende  Muskel  sei  lichte.  Die  Kammer  dagegen 
bietet  durch  ein  von  den  Wandungen  her  nach  innen  entwickeltes 
Masohcnwerk  von  Muskelbalken  bedeutend  dickere  Wilnde  dar  (Fig. 
301.  V).  Ihr  eigentliches  Lumen  ist  gegen  den  äusseren  Umfang  um 
ebensoviel  verkleinert  als  jenes  Maschenwerk  nach 
innen  vorspringt.  Gegen  die  Vorkammer  zu  bil- 
den zwei  dünne  Klappen  [Fig.  301.  o),  einen  Ab- 
schluss  und  verhindern  eine  RUckslauung  des 
Blutes.  Der  Binnenraum  der  Kammer  setzt  sicii 
Ib  einen  besonderen ,  aus  dem  Hei'zon  entspringen- 
den Abschnitt  fort,  welcher  meist  eine  Erweiterung, 
den  Arterienstiel  (Bulbus  arteriosus),  darbietet.  Der 
in  den  Arlerienstiel  übergehende  Kammerabschnitt 
erscheint  bei  den  Selachiern  und  ChimUren  in 
beträchtlicher  Verlängerung ,  welche  Herzwand 
gleiche  Muskulatur  besitzt  und  gegen  den  Bulbus 
arteriosus  mit  tascbcnfOrmigen  Klappen  <  sich  ab- 
grenr.t.  Dieser  Theil  (Fig.  301.  B]  stellt  sich  somit 
als  eine  DifTercnzirung  der  Kammer  dar  und  bildet 
den  Conus  arteriosus.  Hinter  den  meist  zu  dreien 
vorhandenen  Taschenklappen  lagert  eine  verschie- 
dene Anzahl  in  Längs-  und  Querreihen  geordneter 
klappeuübnlicher  Gebilde,  die  an  ihrem  freien  Bande  durch  Sehnenfddcn 
mit  der  Wand  des  Conus  verbunden  sind  (Zungenklappen).  Dieser  Ab- 
schnitt der  Herzkammer  besteht  auch  noch  bei  den  GauoTden,  wo 
er  eine  ^ihnliche  Anordnung  des  Klapiienapparates  aufweist."  Seltener 
lindet  er  sich  bei  den  Teleoslicrn  angedeutet  und  immer  entbehrt 
er  hier  jener  klappenarligen  VorsprUnge,  so  dass  nur  die  au  der  Grenze 
gegen  den  Bulbus  arteriosus  angeordneten  Taschenklappen,  in  der 
Bcgcl  zu  zweien,  bestehen.  Man  darf  annehmen,  dass  mit  der  Zu- 
sammenziehung des  bei  Selachiern  und  Ganolden  langen  Conus  auf 
einen  ganz  kurzen  Abschnitt  bei  den  Knochen  tischen  auch  das  Ver- 
schwinden jener  Klappenreihen  zusammcnhüngl.  Hei  den  gleichfalls 
den  Conus  arteriosus  ausgebildet  besitzenden  Dipnol  bilden  zwei  Längs- 
falten die  Andeutung  einer  Sonderung  des  Conus  arteriosus  in  zwei 
Canille. 

Der  am  Ostium  arteriosum  der  Kammer  beginnende  GefUssstJioim 
geht  mit   dem  Schwinden   oder   der  Verkürzung  des  Conus   arteriosus 

Fig.  101.  Herz  von  Squatinu  vuljjiiris.  Die  vordere  Wiiod  der  Kamoier 
und  des  Conus  arteriosus  ist  wf!;npinimin<.'ii ,  so  ttass  sowolil  der  Binnenrauni  dei- 
Iclzlei'en,  als  jener  der  Kammer  und  iliu  Muskotbalken  der  Wand  sichtbar  sind 
A  Vorliof.  K  Kammsr.  B  Conus  arteriosns.  o  Ostiura  alrioventhcularo  mil  dtn 
beiden  Klapiien.     a  Kiumenarlcric». 


Herz  uDd  Artoriensy stein . 


Ü33 


Fig.   S02. 


bei  den  Telosttern  eine  Differenzirung  ein,  indem  er  zu  der  bereits 
erwähnten  bulbusartigen  Erweiterung  sich  entwickelt  unter  Vermehrung 
der  contractilen  Elemente  seiner  Wandung.  So  bildet  er  eine  Com- 
pensation  fttr  den  verkümmerten  Conus,  mit  welchem  er  nach  Ausweis 
der  Taschenklappen  nicht  zusammengeworfen  werden  darf. 

§  427. 

Der  Stamm  der  Kiemenarterie  (Fig.  301.  u]  lagert  bei  allen 
Fischen  unter  dem  KiemcngerUste  und  entsendet  nach  beiden  Seiten 
lüngs  der  Kiemenbogen  verlaufende  Gcfüsse 
(Fig.  302.  1—5)  ,  welche  im  frühesten  Zu- 
stande jederseits  unmittelbar  in  ein  an  der 
Schädelbasis  lagerndes  Lüngsgefäss  übergehen. 
Die  bogenförmigen  arteriellen  Gefässe  sind  die 
Aortenbogen;  der  sie  sammelnde  Stamm 
ist  Aortenstamm  {a"< ,  und  die  jederseits  statt- 
findende Vereinigung  einzelner  Bogen  bildet 
die  Aortenwurzeln.  Nach  vorne  entsenden 
diese  stets  ein  Gefäss  zum  Kopfe,  vorzüglich 
zum  Gehirn,  die  Carotis  (C).  Mit  der  Ent- 
Wickelung  der  Kiemenblättchen  an  den  Visceral- 
bogen  bilden  sich  von  den  Aortenbogen  her 
Blutgefässe  in  jene  Blattchen,  und  mit  der 
weiteren  Ausbildung  des  Gefässnetzes  der 
Kiemenbldttchen  löst  sich  jeder  Aortenbogen 
in  ein  letztere  durchziehendes  Capillametz  auf, 

so  dass  er  nicht  mehr  unmittelbar  zur  Aorta  sich  fortsetzt.  Aus  den  Kie- 
mcDcapillarcn  sammeln  sich  in  die  Aorta  mündende  Gefassc  und  nun- 
mehr wird  das   gesammte  dem 

Herzen    zugeführte    Blut  durch  Fi^.  803. 

den  Arterienstamm  den  Kiemen 
übergeben.  Die  Zweige  jenes  Ar- 
terienstammes sind  die  K  i  e  m  e  n- 
a  r  t  c  r  i  e  n ,  und  die  zur  Aorta  tre- 
tenden Gefässe  stellen  arterielles 
Blut  führende  Kiemenvenen 
vor,  wahrend  die  Kiemen- 
arterien  venöses  enthalten. 

Fig.  809.  Schema  der  ersten  Anlage  der  grossen  (icfassstfimme ,  von  denen 
der  Apparat  der  Kieme ngefttsse  sich  differenzirt.  a  Arlerienbulbas.  4  2  3  4  5  Aoi- 
tenbogen.    (Bei  den  Fischen  besteht  meist  eine  grössere  Zahl.)  a"  Aorta,  c  Carotis. 

Flg.  303.  Kopf  eines  Teleostior-Embr>'o  mit  der  Anlage  des  GefäHSsystems. 
de  CuviEi'scher  Gang,-  in  welchen  ein  vorderer  und  ein  hinterer  Venenstamm 
eintriU.  sv  Sinus  vonosus.  a  Atrium,  v  Kammer  des  Herzens,  a  br  Kiemen- 
arlerienstamm.     ad  Aortonstamm.     C  Carotis.    iV  Nasengrube,    s  Kiemenspalten. 


634  WirbeKhierc. 

Die  Zahl  der  uus  dem  Arterienbulbus  kommeDden  Kiemen arlerien 
entspricht  der  Anzuhl  der  in  Thätigkeit  beßadüchen  Kiemen.  Bei  den 
Cyclostomen  und  den  Selachiern  ist  sie  am  bedeutendsten.  Fünf  Paare 
kommen  auch  noch  bei  Ganolden  vor,  wahrend  bei  den  Knochenßscheu 
nur  wahrend  des  Embryonalstadiums  eine  (grossere  Anzahl  (6  —  7) 
Arlcrienbogen  vorhanden  ist.  Die  beiden  vordersten  dem  Kiefer-  uad 
Zungenbeinbogen  sngehörigen  gehen  entweder  keine  Beziehungen  zu 
Kiemen  ein,  oder  die  dem  Zungenbeinbogen  angebdrige  Kieme  ist  nur 
in  vorübergehender  Function  (0[lercuIarkieme).  Durch  Verkümmerung 
der  hintersten  dem  loidimentilr  werdenden  letzten  Kiemenb(^en  ange— 
hörigen  Kieme  wird  eine  Minderung  auf  vier,  ja  sogar  auf  drei  Paare 
gegeben. 

Die  Vertheilung  der  Ursprünge  dieser  Kicnienarterien  kommt  auf 
mannichfachc  Weise  zu  Stande.  Sie  entspringen  entweder  paarweise 
vom  einfachen  mit  Abgabe  des  letzten  Paares  endenden  Hauptstammo, 
oder  einige  gehen  Jederseits  aus  einem  gemeinsamen  kurzen  Stamme 
hervor,  wie  dies  besonders  fUr  die  hinteren  Kiemenarterien  der  Selacbier 
(auch  mancher  Ganolden  und  Teleosliei)  der  Fall  ist,  oder  der  Haupt- 
stamm der  Kiemenartcrie  thcilt  sich  gleich  an  seinem  Ursprünge  in 
zwei  seitliche  Aeste,  von  denen  die  einzelnen  Kiemenartei'ien  als  Zweige 
hervorgehen   (z.  B.  bei  Bdellostoma  unter  den  Myxinolden) . 


Kiß.  30(. 


Von  grösstem  umgcstallentlcn.Einlluss  ist  das  Auftreten  von  Lungeu, 
welche  durch  Uebernahme  der  vorher  von  den  Kiemen  besetzten  FuDction 
bedeutende  Aenderungen  in  der  Anordnung  der  grossen  Gefössstämiuc 
hervorrufen.  Nicht  minder  äussert  sieb 
diese  Veränderung  im  Bau  des  Herzens, 
wofür  die  Dipnol  ein  interessantes  Beispiel 
liefern,  indem  hier  eine  Trennung  der 
Haume  des  Herzens  beginnt.  Bei  Lepido- 
siren  setzt  sich  von  der  Vorhofwand  ein 
Maschenwerk  von  Muskelbalkcn  als  eine 
Art  von  Scheidewand  durch  den  Vorhof 
fort.  Letzterer  zerfallt  dadurch  in  einen 
rechten  und  linken  Abschnitt,  die  beide 
jedoch  zwischen  den  Balken  viele  Verbin- 
dungsstellen besitzen ,  und  auch  mit  ge- 
meinsamer Oeffnung  in  die  Kammer  ein- 
münden.     Der   Venensinus   mündet   dann 


Vir.  SOt.  AnrIentKigcn  von  Lcpidos 
I  i  3  Drei  Arlerienbogen,  die  beiden  ersten  s 
arlerie.  h  Ductus  Bolnlll.  br  Kiemenspallei 
Icria  coeliaca.    oe  Anfang  dei  Oesophagus. 


iren  parodoxH.  u  Aortenbnlbus. 
:h  in  die  Aorta  vereiDigeni).  p  Luagen- 
.    br'  Nebenkieme,     ao  Aorla.     e  Ar- 

[Nacb    llVKTL.) 


Heri  UDd  ArterieiiBy»>lem.  635 

iD  die  rechte  Vorkamaier  und  in  diu  linke  begibt  sich  oinu  LuD^jen- 
vene.  Auch  an  derKsniuier  be({iaDt  eine  duruh  muskulöse  VorsprUnge 
eingeieitet«  Differenzirung.  Der  aa  der  Kauimer  beginnende  Bulbus 
arteriosus  (Fig.  304.  a)  erscheint  durch  zwei  Längsfalten  in  xwai  BUuuio 
getbeilt,  von  denen  Jeder  besondere  Arterien  entspringen  lUsst.  Dicüc 
tormiren  jedorseits  drei  längs  der  vorderen  Kiemenb(^en  himiehende 
tiefässe,  von  welchen  das  vorderste  jederseits  in  das  zweite  Bogenpaar 
übergebt,  und  in  fernerer  Fortsetzung  sich  mit  dem  der  anderen  Seite 
verbindend  eine  Aorta  (ao)  bersteilt.  Während  diese  beiden  Gefüssc 
(t'ig.  304.  1.  2)  keine  Beziehungen  zu  Kiemen  eingehen,  bi-sorgt  der 
driUe  Bogen  (3)  die  Abgabe  von  Kieraenarterien,  verbindet  sich  durch 
einen  engen  Gang  (b)  mit  der  betreflenden  Aorlenwurzel  und  setzt  sieb 
dann  als  Lungenarterie  {p)  fort.  Dieser  Bof;cn  verhält  sich  somit  als 
Stamm  ftlr  die  an  beiderlei  Athmungswcrk zeuge  tretenden  Arterien 
(Art.  branchio-pulmonalis},  und  die  beiden  vorderen  Bogen  können, 
da  sie  keine  Kiemengelässe  entsenden, 
als  Aortenbi^en  bezeichnet  werden.  Ki«.  30s. 

In  ähnlichem  Verhalten  trelTen  wir 
den  Ci reu lation sapparat  der  Amphibien, 
deren  Vorkammer  bei  den  Meisten  die 
Scheidung  vollzogen  hat  (unvollständig 
bei  Proteus) ;  dagegen  besteht  noch  eine 
einfache,  nur  Spuren  einer  Trennung 
besitzende  liammer,  deren  beide  mem- 
branttse  Klappen  am  Ostium  at^io^cnt^l- 
culare  sich  wie  bei  den  Fischen  ver- 
hallen. Aus  der  Kammer  entspringt  <.in 
inuskultfserArterienbulbus  (Fig.  305  6a), 
in  wel<^em  die  bei  Lepidosircn  ange- 
deutete Scheidung  sich  vervollständigt 
hat.  Er  entsendet  anfUDglicb  fUnf  Ar- 
terienbogenpaare,  die  auf  drei  oder  vier 

sich  rUckbildcn.  Diese  verlaufen  längs  der  Visceralbogen,  und  von 
jedem  Geässb<^en  aus  entwickelt  sich  ein  Gefässnetz  in  die  sich  bil- 
dende Kieme.  So  verhalten  sich  in  ziemlich  übereinstimmender  Weise 
die  Perennibranchiaten,  wie  die  Larven  der  Übrigen  Amphibien. 

Jede  Kiemenarterie  comniunicirt  jedoch  von  ihrer  Verzweigung  an 
der  Kieme  mit  der  bezUglidien  Kiemenvene  durch  die  ursprüngliche 
Fortsetzung  des  jetzt  einen  Ductus  arteriosus  vorstellenden  Bogens  zur 
primitiven  Aorten wuriel.  Dadurch  ist  ein  directer  Uebcrtritl  eines 
Theilea   des   Blutes  der  Kienienarterie   in   die  durch   Vereinigung   der 

Fig.  395.  Hm  und  grosse  Getässe  eioer  Trilon-l^rve.  a  a  Vnrhof.  v  Kam- 
mer, ba  ArterienbulbuB.  1  t  !  4  Aortenbogen  nis  Kiemenarterien  ,  liieits  zu  den 
Kiemen  tretend,  theils  onier  einander  verbunden,  i*  Kiemenveoen.  e  Carotis. 
P  Lungenarterie.     oo  AorU.     ,Nach  M.  Rusconi.) 


636  Wirbelthiere. 

Kiemen venen  entstehende  Aorten wurzel  möglich.  Mit  der  Eniwickelung 
der  Lungen  sendet  die  letzte  Kiemenarlerie,  Sehnlich  wie  bei  Lepido- 
siren,  einen  Zweig  als  fAmgenarlerie  ab,  oder  die  letztere  (p)  ist  die 
unmittelbare  Fortsetzung  des  letzten  Arterienbogens. 

Die  Rückbildung  der  Kiemen  ruft  bei  einem  Theile  der  Amphibien 
eine  Aenderung  dieses  bei  den  Perennibranchiaten  fortbestehenden 
Apparates  hervor.  Zunächst  entwickeln  sich  die  zwischen  Kiemenarte- 
rien  und  Kiemenvenen  bereits  bestehenden  direclen  Verbindungen 
(vergl.  Fig.  305)  so,  dass  einige  Arlerienbogen  direct  aus  dem  Herzen 
in  die  Aorten  wurzeln  sich  fortsetzen.  Der  letzte  bereits  die  Pulmonal- 
arterie  entsendende  Bogen  entwickelt  sich  zum  Stamme  dieser  Arterie 
und  behält  entweder  nur  unansehnliche  Verbindungen  (Ductus  arteiio- 
sus)  mit  der  Aortenwurzel  bei  oder  gibt  auch  diese  auf  und  erscheint 
als  selbständiges  Geföss.  So  verbinden  sich  also,  ähnlich  wie  bei  Le- 
pidosiren,  mehrere  Aortenbogen  zur  Aortenwurzel,  indess  einer  der  pri- 
mitiven Gefässbogen  zur  Lungenarterie  wird. 

§  429. 

Ein  bedeutender  Schritt  in  der  Differenzirung  der  Kreislauforgane 
geschieht  bei  den  Reptilien,  deren  Herz  seine  Lage  in  grösserer 
Entfernung  vom  Kopfe  erhält.  Es  rückt  von  seiner  Bildungsstätte  aus 
allmählich  nach  hinten  und  wird  in  die  Brusthöhle  eingebettet,  welche 
Lage  es  nunmehr  bei  allen  Amnioten  behält.  Der  Kamraerabschniti 
besitzt  meist  eine  längliche  Gestalt,  breit  ist  er  bei  Schildkröten  und 
manchen  Sauriern.  Von  beiden  stets  durch  ein  Septum  von  einander 
geschiedenen  Vorhöfen  (Figg.  306.  307.  d.  s.)  nimmt  der  rechte  wie  bei 
den  Amphibien  die  Körpervenen  (v«,  vdj  vs),  der  linke  die  Lungenve- 
nen [vp)  auf.  Erstercr  (r/j  ist  stets  von  grösserem  Umfange.  Die  stark 
muskulöse  Kammerwand  setzt  sich  besonders  bei  Schlangen,  Schild- 
kröten und  Sauriern  in  ein  den  Binnenraum  der  Kammer  verkleinern- 
des Maschenwerk  fort,  ähnlich  wie  bei  Fischen  und  Amphibien.  Durch 
ein  solches  Maschennetz  wird  auch  gröstentheils  die  Kammerscheide- 
wand dargestellt,  nur  dass  einzelne  Muskelbalken  hier  stärker  ent- 
wickelt erscheinen.  Die  rechte  Hälfte  der  Kammer  empfängt  venöses, 
die  linke  arterielles  Blut,  und  danach  können  beide  Abschnitte  unter- 
schieden werden.  Die  Unvollständigkeit  der  Trennung  der  beidersei- 
tigen Räume  wird  durch  mancherlei  Einrichtungen  wenigstens  theil- 
weise  compensirt.  Hieher  gehört  das  Vorkommen  einer  Muskoileiste, 
welche  den  die  Lungenarterie  abgebenden  Raum  von  dem  tlbrigen 
Kammerraum  partiell  abschliessen  kann.  Vollständig  ist  die  Scheidung 
der  Kammer  bei  den  Grocodilen. 

Die  membranösen  Klappen  des  Ostium  atrioventriculare  sind  an 
der  rechten  Herzhälfte  bedeutender  entwickelt.  Bei  den  Grocodilen  ist 
rechterseits  nur  eine  dieser  Klappen  vorhanden  .Fig.  306.  i;),  die  längs 


Hera  unil  Arteriennyslein 


des  Septum  ventriculorum  sich  erstreckt.  Die  andere  wird  durch  einen 
Vorsprung  der  lateralen  Huskelwand  der  Kammer  vertreten.     Der  an- 


fänglich einfache  Arterienhulbus  hnt  sich  bei  nllen  Reptilien  in  meh- 
rere Canüle  diUcrenziri,  die  äusscrlich  zu'oinem  Btilhus  verbunden 
bleiben.     Dieser  entspricht,  vorzuglich  hei  Eidechsen  und  Schildkröten, 

Fig.  306.  Herz  von  Alligator  lucius  mit  den  gros&en  Gefassslammen,  von 
vorne  gMehen.  Von  der  Wand  der  rechten  Vorkammer  ist  der  vordere  Absclinilt 
wegKenommen.  Man  bemerkt  an  der  hintern  Wand  die  MUndunf;  des  Veoensinuü 
mit  iwei  l^auligeo  Klappen.  Die  rechle  Kammer  ist  gleicbfalls  geolTnel,  und  ilirc 
Communicntion  mit  dem  rechten  Aortenbogen  und  dt-r  Pulmonnlnrtorie  darge.«lelll. 
Andererseits  ist  die  Verbindung  der  KOrperarlcrii-nslänime  durch  Iheilweise  Entfer- 
nung der  Vorderwand  angegeben. 

Fig.  807.  Herz  desselben  von  der  Rückseite.  Bezeichnung  beider  Figuren: 
4  Rechter,  i  linker  Vorhof.  o  Osliutn  veoosum  des  rechten  Vorhofs,  av  Ostium 
a tri oventricu lere,  v  Klappe  daran,  ba  Bulbus  arleriosus.  arl  und  o/r  Vordere  Ar- 
lerieDslämme  (Arterlac  anonymae).  ep  Carotis  primaria,  iih.  (dSubclavien.  iHJRech- 
ter  (arterieller)  Aortenbogen.  <u  Linker  ^veuoser)  Aortenbogen,  p  Artsria  pulmonali*. 
vi  Vena  cava  iurerior.  vi  Vena  cava  auperior  ginistra.  vd  Vena  Cava  superlor 
deKtra.  vp  Vena  puimonalis.  -  c  Verbindung  des  linken  Aorlenbogens  mit  dein 
rechten,    in  Uesenierialarierie.    'Verbindung  des  Hertens  mit  dem  fericardium. 


638 


Wirbellhierc. 


in  seinem  äusseren  Verhallen  dem  rechten  Kammerabschnitte,  aber  die 
Scheidung  der  Arterien  des  Bulbus  ist  derart,  dass  beide  Kammerab- 
schnitte wie  die  beiden  getrennten  Kammern  der  Crocodile  mit  beson- 
deren Arterien  des  Bulbus  in  Verbindung  stehen.  Am  Ursprünge  der 
letzteren  sind  Taschenklappen  angebracht. 


§  430. 

Von  den  ftlnf  primitiven  Aortenbogen  sind  die  beiden  ersten  ver- 
gänglich, und  die  übrigen  erleiden  nach  den  einzelnen  Abtheilungen 
verschiedene  Umgestaltungen.  Bei  den  Sauriern  bleibt  jederscits 
der  dritte  bestehen  und  verbindet  sich,  rechts  mit  dem  vierten,  der 
wie  die  beiden  dritten,  aus  dem  von  der  linken  Kammer  stammenden 
Gefüsse  hervorgeht.  Der  vierte  linke,  mit  dem  dritten  seiner  Seit«  ver- 
bundene Aortenbogen  correspondirt  dagegen  der  rechten  Herzkammer. 
Der  fünfte  Bogen  wird  jederseits  zum  Theile  in  die  anfänglich  nur  aus 
ihm  entspringenden  Pulmonalarlerien  übergenommen,  diemitderDifleren- 
zirung  des  -primitiven  Aortenbulbus  vom  Pulmonalarterienstamroe  (/>) 
abgehen.  Somit  entstehen  jederseits  zwei  Aortenbogen,  von  denen 
einer,  der  zweite  linke,  venöses  Blut  führt.  Bei  den  Ophidiern  ist  die 

Verbindung  des  ersten 
Bogenpaars  der  Saurier 
mit  dem  zweiten  meist 
vollständig  verschwunden 
(Fig.  308.  A],  wodurch 
dieser  Abschnitt  nebsl 
seiner  Fortsetzung  zur 
inneren  Carotis  [A.  c") 
wird.  Auch  t)ei  den 
Schildkröten  und  Groco- 
dilen  besteht  dieses  Ver- 
halten ,  dagegen  ist  bei 
den  ersteren  der  rechte 
arterielle  wie  der  linke 
venöse  Aortenbogen  mit 
den  aus  dem  letzten  primitiven  Bogenpaare  hervorgegangenen  Pul- 
monalarlerien durch  einen  Bolallischen  Gang  in  Zusammenhang.  Dieser 
ist  bei  den  Crocodilen  verschwunden,  so  dass  also  hier  aus  der  linken 
Kanuner  ein  den  rechten  Aortenbogen  und  dieCarotiden  entsendendes Ge— 
fäss  entspringt,  während  aus  der  rechten  Kammer  ein  linker  Aortenbogen 

Fig.  309.  Schema  der  Umbildung  der  Anlage  der  primitiven  Aortenbogen  in 
die  Arlerienstämme.  A  Schlange.  B  Eidechse,  a  Linker  Aortenstamm,  a'  Rechter 
Aortenstamm.  o  Carotis  communis,  c'  Carotis  externa,  c"  Carotis  interna,  p  Pul- 
nionalarterienstamm.  p'  Aeste.  v  Arteria  vertebralis-  s  Artcria  subclavia.  (Nftch 
Rathkr.) 


Herz  und  ArteriensysteiD. 


63d 


[as)  und  die  Pulinonalarterie  {p)  hervorgehen.  (Pig.  307  ad.)  Von  der 
ursprünglichen  Verbindung  dieser  GefässUiinme  erhält  sich  bei  den 
Grocodilen  im  Arlerienbulbus  eine  Gomrounication  zwischen  dem  arte- 
riellen und  venösen  Stamme  als  Foramen  Panizzae,  welches  je- 
doch für  eine  Mischung  beider  Blutarten  von  geringem  Belange  ist. 


Fig.  809. 


§  *31. 

Im  engen  Zusammenhange  mit  den  Einrichtungen  des  Gef^ssappa- 
rates  der  Reptilien,  namentlich  der  Crocodile,  hefmdet  sich  jener  der 
Vögel.  Sowohl  am  Herzen  als  an  den  grossen  GefössUfmmen  ist  je- 
doch die  Scheidung  vollständig  und  es  besteht  nirgends  mehr  eine 
Mischung  arteneilen  und  venösen  Blutes.  Die  Vorhöfe  erscheinen  be- 
deutend kleiner  durch  geringere  Ausbildung  ihrer  vordem  (ventralen) 
Ausbuchtung.  Die  Muskulatur  der  Kam- 
merwand ist  bedeutend  verstärkt,  beson- 
ders am  linken  Abschnitte,  um  welchen 
sich  die  rechte  Kammer  im  Halbkreise  an- 
lagert. Die  Atrioventricularklappe  der  rech- 
ten Kammer  wird  durch  eine  bereits  bei 
den  Grocodilen  getroffene  Einrichtung  vor- 
gestellt, indem  die  das  Ostium  von  aussen 
her  umziehende  Wand  sich  abwärts  in  eine 
in  die  Kammer  vorspringende  breite  Leiste 
fortsetzt,  die  man  als  »Muskeiklappe«  be- 
zeichnet. Von  der  bei  Grocodilen  bestehen- 
den membranösen Klappe  sind  nur  zuweilen 
Andeutungen  vorhanden.  Am  linken  Ostium 
atrioventiculare  kommt  eine  membranöse 
Klappe  vor,  welche  das  Ostium  fast  ring- 
förmig umgibt.  Die  primitiven  Arlerienbogen  erleiden  ähnliche  Reductio- 
nen,  wie  bei  den  Reptilien.  Der  vierte  rechte  gestaltet  sich  zum  Aorten- 
bogen, während  ein  Thetl  des  dritten  jederseits  zu  der  mit  der  Aorta  (Fig. 
309.  a)  gemeinsam  entspringenden  inneren  Garotis  {c")  wird  und  der 
linke  vierte  zum  Stamme  der  Subclavia  sinistra  sich  umbildet.  Dieser  bei 
den  Reptilien  aus  der  rechten  Kammer  entspringende,  also  venöses  Blut 
führende  linke  Aortenbogen  ist  somit  bei  den  Vögeln  vollständig  ins  ar- 
terielle Gebiet  übergegangen.  Reste  der  Fortsetzung  dieses  Rogens  zu 
seiner  primitiven  Vereinigung  mit  dem  rechten  finden  sich  bei  man- 
chen Vögeln  (Raubvögel)  in  Form  eines  ligamentösen  Stranges  vor,  der 
den  ursprünglichen  Verlauf  des  ganzen  Gefiässes  andeutet.  Der  fünfte 
primitive  Bogen  endlich  wird  theilweise  zu  den  beiden  Aesten  der  Pul- 


Fig.  309.    Schema  der  Urobilduog  der  primitiven  Aortenbogen  in  die  grossen 
Arterienstämme  bei  den  Vögeln.     Bezeichnung  wie  in  Fig.  990.     (Nach  Rathee.) 


6i0  Wirbelthiero. 


monalarterie  (p)  verwendet,  die  wie  bei  den  Reptilien  aus  der  rechten 
Kammer  entspringt. 

§  432. 


Obgleich  das  Herz  der  Säugethiere  in  der  vollkommenen  Trennung 
beider  Hälften  mit  jenem  der  Vögel  übereinkommt,  so  tritt  doch  aus  denn 
Bau  seiner  einzelnen  Abschnitte ,    wie   aus  der  Anordnung  der  grossen 
GefässUlmme  eine  bedeutsame  Verschiedenheit  hervor.      Nur  die   erste 
Anlage   sowohl   des  Herzens   als  des  gesammten  aus  fünf  Bogenpaaren 
besiehenden   Systemes   ist  gemeinsam,    und   letzlei'es  bildet  auch  hier 
den    Ausgangspunct     mannichfacher    Differenzirungen.     Während    des 
Embryonalzustandcs  existirt  eine  Verbindung  zwischen  beiden  Vorhöfen, 
bei  den  Beulellhicren  durch  eine  schlitzförmige  Oeffnung,  bei  den  pla— 
centalen   Säugethicren    durch    eine    grössere  Durchbrechung  (Foramen 
ovale)  dargestellt.     Diese  Vorbindung  gestattet  dem  aus  der  Umbilical— 
vene  durch  die  Vena  cava  inferior  in  die  rechte  Vorkammer  gelangen- 
den Blute   den  Eintritt  in  die  linke  Kammer  und  von  da  die  Verbrei- 
tung  in   den   Körperkreislauf  durch   die  Aorta.     Bei   den  Monodelphen 
wird  die  Oeffnung  durch  das  Vorwachsen  einer  gegen  den  linken  Vor— 
hof  gerichteten  Scheidewand  (Valvula   foraminis  ovalis)    alimählich  ge- 
schlossen,  so  dass   nach   der  Geburt  eine   vollständige  Trennung   der 
Vorkammern  entsteht.     Die  Umgrenzungsstelle  des  ursprünglichen   Fo- 
ramen ovale  bleibt  als  ein  ringförmiger  Wulst  auch  später  unterscheid- 
bar.  Der  vorderste  (ventrale)  Abschnitt  des  Raumes  beider  Vorkaramem  bil- 
det bei  den  Säugcthicren  eine  ansehnliche  Verlängerung,  die  »Herzohren«, 
an    beiden   Vorkammern  Verschieden   gestaltet.      Sie  entsprechen   dem 
grössten   Theile  der'  Vorhöfe   der   unteren  Giassen,    indem   der  bintet*e 
Vorhofsraum  wenigstens  rcchterseits  aus  einem  bei  jenen  vom  Vorfaofe 
gelrennten  Venensinus  gebildet  wird  (vergl.  unter  Venensystem j .     Die 
Herzohren    der   Säugethiere    sind    daher   Rückbildungen   des   vorderen 
Vorhofsabschniltes. 

Wichtige  Veränderungen  bieten  die  Atrioventricularklappen ,  an 
deren  Stelle  niemals  jene  häutigen  Duplicaturen  vorkommen,  die  bei 
Fischen,  Amphibien  und  auch  noch  bei  Reptilien  fungirten.  In  sehr 
frühen  Zuständen  zeigen  die  Ventrikel  bei  verhältnissmässig  kleinem 
Binnenraume  ihre  Wand  aus  demselben  spongiösen  Muskelgewebe  ge- 
bildet, wie  wir  es  von  den  Fischen  bis  zu  den  Reptilien  hin  bleibend 
antreffen.  Allmählich  verdicken  sich  die  Balken  und  ein  Theil  davon 
geht  in  die  compaclere  Herz  wand  über.  Der  mehr  nach  innen  zu  ver- 
laufende, das  Lumen  des  Kammerraumes  begrenzende  Theil  dieses 
Balkennetzcs,  welcher  am  Umfange  des  venösen  Ostiums  inserirt,  lässl 
in  der  Umgrenzung  dieses  Ostiums  das  Muskelgewebe  schwinden,  so 
dass  die  Muskelbalken  dort  in  eine  am  Ostium  entspringende  Membran 
übergehen.  Dieser  bei  den  meisten  Säugelhieren  vorübergehende  Zu- 
stand bleibt  bei  Monolremcn  (Ornithorhynchus)   in  der  rechten  Kammer 


Hera  und  Arteriensystem. 


641 


Fig.  310. 


bestehen.  Von  der  Ventrikeiwand  entspringende  Huskelbalken  gehen 
in  eine  membrantfse  Klappe  über.  Bei  den  Uebrigen  leitet  dieser  Zu- 
stand zu  anderen  Differenzirnngen.  Die  Huskelbalken  ziehen  sich  noch 
weiter  gegen  die  Kammerwand  zurück  und  bilden  dort  die  sogenannten 
Papiliarmuskeln,  die  mit  Sehnenteden  (Ghordae  tendineae)  an  die  nun- 
mehr rein  membrandse  Klappe  herantreten.  Von  dem  übrigen  Balken- 
netze bleiben  nur  die  den  Wandungen  der  Kammer  angelagerten  Tra- 
beeulae  carneae  zurück.  Die  Atrioventricularklappen  sind  so- 
mitsammt  den  Ghordae  tendineae  Differenzirungen  eines 
Theiles  des  ursprünglichen  muskulösen  Balkennetzes, 
und  der  von  ihnen  umschlossene  Raum  entspricht  dem  Hauptraume 
der  primitiven  Kammer.  Dass  die  gleichen  Klappen  in  der  linken 
Kammer  des  Vogelherzens  auf  ahnliche  Weise  entstehen,  darf  angenom-- 
nien  werden. 

Von  den  während  des  Embryonalzustandes  bei  den  Süugethieren 
gleichfalls  bestehenden  mehrfachen,  aus  einem  Bulbus  arteriosus  her- 
vorgehenden Aortenbogen  erfolgt  ein 
Uebergang  in  die  deänitiven  Zustände  auf 
eine  andere  Weise  als  bei  den  übrigen 
Wirbelthieren  (vergl.  Fig.  340).  Diebei- 
den ersten  Bogen  schwinden  vollständig, 
der  dritte  stellt  wie  sonst  einen  Theil  der 
Carotis  her.  Der  vierte  zeigt  auf  beiden 
Seiten  ein  verschiedenes  Verhalten,  indem 
er  rechts  nur  bis  zum  Abgange  der  pri- 
mitiven Subclavia  [s)  bestehen  bleibt, 
während  der  linke  die  Portsetzung  des 
aus  dem  differenzirten  Bulbus  entstande- 
nen arteriellen  Arterienstammes  bildet. 
Ein  linker  Aortenbogen  (a')  ist  also 
bei  den  Säugethieren  der  Hauptstamm  des 
arteriellen    Gefttsssystems.      Vom    fünften 

Bogen  schwindet  der  rechte  vollständig.  Der  linke  bildet  die  Fort- 
setzung der  aus  der  rechten  Kammer  entspringenden  Pulmonalartorie 
(p)  und  setzt  sich  beim  Embryo  unmittelbar  in  den  (linken]  Aorten- 
bogen fort.  Von  ihm  aus  entwickeln  sich  die  beiden  Pulmonalarterien- 
äste  {p')  und  der  Stamm  dieses  Bogens  wird  zur  Pulmonalarterie,  die 
während  des  Fütallebens  das  aus  der  oberen  Hohlvene  in  die  rechte 
Kammer  gelangende  Venenblut  durch  ihre  Fortsetzung  zum  Ende  des 
Aortenbogens   in   die   absteigende   Aorta    ergiesst.     Nach   der   Geburt 


Fig.  140.  Schema  der  Umbildung  der  primitiven  Aortenbogen  in  die  grossen 
Artarienstimme  bei  Säugethieren.  a  Aortenstamm,  a  Aorta  descendens.  c Ca- 
rotis communis,  c*  Carotis  externa,  c"  Carotis  interna.  «  Subclavia,  v  Arteria 
vertebralis.  p  Fuimonalarterienstamro.  p'  Aeste  desselben.  6  Ductus  arteriosus 
Botalli.     (Nach  Ratbke.) 

0«ff«Bbft«r,  OniBdriM.  4  t 


642  Wtrbellhiere. 

schwindet  die  Communicalion  zwischen  der  Pulmonalarlerie  und  Aorta 
descendens  und  der  betrelTende  Abschnitt  (6)  jenes  Gefässos  wird  io 
einen  Strang  (Ligamentum  Botalli)   umgewandelt. 

§  433. 

Die  Körperarterien  der  Wirbelthiere  nehmeg  bei  AUea  im 
frühesten  Zustande  ihren  Ursprung  aus  dem  einfachen  Bulbus  arteriosiis 
des  Herzens.  Bei  den  durch  Kiemen  athmenden  wird  das  aus  dem 
Bulbus  entspringende  arterielle  Bogensystem  (die  primitiven  Aorten- 
bogen), wie  bereits  oben  (§  429)  bemerkt,  in  die  GeCüsse  des  Kiemen— 
kreislaufs  aufgelöst,  und  erst  aus  den  ausführenden  Gebissen  der 
Kiemen  (Kiemenvenen) ,  geht  das  System  der  Kdrperarterien  hervor. 
Der  anfänglich  direct  durch  die  Aortenbogen  zur  Aorta  entsendete 
Blutstrom  wird  mit  der  Entwickelung  der  Kiemen  in  neue  Bahnen 
übergeführt,  und  gelangt  somit  auf  Umwegen,  die  Ihn  dem  Athmungg- 
process  unterziehen,  zu  seiner  Vertheilung  im  Körper. 

Bei  den  MyxinoYden  vereinigen  sich  fast  alle  Kiemen venen  zur 
Bildung  einer  subvertebralen  Aorta,  die  sich  nach  hinten  als  Haupt— 
arterie  des  Körpers  fortsetzt,  aber  auch  nach  vorne  zu  als  »Arteria 
vertebralis  impara  verlängert  ist.  Auf  ähnliche  Weise  sammeln  sich 
zwei  seitliche  Längsstämme  aus  den  Kiemenvenen,  welche  vorne  mit 
je  einem  Ast  in  die  Arteria  vertebralis  impar  eingehen,  mit  einem 
anderen  Aste  dagegen  eine  Carotis  bilden.  Die  beiden  Carotiden  tbeilen 
sich  in  einen  äusseren  und  inneren  Zweig,  von  welchen  der  ILopi 
versorgt  wird.  Bei  Petromyzon  fehlt  die  vordere  Verlängerung  der 
Aorta,  so  dass  die  auf  ähnliche  Weise  wie  bei  den  MyxinoYden  ent- 
stehenden Carotiden  die  einzigen  vorderen  Arterien  sind.  Unter  den 
Fischen  entsteht  die  Aorta  bei  Selachiern  und  Chimären  aus  einem 
jederseits  durch  die  Vereinigung  der  Kiemenarterien  hervoi^ebendeo 
Stamme.  Aehnlich  ist  das  Verhalten  bei  den  GanoYden  und  Teieostiem. 
Die  Carotiden  nehmen  ihren  Ursprung  aus  der  ersten  Kiemenvenie  oder 
aus  dem  Vordei^nde  des  paarigen  Arterienstammes,  der  jederseilfi  als 
Aortenwurzel  die  Kiemenvenen  sammelt  und  sich  dann  mit  jenem  der 
andern  Seite  zur  Aorta  vereint  oder  auch  vorne  eine  solche  Querana- 
stomose  eingehend,  einen  arteriellen  Circulus  cephalicus  an  der  Schädel- 
basis abschliesst.  £ine  besondere  Augenarterie  entsieht  aus  den  Ge- 
fassen  der  Nebenkieme,  in  welche  entweder  ein  directer  Ast  der  ersten 
Kiemenvene  (Selachier)  oder  ein  den  Zungenbeinträger  umziehender 
Zweig  aus  demselben  Gefässe  eintritt  (Teleostier) .  In  dem  Ursprünge 
und  der  Anordnung  der  einzelnen  Gefässe  kommen  viele  Modificationen 
vor,  wovon  die  bedeutendsten  auf  das  Verhalten  der  Carotiden  und 
der  Augenarlerie  treffen. 

Dieser  Abschnitt  des  Gefässsystems  verhält  sich  in  ähnlicher  Weise 
noch   bei  den  Amphibien.      Die   Ropfartorien  entspringen    bei    den 


Han  und  Arierienayilen 


643 


PerennibranctiiateD  aus  dem  vorderen  Theile  der  Aortenwunein  oder 
bei  den  nicfal  mehr  durch  Kiemen  athmenden  aus  den  beiden  eralen 
Arlerienbogen  (Salamandriaen) ,  oder  sie  sind  die  PortseUungen  des 
erstM)  Arterienbogens  selbst  [AnureD], 

In  den  ersten  Zuständen  bieten  sich  bei  den  Amnioten  überein- 
stimmende VerfaBltnissc  dar.  Die  das  Gehirn  und  das  Auge  versorgende 
innere  Carotis  (Fig.  311.  A.  Bc']  erscheint  als  Fortsetzung  der  jeder- 
seiligen  Aorlenwurael  nach  vorne  zu.  Die  äussere  Carotis  (c]  ist  ein 
Zweig  des  dritten  primitiven  Aortenbogens.  Schwindet  die  Verbindung 
desselben  Bogeos  mit  dem  vierten ,  so  geben  beide  Carotiden  jeder- 
seits  ans  einem  gemeinsamen  Stumme  hervor  {vergl.  Fig.  3i1.  C).  Sie 
erscheinen  im  Allgemeinen  als  zwei  an  den  Seilen  des  Halses  mit  dem 


Nervus  vngus  verlaufende  Arterien ,  die  meist  einen  gemeinsam«) 
Stamm  (C.  communis]  besitzen.  Bei  den  Sauriern  hüngen  die  Caro- 
tiden noch  mit  den  damnf  folgenden  Arterieobogcn  zusammen ,  und 
bewahren  dadurdi  ihr  arsprUngliohea  Verhallen  (vergl,  Fig.  Hi.  A). 
Die  rechte  gemeinschaftliche  Carotis  erleidet   bei  vielen  Schlangen 

Fig.  IH.  Entwickelung  der  grcucn  GettiMlUmuie  au»  der  prlmiliveo  Anlage, 
liargMtollt  BQ  dr«i  Embryonen.  A  Reptil  (Bidechso).  B  Vogel.  C  Sauge- 
Ihier  (Schwein).  Bei  Allen  sind  die  Iteiden  ersteD  Aorlenbogenpaire  vcrscliwuu- 
4eii,  In  A  und  •  bestehen  der  drtlle ,  vierte  und  fünfte  Bogen  voHsIKndig.  Bei 
C  nur  die  beMaa  tetstea,  and  tUe  Verbindung  dei  dritten  mit  den  vtertm  Soge«, 
reip.  mit  der  Aorleüwarael  1*1  gelOal.  Vom  lelilen  (fllnnen  primillvenl  Bogen 
gebt  ein  AM  [p)  als  Putmonslarlerie  ab,  angedeutet  in  A,  weiler  enlwickell  in  B 
und  C.  Der  von  der  Abgabe  dieses  Aste ■  bis  Kur  Aorta  verlaufende  Abschnitt  des 
teilten  Bogein  ilellt  den  Ductus  BoUlti  vor.  c  Carotis  externa,  c'  Carotis  inlente, 
bei  A  «td  B  neob  vordere  Fortaetnng  der  Anrleawnnel ,  bei  C  mit  der  CeraUs 
eilema  eioen  geweimamen  Slamni  bildend ,  der  von  dem  vierten  linkeu  Aorten- 
bogen [dem  definitiven)  entspringt,  a  Vorbof.  v  Kammer,  od  Aorta  deScendeni. 
I  Kieme nspallen.  n  Nasengrube.  4  t  S  Vorder-,  MiUel-  und  Zwiscbenhirn.  m  An- 
r  Vorderglledmaassen.     In  A  und  II  ist  am  Auge  noch  die  Chorioidea Ispalle 


wabmehmbar.     (Nacli  Rathie,; 


644  Wirbelthiere. 

eine  Rückbildung  und  kann  sogar  voUsUlndig  aufgelöst  werden.  Auch 
bei  den  Vögeln  tritt  dieselbe  Arterie  aus  ihrer  ursprünglichen  Bahn 
und  lagert  sich  median  an  die  Unterflüche  der  Halswirbel)  indess  die 
linke  ihren  Verlauf  beibehält.  Indem  bei  Anderen  beide  Garotiden 
diese  Abweichung  zeigen,  wird  ein  Uebergang  zu  einer  dritten* Form 
gebildet,  die  durch  eine  Verschmelzung  der  beiden  aneinander  ge- 
lagerten Gefüsse  sich  ausspricht.  Dabei  schwindet  der  isolirt  verlaufende 
Theil  der  rechten  Carotis  und  es  entsteht  ein  linkerseits  entspringender 
median  verlaufender  Gefässstamm ,  der  sich  als  sogenannte  Carotis 
primaria  zum  Kopfe  begibt  (vgl.  Fig.  312.  ac).  Dieses  Verhalten  triffi 
sich  für  manche  Vögel  wie  für  Crocodile  (Fig.  306.  cp)  gemeinsam.  Ver- 
schieden hiervon  ist  ein  bei  Schlangen  und  manchen  Sauriern  be- 
stehender unpaarer  Carolidenstamm  aufzufassen,  der  gleichfalls  vorne  in 
zwei  Kopfarterien  übergeht.  Diese  Bildung  entsteht  durch  die  Annähe- 
rung der  Ursprungsslellen  beider  Carotiden  aus  dem  rechten  Aortenbogen 
und  entwickelt  sich  weiter  durch  das  Auswachsen  der  beide  Stimme 
entspringen  lassenden  Partie  der  Aorta,  so  dass  hiemit  die  Neubildung 
eines  Gefässstammes  reprUsentirt  wird.  £ine  andere  Eigenthttmlichkeil 
besteht  im  Vorkommen  einer  unpaaren  vom  rechten  Aortenbogen  längs 
der  Wirbelsäule  nach  vorne  verlaufenden  Subveitebralarterie. 

Unter  den  Säugethieren  ergeben  sich  durch  ähnliche  Wande- 
lungen der  Gefassstümme  während  der  Entwickclung  gleichfalls  vielerlei 
Modiflcationen ,  welche  besonders  die  beiden  Endäste  der  Carotiden 
treffen,  von  denen  die  innere,  wie  auch  bei  manchen  Sauriern  und 
Vögeln  keineswegs  ausschliesslich  für  die  Schädelhöhle  und  die  Sinnes- 
organe bestimmt  ist.  Die  Ausdehnung  des  Gebietes  der  einen  Arterie 
beschränkt  das  Gebiet  der  anderen,  wobei  fernere  Modificationen  durch 
direct  aus  der  gemeinschaftlichen  Carotis  entspringende  Arterien  er- 
zeugt werden. 

Für  die  Arterien  der  Vordergliedmaassen  bestehen  mehr- 
fache, von  einander  sehr  verschiedene  Ursprungsstellen,  so  dass  für  die 
Genese  dieses  Gefässes  die  Vererbung  eine  minder  bedeutende  Rolle 
zu  spielen  scheint  als  die  Anpassung. 

Der  StammderAorta  setzt  sich  in  gleichmässigem  Verhalten  längs 
der  Wirbelsäule  fort,  an  dem  für  den  Schwanztheil  bestimmten  Ab- 
sbhnitte  als  Arteria  caudalis  bezeichnet  und  bei  verkümmertem  Schwänze 
die  Arteria  sacralis  media  vorstellend.  Der  Endabschnitt  liegt  bei  allen 
Wirbelthieren  bei  dem  Vorhandensein  sogenannter  unterer  Bogen  in 
dem  von  diesen  gebildeten  Caudalcanal.  Allein  auch  am  Rumpftheile 
des  Körpers  kann  sie  bei  manchen  Fischen  in  einen  von  Fortsätzen 
der  Wirbelkörper  gebildeten  Canal  eingeschlossen  werden,  wie  ein 
solcher  z.  B.  beim  Stör,  und  auch  bei  manchen  Teleostiern  besteht. 

Die  Aorta  entsendet  in  regelmässiger  Folge  entspringende,  für  die 
Metameren  des  Körpers  bestimmte  Arterien  (Arteriae  intercostales) , 
ausserdem   die   zu   den   Eingeweiden   tretenden    und    endlich  bei   der 


Heri  und  Arieriengyitein 


6IS 


Bitdang     von    Hinterestremiuilen    solche,     die    an    diesen    sieb    ver- 
iheilen. 

Von  d«n  Arlerien  der  Eingeweide  bestehl  bei  den  Fischen  ge- 
wttbnlich  nur  ein  Hauplstanim  (Ärteria  coeliaco-mesenlcrica) ,  tu  dem 
bei  Haneben  noch  eine  hinlere  Mesenlerialarlerie  tri».  Für  die  Nieren, 
ebenso  wie  (Ur  die  Geschlechtsorgane  gibt  die  Aorta  eine  grossere  Ad- 
xabl  von  Arterien  an  verschiedenen  Stellen  ab.  Bei  den  Amphibien 
entspringt  die  Arteria  coeliaco-mesenterica  aus  dem  Ende  des  linken 
AorleDbogens.  Ebenso  ist  bei 


Fig.  III. 


den  Rsplilien  (Saurier, 
Schildkrttten]  das  mit  dem 
rediten  Aortenbogen  nur 
dQroh  einen  engen  Ganal 
verbundene  Ende  des  linken 
tur  Vertheilung  an  den  Ein- 
geweiden  bestimmt,  oder  es 
bestehen  mehrTache  Einge- 
weide-Arterien (manche  Sau- 
rier], die  besonders  bei  den 
Schlangen  in  Anpassung  an 
die  gestreckte  KOrperform 
sehr  zahlreich  sind.  Auch  Iiei 
den  Crocodilen  sind  die  Ver- 
zweigungen des  linken  Aor- 
tenbogens (vergl.  Fig.  307. 
ffl),  der  gleichfalls  mit  dem 
rechten  duroh  einen  engen 
Ductus  cofnmunicirt,  nur  auf 
einen  Theil  des  Verdauungs- 
apparales  verbreitet,  und  von 
der  tmpsaren  Aorta  ent- 
springen selbsUndige  Me- 
senterislarterien.  Hit  dem 
Schwinden  des  linken  Aor- 
tenbogens bei  den  Vögeln 
gibt  die  ForlseUsung  des  den 
rechten  Aortenbogen  darstel- 
lenden Stammes  eine  Arteria  coeliaca  und  mesenlerica  superior  ab, 
wosu  noch  eine  aus  dem  Endstücke  der  Aorta  (Sacralis  media)  stam- 
mende Hesenterica   inferior  kommt. 


Fig.  Kl.  Artor)«llei  OeflUMyalem  von  Podicepl  orlslalui.  a  Aorlen- 
alamn).  a'  Aorta  desceodeikS.  t  Art.  subclavia,  ae  Art.  Carolin  primari«.  aoler 
den  Processus  spinosl  anteriores  hin  durchtretend,  aa  Art.  cutanea  abdoroinis. 
aC  und  »(' Art.  thoraclBRsInIgtrae.  oi  Art.  ischiadlca.  o^  Art,  hypogastricee.  (w  Art. 
sacralis  media,  p  Der  linlteM,  pecloralis  major.  I  Trachea.  dCloake.  (Nach  Baiikow.j 


646  Wirbelthiere. 

Die  Coeliaca  und  Mescnterica  superior  bilden  bei  den  Sl^ugeihiereii 
die  Hauptarterien  des  Darmcanals.  Eine  Mesenterica  inferior  kommi 
erst  bei  den  placentalen  Süugeihieren  als  bedeutenderer  Gefosastamm 
zum  Vorschein. 

Die  bei  den  Fischen  mehrfachen  Rena larterien  bewahren  dieseg 
Verhalten  bei  Amphibien  wie  bei  den  meisten  Reptilien,  selbst  bei  den 
Vögein  bestehen  noch  mehrere  Nierenarterien,  von  denen  eine  iBittlere 
aus  der  Arteria  ischiadica  entspringt.  Ausnahmswnse  komral  die 
Mehrfachheit  dieser  Arterien  auch  noch  bei  Säugethieren  ver,  die 
in  der  Regel  nur  eine  Nierenarterie  jederseits  von  der  Aorla  afageheo 
lassen. 

Die  Arterien  der  hinteren  Gliedmaassen  erscheinen  erst  nach  der 
grösseren  Ausbildung  dieser  Theile  als  directe  Aeste  der  hinteren  Aorta. 
Die  beiden  fUr  diese  Theile  bestimmten  HauptsUkmme  sind  uUAA  imoier 
dieselben  und  wie  aus  den  Lagerungsbeziehungen  zum  Reek^i  her- 
vorgeht, können  verschiedene  Aeste  das  Gebiet  jener  Arterien  ver- 
sorgen. Rei  den  Reptilien  und  Vögeln  sind  die  Arteriae  ischiadieae 
die  Hauptstämme  der  Hinterextremitüten,  die  bei  den  Säugetbieren  von 
der  Arteria  cruralis  versorgt  werden.  Im  specielleren  Verhalten  bestehen 
bei  den  Säugethieren  zahlreiche  Modificationen ,  die  hier  von  unter- 
geordneter Bedeutung  sind. 

Veneasysteoi. 

§  434. 

Das  Venensystem  der  Wirbelthiere  bietet   durch  zahlreiche^    von 
den   Fischen   bis   zu  den  SHugothicren    hin    wahrnehmbare  Umwand- 
lungen nicht  minder  wichtige  Erscheinungen,  als  das 
Fig.  313.  arterielle  Gebiet  der  Blutbahn.     Das  zum  Herten  au— 

rückkehrende  Blut  sammelt  sich  bei  den  Fischen  in 
vier  Längsstämme,  zwei  vordere  und  zwei  faintere* 
Die  jeder  Seite  treten  in  einen  Querstamm  (Ductus  Gu-- 
Vieri.  Fig.  343.  de)  über,  der  mit  jenem  der  anderen 
Seite  in  einen  hinter  dem  Vorhofe  des  Herzens  ge- 
lagerten Sinus  [sv]  einmündet.  Das  vordere  vorsttg— 
lieh  das  Venenblut  des  Kopfes  sammelnde  Paar  bildel 
die  über  den  Kiemenbogen  gelagerten  Jugularvenen 
(7),  das  hintere  Paar,  welches  die  Venen  derRumpf-- 
wand,  der  Nieren  und  auch  der  Geschlechtsorgane 
aufnimmt,  die  Cardinal venen  (c)  (vergl.  aiiob 
Fig.  303) ;  eine  unpaare  Caudalvene  unter  der  Arterie 
im  Caudalcanal  verlaufend,  theilt  sich  bei  den  Cyclostomen  und  den 
Selachiern,   auch   noch   bei  n>dnchen  Teleostiem   in  zwei  in   die  Gar- 

Fig.  313.     Schema    des    primitiven    Venensystems.    J   JugDl^nreoe. 
c  Cardioalvene.     de  Ductus  Cuvieri.    h  Venae  hepaticae.   w  Sinus  veuosus. 


Venensystem.  647 

dtDsIvenen  der  betreflenden  Seite  sich  fortsetzende  Aeste.  Bei  vielen 
Teleostiern  selzt  sich  diese  Caudalvene  mit  einem  stärkeren  Aste  in 
die  rechte,  mit  einem  schwächeren  in  die  linke,  dann  meist  gleich- 
falls schwache  Gardinalvene  fort.  Daraus  leitet  sich  der  Uebergang 
der  ganzen  Gaudalvene  in  die  rechte  Gardinalvene  ab,  wie  solches  bei 
einer  Anzahl  von  TeleosUem  beobachtet  *ist. 

Indem  die  Gaudalvene  in  die  Niere  Zweige  absendet,  die  bald  voll- 
standig,  bald  theilweiae  in  diesem  Organe  sich  auflösen,  bilden  diese 
Venae  renales  advehentes,  welche  durch  Venae  revehentes  in  die  Gar- 
dinalvenen  münden,  einen  Pfortaderkreislauf  der  Niere.  Ein 
zweiter,  ähnlich  sich  verhaltender  Geftssapparat  wurzelt  am  Darm 
und  fuhrt  das  Venenblut  desselben  durch  einen  als  Pfortader  be^ 
zeichneten  Gef^ssstamm  zur  Leber.  Darin  vertheilt,  wird  es  durch 
meist  zu  mehreren  Stämmen  vereinigte  Lebervenen  zum  gemeinsamen 
Vcnensinns  geleitet. 

An  dieser  Anordnung  des  Venensystems  der  Fische  können  wir 
den  paarigen,  meist  symmetrisch  erscheinenden  Abschnitt  von  dem 
nur  durch  die  Lebervenen  dargestellten  unpaaren  Abschnitt  unter- 
scheiden, und  wollen  zunächst  den  ersteren  in  seinen  Umwandlungen 
durdi  die  Wirbeltbicrreihe  verfolgen,  da  er  bei  Allen  wenigstens  in 
den  wesentlichsten  Zügen  sich  in  frühen  Entwickelungsstadien  als  ver- 
erbte Einrichtung  wieder  vor6ndet,  und  als  die  Grundlage  des  em- 
bryonalen Venensystems  den  Ausgangspunct  für  spätere  Umgestaltungen 
abgibt. 

§  435. 

Bei  den  Amphibien  und  Reptilien  nimmt  der  Venensinus  die 
beiden  Jugularvenen  auf,    welche  das  gleiche  Ursprungsgebict  wie  hei 
den  Fischen   besitzen.     Sie  persistiren   von  da   an 
bei  allen  Wirbelthieren,  während  das  hintere  Venen-  Fig.  3U. 

paar,  die  Cardinal venen  (Fig.  314.  vc),  nur  während 
der  ersten  Embryonalperioden  in  einem  mit  den 
Fischen  tü>ereinstiminenden  Verhalten  vorkommt. 
Sie  sind  die  Venen  der  Primordialnieren  ({/).  ihr 
vordei*er  Abschnitt  obliterirt,  und  ihr  hinterer  stellt, 
Venen  anderer  Gebiete  aufnehmend,  Venae  renales 
advehentes  vor.  Schon  vor  dem  Schwinden  des 
in  die  Guvisa'schen  Gänge  einmündenden  Theiles  der 
Gardinalvenen  entstehen  bei  den  Reptilien  vier  andere 
Stäfluue,  welche  vorzüglich  Intercostalvenen  auf- 
nehmen und  als  Venae  vertebrales  bezeichnet  werden.     Die    vorderen 

Fig.  8U.  Vorderer  Abschnitt  des  Venensystems  eines  Seh  langen -Embryo, 
t;  Henkaminer.  6a  Balbus  orteriosus.  c  Vorhof.  DC  Linie  er  Ductus  Cuvieri. 
ve  Linke  Gardinalvene.  t^'  Linke  Jngiilarvene.  vu  l]mbilicalvene.  U  Urniere. 
l  Labyriotbanlage.     (Nach  Rathkk.) 


648 


Wirbellhiere. 


und  hinteren  jeder  Seite  vereinigen  sieb  und  münden  in  die  Jugular- 
vene  ihrer  Seite  ein.  Die  Verbindung  mit  der  linken  Jugularvene 
schwindet  später,  worauf  die  linken  Vertebralvenen  unter  Entwickelung 
von  Queranastomosen  mit  den  rechten  sich  vereinigen,  und  wie  diese 
in  die  rechte  Jugularvene  einmünden. 

Mit  dem  Aufhören  der  Verbindung  der  Gardinalvenen  mit  den 
CuviER'schen  Gängen  erscheinen  diese  als  Fortsetzungen  der  Jugular- 
venen,  welche  die  von  den  Vordergliedmaassen  kommenden  Subclavim 
aufnehmen,  und  als  obere  Hohl  venen  bezeichnet  werden.  Die  aus 
den  Körperwandungen  das  Blut  sammelnden  Vertebralvenen  sind  nur 
während  des  Embryonalzustandes  in  grösserer  Ausdehnung  vorhanden 
und  erleiden  meist  eine  bedeutende  Rückbildung.  Auch  ihre  Ursprünge 
lieh  paarige  Anordnung  wird  aufgegeben  (Schlangen) ,  und  der  grösste 
Theil  ihres  Gebietes  ordnet  sich  der  Vena  cava  inferior  unter. 

Wesentlich  ähnliche  Einrichtungen  treffen  wir  bei  den  Vögeln. 
Ein  Paar  Jugularvenen ,   häufig,   wie  es  schon  bei  den  Schlangen  der 


Fig.  345. 


m 


IV 


Fall  war,  in  ungleicher  Ausbildung,  bildet  die  Hauptstämme  für  das 
aus  den  vorderen  Körpertheilen  rUckkehrende  Blut.  An  der  Schädel- 
basis sind  sie  meist  durch  einen  Qaerstamm  mit  einander  verbunden, 
der  gleichfalls  vom  Kopfe  wie  von  der  Haiswirbelsäule  Venen  eintreten 
lässt.  Mit  der  Rückbildung  der  linken  Jugularvene  bildet  dieser 
Querstamm  die  Bahn  für  die  Ueberleitung  des  Blutes  in  die  rechte. 
Die  Vertebralvenen  sind  dabei  zu  unansehnlichen  Gef^ssen  geworden. 
Die  Jugularvenen  vereinigen  sich  mit  den  in  die  Subclavien  zus^ammen- 
tretenden  Venen  der  Vorderextrem i tat  und  die  beiden  dadurch  ent- 
stehenden Stämme  erscheinen  wieder  als  obere  Hohlvenen.  Indem  diese 
noch  hintere  Vertebralvenen  aufnehmen,  gibt  sich  ein  Abschnitt  von 
ihnen  als  aus  den  bei  den  Fischen  persistirenden  Querstämmen  (Ductus 
Cuvierij  hervorgegangen  zu  erkennen.    Diese  Hohlvenen  münden  jedoch 

Fig.  315.  Verhallen  der  grossen  Venenstäni  me  am  Herzen.  I  Reptil 
(Python).  11  Vogel  (Sarcorhamphus).  III  Beute  Ubier  (Halmaluras).  IV  Seh  wein. 
Sämmllich  von  hinten  dargestellt,  t  Vena  Cava  inferior.  «  Vena  cava  superior 
sinisira.  d  Vena  cava  superior  dextra.  ap  Arteria  pulmonalis.  a  Aorta,  «v  Siovs 
venosus. 


VancBsystem. 


649 


getrennt  in  den  rechten  Vorhof  ein,  da  der  noch  bei  den  Reptilien 
vorhandene  Sinus  (vergl.  Fig.  315.  I.  sv)  in  die  Wand  des  Vorbofs 
tiberging,  und  somit  einen  Theil  desselben  bildet.  Von  diesem  Ein- 
treten ursprunglich  ausserhalb  des  VorhoCs  gelagerter  Theiie  in  die 
rechte  Vorhofswand  sind  im  Innern  noch  Andeutungen  wahrsunehmen. 
Was  die  Vertebralvenen  betrifll,  so  nehmen  dieselben  bei  den  Vögeln 
ihren  Verlauf  in  einem  von  den  Rippen  umschlossenen  Canal,  so  dass 
sie  sich  dadurch  schon  als  von  den  Cardinalvenen  zu  sondernde  Ge-* 
ttsse  darstellen. 

§  436. 

Die  Anlage  des   Venenapparates   der  SSugethiere    stimmt   mit 
jenem  der  niederen  Wirbelthiere  vollkommen  Uberein.     Zwei  Jugular- 
venen  (Fig.   313)  nehmen  Cardinalvenen  auf,    und   die  jederseits  ge~ 
bildeten   gemeinsamen  Stämme   treten  in  einen  Venensinus,   der  sich 
mit  dem  Vorbofe  verbindet,   und  spater  bei   der  Scheidung  des  Vor- 
hofes  in  den  rechten  Vorhof  aufgenommen  wird.     In  letzteren  münden 
alsdann  zwei  discrete  Venenstämme,   von   denen  jeder  in  einen  vor- 
deren stärkeren  und   hinteren  schwächeren  Stamm   sich  fortsetzt.     In 
den  vorderen  (Fig.  316.  A]  senken   sich  mit  der  Rildung  der  Vorder- 
extremitäten die  Venae  axillares  oder  subclaviae  [s]  ein,  und  die  beiden 
aus  dieser  Verbindung  ge- 
bildeten Venenstämme  wer-  Fig.  S46. 
den  als   obere  Hohlvenen              a              .         B  C 
(Venae  cavae  sup.)  unter- 
schieden. 

Das  Gebiet  der  Car- 
dinalvenen wird  mit  der 
EntWickelung  des  Systems 
der  unteren  Hohl  venen  all- 
mählich beschrankt,  indem 
ein  Theil  des  durch  die 
Cardinalvenen  gesammel- 
ten Blutes  der  unteren 
Hohlvene  zugeleitet  wird. 
Dabei  erleiden  die  Car- 
dinalvenen selbst  eine  Rückbildung  durch  Uebergang  eines  Theiles  ihrer 
Wurzeln  in  neue  Längsvenenstämme,  die  wieder  wie  bei  den  Reptilien  die 

Fig.  316.  Umwandlung  des  primitiven  paarigen  Venensyslems  bei  Säuge- 
t liieren.  A  Die  Vertebralvenen  sind  an  die  Stelle  eines  Theiles  der  Cardinal- 
^  venen  getreten ,  welche  durch  puncUrte  Linien  angedeutet  sind.  B  Die  Unke  pri- 
mitive Jugalarvene  ist  an  ihrem  unleren  Abschnitle  rückgebildet,  ihr  Gebiet  ist 
durch  einen  Querstamm  mit  der  rechten  vereinigt.  C  Die  linke  Jugularvene  ist  mit 
dem  Ductus  Cuvieri  bis  auf  ein  dem  Herzen  anliegendes  Rudiment  verschwunden,  das 
Gebiet  der  rechten  Vertebralvene  ist  in  das  der  linken  aufgenommen.  /  Jugular- 
vene. f  Vena  subclavia,  a  Vena  cava  superior.  c  Cardinalvene.  v  Vertebral- 
vene.   cor  Vena  coronaria.    os  Veoa  azygos. 


650  Wirbelthlere. 

Vertebralvenen  vorstellen,  und  in  das  in  den  GtviER^scben  Gang  müDdende 
Ende  der  CarcßDalvenen  fortgesetzt  sind.  Durch  die  Minderung  ihres  Ge- 
bietes erscheinen  diese  Vertebralvenen  (Fig.  316.  A.  B.  t>.)  wie  Zweige 
der  aus  den  CuviBR^schen  Gängen  und  den  Jugularvenen  entstandenen 
Stämme,  eben  der  oberen  Hohlvenen.  Sie  bestehen  bei  Monolremen, 
Beuielthieren ,  vielen  Nagern  und  Insectenfressern  fort.  Bei  Anderen 
wird  durch  £ntwidLelung  der  Queranastoniosen  ein  Thoil  des  vorher 
der  liaken  oberen  Hohivene  (Fig.  346.  B)  zugefuhrten  Blutes  in  die 
rechte  (es)  übergeleitet,  wobei  der  linke  obere  Hohlvenenstamm  sieh 
rUckbildet  (Nager,  Wiederkäuer,  Einhufer] .  Bei  vollständiger  Ausbildung 
dieses  Verhältnisses  schwindet  der  grösste  Theil  des  Stammes  dieser 
Vene  und  es  besteht  von  ihr  nur  der  ursprünglich  den  linken  Ductus 
Cuvieri  bildende,  zwischen  linker  Kammer  und  Vorkammer  gelagerte 
Endabschnitt  (Fig.  316.  C.  cor),  in  welchen  die  Uerzvenen  mUnden, 
als  Sinus  der  Kranz vene  des  Herzens  fort.  Eine  halbringförmig^  Falle 
scheidet  diesen  Sinus  auch  beim  Menschen  von  der  eigentlichen  Kranz- 
vene, und  die  an  seiner  MUndung  in  die  rechte  Vorkammer  liegende 
Valvula  Thebesii  ist  eine  Zeit  lang  Klappe  der  linken  oberen  Hohlvene. 
Die  rechte  obere  Hohivene  ist  dann  der  einzige  vordere  Hauptstamm 
geworden  (Getacecn,  Carnivoren,  Primaten). 

Mit  der  Reduction  des  linken  oberen  Hohlvenenstammes  erleiden 
auch  die  Cardinaivenen  oder  die  aus  ihrem  Gebiete  hervorgegangenen 
Vertebralvenen  bedeutende  Veränderungen.  Wahrend  sie  in  dem  ersten 
Falle  jederseils  in  die  bezügliche  Hohlvene  münden  (Fig.  346.  ^4),  und 
auch  im  zweiten  durch  Ausbildung  einer  rechten  Hohlvene  gegebenen 
Fälle  von  der  linken  Seite  her  selbständig  in  den  rechten  Vorhof 
treten  (B) ,  wird  mit  der  Reduction  dieses  zum  Herzen  verlaufenden 
Abschnittes  eine  Verbindung  mit  der  rechten  Vertebraivene  eingeleitet. 
Die  linke  Vertebraivene  setzt  sich  durch  Queranastomosen  mit  der 
rechten  in  Zusammenhang,  und  diese  wird  nach  Auflösung  der  Ver- 
bindung des  oberen  Endes  mit  der  linken  oberen  Hohlvene  zur  Vena 
hemiazygos,  wahrend  die  rechte  in  ihrem  früheren  Verhalten  wenig- 
stens der  Lage  nach  fortdauernd,  zur  Vena  azygos  wird  (Fig.  348). 
Beim  Bestehen  zweier  oberer  Hohlvenen  bleiben  die  beiden  Cardinai- 
venen nicht  immer  unverändert,  vielmehr  überwiegt  auch  hier  häufig 
der  eine  Stamm  über  den  anderen,  der  bis  zum  Verschwinden  redu- 
cirt  sein  kann.  Dann  entsteht  eine  von  beiden  Seiten  her  Interoostal« 
venen  aufnehmende  Vena  azygos,  welche  bald  in  den  linken,  bald  in 
den  rechten  oberen  Hohlvenenstamm  oder  auch  in  die  einzige  obere 
Hohivene  einmündet,  z.  B.  bei  Carnivoren   (Fig.  316.  C.  as). 

Bei  den  meisten  Säugethieren  werden  die  Wurzeln  der  Jugular- 
venen aus  zahlreichen,  von  äusseren  und  inneren  Kopftheilen  kommen- 
den Venen  gebildet,  von  welchen  eine  einen  Theil  des  Blutes  aus  der 
Schädelhöhle  durch  das  Foramen  jugulare  ableitet.  Sie  stellt  nur  ein 
untergeordnetes  Gefäss  dar,  indem  die  Hauptausfuhr  jenes  Blutes  duitli 


Venemyslcm.  651 

eineo  twtscfaen  Pelrosum  und  Squamosnin  oder  nur  in  letiterem  ge- 
lagerten Ganal  (Ganalis  temporalia)  stalifindet.  Unter  Erweiterung  des 
Foramen  jugulare  wird  bei  anderen  die  dort  beginnende  Vene  stfli^er 
und  gewinnt  allmfthlich  ttber  die  anderen  aoa  dem  Schttdel  leitenden 
Bahnen  die  Oberband,  wobei  sie  sich  zu  der  bei  den  Primaten  vor- 
kommenden Vena  jugularis  interna  gestaltet.  Die  ttbrigen  Venen  ver- 
einigen sich  allmählich  zur  Jugularis  externa ,  welche  bei  den  meisten 
Süugethieren  die  vorherrschende  bleibt. 

» 

§  437. 

Das  zweite  grosse  Venengebiet  beginnt  sehr  unansehnlich  bei  den 
Fischen,  indem  es  dort  einzig  durch  die  Lebervenen  vorgestellt  wird, 
die  zu  mehreren  oder  in  einen  Slamm  vereinigt  in  den  gemeinsamen 
Venensinus  einmünden.  Mit  der  Verminderung  des  GebietsumEanges 
der  Gardinalvenen  bildet  sich  im  Zusammenhange  mit  den  Lebervenen 
ein  neuer  Bezirk,  jener  der  unteren  Hohlvene,  der  schon  bei 
Amphibien  entsteht.  Derselbe  Venenstamm  sammelt  Blut  aus  der 
Niere  und  wird  damit  zur  Vena  renalis  revehens  (Fig.  347.  A.  et).  Das 
Blut  aus  den  Hinterextremitaten  tritt  in  eine  Vena  iliaca  {A.  t),  welche 
bei  den  urodelen  Amphibien  jed^rseits  einen  Ast  der  sich  spaltenden 
C^udalvene  aufnimmt.  Sie  bildet,  in  die  Niere  sich  auflösend,  eine 
Vena  renalis  advehens.  Ein  Zweig  der  Vena  iliaca  tritt  gegen  die  Me- 
dianlinie des  Abdomen  und  nimmt  von  der  sogenannten  Harnblase  Ve- 
nen (Fig.  317.  A,  o)  auf,  worauf  er  sich  mit  jener  der  anderen  Seite 
za  einem  unpaaren  zur  Leber  verlaufenden,  und  damit  dem  Pfortader- 
system sich  verbindenden  Slamm  (a)  Vena  epigastrica,  Vena 
abdominalis)  vereinigt.  Die  Venen  des  Darmcanals  und  der  Milz 
sammeln  sich  zu  einem  Pfortaderstamme ,  der  längs  der  Leber  sich 
auflost. 

Der  hintere  Abschnitt  des  Venensyslems  der  Reptilien  bildet 
sich  nach  Auflösung  des  Systems  der  Gardinalvenen  zunächst  aus  dem 
Stamme  der  Lebervenen  und  den  rUckftlhrenden  Venen  der  Nieren. 
Daraus  entsteht  der  Stamm  einer  unteren  Hohl  veno  (Fig.  317.  £.  ci), 
die  unter  der  rechten  oberen  Hohlvene  in  den  gemeinsamen  Venensinus 
einmündet.  In  den  einzelnen  Abtheilungen  der  Reptilien  bestehen  je- 
doch mannichfaohe  ModiBcationen,  und  nur  die  Saurier  und  Ophidier 
zi^igeii  noch  manchen  engeren  Anschluss  an  die  Verhältnisse  des  Venen- 
s»pp«rates  der  Amphibien.  Die  Gaudalvene  theilt  sich  in  zwei  Stämme, 
welche  bei  den  Eidechsen  Venen  der  hinleren  Extremitäten  aufnehmen 
und  Venae  renales  advehentes  vorstellen,  indem  sie  sich  schliesslich 
in  den  Nieren  vertbeilen.  Mil  diesen  Venen  verbinden  sich  Venen  der 
Wirbelsäule.  Aehnlich  verhalten  sich  auch  die  Crocodite,  deren  Vena 
caudalis  (Fig.  317.  B.  c)  gleichfalls  sich  ibeilt,  dann  aber  einen  die 
Venae  renales  advehentes    (ra)   absendenden  Querstamm   bildet.     Dia 


6S2 


Wirbellhiere. 


Venae  renales  revehentes  bilden  bei  allen  diesen  einen  vor  der  Wirbel- 
säule verlaufenden  Stamm  und  in  der  Niere  besteht  ein  Pfortaderkreis- 
lauf,  der  nur  bei  den  Schildkröten  lu  fehlen  scheint. 

Ein  anderes  Venengebict  der  Reptilien  wird  durch  die  Venae 
epigastricae  oder  abdominales  dargestellt,  die  aus  einem  em- 
bryonalen   Venenapparate    hervorgehen.      Mit    der    Entwickelung   der 


Allanlois  bildet  sich  aus  dem  dieselbe  begleitenden  tietHssnetze  ein 
Venenpaar  aus,  welches  anfänglich  (nach  Hathke  bei  der  Natter]  mit 
den  Enden  der  Cuvteii'scben  Günge  zusammen  ausmündet.  Diese  Venae 
umbilicales  nehmen  von  der  Bauchwand  her  Venen  auf,  und  stehen 
zugleich  mit  der  Bildung  des  prortaderkreislaufs  der  Leber  in  Verbin- 
dung. Bei  den  Schlangen  verschwindet  diese  Umbilicalvene,  nachdem 
die  in  sie  einrnflndenden  Venen  der  Bauchwand  sich  in  einen  Flexas 
aufldsten,  dagegen  bleibt  bei  den  Eidechsen  eine  der  Umbilicalvenen 
mit  ihrem  Endabschnitte  bestehen  und  bildet  mit  den  tn  sie  munden- 
den Bauchwandvenen  eine  Vena  epigaslrica,  die  auch  von  der  Harn- 
blase Venen  empfüngt  und  nach  vorn  zur  Leber  zieht. 

Bei  Crocodilen  und  Schildkröten  bleiben  die  Enden  der  zwei  Un>- 
bilicalvenenstamme  bestehen  und  werden ,  da  die  Venen  der  Bauch- 
»and  sich  in   sie  fortsetzen,    zu  Theilen  der  Venao  epigastricae.     Wie 

l'ig.  117.  Hinterer  Abschnitt  des  Venons^BleiDS.  A  vom  Frosch,  B  Alli- 
}:atDr,  C  Vogel.  Bezeiclioung:  H  Nieren,  e  (unpaRrer  Slamro)  Caudolvene. 
c  Vena  crurnlis.  i  Vena  ischisdica.  v  Venae  ve.siccilcs.  a  Vena  epigaslrica  (at>- 
dootinalis).  m  Vena  cuccygeo  -  mesenlerica.  ra  Vena  renalis  advehens-  rr  Vena 
censlis  revehens.  ei  Vena  Cava  inferior.  A  in  ^  und  C  Vena  hypognsirica ,  In  B 
Ende  d«r  VeDa  eptgastrics  in  der  Leber. 


Venensystem.  B53 

die  einfachen  Venen  der  Amphibien  nnd  Eidechsen  treten  auch  sie  xur 
Leber,  und  verbinden  sich  bei  den  Grocodilen  mit  Aesten  der  Pforl- 
ader,  indess  sie  bei  den  SchildkrJ^ten  sich  von  beiden  Seiten  her  in 
einen  Querstamm  vereinigen,  der  die  hier  nicht  zu  einem  Pforlador- 
stamme  vereinigten,  einzelnen  Venae  intestinales  aufnimmt.  In  beiden 
Fällen  vertheilen  sie  sich  in  der  Leber,  gehören  somit  zum'  Pfortader- 
systeroe  derselben.  Bei  den  Grocodilen  wie  bei  den  Schildkröten  gehen 
die  Venae  epigastricae  (Fig.  317.  B.  a)  aus  den  beiden  Aesten  der 
Caudalvene  (c)  hervor  und  nehmen  die  Gruralvene  (c)  auf,  sowie  vor- 
her die  Venae^  ischiadicae.  Da  aber  bei  den  Grocodilen .  auch  die  Venae 
renales  advehentes  aus  der  Gaudalvene  und  der  Vereinigung  derselben 
mit  den  Venae  ischiadicae  entspringen,  so  wird  hier  ein  Theil  des 
aus  dem  hinteren  Körperabschnitte  kommenden .  Venenblutes  in  den 
Pfortaderkreislauf  der  Niere  übergeführt,  und  das  übrige  in  jenen  der 
Leber.  Bei  den  Schildkröten  dagegen  wird  bei  dem  Mangel  zuführen- 
der Nierenvenen  das  gesammte  Blut  aus  dem  hinleren  Körperende 
in  die  Leber  geleitet,  indem  in  die  Venae  epigastricae  auch  noch  Verte- 
hralvenen  einmünden. 

§  438. 

Manche  der  bei  den  Reptilien  bestehenden  Venen  erscheinen  bei 
den  Vögeln  als  vorübergehende  Bildungen.  Die  untei'e  Hohlvene 
(Fig.  347.  C.  et)  setzt  sich  auch  hier  aus  zwei  aus  den  Nieren  kom- 
menden Stämmen  zusammen,  weiche  jedoch  die  Venen  der  hinteren 
Gtiedmaassen  (c)  aufnehmen  und  bei  der  Grösse  dieser  Geßissa  als 
Portsetzungen  derselben  betrachtet  werden  können.  Ausser  den  in 
den  Nieren  wurzelnden  Zweigen  verbinden  sich  mit  diesen  Stämmen 
noch  zwei  Venae  hypogaslricae  (A),  an  der  Wurzel  des  Steisses  durch 
eine  Queranaslomose  verbunden,  welche  von  hinten  her  die  Gaudal- 
vene (c)  aufnimmt  und  nach  vorne  eine  zur  Vena  mesenterica  ziehende 
Vene  (m)  (Vena  coccygeo-mesenterica)  abgibt.  Die  letztere  ist  auch 
bei  den  Grocodilen  als  ein  weiter  Venenstamm  vorhanden,  der  mit 
dem  die  beiden  Aeste  der  Gaudalvene  verbindenden  Querstamme 
anastomosirt,  und  so  einen  Theil  des  aus  dem  Schwänze  oder  aus  den 
Hinterextremitäten  kommenden  Venenblutes  vom  Nierenpfortaderkreis- 
taufe  ableitet. 

Die  bei  den  Vögeln  bestehende  Anordnung  der  Venen  in  den  Nie- 
ren macht  einen  Pfortaderkreislauf  in  diesen  Organen  möglich,  dessen 
Existenz  jedoch  des  sicheren  Nachweises  noch  entbehrt.  Bei  den 
Säugethieren  ist  er  verschwunden.  Die  Verhältnisse  der  Umbili- 
calvenen  und  der  Venae  omphalo-mesentericae  sind  jenen  der  Reptilien 
ähnlich.  Doch  scheinen  im  Einzelnen,  selbst  für  die  grösseren  Stämme 
manche  Abweichungen  zu  bestehen.  Sehr  frühzeitig  bildet  sich  die 
von  den  Nieren  und  den  Keimdrüsen  das  Blut  sammelnde  untere  Hohl- 
vene  (Fig.  348.  ci)  aus,   welche  mit  den   vereinigten  Dmbilicalvenen 


61» 


Wirbelthien. 


Fig.  H8. 


xusaminealritt,  und  aa/db  dem  Schwinden  dw  rechlen  UmbJKralvflne 
die  linke  aufoimmt.  Hit  dem  Ende  des  Hohl veaeDstsmmes  (Fig.  318. 
ci]  verbinden  sidi  nach  Aufk)sun(;,der  Cardinalvenen  (c]  die  Venen  des 
Bediens  {ht/)  und  der  hinleren  Exti-emiuit  [t'/j,  und  ebenso  die  Cae- 
dalvene.  Zur  Zeil,  da  die  Umbilicalvene  den  grflssten  VenensUBMn 
voi-stellt,  erscfaeint  die  Cava  inferior  nur  wie  ein  Zwei);  desselben.  An 
der  EinlrUlsslelle  der  Umbilicalvene  in  die'  Leber  Ul- 
den  sich  Aeste  in  lelzteres  Organ,  wUhrend  gteicfc- 
zeitig  ilhnliche  Zweige  aus  der  Leber  in  die  Vereioi- 
gungsslelle  der  ümbtlicalveDe  mit  der  Cava  inferior 
treten;  letztere  stellen  die  Lebervenen  vor.  Dadurcb 
wird  der  ITorladerlL reislauf  in  der  Leber  augebahnt, 
und  indem  das  aus  der  Umbilicalvene  dem  Henau 
lugefahrte  Blut  den  Umweg  durch  die  Leber  macbl, 
bildet  sich  das  zwischen  ein-  und  ausführenden  Ve- 
nen li^ende  StUck  der  Umbilicalvene  zarllck,  um 
den  Ductus  venosus  Aranlü  vorxustellen.  Das 
die  Hesenleriutvenen  aufnehmende  StUck  der  Vena 
ompbato-mesenterica  wird  dabei  zum  Stamme  der 
PforUider,  während  die  von  der  Umbilicalvene  in  die 
Leber  gebildeten  Aeste  nach  Oblilerirung  des  DucUis 
Aranlü  die  Aesle  der  Pforlader  vorslelleo.  S*  wird 
die  untere  Hohlvene  lum  hinteren  äauplslMnme ,  in 
welchen  die  Venen  des  Beckens,  der  hinteren  Extre- 
mitiHen,  der  Nieren  und  der  Gescblechisorgane  einmünden,  iodess  die 
Venen  des  Darmcanais  und  der  Mili  die  Pfortoder  bilden. 


§  439. 

Die  VerUieilung  der  BlulgefUsse  im  Kitrper  geschieht  in  der  Regel 
unter  allmählicher  Verilsletung  der  einzelnen  Stamme,  bis  dann  aus 
den  feinsten  Verzweigungen  der  Arterien  und  Venen  das  System  der 
Capiliaren  hervorgeht,  beiderlei  Blutge^sse  mit  einander  verbindend. 
Abgesehen  von  den  eigenthumliclien  Einrichtungen,  wie  sie  die  Schwelt- 
kOrper  und  andere  erectile  Organe  besitzen,  oder  wie  sie  in  den  von 
knöchernen  Wandungen  umschlossenen,  oft  mehr  lacnnSren  BhArJisneo 
bestehen,  herrscht  im  Biutge^ssapparale  vieler  Organe  betttglich  der 
VerUieiluag  der  Gefüsse  eine  vom  gewahnli<Aen  Verhalten  etwas  ab- 
weichende Weise.  Eine  Vene  oder  Arterie  tlieiK  sich  nXmlieh  pUHx- 
iich  in   ein  Büschel  feiner  Aeste,   die  mit  oder  ohne  Anastomosen  sich 

Fig.  HS.  Schemtder  Hauptslfimin«  des  VeoernysleBis  des  nirMifhin 
(vergl.  damit  Fig.  SIS),  ci  Vena  cava  superior.  s  Vena  subclavia,  j«  Jitgaluis 
«tterna.  ji  Jugulnris  inlerna.  ai  Vena  azygos  [rechle  hinlere  VertebraWenc}. 
hl  Vena  heniazygn^.  c  Andeulurg  der  Cardinal vtiiM'ii.  ci  Veiw  cava  Inferior. 
A  Veoae  hepaticae.     r  Venae  renales.     ■'(  Vena  illaca.     Iiy  Vena  hypo«astrica. 


Lym^geflii(88yittem.  655 


entweder  io  das  Gapiilarsystein  verlieren,  oder  sieh  bald  wieder  in 
einen  Stamm  sammeln.  Eine  solche  Gefassvertbeitung  bezeichnet  man 
seit  langem  als  Wundernetz,  Rele  mirabile.  Ihre  Bedeutung  liegt 
offenbar  in  einer  Verlangsamung  des  Blutsti'oms  und  Vergrüsserung  der 
Oberfläche  der  Gefössbahn,  woraus  eine  Veründening  sowohl  in  den 
Druck*-  wie  in  den  DifiFusionsverhSlltnissen  der  ernährenden  Fldssigkeit 
resultiren  mus*s.  Geht  aus  einer  solchen  Auflösung  eine^  Gefasses 
wieder  ein  gleichartiger  Gefässstamm  hervor,  so  nennt  man  das  Wun- 
dernetz bipolar  oder  amphicentrisch ,  bleibt  das  Getessnetz  aufge- 
löst, so  wird  die  Bildung  als  diseases,  unipolares  oder  monocentrisches 
Wundernetz  bezeichnet.  Bald  sind  nur  Arterien  oder  nur  Venen  (Rele 
mirabile  Simplex),  bald  beiderlei  Gefüsse  unter  einander  gemischt  (Bete 
mirabile  geminum  seu  conjugatum)  an  dieser  Bildung  betheiligU 

Solche  Wundernetze  flnden  sich  als  arlerieile  in  der  Pseudobranchie, 
in  der  GhorioYdea  des  Auges  der  Fische,  dann  sehr  manhichfaltig  an 
der  Schwimmblase.  Bei  Vögeln  und  Säugethieren  kommen  Wonder- 
netze im  Bereiche  der  Carotiden  und  ihrer  Zweige  nicht  selten  vor. 
Sehr  verbreitet  sind  sie  an  den  Gliedmaassen  der  Sflogethiere  (Mono- 
tremen,  Edentaten) .  Auch  im  Bereiche  der  Eingeweidearierien  kommen 
Wundernetze  sowohl  an  Arterien  oder  an  Venen  vor,  so  bildet  beim 
Schwein  die  Art.  mesenterica  ein  arterielles  Wundemetz.  Allgemein 
verbreitet  sind  arterielle  Wundernetze  an  den  Endzweigen  der  Nieren- 
arterien, wo  sie  die  MiLpiGni'schen  Glomeruli  bilden,  aus  denen  be- 
kanntlich wieder  eine  Arterie  zur  Capitlarvertheilung  auf  den  Ham- 
canälchen  hervorgeht. 

Lymphgefäss  System. 
§  440. 

Das  Vorkommen  eines  mit  dem  Blutgefässsystem  verbundenen  Ga- 
naJsystems,  in  welchem  die  auf  dem  capillaren  Abschnitte  des  ersleren 
ausgetretene  ernährende  Flüssigkeit  nach  DurchtrSnkung  der  Gewebe 
aU  Lymphe  wieder  in  den  Blutstrom  ttbergefttbri  wird,  bildet  eine 
besondere  Einrichtung  des  Wirbelthierorganismus.  Sie  scheint  mit 
weiteren  Ausbildungen  des  Körpers  verknttpft  zu  sein,  da  sie  bei 
Amphioxus  fehlt,  und  ontogenetisch  relativ  erst  spUt  MrfcutreleB  be- 
ginnt, nachdem  das  Blutgefiissystem  sowohl  in  seinem  arteriellen  als 
venösen  Abschnitte  diOerenzirt  und  in  Thfitigkeit  ist.  Eine  besondere 
Bedeutung  hat  der  am  Danncanale  wurzelnde  Abschnitt  des  Lymphge- 
Citesystems,  der  das  durch  den  Verdauungsprocess  aus  dem  Ghymus 
bereitete  Erndhrungsmaterial  als  Ghylus  atifnimmt  und  der  Blutbafan 
zufuhrt. 

Ausser  der  RUckleitung  der  Lymphe  kommt  diesem  Canalsysteme 
noch  eine  andere,  seine  anatomischen  Verhältnisse  complicirende  Ver- 
richtung zu.  In  seinen  Bahnen  sind  nflmlich  die  Keimstatten  der  Porm^ 


656  Wirbellhiere. 

element«  der  LymphflUssigkeil,  der  Lymphze)len,  eingebettet,  die  dem 
ßlute  zugeruhrt  allmäblicli  in  die  Formbestandlbeile  des-  letzteren  sich 
umwandeln. 

Dieses  Lymphgefassystcm   bietet  in  den  unteren  Abtheilungen  der 
Wirbellhiere  wenig  Seibst^lndiglteit  dar,  indem  seine  Bahn  zum  grossen 
Theile  aus  weiten,    andere   Organe,    vorzüglich   Arterien   umgebenden 
Räumen    voi^estellt    wit-d.      Die    bindegewebige 
Fig.  tm.  Arlerienscheidc  umscbliesst  zugleich  die  Lymph- 

babn.  Auch  Venen  können  von  weiten  Lymph- 
geßssen  umgeben  sein;  so  liegt  z.  B.  die  Ab- 
dominalvene von  Salamandra  in  ein  Lymphgefäss 
eingeschlossen  (Lktdig]  . 

Ausser  den  Bluigefitsse  begleitenden  Lymph- 
wegen findeti  sich  schon  in  den  unteren  Abihei- 
lungen solche  mit  selbständigerem  Verlaufe,  wie 
in  der  Haut  oder  auch  an  Abschnitten  des  Darms 
und  anderen' Eingeweiden.  Peripherisch  bilden 
die  Lympbge^sse  durch  zahlreiche  Anastomosen 
Gapillametze  oder  diese  reprSsentirende  Baume. 
Darausgehen  allmählich  weitere  Baume,  entweder 
Canäle,  oder  unregelmSssig  abgegrenzte  Sinusse 
hervor,  an  deren  Stelle  erst  bei  den  httheren  Ab- 
theilungen in   ihrem  Baue  mit  den  Venen  verwandte  Gef^sse  treten. 

Wahrend  die  Lymphbahn  von  den  niederen  zu  den  höheren  Wir- 
bcllhieren  im  Allgemeinen  eine  allmähliche  DitTerenzirung  aus  dem  La- 
cunensystem  der  Wirbellosen  ähnlichen  Bäumen  zu  einem  disliocl  ge- 
hauten Canalsysteme  wahrnehmen  lässt,  derart  dass  die  interstiUelle 
Natur  der  Lympbwege  mehr  nur  den  peripherischen  Abschnitten  zu- 
kommt :  so  erbalt  sieb  doch  allgemein  noch  eine  aus  niederen  Zustun- 
den ableitbare  Einrichtung  in  der  Bedeutung  der  Leibesböble  als  eines 
Lynlpfaraumes.  Die  Leibesböble  der  Wirbellhiere  schliesst  sich  damit 
naher  an  das  Colom  vieler  Wirbelloser  an.  Bei  der  bei  manchen 
Fischen  (StOr,  Selachier)  bestehenden  Communication  der  Leibeshohle  mit 
der  Pericardialhfihle,  wird  auch  diese  hierher  gerechnet  werden  dürfen, 
ebenso  wie  die  Pleurahöhlen  der  Säugetbiere,  die  nur  DiffereniiniDgen 
des  gemeinsamen  Coloms  sind. 


§  U1. 

Bei    den   Fischen  erscheinen    die  HauplsUimme 
Lymphsinussen.     Solcher  ßnden  sich  meist  » 


Pig.  119.  Ein  Stück  der  Aorta  einer  Schildkröte  [Chelydn]  von  «inem  weiten 
Lymphraum  umgeben,  a  Aorta,  b  Aenssere  Wand  des  Lyinpbranroea ,  bei  b'  ist 
dieselbe  eniremt,  so  dass  dax  Blutgefäss  Trei  liegl.  c  Trabekel,  welche  vom  Blnl- 
gefliss  ans  lur  Waod  des  Lymphraumes  lieben.     (Natürliche  Grosse.) 


^  Lympbgefilsssystem.  657 

ein  unpaarer  unterhalb  der  Wirbelsäule.  Der  unpaare  Stamm  theilt 
sich  nach  vorne  in  zwei  Aeste.  In  diese  Stdmme  sammeln  sich  theils 
kleinere  Sinusse,  theils  engere  CanSlle  als  Lympbgeßfsse.  Die  Verbin- 
dung mit  dem  Venensyslem  geschieht  meist  an  zwei  Stellen.  Ein 
Lymphsinus  des  Schadeis  mUndet  jederseits  in  die  betreifende  Jugu- 
larvene  ein,  und  am  Schwänze  verbinden  sich  zwei,  Seitengefcisstamme 
aufnehmende  Sinusse  durch  eine  am  letzten  Schwanzwirbel  zusammen- 
tretende Queranastomose  mit  der  Caudalvene. 

Neben  einem  sehr  entwickelten  subcutanen  Lymphraumsystem, 
weiches  besonders  bei  den  ungeschwSinzten  Amphibien  sich  über 
einen  grossen  Theil  der  Oberfläche  verbreitet,  bildet  der  subvertebrale 
Lymphraum  der  Amphibien  einen  gleich  ansehnlichen  Abschnitt.  In 
ihn  mttnden  die  Lymphgef^sse  des  Darmes  (Ghylusgebsse),  wie  der 
Ul>rigeh  Eingeweide  ein,  sowie  auch  von  den  Extremitäten  her  Verbin- 
dungen mit  Lymphgefkssen  bestehen.  Beiden  Reptilien  treten  unter 
dem  Fortbestehen  mannichfacher,  häufig  auch  subcutaner  Lymphräume 
engere  Beziehungen  zu  den  Arterien  auf,  die  Lymphgefässe  bilden  bald 
weite,  die  Arterien  umgebende  und  von  Balken  durchzogene  Rüume 
(Fig.  319),  bald  stellen  sie  jene  Blutbahnen  begleitende  Geflechte  dar. 
Letztere  lassen  sich  von  ersteren  ableiten,  indem  durch  stärkere  Aus- 
bildung jener  Balken  der  Lymphraum  in  einzelne  unter  einander  anasto- 
mosirende  Candle  zerlegt  wird.  Der  die  Aorla  umgebende  Lymphraum 
theilt  sich  bei  den  Crocodilen  und  Schildkri^ten  in  zwei  die  Venen  der 
Vorderextremita t  umgebende  Stämme,  in  welche  vom  Kopfe  und  Halse 
wie  von  den  Extremitäten  Lymphgeftisse  einmünden.  Aehnlich  ver- 
halten sich  die  Lyrophstämme  der  Vögel,  bei  denen  der  vor  der 
Aorta  verlaufende  Hauptstamm  (Ductus  thoracicus),  wie  auch  die  klei- 
neren Gefosse  eine  grössere  Selbständigkeit  hinsichtlich  ihrer  Beziehun- 
gen zu  den  Arterien  erreicht  haben.  Die  Einmündung  der  Ductus 
thoracic!  geschieht  wie  bei  den  Reptilien  in  die  oberen  Hohlvenen 
(Venae  brachiocephalicae) .  Eine  zweite  Verbindung  findet  sich  am  An- 
fange des  Schwanzes,  worin  Amphibien  und  Reptilien  übereinkom- 
men. Das  betreffende  Venengebiei  gehört  den  Venae  ischiadicac  oder 
den  zuführenden  Nierenvenen  an. 

Bei  den  Säugethieren  sind  die  Lympbgeßisse  hinsichtlich  ihrer 
Wand  noch  bedeutender  differenzirt,  obgleich  auch  hier  die  Arterien- 
scheide für  Theile  des  Lymphstroms  häufig  die  Bahnen  abgrenzt.  Sie 
bilden  auf  ihrem  sonst  meist  die  Blutgefässe  begleitenden  Verlaufe  viel- 
fache Anastomosen,  und  sind,  wie  jene  der  Vögel,  durch  Klappen  aus- 
gezeichnet. Sowohl  die  Lymphgefässe  der  hinteren  Extremitäten,  afe 
die  Ghylusgefässe  vereinigen  sich  noch  in  der  Bauchhöhle  in  einen 
selten  paarigen  Hauptstamm,  dessen  Anfang  häufig  eine  bedeutende 
Erweiterung  (Cisterna  chyli)  auszeichnet.  Daraus  setzt  sich  ein  in  den 
Anfang  der  linken  Vena  brachiocephalica  einmündender  Ductus  thora- 
cicus fort,  und  in  dieselbe  Vene  münden   beiderseitig  die  Stämme  der 

0«geiibaiir,  Orandriss.  42 


<Q58  Wirbeltbiere. 

Lympbgefässe  vorderer  Körperlbeile  (des  Kopfes  und  der  Vorderexire— 

mitätj  uud  der  Brustwand. 

In  der  Nähe  der  Einmündung  in  Venen   zeigen  die  Lymphgefilss- 

«tHmme   meist  beträchtliche  Erweiterungen,   deren  Wand  durch  einen 

Muskelbekg  ausges&eichnet  ist,  und  rythmische   Gon- 
Fg.  820.  tractionen   ausführt.     Man   bezeichnet   derartige  Ein- 

richtungen als  Lymphherzen.  Sie  sind  in  verein- 
zelten Fällen  am  Caudalsinus  von  Fischen  beobachtet, 
genauer  dagegen  bei  Amphibien  (Fröschen)  und  Rep- 
tilien (Schildkröten)  bekannt;  bei  ersteren  sowohl  an 
den  vorderen  als  an  den  hinteren  Einmündestellen 
vorhanden,  indess  bei  urodelen  Amphibien  wie  bei 
Reptilien  nur  hintere  Lymphberzen  nachgewiesen  sind. 
Diese  letzteren  kommen  unter  den  Vägeln  nur  noch 
den  Ratiten  (Strauss,  Casuar),  und  einigen  Schwimm- 
vögeln zu ,    indess  sie  'l>ei  Anderen  ihren  Mu^elbel^ 

verloren  haben  und  einfache   blasenförmige  Erweiterungen    vorstellen. 

Bei  den  Säugethieren   endlich   scheinen   derartige  Gebilde  nicht   mehr 

zur  Entwickelung  zu  kommen. 

§  442. 

Was  die  Lymphzellen  erzeugenden  Apparate  betrifft,  so  finden  sich 
hiefür  einfache  Formen  bei  Fischen  vor,  wo  im  Verlaufe  einzelner  Lympb- 
gefässe Stellen  bestehen,  an  denen  eine  Zellenproduction  in  den  Maschen 
eines  netzförmig  angeordneten  bindegewebigen  Balkenwerkes  vor  sich 
geht.  Bei  bedeutenderer  Entwickelung  dieser  Einrichtung  werden  par- 
tielle Anschwellungen  gebildet,  die  wegen  der  Beziehungen  der  Lympfa- 
gefüsse  zu  den  Arterien,  diese  begleiten.  Selbst  bei  den  höheren 
Wirbeilbieren  besteht  dieses  Verhalten,  wenn  auch  bei  der  grösseren 
Selbständigkeit  der  Lympbgefässe  die  Arterienscheiden  nicht  mehr  be- 
ständig die  Bildungsstätten  sind.  Vorzüglich  ist  es  die  Schleimhaut  des 
gesammten  Darmcanals,  deren  Lympbgefässe  mit  solchen  zellenerzea- 
genden  Stellen  in  Verbindung  sind,  die  dann  kleine  foliikelartige  An- 
schwellungen herstellen.  Sie*  finden  sich  zerstreut  oder  in  verschie- 
denen  Combinationen  gruppirt,  uud  werden  als  »geschlossene  DrUsen- 
folUkek  bezeichnet.  Am  Anfange  der  Darmwand  bilden  Gruppen  solcher 
Gebilde  die  bereits  oben  (S.  582}  erwähnten  Tonsillen,  und  auf  ein- 
zelnen Stellen  der  Schleimhaut  des  Milteldarms  dichter  bei  einander 
stehend,  bilden  sie  die  sogenannten  »PETER'schen  Drüsen«,  die  be- 
reits bei  Reptilien  vorkommen,  aber  erst  bei  Säugethieren  eine  grössere 
Verbreitung  besitzen. 

Die  Vereinigung  einer  grösseren  Anzahl  solcher  einzelnen  Follikel 
stellt   grössere  Gebilde,  Lymphdrüsen,    vor,    die  gleichfalls   in  die 

Fig.  320.     Caudalsinus  a  a.     AnastomosircDder  Querstamm  b.    Seitengefösse  c 
und  Ursprung  der  Caudalvene  d  von  Silurus  glanis.     (Nach  HmTL.) 


LymphgeAtsssystem.  659 

Bahnen  der  Lymphe  eingebettet'  erscheinen,  und  ihr  Vorkomoien  an 
den  verschiedensten  Körperstellion  besitzen  können.  Bei  Fischen,  Am- 
phibien und  Reptilien  werden  die  eigentlichen  Lymphdrüsen  noch  ver- 
misst.  Auch  den  VOgeln  scheinen  sie  nur  in  beschränkter  Weise  (am 
Halse)  zuzukommen,  und'  erst  bei  den  Säugethieren  treten  sie  allge- 
meiner auf,  sowohl  an  dem  chylusfflhrenden  Abschnitte  des  Lymph- 
systems im  Mesenterium,  als  auch  im  äbngen  Körper  verbreitet.  Bei 
einigen  Säugethieren  (z.  B.  Phoca,  Canis,  Delphinus)  sind  die  Mesenterial- 
drttsen  zu  einer  einzigen  Masse ,  dem  sog.  Pancreas  Aselli  vereinigt. 

Zn  den  iymphzellenerzeu^nden  Organen  gehört  auch  die  Milz, 
die  in  ihrem  feineren  Baue  von  den  Lymphdrüsen  nur  dadurch  ver- 
schieden ist,  dass  die  in  ihr  gebildeten  Lymphzellen  direct  iu  die  Blut- 
bahn übertreten.  Der  letztere  Abschnitt  wird  durch  ein  zwischen 
ein-  und  austretende  Gefösse  eingeschaltetes  feines  Lacunensystem 
hergestellt,  welches  den  grössten  Tbeil  der  sogenannten  Milzpulpa  bildet. 

Mit  Ausnahme  von  Amphioxus  ist  die  Milz  bei  allen  Wirbelthieren 
vorhanden  und  lagert  stets  in  der  Nachbarschaft  des  Magens,  meist  zu- 
nächst des  Cardialsackes.  Sie  erscheint  bald  als  ein  längliches  oder  rund- 
liches Organ  von  dunkelrother  Farbe,  zuweilen  wie  z.  B.  bei  manchen  Se- 
lachiern  in  eine  Anzahl  von  kleineren  Läppchen  zerfallen,  von  denen  auch 
sonst  einzelne  als  Nebenmilzen  mit  dem  grösseren  Organe  vorkommen. 

§  443. 

Die  allgemeine  Verbreitung  eines  Organs,  dessen  Bau  in  einigen 
Puncten  an  Lymphdrüsen  erinnert,  während  seine  Beziehungen  zum 
Lvmphgefässsystem  noch  völlig  dunkel  sind,  gestattet  für  dasselbe  kein 
gänzliches  Uebergehen,  und  so  mag  hier  noch  der  Thymus  gedacht 
sein.  Dieselbe  erscheint  als  ein  gleichfalls  aus  drüsenartigen  Follikeln 
zusammengesetztes  Gebilde,  welches  in  grössere  und  kleinere  Lappen 
getheilt  ist  und  seine  kleinsten  Bläschen  mit  Zellen  gefüllt  erscheinen 
lässt.  Bei  den  Selachiern  liegt  das  Organ  auf  den  Kiemensäcken, 
zwischen  diesen  und  der  Muskulatur  des  Rückens,  und  beim  Stör  und 
manchen  Teleosliern  hält  mbn  ähnliche  an  der  hinteren  oberen  Grenze 
der  Kiemenhöhle  vorkommende  Follikel  für  dasselbe  Organ.  Bei  den 
Amphibien  trifft  man  die  Thymus  als  ein  kleines  Knötchen  hinter  dem 
Winkel  des  Unterkiefers.  Aehnlich  erscheint  sie  bei  den  Reptilien, 
bei  Schlangen  und  Schildkröten  über  dem  Herzen  an  der  Carotis  ge- 
lagert, und  bei  Grocodilen  in  Uebereinstimmung  mit  den  Vögeln  (Fig. 
280.  th)  vom  Herzbeutel  bis  zum  Unterkiefer  emporreichend.  Der 
unlere  Abschnitt  ist  bei  Säugethieren  der  entwickeltere,  so  dass  sie 
nur  selten  aus  der  Brusthöhle  heraustritt.  Bei  allen  ist  sie  in  den 
Jugendzuständen  am  beträchtlichsten  entwickelt,  erleidet  dann  Rück- 
bildungen und  nur  bei  Wenigen  behält  sie  den  früheren  Umfang  auch 
im  erwachsenen  Zustande  der  Thiere  bei  (Pinnipedierj . 

4J* 


660  Wirbeltbiere. 


§  iU. 


Bis  jetzt  noch  völlig  räthselhaft  ist  ein  unter  den  Wirbelthieren 
gleichfalls  verbreitetes  Organ,  welches  in  den  höheren  Abtheiiungen 
jederseils  vor  der  Niere  lagert  und  daher  als  Nebenniere  (Glandula 
suprarenalts)  bezeichnet  ward.  Bei  den  Anamnia  sind  diese  Gebilde 
durch  die  Umhüllung  sympatBischer  Ganglien  mittels  einer  aus  zellen- 
haltigen  Schläuchen  zusammengesetzten  Corticalschichte  vertreten ,  und 
als  gelbliche  oder  weissliche  Körper  über  eine  grössere  Strecke  ver- 
theilt,  indess  sie  bei  den  Amnioten  jederseits  Eine  Masse  darstellen, 
und  in  ihrer  Marksubstanz  gleichfalls  noch  Nervenelemente  wahrnehmen 
lassen.  Bemerkensw^erth  ist  ihr  relativ  bedeutendes  Volum  während 
der  Fötalperiode  bei  Säugethieren.  Die  Bedeutung  dieser  Organe, 
welche  mit  der  Unterstellung  derselben  unter  den  anatomisch  durchaus 
unklaren  und  daher  verwerflichen  Begriff  der  sogenannten  i>Blutgefiiss- 
drüsena  in  [nichts  gefördert  wurde,  dürfte  daher  in  jeder  Hinsicht 
noch  festzustellen  sein. 


Gorrigendum. 

S.  577.     statt  Kiemenspallen  der  Aoamnia  —  Gaomen  der  Amniotea  lies:  Kie- 
menspalten  und  Gaumen  der  Amnioten. 


Umck  TOD  Breiticopf  nnd  Hfcrtel  in  L«ipxig. 


A/'